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Herausgegeben von dem unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Majestät des
= Kaisers und Königs stehenden k. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein.
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Jänner 1915
Angenommene Beitrige verden honoriert.
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sind für Form und Inhalt der von ihnen eingesandten ©
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RSCHEINT ZWEIMAL IM MONAT.
Artikel und Abbildungen verantwortlich
Die Verfasser
IX. Jahrgang
Inhalt: Englische Visionen aus dem Jahre 1913. — Fliegerwaffen. — Sturmkalender für Dezember 1914 und Jänner 1915, von
Wilhelm Krebs. (Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen.) — Der Vizepräsident des 3 rI ugs ortklub,
a
5 tmann Rupert Pflanzer, militärisch belobt. —
Frei a. — Aus Amerika. — Glacialkosmogonische Beiträge zur Physik
ARR und Privatastronom. — Das französische Mili
Die drahtlose Tele
hie und der
r Atmosphäre und der Sonne, von H. Hörbiger,
Fla e — Bücherbesprechung. — Chronik.
eg, von Dr. udewig,
Chefredakteur: Ing. A. Budau, o. ö. Professor an der k. k. Technischen
Hochschule in Wien.
Redakteur für den offiziellen und wissenschaftlichen Teil für die Dauer der Abwesenheit der Herren
Oberst Wilhelm Suchomel und Ing. Adolf Janisch: Fritz Eliyson.
Paul Bellak
Prokurist, Wien
Felix Brauneis
Ingenieur, Wien
Dr.-Ing. Walter Freiherr
v. Doblhoff
Konstrukteur an der k. k. Techni-
schen Hochschule, Wien
Eduard DoleZal
k. k. Hofrat, o. 6. Professor an der
k. k. Techn. Hochschule, Wien
Fritz Eliyson
Flugmaschinen-Konstrukteur, Wien
Igo Etrich
GroBindustrieller, Oberaltstadt
Dr. A. Hildebrandt
Luftschifferhauptmann a. D., Berlin
F. HinterstoiBer
k.u.k. Major, Wien
Raoul Hoffmann
Ingenieur, Wien
Anton Jarolimek
k. k. Oberinspektor, Königgrätz
Unter Mitwirkung von:
Dr. F. Jung
Professor an der k. k. Technischen
Hochschule, Wien
D. W. Kalser
Kapitänleutnant a. D., Charlottenburg
Richard Knoller
Ingenieur, Professor an der k. k.
echnischen Hochschule, Wien
W. Krebs
Leiter der Wetterwarte Schnelsen,
Holstein
Gustav E. Macholz
Johannisthal
Hugo L. Nikel
k. k. technischer Oberoffizial, Wien
Hans F. v. Orelli
Schriftsteller, Wien
Stephan Petroczy
v. Petrocz
k.u.k. Luftschifferhauptmann, Wien
Robert Poliak
Ritter v. Rudin
Ingenieur, Wien
J. Popper-Lynkeus
Ingenieur, Wien
Stephan Popper
Ingenieur, Wien
Franz Rebernigg
Ingenieur, Kommissär des k. k.
Patentamtes, Wien
Rudolf Schimek
k. u. k. Major d. R., Direktor der
Autoplanwerke, Wien
Dipl. Ing. C. Schmid
Lindenberg
Ludwig Schmldl
k. u. k. Rittmeister, Wr.-Neustadt
Leopold Schmidt
Ingenieur, Professor, Wr.-Neustadt
Karl Tindi
Ingenieur, Konstrukteur an der
k.k. Technischen Hochschule, Wien
Wilhelm Trabert
Professor, Direktor der Zentral-
anstalt für Meteorologie und Geo-
dynamik, Wien
Dr. C. Wieselsberger
Assistent an der Universität in
Göttingen
Englische Visionen aus dem Jahre 1913.
Schon in Friedenszeiten, da noch niemand auch
nur im Traume an die Möglichkeit eines nahen
Krieges von so gigantischen Dimensionen gedacht,
hat die »aviation in Germany« unseren Vettern
jenseits des Kanals schwere Sorgen bereitet. Man hat
es ursprünglich drüben einfach nicht für möglich
gehalten, daß ein Volk, wie das deutsche, sich mit
so kolossaler Begeisterung und Opferwillig-
keit der Förderung und Ausgestaltung der militäri-
OF
schen Luftfahrt annehmen werde und die anfäng-
lichen, bekannterweise nicht im System begründeten
Mißerfolge der a a schadenfroh belacht.
Als aber ein ganzes Volk aufstand, sein Bestes für
die gute Sache herzugeben, als der Erfolg das
patriotische, in seiner opfermutigen Art einzig
dastehende Streben einer ganzen Nation
reichlich krönte, die Leistungen der deutschen Luft-
flotte in gleicher Weise mit ihrem Umfange wuchsen,
»Der schwarze Schatten des Luftschiffes.<
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In der Vorwoche veröffentlichten wir eine Übersichtskarte von England mit einigen Auszügen aus »Review of Reviews«, welche
die Gefahren der Luft behandelten. Heute sind wir durch die Liebenswürdigkeit der »Review of Reviews« in der Lage, zwei
weitere graphische Darstellungen zu reproduzieren, welche die Möglichkeiten von Luftschiffattacken durch Deutsch-
land (f) vor Augen führen, und die jeden Patrioten von der vitalen Notwendigkeit überzeugen müssen, daß England geeignete
Vorsorge durch Bewilligung angemessener Vorkehrungsmittel treffen müsse, um ein verhängnisvolles Zurückbleiben im Ansehen
der Nationen, welches diesem Lande droht, zu vermeiden. In der obigen Darts ung ist aus dem äußeren Kreise, der ganz England
mit einschließt, der Radius der möglichen Aus- und Inlandsreisen der deutschen Luftschiffe mit Helgoland als Ausgangs-
punkt ersichtlich. Wird letzterer nach Borkum verlegt, so würden sich die Distanzen nach London und Süd-England noch weiter
verringern. Der 300 Meilen-Radius (der nächstkleinere Kreis auf dem Bilde) bezeichnet etwa den Aktionsradius der Flugmaschinen.
(»Flight«, Nr. 9, Jahrg. V, vom 1. März 1913, S. 248.)
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da begann man drüben denn doch ein wenig nach-
denklich und kleinlaut zu werden. Stimmen guter
Patrioten wurden laut, daß es nun Zeit sei, auch in
England an die Organisation des Militärflugwesens
zu denken. Aber merkwürdigerweise! Die Engländer,
die doch in gewissen Dingen — das läßt sich ja
einmal leider nicht leugnen — bisher eine so
ziemlich führende Stellung einnahmen, scheinen sich
für diese, gewiß doch brennende Frage ihrer
nationalen Verteidigung nicht sehr erwärmt oder
interessiert zu haben, denn die Industrie, welche im
Lande mit vieler Mühe und Not entstanden war,
konnte sich nie über eine volle Beschäftigung be-
3
klagen. Selbst die »Royal Aircraft Factory« in Farn-
borough, welcher der englische König ziemlich nahe
steht, hatte unter diesem Mangel an Arbeit und Auf-
trägen empfindlich zu leiden, bis einige ganz unglaub-
lich klingende Vorfälle — in den Tragdecken ihrer
Doppeldecker wurden ganze Mäusekulturen entdeckt,
es wurden fehlerhafte Materialien verwendet etc. —
ihren bis dahin nicht schlechten Ruf gänzlich unter-
gruben. So sahen sich die meisten Fabriken genötigt,
ihr Absatzgebiet entweder unter den Sportsmen
(Graham White) oder im Auslande selbst zu
suchen. So hat die Firma Bristol nun mit Bréguet
einen Lizenzvertrag geschlossen, demzufolge Bréguet
Wie Frankreich und Deutschland sich auf den Luftkrieg vorbereiten.
Die Luftschiffstationen längs der französisch-deutschen Grenze.
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Aus der obigen Darstellung aus »Review of Reviews« ist zu ersehen, daß nicht weniger als acht Luftschiffstationen zur Benützung
für die kürzeste Angriffslinie auf die neue strategische Grenze En
Luftschiffstation an der russischen und dre
pianos errichtet wurden. Demgegenüber befindet sich bloß eine
oder vier an der französischen Grenze.
(»Flight«, Nr. 9 ex 1913, S. 249.)
4
die Bristol-Doppeldecker für Frankreich erzeugt. Die
Unlust oder vielleicht auch das Unvermögen
der englischen Heeres- und Marineverwaltung,
größere Summen für die militärische Luftfahrt
und Flugtechnik zu präliminieren, hatte hier
eben Verhältnisse geschaffen, die intensiv auf die
Industrie und jetzt auch auf die Position des
ganzen Inselreiches im Weltkriege rückwirken.
Ebensowenig Verständnis wie für die Flugtechnik
zu Wasser und zu Lande bekundete die englische
Heeresverwaltung für die Fragen der Luftschiffahrt.
Seit dem Zusammenbruche des Luftschiffes »Mayfly«,
das wohl eine gutgemeinte Nachempfindung der
großen Zeppeline (aber nur der Größe nach!) sein
sollte, verfügt England nur über einige wenige Luft-
schiffe der Beta-Klasse, deren Aktionsradius und
Konstruktion aber mit jenem der modernen Zeppelin-
Ballons kaum zu vergleichen ist.
Allmählich kam den Engländern ihre
Schwäche auf dem Gebiete der militärischen Luft-
fahrt zu Bewußtsein, beschleunigt wurde dies
durch die in aller Welt Aufsehen erregenden
Rekordleistungen der Deutschen. Von
dunklen Vorahnungen getrieben, begann der
erste Lord der englischen Admiralität, Winston
Churchill, sich intensiv mit der Frage der Aus-
gestaltung des Seeflugwesens zu befassen, nachdem
er sich durch einige Passagierflüge oberflächlich von
der Wichtigkeit desselben überzeugt hatte. Die
Zeitungen entfalteten eine intensive Propaganda, allein
das Versäumte war in so kurzer Zeit umso weniger
nachzuholen, als zwei der wichtigsten Grundlagen
und Voraussetzungen fehlten: Erstens die techni—
sche Schulung und Erfahrung der Industrie,
wie sie in Deutschland durch die Förderung seitens
der Heeresverwaltung ermöglicht worden war, und
zweitens 55 Begeisterung und Opferwillig-
keit der Bevölkerung, welche eben die deutsche
Heeresverwaltung in die Lage versetzen konnte, die
Industrie ausreichend zu unterstützen. Daß die
Engländer wenigstens so offenherzig waren,
ihre Schwäche einzubekennen, davon zeugen
verschiedene Berichte in ihren eigenen Zeitungen und
Journalen. Daß sie aber anderseits auch die
deutschen und Österreichischen Luft-
rüstung en mit größter Angst und mit scheelen
Blicken verfolgten, dabei aber selbst fast untätig
stehen blieben, ist weniger begreiflich. Schon vor
Ausbruch des Weltkrieges war die Zeppelin-
Furcht der Engländer, speziell aber der Londoner
etwas Sprichwörtliches geworden. Irgend eine dumpfe
Vorahnung von großen kommenden Ereignissen
scheinen sie ja doch gehabt zu haben, denn wiederholt
konnte man in ihren Zeitungen von dem Erscheinen
eines »Gespensterluftschiffes« lesen, das ver-
mutlich aus Deutschland kam und im Nebel der
Nacht stets lautlos wieder verschwand. Die Spionen-
und Luftschiffurcht in London wurde bald so groß,
daß sich ein ganzer Sagen- und Legendenkranz um
die deutschen -Zeppeline« schlang, die diesen
phantasievollen Erfindungen einer echten Angst
natürlich fernestanden.
Der gegenwärtige Krieg aber hat den Engländern
wenigstens in einer Beziehung wirklich recht ge-
geben: Ihre Angst war nicht umsonst! London
erwartet schon seit Wochen den Besuch des ersten
»Zeppelins«, nachdem deutsche Flieger die Themse-
stadt bereits liebevoll aus den Lüften herabgegrüßt.
Die »Zeppelin-Angst« hatte den Gipfel erreicht, als
die Befürchtungen durch das tatsächliche Erscheinen
mehrerer »Zeppeline«, die eine regelrechte Attacke
durchführten, gerechtfertigt wurden.
Da mag es nicht uninteressant erscheinen, wenn
ich zwei Blätter aus meiner Kartothek herausgreife
und hier den Lesern dieser Zeitschrift auftische. Aus
doppeltem Grunde sind sie für die weitesten Kreise
von Interesse. Denn einerseits zeigen sie, daß die
Engländer bereits Beginn 1913 mit der Mög-
lichkeit eines Ernstfalles in der Luft und
allen seinen eventuellen Konsequenzen,
wie sie heutewirklicheintreffen, rechneten
und mit welchen Mittelnsieihre Landsleute
haranguierten, umVerschwindendes zu leisten,
anderseits aber gewähren die in der Tat nicht
übertriebenen Darstellungen einen Einblick in
die heute sich wirklich offenbarenden Macht-
verhältnisse der verschiedenen Kräftegruppen und
dieserhalb schon ist diese mit »Our phantom A:ir-Fleet«
bezeichnete Kartenübersicht des englischen Fachblattes
»Flight« von größtem Interesse, welchem die beiden
Abbildungen aus seiner Nr. 9, V. Jahrgang, vom
1. März 1913, entnommen sind. Ohne diesen beiden,
wie schon erwähnt, wirklich nicht übertriebenen
Bildern noch einen weiteren Kommentar hinzuzufügen,
möchte ich nur bemerken, daß die zugehörigen U ber-
und Unterschriften wörtlich übersetzt und analog den
Originalen angeordnet wurden. Eine Frage aber kann
ich nicht unterdrücken: Ist die Kongruenz der »Var-
ahnungen« und aller hier teils gekennzeichneten, tell
zwischen den Zeilen der Bilderunter-
schriften zu lesenden Momente mit dem nun
mehr Tatsache Gewordenen nicht zumindest er.
staunlich ?
Fritz Ellyson.
Fliegerwaffen.
Der große Aufschwung der Aviatik und der Lenk-
ballontechnik hat das gesamte Flugwesen in mili-
tärischer Hinsicht in kürzester Zeit nicht nur zum
unentbehrlichsten Rekognoszierungsmittel gemacht,
sondern auch eine neue Waffe erstehen lassen, die in
erster Linie dazu berufen ist, hinter der Front operie-
render Armeen in wirksamer Weise einzugreifen. Der
Flieger trägt den Angriff seiner Heeresmacht weit
hinein in die Feindeslande, wochen- und monatelang,
bevor die nachrückende Landmacht Gelegenheit hat,
jene Gebiete zu besetzen.
Dadurch ergibt sich aber eine große Mannigfaltig-
keit verschiedentlichster Aufgaben, die ihrerseits
spezielle Behelfe erfordern, um nach besten Kräften
durchgeführt werden zu können.
Abgesehen von den Leistungen unserer Aviatiker,
die reine Rekognoszierungsflüge betreffen, gilt das
Hauptaugenmerk der Flieger dem Bestreben, den
Aufmarsch des Feindes zu beunruhigen. Dies gelingt
teils durch Fliegeranyriffe auf marschierende oder
lagernde Truppenteile, teils durch Vernichtung von
Bahngeleisen, Bahnhöfen, Munitions- und Proviant-
transporten, sowie von Magazinen aller Art. Ebenso
erscheint es von Wichtigkeit, strategisch wertvolle
Brücken im Hinterlande zu zerstören.
Ferner erscheint die Beunruhigung der Bevöl-
kerung des Hinterlandes von Bedeutung, denn die
moralische Depression, welche durch wohlgelungene
Fliegerangriffe auf die Zivilbevölkerung ausgeübt wird,
ist durchaus nicht außer acht zu lassen; von der
Vernichtung wichtiger Objekte ganz abgesehen.
Die deutsche und österreichisch-ungarische Heeres-
leitung hat sich in dieser Beziehung bisher stets von
völkerrechtlichen Prinzipien leiten lassen und daher
Angriffe durch Flugzeuge und Lenkballons in erster
Linie auf Festungen gestattet. Paris, Calais, Warschau
wissen hievon zur Genüge zu erzählen. Da sich jedoch
unsere Feinde nicht gescheut haben, offene Städte
zu bombardieren, so mußte zu Repressalien ge-
schritten werden, wie das Luftbombardement von
Nancy zeigt. Die ganz furchtbare Wirkung der
Bomben, die von den deutschen Zeppelin-Ballons
abgeworfen werden, dürfte wohl die feindlichen
Flieger bald zur Einsicht bringen; da diese keine
Zerstörungsmittel besitzen, die auch nur annähernd
der Wirkung einer deutschen Luftschiffbombe gleich-
kommen, so wagen sie ein zu ungleiches Spiel. Ein
kleiner Erfolg, der durch Völkerrechtsbruch erzielt
werden konnte, wie der Fliegerangriff auf Freiburg,
kann von der deutschen Heeresleitung durch Ent-
sendung eines »Zeppelins< sehr bitter und empfindlich
gerächt werden, was auch geschehen ist.
Fliegerbrandbombe.
Die deutschen Lenkballons haben zwar in dem
Weltkrieg schon überaus große Erfolge gebracht, sie
sind aber ganz zweifellos noch nicht derart eingesetzt
worden, wie es ihrer Zahl und Leistungsfähigkeit ent-
spricht. Zweifellos werden sie uns noch so manche
berraschung bringen. Aber schon heute kann man
wohl erkennen, daß die großen deutschen Starrluft-
schiffe vielleicht weniger als Rekognoszierungsfahr-
zeuge dienen, denn als furchtbares Kampfmittel. Ihre
ungeheure Tragfähigkeit und Schnelligkeit lassen sie
zu weiten Fahrten sehr geeignet erscheinen. Meist
aber werden diese zur Nachtzeit durchgeführt, um
größere Sicherheit gegen feindliche Beschießung zu
erreichen. Die glänzenden Leistungen der Aeroplane
lassen ja auch das Luftschiff als Rekognoszierungs-
fahrzeug entbehrlich erscheinen, so daß sich dieses
fast ausschließlich dem Kampfzweck widmen kann,
wenngleich es auch sicherlich befähigt ist, bei Tage
über Feindesland zu fliegen, wie die Fahrt des Schütte-
Lanz-Ballons durch Russisch-Polen ins österreichisch—
ungarische Hauptquartier beweist. Wenn ein Luftschiff
durch einen Gewehrschuß verletzt wird, so genügen
etwa 20 kg Ballastabgabe, um den Gasverlust während
der Dauer einer Stunde zu ersetzen. Es bleibt dem-
nach stets weitaus geniigend Zeit, um den erlittenen
Schaden während der Fahrt zu beheben.
Die a A des Lenkballons ist aber das
Beschießen befestigter Plätze und die Zerstörung
wichtiger Bauten, wie Brücken, Bahndämmen und
sonstiger Anlagen. Diesem Zweck dienen die Luftschiff-
bomben, welche von Bord des Lenkballons abgeworfen
werden. Es ist derzeit natürlich nicht angängig, nähere
Angaben über die Art der verwendeten Projektile und
deren Lancierung zu geben. Die Geheimhaltung dieser
Daten ist schon deshalb von Wichtigkeit, weil unsere
5
Feinde tatsächlich bemüht sind, den deutschen Groß-
luftschiffbauten ähnliche Konstruktionen entgegenzu-
stellen, wie der Bau des Spieß-Ballons und des
Vickers-Ballons beweisen. Es sei daher nur folgende
Angabe gemacht, welche englischen Berichten ent-
nommen ist. Bei dem furchtbaren Bombardement von
Antwerpen, welches im August des Jahres 1914 nicht
weniger als 700 Häuser durch Luftschiffbomben zer-
störte und beschädigte, konnte auf Grund der Splitter-
funde dieser Bomben festgestellt werden, daß eine
Zeppelin-Bombe etwa 150 kg wiegen dürfte. Unter
diesen Umständen ist die Verheerung begreiflich,
welche durch deutsche Luftschiffe hervorgerufen wird.
Da die Tragfähigkeit eines deutschen Lenkballons die
eines feindlichen Luftschiffes um mehr wie das Dop-
pelte übersteigt, können diese nur eine verschwindende
Rolle spielen; dieverhältnismäßig geringe Geschwindig-
keit feindlicher Ballons aber ist ebenfalls ein Grund,
um diese für den Luftkrieg fast gänzlich ausscheiden
zu lassen.
Gegen Angriffe durch feindliche Aeroplane sind
die Zeppelin-Luftschiffe vorzüglich geschützt. Sie
tragen auf ihrem Rücken eine Plattform, die mit der
unterhalb der Hülle liegenden Gondel durch einen
den Ballon durchquerenden Schacht verbunden ist, so
daß sie stets erreichbar ist. Auf dieser Plattform be-
finden sich kleine Schnellfeuergeschütze und Maschinen-
gewehre, die jede Annäherung von feindlichen Flug-
zeugen hintanhalten, lange bevor deren Lenker selbst
zum Schuß kommen können.
Aber auch der Aeroplan leistet vorzügliche Dienste
als Waffe, wenngleich die Leistungen einer Flieger-
bombe nur klein gegenüber den Zerstörungen der
Luftschiffbomben sind. Es sind in erster Linie zwei
Fliegerexplosivbombe.
Arten von Bomben, die Anwendung finden: Explosiv-
körper und Brandbomben. Die verschiedenartigsten
Systeme werden benützt; auch hier wird erst nach
dem Kriege die Möglichkeit geboten sein, genaue
Angaben über die Art und Wirkung der verschiedenen
Bomben zu geben. Jedenfalls herrscht unter diesen
Zerstörungsmaschinen große Verschiedenheit. Die
Explosivbomben schwanken im Gewichte zwischen
10 kg und 20 kg. Die tragfähigen deutschen Flugzeuge
Fliegerpfeile.
gestatten die Mitnahme schwererer Bomben, während
die französischen Projektile anfangs meist leichter
waren. Ein französischer Monoplan erhält bei jedem
Aufstieg etwa zwei bis drei je 10 kg schwere Bomben;
die Deutschen, welche mit ihren starken Doppel-
deckern fast stets bedeutend weitere Flugreisen unter-
nehmen wie unsere Feinde, fliegen meist mit mindestens
fünf schweren Bomben ab. Die Brandbomben und
französischen Brandpfeile gehen meist unten spitz zu,
an ihrem oberen Ende tragen sie einen Flügelkranz,
der ihnen eine leicht drehende Bewegung und stetige
woe während des Falles erteilt. Bei dem Aufschlagen
auf dem Boden wird der Zündungsmechanismus durch
den Druck eines vorragenden Stabes gelöst, so daß
die Bombe zur Explosion gebracht wird und alle
brennbaren Gegenstände im weiten Umkreis entzündet.
Benzindepots, Proviant- und Munitionsdepots sind
dann rettungslos verloren. Ebenso werden Feuers-
briinste hervorgerufen, wenn Baulichkeiten getroffen
werden.
Die Explosivbomben, welche anfangs ihrer Kon-
struktion nach mit den Brandgeschossen große Ähn-
lichkeit hatten, sind nun meist zu sehr vervollkomm-
neten Mechanismen ausgebildet worden. Es bestand
nämlich stets die Gefahr, daß der Flieger bei harter
Landung oder bei ungünstigem Abflug selbst das
Opfer seiner Bomben werden könnte, wenn diese
durch hartes Aufschlagen zur Explosion gebracht
würden. Deshalb hat man nun die Einrichtung ge-
troffen, daß der Zündungsmechanismus völlig arretiert
bleibt, solange die Bombe nicht abgeworfen wurde.
Diese trägt aber an ihrem oberen Ende ebenfalls ein
Windrad, welches jedoch nicht fest mit dem tropfen-
förmigen Metallkörper verbunden ist, sondern während
des Falles in Rotation versetzt wird. Nach einer
bestimmten Anzahl von Umdrehungen, die während
der Fallhöhe von 60 bis 100 m gemacht werden, wird
erst die Zündungsvorrichtung freigegeben, die aber
jetzt mit größter Empfindlichkeit reagiert und bei der
leisesten Berührung des Erdbodens oder selbst des
Wasserspiegels die Bombe zur Explosion bringt.
Der Abwurf der Bomben aus dem Flugzeug ist
von großer Schwierigkeit. Bei niederem Fluge kann
der Aeroplan leicht selbst herab-
geschossen werden und aus großer
Höhe ist die Treffsicherheit sehr
gering. Die verschiedensten Vor-
richtungen sind nun getroffen worden,
um das Bombenlancieren zu er-
leichtern und besseres Zielen zu er-
möglichen. Die einfachste Methode
ist wohl das Abwerfen von Hand
aus; hin und wieder trifft man auch
eine Vorrichtung, welche aus einem
gebogenen Gleitrohr besteht, durch
welches die Bombe abgeworfen wird,
ähnlich wie der Wagenführer eines
elektrischen Trambahnwagens Sand
in die Schienen gleiten läßt. Kom-
pliziertere Einrichtungen, welche
gleichzeitig mit Visiervorrichtungen
versehen sind, werden mitunter durch
Drahtzug oder Pedal bedient. Die
Treffsicherheit hängt jedoch in erster
Linie von der Geschicklichkeit des
Werfers ab.
Auch sonstige Bombenarten sind
schon versucht worden; es seien nur
die Stinkbomben genannt, welche da-
zu dienen sollen, Proviant- und Futter-
vorräte unbrauchbar zu machen. Über
ihre Erfolge und Konstruktion ist
noch nichts bekannt geworden.
Die Franzosen haben als Über-
5 raschung den Fliegerpfeil gebracht,
der anfangs vielleicht belächelt
wurde, sich aber als ziemlich ge-
fährliche Waffe erwiesen hat. Er be-
steht aus einem bleistiftstarken, zugespitzten Stahl-
stab von ungefähr 12cm Länge und 23g Gewicht,
dessen oberer Teil derart ausgefräst ist, daß er
kreuzförmigen Querschnitt erhält. Aus der Höhe von
1000 bis 2000 m abgeworfen, kann er immerhin ein
Pferd vollkommen durchbohren und Menschen töten.
Die Treffsicherheit ist eine sehr geringe, weshalb er
wohl nur zur Beunruhigung lagernder oder geschlossen
marschierender Truppenteile dienen kann. Die mo-
ralische Wirkung aber, welche durch das plötzliche
Herabregnen dieser Metallspitzen entsteht, ist immer-
hin beträchtlich, so daß die Erzeugung des Flieger-
pfeiles von uns bald Paeti -Fh wurde. Nun be-
kommen die Franzosen ihre Erfindung empfindlich zu
spüren und die von Fliegerpfeilen getroffenen Soldaten,
werden wohl mit geringem Genuß die auf allen
deutschen Geschossen befindliche Aufschrift lesen:
»Invention francaise, Fabrication allemande«, sofern
sie nämlich noch zu lesen imstande sind.
Viele Aeroplane sind auch mit Maschinengewehren
bewaffnet, die wohl kaum zum Kampfe gegen die
Landmacht angewendet werden, sondern meist als
Phot. Paul Bellak.
Wirkung deutscher Luftschiffbomben: Inneres eines Zimmers,
in welchem zwei Mädchen getötet und ein Mann schwer
verletzt wurde. (Aus »The Independent«.)
Schutz- und Angriffswaffe gegen feindliche Flugzeuge
dienen sollen. Die Treffsicherheit dieser Maschinen-
rar ist jedoch nicht sehr groß; die stampfenden
wegungen des eigenen Fahrzeuges, die blitzschnellen
Wendungen des Feindes und der beschränkte Raum
im Flugzeug selbst verhindern häufig das genaue
Zielen. Die deutschen Flieger verlassen sich daher
meist auf ihre Schießfertigkeit und einen guten Kara-
biner und zeigen sich so meist als überlegen. Fast
stets versuchen die Gegner einander zu überhöhen,
um von oben herab den Gegner durch einen Schuß
oder Bombenwurf zu vernichten. Dieses nerven-
7
spannende Wechselspiel erfordert nicht nur ganze
Männer, sondern auch erstklassige Flugmaschinen und
in beiden Punkten sind wohl unsere Fliegertruppen
unübertrefflich.
Die endgültigen Lehren des Luftkrieges sowohl
in technischer als militärischer Hinsicht werden wohl
erst nach Beendigung des Krieges gezogen werden
können; heute aber schon hat es sich erwiesen, daß
sowohl Lenkballon als auch Flugzeug als Angriffs-
waffen verwendet werden können und ganz bedeutende,
ja überraschende Erfolge erzielen.
| Paul Bellak.
Sturmkalender für Dezember 1914 und Jänner 1915.*)
Von Wilhelm Krebs. (Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen.)
|
Störungsfolgen aus den Hauptherdgebicten der tropischen Sturmblidung
: 1914/15
| Wooten | im Westatiantik | Im Westpazifik
Sturm- Sturm- Sturm- Sturm- Sturm-
ı Novem. re bildun age | bilden
| . bis i. 6. bis 12. | 13. bis 19. 18. bis 28. 25.bis J.
| _— — — : E — at — hs m a ̃ —̃ —
Sturm- ' turm-
aes ey bildun bildung
amerika N
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. bis 14. 8. bis 17, [amerika pazifik) 8. bis
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821. amerika ;
F Nord- | .
Ostasien
Nord-
amerika | ak)
Nord-
amerika
7
Nord -
Europa amerilca ,
Ostasien
1 o
. | paz
Europa amerika
Ostasien
— — — Europa (Nord
pazifik)
a AR re ze fala — | Europa un
. BE Nord-
amerika
Europa
Europa
+ bezeichnet Störungsfolgen, die durch Unwetter-
meldungen bereits bestätigt sind.
Die vorberechneten Epochen gesteigerter Sonnen-
wirkung 18. bis 26. November und 1. bis 8. Dezember
sind durch Sonnenflecken, feinstreifige Zirren und
vom 22. November an in Italien, sowie am 6. De-
zember in Flandern durch Gewitter bestätigt. Eine
) Vgl. »Wetter-, besonders Sturmvoraussichten langer
Frist« von Wilhelm Krebs in Nr. 25/26 der Deutschen Luft-
fahrer-Zeitschrift vom 30. Dezember 1914, S. 437 bis 442.
neue Doppelepoche 8. bis 17. Dezember zeigte sich
durch starke Ausbruchserscheinungen auf der Sonne
und sonst zunächst durch Federwolken (ci) an. Ein
ansehnliches Fleckensignal erlosch beim Vorübergang
auf der Nordhalbkugel, ein neues, größeres stellte sich
auf der Südhalbkugel ein. Wiederkehr ist für Dezem-
ber vom 15. an, im Jänner bis 18. und nach dem 23.
berechnet. In diesen Zeiten, vor allem zwischen dem
4. und 13. Jänner 1915, sollte in dazu geneigten
Gebieten auf Kompaßstörungen geachtet werden, im
Februar besonders vom 1. bis 8.
Der Vizepräsident des Österreichischen Flugsportklub, Reserve-
hauptmann Rupert Pflanzer, militärisch belobt.
Unter den zahlreichen Funktionären und hervor-
ragenden Organisatoren der österreichischen Aviatik,
welche zu Kriegsbeginn unter die Fahnen berufen
worden sind, befindet
sich auch der in den
weitesten Kreisen be-
kannte und hochge-
schätzte Vizepräsident
des Österreichischen
Flugsportklubs, Haupt-
mann Rupert Pflanzer,
dessen verdienstvolles
Wirken im Interesse des
heimischen Flugwesens
wiederholt bereits ge-
würdigt wurde. Erst im
Vorjahre wurde Haupt-
mann Pflanzer durch
Een nn 55
chsten Gnadenakt von.
Oberleutnant zum Haupt- eS *
mann der Reserve be- Fur}
fördert und die Kunde hie
von wurde allenthalden, ,
wo man den lieben
würdigen, in seiner
Tätigkeit und Hilfsbe-
reitschaft nie erlahmen-
den Vizepräsidenten des
Österreichischen Flugsportklubs kannte, mit
größten Genugtuung und Freude aufgenommen.
Nun kommt vom Kriegsschauplatze die erfreuliche
Nachricht, daß Herr Hauptmann Pflanzer, der bei
é ‘ Vi
Win = ` > Aii
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* —
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der
2
K. u. k. Reservehauptmann Rupert Pflanzer, Vizepräsident des
sterreichischen Flugsportklubs.
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a
der ersten operierenden Armee eingeteilt ist, im Hin-
blicke auf seine rastlose, sehr erfolgreiche Tätigkeit
durch die belobende Anerkennung des Armee-Ober-
kommandos und den
Dank im Namen des
Allerhöchsten Dienstes
ausgezeichnet wurde. Es
mag dies ein trefflicher
Beweis sein, daß dieser
hervorragende Sports-
mann auch im Felde
ebenso hervorragend
wirkt, denn derlei Be-
lobungen sind spärlich
bemessen.
Diese Auszeichnung
des Herrn Hauptmann
Pflanzer, dessen Bild
wir hier reproduzieren
und der auch Vizepräsi-
j ae? dent des Osterreichi-
chen Touringklubs, Mit-
Se Te is der Österreichischen
= en eronautischen Kom-
— —— ferner Direk-
mission,
tionsmitglied der Wiener
Flugfeld-Gesellschaft
und Ausschußmitglied
des k. k. Osterreichi-
schen Flugtechnischen Vereines ist, wird in der
Wiener Gesellschaft gewiß ebenfalls mit großer Freude
aufgenommen werden, in welcher er sich der größten
Sympathien erfreut.
Die drahtlose Telegraphie und der Krieg.
Von Dr. Paul Ludewig, Freiberg i. Sa.
i;
Wie für so vieles andere, hat der Krieg auch für
die drahtlose Telegraphie gewaltige Veränderungen
gebracht. Sie ist in den kriegführenden Ländern dem
friedlichen Verkehre ganz entzogen und einzig und
allein in den Dienst der kriegerischen Operationen
getreten. Eine Folge davon ist, daß wichtige wissen-
schaftliche Forschungen, die in der letzten
Zeit begonnen hatten, ins Stocken geraten sind. Es
hatte sich nämlich im Laufe des letzten Jahres eine
internationale Kommission gebildet, die sich
das Ziel gesetzt hatte, die eigentümlichen Unregel-
mäßigkeiten, die der drahtlose Verkehr zeigt, und die
mit größer werdender Entfernung zwischen Sende-
und Empfangs-Station erheblich zunehmen und zu
mancherlei Unzuträglichkeiten führen, in größtem
Maße wissenschaftlich zu erforschen. Die auf einer
Empfangsstation ankommende Energie weist nämlich
auch bei vollkommen konstant gehaltener Energie-
ausstrahlung eigentümliche Schwankungen
auf; die bisherigen Versuche ergeben, daß in der
Nacht die Signale viel deutlicher sind, daß man daher
in der Nacht auch 1 Reichweiten als am Tage
erzielen kann, daß aber gerade des Nachts die
Schwankungen sehr stark und plötzlich sind, während
am Tage einigermaßen konstante Verhältnisse
herrschen und daß endlich bei Sonnenuntergang und
Sonnenaufgang starke ee A mit besonderem
Rhythmus zu beobachten sind. Die Ursachen dieser
Erscheinung können nur auf eine Einwirkung des
zwischen Sende- und Empfangsstation liegenden
Zwischenraumes zurückzuführen sein und sind nur
dadurch einer exakteren Untersuchung zugänglich,
daß man von einer Großstation mit konstanter
Energie elektrische Wellen aussendet, die von einer
—— —Eàʒà˖ʃͥͤ 2 —
— err —— —y— :,! —— — — —¼ ll
großen Anzahl über ein möglichst großes Gebiet
verstreuten Stationen quantitativ aufgenommen werden.
Die erwähnte Kommission war in Brüssel gegründet,
umfaßte Nationalkomitees in fast allen europäischen
Ländern und sollte zum erstenmal in größtem MaB-
stabe bei der Sonnenfinsternis am 21. August
1914 in Tätigkeit treten. Die Stationen in Nauen,
Norddeich, Paris, Petersburg und Bobruisk, die so
ausgewählt waren, daß sie in möglichst verschiedener
Lage zu der Zone größter Finsternis lagen, sollten
zu bestimmten Zeiten mit verschiedenen Wellenlängen
verabredete Zeichengruppen geben, die dann auf den
Empfangsstationen nach einer einheitlichen Methode
quantitativ aufgenommen werden sollten. Es waren
schon ausgedehnte Vorversuche mit allen genannten
Stationen angestellt, die ein schon recht wertvolles
Material geliefert haben. Es war bereits ein erster
ausführlicher Bericht über die Tätigkeit der Kommission
in Druck erschienen, da machte der Kriegsausbruch
der ganzen Tätigkeit ein schnelles Ende. Ob sich
nach dem Kriege eine allgemeine internationale
Beteiligung wieder erreichen lassen wird, erscheint
fraglich. Im Interesse der weiteren Entwicklung der
drahtlosen Telegraphie ist eine ähnliche großzügige
Untersuchung dringend erforderlich.
2.
So friedlich diese Tätigkeit der Stationen werden
sollte, so kriegerisch wurde sie mit einem Schlage.
Es ist ja nur natürlich, daß man bisher während
des Krieges über dieses für große Entfernungen
wichtigste Nachrichtenmittel nur wenig gehört hat.
Nur kurze Notizen erinnerten an seine große Aufgabe:
Wir lasen, daß die »Kronprinzessin Cäcilie«, die an
ein anderes Schiff gerichtete drahtlose Anfrage eines
feindlichen Schiffes über ihren Aufenthaltsort auf-
gefangen habe und dadurch der Wegnahme entgangen
sei, daß die »Emden« die drahtlosen Mitteilungen
über Abfahrtszeiten feindlicher Schiffe auffing und
so die Möglichkeit erhielt, die Schiffe abzufangen,
u. a. m. Welche außerordentliche Rolle die drahtlose
Telegraphie gerade im Seekriege heute spielen wird,
das können wir nur ahnen und davon werden wir
später mit Staunen Kunde erhalten. Aber auch im
Landkriege ist ihre Tätigkeit eine überaus vielseitige.
Dabei erfährt die ganze Organisation der deutschen
Funkentelegraphie ihre große Probe und es ist
daher interessant, die Resultate, die sie in den Jahren
1904 bis 1907 in den Kämpfen in Südwest-
Afrika erzielt hat, ins Gedächtnis zurückzurufen.
Allerdings stand damals die Technik noch nicht auf
der gleichen Höhe wie heute. Dafür hatten die
Stationen aber insofern ein leichteres Arbeiten, als
Störungen durch feindliche Stationen wegfielen. Welch
große Rolle sie damals gespielt haben, geht aus dem
Berichte des Generals v. Throta über die Schlacht
am Waterberg hervor: »Ohne die Feldsignal-Abteilung
hätte ich die Operationen überhaupt nicht und ohne
die Funkerabteilung nur sehr schwer durchführen
können«. Die damals benützten Stationen führten die
Antenne mit einem Ballon oder Drachen in die Höhe
und erzielten so Reichweiten von 200 bis 300 km.
Heute hat man in den Heeren aller Länder diese
Methode verlassen und verwendet feste Maste, die
teleskopartig ineinander geschoben werden und zum
Aufstellen nur einige inuten Zeit in Anspruch
nehmen. Die tägliche Durchschnittsleistung einer
Station betrug damals 20 Funksprüche mit 800 Worten,
wobei zu berücksichtigen ist, daß zahlreiche Gewitter
und die in diesen Breiten besonders starken »atmo-
sphärischen Störungen«, die Tätigkeit der Stationen
einschränkten. In dem amtlichen Berichte über die
Tätigkeit dieser Station, den Hauptmann Flaskamp *)
gegeben hat, wird ihre Bedeutung folgendermaßen
zusammengefaßt.
Zur Beurteilung dieser Betriebsleistungen muß
darauf aufmerksam gemacht werden, daß das, was
von einer Station an eine andere gefunkt wurde, die
drei übrigen Stationen mithören konnten, so daß alle
fünf Stationen über die taktische Lage sehr gut Be-
scheid wußten und die Truppen, mit denen sie zu-
sammen waren, orientieren und warnen konnten, was
namentlich wegen des vielen Hin- und Herziehens
der Hottentottenbanden — mit ähnlichen Leuten
haben wirs ja heute wieder zu tun (Der Verf.) —
von großer Wichtigkeit war. Der Funkenbetrieb war
in dieser Zeit unstreitig das Hauptnachrichtenmittel
für die wichtigen Operationen .«
Dabei wird der Dienst der Funker als besonders
anstrengend hervorgehoben. Wenn die Truppen
auf einem Rastplatz ankamen und Ruhe hatten, mußten
die Funker die Station aufbauen und die Nacht hin-
durch Betrieb machen. Denn, einmal erreicht man
nachts die größten Reichweiten und zweitens sind
die atmosphärischen Störungen der Nacht geringer
als am Tage. Daß man dabei aber den Mut nicht
sinken ließ, beweist der folgende, aus gleicher Quelle
entnommene Bericht: »— In diesem Zelte verbrachte
Generalleutnant v. Throta mit den Offizieren seines
engeren Stabes die Nacht vom 11. bis 12. August.
Es war bitter kalt, aber Feuer durfte unter keinen
Umständen gemacht werden. Da kommt Oberleutnant
Häring auf den guten Gedanken, das vom vielen
Funken kochend heiße Kühlwasser des Motors abzu-
lassen und zum Grogbrauen zu benützen. So bekommen
die Funkenstation und auch die Offiziere des Haupt-
quartiers in der kalten Nacht doch noch einen Grog,
der zwar trübe war und nach Kesselstein schmeckte,
aber doch alle erquickt hat«, und dann heißt es weiter:
>In der Nacht — wir machten bis 2 Uhr 45 Minuten
morgens ununterbrochen Betrieb — fiel unser Ballon
*) Verlag von R. Eisenschmidt, Berlin, 1910.
9
außerhalb des Lagers, wo es von Hereros wimmelte,
in die Büsche. Kurz vorher war von zwei Mann, die
dort Wasser holten, einer erschlagen worden. Aber,
als es hieß: ‚Freiwillige vor, um den Ballon zu holen‘
meldeten sich alle Funker«.
3.
Die Schwierigkeiten, die damals das Hochhalten
der Drachen und Ballons gemacht haben, fallen heute,
wie gesagt, ganz weg. Wir verfügen über eine große
Anzahl von Feld-Funkenstationen, die
eine wichtige Ergänzung der Drahttelegraphie bilden.
Sie sind auf vierrädrigen Fahrzeugen untergebracht,
deren jedes von sechs Pferden gezogen wird. Nach
mannigfachen Versuchen ist das System der tönenden
Funken in Deutschland allgemein eingeführt, und zwar
in der speziellen Ausführung der Telefunken-Gesell-
schaft. Ein Mast von etwa 30 m Höhe befindet sich
auf einem der Wagen; an seinem oberen Ende ist im
betriebsfertigen Zustande eine Schirmantenne ange-
bracht. Bis auf etwa 300 km wird mit diesen Stationen
eine wechselseitige gute Verständigung erreicht. Die
Sendeenergie liefert eine Wechselstrom-Dynamo, die
von einem Benzinmotor getrieben wird, während zum
Empfang der Kontaktdetektor mit Telephon dient.
Außer diesen Stationen gibt es auch noch solche
kleineren Typs, die meist im Aufklärungsdienste
verwendet werden und deswegen nur auf Pferden
gepackt werden. Neuerdings ist ferner eine sogenannte
Tornisterstation konstruiert, die ebenfalls für den
Aufklärungs- und Sicherheitsdienst bestimmt ist und
von fünf Trägern mitgeführt werden kann. Das Gesamt-
gewicht von ca. 100 kg ist auf einzelne Traglasten
verteilt und übersteigt damit nicht das zulässige
Maximalgewicht der Tornister der Fußtruppen. Als
Stromquelle dient hier ein kleiner Magnetinduktor,
der von Hand angetrieben wird, als Antenne ein 9m
hoher Mast. Die Reichweite beträgt damit nur
25 bis 50 km.
Auf der Seite unserer Feinde ist man in ähnlicher
Weise wie bei uns mit Feldstationen ausgerüstet. So
liefert die Marconi-Gesellschaft, die besonders für
die Ausrüstung des englischen Feldheeres in Frage
kommt, Karrenstationen mit 21 m hohem Mast und
300 km Reichweite und tragbare Stationen mit einem
Mast von 9m Höhe und 20 km Reichweite. Aus einem
Vergleich dieser Zahlen mit den deutschen geht hervor,
daß die Einrichtungen der Feldstationen der ver-
schiedenen Länder sich überaus ähnlich sind. In
wichtigen Einzelheiten weichen sie natürlich vonein-
ander ab.
Außer diesen Feldstationen gibt es bekanntlich
eine große Zahl fester Stationen, von denen
erade Mitteleuropa direkt überschwemmt ist. Die
Deutsche Telefunken-Gesellschaft hat bis zum 1. Juli
1913 insgesamt 1980 Stationen geliefert. Nach einer
Zusammenstellung des internationalen Verzeichnisses
der Funkentelegraphenstationen aus dem Jahre 1913
besitzt Deutschland 551 Stationen, Osterreicli 95, Frank-
reich 322, Rußland 135, Japan 110, Großbritannien 1581,
wobei die größte Anzahl auf Schiffsstationen zu rechnen
sind. So sind von den 4441 Stationen der Welt 3853
Bordstationen. Diese Angaben sind allerdings mit
großer Vorsicht zu behandeln, da nach einem Bericht
der Deutschen Telefunken-Gesellschaft ganz andere
Zahlen gelten würden.
Ein besonderes Interesse bieten die sogenannten
Großstationen, die Entfernungen bis zu 6000 km
zu überbrücken vermögen. Man muß dabei allerdings
eine bestimmte Einschränkung machen, denn es werden
auch oft von kleinen Stationen gelegentlich ungewöhn-
liche Reichweiten erzielt. Das ist aber nur bei einem
Nachtverkehr möglich, und zwar meist dann, wenn
die eingangs erwähnten besonders starken Schwan-
kungen in der Empfangsenergie auftreten. Wenn man
von der Reichweite einer Station spricht, so darf man
sich natürlich nicht auf derartige Unregelmäßigkeiten
10
beziehen und nur die Resultate, die am Tage erzielt
wurden und die während des ganzen Jahres eine
Suse Konstanz aufweisen, berücksichtigen
lirfen.
Unter den groBen Stationen steht die Station in
Nauen mit an erster Stelle. Sie ist im Laufe der
Jahre systematisch weiter ausgebaut, besaB im Jahre
1903 eine Reichweite von 1100 km, dann im Jahre
1906 bei einer Turmhöhe von 100 m eine Reichweite
von 2000 km und beherrscht heute, nachdem der
100 m-Turm eingestürzt und ein neuer von 250 m Höhe
an seine Stelle gesetzt ist, einen Kreis von einem
Radius von etwa 6400 km, und ermöglicht es damit,
mit der amerikanischen Gegenstation in Sayville bei
New-York eine Verbindung herzustellen. Es ist damit
ein Weg gegeben, die vom deutschen Hauptquartier
herausgegebenen Meldungen direkt nach Amerika
gelangen zu lassen, der allerdings im Anfang des
Krieges insofern etwas beschränkt wurde, als die
amerikanische Regierung über diese Nachrichten strenge
Zensur verhängte. Die Gegenstation in Sayville hat
eine Reichweite von 3500 km, so daß direkte Meldungen
von Amerika nach Deutschland auf drahtlosem Wege
nicht möglich sind.
Im weiteren Verlauf des Krieges wird voraus-
sichtlich die Großstation am Eiffelturm in Paris noch
eine Rolle spielen. Auch hier hat die Station, die im
Jahre 1903 zuerst in kleinem Maßstabe erbaut wurde,
eine fortschreitende Entwicklung durchgemacht. Die
Antenne besteht heute aus sechs Drähten, die von
der Spitze des Turmes in der Richtung auf die Rue
de Grenelle ausgespannt und deren Enden in das
eigentliche Stationsgebäude geführt sind. Da von der
Verwaltung der Stadt Paris oberirdische Bauten neben
dem Eiffelturm aus ästhetischen Gründen nicht ge-
nehmigt wurden, ist die Station unterirdisch angelegt,
hat aber dadurch infolge der Überschwemmung im
Jahre 1909 eine Zeitlang eine empfindliche Störung
erfahren. Es sind drei verschiedene Senderanlagen
vorhanden, deren eine mit Knallfunken arbeitet, bisher
den Zeitsignaldienst ausgeübt hat und dabei in der
Nacht Reichweiten bis zu 5000 km, am Tage bis zu
3000 km erzielte. Eine sehr starke Sendeanlage mit
tönenden Funken, die mit 100 bis 120 Kilowatt
Antennen-Energie arbeitet, ist neuerdings eingebaut
und wird damit auch beträchtlich größere Reichweiten
ermöglichen. Jedenfalls ist die Möglichkeit vorhanden,
daß der Eiffelturm über Deutschland hinweg direkt
mit den russischen Stationen Verbindung erhalten
kann, wie denn überhaupt die Eiffelturmstation aus-
schließlich von der französischen Militärbehörde ent-
worfen und installiert ist und auch nur militärischen
Zwecken unter Ausschluß jeden Handelsverkehres
dient. Damit ist ein zweites Beispiel geschaffen,
welches zeigt, wie die Franzosen ihre Baudenkmäler
zur Kriegsführung benützen. Wenn die Türme der
Kathedrale von Reims zu Artillerie- Beobachtungs-
zwecken gedient haben, wenn in ihrer unmittelbaren
Nähe Geschütze aufgestellt wurden, so hat man auf
das Kunstwerk keine Rücksicht nehmen können und
wird es auch bei dem Eiffelturm nicht tun, der sehon
zu Friedenszeiten einem der heute wichtigsten
militärischen Hilfsmittel dienstbar gemacht ist. So
sehr es uns schmerzen wird, daß der Eiffelturm mit
seiner prächtigen Gitterkonstruktion fallen wird und
daß dem Leiter der Station, dem Kommandanten
Ferrié, der immer in bereitwilligster Weise wissen-
schaftliche, quantitative Empfangsversuche dadurch
unterstüzt hat, daß er auch deutschen Forschern zu
verabredeten Zeiten Zeichen gab, seine Station ver-
nichtet werden wird, für so sicher und selbstverständ-
lich ist es, daß man dem Feinde das wichtigste
Nachrichtenmittel zu entreißen suchen wird. Daß
unsere Feinde, die ein deutsches Hospitalschiff
kaperten, weil es angeblich eine Station für drahtlose
Telegraphie an Bord führte, uns trotzdem die Schuld
am Fall des Eiffelturmes zuschieben werden, halten
wir von vornherein für selbstverständlich.
5.
In den letzten Jahren sind in den verschiedenen
Ländern eine ganze Reihe von funkentele-
graphischen Weltprojekten entstanden, die
zum Teile auch bereits zur Ausführung gekommen
und jetzt während des Krieges naturgemäß von ganz
besonderer Wichtigkeit sind. Außer der bereits
erwähnten Verbindung Nauen-Sayville hat
Deutschland die Verbindung zwischen Nauen
und Togo über eine Entfernung von 5500 km
herzustellen gesucht. Die Kolonien Deutsch-
Ostafrika und Deutsch-Südwestafrika
sollten über die Station Togo mit dem Mutterlande
in Verbindung gebracht werden. Auch bestand die
Absicht, die deutschen Besitzungen an der
Südsee an dass Deutsch-Niederländische
Kabel in Japan anzuschließen. Die Stationen sind
bei Kriegsausbruch zum Teile betriebsfertig gewesen.
Auch Frankreich hatte ähnliche Pläne. Von
besonderem Interesse sind aber heute die über die
ganze Erde verteilten englischen Großstationen,
deren Entstehungsgeschichte durch die im Marconi-
Prozeß zutage getretenen unreinen Machen-
schaften noch in Erinnerung ist. In dem Abkommen
zwischen der Regierung und der Marconi-Gesellschaft
sind zunächst sechs Großstationen vorgesehen,
nämlich in England, Ägypten, Britisch-
Ostafrika, Britisch-Stidafrika, Vorder-
indien und die Malayen-Halbinsel, wobei
Entfernungen von 3000 bis 4000 km zu überbrücken
sind. Dazu sind eine große Anzahl von anderen Ver-
bindungen geplant, die inzwischen zum großen Teile
zur Ausführung gekommen sind. Bekanntlich waren
die Bedingungen für die Marconi-Gesellschaft
überaus günstig. Für jede Station waren F2 Millionen
Mark zu zahlen und außerdem erhielt die Gesellschaft
auf die Dauer von 28 Jahren 10 Prozent der Einnahme
der Station.
Es verdient heute wiederholt zu werden, wie der
Nauticus 1912 das ausgedehnte britische Funken-
telegraphennetz beurteilte. England kann damit
»nicht nur die überseeischen Besitzungen und Stütz-
punkte in eine bessere strategische Verbindung mit
sich selbst und untereinander bringen, sondern etwas
viel Wichtigeres erreichen, nämlich, daß jedes britische
Schiff, das die zwischen den Besitzungen liegenden
Meere befährt, in Zukunft stets in Verbindung mit
der Heimat erhalten. Die Kriegsschiffe werden jeden
Augenblick Befehle erhalten, die Handelsschiffe über
wichtige Vorgänge, z. B. Kriegsgefahr und Kriegs-
ausbruch, das Erscheinen feindlicher Handelszerstörer
u. s. w. unterrichtet werden können. England hat
dann den nordatlantischen Ozean, das Rote Meer,
denIndischen Ozean, den größten Teil der ostasiatischen
Gewässer, sowie große Teile des südatlantischen und
des südlichen Stillen Ozeans vom Standpunkte des Nach-
richtenwesens aus seiner Herrschaft unterworfen.«
Danach ist die Tätigkeit unserer Kreuzer, die trotz-
dem dem englischen Handel sehr ungeheure Wunden
geschlagen haben, ganz besonders zu bewerten und
der Untergang der »Emden« zum großen Teile auf die
drahtlosen Hilfsmittel unserer Gegner zurückzuführen.
In welcher Weise sich die deutschen Kreuzer
anderseits die drahtlose Telegraphie zunutze machen,
geht aus einem Bericht hervor, den der Kapitän einer
der von dem Kreuzer »Karlsruhe« versenkten Schiffe
gegeben hat. Da heißt es: »Dem Kapitän wurde
nachts um 2 Uhr gemeldet, daß die Lichter eines
Schiffes ganz in der Nähe zu schen seien. Er stürzte
auf Deck und bemerkte, daß der Dampfer, der sich
später als »Crefeld« herausstellte, seinem Schiffe dicht
folgte und ihn nicht aus den Augen ließ. Bei Anbruch
des Tages sah man am Horizonte schweren Rauch
und kurz danach war die «Karlsruhe« da — der
englische Dampfer fuhr langsamer, und glaubte, daß
das Kriegsschiff nichts anderes sein könne, als ein
englisches. Aber der Kreuzer hißte die deutsche
Flagge. Der Kapitän ließ nun drahtlos das S. O. S.-
Signal (Das Signal wird von Schiffen in höchster Not
gegeben und hat auch bei dem Untergange der
»Titanic«a und den anderen großen Schiffskatastrophen
der letzten Jahre ein wichtige Rolle gespielt. Der Verf.)
geben, das dringende Gefahr anzeigte, aber sogleich
kam von dem Kreuzer das Signal, er solle das unter-
lassen, sonst werde er in den Grund gebohrt werden. Die
»Karlsruhe« war damals von folgenden Schiffen
begleitet: »Patagonia«, »Rio Negno«, »Asuncion«,
»Indrani«. Diese Schiffe wurden in einer Entfernung
von ca. 50 km getrennt zu beiden Seiten des Kriegs-
schiffes gehalten und durch sie erfuhr die »Karlsruhe«
von jedem Schiffe, das in Sicht kam. Die deutschen
Schiffe waren mit Apparaten für drahtlose Telegraphie
ausgerüstet, die Botschaften nur auf eine bestimmte
Strecke übermitteln und so waren die Schiffe in
beständiger Verbindung miteinander, ohne daß jemand
sonst auf der Welt es wissen oder die Telegramme
auffangen konnte«. ë
Daß die Engländer die deutschen Stationen in
den Kolonien so bald wie möglich zu zerstören
suchten, entspricht ihren Monopolbestrebungen zur
Errichtung eines rein britischen Funkentelegraphen-
netzes. Eine Anzahl von deutschen Stationen sind
ihnen leider dabei zum Opfer gefallen. Welche
Wirkung die Beschießung einer Funken-
station haben kann, darüber gibt der folgende
Bericht (Telefunkenzeitung Nr. 7) eines Augenzeugen
Auskunft. Es handelt sich um die Beschießung der
Telefunkenstation Tschesmé bei Smyrna durch die
Italiener im Jahre 1912.
»Das Torpedoboot begann ungefähr um die Mittags-
zeit 10 bis 15 Granaten zu werfen, die den Weg
entlang von der Küste zur Station aufschlugen. Ich
vermute, daß dies ein Warnungszeichen für die Leute,
die in ihren Weingärten arbeiteten, sein sollte, eine
Aufforderung, aus der Schußrichtung zu gehen. Die
Bauern ließen auch sofort ihre Arbeit liegen und
kehrten in ihre Häuser zurück. Unmittelbar darauf
begann die »Pisa« größere Granaten zu werfen, etwa
80 bis 85. Die Gesamtzahl betrug 90 bis 100. Der
Effekt war schrecklich und sehr beklagenswert. Die
70. Granate brachte den Turm zum Einsturze. Der
Turm kam in ostwestlicher Richtung mit furchtbarem
Krachen zu Fall. Die Turmbasis hatte sich 2m nach
Westen verschoben; der Turm selbst war in einer
Höhe von 4 bis 5m wie ein Haken gebogen. Die
Beschießung dauerte ca. 2 Stunden, dann dampften
die Schiffe davon. Ich ging an Ort und Stelle und
betrachtete das Resultat dieses Ereignisses. Ich sah
den Turm am Boden liegen, die Eisenstücke verbogen
und durch Granatsplitter durchlöchert, die westliche
Mauer des Stationsgebäudes eingestürzt, ebenso drei
Viertel der Nordmauer. Von Granaten wurden getroffen
der Telegraphierraum, wo alles zerstört wurde, mit
Ausnahme des Lautverstärkers, der Akkumulatoren-
raum, in denen alle Zellen durch die einfallende
Mauer vollständig vernichtet wurden, der Maschinen-
raum. Hier scheint der Schaden nicht sehr groß zu
sein, wenigstens sieht äußerlich der Diesel-Motor und
die große Dynamomaschine noch ganz anständig aus«.
7
Die drahtlose Telegraphie in ihrer
Anwendung auf die Luftfahrt wird in
diesem Kriege eine ganz besondere Rolle spielen.
Direkte Nachrichten hat man darüber nicht gehört,
wie naturgemäß überhaupt über die Tätigkeit unserer
Luftschiffe. Doch war schon vor dem Kriege jedes
unserer Luftschiffe, auch die dem internationalen
Passagierverkehr dienenden, mit Sende- und Empfangs-
station für drahtlose Telegraphie ausgerüstet.
Der Freiballon spielt ja in diesem Kriege im
Gegensatze zu 1870/71 gar keine Rolle mehr. Er ist
durch das Flugzeug, dessen sichere Beute er bei
seiner geringen Bewegungsfreiheit werden würde,
11
vertrieben. Es ist nun leider mit großen Schwierig-
keiten verbunden, im Flugzeuge drahtlos zu senden
oder zu empfangen. Die dazu nötige Antenne müßte
in Gestalt eines langen Drahtes vom Flugzeug herab-
gelassen werden und würde eine große Gefahren-
quelle bilden. Wenn auch diese Schwierigkeit von
der Telefunken-Gesellschaft dadurch zum Teil über-
wunden ist, daß an dem Draht in Abständen von 5m
Reißstellen angebracht sind, die nur geringe Festigkeit
besitzen und im Falle des Hängenbleibens der Antenne
am Erdboden reißen, so sind doch die Flugapparate
meist nicht mit drahtlosen Stationen ausgerüstet, da
für die Apparatur nur ganz geringes Gewicht und ein
sehr beschränkter Platz zur Verfügung steht. Auch
ist das Abhören der Depeschen bei dem starken
Motorengeräusch fast ausgeschlossen. Die Flugzeuge
scheinen daher nach kurzer Aufklärungsfahrt jeweils
zu landen und ihre Meldungen von der Landungsstelle
weiterzugeben.
Es bleibt also nur der Lenkballon für den
Einbau einer Funkenstation übrig, und es liegt auf der
Hand, daß der drahtlose Verkehr von und zum Luft-
schiff während einer größeren Beobachtungsfahrt von
der allergrößten Bedeutung sein kann. Man hat lange
Zeit Bedenken gehegt, in einen mit Wasserstoff ge-
füllten Ballon eine Sende station einzubauen, da man
an den in unmittelbarer Nähe der Hülle befindlichen
Antennenteilen ein Sprühen und damit eine Entzündung
des Gases befürchtete. Das hat sich als grundlos er-
wiesen, und wenn man nun noch die Vorsicht ge-
braucht, die Sendestation nur beim Steigen des Ballons,
wenn also aus den Hüllen kein Gas entweicht, in
Tätigkeit zu setzen, so ist eine Gefahr so gut wie
ausgeschlossen.
Dabei dient die drahtlose Telegraphie nicht nur
dem Austausch militärischer Nachrichten, sondern
auch der Sicherung des Luftschiffes vor den
Gefahren des Wetters. Welch große Bedeutung
eine gu organisierte meteorologische Beratung hat,
geht daraus hervor, daß in den letzten Jahren die Zahl
der Luftschiffunglücksfälle relativ zur Fahrtenzahl in
demselben Maße beträchtlich abgenommen hat, wie
der meteorologische Beratungsdienst weiter ver-
vollkommnet wurde. Seine Tätigkeit besteht im be-
sonderen in Warnungen vor Sturm, Böen und Ge-
wittern und der Angabe nebelfreier Zonen. Dazu ist
schon seit einer Reihe von Jahren ein eigener, über
ganz Deutschland verbreiteter »Warnungsdienst
für Luftfahrer« in Tätigkeit, der sich zum Teil auf
den schon seit langen Jahren bestehenden allgemeinen
Wetterdienst stützt und in dessen Dienst sich besonders
die Inhaber der kleinen Postämter gestellt haben.
Diese melden die Beobachtungen über den Zug der
Gewitter etc. an eine Zentralstelle, von wo die
Warnungen dann direkt an die in Fahrt befindlichen
Luftschiffe weitergegeben werden.
+
Wenn auch bei dem praktischen Betriebe im
Felde mancherlei Schwierigkeiten dadurch entstehen
werden, daß der Feind mit seinen Stationen den
Betrieb dadurch zu stören sucht, indem er mit gleicher
Wellenlänge dazwischen funkt und damit die
Morsezeichen unleserlich macht; ein einziges
wichtiges Telegramm, das seinen Be-
stimmungsort unverkürzt erreicht, kann
von der größten Bedeutung werden.
Die drahtlose Telegraphie bildet damit ein
wichtiges Glied in der Kette der technischen Hilfs-
mittel, als deren wichtigste noch das Eisenbahnwesen,
die Luftschiffahrt und die Ballistik zu nennen sind.
Nur wenn sie alle ohne Störung an der einen großen
Aufgabe mithelfen, ist bei den heutigen Verhält-
nissen ein Erfolg zu erreichen. Eine Nation, die mit
ihrer Technik zurückbleibt, wird daher den anderen
gegenüber beträchtlich im Nachteil sein. Auch unter
diesem Gesichtspunkte bedeutet für uns der Ausgang
dieses Krieges bei dem Bestreben Englands, unsere
Industrie und Technik lahmzulegen, eine Existenzfrage.
12
Aus Amerika.
1. Der neue 100 PS Christofferson-Militär-
doppeldecker.
Infolge der beispiellos energischen Geltend-
machung der Wright schen Patentrechte, welche den
beiden genialen Brüdern auch das Ehrendoktorat
verschiedener Universitäten einbrachte, sowie infolge
der Fusionierung der beiden großen Firmen Wright
und Curtiß zu einer Art Aeroplantrust ist die Ent-
wicklung des Flugzeugbaues, insofern man hier
vom Wasserflugzeugbau absieht, weit hinter
üblichen vertauschte und auch sein ziemlich kom-
pliziertes Fahrgestell durch eines unserer standardi-
sierten Typen ersetzte. Aber auch die übrigen
Konstrukteure Amerikas, die eben, wie gesagt, mehr
Dilettanten auf diesem Gebiete sind, haben sich
dem Beispiele Curtiß’ angeschlossen, dessen
Doppeldecker für sie immer vorbildlich gewesen war.
Eine rühmliche Ausnahme hievon scheint jedoch
der Konstrukteurpilot Silas Christofferson in
Los Angeles zu machen, dessen Flugboote sich
in Amerika eines guten Rufes erfreuen. Allerdings
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Fig. 1. Dreiviertelprofil des 100 PS Christofferson-Doppeldeckers.
jener zurückgeblieben, die wir in Deutschland
und Osterreich mitgemacht haben. Die einzigartige
Gestaltung dieser industriellen Verhältnisse hatte ja
zur Folge, daB die Konkurrenz, diese wichtigste
Vorbedingung fürallentechnischen Fortschritt,
fast gänzlich unterbunden und ausgeschaltet, ja sogar
unmöglich gemacht wurde. So finden wir nur ver-
einzelte Amateure, die den Bau von Flugmaschinen
mehr als Liebhaberei, denn aus geschäftlichen Inter-
essen betreiben und daß diese mit den großen
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läßt sein neuester Doppeldecker, der, wie sein Name
besagt, für militärische Zwecke in erster Linie
bestimmt zu sein scheint, deutlich den Einfluß
deutscher Bautendenzen und deutscher
Konstruktionsideen erkennen, wenngleich auch
nicht zu leugnen ist, daß manches an dem Apparate,
dessen Beschreibung wir hier nach dem »Aero
and Hydro wiedergeben, Originalkonstruktion des
Erbauers ist. Für die militärischen Flugzeug-
konkurrenzen in San Diego, Kalifornien,
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Fig. 2. Seitenansicht des 100 PS Christofferson-Doppeldeckers.
Fabriken des In- und Auslandes kaum konkurrieren
können, die über einen Grundstock reicher, praktischer
Erfahrungen verfügen, das dürfte wohl einleuchtend
sein. Was aber gegenüber diesen Tatsachen konstatiert
werden muß, was bei einer solchen Lage der
industriellen Verhältnisse kaum ausbleiblich war, ist
der Umstand, daß die amerikanische Industrie, sei
es infolge Fehlens eigener produktiver Köpfe, sei
es infolge der durchschlagenden Erfolge der
deutschen und österreichischen Industrie, sich
allmählich den bei uns üblichen Leitlinien
des modernen Flugmaschinenbaues
anzupassen beginnt. So finden wir, daß Curtiß sich
sukzessive zum Baue von Rumpfdoppeldeckern
entschloB, dabei seine typische Aileron-
anordnung mit der bei uns allgemein
bestimmt, wurde der neue 100 PS Doppeldecker
im Monate Oktober des verflossenen Jahres fertig-
gestellt. Er stellt im wesentlichsten einen dreisitzigen
Rumpfdoppeldecker dar, dessen Oberdeck größer
als das untere bemessen und mit großflächigen
Klappen versehen ist. Eine besondere Eigenart verrät
der Bau des Rumpfes, auf die weiter zurückgekommen
wird. Die Hauptflächen, d. i. die Tragdecken des
Apparates sind bezüglich ihrer Innenkonstruktion
fast analog jenen der Bleriot-Eindecker gebaut. Für
die acht Flächenstiele, welche die beiden Decken
miteinander verbinden, gelangte Spruce zur Ver-
wendung, ebenso für die Flügellängsträger und die
Vollrippen, deren Gurten aus Esche bestehen. Während
das obere Flügelpaar dreiteilig ausgeführt erscheint,
zerfällt das untere in zwei Teile. Die Spannweite
des Oberdeckes beträgt ein wenig mehr als 11 m,
die des unteren ca. 9'5 m, bei einer beiderseits gleichen
Flügeltiefe von 18 m und einem gegenseitigen
Vertikalabstande von 2 m. Statisch wohl
einwandfrei, aerodynamisch aber weniger
günstig erschent de Formgebung und
Konstruktion des Rumpfes durchgeführt. Erstere
bewegt sich nach den Linien der deutschen Doppel-
decker-Bootsrümpfe, erhält aber durch eine vordere
Blechhaube, die den Motor nach vorne und nach den
Seiten hin völlig überdeckt, eine ziemlich ungünstige
Gestaltung, welche das Auftreten widerstand-
erzeugender, kräftiger Saugwirbel in der Gegend der
Sitze, also hinter der Haube, bedingt. Konstruktiv
ist der Rumpfkörper als Kastenträgerwerk
durchgebildet, dessen vier Längsträger aus quadrati-
schen Eschengurten gebildet werden, die gegen-
einander auf an sich bekannte Art durch Quersprossen
aus Spruce unter Vermittlung von Diagonalzugdrähten
versteift werden. Der rückwärtige Teil des Bootes
erhält einen Überzug aus cellonierter Leinwand,
während der vordere bis hinter den rückwärtigen
(Lenker-)Sitz mit 2 mm starkem Holzfurnier über-
zogen wird, dessen Verziehen durch aufgenagelte,
in der Richtung der Schraubenachse liegende Parallel-
streifen von halbrund geschnittenem Spanischrohr
verhindert werden soll. Auf diesem an sich ganz
hübsch durchgeführten Rumpfkörper baut sich am
vordersten eile, recht unvermittelt, ohne die
so wichtigen, allmählichen Übergänge
die Blechhaube (Verschalung) des Motors auf,
die, wie Fig. 1 zeigt, zwecks besseren Luftdurch-
lasses an der Stirnseite Längsschlitze und an der
berseite sowie rechts und links kiemenartige
ffnungen erhält. Innerhalb dieser Aluminiumhaube
liegt der 100 PS Hall-Scott-Motor und an diesen,
nach hinten anschließend, der direkt vor dem
Beobachtersitze disponierte Kühler, der an dieser
Stelle allerdings keinen großen Kühleffekt gewähr-
leisten kann, wenngleich sich hieraus auch der Vorteil
der leichteren Kontrollierbarkeit dieses
wichtigen Organes ergibt. Die Brennstoff- und
lbehälter, welche für ein Fassungsvermögen von
4 Stunden Betriebsdauer eingerichtet sind,
befinden sich teils unterhalb des Beobachtersitzes,
teils unterhalb des Kühlers, vor dem Beobachter.
Normalerweise entwickelt der Motor eine Tourenzahl
von 1300 pro Minute und treibt mit dieser einen
Zweiflügelpropeller von 2500 mm Durchmesser. Der
Raum unmittelbar hinter der Motorzelle dient zur
Aufnahme der Passagiere. Die sehr weich gepolsterten
Vordersitze sind genügend breit gehalten, so daß
zwei Personen nebeneinander. ausreichend
Platz finden. Die Sitze befinden sich in der Vertikal-
ebene des Druckmittels, so daß Gewichtsunterschiede
auf die Einstellung der Steuerflächen und auf die
Lage des Systemschwerpunktes keinen Einfluß nehmen.
Vor dem rückwärtigen Lenkersitze ist eine Flugzeug-
steuerung nach Curtiß eingebaut. Eine gleiche Ein-
richtung kann auch ohne Schwierigkeiten vor den
Sitzen der Beobachter eingebaut werden. Die ebene
Dämpfungsfläche vor dem Höhensteuer ist
nicht, wie dies bei anderen Apparaten fast
allgemein der Fall ist, parallel zur Schrauben-
achse eingestellt, sie arbeitet vielmehr unter
Druck, da sie mit der letzteren einen positiven
Anstellwinkel von ca. 4°, somit einen negativen
Schränkungswinkel mit den Ebenen der Flächensehnen
einschließt. Diese Maßnahme erscheint wohl dadurch
gerechtfertigt, daß der Apparat mit horizontal ein-
gestellter Dämpfungsfläche zu stark hinterlastig
wäre. In diesem Belange scheint das Anstellen der
Dämpfungsfläche allerdings keine ökonomische
Abhilfe einer statisch ungünstigen Massen-
verteilung zu sein.
Neuartig an dem Apparate ist auch dessen Fahr-
gestell, das eine Kombination unseres bekannten
Standardtyps mit jenem von CurtiB und Breguet
13
zugleich zu sein scheint. Der Rumpf entsendet zwei
kräftige Stahlrohrstützen nach unten, die sich zwecks
Aufnahme der Gummifederringe vereinigen und durch
diese die Radachse tragen. Außerdem tragen zwei
vom Vorderteil des Rumpfes ausgehende Stahlrohr-
stützen ein drittes ungefedertes Rad, dessen
Achse mit den Tragschenkeln der beiden rückwärtigen
Räder durch Spruce-Ausleger verbunden sind. Der
Schwanzteil des fl moka wird durch eine auf
bekannte Art abgefederte Holzkufe statisch gestiitzt.
Bei den praktischen Erprobungen des neuen
Doppeldeckers zeigte es sich, daß der Apparat über
einen ziemlichen Kraftüberschuß verfügte und dadurch
eine bedeutende Variation der Geschwindig-
keit ermöglichte. Bei dem ersten offiziellen Probe-
fluge, der unter der Führung des Erbauers, Silas
Christofferson, von San Diego nach San Francisco
führte und an dem zwei Passagiere teilnahmen, wurde
eine Maximalgeschwindigkeit von 75 Meilen pro
Stunde und eine Minimalgeschwindigkeit von 35 Meilen
pro Stunde erreicht, es ergab sich somit eine Differenz
von rund 40 Meilen. Leider mußte der Flug vorzeitig
abgebrochen werden, da der Kühler leck wurde, was
übrigens bei dessen vorerwähnter ungünstigen An-
ordnung nicht wundernehmen konnte. Bei diesem
Fluge trug der Apparat eine aus zwei Passagieren,
Brennstoff für vier Stunden etc. bestehende Nutzlast.
Das Gewicht des vollkommen betriebsfertigen
Doppeldeckers beträgt rund 750 kg, wäre also in
en der übrigen Größenverhältnisse nicht zu
och.
2. Die aerodynamische Wage des technologischen
Institutes von Massachusetts.
Wissenschaftliche Forschung und wissen-
schaftliche Lehr- und Versuchsmethoden
auf dem Gebiete der Flugtechnik und Luftschiffahrt
beginnen nun auch in Amerika, wo bisher das
praktische Studium, verbunden mit Empirie, die
Oberhand hatte, feste Wurzel zu fassen. Schon im
Frühjahre 1913 hatte die polytechnische Hoch-
schule zu Massachusetts, eine der bedeutend-
sten technischen Lehranstalten der Ver-.
einigten Staaten, die Abhaltung regelrechter
Unterrichtskurse über Luftschiffahrt und Flugtechnik
angekündigt und die Installierung der verschiedenen
Behelfe in Angriff genommen. Zu diesen gehört u.a. als
interessantestes Objekt die erst kürzlich aufgestellte
Luftdruckwage, die ein Duplikatexemplar
ener des »National Physikal Laboratory« in
eddington bei Farnborough, England, darstellt und
die dortselbst mit dem größten Erfolge verwendet
wird. Die Wage wurde in allen ihren Einzelheiten
von der Cambridge Scientific Instrument
Company gebaut und repräsentiert das feinste und
sensibelste MeBinstrument für Luftdruckmessungen,
welches je nach Amerika gebracht wurde. Eine kurze
Beschreibung an Hand der beigefiigten Zeichnungen
und Abbildungen diirfte daher auch an dieser Stelle von
Interesse sein.
Der Hauptteil der Wage besteht aus den drei
Wagearmen A, B, C (Fig. 3), deren Richtungen sich
unter rechten Winkeln kreuzen und deren Schenkel
in einem Stahlkopfe zusammenlaufen. Das Gewicht
der Wage, ihrer Arme und sonstigen Teile wird von
einem Hohlkegel aufgenommen, der seinerseits
wieder auf einem Arme ruht, welcher von einem auf
dem Boden mittels Schrauben befestigten Fundament-
ständer getragen wird. Der vertikale Arm A reicht in
den Unterteil des Windkanals und dient zur Aufnahme
des zu untersuchenden Modelles, während die hori-
zontalen Arme parallel und rechtwinkelig zu der
Richtung des Versuchsluftstromes eingestellt sind.
Zur Regulierung, resp. Feststellung der Schwerpunkt-
lage der rotierenden Teile des Vertikalarmes dienen
vier Balanziergewichte F. Um allzu heftige
Schwingungen der Wagenarme zu vermeiden, welche
14
die Güte des Instrumentes sowie seine Meßgenauig-
keit stark beeinträchtigen würden, sind an
verschiedenen Punkten der Wage besondere Dämpfungs-
vorrichtungen angebracht, deren k: rößte und
wichtigste an der Basis bei D (Fig. 4) zu sehen
ist, welche die Bewegungen der drei Arme nach allen
Richtungen hin wirksam abzudämpfen vermag. Die
Einrichtung der Wage gestattet die Messung sowohl
der Kräfte, welche längs der drei Achsen an
dem Modelle wirksam sind, wie auch jene der
Momente dieser Kräfte mit Bezug auf die
vorgenannten Achsen. Eine einfache Vorrichtung
gestattet unter Vermittlung von besonderen Spann-
drähten eine Fixierung der drei Arme in jeder
beliebigen Position. Die an dem Modelle
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Fig. 3. Ansicht der aerodynamischen Wage.
auftretenden Kräfte können durch Gewichte W
ausbalanziert werden, die an den Enden der
horizontalen Arme suspendiert werden, wobei eine
genauere Adjustierung noch durch die längs der Arme
beweglichen Schiebegewichte / selbst möglich ist. Die
längs der vertikalen Achse wirkendenKräfte
werden durch einen Vertikalstab, der inner-
halb des Vertikalarmes der Wage frei gleitet,
auf einen horizontalen Wagearm übertragen,
durch den die Messung direkt erfolgt. Um die Empfind-
lichkeit der Wage zu variieren, ist die Einrichtung
der Wage so getroffen, daß die vorerwähnten
Gewichte auch an den unteren Teilen des
Vertikalarmes angebracht werden können. Die
Drehung der Wage um ihre Vertikalachse selbst
wird durch einen Torsionsdraht verhindert, dessen
Spannung (Torsionsspannung) durch einen
Torsionsindikator T angezeigt wird. Das an
dem vertikalen Arm befestigte Modell kann um zwei
Achsen rechtwinkelig zur Richtun des
Versuchsluftstromes bewegt werden, so da das
Instrument die Vornahme von Auftriebs-Rücktriebs-
messungen, sowie Messungen jener Kräfte, die unter
den verschiedensten Neigungswinkeln wirken, ge-
stattet.
Fig. 4. Aerodynamische Wage.
3. Der Pfeildoppeldecker Daugherty-Stuparf.
Seit dem Erscheinen des Burgeß-Dunne-Pffeil-
doppeldeckers, welcher im Vorjahre der ameffrika-
nischen Marineverwaltung ohne Erfolg vorgeführt
wurde, hat die Pfeilform in Amerika bloß Beinen
Repräsentanten gefunden: Curtiß baute im Voß jahre
ein Eindecker-Flugboot, dessen Tragdecken
einen sehr großen Pfeilwinkel im horizontalen
Sinne zeigten, gab aber diesen Typ mangels ent-
sprechender Erfolge nach kurzen Erprobungen
wieder auf. Nunmehr ist in dem Pfeildoppeldecker
Daugherty-Stupar ein neuer Vertreter dieses, in
Deutschland beinahe schon völlig ad acta gelegten Typs
erstanden, der sich bezüglich seiner äußeren Linien,
sowie aber auch seiner konstruktiven Details sehr
stark an die bekannten deutschen Vorbilder
anlehnt. Seine unter großem Winkel nach hinten
divergierenden Tragdecken zerfallen bezüglich ihrer
Konstruktion in fünf einzeln abnehmbare Teile, wovon
auf die obere Decke drei und auf die untere zwei
entfallen. Das Innengerüst der Flügel besteht aus
zwei Längsholmen aus Esche, die zur Erhöhung ihrer
Torsionsfestigkeitund Wetterbeständigkeit
mit leimgetränkter Leinwand umwickelt sind
und über welche in gleichen Abständen die Rippen
verteilt sind, von denen für die Hauptrippen
Kastenrippen und für die übrigen Stegrippen
zur Anwendung gelangen. Beide Holme sind auf die
übliche Art durch Diagonalzüge von 3 mm starkem
Stahldraht gegeneinander verspannt. Der Überzug der
Tragdecken besteht aus Rohleinen, welches zum
Schlusse nach der Spannung mit Emailit imprägniert
und geglättet wird. Die Spannweite der oberen Trag-
decke mißt 12°5 m, die der unteren 8'5 m, die Flächen-
tiefe der ersteren beträgt 1'755 m, die der letzteren
15 m. Bemerkenswert ist, daß die Flügel sich
gegen die Spitzen zu verbreitern, wie dies ja
Fig. 5. Vorderansicht des Pfeildoppeldeckers Daugherty-
Stupar.
bekanntlich bei dem schnellen Deperdussin-
Renneindecker der Fall ist. Die Zurundung der
Flügelspitzen erfolgt ähnlich wie bei Morane-
Saulnier, so daß die Hinterkante länger wird
als die Vorderkante, wodurch die Druckver-
schiedenheiten in diesem Gebiete besser
ausgeglichen werden sollen. (?) Die Vertikal-
distanz zwischen Ober- und Unterdeck beträgt 1°5 m,
und wird durch acht parallele Vertikalstreben aufrecht-
erhalten. Die äußersten derselben entsenden auf jeder
Seite noch je zwei schräge Stiele nach den Flügel-
spitzen. Das Flügelprofil zeigt eine ziemlich schwache
arabelwölbung, deren höchster Punkt etwas hinter
dem vorderen Drittel der Flügeltiefe liegt. Die Rippen
selbst bestehen aus Sprucegurten, die über ent-
sprechende Pappelstege gelegt und mit diesen durch
erleimung und Vernagelung verbunden werden,
worauf sie überdies noch einen Überzug mit leim-
Ba Leinwand erhalten. Sie liegen in einem
bstande von durchschnittlich 30 mm voneinander
arallel und laufen in eine, sämtliche Endteile der
ippen verbindende dünne Hintersaumleiste aus
Eschenholz aus. Bezüglich der Träger ist noch zu
bemerken, daß sie aus Einfachheitsgründen, das ist
zwecks leichterer Herstellung und Auswechselbarkeit
die gleichen Dimensionen und den gleichen Rechtecks-
querschnitt aufweisen. Ob letzterer auch bei der
speziellen Lage der Träger, wie sie eben die
Pfeilform bedingt, in statischem Sinne auch
der richtigste ist, bleibt mehr als fraglich. In
ne Weise wie die Rippen, bestehen auch die
tiele der beiden Tragdecken aus Spruce, deren
Querschnitt Tropfenform aufweist. Die Befestigung
der Stiele erfolgtan den Querträgern deroberen
Fläche unter Vermittlung besonderer Stiel-
15
schuhe, welche mit ihren Querbolzen an den Augen-
schrauben der Flächenholme gelenkig befestigt werden.
Für die Befestigung der Stiele mit den Quer-
trägern der unteren Fläche ist eine besondere
Art von Stielschuhen vorgesehen, welche
ein Umlegen der Stiele zwecks leichterer
Demontage ohne Lösung irgend welcher
Drahtverbindungen etc. erlaubt. Zwecks Zu-
sammenlegung des Apparates hat man nur acht rasch
lösbare Schraubenverbindungen an der oberen Fläche
zu Öffnen, worauf die Flächen übereinander geklappt
und von dem Rumpfe nach Lösung der Anschluß-
verbindungen abgenommen werden können. Gemäß
Fig. 6. Seitenansicht des Pfeildoppeldeckers Daugherty-
Stupar.
den Erfahrungen, welche Dunne mit der Pfeilform
sammelte, die aber in der Praxis viel zu wenig
berücksichtigt wurden, ist der Rumpf des Apparates
im Verhältniszur Spannweite ungemein kurz
gehalten. Eshat sich eben gerade bei der Pfeil-
form herausgestellt, daß der große Hebelarm
der Schwanzflächen und die Pfeilstellung der
Flächen selbst sich gegenseitigstark beein-
flussen, so daß entweder die stabilisierende
Funktion des einen oder des anderen Teiles
bei zu großer Länge des Rumpfes herabgesetzt
wird. Dunne ging daher von seinem Prinzip der
gänzlichen Fortlassung des Schwanzes und
hinterer Dämpfungsflächen nicht ab. Die
Konstrukteure des vorstehend beschriebenen
Apparates glauben aber, durch die Anfügung eines
relativ sehr kurzen Rumpfes, die spezi-
fischenNachteiledesschwanzlosen Apparates,
wie längerer Start etc. beheben zu können, ohne
Fig. 7. Pfeildoppeldecker Daugherty-Stupar, Draufsicht.
dabei die Nachteile der Kombination, Pfeilform
mit Schwanz, in Kauf nehmen zu müssen, ein Gedanke,
der ja bis zu einem gewissen Grade nicht un-
richtig sein mag. Der ganze Aufbau des Rumpfes,
der ebenfalls nach europäischen Gesichtspunkten
vorgenommen wurde, ist ungemein einfach und leicht.
Der rückwärtige, an den Lenkersitz anschließende
Teil des Rumpies trägt den ebenfalls demontierbaren
16
Schwanz, dessen Dämpfungsfläche eben aus vor-
erwähnten Rücksichten recht klein, doch bei weitem
ausreichend bemessen wurde. Die große Höhensteuer-
fläche ist geteilt und schließt unmittelbar an die
Dämpfungsfläche an. Der Flächeninhalt der
ersteren ist genau doppelt so groß wie
jener der letzteren.
Das Fahrgestell, welches seinem Äußern nach
von Deperdussin übernommen worden zu sein
scheint, besteht aus zwei gebogenen, aus verleimten
Fournieren hergestellten Kufen, die, vom
Rumpfe nach vorne entsendet, hier von zwei kurzen,
massiven Eschenstielen abgestützt werden, die
vermutlich die Zugbeanspruchung auf den Rumpf
übertragen sollen, aber infolge ihrer Stellung einen
Teil des Druckes des hinteren Fahrgestell-
auslegers mit aufnehmen werden. Auch das
— —
Klappen und einem Pedalbrett für das Seiten-
steuer.
Nach den Angaben des amerikanischen Blattes
»Hydro-Aero«, soll der Apparat bei den praktischen
Erprobungen sich als ungemein steigfähig und schnell
erwiesen haben, welche Eigenschaften man in erster
Linie seinen geringen schädlichen Widerständen,
wie auch der Kürze des Rumpfes zuschreibt.
4. Curtiß.
Glenn H. Curtiß, Amerikas erfolgreichster Hydro-
plankonstrukteur, hat, von den Erfahrungen geleitet,
die er im Laufe von sechs Jahren sammeln konnte,
seinen Flugzeugen nunmehr ein gänzlich verändertes
Aussehen gegeben. Viel mochte hiezu auch das
erfolgreiche Durchsetzen der auf unserem
—
—— —
—
—
Fig. 8. Curtiß-Rumpfdoppeldecker 1915.
Fahrgestell ist leicht abnehmbar. Zu diesem Behufe
sind bloß vier 5/s-zöllige Schraubenbolzen zu ent-
fernen. Die Spurweite der beiden Pneumatikräder des
Fahrgestelles beträgt ungefähr 1775 m, ist also im
Verhältnis zur Spannweite reichlich klein.
Die Abfederung der Räder selbst erfolgt auf bekannte
Art mittels Gummischleifen à la Deperdussin oder
Farman.
Der Kopfteil des Rumpfes trägt einen siebenzylin-
drigen Gnöme-Motor von 50 PS Nennleistung, der
direkt einen Zugpropeller von 2400 mm Dia-
meter mit einer Tourenzahl von 1125 Umdrehungen
pro Minute antreibt, was einen Zug von etwa 200 kg
ergibt. Die Kapazität der Behälter ist für unsere
Begriffe recht niedrig. So faßt der Benzinbehälter
bloß 75 kg und der Ölbehälter nur 32 kg.
Die Steuerung besteht nach Farman aus
einem Handhebel für Höhensteuerung und
Kontinente gebräuchlichen Richtlinien bei-
getragen haben, jedenfalls aber steht fest, daß seine
neuesten Typen, insofern wir hier nur die Land-
flugzeuge betrachten, fast nichts mehr mit jenen
von 1912 und 1913 gemein haben.
Sein neuester Doppeldecker zeigt
wenigstens, daß Curtiß sich nunmehr die übliche
Schablone zurechtgelegt und mit dem Bau seiner
rumpflosen Doppeldecker gebrochen hat. Sein
Militärdoppeldecker 1914 ist ein schwach ge-
staffelter Rumpfapparat, der noch den für
Amerika speziell in die Wagschale fallenden
Vorteil besitzt, nach Abnahme des Radgestelles
ineinregelrechtes Wasserflugzeug verwandelt
werden zu können. Ansonsten hat die in Hammond-
sport, an den Ufern des Keuka-Sees gelegene Fabrik
im verflossenen Jahre die bekannte Ozeanflugmaschine
hervorgebracht, deren Ende} unseren Lesern ebenso
Fig. 9 und 10. Curtiß-Doppeldecker, transportbereit in Kisten verpackt.
17
Fig. 11. i ainia ia Hammondsport,
bekannt ist. Die Erfahrungen, die Curtiß mit diesem
Apparate und mit seinem hier schon erwähnten
Eindeckerflugboote machen konnte, haben eben wieder
gezeigt, daß sein normales Zweideckerflugboot, wie
es in zahlreichen Exemplaren in Diensten der ameri-
kanischen und italienischen Marinebehörde steht,
dermalen kaum übertroffen werden kann, weshalb
Curtiß einstweilen diesen Typ unverändert weiter-
baut. Bemerkenswert ist hiebei allerdings, daß er im
Laufe der Zeit die Herstellungsweise wesent-
lich vereinfacht und die Maschine selbst in
ihren Details auch verfeinert hat. In diesem
letzteren Belange ist speziell das Boot, welches
Curtiß für die italienische Heeresverwaltung
ausgeführt hat, bemerkenswert. Hier wurden
zunächst die namentlich in der Gegend der Vorder-
sitze sonst elastisch gehaltenen Seiten-
wände durchgehends starr durchgeführt.
Da überdies die italienische Marineverwaltung,
abweichend von der amerikanischen, die
Forderung stellte, daß das Boot, nicht wie sonst,
dreisitzigsein, sondernnurzweihintereinander
angeordnete Sitze enthalten solle, so war
hiedurch die Möglichkeit einer schmäleren Bauart
und auch besseren Linienführung 2
Entsprechend der Forderung nach größerer Steifig-
keit der Seitenwände, wurden diese an dem in
Rede stehenden Boote aus drei durchgehenden,
direkt aus dem Stamme herausgesägten und mit
einander unter Faserkreuzung verleimten
Mahagonifournieren hergestellt, wodurch die
Festigkeit gegenüber den normalen, aus
mehren Teilen getrennt hergestellten Boots-
Fig. 13. 100 PS Curtiß-OX-Motor.
Fig. 12. Gesamtansicht der Flugzeug- und Motorenwerke
Curtiß, Hammondsport, U. S. A.
körpern erheblich erhöht wurde. Curtiß hat
an diesem Boote auch dem besseren Schutze
der hintereinander sitzenden Insassen
durch eine, einfache auf- und zusammen-
klappbare 5) hice aise keapen
In ausgespanntem Zustande bedeckt diese Bedachung,
welche aus Rippenbögen und Stoffüberzug mit
eingelassenen Cellonfenstern besteht, den
ganzen Führer- und Passagierraum. In zu-
sammengelegtem Zustande nimmt sie einen
relativ nur sehr kleinen, das Gesichtsfeld
keinesfalls beengenden Raum vor dem Führer-
sitze ein. Der Raum für die Insassen selbst hat
elliptischen Querschnitt und wird durch den vor dem
Passagiersitze durchgehenden Vorderholm der unteren
Fläche durchkreuzt. Neuartig ist am Vorderteile
des Bootes die Anwendung einer dreifachen
Wölbungsunterteilung, wodurch ein bedeutend
rascheres Abheben vom Wasser, aber auch
. Schutz gegen zu tiefes Eintauchen beim
nwassern, sowie gegen seitliches
Schleudern gewährleistet werden soll.
Curtiß erzeugt bekanntlich auch Flugmotoren,
wie Fig. 13 zeigt, und soll es auf diesem Gebiete zu
einer sehr großen Leistungsfähigkeit gebracht haben,
was aus Berichten über verschiedene Dauerleistungen
seiner Motoren hervorgeht.
« *
*
Zum Schlusse sei hier noch eine Abbildung
reproduziert, welche einen der neuesten, amerikanischen
Flugmotoren, nämlichden60PS Achtzylinder-Ashmusen-
Motor in seinen Einzelteilen zeigt. Der Motor, welcher
Fig. 14. Curtiß-Flugboot auf dem Transporte.
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Fig. 15. Bestandteile des amerikanischen Ashmusen-Flugmotors.
Rn für den neuen Wright-Doppeldecker, | Bildung kreisender Luftströme zwischen
odell B, gebaut wurde, verkörpert einige spezifisch Parallelrippen in horizontaler Richtung ver-
amerikanische Leitgedanken, denen wir bereits im | mieden wird. Die links vorne sichtbare Kurbelwelle
Automobilmotorenbau dieses Landes begegneten. ist ungemein solid und dauerhaft gearbeitet und für
So ist aus der Abbildung ersichtlich, daß die | dreifache Lagerung ausgebildet. In der Mitte zwischen
Köpfe von je einer Reihe Zylindern (diese stehen zu | Gehäuse und Kurbelwelle ist noch die kleine,
je vier, V-förmig zueinander) en bloc gegossen sind, | zwangläufig arbeitende Ölpumpe sichtbar, daneben
wie auch die Zylinder aus dem gleichen Materiale | die gepreßten Pleuelstangen. Das Gehäuse selbst ist
mit den doppelten, sich rechtwinkelig kreuzenden Kühl- | ungemein leicht hergestellt. Vorne ist das Schwungrad
rippen gegossen werden. Ob diese Art der Kühl- | sichtbar, vor diesem die Kettenräder für die Schrauben-
rippenanordnung vorteilhaft ist, wäre zu be- | ketten, sowie ein Anschlußstück für eine Hand-
zweifeln, denn der hiedurch einerseits gewonnene Vor- | andrehkurbel. Die Ashmusen-Motor-Company,
teil der weiteren Oberflächenvergrößerung | welche ihre Konstruktion durch eine Anzahl von
wird wieder durch den Umstand wettgemacht, | Patenten geschützt hat, hat ihren neuen Motor
daß die von vorne heranstreichende Kühlluft an den | bereits fertiggestellt und Erprobungen unterzogen,
vertikalen Kühlrippen ein Hindernis findet, | über deren Ergebnisse aber bisher noch nichts
welches sie nicht zu den rückwärtigen Teilen | verlautet.
des Zylinders gelangen läßt, was ja sonst durch — American. —
Glacialkosmogonische Beiträge zur Physik der Atmosphäre und
der Sonne.
»Wir wissen nicht wie das Wetter entsteht«.
Der greise Meteorologe Dr. J. M. Pernter, 1903.
II. 5 Gewitterstürme, heftige Böen u. s. w.) durchsetzt zu
j in pflegen.
In der letzten Nummer des vorigen jahrganges ein P . ER :
dieser Zeitschrift haben wir den dL baled a Um aber in dieser Hinsicht nicht allzu weit
das Vertrauen des Luftschiffers und Fliegers in die | reichende Hoffnungen zu erwecken und anderseits
bestehenden Grundlehren der Meteorologie zu unter- | dem billigen Spotte unserer geehrten fachmeteoro-
graben, indem wir einen, ohne Vorwissen der Astro- | logischen Skeptiker einigermaßen vorzubeugen, sei
nomen, Geologen und Meteorologen seit jeher im | VOrausgeschickt, daß es nie möglich sein wird, ein
Flusse befindlichen, zwiefachen kosmischen Eiszufluß | lokal auftretendes Gewitter obbezeichneter Art ört-
zur Erde nachzuweisen versprachen. Unser Endziel | lich und zeitlich genau voranzusagen, wie das ja
ist, das physikalische Urwesen jener luftdynamischen | auch heute aus dem Studium der gestrigen Isobaren-
und luftelektrischen Paroxysmen, die den kühnen | Karten heraus noch immer nicht geleistet werden
Befahrern des Luftozeans gefährlich werden können, | Kann. Aber ebensogut wie der Meteorologe aus der
vom kosmologischen Standpunkte aus in ein neues | momentanen Windrichtungs- und Luftdruckverteilurg
Licht zu rücken und zugleich einen Weg zu zeigen, | (über den ganzen Kontinent und die angrenzenden
auf welchem solche Vorgänge, wenn auch nicht zeit- | Meere) heraus auf die wahrscheinliche allgemeine
lich und örtlich scharf bestimmt, dennoch auf 8 bis | Wetterlage des nächsten Tages für die einzelnen,
14 Tage, mitunter sogar auf Monate hinaus annähernd | In das Isobarennetz eingesponnenen Landbezirke
vorhergesehen werden können. Mehr als zwölfjährige schließen ‚kann, ebenso wird der glacialkosmogonisch
Erfahrungen befreundeter Observatorien werden uns eingearbeitete Sonnenbeobachter die größeren Wetter-
darin unterstützen. Im genannten Endzwecke hat | Stürze auf Wochen hinaus und auf Tage genau für
diesen Weg ja auch schon Herr Wilhelm Krebs, der | beiläufige geographische Längen und Breiten warnend
rührige Leiter der Holsteinschen Wetter- und Sonnen- | vorhersagen können. Fehlprognosen dürften da kaum
warte in Schnelsen, betreten — im geophysikalischen | häufiger sein, als sie in der heutigen 24 stündigen
Prinzipe aber werden wir zu dieser Sache noch Wettervoransage unterlaufen. Aber auch der Prozent-
manches beitragen können. Die Zeit kann auch nicht | Satz der heutigen Fehlprognosen wird zu verringern
mehr ferne sein, in der jede Flugstation ihren tele- | Sein, wenn es die Wetterbeobachtung einmal über
graphischen Anschluß an spezielle Sonnen- und | Sich gebracht haben wird, sich auf den glacialkosmo-
Wetterwarten haben wird, um auf mehrere Tage gonischen Standpunkt zu stellen. Doch hierüber später
oder Wochen hinaus vor dem wahrscheinlichen Ein- | näheres.
treten größerer Wetterstürze gewarnt zu werden, die Bevor wir nun an die in Aussicht gestellte Detail-
ja besonders in den Sommermonaten (der zugehörigen | bearbeitung des Wolkenbruch- und Hagelproblems
Hemisphäre) in der Regel auch von Schwärmen lokal ! an der Hand von konkreten Beispielen schreiten,
auftretender Gewitter (Wolkenbrüche, Hagelschläge, glauben wir erst einige der lästigsten Zweifel be-
seitigen zu sollen, die den einen oder anderen Leser
noch immer hindern dürften, uns sein volles Gehör
zu schenken. Außer der später zu behandelnden
meteorologischen — gibt es nämlich auch
eine geologische Notwendigkeit eines ausgiebigen
kosmischen Wasserzuflusses. Und in der Behandlung
dieses Themas wird sich hoffentlich der erst an-
gezielte Zweifel des Lesers: -Wie wäre ein so aus-
giebiger kosmischer Wasserzufluß denkbar, wenn das
Niveau des Ozeans seit undenklichen Zeiten auf
konstanter Höhe verbleibt?« — verfliichtigen. Gewiß
ist es diese Frage, mit der uns der Leser zuerst in
Verlegenheit bringen will. Die zweite Zweifelfrage dürfte
dann lauten: »Wie wäre es möglich, daß der mit allen
erdenklichen Hilfsmitteln und physikalischen Lehr-
sätzen ausgerüstete Meteorologe bisher noch nichts
von diesem zwiefachen kosmischen Eiszuflusse
bemerkt oder wenigstens geahnt haben sollte?« --
Und drittens: »Wie wäre es möglich, daß die viel
ältere und auf viel höherer Stufe stehende Astronomie
die glacialkosmogonisch behaupteten himmlischen
Eismassen nicht schon längst gesehen und dem
Meteorologen nicht schon längst einen kosmischen
Eiszufluß wahrscheinlich gemacht haben sollte?< —
Im Verlaufe der anzustellenden Betrachtungen wird
sich uns des Öfteren Gelegenheit bieten, die beiden
letztgenannten Zweifel abzuschwächen; es empfiehlt
sich aber, unsere Aufmerksamkeit zunächst auf den
erstangeführten zu konzentrieren.
Wir wissen, daß die Erde einen äquatorialen
Durchmesser von rund 1275 km hat. Allgemein bekannt
dürfte es auch sein, daß unser heutiges Ozeanvolumen
eine dem Rotationsellipsoid entsprechend nivellierte
Erde in einer durchschnittlichen Tiefe von bloß rund
21 km gleichmäßig überfluten würde, wenngleich
das Lot mitunter Abgründe des Meeresbodens von
9 km gemessen hat. — Weniger bekannt ist es viel-
leicht, daß das Wasservolumen des gesamten Ozeans
bloß etwa ein 850 stel des Erdvolumens beträgt. Es
handelt sich nun zunächst darum, uns für dieses
Volumenverhältnis sinnfällige Raumvorstellungen zu
schaffen, um zur Einsicht zu kommen, daß die Erde
im Verlaufe auch nur der jüngsten geologischen Zeit-
räume oberflächlich schon längst zur wasserlosen
Wüste geworden sein müßte, wenn kein Wasser von
außen zukäme.
Zu diesem Zwecke laden wir den meteorologischen
und geologischen Zweifler ein, das folgende Raum-
vorstellungsexperiment durchzuführen: Auf dem FuB-
boden eines mindestens 13 m im Geviert messenden
Tanzsaales zeichnen wir zwei konzentrische Kreise
von 10 und 123/,m Durchmesser und denken uns
dabei die äußere Kreislinie genau 2½ mm dick ge-
zogen. Der äußere Kreis stellt dann den Äquator-
umfang der Erde im Maßstabe von 1: 1,000.000 dar,
während die 2!/o mm dicke Kreislinie selbst, im selben
Maßstabe, die gleichmäßige Tiefe des heutigen Ozean-
volumens auf einer genau nivellierten Erde versinn-
licht. Der innere Kreis von 10 m Durchmesser soll nur
beiläufig die Größe des noch glutflüssigen Erdinnern
räumlich und relativ zur Krustendicke und Ozeantiefe
vorstellbar machen. Es genügt natürlich nicht, wie
mancher Leser vielleicht denkt, dieses Experiment
bloß im Geiste zu machen, sondern man zeichne sich
diese Kreise auch wirklich auf und ziehe wenigstens
einige Grade der äußeren Kreislinie auch wirklich auf
weißem Papier mit schwarzer Tusche genau 2% mm
dick durch, um die Sache dem Auge recht sinn-
fällig zu machen. Nun stelle man sich an Hand dieser
zwei Kreislinien einen 12%, m großen Globus vor,
der von einem 21/3 mm tiefen Ozean gleichmäßig über-
flutet und in einem inneren Kugelvolumen von rund
10 m Durchmesser noch weißglutflüssig ist! —
Eine ungeheure Perspektive eröffnet sich uns
aus diesem, gewiß noch von keinem Meteorologen
oder Geologen angestellten Raumvorstellungs-Experi-
mente, wenn wir nun die Größe des Erdvolumens
und dessen glutflüssigen Teiles mit der Seichtheit
° 19
des Ozeans vergleichen. Ein solcher maßstäblicher
Volumsvergleich kann uns weder am Meeresufer oder
auf hoher See, noch aber an Hand eines noch so
großen Bibliotheksglobus glücken ! Denn bei letzterem
können wir uns keine maßstäblich richtige Raum-
vorstellung von der relativen Seichtheit des Ozeans
machen — dieselbe unterschreitet unser Vorstellungs-
vermögen ; und am Meeresufer lassen wir uns wieder
von der scheinbar endlosen Wasserfläche und der
8 Ozeantiefe überwältigen, ohne uns von der
röße des Erdvolumens eine richtige Relativvor-
stellung machen zu können — dasselbe überschreitet
unser Vorstellungsvermögen. Wir mußten also einen
Maßstab wählen, in weichem die eine Größe dem
unbewaffneten Auge noch nicht unendlich klein, die
andere dem an der Scholle haftenden Auge noch
nicht unendlich groB erscheint. Durch eine solche
pomiva Fußbodenzeichnung wird diese Schwierigkeit
ehoben und bei einiger gutwilliger Phantasie er-
kennen wir sofort, daß unser Ozean, obwohl die
Erde zu vier Fünftel bedeckend und manchmal zu
grausigen Tiefen von 5 bis 9km absinkend, gegen-
über dem Erdvolumen fast verschwindet!
Es drängt sich nun die Frage auf: Ist es denn
in Anbetracht des ene sr Erdinnern möglich,
daß dieses verschwindende Minimum eines irdischen
Ozeans durch die geologischen Jahrhunderttausende
(zahlentrunkene Geologen schwelgen ja auch in
Jahrhundertmillionen und -Billionen) hindurch immer
aus demselben Wasser bestehen bleiben könnte?
Wir müssen da etwas weiter ausholen.
Wie in jedem Bergwerke ersichtlich, dringt das
Sickerwasser mit ungeheurem hydrostatischen Drucke
durch die poröse und zerklüftete Erdkruste und muß
daher insbesondere längs der Niederbruchsspalten,
längs der durch Vulkane markierten Steilküsten aus
seismischen Linien überhaupt, mit einem Drucke
von, sagen wir bis zu 10.000 Atmosphären, auf das
dem Glutflüssigen benachbarte Gestein drücken.
Unbedingt muß dieses Hochdruck-Sickerwasser dorten
auch so hoch erhitzt werden (viele Hunderte von
Celsiusgraden über dem atmosphärischen Siedepunkte),
daß es sich trotz des hohen Druckes in dauernder
Siedebereitschaft befindet. Wir kennen den technischen
Begriff des »Siedeverzuges« seinem physikalischen
Inhalte nach und dürfen ihn jetzt hier anwenden.
Im Siedeverzuge befindliches Wasser bedarf nur
einer ganz geringen, nicht allzu allmählichen Druck-
entlastung oder auch nur einer geringeren Erschütterung,
um sofort zum Sieden oder zur Explosion gebracht
zu werden. Im Dampfkesselbetriebe erfahrene
Techniker, insbesondere die Ingenieure und Inspek-
toren der Dampfkessel-Untersuchungs- und Ver-
sicherungsgesellschaften werden da den militärischen
Flugtechnikern gerne mit ihren Erfahrungen aus-
helfen. Unter ihnen ist es allbekannt, daß in unver-
sicherten Fabriksbetrieben mit Sonntagsruhe die
meisten Dampfkesselexplosionen des Montags früh
stattgefunden haben. Wenn der ungewarnte Heizer
um Mitternacht Feuer macht und während des
langsamen Druckanstieges nicht hie und da einen
Heizhahn oder Wasserstandshahn öffnet, keine Speise-
pumpe oder Injektor in Betrieb setzt oder nicht sonst-
wie den Wasserspiegel des Kessels zeitweilig
beunruhigt, setzt den ruhig unter Druck gebrachten
Kessel der Explosionsgefahr aus, wenn er um 6 Uhr
die Dampfpfeife oder der Maschinist plötzlich das
Dampfventil der Maschine öffnet. So manche Kessel-
explosion wurde und wird unbewußt dadurch ver-
mieden, daß es einfach nicht möglich ist, den Wasser-
spiegel während des Druckanstieges in Ruhe zu
belassen. Es werden da langsam kleinere Hähne zu
den Dampfheizungen, Trockenkammern, Kochappa-
raten, zur Maschinenvorwärmung, zur Dampfspeise-
pumpe etc. nacheinander geöffnet, wodurch das
Kesselwasser gleichsam immer wieder daran erinnert
wird, daß es bei einer gewissen, dem jeweiligen
Drucke entsprechenden Temperatur zu sieden und
20 `
Dampf zu entwickeln, bezw. den der jeweiligen
Temperatur entsprechenden Druck immer wieder
genau einzustellen hat. Bekanntlich siedet das Wasser
unter atmosphärischem Druck bei 100° C., dagegen
unter:
2 4 6 8
schon bei rund: l
133 151 164 174 183 190 197 211 etc. Grad Celsius.
Nebstbei bemerkt ist hieraus schon zu ersehen,
daß der Druckanstieg nicht proportional dem
Temperaturanstiege erfolgt und auch roh zu
schließen, daß in den uns hier interessierenden Erden-
tiefen einem Temperaturanstiege von nur einem Grad-
bruchteil schon ein Druckanstieg von vielen Atmo-
sphären entsprechen muß und umgekehrt; eine
Erkenntnis, die später noch weitere zeitigen wird.
Doch zurück zum Siedeverzug.
Wird im Dampfkessel das Wasser sehr langsam
und ohne äußere Beunruhigung erhitzt, so steigen
wahrscheinlich keine Siededampfblasen von der Heiz-
fläche zurWasseroberfläche empor, sondern esfindet das
Medium Zeit genug, sich durch ruhige, langsame
Zirkulation durchaus gleichmäßig zu erwärmen und
so durch bloß oberflächliche Verdampfung den jeweils
der steigenden Temperatur entsprechenden Dampf-
druck einzustellen. Eskommt eben nicht in die Lage,
sich selbst innerlich dauernd zu beunruhigen. Unter
solchen Umständen steigt die Wassertemperatur auch
etwas über den dem jeweiligen Drucke entsprechenden
Hitzegrad; es vergißt gleichsam rechtzeitig zu sieden,
daher die Bezeichnung: »Siedeverzug«.
l Erschüttert man aber jetzt diese überhitzte Wasser-
masse ein wenig oder erniedrigt man den auf der
ruhigen Wasseroberfläche lastenden Dampfdruck
durch rasches Öffnen eines größeren Ventils plötzlich
ein wenig, so erinnert man das Wasser gleichsam
an seine Druckrückständigkeit, es beginnt plötzlich
in allen Schichten (nicht nur an der Heizfläche)
Dampfblasen zu entwickeln, zu sieden: Der
Siedeverzug wird ausgelöst (wie man, zwar
nicht ganz richtig, sagen könnte), der Druck steigt plötzlich
mit solcher Vehemenz, geradezu stoBartig, explosions-
artig, daß der Kessel in die Luft fliegt.
Daß wir bei dieser Erinnerungsauffrischung etwas
länger verweilten, war durchaus notwendig, weil
dieser SEN Aare ungemein wichtige Vorgang dem
Geologen offenbar nicht geläufig zu sein scheint,
ihn aber zur Revidierung seiner Erdbebentheorien
zwingen und uns zur Neuerkenntnis eines aus-
giebigen innerirdischen Wasserverbrauchs -- also auch
zur leichten Behebung des oben erstgenannten
Zweifels verhelfen wird.
Ziehen wir nämlich aus diesen Betrachtungen
des technisch so wichtigen Siedeverzuges die
Konsequenzen für das tiefere, heiße und wasser-
durchdrückte Erdinnere, so wird uns sofort klar, daß
die Bedingungen zur Ausbildung der verschiedent-
lichen Siedeverzüge nirgends so restlos zusammen-
gegeben sind, wie eben in diesem tieferen Erdinnern.
Zwar ist ein wirkliches »Sieden« dort überhaupt
nicht möglich, weil das Sickerwasser (mit Ausnahme
von Spalten, Verwerfungen u. dgl.) kaum irgendwo
in größeren Hohlräumen am heißen Gesteine ansteht,
sondern eben nur in den Gesteinsporen in mikro-
skopisch dünnen Schichten an die reichstgegliederte
»Heizfläche« hochdrückig angepreßt erscheint. Es
kann nur entweder Wasser bleiben solange es geht
oder es muß plötzlich explodieren, wenn die
Bedingungen zur Auslösung der Explosion gegeben
sind. An den verschiedensten geographischen Längen
und Breiten (mit Vorliebe aber in den niedrigeren
und mittleren Breiten, in den habituellen StoBgebicten
längs der Bruchspalten oder Schütterlinien, in denen
10 12 14 19 etc. Atm. Uberdruck*)
) Unter »Atmosphäre« hier t kg Druck pro lem ver-
standen.
————— ——— ——— a —————— — — — B 2 2.22 2 A SA a 1 E U 0 U E
eben das Druckwasser am weitesten ins heißere
Erdinnere gelangen kann) in den verschiedensten
Tiefen müssen die untersten Partien des Sicker-
wassers permanent in den verschiedensten Graden
des geladenen, bezw. explosionsbereiten Siede-
verzuges befindlich sein. Eine geringe Erschütterung,
eine geringe, nicht allzu allmähliche Druckentlastung
genügt, um dort unten eine Wasserexplosion aus-
zulösen. Dabei handelt es sich aber auch meist um
so hohe Temperaturen, daß mit der Dampfexplosion
auch sofort die größtenteilweise thermochemische
Zersetzung des Wasserdampfes in H und O einher-
gehen muß.
Und für solche explosionsauslösende geringe
Erschütterungen und Druckschwankungen ist durch
die wechselnden Resultierenden aus Sonnen- und
Mondanziehung, ausgeübt auf die schiefachsig
rotierende, immerhin etwas elastische Erdkruste,
ferner durch Springfluten des Wasserozeans und aus-
giebige lokale Depressionen im Luftmeere reichlich
vorgesorgt. Es verbiegt sich die Erdkruste nach-
gewiesenermaßen ja stets ein wenig unter dem Einflusse
der Gezeitenkräfte, das heißt, es gibt nebst der atmo-
sphärischen und hydrosphärischen auch eine litho-
sphärische und magmatische Ebbe und Flut. Und
daraus kann für die verschiedenen innerirdischen
Orte hochgradigen Siedeverzuges abwechselnd jene
geringe Druckentlastung resultieren, welche zur lokalen
iedeexplosion und teilweisen thermochemischen
Zersetzung des die Erdkruste dabei schüttelnden und
stoßenden Wasserdampfes führen muß!
Bestrebt, einen ausgiebigen innerirdischen Wasser-
verbrauch (außer den bekannten Hydratbildungen und
der fortschreitenden Versickerung) nachzuweisen, wären
wir also damit beieinem vermeintlich längst restios ge-
lösten Probleme der Geologie, dem Erdbebenproblem
angelangt. Der geneigte Leser wende uns hier nicht
ein, daß eine neue Erdbebentheorie doch nichts mit
einer neuen Wolkenbruch- und Hageltheorie oder mit
einer neuen Sonnenfleckentheorie gemein haben
könne; denn wir müssen ihm ja erst einen ausgiebigen
innerirdischen Wasserverbrauch plausibel machen,
welcher bei der gegebenen, in geschichtlicher Zeit
konstanten Ozeantiefe einem ebenso ausgiebigen
kosmischen EiszuflußB das Gleichgewicht hält. Wir
bitten daher um weiteres geduldiges Gehör.
Die heutige Geologie unterscheidet der Haupt-
sache nach dreierlei Erdbeben: a) vulkanische Beben,
b) Einsturzbeben und c) tektonische oder Dislokations-
beben.*) Für uns ist aber diese geologische Einteilung
der Erdbeben vollständig hinfällig geworden, indem
der obangedeutete innerirdische asserexplosions-
vorgang ausschließlich das einheitlich physikalische
Urwesen aller wie immer heißenden Erdbeben
darstellt. Es lassen sich in dieser heute üblichen
Erdbebeneinteilung ja auch durchaus keine scharfen
Grenzen ziehen, indem die einzelnen Unterscheidungs-
merkmale in den verschiedensten Punkten ganz
allmählich ineinander übergehen. So wird es auch
verständlich, daß z. B. der Erbebenspezialist
A. Stübel**) sagt: »Die Unterscheidung vulkanischer
und tektonischer Erdbeben sei mangels strenger
Beweise bis jetzt nur auf eine subjektive Auffassung
begründet geblieben; infolge dessen sei die in
Erscheinung tretende Art der Erschütterung, welche
als tektonisch bezeichnet wird, eine Folge der
Außerung vulkanischer Kraft in den peripherischen
Herden.« Von anderer Seite wird aus ähnlichen
Gründen (der Gelehrten-Uneinigkeit) empfohlen, eine
Zwischenform: »Die vulkanisch-tektonischen Erdbeben«
oder »Spannungsbeben« einzuschalten. Nach SueB
lassen die tektonischen Erdbeben noch mehrfache Ein-
teilungen zu, wie etwa: Querbeben, Längsbeben, Blatt-
beben, Vorschubbeben u. dgl. Aus dieser Uneinigkeit
der Gelehrten gewinnt unsere Behauptung, daß es
*) Sieberg: »Handbuch der Erdbebenkunde.« 1904.
**) Stübel: »Über das Wesen des Vulkanismus.« 1897.
tektonische und Einsturzbeben überhaupt nicht gibt,
sondern alle Beben im Grunde genommen nur
Dampf-Explosionsbeben sein können, allein schon
einiges Gewicht. Findet eine solche innerirdische
Dampfexplosion in der Nähe eines Vulkans statt,
so daß der letztere gleichsam ein Sicherheitsventil
gegen allzu heftiges Stoßen von unten darstellt, so
registriert der Geologe eben ein vulkanisches
Beben. Wirkt ein solches Sicherheitsventil nicht
abschwächend mit, so wird ein tektonisches Beben,
das heißt eine vermeintliche Äußerung der »gebirgs-
bildenden Kräfte« verzeichnet. Wir geben auch zu,
daß beispielsweise im Karstgebiete Höhleneinstürze
vorkommen und in solchen Fällen auch Häuser in
die Tiefe stürzen können, oder daß in Bergwerken,
wie in Raibel geschehen, ein Niederbruch auch einmal
plötzlich erfolgen kann. Aber daß die dabei in
der nächsten Umgebung etwa verspürten leisen
Erschütterungen als »Erdbeben« im seismologischen
Sinne angesprochen werden dürfen, das bestreiten
wir entschieden. Wir leugnen daher auch die
sogenannten »Einsturzbeben«. Vom Wasser nicht
erfüllte oder vom Wasser ausgewaschene Hohlräume
kann es nur oberhalb des Meeresniveaus geben.
Stürzt ein solcher Hohlraum ein, wie im Karstgebiete
etwa möglich, so sind die bewegten Massen viel zu
gering, als daß sie eine weitreichende Erschütterung
verursachen könnten. Wo durch Verlagerungen des
Seespiegels früher ausgewaschene Hohlräume unter
Wasser stehen, kann auch ein plötzlicher Einsturz
keine weitreichende Erschütterung erzeugen, indem
im Wasser nur von einem Einsinken und nicht
von einem erschütternden Einstürzen gesprochen
werden kann. In Parenthese sei hier (einer Kritik
vorbeugend) auch bemerkt, daß wir die aus alten
Strandlinien und unterseeischen Flußbetten erweis-
baren Verlagerungen des Meeresspiegels durchaus
nicht auf »Hebungen und Senkungen« von Kontinental-
massen im Lichte der sogenannten »Kontraktions-
theorie« und vermeintlichen »gebirgsbildenden
Kräfte« zurückführen, sondern auf wirkliche
Meeresverlagerungen durch kosmische Kräfte.
Bezüglich des näheren hierüber können wir dem
geologischen Fachmanne wieder nur auf den geologi-
schen Teil unseres Hauptwerkes*) verweisen.
Es erscheint nach Kenntnisnahme des so einfachen
glacialkosmogonischen Wesens der Erdbeben auch
ungemein rätselhaft, wie der Geologe dieses so aus-
drückliche Erdbeben-»S toBen« von unten am Orte
des Epizentrums (das heißt senkrecht oberhalb des eben
ausgelösten Siedeverzuges) aufinnerirdische »Einstürze«
(Einsturzbeben) oder auf die uBerungen
»gebirgsbildender Kräftes (Dislokationsbeben
oder tektonische Beben) zurückführen kann. Gebirgs-
bildende Kräfte sind heute, das heißt außerhalb des
Kataklysmus (vgl. geologischen Teil unseres
Hauptwerkes) niemals und nirgends in Aktion,
auch nicht in den allerschwächsten Ausmaßen, von
der Anschüttearbeit tätiger Vulkane natürlich
abgesehen. »Gebirge« werden nur-im Kataklysmus
gebaut. Aber auch da hat die sogenannte
»Kontraktion«, als die vermeintliche Grundursache
der Gebirgsbildung, gar nichts mit Gebirgsbau zu
tun, sondern nur die vertausendfachten Mondesflut-
kräfte und die zugehörigen kataklysmatischen Ozean-
bewegungen bauen Gebirge auf, wie in unserem
Hauptwerke auf 235 Lexikonseiten eingehendst
beschrieben und durch 37 Diagramme bequem ver-
anschaulicht erscheint.
Die Verbreitung der Erdbebenwelle durch die
feste Kruste hindurch sowohl, als auch in den vom
»Hypozentrum« (unserem innerirdischen Explosionsherd)
ausstrahlenden geraden Richtungen durch das Magnıa
hindurch, wird in der Seismologie natürlich ganz
richtig gedeutet; nur ist die am Orte des Hypozentrums
*) Fauth: »Hörbigers Glacialkosmogonie, eine neue
Weltbildungslehre etc.- Kaiserslautern 1913. Preis Mk. 30°—.
21
wirkende primäre Ursache kein Zusammen-
sturz, sondern ein explosiver Auseinanderstoß;
und auch nur zufolge eines solchen ist die Fort-
pflanzung dieser Stoßwirkung nach allen Richtungen
des erderfüllten Raumes denkbar. Unseren geehrten
Skeptikern unter den Fachgeologen, die da etwa, den
Hypothesenschmied witternd, überlegen lächeln wollen,
empfehlen wir dringendst, einige Jahre bei Krupp in
Essen oder bei Skoda in Pilsen zu praktizieren
oder sich sofort unseren Motorbatterien oder den
deutschen 42 cm-Mörsern anzuschließen, um ein
praktisches Urteilsgefühl für jene Explosivkräfte zu
erlangen, welche zur stoBweisen Bewegung
großer Massen nötig sind. Gewiß würden sie von
dort beschämt und über sich selbst lachend heim-
kehren, um ihre Gebirgsbildungs- und Erdbeben-
theorien an der Hand unseres Hauptwerkes schleunigst
einer Revision zu unterziehen.
Ein extremer Fall solch innerirdischer Siede-
verzugsexplosion mit einem vulkanischen Auspuff
(oder Sicherheitsventil) wird durch die 1882er Ex-
plosion der Sundainsel Krakatau illustriert. Jene
Gasmengen, welche damals Unmengen vulkanischen
Staubes emporgerissen und über die ganzen Deck-
schichten unseres Luftozeans verbreitet hatten, waren
vornehmlich Wasserstoff, resultierend aus inner-
irdischer thermochemischer Wasserzersetzung, während
der Sauerstoff größtenteils im Erdinnern gebunden
blieb, zum Teil auch unsere Atmosphäre bereichern
half. Einen anderen extremen Fall solch innerirdischer
Wasserzersetzung zeigt der Ausbruch des Mont Pele
auf Martinique (1902), dessen totbringende Gase eben-
falls vornehmlich aus solchen Zersetzungs-Wasserstoff
bestanden haben mußten. Sieht in anderen Fällen der
Schiffer den Ozean gleich einem brüllenden Berge
‚sich erheben und Gase explosionsartig entweichen,
so weiß er im Uberlebenstalle aus dem Schwefel-
wasserstoffgeruche, daß hier Wasser mit flüssigem
Magma in Berührung gekommen und explosionsartig
thermochemisch zersetzt worden ist; denselben Geruch
verspüren wir auch, wenn wir flüssige Hochofen-
schlacke mit Wasser begießen. In Fällen von Hoch-
ofenausbrüchen ereignen sich oft die verheerendsten
Wasserzersetzungs- Explosionen: Ein Mont Pele-
Ausbruch im kleinen! Es sei auch auf die große Ein-
heitlichkeit der physikalischen Grundursache eines
Krakatau-Ausbruches und einer Sonnenprotuberanz
verwiesen: Thermochemische Wasserzersetzung, das
heißt der Widerstreit zwischen kosmischem Neptunis-
mus und Plutonismus im kosmologisch kleinen hier
und dort; bei allmählicher Steigerung solchen physi-
kalisch einheitlichen Geschehens gelangen wir dann
zu den oberen Extremen, das ist zu den Muttergestirn-
Explosionen, Planetensystem- und Sterngruppen-
geburten, den Neuen Sternen«. Sollte der geneigte
Leser in begreiflicher Scheu vor einem 800 seitigen
Werke von Lexikonformat etwas Kürzergefaßtes hier-
über vernehmen wollen, so sei seine geschätzte Auf-
merksamkeit auf das Dezemberheft 1914 von »Peter-
manns geographische Mitteilungen« gelenkt, darinnen
diese Probleme eingehender diskutiert erscheinen.*)
Uns interessiert aber hier nur die untere Ex-
treme solcher Ereignisse, d. h. die notwendig per-
manente Wasserzersetzung im Erdinnern. Sowohl
bei den erwähnten Vulkanausbrüchen und submarinen
Explosionen als auch ausnahmslos bei den
universell fast täglich sich ereignenden Erd- und
Seebeben äußert die permanente innerirdische Wasser-
zersetzung ihre Wirkung. Das eine Zersetzungsprodukt,
der Wasserstoff, entweicht zum Teil durch die Vulkane
und sonstigen Poren der festen Erdkruste (Fumarolen,
Spalten, Bergwerke etc.), dringt durch das ca. 14 mal
schwerere atmosphärische Gasgemisch empor, über-
lagert dasselbe hochgradig expandiert in mehrere
*) Dr. F. Nölke: »Die Glacialkosmogonie von Hörbiger-
Fauth.« Eine Kritik. H. Hörbiger: »Zu Dr. F. Nölkes Ein-
wendungen gegen die Glacialkosmogonie.« Eine Abwehr.
22
hundert Kilometer hohen Schichten bis zur Sättigung
der Erdoberflächenschwere, um dann mit hochgradig
elektrisch geladenem Koronaeisstaub geschwängert, von
Zeit zu Zeit (bei den Polarlichterscheinungen) in den
Weltraum zu entweichen; zum Teil geht solcher
Zersetzungswasserstoff auch andere Verbindungen in
der Erdkruste ein (Hydrate, Kristallisationsprozesse).
Letzteres gilt auch insbesondere von dem Sauerstoffe,
als dem anderen Zersetzungsprodukte des inner-
irdischen Sickerwassers, soweit nicht ein Teil davon
auch zum erneuernden Aufbau der Atmosphäre dient.
Wie durch solche explosionsartige Abflutungen
des mit elektrischem Eisstaub geschwängerten obersten
Wasserstoffes in den Weltraum das Polarlicht
zustande kommt, warum diese Abflutungen vornehm-
lich in Polnähe, und zwar flammenartig längs des
Erdschattenmantels hinaus erfolgen, woher das geiBler-
rohrartige Leuchten dieser Abflutungen kommt und
warum dieselben bei erhöhter Sonnentätigkeit deut-
licher und häufiger auftreten und außerdem noch eine
tägliche und jährliche Doppelperiodizität aufweisen —
das alles kann der Interessent im Hauptwerke an
Hand von unterstützenden Zeichnungen lückenlos ab-
geleitet finden. Hier sei nur des logischen Zusammen-
hanges halber darauf hingewiesen, daß die Glacial-
kosmogonie auch in den Polarlichtern eine mittel-
bare Folge der innerirdischen Wasserzersetzung
sieht und daß dieses Problem ja auch mit dem Sturm-,
Wolkenbruch- und Hagelproblem zusammenhängt,
in dem ohne solchen Wasserverbrauch ein kosmischer
Eiszufluß bei konstantem Ozeanniveau undenkbar wäre.
Es ist nun nicht nur eine logische Folgerung des
kosmischen Eiszuflusses, sondern eine nachgewiesene
Tatsache, daß bei den tätigen Vulkanen fortwährend
und vornehmlich Wasserstoff entweicht. Der dort
entweichende unzersetzte Wasserdampf als
solcher ist natürlich nicht auf das Wasserverbrauchs-
oder Verlustkonto der Erde zu buchen, sondern nur
der Wasserstoff. Bedenkt man aber, daß das Wasser-
molekül (Hpo) aus zwei Atomen Wasserstoff vom
Atomgewichte 1 und einem Atom Sauerstoff vom
Atomgewichte 16 besteht, so müßten für jedes Kilo-
gramm entweichenden Wasserstoffes schon je 9 kg
Wasser zersetzt werden, wenn vom entwickelten
Wasserstoffe nichts in der Erdkruste gebunden bliebe.
Weil aber solche Verbindungen notwendig statthaben,
so können einem Kilogramm des vulkanisch oder
sonstwie (meist auch unbemerkt) entweichenden
Wasserstoffes auch 20 kg innerirdisch zersetzten
Wassers entsprechen. Nimmt man nun noch hinzu,
daß zu allen Kristallisationsvorgängen und sonstigen
mineralogischen Prozessen (Oxyde, Hydrate) fort-
während Wasser verbraucht wird, so ergibt sich
daraus die logische Notwendigkeit eines kosmischen
Eiszuflusses, wenn das Ozeanniveau nicht sinken soll.
Diese Notwendigkeit muß der Leser einsehen, bevor
er an die kosmische Herkunft des Wolkenbruches,
Hagelschlages und Zeppeline vernichtenden
Sturmes glauben kann.
Es gibt wohl Geologen, die einen ähnlichen
Verdacht hegen; aber keiner wagt es, diesen auf-
dringlichen Gedanken zu Ende zu denken: »Mit der
Erdmasse verglichen, erscheint das Meer doch nur
als ein dünnes Flüssigkeitshäutchen, welches die
Depressionen des mächtigen Balles bedeckt. Das
Meerwasser bildet kaum den tausendsten Teil des
gesamten Erdkörpers; es könnte durch die Poren
der Gesteine aufgenommen werden, es könnte zur
Hydratbildung verwendet werden, und dies wird auch
in ferner Zeit sein Ziel und Ende seine — so mono-
logisiert der sehr bedächtige Geologe Reyer.*)
Wir schen also, daß auch der mechanisch un-
erfahrene Geologe mitunter schon den innerirdischen
Wasserverbrauch ahnt — aber nur den mineralogischen
und nicht auch den dynamischen. Daß die Schwer-
kraft zur Hervorbringung der geodynamischen
*) Reyer: »Geologische Prinzipienfragen«, Leipzig 1907.
Zuckungen nicht ausreichen kann, sondern zu deren
Erklärung ganz andere Kräfte (Dampfkräfte und
Wärmeaufwand) zu Hilfe zu nehmen sind, das liegt
ihm ferne. Er sieht daher auch das Ende des
Ozeans in weiter geologischer Zukunftsferne, während
in Wahrheit das Ozeanniveau jährlich um mindestens
20 cm sinken müßte, wenn nichts von außen zukäme.
Es gibt sogar auch Geologen, welche die Weltenuhr
verkehrt laufen sehen und aus dem, bei den Vulkanen
entweichenden Wasserdampf auf einen Wasser-
gewinn für den Ozean schließen! Nach diesen
sonderbaren Anschauungen wären die ganzen Ozean-
gewässer im glutflüssigen Erdinnern absorbiert ge-
wesen und durch allmähliche Abkühlung des Magmas
zur Ausscheidung gelangt! Kein Wunder also, daß in
den Bibliotheken solcher Fachkreise die Pflicht-
exemplare unseres Hauptwerkes vorläufig ungelesen
verstauben. —
Betrachten wir nun zur Erhärtung der auf weitem
Umwege gewonnenen neuen Einsichten nochmals die
beiden konzentrischen FuBbodenkreise von 10 und
123); m Durchmesser, um uns so recht das gegen-
seitige Volumenverhältnis von innerirdischem Glutfluß,
bezw. Wärmevorrat, fester Kruste, Ozeanvolumen und
gesamtem Erdvolumen zu vergegenwärtigen, so wird
man nach einiger Überlegung zugeben müssen, daß
die Erde spielend alljährlich eine universelle Wasser-
schichte von sagen wir 30 cm Tiefe teils zersetzt
(natürlich auf Kosten des erst in großen geologischen
Zeiträumen zu erschöpfenden innerirdischen Urwärme-
vorrates), teils andersartig verbraucht. Aber einmal
versuchsweise diesen jährlichen Wasserverbrauch zu
bloß 25 cm universeller Wasserschichtentiefe an-
genommen, so wären wir mit unserem durchschnitt-
lich 2500 m tiefen Ozean in geologisch lächerlichen
10.000 Jahren fertig, wenn nichts von außen käme.
Und wo blieben aber dann die Jahrhunderttausende
der Erdgeschichte oder gar die Jahrbillionen der
Lyell-getreuen geologischen Jahreszahlen-Enthusiasten?
Der wärmer interessierte Leser trachte einen
hüttenmännisch erfahrenen Physiker zur Betrachtung
der zwei Fußbodenkreise einzuladen und an ihn, etwa
unter Zuhilfenahme der Fig. 148 unseres Hauptwerkes,
die Frage zu richten: Ist die Erde von 12.750 km
(1234 m) Diameter mit einem Weißglutinhalt von rund
10.000 kın (10 m) Diameter imstande, jährlich eine
Wasserschichte von 25cm Tiefe (000025 mm = etwa
ein 250 stel der Papierdicke dieser Zeitschrift) teils
thermochemisch zu zersetzen (O bleibt ganz, H teil-
weise im Erdinnern gebunden), teils zu anderen
geogenetischen Zwecken zu verbrauchen und in
welchem Maße zehrt der hiezugehörige Wärmebedarf
an der in Fig. 148 (unseres Hauptwerkes) relativ roh
versinnlichten Urwärmemenge der Erde, wenn die
Dichte des Glutflüssigen etwa 5 bis 9, die Temperatur
durchschnittlich rund 2000“ C. und die spezifische
Wärme desselben rund 0'2 ist? Im Bejahungsfalle
säßen wir dann in 10.000 Jahren auf dem Trockenen,
bezw. wir existierten überhaupt nicht, wenn die
heutige meteorologische Grundlage eines ausschließ-
lichen terrestrischen Wasserkreislaufes zu Recht be-
stünde. Natürlich dürfte der zu solchen Abenteuern
aufgelegte Leser nicht versäumen, dem betreffenden
Physiker vorher die abgelaufenen geologischen Zeit-
räume in Erinnerung zu bringen — oder ihm das
geneigte dreimalige Durch-Studium des glacial-
kosmogonischen Hauptwerkes zu empfehlen und ihm
insbesondere den geologischen Teil recht dringend ans
Herz zu legen.
Vielleicht fragt jetzt der Leser noch, wie es
möglich wäre, daß der innerirdische Wasserverbrauch
dem kosmischen Eiszuflusse derart genau die Wage
halten könne, daß das Ozeanniveau in historischer
Zeit konstant bleibt. Denken wir uns ein großes
Wasserreservoir mit einem oberen Zufluß- und einem
unteren Abflußrohr, beide durch eingeschaltete Hähne
regulierbar. Es ist leicht einzusehen, daß man Zu-
und Abfluß gegeneinander so regulieren kann, dab
sich das Wasserniveau in einer bestimmten Höhe des
Reservoirs als konstant einstellt; erhöht man dann
den Zufluß ein wenig, so wird sich der Spiegel auch
auf etwas größerer Höhe wieder konstant einstellen.
Es steigt einfach der hydrostatische Druck im Reservoir
so lange, bis die untere Ausflußgeschwindigkeit ge-
nügt, dem oberen Zufluß die Wage zu halten. Ein
ähnliches Transitoreservoir mit konstantem Wasser-
spiegel stellt nun auch unser Ozean dar. Würde der
spezifische kosmische Zufluß für einige Jahrhunderte
ein höherer werden, so würde der Ozean natürlich
durch einige Jahrzehnte um einige Dezimeter oder
vielleicht auch Meter mit abnehmender Geschwindig-
keit steigen, um dann wieder auf neuer Höhe kon-
stant zu bleiben. Im übrigen könnten auch größere
periodische Schwankungen des kosmischen Eis-
zuflusses, wie solche durch die Periodizität der Sonnen-
flecken und damit zusammenhängenden Pegelstände
der Ströme auch angedeutet erscheinen, nicht sonder-
lich auffallen, weil sie durch die viel stärkeren Un-
regelmäßigkeiten von Ebbe und Flut verwischt
werden. Es würde sich dabei ja auch immer nur um
einen verschwindenden Bruchteil des angenommenen
25 cm jährlichen Zuflusses handeln, um welchen das
innerhalb enger Grenzen so bewegliche Ozeanniveau
innerhalb einer Sonnenfleckenperiode von rund
11°/, Jahren schwanken könnte, was einer selbst darauf
abzielenden Beobachtung nicht auffallen dürfte. Ander-
seits lassen alte, hochliegende Strandlinien, sowohl
in den hohen Breiten als auch in den Tropen, ebenso
auch die weit ins Meer hinein sich fortsetzenden
Bettfurchen vieler tropischen Ströme auf große prä-
historische Schwankungen des Ozeanniveaus schließen.
Für alle diese Erscheinungen bringt die Glacial-
kosmogonie ebenso zwanglose Erklärungen wie
für die geologischerseits vermuteten, ‚wiederholten
oszillierenden und schichtenbauenden Überflutungen
ganzer Kontinente, für die Wasser der so vielfach
naturvölkerlich überlieferien »Großen Flut« u. s. w.
Bezüglich der Details solcher Vorgänge können wir
wieder nur auf das Hauptwerk verweisen, weil es sich
da durchwegs um Dinge handelt, die ohne graphische
Behelfe nicht klargestellt werden können.
Bei dieser Gelegenheit können wir zum Schlusse
unserer diesmaligen Ausführungen der Versuchung
nicht widerstehen, im Interesse der zentraleuropäischen
»barbarischen« Wissenschaft den uns umtobenden
Weltkrieg auch auf kosmologisch-geologisch-meteoro-
logisches Gebiet voranzutragen. Ein französischer
Grüntischmathematiker (Laplace) ohne jedwede
technisch-mechanische Erfahrung war es, der vier
astronomische Generationen und in seiner Ge-
folgschaft war es wieder ein physikalisch gänzlich
ungeschulter Engländer (Lyell), der drei geologi-
sche Generationen in kosmogonischer und geogoni-
scher Hinsicht vollständig in die Irre geführt hat.
Und wenn sich auch einzelne »barbarische« Astro-
nomen bereits von der ausschließlich plutonischen
Weltbildungslehre Laplaces loszumachen suchten,
so war es wieder ein Franzose (Poincare, ein
Bruder des verhängnisvollen Präsidenten), weicher im
Vereine mit einem Engländer (G.H. Darwin, Sohn
des großen Biologen, beide mechanisch-technisch
gänzlich unerfahrene Reinmathematiker), der physi-
kalisch unmöglichen Nebularhypothese eine neue
Brücke geleimt hat, so daß die kultureuropäischen
Astronomen und Geologen neuerdings in den Bann
der »verbesserten Nebularhypothese« ge-
zogen wurden. »Auch wissen (!!!) wir durch die
strengen Rechnungen (!!!) H. Poincares und
G. H. Darwins, daß ein rotierendes Flüssigkeits-
ellipsoid bei dem Achsenverhältnis 1'716 seine
Symmetrie verliert, indem es sich einseitig verlängert
bis zur Gestalt einer Birne, die durch Abschnürung
schließlich in zwei große Teile zerfällt. Anwendung
auf Erde, Mond und Doppelsterne.« So zu lesen im
Oktoberhefte 1913 der Wiener »Urania«e.. Es wäre
Zeit, daß sich Zentraleuropa auch in wissenschaftlicher
23
Beziehung auf sich selbst besinnt und von der Aus-
länderei abläßt, dort, wo sie durchaus nicht am Platze
ist. Der Mond ist nicht aus der Erde hervorgegangen,
sondern kreiste in der -Proselenenzeit- als selb-
ständiger Planet zwischen der Erd- und Marsbahn.
Wegen seiner geringen Masse verspürte dieser ehe-
malige Zwischenplanet den Mediumwiderstand ver-
hältnismäßig viel stärker als Mars und Erde, seine
Planetenbahn schrumpfte daher rascher ein als die
Marsbahn auch heute noch einschrumpft, daber auch
umso rascher als die Erdbahn, so daß schließlich
Luna von der Erde eingefangen und zum Trabanten
degradiert werden mußte. Nach noch unbestimmbaren
Jahrhunderttausenden wird sich dieser heutige Erd-
mond gleich seinen vier bis sechs Vorgängern auf
der Erde auflösen und so in einem neuen, mit einer
Eiszeit einhergehenden Kataklysmus eine
neue geologische Hauptformation bringen,
wie im bereits mehrfach erwähnten glacialkosmogoni-
schen Hauptwerke ausführlich dargelegt erscheint.
Ebenso bilden sich Doppelsterne nicht durch Ab-
schnüren birnenförmiger Flüssigkeits-Rotationskörper
(trotz alles rechnerischen Bluffs eine mechanische
Unmöglichkeit), sondern durch gegenseitiges Einfangen
von mit geradliniger Eigenbewegung belebten Fix-
sternen. (War is war and business is business: Right
or wrong, my country! —)
Der geneigte Leser verzeihe diese »barbarisch«-
chauvinistische Abschweifung vom engeren meteoro-
logisch vorbereitenden Thema; es hängt aber dies
allesund noch vieles andere so innig zusammen,
wie im Verlaufe weiterer Darlegungen noch klar
werden dürfte, daß der Leser uns auch noch andere
Extempora gerne nachsehen wird, falls er uns gläubigst
anhören will. Für diesmal glauben wir, die
geologische Notwendigkeit eines kosmischen Eis-
zuflusses zur Erde soweit plausibel gestaltet zu
haben, daß wir uns nächstens auch der meteoro-
logischen Notwendigkeit solchen Zuflusses und
der Behebung der beiden restlichen, eingangs
genannten Leserzweifel zuwenden können. Etwaigen
sonstigen, wohl zu begründenden Zweifelsäußerungen
aus Leserkreisen wird gerne entgegengesehen, um
die weiteren Ausführungen anregender gestalten zu
können. H. Hörbiger.
Nachtrag.
Der vorstehende Aufsatz II, eigentlich ein etwas
verschämter glacialkosmogonischer Beitrag zur Erd-
bebenkunde, wurde dem Herrn Chefredakteur am
10. Janner d. J. unterbreitet. Nicht etwa der er-
schreckende Zufall, daß drei Tage nachher durch er-
hebliche Luftdruckschwankungen (vgl. Isobaren- und
Windkarte über Mittelitalien und Balkan vom 11. bis
13. Jänner) im Vereine mit verstärkten Gezeitenkräften
(Perihelpassage der Erde am 2., Perigäumspassage
des Mondes am 12. und Neumond am 15. Jänner) in
Mittelitalien am 13. Jänner morgens ein Schwarm von
innerirdischen Siedeverzugsexplosionen ausgelöst wird,
drängt uns, auch noch die nächste Fortsetzung einer
verstärkten Beweisführung des innerirdischen Wasser-
verbrauches zu Erdbebenzwecken zu widmen, sondern
die souveräne Sicherheit, mit welcher die Wiener und
wohl auch sonstigen Tagesblätter ihren ahnungslosen
Lesern abermals die üblichen »Aufklärungen von fach-
männischer Seite« mit dem bekannten Märlein vom
»Einsturzbeben« und »tektonischen oder
Dislokations beben? vorsetzen, während die
nackte Wahrheit schon seit Jahrzehnten teils in den
zugehörigen Staatsinstituten antichambrieren, teils auf
der Gasse frieren muß. Wir glauben versichern
zu dürfen, daß selbst der bloß rein flugtechnisch
interessierte Leser auch in der glacialkosmogoni-
schen Erdbebentheorie auf seine Rechnung
— weil dieser um so sicherer zur Einsicht einer not-
wendig kosmischen Herkunft aller Ballon,
Zeppelin und Aeroplan vernichtenden Stürme —
kommen wird. :
24
Das französische
Wie sich die Entwicklung des Luftschiff- und
Flugwesens im Heere Frankreichs bis zum Beginn
des Jahres 1913 gestaltet hat, dürfte auch heute von
Interesse sein, da auf dieser Grundlage ja die weitere
Ausbreitung in den 1½ Jahren bis zum Ausbruche
des Krieges vor sich gegangen ist. Am 23. März 1912
wurde ein neues Gesetz erlassen, wonach das franzö-
sische Luftfahrwesen als selbständige »fünfte Waffe«
aufgestellt wurde, die aus vier Luftschiffer- und drei
Fliegerkompagnien zu je drei Offizieren und 108 Mann
bestehen sollte, wozu noch eine Fahrerkompagnie zu
drei Offizieren, 127 Mann und 133 Pferden trat und
außerdem eine nach Bedarf festzusetzende Zahl von
Luftfahrerzügen zu je einem Offizier, 60 Mann und
7 Pferden. Es bestehen drei Luftfahrbezirke,
Reims, Versailles, Lyon, deren jeder eine Anzahl von
Luftfahrstationen und -Nebenstationen umfaßt. Der
Kommandeur des Bezirkes, ein Oberst oder Oberst-
leutnant, verfügt über einen Stab und Unterstab von
5 Offizieren und 31 Unteroffizieren und Mannschaften.
Die Luftfahrstation hat das luftfahrende und technische
Personal, sowie die Bedienungsmannschaften auszu-
bilden und das Fahr- und Kriegsgerät zu unterhalten
und verfügt zu diesem Zwecke über eine Anzahl
Depots und Werkstätten. Der Budgetentwurf für 1913
sah für das gesamte Luftfahrwesen einen Betrag von
Frcs. 37,662.476 vor, gegen 1912 ein Mehr von
Frcs. 4,431.126 oder 12 Prozent.
In bezug auf die Luftschiffe wurde das zu Anfang
des Jahres 1912 aufgestellte Bauprogramm erheblich
erweitert, statt fünf Schiffe von je 8000 m? Inhalt
wurden solche von je 17.000 m? vorgesehen, die eine
Länge von 110 m und einen Durchmesser von 16 m
erhalten sollten. Sie sollten nicht nach dem starren
System ausgeführt werden, sondern in etwa zwanzig
durch Schotten geteilten Abteilungen mit drei Gondeln
und einem Beobachtungsstande auf der Hülle. Die von
ihnen zu erreichende Geschwindigkeit sollte 70 km
in der Stunde betragen. Zu Beginn des Jahres 1913
verfügte die Luftflotte über fünf Kreuzer von mehr als
8000 m? Inhalt, fünf Aufklärer von 6000 bis 8000 m? Inhalt
und drei kleinere Beobachter, von deren Vermehrung
Leitfaden der Filmphotographie. Anleitung zur Aus-
übung der Photographie mit Roll-, Flach- und
Packfilms, von Friedr. Hahne. Mit 48 Abbildungen
im Text. Photographischer Bücherschatz, Band XVII.
Preis Mk. 2—, geb. Mk. 2°50. Leipzig, Ed. Liese-
gangs Verlag, M. Eger.
Das neue Werk stellt einen äußerst brauchbaren
Ratgeber für das Gesamtgebiet der Filmphotographie
dar. Von einem erfahrenen Fachmanne geschrieben,
begnügt es sich nicht damit, auf jede Abteilung des
umfangreichen Stoffes ein flüchtiges Streiflicht zu
werfen, sondern befaßt sich mit jeder Einzelaufgabe
eingehend, ohne dabei aber die klare Schreibweise
auch nur stellenweise einzubüßen. Besonders be-
achtenswert mag das erscheinen, daß die Licht- und
Schattenseiten der Filmverwendung einer sehr ge-
rechten und umfassenden Kritik unterzogen werden,
sodaß sich auch der Laie über die Vor- und Nachteile
der Films ein richtiges Urteil bilden kann.
Der Vielseitigkeit des vorliegenden Werkes ent-
spricht die nachfolgende Übersicht. Es beginnt mit
der Beschreibung der Fabrikation der Kamera- und
Kinofilms im Allgemeinen. Daran schließen sich die
für den Amateur notwendigen Einzelbesprechungen,
wie: Vorrichtungen zum Gebrauch von Planfilms in
gewöhnlichen Kameras, Adaptivsysteme, Filmpack-
kassetten. Dann folgt die Einteilung der im Handel be-
findlichen Filmpacks und orthochromatischen Films.
Dann eine übersichtliche Zusanımenstellung der Vor-
züge und Nachteile, wobei auch praktische Winke zur
Militärflugwesen.
da ihre Aufgabe durch Flieger besser zu erfüllen sei.
Seit 1909 wurden auch Versuche mit einem Beob-
achtungsdrachen angestellt, der aus zwei
Drachensystemen besteht, von denen das eine ein
Kabel spannt, an dem der durch das zweite System
. Beobachtungskorb bis zur gewünschten
öhe emporgelassen werden kann. Dieser Drachen
sollte besonders dann Anwendung finden, wenn wegen
zu starken Windes Fesselballon, Flugschiff und Flug-
zeug nicht aufsteigen können. An Flugzeugen besaß
die Republik zu Anfang des jahres 1912 bereits
208; im Laufe des jahres 1912 wurden nicht weniger
als 84 dazu geschaffen. 1913 sollten diese in den
Friedensdienst übertreten, während zur Ergänzung
und Verstärkung der Kriegsreserven 454 neu zu
beschaffende Flugzeuge vorgesehen waren. Der Aus-
bildung der Flieger wurden große Mittel und große
Sorgfalt zugewendet und bei der Begeisterung der
französischen Bevölkerung für diese junge Waffe
fehlte es keineswegs an geeigneten Personen dazu,
der Andrang von jungen Leuten zur Fliegerausbildung
war vielmehr erheblich stärker als der Bedarf. So
lagen bis juni 1913 nicht weniger als 1800 Gesuche
von Offizieren und Mannschaften vor, zu denen noch
die große Zahl der ausgebildeten Zivilflieger kommt.
Die Bedingungen, die ein Militärflieger zu erfüllen hat,
sind ein Rundflug von mindestens 200 km an höchstens
zwei aufeinanderfolgenden Tagen mit zwei Zwischen-
landungen, zwei Uberlandflüge von mindestens
150 km in gerader Linie innerhalb einer Woche, ein
Höhenflug von 45 Minuten Dauer in 800 m Höhe.
Auch die Übungstätigkeit, die die Militärflieger ent-
falteten, war eine überaus rege, täglich fanden etwa
250 Flüge statt. Als Ausrüstung für die Flugzeuge zum
Kampfe kommen Maschinengewehre und Abwurfbomben
in Betracht; von den heimtückischen Pfeilen war noch
nicht die Rede, diese »Kulturerrungenschaft« ‘hat erst
der Krieg gebracht. Wir sehen die Republik also
emsig an der Arbeit, ihr Flugwesen auf eine große
Höhe zu heben, wir wissen aber auch, daß an dem
deutschen Flugwesen in aller Stille gearbeitet worden
ist, so daß es dem französischen mindestens ebenbürtig,
Vermeidung der elektrischen Entladungen gegeben
werden. Daran reiht sich eine Beschreibung der ver-
schiedenen Filmkameratypen und Sucher, sowie eine
Anleitung zum richtigen Gebrauch der Sucher, um
falsche perspektivische Verhältnisse zu verhüten.
Der spezielle Teil des Werkes umfaßt folgende
Punkte: Einlegen der Rollfilms, Fehler im Gebrauche,
Flachfilmkameras, Apparate zur genauen Ermittlung
der Belichtungszeit, Entwickeln der Rollfilms, Winke
für das richtige Zerschneiden unentwickelter Film-
bänder, Entwicklerrezepte und Vorrichtungen für das
maschinelle Entwickeln und die Standentwicklung,
Fixieren, Wässerungseinrichtungen und Trocknen der
Roll- und Flachfilms. Sodann folgen Erfahrungssätze
zur Beurteilung der Negative, empfehlenswerte
Methoden zur Beeinflussung des Negativcharakters
während der Entwicklung, sowie zur Nachbehandlung
nicht einwandfreier Negative. Zum Schlusse wird noch
eine Zusammenstellung der möglichen Fehlerschei-
nungen und Winke zu deren Verhinderung oder Ver-
besserung gegeben.
Eine besondere Stärke des Werkes liegt auch
darin, daß der Verfasser nicht in den bekannten Fehler
verfallen ist, seine Arbeitsweise für die allein richtige
zu halten, sondern die Materie in solcher Weise ab-
gefaßt hat, daß jeder Verständige den ihm am besten
scheinenden Weg einschlagen kann, ohne dabei die
Führung, die das Werk bieten will, zu verlieren. Es
kann daher jedem, der sich dieser Kunst widmet, als
zuverlässiger Wegweiser bestens empfohlen werden.
Ing. E. Lhotta.
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3/ be-
Sturm.
|
1/4 bewölkt;
= Nebel; R = Gewitter; —
Zusammen
— —
—
—
Schnee;
4/4 bewölkt; @ = Regen; x
Legende: Temperatur in 0C.; Wind in Sek./m; O = klar; O
wölkt; @
26
betrug die dabei erreichte Gesamtflugdauer der Flüge
am Felde 50 Stunden.
Flugleistungen: Am 4. legte Zugsführer Pilot
Karl Kulik die Feldpilotenprüfung ab, und zwar flog
er mit einem 85 PS Doppeldecker »F. C.« in 1600 m
vom hiesigen Flugfelde nach Médling, beschrieb dort
drei Spiralen, flog weiter nach Fischamend und landete
dortselbst glatt. Nach längerem Aufenthalte flog der-
selbe nach Bruck a. d. L. und von dort auf das hiesige
Flugfeld zurück, wo er wieder glatt landete. Prüfungs-
kommissär war Oberleutnant Feldpilot und Kom-
*
Hauptmann Ludwig Leidi, welcher seit Auf-
lösung der Verkehrstruppenbrigade der technischen
Abteilung unserer k. u. k. Luftschiffer-Abteilung zu-
geteilt wurde und diese seither auch leitet, wurde in
Anerkennung seiner hervorragenden Verdienste auf
militärtechnischem, speziell aber auf flugtechnischem
Gebiete, aus besonderer Allerhöchster Gnade von
Sr. Majestät zum Major befördert. Es ist dies ein
deutliches Zeichen der Anerkennung, welche die un-
gemein ersprießliche Tätigkeit, die Herr Major Leid!
im Dienste unserer militärischen Flugtechnik entfaltete,
allerhöchstenorts gefunden hat. In den Kreisen der
österreichischen Flugtechniker und Militärflieger, in
denen sich Herr Major Leidi zufolge seines um-
fassenden fachlichen Wissens und seiner bewährten
Tüchtigkeit großen Ansehens erfreut, wird diese Aller-
höchste Würdigung gewiß nur mit größter Freude
begrüßt werden.
Graf Zeppelin an den k. k. Österreichischen
Aeroklub.
Von Sr. Exzellenz Dr. Ferdinand Grafen Zeppelin
ist an den k. k. Österreichischen Aeroklub anläßlich
der übermittelten Neujahrswünsche das nachfolgende
Telegramm eingelangt:
»Österreichischer Aeroklub, Wien. Dem Präsidenten
des Österreichischen Aeroklub danke ich herzlichst
für die freundlichen Glückwünsche zum Jahreswechsel.
Ich freue mich, daß die Steigerung der Leistungen
meiner Luftschiffe, an der ich arbeite, mittelbar auch
unseren treuen Verbündeten nützen wird.
Graf Zeppelin.
Der amerikanische Aeroklub an den k. k. Öster-
reichischen Aeroklub.
Das nachfolgende Schreiben ist vom amerikani-
schen Aeroklub an den k. k. Österreichischen Aero-
klub eingelangt:
»An das löbliche Präsidium des k. k. Österreichi-
schen Aeroklub, Wien, Österreich.
New-York, 8. Dezember 1914.
Sehr geehrter Herr Präsident!
Folgender Beschluß, der unsere Sympathie für
die verbundenen Vereine der »Federation Aéronautique
Internationale« ausdrückt, wurde bei der am 9. No-
vember 1914 gehaltenen Jahressitzung des amerikani-
schen Aeroklub einstimmig gefaßt:
In Erwägung, daß die Reihen unserer verbrüderten
Vereine der »Federation Aéronautique Internationale«
sich in den großen europäischen Kämpfen gelichtet
haben infolge der Kühnheit ihrer Mitglieder, welche
ihrem betreffenden Vaterlande auf Kosten des eigenen
Lebens patriotische Hilfe geleistet haben; und auch
in Erwägung, daß der amerikanische Aeroklub in
Übereinstimmung mit allen aeronautischen Körper-
schaften der ganzen Welt diesen Verlust für die
acronautische Wissenschaft sowie die verlorenen
Beziehungen mit den Klubgenossen beweint, soll es
demzufolge beschlossen werden: daB wir diesem
Ausdrucke unseres Kummers in unser Jahrbuch ein-
tragen und den Aeroklubs Belgiens, Deutschlands,
Englands, Frankreichs, Österreich-Ungarns und Ruß-
mandant Rich. Schuster. Am 7. legten die Korporäle
K. Bart und A. Stojan die Pilotenprüfung ab. Am
14. vormittags landete, aus Fischamend kommend,
Vormeister Pilot E. Till mit Feuerwerker Gorschak
als Beobachter aus einer Höhe von 2600 m mit
einem 85 PS Doppeldecker. Am 27. landeten, ebenfalls
von Fischamend kommend, Vormeister Feldpilot
B. Takacs mit Zugsführer A. Kuszmann als Be-
obachter aus einer Höhe von 2400 m mit einem
90 PS Doppeldecker »B 30«. w
s
lands unser Beileid fiir die von ihren Mitgliedern
erlittenen Verluste bezeigen werden, ferner der Fähig-
keit, der Kühnheit und der Pflichttreue von so mutigen
Luftschiffern, deren Namen in unsere Ehrenliste für
Heldentaten eingetragen wurden, hiemit die verdiente
Achtung zollen.
Es soll noch beschlossen werden, daß eine mit
den Unterschriften der Klubleiter versehene Abschrift
dieser Beschlüsse einem jeden der verbrüderten
Vereine der »Féderation Aéronautique Internationale«
als ee unserer Kameradschaft übersandt werden
muß.
Mit dererneuten Versicherung unserer vorzüglichen
Hochachtung verbleiben wir in aller Brüderlichkeit
Aero Club of America:
Howard Huntington m.p. Alan R. Hawley m. p.
Sekretär. Präsident.«
*
Der Aeroklub hat hierauf an den Aero Club of
America das folgende Antwortschreiben gerichtet:
»An das löbliche Präsidium des Aero Club of
America.
Sehr geehrter Herr Präsident !
Wir erhielten Ihr sehr geschätztes Schreiben vom
8. Dezember 1914 und danken verbindlichst für die
uns in schwerer Kriegszeit übermittelte Sympathie-
kundgebung, welche in Ihrer Jahressitzung vom
9. November 1914 gefaßt wurde.
Nicht minder danken wir für die unseren Flieger-
mitgliedern gewidmeten Worte der Anerkennung und
Ehrung für deren heldenhafte Leistungen.
Wir versichern Ihnen bei diesem Anlasse, daß
die freundschaftlichen Gesinnungen, welche wir fiir
die Biirger Amerikas und insbesondere fiir unsere
dortigen Sportsgenossen hegen und von welchen sich
Tausende Ihrer Landsleute durch die gastliche Auf-
nahme, die sie bei uns finden, so oft überzeugt haben,
auch durch die kriegerischen Ereignisse nicht gelitten
haben, freuen uns, daß wir auf die gleichen Sym-
pathien bei Ihnen rechnen können und bitten, daß Ihr
geschätzter Klub als Dolmetsch unserer herzlichen
Gefühle auch ferner fungieren möge.
Als Gegenstück zu diesen unseren Gesinnungen
für unsere Sportgenossen diene das Verhalten des
französischen Aeroklub, welcher unsere und unseres
Verbündeten Mitglieder aus seinem Kłub ausge-
schlossen hat. Wir sind dem französischen Aeroklub
auf dieses Gebiet seiner fragwürdigen Heldentat und
seines unsportmäßigen Vorgehens nicht gefolgt und
glauben hiedurch die Sympathie bei allen Sport-
genossen nur gekräftigt zu haben.
Indem wir Ihnen zum Jahreswechsel die herz-
lichsten Glückwünsche für die gedeihliche Entwicklung
ihres Klub und für das Wohl aller Mitglieder ent-
bieten, zeichnen wir in aller Freundschaft und Hoch-
achtung
Das Präsidium des k. k. Österreichischen Aeroklub:
Rudolf Hubel m.p. Alfred v. Strasser m. p.“
Schriftführer.
Wo sind die russischen Flieger? Der Kriegs-
korrespondent des »Berliner Tageblatt«, Haupt-
mann a. D. Förster, berichtet von einem Besuch bei
den deutschen Fliegern in Polen: »In Automobilen, mit
denen uns eine in der Nähe untergebrachte Flieger-
abteilung in überaus liebenswürdiger Weise abholen
ließ, fuhren wir hinaus zum Flugplatz, wo in wasser-
dichten, sehr geräumigen Zelten die »Rumpler-Tauben«
untergebracht sind und sorgsam behütet werden. Im
Frühjahr des verflossenen Jahres, als noch niemand
an einen Weltkrieg dachte, saß ich im fernen Süden,
unter Ägyptens sengender Sonne, mit einem zur Ge-
nesung von schwerer Krankheit dort weilenden
schwedischen Offizier zusammen. Wir sprachen vom
Geist im deutschen Heere, das der Nordländer genau
kannte. Da sagte er mit schlichtem Ernst, aus dem
volle Überzeugung sprach: »Eure Offiziere sind
zu schade für den Frieden Die gehören
in den Krieg.“ An dieses Wort mußte ich heute
denken, als ich die Fliegeroffiziere sah, frisch, trotz
ihrer nervenangreifenden Tätigkeit und begeistert für
ihre verantwortungsvolle Aufgabe. Jeden Abend, oft
recht spät erst, erfährt der Führer der Fliegerabteilung,
ob sich die Stellungen der kämpfenden Truppen ver-
schoben haben, sowie die Absichten der Führung für
den nächsten Tag. Auf Grund dieser Nachrichten
erteilt er dann den Flugzeugführern und Beobachtern
die Aufträge. Besondere Wünsche der Truppenführer
werden natürlich dabei sehr berücksichtigt. Zumeist
handelt es sich wohl darum, die geschickt eingedeckten
Artilleriestellungen des Feindes zu erkunden oder die
Treffwirkung unserer Batterien im Ziel zu beobachten.
Signale, mit Leuchtpistolen abgegeben, deren Be-
deutung natürlich streng geheimgehalten wird, künden
an, ob die Schüsse im Ziele sitzen oder nicht, und
wie unsere Feuerwirkung zu verbessern ist. Häufig
auch wagen sich die Flieger sehr weit nach vorne,
um die Versammlung des Feindes oder Anmarsch und
Aufstellung von Reserven in Erfahrung zu bringen.
Schon mancher Offizier ist für eine so heldenmütige
Erkundung, die oft ausschlaggebend für die Operationen
vieler Tage war, ehrenvoll ausgezeichnet worden.
Auch bei der Abteilung, die wir besuchten, schmückte
mehrere Offiziere das Eiserne Kreuz erster Klasse.
Man zeigte uns die gefürchteten Fliegerbomben und
erklärte uns ihre Wirkung. Wie liebenswürdig unsere
Flieger auch Feinden gegenüber sein können, beweist
folgende kleine Geschichte: Ein russischer Major vom
Infanterie-Regimente Nr. 159 war in den Kämpfen an
der Rawka, nicht allzuweit von hier, gefangen ge-
nommen worden und mit ihm ein zarter, hübscher,
noch sehr junger Soldat, der sich bald — als seine
sechzehnjährige Tochter entpuppte. Beide wurden mit
aller nur möglichen Schonung behandelt und schrieben
auf Veranlassung der Offiziere eines höheren Stabes
zwei Briefe: einen an die Gattin und Mutter, um sie
über das Schicksal ihrer Lieben zu beruhigen und
einen an das Regiment Nr. 159 mit der Bitte, den
ersten Brief an seinen Bestimmungsort zu befördern.
Tagsdarauf schraubte sich einer unserer Flieger-
offiziere empor in die Luft und warf die Briefe über
der russischen Stellung ab. Wo sind nun aber die
russischen Flieger? Von ihren Riesenapparaten
machte man eine Zeitlang viel Aufhebens. Sie ver-
sagten vollkommen und man hört nichts mehr von
ihnen. Auch ihre kleineren Flugzeuge sind verschwunden.
Und der Grund hiefür? Die Russen haben viele
ihrer eigenen Aeroplane selbst herunter-
geholt — so groß war die Angst vor den »Tauben«!
Es wurde deshalb der Befehl erlassen, daß auf
Flugzeuge überhaupt nicht mehr ge-
schossen werden dürfe. Allerdings ist es auch
schwer und bei stärkerem Nebel oft ganz unmöglich,
selbst bei nicht allzu hohem Fluge die Nationalitäts-
abzeichen der Apparate zu erkennen. Dieser Befehl
wurde, wie festgestellt werden konnte, erst wieder
aufgehoben, als die deutschen Flieger in bedrohlicher
Anzahl über den russischen Stellungen kreisten.
27
Krieg und Technik. Um eine vom Geheimen Rat
Dr. W. Exner ausgehende Aktion zur Versorgung
von Kriegsinvaliden mit Prothesen wirksam zu fördern,
wird gemeinsam vom Technischen Museum für
Industrie und Gewerbe und der Wiener Urania eine
Vortragsreihe über »Krieg und Technik- veranstaltet,
deren Reinertrag zur Anschaffung künstlicher Glied-
maßen für Verstümmelte dient. Diese Lichtbilder- und
Experimentalvorträge, für welche hervorragende Fach-
leute in. dankenswerter Weise ihre Mitwirkung zu-
gesagt haben, werden ab 12. Jänner jeden Dienstag,
abends ½ 8 Uhr, an der Wiener Urania nach dem
folgenden Programme abgehalten:
12. Jänner: Einleitung von Exzellenz Dr. W. Exner
und Vortrag von k. u. k. Generalmajor
Albert Edlen v. Obermayer: »Die
30°5 cm-Motorbatterien«.
Dr. Max Bamberger, o. 6. Professor
an der k. k. Technischen’ Hochschule:
» Explosivstoffe«. .
9. Februar: k. u. k. Oberintendant Johann Schubert,
Vorstand der 12. Abteilung des Kriegs-
ministeriums: »Verpflegung im Kriege«.
16. Februar: k. u. k. Linienschiffsleutnant Emil von
Descovich: »Der Seekrieg«.
23. Februar: Generaldirektor Alexander Cassinone:
»Die Luftfahrt im Kriege«.
2. März: Dr. Julius Tandler, o. d. Professor,
Vorstand der I. anatomischen Lehrkanzel:
»Wie können Schäden am menschlichen
Bewegungsmechanismus gutgemacht
werden ?.
Dozent Dr. Rudolf Aberle Ritter von
Horstenegg: »Künstliche Gliedmaßen
für Kriegsverwundete«.
Dr. Julius Miesler, Prokurist der Firma
Siemens & Halske: »Die Aufgaben der
Elektrotechnik im Kriege«. :
k. u. k. Geheimer Rat Dr. W. Exner:
»Krieg und Technik«.
Unscre P. T. Mitglieder werden hiemit eingeladen,
sich vollzählig an dieser humanitären und patriotischen
Veranstaltung zu beteiligen, da diese Kriegsvorträge
einem wichtigen Zweige der Invalidenfürsorge zugute
kommen und überdies auch die grundlegende Be-
deutung der Technik für das Kriegswesen der Öffent-
lichkeit vor Augen führen sollen. Karten zu den
einzelnen Vorträgen sind ab 2. Jänner 1915 an den
Kassen der Wiener Urania zu K 2°10 und K 1°06 er-
hältlich. Außerdem werden dort auch Abonnements
mit 20 Prozent Preisermäßigung für die erste, und
zweite Hälfte der Vortragsreihen abgegeben. Ande-
rungen im Vortragsprogramm bleiben vorbehalten.
Deutsche Flugzeuge über Dünkirchen. Vier
deutsche Flugzeuge haben am 30. Dezember v. J. eine
halbe Stunde lang Bomben auf die Gebäude der Stadt
abgeworfen, wobei 15 Personen getötet und 32 ver-
wundet wurden. Die Truppen feuerten auf die Flug-
zeuge, die jedoch entkamen. Ein ausführlicher Bericht
der »Daily Mail« über den Angriff deutscher Flugzeuge
auf Dünkirchen besagt: »Am 30. Dezember warfen
sieben Flugzeuge Bomben auf die Stadt ab. In allen
Stadtteilen wurden die Explosionen gehört. Kaum war
ein Flugzeug verschwunden, erschien ein anderes.
In der ganzen Stadt krachte Gewehrfeuer, das auf die
Flugzeuge eröffnet wurde, die explodierende Bomben
auswarfen, die dicke schwarze Rauchsäulen hervor-
riefen. Viele Häuser wurden beschädigt. Nach allen
Richtungen flogen die Scherben springender Fenster-
scheiben. An einer Stelle wurde das Geleise der
Straßenbahn mitten durchschnitten. Die erste Bombe
fiel auf die befestigte Stellung, zwei andere in der
Nähe der Bahnstation, die vierte in die Rue Caumartin,
die fünfte in die Küche des Militärlazaretts, die nächste
beim Rathaus in der Rue St. Pierre und Rue Nieuport,
die letzte in der Nähe des Arsenals; zwei Bomben
fielen in der Vorstadt Rosendaal auf eine Fabrik.
26. Jänner:
9. März:
16. März:
23. März:
28
Auch die Bezirke Oudekerque und Veurne wurden
getroffen. Viele Personen wurden schwer verletzt;
die Leichen sind schrecklich verstümmelt. Die Bomben
waren mit Kugeln gefüllt, die die Mauern verschiedener
Gebäude siebartig durchlöcherten. Ein deutsches Flug-
zeug kreuzte als Wache außerhalb der Stadt und
nahm nicht an dem Überfall teil, sondern hielt sich
offenbar bereit, etwaige feindliche Flieger abzuwehren.
Ein österreichischer Schleifenflieger. Der
Feldpilot Oberleutnant Hans Mandl, der sich durch
seine großen Uberlandfliige Wien—Graz—Laibach
in die erste Reihe unserer Österreichischen Flieger
gestellt hat und auch im gegenwärtigen Feldzuge
gegen Rußland mehrere hervorragende Fliegerleistungen
ausführte, weilte kürzlich in Deutschland, wo er
Gelegenheit hatte, auf einem deutschen Flugzeuge
Probeflüge auszuführen. Bei einem dieser Flüge ver-
suchte er auch einen Schleifenflug, der ihm so
gui gelang, daB er dann in unmittelbarer Folge 13
chleifenflüge ausführen konnte. Oberleutnant Mandl
ist damit der erste österreichische Schleifenflieger,
a Erfolg, der seine hervorragende Tüchtigkeit be-
weist.
Das rettende Flugzeug in Tsingtau. Nach
Petersburger Meldungen ging ein deutsches Flugzeug
noch vor der Übergabe dieser chinesischen Kolonie
in dem 28 km nördlich von Tsingtau gelegenen Peikou
nieder, dem ein Offizier entstieg. Es gelang diesem
kühnen Piloten, sich nach Peking durchzuschlagen.
Die Fahrt eines englischen Hydroplans. In
Ymuiden wurde der vermißte englische Flieger
Hewlett, der am englischen Angriff auf Cuxhafen am
ersten Weihnachtstag teilgenommen hat, vom hollän-
dischen Dampfer »Maria van Hattum« eingebracht.
Sein Flugzeug war auf der Höhe von Helgoland auf
See niedergegangen. Nach sechs Stunden des Umher-
treibens wurde er am ersten Weihnachtstag früh vom
genannten Dampfer aufgefischt. Er wartete vergebens
einige Zeit auf Sicht eines englischen Kriegsschiffes,
ließ dann sein Flugzeug sinken und ging auf den
Dampfer über. Hewlett ist jetzt in Ymuiden beim
englischen Vizekonsul untergebracht und wird in
einigen Tagen nach England zurückkehren. Nach
anderer Meldung ist Hewlett in der Bucht von
Helgoland am ersten Weihnachtstage aufgestiegen
und, längs der dänischen Küste fliegend, in dichten
Nebel geraten. Dabei passierte er Cuxkafen und flog
ein Stück nach Deutschland hinein. Er flog dann in
nordöstlicher Richtung zurück und entdeckte angeb-
lich einen Zeppelinschuppen, ging auf 200 m Höhe
nieder, warf Bomben, wurde sofort heftig beschossen
und flog wieder seewdrts, um das englische
Geschwader zu erreichen. Bei Helgoland sah er ein
deutsches Geschwader, ging nieder und warf wieder
Bomben. Eine davon soll auf ein großes Schiff
gefallen sein. Die Wirkung konnte er aber nicht
beobachten. Als er weiter sein englisches Geschwader
suchte, bekam er Motordefekt und mußte aufs Wasser,
wo er umhergetrieben wurde, bis der Dampfer ihn fand.
Die englische Wasserflugzeugflotte. Der
»Temps« veröffentlichte Mitteilungen über die englische
Wasserflugzeugflotte, deren Organisation verhältnis-
mäßig neu ist und erst seit wenigen Monaten besteht.
Erst nachdem Churchill bein Marinebudget für
die Luftflotte eingetreten war, nahm sie eine starke
Entwicklung. Nach dem »Temps« verfügt England
heute über 103 Flugzeuge, darunter 62 Wasserflug-
zeuge, über 120 ständige Flieger und 20 besonders
ausgebildete Offiziere. Längs der Küste sind fünf
Stationen für Wasserflugzeuge angelegt. Es wird
angenommen, daß die englische Luftflotte zu Ende
des Jahres 180 Offiziere und 1500 Mann zählt. Für
die Ausbildung von Fliegern wurden allein fünf
Millionen Francs, für den Bau und Unterhalt der Flug-
zeuge neun Millionen vorausgabt.
Vorkehrungen gegen deutsche Flugzeuge in
Frankreich. Lyoner Blättern zufolge beschloß die
Stadtverwaltung im Einverständnis mit den militärischen
Behörden, die Beleuchtung der Brücken- und Hafen-
anlagen künftig von 9 Uhr abends an zu untersagen.
Der Bürgermeister erklärte, die Bevölkerung brauche
deswegen nicht beunruhigt zu sein. Da on ein
militärisch wichtiger Punkt sei, müßte diese Maßregel
getroffen werden, um die Bevölkerung zu schützen.
Ein französischer Lenkballon bei Koblenz
niedergegangen. Am Neujahrsabende ist auf der
Grube »Idylle« bei Kruft ein französischer Lenkballon
niedergegangen. An der Landungsstelle fand man
französische Karten, Instrumente, ein Signalhorn sowie
eine deutsche und eine französische Flagge. Das
Bezirkskommando, das sofort Mitteilung erhielt,
entsandte 200 Mann, die den Ballon nach Koblenz
verluden. Der Lenkballon ist ungefähr 18 bis 20 m
lang und hat einen Durchmesser von 4 bis 5 m. Eine
Gondel ist nicht vorhanden.
Die neue Kriegsnummer des Motor (No-
vember-Dezember-Heft 1914, Verlag Gustav Braun-
beck, Ges. m. b. H., Berlin W. 35, Lützowstraße
Nr. 102/104, Preis Mk. 1—) ist soeben erschienen.
Aus dem Inhalte: Automobil-Kriegsfahrten in
Belgien und Frankreich (illustriert). — »Monsieur
Taube«. Die deutschen Fliegerangriffe auf Paris
(illustriert). — Englische Flugangriffe in Deutschland.
— Die österreichischen Motorbatterien (illustriert). —
Ein englischer »Gentleman«-Flieger. — Die englische
Angst vor Luftfahrzeugen. — Die Jagd auf Flieger
Son — Flieger - Weihnachten. Aufruf zur
ammlung von Liebesgaben für die im Felde stehenden
Flieger. — Das kriegerische Automobil (illustriert). —
Flugerlebnisse in Feindesland (illustriert). — Im
Zeichen des Eisernen Kreuzes. — Allerlei Kriegs-
abenteuer deutscher Flieger. — Eine hochherzige
Stiftung. — Der Luftkrieg. Von Tag zu Tag
(illustriert). — Neue Firmen. — Veränderungen. Das
rächtig illustrierte, umfangreiche Heft schildert eine
Reihe von kriegerischen Automobilfahrten in Feindes-
land, Panzerautomobile und Panzermotorboote treten
auf und vor allem wird der Krieg in den Lüften
durch prächtige Schilderungen eingehend dargestellt.
Unter dem Titel »Monsieur Taube« werden die
deutschen Flugangriffe auf Paris zusammengestellt
und eine Reihe interessanter Illustrationen aus aus-
ländischen Zeitschriften wird bei dieser Gelegenheit
im »Motor« wiedergegeben. Ein besonderer Artikel
ist den österreichischen Motorbatterien gewidmet,
die den Deutschen so gute Dienste im Westen
leisteten. Auch die Taten englischer Flieger werden
eingehend und anschaulich geschildert.
VATENTE
Muster- und Markenschutz in allen Ländern
erwirkt
Ing. J. FISCHER, Patentanwalt
Wien, I. Maximilianstrasse Nr. 5.
Seit 1877 im Patentfache tätig.
Herausgegeben vom: »K. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein«. — Verantw. Red.: in Vertretung Fritz Ellyson.
Druck von Otto Maaß’ Söhne, Wien I.
FLUG-ZEITSCHRIFT
Herausgegeben von dem unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Majestät des
Kaisers und Königs stehenden k. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein.
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Manuskripte werden nicht zurückgestellt. Der Nachdruck 88 Angenommene Beiträge werden honoriert. Die Verfasser ;
von Artikeln und Abbildungen ist nur mit Quellenangabe & sind für Form und Inhalt der von ihnen eingesandten
und Zustimmung der Redaktion gestattet. 88 Artikel und Abbildungen verantwortlich.
O Co oooooooc 7 MCooooooooc JONN
ERSCHEINT ZWEIMAL IM MONAT.
Nr. 3,4 Februar 1915 IX. Jahrgang
Inhalt: Der deutsche Luftangriff gegen England. — Von der enghechen Luftflotte. — Graphostatik mit besonderer Beriick-
sichtigung der Fachwerke. — Der Aeroplan im Kriege, von Major W.S. Brancker. — Glacialkosmogonische Beiträge zur Physik
der Atmosphäre und der Sonne, von H. Hörbiger, Maschineningenieur und Privatastronom. — Glacialkosmogonische Beiträge
zur Erdbebenforschung, von H. Hörbiger. — Die Bilanz der deutschen Nationalflugspende. — Geschützdonner als Echo von
der Hochatmosphäre, von Wilhelm Krebs. — Flugfragen und AU SE STUNESAUESICHTEN: von Wilhelm Krebs. (Holsteinsche Wetter-
und Sonnenwarte Schnelsen.) — Die Luftfahrt im Kriege, von Major d. R. Franz Hinterstoißer. — Armierte und gepanzerte Flug-
zeuge, von Fritz Lichtenstern, Wien. — Bücherbesprechung. — Chronik.
Chefredakteur: Ing. A. Budau, o. 6. Professor der k. k. Technischen Hochschule in Wien
Redakteur für den offiziellen und wissenschaftlichen Teil für die Dauer der Abwesenheit der Herren Oberst
Wilhelm Suchomel und Ing. Adolf Janisch: Fritz Ellyson
Unter Mitwirkung von:
PAUL BELLAK Dr. A. HILDEBRANDT RICHARD KNOLLER ROBERT POLLAK LUDWIG SCHMIDL
Prokurist, Wien Luftschifferhauptmanna.D., Ing., Professor a.d. k.k. RITTER v. RUDIN k. u. k. Rittmeister, Wiener-
FELIX BRAUNEIS Berlin Techn. Hochschule, Wien Ingenieur, Wien Neustadt
Ingenieur, Wien F. HINTERSTOISSER W. KREBS J. POPPER-LYNKEUS LEOPOLD SCHMIDT
Dr. Ing. WALTER FREIR. k. u. k. Major, Wien Feier ger ne Ingenieur, Wien Ing., Prof., Wr.-Neustadt
v.
Konstrukteur an der k. k RAOUL HOFFMANN USTAV E. MACHO STEPHAN POPPER KARL TINDL
Techn. Hochschule, Wien Ingenieur, Wien GUS — ie OLZ Ingenieur, Wien Ing., Konstrukteur a.d.k.k.
are o o , „eee e, MUGOL.NIKEL | FRANZ REBERNIGG nn ma Wie
. k. Hofrat, o. ö. „an k.k. Oberinspektor, König- . NEE ; 1083 WILHELM TRABERT
der l. k. Technischen Hoch- grätz k.k. techn. Ob.-Offiz., Wien Ing. „Kommissär des k. k. „Professor, Direktor der
Dr. F. JUNG HANS F. v. ORELLI entralanstalt für Meteoro-
F Plugmaschinened Professor a. d. k. k. Tech- Schriftsteller, Wien UU
Konstrukteur, Wien nischen Hochschule, Wien STEPHAN PETROCZY der Autoplanwerke, Wien Dr. C. WIESELS-
1GO ETRICH D. W. KAISER v. PETROCZ BERGER
Großindustrieller, Ober- Kapitänleutnant a. D., k. u. k. Luftschifferhaupt- Dipl. Ing. C. SCHMID Assistent an der Universität
altstadt Charlottenburg mann, Wien Lindenberg in Oöftingen
Der deutsche Luftangriff gegen England.
England kann nur in England selbst bezwungen | das bereits landeinwärts gelegene Sandringham, etwa
werden, das war die Überzeu ung, zuder Napoleon | 15 km nordöstlich von NEE ol mit dem bekannten
gommen als ihm seine Feldzüge in Ägypten und | englischen Königssitz. Nach einer amtlichen englischen
yrien gezeigt hatten, daß es mit einer Bedrohung | Meldung sind aber noch andere Orte von dem Luft-
Englands in Indien auf diesem Wege nichts sei. Von | angriffe betroffen und mit Bomben beworfen worden.
dem gleichen Gedanken ist jedenfalls nicht nur die | Wie stark das deutsche Angriffsgeschwader gewesen,
oberste deutsche Heeresleitung, sondern auch die ge- | läßt sich vorläufig auch nur erraten. Nach englischen
samte Öffentliche Meinung, ja ganz Deutschland be- ! Angaben sollen es sechs Zeppelin-Ballons gewesen
herrscht. Und aus solchen Erwägungen heraus ist dieser | sein, die zuerst vereinigt flogen, sich aber dann
erste Luftangriff gegen England entstanden, von dem | bei ihrer Annäherung gegen die Küste trennten und
übrigens schon lange Zeit, nicht amtlich, aber im ge- | nach Norden und Süden wandten. Ebenso weiß man
samten deutschen Lande herum, die Rede gewesen | noch nicht, von welchem Luftschiffhafen aus sie auf-
und der schon lange mit Sehnsucht erwartet worden geflogen sind.
ist. Soweit sich bis jetzt bestimmen läßt, sind fünf olländische Fischerdampfer wollen von dem
englische Städte von diesem kühnen Angriffe betroffen | westlich von Amsterdam gelegenen Ymuiden aus eine
worden. Anzahl Luftschiffe gesehen haben, die mit weitab see-
Yarmouth, ungefähr 150 km nördlich der Themse- | wärts liegendem Kurse geflogen kamen. Dies spricht
mündung, gegen das bereits einmal ein deutscher | mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür, daß das Ge-
Flottenraid gerichtet gewesen ist, Sheringham und | schwader irgendwo an der deutschen Nordseeküste
Cromer, zwei Küstenpunkte, die von Yarmouth aus | zu seinem Raid aufgestiegen ist. Es hätte somit ohne
50 km weiter nach Nordwesten gelegen sind. Kings- | Zwischenlandung eine Entfernung von 1200 bis 1500
lynn, das sich an der The Wash genannten Einbuch- ! Kilometer zurückgelegt. Allerdings konnte es auch in
tung westlich von Yarmouth befindet. Und endlich | Gent, Antwerpen oder Briissel aufgestiegen sein, so-
30
fern die schon lange herumgebotenen Nachrichten auf
Wahrheit beruhen, daß in einer dieser Städte ein
Luftschiffhafen eingerichtet worden ist.
Der angerichtete Schaden scheint nur in Yarmouth
etwas bedeutender gewesen zu sein. Wahrscheinlich,
weil hier sichtiges Wetter herrschte. Französische
isolierende und schützende Kraft eingebüßt, seitdem
erwiesen ist, daß das englische Inselland auch auf
dem Luftwege erreicht werden kann und die dabei be-
teiligten Luftschiffe nicht einmal zu Schaden kommen.
ei dem ersten Versuche wird es nicht bleiben.
Es werden andere folgen. Jeder weitere Versuch wird
Berichte sprechen von fünf Toten und zehn Schwer- | sich die Erfahrungen seiner Vorgänger zunutzen
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Kartenskizze zum deutschen Luftangriff.
verwundeten. Aber der angerichtete materielle Schaden
will vorläufig wenig bedeuten. Mehr ins Gewicht fällt,
daß alle Luftschiffe wieder unbeschädigt
zurückkehren konnten.
Vor allem kommt aber die moralische Seite
dieses ersten deutschen Luftangriffes
in Betracht und diese muß sehr hoch
angeschlagen werden. Das Meer hat seine
ziehen, berechnender angelegt und darum erfolgreicher
sein. Gelingt es der britischen Heeresleitung nicht,
sich dieser Angriffe so oder anders zu erwehren, so
ist eine stete Beunruhigung der Bevölkerung und
damit eine Diskreditierung der eigenen Verteidigungs-
einrichtungen unausweichlich, die sich unter Um-
ständen bis zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung
steigern kann. N. Z. Z.
Von der englischen Luftflotte.
Der erfolgreiche Raid deutscher Lenkballons
und Flugzeuge nach England hat unter anderem auch
zu dem für Eingeweihtere keineswegs überraschenden
Ergebnisse geführt, daß die gesamte englische Luft-
flotte, deren wirkliche Größe und Zusammen-
setzung momentan nicht kontrollierbar ist, ihre
ganze Aktionsfähigkeit eingebüßt hat. Für den Ferner-
stehenden, der stets nur gehört haben mag, daß
England in technischen Dingen fast immer die
Hegemonie inne hatte, mag es daher merkwürdig
klingen, wenn er vernimmt, daß die vorhandenen Luft-
schiffe und Flugmaschinen im gegenwärtigen Kriege,
wörtlich genommen, nur »zu Lokaldiensten«
verwendet werden und daß ihr Hauptverwendungs-
zweck nurinder Sicherung derenglischen Haupt-
stadt besteht, die, gleich Paris, ständig von einer
ns Kette fliegender Ein- und Doppeldecker und
enkballons umgeben ist, deren Insassen die ver-
antwortungsvolle Aufgabe zufällt, peinlich nach etwa
sich nahenden feindlichen Luftmonstren zu fahnden.
Zu einer kraftvollen, energischen Abwehr scheinen
sich also die Organisatoren der englischen Militär-
aviatik nicht entschließen zu können und dies aus
guten Gründen. Es ist an dieser Stelle schon des
öfteren darauf hingewiesen worden, daß der eng-
lischen und stellenweise auch der französi-
schen Militäraeronautik und -aviatik jener Zug ins
Große fehlt, der, gepaart mit klarer Erkenntnis und
Beurteilung der militärisch wichtigen Leitlinien,
der deutschen Luftfahrt zu einem so grandiosen
Triumphzuge in Feindesland verholfen hat.
Den Grund zu dem, was man unter einer eng-
lischen Luftflotte versteht, hat der frühere englische
Kriegsminister Colonel Seely gelegt, der für die
Fragen der militärischen Luftfahrt wohl einiges Ver-
ständnis bekundet hat. Die Organisation oblag dem
Brigadier-General Henderson, der in Salisbury
Plain das Hauptzentrum des militärischen Flugwesens
errichtete. Die Industrie des Landes wurde in
der ersten Zeit so schwach beschäftigt, daß einzelne
Firmen sich zur Schließung ihrer Betriebe veranlaßt
sahen. Erst als der erste Lord der englischen Admiralität
Winston Churchill heftig für die Förderung des
militärischen Luftfahrwesens eintrat, begannen
bessere Zeiten für die Industrie. In erster Linie war
es neben Grahame Claude White, Sopwith, Short
und A. V. Roe die Royal Aircraft factory in
Farnborough, die sich zahlreicher Aufträge erfreute,
zumal sie auch den Bau kleiner Lenkballons aufnahm.
Letztere scheinen eine besondere Spezialität Englands
zu sein. Denn schon im Jahre 1912 trat ein englischer
Konstrukteur, namens illows, mit einer Lenk-
ballonkonstruktion hervor, die damals ob ihrer
zwergenhaften Dimensionen viel Aufsehen erregte und
auch von der Heeresverwaltung angekauft wurde. Das
hervortretendste Charakteristikon dieses Ballons war
dessen torpedoartige Gondel, ORT FT re N
die kaum Platz für zwei Personen ö * eee
bot, die die Führung des Ballons | WR A
in halb liegender Stellung bewerk- k | 3
stelligen mußten. Zum Antriebe der 77 , l 3
beiden Luftschrauben diente ein
15 PS luftgekühlter Zweizylinder-
motor, der an der Stirnseite der
Gondel geschickt eingebaut war.
Bald stellte es sich heraus, daß die
Handhabung dieses in minimale
Bestandteile zerlegbaren Ballons
zwar ungemein einfach war, dieser
selbst aber einen viel zu geringen
Aktionsradius und eine viel zu
kleine Nutzlastkapazität besaß, um
mit den Konstruktionen anderer
Heeresverwaltungen in einen auch
nur halbwegs ebenbürtigen
Wettkampf treten zu können.
So schritt denn die englische
Regierung an den Bau eines spe-
ziellen Kriegsluftschiffes
halbstarren Systemes, der
Fig. 1. Englisches Prall-Luftschiff der Gamma-Klasse.
weniger bewährten Beta-Klasse zeigt. Dem Vernehmen
nach sollen Luftschiffe der Delta-Klasse in dem jetzigen
Abwehr-, resp. Lauerdienste um London eine aus-
pa Verwendung finden, weshalb eine kurze
harakterisierung, soweit sie eben auf Grund der uns
erreichbaren Daten möglich ist, interessieren dürfte.
Die Luftschiffe der Delta-Klasse sind vom un-
starren Typ. Der aus Kontinental-Ballonstoff her-
rei Körper faßt ca. 180.000 Kubikfuß Gas. Zum
ntriebe dienen zwei aneinander ee Motoren,
die eine Gesamtleistung von 210 PS entfalten und dem
Ballon eine durchschnittliche Stundengeschwindigkeit
von 44 englischen Meilen erteilen.
An dem Ballonkörper hängt mittels Stahlkabeln
die 8m lange Gondel, deren Form jener eines
Motorbootes nachgebildet erscheint. Vor dem fixen
Sitze des Lenkers (Steuermannes) befindet sich eine
Fig. 2. Gondel mit Propellerwelle eines
Delta-Luftschiffes.
»Mayfly<, deren Ende (Zusammen-
knickung und Absturz aus geringer
Höhe beim Abflug) unseren Lesern
ja bekannt sein dürfte. Praktisch be-
währt, insofern man hier nämlich von
einem »Bewähren« reden kann,
haben sich eigentlich bloß die Luft-
schiffe der Gamma- und Delta-Klasse,
hergestellt von der Royal Air-
craft factory in Farnborough.
Beide Typen sind von fast gleicher
Größe und unterscheiden sich ober-
flächlich nur durch die verschiedene
Bauart der Gondel und deren Auf-
hängung am Ballonkörper. Während
die Luftschiffe der Gamma-Klasse
einen langen, vierkantigen und an
den Stirnseiten sich konisch ver-
jüngenden Gordelrumpf aufweisen,
der aus Stahlrohr hergestellt und
dessen hintere Hälfte mit Leinwand
überzogen ist, besitzen die Luftschiffe N a mine f *
der Delta-Klasse einen ganz kurzen, PRS Fa Zu Pen Ze er‘ D Y
mehr Ähnlichkeit mit einem Motor- e i 1 a: Be *
bootrumpfe zeigenden Gondelkörper. . | ay’ 28 à
Ersterer ist aus Fig. 1 ersichtlich, ' l | a Bina ee ar *
die ein Gamma-Luftschiff über dem JPE S A n Fra.
Flugfelde Lark Hill zeigt, letzterer EE = ap A ER
aus Fig. 2, während Fig. 3 ein Drei-
viertelprofil eines Luftschiffes der Fig. 3. Englischer Prallballon der Beta-Klasse.
Fig. 4. Spritzwand der Gamma-Gondel.
Art Spritzwand (Fig. 4) mit den wichtigsten Instru-
menten, sowie eine Steuerung, analog einer Flugzeug-
steuerung. Zu Füßen des Lenkers befinden sich zwei
Kupplungspedale für beide Motoren, sowie Gasdrossel-
pedale zur Regulierung der Tourenzahl. Kompaß,
Aneroid, Inklinometer und sämtliche anderen nautischen
Instrumente sind übersichtlich auf der vorerwähnten
Spritzwand installiert, die überdies durch ein C. A. V.-
Batteriesystem elektrisch beleuchtet werden kann.
Seitlich vom Lenkerplatze befindet sich noch ein zweites
Steuerrad, durch dessen Vermittlung die Propeller-
drehebene geändert werden kann (ähnlich wie beim
Lenkballon »Austria« zumZwecke der Steuerung).
Über der Mitte des Gondelkörpers läuft quer eine
kräftige Stahlrohrachse, die der Welle der Luftschrauben
Fig. 5. Skizze des »B E 2«-Doppeldeckers.
als Lager dient. Die Versteifung dieser Stahlrohrachse
gegenüber dem Gondelgerüste erfolgt durch vier
kräftige Vertikalstützen aus Stahlrohren. An den
äußersten Enden dieser Welle rotieren die beiden aus
je zwei einzelnen Luftschrauben bestehenden
ropeller, die nach allen Richtungen hin ver-
stellt werden können. Dieserart vermögen sie den
Abhub vom Boden, die Steigschnelligkeit,
zu beschleunigen, wie auch die Landung sanfter zu
gestalten.
Durch das Handrad an der
vertikalen Steuersäule werden die
horizontalen Steuerflächen am Hinter-
ende des Ballonkörpers verstellt,
während die Verstellung des Seiten-
steuers durch das seitliche Handrad
simultan mit der Verschwenkung der
Propeller erfolgt. Die Hülle enthält
vier automatische Ventile, deren
beide rückwärtigen mit den Gas-
kammern kommunizieren, während
die beiden vorderen mit den Luft-
kammern in Verbindung stehen.
Unterhalb der Gondel befinden sich
auch Säcke zur Aufnahme von Wasser-
ballast, die, wenn sie teilweise noch
gefüllt sind, gleichzeitig auch als
hydraulische Landungspuffer
dienen. Um Irrtümer zu vermeiden,
sind die einzelnen Rohrleitungen
für Motor und Ballon in verschiedenen Farben ge-
strichen, so z. B. die Kühlwasserleitung blau, Benzin-
leitung rot, aa y gelb und die Leitung für kom-
primierte Luft weiß. Die Gesamtkonstruktion und
Ausführung dieses Luftschiffes wurde von der Royal
Aircraft factory durchgeführt.
Neben der Erzeugung von Luftschiffen betreibt
die genannte Fabrik auch die Herstellung von Aero-
planen, in erster Linie von Doppeldeckern nach
den Entwürfen des Chefkonstrukteurs Havilland.
Fig. 5 zeigt die Seitenansicht eines solchen Doppel-
deckers, der »BE 2«-Klasse. Beliebt scheinen die
Maschinen der Royal Aircraft factory in den
Kreisen der englischen Flieger gerade nicht zu sein,
wenn man ihre Urteile vernimmt. Nichtsdestoweniger
aber haben sie in großer Zahl in der englischen
Fig. 6. Steuerschwanz des B E 2«-Doppeldeckers.
Armee Verwendung gefunden, sind aber trotz ihrer
vielfach gerühmten Vorzüge den stets als langsam und
kriegsunbrauchbar verschrieenen deutschen Tauben
noch niemals gefährlich geworden.
Ein weiterer Flugzeugtyp, der auf englischer Seite
in vielen Exemplaren dermals verwendet wird, ist
der von A. V.Roe gebaute Avro-Doppeldecker (Fig. 7
und 8), der besonders durch seinen eigenartigen
Rumpf auffällt. Ein Flugzeug dieser bereits im
Jahre 1912 bekannt gewordenen Bauart wurde erst
kürzlich von den Deutschen in Belgien heruntergeholt.
Der Rumpf des Apparates besteht aus einem außer-
gewöhnlich hohen Kastenträger, dessen Festig-
keit durch die große Bauhöhe vergrößert wurde.
Zwischen den beiden Flächen ist die Höhe des Boots-
körpers gleich dem Vertikalabstande der beiden Trag-
decken. Um dem Lenker trotzdem einen möglichst
guten Ausblick zu ermöglichen, sind in die hohen
Seitenwände des Bootes beiderseits längliche,
schmale Fensterstreifen eingelassen, die
völlig unverkleidet bleiben, damit der Führer
Fig. 7. Englischer Avro-Kriegsdoppeldecker, Dreiviertelprofil.
—
WIQIIZEO
und sein Begleiter im Bedarfsfalle
auch über den Rand der Fenster-
öffnung hinaus- und hinuntersehen
kann. Auf Grund der Leistungen
der englischen Flieger im gegen-
wärtigen Kriege, soweit sie nämlich
der weiteren Öffentlichkeit bekannt
geworden sind, scheint es mit größter
Wahrscheinlichkeit anzunehmen zu
sein, daß dieser Flugzeugtyp
auf seiten der Engländer noch
der erfolgreichste gewesen
ist. Denn erwiesenermaßen war
ein Avro-Doppeldecker auch
an dem berühmten oder vielmehr
berüchtigten Anschlag auf
dieFriedrichshafener Zeppe-
lin-Halle und Luftfahrzeug-
werft beteiligt und auch in
Belgien haben Avro-Doppeldecker in immerhin
flugtechnisch anerkennenswerter Weise manövriert.
Von den übrigen Luftfahrzeugtypen Englands, soweit
sie im gegenwärtigen Kriege mit einigem Erfolge in |
Fig. 8. Englischer Avro-Kriegsdoppeldecker, Seitenansicht.
Aktion getreten sind, soll ein andermal die Rede
sein. Eines steht hiebei aber fest: Viel wird und
kann es nicht sein!
efe. —
t
Graphostatik mit besonderer Berücksichtigung der Fachwerke.
Einer der wichtigsten Wissenszweige der Technik
ist die zeichnerische Behandlung von Fragen der
Festigkeitsiehre und anderen, die ohne diese Art der
Untersuchung nur durch längere Rechnungen erledigt
werden könnten. Wenn man außerdem bei fort-
schreitender Rechnung auch noch auf den Ergebnissen
der vorhergehenden fußen muß, sich also jeder kleinste
Rechnungsfehler fortschleppt und häufig auch die Über-
sichtlichkeit des Ganzen sehr leidet, so wird man
sofort zugeben müssen, daß die graphische Unter-
suchung sowohl was Einfachheit als auch Über-
sichtlichkeit anbelangt, der rechnerischen Bestimmung
fast ausnahmslos überlegen ist. Das graphische Ver-
fahren zeigt aber auch den Einfluß einer Änderung
in der Regel sofort oder eserlaubt durch Inter- oder
Extrapolation oder durch Zeichnung einer Fehlerkurve
das richtige Ergebnis zu erzielen, während die
Rechnung meist vom Anfang bis zum Ende nochmals
durchgeführt werden muß, ehe man den Einfluß der
Änderung erkennt.
Für den Flugzeugbau kommen in erster Linie in
Betracht: Schwerpunktsbestimmungen, zum
Beispiel des ganzen Apparates oder seiner einzelnen
Teile, der Querschnitte vieler kraftübertragender Teile,
wie beispielsweise von Rohren mit anderen als kreis-
runden Querschnitten zwecks Bestimmung der Null-
linie; von Trägheitsmomenten zur Untersuchung
der Schwingungen ganzer Apparate oder bei Kon-
struktionselementen für die Berechnung der Wider-
standsmomente, wenn nicht einfache Querschnitte
vorliegen, und als Wichtigstes: die 5 der
Stabkräfte in den Fachwerken. Denn jeder Flug-
apparat ist gegenwärtig als Fachwerk ausgebildet,
sei es der Rumpf oder die Tragfläche als solche, und
schließlich auch der fertig montierte Apparat. Es
sollen daher im folgenden einige der gebräuchlichsten
Methoden für die angegebenen Fälle behandelt werden,
und zwar zunächst mehr allgemeine und im zweiten
Teile dann die Graphostatik der Fachwerke.*)
Zunächst seien einige Tatsachen, die für das
Folgende von großer Bedeutung sind, ins Gedächtnis
zurückgerufen. Greifen mehrere Kräfte P an einem
Punkt, den sogenannten Angriffspunkt, an, dann hat
die Erfahrung gelehrt, daß man sie durch eine
Resultierende oder zu deutsch durch eine Mittel-
) Herr Ellyson hatte die Freundlichkeit, mich darauf
aufmerksam zu machen, daß die graphische Bestimmung der
Schwerpunkte und Trägheitsmomente etc. an Flugzeugen
in der Deutschen Zeitschrift für Flugtechnik und
Motorluftschif fahr t« (Berlin) im Juniheft 1914 von ihm
ausführlich behandelt wurde.
kraft R ersetzen kann. Diese läßt sich finden, indem
man ein sogenanntes Kräfteparallelogramm zeichnet,
in dem die beiden Kräfte P, und P, (s. Fig. 1
Seiten sind, Seitenkräfte, während die Mittel-
kraft Rals Diagonale erscheint.
Da die Seiten AD und BC gleich sind, so läßt
sich aus dem Dreieck ABC sofort nach dem Cosinus-
satz mit Berücksichtigung dessen, daß
6 = 180 — C
ist, die Mittelkraft der Größe nach angeben zu
R=V PST PA F 2P, Pr cos. a.
Man sieht also schon hier, welchen Aufwand
an Rechnung es erfordert, um die Größe der Resul-
tierenden zu bestimmen.
Ist beispielsweise der Winkel zwischen den
beiden Seitenkräften œ = 60° und diese Kräfte selbst:
P, = 500 kg und P: = 300 kg so findet man
R= 500° + 300° 2. 500.300. ½ = 700 kg.
Man hat also zweimal zu quadrieren, dann drei
Multiplikationen, sowie eine Addition auszuführen
und sodann die Wurzel zu ziehen, um R zu finden.
geo hy
Fig. 1.
Und wenn, wie es ja die Regel ist, die einzelnen
Bestimmungsstücke nicht durch so einfache runde
Zahlen ausgedrückt sind, dann fällt die Arbeit noch
ärger als bei diesem Beispiel aus. Um nun den
Winkel zu bestimmen, braucht man gewöhnlich eine
Zeichnung, und da drängt sich begreiflicherweise die
graphische Lösung von selbst auf. Nachdem man
erfahrungsgemäß die Resultierende als Diagonale
des Parallelogrammes oder richtiger als SchiuB-
linie eines Kräftezuges Pi, P: (also an AB =P, der
34
Größe und Richtung nach BC = (P;) angefügt,
Schlußlinie dann AC = R) findet, genügt es, das
Dreieck ABC zu zeichnen. Denn man kann ja die
Kräfte durch Strecken darstellen und dazu irgend
einen passenden Maßstab wählen, in dem die Kräfte
als Längen erscheinen, um an diesem sofort R
abzulesen. In Fig. 1 sind zum Beispiel 100 kg dar-
gestellt durch 8 mm, so daß man nur R in den Zirkel
der wirkenden Kräfte P, und P, (Fig. 1) sich bewegen.
Da die angeführte Zusammensetzung nach dem
Kräftedreieck genau so für die Zusammensetzung
von Geschwindigkeiten gilt, jede Kraft aber eine
Beschleunigung und infolgedessen eine Bewegung an
dem frei beweglichen Punkt A hervorruft, so gibt
die Richtung von R auch an, nach welcher Seite sich
| der Angriffspunkt A bewegen würde. Soll keine
Fig. 2.
zu nehmen und an dem Maßstab abzulesen hat. Das
stellt eine ganz bedeutende Zeitersparnis dar und ist
zudem einer der wichtigsten und häufigsten Fälle,
wie sich besonders bei den Fachwerken zeigen wird.
Sinngemäß wäre bei mehreren Kräften vorzugehen.
Fig. 2 bedarf wohl keiner näheren Erklärung, ebenso
wie die Zerlegung der Mittelkraft R in die Seitenkräfte
3
Se)
Fig. 3.
P, und P,, deren Richtungen gegeben sind, durch
Fig. 1 dargestellt sind.
In allen Fallen ist die Mittelkraft als SchluB-
seite des Dreieckes (Fig. 1), bezw. des Kräfte-
vieleckes (Fig. 2) aufgetreten und damit sowohl ihre
Größe als auch ihre Richtung festgelegt. Beim
Anfügen der einzelnen Kräfte im Vieleck ist nur zu
Fig. 4.
beachten, daß sie stets ebenso einzuführen sind, wie
sie an dem Angriffspunkt wirken und deshalb wird
ihre Richtung durch Pfeile angedeutet. (Beachte
Kraft P. und Pg, in Fig. 2.)
Es lassen sich also die Seitenkräfte durch eine
Mittelkraft ersetzen. Denkt man sich den Angriffspunkt
frei beweglich, dann würde er unter dem Einflusse
Bewegung auftreten, also der Punkt in Ruhe bleiben,
dann muß R gleich Null werden oder für die Kräfte
ergibt sich der Satz: Gleichgewicht herrscht
dann, wenn die Mittelkraft gleich Null ist;
das zeigt die Zusammensetzung in einfachster Weise
dadurch an, daß die Schlußlinie im Kräftezug
fehlt, also das Ende der Strecke, welche die Kraft P;
in Fig.3 darstellt, bei der Aneinanderreihung auf den
Anfangspunkt A des Kräftezuges zu liegen kommt.
Der Sinn der Kraftrichtung ist im Falle des
Gleichgewichtes derselbe, also zum Beispiel in Fig. 3
ist der Kräftezug entgegen dem Drehsinn des Uhr-
zeigers zu durchlaufen; wenn daher an einem Punkt A
eine Kraft wirkt, die durch Stäbe beispielsweise mit
den Richtungen Pi, P:, Ps aufgenommen werden kann,
dann ist sie nach diesen drei Richtungen zu zerlegen
und ergibt sich aus dem Kräftezug, der ja gleichsinnig
zu umfahren ist, der Sinn der einzelnen Kraft-
richtungen. (Zerlegung der Kraft im Knoten-
Bene eines Fachwerkes.) Dann tritt keine
ewegung auf, es herrscht Gleichgewicht; in Fig. 2
ist die Richtung von R entgegen dem Sinn des
Durchlaufens, weil kein Gleichgewicht herrscht, sondern
A sich in der Richtung R bewegen würde, und um das
zu verhindern, also Gleichgewicht herzustellen, Ran A
in der entgegengesetzten Richtung wirken müßte.
Alles bisher Angeführte gilt
von Kräften, die in einer Ebene,
an einem Punkt angreifend,
wirken. Für das räumliche Kraft-
eck sind dann sinngemäß die
Schlußlinien der Projektionen
aller Kräfte auch die ent-
sprechenden Projektionen der
Mittelkraft und ihre wahre Größe
läßt sich nach bekannten Sätzen
der darstellenden Geometrie
finden.
Sind beliebig viele Kräfte
in der Ebene (Fig. 4) zusammen-
zusetzen, so geht man folgender-
maßen vor. Es sei die Mittel-
kraft R der drei Kräfte Pi, Pz, Pa
zu bestimmen, also ihre Richtung
und Größe, sowie ihre Lage anzugeben.
Man wählt zu diesem Zwecke einen Pol Z und
zieht die sogenannten Polstrahlen Z O, Z I, Z 2, Z 3, wo-
bei PI, Pe, Ps, wie früher angegeben wurde, der Größe
und Richtung nach aneinandergefiigt werden, und so
zunächst schon die Größe sowohl als auch die
Richtung der Mittelkraft R gefunden ist. Ihre Lage
egen die Einzelkräfte ist aber noch zu bestimmen.
Kin zeichnet nunmehr auf den Richtungen der Kräfte
Strahlen, welche parallel sind zu den Polstrahlen ao,
a1, a2, as, und zwar immer von einer Kraftrichtung
bis zur nächsten zugehörigen. (Siehe auch weiter
unten in Fig. 6 in dem Seileck, das auf den horizontalen
Kraftrichtungen gezeichnet ist.) Es müssen sich also
Fig. 5.
auf P, die Seilstrahlen a, und a, schneiden, wie das
auch im Kräfteplan der Fall ist; verlängert man nun
a. und as, also die äußersten Strahlen bis zum
Schnitt S, so geht durch diesen Punkt die Mittelkraft R,
deren Größe und Richtung aus dem Kräfteplan,
wie die Zusammensetzung heißt, schon gefunden
wurde. Der Beweis für die Richtigkeit dieses Ver-
Fig.
fahrens ergibt sich sofort, wenn man überlegt, daß P,
im Kräfteplan in a, und a, zerlegt wurde, P, in a,
und a: und schließlich Pa in as und aa, wobei dann R
die Mittelkraft aus a, und a, ist. Was rechts im
Kräfteplan geschehen ist, wurde aber auch links im
sogenannten Seileck durchgeführt, denn es tritt
wieder P, als Mittelkraft aus a, und a, auf und
ebenso R als Mittelkraft aus a, und a,, damit aber
auch schon als die gesuchte Mittelkraft der Einzel-
kräfte Pi, Pa und Ps.
Fehlt im Kräfteplan die Schlußlinie und ist auch
das Seileck geschlossen, dann herrscht Gleich-
gewicht. (Fig. 5.)
Diese Zusammensetzung kann nun bereits dazu
verwendet werden, den Schwerpunkt eines Ge-
bildes zu bestimmen.
Es sei von der in Fig. 6 gezeichneten Fläche der
Schwerpunkt aufzusuchen. Die Fläche 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6
läßt sich in Dreiecke zerlegen, deren Schwerpunkt
(S, bis S,) ohne weiteres angegeben werden kann.
Faßt man nun die Flächen als Kräfte auf, die alle
parallel wirken, dann kann man, wie oben entwickelt
wurde, die Mittelkraft aller dieser Kräfte F, bis F,
bestimmen, und zwar erhält ınan in diesem Falle eine
Richtungslinie s,, welche gleichzeitig die Schwerlinie
darstellt. Dreht man die Kräfte um irgend einen
Winkel (am besten um 90°, so daß die Seilstrahlen
senkrecht zu den ersten stehen), so findet man eine
BOOZ N
Q
»
*
u
&
N
*
35
zweite Richtung, also eine zweite Schwerlinie s,. Im
Schnitt der beiden ist dann der gesuchte Schwer-
punkt S.
Es lassen sich nun alle beliebig begrenzten
Flächen in einzelne Streifen zerlegen, deren Flächen-
inhalt und Schwerpunkt bequem angegeben werden
kann. Ist die N eine Kurve, dann kann die
Fläche, sofern nur die Flächenstreifen schmal genug
gewählt wurden, als Parallelogramm oder Dreieck
oder gegebenenfalls als Trapez aufgefaßt werden.
Der Schwerpunkt des letzteren ergibt sich nach der
Konstruktion, die in Fig. 7 angegeben ist und keiner
weiteren Erörterung bedarf.
Zur besseren Erkläruug sei in Fig. 8 der Quer-
schnitt eines Stieles von einem Doppeldecker unter-
sucht. Die Aufsuchung des Schwerpunktes eines Quer-
schnittes ist von besonderer Bedeutung für die Be-
urteilung, ob die Beanspruchung rein axial oder
exzentrisch erfolgt. Da Stiele auf Druck beansprucht
sind, das Holz aber gerade dieser Art der Inanspruch-
nahme weniger gewachsen ist als der Zugbeanspruchung,
so ist jede exzentrische Belastung hier besonders ge-
fährlich, da zu den reinen Druckbeanspruchungen
zusätzliche Kräfte kommen. Eine derartige, als falsch
zu bezeichnende Konstruktion ist ja in Heft 22 und 23
wa
0
DAS
6.
dieser Zeitschrift vom Jahre 1914 auf S. 376 u. ff. nach-
gerechnet und sei daher auf diesen Aufsatz verwiesen.
Es sollte deshalb die Ausbildung von Stielen und
ähnlich beanspruchten Konstruktionselementen, bei-
spielsweise von ähnlich gezogenen Stahlrohren für
das Fahrgestell oder der Pyramiden zur Tragflächen-
befestigung so erfolgen, daß die Kraftrichtung immer
ee
24
Fig. 7.
durch den Schwerpunkt der einzelnen Querschnitte
geht. Meist erhalten solche Streben tropfenförmigen
Querschnitt etwa nach Fig. 8. Die eine Symmetrielinie
stellt naturgemäß bereits eine Schwerlinie dar, so daß
es sich nur mehr um die Aufsuchung der zweiten
handelt. (Es entfällt daher hier die bei unsymmetrischen
Querschnitten nötige Drehung der »Kräfte«.) Alles
andere ist nach dem weiter oben Gesagten verständlich.
Die Zerlegung erfolgte in eine Halbkreisfläche,
deren Schwerpunktabstand gegeben ist durch 5 x a
in Trapeze und in einen Kreisabschnitt F-, für den
angenähert ein Dreieck gesetzt wurde.
Es sei an dieser Stelle gleich die Ermittlung des
axialen oder äquatorialen Trägheits-
momentes nach dem Verfahren von Mohr und
nach dem von Culmann angegeben.
Auf einen Beweis, der übrigens in jedem Lehrbuch |
zu finden ist, sei hier nicht eingegangen. Nach Mohr
verwandelt man die Flächen zunächst in flächengleiche
Rechtecke mit der Grundlinie a = 50*) und den
Höhen (Fig. 9)
h, = 1038 mm
he = T10 n
hg = 6:70 n
h, = 5'80 n
hs = 445 „
he == 2:05 n.
‚= 013 „
betrachtet jetzt diese in den Schwerpunkten angreifend
als Kräfte parallel zur Achse X—X, für die das Träg-
denkt und mit Y, = 20 mm als Polweite dazu ein
zweites Seil- und Kräfteeck zeichnet. Das Stück,
welches von den beiden äußersten Seilstrahlen auf
der Achse X—X abgeschnitten wird, sei z = 25°25 mm,
dann ist wieder angenähert
Ix ~a yı Ya 2
und in diesem Fall
lx = 5. 2. 2. 2˙525
Ix = 505 cm*
was mit Ix = 51˙3 nach Mohr ganz gut übereinstimmt,
da bei dem kleinen Maßstab die Genauigkeit leidet.
Für die Genauigkeit von Ix gilt das gleiche wie
oben gesagt wurde. Für eine zur Schwerachse parallele
Achse Z—Z findet man das Trägheitsmoment nach
dem Satz von Steiner
lz = Ix + Fx?
wenn F der Flächeninhalt des untersuchten Quer-
schnittes und x der Abstand der Schwerlinie X—X
von der neuen Achse ist.
3
Fig. 8.
heitsmoment zu bestimmen ist und zeichnet flir sie
Seileck und Kräftepolygon; die Polweite sei dabei
yı = 20 mm. Verlängert man wieder die beiden
äußersten Seilstrahlen, so liegt zwischen diesen und
dem Seileck eine Flache F, und es bestimmt sich
dann angendhert das Trägheitsmoment für diese
Achse X—X (Schwerachse gemäß dem in Fig. 8 an-
egebenen Verfahren, das sich bis hieher ja mit dem
Auszelührten deckt) aus der Beziehung
Ix ~2a Yı F,
also in dem gezeichneten Falle
Ix = 2. 5. 2. 2˙565
lx = 51°30 cm.
lx stimmt genau. wenn man statt des Vieleckes
eine Kurve hätte, wird also um so genauer, je schmäler
die Streifen sind, in welche man die Fläche zerlegt
hat, da dann das Vieleck sich mit der Kurve am
besten deckt.
Das Bestimmen der Fläche ist zu umgehen nach
Culmann, indem man sich die von je zwei auf-
einanderfolgenden Seilstrahlen auf der X- X-Achse
abgeschnittenen Strecken bi bis b; abermals als
Parallelkräfte in den Flächenschwerpunkten angreifend
) Die Zahlenangaben gelten natürlich nur für den ge-
zeichneten Fall.
Sinngemäß läßt sich das axiale Trägheitsmoment
für die zweite Achse Y—Y finden und ist in die
Knickformel nach Euler für den beiderseits frei ein-
gespannten Stab von der Länge l und der Knick-
belastung P das kleinste Trägheitsmoment I ein-
zusetzen:
P= N 1
E, das Elastizitätsmaß des Stoffes, ist in Kilogramm’
Quadratzentimeter und alle anderen Dimensionen in
Zentimeter, bezw. Kilogramm einzusetzen. Rechnerisch,
z. B. für die Achse n—n findet man das Trägheits-
moment als Unterschied des Trägheitsmomentes der
Fläche: Stielquerschnitt plus Fläche bis zur Achse, ver-
mindert um das der Fläche zwischen unterer Quer-
schnittsbegrenzung und Achse nn nach der Sim ps on-
schen Regel. Für den unteren Flächenteil ist:
In — g ue T4 L 2 +4 h. T2 l. T4 b
+ 21% + 1°)
also hier
= 3 1 (22 44.04 +2. 025 + 4.033 +2. 05° +
+4.08° +2. 12% + 23)
In‘ = 2753 em-
für den anderen Teil (statt | sind L zu nehmen)
69 1(2°44.37°+2.385° 4 4. 38 2. 368+
+ 4.33% -+ 2. 2˙9˙+ 2°)
In“ = 93°62 cm‘
In = In“ — In’ = 90°87 cm‘
daher
und somit für die zweite Achse Y—Y nach dem Satz
von Steiner:
ly = In — F lo? = 18 cm“.
und
sein. Den Quotienten aus Tragheitsmoment und Ab-
stand der äußersten Faser bezeichnet man als Wider-
standsmoment W:
Fig. 9.
Ist der Querschnitt auf Biegung beansprucht
und wirkt die Kraft in einer der Hauptachsen des
Schnittes, also z. B. in der Ebene X—X im Punkt D
(Fig. 10), dann fällt die Nullinie mit der zweiten Haupt-
achse Y— Y zusammen. Bedeutet M das Biegungs-
moment, I das Trägheitsmoment, bezogen auf die
Nullinie und o die Normalspannung in der Faser, die
den Abstand y hat, so ist
M
o=- y.
Sind ferner e, und e, die Abstände der gezogenen,
bezw. gedrückten Fasern von der Nullinie, dann muß,
wenn k, bezw. kz die zulässige Druck-, bezw. Zug-
beanspruchung ist:
Maßgebend ist der kleinere Wert von W. Im ge-
zeichneten Falle ist, da die Biegung um die Nullinie
Y—Y erfolgt: M = Pa und die Abstände e, und e:
zu finden, indem man zu Y—Y parallele Tangenten t,
und t, zeichnet. So findet man mit dem Wert a = 0°75
und P = 100 kg den Wert M = 75 cmkg und damit ein
75
k: K ig
18 = 7'5 kg/cm’.
Greift die Last in keiner der Hauptachsen an
und sind i, und i, die Hauptträgheitshalbmesser, also
aus
Ix F i£,
ly = Fi,?
bezw.
38
gerechnet, dann kann die Nullinie nach Mohr folgender-
maßen gefunden werden. Es bedeute in Fig. 10 der
Punkt O den Angriffspunkt der Kraft, S den Schwer-
punkt, dann trägt man auf den Hauptachsen i, und i,
auf und projiziert O auf beide Achsen. A wird mit C
und B mit D verbunden und in A, bezw. B Senkrechte
dazu errichtet. deren Schnitt mit den Achsen in E
und F schon zwei Punkte der Nullinie sind. Die
übrige Berechnung ist wie früher durchzuführen, also
die zu E F parallelen Tangenten t.“ und t: zu zeichnen,
um ei' und &‘ zu finden. Es wird dabei ez, der Ab-
stand der äußersten gedrückten Faser größer und
das Moment ist jetzt P. b., also weit mehr als früher;
man findet
M = 100 . 2:2 = 220 cm/kg
220
k = -g
und
. 3'1 = 38 kg'cm?
und
220
18
also rund fünfmal so große Druckbean-
1 wie früher, obwohl die Exzentrizität nur
klein ist. Wirkt P in S, dann gibt es nur einheitliche
: Spannungen im ganzen Querschnitt, in
kz = . 1 = 12:2 kg/cm’
diesem Fall also nur Druck und findet
man
EB 100 . A
Unter allen Umständen ist daher
zentrale Beanspruchung, das heißt An-
griffspunkt im Schwerpunkt der Fläche
anzustreben. Die Faser, welche ge-
drückt ist, läßt sich am einfachsten
erkennen, wenn man sich die Achse
X—X, in der die Kraft P und D wirkt,
als Stab vorstellt, der um den Punkt S
(Schnitt der Nullinie mit X—X) dreh-
bar ist; dann driickt die Kraft P
(Druckkraft vorausgesetzt) die in der
Zeichnung oben gelegene Faser hin-
unter und zieht die unten gelegene
aufwärts, also ist oben Druck, unten
Zug. Gleiches gilt von O als Angriffs-
punkt, nur ist der Drehpunkt jetzt die
Projektion von O auf die Nullinie, als Schnittpunkt
der durch O gehenden und zur Nullinie senkrechten
Ebene mit der Nullinie selbst. Die Fasern, die in
der Nullinie liegen, sind spannungslos.
Damit sind die wichtigsten Fälle behandelt und
wird in der Fortsetzung die Anwendung des bisher
Mitgeteilten auf die graphische Untersuchung der
Fachwerke gezeigt werden. — 4 —
(Fortsetzung folgt.)
er To!
Der Aeroplan im Kriege.
Von Major W. S. Brancker. *)
Bis zum Ausbruche des Weltkrieges im Jahre 1914
war die praktische Verwendbarkeit des Aeroplans
im Kriege unerprobt, da in Tripolis ebenso wie am
Balkan die materiellen Bedingungen fehlten, die über
seinen Kriegswert hätten vollen Aufschluß geben
können. Indessen ist man auf Grund der in Friedens-
zeiten gewonnenen Erfahrungen in der Lage, sich
über den strategischen Wert der Flugmaschine und
der Methoden ihrer Anwendung zum größten Teile
eine hinreichend genaue Vorstellung zu machen,
während einzelne Fragen allerdings erst durch die
Erfahrungen eines mit allen Mitteln der modernen
Technik geführten Krieges ihre definitive Beant-
wortung finden werden.
Von den vielen Aufgaben, zu denen der Aeroplan
im Kriege berufen erscheint, sind folgende die
wichtigsten: 1. Aufklärung; 2. Zerstörung feindlicher
Luftfahrzeuge ; 3. Angriff auf Truppen im Felde, auf
militärisch wichtige Bauten und Materialien, wie
Luftschiffhallen, Öltanks, Magazine u. s. w.
1. Aufklärungsdienst. Dieser gehört zu den Haupt-
aufgaben des Aeroplans im Kriege. Die Manöver-
erfahrungen des Friedens haben bereits die Brauch-
barkeit des Aeroplans für Aufklärungszwecke erwiesen
und es unterliegt keinem Zweifel, daß dieser im
modernen Kriege zu den allerwichtigsten Hilfsmitteln
der Strategie gehört. Der Aeroplan stelit hier das
ebenso notwendige wie geeignete Gegenmittel gegen
*) Nach einem im Militär-Ausbildungskomitee in London
gehaltenen Vortrag.
die mit der enormen Ausdehnung der Kampflinien und
-Distanzen gesteigerten Aufklärungsschwierigkeiten
dar. Brauchbare Schlachtpläne lassen sich unschwer
entwerfen, wenn Größe und wahrscheinliche Absichten
des Feindes bekannt sind; indessen ist es durch die
Schußpräzision der heutigen weittragenden Gewehre
und Geschütze, die große Zahl und ausgedehnte
Formation der Truppen und die Verwendung rauch-
losen Pulvers der Kavallerie heute außerordentlich
erschwert, die feindlichen Positionen zu erkennen
und die erforderliche schnelle und genaue Aufklärung
zu verschaffen. Dagegen vermag der Aeroplan unter
günstigen Verhältnissen, namentlich bei geschlossenen
feindlichen Formationen, eine gute und rasche Infor-
mation zu verschaffen, was besonders bei Kriegs-
ausbruch von größter Bedeutung ist. Ein geeigneter
Aeroplan dürfte eine zehnmal schnellere und ver-
läßlichere Information verschaffen als eine ganze
Kavalleriedivision nach eintägigem Gefechte zu liefern
vermag.
Es gibt jedoch eine Anzahl ungünstiger Faktoren,
die sich dem Aufklärungsdienst in den Lüften ent-
gegensetzen und welche die Zuverlässigkeit dieser
Aufklärung stark zu beeinträchtigen vermögen. Hieher
gehören: a) Unvollkoınmene Beobachtung und feind-
liche Scheinmanöver ; b) ungünstige Witterungsver-
hältnisse; c) Schwierigkeiten der Instandhaltung;
d) Flugzeug-Abwehrgeschütze am Erdboden ; e) Be-
kämpfung in der Luft.
a) Unvollkommene Beobachtung. Die Kunst der
genauen Beobachtung aus dem Flugzeuge ist viel
schwerer und erfordert weit mehr Schulung als das
Fliegen selbst. Sowohl der Pilot als auch der Beob-
achter müssen in der Lage sein, eine Karte ebenso
schnell und leicht zu lesen, wie ein Buch, und in
jedem Augenblicke während eines Überlandfluges
sollten sie genau wissen, wo sie sich befinden. Über-
dies muß der Beobachter (oder in einem Einsitzer
der Pilot) in der Lage sein, Truppen auf dem Erd-
boden genau auszunehmen, ihre Art und Zahl zu
schätzen und ihre Stellung auf der Karte genau zu
verzeichnen. Er muß diese Funktion in einem rauhen
Winde und in schweren Wolken ausüben und nach
vollzogener nung über das Gesehene einen klaren
und anschaulichen Bericht abfassen können. Es ist
daher nicht zu verwundern, wenn die Ergebnisse der
Aufklärung in den Lüften manchmal ungenau und
irreführend sind. Dieser Nachteil wird noch ver-
schlimmert durch Scheinmanöver, die der Feind in
der ausgesprochenen Absicht unternimmt, den Beob-
achter zu täuschen, indem z. B. kleine Truppenteile
längs der Landstraße verteilt und die Hauptmacht
des Heeres in Dörfern und Wäldern verborgen
ala wird, oder indem Schützengräben nur zum
chein aufgeworfen und die eigentlichen Verschan-
zungen verdeckt werden, Gewehre eine solche Auf-
stellung erhalten, daß sie wie Lagerzelte, Büsche
u. s. w. aussehen. Die einzigen Mittel zur Beseitigung
dieser Schwierigkeiten bestehen in der sorgfältigen
Schulung und größtmöglichen Erfahrung des Beob-
achters, sowie in dem Besitze einer genügenden
Anzahl von Aeroplanen, um zweifelhafte Informationen
kontrollieren und ohne großen Zeitverlust richtigstellen
zu können. Am besten eignen sich für diese Art der
Aufklärung Aeroplane, welche eine langsame Fahrt
und ein gutes Gesichtsfeld aufweisen, obwohl solche
Maschinen bei starkem Gegenwinde wieder im Nach-
teile sind.
b) Witterungsverhältnisse. Die Natur ist heute
der größte Feind der Aufklärung: ihre Waffen sind
Wind, Regen, Wolken, Nebel und Dunkelheit. Es
kommt vor, daß Aeroplane mit einer Geschwindigkeit
von 100 bis 110 km pro Stunde von einem starken
Gegenwinde zurückgetrieben werden. Der große
Nachteil des Windes ist nicht seine Gefährlichkeit,
sondern die starke Verringerung des Aktionsradius.
Indessen läßt sich dieser Schwierigkeit durch stetige
Erhöhung der Fluggeschwindigkeit wenigstens teilweise
Herr werden. Die Nachteile eines starken Regens
bestehen in der Blendung der Augen durch die nieder-
fallenden Regentropfen, wogegen man sich durch
Anordnung gedeckter Sitze einigermaßen schützen
kann. Hochgelegene Wolken (von ca. 1000 m an) be-
hindern die Aufklärungsarbeit nicht, sondern nützen
ihr eher, da sie dem Aeroplan erforderlichenfalls eine
Zuflucht gewähren, während in der von diesen
Wolken zugelassenen Rekognoszierungshöhe der Pilot
vor dem Infanteriefeuer praktisch sicher ist. Bei
geringeren Wolkenhöhen dagegen wird der Aufklärungs-
flieger gezwungen, sich innerhalb der wirksamen
Reichweite des Gewehrfeuers zu begeben. Diesem
Übelstande begegnet man durch den Bau von Panzer-
aeroplanen. Was den Einfluß des Nebels betrifft, so
wird dieser in der Mehrzahl der Fälle die aeronautische
Aufklärung unmöglich machen, ebenso wie die Auf-
klärung am Lande selbst durch ihn fast gänzlich
lahmgelegt wird. Aufklärungsflüge in der Dunkelheit
stellen heute noch keinen sicheren Behelf des Reko-
gnoszierungsdienstes dar, da die verfügbaren Maschinen
noch nicht so zuverlässig sind, um die Möglichkeit
von Notlandungen auszuschließen, welche im Dunkel
und auf unbekanntem Terrain eine schr prekäre
Sache darstellen. Mit der fortschreitenden Entwicklung
in der Sicherheit des Maschinenfluges wird jedoch
auch der nächtlichen Aufklärung mit Hilfe des Aero-
plans nichts im Wege stehen.
Die Mittel zur Bekämpfung ungünstiger Witterungs-
verhältnisse sind also vorwiegend zweifacher Natur:
1. verläßliche Flugmaschinen, 2. hohe Geschwindig-
39
keiten. Was letztere betrifft, so ist eine in der Luft
schnelle Flugmaschine meist um so schwerfälliger beim
Landen, selbst wenn sie in der Hand eines guten
Piloten auf freiem Felde langsam zu Boden gehen
kann. Als Gegenmittel werden zur Erzielung eines
steilen Abstieges Luftbremsen und zur Verringerung
des Auslaufens am Lande Landbremsen angewendet.
Derartige Bremsen befinden sich bei einigen
Maschinentypen bereits im Gebrauche, jedoch hat
diese Angelegenheit das Versuchsstadium noch nicht
verlassen. Ein weit schwerwiegenderer Nachteil der
hohen Geschwindigkeit besteht jedoch in der größeren
Schwierigkeit der Beobachtung. Denn selbst wenn
trotz rascher Fahrt die Details der Landschaft, der
sich darauf bewegenden Truppenkörper u. s. w.
genügend deutlich ausgenommen werden können, so
sind doch die Augen, das Gehirn und die Hand nicht
flink genug, um in der Eile ermessen zu können, wo
sich diese Truppenkörper etc. jeweils auf der Land-
karte befinden, und um die festgestellten Tatsachen
in einem Notizbuch verzeichnen zu können, bevor
das Flugzeug wieder viele Kilometer weiter ist und
eine Anzahl möglicherweise wichtiger Einzelheiten,
übersehen wurden. Diese Schwierigkeit läßt sich nur
durch Schaffung von Aeroplanen mit veränderlicher
Geschwindigkeit beheben.
c) Die Schwierigkeiten der Instandhaltung des
Aeroplans im Felde werden meistens unterschätzt.
Das Flugzeug und sein Motor sind zarte und gebrech-
liche Maschinen. Im Aerodrom mag ein guter Pilot
Tag für Tag viele Flüge und Landungen mit seiner
Maschine vornehmen, ohne daß diese den geringsten
Schaden erleidet. Im Kriege dagegen muß in jedem
Wetter geflogen werden, um sich die erforderliche
Information zu verschaffen, und fast auf jedem Boden
Be nee werden, um dieselbe zu überbringen. Die
olgen hievon sind naturgemäß Defekte verschiedenster
Art, welche zu ihrer Reparatur viel Zeit und Ge-
schicklichkeit, sowie die Mitnahme zahlreicher Reserve-
teile erfordern. Die SEEN der Lieferung von
Reserveteilen wird in dem Maße größer, als die
Anzah) der verschiedenen in Verwendung stehenden
Aeroplantypen zunimmt. Ähnliches gilt von den
Motoren, welche überdies schon nach kurzer Betriebs-
periode einer gründlichen Überholung bedürfen. Ferner
werden transportable Zelte benötigt, um die Maschinen
am Erdboden unterzubringen und dieselben vor den
schädlichen Einflüssen der Witterung zu schützen.
Aus alldem geht die Tatsache hervor, daß nur ein
kleiner Teil der im Felde vorhandenen Fiugzeuge in
einem gegebenen Momente auch für den Kriegsdienst
verfügbar sein wird. Zur Heilung dieser Mängel gibt
es verschiedene Mittel, welche auch alle gleichzeitig
angewendet werden können, und zwar: 1. Größte
Dauerhaftigkeit der Konstruktion; 2. geringe Anzahl
der verwendeten Flugzeug- und Motortypen; 3. Ein-
führung zusammenlegbarer Flugzeuge, welche eine
schnelle und bequeme Unterbringung zulassen; 4. ein
hervorragend geschultes Personal.
d) Flugzeug- Abwehrgeschütze an Land. Alle
Staaten sind bemüht, sowohl stabile als auch
fahrbare Abwehrgeschütze gegen Luftfahrzeuge heraus-
zubringen. Für das in Bewegung befindliche Heer gibt
es indes heute noch kein allen Ansprüchen gerecht
werdendes Geschütz dieser Art und daher ist ein
Aufklärungsflugzeug in einer Höhe von zirka 1000 m
über dem Erdboden gegen Gewehrfeuer und in zirka
1200 m auch gegen Kanonenfeuer ziemlich sicher.
Das Schießen auf Aeroplane bietet große natürliche
Schwierigkeiten, welche vorwiegend mit der Reich-
weite des Geschützes, der Schußrichtung, der Schwierig-
keit des Einschießens und der Geschwindigkeit des
Aeroplans zusammenhängen. Dazu kommt noch die
Schwierigkeit der Unterscheidung zwischen eigenen
und feindlichen Flugzeugen, obwohl man es an
Bemühungen zur Schaffung geeigneter Unter-
scheiduungsmerkmale nicht hat fehlen lassen.
38
gerechnet, dann kann die Nullinie nach Mohr folgender-
maßen gefunden werden. Es bedeute in Fig. 10 der
Punkt O den Angriffspunkt der Kraft, S den Schwer-
punkt, dann trägt man auf den Hauptachsen i, und i,
auf und projiziert O auf beide Achsen. A wird mit C
und B mit D verbunden und in A, bezw. B Senkrechte
dazu errichtet. deren Schnitt mit den Achsen in E
und F schon zwei Punkte der Nullinie sind. Die
übrige Berechnung ist wie früher durchzuführen, also
die zu E F parallelen Tangenten t,“ und t:“ zu zeichnen,
um ei' und e, zu finden. Es wird dabei e,, der Ab-
stand der äußersten gedrückten Faser größer und
das Moment ist jetzt P. b., also weit mehr als früher;
man findet
M = 100 . 2:2 = 220 cm / kg
und 220
k= 18 ‚31 = 38 kg em
und
_ 220
18
also rund fiinfmal so groBe Druckbean-
per nung wie früher, obwohl die Exzentrizität nur
klein ist. Wirkt P in S, dann gibt es nur einheitliche
Spannungen im ganzen Querschnitt, in
diesem Fall also nur Druck und findet
man
kz .1= 12:2 kg/cm’
P 100
— = EN 7 2
k = E = 182 55 kg/cm’?.
Unter allen Umständen ist daher
zentrale Beanspruchung, das heißt An-
griffspunkt im Schwerpunkt der Fläche
anzustreben. Die Faser, welche ge-
drückt ist, läßt sich am einfachsten
erkennen, wenn man sich die Achse
X—X, in der die Kraft P und D wirkt,
als Stab vorstellt, der um den Punkt S
(Schnitt der Nullinie mit X—X) dreh-
bar ist; dann drückt die Kraft P
(Druckkraft vorausgesetzt) die in der
Zeichnung oben gelegene Faser hin-
unter und zieht die unten gelegene
aufwärts, also ist oben Druck, unten
Zug. Gleiches gilt von O als Angriffs-
punkt, nur ist der Drehpunkt jetzt die
Projektion von O auf die Nullinie, als Schnittpunkt
der durch O gehenden und zur Nullinie senkrechten
Ebene mit der Nullinie selbst. Die Fasern, die in
der Nullinie liegen, sind spannungslos.
Damit sind die wichtigsten Fälle behandelt und
wird in der Fortsetzung die Anwendung des bisher
Mitgeteilten auf die graphische Untersuchung der
Fachwerke gezeigt werden. — 4 —
(Fortsetzung folgt.)
— — — ee —
Der Aeroplan im Kriege.
Von Major W. S.
Bis zum Ausbruche des Weltkrieges im jahre 1914
war die praktische Verwendbarkeit des Aeroplans
im Kriege unerprobt, da in Tripolis ebenso wie am
Balkan die materiellen Bedingungen fehlten, die über
seinen Kriegswert hätten vollen Aufschluß geben
können. Indessen ist man auf Grund der in Friedens-
zeiten gewonnenen Erfahrungen in der Lage, sich
über den strategischen Wert der Flugmaschine und
der Methoden ihrer Anwendung zum größten Teile
eine hinreichend genaue Vorstellung zu machen,
während einzelne Fragen allerdings erst durch die
Erfahrungen eines mit allen Mitteln der modernen
Technik geführten Krieges ihre definitive Beant-
wortung finden werden.
Von den vielen Aufgaben, zu denen der Aeroplan
im Kriege berufen erscheint, sind folgende die
wichtigsten: 1. Aufklärung; 2. Zerstörung feindlicher
Luftfahrzeuge; 3. Angriff auf Truppen im Felde, auf
militärisch 0 0 Bauten und Materialien, wie
Luftschiffhallen, Öltanks, Magazine u. s. w.
1. Aufklärungsdienst. Dieser gehört zu den Haupt-
aufgaben des Aeroplans im Kriege. Die Manöver-
erfahrungen des Friedens haben bereits die Brauch-
barkeit des Aeroplans für Aufklärungszwecke erwiesen
und es unterliegt keinem Zweifel, daß dieser im
modernen Kriege zu den allerwichtigsten Hilfsmitteln
der Strategie gehört. Der Aeroplan stellt hier das
ebenso notwendige wie geeignete Gegenmittel gegen
*) Nach einem im Militär-Ausbildungskomitee in London
gehaltenen Vortrag.
Brancker.*)
die mit der enormen Ausdehnung der Kampflinien und
-Distanzen gesteigerten Aufklärungsschwierigkeiten
dar. Brauchbare Schlachtpläne lassen sich unschwer
entwerfen, wenn Größe und wahrscheinliche Absichten
des Feindes bekannt sind ; indessen ist es durch die
Schußpräzision der heutigen weittragenden Gewehre
und Geschütze, die große Zahl und ausgedehnte
Formation der Truppen und die Verwendung rauch-
losen Pulvers der Kavallerie heute außerordentlich
erschwert, die feindlichen Positionen zu erkennen
und die erforderliche schnelle und genaue Aufklärung
zu verschaffen. Dagegen vermag der Aeroplan unter
günstigen Verhältnissen, namentlich bei geschlossenen
feindlichen Formationen, eine gute und rasche Infor-
mation zu verschaffen, was besonders bei Kriegs-
ausbruch von größter Bedeutung ist. Ein geeigneter
Aeroplan dürfte eine zehnmal schnellere und ver-
läßlichere Information verschaffen als eine ganze
Kavalleriedivision nach eintägigem Gefechte zu liefern
vermag.
Es gibt jedoch eine Anzahl ungünstiger Faktoren,
die sich dem Aufklärungsdienst in den Lüften ent-
gegensetzen und welche die Zuverlässigkeit dieser
Aufklärung stark zu beeinträchtigen vermögen. Hieher
gehören: a) Unvollkommene Beobachtung und feind-
liche Scheinmanöver ; b) ungünstige Witterungsver-
hältnisse; c) Schwierigkeiten der Instandhaltung;
d) Flugzeug-Abwehrgeschütze am Erdboden; e) Be-
kämpfung in der Luft.
a) Unvollkommene Beobachtung. Die Kunst der
genauen Beobachtung aus dem Flugzeuge ist viel
schwerer und erfordert weit mehr Schulung als das
Fliegen selbst. Sowohl der Pilot als auch der Beob-
achter müssen in der Lage sein, eine Karte ebenso
schnell und leicht zu lesen, wie ein Buch, und in
jedem Augenblicke während eines Überlandfluges
sollten sie genau wissen, wo sie sich befinden. Über-
dies muß der Beobachter (oder in einem Einsitzer
der Pilot) in der Lage sein, Truppen auf dem Erd-
boden genau auszunehmen, ihre Art und Zahl zu
schätzen und ihre Stellung auf der Karte genau zu
verzeichnen. Er muß diese Funktion in einem rauhen
Winde und in schweren Wolken ausüben und nach
vollzogener marang über das Gesehene einen klaren
und anschaulichen Bericht abfassen können. Es ist
daher nicht zu verwundern, wenn die Ergebnisse der
Aufklärung in den Lüften manchmal ungenau und
irreführend sind. Dieser Nachteil wird noch ver-
schlimmert durch Scheinmanöver, die der Feind in
der ausgesprochenen Absicht unternimmt, den Beob-
achter zu täuschen, indem z. B. kleine Truppenteile
längs der Landstraße verteilt und die Hauptmacht
des Heeres in Dörfern und Wäldern verborgen
ehalten wird, oder indem Schützengräben nur zum
chein aufgeworfen und die eigentlichen Verschan-
zungen verdeckt werden, Gewehre eine solche Auf-
stellung erhalten, daß sie wie Lagerzelte, Büsche
u. s. w. aussehen. Die einzigen Mittel zur Beseitigung
dieser Schwierigkeiten bestehen in der sorgfältigen
Schulung und größtmöglichen Erfahrung des Beob-
achters, sowie in dem Besitze einer genügenden
Anzahl von Aeroplanen, um zweifelhafte Informationen
kontrollieren und ohne großen Zeitverlust richtigstellen
zu können. Am besten eignen sich für diese Art der
Aufklärung Aeroplane, welche eine langsame Fahrt
und ein gutes Gesichtsfeld aufweisen, obwohl solche
Maschinen bei starkem Gegenwinde wieder im Nach-
teile sind.
b) Witterungsverhdlinisse. Die Natur ist heute
der größte Feind der Aufklärung: ihre Waffen sind
Wind, Regen, Wolken, Nebel und Dunkelheit. Es
kommt vor, daß Aeroplane mit einer Geschwindigkeit
von 100 bis 110 km pro Stunde von einem starken
Gegenwinde zurückgetrieben werden. Der große
Nachteil des Windes ist nicht seine Gefährlichkeit,
sondern die starke Verringerung des Aktionsradius.
Indessen läßt sich dieser Schwierigkeit durch stetige
Erhöhung der Fluggeschwindigkeit wenigstens teilweise
Herr werden. Die Nachteile eines starken Regens
bestehen in der Blendung der Augen durch die nieder-
fallenden Regentropfen, wogegen man sich durch
Anordnung gedeckter Sitze einigermaßen schützen
kann. Hochgelegene Wolken (von ca. 1000 m an) be-
hindern die Aufklärungsarbeit nicht, sondern nützen
ihr eher, da sie dem Aeroplan erforderlichenfalls eine
Zuflucht gewähren, während in der von diesen
Wolken zugelassenen Rekognoszierungshöhe der Pilot
vor dem Infanteriefeuer praktisch sicher ist. Bei
geringeren Wolkenhöhen dagegen wird der Aufklärungs-
flieger gezwungen, sich innerhalb der wirksamen
Reichweite des Gewehrfeuers zu begeben. Diesem
Übelstande begegnet man durch den Bau von Panzer-
aeroplanen. Was den Einfluß des Nebels betrifft, so
wird dieser in der Mehrzahl der Fälle die aeronautische
Aufklärung unmöglich machen, ebenso wie die Auf-
klärung am Lande selbst durch ihn fast gänzlich
lahmgelegt wird. Aufklärungsflüge in der Dunkelheit
stellen heute noch keinen sicheren Behelf des Reko-
gnoszierungsdienstes dar, da die verfügbaren Maschinen
noch nicht so zuverlässig sind, um die Möglichkeit
von Notlandungen auszuschließen, welche im Dunkel
und auf unbekanntem Terrain eine sehr prekäre
Sache darstellen. Mit der fortschreitenden Entwicklung
in der Sicherheit des Maschinenfluges wird jedoch
auch der nächtlichen Aufklärung mit Hilfe des Aero-
plans nichts im Wege stehen.
Die Mittel zur Bekämpfung ungünstiger Witterungs-
verhältnisse sind also vorwiegend zweifacher Natur:
1. verläßliche Flugmaschinen, 2. hohe Geschwindig-
39
keiten. Was letztere betrifft, so ist eine in der Luft
schnelle Flugmaschine meist um so schwerfälliger beim
Landen, selbst wenn sie in der Hand eines guten
Piloten auf freiem Felde langsam zu Boden gehen
kann. Als Gegenmittel werden zur Erzielung eines
steilen Abstieges Luftbremsen und zur Verringerung
des Auslaufens am Lande Landbremsen angewendet.
Derartige Bremsen befinden sich bei einigen
Maschinentypen bereits im Gebrauche, jedoch hat
diese Angelegenheit das Versuchsstadium noch nicht
verlassen. Ein weit schwerwiegenderer Nachteil der
hohen Geschwindigkeit besteht jedoch in der größeren
Schwierigkeit der Beobachtung. Denn selbst wenn
trotz rascher Fahrt die Details der Landschaft, der
sich darauf bewegenden Truppenkörper u. s. w.
genügend deutlich ausgenommen werden können, so
sind doch die Augen, das Gehirn und die Hand nicht
flink genug, um in der Eile ermessen zu können, wo
sich diese Truppenkörper etc. jeweils auf der Land-
karte befinden, und um die festgestellten Tatsachen
in einem Notizbuch verzeichnen zu können, bevor
das Flugzeug wieder viele Kilometer weiter ist und
eine Anzahl möglicherweise wichtiger Einzelheiten
übersehen wurden. Diese Schwierigkeit läßt sich nur
durch Schaffung von Aeroplanen mit veränderlicher
Geschwindigkeit beheben.
c) Die Schwierigkeiten der Instandhaltung des
Aeroplans im Felde werden meistens unterschätzt.
Das Flugzeug und sein Motor sind zarte und gebrech-
liche Maschinen. Im Aerodrom mag ein guter Pilot
Tag für Tag viele Flüge und Landungen mit seiner
Maschine vornehmen, ohne daß diese den geringsten
Schaden erleidet. Im Kriege dagegen muß in jedem
Wetter geflogen werden, um sich die erforderliche
Information zu verschaffen, und fast auf jedem Boden
20 werden, um dieselbe zu überbringen. Die
olgen hievon sind naturgemäß Defekte verschiedenster
Art, welche zu ihrer Reparatur viel Zeit und Ge—
schicklichkeit, sowie die Mitnahme zahlreicher Reserve-
teile erfordern. Die . der Lieferung von
Reserveteilen wird in dem Maße größer, als die
Anzahl der verschiedenen in Verwendung stehenden
Aeroplantypen zunimmt. Ähnliches gilt von den
Motoren, welche überdies schon nach kurzer Betriebs-
periode einer gründlichen Überholung bedürfen. Ferner
werden transportable Zelte benötigt, um die Maschinen
am Erdboden unterzubringen und dieselben vor den
schädlichen Einflüssen der Witterung zu schützen.
Aus alldem geht die Tatsache hervor, daß nur ein
kleiner Teil der im Felde vorhandenen Flugzeuge in
einem gegebenen Momente auch für den Kriegsdienst
verfügbar sein wird. Zur Heilung dieser Mängel gibt
es verschiedene Mittel, welche auch alle gleichzeitig
angewendet werden können, und zwar: 1. Größte
Dauerhaftigkeit der Konstruktion; 2. geringe Anzahl
der verwendeten Flugzeug- und Motortypen; 3. Ein-
führung zusammenlegbarer Flugzeuge, welche eine
schnelle und bequeme Unterbringung zulassen; 4. ein
hervorragend geschultes Personal.
d) Flugzeug- Abwehrgeschütze an Land. Alle
Staaten sind bemüht, sowohl stabile als auch
fahrbare Abwehrgeschütze gegen Luftfahrzeuge heraus-
zubringen. Für das in Bewegung befindliche Heer gibt
es indes heute noch kein allen Ansprüchen gerecht
werdendes Geschütz dieser Art und daher ist ein
Aufklärungsflugzeug in einer Höhe von zirka 1000 m
über dem Erdboden gegen Gewehrfeuer und in zirka
1200 m auch gegen Kanonenfeuer ziemlich sicher.
Das Schießen auf Aeroplane bietet große natürliche
Schwierigkeiten, welche vorwiegend mit der Reich-
weite des Geschützes, der Schußrichtung, der Schwierig-
keit des Einschießens und der Geschwindigkeit des
Aeroplans zusammenhängen. Dazu kommt noch die
Schwierigkeit der Unterscheidung zwischen eigenen
und feindlichen Flugzeugen, obwohl man es an
Bemühungen zur Schaffung geeigneter Unter-
scheiduungsmerkmale nicht hat fehlen lassen.
40
e) Kampf in den Lüften. Es ist klar, daß die
Existenz feindlicher Flugzeuge mit Schußwaffen zur
Verfolgung der eigenen Aufklärungsflugzeuge die
Arbeit der letzteren stark beeinträchtigen und häufig
unmöglichmachen muß, wenn man sichnichtentschließt,
die eigenen Aeroplane gleichfalls in geeigneter Weise
auszurüsten. Aeroplane werden die Kavallerie für den
Aufklärungsdienst nie ganz ersetzen können, da letz-
tere dort immer noch erfolgreich sein wird, wo erstere
versagen. Außerdem kann die Kavallerie nicht allein
mit Sicherheit zwischen Feind und Freund unter-
scheiden, sondern auch die moralische und physische
Beschaffenheit desFeindes beurteilen, mit jedem beliebi-
gen feindlichen Truppenkörper in Fühlung bleiben und
dem Feinde endlich bei seinem Vormarsche Widerstand
entgegensetzen. Es ist daher Aufgabe der modernen
Kampfleitung, ihre Aeroplane und Kavallerie für die
Aufklärung so zu verwenden, daß sie einander
ergänzen und unterstützen; insbesondere wird die Ver-
wendung der Flugzeuge zu Anfang eines Feldzuges in
die Möglichkeit versetzen, seine Kavallerie zu schonen
und ihr eine langwierige und unfruchtbare Arbeit zu
ersparen, um sie dafür um so kampfesfrischer für den
Zeitpunkt des engeren Kontaktes mit dem Feinde zu
erhalten. Das Flugzeug ermöglicht auch, die Wirkung
der Artillerie zu beobachten und dadurch eines der
schwierigsten und wichtigsten Probleme der modernen
Kriegführung zu lösen. Endlich läßt sich die Ver-
ständigung zwischen weit entlegenen Truppenteilen
ebenfalls auf allerschnellstem Wege mit Hilfe des
Aeroplans durchführen, sofern eine telephonische oder
funkentelegraphische Verbindung nicht möglich ist.
2. ang feindlicher Luftfahrzeuge. — Es
ist bereits durch die Praxis erwiesen, daß es möglich
ist, gewöhnliche Gewehre, Maschinengewehre und
selbst kleinere Kanonen auf Aeroplanen mitzuführen
und mit einer gewissen Treffwahrscheinlichkeit zu
bedienen. Es erscheint daher logisch, daß, wenn zwei
feindliche Mächte über Aeroplane verfügen, diese
einander bekämpfen müssen, um einerseits das Vor-
dringen des Gegners zu verhindern, anderseits die
Erreichung des eigenen Aufklärungszweckes mit
Waffengewalt zu erzwingen. Der moderne Kriegs-
aeroplan muß daher bewaffnet sein, und die dadurch
bedingte Erhöhung des Gewichtes und der Konstruk-
tionsstärke hat einen Verlust sowohl an Geschwindig-
keit wie an Steigkraft zur Folge, so daß vorläufig das
armierte Flugzeug dem nicht armierten gegenüber
unter sonst gleichen Bedingungen im Nachteil sein
muß. Vom Standpunkte der Offensive kann ein Aero-
plan angreifen: a) feindliche Luftschiffe, b) feindliche
Aeroplane, c) Luftfahrzeuge auf dem Erdboden. Der
Durchschnittsaeroplan besitzt eine größere Ge-
schwindigkeit als das Durchschnittsluftschiff, und der
Kampf zwischen beiden muß daher solange andauern,
als die Verfolgung durch die Aeroplane dauert. Das
Flugzeug kann schneller und höher fliegen und ist
leichter zu manövrieren als das Luftschiff, während
letzteres schneller steigt und eine stabilere Plattform
zur Aufnahme schwerer Geschütze aufweist als ersteres.
Das Luftschiff wird im allgemeinen versuchen, den
Aeroplan durch seine Überlegenheit im exakten
Feuern in Distanz zu halten, während dieser versuchen
wird, so dicht als möglich an das feindliche Luft-
schiff heranzukommen und von seiner Überlegenheit
im Manövrieren Gebrauch zu machen, um dadurch
die geringere Präzision und Reichweite seines Feuers
zu kompensieren. Es wird von Vorteil sein, wenn
möglichst 3 bis 4 mit Maschinengewehren, leichten
Geschützen oder Bomben bewaffnete Aeroplane
gleichzeitig gegen ein Luftschiff gesandt werden.
Indessen besteht auch die Möglichkeit, daß der
schnellere Aeroplan das Luftschiff einholt und rammt.
Das ist zwar eine verzweifelt mutige Tat, kann aber,
namentlich bei ein- oder zweimaliger Wiederholung,
seine moralische Wirkung auf die feindliche Luft-
schifflotte nicht verfehlen. Der Kampf zwischen zwei
Aeroplanen ist schon wesentlich schwerer vorzustellen.
Wenn jedes der beiden Flugzeuge die Absicht hat,
den Gegner zu vernichten, so werden die Piloten
voraussichtlich so manövrieren, daß sie einander
gegenseitig am Gebrauch der Waffen nach Möglich-
keit hindern und ihren eigenen Begleiter in die
taktisch günstigere Position zu bringen suchen werden.
Wenn ein Aeroplan dem anderen zu entkommen
sucht, so kann natürlich nur die größere Geschwindigkeit
des Verfolgers dafür entscheidend sein, ob die Gegner
in Fühlung kommen oder nicht, jedoch bietet der
fliehende Pilot dem Verfolger selbst das beste Ziel.
Wie bereits bemerkt, wird ein armiertes Flugzeug
gegenüber dem nicht armierten immer hinsichtlich der
eschwindigkeit und Steigfähigkeit im Nachteil sein,
und daher wird ersteres das letztere nur schwer
fangen können. Zu einer wirksamen Abwehr der
feindlichen Flugzeugaufklärung wird sich die Schaffung
eines Systems empfehlen, wobei je einem armierten
Abwehrflugzeug ein bestimmtes Gebiet zugewiesen
ist, innerhalb dessen es kreuzen und ein etwa ein-
brechendes feindliches Flugzeug verjagen kann. Auf
diese Weise könnte man sich die Beherrschung des
Luftmeeres über einem bestimmten Territorium sichern,
bevor die feindliche Luftaufklärung erfolgreich vor-
gedrungen ist.
Aeroplane und Luftschiffe am Erdboden, sowie
deren Behausungen und Zelte können aus ziemlich
großer Entfernung bemerkt werden und bieten ein
sehr gutes und ungeschütztes Ziel gegen Angriffe von
oben. Der plötzliche und gleichzeitige Angriff von
drei oder vier Aeroplanen mit Bomben aus nicht
allzugroßer Höhe kann derartigen Objekten großen
Schaden zufügen, wogegen nur brauchbare Flugzeug-
abwehrgeschütze einigen Schutz zu bieten scheinen.
3. Angriff auf Truppen, Schiffe und wichtige
Objekte. Gegenwärtig ist nicht anzunehmen, daß dem
Angriffe von Flugzeugen auf app) eine grobe
Bedeutung zukommt. Solange der Kampf in den
Lüften selbst und vor allem die wichtigere Aufklärungs-
arbeit nicht erledigt sind, wird es sich kaum als zweck-
mäßig erweisen, viel Energie auf ein solches Ziel zu
verwenden, da der anzurichtende Schaden zu gering
sein wird, um das Risiko einer solchen Aktion inner-
halb der Reichweite des feindlichen Feuers zu recht-
fertigen. Wenn anderseits zu Ende eines schweren
Kampfes noch armierte Flugzeuge verfügbar sind
(was zu bezweifeln ist), so werden diese sicherlich
zur weiteren Demoralisierung eines geschlagenen
Heeres wertvolle Dienste leisten. Der Angriff auf
große Geschütze, Magazine, Öltanks u. s. w. gehört
jedoch im Festungskriege ohne Zweifel mit zu den
wichtigsten Aufgaben der Aeroplane.
Es ist ausgeschlossen, alle vom militärischen
Standpunkte wünschenswerten Eigenschaften in einem
einzigen Aeroplantyp zu vereinigen, dagegen dürfte
eine Beschränkung auf fünf verschiedene Typen allen
billigen Anforderungen gerecht werden, und zwar:
I. Der einsitzige Aufklärungsaeroplan von hoher
Geschwindigkeit und außerordentlicher Steigfähigkeit
für Rekognoszierungen über weite Bereiche bei jedem
Wind und von solcher Leistungsfähigkeit, daß er
jeder Art von Bekämpfungswaffe, die heute zur Ver-
fügung steht, mit Leichtigkeit zu entkommen vermag.
II. Eine schnelle zweisitzige Aufklärungsmaschine
für verhältnismäßig grobe Reichweiten, welche in der
Lage ist, einen Beobachter und eine Funkenstation
aufzunehmen. Ein solcher Typ könnte auch zum
Bombenwerfen dienen.
III. Ein zweisitziger Aufklärungsaeroplan mit
hervorragend gutem Gesichtsfeld und der Fähigkeit,
auf jedem Terrain zu landen, besonders geeignet für
die Nahaufklärung während der Schlacht und zur
Beobachtung des Artilleriefeuers.
IV. und V. Zwei ähnliche Flugzeugtypen, die eine
zur Aufnahme eines Maschinengewehres, die andere
für ein leichtes Geschütz (Granatfeuer), beide Typen
aus dem Versuchsstadium noch nicht heraus, jedoch heute
bereits durchaus im Bereich des Möglichen gelegen.
Die Verwendung des Aeroplans für die Aufklärung
ist zweifellos dazu angetan, bei allen militärischen
Vorgängen den Fortgang der Operationen zwischen
zwei Gegnern, welche den Wert der Offensive ein-
zuschätzen wissen, zu beschleunigen. Wenn aber
schon die gegenwärtige Art der Kriegführung im
Felde die außerordentlichsten Anforderungen an die
Nerven, den Mut und die moralischen Eigenschaften
von Offizieren und Mannschaft stellt, so gilt dies
noch in weit höherem Maße vom Luftkriege, und ein
aeronautischer Aufklärungsdienst, bei welchem diese
wichtigste Voraussetzung mangelt, wird gegenüber
41
dem in dieser Hinsicht überlegenen Gegner sehr bald
den kürzeren ziehen.
Eine der wichtigsten Folgen aus der vorwiegend
durch die Militärverwaltungen der Großstaaten ent-
wickelten Luftfahrt besteht darin, daß die geographi-
sche Lage und Eigentümlichkeit eines Landes nicht
mehr dieselben Vor- und Nachteile bietet, wie bisher.
Von nun an wird der Kampf um die Vorherrschaft
in den Lüften — sei es nun für handelspolitische
oder Kriegszwecke — unwiderstehlich vorwärts-
schreiten und die militärische und technische Be-
herrschung des Luftmeeres wird eine ähnliche Be-
deutung gewinnen, wie sie heute für die Mehrzahl
der Großstaaten der Seegeltung zukommt.
Glacialkosmogonische Beiträge zur Physik der Atmosphäre und
i der Sonne.
»Dem Wassersturz mit Hagelschlag von kurzer Sturmesdauer
Ihm sinne nach — auf schmaler Spur — und du begreifst genauer.«
Wir haben letzthin, einer einheitlichen Erd- und
Seebebentheorie nachspürend, die geologische
Notwendigkeit eines ausgiebigen kosmischen Eis-
zuflusses zur Erde
zu machen versucht und wollen uns heute, wie ver-
sprochen, dermeteorologischen Notwendigkeit
eines zwiefachen solchen Zuflusses im beson-
deren zuwenden.*) — Zwar haben wir schon im
Dezember-Schiußhefte auf die Zirrus-, Haufen-, Ge-
witter- und Hagelwolkenbildung samt den die letzteren
begleitenden luftdynamischen und luftelektrischen Pa-
roxysmen hingewiesen, als auf Erscheinungen, welche
aus dem defizitlosen terrestrischen Wasserkreislauf
und der diesem unterhalten sollenden Sonnenwärme-
strahlung heraus allein, für den weniger genügsamen
Mechaniker und Hydro-Wärmetechnologen nie und
nimmer befriedigend erklärt werden können, so sehr
sich auch die besten meteorologischen Bücher von
heute**) den Anschein hiezu geben wollen. Wenig-
stens sind ausnahmsweise Eingeständnisse (der Rat-
losigkeit) einzelner Autoren noch immer zu wenig auf-
richtig und weitgehend.
Wie wir nun schon wissen, ist die Zirrus-
wolkenbildung (und hiezu gehören auch die
ausgedehnten allgemeinen Trübungen der Atmosphäre,
die halbuniversellen Wetterstürze, unsere ausgedehnten
winterlichen Schneefälle u. dgl., wobei allerdings auch
die Kondensate der Verdunstungsfeuchtigkeit mit-
wirken) ausschließlich auf das Konto des schon
im ersten Aufsatze dargelegten solifugalen Fein-
eiszuflusses zu setzen. An der hochfliegenden
Zirruswolkenbildung selbst hat die terrestrische Ver-
dunstung und Kondensation auch nicht den aller-
geringsten Anteil, sondern erst bei den hieraus resul-
tierenden Niederschlägen wirken die letzteren beiden
Erscheinungen in einem gewissen geringen Prozent-
satz mit. Wir wollen uns über diese meteorologische
Notwendigkeit einer kosmischen Herkunft der Zirrus-
wolken und Gefolgschaften jedoch erst später eine
verstärkte Gewißheit schaffen. Unsere heutigen
Betrachtungen seien den in unseren Breiten sinn-
fälligsten Erscheinungen des solipetalen Roheis-
zuflusses (vergl. Seiten 396, 397, 399, Heft 24): dem
Wolkenbruch mit Hagelschlag gewidmet, weil
die Meteorologie solchem katastrophalen Geschehen
im Luftozean uneingestandenermaßen am allerrat-
») Die im Nachtrage zum vorigen Aufsatze II in Aussicht
gestellte Vertiefung der Erdbebenüberlegungen fügen wir der
klareren Übersicht halber als gesonderte Abhandlung dem vor-
liegenden Aufsatze III an.
**) Z.B. Hann: »Lehrbuch der Meteorologie«, 1906 und
1913. — Wegener: »Thermodynamik der Atmosphäre«, 1911.
— Emden: »Gaskugeln«, 1907. — Umlauft: »Das Luftmeer«,
1891. — Reye: »Die Wirbelstürme etc.«, 1872 u. a.
im allgemeinen glaubhaft
Frei nach Faust II.
losesten gegenübersteht, daher auch die meteoro-
logische Notwendigkeit eines kosmischen Eis-
zuflusses zur Erde an diesen Wetterkatastrophen
am allerüberzeugendsten zu erweisen sein dürfte.
Schon Ende der Siebzigerjahre des vorigen Jahr-
hunderts haben zwei Autoren nicht weniger als
35 verschiedene Hageltheorien aufgezählt.*) Und
laut Wegener**) scheint seither nur ein weiterer
Erklärungsversuch Prof. Dr. Wilhelm Traberts hinzu-
gekommen zu sein, den dieser aber selbst als negativ
hinstellt :
»Wir sehen von allen früheren und unvollkom-
meneren Erklärungsversuchen ab und weisen nur auf
die in jüngerer Zeit fast überall angenommene Theorie
hin, welche in der Anlagerung unterkühlter Tröpfchen
an das ursprüngliche Graupelkorn das Wesen der
Hagelbildung sieht. Nöllner und K. A. Vogel (1849)
scheinen die ersten gewesen zu sein, die von dieser
Vorstellung Gebrauch gemacht haben. Namentlich
durch die Versuche von Dufour und Berger hat
diese Annahme große Verbreitung gefunden. Trabert
hat nun in einem Artikel: »Die Bildung des Hagels«
(Meteorologische Zeitschrift 1899) geltend gemacht,
„daß diese Vereinigung mit Tröpfchen quan-
titativ nicht ausreicht, um dieaußerordent-
liche Größe der Hagelkörner zu erklären.«
(Wegener, Seite 300.)
Läßt man also diesen jüngsten, negativen Er-
klärungsversuch als sechsunddreißigsten gelten, so
wäre hiedurch die Berechtigung unserer glacialkos-
mogonischen — also einer siebenunddreißig-
sten Hageldeutung allein schon dargetan. Damit
soll aber keineswegs die Unterkühlungs- und Anglie-
derungstheorie verworfen werden, sondern möchten
wir mit Trabert nur geltend machen, daß sie allein
nicht imstande ist, das Hagelphänomen im vollen
Umfange zu deuten, dagegen eine willkommene
Ergänzung unserer kosmischen Hageltheorie bildet;
eine Ergänzung, die sich übrigens aus der letzteren
von selbst aufdrängt, wie wir sehen werden.
Am allerwenigsten könnte aus der reinen Unter-
kühlungs- und Angliederungstheorie heraus das hori-
zontale Dahinstiirmen der Hagelwolke, bezw.
das schmalstrichweise Auftreten des Hagel-
falles und die damit einhergehenden luftelektri-
schen und dynamischen Paroxysmen erklärt
werden, wie wir an einigen Beispielen sinnfällig
machen wollen. Ganz unverständlich wird die Sache
aber, wenn ein Hagelstrich kurz nacheinander noch
ein zweites und drittesmal von einem Hagelwetter
bestrichen wird, solange man nicht unseren kosmi-
) C. Waehner: »Historisch-kritische Übersicht über die
Hageltheorien mit Berücksichtigung wissenschaftlich festge-
stellter Tatsachen« (Rotterdam 1876) und W.Schwaab: »Die
Hageltheorien älterer und neuerer Zeit« (Kassel 1878).
42
schen Muttereiskörper gelten läßt, der ja vor der
Körnerzerstiebung beim tangentialen Einschießen in
die obersten allerdünnsten Hydrogensphärenschichten
zunächst in zwei oder drei Teile zerfallen kann, von
denen notwendig der größte etwas vorauseilen, der
kleinere und kleinste mehr und mehr etwas zurück-
bleiben muß. Wir wollen zunächst einen solchen Fall
aus Hann’s »Lehrbuch der Meteorologie« heraus-
greifen und analysieren:
»Die Feststellung der 9 ane in der Schweiz
und in den österreichischen Alpen hat ergeben, daß
ein Hagelwetter, das sich einmal in einer bestimmten
Richtung in Bewegung gesetzt hat, dieselbe bei-
behält, ohne Rücksicht darauf, ob Gebirgszüge oder
Talrichtungen mit derselben übereinstimmen oder
nicht. Mehrere Hagelzüge desgleichen Tages
verfolgen meist die gleiche Richtung oder
sind parallel und geradlinig angeordnet, so
daß zuweilen auch der eine Hagelzug als
die Fortsetzung des früherenerscheint.(!!!)
Gebirgshöhen von 2000 m Kammhöhe und
darüber werden ohne Änderung der Zug-
richtungüberschritten. Vorausgegangene Hagel-
wetter mit starker Abkühlung, welche die Erdober-
fläche mit Eis bedeckt hinterlassen haben, verhindern
nicht, daß ein zweites und drittes Hagelwetter den
gleichen Weg einschlägt. (!!!) Besonders bemerkens-
wert sind in dieser Beziehung die drei Hagelzüge
vom 21. August 18%, die K. Prohaska beschrieben
hat. Eine 70 km lange Strecke, die über Graz bis
zur ungarischen Grenze geht, liegt in der Bahn aller
drei Hagelwetter (5, 6 und 7 Uhr abends) und die
Eismassen, die der erste Hagelsturm zurückließ, bil-
deten kein Hindernis für den zweiten. Die kolossalen,
mit Eis bedeckten Flächen, die nach dem zweiten
Hagelzuge zwischen dem Köflacher Becken und dem
Schemmerl vorhanden waren, konnten nicht verhin-
dern, daB der aus dem Lungau kommende dritte
Hagelzug seinen Weg über dieselbe Gegend nahm. —
Auch die Hagelwetter vom Anfang Juli 1897 zogen
wiederholt über die schon stark abgekühlten (!!!) |
Landesteile und ließen die noch wärmeren bei Seite
liegen.« (Hann: »Lehrbuch der Meteorologie«, 1906,
Seite 524
Dieser Grazer Fall ist durchaus typisch für einen
Eis-Sternschnuppen-Einschuß des jährlichen August-
maximums der Sternschnuppenerscheinungen. Der
Muttereiskörper, den in letzter Instanz der atmo-
sphärische »Abendwall« (ein später noch zu er-
klärender, neuer glacialkosmogonischer Begriff) direkt-
läufig eingefangen haben dürfte, war schon in den
obersten Hydrogensphärenschichten (vergl. seismische
Wasserstoffproduktion im vorigen Aufsatz Il) in jene
drei ungleichen Teile zerfallen, aus denen er
vor kosmologischen Äonen in der letzten Zeit seiner
galaktischen Ballung wohl zusammengefügt, aber in
den Fugen nicht genügend zur Regelation gebracht
ward. (Über diese Ballung von Milchstraßen-Eis-
körpern sowie über die glacialkosmogonische Stern-
schnuppentheorie überhaupt, können wir uns aus
Platzgründen hier nicht verbreiten, sondern müssen
wieder nur auf unser schon öfter erwähntes Haupt-
werk*) verweisen.) Zufolge des allmählich auftretenden
Luftwiderstandes mußte notwendig die aus dem
größten Drittel resultierende Hagelwolke zuerst,
und zwar örtlich auch voreilend, die des kleinsten
zuletzt, und zwar in der Strichrichtung auch örtlich
nachhinkend, den Grund des Luftozeans erreichen und,
unbekümmert um das vorgefundene Bodenrelief oder
die etwa schon daliegenden Eismassen, seine Hagel-
ladung im geraden, schmalen Striche ablagern, während
das mittelgroße Drittel auch in allen diesen Dingen
die Mitte halten mußte. (Über Hagelwolkenbildung
selbst vergl. Seite 400 des letzten Dezemberheftes.)
9) Fauth: »Hörbigers Glacialkosmogonie, eine neue Welt-
bildungslehre«, Kaiserslautern 1913.
Nach Prohaskas Kartenskizze (bei Hann
reproduziert) verläuft dieser dreimalige Hagelstrich
ziemlich genau von West nach Ost (mit einer geringen
Neigung nach Süden hin), wie es sich für die End-
wirkung eines im Juli/August rechtsläufig eingefangenen
Kleineismondes geziemt, der seine Bahn schon
ziemlich der Ekliptik angeschmiegt hat. (Über solche
Anschmiegung vgl. Dezemberheft 1914 von »Peter-
manns Mitteilungen«.*) Auch das Datum des Er-
eignisses (21. August) würde für einen heftigeren
Hagelschlag sehr gut passen, indem es bei ent-
sprechender mehrtägiger Einschußverspätung einem
Einfange aus dem höchsten August - Sternschnuppen-
maximum heraus entspricht.
Leider aber bricht die Zeichnung Prohaskas
an der ungarischen Grenze jäh ab; anders müßte zu
ersehen sein, daß der erste, um fünf Uhr abends bei
Judenburg einsetzende heftigste Hagelstrich auch am
weitesten über Graz hinaus und nach Ungarn hinein-
reicht und der letzte um sieben Uhr in Lungau, also
schon viel westlicher einsetzende Strich am wenigsten
weit — während der Sechsuhrhagelschlag mit seinem
örtlichen Beginn und Ende zwischen beiden wieder
die Mitte halten muß. Alles dies drängt sich vom
Standpunkte der glacialkosmogonischen Hageldeutung
als durchaus notwendig und selbstverständlich auf,
während keine der vonSchwaab und Wegener
berührten 36 Hageltheorien irgend eine halbwegs
plausible Deutung dafür geben kann.
Aus Hanns Kommentar zu dem 18%er dreifachen
Grazer Hagelschiag geht weiters deutlich hervor, daß
dem ausschließlich terrestrisch meditierenden Meteoro-
logen es bloß bemerkenswert erscheint, daß die
bereits daliegenden Eismassen kein Hindernis
für das Fallen des nachkommenden
Hagels bilden (!!!); vermutlich weil er glaubt, daß
die erhöhte Sommersonnenwärme es ist, welche das
Dunstmaterial für die Hagelbildung emporgeschafft
hat und es ihm nun rätselhaft erscheinen muß, wenn
in der über den behagelten Landstreifen stehenden
Luftwand durch die Hagelkälte nicht schon alle Ver-
dunstungsfeuchtigkeit zur Kondensation und Eisbildung
gebracht worden sein sollte; anders wäre es kaum
zu verstehen, daß er sich bloß darüber verwundert,
wie denn ein bereits abgekühlter Landstreifen noch-
mals und sogar ein drittesmal behagelt werden konnte,
während doch die beiden wärmeren Gebietsstreifen
beiderseits gleich daneben hinziehen.
Er muß sich in dieser rein thermischen Hagel-
erklärung notwendig dadurch noch mehr bestärkt
fühlen, daß es bei uns vornehmlich nur im Sommer
und vornehmlich nur in den heißesten Tages-
stunden hagelt. Er muß sich offenbar vorstellen, daß
diese heißen Tagesstunden die Verdunstungsprodukte
im Wege des bereits (Seite 399 u. f. des letzten
Dezemberheftes) gerügten aufsteigenden Luft-
stromes« in so großen konzentrierten Mengen
und eingestandenermaßen rasch, jasogar»explosiv«
nach oben schaffen, daß die oberen, beim Aufsteigen
sich ausdehnenden und somit sich abkühlenden Luft-
mengen sie nicht mehr absorbiert halten können,
sondern sie zur Ausscheidung und Eisbildung bringen
müssen. Für minder kausalitätsbedürftige Gemüter
würde sich dann allerdings schön erklären lassen,
warum es in hohen Breiten, in unserem Winter und
bei Nacht in den seltensten Fällen hagelt. Und
doch ist das alles irrig! Wir werden diese
merkwürdige geographische Verbreitung (Vorliebe
für + 30° bis 60° Breite) sowie jährliche und tägliche
Periodizität (Vorliebe für Sommer und Frühnachmittags-
stunden) später aus rein himmelsmechanischen
Prinzipien heraus restlos erklären. Der »aufsteigende
Luftstrom« im landesüblich meteorologischen Sinne
existiert nicht; und was an heißen Sommertagen in
ganz Obersteiermark, Unterkärnten, Südsalzburg und
*) Nölke: -Kritik der Glacialkosmogonie« und Hörbigers
Abwehr derselben.
Westtirol an Verdunstungsprodukten emporstrebt,
verschwindet fast gegenüber dem, was
in den berichteten drei Abendstunden mit zwei
Unterbrechungen, in dreifacher Auflage, vom Lungau
bis tief nach Ungarn hinein auf schmaler Hagelspur
herunterstürzte !
Anderseits könnte der moderne Meteorologe im
vorliegenden Falle auch glauben, daß die vom ersten
Hagelstrich erzeugte Kälte verursachend wirkt für eine
zweite und dritte Kondensation und Ausgefrierung
des atmosphärischen Dampfgehaltes. Wir wissen aber
schon aus Prof. Traberts erwähnter Untersuchung,
daß der denkbar höchste Feuchtigkeitsgehalt einer
hochsommerlichen Warmluftsäule quantitativ nicht
hinreicht, um die manchmal so außerordentliche
Größe der auf ihrer Basis sich häufenden Hagel-
körner zu erklären. Es ist daher auch umsoweniger
denkbar, daß nach solcher vermeintlicher Kondensation
und Ausgefrierung auch noch für einen zweiten und
dritten Hagelschlag hinreichend genug Feuchtigkeit
in es betreffenden Luftwand zurückgeblieben sein
sollte.
Übrigens empfindet Trabert gerade die so
merkwürdig konzentrierte Kälte, welche zur gedachten
Hagelbildung nötig wäre und die auch nach dem Hagel-
schlag so auffallend fühlbar bleibt, als das eigentliche
Rätselhafte des ganzen Hagelproblems. Da wissen
wir aber auch schon, daß die nach jedem (auch hoch-
sommerlichen und heißnachmittägigen) Hagelschlag
beobachtbare Kälte ausschließlich auf die, durch die
lebendige Kraft des zerkörnten kosmischen Eis-
einschusses von oben herabgerissenen und gestoßenen
kalten Luftmassen zurückzuführen ist und somit zu
ihrer Erklärung gar keiner tieferen hydrowärme-
theoretischen Erwägungen bedarf, wie solche von
manchen Hagel- Hypothetikern angestellt zu werden
pflegen. So will z. B. Mohr diese Kälte dadurch
erklären, daß er den Hagel zunächst in den unteren
dampfgesättigten Luftschichten durch Kondensation
und Erstarrung des Dampfgehaltes zu Wasser und
Eis sich bilden läßt, ohne hiefür Gründe anzugeben;
dadurch soll ein Vakuum (»Raumverminderung«) er-
zeugt werden, in welches dann die oberen, noch
kälteren Luftschichten »herabstürzen« sollen. Dagegen
will wieder Krönig beweisen, daß durch solche
Kondensation und Erstarrung eine »Luftexpansion«
eintreten müßte, anstatt einer Raumverminderung, da
er sich wahrscheinlich bewußt ist, daß bei solchen
Aggregatszustandsänderungen von H,O je die
latente Dampf- und Flüssigkeitswärme
von etwa 6004+80 Kalorien frei werden und der
Luft zu Ausdehnungszwecken zugute kommen könnte.
Der ganze gelehrte Streit wird aber höchst gegen-
standslos, wenn wir die kosmische Herkunft des
Muttereiskörpers, bezw. die Eisnatur der bloß im
reflektierten Sonnenlichte außerhalb des Erdschatten-
kegels leuchtenden Sternschnuppen (nicht zu
verwechseln mit den selbstverständlich in Eigenglut
leuchtenden mineralischen Meteoren) ein-
setzen, weil sich dann nicht nur die Form, Größe,
Struktur und Menge des Hagelkorneises samt dem
begleitenden Regenguß von selbst ergibt, sondern
auch das ansonsten doch allerrätselhafteste
schmalstrichweise Auftreten, der be-
gleitende Sturm, die Unmengen hochgespannter
Reibungselektrizität, die (noch zu erklärende) geo-
graphische Verbreitung und jährliche und tägliche
Periodizität der Hagel- und Gewitterstürme überhaupt.
Die Gesamtheit des Rätselhaften aller dieser
Hagelfaktoren scheint den modernen Meteorologen
gar nicht mehr recht zum Bewußtsein zu kommen,
während dagegen C. Waehner (sehr bezeichnender-
weise Mediziner von Beruf, also ebenfalls nur Lieb-
haber- Meteorologe — vgl. Julius Robert Mayer)
schon vor fast vierzig Jahren eine einheitliche
Erklärung des Gesamtphänomens zur Bedingung
gemacht hat, wenn eine Hageltheorie ernst genommen
werden soll. Lassen wir zur Phantasieanregung des
43
geneigten Lesers nun einmal auch aus Waehners
rbeit eine Hagelsturmschilderung auszugsweise
Revue passieren:
»Nebst dem orkanartigen Sturm, der das Hagel-
wetter begleitet, ist eine wichtige Tatsache bei
Prüfung der Hageltheorien auch die, daß der Hagel
mehr, als es meistens die anderen Niederschläge tun,
nur über engbegrenzte Räume sich aus-
breitet, daß die Hagelwetter also durchaus lokale
Phänomene sind. Das denkwürdige Hagelwetter vom
13. Juli 1788 in Frankreich hatte eine Breite von
ungefähr elfLieues (zirka 49 km), wenn wir den vier
bis fünf Lieues (18 bis 22 km) breiten Regennimbus
mitrechnen, der das Hagelwetter in zwei parallele
Streifen teilte. Bekanntlich erstreckte sich dieses,
in seinen Folgen entsetzliche Ungewitter vom
Süden Frankreichs in gerader Linie von
Südwest nach Nordost über das mittlere und
nördliche Frankreich und Belgien bis in die Mitte
von Holland hinein! Der westliche Hagelstrich
behielt während seines ganzen Verlaufes die mittlere
Breite von vier Lieues (17°8 km), während der östliche
im Mittel über zwei Lieues (etwa 9 km) breit war.
Erstaunenswert und mehr als Ausnahme mag hiebei
gelten, daß der westliche Hagelstrich beiläufig
200 Lieues (zirka 900 km), der östliche, auf dem es
erst zwei Stunden nach dem Anfang des ersten zu
hageln begann, fast anderthalbhundert Lieues (zirka
660 km) lang war. Und doch ist auch dieses Hagel-
wetter noch klein zu nennen gegen jenes, welches
am 27. Mai 1834 Rußland vom Baltischen bis zum
Schwarzen Meer, vom Dnjestr und Niemen bis zur
Wolga, also in einer Ausdehnung über fünfzehn
Längegrade und zehn Breitegrade verwüstete.
Diese strichweise und genau begrenzte
Ausbreitung der Hagelwetter ist für die
Beurteilung der Hageltheorien ebenfalls
von Wichtigkeit, weil charakteristisch.
Diese Tatsache wird schon im alten Testamente
und dort als etwas Wunderbares erwähnt, wo
es heißt: Und der Hagel schlug in ganz Ägypten
alles, was auf dem Felde war, beides, Menschen und
Vieh. Außer allein in Goßen, da die Kinder Israels
waren, da hagelte es nicht. (Mose II, 9/26.) Aus der
1788 und auch sonst wohl beobachteten Zeit, in der
das Unwetter an den einzelnen Orten nacheinander
getobt hatte, ergaben sich noch manche interessante
Aufschlüsse über die Fortpflanzungsgeschwindigkeit
der Wolke und die Ausdehnung derselben, soweit
aus ihr jedesmal der Hagel herabfiel. Erstere betrug
im Mittel 94 km pro Stunde und da es in jedem
Orte sieben bis acht Minuten hagelte, so ist die Länge
der jeweiligen Hagelwolke auf 86 bis 89 km zu
rechnen. Hiebei drangen Hagelstücke durch die Stroh-
dächer in die Ställe hinein, die größeren Tiere auf
dem Felde rannten verwundet und toll gemacht
umher, Schafe wurden zu Tausenden
erschlagen, und als der Hagel endlich weg-
geschmolzen war, blieben die von ihm verheerten
Felder von erschlagenen Vögeln und anderem Wilde
vollständig bedeckt!« Soweit Waehner in seiner
»Historisch-kritischen Übersicht der Hagel-
theorien«.
Rechnet man jetzt hiezu auch noch den jeden
größeren Hagelschlag begleitenden Wirbelsturm und
luftelektrischen Energieaufwand, die Form, Größe,
Struktur und ungeheure Menge der Hagelkörner,
die geographische Verbreitung sowie jährliche und
tägliche Periodizität der Hagelwetter, so erscheinen
in der vorstehenden Waehnerschen Schilderung
schon die wichtigsten Beobachtungstatsachen auf-
gezählt, welchen nach Waehner jede ernst zu
nehmende Hageltheorie, somit auch die hier vor-
zutragende glacialkosmogonische Hagelschlag-
und Wolkenbruch-Erklärung gerecht zu werden hat.
Der aufrichtigere und bedächtigere Meteorologe,
wie zum Beispiel der verstorbene Altmeister Pernter,
steht diesen geschilderten Tatsachen gewiß innerlich
44
ratlos gegenüber; andere wieder gehen ihnen scheu
aus dem Wege oder begnügen sich mit ziemlich
vagen, ebensowenig physikalisch - kritischen, als
pädagogisch überzeugenden Erklärungsversuchen.
Ungescheut dürfen wir uns aber damit brüsten, stets
die größten Schwierigkeiten des Tatsachenbefundes
aufgesucht zu haben, um daran unsere kosmische
Wetterlehre zu erproben. Wenn wir dabei bewußt
in den Brustton des Jahrmarktsbudenausrufers ver-
fallen, so hat dies seinen Grund in der stolzen
Unnahbarkeit der offiziellen Fachleute, um deren
entgegenkommendes Gehör wir uns nun schon seit zwei
Jahrzehnten vergeblich bemühen. Wenige dankens-
werte Ausnahmen bestätigen nur diese bittere
Erfahrungsregel. Sogar der nach seinem 1903er Aus-
spruch gewiß nicht allzu selbstzufriedene Direktor
der Wiener Meteorologischen Zentralanstalt (Pernter)
erklärte uns ausdrücklich, daß er die Aushängebögen
unseres Hauptwerkes nicht lesen werde, darum
wir ihn behufs Urteilabgabe in aller Form gebeten
hatten. Der Berliner Erdmagnetiker und Meteorologe
von Bezold verwies uns entriistet an die
Astronomen, als wir auf Grund einer Empfehlung
der Deutschen Ingenieurvereins-Zeitschrifts-Redaktion
1898 bei ihm vorkommen und an Hand einer
schematischen Milchstraßenzeichnung Herkunft und
Wesen des Erdmagnetismus über die Sonne her
ableiten wollten. Der Astrophysiker Prof. Dr. Julius
Scheiner empfing uns 1901 erst nach mehr-
monatlicher Belagerung und zweimaligem Sturm-
laufen in seiner Potsdamer Festung, um uns mit
den allerväterlichsten Abmahnungen zu entlassen,
als wir ihm die Eisnatur des Ringnebels in der Leier
seinem spektroskopischen »Befunde« zum Trotze
ableiten und um seine moralische Mithilfe bitten
wollten. Der Pariser Marsphantast Flammarion
ließ uns durch einen dortigen Apotheker einen
Prospekt über blutreinigende Heilmittel zusenden,
als wir ihm 1896 die glacialkosmogonische Lösung
- des Marsrätsels schriftlich angeboten hatten. Der
Mailänder Marskanalentdecker und Sternschnuppen-
theoretikerProf. Schiaparelli beschied1897 unsere
Bitte um Gehör aus Zeitmangel abschlägig. Der
Prager Selenograph Prof. Dr. L. Weinek stellte
schon 1896 die Diagnose auf »kaum mehr heilbares
Beherrschtsein von einer fixen Idee<, als wir ihm ein
250 seitiges Manuskript: Ȇber den vermeintlichen
lunaren Vulkanismus und die merkwürdigen Vorgänge
auf dem Planeten Mars im Lichte technischer
Erfahrung« mit der Bitte um vorurteilfreies Studium und
moralische Mithilfe unterbreiteten. Der Observator
P. Lais der vatikanischen Specula lachte aus vollem
Halse, als wir ihm 1903 in Rom persönlich die
erstarrte uferlose Ozeannatur des gesamten Erdmond-
reliefs glaubhaft zu machen versuchten. Über zahlreiche
ähnliche Erfahrungen mit enger heimatlichen
akademischen Fachleuten der unserseits »unberufen
usurpierten« drei Gebiete (Kosmologie, Geologie mit
Paläontologie und Meteorologie) gedenken wir
vorläufig noch zu schweigen, weil wir die Hoffnung
noch immer nicht aufgeben, den Weg zu ihren ver-
eisten Herzen endlich doch noch zu finden. Der
geneigte Leser darf aber versichert sein, daß wir ihm
mit der Schilderung diesbezüglicher Abenteuer aus
den letzten 20 Jahren monatelange Kurzweil bereiten
könnten, auf daß er unseren heiteren Grimm mit
ebenso heiterer Nachsicht beurteile. Nemo propheta
in patria. Wollen wir aber ganz gerecht sein, müssen
wir die Urschuld an solcher Seelennot in letzter
Linie den Franzosen Laplace und Poincare und
den Engländern Lyell und G. H. Darwin (vgl.
Seite 23 des vorigen Heftes) aufbürden, in deren Bann
eben alle diese Fachleute, und zwar größtenteils
unbewußt, stehen.
Nach dieser unsachlichen Abirrung vom eigent-
lichen Hauptthema, wollen wir nun zu dem fran-
zösischen 1788er Riesen-Doppelhagelstrich zurück-
kehren. Wenn bei dem zitierten dreifachen steiri-
schen 1890er August-Hagelschlag der ursprüngliche
Muttereiskörper beim ersten tangentialen Streifen der
obersten dünnsten Hydrogensphärenschichten in seine
drei letztgefügten, verschieden großen Drittel zerfiel,
so teilte sich der einschießende Muttereiskörper des
französischen Hagelschlages eben in bloB zwei
ungleiche Hälften, und zwar etwas explosiver Art, so
daß die beiden ungleich großen Komponenten in der
horizontalen Querrichtung schon etwas auseinander-
gewichen waren, als sie die für die Körnerzerstiebung
geeigneteren dichteren Luftschichten erreichten. Selbst-
verständlich war hier der Muttereiskörper bedeutend
größer als beim dreifachen steirischen Hagelfall,
und wahrscheinlich auch die Einschußgeschwindigkeit,
sowie der Größenunterschied der beiden Kom-
ponenten erheblich größer, nachdem es am nach-
hinkenden Hagelstrich um zwei Stunden später zu
hageln begann, in Steiermark aber nur je eine Stunde
Zwischenzeit konstatiert wurde. Daß die kleinere Eis-
körperhälfte des östlichen Hagelstriches hinter der
größeren des westlichen Hagelstriches entsprechend
zurückbleiben mußte, ist eine einfache Folge des Luft-
widerstandsgesetzes; es stimmt also vollkommen,
wenn es gerade am östlichen kürzeren und schmä-
leren Hagelstrich mit der kleineren Hagelwolke
später und bei kürzerer Dauer zu hageln begann,
während das Umgekehrte glacialkosmogonisch unmög-
lich zu erklären wäre. Allem Anschein nach handelte
es sich beim großen französischen zweigeleisigen
Hagelschlag um einen Zufallseinschuß ohne vor-
herige Trabantenzeit des großen Muttereiskörpers,
während beim steirischen dreifachen, aber eingeleisigen
Hagelstrich der viel kleinere Muttereiskörper einige
Tage oder Wochen vorher erst regelrecht als Klein-
eismond eingefangen wurde und die Erde erst einige-
mal in stark elliptischer Spiralbahn umlaufen mußte,
bevor er in seinem letzten Perigäum zum tangentialen
Einschießen gelangte. Hiefür spricht nämlich die ziem-
lich genaue West-Ostrichtung des steirischen Hagel-
striches, während der französische Doppelstrich bei-
läufig unter 45° zur Parallelkreisrichtung verlief, was
bei einem regelrecht eingefangenen Kleineismond
nicht gut möglich ist. Trifft diese Vermutung zu, so
kann man sich auch über die beiden EinschuB-
geschwindigkeiten ein beiläufiges Urteil bilden.
Ein Kleineismond kann in seinem letzten Perigäum
nicht gut anders als mit einer zwischen 7 und 9 km
liegenden Tangentialgeschwindigkeit einschießen. Bei
einem unter zirka 45° zur Parallelkreisrichtung erfol-
genden, sehr großen Hagelschlag kommt man mit
der Annahme der Wahrheit am nächsten, daß der
Muttereiskörper auf seinem ziemlich heliozentrischen
Wege zur Sonne die Erdbahn beiläufig senkrecht
kreuzen wollte, was beiläufig mit 42 Sek./km erfolgen
muß. Nachdem die Erde mit ca. 30 Sek./km ihre Bahn
zieht, so geht man weiters am sichersten, wenn man
einfach die hieraus resultierende Relativ-
geschwindigkeit, also etwa V 30° + 40° = 50 Sek./km
als Einschußgeschwindigkeit annimmt. Natürlich wird
das noch durch die Rotationsgeschwindigkeit der Erd-
oberfläche ein wenig modifiziert, was wir aber für
unsere Zwecke vernachlässigen können. Daß aus
solchen Einschußgeschwindigkeiten unfaBbare
Arbeitsmengen resultieren müssen, die größtenteils
in Sturm (Luft- und Wassermassenverlagerungen),
zum Teil aber auch in Reibungselektrizität umgesetzt
werden, das können wir nun schon beiläufig erahnen.
Wir verlernen auf diese Art auch alles Staunen, wenn
z.B. Reye*) zu dem Resultate kommt, daß der
Cubaorkan vom 5. bis 7. Oktober 1844 allein zur
Bewegung der einströmenden Luftallermindestens
eine Arbeit von 473,500.000 PS während drei voller
Tage aufgewendet hat, was, wenn wir Reye richtig
verstehen, summarisch etwa 123 Billionen Pferdekräfte
ausmacht, da er wahrscheinlich zwar von »Arbeit«
spricht, aber »Leistung« meint. Um uns nun da ein
*) Reye: »Die Wirbelstürme etc.«, Hannover 1872,
beiläufiges Urteil bilden zu können, müssen wir uns
vorher auch noch eine Vorstellung von der Größe
solcher Muttereiskörper schaffen.
Nehmen wir zunächst eine bestimmte beschei-
dene Hagelleistung an, indem wir uns etwa einen
Hagelstreifen von bloß 40 km Länge und 3 km Breite,
also von rund 120 km? Fläche gleichmäßig mit etwa
35 mm Niederschlagsmenge in Form von Hagel-
körnern und Schmelzwasser beschickt denken.
Das gäbe dann einen kugeligen Muttereiskörper
von etwa 200 m Durchmesser. Schießt derselbe mit
rund v = 10 Sek./km ein, so gibt das nach A=',mv?
eine Arbeit von rund 280 Billionen Pferde-
kräfte, welche vornehmlich in Sturm und Reibungs-
elektrizität umgesetzt werden, da zum Zerstieben und
Anschmelzen des Eises, bezw. der Körnerwolke nur
ein kleiner Bruchteil der mitgebrachten Bewegungs-
energie benötigt wird. Flaut ein solcher Sturm binnen
einer Stunde ab, so war das inklusive Zerkörnerungs-,
Abschmelzungs- und Elektrisierungsarbeit, eine durch-
schnittliche Sturm-Sekunden-Leistung von rund
800.000 Millionen Pferdekräfte, von denen wir an der
Erdoberfläche natürlich nur einen kleinen Bruchteil
zu verspüren bekommen, da sich ja die gewaltsamen
Luftverlagerungen bis in große Höhen hinauf erstrecken.
Das wäre also ein bescheidener Hageischlag, wie wir
ihn vielfach jeden Sommer beobachten können.
Ganz andere Kräfte muß aber »das in seinen
Folgen entsetzliche« französische Hagelunwetter
aufweisen. Nach Waehners Schilderungen darfman in-
mitten der einzelnen Hagelstreifen mit etwa 30, bezw.
20 cm Eis- und Wasserniederschlag rechnen; wir werden
also nicht sehr fehlgehen, wenn wir für das ganze
vom Hagel und Wolkenbruch betroffene Gebiet von
etwa 37.440 km? durchschnittlich 10 cm Niederschlag
annehmen, was beiläufig einen Muttereiskörper von
rund 3744 x 10° kg Gewicht oder 1'04km Durch-
messer entsprechen dürfte. Schießt ein solcher Mutter-
eiskörper nun mit rund 50 Sek./km ein, so gibt das
eine Arbeit von rund 624 X 10'° oder rund 6'/, Millio-
nen Billionen Pferdekräfte. Flaut ein solcher Sturm
in 12 Stunden ab, so gibt das eine durchschnittliche
sekundliche Sturmleistung von 144 X 10%", das ist
144 Billionen Pferdekräfte. Haben wir die Nieder-
schlagsmenge doppelt zu groß genommen, so war es
ein Muttereiskörper von etwa 825 m Durchmesser bei
einer durchschnittlichen Sekundenleistung von beiläufig
72 Billionen Pferdekräfte — alles durchaus im Be-
reiche der Möglichkeit liegende Werte.
Zu beachten bleibt, daß ein solcher Wirbelsturm
über dem festen Relief des Kontinents sich viel rascher
austobt als über dem ebenen Meere. Der den fran-
zösischen Hagelschlag begleitende Wirbelsturm mag
mit stark verminderten und bald ganz aufhörenden
Niederschlag auch noch über der Ostsee und Finnland
in abnehmender Heftigkeit fühlbar gewesen sein, um
nach 12 Stunden in Lappland ganz zu erlöschen. Über
der hohen See aber, könnte ein solches Wirbelsturm-
Vakuumrohr, aller Schmelzwässer und Eiskörnerreste
längst entledigt, noch tagelang herumirren, weil
eben die lebendige Kraft der trägen Luftmassen-
Wirbelbewegung an der Wirbelbasis keinen auch nicht
annähernd so großen Widerstand zu überwinden hat,
wie am Kontinent. So ist es zu verstehen, daß Reye
von einem Cubaorkan sprechen kann, der drei Tage
lang eine Leistung von über 470 Millionen Pferde-
kräfte ausübte. In Anbetracht des Umstandes aber,
das Reye nur die an der Wasseroberfläche beobacht-
baren Wirkungen in Rechnung ziehen konnte, dürfen
wir uns da ruhig noch etliche Nullen angehängt denken,
um zu einem wahrscheinlichen Muttereiskörper von
300 bis 500 oder mehr Meter Durchmesser zu gelangen,
dereinschießendeinendreitägigen Orkan entfesselnkann.
Wollen wir nun auch noch über den dreifachen
steirischen Hagelschlag ein ähnlich ziffermäßiges
Schätzungsurteil erlangen, so nehmen wir den 70 km
langen Hagelstreifen etwa 5km breit und durchschnitt-
lich mit 6cm Gesamtniederschlag beschickt an. Das
45
Bine dann einen kugeligen Muttereiskörper von 342 m
urchmesser und 21 X 10° kg Gewicht, der bei 8 km
Einschuß geschwindigkeit inklusive Zerkörnerung, Ab-
schmelzung und reibungselektrischer Ladung eine
Sturm arbeit von rund 9 X 10, das ist 900 Billionen
Pferdekräfte — und bei vierstündiger Sturmdauer eine
mittlere sekundliche Sturmleistung von 62.500 Millionen
Pferdekräfte entwickelt. Haben wir den Niederschlag
wieder doppelt zu groß angenommen, so war es
immerhin ein Muttereiskörper von etwa 270m Durch-
messer, der bei 8km Einschußgeschwindigkeit eıne
Gesamtarbeit von 450 Billionen, bezw. eine Sekunden-
leistung von 31.250 Millionen Pferdekräfte entwickelte.
Nach all dem wird uns also kein fachmännischer
Rechenstift mit Pferdekräftezahlen von an der Erdober-
fläche gemessenen Sturmleistungen mehr in Staunen
versetzen, nachdem wir für die Aufwühlung der
ganzen Luftozeantiefe zu bedeutend höheren
Arbeitsmengen und Leistungen gelangen. Wir wollen uns
nun anderen Details des Hagelphänomens zuwenden.
Die Entstehung der Hagelwolke aus dem ein-
schießenden Muttereiskörper haben wir schon auf
S. 400 des Dezemberheftes gelegentlich der Haufen-
wolkenableitung angedeutet, müssen aber jetzt, um
zum Wirbelsturm und zur Hagelkornstruktur
zu gelangen, damit nochmals eingehender von vorne
beginnen.
Nachdem jedes Eisen- und Gesteinsmeteor bei
seinem Einschusse auf der vorderen Außenseitenhälfte
so rasch glühend wird, daß es der langsamen Wärme-
leitung halber innen weltraumkalt bleibt und
bei einiger Sprödigkeit des Gesteins aus Gründen
der Wärmeausdehnungs-Spannungsdifferenzen zer-
springen muß, sowird dies bei dem wenig festen und
in der Weltraumkälte um so spréderer Eise in noch
viel höherem Maße zutreffen; denn es bleibt dabei
sicher ausgeschlossen, daß diese rasche Erwärmung
sofort etwa bis zum Abschmelzen und Verdampfen der
vorderen Eiskörperaußenseitenhälfte gedeihen könnte,
weil schon eine geringe Erwärmung von etwa 70° C.
(also von etwa — 270° auf -- 200° C.) derartige Wärme-
ausdehnungs-Materialspannungen in der betroffenen
Außenkruste erzeugt, daß letztere sofort sich los-
schälen und in Körner zerstieben muß. Dies geschieht
bei hoher Einschußgeschwindigkeit aber derart plötz-
lich und folgt Schichte um Schichte einander derart
rasch, daß man sagen kann: Der einschießende Eis-
körper zerstiebt je nach Größe und Einschußgeschwin-
digkeit mehr oder weniger explosionsartig in
eine immer noch nahezu weltraumkalte und immer
noch mit fast ursprünglicher Einschußgeschwindigkeit
belebte Eiskörnerwolke. Jetzt kann aber diese
Körnerwolke nicht mehr mit ihren Einzelindividuen
die trägen Luftmassen durchstoßen, weil sich die
summarische Widerstandsfläche etwa verzehntausend-
facht haben kann; diese so zwar vergrößerte Wider-
standsfläche wird jetzt mit noch ungeminderter
»lebendiger« Kraft nicht nur ‚hren eigenen Luftbereich
durch Kompression vor sich herschieben und schließ-
lich zufolge der Luftelastizität eine Kompressionswelle
voraussenden, sondern durch Luftreibung auch be-
trächtliche und immer größere und größere Nachbar-
luftmassen schräg nach abwärts oder, bei größeren
Muttereiskörpern, auch mehr oder weniger tangential
mit sich in die Tiefe reißen. Das wäre also der
dem größeren Hagelschlage unmittelbar
vorauseilende Sturm!
Der durch die schräg abwärtsstoßende, für uns
immer noch unsichtbare Körnerwolke vor ihr herge-
schobene verdichtete Luftbereich, läßt hinter sich eine
Art Vakuumrohr, in welches die umgebende Luft nach-
stürzen will und dabei nach bekannten, bei Wasser-
ausflußöffnungen sichtbaren Erscheinungen in Drehung
geraten muß. Diese Drehung teilt sich dann nach und
nach zum Teile auch der vorauseilenden Luftkom-
pressionswelle mit und so wird es verständlich, daß
der dem Hagelschlag vorauseilende, ihn begleitende und
nachfolgende Sturm zum Wirbelsturm werden kann;
46
ihm folgt dann das reibungselektrizitätsschwangere
Schmelzwasser als Wolkenbruch mit heftigen
Blitzen und Donnerschlägen, und erst im Verlaufe des
letzteren folgt dann der Rest des Hageleises, weil
dasselbe zufolge des an seiner Bewegungsenergie
fortwährend zehrenden Luftwiderstandes schon zurück-
zubleiben begonnen hat. Der erste, sich noch nicht
drehende SturmstoB ist daher mehr als eine voraus-
eilende Luftelastizitätswirkung zu betrachten.
Man sieht also, daß nur ein kleiner Bruchteil der
mitgebrachten Bewegungsenergie des Muttereiskörpers
zur Zerberstungsarbeit verbraucht wird; der weitaus
größte Teil derselben wird in Luftbewegungsenergie
und Reibungselektrizität, also in Sturm, Blitz und
Donner umgesetzt. Im Momente des Zerberstens ist
die Eiskornwolke noch immer fast ganz weltraumkalt,
daher noch ganz ohne Dampfumhüllung und dem
Meteorologenauge unsichtbar; aber schon schiebt sie
die vorerwähnte Luftkompressionswelle in zunehmender
Ausdehnung vor sich her und schwängert ihre noch
scharfkantigen Eiskörner mit hochgespannter Reibungs-
elektrizität, die sich vorläufig noch nicht nach unten
entladen kann, da die mitgerissene und umgebende
kalttrockene und dünne Höhenluft (überwiegend
Wasserstoff und Stickstoff) noch einen absoluten
Nichtleiter darstellt. Doch schreitet die Weiter-
erwärmung und Elektrisierung der einzelnen Eiskörner
durch Luftreibung während solchen Einherbrausens
der immer noch unsichtbaren, weil dampflosen Hagel-
wolke unaufhaltsam fort; aber in den tieferen, dichteren
und wärmeren Luftschichten und schon nach einiger
Verlangsamung des Einherstürmens wird die Schmelz-
und Verdampfungstemperatur an den vorderen und
seitlichen Körnerkanten und Spitzen erreicht: Die
Hagelwolke beginnt sich, noch ımmer in großer Wolken-
höhe, in Dampf zu hüllen und endlich auch dem
Berufsmeteorologen sichtbar zu werden. Wahrscheinlich
handelt es sich dabei noch immer nicht um ein wirk-
liches Verdampfen, sondern nur um ein Zerstäuben
oder Vernebeln des Schmelzwassers, mit welchem
hochgradig reibungselektrisch geladenen Wasserstaub
nun die einherstürmende und meist schon in Drehung
befindliche Luftkompressionswelle übersättigt und
schwärzlich gefärbt wird. Die Hagelwolke »siedet« oder
»kocht« jetzt schon, wie der vorurteilsfrei beob-
achtende Landmann zutreffend sagt.
»Kämtz vergleicht das Geräusch, das man vor
dem Fall von großen Hagelkörnern hört, mit dem,
das man durch Schütteln eines großen Bundes von
Schlüsseln hervorbringt« — berichtet Waehner. Man
hört da wahrscheinlich das Zerstäuben des Schmelz-
wassers und das nunmehr beginnende Geknister über-
springender reibungselektrischer Funken, die ja in der
dichten und schwarzen Hageldampfwolke so lange
unsichtbar bleiben können, bis die elektrische Energie-
anhäufung durch Blitz und Donner Entladung schafft.
Möglicherweise hat man auch schon das Zerstiebungs-
geräusch eines letzten Restes des Muttereiskörpers
gehört.
Das ursprünglich scharfkantige Hagelkorn muB bei
Erreichung der Schmelztemperatur zunächst rundlich
abschmelzen und sich verkleinern, was etwa noch in
Höhen von 50 bis 30 km herab vor sich gehen dürfte.
Nach Erreichung der Fallschirmgeschwindigkeit inner-
halb der bereits langsamer, träge dahinrasenden Luft-
druckwelle kann dieser AbschmelzprozeB unter Um-
ständen wieder zum Stillstande kommen und sich sogar
ins Gegenteil verkehren, das heißt die etwa sogar
»unterkühlten Tröpfchen« des Schmelzwasserstaubes
kondensieren sich im Weiterstürnen der Hageldampf-
wolke wieder auf den Hagelkornresten, überziehen
dieselben mit zwiebelschichtenartigen, dicht kristallini-
schen Eisschichten und vergrößern sie somit wieder.
Auch die reibungselektrischen Ladungen und Ent-
ladungen können solche Schichtenbildung beeinflussen.
Hier ist es also, wo wir von der anfangs erwähnten
»Unterkühlungs- und Angliederungstheorie« Gebrauch
machen können, ohne um die nötige Feuchtigkeits-
menge und konzentrierte Kälte besorgt sein zu müssen.
Hat nun diese schichtenweise Wiederüberfrierung
einmal begonnen, so können auch einzelne bereits
mehrschichtig überfrorene Körner wieder zusammen-
gefrieren, um nachher gemeinsam wieder weiter über-
schichtet zu werden, was oft zu den bizarrsten und
unregelmäßigsten Hagelkornformen führen kann. Es
soll also die Bildung großer »SchloBen« durch An-
einandergefrieren kleinerer, bereits abgeschmolzener
und eventuell neu überschichteter Hagelkörner nicht
geleugnet werden, besonders wenn sich solches aus
dem Querschnittsgefüge erkennen läßt. Aber es kann
gewisse gegenseitige Verhältnisse der Muttereisgröße,
dessen Eisstruktur (kristallinisch bis amorph und firn-
artig) der Einschußgeschwindigkeit und Richtung, der
Lufttemperatur u. s. w. geben, unter welchen auch
große, bloß angeschmolzene Eisbruchstücke und Eis-
tafeln (wie bereits beobachtet) den Erdboden unzer-
splittert erreichen. Das wird besonders dann zur
Gewißheit, wenn solche Blöcke innen eine terrestrisch
abnormale, tiefe Temperatur aufweisen, also einen Rest
der tiefen Weltraumkälte. In dieser Hinsicht ist eine un-
garische Zeitungsnachricht vom 12. Juli 1913 interessant:
»Der Hagelschlag, der gestern das Dorf Erdö-Szakal
heimsuchte, forderte 90 Menschenopfer. Ein schreck-
licher Wirbelwind ging dem Hagel voran, der die
Eiskörner aneinandergefrieren ließ, so daß Eisstücke
von 10 kg Gewicht im Dorfe niederfielen. Auch fünf
Eisblöcke von je einem Zentner Gewicht wurden im
Gebiete des Dorfes gefunden. Der Hagelschlag bildet
ein Unikum. In Kärnten gab es im Jahre 1897 eine
ähnliche Hagelkatastrophe, bei der Eisstücke von 1 kg
Gewicht gefunden wurden.«
Möge diese Zeitungsmeldung dem Schulmeteoro-
logen auch journalistisch übertrieben klingen, so gibt
es angesichts der Lückenlosigkeit der vorliegenden
glacialkosmogonischen Gedankenfolge doch die aller-
triftigsten Gründe, an die Tatsächlichkeit des
gemeldeten Vorganges zu glauben. Wir dürfen im
Lichte unserer kosmologischen Wetterlehre ebenso
bereitwillig an Hagelblöcke von einen Zentner
Gewicht glauben, wie an solche von I kg oder von
Kopf-, Faust-, Gänse-, Hühner- oder Taubeneigröße.
ja selbst der »GroBe Hagel als ein Zentner«
aus Offenb. 1521 hat nunmehr nach glacial-
kosmogonischen Darlegungen alles Mystische und
Unglaubliche verloren. Werden doch in dem gewiß
sehr ernst zu nehmenden Buche Waehners selbst
Hagelblöcke von Elephantengröße erwähnt, die in
Indien gefallen sein sollen und vom Verfasser eben-
falls auf Regelation der Hagelkörner zurückgeführt
werden. In letzterer Beziehung vertritt jedoch die
kosmologische Wetterlehre eine andere Meinung,
umsomehr, als indische Offiziere beim Zerschlagen
solcher Eisblöcke und nachherigem Betasten der
frischen Bruchflächen sich die Fingerspitzen erfroren
hatten. Das heißt: Das Eis war fast weltraum-
kalt! Und nach glacialkosmogonischen Prinzipien
kam es auch aus dem Weltraume!
Sollte es uns aber im Bisherigen noch nicht ge-
lungen sein, dies dem geneigten Leser glaubhaft zu
machen, so sehen wir einer präzisen Formulierung
seiner diesbezüglichen geschätzten Zweifel gerne ent-
gegen, um sie nächstens vor Inangriffnahme der
jährlichen und täglichen Periodizität und geographischen
Verbreitung der Hagelwetter nach Tunlichkeit beheben
zu können. H. Hörbiger.
* è **
Druckfehlerberichtigungen:
In vorigen beiden Heften sind unliebsamer Weise
die folgenden, teils sinnstörenden Druckfehler stehen
geblieben: Seite 399, Spalte 2, Zeile 15 von oben,
lies »Wassermassen« anstatt Luftmassen; S. 400,
Sp. 1, Z. 10 v. o., lies »solche« anstatt solcher und
Z. 37 v. o., lies »bereits« anstatt bereit; S. 19, Sp. 1,
Z. 31 v. o., lies „12.756 km« anstatt 1275; S. 19, Sp. 2,
Z. 36 v. O., lies »und« anstatt aus; S. 19, Sp. 2, Z. 14 v. u.,
lies »setzt er den: anstatt setzt den; S. 23, Sp. 1,
Z. 13 v. u., lies »Krücke« anstatt Brücke.
47
Glacialkosmogonische Beiträge zur Erdbebenforschung.
Eine Erweiterung der im vorigen Hefte gebrachten seismologischen Anregungen gelegentlich des
mittelitalienischen Bebens vom 13. Jänner 1915.
Von H. Hörbiger.
I
Flugtechnik und Erdbeben! Wie reimt sich das
zusammen? — Der etwa neu herzugekommene, mit-
hin also fragende unter den geneigten Lesern unter-
ziehe sich der Mühe, unsere meteorologischen Vor-
betrachtungen in den beiden früheren Heften möglichst
vorurteilsfrei und mit einigem Vertrauen zur Anwend-
barkeit jahrzehntelanger Konstruktionssaal- sowie
Berg- und Hüttenwerkserfahrungen auf geodynamische
Probleme e urchzunehmen — und
er wird fraglichen Zusammenhang in einer Weise ge-
geben finden, daß wir angesichts der jüngsten Erd-
bebenkatastrophe gewiß auf sein weiteres Gehör
rechnen dürfen.
Der im vorigen Hefte unter II. angestrebte Nach-
weis einer vorerst bloß geologischen Not-
wendigkeit des kosmischen Eiszuflusses zur Erde
hat uns ganz unverhofft ein neues kosmophysikali-
sches Urwesen der Erdbeben enthüllt. Doch wird die
heutige Meteorologie des defizitlosen, rein terrestri-
schen Wasserkreislaufes diesen kosmischen Eiszufluß
insolange nicht erkennen und zugeben wollen, als die
Geologie und Geodynamik sich nicht ein Herz nimmt,
ihre kontraktionstheoretische (Übertragung der Nebu-
larhypothese auf die Geogonie) Gebirgsbildungs-
hypothese samt der dreifachen Erdbebenerklärung
über Bord zu werfen. Und die Wiener sowie Grazer
geologische Schule (Österreichisch-»Barbariens«)*),
bezw. deren hyperloyale und ultrapietätvolle Laplace-
und Lyell-Gefolgschaftsleistung (also in letzter Linie
unsere wissenschaftliche Französelei und Engländerei)
ist es, die solchen himmelschreienden Irrtum (vom
»tektonischen oder Dislokations- und Einsturzbeben«)
verschuldet hat. Das wollen wir im folgenden noch
erhärten. p
Die vorigmaligen Betrachtungen (II.), eigentlich
selbst schon ein etwas verschämter glacialkosmogoni-
scher zur Erdbebenkunde, wurden der Re-
daktion am 10. Jänner unterbreitet. Wie schon früher
gesagt: Nicht etwa der erschreckende Zufall, daß drei
Tage später in Mittelitalien durch erhebliche Luft-
druckschwankungen und verstärkte Gezeitenkräfte ein
Schwarm von innerirdischen Siedeverzugs-Explosionen
ausgelöst wurde, drängt uns zu dieser schärferen
Präzisierung unseres gegnerischen Standpunktes,
sondern die suggestive Sicherheit, mit welcher die
Wiener und sonstigen Blätter »Barbariens« ihren
ahnungslosen Lesern abermals die üblichen »A u f-
klärungen von fachmännischer Seite« mit dem
befehdeten »Dislokations- und Einsturz«e-Märchen
vorsetzten, zwingt uns dazu, weil eben die dies-
bezügliche nackte Grundwahrheit schon seit fast
zwei Jahrzehnten teils in den zugehörigen Staats-
instituten antichambrieren, teils auf der Gasse
frieren muß.
Unsere gegnerische sachliche Zusammenfassung
aus der vorigen Abhandlung (II.) könnte etwa kurz
*) Als begeistert kriegführende »Barbaren« wollen wir
vor einem sieghaften Friedensschluß mit den östlichen, süd-
lichen und westlichen »Kultur«-Nationen keine sich uns auf-
drängende Gelegenheit versäumen, den uns umtobenden Neid-
weltkrieg auch im wissenschaftlichen Sinne auf feindliches
Gebiet voranzutragen und einfach als Verräter zu brand-
marken diejenigen, die uns allzu pietätvoll in den Arm fallen
wollen. Wir stehen ja auch auf dem Boden eines k. k., somit
in den Krieg verwickelten flugtechnischen Vereines; Pietät
und Mitleid mit französischen und englischen Pseudogelehrten,
ob tote oder lebendige, soll insolange Sünde für uns sein,
als wir nicht eine »neue Erde unter neuem Himmel« erkämpft
haben, »auf welcher Gerechtigkeit wohnt«. Russen und Serben
kommen diesbezüglich weniger in Betracht.
„Das sprecht ihr so! Das scheint euch sonnenklar;
Doch anders weiß es, der zugegen war.“
Mephisto im Faust IL
lauten: Es gibt weder »Einsturzbeben« noch »tekto-
nische oder Dislokationsbeben«, wie der so gelehrt
anmutende Begriff lautet, weil es weder die zuge-
hörigen innerirdischen Hohlräume noch aber die
hiezu erdachten (im Prinzipe Laplace-Lyellschen)
»gebirgsbildenden Kräfte« gibt; sondern alle wie
immer heißenden Erdbeben sind ausschließlich und
Boa einheitlich auf innerirdische
iedeverzugs-Explosionen zurückzuführen, die ent-
weder mit oder ohne vulkanischer Sicherheitsventil-
Dämpfung vor sich gehen können. Diese Explosionen
werden ihrerseits wieder durch kosmische Kräfte
ausgelöst, und zwar entweder mittelbar (durch jähe
Luftdruckgefälle oder atmosphärische Depressionen,
verursacht durch Sonnenkoronastrahl-Bestreichung,
das ist Sonnenfleck- und Sonnenfackelbezirk-Anzielung
der Erde und damit zusammenhängenden größeren
Roheis-Einschüssen) oder unmittelbar (durch
verstärkte Sonnen- und Mondes-Gezeitenkräfte, das
ist Ebbe- und Flutkräfte). Es kann aber auch vor-
kommen, daß die mittelbare und unmittelbare
kosmische Siedeverzugs-Auslösung gleichzeitig
wirkt, wie dies auch im vorliegenden Falle des
mittelitalienischen Erdbebens vom 13. Jänner zutraf.
Wir wollen uns dessen zunächst einigermaßen ver-
gewissern:
1. Mittelbare kosmische Explosionsauslösung
durch atmosphärische Depressionen.
»Wollte man als Ursache dieses entschieden (!!)
tektonischen (!!), das ist eines mit Lage-
veränderungen der Erdkruste einhergehenden Bebens
starke Luftdruckänderungen annehmen, so zeigen die
Wetterkarten der letzten Tage tatsächlich bedeutende
Luftdruckschwankungen über Italien und über dem
Balkan. Es ist nicht unwahrscheinlich, wenn auch
bisher nicht streng nachgewiesen, daß derart kräftige
Druckschwankungen bereits vorhandene Spannungen
in der Erdkruste als Erdbeben auszulösen vermögen.
Denn es bedeutet eine Änderung des Barometerstandes
von 1mm eine Belastungsänderung von mehr als
13.000 t per 1 km?« — so schreibt der meteorologische
Fachkorrespondent des »Neuen Wiener Abendblattes«
vom 14. Jänner in seinem Berichte: »Die Auf-
zeichnungendeskatastrophalenErdbebens
vom 13. Jänner.< Ohne sich nun durch diese »ent-
schieden tektonische« Anschauung des Erd-
bebenfachmannes gefangen nehmen zu lassen, wolle
der geneigte Leser hieraus bloß die Tatsache ent-
nehmen, daß Mittelitalien zur kritischen Zeit unter
bedeutenden Luftdruckschwankungen gestanden hat,
— und daß fachmännischerseits die Möglichkeit einer
barometrischen Erdbebenlösung bereits zugegeben
wird, wenn auch im physikalisch ganz unrichtigen
Sinne. Wir werden hierauf noch ausführlicher zurück-
kommen.
2. Unmittelbare kosmische Explosions-
auslösung durch verstärkte Gezeitenkräfte.
Über das Grundwesen der Ebbe- und Flutkräfte
ist der geneigte Leser jedenfalls orientiert, doch
dürfte es sich in der Mehrzahl der Fälle empfehlen,
die Erinnerung etwas aufzufrischen, um ein bequemes
Urteil zu ermöglichen. Die Mondbahnebene fällt nicht
mit der scheinbaren Sonnenbahn (Ekliptikebene)
zusammen, da wir ansonsten allmonatlich eine totale
Sonnen- und Mondesfinsternis erlebten. Die Neigung
der Mondbahnebene zur Ekliptik beträgt bloß 5° 8°06',
48
doch liegt die Schnittlinie der beiden Ebenen (die
Mondknotenlinie) nicht fest, sondern dreht sich
in 18'613 Jahren einmal nach rückwärts herum, das
ist der Mondumlaufrichtung entgegengesetzt (retrograd).
Es kann also zur Neu- und Vollmondzeit nur dann
eine Sonnen-, bezw. Mondesfinsternis geben, wenn
um diese Zeit die Knotenlinie beiläufig nach dem
Sonnenmittelpunkt hin gerichtet ist: Es durchwandert
dann der Knotenfaktor der Mondgezeitenkräfte
sein Maximum. Das Minimum tritt notwendig ein,
wenn diese Knotenlinie um 90° oder 270° weiter
gewandert ist, indem dann der Neumond um gute 5°
unterhalb, bezw. oberhalb des Sonnenortes ungesehen
vorüberzieht. Nun beschreibt der Mond (relativ zur
feststehend gedachten Erde) eine Ellipse um seinen
Hauptplaneten; aber auch die große Achse (Apsiden-
linie) dieser elliptischen Mondbahn liegt abermals
nicht fest, sondern vollendet in 8'847 Jahren einen Vor-
wärts-(direkten)Umlauf. Das Maximum dieses Ap-
sidenfaktors der Mondgezeitenkräfte wird also
abermals dann erreicht, wenn diese Apsidenlinie
ebenfalls beiläufig nach dem Sonnenmittelpunkt hin
gerichtet ist, denn dann findet entweder Neumond
oder Vollmond (die Syzigien) in Erdnähe (im
Perigäum) statt. Nachdem (aus nicht kurz erörterbaren
Gründen) unter beiden Syzigien die Neumondstellung
die wirksameren Gezeitenkräfte liefert, so wird unter
sonst gleichen Umständen dieser Syzigienfaktor
dann sein Maximum erreichen, wenn zur Neumondzeit
sich Knoten- und Apsidenlinie im Radiusvektor
(Richtung Erdmittel-Sonnenmittel) begegnen, also
bei einer totalen Sonnenfinsternis in Erdnähe des
Mondes.
Nun gibt es noch einen vierten Faktor, gleichsam
einen Erdbahnexponenten zu obigen drei Mondkraft-
faktoren: Die Ellipsenform der Erdbahn selbst. Hier
liegt aber die große Achse für unsere Betrachtungen
so gut wie fest, denn sie gebraucht rund 21.000 Jahre
zu einem direkten Umlauf. Heuer passierten wir die
Sonnennähe (das Perihelium) am 2. Jänner um 7 Uhr
abends. Erst ums Jahr 1928 herum geschieht dies zu
Beginn des 3. Jänner und erst gegen Ende dieses
bis Mitte des nächsten Jahrhunderts hinein wird die
Perihelpassage der Erde am 4. Jänner stattfinden.
Es darf uns nun nicht irre machen, daß das mittel-
italienische Erdbeben scheinbar so ungenau mit dem
Perihelium zusammenfiel, da es sich ja da um eine ganz
allmählich verlaufende Annäherung und Abrückung
der Erde zur und von der Sonne handelt, so daß sich
der Sonnenabstand vom Ende November bis Mitte
Februar relativ nur wenig von dem des 2. Jänner
unterscheidet. Man spricht daher auch besser nicht
von diesem Datum des 2. Jänner als einen
kritischen Tag der Perihelpassage, sondern
richtiger vom nördlichen Hochwinter als der
für beide Hemisphären kritischen Jahreszeit
des Perihelverweilens der Erde, oder vom
November bis Februar als den kritischen Perihel-
monaten.
So wären wir nun bei den in meteorologischen
und geodynamischen Kreisen so verpönten kritischen
Tagen« Falbs angelangt. Dieser Name ist der
Schrecken aller zünftigen Wetterkundigen geworden,
und zwar wie wir später zeigen werden, ebenso mit
Recht als mit Unrecht. Es waren denn auch viele
Meteorologen dieses Erdbebenpropheten Tod. Um
es gleich kurz vorauszuschicken: In geophysikalischer
und himmelsmechanischer Hinsicht hatte dieser arme
Autodidakt gewiß Unrecht, denn weder stößt das
glutflüssige Erdinnere an kritischen Tagen springflut-
artig gegen die Innenklippen der festen Erdkruste,
um das Erdbeben zu erzeugen, noch aber könnte der
Mond an solchen kritischen Tagen eine derartige
atmosphärische Ebbe und Flut erzeugen, das sich
daraus, für den vorurteilsfreien Verstand physikalisch
einsehbar, eine gewaltsame Änderung der Wetterlage
ableiten ließe. Weder auf das Beben der Erdkruste,
noch auf atmosphärische Paroxysmen kann der Mond
selbst einen direkten Einfluß ausüben, wohl
aber einen mittelbaren, und zwar ebenso zeitlich
elastischen als ausgiebigen, wie später gezeigt werden
soll, bis wir in der A a le Meteorologie
klarer sehen werden. Nur im Prinzipe sei auch dies-
bezüglich hier schon vorausgeschickt, daß der Mond
an »kritischen Tagen« nicht nur verstärkte Gezeiten-
kräfte auf Meer und Erdkruste (Hydro- und Lithos-
Baur) ausübt, sondern, besonders um die verstärkten
eumondzeiten herum, auch auf den kosmischen
Feineis- und Roheiszufluß zur Erde einen
erhöhten heranlenkenden Einfluß nimmt.
Wir werden da in die Lage kommen, ebensowohl
den Aristoteles als auch einen der modernsten
offiziellen Meteorologen zu Kronzeugen aufzurufen.
Hatte also Falb im physikalischen Prinzipe
stets Unrecht, so müssen wir ihm in statistischer
Hinsicht umso bestimmter Recht geben. Und alle
jene statistischen Beweise, welche übereifrige Fach-
meteorologen gegen Falb zusammengestellt haben,
müssen wir als »gemacht«, als nicht objektiv, als
tendenziös oder mindestens mißverständlich be-
zeichnen, wofür wir auch die Beweise nicht schuldig
bleiben werden. Es soll auch klar gezeigt werden,
warum Falb an seinen »kritischen Tagen« nebst
Wolkenbrüchen, Wetterstürzen, Erdbeben, Vulkan-
ausbrüchen und Schlagwettern manchmal und manchen-
orts auch den allerblauesten Himmel hinnehmen
mußte. Die »Laienmeute« hatte Falb und hat auch
heute sein ebenso im Finstern tappender Nachfolger
in der Mehrzahl von Fällen für sich; das darf vor-
läufig auch als entscheidend gelten; denn
niemand hat so bestimmt Unrecht, als ein der
vox populi gegenüber bestimmt verneinender
»Fachmann«. Als diesbezügliches Beispiel sei jenes
»fachmännische Gutachten« angeführt,
welches der Präsident der Pariser Akademie
Bertholon im Jahre 1790 gegen ein von 300
bäurischen Augenzeugen unterfertigtes Protokoll über
einen am 24. Juli, abends 9 Uhr, erfolgten Meteor-
steinfall abgegeben hatte: Er bemitleidete
einfach die Gemeinde, welche einen so
thörichten Maire besitzt, daß er über
eine so offenbare physikalische Un-
möglichkeit auch noch ein Protokoll
aufnehmen ködnne«. Unsere Erfahrungen mit den
akademischen Wissenschafts-Machthabern heutiger
Zeit sind ganz ähnliche.
Doch nun zurück zu den Gezeitenkräften, in
unserem Falle des 13. Jänner 1915, welcher Tag nach
obigem ja praktisch mit unserer Perihelpassage
vom 2. Jänner ganz genau zusammentrifft.*) Der
Mond hatte sein Perigäum am 12. Jänner, 3 Uhr früh,
erreicht, also praktisch ebenfalls mit dem Erdbeben-
tag genau zusammenfallend. Der Neumond aber
passierte am 15. Jänner, 3 Uhr nachmittags, etwa
3° südlich der Sonne, sodaß der Syzigienfaktor am
13. Jänner schon nahe seinem Maximum im raschen
Ansteigen sich befand. Und nachdem der Mond für
den mitteleuropäischen Meridian am 13. Jänner um
4,7 Uhr früh aufging, war für Mittelitalien um 8 Uhr
früh auch der Mondtagsfaktor der Gezeitenkräfte eben
im raschen Zunehmen begriffen. Es waren somit zur
kritischen Zeit und am kritischen Orte nicht nur alle
fünf Gezeitenfaktoren nahe ihrem Maximum (mit
Ausnahme des Knotenfaktors vielleicht), sondern das
Produkt auch noch im Zunehmem begriffen, woraus
jene rasch ansteigende Druckentlastung am inner-
irdisch tiefen Orte eines explosionsbereiten Siedever-
zuges resultieren konnte, welche die Explosion auch
ohne barometrische Mithilfe auslösen mußte. Nimmt
man dazu noch die naclıgewiesenen bedeutenden
*) Auch das noch furchtbarere Erdbeben von Messina am
28. Dezember 1908, früh, war ein genaues Perihel-Erdbeben mit
verstärkten Mondgezeitenkräften. Perihelpassage am 2. Jänner;
Sonnenfinsternis am 22. Dezember; Erdnähe des Mondes und
Zentralpassage tätiger Sonnenfackelbezirke am 26. Dezember,
worüber später näheres.
Luftdruckschwankungen des 13. Jänner über Mittel-
italien, so muß da wohl der ärgste Skeptiker nach-
denklich werden. Natürlich wird uns ein solcher
immer noch einwenden, daß zu anderen Zeiten viel
stärkere Luftdruckschwankungen mit einem stärkeren
Gezeitenkraftprodukt zusammenfallen können, ohne
daß ein Erdbeben ausgelöst werden muß. Da hat
man sich eben immer vor Augen zu halten, daß diese
Kräfte nicht unmittelbar die Erdkruste packen und
schütteln, sondern daß da am richtigen Orte und zur
richtigen Zeit auch ein explosionsbereiter Siedever-
zug dazu gehört. Auch müssen im entscheidenden
Momente beide Auslösefaktoren (der barometrische
und gezeitliche) im druckentlastenden Zu-
nehmen begriffen sein, da es anders vorkommen
kann, daß rasch steigender Luftdruck den Anstieg der
Gezeitenkräfte soweit aufhebt, daß auch der explosions-
reifste Siedeverzug nicht zur Auslösung gelangt.
Der Luftdruck muß örtlich rasch sinken, die
Gezeitenkraft gleichzeitig dortselbst rasch steigen
und ein explosionsbereiter Siedeverzug muß am Orte
der hieraus resultierenden Druckentlastung bereit-
gestellt sein, wenn der Explosionsstoß von unten
erfolgen soll. Und das ist auch das Geheimnis der
zeitweiligen MiBerfolge Falbs hinsichtlich der Erd-
bebenprognosen.
Mit diesem armen Unglückskinde Falb hat nun
die moderne Meteorologie auch das so wertvolle
Bad weggeschüttet und sich mit ihren Wetterprognosen
bloß auf die Luftdruckverteilungs- und Gradienten-
karten zurückgezogen, sodaß sie mit einiger Sicherheit
bloß auf 24stündige Wetteransage sich einlassen
kann. Mondeinfluß auf kritische Naturereignisse ist
verpönt, weil Falb ihn behauptet hatte. Kein Wunder
also, daß das jährliche Erdbebenmaximum vom
Dezember jänner / Februar (1) meteorologischerseits
zwar konstatiert, aber irrig und einseitig gedeutet
wird. Die nachfolgende Tabelle der monatlichen
Verteilung von Bebenhäufigkeit und Luft-
druck unterschieden in Europa, von F. Seidl,
möge dies illustrieren: *)
|
Jänner Februar | März | April | Mai
| |
49
(sozusagen ein Exponent der Mondeskräfte) als den
intensiver wirkenden Siedeverzugs-Auslösungs-
faktor aufrecht erhalten. Man sieht ja aus der Tabelle
auch, daß im Monat Oktober und November die
Erdbebenhäufigkeit sich nicht nach den Gradienten-
gefälle-Ziffern richtet, weil eben nicht diese letzteren
das ausschlaggebende sind, sondern die durch das
Perihelium höher hinauf potenzierten Mondgezeiten-
kräfte. Die Luftdruckgefälle wirken eben nur im selben
Sinne mit. Natürlich würden die Sonnenflutkräfte der
Perihelmonate allein das nordwinterliche Beben-
maximum nicht so auffallend bedingen, da ja deren
Zu- und Abnahme nur sehr allmählich erfolgt. Aber
diese Sonnennähe bringt eben die übrigen vier Mond-
gezeitenfaktoren (Knoten-, Apsiden-, Syzigien- und
Mondtag-Faktor) erst zur erhöhten Wirkung, insbe-
sondere dann, wenn diese auch ihrerseits mit ihren
Maximalwirkungen oder wenigstens mit ihren An-
stiegen zusammenfallen, wie etwa gelegentlich einer
Jänner-Sonnenfinsternis zur Erdnähenzeit des Mondes.
Daß in Europa »überall die Erdbebentätigkeit in
der kalten Jahreszeit eine regere ist, als in der warmen«
ist schon längst aufgefallen — »so fielen auch von
den 75 Erdbebentagen, welche von 1875 bis 1897 im
sächsischen Vogtlande beobachtet wurden, 66 auf die
Zeit vom September bis März und nur neun auf die
Zeit vom April bis August« — berichtet Sieberg.
Gedeutet wird das aber ausschließlich in der Weise,
daß (wie solches auch erst die Glacialkosmogonie
genetisch erklärt) immer die jeweilige Winterhemi-
sphäre den höheren mittleren Luftdruck aufweist und
demzufolge auch die größere Amplitude der Luftdruck-
schwankungen. Ebenso war man sich bald klar darüber,
daß es eine barometrische Erdbebenauslösung gibt,
denn bei einer diesbezüglichen statistischen Unter-
suchung kommt Sieberg zu dem vielsagenden Re-
sultate, daB von 100 Erdbeben eines beobachteten
Gebietes und Zeitraumes 71 bei sinkendem und 29
bei steigendem Luftdruck stattfanden. Wir müssen
hier aber nochmals betonen, daß eine rein baro-
metrisch ausgelöste Siedeverzugs-Explosion nur eine
Häufigkeit der Erdbeben der Jahre 306 bis 1842.
|
1046 | 947
|
147 · 7 1386 119-4 95-4
Luftdruckunterschiede in Millimetern in der Richtung des Gradienten SE- NW ; 2820 km.
‘
l
126 | 80 42 16 —02
i i |
4 i
1
Diese Tabelle spricht Bände für uns, indem die
Perihelmonate mit einem auffallenden Jahresmaximum
sich geltend machen und zu dem auch noch der
eigentliche Perihelmonat Jänner das absolute Maxi-
mum liefert. Aber weit entfernt das zuzugeben, setzt
der Meteorologe und Geodynamiker dieses nord-
winterliche Uberwiegen der Erdbebenhäufigkeit
durchaus nicht auch auf Rechnung der Sonnennähe,
denn da käme ja Falb zu einem Schein von Recht,
sondern ausschließlich die jäheren und größeren
Luftdruckschwankungen des Winters sollen dies
bewirken, was uns ja teilweise auch recht sein Kann.
Ja es kommt uns sogar sehr gelegen, daß man eine
Abhängigkeit der Erdbebenhäufigkeit von der Steilheit
des Luftdruckgefälles in der vorherrschenden Wind-
richtung bereits zugibt; aber trotzdem müssen wir
die winterliche Erhöhung derSonnengezeitenkraft
*) Aus Sieberg: »Handbuch der Erdbebenkunde« 1904.
0'6 04 | 1:5
|
Juni | Juli August Sept. Okt. Nov. ' Dez.
i l |
1004 | 1018 | 1102 | 1109 | 123-7 | 136°4
| 53 | 92 | 60 | 9'3
solche bei rasch sinkendem Luftdruck sein kann;
es kommt aber vor, daß eine solche rein barometrische
Druckentlastung nur langsam durch die Sickerwasser-
säule hindurch bis zur Tiefe des geladenen Siede-
verzuges vorzudringen vermag, so daß hiedurch die
Explosion auch in einem Zeitpunkte ausgelöst werden
kann, in welchem (bei raschem Luftdruckwechsel) an
der Erdoberfläche das Barometer schon wieder eine
steigende Tendenz zeigt. Wirken aber druckent-
lastende Gezeitenkräfte mit, wie im Falle des 13. Jänner,
so können diese so sehr überwiegen, daß die Explo-
sion auch bei einer selbst in der Explosionsherdtiefe
ansteigenden barometrischen Druckkomponente er-
folgen kann. Manchmal wird es aber (in ungeklüfteter
Herdtiefe) den äußeren Luftdruckschwankungen über-
haupt unmöglich gemacht, durch die Sickerwassersäule
hindurch bis zum Orte des Siedeverzuges vorzu-
dringen, so daß nur Gezeitenkräfte allein die Explo-
sion auslösen können, welch letztere dann mitunter
50
auch bei höchstem Barometerstand oder ausgesprochen
steigender Tendenz eintreten kann. Dieser Umstand
ist es ja eben, der den Meteorologen, Geologen und
Geodynamikern in der Abhängigkeit der Erdbeben-
auslösung von den Luftdruckschwankungen den Wahr-
heitsfund im physikalischen Grundwesen umso mehr
erschwert, als sie durch den Dislokationsirrtum ja
auch das physikalische Wesen des Erbebens selbst
so gründlich verkennen müssen. Aber immerhin bietet
es für unsere Aufklärungsarbeit schon eine wesent-
liche Erleichterung, wenn wenigstens der Geodynami-
ker schon eine Abhängigkeit der Erdbebenauslösung
vom Luftdruck »nicht mehr für ganz unwahrschein-
lich« hält.
Der reine Geologe der Wiener Schule verhält
sich in seiner vorgefaßten »tektonischen« Meinung
aber auch dagegen noch immer ablehnend ; denn
sein Urteil über das Erdbeben vom 13. Jänner lautet:
»Das Erdbeben ist auf keine außerirdischen und außer-
gewöhnlichen Kräfte zurückzuführen, keine elektrischen
oder magnetischen Wirkungen sind seine Ursachen,
auch bei vulkanischem Boden nicht. Nur die Schwere
und die elastische Spannung sind die wirkenden
Kräfte«.*) — Wir wiederholen vorläufig hiezu nur,
daß die akademische Wissenschaft niemals so sicher
irrt, als wenn sie populär allgemein Geahntes be-
stimmt verneint. Die außerirdischen und außer-
gewöhnlichen Kräfte der Erdbebenauslösung haben
wir im bisherigen ebensowohl kennen gelernt, wie
die »stoßende« Kraft selbst. Über die Pikanterie
der elektrischen und magnetischen Begleit-
erscheinungen werden wir nach Absolvierung der
»gebirgsbildenden Kräfte« des Tektonikers noch zu
sprechen kommen.
Natürlich stellt sich der durch die herrschende
Wiener Geologenschule »tektonisch« verführte Geo-
dynamiker eine barometrische Erdbebenauslösung auch
nur so zwar vor, daß die Luftdruckschwankung un-
mittelbar an der innerirdischen Gebirgsmassenver-
schiebung (»Dislokation«) und zwar ausschlaggebend
mitwirkt, bezw. daß gerade nur noch diese etlichen
Tausend Tonnen Mehrdruck per Quadratkilometer
fehlten, um den vermeintlichen »Einsturz des Hohl-
raumes«**) oder die Durchknickung des Erdkrusten-
gewölbes oder den das Gleichgewicht wieder her-
stellenden Rutscher im Gewölbewiderlager, bezw. in
der Verwerfungs- oder Niederbruchspalte oder die
endliche Ausschnellung einer »elastischen horizontalen
Spannung« u. s. w. (kurz die »Dislokation«)**) aus-
zulösen. Alles das gibt es aber in Wahrheit
nicht. Denn ebensogut könnte ein Tiroler Scharf-
schützenjunge meinen, daß der leise Fingerdruck
seines Vaters auf den Stecher des Scheibenstutzens
unmittelbar ausschlaggebend es ist, der die
Kugel ins Schwarze befördert, weun ein Vergleich
mit dem wahren Vorgange beim Erdbebenstoße ge-
macht werden soll.
Der »tektonisch« urteilende, weil kontraktions-
theoretisch verführte Geologe wird diesen Vergleich
) »Neue Freie Presse« vom 15. Jänner 1915.
Der »Reichspost«-Fachmann erkannte ausdrücklich auf
ein »Einsturzbeben« — eine zweite Autorität der „N. F. Presse«
dagegen auf ein »Tektonisches Beben« vom 13. Jänner 1915.
|
nicht gelten lassen, sondern uns mit der »elasti-
schen Spannung« des Armbrustbogens kommen
wollen, dessen Saite beim Umkehren durch die
Schwerkraft allein aus dem Hacken schnellt. Aber
eben diesen gespannten Bogen — den gibt es bei
der Erdbebenauslösung nicht, sondern nur den ex-
plosionsbereiten Sprengstoff. Sofort verständlich muß
das dem Berg- und Hüttenmanne, dem Dampfkessel-
und Verbrennungsmotor-Ingenieur, dem Festungs-,
Feld- und Marineartilleristen dann werden, wenn ein
erheblicher Bruchteil eines Barometersturzes durch
Felsklüfte, Verwerfungen, Niederbruchspalten, auch
Bergschächte und Stollen, tätige und erstorbene Vul-
kanschlünde u. dergl. durch die restliche Sicker-
wassersäule hindurch bis zur Tiefe des gespannten
Siedeverzuges hinab fühlbar wird, und dort den
Stecher des Scheibenstutzens leise antupft, um jenen
fürchterlichen Massenstoß auszulösen, welchen Geo-
logen, Meteorologen und Geodynamiker so arg miB-
verstehen. Man versuche einmal eine ganz kleine,
bloß mit Wasser teilweise gefüllte, dickwandige Gra-
nate in den Fokus des Hochofens zu bringen oder
auch nur tief in das Stahlbad der Bessemerbirne oder
des Martinofens zu tauchen und dort festzuhalten.
Im kleinen MaBstabe kann man auch eine saftige, un-
aufgeschnittene aber rasch gut vorgewärmte Kastanie
in flüssige Hochofenschlacke tauchen oder einfach
auf die heiße Herdplatte legen und abwarten was da
geschieht.
Natürlich werden wir mit solchen Experimenten
unseren geehrten geologischen und geodynamischen
Skeptikern insolange nichts einzureden vermögen,
als es uns nicht gelingt, ihnen ihre heutigen Anschau-
ungen über »Gebirgsbildung« auszureden. Denn:
»ein richtiges Verständnis der Dislokations-
beben ist nur möglich, wenn sie im Zusammenhang
mit der Gebirgsbildung begriffen werden« —
sagt Neumayr in seiner Erdgeschichte. Wir müssen
uns somit jetzt der Provenienz der sogenannten
»Kontraktionslehre« zuwenden, die ja das
Um und Auf der herrschenden Gebirgsbildungs-
hypothese darstellt. Dies soll nächstens geschehen.
Nachtrag.
Während der Drucklegung komnit uns die Februar-
nummer der »AstronomischenKorrespondenz«
(Hamburg 1915) zu, darinnen der Herausgeber Artur
Stentzel in einem Aufsatze: »Das Jänner-
maximum des Vulkanismus 1915« ebenfalls die
Gezeitenkräfte des Mondes und der Sonne in allerdings
physikalisch stark abweichenden: Sinne für die Erd-
beben verantwortlich macht. Schon gelegentlich des
Messineser Bebens (1908) hatte Stentzel in der
»Grazer Tagespost« unter: Die wahre Ursache
des süditalienischen Erdbebens« gegen die
»Einsturz-und Dislokationstheorie« energisch
Stellung genommen, um am 12. Jänner im selben
Blatte durch Dr. Mittelbach energisch zurück-
gewiesen zu werden. Nachdem Graz die Wiege und
der dortige Geologe R. Hoernes der Urheber der
Dislokationstheorie ist, werden wir nach Absolvierung
der »gebirgsbildenden Kräfte« von diesem
Streite zu profitieren suchen.
Die Bilanz der deutschen Nationalflugspende.
Die Nationalflugspende hat diesmal von der Ver-
öffentlichung eines Jahresberichtes abgesehen. Das
Kuratorium glaubte, daß besser als eine Denkschrift
die Taten deutscher Flieger im Felde von dem vor—
bereitenden Wirken der Nationalflugspende zeugen;
dem kann man nur beistimmen.
Als am Ende des Jahres 1912 die Volkssammlung
mit einem Ergebnis von rund 7½ Millionen Mark
schloß und damit der Sammlung des deutschen Volkes,
die vier jahre früher für die Ausbildung der anderen
großen Luftwaffe dem Grafen Zeppelin zur Ver-
fügung gestellt wurde, ziemlich nahe kam, konnte man
kaum erwarten, daß diese Stiftungen bereits so früh
den Beweis ihrer zweckmäßigen Verwendung er-
bringen sollten. Alle jene, die ihr Scherflein zu diesen
Suminen beigetragen haben, werden heute mit den
Friichten, die geerntet worden sind, zufrieden sein.
Die Schöpfungen des Grafen Zeppelin sind der
Schrecken unserer Feinde geworden, selbst dort, wo
diese sich weit ab vom Schuß wähnen. Deutsche
Flieger leisten an unseren Fronten Außergewöhnliches,
und schwerlich haben sich die verbündeten Gegner
träumen lassen, daß es gelingen würde, ihrem gemein-
samen Ansturm zu trotzen, um so weniger, als auch
in Frankreich, England und Rußland während der
letzten zwei Jahre gewaltige Anstrengungen aus staat-
lichen Mitteln und Nationalspenden gemacht worden
sind, um Glänzendes in der Flugtechnik zu leisten.
Ein Heer ohne diese Aufklärungsmöglichkeiten würde
im heutigen Kampf rettungslos verloren sein. Die
Nationalflugspende hat gerade noch rechtzeitig genug
eingegriffen, um einerseits in bezug auf die Leistungs-
fähigkeit der deutschen Industrie das zu vollenden, was
frühere Stiftungen ins Rollen gebracht hatten und
anderseits die Flieger zu jener Härte, Zähigkeit und
Zuverlässigkeit durchzubilden, die für das Lösen der
ihnen gestellten Aufgaben unerläßlich sind. Von dem
Eisernen Kreuz der ersten Klasse entfallen auf die
Beherrscher der Luft allein 5˙4 Prozent, ein gewaltig
hoher Prozentsatz.
Von den Mk. 7,234. 50629, die insgesamt am Schluß
der Sammlungen eingelaufen waren, standen dem
Kuratorium Mk. 5,212.691°41 zur freien Verfügung.
Von dem Rest waren nach dem Willen der Stifter
reichlich eine Million für die Beschaffung von Flug-
zeugen bestimmt, Mk. 577.000 wurden für die Be-
gründung der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt
aufgewandt und der Rest entfiel auf verschiedene
Spezialzwecke. Das Jahr 1913 figurierte in der Ab-
rechnung mit Mk. 1,715.344°06 Ausgaben, so daß zu
Beginn des Jahres 1914 dem Kuratorium durch nach-
träglich enden, Zinsen und Kursgewinn aufgelaufen
nahezu noch 4 Millionen zur Verfügung standen.
Die jetzt veröffentlichte Abrechnung für das letzte
22
De
51
Jahr weist eine Ausgabe von Mk. 2,152.759°38 aus.
Obenan stehen die Aufwendungen fiir die Ausbildung
von Fliegern mit Mk. 748.376°15. An Fliegerprämien
(Renten) wurden Mk. 538.241°09 gezahlt, die Wett-
bewerbe mit Mk. 368.000°30 unterstützt. Für Spezial-
zwecke wurden verausgabt Mk. 150.000 für die Anlage
eines Wasserflugplatzes, Mk. 25.000 für Fliegerkurse
in München, k. 66.550 für Fliegerversicherung,
Mk. 65.000 Zuschuß erhielt die Luftfahrerschule in
Adlershof und nahezu der gleiche 1 wurde für
Versuche und . nachgeprüfter Erfindungen
bewilligt. Auch die der Förderung des Flugwesens in
den Kolonien gewidmeten Mk. 32.583'46 haben ihren
Zweck nicht verfehlt, denn wenn auch nur selten eine
Kunde aus dem für uns abgeschnittenen Südafrika
herüberdringt, so hörten wir doch um so häufiger von
der Wirksamkeit deutscher Kolonialflieger, die sicher
den nur schwachen Kampfwerten ausgezeichnete
Dienste leisten. Diesen recht imposanten Ziffern
gegenüber verschwinden die Verwaltungskosten fast
vollständig, denn sie übersteigen mit Einschluß der
allgemeinen Unkosten Mk. 33.000 nur um ein Ge-
ringes. /
Sehr erfreulich ist es, daB die Nationalflugspende
auch jetzt noch in der Lage ist, weiter im Sinne ihrer
Stifter zu wirken, da der am Schluß des Geschäfts-
jahres vorhandene Fonds die noch immerhin erfreu-
liche Höhe von Mk. 1,843.617°46 hatte. Da einige der
großen Hauptposten, wie Prämien und Wettbewerbe,
in Fortfall kommen, so wird die Nationalflugspende
noch weiter wirksam dazu beitragen können, daß das
deutsche Flugwesen in dieser großen Zeit nicht erlahmt.
yr
Geschützdonner als Echo von der Hochat mosphäre.
Das Seegefecht des 24. Jänner 1915 fand am
Vormittag inmitten der Nordsee statt. Gleichzeitig
wurde, nach einer Drahtmeldung aus Amsterdam, bei
Franeker in der niederländischen Provinz Friesland,
heftiges Geschützfeuer gehört, das seinen Höhe-
punkt zwischen ½ 11 und 11 Uhr erreichte. Es ist nicht
daran zu zweifeln, daß dieser Kanonendonner von
jenem Seegefechte herrührte, um so weniger, als die
Herkunftsrichtung stimmte: nördlich der lnseln Ameland
und Schiermannikoog. Das bedeutet für Franeker
Nordnordosten und diese Richtung peilt mit einiger
Genauigkeit den Punkt unter 6° östlicher Länge, 55°
nördlicher Breite*), 70 Seemeilen oder 130 km west-
nordwestlich von Helgoland, bei dem nach dem
deutschen Marineberichte das Seegefecht von den
britischen Schiffen abgebrochen wurde.
Aber die Entfernung von dieser Meeresstelle nach
Franeker beträgt 190 km.*) Wie vom Gewitterdonner
bekannt ist, wird sein Einsetzen selten noch 20 Se-
kunden nach dem Blitze, also auf mehr als 65 km
Entfernung wahrgenommen. In der Tat handelt es sich
um eine physikalische Erscheinung, die erst seit sieben
Jahren bekannt, seit fünf Jahren erklärt ist. Der
schweizerische Meteorologe de Querpain stellte
zuerst bei einer Dynamitexplosion gelegentlich des
Baues der Jungfraubahn fest, daß der Donner dieser
Explosion im zweiten Hundert Kilometer der Ent-
fernung ein neues Maximum der Hörbarkeit hatte.
Der deutsche Physiker von dem Borne und nach
ihm Alfred Wegener fanden die Erklärung in einer
Reflexion des Schalles an einer Grenzfläche zweier
Schichten in der Hochatmosphäre, die Wegener
dort suchte, wo der Sauerstoff- und auch der Stick-
stoffgehalt ihrer unteren Schichten geschwunden und
*) Für den Fall, daß die Peilung von der deutschen
Admiralität sogleich rechtweisend angegeben ist, handelt es sich
um 54% nördlicher Breite und 170 km Strecke bis Franeker.
Auch hiefür trifft die gegebene Erklärung zu.
der Wasserstoff zur Vorherrschaft gelangt ist. Jene un-
erwartet weite Hörbarkeit starker Explosionen kommt
demzufolge auf ihr Echo an der Innenseite des Wasser-
stoffmantels des Erdballes hinaus.
Damit ist wohl auch eine ähnliche Meldung er-
klärt, die mit den Nachrichten vom Angriffe
deutscher Luftkreuzer auf die englische
Ostküste zusammenfiel: »Rotterdam, 20. Jänner. Dem
‚Nieuwe Rotterdamschen Courants‘ wird telegraphiert,
daß man gestern nachmittag heftigen Kanonendonner
aus der Richtung Borkum hörte.« — Über Schall-
richtungen sind erfahrungsgemäß Täuschungen
möglich. Das Gefecht an der Küste begann zwischen
8 und '/,9 Uhr am Abend des 19. Jänner. Aber es ist
auch gar nicht ausgeschlossen, daß schon vorher auf
See britische Kriegsschiffe die deutschen Lufikreuzer zu
beschießen suchten. Dann handelte es sich um Ent-
fernungen von 140 bis 200 km (diese für die deutsche
Einbruchstelle an der englischen Küste) bis zur Gegend
von Rotterdam, eine Entfernung, die der genaueren
Angabe vom 24. Jänner 1915. sehr nahe kommt.
Noch ein anderer Umstand kann dafür angeführt
werden. An der holländischen und an der belgischen
Nordseeküste ist die rätselhafte Erscheinung des See-
donners nicht selten. Als »Mistpoeffer« hat er durch
den dort einheimischen Physiker van den Broeck
eine der bekanntesten Beschreibungen gefunden. Die
Erklärungen waren sehr verschieden. Sie sind schon
in atmosphärischen, vulkanischen und maritimen
Richtungen gesucht worden. Bei dem letzten Auftreten
der »Mistpoeffers« am 12. August 1910, auf dem jetzt
vielgenannten belgischen Bäderstrande, erhielt der
Genter Geograph van de Vyver von den Strand-
bewohnern die Erklärung: »On tire en Angleterre«
(Man schießt in England). Es scheint, als ob diese
einfache Erklärung auch die richtige ist.
Wilhelm Krebs.
52
Flugfragen und Witterungsaussichten.
Von Wilhelm Krebs.
(Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen.)
Störungsfolgen aus den Hauptherdgebieten der tropischen Sturmbll duns
1915,
| Wochen F a Tim Indischen Ozean |
Im Westatlantik | im Westpazifik (Westen) |
turm- rm- Sturm- | Sturm- — f Sturm- Sturm- ;
und bildun | bildung bildun erg, 3841 oe |
Jänner 20.bis26. 26. Dezbr. | 3. bis ID. | 13. bis 19. 26. Dezbr.| 3. bis 0. |
| Dezember |bis3.Jänn.| Jänner | Jänner 7 bis 3.Jänn.| Jänner |
Nord- 17. bis 24. | |
zur amerika Ostasien | |
t Nord- Ostasien 1 | |
en amerika (Nord- (Osten)
Jänner 5 pazifik) + |
29. bis 31.
Schwarzes |
RE War a nn Ostasi Stu Pe (0. 150 Sturm-
stasien rm- sten rm-
bie 7. (Nord- | bildung hidung
a pazifik) 30. bis 6. | 30. bis 6.
Europa „nen, SS Se Ae l 3
Í Febr. 2 |
8. bis 14. |
Indische
„„ „„ a u \ 771: 7 y O t si ‘a aa (Westen )
Febr. 3 Nord- stasien esten
Europa ord-
15. bis 21. amerika pazifik) |
o. 7 3 Nord- 2ööͤ —fö⅛ ER
amerika |
Febr. 4
22. bis 28 |
- _. |. | Europa REE FERRE ee 8 |
2 Schwarzes |
März 1
Europa Neer-betiet |
1. bis 7 p (Osten)
— n Nord.. _....
amerika
März 2 |
8. bis 14. |
= — „ en NT ee aa & S
ärz 3
15. bis 21. Europa |
März 4 | |
22. bis 28. | |
nr - „7
März 5
29. bis 31. |
+ bezeichnet Störungsfolgen, die durch Unwetter-
oder Schiffsunfallmeldungen bestätigt sind.
Das Eintreffen der in der vierten Jännerwoche
östlich des Schwarzen Meeres erwarteten Störung aus
indo-afrikanischer Sturmbildung (26. Dezember bis
3. Jänner) gestaltete sich sehr folgenreich. Unter dem
26. Jänner wurde über Konstantinopel Unwetter in
Kaukasien gemeldet, als Ursache der völligen Ein-
stellung der dortigen Kriegshandlungen. Über Mittel-
europa hatte sich die ebenfalls von dem Auftreten
solcher südöstlichen Tiefbildung erwartete Ausbreitung
der fälligen Kältewelle vollzogen, die wieder nicht
ohne Rückwirkung auf die Vorgänge auf dem polnisch-
russischen Kriegsschauplatze war. Diese offenkundige
Wichtigkeit der Störungen aus dem indo-afrikanischen
Herdgebiete tropischer Sturmbildung gab Veranlassung,
solche Störungen nun vollständig im Sturmkalender
zu bringen.
Die Kabelmeldung eines schweren Schiffsverlustes
im amerikanischen Westatlantik, 300 Seemeilen von
Kap Henry, ermöglichte am 29. Jänner eine genauere
telegraphische Sturmwarnung nach Helgoland, und
zwar rechtzeitig. Das bedeutete in diesem Falle zwei
bis drei Tage vor dem diesseitigen Sturmausbruch
innerhalb eines um fünf Wochen im voraus ange-
kündigten Störungstermines.
Wiederkehr gesteigerter Sonnentätigkeit gegen-
über der Erde ist vorberechnet im März 1915 bis zum 6.,
zwischen dem 10. und 22. und nach dem 27. Besonders
in der ersten und in der letzten dieser Märzepochen
sollte auf Kompaßstörungen geachtet werden.
Zwei Luftkreuzerfahrten der letzten Jännerwoche
1915 legten, wenn sie auch beide von deutschen Flug-
schiffen ausgeführt wurden, ein deutliches Zeugnis
ab für die Überlegenheit des spezifisch deutschen
starren Systems. Ein Zeppelin-Schiff, das von einer
Fahrt nach Nancy den Heimweg nahm, entging un-
versehrt der Beschießung der dortigen Artillerie. Das
war am 29. Jänner. Vier Tage vorher, am 25. Jänner,
war ein anderer deutscher Luftkreuzer bei Liebau in
der gleichen Lage. Er fiel aber dem doch sicher dem
französischen nicht überlegenen Feuer der russischen
Artillerie zum Opfer. Seine Bemannung geriet in Ge-
fangenschaft. Ihre geringe Zahl (sieben Mann) bezeugt,
daß er kein Zeppelin-Schiff war.
In deutschen Zeitungen ist er mit »P. 79« be-
zeichnet, mit einer sicherlich zu hohen Nummer. Wenn
man sich außerdem die russische Schreibart des »P«
vor Augen hält, ergibt sich ein sehr wahrscheinlicher
Schluß auf -M. 9«. Auf jeden Fall handelte es sich
um einen halb- oder unstarren Luftkreuzer. Diesen
dürfte unter solchen Umständen das Suchen nach den
in der Ostsee zurzeit befürchteten feindlichen Unter-
secbooten eine dankbarere Aufgabe bieten, als der
Besuch stark bestückter Landstellungen des Feindes.
53
Die Luftfahrt im Kriege.
Aus einem Vortrage des Major d.R. Franz Hinterstoißer.
Die ersten Monate des Kriegsjahres sind vorüber!
Die bangen Stunden, Tage und Wochen, in denen
uns die Wucht kriegserfahrener, sehr gut bewaffneter
und seit langem schlagfertiger Massenheere an die
Wand zu drücken versuchte, sind hinter uns.
Wir haben nun selbst ausgiebig Kriegserfahrungen
gesammelt; alle Räder des kolossalen österreichisch-
ungarischen Heeresmechanismus, denen so viele Jahre
nur das allernotwendigste Betriebsmittel gereicht
wurde, sind nunmehr eingelaufen und alles klappt
nun in unserer herrlichen Armee, die Tag für Tag
neue Lorbeerreiser um ihre wehenden Fahnen windet.
Das Soldatenglück ist mit den starken, pflichtbe-
eisterten Bataillonen! Nicht zuletzt haben sich unsere
uftfahrzeuge, als die neuesten der modernen Kriegs-
mittel, einen würdigen Platz ganz vorne im Streite
erkämpft! Gefürchtet vom Feinde und hochgeehrt vom
Freunde, fehlt bei keiner Schlacht, bei keiner Be-
lagerung, bei keiner Gefahr das k.u.k. Luftschifferkorps.
Vorallemist es die Flugmaschine, die
täglich im kühnen Fluge ihre Wichtigkeit
dem Gegner in die Ohren donnert. |
Der Kriegskorrespondent Hermann Katsch des
Berliner Lokalanzeigers schildert wie folgt die Tätig-
keit unserer Flieger:
»Als Wright vor 5Jahren sein schwerfälliges Flug-
zeug mit Hilfe einer Startmaschine auf dem Tempel-
hofer Felde den neugierigen Berlinern vorfiihrte, wer
hätte schon damals daran denken dürfen, daß in
einem der nächsten Kriege die Flugmaschine nicht
nur zu einem wichtigen Gliede des ganzen Kampf-
bildes werde, nein, daß sogar dieses Kriegsbild durch
die Flugmaschine eine gründliche und sehr eigen-
artige Veränderung erfahren würde! Und als dann
durch das unablässige Ringen um die Beherrschung
der Luft, die Technik und die Industrie Geräte schufen,
die schrittweise im Hoch-, Weit- und Schnellfluge
fast täglich die Grenzen menschlichen Könnens ver-
schoben, und unsere westlichen Nachbarn, auf deren
Grund und Boden die deutschen Heere jetzt stehen,
scheinbar alle anderen Völker durch verblüffende
Leistungen zu überholen schienen, wer war da nicht
in Deutschland der Ansicht, daß die scheinbar zu
pedantisch und zögernd den Fortschritten des Flug-
zeugbaues folgende deutsche Heeresverwaltung den
Vorsprung, den die Franzosen gewonnen hatten, zum
Schaden unserer Waffen nie einholen würde! In den
zahlreichen Vereinen, die sich mit den Fragen der
Flugtechnik beschäftigten, bildete darum das Thema
oft den Gegenstand von Vorträgen und Diskussionen,
wie der nächste Krieg durch das Flugzeug umgestaltet
werden würde, das nur in den seltenen Fällen als ein
Gegenstand des Sportes erschien und im Gegenteil
fast ausschließlich als Waffe ausgebildet wurde.
Da waren viele, die als erste Erscheinung eines
neuzeitlichen Kampfes einen Zweikampf von Flieger-
geschwadern an der Grenze prophezeiten, einen Zwei-
kampf, der wieder zu den allerersten Formen der
Fehde, zum Kampf des einzelnen gegen den einzelnen,
zurückführen würde.
Und alles kam anders. Es mag ja sein, daß zu
Beginn des Krieges auch den Fliegern Aufgaben zu-
fielen, die gelegentlich auch wohl zum Zweikampf
geführt haben, aber der Wert des Flugzeuges erweist
sich auch auf taktischem, nicht nur auf strategischem
Gebiete, und der Beginn des Krieges ist der stra-
tegische Aufmarsch.
Ein paar Aufregungen schufen ja wohl am Nieder-
rhein und in Mitteldeutschland beobachtete fran-
zösische Flieger im Beginn des Krieges, aber die
unzähligen, nach allenRichtungen fahrenden Eisenbahn-
züge, die unser Heer zum Kampfe führten, konnten
ihnen nichts verraten, irgend welchen Schaden, der
unsere Mobilmachung hätte stören können, vermochten
sie nicht anzurichten, ob es ihnen an Wagemut, an
geeigneten Wurfgeschossen oder — gar an geo-
graphischen Kenntnissen gebrach, die niemals eine
ee der Franzosen gewesen ist, man weiß
es nicht......
Was zunächst die Gefahren betrifft, die im Kriege
zu dem an sich gefährlichsten aller Fortbewegungs-
mittel hinzutreten, ist der Umstand, daß der Flieger,
hoch am Himmel dahinziehend, von Zehntausenden
gleichzeitig erblickt wird, die ihn abzuschießen
trachten.
Da das Rattern des Motors alle vom Schießen
herrührenden Schallwirkungen übertönt, ist im Krieg
der Flieger gezwungen, ununterbrochen zu beobachten,
ob und wo er das Feuer des Feindes auf sich lenkt;
gleichzeitig muß er in seinem Elemente, der Luft,
unausgesetzt und nach allen Richtungen ausspähen,
ob sich ihm in der Luft ein Gegner stellt, um recht-
zeitig eine größere Höhe als der andere zu erreichen:
denn der vom Feinde überflogene Flieger ist dem
anderen ausgeliefert.
Schließlich ist der Kriegsflieger auch gezwungen,
nicht nur wie der Sportflieger einen zum Landen
geeigneten Platz im unbekannten Gelände ausfindig
zu machen, sondern er muß stets hinter der Front
der eigenen Truppen landen, da ein Zur-Erde-gehen
hinter der feindlichen Front mit Sicherheit mindestens
den Verlust eines BLU und die Außergefecht-
setzung zweier kriegsmäßig ausgebildeter Flieger-
offiziere bedeutet.
Wenn man zu allen diesen Anforderungen noch
die Notwendigkeit rechnet, den Motor in allen seinen
Teilen dauernd zu überwachen und den zufälligen
Angriffen der wechselnden Luftströmungen in jedem
Augenblicke erfolgreich zu begegnen, so wird man
auch der Heeresverwaltung recht geben, die auf alle
verblüffenden Sportflugzeuge verzichtete und vom
Anfang an von der Industrie sichere, schwere und
für zwei Flieger eingerichtete Maschinen verlangte.
Dieselben Gesichtspunkte waren auch bei der
k. u. k. Luftschifferabteilung maßgebend.
Und so sehen wir, daß schon 1910 die idealschöne
Etrich-Taube für ein Eigengewicht von zwei Männern
eingerichtet wurde und daß als Normalflugzeug der
Doppeldecker, der Lohner-Pfeilflieger, bestimmt wurde.
Schon im Jahre 1911 waren unsere Flieger in
der Lage, 10 Stunden mit diesen Flugapparaten in der
Luft auszuharren; dabei konnte man über 1000 km
Weg zurücklegen und in einer Höhe von 2000 m
stundenlang dahinfliegen.
So hatten wir in ganz kurzer Zeit erstklassige
Rekognoszierungsmittel!
Nebenbei wurden von den Technikern die Motoren
betriebssicherer gemacht; die Flügel, die ja viel Platz
wegnehmen, wurden von Haus aus leicht abnehmbar
konstruiert, die ganze Ausrüstung wurde erprobt und
so feldbrauchbare Fliegergruppen (Reparaturwerk-
stätten, leichte Zelte und Transportwagen) zusammen-
gestellt.
Das Fliegen selbst ist keine schwere Kunst: Nicht
viel Wissenschaft, nur ein tapferes Herz im Leib und
Soldatenglück hiezu. Hier der Ausbildungsvorgang!
Zuerst einige Wochen Motorenkunde, Wetterregeln,
vielleicht eine Ballonfahrt, dann Fahrschule mit ge-
drosseltem Motor und schließlich der erste Flug.
Er ist gelungen. Mit Begeisterung kommt man
aus dem Reiche der gefiederten Sänger zurück und
singt nun selbst das Lob auf den unsagbar schönen
Luftreisen über die so kleine Welt dahin!
Man wird nicht müde, mit den Kameraden alles
zu besprechen, was man geschaut und erfahren hat;
kaum kann man die Zeit bis zum nächsten Aufstiege
erwarten. Endlich ist auch der da.
54
Alles ist gut gegangen. Nur ein paarmal hat
auf Sekunden ein Zylinder ausgesetzt: aber es sind ja
sechs; der eine wird sich schon wieder einrenken.
Richtig! Es geht schon wieder im gleichmäßigen
Rhythmus weiter. Herrlicher Gleichklang, der jede
Sorge verschlingt. Glatt gelandet.
Nun, bei dem nächsten Niederstieg kam das Luft-
fahrzeug jenem Graben zu nahe, aber doch blieb es
rechtzeitig stehen. Zwei Meter weiter und ein Kopf-
sturz wäre unausbleiblich gewesen. Dies Erlebnis ist
vorüber. Welch wohliges Gefühl, wenn die Gefahr
hinter einem liegt!
Nach dem folgenden Fluge bricht infolge der
harten Landung ein Laufrad.
Der Apparat neigt sich zur Seite, streift mit
einer Tragfläche den Boden und havariert; selbst hat
man nicht Schaden genommen.
So macht der junge Flieger bei schönem Wetter
unter Aufsicht des erprobten Lehrers, der ihn auch
anfangs begleitet, etwa ein Dutzend Flüge.
Alles ist eitel Freude und Lust. Einmal nur hätte
der Schüler beinahe die Umplankung landend umge-
rannt. Er kam dabei aus dem Sitze und machte einen
Salto, weil er den Riemen, mit dem er an den Sitz
gegurtet war, zu früh losgemacht.
Vor ein paar Tagen überraschte ihn in den Lüften
eine Vertikal-Bö. Hui! Gings damals rasch in die Tiefe!
Grausliches Gefühl! Aber der brave Motor setzte nicht
aus und schleppte das Flugzeug wieder in regelrechte
Luftschichten, wo die Fahrt wieder weiter ging, als wäre
nichts gewesen. Ich hätte durch dieses unsichtbare
Luftloch bis zum Boden sausen können. Das wäre
eine feine Landung geworden! Roß undReiter Kleinholz!
Gestern sind wir gar in der dunklen Nacht erst
zurückgekommen.
Der Luftschifferteufel hatte uns nämlich verleitet,
den Höhenrekord, welchen Kamerad X. vor Wochen
geschaffen, zu schlagen. Richtig gelang es uns, um
mehr als 100 m höher zu klimmen, aber es hat höllisch
lang gedauert, und schon war die Sonne schlafen
egangen, als wir immer noch unsere Kreise zogen.
Finster starrte der Boden herauf und wir hatten keine
Ahnung, ob wir uns schließlich auf einen Fabriks-
schlot, auf ein Hausdach oder in die grüne Wiese
setzen würden. Gott sei Dank! Der Landungsort war
nur ein Wald. Ein paar Hautabschürfungen und Kratzer
im Gesichte erinnern uns jetzt an diese interessante
Niederkunft.
Heute habe ich wirklich Pech gehabt. Ich habe
mir den Oberschenkel gebrochen. Das kam so: In
1000 m Höhe riß ein Spanndraht bei meiner »Taube«
und legte sich unglückseligerweise über die Schraube.
Sie fing zu splittern an und zersprang in wenigen
Augenblicken in Tausende Stücke. Fast senkrecht
stellte sich die Flugmaschine und nun ging’s mit
unheimlicher Geschwindigkeit dem Boden zu. Ein
schreckliches Gefühl. Das ganze Leben durchlebt man
nun in einigen Sekunden und glaubt schon, daß es
aus ist. Kaltblütig stellt man noch den Motor ab und
zieht mit ganzer Kraft das Héhensteuer....
Siehe da, in 200 m Höhe etwa gelingt es wirklich,
den Kopf des stürzenden Vogels noch hinauf zu reißen;
das Flugzeug mäßigt den Sturzflug, aber doch bricht
alles unter und ober mir zusanımen.
Als ich wieder zur Besinnung komme, lieg’ ich
im Spital und denke schon wieder an den nächsten
Aufstieg.
Jetzt werde ich aber alles noch hnndertmal mehr
visitieren, bevor ich aufsitze .....
Kaum genesen, geht’s wieder in die Höhe. Man
ist inzwischen schlauer, bedächtiger und vorsichtiger ge-
worden, hat von Flug zu Flug neue Gefahren und Klippen
—
des Luftmeeres erkennen gelernt und verliert
nach und nach viel an Schneid, die so unverwüstlich
schien.
So sieht's im allgemeinen aus. Es ist durchaus
menschlich, und nur wenige Ausnahmen ragen längere
Zeit aus der Luftschifferschar heraus. Wie Sterne
erglänzen sie, vergehen rasch und machen neuen
Größen Platz.
Allen Fliegern aber zollen wir Bewunderung.
Diesen Pionieren der Luftfahrt kann nicht genug
Ruhm, Auszeichnung und Anerkennung zugewendet
werden.
Nun zum anderen Vertreter der Luftfahrt im
Kriege, zum lenkbaren Ballon.
s ist merkwürdig, daß der Laie immer glaubte,
der Luftballon ist der Uberwinder gewesen; er wäre
es, der das Luftmeer erobert u. s. w.
Mag sein, daß die gewaltigen Dimensionen und
die majestätische Erscheinung eben den einschüchtern-
den Einfluß auf daß Volk ausüben, aber es muß doch
Bedenken erregen, daß gerade die Ballonsportleute
nicht sofort blinde Anbeter der Lenkbaren wurden:
sie haben ja wiederholt den verderblichen Einfluß
des Windes bei den Ballonlandungen kennen und
fürchten gelernt; sie wissen, daß eben nur die Luft-
schiffhallen sicheren Schutz gewähren und nur in
pam Lande das Fahren mit Kraftballons kein großes
isiko ist, in dem eine entsprechende Anzahl solcher
Häfen vorhanden ist.
Deutschland und Frankreich haben -- wie
Ing. Friedrich Huth ausführt -- die Ergebnisse ihrer
militärischen Experimente mit den Luftschiffen, speziell
die Manövererfahrungen mit großem Geschick ver-
schleiert. Aber es steht fest, daß das starre System
der lenkbaren Luftschiffe sich am trefflichsten bewährt
hat. Der Inhalt der »Zeppeline« ist seit 1906 auf weit
mehr als das Doppelte angestiegen, und damit hat
auch die Geschwindigkeit zugenommen. Sie betrug
1906 etwa 58km pro Stunde, während der neueste
Typ eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 104km pro
Stunde besitzt. Mit anderen Worten: Die modernen
»Zeppeline« schneiden bei einem Schnelligkeits-
vergleiche mit den Flugzeugen durchaus günstig ab.
Die »Zeppeline«, die sich als wirkliche Schlacht-
schiffe der Luft gebrauchen lassen, sind außerdem
mit Maschinengewehren ausgestattet, die zur Abwehr
gegen Flugmaschinen vornehmlich benützt werden.
Über die Wirkungen der Sprengladungen, die
über Bord geworfen werden, ist die Meinung geteilt,
die moralische Wirkung ist aber jedenfalls eine
ungeheure.
Das Luftschiff hat aber noch einen anderen
riesigen Vorzug, das ist seine Fähigkeit, sicher und
unbehelligt bei Nacht zu fahren. Nach diesem großen
Kriege werden wir wohl von vielen solchen nächtlichen
Unternehmungen zu hören bekommen.
Selbst der alte Kugelballon und der Drachen-
ballon finden heute noch im Felde und Festungskriege
hervorragende Verwendung als Zielaufklärer und
Schußbeobachter. Der Ballon war übrigens nie ein
Feind der Luftfahrt, wie viele sagen, denn er hat
seit Jahr und Tag die freie Atmosphäre befahren und
die Wege erforscht, die später die Luftfahrzeuge
gewandelt sind.
Nun zum Schlusse möchten wir hoffen,
daß unsere Luftfahrer es nicht notwendig
hatten, im Kriege umzulernen, was sie in
den Friedensjahren auf dem Flug- und Ex-
erzierplatz gelernt haben. Neues, viel neue
Erfahrungen werden sie aus dem Felde mitbringen
und es wird für sie nicht schwer sein, daraus eine
wirklich vorbildliche Organisation von Militärluft-
fahrertruppen zu schaffen!
55
Armierte und gepanzerte Flugzeuge.
Von Fritz Lichtenstern, Wien. i
Allgemeines.
Als im Anfang dieses Jahrzehntes die Aviatik in
ein Stadium ruhigerer Entwicklung eintrat und die
Heeresverwaltungen der GroBstaaten Flugzeuge an-
schafften, muBte man auch daran denken, die Flug-
zeuge eines Gegners, der gleichfalls über solche ver-
fügt, bekämpfen zu können. Es ist dies die typische
Erscheinung in der Kriegsgeschichte, daß immer ein
Abwehrmittel geschaffen werden mußte, sobald ein
neues Kriegsmittel auftauchte. — Von den Luftfahr-
zeugen aus sollten Festungen, Lagerplätze, Truppen-
körper, Schiffe etc. vernichtet werden. Schließlich
erkannte man, daß Flugzeuge mit Bomben oder
Maschinengewehren zu bewaffnen sind und daß letztere
mehr zur Abwehr dienen. Im Gegensatze zu den
Bomben, die unten, auf der Erde befindliche Objekte
treffen sollen, werden die durch Pulverkraft abge-
schossenen Projektile hauptsächlich. zur Bekämpfung
von Luftfahrzeugen gebraucht. Die Möglichkeit des
Schießens mitgewöhnlichen Armeegewehren, Revolvern
etc., die selbstverständlich ist, ist hier weiter nicht be-
rücksichtigt. Ebenso soll von Brandpfeilen, sogenannten
fliegenden Bomben, Lufttorpedos etc., deren Gebrauch
beschränkt geblieben ist, nicht gesprochen werden. —
Da der Pilot des Flugzeuges von der Lenkung genug
beansprucht ist, sollen, wie dies auch tatsächlich
gewöhnlich erfolgte, nur mindestens zweisitzige Flug-
zeuge armiert werden.
Bomben und Visiervorrichtungen.
Bereits 1910 wurde durch Flugveranstaltungen,
besonders aber durch den bekannten französischen
Pneumatikfabrikanten Michelin Wettbewerbe ange-
regt, die das Abwerfen von vorläufig imitierten Spreng-
körpern aus Flugzeugen von einer bestimmten Höhe
und innerhalb eines auf dem Boden befindlichen
Kreises von bestimmtem Radius bezweckten.
Soll der Körper das Ziel erreichen, so muß die
Geschwindigkeit und die relative Höhe des Flugzeuges
bekannt sein. Erstere kann mit den gewöhnlich zu
Gebote stehenden Mitteln nicht genau gemessen
werden. Die Höhe über dem Meeresspiegel wird an
einem Höhenmesser abgelesen und die Meereshöhe
des Zieles, die auf der Karte ersichtlich ist, abge-
rechnet. Wegen der durch das Flugzeug erteilten
Beschleunigung fällt der Körper nicht senkrecht zu
Boden. Seine Bahn bildet aus diesem Grunde eine
Parabel. Dieser Faktor muß natürlich in Betracht
gezogen werden.
Die Bomben befinden sich in eigenen Behältern,
die nächst dem Passagiersitze angeordnet sind. Bei
einem H. Farman-Zweidecker z.B., der Mitte 1912
gebaut wurde, sind diese Behälter in länglicher Form
seitlich des Sitzes angebracht. Sie sind der Länge
nach in Unterabteilungen gesondert, die gerade Platz
für eine Bombe bieten. Im Gebrauchsfalle werden sie,
nachdem sie aus dem Behälter genommen worden
sind, zwischen den Füßen fallen gelassen.
Beim Abwerfen kommt es darauf an, daß der
Schütze das Terrain unter sich und das Ziel gut sicht.
Der vorerwähnte Zweidecker hatte noch nicht das
kurze bespannte Boot, wie es heute bei dieser Bauart
üblich ist. Man geht daher sowohl bei den Flug-
zeugen mit hinten und vorn liegendem Motor in
der Weise vor, daß man entweder den Rumpfboden
ausschneidet oder die Bomben seitlich des Gerüstes
fallen läßt. Befindet sich seitlich unter dem Boote
ein Teil des Fahrgestelles oder andere Teile des
Apparates, so müssen, damit diese von der Bombe
nicht getroffen werden können, Führungsrohre für die
Bomben verwendet werden. Da bei Verwendung von
massiven Rohren eine Profilierung zu umständlich
wäre, nimmt man Führungen aus Drahtgeflecht.
Um freien Ausblick nach unten zu erreichen, wird
der betreffende Teil der Bodenbespannung durch eine
Glimmerplatte ersetzt.
Visiervorrichtungen.
Da beim Zielen eine Größe, die Geschwindigkeit,
gewöhnlich nicht bestimmbar ist, wurden Vorrichtungen
konstruiert, die dies ermöglichten, so daß sich gute
Treffresultate erzielen lassen mußten. Sowohl in
Frankreich als auch in den Vereinigten Staaten selbst
wurde die Visiervorrichtung des amerikanischen
Leutnants Scott verwertet (1911). Der Apparat besteht
aus einem Fernrohre, das an einem Sextanten um
eine horizontale Achse drehbar ist. Der Rahmen, an
dem das Ganze aufgesetzt ist, ist kardanisch aufge-
hängt und trägt ein Getriebe, mittels dessen man das
Fernrohr in die Ebene parallel zur Flugrichtung drehen
kann. Unterhalb des Rahmens befinden sich die Bom-
ben, die der Schütze im geeigneten Augenblicke mit
der Hand ausstößt. Damit wegen der Massenträgheit
sich kein Ausschlag des Rahmens ergibt, trägt der-
selbe unten ein Gewicht.
Die Höhe über dem Erdboden wird auf folgende
Weise bestimmt: Durch das Fernrohr wird das Objekt
auf der Erdoberfläche in der Flugrichtung visiert.
Dann ist der Winkel, in dem das Fernrohr eingestellt
werden muß, an dem Sextanten ablesbar. Nun wird
das Fernrohr in die senkrechte Lage gebracht und
die Zeit festgestellt, die bis zum Wiedererscheinen
des Objektes im Fernrohre verstreicht. Nun sind alle
Winkel und eine Kathete eines rechtwinkeligen Drei-
ecks gegeben und die zweite, die Höhe, läßt sich
berechnen.
Scott hat darauf Tabellen für alle in Betracht
kommenden Höhen und Geschwindigkeiten aufgestellt
und die betreffenden Winkel bestimmt, in die das
Fernrohr einzustellen ist, um durch das Abwerfen der
Bombe das Ziel zu treffen, wenn es sich im Fernrohr
zeigt. Dabei muß letzteres in dem durch die Tabelle
angegebenen Winkel eingestellt sein. Berücksichtigung
der parabolischen Bahn der Bombe wie oben.
Bei seinen Versuchen benützte Scott einen
Wright-Zweidecker. Hier mußte der Passagier, um
visieren zu können, eine recht unangenehme Stellung
einnehmen. Sowohl für die Präzision der Einstellung
des Fernrohres wäre es besser, als auch für den
Beobachter bequemer, wenn das Visieren liegend
besorgt werden könnte. Möglich ist dies aber nur in
Rumpfflugzeugen.
Um das gefährliche Hantieren mit den Bomben
während des Fluges zu vermeiden, hat die Roland-
Luftfahrzeug-Gesellschaft eine Vorrichtung gebaut,
die das Fallenlassen der Sprengkörper durch Tritt auf
ein Pedal gestattet. Die Sprengkörper fallen direkt
aus dem Behälter heraus.
Verwendung von Bomben gegen Luftfahrzeuge.
In erster Linie kommen Sprengkörper zur Ver-
nichtung von Objekten auf der Erdoberfläche in
Betracht. Diese Ziele müssen entweder unbeweglich
sein oder die Geschwindigkeit darf im Verhältnis zu
der des Flugzeuges nicht zu groß sein. Die Bewegungs-
richtungen dürfen dann keinen zu großen inkel
einschließen oder gar entgegengesetzt sein. Bei
gleicher und paralleler Bewegungsrichtung ist die
Treffwahrscheinlichkeit natürlich am größten.
Wegen der großen Oberfläche ist die Treffsicher-
heit für das gasgetragene System besser, zumal der
Lenkballon nicht so leicht zu steuern ist, und er nicht
die Wendigkeit des Flugzeuges besitzt. Da die Ver-
hältnisse bei letzterem umgekehrt sind, ist es schwerer
zu treffen.
56
Will der Schütze das feindliche Flugzeug mit
einer Bombe treffen, so müßte sein eigener Apparat
den anderen zuerst überfliegen. Dies ist bei ursprüng-
lich ungefähr gleicher Höhe der beiden Flugzeuge so
gut wie unmöglich, weil der Pilot des angegriffenen
Apparates mindestens in gleiche Höhe kommen will.
Nur dann, wenn dieser besonders schwer ist, wird
dieses Manöver weniger leicht glücken. Hier spielt
also die Steiggeschwindigkeit die größte Rolle. Ist
aber schon bei der Begegnung eine Höhendifferenz
vorhanden, dann ist auch der untere Apparat schwer
zu erkennen und mit einer Bombe zu treffen, da er
sich vom Gelände schlecht abhebt.
Daraus geht hervor, daß im Kampfe zwischen
Flugzeug und Lenkballon die Bombe eine unter-
geordnete, im Kampfe zwischen Flugzeugen unter-
einander fast gar keine Bedeutung hat.
Maschinengewehre für Flugzeuge.
Daher mußte man zu einem Kampfmittel greifen,
mittels dessen man Geschosse nach beliebigen Richtun-
en abfeuern konnte. Eine solche Waffe mußte in erster
inie leicht sein und durch sie mußten sich in kurzer
Zeit viele Geschosse abschießen lassen. Denn der
feindliche (nicht armierte) Apparat ist nur auf Minuten
in solcher Nähe, daß man auf ihn gut zielen und ihn
mit den nicht weittragenden Projektilen erreichen kann.
Die Waffe, die hier allein in Betracht kommt, ist das
. Maschinengewehr und die ähnlich gebauten Maschinen-
pistolen etc. Der Bewaffnung der Insassen mit Ge-
wehren und Revolvern wurde bereits Erwähnung getan.
Am montierten Maschinengewehr unterscheidet
man 1. das eigentliche Maschinengewehr, 2. die
Lafette, 3. den Schild.
Da man mit Maschinengewehren 300 bis 400
Schüsse in der Minute abgeben kann, käme es wegen
der raschen Aufeinanderfolge der Schüsse zu einer
starken Erwärmung des Laufes. Diese würde ihrer-
seits eine Vergrößerung der Bohrung verursachen,
die wieder eine Verschlechterung der Treffresultate
nach sich ziehen würde. Es muß daher der Lauf die
durch die Schüsse erzeugte Wärme abgeben, wozu
man Wasser- und Luftkühlung verwendet.*)
A.Diebeiden Kühlungsarten.
Im Falle der Wasserkühlung ist der Lauf mit
einem Hohlzylinder (»Wasserjacke<), dessen Achse
oberhalb der Achse des Laufes liegt, umgeben. (Bei
Verwendung des Maschinengewehres auf der Erde
kann in wasserreichen Gegenden eine Pumpe benützt
werden, die Wasser aus einen Behälter oder Bach
etc. durch Schläuche zur Wasserjacke pumpt.) Da
der Schütze im Flugzeug verhältnismäßig wenig
Schüsse abzugeben Gelegenheit hat, kann die Wasser-
kühlung, die eine starke Kühlwirkung hat, diesen
Vorteil nicht recht zeigen. Wollte man aber bei
stärkerer Erwärmung Wasser nachfüllen, so wäre dies
im Flugzeug erstens wegen der schwierigen Unter-
bringung eines leicht erreichbaren Wasserbehälters
und wegen der Schwankungen des Flugzeuges und
wegen der besonderen Lage des Gewehres schwierig.
Der Lauf des Maschinengewehres mit Luftkühlung
trägt zum leichteren Ausstrahlen der Wärme Kühl-
rippen, die die Oberfläche vergrößern. Bleibt das
Maschinengewehr während des Gebrauches an dem-
selben Orte, so haben die Rippen eine schlechtere
Kühlwirkung als das Wasser. Im Flugzeug aber, wo
ein außerordentlich starker Luftzug herrscht, wird
dieser Nachteil wettgemacht. Wegen der stärkeren
Dimensionierung des Laufes ist die Präzision beim
Schießen größer als bei einem Lauf mit Wassermantel.
Ferner ist der Lauf leichter ersetzbar und das Gewicht
geringer.
*) Sowohl hinsichtlich der Notwendigkeit als der ge-
bräuchlichen Kühlungsarten fällt die Analogie mit den wasser-
und luftgekühlten Motoren auf.
Hinsichtlich der Verwendung im Flugzeug ist
also die Luftkühlung der Wasserkühlung vorzuziehen.
Tatsächlich ist bei den meisten in Flugzeugen einge-
bauten Maschinengewehren Luftkühlung zu finden.
B. Das Visier.
Da die Maschinengewehre die in den betreffenden
Staaten eingeführte Gewehrmunition verfeuern, so hat
der Lauf gleiches Kaliber wie das Armeegewehr. Da
aber der Lauf hier etwas kürzer ist, ist die ballistische
Wirkung nicht ganz dieselbe wie dort. Das Visier
besteht wie beim Armeegewehr aus dem vorderen
Visier, dem Korn, und dem hinteren Visier, dem Aufsatz
mit dem Grinsel. Damit Fehler beim Visieren, die sich
mehr fühlbar machen würden als beim Infanterie-
gewehre, wo schlechtgewählter Aufsatz leicht zu
korrigieren ist, nicht leicht vorkommen können, muß
die Visiervorrichtung sorgfältiger durchgebildet und
auch eingestellt werden. Zum Ermöglichen eines ge-
nauen Zielens werden sogenannte Schattenhäuschen
verwendet. Diese dienen dazu, die das richtige Zielen
a Lichtreflexe auf dem Korn zu ver-
meiden.
C. Der Patronenzubringer
besteht nicht, wie bei den gewöhnlichen Maschinen-
gewehren, aus einem Ledergurt oder Leinwandstreifen,
auf dem die Patronen aufgereiht sind, sondern aus
einem steifen Blechrahmen, der mit Schlitzen versehen
ist. Zwischen diesen stecken die Geschosse. Dies hat
den Vorteil, daß die erste Patrone und daher die
ganze Reihe leichter eingeführt werden kann. Da
wegen des großen Gewichtes und wegen der Un-
möglichkeit des Verfeuerns einer größeren Munitions-
menge, Streifen mit 200 bis 250 Patronen, wie sie im
Landkriege verwendet werden, unpraktisch wären, so
sind diese Rahmen tatsächlich vorzuziehen.
D. Die Lafette.
Wegen der Gewichtsersparnis ist die Lafette des
Maschinengewehres denkbar einfach. Sie besteht aus
einer einfachen Strebe, seltener aus einem drei- bis
vierteiligen Bock, auf dem oben eine Art Gabel ge-
setzt ist. Der Lauf muß sowohl nach der Seite als
auch nach oben und unten verdrehbar sein. Die
Gabel ist daher um einen senkrechten Zapfen, der in
der Gabel gelagerte Lauf des Maschinengewehres
um eine horizontale Achse drehbar.
E. Der Schutzschild.
Was den Schild, der die feindlichen Geschosse
vom Körper des Schützen abhalten soll, anbelangt,
so ist dieser entweder die gepanzerte Wand des
Bootes oder er ist aus Gründen der Gewichtsersparnis
weggelassen. Nur in einem Falle glaubte der Kon-
strukteur auf einen eigenen Schild nicht verzichten
zu können.
F. Die übrigen Teile des eigentlichen
Maschinengewehres.
Hinsichtlich derselben (Verschluß etc.) sind keine
Unterschiede bezüglich der auf festem Boden ver-
wendeten Typen hervorzuheben.
G. Besondere Konstruktionen.
In letzter Zeit erfuhr man besonders von fran-
zösischen und englischen Flugzeugen. die mit
Maschinengewehren ausgerüstet waren. Dabei wurden
meist das HotchkiB-Gewehr, eine französische Kon-
struktion, daneben als englische Fabrikate jene von
Maxim und Levis verwendet.
H. Das Schießen mit dem Maschinen-
gewehre. Das SchuBfeld.
Der wichtigste Teil des SchuBfeldes liegt vorn;
wenn nach vorn geschossen wird, so bietet, auch
wenn Schuß- und Flugrichtung einen kleinen Winkel
einschließen, der Körper des Flugzeuges den Ge-
schossen des Gegners die geringste Fläche. Größer
ist diese, wenn das vordere Schußfeld ausgeschaltet
ist und der Pilot den Apparat erst seitlich wenden
muß, wenn sein Passagier schießen will.
Das vordere Schußfeld muß also frei sein. Es
darf weder durch die Schraube noch durch Flächen
oder andere Teile behindert sein. Natürlich muß auch
der Führer. hinter dem Schützen sitzen.
Übrigens müßte wegen des Rückstoßes die Flug-
und Schußrichtung nicht zusammenfallen. Der Rück-
stoB beim Maschinengewehr ist deshalb geringer als
beim Infanteriegewehr, da er bei der sogenannten
Automatik (automatisches Öffnen des Verschlusses etc.)
ausgenützt wird. Auch wenn letzteres nicht der Fall
wäre, so würde das Maschinengewehr den Rückstoß
rößtenteils selbst aufnehmen, da es schwerer als das
meegewehr ist.
J. Die verschiedenen Anordnungsarten von
Maschinengewehren im Flugzeuge und die
teilweise dadurch bedingten verschiedenen
Bauarten.
Hinsichtlich des freien Ausschusses nach vorne
und der dadurch in bezug auf die Rumpfflugzeuge
veränderte Anordnung der einzelnen Teile ist von den
verschiedenen Bauarten die von Voisin-Farman
noch immer die beste. Die Schattenseiten derselben
— Gefährdung der Insassen durch den Motor beim
Sturze und großer Luftwiderstand des Steuergerüstes —
sind schon häufig genug betont worden.
Solche Zweidecker, die mit Maschinengewehren
ausgerüstet wurden, sind: Voisin-Doppeldecker (Pariser
»Salon« 1910 und Mitte 1914), H. Farman -Wasser-
zweidecker (»Salon« 1912), Landzweidecker (Beginn
1913), M. Farman-Doppeldecker (Londoner »Aero-
Show« 1914) etc.
Um aber auch von Eindeckern, die wegen der
Schnelligkeit bei der Verfolgung feindlicher Flugzeuge
sichtlich im Vorteile sind, nach vorne schießen zu
— —— ee.
57
können, kann man die Schraube und den Motor nach
hinten, und zwar erstere an das Ende des normalen
Eindeckerrumpfes verlegen (Torpedo-Eindecker). Die
Schraube wird dann durch eine Welle von ent-
sprechender Länge angetrieben. Man erhält nun zwar
Voisin-Eindecker.
einen vollständig ungehinderten Abzug des durch die
Schraube erzeugten Luftstromes. Als Nachteil nimmt
man aber außer der gefährlichen Lage des Motors
die Umständlichkeit der langen Welle, das umständ-
liche Montieren der Lager und das Gewicht derselben
in Kauf. Weiters wird wegen der besonderen Lage
der Schraube die Steuerung erschwert.
Eindecker Tatin-Paulhan.
Der erste Apparat dieses Typs wurde von dem
bekannten Theoretiker und Praktiker Viktor Tatin
zusammen mit dem Piloten und Konstrukteur Louis
Paulhan Mitte 1911, und zwar zu friedlichen Zwecken
gebaut. Seither konstruierten nur Borel (»Salon« 1913)
und Ruby (Beginn 1914) ein solches Flugzeug.
(Schluß folgt.)
Bücherbesprechung.
Der Bilériotsche Flugapparat und seine Benützung
durch Pégoud vom Standpunkte des Ingenieurs.
Von Paul Béjeuhr, Dipl.-Ingenieur, Berlin, mit
26 Abbildungen im Text. Druck und Verlag von
Friedrich Vieweg & Sohn, Braunschweig 1914.
Meine, in mehrjähriger, fachpublizistischer Be-
schäftigung gewonnenen Erfahrungen haben mir schon
längst den guten Glauben an einen wirklich
wirksamen Schutz geistigen Eigentums geraubt.
So sehr ich in jedem einzelnen Falle jeglichen
Eingriff in fremde geistige Urheberrechte als
eine gröbliche Mißachtung und Verletzung journalisti-
schen Anstandes verurteile, so habe ich mich dennoch
im Laufe der Zeit und im Bewußtsein völliger
Ohnmacht gegenüber der schon fast gewohnheits-
mäßigen und leider immer mehr überhandnehmenden
Produktion geistigen Schmarotzertums langsam daran
gewöhnt, derlei Erscheinungen auf das Konto unseres,
durch das fortschreitende Anwachsen des Konkurrenz-
kampfes krankhaft veränderten Zeitcharakters zu
buchen. So vermag mich heute — ganz im Gegensatz
zu früher nichts mehr zu einem energischen
Hinweise auf den a zu verleiten,
wenn ich hin und wieder beim Durchblättern dieser
oder jener Fachzeitschrift auf die wörtliche Wiedergabe
meiner ureigensten Ansichten, auf die getreue
Reproduktion meiner Originalskizzen und Zeichnungen
stoße, selbst dann nicht, wenn, was ja fast aus-
nahmslos der Fall ist, mein Name als der des Autors
»versehentlich« fortgelassen und aus
Zeichnungen ebenso »versehentlich« entfernt
worden ist. Aus dem Umstande, daß sich die Fälle
der Zugrundelegung und Benützung fremden, geistigen
Eigentums in selbständigen, als »Originalabhandlungen«
deklarierten Publikationen in letzter Zeit mehren,
ist eben zu schließen, daß dieser nicht genug zu
verurteilende Vorgang zu einer förmlichen Gepflogenheit
eworden ist, die selbst durch den ausdrücklichen
ermerk des Stammorganes: »Nachdruck unserer
Originalartikel untersagt« oder »Nachdruck nur mit
Quellenangabe und ausdrücklicher Genehmigung der
Redaktion gestattet«, in ihrer Existenz nicht im
mindesten gefährdet werden kann.
Ich fühle mich durchaus nicht berufen, diese
Zustände detaillierter zu kritisieren oder Mittel und
Wege vorzuschlagen, die einen Wandel in dieser
Beziehung schaffen könnten. Jedenfalls aber wäre
dies eine dankbare Aufgabe für einen rechtskundigen
zünftigen Journalisten. Ich hätte wahrlich auch die
für eine bloße Bücherbesprechung gewiß ungewöhn-
liche Einleitung gerne vermieden, wenn es hier
nicht gälte, sich endlich einmal der eigenen
Haut zu wehren.
Vor mir liegt in schmuckem, gelbern Bande eine
kleine Broschüre, deren Inhalt mich aus doppelten
Gründen lebhaft interessierte. Einmal wegen des
behandelten Themas, und dann wegen des Autors,
dessen Name sich in den Kreisen der engeren Flug-
technikerzunft des besten Klanges erfreut: »Der
den Bleriotsche Flugapparat und seine Benützung durch
58
Pégoud.« Von Paul Bejeuhr, Dipl.-Ingenieur in
Berlin. Ich habe das kleine, für den Fachmann und
auch für den nicht ganz unvorbereiteten Laien in
gleich verständiger, flüssiger Weise geschriebene
Werkchen mit größtem Interesse vom Anfang bis
zum Ende durchgelesen und kann ohne jegliche
subjektive Urteilstrübung wohl behaupten, daß es
eine ganz geschickte Zusammenfassung und geistreich
interpretierte Behandlung des im Titel aufgeworfenen
Themas bietet. Was ich aber nicht verschweigen
kann, ist, daß ich dem Autor dieser sonst sehr inter-
essanten Schrift den Vorwurf einer bedauerlichen
Verletzung meines geistigen Urheberrechtes
machen muß, einen Vorwurf, den ich schon deswegen
nicht unterdrücken kann, als der Verfasser im
Vorworte sowohl, wie auch im Verlaufe seiner fach-
lichen Ausführungen der verschiedensten Quellen
gedenkt, aus denen er geschöpft, dabei aber meiner
vollständig vergißt, wiewohl er von meinen
Veröffentlichungen den ausgiebigsten,
stellenweise sogar wörtlichen Gebrauch
gemacht hat.
Zur näheren Darlegung dessen will ich zeitlich
ein wenig zurückgreifen. Als uns Pégoud im
Herbste 1913 auf dem Asperner Flugfelde seine
neuartigen Flugkünste vor Augen führte, regte mich
der Anblick seiner wirklich fesselnden Experimente,
sowie die Überzeugung, daß das Dargebotene für
die praktische Ausübung des Fliegens von
größtem Werte sein könnte, sobald es in
unzweideutiger Weise technisch inter-
pretiert und kommentiert würde, zu einer Unter-
suchung jener Vorgänge an, welche bei der Voll-
führung aller dieser Evolutionen mitspielten, ja, sie
überhaupt ermöglichten. Ich zerlegte die Flug-
bewegungen des Apparates, soweit sie mit dem
Auge verfolgbar waren, in einzelne Phasen,
rekonstruierte mir daraus die Steuerungsmaßnahmen
des Lenkers, da Pégoud selbst hierüber nicht das
eringste verlauten ließ. Die Ergebnisse dieser
Onfersuchung. welche sich also nur auf Wahr-
nehmungen stützten, veröffentlichte ich in übersicht-
licher Weise unter dem Titel: »Technische
Impressionen vom Schaufluge Pégouds«
in Heft 21 vom 15. November 1913, Jahrgang IV, der
„Zeitschrift für Flugtechnik und Motorluftschiffahrte,
Berlin. Hiebei brachte ich nicht bloß die bildliche, resp.
zeichnerische Rekonstruktion dereinzelnen
Flugphasen, sondern auch eine graphische
Darstellung der Trägheitsmomente des
Bleriot-Eindeckers nebst einigen Details.
Es war dies die erste detaillierte,
mechanisch-einwandfreie, publizistische
Behandlung der Pegoudschen Flüge.
Denn die vorangegangenen Veröffentlichungen be-
wegten sich auf sachlich grundfalscher Basis,
wie die späteren über dieses Thema abgehaltenen
Diskussionen bewiesen. Die Richtigkeit meiner
zeichnerischen Darstellung und Erklärung wurde
vielerseits bestritten, bis eine von Herrn Ingenieur
Vorreiter, Berlin, erworbene kinematographische
Filmaufnahme sie vollinhaltlich bestätigte. Herr
Vorreiter hatte gelegentlich eines über dieses
Spezialthema im Berliner Reichsflugverein
abgehaltenen Diskussionsabendes auch meine
Zeichnungen und Erklärungen zum Gegen-
stande eines Vortrages gemacht, der allseits mit
großem Beifalle aufgenommen wurde. In der Folge
erschienen in mehreren in- und ausländischen Tages-
blättern populäre Erklärungen der Flugvorführungen
Pegouds, die sämtlich erwiesenermaßen auf der von
mir zuerst gefundenen Deutung aufgebaut waren.
Der geneigte Leser, der heute unter der Rubrik
»Bücherschau« eine ausführliche Besprechung mit
genauer Inhaltsangabe des betreffenden Werkes ver-
mutet haben wird, möge freundlichst entschuldigen,
wenn ich einmal mit der Schablone gebrochen und
an Stelle dessen Dinge erzählt habe, die scheinbar
nicht hieher gehören. Ich sage aber nur »scheinbar«,
denn zur Illustration der Bedeutung des vorliegenden
Bändchens erscheinen sie mir doch notwendig. Es
wäre mir gewiß niemals beigefallen, meine Wenigkeit
so in den Vordergrund zu drängen, auf meine eigenen
Arbeiten in so aufdringlicher Art hinzuweisen, wenn
mich nicht die Notwehr, mein geistiges Eigen-
tum zu schützen, aus der bisher beobachteten Reserve
und Gleichgiiltigkeit herausgerissen hätte. So z. B.
möchte ich kurz bei dieser Gelegenheit erwähnen,
daß das amerikanische Wochenblatt »Scientific
American« in seinem S. A.-Supplement Nr. 1986
vom 24. Jänner 1914 auf den Seiten 56 bis 58 eine
wortwörtliche Übersetzung der »Tech-
nischen Impressionen« veröffentlichte, hiebei in
einer Fußnote wohl die »Zeitschrift für Flugtechnik
und Motorluftschiffahrt<« als Quelle angab, jedoch
mein Zeichensignum »Ellyson« eigenmächtig
von meinen Originaltafeln entfernte. Meine Vor-
stellungen bei der Redaktion dieses Blattes blieben
selbstverständlich völlig erfolglos.
Der Autor des vorliegend zu besprechenden
Bändchens hat es nun nicht viel anders getan.
So finde ich auf Seite 39 als Fig. 23 eine Zeichnung,
die der Tafel Il meines vorzitierten Artikels direkt
entnommen ist, worauf noch die Massenlinien
hindeuten, die aus der Zeichnung im Buche
unbegreiflicherweise nicht entfernt wurden. Auch
hier wurde widerrechtlich mein Signum
entfernt, ja nicht einmal durch eine entsprechende
Bemerkung im Unterschriftentexte ersetzt. Des
weiteren belehrt die zeichnerische Darstellung des
Kräftespieles auf Seite 27, sowie die Zeichnung auf
Seite 22 links, daß der Autor sich meiner Dar-
stellungsweise bedient hat.
Aber auch textlich finden sich zahlreiche,
mitunter sogar wörtliche Kongruenzen und
Zitate aus meiner Abhandlung, ohne daß diese auch
nur ein einzigesmal in dem ganzen Bändchen
erwähnt worden wäre. Daß diese Kongruenzen nicht
ungewollt sind, das heißt nicht zufällig sind,
geht aus der Häufigkeit hervor, mit welcher sie
an den verschiedenen Stellen des Bändchens auftreten.
Gleich in der Einleitung finde ich den wörtlich von
mir übernommenen Passus: »mit einem feinen (fein-
fühligen) Verständnis für die Analyse der Flug-
bewegungen«, gleich darauf, wenige Zeilen weiter,
finde ich in derselben Reihenfolge die gleichen
Namen: Prevost, Gilbert, Brindejonc zitiert,
dazwischen bedient sich der Autor des gleichen
Gedankenganges und der gleichen Aus-
drucksweise, indem er auf die begeisterten
Ausführungen der »indifferenten« Tagespresse hin-
weist etc. etc. Ich könnte hier die Zahl der Wort-
beispiele noch über mehrere Spalten ausdehnen,
glaube aber, daß die kurzen vorstehenden Kostproben
bereits genügen. Dies soweit zur Klarlegung meines
Standpunktes bei der Beurteilung des vorliegenden
Werkchens. Was dieses also inhaltlich
anbelangt, so kann ich füglich behaupten, daß es
nichts anderes als eine Verbreiterung meiner
oberwähnten Abhandlung darstellt, durch
biographische Daten und auch Hinzufügung anderer
Ansichten geschickt, aber nicht zum Vorteile, erweitert.
Fritz Ellyson.
Der
Ungarische Luftschiff- und Flugmaschinen-
A.-G. Kaum daß jemand, mit Ausnahme der engsten
Interessenten, wohl von der Existenz dieses ungari-
schen Unternehmens gewußt haben mag. Bei ihrer
vorjährigen Generalversammlung wies sie auch noch
einen Verlust aus, nun scheint ihr der Weltkrieg mit
einem Ruck auf die Beine geholfen zu haben. Ihre
erates Bilanz schlieBt bei einem Aktienkapital von
K 150.000 mit einem Reingewinn von K 20.500.
Errichtung einer Flugzeug-Aktiengesellschaft.
Die Flugzeugindustrie verfügt in Osterreich und
Ungarn bisher erst über relativ wenig Unternehmungen.
Um so mehr wird es begrüßt werden, daß nunmehr
auch auf diesem Gebiete eine aller Voraussicht nach
vielversprechende DENE n zu erwarten ist. Wie
wir erfahren, dürfte in naher Zeit eine von General-
direktor Dr. Karl Freiherrn v. Skoda und anderen
zu errichtende Flugzeugfabrik unter der Firma:
»Österreichische Flugzeug-A.-G.« mit
einem Kapital von vorläufig 0°6 Millionen Kronen ins
Leben treten. Die Fabrik wird ihren Standort voraus-
sichtlich in Niederösterreich erhalten.
Auf Luftwache gegen Unterseeboote. Ein
eigenartiges Amt ist durch den Krieg dem norwegi-
schen Militärflieger Leutnant Gran zuteil
5 Er umkreist auf einem Wasserflugzeug die
üsten und das neutrale Meergebiet Norwegens, um
Unterseeboote der kriegführenden Mächte aufzuspüren
und sie aus diesen Gewässern zu verscheuchen.
— +
LLL Chronik DRTIMTZDX]
Gran, ein kühner und abenteuerlustiger Mann, der
ein Mitglied der Expedition war, die Kapitän Scott
und seine Gefährten im ewigen Schnee des Südpolar-
kreises fand, der als erster vier Stunden über das
offene Meer von Schottland nach Norwegen flog, ist
ein geborener Seemann und geborener Flieger, und
das muß man auch sein auf der Luftwache gegen
Unterseeboote. Über seine Eindrücke und Erfahrungen
während der Kriegszeit hat er allerlei Interessantes
erzählt, durch das diese neue Form des Posten- und
Späherdienstes romantisch beleuchtet wird. Von einem
sandigen Küstenstrich, dem einzigen Fleck der nor-
ehe Küste, an dem es möglich ist, mit einiger
Sicherheit aufzusteigen und zu landen, fliegt er bei
jeder Art Wetter die norwegische Küste auf und
nieder, um nach Unterseebooten und anderen kleinen
Kriegsfahrzeugen auszuspähen. Die Frage, ob es
deutsche oder englische Schiffe sind, berührt ihn nicht
viel. Für ihn und seinen Beobachter genügt es, ein
fremdes Kriegsschiff innerhalb der verbotenen Grenze
von 5 km der norwegischen Gewässer festzustellen.
Sofort stößt das Flugzeug dann nieder und übermittelt
dem Schiff den ebenso höflich wie energisch gegebenen
Befehl, in weniger neutrale Gewässer abzudampfen.
Es ist kein Ruheposten, auf dem sich Leutnant Gran
befindet. Seit den ersten Tagen des Krieges haben
die norwegischen Buchten und Fjorde eine große An-
ziehungskraft auf fremde Schiffe aller Art ausgeübt.
Wieder und wieder liefen die leichten und kühnen
>
— —— — — a
Deutsches Flugzeug vor dem Aufstieg auf dem Kriegsschauplatz im Westen.
— -~ — — — —
u 7
ee — —
— — —
Transport eines Fesselballons zur Aufstiegstelle.
Vorposten der kriegführenden Flotten in diese neu-
tralen Gewässer, um Atem zu schöpfen und sich aus-
zuruhen, bevor sie wieder auf der Suche nach Beute
hinausfuhren. Bis zu 50 Unterseeboote einer einzigen
Macht sind von dem wachsamen norwegischen Wasser-
flieger zu verschiedenen Zeiten seit
dem Kriege beobachtet worden. Da
liegt an der Oberfläche einer ruhigen
und geschützten Bucht das Untersee-
boot, seine Luken geöffnet, während
die Mannschaft in der reinen klaren
Luft der norwegischen Küste Er-
frischung atmet. Plötzlich kommt aus
dem blauen Himmel oder mitten aus
dem Nebel ein surrender zweisitziger
Eindecker daher mit der norwegi-
schen Flagge am Schwanz und mit
den norwegischen Landesfarben grell
bemalt an den unteren Tragflächen.
Mit einem raschen Stoß niederwärts,
der ihn fast über die Spitzen der
tanzenden Wellen gleiten läßt, ent-
bietet der Wachtposten der Luft
seinen Gruß. »Hier ist kein Bleiben
für euch, Kapitän,« scheint er zu
sagen, »schnell hinaus aus den nor-
wegischen Gewässern, sonst gibt’s
was.« Und der Wink wird verstanden,
die Luken schließen sich rasch,
nieder in die Tiefen taucht das
Unterseeboot, und nach einer Minute
sieht man nur noch seine dunkle
Form unter der Oberfläche lautlos
dahingleiten durch die klaren stillen
Fluten, wieder hinaus auf hohe See.
Wenn die an der norwegischen Küste ausgestellten
Wachen etwas Besonderes bemerken, dann benach-
richtigen sie den Flieger, damit er nähere Erkundung
einzieht. Eines Tages befand er sich im Quartier, um
ein wenig auszuruhen. Da wurde ihm von der Post
eine telephonische Meldung übermittelt. Er sprang in
PATENTE
sein Auto und flog zur Küste hinab. Deutlich, vom
Lande aus zu sehen lag da ein berühmtes Untersee-
boot. Der Ton des Motors genügte. In einer Minute
war es unter Wasser und fort. Und der nächste Tag
brachte die Nachricht, daß drei große Kreuzer auf den
Grund der Nordsee gesunken waren. In den ersten
Tagen des Krieges sah der norwegische Wasserflieger
viele schöne und großartige Szenen. Welch ein präch-
tigeres Schauspiel gibt es für einen Seemann, als hoch
aus der Luft herniederzuschauen auf eine große
Schlachtflotte, die durch die Nordsee dampft? Jetzt
sind solche Bilder nicht mehr zu erblicken. Gran
hat sich in seinem Dienst eine große Übung erworben,
ganz nahe an Schlachtschiffe und Kreuzer heranzu-
fliegen. Er umkreist die Fahrzeuge mit größter Sicher-
heit und weiß ihnen die schweigende Aufforderung,
die sein Erscheinen enthält, sehr nachdrücklich vor
Augen zu führen. Im ganzen ist er seit Beginn des
Krieges mehr als 3000 km übers Meer geflogen. Auf
einer einzigen Fahrt von der Küste auf hohe See und
zurück legte er mit seinem Beobachter gegen 400 km
zurück. Das ist ein Rekordflug über See für ein zwei-
Rap Flugzeug.
in deutsches Flugzeug zur Landung in den
französischen Reihen gezwungen. Ein deutsches
Flugzeug wurde bei Amiens von einem französischen
verfolgt und zur Landung gezwungen, wobei es in die
französischen Linien fiel. Ein deutscher Offizier wurde
getötet, der andere verletzt.
Se. k. u. k. Hoheit Erzherzog Josef Ferdinand im Gespräche mit Oberst Uzelac
(links) und Hauptmann Hoffory (rechts).
Deutsche Flieger über Belfort. Deutsche
Flieger überflogen Belfort und warfen Bomben auf
den Bahnhof und auf das Fort Mezire. Von dort
wurden sie erfolglos beschossen. Zwei französische
Flugzeuge übernahmen die Verfolgung, hörten aber
damit bald auf.
Muster- und Markenschutz in allen L.ändern
erwirkt
lng. J. FISCHER, Patentanwalt
Wien, I. Maximilianstrasse Nr. 5.
Seit 1877 im Patentfache tätig.
Herausgegeben vom: »K. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein«. — Verantw. Red.: in Vertretung Fritz Ellyson.
Druck von Otto Maaß’ Söhne, Wien I.
“ee 00 0 0 0 0 0 0 a 0 0 0 0 0 0 0 0 EOF 0 0 0 0 0 0 0 9 SOHO HE FT EP ET En 0 OR
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ÖSTERREICHISCHE
FLUG-ZEITSCHRIFT
Herausgegeben von dem unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Majestät des
Kaisers und Königs stehenden k. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein. X
9000000000000 0000000000000 0 00000
9000000000000 MUCH)
Manuskripte werden nicht zurückgestellt. Der Nachdruck 88 Angenommene Beiträge werden honoriert. Die Verfasser
von Artikeln und Abbildungen ist nur mit Quellenangabe sind für Form und Inhalt der von ihnen eingesandten
und Zustimmung der Redaktion gestattet. 88 Artikel und Abbildungen verantwortlich.
WAC co0ccc00c Z SC 00000000 ORNS
ERSCHEINT ZWEIMAL IM MONAT.
Marz 1915
Nr. 5/6 IX. Jahrgang
Inhalt: Oberinspektor Anton Jarolimek. — Vom Flugzeug beschossen! Von Hans Friedrich v. Orelli. — Erfinder und Entdecker.
— Zur vorläufigen Beschwichtigung, von H. Hérbiger, Maschineningenieur und Privatastronom. — Berechnung von T lächen-
holmen, von Cand. ing. L. Kubinsky, Lemberg -Wien. — Armierte un gepanzerte Flugzeuge, von Fritz Lichtenstern, Wien. (Schluß.)
Sonnentätigkeit und Witterung, von Wilhelm Krebs. (Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen.) — Beiträge zur Flugtechnik,
von Hauptmann Josef Viktor Berger. — Bücherbesprechung. — Chronik. l
Chefredakteur : Ing. A. Budau, o. ö. Professor der k. k. Technischen Hochschule in Wien
Redakteur für den offiziellen und wissenschaftlichen Teil für die Dauer der Abwesenheit der Herren Oberst
Wilhelm Suchomel und Ing. Adolf Janisch: Fritz Ellyson
Unter Mitwirkung von:
Dr. A. HILDEBRANDT RICHARD KNOLLER ROBERT POLLAK
Luftschifferhauptmanna.D., Ing., Professor a.d. k. k. RITTER v. RUDIN
Berlin Techn. Hochschule, Wien Ingemeur, Wien
F. HINTERSTOISSER W. KREBS J. POPPER-LYNKEUS
k. u. k. Major, Wien Leiter der Wetterwarte ingenieur, Wien
Schnelsen Holstein a
RAOUL HOFFMANN STEPHAN POPPE
ANTON JAROLIMEK Johannisthal
k. k. Hofrat, o. 5. Prof., an k. k. 9 König- HUGO L. NIKEL FRANZ REBERNIGG
LUDWIG SCHMIDL —
PAUL BELLAK
k. u.k. Rittmeister, Wiener-
eustadt
Prokurist, Wien
FELIX BRAUNEIS
Ingenieur, Wien
Dr. Ing. WALTER FREIR.
v. DOBLHOF
Konstrukteur an der k. k.
Techn. Hochschule, Wien
EDUARD DOLEZAL
LEOPOLD SCHMIDT
Ing., Prof., Wr.-Neustadt
KARL TINDL
Ing., Konstrukteur a. d. k. k.
echn. Hochschule, Wien
WILHELM TRABERT
FRITZ ELLYSON Dr. F. JUNG HANS F. v. ORELLI RUD F SCHIMEK Zentralanstalt fir os
Flugmaschinen- Professor a. d. k. k. Tech. Schriftsteller, Win f Ae o len
Konstrukteur, Wien nischen Hochschule, Wien STEPHAN PETROCZY “ger Autoplanwerke, Wien Dr. C. WIESELS-
IGO ETRICH D. W. KAISER v. PETROCZ i BERGER
Oroßindustrieller, Ober- Kapitänleutnant a. D., k.u. k. Luftschifferhaupt- Dipl. Ing. Ç. SCHMID Assistent an der Universität
altstadt Charlottenburg mann, Wien Lindenberg in Göttingen
Oberinspektor Anton Jarolimek.
Zu seinem 80. Geburtstage.
Am 13. Februar d.J., mitten in einer wildbewegten, Kräften seines hervorragenden Geistes und Genies,
vom Kampfeslärm durchtobten Zeit, einer Zeit, die
dem modernen Flugwesen zu seinem unerreicht
grandiosen Triumphzuge verhalf, feierte einer seiner
größten und genialsten Vorkämpfer, Ober-
inspektor Anton Tarolimek, in aller Stille und in
vollster geistiger und körperlicher Frische, seinen
80. Geburtstag. Mente sano in corpore sano, fand ihn
der Tag dieses so seltenen nn... an dem sich
nicht bloß die engere Flugtechnikerzunft, sondern auch
eine weitere Gemeinde von hervorragenden Männern
der Technik und Wissenschaft in bewunderndem
Gedenken dem greisen Jubilar näherte, um ihm ihre
Gefühle unwandelbarer Verehrung und Bewunderung
zugleich mit den herzlichsten Glückwünschen dar-
zubieten.
Achtzig Jahre! Ein weise genütztes, ganzes
Menschenalter, ein Leben rastlosester, schöpferi-
scher Tätigkeit bedeutet dieser Zeitraum, sobald
wir von Anton Jarolimek sprechen! Ein Leben,
ausgefüllt von dem erfolgreichen Bestreben, mit allen
die Bestrebungen der modernen Technik zu fördern,
den Kreis der Anschauungen und Erkenntnisse aus-
zubauen. Unser Vaterland vermag sich stolz zu
rühmen, Söhne hervorgebracht zu haben, deren Ver-
dienste um Wissenschaft und Kunst unvergänglich,
deren Namen unauslöschbar für alle Zukunft der Nach-
welt überliefert werden. Und unter diesen gebührt.
dem Namen Anton Jarolimek ein allererster
Platz! Und dies mit vollster Berechtigung. Denn es
gibt kaum ein Gebiet menschlichen Forschens, kaum
ein Problem technischen oder naturwissenschaftlichen
Charakters, das Jarolimek nicht mit der Fackel
seines scharfen Geistes durchleuchtet, das er
nicht mit der ihm eigenen Gründlichkeit untersucht
und behandelt hätte. Nicht bloß die Zahl, sondern
auch die Gediegenheit und Vielseitigkeit seiner Ar-
beiten legen hiefür ein beredtes Zeugnis ab. Sein
Reichtum an fruchtbaren Ideen ist unerschöpflich und
für viele Techniker und Ingenieure eine Fundgrube
klassischer Wissenschaft geworden.
62
Geboren am 13. Februar 1835 als Sohn eines
Realschulprofessors inPardubitz, absolvierte Anton
Jarolimek 1853 das ständische, polytechnische In-
stitut in Prag, worauf er in den Dienst der k. k. Tabak-
regie eintrat. Nach achtjähriger Tätigkeit bei den
Fabriken in Göding, Preßburg, Pest und Fiume im
Jahre 1861 nach Hainburg berufen, war er bei dem
umfangreichen Ausbau und der maschinellen Aus-
gestaltung der dortigen Haupt-Tabakfabrik durch
weitere acht Jahre hervorragend tätig. Nachdem aber
Jarolimek nach dieser I6jährigen Dienstleistung bei
der k. k. Tabakregie sich zwar vielfach belobt sah,
jedoch bei den damaligen Verhältnissen über ein
jahreseinkommen von 600 Gulden C.-M. nicht hinaus-
kommen konnte, verließ er 1869 den Staatsdienst, um
die Leitung der in Hain- |
burg 1842 von M. W.
Schlosz nach engli-
schem Vorbilde ge-
ründeten Nadel- und
adierwarenfabrik zu
übernehmen, woselbst er
15 Jahre hindurch eine
rege, reformatori-
sche Tätigkeit ent-
faltete, neue Maschinen
konstruierte und auch
den Stahlschnurtrieb
erfand, welcher nament-
lich von Siemens &
Halske schon bei der
allerersten, elektrischen
Lokomotive und dann
noch mehrere Jahre hin-
durch Verwendung fand
und wohl nur deshalb
zu keiner aligemeineren
Verbreitung gelangte,
weil der damals zur
Herstellung der Stahl-
schnüre benützte Stahl-
draht nicht die ganz ent-
5 Qualität be-
saß.
Zu jener Zeit hatte
Oberinspektor Anton
Jarolimek schon unter
anderem technologische
Studien und auch inter-
essante Untersuchungen
über die Einwirkung
des Härte- und An-
laßprozesses auf
die Konstitution
des Stahles vor-
enommen, welche viel-
ach, auch in Lehr-
büchern, Beachtung ge-
funden haben.
Inzwischen hatten, nach 15jährigem Verharren
Jarolimeks in dieser Stellung, die Verhältnisse bei
der k. k. Tabakregie eine wesentliche Verbesserung
erfahren. Und so trat er Ende 1883 wieder in den
Staatsdienst über, in welchem er dann schon nach
13 Jahren die sechste Rangsklasse erreichte. Als Vor-
stand der großen Fabriken in Hainburg, Göding
und Sedletz hatte er jede Gelegenheit benützt, um
nicht nur die vorhandenen Maschinen und techni-
schen Hilfsmittel der Fabrikation zu verbessern,
sondern auch die bis dahin stets nur empirisch ge-
übten Arbeitsprozesse auf wissenschaftliche Grund-
lagen zu stellen, wodurch er auch den jüngeren Be-
amten die Möglichkeit eröffnete, mancherlei Fort-
schritte anzubahnen.
Diese Verdienste Jarolimeks, speziell die letzt-
genannten, sind in der breiteren Öffentlichkeit bisher
viel zu wenig gewürdigt worden. Denn genau
Oberinspektor i. P. Anton Jarolimek.
betrachtet, führten seine Bestrebungen, die in erster
Linie eine wissenschaftliche Reform des Arbeits-
prozesses, eine Vereinfachung der Operationen etc.
anbahnten, direkt auf das gleiche Endresultat wie
das heute vielbestaunte, ebensoviel mißverstandene,
aber einzig rationelle Taylorsystem; auf die größt-
möglichste »efficiency« wie es Taylor bezeichnender-
weise nennt, auf die höchst erreichbare efficiency“,
Ergiebigkeit, nicht bloß der ganzen Fabrik, sondern
auch jedes einzelnen Arbeiters, jeder einzelnen
Maschine, wobei aber auch die Verdienstmöglichkeiten
jedes einzelnen erheblich gesteigert werden. In diesem
Sinne ist also Jarolimek der eigentliche Vorläufer
und Vorkämpfer dieses Systems geworden, das nun
in ganz Amerika die grandiosesten Triumphe feiert.
In seiner großen Be-
scheidenheit aber hat
Jarolimek es hier, wie
in allem anderen, stets
vermieden, seine großen
Verdienste durch Hin-
weis auf seine Arbeiten
selbst hervorzuheben
und in das richtige Licht
zu rücken.
Immerhin fand sein
Wirken allerhöchsten-
orts doch eine erfreuliche
Anerkennung, denn im
Jahre 1898 wurde Jaro-
limek durch die Ver-
leihung des Ordens der
Eisernen Krone dritter
Klasse ausgezeichnet.
Von weiteren Kund-
gebungen der Anerken-
nung und des Dankes,
nicht nur seitens der
Generaldirektion, son-
dern auch der Fabriks-
beamten und Arbeiter,
für deren Interessen er
stets eintrat, letzteres
besonders durch die tun-
lichste Ausgestaltung
aller hygienischen und
Wohlfahrtseinrichtungen,
begleitet, trat Ober-
inspektor Jarolimek
im Jahre 1901 in den
dauernden Ruhestand.
Ungeachtet seiner in-
tensiven Berufstätigkeit,
die doch den größten
Teil seiner Zeit absor-
bierte, hatteJarolimek
immer noch Zeit ge-
funden, sich wissen-
schaftlich auf den ver-
schiedensten Gebieten der Technik und Naturwissen-
schaften zu betätigen. Das kennzeichnendste Charak-
teristikon aller dieser, seiner diesbezüglichen Forscher-
arbeit entsprungenen Publikationen ist die Tiefe und
Gründlichkeit des Wissens und die geradezu klassi-
sche Präzision der Fassung. Betrachtet man das
Verzeichnis seiner Arbeiten, vergleicht man sie inhaltlich
miteinander, so muß man mit Bewunderung gestehen,
daß Jarolimek auf jedem von ihm kultivierten
Gebiete ein ganzer Meister ist, ein echter Klassiker
der exakten Wissenschaften, dessen Vielseitigkeit und
Geistesschärfe die höchste Anerkennung fordern.
Daß ihm diese vor dem strengen Forum der
Wissenschaft auch nicht versagt wurde, möge schon
daraus hervorgehen, daß seine Abhandlungen
über Dämpfe und über Gravitation dieEhre
hatten, in die Druckschriften der kaiser-
lichen Akademie der Wissenschaften auf-
genommen zu werden. Zahlreiche seiner Lehren
sind auch in Lehrbücher übernommen worden, wie
in das Lehrbuch der Physik von Chwolson. Seine
Abhandlungen über das weitere Gebiet der Maschinen-
technik und Technologie erschienen seinerzeit in den
angesehensten technischen Fachblättern, so z. B. in
Dinglers »Polytechnischem gouna Jahrgang 1870
bis 1880, in der »Zeitschrift des Österreichischen
Ingenieur- und Architekten-Vereines«. Ab 1882 finden
wir Jarolimeks Abhandlungen über Physik
der Atmosphäre, sowie über verschiedene Pro-
bleme der Luftschiffahrt und Flugtechnik auch in der
»Deutschen Zeitschrift für Luftschiffahrt«, sowie auch
in mehreren österreichischen Fachzeitungen, wie »HP<-
Fachzeitung für Flugtechnik, »Österreichische Flug-
Zeitschrift« etc. etc.
Von seinen 44 größeren Ahhandlungen, die in
Fachkreisen, wie auch in der weiteren Öffentlichkeit
das größte Aufsehen erregten, seien hier nur genannt:
»Dermathematische Schlüsselzur Pyramide
des Cheops«, »Über die Mechanik des
Muskels«, »Über das Härten des Stahles«,
Ȇber Friktionsrollenlagere, ferner eine Ab-
handlung über die »Erfindung des Stahlschnur-
triebes«, »Über das natürliche Skalenmaß
progressiver Steuern« etc. Schon die wenigen,
vorstehend aufgezählten Arbeiten, deren größter Teil
direkt aus der Praxis des Lebens erflossen, verraten
die wahrhaft seltene, bewundernswerte Vielseitigkeit,
die Jarolimeks Schaffen so recht charakterisiert.
Alle diese Arbeiten, die in gleich flüssiger Weise
geschrieben sind, erhalten noch durch den Umstand
eine besondere Note, daß sie eigentlich nur Neben-
produkte seiner angestrengten Reformationstätigkeit,
daß sie nicht das alleinige et seiner langjährigen
Forscherarbeit geblieben sind.
Dies zwingt uns und jeden Unbefangenen, die
aufrichtigste ewunderung für das unermüdlich
schöpferische Genie dieses hochgelehrten Greises ab,
der noch heute mit unverminderter Geistesschärfe und
unermüdlicher Konsequenz dem Studium wichtiger
Probleme der Flugtechnik obliegt, die sich allmählich
zu seiner Lieblingsbeschäftigung herausgebildet zu
haben scheint. Und als Flugtechniker steht uns
Jarolimek hier eigentlich am nächsten. Von seinen
diesbezüglichen Publikationen seien als historisch
erwähnt: >Zur Luftschiffahrtsfrage« (1873), worin
bereits Gleitflugversuche a la Wright und
ein steuerbarer Doppeldecker in Vorschlag
en wurden. Von besonders grundlegender
edeutung sind seine flugtechnisch-mathe-
matischen Abhandlungen, wie: Ȇber
das Problem dynamischer Flugmaschinen«
(1893), Ȇber die Bedeutung des Gliederungs-
prinzipes für die Flugtechnik« (1894),
»Über den Widerstand der Flüssigkeiten«
(1908), welche wohl die bedeutendste mathematisch-
experimentelle Untersuchung darstellt, publiziert im
Sitzungsberichte der böhmischen Akademie der
Wissenschaften, »Über den Einfluß der Luft-
dichte auf den dynamischen Flug«, »Über
Luftschrauben und Schraubenflieger« etc.
Speziell auf diesem letzteren Gebiete, nämlich
auf dem Gebiete der Schraubenflieger, war
Jarolimek stets als einer der eifrigsten Verfechter
63
und Vorkämpfer zu finden. Seine diesbezüglichen An-
schauungen deckten sich mit jenen von Wellner
und Popper-Lynkäus, der zu seinen besten
Freunden zählt. Aber auch auf dem Gebiete des
Motorenbaues hat sich Jarolimek, wenigstens
inspiratorisch, aber mit vollem Erfolge betätigt. Seine
vielgenannten Vorschläge zur Konstruktion
leichter Motoren zielten in erster Linie auf deren
Verwendung für Flugmaschinen ab.
Als ganz besondersinteressante Arbeit
Jarolimeks verdient an dieser Stelle noch jene
über den »Einfluß fluktuierender Wind-
strömungen und regelmäßiger Schwin-
gungen auf die Größe des Luftwider-
standes« genannt zu werden, die im Jahrgang V der
»Zeitschrift des Österr. Ingenieur- und Architekten-
Vereines«, 1894, erschien und infolge der hier ver-
tretenen, ungemein anregenden Leitgedanken großen
Beifall erntete.
Bloß mit ihren Titeln aufgezählt, füllen seine
fachliterarischen Arbeiten ein mehrere Seiten um-
fassendes Verzeichnis, sie hier vollends so zu würdigen,
wie sie es, jede einzeln, verdienen würden, wird ganz
und gar unmöglich. Nur das eine mag immer wieder
mit besonderer Akzentuierung hervorgehoben werden,
daß sie sowohl wie auch seine sonstigen Anregungen
für die heutige Techniker- und Flugtechnikergeneration
zu einer unerschöpflichen Fundgrube gediegensten
Wissens, reinster, edelster Wissenschaft geworden
sind, als welche sie zweifellos auch den kommenden
Generationen noch lange mit größtem Verteil und
Nutzen dienen werden.
Zurückblickend auf eine so reiche Fülle wert-
vollster Arbeit, auf ein imponierendes Stück geistiger
Produktion, auf so herrliche Erfolge, verbringt nun
der greise Jubilar seinen Lebensabend in aller Stille
und Zurückgezogenheit in Königgrätz. Aber nicht
untätig, einzig und allein der Pflege seiner Gesund-
heit lebend, wie man es doch bei einem Achtziger
wohl schon voraussetzen könnte. Keinesfalls, der
wunderbare, nimmermüde Geist vertieft sich weiter
in die vielen Probleme, deren es in der Flugtechnik
gibt, schöpft und produziert Neues, der Greisennatur,
die ja doch diesem jugendlich gebliebenen Schwung,
dieser seltsamen Elastizität des Geistes schon nicht
mehr so frei zu folgen vermag, zu Trotz. Momentan
mit Untersuchungen über Stromlinienverlauf an Trag-
decken und Luftschrauben beschäftigt, unterhält der
greise Gelehrte durch zahlreiche Fachzeitschriften
noch immer einen innigen Kontakt mit der Außenwelt,
der Welt der Technik, der er so viel gegeben und
der er noch vieles zu geben hat und, wie wir hoffen,
auch geben wird.
Und so möge es diesem bewundernswerten
Manne, den der k. k. Österreichische Flug-
technische Verein mit Stolz zu seinen
geschätztesten und verehrtesten Mit-
gliedern zählt, beschieden sein, seine
rastlose Pionierarbeit noch lange jahre
fortzusetzen, möge es ihm vergönnt
sein, sich noch lange der Früchte seiner
segensreichen, geistigen Aussaat in
vollsterGesundheit und Rüstigkeit zu
erfreuen!
Vom Flugzeug beschossen!
Von Hans Friedrich v. Orelli.
Ungeachtet der beruhigendsten Versicherungen | geworden. Dank besonderer Überredungs- und Be-
unseres Generalkonsuls entschloß ich mich sofort
nach der mir zufällig bekanntgewordenen historischen
Kriegserklärung unserer Monarchie das sonnige
Pharaonenland zu verlassen. Nicht leicht fiel mir der
Abschied, gedachte ich der mühevollen und kosten-
reichen Vorbereitungen zu der mir von besonderer
Seite anvertrauten Studienmission, die nun illusorisch
stechungskünste gelang es mir schließlich, in einer
dichtgepferchten Ladung Menschen auf dem letzten
Lioydschiff Triest zu erreichen.
Wenige Tage später. Über die sanften Hügelketten
des Krakauer Vorlandes wälzt sich die schier endlose
Riesenschlange rasselnder Wagen, munterer Pferde und
plaudernder Menschen unserer gewaltigen Munitions-
64
kolonne. In die russisch-polnische Wüste hinaus !
Nach einer hastigen Metamorphose vom typischen
Tropenreisenden zum rauhen Krieger, zog ich als
fahrende Ordonnanz des Kommandos mit zu neuer
abenteuerlicher Zigeunerfahrt, die mich fast vier
Monate gebannt halten sollte. Vom Ernst des Krieges
hatten wohl die wenigsten unter uns etwas geahnt bis
zu jenem Augustabend, an dem uns seine ganze Größe
in grausamster Plötzlichkeit zum Bewußtsein kam.
Es war in dem ereignisschweren Zeitpunkte, da
unser Korps seine erste Begegnung mit dem fliegenden
Feinde verzeichnete. Gegen Dämmerung hatten wir
nach langem Marsche in sommerlicher Gluthitze
unser Ziel erreicht — ein weites, brachliegendes
Ackerfeld an einem Waldesrande. Eben trafen wir
Anstalten zur Lagerung, als plötzlich aus unergründ-
licher Ursache die Pferde lebhaft unruhig zu werden
begannen. Rätselhaft! Weit im Umkreis nichts
Fremdes zu sehen oder gar aufzuspüren ! Angestrengt
lauscht das Ohr in die Ferne. Und richtig: Erst kaum
vernehmbar, dann allmählich zunehmend, dringt ein
- feines, dumpfes Summen als des Rätsels Lösung zu
uns. Die abenteuerlichsten Vermutungen durchschwirren
die Reihen. Wie elektrisiert, haften alle Blicke
suchend im magischen Dämmerschein des abendlichen
Himmels. Nichts zu entdecken ! Nichts läßt das Nahen
eines so unbeschreiblich eindrucksvollen Ereignisses
vorausahnen, eines Erlebnisses, das dem übersättigten
Zeitungsleser im Stammkaffeehaus doch ziemlich harm-
los und unbedeutend dünken mag, demjenigen jedoch,
der seine Wucht zu fühlen bekam, zweifellos für sein
ganzes Leben unauslöschlich eingeprägt bleiben wird.
Immer deutlicher, immer bestimmter und lauter,
kommt das unheimliche Brummen näher. Kein Zweifel
mehr: Ein Flugzeug! In’s Unermeßliche droht die
nervöse Spannung zu steigen. Kaum daß es einige
zwischen den Baumwipfeln hindurch bemerkt haben
wollen, taucht es auch schon plötzlich über den
oberen Konturlinien des Gehölzes auf, scharf ge-
zeichnet: die Silhouette eines Eindeckers. Alles greift
instinktiv zur Waffe. Und in der Tat! Einen ganz
seltsamen Reiz übte der Gedanke, auf ein fliegendes
Ungetüm zielen zu dürfen, das unendliches Verderben
zu säen bestimmt ist. Freilich, diese Jagdbegeisterung,
sie hat auch schon manch böses Unheil vollbracht,
wenn zügelloser Eifer blindlings schoß und — die
eigenen Flugzeuge traf: Eine bittere Rache für die
schweren Versäumnisse an weitestgehender Volks-
aufklärungsarbeit !
Ist’s Freund oder Feind? — Dies die bange Frage,
die auf allen Lippen schwebt. Erkennungszeichen auf
den Tragflächen nicht wahrnehmbar. Doch die
markante Form mußte den nagenden Zweifel augen-
blicklich beseitigen. Es ist der Feind! Der Russe !
»Gut zielen und lebhaft feuern, wenn er näher kommt!«
Wie von schwerem Alp befreit, vernimmt die Mann-
schaft diesen kurz gefaßten, heiß ersehnten Entschluß
des Kommandanten. Schon lange schien uns der
Flieger erspäht zu haben, denn in unvergleichlich
stolzer Majestät steuert er geradewegs auf uns zu.
Augenblicke ungeheuerster Spannung folgen. Was wird
geschehen? Wird er uns angreifen wollen ?
Viele Hunderte Meter hoch schwebt er — ehe
wir uns es recht versehen — lotrecht ober unseren
Häuptern. Sollman schießen, wo doch an ein erfolg-
reiches Treffen nicht zu denken ist? Was kümmert’s
den da oben, daß einige Voreilige in nervöser Hast
die pfeifenden Bleigrüße emporsenden! Er zieht,
einem beutelüsternen Raubvogel gleich, der irdischen
Macht entrückt, unbeirrt seine Kreise und Spiralen.
Kein einziges Auge vermag sich dem unwiderstehlichen
Banne dieses suggestiven Schauspieles in den Lüften
zu entziehen. Von banger Sorge sind die hörbar
pochenden Herzen erfüllt. Rat- und hilflos sehen wir
armen Erdenwürmer, uns der entsetzlichen Willkür
eines einzigen fliegenden Geschöpfes und dem Zufalle
preisgegeben! Alles, was wir einst in glücklicheren,
ruhigen Tagen von der jetzt so verabscheuungswürdig
erscheinenden Systematik von Fallbombenversuchen
vernommen, durchzuckt, die Phantasie mächtig er-
hitzend, alle Gehirne und malt in grellsten Farben
die unabsehbaren Verheerungen eines Treffers in das
große Ziel aus vielen Wagen voll Munition und Spreng-
stoffen. Während so die gefolterten Nerven schier zu
zerreißen drohen, sieht plötzlich das bewaffnete Auge
ein dunkles, winziges Etwas sich vom Apparate oben
loslösen und blitzartig zur Erde niedersausen. Kaum
daß sich noch die schmerzenden Lider in fatalistischer
Feldmäßige Befestigungen (Fliegerphotographie).
Die Pfeile bezeichnen die Schußrichtung; a, c und f die Schützengräben;
b Verbindungsgraben, zugleich Flankierungsanlage des Vorfeldes von f; d Verbindungsgraben zu einer Vorstellung; e Ver:
bindungsgraben in die deckende, im Schatten liegende Mulde; g verlassener Graben.
(Aufnahme des Herrn Oberleutnanıs Kollitsch, uns zur Verfügung gestellt von Herrn Schriftsteller Hans Friedrich v. Orelli.)
Erwartung des {Kom-
menden zusammenzu-
krampfen vermögen —
ein entsetzlicher, sinn-
betäubender Krach,
stärker als Kanonen-
schlag, und eine mäch-
tige Wolke brauner
Massen pufft — nicht
weit von uns — aus
dem zerfahrenen Erd-
boden empor. Gottlob,
für diesmal waren wir
verschont geblieben !
Wir atmen erleichtert
auf.
Da! Wieder jener
unheimliche Feuerblitz
und Knall! Und furcht-
bares, markerschiittern-
des Heulen und Weh-
klagen. Sollten
Menschen. . .? Alles
eilt zur Stelle. Tief
bewegt, keuchend vom
Laufe, preisen wir das
gütige Geschick, das
die Bombe nur einen
harmlosen Bagage-
wagen zersplittern ließ.
tliche unschuldige
Pferde waren tot und
wie durch Wunder nur
wenige Menschen leicht
getroffen! Angesichts
dies grausigen Bildes
der Zerstörung fluchte
mein Inneres jenen zahl-
reichen Naseweisen,
die einst stets neue
Argumente gegen die
Verwendungsmöglich -
keit von Fallgeschossen
In einen hochstämmigen Wald abgestürtztes Flugzeug. Aufnahme
des Beobachters. Die Insassen blieben unverletzt.
(Freundlichst zur Vertugung graten von Herrn Schriftsteller Hans
riedrich v. Orelli.)
65
erklügeln zu müssen
glaubten, die uns dann
später in gewissen-
losester Unwissenheit
die unerhörtesten Män-
gel der Kriegsluftfahrt
und der russischen im
besonderen vortäusch-
ten und uns so einer ver-
hängnisvollen Sicher-
heit zu opfern suchten.
Wahrlich, ich wünschte
innig, solch einem, am
sicheren Schreibtisch
»Erfahrungen« ....
sammelnden »Fach-
manne, nur einen Bruch-
teil jener Sekunden bei
uns draußen erleben
zu müssen — ich bin
überzeugt, sein unge-
rechtes, geringschatzi-
ges Urteil hätte er für
ewig vergessen !
it seinem Erfolge
offenbar zufrieden, gab
der Russe sein schauer-
liches Kreisen wieder
auf, um sich feindwärts
zu wenden. Langsam
löste sich von uns die
Last der lähmenden
Nähe des Sensen-
mannes und in seliger
Lust folgten die Blicke
hinschwebenden, bis
er, ein Punkt, plötzlich
in einem tollen Wirbel-
reigen vieler kleiner,
weißer Schrapnellwölk-
chen, am fernen Hori-
zont verschwunden war.
Erfinder und Entdecker.
Ein Beitrag zu Hörbigers »Glacialkosmogonie«.
Der Erfinder, resp. Entdecker hat eine große
Ähnlichkeit mit dem Dichter. Bis in die neueste Zeit
erkannte man dem Dichter den Lorbeer menschlicher
Wissenschaft und Geisteskultur zu. »Das Höchste
ist der Dichter«, hieß es; er ist der »Liebling der
Musen, dem »Sänger« gebührt der Preis. Diese
Anschauung hat sich jedoch heute, und wie ich
glaube, nicht mit Unrecht, geändert. Heute gehört
der Preis dem Erfinder und Entdecker. Seine Gaben
sind Gaben an die ganze Menschheit, an keine
Nation gebunden, sie ändern förmlich das Antlitz
der Erde, sie sind unentbehrliche Schätze des einzelnen
wie der Staaten, sie bestimmen den Sieg einer
Nation über die andere und sind Ruhmestaten, die
in der Geschichte verzeichnet bleiben. Damit soll
der Dichter, der Künstler nicht herabgesetzt werden.
Sowie es nun unverstandene Dichter gibt, so
ibt es auch unverstandene Erfinder und Entdecker.
Ibst die zünftige Wissenschaft hat schon wiederholt
auf allen Gebieten neue Ideen irrtümlich abgelehnt
und man hat deshalb alle Ursache, in der ‘Zurtick-
weisung neuer Ideen recht vorsichtig zu sein.
Eine solche neue Idee ist Hörbigers »Glacial-
kosmogonie«. Zwar steht Hörbiger, so erzählt er
uns, schon seit zirka 20 Jahren mit den »offiziellen«
Astronomen und Meteorologen im Kampfe und sie
wollen seine »Glacialkosmogonie« nicht anerkennen.
Was er uns da mitteilt vom Marsphantasten Flam-
marion, vom »greisen Meteorologen« Pernter, von
Bezold, Scheiner, von Weinek und P. Lais,
vom »Sternschnuppentheoretiker« Schiaparelli, ist
wirklich erquickend in unserer düsteren Zeit, und
mancher von uns Lesern möchte gewiß sehr gerne
noch mehr von diesem jährigen Krieg mit den
»offiziellen« Astronomen hören.
Hörbigers Idee ist nun in Kürze diese: Im
Weltenraume fliegt eine unbestimmte Anzahl von
kleinen, mittleren und ganz ungeheuren Eisblöcken
herum, welche bald auf die Sonne, bald auf die Erde
fallen. Auf der Sonne erzeugen sie Sonnenflecken
und auf der Erde Hagelkatastrophen u. s. w. Die
weiteren Ausführungen von Roheis- und Feineisein-
und -ausschuß etc. dürfen wir hier wohl übergehen,
weil sie zum Kern der Idee nicht mehr notwendi
sind. Man beobachtet nun bei jedem Erfinder un
Entdecker, wie sich seine Ideen um einen Kern auf
ganz bestimmte Weise ankristallisieren. Es dürfte
deshalb interessant sein, den Werdegang des
Hörbigerschen Systems zu analysieren, sagen wir
psychisch zu analysieren.
Ich glaube mich da nicht zu täuschen, wenn ich
folgendes annehme: Hörbiger stieß in seiner privat-
astronomischen Tätigkeit vor zirka 20 Jahren auf den
Umstand, daß für die Sonnenflecken und deren
Entstehung keine befriedigende in da ist.
Wir wissen, daß sie auch bis heute noch fehlt. Hier
setzt nun sein Ideengang ein, der in gewissem Sinne
den Vorzug der Einfachheit hat. Feuer wird durch
traumverloren dem Da-
66
Wasser gelöscht und an dieser Stelle entsteht daher
ein dunkler Fleck. So auch auf der Sonne. Aber
woher das Wasser nehmen? Es muß von außen
kommen — selbstverständlich — aus dem Weltenraum.
Dort kann es infolge der Kälte angeblich nicht als
(flüssiges) Wasser existieren, also als Eis. Die
himmlischen Eisblöcke, Eisberge, Eismeteore, Eismonde,
Eiskugeln, Eisnadeln sind nun logisch fertig. Um
diese fertige Idee einer Erklärung der Entstehung der
Sonnenflecken durch hineinstürzende immense Eis-
klumpen hat nun Hörbiger, wie ich analysiere, seine
ganze übrige Glacialkosmogonie aufgebaut. Er ist
dabei so glücklich gewesen, überall lauter Bestätigungen
im Weltenraum, über, auf und unter der Erde zu
finden.
Ich glaube nicht, daß es hier am Platze ist, viele
Einwände gegen die Glacialkosmogonie vorzubringen
und so eine lange Diskussion hervorzurufen, denn
Hörbiger erklärt und entkräftet alles mit Leichtigkeit,
zumal er ja auch von der »offiziellen« Astronomie
und Meteorologie sehr viel hinübernimmt. Und
hinsichtlich der Herkunft dieser »himmlischen Eisblöcke«
verweist er uns leider auf sein Werk. Ich glaube
vielmehr, daß mit mir viele Leser bei der Lektüre
zu folgendem Schlusse gekommen sein werden:
Wenn nämlich jemand mit einer Hypothese
kommt, die alles Hergebrachte auf den Kopf stellt,
so ist es ausgerechnet seine Pflicht und Schuldigkeit,
solche Beweise kurz und bündig zu bringen, welche
einleuchtend, überzeugend, erdrückend sind. Solange
nicht solche Beweise gebracht werden, ist es wohl
nicht Sache der Andersgläubigen und der Wissenschaft
mit einem großen Aufgebote von Mühe eine jede
neue Hypothese zu widerlegen. Es ist gewiß eine
verblüffende Annahme, daß im Weltenraume die
ungeheuersten Eisblöcke nur so herumfliegen.
Ebensogut könnte man die Sonnenflecken durch
Löcher im Lichtäther erklären wollen, was schließlich
auch niemand widerlegen könnte. Es ist also Aufgabe
Hörbigers, auf Mittel und Wege zu sinnen, uns
diese »himmlischen« Eisblöcke so zu zeigen, daß
wir sie in ihrer Gänze mit Augen sehen können;
denn die bisher angeführten Gründe genügen den
meisten wohl nicht. Hoffentlich ist das nicht so
schwer, so einen -Kleineismond auch mit dem
Fernrohr so für einige Zeit einmal »einzufangen«.
Ängstliche Gemüter dürften übrigens zweifeln und
annehmen, daß so ein provinzgroßer »Kleineismond«
oder gar »ZufallseinschuB« doch einmal
rechtzeitig zu platzen — was dann?
Im übrigen können wir Hörbigers Phantasie
bewundern, die anscheinend aus der Erklärung der
Sonnenfleckenentstehung ein ganzes, weitverzweigtes
System herausbringt. Was man da ferner zu
hören bekommt, ist interessant genug. »Grüntisch-
mathematiker«, »unerfahrener Reinmathematiker«, »aus-
schließlich terrestrisch-meditierende Meteorologen«,
»arme Unglückskinder« und »arme Autodidakten«,
»tektonisch verführte Geodynamiker< etc. mit
ihrer »ultrapietätsvollen Gefolgschaftsleistung« haben
den »himmelschreienden Irrtum« verschuldet, ohne
die »Sonnenkoronastrahlbestreichung« und »Sonnen-
fackelbezirksanzielung«, den glacialkosmogonischen
>» Abendwalle, die »galaktische Ballung« und die »Ballung
von Milchstraßeneiskörpern«s, kurz, die »Glacial-
kosmogonie« richtig zu würdigen. Auch nicht übel
sind die poetischen Mottos, zumal das frei nach
Faust, die den Abhandlungen vorangestellt sind und
recht belebend wirken. »Dem assersturz mit
Hagelschlag von kurzer Sturmesdauer, ihm sinne
nach, auf schmaler Spur, und du begreifst genauer.«
Wir nehmen übrigens Hörbiger gegenüber
nicht eine absolut verneinende Stellung ein. Wissen
wir es, ob nicht irgendwo im Weltenraum ein Körper
aus H,O bestehen kann? Aber bejahen können wir
nur, was wir mit unseren Sinnen auf diesem Gebiete
möglichst direkt wahrnehmen können. Die Sonne
sehen wir und die Sonnenflecken auch; es ist an
Hörbiger daher, uns auch die himmlischen
Eisblöcke zu zeigen.
Zum Schlusse möge Hörbiger diese Zeilen
verzeihen, und es begreiflich finden, daß in dieser
Zeitschrift aus mehreren Gründen seine Anschauungen
nicht unkritisiert bleiben könnten. Ist es eine durch
die Erfahrung bewiesene Pflicht der Wissenschaft,
Erfindern und Entdeckern, ihren vornehmsten Kindern,
und ihren neuen Ideen gegenüber eine liebevolle und
unterstützende Haltung einzunehmen, so ist es
umgekehrt auch Sache solcher Erfinder, die eigenen
Ideen immer wieder auf ihre Richtigkeit zu prüfen,
da jeder Konstrukteur weiß, wie leicht eine theoretisch
noch so schön angelegte Sache nicht stimmt, und
weil Irren eine recht menschliche Eigenschaft ist. Man
kann da leicht um einige »Lieues« fehlen.
Dr. W. F.
vergißt,
Zur vorläufigen Beschwichtigung.
Etwas verspätet zur Gegenäußerung eingeladen,
könnte ich mir’s zur Schonung der jetzt im Weltkriege
so kostbaren technisch-wissenschaftlichen Lesergeduld
dadurch erleichtern, daß ich den halbfreundlichen
Zwischenrufer zunächst bitte, meine vorangegangenen
vier Artikel (ab Silvesterheft) noch zweimal, aber
mit mehr Aufmerksamkeit durchzunehmen, als er in
der ersten Entrüstung dafür erübrigt zu haben scheint.
»Du mußt es dreimal sagen!« so gemahnte mich
schon des öfteren mein durchaus nicht zu verachtender
Antipode — und »du mußt es dreimal lesen!«
— so darf ich diesen Rat an meine voreiligen Herren
Skeptiker weitergeben. Dies befolgend, würde sich
Dr. W. F. vielleicht doch innewerden, daß in meteoro-
logischen Dingen der Schlußpunkt ja noch nicht ge-
setzt ist, bezw. daß die Eiskörper und deren Herkunft
noch eingehender besprochen werden sollen, bis wir
die geologische Streitfrage der Gebirgsbildung
und Erdbebenursache entschieden und somit auch
die geologische Notwendigkeit eines kosmischen
Eiszuflusses zur Erde hinter uns gebracht haben. Ich
könnte meinem ziemlich farblosen Zwischenrufer auch
den Rat geben, den Flugtechnischen Verein soweit
»Bist du beschränkt, daß neues Wort dich stört?
Willst du nur hören, was du schon gchort ?«
Mephisto im Faust II.
zu subventionieren, daß mir die Redaktion pro Doppel-
heft 100 Seiten zur Verfügung stellen kann, dann
drucken wir einfach unser 800seitiges Hauptwerk
wörtlich ab und er ist in acht Monaten bezüglich
dieser Eiskörper aux faits. Aber was sage ich da?
Ist denn Dr. W. F. trotz meiner vielfachen Hinweise
auch nur auf den Einfall gekommen, lächerliche zwei
Mark auf den Altar der Wissenschaft zu legen und
sich meine spottbillige kleine Gelegenheitsschrift“)
(notabene während der sechswöchigen Marter eines
Schrotkurgebrauches in Nieder-Lindewiese verfaßt)
anzuschaffen, um seine frivole Neugierde in
aller Stille zu befriedigen? Soweit gewitzigt
bin ich denn doch schon, um in den süßen Worten
des Zwischenrufers jenen Köder des spöttischen
Skeptikers nicht zu verkennen, der mich, ihm zur
Kurzweil, gesprächig machen soll. Da aber das offenbar
ganz ironische Gesicht meines Neckers trotz des ge-
schlossenen Visiers immerhin auch einige sympathi-
) Hörbiger: »Wirbelstürme, Wetterstürze, Hagelkata-
strophen und Marskanalverdopplungen-. Kaiserslautern 1913,
Preis Mk. 2°-.
sche Züge erkennen läßt, so sei das angebotene Spiel
meinethalben um so lieber bei offenem Fenster ge-
spielt, als ich ja eigentlich gar keine Trümpfe in der
Hand des schlecht maskierten Schmeichlers sehe.
In sonniger Vormittagsstunde über die Felder
schreitend, können wir schon jetzt, im März, die
Lerche über unseren Häuptern ihr Morgenlied trällern
hören. Der Gehörsinn weist uns genau die Richtung,
nach welcher hin wir ihren fixen Flatterort hoch in
der Luft zu suchen haben. Aber langes und aufmerk-
sames Spähen kostet uns dessen endliche Auffindung,
obwohl wir dann innewerden, daß sich die dunkle
Selbstschattenseite der Sängerin ganz scharf vom
hellen Blaugrau des Himmelshintergrundes abhebt.
Wir würden aber die stationäre Flatterin trotz ihres
akustischen Dauersignales ganz bestimmt nicht ent-
decken, wenn ihr Gefieder die Farbe diffus beleuchteten
Firneises trüge! Der Gesichtswinkel einer etwa 2 dm
spannenden Lerche beträgt bei rund 200 m Höhe ihres
Standortes ca. 3°4 Bogenminuten oder ein Neuntel
des Monddurchmessers. Eine Flugmaschine, die in
200 km Höhe (natürlich unerreichbar) denselben Ge-
sichtswinkel spannt, müßte 200 m Tragflächenbreite
haben. Ohne ihr Motorgedonner zu hören, könnten
wir ihre rauhfrostüberzogene Silhouette ebensowenig
entdecken, wie eine stumme, weißgefiederte Lerche
in 200 m Höhe!
Herr Dr. W. F. weiß wohl, wo das hinaus soll.
In etwa 200 km Höhe dürften die mit durchschnittlich
8 km / Sek. mehr oder weniger tangential, und zwar je
kleiner desto häufiger einschießenden Eiskörper von
einem oder 10 bis 300 oder höchstens 500 m Durch-
messer ihre von außen nach innen abbauende Zer-
körnerung beginnen; und ein solcher Eisbolide von
200 m Durchmesser etwa gehört ja auch zu einem
kräftigen Hagelschlag und Wolkenbruch mittlerer
Güte. Eiskörper von 800 m Durchmesser dürfte die
Erde ebenso selten einfangen, als wir Hagelstriche von
800 km Länge zu verzeichnen haben. V or der Zerkörne-
rung sehen wir also am Tage in der Regel auch den
größten einfangbaren Eiskörper nicht, weil in min-
destens 200 km Höhe sein fahles Weiß und auch sein
fahlgrauer Selbstschattenteil im fahlen Hellblaugrau
des wolkenlosen Himmels verschwimmt. Nach der
Zerkörnerung können wir die noch hochfliegende
dampflose Hagelwolke ebenfalls nicht sehen, weil dic
Körner zu klein und ihre gegenseitigen Abstände zu
groß sind, um eine summarische Reflexlichtwirkung
hervorzubringen; erst in kleineren Höhen wird die
Hagelwolke dadurch sichtbar, daß sie sich in Dampf
oder Schmelzwasserstaub zu hüllen beginnt. Keines-
falls dürfte die Höhe einer solchen dahinrasenden
Hagelwolke in ihrem Sichtbarkeitsbeginn schon
einmal gemessen worden sein, weil eine solche
Messung bisher nur trigonometrisch möglich ist, was
auf zwei weit auseinander liegenden Standpunkten
so langwierige Vorbereitungen und gegenseitige Ver-
ständigung erfordert, daß sich wieder nur häufigere
stiller stehende, niedrigere Kumuluswolken u. dgl.
zur Höhenmessung eignen. Die eben auftauchende Hagel-
wolke entzieht sich also bisher der Höhenmessung.
Könnte sich aber obgenannte Riesenflugmaschine
von weißer Färbung und 200 m Spannweite in Berliner
Breiten zu Hochsommermitternachtszeit in
Höhen von 400 und 600 km emporschrauben, so daß
sie nicht nur schon die höchsten Luftschichten, sondern
auch den Erdschatten bereits verläßt, so würde
sie uns trotz des nunmehrigen Gesichtswinkels von
nur mehr 1°7, bezw. 1'13 Bogenminuten als winziges,
hellweiß strahlendes »Lercherl< sichtbar werden,
indem sie jetzt mit reflektiertem Sonnenlicht in unseren
finsteren Beobachtungsstandort hereinleuchtet!
Aus demselben Grunde werden wir zur selben Zeit,
von + 50° Breite aus, einen Eiskörper von 400 oder
600 m Durchmesser in 400 oder 600 km Höhe als
feines, hellweißes Lichtpünktchen von 3'4 Bogen-
minuten Durchmesser dahinschieBen sehen: Und das
sind eben die Sternschnuppen aus Eis!
67
Herr Dr. W. F. hat also unsere kosmischen Eis-
körper jedenfalls schon zu Hunderten oder Tausenden
gesehen, ohne es zu wissen. Wenn er sie nun
auch noch mit Händen greifen will, so ist das zu
viel verlangt, und es passen auf ihn die meinerseits
schon des öfteren tiefempfundenen Mephistoworte:
»Daran erkenn ich den gelehrten Herrn!
Was ihr nicht tastet, steht euch meilenfern;
Was ihr nicht faßt, das fehlt euch ganz und gar;
Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr, sei nicht wahr;
Was ihr nicht wägt, hat für euch kein Gewicht;
Was ihr nicht münzt, das, meint ihr, gelte nicht!«
Für einen »Gelehrten Herrn« tut mir aber Dr. W. F.
denn doch noch viel zu wenig entrüstet, so daß ich
hinter seinen Initialen lieber einen kommunen Flug-
interessenten vermuten möchte, dem man daher das
bisherige Sternschnuppenmißverständnis umso leichter
verzeihen darf.
Wahrscheinlich entrüstet sich mein gefährlicher
Lobredner wohl erst jetzt umso mehr, da er ebenso-
gut weiß wie ich, daß es in der heutigen Astronomie
kaum etwas fester Geglaubtes gibt, als die mineralische
und reibungsglutleuchtende Natur der Sternschnuppen.
Schiaparellis »Entwurf einer astronomi-
schen Theorie der Sternschnuppen« (1871)
gilt noch immer als epochales Werk, dem wir
aber den Boden entziehen müssen. Ich hatte mich
schon im Jahre 1897 an den verdienstvollen Entdecker
der Marskanäle mit der Bitte um Gehör in Dingen
einer uferlosen Ozeannatur des Mars und der Eis-
natur der Sternschnuppen gewendet, doch ohne Erfolg.
Schiaparelli hat das Problem der jährlichen und
täglichen Variation der Sternschnuppen mit fast
erschöpfender Gründlichkeit behandelt und ist dabei,
zu derart selbstbefriedigenden Scheinlösungen gelangt,
daß es allerdings gewagt erscheinen muß, wenn ich
zum Zweifel an die auch nur prinzipielle Richtigkeit
seiner plutonischen Sternschnuppentheorie einzuladen
mir erlaube. Die Sache erfordert aber ein derart
weites Ausholen, daß es unmöglich ist, Herrn Dr. W.F.
zu befriedigen und ich ihn leider abermals auf Seite 684
bis 738 unseres Hauptwerkes verweisen muß. Im
Prinzipe besteht Schiaparellis Grundirrtum darin,
daß er die Sternschnuppen mit jenen Meteoren
verwechselt, von denen das Wiener naturhistorische
Hofmuseum die reichste Sammlung besitzt; er selbst
sagt zwar: »Man muB hievon die sogenannten eigent-
lichen Boliden ausnehmen, welche am Ende ihrer
Bahn zerplatzen und im allgemeinen tiefer als die
ewöhnlichen Sternschnuppen herabsteigen.« Von den
ternschnuppen glaubt er, daß sie in viel größerer
Höhe als winzig kleine »Meteore< (vermeintlich oft
von wenig Gramm Gewicht) durch gänzliches Ver-
brennen in der Luft »verlöschen«, während sie in
Wahrheit nur dadurch verschwinden, daß unsere im
reflektierten Sonnenlichte leuchtenden Eiskörper
plötzlich in den Erdschatten eintauchen!
Durchaus nicht jeder solcherart »verlöschende« Eis-
körper muß nachher auch in die Atmosphäre ein-
schießen; die meisten von ihnen durchschießen bloß
den Erdschatten und fliegen dann in hyperbolisch ge-
knickter Flugbahn wieder weiter. Wit sehen aber
auch gar manchen von der Erde bereits ein-
gefangenen und zum kurzlebigen Trabanten ge-
machten Eisboliden auf einem kurzen Stiicke seiner
Umlaufbahn als »Sternschnuppe«. Denn fiir so nahe
umlaufende Kleineismonde bleibt zwischen dem
Dunstkeilring des nächtlichen Horizonts und den
dazu in wechselnder Neigung herumschwenkenden
Erdschattenzylinder nur wenig sonnenlichtdurch-
fluteter Zwischenraum, bei dessen Durchschießung sie
für uns aufleuchten können. Jene viel zahlreicheren
Kleineiskörper, welche beim Einschießen kleinere
Haufenwolken, Böen und Platzregen erzeugen, können
wir als Sternschnuppen überhaupt nicht sehen, da in
den hiezu notwendigen Höhen ihr Gesichtswinkel
noch zu klein ist. Das Einschießen selbst können wir
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wieder aus dem Grunde nicht sehen, weil dieser Ein-
schußort bei Tage im alles überschimmernden Sonnen-
lichte und bei Nacht innerhalb des Erdschattens liegt.
Weiter in das so komplizierte Detail der glacial-
kosmogonischen Sternschnuppentheorie einzugehen
ist im Rahmen dieser vorläufigen Beschwichtigung
ganz untunlich; doch will ich Herrn Dr. W. F. gerne
ein Gratisexemplar unseres Hauptwerkes zur Ver-
fügung stellen, falls er das Talent hat, aus einem
denkbequemen Saulus ein fleißig mitarbeitender Paulus
zu werden.
Für heute muß ich mich noch ernstlich dagegen
verwahren, wenn mein Coppe ee Zwischenrufer
den doch mit uns gekommenen Lesern die glacial-
kosmogonische Grundidee damit »in Kürze«
skizzieren will, daß im Weltraume die Eiskörper
verschiedenster Größe »nur soherumfliegen«.
Die näheren Gesetze und Regeln, nach welchen die
Eisboliden in das Anziehungsgebiet der Sonne und
in letztere selbst geraten, findet er im Hauptwerke
AN gemacht. Auch die launige Bemerkung,
daß so ein Eisbolide »doch einmal rechtzeitig zu platzen
vergessen könnte«, dürfte den Leser irreführen. Die
Zerkörnerung erfolgt von außen nach innen und nicht
etwa explosiv von innen heraus. Und diese Zerkörne-
rung kann niemals ganz versagen! Übrigens ist der
Zusammenstoß mit einem unzerkörnten Eisbolidenrest
nicht gefährlicher als jene aus einem ebensolchen
Roheiseinschuß gefolgte Bö, welche einen Marine-
Zeppelin bei Helgoland bis zur Vernichtung nieder-
zwang, oder jenes Vakuumrohr, welches einen anderen
1 über dem Teutoburger Walde zum Aufspießen
auf die Baumwipfel hinlegte. Wir werden diese beiden
typischen Fälle später, auf besser vorbereitetem Boden,
in luftphysikalischer Hinsicht noch genauer klarlegen.
Aber auch mit seiner »psychologischen
Analyse des Werdeganges« unserer glacial-
kosmogonischen Gedankenfolge hat Dr. W. F. daneben
geraten. Dieselbe ist durchaus nicht aus irgend welchen
»Feuerlösch«- Spekulationen über das physikalische
Grundwesen der Sonnenflecken, Fackeln, Protuberanzen
und Koronastrahlen erwachsen, sondern hat bei jenen
rätselhaften radialen Lichtstreifen einzelner »Mond-
vulkane« begonnen, die immer nur um die Vollmond-
zeit herum sichtbar werden. Ich möchte mir aber
vorbehalten, das nervenaufwühlende Seelenabenteuer
meiner Erstlingsentdeckung lieber bei späterer Ge-
legenheit vor einem bereits glacialkosmogonisch-
gläubigen Forum verschiedener flugtechnischer Vereine
zum besten geben zu dürfen. Erst nach weitem, zwang-
läufigem Umwege über Marskanäle, Jupiterstreifen,
Saturnring, Neptunmondbahnlage, Kometenschweife,
Sternschnuppenperiodizität, Meteorherkunft und Milch-
straßengenesis hat sich mir auch das Geheimnis eines
so zu nennenden »Neptunismus der Sonne« ent-
hüllt; erst als eine diesbezügliche Gedankenkette längst
lückenlos in sich selbst zurückgekehrt war, wurde
mir das Detail des solaren Geschehens und sein Zu-
sammenhang mit den großen meteorologisch-terrestri-
schen Vorgängen ganz klar. Wenn ich aber in dieser
Flugzeitschrift damit beginnen mußte, so geschah
es, weil die Flieger hieran zuerst Interesse nehmen
dürften, und dies für sie auch zuerst praktische Werte
zu zeitigen verspricht.
Was nun schließlich Dr. W. F.s Beanständung
einzelner unvermeidlich halbneuer, den ganz neuen
Gegenstand aber genau umschreibender Begriffe der
glacialkosmogonischen Nomenklatur betrifft, so sei
auf mein heutiges Leitmotto verwiesen, das mein
offenbar bereits halbbekehrter Skeptiker nicht allzu
ungütig aufnehmen wolle. Von Grüntischmathematikern
und technisch unerfahrenen Reinmathematikern darf
auch wirklich nur der Maschinenbauer und Baustatiker
sprechen, weil er, im Gegensatze zu den unverantwort-
lichen Astronomen und Meteorologen, unter schwerer
Verantwortung zu rechnen, bezw. hohe Pönalien zu
zahlen hat, wenn sich sein Werk schließlich unökono-
misch dreht oder unsicher hält und das Zeug sich zum
Schlusse als verrechnet erweist. Wie viel und wie
oft dagegen auf den genannten rein »wissenschaft-
lichen« Gebieten weit neben der Wahrheit vorbei
gerechnet worden ist, dürfte sich noch häufig zu
zeigen Gelegenheit finden.
Die freundliche Ermahnung meines halbliebens-
würdigen Kritikers, nicht etwa um einige »Lieues< zu
fehlen, kommt angesichts unseres 800 seitigen Haupt-
werkes von Lexikonformat und seinen 212 instruktiven
Zeichnungen leider zu spät! Denn: Mit 13 Jahren
trug ich das erste Mal zur Sommernachtszeit mein
Bettzeug verstohlen in den Garten aufs frische Heu,
um im Anblicke der Milchstraße, dieses später als
oberstes Rätsel des Kosmos erkannten Phänomens,
einzuschlafen und um nachmitternachts nachsehen zu
können, ob sich dieses unheimliche, scheinbar einen
zarten irdischen Wolkenring bildende Lichtband auch
wirklich mit den übrigen Sternen weitergedreht hat.
Mit 30 Jahren durfte ich mich damit brüsten, sämtliche
quälenden Rätsel der Astrophysik zu kennen, ohne in
der zu solchem Selbststudium zusammengeschleppten
Literatur eine befriedigende einheitliche Erklärung des
Ganzen gefunden zu haben. Mit 34 Jahren machte ich
die oben angedeutete, glacialkosmogonische Schliissel-
entdeckung am Monde mittels eines scharfen Tele-
skops, fiir welches mir Baron Rothschild heute eine
runde Million bieten darf, um es dem technischen
Museum zu stiften. Mit 38 Jahren, nach vierjährigem
vergeblichen inländischen Suchen, fand ich endlich in
Herrn Hauptlehrer Phil. Fauth in Landstuhl (Bayer.
Rheinpfalz) einen verständigen und diskussionsfreudigen
Liebhaber-Selenographen und späteren ebenso treuen
als streitbaren Mitarbeiter, ohne welchem ich den
Qualen des Alleinwissens der ungeheuersten Dinge
wahrscheinlich erlegen wäre. Und zufolge zunehmender
Geschäfts-, Familien- und Gesundheitssorgen war es
mir erst mit 53 Jahren vergönnt, mit unserem gemein-
samen Hauptwerke vor die Öffentlichkeit zu treten.
Allem Anschein nach wird es aber noch 20 Jahre
dauern, um, eventuell mit den flugtechnischen Ver-
einen an der Spitze und einem Heere von Lieb-
habern im Gefolge, bei den einschlägigen mittel-
europäischen Staatsinstituten den Handstreich wagen
zu dürfen. Mehr zögernde Vorsicht kann auch Herr
Dr. W. F. von mir nicht verlangen. Wohl aber glaube
ich es ihm empfehlen zu dürfen, sich in dieser weisen
Tugend auch selbst noch einige Jahre fleißig üben
zu wollen. Verzeihung!
H. Hörbiger.
Berechnung von Tragflachenholmen.
Von Cand. ing. L. Kubinsky, Lemberg - Wien.
Ausgenommen einige besonders einfache Fälle,
ist die Bestimmung der Beanspruchung von Stäben
bei gleichzeitigem Vorhandensein von Quer- und
Längskräften eine schwierige. Ist das Biegungsmoment
und die Längskraft (Axial- oder auch Knickkraft genannt)
an einer Stelle des Trägers bekannt, so kann die
Beanspruchung aus der Beziehung:
M P
berechnet werden, wobei M das Biegungsmoment
an der betreffenden Stelle, J das Trägheitsmoment
des Stabes, y die Durchbiegung, P die Längskraft
und f den Stabquerschnitt darstellen,
Die Axialkraft P ist stets bekannt und kann
demnach die durch sie hervorgerufene Beanspruchung
leicht bestimmt werden. Bezüglich des Biegungs-
momentes muß bemerkt werden, daß die Größe
desselben nicht nur von der Querbelastung, sondern
auch von der Längslast abhängt; diese sucht die
durch die erstere entstandene Durchbiegung meistens
zu vergrößern, bis ein neuer Gleichgewichtszustand
ne den äußeren und inneren Kräften erreicht
wird.
Für einfache Fälle bestehen eine Reihe von
Gleichungen, die die Bestimmung des Momentes für
jeden Punkt des Stabes leicht ermöglichen. Ein
einfaches Näherungsverfahren besteht darin, daß man
zunächst die Durchbiegung, welche der Querbelastung
entspricht, bestimmt, und sodann das Moment um
einen solchen Betrag erhöht, der gleich ist dem
Produkt aus der Längskraft mal der arpa aa
größe, hervorgerufen durch die Querbelastung. Der
hiebei entstandene Fehler kann in den meisten Fallen
vernachlässigt werden.
Wenn aber die Querbelastung keine über die
anze Stützweite gleichmäßig verteilte ist, zum
eispiel ST aufliegende Einzelkräfte wirken,
oder die Kraftverteilung eine ungleichmäßige, wenn
auch kontinuierliche ist (zum Beispiel bei Pleuel-
stangen), ferner wenn die Längskraft nicht zentrisch
am Träger angreift oder aber der Fall eines über
mehrere Stützen gehenden Trägers (Aeroplan-
Tragflächenholme) vorliegt, dann bietet die graphische
Methode vor der analytischen eine Menge Vorteile.
Sie ist in ihrer Anwendung sehr einfach und kann
der durch die Annäherung des Verfahrens bedingte
Fehler in seiner Größe abgeschätzt werden, bezw.
beliebig verkleinert werden.
Es sei ABC (Fig.1) die neutrale Achse eines
Stabes, der gleichzeitig durch die Einzelkräfte W,,
W: und Ws, wie auch durch die Längskraft P
beansprucht werde. Der Träger ist bei A und C frei
aufliegend gestützt. Der Linienzug ADEFC stellt
das Biegungsmomentendiagramm dar, welches durch
die Querkräfte allein hervorgerufen wurde. Die
LängskraftP allein ergibt ein Momentendiagramm
nach Form AGC, welches gleich ist der Form des aus-
geknickten Stabes. Das gesamte Biegungsmoment an
jeder Stelle des Stabes ist somit durch die Summe der
Ordinaten, das ist: ye + yg gegeben, wobei yg
natürlich im gleichen Maßstab wie ye aufgetragen
sein muß. Wie man die Größe von ye findet, ist
allgemein bekannt (Seilpolygon); es bleibt demnach
nur die Bestimmung von yg zu erklären.
Die Durchbiegungskurve eines belasteten Stabes
kann man ohne weiteres aufzeichnen, wenn man schon
sein Momentendiagramm gezeichnet hat, denn die
Durchbiegungskurve ist bekanntlich das Seilpolygon
des Momentendiagrammes. Der Vorgang ist demnach
folgender: zuerst wird das Momentendiagramm für
die Querkräfte allein aufgezeichnet. Nun betrachte
man diese Kurve als eine neue Lastverteilungslinie
und konstruiere dazu neuerlich das Momenten-
diagramm. Werden nun deren Ordinaten durch E XJ,
das heißt durch das Produkt aus dem Elastizitäts-
modul mal dem Tragheitsmoment, dividiert, so
stellt die Kurve die Durchbiegungslinie des
Trägers dar, falls derselbe lediglich durch die
Querkräfte belastet wird. Im folgenden sei dieses
Diagramm das »erste Durchbiegungs-
diagramm« benannt. Multipliziert man nun die
Ordinaten dieses ersten Durchbiegungsdiagrammes
mit der konstanten Längskraft P und trägt sie
neuerlich auf, so erhält man das durch die
Längskraft hervorgerufene Momenten-
diagramm, unter der Voraussetzung, daß die
Gestalt des kombiniert belasteten Trägers genau
gleich der Form der durch Addition der beiden
Momentenlinien gewonnenen Momentenlinie wäre. Dies
ist nun nicht der Fall. Man kann jedoch die
Annäherung vergrößern, bezw. den entstandenen
Fehler verkleinern, wenn man die erhaltene
Momentenkurve der Längskraft allein neuerdings
so behandelt, wie oben beschrieben, das heißt
zunächst das z weite Durchbiegungs-
diagramme konstruiert und daraus durch
69
Multiplikation mit P ein neues Momenten-
diagramm zeichnet. Die Ordinaten desselben sind
zu dem zuerst erhaltenen Diagramm hinzuzufügen.
Will man die Genauigkeit noch weiter treiben, so
kann man den Vorgang wiederholen, bis man eine
Durchbiegungslinie erhält, deren Gestalt mit der des
beanspruchten Stabes mit einer für ein graphisches
Verfahren überhaupt möglichen Genauigkeit identisch
sein wird. Für den praktischen Gebrauch ist es
genügend genau als Gesamtbiegungsmoment jenes
zu betrachten, das sich aus dem Momentendiagramm
der Querkräfte plus den Momenten der Längskraft P,
die an den Hebelarmen der Ordinaten der ersten
Durchbiegungslinie angreifen, zusammensetzt. Der
Genauigkeitsgrad kann durch Vergleich der Maximal-
ordinaten des Querkraftmomentendiagrammes und dem
ersten Durchbiegungsdiagramm bestimmt werden. Im
allgemeinen wird man finden, daß letztere nicht mehr
als ein Zehntel der ersteren sind, und es kann weiter
geschlossen werden, daß die Maximalordinate des
zweiten Durchbiegungsdiagrammes kleiner sein wird
als ein Zehntel der Ordinate des aus dem ersten Durch-
Ag. 4.
biegungsdiagramm abgeleiteten Momentendiagrammes,
der durch die Vernachlassigung des zweiten Diagrammes
entstandene Fehler wird demnach meistens kleiner
als ein Prozent sein.
Wirkt die Langskraft P nicht zentrisch, dann
ist die ursprüngliche Momentenkurve um einen Betrag
zu vergrößern, der gleich ist dem Produkte aus der
Längskraft mal der Exzentrizität. Es ist demnach
nötig, eine konstante Ordinate, die diesem Betrage
gleich ist, der Momentenlinie der Querkräfte
hinzuzufügen, bevor man die erste Ausbiegungslinie
zeichnet. Hierauf verfahre man genau so, wie oben
erklärt wurde.
Für Zugorgane, die auch gleichzeitig in ihrer
Querrichtung belastet werden, ist das aus dem
ersten Durchbiegungsdiagramm gewonnene Momenten-
diagramm vom Querkraftdiagramm in Abzug zu
bringen. Sonst wird genau wie früher beschrieben
vorgegangen.
Das Verfahren kann auch bei sogenannten »einge-
spannten« Trägern mit Vorteil benützt werden.
Die Kurve, nach welcher sich der Stab unter dem
gemeinsamen Einflusse der Quer- und Längskräfte
durchbiegt, ist nun nicht mehr gleich der Gestalt des
Momentendiagrammes der Längskraft. Die Einspann-
momente an den Stützstellen beeinflussen die Lage
der Nullinie, von welcher die Ordinaten im Momenten-
70
diagramm gezählt werden müssen. Sie ergeben im
allgemeinen eine Verkleinerung der
Momente, welche aus dem ersten Durchbiegungs-
diagramm entstehen. In solchen Fällen ist es somit
noch weniger nötig ein zweites Durchbiegungsdiagramm
zu konstruieren.
Es werde nun der Fall des eingespannten
Trägers betrachtet, der gleichzeitig eine Querkraft
in der Trägermitte trägt und axial durch die Kraft P
beansprucht wird. Nachdem die Tangenten der
elastischen Linie an den Einspannstellen horizontal
und parallel sind, ist die Fläche des Momenten-
diagrammes gleich Null zu setzen. Diese Bedingung
muß von allen zu zeichnenden Momentendiagrammen
erfüllt werden, sowohl von den Diagrammen der
Querkräfte allein, als auch von den Diagrammen, die
aus dem ersten oder zweiten u. s. w. Durchbiegungs-
diagramme abgeleitet wurden. In Fig. 2 ist zunächst
wieder das Momentendiagramm der Querkraft W allein
und darunter das daraus abgeleitete Durchbiegungs-
diagramm pgr gezeichnet worden. Die Nullinie st
Fe. 2.
|
ist nun so eingetragen worden, daß die zwischen ihr
und der Kurve abgegrenzten Flächen ober und unter
der Nullinie gleich groß sind. Mit Hilfe dieses
Diagrammes kann man das durch die Einspannung
reduzierte Moment in jedem Stabquerschnitt bestimmen,
ferner kann man in oben gezeigter Weise durch
Multiplikation der Ordinaten mit der Längskraft P
das entsprechende Momentendiagramm finden. Hiebei
ist wieder vorausgesetzt, daß die Gestalt des ausge-
bogenen Stabes genau gleich der des ersten Durch-
biegungsdiagrammes ist. Ist eine höhere Genauigkeit
gewünscht, so konstruiert man das zweite Durch-
biegungsdiagramm und legt hiebei die Nullinie derart,
daß die über und unter derselben liegenden Flächen
einander gleich sind.
Ist ein Stab durch unregelmäßig gelagerte
Einzellasten und durch eine Längskraft bean-
sprucht, so muß, wenn er horizontal fest eingespannt
ist, von allen Momentendiagrammen noch folgende
Bedingung erfüllt werden: Hiebei wird von der
Bedingung ausgegangen, daß die Momente an den
Stützen von den inneren und den äußeren Kräften
einander entgegengesetzt gleich sind. In Fig. 3 stelle
der Linienzug abc das Momentendiagramm des
Stabes unter der Einwirkung der drei Querkräfte
Wi, W: und W, dar, unter der Voraussetzung, daß
der Stab frei aufliege. Mit Ma und Mo seien
nur die Einspannmomente über den Stützen bezeichnet.
Es gilt dann die Beziehung :
l
ie si.
2 (2)
und
17 F(, — 3x)
worin F die Fläche des Momentendiagrammes für
den frei
Spannweite und x den Abstand des Schwerpunktes
aufliegenden Träger, 2 die. halbe
der Momentenfläche von der vertikalen Trägermittel-
linie bezeichnen. Das Momentendiagramm für den
eingespannten Träger findet man nun, indem
man die Nullinie de in den Abständen Ma und
Mo über den Stützpunkten zieht. Zeichnet man nun
die erste Durchbiegungslinie, so findet man die zuge-
hörige Nullinie ef, von welcher die Ordinaten zu
zählen sind, die mit P multipliziert, das Zusatz-
moment der Längskraft geben, indem man die Linie
gf in den Abständen Ma‘ und Mp’ über den Stützen
zieht. Hiebei wurden die Werte von Ma‘ und Mb
in ähnlicher Weise gefunden, wie wir bei dem
Momentendiagramm der Querkräfte, das heißt man
bestimmt zunächst die Diagrammfläche F’ und rechnet
mit dem neuen Schwerpunktsabstand x' wie oben
gezeigt wurde. |
Im folgenden seien nun die über mehrere
Öffnungen gehenden Träger, die gleichzeitig durch
Quer- und Längskräfte belastet werden, behandelt.
Es ist dies fiirdie Tragflächenholm-Berechnung
der wichtigste Fall.
Bevor wir die Methode auf derartige Stäbe an-
wenden, muß gezeigt werden, wie das Momenten-
diagramm mehrfach gestützter Stäbe und
allgemeiner Querbelastung gezeichnet wird. Für die
vorliegenden Zwecke eignet sich am besten das Ver-
fahren der >charakteristischen Punkte«.
Es sei AB in Fig. 4 irgend ein zwischen zwei
benachbarten Stiitzen liegender Teil eines mehrfach
gestiitzten Tragers. A C B sei das Biegungsmomenten-
diagramm dieses Trägers, fiir den Fall, daß er frei
aufliegt und sich überhaupt nur zwischen den
Stützen A und B befindet. Nun suche man die
Größe der Momentenfläche F und die Lage des
Schwerpunktes S, dessen Entfernung von der rechten
Stütze (B) mit x bezeichnet werde. Es ist nun
Be = c l, worin œ den Neigungswinkel des be-
lasteten Stabes über Stütze A gegen die horizontale
Nullinie A B bezeichnet. Be ist der Abstand des Schnitt-
punktes c der Tangente mit der Vertikalen durch B.
Ferner ist Be. E. I= dem Flächenmoment des
Momentendiagrammes bezüglich B, worin E den
Elastizitätsmodul und I das Trägheitsmoment des
Stabquerschnittes bedeuten. Es ist:
Be.E.I=F.x- A a Bb 3 = &alEl
C * . — . a. 6 . 6 —
Errichtet man im Punkte p, ein Drittel der
Spannweite l vom Lager A entfernt, eine Lotrechte
2 F x
|?
und schneidet man auf ihr die Strecke pn =
ab, so ist:
und für den Schnittpunkt m mit der Linie ab gilt:
ee + A Lj. Bo
also wird:
2 pn pm n
oder
71
Mit anderen Worten: multipliziert man die Strecke
nm mit der halben Spannweite 2 so ist die ge-
wonnene Größe en der Neigung des Trägers
über der Stütze A. Die gleiche Überlegung wurde nun
für den links von der Stütze A liegenden Trägerteil
gemacht. Man erhält auch hier einen Punkt, dessen
Abstand von der wahren Nullinie des Momenten-
diagrammes mit der halben Spannweite 4 multi-
pliziert, proportional der Neigung des Stabes über
der Stütze A ist. Da es sich um einen starren Träger
handelt, müssen natürlich beide Stabneigungen über A
einander gleich sein. Das Gefälle der Neigung ist
positiv, wenn der Abschnitt mn von links nach
rechts zunimmt, es ist negativ, wenn der Wert
des Abschnittes von rechts nach links zunimmt.
Daraus folgt auch, daß bei Trägern über mehrere
gleich große Spannweiten die wahre Nullinie des
Momentendiagrammes auf der einen Seite der Stütze
über, auf der anderen Seite unter dem jeweiligen
charakteristischen Punkte liegen muß, und zwar um
die are Beträge. Sind die Einzelspannweiten
ungleich, so sind die Abstände der charakteristi-
schen Punkte proportional den
Spannweiten.
Demnach wird das Momentendiagramm eines
mehrfach gestützten Trägers gezeichnet, indem man
zunächst die Momentendiagramme für die frei auf-
liegenden Einzelträger zeichnet, sodann die
charakteristischen Punkte berechnet und nun die wahre
Nullinie des Momentendiagrammes als gebrochene
Linie so zeichnet, daß sie entweder in gleichen Ab-
ständen über und unter den charakteristischen Punkten
(gleiche Spannweiten) oder in den Spannweiten ver-
kehrt proportionalen Abständen hinweggeht. Für
gleichmäßig verteilte Querlasten ist das Verfahren
besonders einfach, denn der Abstand des charakte-
ristischen Punktes über der horizontalen Träger-
mittellinie ist gleich zwei Drittel der Maximalordinate
des parabolischen Momentendiagrammes des Träger-
teiles, für den die Bestimmung erfolgt.
Es werde nun angenommen, daß der Träger
gleichzeitig durch eine Längskraft P beansprucht
werde. Das Momentendiagramm für die Querkräfte
allein sei gezeichnet — wie oben gezeigt — und
daraus die erste Durchbiegungslinie abgeleitet worden.
Diese Kurve gibt nun nicht mit der Längskraft multi-
pliziert die Momentenlinie der Längskraft. Um das von
dieser Kraft stammende Moment für jeden Trägerpunkt
zu erhalten, muß man auch die über den Stützpunkten
auftretenden inneren Momente berücksichtigen. Diese
Momente werden analog den Momenten der Quer-
kräfte gefunden. Es sei in Fg.5AmBnopCgD
die erste Ausbiegungslinie eines mehrfach gestiitzten
Trägers. Für den linken Trägerteil AB wurde das
Momentendiagramm der Längskraft P durch Multi-
plikation der Ordinaten des Diagrammes über der
horizontalen Nullinie AB mit P gefunden werden.
Nachdem sich der Träger jedoch über B nach C fort-
setzt, so entsteht über der Stütze B ein Moment,
das heißt die wahre Nullinie geht von A nach r; sie
wurde in genau gleicher Weise gefunden, wie die
Nullinie des Momentendiagrammes der Querkräfte
allein. In ähnlicher Weise findet man die Lage der
Nullinie für die Felder CB und BD, wobei stets zu
beachten ist, daß dieselbe von den charakteristischen
Punkten in Feldern gleicher Spannweiten gleich weit
absteht, während in Feldern ungleicher Spannweite
verkehrt proportional diesen Längen entfernt ist.
Nachdem die Nullinie gezeichnet ist, kann man die
Momente für die Quer- und Längskräfte rechnen. Bei
größerer gewünschter Genauigkeit wiederholt man
das Verfahren entsprechend oft.
Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, daß
eine geringe Änderung der Höhenlage eines
Stützpunktes bei mehrfach gestützten Trägern eine
verkehrt
72
wesentliche Anderun
Trägers bedingt. Für Träger, die auch durch eine
Längskraft beansprucht werden, ist dies von be-
sonderer Bedeutung, denn eine nur geringe Senkung
einer Stütze bedingt eine bedeutende Steigerung der
durch die Längskraft hervorgerufenen Beanspruchung
des Stabes.
des Biegungsmomentes des wurde, während für S, die Fläche bc nm verwendet
wurde. Hierauf ersetzt man in oben gezeigter Weise
die Punkte durch die richtig gelegenen T; und S}.
Mit ihnen findet man die Nullinie adc in der oft
beschriebenen Weise.
Zusammenfassung. Es wurde gezeigt, daß
das Verfahren der Addition der von den Längs- und
Wir penen zunächst neuerlich vom mehrfach ge-
stützten Träger aus, dessen eine Stütze sich um ô
gesenkt hat. Es muß dann die dieser neuen Be-
dingung entsprechende neue Lage der charakteristi-
schen Punkte festgestellt werden. Diese findet man,
indem man die Abstände der charakteristischen Punkte
von der Trägermitte des unbelasteten Trägers um den
Betrag 2 EI Aa bezw. 2 E 1. (im selben Maßstabe!)
1 2
vergrößert oder verkleinert, je nachdem das über der
betreffenden Stütze herrschende Moment durch die
Lagenänderung zu- oder abgenommen hat. Die so
gefundenen Punkte sind die neuen Lagen der charak-
teristischen Punkte. Es folgt aus obigen Gleichungen,
daß bei Trägern guin Materiales, Querschnittes
und gleicher pannweite, also I, = k, die
Änderung der Lage der charakteristischen Punkte gleich
2 ist, und zwar muß bei um 6 einsinkender Stütze
der charakteristische Punkt um = näher von der Ver-
bindungslinie der festen Stiitzen abstehen. Dieses
Verfahren kann auch für längsbeanspruchte Träger
verwendet werden; es sei ak mnc in Fig. 6 die erste
Durchbiegungslinie eines Stabes über zwei Offnungen,
der durch eine gleichmäßig verteilte Querlast und eine
Längskraft P beansprucht wurde. Die Mittelstütze ist
um 6 eingesunken. Zunächst findet man nach dem
bekannten Verfahren die charakteristischen Punkte T,
und Si, wobei die Fläche ak mb zur Berechnung
der Lage des charakteristischen Punktes T, benützt
den Querkräften erzeugten Biegungsmomente für einzeln
oder kontinuierlich belastete Stäbe über eine oder
mehrere Öffnungen mit Erfolg anwendbar ist. Hiebei
kann die Längskraft zentrisch oder exzentrisch an-
greifen. Bei einfacher Lastverteilung und einfach
Fig. 6.
gestützten Trägern bietet die analytische Behandlung
allerdings Vorteile, aber bei ungleichmäßigen Be-
lastungen, sei es nun durch Einzelkräfte oder kon-
tinuierliche Lasten, ist das graphische Verfahren kürzer
und leichter anzuwenden. Für mehrfach gestützte Träger
ist es jedoch das einzig praktisch brauchbare Verfahren.
73
Armierte und gepanzerte Flugzeuge.
Von Fritz Lichtenstern, Wien.
(Schluß.)
Unter gewöhnlichen Umständen wird bei einem
Flugzeug, das vorderen Antrieb besitzt, nur die
Möglichkeit des Schießens nach der Seite bestehen.
Ein im »Salon« 1913 ausgestellt gewesener einsitziger
Nieuport-Eindecker, hatte seitlich über den Rumpf
hinausragend und mit dem Lauf senkrecht zur Flug-
richtung des Apparates ein Maschinengewehr ein-
Nieuport-Eindecker.
gebaut. Zu der Parade über Kriegsflugzeuge, die
Mitte 1914 in Villacoublay stattfand, war ein schwerer,
armierter und gepanzerter Apparat derselben Fabrik
erschienen, der zwei Plätze aufwies.
Es wurden verschiedene Versuche gemacht, um
bei vorderem Antrieb dennoch nach vorne schießen
zu können, und zwar: 1. Schießen über den Propeller
hinweg; 2. durch eine Vorgelegewelle des Motors für
die Schraube; 3. Anwendung einer Arretiervorrichtung
für die Schraube.
Methode 1 wurde auf einem Deperdussin-Eindecker
ausprobiert. Das Gewehr ist — in der Flugrichtung
esehen — über dem rechten Teil des zweiteiligen
pannbockes aufgesetzt. Die Mündung liegt etwas
hinter der Rotationsebene des Propellers und bei
senkrechter Stellung desselben weit über dem höchsten
Punkt des oberen Flügels. Um das Gewehr zu be-
dienen, stellt sich der Schütze auf seinen Sitz. Diese
Stellung ist schon beim Zielen DEE da bei der
großen Geschwindigkeit der Druck der Luft so stark
ist, dab man Mühe aufwenden muß, um sich aufrecht
zu erhalten. Weiters kann man auch wegen der un-
vermeidlichen Schwankungen des Apparates nicht
ruhig zielen, da man in dieser Stellung die reflektori-
schen Gegenbewegungen macht. Außer dem Körper
des Schützen verursacht der zwischen den beiden
Teilen des Spannbocks stehende Schutzschild (schon
früher erwähnt) viel schädlichen Widerstand. Am
Schild ist dieser wegen der zum leichten Abstreichen
der Luft ganz ungeeigneten Form besonders groß.
Schon bei den ersten Versuchen muß sich diese An-
ordnung als vollkommen unbrauchbar erwiesen haben.
Methode 2 wurde, da sie eine besondere Aus-
bildung des Motors erfordert, von einer bekannten
Motorenfabrik verwendet. Es wurde dieser Fabrik ein
spezieller Motor und ein mit diesem angetriebenes
der Durchmesser der über der Motorachse gelagerten
Vorgelegewelle ziemlich gering ist und das Gewehr-
rohr darin nicht, bezw. nur wenig verrückbar ist, so
muß man, um Schießen zu können, den Apparat immer
erst genau in die Richtung des Zieles einstellen.
Schon deshalb ist dies fast undurchführbar, da der
Schütze dem Führer die genaue Richtung nicht an-
eben kann. Auch bei Bedienung des Gewehres durch
en Piloten dürfte sich selbst bei größerer Übung kein
Erfolg erzielen lassen. Dabei ist nicht einmal berück-
sichtigt, daß das Einstellen bei eventuell herrschendem
stärkeren Wind schwierig ist und daß mit dem Ein-
stellen Zeit vergeht. Die verstrichene Zeit wird der
bewaffnete Gegner entsprechend ausnützen, ohne daß
sich der andere wehren kann und der unbewaffnete
a wird sich mittlerweile in Sicherheit gebracht
aben.
Die Vorteile des Motors mit hängenden Zylindern
sind immerhin nicht zu unterschätzen. Die Aussicht
nach vorne ist etwas freier und weiters kann man den
Motor auch in einen gewöhnlich geformten Rumpf
Deperdussin-Eindecker.
einschließen. Früher baute Gyp-Gregoire, dann
auch die Firma, von der die Rede war, solche Motoren
(ohne Vorgelege).
Im Falle der Arretiervorrichtung bei Methode 3
(Schneider) kann der Schuß nur dann abgegeben
werden, wenn der Schraubenflügel schon vorüber ist.
In Eindeckern mit über den umpf hochgesetztem
Tragdeck (Parasol-Eindecker) und jene der alten
Bauart mit den Sitzen unter der Fläche und unter der
(verlängerten) Schraubenachse wurden Maschinen-
gewehre noch nicht eingebaut, obwohl man hier
wenigstens in der Flugrichtung schräg abwärts
schießen könnte. Diese Apparate haben übrigens auch
deshalb militärische Bedeutung, weil man nach unten
freien Ausblick hat.
Um den freien vorderen Ausschuß zu erhalten,
wurde neuerdings die Pischoff-Dornersche Bau-
art und Kraftübertragung wieder aufgebracht. Beim
Eindecker von Ponche-Primard (»Salon« 1912) ist
das Schußfeld durch die bis zur Höhe des Tragdecks
Sikorsky-Zweidecker.
Luftfahrzeug patentiert. Nach dem ersten Anspruch
handelt es sich um ein Luftfahrzeug mit durch ein
Vorgelege angetriebener Propellerwelle. Letztere ist
hohl und an thr ein Geschütz irgend welcher Art an-
geordnet. Der zweite Anspruch: Luftfahrzeug mit in
der hohlen Schraubenachse liegendem Geschütz, das
hinter dieser ausschwenkbar angeordnet ist.
Vorerst wurden die vier Zylinder hängend (unter
der Motorachse) an das Kurbelgehäuse angesetzt. Da
aufgezogene Kufe teilweise behindert. Auch tritt hier
die Reibung und das Gewicht der Übertragungsteile
unangenehm auf.
inige Konstrukteure wieder wollten in der Weise
vorgehen, daß sie Rumpfzweidecker mit seitlichem
direkten Antrieb versahen. Unter anderem hat auch
die besondere militärische Verwendungsfähigkeit
Sikorsky zu der damals EL Motorenanlage
an seinen Apparaten, den »Zeppelin-Zerstörern«, wie
74
sie schon vor Beginn des Krieges genannt wurden,
veranlaßt. Die vier einzeln auf dem unteren Tragdeck
stehenden 100 PS Argus-Motoren treiben die vorne
befindlichen Schrauben an. Diese Bauart ist von
Dorand und vom Laboratoire d’Aéronautique
militaire de Chalais-Meudon verbessert
worden. Die zwei Gnöme-Motoren sind derart von
Rotationskörpern umgeben, daß der Luftwiderstand
stark vermindert werden konnte. Da diese Motor-
eindeckung aus Stahl besteht, diente sie gleichzeitig
als Panzerung für die Motoren. Zur Erzielung eines
günstigen Me der Schrauben rotieren
diese hinter der Zelle.
Eine solche geteilte Motorenanlage ist natürlich
kompliziert. Ferner ist es Schwierig, das Fahrgestell
so anzuordnen, daß es bei der Landung zu keinen
Brüchen kommt. Die Lage der Kufen und Räder direkt
unter den Motorenerscheint deshalb ungünstig, da der
schwere Rumpf nicht unterstützt ist.
Möglicherweise ließe sich mit vorderem indirekten
Zweischraubenantrieb, wie er früher von Savary und
von Liore benützt wurde, Erfolg erzielen. Allerdings
könnte der Platz des Schützen nicht ganz vorne sein.
Ferner macht sich wieder die Reibung etc. geltend.
Am einfachsten und an jedem Flugzeuge mit
vorderem direkten Antrieb verwendbar, wäre das
Mittel, den Umlaufkreis des Propellers stark zu ver-
mindern. Durch drei- oder vierflügelige Schrauben
würde sich dies noch nicht erzielen lassen. Dabei ist
an den Turbinenpropeller gedacht, wie ihn Coanda
an einem seiner Zweidecker Ende 1910 benützt hat.
Diese Turbine müßte aber ökonomischer arbeiten, als
jene von Coanda. Sie wurde bereits 1911 aufge-
eben. Die Turbine wäre auch zwecks geringerer
auhöhe des Fahrgestells wünschenswert.
Schutz des Flugzeuges vor den Wirkungen von
Geschossen.
Zur Erreichung dieses Zieles muß der Konstrukteur
sich vor Augen halten: Größte Einfachheit der Form
des Flugzeuges. Die Teile, die außen nicht liegen
müssen, sollen ins Innere des gepanzerten Rumpfes
verlegt und eingeschlossen werden. Der Motor, von
dessen Funktionieren der Apparat so sehr abhängt
und der vor Verletzungen besonders zu schützen ist,
muß eingeschlossen sein, wie man dies zur Erzielung
eines geringen Luftwiderstandes schon des öfteren
gemacht hat. Letzteres Prinzip deckt sich überhaupt
mit dem der möglichsten Unverwundbarkeit, abgesehen
von der Panzerung. Da die Schraube bei Stand- oder
Rotationsmotoren auf der Welle sitzt, verwendet man
zur Vermeidung eines zu pal Sia Rumpfvorderteiles
die bekannten, sich mit der Schraube mitdrehenden
Rotationskörper.
Auch der Körper der Insassen muß vom Rumpfe
umschlossen werden, so daß nur die Köpfe heraus-
ragen. Die Einschließung hat den Nachteil, daß die
Orientierungsfähigkeit erschwert ist. Außerdem kann
ein eventuell vorhandenes Maschinengewehr nicht
leicht bedient werden.
Ebenso wie Motor und Insassen sollten die so
wichtigen Steuerzüge zum größeren Teile innerhalb
des Rumpfes geführt werden. Bei den Drähten oder
Kabeln für die Verwindung (Hilfsflügel) ist die Ein-
schließung natürlich undurchführbar. Auch doppelte
Züge würden nichts nützen. Bei den Panzerzweideckern
von Voisin, Dorand, »Chalais-Meudon« be-
finden sich sowohl am oberen als auch unteren Trag-
deck Flügelklappen. Die Klappen jeder Seite sind
durch je eine Stange miteinander verbunden. Die Züge
sind doppelt, und zwar für die oberen und unteren
Klappen. Die Stange dient dazu, daß im Falle des
Unbrauchbarwerdens eines Steuerzuges der betreffende
Hilfsflügel doch betätigt werden kann und bei Intakt-
sein aller Züge zum genaueren Zusammenarbeiten
aller Klappen.
Diese Methode ist aber nicht immer verwendbar,
das ist 1. bei der Verwindung des Eindeckers und
2. bei Zweideckern, deren unteres Tragdeck geringere
Spannweite hat. Oder sollte man die Steuerung oder
Verwindung, wie seinerzeit beim Höhensteuer der
Wright-Zweidecker, durch Holz, bezw. Stahlstangen
betätigen? Das Plus an Gewicht würde durch größere
Sicherheit wettgemacht werden.
Teile, die außerhalb des Rumpfes liegen müssen,
sollen möglichst einfach gehalten sein. Das Fahrgestell
soll nicht kompliziert sein. In dieser Hinsicht ist heute
bekanntlich eine Form im Gebrauch, wie sie einfacher
nicht mehr gedacht werden kann. Die Räder können
Vollgummireifen tragen, wobei das größere Gewicht
nicht in Betracht käme. Die sogenannten Panzer-
(Scheiben-)rader werden übrigens ebenso leicht ver-
letzbar sein, wie die Drahtspeichenräder. Was die
Schwanzkufe betrifft, so hat diese verhältnismäßig zu
wenig Bedeutung, als daß sie einer besonderen Aus-
bildung bedarf. `
Spann- und Verwindungsböcke sind ohnedies
schon sehr einfach. Sie bestehen aus zwei, höchstens
vier Streben. Die Zahl der Stiele ist zu reduzieren,
wenn auch damit nicht zu weit gegangen werden darf
(Breguet 1911). Beim Bruch einer Strebe hätten
die wenigen anderen mehr auszuhalten, als wenn sich
der Druck auf die Flächen auf mehrere Stiele verteilt.
Dagegen wird es sich empfehlen, besonders die Stiele
und Böcke stärker als sonst zu dimensionieren. Das
Fahrgestell aber braucht nicht verstärkt zu werden,
1 eine Verletzung natürlich keinen Absturz zur Folge
ätte.
In vollkommenster Weise läßt sich das Prinzip der
möglichst einfachen Bauart beim heutigen Standardtyp
durchführen. Nur wegen der einheitlichen Bauart ist
er zu diesem geworden. Weniger einfach sind die
Zweidecker der Bauart Voisin-Farman. Die vorhin
niedergelegten Konstruktionsprinzipien zur Sicherung
des Flugzeuges sind in erster Linie auf diese beiden
Typen anzuwenden.
Das Baumaterial.
Was das Material, dem Geschosse und Splitter
wenig anhaben können, betrifft, so ist dem Stahl der
Vorzug zu geben. Er kann nicht in Brand geschossen
werden und weiters splittert er nicht. Stahl, der bereits
aus anderen Gründen (kein Verziehen etc.) bei der
Konstruktion gebraucht wird, muß verwendet werden:
1. bei Flügelholmen, 2. bei Spann- und Verwindungs-
böcken, 3. bei Zellenstielen. Wünschenswert ist Stahl-
konstruktion bei Rümpfen und Fahrgestellen. (Erstere
sind oft nur teilweise gepanzert!)
Um das Feuerfangen der Flügel- und Rumpf-
bespannung zu verhüten, imprägniert man den Stoff
mit Cellonemaillit.
Die Panzerungen.
Um die wichtigen Teile des Flugzeuges vor Klein-
ewehr- und Maschinengewehrfeuer und gegen kleinere
ranatsplitter zu schützen, werden diese, bezw. der
Rumpf gepanzert. An Stelle der pa des
Rumpfes werden Panzerplatten gesetzt. Da der Motor
und die Insassen, deren Verletzung in erster Linie
vorzubeugen ist, sich im Rumpfvorderteil befinden,
so wird meist das vordere Drittel oder die vordere
Hälfte mit Panzer versehen. Wenn die Tanks sich
hinter den Sitzen befinden, so muß sich die Panzerung
auch über diese erstrecken. Ein Schuß könnte dort
eine Explosion, mindestens aber das Auslaufen des
Betriebsstoffes zur Folge haben, was zu einer Ent-
zündung des Benzins von seiten des Motors führen
kann. Was den Panzer selbst betrifft, so kommt dessen
Dicke und daher das Gewicht bei gleichem Material
in Betracht. Häufig wird Chromnickelstahl verwendet.
Ein Stahlpanzer von 2 mm Dicke und 1 m* Oberfläche
wiegt ca. 50 kg. Bei hohem Gewicht bietet dieser
Panzer erst in ungefähr 500 m Höhe Schutz und außer-
dem können nur Flugzeuge mit starken Motoren einen
solchen Panzer ohne große Verringerung der Ge-
schwindigkeit tragen.
75
Sonnentätigkeit und Witterung.
Von Wilhelm Krebs. (Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen.)
(Fortsetzung aus Nr. 20,21 vom 1. November 1914.)
V. Neuentdeckte Vorgänge auf dem Gebiete der
Sonnentätigkeit und ältere, fast verschollene
Sonnenaufnahmen.
Meine Darstellung der Sonnentätigkeit kann nicht
an zwei Entdeckungen auf dem Gebiete der Sonnen-
physik vorübergehen, die beide in neuester Zeit der
pektralphotographie zu danken sind. Bei der einen
darf sie es um so weniger, als aus ihr ein neues,
gewichtiges Zeugnis für die die Sonnentätigkeit be-
herrschende Rolle der Wirbelringe zu gewinnen ist.
Diese Entdeckung ist zuerst im Frühjahre 1909
von dem Engländer J. Evershed gemacht worden.
In den folgenden Jahren ist sie durch eine gründliche
Untersuchung des Amerikaners Ch. E. St. John
sichergestellt und weitergeführt worden. An größeren
Sonnenflecken, deren John allein in den Jahren 1910
und 1911 nicht weniger als elf genau untersuchte,
wurden Linienverschiebungen im Spektrum der Halb-
Fig. 17. Rechte Hälfte eines Radialschnittes durch die
Umgebung eines Sonnentleckens, nach John.
Stromlinien der aus- und
A der einströmenden Metallgase, bezeichnet mit den
Atomzeichen der wichtigsten.
rear x
2 Obere und untere Grenze der umkehrenden Schicht.
= Lage des Sonnenfleckenkernes.
— ——
Magnetische Kraftlinien.
Höhenlagen J nach Jewell, L nach Lockyer.
schattenhöfe (Paenumbra) auf spektralphotographi-
schem Wege nachgewiesen. Auf Grund der Doppler-
schen Regel wurden aus ihnen radial vom Kernteil des
Sonne nfleckens ausgehende und radial ihm zuführende
Bewegungen erschlossen. Durch sie wurden Gase der
unteren Chromosphäre oder umkehrenden Schicht
vom Kernteil nach außen, solche der oberen Chromo-
sphäre nach innen geführt. (Fig. 17.) Das Gesamtbild
dieser Bewegungsvorgänge entsprach also einem
Wirbelring. (Fig. 18.)
Doch sei sogleich bemerkt, daß keineswegs alle
der in Gasform untersuchten Elemente den gesamten
Wirbel mitmachten. Das galt nur von den spezifisch
zumeist leichteren Elementen, wie Kalzium, Natrium,
Magnesium, Wasserstoff, außerdem auch vom Eisen.
Die schwereren Elemente nahmen trotz ihres gas-
förmigen Zustandes nur an dem Ausströmen innerhalb
der umkehrenden -Schicht teil. Beim Wenden des
Wirbelstromes nach oben, das, nach der Darstellung
beider Beobachter ungefähr über der äußeren Um-
randung eines Halbschattenhofes (Paenumbra) statt-
fand. blieben sie zurück.
Der dadurch hervorgerufene Stauungszustand bot
John eine willkommene Erklärung für das Auftreten
des hochglühenden Fackelrandes im Umkreis der
großen Sonnenflecken. Doch erscheint gar nicht aus-
geschlossen, daß an dieser höheren Glut ähnliches
mitwirkt, wie Deslandres an Fackelgebieten nach-
gewiesen hat.
Im Kapitel II dieser Artikelreihe, auf S. 216 der
Österr. Flug-Zeitschrift vom 25. Juni 1914, ist in Fig. 4
ein solches Fackelgebiet dargestellt, das zugleich ein
Fallgebiet der Chromosphäre war. Auf S. 271 der Zeit-
schrift vom 25. Juli 1914 verglich ich den Zustand höherer
Glut mit den mit Temperaturerhöhungen ebenfalls
verbundenen Föhn- oder Fallwinderscheinungen der
Erdatmosphäre. Verdichtung und Verdichtungswärme
stellen sich auch ein beim Absinken der Gase einer
Kugelschale. Diese Richtung für die schwereren Gase
der umkehrenden Schicht anzunehmen, ist durch die
Überlegung nahegelegt, daß die vom Fleckeninnern
herausströmenden Gase eine Ergänzung verlangen.
So dürfte ihr Kreislauf ähnlich geschlossen sein,
wie bei den leichteren Gasen, nur daß er sich in
seinem absteigenden und rückkehrenden Teile unseren
heutigen Instrumenten entzieht. Es würde sich jedes-
mal um einen doppelten Wirbelring handeln. Ein
oberer der leichteren, ein unterer der schwereren Gase
sind einander jedesmal zugeordnet. Dort, wo sie sich
trennen, zeichnet sich ein leuchtender Fackelkranz ab.
(Fig. 18.)
Diese längst beobachtete und nach den eben
dargelegten Entdeckungen doppelt, durch Stauung
und verdichtendes Absinken der heißen Metallgase
E Sprie Glut bietet augenscheinlich die Erklärun
ür das rapide Weitersteigen der leichteren Gase un
edenfalls für ihren, trotz der Ausdehnung bei diesem
eitersteigen, anhaltenden Glutzustand. Man kann in
ihm den eigentlichen Grund des oberen, unserer Be-
obachtung völlig zugänglichen Wirbelringes sehen.
Nach Johns Untersuchungen sind von den be-
kannten ungefähr 70 Elementen jedenfalls dic an ihren
Spektrallinien von ihm bestimmten 27 beteiligt. Von
solchen Spektrallinien wurden nicht weniger als 506
der Prüfung unterzogen. Sie ließen auf Teilbewegungen
radial über die Halbschattenpartie schließen, die ein-
wärts wie auswärts etwa m pro Sekunde im
Höchstfalle erreichten. (Fig. 17.) In mittlerer Höhe,
besonders bei Linien des Eisens und des Aluminiums,
sanken sie auf 0 Sek./m herab.
Das Höhenverhältnis in der Chromosphäre und
in ihrer untersten umkehrenden Schicht konnte an der
Intensität der Spektrallinien ermessen werden. Dabei
stellte sich heraus, daß das rote Licht einen tieferen
Einblick in das Meer glühender Gase gestattete als
das violette. Bis zu dieser größten, mit Hilfe der
Spektralphotographie erloteten Tiefe nahmen die aus-
wärtsgerichteten Geschwindigkeiten der schwereren
Gase noch zu.
Es handelte sich hier um Linien des Cadmium,
Chrom, Kobalt, Titan und vor allem wieder des Eisens,
dessen Spektrallinien nach Hunderten zählen. Durch
ihre von John gemessenen Verschiebungen wurden
76
Auswärtsgeschwindigkeiten verraten von mehr als
2000 Sek./m bis zu 0 Sek./m und sogar zu leichten
Einwärtsbewegungen herab. (Fig. 17.)
Ein noch universelleres Vorkommen ihres Ele-
mentes verrieten die ebenfalls zahlreichen Linien des
Kalziums. Von mehr als 1000 Sek./m Auswärts-
geschwindigkeit sank die von ihnen angezeigte Radial-
bewegung der glühenden Kalziumgase oberhalb der
Fig. 18. Rechte Hälfte eines Radialschnittes durch einen
doppelten solaren Wirbelring,
im Anschlusse an Johns spektralphotographische Auslotungen
der Chromosphäre, entworfen von Wilhelm Krebs.
Obere Grenze der Photosphäre.
Obere Grenze der umkehrenden Schicht.
LS
—— == ge
— |
= un =
Wirbel der schwereren Gase.
Wirbel der leichteren Gase.
Höhenangaben nach Lockyer.
umkehrenden Schicht auf 0 herab und ging in zu-
nehmende Einwärtsgeschwindigkeiten über. Die K-
und H-Linien des Kalziums wiesen schließlich die
höchsten jener Geschwindigkeiten auf.
Die stärkste Einwärtsbewegung des Wirbelringes,
deren Schauplatz nach Jewells Ergebnissen, denen
John sich anschließt, 25.000 km höher liegt, als die
der stärksten Auswärtsbewegung, erreichte nach Johns
Tabelle der gesamten Messungen etwa 1900 Sek./m.
Sie stand also sehr nahe der stärksten Auswärts-
geschwindigkeit des Eisens.
Die für die rohen Umrisse des oberen Wirbel-
ringes noch fehlenden auf- und absteigenden Äste sind
gerade am Kalziumgase bereits durch Deslandres
nachgewiesen. Die Aufnahmen, auf Grund deren die
Steig- und Fallgebiete der Fig. 4 von mir entworfen
sind, geschahen im K:-Lichte des Kalziums. Sie ergaben
die volle Erklärung für spektroskopische Beobachtungen,
die mehr als 30 Jahre älter waren.
Respighi hatte sie im Jahre 1871 veröffentlicht.
Er hatte gefunden, daß am Sonnenrande die Chromo-
sphäre stellenweise sich von oben nach unten zu-
sammenzog oder sogar ganz zusammenschwand und
dabei in intensives Glühen geriet. Diese Stellen
befanden sich nahe bei oder gerade über der Kern-
partie von Sonnenflecken.
ein enger Zusammenhan
Diese spektroskopischen Randbeobachtungen der
Sonne lieferten offenbar Fallgebiete oder absteigende
Strömungen der Chromosphäre in Seitenansicht. Be-
deutungsvoll erscheint an ihnen die Lage über Sonnen-
flecken. An den Steig- und Fallströmungen der Fig. 6,
daß ihre Höchstgeschwindigkeit von 1400 und
2100 Sek./m derselben Größenordnung angehörten,
wie die der Horizontalströmungen Johns. Dieser
selbst fand an Aufnahmen der K-Linien des Kalziums
aufsteigende 1 von 1300 bis 1870, ab-
steigende von 680 bis 2200 Sek. /m.
Sie liegen wiederum innerhalb jener Größen-
ordnung. Daß bei solchen Fallgeschwindigkeiten bei
weitem nicht immer eine Erhitzung eintritt, die über
den dunklen Sonnenflecken die absteigenden Gase in
helle Glut versetzt, kann nicht befremden. Denn ihnen
kommen die aufsteigenden schwereren Gase des
unteren Wirbelringes entgegen. Sie steigen nicht
minder steil empor und müssen infolgedessen sehr
erheblich abkühlend wirken. (Fig. 18.) Schließlich wird
es auf das Massenverhältnis ankommen. Es erscheint
sogar nicht ausgeschlossen, daß damit die letzte und
richtige Erklärung für die Entstehung der dunklen
Sonnenflecken selbst geliefert werden kann.
Rätselhaft erscheint nur, daß bei den einen Fällen
mit Sonnenflecken gegeben
war, bei den anderen Fällen diese Bewegungsvorgänge
ihre Spuren auf gänzlich fleckenfreien Flächen des
Sonnenballes hinterließen. j
Die Lösung des Rätsels wird von einer Kalzium-
K-Aufnahme Deslandres’ geboten, die schon im
Jahre 1909 gemacht ist. (Fig. 19.) Sie betraf einen
S
as Sonnenfleck f
Wirbelring im
—~ Filament K-Lichte
O t 100 200 Meg.
0 2 * U 5 i
Fig. 19. Feld 3 Sonnentätigkeit am Morgen des
. September 1909, 8 bis 8” a.
Nach einer spektrographischen Aufnahme zu Meudon von
Deslandres, im K»-Lichte des Kalziums. (Pariser Akademie,
Compte rendu vom 10. Jänner 1910.)
großen, mehrkernigen Sonnenflecken mit seiner Um-
gebung, der auch aus anderen Gründen eine geradezu
geschichtliche Bedeutung beansprucht. Er signalisierte
ein Gebiet hochgesteigerter Sonnentätigkeit, dessen
Vorübergang zeitlich mit der stärksten bekannt-
ewordenen Einwirkung auf die Erde verknüpft war.
or allem wurden Polarlichter auf der ganzen Erde,
bis nahe zum Äquator beobachtet. Es handelte sich
ferner um die stärksten magnetischen Störungen, die
auf der Erde verzeichnet sind, und weiterhin um
eine Häufung von Gewitter- und Sturmbildungen in
verschiedenen Gebieten der Erdatmosphäre.
Es handelte sich endlich um ein Gebiet der
Sonnenoberfläche, auf welchem vulkanische Tätigkeit,
immer wiederkehrend in Höchsterscheinungen, zurück-
verfolgt ist in das IV. Jahrhundert vor, und vorwärts
verfolgt ist bis in das II. Jahrtausend nach
unserer Zeitrechnung.
Diese so ausgezeichnete Epoche ge-
steigerter Sonnentätigkeit bot in der Hoch-
region der Kalzium- K-Gase am 24. September
1 ein Bild, das einen Wirbelring über der
bedeutendsten damaligen Sonnenfleckengruppe
vereinte mit den sichtbaren Spuren einer
ganzen Schar von Wirbelringen über der
freien Sonnenoberfläche. (Fig. wo
Daraus ergibt sich der Schluß, daß zwar
eine gewisse Vorliebe der Sonnentätigkeit
dafür bestehen mag, über großen und regel-
mäßigen Sonnenflecken Wirbelringe auszu-
bilden, daß aber die Sonnenoberfläche über-
haupt ein Feld für diese Gebilde bietet.
Es erübrigt noch eine Zusammenstellung
der Maße der neu dazugekommenen Wirbel-
ringe mit denen der früher in den Kapiteln Ill
und IV betrachteten (Tabelle). Aus dieser
Tabelle folgt, daß sie tatsächlich der gleichen
Größenordnung angehören.
Fig
77
der Wasserstoffmassen sichtbar. ah a Es stellte
sich heraus, daß entgegengesetzte Wirbelbewegung
mit entgegengesetzter Polarisation dieses Lichtes ver-
bunden war.
Auch hier blieb die Möglichkeit einer direkten
Kontrolle am einfachen Fernrohrbilde nicht aus.
Die erste, am ausführlichsten berichtete Untersuchung
Hales hatte an einer Stelle gesteigerter Sonnen-
tätigkeit stattgefunden, die am 27. Juni 1908 der
Erde zugekehrt war. Das chs a Fleckensignal,
ein kleiner Flecken, mit Eee ern, war meiner
alltäglichen teleskopischen Kontrolle nicht entgangen.
Sieben Ban. Aufnahmen dieses Fleckens, am
27. Juni 1 und den vier nachfolgenden Tagen,
hatten auch im einfachen Dreizöller seine Rotation
erkennen lassen.
.20. Nachweis eines elektromagnetischen Feldes auf der Sonne,
durch die Zerlegun
achter durchquert, in zwei entgegengesetzt zirkularpolarisierte Teile
(Zeeman-Effekt), nach G.
Im Sonnenfleckenspektrum, dem mittleren Bande, das oben und unten
eines Lichtstrahles, der es radial zum Beob-
- Hale (Mt. Wilson-Observatory).
Bei den er Kraftäußerungen der vom en ektrum begleitet ist, ist eine Eisenlinie in zwei Linien
ý : _ zerlegt, die dem Sonnenspektrum angehört, während rechts und links
vulkanischen Tätigkeit der Sonne hat die Um atmosphärische Linien unzerlegt bleiben. Durch Drehen eines vorge-
setzung der Kräfte, besonders ihre Einwechs-
lung in elektrische Energie, einen großen
Spielraum. In der Tat sind unverkennbar
elektrische Erscheinungen innerhalb von
Feldern gesteigerter Sonnentätigkeit sichergestellt.
Vor allem sind es solche, die durch elektromagnetische
Beeinflussung der Lichtstrahlen zustande kommen
und dadurch der teleskopischen, polariskopischen
und spektroskopischen Beobachtung zugänglich werden.
Die wichtigste Entdeckung dieser Art wurde im Jahre
1908 gemacht.
Dem Sonnenforscher G. E. Hale auf dem
Mt. Wilson-Observatory in Kalifornien Bean, der
einwandfreie Nachweis, daß das dunklere Band,
welches das Spektrum eines Sonnenfleckens darstellt,
nahe der Sonnenmitte zirkulare, am Sonnenrande
lineare Polarisation aufwies. (Fig. 20.) Dieses Ver-
halten og tbe» genau dem von dem niederländischen
Physiker P. Zeeman gefundenen Verhalten eines
Bündels von Lichtstrahlen, das von einem starken
elektromagnetischen Felde beeinflußt wird. Solche
Kraftfelder wurden auf Spektralphotographien im
H a-Wasserstofflichte auch als regelrechte Wirbel
*) Die Ausmessung dieser Wirbelringe ist auf S. 272 der
Osterr. Flug-Zeitschrift Nr. 14, vom 25. Juli 1914, bereits mit-
geteilt.
rs ee nn nn ee ee 0
|
schalteten Nicol-Prismas wird einmal die linke, dann die rechte Teil-
linie stärker verdunkelt (»ausgeléschte).
Hiedurch ist die entgegen-
gesetzte Zirkular-Polarisation bewiesen.
Sie verlief ungewöhnlich rasch. Die Zeit einer
Drehung um 180° ging bis auf 12 Stunden herab.
Sie verlief auch in ungewöhnlicher Richtung. Diese
war zyklonal, nicht wie bei rotierenden Sonnen-
flecken gewöhnlich von mir gefunden antizyklonal.
Sie zeigte dadurch an,daB der beobachtete Sonnenflecken
einem aufsteigenden Gebiete der Sonnenoberfläche
angehörte, nicht wie sonst gewöhnlicher einem
absteigenden Gebiete.*) Auch stellten sich bei
weiterer Untersuchung der begleitenden Umstände
Ergebnisse ein, die auf eine nicht eben gewöhnliche,
wenn auch nicht besonders einflußreiche Äußerung
der Sonnentätigkeit deuteten.
Zeeman schätzte die Stärke des untersuchten
magnetischen Feldes jener Sonnenstelle auf 3000 GauB-
Einheiten oder Gamma (1). Das sind 30 Millionen
kleine Einheiten (y). Bei der 1495 Millionen
Kilometer betragenden Entfernung der Erde von der
Sonne kommen sie umgekehrt, entsprechend dem
*)W.Krebs:»Gemeinsames Drehungsgesetz bei 5
schen und heliodynamischen Wirbeln.« Physikalische Zeitschrift,
X., Seite 1022—1023, Leipzig 1909.
Wirbelringe auf der Sonnenoberfläche.
Datum der Beobachtung W²irbelringe Kleinster 85 BE SE 8 Mittlerer Nach .
I. 3. und 31. Juli 19 iea 7 3 110“ 45“ Chevalier
2. 3. und 4. August 1908 ..... 28 9 70⁰ 47“ Fox
3. 31: August 1908 cee oa 234 20 20° 80“ 50% Fox
4. 24. September 1909. ...... 11 21“ 90“ 54“ Deslandres
5. 24. September 1909 (Fleckenum-
nr 1 54" 54“ 54" Deslandres
© 16: Marz 1910: > ea caoga 4 26“ 65" 49“ Krebs
7. Mai 1910 bis November 1911 . . 11 17“ 45% 34" John
78
Quadrat dieser Entfernung, nur mit einem außer-
ordentlich winzigen Bruchteile eines y zur Geltung,
während 1’ Störung der Deklination auf der Erde
allein mehr als 5 y Störung der Horizontal-Intensität
an der Erdoberfläche verlangt. So erklärte es sich,
N
0 1 E 3’ 4’
Fig. 21. Wasserstoff-Flocculi in zyklonaler Wirbelhewegung
um je einen Sonnentleck nördlich und südlich des Aquators.
Im Ha-Lichte photographiert am 9. September 1908, 6 Uhr
mittlere Greenwicher Ortssternzeit auf Mt. Wilson (Kalifornien)
von Mr. George E. Hale.
daß der 27. Juni 1908 seit dem Aufgehen der Sonne,
trotz jener auf der Sonne beobachteten elektro-
magnetischen Kraftäußerungen, jedenfalls an europäi-
schen Warten als erdmagnetisch ruhiger Tag
verzeichnet ist. Und daß diese Ruhe auch anhielt
über die amerikanische Tageszeit hin, an der
jene Beobachtung geschah. Immerhin aber
waren die Tage vom 27. bis zum 30. Juni, an
denen diese Ruhe anhielt, in Europa und Nord-
amerika vielfach von Gewittern heimgesucht.
Das an Sonnenflecken arme Jahr 1913 ist
dann von Hale benutzt worden, um nach dem
Zeeman-Effekt, also nach elektromagneti-
schen Kraftäußerungen auf der Sonne, auch außer-
halb des Bereiches der Sonnenflecken zu suchen.
Dieses Bestreben war von vollem Erfolg gekrönt.
Es stellte sich ein allgemeines magnetisches
Kraftfeld der Sonne heraus, hundertmal so stark
als das magnetische Kraftfeld der Erde. Es et-
gaben sich sogar Anzeichen für das Vorhanden-
sein eines besonderen magnetischen Feldes in
den äußersten Schichten der Sonnenatmosphäfre,
das an Stärke allerdings nur ein Millionstel des
Erdfeldes war.
Diese allgemeine Verbreitung elektromagne-
tischer Erscheinungen auf der Sonnenoberfläche
tritt der von mir behaupteten allgemeinen Ver-
breitung der Wirbelringe bestätigend zur Seite.
Und diese wieder kann zur Erklärung derjenigen
77
2. März 1889, 10 Uhr 25 Min. vorm.
— . ee ON
allgemeinen Eigenschaften der Sonne dienen, von der
die ganze Spektralanalyse ausgegangen ist.
s ist die Zweiteilung der Chromosphäre in die
umkehrende Schicht, die das Absorptions-Spektrum
liefert, und in die obere, eigentliche Chromosphäre
mit ihrem fe geuen farbigen Blıtz- oder Flash-
Spektrum. Dieses Spektrum liefert die eigenen Farben-
linien der als hochglühende Gase auftretenden
Elemente. Die dunklen Fraunhofer schen Linien
des Absorptions-Spektrums sind dieselben Linien,
als schattende Silhouetten auf dem leuchtenden
Sonnenspektrum. Nach dem Kirchhoff schen
Gesetz absorbieren die Gase der umkehrenden Schicht
gerade diejenigen Farben, die von ihnen sonst aus-
gestrahlt werden. Doch geschieht das nur dann
mit sichtlichem Erfolge, wenn sie geringere Strahlungs-
energie entfalten als der leuchtende Hintergrund.
war gilt die Voraussetzung Kirchhoffs nicht
mehr als zutreffend, daß es sich um reine Temperatur-
Strahlungen handelt. Doch nehmen Temperatur-
Strahlungen ohne Zweifel einen besonders breiten
Raum dabei ein. Die umkehrende Schicht kehrt also
vornehmlich deshalb die Spektrallinien um, aus
Leuchtend zu Dunkel, weil sie kühler ist, als die sie
durchstrahlende Sonnenoberfläche.
Aber warum ist sie kühler ?
Die Antwort auf diese Frage scheint in der
peren Richtung zu liegen, wie die auf Grund
eslandresscher Messungen gefundene Erklärung
für das Leuchten der Fackelgebiete. Absteigende
Gasmassen müssen stärkere Glut infolge Verdichtung,
aufsteigende dagegen müssen Abkühlung infolge
Ausdehnung erleiden. Bei einer allgemeinen Ver-
breitung der Wirbelringe ist aber in der Chromo-
sphäre an aufsteigenden Strömungen ebensoweni
Mangel wie an absteigenden. Es ist anzunehmen, da
die an Wirbelringen spektrographisch nachgewiesenen
Horizontal-Verschiebungen nur Komponenten sind,
daß sie sogleich mit einem Aufsteigen oder einem
Absteigen der ae en Gase der Chromosphäre
verbunden sind. Dann fällt bei den von John aus-
geloteten Sonnenfleckenwirbeln die Auswärtsbewegung
mit dem Aufsteigen zusammen, also mit einer
Abkühlung der Chromosphäre. (Fig. 18.) Mit dieser
Abkühlung scheint also auch eine streng physikalische
Erklärung geliefert zu sein für die umkehrende Schicht
selbst und für das Einfallen der Auswärtsverschiebung
erade in diese dynamisch gekühlte Unterschicht der
hromosphäre.
Die Anschauung der allgemeinen Verbreitung
emporquellender Wirbelringe auf der Sonnenoberfläche
wird in dieser Hinsicht auch von dem längst bekannten
E |
4. März 1889, 3 Uhr nachm.
0 1 2 s 4 59
Fig. 22 und Fig. 23. Absorptions-Zonen und Lichtringe im Umkreise
der Sonne
nach Aufnahmen mit rotempfindlichen Platten von K.W.Zenger (Prag).
(Die Meteorologie der Sonne und das Wetter im Jahre 1889, Selbstver-
lag, Prag. Tafel: Die Sonne beim Sturme.)
3. Februar 1882, 9 Uhr 29 a.
a a Oe ALLA
oO Ar: Br Se 0
Fig. 24 und Fig. 25. Absorptions-Zonen und Lichtringe im Umkreise der Sonne,
ositiv nach Aufnahmen mit rotempfindlichen Platten von K. W. Zen
eteorologie der Sonne und ihres Systems. A. Hartlebens Verlag,
aphien, aufgenommen mit Steinheils Aplanate während der
großen magnetischen Störungen des Jahres 1882.)
TafelI: Sonnenphoto
allgemeinen Vorkommen der umkehrenden Schicht
gestützt.
In vielen Fällen, von denen einzelne bereits
gelegentliche Erwähnung fanden, sind solcheWirbelringe
als sogenannte Ring- oder Bogen-Protuberanzen,
über dem Sonnenrande beobachtet worden, auf
Tausende von Kilometern schon hinausgeschossen
in den Weltenraum. (Fig. 10 und 16.) In dem
geschilderten . Falle des 23. bis 25. September 1909
waren mit dem Auftreten sehr ausgeprägter Wirbelringe
in der Chromosphäre der Sonne ganz hervorragende
Störungen in der Atmosphäre und im magnetischen
Felde der Erde verbunden.
Im Hinblick darauf gewinnen die fast verschollenen
Untersuchungen des Prager Professors Zenger
erneutes Interesse. Mit besonders präparierten, auch
rotempfindlichen Kollodiumplatten gewann er die
Photographien riesiger ringförmiger Gebilde zwischen
Sonne und Erde. Ihr Auftreten stand in auffälligem
zeitlichen Zusammenhange mit katastrophalen
Erscheinungen der Erdatmosphäre.
Die zunächst abgebildeten Aufnahmen Zengers
vom 2. und 4. März 1889 bringen eine einfachere
Form der Erscheinung. (Fig. 22 und 23.) Es handelt
sich bei ihr um eine, die Sonne teilweise verdunkelnde
Wolke von elliptischer oder kreisförmiger Gestalt,
die von einer lichteren Zone umgeben erscheint.
Besonders in Fig. 22 erinnert diese an einen Wirbelring
von Deslandresschem Typus. (Vgl. Fig. 19.) Von
Katastrophen ereigneten sich besonders am 2. März
Schneesturm in Ostpreußen und Litauen, der hier
viele Menschenopfer gefordert haben soll, am 4. März
Bora bei Triest. Doch erscheint von noch größerer
Bedeutung, daß am 16. März 1889 in der Südsee
ein Taifun zu katastrophalem Ausgang führte, der
in der ersten Märzwoche entstanden sein dürfte.
Es war der Apia-Taifun, der an jenem Märztage
auf dieser Reede der Samoa-Insel Upolu zwei
deutsche und drei amerikanische Kriegsschiffe und
126 Menschenleben als Opfer forderte.
Die von Zenger als »Absorptions-Zonen« be-
zeichneten dunklen Wolken und ihre lichtere Umgebung
können noch packendere Ähnlichkeit mit den in
neuerer Zeit aufgenommenen Gebilden der äußersten
Chromosphäre der Sonne gewinnen. Die weiter abge-
bildeten Fig. 24 und Fig. 25 zeigen sie in Formen,
19. Februar 1882, 8 Uhr 15 a.
79
die an die Filamente erinnern.
(Fig. 14 auf S. 352 der Flug-Zeit-
schrift Nr. 20/21 vom 1. November
1914.) Nach meiner dortigen Dar-
stellung dürfen sie als der durch
Abkühlung dunkle Gischt der Wellen
bezeichnet werden, die bis zu
mehr als Kilometerhöhe das Welt-
meer der äußeren Chromosphären-
ase schlägt. Besonders große
ehnlichkeit mit der auffallendsten
jener Absorptions-Zonen (Fig. 24)
weist bei C und D ein zusammen-
gesetztes Filament auf, das auf einer
in Fig. 26 abgebildeten Sonnen-
aufnahme entgegentritt. Die Ähn-
lichkeit ist in den Hauptzügen
vollkommen, wenn man dieses
Sonnenbild so betrachtet, daß WSW
oben liegt.
Das Sonnenbild ist eine Auf-
nahme im Wasserstofflicht, die an
dem gleichen, für die Sonnentätigkeit
denkwürdigen Tage geschehen ist,
dem die Aufnahme in Fig. 19 ent-
stammt, dem 24. September 1909.
Sie bietet eine wichtige Ergänzung
dieser Aufnahme, denn sie bringt
das Filament bei C und D in augen-
scheinliche Beziehungen zu der
Zerstörung des den Sonnenflecken
umgebenden Ringwirbels an seiner
Ostseite. Wenn man bedenkt, daß die kilometerhohe
Woge, die das Filament erzeugte, eine Front von
mehr als 500.000 km hatte, so tritt diese Ausbruchs-
katastrophe in ihrer, für unser Vorstellungsvermögen
unfaßbaren Größe entgegen.
er. (Die
ien 1886,
O |
4 ee
G y =
\
8
e Einzige Spur eines Sonnenfleckens bei A.
> Leuchtende Glutwolken, besonders bei A und B.
— Filamente, besonders bei C und D
CCC’
0 400 800 Meg.
o 70 20
Fig. 26. Die Sonne am Nachmittage des 24. September 1909,
43 bis 46, über Meudon
nach einer spektrographischen Aufnahme im Ha-Lichte des
Wasserstoffes von Deslandres.
(Pariser Akademie, Compte rendu vom 10. Jänner 1910.)
80
Besonderer Hervorhebung wert erscheint bei einem
H mit der Aufnahme Zengers vom 3. Februar
1882 der Umstand, daß das ähnliche Filament dieser
Aufnahme auch ein ähnliches Verhalten zu dem mit-
aufgenommenen Lichtringe aufweist. Es hat sich eben-
falls mit dem, dem Zentrum (der Sonne) nächsten
Teile in diesen Ring eingebohrt.
Vom 3. und vom 20. Februar weiß Zenger
starke magnetische Störungen zu berichten, die am
20. zwischen Berlin und Breslau den Telegraphen-
verkehr unterbrachen. Am 4. und 15. Februar wurden
Nordlichter gesehen. Am 6. wüteten orkanartige
Stürme in Westrußland und in Böhmen, am 19. Februar
an der Unterelbe, die schwere Sturmflut hatte. Am
21. Februar herrschte sehr hoher Seegang auf dem
Atlantischen Ozean. Doch können diese Sturm-
erscheinungen, auf das westatlantische Hauptherd-
gebiet der tropischen Sturmbildung bezogen, auch
von der stärkeren Epoche der ersten Februarwoche 1882
abgeleitet werden. (Fig. 24.)
Bedeutungsvoll erscheint noch ein Vergleich der
Maßstäbe der beiderlei Sonnenaufnahmen. Was bei
Deslandres nach Bogenminuten zählt, zählt bei
Zenger nach vollen Graden und mehr. Die von
Zenger aufgenommenen Wolkengebilde entstammen,
wenn sie anders mit den ihnen ähnlichen Erscheinungen
der Chromosphäre im Zusammenhange stehen, demnach
einer 60 bis 150 mal näheren Gegend des Welten-
raumes. Sie bezeichnen Ausbruchswolken der Sonne,
die auf der Reise nach der Erde begriffen sind.
| leitet: der Witterung der Erde.
Die Entfernung der Erde von der Sonne beträgt
im Mittel 149,500.000 km oder 149.500 Megameter.
Jene Gebilde sind also in einer Entfernung angehalten,
die etwa 1000 bis 2000 Megameter von der Erde,
146.500 bis 148.500 Megameter von der Sorine liegt.
Das sind Entfernungen, hinter denen die bisher sicher-
estellten Auswürfe der Sonne weit zurückstehen.
ie höchsten Protuberanzensäulen blieben in der
Randprojektion unter 600, die höchsten Protuberanzen-
ringe erreichten aber 900 Megameter. In Kapitel IV
konnte ich darauf hinweisen, daß dieser Ringausbruch
wahrscheinlich 2000 Megameter Höhe erreichte
en Flug-Zeitschrift vom 1. November 1914, S. 353).
onst sind, bei Gelegenheit der Sonnenfinsternis des
3. August 1905, Wirbelringe in der Korona bis zu
250 Megameter, Koronastrahlen, ebenfalls zwar in
der Projektion auf die optische Ebene, bis auf den
vierfachen Sonnendurchmesser, also auf weniger als
7000 Megameter Entfernung von der Sonne verfolgt
worden.
Jede direkte Beobachtung und jede Beobachtungs-
methode ist willkommen, die die verbleibende un-
geheure Leere überbrückt. Denn daß außer Licht und
Wärme noch kleine Massenteilchen sie von der Sonne
her passieren, die Träger elektrischer Ladungen sein
können, ist, nach anderen, indirekten Beobachtungen
zweifellos. Über diese soll das nächste Kapitel handeln,
das zu der anderen Seite dieser Beitragsreihe über-
(Fortsetzung folgt.)
Beiträge zur Flugtechnik.
Von Hauptmann Josef Viktor Berger.
Der überraschend schnelle Aufschwung des Flug-
zeugbaues hat eine betriibend hohe Zahl von
Menschenleben gefordert. Viele dieser im besten
Lebensalter stehenden Männer wären vermutlich heute
noch am Leben, wenn sie dem Grundsatze »Probieren
geht über Studieren« nicht gar zu gründlich
gehuldigt hätten.
Die Luft ist als Gasgemisch vom Wasser in jeder
Beziehung so verschieden, daß die Erfahrungen, auf
welche in arpana r anne Entwicklung See- und
Binnenschiffahrt zurückblicken, für den Flugzeugführer
fast gänzlich wertlos sind.
Hier heißt es von Grund aus neu aufbauen und
der Theorie neben der Praxis den gebührenden
Raum schaffen, damit der Verlust an Menschenleben
endlich auf ein erträgliches Maß sinke und das im
Flugzeugbau investierte Kapital sich insofern besser
verzinse, als weniger Maschinen zu Bruch gehen.
Die Mittel zu diesem Ziele sind mannigfaltig und
finden wohl zum größten Teile auch schon Anwendung.
Wenn ich hier dessenungeachtet ebenfalls Beiträge
liefern will, so liegt die Ursache lediglich darin,
daß meines Erachtens jeder neue Gedanke auf seine
Eignung vorwärts zu helfen geprüft, und wenn
tauglich, verwertet werden soll.
I. Schießen und Fliegen.
Wie das Geschoß einer Feuerwaffe ist auch das
Flugzeug ein durch den lufterfüllten Raum bewegter
Körper. Deshalb müssen zwischen beiden sowohl
Ahnlichkeiten wie Unterschiede obwalten, mit welchen
wir uns hier beschäftigen wollen.
Die Geschoßflugbahn entsteht unter dem Einfluß
dreier Kräfte: dem Drucke der Pulvergase, der
Anziehungskraft der Erde und dem Luftwiderstand.
Setzt man an Stelle der momentan wirkenden Kraft
der Pulvergase die andauernde Motorleistung, so
erkennt man die weitgehende Ähnlichkeit und zugleich
den Hauptunterschied zwischen der von einem
Geschoß und einem Flugzeug beschriebenen Bahn.
Die Triebkraft wirkt auf das Geschoß nur während
einer kurzen Zeit, auf das Flugzeug aber anhaltend
ein, die Folge davon ist das gleich von der Mündung
an feststellbare Herabsinken des Geschosses aus
der ursprünglichen Bewegungsrichtung, während die
andauernden Kraftzuschüsse, welche der Motor dem
Flugzeug erteilt, der Sinktendenz entgegen wirken,
somit Auftrieb erzeugen.
Über die Anziehungskraft der Erde ist nichts
Besonderes zu sagen, denn sie übt bekanntlich auf
alle Körper ihren Einfluß aus. Nur die Bemerkung sei
gestattet, daß es nicht ganz zutreffend ist, von einer
»Sinkverminderung« zu sprechen. Das Maß,
um welches ein Körper in der Zeiteinheit sinkt, ist,
insoweit die Anziehungskraft der Erde in Betracht
kommt, stets das gleiche h =g% und unabhängig
von der Form und dem Material dieses Körpers.
Der große Einfluß der Form äußert sich jedoch
bei der dritten Kraft, beim Luftwiderstand. Jeder die
Luft durchschneidende Körper muß diese beiseite
drängen, wozu eine genau bestimmbare Arbeit
erforderlich ist. Ihre Menge läßt sich theoretisch
zwar ermitteln, doch ergibt sich in der Praxis deshalb
ein anderes Bild, weil die Luft als Gasgemisch einer
weitgehenden Zusammendrückung fähig ist, daher
nicht einfach wie ein Stück Holz beiseite geschoben
werden kann. Der von den einzelnen in Bewegung
befindlichen Teilen des Flugzeuges auf die Luft aus-
geübte Druck wird nur zum Teil auf deren Ver-
drängung verwendet, der größere Teil dient zum
Zusammendrücken, worauf die Flugfähigkeit der
Apparate beruht. Dieser partiellen Verdichtung muß,
da das Gesamtvolumen konstant ist, eine partielle
Luftverdünnung entsprechen. Sie äußert sich in den
Saugwirbeln (Sogwirkung) am rückwärtigen Teile
der bewegten Körper. Sie ist es, die beispielsweise
den Knall beim Schießen aus Feuerwaffen erzeugt;
auch gabsie den Anlaß zur Katastrophe von Fischamend
vom 20. Juni 1914.
In dem Bestreben, die günstigste Form für das
Abfließen der Luft, wiedie vorteilhaftesten Bedingungen
für deren Verdichtung, bezw. Verdünnung zu finden,
kann die Flugtechnik von der Ballistik wesentlich
efördert werden. Die Lehre von der Bewegung der
Geschosse durch die Luft, die äußere Ballistik, befaßt
sich schon seit langer Zeit mit der wissenschaftlichen
Erforschung des Wesens des Luftwiderstandes und
sucht ihn in Abhängigkeit zu bringen, sowohl von
der Form wie der Geschwindigkeit des Geschosses.
Dieses Ziel war wegen der Hindernisse, welche sich
der Gewinnung einwandfreien Beobachtungsmateriales
entgegenstellen, schwer zu erreichen. Heute kann
allerdings diese Aufgabe als gelöst bezeichnet werden.
Was den Zusammenhang zwischen dem Luft-
widerstand und der Geschoßgeschwindigkeit betrifft,
so gibt die nachstehende Fig. I eine Vorstellung davon.
Wir können deutlich drei Teile dieser Kurve
unterscheiden: den unteren, flachen a—b, den
mittleren, steilen b—c—d und den oberen, ebenfalls
flachen d—e.
Für die Flugtechnik hat, wegen der in Frage
kommenden Geschwindigkeitsgrößen, wohl nur der
erste Teil a—b praktischen Wert. Immerhin soll der
w0 M
O45
040
035
9
160 ie dee vac fee See
Fig. 1. Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit (v) und
Luftwiderstand (w).
abcde = Luftwiderstandskurve
a = Beginn der Kurve ..... Koordinaten x - 0,
b= = des steilen Kurven-
teiles
p- O13
x = 240, y = 0°18
c= Wendepunkt. x = 310, y = 0°27
d = Beginn des flachen Kurven-
telleB u: na “Svat 8 x= 560, y = 0°38
x = 1000, y = 0°32
Hinweis nicht unterdrückt werden, daß im zweiten
Teil der Wendepunkt c liegt, dessen Abszisse der
Geschwindigkeit des Schalles entspricht.
In der detaillierten, hinsichtlich der Abszissen
vielleicht von Meter zu Meter fortschreitenden Durch-
arbeitung des Kurventeiles a—b liegt eine dankbare
Aufgabe für alle flugtechnischen Versuchsanstalten.
Diese Arbeit wird und muß geleistet werden; es
handelt sich nur darum, von einwandfreien Versuchs-
grundlagen auszugehen, weil sonst die Beobachtungs-
ergebnisse für die Praxis wertlos sind. Zu diesem
Zwecke dürfte sich die Beiziehung von Ballistikern
als sehr vorteilhaft erweisen. Hand in Hand damit
kann der Einfluß der Form festgestellt und geklärt
werden. In diesem Belange bestehen zwar bedeutende
Unterschiede zwischen Aviatik und Ballistik, aber
letztere wird doch aus ihrer Erfahrung so manchen
wertvollen Ratschlag geben können. Überhaupt
kann der Umstand, daß die Ballistik und
ihre Jünger, die Artilleristen, zu flugtechni-
schen Arbeiteninnurgeringem Maße heran-
pe so. 409 700
81
gezogen wurden und werden, vom Stand-
punkte des aviatischen Fortschrittes nur
als beklagenswerte Tatsache bezeichnet
werden.
Die drei früher genannten Kräfte greifen zwar
auf der ganzen Oberfläche der Flugmaschine an;
es ist jedoch statthaft, sie zu summieren und durch
je eine ent ee in nur einem Punkte angreifende
Kraft mittels folgender Überlegung zu ersetzen.
Die Kraft des Motors wird auf die Schraube
übertragen und äußert sich als Propellerzug, wenn
die Schraube vor, als Schub, wenn sie hinter den
Tragflächen angeordnet ist. Der Luftwiderstand läßt
sich, weil die Tragflächen stets um den Anstellwinkel
zur Bewegungsrichtung geneigt sind, und die anderen
Teile des Flugzeuges nur wenig zum Gesamtwiderstand
beisteuern, in zwei Komponenten, eine senkrechte
und eine wagrechte, zerlegen. Beide greifen im
»Druckpunkt« an. Als »Zugkraft« möge hier der
um die wagrechte Luftwiderstands-Komponente ver-
minderte Propellerschub, als »Druckkraft« die
lotrechte Komponente des Winddruckes gelten, wobei
die Bezeichnung »wagrecht< eigentlich nicht ganz
zutreffend ist, denn es handelt sich nur um jenen
Teil des Rücktriebes, der dem Vortrieb direkt entgegen-
gesetzt ist.
Besteht zwischen der Richtung des letzteren und
der Wagrechten irgend eine Neigung, so kommt nur
die Horizontalprojektion des ersteren, das ist die
Verkürzung nach dem Cosinus, des Lagewinkels, in
Betracht, die Sinus-Komponente wirkt dann, wenn
nach aufwärts gerichtet, als auftriebfördernd, im
Gegenfalle vermehrt sie die Anziehungskraft der Erde.
Letztere greift stets im Schwerpunkt an und ist immer
lotrecht nach abwärts gerichtet.
Das Kräftespiel eines Flugzeuges wäre an sich
nicht sehr kompliziert, wenn die drei Hauptpunkte:
zur: Druck- und Schwerpunkt eindeutig
bestimmte Lagen hätten.
Das ist aber nicht der Fall. Jedes Flugzeug kann
mit Hilfe einer Änderung des Anstellwinkels die dem
Winddrucke ausgesetzte Fläche und damit die Lage
des Druckpunktes ändern. Ist eine Anderung des
Tragflächenareales möglich, so ändert sofort Druck-
und Zugpunkt ihre Lage. Letzteres tritt auch ein,
wenn bei Zweischraubenfliegern, zum Beispiel bei
den Wright-Apparaten, der eine oder andere
Propeller versagt, bezw. abgestellt wird.
Auch der Schwerpunkt kann seine Lage ändern.
Oft geschieht dies absichtlich, zum Beispiel zur
Erhaltung des Gleichgewichtes, beim Abwerfen von
Bomben oder sonstigen schweren Körpern, schließlich
bei Fallschirmversuchen. Dadurch, daB der Flugzeug-
führer auf diesen Fall vorbereitet ist, hat er es in
der Hand, GegenmaBregeln zu treffen, Allerdings
können diese auch zu spät kommen, oder ungenügend
wirksam sein, dann ist, wie es im Frühjahr 1914 zu
Aspern geschah, ein Absturz die Folge. Gleiches
wird sich bei einer unbeabsichtigten Änderung der
Schwerpunktslage um so leichter ereignen, als dem
unvorbereiteten Führer beinahe immer die Zeit, oft
sogar auch die Möglichkeit fehlt, Gegenmaßregeln
zu treffen.
Unter diesen einschränkenden Voraussetzungen
möge nun das Kräftespiel im Flugzeug an Hand
nachstehender Skizzen betrachtet werden. Wie schon
ein flüchtiger Blick auf diese Skizzen zeigt, wurde
angenommen, daß die drei Hauptpunkte stets in
einer lotrechten Ebene liegen.
Dann sind, ganz allgemein gesprochen, drei Fälle
möglich:
1. die drei Punkte sind voneinander getrennt,
2. zwei von ihnen fallen zusammen, und
3. alle fallen zusammen.
Bei getrennten Hauptpunktlagen lassen sich wieder
je sechs Fälle unterscheiden, so daß deren insgesamt 13
zu untersuchen sind.
82
Festhalten muß man, daß der Schwerpunkt stets
der Aufhängepunkt des Flugzeuges bleibt, und daß
dieses sich nur um eine durch diesen Punkt gehende
Achse, die Schwerachse, drehen kann. So klar
D D
5 2 —
=,
2 o>
Fig. 2. Fig. 3.
20 — 2 —
=}
D
Fig. 6. Fig. 7.
2 5
5
D D
Fig. 10. Fig. 11.
D = Druckpunkt und Druckrichtung.
diese Bemerkung auch ist, und so einleuchtend und
selbstverstandlich sie erscheint, so wurde doch
gegen sie hie und da gefehlt.
Eine Betrachtung der 13 dargestellten Fälle ergibt
folgendes:
Fig.2. Die unterhalb des Schwerpunktes angreifende
Zugkraft trachtet das Flugzeug aufzubäumen, sie
macht es »schwanzschwers«; ist alo eine
ungünstige Anordnung.
= 5
—
D
D 2 —
Fig. 4. Fig. 5.
2 —
D95
Dos
2 _O—
Fig. 8. Fig. 9.
de oe
5
2
Fig. 12.
Fig. 13. Fig. 14.
S = Schwerpunkt und Schwerrichtung. Z= Zugpunkt und Zugrichtung.
Fig. 3. Die oberhalb des Schwerpunktes angreifende
Zugkraft macht zwar das Flugzeug kopfschwer, die
tiefe Schwerpunktlage hat jedoch eine große Stabilität
zur Folge, deshalb erscheint diese Anordnung
besonders dann als die günstigste der ersten Gruppe,
wenn durch einen nach vorne aus der Lotrechten vor-
geschobenen Druckpunkt D dessen, entgegengesetzt
der Uhrzeigerbewegung gerichtetes Drehmoment dem
im Zugpunkt in der Uhrzeigerbewegung wirkenden
Drehbestreben das Gleichgewicht hält.
Fig. 4. Der hochgelegene Schwerpunkt bedingt
»labiles Gleichgewicht«, führt also zu einer
praktisch unverwendbaren Konstruktion.
Fig. 5. Diese Anordnung ist noch ungünstiger
als die frühere, weil der Hebelarm SZ länger als
in Fig. 4 ist.
Fig. 6. Die tiefe Schwerpunktlage gibt der
Anordnung eine natürliche Stabilität; die Lage des
Zugpunktes oberhalb des Druckpunktes ist aber
praktisch undurchführbar. Gleiches gilt von Fig. 7.
In der zweiten Gruppe zeigt
Fig. 8 eine theoretisch nicht besonders ungünstige,
in der Praxis aber unmögliche Anordnung, während
Fig. 9 des hochgelegenen Schwerpunktes wegen
auch theoretisch ungünstig ist.
Fig. 10 stellt, entsprechend der Fig. 3 der ersten
Gruppe, die günstigste,
ig. 11, wegen des tiefangeordneten Druckpunktes,
eine unmögliche Anordnung vor.
Fig. 12 ist ebenfalls unanwendbar, wie der hoch-
gelegene Schwerpunkt beweist;
Fig. 13 zeigt eine für die Stabilität sehr vorteilhafte
Anordnung, doch ist dieser gleichzeitig auch zu
entnehmen, daß und warum unterlastige Flugzeuge
stark schwingen.
In Fig. 14 ist das Flugzeug im »indifferenten«
Gleichgewicht, Fall Pegoud; die Vorteile der
leichten Steuer- und Wendbarkeit sind bekannt,
ebenso der Nachteil des unruhigen, durch die
en Bö gestörten, leicht katastrophal endenden
luges.
Tritt die früher gemachte Voraussetzung, daß
die drei Hauptpunkte in einem Lote liegen, nicht zu,
so wird an den dargestellten Verhältnissen nur
insofern eine Änderung eintreten, als die zur Wirkung
kommenden Drehmomente an längeren Hebelarmen,
also stärker angreifen.
Die Übereinstimmung des Flugzeuges mit dem
Geschoß ist leicht herzustellen. Die Linie, in welcher
die drei Hauptpunkte als liegend gedacht werden
können, ist die Geschoßachse. Der Schwerpunkt
liegt bei fast allen Geschossen hinter der Längen-
mitte, der Druckpunkt vor derselben. Infolgedessen
erzeugt der Luftwiderstand ein das Geschoß von
vorne über oben nach rückwärts drehendes Moment,
dem entgegen zu wirken Aufgabe. des Dralles
(Zwangsrotation des Geschosses um seine eigene
Achse) ist.
Versuche, Geschosse mit vor der Längenmitte
liegendem Schwerpunkt, sogenannte »Pfeilgeschosse«,
zu erzeugen, liegen zwar vor, sie machen den Drall
auch entbehrlich, gleichzeitig nehmen sie dem Ge-
schosse aber die eben durch den Drall stabilisierte
Achse, so daß ein geringer Seitenwind genügt, um
das Geschoß aus seiner Bahn zu drücken. Deshalb
kann man sagen, daß die durch den Drall erzwungene
Drehung mehr der Festlegung der Geschoßachse
während des Fluges als der Vorbeugung gegen das
Umkippen dient.
Der Fall, daß die drei Hauptpunkte nicht in der
Geschoßachse lagen, kam bei den »Exzenterkugeln«
glatter Geschütze vor. Es waren dies Rundgeschosse,
denen man durch Auseinanderlegung von Schwer-
und Zugpunkt eine Drehung gab, welche zur Steigerung
der Treffähigkeit nicht unwesentlich beitrug, wenn sie
auch nicht so wirksam wie der Drall war.
Bei allen wesentlichen Unterschieden, die sonach
zwischen der ballistischen und der aviatischen Wissen-
schaft bestehen, ist deren nahe Verwandtschaft doch
unverkennbar. Die Aviatik hat als jüngere Schwester
alle Ursache, von der älteren zu lernen und das für
sie Brauchbare zu benützen, doch kann sie dem
Sprichworte: »Prüfe alles und behalte das
83
Beste« nur dann folgen, wenn sie zum Prüfen be-
fähigt, wenn sie in die Lehren der Ballistik ein-
gedrungen ist.
II. Gleichgewichtsregler.
Über die Ursachen der leider so zahlreichen Flug-
zeugabstürze kann man in der Tagespresse die ver-
schiedenartigsten Berichte lesen. Meist treffen sie
haarscharf daneben, was durch die in der Regel
äußerst mangelhaften Fachkenntnisse der Bericht-
erstatter erklärbar ist. Weniger klar ist es, warum die
Fachkreise der Feststellung der jeweiligen Unfalls-
ursachen nicht mit der im Interesse der Flugtechnik
notwendigen Gründlichkeit nahetreten, und wenn dies
doch hin und wieder geschieht, warum das Ergebnis
nicht wissenschaftlich verarbeitet wird, um dann in
der Praxis verwertet werden zu können.
Wie der Flug selbst, beruht auch der Flugunfall
auf Naturgesetzen. In die letzten Finessen dieser sind
wir allerdings heute noch nicht eingedrungen. Deshalb
heißt es rastlos vorwärts streben und jede Gelegenheit
hiezu muß auf das beste und gründlichste ausgenützt
werden. Es ist eine Binsenweisheit, daß man aus be-
gangenen Fehlern am meisten lernt. Für die Flug-
technik besagt dies, daß aus dem Studium der Unfälle
die wertvollsten Lehren zu ziehen sind. Wer nun dem
aviatischen Forscher das Material vorenthält, wer die
Klarlegung der letzten Ursache, und sei sie scheinbar
noch so belanglos, verhindert, der schadet der Flug-
technik, der stellt sich dem Fortschritt entgegen!
Auf diese Weise wird der Unfug, daß Laien sich
Urteile anmaßen, gefördert und Unberufene zu Arbeiten
und Versuchen angespornt, die besser unterblieben
wären. Das gilt ganz vorzüglich für die Konstruktion
der Gleichgewichtsregler, der Stabilisatoren.
Treten wir dieser Frage näher, so müssen wir
von der auch dem blutigsten Laien bekannten Tatsache
ausgehen, daß jeder aviatische Unfall auf das plötzliche
Aussetzen der Tragkraft des Flugzeuges zurückzuführen
ist. Das Flugvermögen geht verloren, wenn entweder
die tragenden Flächen unter übermäßiger Bean-
spruchung zusammenbrechen oder infolge zu großer
eigung jeglichen Auftrieb verlieren.
Ersterer Fall läßt sich nur durch soliden, kräftigen
Bau aller Teile des Flugzeuges vermeiden. Man ist
derzeit auch bereits vom leichten Bau abgekommen
und, weil im Besitze kräftiger Motoren, nicht mehr
zu einer den Gesetzen der Logik und Vorsicht wider-
sprechenden Gewichtsersparnis gezwungen.
Es bleibt somit nur die zweite Ursache bestehen,
und sie ist es auch, gegen welche sich die bisher
erfolglosen Angriffe der Stabilisatorenerfinder
richten.
Ausgehend von der Anschauung, daß die Flug-
maschine bei wagrechter Lage der Tragflächen die
richtige Stellung im Luftmeere einnimmt, wird die
Konstruktion einer Vorrichtung angestrebt, welche die
Horizontalität unbedingt gewährleistet.
Wie jeder Körper, braucht auch die Flugmaschine
für die Erhaltung des Gleichgewichtes einen Stütz-
punkt. Archimedes’ Worte: »Gebt mir einen
Stützpunkt, auf daß ich die Welt aus ihren
Angeln hebe le gilt auch für sie. Das Nächstliegende
ist der Rückgriff auf die absolute Horizontale oder
Vertikale, wie sie durch die Libelle, bezw. das
Pendel versinnbildlicht wird.
Die meisten der vorhandenen Aerostabilisatoren
bedienen sich auch einer dieser beiden Vorrichtungen,
und zwar in der Weise, daß beim Auftreten einer
Neigung des Flugzeuges diese Stütze einen Ausschlag
zeigt, welcher eine derartige Bewegung auslöst, daß
die wagrechte Fluglage wieder hergestellt wird.
Hiebei ist es möglich, nicht nur den Sinn, sondern
auch die Intensität der initierten Bewegung zu variieren,
ebenso wie sich die Auslösung auf eine einfache,
direkt wirkende Kraft beschränken oder einen Servo-
motor in Gang setzen kann.
84
Führt ein Erfinder das Modell eines solchen
Libellen- oder Pendelstabilisators vor, so wird es sich,
falls es überhaupt nicht allen Gesetzen der Mechanik
Hohn spricht, bewähren.
In dem Moment jedoch, wo der Einbau in das
Flugzeug erfolgt und die Vorrichtung in der Luft
funktionieren soll, stellt sich mit fast absoluter Sicher-
heit ein Versager ein und der Pilot kommt, durch das
Vorhandensein des Stabilisators in Sicherheit gewiegt,
in Gefahr zu verunglücken. Man kann somit behaupten,
daß ein gerade im Momente dringenden Bedarfes ver-
sagender Stabilisator schlechter ist als gar keiner.
Warum versagen Stabilisatoren ?
Viele Flieger glauben in der Luft die Ursache
suchen zu müssen. Sie sagen, dieses Gasgemisch ist
dehnbar und komprimierbar, es weist daher einmal
Pressungen, das anderemal Luftlöcher auf, was zur
Folge hat, daß die Steuerorgane, auf welche der
Stabilisator zu wirken berufen ist, entweder zu stark
oder zu schwach, einmal übermäßig, das anderemal
gar nicht reagieren.
Weil die Luft als Gasgemisch ein sehr leicht-
flüssiger Körper ist, besteht gewiß die Möglichkeit des
Auftretens von Luftverdichtungen und -verdünnungen,
aber aus der gleichen Ursache ist es in der Regel
ausgeschlossen, daß diese Erscheinungen größere Aus-
breitung erhalten. Natürlich gibt es auch Ausnahmen,
und zwar beim Auftreten von Wirbelwinden (Zyklone,
Taifune, Tornados); aber diesen Fall können wir ganz
ruhig ausschalten, denn jeder Wirbelwind ist ein der-
artig abnormer Zustand der Atmosphäre und kündigt
sich bei Vorhandensein eines geregelten Wetterdienstes
so rechtzeitig an, daß Flugzeuge den Aufstieg unter-
lassen, bezw. zeitgerecht landen können. Wird aber
eines von ihnen doch überrascht, so hilft ihm auch
der beste Stabilisator nichts.
Wir werden daher gut daran tun, nach einer
anderen Versagerursache zu suchen. Betrachten wir
einmal irgend ein geodätisches Instrument, so sehen
wir, wie vorsichtig der Operateur mit ihm umgeht,
wie er jede Erschütterung fernhält und geduldig das
Beruhigen der Libellenblase abwartet, um seine
Messungen vornehmen zu können.
Und im Aeroplan? Der Motor arbeitet ununter-
brochen; sein Gewicht ist, bezogen auf die Leistung,
ein minimales. Dieser große, das dynamische Fliegen
überhaupt erst möglich machende Vorteil, ist aber
auch nachteilig, denn die entwickelte Energiemenge
macht sich durch eine intensive Erschütterung des
1 nur zu deutlich fühlbar. Doch nicht genug
an dem! Der starke Motor erzeugt eine große Ge-
schwindigkeit, diese wieder eine bedeutende Fliehkraft.
Der die Libelle füllende Körper wird, mag seine
chemische Konsistenz welche immer sein, dadurch
dauernd aus seiner auf dem Erdboden stets einge-
nommenen Normallage gebracht, er kann nicht in sie
zurückkehren.
Die Libelle wird also nicht funktionieren, ein auf
ihr aufgebauter Stabilisator muß versagen. Gleiches
ilt auch vom Pendel, denn die Flichkraft und die
otorerschütterung hindern es, die Normallage einzu-
nehmen. Weil somit die Grundlage wankt, muß auch
die sinnreichste Ausführung enttäuschen.
In Erkenntnis dessen haben einige Erfinder einen
anderen »Stützpunkt« gesucht und glauben ihn
im Gyroskop gefunden zu haben. Auf dem Prinzipe
der » Stabilität der freien Achse? beruhend, ist
der Kreisel entschieden dem Pendel und der Wasser-
wage vorzuziehen. Soll er jedoch ausgiebig wirken,
so muß sein Drehmoment ein großes sein, das heißt,
man muß ihm viel Kraft zuführen. Es heißt nun diese
irgendwoher nehmen.
Das ist leichter gesagt, denn getan, weil damit
unweigerlich eine Vermehrung des Fluggewichtes ver-
bunden ist. Ob man eine eigene Kraftquelle einbaut
oder ob man den Flugmotor um den Kraftbedarf des
Kreisels stärker hält ist gleichgültig, wenn auch die
letztere Methode den Vorzug verdient.
Die praktische Schwierigkeit der Konstruktion
eines wirksamen Kreiselstabilisators liegt somit in
der Gewichtsfrage und wird umso leichter zu beheben
sein, je größer das Flugzeug ist, denn mit dessen
Abmessungen steigen sowohl das Tragvermögen, wie
die Motorkraft. Beim Luftfahrzeug liegen diese Ver-
hältnisse eben auch nicht anders wie beim Seeschiff.
Diese Tatsache haben die Erfinder von Kreisel-
stabilisatoren verkannt, ihre Apparate mußten deshalb
versagen.
In letzter Zeit ist ein ganz neues Stabilisierungs-
prinzip aufgetaucht. Es stammt vomFranzosen Doutre
und besteht dem Wesen nach aus einer unter Feder-
druck stehenden Platte. An der Front des Flugzeuges
befestigt, wird diese Platte in indifferentes Gleich-
ewicht versetzt, wenn sich der Aeroplan in Normallage
in böenfreier Luft bewegt, weil der von rückwärts auf
die Platte wirkende Federdruck genau dem auf die
vordere Plattenseite ausgeübten Druck der Luft ent-
spricht. Wie eine Änderung dieser Gleichgewichtslage
erfolgt, muß sich die Platte nach irgend einer Richtung
bewegen und damit die Initiative zur Betätigung der
Tragflächenverwindung oder der Steuerflächen, bezw.
beider geben.
Diese Vorrichtung scheint, weil auf brauchbarer
Grundlage ruhend, allen anderen überlegen zu sein.
Dem Kreisel gegenüber fällt besonders der Vorteil
geringeren Kraftbedarfes angenehm auf.
Ohne die Möglichkeit leugnen zu wollen, daß
mit der Zeit allen hier angegebenen Schwierigkeiten
zum Trotz ein brauchbarer und wirksamer Flugzeug-
stabilisator gefunden werden wird, muß doch die
Ansicht ausgesprochen werden, daß die Wahrschein-
lichkeit für das Eintreffen dieses Ereignisses eine
sehr geringe ist.
Sehen wir, um uns hierüber zu orientieren, einmal
ganz vom konstruktiven Moment ab und nehmen
eine vollauf entsprechende Vorrichtung als vorhanden
an. Welches wird ihr Effekt sein?
Das durch sie repräsentierte Prinzip ist das der
Beharrlichkeit. Ein mit einem Stabilisator ausgerüsteter
Aeroplan wird daher jeder Kursänderung einen um-
so größeren Widerstand entgegensetzen, je besser und
je wirksamer der Stabilisator ist.
Jedes »stabilisierte« Flugzeug wird daher un-
lenksam, es wird >hart« sein. Das ist ein ganz
bedeutender Nachteil, der auch durch die Schaffung
der Möglichkeit, den Stabilisator nach Bedarf und
Wunsch des Piloten aus- und einzuschalten, nicht
ganz behoben wird, weil entweder die für dieses
Manöver nötige Willensäußerung und Zeit fehlen
oder weil gerade beim ausgeschalteten Stabilisator
plötzlich die Notwendigkeit seiner Funktionierung ein-
treten kann.
Resumieren wir:
Die Pendel- und dieLibellenstabilisatoren sind, weil
auf unbrauchbarer Basis ruhend, unverwendbar, besser
ist der Kreisel, doch erheischt er großen Kraftaufwand,
um verläßlich zu wirken; noch besser ist Doutres
Druckplatte, doch liegen heute noch unzureichende
Versuchsergebnisse vor, sodaß es unmöglich ist,
derzeit über sie abschließend zu urteilen. Wird in
Zukunft aber auch ein konstruktiv voll entsprechender
Stabilisator hergestellt, so wird sein Vorteil deshalb
nicht zu überschätzen sein, weil selbst der beste
dieser Apparate den Nachteil, das Flugzeug unlenksam
zu machen, mit sich bringt.
Man darf daher für die Gegenwart und wohl auch
für die nächste Zukunft auf das Vorhandensein von
Stabilisatoren nicht rechnen, sondern muß im kräftig
gebauten, leicht manövrierbaren und von einem
tüchtigen Piloten gelenkten Flugzeug das geeignetste
Mittel zur Unfallverhütung sehen.
Ill. Führungstechnik.
Für gewöhnlich befaßt sich die »Flugtechnik«
nur mit dem Bau der einzelnen Flugzeugteile,
eventuell noch mit der Meteorologie und der
KompaBlehre.
Heute aber, wo wir mitten im Weltkrieg stehen
und es nicht bloB einmal erlebten, daB Begriffe ihren
Wesensinhalt änderten, erscheint es ohne weiteres
zulässig, auch die »Führungstechnik«, das heißt die
zweckmäßigste Art der Flugzeugsteuerung unter den
Sammelnamen der Flugtechnik zu bringen. Selbst-
verständlich soll und kann hier nur die Kriegsfliegerei
berücksichtigt werden.
Die zu beantwortende Frage lautet daher:
»Wie sollman ein Flugzeug im feindlichen
Feuer führen?«
Die Antwort wäre an sich sehr einfach:
»So, daß der anbefohlene Zweck erreicht
werde.« Die Schwierigkeit beginnt aber sofort,
wenn man in die Details eintritt. Mag der anbefohlene
Zweck welch immer sein, stets wird er um so sicherer
erreicht werden, je unbeschädigter Flieger, Fluggast
und Flugzeug bleiben. Die feindliche Waffenwirkung
ist es also, welche die Grundlage der Untersuchung
zu bilden hat.
Hält man sich die kleinen Abmessungen und die
hohe Geschwindigkeit wie Manövrierfähigkeit der
Flugzeuge vor Augen, so kann man das im gegen-
wärtigen Feldzug wiederholt gemeldete erfolgreiche
Beschießen von Aeroplanen kaum verstehen. Das
Kriegsflugzeug muß die Fähigkeit haben, nach Bedarf
Höhen auch über 3000 m aufzusuchen und eine
Stundengeschwindigkeit von mindestens 100 km
dauernd zu entwickeln.
Ein diesen Bedingungen nicht entsprechender
Zweisitzer ist eben kein Kriegsflugzeug.
Die Notwendigkeit, tiefer als es die eigene
Sicherheit erfordert, herabzugehen, kann bei schlechter
Beleuchtung, bei Nebel oder Bewölkung gegeben
sein. Wer die bezüglichen Meldungen über das gegen
Flugzeuge durchgeführte Schießen liest, wird jedoch
feststellen können, daß nicht immer die Licht- und
Witterungsverhältnisse den Flieger zwangen, in die
Zone der feindlichen Waffenwirkung einzutreten.
Dann kann es nur eine Erklärung für dieses Verhalten
geben: der betreffende Flieger war seiner Sache
nicht ganz sicher, das heißt er vermochte die
feindliche Waffenwirkung nicht richtig zu beurteilen.
Das auszusprechen ist zwar nicht angenehm, aber
ich halte dafür, daß es besser ist, die Wahrheit zu
hören, als Vogelstraußpolitik zu spielen. Nur wenn
man sich bewußt ist, gefehlt zu haben, kann eine
gründliche Wendung zum Bessern erhofft werden.
Will man dem feindlichen Feuer ausweichen,
so muß man seinen Bereich kennen. Diesbezüglich
lassen sich die Feuerwaffen in drei Gruppen teilen:
Die Gewehre, die gewöhnlichen und die
Sondergeschütze. |
Zu den Gewehren zählen die Infanterie- und die
Maschinengewehre. Die ballistischen Daten aller der-
zeit in der Ausrüstung der verschiedenen Staaten befind-
lichen Gewehre zeigen untereinander ganz gering-
45 0 Unterschiede. Selbe sind eigentlich nur für
den Waffentechniker von Interesse. Der Flieger begeht
keinen in die Wagschale fallenden Fehler, wenn er
die Wirkung des Einzelschusses, die Feuerschnelligkeit,
die Treffähigkeit und die Reichweite gleich ansetzt.
Für ihn erscheint die Reichweite in wagrechter
und senkrechter Richtung als der wichtigste unter
den obengenannten Faktoren. Sie kann in beiden
Richtungen mit rund 2000 m angesetzt werden.
Denken wir uns daher irgend eine Stellung, so
erhalten wir als den geometrischen Ort der wirksamen
Gewehrschußweite die Oberfläche einer Halbkugel
vom Halbmesser gleich 2 km. Der wievielte Teil
hievon wegen der Erhöhungsmöglichkeit in Abzug zu
die Kegelachse in
85
bringen ist, bildet allerdings eine Frage für sich-
Ganz allgemein kann man sagen, daß er, ebenso wie
die praktische (zum Unterschied von der »ballisti-
schen) Treffähigkeit vornehmlich vom Ausbildungs-
grad der Truppen im SchieBen bei den verschiedensten
örperlagen abhängt. Je besser diese Ausbildung ist,
desto kleiner wird der, vornehmlich in der Lotrechten
oberhalb des Kugelmittelpunktes zu suchende
»schußtote Raum« und desto größer die erzielte
Trefferzahl sein. Hinsichtlich der Wirkung sei bemerkt,
daß durch die Festsetzung des »wirksamen
Ertrages« mit 2000 m schon eine Klärung dahin-
ehend getroffen ist, daß innerhalb dieser Entfernung
jeder Teil des Flugzeuges sicher durchschlagen wird,
falls er nicht durch einen, übrigens nur in den
seltensten Fällen vorgesehenen Panzer geschützt ist.
Trifft dies jedoch zu, so kann man die Grenze des
wirksamen Gewehrertrages aus jenen Versuchen
ableiten, welche die Feldartillerie vor Annahme des
Schildschutzes durchgeführt hat. Es ist klar, daß dann
die Grenze des wirksamen Ertrages dem Schützen
bedeutend näher liegt; doch muß dieser ebenso wie
der Flieger beachten, daß es unmöglich ist, das ganze
Flugzeug durch Panzerung zu schützen. Wenn diese
überhaupt vorkommt, so bleibt sie auf die empfind-
lichsten Teile: Führer- und Begleitersitz,
Motor und Benzinbehälter wie Kühler
beschränkt. Die sonstigen Teile des Flugkörpers, die
Trag- und Steuerflächen, denn die Schrauben sind
immer ungeschützt, einfach weil sie nicht durch
Panzer zu schützen sind,
Das Maschinengewehr unterscheidet sich vom
Standpunkte des Fliegers dadurch vom Infanterie-
gewehr, daß es einerseits eine größere Feuer-
schnelligkeit, anderseits aber auch eine geringere
Erhöhungsfähigkeit als dieses besitzt. Insolange
letzteres ausreicht, wird daher der Flieger gefährdeter
sein, als im Feuer einer der Schußzahl nach gleichen
Infanterieabteilung. Zahlenmäßig ausgedrückt läßt
sich dieses Verhältnis ungefähr folgend darstellen:
Das Maschinengewehr verfeuert in der Minute rund
400, das Infanteriegewehr 10 Schüsse. Ein Maschinen-
gewehr kann daher ungefähr 40 Infanteristen ersetzen
oder die Wirkung von fünf Maschinengewehren
gleicht der einer Infanteriekompagnie, welche durch-
schnittlich 200 Gewehre führt.
Vermag aber vielleicht eine zielbewußte Aus-
bildung diese 200 Mann dazu bringen, ihre Gewehre
auch im fast lotrechten Anschlag treffsicher abzufeuern,
so bleibt die Erhöhungsfähigkeit des Maschinen-
gewehres wegen seiner Lafettierung immer an eine
bedeutend niedriger gelegene Grenze gebunden. Ich
möchte den Höchstwert, allerdings ohne jede Ver-
bindlichkeit, auf (nicht über) 30° schätzen. Dann
ergibt sich der »wirksame Bereich« eines sonst
ungehindert schieben könnenden Maschinengewehres
als jener Teil der früher genannten Halbkugel, welcher
erübrigt, wenn man aus ihr einen Kegel von 60°
halbem Öffnungswinkel derart herausschneidet, daß
den lotrecht nach aufwärts
gerichteten Kugelhalbmesser fällt. :
Im Profil entfallen dann von den 180° der Halb-
kugel 120° auf den durch den Kegel gebildeten
schuBtoten Raum, das sind rund
120° Ur
180 = 66°6 Prozent.
Hieraus folgt, daß der Flieger gewonnenes Spiel
hat, wenn er die Strecke von der Ertragsgrenze (2000 m)
bis zum Abstande
a = 2000. sin 30° = 2000 X 0:5 = 1000 m
also
20C0 — 1000 = 1000 m
heil zurücklegen konnte.
86
Die vom Maschinengewehr gefährdete Zone kann
hienach als halb so groß wie jene angesetzt werden,
welche das Infanteriegewehr bestreicht. Dafür be-
dingen die größere Feuerschnelligkeit und höhere
ballistische Treffähigkeit des Maschinengewehres, daß
die Gefährdung des er während der Fahrt von
2000 auf 1000 m eine größere als im Infanteriefeuer ist.
Über das Schießen gegen Flugzeuge aus gewöhn-
lichen Geschützen habe ich ausführlich in jenem Auf-
satze berichtet, welcher unter dem Titel »Das Flug-
zeug im Feuer der feindlichen Artillerie«
in Nr. 11 vom 10. Juni 1914 dieser Zeitschrift er-
schienen ist.
Deshalb kann ich mich hier mit dem Hinweis auf
diese Arbeit begnügen und sofort zu der dritten Gruppe,
zu den Sondergeschützen übergehen. Es sind dies
Schnellfeuerkanonen von 5 bis 10°5 cm Kaliber, in
große Erhöhungen gestattenden Feld-, Kraftwagen-
und ortsfesten Lafetten. Von staatlichen wie privaten
Fabriken in den mannigfaltigsten Formen ausgeführt,
können besonders die Kr u p p schen 6˙5, 7:5 und 10°5 cm
Flugzeugabwehrkanonen Anspruch auf Interesse er-
wecken.
Diese den Lesern unserer Zeitschrift aus früheren
Abbildungen wohlbekannten Geschütze erscheinen
zur wirksamen Flugzeugbekämpfung ohne weiteres
geeignet, wenn sie einen ausreichenden Ertrag mit
ebensolcher Beweglichkeit verbinden. Dies scheint,
gestützt auf die beim Schnellfeuerfeldgeschütz ge-
wonnenen Erfahrungen, am besten bei der 7'5 cm-
Kanone in Kraftfahrlafette zuzutreffen. Sie selbst ist
so oft abgebildet worden, daß es sich erübrigt, sie
hier nochmals zu bringen. Wichtiger scheint mir, über
die lot- und wagrechte Tragweite Angaben zu bringen.
Ähnlich wie dies auf S. 178 der Nr. 11 dieser
Zeitschrift vom 10. Juni 1914 für gewöhnliche Geschütze
geschah, bringt die nachstehende Tabelle I die den
Erhöhungen von 15°, 30°, 45°, 60° und 75° ent-
sprechenden Flugbahnen der drei Kruppschen
anonen, die die wichtigsten Zahlenangaben enthält.
Tabelle 1.
2 65 75 10°5
Z ; ee
25 Benanntlich em L npp che
8 Flugzeug -Abwehr-
kanone
1
2 | SchuBweite in 30° || 8300 | 9900 | 12000
Meter bei einer | K
3 Rohrerhohung | 45° 9500 11000 13700
4 | von | 60° 8100 | 9900 | 12300
5 | 75° 5400 | 8600
= ee — —— de = = ae Ss SIE
6 15° | 600 700 900 |
7 Scheitelhöhe in | 30° | 1900 2100 2550
Meter bei einer |
8 ji Rohrerhöhung 45° | 3450 4000 5050
9 von 60° | 5100 6250 7950
10 75° 7400 11500
Anmerkung:
Die Geschoßanfangsgeschwindigkeiten betragen bei der
65 cm-Kanone Va = 620 m Sek.
CO 5 = a = 650 a
10:3 n n Va = 700 L
Die Geschoße wiegen bei der
6:5 cm-Kanone P= 40 kg
To. 5 = P= 65,5
105 „ » P= 18 0 „
Aus beiden Behelfen zusammen läßt sich erkennen,
daß der Wirkungsbereich dieser Sondergeschütze in
lot- wie in wagrechter Richtung ein solcher ist, daß
ihm kein Flugzeug zu entrinnen vermag.
Versuchen wir zu einer Vorstellung der zu
erwartenden Wirkung zu gelangen, so müssen wir
einerseits den Kurs, die Flughöhe und Flugge-
schwindigkeit des Aeroplans, anderseits die Leistung
des Geschützes zahlenmäßig ansetzen.
In meinem früher angezogenen Aufsatze sagte ich,
daß das direkte Anfahren der für die Sicherheit des
Fliegers günstigste Kurs sei. Er möge deshalb hier
angenommen werden.
Als Flughöhen wählen wir nacheinander jene von
1000, 2000, 3000 und 4000 m, gerechnet vom Mündungs-
horizont des schießenden Geschützes. Die Flugge-
schwindigkeit sei mit 30 m/Sek., das sind 108 km/
Stunden, angenommen.
Als Geschoß kann nur das Schrapnell in Frage
kommen. Bei der 7'5 cm-Kanone enthält es rund
300 Füllkugeln zu je 10g. Dieses Geschütz vermag
auch gegen Flugzeuge bis zu 20 Schüssen pro Minute
abzugeben, wenn seine Konstruktion, besonders aber
die Richtmittel dem Zwecke angepaßt sind.
Die Länge des vom Flugzeug in den vier ver-
schiedenen Höhen zurückzulegenden Weges ergibt
sich aus dem Abstand jenes Punktes, in welchem die
Flugbahn 10 Erhöhung (das sind 75°) die be-
treffende Höhe überschreitet von jenem Punkte, in
welchem die Flugbahn größten Ertrages (das sind 45°)
unter diese Höhe fällt. Die Flächen der so be-
herrschten Räume ergeben sich dann durch die Multi-
plikation der Längen (in der Tabelle 2 wurden diese
als Tiefen- bezeichnet) mit der Breitenwirkung eines
Schrapnells. Letztere wird in den SchieBanleitungen
meist mit 10 Strichen angegeben. Da ein Strich der
tausendste Teil der Schußweite ist, stellt sich die
Breite des Wirkungsbereiches auf ebenso viele Meter,
als der Abstand vom Geschütz 100 m beträgt. Jeder
Wirkungsbereich hat somit Trapezgestalt, seine Fläche
ist daher das Produkt aus der Tiefe und der mittleren
reite.
In der umstehenden Tabelle 2 sind für die
Höhen von 1000, 2000, 3000 und 4000 m der Beginn,
das Ende, die Tiefe, die untere und obere Breite, wie
die Fläche des Wirkungsbereiches angegeben.
In der nächsten Spalte »Flugdauer< ist die Zeit
ersichtlich, welche das mit 30 m:Sek. bewegte Flug-
zeug braucht, um die »Tiefe« des Wirkungsbereiches
zu durcheilen. Multipliziert man diese Dauer mit der
Zahl 20, so erhält man die »Schußzahl«, deren Produkt
mit 300 die »Füllkugeln« gibt.
Unter der, sowohl durch die notwendige Änderung
der Richtelemente, wie durch die Streuung der Flug-
bahnen und Zünder berechtigten Annahme einer gleich-
mäßigen Verteilung der Füllkugeln über die ganze
Fläche des Wirkungsbereiches, folgt schließlich die
in Tabelle 2 auf ganze Zahlen abgerundete »Flächen-
belastung«. Ein Vergleich dieser Zahl mit der Ober-
fläche des Flugzeuges führt zur Erkenntnis, daß dieses
nicht besonders gefährdet erscheint, weil es im Durch-
schnitt nur einen Füllkugeltreffer zu erwarten hat.
Dieses theoretische Kalkul kann vielleicht den
einen oder anderen Flieger dazu verführt haben, die
Wirkung der feindlichen Waffen zu unterschätzen,
und sich erst durch den erlittenen Schaden darüber
belehren zu lassen, daß es immer der Ansatz der
Rechnung ist, welcher der eiugehendsten Prüfung
bedarf. Nun sind wir hier von Grundlagen ausgegangen,
die nichts weniger, denn einwandfrei sind. Als still-
schweigend wurde das französische Streuverfahren
angenommen, welches, wie es die Kriegsereignisse
eben beweisen, als nichts anderes, denn eine reglemen-
tierte, darum aber doch sinnwidrige Munitionsver-
schwendung anzusehen ist.
87
Tabelle 2.
| h untere obere l 1 | | Flächen-
' . Beginn Ende Tiefe Fläche | | belastung
| Flughöhe | Breite | Flugdauer || | 1 Füllkugeln |
| chußzahl | Eine Füll-
| des Wirkungsbereiches | — en
- — — - - — -— fällt auf je
Meter m? Min. Sek. | | Stück | m:
300 | 11.500 | 11.200
500 9.900 9.400 5
8
8.900
= a re OTE
| 1200 || 6.800 | 5.600
800
Das einzig Richtige wird sein, die Schußweiten
mit Hilfe eines Entfernungsmessers festzustellen und
dieses Gerät gleichzeitig auch zur Ermittlung der
Bewegungsschnelligkeit und -richtung des Flugzeuges
zu verwenden. Schaltet man, natürlich an Hand einer
einfachen Regel und nicht einer langwierigen Rechnung
diese »Bewegungskorrekturen« aus, so ergibt
sich als das angemessenste Schießverfahren jenes, bei
weichem das Ziel mit der Richtung von Geschütz und
Entfernungsmesser verfolgt wird, bis es in den besten
Wirkungsertrag getreten, also auf mindestens 5 km
herangekommen ist, dann wird eine aus der Erfahrung
abzuleitende Zahl von Schüssen mit zutreffenden Richt-
elementen abgegeben und die Wirkung derselben
abgewartet. Ist sie ausgeblieben, so wird dieser Vor-
gang nach Bedarf mehreremal wiederholt. Ein
solches Verfahren spart nicht nur an Munition, sondern
es kann auch deshalb zu einem Erfolg führen, weil
der Flieger durch anfängliches Schweigen des Geschütz-
feuers sorglos gemacht, Be in eine wohl-
vorbereitete Garbe tritt, daher überrascht und, wenn
nicht gleich getroffen, doch daran gehindert wird,
schleunigst GegenmaBregeln zu treffen. .
Haben wir hiemit ein ausreichend klares Bild der
Wirkung der Sondergeschütze entworfen, so können
wir nun an die Festlegung der vom Flieger zu
beachtenden Verhaltungsmaßregeln schreiten,
Im Gegensatz zu gewöhnlichen Geschützen liegt
hier die Möglichkeit, durch Wahl großer Flughöhen
dem Feuerbereiche zu entrinnen, nicht vor. Er muß
deshalb durcheilt werden. Das geschieht, wie bereits
gesagt, am besten im direkten Anfahren, denn da ist
der kürzeste Weg zurückzulegen.
Eine stetige Kurshaltung empfiehlt sich jedoch
nicht, sondern es wird die feindliche Wirkung nur ab-
schwächen, wenn durch immerwährende Handhabung
12 68 | 224.000 3, 7“ |
|
der Steuerorgane um die beste Kursrichtung als Mittel-
linie »schiefe Sc hhleifen« gefahren werden.
Die Größe des Ausschlages ist aus den Streuungs-
werten abzuleiten und wird besonders der Höhe nach
nicht weniger denn 100 m, gemessen vom »mittleren
Kurse«, betragen dürfen.
Die Höhe, in welcher sich der Flug bewegen soll,
wird stets so groß wie möglich sein. Bewölkung,
Nebel und Windverhältnisse kommen da zu berück-
sichtigen. Ihnen muß natürlich Rechnung getragen
werden. Weiters erkennt der Flieger den Vorteil
direkten Anfahrens daran, daß das schießende Geschütz
hiebei alle drei Elemente des Schrapnellfeuers
(Höhen-, Seitenrichtung- und Zünderstellung) ändern
muß, während beim »Umfahren« nur die Seiten-
richtung der Änderung bedarf. Letzteres wird daher,
entgegen oft geäußerten Ansichten, zu vermeiden sein.
Die Windrichtung erheischt besonders beim
Abflug wie bei der Landung e e Man
starte und lande immer gegen den Wind, die Aus-
nützung von Wolken zur Sichtentziehung während
des Fluges ist eine weitere Regel. Vor der unmittel-
baren Annäherung an den aufzuklärenden Raum wird
der Flieger ganz in den Wolken verschwinden können,
zur Durchführung der Aufgabe muß er zwar aus den
Wolken treten, er soll aber auch dann trachten, sie
als schützenden, sein Flugzeug im Bedarfsfalle
gleich wieder aufnehmenden und es nicht ver-
ratenden Hintergrund zu benützen.
Das Fahren in Wolken und Nebel setzt allerdings
eine entsprechende Friedensschulung voraus. Diese ist
jedoch unseren Fliegern zuteil geworden, so daß
wir hoffen dürfen, daß sie, die Technik der Kriegs-
fliegerei vollkommen beherrschend, der Führung als
Auge dienen und die in sie gesetzten Hoffnungen
zur Gänze erfüllen werden.
Bücherbesprechung.
»Fünfundzwanzig Jahre Luftschiffahrt.« l
Resümierende Betrachtungen über die Ent-
wicklung der Luftschiffahrt und des Flugwesens, die
schrittweise Zurückverfolgung des historischen Werde-
ganges, den unsere erfolgreichste jüngste Waffe
innerhalb der engeren Grenzen unseres
Vaterlandes durchgemacht, bieten in diesen
Tagen grandioser Triumphe zur Luft gewiß eine
interessante und anregende Beschäftigung. Vor uns
liegt in schmuckem, kaisergelben Einbande eine kleine
Broschüre, deren Verfasser wie kein zweiter berufen
erscheint, dieses Thema sozusagen aus eigenster An-
schauung heraus, in bündiger und doch erschöpfender
Weise zu behandeln. Ist es doch der hochverdiente
ehemalige Kommandant und Mitbegründer unserer
k. u. k. Luftschiffer-Abteilung, Vizepräsident des k. k.
Österreichischen Flugtechnischen Vereines, Major
Franz Hinterstoißer, mit dessen Namen die
österreichische Luftschiffahrt und Flug-
technik für immer untrennbar verknüpft
bleibt, der sich hier der anerkennenswerten und in der
glücklichsten Weise gelösten Aufgabe unterzogen hat,
dieser interessanten Denkschrift seine persönlichen
reichhaltigen Erfahrungen zugrunde zu legen und damit
dem ganzen eine fesselnde, persönliche Note
zu verleihen. So weiß diese ungemein flüssig
und anziehend geschriebene, im Verlage von
»Streffleurs Militärische Zeitschrift« er-
schienene Studie in schlichtem und doch belebendem
Erzählertone von den Zeiten zu plaudern, die der
Gründung unserer Militär-Luftschifferabteilung voran-
gingen, von den Zeiten, in denen der Verfasser
selbst der neugegründeten Luftschiffer-
Abteilung als Leiter und Organisator vor-
stand, in denen er sich die größten Ver-
dienste um ihre Anlage, Organisation und
weiteren Ausbau erwarb und so den Grund
zu dem großen Mechanismus legte, dessen
88
klagloses Funktionieren jetzt viel zur Er-
haltung unserer momentanen Position bei-
trägt. Ingewissem Sinne ist diese Schrift auch
gleichzeitig eine Jubiläumsschrift. Denn in
wenigen Wochen jährt sich zum fünfundzwanzig-
sten Male der Tag, an dem der Verfasser als blut-
junger Leutnant in den damals neuaufgestellten
militär-aeronautischen Kurs kommandiert wurde, der
Tag, seit welchem wir ihn fast volle zweieinhalb De-
zennien in ausschließlicher Beschäftigung mit den
Fragen der militärischen Luftfahrt finden. Und so ver-
mag uns Major Hinterstoißer interessante, farben-
reiche Bilder aus jener Zeit aus eigenster Anschauung
zu vermitteln, wir durchleben die ganze rapide Ent-
wicklung des Luftschiff- und Flugwesens noch einmal.
Ungemein geschickt ist in diesem Belange die
sprunghafte Entwicklung des Flugwesens
speziell charakterisiert, die durch zahlreiche chrono-
logische Daten sinnfällig illustriert wird. Des großen
Anteiles, den unser Vaterland, seine Industrie
und Techniker hiebei selbst genommen,
wird in der ausführlichsten Weise gedacht, ebenso
der hervorragendensportlichenLeistungen,
die im Laufe der letzten fahre auf dem Gebiete des
Frei- und Lenkballonwesens wie auch des Maschinen-
fluges selbst gezeitigt wurden. Aber auch der wissen-
schaftlichen Forschung, ihren Fortschritten und
ihren Pionieren e der Verfasser an mehreren
Stellen seines Schriftchens. Dazwischen eingeflochtene
eigene Glossen und persönliche Anschau-
ungen gestalten die Lektüre dieser Studie besonders
anregend und belehrend. Und im Hinblicke auf alle
diese ganz vortrefflichen Eigenschaften, die das
Werkchen berufen erscheinen lassen, eine Lücke auf
dem Gebiete unserer heimischen, chronist i-
schen Literatur ausfüllen zu helfen, kann ihm nur
eine recht weite Verbreitung gewünscht wee
Chronik.
Hauptmann Julian Zborowski, einer der aller-
besten Offiziere, die jemals der Militär-Luftschiffer-
truppe angehört haben, derzeit im 7. Infanterie-
Regimente dienend, der seit Beginn des Krieges im
Felde stand, sich dabei für seine hervorragenden
Leistungen vor dem Feinde schon den Orden der
Eisernen Krone mit der Kriegsdekoration erwarb und
auch das Signum laudis erhielt, dann aber schwer
verwundet wurde, ist, kaum wiederhergestellt, neuer-
dings an die Front geeilt und nunmehr schon wieder
für sein tapferes Verhalten vor dem Feinde durch die
Allerhöchste belobende Anerkennung ausgezeichnet
worden.
Dr. Hermann Elias, einer der bekanntesten
und verdienstlichsten wissenschaftlichen Luftschiffer
Deutschlands, der gleich zu Beginn des Krieges als
Oberleutnant einberufen wurde, ist für seine hervor-
ragenden Leistungen als Leiter einer Fliegerabteilung
und Flugzeugbeobachter schon mit dem Eisernen
Kreuze erster und zweiter Klasse sowie dem Militär-
Verdienstkreuze mit der Kriegsdekoration ausgezeichnet
und seither auch zum Hauptmann befördert worden.
Die technischen Wunder des Weltkrieges! So
könnte man über das soeben erschienene neue Kriegs-
heft des »Motor« (März 1915, Verlag Gustav
Braunbeck G. m. b. H., Berlin W. 35) schreiben.
Eine ganze Reihe in Deutschland bisher unveröffent-
lichter englischer Darstellungen des großen Krieges
begleitet die einleitenden Artikel des neuen »Motor«-
Heftes. Die deutschen Luftangriffe gegen England und
der gescheiterte Angriff der Engländer auf Cuxhaven
erfahren eine zusammenfassende und nervenerregende
Darstellung. Wir sehen in prächtigen Bildern u. a.
eine kombinierte Luft- und Seeschlacht an der belgi-
schen Küste, Darstellungen der Verfolgung englischer
Kreuzer durch Luftfahrzeuge in der Nordsee, die Ab-
bildung eines bombenwerfenden Zeppelins und eines
anderen, der über der Nordsee durch das Schein-
werferlicht eines nächtlichen Dampfers gesichtet wird.
Englische Flugboote durchstreifen den Abendhimmel
und die verräterischen Umrisse eines Unterseebootes
werden auf der Meeresoberfläche sichtbar. Wohl nie
in Deutschland ist einem Thema, das wie der Luft-
VATENTE
krieg so alle Herzen bewegt, eine solche Aufmerk-
samkeit zugewandt worden, wie im Märzhefte des
»M otor«. Panzerzüge und Panzerautomobile werden
in einer Reihe glänzender Aufnahmen gezeigt und vor
allem die Wunder des Torpedos in Wort und Bild
aus der Feder eines Fachmannes geschildert. Zum
ersten Male erfährt diese schwierige Materie eine
solche eingehende, allgemein verständliche Erläuterung.
Spannende Flugabenteuer lösen einander ab. Ein
Flieger aus dem Osten schildert, wie er von Kosaken
abgeschossen wird, ein Artikel plaudert über Flug-
zeug und Artillerie, ein anderer über die dramatischen
Szenen des Kampfes von Flugzeug gegen Flugzeug.
Das Panzermotorboot im Kriege, tritt auf und seine
Verdienste werden geschildert. Über den Flieger als
Nachrichtenübermittler wird ebenso getreu berichtet,
wie über die Szenen, die sich abspielen, -wenn die
Bomben fallen. Kurz, das Märzheft des »Motor«
übertrifft alle seine Vorgänger an reichhaltigem,
fesselndem, bildlichem und textlichem Inhalt. In ganz
wunderbarer Weise wird er der schweren Aufgabe
1 einheitliche Bilder aus dem großen Krieg in
arstellungen von dauerndem Wert festzuhalten.
Deutsche Aerogesellschaft. Bei der Deutschen
Aerogesellschaft, die sich mit der Herstellung von
Luftfahrzeugen befassen will und nun zunächst mit
Mk. 400.000 Aktienkapital in Berlin begründet wurde,
ist Kommerzialrat Castiglioni zum Vorstand er-
nannt worden. Dem Aufsichtsrat gehören bekannte
Berliner Finanzleute, wie Karl Hagen und Max von
Wassermann, an. Die Deutsche Aerogesellschaft
wurde, wie seinerzeit berichtet, im Vorjahre gegründet
und ist derzeit sehr stark mit Lieferungen für die
Heeresverwaltung beschäftigt. Kommerzialrat Camillo
Castiglioni, der neue Vorstand dieses Unter-
nehmens, ist Direktor der Österreichischen Motor-
Luftfahrzeug-Gesellschaft m. b. H., welche Funktion
er auch weiterhin ausüben wird.
Ein französisches Flugzeuggeschwader für
Serbien. In Marseille ist ein ganzes Flugzeug-
geschwader, 80 Mann Flieger, Maschinengewehr-
schützen, Mechaniker, eingetroffen, um mit der
nächsten Dampfergelegenheit nach Serbien abzugehen.
Muster- und Markenschutz in allen Ländern
erwirkt
Ing. J. FISCHER, Patentanwalt
Wien, I. Maximilianstrasse Nr. 5.
Seit 1877 im Patentfache tätig.
Herausgegeben vom: »K. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein«. — Verantw. Red.: in Vertretung Fritz Ellyson.
Druck von Otto MaaB’ Söhne, Wien I.
ÖSTERREICHISCHE
FLUG-ZEITSCHRIFT
Herausgegeben von dem unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Majestät des
Kaisers und Königs stehenden k. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein. XA
am 0000000000000
“00 000000 000000800.
Manuskripte werden nicht zurückgestellt. Der Nachdruck 88 Angenommene Beiträge werden honoriert. Die Verfasser
von Artikeln und Abbildungen ist nur mit Quellenangabe & sind für Form und Inhalt der von ihnen eingesandten
und Zustimmung der Redaktion gestattet. Artikel und Abbildungen verantwortlich.
YAO (2200000000 = © re NC 00000000c—_ JONNY
ERSCHEINT ZWEIMAL IM MONAT.
Nr. 7/8 April 1915 IX. Jahrgang
Inhalt: Vom deutschen Flugwesen im gegenwärtigen Kriege. — Graphostatik, mit besonderer Berücksichtigung der Fachwerke.
(Fortsetzung.) — Selbsttätige Flugzeug-Terrainaufnahmen, von Lampl. — SIr Ho ogoni ache Beiträge zur Erdbebenforschung,
von H. Hörbiger, Maschineningenieur und Privatastronom. — Aus der Praxis — für die Praxis. — Chronik.
Chefredakteur : Ing. A. Budau, o. ö. Professor der k. k. Technischen Hochschule in Wien
Redakteur für den offiziellen und wissenschaftlichen Teil für die Dauer der Abwesenheit der Herren Oberst
Wilhelm Suchomel und Ing. Adolf Janisch: Fritz Ellyson
Unter Mitwirkung von:
Dr. A. HILDEBRANDT RICHARD KNOLLER
Luftschifferhauptmanna.D., Ing., Professor a. d. k. k.
Berlin Techn. Hochschule, Wien
W. KREBS
Leiter der Wetterwarte
Schnelsen Holstein
GUSTAV E. MACHOLZ
PAUL BELLAK
Prokurist, Wien
FELIX BRAUNEIS
Ingenieur, Wien
Dr. Ing. WALTERFREIIH.
v. DOBLHOFF
Konstrukteur an der k. k. d 0
Techn. Hochschule, Wien Ingenieur, Wien
EDUARD DOLEŽAL ANTON JAROLIMEK
k. k. Hofrat, o. ö. Prof., an k. K. ae
der k. k. Technischen Hoch- " a König
ROBERT POLLAK LUDWIG SCHMIDL
RITTER v. RUDIN k. u.k. Rittmeister, Wiener-
Ingenieur, Wien Neustadt
J. POPPER-LYNKEUS LEOPOLD SCHMIDT
ingenieur, Wien Ing., Prof., Wr.-Neustadt
STEPHAN POPPER KARL TINDL
Johannisthal Ingenieur, Wien Ing., Konstrukteur a.d.k.k.
HUGO L. NIKEL FRANZ REBERNIGG Techn. Hochschule, Wien
k. k. techn. Ob.-Offiz., Wien Ing., Kommissär des k. k. WILHELM TRABERT
F. HINTERSTOISSER
k. u. k. Major, Wien
RAOUL HOFFMANN
schule, Wien Patentamtes, Wien Professor, Direktor der
: Dr. F. JUNG HANS F. v. ORELLI Zentralanstalt für Meteoro-
e Professor a. d. k. k. Tech- Schriftsteller, Wien 5 . logie u. Oeodynamik, Wien
Konstrukteur, Wien nischen Hochschule, Wien STEPHAN. PETROCZY ger Autoplanwerke, Wien Dr. C. WIESELS-
IGO ETRICH D. W. KAISER v. PETROCZ BERGER
Großindustrieller, Ober- Kapitänleutnant a. D, k.u. k. Luftschifferhaupt- Dipl. Ing. C. SCHMID Assistent an der Universität
altstadt Charlottenburg mann, Wien Lindenberg in Gottingen
Vom deutschen Flugwesen im gegenwärtigen Kriege.
In Ost und West stehen unsere tapferen Truppen
in blutigen Kämpfen einer Welt von Feinden gegen-
über. Fast drei Vierteljahre schon tobt der heftigste
aller bisherigen Kriege. Eine unverkennbar wichtige
Rolle spielen die Luftfahrzeuge, insbesondere aber die
Flugmaschinen.
Schon zur Genüge wurde in vorliegender Zeit-
schrift die Operationsfähigkeit der Kriegsflugzeuge
besprochen. In Friedenszeiten wurden Fliegerwett-
bewerbe der verschiedensten Arten abgehalten, die in
Deutschland durchschnittlich militärischen Charakter
trugen, während man in Frankreich diesen Wett-
bewerben mehr eine sportlichere Tendenz gab. Es
ist nicht zu verkennen, daß die Franzosen auf ihren
Veranstaltungen hervorragende Leistungen vollbrachten,
die immer mehr zeigten, daß Frankreich mit Recht
den ersten Platz im Flugwesen behaupten kann.
Frankreich sollte sich jedoch nicht zu lange dieser
Ruhmeslorbeeren erfreuen. Denn mit dem Einsetzen
der deutschen Nationalflugspende waren die Leistungen
unserer westlichen Nachbarn bald weit überflügelt und
Deutschland errang Rekord auf Rekord. Mit aller
Stille versuchte man in Deutschland die verschieden-
sten Typen, um ein gutes, militärisch brauchbares
System herauszubringen. Und dieses System haben
wir jetzt in dem Rumpfdoppeldecker gefunden, der
schon sehr erfolgreich auf allen Kampfplätzen debutiert
hat. Diese Maschinen werden von allen größeren
deutschen Flugzeugfabriken hergestellt, und gelangen
besonders Mercedes- und Benz-Motoren als Antriebs-
kraft zur Anwendung, wie auch Argus- und Oberursel-
Motoren. Es kommen hier in erster Linie die Erzeug-
nisse folgender Firmen zum Gebrauch:
Automobil- und Aviatik A.-G., Albatros-
werke G. m. b. H., Ago- Flugzeugwerke G. m. b. H.,
A. E. G., Brandenburgische Flugzeugwerke
G. m. b. H., Deutsche Flugzeugwerke G. m. b. H.,
Eulerwerke, Ottowerke, Fokker-Aeroplan-
bau m. b. H, Gothaer Waggonfabrik A.-G.,
Luftfahrzeug-Ges. m. b. H., Luft- Verkehrs-
Ges. m. b. H., E. Rumpler- Luftfahrzeugbau
G. m. b. H. und Otto Schwade & Co. Ganz ver-
einzelt sind noch Flugzeuge von Goedecker in
Mainz, Kondor in Essen und Sommer in Frank-
furt a. M. zu finden. Von obigen Firmen bauen außer
Doppeldeckern noch Eindecker Fokker nach dem
90
bekannten französischen Typ Morane-Saulnier,
womit der Konstrukteur selbst im Vorjahre glänzende
Sturzflüge etc. ausgeführt hat. Außerdem sind noch
die Hansa-Flugzeugwerke Hamburg, Karl
Caspar, Flugzeugbau Friedrichshafen
G. m. b. H., Pit UED EL Lübeck-Trave-
münde G. m. b. H., Halberstädter Flugzeug-
werke G. m. b. H, jleannin- Flugzeugbau
G. m. b. H., Pfalz- Flugzeugwerke G. m. b. H.,
r G. m. b. H., Märkische
Flugzeug-Werft und a. m. für die Heeresverwaltung
stark beschäftigt.
Was die deutsche Flugmotorenindustrie anbelangt,
so ist diese auch mit Aufträgen überhäuft, die sich in
der Hauptsache auf die Firmen Daimler-Motoren-
Ges., enz & Cie, Argus-Motoren-Ges,
Motorenfabrik Oberursel A.-G., Otto Schwade
& Co. und Rapp-Motoren-Werke verteilen. Auf
die einzelnen Konstruktionen der Flugzeuge und
Motoren einzugehen, muß aus militärischen Gründen
unterbleiben. Die bisherigen Ergebnisse haben gezeigt,
daß Deutschland anderen Ländern in der Flugtechnik
kein Haar breit zurücksteht. Von allen Seiten her
kommen gute Nachrichten unserer deutschen Flieger,
die sogar bis in die Türkei ihr Vaterland verteidigen.
In letzter Zeit haben wieder erfolgreiche Angriffe
deutscher Flugmaschinen auf feindliche Orte und
Stellungen stattgefunden. So war es besonders Calais,
das in letzter Zeit mehrmals von deutschen Kriegs-
fliegern erfolgreich angegriffen wurde. Über diesen
letzten Angriff berichtet die in England angekommene
Besatzung des schwedischen Dampfers »Diana«, der
gerade in den Docks von Calais lag: »Die deutschen
Flieger überflogen die Docks in der Richtung auf die
Stadt und die Mannschaften der Schiffe flüchteten
unter Deck. Auf die Schiffe und Kais wurden aus den
Flugzeugen etwa 500 Stahlpfeile herabgeworfen. Auch
Bomben wurden abgeworfen, doch soll der angerichtete
Schaden nicht sehr groß sein. Verschiedene Ein-
richtungen wurden zerstört und auch Feuer bemerkt.
Die Flugzeuge wurden heftig beschossen, doch gelang
es allen, unversehrt zu entkommen.«
Der sich auf dem Wege nach England befindliche
englische Dampfer »Teal« wurde, wie das »Haager
Korrespondenzbureau« meldet, von zwei Flugzeugen
angegriffen, indem diese Bomben auf den Dampfer
' IIRA > 4
Vir,
Mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnete deutsche Flieger.
warfen.
Fischdampfern in Verbindung.
Lichtsignale, während die Fischdampfer
abschossen.
Über Pont-a-Mousson erschien eine deutsehe
Flugmaschine, die durch Abwerfen von Bomben er-
heblichen Schaden anrichtete. Desgleichen wurden
Gerardmer und Dünkirchen erfolgreich mit deutschen
Flugzeugbomben belegt.
Interessant ist ein »Rezept« gegen Fliegerbomben,
das wir einem Kriegsbericht entnehmen: »Der Leutnant
K..., der mich begleitet, verfolgt seit einigen Minuten
mit dem Fernglas den Flug eines Flugzeuges, das
aus der Gegend von Toul her näherkommt. SchlieB-
lich ist er sicher, daß es ein Franzose ist. Er fragt
mich, ob ich wüßte, wie man Fliegerbomben ver-
meiden könnte. Ich bekannte, daß ich nur ein Mittel
kenne: »Schön zu Hause bleiben in einem unzweifel-
haft neutralen Lande.« Aber der Leutnant erklärte
mir mit der durch die Umstände gebotenen Kürze:
»Sobald eine Bombe in der Nähe platzt, muß man
zu der Stelle laufen, an der sie geplatzt ist, um dort
stehen zu bleiben und von dort muß man zu der
Stelle laufen, wo die zweite platzt und so fort, bis
das Luftbombardement beendet ist! Zuerst verstand
ich das nicht, aber die Erklärung ist sehr einfach. Da
der Flieger in der Luft nicht stillstehen kann, so kann
er nicht eine Bombe nach der anderen auf ein und
denselben Punkt werfen; wie schnell er auch arbeiten
mag, in der kurzen Frist zwischen dem Werfen zweier
en legt das Flugzeug mindestens 30 bis 40 m
zurück.« i
In den letzten Tagen haben auch wieder feind-
liche Flieger versucht, sich deutschem Gebiet und
Stellungen zu nähern. Am 26. März erschien aus der
Richtung Schlettstadt kommend, abends kurz vor
t6 Uhr, ein feindlicher Flieger — dem Flugzeugtyp
nach ein Engländer — über Straßburg und überflog
in beträchtlicher Höhe die Festung. Der Flieger, der
eine Höhe von über 2000 m innehatte, wurde heftig
aber erfolglos beschossen. Nach etwa 20 Minuten
verschwand er in der Richtung nach dem Breuschtal.
Wie nachträglich bekannt wird, warf der Flieger fünf
Bomben ab, die nur im Südosten der Stadt nieder-
fielen, ohne besonderen Schaden anzurichten. ;
Die Flugzeuge standen durch Signale mit
Die ia gaben
euerpfeile
. p” "T g — u rm
. £ * i ows We N. * y
‚un
Von links nach rechts: Oberleutnant Saenger, Leutnant Baas
berleutnant Hahn, Ingold, Leutnant Hug, Oberleutnant Bremer, Vizefeldwebel Reichert.
Am selben Tage erschienen mehrere feindliche
Flieger über der Festung Metz und warfen einige
Bomben auf den südlichen Stadtteil. Sachschaden
wurde nicht angerichtet, dem hingegen aber drei
Soldaten getötet. Die Flieger wurden schließlich durch
Artilleriefeuer vertrieben. .
Wie der »Nieuwe Courante aus Sluis meldet,
überflogen englische Flieger Seebrügge und warfen
Bomben ab. Ob Schaden angerichtet wurde, ist un-
bekannt. Die Flieger wurden von der ganzen Küsten-
linie beschossen.
Über die Landung französischer Fliegerim
Breisgau wird gemeldet: »Die beiden Flieger, zwei
Unteroffiziere, entstiegen unversehrt dem Flugzeuge,
zündeten es dann an, so daß dasselbe sofort lichterloh
brannte. Eine nach Hunderten zählende Menschenmenge
kam hinzu und umringte die Flieger. Diese ließen sich
mag gefangennehmen und der Militärbehörde aus-
iefern.« .
Nachstehender Feldpostbrief schildert in
anschaulicher Weise einen Luftkampf, den einer
unserer tapferen Flugzeugfiihrer gegen eine fünffache
feindliche Obermacht zu führen hatte.
»Bei uns in C... geht alles seinen Gang. Wir
sind fleißig an der Arbeit, tun den Franzosen Abbruch,
wo es nur immer möglich ist. Glücklicherweise ist
das Wetter seit 14 Tagen besser geworden, so daß
wir fast täglich sämtlich ausschwärmen können. Heute
ist leider einer unserer besten Führer bei einem
heldenhaften Kampf schwer verwundet worden, doch
dürfte er, da die Verletzungen nicht lebensgefährlich
sind, in einigen Wochen wieder auf dem Posten sein.
In letzter Zeit kamen die Franzosen, die nach den
letzten Gefechten, die wir uns hoch über den Schützen-
gräben lieferten, vorsichtig geworden waren, nicht
mehr einzeln, sondern nur noch geschwaderweise,
um über unseren Stellungen ihre Bomben abwerfen
zu können. Der Feind schickte fast immer die schweren
Kampfflugzeuge vor, die gepanzert sind, zwei Motoren
besitzen und mit Maschinengewehren ausgerüstet
sind, während die normalen Flugzeuge sich zunächst
etwas zurückhalten. Durch das Feldtelephon wird uns
fast immer die Ankunft eines derartigen Geschwaders
rechtzeitig PEMER und sofort steigt einer der
Unsrigen auf, um die Franzosen am Weitervordringen
zu hindern. Gestern war die Reihe an Leutnant B.,
der sich schon bei dem ersten Gefecht bei A....
ausgezeichnet hat. Auf die Meldung: »Feindliche
Flieger in Sicht!« verließ er mit seinem Beobachter
den Platz und steuerte in 2000 m Höhe dem französi-
schen Geschwader, das aus fünf Einheiten bestand,
entgegen. Die Franzosen rekognoszierten zuerst über
unseren Gräben und schienen nicht allzu geneigt,
sich hinter unsere Linien zu wagen, als Leutnant B.
mit seinem Doppeldecker ihnen entgegenkam. Sobald
der Gegner merkte, daß er nur ein deutsches Flug-
zeug vor sich habe und daß keine Verstärkung in
der Nähe sei, stürzten die fünf Flugzeuge auf unseren
Apparat zu.. Leutnant B., der sich noch rechtzeitig
hätte zurückziehen können, nahm trotzdem den Kampf
auf. Es gelang ihm, wie man durch das Scherenfernrohr
feststellen konnte, zunächst durch einige unglaublich
kühne und fast senkrechte Kurven sich dem ersten ge-
panzerten Doppeldecker, der mit dem Maschinengewehr
nicht zum Schuß kommen konnte, zu entziehen. Dabei
kam er einem französischen Eindecker in die Flanke
und nun eröffnete der Beobachter unseres Flugzeuges
mit dem Maschinengewehr ein so wirksames Feuer
auf den Franzosen, daß dieser schon nach einer
halben Minute, sich mehrmals überschlagend, in die
91
Tiefe stiirzte. Die anderen Gegner drangen erbittert
auf Leutnant B. ein, der mit bewundernswerter Ruhe
operierte. Das Kampfflugzeug war ihm inzwischen in
den Rücken gekommen und eröffnete offenbar heftiges
Feuer auf B. Plötzlich sahen wir unseren Doppeldecker
etwa 200 m tief fast senkrecht abstürzen. Schon
glaubten wir, daß unser armer Kamerad tödlich ver-
letzt sei, erkannten aber zu unserer unaussprechlichen
Freude, daß B. die Franzosen genarrt hatte und durch
einen vorgetäuschten Absturz sich ihrem Feuer für
einige Minuten entzogen hatte. Piötzlich schoß der
Apparat auf einen vor ihm liegenden französischen
ungepanzerten Doppeldecker zu und nach fünf Minuten,
während beide Maschinen sich ständig umkreisten,
sank der feindliche Apparat, mit der Steuerzelle zuerst,
senkrecht zu Boden. Also auch der zweite Gegner
war abgetan. Die drei übrigen Franzosen aber be-
gannen jetzt eine Jagd auf unseren Kameraden, die
in ihren aufregenden Einzelheiten kaum zu schildern
ist. Fast 20 Minuten lang wehrte sich B. durch alle
möglichen Manöver, bis ihn das Schicksal ereilte.
Einem der Gegner war es gelungen, unseren Doppel-
decker unter wirksames Feuer zu nehmen und B.
erhielt zwei Kopfschüsse. Trotz seiner schweren
Verwundung riß er die Maschine herum, und da er
sich kaum 5 km vor unseren Gräben befand, gelang
es ihm, zu Boden zu kommen. Die Franzosen ließen
nun auch von einer Verfolgung ab, zumal einer von
ihnen durch einen Volltreffer unserer Artillerie buch-
stäblich in Fetzen gerissen wurde. Leutnant B. hatte,
obwohl ihm das Blut über die Schutzbrille floß, doch
noch die Kraft, seinen Apparat, der über 50 Kugel-
spuren zeigte und eher einem Sieb als einem Flug-
zeug glich, heil auf den Boden zu setzen, ehe ihn das
Bewußtsein verließ. Wir schafften unseren tapferen
Kameraden in das Lazarett zu C..., wo der Arzt
uns die beruhigende e ang machen konnte, daß
die beiden Schüsse, die der Flieger erhalten hatte,
zwar ernst, aber nicht lebensgefährlich sein dürften.«
Weiter zeigt noch folgender Bericht kurz, wie der
ehemalige Rennstallbesitzer und Herrenreiter Ober-
leutnant Friedrich Rosenthal als Fliegeroffizier den
Heldentod für sein Vaterland starb: »Der junge
Offizier, der bei all seinen Erkundungsflügen stets
große Kühnheit an den Tag legte, geriet einmal in
ein Gefecht mit einem russischen Flieger. Einer seiner
Schüsse tötete den Gegner, dessen Apparat riß im
Absturz das Flugzeug Rosenthals mit sich. Dieses
wurde vollständig zertrümmert und Rosenthal
an hiebei so schwere Verletzungen, denen er bald
erlag.«
Vorliegende pe zeigen so recht, mit welchem
Heldenmut, weicher Todesverachtung und mit welcher
Ausdauer unsere braven Flieger kämpfen.
Leider ist einer der besten und beliebtesten
deutschen Militärflieger, Leutnand Ferdinand von
Hiddessen, in französische Gefangenschaft geraten.
Leutnant v. Hiddessen war durch seine hervor-
ragenden Flüge auf Euler-Doppeldecker be-
kannt geworden. Im Prinz Heinrich-Flug 1913 ging
er als erster Sieger im Zuverlässigkeitspreis hervor.
Zu Kriegsbeginn führte er wohlgelungene Flüge über
Paris als einer der ersteiı aus, wofür ihm das Eiserne
Kreuz l. und II. Klasse verliehen wurde. Kürzlich er-
eilte auch ihn das Schicksal und liegt er jetzt ver-
wundet in einem Lazarett in Verdun.
Beim Schreiben dieser Zeilen haben unsere
wackeren deutschen Flieger neue Heldentaten voll-
bracht, über die wir in einer der nächsten Nummern
berichten werden. — W. —
Jahrbuch des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines 1914.
Das Vereinsjahrbuch 1914 erscheint in den nächsten Tagen und wird den Mitgliedern des Vereines
unentgeltlich zugestellt. Es ergeht daher an alle P. T. Mitglieder das höfliche Ersuchen, Adressenänderungen
etc. rechtzeitig bekanntzugeben, damit in der Versendung des Jahrbuches keine Verzögerung eintrete.
92
Graphostatik, mit besonderer Berücksichtigung der Fachwerke.
(Fortsetzung.)
Im folgenden seien die Verhältnisse untersucht,
die für Fachwerke, soweit diese im Flugzeugbau
in Betracht kommen, maßgebend sind.
An jedem Fachwerke unterscheidet man äußere
und innere Kräfte. Bei Flugapparaten sind Auf-
trieb, Stirnwiderstand, Kräfte von der Einspannung
herrührend u. dgl. äußere, die in den Stäben, also
Holmen, Stielen u. ä., ferner in den Drähten auf-
tretenden Beanspruchungen innere Kräfte. Außer-
dem bezeichnet man (Fig. 11) die oben gelegenen
Fig. 11.
Holme o als Obergurt, die untenliegenden als
Untergurt u, die Stiele als Vertikale v und die
Drähte als Diagonalen d. In den De RUE
ergeben sich Auflagerkräfte A und B, die vom
Rumpfe oder anderen Teilen geliefert werden müssen
und durch das Fachwerk hervorgerufen werden. Das
in Fig. 11 gezeichnete Fachwerk heißt wegen der
Vertikalen auch Ständerfachwerk, während man
eine Konstruktion nach Fig. 12 als Strebenfach-
werk (also ohne Lotrechte) bezeichnet. Der Einfluß
auf die Verteilung der Kräfte wird weiter unten klar
werden.
Das Fachwerk muß nun im Gleichgewicht sein,
und zwar müssen sowohl die äußeren als auch die
inneren Kräfte untereinander im Gleichgewicht stehen.
Fig. 12.
Selbst wenn das aber für die äußeren Kräfte der
Fall ist, könnten noch Momente vorhanden sein und
es tritt als dritte cue fiir das Gleichgewicht
hinzu: Summe der omente gleich Null.
Stützwiderstände, also hier A und B, sind immer als
äußere Kräfte einzuführen und muß daher die Summe
aus den äußeren Kräften im Gleichgewichtsfall Null
sein. Genügen die Gleichgewichtsbedingungen zur
Ermittlung der Stützwiderstände, dann heißt das
System äußerlich statisch bestimmt und es
ist zur Stützung an zwei Stellen nötig, daß eine
Lagerung Kräfte senkrecht zu ihrer Unterlage, das
andere aber beliebig gerichtete Kräfte aufnehmen kann
(siehe Fig. 13). Wäre nur ein Stützpunkt vorhanden,
dann müßte einefeste Einspannung vorgesehen sein.
Gentigen die Gleichgewichtsbedingungen zur Be-
stimmung der Stützreaktionen nicht, so heißt der
Träger äußerlich statisch unbestimmt und ihre
Größe ist nur zu ermitteln, indem man die Form-
änderungen beachtet, welche dabei auftreten. (Dieser
Fall wird sich z. B. bei der Untersuchung des Stirn-
en ergeben.) Gleiches gilt von den inneren
räften.
Nach dem bereits im ersten Teil Entwickelten
können die Stabkräfte in einem Fachwerke folgender-
maßen gefunden werden (Fig. 14): Auf das gezeich-
nete System mögen die Kräfte P., P}, P;, P. wirken;
ferner sei das Lager A so ausgeführt, daß es nur
Kräfte senkrecht zur Unterlage aufnehmen kann,
während das Lager B beliebig gerichtete Kräfte über-
trägt. (Kipplager.) Es müssen also zunächst die
äußeren Kräfte im Gleichgewichte sein ; daher ist die
Mittelkraft der Kräfte P, bis P, zu bestimmen und
sodann in die Lagerdriicke A und B zu zerlegen : die
Richtung von A ist gegeben (senkrecht zur Unterlage),
ebenso die von R nach der Zusammensetzung und
da zwischen A, R und B Gleichgewicht herrschen
muß, müssen sich die Richtungslinien auf R schneiden;
damit ist auch die Richtung von B festgelegt, ihre
an I aber durch Zerlegung von R nach A und B
zu finden.
Fig. 13.
Nunmehr können auch die Stabspannungen
gefunden werden. In jedem Knotenpunkte muß Gleich-
gewicht herrschen, denn wäre das nicht der Fall,
dann würde er sich ja verschieben. Es ist also am
Knoten I nur A nach den beiden Richtungen 1 und 6
zu zerlegen, wie das ganz rechts geschehen ist; die
‚Richtung der Spannungen findet man, wenn man den
Kräftezug gleichsinnig, also da A schon der Richtung
nach gegeben ist, in diesem Falle im Sinne der Uhr-
zeigerbewegung, umfährt. Es ist also die Spannung 1
und auch 6 zum Knoten gerichtet. Im Knotenpunkt II
muß Gleichgewicht herrschen zwischen 1, P,, 2 und 7.
Der Größe nach ist 1 und P, bekannt, daher an
l... . P, anzuschließen und das Kräftevieleck zu
schließen: Richtungen von 2 und 7 dienen dazu.
Gleichsinnig umfahren, sieht man, daß 2, 7 und I
zum Knoten Il gerichtet sind. Es drückt also die
Spannung im Stab 1 gegen die beiden Knoten I und II:
das heißt der Stab ist auf Druck beansprucht.
Vollendet man diese Konstruktion, so findet man
schließlich, daB alle Stäbe Druckstäbe sind. Stets
sind die Stäbe in der Reihenfolge anzuschließen, in
der man auf sie trifft, wenn man den betreffenden
Knoten umkreist.
Dieses Verfahren wurde zuerst von Cremona
angegeben und heißt nach ihm Cremonaplan, das
Beispiel selbst ist der »Hütte« entnommen. Es kann
nun aber auch der Fall eintreten, daß die äußeren Kräfte
nicht in den Knoten, sondern an den Stäben zwischen
den Knoten I und Il angreifen. Dann muß man
folgendermaßen vorgehen : Man betrachtet (Fig. 15)
den Stab I bis II als einen Träger über einer Öffnung,
der in I und II Stützendrücke R, und R, ausübt ; diese
sind dann wie eine Belastung in den Knoten I und II
als äußere Kräfte in die Untersuchung einzuführen.
Die Kräfte P, und P, werden zunächst zu einer
Mittelkraft R zusammengesetzt, dann nimmt man auf
R einen Punkt an (1) und verbindet mit den Knoten-
93
Stab auf Biegung beansprucht. Die Querschnitts-
bestimmung muß daher nach den Formeln über
zusammengesetzte Beanspruchung, also in
diesem Falle nach M
max
„rA W
Fig. 14.
punkten I und Il. Parallele dazu, im Kräftezug einge-
tragen, zeigen, daß wieder Gleichgewicht herrscht;
den auf I entfallenden Betrag von R findet man durch
Ziehen einer Parallelen zu I-Il, denn dann ist 2-3 die
Größe R, und O2 die Größe R, und 2-4 die Spannung S,
die in den Stab fällt. Zu den übrigen Kräften in den
Fig.
Knoten I, bezw. Il. kommt also noch R., bezw. R:
hiezu und die entsprechende Resultierende wird dann
verwendet zur Ermittlung der Stabspannungen. Im
Stab I-II wirkt dann die Zug- oder Druckspannung,
gefunden aus dem Cremonaplan, erstere vergrößert
um den Betrag S, letztere um dieselbe Größe ver-
kleinert und außerdem die Resultierende R, die den
erfolgen, wobei + o die entstehende Zug-, — ø die
entstehende Druckspannung ist; ferner bedeutet F
die Fläche, max das größte Moment von den
Kräften herrührend und W das Widerstandsmoment
des Querschnittes und P die resultierende Normal-
spannung.
Dieser Fall tritt beispielsweise bei den Stielen auf,
welche infolge ihrer Angehörigkeit zum Tragwerk-
system Druckstäbe sind (siehe später), außerdem
aber durch den Luftdruck auf ihre Stirnfläche auf
Biegung beansprucht werden. Nur ist in diesem Fall
mit gleichförmig verteilter Last zu rechnen, was zwar
für die Auflagerdrücke nichts ändert, doch ist dann
94
das Biegungsmoment nicht wie für den Fall der
Einzelkraft (Fig. 16)
Mar = Lea
sondern (Fig. 17)
Pi
M max = 8
Im Flugzeugbau sind bis jetzt einige Arten der
Tragkonstruktion besonders ausgeprägt.
im folgenden werden zuerst die Doppeldecker
untersucht; da sind vor allem die Apparate mit
Pfeilform von jenen ohne Pfeilform zu unterscheiden.
Denn die Beanspruchung der ersteren ist eine ganz
andere, als sie z. B. für die gewöhnlichen Brücken-
konstruktionen auftritt. Ferner ist ein Unterschied zu
— ee oe 5
machen, ob der Apparat gestaffelte Flächen hat
oder nicht; gerade die Staffelung ist jetzt fast durch-
wegs anzutreffen, obwohl nach den Untersuchungen
Fig. 16 und 17.
G. Eiffels (siehe »Der Luftwiderstand und der Flug«)
die Staffelung bis zu Neigungswinkel von rund 100
keinen Einfluß hat, sondern erst bei sehr großen
Auftriebswerten die
Staffelung rückwärts
günstiger wird. Fig. 18
zeigt die Polaren zu
den untersuchten
Flächen zweier Flügel
von 90 X 15cm mit
1/13°5 Pfeil der Kreis-
kriimmung. (Fig. 18
| ist eine Wiedergabe
| der Fig. 95 in dem
| vorerwähnten Werke.)
Man sieht, daß die
Kurven sich bis zu
einem Auftriebswert
von
Dispositif J.
— —
L . .
praktisch decken und
erst dann der Auftrieb
größer wird, als bei
der Anordnung II;
nach diesen Unter-
suchungen ist die
Staffelung um volle
Flügelbreite bei vier
Drittel dieser Tiefe
als lotrechten Ab-
stand am günstigsten.
Danach wäre eigent-
lich der Einfluß recht
belanglos auf die
Tragfähigkeit, aber
recht groß auf die
Festigkeitsverhält-
nisse, wie sich später
zeigen wird.
Zunächst lassen
sich einige Gesichts-
punkte festlegen, die
für alle Doppeldecker-
anordnungen gelten.
Der Flugapparat stellt
ein räumliches
Fachwerk dar, an
welchem als äußere
Kräfte Auftrieb und
Stirnwiderstand
. wirken; das ganze
„ ist an vier
unkten festgehalten,
F Dispositif I. die alle auf der glei-
de 7 chen Seite des Systems
— . liegen. Man könnte
also nunmehr das
— a ca d’ ll. Fachwerk wirklich als
räumliches unter-
3 d’_W suchen, müßte dann in
den Projektionen des
Trägers mit den Pro-
jektionen der Kräfte
arbeiten und zum Schluß der Untersuchung die
wirkliche Größe der einzeinen Stabspannungen suchen.
Im folgenden wurde aber ein anderer Weg ein-
geschlagen: das räumliche Fachwerk läßt sich
zerlegen in zwei horinzontal liegende und zwei
vertikale Fachwerke; erstere sind die Tragflächen,
letztere die Systeme, gebildet aus Tragflächen-
holmen, Stielen und Verspannungsdrähten, soweit
Fig. 19.
sie wieder in einer Ebene liegen. Untersucht man
jedes dieser vier Systeme für sich, so ergeben
sich gewisse Stabspannungen, herrührend von je
einem System, die dann alle, soweit sie in einem
Punkte wirken, sinngemäß zusammengesetzt werden
müssen, um die resultierende Spannung zu ergeben.
In den Tragflächen (Fig. 19). sind die in der
Flugrichtung vorne liegenden Holme 1 und 3
als Untergurte auf Zug. die hinten liegenden
2 und 4 auf Druck beansprucht; dieselben
Holme sind aber auch Ober-, bezw. Unter-
gurte für die vertikalen Fachwerke und
dadurch ist 1 und 2 Druckstab, 3 und 4 aber
Zugstab: das hat zur Folge, daß in 3 die
Summe der Zugspannungen und in 2 die
Summe der Druckspannungen auftritt, für die
Dimensionierung, bezw. für die Kontrolle
der Beanspruchungen, also für den Hinterholm
der im oberen Flügel hinten gelegene, maß-
55 ist; für den Vorderholm hängt die
imensionierung meist von der Größe der
Resultierenden im Holm 1 ab, weil das Holz
für Druck weit weniger fest ist als für Zug;
beispielsweise ist für Fichtenholz (das gebräuchlichste
Material für Holme) die zulässige Druckbeanspruchung
nur 245 kg/cm?, dagegen sind bis 750 kg/cm? als Zug
zulässig.
Für die ganze Untersuchung ist also nur die
Stabspannungsermittlung je zweier Fachwerke nötig,
Fig. 20.
wobei noch die beiden horizontalen, weil nur durch
den Stirnwiderstand beansprucht, gleich sind, also
nur ein derartiges Fachwerk untersucht werden
muß. Wenn man daher die in den Knoten wirkenden
Kräfte kennt, ist nach dem früher Gesagten, alles
andere sehr einfach. Um die horizontalen Kräfte in
den Knotenpunkten der Tragflächen zu bestimmen,
sei zunächst folgende Überlegung angestellt: Die
Tragfläche besteht in der Regel aus zwei Holmen,
zwischen denen dann die Rippen sich befinden. Die
|
95
Rippen sind aber zu schwach, um Kräfte zwischen
den Holmen derart zu übertragen, daß man sie als
Teile des Fachwerkes betrachten könnte; dazu wäre
außerdem nötig, daß die beiden Holme in die Rippen
selbst eingepaßt wären, was bei der großen Zahl
der Rippen praktisch undurchführbar ist. Die Rippen
sind daher nichts anderes als ein Mittel, der Fläche
die verlangte Form zu geben, der Stoffbespannung
eine Unterlage zu bieten. Zur Herstellung eines Fach-
werkes zieht man aus dem erst erwähnten Grunde
einige Rippen ein, denen man kastenförmigen
Querschnitt gibt, wodurch ihr Trägheitsmoment
bedeutend größer als bei den gewöhnlichen Rippen-
formen wird und die auch eingepaßt werden, oder,
was am einfachsten ist, man gibt zwischen die beiden
Holme Stahlrohre, von denen die innerhalb der
Tragflächen liegenden Verspannungen ausgehen;
das gibt eine sehr solide und ganz einwandfrei
ausführbare Konstruktion der Tragflächen. In der
Regel sind die vorderen Rippenenden, um eine steife
Stirnkante zu erhalten, mit Furnierplatten überzogen,
derart, daß in die Rippe das Furnier eingelassen,
angenagelt und geleimt ist. (Fig. 20.) Das gibt dann
ein einziges starres System, das den darauf wirkenden
Stirnwiderstand auf den Vorderrand überträgt. Der
Anteil des Druckes, den jede Rippe auf den Holm
überträgt, ist bei gleicher Teilung der entsprechende
Teil des Gesamtwiderstandes der Tragfläche und
ist dieser Vorderholm als durchlaufender Träger
über zwei oder drei Öffnungen zu betrachten. Damit
wird die genaue Untersuchung aber kompliziert,
Fig. 21.
weil man Durchbiegungen, Formänderungen, zu
berücksichtigen hat. Dagegen ist die weit einfachere
Annahme, daß auf jedem Knoten eben ein Teil des
Stirnwiderstandes wirkt, unzulässig, weil ja die
Stützenwiderstände ganz andere sind, je nachdem
ob der Träger durchläuft oder nicht, also nur aufliegt
oder auskragt. Und diese Stützenwiderstände sind
dann eben die Kräfte, welche für die weitere Unter-
suchung in Betracht kommen.
Der Fall des durchlaufenden Trägers ist ein
derart häufiges Problem, daß sowohl die graphische
als auch die rechnerische Lösung hier angegeben
werden soll. So ist fast jede Kurbelwelle bei Kolben-
maschinen in mehr als zwei Lager gelagert; auch
für den Vierzylindermotor ist die Lagerung in drei
Lagern gebräuchlich und die Trägerstützung auf
mehr als zwei Unterlagen ist ebenfalls recht oft zu
finden. Es sei daher zunächst, um das Verfahren
selbst zu zeigen, der in Fig. 21 gezeichnete Fall
untersucht. Auf den Träger wirken in einem Felde
zwei, in dem anderen nur eine Kraft. Aus den
allgemeinen Gleichgewichtsbedingungen: Summe der
äußeren Kräfte gleich Null und Summe aller Momente
gleich Null könnte man nur zwei Unbekannte finden,
während hier drei Stützenwiderstände berechnet
werden sollen. Zu den vorhandenen Bedingungs-
gleichungen ist also noch eine dritte zu suchen und
diese kann man aufstellen, indem man die auftretenden
Deformationen in N von den wirkenden
Kräften anschreibt. Der Träger wird sich im durch-
96
gebogenen Zustand etwa nach der gezeichneten Linie
einstellen; an diese im Lager C die Tangente gelegt,
gibt dann als Gerade AB einen Träger an, der unter
dem Einfluß der Lasten Pi, Pa, Pa, sowie W, und Ws
sich soweit durchgebogen hätte, als die Kurve angibt.
Man braucht also zunächst Gleichungen, welche
den Zusammenhang zwischen Widerstandsfähigkeit
(Trägheitsmoment) und Durchbiegung angeben.
Nach den Sätzen der Festigkeitslehre findet man
die Durchbiegung f (Fig. 22 und 23) eines einseitig
eingespannten Trägers, der am Ende mit der
Last P beansprucht ist, nach der Gleichung
Pi
3E]
Wirkt die Last P im Abstand a von dem freien
Ende des Trägers entfernt, dann ist die Durchbiegung
des Endes zu finden, indem man f für die Stelle
sucht, wo P wirkt und dann beachtet, daß von dort
ab der Stab seine ursprüngliche gerade Achse
beibehalt. l
f = 1)
——
Fig. 23.
Es läßt sich dann folgende Beziehung aufstellen:
le | l
EJ (5+ 3
Kennt man die Durchbiegungen, dann kann man
die Stützenwiderstände folgendermaßen rechnen:
zunächst muß sein: Summe der äußeren Kräfte
gleich Null und ebenso die Summe der Momente.
Das Moment sei positiv, wenn es im Uhrzeigersinn
dreht. Damit ergeben sich folgende Gleichungen:
— W, +P, - W. +P +P W. = O. . 3)
WI Ii — Pi a, + Po as + Ps az — Wa la =0 ; 4)
dabei ist die Stütze W, als Momentpunkt gewählt.
Dort denkt man sich nun einen Träger ein-
gespannt, der sich so durchgebogen hat, wie gezeichnet,
und der ursprünglich gerade war (A, B). Um das zu
erreichen, müßten die Kräfte W,, Pi, Pz, P, und W,
wirken, W, ist natürlich ohne Einfluß, weil die Kraft
in der Einspannstelle aufgenommen wird. Die ent-
stehenden Durchbiegungen haben die Größe f, und
fa, und zwar entsteht fi unter der Einwirkung von W,
und Pr, und f, durch P, Pa und Wa. Nun kann man
den Winkel! œ ausdrücken, denn es ist
1
und
f.
tang œ =
I,
und
„
— — 0[—ö—F—ůůkꝛ ³28DFPkxꝛ⁊x2ꝑRM᷑klä.——ß——ß—ß—ß——ß—ß—ß—ß—ßKß—— ; M-6ijſ—00 •äſſö. ä . —— 0 — :. — o
tang a, = — tanga = — -
damit wird
fi ss ff
lı la
>. 8 8 @ òè ò% >œ
und das ist bereits die gesuchte dritte Gleichung. Es
bleibt nur noch f selbst auszudrücken. Die Durch-
biegung, von W, herrührend, ist nach 1)
Wh“
3El
fw, =
die von P, stammend nach 2)
h= Fi =, |P, —.(4 4 BTA) 4
. l. — W 1,°
+ P, an (z 2 2 oF 3 - |
Die so gefundenen Werte in Gleichung 5) eingesetzt
und in Verbindung mit 3) und 4) gebracht, erlaubt
sofort die Ermittlung der dritten Unbekannten.
Es sei beispielsweise
P, = 1100 kg,
y = 450 ”
3 == n
und die Stützweiten, bezw. die Kraftabstände
l = 50 cm,
ly = 96 ”
a, = 25 n
a, == 24 5
An = 64 n
dann lautet die Momentengleichung:
50 W, — 25. 1100 + 24. 450 + 64 . 400 — 96 W, = 0
und die Durchbiegungen:
h= F | 1100. 25+ (7 3 „ m
fi = 14,300.000 ET — 41.6666 K
ferner die Durchbiegung bei Wa:
b er | 450 we (A 4 4
+ 400.64 f 2 W. =
f = 72,517.120 2 — 293.912 87
und damit lautet die Gleichung 5):
50 (14.300.000 — 41.6666 W) —
— gg (62.517.120 — 293.912 W.) = 0,
dabei ist bereits durch E I Hividiert. Diese Gleichung
vereinfacht und mitder Momentengleichung zusammen-
gestellt, erlaubt W, und W, zu berechnen:
W, — 3°67 W, + 563:2
= 0
W, — 1°92 W, + 178 0
W, = 220 kg
W, = 2442 ”
und aus: i
WI +W: +W, = 1950. . W; = 1485˙8 n
Die Auflagerdrucke W,, W, und W, ohne Be-
rücksichtigung der Kontinuität des Trägers hätten
sich folgendermaßen ergeben:
Für das Feld mit der Spannweite li:
9
2
WI“ = W.“ — 550 kg.
Vom Feld mit l,:
W,” = P, (le — a:) = 450 . 48 = 225 kg
p 450 >
.“ Fs ae — an ;
W, i, 90 112:5 kg
von Pa herrührend:
W.“ = Ps (la — as) = 400 . 32 = 1333 kg
ls 96
W” = Ps as = 400 . 64 == 266:6 kg
ls 96
daher ist:
W, = 500 k ’
Wa — W. F Wa” + We" = 9083 kg
W, = Wa“ + W.“ = 3791 kg.
Nachstehend sind die Werte gegenübergestellt:
Durchlaufend Freiaufliegend
WI. . . 2442 kg 500 kg
W.. . . 14858 „ 908:3 „
Ws... 2200 „ 3791 „
Der Einfluß ist also recht bedeutend!
(Fortsetzung folgt.)
Selbsttätige Flugzeug-Terrainaufnahmen.
Wenn zum Zwecke der militärischen Aufklärung
oder zur Richtigstellung, bezw. Ergänzung vorhandener
Karten eines engeren Kriegsschauplatzes die Ent-
sendung von Luftschiffen oder Flugzeugen erforderlich
wird, so ist die Vornahme von photographischen
Aufnahmen des Geländes durch den Piloten oder
seinen Begleiter im allgemeinen unerläßlich, sofern
auf Genauigkeit und Details Wert gelegt wird. Aus
einer Höhe von 1000 bis 1500 m sehen die Gegen-
stände auf dem Erdboden nicht allein ganz anders
aus, als sie sich dem Beschauer auf ebener Erde
präsentieren, da sie aus der Vogelschau gewisser-
maßen plattgedrückt, zweidimensional erscheinen,
sondern sie bieten sich dem Auge häufig auch unter
einem so kleinen Gesichtswinkel dar, daß sie der
Aufmerksamkeit oder Sehschärfe des Beobachters
leicht entgehen können. Dies gilt aber noch in
erhöhtem Maße von dem Beobachter im Aeroplan,
verglichen mit einem solchen auf einem Luftschiffe
oder auf einem ruhenden Beobachtungspunkte, da
beim Flugzeug noch die Geschwindigkeit der Fahrt
und die geringe Stabilität der Plattform die ruhige
Beobachtung beeinträchtigen. Hieran kann auth die
Verwendung von Fernrohren wenig ändern, umso
mehr, als diese bei der erforderlichen starken Ver-
größerung nur ein geringes Gesichtsfeld aufweisen
und daher bei den starken Vibrationen der Maschine
ein ruhiges Im-Auge- behalten des Objektes praktisch
unmöglich machen. Die Brauchbarkeit der Beobachtung
wird aber völlig in Frage gestellt, wenn zu der
Beobachtung durch das Fernglas gleichzeitig die
erforderliche erschöpfende Aufzeichnung des Ge-
sehenen hinzukommen soll.
Ist nun gar ein Terrain von mehreren hundert
Kilometern Ausdehnung zu erkunden, so wird es
schließlich für Auge, Hirn und Hand zur physischen
Unmöglichkeit, die gewünschte Registrierung der
Beobachtungen fortlaufend mit genügender Genauigkeit
und Vollständigkeit innerhalb der zur Verfügung
stehenden kurzen Zeit durchzuführen, so daß ein
derartiger Aufklärungsflug häufig von relativ geringem
Werte sein muß. Die Unterstützung der Hand-
aufzeichnungen durch die Vornahme vereinzelter
photographischer Aufnahmen vom Flugzeuge aus
wird zwar schon seit langem geübt, jedoch stellt
auch dieses nur ein mangelhaftes Auskunftsmittel
dar, da die Manipulation mit dem Apparat nicht
allein die Bewegungs- und Beobachtungsfreiheit
beeinträchtigt, sondern weil vor allem einzelne will-
kürlich vorgenommene Aufnahmen kein zusammen-
hängendes Bild von der Landschaft bieten und
überdies häufig wichtige, dem Auge in ihrer
Bedeutung nicht unmittelbar kenntliche Terrainpunkte
unberücksichtigt bleiben. |
Allen genannten Übelständen wird nun durch
die neueste Erfindung des dem italienischen Luft-
schifferkorps ang -börgen Kapitäns Giovanni Fabbri,
die von Major H. Bannermann-Phillips im
»Scientific Americane beschrieben wird, in wirk-
samster Weise abgeholfen. Die automatische Flugzeug-
kamera von Fabbri soll nicht allein den Auf-
klärungsflieger entlasten, sondern vor allem den
Wert eines jeden Aufklärungsfluges ohne besonderes
Hinzutun von seiten der Besatzung um ein Beträcht-
liches erhöhen, und darin ist die Bedeutung der
Erfindung vom militärischen Standpunkt in erster
Linie zu erblicken. Dieselbe besteht im wesentlichen
aus einer am Flugzeug in geeigneter Weise befestigten
Kamera besonderer Konstruktion, welche automatisch
auf einem Filmband aufeinanderfolgende Aufnahmen
des überflogenen Geländes macht, die sich zu einer
Art Panorama zusammensetzen lassen. Dies bringt
den doppelten Vorteil mit sich, daß der Beobachter
nicht allein in der Lage ist, seine Aufmerksamkeit
gänzlich und ohne Se ER, auf das unter ihm
befindliche Terrain und etwaige Vorgänge innerhalb
desselben zu konzentrieren, sondern er kann auch
seine Beobachtungen unabhängig von den selbst-
tätigen Aufzeichnungen der Kamera in einem ge-
schlossenen Bericht zusammenfassen, dessen Vergleich
mit den photographischen Aufnahmen von Interesse ist.
Zwei vn des Erfindungsgegenstandes
sind seine geringe Größe und Schwere und seine
außerordentliche Einfachheit. Der Apparat kann
bequem auf jedem Aeroplan montiert und jederzeit
nach Belieben in Betrieb gesetzt oder abgestellt
werden, während er in der Zwischenzeit selbsttätig
und ohne jede Bedienung seine Aufgabe erfüllt.
Desgleichen ist es naturgemäß möglich, wie mit
einer gewöhnlichen Kamera Einzelaufnahmen zu
knipsen. Im großen ganzen stellt der Apparat eine
Art Miniatur-Kinematograph dar. Er besitzt einen
langen Film, der mittels zweier Rollen auf-, bezw.
abgewickelt wird und auf einer Seite eine Reihe von
Löchern in gleich großen Abständen trägt. Sobald
ein gegen den Film drückender Stift in ein Loch
eingreift, wird der Film gestoppt, der Objektiv-
verschluB automatisch geöffnet und infolge der statt-
findenden Belichtung die unterhalb des Flugzeuges
gelegene Landschaft aufgenommen. Der Antrieb für
98
den Schaltmechanismus und die damit zusammen-
hängenden Momentaufnahmen erfolgt in sinnreicher
Weise durch einen kleinen Luftpropeller, der durch
den Luftstrom stets nur in einer Richtung in
Umdrehung gesetzt wird und mittels einer Vorgelege-
welle und eines Kettengetriebes die Antriebswelle
des Apparates in Bewegung setzt. Der Objektiv-
verschluB wird von dieser Welle gleichfalls durch
eine Übersetzung selbsttätig ausgelöst. Die Ge-
schwindigkeit der Filmbewegung muß natürlich in
Übereinstimmung mit der Geschwindigkeit des Flug-
zeuges gegenüber dem Erdboden eingestellt werden,
zu welchem Zwecke eine Kompensierung der in die
Flugrichtung fallenden Windkomponente erforderlich
ist. Diese kann in einfacher Weise durch Veränderung
des Übersetzungsverhältnisses an der Antriebswelle
erfolgen. Durch den unabhängigen Propellerantrieb
ist man, abgesehen von dem Einfluß der Wind-
komponente, hinsichtlich des Antriebes der Kamera
nur an die tatsächliche Fortbewegungsgeschwindigkeit
des Flugzeuges gebunden, während beispielsweise
der Antrieb von der Hauptwelle bei Stillstand des
Motors versagen würde.
Ein in praktischer Hinsicht wichtiges Detail
besteht darin, daß bei jeder einzelnen Aufnahme
die Windrose des Kompasses und die Ablesung des
Höhenbarometers mit aufgenommen werden, so daß
diese zwei wichtigsten Angaben auf jedem einzelnen
Bildchen in einer Ecke desselben genau abzulesen
sind und daher auch diese Handaufzeichnungen fort-
fallen. Während die Kompaßablesungen die sofortige
geographische Orientierung nach der Nord-Südrichtung
Ben urn, ermöglicht die Barometerablesung eine
eurteilung der wahren Größenverhältnisse aus den
verschiedenen Verkleinerungsgraden der Bildchen.
Außerdem aber kann man bei richtiger Einstellung
der Übersetzung des Schaltmechanismus dafür sorgen,
daß die einzelnen Bilder praktisch ohne Unterbrechung
aufeinanderfolgen, so daß jedes Bild an das vorher-
gehende anschließt oder dieses teilweise überdeckt.
Wird sodann der Film nach der Entwicklung in die
einzelnen Bildchen zerschnitten und diese mittels
übereinstimmender Bildpunkte, zum Beispiel an Hand
einer Landstraße, eines Flußlaufes u. s. w. so
aneinandergefiigt, daß alle Kompaßanzeigen zu-
einander genau parallel sind, so erhält man ein
praktisch lückenlos fortlaufendes Panorama des über-
flogenen Geländes, bei dessen Studium nur noch
die einzelnen Barometerablesungen zur Ermittlung
der wahren Größenverhältnisse in Rücksicht zu
ziehen sind. Der Film besitzt normalerweise eine
solche Länge, daß mit einem Apparat bei einer
Flughöhe von zirka 1200 m eine fortlaufende Flugbahn
von rund 150 km Länge selbsttätig aufgenommen wird.
Es wird nicht ohne Interesse sein, zu erfahren,
daß diese militärisch zweifellos wertvolle Neuerung
dem glücklichen Erfinder die ansehnliche Summe
von 1½ Millionen Kronen eingebracht hat. Lampl.
Glacialkosmogonische Beiträge zur Erdbebenforschung.
Ein vorbereitendes Einschaltekapitel zur Erden- und Gebirgsbildung.
Von H. Hörbiger.
II.
Flugtechnik und Gebirgsbildung!? — Man miB-
verstehe uns nicht: Im letzten Dezemberheft sind wir
ausgezogen, zur erhöhten Flieger- und Luftschiffer-
sicherung die Möglichkeit einer länger befristeten
(mehrtägigen — ja mehrwöchigen) Wetter- und Sturm-
prognose durchsichtig zu machen, indem wir zunächst
die kosmische Herkunft aller Luftmeer-Paroxysmen
aus den solaren Vorgängen (Sonnenflecken, Fackel-
bezirken und Koronastrahlen), bezw. das ununter-
brochene, aber vor den Augen der Astronomen und
Meteorologen noch immer verborgene Geschehen eines
ausgiebigen, zwiefachen, kosmischen Wasser-, bezw.
Eiszuflusses zur Erde zu erweisen suchen und nachher
den drahtlichen Anschluß aller Flugstationen an glacial-
kosmogonisch bekehrte Sonnen- und Wetterwarten als
zweckdienlich empfehlen wollen. Dem steht aber
nebst der vollständig irrigen Grundlage der
heutigen Meteorologie (sie will alle Wettervorgänge
bloß aus einem defizitlosen terrestrischen Wasser-
kreislauf heraus erklären) auch ein weitverzweigter
und festverwurzelter geologischer Grund-
irrtum. entgegen: Man erblickt in den Erd-
beben Außerungen gebirgsbildender Kräfte!
Wir aber müssen, um den kosmischen Wasserzufluß
glaubhaft zu machen, eine fortdauernde innerirdische
Wasserzersetzung — also einen ausgiebigen terre-
strischen Wasserverbrauch nachweisen und führen
zu solchem Zwecke alle wie immer heißenden Erd-
beben auf innerirdische, durch kosmische Kräfte aus-
gelöste Siedeverzugsexplosionen und thermochemische
Wasserzersetzungen zurück, die ihrerseits wieder eine
periodisch sichtbare Wasserstoffabflutung in den Welt-
raum (Polarlichter) und eine astronomisch nachweisbare
Gewichtszunahme der Erde (eine Mitursache der Akze-
leration der Mondbewegung) zur Folge haben. Somit
erscheint uns nun auch die Aufgabe gestellt, nicht
nur die Irrigkeit der heutigen fachmännischen
Anschauungen über Wetterursachen, Erdbebenkräfte |
»Ungern entdeck’ ich höheres Geheimnis!
Mephisto im Faust II.
und Gebirgsbildung zu erweisen, sondern auch die
glacialkosmogenische Wahrheit an die Stelle dieser
meteorologischen und geologischen Irrtümer zu setzen,
bevor wir eine sonnenphysikalisch begründete, lang-
fristige Sturmprognose widerspruchslos durchsichtig
machen können. Das ist also jener — dem etwa
neu herzugekommenen Leser im ersten Momente un-
klare — Zusammenhang zwischen Flugtechnik und
Gebirgsbildung, für welchen wir an seine Geduld
appellieren müssen.
Wir haben es ja letzthin gehört: »Ein richtiges
Verständnis für die Pen en ist nur
möglich, wenn sie im Zusammenhange mit
der Gebirgsbildung begriffen werden- — so
versichert uns ein führender moderner Geologe, von
welchem wir aber mit größter Bestimmtheit
sagen können, daß er sowohl alle Erdbeben als auch
alle Gebirgsbildung in ihren Grundursachen gänzlich
mißverstehen mußte, weil er (samt allen Nachfolgern
und Schülern) seine Theorien nur auf Lyell-geo-
at bezw. Laplace-kosmogonischer
rundlage aufgebaut haben konnte: und diese Grund-
lagen sind eben irrig.
Ein kleiner Ausflug in das Gebiet der Erden-
und Weltenbildung (Geogonie und Kosmogonie) ist
also unerläßlich, wenn wir über irrige und wahre
Gebirgsbildungs-Theorien mit Erfolg und bequem
verständlich sprechen sollen. Es ist das aber »ein
Abschnitt der Geologie, in welchem die größten
und schwierigsten Probleme dieser Wissen-
schaft wie in einem Brennpunkte zusammenlaufen.)
ja, wir können da steigernd hinzufügen, daß diese
robleme nicht nur noch viel größer und schwieriger
sind, als sich es selbst der aufrichtigste und ein-
sichtigste Geologe jemals innerlich zugestanden haben
mag, sondern daß diese Schwierigkeiten auch inso-
lange ganz unüberwindlich bleiben, als
man auf Laplace-Lyellscher Grundlage
*) V. Uhlig: »Über Gebirgsbildung«. Wien 1904.
steht — daß sich aber anderseits, bei glacial-
kosmogonischemLichte betrachtet, die Sache
im großen ganzen dennoch wieder leidlich einfach
gestaltet, wie es sich ja für eine neue astronomische
Wahrheit auch geziemt. Den bewußt großsprecheri-
schen Brustton unserer festen Überzeugung in diesen
Dingen haben wir schon auf Seite 44 des Heftes 3 und 4
zu entschuldigen versucht, so daß wir uns da keinen
allzu großen weiteren Zwang auferlegen zu müssen
glauben. Wir wollen den geneigten Leser ja auch
nicht auf den üblichen Schleichwegen erheuchelter
Bescheidenheit überzeugen, sondern geradeaus.
Man schenke uns also geduldiges und auf-
merksames Gehör: Denn nicht nur wir müssen
hier zu seismologischen Zwecken einige kosmogonische
Vorausschickungen machen, sondern überhaupt alle
belehrend tätigen Geologen und Geodynamiker, ob
sie nun popularisieren oder strenge dozieren, müssen
in ihren Hand- und Lehrbüchern von irgend einem
Entwicklungsvorgang und daraus ableitbarem heutigen
inneren Zustand des Erdballes ausgehen. Nur drängt
sich ihnen da (selbst den allerbarbarischmittel-
europäischesten unter ihnen)*) in erster Linie immer
wieder die heute bereits 120jährige und dennoch
immer noch faszinierende französische »Nebular-
hypothese« auf, wie sich ja auch gewisse Kulturkreise
unserer Damenwelt selbst mitten im Weltkriege dem
oft allersinnlosesten Zauber der Pariser Modelle nicht
zu entziehen vermögen. Kein Wunder also, daß z. B.
auch Sieberg sein »Handbuch der Erdbeben-
kun de- also einleiten mußte: Den Ausgangs-
punkt für diese Erörterungen bildet die Nebular-
hypothese Laplaces, zu Unrecht meist die Kant-
Laplacesche Hypothese der Weltbildung genannt,
trotzdem sie nicht alle Erscheinungen
inder planetarischen Weltzuerklären
vermag. (Dem praktisch anwendenden Mechaniker
und Physiker vermag diese physikalische Unmöglich-
keit überhaupt nichts zu erklären. Und die
heutige geologische Grundidee der Gebirgsbildung,
die sogenanten »Kontraktionstheorie«[sowohl
in der Geogonie als auch in der Sonnenphysik], ist
eben nur die »streng logische« Bau dieser vom
Bruder des Revanche-Präsidenten Poincaré »ver-
besserten« französischen Glanzleistung.) »Ihr zufolge
ist das Sonnensystem aus einem ungeheuren ro-
tierenden Urgasball entstanden, indem die von
ihm durch die Zentrifugalkraft abgeschleuderten Gas-
ringe zerrissen und sich dann zu eigenen Weltkörpern,
den Planeten, zusammenballten; auf diese Weise
bildete sich auch unsere Erde.« — (Sie-
berg.)
Ein Vorgang, den wir in allen seinen Zusammen-
hängen mit den heutigen solaren und terrestrischen
Erscheinungen, sowie mit dem geologischen Geschehen
der nahen und fernen Vergangenheit und Zukunft der
Erde auf 800 Lexikonseiten nicht ganz erschöpfen
konnten, erscheint hier in irriger Auslegung in sechs
Spaltzeilen gezwängt. Und so sehr imponiert dieser
Urgasball auch den barbarischesten Gelehrten,
daß z.B. S. Günther in München zu dem Resultate
kommt, daß unsere Erde etwa in den innersten zwei
Fiinfteln des Durchmessers auch heute noch
glutgasförmig sein müsse! Zumindest weiß
er diesen unfreiwilligen Gelehrtenscherz mit einer
derart imposanten physikalischen Nomenklatur aus-
zuschmücken, daß seine Hypothese auch von den
ernstesten Berufsforschern erwähnenswert gefunden
wird. Sieberg berichtet hierüber weiter: »Dabei
nimmt Svante Arrhenius**) an, daß die unter ge-
waltigem Drucke und sehr hoher Temperatur stehen-
den Gase so stark zusammengepreßt wären, daß sie
sich praktisch nahezu wie feste Körper verhielten, nur
mit dem Unterschiede, daß schon bei Änderung des
*) Vgl. Fußnote auf Seite 47 des Heftes 3 und 4.
5 Arrhenius: Lehrbuch der kosmischen Physik, 1903,
und -Das Werden der Welten«, 1908.
99
Druckes starke Massenverschiebungen einträten.«
Offenbar will Arrhenius auf diese Weise die
Möglichkeit eines »Dislokationsbebens« in der auf
hochgepreßter gasiger Unterlage schwimmenden
festen Erdkruste glaubhaft machen. Wir wollen es den
rheinländisch-westfälischen Berg- und Hüttenwerks-
physikern und Chemikern überlassen, da Mitdenk-
versuche anzustellen — und wenn solche nicht ge-
lingen sollten, den schwedischen Nobelpreisträger
eines Besseren zu belehren.
Als vorläufiger Notbehelf einer gründlicheren
Kritik der Nebularhypothese seien Holzmüllers
»Elementare Betrachtungen über das Sonnensystem«
empfohlen.*) Doch warnen wir auch da wieder vor
seiner freundlichen Stellungnahme zu v. Helm-
holtzens Sonnenenergie-Erhaltung und zur berüch-
tigten A. Schmidtschen »Sonnentheorie«. Erstere
ist nämlich nichts anderes, als ein Ausbau der Nebular-
hypothese aus der kosmologischen Vergangenheit in
die Gegenwart der Sonne herein. Die Schmidtsche
Sonnentheorie ist gar das Abgeschmackteste, was
jemals ein Stubengelehrter zu Markte gebracht hat.
Auch tut dieser sonst gründliche Nebularhypothesen-
Kritiker unserem Kant zu sehr Unrecht. Eine Kant-
Laplacesche Hypothese gibt es nicht, denn Kant
ging nicht vom Urgasball, sondern von staubförmig
verteilter Masse aus und gab sich die für seine Zeit
denkbar anerkennenswerteste Mühe, in diesem Chaos
zunächst eine Revolutionseinleitung plausibel
zu machen. Wir haben seinen Gedankengang in un-
pA Al a auch dementsprechend zu wiirdigen
gewubt.
Aus glacialkosmogonischen Überlegungen müssen
wir neuerdings der älteren, vorlaplaceschen »Fluiditäts-
hypothese« huldigen, indem nach unserer Überzeugung
alle inneren Planeten (die äußeren bestehen sozusagen
aus purem Wasser, bezw. Eis) einschließlich der Sonne
ausdem Zusammenflusse glutflüssiger
Sprengmassen der partiellen (einseitigen) Dampf-
explosion eines gigantischen Muttergestirnes hervor-
gegangen sind, aus welcher Tatsache sich nicht nur
die stoffliche Einheitlichkeit der gesamten Sonnen-
welt, sondern auch alle Arten von Bewegung in der-
selben (die translatorische des Sonnensystems durch
den Weltraum, sowie auch Umlaufs- und Dreh-
bewegungen aller Planeten und Monde einschließlich
der Sonne) einheitlich herleiten lassen. Hienach ist
die Erde in etwa vier bis fünf Sechsteln ihres Außen-
durchmessers innen durchaus weißglutflüssig und von
einer solchen mineralischen Zusammensetzung, die
sich beiläufig ergäbe, wenn man sämtliche bisher
wirklich zur Erde gefallenen Meteormassen verschie-
densten Eisengehaltes einschmelzen, umrühren und
absetzen lassen würde. Keinesfalls können die Glut-
flußmassen des tieferen Erdinnern jene Eisenarmut
(oder Metallarmut überhaupt) aufweisen, wie die uns
zugänglichen vulkanischen Laven und plutonischen
Massengesteine, weil wir ansonsten nicht auf das
spezifische Durchschnittsgewicht der Erde von 5°56
kommen könnten. Durch den hohen Schwerdruck des
nen Erdinnern allein, läßt sich diese hohe
ischdichte der Erde nicht erklären, da ja die Zu-
sammendrückbarkeit des flüssigen Magmas, ähnlich
nn des Wassers, gar bald eine Grenze erreichen
muß. s
Es sei nun auch der zu solchem Erdzustand
führende glacialkosmogonische Gedankengang kurz
angedeutet: Es liegt offenbar ein großer Widersinn
in der heutigen astronomischen Lehrmeinung, daß
dietranslatorische Bewegung des Sonnen-
systems von 16 bis 20 km’Sek. nach dem Sternbilde
der Leyer hin eine Folge jener inter-
stellaren Anziehung sei, welche für uns aus
den Leyer- und Herkulessternen herresultiert, während
*) Holzmüller: »Elementare Betrachtungen über das
Sonnensystem und Widerlegung der von Kant und Laplace
aufgestellten Hypothesen über dessen Entwicklungsgeschichte«,
1906.
100
doch offenbar viel enger stehende Sterne
einzelner Sterngruppen sich einander nicht nähern.
Nicht nur die engeren eigentlichen Sternhaufen (wie
der berühmte im Herkules) müßten sich ohne Umlaufs-
bewegung um einen gemeinsamen massigen Schwer-
punkt schon in fernrohrgeschichtlicher Zeit zu einem
einzigen Sterne kondensiert haben, sondern auch
Sterngruppen, wie etwa das bekannte Siebengestirn,
könnten nicht bestehen, wenn es eine Anziehung auf
interstellare Entfernung gäbe. Und zu dieser
letzteren verhält sich eine interplanetarische
Entfernung wie etwa die verschiedensten Bruchteile
eines Millimeters zum verschiedensten Vielfachen des
Kilometers.
Zu einer solchen Einschränkung der Schwerkrafts-
Fern wirkung bedarf es nicht etwa einer gewaltsamen
und tiefgreifenden Änderung der im engeren Planeten-
Ne und in Doppelsternsystemen längst bewährten
ewtonschen Gravitationsformel, sondern nur der
Einführung eines mit der Entfernung auch irgendwie
höher potentiell zunehmenden Leitungsverlustes
der Schwerefernwirkung. Das reine Newtonsche
Gravitationsgesetz hat eine negative Strahlung
zur stillschweigenden Voraussetzung, eine Art von
Saugstrahlen, welche das anziehende Massen-
zentrum in gleicher Dichte nach allen Seiten des
Raumes entsendet -- gleich einer strahlenden Licht-
quelle. Dabei wird weiters stillschweigend voraus-
gesetzt, daß diese Saugstrahlen einzeln ungeschwächt,
mit stets gleichbleibender Intensität,
bis in alle Raumestiefen, also abermals stillschweigend
auf alle interstellaren Entfernungen hinaus
sich fortsetzen. Denn nur unter diesen Voraussetzungen
nimmt die Sonnenschwere (oder die Schwere schlecht-
hin) genau umgekehrt proportional dem
Quadrate der Entfernung oder proportional der nach
außen abnehmenden Anzahl solcher Saugstrahlen pro
Flächeneinheit ab. Welcher Art immer aber das
physikalische Wesen der Schwere und ihrer inter-
medialen Fernwirkung auch sei (ob Ätherdruck,
ob wirkliche Anziehung etc.“), so wird man immer
auch mit einem Fernwirkungsverluste, einem
Leitungsverluste der Schwere, oder einer Art von
intermedialem Absorptionsverluste zu
rechnen haben, wie ja, auch vielseitige technische
Erfahrungen im Energie-Übertragungswesen es lehren.
Um solchem Verluste sinnfälligen Ausdruck zu geben,
denke man sich die oberwähnten Gravitations-Saug-
strahlen nach außen nicht nur an spezifischer Dichte
(Zahl pro Flächeneinheit), sondern auch an Einzel-
intensität abnehmend, und zwar bis zum völligen
Verlöschen in etlichen Neptunfernen, womit einem
mechanisch-erfahrenen Gefühle auch nicht die ge-
ringste Gewalt angetan erscheint.
Um unserer Ehrfurcht vor dem Gravitationsgesetze
eines diesmal ausnahmsweise seelisch sehr hoch-
stehenden Engländers (Newton) keinen Abbruch
zu tun, bezw. um im Aufbau der so einfachen Gravi-
tationsformel keine weiteren konstruktiven Änderungen
vorzunehmen, hatten wir seinerzeit nach bescheidenem
Dafürhalten bloß vorgeschlagen, im Gravitationsfaktor
des umgekehrten Entfernungsquadrates 1/a* den Ex-
ponenten so zwar variabel zu gestalten, daB man
anstatt 1/a? setzt: 1/a?+x. Der konservative Astronom
hätte sich also nur diese zusätzliche variable Ex-
ponentialgröße x als eine Art hyperbolischer Funktion
der Entfernung zu denken, deren Kurve (auf die
Sonnenschwere bezogen) innerhalb der Zone der
dichteren inneren Planeten (längs des Radius-
vektors als Asymptote hinschleichend) für x praktisch
Nullwerte ergibt — und erst draußen bei den um so
vieles ferneren großen oder äußeren Planeten
(Jupiter. Saturn, Uranus, Neptun und bei den trans-
neptunischen Planetoiden) sich allmählich hyperbolisch
von der Asymptote erhebt und in dem Maße in der
*) Vgl. Isenkrahe: »Das Rätsel von der Schwerkraft«,
1879.
Rechnung fühlbar wird, als dort auch die Fehler-
grenzen der beobachtungstechnischen Kontrolle sich
mehr und mehr erweitern. Das will sagen: Durch die
teleskopische Meßkunst kann nicht konstatiert
werden, ob durch die rechnerische Verarbeitung
dar beobachteten Planetenörter nicht doch etwa
die Jupiterbahn um Tausender, die Saturnbahn um
Zehntausender, die Uranusbahn um Hunderttausender
und die Neptunbahn um etliche Millionen des Kilo-
meters zu groß gefunden wurde — und größer
brauchen diese Abweichungen auch nicht zu sein,
um bei der weiteren hyperbolischen Verlustzunahme
zu einem völligen Verlöschen der Sonnenschwere in
etlichen Neptunfernen zu gelangen. Das will
weiter besagen, daß gar keine untrüglichen Beweise
dafür erbracht werden können, daß die durch Newton
erst durchsichtig gewordenen drei Kepler-Gesetze
auch für größere interplanetarische Entfernungen
streng mathematisch genau sind. Dieselben dürften
nach vielen technisch-physikalischen Analogien auch
wohl nur den Asymptoten jener sanft geschwungenen
Kurven vergleichbar sein, welche erst die mathematisch
genaue Wahrheit darstellen — oder kurzen Stücken
solcher Kurven, die man praktisch durch Gerade er-
setzen darf. Von der Erde nach auswärts fehlt uns,
wie gesagt, die schärfere Meßkontrolle der Rechnung;
man bestimmt die Entfernungen einfach nach dem
zweiten und dritten Gesetze Keplers, ohne zu
zweifeln oder eine schärfere Meßkontrolle für nötig
zu halten. Und von der Erde nach einwärts ist es ja
bekannt, daß Merkur (und der Enkesche Komet)
sich der Rechnung nicht recht fügen will, wobei aller-
dings der in Sonnennähe etwas größere Medium-
widerstand und die dort sich drängenden klein-
planetarischen Massen mitwirken mögen.
Wir vertreten also die Ansicht, daß die Sonnen-
schwere von der Erde nach auswärts allmählich
rascher abnimmt und daher in Sonnennähe
auch etwas rascher zunimmt als gewöhnlich
gerechnet wird.
Es ist auch zu bedenken, daB zu Newtons
Zeiten weder die ungeheuren Fixstern-Entfernungen
noch die Fixstern-Eigenbewegungen und die trans-
latorische Bewegung unseres Sonnensystems nach
den Leyersternen hin, noch aber Uranus und Neptun
bekannt waren, also das Gravitationsgesetz auch un-
möglich in jener interstellaren Reichweite
gedacht sein konnte, welche ihm heute in verzeih-
licher wissenschaftlicher Loyalität stillschweigend und
kritiklos unterlegt wird. Wohl dachte sich Newton
sein Gesetz für alle Massen und alle Orte des
unermeBlichen Weltraumes geltend, wie es in oben
ausgeführter glacialkosmogonischer Beschränkung ja
auch richtig ist; denn wo immer im Weltenraume sich
Planeten und Monde um einen Fixstern schwingen
mögen, werden dort dieselben Gesetze herrschen
wie bei uns; doch würde Newton unsere Sonnen-
Eigenbewegung wohl kaum als eine summarische
Anziehungswirkung der Leyer- und Herkules-
Fixsternmassen angesehen haben, wenn er deren
Entfernung auch nur annähernd gekannt und von
der Sonnen-Eigenbewegung überhaupt etwas gewußt
hätte.
Wir sind daher auch fest davon überzeugt,
daß alle jene Berechnungen großer Kometen (im
glacialkosmogonischen Sinne nichts anderes als trans-
neptunische Planetoiden, die dem Neptun bei seinen
Mondeinfangsversuchen entwischt sind und zur Sonne
gelenkt wurden), welche über etwa 100 Jahre Umlaufs-
zeit ergeben, irrig sein müssen. Und man errechnete
mit dem auf große interplanetarische Entfernungen
ebenso sorglos angewendeten zweiten und dritten
Kepler- Gesetz ja auch Kometen-Umlaufszeiten von
5, 10, 20, 30, ja sogar 75 tausend Jahren! Wirklich
zurückgekommen sind aber nur vier von den großen
Kometen mit mäßig längerer Umlaufszeit von 61°12,
71°56, 72°65 und 7603 Jahren — und davon sind
rechnerisch nur die letzten drei um 36, 35 und 52
Erdbahnradien über eine mittlere Neptunferne hinaus-
un Kein Komet kehrt aber jemals wieder zur
onne zurück, der sich einmal über 2 oder 2½ Neptun-
fernen hinausgeschwungen hat, weil er da schon in
das Gebiet der rascheren Abnahme der Sonnenschwere
und mit dem Reste seiner lebendigen Kraft
dem Anziehungsgebiet der Sonne leicht entrinnt und
im schwerelosen Raume geradlinig weiterschwebt.
Aber auch bei diesen zurückgekommenen vier großen
Kometen sind notwendig die großen Bahnachsen
etwas kleiner, als dies rechnerisch angegeben wird,
weil ja die Abweichung von den Kepler-Gesetzen
nur eine mit der Entfernung ganz allmählich
zunehmende sein kann. Und unter jenen vermeintlich
nicht zurückgekommenen großen Kometen, deren be-
rechnete Umlaufszeiten um 80 und 90 jahre herum
liegen, werden wieder manche sehr wohl zurück-
ekommen sein, jedoch notwendig mit so großer
erspätung, daß man sie nicht wieder erkannt,
sondern für neu entdeckte gehalten und neu be-
rechnet hat. Daß aber Kometen mit beobachteten
Bahnelementen, die rechnerisch viel über 100 oder
gar 200 Jahre Umlaufszeit und mehr ergeben, jemals
wieder zur Sonne zurückkehren, ist ganz aus-
geschlossen.
Wir können in der Betonung der Unmöglich-
keit, Unzulässigkeit — ja Unsinnigkeit
einer interstellaren Schwerkrafts fern wirkung kaum
jemals zu viel tun, da gerade in diesem Punkte
das voraussichtliche Kopfschiitteln der Kometenbahn-
berechner oder anderer einfluBreicher astronomischer
Skeptiker unsere flugtechnischen Leser an uns irre
machen kann. So geschah es auch 1899, als uns nach
einem Leoniden- und Sonnenfleckenvortrag der be-
kannte groBe Physiker und (technisch ganz unerfahrene)
Gasmechaniker Dr. Boltzmann einwarf, »er glaube
bestimmt behaupten zu können, daß die Gravitation
doch unvergleichlich weiter in Newtons Gesetzes-
zwang reichen müsse. Zwei Siriusweiten schienen
ihm als Reichweite der Sonnenschwere eher möglich,
als zwei Neptunfernen, wie es unsere damaligen
zeichnerischen Vortragsunterlagen schematisch
versinnlichten. Dies erhelle aus den Bewegungen
der Doppelsterne, zwischen welchen das reine
Gesetz noch keine Abweichung zeige. Die freisichtbare
Milchstraße liege außerhalb der sıchtbaren Fixsterne,
anders wäre eine Parallaxe längst erkannt worden.«
Wir hatten nämlich in jenem Vortrage die frei-
sichtbare Milchstraße als ein, aus, im reflektierten
Sonnenlichte leuchtenden Eiskörpern (Kleinkometen
und Sternschnuppen) bestehendes pseudo planetari-
sches Gebilde von nur etlichen Neptunfernen
mittlerem Ringradius erklärt. Als zahllose kleine
Eiskometen, die seit jeher in ihrem außerhalb Sonnen-
schwerebereich liegenden Entstehungs-Aphelium re-
lativ stille stehen und nur translatorisch mit
uns kommen. Man kann auch sagen: Es sind das weit
transneptunische Eisplanetoiden, die in jenem großen
Sonnenabstande nur mehr die Umlaufsgeschwindigkeit
Null brauchen, um jene Zentrifugalkraft Null zu
erzeugen, die der dort herrschenden Sonnenschwere
Null das Gleichgewicht hält. Anders lassen sich
nämlich die Sonnenflecken, deren heliographische
Verteilung und deren Periodizität nicht erklären.
Es stürzt solches galaktisches Eis in die Sonne, und
zwar in einer durch die äußeren Planetenmassen be-
dingten, sehr verwickelten Periodizität.
Behufs Wiedergewinnung eines durch obigen
souverain hingeworfenen Machtspruch Boltzmanns
unsicher gewordenen Gönners der Glacialkosmogonie
wurde damals (1899) schleunigst eine Durchmusterung
aller zugänglich gewesenen Doppelsterndaten vor-
genommen: Die linearen Komponenten-Entfernungen
der bis dahin von den beobachtenden Astronomen
linear ausgemessenen fünf Doppelsterne bleiben
alle unter einer Neptunferne. Es sind dies 23˙6,
20:1, 19:5, 23°99 und 13:0 Erdbahnradien — und eine
Neptunferne beträgt 30°05 Erdbahnradien! Aber auch
gelan
101
alle übrigen helleren, linear noch nicht aus-
emessenen, sondern bloß nach Gesichtswinkel und
mlaufszeit bekannten Doppelsterne müßte man in
(ihrer Helligkeit nach) ganz unnatürliche Weltraum-
tiefen hinausgeschoben denken, wenn deren linearer
Komponentenabstand an zwei Neptunfernen heran-
reichen oder über dieselben hinaus wachsen soll.
Und eine Siriusferne Boltzmanns mißt beiläufig
18.300 Neptunfernen! Also beweist auch gar keine
Bewegungsform der Doppelsterne irgend etwas gegen
das völlige Verlöschen der Sonnenschwere in — sagen
wir vorsichtig und gelinde — etlichen Neptun-
fernen!
Unter den Leyer- und Herkulessternen, nach
welchen unser geradliniger Sonnenflug bei 16 bis
20 km/Sek. hin gerichtet ist, leuchtet Wega am
weitaus hellsten. Er ist demnach höchstwahrschein-
lich auch der uns weitaus nächste Fixstern unserer
Sonnenreiseziel-Gegend. Alle übrigen Fixsterne jener
Himmelsgegend können einzeln 10, 100, 1000 und
10.000 mal weiter abstehen. Und Wegas Ent-
fernung von der Sonne beträgt rund
43.000 Neptunfernen! Und aus solchen Ent-
fernungen soll für unsere Sonne eine derartige An-
ziehung resultieren, daß sie heute schon mit 16 bis
20 km/Sek. dahinfliegt! Das steht denn. doch mit
den sonst üblichen, auf viele Dezimalen genauen
Denkgesetzen der Astronomen in allzu auffallendem
Widerspruch.
Wenn also die übrigens von der Nebular-
hypothese gänzlich ignorierte Eigen-
bewegung der Sonne und der Fixsterne keine
Gravitationserscheinung sein kann, so muß sie
notwendig eine Trägheitserscheinung
sein, da es ein Drittes nicht gibt. Und das führt
eben zu einer kosmischen Ballistik, nach welcher
unser Sonnensystem nicht das Kondensat eines
ruhenden und (man verrät uns nicht woher) rotieren-
den Glutgasballes von mehr als Neptunbahn-
durchmesser (an sich schon eine physikalische Un-
möglichkeit) sein kann, sondern schon den beinahigen
Endzustand des ursprünglichen Zentrums einer kosmi-
schen Glutprojektilwolke darstellt, welche (wie schon
erwähnt) aus der einseitigen und kleinst-teilweisen
Dampfexplosion eines Riesenfixsterns vom viel-
millionenfachen Volumen unserer heutigen Sonne
hervorgegangen ist. Solche »Giganten« der Fixstern-
welt sind durch Hertzsprung erst in jüngster
Zeit auf photographischem Wege entdeckt und so
benannt worden. Sie zeichnen sich durch verhältnis-
mäßige »Kühle« (äußere Hellrotglut anstatt WeiB-
glut) aus und entbehren wahrscheinlich auch der
sogenannten Photosphäre (Glutgasozean über dem
bodenlosen Glut flu B ozean), wie in unserem Haupt-
werke genetisch verständlich gemacht erscheint. Wir
reihen sie aber absichtlich dem weiblichen »Fix-
stern«geschlechte ein und nennen sie Gigantinnen,
denn sie sind im glacialkosmogonischen Sinne die
Zuchtmütter neuer Sonnensysteme und Stern-
haufen etc. Es sind das wirkliche »F ix« sterne, denn
sie können aus glacialkosmogonisch ableitbaren
Gründen nur mehr ganz geringe Eigenbewegung
und auch kaum eine zeitmessende Rotation besitzen.
Durch ihre riesige Masse und Anziehungskraft evaku-
ieren sie auch notwendig den sie umgebenden Welt-
raum bis in viel beträchtlichere Raumestiefen hinaus,
als etwa die Anziehungskraft unserer Sonne reicht,
so daß ihnen jedes nahe kommende normale Gestirn,
Meteor etc. unrettbar verfällt und ihre Masse in
um so rascherem Zunehmen begriffen sein muß, je
massiger sie bereits sind. Kein eingefangener Be-
gleiter kann sich lange halten und etwa mit seinem
Planeten umlauf die Zeit messen oder der masse-
lüsternen Gigantin Äonen hindurch Gesellschaft leisten.
Haarscharf passen daher auf sie die ansonsten dunk-
len Mephistoworte: »Ungern entdeck ich
höheres Geheimnis. — Göttinnen thronen hehr
in Einsamkeit, — Um sie kein Ort, noch weniger eine
102
Zeit; — Von ihnen sprechen ist Verlegenheit. — Die
Mütter sind es! Schaudert’s dich? — Nach ihrer
Wohnung magst instiefsteschürfen, —
Du bist schuld, daß ihrer wir bedürfen! — Nicht
Schlösser sind, nicht Riegel wegzuschieben. — Von
Einsamkeiten wirst umhergetrieben. — Hast du Be-
griff von Öd’ und Einsamkeit? — Bist du bereit?«
Fast jeder neue Stern*) und jedenfalls auch
jeder Sternhaufen, jede Sterngruppe und jede »Star-
drifte (weite Sterngruppen mit gemeinsamer, etwas
divergierender Eigenbewegungsrichtung) ist das
Resultat einer solchen Gigantian-Niederkunft im ver-
schiedenen Alters- und Entwicklungsstadium. Fla m-
marion hat ja auch schon drei »Eilsterne« ge-
funden, deren geradlinige Flugbahnen, nach rückwärts
verlängert, sich in einem Punkt des unermeßlichen
Weltraumes treffen, somit ebenfalls auf eine dortselbst
stattgehabte lateral-partielle Gigantian-Explosion hin-
weisen. Und aus einer solchen ist auch unser Sonnen-
system einschließlich der Milchstraße
hervorgegangen).
Unsere Sonnenwelt bewegt sich demnach aus
reinen Trägheitsgründen mit etwa 16 bis
20 km / Sek. nach dem Sternbilde der Leyer (dem
sogenannten Sonnen a pex an der Grenze des Herkules-
sternbildes) hin und die ganze Milchstraße
kommt mit uns. Der Ausgangspunkt dieser sowohl in
Vergangenheit als in Zukunft unermeBlich langen,
geradlinigen Sonnenreise, der sogenannten Sonnen-
antiapex (Sonnenstart), liegt somit dem Sonnenapex
Sonnenziel) weltraumdiametral gegenüber; also im
ternbilde der Taube etwa. Von dorther wurde
nun der Baustoff unseres Sonnensystems vor geo-
logischen Ewigkeiten mittels Dampfexplosivkraft nach
dem gegenüberliegenden Sternbilde der Leyer hin ab-
eschossen, bezw. dampfkolbenartig beschleunigt.
nd auf diesem langen geradlinigen Wege vom
Sonnen antiape x her hat die Planetenwelt, und somit
auch unsere Erdenheimat, ihre bisherige Entwicklung
vim Fluge« (1) durchgemacht, um sie auch nach dem
Sonnen a pex hin im Fluge unaufhaltsam fortzusetzen.
Zu solcher Entwicklung gehört nun auch die von den Geo-
logen und Geodynamikern so gänzlich mißverstandene
Gebirgsbildung der geologischen Vergangen-
heit und Zukunft. Es wird uns sogar leichter fallen,
einen Späherblick in diese nächste geologische
Zukunft zu werfen, als in die Vergangenheit, weil
uns zu solchem Zwecke die Masse des diesmaligen
Erdmondes bekannt ist und rechnerisch verwertet
werden kann, wie aus Fig. 3 und 4 ersichtlich ist. Und
aus dieser geologischen Zukunft können wir dann
auch die Gebirgsbildung der geologischen Vergangen-
heit leichter ermessen, um dann erst Schlüsse auf
das geologische Dunkelder Gegenwart,
somit auch der Erdbeben mit Erfolg wagen zu dürfen.
Vorausgreifend sei vorläufig hier nur erwähnt,
daß diese Gebirzebildung durchaus kein permanen-
tes, allmähliges geologisches Geschehen darstellt,
wie unsere Ly el! getreuen Erdbebentheoretiker irre-
gefiihrtermaBen meinen; sie erfolgt vielmehr immer
erst nach jahrmillionenlangen Pausen geologischen
Kleingeschehens (bezw. verhältnismäßigen Nichts-
geschehens) in von unserem Altmeister SueB (trotz
seiner teilweisen Lyell gefolgschaft) längst erahnten
»Episoden von so unsagbar erschütternder
Gewalt, daß die Einbildungskraft sich
sträubt, das Bild auszumalen, für welches
der führende Verstand aus den Profilen
großer Kettengebirge heraus die allge-
meinen Umrisse setzte. — (»Antlitz der Erde«.)
Wir sehen also: Cuviers alte Katastrophenlehre
dem Engländer Lyell zuliebe äußerlich hartnäckigst
) Es gibt nämlich auch neue Sterne, welche bloß das
stattgehabte Ineinanderfliefen der beiden glutflüssigen Kom-
ponenten eines bereits engsten Doppelsternes (Algoltypus)
signalisieren.
**) Bezüglich des Näheren über Milchstraßengenesis,
vergl. Fauth: »Hörbigers Glacialkosmogonie« 1913.
leugnen, innerlich ihrer aber dennoch dringendst be-
dürten — das ist die Kennzeichnung der philoso-
phischen Gedankenwelt der älter erfahrenen, be-
dächtigeren und führenden unter unseren modernen
Geologen.
Diese von Sueß geahnten Gebirgsbildungs-
»Episoden von unsagbar erschütternder
Gewalt« werden wir in den so zu nennenden Kata-
kiysmen der einzelnen Mondangliederungen (und
Auflösungen) an unserer Erde kennen lernen, wozu
wir jedoch noch etwas weiter ausholen müssen, um
den Gedankengang nach Tunlichkeit lückenlos zu
gestalten.
Dorten, hinter uns, am Orte des Sonnen-
antiapex, im Sternbilde der Taube ist also vor.
kosmologisciten Zeiträumen unsere gigantische
Sternenmutter, von einem jüngst eingefangenen gänz-
lich wasserdurchtränkten (also dunklen) Begleiter
von etwa Neptun- bis Jupitergröße umkreist, ebenfalls
aus Trägheitsgründen in majestätisch langsamer
Drehung und Eigenbewegung dahingewandelt; sie
kann vielleicht auch heute noch in der Umgebung
derTaube irgend wo aufgefunden werden. Aus himmels-
mechanischen Gründen mußte sich jener dunkle ver-
hältnismäßig kleine Begleiter samt seinem Sicker-
wassergehalt schließlich dieser seiner Herrin einver-
leiben. Und in Gestalt solchen Sickerwassers hatte
nun Vater Kosmos sein belebendes Sperma
in den Schoß unserer Sonnensystem-Mutter gesenkt,
deren hoffnungsfrohe Schwangerschaft damit besiegelt
ward. Diese eingedrungene Wassersprengbombe konnte
durchaus nicht sofort eingeschmolzen werden, wie
hüttenmännisch unerfahrene Thermodynamiker etwa
lauben dürften, weder durch Wärmeumsetzung der
ewegungsenergie, noch durch Wärmeübertragung
aus den umflutenden Glutflüssen ; ihre Oberfläche
wird den Glutmedien vielmehr als Kondensator dienen,
nachdem vorher der größte Teil der Bewegungsenergie
in einen umrasenden GlutfluBsturm umgewandelt
wurde. Unter hohem Druck, wasser- und dampfdicht
umschlackt, gelangt unsere Wassersprengbombe endlich
in der Tiefe der eigenen Dichte zur Ruhe, und heutige
Erden jahrtausende kann es dauern, bis der Zustand
des »Siedeverzuges« (vergl. Seite 19 und 20 des Jänner-
doppelheftes) und damit auch die dauernde Explosions-
bereitschaft der Glutgigantin erreicht ist. Solches, unter
einem Drucke von vielen zehntausend Atmosphären in
den Bombenporen fest eingeschlossenes und im Siede-
verzug befindliches Wasser ist durchaus einer Melinit-
bombe von gigantischen Dimensionen zu vergleichen.
Eine geringe Erschütterung oder zufällige geringe
Druckentlastung, etwa durch Einfang eines neuen
kleinen kurzlebigen Trabanten, genügt, um die nach
irdischen Begriffen unfaßbar große seitliche Teil-
explosion auszulösen, gegen welche nicht nur unsere
Dampfkessel und 42er Mörsergeschoßexplosionen,
sondern auch die physikalisch viel ähnlichere Krakatau-
eruption oder auch die größtbeobachtete eruptive
Sonnenprotuberanz das bloße Platzen einer Seifen-
blase darstellt.
Man kann die mittlere Dichte der Wasserspreng-
bombe etwa zwischen 6 und 9 liegend annehmen und
jene der damit zu schwängernden Glutgigantin außen
etwa mit rund 1 und im Zentrum mit 15 bis 20, so daß
die Bombe in der Tiefe von etwa ein Drittel bis zur
Hälfte des Gigantienradius die Kugelschichte dereigenen
Dichte antreffen und dort endlich zur Ruhe kommen
dürfte. Aus solcher Tiefe (von etwa 2000 bis 3000
und mehr Erddurchmesser) wird nun bei der schließ-
lichen Explosion eine beiläufig kegelförmige Glutfluß-
masse, in Billionen von einzelnen Glutfetzen oder
Glutflußprojektilen zerstiebend, in einem weiteren
kegelförmigen Raum hinausgeblasen. Man muß sich
da eine Art von weitstreuendem Mörserschuß, eine
Glutprojektilwolke vorstellen, deren Elemente je nach
Tiefenursprung Faust- bis Haus- und Berggröße
aufweisen und mit Anfangsgeschwindigkeiten von
Hunderten und Tausenden von Sekundenkilometern
belebt werden. Solche Anfangsgeschwindigkeiten
können natürlich nicht durch einen bloß momentan
wirkenden Explosionsstoß erzeugt werden, sondern
man hat sich da eine Art von Dauerdruckwirkung,
ähnlich dem Verbrennungsvorgang im Dieselmotor,
nur im gigantischesten Raum und Zeitmaßstab, vor-
zustellen. Auf Strecken von vielen hunderttausend
Kilometern werden diese, das Baumaterial zu einem
neuen Sonnensystem bildenden GlutfluBprojektil-
massen, durch sozusagen stoBfreie Gas- und Dampf-
druckwirkung beschleunigt, um, nicht allzusehr zerstoben,
eine so hohe Anfangsgeschwindigkeit zu erreichen,
daß der größte Teil der Glutprojektilwolke noch mit
einem namhaften Geschwindigkeitsreste dem An-
ziehungsbereiche der mütterlichen Gigantin enteilen
kann. Ein Teil der langsameren Nachzügler erreicht
die mütterliche Anziehungsgrenze nach außen natürlich
nicht und muß sich dann in den verschiedentlichen Rück-
sturzbahnen wieder dem Muttergestirne einverleiben.
Anderseits vermag der höchstbeschleunigte, spezifisch
leichteste und kleinstkörperige Teil der dahinrasenden
Glutprojektilwolke nicht nur dem mütterlichen An-
ziehungsbereiche, sondern auch dem des massigeren
Projektilwolkenteiles selbst in schon abgekühltem und
erstarrtem Zustande gleich anfangs zu enteilen ; und aus
solchen kleinsten Explosionsflüchtlingen rekrutiert sich
eben der meteoritische Gehalt des Fixsternraumes.
Unzählbare Billionen von Meteoriten werden also
bei einer solchen Sonnensystemgeburt mitgeboren,
die aber im glacialkosmogonischen Sinne durchaus
nicht mit den Sternschnuppen verwechselt
werden dürfen. Und solche Meteormassen sind es
auch, welche in ihrer kinetischen und potentiellen
Energie die gegenseitige Erhaltung der Fixsterngluten
garantieren; denn in die Anziehungsbereiche anderer
Fixsterne gelangend, stürzen sie in letztere und ver-
wandeln ihre hohe Einschußenergie wieder in Glut-
wärme. Damit gelangt auch die Robert Mayersche
Sonnenenergieerhaltung (der von Helmholzschen
Sonnen-»Kontraktionslehre« gegenüber) wieder
zu ihrem alten Rechte, wie nur nebenbei bemerkt
sein möge.
Die langsameren und massigeren Elemente der
dem sternmütterlichen Anziehungsbereiche glücklich
enteilten Projektilwolke verbleiben aber vorläufig noch
alle innerhalb der Reichweite des gemeinsamen Glut-
projektilschwerpunktes, der im Falle unseres Sonnen-
systems mit etwa 20 km/Sek. dahinschwebte. Hätten
diese Elemente in unserem Falle alle die gleiche
hinaus gerettete Geschwindigkeit gehabt, so würde
deren gegenseitige Anziehung zu einer vollständigen
Vereinigung im gemeinsamen Systemschwerpunkte
geführt haben und das heutige Resultat wäre eine
vielmals größere, aber planetenlose, nicht
rotierende Sonne gewesen, die heute ohne uns
mit etwa 20 km / Sek. nach der >L e y e re hinflöge. Weil
aber die einzelnen Elemente dieser schließlich restieren-
den Glutprojektilwolke von verschiedener Größe, Dichte
und Masse, somit auch schon von verschiedener Ge-
schwindigkeit (von beiläufig 15 bis 30 km/Sek.)
waren, und weil diese Baustoff-Glutflußwolke auch
eine soweit unregelmäßige Form gehabt haben mußte,
daß deren Massenschwerpunkt auch nicht mit dem
stereometrischen Schwerpunkt zusammenfallen konnte
— und schließlich weil die ursprünglichen Elementen-
Flugbahnen nach außen notwendig etwas divergierten,
so mußte aus hier schwer erörterbaren, vom erfahrenen
Leser aber erahnbaren Gründen, eine Drehung und
Abflachung der durch die gegenseitige Schwere
zusammengehalten dahinfliegenden Glutprojektilwolke
eingeleitet werden, also ein linsenförmiger Glut-
projektilkreisel entstehen. Und im Schwerpunkte dieser
aus ballistischen Trägheitsgründen geradlinig
dahinschwebenden und rotierenden Glutprojektillinse
beginnt sich nun durch gravitative Vereinigung der
schwersten und größten revolvierenden Glutflußmassen
das Fundament unserer künftigen Sonne aufzubauen.
Dieser Sonnenembryo muß also notwendig um die-
103
selbe Achse und im selben Sinne rotieren, in welchem
der ganze Glutprojektilkreisel revolviert. Und auch
in weiter draußen liegenden Revolutionszonen ab-
sorbieren die größeren und massigeren Elemente die
dem Zentrum rascher spiralig zustrebenden kleineren
äußeren Glutflußmassen und legen so die Fundamente
zu einer Unzahl kleiner künftiger Planeten, von
welchen immer wieder die kleineren äußeren
vondengrößeren inneren eingefangen
undabsorbiert werden.
Ein solcher selbständiger, kleinerer, äußerer
Zwischen planet war also im kosmologischen
Gestern unseres Sonnensystems auch unser
heutiger Erd mond, bis er schließlich am Ende
der sogenannten, von den Astronomen teils ignorierten,
teils gänzlich mißverstandenen »Proselenenzeit«
von der Erde eingefangen und zum Trabanten de-
gradiert werden mußte. Und damit sind wir am
springenden Punkte des grellsten Widerspruches
zwischen Nebularhypothese und Glacial-
kosmogonie angelangt, bei welchem wir uns für
einen von jedermann mitdenk baren und glaub-
würdigeren Vorgang der Gebirgsbildung
entscheiden müssen, als ihn die heutige »Kontraktions-
hypothese« (die geologische Folgerung aus der Nebular-
hypothese) plausibel zu machen sucht.
Nach nebularhypothetischen Dogmen sind die
Planeten aus Glutgasringen zusammengeschnurrt,
die sich vom (man weiß nicht warum) rotierenden,
. viel größeren Sonnenglutgasball durch die Zentrifugal-
kraft losgelöst haben sollen. Und solche Ringe sollen
dann in zweiter Instanz auch die einzelnen Planeten
abgeworfen haben (Saturn ist der diesbezügliche Irre-
führer), aus welchen wieder die Monde entstanden
sein sollen. Nachdem aber für die Glaubhaftmachung
einer solchen Erd mond genesis die Leichtgläubig-
keit der Zuhörer nicht recht reichen wollte, ist man
darauf verfallen, den Erdmond als Ganzesaus
der Erde hervorgehen zu lassen; und dafür eben
haben die »Verbesserer« und Krückenleimer der Ne-
bularhypothese, insbesondere der französische
Mathematiker Poincaré und der englische
Mathematiker Darwin (der Jüngere) die »exakten
Rechnungen« geliefert, welche unseren »barbarischen«
Astronomen so sehr imponieren. Vorgearbeitet dürfte
da ein gewisser Jacobi haben, der es fertig brachte,
einem glutflüssigen Rotationskörper auf rein mathemati-
schem Wege eine zur Rotationsachse unsymmetrische
Birnenform zu geben, von der sich schließlich
durch (man erfährt nicht wie verursachte) Zunahme
der Rotationsgeschwindigkeit der kleinere, stingel-
seitige Birnenteil als künftiger Erdmond loslöst. Das
hat dann der englische Mathematiker (Sohn des
großen Biologen) noch dahin erweitert, daß nicht nur
der Erdmond sich auch heute noch von der Erde
spiralig entfernt, sondern auch alle Doppelsterne auf
dieselbe Weise entstanden sein sollen. Dabei pocht
er mit solch blutigem Ernste auf die »strenge
Exaktheit« seiner diesbezüglichen Rechnungen,
daß ihm tatsächlich nicht wenige »barbarische« Astro-
nomen und samt diesen auch die ältesten Wiener
Geologen darauf hineingefallen sind. Wenn darüber
bisher noch niemand gelacht hat, so beweist das nur,
daß noch kein praktisch anwendender Physiker
(Maschinenbauer) die Zeit fand, solchen »brot-
losen Spekulationen« nachzuhängen.
Um also den Konflikt recht sinnfällig zu kenn-
zeichnen: Laut Nebularhypotbhese ist der Erd-
mond ein »Sohn der Erde« und letztere -eine
Tochter der Sonne«. Laut Glacialkosmo-
Eon ie hingegen ist der Erdmond der ehemalige
lanetennachbar des Mars, gleichwie auf die
beiden winzigen Marsmonde nur ehemalige Planeto-
iden aus der die Marsbahn umschließenden Planeto-
idenzone darstellen können. Es kann somit die Sonne
auch niemals die Großmutter des Mondes gewesen
sein, sondern sind vielmehr alle inneren Planeten
samt dem Erdmonde zusammen nur die schwächlichen
104 `
Geschwister der Sonne, welch letztere ja selbst
ne auch nur ein glutflüssiges Konglomerat
zahlloser ehemaliger Planetenglutmassen darstellt;
denn alles zusammen samt den zahllosen Elementen
der teleskopischen Milchstraße (die freisichtbare ist
wieder etwas anderes) sind aus dem gemein-
samen MutterschoBe jener königlichen Stern-
gigantin im Sternbilde der Taube hervorgegangen.
Aber nicht nur unser heutiger Erdmond allein kreiste
einstens als selbständiger Kleinplanet zwischen den
ungleich erweitert zu denkenden Bahnen von Erde
und Mars, sondern noch vier oder sechs oder
mehr weitere Kleinplaneten hatten ihre selbständigen
Bahnen zwischen der ehemals marsnahen Lunabahn
und der erweiterten Erdbahn eingelagert. Und alle
diese wurden im Verlaufe vom heutigen Jahrhundert
Millionen nacheinander eingefangen und auf der
Mutter Erde zur Auflösung gebracht. Und jede solche
Mondangliedung und Auflösung hatte eine neue große
Eiszeit und Gebirgsbauperiode mit abschließender
Sintflut — kurz einen »Kataklysmus« über die
Erde gebracht, deren Spuren die älteren Geologen
der Cuvierschen Schule in den sogenannten geo-
logischen Hauptformationen (Primordial-,
Primär-, Sekundär-, Tertidr- und Quartär-Zeitalter
der Erde), wie durch einen dichten Schleier blickend,
angestaunt hatten. Und je weiter die durch Laplace
und Lyell verführten modernen Geologen von dieser
älteren, im Detail allerdings ganz unbestimmten
Katastrophenlehre Cuviers*) abgerückt sind, desto
. weiter haben sie sich von der Wahrheit entfernt.
Das mag der ansonsten ganz Lyell-getreue Alt-
meister Sueß auch gefühlt haben, wenn er im
„Antlitz der Erde«**) resigniert ausruft: »Indem
man sich der Bewunderung des Korallentierchens
hingab, welches das Riff türmt, und der Betrachtung
des Regentropfens, der den Stein höhlt, hat sich,
fürchte ich, aus der freundlichen Alltäglichkeit unseres
bürgerlichen Lebens ein gewisser geologischer
Quietismus herüber geschmeichelt in die Beur-
teilung der größten Fragen der Erdgeschichte, welcher
nicht zur vollen Beherrschung der Erscheinungen
führt, die für das heutige Antlitz der Erde die maß-
5 waren und sind.“ (Antlitz der Erde«e, I,
Wir dürfen darin schon eine feine, teilweise
freilich noch unbewußte und versteckte Absage an den
alten englischen Geologen-An- und Ver führer Lyell
erblicken und eine kaum mißzuverstehende Fahnen-
flucht aus dem kontraktionstheoretischen Lager der
modernen Geologen. Allerdings war unser kataklys-
matischer Gewährsmann auch selbst wieder dem aller
verderblichsten geologischen »Quentismus« verfallen,
indem er die durch so viele naturvölkerliche Über-
lieferungen erhärtete Tatsache einer universellen
»Großen Flut« (Sintflut) zu leugnen sich unterfing:
»Solche Katastrophen hat, soweit ge-
schriebene Berichte reichen, unser Ge-
schlecht nicht erlebt.< Wir werden aber
die diesbezüglichen »Bücher« zu gelegener Zeit
»-auftun«!
Diese naturvölkerlich so vielfach überein-
stimmend überlieferte »Sintflut« scheint der
Wiener Geologenschule also undenkbar, wohl aber
die seinerzeitige Abtrennung des Mondes
von der Erde! Man wird an der Denkmettiode dieser
Herren ganz irre! Als bezeichnend mag erwähnt
werden, daß an- der geologischen Lehrkanzel der
Wiener Universität diese englisch-französi-
sche Abtrennung des Mondes von der Erde als
derart feststehende Tatsache gelehrt wird, daß ein
sonst ungemein sympathischer, jüngerer lehrtätiger
Geologe diese Abtrennung zum Gegenstande seiner
erfolgreichen Doktor-Dissertation machen konnte!
Ausnahmsweise müssen wir hier einem großen, daher
auch deutsch-freundlichen toten Franzosen zu seinem ihm
durch Ly ell geraubten Rechte verhelfen.
% Ed. Sue: »Das Antlitz der Erde«, I, II, III, und Ih.
Das soll einmal ein Techniker mit einem ähn-
lichen englisch-französischen Bluff nachmachen! Eine
solche transvogesische Kulturliebäugelei wird auf
vermeintlich wissenschaftlichem Gebiete auch
mitten im Neid-Weltkriege noch immer gepflegt,
während unser Hauptwerk teils ungelesen in den
Bibliotheken der geologischen Reichs-
anstalt, der geologischen Gesellschaft,
des theologischen Seminars und des
wissenschaftlichen Klubs verstaubt, teils
überhaupt noch keinen Platz in den größeren einschlä-
gigen Bibliotheken Mitteleuropäisch-»>Barbariens«
gefunden hat.
Wer also den Erdmond aus der Erde hervor-
gehen läßt, der erklärt höchstens (wie bereits ge-
schehen) das pazifische Ozeanbecken für den angeb-
lichen Schoß der Erde, welchem der Erdmond ent-
sprungen ist — zur Gebirgsbildung muß er sich aber
jener »>Kontraktionslehre« bedienen, nach
welcher sich die innen eventuell noch gasförmige
Erde durch weitere Abkühlung zusammenziehen und
80 die feste Kruste zur Runzelung und Faltung bringen
soll — und die Erdbeben sollen dann eben die
Äußerung dieser allmählich, langsam und permanent
wirkenden gebirgsbildenden — also auch der
schichtenfaltenden,schichtenüberschieben-
den und schichtenüberkippenden Kräfte sein!
Wir wollen über die Unhaltbarkeit dieser Hypothese
jetzt keine weiteren Worte verlieren, bevor wir nicht
die einfache glacialkosmogonische Wahrheit an ihre
Stelle gerückt haben.
Zu diesem Zwecke müssen wir uns jetzt der so-
genannten von den meisten Astronomen ignorierten
— von einigen anderen wieder gänzlich irrig gedeuteten
»Proselenen«-Überlieferung zuwenden, die uns
3 Snichlliene Anhaltspunkte für
das Eingefangensein des Erdmondes
liefern kann:
»Verschiedene Historiker des Altertums sagen
übereinstimmend, daß das hohe Alter der Arkadier
am meisten daraus erhelle, daß sie »-Proselenen«
genannt werden, d. h. »Vormondliche«e. Dieser
pelaskische Volksstamm, welcher vor den Hellenen
Arkadien bewohnte, rühmt sich, früher in das
Land gekommen zu sein, als sich der
Mond am Himmel zeigte. Er führt diesen
Namen so allgemein. daB vormondlich und
vorhellenisch als gleichbedeutend galt. Ari-
stoteles sagt (in der Staatsverfassung der Tageaten):
Die Barbaren, welche Arkadien bewohnten, seien
von den späteren Arkadiern vertrieben worden, ehe
der Monderschien, weshalb sie Proselenen
genannt werden. Appolonius Rhodius drückt
sich bei seiner Behauptung, daß Agypten vor allen
anderen Ländern bewohnt gewesen sei, folgender-
maßen aus: Noch nicht kreisten am Himmel die Ge-
stirne alle, noch waren die Danaer nicht da, nicht
das deukalionische Geschlecht, vorhanden waren nur
die Arkadier, von denen es heißt, daß sie vor
dem Monde lebten, Eicheln essend auf den
Bergen. Ähnliche Andeutungen einer Entstehung des
Mondes während der Existenz des Menschen auf
Erden begegnen wir auch im tropischen Amerika.
Der Völkerstamm der Mozkas auf der Hochebene
von Bogota rühmt sich ganz wie die Hellenen eines
vormondlichen Zeitalters.« (O. Mindt, -Das
Weltall« 1901/09: »Seit wann leben Menschen auf
Erden?«)
Mindt, ebenfalls im Banne Laplaces stehend,
meint nun, daß im Sinne der Nebularhypothese schon
Menschen auf Erden wohnten, als sich der Sonnen-
gasball noch nicht so weit zusammengezogen hatte,
um schon so weit in Weißglut geraten zu sein (hieran
trägt auch v. Helmholtz*) seinen Schuldanteil),
) v. Helmholtz, ein Nebularhypothesen-Erweiterer,
hatte mit Ritter herausgerechnet, daß sich die Sonne dadurch
erhitzt, daß sie sich durch Abkühlung zusammenzieht. Die
klarsten Köpfe sind ihm darauf hineingefallen.
und den Erdmond so hell beleuchten zu können,
daß die Menschen diesen letzteren endlich auch hätten
sehen müssen. Wir dürfen es uns ersparen, auf die
weiteren kindlichen Folgerungen einzugehen, welche
Mindt hieraus auf dem Umwege der Nebularhypo-
these für das Alter des Menschengeschlechtes zu
ziehen bemüht ist. Wir notieren diese nebularhypo-
thetische Ausnützung der Proselenensage nur, um
den Tiefstand zu illustrieren, den kosmologische
Spekulationen der vollblütigsten Barbaren durch
französische Modehuldigung bereits erreicht haben.
Der geneigte Leser hege nicht etwa den Ver-
dacht, daß uns erst die Proselenenberichte zur Mond-
einfangtheorie verleitet haben könnten. Wir sind zu
solcher Überzeugung auf dem Wege rein mechani-
scher Überlegungen gelangt, deren Aufrollung allein
ein Buch füllen könnte. Wir benützen diese Berichte
nur, um unsere Darlegungen für den Leser kurz-
weiliger zu gestalten und zugleich zu zeigen, daß das
Menschengeschlecht viel, viel älter ist, als unser
Erdmond. Die Proselenenberichte sind uns erst be-
kannt geworden, als sich die in sich selbst zurück-
kehrende glacialkosmogonische Gedankenkette bereits
längst Glied für Glied lückenlos gestaltet hatte. Nur
eine Verlegenheit bereiteten uns diese Berichte: Es
fehlten uns roch Andeutungen einer von den
Polen zum Äquator gerichteten Flut,
die mit dem Mondeinfange einhergegangen sein mußte,
obwohl es für das Fehlen dieses Zusatzberichtes in-
solange befriedigende Erklärungen gab, als sie alle
nur teils von Mittelmeeranwohnern, teils von tropischen
Höhenbewohnern stammend angenommen werden
durften. Da überraschte uns ein überzeugter Leser
unseres Hauptwerkes (Oberingenieur Dr Fr. Hart-
mann) mit der REE eines Fundes bei A. von
Humboldt, der im 3. Bande seines »K osm o s«
S 480—482) alle diese Proselenensagen mit großer
kepsis Revue passieren läßt, allwo auch Mindt
geschöpft haben dürfte. Dort heißt es nämlich unter
anderem auch: -Die Entstehung des Mondes
hängt mit der Sage einer großen Flut
zusammen (II), welche ein Weib namens H u y-
tha ca oder Schia, das den Wundermann Ba t-
schika begleitete, durch ihre Zauberkünste
veranlaßt hatte. Batschika verjagte das Weib;
sie verließ die Erde und wurde der Mond:
welcher bis dahin den Muyskas nicht
geleuchtet hatte«.
Daß diese Naturmenschen, als Nichtastronomen,
den plötzlich am Himmel auftretenden Erdmond nicht
als eingefangenen ehemaligen Planeten und eigent-
lichen Verursacher der Flut erkannt haben konnten,
ist ja klar. Gewiß wurde die nYa a Mye erst
lange nach dem astronomisch denkwürdigen Er-
eignis des Erdmondeinfanges darüber gesponnen.
Und gerade die naive Konstruktion des Mythos: die
verstoBene Huythaca rächt sich mittels einer hervor-
gezauberten Flut und flüchtet sich zugleich an
die Himmelssphäre und wurde der Mond —
wirkt beweisend für unseren astronomisch realen
Hintergrund der -S ag c«.
In unserer trockenen Gelehrtenwelt sind »Sagen«
und »Mythen<, insbesondere die Flutsagen, aller-
dings schon in argen Mißkredit geraten. Wie sehr
das zu Unrecht geschieht, wird der geneigte Leser
unseres Hauptwerkes glaubhaft gemacht finden. Kein
Geologe wird es uns z. B. ohneweiters glauben, daß
die altgermanischen Drachensagen von hohem
ie läontologischen und anthropologischen
erte sind. Wir dürfen dieses Problem jedoch hier
nicht tiefer anschneiden, weil es da überhaupt kein
Fertigwerden gibt. Er lese unser Hauptwerk.
Ein glänzendes Beispiel trockener Gelehrten-
skepsis bietet der Sagensammler A. v. Humboldt
selbst. So lächelt er in seinen tropisch-südamerikani-
schen Reiseschilderungen auch über das von den
Orinoco- und Peru-Indianern als unzweifelhafte Tat-
sache überlieferte »>GroBe Wasser« ihrer »Väter«.
105
An steilen Felsen des Orinocohochlandes, »wohin
mannurmittels sehr hoher Gerüste ge-
langen könnte«, finden sich Tierbilder, symboli-
sche Zeichen und hieroglyphische Figuren in die
Steinwände eingehauen. Auch unzweifelhafte alte
Ozeanniveauspuren (Strandlinien) mit in den
nackten Felsen regelmäßig eingehauenen Steinsitzen
konstatierte er in solchen Höhen. Mitten in den
Savannen steht ein in nicht leicht erreichbaren Höhen
besonders reich verzierter Fels, von den Eingeborenen
selbst »Tepumereme« (bemalter Fels) genannt.
»Fragt man nun die Eingeborenen, wie es möglich
gewesen sei, diese Bilder einzuhauen, so erwidern
sie lächelnd, als sprächen sie eine Tatsache aus, mit
der nur ein Weißer nicht bekannt sein kann: Zur
Zeit des ‚Großen Wassers‘ sind unsere
Vater so hoch oben im Canoe gefahren!«
Der geneigte Leser beachte also hier die über-
legene Skepsis A. v. Humboldts, mit der er als
eifriger »Sagen«-Sammler selbst die so treuherzigen
Erzählungen der tropisch südamerikanischen Rot-
häute aufnimmt und weitergibt. Die Glacialkosmogonie
aber liefert diesen so schwer mißverstandenen Natur-
menschen die naturwissenschaftlichen Belege für das
»Große Wasser« ihrer Väter. Denn der jüngste der
auf Erden bereits zur Auflösung gelangten Erdmonde
(wir nennen ihn den Tertidrmond, im Gegensatze
zum heutigen viel größeren Quartärmond und dem
heute noch als »Mars« sein ephemeres Planeten-
dasein fristenden, noch viel größeren Quintärmond
der geologischen Zukunft) hatte in den seiner Auf-
lösung vorangehenden Jahrzehntausenden (uns vorüber-
gehend in 5, 4, 3, 2 Erdradien Abstand umrasend)
die höheren und mittleren Erdbreiten entsprechend
entwässert und zur Vereisung gebracht, dafür aber
in den tropischen Breiten eine permanente Gürtel-
hochflut zusammengezogen, von deren höchstem und
längst andauerndem Niveau uns nun die so hoch-
gelegenen, unzugänglichen Wasserlinien des tropisch-
südamerikanischen Hochlandes mit ihren eingehauenen
Steinsitzen, Hieroglyphen und symbolischen Figuren
Zeugnis geben.
Wenn uns aber diese Tropenhochland-Indianer
nur von einem »Großen Wasser« ihrer Väter
erzählen und nicht auch von einer alles ersäufenden
»Großen Flut«, so hat auch das seine genaue, glacial-
kosmogonische Richtigkeit. Denn gerade sie konnten
die Tertiär-Sintflut (nämlich das plötzliche
Zurückfluten des durch Jahrzehntausende nach dem
Tertiärmondeinfang langsam zusammengezogenen
tropischen Flutgiirtels) nur als »GroBe Ebbe«
empfunden haben. Als die binnen weniger Wochen
sich vollziehende Tertiärmondauflösung mit daraus
folgenden »GroBen Hagels, »Feurigen Bergstürzen«,
sowie einer Schlamm-, Lehm- und Lößbeschickung
der ganzen Erdoberfläche vorüber war, krochen sie
aus ihren Felsenschlupfwinkeln, soweit sie das Un-
geheuerliche überlebt haben mochten, und sahen
veinen neuen Himmel und eine neue Erde,
denn der alte Himmel und die alte Erde waren ver-
angen, ünd das Meer war nicht mehr«
(Johanneischer Bericht) und fanden, dab »die Mensch-
heit wieder zum Lehmacker geworden
ware (babylonischer Bericht) Das Meer war
nicht mehr, es war in die Tiefe gesunken, dafiir
aber waren Höhen und (insbesondere die neuen)
Niederungen mit hohen Schichten von Lehm
und LOB bedeckt — jenem 1.68, deren heutige
Restlager die Geologen, durch v. Richthofen irre-
geführt, als ein Wind produkt (äolische Lößtheorie)
betrachten! Auch das Klima fanden sie plötzlich ver-
ändert, sie mußten in die Tiefe steigen.
Doch blieben sie aus Pietät für ihre Väter in dem
neuen Lande, um dessen neue Höhen ja doch ihre
Väter im Canoe gefahren waren.
Die Enkel ungezählten Grades dieser tropischen
Kataklysmus-, Eiszeit- und Hochwasser-Überlebenden
mochten später nach dem Wiedererwachen einiger
106
Inca-Kultur und bei erhöhtem metaphysischen Be-
dürfnis sich noch immer dankbar jener Hochländer,
z. B. auch der Gegend des heutigen Titicacasees in
Bolivia erinnert und oben den Göttern ihre Jahres-
festopfer dargebracht haben. Ihre Priester mögen
nach Studium der Überlieferungen von einem »Großen
Wasser«, »GroBen Hagel«, »Schlammwolkenbrtichen«
und »Feurigen Bergstürzen«, von dem Schutze, den
die Väter damals in den Höhlen und Klüften der
Felsen gefunden hatten, gelehrt haben, daß eine
solche Zeit wiederkommen wird und zwar bald, um
die vielleicht unbotmäßige Masse durch die Furcht zu
zügeln. Es wurde dann vielleicht beantragt, vorsichts-
halber in jenen Höhen künstliche Schutzunterstände,
unterirdische Bauten, Kellerräume anzulegen. Denn
von der jahrhunderttausende langen Dauer eines
solchen Mondannäherungs- Tropenflutgürtelanstieges
konnten selbst die Priester keine Ahnung haben, da
sich ihnen die Überlieferungen der verschieden lang
vergangenen Ereignisse notwendig zeitlich auf eine
Ebene projizieren mußten. Und als Jahrhunderte oder
Jahrtausende später das »GroBe Wasser« noch immer
nicht kommen wollte, und die Inca-Kultur und Kunst noch
höher gestiegen war, sah man sich vielleicht veranlaßt,
in derselben Höhe einen prächtigen Tempel mit
skulpturenreichem monolithischen Eingangstor zu
bauen und später diese Tempelbauten auch mehr und
mehr zu erweitern. Auch lag es nahe, dorten eine
Begräbnisstätte für einzubalsamierende Leichname der
»Herren« und »Ältesten« anzulegen. Es ist aber auch
möglich, daß diese Unterschlupfe aus der tropischen
Eiszeit, bezw. der Zeit des »GroBen Wassers« selbst
stammen und nur die Tempelbauten nach der »Großen
Ebbe« errichtet wurden.
So konnte es also kommen, daß heute an den
Ufern des Titicacasees in der Nähe des Indianer-
dorfes Tiahuanaco viele prähistorische Ruinen stehen
und Gräber mit zum Teile mumienhaft erhaltenen
Leichen einer ausgestorbenen Menschenrasse, zum
Teile auch mit Skeletten sich vorfinden. Eine Tradition
verlegt die Entstehung dieser gigantischen Bauten in
eine Zeit, in der die Sonne noch nicht ihre Kreise
am Himmel zog. Schon zur Zeit der spanischen Er-
oberung wunderten sich die Spanier, wie diese großen
Monolithen in diese Gegend kamen, ohne daß man
auf einige Meilen Entfernung Steinbrüche gefunden
hätte. Erregen aber schon die oberirdisch sichtbaren
Ruinen unser Staunen, so wird die Sache noch
rätselhafter, wenn wir hören, daß unterirdische Bau-
anlagen vorhanden sind, von denen ein spanischer
Chronist behauptet, daß sie noch viel großartiger
seien, als das, was man oberirdisch erblicke, die aber
wegen Verschüttung und Stickgasen nicht so ohne-
weiters erforschbar seien. Das Rätselhafteste aber
bleibt der Umstand, daß diese Bauten derart isoliert,
auf solcher Höhe vorgefunden werden, in der trotz
der niedrigen Breite ein Klima herrscht, das kaum
den Mais reifen läßt, obwohl ein Frost dorten auch
im »Winter« nicht vorkommt. Man vermutet auch,
daß die unterirdischen Bauten bedeutend älter seien,
als die oberirdischen. Eine plausible glacialkosmogoni-
sche Erklärung dieser, aller archäologischen Deutungs-
versuche spottenden Ruinen haben wir oben schon
vorweg gegeben.
Wir können hier nicht alle jene Anhaltspunkte
dafür aufzählen, daß ein Teil der Eiszeitmensch-
heit den »Großen Winters, den »Fimbul-
Winter« (die jüngste Eiszeit samt dem nach-
stationären Teil des Tertiärkataklysmus also) auf den
Tropenhöhen Zentral- und Südamerikas in ziemlich
hohem Kulturzustande verlebt hat, und daß dorther
stammende Überlieferungen sich in so manchen aben-
teuerlich anmutenden Bildern der Johanneischen
Apokalypse widerspiegeln. Der mosaische und
babylonische Sintflutbericht aber mußte wieder aus
Überlieferungen geschöpft worden sein, die von
jenen Naturvölkern stammen, welche die letzten
Jahrtausende der jüngsten großen Eiszeit am reich
gegliederten Strande der erwähnten tropischen Tertiär-
gürtelhochflut, also in den mittleren Breiten als
wahre Eiszeitmenschen, als Eiszeit-
höhlenbewohner »durchhalten«e mußten. Diese
sind es dann gewesen, welche den Ablauf des
„Großen Wassers« der Inca-Väter wirklich als
»Große Flut«, als »Sintflut« erlebt hatten.
„Die Flut kam vom Meere hers, heißt es im
babylonischen Beriche — »Es taten sich auf
die Brunnen der Tiefe«, lesen wir im mosai-
schen Berichte.
Wir verstehen: Als die Gürtelhochflut-zusammen-
haltende Tertiätmondmasse sich (im geologischen
Zeitsinne) »plötzliche aufgelöst hatte, mußte die
schlammbeschickte Tropenhochflut nach beiden Polen
hin abfluten; für die Mittelbreitenbewohner begann
also das Meer rasch aus den Ufern zu treten und das
Grundwasser zu steigen, das heißt die Flut kam
vom Meere her und die Brunnen der Tiefe
tatensich auf! Gleich dem heutigen Quardärmonde
war natürlich auch der allerdings viel kleinere Tertiär-
mond mit einem tiefen, durchaus erstarrten, uferlosen
Ozean bedeckt. Dieser lunare Eisozean war wohl das
erste, was der Auflösung geweiht war, als endlich
die riesigen Flutkräfte am Monde (nadirseits die
Mondesfliehkrafts-, zenithseits die Erdenschwerkrafts-
Überschüsse) die viele Kilometer dicke Eisbedeckung
zu zerreißen begannen. (Vgl. Fig. 4.) Die einzelnen
Eisblöcke wurden im bereits geschilderten Sinne in
der Erdatmosphäre zu Hagelwolken mit Wolkenbrüchen
aufgelöst, welche die Tropengürtelflut vorübergehend
noch erhöhten. Daher spricht der aus tropischen
Überlieferungsquellen schöpfende Johanne ische
Bericht an drei Stellen von einem »Großen Hagel«
mit »:Großem Erdbeben«, während der aus
mittleren Breiten geschöpfte Mosa ische Bericht Di e
Schleusen des Himmels sich öffnen sieht
und von einem »Vierzig Tage und vierzig
Nächte lang andauernden Regen- spricht. Das
Johanne ische »GroBe Erdbeben“ wird uns nun
auch sofort klar, denn nicht nur rasch ansteigende
Gezeitenkräfte lösen Sie deverzugsexplosionen
aus, sondern auch deren plötzliches Aufhören.
Nachdem wir sogar heute ein leises Gezeitenatmen
der Lithosphäre (Erdkruste) beobachten (lithosphärische
Ebbe und Flut), so mußten die gegen Schluß des Tertiär-
kataklysmus ins Riesige angestiegenen Gezeitenkräfte
des allerdings kleineren umrasenden Tertiärmondes
die Erde geradezu etwas linsenförmig deformiert
halten; nach erfolgter Mondauflösung gab es demnach
nebst der hydrosphdrischen auch eine litho-
sphärische »Sintflut«, das heißt die linsenförmig
deformierte Erde mußte sich mehr zur Kugelform
»zurücksetzen«. (Setzen im bautechnischen Sinne
zu verstehen.) Von daher stammen denn auch die
meisten der großen Verwerfungen und Krusten-
niederbrüche, die wir heute beobachten können.
Es muß das ein lang andauernder, an Heftigkeit
allerdings allmählich abnehmender Erdbebenschwarm
gewesen scin, gegen welchen unsere heutigen aller-
heftigsten Beben nur ein leises Tönen der Erdkrusie
darstellen. Die Erdkruste mag da gewogt haben, wie
ein Saatfeld im Winde etwa und dennoch gab es
dabei keine Spur von Gebirgsbau, sondern
nur Gebirgszerstörung! »Berge fallet über uns
und Hügel bedecket uns!« ist eine biblische Ausdrucks-
weise, die aus diesbezüglichen kataklysmatischen
Überlieferungen geschöpft sein mag.
Natürlich bestand nicht der ganze heliotische Kern
des Tertiärmondes aus im Wasser gelöster Schlacke,
also aus solchem bunten Lehm, wie wir ihn auch auf
Hochofen-Schlackenhalden sehen können, sondern
mußte der eisenhältigere, zentrale Teil, ungelöst ge-
bliebene Muttergestirn-Eisenschlacke gewesen sein.
Diese zerfiel bloß in einzelne berggroße Teile, welche
beim tangentialen Einschießen in die Erdatmosphäre,
leich den Meteoren, außen glühend werden mußten.
aher sagt der Johanneische Bericht auch: »Und
es fuhr wie ein großer Berg mit Feuer brennend ins
Meer; und der dritte Teil des Meeres war Blut«
(nämlich eisenrostfärbig, terrarossafärbig) — »Und es
fiel ein großer Stern vom Himmel, der brannte wie eine
Fackel“. — Von solchen ungelösten Eisenschlacken-
Einschüssen leiten wir auch die isoliert daliegenden
Eisenerzberge unserer Eisentagbau-Bergwerke her, die
ja auch gar keinen geologischen Verwandtschaftsgrad
und Zusammenhang mit ihrer Umgebung erkennen
lassen. Auf die vielen sonstigen Anhaltspunkte, welche
uns die apokalyptischen Berichte für die Tatsächlich-
keit einer stattgehabten Tertiärmondauflösung und
abschließenden »Sintflut« noch bieten, können wir
aus Platzgründen hier nicht eingehen; wärmere Inter-
essenten seien aber auf den geologischen Teil unseres
Hauptwerkes*) verwiesen.
Welches sind nun wohl
Schwierigkeiten, die unsere geehrten Skeptiker in
diesen glacialkosmogonischen Deutungen alter Über-
lieferungen, wie z. B. der des »Großen Wassers« der
Inca-Väter sehen dürften? — Wie sollte es möglich
sein, daß einerseits solche der Witterung und Ver-
witterung ausgesetzte Felsenbemeißelungen —
anderseits solche Überlieferungen Jahrhundert-
tausende oder gar jahrmillionenlang durchhalten
können, wo wir doch in den Alpen alljährlich Zeugen
von gewaltigen Verwitterungsprozessen sind, und wir
auch von der Geschichte unserer eigenen näheren
Vorfahren rein gar nichts wüßten, wenn es da, wie
bei den Rothäuten, keine geschriebene Geschichte
gäbe?! — Wir wissen aus Erfahrung, daß gerade den
gelehrten Leser solch engherzige Zweifel befallen
müssen.
Bezüglich Verwitterung haben wir nur daran
zu erinnern, daß dieselbe ohne alljährlichen Frost
im halbwegs wetterfesten Gestein so gut wie Null
ist. Handelt es sich doch gerade um jene Gegenden,
in welchen der Eingeborene den Winter die »Zeit
der Sonne« und den Sommer die »Zeit der
Wolken« nennt. Woher dieser nie derschlagarme
(natürlich nicht kalte) Winter und woher die
sommerliche (natürlich warme) Regenzeit
der südamerikanischen niedrigen Breiten kommt,
hoffen wir im später fortzusetzenden meteorologischen
Teile unserer Beiträge überzeugend darlegen zu können.
Unseren Frost und unseren Winter kennt
der südamerikanische Tropenindianer gar nicht, so
lang er nicht die höchsten Kordillerenkämme erklimmt.
Aus demselben Grunde können wir auch den be-
schriebenen rätselhaften Ruinen und Riesenskulpturen
von Tiahuanaco am hochliegenden Titicacasee ein
beliebig hohes Alter zuschreiben: sie stehen in frost-
freien Höhen, wenngleich der glacialkosmogonisch
nun leicht. verständliche Sommerhagel auch dorten
nichts Seltenes ist.
Und was nun die Überlieferungen betrifft,
so müssen wir mitteleuropäische »Barbaren« uns
allerdings zur völligen Überlieferungsunfähigkeit
bekennen, wir haben uns einfach nichts mündlich zu
überliefern, weil doch alles, und zwar mehr als gut
ist, niedergeschrieben wird. Es wäre auch ganz un-
möglich, auch nur unser Geschichtswissen allein durch
Überlieferung auf die Nachwelt zu vererben, geschweige
denn alle sonstigen »barbarisch«-geistigen Errungen-
schaften. Ganz anders aber beim Naturmenschen, der
von all dem Inhalte unserer Bibliotheken verschont
bleibt. Sein einziger geistiger Schatz ist das, was er
mündlich von den Vätern empfing; ihn wahrt er und
vererbt er durch mündliche Weitergabe an seine
Enkel. Unter Naturmenschen halten wir also sehr
wohl eine jahrmillionenalte Überlieferung für möglich,
wenigstens im wesentlichen eines so ungeheuren
Ereignisses, wie es der sich rasch vollziehende Ab-
schluB eines Mondannäherungs- und Auflösungs-
Kataklysmus mit polwärts gerichteter Sintflut einer-
seits oder ein Mondeinfang mit äquatorwärts gerichteter
die beiden größten
*) Fauth: »Hörbigers Glacialkosmogonie«, 1913.
107
schrittweiser Ozeanzusammenziehung anderseits dar-
stellt. Es ist dabei auch ganz leicht begreiflich, daB
durch die e UL lange Überlieferung
auch das Allerungeheuerlichste im Detail allmählich
alltägliche Formen annehmen wird — im wesentlichen
aber, trotz aller solcher Abschwächung, für uns »ganz
gescheite« mitteleuropäische »Barbaren« (war is war)
zur Unglaublichkeit— zur vermeintlichen »Sage«
— auswächst.
Es wäre die höchste Zeit, diesen »Sagen« der von
unserer überlieferungserstickenden Kultur noch un-
berührten Naturvölker schleunigst mehr ehr-
fürchtiges gelehrtes Gehör zu schenken, als
beispielsweise A. v. Humboldt dafür übrig hatte.
Darin wissen wir uns auch mit dem Wiener Anthro-
pologen Dr. Pöch einig. Diese wohlmeinende und
gläubige Aushorchung aller im Naturzustande lebenden
»Ältesten«, ehe sie von der Vernichtung durch
westeuropäische Kultur erreicht werden, wäre fast
noch dringender, als die Erforschung unserer europäi-
schen Eiszeithöhlen, weil letztere doch noch weiter
durchhalten können, solange nicht französische »Kultur«
die Resultate »barbarischen« Forscherfleißes vernichtet,
wie z.B. im August 1914 in der Dordogne mit O. Hausers
Steinzeit-Museum geschehen. (Vgl. »Umschau« 1915/4.)
Nun ergibt sich uns aber aus der gedachten
äquatorwärts gerichteten Begleitflut eines Mond-
einfanges, und zwar speziell des Quartärmondeinfanges
(heutiger Erdmond) ganz ungesucht die Lösung eines
anderen, heute vielfach pro und contra crörterten
Problems: Des »Unterganges der Atlantis«.
Obwohl die diesbezüglichen Berichte nichts von einem
Mondeinfang — die mittelländisch geschöpften Pro-
selenenüberlieferungen nichts von einer Ozeanver-
lagerung — und die Huythaca-Flutsage nichts von
einem Atlantisuntergang zu erwähnen wissen, so sind
das doch nur getrennte Überlieferungsabzweigungen
aus dem einheitlichen Naturereignis unseres Quartär-
mondeinfanges. Keinesfalls dürften die letzten
Quartär-Proselenen, die da Eicheln auf denBergen
aBen, den Mondeinfang, von dem notwendig mit-
unterlaufenen, schweren und länger andauernden,
universellen Erdbebenschwarme abgesehen, als sonder-
liche kosmische Katastrophe empfunden haben. Nur
Völkerschaften, die ohne besser entwickelte Kleinschiff-
fahrt auf flachen, kontinentfernen Inseln niedriger
Breiten hausten, dürften dabei zugrundegegangen
sein. Und dadurch rücken eben die von den heutigen
Historikern und Geographen so vielfach angezweifelten
Berichte über den Untergang der »Atlantis« in ein
neues, helles Licht. Denn dieser neu eingefangene
Quartärmond begann, wie bereits angedeutet, mit seinen
in Fig. 2 versinnlichten Flutkräften die hohen Ozean-
breiten im raschen Pilgerschritte zu entwässern und
in den niedrigen und Tropenbreiten das Ozeanniveau
erdengürtelartig zu erhöhen. Dies ist auch der Grund,
warum wir heute in hohen Breiten hochliegende
alte Strandlinien längs aller felsigen Steilküsten
beobachten können und warum sich auch beispiels-
weise außerhalb der heutigen Kongomündung ein
tiefes unterseeisches Kongobett, ja ein gewaltiger,
unterseeischer Kongofjord, weit ins Meer hinaus mit
dem Lote verfolgen läßt. Der »Atlantische Aqua-
torialrücken«, das am nördlichen Wendekreis
liegende »Atlantische Plateau«, die Untiefen der
»Kap Verdischen« und »Kanarischen« Inseln, der
»Südatlantische Rücken«, sowie die heutigen
Untiefen anderer tropischer Archipele des Indischen
und Stillen Ozeans — das alles können zur
Proselenenzeit große, flache, zusammenhängende,
blühende Insellandmassen gewesen sein, die beim
Quartärmondeinfange dauernd unter Wasser gelangt
sein mußten, so daß wir hier auch für den »fabelhaften«
Untergang der »Atlantis« hinreichende Wahrscheinlich-
keit begründet sehen.
Wenn uns die Mozkas und Arkadier nichts
von einer Mondeinfangflut berichten, so ist das natiir-
lich, da sie ja nicht nur Inlandsbewohner, sondern
108
sogar auch Höhenbewohner, also keinesfalls S tr a n d-
bewohner waren. Ebenso ist einzusehen, daß auch
die aus den Mittelmeeruferländern stammenden Pro-
selenenberichte nichts von einer mit dem Auftreten
des Mondes einhergehenden Strandverschiebung
wissen, weil ja das Mittelmeer gerade in jener
neutralen -+ Breitenzone liegt, in welchen + Breiten
sich das weniger abgeplattete, proselenische — mit
dem mehr abgeplatteten selenischen Ozeanniveau
schneiden mußte. Auch hängt ja das Mittelmeer nur
durch die schmale Gibraltarstraße mit den Weltmeeren
zusammen, so daß sich auch aus diesem Grunde die
Weltmeerverlagerungen im Mittelmeerbecken nicht
sonderlich bemerkbar machen konnten. Aber trotzdem
gibt esja doch auch die Huythacaflutüberlieferung
A. v. Humboldts, von der wir oben Notiz genommen
haben, so daß der Gedankenring auch in historischer
Hinsicht lückenlos geschlossen erscheint.
Der Untergang der außerhalb der »Säulen des
Herkules« gelegenen »Atlantis« (wahrscheinlich der
heutige »Atlantische Äquatorialrücken«) darf also als
wahr hingenommen werden und somit auch der
Quartärmondeinfang. Natürlich waren selbst die
ältesten griechischen Heidenpriester, auf deren Jahr-
bücher sich Platons Atlantisbericht u. a. stützt, nicht
selbst Zeugen des Ereignisses, sondern nur Sammler
von Uberlieferungsbruchstticken desselben. Gewiß
hatten sie diese Bruchstücke phantasievoll ergänzt und
für ihre Zwecke ausgeschmückt, wie ja das Priester-
art seit jeher war, während der hieraus schöpfende
Platon abermals unbewußt bemüht sein mochte, die
Sache in seine zeitgenössischen Verhältnisse herein-
zukonstruieren. Es ist ja auch durchaus nicht
anzunehmen, daß dieser gewissenhafte griechische
Weise seine »ziemlich ausführlichen Berichte über die
politische Verfassung und die Reichtümer der atlanti-
schen Länder und die Kriege, die deren Könige mit
Ägypten und Griechenland geführt haben«, so ganz
aus der Luft gegriffen haben sollte.
Bei diesen gewiß tendenziös ausgeschmückten
und zu Staatsreligionszwecken ausgenützten heidnisch-
priesterlichen Atlantisberichten dürfte auch Johannes
eine Inspirationsanleihe gemacht und sie mit seinen
christlich-zeitgenössischen, auf Babylon zielenden
Anpassungswendungen versehen haben. Denn wir
finden im Johanneischen Berichte Stellen, die sich
als eine symbolische Schilderung des strafgerichtlichen
Unterganges flacher oder nur sanft hügeliger, tropisch-
üppiger und reicher Inselmassen gelegentlich der be-
schriebenen Mondeinfangsflut viel ungezwungener
deuten lassen, denn als eine Originalschilderung des
kontinentalen kriegerischen Babylon-Unterganges. Wie
z. B.: »Und ein starker Engel hub einen großen Stein
auf, als einen Mühlstein, warf ihn ins Meer und
sprach: ‚Also wird mit einem Sturm verworfen die
große Stadt Babylon und nicht mehr erfunden werden“.
— Zunächst waren damalige Mühlsteine nicht größer
als ein Kinderwagenrad unserer Zeit. Und so groß
mochte der neu eingefangene Mond in seinem Peri-
gäum geschienen haben, da seine Bahn anfangs viel
ellyptischer sein mußte als heute. Für einen etwa am
Atlasgebirge stehenden Zeugen der äyuatorwärts ge-
richteten Mondeinfangsflut wurde also dieser als Voll-
mond leuchtende Mühlstein im Osten scheinbar vom
Lande her »aufgehoben« und in der Nähe der Atlantis
»ins Meer geworfen«, während zugleich die feind-
lichen Atlantisinselmassen im Wasser verschwanden.
10 hannes führt zu seinen Zwecken das kontinentale
abylon an. Weiters: »Und es ward ein großes
Erdbeben, daß ein solches nicht gewesen ist, seit
Menschen auf Erden gewesen sind, solch’ Erdbeben
so groß. — Und aus der Stadt wurden drei Teile,
und die Städte der Heiden fielen. — Und alle Inseln
entflohen, und keine Berge wurden gefunden. — Diese
Heiden sind wieder eine johanneisch-christliche Ein-
fügung; sonst könnte aber alles auf den gerüchtweise
aus Nordwestafrika nach Griechenland oder Ägypten
vermeldeten Atlantisuntergang stimmen. Die Hauptstadt
konnte auf drei flachen Hügeln erbaut gewesen sein,
und zerfiel beim langsamen, schrittweisen Ansteigen
des tropischen Ozeanniveaus naturgemäß zunächst in
drei Teile, bevor alle flacheren Inseln und niedrigeren
Berge unter Wasser gelangten. Ein großer, langan-
dauernder Erdbebenschwarm von langsam abnehmender
Intensität war beim Quartärmondeinfange selbstver-
ständlich: Das Neuauftreten der lunaren Gezeiten-
kräfte mußte viel mehr langverhaltene und tief-
liegende Siedeverzugsexplosionen auslösen, als der
allerkritischeste Tag von heute.
Die griechischen oder ägyptischen priesterlichen
Überlieferungssammler mochten auf diese kleinkönig-
lich umworbene Handelskonkurrentin und kriegerische
Feindin »Atlantis« im nachhinein auch ihren staats-
kirchlichen Groll ausgelassen und folgendes, von
nen abermals zweckmäßig umgearbeitetes
rteil gefällt haben: »Komm’, ich will Dir zeigen
das Urteil der großen Buhlerin, die da auf vielen
Wassern sitzt, mit welcher gebuhlet haben die
Könige auf Erden, und die da wohnen auf Erden, trunken
worden sind vom Weine ihrer Buhlerei. — Dieses
Weib mit dem goldenen Becher in der Hand voll
Greuels und Unsauberkeit. — Diese Mutter aller
Greuel auf Erden!<
Es ist ungemein wahrscheinlich, daß auf der
kriegerisch gut geschützten Atlantis ein reiches und
üppiges Leben herrschte, daß die Mittelmeerstaaten
im Frieden um deren Freundschaft warben und dabei
dennoch tyrranisiert wurden. Die späteren über-
lieferungssammelnden griechischen Priester malten
sich das in erhöhter Unsittlichkeit aus und stimmten
über den überlieferten Untergang der Atlantis im spät
nachhinein den folgenden, von Johannes ver-
christlichten Triumphgesang an:
»Und ich sah einen Engel“ niederfahren vom
Himmel,“ der hatte eine große Macht,“ und die Erde
ward erleuchtet von seiner Klarheit;« —
Zweifelsohne die ursprüngliche naturmenschliche
Auffassung und spätere priesterliche .
des neu eingefangenen und nun die Erde mit un-
gewohntem Nachtsilberlichteübergießenden heutigen
Quartärmondes. —
»und schrie aus Macht mit großer Stimme und
sprach: Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon* die
große, und eine Behausung der Teufel — und ein
Behältnis aller unreinen Geister und
feindseligen Vögel geworden! Denn vom
Weine des Zornes ihrer Buhlerei haben alle Heiden *
getrunken und die Könige auf Erden, die mit ihr
Buhlerei getrieben, und ihre Kaufleute sind
reichgewordenvon ihrer großen Wol-
lust.* Gehet aus von ihr, mein Volk, daß ihr nicht
teilhaftig werdet ihrer Sünden,* auf daß ihr nicht
empfanget etwas von ihren Plagen. Denn ihre
Sünden reichen bis in den Himmel,“ und
Gott denkt an ihren Frevel.“ Bezahlet
ihr, wie sie euch bezahlet hat, und
machet es ihr zwiefältig nach ihren
Werken. Und mit welchen Kelch sie euch
eingeschenket hat, schenkel ihr zwie-
fältig ein. Wie viel sie sich herrlich ge-
macht und ihren Mutwillen gehabt, so
vielschenketihr Qual und Leid ein. Denn
sie spricht in ihrem Herzen: Ich sitzeundbin
eine Königin und werde keine Witwe
sein und Leid werde ich nicht sehen.
Darum werden ihre Plagen auf einen Tag kommen,
der Tod, Leid und Hunger; mit Feuer wird
sie verbrannt werden; denn stark ist Gott der Herr, *
der sie richten wird. Und es werden sie beweinen
und beklagen die Könige aufErden, die mit
ihr gebuhlet und Mutwillen getrieben
haben, wenn sie sehen werden, den Rauch von
ihrem Brande. Und werden von ferne stehen vor
* Hier sehen wir wieder die priesterliche Hereinkon-
struierung ins Johanneische Zeitalter seitens des alles ver-
christlichenden monotheistischen Apokalyptikers.
Furcht ihrer Qual und sprechen: Wehe, wehe die
große Stadt Babylon,* die starke Stadt! Auf eine
Stunde ist dein Gericht gekommen. — Und die
Kaufleute auf Erden werden weinen und Leid
tragen über sie, weil ihre Ware niemand
mehr kaufen wird. — Die Kaufleute
solcher Ware, dievonihrsindreich ge-
worden, werden von ferne stehen vor Furcht ihrer
Qual, weinen und klagen. Denn in einer Stunde ist
verwüstet solcher Reichtum. Undalle Schiff-
herren und der Haufe, die auf den Schiffen
hantieren, und Schiffleute, dieaufdem
Meere hantieren, standen von ferne und schrien
da sie den Rauch von ihrem Brande sahen und
sprachen: Wer ist gleich der großen Stadt, in
welcher reich geworden sind alle, die
da Schiffe im Meere hatten, von ihrer
Warel Denn in einer Stunde ist sie verwüstet. Freue
dich über sie Himmel* — denn Gott hat euer Urteil
an ihr gerichtet.«* — (So auszugsweise zu lesen in
der Apokalypse 18/1-20.)
Nicht ganz ohne »barbarisch<-chauvinistischen
Hintergedanken haben wir hier etwas tiefer in die
atlantisuntergang-verdächtigen alten Texte gegriffen.
So mochten griechische Zeus- oder de yptisctie Ra-
Priester in spdt nachhinein tiber ein »offenbar« von
den Göttern dem Untergange zugeführtes Feindes-
land beiläufig frohlockt haben — und so mag durch
sie auch der schrift- und weltarchivkundige Johannes
angeregt worden sein, das retrospektivprophetische
Auge auf den Untergang des »sündhaften« Babylon
gerichtet, seine Visionen vom künftigen Welt-
gericht auszumalen!
Der geneigte Leser nehme jetzt aber bei an-
gehaltenem Atem das ganze Zitat nochmals auf-
merksam durch und beachte besonders die gesperrt
gedruckten Stellen: Paßt dieses Johanneische
Urteil nicht viel besser auf die »Atlantis« unserer
Zeit (Albion) als auf irgend ein anderes modernes
Babylon?
Die »Österreichische Flug-Zeitschrift«
ist nun allerdings kein politisches Blatt — im Welt-
frieden. Aber im Weltkriege 71 Und gar in einem so
verbrecherisch vorbedachten Neid-Weltkriege, wo es
uns invaliden »Barbaren« ebenfalls zur Pflicht
wird, mit allen Mitteln mitzukämpfen und Schreiber
dieser Zeilen auch vier Söhne dem Heere überlassen
mußte. »Gott strafe England!« -- so lautet
jetzt der mitteleuropäisch-»barbarische« Feldgruß, den
sogar auch das gutmütige Wien schon an alle Wände
malt. Mit kosmischen Majuskeln wollen wir den
Antwortsgruß an die »Wolken des Himmels«
schreiben: >Er strafe es!«, und zwar buchstäblich
nach Johanneischem Urteile, welches wir in
derselben Form schon 1899 der »Friedensfurie« Berta
Suttner und zwei technischen Hochschulprofessoren
zur Begutachtung unterbreitet hatten, ohne für den natur-
wissenschaftlichen Hintergrund Glauben zu finden.**)
Möge es nunmehr dem deutschen Kriegsherrn ver-
gönnt sein, die Rolle des vom Himmel hernieder-
fahrenden E.igels (der im Silberlichte erstrahlenden
Luna) von großer Macht und erdenerleuchtender Klar-
heit übernehmen und recht bald mit großer
Stimme den Urteilsvollzug verkünden zu dürfen.
Genug der halbmetaphysischen Exkursionen, die
vielleicht nicht ohne Kurzweil für den geneigten Leser
waren. Wir wollen uns jetzt, dem heutigen Schlusse
zueilend, wieder flugtechnisch nüchtern zu fassen suchen.
Der »Untergang der Atlantis« dürfte uns
jetzt ebenso plausibel geworden sein, wie der gleich-
zeitige Mondeinfang unddie zugehörigeäquator-
warts gerichtete, pilgerschrittweise Huythacaflut
* Siehe Fußnote S. 108.
% Vgl. Suttner: »Die Haager Friedenskonferenz« (1900),
Seite 136 u. f. und »Eine Utopie aus dem Haager Kongreßjahr
1899. in Nr. 45 der Frankfurter Wochenschrift Die Umschau« 1914.
109
bebenschwarm des Johannes und die Richtig-
keit der Behauptung eines vormondlichen Alters
verschiedener Naturvölker. Nicht zu verwechseln mit
dieser einen überlieferten >GroBen Flute ist die
andere vom quator polwärts gerichtete
„Große Flut,< die den Abfluß des »Großen
Wassers« der Inca-Väter darstellt, die auch dem
biblischen und babylonischen Sintflutberichte und
zahlreichen anderen mit diesen in den Hauptpunkten
übereinstimmenden naturvölkerlichen Überlieferungen
zugrunde liegt und die aber trotzdem unser Altmeister
Sueß zu leugnen sich bemühte, weil weder der Glaube
an die Nebularhypothese, noch aber die Pietät für
Lyell einsolches katastrophales Flutgeschehen in der
Geologie zulassen darf. Wir dürfen diese zwei
Arten von Großen Fluten« schon deshalb nicht
verwechseln,- weil die jüngste Mondeinfang-
flut (unseres heutigen Quartärmondes, die Huythaca-
flut v. Humboldts) bis an die 70.000 Jahre hinter
uns liegen kann, während dagegen die jüngste Mond-
auflösungsflut (Tertiärmondauflösung, Abfluß
des »Großen Wassers«) auch viele Jahrmillionen tief
in der geologischen Vergangenheit erfolgt sein kann.
Vielleicht dürfen wir aber da auch je eine Nulle
streichen, bis die mit so genauen MeBinstrumenten
ausgerüsteten astronomischen Observatorien sich auf
glacialkosmogonische Basis stellen und zunächst ver-
schiedene Bahneinschrumpfungskoeffizienten zu be-
stimmen trachten. Es ist sogar möglich, daß wir auf
dem Wege der Sterngeschwindigkeitsmessung nach
Dopplerschem Prinzipe auch den kosmologi-
schen Zeitpunkt unserer Muttergestirnentbindung
in der Taube bestimmen könnten, wodurch auch ein
Maßstab für die Bestimmung gewisser abgelaufener
geologischer Zeiträume gewonnen wire.
Ein Arbeitsprogramm hiefür haben wir bereits in Vor-
bereitung.
Nach obigem ist also klar, daß jene hoch-
liegenden Strandlinien der hohen Breiten, die dem
Quartärmondeinfange vorangingen und jene Wasser-
linien des tropischen Südamerika-Fochlandes, die das
»Große Wasser« der Inca-Väter eingenagt hat, sehr
verschiedenen geologischen Alters sind. Nach
Jahrzehntausenden mag das erstere, nach Jahrmillionen
das letztere zu bemessen sein. Nun ist es aber sehr
bezeichnend, daß SueB durch Erwägung dieser
Strandlinien schon zu der Vermutung gelangt ist, daß
in tiefer geologischer Vergangenheit sich Anhäufungen
der Ozeanmassen an den Polen und am Äquator ab-
gewechselt haben dürften. Aus der Art dieser Strand-
linien konnte er sogar folgern, daß Wasseranhäufung
am Äquator und Minderung an den Polen das Merkmal
der jüngsten dieser Ozeanverlagerungen sei! Aber
trotzdem leugnet er den universellen Charakter der
so vielfach übereinstimmend überlieferten »Sintflut!«
Er ist zu früh gestorben, sonst hätte er das noch
freiwillig zurückgenommen. 5
Der aufmerksam mitgekommene Leser hat hieraus
wohl schon den Schluß gezogen, daß unsere heutigen
Ebbe- und Flutberechnungen doch ganz in der
Luft hängen müssen, wenn der neu eingefangene
heutige Mond einen derartig tiefen Tropenozeangtirtel
zusammengezogen haben soll, daß dadurch die
Atlantis samt dem Kongofjord unter Wasser
kam. (Für letztere Tatsache haben wir allerdings auch
noch eine zweite Hilfserklärung zur Hand.) Es ist wirk-
lich so: Im Ebbe- und Flutproblem wurde mindestens
schon ebensoviel daneben gerechnet, wie bei den
Bestimmungen der Kometenumlaufszeiten von vielen
Jahrhunderten und Jahrtausenden. Wenn wir heute den
Erdmond aus dem Systeme entfernen könnten, so gäbe
das schon eine kleine Mondauflösungs-Sintflut.
Am Aquator sänke das Meeresniveau vielleicht um 1800
oder mehr Meter, so daß der heute tief unter-
seeische Kongofjord samt einigen atlantisverdächtigen
Landrücken über Wasser käme und im hohen Norden
das Ozeanniveau wieder beiläufig die alten hoch-
liegenden Strandlinien erreichte. Das heute beobacht-
110
bare gezeitliche Heben und Senken des Meeres-
spiegels (je zweimal innerhalb 24 Stunden und 50 Mi-
nuten) ist eben nur der Pilgerschritt, in welchem
der Mond den seinerzeit rasch zusammengezogenen
Tropenflutgürtel zu erhalten trachtet, bezw. in
welchem er diesen Flutgürtel innerhalb kommender Jahr-
hunderttausenden wieder zuden alten hohen tropischen
Strandlinien der »Incaväter« und darüber hinaus
zusammenziehen wird. Aus demselben Grunde ist
auch hinsichtlich eines anderen Problems viel ins
Blaue hinein erklärt worden : Die Meeresströmungen !
Der Golfstrom fließt nicht nach Norden, weil das
Seewasser im mexikanischen Becken erwärmt wurde,
sondern der Mond quirlt das Wasser dort durch und
dessen Erwärmung ergibt sich als Nebenerscheinung.
Um aber das ganze Mysterium der Meeresströmungen
aufzuhellen, bedarf es eines Aufsatzes für sich ; wir
wollen es daher bei diesem Anschneiden der Frage
bewenden lassen, und wärmere Interessenten auf
unser Hauptwerk verweisen.
Aber auch in vielen anderen Dingen müssen wir
ketzerische Behauptungen an die Stelle mancher
»Wissens«-Dogmen setzen. Was uns beispielsweise
die heutige Geologie und Anthropologie über das
Alter des Menschengeschlechtes glaubhaft machen
will, wonach der Mensch erst im gänzlich miB-
verstandenen »Quartär« aufgetreten somit der
jüngste Sproß der Schöpfung sein soll, das ist
ebenso irrig, wie die heutige katastrophenlose
Einteilung der ganzen Erdgeschichte, die Vorstellung
von der langwierigen neptunischen Schichtenbildung
— der Steinkohlenflötz-, Salzgebirge- und Steinöllager-
bildung, der IE ae ene des Gebirgsbaues
u. s. w. — denn alles dies wurde kataklysmatisch
— gleichsam fabriksmäßig bewerkstelligt, wie
wir sehen werden.
Der Mensch hat mindestens schon zwei Kata-
klysmen (das ist Mondeinfang mit Einfangflut,
Mondheranschrumpfung mit Eiszeit und Mond-
auflösung mit Sintflut) im überlieferungs-
fähigen Zustande mitgemacht, wie wir mit ehr-
fürchtigem und glacialkosmogonisch geschärftem Ge-
Aphelium.
Nadir (n, a, z.) Zenith
z H=Uberschuss Az
T- <<
an: fi
F=Fliehkraft, o Schwerin 5
Nadir
az
Fm=Amo*600°65
Oberfl. Schwere=|000000
-Gramm-
A Faz=-581 027208 Aa}
Aan» = $80°978 1691-4 Aaz» +581:076350 | Amn=- 60060309700
oHan»+ 0 049059 JoHaz=+ 004914% | olen»+ 0051537 fo
0 05 ro 1
Mittel.
In, m, z.) Zenith.
H=Überschuss
an: kr
E FeFlichkraft. 9 Schwert
Fmz»- 600 654634
Amz» + 600706181
Hmz»+ 005154
5
hör von den »Altesten« der tropisch südamerika-
nischen Rothäute lernen können. Den Tertiärkata-
klysmus durchlebte er sogar schon als Künstler,
wie unsere Eiszeithöhlen-Wandzeichnungen, die hoch-
mexikanischen Tempelruinen, die Skulpturen am
Titicacasee, die HieroglypheneinmeiBelungen an den
hochgelegenen Strandlinien der oberen Orinocofelsen
und die heute unkultivierbaren Kultur-Terrassenbauten
der peruanischen Abhänge beweisen, wenn man es
über sich gewinnt, alle diese Dinge durch glacial-
kosmogonische Brillen zu betrachten. (Denn eine bis-
herige Erden-Eiszeit ohne Kataklysmus, bezw. Mond-
annäherung, und umgekehrt ist undenkbar, wie wir
nächstens sehen werden.) Aber während der europä-
ische Tertiär-Eiszeitmensch im bloßen jagd- und
Höhlenleben ein wenig verwildern mußte, konnte der
tropische Tertiär-Eiszeitmensch des zentralamerika-
nischen (heutigen) Hochlandes sogar Ackerbau, Vieh-
zucht und primitive Textilindustrie treiben (leicht
bekleidete Relieffiguren am Titicacasee verraten dies),
kunstvolle Tempel- und Unterstandsbauten errichten,
den Himmel studieren etc. Professor Julius Nestier
in Prag, der drei Jahre (1911 bis 1913) mit dem
Studium der Örtlichkeit am Titicacasee verbrachte,
kann uns da manche Stütze beibringen.
Der Mensch konnte im überlieferungsfähigen Zu-
stande sogar schon ein Zeitgenosse der Saurier
gewesen sein, worauf die bei allen alten Kultur-
völkern (Chinesen, Germanen etc.) zu findenden
Lindwurm- und Drachensagen schließen lassen.
Die erst in unserer Zeit von den Paläontologen
ausgegrabenen Diplodocus-Skelette entsprechen in
Form und Größe ganz den Lindwürmern der
Drachensagen, und doch dürfen wir diesen alten
Völkern keine paläontologischen Kenntnisse
zumuten! Eben weil der Mensch den höchsten,
aufrechtgehenden Vernunfttypus darstellt, darf er
nicht das jüngste, sondern muß er das älteste
Produkt einer zielstrebigen Entwicklung sein. Die
von den heutigen Paläontologen vermutete >s pr u n g-
weise« und »explosive« Entwicklung gibt es
in der organischen Natur nicht, wohl aber in der
Perihelium.
Nadir In, p. z.) Zenith.
H = Überschuss A=
an aft. =:
S FsFliehkraft,_o_ Sch WERTET
z
R o=0',98325 Rime
9'0° I |
Agu Rol Fliehkraft= 345583
-per m5 Was- * -Ser
Fpn=* 621293661 fof Fpz=- 621293661 ~
Apn=- 621°239326 , Apz= + 621'349865
oHpn=* 0054335 JoHpz=+ 0056204
20 25 0
Fig. 1. Graphische und numerische Übersicht der heutigen beiläufigen Sonnenflutkräfte auf Erden in Gramm pro 1 m? Wasser
und im Maßstabe von 50mm =1
Hubkrafte. Unten: Das an der
g: Oben: Die im Durchmesser n z wirkenden Flieh- und Schwerkraftsüberschüsse als eigentliche
rdoberfläche wirkende Flutkraftsystem der Sonne für die drei Hauptentfernungen. Ableitung
der Kräfte vgl. Fig. 5 im Aufsatze des nächsten Heftes.
kosmischen. Und wenn Knochen und Zähne des
Menschen in mesozoischen Schichten nicht gefunden
werden, so beweist das gar nichts gegen sein
Dagewesensein; wohl aber beweist dies, daß er
eben schon klug genug war, um den die Erde um-
schleichenden vier mondsichelförmigen Gebieten der
Schichtenbildung und des Gebirgsbaues im weiten
Bogen auszuweichen. Er mußte dies sogar
fast unbewußt tun, wenn auch nur ein bißchen
dämmernde Vernunft da war.*)
Mit dem Bisherigen erscheint nun der Boden in
historischer Hinsicht aus dem Groben soweit
eebnet, um nächstens auch die Mechanik des
ondeinfanges nebst Begleitflut, des kataklysma-
tischen Gebirgsbaues, der Mondauflösung und
der Sintflut an Hand von ergänzenden Zeichnungs-
unterlagen ohne weitere zeitraubende Seiten- und
Rückblicke, bequem verfolgbar und für Vorurteilsfreie
leicht glaubhaft durchnehmen zu können.
Um da so manches Unerhörte nicht ganz un-
vorbereitet als abschreckende Spekulation zu em-
pfinden, möge der geneigte Leser inzwischen die
heutigen vier Flutkräfte-Übersichtsfiguren durchsehen,
obwohl wir sie erst nächstens genauer besprechen
können. Abweichend von der sonstigen Flutrechnungs-
Gepflogenheit haben wir keine Daten für Fluthöhen
errechnet, sondern bloß die Flutkräfte selbst in
Gramm pro Kubikmeter Wasser an den beiden Zenith-
und Nadirpunkten zn der beiden Flutberge bestimmt,
um damit den Geologen leichter ans Herz
greifen zu können. Mit den 6 Dezimalen wollten
wir kein kokettes Spiel treiben, wir mußten sie
eben entwickeln, wenn in den heutigen Flutkräften
der Unterschied in den Zenith- und Nadirhubkräften
zutage treten soll. Die Zeichnungen dienen natürlich
viel eingehenderen Erörterungen des Flutproblems als
Unterlage, als wir sie heute und nächstens aus Platz-
gründen in Aussicht nehmen können. Was da uner-
örtert bleiben muß, mag sich der geneigte Leser aus
den Zeichnungen einfach hinwegdenken.
*) Näheres vergl: »Anwendung der Glacialkosmogonie auf
die Urgeschichte des Menschen« in unserem Hauptwerke.
77} ee cu A <r . ..
2 Apogäum = Mittel 8 Perigäum, :
12 Nadir (n, a, z.] Zenith. % Nadir. (n, m, z.] Zenith % Nadir (n, p. z.) Zenith 2
2 © 12 N © 12 2 = 6.
Ss H=Uberschuss sA SE H= Überschuss nA A F H = Überschuss al <
et an: „werka 5 < < a “hee rkra 7 an: ff
i= Fefliehkrafi o Schr TE: F fliehkrafl 9 —
unf
G] = | III s x
| | il l | <
I. IN)
m
r =6378000
Tsid=
Oberfl. Sehwere =1000006
In- -Gramm-
Fan- + 3°093049 1 1 Faz=-3093049 Fmn=+3°442075 1
== 7° 3 * Aaz=+3 192924 | Amn
sse 44 Has=+0099875 l
05 10
90
'€m=074727r' EM =
111
Wir wissen: Wenn sich die Sonnen- und Mondes-
flutkräfte ganz addieren (das ist zu Neu- und Voll-
mondzeiten, insbesondere bei Sonnen- und Mondes-
finsternissen), so gibt das eine Springflut — wenn
sie sich kreuzen oder sozusagen subrtahieren, so
eine Nippflut. Die größte Springflut wird heute
eintreten gelegentlich einer Sonnentinsternis zur Pe-
rigäumszeit im Anfang Jänner, denn da ergibt sich für
die Zenithhubkraft eine Kräftesumme von 0°1389 +
0:0562 = 0:1951, also rund 0'2 g pro Kubikmeter Meeres-
niveauwasser. Die schwächste Nippflut ergibt sich heute
gelegentlich des ersten und letzten Viertels anfangs Juli
zur Apogäumszeit, wo sich eine Nadirhubkraft von höch-
stens 0°04 g (bei starker Deklination des Mondes noch
weniger, universelle Wetterstürze mit großen Stürmen
und lokalen Wolkenbrüchen) ergeben kann. Die stärk-
ste Springflutkraft ist also etwa das Fünffache von
der schwächsten Nippflutkraft. Kritische Naturereignisse
(Erdbeben, Vulkanausbrüche, Schlagwetterkatastrophen
in den Bergwerken) werden durch diese Springflut-
kräfte ausgelöst.
Daraus dürfen wir aber nicht schließen, daß es
einer Verfünffachung der Flutkräfte bedarf, um
zu kritischen Tagen erster Ordnung zu kommen,
sondern müssen wir da das obere Maximum mit
dem Nippflut- Mitte! vergleichen. Hienach reicht
schon eine Verstärkung des Durchschnittes auf das
rund Doppelte hin, um zur stärksten Springflutwirkung
zu gelangen.
Haben wir uns damit ein mechanisches Anfangs-
gefühl für Flutkraftvergleiche gebildet, so können wir
585 die heut i g e n. (oder für wann immer geltenden)
on nen flutkräfte ganz außer Spiel lassen und nur
die heutigen Mondes flutkräfte mit jenen ver-
schiedener Epochen der nächsten geologischen
Zukunft in gefühlsweisen Vergleich setzen und uns
apen Wenn eine e UNE der heutigen Mondes-
flutkraft schon kritische Naturereignisse zeitigt, was
geschieht, wenn sich diese Kräfte auf das 37-, 50-,
1 , 20.000-, ja 134.500fache erhöhen,
wie dies in den Fig. 3 und 4 zu ersehen ist? Das
ist der Kataklysmus der geologischen
30° 160° 9
INL = 180"
5
-per -ser.
Fmz 3.42075 F pn = + 3°853644 1:1 Fpz=-3'855644
= +3°559105 | Am=-3721849 E.E Apz=+3'992568
$_ Hmz=+0'117050 Hpn=*O151795 | Hpz=r0'158924
15 20 25 30
Fig. 2. Graphische und numerische Übersicht der heutigen beiläufigen Mondesflutkräfte auf Erden in Gramm pro 1 m? Wasser
und im Maßstabe von 50 mm = 1 g.
Oben: Die im Durchmesser nz wirkenden Flieh- und Schwerkraftsüberschüsse als eigentliche
Hubkräfte. Unten: Das an der Erdoberfläche wirkende Flutkraftsystem des Mondes für die drei Hauptentfernungen. Ableitung
der Kräfte vgl. Fig. 5 im Aufsatze des nächsten Heftes.
112
Zukunft! Das sind gebirgsbildende
Kräfte! Das gibt Episoden von unsagbar
erschütternder Gewalt« Doch schicken wir
leich hier voraus, daß gerade die höchsten dieser
räfte nicht von jener gebirgsbauenden Wirkung sind,
wie beispielsweise die der Mittelfigur 3, wie wir gleich
sehen werden.
In Fig. 3 links beträgt der Mondabstand noch
177 Erdradien gegenüber r von heute, welcher
heutige Abstand durch die obere Figurenrandlinie Em
im selben MaBstabe versinnlicht erscheint, in welchem
unter den Flutkraftdiagrammen die gewählten drei
typischen Mondabstände durch schwarze Scheibchen
dargestellt sind. Der Durchmesser der Mondscheibe
ist das 3˙4 fache des heutigen, die Leuchtkraft
auf das 12 fache gestiegen. Sonnen- und Mondes-
finsternisse sind jetzt viel häufiger, aber wegen der
zunehmenden Verschlechterung des Klimas selten zu
beobachten. Der siderische Monat et nur mehr
vier heutige Tage und die Zenith- und Nadir-Hub-
kräfte sind auf 49, bezw. 42 g pro 1 m? Wasser,
das ist auf das 50-, bezw. 37fache der heutigen
mittleren Zenith-Hubkraft des Mondes gestiegen! Die
natürlich bereits ins Riesige angestiegenen Zenith-
und Nadir-Flutberge umwandern die Erde noch
immer nach rückwärts in ca. 32 heutigen Stunden
egenüber den 24 Stunden 50 Minuten von heute.
ir nennen das bezeichnenderweise das »Zeitalter
der rückeilenden breiteren Gürtelhochflut
und des allmählichen Beginnes geologi-
scher Bauarbeit«, welches natürlich etliche Jahr-
zehntausende vorher bei noch größerem Mondabstand
schon begonnen hat und ebenso auch noch für ge-
ringere Mondabstände bis etwa auf rund 10 r herab
gelten mag. Noch immer bewegen sich die Flutberge
zu schnell nach rückwärts, als daß sie sich zu wirk-
lich ausgesprochenen, isolierten Wasserbergen aus-
bilden könnten; sie fließen vielmehr noch immer zu
einer breiteren Tropengürtelflut mit (dem Erdrelief
entsprechend) reich gegliederten Uferlinien zusammen,
welch letztere aber in kombiniert zwei periodischem
Rhythmus (Fiutrückumlaufszeit von 1¼ Tag und Knoten-
rückumlaufszeit von vielleicht 2½ Jahren oder mehr)
in flachen Ebbe- und Flutgebieten weit aus- und ein-
atmen. Schichtenbildung und Eiszeit hat bereits in
größerem Maßstabe begonnen. Jede tägliche Ebbe-
schichte gefriert bereits nieder. Der Eiszeitmensch
findet längs beiden sehr gezackten und lebendigen
Ufern dieser breiten Gürtelhochflut noch immer leid-
liche Weide- und Jagdgründe und Wohngelegenheiten.
Ganz kluge Völker haben sich bereits auf den halbinsel-
artig in die Tropengürtelflut hineinragenden Hoch-
ländern Zentralamerikas und auf eventuellen Inseln
des tropischen Afrika zusammengepfercht, soweit sie
nicht schon erlegen sind und den zunehmend er-
schwerten Lebensbedingungen sich rasch genug an-
zupassen Gelegenheit fanden.
Einfügen müssen wir hier, daß die Ursache jeder
Eiszeit einzig in dieser Mondannäherung besteht.
Die so sehr erhöhten Mondesflutkräfte ziehen nämlich
auch den Luftozean zu einem höheren Tropengürtel
zusammen, so daß die höheren Breiten, selbst in den
Tiefebenen, unter einen Luftdruck geraten, wie er
etwa heute in den ewigen Schneeregionen unserer
Hochgebirge herrscht. Diese Zustandsänderung erfol
natürlich une allmählich, Jahrhunderttausende
hindurch und dementsprechend auch die allmähliche
Vereisung der ozeanfreien Gelände höherer und mitt-
lerer Breiten. Daraus darf aber nicht gefolgert
werden, daß etwa die wasserfreien Reste der Tropen-
länder unter umso höheren Luftdruck geraten und
umso heißer werden müßten. Im Gegenteile. Die
Erdoberflächenschwere ist heute als mit Atmosphären-
höhe »gesättigt« anzunehmen. Das will sagen:
Wenn wir heute am Luftozeangrunde aus entsprechen-
den, O und N enthaltenden, festen oder flüssigen
Vex Nacheilende- -Stationäre Hochfluth- -Voreilende. “em
Beispiet:Rev.Zeil=42Rolal. +
Nadir (n, n,z.) Zenith =
= j h N
H= Überschuss aed
—
an: kraf
FeFliehkran o Schwer
d Fn *Ano= 40'0
2623": Rev.Zeil = Rol.Zeil =004Tsa.
Nadir (n, s, 2.) Zenith.
H= Überschuss
a “sche
Beisplel:Rev.Zeit= 0 3 Rotat.
Nadir (n, v. 2.) Zenith. 4 9
H= Überschuss ef <
n:
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an Hinz F Rithkrafl o Ennill
wai UA T A e
ee | < Mondauflösungsbeginn 2
& | EI Lil ll 1 bvahe — | 2
U ee ase we er ar U Apr re ur, r F
Gos T =6378000" 5 N Ho- 7907 | -7 i 33
Tsid=
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©
3
2 8
+ =
i
zg
gr
V
:
in -Gramm-
Fmns + 400 Fnz = - 400 Fsn 2 +253
Ann= - 35'8 oe Anz= + 449 Asn - 194
Hnnz + 42 py Hnz= + 49 Hsn» + 59
p f 1 + 30 43 30 O cp 10 200 x
=2360590”,
Aequ RolFliehkrafi= 34558
„per m3 Was- | -Ser:
.
= + vne -~ vza +
Hsz= + 91 Hyvn= + 737 U 22 +2
se 500 o 1900 son 0
Fig. 3. Graphische und numerische Obersicht der beiläufigen Mondesflutkräfte auf Erden in drei typischen Stadien der
nächsten geologischen Zukunft. Alles in Gramm pro 1 m? Wasser und in 1: 75, 1: 750 und 1: 15.000 des Kräftemaßstabes
der Fig. 1 und 2. Oben: Die im Durchmesser nz wirkenden Flieh- und Schwerkraftsüberschüsse als eigentliche Hubkräfte. Unten:
Die an der Erdoberfläche wirkenden Flutkraftsysteme entsprechend den drei Mondabständen A’, C und E, der Fig. 8 im nächsten
Aufsatze, wie sie auch hier maßstäblich richtig versinnlicht erscheinen; außerdem zeigt die obere Randlinie Em die heutige mittlere
Entfernung des Mondes von der Erde im selben Maßstabe. Ableitung der Kräfte vgl. Fig. 5 im Aufsatze des nächsten Heftes.
Chemikalien einen Kubikkilometer atmosphärischer Luft
erzeugen und freigeben, so müssen in etwa 400 km
Höhe aus der unsere Atmungsluft überlagernden, all-
mählich in die Drucklosigkeit des Weltraumes über-
gehenden Hydrogensphäre etwa 15 bis 20 Tausend
oder mehr Kubikkilometer höchstexpandierten Wasser-
stoffes(nämlichdasGewichtsäquivalent von 1,300.000kg)
inden Weltraum entweichen! Dasselbe ge-
schieht aber auch, wenn wir die Erdoberflächen-
schwere in den Zenith- und Nadirpunkten des
umlaufenden Mondes durch die Hubkräfte zu-
nehmend erniedrigen, weil dann dort nur
mehr eine entsprechend leichtere Luftsäulenhöhe
festgehalten werden kann und alles darüber Hinaus-
ee in die Höhe expandiert und oben in den
eltraum entweichen muß. Durch die zunehmenden
Mondesflutkräfte gelangen also nicht nur die höheren
Breiten ebenso zunehmend unter niedrigeren Luft-
druck, sondern die ganze Gashülle der Erde ver-
armt immer mehr und mehr: Und das ist die
einzige Ursache der großen Eiszeiten gewesen.
Für eine Unterteilung dieser großen Eiszeiten an
einem bestimmten Meridian in mehrere Subeiszeiten
und Interglacialzeiten wird sich uns aus der
Mittelfigur 3 und besonders aus späteren Figuren die
Notwendigkeit von selbst aufdrängen. Theoretisch
hat also diese Luftverarmung schon beim Mond-
einfang (sagen wir vor 70.000 Jahren) mit einem
plötzlichen Ruck begonnen, hat aber seither nur in
dem Maße langsam zugenommen, als der mittlere
Mondabstand seither kleiner geworden ist. Theoretisch
sind wir also schon vor vielleicht 70.000 Jahren in
die künftige Eiszeit, bezw. in den Quartär-
kataklysmus eingetreten, nur schleicht dieses
große geologische Ereignis in so langsamer Zunahme
aus einem sanften Beginn heran, daß man innerhalb
F Voreilende Hochfluth bei
Mondauflösungsbeginn.
Mondesflulhkräfte auf Erden
1:225000
ser.
—
un
—
o
o
Was
Mondschwere=A,
=
Zenilh«z)
ondoberfl-Schwere = 171.000 Cr.
Nadir 8 E
Aon=-1601 A»z=-+19612 =
Fön=+3874 Föz=- 3874 S
Hön=+2273 Höz=+15738 50000
H=Überschüsse E
e ‘aves Mur E
Elichkraft=F_o Sewers 5
nenne Im
4 N
Le
y ia er, N %
t
| Ester |
Rev.zeil=34St. gol zes 20 Sl.,
—
e=0'0224r
Hebel
„A252 ek
+ 28 N *
429 6
- 261234 |+356049
1:2,250.000
Fig. 4. Graphische und numerische Übersicht der beiläufigen
Mondesflutkräfte auf Erden (oberes Diagramm und Erdfigur)
und beiläufigen Erdenflutkräfte am Monde (unteres Diagramm
und Mondfigur) um die Zeit des künftigen Mondauflösungs-
beginnes entsprechend dem Stadium E der Fig. 8 im nächsten
Aufsatze. Alles in Gramm pro I m’ Wasser, und zwar oben und
links in 1.: 225.000, unten und rechts in 1 : 2,250.000 des Kräfte-
maßstabes der Fig. 1 und 2. — Ableitung der Kräfte vgl. Fig. 5
im Aufsatze des nächsten Heftes.
113
»historischer« Zeiträume kaum eine Änderung merkt,
bezw. daß diese ungemein langsame Klimaverschlech-
terung von, aus vielen anderen kosmischen Ursachen
stammenden, kurzen (12-, 18-, 29-, 35-, 84- 164- und
mehrjährigen) und vorderhand stärkeren Klima-
schwankungen jetzt noch bis zur Unkenntlichkeit
überwuchert wird. Möglicherweise liegt der Kul-
minationspunkt des geheimnisvoll, theoretisch
bereits längst begonnenen Quartärkataklysmus
(somit auch der künftigen Eiszeit) noch 500.000
Jahre — und die zugehörige Mondauflösung samt
Sintflut noch weitere 50.000 Jahre tiefer in der g eo-
logischen Zukunft verborgen. Vielleicht kann
man aber auch da noch je eine Null streichen, wenn
uns die viel besser bewaffneten astronomischen
Observatorien endlich zu Hilfe kommen.
Und diesen Kulminationspunkt von Kata-
klysmus und Eiszeit versinnlicht uns eben die nächste
Mittel figur 3. Zur Stationären Hochflut-
zeit« dieser Mittelfigur wird der Mond schon auf
ca. 702 Erdradien herangeschrumpft sein und die
Mondumlaufszeit ist gleich der inzwischen auf viel-
leicht 26 Stunden angewachsenen Rotationszeit der
Erde — also der Monat gleich einem Tag geworden.
Die Mondscheibe hat den 875 fachen Durchmesser und
die 73fache Leuchtkraft von heute erlangt; innerhalb
einer gewissen Breitenzone gibt es täglich je eine
länger dauernde totale Sonnen- und Mondesfinsternis,
von denen aber wegen der Klimaverschlechterung kaum
etwas anderes zu sehen ist, als der starke diffuse
Lichtwechsel. Die Zenith- und Nadirhubkräfte sind
auf 91, bezw. 59 g pro 1 m? Wasser, also auf das
863-, bezw. 530fache von heute gestiegen!
Aber nicht so sehr diese hohen Flutkraftbeträge sind
hier das Entscheidende, sondern vielmehr der Um-
stand, daß die beiden Punkte z und n (Zenith und
Nadir des Mondes an der Erdoberfläche) jetzt lang-
andauernd am selben Meridian haften bleiben.
Die Flutberge, welche in den vorangegangenen Jahr-
tausenden nur mehr sehr langsam die Erde um-
schlichen haben, sind daher zum Stillstande gelangt,
sind stationär geworden! Aber auch schon während
dieser letzten Zeit der rückschleichenden Hoch-
flutberge hatten diese hinreichend Zeit, sich vollends
isoliert auszubilden und zur diesen Kräften
vollentsprechenden Höhe emporzuwachsen,
wie dies nun zur Stationärzeit erst recht der Fall ist.
Das gesamte Ozeanvolumen hat sich da längst in zwei
ungleiche Hälften geteilt; ein höherer und schmälerer
Zenithflutberg hängt dauernd nach dem Monde hin —
und ein entsprechend niedrigerer, aber breiterer Nadir-
flutberg wird durch die nadirseitigen Fliehkraftsüber-
schüsse dauernd antipodisch emporgestaut bleiben. Aus
heute nicht erörterbaren Gründen bleibt der Zenith-
flutberg über dem Kontinentsockel des heutigen
Afrika stehen, während sich der breitere Nadirflutberg
in das heutige pazifische Becken einlagert. Zufolge
des Umstandes aber, daß Erdachse und Mondumlaufs-
achse nicht zusammenfallen, sondern einen in etwa
halbjähriger oder längerer Periode (Mondknoten-
umlauf) zwischen vielleicht 30° und 50° schwankenden
Winkel zueinander bilden, müssen beide Flutberge
täglich einmal um diesen Winkel meridional auf-
und niederpendeln! Mit Leichtigkeit überschreiten also
Ausläufer des oszillierenden Zenithflutberges täglich
einmal die höchsten Alpenkämme, während nadirseits
wieder die höchsten Spitzen des Himalaja täglich
einmal unter Wasser gelangen. Wir brauchen uns
also nicht länger darüber zu verwundern, wenn heutige
Geologen dort oben versteinerte Meeresmuschellager
und andere Meerespetrefakten finden. Aber auch das
ganze Geoid muß sich da längst eiförmig de-
formiert haben, doch sollen nicht etwa die Ei-
linien der Fig. 3 und 4 diese Deformierung darstellen;
es sind das nur Flutkraftdiagramme; dennoch erfolgt
die Deformierung in ähnlichem Sinne.
Trotzdem kann aber der Eiszeitmensch in
den beiden tropischen Teilen des stationären,
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114
senkrecht zum Äquator über beide Pole sich windenden
Ebbegürtels sein allerdings sehr bewegtes Nomaden-
und Jagdleben im bestabgehärteten Zustande zur Not
weiterfristen. An das Erdbeben muB er sich aller-
dings gewöhnen, wie ein im ungefederten Wagen auf
holpriger StraBe dahinfahrender Reisender an die
Radstöße. Aber auch durch dieses Erdbeben des
eigentlichen Gebirgssbauzeitalters werden Gebirge
nichtgebaut, sondern nur zerstört! Wir
werden den fabriksmäßigen Schichten- und Gebirgs-
bau-Vorgang des stationären Hochflut-Zeitalters und
der nach rück- und vorwärts angrenzenden Jahr-
tausende nächstens an der Hand von spezielleren
graphischen Unterlagen leichter durchsichtig machen
können, als dies heute möglich wäre.
Istnun diesem stationären Hochflut-Zeitalter
je ein solches der rückschleichenden, rück-
schreitenden und rückeilenden (oder auch
nachschleichenden, nachschreitenden und nacheilenden)
Hochfluten vorangegangen, so folgen jetzt bei
weiterer Verringerung des Mondabstandes nach-
einander in allmählich abnehmend kürzerer Dauer
die Zeitalter der vorschleichenden, vor-
schreitenden, vorlaufenden, voreilenden
und vorrasenden Hochfluten, bis endlich die
Mondauflösung bei Erreichung der durch Fig. 4
versinnlichten Zustände eintritt — und einmal ein-
geleitet, sich auch rasch vollzieht.
Ausgiebig gebirgsbildend wirken eigentlich nur die
rück- und vor-schleichenden und schrei-
tenden Hochfluten nebst der stationären Hoch-
flut, weil nur da die Flutkräfte Zeit finden, das
Geoid entsprechend zu deformieren, isolierte und
heftig oszillierende Flutberge zu erhalten und mit
Hilfe des eiszeitlichen Hartfrostes entsprechend hohe
Schichtkomplexe emporzubauen, die dann durch
dieselben Flutkräfte auch immer wieder zu den Flut-
bergen herangleiten und immer wieder teilweise
zerstört werden. Das sind nun die vom Altmeister
Sueß geahnten Episoden von so unsagbar
erschütternder Gewalt, daß die Einbildungs-
kraft sich sträubt, das Bild auszumalen, für welches
der führende Verstand aus den Profilen großer Ketten-
gebirge heraus die allgemeinen Umrisse setzte. Der
geneigte Leser wird sich nächstens überzeugen, daß
auf dem nunmehr vorbereiteten Boden und in den
jetzt gesetzten Umrissen diese Ausmalung des
ildes ein Kinderspiel geworden ist.
In der Fig. 3 rechts beträgt der Mondabstand
nur mehr 2'785 r, während die Mondauflösung laut
Fig. 4 bei einem solchen von 1°8r oder noch etwas
früher beginnen dürfte. Der siderische Monat beträgt
in Fig. 3 nur mehr / des heutigen Tages oder
etwa 0'3 des inzwischen wieder auf vielleicht 19
heutiger Stunden verkürzten neuen Tages. Denn es
ist ja klar, daß die vor stationären Flutrück läufe
(bei kleinerer Fluthöhe) eine negative Flutreibungs-
arbeit verrichten, durch welche die Erdrotations-
Winkelgeschwindigkeit allmählich etwas verringert,
daher der Tag etwas verlängert werden mußte. Das
wird aber durch die nachstationären Flutvorläufe
wieder reichlich hereingebracht; sie beschleunigen die
Erdrotation (bei größerer Fluthöhe) durch positive
Flutreibungsarbeit derart, daß in Fig. 3 rechts der
Tag vielleicht nur mehr 19, in Fig. 4 nur mehr 18
unserer heutigen Stunden lang ist. Genau wird sich
das kaum jemals rechnen lassen, weil man für den
absoluten Wert der Flutreibung immer nur spekulative
Annahmen machen kann.
Die Zenith- und Nadirhubkräfte sind auf 2304,
bezw. 737 g pro 1 m Wasser, das ist auf das 20.000-,
bezw. 6300 fache der heutigen mittleren Zenithhubkraft
des Mondes gestiegen! Und dennoch werden da keine
Gebirge mehr gebaut und vorläufig auch nicht mehr
sonderlich zerstört. Selbst die Erdbeben sind wieder
etwas seltener geworden. Die Flutkraftwirkung auf die
Erdkruste ist jetzt ähnlich der Wirkung eines schnell
dahinfahrenden schweren Schlitischuhläufers auf
schwacher, biegsamer Eisdecke, auf welcher der lang-.
sam gleitende leichte Knabe sicher einbrechen
würde. Zwar wurde die Erde durch die Dauerwirkung
des so schweren Flutkraftsystemes allmählich etwas
linsenförmig deformiert, aber der tropische Erdkrusten-
gürtel atmet gezeitlich lange nicht in dem Maße, als
die Flutkräfte angestiegen sind, weil der nahe Mond
zu schnell über die einzelnen Längsgrade und Siede-
verzugsstellen hinweghuscht, um die Krustenmassen
nach aufwärts zu beschleunigen, wie es ja die Vor-
aussetzung einer Druckentlastung wäre. Dazu kommt
noch folgendes: Die Mondbahnebene hat sich in-
zwischen der Ekliptik etwas mehr angeschmiegt, dabei
aber auch die Erdachse mehr senkrecht zur eigenen
Ebene, mithin auch zur Ekliptik aufgerichtet. Der
Winkel der Flutbreitenoszillationen ist also ein
wesentlich kleinerer, vielleicht auch nahezu Null
geworden. Aber das ist noch nicht das Ausschlag-
gebende, sondern der Umstand, daß auch die trägen
Wassermassen der (obwohl sehr nahe) umrasenden
Mondmasse jetzt nicht mehr folgen können. Ein isoliert
umlaufender Flutberg ist schon lange nicht mehr
möglich, sondern sind diese Flutberge schon längst
in einen voreilenden, höheren, schmäleren Tropen-
gürtel zusammengeflossen, dessen Ufer sogar ruhiger
sein dürften, als die der vorstationären, breiteren,
rückeilenden Giirtelflut. Wir sind da also längst
schon in das geologisch zukünftige »Zeitalter der
voreilenden schmäleren Gürtelhochflut
und der unmittelbar vorsintflutlichen Zeite
eingetreten, das ist in die wiedergekommene Zeit
eines überlieferten »Großen Wassers« der Väter
unserer tropisch-amerikanischen Rothäute!
Der Mond ist nun eine wasserradgroße Scheibe
vom 33fachen Durchmesser und der 1089 fachen
Leuchtkraft der heutigen Luna geworden und der
tropische Eiszeitmensch kommt aus den (universell)
täglich rund je 3½ maligen totalen und länger an-
dauernden Sonnen- und Mondesfinsternissen gar nicht
mehr heraus. Der Riesenmond geht auch längst nicht
mehr im Osten auf, sondern im Westen (er um-
rast ja die Erde viel schneller, als diese rotiert), und
zwar für einen bestimmten Meridian täglich rund
2'/, mal. Schon die täglich 3½ malige, langandauernde
Beschattung eines 30° breiten tropischen Zonen-
streifens der Tagesseite muß die mittlere Jahres-
temperatur der gesamten Atmosphäre und Erdober-
fläche weiters stark herabsetzen. Der tropische
Eiszeitmensch sähe von seinem fixen Standpunkte aus
täglich durchnittlich 2'/, mal den verfinsternden Voll-
mond und sonnenverfinsternden Neumond und je 2½¼
erste und letzte Viertel, wenn die Atmosphäre nicht
dauernd trübe wäre — er sieht also nur den diffusen
fortwährenden Lichtwechsel unter stürmisch bewölktem
Himmel. Das Jahr kennt er schon lange nicht mehr
und in dem für ihm unverständlichen Durcheinander
von absoluter und teilweiser Finsternis und sehr
variablen Lichtblicken ist im auch der Maßstab für
Tag und Nacht verlorengegangen. Er kann die Zeit
nicht mehr messen: Die kataklysmatisch erregte, trübe
und kalte Erdenwelt ist für ihn zeitlos geworden!
Das tropische Ozeanniveau ist wegen der größeren
Mondmasse jetzt höher gestiegen, als dies vor Jahr-
millionen seine Väter erlebt hatten. An den Felsen-
wänden von im jüngsten Quartärkataklysmus erneuerten
Hochgebirgen nagt sich eine neue höhere Wasser-
linie ein, die er abermals mit seinen Symbolen und
Hieroglyphen übermeißelt, damit im nächsten Quintär-
Alluvium seine Enkel und irgend ein neuer über-
weiser-weißer A. v. Humboldt einander aber-
mals geringschätzend belächeln mögen! Und abermals
wird das Recht auf Seite der Enkel sein!
Wir müssen es uns aus Platzgründen versagen, heute
noch näher auf die inhaltsreiche und weitausgreifend
anregende Fig. 4 einzugehen, um dafür im nächsten
Hefte auf dem vorbereiteten Boden umso leichter über
die Gebirgsbildung, Mondauflösung und
Sintflut abschließend sprechen zu können.
115
Aus der Praxis — für die Praxis.
Der automatische Stabilisator von Sperry-Curtiß.
Wiewohl die hervorragendsten Praktiker des Fluges
die Notwendigkeit automatischer Gleichgewichtsregler
immer mehr negieren, fehlt es doch dermalen nicht
an zahllosen Bestrebungen und Versuchen, dieses
Problem seiner entgültigen Lösung zuzuführen. Im
Rahmen dieser Zeitschrift sind schon des öfteren
einschlägige Projekte besprochen worden, doch hat
keines derselben in seiner Ausführung derart befriedigt,
daß es auch nur die Bezeichnung einer »Lösung« ver-
dient hätte. Unter allen bisher erprobten Vorrichtungen
aber scheint noch der bereits im Vorjahre so oft
erwähnte Stabilisator des Amerikaners Sperry der
beste zu sein, der auch, in ein CurtiB-Flugboot ein-
gebaut, zu dem großen französischen Wettbewerbe
»Union pour la sécurité en aéroplane« angemeldet
und mit einem Preise ausgezeichnet wurde. Es sei
daher bei dieser Gelegenheit seine Beschreibung in
aller Kürze nach einem französischen Fachblatte
wiedergegeben. Die eingefügte Skizze zeigt den
Apparat und seinen Einbau im Aufrisse an dem
Beispiele eines Curtiß-Doppeldeckers. Im wesent-
lichen besteht er aus den folgenden Teilen: 1. Aus
der zur Messung der Windstärke dienenden Fühl-
platte A, 2. einer Reihe von Kreiseln und Servo-
motoren B und E, welche die Seitenstabilität, und
Gruppe C und L, welche die Längsstabilität reguliert.
Die Fühlplatte A, welche aus Aluminium besteht und
Rechteckform besitzt, ist senkrecht zwischen zwei
wagrechten Zapfen aufgehängt und erfüllt drei
Funktionen: 1. zeigt sie dem Führer des Flugzeuges
in jedem Momente die Geschwindigkeit des Apparates,
2. halt sie die Geschwindigkeit der Flugmaschine
innerhalb gewisser Grenzen, und 3. reguliert sie die
Tatigkeit der Kreisel, die den Apparat im normalen
Fluge im Aneen erhalten. Bezüglich der sub
2 genannten Funktion der Platte ist zu bemerken:
Steigt beispielsweise der Apparat aufwärts, so ist sich
wohl sein Lenker darüber klar, daß er steigt, daß seine
Maschine eine entsprechende schiefe Lage im Luftraume
einnimmt und sein Motor langsamer läuft. Er kennt
aber die relative Geschwindigkeit seines Apparates
nicht und dies kann leicht dazu führen, daß diese
sukzessive gleich Null wird, in welchem Falle der
Apparat nach hinten abrutschen und stürzen kann. Um
dem vorzubeugen, tritt die Platte A in Funktion. Fällt
nämlich die Geschwindigkeit des Apparates unter eine
gewisse Grenze, so vermindert sich auch der Luftdruck
auf die Platte A in entsprechendem Maße. Diese ist
auf derartige Druckdifferenzen und Unterschiede der-
artig abgestimmt (analog der Fühlplatte beim
Doutreschen Stabilisator), daß sie in diesem Falle
eine elektrische Kontaktvorrichtung betätigt, die ihrer-
seits auf einen Servomotor wirkt, der mit PreBluft
betätigt wird und durch den Schnurzug P das Höhen-
steuer entsprechend verstellt. Auf diese Art wird
das Aufwärtssteuern des Lenkers unterbrochen und
die Flugmaschine zum Sinken gebracht, bis ihre
normale, verloren gegangene Geschwindigkeit wieder
erreicht ist.
Die außerdem noch durch die vorerwähnte Fühl-
platte beeinflußten Kreisel (vier an der Zahl) B, E,C
und L sind in einer Art Kardangelenk befestigt. Zwei
von ihnen drehen sich der Symmetrieebene des
Apparates entsprechend, und zwar in gegenseitig
entgegengesetzter Richtung, während die beiden
anderen sich in der senkrechten Ebene drehen,
mals zur seitlichen Erstreckung der Tragdecken.
ie Kreisel bestimmen im Raume drei Richtungen
von unveränderlichen Ebenen, die parallel und senk-
recht zu ihren Drehebenen liegen. Bezüglich der
relativen Bewegungen des Apparates und der Kreisel,
reißen letztere die Arme des Kardangelenkes mit sich
fort, an denen Hebel befestigt sind, die auf die
Schieber zweier kleiner Preßlufthilfsmotoren wirken.
Diese sind dicht bei dem Kreisel angebracht, und
zwar beeinflußt der eine das Höhensteuer, während
der andere die Verwindungsflächen (Klappen) betätigt.
Im Übrigen finden wir diese Anordnung ja bei allen
Stabilisationsautomaten, die sich besonderer Servo-
motoren bedienen. Die ganz besondere Eigenart des
Sperry-Stabilisators aber besteht in der Weise, in
welcher diese Bewegungen des Hilfsmotors durch die
Anemometerplatte A korrigiert werden. Einer be-
stimmten Neigung der Flugmaschine mit Bezug auf
die Ebene des Kreisels entspricht eine bestimmte
Verstellung des Hilfsmotorschiebers und damit ein
entsprechender . der Steuerflächen. Letzterer
hängt bezüglich seiner Größe nur von der Neigung
der Flugmaschine ab, keineswegs aber von deren
Geschwindigkeit, die sie in diesem Augenblicke
gerade entwickelt. Gegenüber den bereits bekannten
Stabilisatorkonstruktionen kann bei diesem Stabilisator
ein sogenanntes »Überregulieren« nicht eintreten, da
für jede Lage und Geschwindigkeit die Regulierung
immer in dem erforderlichen Intensitätsgrade und in
Der selbsttätige Sperry Stabilisator
Fig. 1.
dem erforderlichen Umfange erfolgt. Dadurch, daß
das Instrument solcherart mehrfache Abstufungen
seiner Wirksamkeit zuläßt, wird es den Zwecken der
Praxis unter den bestehenden, bisherigen Systemen
noch am meisten gerecht. Denn eine Betätigung der
Steuerflächen, wie sie bei langsamer Fahrt des
Apparates erforderlich wäre, würde bei schnellem
Fluge der Maschine viel zu kräftig wirken und die-
Folge hievon wäre ein Übersteuern mit folgendem
sehr unruhigem Fluge, eventuell sogar Absturz. Um
solche Unregelmäßigkeiten schon im Keime zu
ersticken, ist die Platte A vorgesehen, die den Zeit-
unkt für die Betätigung der Antriebshebel der
Schieber des Hilfsmotors entsprechend der Ge-
schwindigkeit des Apparates verändert und in jedem
Falle den Umfang der Steuerwirkung in ein
bestimmtes Verhältnis zur Fluggeschwindigkeit bringt.
Der elektrische Strom, der erforderlich ist, um
die Kreisel mit 12.000 Touren pro Minute zu drehen,
wird von der kleinen Dynamomaschine G geliefert,
die nur wenige Kilogramm wiegt und mittels Riemen-
übertragung von der Kurbelwelle des Motors aus
angetrieben wird. Damit die Kreisel auch nach Still-
stand des Motors noch eine Zeitlang weiter arbeiten
und den Stabilisator in Funktion erhalten können,
ist eine kleine Akkumulatorenbatterie vorgesehen, die
auch als Pufferbatterie dient, das heißt plötzliche
Schwankungen im Stromkreise ausgleicht, so daß ein
gleichmäßiger Lauf der Kreisel gewährleistet erscheint.
Außerdem ist zur Regelung des den Kreiseln, resp.
ihren Antriebsmotoren zugeführten Stromes noch ein
116
besonderer Regulator vorgesehen. Bei horizontalem
Fluge oder bei stillstehendem Motor tritt die in den
Akkumulatoren aufgespeicherte Energie sofort in Tätig-
keit. Zur Herstellung der komprimierten Luft dient ein
Kompressor H, der auf einen der Zylinder angebracht
ist. Der Kompressor erhält den Antrieb im Augen-
blicke der Explosion; indessen verhindert ein genau
eingestelltes Ventil die Vermischung der Gase mit
der durch die Leitung I in den Behälter J
Ben komprimierten Luft. Derart bleibt der
ehälter J unter einen bestimmten Druck gefüllt. Er
erhält stets eine genügende Menge komprimierter
Luft, die das Arbeiten des Hilfsmotors auch einige
Zeit nach dem Anhalten des Motors ermöglicht.
An dem Stabilisator ist des weiteren auch eine
Arretiervorrichtung angebracht, die es dem Lenker
ermöglicht, vermittels einesam Steuerrade angebrachten
Hebels Q, den Stabilisator in oder außer Wirksamkeit
zu setzen. Das Gesamtgewicht der gesamten Stabili-
sationsvorrichtung soll nicht mehr als 20 kg betragen.
Nach Berichten ausländischer Fachzeitschriften und
Zeitungen, soll er sich bei den verschiedenen Probe-
flügen unter den strengsten Bedingungen sehr gut,
ja außerordentlich gut bewährt haben. So hat, als die
hiemit ausgerüstete Curtiß-Maschine in voller Fahrt
war, der Passagier seinen Sitz verlassen, sich auf
den einen Flügel sowohl der Breite wie auch der
Länge nach hingesetzt, während der Lenker sich
aufrichtete, die Arme hochhob und seinen Sıtz verließ,
dabei die Steuerhebel losließ, ohne daß hiemit die
Flugmaschine irgend wie aus dem Gleichgewicht ge-
bracht worden wäre. Gelegentlich eines anderen
Experimentes stieg der betreffende Curtiß-Doppel-
decker einzig und allein durch diese selbsttätige
Steuerung aus dem Wasser auf, flog automatisch
stabilisiert wagrecht weiter und setzte dann seien
Flug fort, während der Lenker den Stabilisator aus-
schaltete und die weitere Lenkung übernahm. Dann
flog der Apparat wieder unter dem alleinigen Einflusse
des Stabilisators horizontal weiter, während der
Lenker seine Arme über der Brust kreuzte. Dieses
Manöver war von einer Verminderung der Tourenzahl
des Motors begleitet, wodurch dann selbsttätig der
Gleitflug herbeigeführt und die Landung bewirkt
wurde. Die französischen Fachblätter äußern sich
recht optimistisch über den neuen, verbesserten
Stabilisator Sperrys. Daß er aber noch immer nicht
in der Praxis, wenigstens seitens der Amerikaner und
der Franzosen, denen er ja bereits im Vorjahre vor-
gelegt wurde, verwendet wird, speziell aber jetzt,
befremdet im Hinblicke auf diese Urteile ein wenig.
Signalbomben für Luftfahrzeuge.
Der gegenwärtige Krieg hat belebend auf die
Erfinderphantasie eingewirkt, in einer Weise, wie sie
sonst die friedlichste Konkurrenz nicht zustandegebracht
hätte. Neben den zahllosen verschiedenartigsten,
eigens für Kriegszwecke erfundenen und konstruierten
Flugzeug- und Lenkballontypen, finden wir noch
allerhand andere, ebenso fragwürdig nützliche Dinge
auf dem großen internationalen Erfindermarkte und
die Statistiken der einzelnen Patentämter beweisen,
daß in keinem früheren Zeitabschnitt so viele und
bei näheren Zusehen so viele unbrauchbare Gegen-
stinde zum Patente angemeldet wurden, wie in der
Zeit seit Kriegsausbruch bis heute. Besonderer Be-
liebtheit und Aufmerksamkeit scheinen sich speziell
unter den gelegentlichen Kriegserfindern die Bomben
zu erfreuen, von denen sich jeder einzelne einen
wahren »Bombenerfolg« auch verspricht. Aber auch
Signalisierungsbehelfe hat der Erfindergeist gezeitigt,
so beispielsweise in Frankreich und England die
bekannte Rußsignalisierungseinrichtung nach James
Means, die im gegenwärtigen Kriege auf Seite der
drei Ententemächte sehr stark verwendet werden soll,
meist aber mit dem schlechtesten Erfolge. Derartige
Signalisierungsvorrichtungen versagten aber im feld-
N Röhre befindet,
mäßigen Gebrauche auch dann, wenn es sich darum
handelte, den eigenen Truppen während des Fluges
rasch eine durch eine anschauliche Kartenskizze
illustrierte Meldung zukommen zu lassen. Man sann
denn auch auf ein geeigneteres Mittel und fand es
auch in Form der Signalbombe, wie das englische
Fachblatt »Flight« berichtet. Zu diesen Zwecken
wurden in der ersten Zeit des öfteren kleine, beschwerte
Ledertäschchen verwendet, seit neuestem gelangen
aber regelrechte Signalbomben zur Anwendung. Ein
Franzose, Paul Fugairon, ist der Erfinder dieser
Bombe, die bereits mit sehr gutem Erfolge bei Brest
erprobt worden ist. Der Hauptsache nach besteht
diese 5 aus einem Hohlzylinder, dessen
unteres Ende zugespitzt und dessen Oberteil mit
einem entsprechenden Verschlußdeckel abgedeckt ist.
Durch einen schmalen Kanal, in den die Nadel T
paßt, wird in den konisch verjüngten Unterteil Blei
Fig. 2. Signalbombe für Flugzeuge.
eingegossen, damit im Abwärtsfallen die richtige Lage
der Bombe erhalten bleibe. Die vorerwähnte Nadel
steht mit ihrem oberen Ende in Verbindung mit einem
kleinen Kniehebel, der mit einer kleinen Scheibe des
Zündbolzens B korrespondiert. Die Spiralfeder R hält
den Zündbolzen B stets in seiner Lage, während die
beiden Blechschleifen S als Führungen bei der Be-
wegung des Bolzens dienen. Der obere Teil des
ar wird durch eine Kappe gebildet, die vier
otfene Fensterchen C enthält. Durch vier besondere
Klammern gehalten, befindet sich im Innern das
Material für bengalisches Raketenfeuer, welches durch
die Explosion einer mit Knallquecksilber gefüllten
Kapsel, die sich an dem äußeren oberen Ende der
entzündet wird. Die
adel T, welche beim Aufschlagen der Bombe zuerst
den Boden berührt, wird durch den Zug der Spiral-
feder nach oben gedrückt, so daß sie dadurch den
Zündstift B niederdrückt, da ja, wie erwähnt, der
Kniehebel, der mit der Nadel T in Verbindung steht,
sich gegen die Scheibe E des Zündstiftes stemmt.
Im wesentlichen ist dieses System der Zündung ja
nichts Neues. Wohl aber stellt die Verbindung der
Nachrichtenbombe mit dem hier gekennzeichneten
Signale eine ganz zweckmäßige Neuerung dar. Der
Zweck derselben ist ja leicht zu ersehen. Bei
unsichtigem Wetter oder aber bei größerer Entfernung
des Ortes, wo die Bombe niedergeht, von dem Stand-
orte des nächsten Beobachtungspostens, wird dieses
in der Nacht wie bei. Tag gleich deutlich erkennbare
Zeichen auf größere Distanzen die Lage der Bombe
angeben. Die Nachricht nebst eventueller Kartenskizze
wird in dem Inneren des zylindrischen Hohlkörpers
auf die aus den Abbildungen ersichtliche Weise
befestigt.
Um die Fallgeschwindigkeit des Instrumentes zu
verzögern und sie damit schon während ihres Falles
deutlich ersichtbar zu machen, empfiehlt der genannte
Erfinder, die Bombe mit einem kleinen Fallschirm
zu versehen, der seitens des Beobachters schon beim
Auswerfen geöffnet wird.
Kraftersparnis durch rotierende Propellerkappen.
Das Streben nach Verringerung des schädlichen
Luftwiderstandes der Fiugzeuge hat in der Folge der
Entwicklung zu ganz erheblichen Fortschritten auf
dem Gebiete der Imprägnierung der Tragdecken und
Rümpfe geführt. Allein nicht in der zweckmäßigsten
Gestaltung der der Lufttreibung am meisten aus-
i Oberfläche liegt das Mittel, die schädlichen
iderstande zu verringern, sondern in zumindest
eben demselben Grade auch in der Wahl der ge-
eignetsten Flügel- und Rumpfquer- und Längsschnitte.
Diesem letzteren Punkte beginnt man nun allmählich
überall mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden. Spezieli die
Franzosen haben es verstanden, ihren Apparaten die
in diesem Belange vorteilhaftesten Linien zu verleihen,
wenngleich ihre Konstruktionen in statischer Hinsicht
einen Vergleich mit den deutschen oder österreichi-
schen gar nicht vertragen. An dieser Stelle ist schon
des öfteren der bezüglich seiner aerodynamischen
Linien so hervorragend konstruierte Eindecker
Deperdussin als Muster eines schnellen Flugzeuges
hingestellt worden. Diese seine große Geschwindigkeit
verdankt dieser Apparat lediglich oder doch zum
größten Teile seiner günstigen Rumpfform, die einen
regelrechten Kegelkonus darstellt, dessen vorderer
Teil torpedoartig verjüngt und zugerundet ist. An
diesem Apparate war auch besonders die große
kallottenförmige Propellerkappe charakteristisch, die
an der Basis einen Durchmesser von 500 mm aufwies.
Ihr Zweck bestand bei dem Deperdussin-Eindecker
in der regelmäßigeren und symmetrischeren Luft-
ablenkung, besonders aber darin, die Kühlluft direkt
jenen Stellen zuzuführen, die ihrer am meisten be-
dürfen: denRippen des Rotationsmotors. In Deutschland
F CN FM
N OTN
%. W
EN SN TN IN IN IN IN IN SS
117
und auch in Österreich wurde diese Idee des öfteren
aufgegriffen, jedoch nur in der Form, daB die Propeller
entsprechende Kappenansätze aus dem gleichen Holz-
material erhielten, deren Durchmesser aber weit
geringer waren. Wenn auch bei den letztgenannten
Apparaten keine Rotationsmotoren verwendet wurden,
so war doch der Zweck dieser Kappen damit verfehlt,
da sie in ihrem Durchniesser viel zu klein bemessen
waren und demgemäß nicht die für den größten
Rumpfquerschnitt erforderliche Ablenkung der Luft-
teilchen herbeiführen konnten. Als Beispiel einer
sinngemäßeren und richtigeren Anwendung einer
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Fig. 3.
Skizze eines Eindeckers mit rotierender Propellerkappe.
solchen Propellerkappe reproduzieren wir hier in
Fig. 3 den Teil des Seitenrisses eines amerikani-
schen Eindeckers. Der Konstrukteur desselben, ein
Herr M. Gouverneur, teilt zu dieser Abbildung
mit, daß dieser Apparat mit einem vierzylindrigen
Roberts-Motor ausgerüstet war und er auf Grund
seiner zahlreichen Versuche einwandfrei feststellen
konnte, daß die Anwendung der dargestellten
Metallblechhaube bei einer Geschwindigkeit von
100 km / Stunden eine Kraftersparnis von 11 PS
ermöglichte. Er konnte dies deutlich feststellen, da
er nach Abnahme dieser Haube unter den gleichen
äußeren Bedingungen eine um die genannte Differenz
höhere Le ne benötigte. Wie die Abbildung
zeigt, handelt es sich hier um eine Kappe von nahezu
Im Durchmesser! Schwierigkeiten dürften sich hier
allerdings nur bei der Lagerung einer so großen
Propellerkappe ergeben, sonst aber wäre dieses
Prinzip sehr zu befürworten. — american. —
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L Chronik DZ DXETEDK]
Neues von Pégoud. Der französische Luftartist ! geworden, doch hätte er noch durch einen Gleitflug
Pegoud, der dem Wiener- Publikum im Oktober
1913 in Aspern seine Schleifen- und Kreiselflüge,
sowie das Looping the loop vorgeführt hat, hat
natürlich, gleich seinen Kollegen, angeblich auch schon
eine Menge Ruhmwürdiges im Kriege getan. So be-
richtet wenigstens der Pariser Korrespondent des
»Newyork Herald«, der dem Flieger zufällig begegnet
ist, allerdings nicht auf dem Kriegsschauplatze, sondern
auf dem Pariser Boulevard. Pégoud erzählte, daß
er sich bei Kriegsausbruch schon auf dem »Imperator«
zur Überfahrt nach Amerika befunden hatte und nur
gerade noch mit seiner Flugmaschine über die fran-
zösische Grenze zurückkommen konnte. Jetzt sei er
im Begriff, mit seinem neuen Apparat — den alten
hatten ihm eine Woche vorher die Deutschen zu-
sammengeschossen — zur Front zurückzufliegen. Bis
nun habe er Glück gehabt. Eines Morgens, als er 120
Meilen von seinem Abflugsorte entfernt war, kam ihm
ein Hagel von Gewehrschüssen entgegen; seine
Maschine und die Flügel seien vielfach durchbohrt
worden, er selbst sei unverletzt geblieben. Als aber
der Benzinbehälter leck geworden sei und der Motor
ausgesetzt habe, sei die Situation ernstlich kritisch
*
hinter den französischen Linien niedergehen können.
Ein andermal sei er nach einem längeren Fluge über
den deutschen Stellungen, da ihm das Benzin aus-
ging, im Park eines Schlosses gelandet, das von den
eutschen besetzt war. Es gelang ihm jedoch, durch
einen Knaben in der Nacht Benzin zu erhalten und
trotz Beschiebung durch »Ulanen« zu entkommen.
Ein wackerer deutschböhmischer Feldpilot.
Zweifach ausgezeichnet, und zwar mit der großen
Silbernen Tapferkeitsmedaille und dem Eisernen
Kreuze wurde der Feldpilot Korporal Max Barthel
aus Reichenberg. Für wiederholt mit bestem Erfolge
durchgeführte Erkundungsflüge im südlichen Polen
erhielt er die große Silberne Tapferkeitsmedaille zu-
erkannt. Das Eiserne Kreuz erwarb er bei einem Zu-
sammenstoße mit einem deutschen Militärlenkballon.
Das Luftschiff kreuzte über dem österreichischen
Flugzeuge, das die Insassen des Ballons — da aus
der Höhe die Herkunft eines Aeroplans nicht zweifel-
los festgestellt werden kann — für ein russisches
hielten und deshalb mitBombenund Maschinengewehr-
feuer herunterzuholen versuchten. Selbstverständlich
hätte die Erwiderung des Feuers das Luftschiff arg
Ing. Rudolf Stanger, der als Letzter von der Festung Przemyśl abflog.
efährdet, möglicherweise gar zur Explosion gebracht.
arthel und der ihn begleitende Beobachtungs-
offizier bewahrten aber ihre Besonnenheit, bis es
ihnen gelang, die deutschen Verfolger von ihrem
Irrtum zu überzeugen. Das kaltblütige Verhalten der
österreichischen Flieger wurde im deutschen Armee-
kommando hoch gewertet und_der Auszeichnung mit
dem Eisernen Kreuz würdig erachtet. Barthel führte
in der Folge noch einige gefahrvolle Feldflüge durch,
bei der Erprobungeines Flugzeuges letzter Konstruktion
stürzte er ab und zog sich eine schwere Knieverletzung
zu, bis zu deren Ausheilung
er seiner Felddienstbestim- „ 5
mung entzogen bleibt. |
in neues italienisches
Luftschifferkorps. Unter
Ausnützung der bestehenden
Formationen wurde in Italien |
durch einen am 16. Jänner in |
Kraft getretenen Erlaß ein |
neues Luftschifferkorps ge- |
ründet. Wie die »Kölnische |
eitung« berichtet, handelt |
es sich um eine vollkommen |
selbständige Abteilung, wo- Ä
bei das bisherige Genle-
Spezialistenbataillon und das
Fliegerbataillon, das durch ° |
Gesetz vom 27. Juni 1912 ge- |
schaffen wurde, aufgelöst
werden. Im Juli 1914 lag der
Kammer ein Gesetzentwurf
des Kriegsministers Grandi
(und bereits der Bericht des
zu seiner Beratung gewählten +s
Ausschusses), betreffend die |
Neubildung eines Luftschiffer-
korps vor, der damals aber
nicht zur Verabschiedung ge-
langte. Jetzt hat mit Rücksicht
auf seine Wichtigkeit auch
für die Kriegsvorbereitung
der kgl. ErlaB den Gesetz-
entwurf in etwas veränderter
Form mit einem Schlage
durchgeführt und dabei dem
Ordinarium desKriegsbudgets
1914/15 Lire 220.000, dem s:
Extraordinarium 1914,15 rund
16'/, Millionen hinzugefügt,
von denen 5 Millionen dem
Marineministerium für
Wasserflugzeuge u. s. w. zur
Verfügung stehen. Abgesehen
von der Zentraldirektion des *
Luftschiffer- und Flugzeug-
wesens im Kriegsministerium,
deren Direktor auch Zivil-
ingenieure, Flugzeug- und
Motorenkonstrukteure, Ver-
suchsmechaniker u. s. w.
unterstehen, hat man, nach
Luftschiffern und Fliegern ge-
trennt, zwei Truppenkom-
mandos zu verzeichnen, das
erste zu je einem Bataillon Luftschiffer und Lenkluft-
schiffer mit einer Luftschifferwerkstatt, das andere
einem Bataillon Flieger mit den nötigen (Zahl nicht
bekanntgegeben) Flugzeuggeschwadern, einem Schul-
bataillon für Flieger und einer technischen Direktion
des Flugwesens, endlich ein technisches Zentralinstitut
für Luftschifferwesen. Das Offizierskorps zählt
2 Obersten, 5 Oberstleutnants, 7 Majore, 67 Haupt-
leute, 102 Leutnants und Unterleutnants und einen
Mannschaftsstand von nach Bedarf festzusetzendem
Umfange. Voll durchgeführt, wird das Luftschiffer-
korps im Ordinarium des Kriegsbudgets eine jährliche
Mehrausgabe von 0°95 Millionen verlangen.
x — Sean fav ta oron 2.4. Kany pane —L 9 .
119
Eine erschütternde Szene im Luftkriege wird
in englischen Blättern geschildert. Ein Leutnant als
Beobachter mit einem Sergeanten als Führer war
von der französischen Heeresleitung beauftragt, eine
verdeckte deutsche Batterie festzustellen, deren Feuer
roen Schaden anrichtete. »Als wir über die deutschen
inien kamen«, erzählte der Flugzeugführer, »wurden
wir von einem furchtbaren Granatfeuer begrüßt. Wir
stiegen höher und sahen endlich nicht nur eine,
sondern drei Batterien.< »Da sind sie also!« sagte
der Leutnant und ballte die Faust gegen sie. Dann
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X . 4A 22. F tamssgees
Übersichtskarte der bisherigen Luftkämpfe über See. (Von W. Krebs.)
rief er, zu mir gewendet: Unsere Aufgabe ist erfüllt,
schnell zurück!« Ich wandte rasch, aber wir waren
kaum 500 m weit gekommen, als der Regen der
Schrapnells schlimmer denn je wurde. Der Rauch
hüllte uns in so dichte Wolken, daß es unmöglich
war, 20 m weit zu sehen. Wir versuchten, aus dieser
Hölle hinauszukommen, aber Schrapnells, eins immer
besser gezielt als das andere, explodierten gerade
über unseren Köpfen mit entsetzlichem Krachen.
Einen Augenblick glaubte ich, daß mein Gehirn
zersprungen sei. Gleichzeitig fühlte ich mich plötzlich
krank; dann schnitt mit einem Male dichter Nebel
jede Aussicht ab, so daß ich wie in der Nacht saß.
120
Trotz meiner Schmerzen hielt ich die Maschine in
derselben Höhe, um den Geschossen auszuweichen,
die seltener wurden. »Sind sie gesund, Leutnant ?«
rief ich, aber ich bekam keine Antwort, da ich glaubte,
daß er mich nicht gehört hatte, wiederholte ich meine
Frage, und öffnete dabei meine Augen. Aber ich empfing
wieder keine Antwort, und ich sah nichts als tiefe
Dunkelheit um mich her. Ich befand mich allein im
weiten Raum, 6000 Fuß über der Erde. Ich fürchtete
mich und befahl meine Seele Gott, denn ich fühlte,
mein letztes Stündlein sei gekommen. Da ich die
Batterien der Feinde unter mir hörte, so hatte ich
nur den einen Gedanken, zurückzukehren, koste es,
was es wolle, um die Meldung zu überbringen. Geleitet
von dem Geräusch der Schrapnells unter mir, wendete
ich die Maschine in der Richtung, in der ich zu meinen
Kameraden zu konımen hoffte. Ich fuhr nun in dieser
Richtung nach meiner Rechnung ungefähr zwei
Minuten, als der Leutnant zu meinen Erstaunen
plötzlich ausrief: »Achtung Mann! Höher hinauf! Ich
rieB das Flugzeug so rasch empor, daß es hinauf-
schoß und dabei die Wetterfahne eines Kirchturms
mit fortriB, an dem die Maschine um ein Haar zer-
schmettert wäre. »Danke, Herr Leutnant,< sagte ich.
»Sie müssen entschuldigen, aber ich kann nichts sehen.
Sind Sie verwundet ?« >Ja,« antwortete er, ich glaube
schwer; ich fühle mich sehr schlecht.« Dann sagte
er: »Wenden sie jetzt nach links, noch mehr nach
links. So ist’s gut. Nun gerade vorwärts.« Bald zeigte
mir ein frischer Kugelregen an, daß wir wieder über
den Linien der Deutschen waren; etwa drei Minuten
später rief die Stimme des Beobachters: »Nun sind
wir da. Ich sehe unsere Leute, die auf uns warten.
Laßt den Apparat niedergehen!« Ich hörte nichts
mehr, aber bald landeten wir auf festem Grund und
Boden. Den Wartenden, die das Flugzeug umringten,
bot sich ein erschüttender Anblick dar: der Flugzeug-
führer war erblindet, für immer des Lichtes beraubt,
und neben dem bleichen Mann mit den toten Augen
lehnte der leblose Körper des Offiziers, der soeben
seinen letzten Atemzug getan hatte.
VATENTE
Vortragszyklus über Luftfahrt im Wiener
Volksbildungsverein. Der vom Wiener Vollesbildungs-
verein jeden Dienstag von '/,8 bis / 9 Uhr abends
im Wiener Volksbildungshause, V. Stöbergasse 13—15,
veranstaltete Vortragszyklus über »Die Luftfahrt« hat
in weiten Kreisen großes Interesse erweckt, so daß
durch die Liebenswürdigkeit der vortragenden Fach-
leute dem Wunsche entsprochen werden kann, noch
einige Kursabende anzufügen, was jedoch nur unter
teilweiser Abänderung der in der letzten Nummer der
Flug-Zeitschrift veröffentlichten Kursordnung möglich
wurde. Demnach werden noch folgende Vorträge ab-
gehalten: °
13. April 1915. Aeroplane I. Ing. Fritz Ellyson.
20. Aeroplane II. Ing. Fritz Ellyson.
Aeroplane lil. Ing. Fritz Ellyson.
Medizin und Flugwesen. Dr. Georg
Stein.
Das Luftrecht. Dr. O. Ritter v. Komor-
zyaski-Oszczynski.
Schrauben- und Schwingenflieger, so-
wie sonstige Konstruktionen. Paul
Bellak.
Aerophotogrammetrie. Die Orientierung
des Luftfahrers. Ing. Paul Kürt.
Die Praxis des Be ‚Ing. Paul Kürt.
Wasserflugzeuge. Ing. Fritz Ellyson.
Vergangenheit und Zukunft des Flug-
wesens. Die Überwindung der Schwer-
kraft. Paul Bellak.
Eine Jagd auf deutsche Flieger. Zwischen
Nancy und Tou! fand am 7. v. M. eine Jagd auf
deutsche Flieger statt. Von der Ankunft eines deutschen
Flugzeuges benachrichtigt, schwangen sich französi-
sche Flieger sofort in die Luft, um den Ankömmling
zu umzingeln und anzugreifen. Gleichzeitig eröffnete
die Artillerie das Feuer auf die Taube, die sofort die
Richtung nach dem Elsaß einschlug. Da das Flugzeug
sich sehr hoch hielt, konnte es die deutschen Linien
erreichen, bevor es den französischen Fliegern gelang,
den Deutschen wirksam anzugreifen.
21... =
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erwirkt
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Der Inhaber des österreichischen Patentes Nr. 53.271 vom 1. Jänner 1912, betreffend:
„Lenkbares Luftschiff“
wünscht behufs Fabrikation des patentierten Gegenstandes mit österreichischen Fabrikanten in Ver-
bindung zu treten. Derselbe ist gerne bereit, das Patent zu verkaufen sowie Lizenzen zu erteilen oder
andere Vorschläge zur Ausführung des Gegenstandes des in Frage stehenden Patentes entgegenzunehmen.
Gefällige Anträge unter -H. B. 331« an die Expedition Rudolf Mosse, Wien, I. Seilerstätte Nr. 2.
Herausgegeben vom: K. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein-. — Verantw. Red.: in Vertretung Fritz Ellyson.
Druck von Otto Maaß’ Söhne, Wien I.
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OSTERREICHISCHE
> Herausgegeben von dem unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Majestät des
Om
Manuskripte werden nicht zurückgestellt. Der Nachdruck 9g Angenommene Beiträge werden honoriert. Die Verfasser
von Artikeln und Abbildungen ist nur mit Quellenangabe $8 sind für Form und Inhalt der von ihnen eingesandten
und Zustimmung der Redaktion gestattet. 88 Artikel und Abbildungen verantwortlich.
OC 0000000) 7 Coo JOINS
ERSCHEINT ZWEIMAL IM MONAT.
Nr. 9/10 Mai 1915 IX. Jahrgang
Inhalt: Tödlicher Absturz des Piloten Wittmann. — Der Fesseldrache, von Hauptmann J. V. Berger. — Graphostatik, mit
besonderer Berücksichtigung der Fachwerke. (Fortsetzung.) — Die russische Luftflotte. — Glacialkosmogonische Beiträge zur
Erdbebenforschung, von H. Hörbiger, Maschineningenieur und Privatastronom. — Sturmkalender für Mai und Juni 1915, von
Wilhelm Krebs (Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen). — Bericht über die Generalversammlung des k. k. Oster-
reichischen Aeroklubs am 17. April 1915. — Biicherbesprechungen. — Chronik.
Chefredakteur: Ing. A. Budau, o. 6. Professor der k. k. Technischen Hochschule in Wien
Redakteur fiir den offiziellen und wissenschaftlichen Teil fiir die Dauer der Abwesenheit der Herren Obcrst
Wilhelm Suchomel und Ing. Adolf Janisch: Fritz Ellyson
Unter Mitwirkung von:
PAUL BELLAK Dr. A. HILDEBRANDT RICHARD KNOLLER ROBERT POLLAK LUDWIG SCHMIDL
Prokurist, Wien Luftschifferhauptmanna.D., Ing., Professor a. d. k. k. RITTER v. RUDIN K. u. k. Rittmeister, Wiener-
FELIX BRAUNEIS „ Berlin Techn. Hochschule, Wien Ingenieur, Wien Neustadt
Ingenieur, Wien F. HINTERSTOISSER W. KREBS J. POPPER-LYNKEUS LEOPOLD SCHMIDT
Dr. Ing. WALTER F REIN. k. u. k. Major, Wien Laa der W Ingenieur, Wien Ing., Prof., Wr.-Neustadt
Konstrukteur an der k. k RAÖUL HOFFMANN 55 STEPHAN poppER KARL TINDL
Techn. Hochschule, Wien Ingenieur, Wien GUSTAV E. MACHOLZ Ingenieur, Wien Ing., Konstrukteur a.d.k.k.
EDUARD DOLEZAL ANTON JAROLIMEK Johannisthal Techn. Hochschule, Wien
k. k. Hofrat, 0.0. Prof., an k.k. Oberinspektor, König- HUGO L. NIKEL 3 WILHELM TRABER T
der k. EI anim Hoch- grätz k. k. techn. Ob.-Offiz., Wien Wenne Wien 5 PE Pr der
d entralanstalt für eoro-
FRITZ ELLYSON Prof ala u Tech- Rn fe ORELLI RUDOLF SCHIMEK logie u. Geodynamik, Wien
Flugmaschinen- rofessor a. d. k. k. Tec riftsteller, Wien k. u. k. Major d. R., Direktor
Konstrukteur, Wien nischen Hochschule, Wien STEPHAN PETROCZY der Autoplanwerke, Wien Dr. C. WIESELS-
IGO ETRICH D. W. KAISER v. PETROCZ : BERGER
Großindustrieller, Ober- Kapitänleutnant a. D., k. u. k. Luftschifferhaupt- Dipl. Ing. C. SCHMID Assistent an der Universität
altstadt Charlottenburg mann, Wien Lindenberg in Göttingen
Tödlicher Absturz des Piloten Wittmann.
Bei einem Probeflug verunglückt.
Einer der prea He ungarischen Aviatiker, der | worauf diese ihn baten, den Flug nach Aspern zu unter-
zu den schönsten Hoffnungen berechtigte, ist am | lassen, doch der pflichtbewußte junge Mann ließ sich
10. d. M., abends, in Aspern während des Ausprobierens | nicht abreden. Er flog ab und landete glatt auf dem
einer für die Armee bestimmten Flugmaschine abge- | Flugfelde in Aspern. Samstag nachmittags und Sonntag
stürzt, und zwar so unglücklich, daß er eine halbe | früh flog er den Apparat vor der Kommission in Aspern
Stunde darauf seinen Verletzungen erlag. Der unglück- | ein. Sonntag nachmittags klagte Wittmann neuer-
liche Pilot ist der Oberingenieur der Ersten ungarischen | dings über heftige Kopfschmerzen, er bestieg aber am
Flugmaschinenfabrik Viktor Wittmann, dessen Name | Abend neuerlich den Apparat und nahm den Piloten
in der ungarischen Aviatik einen guten Klang hatte. | Ziegler mit.
Über die Katastrophe wird folgendes gemeldet: Der Apparat parierte glänzend, alssich Wittmann
Die Erste ungarische Flugmaschinenfabrik hatte in | zur Landung anschickte. Plötzlich, in etwa 50 m Höhe
letzterer Zeit große Bestellungen für die Armee er- | über dem Boden, neigte sich die Maschine zur Seite
halten und Oberingenieur Wittmann fiel die Aufgabe | und im nächsten Augenblick lag sie in Trümmern auf
zu, jeden Apparat vor seiner Ablieferung an die Heeres- | dem Boden, die beiden Piloten unter sich begrabend.
leitung auszuprobieren und dann abzuliefern. Eine | Sofort eilten die auf dem Flugfeld weilenden Aviatiker
solche Ablieferung hatte auch am Samstag zu erfolgen. | in Automobilen zu der abgestürzten Flugmaschine, wo
Wittmann bestieg den zur Übergabe bestimmten | sie den Piloten Ziegler völlig unversehrt antrafen,
Apparat in Budapest mit seinem Monteur Wirko und | während Wittmann mit furchtbaren Verletzungen
flog glatt von hier nach Aspern. Vor seinem Abfluge | unter der Maschine hervorgezogen wurde. Eine halbe
am Freitag abends beklagte sich Wittmann zu seinen | Stunde später, um halb acht Uhr abends, erlag der
Pester Freunden, daß er heftige Kopfschmerzen habe, | Unglückliche seinen Verletzungen.
122
Viktor Wittmann war in Szolnok geboren und
26 Jahre alt. Er widmete sich schon zur Zeit, als er
noch die Technische Hochschule besuchte, dem Studium
der Aviatik und war alsbald einer unserer tüchtigsten
Theoretiker.
Später ging er nach Frankreich, und zwar
nach Reims, wo er in der Fabrik von Caudron
praktische Studien betrieb. Aus Frankreich zurück-
gekehrt, ging er mit Unterstützung unseres Handels-
ministeriums nach Wr.-Neustadt, wo er ein Schüler
Iliners wurde. Nach Budapest gekommen, war er
alsbald einer unserer tüchtigsten Flieger, der den un-
garischen Höhenrekord mit 1096 m aufstellte. Er nahm
am Schichtflug teil und holte sich den Zuverlässigkeits-
preis von K 10.000. Alljährlich nahm er am ungarischen
Stephanspreis mit Erfolg teil. Auch indem vom k.k. Oster-
reichischen Aeroklub im Juni 1914 veranstalteten dritten
internationalen aviatischen Meeting in Aspern erzielte
er ansehnliche Leistungen. In der Höhenkonkurrenz
erreichte er als Erster mit einem Passagier 3070 m Höhe.
Am dritten Tage des Meetings kam er mit einem Passa-
gier 3260 m hoch, am vierten Tage 3400 m, und am
letzten Tage erreichte er in der Geschwindigkeits-
konkurrenz den dritten Preis. Zu Beginn des Krieges
1 er auf dem südlichen Kriegsschauplatz mit Erfolg
ätig. |
Der Fesseldrache.
Von Hauptmann J. V. Berger.
Die längste Zeit war der Fesseldrache nichts
anderes als ein bei Kindern sehr beliebtes Spielzeug.
Erst Franklin, der Erfinder des Blitzableiters, wies
mit Hilfe des Drachen die elektrische
Spannung der Gewitterwolken nach. Zu seiner Zeit
wurde dadurch der Drache ein Modegerät, mit welchem
die ganze Welt experimentierte. Es ist selbstverständ-
lich, daß die Wissenschaft von allen diesen Versuchen
keinerlei Gewinn hatte. Das Interesse an Drachen
schlief auch bald wieder ein, um erst in der Mitte
des vergangenen Jahrhunderts, aber in streng wissen-
schaftlicher Form, neu zu erstehen. Von dem Be-
dürfnis getrieben, die höheren Luftschichten der Er-
forschung zugänglich zu machen, griff die Aerologie,
man kann sagen notgezwungenermaßen, zum Fessel-
drachen und gab dadurch den Flugtechnikern eine
sehr dankbare Aufgabe. Von den verschiedenen Kon-
struktionen, welche daraufhin entstanden, seien hier
nur zwei genannt: der »Hargrave- und der
»Nickel-Drache«. Beide haben bis jetzt der wissen-
schaftlichen Erforschung der höheren Luftschichten
gute Dienste geleistet und dadurch den Drachen
auch für andere Zwecke geeignet erscheinen
lassen. In dieser Beziehung sei auf die Aerophoto-
grammetrie, das Hochnehmen von Beob-
achtern und das Signalisieren aus der
Luft hingewiesen.
Der Siegeszug des Flugzeuges hemmte jedoch
abermals die Entwicklung des Drachen. Alles war von
den mit unerwarteter Geschwindigkeit steigenden
Leistungen der Flugmaschinen derart überrascht und
hingerissen, daß der Fesseldrache in den Hintergrund
gedrängt wurde. Ist dies auch begreiflich, so wolle
doch nicht vergessen werden, daß ebenso wie auf
dem Meere Fahrzeuge verschiedenster Bauart neben-
einander bestehen, das Segelschiff sich neben dem
Unterseeboot behauptet, auch in der Luft die mannig-
fachsten Formen von Fahrzeugen neben- und mit-
einander Verwendung finden können und eine solche
auch finden müssen.
ede Art von Fahrzeugen hat ein ganz bestimmtes
Gebiet, auf welchem sie allen anderen vorzuziehen
ist. Die Flugmaschine darf daher nicht als eine Ver-
drängerin des Drachen, sondern nur als ein Mittel
betrachtet werden, das uns hilft, das beste Verwen-
dungsgebict für jede Art von Luftfahrzeugen zu er-
kennen. Fesselballon und -drache auf der einen,
Motorballon und Flugzeug auf der anderen Seite
bilden Typen von ganz deutlich ausgesprochener
Eigenart; weil jede von ihnen in einem bestimmten
Belange allen anderen vorzuzichen ist, müssen sie alle
nebeneinander bestehen.
Die Vernachlässigung, welche der Drache infolge
des Siegeszuges der Flugzeuge erlitt, macht sich jetzt
im Kriege sehr unangenehm fühlbar, denn es fehlt
allerorten an Drachen.
Selbst eine nur oberflächliche Betrachtung der
Eigenart des Drachen ergibt, daß er infolge seiner
einfachen Bauart von allen Luftfahrzeugen die gering-
sten Gestehungskosten verursacht. Seine Handhabung
und Instandhaltung sind die denkbar einfachsten. Als
besonderer Vorteil muß seine Fähigkeit,
im starken Winde zu fliegen, bezeichnet
werden.
In anderen Belangen steht er wiederum den
übrigen Luftfahrzeugen nach. So fehlt ihm die Fähig-
keit zur Ortsveränderung aus eigener Kraft, auch ist
sein Tragvermögen ein verhältnismäßig geringes und
schließlich läßt seine Betriebssicherheit heute noch
viel zu wünschen übrig.
Mit voller Berechtigung kann man daher sagen,
daß es im Interesse aller an der Luftschiffahrt irgend-
wie Beteiligten liegt, wenn der Fesseldrache
unter Ausnützung seiner Vorzüge und unter
Berücksichtigung der Grenzen seiner
Leistungsfähigkeit der Wissenschaft
und der Technik dienstbar gemacht werde.
Stabilität, Steighöhe und Hubkraft sind die drei
Hauptziele der Drachenforschung. Zu ihrer Klärung
mögen nachfolgende Zeilen einen bescheidenen Bei-
trag in der Absicht bieten, dem Fesseldrachen zu
dem ihm gebührenden Platze zu verhelfen.
Bevor jedoch auf den Gegenstand eingegangen
werde, sei die Bemerkung gestattet, daß wir derzeit
zwar schon eine Theorie der athmosphärischen Ge-
setze haben, daß diese aber viele Annahmen enthält,
von deren Unanfechtbarkeit jedoch nicht jedermann
überzeugt zu sein braucht.
Die Frage der Stabilität, des Gleichgewichtes in
der Flugrichtung und senkrecht darauf, muß deshalb
den Ausgangspunkt der Betrachtung bilden, weil mit
ihr die Flugfähigkeit, also die Vorbedingung zur
praktischen Verwendbarkeit des Fesseldrachen, be-
antwortet wird. Um die Untersuchung möglichst ein-
fach zu halten, sei die Annahme gestattet, die
Drachenfläche sei eine Ebene F in Fig. 1.
Wie auf jeden Flugkörper, wirken auch auf den
Fesseldrachen drei Kräfte cin. Er muß daher auch
drei Hauptpunkte*) aufweisen. Es sind dies: der
»Zugpunkt« Pz, in welchem der Zug des Fessel-
kabels angreift, der »Druckpunkt« Pd, wo der
hebende Luftdruck ansetzt, und der »Schwerpunkt«
Ps, der Angriffspunkt der Schwerkraft. Diese drei
Punkte können einzeln liegen oder auch, wie in
meinem Aufsatze: »Beiträge zur Flugtechnik« aus-
geführt, zu zweit, bezw. zu dritt zusammenfallen. Aus
den im ebengenannten Aufsatze enthaltenen Angaben
kann entnommen werden, wie in einem solchen Falle
vorzugehen ist. Zur Vereinfachung vorliegender Aus-
führungen sei die in Fig. I dargestellte Lage der drei
Hauptpunkte allein betrachtet.
Bei dieser Gelegenheit sei gleich darauf hin-
gewiesen, daß der Zug- und der Schwerpunkt eine
durch die Konstruktion gegebene Lage haben, während
jene des Druckpunktes veränderlich ist.
) Diesbezüglieh siehe auch meinen Aufsatz: „Beiträge zur
Flugtechnik“ in Nummer 56 dieser Zeitschrift.
Bezüglich der drei in diesen Punkten angreifenden
Kräfte: der »Zugkraft« Z, der »Druckkraft« D und der
»Schwerkraft« S ist zu bemerken, daß ihre Richtungen
insoweit festgelegt erscheinen, als die erstgenannte
stets in der Richtung des Fesselkabels, die zweite
senkrecht auf die Drachenfläche und die dritte lotrecht
wirken. Da der Fesselort gegeben ist, erscheinen auch
die Richtungen der ersten und dritten Kraft festgelegt.
Abermals ist es die im Druckpunkte angreifende Kraft,
welche der Festlegung bedarf. Wir sehen also jetzt
schon, daß die Hauptsache der Untersuchung die
Druckkraft und ihr Angriffspunkt bilden werden.
Hinsichtlich der Guerstabilitat ist es ohne-
weiters klar, daB die drei Hauptpunkte in einer, der
Symmetrieebene, liegen miissen, weil sonst ein Pendeln
des Drachen um seine Längenachse unvermeidlich,
ein ruhiger Flug somit unmöglich ist. Die nach oben
verlängerten Kraftrichtungen Z und S dürfen sich daher
nicht kreuzen, sondern müssen sich im Punkte O
schneiden. Durch diesen Punkt muß nun auch die
E + Prachen(Trag) Fläche
B-Z ugpunkt
Boe Drucknunkl
2 Schwerpunkt
0 - Hraflezentrum
7 2 Winkel
Z°Z ughraf!
D »Wınddaruch
S - Gewicht
€ d f= f)
Fig. 1.
verlängerte Druckrichtung gehen, wenn Gleichgewicht
herrschen soll, weil nur dann ein Drehen der hebenden
Luft um den den Drachen haltenden Zugpunkt Pz ver-
mieden wird. Das Kennzeichen für einen flug-
fähigen Drachen ist somit das Vorhandensein
eines »Kräftezentrums« O, in welchem sich die
Verlängerungen der drei Kräfte schneiden.
Ist diese Bedingung erfüllt, so wird der Drache
ruhig in der Luft schweben und weder steigen noch
sinken.
Die mathematischen Bedingungen für das Gleich-
gewicht sind:
Z=O und Ma = Ms, wenn Ma das Drehmoment
des hebenden Luftdruckes, Ms jenes des herabziehen-
den Gewichtes bedeuten. Beide Momente sind wegen
des Verschwindens der Zugkraft auf den Zugpunkt
Pz zu beziehen. Der Abstand des Schwerpunktes Ps
vom Zugpunkt Pz ist, wie bereits gesagt, bekannt,
dagegen die Strecke Pz-Pa unbekannt. Sie möge mit
x bezeichnet werden, während wir erstere mit | be-
nennen wollen. Beim Drachenwinkel @ besteht dann
die Momentgleichung:
Ma = Ms
worin
2 A. abelzuggegenkraft
A V. cs «Auftrieb
A =. Z A-
123
Ma = xX. cos . A
und
| Ms = I. cos . s
sind. Wegen A (Auftrieb) = D. cos a, wird
x = sec c. 5 ee 1)
Setzen wir des weiteren im Kräftezentrum O das
Parallelogramm der drei mehrerwähnten Kräfte zu-
sammen, so finden wir die auf den ersten Blick be-
fremdende Erscheinung, daß Z nicht Null wird,
sondern einen der ursprünglichen Richtung entgegen-
gesetzten Wert von Z“ annimmt. Eine einfache Über-
legung läßt jedoch gleich erkennen, daß es sich bei
Z' um die zur Hochnahme des Kabels erforderliche
Kraft, welche gleich dem Gewichte des abgelaufenen
Kabelstückes ist, handelt. Da diese Länge und das
Gewicht des Kabels pro laufenden Meter bekannt
sind, ist auch 2“ bekannt. Mit Hilfe des
Sinussatzes läßt sich nun aus dem Drei-
eck OD Z“ die Größe D rechnen mit:
D: Z = sin E: sine
_ sin C 2
sin «
E = 180 — (la+ 6)
_ cos(Z2a+f) ,,
dz sin æ 3
Die Verbindung der Formeln 1) und 2)
ergibt:
= tg æ 1.8
cos (2 f 2
Nunmehr haben wir alle in Betracht
kommenden Werte durch bekannte Größen
und die Winkel @ und @ ausgedrückt. Zur
Bestimmung der letzteren wurden bisher
entweder Voraussetzungen gemacht, die
nicht unbedingt richtig sein müssen oder
man hat Messungen von ungenügender
Genauigkeit vorgenommen. Beides kann
nicht befriedigen. Ich erlaube mir daher
vorzuschlagen, durch Verwendung photo-
grammetrischer Meßmethoden die Ge-
nauigkeit auf das größte, heute erreich-
bare Maß zu steigern. Allerdings werden
für die hier notwendigen Aufnahmen ge-
wöhnliche photographische Apparate deshalb nicht
entsprechen, weil die großen Steighöhen der Drachen
einerseits und die Wahrscheinlichkeit anderseits, daß
in den oberen Luftschichten ein anders gerichteter
Wind als auf dem Boden weht, ein Aufnahmegerät
mit großem Bildwinkel erfordern, während Moment-
aufnahmen undurchführbar sind, da mit der plötzlich
veränderbaren Windrichtung auch der Drache seine
Stellung und Neigung ändert. Deshalb kann an Weit-
winkelobjektive nicht gedacht werden. Das einzige
Gerät, welches somit für gegenständliche Zwecke in
Frage kommen kann, ist der nach meinen Angaben ab-
geänderte Scheimpflugsche Panorama-Apparat.*)
Diese Abänderungen habe ich bei der Propa-
gierung des Scheimpflugschen Instrumentariums
für Zwecke der ballistischen Forschung“) dahingehend
vorgeschlagen, daß die Mittelplatte des Apparates
lotrecht gestellt werde und diejenigen Seitenplatten,
welche nach unten arbeiten, weggelassen werden,
weil die nicht gebraucht werden. Für vorliegenden
. 1a)
*) Siehe diesbezüglich meinen Aufsatz in der Nr. 13 bis 17,
Jahrgang 1913, dieses Blattes.
**) Siehe diesbezüglich »Internationales Archiv für Photo-
grammetrie«. IV. Band, 1913/14.
124
Zweck gilt dies ebenfalls, denn auch hier muß man
mit lotrechter Mittelplatte arbeiten und kann der nach
abwärts photographierenden Seitenplatten entbehren.
Wie bei der ballistischen Forschung kann auch für
Drachenmessungen die zweifache, das stereometrische,
so überaus genaue Ausmessen ermöglichende Auf-
nahme mit großem Vorteil Anwendung finden. Die
Basis, der Abstand der beiden Panorama-Apparate,
rechnet sich aus der größten Gegenstandsweite mit
Hilfe der als bekannt vorauszusetzenden Brennweite
und der als gerade noch zulässig anzunehmenden
Punktschärfe. Nehmen wir, um ja recht sicher zu
gehen, an, daß noch Drachen in 10 km Höhe über
der durch die optischen Achsen beider Mittelplatten
gelegt gedachten wagrechten Ebene aufgenommen
werden sollen, ferner, daß die Brennweite rund
100 mm, die kleinste zulässige Bildschärfe 0'1 mm
betrage, so erkennen wir aus dem Verhältnis der
Brennweite zur Bildschärfe von 1:1000, daß die Basis
Arbeit muß zwar mit großer Sorgfalt ausgeführt
werden, sie wird aber bei einiger Übung kaum viel
Zeit beanspruchen. Der Halbmesser des Bildfeldes
entspricht beim alten gelegentlich der Katastrophe
von Fischamend vernichteten Apparat dem 2˙5 fachen
der Aufnahmeweite, das heißt, bei 10 km größter
Steighöhe des Drachen muß der Abstand des
Aufnahmegerätes 10:25 = 4 km betragen. Der
Stereokomparator gestattet noch eine Ausmessung auf
0°01 mm; soll der Drache daher auf der Platte noch
wahrnehmbar sein, so muß er im Verhältnis dieser
Genauigkeitsgrenze zur Brennweite, also 4 dm groß
sein.
Dieses Maß ist selbstverständlich nur als untere
Grenze für die Wahrnehmbarkeit des Drachen aufzu-
fassen. Für die Vornahnıe von Messungen muß es
überschritten werden. Als Anhaltspunkt kann da aber-
mals die Tatsache gelten, daß als unterer Grenzwert
der Punktschärfe des unbewaffneten Auges O'I mm
gelten. Sollen, 1 5 bei der wie:
i di a aga messung notwendig ist, zwei Punkt-
A i „ 2 2. linkes boite, koordinaten bestimmt werden, so darf
„ rechle FAN H>H, -a + Basis die Länge des Drachenbildes nicht unter
A unke | Platte ZEN H:0-H-9-f-Brenmwete 02 mm, das wären in der Natur 8 m,
55 \ > Bild con Pant A sinken. Geht man der Genauigkeit wegen
ch | Ha Prunk? / \ 2 y . , : f
H + linker | Apiun j \ È -Bild von Pau Pl noch ein wenig weiter, so kann man
/ \ B:P'- p- Aral diesen Wert auf 10 m aufrunden und
/ \ daraus die allgemeine Regel ableiten:
/ \ »Die Lange des Drachen muB ebensoviel
/ \ Aus dem Bilde folgt. Meter betragen als seine größte Steig-
/ \ Daf , afp eee. höhe Kilometer beträgt.«
/ \ Die Aufstellung des photogrammetri-
ebensoviel Meter betragen muß als die Aufnahmehöhe
Kilometer zählt. Mit 10 m Basis kommen wir sonach
fast für alle Fälle aus. Die beiden zu einem Aggregat
gehörenden Panorama-Apparate werden am besten
durch eine Gitterträgerkonstruktion zu einem Ganzen
fest verbunden und dieses um einen lotrechten Ständer
in der Wagrechten drehbar gemacht. An diesem
Ständer ist auch ein Fernrohr und die Auslösung
sämtlicher Momentverschlüsse zu befestigen, damit
der Beobachter einerseits das System so drehen kann,
daß der Drache stets von der Seite gesehen wird und
damit er im geeigneten Momente alle Kammerver-
schlüsse auslösen kann. Um eine genaue Ausmessung
zu ermöglichen, müssen an beiden Apparaten Vor-
richtungen angebracht werden, welche es gestatten,
die Mittelplatten in eine lotrechte, ihre optischen
Achsen in eine und dieselbe wagrechte Ebene zu
bringen; das heißt, man muß Wasserwagen und Visier-
vorrichtungen vorschen. Das Traggerüst muß an einem
nach allen Seiten freie Übersicht gewährenden Punkte
dauernd eingebaut werden, so daß nur die beiden
Panorama-Apparate jeweils aufzusetzen sind. Diese
— . eet
schen Aufnahmegerätes kann auch auf
dem drehbaren Dache des Kabelhauses,
falls überhaupt ein solches vorhanden
ist, erfolgen. Dann besteht die Möglich-
keit, stets mit dem Winde zu photo-
graphieren und es treten Stirn-(en face-)
Aufnahmen an Stelle der seitlichen (en
profil-) Aufnahmen. Im Genauigkeits-
grade ist eine Änderung nicht zu be-
fürchten, die Bestimmung des Zug-
winkels 5 erfolgt durch Messung der
Zugpunktkoordinaten, aus welchen mit
Annahme des Aufstellungsortes als
Koordinatenanfang der Zugwinkel als
arc. tg. des Bruches: Ordinate durch
Abszisse folgt.
Den Lagewinkel œ bestimmt man aus
der Koordinatendifferenz zweier, tun-
lichst weit voneinander entfernter Punkte
des Drachen auf ganz die gleiche Weise.
Gegenüber dererstgenannten Methode
hat die zweite den Vorteil, daß ein Auf-
stellungsplatz für die Kabelstation nicht
erst ermittelt werden muß und daß stets
mit dem Winde photographiert werden kann. Wegen
des letzteren Umstandes ist bei Anbringung einer
Seitenwinkelteilung am Kabelhaus auch die Be-
stimmung der Windrichtung in jener Höhe möglich,
in welcher der Drache schwebt, bezw. seine Gleich-
gewichtslage erlangt. Man kann also auf diese Weise
die Windrichtung der oberen Luftschichten messen.
Bei seitlichen Aufnahmen kann die Bestimmung
der Windrichtung nur indirekt erfolgen. Aus den
Koordinatenmessungen im Stereokomparator ergibt
sich der Winkel zwischen der Windrichtung und der
Plattenebene. Durch Bildung der algebraischen Summe
aus diesem Werte und dem Azimut der Plattenebene
erhält man die tatsächliche Windrichtung.
Bei der ersten Methode ermittelt man den Zug-
winkel 5 aus der mit Hilfe des Stereokomparators
zu messenden Koordinatendifferenz des Zugpunktes
und der Kabelerdstation. Damit diese beiden Punkte
verläßlich auf den Bildern erscheinen, ist dem Beob-
achtungsfernrohr ein dem lot-, bezw. senkrechten Bild-
winkel gleicher Ausschlag zu geben.
Bei diesen Messungen kann man auch sofort die
in Drarhenhöhe herrschende Windrichtung feststellen.
Den Lagewinkel œ erhält man durch Messung
der Koordinaten zweier in der Symmetrielinie des
Drachen liegender Punkte als arc. tang des Bruches,
Ordinaten- durch Abszissendifferenz.
Die Einführung beider Winkelwerte in die For-
meln 1a) und 2 gibt die Lage des Druckpunktes Pd
und die Größe des Winddruckes D.
Nun handelt es sich darum, den Zusammenhang
zwischen der Geschwindigkeit und dem Drucke des
Windes zu bestimmen.
Die ganz allgemein gehaltene Formel hiefür
lautet:
D = f (v)
Die Ermittlung dieser Funktion dürfte in einwand-
freier Weise nur so möglich sein, daß mit Hilfe der
aerodynamischen Wage, siehe 1. und 2. Heft dieser
Zeitschrift, 1915, Seite 14, Fig. 4, alle in Betracht
kommenden Drachen-, bezw. Tragflächenformen der
Untersuchung im Luftstrome aller denkbaren Stärken
unterzogen werden. Es wird sich empfehlen, hiebei von
Selbstschreibern (automatischen Registrierapparaten)
Gebrauch zu machen.
Derart erhält man für jede Drachen-, bezw. Trag-
flächenform den Zusammenhang zwischen der Stärke
und dem Druck des Windes. Werden die Werte der
ersteren als Abszissen, der letzteren als Ordinaten
auf Millimeterpapier aufgetragen, so ergibt sich ein
Linienzug, welcher durch einen von Hand aus vor-
zunehmenden Koordinatenausgleich zu einer stetigen
Kurve umzuformen ist, deren Gleichung mit Hilfe der
analytischen Geometrie bestimmt werden kann. Diese
ist das gesuchte Gesetz.
Um dem Einwand, daß Laboratoriumsversuche
den Verhältnissen der Wirklichkeit nicht entsprechen,
zu begegnen, wären die Messungen des Winddruckes
auch in freier Luft vorzunehmen. Die Selbstregistrie-
rung eines geeichten Winddruckmessers in Verbindung
mit jener eines Anemometers wird auch bei frei-
strömender Luft den gesuchten Zusammenhang in
einwandfreier Weise ergeben. In beiden Fällen dürfte
es sich jedoch empfehlen, für jede Geschwindigkeit
mehrere Werte des Winddruckes zu beobachten
und deren Mittel zu verwerten. Dann wird die
Schlußfolgerungumsozwingender werden.
Ist die tatsächlich zwischen dem Druck und der
Geschwindigkeit des Windes bestehende Beziehung
bekannt, so kann man aus der Größe des nach
Formel 2 zu berechnenden Winddruckes die Stärke
des in Drachenhöhe wehenden Windes ermitteln.
Die Höhe ist aus der Stereokomparatormessung er-
hältlich.
Die stereometrische Messungsart geht aus Fig. 2
hervor. Pl, und Pl, sind die beiden lichtempfind-
lichen Platten, beim Scheimpflugschen Panorama-
Apparat die bereits transformierten und vereinigten
Platten, f ist die Brennweite, P jener Punkt, dessen
Entfernung zu messen ist, und a der Abstand beider
Plattenhauptpunkte. Zwischen diesen Größen und der
zu suchenden Entfernung D besteht die Beziehung
D:a—f:p
125
wenn man mit p das Maß jener Verschiebung be-
zeichnet, welche erforderlich ist, um die anfangs
gleichlaufenden Visuren im Punkte P zu vereinigen.
Diese, als »Parallaxe« bezeichnete Verschiebung
gestattet der Stereokomparator bis auf 0°01 mm genau
zu messen. Wir können daher die Entfernung des
Punktes P aus der oben angegebenen Formel rech-
nen mit:
a.f
ee ‘l ee o 3
5 )
weiche man auch schreiben kann:
a.f
D= P 3a)
Um eine Vorstellung darüber zu gewinnen, mit
welcher Genauigkeit Entfernungsmessungen im Stereo-
komparator durchführbar sind, differenzieren wir die
Formel 3a nach p und erhalten daraus:
D?
d D = — a f d 334 4)
Die Einführung der bereits früher ermittelten
Werte von:
D= 4 km
a= 10m
f = 100 mm
und
dp = O Ol mm
gibt:
d D = — 160 m
Das Tragvermögen der Drachen, die letzte der
festzustellenden Größen, wird am besten ebenfalls
auf dem Versuchswege ermittelt, indem man Drachen
gleichen Systems, aber verschiedenen Eigengewichtes
unter wechselnder Belastung bis zur Gleichgewichts-
höhe steigen läßt, über alle Wahrnehmungen und
Beobachtungen Vormerkung führt und die Ergebnisse
nach graphischer Darstellung und allenfalsiger Aus-
gleichung analytisch verarbeitet. Die Wiederholung
dieser Methode für alle üblichen Drachen- und Trag-
flächenformen wird auch die Frage der Tragfähigkeit
in vollauf befriedigender Weise lösen.
Die in Fachkreisen des öfteren geäußerte Ansicht,
daß der Drachenbetrieb sich im Laufe der Zeit wegen
der unvermeidlichen Materialbeschädigungen wesent-
lich teurer stelle als der Gebrauch von Pilotballons,
soll durchaus nicht in Zweifel gezogen werden.
Eine Bedeutung kann diesem Einwand aber inso-
fern nicht zuerkannt werden, als es sich in den vor-
liegenden Ausführungen und Vorschlägen gerade um
das Erkennen jener Momente handelt, welche ge-
eignet zu sein scheinen, den Bau und Betrieb von
Fesseldrachen in theoretisch richtige Wege zu leiten
und Anhaltspunkte gewinnen zu lassen, aus denen
die Flugwissenschaft ebenso Vorteil ziehen kann, wie
die Aerologie.
In diesem Sinne möge der hier unternommene
Versuch, dem Fesseldrachen den ihm gebührenden
Platz zu verschaffen, beurteilt werden. Ä
Graphostatik, mit besonderer Berücksichtigung der Fachwerke.
(Fortsetzung.)
An dieser Stelle sei gleich als weiterer unbestimm-
barer Fall die Berechnung einer statisch unbestimmten
Pyramide zur Tragflächenbefestigung
gezeigt. Ist nämlich ein derartiger Bock, dessen
Schema Fig. 24 zeigt, nicht durch Drähte verspannt,
also nicht als Fachwerk ausgebildet, sondern nur in
den oberen Ecken durch Winkel kräftig versteift, so
liegt ein Fall vor, der statisch unbestimmt ist. Hat
der Apparat Pfeilform, so tritt in diesem Bock ein
ganz bedeutender Schub vorwärts auf, bezw. jede
derartige Pyramide ist in horizontaler Richtung be-
ansprucht, wenn die Maschine zum Sturz kommt.
Während man gebrochene Holzteile verhältnismäßig
leicht ausbessern kann, ist das bei Metallkonstruk-
tionen nicht der Fall und sollte deshalb die Pyramide
stets diesen, wenn auch zufälligen Beanspruchungen
gewachsen sein. Die Berechnung eines solchen Rahmens
ist aber einer der schwierigsten Fälle der statisch un-
126
bestimmten Konstruktionen und erst in den letzten
Jahren sind einige Methoden ausgearbeitet worden,
welche die Kontrolle der auftretenden Beanspruchungen
gestatten.
Müller-Breslau (s. z. B. Neue Methoden der
Festigkeitslehre«, sowie >Hütte«, 21. Aufl., 3. Band)
und dann auf dessen Grundlagen weiterbauend, hat
besonders Ing. Dr. W. Gehler, Professor an der
kgl. Technischen Hochschule in Dresden, ein einfaches
Verfahren zur Berechnung solcher Rahmen aus-
gearbeitet,
Seine Arbeit behandelt alle vorkommenden
Rahmenkonstruktionen; für den Flugzeugbau dürften
aber bisjetztnurderdreiseitigeeingespannte
Rahmen (Fig. 25b) und der dreiseitige
Q
Fig. 24 und 25.
Rahmen mit Fußgelenken, sogenannten G e-
lenkrahmen (der häufigere Fall), in Betracht
kommen.
Letzterer ist einfach, ersterer dagegen drei-
fach statisch unbestimmt.
Nach diesem neuen Verfahren (s. auch: »Der
Rahmene. Einfaches Verfahren zur Berechnung von
Rahmen aus Eisen und Eisenbeton mit ausgeführten
Beispielen von Ing. Dr. W. Gehler, Berlin 1913,
Verlag W. Ernst & Sohn) wird als statisch unbe-
stimmbare Größe der sogenannte Einspannungs-
rad yw eingeführt. Fig. 26 zeigt den Verlauf der
omente, wenn der freigestützte Balken A, B in
der Mitte durch eine konzentrierte Last P bean-
sprucht ist.
8
D
M 2
Mim} 1 lll
lin T 15 Al \
RS le S ae
IN
Q
— —
N
N r
A “
2
5 iil
/
/
UIT
N
N
Fig. 26.
Dieser entspräche ein Betrag Mmax, bestimmbar
aus
Pi
7 Mmax = 4
Infolge der starren Verbindung bei A verschiebt
sich aber das Momentdreieck um die Größe des Eck-
momentes MA aufwärts und das resultierende größte
Moment ist dann nur mehr:
Mm = Mmax — MA.
Nun bezeichnet Prof. Gehler als Einspannungs-
grad das Verhältnis:
a= Ma
AT Mmax
welcher Wert sich nach seinem Verfahren ungemein
einfach ermitteln läßt.
Aus dieser Beziehung ist dann
MA = Mmax “A
und da Mmax bekannt ist, findet man
Pl.
4
ferner ist der Rahmenschub H zu rechnen aus:
Hh = Ma.
Beim dreifach statisch unbestimmten Rahmen mit
eingespanntem Pfosten ergeben sich drei Einspannungs-
grade:
MA = uA
u Ma
FAT ee
oes MB
Mm
c= Me
Mm
woraus die Eckmomente als die statisch unbestimm-
baren Größen und das vierte Eckmoment aus diesen
als statisch bestimmbarer Wert berechnet werden
kann. Die Lösung ist eine angenäherte, welche aber
nur den Einfluß der Längskräfte auf die Formände-
rungen vernachlässigt, für unsere Fälle also voll-
ständig genügt. Eine weitere Voraussetzung ist die,
Fig. 27.
daß das Material homogen ist und daß man das
Trägheitsmoment der Winkelverbindung vernach-
lässigt, also nur mit I des Balkens und Is der Pfosten
rechnet und dafür bei veränderlichen Querschnitten
einen mittleren Wert setzt.
Nach Gehler setzt man dann für
h I
1 is
und es ergeben sich für den in Fig. 26 gezeichneten
Fall, horizontal wirkende Last P, folgende Beziehungen:
MA l
Wimax 2+v
= . Me _, 1
uC = u = + Mmax —T 2
= py
UA = uB = —
und
Für den Flugzeugbau ist die horizontale Be-
lastung aber die Regel (Fig. 27) und so wie man
früher den auf A, B frei aufliegenden Balken zum Ver-
gleich herangezogen hat, so ist hier der Vergleich
mit dem bei D eingespannten Kragträger A‘, D' nahe-
liegend und man findet:
MA
MA = MR
— MB
MB = Mk
Mc
HO = R
Mp
HD = NK
dabei ist
MK — — Pr
wobei r der Abstand der Last vom Punkte D ist.
Das Biegungsmoment wird als positiv bezeichnet,
wenn es an der Rahmeninnenseite Zug erzeugt, im
entgegengesetzten Falle aber als negativ. (Rahmen-
innenseite gedrückt.)
Für den gleicherweise belasteten Gelenk-
rahmen bestimmt man wa mit Hilfe der Arbeits-
gleichungen nach Castigliano, uB aber rein
statisch.
Diese Arbeitsgleichung lautet allgemein:
M 6M
(M. SM 40
2 > 2
Fig. 28.
Mit den Bezeichnungen der Fig. 28 ergeben sich
nach Gehler zunächst die allgemeinen Gleichungen:
Sr Summe aller horizontalen äußeren Kräfte gleich
ull:
P—X—(W—X)=0...... 1)
ebenso die der vertikalen:
A+B=0......... 2)
und schlieBlich die Momente, z. B. fiir den Punkt C,
Pr—AI+X.0=0 ...... 3)
daraus ist daher schon
A=P--
und gemäß Gleichung 2)
B API.
Mit diesen Werten ist dann
z. B. der Bolzen bei D, bezw. bei
C als freiaufliegender Träger nach
Fig. 29 zu rechnen aus:
Al_ zx
4 32
wenn er mit kreisförmigem Quer-
ds kb
schnitte ausgeführt wird; für 325
Fig. 29. kann ohne weiteres 0'1 gesetzt
werden.
Die Größe X wird nun folgendermaßen bestimmt:
Für den Stab A—D ist das Moment
M=-+ Xy,
wenn y kleiner ist als r. Ist es größer, dann wird
M=+Xy—P(y—1)
in beiden Fällen ist aber:
öM
und die Arbeitsgleichung für AD lautet nach Aus-
führung der Integration:
127
_ 1 [X P mwm 7 Pi pe
© =a [55 +].
Für AB ist
M=-+Xh—P(h—r)— Ax
die partielle Ableitung daher + h und
=| (he PIT
Az EI &h 1— Ph?!+ 5 rhi.
Für B C wird
M = — (P — X) y
die Ableitung ist wieder + y und
h3
1
somit gilt für den ganzen Rahmen:
A, + As + % = 0
und es wird
x P »@-3n+9+3@-n
2
3+2»
wenn man
| I h,
Is 1
und
h
setzt. Nun läßt sich schon das Eckmoment Ma be-
rechnen, denn es ist in
Ma = + Xh — P (h-r)
nur fiir X der eben gefundene Wert einzusetzen:
„
N 372229
Fig. 30.
und damit ist auch A ͤ bestimmbar, weil
Mk =— Pr
ist
MA 3 +r
HA = MK 2(3+ 2»)
und fiir die Ecke B zundchst das Eckmoment
Msp = — (P — N) h
und nach Einsetzen für X schließlich
MB _ RB 3+ (3 — n’)
Wik 2(3-+ 2 v)
Riickt die Last bis in die Ecke A (Fig. 30), so
wird 7 = 1, weil r = h ist und damit
MB =
MA 1
MAS WK 2
128
und ferner
daher sind die Eckmomente:
Ma = ua (— P h) = +P ->
Mp = uB ( P h) = — P -3-
und
Die wagrechten Schübe in C und D sind
P
Xx = 2
was sich aus der Betrachtung direkt ergibt.
Zur Kontrolle kann die Gleichung
AA B — |
verwendet werden.
Der zweite Fall ist der eines eingespannten
Rahmens, der sich allerdings schwieriger verwirk-
Fig. 31.
lichen läßt. Mit den Bezeichnungen nach Fig. 31 er-
geben sich folgende Beziehungen für die Einspannungs-
grade:
v 5—3»
segal ba)
2. nv [(7+9v u
mom te ( %
_ N 3+14v+9v |
ee YA Bs 0
3-+ 26 15 2
40-1 2 e p A Br _ pays)
dabei ist 24
Q, = v
und
fi- I 6 v.
Rückt die Einzellast in den Knoten A, also in die
obere Rahmenecke, so wird
r=h
und damit
r
a |
das eingesetzt gibt für die Einspannungsgrade:
„
3 v
uB = + 28.
— —
1+3
uc = — av
1+3
b 2 Fe
Im ersteren Falle (P im Abstand r wirkend) ist das
Moment
Mk =— Pr
Fig. 32.
dadurch entstanden, daß man sich den Punkt C ge-
löst und AD bei D eingespannt denkt.
Im letzteren Falle dagegen ist
| Mk = — Ph.
Mit diesem Wert ist beispielsweise
Ma
HAS Ph
Fiir den eingespannten Rahmen gilt die Beziehung
(ua — uB) — (ud — uc) = 0
was wieder zur Kontrolle der Rechnung recht gut
verwertet werden kann.
Bei allen Formeln ist angenommen, daß die
Stützen unbedingt fest sind, also in keiner Richtung
sich verschieben können. Der Einfluß derartiger Ver-
schiebungen, von Wärmeeinflüssen u. s. w. ist in dem
8 A
S
Fig. 33.
angezogenen Werke auch behandelt und sind die
Bezeichnungen hier von dort beibehalten, um das
Eindringen in die ungemein interessanten und dabei
verhältnismäßig einfachen Beziehungen zu erleichtern.
Das Studium der statisch unbestimmten Konstruktionen
kann dem ne nicht genug anempfohlen
werden. Die Fig. 32 und 33 zeigen noch die ent-
stehenden Verbiegungen, deren zeichnerische Be-
stimmung a. a. O. auch behandelt ist. Die Ecke A
ist auf Zug, die bei B auf Druck beansprucht. Die
sorgfältige Eckenausbildung ist besonders wichtig,
weil an diesen Stellen die Längs- und Querkräfte
plötzlich aus einer in die andere Richtung abgelenkt
werden und weil von ihrer Festigkeit bei horizontal
wirkenden Kräften die Tragfähigkeit des ganzen
Rahmens abhängt. —a-—
(Fortsetzung folgt.)
a a es pi
129
Deutscher Flieger überbringt eine Meldung einer österreichischen Fliegerstation in Südostgalizien.
(»Kilophot«.)
Die russische Luftflotte.
Von der russischen Grenze.
Bisher hat man nicht allzuviel über die Tätigkeit
der russischen Luftflotte, von der man sich in Rußland
zu Kriegsbeginn nicht wenig versprochen hat, gehört.
Auf dem ostpreußischen Kriegsschauplatze sind nur
vereinzelt russische Flieger gesichtet worden, etwas
zahlreicher schon auf dem galizischen und zuletzt auch
auf dem polnischen Kriegsschauplatze. Von der Tätig-
keit der russischen Luftschiffe hat man bisher über-
haupt nichts gehört. Es ist ein weitverbreiteter Irrtum,
daß die russische Luftflotte derart schwach ist, daß
sie nicht ernstlich im gegenwärtigen Kriege auftreten
könne. Lange vor Ausbruch des Krieges hat die russi-
sche Heeresverwaltung ganz besonders ihr Augenmerk
auf das Heeresflugwesen gerichtet und eine an und
für sich schon recht respektable Luftflotte geschaffen.
Erklärlicherweise ist der französische Einfluß auf diese
Bestrebungen nicht unbedeutend gewesen. Zu Beginn
des Jahres 1914 wurde das russische Flugwesen einer
besonderen militärischen Organisation unterzogen. In
Petersburg wurde eine Offizierluftfahrtschule
und eine Versuchsstation für Luftschiffe und Flugzeuge
errichtet. In der Flugabteilung dieser Schule sollen
jährlich 35 Fliegeroffiziere ausgebildet werden. Die
Winterschule befindetsichin Warschau, die Sommer-
schule in Gatschina. Eine zweite Fliegerschule für
Offiziere befindet sich in der Nähe von Sebastopol.
Sie wurde vom russischen Flottenverein gegründet,
ist aber bereits in den Besitz der Heeresverwaltung
übergegangen. Die russische Luftschiffertruppe umfaßt
15 kriegsstarke Kompagnien, davon befindet
sich die 1. und 2. Kompagnie in Brest-Litowsk, die
3. in Sveaborg, die 4. in Kowno, die 6. in Ossoviez,
die 8. in Sebastopol, die 11. in Nowogeorgiewsk und
die 12. in Kars (Kaukasus). Diese Kompagnien bilden
die Festungsformationen. Zu den Feldformationen ge-
hören die drei sibirischen Kompagnien, die 5. Kom-
pagnie in Grodno, die 7. Kompagnie in Kiew, die
9. Kompagnie in Lida und die 10. Kompagnie in
Berditschew. Luftschiffhallen sind in Petersburg,
Gatschina, Kowno, Lida, Brest-Litowsk, Lutzk, Ber-
ditschew, Reval, Minsk, Pleskau, Witebsk, Homel,
Kiew und Libau vorhanden. Ferner sind noch eine
Anzahl von Verankerungsplätzen in letzter Zeit fertig-
gestellt worden.
Die Zahl der vorhandenen Luftschiffe
läßt sich nicht feststellen, da die russische Heeres-
verwaltung sie streng geheim hält. Seit Kriegsausbruch
ist an der Konstruktion verschiedener neuer Systeme
gearbeitet worden. Bei Ausbruch des Krieges waren
in Rußland Luftschiffe nach den Systemen Lebaud PR
Clement-Bayard, Astra,Parseval, Dux, Griff,
Tschaika, Berkert u. s. w. vorhanden. Gebaut
wurden die einzelnen Fahrzeuge auf den Ischora-
Werken, auf der Baltischen Werft, bei Duflon &
Constantinowitsch, bei der Dux-A.-G. in Moskau.
Die russischen Luftschiffe sollen nach Äußerungen von
unterrichteten Kreisen erst später in den Kampf, wenn
dieser in ein »besonderes Stadium« eintreten sollte,
eingreifen. Es ist aber sehr fraglich, ob es hiezu
kommen wird, denn es sprechen so verschiedene
Anzeichen für die Annahme, daß mit den russischen
Luftschiffen nicht alles so in Ordnung ist, wie man
es von interessierter Seite gerne hinstellen möchte.
Im Flugzeugwesen ist eine Reform im Gange. Fran-
zösische und englische Konstrukteure sollen sie leiten.
Die Abgänge an Flugzeugen sind im russischen Heer
nicht unbedeutend gewesen, trotzdem die Fliegerei
bei den Russen bisher nicht so recht vorwärts ge-
kommen ist. Allerdings sind von deutschen und öster-
reichischen Truppen nicht wenige Flugzeuge nach der
Einkesselung ganzer russischer Truppenkörper erbeutet
worden.
In Rußland selbst sind einige ziemlich leistungs-
fähige Unternehmen, die sich mit dem Bau von Flug-
zeugen befassen, vorhanden. So dielschora-Werke
bei Kolpino in der Nähe von Petersburg. Die mit
französischem Kapital arbeitende Aktiengesellschaft
Dux in Moskau, ferner die Baltische Schiffbau-
werft in St. Petersburg, die Firma Duflon & Con-
stantinowitsch. Solange die Schiffahrtswege durch
die Dardanellen, über Wladiwostok und Archangelsk
130
befahrbar waren, wurden zahlreiche Flugapparate aus
England, Frankreich und aus den Vereinigten Staaten
nach Rußland eingeführt. Wie das französische Flug-
wesen, krankt auch das russische, vielleicht mehr noch
als das erstere an dem Durcheinander der verschieden-
sten Systeme, so daß absolut keine Einheitlichkeit in
der Ausbildung der Flugzeugführer erzielt werden
konnte.
Ersatzteile und Motoren liefern die »Gnöme-
Werkes in Moskau und die Fabrik »Motor« in Riga.
Im russischen Heere sind neun Fliegerkompagnien
vorhanden. Jede Kompagnie soll drei Geschwader
zu je sechs Flugzeugen aufweisen. Ferner werden eine
Anzahl Reserveflugzeuge bereitgehalten und eine
Anzahl von Kraftwagen. Zu jeder Kompagnie gehört
entsprechendes Hilfspersonal. Soweit bekannt, stehen
die einzelnen Kompagnien in St. Petersburg, Warschau,
Kiew, Libau, Reval, Moskau, Sebastopol, Brest-Litowsk
und Kowno. Als besondere Flugstiitzpunkte sind Reval
und Libau ausersehen. In Moskau und Odessa bestehen
weitere Privatfliegerschulen, die auch Offiziere als
Flieger ausbilden. Nach dem Urteil von Fachkritikern
haben die militärischen Flieger besonders in den
Operationen in Ostpreußen vollständig versagt. Es
war ihnen nur in seltenen Fällen möglich, zweifels-
frei den deutschen Aufmarsch festzustellen, nur zu oft
haben sie sich durch Scheinstellungen und Schein-
operationen der Deutschen täuschen lassen. Auch das
Feststellen des Standortes der deutschen Artillerie
hat viel zu wünschen übrig gelassen. Man ist in den
enannten Kreisen der Ansicht, daß den russischen
ilitärfliegern die praktische Ausbildung im erforder-
lichen Maße abgegangen ist und daß sie ohne die
entsprechenden Kenntnisse hinausgesandt worden sind.
Die neue Kategorie der Militärflieger, die jetzt hinter
der Front für zukünftige Aufgaben vorbereitet wird,
wird mit gründlicherer Ausbildung an der Front er-
scheinen. Diese Flieger sollen besonders für den zu
erwartenden Festungskampf verwendet
Glacialkosmogonische Beiträge zur Erdbebenforschung.
Die gebirgsbildenden Kräfte der geologischen Vergangenheit und — Zukunft.
Von H. Hörbiger.
Lehr’ mich die Zukunft vorher — soll ich Vergang'nes dir sagen!
Dann erst magst Spähblicke du — ins Dunkel der Gegenwart wagen!
III.
Vor dem geneigten, durchs Februar- und April-
heft aufmerksam mit uns gekommenen Leser bedarf
obangedeutetes Thema gewiß keiner längeren Recht-
fertigung mehr, um sich auch in diesen Blättern
heimatsberechtigt fühlen zu dürfen: Wir müssen
F Voreilende Hochfluth bet
Mondauflösungsbeginn.
Mondesflulhkräfte auf Erden
1:225.000
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Mondschwere=A>
ndoberfl-Schwere = 171.000 Cr.
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An- 1601 4522219612 = =
Fön=+3874 Föz=-- 3874 S
Hön=+2273 H&öz=+15738 50000
H=Überschüsse E
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Fig. 4. Graphische und numerische Übersicht der beiläufigen
Mondesflutkräfte auf Erden (oberes Diagramm und Erdfigur)
und beiläufigen Erdenflutkräfte am Monde (unteres Diagramm
und Mondfigur) um die Zeit des künftigen Mondauflösungs-
beginnes entsprechend dem Stadium E der Fig. 8. Alles in
Gramm pro 1 m? Wasser, und zwar oben und links in 1: 225.000,
unten und rechts in 1: 2,250.000 des Kräftemaßstabes der Fig. 1
und 2. — Ableitung der Kräfte vgl. Fig.5.
Frei nach Zoroaster.
dem Geologen und Geodynamiker erst seine heutigen
Gebirgsbildungs- und Erdbeben-Hypothesen
gewaltsam ausreden, bevor wir den zeit-
genössischen Meteorologen und Astronomen einen
ausgiebigen zwiefachen kosmischen Eiszufluß
zur Erde zwangläufig einreden — und hieraus
dann dem Flieger und Luftschiffer die kosmische
Herkunft aller ihn gefährdenden atmosphärischen
Paroxysmen widerspruchslos klarlegen können.
Solchem Aus reden muß aber die diesbezügliche
neue, glacialkosmogonische Wahrheit voraus-
geschickt werden, welche wir an Stelle der geologi-
schen und geodynamischen Irrtümer empfehlen
wollen, wenn dem mitkommenden Leser ein objek-
tives Urteil tunlichst erleichtert werden soll.
Um nun sofort auf die geologischerseits bisher
so gänzlich mißverstandenen »gebirgsbilden-
den Kräfte« (die vermeintlichen Erdbebenursachen
der heutigen Geodynamiker) übergehen zu können,
müssen wir nochmals die selbstverständliche Voraus-
setzung nachdrücklichst betonen, daß uns der ge-
duldige Leser im Jänner-, Februar- und Aprilhefte
Ableitung der Mondes -Fluthkrafte
der.Slalionären Hochſtuth- 2
Cramm per Kubikmeler Wasser!
12253 Fitehkrafte in allen Erden unken-
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Au! je de weitere nune e Kugelschale wirkleineholiches.beiläufg im iam - verheltms Weineres Flulhirani-igsen
Fig. 5. Ableitung des erdoberflächlichen Mondesflutkraftsystems
für die geologisch-zukünftige stationäre Hochflutzeit ent-
sprechend dem Stadium C der Fig. 8. Oben: Die im Durchmesser
nz wirkenden Flieh- und Schwerkraftsüberschüsse als eigent-
liche Hubkräfte. Ein ähnliches, nur im beiläufigen Durchmesser-
und Dichtenverhältnisse kleineres Flutkraftsystem wirkt auch
auf jede weitere 1 m dicke, innere Kugelschale des Erdkörpers.
Anwendung hievon in Fig. 6 und 7. Näheres über Ableitung
dieser Kräfte vgl. im zugehörigen Text.
die erbetene volle Aufmerksamkeit geschenkt haben
muß, wenn er auch diesmal auf seine Genußrechnung
kommen soll.
Zunächst bitten wir, die heutigen sieben Graphi-
kons samt Untertext vorerst einmal genauer durch-
prüfen zu wollen, um vorläufig bloß die Richtung zu
ermessen, nach welcher die Sache jetzt hinaus will.
Die Fig. 4 ist uns zwar schon aus dem Aprilhefte her
bekannt, doch glaubten wir sie nochmals einfügen zu
sollen, weil daraus erst heute weiterer Nutzen ge-
zogen werden kann. Beginnen wollen wir unsere
diesmaligen Studien aber mit Fig. 5, d. i. mit der Ab-
leitung des erdoberflächlichen Mondes-Flutkraftsystems
zur geologisch-zukünftigen »Stationären Hoch-
flutzeit<, weil dasselbe den Kulminationspunkt
der eigentlichen Gebirgsbauperiode der geo-
logischen Zukunft kennzeichnet und damit auch die
Figuren 1 bis 4, 6 und 7 durchsichtig werden. Über-
haupt werden sich unsere nunmehrigen weiteren Dar-
legungen vornehmlich im Beschreiben von Graphikons
erschöpfen müssen, weil es sich da durchaus um
Dinge handelt, die sich ohne graphische Unterlagen
gar nicht durchsichtig machen lassen.
Diese Fig. 5 (im Vereine mit den davon ab-
Been Fig.6und7) bringt übrigens nur das nähere
etail zur Mittelfigur 3 des Aprilheftes; was also
schon dorten hierüber gesagt wurde, wäre zunächst
auch nochmals zu überlesen. — Nachdem dieses Flut-
kraftsystem ja ein vollständiges Rotationsgebilde
nach einer in der Verbindungslinie vom Mond- und
Erdmittel (Radiusvektor der Mondbahn) liegenden
Achse nz darstellt, so genügt zur Kräfteableitung die
Betrachtung eines bloßen Halbmeridians, wie einen
solchen der Halbkreis der Fig. 5 versinnlichen soll.
Der Einfachheit halber stelle der Durchmesser nz
(Nadir-Zenith) zugleich auch den Erdäquator dar, so
daß der Punkt >90°< den Nordpol kennzeichnet und
der durch o gehende Vertikaldurchmesser die Erd-
rotationsachse, wenngleich dieselbe laut Fig. 3
wechselnd allgemein schief zur Mondbahnebene steht.
Diese letztere falle also in Fig.5 mit der Erdäquator-
ebene zusammen.
Den jetzt per etwa 26stündigen Tag (heutige
Stunden) siderisch genau einmal umlaufenden
Mond in der Größe von 0'273 des Erddurchmessers
(maßstäblich etwa 14' mm) haben wir uns in der
Verlängerung nz, in einem Abstande von 7'02 Erd-
radien (etwa 372mm) rechts vom Erdmittelpunkte o
zu denken. Er revolviert jedoch nicht um diesen
Mittelpunkt o, sondern um den ca. 0'087 r rechts
davon liegenden gemeinsamen Systemschwer-
punkt c, so daß auch der Erdmittelpunkt o mit dem
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Die cela tägliche Pendel- -Schwingung der Erdoberfläche
-Fluthkrafte-Systems der
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Fig. 6. Das in Fig. 5 abgeleitete erdoberflächliche Mondesflut-
kraftsystem der geologisch- zukünftigen stationären Hochflut-
zeit — bei gleichzeitiger Versinnlichung der täglichen relativen
Pendelbewegung der Erdoberfläche innerhalb dieses Flutkraft-
systems. Anwendung hievon in Fig. 7 und Stadium C der
Fig. 8 und 9.
131
Radius e um c revolviert, ohne daß dies die
Erde hindern könnte, zugleich auch um die durch o
gehende Erdachse in derselben Zeit einmal zu ro-
tieren. Die Größe dieses e ergibt sich aus der Er-
wägung, daß die Erdmasse (80) am Revolutionsradius e
dieselbe Fliehkraft entwickeln muß, wie die
Mondmasse (1) am zugehörigen Revolutionsradius c.
Nachdem die Erde nicht zugleich um o und c
rotieren kann, so ist hier der mechanisch-physi-
kalische Unterschied zwischen Erdrotation und
Erdrevolution im System Erde-Mond sehr zu
betonen, wenn der Rechnungsansatz richtig sein soll:
Die Erde rotiert also um die o-Achse und letztere
revolviert in gleicher Zeit einmal um c. Daran ändert
sich auch nichts, wenn laut Fig. 3, 6 und 10 diese
Revolutionsachse in Wirklichkeit wechselnd
schief zur Rotationsachse steht. Die Revolutions-
bewegung der Erde im System Erde-Mond ist mit-
hin mehr ein siebartiges Schwenken (mechanisches
Kurbel-Plansieb in der Mühlenindustrie) um die Re-
volutionsachse c, gleich wie ja auch ein Exzenterring
(mit unendlich langer Exzenterstange) um das Haupt-
wellenmittel schwenkt, ohne selbst zu rotieren. Und
ebenso wie alle Massenpunkte eines solchen Ex-
zenterringes gl eich große Kreise um zugehörige
individuelle Mittelpunkte an stets zueinander parallel
bleibenden Radien beschreiben, so vollführen auch
alle Massenpunkte des Erdvolumens in dieser Mond-
revolutionsbewegung genau gleich große Kreise von
einheitlichen Radius e um zugehörige individuelle
Mittelpunkte. Die Revolutionsfliehkraft eines Kubik-
meter Wassers ist also immer dieselbe (nämlich in
diesem Falle F = m“: e = 253g pro 1 m? Wasser),
ob nun dieser Wasserkubus bei z oder n oder sonst
irgendwo an der Erdoberfläche oder im Erdinnern
sich befindet. Auch ist die Richtung dieser Massen-
einheitsfliehkräfte eine einheitliche: alle wirken
parallel zu E (Radiusvektor) nach links hin ge-
richtet. Das Diagramm dieser Masseneinheitsfliehkräfte
des gesamten Erdvolumens ist also laut Fig. 5 ein
Rechteck nn“ z“ z von der Ordinatenhöhe F =
253g und Basis nz.
Anders gestaltet sich dies aber mit den, diesen
Fliehkräften F das Gleichgewicht haltenden, bezw.
entgegenwirkenden Mondanziehungskräften A,
da ja die Mondschwere umgekehrt quadratisch
roportional der nach links hin z unehmenden Ent-
ernung a b nimmt und alle Masseneinheitsschwerkräfte
des ganzen Erdvolumens nach dem Mondmittelpunkte
hin konvergieren. Alle diese Schwerkräfte sind also,
je nach Mondmittelabstand der einzelnen Massenein-
heiten, verschieden groB und zum Unterschiede
„—klismattsehen Erregungs zustande
Das ıdealisıerte Geoid im Kala Seeks e
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Fig. 7. Schematische Versinnlichung des gebirgsbildenden,
kataklysmatischen Erregungszustandes der Erde durch die Fiut-
kraftsysteme der Fig. 6 zur geologisch-zukünftigen stationären
Hochflutzeit — zugleich auch ähnlicher Erdzustände in den
Kataklysmen der geologischen Vergangenheit. Dieser Stationär-
zustand entspricht dem Stadium C der Fig. 8, bezw. dem Mittel-
bilde der Fig. 3.
132
von den Fliehkräften auch nicht parallel zu-
einander gerichtet. Ein Kubikmeter Wasser wird
daher nur in o mit A = F = 253g vom Monde an-
gezogen, während dagegen seine Mondschwere in n
mit An = 194g und in z mit Az = 344g sich er-
gibt. Das Diagramm der Mondschwere der einzelnen
im Erddiameter nz liegenden Masseneinheiten ist
daher oben nach einer Kurve n'o'z' begrenzt.
Solcherart also Revolutions- Fliehkraftsdiagramm
nn“z’z und Mond-Schwerkra ftsdiagramm
n n'o'z'z aufeinander gelegt und voneinander sub-
trahiert, ergeben die Vertikalordinaten der Differenz-
flächen no'n' und z“ oz die nad ir seitigen Re-
volutions-Fli e h kraftsüberschüsse und zenith-
seitigen Mondes-S ch we r kraftsüberschüsse + d. h.
die durchmesserdehnenden Flut kräfte (oder Hub-
kräfte) in den senkrecht herabzuprojizierenden ein-
zelnen Punkten des lun azentrischen Er d durch-
messers nz. (Hier und auch in allen anderen Fi-
guren 1 bis 9 ist unter Zenith punkt z stets jener
wandernde Punkt der Erdoberfläche zu ver-
stehen, welcher den Mond jeweils im Zenith stehen
hat. Der Nadir punkten ist der jeweils diametral
entgegengesetzte Oberflächenpunkt.)
m nun hieraus die oberflächlichen Flutkräfte
(Hubkräfte) der beispielsweisen 11 Teilpunkte 15°,
30°. . . etc. des Halbmeridians (oder auch Aquators
und überhaupt eines jeden anderen durch nz gelegten
»größten Kreises der Erdoberfläche) zu erhalten,
werden diese Teilpunkte vom Mondmittel aus durch
Kreisbögen auf den Diameter nz (Diagrammbasis)
herabgeschlagen und durch die so erhaltenen Basis-
teilpunkte die Schwere ordinaten, bezw. Flieh-
kraftsordinaten in den oberen Diagrammflächen
gezogen. Mit diesen Schw e re ordinaten (lunazentrisch
angelegt) und der gemeinsamen Fliehkraftsordinate
(parallel zu n z angelegt) in den einzelnen Meridian-
unkten 15°, 30°. . .etc. die in Fig. 5 ersichtlichen
räfteparallelogramme errichtet, ergeben die »Re-
sultierenden« hieraus sowohl nach Richtung als
auch nach maßstäblicher Größe (hier 13mm = 100g
pro I m? Wasser) die gesuchten erdoberflächlichen
Flutkräfte eines jeden durch nz gelegten größten
Oberflächenkreises. Ganz auf dieselbe Weise sind nun
auch die Flutkräfte in Fig. 1 bis 4 gewonnen worden.
Da aber dorten numerisch nur die Zenith- und
Nadirflutkräfte (Hubkräfte Hz und Hn) anzugeben
waren, so ergaben sich dieselben, wie auch in Fig. 5,
einfach als die Differenzen der in z und n wirkenden
Schwerkräfte A und Fliehkräfte F.
Solche Flutkräfte wirken nun aber nicht nur an
der Erdoberfläche, sondern auch an jeder weiteren
inneren Kugelschale des Erdvolumens; nur sind die
jeweiligen Flutkraftsysteme im beiläufigen Diameter-
verhältnis dieser Kugelschalen kleiner, zugleich aber
im Dichteverhältnis (Wasser = 1) größer als die hier
zeichnerisch und numerisch bestimmten Oberflächen-
kräfte. Zur Klarstellung tut man am besten, sich den
Ozean zunächst ganz wegzudenken und diese Flut-
kraftsysteme nur auf die durchaus nicht starre, sondern
erwiesenermaßen etwas elastische Erdkruste und deren
glutflüssiges Innere wirkend sich vorzustellen. Dabei
denke man sich das ganze starre und glutfliissige
Erdvolumen in lauter konzentrische Kugelschalen von
Im Schalendicke zerlegt. Ist nun die mittlere Dichte
der äußeren Kugelschale etwa 2°5 von der des Wassers,
so wirken auf jeden Kubikmeter dieser Oberflächen-
schale die 2½ fachen Flutkräfte der in Fig. 5 ein-
geschriebenen Zahlenwerte. Hat beispielsweise die
Kugelschale des halben Erdradius schon die Dichte
9, so sind dorten die halben Oberflächenkräfte zu
verneunfachen u. S. w,
Ohne den geduldigen Leser mit den zugehörigen
Detailberechnungen langweilen zu wollen, mußten
wir bei der Ableitung dieser Flutkraftsysteme den-
noch absichtlich länger verweilen und die Rechnungs-
grundlage durchsichtig machen, weil in den
meisten astronomischen Handbüchern das »Ebbe- und
Flut«-Problem oft in einer Weise behandelt erscheint,
die an mechanischer Unerfahrenheit ihresgleichen
sucht. Insbesondere gilt dies für die Erklärung der
irdischen Nadirflut des Mondes. Es wird da ein-
fach gesagt, daß der Mond den Erdmittelpunkt stärker
anziehe als die Nadirgewässer und diese letzteren
demzufolge steigen müßten! Von einer Re-
volutionsfliehkraft ist dabei keine Rede; noch weniger
von den negativen Hubkräften im Ebbegürtel oder
von den aufs Erdinnere wirkenden Flutkratt-
systemen. Da nun die moderne Astronomie dem
eologen auch nichts von früheren Mond-
einfängen und Auflösungen zu sagen weiß,
so konnte auch noch kein Geologe auf den Einfall
kommen, daß sich hinter solchen Flut-
kraftsystemen das Wesen des Schichten-
baues und der Gebirgsbildung verbirgt,
oder daß solche Mondannäherungen
überhaupt diegroßen Perioden der Erd-
geschichtebestimmthabenkonnten.
Aus den Flutkraftsystemen der Fig. 3 bis 7 er-
messen wir aber schon jetzt gefühlsweise mit Leichtig-
keit, daB diese Flutkräfte des gesamten Erdvolumens
in ihrer summarischen Wirkung nicht nur eine erd-
oberflächliche Ozeanflut und Ebbe von un-
geahnter Größe erzeugen, sondern auch das
ganze Geoid eiförmig deformieren
müssen. Um zu ermessen, wie groß diese De-
formierung gefühlsweise sein dürfte, haben wir nur
die heutigen Zenith- und Nadir-Hubkräfte der
Fig. 2 mit denen der Fig. 5 zu vergleichen, man be-
denke: 0'117 und 0'111 g pro Im? Wasser heute und
91, bezw. 59g zur stationären Hochflut-
zeit der nächsten geologischen Zukunft! Wenn also
schon heute bei Springflutkonstellationen (maximal
0195 und 0'186g pro Im? Wasser, also bei einer
bloßen Verdopplung der mittleren Flutkraftstärke), an
den Straßburger und Potsdamer geodynamischen Ob-
servatorien Erdkrustenhebungen und Senkungen von
22 bis 47 em gemessen, bezw. errechnet werden,)
was muß geschehen, wenn sich diese Kräfte ver-
sechsundvierzig-, bezw. vereinunddreißigfachen! Wir
möchten jenen verständigen Geologen sehen, dem
sich bei solcher Einsicht nicht das Herz zusammen-
krampft!
Doch nicht einmal dieses Zahlenverhältnis
allein darf jetzt unseren Gefühlmaßstab bilden,
indem ja da ein beinahe noch wichtigerer
Faktor hinzukommt: heute umlaufen die Zenith-
und Nadirpunkte z. unden der Fig. 2 den Erdumfang
in 24h 50‘ nach rückwärts, während sie zur stationären
Hochflutzeit, wenn vielleicht auch nicht Jahrtausende,
so doch Jahrhunderte lang am selben Meridian
haften bleiben und nur täglich (also etwa inner-
halb 26 heutiger Stunden) einmal zwischen den auch
noch näher zusammenriickenden Mondeswendekreisen
auf- und niederwandern. Heute finden diese Flut-
kräfte also gar nicht Zeit (weder im Ozean noch
im Erdvolumen selbst) so recht zur Wirkung zu ge-
langen, indem die Erdoberfläche zu rasch unter den
beiden Flutkardinalpunkten z und n hinwegeilt, so daß
ihnen die auch noch so beweglichen, aber immerhin
auch trägen Wassermassen nur mit einem kleinen
Bruchteil der beabsichtigten Größe folgen können.
Zur stationären Hochflutzeit aber können sich
diese versechsundvierzig-, bezw. vereinunddreißig-
fachten Flutkräfte ganz ausleben, den Ozean in
zwei ganz isolierte, ungleich hohe und breite
Wasserbrüste teilen und auch das Geoid aus-
giebig oval deformieren, wie ja solches auch
die Figuren 6 und 7 sinnfällig machen sollen. Und
trotzdem führt auch diese gewaltsame Oval-
deformierung an sich allein noch immer zu
keiner eigentlichen Gebirgsbildung, wie wir
später, tiefer greifend, noch erkennen werden. Wohl
aber können wir jetzt schon herausfühlen, daß ein
Sieberg: -Handbuch der Erdbebenkunde.« 1904.
Teil der großen Verwerfungen, Spaltungen, Schollen-
und Grabenniederbrüchen in der Erdkruste in solchen
Erdenzeitaltern gebildet werden muß. |
Zur Vorstellungserleichterung empfiehlt sich da
wieder der Schlittschuhläufervergleich auf dünner
Eiskruste: der bloß 20kg schwere Junge kann da,
ruhig stehend, allmählich durchbrechen, während
ein fünf- und sechsmal so schwerer Athlet im raschen
Gleiten heilhinüberkommt. Inunserem stationären
Hochflutfalle ist aber dieser Vergleich erst noch zu
stürzen: der 46, bezw. 3Imal schwerere Athlel steht
stille und der leichte Knabe gleitet schnell
über die dünne Eisdecke! Wenn also dieser Junge
(der Mond in Fig. 2) schon die Kruste meßbar de-
formiert (oberwähnte Straßburger und Potsdamer geo-
dynamische Beobachtungen), was muß erst dieser
Athet (der Mond in Fig. 5, 6, 7) vollbringen!
Im Falle der Fig. 4, der unmittelbar v or sintflut-
lichen Zeit der Fig. 8 also, stimmt aber dieser Ver-
gleich wieder un gestürzt: dort ist der nun allerdings
.000, bezw. 12.000mal so schwere Athlet (der
siderisch täglich sechsmal umrasende Mond)
als schnellstens gleitender Schlittschuh-
läufer mit dem sechsmal langsamer laufenden Jungen
(dem heutigen Mond aus Fig. 2) in see zu
setzen. Der nun die Erdrotation täglich fünfmal
überholende Mond kann jetzt die Erde nicht auch
täglich fünfmal nach jedem Aquatordurchmesser
ausgiebig oval deformieren, weil da die Zeit nicht
einmal zur entsprechend raschen Erdkrustenmassen-
ee our langt, geschweige denn zur Uber-
windung der Gewölbestarre. Er macht das jetzt viel-
mehr ganz summarisch: die polnahen, nega-
tiven, also dauernd einwärts gerichteten, etwa das
7000fache der heutigen betragenden Ebbegürtel-
kräfte drücken die Erde im Vereine mit den um-
sausenden Aquator hub kräften im Verlaufe der un-
mittelbar vorsintflutlichen Jahrzehntausende zur
schwachen Linsenform platt, wie dies wieder die
obere Figurenhälfte 10 versinnlicht haben möchte.
Es ist das sogar eine Zeit der lithosphärischen
Ruhe vor dem Sturme, es ist die Zeit eines aber-
maligen »GroBenWassers« der ne Inca-
Väter aus dem vorigen vorbereitenden Aufsatze.
Also auch diese allmähliche Linsenformierung des
Geoids in»unmittelbar vorsintflutlicher
Zeit« der Fig. 8 führt zu keiner Gebirgsbildung
mehr — wie und wann diese letztere vielmehr statt-
findet, hat der aufmerksame Leser im Prinzipe ja
schon aus Fig. 7 und 8 erkannt. Bevor wir aber
hierauf näher eingehen können, müssen wir an Hand
von Fig. 8, 9 und 10 einmal einen Überblick aus
kosmologischer Vogelperspektive über den ganzen
Katak 8 s mus gewinnen, weil sichs dann leichter
auch im Detail zur Sache sprechen lassen wird.
Zu solchem Zwecke überspringen wir vorläufig noch
Fig. 4, 6 und 7, um später auf besser geebnetem
Boden darauf zurückzukommen.
Als Basis der Kollektivfigur 9 diene die dortige
Unterfigur IV, in der wir den heutigen Mond-
abstand von der Erde in rund 60 Erdradien auf-
geteilt sehen und darinnen einige typische, teils schon
einigermaßen behandelte, teils noch eingehender zu
erörternde Mondentfernungserdstadien mit A, A‘, B,
B, C, D', D, E', E und F bezeichnet. Die drei Stadien
A‘, C, E bei Mondabständen von rund 18r, 7r
und 28r kennen wir zum Teile schon aus Fig. 3,
das heutige Stadium aus Fig. 2 des vorigen Auf-
satzes; das Stadium E bei 1'8r aus Fig. 4 und
spezielldas stationäre Hochflutstadium C
bei 7 r auch schon näher aus Fig. 3, 5,6 und 7. Alle
diese Stadien A bis E der geologischen Zu-
kunft sehen wir (teils mit den zugehörigen Mond-
abständen) auch noch in Fig. 8 und das Stadium F
und folgende (bis M) in Fig. 10 übersichtlich ge-
macht.
Die über der Fig. IV angeordneten Diagramme
I, II, III sind mit ihren Ordinatenhöhen und Abszissen-
133
punkten genau nach den zugehörigen Mondabständen
der Grundfigur IV orientiert, nur die »>Wegformen
des Mondzeniths« derFig. V mußten aus Platz-
gründen hievon eine Ausnahme machen; doch er-
möglichen deren Detailüberschriften eine solche
Orientierung auch da.
Als zunächst Wichtigtses darf das Schaubild III
gelten, welches uns die Zunahme der Zenith- und
Nadir-Hubkräfte Hz und Hn früherer Figuren gegen das
rechts liegende Ende der restlichen Quartärmondzeit hin
recht drastisch veranschaulicht. Wenn wir roher-
weise und einfachheitshalber die Mondannäherung an
die Erde proportional der Zeit setzen, so
stellt natürlich die Figurenbasis IV nicht nur einen
Entfernungs- sondern auch einen Zeitmaßstab dar.
(In Wahrheit wird aber die Bahnschrumpfung des
Mondes um so rascher erfolgen, je enger die Bahn
schon ist.) Nur um in einem solchen leichter ver-
ständlichen, gleichgeteilten Zeitmaßstabe
sprechen zu können, veranschlagen wir vorläufig die
Dauer einer Mondbahnradiusverkürzung um einen
Erdradius (nicht ganz willkürlich) auf rund 10.000
heutiger Erdenjahre.
In diesem Falle würde der allmählich empfind-
licher werdende Beginn der Flutwirkung, Luft-
verarmung, Klimadepression, Vereisung
und Schichtenbildung ums Stadium A’ herum
(linke Fig. 3, A‘ in Fig. 8), d. i. die Mondannäherung
auf etwa 18r erst in etwa 420.000 Jahren von heute
eintreten; 110.000 Jahre später, also in 530.000 Jahren
von heute wäre dann, bei einer Mondheranschrumpfung
auf etwa 7r der Höhepunkt des Kataklysmus, der
grimmigsten Vereisung und des ausgiebigsten Schichten-
und Gebirgsbaues, d. i. die stationäre Hoch-
flutzeit (Mittelfigur 3, C in Fig. 8, die bereits be-
dachten Figuren 5, 6 und 7) erreicht. Die Dauer der
größten und nachhaltigsten Wirksamkeit dieser Ge-
birgsbauperiode kann man im selben ZeitmaBstabe
etwa mit rund (symmetrisch zum Stadium C liegenden)
20.000 ent veranschlagen. Und weitere 50.000 Jahre
später (nach C), also in etwa 580.000 Jahren von heute,
folgt endlich die »Mondauflösung und Sint-
flut« der Fig. 4 und 10, also das geologisch-
zukünftige DI lu v-iume« im buchstäblichen Sinne des
Wortes, bezw. im wahren Sinne der älteren Geologen
aus der Mitte des vorigen ddr
An der absoluten Gewißheit, daß diese
Eiszeit u ee undspäter
abschließenden Sintflutimkosmologi-
schen Zeitmaßstabe »unmittelbar be-
vorsteht«, ändert sich gar nichts, wenn wir uns
im angenommenen Zeitmaßstabe auch um 100 Prozent
auf oder ab geirrt haben sollten, bezw. wenn wir
diese »historisch« unermeßlichen Zeiträume
noch zu verdoppeln oder zu halbieren
hätten. Es ändert sich im Prinzipe aber auch dann
nichts, wenn neben diesem arithmetisch geteilten
Entfernungsmaßstab der Unterfigur IV unser
Zeitmaßstab nach rechts hin an Dichte der Teil-
striche etwa logarithmisch abnimmt, so daB wir heute
etwa 15.000 Jahre in unmittelbar vorsintflutlicher Zeit
aber bloß etwa 5000 Jahre zur Mondannäherung um
einen Erdradius gebrauchen sollten. Alle diese
Detailunsicherheit soll uns also von den weiteren
Engrosbetrachtungen keinesfalls abhalten.
In Fig. 9/III finden wir links zur besseren Orien-
tierung auch die bereits bekannten zahlenmäßigen
Zenith- und Nadirhubkräfte einzelner bereits er-
örterter typischer Erdstadien nochmals beigefügt.
Außerdem sehen wir in der Unterfigur Illa für den
stationären Zustand die über den ganzen Halbmeridian
verteilten Oberflächen-Flutkräfte nach Zahl und Rich-
tung herausgehoben, und zwar maßstäblich in 1/200
der Hz- und Hn-Ordinaten der Hauptfigur Ill. In
dieser letzteren ist es besonders lehrreich, zu schen, wie
die Kurven der Hubkräfte Hz und Hn von einem
heutigen Minimum von 0'12 g pro I m? Wasser gegen
das (rechte) Ende hin bis zu einem so riesigen
134
Maximum anwachsen, daß das Zeichnungsformat nur
ihre Eintragung bis zum Stadium D erlaubt hat, und
dabei mußten die Hz- und Hn-Kurven als punktierte
Linien bis zum oberen Rande der Ganzfigur durch-
geführt werden. Die Ordinatenhöhen der Mond-
auflösungs-Kräfte würden für z noch um 89 m — für
n um 223m über diesen Zeichnungsrand hinaus-
reichen! Während dagegen die Winzigkeit unserer
heutigen z- und n-Hubkräfte im selben Ordinaten-
maßstab (vgl. links Heute-) überhaupt nicht
darstellbarist!
Erst bei dieser graphischen Veranschau-
lichung der Flutkräfte beschleicht uns das richtige
Gefühl für die Jäheit des Kräfteanstieges gegen Ab-
schluß des Kataklysmus hin. Das sind Kräfte!
Sozusagen vor unseren Augen muß die unmittelbar
vorsintflutliche Erde eine auffallende Linsenform
annehmen und wir erhalten einen Begriff von der
Vehemenz des Zurücksetzens (Setzen im Sinne
des Erdarbeiters und Fundamentmaurers) dieser
Linse zur ursprünglichen beiläufigen Kugelform,
wenn solche Kräfte plötzlich zu wirken
aufhören!
Im obersten Figurenteile I sehen wir zwei Dia-
gramme auf gemeinsamer Basis errichtet: das der
rdrotations-Winkelgeschwindigkeit (Rot. W.) und
das der Mondrevolutio ns- Winkelgeschwindig-
keit (Rev. W.). Außerdem haben wir zur bequemen
Besprechung einer so zu nennenden zeitlichen >V er-
schleppung des stationären Hochflut-
stadiums« in der Unterfigur la den stationär
nächsten Teil des Differenzdiagrammes I (Stadium
B bis D der Fig. 9/[V und 8) im 10fachen Längs-
maßstabe der Fig. I herausgehoben, wie solches
auch in Fig. Ila der Fig. Il gegenüber geschah.
Wir sehen in Fig. I, daß die Rot. W. mit zu-
nehmender Flutintensität der Fig. III (zufolge rotation-
hemmender, negativer Flutreibungsarbeit) gegen
den Stationärzeitpunkt C hin erst AR ET später
immer schneller und schließlich vor C wieder lang-
samer sinkt, um dann von Cnach dem Mondauflösungs-
unkt F hin (zufolge rotationfördernder, positiver
Flutreibungsarbeit) zunehmend rasch anzusteigen und
nach erfolgter Du tra auf der neu erlangten
Höhe zu verbleiben. Die Rev. W. dagegen steigt
durchaus kompressionslinienartig an (nach dem Aus-
drucke Y I: R? des dritten Kepler-Gesetzes, R = ab-
nehmender Mondbahn-Radius der Fig. IV), bis sie
nn) $ AAN
>. ID — Iil = A j 1800
UU SpLels 180 Welse,
tten,geologisch wirksamen Faktoren bis zum |
eologisch wirksamen rt SZU
|
Ib. (Z gn. A780 la EIET AÀ
lulh-(33 5°)-Rüek-(425°)-Umlauf-(57 4
4 >. 5 ct ~
n) 5
HUCK
Al] = sammt
Umahliger peg l
Geologischer Bauarbeil Transgressions-u
—
11 ief 272 VETRA
U } Kal da KLY 2
rtelhochflulh, |Hochfluth-@-Ber-@-ge u. @ Ebbegirtel
bei F zur Zerreißung des Mondes durch die alle
Mondfestigkeit überwiegenden Flutkräfte der Fig. 4
und somit zu dem geologisch plötzlichen Drama
der Fig. 10 führt. Es wird ohne weiteres verständlich,
daß man diese beiden Diagramme nur gehörig auf-
einander zu legen braucht, um in den grobschraftierten
Differenzflächen die Ordinaten der so zu nennen-
den Flut-Winkelgeschwindigkeit (Fl. W.) zu erhalten.
Man sieht, daß dieselbe im Stationärzeitpunkt C Null
wird, bezw. aus negative in positive Beträge
übergeht; sie darf vor C negativ genannt werden,
weil sich bis dahin die beiden Flutkardinalpunkte
z und n (wie auch heute) nach rückwärts, der
Erdrotation entgegengesetzt, um die Erde bewegen;
sie wird über C hinaus positiv, weil von da ab
diese beiden Punkte der Erdrotation vorschleichen
und voreilen, ja vorrasen, wie solches das Anwachsen
der + Ordinaten der Fig: I sinnfällig macht.
Da sich nun die Fiutreibungsleistung als ein
Produkt von Flutreibung und Flutgeschwindigkeit
(die ja proportional der Fl. W. ist) darstellt, so muß
sich uns notwendig links von C eine negative
(rotationhemmende) und rechts von C eine posi-
tive (rotationfördernde) Flutreibungs leistung
ergeben, wenn wir aus den Differenzordinaten der
Fig. I und den zugehörigen Kräftesummen der Fig. Ill
Produkte bilden. Auf diese Weise entstand nun das
Diagramm der Flutreibungsarbeit (»Leistung«,
das heißt Arbeit pro Zeiteinheit, sollten wir
eigentlich Seng mechanisch sagen) der Fig. 9/11.
Dabei wurde einfachheitshalber roh angenommen, daß
sich die Flutreibung ungefähr proportional der Summe
aus den Hubkräften Hz und Hn ändern wird. Genau
ist das keinesfalls, indem ja erstens bei größeren
Flutgeschwindigkeiten (bezw. z- und n-Punkt-Ge-
schwindigkeiten) die trägen Wassermassen diesen
Punkten noch nicht, bezw. nicht mehr voll
folgen können und demzufolge zweitens der Druck
der Flutberge auf die lithosphärische Unterlage auch
nicht als eine genaue Funktion von Hz und Hn an-
gesehen werden kann; aber beiläufig darf man das
dennoch relativ so annehmen und auch von dem
ziemlich wechselnden Einflusse des Bodenreliefs
(Flutreibungskoeffizient - Veränderlichkeit) absehen,
wenn es sich bloß um eine Generalübersicht des
Vorganges handelt, bei der man nur en gros arbeiten
kann. Eine rechnerische Darstellung der Reibungs-
kraft absolut, wie es im Maschinenbau, durch Ex-
periment und Erfahrung unterstützt, mit einiger Sicher-
*
I
1
+
a
€
—
oO
—
te
Gauche en ssnduueiyag'pden 8809
yp Dunsoynepuoy aya
Gürtelhoch
~
flu
$
—
D
|
iD
Ih,
1
sebirgsbau-Zeilalter Vorsinlfluthliche Zeil
Fig. 8. Rohe Versinnlichung einiger typischer Erdstadien aus der ungefähr eigentlichen, geologisch wirksamen Gebirgsbauzeit des
künftigen Quartärkataklysmus,
i.etwa aus dem letzten Drittel unserer restlichen Quartärmondzeit der Fi
9. Es entsprechen die
Stadien A’, C und E' den drei Stadien der Fig. 3, außerdem das Stadium C den Detailfiguren 5, 6 und 7. fn den Stadien B bis E
versinnlichen die schwarzen Scheibchen Größe und zugehörige Entfernung des heranschrumpfenden Mondes.
Ahnliche Stadien
durchlief die Erde auch in jedem der bereits abgelaufenen vier (eventuell sechs) Mondauflösungs-Kataklys men.
heit geübt werden kann, ist hier überhaupt unmöglich.
Immerhin wird aber der ein eschlagene Weg für
unsere Übersichtszwecke der hinreichend angenähert
richtige sein.
ir sehen also in Fig. 9/ II, daß die rotation-
hemmende, negative (—) Reibungsarbeit links
von C verschwindend klein ist gegenüber dem theore-
tischen Anstieg der rotationfördernden, positiven (++)
tadi 2 ; — HE
Figla Verschleppung des ET Sta ella = | F ig. J. E p 82
bell nm | iM iil I | il > Diagramm = 5| 838
| | | ne a der 5 — a ©
A i | 0 | 16 , © A R| 333
von Fig I. u 2 | | 0 | I 5 I | 100 | I) | | I 5 Fluth-Winkel- 5 2 825
10 fach | 10 j N i I 1 00 10 i =| Geschwindigkeit: 8 „5 38
| vertangert. HUNT ili 0 i N | mMw=Revw-Rotw 2 PrE
EEE OTR 7 925
n a Erde,langsam sinkend bis C, dann rasch steigend bis F al EE
35
E
I U Il elgeschwindigkeit, FLW=ReuW-R II
ist I bishin negativ, nachher posiliv
|
III LU Ill | | i | | N — .
0 =Revolulions-Winkelgeschwindigkeil des Mondes,nach VI:R* wachsend bis „uni buf.
Figll⸗ Negative, Rotation Posilive,Rotalion
DerTheil hemmende fördernde
BCD Fluthreibungsarbeit.
von Fig. I. (N) DI, 05
Dfach verlängert. we A
8: Durch Agla ulla soll eine zeitliche Verschleppun
stationären Zustandes C durch viele Jahrhun
versinnlicht sein
Negalive, Rotation hemmende Fluthreibungs arbeil bis C, dann posiliv undrapid zunehmend: €
er
FETT)
M
MRs. Schw, EINER FAN Diameler ZN
Te
Beispiele: |H2 0 Revol-Fliehkräfte
Kräfle| Hz | Hn 1 7
Heutel011?0 loma] = 4
EA ag 22 7
2019159 * Beispiel: Fluthkräfte <ã
w E. 2300 737
un F 11573812273 T 5
Gramm p.m? Wasser. 2. Alles in Gramm per Kubikmeter Wasser.
Heute 01170 u. HA Gr.
im stationären Stadium C.
enith
60 Erd-Radien 50 20
Heutige Mondentfernung von der Erde, 607).
Jezt-Stadium,|Sladium A.] Stad.A’.| Slad.B. | Stad. B? | Stad.B”
Je n Eraufntang, Umfang | 0 ! ine 001 Umf.
7
—
.
Rückeilende Fluth-112 Oscillat Bram
Rückeilende Hochfluth-4 08 Oscillal.per Revol.
Riickschreilende Hochf1-1000 Oscill.per Revol.
Riickeilende Fluth -1'35 Qscillat.per Revol.
Wegformen des Mond-Zenilhs
Heute T04 Breſtenoseillalionen per Revolution
Erd rotations - Richtung.
Rücklaufende Hochfluth-53 Oscill.
—
E
2
8
©
oe
8
ie 5
Fig. I. ® 5
Diagramm 5 8 7
der 2 0 he ,
20 Mil 2
Fluthreibungsarbeit ; | Wie] $8
des 1 = =
te Combination von Fig lull i 0 2 ae
| 600 .
III III | ll] wy es
f | Mh; 88
. 0
| tp Sladium A, (305
135
Arbeit jenseits des Stationärpunktes C. Doch ist
hier, wie schon betont, die Einschränkung zu machen,
daß diese positive Riesenleistung nur dann voll zu-
stande käme, wenn die beiden stationärnahen Flut-
berge bis zum Schlusse isoliert ausgebildet blieben
und den Flutkardinalpunkten z und n voll und ganz
folgen könnten; dennoch wird der wirklich zur Erd-
rotationbeschleunigung nutzbar gemachte Teil der
b der restlichen Quartärmondzeit von heute bis zur künfti
ss
ysmus einer geologischen Zukunft,
Fig lll Diagramm der
Zenilh-u.Nadir-
ßen (II.) innerhal
A bis E der Figurenbasis IV siehe Fig. 8; Flutkrafteysteme für die Stadien A‘ C E' siehe Fig. 3, 5, 6, 7; Mondauflösungsstadiun E, bezw. F siehe Fig. 4 und 10 F bis M.
t
— —
2 at
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0°000,000.001 Umf. | 0°01Umf | 0°1 Umf. | 1 Umf. |1 | Umf. 1Umf. getu
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2 Eoo FB “(| al) © el 8%
5 | Ex H | — — —
LE S > EZ.
136
positiven, nachstationären Flutreibungsarbeit
ein bedeutend Vielfaches der negativen, vor-
stationären Arbeit sein. (Aus diesem Schaubilde der
Fig. II konnte eigentlich auch erst auf den Verlauf
der Rot. W.-Kurve der Fig. I geschlossen werden und
umgekehrt — doch auch nur dem Gefühle nach,
welches der geneigte, mechanisch erfahrene Leser
nunmehr hoffentlich auch mit uns teilt.)
Von besonderer Wichtigkeit für das später erst
zu vertiefende Verständnis der geologischen Schicht-
und Gebirgsbauarbeit um die Stationärzeit C der
Fig. 8 und 9 herum ist nun die Fig. 9/V. Ihre Wellen-
züge sollen uns die Wegformen versinnlichen,
welche der Zenithpunkt z (und notwendig auch der
Nadirpunkt n) auf dem Tropengürtel der Erde zwischen
den aus- und einatmenden Mondeswendekreisen in
den einzelnen Stadien der Fig. 9/IV und Fig. 8 be-
schreibt. Und mit diesen beiden Punkten z und n
bewegen sich ja auch die beiden Flutberge in Wellen-
linien um den irdischen Tropengürtel. Bei großer +
Flutgeschwindigkeit, wie z.B. im heutigen Stadium
(erster Wellenzug links in Fig. V) oder im Stadium
E der Fig 9/IV und Fig. 8 (letzter Wellenzug rechts
in Fig. V) schwingen diese beiden Kardinalpunkte pro
einmaligem Gürtelumlauf auch nur beiläufig einmal
zwischen den Mondeswendekreisen auf und nieder,
so daß solche langgezogenen Wellenlinien entstehen.
Je näher aber zum Stationärstadium C hin liegend,
desto mehr solcher Breitenoszillationswellen entfallen
auf einen Flutumlauf. Ja in unmittelbarer Zeitnähe des
Stationärstadiums entfallen sogar die beispielsweise
eingezeichneten 450, 500, 700, 750, 1200, 3000 bis fast
unendlich viele solcher Breitenoszillationen auf
einen Meter des geographischen Längs-, Rück- und
Vorschleichens dieser beiden Kardinalpunkte: Und
das sind eben die Zeiten der grimmigsten
Vereisung und des intensivsten Schichten-
und Gebirgsbaues im ganzen Kataklysmus.
Wir konnten daher diese Wellenlinien maß-
stäblich richtig nur für 7 Stadien: Heute, A, A',
B, D, E' und E auf einen ganzen Flutumlauf, bezw.
Erdumfang auftragen. In den übrigen Stadien mußte
eine zehnfache (Stadium B' und D'), hundertfache
(Stadium B“ und D”) und 10,000.000 fache (stationär-
nahe Zeiten) Streckung des Längsmaßstabes Platz
greifen, um die einzelnen Wellenlängen noch maB-
stäblich versinnlichen zu können. Statt des ganzen
Erdumfanges wurde fürs Stadium B' und D' ein Zehntel,
für B und D“ ein Hundertstel desselben als Zeichnungs-
formatlänge gewählt, wie in den obgenannten übrigen
7 Stadien für den ganzen Erdumfang, um die darauf
entfallenden Wellenzüge in richtiger Anzahl unterzu-
bringen. Man müßte also das Wellenband B’ und D'
zehnmal, B“ und D“ hundertmal aneinanderstoßen
und dann diese auf die jetzige Bandlänge (ein Erd-
umfang) zusammenschieben (längsmaßstäblich redu-
zieren), um die Feinheiten der Wellenlängen mit jenen
der obgenannten 7 Stadien maßstäblich unmittelbar
vergleichen zu können.
Nichts von alldem ist aber zeichnerisch im ge-
gebenen Format möglich, und müssen wir uns daher
bezüglich der Feinheit dieser stationärnäheren
Wellenteilungen ganz auf das Entgegenkommen des
eduldigen Lesers verlassen, hier seine kinematische
aum- und Zeitvorstellung nach Kräften wirken zu
lassen. Und gerade die Durchschauung dieser Flut-
kinematik und Dynamik ist für das Gebirgsbauver-
ständnis wichtig, da jede solche Flut-Breitenoszillation
auf jeder der vier erdumschleichenden Oszillations-
Ebbegebiete je eine »Schichte« (Sandstein, Ton-
sandstein, Kalkstein etc. — bei Kohlensedimentierung
sogar je zwei Schichten : Kohlenflötz und trennendes
Taubgestein) pro Tag ablagert.
ar für die Wellenzüge des stationären und
pseudostationären (rück- und vorschleichenden)
Zustandes ist der Längsmaßstab der Wellenzüge so
bemessen, daß man dort die gezeichneten Wellenlängen
(nicht auch die Amplituden) einfach als naturgroß
gezeichnet ansehen darf. — Welch’ ein Unterschied
also zwischen den Flutoszillations- Wellenlängen
von heute und denen des stationären und pseudo-
stationären Zustandes ! Über 38.000 km eine Wellen-
länge von heute — und Bruchteile eines Millimeters
um die Zeit der schleichenden Flutrevolutions-Umkehr !
Und wiederum rund 34.000 km eine solche Wellenlänge
im Stadium E unmittelbar vor Mondauflösung ! Welch
eine Wandlung der kinematischen und dynamischen
Verhältnisse, die wir uns für spätere Zwecke gut ein-
prägen müssen !
Um diese Fig. 9/V zu späteren Gebirgs- und
Schichtenbauzwecken noch bequemer durchschauen zu
können, wollen wir uns en der Fig.6 und 7 zuwenden
und das Wesen der Flutbreitenoszillationen
vom Stationärpunkt C der Fig. 8 und 9 aus nach rück-
und vorwärts zu verfolgen suchen. Hier sehen wir (in
Fig.6) die in Fig. 5 abgeleiteten erdoberflächlichen Mon-
desflutkräfte nach Richtung und Größe (ca. 13 mm = 100g
pro 1 m3 Wasser) numerisch und maßstäblich über-
sichtlich gemacht. Wir finden in dieser Figur auch
eine relativePendelbewegung der Erdoberfläche
innerhalb des fix zu denkenden Flutkraftsystems ange-
deutet, die ja mit der bereits mehrfach erwähnten
Breitenoszillation der Kardinalpunkte z und n identisch
ist. Natürlich darf man sich auch die Erdoberfläche
fix und das Flutkraftsystem der Fig. 6 innerhalb des
angedeuteten Ausschlagwinkels oszillierend denken.
Wir wählen aber absichtlich die erstere Relativvor-
stellung, weil in den letzten Jahren die sogenannte
»Pendulationstheorie<« des Ing. Preibisch, ver-
öffentlicht durch den Tiergeographen Simroth,*) viel
von sich reden gemacht hat. Nach derselben wird
nämlich die Eiszeit dadurch zu erklären gesucht, daß
die Erde eine Schwingungsbewegung um den durch
Equador und Sumatra gehenden Äquatordurchmesser
ausführen soll, aber nicht pro Tag, sondern innerhalb
Lyelischer Jahrbillionen einmal. Trotz der mechani-
schen Unmöglichkeit dieser Hypothese ist es aber
dennoch durchaus kein Zufall, daß die Preibisch-
Simrothsche »reale« Jahrbillionen-Schwingung um
dieselbe Oszillationsachse erfolgen soll, wie
unsere in Fig. 6 und 7 versinnlichte tägliche Relativ-
schwingung der Erdoberfläche. Betrachtet man nämlich
die Linien gleicher Pendelschwere (z. B. in Günthers
»Handbuch der Geophysik«), so ergibt sich, daß der
afrikanische Kontinentsockel eine Art Massen-
vorsprung des Geoids, eine sozunennende »Geoidnase«
bildet, auf welcher sich zur stationären Hochflutzeit
notwendig die Mondanziehung verankern — der
Zenithflutberg festlegen muß, während demzufolge
sich der Nadirflutberg in die pazifische Ozeanwanne
einlagert. Es geht demnach auch unsere stationäre
Flutbreitenoszillationsachse beiläufig durch Equador
und Sumatra. Während also Preibisch und Simroth
durch tiergeographische und eiszeitforscher-
liche Überlegungen zu dieser Lage einer Schwingungs-
achse gelangten, ergab sich uns dasselbe aus den
Linien gleicher Pendelschwere, sowie aus der
linienweisen Verteilung der großen Kettengebirge, wie
sie durch Kreichgauer**) für verschiedene Erd-
geschichtsperioden zusammengesucht wurden. Und
nachdem unser stationärer Zustand der täglichen Flut-
kraftsystem-Schwingungen am selben Meridian
viele Jan chunderts andauern kann (vgl. Verschleppung
des stationären Stadiums in Fig. 9/1 und II), so muB
sich dieser Zustand tatsächlich im paläontologischen
Befunde der Tiergeographen, sowie in den Spuren
der grimmigsten jüngsten Vereisung der Erdoberfläche
widerspiegeln, was eben Preibisch-Simroth zur
Aufstellung ihrer mechanisch-physikalisch jedoch ganz
unmotivierbaren »Pendulationstheorie« verleitet
hat. Dies nur eines der vielen Beispiele, nach welchen
sehr ernste Forscher unbewußt fürunsbeweisende
Beobachtungstatsachen gesammelt haben, die
*) Simroth: »Die Pendulationstheorie«, 1907.
% Kreichgauer: »Die Aquatorfrage in der Geologie«, 1902.
sie aber mangels einer universellen Geogonie not-
wendig mißdeuten mußten.
Um uns nun über diese relative tägliche
Pendelbewegung der Erdoberfläche innerhalb des
stationären Flutkraftsystems vollkommen überzeugend
klar zu werden, wollen wir uns zunächst der unteren
Kleinfigur 6 bedienen, welche ja Erd- und Mond-
durchmesser samt Mondabstand des Stationärstadiums
im einheitlichen Maßstabe darstellt. Denken wir uns
darinnen zunächst die mit N’ bezeichnete Erdachse
nebst zugehörigem Aquator und nördlichem Mond-
wendekreis nm vorläufig weg und lassen die Erde
eine halbe Rotation um die Erdachse N und gleich-
zeitig den Mond eine halbe Revolution in der
gezeichneten Mondbahnebene vollführen, so wandert
hiebei der ursprüngliche geographische Ort des z-Punktes
längs des Mondwendekreises z zi nach zı, während
der neue geographische Ort des z-Punktes jetzt n
ist, folglich muß der Zenithpunkt z während dieser
halben Umdrehung längs des Mondzenithmeridians
von zı (am nördlichen Mondwendekreis) nach n (am
südlichen Mondwendekreis) gewandert sein, um nach
der nächsten Halbumdrehung wieder in z (am nörd-
lichen Mondwendekreis) anzulangen. (Ganz geradlinig
wird diese Meridianwanderung des Zenithpunktes z
zwar nicht sein, sondern die Wegspur einen äußerst
schlanken »Achter« bilden, was uns aber vorläufig nicht
zu beirren braucht.)
Es ist also das rein geographisch dasselbe, als
ob Erde und Mond in der in Fig. 6 unten gezeichneten
ursprünglichen Stellung verblieben wären, doch erstere
ohne zu rotieren, mit ihrer Achse eine Pendel-
schwingung von N nach N' und zurück gemacht hätte,
und zwar um den zur Papierebene senkrechten Äquator-
durchmesser als Oszillationsachse ; oder es bliebe rein
geographisch auch dasselbe, wenn man bei nicht
rotierender Erde den nicht umlaufenden Mond auf
seinem jetzt fixen Himmelsmeridian zwischen seinen
Himmelswendekreisen pro Tag einmal auf und nieder-
steigen ließe. Mechanisch ist diese Relativkinematik
natürlich insofern nicht dasselbe, als uns bei nicht
revolvierendein Systeme (Erde-Mond) die Revolutions-
Fliehkräfte fehlen würden, welche einerseits den
stationären Mond im Abstand von 7 r halten, ander-
seits auf der Erde den Nadirflutberg auftürmen müssen.
Da uns aber hier vornehmlichnurdiegeographische
Seite derstationären und pseudostationären Flutdynamik
deutlich vorstellbar werden soll, ist obige kinemati-
sche Raumvorstellung das geeignetste Mittel dazu.
Sollte uns aber dieses papierene Experiment im
Geiste nicht recht gelingen wollen, so bedienen wir
uns eines kopfgroßen, schiefachsig und drehbar auf
einem Stativ montierten Erdglobus und eines faust-
großen Apfels (als Mond), den wir uns auf einem
Kerzenleuchter in gleicher Mittelhöhe mit dem Globus
aufspießen. Zeichnen wir uns ferner auf horizontaler
Tischfläche die maßstäblich richtige Mondbahn mit
7r als Radius, in deren Mitte wir den Globus stellen.
Die Mondbahn möge in 4 Quadranten mit den Teil-
punkten (3609) 00, 900, 1800 und 270" geteilt sein und
der Mond mit ihm zugeneigter Erdachse bei 0° Länge
Aufstellung finden. Der gewählte, dem Monde zuge-
kehrte Mondzenithmeridian der Erde sei der mittel-
afrikanische etwa 20° östlich G. Lassen wir jetzt ver-
einfachend den Mond in der Ekliptikebene (also
parallel der Tischfläche) umlaufen, so liegt der an-
fangliche Mondzenith z im nördlichen Sonnenwende-
kreis-Schnittpunkt mit dem gewählten fixen Mond-
zenithmeridian, also in + 231/00 Breite. Schieben wir
jetzt das Mondstativ auf den Bahnpunkt 900 und
drehen auch die Erde um 90° weiter, so ist hiebei z
in den Äquator herabgestiegen. Dieses Spiel qua-
drantenweise fortgesetzt, sehen wir z bei 180° Mond-
bahnlänge auf —- 231/0 Breite, umkehren, bei 270°
Länge aufsteigend wieder den Aquator passieren und
bei 3600 Länge wieder in + 231/20 Breite anlangen,
und zwar immer am selben Meridian von 20!
geographischer Länge verbleibend.
137
Ist uns nun so die längsstationäre Breiten-
bewegung des Mondzenithpunktes z (und notwendig
auch des Nadirpunktes n) stereometrisch durchsichti
geworden, so haben wir uns noch vorzustellen, da
der Mond nicht genau in der Ekliptik revolviert,
sondern in einer Ebene, die heute rund 5°, zur
Stationärzeit aber etwa bloß mehr 3° zur Ekliptik
geneigt ist; und ferner, daß die Schnittlinie beider
Ebenen (Mondknotenlinie) heute in ca. 18 Jahren,
zur betrachteten Stationärzeit aber vielleicht in bloB
2 bis 3 Jahren retrograd umläuft; so daß also die
Mondeswendekreise abwechselnd extrem einmal
je 3° außerhalb, dann wieder 3° innerhalb der
Sonnenwendekreise zu liegen kommen. Nehmen
wir jetzt noch hinzu, daß bis dahin die Erdachse
durch die Breitenflutreibungsarbeit mindestens bis auf
rund 20° Ekliptikschiefe aufgerichtet sein wird (gegen-
über den heutigen 23¼ ), so kann der stationäre Mond
seine geographischen Wendekreise etwa zwischen
+ 23° und + 17° aus- und einatmen lassen, und
zwar in etwa 2½, jähriger Periode sagen wir, was
eben heute in 18°6jähriger Periode innerhalb + 28'/,°
und 18½ geographischer Breite sich abspielt.
ies will nun in Fig. 9/V dadurch sinnfällig ge-
macht sein, daß wir dorten die Mondeswendekreise,
zwischen denen sich ja die Wellenlinien der Breiten-
oszillationen von z und n einordnen, von links nach
rechts hin immer enger werden sehen und vielleicht
geschieht dies in Wirklichkeit in noch viel engerem
Maße, als dorten gezeichnet. Es wird also dıe, in
mondlosen Zeiten mit ihrem Nordpol (kreiselartig
wankend, Präzession) dem Sonnenapex zustrebende
Erdachse bei jeder neuen Mondannäherung und Auf-
lösung immer wieder fast senkrecht zur Erdbahn-
ebene aufgerichtet, so daß nach jeder, also auch der
jüngsten Sintflut, die be hreszeiten verwischt
erscheinen mußten. Der Naturmensch, welcher das
irdische Jahr nicht aus dem wechselnden Auf- und
Untergange der Sternbilder, sondern aus dem jahres-
zeitlichen Wechsel von Tag und Nacht und der
irdischen Natur überhaupt als solches erkannt haben
konnte, hatte daher im jeweiligen neuen Paradiese-
nicht nur keinen Monat sondern auch keinen
Jahres zeitmaßstab mehr und dies ist auch der
Grund, warum sich in alten Texten verblaßte Spuren
von Zeiten eines »ewigen Frühlings«
auf Erden finden.
Doch nun zurück zu Fig. 6. Die dort gezeichnete
Eilinie ist zwar eine auf einen Kreis basierte Kräfte-
diagrammlinie, aber wir können sinnfälligerweise
immerhin annehmen, daß sich die beiden »statio-
nären Flutberge« in irgend einem (etwa 50fach)
überhöhten Maßstabe ebenso darstellen würden. Zu-
gleich darf man sich vorstellen, daß im »Ebbegürtel«
auch das Grundwasser so tief sinkt, als diese Eilinie
»überhöht« erkennen läßt. Wir müssen uns jetzt von
der schulgewohnten Vorstellung losreißen, nach
welcher wir die irdischen Klimazonen nach geographi-
scher Breite, nach Äquator und Erdachse und nach
deren Neigungswinkel zur Ekliptik beurteilen; denn
jetzt ist eine Erdeiachse z n hinzugekommen,
welche um eine durch Equador und Sumatra gesteckte
Oszillationsachse täglich einmal relativ auf- und
niederschwingt. Der Aquator dieser Eiachse verläuft
in seiner Mittelstellung über beide Rotationspole und
mit ihm auch der bereits genannte Ebbegürtel.
In diesem stationären Ebbegürtel herrscht also
die Eiszeit, während unter den beiden Flutbergen
jene »Flutzeit« herrscht, die von den modernen
Eiszeitforschern dahin mißverstanden wurde, daß sie
den Begriff einer Zwischeneiszeit (Interglacial-
zeiten) einführten, darüber wir noch sprechen werden.
Im stationären Ebbegürtel mag die Landvereisung
sich bis nahe dem Äquator herabschieben. Und nur
diese beiden tropischen Flecken des Ebbegürtels —
im Norden und Süden von sich langsam heran-
schiebenden Stirnmoränen, im Osten und Westen von
den meridional oszillierenden beiden Flutbergen be-
138
renzt — laden zur Zusammenströmung der stationären
iszeitmenschheit ein. Das wären also wieder die
beiden Gegenden um das F Equador a
ganz Tropisch-Amerika) und um Sumatra herum (also
das heute zum Teile unter Wasser stehende Gond-
wanaland mit Nordaustralien und Indien).
In unmittelbar vor- und nachstationärer Zeit,
bezw. in den unserem Stationärpunkt C der Fig. 8
und 9 vorangehenden und nach folgenden Jahrzehn-
tausenden, in denen also die beiden vollkommen
isolierten Flutberge (täglich einmal auf- und nieder-
pendelnd) die Erde nach rück- und vorwärts langsam
umschleichen und umschreiten, muß natürlich
auch der Ebbegiirtel im selben Schleich-
tempo mitwandern. Es gelangen also große Länder-
gebiete der mittleren und niedrigen Breiten in ver-
schiedenen Zeitintervallen von mehreren Jahrhunderten
und Jahrtausenden abwechselnd unter oszillierenden,
schichtenbildenden Wasser und dann wieder unter Schutt
anschiebendes Inlandeis! Und das ist das Geheimnis
von der vermeintlichen Unterteilung der
roBen Eiszeit in Untereiszeiten und
wischeneiszeiten. Diese »Interglacial-
zeitene unserer Eiszeitgelehrten sind also eigentlich
ein großes Mißverständnis. Denn in Wirklichkeit
nimmt die Erdenvereisung beiläufig im Sinne der
Kurve Hz von Fig. 9/IIf ununterbrochen zu bis zum
Zeitpunkt C, dann wieder langsam ein wenig ab bis
zum Zeitpunkt F, um dorten durch die Sintflut ihren
geologisch plötzlichen Abschluß zu finden, wie
solchen die Fig. 10 versinnlichen soll.
Sinngemäß haben wir um die Stationärzeit herum
zweierlei Ebbe und Flut zu unterscheiden: eine
Oszillations-Ebbe und Flut und eine Re-
volutions-Ebbe und Flut, von denen erstere
täglich abwechseln, letztere aber in Perioden von
Jahrtausenden, Jahrhunderten, Jahrzehnten u. s. w.
herab, je nach zeitlichem Abstand von C.
Nördlich und südlich von jedem der beiden Flut-
berge erstreckt sich je ein breites halbmondförmiges
Ebbe- und Flutgebiet — die so zu nennenden Os-
zillationsebbegebiete — in welchen der eigentliche
Schichtenbau stattfindet. Die täglich einmal auf-
und niederpendelnden Flutberge wühlen natürlich alle
Alluvialablagerungen (Humus, Lehm, Löß, Fein- und
Grobsand, Fein- und Grobkies etc.) auf und benagen
auch ausgiebig alles Festgestein, sie roden notwendig
auch alle Waldbestände samt den Wurzelstöcken ab,
heben um so gewisser auch alle Strauch-, Gras-, Moor-,
Torf- und Moosbestände des von ihnen befluteten
Landes auf, sie verschonen auch die submarinen
Tang- und sonstigen Algenwälder nicht, auch nicht die
riesigen Muschel-, Schnecken- und sonstigen Schaltier-
ablagerungen und Knochengerüste des Meeresbodens.
Mit allen diesen Stoffen, die wir grob in mineralische
und tierische Sinkstoffe und in vegetabilische
Schwimmstoffe einteilen können, sind die beiden
Flutberge insbesondere in ihren nördlichen und süd-
lichen Oszillationsebbe- und Flutbereichen schwer
beladen. Es ist also klar, daß auf diesen vier halb-
mondförmigen Oszillations-Ebbegebieten täglich un-
geheure Mengen von solchen Sink- und Schwimm-
stoffen schichtenweise liegen bleiben und im grimmigen
Eiszeitfroste auch täglich beinhart niedergefrieren
müssen.
So bauen sich da ungeheure Schicht-
komplexe auf, so lange, bis durch den zu-
nehmenden Schwerdruck die untersten Schichten
wieder auftauen und in ihren lehmigen Bestandteilen
ein ausgezeichnetes Schmiermaterial abgeben, auf
welchem nun solche hochaufgebaute und weitaus-
gebreitete Schichtkomplexe ins gletscherartige Gleiten
nach den beiden Flutkardinalpunkten z und n hin-
geraten. Das ist also die Bedeutung der in Fig. 6
und 7 sinnfällig gemachten Zone der Schichtung
und Gleitung. Um die Kräfte, die solches Schicht-
gleiten bewirken, sind wir nicht in Verlegenheit, da
deren Breitenoszillationen
wir ja in Fig. 6 die in diesen Zonen beiläufig
tangential wirkenden Hubkräfte entnehmen können,
welche das beiläufig 600 bis 900fache der heutigen
Flutkräfte ähnlicher Zonen betragen. Natürlich können
diese gleitenden en wie in Fig. 7 er-
sichtlich, die Zenith- und Nadirpunkte nicht er-
reichen, da sie ja gleichsam daliegende Ringgewölbe
bilden, die sich trotz ihrer gletscherartigen Piastizität
auch durch die noch so großen, langen Schubkräfte
nicht unter einem gewissen kleinsten Ringumfang
zusammenstauchen lassen. Dieses Herangleiten von
immer neuen gefalteten Schichtringwellen kann aber
trotzdem nicht ins Stocken geraten, weil dieselben
beim tieferen Hineingleiten unter die Flutberge durch
immer wieder teilweise
aufgelöst werden. Insbesondere werden die Ober-
falten dieser Ringschichtwellen fortwährend abgenagt
und das Material immer wieder in die Ebbegebiete
hinausgeschwemmt und so neu versedimentiert.
Hier wird nun das Thema unerschöpf-
lich, denn hier sind wir endlich bei der eigentlichen
und wahren Gebirgsbildung angelangt. Hier sind
wir mitten in jenen »Episoden von so erschüt-
ternder Gewalt«, von denen Altmeister Sueß trotz
seiner Lyell-Gefolgschaft ahnungsvoll meint, »>daB
die Einbildungskraft sich sträubt, dasBild
auszumalen, für welches der grübelnde Ver-
stand aus den aufgeschlossenen Schicht-
profilen der großen Kettengebirge« heraus, mit
ihren Faltungen, Überkippungen und Uberschiebungen
»die allgemeinen Umrisse setzte. Um ganz
gründlich zu sein, müßten wir jetzt zunächst den
kataklysmatischen Vorgang der vertikalen und hori-
zontalen Korngrößensortierung der aufgelösten
Sinkstoffe sowie der schichtenweisen Ablagerung
der vegetabilischen Schwimmstoffe (Steinkohlen-
flötzbildung) und sonstiger Versedimentierung (Kalk-
steinbildung, Salzgebirgebau, Bitumen- und Erdöl-
Ablagerung, natürliche Destillation des Erdöls, Petre-
fakteneinbettung 5 klarstellen; doch jedes dieser
Kapitel würde bei größter Einschränkung einen Auf-
satz für sich bedingen. Wir müssen daher dies alles
aus Platzgründen auf unbestimmte Zeit verschieben
und können höchstens in Aussicht nehmen, nächstens
einmal die wichtigste und typischeste aller Schichten-
bildungen: Die Steinkohlenflötz-Ablagerung als
instruktivstes Schulbeispiel der Gebirgsbildung heraus-
greifen, weil es da, selbst bei dem nicht mit uns
gekommenen Leser im vorhinein feststehen dürfte,
daß diese Steinkohlengebirgsbildung mit dem Aus-
gangspunkte unserer geologischen Abschweifung, d. i.
mit den Erdbeben gewiß nichts zu tun haben
kann.
Das bisher Gesagte ermöglicht es uns aber doch
schon, uns von der hergebrachten geologischen
Vorstellung leicht loszumachen, daß die so riesigen
sedimentären Schichtfalten unserer Hochgebirge sich
durchaus im erhärteten Zustande so gebogen
haben könnten, ohne zermalmt zu werden! Die
Vorstellung des Faltungsvorganges wird jetzt nämlich
dadurch wesentlich erleichtert, daß die noch nassen
aber gefrorenen Schichtmassen eine gletscher-
artige Plastizität besitzen und somit durch die Mond-
schwere auf (durch die Erdwärme und Schweredruck
aufgetauter) schmieriger Unterlage in ein lang-
sames Fließen, Stauen, Falten, Überkippen und Über-
schieben geraten, ähnlich wie ja auch das scheinbar
so spröde Gletschereis sich in einem langsamen pech-
artigen Flusse befindet.
Natürlich pendeln die Wassermassen der beiden
Flutberge nicht nur in der geographischen Breite auf
und nieder, sondern werden deren Ufer auch in der
eographischen Länge stark aus- und einatmen: Die
Schichtbau- und Gleitgebiete werden sich auch dorten
herum zu einem ovalen Ring zusammenschließen, nur
in viel schmälerer Ausdehnung als nördlich und süd-
lich von den beiden Flutbergen. Man kann also im
Sinne der Inschriften von Fig. 7 sehr wohl von einer
>Ovalringfaltung« der beiden Flutberge sprechen.
Ebenso bedürfen die dortigen Bezeichnungen einer
Zenith- und Nadir-Gleitnarbe und Faltungs-
zone wohl kaum einer näheren Begründung mehr.
Der stationäre Hochflutzustand ist in dieser primi-
tiven und nur schematisch zu verstehenden Fig. 7
aber so dargestellt, als ob die beiden Flutberge in
ihrem letzten vorstationären Umlauf nicht von Osten
herangeschlichen wären, sondern sich unvermittelt so
eingestellt hätten und in Dauerwirkung blieben. Wäre
solches jedoch wirklich der Fall gewesen, so sähen
wir heute die Ruinen zweier, aber um so auffallen-
derer Ovalringfaltungen, und zwar zenithseits um den
afrikanischen Kontinenthorst herum und nadirseits
noch deutlicher das pazifische Ozeanbecken oval um-
säumend, als wir dies ohnehin heute sehen. Nachdem
aber in stationärnahen Zeiten der Tropengürtel von
den breiten oszillierenden Flutbergen ungemein
langsam umschlichen wird, so daß die stationär-
nächsten Rück- und Vorumschliche auch Jahrtausende
lang dauern, so kommt eigentlich jeder Punkt des
Äquators wiederholt in die Lage, für längere
Zeit das Zentrum (z und n Punkte) einer solchen
Ovalringfaltung zu sein. Es baut sich also da Oval-
ringfaltsystem neben und über Ovalringfaltsystem,
doch so, daß bei jeder neuen Flutberg-Längsstellung
die Faltungsruinen der vorhergegangenen Flutstellung
in der Umschleichrichtung hin um so leichter wieder
aufgelöst werden, in je niedrigeren Breiten sie liegen.
Aber auch dieser Vorgang ist aus dem heutigen
geologischen Befund heraus nicht so einfach zu ver-
stehen, weil ja das schon vom jeweilig vorigen
Kataklysmus her reich gegliederte Bodenrelief dem
Weggleiten der verschiedenen Schichtkomplexe die
allerverschiedensten Hindernisse in den Weg legt,
daher auch das Zusammengleiten der Ringfaltungen
bei weitem nicht in jener Vollständigkeit und Regel-
mäßigkeit erfolgen kann, wie dies etwa Fig. 7 er-
warten ließe. Stellenweise bleiben die Gleitfalten an
älteren Gebirgen hängen und bilden, falls sie nicht
vorher aufgelöst werden, um so größere Hindernisse
für spätere, etwa beim nächsten oder zweitnächsten
Flutbergumschlich neuerdings herangleitende Schicht-
komplexe — stellenweise geht das Herangleiten ohne
Hindernisse von statten und werden solche Schicht-
massen auch weniger gefaltet, überkippt oder gar
überschoben sein, weil sie ebenso wie ihre Vorgänger
im selben Maße wieder aufgewaschen werden können,
als sie herangleiten, stellenweise wird ein Weggleiten
überhaupt nicht eintreten, wie wir dies an dem
Horizontalliegen der sogenannten russischen Tafel,
der Saharaterrassen, der Schichten des Tafelberges
in Kapland, der englischen und nordfranzösischen
Steilküsten, Helgolands, des Coloradoflusses u. s. w.
studieren können. Oft wird es vorkommen, daß sich
herangleitende Schichtkomplexe um ein isoliert da-
stehendes Hindernis konkav herumbiegen oder zwi-
schen zwei nahen Hindernissen konvex durchhängen
und in weiterer vervielfachender und abwechselnder
Kombination solcher Möglichkeiten zu den abenteuer-
lichsten Formen der Faltenverbiegung auch im hori-
zontalen Sinne führen. Schließlich ist noch zu be-
denken, daß die abnagende Wirkung der Oszillations-
und späteren Revolutionsfluten alles das wieder zu
Ruinen macht, Oberfalten abradiert, Täler ausfrißt,
Niederungen ausfüllt u. s. w.
139
So wird es also verständlich, daß das so unregel-
mäßige Durcheinander der heute als »Gebirge« da-
liegenden Schicht-Gleitfaltungsruinen dem glacialkos-
mogonisch noch ungeschulten Geologenauge gar kein
plausibles Gesetz der Gebirgsbildung verrät und ihm
somit die sogenannte »Kontraktionstheorie«
(Gebirgsbildung durch Auskühlungs-Zusammenzie-
hungs-Runzelung der festen Erdkruste) ungestraft
eingeredet werden durfte.
Eine weitere Komplikation ergibt sich noch aus
folgendem: Dorten, wo schon aus früheren Kataklys-
men Gleitfaltungen hängen blieben, geschieht solches
natürlich auch im nächsten Kataklysmus; an dieser
Stelle erfährt somit die nicht absolut starre Erdkruste
mit der Zeit eine derartige Mehrbelastung, daß sie
langsam niedersinkt oder an durch die fortwährende
Erddeformierung gebildeten Gewölbesprüngen jäh nie-
derbricht; da sie aber, wenn auch noch so mächtig,
im Grunde doch am glutflüssigen Erdinnern
schwimmt, so muß dieses Magma durch solche
Bruchspalten emporgedrückt werden, eventuell sogar
auch unterhalb der oszillierenden Flutberge und neuge-
bildeten Schichtkomplexe; solches Magma dringt dann
auch zwischen die noch gefrorenen neptunischen
Schichten ein, um dorten zu sogenannten »Intru-
sionen« (notorisch plutonische Schichtgebilde
zwischen notorisch neptunischen) oder in größeren
kompakten Massen zu sogenannten «Lakkolithen«
(plutonische unter neptunischen Schichtaufwölbungen
verborgene oder durch spätere Erosion abgedeckte
Gesteinseen) zu erstarren. Nachdem es sich da auch
um periodische Mehrbelastungen durch Hochfluten
und Gezeitenkräfte handelt, so kann das Emporquellen
des Magmas auch periodisch erfolgen, woraus
sich die oftmals geschichtet daliegenden pluto-
nischen Gesteinsmassen erklären lassen. Das Magma
kann auch in solchen Mengen emporkommen, daß es
anze plutonische Gebirgsstöcke (Granit, Porphyr,
asalt etc.) innerhalb unzweifelhaft neptunisch ab-
gelagerten Schichtkomplexen bildet. Durch die Wärme-
abgabe solcher emporgedrückter Glutflußmassen werden
die anliegenden neptunischen Schichtmassen im
noch unerhärteten nassen Zustande, oft unter hohem
Drucke gleichsam gebrannt, umgebildet (Gesteins-
metamorphose), auf welche Weise z. B. auch der
kristallinische Schiefer erklärt werden kann. Auch
neptunisch abgelagerte Kalkmassen (ebenfalls
kataklysmatisch aus heraussortierten meerestierischem
Schalen- und Krustenzerreibsel sedimentiert) können
im noch nassen Zustande solcher Metamorphose unter-
zogen werden, um z. B. den weißen kristallinischen
Marmor zu liefern, wobei allerdings auch spätere In-
filtration mitgewirkt haben mag.
Wir können, wie gesagt, dieses Thema im Detail
hier nicht erschöpfen, wie wir es auch selbst in
unserem Hauptwerke nicht erschöpfen konnten. Aber
der geneigte Leser versuche jetzt einmal von dem
neugewonnenen Standpunkte aus etwa Neumayrs
»Erdgeschichte« oder Sueß’ »Antlitz der
Erde« durchzunehmen, und er wird staunen, wie die
dorten aufgehäuften objektiven Beobachtungstatsachen
in dem neuen Lichte sich von selbst zu einem ganz
neuen einheitlichen und widerspruchslosen Lehr-
gebäude gruppieren, wenn es ihm gelingt, den dorten
von Laplace-Lyellschem Standpunkte aus gegebenen
Erklärungen den Glauben zu versagen.
(Fortsetzung folgt.)
* =
140
Sturmkalender für Mai und Juni 1915.
Von Wilhelm Krebs. (Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen.)
Störungsfolgen aus den Hauptherdgebicten der tropischen Sturmbilidung
1915,
im Indischen Ozean
im Westpazifik | indwestend
| |
Sturm- f |
Sturm- Sturm-
. bis Sturm- 28. bis 5 rm-
bildun bildu
I. bis I. bis t
Nord- Sturm- pazifik) Sturm- Indischer Sturm-
Smerika ur l „ | re bildung Ozean rg een
3 10. bie 16. Ostasien t0. bis 16. (Westen) 10. bis 168.
15. bis 21. no |
Sturm- p ) | Ostasien Sturm- Indiscber
bildung | — | ----- - —-| (Nord- |- = -——| bildun Ozean
Mai 4 Nord- !6.bis pazifik) 18. bis 22. (Westen)
22. bis 28. Europa amerika :
Nord- Ostasien Indischer
= amerika a an (Nord- eg = Ozean
Mai Nord- pazifik) (Westen)
29. bis 31 amerika Ostasien | Ost-
N ee
pa en Ost-
Juni 1 Nord-
1. bis 7. Europa amerika Europa
Nord (Süden)
5 * bo ey ~~~ 1 Europa amerika| | a Ost. n
un
Europa Europa
8. bis 14 r us (Süden)
üüĩõÜ%C r EEE rde ia a ͤ»ñ ov. 8
| Para ores amerika
un
15. bis 21 | Europa
E BESTER a r EEE AEE EE WER PELENE, Nord- F
amerika
| ns Europa ! |
| he et — SEE aE 3 RER i — 22277 ͤ— re ee — Er uk
| | | |
Juni 5
29. bis 30 Europa |
Für die Termine Indischer Ozean (Westen) kamen hiefür einige Schiffsunfälle bei Aden und vor der Einfahrt in den Suez-
kanal in Betracht. Die weitere Bahn der Störungsfolgen scheint danach östlicher gelegen zu haben als gewöhnlich, so
daß die Störungen im Südosten Europas zumeist nur durch ihre indirekte Wirkung,
rückschläge bemerkbar waren. Die Wiederkehr besonders wirksamer Epochen der Sonnentätigkeit steht im Juni bis zum 3.
und nach dem 16. in Aussicht. In dieser Zeit ist auf Gewitterbildung und erdmagnetische Störungen besonders zu achten.
auf eine Förderung der Kälte-
Bericht über die Generalversammlung des k. k. Österreichischen
Aeroklubs am 17. April 1915.
Die 15. ordentliche earam ing des k. k.
Österreichischen Aeroklubs, welche am 17. April 1915,
um 7 Uhr abends, im Hotel Imperial stattfand,
wurde in Vertretung des im Felde stehenden
Präsidenten Freiherrn von Economo vom Vize-
präsidenten Herrn Alfred von Strasser geleitet,
welcher die erschienenen Herren begrüßte und
die Beschlußfähigkeit der Generalversammlung kon-
statierte. f
Anwesend waren die Herren: Vizepräsident Ge-
neraldirektor Alexander Cassin one, die Ausschuß-
mitglieder: k. u. k. Hauptmann Wilhelm Hoffor y,
Rudolf Hu bel, Prof. Dr. Hans Lorenz, Ing. Ernst
Müller, Josef Polacsek, Norbert Reichert.
Dr. julius Steinschneider und k. u. k. Major
Hans Umlauff Ritter v. Fran kwell; ferner die
Mitglieder: Reichsratsabgeordneter Max Friedmann,
k. u. k. Hauptmann Siegfried Heller, Direktor Rudolf
Klein, Ing. Paul Kürt, Ernst Szilänyi, Rudolf
E. Rothe, Konsul Felix v. Stiaßny, Dr. Paul
Cohn und andere.
Entschuldigt waren die Herren: Präsident Baron
Economo, die Vizepräsidenten Major Hinter-
stoißer, Oberst Uzelac, ferner Hauptmann Adolf
Engel, Dr. Eduard Etthofen, egierungsrat
Dr. Oskar Fischl, kaiserl. Rat Josef v. Flesch,
Dr. Arnold Hildesheimer, Robert Mauthner,
Maximilian Mautner, Dr. Hermann Ritter von
Schrötter und Kommerzialrat Robert Siercke,
als im Felde stehend; ferner die Herren: Ausschuß-
mitglied Kommerzialrat Kamillo Castiglioni,
Dozent Dr. Viktor Heß, Viktor Ritter Mautner
v. Markhof, Andreas v. Rudno-Rudzinski
und andere.
Der Vorsitzende bestimmte zur Protokoll-
führung den Sekretär des Klubs und ersuchte die
Herren k. u. k. Hauptmann Wilhelm Hoffory und
Rudolf Hubel das Amt der Skrutatoren und Veri-
fikatoren freundlichst zu übernehmen.
Hierauf hielt der Vorsitzende folgende An-
sprache: Geehrte Herren! Das Klubjahr, über.
welches wir Ihnen zu berichten haben, hat mit reger
Tätigkeit eingesetzt und auch in der ersten Jahres-
hälfte zwei hervorragende sportliche Ereignisse ge-
bracht: den Schicht-Flug und das inter-
nationale aviatische Meeting in Aspern,
das »Derby der Lüfte«. Dasselbe fand ein jähes Ende
durch das fluchwürdige Attentat von Sarajevo am
28. Juni, dem unser höchster Protektor, Se. kaiserl.
Hoheit der Durchlauchtigste Herr Erzherzog Franz
Ferdinand und dessen hohe Gemahlin zum Opfer
fielen. Wir hatten alle gehofft, daß die gesitteten
Völker und deren Staatenlenker sich auf die Seite der
österreichisch-ungarischen Monarchie stellen werden,
um mit uns die Sühne für die Meuchelmörder zu
fordern und zu erlangen. Es kam aber anders; ins-
besondere als England und seine perfiden Staatslenker
sich an die Seite der Protektoren der Meuchelmörder
stellten, ist es zum Weltkrieg gekommen, inmitten
dessen wir jetzt leben und als dessen erstes Opfer
wir unseren höchsten Protektor ansehen müssen, der
in treuer Pflichterfüllung den Tod fand.
Sofort nachdem die schmerzliche Nachricht aus
Sarajevo ihre Bestätigung fand, hat unser Präsident
eine Trauersitzung des Klubvorstandes veranlaßt und
in beredten Worten die unvergänglichen Verdienste
des Verstorbenen um unseren Klub, um die österr.-
ungar. Luftschiffahrt und um die Ausgestaltung der
fünften Waffe für Kriegszwecke geschildert.
Auch an dieser Stelle wollen wir das Gelöbnis
erneuern, in Liebe und Dankbarkeit das Andenken an
Se. kaiserl. Hoheit, unseren verewigten Protektor,
hochzuhalten und nie versiegen zu lassen.
Die Versammlung hat sich zum Zeichen der Trauer
von den Sitzen erhoben und der Vorsitzende er-
klärt, diese Kundgebung in dem Protokolle verewigen
zu lassen.
Der Vorsitzende berichtet, daß er an Se. Ex-
zellenz Dr. Jaroslaw Grafen Thun, als den Vormund
der Kinder weiland Sr. kaiserl. Hoheit, das Jahrbuch
1915, welches das Bildnis und einen Nachruf für
Se.kaiserl. Hoheit enthält, übersandt habe und das nach-
folgende Schreiben von Sr. Exzellenz eingelangt sei:
»An das verehrliche Präsidium des
k. k. Österreichischen Aeroklubs, Wien.
In Erwiderung der geschätzten Zuschrift vom
2. d. M. erlaube ich mir, für die Zusendung zweier
Exemplare Ihres Jahrbuches meinen verbindlichsten
Dank auszusprechen, sowohl im Namen meiner
Mündel, der Kinder weiland Ihres höchsten Pro-
tektors, als auch in meinem eigenen Namen. Mit
dem Ausdrucke vorzüglichster Hochachtung er-
gebener Dr. Jaroslaw Gf. Thun m. p.«
Nachdem von der Verlesung des Protokolles
der letzten Generalversammlung Abstand genommen
wurde, erstattet der Vorsitzende den Bericht
über das Klubjahr.
Viele Herren des Klubs, allen voran das Durch-
lauchtigste Mitglied Se. k. u. k. Hoheit Erzherzog
Josef Ferdinand, der ruhmreiche Feldherr und
Armeekommandant, Se. k. u. k. Hoheit Erzherzog
Heinrich Ferdinand und Se. k. u. k. Hoheit
Erzherzog Leopold Salvator, ferner der Präsi-
dent Konstantin Freiherr v. Economo, die Vize-
präsidenten k. u. k. Major Franz Hinterstoißer
und k. u. k. Oberst Emil Uzelac, sowie die Ausschuß-
mitglieder k. u.k. Hauptmann Adolf Engel, Dr. Eduard
Etthofen, Dr. Oskar Fischl, kaiserl. Rat Josef
v. Flesch, Dr. Arnold Hildesheimer, k. u. k.
Hauptmann Wilhelm Hoffory, Robert Mauthner,
Ernst Müller, Dr. Hermann Ritter v. Schrötter,
Kommerzialrat Robert Siercke und k. u. k. Major
Hans Ritter Umlauff v. Frankwell, dann eine
große Anzahl von Mitgliedern und anderer Funktionäre
des Klubs sind ins Feld gezogen, um für Kaiser und
Reich zu kämpfen; viele von ihnen haben sich schon
mit Ruhm bedeckt und sind durch Auszeichnungen
geehrt worden; mancher hat den Heldentod am Felde
141
der Ehre gefunden. Franz Freiherr v. Berlepsch,
k.u.k.Hauptmann des2. Tiroler Kaiserjäger-Regimentes,
das geschäftsführende Ausschußmitglied des Klubs,
fiel als einer der ersten auf dem nördlichen Kriegs-
schauplatze. Weiters verlor der Klub bis zum Berichts-
schlusse seine Sportkommissäre Max v. Stutter-
heim und Kurt Ritter Umlauffv. Frankwell,
dann seine Freiballonführer Generalmajor Wladimir
Janiczek, sowie die Flugzeugführer des Klubs
Oskar Rosman, Albert Sanchez de la Cerda,
Josef Flassi 4 Adalbert Fe B] und Manfred G e-
or gie vics, die bei ihren gefahrvollen Erkundungs-
flügen mit dem Flugzeug den Heldentod fanden.
Wir werden Ihnen nach Friedensschluß Vorschläge
erstatten, in welcher Weise der Klub das Andenken
an seine Heldenmitglieder dauernd zu ehron gedenkt.
Außer den Vorgenannten, welche in Ausübung
ihres schweren und gefahrvollen Berufes ihr Leben
hingaben, gedenken wir in aufrichtiger Trauer des
Unglücksfalles, welchem Herr k. u. k. Hauptmann
Miecislaus Miller, Kommandant der Fliegerabteilung
in Wr.-Neustadt, zum Opfer fiel, der auf einer dienst-
lichen Automobiltour nach dem Kriegsschauplatze be-
griffen, bei Stuhlweißenburg am 29. juli verunglückte
und seinen Verletzungen erlag.
Ein überaus tragisches Geschick hat die Mit-
glieder und Führer des Klubs, die Herren Hauptmann
Johann Hauswirth, Oberleutnant Ernst Hof-
stätter, Oberleutnant Ernst Flat z und Leutnant
Otto Haidinger getroffen, die mit noch anderen
Herren der furchtbaren Flugkatastrophe in Fischamend
zum Opfer fielen. Das Körting-Militärluftschiff stieß
mit der von Oberleutnant Ernst Flat z geführten
Flugmaschine zusammen, wobei die oben genannten
mo noch fünf andere Herren einen grauenvollen Tod
anden.
Der k. k. Österreichische Aeroklub und mit ihm
die gesamte österreichische Luftschiffahrt werden
allen gefallenen Fliegerhelden, den vorgenannten
Funktionären und Mitgliedern stets ein treues, hoch-
ehrendes Andenken bewahren!
Die Versammlung erhebt sich zum Zeichen der
Trauer von den Sitzen.
Unser Klub hat statutengemäß der Heeres-
verwaltung seine gesamten Ballons und das Material
zur Verfügung gestellt und an die k. u. k. Luftschiffer-
abteilung abgeliefert.
Ein besonders vielversprechendes Jahr schien das
Klubjahr 1914 zu werden. Bereits am 1. Jänner fand
die erste Freiballonfahrt des Klubs statt, deren sich
in der ersten Hälfte des Jahres mehrere anreihten.
Die für das Frühjahr angesetzten Fuchs- und Ziel-
fahrten mußten leider ungünstiger Witterung wegen
auf den Herbst verschoben werden, konnten aber in-
folge des inzwischen ausgebrochenen Krieges nicht
mehr stattfinden, und auch die in Aussicht genommene
Beteiligung an mehreren Wettbewerben von anderen
Vereinigungen mußte infolgedessen unterbleiben.
Im Herbste beabsichtigte der Klub, den an ihn er-
gangenen liebenswürdigen Einladungen Folge leistend,
sich an verschiedenen auswärtigen ballonsportlichen
Veranstaltungen zu beteiligen. So war für Anfang
August eine Fuchsballonfahrt mit Automobilverfolgung
in Budapest geplant, für September eine Wettfahrt
des Deutschen Luftfahrtvereines in Böhmen und eine
Zielfahrt von Berlin aus, veranstaltet vom Kaiserlichen
Aeroklub, und im Oktober sollte eine Wettfahrt mit
Ballonverfolgung durch Automobile in Budapest statt-
finden. Außerdem hätte der Klub seine bis dahin nicht
abgehaltenen Fuchs- und Zielfahrten auch im Herbste
durchgeführt.
Die Gordon Bennett-Wettfahrt für Kugelballons
sollte heuer in Amerika stattfinden und hatte der
Aeroklub zwei Nennungen abgegeben. Infolge der
inzwischen eingetretenen Ereignisse mußte dieselbe
aber verschoben werden und wurden uns die ein-
gezahlten Nenngelder rückvergütet.
142
Seit dem Bestande des Klubs bis zum Ende 1914
wurden 455 Aufstiege gemacht, welche 1862 Stunden
und 25 Minuten währten, wobei 42.4388 km zurück-
gelegt wurden.
Wissenschaftliche Auffahrten hat der k. k. Öster-
reichische Aeroklub von 1901 bis 1914 83 unternommen.
Der k. k. Österreichische Aeroklub zählt nunmehr
107 Kugelballonführer und unter seinen Mitgliedern
205 Ballonfahrer.
Der Aeroklub hat bis 31. Dezember 1914 an
Führerdiplomen ausgestellt: Freiballonführer 107,
Flugzeugführer 185, Lenkballonführer 28 und Wasser-
flugzeugführer 4.
Die Bestrebungen des Klubs wurden auch heuer
wieder durch den Eintritt zahlreicher Mitglieder ge-
fördert. Leider hat der Klub infolge der weltgeschicht-
lichen Ereignisse auch viele Mitglieder teils durch
den Tod, teils auch durch Austritt verloren, so daß
der Aeroklub auch heuer 396 Mitglieder zählt.
Der Vorstand des Klubs hat beschlossen, von
einer Streichung der französischen Mitglieder Abstand
‘zu nehmen und diese fragwürdige Heldentat feind-
licher Klubs nicht nachzuahmen. Die Generalversamm-
lung nimmt dieses Vorgehen zur genehmigenden
Kenntnis.
In der Zeit vom 19. bis 26. April fand der erste
mit großen Preisen dotierte und überhaupt im großen
Stile angelegte Ssterreichisch-ungarische Wettbewerb
im Überlandflug, die Konkurrenz um den K 100.000-
Schicht-Preis statt. Die Details über diesen
Wettflug sind bei den aviatischen Veranstaltungen 1914
verzeichnet.
Ein unschätzbares, unvergängliches Verdienst um
die heimische Flugsache hat sich der hochherzige
Stifter des »Schicht-Preises«, Herr Georg Schicht,
erworben, dem hiemit der herzlichste Dank für seine
W Förderung der Luftschiffahrt ausgesprochen
wird.
Der Vorsitzende bittet die Anwesenden, als Aus-
druck des Dankes für Herrn Georg Schicht, sich
von den Sitzen zu erheben, und beantragt, Herrn
Schicht schriftlich mitzuteilen, daß sich die General-
versammlung seiner in dankbarer Gesinnung er-
innert hat.
In der Zeit vom 21. bis 30. Juni fand das dritte
internationale aviatische Meeting in
Aspern statt, das in diesem Jahre infolge der zahl-
reichen Beteiligung von seiten der Flieger, sowie
seiner ganz neuartigen schwierigen Konkurrenzen
wegen, zu einem hochsportlichen Ereignis wurde.
Se. k. u. k. Hoheit Erzherzog Leopold
Salvator hatte wiederum die Gnade, das Protektorat
über diese Veranstaltung zu übernehmen. Das Ehren-
präsidium lag in den Händen Sr. Durchlaucht des
Fürsten Hugo v. Dietrichstein.
Die Durchführung der Veranstaltung war heuer
ebenso wie in den beiden vorhergegangenen Jahren
eine mustergültige.
Nebst dem Präsidenten des Klubs haben sich auch
um das Zustandekommen und die Durchführung des
Flugmeetings eine ganze Reihe von Herren in hervor-
ragender Weise verdient gemacht, und spricht der
Aeroklub für die selbstlose aufopfernde Tätigkeit allen
Herren seinen Dank aus.
Nachdem die ausgeschriebenen Preise heuer nicht
ewonnen wurden, gelangen sie neuerdings für das
fahr 1915 zur Ausschreibung. Als neuer Preis kommt
der »Semmering-Preis«, gestiftet von Herrn
Rudolf E. Rothe, hinzu, sowie der vom Klub-
präsidenten Konstantin Freiherrn v. Economo ge-
stiftete Wasserflugzeugpreis »Adria«, ferner zwei
Ehrenpreise des Herrn Dr. Paul Cohn.
Bezüglich des »Adria-Preises« haben die
Triester Blätter, da Triest in dem »Adria-Rundflug«
nicht einbezogen ist, eine Polemik geführt und hat
sich infolgedessen eine Korrespondenz des Aeroklubs
mit einem Triester Blatte entwickelt, welches dahin
aufgeklärt wurde, daß Triest in der Verbotszone liegt.
In der Sitzung vom 7. April wurde zur Kenntnis
gebracht, daß der bisherige Ehrenpräsident, Herr
Viktor Silberer, diese Stelle niedergelegt hat.
Herr Viktor Silberer, der Begründer des Aeroklubs,
war der erste Freiballonführer in Österreich und hat
sich durch sein langjähriges tatkräftiges Wirken große
Verdienste um die gesamte Luftschiffahrt erworben.
Der Austritt des genannten Herrn wird mit allgemeinem
Bedauern zur Kenntnis genommen.
Wir haben beschlossen, die publizistischen Be-
ziehungen zur »Wiener Luftschiffer-Zeitung« zu lösen
und die e des Klubs in eigener, Regie
unter dem Titel »Mitteilungen des k. k. Oster-
reichischen Aeroklubs, der 5
Acronautischen Kommission und des Österreichischen
Luftschiffer-Verbandes« herauszugeben.
Der Aeroklub hat durch die so außerordentlich
dankenswerten Bemühungen seines AusschuBmitgliedes
Herrn Ing. Ernst Müller eine Verbilligung des Gas-
preises für Ballonfahrten bei den städtischen Gas-
werken durch das gütige Entgegenkommen des Herrn
Direktors Menzel erreicht, und stattet der Aeroklub
an dieser Stelle hiefür seinen herzlichsten Dank der
hochlöblichen Gemeinde Wien, der Direktion der
städt. Gaswerke und seinem Ausschußmitgliede ab.
Dem Herrn k. u. k. Linienschiffsieutnant Wenzel
Wosetek wird für seinen Flug mit dem Wasserflug-
zeug von Pola nach Kumbor (Golf von Cattaro),
welcher ohne Zwischenlandung durchgeführt, bei einer
Länge von 495 km einen Rekord darstellt, ferner dem
Herrn Linienschiffsleutnant Franz Mikuleczky für
hervorragende Flüge mit dem Wasserflugzeuge die
Verdienstmedaille des Aeroklubs in Silber verliehen.
Die Alleinfahrt des Herrn Oberleutnants Max
Macher von Fischamend nach Trelleborg (Schweden)
in der Dauer von 31 Stunden 12 Minuten wurde als
österreichischer Dauerrekord anerkannt und Herrn
Oberleutnant Max Macher ein Ehrenpreis für Re-
1 zugesprochen.
Das Zentralkomitee zur Schaffung
einer österreichischen Luftflotte hat in
Anbetracht der obwaltenden Umstände den aus den
Sammlungsergebnissen gebildeten Fonds von K, 400.000
der kaiserlichen Militärkanzlei zur freien Verfügung
des Kaisers übergeben. Die Sammlung wurde somit
ihrer ursprünglichen Bestimmung zugeführt.
Der k. k. Österreichische Aeroklub darf für sich
das Verdienst in Anspruch nehmen, allen Vereinen
voran, seit seinem Bestande seinen ganzen Einfluß
auf die Bedeutung der Luftschiffahrt für die Wehr-
macht des Staates gerichtet und dementsprechend
auch zielbewußt gehandelt zu haben.
Der gegenwärtige Krieg hat die Bedeutung des
Flugwesens den weitesten Kreisen aller Bevölkerungs-
schichten klar vor Augen geführt und die ganz außer-
ordentlichen Leistungen unserer tapferen Heldenflieger
haben allseits die Überzeugung von der Notwendig-
keit einer starken Wehr zur Luft wachgeruſen. Um
diesem Ziele zuzustreben, trachtet der Aeroklub die
zivile Luftschiffahrt in Österreich vorwärts zu bringen
und so zur Wehrkraft des Staates nach besten Kräften
beizutragen.
Das Klubjahr 1914 war für den Aeroklub nicht
nur seiner großen Veranstaltungen wegen ein be-
deutungsvolles Jahr, sondern ganz besonders durch
die in schwerer Kriegszeit gewonnenen Erfahrungen
und Erfolge wurde der Beweis erbracht, daß die Ziele
und Bestrebungen des Klubs, sowohl die Luftschiff-
fahrt in Österreich als auch die Flugzeugindustrie,
durch Veranstaltungen jeder Art zu fördern und auf
eine hohe Stufe zu bringen, vollkommen geglückt ist.
Dem Aeroklub gebührt sicherlich das Verdienst, durch
die von ihm geschaffenen Veranstaltungen diese groß-
artigen Fortschritte gefördert und erreicht zu haben.
Wir appellieren hiemit an alle beteiligten Faktoren,
Hand in Hand mit uns zur gedeihlichen Weiter-
entwicklung, bis zur höchsten Vollendung, der so
ruhmreichen österreichischen Luftschiffahrt beizutragen!
Kassenverwalter Herr Dr. Julius Steinschneider
erstattet den Bericht über dieKassagebarung,
welcher von der Generalversammlung genehmigend
zur Kenntnis genommen wurde.
Aus dem Kassaberichte ist ersichtlich, daß die
Einnahmen 1914 K 1%.306'42, die Ausgaben K 186.564 01
betrugen ; derselbe schließt mit einem Saldo von
K 37.185°17. Die Bilanz weist einen Vermögensstand
von K 47.777'80 aus, wovon K 10.000 in Kriegsanleihe
eingezahlt wurden.
Herr Dr. Otto Ritter v. Komorzynski berichtet
im Namen der Kassarevisoren, daß sie die Kassa-
gebarung einer Prüfung unterzogen und richtig be-
funden haben und ersucht um die Erteilung des Ab-
solutoriums, welche einstimmig erfolgte.
Herr Norbert Reichert ersucht, dem Herrn
Kassaverwalter Dr. Julius Steinschneider und
den Herren Revisoren Ernst Bader und Dr. Otto
Ritter v. Komorzynski den Dank der Generalver-
sammlung für ihre Bemühungen zu votieren. Ein-
stimmig angenommen.
ber Antrag des Vorsitzenden beschließt die
Generalversammlung einstimmig, daß der Aeroklub
einen Beirag von für einen Nagel dem
„Eisernen Wehrmann« widme.
Der Vorsitzende bringt vor Punkt 4 (Wahl des
Präsidiums, des Ausschusses und der Revisoren)
nachfolgenden an ihn eingelangten Brief des im Felde
stehenden Präsidenten Konstantin Freiherrn v. E c o-
no mo zur Verlesung:
„Sehr verehrter Herr v. Strasser! Da
es mir leider nicht möglich ist, zu der General-
versammlung des Aeroklubs, so gern ich auch möchte,
zu erscheinen, so bitte ich Sie, als Vorsitzender der
Versammlung, meine Entschuldigung und mein Be-
dauern für mein Fernbleiben gütigst aussprechen zu
wollen, zugleich aber auch meinen herzlichsten Dank
für das mir im Laufe des jahres erwiesene Vertrauen.
Ich lege natürlich mein Amt, das mir in so ehren-
voller Weise voriges jahr übertragen wurde, hiemit
wieder nieder, in der Hoffnung, daß mein Bestreben,
zur Zufriedenheit des Klubs zu arbeiten, mir wenig-
stens einigermaßen gelungen sein dürfte. Freilich bin
ich mir nachträglich selbst bewußt, daß manches anders
oder besser hätte gemacht werden können, im Augen-
blicke habe ich aber stets, soweit es mir möglich
war, mein bestes Bemühen angewendet. Dieselbe
Versicherung kann ich im Namen unseres leider so
früh verblichenen, gemeinsamen Freundes unser aller,
unseres unermüdlichen Mitarbeiters Franz Freiherrn
v. Berlepsch, geben, mit dem ich viele mühsame
und viele freudige Tage im Dienste des Aeroklubs
und der heimischen Luftschiffahrt verbracht habe, und
es drängt mich, Sie zu bitten, als Vorsitzender, mein
tiefes Beileid dem Aeroklub auszudrücken, an diesem
Tage seiner Generalversammlung, für den schweren
Verlust, den er erlitten hat, durch den Heldentod, den
sein geschäftsführendes Ausschußmitglied auf dem
Felde der Ehre fürs Vaterland gefunden hat.
Gestatten Sie mir, nun auch Ihnen, verehrter
Herr v. Strasser, und Herrn Generaldirektor
Cassinone zu danken für die große Fürsorge, die
Sie der Leitung der Klubangelegenheiten zwar stets,
aber ganz besonders in diesen schweren Zeiten ge-
widmet haben, und der es gelungen ist, auch in dieser
stürmischen Periode das Panier unseres geliebten
Klubs hochzuhalten und alle Angelegenheiten des-
selben glatt abzuwickeln und das Jahrbuch in dieser
schönen Ausstattung zu veröffentlichen! Ebenso danke
ich dem Präsidium und dem Ausschuß, sowie den
Mitgliedern der Spezialausschüsse für ihre hingebungs-
volle Arbeit im Laufe dieses Klubjahres.
Die Luftschiffahrt hat sich in diesem großartigen
Ringen der Völker als eine unentbehrliche Waffe er-
wiesen; die Österreichische Luftschiffahrt insbesondere
hat viele Errungenschaften und Siege zu feiern dank
143
der umsichtigen militärischen Leitung und dank dem
geharnischten Mute ihrer Piloten; mit Trauer und Stolz
1 wir alle der vielen edlen Opfer, die ihre
eihen gelichtet haben, mit Hoffnung und Ehrgeiz
blicken wir aber auf die jungen Helden, die für sie
eingesprungen sind. Wer aber die österreichische
Luftschiffahrt nicht eitel nennen will, muß im gleichen
Atemzuge auch den Namen des Österreichischen Aero-
klubs nennen, so innig ist die rage ea und jede
Entwicklungsstufe derselben mit dem irken des
Aeroklubs verquickt! Eines vom andern trennen zu
wollen, wäre ein leerer und zweckloser Versuch.
Daher wünsche ich in dem Augenblicke, da ich die
mir anvertraute Präsidentenwürde in die Hände der
Generalversammlung wieder zurücklege, dem Aero-
klub auch fernerhin kräftiges und glanzvolles Gedeihen
im Dienste und zum Wohle unseres geliebten Vater-
landes im Kriege und im Frieden, zum Siege über
feindliche Mächte der Menschen und Natur. Mit hoch-
achtungsvolisten Grüßen Ihr C. F. Economo m.p.«
Die nachfolgenden Herren wurden wiedergewählt:
als Präsident: Konstantin Freiherr v. Economo;
als Vizepräsidenten: Major Franz Hinterstoißer,
Alfred v. Strasser, Generaldirektor Alexander
Cassinone, k. u. k. Oberst Emil Uzelac;
in den Ausschuß die Herren: Gustav Bader,
kaiserl. Rat Alexander Beschorner, Kommerzialrat
Kamillo Castiglioni, k. u. k. Hauptmann Adolf
Engel, Dr. Eduard Etthofen, Regierungsrat
Dr. Oskar Fischl, kaiserl. Rat Josef v. Flesch,
Dr. Amold Hildesheimer, k. u. k. Hauptmann
Wilhelm Hoffory, Rudolf Hubel, Primarius Prof.
Dr. Hans Lorenz, Robert Mauthner, Ing. Ernst
Müller, Josef Polacsek, Norbert Reichert,
Dr. Anton Schlein, Dr. HermannRitterv.Schrötter,
Kommerzialrat Robert Siercke, Dr. Julius Stein-
schneider, k. u. k. Major Hans Ritter Umlauff
v. Frankwell;
als Kassarevisoren die Herren: Ernst Bader,
Dr. Otto Ritter v. Komorzynski-Oszczynski;
als Revisorenstellvertreter die Herren: Ing. Fer-
dinand Adam, Hans Bergmann.
Die Wahl des Präsidenten erfolgte einstimmig
unter lebhaften Heilrufen auf denselben; ebenso
wurden die anderen vorgeschlagenen Kandidaten für
den Ausschuß und die Revisoren mit Stimmen-
einhelligkeit gewählt.
Nach der Wahl ergriff der Vorsitzende das
Wort zu folgender Rede:
»Gestatten Sie mir, meine Herren, daß ich jenen
Wunsch zum Ausdruck bringe, der uns alle in diesen
Zeiten beseelt, in welchen unsere Gedanken und
Hoffnungen bei den verbündeten Armeen weilen, der
österreichisch-ungarischen und der deutschen, aber
auch bei dem obersten Kriegsherrn Seiner Majestät
unserem Kaiser. Möge nach der siegreichen Be-
endigung des Krieges es ihm noch lange gegönnt
sein, seine gütige Hand über uns walten zu lassen
und seine RN Regierung noch ungezählte Jahre
währen! Unsere Wünsche fassen wir in die Worte
zusammen: Seine Majestät unser Kaiser
lebe hoch!« Die Anwesenden stimmten begeistert
in die Hochrufe ein.
Herr Abgeordneter Max Friedmann spricht dem
Vorsitzenden, Herrn Alfred v. Strasser, für dessen
erfolgreiche Tätigkeit im Laufe des Kriegsjahres im
Namen der Mitglieder den herzlichsten Dank aus.
Der Vorsitzende erklärt, den Dank auch auf
den zweiten geschäftsführenden Vizepräsidenten, Herrn
Generaldirektor Cassinone, übertragen zu müssen,
und daß es ihn freue, in dieser schweren Zeit den
Klub tatkräftig erhalten zu haben; er hoffe, sein Amt
bald in die Hände des wohlbehalten vom Felde heim-
gekehrten Präsidenten legen zu können.
Schluß der Generalversammlung 8 Uhr abends.
144
Bücherbesprechungen.
Jahrbuch 1915 des k. k. Österreichischen Aero-
klubs.
In gewohnt geschmackvoller Ausstattung liegt
nunmehr das Jahrbuch 1915 des k. k. Osterreichischen
Aeroklubs vor uns, das heuer, trotz der das zivil-
flugsportliche Leben lahmlegenden kriegerischen Er-
eignisse des verflossenen Halbjahres in unvermin-
dertem Umfange erschienen ist und inhaltlich als
besonders reichhaltig bezeichnet werden muß. Die
ersten Seiten sind zunächst den teuren Toten des
verflossenen Jahres gewidmet. In dieser Hinsicht ver- -
merkt der Klub an der Spitze mit schmerzlicher
Trauer, daß er durch die Tat ruchloser Mörderhände
seinen erhabensten und höchsten Protektor, Se. k. u. k.
Hoheit den Durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Franz
Ferdinand d’Este, verloren hat, der an der Ent-
wicklung nicht nur des Klubs, sondern auch des
zivilen Luftfahrt- und Flugsports stets den lebhaftesten
Anteil genommen hat. In ebensolcher herzlichen Weise
gedenkt der Aeroklub in den nächsten Seiten seines
unvergeBlichen, verdienstvollen Generalsekretärs, des
Hauptmannes Franz Freiherrn v. Berlepsch, den
der ruhmvolle Heldentod auf dem Schlachtfelde ereilte.
Es folgt hierauf ein ausführlicher Bericht über
das vergangene Klubjahr 1914, dem mit Befriedigung
entnommen werden kann, daß der k. k. Österreichische
Aeroklub im abgelaufenen Jahre eine ganz besondere
organisatorische Tätigkeit bei den großen Wett-
bewerben dieses Jahres entfaltete, daß aber auch die
sonstige Klubtätigkeit eine recht lebhafte und frucht-
bare war. In diesem Belange wird an dieser Stelle
auch der aktiven Mitwirkung des k. k. Österreichischen
Flugtechnischen Vereines gedacht. Nach der üblichen
Wiedergabe der verschiedenen Prüfungsbestimmungen
sowie verschiedener anderer Klubmitteilungen kommt
die Sprache auf die sportlichen Ergebnisse des ver-
flossenen Jahres, insoweit sie innerhalb unserer Mon-
archie im Rahmen der programmäßig vorgesehenen
Veranstaltungen gezeitigt wurden. Hieran schließt sich
eine übersichtliche Zusanımenstellung der bis zu Ende
1914 erzielten internationalen Rekorde auf dem Ge-
samtgebiete des praktischen Luftfahrt- und Flugwesens.
Ein ganz neuer, in diesem Jahre in das Jahrbuch auf-
genommener Abschnitt: »Unsere Helden zur Luft. Das
Flugzeug im Krieg« führt in anschaulicher Weise die
wichtigsten Ergebnisse der Luftfahrt und Flugtechnik
im Kriege vor Augen, wobei in angemessener Weise
des hervorragenden persönlichen Anteiles der ein-
zelnen Flieger gedacht wird. Mehrere Porträttafeln
sowie gelungene Einzelillustrationen beleben diese
wirklich anziehend geschriebenen Schilderungen und
die daran angeschlossenen Notizen und Bemerkungen.
AuBerlich und inhaltlich, aber auch drucktechnisch
hervorragend ausgestattet, erweckt dieses Jahrbuch
keineswegs -kriegsmaBigen« Eindruck, es schließt
sich vielmehr den früheren Jahresberichten dieses um
die Hebung unseres nationalen Luftfahrt- und Flug-
wesens so hochverdienten Klubs würdig an, welchen
gegenüber es sogar durch die Anfügung mehrerer
völlig neuer Abschnitte ungemein vorteilhaft erweitert
erscheint. Spectator.
Kriegsluftschiffe und Kriegsflugzeuge.
In den letzten Wochen haben sich die feindlichen
Luftangriffe auf Baden, Elsaß und Ostpreußen erheb-
lich vermehrt und im Felde erhält diese neue Waffe
von Monat zu Monat erhöhte Bedeutung. Die kom-
mende schöne Jahreszeit wird der Luftflotte noch viel
Gelegenheit geben, nicht nur aufklärend, sondern
auch angreifend in dem Kampf zu wirken. Der Be-
völkerung steht kein Mittel zu Gebote, sich gegen
diese Raubvögel zu schützen, die in den Frieden
a Be
—
unseres Vaterlandes einbrechen, der dank des starken
Schutzes unseres Heeres im Innern herrscht. Da heißt
es gegebenen Falles so schnell wie möglich unter-
scheiden, ob Freund oder Feind, um dann im sichern
Keller Schutz zu suchen. Der Verlag des Taschen-
buches der Luftflotten hat soeben ein Werk heraus-
gegeben, das vorzüglich geeignet ist, an Hand von
guten Abbildungen aufklärend über die Luftwaffe zu
wirken. (Kriegsluftschiffe und Kriegsflugzeuge der
verschiedenen Staaten, 66 Bilder zur Feststellung von
Luftschiffen und Flugzeugen. J. F. Lehmanns Verlag,
München. Preis Mk. 1°20.
Das Werk enthält alle Luftschiff- und Flugzeug-
typen der kriegführenden Staaten sowie auch der
neutralen. Bei den Luftschiffen sind auch Angaben
emacht über Rauminhalt, Geschwindigkeit, Länge,
urchmesser und Motorenkräfte; beigegeben sind
auch für das Erkennen höchst zweckmäßige Schatten-
risse.
Gleich wertvolle Dienste wird das Werk auch
jedem Freund der Luftflotte leisten. Und wer ist das
in der Gegenwart nicht? In handlichem Taschen-
format ist es in Leporelloform zusammengelegt und
ermöglicht so leicht die Gegenüberstellung aller
Typen und das Feststellen aller wesentlichen Bau-
unterschiede. Viel Freude verspricht es auch der
Jugend zu machen, den Wehrkraft-, Jungdeutschland-
und Pfadfindergruppen, die ihren Stolz darein setzen,
in allen Truppengattungen Bescheid zu wissen, und
denen bisher jeglicher Anhalt für die Luftwaffe fehlte.
Wir möchten dieses billige und anregende Büchlein
in der Hand jedes Lehrers sehen, der sich den Dank
seiner Zöglinge sicher erwerben könnte, wenn er sie
mit den Helden der Luft und ihren Fahrzeugen ver-
traut machte. In den Grenzlanden wäre dies von be-
sonderem Wert. Auch für Polizeibehörden und ihre
Organe ist es unentbehrlich, vor allem wird es aber
den Soldaten im Felde, die im Flieger den gefähr-
lichsten Feind erkannt haben, als wertvoller Berater
eine willkommene Liebesgabe im Schützengraben sein.
Die höheren technischen Lehranstalten Österreichs
und die Berechtigungen ihrer Absolventen.
Unter diesem Titel hat der Österreichische Poly-
technische Verein in Wien ein Schriftchen heraus-
gegeben, das insbesondere bestimmt ist, die vielfach
recht unklaren Anschauungen über unsere höheren
technischen Lehranstalten (die sogenannten höheren
Gewerbeschulen und gleichgestellten Lehranstalten) zu
berichtigen und auch als Berufswahlführer zu dienen.
Das Schriftchen bringt eine gedrängte Skizze der
Organisation der Schulen, die Aufnahmsbedingungen,
die Studiengebühren, eine Übersicht aller höheren
technischen Lehranstalten Österreichs, die Lehrpläne
der einzelnen Abteilungen: Maschinentechnik, Elektro-
technik, Textiltechnik, technische Chemie, Baufach,
Schiffbau, graphische Technik u. s. w., eine Übersicht
der Berechtigungen der Absolventen für den Militär-
dienst, Studienberechtigungen, gewerbegerichtliche
Begünstigungen und eine Skizze der Laufbahnen im
öffentlichen und privaten technischen Dienst. Für Eltern,
die sich über die im Titel genannten Anstalten unter-
richten wollen und für die Schüler der Lehranstalten
enthält das gut ausgestattete Schriftchen eine Menge
wichtiger Angaben und wertvoller Hinweise. Das
Heftchen wird gegen Einsendung von K 1 (50 Heller
für Schüler) in Briefmarken von der Geschäftsstelle
des Österreichischen Polytechnischen Vereines, Wien,
I. Universitätsstraße Nr. 11, überallhin portofrei
geliefert. Ein sich etwa ergebendes Reinerträgnis fällt
gemeinnützigen Vereinszwecken zu.
NT
N
22
een.
m
Ein FlugzeugprozeB in England. — Das Monopol
für Albatros.
Das neue »Wr. Abendblatt« bringt folgende be-
merkenswerte Mitteilung: Vor dem Londoner Zivil-
Bein fand jüngst die erste Verhandlung eines
rozesses statt, den die Mechanical and General
Inventions Company gegen die Berliner Albatros-
Flugzeugwerke wegen eines vorgeblichen Kontrakt-
bruches angestrengt hatte. Rechtsanwalt Mac Cardie,
der die deutsche Firma vertrat, gab die Erklärung ab,
daß er schon mehrere Male um die Vertagung des
Falles bis nach dem Kriege einkam, da der Haupt-
zeuge der Verteidigung, Direktor Wiener, ein
0 sterreicher, sich in Berlin aufhalte.
er Richter, Mr. Bray, erwiderte indes, daß er die
Angelegenheit zu hören wünsche, um über die Frage
entscheiden zu können, ob die Vernehmung dieses
Zeugen für die Verteidigung unerläßlich scheine. Der
Vertreter der klägerischen Gesellschaft, Mr. Schwabe,
erhielt also das Wort. Wie er darlegte, forderte diese
von den Albatros-Werken die Auslieferung eines
Zweideckers oder andernfalls einen durch das Gericht
zu bestimmenden Schadenersatz. Dieser Zweidecker,
den bei Ausbruch des Krieges die englische Regierung
requirierte, habe eine sehr interessante Vorgeschichte.
Gegenwärtig werde er durch eine Summe Geldes
repräsentiert, welche die englische Regierung sich an
seine rechtmäßigen Eigentümer zu bezahlen ver-
pflichtete. »Sind wir das,« meinte Mr. Schwabe,
»so steht uns das Geld zu; wenn nicht, dann der
deutschen Firma — nach dem Kriege!« Die klägerische
Gesellschaft, fuhr der Rechtsanwalt fort, hatte mit
einem Herrn Jablonski, der die Albatros-Flugzeug-
Fesselballon der Fliegerabteilung in Russisch-Polen.
145
N
nm
Ya
werke vertrat, einen Vertrag abgeschlossen, demzu-
folge ihr die deutsche Firma einen Aeroplan liefern
sollte, der den englischen Militär- und Marine-
behörden vorzuführen war. Entsprach das Flugzeug
den Anforderungen dieser Behörden, so hatte die
klägerische Gesellschaft es für den Preis von
Mk. 28.000 anzukaufen, und sie sollte hiedurch auch
das Recht erwerben, Apparate dieses Typs in England
und gewissen andern Ländern zu erzeugen. Herr
Wiener, der österreichische Leiter der deutschen
Werke, und Herr Jablonski wurden den englischen
Militärbehörden vorgestellt, die ihnen ihre Befriedigung
über das Leistungsvermögen der gelieferten Maschine
zum Ausdruck brachten. Nun — führte Schwabe
aus — schien Direktor Wiener plötzlich zu der
Ansicht zu neigen, daß die Sache einen großen
Erfolg verspreche und daß es schade wäre, wenn ihre
Ausbeutung der klägerischen Gesellschaft anheimfiele.
Er leugnet daher die Gültigkeit des Kontraktes, mit
der Begründung, daß Herr Jablonski nicht berechtigt
ewesen wäre, einen solchen Vertrag abzuschließen.
an der Korrespondenz, die Jablonski in dieser
Ae delle mit den Albatros-Flugzeugwerken unter-
t, erhelle jedoch, daß dieser von der deutschen
Firma direkt ermächtigt wurde, auf den Vertrag ein-
zugehen, der der klägerischen Gesellschaft für fünf
Fluss das Monopol der Erzeugung von Albatros-
lugzeugen in England zugestand. Als Herr Wiener
vor dem Kriege in London weilte, habe er übrigens
mit der klägerischen Gesellschaft auf der Basis des
Vertrages unterhandelt, was allein schon eine Aner-
kennung der Befugnisse Jablonskis und des von
ihm abgeschlossenen Kontraktes darstelle. Was nun
nase
REN jiri
(»Kilophot.«)
146
den Schadenersatz anlange — schloß Mr. Schwabe,
— so müsse es dem Gericht überlassen bleiben, den
Wert zu schätzen, der einem fünfjährigen Monopol
in der AT OD ane eae. zukomme, bei dem eine
Lizenzgebiihr von Mk. 1 fiir jeden Apparat dieses
besonderen Typs vorgesehen war. Die letztere Dar-
legung gab den Anlaß zu folgendem Zwiegespräch:
Richter Bray: Die Zustände in der Welt sind
BREITE wirklich sehr günstig, um eine solche
erechnung anzustellen!
Mr. Schwabe: Die Zustände in der Welt sind
perenna just sehr günstig, für den Verkauf von
eroplanen. :
ichter Bray: Die Zustände in der Welt werden
bald derart sein, daß man sich einen Aeroplan
wünschen wird, um in eine andere Welt zu
fliegen.
Mr. Schwabe: Das würde die Nachfrage nach
Flugzeugen noch bedeutend erhöhen und der uns
zukommende Schadenersatz würde dann die kühnsten
Träume menschlichen Geizes übersteigen.
Richter Bray entschied, daß die Verteidigung
auf das Erscheinen des Direktors Wiener nicht
zu verzichten vermöge und vertagte den Fall sine
die, also bisnach dem Kriege.
Gestiftete deutsche Wasserflugzeuge. Neue
deutsche Marineflugzeuge, auf besondere Namen ge-
tauft, sind eine der jüngsten ee be im Kriege.
Der Flottenbund deutscher Frauen hat aus den
Ergebnissen einer Sammlung durch die Marinever-
waltung ein Wasserflugzeug beschafft, das auf den
Namen »Frauenflottenbund« getauft wurde. Ferner
haben Schüler des Katharineums in Lübeck ebenfalls
den Betrag für ein Marineflugzeug gesammelt, das den
Namen ongdeutschlande erhielt. Schließlich wird
zur Erinnerung daran, daß die Provinz Westpreußen
schon im Jahre 1912 ein Wasserflugzeug gestiftet hat,
demnächst wieder ein Wasserflugzeug den Namen
»Westpreußen« tragen.
Ein Geheimdokument über die »Neutralität«
Belgiens. Das zweite Maiheft der »Österreichischen
Rundschau« enthält einen interessanten Artikel des
derzeit in New-York lebenden Osterreichers Direktor
Leopold Perutz über die Haltung Amerikas im Kriege.
Im Rahmen dieses Artikels wird ein englisches Ce-
ooo
OO
D
DOD
heimdokument von hoher Bedeutung im Faksimile
veröffentlicht. Die Aufschrift lautet in deutscher Über-
setzung: »Geheim. Dieses Dokument ist Eigentum
Sr. britischen Majestät Regierung und nur zur persön-
lichen Information von... und jener ihm unterstellten
Offiziere, deren Obliegenheiten es berührt. Er ist per-
sönlich dafür haftbar, daß es sicher aufbewahrt und
sein Inhalt nur jenen Offizieren zugänglich gemacht
wird. Bericht über Belgien, südlich der Linie Charleroi-
Namur-Lüttich, und über Brüssel unter dem Gesichts-
unkt der Luftschiffahrt. 1914.« — Es ist dies ein
nformationsbuch für englische Flieger über die geo-
Penn nen Verhältnisse und insbesondere über die
andungsmöglichkeiten in den südlichen Gegenden
Belgiens. Es wurde streng geheim gehalten und ist als
»Eigentum seiner britischen Majestät Regierung« be-
zeichnet. Es beweist, daß England sich längst mit
einer Zusammenarbeit mit Belgien im Falle eines
Krieges beschäftigt hat, und gestattet, anzunehmen,
daß zwischen Belgien und England ein darauf bezüg-
licher Geheimvertrag bestanden hat.
Die Generalversammlung des Französischen
Aeroklubs. In Paris hat am 29. April die jährliche
Generalversammlung des Aeroclub de France statt-
gefunden. Nur 32 Mitglieder scharten sich um den Prä-
sidenten Herrn Deutsch de la Meurthe, der die
Sitzung mit einer sehr bewegten Ansprache an diese
Getreuen eröffnete. Die Rede gipfelte in den Nach-
rufen, die Herr Deutsch den Toten des Klubs zu
widmen hatte. »Bittere und unersetzbare Verluste«,
sagte der Präsident, mußten wir im abgelaufenen
Verwaltungsjahre ertragen. Sechzehn unserer Mit-
Besen, unter ihnen W. de Fonvielle und Rene
umpelmayer, schieden aus dem Leben, und
ihrer vierzehn, Ernest Zens, Senator Emile Rey-
mond, Hauptmann Sacerac de Forge, Henri
Roux, Marc Pourpe, J. Marconnet, E.Vallier,
V. Auclére, E. Bourceret, L. Helbronner,
|. P. Faure, A. Blachéres, M. Grand und
. Le Cérf, sind ruhmvoll auf dem Felde der Ehre
gefallen.« Auch der in deutsche Gefangenschaft ge-
ratenen Mitglieder, Maurice Chevillard, Jean de
Vilmorin, Roland Garros, Victor Bagues,
Henri de Pracomtal, A.Dumont undA. Roussel,
gedachte Herr Deutsch, um dann mit erhobener
ooo
Die Liebesgaben unserer Flieger an die Gegner. Sprengbomben, Brandgeschosse und Fliegerpfeile.
(Zur Verfügung gestellt durch Herrn Schriftsteller Hans Friedrich v. Orelli.)
Stimme die Liste jener Mitglieder zu verlesen, die
sich im Kriege bereits auszeichneten. Ihrer 39, darunter
Eugene Gilbert, Adolphe Pegoud, Garros,
Marc Pourpe, Louis Gaubert, Jacques Moreau,
Louis Bréguet, Louis Dancourt, E. Surcouf,
Dr. E. Rey mond, Graf de Lareinty-Tholozan
und Brindejonc des Moulinais, fanden Er-
wähnung im Tagesbefehl der Armee. Die Hauptleute
der Reserve Jacques Balsan, de Rose und René
Quinton wurden zu Majoren ernannt, die Leutnants
der Reserve J. Verne, V. Bacon, de Sansal,
Tisseyre, B. de Lesseps, de Malherbe,
E. Surcouf und Soreau zu Hauptleuten. Zu
Leutnants wurden Graf Henry de la Vaulx, Paul-
han, Henri Roux, Marquis des Riviers und Graf
Kergariou befördert; zu Unterleutnants Garros,
Brindejonc des Moulinais, Dancourt,
Thomäs und Le Grain; zu Feldwebelleutnants
Graf Montigny, Bunau-Varilla, Seratzky
und Amand; zuFeldwebeln Jacques de Lesseps,
77 Laboucheres und der Vizepräsident des
lubs Leon Barthou. Mehrere dieser Mitglieder
sind für das Kreuz der Ehrenlegion vorgeschlagen,
einige auch für die militärische Medaille. Herr
Deutsch de la Meurthe erörterte nun kurz die
bedeutsame Rolle, die das Flugwesen bei den
egenwärtigen tragischen Ereignissen spiele. Der
e de France, bemerkte er, könne stolz auf das
sein, was er zur Eroberung der Luft beigetragen habe.
»Freilich,« so fügte er hinzu, »wir hatten geträumt,
in der Luftschiffahrt und im Flugwesen die weiße
Taube erblicken zu können, die den Ölzweig
durch die Welt tragen und die Völker
einander nähern würde. Und wir sehen heute
nicht ohne Beklemmung, daß unsere Träume in den
blutigen Greueln eines uns aufgedrungenen Krieges
zerronnen sind — eines Krieges, der um so grausamer
ist, als alle Zerstörungsmittel, so verwerflich sie auch
sein mögen, von unseren Feinden unerbittlich an-
gewendet werden.« Generalsekretär Besançon er-
stattete Bericht über die Tätigkeit des Klubs, der
sich, wie er erklärte, seit dem Juli des Vorjahres der
Armee nützlich gemacht und bis zum 31. Dezember
nicht weniger als 41 Luftschifführerdiplome abgegeben
habe, was die Zahl der bis dahin insgesamt aus-
gestellten solchen Diplome auf 429 erhöhte. Aus mili-
tärischen Gründen, bemerkte Herr Besançon, wäre
„ 5
n
Vor dem Aufstieg zu einem Erkundungsflug.
n
147
es ihm nicht möglich, sich über die Verrichtungen
der französischen Lenkballone zu äußern;
aber er dürfe sagen, daß die französischen Konstruk-
teure großer Luftschiffe mit den deutschen rivalisieren
können, und daß die gegenwärtig bestehende fran-
zösische Lenkballonflotte die Erwartungen der Militär-
behörde mehr als erfüllt habe. (?) Das Flugwesen
besprach Herr Besançon nur vom sportlichen
Standpunkte aus, indem er erwähnte, daß von 136
im Vorjahre aufgestellten Flugwelthöchst-
leistungen deren 56 von französischen Fliegern
mit französischen Flugzeugen erzielt wurden. Herr
Mallet, der Schatzmeister, verlas die Rechnungs—
legung und wies auf die günstige finanzielle Lage
des Klubs hin, dessen Mitgliederzahl und Einnahmen
sich infolge des Krieges nicht wesentlich vermindert
hätten. Die vorgesehenen Ausgaben für das kommende
Verwaltungsjahr wurden von der Versammlung ge—
nehmigt, und diese billigte dann, ohne daß sich ein
Widerspruch erhob, die von dem Klubkomitee bereits
im Vorjahre verfügte Streichung aller An-
gehörigender mitFrankreich im Kriege
stehenden Nationen aus der Mitglieder-
liste. Die ausscheidenden Komiteemitglieder, unter
denen sich Santos Dumont, Graf Lambert, Graf
de la Vaulx und Herr Deutsch de laMeurthe
befanden, wurden sämtlich wiedergewählt.
400 a ade Flieger im Dienst. — Daten
aus der Generalversammlung des englischen
Aeroklubs. — Ende März hielt in London der
Royal Aero Club of Great Britain seine jährliche
Generalversammlung ab. Prof. A. K. Huntington,
der an Stelle des verhinderten Marquis of Tulli-
bardine den Vorsitz führte, besprach die Tätigkeit
des Klubs während des Vorjahres und knüpfte hieran
einige Bemerkungen über die der Vereinigung infolge
des Krieges erwachsenen Aufgaben. Nach seinen
Mitteilungen haben 297 Flieger im Jahre 1914 in Eng-
land das Flugzeugführerdiplom erworben; stieg damit
die Gesamtzahl der von dem Klub abgegebenen
Fliegerdiplome auf 1002, so könne man auf eine
weitere, ebenso starke Vermehrung schon bis zum
1. Mai 1915 rechnen, da sich auf den englischen Flug-
latzen mehr als 300 e zur Ausbildung be—
änden. Bei Beginn des Krieges habe der Klub die
zivilen Flieger eingeladen, sich samt und sonders als
Freiwillige in den Dienst desLandes zu stellen;
-
(»Kilophot«.)
7
Deutscher Flieger vor dem Aufstieg.
fast alle leisteten dem Aufrufe Folge, sie wurden
seitdem, den Erfordernissen entsprechend, dem Land-
heere oder der Marine zugeteilt. Abgesehen von
jenen Klubmitgliedern, welche bei der Erzeugung und
rprobung militärischer Flugzeuge wirksam sind,
ständen nun mehr als 400 Flieger im aktiven Dienst.
Die Verluste im Flugdienste seien bisher nicht
allzu groß gewesen. Seit Beginn des Krieges zähle
man 35 Tote oder Vermißte, 11 der Todesfälle hätten
sich infolge von Abstürzen in England selbst ergeben.
Zugunsten der im Kriege un Flieger und
ihrer Hinterbliebenen habe der Klub jetzt eine Hilfs-
kassa geschaffen, der bereits Pfd. St. 7007 an frei-
willigen Spenden zuflossen.
in neues Füllgas für Lenkluftschiffe wird in
der »Deutschen Luftfahrer-Zeitschrift«, Berlin (Verlag
Klasing & Co., 1915, Heft 5/6), vorgeschlagen, das
zwar schon längere Zeit bekannt ist, bisher aber noch
keine aeronautische Verwendung gefunden hat. Als
Ersatz für das höchst gefährliche und wegen starker
Diffusion häufig nachzufüllende Wasserstoffgas wird
das unbrennbare, von Wasser leicht absorbierbare
und außerdem bei 6'4 Atmosphären Druck flüssig
werdende Ammoniakgas empfohlen. Bei der Ver-
wendung von Ammoniakgas treten zwei Schwierig-
keiten auf. Einmal greift das durch seinen Geruch
erstickend wirkende Gas die gewöhnlichen Ballon-
hüllenstoffe an und zweitens ist es wesentlich schwerer
als Wasserstoff, da sein spezifisches Gewicht, bezogen
auf Luftdichte 1, etwa 0°6 beträgt, gegen etwa nur ein
Zehntel für Wasserstoff. Den ersten Übelstand kann
man technisch dadurch beseitigen, daß man den
—
(»Kilophot«.)
Hüllenstoff mit einem besonderen Material, z. B-
Emaillit überzieht, das den Stoff schützt und undurch-
lässig macht. Der zweite Übelstand scheint zunächst
viel schwerwiegender, da wegen der wesentlich ge-
ringeren Tragkraft ein Ammoniakballon mindestens
doppelt so groß sein müßte wie ein Wasserstoffballon.
Aber dafür hat der Ammoniakballon doch ganz
außerordentliche Vorteile. Abgeschen davon. daß
Ammoniakgas billig und unentzündbar ist, bietet es
noch zwei weitere erhebliche Vorzüge. Es wird leicht
und schnell von Wasser absorbiert (11 Wasser nimmt
bei 15° C. 6001 Gas auf) und ein Ammoniakgasballon
kann daher durch geeignete, mit dem Tragkörper
verbundene Wassereinrichtungen aufsteigen, ohne
Ballast abzuwerfen, oder auch fallen, ohne Gas zu
verlieren. Will man den Auftrieb vermindern, so läßt
man Ammoniakgas durch Wasser absorbieren, will
man mehr Auftrieb erzielen, so erhitzt man nur wenig
das Wasserreservoir und das absorbierte Gas wird
wieder frei. Ein großer Teil des Ballastes kann des-
halb fortfallen und durch stärkere Motoren ersetzt
werden. Endlich ließe sich auch die Nachfüllung viel
einfacher und schneller erreichen als beim Wasser-
stoffballon, da das bequem zu verflüssigende Ammoniak-
gas in leichten Stahlflaschen sogar im Luftschiff mit-
genommen und in gasförmigem Zustande zur Nach-
füllung verwendet werden könnte. Jedenfalls würden
sich auf Grund der Mitteilungen in der »Deutschen
Luftfahrer-Zeitschrift«e eingehende Versuche mit Am-
moniakgas zur Füllung von Ballons lohnen, wenn
auch sicherlich noch manche technische Schwierig-
keiten zu überwinden sein dürften.
VATENTE
Muster- und Markenschutz in allen Landern
erwirkt
Ing. J. FISCHER, Patentanwalt
Wien, I. Maximilianstrasse Nr. 5.
Seit 1877 im Patentfache tätig.
Herausgegeben vom: K. k. Österreichischen Fiugtechnischen Verein«. — Verantw. Red.: in Vertretung Fritz Ellyson.
Druck von Otto MaaB’ Söhne, Wien I.
u. o. 00000000 Ce uneeeoe ee ee ©
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Manuskripte werden nicht zurfickgestellt. Der Nachdruck
OSTERREICHISCHE
FLUG-ZEITSCHRIFT
Herausgegeben von dem unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Majestät des A
Kaisers und Königs stehenden k. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein.
Angenommene Beiträge werden honoriert. Die Verfasser
Artikel und Abbildungen verantwortlich.
sind für Form und Inhalt der von ihnen eingesandten ©
von Artikeln und Abbildungen ist nur mit Quellenangabe
und Zustimmung der Redaktion gestattet.
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ERSCHEINT ZWEIMAL IM MONAT.
OP
Nr. 11/12
Juni 1915
IX. Jahrgang
Inhalt: Zum Erfolge unseres Flugfahrzeuges »L 48<, von rate
Berger. — Gerüstzweidecker, von Fritz Lichtenstern, Einjä
Id Ritter v. Stockert. — Fli
g-Freiwilliger. — Italiens Luf
erbomben, von Hauptmann J. V.
otte. — Abwurfvorrichtung für
Fliegerpfeile. — Der See- und Luftkrieg im Nordseegebiet. Chronik, zusammengestellt von Wilhelm Krebs (Schnelsen). — Uber
die Reichweite des Geschiitzdonners, von Ph.
Glacialkosmogonische Beiträge zur Erdbebenforschung, von H. Hörbiger,
Fauth. — Ammoniak als Füllgas für
uftschiffe, von Dr.-Ing. A. Sander, Darmstadt. —
aschineningenieur und Privatastronom. (Fortsetzung.) —
Tarifabschlüsse in der Flugzeugindustrie. — Bücherbesprechungen. — Chronik.
Chefredakteur: Ing. A. Budau, o. ö. Professor der k. k. Technischen Hochschule in Wien
Redakteur für den offiziellen und wissenschaftlichen Teil für die Dauer der Abwesenheit der Herren Oberst
Wilhelm Suchomel und Ing. Adolf Janisch: Fritz Ellyson
Unter Mitwirkung von:
Dr. A. HILDEBRANDT
Luftschifferhauptmanna.D.,
Berlin
F. HINTERSTOISSER
k. u. k. Major, Wien
RAOUL HOFFMANN
PAUL BELLAK
Prokurist, Wien
FELIX BRAUNEIS
ingenieur, Wien
Dr. Ing. WALTER FREIH.
v. DOBLHOF
Konstrukteur an der k. k. l $
Techn. Hochschule, Wien Ingenieur, Wien
EDUARD DOLEZAL ANTON JAROLIMEK
k. k. Hofrat, o. ö. Prof., an k.k. Oberinspektor, König-
der k.k. Technischen Hoch- grätz
schule, Wien
FRITZ ELLYSON Dr. F. JUNG
Flugmaschinen- Professor a. d. k. k. Tech-
Konstrukteur, Wien
100 ETRICH
GroBindustrieller, Ober- Kapitanleutnant a. D.,
altstadt Charlottenburg
RICHARD KNOLLER
Ing., Professor a. d. k. k.
Techn. Hochschule, Wien
W. KREBS
Leiter der Wetter warte
Schnelsen Holstein
GUSTAV E. MACHOLZ
Johannisthal
HUGO L. NIK EI. RI
k. k. techn. Ob.-Offiz., Wien Ing. Kommissär des k. k.
HANS F. v. ORELLI
Schriftsteller, Wien
nischen Hochschule, Wien STEPHAN PETROCZY
D. W. KAISER v. PETROCZ
k. u. k. Luftschifferhaupt-
mann, Wien Lindenberg
LUDWIG SCHMIDL
k. u.k. Rittmeister, Wiener-
Neustadt
LEOPOLD SCHMIDT
Ing., Prof., Wr.-Neustadt
KARL TINDL
Ing., Konstrukteur a.d.k.k.
Techn. Hochschule, Wien
WILHELM TRABERT
Professor, Direktor der
Zentralanstalt für Meteoro-
„ RUDOLF SCHIMEK logie u. Qeodynamik, Wien
u. k. ajor N., rektor
0 Dr. C. WIESELS-
der Autoplanwerke, Wien BERGER
Dipl. Ing. C. SCHMID Assistent an der Universität
in Oöttingen
ROBERT POLLAK
RITTER v. RUDIN
Ingenieur, Wien
J. POPPER-LYNKEUS
Ingenieur, Wien
STEPHAN POPPER
Ingenieur, Wien
FRANZ REBERNIGG
Patentamtes, Wien
RUDOLF SCHIMEK
Zum Erfolge unseres Flugfahrzeuges »L 48«.
Österreichs Helden war es vorbehalten, der Welt
den Nachweis zu liefern, daß die Flugmaschine einen
Kampf mit dem Lenkballon großen Typs wagen und
a {te zu Ende führen könne.
llerdings gehört dazu auch der Mut und die
Unerschrockenheit unserer Flieger.
Schon 25 Jahre datieren die Bemühungen des
Wiener Flugtechnischen Vereines zurück, um der
Flugmaschine Un und insbesondere jener des
Altmeisters Wilhelm KreB zum Siege zu verhelfen.
immer wieder wurde mit Modellen der Beweis ver-
sucht und auch erbracht, daB das die Welt der
Gelehrten, Techniker und Erfinder seit Jahrhunderten
lebhaft beschäftigende Problem der Flugmaschine
»schwerer als die Luft«, sich seiner Lösung nähere.
Nur an der Schwere des Motors lag es, daß man
nicht praktische Erfolge erzielte.
Da rief Otto Freiherr v. Czedik, mit seinem
außerordentlichen Organisationstalent, den Verein
»Flugmaschine« ins Leben. Nach Besiegung nicht
unerheblicher Schwierigkeiten war es ihm gelungen,
den jungen Verein, der den alten etwas stagnierenden
Wiener Flugtechnischen Verein bald in der Mit-
gliederzahl um das doppelte überholt hatte, mit
diesem zum »Osterreichischen Flugtechnischen Verein«
zu verbinden. Der Gewinn, Se. Durchlaucht den
Fürsten Otto Dietrichstein zum Ehrenpräsidenten
und den damals als Vorstand der neu errichteten
Verkehrstruppenbrigade in Aussicht genommenen
Oberst Leopold chleyer zum Miigliede und
Präsidenten des Vereines »Flugmaschine« und in
weiterer Folge des neuen Vereines, kann gar nicht
hoch genug bewertet werden, denn erst dadurch
wurde die so überaus wertvolle Mitarbeit hoher
offizieller militärischer Kreise an dessen Bestrebungen
gesichert.
Von dem zu jener Zeit zum Generalmajor
beförderten Präsidenten Schleyer liegen in den
Mitteilungen des Vereines »Flugmaschine« Nr. 4 vom
20. Dezember 1908 unter dem Titel: »Das Luftfahrzeug
für militärische Zwecke« weit vorausblickende
Äußerungen über die militärische Verwendbarkeit der
Lenkballons und Flugmaschinen vor.
Kurz vorher hatte Wright bei einer Stunden-
geschwindigkeit von 60 km und einer Fahrzeit von
1 Stunde 38 Minuten, die damals enorm erscheinende
150
Steighöhe von 110 m erklommen gehabt, und zwischen
den Fachmännern des Österreichischen Fugtechnischen
Vereines wurden langwierige Debatten über die
Möglichkeit, bis zu welcher Höhe man mittels der
Explosionsmotoren werde aufsteigen könnnen, ab-
geführt.
Generalmajor Schleyer vertrat in seinen Aus-
führungen die einzig richtige Ansicht, daß man erst
am Beginne einer neuen Epoche stünde, und be-
schränkte sich bei diesen, ohne Luftschlösser zu
bauen, auf die Annahme des schon Erreichten. Doch
kam er damals zu dem Schlusse, daß die Luftfahr-
zeuge für künftige Kriege von nicht unwesentlicher
Rolle sein dürften, deren Vervollkommnung für die
Heeresverwaltung von Bedeutung, von dieser daher
zu unterstützen sei, weshalb auch das allgemeine
Interesse an der Flugschiffahrt zu fördern wäre. Für
den Fall hiefür genügender verfügbarer Mittel sollten
Lenkballons und Flugmaschinen angekauft und ver-
vollkommnet werden, andernfalls, das heißt bei be-
schränkten Mitteln, nach deren Höhe »durch Erwerbung
von Aeroplanen, vorerst deren weitere Entwicklung
gefördert werden«.
Mittlerweile ist der damalige Vereins - Präsident
als Sektionschef in das, Kriegsministerium berufen
und kürzlich zum Feldzeugmeister befördert worden.
Se. Exzellenz Leopold Schleyer v. Pontemal-
ghera blieb sich und seinen damaligen Ansichten
treu. Die verfügbaren Mittel gestatten es zwar, sich
auch mit der Frage der Lenkballons nebensächlich
zu befassen, aber das Hauptaugenmerk der öster-
reichischen Heeresverwaltung blieb auf die Herstellung
militärisch bestverwendbarer Flugzeuge gerichtet und
sie wurde dadurch vor finanziellen Verlusten bewahrt,
welche hier schwerer ins Gewicht gefallen wären, als
es bei unserem kapitalskräftigeren Verbündeten mit den
»Zeppelinen« der Fall war. Daß man in Österreich
mit den beschränkten verfügbaren Krediten in erster
Linie nur den Bau von Flugmaschinen verfolgte, war
richtige Voraussicht, und der k. k. Österreichische
Flugtechnische Verein mag darauf stolz sein, daß es
dessen erster Präsident, Exzellenz Leopold von
Schleyer, war, der diese, wie man nun sieht, für
Österreich beste Richtung verfolgte.
Leopold Ritter v. Stockert.
Fliegerbomben.
Von Hauptmann J. V. Berger.
Luftfahrzeuge äller Arten und Systeme haben den
Heeren und Flotten im Weltkriege bisher schon vor-
zügliche Dienste geleistet und werden dies auch noch
weiter tun. Neben der Aufklärung ist es besonders
das Abwerfen von Bomben, welches eine, nach den
darüber im Frieden gemachten Erfahrungen und den
darauf gestützten Erwartungen, weit übertreffende
Wirkung ergab.
In der zielbewußten Arbeit der Konstrukteure und
im mit kühler Überlegung gepaarten Wagemut der
Luftfahrer ist die Erklärung für diese überraschenden
Erfolge zu suchen. Es ist deshalb gewiß angezeigt,
erade an dieser Stelle über das Abwerfen von
omben aus Luftfahrzeugen, vornehmlich aus Flug-
maschinen, zu sprechen und dabei alle zu beachtenden,
allgemeinen Gesichtspunkte aufzuzeigen. Um dieses
Ziel in tunlichst bester Weise zu erreichen, sei fol-
gende Stoffgliederung gewählt:
1. Die Fliegerbombe.
2. Ihre Befestigung und das Abwerfen.
3. Die Wirkung am Ziele.
Die Ausführungen sollen absichtlich allgemein,
also ohne Eingehen auf besondere Konstruktionen,
gehalten werden, damit einerseits gegen die in Kriegs-
zeiten gebotene Geheimhaltung nicht verstoßen und
anderseits durch Stellungnahme für oder gegen eine
bestimmte Vorrichtung der Anschein von Parteilich-
keit vermieden werde.
Zu 1. Bei der Neuheit der Kriegsfliegerei ist es
selbstverständlich, daß sich bisher ein einheitlicher
Typ von Fliegerbomben noch nicht herausbilden
konnte. Das muß den im Weltkriege bereits gemachten
und noch zu machenden Erfahrungen überlassen werden.
Anzustreben ist der Einheitstyp auf jeden Fall,
da er den Vorteil der Einfachheit mit sich bringt.
Wer sich der Mühe unterzieht, die in verhältnis-
mäßig großer Anzahl vorliegenden Entwürfe von
Fliegerbomben zu studieren, wird finden, daß viele
Erfinder gegen den Grundsatz: »Im Kriege hat nur
das Einfache Bestand« verstoßen, ja daß sie oft nicht
einmal die unerläßlichsten Anforderungen erfüllt haben;
letzteres vermutlich aus Unkenntnis der Sachlage.
Was muß von diesen Geschossen unbedingt ver-
langt werden ?
Vor allem und immer wieder eine einfache Kon-
struktion, dann eine tunlichst große und verläßlich
eintretende Wirkung, ferner der Ausschluß jeder Mög-
lichkeit einer Gefährdung des Luftfahrzeuges und des
Fliegers.
Als Maß für die Einfachheit der Konstruktion
kann die Zahl der die Bombe bildenden Teile gelten.
Die Wirkung ist zwar vornehmlich durch die Explo-
sion des Sprengstoffes anzustreben, aber man darf
nicht vergessen, daß dieser nur dann und um so besser
wirkt, je widerstandsfähiger die Hülle ist; denn diese
hat mindestens die Rolle der Verdämmung bei Minen
zu übernehmen, wenn man schon auf eine Schlag-
wirkung, wie sie von den Granaten der Geschütze
geleistet wird, verzichtet. Die Forderung nach Sicherheit
des Luftfahrzeuges und des Fliegers wird dadurch
erfüllt, daß eine vorzeitige, das heißt unbeabsichtigte
Explosion der Bombe unbedingt ausgeschlossen ist.
Das gilt natürlich auch für den Transport der
Geschosse von der Erzeugungsstelle bis zum Ge-
brauchsorte, also bis zu ihrer Befestigung am Luft-
fahrzeuge. Über die hiebei möglicherweise auftreten-
den Beanspruchungen scheinen sich die Konstrukteure
von Fliegerbomben nicht immer vollkommen klar zu
sein, denn sonst würden sie filigrane Entwürfe, wie
sie beispielsweise in den Heften 2 und 5 des Jahr-
ganges 1913 dieser Zeitschrift dargestellt sind, ver-
meiden, und sich lieber an die robuste Bauart der
Artilleriegeschosse halten. Auch die Nachahmung der
Artilleriezünder kann der Sache nur von Vorteil sein,
denn hier liegen langjährige Erfahrungen vor. Neben
den von der Artillerie gebrauchten könnten allerdings
auch chemische Zünder Verwendung finden, sobald
sie nur den zu fordernden Grad von Sicherheit und
Verläßlichkeit bieten. Weil diese Zünderart für See-
minen gebräuchlich ist, liegen auch Erfahrungen vor,
doch darf man nicht darauf vergessen, daß die Be-
dingungen, unter welchen der Zünder in der Flieger-
bombe wirken soll, wesentlich andere als bei See-
minen sind.
Bevor man an die Konstruktion einer Flieger-
bombe schreitet, muß man sonach folgendes bedenken:
Welche Form ist für den Bombenkörper zu wählen,
aus welchem Material ist er zu erzeugen, wie viel
und welcher Sprengstoff ist einzufüllen und welches
Gewicht soll die gebrauchsfertige Bombe haben ?
An Formen kommen die Kugel, die Birne und
der Zylinder in Betracht. Die Kugel hat den Vorteil
einfacher Konstruktion, die Birne den des tief, also
günstig liegenden Schwerpunktes für sich. Dem von
manchen Konstrukteuren bevorzugten Zylinder kann,
ganz gleichgültig, ob er ebene, konische oder ab-
gerundete Grundflächen aufweist, ein besonderer Vor-
teil nicht zugesprochen werden.
Erwägt man, daß eine tiefe Schwerpunktslage des-
halb von Vorteil ist, weil sie einen ruhigen Fall und des-
wegen auch eine verhältnismäßig gute Treffähigkeit
erwarten läßt, so wird man kaum fehlgehen, wenn
man in der Birne die vorteilhafteste Form der Flieger-
bombe erblickt. Als Material kann wegen der zu
fordernden Festigkeit nur ein Metall, mit Rücksicht
auf den Kostenstandpunkt wohl nur Gußeisen, in
Frage kommen. Die Wandstärke wird hiebei so zu
wählen sein, daß sie einerseits den beim Auffallen
der Bombe auftretenden Beanspruchungen genügt,
das heißt, daß die Bombe nicht früher bricht, bevor
der Zünder wirkt, während anderseits diese Wand-
stärke et gering sein muß, um eine hin-
reichende Menge von Sprengstoff einfüllen zu können.
Bezüglich des letzteren wird man wohl vom Schwarz-
ulver absehen und zu den modernen, brisanten
toffen, den Nitroverbindungen organischer Stoffe,
greifen. Dabei ist abermals das Vorbild der Artillerie
insofern maßgebend, als diese in der Verwendung
brisanter Stoffe bereits erfahren, auch über die Art
der für diese Stoffe unbedingt notwendigen Zündung
Aufschluß geben kann.
Das Gesamtgewicht einer Fliegerbombe hängt
zuerst davon ab, wie hoch die Einzelwirkung min-
destens sein soll und wie viel Bomben ein Luftfahr-
zeug mitführen kann. Bei der Einzelwirkung, über die
später eingehend gesprochen werden soll, ist neben
der tatsächlichen Wirkung der einzelnen Bombe noch
auf die Treffähigkeit Rücksicht zu nehmen. Man hat
also darüber Klarheit zu gewinnen, ob es besser ist,
viele leichte oder wenige schwere Bomben mitzu-
führen. Bei der Gewichtsfestsetzung kommt aber noch
die im Momente des Abwurfes auftretende Störung
des Gleichgewichtes in Frage, denn man darf den
seine ganze Aufmerksamkeit selbstverständlich der zu
lösenden Aufgabe widmenden Luftfahrer nicht in
Gefahr bringen, infolge des Abwurfes einer Bombe
abzustiirzen. Dividiert man den für das Mitführen
von Bomben verfügbaren Teil des freien Auftriebes
durch das festgesetzte Einzelgewicht, so erhält man
die Zahl der an Bord mitführbaren Geschosse und
aus der erfahrungsgemäß bekannten und später noch
151
zu behandelnden Treffwahrscheinlichkeit die zu er-
wartende Gesamtwirkung. Diese Rechnung wird eben-
falls einen Anhalt zur Festsetzung des Einzelgewichtes
geben, so daß dieses als Kompromiß mehrerer,
einander teilweise widersprechender Faktoren anzu-
sehen ist.
Zu 2. Die Befestigung der Bomben an den Luft-
fahrzeugen muß einfach, sicher und dabei doch leicht
lösbar sein. Die Notwendigkeit einer einfachen Be-
festigung braucht nach dem bereits Gesagten nicht
mehr begründet zu werden. Sie mußte aber sowohl
der Vollständigkeit wegen, wie deshalb Erwähnung
finden, weil damit die Konstruktion der Abwurf-
vorrichtung im engsten Zusammenhange steht.
Gerade hier vermißt man aber die so notwendige
Einfachheit in hohem Maße. |
Sicher muß die Befestigung deshalb sein, weil
es unter keinen Bedingungen angeht, daß eine Bombe
sich ohne den Willen des Fliegers vom Flugzeug
loslöst. Das ist insolange leicht zu erreichen, als
normale Verhältnisse vorherrschen. Treten aber ab-
normale Umstände ein, z. B. bei den nie auszu-
schließenden Notlandungen, so werden die Luftfahr-
zeuge meist bis an die Grenze des Zulässigen be-
ansprucht und gerade da muß, weil man auf die
Wahrung kalten Blutes bei dem in Lebensgefahr
befindlichen Flieger nicht sündigen soll und darf,
die Verbindung halten. Die leichte Lösbarkeit ist
darin begründet, daß das Abwerfen wegen der hohen,
von den Luftfahrzeugen schon aus Gründen der
Selbsterhaltung einzuhaltenden Geschwindigkeit an
das Erfassen eines kurzen Augenblickes gebunden
ist. Allen diesen Anforderungen dürfte entsprochen
werden, wenn die Bomben auf drehbaren Unterlagen
(Brettern, Schienen u. dgl.) lagern, welche im richtigen
Zeitpunkte durch Betätigung eines Handhebels derart
edreht werden, daß die Bombe, der Einwirkung der
chwerkraft überlassen, zu fallen beginnt. Die kompli-
zierten, die wagrechte aus der Geschwindigkeit des
Luftfahrzeuges folgende Bewegung der Bombe be-
rücksichtigenden Abwurfvorrichtungen widersprechen
den eben entwickelten Bedingungen direkt, im folgenden
soll aber auch gezeigt werden, daß sie durchaus
Der Kommandant der k. u. k. Luftschiffer-Abteilung, Oberst Emil Uzelac. besichtigt die Bestandteile eines
herabgeschossenen feindlichen Flugzeuges.
152
nicht das leisten können, was ihre Erfinder von ihnen
erwarten.
Zu 3. Die Wirkung am Ziele setzt sich aus einer
mechanischen und einer chemischen zusammen, wozu
noch die Treffwahrscheinlichkeit deshalb kommt,
weil aus ihr jener Teil der eigentlichen Wirkung
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folgt, der tatsächlich Zerstörungsarbeit verrichtet. Die
mechanische Wirkung ist die Folge der von der
Bombe durch den freien Fall erworbenen lebendigen
Kraft, welche bekanntlich das halbe Produkt aus
der Masse und dem Quadrate der Geschwindigkeit
darstellt. Die Masse erscheint durch das Gewicht
gegeben, denn sie ist der Quotient aus diesem und
der Beschleunigung der Schwere. Nehmen wir sie
mit rund 10 (für Wien tatsächlich 9°81) an, so folgt
die Masse beispielsweise einer 20 kg schweren Bombe
mit 20: 10 = 2, das heißt, die lebendige Kraft einer
solchen Fliegerbombe ist annähernd gleich dem
doppelten Quadrate ihrer Auftreffgeschwindigkeit.
Letztere folgt aus den Gesetzen des freien Falles.
Würde man dabei den Widerstand der Luft unberück-
sichtigt lassen, so erhielte man mit zunehmender
Fallhöhe ununterbrochen steigende Fallgeschwindig-
keiten. Die Zunahme der Geschwindigkeit in der
Zeiteinheit, das ist die Beschleunigung, wird aber
gemindert durch den ebenfalls mit dieser Ge-
schwindigkeit steigenden Luftwiderstand. Dieser kann
so groß werden, daß er der Geschwindigkeitszunahme
die Wage hält, so daß das Geschoß nach dem
Durcheilen einer bestimmten Höhe mit gleichbleibender
Geschwindigkeit weiter fällt. Wie groß diese jeweils
ist, hängt vom Gewicht der Bombe und der Form ab,
welche sie dem Luftwiderstande darbietet. Der kgl.
preußische Oberst z. D. v. Schewe hat diesbezüglich
in den »Artilleristischen Monatsheften« Nr.11 und 12
von 1907 unter dem Titel: »Das Auswerfen von
Geschossen aus dem lenkbaren Luftschiff
und das Beschießen desselben« eine Studie
veröffentlicht, welche allen Luftfahrern und Konstruk-
teuren nur wärmstens empfohlen werden kann. Danach
erreicht z. B. eine 50- bis 7355 kg schwere, aus 2000 m
Höhe abgeworfene Kugel 1292 m/Sek. Endgeschwindig-
keit und braucht dazu 23°72 Sekunden Fallzeit; während
Kugeln von 16 bis 32°65 kg Gewicht die gleiche Höhe
in 25 Sekunden durcheilen und mit 1185 m / Sek. auf-
fallen. Die Grenzgeschwindigkeit ersterer rechnet
Oberst v. Schewe mit 138:4, jene
der leichteren Kugeln mit 123'0 m / Sek.
Daraus folgt, daß die Fallhöhe nur
weniger mehr als 2000 m übertreffen
muß, um den Fliegerbomben die
Höchstgeschwindigkeit zu erteilen,
daß daher die Annahme, die lebendige
Kraft ließe sich durch Aufsuchen
großer Flughöhen steigern, nicht zu-
trifft.
Machen wir hier die vielleicht
nicht ganz zutreffende Voraussetzung,
daß die birnförmige, 20 kg wiegende
Bombe sich bezüglich der durch den
Luftwiderstand hervorgerufenen Ver-
zögerung wie eine gleichschwere Kugel
verhalte, so kommt ihr eine Höchst-
geschwindigkeit von 123:0 m/ Sek.,
und nach dem oben Gesagten eine
lebendige Kraft von im aximum
rund 30.000 mkg/Sek. zu. Ihre chemi-
sche Wirkung ist das Produkt aus
der von den heißen Verbrennungs-
gasen der Gewichteinheit des ver-
wendeten Sprengstoffes geleisteten
Druckarbeit und der Menge des in
die Bombe eingefüllten Sprengstoffes
Über die den verschiedenen
Sprengstoffen innewohnende chemi-
sche Energie orientiert nachstehende
Tabelle.
Energieinhalt der wichtigsten Ex-
plosivstoffe.
Schwarzpulver 290.000 | 1'000
Kollodiumwolle (12% N) 310.00 1070
Trinitrotoluol (Tritol) . . , 312.000 | 1'080
Pikrinsdure .......... | 345.000 | 1'190
SchieBwolle (13°, N) | 465.000 1'610
Dynamit (75% N)). 550.000 | 1-900
Nitroglycerin ......... 670.000 |! 2:300
Sprenggelatine (7 % Koll. Wolle) || 700.000 2400
Die letzte Spalte dieser Tabelle bietet durch
den Vergleich der neuartigen Sprengstoffe mit dem
alten Schwarzpulver und untereinander die Möglichkeit,
die jeweils entsprechende Auswahl zu treffen. Nehmen
wir beispielsweise an, diese Wahl wäre. auf die
Sprenggelatine gefallen und von den 20 kg Gesamt-
ewicht der Bombe wären mit Rücksicht auf die
ahrung hinlänglicher Festigkeit 15 kg Gußeisen und
5 kg Sprengstoff, so würde eine chemische Wirkung
von 3:5 Millionen mkg/Sek., also fast das 120 fache
der mechanischen Wirkung resultieren. Die Summe
beider ist die Gesamtwirknng der Bombe, wobei
jedoch zu beachten ist, daß die mechanische Wirkung
sich immer in der Richtung der Schwerkraft, das heißt
lotrecht nach abwärts, die chemische dagegen senk-
recht auf die Widerstand leistende Wand, hier somit
Bild £
2 2 Meleorlugie 3. Segodynamik, ui
Warle.
— — —
— —— — — — —
»
* i me,
2
N
J co
radial auf den Bombenkörper äußert. In vorstehendem
Bild 1 ist dieser Zusammenhang mit Rücksicht auf
eine ausreichende Deutlichkeit in absichtlich unzu-
treffendem Maßstabe beider Wirkungen dargestellt.
Nimmt man die abgeleiteten Wirkungsgrößen aber
zu Hilfe, so bekommt man eine recht gute Vorstellung
von der Wirkung der Fliegerbomben.
Sobald die Verbindung der Bombe mit dem Luft-
fahrzeuge, auf welche Art immer, gelöst wird, beginnt
sie zu fallen und beschreibt, wenn, was hier an-
genommen werden soll, die Abwurfvorrichtung ihr
keine Eigengeschwindigkeit verleiht, eine Bahn, die
der »ballistischen Kurve« ähnlich ist, weil sie wie
diese unter dem Einflusse dreier Kräfte entsteht. Die
eine davon ist die Bewegungsgröße (lebendige Kraft)
des Luftfahrzeuges, sie wirkt in der Flugrichtung.
Die zweite ist die lotrechte nach abwärts gerichtete
Anziehungskraft der Erde. An dritter Stelle ist die
Einwirkung der von der fallenden Bombe durcheilten
Luftschichten zu nennen. Diese bewirkt nicht nur eine
Verzögerung des Bombenfalles, sondern als Wind
auch eine seitliche Verschiebung (Driften).
Aus der vom Luftfahrzeug eingehaltenen Flughöhe
folgt bei bekanntem Geschoßgewicht die Fallzeit und
aus dem Produkte dieser und der Fluggeschwindigkeit
des Luftfahrzeuges der Weg des letzteren während
des Falles der Bombe.
Welchen Wert die Fluggeschwindigkeit bei den
im Weltkriege bisher durchgeführten Bombenabwürfen
wirklich erreicht hat, entzieht sich der öffentlichen
Besprechung. Als beinahe vollwertiger Ersatz können
aber die Ergebnisse der flugsportlichen Veranstaltungen
dienen. So war die beste, beim »Internationalen Wett-
bewerb auf Geschwindigkeit« während der Flugwoche
»Aspern 1914« erzielte Zeit 41 Minuten / Sekunden,
das heißt, der Träger des Ersten Preises hat die mit
100 km bestimmte Entfernung Flugfeld Aspern—Flug-
feld Wr.-Neustadt — Flugfeld Aspern in der ange-
gebenen Zeit zurückgelegt. Daraus rechnet sich die
Stundengeschwindigkeit des Siegers mit 146 km oder
405 m/Sek. Da beim Abwerfen von Bomben unter
Umständen auch manövriert werden muß, so ist für
die hier durchzuführende Untersuchung auch das Aus-
maß der zulässigen Geschwindigkeitsverminderung
von Interesse. Dazu liefert uns der »Wettbewerb auf
Geschwindigkeitsdifferenz« der gleichen Flugwoche die
Angabe, daß der Träger des Ersten Preises 57˙8 km
kleinste Geschwindigkeit entwickelte und die Höchst-
a na 102:2 Prozent dieses Minimums betrug.
araus ergibt sich letztere mit 116°872 km, der absolute
Unterschied zwischen der Mindest- und der Höchst-
en mit 59'072 km/Stunden. Auf unseren
all übertragen, kann man sagen, daß die Mindest-
geschwindigkeit selbst die Hälfte des Höchstwertes
derselben, also 20 m/Sek., betragen kann.
Nehmen wir nun, wie früher, die Flughöhe mit
rund 2000 m und eine 20 kg schwere Bombe mit
25 Sekunden Fallzeit an, so kann der während dieser
Zeit vom Luftfahrzeug zurückgelegte Weg schwanken
zwischen rund 1000 und 500 m. Den Visier- oder Vor-
stellwinkel erhält man leicht, wenn man anstatt des
üblichen Bogenmaßes das in der Artillerie übliche
Strichmaß gebraucht, denn ein Strich entspricht jenem
spitzen Winkel eines rechtwinkeligen Dreieckes, dessen
lange Kathete 1000, dessen kurze Kathete Im mißt.
Bei 2000 m Flughöhe ist daher dies die lange Kathete,
während die kurze pro Strich 2m mißt. Die 1000,
bezw. 500 m entsprechen daher 500, bezw. 250 Strichen,
wobei die Umrechnung in das Bogenmaß dadurch
bewirkt werden kann, daß der rechte Winkel 1600
Striche umfaßt. Mit einer rund 1500 Striche umfassenden
Winkelteilung an der Visiervorrichtung kann man
daher auslangen, und es würde genügen, den mit Hilfe
einer handlich zu haltenden Tabelle aus der jeweiligen
Flughöhe und -geschwindigkeit resultierenden Vorhalte-
winkel einzustellen und die Bombe in dem Momente
fallen zu lassen, als die Visur das Ziel trifft. Leider
stellt sich die Sache nicht so einfach. Einmal kommt
153
es nicht bloß auf die durch den Motor erzeugte Flug-
geschwindigkeit an, sondern es muß die Ortsver-
änderung des Luftfahrzeuges gegenüber dem Erd-
boden berücksichtigt werden. Hier macht sich schon
der Einfluß des Windes geltend. Wir müssen uns
jedes Luftfahrzeug als im Luftmeere mit einer be-
stimmten Geschwindigkeit schwimmend denken. Beim
Freiballon ist diese Geschwindigkeit gleich Null, bei
Lenkballons und Flugzeugen eine Funktion des Trieb-
werkes und der Form. Das ganze System bewegt sich
nun überdies mit der Geschwindigkeit des umgebenden
Luftmeeres gegenüber der Erde, so daß als Ortsver-
änderung dem festen Boden gegenüber nur die algebra-
ische Summe beider Bewegungsgrößen zu berück-
sichtigen kommt. Ganz abgesehen von den Schwierig-
keiten, welche sich der Bestimmung der Wind-
geschwindigkeit von Bord eines Luftfahrzeuges ent-
gegenstellen, hat es ja weniger auf deren absolute
Größe als auf jenen Teil derselben anzukommen, der
in der Flugrichtung wirkt, daher beim Vorhalten zu
berücksichtigen ist. Kann man auch diese Schwierigkeit,
was gerne zugegeben werden soll, überwinden, so
stellt sich sogleich eine zweite ein, deren Überwindung
meiner Ansicht nach kaum möglich sein dürfte. Es ist
die Änderung der Geschwindigkeit und Richtung des
Windes mit der Flughöhe. Daß sich diese Größe mit
zunehmendem Abstande der Luftschichten vom Erd-
boden ändert, war wohl schon längst bekannt; zahlen-
mäßige Werte aber stehen erst seit der regelmäßigen
Aufnahme von Pilotballonaufstiegen zur Verfügung.
Durch Entgegenkommen der k. k. Zentralanstalt für
Meteorologie und Geodynamik ist mir das einschlägige
Material zugänglich gemacht worden. Es ist derart
reichhaltig, daß es hier nur gestreift werden kann.
Indem ich mir eine gründliche Verarbeitung desselben
für einen späteren Zeitpunkt vorbehalte, möchte ich
schon jetzt für das mir bewiesene Entgegenkommen
bestens danken. Die genannte Anstalt verwendet als
Pilotballone Fabrikate der Firmen Saul, Aachen,
Metzeler, München, und (vor dem Kriege) Tréugol-
nik, Petersburg, mit 150bis200 m/Sek.Steiggeschwindig-
keit. Durch das in Intervallen von je einer Minute er-
folgende Anvisieren des Ballons mit einem Theodoliten
wird seine Flugbahn festgelegt und sowohl tabellarisch,
wie graphisch aufgezeichnet. Aus den im Jahre 1914
so gewonnenen Fluglinien habe ich in Bild 2 die
sieben kennzeichnendsten ausgewählt und wieder-
gegeben.
Neben Wendungen aller Winkelgrößen sehen wir
vollständige Richtungsänderungen, ja auch Schlingen.
Die Fluglinie VII weist sogar drei Schlingen auf. Eine
ganz oberflächliche und deshalb in den Folgerungen
unverbindliche Betrachtung der sieben Fluglinien des
Bildes 2 zeigt, daß Änderungen der Windrichtung
vornehmlich in den Höhen von durchschnittlich 700,
bezw. 1500 und 3700 m, also nach einem Steigerungs-
verhältnis von ungefähr 1:25:50 zu erwarten sind.
Darauf stützt sich meine Ansicht von der Minder-
wertigkeit besonderer Abwurfvorrichtungen. Meinem
Dafürhalten nach ist es absolut unmöglich, den ver-
schiedenen Windrichtungen in zutreffender Weise
Rechnung zu tragen, um so weniger, als mit jeder
Richtungsänderung wegen der Reibung, welche zwischen
den in verschiedener Richtung bewegten Luftschichten
auftritt, eine Verminderung der Windgeschwindigkeit
verbunden ist. Selbst wenn es möglich wäre, was ich
aber nur mit Vorbehalt zugeben kann, daß vom Erd-
boden aus allen diesen Änderungen Rechnung getragen
werden könnte, so muß ich ganz entschieden dagegen
Stellung nehmen, daß eine solche Berücksichtigung von
Bord eines Luftfahrzeuges aus möglich ist. Wer daher die
Konstruktion von Abwurfvorrichtungen ins Auge gefaßt
hat, möge vor allem die Pilotballonfrage studieren,
dann wird er viel Zeit, Geld und Mühe sparen. Da
ich, wie bereits gesagt, nächstens diesem Problem eine
eingehende Behandlung werde zukommen lassen,
möchte ich jetzt nur nochmals sagen, daß die in
Bild 2 dargestellten Fluglinien an sich schon Beweis
154
genug für meine Behauptung von der Zweck- und
ertlosigkeit solcher Vorrichtungen sind.
Als unmittelbare Folge davon erachte ich die
geringe Treffähigkeit der Fliegerbomben. Sie ist als
ein notwendiges Übel einfach in Kauf zu nehmen und
kann wohl nur durch große Übung der Flieger ver-
bessert werden. Welche Werte sie aufweist, kann
man aus den über diesen Gegenstand veröffentlichten
Berichten nicht entnehmen, weil keine nıaßstabtreuen
Skizzen der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, welche
unter der Anführung der Höhe und Geschwindigkeit
des bombenabwerfenden Flugzeuges die Aufschlag-
punkte zeigen würden.
Auch aus dem im Jahre 1912 in Aspern abge-
haltenen Wettbewerb kann man auf die Treffähigkeit
nicht schließen, denn die Propositionen waren vielleicht
für sportliche, aber nicht für artilleristische Zwecke
entsprechend.
Dagegen ist es möglich, aus den in Nr. 17 vom
10. September 1912 dieser Zeitschrift enthaltenen Be-
richt : »Bombenwerfen aus Flugzeugen« auf die Treff-
fähigkeit zu schließen. Er handelt von Fankreich,
woselbst im Juli 1912 ein Zielwurfwettbewerb ab-
gehalten wurde. Das Ziel bestand beim Werfen von
200m Höhe aus einem Kreis von 20m Durchmesser,
bei jenem aus mindestens 800 m Höhe aus einem
Rechteck von 120 m Länge und 40 m Breite, das sind
die nach Ansicht der Franzosen für die deutschen
Ballonhallen zutreffenden Maße. Geworfen wurden je
15 sphärische Wurfkörper zu 7 kg Gewicht. Anfangs
hielt Leutnant Mailfert den Rekord mit neun
Treffern, später überbot ihn Leutnant Gaubert,
weicher elfmal das angegebene Rechteck traf.
Im ersteren Falle wurden 60 Prozent, im letzteren
gar 73 Prozent Treffer erzielt. Daraus kann man be-
rechnen, daß, um alle Würfe ins Ziel zu bringen,
dieses mindestens 384, bezw. 292 m lang und 128,
bezw. 96 m breit hätte sein müssen. Bedenkt man
jedoch, daß bei diesem Wettbewerb jedenfalls die für
einen guten Rekord notwendigen Vorbedingungen:
geübtes Personal und günstige Witterung vorhanden
waren, dann, daß die Wurfhöhe nur 800 m betrug,
also einen Wert zeigte, der im Kriege zum fast
sicheren Abschießen des betreffenden Flugzeuges
führt, so kann man diesen Zahlen einen nur sehr
bedingten Wert zubilligen.
Hiemit am Schlusse meiner Darlegungen angelangt,
möchte ich ihr Ergebnis dahin zusammenfassen, daß mit
Rücksicht auf die geringen Treffererwartungen nur
Bomben großer Flächenwirkung, also ausreichenden
Gewichtes und starker Sprengladung verwendet und nur
sehr ausgedehnte Ziele beworfen werden sollen. Die
Nichtbeachtung dieser beiden Regeln kann die an sich
ganz vortreffliche Fliegerwaffe in einen an sich gar
nicht gerechtfertigten Mißkredit bringen. Dies ist da-
durch vermeidbar, daß man sich von Haus aus über
ihr Leistungsvermögen klar wird. Wer nur mögliches
erwartet, wird nicht enttäuscht werden.
Gerüstzweidecker.
Von Fritz Lichtenstern, Einjährig-Freiwilliger.
1. Die Bezeichnungen -Gerũstzweidecker .
Boot..
Gegen Mitte des jahres 1909 konnten zwei Haupt-
typen von Flugzeugen als erfolgreich bezeichnet
werden. Es waren dies erstens die Eindecker, wie
sie sich im großen und ganzen bis heute unverändert
erhalten haben, und die Zweidecker mit hinterem
Antrieb. Bereits im folgenden jahre kam ein zweiter
Eindeckertyp und auch ein Zweideckertyp hinzu.
Ersterer hat sich aber nicht erhalten. Mithin gibt
es also eine Art von Eindeckern und zwei Arten
von Zweideckern.
Während für den neueren Zweideckertyp bald
eine passende Bezeichnung (»Rumpfzweidecker«) ge-
funden wurde, wurde vom älteren Typ immer als
vom »Zweidecker mit hinter den Insassen befindlichem
Motor« u. dgl. gesprochen. Eine kurze Benennung ist
noch nicht gefunden worden. Der Verfasser möchte
nun bei dieser Gelegenheit eine solche in Vorschlag
bringen, wie dies schon im Titel geschehen ist. Der
Ausdruck »Gerüstzweidecker« will sagen, daß die
Steuerflächen des Apparates von einer eigenen, weiten
und unbespannten Gerüstkonstruktion gehalten werden.
Diese Bezeichnung müßte auch für solche Bauarten
Anwendung finden, bei denen die Verbindung zwischen
Zelle und Schwanz wohl auf die gleiche Weise er-
folgt, deren Schraube aber vorn rotiert. Hier würde
man also »Gerüstzweidecker mit vorderem Antrieb«
sagen, sonst aber einfach »Gerüstzweidecker«, zumal
der hintere Antrieb weitaus überwiegt.
Da nun schon die Rede von neuen Benennungen
ist, so soll auch hinsichtlich des Ausdruckes »Boot«
(beiLandflugzeugen), der bei Rumpfeindeckern, Rumpf-
zweideckern und Gerüstzweideckern gebraucht wird,
Klarheit geschaffen werden. Ein Boot, ein auf dem
Wasser sich fortbewegendes Fahrzeug, wird nie über
die Länge ausgedehnt, die unbedingt nötig ist, um die
Sitze etc. unterzubringen. Kein Boot ist deshalb
stark über den Nutzraum verlängert, um das Steuer
weit hinten anbringen zu können oder den Abfluß des
Wassers leichter zu bewerkstelligen. Da die Verhält-
nisse bei der »Gondel« des Gerüstzweideckers die
gleichen wie beim Wasserboot sind, so sollte dieser
und | Teil bei beiden Typen der Gerüstzweidecker immer
als »Boot« bezeichnet werden, während die »Körper«
(»Brücken« etc.) des Rumpf-Ein- und Zweideckers als
»Rümpfe« bezeichnet werden sollen. Eine Benennung
»Bootszweidecker« im Gegensatze zu »Rumpfzwei-
decker< wäre aus einem unten anzuführenden Grunde
nicht möglich.
In dieser Abhandlung sollen beide Arten der
Gerüstzweidecker Beachtung finden, und zwar nicht
nur Land-, sondern auch Wasserflugzeuge (Schwimmer-
flugzeuge und Flugboote mit Steuergeriist).
2. Vor- und Nachteile der Gerüstzweidecker
gegenüber den Rumpfzweideckern.
Trotzdem es nun schon lange Zeit hervorragend
gute Typen von Rumpfzweideckern gibt, haben dessen-
ungeachtet einige Konstrukteure weiterhin Gerüst-
zweidecker gebaut. Wenn die Konstrukteure an ihren
Bauarten festhalten und nicht, wie es viele machten,
zum Rumpfapparat übergingen, so mußte dies natür-
lich Gründe haben. Sie wußten bestimmte, im System
des Gerüstzweideckers liegende Vorteile auszunützen,
so daß sich diese Apparate in einigen Punkten den
Rumpfflugzeugen überlegen erwiesen oder aber legten
die Abnehmer (Heeresverwaltungen!) besonderen Wert
auf die Anordnung des Motors hinter den: Fahrern.
Bei einem Vergleich der Gerüst- und Rumpf-
zweidecker sind als die wichtigsten Vorteile der
ersteren zu erwähnen: Günstige Aussicht von den
Sitzen, hauptsächlich vom vorderen. Abgesehen von
dem heute nicht mehr verwendeten (vorhin angedeu-
teten) Eindecker der Bauart mit den Sitzen unter der
Fläche und den nur in einigen Apparaten existierenden
Eindeckern des sogenannten Torpedotyps ist eine so
gute Aussicht bei Rumpfflugzeugen auch nicht an-
nähernd bis zu diesem Grade erreicht worden. Wenn
der Führer oder Passagier direkt über dem Vorder-
rand des (unteren) Tragdeckes sitzt, so hat er wegen
des Motors schräg abwärts keine Aussicht.
Zwei weniger bedeutsame Vorzüge sind: 1. Soli-
dere Befestigung der Schwanz- und daher bessere
Lagerung der Steuerflächen, und 2. Verwendung des
kurzen Bootes, das wegen der geringeren Länge
natürlich leichter herzustellen ist und im Gegensatz
zum Rumpf, an dessen Ende die Steuerflächen liegen,
größeren Beanspruchungen nicht ausgesetzt ist.
Was die Montierung der Steuer bei den Rumpf-
flugzeugen betrifft, so kann diese an modernen Appa-
raten so gut ausgeführt werden, daß sie jener an den
Gerüstzweideckern beinahe gleichkommt.
Der bedeutendste Nachteil des Gerüstzweideckers,
der auch am meisten zu seinem Seltenerwerden beitrug,
ist der, daß die Insassen durch die hintenliegenden
schweren Massen bei Stürzen häufig erschlagen
wurden. Die meisten der tödlichen Unfälle mit Gerüst-
zweideckern sind darauf zurückzuführen, daß der
Motor, mitunter auch die Tanks nach dem Auftreffen
auf der Erde von den Lagerungsstellen sich lösten
und die Fahrer erdrückten. Nicht möglich ist dies,
wenn der Motor unsymmetrisch angeordnet ist und
die Schraube (Schrauben) indirekt antreibt, wobei
dann der Motor seitlich der Sitze angeordnet ist.
Wahrscheinlich sind die Brüder Wright auch von
diesem Gesichtspunkte ausgegangen, als sie bei
ihren Apparaten bis 1913 den indirekten (Zweischrau-
ben)antrieb verwendeten. Aber gerade der Zwei-
schraubenantrieb, damals noch mit zwei Ketten, die
eben den Unfall verschuldeten, hat zu dem ersten
schweren Absturz eines Wright-Zweideckers und
zum Tode eines Insassen geführt. — 1913 wurde auch
r right der indirekte Einschraubenantrieb ver-
sucht.
In der Zeit des Überganges vom Gerüst- zum
Rumpfzweidecker wurde häufig auf die Folgen des
Durchschlagens des Steuergerüstes durch Splitter des
Propellers oder selbst durch den abspringenden Pro-
peller aufmerksam gemacht. Dies mußte notgedrungen
zum Absturz führen. Bei anderen Flugzeugen sind
wohl schon des öfteren die Schrauben, in einigen
Fällen sogar samt dem Motor oder auch mit einem Teil
des Motors (!!) während des Fluges vom Apparat
abgesprungen, bei Gerüstzweideckern aber hat sich
ein solcher Fall nur einmal ereignet, und zwar bei
einem H. Farman- Zweidecker in Gatschina (Ruß-
land), bei welcher Gelegenheit die Schraube mit dem
Gnöme-Motor herausflog.
Dafür, daß die Schraube während des Fluges
nicht plötzlich splittert, muß außer dem Schrauben-
fabrikanten auch der Monteur Sorge tragen. Die
Flanschschrauben müssen so gut angezogen werden,
daß ein Lockern unmöglich ist, und weiters muß er
sich vergewissern, ob die Drähte und Spannschrauben
in der Nähe des Propellers in Ordnung sind. Denn
ein Brechen des Propellers kann nicht bloß durch
Rütteln, bedingt durch schlechte Befestigung im
Flansch, sondern auch dadurch verursacht werden,
daB ein in Schraubennähe befindlicher Spanndraht
reißt, sich in die Schraube verfängt und diese zum
Splittern bringt.
Dem Abspringen der Schraube samt dem Motor etc.
kann auch nur durch exakte Ausführung der Ver-
schraubungen der Motorlagerung vorgebeugt werden.
Hält aber der Konstrukteur das Abfliegen des Pro-
pellers für nicht ausgeschlossen, so arbeitet er dem
Durchschlagen des Steuergerüstes auf die Weise ent-
gegen, daß er die Träger in der Rotationsebene der
chraube durch Armierungen verstärkt oder Stahl-
rohre an Stelle des Holzes verwendet. Verstärkungen
nebst der Stahlkonstruktion finden sich bei den
Zweideckern von Otto und der demselben Kon-
strukteur gehörigen Ago-Werke.
Ein geringerer Nachteil des Gerüstzweideckers
läßt sich also auf leichte Weise beseitigen, während
ein schwerer, die gefährliche Anordnung der Sitze,
auf einfache Art nicht zu bessern ist.
Über den Luftwiderstand und das Arbeiten der
Schraube bei Gerüst- und Rumpfzweideckern ist fol-
gendes zu bemerken: Der hintere Antrieb erweist
sich ungünstiger als der vordere. Die Schraube
arbeitet bekanntlich nur in solcher Luft gut, die
nicht aufgewühlt ist. Die Schraube des Gerüst-
155
zweideckers gelangt aber in einen Luftraum, der
bereits durch das vorausgehende Boot, weniger durch
die Flächen, schon »in Aufruhr versetzte und nicht
mehr wirbelfrei ist. Bei den Flächen gelingt es noch,
die Luft stoßfrei abströmen zu lassen, was Schon
deshalb erfolgen muß, damit die Flächen ökono-
misch arbeiten, beim Boot aber liegen die Verhält-
nisse anders. Einen Rumpf läßt man allmählich in
einen kleinen Querschnitt übergehen und in eine
Kante oder Spitze auslaufen. Am Boot ist dies aber
deshalb nicht möglich, da, wenn es sich um einen
Standmotor handelt, der ganze hintere Teil vom Motor
und den Tanks, wenn ein Rotationsmotor Anwendung
findet, von den Tanks eingenommen wird. Rotations-
motoren von geringerer Pferdestärke werden nämlich
in bespannte Boote nicht eingebaut, das heißt ein-
eschlossen, sondern bloß einfach (einmal) gelagert.
n beiden Fällen kann also nicht mit derselben
Methode wie bei den Rumpfflugzeugen vor-
gegangen werden, sondern man ist genötigt, das
oot mit einem großen Querschnitt abzuschließen.
Wirbelbildungen sind die Folge davon.
Noch schlechter ist es um die Apparate mit un-
bespanntem Boot und solchen ohne eigentliches Boot
(nähere Besprechung weiter unten) bestellt. Hier rotiert
der Propeller nicht in den Wirbeln, die das ungünstig
geformte Boot, sondern die in dieser Hinsicht noch
ungünstiger geformten Körper der Insassen und die
Tanks erzeugt haben.
Der durch die Schraube erzeugte Luftstrom hat
beim Rumpfflugzeug wohl den Rumpf ganz zu um-
fließen, wodurch wegen der Luftreibung Kraft verloren
geht, was weiters die Geschwindigkeit vermindert;
in neuerer Zeit haben es die Konstrukteure aber ver-
standen, durch Anwendung der bekannten Rotations-
körper um die Schraube, welch erstere mehr oder
minder großen Radius haben, diesen Nachteil teilweise
zu beheben.
Man könnte annehmen, daß die Gerüstzweidecker
hier im Vorteil sind, da der Schraubenwind keinen
Rumpf, bezw. kein Boot zu umfließen hat. Der Luft-
strom trifft aber wieder das Steuergerüst, wodurch
dieser Vorzug fast verloren geht. Übrigens wurden
die vorerwähnten Rotationskörper am Boot von Ge-
rüstzweideckern, wo sie einen günstigen Abschluß
des Bootes ersetzen würden, noch nicht verwendet.
Das in den letzten Absätzen Gesagte trifft für
die Gerüstzweidecker mit vorderem Antrieb nicht
zu. Sowohl beim Sturze droht den Fahrern keine
solche Gefahr, als auch ein Durchschlagen des Steuer-
gerüstes ist ausgeschlossen. Die Schraube arbeitet
ökonomischer und für das Boot kann eher als beim
ewöhnlichen Gerüstzweidecker ein für den leichten
bzug der Luft geformtes Ende geschaffen werden.
Von diesem Umstand wird aber deshalb kein aus-
giebiger Gebrauch gemacht, weil dann ein Vorteil
des Gerüstzweideckers überhaupt, das im Verhältnis
zum Rumpf kurze Boot, verloren ginge.
3. Die Teile des Gerüstzweideckers.
Der Gerüstzweidecker mit hinterem und vorderem
Antrieb besteht aus sechs Teilen. Wenn wir von dem
Teile, der die Antriebsquelle und Sitze enthält, aus-
gehen, so sind dies in der Reihenfolge: 1. Boot, bezw.
sein Ersatz, 2. Tragzelle, 3. vorderes Steuergerüst
und (hinteres) Schwanzgerüst, 4. Steuer- und Schwanz-
flächen, 5. Fahrgestell, 6. Motor, Übertragungsteile
und Schraube. Da das vordere Steuergerüst nicht bei
allen Apparaten zu finden ist, so wurde es nicht ge-
sondert angeführt. Bei manchen Typen sind zwei Teile,
z.B. vorderes Steuergerüst und Fahrgestell, miteinander
verschmolzen.
Weil hinsichtlich der einzelnen Teile, Steuergerüst,
Steuerflächen etc., bei den Apparaten mit hinterem
Antrieb keine anderen Prinzipien herrschen als bei
jenen mit vorderem, so sind z. B. bei den einzelnen
Formen der Steuergerüste auch die dorthin gehörigen
von Gerüstzweideckern mit vorderem Antrieb erwähnt,
156
wobei aber immer besonders bemerkt ist, daß es sich
um solche Apparate handelt. Von diesen sind die
Teile 1 und 6 gesondert besprochen.
Wie oben erwähnt, sollen in diesem Artikel auch
die betreffenden, interessant ausgebildeten Teile von
Apparaten, die Hydroplane sind, Berücksichtigung
finden. Aus begreiflichen Gründen wollen wir uns
mit den Schwimmern nicht abgeben.
4. Das Boot und der »Rahmen«.
Da wir bei sämtlichen Teilen von der einfacheren
zur komplizierten Konstruktion übergehen wollen, so
müssen wir hier vorerst jene Bauart besprechen, die
nicht als Boot zu bezeichnen ist, da sie im wesent-
lichen in zwei nebeneinander nen Trägern aus
Holz oder Stahlrohr besteht. iese könnte man
»Rahmen für den Motor und die Sitze«
»Rahmen« benennen.
Bootszweidecker!)
A. Der Rahmen.
Rahmen sind gegen Mitte 1909 aufgekommen.
1910 und 1911 hatten sie sich bei einer großen Zahl
von Typen durchgesetzt, aber bereits im folgenden
Jahre wurden sie wieder vom Boot zurückgedrängt.
Die Gründe zur Verwendung waren Gewichts-
ersparnis und »Verminderung des Luftwiderstandes«.
Wie sich ja auch bei den Rumpfflugzeugen zeigte,
trachteten auch deren Konstrukteure, den Rumpf
schlank auszubilden, oder wenn dies nicht erfolgte,
wurde der Rumpf unbespannt gelassen. Übrigens
findet sich der freie Sitz beim Rahmen beim gabeligen
Rumpf für Rumpfflugzeuge von Enders-Chilling-
worth (1911). Zu beiden haben die gleichen
Prinzipien, Reduktion des Luftwiderstandes, geführt.
Seither haben sich die Ansichten in dieser Hin-
sicht geändert. Man baut Rümpfe von großem Quer-
schnitt, um den Motor und die Insassen etc. möglichst
vollständig einschließen zu können, die nun dem Ab-
streichen der Luft geringen Widerstand entgegensetzen.
Demgemäß werden in neuerer Zeit auch in Gerüst-
zweidecker keine freien Sitze mehr eingebaut,
sondern die Sitze werden durch das Boot verdeckt.
Wie bereits oben bemerkt, besteht der Rahmen
aus zwei starken Längsträgern aus Holz oder Stahl-
rohr, die miteinander verbunden sind. Bei einem
H. Farman-Zweidecker, Beginn 1912, finden sich
einzeln, in senkrechten Ebenen, verstrebte Längs-
träger. Damit der Pilot, der bei zweisitzigen Apparaten
immer den vorderen Platz einnimmt, die Füße
nicht gestreckt halten muß, werden in einem Winkel
zu den Trägern kurze Stücke angesetzt, die mit den
Trägern verschraubt werden. Der Passagiersitz be-
findet sich häufig nicht direkt hinter dem Führersitz,
sondern ersterer liegt etwas höher, wodurch eine
treppenförmige Anordnung entsteht. Der Fahrgast
setzt sich auf diesen Sitz, der keine Lehne hat, mit
den Beinen zu beiden Seiten des Körpers des Führers,
eine recht unangenehme Stellung! Das ganze hatte
mehr das Aussehen eines Provisoriums, war aber
dennoch bei vielen Konstruktionen durch lange Zeit
zu sehen.
Die vollständig freie Lage der Sitze bei Ver-
wendung des Rahmens erhöhte das Gefühl der Sicher-
heit natürlich nicht, zumal die Insassen, ohne sich an
einem festen Teil in der Nähe (sonst am Boot) an-
halten zu können, immer Gefahr liefen, beim Sturze
herausgeschleudert zu werden. Dies ist vielleicht
weniger gefährlich, als das Verbleiben im Apparat,
da der Motor die Fahrer unbedingt erdrücken muß,
während beim Herausfallen oder direktem Heraus-
springen, was auch häufig gemacht wurde, bei nicht
zu großer Höhe die Wucht des Falles gemildert
werden kann. Als anscheinend besseres Rettungs-
mittel versuchten viele Piloten einen Klimmzug an
den Mittelstreben der vorderen Zellenstielreihe. Da-
durch konnte der Pilot vor einer direkten Berührung
mit dem Erdboden bewahrt werden und ferner konnte
oder kurz
(Daher keine Bezeichnung
ihm auch der Motor nichts anhaben. Kritisch wird
die Lage, wenn der Sturz in zu steilem Winkel oder
gar senkrecht erfolgt, oder wenn sich der Apparat
nach dem Aufschlagen überschlägt. Die vorgenannte
Methode kann auch dann nicht angewendet werden,
wenn die Sitze sich weit vor der Zelle befinden
(meist bei Apparaten mit Boot).
An neueren Apparaten wurden die Sitze nämlich
deshalb aus der Zelle hinausgerückt, um erstens dem
eventuell mitzunehmenden Passagier eine bequemere
Lage zu sichern und zweitens ihm, der ja häufig
militärischer Beobachter war, nebst dem Führer freie
Aussicht nach unten zu ermöglichen.
Wollte man keinen besonderen Aufbau für den
Motor verwenden, so lagerte man ihn direkt auf dem
Rahmen, d. h. knapp über der unteren Tragfläche. Bei
direktem Antrieb kann der Propellerzug (Propeller-
achse) nicht durch den Widerstandsmittelpunkt gehen,
wodurch also eine Hauptforderung für die Stabilität
unerfüllt bleibt. Greift, wie in dem vorerwähnten Falle,
der Zug unter dem Widerstandsmittel an, so tritt ein
Aufbäumen des Apparates ein, d. h. der Anstellwinkel
des Tragdecks wird größer.
Nun verwenden bereits seit 1908 die Konstrukteure
der Aeronautical Experiment Association
(A. E. A.), deren bedeutendster Glenn H. Curtiß
wurde, an ihren Zweideckern statt der horizontalen
schräge Hauptträger am Rahmen, wobei sie gegen-
über der gewöhnlichen Bauart drei Vorteile erreichten.
Erstens wurde die Schraubenachse in die richtige Höhe
gebracht, dadurch die Stabilität des Apparates besser,
zweitens konnte man die besonderen Fußbretter weg-
lassen, drittens dienen die schrägen Hölzer — als
Teile des Fahrgestells — teilweise dazu, die Landungs-
stöße aufzufangen.
Von dieser Konstruktion wurde hauptsächlich in
den Vereinigten Staaten selbst (Burgeß, Baldwin)
Gebrauch gemacht. Ferner finden wir sie an einem
Zweidecker von White Graham 1911. Hier, aber
auch bei Burgeß, ist der schräge Rahmen nicht ein
Teil des Fahrgestells.
Cody hat an seinen Apparaten mit hinterem
Antrieb verschiedene Bauarten verwendet. Als er 1910
vom vorderen (Zweischrauben-) Antrieb abkam, ver-
ließ er auch das Boot. Die Sitze verlegte er knapp
über die horizontalen Träger für den Motor und
zwischen die schrägen, zum Stoßrade des Fahrgestells
laufenden Verstrebungen. 1913 ordnete er die Sitze
auf diesen letzteren an und er verkleidete die Sitze
einfach dadurch, indem er den Stoff über horizontale,
auf die Streben etc. gelegte Brettchen befestigte. Auf
diese Weise wurden drei treppenartig angeordnete
Sitze verkleidet. Bei einem fünfsitzigen Apparat sind
außerhalb dieses »Bootes« und an demselben beider-
seits je ein Sitz befestigt (!).
H. Farman, der Mitte 1909 von der Verwendung
des Bootes wie überhaupt vom Voisin-Typ ab-
gekommen ist, brachte im Herbste desselben Jahres
einen Apparat heraus, bei dem nur der Körper des
Führers durch eine ganz merkwürdige, rundliche Ver-
kleidung verdeckt war.
B. Das Boot. Form des Bootes.
So wie beim Rumpf der Rumpfflugzeuge und
beim Schwimmer der Wasserflugzeuge wird aus
Gründen der Einfachheit die vierkantige Bauart bevor-
zugt. Von vierkantigen Booten gibt es wieder solche
mit quadratischem und rechteckigem Querschnitt. Mit
Ausnahme des Vorderteils ist der Querschnitt auch
hinten meist längs der ganzen Länge überall derselbe.
Auch das Boot wird immer mit Stoff bezogen.
Bei den ersten Gerüstzweideckern mit vier-
kantigem Boot, wie die ersten erfolgreichen Apparate
solche Bootsform aufwiesen. endet das Boot vorn
in eine horizontale Kante. Außer dem Zweck, die
Luft zu durchschneiden, hat sie auch die Aufgabe,
die Lagerung für das Höhensteuer aufzunehmen.
Während im Falle der horizontalen Kante der Führer
die Füße wohl in einem gewissen Abstand neben-
einander halten kann (und wegen des Seitensteuer-
hebels halten muß), sie aber etwas aufziehen muß,
ist es bei der im Jahre 1912 und 1913 gebräuchlich
gewesenen Bauart, das Boot mit einer senkrechten
Kante abzuschließen (Euler, Werner & Pfleiderer,
Gotha M. Farman seit 1910) nötig, die Füße näher
aneinander zu rücken.
Besser ist es, das Boot vorn durch eine Fläche,
die entweder im Vertikal- (französischer Wright-
Zweidecker 1911, White Graham 1914) oder im
Horizontalabschnitt (H. Farman seit Ende 1912,
Schwade) eine Kurve zeigt. Besonders letztere Art
wurde sehr gebräuchlich.
Interessant ist die Bootsform der Otto-Ago-Zwei-
decker. Das Boot ist ähnlich wie bei den Eindeckern
von R. E. P., Clement-Bayard und Oertz
ausgebildet. Der Hauptgrund für die Verwendung
des fünfkantigen Querschnittes und des damit ver-
bundenen Kieles ist der, die Insassen bei günstiger
Form des Bootes und nicht zu großem Querschnitt
möglichst vollständig einschließen zu können. Der
Kiel soll bei einem eventuellen Antreffen des Bootes
auf dem Boden den Anprall aufnehmen und den
Apparat in seine normale Lage zurückbringen. Vorn
endet das Boot in eine Spitze. Am stärksten ist es
im vorderen Drittel und endet schon kurz hinter der
Vorderkante des unteren Tragdecks, und zwar unter-
halb desselben, so daß es den Motor nicht mehr ent-
halten könnte. Dies ist auch gar nicht möglich, da
der Motor in halber Höhe zwischen den Tragdecks steht.
Von runden Booten gibt es solche, die im
Querschnitt einen Kreis und solche, die eine Ellipse
zeigen. Erstere verwendete durch lange Zeit Paulhan.
Das Boot endet vorn in eine Spitze, hinten in eine
runde Kappe und hat die Form eines Schuhes. Da
dieses Boot aus Aluminiumblech besteht, kein inneres
festes Gerüst besitzt und nicht auf der unteren
Fläche aufruht, ist es in einem horizontal liegenden
gebogenen, profilierten und am Umfang laufenden
Träger eingehängt. |
Elliptischen, fast kreisfömigen Querschnitt hat
das Boot einiger Typen der Vickers- Zweidecker.
Der Querschnitt ist genauer ein polygonaler, da es
nicht wie bei Paulhan aus Metall, sondern aus
mit Stoff überzogenen Holzleisten besteht.
Der Vorderteil des Bootes ist bis knapp über
den Sitz eingedeckt, was entweder durch ebene oder
durch verschiedenartig gewölbte Flächen erfolgt. Auf
den Hinterrand der Eindeckung wird seit neuerer
Zeit vor den Sitz des Führers eine Glimmerplatte
gesetzt.
Von besonderen Bootsformen sind in der Folge
einige angeführt. Außerordentlich breit ist das
Boot der viersitzigen deutschen Wright-Militärzwei-
decker 1913. Zwecks leichterer Verständigung und
kürzerer Bauart sitzen der Pilot und ein Passagier
nebeneinander, dahinter die zwei anderen Insassen.
Vorne horizontale Kante. Der Nachteil, daß durch die
breite Ausführung der Luftwiderstand, der beim
Wright-Zweidecker ohnedies erheblich ist, vergrößert
wird, wird durch Bequemlichkeit der Insassen und
durch die leichtere Verständigungsmöglichkeit wett-
gemacht. In neuerer Zeit werden viersitzige Boote,
bei denen die Sitze ebenso angeordnet sind (Graham
W hite) nicht so breit ausgeführt.
Die deutschen Wright-Zweidecker 1913 hatten
auch eine andere Bootsform. Das Boot hat einen
flachen, horizontalen Boden. Vorn findet sich eine
hohe Haube, die durch eine gewölbte Fläche ge-
bildet wird. Hinten endet das Boot ähnlich wie bei
älteren zweisitzige Automobilkarosserien.
Euler hat in der Zeit von 1910 bis 1913 die
vierkantigen Boote seiner Apparate vorn durch eine
ebene, aber schräge Fläche begrenzt. Dies ist durch
das Fahrgestell bedingt, dessen vordere und hintere
Strebenpaare am Vorder-, bezw. Hinterende des Bootes
angesetzt sind. Die Enden der beiden vordersten
157
Streben sind an allen vier Trägern des Bootes be-
festigt, wodurch eine schräge Fläche entsteht, während
die hintersten Streben nur bis zu den unteren Trägern
reichen.
Einige Typen von Landflugzeugen 1911 und 1912
und Wasserflugzeugen 1912 und 1913 der Aviatik-
und der Albatros-Werke haben Boote von folgender
Form. Der Querschnitt ist vierkantig. Den Abschluß
nach vorn bildet entweder eine schräge, nach hinten
geneigte Fläche, die unten in eine Rundung übergeht,
in welchem Falle die Seitenflächen des Bootes eben
und zueinander parallei sind oder eine abgerundete,
8 geneigte und in die Seitenwände übergehende
läche.
Das Boot eines zu ag. Des 1914 gebauten ge-
panzerten und armierten Voisin-Zweideckers fällt
durch seine bedeutende Lange auf. Vorn findet sich
ein groBes Rechteck, das durch eine abgerundete
Panzerplatte verdeckt ist. Hinter dem ersten Drittel
der Lange verringert sich der Querschnitt nach beiden
Richtungen und endet schließlich in eine schräge
Kante. Das Boot enthält drei Sitze, einen einzelnen
vorn, die beiden anderen dahinter und nebenein-
ander. Auf diesen Apparat soll unten noch zurück-
gekommen werden.
Eine der merkwürdigsten Konstruktionen ist wohl
jene des H. Farman-Zweideckers, Typ »Rapid«, ge-
baut Herbst 1912. Das Boot ist dreiteilig. Der Quer-
schnitt der zwei hinteren Teile zeigt ein großes
Quadrat. Die ebenen Wände sind überall gleich hoch.
Der vorderste Teil hat die Form eines Paraboloides.
Vorder- und Mittelteil sind fest miteinander ver-
bunden und reichen bis zur Vorderkante des Trag-
decks, wo sie, und zwar an jener des unteren Trag-
decks, in Scharnieren gelagert und oben noch ge-
sichert sind. Das Ganze ist nämlich aus dem Grunde
abnehmbar gemacht, da sich vorn ein zweiter Sitz
3 Der hintere Sitz liegt vollständig innerhalb
der Zelle.
Blériot hat an seinem Zweidecker »Salon«
1913 ebenfalls ein Boot mit rundem, aber nicht
abnehmbarem Vorderteil verwendet.
Ein H. Farman-Zweidecker des Jahres 1911 hatte
ein ähnliches Boot, wie das des an zweiter Stelle
erwähnten deutschen Wright-Zweideckers. Hier ist
aber der Boden nicht auf der ganzen Länge eben,
sondern vorn aufgezogen.
Das Boot eines Mitte 1913 gebauten Ponnier-
Zweideckers ist ähnlich wie der Rumpf der Nieuport-
Eindecker geformt oder richtiger bespannt. Der
Querschnitt ist quadratisch auch hinten, dort ist das
Boot aber nicht auf dem ganzen Querschnitt be-
spannt.
C. Unbespannte Boote
finden sich selten. Im Jahre 1908 bauten die Brüder
Voisin einen Zweidecker, bei dem die Bespannung
des Bootes fehlte. An Stelle der Bespannung an den
Bootswänden waren dort die Kühlrohre eingesetzt.
1910 brachte die gleiche Fabrik einen Apparat
heraus, dessen Boot wegen der Einfachheit nicht
verkleidet wurde. Hier war das Höhensteuer bereits
nach hinten verlegt, weshalb die Konstrukteure auf
den vorderen Ansatz mit der horizontalen Kante am
Boot verzichten konnten. Daraus ergibt sich eine
kleine Gewichtsersparnis. Da aber das vordere Stoßrad
am Bootsvorderteil eine breite Verstrebung erforderte,
wurde, um nicht eine — für den Luftwiderstand —
ungünstige Form, die sich natürlich auch nur äußert,
wenn das Boot bespannt ist, zu erhalten, die Be-
spannung weggelassen.
An einem von H. Farman für den Militärwett-
bewerb von Reims 1911 genannten Apparat mit Boot
war dasselbe ebenfalls nicht verkleidet. Um Gewicht
zu sparen ist es sehr schlank und da dann ohnehin
nicht viel verdeckt ist, ist die Bespannung für über-
flüssig erachtet worden.
158
D. Lage des Bootes.
- Bei weitaus den meisten Gerüstzweideckern ist
das Boot einfach auf das untere Tragdeck gesetzt.
Hier kann es nämlich am leichtesten befestigt werden.
Der Schraubenzug kann aber dann meist nicht durch
den Widerstandsmittelpunkt geführt werden. Bei
direktem Antrieb ist dies entweder nur dann möglich,
wenn der Motor nicht wie gewöhnlich auf die Fläche
gesetzt, sondern in entsprechende Höhe gehoben ist,
in welchem Falle ein eigener Lagerbock nötig ist,
oder es muß das den Motor enthaltende Boot ge-
hoben werden. In diesen Fällen kann man das
abet niedriger bauen, was gewiß von Vorteil
ist. Die panze Bauart ist aber nicht sehr gebräuchlich,
da die Zellenstiele, zwischen denen das Boot ein-
gehängt ist, entweder sehr stark gehalten sein müssen
oder aber noch eigene Verstrebungen hinzukommen
sollen. Dadurch ist der Vorteil des niedrigeren, daher
leichten Fahrgestells illusorisch gemacht. Ist aber die
Befestigung leicht ausgeführt, so kann dies ins-
besondere bei der Landung schwere Folgen haben.
Diese Anordnung ist von bekannteren Typen nur bei
alam White (1913) und M. Farman (1914) zu
inden.
Auf dem letzten Pariser »Salon« (1913) hat
H. Farman einen ganz eigenartigen Zweidecker
ausgestellt. Das Boot ist bis zum oberen Tragdeck
gerückt. Hier kann der Schraubenzug durch den
Widerstandsmittelpunkt natürlich nicht gehen, viel-
mehr greift ersterer oberhalb des letzteren an.
Da aber das untere Tragdeck im Vergleiche zum
oberen sehr geringes Ausmaß hat, so ist das Wider-
standsmittel nicht zu tief, so daß auch der Abstand
zwischen diesem Punkt und der Schraubenachse nicht
übermäßig groß ist. Nun verursacht der unterhalb
der Achse liegende Widerstandsmittelpunkt ein Ein-
stellen des Apparates in einen kleineren Winkel, wo-
durch in weiterer Folge die Geschwindigkeit erhöht
wird. Da es sich hier um einen ausgesprochenen
Rennapparat handelt, wie dies auch in der ganzen
konstruktiven Durchbildung zu erkennen ist, so war
dieser Umstand nicht unvorhergesehen.
Was die tiefe Lage des Bootes betrifft, so ist
auch diese nur bei einem Typ von Apparaten, und
zwar bei den Otto-Ago-Zweideckern verwendet
worden. Hier liegt das Boot fast vollständig unter
dem unteren Tragdeck. Dann liegt der Schwerpunkt
tiefer und weiter vor dem Druckmittel als bei anderen
Gerüstzweideckern. Dadurch wird der Apparat von
selbst vorderlastig. Da aber der Abstand der beiden
Punkte nicht zu groß ist, so wird weder, wie sonst,
wenn der Schwerpunkt tief unter dem Druckmittel-
punkt liegt, die Stabilität beeinflußt, noch kann der
Wind auf den Apparat besondere Wirkung haben.
(Schluß folgt.)
Italiens Luftflotte.
Gleich in den ersten Tagen des Krieges hat Italien
die Angriffe der österreichischen Luftflotte zu ver-
spüren bekommen. Venedig ist durch einen Triestiner
Marineflieger mit 14 Bomben belegt worden und
in Chiavaralla haben andere österreichische Flieger
die Ballonhalle und andere militärische Gebäude mit
Bomben belegt. Das Luftschiff »Citta di Ferrara«
ist fernerhin bei einem Angriff auf den Kreuzer »Zriny« von
unseren Fliegern angegriffen und vernichtet worden.
Italien war der erste Staat, der den Wert des
Luftfahrzeuges im Kriege praktisch erprobt hat. Bei
dem Feldzug in Tripolis im jahre 1912 benützten die
Italiener sowohl Lenkballons als auch Flugzeuge,
doch waren die Resultate, die man mit dieser neuesten
Kriegswaffe erzielte, keine glänzenden zu nennen.
Italien hat, abgesehen von einigen unwichtigen Kon-
struktionen italienischer Ingenieure, sich beim Bezug
von Flugzeugen hauptsächlich auf Deutschland und
Frankreich gestützt. Von Deutschland übernahm
man die vor drei Jahren schon ausgezeichnet durch-
gearbeiteten Parseval-Ballons und Frankreich
lieferte die Flugzeuge für das italienische Heer, und
gab, als die Industrie in Italien ernsthaft mit dem Bau
von Flugmaschinen begann, doch immer wieder neue
Anregungen und Richtlinien für die Weiterentwicklung
dieser Waffe. Wie fast das ganze Ausland, hat sich
Italien der Einführung von Starrluftschiffen in das Heer
gegenüber ablehnend verhalten. Die »Battaglione
Specialisti del Genio« (Luftschiffertruppen), deren
Kommando sich in Rom befindet, hielten die Ver-
wendung von mittelgroßen unstarren Ballons für
praktischer als die deutscher Starrluftschiffe. So wurden
denn in den Jahren 1913 und 1914 in Deutschland
zwei Parseval-Luftschiffe bestellt, die eine
Größe von 10.000 m? Inhalt besaßen und die zunächst
den Grundstock für die gegenwärtige Luftflotte Italiens
bedeuteten. Nach dem Muster der Parseval-Luftschiffe
entstanden »M 2« und -P 5«, die in Italien erbaut
und mit italienischen Motoren ausgerüstet worden
waren, nachdem die englischen Wolseley-Motoren,
die das italienische Militärluftschiff »M 2« anfänglich
besaß, sich als unzulänglich erwiesen hatten. Die
italienische Marine besitzt zwei Luftschiffe von
12.000 më Inhalt, die aus neuerer Zeit stammen und
die bei 18 Fahrtstunden bisher Reichweiten von
700 km bewiesen haben. Der effektive Bestand der
italienischen Luftflotte ist auf 12 bis 15 kriegstüchtige
Lenkluftschiffe zu beziffern.
Die italienischen Flieger haben namentlich in den
beiden letzten Jahren auf Grund der deutschen und
der französischen Erfolge fleißig gearbeitet, so daß
Italien heute mehr als 20 gut ausgebildete und an-
gelegte Flugfelder besitzt. Die Flugzeuge selbst sind
größtenteils französischen Ursprungs und die italieni-
schen Eigenkonstruktionen haben sich streng an die
Vorbilder vonFarman, Voisin und Deperdussin
angelehnt. Direkte Lieferungen nach Italien erhielt in
erster Reihe H. Farman und Blériot.
Abwurfvorrichtung für Fliegerpfeile.
Unter den neueren Offensivwaffen unserer Flieger
erfreuen sich die in Frankreich erfundenen Flieger-
pfeile einer stetig steigenden Verwendung auf seiten
unserer verbündeten Flieger. Anfänglich zwar sträubten
sich unsere Heeresverwaltungen, dieses barbarische
Kampfmittel zu verwenden, doch als sowohl die
Franzosen und Engländer sich nicht scheuten, es in
immer umfangreicherem Maßstabe zu gebrauchen, da
sagte man sich auch bei uns, daß die so lang beob-
achtete Courtoisie und Rücksichtnahme angesichts
so böswilliger Feinde sehr schlecht angebracht sei,
und so entschloß man sich denn, den Kampf mit
gleichen Waffen aufzunehmen. »Invention francaise,
Fabrication allemande« kann man in die charakteristi-
schen Stahlstifte eingeprägt lesen, die nun in großer
Zahl auf beiden Seiten verwendet werden. Über ihr
Aussehen, ihre Funktion, sowie über die Art ihrer
Lancierung erzählte unser Mitarbeiter Paul Bellak
in der jännernummer dieser Zeitschrift an Hand von
Illustrationen alles Wissenswerte. Neuerdings wird
nun seitens eines Vereinsmitgliedes, des Herrn
Leopold Spira, der Vorschlag gemacht, die Flieger-
Das Einwickeln der Fliegerpfeile.
pfeile abweichend von der usuellen Art abzuschleudern,
und die hier wiedergegebenen Aufnahmen verbildlichen
diese Idee.
Hienach werden die Pieile einzeln in einen etwa
dezimeterbreiten Gurt, als Leinwand, Canevas o. dgl. der-
art eingeschlagen, daß der Wicklungssinn zwischen
je zwei benachbarten Pfeilen sich stetig umkehrt.
15 bis 20 solcher Pfeile, oder auch mehr, bilden mit
dem etwa meterlangen Gurte eine Rolle, die an dem
offenen Ende einen ledernen Handgriff aufweist, mittels
dessen sie gehalten wird. Das Abschleudern der Flieger-
pfeile erfolgt nun durch Hinausschleudern der Rolle,
die dabei in vertikaler Richtung gehalten wird, wobei der
Beobachter den sich nun abrollenden Gurt in der Hand hält.
Die Pfeile werden nun nach Maßgabe des Auf-
rollens der Wicklung und nach Maßgabe ihrer gegen-
159
Abschleudern des Bündels.
seitigen Entfernung nacheinander frei und fallen mit
der Spitze nach unten im Sinne der ausgeführten
Schleuderbewegung abwärts. Der genannte Erfinder
nennt als besonderen Vorteil seiner Methode die
Möglichkeit, größere Geländestriche mit Fliegerpfeilen
zu belegen, was bisher bei der üblichen Art der Ab-
lassung (Gleitrohr mit durch Pedal betätigter Öffnungs-
klappe) nicht möglich war. Für die praktische Ver-
wendung dieser einfachen Vorrichtung empfiehlt es
sich, mehrere solcher vorher zurechtgewickelter Rollen
mitzunehmen, um sie im geeigneten Momente ab-
schleudern zu können.
Der praktischen Erprobung wird es jedenfalls
auch vorbehalten bleiben, ob dieser an und für sich
recht einfache Gedanke für den gedachten Zweck
auch verwendbar sein wird.
Der See- und Luftkrieg im Nordseegebiet.
Chronik, zusammengestellt von Wilhelm Krebs (Schnelsen).
Durch die Phase der Unterseeboot-Blockade, in
die der deutsche Seekrieg gegen die Westmächte seit
18. Februar 1915 trat, ist der Kriegsschauplatz haupt-
sächlich in den Ärmelkanal, in die Irische See und
in den Ostteil des Nordatlantik verlegt. Dieser vor-
läufige und teilweise Abschluß des Nordseekrieges
läßt es an der Zeit erscheinen, eine kurze, sachliche
Zusammenstellung seiner bisherigen Hauptereignisse
zu veröffentlichen. 113
14.
Beim Minenlegen in der Themse-
mündung wird der deutsche Dampfer
»Königin Luise« in den Grund ge-
August 6.:
schossen. Der englische Kreuzer
»Amphion« wird von einer Mine
vernichtet.
August 18.: Das deutsche Unterseeboot U 15«,
seit seinem Angriff an der englischen
Ostküste auf einen britischen Kreuzer,
wahrscheinlich Birmingham, vermißt.
Die deutschen Kreuzer »Stralsund«
und »Straßburg« schießen an der
englischen Ostküste ein britisches
Unterseeboot in den Grund.
: Seegefecht nordwestlich Helgoland.
Die kleinen Kreuzer» Ariadne«,» Mainz«
und »Köln« geraten im Nebel in den
Feuerbereich britischer Schlacht-
kreuzer und gehen verloren.
Ein Zeppelin-Kreuzer bombardiert
Antwerpen, besonders die Gas-
zentrale, die niederbrennt,
>» ca. 18.:
September 12.:
160
September
Oktober
November
13.:
22.:
28.
3.
D
21.:
24.:
i
: Der
: Ein
S. M. kleiner Kreuzer »Hela« von
einem britischen Unterseeboot tor-
pediert.
»U 9«, unter Kapitänleutnant Wed-
digen, torpediert 20 Seemeilen nord-
westlich von Hoek van Holland die
britischen Panzerkreuzer »Aboukir«,
»Hogue« und »Cressy«.
Bombardement gegen die Außen-
befestigungen Antwerpens eröffnet.
Angriff auf den inneren Fortgürtel
Antwerpens. und Bombardement der
Stadt selbst eröffnet.
Das deutsche Torpedoboot »S 116«,
auf Vorposten bei Helgoland, wird
von einem britischen Unterseeboot
torpediert.
: Antwerpen völlig in deutschem Besitz,
: Ostende wird von den Deutschen
besetzt.
: »U 12« bringt den britischen Kreuzer
»Hawke«, 60 Seemeilen von Peter-
head, zum Sinken.
: Die deutschen Torpedoboote »S 115«,
>S 117<, S 118«, »S 119« gehen nach-
mittags vor der holländischen Küste
im Kampfe mit dem britischen Kreuzer
»Undaunted« und mit vier britischen
Zerstörern unter.
: Das britische Unterseeboot „E 3«
wird nachmittags in der Deutschen
Bucht vernichtet.
: Die Kämpfe um die Yser-Linie fangen
bei Nieuport an.
: Der englische Dampfer »Glitra« wird,
als erstes Handelsschiff, von einem
Unterseeboot versenkt.
Britische Kriegsschiffe beginnen den
Widerstand der Alliierten bei Nieu-
ort zu unterstützen.
ie Flutschleusen an der Yser-
Mündung werden entfernt, so daß
mit den nachfolgenden Spring- und
Sturmfluten (Hub bis 6 m) eine
zunehmende Überschwemmung des
Yser-Gebietes eintritt.
: Ein deutsches Unterseeboot beteiligt
sich an den Küstenkämpfen bei Nieu-
port.
: Leutnant Kaspar überfliegt auf
einer »Taube« das Meer und bom-
bardiert Dover.
: Die Deutschen beginnen die bel-
gische Nordseeküste mit schweren
Geschützen zu bestücken.
Erste Seelord der britischen
Admiralitat, Prinz Ludwig von
Battenberg, tritt zurück.
: Admiral Lord Fisher wird zum Ersten
Seelord ernannt.
: Der britische Kreuzer »Hermes« wird
vor Dünkirchen von einem deutschen
Unterseeboot zum Sinken gebracht.
Das britische Schlachtschiff »Vener-
able<« kehrt schwer beschädigt nach
England zurück, anscheinend von
einem deutschen Unterseebot torpe-
diert oder von einer Mine beschädigt.
deutsches Kreuzergeschwader
bombardiert Küstenwerke und einige
kleinere Schiffe bei Yarmouth.
: Das britische Unterseeboot »D 5.
wird, anscheinend auf der Verfolgung,
durch eine deutsche Mine in die Luft
gesprengt.
: Der deutsche Kreuzer »York« gerät
auf die Minensperre in der Jade und
fliegt in die Luft.
November 7.:
Dezember 2.:
Jänner 1.:
n
19.:
19.:
24.:
25.:
11.:
22:
22.:
23.:
Der britische Minensucher »Mary«
erliegt bei Lowestoft einer Minen-
explosion.
Uber Sheerness und Harwich zwei
deutsche Flugzeuge.
Das britische Torpedoboot »Niger«
wird vor Dover von einem deutschen
Unterseeboot torpediert.
Das britische Torpedoboot »Druand«
wird an der schottischen Küste durch
eine Mine in die Luft gesprengt.
Der deutsche Hilfskreuzer »Berlin«
fahrt ungehindert in den Hafen von
Drontheim ein, wird aber dort in-
- terniert.
: Das deutsche Unterseeboot »U 18<
ist an der Nordkiiste Schottlands
einem patrouillierenden britischen
Kriegsschiffe zum Opfer gefallen.
Das Bombardement der flandrischen
Küste durch britische Kriegsschiffe
nimmt seinen Anfang.
Explosion des britischen Linien-
schiffes »Bulwark« vor Sheerness.
Erneutes Bombardement von Ostende
und Zeebrügge durch britische Kriegs-
schiffe. Sy
Besonders heftige Erneuerung der
Kanonade an der flandrischen Küste,
: Die deutsche Hochseeflotte beschießt
Hartlepool und andere bewaffnete
Plätze der englischen Küste.
: Vier deutsche Flugzeuge bombardieren
Calais.
: Ein englischer Flieger bombardiert
24./25.:
Ostende.
Britische Flieger bombardieren Cux-
haven und Langeoog, werden unter
schweren Verlusten verjagt, trotz ver-
suchter Unterstiitzung durch gleich-
zeitig vorstoßende britische Kriegs-
schiffe. Sechs britische Flugzeuge
werden vernichtet, vier Kriegsschiffe
beschädigt,” auch durch deutsche
Marineluftschiffe.
: Deutsche Flieger bombardieren Calais.
Ein Albatros-Doppeldecker gelangt in
der Themse-Miindung bis über Erith,
10 km von London.
: Deutsche Flieger bombardieren Dün-
kirchen.
1915.
Ein deutsches Unterseeboot torpe-
diert im Kanal das britische Linien-
schiff »Formidable«.
: Ein französisches Fliegergeschwader
wird bei Zeebrügge durch das Feuer
der Küstenwache verscheucht.
: DeutscheFlieger, erst über derThemse-
Mündung, bombardieren Dover und
überfliegen auf dem Rückwege Dün-
kirchen.
Deutsche Flieger werfen 30 Bomben
auf Dünkirchen.
: Ein deutsches Unterseeboot wird im
Hafen von Dover gesehen.
: Deutsche Marineluftkreuzer bombar-
dieren die englischen Befestigungen
bei Yarmouth, Sherningham, Cromer
und Kingslynn, einer überfliegt auch
Sandringham.
Eine britische Fliegerbombe fällt auf
holländischen Boden.
Zehn deutsche Flieger bombardieren
Dünkirchen.
Alliierte Flieger bombardieren Gent
und Zeebrügge.
Jänner 24.:
Februar 5.:
8.:
9.:
9
”
30.:
12./13.:
15.:
16.:
18.:
21./22.:
: Ein
Dreistündiges Seegefecht nordwest-
lich Helgoland zwischen vier deut-
schen Panzerkreuzern und fünf briti-
schen Schlachtkreuzern mit zahl-
reichem Gefolge an leichten Kreuzern
und Torpedobooten. Auf deutscher
Seite sinkt derPanzerkreuzer»Blticher«,
auf britischer Seite sollen ein Schlacht-
kreuzer und zwei Zerstörer gesunken,
zwei Schlachtkreuzer schwer be—
schädigt sein.
.: Die britische Flotte beginnt Middel-
kerke und Westende-Bad zu bom-
bardieren.
: Bei Nieuport geht ein französischer
Zerstörer unter.
deutsches Fliegergeschwader
bombardiert heftig die britischen
Anlagen bei Dünkirchen.
: Angriff der Alliierten bei Nieuport,
wird von deutschen Marinetruppen
zurückgeschlagen.
: Das deutsche Unterseeboot »U 21«
eröffnet den Unterseebootkrieg in der
lrischen See durch Versenkung zweier
britischen Handelsdampfer.
Ein deutscher Flieger bombardiert,
nach Kampf mit einem britischen
Flieger, Dünkirchen.
Erneuter Artilleriekampf an
flandrischen Küste.
Französische Flieger beteiligen sich
am Bombardement Zeebrügges.
Ein britisches Flugzeug wird über
Brüssel von einer deutschen »Taube«
abgeschossen.
der
: Britische Flieger bombardieren Ost-
ende, einer wirft auch über Vlissingen
nach dem Deutschen Dampfer »Main«
eine Bombe ab.
34 britische Flugzeuge fliegen von
Dover nach Flandern, bombardieren
Ostende, Blankenberghe und Middel-
kerke.
Schwerer Sturm über Flandern bringt
zwei französische Flieger zum Absturz
und zwingt zwei britische zur Not-
landung bei Brügge.
40 britische und 8 französische Flieger,
die im Massenflug binnen 20 Minuten
den Kanal überqueren, bombardieren
nachmittags Ostende und Zeebrügge.
Drei Wasserflugzeuge werden zum
Absturz gebracht, eines von einem
niederländischen Torpedoboot auf-
efischt.
ie von einer im Jänner von mir an-
Ben Störung veranlaßten auf-
rischenden südlichen Winde bringen
den deutschen Luftkreuzern »L 4«
und »L 3« an der jütischen Küste
bei Blaarvandshuk und Fanö, unweit
nördlich der deutschen Grenze, den
Untergang.
Die von der deutschen Admiralität
angekündigte Unterseeboot-Blockade
Englands tritt in Kraft.
: Vor Dover entdeckt und bombardiert
ein britischer Flieger ein deutsches
Unterseeboot, wird aber durch Ge-
wehrfeuer abgewiesen.
: Ein deutsches Wasserflugzeug verirrt
sich inı Schneesturm auf der Fahrt
von Hamburg nach Sylt an die
jütische Küste, wird nach Unter-
suchung freigegeben.
(Nachts.) Ein Zeppelin-Kreuzer bom-
bardiert mit grobem Erfolg Calais.
Februar 23.:
: Zwei
: Feindliche
: Ein
161
Während britische Flugunterneh-
mungen wegen des an der flandri-
schen Küste herrschenden Nebels
ruhen, fliegen vier deutsche Flug-
zeuge nach der englischen Küste,
bombardieren Cromer und andere
bewaffnete Küstenplätze in Essex.
: Zwei deutsche Flieger nach Schnee-
sturm bei Scheveningen geborgen.
: Ein Zeppelin-Kreuzer und mehrere
deutsche Flieger bombardieren mit
Erfolg Calais.
deutsche Flieger
über Sheerness.
erscheinen
: Deutsche Flieger bombardieren Nieu-
port
a Belgische Flieger bombardieren Ost-
ende.
: Ein französischer Munitionsdampfer
vor Ostende in den Grund geschossen.
Kursirrung nach Ostende statt Nieu-
port.
: U 8% wird abends bei Dover von
einem britischen Zerstörer versenkt.
: Ein Zeppelin-Schiff strandet abends
bei Tirlemont an Bäumen.
: Ein Zeppelin-Schiff erscheint über
Calais.
: 12« wird vom britischen Zerstörer
»Ariel« in den Grund gerammt.
: Ein Zeppelin-Schiff über Boulogne.
: (Nachts.) Ein Zeppelin-Schiff wirft,
22 Seemeilen von Spurnhead, Bomben
nach dem britischen Dampfer »Lin-
hope«
pe«.
: Deutsche Luftfahrzeuge bombardieren
Calais.
: Eine »Taube« verfolgt vor dem Tyne
den britischen Dampfer »Blonde« mit
Bomben und Fliegerpfeilen.
: Alliierte Flieger bombardieren Ostende.
Ein britischer Doppeldecker wird von
einer deutschen » Taube: zur Landung
bei Bergen op Zoom, auf neutralem
Boden, gezwungen.
: Ein britisches Flugzeug suchte die
Unterseeboot-Werft zu Antwerpen zu
bombardieren.
: Deutsche Flieger bombardieren mit
zerstörendem Erfolg die feindlichen
Befestigungen auf Mont Cassel in
Flandern.
Flieger bombardieren
Brügge, Christelles und Courtrai.
eutsches Flugzeug verfolgt den
Dampfer »Staffa« nahe der britischen
Nordseeküste mit Bomben.
: Britische Flieger über Zeebrügge.
: Erneuter Geschützkampf bei
Zee-
briigge
: Eine »Taube« bombardiert Havers-
- kerke.
: (Nachts.) Seeschlacht vor Bergen an
der norwegischen Küste infolge von
Mißverständnissen zwischen starken
Geschwadern der britischen Flotte.
Die Schlachtkreuzer »Warrior« und
»Superb« werden versenkt, »Lyon«
u. a. schwer beschädigt.
.: In den Stürmen der Vortage strandete
bei Lowestoft das britische Minen-
schiff »Spider«.
: Britische Flieger bombardieren Heyst
und Knocke.
: Französische Flieger bombardieren
Brügge.
: Deutsche Luftkreuzer bombardieren
bewaffnete Plätze der Tyne-Mündung.
: Vor Rotterdam wird der britische
Dampfer »Serulat« von deutschen
Wasserflugzeugen angegriffen.
: Die deutschen Marineluftkreuzer über
Newcastle vernichten den Neubau des
britischen Schlachtschiffs »Resolution«
durch drei Bombentreffer.
: Ein deutsches Flugzeug bombardiert
Calais.
: Französische Flieger bombardieren
Ostende.
: Deutsche Luftkreuzer bombardieren
Lowestoft und andere bewaffnete
Plätze seiner Nachbarschaft.
Ein deutscher Doppeldecker bom-
bardiert Sittingbourn und Faversham
an der Südseite der Themse-Mündung.
: Das deutsche Flugzeug, das am
15. Calais bombardierte, wirft über
Greenwich bei London eine Bombe ab.
: Ein englisches Unterseeboot wird in
der deutschen Bucht versenkt.
: Ein angeblicher Fliegerangriff auf
den Hamburger Zentralbahnhof stellt
sich als Scherz eines dänischen
Setzers heraus.
17.: Deutsche Flieger über Yorkshire.
: Die Yser-Überschwemmungen (seit
24. Oktober 1914) sind erheblich zu-
rückgegangen.
: Deutsche Flieger bombardieren zwei
englische Fischdampfer bei Noord-
hinder-Feuerschiff.
: Die Zeeland-Linie (England-Nieder-
lande) stellt den Passagierverkehr
ein und beschränkt sich auf den
Postverkehr.
Der Yserkanal wird zwischen Dix-
muiden und Ypern von deutschen
Truppen überschritten. Brückenkopf
auf dem linken Ufer bei Licerne
befestigt.
.: Ein englisches Unterseeboot wird in
der Nordsee versenkt. (Wiederholun
der Nachricht vom 17. April 1915?
: Drei Tauben kreisen acht Stunden
lang über Dünkirchen, um zu re-
kognoszieren.
: Das Bombardement Dünkirchens mit
schwerstem deutschen Geschütz be-
ginnt. Der Geschützdonner veranlaßt
Erschütterungen an Baulichkeiten in
Dover.
: Ipswich, Whitton und Bury St. Ed-
monds werden von Zeppelin-Schiffen
und deutschem Flugzeug mit Brand-
bomben beworfen.
: Deutsche Flieger werden an der
Küste von Suffolk gesichtet.
.: Ein Zeppelin-Schiff soll über Norfolk
gesehen worden sein.
: Von der britischen Marine wird ein
neuer Minengürtel in der südwest-
lichen Nordsee ausgelegt.
: Deutsche Flieger über Dünkirchen
geben Lichtsignale.
» 15./16.:
„ 22./23.:
Der englische Zerstörer »Recruit«
wird bei Galloper-Feuerschiff von
einem deutschen Unterseeboot ver-
senkt.
3 1.: Bei einem Vorpostengefecht nahe
Noordhinder- Feuerschiff werden ein
britischer Fischdampfer und zwei
deutsche Torpedoboote in den Grund
ebohrt.
in deutsches Fluggeschwader über
Dünkirchen. Eine Abteilung trennt
sich und bombardiert Gravelines und
Calais.
; Zwei deutsche Flieger werden bei
Noordhinder- Feuerschiff von einem
niederländischen Lotsendampfer auf-
gefischt.
: Ein deutsches Unterseeboot hat vor
Hull 9 englische Fischdampfer versenkt.
Mai l:
3
N
x 3.: Ein britisches Unterseeboot wird in
der Nordsee durch Zeppelin-Bomben
vernichtet.
5 3.: Ein deutscher Flieger wird bei Dover
esichtet.
Š 5.: Eine deutsche Taube über Dünkirchen.
5 6.: Wegen der Zeppelingefahr werden
die Leuchtfeuer an der englischen
Ostküste gelöscht.
: Vor Zeebrügge fliegt der britische
Zerstörer »Maori< in die Luft.
: Zwei Zeppelin-Schiffe bombardieren
Southend und Westoliffe an der
Themsemündung.
: Ein Zeppelin-Schiff wird abends an
der Tynemündung gesichtet.
: Der britische Hilfskreuzer »Prinzess
Irene« fliegt in Port-Viktoria bei
Sheerness in die Luft.
: Deutsche Flieger bombardieren Dün-
kirchen und Gravelines.
: Ein britischer Flieger über Brügge.
„ 30.: Bei Ostende wird ein feindlicher
Flieger von deutschen Küsten-
batterien abgeschossen.
ls Flieger bombardieren Ost-
ende. i
Deutsche Marineluftschiffe bombar-
dieren die Londoner Docks mit
schweren Brandfolgen.
: Ein französisches Flugzeug mußte
wegen Motordefekt bei Cadzand in
Holland niedergehen. Die Offiziers-
besatzung, zwei Engländer, wird in-
terniert.
: Der deutsche Unterseebootkrieg wird
nach Norden bis zu den Shetland-
Inseln ausgedehnt.
: Deutsche Marineluftschiffe bombar-
dieren bei Harwich den Hafen und den
Bahnhof.
= 5.: DeutscheFlieger bombardieren Calais.
„ 6./7.: Deutsche Marineluftschiffe bombar-
dieren die Docks von Grimsby und
den Humberhafen Kingston mit
schweren Brandfolgen.
Mai/Juni 31./1.:
Juni J.:
Über die Reichweite des Geschiitzdonners.
Die Detonationen der Geschütze an der Grenze
von Lothringen und vor Toul, St. Mihiel und Verdun
werden in der Rheinpfalz seit einem halben Jahre mit
verschwindenden Ausnahmen täglich gehört. An der
pfälzisch-lothringischen Grenze sind diese Gehörs-
wahrnehmungen natürlich deutlicher, in größeren Ent-
fernungen matter; es gibt selbstverständlich genug
tote Winkel, in denen gar nichts gehört wird, obwohl
sie ziemlich nahe am Schauplatze der BeschicBuny
liegen, und dicht dabei befinden sich oft Gegenden,
in welchen der Schall zweifelfrei festgestellt ist.
Gegenüber den im Hefte 3/4 (S. 51) von Herrn
W. Krebs besprochenen Erscheinungen nun ist es
jedenfalls von weiterem Interesse, nachzuweisen, daß
die Kraft der genannten Schallverbreitung so groß
ist, daß sie ohne den Umweg über eine Reflexions-
schicht auf dem kürzesten Wege zum Ohre des ent-
fernten Hörers gelangt. Man hat in der Pfalz anfangs
gezaudert, eine so bedeutende Reichweite anzu-
nehmen, weil man die Vorhöhen des lothringischen
Landes als Schallfänger oder -wände ansah. Das ist
aber ganz und gar hinfällig, weil das Relief jener Er-
hebungen kaum wenige Promille (!) der Reichweite
ausmacht, also gegenüber den in Schwingung ver-
setzten Luftmassen verschwindet.
Eine immer noch hypothetische Reflexion an
einer imaginären Schichtengrenze der Atmosphäre
wäre vielleicht vertrauenswürdiger, wenn die äußere
Umhüllung nicht gerade der spezifisch leichte Wasser-
stoff wäre. Wer diese Annahme als maßlos empfindet,
hat wenigstens ein gesundes Gefühl für sich. Es ist
ja aber gar nicht nötig, bis in Höhen von 100
und mehr Kilometer hinauf zu hoffen. Die Cirro-
stratus schichten stehen von jenen bis in geringere
Höhen herab fast immer zur Verfügung und bilden
wenigstens richtige, materielle Wände, geeignet zur
Zurückwerfung starker Schälle. Zum mindesten ist
unter der Annahme niedrigerer Reflexionsebenen dem
Gedanken vorgebeugt, daß die flächenhafte Aus-
breitung auch der stärksten akustischen Erschütterungen
(in Kugelschalen) doch wohl auf weite Entfernungen
und in große Höhen hinauf zu einer solchen »Ver-
diinnung« und Verflachung der Schallwellen führen
müsse, daß sie schon aus diesem Gesichtspunkte
kaum mehr hörbar herabgelenkt werden dürften. Es
möchte darum empfehlenswerter sein, an die Stelle
der Höchstgrenze von Sauerstoff und Stickstoff in der
Atmosphäre — als der reellen, in Wahrheit aber doch
ganz bildlichen Grenzschichte — eine immer vor-
handene, wenn auch oft noch unsichtbare Cirrus-
163
schichte anzunehmen, für die man Höhen zwischen
10 und 100 km erfahrungsgemäß zur Verfügung hat.
Es ist beglaubigte Tatsache, daß durch die ganze
Rheinpfalz hindurch bis an ihre Nordspitze hin das
Donnern der Kanonen von Verdun, besonders der
Motorbatterien, ohne Unterbrechung durch einen toten
Raum, gehört wird. Man unterscheidet sogar den
Einzelschuß von den Salven und weiß es immer um
einen Tag voraus, wenn die amtlichen Berichte von
besonderen Ereignissen berichten: Man hört das un-
mittelbar an dem hitzigen Artilleriekampfe ab. Eben-
so wurden im Hunsrück die heißen Schlachttage be-
sonders deutlich herausgehört. Vom Königsstuhl-
Observatorium bei Heidelberg teilte Herr Prof. Wolf
mit, daß an stillen Tagen der Donner bis dahin
genen! werde und die Entfernung beträgt fast genau
km (am Wohnorte des Schreibers 120 bis 150 km)!
Dagegen hört man laut dankenswerter Mitteilung vom
Taunus-Observatorium auf dem Feldberge bestimmt
nichts (230 bis 250 km), so daß wohl die wirkliche
Reichweite der Detonationen 12zölliger Geschütze
damit, soweit horizontale Ausbreitung in Frage kommt,
ziemlich sicher oder in engen Grenzen festgestellt ist.
Ob die rätselhaften »Mistpoeffer« (»Nebelschüsse«)
überhaupt unter dem Gesichtspunkte terrestrischer,
gar artilleristischer Erscheinungen betrachtet werden
sollen, ist noch sehr die Frage. Wenigstens ist
noch kein einziges Mal festgestellt worden,
ob und von woher Kanonenschüsse jene mystischen,
dumpfen »Puffer« verursacht haben könnten. Da man
aber weiß, daß besondere atmosphärische Zustände
zu ihrer Wahrnehmung Vorbedingung sind, so wird
hier nuch ein fruchtbares Feld für die Forschung zu
beackern bleiben. Ph. Fauth.
Ammoniak als Füllgas für Luftschiffe.“
Von Dr.-Ing. A. San der, Darmstadt.
In einer Mitteilung in der »Deutschen Luftfahrer-
Zeitschrift- 1915, Heft 5/6, ist vor kurzem auf die
Möglichkeit hingewiesen worden, an Stelle des brenn-
baren Wasserstoffs Ammoniakgas zur Füllung von
Luftballonen und Lenkluftschiffen zu verwenden. Die
Auffindung eines nicht brennbaren Ballongases mit
großem Auftrieb wäre zweifellos von hoher Bedeutung
für die weitere Entwicklung der Luftschiffahrt. Die
Betriebssicherheit der mit Gas gefüllten Luftfahrzeuge
würde hiedurch außerordentlich gesteigert werden,
und ebenso würde die Verwendbarkeit der Luftschiffe
im Kriege sowohl zu Erkundungszwecken wie als
Angriffswatfe noch wesentlich größer werden. Denn
es bestünde, wenn wir ein nichtbrennbares Ballongas
besäßen, nicht mehr die Gefahr, daß die Gasfüllung
des Luftschiffes durch feindliche Geschosse in Brand
gesteckt und das Luftschiff auf diese Weise zum
Absturz gebracht werden könnte.
Schon aus diesem Grunde verdient die Frage
des Wasserstoffersatzes durch Ammoniakgas eine
nähere Prüfung. Es werden aber in der oben er-
wähnten Notiz noch weitere Vorzüge des Ammoniaks
angeführt, nämlich, daß es leicht und schnell von
Wasser absorbiert wird, daß es in Stahlflaschen in
verflüssigtem Zustand bequem an Bord des Luft-
schiffes mitgeführt werden kann und daß es billiger
als Wasserstoff sei. Auf Grund dieser günstigen
Eigenschaften bestehe die Möglichkeit, mit sehr
wenig Ballast auszukommen, da man einen Teil des
Ammoniaks, wenn der Auftrieb vermindert werden
soll, in Wasser absorbieren könne, und da man das
Gas durch Erhitzen dieser wässerigen Lösung leicht
wieder frei machen könne, wenn der Ballon höher
steigen soll. Mit Hilfe einiger an Bord mitgeführter
Stahlflaschen sollte ferner im Falle eines größeren
Gasverlustes eine Nachfüllung des Ballons mit
*) Chemiker-Zeitung, Berlin.
Ammoniak sogar während der Fahrt möglich sein.
Als Nachteile des Ammoniaks werden nur seine zer-
störende Einwirkung auf den gummierten Ballonstoff
sowie sein geringerer Auftrieb gegenüber Wasserstoff
genannt. Der schädliche Einflu des Ammoniaks auf
die Ballonhülle sollte durch einen Überzug von
Emaillit (Azetylzellulose) beseitigt werden.
Ehe wir uns mit der Frage beschäftigen, ob diese
Angaben zutreffen oder nicht, sei festgestellt, daß der
Vorschlag, Ammoniak als Ballonfüllgas zu verwenden,
durchaus nicht neu ist. Denn schon zu Beginn der
Achtzigerjahre des vorigen Jahrhunderts, zu einer
Zeit also, wo die Beschaffung von Wasserstoff in
größeren Mengen noch außerordentliche Schwierig-
keiten bereitete, wurde dieses Thema lebhaft erörtert,
und man darf als sicher annehmen, daß auch Versuche
mit Ammoniak damals angestellt wurden. So schreibt
E. Meißel in einem im Jahre 1866 bereits ab-
gefaßten, aber erst 1882 veröffentlichten Aufsatz )
»Über die Verwendung eines großen Luftschiffes zu
geographischenEntdeckungsreisen«, daß neben Wasser-
stoff, dessen Benützung zu längeren Luftreisen
wegen seiner beträchtlichen Herstellungskosten, seiner
schwierigen Nachfüllung und seines starken Diffusions-
vermögens nicht zu empfehlen sei, noch Leuchtgas
und Ammoniak in Frage kommen. Dann heißt es
wörtlich: »Die Eigenschaft des Ammoniakgases, unter
8 Atmosphären Druck flüssig zu sein, wobei es nur
den 800. Teil seines Gasraumes einnimmt, macht es
zu einem in starken eisernen Gefäßen mitzuführenden
kostbaren Ballast, aus dem jederzeit ein Teil der
Gasfüllung ersetzt werden kann.« MeiBels Vorschlag
ging dahin, in einen mit Leuchtgas gefüllten Ballon
ein kleines Ballonett einzubauen, das durch eine
Schlauchleitung mit mehreren an der Ballongondel
+) Zeitschrift des Deutschen Vereines zur Förderung der
Luftschiffahrt 1882, Band 1, Seite 10.
164
befestigten Ammoniakflaschen verbunden und nach
Bedarf mit Ammoniak gefüllt werden sollte.
Zu der gleichen Frage äußerte sich zwei Jahre
darauf Th. Ziem.*) Er sagt: »Man kann das er-
forderliche Ammoniak entweder als verflüssigtes
Ammoniak oder als übersättigte wässerige Lösung
mitführen. Der Ballon wird durch Absorption
des Gases in Wasser entleert.« Schließlich sei hier
noch eine Abhandlung von P. Jeserich**) erwähnt
»Über Anwendung der modernen Chemie für aero-
nautische Zwecke«. Hier werden die verschiedenen,
zumeist aus Luftschifferkreisen stammenden Vorschläge
zum erstenmal vom chemischen Standpunkt aus
erörtert, und es wird auf die technischen Schwierig-
keiten hingewiesen, die sich der Verwendung des
Ammoniaks entgegenstellen. Jeserich betonte
bereits, daß die vermeintlichen Vorzüge des Ammoniaks,
namentlich seine große Begier, Wasser anzuziehen,
sich in der Praxis recht unangenehm bemerkbar
machen würden.
Diese Bedenken gelten ebenso wie damals, als
die Wasserstoffgewinnung noch in ihren ersten An-
fängen stand, auch heute noch. Ja, man kann sagen,
daß unter den heutigen Verhältnissen das Ammoniak
noch weniger Aussicht hat als damals, den Wasserstoff
zu ersetzen. Man braucht nur das spezifische Gewicht
der beiden Gase miteinander zu vergleichen, um zu
erkennen, daß der Auftrieb des Ammoniaks für Motor-
luftschiffe viel zu gering ist, denn er beträgt nicht
einmal die Hälfte des Auftriebs von Wasserstoff (vgl.
Tabelle).
Spezifisches Gewicht Auftrieb
Gewicht 1 kg pro i ms 1 kg pro 1m:
Luft ..... 1:00 1°29 =
Wasserstoff 0'07 0:09 1:20
Ammoniak 0:59 0'77 0°52
Ein Luftschiff mit Ammoniakfüllung müßte somit
mehr als doppelt so groß sein als ein mit Wasserstoff
gefülltes Luftschiff, um denselben Auftrieb und die
gleiche Leistungsfähigkeit zu besitzen. Für Lenk-
} Ebenda, Band 3, Seite 234.
**) Ebenda, Band 2, Seite 322.
——— EES “SI ap Jr
luftschiffe ist das leichteste Gas unter allen Um-
ständen auch das geeignetste.
Das Ammoniak käme also allenfalls für Freiballone
in Betracht, da sein Auftrieb von dem des Leuchtgases
nicht allzuviel verschieden ist. Hier würde aber sein
erstickender Geruch von den Insassen der Ballongondel
höchst unangenehm empfunden werden, ferner würde
infolge der überaus großen Löslichkeit des Ammoniaks
in Wasser der Ballon beim Durchfahren feuchter Luft-
schichten, namentlich aber bei Regen oder Schnee,
stark an Auftrieb verlieren. Ein Lacküberzug wird die
zerstörende Einwirkung des Ammoniaks auf die Ballon-
hülle für einige Zeit zwar verhindern, die Lebensdauer
der Ballonhülle wird aber jedenfalls erheblich kürzer
sein als bei Füllung des Ballons init Wasserstoff oder
Leuchtgas. Was ferner die angebliche Ungefährlichkeit
des Ammoniaks betrifft, so ist hiezu zu bemerken, daß
die weitverbreitete Annahme, Gemische von Ammoniak
mit Luft seien nicht explosiv, durchaus irrig ist. Erst
im vorigen jahre hat sich durch das Ausströmen von
Ammoniakdämpfen aus einer defekt gewordenen Kälte-
maschine eine schwere Explosion ereignet, und es ist
im Anschluß an diesen Vorfall durch Versuche von
Schlumberger und Piotrowski“) einwandfrei
festgestellt worden, daß Gemische von Ammoniak und
Luft in bestimmten Grenzen (unter den gewählten Ver-
suchsbedingungen betrug das Explosionsbereich 16°5
bis 26°8 Vol.-Proz.) explosibel sind.
Schließlich ist noch zu berücksichtigen, daß
Ammoniak heute etwa zehnmal teurer ist als Wasser-
stoff. Denn 1kg Ammoniak und 1kg Wasserstoff
kosten beide nahezu Mk. 1. Dem Volumen nach ist
jedoch 1 kg Ammoniak nur 1°3 ms, 1 kg Wasserstoff
dagegen 11 m3. Noch erheblich größer wird aber diese
Preisdifferenz, wenn man die für gleichen Auftrieb
erforderlichen Gasmengen berechnet, denn in diesem
Falle stellt sich Ammoniak etwa 23 mal teurer als
Wasserstoff. Es ergibt sich also, daß das Ammoniak
nicht die geringste Aussicht hat, den Wasserstoff als
Ballongas zu ersetzen.
*) Journ. Gasbeleucht. 1914, S. 941.
Glacialkosmogonische Beitrage zur Erdbebenforschung.
Die gebirgsbildenden Kräfte der geologischen Vergangenheit und — Zukunft.
Von H. Hörbiger.
»Darum wird ihnen der Himmel kräftige Irrtümer senden, daß sie glauben
der Lüge und verkennen die eisigen Wasser all', die oben am astro-
nomischen Himmel sind.«
IV. (Fortsetzung.)
Bis auf die später noch nutzbringender auszu-
beutende Bedeutung einer »Verschleppung des
stationären Stadiums« erscheint in den vor-
stehenden Absätzen die inhaltsreiche Fig. 9 für den
entgegenkommenden und diagrammgewohnten Leser
wohl schon ganz bequem durchschaubar und glaub-
haft gemacht. Die geehrten (in technischen Dar-
stellungen dynamischer Vorgänge weniger erfahrenen)
astronomischen und geologischen Herren Skeptiker
aber seien an dieser Stelle herzlichst gebeten, uns
erst dann weiter folgen zu wollen, bis diese Fig. 9
auch zu ihnen eine laute und überzeugend glaub-
würdige Sprache zu sprechen beginnt. Dazu gehört
nun allerdings in erster Linie, daß sie sich von den
gottgesandten Irrtümern einer Jacobi-, Poincare-,
G. H. Darwinschen Birnenform glutflüssiger
Rotationskörper — kurz, von der Laplace-Lyell-
schen Vorstellung einer Erdenkindschaft, bezw.
Sonnenenkelschaft unseres heutigen Erdmondes end-
gültig lossagen und das Eingefangensein desselben
durch die Erde als eine durch die bereits abgehandelte
»Proselenen«-Überlieferung, die Huythacaflutsage,
die Atlantisuntergangs-Berichte, die submarinen Strom-
betten tropischer Flüsse, die alten hochliegenden
nordischen Strandlinien u. a. m. vorläufig hinreichend
Frei nach II. Thessal. 2;11 u. Ps. 148 4.
glaubhaft gemachte Tatsache hinnehmen. Diese ge-
ehrten Skeptiker dürfen ja auch versichert sein, daß
im künftigen Weltfrieden sie selbst noch einmal
bemüht sein werden, durch eine psychiatrisch gelehrte
Kommission feststellen zu lassen, auf welche Weise
es den vorgenannten paar Franzosen und Engländern
im Vereine mit dem später hinzukommenden Italiener
Schiaparelli gelingen konnte, mit ihrer mathema-
tisch reich armierten Suada das jüngst abgelaufene
ER astronomischer Aufklärung derart in die
rre zu führen, daß ihnen heute die ehemalige Planeten-
natur des Erdmondes samt dem zweifachen kosmischen
Eiszufluß zur Erde eine derartige Abneigung einflößt,
wie wir sie schon so vielfach erfahren mußten.
Wenn wir hier der genannten transvogesischen
und translamancheschen Pseudogelehrtengruppe nach
den heurigen Pfingstsonntagserfahrungen auch noch
den (auf Mars allerdings ewig verdienstlichen)
Mailänder Entdecker angliedern, so geschieht es aus
dem engscheidenden Grunde, weil Schiaparelli mit
seinem Entwurf einerastronomischen Theo-
rie der Sternschnuppen« das astronomische
Blendwerk seiner vorgenannten transalpinen Ver-
bündeten erst vollends »kräftig« ausgestaltet hatte.
Nachdem wir die lokalen und katastrophalen
meteorologischen Vorgänge auf das Einschießen von
Eissternschnuppen in unsere Atmosphäre zurückführen,
Schiaparelli aber (und mit ihm die ganze durch
ihn verführte heutige astronomische Welt) in allen
Siernschnuppen ausnahmslos in Reibungsglut selbst-
leuchtende mineralische Kleinkörper (gleich
den Meteoren) sieht, so werden wir uns später mit
dieser »astronomischen Theorie der Stern-
schnuppen« notwendig noch eingehender zu befassen
haben, bis wir durch Abhandlung der Gebirgsbildung
vorerst die geologische Notwendigkeit eines kos-
mischen Eiszuflusses zur Erde hinter uns gebracht
haben werden. »Die streng mathematisch und
klar durchgeführte Begründung einer astro-
nomischen Theorie der Sternschnuppen« ist
bekanntlich hervorgegangen aus dem berühmten »Brief-
wechsel- Schiaparellis mit dem römischen Jesuiten-
ater und Sonnenforscher Secchi: »Note e
iflessioni sulla teoria astronomica delle
Stelle cadenti«, mit welchem die wissenschaftliche
Welt 1867 »überrascht« wurde. Wie heiter ist es
für unsere Freunde doch, nach Pfingsten 1915 in einem
solchen Buche zu blättern, darinnen ein italieni-
scher Sternschnuppentheoretiker einen italieni-
schen Sonnenfleckenbeobachter Vorträge über die
Stelle cadenti hält, ohne daß einer von beiden
weiß, daß diese Sternschnuppen aus Eis bestehen
und, wenn in die Sonne stürzend, dorten die Sonnen-
flecken, Sonnenfackeln, Sonnenprotuberanzen und
Koronastrahlen erzeugen ! Natürlich wissen wir ganz
gorau, daß unser Rufen nicht so sehr im Getöse des
eltkrieges als vielmehr im Rauschen der gegen-
seitigen internationalen Lobpreisungen der mittel-
europäisch-barbarischen Gelehrtenwelt ungehört ver-
hallt — oder, wenn es hoch geht, dabei ein Heiterkeits-
erfolg herauskommt; im letzteren Falle werden aber
erst spätere Astronomengeschlechter zu entscheiden
haben, welcher Seite da die Rolle der unfrei-
willigen Komik zugeteilt war.
Hier reicht der vorserajevoisch üblich gewesene,
international-akademisch-süßliche Gelehrtenjargon
nicht mehr hin, um den einschlägigen mitteleuropä-
ischen »Fachleuten« die so gänzliche Unangebrachtheit
ihrer international-pietätvollen Gelehrten-Loyalität zum
richtigen Bewußtsein zu bringen. — Hier kann nur
mehr die rücksichtsloseste Vortragung des Weltkrieges
auch auf wissenschaftliches Gebiet und eine jahr-
zehntelange vollständige Vernationalisierung
der kosmo- und geogonischen Wissenschaft Wandel
schaffen. Man beschuldige uns da nicht etwa der
pietätlosen Donquichotterie wehrlosen Toten
gegenüber, sondern wer sich zum Sekundanten dieser
toten Gelehrtenverführer berufen fühlt, der gebe uns in
diesen oder beliebig anderen Spalten die willkommene
Gelegenheit, zu ihren sachlichen Widerlegungen unserer
vorläufigen en bloc- Anschuldigungen in ebenso sach-
licher Weise Stellung zu nehmen. Allerdings, was die
»Astronomische Sternschnuppentheorie«
Schiaparellis anbelangt, wollen die erbetenen
gegnerischen Sekundanten noch unsere späteren dies-
bezüglichen astronomisch-meteorologischen Detail-
ausführungen abwarten, oder die Seiten 684 bis 738
und die Kapitel XI, XIII und XXII bis XXIV unseres
Hauptwerkes*) dreimal kritisch durchnehmen, wozu
wir ja auch schon in unserem vorpfingstlichen Rededuell
(Märzheft) mit Herrn Dr. W. F. alle Sternschnuppen-
theoretiker eingeladen haben wollten.
Nach diesen zeiterzwungenen Kriegsabschweifungen
wollen wir uns nun wieder sachlicher zu fassen
suchen, und zwar zunächst vielleicht an der Er-
holungsfigur 8, die ja eine vorausgeschickte Ergänzung
zur bereits abgehandelten Fig. 9 bilden sollte. Unter
Zuhilfenahme des im früheren zu Fig. 3 bis 7 Gesagten
sind uns diese zeitlich sehr verschieden weit ausein-
ander liegenden Erdstadien der nächsten
geologischen Zukunft zum Teil ja wohl schon
—
) Phil. Fauth: »Hörbigers Glacialkosmogonie, eine neue
Weltbildungslehre.« 1913.
165
verständlich geworden. Um nun die Sache auch .zeit-
lich besser überblicken zu können, denke man sich
zunächst auch in den Stadien A und A“ im Abstande
von 30, bezw. 17:7 Erdradien die bereits außerhalb
Papierformat fallenden (den Mond versinnlichenden)
schwarzen Scheibchen gezeichnet und dann die ver-
schiedenen Erdstadienbildchen mit Ausnahme von
B! C D’ so weit auseinander geschoben, bis diese
Scheibchen in eine beiläufig gerade Linie zu
liegen kommen, deren nach rechts hin sanft anstei-
gende Richtung eben durch die drei Mondscheibchen
CD bereits gegeben erscheint. Dann stehen diese
Erdstadienbildchen im relativ richtigen gegenseitigen
Zeitabstande und ist die so markierte, nach rechts hin
ansteigende Mondbildchenlinie als eine »Erzeugende«
des später noch instruktiver zu verwertenden >M on d-
bahnkegels« anzusehen. Diese künstliche Hilfs-
raumvorstellung von Planeten- und Mondbahnkegeln
ist zum leichteren Verständnis der jüngeren und
nächstkünftigen Sonnensystem-Entwicklungsgeschichte
derart unumgänglich nötig, daß wir diese Vorstellung
schon jetzt flüchtig zu erwecken suchen müssen.
Übrigens erscheinen die zwischen den einzelnen Erd-
bildchen einzuschaltenden Zwischenzeiten auch noch
in der 6. Unterzeile der Fig. 8 als »Beispiels-
weise relative Zwischenzeiten« ange-
deutet. Ist nämlich der gegenseitige Mittelabstand der
Stadien B’ C D’ je eine geologische Zeiteinheit, so
rückt Stadium B ca. 7, A‘ ca. 80 und A ca. 100 solche
Zeiteinheiten nach links von seinem jeweilig rechten,
und D ca. 7, E' ca. 25 und E ca. 6 Zeiteinheiten nach
rechts von seinem jeweilig linken Nachbar ab. Ein
weiterer Vergleich dieser Einzelbilder mit den zeit-
maßstäblich eingeordneten gleichnamigen Stadien-
punkten der Fig. 9/IV und V wird nötigenfalls diese
richtige zeitliche Auseinanderhaltung der gezeichneten
Erdstadien A A“ BB! CD- DE'E noch erleichtern.
Die Umlaufszeiten (Flutrevolutionszeiten) in Tagen
(d) und Tagesbruchteilen (h) in der nächsten Legenden-
zeile der Fig. 8 geben uns die Zahl der Flutberg-
Breitenoszillationen pro einer solchen
Flutberg revolution um den ganzen Tropengürtel
herum an. Hier ist aber an das zu den Stadien
B. B“ C D” D' der Fig. 9/IV Gesagte zu erinnern:
Die höchsten Oszillations zahlen pro Flutrevolu-
tion drängen sich erst in zeitlich unmittelbarer Nähe
des stationären Stadiums C, also weit innerhalb der
Stadien B' und D' zusammen. Viele Hunderte und
Tausende von Breitenoszillationen pro Revolution,
ja 500, 700, 1200, 3000 bis fast unendlich viele solcher
Oszillationen pro einen Meter des Rück- und Vor-
schleichens der theoretischen Flutberggipfel, wie wir
dort gehört haben! Wir werden davon nächstens bei
der Steinkohlensedimentierung und Formationsent-
stehung engeren Gebrauch machen.
Die oberste Zahlenreihe (245h u.s.w.) versinn-
licht die ungefähren Tageslängen der einzelnen
Erdstadien in heutigen Stunden, die zweite
Zahlenreihe wieder die dementsprechenden Mond-
abstände in Erdradien, und die dritte endlich die
zugehörigen siderischen Monatslängen (Mond-
umlaufszeiten) in heutigen Tagen und Stunden.
Im allgemeinen nimmt die Luftverarmung und dadurch
bedingte zum Teil auch tropische Vereisung der
Erde vom zeitlich bereits weit hinter uns liegenden
Mondeinfange über die Stadien A bis E der Fig. 8
erst ungemein langsam, dann später aber sozusagen
parabolisch ansteigend zu, und mit ihr auch die
übrigen durch die Mondannäherung bedingten
geologisch wirksamen Faktoren (Hochfluten, deren
Breitenoszillationen, Schichten- und Gebirgsbau, Vul-
kanismus, Magmaergüsse, Giftgasentweichungen etc.)
bis zum geologisch plötzlichen Kataklysmusabschluß E
der Fig. 9, bezw. F bis M der Fig. 10 (Mondauflösung
und Sintflut). Aber in allen diesen Vorgängen bildet
das laut Fig. 9/IV zeitlich vollständig unsymmetrisch im
Kataklysmus eingegliederte Stadium C samt unmittel-
barer Zeitnachbarschaft ein kräftigst hervor-
166
tretendes primäres Zwischenmaximum oder
Hauptmaximum, während der katastrophale Kata-
klysmus abschluß trotz seines geologisch »plötz-
lichen« Einsetzens (Mondauflösung, »groBer Hagel«,
Schlammflutfall, Kugelrückbildung des linsenförmig
zerdrückten Geoids, Sintflut mit Eisverdriftung in die
beiderseitigen Polarbreiten, Löß-, Lehm- und Sand-
beschickung der ganzen ummodellierten Erdoberfläche,
»feurige Bergstürze« von außen, »großes Erdbeben«,
vulkanische und giftgasige Paroxysmen u. dgl.) nur
mehr ein sekundäres Endmaximun darstellt,
ohne besondere gebirgsbauliche Tätigkeit zu
entwickeln. Und nur wegen seiner geologischen
Plötzlichkeit und der nachfolgenden Schroffheit
des Wiedereintretens normaler Zustände hat sich
dieses sekundäre Endmaximum der Tertiärmond-
Annäherung und Auflösung dem überliefernden Ge-
dächtnisse der Naturmenschheit als »GroBe Flut« so
tief eingeprägt, daß wir mit glacialkosmogonischer
Lupe deren Uberlieferungsrest aus alten Texten
herauslesen können, während Spuren des vorge-
nannten kataklysmatischen Hauptmaximums nur
durch Grabarbeit im Schichtenbuche der Erdrinde er-
schürft werden können.
Wie wir später noch bequemer sehen werden,
konnte der notwendig schwer abgehärtete Eiszeit-
mensch das stationäre Hau pt maximum des Tertiär-
kataklysmus einfach aus dem Grunde nicht als solches
empfinden, weil sich da innerhalb eines Menschen-
alters gar kein besonderer Wechsel im großen
kataklysmatischen Geschehen der Fig. 7
bis 9 bemerkbar machte. Er wurde in den Kata-
klysmus in großer Lebensnot hineingeboren, bestand
seinen Kampf mit den denkbar ungünstigsten
Lebensverhältnissen in strotzender Gesundheit sieg-
reich bis ins höchste Alter und wußte seinen
mitkämpfenden Enkeln somit eigentlich gar
nichts sonderlich Bemerkenswertes aus seinem Leben
zu überliefern. Wohl hatten ihm die Väter eine
dunkle Ahnung von einem längst »verlorenen
Paradiese« hinterlassen und vielleicht auch einen
schwachen Hoffnungsschimmer, dasselbe einstens
wieder zu gewinnen; aber irgend eine klare Vor-
stellung von diesem »Paradiese« konnte er sich
natürlich nicht machen, weil ihm da jede persönliche
Naturerfahrung fehlte und auch der seinerzeitige Ver-
lust dieses Paradieses durch die Väter nur ein un-
gemein allmählicher sein konnte: »Die Erde ward
wüsteundleer«, wie ein gelehrter Hallenser Ober-
rabbiner I. Moses 1/2 berichtigend übersetzt und
wie es wohl auch richtiger überliefert worden
sein dürfte. Aber dieses »ward« (anstatt war) umfaBte
notwendig viele Jahrhunderttausende, innerhalb welcher
selbst das patriarchalischeste Menschenalter nichts
bedeutet; und wie ja auch wir keine Ahnung davon
haben, daß wirschon seit Jahrzehntausenden im langsam
schleichenden Begriffe stehen, das uns um-
gebende Paradieszuverlieren!
Anders aber im sekundären Endmaximum des
Kataklysmus: Der »Große Winter« ward
plötzlich überstanden und fiir den sieghaft Uber-
lebenden der furchtbaren Tertiärmond-Auflösung und
Tertiärsintflut hatte sich die denkbar schroffste Wen-
dung zum Besseren binnen weniger Jahre — ja im
wesentlichen binnen weniger Wochen (obwohl es da
weder Wochen, noch Monate, noch Jahre gab) — voll-
zogen. Was uns Moses in l. 1/2 von der »Finsternis
auf der Tiefe erzählt, die plötzlich dem »Lichte«
weichen mußte, vom ersten Wechsel von Tag und
Nacht, vom Sammeln des Wassers an besonderen
Orten, vom aufsprießenden Gras, Kraut und Bäumen
mit Samen und Früchten, ein jegliches nach seiner
Art, vom endlichen Erscheinen des »Großen Lichtes“
am Himmel, von der Belebung des Wassers, des
Landes und der Luft mit Gewürm, Fischen, Vich
und Gevögel »aller Art«, das alles konnte der
Sintflut überlebende noch miterleben. Der »GroBe
Winter« auf der ungemein langsam »wüste und leer«
gewordenen Erde ward plötzlich überstanden
und zufolge allmählich one Aufrechtstellung der
Erdachse ist ein»Ewiger Frühling« angebrochen.
Die Finsternis auf der Tiefe war plötzlich dem Lichte
gewichen und der Geist Gottes, der bisher nur über
den Wassern geschwebt haben konnte, mußte sich
dem Naturmenschen in den neuen vielfachen W u n-
dern des neuerblühenden Paradieses aufdringlich
offenbaren! Daswarein Erlebnis, würdig, den
Enkeln tausendfach erzählt und bis in unsere heutigen
Tage der Naturmenschheit überliefert zu bleiben! Nur
wir ganz gescheiten Mitteleuropäer wissen das alles
besser und lächeln selbstzufrieden über den »Mythus
vom verlorenen und wiedergewonnenen
Paradiese und der großen Flute.
Solche Uberlieferungsspuren eines »ewigen Früh-
lings« auf Erden mußten auch dem Apokalyptiker
Johannes zur Kenntnis gekommen sein, da anders die
Stelle eines Engelschwures aus Offenb. 10/5—6:
»daß hinfort keine Zeit mehr sein solls
durchaus rätselhaft bliebe. Diese Notiz kann sich aber
auch von Überlieferungsresten aus- unmittelbar
vorsintflutlicher Zeit« (vgl. Fig. 8) herleiten
lassen, da ja dorten, wie auf Seite 114 des Aprilheftes
ausgeführt: Jahr, Monat, Tag und Nacht bis
zur Unkenntlichkeit verwischt sein mußten und not-
wendig gegen Schluß des jetzigen Kataklysmus wieder
verwischt sein werden. Aus solchen und
ähnlichen, ohne glacialkosmogonische Beleuchtung
natürlich ganz unverständlichen Stellen der
Apokalypse ist ja auch die profangelehrte Irr-
meinung entstanden, daß der Verfasser dieses alten
Textes ein Gehirnleidender gewesen sein müsse und
somit auch jeder ein Narr sei, der sich mit diesem
verrückten Buche befassen könne. Auch Newton mußte
sich diesen Vorwurf in seinen alten Tagen gefallen
lassen. Die Glacialkosmogonie bringt uns aber den
Schlüssel, um dieses sprichwörtlich siebenfach
versiegelte und dunkelste aller alten Bücher
»aufzutun« und stellenweise tiefe altnaturwissen-
schaftliche Weisheit daraus schöpfen zu können.
Wir sind durch solche Grabarbeit in alten Texten
ja auch zu der Vermutung gekommen, daß Moses
und Johannes nicht nur die größten Gelehrten ihrer
Zeit, sondern vielleicht des ganzen Altertums über-
haupt waren. Daß sie vieles ihnen Unerklärliches in
erster Linie sich nur metaphysisch deuten
konnten und hiebei der dichterischen Phantasie den
weitesten Spielraum lassen durften, das mub man
eben im Geiste ihrer Zeit und ihres gesetzgeberischen,
bezw. pädagogischen Wirkens zu erfassen trachten,
wie uns ja auch Altmeister Goethe durch seinen
Faust-Wagner in sokratischer Ironie also ermahnen
läßt: »Verzeiht! es ist ein groß Ergetzen — Sich in
den Geist der Zeiten zu versetzen — Zu schauen,
wie vor uns ein weiser Mann gedacht — etc.«
Übrigens ist ja Moses mit großer Wahrschein-
lichkeit als ein der erdichteten Mutter untergeschobener
Pharaonenverwandter anzusehen, der nachher
jene ausgezeichnete Erziehung genoß, die ihn sowohl
in alle ägyptisch-priesterlichen Geheimarchive ein-
führte, als nachher auch zu jenem genialen Führer
und Gesetzgeber eines unterdrückten Volkes (ver-
meintlich seines Volkes) begeistern und befähigen
konnte, als den wir ihn beim genaueren Hinsehen
kennen lernen. Desgleichen ist (nach Delff) auch
der nachmalige Apokalyptiker ln nicht der
frühere einfache, ungebildete Fischer Johannes aus
Galiläa gewesen, sondern nach unseren von Delff
abweichenden Anschauungen als ein hochstudierter
jüdischer Theologensohn aus Jerusalem zu betrachten,
der seinem Vater noch als Student und bei Lebzeiten
des Meisters im Geheimen abtrünnig geworden sein
dürfte. Er ist zugleich identisch mit jenem »Jüngling«,
der (laut Mark 14/51—52) bei der Gefangennahme des
Meisters in Gethsemane nackt die Flucht ergreifen
mußte. Als solcher jüdischer Schriftgelehrtensohn war
also dieser nachmalige Evangelist und Apokalyptiker
qonanta unbedingt von hoher damaliger jerusa-
emitischer Schulbildung, die allein ihn im späteren
hohen Alter zu jenen groBen Gelehrten seiner Zeit
befähigen konnte, als welchen wir ihn unter glacial-
kosmogonischem Gesichtswinkel in der Apokalypse
und bei vorurteilsfreiem Vergleiche auch in seinem
Brief- und ganz eigens gearteten Evangeliumstil er-
kennen dürfen. Bei späterer Besprechung der Fig. 10
werden wir noch so manche dunkle Stelle seines
siebenfach versiegelten Buches sowohl als auch der
mosaischen Genesis aufzuhellen in der Lage sein.
Doch nun nochmals zurück zu Fig. 8. Bezüglich
des primitiven zeichnerischen Inhaltes der dortigen
Erdstadienbildchen selbst sei für spätere Zwecke noch
einiges zur Festhaltung empfohlen. Wir sehen speziell
im Stadium C die Gebiete der mutmaßlichen Vereisung
(geschuppt), die der Sedimentierung (gestrichelt), die
der tropischen Bodenkulturfähigkeit (weiß) und die
der momentanen Flutbergbedeckung (schraffiert) kennt-
lich gemacht — und ist dies auch in den übrigen vier
Bildchen des »Transgressions«- und Gebirgsbau-Zeit-
alters B B'-D' D so zu verstehen. Der Amplitudenwinkel
der theoretischen Flutberggipfelwege, bezw. der z- und
n - Punkt- Wanderungen ist durchaus mit f bezeichnet
und es versinnlicht die Abnahme desselben von A
nach E hin sowohl die allmähliche Engerrückung der
Mondeswendekreise, als auch die Aufrichtung der
Erdrotationsachse. Die schon in Fig. 9/V eingehend
studierten Wellenzüge der Breitenoszillationen von
z und n sind auch hier schematisch angedeutet, doch
natürlich unmöglich im einheitlichen Wellen-Längs-
maBstabe; man denke sich daher diese Wellen in B'
D“ noch viel enger und in E' E noch etwas lang-
gestreckter als gezeichnet! Die im Differenzdiagramme
der Fig. 9/I sinnfällig gemachte, erst geringere Ab-
nahme, dann steilere Zunahme der Erdrotations-Winkel-
geschwindigkeit kommt auch hier durch die obere Zeile
der ungefähren Tageslänge in heutigen Stunden
zum Ausdrucke, ebenso die rasche Zunahme der
Mondrevolutions- Winkelgeschwindigkeit gegen Ende
hin durch die Zeile der Monatslängen inheutigen
Tagen und Stunden. Unmittelbar vor der Trabanten-
Destruktion eine sidersche Monatslänge von bloß
dreieinhalb heutigen Stunden! Der geneigte Leser wolle
sich das Ungeheure der Revolutionsschnelligkeit auch
von dieser reziproken Seite aus tunlichst einprägen,
um sich für die Katastrophe der Fig. 10 gehörig vor-
bereitet zu wissen.
Dem geologisch weniger gerüsteten Leser sind
wir nun auch eine Erklärung des heute üblichen
»Transgressions«-Begriffes schuldig. Der Geologe
findet nämlich aus den heute trockenliegenden
neptunischen Schichtenfolgen, daß behufs Ablagerung
solcher Schichten das Meer oszilierend über die
Kontinente gegriffenhaben müsse. (Transgredieren =
übergreifen. inige Zitate aus dem »Antlitz der
Erde« (dem Lebenswerke des Altmeisters Ed. Sue B)
werden uns da sofort mitten in die moderne geologische
Vorstellungswelt versetzen. Lyell war derjenige,
welcher solche wiederholte Überflutungen und Wieder-
trockenlegungen des Landes durch wiederholte
Hebungenund Senkungen der Kontinente erklären
zu können vermeinte. Obwohl nun SueB ihm in den
hauptsächlichsten »Grundlagen der Geologie«
zu folgen bemüht ist, schien unserem Altmeister
schließlich diese Lyellsche Zumutung denn doch zu
stark, weil er im »Antlitz der Erde«, II., S. 684, sagt:
»Diese Aufzählungen zeigen, daß die
Lehre von den säkulären Schwankungen
der Kontinente nicht hinreicht, die wieder-
holten Trockenlegungenund Uberflutungen
des festen Landes zu erklären«.
Gewiß nicht! Denn von ganz unbedeutenden
Hebungen und Senkungen einzelner Gebietsteile ab-
gesehen schwanken die Kontinente nicht,
sondern gegen Ende der einzelneu Mondeszeiten der
geologischen Vergangenheit und Zukunft (wie z. B.
eben in den Stadien B bis D der Fig. 8,9) wird der
167
Ozean im Sinne der Fig. 7 bis 9 in breiten-
pendelnder, doppelter Flutbergform wieder-
holtinschleichendem bis laufendem Tempo
über diese Kontinente noch rück- und vor-
wärts hinweggeschleppt und dabei jene
Sedimentierungsarbeit geleistet, die durch in ge-
schichtlicher Zeit beobachtbare Vorgänge auch in
Lyellschen Jahrbillionen nicht angehäuft werden
kann. Also die Lyellschen Hebungen und Senkungen
erklären das nicht, daher mußte SueB in Unkenntnis
unserer glacialkosmogonischen neuen Grundlagen
der Geologie für dieses oszillierende Überlandgreifen
der Ozeane den Begriff der »Transgressionen«
einführen, dem er folgenden Inhalt gibt:
»Es findet ein langsames aber unausgesetztes Aus-
füllen der ozeanischen Gebiete statt, welches eine
allgemeine Verdrängung der Meere aus ihren Tiefen
hervorbringen muß, und zugleich wird die Trans-
gression durch die vorschreitende Erniedrigung
der Festländer erleichtert. Die Bildung der
Sedimente veranlaßt ununterbrochene,
eustatische, positive Bewegungen der
Strandlinien« (A. d. E., 11/687).
Unter »positiven Bewegungen der Strandlinien«
versteht SueB das langsame Landeinwärts-
schreiten der letzteren, also ein Steigen des
Ozeanniveaus — unter negativen Bewegungen das
Sinken desselben. Natürlich meint er nicht ein An-
steigen zufolge unserer vervielfachten Hubkräfte der
Fig. 3 bis 6 etwa, sondern zufolge Ausfüllens der
Meeresbecken durch die Erosionsarbeit der Flüsse in
obzitiertem Sinne. Und offenbar ist es dieses
nivellierende Schwanken des Erdreliefs, das er mit
Eustatik bezeichnet wissen will; für welches
Schwanken er aber notwendig wieder Lyellsche
Jahrmillionen in Anspruch nehmen muß. Für eine
weitausgreifende »positive Strandlinienbe-
wegung«, die wir mittels der oszillierenden Flut-
berge der Fig. 7 bis 9 vierfach an einem Tage,
also wirklich »fabriksmäßig« bewirken, braucht
die Sueßsche »Transgression« unfaßbar lange
Lyellsche Zeiträume, so daß der Altmeister trotz
seiner teilweisen Absage an Lyell von diesem
englischen Geologenverführer dennoch wieder nicht
loskommen konnte. Denn die Lyellsche Haupt-
grundla 1 der modernen Geologie ist ja eben die
irrige Vorstellung, daß wir zur Erklärung der
Schichten- und Gebirgsbildung keiner anderen
geologischen Vorgänge bedürfen, als die
wir heute beobachten können — nur müsse man da
ungeheure Zeiträume zu Hilfe nehmen. Wir aber
wollen diese heute beobachtbaren Vorgänge (Erosion,
Deltabildung, Dünenbauten, Gletscherarbeit, Vulkan-
ausbrüche, Erdbeben etc.) ostentativ mit »Geo-
logisches Kleingeschehen- — noch besser aber
mit GeologischesNichtsgeschehen bezeichnen,
weil mittels desselben dem praktisch anwendenden
Mechaniker auch nicht die lieblichsten Formen der
sächsischen Schweiz, geschweige denn etwa gar
Gebirgsbildungen wie etwa die Pyrenäen, Alpen,
Apenninen, Kordilleren, der Kaukasus und Ural oder
gar der Himalaja erklärt werden können. Bedenken
wir noch, daß SueB aus dem reichen Schichtenwechsel
auf »zahlreiche Oszillationen« der Strandlinien
und aus der sedimentären Formationsfolge auf. »oft-
9 Wiederholung gleicher Vor gänge«
schließt (und zwar mit Recht) — daß aber weder
alles dies aus seiner eustatisch erklärten »Trans-
gression«, noch letztere aus dem Stromdelta-
bildungen und feinen Tiefseeschlamm - Ablagerungen
(denn nur auf solche reduziert sich doch die gedachte,
heute beobachtbare Tiefenausfüllung) befriedigend er-
klärt werden kann, so bleibt kaum anzunehmen, daß
er seine Transgressionserklärung ernstlich für
erschöpfend gehalten haben konnte.
Aus solcher Einsicht leitet sich wohl auch die
Resignation her, die Sueß auf Seite 703 Il seines
Lebenswerkes wie folgt zum Ausdruck bringt: »Wie
168
Rama über das Weltmeer schaut, dessen Umriß am
Horizonte mit dem Himmel sich mengt und eint, und
wie er sinnt, obwohl ein Piad hinaus zu bauen sei
in das schier Unermeßliche, so blicken wir über den
Ozean der Zeiten, aber es zeigt sich uns bis
heute nirgends ein Ufer.« Diesen gesuchten,
aufwärts führenden Pfad findet der erkenntnisfreudige
Leser in den bisherigen Figuren 3 bis 10 ausgesteckt;
und später noch folgende Graphikons sollen uns will-
kommene Gelegenheit bieten, ihn für jeden gesunden
und höhenfreudigen Touristen bequem gangbar
auszubauen. Wer aber an den Lyell-Krücken weiter.
hinken will, welche sich genügsame Geologen bei
nebular-hypothetischem Lichte immer noch leimen zu
können vermeinen, der bleibe im Tale blühendsten
Irrtums aus II. Thessal. 2/11.
Um den Golf von Mexiko mit reinem Stromwasser
allein auszufüllen, brauchte der Mississippi nach
Reyer rund 4000 Jahre; nach welchen Lyellschen
Zeiträumen würde sich also das Mississippidelta durch
das ganze Golfvolumen bauen? Vielleicht nach 4000
Millionen Jahren, wenn der Kubikmeter Stromwasser
durchschnittlich 1cm? Schlamm führt. Doch dieses
Delta baut sich nur in kegelmantelförmigen und
nach außen an Dicke und Korngröße rasch ab-
nehmenden verschwommenen Schichten auf
und niemals in ausgedehnten, an Korn und Dicke
gleichmäßig gearteten, horizontal liegenden und
reinlich geschiedenen Schichten! Und woher
nähme eine solcherart gewiß nicht erklärbare Fest-
lands-»Transgression« die vermuteten zahl-
reichen Oszillationen und woher die öfteren
Wiederholungen gleicher Zustände? Aller-
dings würde ein Profilschnitt des Mississippideltas
verschiedene verschwommene Schichtfolgen erkennen
lassen, darinnen sich die verschiedenen Hochwasser-
perioden des Stromes spiegeln — aber kann man
daraus auf die so ausgedehnten, horizontal liegenden
Schichten der Saharraterassen, der russischen Tafel,
der nordfranzösischen und ostenglischen Steilküste,
Helgolands, der sächsischen Schweiz oder des Grand-
Canons schließen? Darin möchten wir den Lyell-
verführten Fachgeologen wirklich nicht weiter stören.
Während also zu einer nach Sueß »eustatisch«
erklärten Transgression (gesetzt, sie wäre möglich)
nach diesem Mississippibeispiel alle Jahrbillionen
Lyells nicht ausreichen (von den geforderten zahl-
reichen Oszillationen und der öfteren Wiederholung
ähnlicher Verhältnisse ganz abgesehen), sehen wir
hier in Fig. 7 bis 9 zwei ungleiche Ozeanhälften in
Einern, Zehnern, Hundertern von Tagen, — in Einern,
Zehnern, Hundertern und eventuell auch Tausendern
von Jahren (zahllosemal breitenoszillierend) die
Erde nach rück- und vorwärts umwandern, also von
einem zum andernmal auf einem bestimmten Meridian
immer wieder dieselben Vorgangsserien wiederholend
und erst nach jeder 10., 100., 1000. Flutbergrevolution
(je nach zeitlichem Abstand vom stationären Stadium
der Fig. 7 bis 9) eine Änderung der einzelnen
Oszillations- und Revolutionsverhältnisse erkennen
lassend. Allerdings liegen diese letzteren längeren
Revolutionszeiten weit innerhalb der Stadien B' D'
der Fig. 8 in unmittelbarer zeitlichen Nähe des
stationären Stadiums C, weshalb wir sie ja auch
schon. pseudostationäre Zeiten und Stadien
nannten.
Wann die gesonderten Flutberge ihre strenger
»transgressive« Tätigkeit beginnen und einstellen, ist
schwer zn sagen: sie besteht jedenfalls in den Stadien
B und D schon, bezw. noch und in den Stadien
A‘ und E' noch nicht, bezw. nicht mehr. Zu-
sammenfassend dürfen wir also im Sinne der Fig. 8
die Stadien B bis D das Zeitalter der rück- und
vorschleichenden und schreitenden, bezw.
stationären Oszillations-Hochflutberge und
Ebbegüftel samt Eiszeiten nennen und wieder
inmitten einen Teil davon bezeichnenderweise das
engere Mondeszeitalter der »Transgressionen«
und des Gebirgsbaues. Wie aber diese »Trans-
gressionen« Schichten und Gebirge bauen, ließ uns
schon die Fig. 7 ahnen, und werden wir an späteren
Schicht-Detailfiguren noch bequemer kennen lernen.
Und wie die in Fig. 8 angemerkte Zeit der »rück-
eilend-breiteren« und der »voreilend-schmäleren Gürtel-
hochflut«, sowie der »allmähliche Beginn geologischer
Bauarbeit« und die »unmittelbar vorsintflutliche Zeit«
zu verstehen ist, dürfte jetzt aus dem Bisherigen und
dem Zusammenhalten von Fig. 8 mit 9 ohnehin schon
klar sein. Zu wiederholen wäre hier nur noch, daß
wir in das Zeitalter der rückeilenden Gürtelflut
(noch nicht Giirtel hoch flut) schon in tief vorgeschicht-
licher Vergangenheit, gelegentlich des beschriebenen
Atlantisunterganges und Mondauftretens
der letzten Proselenen eingetreten sind, ihre geo-
logisch empfindlichere Wirksamkeit aber erst um die
Stadien A bis A‘ herum zu verspüren beginnen
werden. Dabei wollen wir uns durch die gezeichneten
Flutgürtel- und Flutbergtiefen der Fig. 7 und 8 unsere
Raumvorstellung nicht verzerren lassen, indem diese
Ozeantiefen etwa 200 mal überhöht dargestellt werden
mußten, um deutlich sinnfällig zu werden.
Damit dürfte uns nun auch Fig. 8 zu einem be-
quemen Erinnerungsbehelf an das bisher Gesagte
geworden sein; es empfiehlt sich jetzt nur noch an
einigen weiteren Zitaten aus dem »Antlitz der
Erde< hiezu verschiedene Proben auf das Exempel!
zu machen, um einigermaßen klar zu sehen:
»Und in diesen Umständen liegt auch die Ursache,
warum so oft und von so hervorragenden Forschern
der Gedanke ausgesprochen worden ist, daß diesen
Serien gewisse Zyklen zugrunde liegen,
das ist andauernder Schichtwechsel und
dabei eine mehrmalige Wiederkehr ähn-
licher Zustände«. (A. d. E., 11/685.)
Man beachte hier den Plural der Serien! Es
handelt sich um Schichtserien, die sich selbst auch
wiederholen, also um Serien von Schichtserien, das
heißt, um zahlreiche Oszillationsspuren innerhalb
zahlreicher Revolutionsspuren unserer beiden
Flutberge der Fig. 7 bis 9! Alle diese vermuteten
Zyklen samt dem andauernden Wechsel und der oft-
maligen Wiederkehr ähnlicher Zustände finden sich
in reichster Auswahl in diesen unscheinbaren Graphi-
kons — bleiben aber ganz unverständlich, wenn man
darauf die oben zitierte »eustatische« Transgressions-
erklärung unseres Altmeisters Sueß anwenden will.
»Die Analyse der rhätischen Schichtfolge in den
Alpen führt zu dem Ergebnisse, daß die positive
Bewegung, welchedasrhätische Ufer weiter
und weiter, endlich über einen sehr großen
Teil von Mitteleuropa und weiter in das
nördliche Schottland gerückt hat, eine
oszillatorische gewesen ist. Immerhin sprechen
besonders die rhätischen Vorkommnisse und jene von
Purbeck für das Auftreten zahlreicher geringer
Oszillationen.« (A. d. E., II 685/86.)
Hier glauben wir die Wirkung eines möglicher—
weise rück schleichenden, oszillierenden Zenith-
oder Nadirflutberges wiederzuerkennen; es könnte
aber auch eine vor schleichende Revolutions-
Kulmination vorliegen, was einem glacialkosmogonisch
überzeugten Stratigraphen zu entscheiden ein leichtes
sein wird. Aber zweifelsohne handelt es sich hier um
die Breitenoszillationen eines pseudostationären
Flutberges, wo nicht gar des stationären Zenith-
Flutberges selbst, der ja nach Früherem am mittel-
afrikanischen Meridian Halt machen mußte und
spielend seine Breitenoszillationen täglich über ganz
Europa hinbreiten konnte. Gewiß denkt aber hier der
Altmeister an Oszillationen »eustatischer« Natur von
vielhunderttausendmal längerer Schwingungsdauer als
die unserer Tagesoszillationen eines vorbeischleichen-
den Flutberges; auch müssen dieselben nicht gerade
geringe gewesen sein, indem unsere Flutberge auch
zahlreiche weit ausgreifende Breitenoszillationen der
täglichen Flutwellen anzunehmen gestatten.
Genug vorläufig der Anpassungsversuche solcher
dunkler, aus dem geologischen Beobachtungs-Tat-
sachenmaterial heraus geschöpfter fachgeologi-
scher Ahnungen an die Lehren unserer Fig. 7 bis 9.
Wir wollen uns jetzt über Fig. 4, dem Drama der
Fig. 10, also dem sekundären Endmaximum des
künftigen Quartärkataklysmus und notwendig auch
jedes vorangegangenen, also auch des Tertiär- und
Sekundärkataklysmus zuwenden, um dann nächstens
wohlvorbereitet die Schichtarbeit des primären
Hauptmaximums C der Fig. 7 bis 9 näher ins Auge
fassen zu können.
Das obere Diagramm der Fig. 4 notiert die Mond-
oberflächenschwere mit 171.000 g pro 1 m? Wasser.
Das gilt natürlich nur für den vereinfachten Fall, als
der Mond eine genaue Kugel von der bekannten
Masse, aber durchaus gleicher Dichte und nicht
zugleich ein Trabant der Erde, sondern noch selb-
ständiger Planet wäre. In Wirklichkeit haben wir uns
aber da einen eisenhaltigen, im Wasser unlöslichen
(Muttergestirn-) Schlackenkern vorzustellen, der nach
außen allmählich in wassergelöstem Schlackenlehm
und Schlackenfeinsand übergeht, wie ihn unsere
bereits terrestrisch geschlemmten Lehm- und Lößlager
zeigen oder wie man solchen buntfarbigen Schlacken-
lehm auf jeder Hochofen-Schlackenhalde beobachten
kann, auf welcher nebst eisenhaltiger auch minder
eisenhaltige Schlacke dem Regen und der Verwitterung
ausgesetzt ist. Über diesen heliotischen (sonnenstoff-
lichen) Mondkern breitet sich ein uferloser, wohl an die
150 oder mehr Kilometer tiefer, heute (wenigstens im
von der Erde aus gesehen senkrechten Querschnitte)
wahrscheinlich bis auf den Grund, möglicherweise
aber überhaupt ganz erstarrter Ozean aus. Es ist
also alles Eis am Monde, was wir da vom
Grunde des Mond-»Vulkans« Plato bis zu den
SpitzenderLeibnitzer Gebirge im Teleskop sehen
und nicht sehen, seien es nun die dunkelgraugrünen
Mare oder die hellweißen Höhen oder sonstigen Ge-
filde mit allen dazwischenliegenden opalisierenden
Farbennuancen des reinkristallinischen bis vollkommen
amorphen und staubförmigen bis rauhreifförmigen
Eises. Wir werden den Beweis dafür allen akademi-
schen und sonstigen Polarisations- und Spektral-
Selenologen zum Trotze gelegentlich später erbringen.
Für heute müssen wir den geneigten Leser um blindes
Vertrauen zum praktisch anwendenden Wasserphysiker
(dem Gebläse-, Dampf-, Gas- und Eismaschinenbauer)
und um schärfstes Mißtrauen allen denjenigen gegen-
über bitten, die ihm von Lava und Vulkanen am
Monde sprechen wollen. Außerstenfalls sehe man sich
den Mond in einem Urania-Teleskop in den ver-
schiedensten Beleuchtungsphasen des öfteren an, ohne
auf den nebularhypothetisch-plutonisch abgerichteten
Erklärer des »lunaren Vulkanismus« zu hören: Er
wird dann den erstarrten uferlosen Mond-
ozean mit Händen greifen!
Schon Kant hatte die Vulkannatur der teils
kreisrunden, teils rundlich polygonalen Ringgebirge
und Wallebenen des Mondreliefs angezweifelt — aber
erst unserer mit Spektroskop und Kamera, mit
Photo-, Bolo- und Polarimeter ausgerüsteten Gelehrten-
zeit blieb es vorbehalten, am Monde »opalisierend-
glasartiges Gestein« (!!) polarimetrisch »nach-
zuweisen«, eine Wärmestrahlung des Mondes bolo-
metrisch und photometrisch »außer Zweifel zu setzen«
und sogar mondtagesstündliche Oberflächenteniperatur-
»Messungen« vorzunehmen, die am Mondmittage
»Gesteins«-Temperaturen bis zu 180° C. ergaben —
allerdings anerkennenswerterweise auch Morgen-
temperaturen von absolut 0°, bezw. — 273° C.! Natürlich
ist es wieder ein Engländer, bezw. Amerikaner *), der
unseren barbarischen Gelehrten diese »streng wissen-
schaftliche Lösung des Problems« — geliefert hat,
wie sich Dr. H. J. Klein, der Meteorologe der
*) Frank W. Very: »The probable range of temperature
on the Moon.« Astroph. Journ. VIII. Nov. Dez. 1898.
169
Kölnischen Zeitung in seinem »Handbuch
der Aligemeinen Himmelsbeschreibung«
respektvollst ausdrückt. — Der Engländer Neison*)
und sein Kölner Übersetzer Klein sehen in den
zur Sonnenhochstandszeit nachdunkelnden grau-
grünen (!!) »Mare«-Flächen des Mondes sogar das
allmondtägliche Erwachen einer Vegetation! —
Der Franzose Landerer**) wußte auf bolometri-
schem Wege sogar die beiläufige chemische Formel
des »Glasartigen (!!) Mondgesteins« festzustellen!
Und keine Geringeren als beispielsweise unser Alt-
meister Sueß**) und der Münchner Physiker
H. Ebert und der Geograph Dr. S. Güntherf)
schwören auf dieses »Gläserne« (I) Mondrelief! —
Ebertt}f) hat sogar mit Glasfluß künstliche
»Mondvulkane« und Mondmare hergestellt, um seinem
Kollegen Günther vorzuarbeiten.
In einem gewissen Sinne haben wir aber hier
tatsächlich das »Gläserne Meer« aus Offenb. 4/6
und 15/2 vor uns; nur bleibt zu beachten, daß dem
Apokalyptiker bei der griechischen Abfassung
seines für uns so dunklen Urtextes nur das Wort
»Kristallos« zur Verfügung stand, mit welchem der
diesbezüglich auch heute noch wortarme Grieche so-
wohl Eis als auch Krisiall und Glas (!!) zu be-
zeichnen gezwungen ist. Jedenfalls fand der ältere und
vielgereiste Johannes beim Durchstöbern der alten
heidnischen Priesterarchive Ägyptens und Griechen-
lands ein »Feurig glänzendes Eismeer voll
Augen vorne und hinten« vor, während die ver-
schiedenen Übersetzer und Rückübersetzer daraus ein
»Gläsernes Meer dem Kristalle gleich mit
Feuer gemenget« machten und »die Augen vorne
und hinten« (offenbar die seitlich beleuchteten, augen-
artige Schatten werfenden Ringgebirge des dem
Tertiär-Eiszeitmenschen manchmal dennoch durch
Wolkenlücken hindurch sichtbar gewordenen stationär-
nahen Tertiärmondes) nicht anders sinngemäß zu ver-
werten wußten, als sie den »vier Wesen« zuzuschreiben,
die on ones zu seiner Darstellungsart brauchte.
chon die Größe einzelner »Mondvulkane« (ab-
gesehen von deren ganz unvulkanischen Querprofilen)
läßt einen vernünftigen Vergleich mit irdischen
Vulkanen nicht zu, indem einzelne Ringgebirge und
Wallebenen den Flächenraum unseres Königreiches
Böhmen umfassen, während dagegen unser Vesuv,
Ätna oder Hekla am Monde nur mittels größerer
Teleskope zu erspähen wäre. Die erste und größte
Weiterverbreitung der irrigen Gelehrtenvorstellung
von dürren und bizarren »Felsen<-Gebirgen, von
erloschenen »Vulkanen< und Lava-»Maren« am
Monde haben wohl die beiden Englander Nasmith
und Carpenter ttt) am Gewissen. Ganz im nebular-
hypothetisch-plutonischen Banne Laplaces stehend
und im Monde ein erstarrtes Glutgaskondensat sehend,
hatten sie einige »Mondvulkane« und Landschaften in
Gips modelliert und denselben ein derart dürres und
felsiges Aussehen zu geben gewußt, daß heute, wo
alle älteren Lexika und Mondlehrbücher mit Photo-
graphien dieser Gipsvulkane überschwemmt erscheinen,
auch gar kein gebildeter Laie — und sei er selbst
ein Eismaschinenphysiker oder vielgereister Polar-
forscher — ein teleskopisches Mondbild noch voraus-
setzungslos ansehen und beurteilen kann! Daran
haben auch die großartigen mondphotographischen
Arbeiten der berühmten Lick-Sternwarte in Kalifornien,
der Gebrüder Henry und der beiden Pariser Astro-
nomen M. Loewy und P.H. Puiseux, des bel-
*) Neison: »The Moon, and the condition and configuration
of its surface«, 1876. Deutsch 1881.
) Landerer: »Sur l'angle de polarisation de la Lune.«
Compt. rend., 1889, Bd. 109.
***) Ed. Sueß: »Einige Bemerkungen über den Mond.«
Sitzungs-Ber. Wiener Akad. 1895.
) S. Günther: »Vergleichende Mond- und Erdkunde«,
1911. — »Die Glacialhypothese und der Mond-, 1913.
+t) H. Ebert: -Beitrag zur Physik der Mondoberfläche-, 1909.
ttt) Nasmith & Carpenter: »The M
a Planet, a World and a Satellite«, 1874.
von considered as
170
nen Selenographen W. Prinz, des amerikanischen
stronomen William Pickering an der Harward-
Sternwarte mit seinen Unternehmungen auf Jamaika
und einem Andenvorberge bei Arequipa in Chile, sowie
des Prager Astronomen und Mondlandschaftsmalers
L. Weinek u. a. m. nichts mehr zu ändern vermocht.
Die Mitglieder des Flugtechnischen Vereines hatten
gewiß schon häufig Gelegenheit, im Turm-Stiegen-
hause der Wiener »Urania« die besten dieser mond-
photographischen Leistungen zu bewundern: Gewiß
ist ihnen eher der Gedanke gekommen, daß der Mond
aus Gips modelliert sein dürfte, als daß sie da einen
uferlosen erstarrten Ozean sähen! Die Engländer,
Franzosen und Amerikaner mögen das verantworten.
Um alle heutigen Mondplutonisten zu wider-
legen, dazu fehlt hier Zeit und Raum. Wir haben
diese durchaus unvollständige Aufzählung ja auch
nur versucht, um beim geneigten Leser nicht etwa
den Gedanken aufkommen zu lassen, daß wir nur in
völliger Unkenntnis der einschlägigen seleno-
Ban Literatur so »naiv« daherreden und im
onde einen tief uferlosen und erstarrten Ozean er-
spähen konnten. Wir werden im künftigen Weltfrieden
nicht ermangeln, unter eingehender Berücksichtigung
der einschlägigen Literatur den Laplace- verführten
Mondplutonisten unseren lunarenNeptunismus
annehmbar zu gestalten. Vorläufig müssen wir noch
an den Glauben des geneigten Lesers appellieren:
Er lasse sich durch die 14tagige Sonnenbestrahlung
der einzelnen Mondlandschaften, durch bolometrische
Mondtemperaturbestimmungen und polariskopisch-
chemische »Mondgesteins«-Analysen an unserer hydro-
technologischen Mondeinsicht nicht irre machen und
denke mitunter auch an den mit ewigem Eise
bedeckten Kenia unterm Äquator Zentral-
afrikas! Unsere noch zu erläuternde Fig. 10 wird
ja auch erst dann gesprächig, wenn wir als über-
zeugte Mondneptunisten an sie herantreten.
Und nun mit diesem erbetenen Mondeisglauben
ausgerüstet zur Sache: Nur auf einem nicht ro-
tierenden, durchaus gleich dichten und genau
kugelförmigen Planeten von Mondgröße und Masse
wäre also die Oberflächenschwere ringsum gleich
etwa 171.000g pro Im? Wasser. Auf unserem Tra-
banten muß sie aber zunächst wegen der Erd-
anziehung und Revolutionsfliehkraft auch heute
schon am Zenith- und Nadirpunkte geringer sein
als am für uns sichtbaren »Scheiben<-Rande. Und
zwar ist diese Differenz bei kugelrundem und massen-
homogenem Mond theoretisch bei z etwa 3'768 und
bein etwa 373g pro 1m Wasser, während im
künftigen Mondauflösungs-Stadium der Fig. 4 und 10
diese Differenzen theoretisch auf 167.470 und 123.333 g
pro Img Wasser angewachsen sein würden! Das
heißt: Bei Kugelform und 1°8r Mondabstand würde
theoretisch die Erdenhubkraft des Zenithpunktes z
(167.470 g) schon beinahe die dortige Mondober-
flachenschwere von 171.000 g erreichen. In Wahrheit
werden aber schon die heutigen Erdenflutkräfte
den uns aus eben diesem Grunde immer dieselbe
Seite zuwendenden Mond etwas eiförmig de-
formieren, um so mehr, als die äußere Form ja durch
den ehemals größtenteils flüssig gewesenen uferlos-
tiefen Eisozean bestimmt wird. Bei den Entfernungs-
und Kräfteverhältnissen der Fig. 4 aber muß diese
Eideformierung eine ungleich auffallendere geworden
sein. Vielmehr wird es gar nicht einmal zu einer
Annäherung bis auf I’8r kommen, indem durch diese
ewaltige Eideformierung und durch die geringe
Dichte der mächtigen äußeren Mondschichten (Eis
und gefrorner Schlamm) die Oberflachenschwere am
uns zugewendeten Eispitz und abgewendetem Eistumpf
vielleicht schon bei 2r Abstand (oder noch früher)
von den Erdschwereüberschüssen, bezw. Mondes-
fliehkraftüberschüssen soweit überboten wird, daß
sich dort der mächtige Eisozean in riesigen, mars-
mondgroßen Blöcken loszulösen beginnt. Man
glaube aber nicht, dab dieser Auflösungsbeginn etwa
ein allmählicher sein wird. Denn trotz der tiefen
Kälte behält das Eis und der gefrorne Lehmkern
des Mondes immerhin eine gewisse gletscherartige
Plastizität. Mit dem Geologenhammer bearbeitet,
würde dieses Eis im räumlich und zeitlich Kleinen
mehr als die gewohnte Eissprödigkeit aufweisen
— im großen Volumen aber und im Verlaufe von
Pe na »fließt« es förmlich aus der
ugel- in die Eiform über, ohne in den tieferen
Schichten rissig und brüchig zu werden. Dieses
»Setzen< aus der Kugel- zur Eiform hat ja schon
heute, ja sofort nach dem Mondeinfange vor — sagen
wir 70.000 oder auch 7000 Jahren begonnen, um
schließlich im Erdstadium der Fig. 4 die in Fig. 10
sinnfällig gemachte Eiform zu erlangen. Auch heute
bildet der Mond schon ein sanftes Ei trotz der viel-
gepriesenen gegenteiligen Untersuchungs-»>Resultate«
des Breslauer Astronomen Franz. Der Mondeisozean
muß unter der uns zugekehrten Eispitze auch viel
tiefer sein als unter dem für uns unsichtbaren anti-
podischen Eistumpf, und das ist auch der Grund,
warum einzelne Mondmechaniker auf Grund der
physischen Libration des Mondes herausrechnen
konnten, dab der Schwerpunkt des Mondes um etwa
60 km jenseits seines Mittelpunktes liegt. Diese lunare
Schwerpunktsexzentrizität wird also mit der weiteren
Bahnschrumpfung des Mondes zunehmen, bis auch
sie im Erdstadium der Fig. 4 die aus Fig. 10 F erahn-
bare Größe erreicht haben wird.
In dieser eiförmigen Sprungbereitschaft des im
zeitlich und räumlich großen gletscherartig
plastischen Quartärmondes werden die in Fig. 4
nur für die Kugelform ziffermäßig ersichtlich ge-
machten »Hubkräfte« daher die Mondoberflächen-
schwere schon um ein Gewaltiges überbieten
müssen, wenn die Zerreißung endlich erfolgen soll,
indem ja die Zerreißfestigkeit des homogenen
Eises und gefrornen Lehms zu überwinden ist. Die
ZerreiBung wird also buchstäblich rißartig plötzlich,
geradezu explosionsartig erfolgen, wenn auch zunächst
bloß die über 100 km tiefe Eiseischale an die Reihe
kommt. Hat aber einmal diese explosionsartige Eis-
auflösung begonnen, so wird sie notwendig mit
hinaufpotenziert zunehmender Geschwindigkeit fort-
gesetzt, indem ja der Mond an Masse und somit
auch an Oberflächenschwere verliert — die Erde
aber an beidem gewinnt, zugleich diese Schwere-
abnahme noch dazu auch eine Festigkeitsabnahme
bedingt. Nach Ablösung der Eiseispitze wird der
Mondkörper notwendig langsam >»kentern« und der
Erde den bisherigen Eistumpf zukehren wollen, doch
kann es nicht rasch genug so weit kommen, indem
immer wieder die augenblicklich der Erde zugewen-
deten Eiseischalenteile zur Losreißung gelangen. Es
ist ein Debacle ohne genau vorausbestimmbare Gesetz-
mäßigkeit: Mit zunehmender Vehemenz wird
der Trabant zertrümmert!
Das ist nun das erhabene Schauspiel, welches
die drei primitiven oberen Bildchen F G H der Fig. 10
in schlichtester Weise illustrieren sollen. Die Mond-
auflösung muß also durch einen plötzlich ein-
setzenden »großen Hagel« auf Erden angekündigt
werden! Aber alle Begriffe, die wir uns etwa an dem
auf Seite 43 des Februarheftes geschilderten entsetz-
lichen französischen Hagelschlag gebildet haben,
der am 13. Juli 1788 einen zweigeleisigen Kultur-
streifen vom Südwesten Frankreichs über Belgien bis
tief nach Holland hinein vernichtete — alle diese
Hagelbegriffe sind zu verschwindend klein für den
hier einsetzenden »großen Hagel“ aus Offenb. 11/19
und 16/21! Denn viele Tausende, ja Hunderttausende
solcher noch viel, viel größerer, breiterer und
längerer Hagelstreifen überdecken einander
Wochen hindurch ringsum in allen tropischen und
mittleren Breiten der sanft linsenförmig plattgedrückten
und schwer vereisten Erde mit ihrem äquatorialen
Sintflutreservoir. Dabei entwickelt jeder dieser zahl-
losen Riesenhagelstreifen einen dementsprechenden
luftdynamischen und luftelektrischen Paroxysmus mit
Wolkenbruch, wie wir ihn in historischer Zeit noch
nirgends auf Erden, auch nicht in der berühmten
»Thüringischen Sintflut« vom 29. Mai 1613, erlebt
haben dürften. Also wirklich ein »großer Hagel«,
eine wochenlange Hagelserie im allerkosmologischesten
Sinne des Wortes bricht da los, begleitet von einem
ebenso universellen wochenlangen Wolkenbruch
mit unaufhörlichen, denkbar furchtbarsten Donner-
und Blitzschlägen und unbeschreiblichem Sturmes-
geheul: Buchstäblich ist’s der »Jüngste Tag«, der
da für den heil durch den ganzen Kataklysmus ge-
kommenen Restteil der Eiszeitmenschheit an-
bricht und die »>GroBe Flut« der tropischen Indianer
und sonstigen zahlreichen Naturvölkerüberlieferungen
— das>Diluvium« buchstäblichen Sinnes der älteren
Geologen — die »Sintflut« des mosaischen und baby-
lonischen Berichtes einleitet.
Jetzt verstehen wir die Überlieferungsreste, welche
Johannes in den heidnisch-priesterlichen Archiven
entsprechend verwertet und aufbewahrt gefunden
haben dürfte, wenn er Offenb. 11/19 und 16/21 sagt:
»Und es geschahen Blitze und Stimmen
und Donner und Erdbeben und ein großer
Hagel. — »Und ein großer Hagel, als ein
Zentner, fiel vom Himmel auf die Menschen;
und die Menschen lästerten Gott über die
Plage des Hagels; denn seine Plage ist
sehr groß.«
Außer den »Stimmen, Blitz, Donner und Hagel«
verstehen wir natürlich auch das diesmalige »Erd-
beben« des Johannes sofort, wenn wir jetzt unsere
lacialkosmogonische Erdbebentheorie im Jäuner- und
Februarhefi überlesen. Denn sofort nach dem ersten
Einsetzen des großen Hagels muß ja auch die Erde
in allen Fugen zu ächzen beginnen; ein bedeutender
Erstes Auflösungsstadium:Überbietung der
171
Volumteil des Mondes wird sich zu einem die Erde
noch tage- und wochenlang umrasenden Eistrümmer-
ring auflösen, der aus seinen innersten Partien fort-
während berg- und marsmondgroße Eisblöcke tangential
an die Atmosphäre abgibt, wie ja dies Fig. 10/F ver-
sinnlichen will. Dadurch verzehren sich im selben
Maße auch jene Mondes-Hubkräfte der Fig. 4,
die im letzten Stadium E der vorsintflutlichen Zeiten
der Fig. 8 die Tropengürtelhochflut zusammen mit der
Linsenform der Erde in Permanenz erhalten haben.
Diese Linsenform des unmittelbar vorsintflutlichen
Geoids beginnt daher geologisch plötzlich sich zur
früheren beiläufigen Kugelform der nunmehr abermals
bald mondlosen Erde zurückzusetzen. Dadurch werden
ebenso plötzlich so viele Verwerfungen, Grabenbrüche,
Schollensenkungen (auch Magmaergüsse submarin
und litoral, Intrusionen, Lakkolithen- und Vulkan-
bildungen etc.) ausgelöst und dem Ozeanwasser
ebenso vielfache Gelegenheit geboten, bequem und
in größeren Mengen, rasch und unter hohem hydro-
statischem Drucke an das feindliche innerirdische
Glutelement heranzukommen und nach sofortiger
Auslösung der sämtlichen älteren Siedeverzüge
auch selbst in ein hochdruckiges, permanentes Ex-
plosionssieden zu geraten; so daß also vom
Äquator bis in höchste Breiten ringsum ein univer-
selles Explosionsstoßen von unten eintritt, ein wochen-
langes förmliches »Brodeln« der Lithosphäre gleich
einem belasteten Kochtopfdeckel! Denn all die seis-
mischen Paroxysmen, welche mit der allmählichen,
viele Jahrzehntausende währenden »Setzung« des auch
in stationärnaher Zeit arg zerschütterten Geoids (erster
Hauptursprung aller großen Verwerfungen etc.) zu
einer schließlichen Linsenform der Lithosphäre einher-
gingen — alle diese erdendeformierenden Paroxys-
men werden jetzt gleichsam rückbildend wiederholt
Dadurch wochenlanger,GrosserHagel’u.Wot | Darnach Zerfall des centralen,ungelisten Eisen-
Mondoberflachenschwere dureh Erdenfluth- | kenbruch,übergehend in Schlammfluthfall
Kräfte u. Zerfall der Ciskruste,g‘. tGlasmeeri| bei Zerfall gelösten Mondkernes.r’kLössfall 4 | ten Erzlager und dergl.liefert. Fall,
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Ring-Fluth-Wellen nach beiden Polen Bergen empor. die wieder zurück ebbenl die in den Tropen sich wieder erreichen. | eundären ropen-Oceangürtel empor.
Jm Stadium M beginnen die Vorgange J. K. LH abermals,in raseh abnehmender Jnlensität sich 2-3 mal wiederholend,bis die Gewässer sieh ganz nivellieren.
Fig. 10. Versuchsweise Versinnlichung der den geologisch-zukünftigen Quartarkataklysmus aus Fig. 3 bis 9 geologisch
»plötzlich« abschließenden Mondauflösung und dadurch entfesselten, universellen, beidhemisphärischen »Grofßen Flut«, zugleich
ein Bild aller früheren Kataklysmenabschlüsse, sowie der »Sintflut« der verschiedenen retrospektiven Schöpfungsgeschichts-
5 und Naturvölkerüberlieferungen. Die Stadien F bis M schließen sich unmittelbar an das Stadium E der Fig. 8 und 9
an. Die oberen drei Bilder zeigen Anfangs-, mittleres und Endstadium der Mondauflösung; die unteren vier versinnlichen die
Abflutung des durch den täglich etwa 6% mal die Erde umrasenden Mond bisher zusammengehaltenen tropischen Ozeangürtels
der Fig. 8/E nach den beiden Polen hin, bezw. das zwei- bis dreimalige, an Intensität allmählich abnehmende Pendeln dieser riesigen
Doppelringflutwelle bis zum Eintritt des Ruhezustandes nach mehreren heutigen Monaten.
172
(zweiter Hauptursprung der Verwerfungen etc.) — aber
in ihrer überwiegenden Mehrheit auf wenige Wochen,
im größeren und kleineren Reste auf wenige Jahre
und Jahrzehnte zusammengedrängt, aber in ihren
letzten rückbildenden Zuckungen allerdings wohl auch
in weitere Zukunft hinein verlängert.
Man kann also sagen, daß mit den in Fig. 10
illustrierten Schlußvorgängen des Quartär-Kataklysmus
auch ein wochenlanges universelles Erdbeben
von solcher uns gänzlich unfaßbaren Gewalt einher-
gehen muß, daß es wieder nur von dem Erdbeben
des geologisch künftigen Quintärmond - Einfanges
Mars) und dem der fernen künftigen Quintärmond-
intflut stark überboten werden kann. Ganz dasselbe
Bild bietet natürlich auch die Tertiär-, Sekundär- und
Primär-Mondauflösung der geologischen Vergangen-
heit, aus der ja Johannes geschöpft haben mußte, nur
im zeitlich nach rückwärts immer mehr und mehr an
Intensität abnehmenden Maße, weil ja die aufgelösten
und noch aufzulösenden Erdmonde der geologischen
Vergangenheit und Zukunft an Größe und Masse der
zeitlichen Reihenfolge nach immer nur gewaltig zu-
nehmen können.
Aber ebenso wie die Tertiäreiszeitmenschen im
Stadium E der Fig. 8 den Tertiärmond manchmal
durch die spärlichen Wolkenlücken als ein »feurig
glänzendes Eismeer voll Augen vorne und
hinten« erblicken konnten, ebenso mußten sie beim
Beginne der Eiszertrümmerung den in Fig. 10/F er-
sichtlichen Eistrümmerring der Erde als einen ungemein
feurig glänzenden Sternschnuppenschwarm
momentweise erhascht haben. Sie sahen »die Sterne
desHimmelsaufdieErde fallen!« Der Tertiär-
mond mußte notwendig die feurige Albedo seines
Eispanzers bald verlieren und die Terrarossafarbe
des eisenhaltigen Schlackenlehms annehmen, so
weit man seinen nackten heliotischen Kern manchmal
erblicken konnte. Wir verstehen abermals die von
Johannes vermutlich vorgefundenen Überlieferungsreste,
wenn er Offenb. 6,12 bis 16 sagt:
»Und siehe, da ward ein großes Erdbeben, und
die Sonne ward schwarz wie ein härener Sack und
der Mond ward wie Blut; und die Sterne des Himmels
fielen auf die Erde, gleichwie ein Feigenbaum seine
Feigen abwirft, wenn er vom großen Wind bewegt
wird: und der Himmel entwich wie ein zusammen-
gerolltes Buch ; und alle Berge und Inseln wurden
bewegt aus ihren Örtern; und die Gewaltigen und
alle Knechte und Freien verbargen sich in den Klüften
und Felsen an den Bergen, und sprachen zu den Bergen
und Felsen: Fallet auf uns und verberget uns!« —
Das große Erdbeben, den blutigen Mond, die
fallenden Sterne, die bewegten Inseln und Berge sowie
die Zuflucht der Gewaltigen und Knechte in die Klüfte
und Höhlen der Berge und Felsen haben wir schon
soeben kommentiert. Der entweichende Himmel ist
wohl auf die rasenden Wolkenverschiebungen im
Tanze von West nach Ost zurückzuführen. Die
schwarze Sonne läßt auf ein tiefes Erfülltsein der
tagesseitigen Atmosphäre schließen, oder es könnten
damit auch die täglichen 2 bis 3 Sonnenfinsternisse
von je 20 und mehr Minuten — samt ebensovielen
Mondesfinsternissen von je beiläufig dreiviertel- bis
ganzstündiger Dauer angedeutet sein. Keinesfalls
konnten die heidnischen Priester die aufgefangenen
Überlieferungsreste klar verstanden haben, sie wurden
in teils unbewußt, teils bewußt zweckmäßig entstellter
Form verwahrt und durch Johannes auch weiterhin
ins menschlich Vorstellbare hereinkonstruiert -- wie
er sich beispielsweise unter Gewaltigen und Knechten
eben nur die Kasten seiner Zeit vorgestellt haben
konnte. Das schleunige Aufsuchen der Felsenhöhlen
durch die Eiszeitmenschen wird durch die Heftigkeit
und Korngröße des großen Hagels, sowie durch den
bis dahin unerhörten Donner, Blitz und Sturm ver-
ständlich; wir trieben es mit heutigen Nerven gewiß
wohl noch viel ärger! Auch mögen wahnsinniger
Schreck vor dem überirdischen Selbstmordgedanken
zeitigen und mangels Waffen und Zeit zu den zitierten
Ausrufen an Bergen und Felsen drängen. Ein Thema
für diephantasiereicheren modernen Land-
schaftsmaler! Für einen Böcklin redivivus!
Allmählich muß aber dieser große Hagel und
Wolkenbruch in einen universellen »Schlammflut-
fall« übergehen, bis die Auflösungsreihe an dem
stark eisenrosthaltigen gefrornen Lehm- und Fein-
sandkern des zerfallenden Mondes kommt. Schließlich
stellen sich auch die »feurigen Bergstürze« ein,
wenn auch der ungelöste, eisenhaltigere, zentrale Teil
des heliotischen Mondkernes der Zerreißung anheim-
fällt. Es hat also gar nichts Unvernünftiges
oder Gehirnweiches mehr an sich, wenn wir
diesbezüglich bei Johannes weiter lesen:
»Und der Engel nahm das Rauchfaß, füllte es mit
Feuer vom Altar und schüttete es auf die Erde. Und
da geschahen Stimmen und Donner und Blitze und
Erdbeben. — Und es ward ein Hagel und Feuer mit
Blut gemenget, und fiel auf die Erde; und das dritte
Teil der Bäume verbrannte und alles grüne Gras ver-
brannte. — Und es fuhr wie ein großer Berg mit
Feuer brennend ins Meer; und der dritte Teil des
Meeres ward Blut — und das dritte Teil der leben-
digen Kreaturen im Meere starben, und das dritte
Teil der Schiffe ward verderbet. — Und es fiel ein
großer Stern vom Himmel, der brannte wie eine
Fackel, und fiel auf das dritte Teil der Wasserströme
und über die Wasserbrunnen. — Und der Name des
Sternes heißt Wermut; und das dritte Teil des Wassers
ward Wermut; und viele Menschen starben von den
Wassern, daß sie waren so bitter worden. — Und es
ward geschlagen das dritte Teil der Sonne und das
dritte Teil des Mondes und das dritte Teil der Sterne,
daß ihr drittes Teil verfinstert ward, und der Tag das
dritte Teil nicht schien, und die Nacht desselbigen
gleichen.« (Offenb. 8/5 bis 12.)
Hier sehen wir also den reinen Eishagel schon
allmählich in einen Schlamm hagel und Meteor-
hagel und schließlich in einen Eisenberg hagel
übergehen. Wo hier Johannes nicht etwa selbständig
aus dem Gluthagel der heliotischen Mondkerntrümmer
seine Folgerungen auf die Vegetation seiner Zeit
zieht, kann sich ja auch die Atmosphäre schon so arg
erhitzt haben und der möglicherweise glühend unten
anlangende Schlackenhagel setzte Baum, Strauch und
Gras der vom Eishagel etwa noch verschont ge-
bliebenen tropischen Eiszeithochgebiete in Brand, die
damals natürlich im Niveau des Ozeantropengiirtels
lagen. Den mit Feuer brennend ins Meer fahrenden
Berg gleich dem wie eine Fackel brennenden, vom
Himmel fallenden Stern erkennen wir als zwei fallen
gesehene (von den vielen ungesehenen) größere
Bruchstücke des lunaren Eisenschlackenkernes der
Fig. 10/H, die natürlich außen in Reibungsglut geraten
waren, gleich unseren Meteoreisensteinen. Das hiebei
entstehende Eisenoxyd und auch der eisenhaltige Teil
des Schlammes mußte natürlich die augenblicklich
seichteren küstennahen Meeresteile rot färben, »in
Blut verwandeln«, wie der überlebende Eiszeit-
mensch seinen Enkeln treuherzig erzählt haben mochte.
Daß an solch arger Verschlammung des See- und
Süßwassers die Fische massenhaft zugrunde gehen
mußten, ist um so verständlicher, als mit dem Schlanıme
ja auch Unmengen von Natriumverbindungen und
sonstigen Alkaliensalzen herabkommen mußten, welche
die fließenden Gewässer ebenfalls ungenießbar »bitter<
und giftig machten und den Tod manches Durst-
löschenden zur Folge haben konnten. Die verderbten
Schiffe bestätigen vielleicht, wenn die Überlieferung
echt ist, nur unsere Vermutung, daß mindestens die
tropischen Südamerika-Eiszeitmenschen ihre Kanoe-
flottillen stets zur Verfügung hatten, und dorther
dürften auch die Überlieferungen stammen, aus deren
heidnisch-priesterlich verbuchten Resten Johannes
geschöpft haben mußte. Anderseits ist nicht zu ver-
gessen, daß der Apokalyptiker für seine Erderneue-
rungsbilder nur seine eigene Zeit als Hintergrund
gewählt haben konnte und somit auch eigenmächtig
von verderbten Schiffen sprechen durfte.
Das »Dritteil« kann teils eine prophetische
Redensart ähnlich unserem »fast ganz« sein, teils ein
wirkliches beiläufiges Drittel darstellen, wie z. B.:
Der verfinsterte Dritteil des Tages und der Nacht
weist klar auf die geschilderten Sonnen- und Mondes-
verfinsterungsverhältnisse hin. Jeder Durchgang des
im Mittelabstand von ca. 2r vorüberhuschenden
Tertiärmondes durch die Basis des Erdschattenkegels
bestand aus drei Episoden: Einem je eine halbe
Stunde währenden ersten und letzten Viertel und einer
verfinsterten Vollmondzwischenzeit von rund einer
Stunde; das kam aber allnächtlich zwei- bis dreimal
vor. Ebenso gab es zur Tageszeit je 2 bis 3 Sonnen-
verfinsterungen von je 20 Minuten, wie bereits er-
wähnt; die Sternverfinsterungen stellen sich als eine
simple Sternverdeckung durch den etwa 30° im Durch-
messer spannenden Tertiärmond dar, während der-
selbe, auch selbst verfinstert, den dort perspektivisch
wohl über 90° breiten Erdschattenkegel allnächtlich
zwei- bis dreimal beiläufig je eine Stunde lang durch-
schwebte; selbst wenn man einen wolkenfreien Nacht-
himmel voraussetzen dürfte, würde von der sichtbaren
Sternhimmel-»Halbkugel« ringsum erst der am Horizont
sitzende, etwa 200 breit einzuschätzende atmosphäri-
sche Dunstkeilring in Abzug zu bringen sein; setzt
man aber noch das allermäßigste Gewölke der un-
mittelbar vorsintflutlichen Eiszeitnacht ein, so wird
der verfinsterte Mond von 300 Durchmesser ganz leicht
»das dritte Teil« der restlichen Sterne ver-
decken. Wahrscheinlich stammen aber diese Ver-
finsterungsüberlieferungen aus der dem »Großen
Hagel« unmittelbar vorangehenden Zeit und es liegt
da somit eine zeitliche Vermischung vor, die schon in
den ersten Jahrtausenden des Überlieferungsvorganges
begonnen haben konnte, also auch dem gewiß vor-
sichtig verarbeitenden Johannes um so leichter ver-
ziehen werden darf. Auch ist anzunehmen, daß
Johannes die Überlieferungen des Quartärmond-
einfanges und der Tertiärmondauflösung auch selbst
schon vermischt vorgefunden haben dürfte, und den-
noch hat er sie größtenteils in getrennten Kapiteln
verarbeitet und nur zum kleinsten Teile vermengt.
Gewiß darf man erwarten, daß unsere heutigen
Astronomen, unversehens in die finsternisreichen Tage
unmittelbar vor undwährend der Mondauflösung
versetzt, sich in dem Chaos von Verfinsterungen im
Momente des ersten Schreckens ebensowenig zurecht-
finden könnten, wie die getreulich naiv überliefernden
Eiszeitmenschen oder die viel späteren, Reste sammeln-
den Heidenpriester, oder der alles getreulich und im
besten Glauben verchristlichende Johannes. Die Zeiten,
in denen man diesen Schriftsteller für einen Gehirn-
leidenden halten durfte, sind vorüber!
Angesichts der Fig. 10 wird das Thema der dies-
bezüglichen alten Texte fast unerschöpflich, und
umgekehrt! Wir wollen es daher für heute bei dieser
kurzweiligen Kostprobe bewenden lassen und bei
Moses hierüber lieber wieder später einmal zu
»schöpfen« versuchen. Vielleicht fühlt sich der ge-
neigte Leser schon durch das Bisherige angeregt, bei
Johannes und Moses einmal auch selbständig
tiefer unter die Druckerschwärze hinabzugraben nach
dem bekannten Rezepte unseres erkenntnistheoretischen
Gewährsmannes: »Wo Du stehst, grab’ tief hinein!
Drunten ist die Quelle! Laß’ die dunklen Männer
schrei’n: Stets ist drunten Hölle!«
Er revidiere jetzt aber auch einmal genauer die
Über-, Unter-, Neben- und Inschriften der sieben
simplen Bildchen der Fig. 10: Es dürfte da im Prin-
zipe kaum noch etwas unklar sein. Im Detail gibt es
da natürlich noch vieles zu sagen, was im wesent-
lichen ja auch nicht ungesagt bleiben soll. Der ge-
neigte Leser beachte aber gefälligst, daß das
Stadium J sich nicht etwa erst an das Stadium H
anschließt, sondern schon im Stadium G einsetzt,
173
ebenso wie das Stadium F bereits im Stadium E der
Fig. 8 und 9 eingesetzt hat.
Nur noch einige prinzipielle Erläuterungen hiezu
für heute: Unmittelbar nachdem im Stadium F »die
Schleusen des Himmels geöffnet« wurden,
beginnt auch schon im Stadium G das Hochziehen
der Schleusen des irdisch-tropischen Sint-
flutreservoirs, währenddem sein Inhalt mit
dem lunaren Schlammflutfall geschwängert
wird und so nachher zur »Lehm«- und Löß-Beschickung
der ganzen Erdoberfläche führt. »Die Menschheit ist
wieder zum Lehmacker geworden«, heißt es ja auch
nach der Sintflut im babylonischen Berichte. Diese
»Große«, vom Äquator beidpolwärts gerichtete Mond-
auflösungs-»Flut« hat also eine zweifache Ver-
anlassung: Es ist dies der universelle »Große
lunare Hagelwolkenbruch« der Fig. 10/F—G
einerseits und das plötzliche Aufhören der
die Tropengiirtel-Hochflut zusammenhaltenden luna-
ren Flutkräfte der Fig. 4 anderseits. Diese vom
heranschrumpfenden Monde Jahrhunderttausende, viel-
leicht auch nur Jahrzehntausende hindurch zusammen-
gesogene Tropengiirtelflut der Fig. 8’E wird eben
durch den universellen Hagelwolkenbruch und Schlamm-
flutfall raschest noch einmal ausgiebigst nachgefüllt
und schlammgeschwängert, um zugleich losgelassen
zu werden!
Dasist also das ureinfache kosmo-
physikalische Grundwesen des natur-
wissenschaftlichen Hintergrundesaller
Sintflutberichte der Naturvölker, Pro-
pheten undalten Schriftsteller. Man kann
daher auch von den Zeiten einer bislang so be-
rechtigt geschienenen Sintflut- und Katastrophen-
leugnung aller führenden Geister der modernen
Geologie gleichfalls behaupten, daß sie endgültig
vorüber sein müßten, wenn diese Geister einmal aus
ihrer saturierten Bequemlichkeit heraustreten und die
ihnen hier gebotene Aussichtsplattform besteigen
wollten. Bei allem schuldigen Respekt vor ihren be-
währten Arbeitsmethoden und bereits hoch aufge-
stapelten unschätzbaren objektiven Beobach-
tungsresultaten, die wir alle noch bestens zu verwerten
wissen werden, sehen wir uns angesichts der biblio-
thekarischen Verstaubung unseres im Jänner 1913 er-
schienenen Hauptwerkes genötigt, ihnen loyalsten
Sinnes den Krieg zu erklären und erwarten
von ihrer Ritterlichkeit, daß sie den Handschuh auf-
heben und uns mittels eben dieser längst vorhandenen
Beobachtungsresultate (Ansichten gelten
nicht) zu widerlegen suchen werden. »Wir sind ge-
kommen, ein Feuer anzuzünden auf Erden — und
was wollten wir lieber, denn es brennete schon!«
(Luk. 12 49.)
Insofern aber einige neuere Geologen dennoch
nicht umhin können, am Ende der jüngsten »Großen
Eiszeit« eine sogenannte Pluvialperiode (Große
Regenzeit, denn Sintflut ist verpönt!) zuzugeben, ja
sogar zu behaupten und nachzuweisen (1), suchen sie
dieselbe durch ein plötzlich eintretendes Schmelzen
des Eiszeiteises zu erklären! Die Sache liegt
aberin Wahrheit beiläufig umgekehrt:
Das Eiszeiteis wird durchdie »Große
Flut«eingeschmolzen! Die beiden passatartig
voreilenden Ringflutwellen der Fig. 10‘) und K heben
das in dem schematischen Bildchen F GH geschuppt
angedeutete Inlandeis der mittleren Breiten auf und
verdriften es samt den teilweise auf ihm liegenden
erratischen Blöcken und den sich am Eise
vor der Flut retten wollenden Dickhäutern und
sonstigen Eiszeitsäugern in höhere Breiten. Die
Steinblockeisflöße kentern natürlich unterwegs baldigst,
aber das geschicktere Großgetier erreicht weiter
mittreibend beispielsweise auch jene Gefilde Nord-
sibiriens, in deren Eisschlammboden wir heute ganze
Herden von Mammuten und Rhinozerossen, zum
Teil sogar in aufrechter oder hockender
Stellung eingefroren vorfinden. Es löst sich jetzt
174
also auch das Rätsel der mitunter ganz sporadisch
und weit außerhalb jedweder Altmoräne liegenden
großen erratischen Blöcke, der ganz universell
verbreiteten Löß- und Lehmlager samt dem
Schlammeisboden hoher Breiten, sowie auch der so
gespensterhaft aufrecht eingefrornen, im Fleische
mitunter noch ganz frischen sibirischen Mammut-
kadaver. In allen diesen drei, nebst noch so manchen
sonstigen Beziehungen laden wir die modernen, sint-
flutleugnenden Herren Geologen herzlichst ein, zu
ihrem älteren Kollegen Cuvier der vorigen Jahrhundert-
mitte reuigst zurückzukehren!
(Fortsetzung folgt.)
Tarifabschlüsse in der Flugzeugindustrie.
I. Berlin.
Die Betriebe der Flugzeugbranche gehören zu
den jüngsten der Berliner Metallindustrie. Trotzdem
haben sie ihrer Bedeutung entsprechend bereits
nennenswerten Umfang angenommen. Es sind in
Flugzeugbetrieben Groß-Berlins weit über 4000 Ar-
beiter beschäftigt.
Bereits vor zwei Jahren wurden mit mehreren
dieser Betriebe Vereinbarungen über Löhne u. s. w.
abgeschlossen. Damals waren allerdings nur reichlich
500 Personen in diesen Betrieben beschäftigt. Ende
März d. J. hatten die im Jahre 1913 abgeschlossenen
Vereinbarungen ihr Ende erreicht und es galt nun die
Lohn- und Arbeitsbedingungen aufs neue festzusetzen.
Zu dem Zweck fanden eine Anzahl Versammlungen
und Verhandlungen statt.
Die Inhaber der Betriebe waren zunächst nicht
bereit, tarifliche Vereinbarungen abzuschließen, trotz
der starken Beschäftigung in ihren Betrieben. Es war
das wahrscheinlich auf die Einwirkung des Verbandes
Berliner Metallindustrieller zurückzuführen, der glaubt,
an seinem Grundsatze, keine Tarifverträge mit den
Arbeitern abzuschließen, auch jetzt noch festhalten zu
müssen. Dabei haben eine Reihe von Betrieben, die
mit für die Aufrechterhaltung dieses Grundsatzes
kämpfen, ihn selbst durchlöchert, indem sie mit dem
Metallarbeiterverband Verträge abschlossen.
Schließlich kam es zu gemeinsamen Verhand-
lungen zwischen den Vertretern der beteiligten Or-
ganisationen und den Vertretern der Flugzeugbetriebe
unter Hinzuziehung eines Vertreters des preußischen
Kriegsministeriums. Allerdings versuchten die Unter-
nehmer bei den ersten Verhandlungen noch die Ab-
machungen auf die Löhne zu beschränken, und als
es hierüber zu einer Verständigung kam, glaubten die
Herren, die Sache sei erledigt. Die Meinung der Ar-
beiter war aber eine andere und schließlich mußten
auch die Vertreter der Flugzeugbetriebe sich dazu
bequemen, von ihrem bisherigen Standpunkt ab-
zulassen.
Die nunmehr wiederum anberaumten Verhand-
lungen führten dazu, daß folgende Vereinbarung zu-
stande kam:
Vereinbarung
zwischen dem Verband Berliner Flug-
zeug-Industrieller und dem Deutschen
Metallarbeiterverband, sowie dem
Deutschen Holzarbeiterverband namens
der unterzeichneten Organisationen.
§ 1. Die normale wöchentliche Arbeitszeit beträgt
51 Stunden.
§ 2. Die tägliche Arbeitszeit muß zwischen 7 Uhr
morgens und 5 Uhr nachmittags fallen. An den Tagen
vor den hohen Festen (Weihnachten, Ostern und
Pfingsten) endet die Arbeitszeit spätestens um 2 Uhr.
Ein Lohnausfall für den Weihnachtsheiligenabend, so-
fern er nicht auf einen Sonnabend fällt, tritt nicht ein.
8 3. Für Startmannschaften sind Ausnahmen in
der Einteilung der Arbeitszeit zulässig. Auch hier soll
die wöchentliche Arbeitszeit 5l Stunden nicht über-
schreiten.
8 4. Wird in Doppelschicht gearbeitet, so arbeitet
die erste Schicht von 6 Uhr morgens bis 3 Uhr nach-
mittags, die zweite Schicht von 3 Uhr nachmittags
bis 12 Uhr nachts. Jede Schicht hat je zwei viertel-
stündige Pausen, welche in die Arbeitszeit eingerechnet
werden. Für die zweite Schicht (Nachtschicht) wird
ein Aufschlag von 5 Pfennig pro Stunde gezahlt.
Sonnabends arbeiten die Schichten von 6 Uhr morgens
bis 12 Uhr mittags und von 12 Uhr mittags bis 6 Uhr
abends. Am Weihnachtsheiligenabend wird wie an
den Sonnabenden gearbeitet. Ein Lohnausfall tritt
nicht ein.
§ 5. Die Einstellungslöhne betragen für:
Pfennig
Schlosser s ..-. e 3 8 80
Dreher’... ik ae ⁰ RT 85
Werkzeugmacher 85
Klempner 85
Schweißer 2.44 —2—ͤ 85
Sei.. at oS ewe de 80
Schmiede. ............ 2.04 80
Maschinenarbeiter (Eisen). ..... . 80
_Kupferschmiede. ............ 85
Tischler =... $2 oe Ea ĩðͤ 222 8 80
Bootsbau 80
Zinne. a 80
Stellma chend 80
Maschinenarbeiter (Holz) ........ 80
Sattler und Tapezieren 85
Maler und Lackieren 80
Hilfsarbeiter bis 18 Jahre 50
> über 18 Jahre ....... 60
Hilfsarbeiterinnen . . . ... 2.22 2.. 40
Sofern dieselben Berufsarbeit verrichten, nach
drei Wochen 5 Pfennig Zulage.
Alle, die diesen oder einen höheren Lohn bereits
haben, erhalten eine Zulage von 5 Pfennig pro
Stunde.
Für Verladen und Verpacken auf dem Bahnhof
werden 10 Pfennig pro Stunde Zuschlag gezahlt.
8 6. Für Garderoben, Wascheinrichtungen, Ver-
bandskästen und sonstige hygienische Einrichtungen
ist Sorge zu tragen.
N 7. Bei Bedarf an Arbeitskräften sollen möglichst
die Arbeitsnachweise der vertragschließenden Arbeit-
nehmerorganisationen benützt werden.
8. Wo bessere als in dieser Vereinbarung vor-
gesehene Arbeitsverhältnisse bestehen, dürfen die-
selben nicht verschlechtert werden.
8 9. Wird in Akkord gearbeitet, so soll der
Mindestverdienst 20 Prozent höher als der jeweilige
Stundenlohn sein. Der Stundenlohn ist unter allen
Umständen zu garantieren.
§ 10. Entlassungen dürfen wegen Durchführung
dieser Vereinbarung nicht stattfinden.
11. Wünsche und Beschwerden der Arbeiter-
schaft werden durch den Arbeiterausschuß vorge-
bracht, dieser Ausschuß unternimmt auch die Bei-
legung von Differenzen, die sich aus der vorstehenden
Vereinbarung ergeben. Ist eine Einigung nicht zu er-
zielen, so wird die Angelegenheit einer Schlichtungs-
kommission unterbreitet. Dieselbe setzt sich zusammen
aus drei Vertretern des Verbandes der Berliner Fluy-
zeugindustriellen und drei Vertretern der vertrag-
schließenden Arbeitnehmerorganisationen.
§ 12. Die Vereinbarung gilt bis zum offiziellen
Friedensschluß, längstens aber ein Jahr.
Nach Friedensschluß wird über die Lohn- und
Arbeitsbedingungen neu verhandelt. Dabei wird auf
die Mitwirkung des Vertreters des Kriegsministeriums
gerechnet.
Bis zu diesen Verhandlungen wird an den be-
stehenden Lohn- und Arbeitsbedingungen nichts ge-
ändert.
§ 13. Die Vereinbarung tritt mit dem Tage des
Abschlusses in Kraft.
Diese Vereinbarungen sind von einer Versamm-
lung der in den Flugzeugbetrieben beschäftigten Ar-
beiter gutgeheißen und inzwischen auch von den
beiderseitigen Vertretern unterschrieben. Damit sind
diese Vereinbarungen entsprechend dem § 13 in
Kraft getreten.
Der Vertreter des Kriegsministeriums, der bei den
Verhandlungen zugegen war, hat sich in durchaus
unparteiischer und erfolgreicher Weise um das Zu-
standekommen der Verständigung bemüht.
II. Wien.
Die Wiener Flugzeugindustrie hat erst während
der Kriegsdauer einen bedeutenden Aufschwung ge-
nommen; dieser dürfte jedoch auch in der Friedens-
zeit andauern. In den drei Betrieben, die sich mit der
Erzeugung von Flugapparaten beschäftigen, wird eine
beträchtliche Zahl von Arbeitern beschäftigt. In diesem
Betriebe ist es nun den Verbänden der Metallarbeiter,
Holzarbeiter und Tapezierer möglich geworden, mit
der Direktion, die den Wünschen der Arbeiter in der
anerkennenswertesten Weise entgegenkam, einen über
die Kriegsdauer gültigen Arbeitsvertrag abzuschließen,
dessen Hauptpunkte die folgenden sind:
175
Die normale wöchentliche Arbeitzeit beträgt zwei-
undfünfzig Stunden. Nach Friedensschluß ist dienormale
wöchentliche Arbeitszeit fünfzig Stunden. Die tägliche
Arbeitszeit muß zwischen 128 Uhr früh und 1/06 Uhr
nachmittags fallen. Überstunden, Nachtarbeit, Feier-
tagsarbeit und Sonntagsarbeit werden mit den bereits
bestehenden Aufschlägen bezahlt. Die Eintrittslöhne
steigen nach acht Wochen um zehn, nach weiteren
zehn Wochen um weitere zehn Heller. Die Flug-
feldzulage beträgt pro Stunde zwanzig Heller. Alle
Arbeiter, die durch diese Lohnregulierung nicht um
wenigstens drei Lohnstufen gesteigert werden, erhalten
eine Lohnaufbesserung um so viele Lolinstufen, daß
auch sie insgesamt gegen ihre jetzigen Bezüge um
drei Lohnstufen aufgebessert werden.
Diese Vereinbarung gilt bis zum offiziellen Friedens-
schluB, längstens aber ein Jahr. Nach Friedensschluß wird
über die Lohn- und Arbeitsbedingungen neu verhandelt.
Bis zu diesen Verhandlungen wird an den bestehenden
Lohn- und Arbeitsbedingungen nichts geändert.
Dieser Vertragsabschluß wird auch nach dem
Kriege den in der Flugzeugindustrie beschäftigten
Arbeitern die Möglichkeit geben, durch eine gute
Organisation einen einheitlichen Arbeitsvertrag zu er-
reichen. Allerdings dürfen die Arbeiter ihre Organi-
sation während des Krieges nicht vernachlässigen,
sondern müssen schon jetzt dafür Sorge tragen, daß
ihre Reihen festgefügt dastehen. Je besser ihre Organi-
sation ausgebaut sein wird, desto leichter wird ein
einheitlicher Arbeitsvertrag erreicht werden können.
Bücherbesprechungen.
Jahrbuch der Naturwissenschaften. 1913:14. Unter
10 von Fachmännern herausgegeben von
Dr. Josef Plaßmann.
Es ist dem einzelnen in unserer Zeit schlechter-
dings unmöglich, der fast unermeßlichen Tätigkeit auf
dem Gebiete der Naturwissenschaften in allen Einzel-
heiten zu folgen und alle Fortschritte auf diesem
weitverzweigten Wissensgebiete aufzunehmen. Die
Quellen, durch die diese Forschungen und Errungen-
schaften der Öffentlichkeit übergeben werden, sind in
ihrer Gesamtzahl nicht jedem zugänglich, wobei es
außerdem schwer ist, das Wertlose vom Bedeutungs-
vollen auszuscheiden und dieses organisch dem Be-
stehenden einzureihen. Diese Aufgabe hat sich das
bereits im 29. Jahrgang stehende »Jahrbuch der
Naturwissenschaften« gestellt, indem es die
wissenschaftliche Jahresernte in den Rahmen eines
streng gesichteten Übersichtswerkes bringt und in
ebenso anziehenden als naturgemäß reichhaltigen
Artikeln dem Gelehrten und auch dem Laien die Mög-
lichkeit bietet, das Neueste auf diesem weiten
Forschungsgebiete zu überblicken.
Geleitet von den Gesichtspunkten des allgemein
praktischen Interesses, ist der Stoff leicht verständlich
behandelt und bietet dem Gelehrten noch durch die An-
abe der Quellenwerke Gelegenheit zur eingehenderen
Burcharbeitung des Gebrachten. Dadurch wird es zu
einem für alle Schichten bestimmten Führer auf
dem weiten Gebiete der Naturwissenschaften und zu
einer ebenso interessanten wie ernsten Enzyklopädie.
Gerade in unserer Zeit, wo Entdeckungen und
neue Errungenschaften speziell auf dem Felde der
naturwissenschaftlichen Forschungsarbeit einander in
steter Reihenfolge ablösen, wird es für den wahrhaft
Gebildeten zur zwingenden Notwendigkeit, nicht allein
die Neuerungen in dem gerade bevorzugten Fach-
wissenszweige, sondern eine Gesamtorientierung sich
anzueignen, wobei auch gerade für den Forscher die
inneren Zusammenhänge in den Fortschritten auf den
einzelnen Gebieten interessant sind, die einander oft
in stufenweiser Entwicklung bedingen und ganz
wesentlich zum Verständnis des mächtigen Aufbaues
der gesamten Naturforschung beitragen, welche zur
eo Je
Basis unseres modernen Lebens und Schaffens ge-
worden ist.
Von hervorzuhebender Bedeutung sind in diesem
29. Jahrgang die Kapitel über die Fortschritte auf
dem Gebiete der Chemie und der praktischen In-
dustrie, die auch in ihrer Artikelzahl dominieren. Von
fachwissenschaftlichem Interesse ist speziell das Kapitel
über die Luftschiffahrt, worin bei der Anführung der
Fortschritte im Lenkballonbau in den einzelnen euro-
päischen Staaten eine zwar herbe, aber leider wahre
Kritik auf die fast gänzliche Vernachlässigung des
Lenkballons in Österreich hinweist. Ganz besonders
hervorgehoben zu werden verdient die klare, über-
sichtliche Einteilung und prägnante Darstellung des
außerordentlich umfangreichen Stoffes, der dadurch,
trotz des in die kürzeste Form gebrachten hohen
wissenschaftlichen Gehaltes leicht verständlich wird.
Es wäre dem Werke aufrichtig zu wünschen, daß es
außer seinem ständigen Leserkreise auch Eingang in
die weitesten Schichten der Bevölkerung finden und
als berufenes Kompendium der fruchtbaren geistigen
Tätigkeit zum wertvollsten Hilfsbuch für das allgemeine
Volkswissen werden möchte. Hans Pittner.
Der moderne Luft- und Seekrieg wird in dem
soeben erschienenen April;Mai-Heft des »Motor«
van W.35, Verlag Gustav Braunbeck G. m. b. H.;
reis Mk. 1) in all seinen seltsamen und nerven-
erregenden Erscheinungen besonders eingehend ge-
schildert. Wir sehen die Marineflugzeuge sich wie
Seeadler auf feindliche Schitfe stürzen und erleben
das merkwürdige Schauspiel, daß große Kriegsschiffe
sich vor den kleinen Flugzeugen und ihren Bomben .
flüchten müssen. Die Mai-Nummer des »Motor« bringt
eine ganze Reihe solcher Abenteuer und gibt zum
erstenmal ein großartiges textliches Gemälde dieser
neuen Form des Seekrieges. Zum erstenmal erfährt
auch das Unterseeboot in dem vorliegenden Heft eine
ganz eingehende bildliche und textliche Wiirdigung.
Das Auge des Unterseeboots, das Sehrohr, und was
es zu schen erlaubt, wird durch eine ebenso prächtige,
wie seltene Photographie wiedergegeben. Wir sehen
ferner eine Szene, wie ein auf 30 m Tiefe gesunkenes
U-Boot sich mittels der Telephonboje mit den Menschen
176
oben auf der Meeresoberfläche unterhält. Wir tun | pflug, Feldpost, Telegraphenwagen, Werkstätte, Dun-
einen Blick in die Torpedokammer eines Tauchbootes | kelkammer, Panzerwagen etc. Unter dem Titel »Der
und sehen neuartige Unterseeboote ohne Periskope | Phönix von Przemysl« wird der kritische Augenblick
ihren Weg auf den Meeresgrund nehmen. Die hohe 55 in dem der letzte österreichisch- ungarische
Bedeutung des Automobils in diesem Ben Kriege oppeldecker sich aus der in Feuer und Flammen
wird in einer Reihe von Artikeln gefeiert. Erich Köhrer | stehenden Festung emporschwingt. Eindrucksvolle
schildert eine Reise »Im Auto an die Front< und Ernst | Photographien von explodierenden Landminen vervoll-
Deutsch schmückt diese Arbeit durch feine Feder- | ständigen das düstere Schlachtengemälde. Das 136
zeichnungen. Das Automobil tritt gleich einem Ver- | Seiten starke Mai-Heft des »Motor« bildet alles in
wandlungskünstler in allen möglichen Formen auf: | allem eines der wertvollsten Dokumente des Welt-
als Straßenwalze, Feldschmiede, Lichtanlage, Schnee- | krieges.
Chronik.
Heldentod zweier Luftschiffer. Laut einer in | meldet aus Barletta: Heute morgen erschienen einige
Wr.-Neustadt eingelangten Meldung hat Oberleutnant | feindliche Schiffe vor Barletta und beschossen die
Helfer vom 92. Infanterie-Regiment sowie sein Pilot | Station, das Schloß und das Naphthalager. Sie ver-
bei einem Erkundungsfluge den Heldentod gefunden. | ursachten nur wenig Schaden. Die feindlichen Schiffe
Oberleutnant Helfer wurde bei der Wr.-Neustädter | wurden darauf von unseren Schiffen verfolgt.
Luftschiffer-Abteilung als Beobachter ausgebildet und Erfolge türkischer Flieger. Neutrale Zeitungen
a abe Monat auf den nördlichen Kriegs- veröffentlichen Auszüge aus Aufzeichnungen von Augen-
lta zeugen der Dardanellenkämpfe. Diese heben wieder-
‚Das erste bulgarische Flugzeug. Wie man aus | holt die Tüchtigkeit der türkischen Flieger hervor.
Sofia mitteilt, wurde dort jüngst das erste in Bulgarien | Nach der Meinung der Neutralen könnten die türki-
verfertigte Flugzeug ausgestellt. Mehrere bulgarische | schen Flieger allein in San Stefano, der von den
Stabsoffiziere, darunter der Major des Militär-geo- | Franzosen gegründeten Fliegerschule, ihre Kenntnisse
grapischen Institutes Karajordanow (ein Zögling | nicht erworben haben. Sie nehmen an, daß die Türken
des österr.-ungar. Militär-geographischen Institutes), | selbständig weitergearbeitet und riesige Fortschritte
haben einige Verbesserungen erfunden, die bei dem | dabei gemacht hätten. Die Türken handhaben mit
neuen Flugzeug angewendet worden sind. Erfolg die von den Franzosen eingeführten Flieger-
Angriffe österr.-ungar. Schiffe und Flugzeuge. | pfeile. Auch im Bombenwerfen haben sie sich geübt.
(Der italienische amtliche Bericht.) Amtlich | Ein türkischer Flieger hat bis jetzt sechzig Bomben
wird folgende erste italienische Kriegsmitteilung ver- | auf die Engländer geworfen. Türkische Flieger sind
öffentlicht: Es war vorauszusehen, daß sofort nach | der Schrecken der feindlichen Flieger und ihrer Fessel-
der Kriegserklärung eine Offensive gegen unsere | ballons. Während eines Fluges über Sedd-ül-Bahr
Adriatische Küste erfolgen würde, weniger aus mili- | stellte ein türkischer Flieger fest, daß 17 feindliche
tärischen Gründen, als um eine moralische Wirkung | Panzerschiffe und Kreuzer, 30 Torpedoboote und
zu erzielen. Aber man hatte bereits vorgesorgt, ihr | 60 Transportdampfer sich außer Schußweite der
zu begegnen, und sie nur kurz dauern zu lassen. In | türkischen Batterien hielten, während nur Lazarett-
der Tat haben einige kleine Einheiten, hauptsächlich | schiffe sich der Küste näherten, um viele Verwundete
Torpedojäger und Torpedoboote, am 24. Mai zwischen | und Kranke aufzunehmen. Der Augenzeuge stellte
4 und 6 Uhr morgens einige Kanonenschüsse auf | schließlich fest, daß die Höhe von Hissarlik im Süden
unsere Adriatische Küste abgegeben. Auch haben | von Kum Kaleh sich noch immer im Besitz der Türken
Flugzeuge versucht, das Arsenal von Venedig an- | befindet, ebenso das Kap Kaba-Tepe. Man ersieht
zugreifen. Die feindlichen Schiffe wurden nach kurzer | aus diesen Mitteilungen, wie wertvolle Dienste das
Beschießung von unserer Torpedoflotille gezwungen, | Flugwesen auch im Reiche des Halbmondes leistet,
sich zu entfernen. Die Flugzeuge wurden von unseren | und auch hier werden erst nach dem großen Krieg
Abwehrkanonen beschossen, ferner von Gewehrfeuer | die Leistungen des türkischen Militärflugwesens in
empfangen und von einem unserer Aeroplane, sowie | gebührender Weise bekannt werden. Auch englische
einem über der Adria fliegenden Luftschiffe an- | Flieger sind noch hie und da über dem türkischen
gegriffen. Die angegriffenen Ortschaften sind Porto | Kriegsschauplatz tätig. Wie auf den anderen Kriegs-
Corsini, Hafen von Ravenna, der sofort antwortete | schauplätzen, haben die Engländer auch hier ihre
und den Feind zwang, sich zu entfernen, weiter | unfaire Kampfesweise eingeführt, wie einem Bericht
Ancona, wo der Angriff hauptsächlich bezweckte, die | aus Konstantinopel zu entnehmen war. Englische
Bahnlinie zu unterbrechen, und leicht auszubessernde | Flieger bewarfen Madytos mit Bomben, und zwar
Schäden verursachte, endlich Barletta, wo ein Angriff | ausgerechnet das Spital, das deutlich sichtbar das
von einem Aufklärungsboot erfolgte, das durch ein | Zeichen des Roten Halbmondes trägt. Einige Kranke
Schiff in Begleitung eines Unterseebootes in die | wurden verletzt. Englische Flieger, die über Gallipoli
Flucht geschlagen wurde. In Jesi (bei Ancona) warfen | flogen, warfen Proklamationen ab, in denen bestritten
Flieger Bomben auf einen Hangar, aber ohne ihren | wird, daß die Engländer die türkischen Gefangenen in
Zweck zu erreichen. Alle anderen Nachrichten über | Ägypten schlecht behandeln und in denen Phrasen ent-
Operationen dieser Nacht sind unbegründet. »Corriere« | halten sind, die dazu bestimmt sind, die Türken zu täuschen.
Muster- und Markenschutz in allen Ländern
erwirkt
lng. J. FISCHER, Patentanwalt
Wien, I. Maximilianstrasse Nr. 5.
Seit 1877 im Patentfache tätig.
Herausgegeben vom: K. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein“. — Verantw. Red.: in Vertretung Fritz Ellyson.
Druck von Otto Maaß’ Söhne, Wien I.
A
0%
Manuskripte werden nicht zurückgestellt. Der Nachdruck 88 Angenommene Beiträge werden honoriert. Die Verfasser
von Artikeln und Abbildungen ist nur mit Quellenangabe sind für Form und Inhalt der von ihnen eingesandten
und Zustimmung der Redaktion gestattet. 88 Artikel und Abbildungen verantwortlich.
LIRHOTo00000000 7 G SS
ERSCHEINT ZWEIMAL IM MONAT. |
Nr. 13/14 | Juli 1915 IX. Jahrgang
Inhalt: Betrachtungen zur Entwicklung der Luftschiffahrt in Deutschland, von Hanns Pittner. — Gerüstzweidecker, von Fritz
Lichtenstern, Einjährig-Freiwilliger. — Phonographische Aufzeichnung auf Rekognoszierungsfligen. — Der See- und Luftkrieg
im Nordseegebiet, von Wilhelm Krebs (Schnelsen). — e Beiträge zur Erdbe en AR AUG von H. Hörbiger,
Maschineningenieur und Privatastronom. (Fortsetzung.) — Sturmkalender für Juli und August 1915, von Wilhelm Krebs (Holsteinsche
Wetter- und Sonnenwarte, Schnelsen). — Bücherbesprechungen. — Chronik.
Chefredakteur: Ing. A. Budau, o. ö. Professor der k. k. Technischen Hochschule in Wien
Redakteur für den offiziellen und wissenschaftlichen Teil für die Dauer der Abwesenheit der Herren Oberst
Wilhelm Suchomel und Ing. Adolf Janisch: Fritz Ellyson
Unter Mitwirkung von:
PAUL BELLAK Dr. A. HILDEBRANDT RICHARD KNOLLER ROBERT POLLAK LUDWIG SCHMIDL
Prokurist, Wien Luftschifferhauptmanna.D., Ing., Professor a.d. k. k. RITTER v. RUDIN k. u. k. Rittmeister, Wiener-
FELIX BRAUNEIS Berlin Techn. Hochschule, Wien Ingenieur, Wien Neustadt
Ingenieur, Wien F. HINTERSTOISSER W. KREBS J. POPPER-LYNKEUS LEOPOLD SCHMIDT
Dr.Ing. WALTER in k. u. k. Major, Wien ra ger ae Ingenieur, Wien Ing., Prof., Wr.-Neustadt
v.
Konstrukteur an der k. k. RAOUL HOFFMANN rav MachoLz STEPHAN POPPER KARL TINDL
Techn. Hochschule, Wien Ingenieur, Wien GUSTAV E. MACHOLZ Ingenieur, Wien Ing., Konstrukteur a. d. k. k.
„ EDUARD DOLEZAL ANTON JAROLIMEK i 5 FRANZ REBERNIGG Ich. Hochschule, Wien
-K. flolrat, O. O. FTOT., an k, k. Oberinspektor, König- . Se 1 L ABE
der k. k. Technischen Hoch- grätz ® k. k. techn. Ob.-Offiz., Wien Hs Da SS KK ee 5
FRITZ ELLYSON Ban HANS on te RUDOLF SCHIMEK {ome u. Geodynamil, Wien
Flugmaschinen- Professor a. d. k. k. Tech- Schriftsteller, Wien k.u.k. Major d. R., Direkt gie u. y '
Konstrukteur, Wien nischen Hochschule, Wien STEPHAN PETROCZY der Autoplanwerke, Wien Dr. C. WIESELS-
IGO ETRICH D. W. KAISER v. PETROCZ : BERGER
GroBindustrieller, Ober- Kapitanleutnant a. D., k.u. k. Luftschifferhaupt- Dipl. Ing. C. SCHMID Assistent an der Universitat
altstadt Charlottenburg mann, Wicn Lindenberg in Göttingen
Betrachtungen zur Entwicklung der Luftschiffahrt in Deutschland.
Von Hanns Pittner.
Die Bedeutung der Luftschiffahrt als Waffe im | aber auch ruhmreich für Deutschlands Fahnen sich in
Krieg hat sich in dem nun monatelangen Völkerringen | diesem Kriege offenbarten.
in einer die größten Erwartungen erfüllenden Weise Wie überall war auch in Deutschland zu Beginn
kundgetan. Diese Tatsache ist nicht allein ein Erfolg | des vorigen Dezenniums, als die Luftschiffahrt aus rein
der modernen Technik, sondern auch ein erhebender | theoretischen und empirischen Bahnen herauswachsend
und belohnender Erfolg für alle jene, die sich in der | eine praktische Wirklichkeit sich eroberte, die Förde-
Erkenntnis dieser Bedeutung im geschlossenen Zu- | rung dieser Bestrebung und die propagandistische
sammenwirken in den Dienst der großen Sache ge- ; Arbeit dafür in den Händen ziviler Vereinigungen
stellt und durch ihre oft im kleinen und in der Stille | gelegen, in denen sich so ziemlich alle Arbeitskräfte
geleistete Arbeit jene mächtige Front bildeten, die sich | auf diesem Gebiete, Forscher, Konstrukteure und In-
allen Hemmnissen dieser aufstrebenden neuen techni- | dustrielle zuengem Zusammenwirken verbanden. Diese
schen Disziplin entgegenstellte, und ihr auf diese Weise Vereinigungen, die zum Teil sportlichen, wissenschaft-
I
eben jene Entwicklungsfreiheit sicherte, die in gedeih- | lichen und wirtschaftlichen Charakters waren, sowie.
licher Arbeit den erfolgreichen Ausbau und die schlag- | weiters die Flugplatz- und Verkehrsunternehmungen
fertige Vervollkommnung der Flugtechnik und Luft- | und alle zu ähnlichen Zwecken gegründeten Gesell-
schifffahrt garantierte. schaften wurden in Deutschland vom »Deutschen Luft-
Es dürfte nicht uninteressant sein, jene Direktiven | fahrer-Verband« in großzügiger und planmäßiger Or-
hervorzuheben, in denen die Entwicklung der gesamten | ganisation vereinigt und dadurch ein Verband von
Luftschiffahrt in Deutschland jenen Aufschwung nahm, | autoritativer Bedeutung geschaffen, der fähig und be-
der Deutschland heute in der Führung des Luftkrieges | rufen ist, den gesamten Aufgaben der Luftfahrt im
an erste Stelle stellt, und in einer Rückschau die ge- | weitesten Umfange und in erfolgreicher Weise gerecht
waltigen Anstrengungen zu überblicken, deren Folgen ı zu werden. Der ganz bedeutende Aufschwung dieses
178
Verbandes erhellt aus den Tatsachen, daß er 1902
er bereits 1906 bei 9 Vereinen 2700 Mitglieder,
1910 bei 46 Vereinen 53.000 Mitglieder und Ende 1913
bei 91 Vereinen 82.000 Mitglieder zählte und bei an-
nähernd gleicher Entwicklung heute weit mehr als
100.000 Mitglieder zu wirksamer Arbeit vereint.
Als erste Aufgabe hat der Deutsche Luftfahrer-
Verband unter Mitwirkung der obersten Reichs- und
Staatsbehörden auf den Deutschen Luftfahrertagen in
Stuttgart 1912 und Leipzig 1913 ein Grundgesetz für
das gesamte deutsche Luftfahrwesen geschaffen, worin
er auch die Stellung und Obliegenheiten der einzelnen
ihm eingegliederten Vereine festlegte, und zwar in der
Weise, daß jedem Verein ein bestimmtes Heimats-
gebiet als Arbeitsfeld zugewiesen wurde, in welchem
dieser in propagandistischer und ausgestaltender Arbeit
für die Förderung und den Fortschritt der Luftschiff-
fahrt tätig zu sein hat und darüber auch dem Verbande
verantwortlich bleibt. Gleichzeitig behält der Verband
als solcher die oberste Leitung bezüglich aller Ver-
anstaltungen in der Luftschiff-
fahrt in seinen Händen und es
steht ihm allein die Befugnis
der AS ung von Führerzeug-
nissen als Ballon-, Luftschiff-
und Flugzeugführer zu. Diese
einfache und klare Organisation
hat im wesentlichen und in
erster Linie dadurch, daß eben
alle Kräfte gleichsam von einer
Zentrale aus geleitet in den
Dienst derselben Sache gestellt
werden, zu dem eminenten Auf-
schwung der Luftschiffahrt in
Deutschland beigetragen und
wäre ein nachahmenswertes
Beispiel für den Ausbau der
Vereinstätigkeitin unserer Mon-
archie.
Gerade im Hinblick darauf,
daß durch die vielsprachige,
nationale Gliederung bei uns
die Bildung von verschiedenen
Vereinigungen begünstigt wird,
die in ihrer notwendig beding-
ten kleinen und begrenzten
Wirkungsweise als selbständige
Vereine ohnmächtig den ge-
waltigen Aufgaben der Förde-
rung der Luftschiffahrt gegen-
überstehen würden, wäre es
re ie frühzeitig eine wirk-
same Propaganda über die
Grenzen der lokalen Organi-
sation in weitem Umfange in alle Teile der Monarchie
zu tragen, hier die Interessenten und Freunde der
Luftschiffahrt unter Hinweis der tatsächlich patrioti-
schen Bedeutung ihrer auf diesem Gebiete zu ent-
faltenden Tätigkeit zum Zusammenschluß zu veran-
lassen und mit dem Wiener Mutterverein zu einer
einheitlichen Arbeitstätigkeit zu verbinden, um eben
jene durchschlagende und bestimmende Macht in der
Förderung und dem Ausbau der gesamten Luftschiff-
fahrt zu besitzen, die allein imstande wäre, das
Luftfahrwesen zu einer für alle Kreise Bedeutung
erlangenden Höhe emporzureißen, wie dies in unserem
Bundesstaat der Fall ist.
Allerdings liegen dort die Verhältnisse durch das
einsprachige Wirkungsgebiet wesentlich günstiger wie
bei uns, doch weisen eben die obwaltenden Schwierig-
keiten, bedingt durch die verschiedensprachigen Kron-
länder unserer Monarchie, auf diese Form der Organi-
sation der gesamten Kräfte zur Förderung der Luft-
schiffahrt hin.
Als Zweigniederlassungen dieser Art wären in
erster Linie die verschiedenen größeren Industrie-
zentren ins Auge zu fassen. Hier müssen eben unter
Hinweis auf die Bedeutung und den Wert eines mäch-
K. u. k. Linienschiffsleutnant Wenzel Woseéek,
Pola (Orden d. Eis. Krone m. d. Kriegsdek.).
tigen, ausgebreiteten Zentralvereines der Luftschiff-
fahrt, speziell im Hinblick auf die Landesverteidigung,
sowie auch in kultureller und fortschrittlicher Bezie-
hung das geweckte Interesse für diese große Sache in
der Richtung angeregt werden, durch Zusammenschluß
aller Freunde, Förderer und Interessenten einen groß-
zügig angelegten Ausbau der gesamten Aufgaben der
Luftschiffahrt zu ermöglichen, zum erhöhten Schutze
des Vaterlandes, welchen Interessen der Verband durch
seine Tätigkeit ja dienen würde, und zum gedeihlichen
Emporblühen einer der großartigsten Errungenschaften
der Menschheit. Es wäre notwendig, besonders unter
Hinweis auf den Wahlspruch unseresgreisen Monarchen
mit vereinten Kräften in geschlossener Einheit der-
selben Sache zu nützen, Separatbestrebungen zu meiden
und unter der zentralistischen Leitung des Wiener
Vereines eben in jener Hinsicht tätig zu sein, wie dies
zur planmäßigen Entwicklung der Luftschiffahrt not-
wendig wäre. Den einzelnen Zweigniederlassungen
wäre ein selbständiges Arbeitsgebiet überlassen, inner-
halb des Rahmens des gesamten
Verbandes, und diese hätten
dafür die Gewähr, allen für die
Förderung der Luftfahrt not-
wendigen Aufgaben in lokaler
und allgemeiner Hinsicht, eben
gestützt auf die Macht eines die
ganze Monarchie umfassenden
Verbandes, unbedingt gerecht
werden zu können. Denn jeder
Erfolg im persönlichen wie im
allgemeinen Leben wird durch
Machtverhältnisse bestimmt.
Gerade gegenwärtig, wo in
den außerordentlichen Leistun-
gen der Luftfahrzeuge im Dienste
des Krieges eine in der Tat sich
offenbarende Propaganda für
das Luftfahrwesen liegt, und der
entscheidende Wert einer auf der
höchsten Höhe der Leistungs-
fähigkeit stehenden starken und
umfangreichen Luftflotte auch
dem Laien einleuchten muß, wäre
ein günstiger Moment mit den
Vorarbeiten und der Einleitung
dieser großzügigen Organisation
zu beginnen und getreu den
historischen Verdiensten Öster-
reichs und seiner Forscher um
die Entwicklung der Flugtechnik
eine Vormachtstellung aut diesem
Gebiete fiir unser Vaterland
anzustreben, um durch zivile
Tätigkeit unserer Landesverteidigung die besten und
ausreichendsten Mittel zu bieten, allen künftigen
feindseligen Überfällen schlagfertig zu begegnen. Aus
diesem Grunde wäre es patriotische Pflicht jedes
einzelnen, mitzuarbeiten an der großen Aufgabe und
im kleinen Wirkungskreise das Große zu fördern.
Hand in Hand mit dieser die Gesamtheit zusammen-
fassenden Organisation müßte auch eine rege sport-
liche Betätigung einsetzen, als praktische Vorschule
hysischer Leistungen, wie dies auch tatsächlich im
eutschen Luftfahrer-Verband geschieht, und schon
aus der einen Tatsache erhellt, daß im Jahre 1913 mit
den 150 den Vereinen des Deutschen Luftfahrer-Ver-
bandes gehörenden Ballons 1700 Freiballonfahrten
zu Vergnügungs- und wissenschaftlichen Zwecken aus-
geführt wurden. Die unmittelbare Folge dieser regen
Tätigkeit waren die zwei Weltrekorde, die sich Deutsch-
land für Freiballons im Jahre 1913 neu errungen,
nämlich für Zeit und für Entfernung, beide in einer
und derselben Ballonfahrt. Es war dies die bekannte
Fahrt des Ballons »Duisburg« mit 1600 m° Inhalt, der
am 13. Dezember in Bitterfeld mit drei Fahrern auf-
stieg und sich 87 Stunden in der Luft hielt, wobei er
eine Strecke von 2800 km zurücklegte. Von denselben
großzügigen und gewaltigen Dimensionen sind auch
alle anderen Wettbewerbe, die der Deutsche Luft-
fahrer-Verband in bezug auf Luftfahrzeuge während
der Zeit seines Bestandes veranstaltete.
ist von vornherein klar, daß bei einer so
reichen Möglichkeit der praktischen Betätigung Erfolge
in konstruktiver Hinsicht, sowie an Erfahrungs- und
physischen Leistungswerten unausbleiblich sind, und
somit der Staat im Bedarfsfalle auf eine große Anzahl
tüchtig ausgebildeter und erprobter Führer zurück-
greifen kann. Dies wird vielleicht später von um so
größerer Bedeutung, als bei weiterer Ausgestaltung
des Flugwesens auch in größerem Maße Anlaß zu
privatsportlicher Betätigung gegeben wird und somit
die Heeresverwaltung gegebenenfalls in die Möglich-
keit versetzt werden kann, durch Requirierung der
Flugzeuge und Einstellung schon flugkundiger Führer
ihren Bestand nötigenfalls rasch ergänzen zu können,
wie dies auch im Automobilwesen geschieht. Ob und
inwieweit dieser Gedanke praktisch durchführbar ist,
wird die Zukunft lehren, Tatsache
aber ist, daß Deutschland heute
schon außerordentlich starke
Reserven an im Flugsport aus-
gebildeten Führern besitzt, die
Bürgschaft sind für Sieg und
Ehre der deutschen Luftflotte.
Diese einheitlich gestaltete
Arbeitstätigkeit in Deutschland,
die durch den Deutschen Luft-
fahrer-Verband über das ganze
Reich ausgebreitet wird und so
die weitesten Volkskreise zur
regen Anteilnahme und Unter-
stützung der Tätigkeit auf dem
Gebiete des Luftfahrwesens
zwingt, ermöglichte auch ein
ausdauerndes Durcharbeiten und
zähes Festhalten eines einmal
als erfolgreich erkannten Planes
und sicherte weiters jeder in
dieser Richtung begonnenen Ar-
beit jenen felsenfesten Glauben
an die Güte und den Wert der-
selben, der notwendig ist, um
dieselbe auch über unbezwing-
bar scheinende Widerstände
hinweg und aufGrund bedeuten-
der materieller Opfer der ganzen
Nation zu einem erfolgreichen
Abschluß zu führen.
Nur unter diesen Voraus-
setzungen war es dem Grafen
Zeppelin möglich, sein grobes
Projekt, die Schaffung eines leistungsfähigen und ge-
gebenenfallskriegstüchtigen Luftkreuzerszuermöglichen
und dieses Ziel auch tatsächlich trotz aller im Prinzip
gelegenen Schwierigkeiten und den fast sprichwörtlich
gewordenen unglückseligen Zufälligkeiten und Kata-
strophen, an denen diese große Idee einigemal zu
scheitern drohte, zu erreichen, ohne das Schicksal
ähnlicher Erfinder zu teilen, denen die Ungunst der
Verhältnisse und der unsichere Glaube ihrer Mit-
menschen an ihr Werk das Erreichen ihrer Ziele
versagte.
Die Konsequenz der schweren Unglücksfälle, mit
denen das Projekt des Grafen Zeppelin heimgesucht
wurde, grenzte beinahe an ein für dieses Werk un-
abwendbares Schicksal. Wir erinnern uns der kon-
stant aufeinanderfolgenden Unfälle, wobei stets die
betroffenen Luftschiffe gänzlich vernichtet wurden,
so L Z 4 bei Echterdingen am 5. August 1908, das
Heeres-Luftschiff Z Il durch Sturm bei Weilburg am
25. April 1910, die »Deutschland 1« bei ihrer zweiten
Passagierfahrt im Teutoburgerwald am 28. Juni 1910,
die »Deutschland 2« in Düsseldorf am 30. März 1911,
die »Schwaben« durch Brand in Düsseldorf vor der
Halle am 28. Juni 1912 und das Heeres-Luftschiff
Fregattenleutnant Gottfried Banfield
(Militar-Verdienstkreuz m. d. Kriegsdek.).
ES SE —
179
L Z 15 (ZI) in Karlsruhe am 19. März 1913, das
Marine-Luftschiff L I am 9. September 1913 durch
seinen Untergang in der Nordsee nördlich Helgoland
infolge einer schweren Bö, wobei 14 pflichttreue
Soldaten den Tod fanden, und sechs Wochen später
das Marine-Luftschiff L II, am 17. Oktober 1913, durch
die erschütternde Katastrophe bei Johannisthal, wo
dieses größte Luftschiff der Welt von 27.000 m? Gas-
inhalt in 200 m Höhe explodierte und sämtliche
28 Mitfahrer das Leben verloren. Und trotz alledem
gewann kein Kleinmut hemmende Gewalt gegen dieses
Werk, sondern lösten im Gegenteil gerade diese
Unglücksfälle eine um so größere Kraft aus, zu voll-
enden und vollenden zu helfen, was einmal begonnen
war. Das Werk eines Menschen ward durch diese
Schicksalsschläge zum Gemeingut der ganzen Nation.
Alle, alle arbeiteten mit und gaben diesem einen
Menschen durch ihren unerschütterlichen Glauben
einen eisernen Willen, den Bann, der über seinem
Unternehmen zu schweben schien, zu brechen und
erfolgreich zu siegen über das
Schicksal und die Macht aller
Elemente. Millionen flossen in
Form von Spenden aus dem
ganzen Reich als notwendige
Mittel zu neuer Arbeit zusammen,
freudig gegeben und geopfert,
und dieser zähe Trotz sprengte
alle Widerstände. Die Opfer
waren groß, aber der Erfolg noch
größer, und das entscheidet.
Heute ist eine tagelange Sturm-
fahrt keine aufregende Leistung
mehr und diese große Aktions-
fähigkeit der Zeppelin-Luft-
schiffe gab ihnen auch jenen
hohen militärischen Wert, um
bedeutungsvoll und erfolgreich
in diesen Weltkrieg eingreifen
und das Vertrauen eines ganzen
Volkes in schwerster Zeit be-
lohnen zu können.
Welch ansehnliche Höhe
die Vervollkommnung der Zep-
pelin-Luftschiffe und die damit
gewdhrleistete Flugsicherheit
erreichte, geht auch in klarster
Weise aus der regen Tätigkeit
der zu Verkehrszwecken ge-
gründeten Deutschen Luftschiff-
Aktiengesellschaft (Delag) her-
vor, die von 1910 bis 1913 bei
792 Fahrtagen 1240 Fahrten
mit ihren sieben Zeppelin-Luft-
schiffen ausführen konnte. Die Gesamtfahrzeit betrug
während dieser drei Jahre 2576 Stunden bei einer
summarischen Fahrstrecke von 140.094 km, wobei
26.223 Personen befördert wurden — eine Leistung,
die in Anbetracht der vorhin geschilderten Schwierig-
keiten als ganz außerordentlich bezeichnet werden muß.
Diese durchschlagenden Erfolge veranlaßten auch
die deutsche Heeresverwaltung, einen großzügigen
und planmäßigen Ausbau der Kriegsluftflotte in die
Hand zu nehmen, und es wurde gleichzeitig, um
dies zu ermöglichen, in Potsdam Ende 1913 eine
zweite Luftschiffwerft errichtet, da die bisher einzige
in Friedrichshafen den Anforderungen nicht mehr
genügen konnte. Die deutsche Kriegsluftflotte umfaßte
auch Anfang 1914 bereits 9 Zeppeline für die Land-
armee und 2 Luftschiffe für die Marine. Diese letzteren
waren als Ersatz der bei Helgoland und Johannisthal
verloren gegangenen Schiffe, ein neuer Zeppelin L II!
und ein Schiitte-Lanz-Luftschiff.
Eine Grundbedingung für die Ausgestaltung der
deutschen Zeppelin-Luftflotte war ein groß angelegtes
Netz von Luftschiffhallen im ganzen Deutschen Reiche,
ohne welche die praktische Indienststellung dieser
groß dimensionierten Luftkreuzer aus ökonomischen
180
Gründen unmöglich gewesen
wäre. Allerdings waren gerade
diese Anlagen der kostspielig-
ste Teil des deutschen Luft-
flottenprogrammes, aber man
hatte infolge der großen Serie
von Unglücksfällen noch kost-
spieligere Erfahrungen gemacht
und sich den zwingenden Not-
wendigkeiten anpassen gelernt.
Selbst eine unbedingte Sturm-
sicherheit vorausgesetzt, wäre
ein Luftschiff, bei andauernd
gefahrvollem Wetter infolge der
beschränkten Betriebsmittel, die
es mitzunehmen imstande ist,
gezwungen, aus der immerhin
durch freie Manövrierung Schutz
gewährenden Höhe niederzu-
gehen und in der gefahrvollen
ähe der Erde der Zerstörung
preisgegeben, wenn es hier nicht
jenen Schutz finden kann, der
es davor bewahrt. Es wurden
deshalb große Doppelhallen
errichtet in Friedrichshafen,
Potsdam, Dresden, Hamburg,
Leipzig, Johannisthal, Metz,
Köln und Königsberg, sowie
Einzelhallen in Baden-Baden,
Frankfurt a. M., Düsseldorf,
Mannheim, Gotha, Posen, Lieg-
nitz, Biesdorf und in Altenstein
und Trier.*) Als nächste, schon
im Jahre 1914 in Bauangriff genommene Häfen wurden
Braunschweig, München, Stuttgart, Coburg und Emden
gewählt.
Als aber auch durch diese festen Hallen die
Luftschiffe keinen genügenden Schutz hatten und es
bei Sturmlandungen abermals zu Unfällen kam, ging
man in der weiteren Ausgestaltung des Luftschiffhafen-
netzes zu den noch kostspieligeren drehbaren Hallen
über. In dieser Art wurde der größte Luftschiffhafen
von der Marineverwaltung bei Nordholz an der Bahn
Cuxhaven-Geestemünde angelegt, der drei Doppel-
hallen und mehrere Einzelhallen umfaßt. Ähnliche
Bauten wurden sodann für die Militärverwaltung in
Hannover, Dresden, Köln, Düsseldorf, Darmstadt,
Mannheim, Metz, Lahr, Friedrichshafen, Königsberg,
Graudenz und Schneidemühl in Angriff genommen.
Dies illustriert zur Genüge die gewaltigen An-
strengungen in Deutschland, die um jeden Preis die
Durchführung des einmal een Programmes
gewährleisten, selbst wenn neue Unfälle noch be-
deutendere materielle Opfer erfordern würden. Denn
das Projekt des absolut praktischen und zweckmäßigen
Luftschiffhafens ist noch immer nicht gelöst. Es liegen
zahlreiche Pläne vor, um allen, auch den Drehhallen
anhaftenden Mängeln abzuhelfen, die einzige sichere
Möglichkeit in diesem Belange dürfte aber wohl in
einer engen Anlehnung an das Prinzip der Seehäfen
liegen, nämlich von der Natur dazu günstig aus-
gestattete Territorien zu diesem Zwecke auszubauen.
Für die Luftschiffe kämen in diesem Sinne jene Täler
in Betracht, die während des ganzen Jahres Windstille
haben. Solche Täler sind erwiesenermaßen gar nicht
selten und diese müßten dann, eben den günstigen
Verhältnissen Rechnung tragend, groß angelegt aus-
gebaut werden, so daß nicht ein einzelnes Luftschiff,
sondern ein ganzer Teil der Luftflotte daselbst sta-
tioniert.
Wie aus dieser Darstellung ersichtlich, war die
hauptsächlichste Aufmerksamkeit in Deutschland den
großen und starren Luftschiffen zugewandt. In dieser
Bevorzugung erblickte man anfänglich, speziell unter
*) Statistische Daten nach dem Jahrbuch der Naturwissen-
schaften. 1913/14.
Linienschiffsleutnant Gustav Klasing
(Orden d. Eis. Krone m. d. Kriegsdek.).
|
Berücksichtigung der ungeheu-
ren materiellen Opfer, eine
unfruchtbare Einseitigkeit, be-
sonders noch, als die rasch
aufstrebende Aviatik im Ausland
sich wahrhaftig im Fluge alles
Interesse eroberte und jegliches
Bemühen mit Lenkballonen als
längst überlebt erscheinen ließ.
Aber es zeigte sich, wenn auch
erst nach Jahren, immer deut-
licher, und eben jetzt durch die
erfolgreiche Verwendung der
Zeppeline im Kriege in noch er-
höhtem Maße, daß die deutsche
Heeresverwaltung von sachlich
wohlüberlegten und richtigen
Erwägungen geleitet war, als
sie den großen Zeppelin-Luft-
schiffen ihr besonderes Interesse
zuwandte. Dadurch hat sich
Deutschland auf dem nun prak-
tisch doch bewährten Gebiete
des Lenkballonwesens einen
wohl von keinem Staate mehr
einzuholenden Vorsprung ge-
sichert. Speziell der Mangel an
jahrelangen, von Deutschland
unter ganz hervorragenden
Opfern und der zähesten Aus-
dauer gemachten Erfahrungen,
ließen alle Versuche in Frank-
reich und England, die Zeppelin-
Lufschiffe nachzuahmen, bei-
nahe kläglich scheitern. Erst dieser hervorragende
Luftschifftyp, in Verbindung mit der mächtigen Aero-
plan-Flotille, errang Deutschland eine Überlegenheit
im Luftkrieg seinen Feinden gegenüber, die sich auch
in den Gesamterfolgen des Weltkrieges fühlbar macht.
In Osterreich wurde leider nach dem Unfalle des
»Lebaudy« bei Linz, sowie des infolge materieller
Schwierigkeiten eingestellten Stagl - Mannsbarth-
Ballons, und der noch in aller Erinnerung stehenden
schweren Katastrophe bei Fischamend, wo unser
aktionsfähigster Lenkballon »Körting« samt der Be-
satzung verbrannte, dem Ausbau der Luftschiffahrt in
dieser Richtung viel zu wenig Aufmerksamkeit zu-
gewendet und die Schaffung einer mit Erfolg operations-
fähigen Aeroplanflotte in erster Linie im Auge be-
halten. Aber wie sich eben in dem Weltkriege zeigt,
hat sich eine einseitige Wertentscheidung nur für den
Aeroplan, ebensowenig wie für den Lenkballon voll-
zogen, vielmehr hat sich ein wirksames und er-
gänzendes Zusammenarbeiten dieser beiden als be-
sonders wirksam erwiesen, wie dies die deutsche
Luftflotte zeigt.
Allerdings hat der Lenkballon noch lange nicht
die letzte Stufe seiner Entwicklung erreicht. Es werden
auch hier noch durchgreifende Verbesserungen ein-
setzen, speziell in bezug auf die Ausschaltung seiner
Feuergefährlichkeit; auch die Leistungsfähigkeit wird
noch zu steigern sein, und es steht zu erwarten, daß
die Deutschen als die ERBEN. welche bis jetzt den
Lenkballon im Weltkrieg erfolgreich verwenden, auch
aus seiner Kriegstätigkeit tiefgehende Erfahrungen
schöpfen werden. In dieser Weise wurden ja schon
in den letzten Jahren Neueinführungen getroffen, die
eine wesentliche Vervollkommnung des Lenkballons,
sowie der Luftschiffahrt überhaupt bedeuten, nämlich
neue Orientierungsmöglichkeiten und der Nachrichten-
dienst vom Luftschiff aus. Bezüglich der Orientierung
wurden in zweifacher Richtung bemerkenswerte Be-
schlüsse gefaßt, einerseits durch Einführung ent-
sprechender Luftfahrkarten, in welchen die geeigneten
Landungsplätze, Füllgasanlagen, sowie die für den
Luftschiffer gefährlichen und zu meidenden Objekte,
wie Hochspannungsleitungen etc. eingezeichnet sind,
anderseits durch Anlegung und Unterhaltung von
8 181
Leuchtfeuern, um den Luftschiffer bei Nachtfahrten | Apparatur ist von denkbarster Einfachheit und ge-
vor solchen Plätzen zu warnen oder durch bestimmte
Blinkfeuereinrichtungen geeignete Landungsplätze zu
bezeichnen und eine entsprechende Orientierung zu
bieten. Eben diese wurde weiters auch durch die
Ausgestaltung des Nachrichtendienstes gefördert, auf
Grund der Versuche das Luftschiff in konstanter
funkentelegraphischer Verbindung mit der Erde zu
halten. Dadurch wäre weiters auch die Möglichkeit
gegeben, dem Luftschiff bei weiter Fahrt laufende
Wetternachrichten zukommen zu lassen, sowie dieses
leichzeitig in den Stand gesetzt, bei schwerem
etter eventuelle notwendige Landungen ankündigen
zu können. In der Tat ist es in letzter Zeit gelungen,
wesentliche Erfolge im Bau von Radiostationen für
Luftschiffahrtszwecke zu erzielen. In dieser Beziehung
ist es der Spezialfirma Dr. E. F. Huth in Berlin
gelungen, Empfangs-, sowie Sendstationen von so
kleinen Dimensionen und geringem Gewicht her-
zustellen, daß sie bequem sogar von jedem Frei-
ballon und Aeroplan mitgeführt werden können. Die
stattet einen funkentelegraphischen Verkehr auf un-
gefähr 150 km. Dieses Mittel zur Orientierung enang
besonders bei Nebel hervorragende Wichtigkeit. In
diesem Falle ist es von Bedeutung, gerichtete Funken-
wellen zu benützen, daß z. B. nur nach einzelnen
Richtungen bestimmte Wellenzüge ausgesendet werden,
die den Empfänger in Fahrt nur bei Kreuzung einer
der betreffenden Richtungen ansprechen. Auf diesem
Prinzip beruht der Telefunkenkompaß von Arco. Eine
vollständige Sende- und Empfangsstation für 100 km
nach diesem System wiegt ungefähr 40kg, ist also
für Luftschiffe außerordentlich geeignet.
Der Luftschiffahrt ist wie ersichtlich noch ein
mächtiges Gebiet der Entwicklung vorbehalten. Wir
sind ja trotz der bereits erzielten großen Erfolge erst
am Beginn einer neuen technischen Errungenschaft,
und es wäre von Wert, alle Kräfte zum mächtigen
Aufschwung derselben einzusetzen, um auch hierin,
wie bisher, in kultureller und zivilisatorischer Richtung
als Barbaren“ die Führung zu behalten.
Gerüstzweidecker.
Von Fritz Lichtenstern, Einjährig-Freiwilliger.
II. Teil.
E. Rahmen; Form und Lage des Bootes
bei Gerüstzweideckern mit vorderem
Antrieb.
Rahmen finden sich bei den Apparaten von:
Hanuschke 1910, der »Fachschule Mainz, 1910 und
1911 und Savary (Zweischraubentrieb) 1910 und 1911.
Der Sitz des Caudron-Zweideckers 1910 liegt knapp
über dem Unterdeck, die Motorachse aber in halber
Höhe der Zellenstiele, so daß kein gemeinsamer
Rahmen vorhanden ist.
Einen Übergang vom Rahmen zum Boot an
Gerüstzweideckern mit Vorderantrieb bildet die
Methode von Ferber (1909). Der Pilot sitzt oder
richtiger hängt an einem Gurt, der an zwei horizontalen
Trägern befestigt ist. Zwischen den Vorderenden ist
der Standmotor gelagert. Die Träger sind hinten bis
zu den Schwanzflächen verlängert, halten aber diese
nicht allein.
Ein Boot findet sich bereits beim Zweidecker
von Breguet (1909). Seither hat der Konstrukteur das
Boot zu einem Rumpf verlängert und baut Rumpf-
zweidecker. 1911 wurden Apparate mit vorderem An-
trieb und Boot von den Albatros-Werken, Caudron
und von Sommer herausgebracht.
Das Boot aller dieser Typen ist n Die
Träger bleiben vorn und bis knapp vor das Boots-
ende zueinander parallel. Ein Rotationsmotor läßt
sich dann leicht in der Bootsachse lagern und voll-
ständig einschließen (Albatros, Caudron, Sommer).
Die Lagerung ist doppelt durchgeführt. Am Ende
laufen die Träger zu einer Kante zusammen.
In neuerer Zeit hat man den Querschnitt der
Boote, der bei den ersten Apparaten gering war, ver-
größert. Aus Gründen des Luftwiderstandes wurde
auch Bootsvorder- und Hinterteil geändert. Ersterer
wird ähnlich wie am Rumpf der Nieuport-Eindecker
ausgebildet und der bloß einmal gelagerte Rotations-
motor oben mit einer Haube eingedeckt (Caudron
1912—1914). In einem derartig ausgebildeten Boot
läßt sich natürlich auch ein Standmotor einbauen
(Euler 1913).
Am Noäl-Zweidecker einfach gelagerter Rotations-
motor mit Haube, Bootsboden aber nicht aufgezogen.
Das Ende des Bootes bei Caudron 1912—1914 ver-
ringert sich auch der Höhe nach. Merkwürdig sind
Boot und Motoreinbau eines Savary-Zweideckers 1911.
Der Querschnitt ist ein Rechteck, dessen längere
Seite horizontal liegt. Die Haube steht über die
Bootsoberseite ziemlich weit hinaus.
Die Boote liegen immer auf dem unteren Trag-
deck. Bereits früher wurde schon bemerkt, daß dies
nur am No&l-Zweidecker nicht zutrifft.
5. Die Tragzelle.
Bei Vergleich der Gerüst-Zweidecker der mittleren
Jahre des modernen Flugzeugbaues, das ist seit Be-
ginn 1910 bis Ende 1912, ergibt sich, daß die Zelle
zu den Bestandteilen des Apparates gehört, der kaum
bei zwei Typen gleich ausgeführt ist. Hinsichtlich der
Details läßt sich wohl Gemeinsames finden.
A. Form der Flächen.
Was den Grundriß der Flächen betrifft, so ist
dieser der Einfachheit halber in den meisten Fällen
rechteckig. Die Flächen von Apparaten, die mit Ver-
windung arbeiten, sind außen abgerundet. Wenn
sich die Rotationsebene der Schraube noch inner-
halb der Zelle befindet, so sind die Tragdecks bis
zum »Schraubenkreis« zu dieser Ebene ausgeschnitten.
B. Die Differenz der Spannweite beider
Tragdecks.
Bis ungefähr Ende 1910 war die Spannweite des
Ober- und Unterdecks desselben Apparates bei Gerüst-
und Rumpfzweideckern immer gleich. Dann trat der
Umschwung ein, und die meisten Konstrukteure ver-
größerten die Spannweite oben und beließen sie
unten. Manchmal ist der Unterschied gering, kann
aber bis zu 2m anwachsen. Die Dimensionen des
aus der eigentlichen Zelle vorstehenden Teiles
richten sich meist nach denen der Flächenklappen
(bei Typen mit Klappen). Apparate mit Verwindung
haben am Ober- und Unterdeck selten ungleiche
Spannweite. |
Bei großer Verschiedenheit der Spannweiten sind
die hinausragenden Teile des oberen Tragdecks ab-
nehmbar, so daß nach ihrer Entfernung beide Flächen
gleich weit klaftern. Die Abnehmbarkeit hat den Zweck,
einen Apparat auch von großer Totalspannweite in
einem normal dimensionierten Hangar unterbringen
zu können.
Nach einer interessanten Methode, die zwar nicht
hieher gehört, konnte die Spannweite eines H. Farman-
Zweideckers 1911 verringert werden. Die Zellenenden
sind um Achsen, die durch die Vorderkanten des
Tragdecks gehen, drehbar, so daß sich die Spann-
weite von 20 auf 11°5m reduzieren läßt.
182 °
C. Die gegenseitige Lage der Tragdecks
ist bei weitaus den meisten Apparaten die natürliche,
also die Vorderkannten beider Flächen direkt über-
einander. Einige Konstrukteure haben auch von der
Staffelung der Tragdecks Gebrauch gemacht, indem
sie das Ober- vor das Unterdeck verschoben (H. Far-
man und M. Farman, Rheims 1911, M. Farman, Wasser-
flugzeuge 1912, Euler mit hinterem und vorderem
Antrieb 1913 etc.).
D. Die gegenseitige Verbindung der Trag-
decks.
Bei Gerüstzweideckern erfolgt diese immer
durch zwei Stielreihen. Die vordere Reihe steht
meist an der Vorderkante der Tragdecks. Ist die Zelle
mit Klappen versehen, so liegt die hintere Stiel-
reihe längs einer Linie, die durch die Klappenachsen
gezogen ist. Da die Verziehbarkeit der Zelle um so
leichter erfolgen kann, je geringer der Abstand der
Stielreihen voneinander ist, so sind bei Apparaten
mit Verwindung die hinteren Stiele ungefähr im
zweiten Drittel der Flächentiefe (Wright) oder höch-
stens bis knapp zur Mitte derselben eingesetzt
(Caudron). An einigen Typen solcher Apparate sind
auch die vorderen Stiele (nach hinten) bis zum vor-
deren Flügelholm verschoben. (Grahame-White mehrere
Typen, Vickers, Samuel White, Sopwith-Flugboot,
sämtliche 1913.)
Die Anzahl der Stiele in einer Reihe ist ver-
schieden. Bezüglich derselben kommt es auf die
Spannweite des betreffenden Apparates an. Während
normale Apparate selten über 12 Stiele haben, weisen
größere Typen bis zu 32 auf.
Gewöhnlich haben die nebeneinander befindlichen
Stiele, die nicht unmittelbar neben dem Boote (Rahmen)
stehen, voneinander gleichen Abstand. Durch letztere
Stiele wird der Abstand der mittleren Stiele unter-
teilt. Sie dienen dazu, das Gewicht, das Fahrer und
Motor haben (während des Fluges), direkt auf das
Oberdeck wirken zu lassen. Natürlich nehmen auch
die Stiele selbst dieses Gewicht als Zug auf.
Die Unterteilung des Zellenmittelteiles ist lange
vor 1910 aufgekommen und wurde von vielen Kon-
strukteuren durch lange Zeit beibehalten. Neuestens
verzichteten Einige aut diese Stiele. Auch der Abstand
aller außen liegenden Stiele kann an demselben Typ
ungleich sein. Bisweilen haben die innen befindlichen
voneinander gleichen, die vorletzten aber von den
äußersten größeren Abstand etc. etc. Übrigens herrscht
bei Rumpfzweideckern in dieser Hinsicht mehr Regel-
mäßigkeit.
Die äußersten Streben von Apparaten, die Ver-
windung besitzen oder deren Tragdecks abgerundet
sind, haben voneinander nicht den Abstand, der der
Spannweite (des Unterdecks) entspricht, sondern er
ist geringer. Bei einigen Typen handelt es sich um
einige Zentimeter, bei anderen ist der Abstand be-
trächtlich.
Zur Unterstützung der vorragenden Flächenteile
bei Apparaten mit verschieden weit klafterndem Ober-
und Unterdeck dienen schräg vom Fußpunkt der
äußersten Stiele nach oben gehende Streben. Wenn
die Flachenteile von der Hauptfläche demontierbar
sind, so muß dies auch bei den Stielen leicht möglich
sein. Unter anderem haben die Voisin-Werke diese
Verstrebung dadurch verstärkt, indem sie vom Ober-
ende der äußersten Stiele normal auf die langen kurze
Streben führten. In neuerer Zeit haben Konstrukteure
auf die schrägen Streben verzichtet, wenn auch die
Differenz der Spannweiten groß ist.
Sind die Tragdecks gestaffelt, so sind die Stiele
entsprechend schräg gestellt und an denselben Stellen
wie gewöhnlich an Apparaten mit direkt übereinander-
liegenden Flächen eingesetzt.
E. Die Bespannung der Tragdecks.
Einseitig bespannte Tragdecks wurden 1909 und
1910 unter anderem von Voisin, H. Farman, Paulhan
verwendet. Da dann die Flügelrippen in Taschen ein-
genäht werden mußten, ergab sich großer Luftwider-
stand, wodurch die Tragdecks weniger ökonomisch
als doppelseitig bespannte arbeiteten. In der Folge-
zeit verschwinden daher die einfach bezogenen Flügel.
F. Die Verbindung zwischen Zelle und
Boot.
Jeder Teil (Flügel) beider Tragdecks des Gerüst-
zweideckers bildet mit dem gegenüberliegenden ein
Stück, da die Holme gemeinsam sind. Eine sichtbare
Trennung in rechten und linken Flügel ist also nicht
durchgeführt. Diese Trennung erleichtert das De-
montieren. Sie besteht schon lange bei Rumpf-
eindeckern. Als sie sich um die Wende des Jahres 1912
auch bei Rumpfzweideckern einführte, konnte sie bei
den Gerüstzweideckern deshalb nicht angenommen
werden, weil an Apparaten ohne Boot (mit Rahmen)
eine solche Befestigung nicht durführbar ist, und bei
Apparaten mit Boot eine Teilung aus dem Grunde
nicht angezeigt wäre, da die Träger des Steuergerüstes
an Punkten befestigt sein müssen, die starr miteinander
verbunden sind. Ein Verziehen des Gerüstes würde
die Steuerfähigkeit erschweren.
G. Stabilisierungsorgane.
So wie an allen gebräuchlichen Flugzeugtypen,
sind an Gerüstzweideckern beide Stabilisierungs-
systeme (künstliche und natürliche) zu finden. Die
Flächenklappen an Gerüstzweideckern wurden von
Voisin und H. Farman, die Verwindung von den
Brüdern Wright zum erstenmal mit Erfolg verwendet.
Wegen der Einfachheit hat später eine größere Anzahl
von Konstrukteuren die Klappenmethode ange-
nommen.
Die Klappen sind meist rechteckig und fügen sich
in den Grundriß der Tragdecks ein. Spitze Klappen,
wo letzteres nicht vollständig erfolgt, gibt es z. B. bei
Otto-Ago, runde bei Sommer und Albatros 1911.
Die Klappen’ einiger Apparate sind zwangsläufig
beweglich, bei anderen wieder — und dies ist die
erhebliche Mehrheit — hängen sie am ruhenden
Flugzeug schlaff herab. Ziehbar sind sie bekanntlich
bloß nach unten, weshalb beim Legen in die Kurve
die Wirkung nicht so günstig ist wie bei verziehbaren
Flächen (Zellen) wo die Flächen auf beiden Seiten
gleichzeitig betätigt werden.
Das, was von Verwindung an Gerüstzweideckern
von Belang ist, ist bereits unter Absatz D dieses Ab-
schnittes gesagt worden.
Apparate mit elastisch verziehbaren Klappen als
Zwischending von einfachen Klappen und verwind-
baren Tragdecks sind auf wenige Typen, z. B.
Warchalowski (Autobiplan), beschränkt geblieben. Die
Form des Tragdecks ist die der Zanonia.
Was die Zahl und Lage der Klappen betrifft, so
gibt es verschiedene Möglichkeiten. Bei gleicher
pannweite von Ober- und Unterdeck: 1. oben
(z. B. Euler 1910), 2. oben und unten (z. B. Albatros
1911), 3. unten (z. B. M. Farman 1910). Bei ver-
schiedener Spannweite: 1. oben, nach innen, bis
zur eigentlichen Zelle (Zellengrenze, z. B. H. Farman
1910); 2. oben bis über die Zellengrenze, a) Klappe
ungeteilt, in einem Stück (H. Farman 1911, Typ I),
b) Klappe geteilt (H. Farman 1911, Typ II); 3. oben
innerhalb der Zelle, bis zur Zellengrenze (z. B.
Sommer 1911, Albatros 1911); 4. oben und unten,
oben bis zur Grenze (z. B. M. Farman 1911); 5. oben
und unten, oben bis zur Grenze (z. B. Savary 1911).
Während die Stabilisierungsvorrichtungen der
oben besprochenen Art Bestandteile der Tragdecks
sind, sind jene der folgenden dadurch merkwürdig,
daß sie an den Flächenstielen befestigt sind. Diese
Methode war in den jahren 1909 bis 1911 ge-
bräuchlich. Nur Curtiß hat sie länger beibehalten.
Heute ist man aber von ihr abgekommen. .
Je eine Klappe ist an zwei Punkten der Vorder-
kante in halber Höhe der Stiele, und zwar meist an
Stielen der hinteren Reihe gelagert (Curtiß 1909
bis 1913, M. Farman 1910). Hier gehen die Klappen
über die Zelle nicht hinaus, während es bei den
F. F.-(Flugzeugbau Friedrichshafen-) und nig ait
deckern (1913 und 1914, 1909 bis 1913) der Fall ist.
Bei Cody sind die Klappen iiberdies nicht direkt an
den Stielen, sondern an von diesen nach hinten
gehenden horizontalen Auslegern gelagert. Die Achse
fallt nicht mit der Vorderkante zusammen, sondern
sie ist nach hinten geriickt.
Als zweite Art von an den Zellenstielen befind-
lichen Stabilisatoren hat man die drehbaren Flächen
anzusehen. Bei Gerüstzweideckern wurde sie von
Bronislawski 1911 verwendet. Zwei übereinander
liegende, starr verbundene Flächen sind in der Mitte
um eine senkrechte Achse (Stiel) angeordnet. Diese
Achse ist oben und unten am Treffpunkt zweier zu
5 einem Bogen verlängerten und sich in einem
unkte vereinigenden Holme des Ober- und Unter-
decks gelagert.
Bei Drehen der Achse, was mittels Zahnrad und
Kette erfolgt, wird, da die Flächen nur von einer
Seite betätigt werden, die Projektion der Fläche
(nach vorn), damit auch der Widerstand des be—
treffenden Zellenteils geändert.
Die natürlichen Stabilisatoren anderer Flug—
zeugtypen sind auch jene der Gerüstzweidecker und
umgekehrt. (Die an den Stielen befindlichen Klappen
als künstliche Stabilisatoren sind an Rumpf-
zweideckern nicht verwendet worden.)
Natürliche Stabilisatoren sind: Besondere Wölbung,
Form und gegenseitige Stellung der Tragdeckteile,
bezw. Tragdecks.
Mit ersteren wollen wir uns hier nicht abgeben.
Ahnlich wie bei den Blériot-Eindeckern ist der
Grundriß der Flächen bei Clément-Bayard 1909 und
1910, M. Farman 1909 bis 1914, Bleriot 1913. Zanonia
bei Warchalowski bereits erwähnt.
Hinsichtlich der gegenseitigen Lage der Flächen-
teile der Tragdecks von Gerüstzweideckern gibt es
einige interessante Ausführungsarten. Reine V-Form
bei einem Tragdeck existiert nicht. Bei H. Farman
1911 und Otto-Ago z. B. ist der Mittelteil des Unter-
decks horizontal, nur die äußeren Teile sind nach
außen schwach schräggestellt, so daß sie zusammen-
geschoben, V-Form bilden würden. Wirkliche V-Form,
183
wendet. Unten V-, oben A- (verkehrte V-) Form bei
Curtiß, was schon bei den A.-E.-A.-Zweideckern zu
finden war. Beide Tragdecks des Sanders-Zweideckers
1910 und 1911 sind nach oben gebogen.
Durch die Staffelung der Tragdecks wird die
schädliche (wirbelbildende) Wechselwirkung der Trag-
decks verringert. Apparate bereits angeführt.
Im Jahre 1908 wurde von den Brüdern Voisin
eine besondere Stabilisierungsmethode aufgebracht.
Je zwei hintereinander stehende Zellenstiele sind durch
eine Stoffbespannung miteinander verbunden. Die
ersten Apparate hatten vier solche Wände, zwei ganz
außen und zwei nahe dem Boot (auch bei Euler
1909), bei M. Farman 1909, Voisin, Euler, Clément-
Bayard, alle 1910, zwei außenliegende »Kasten-
flächen«. Wenn der Apparat eine seitlich geneigte
Stellung annimmt, sollen diese Flächen das seitliche
Abrutschen verhindern. Seitenwinde aber wirkten auf
solche Apparate viel stärker ein als auf solche ohne
Kastenflächen, da sich ihnen eine größere Fläche bot.
Infolgedessen kam es zu starken Abdriften. Noch Ende
1910 wurden die senkrechten Stabilisierungsflächen
sowohl an der Zelle als auch am Schwanz (eben-
falls Voisin und Euler) weggelassen.
6. Steuer- und Schwanzflächen.
Die Steuerflächen der Flugzeuge dienen entweder
zur Höhen- oder zur Kursänderung. Die Schwanzflächen
sind entweder ganz starre Flächen oder sie sind zum
Teile um Achsen drehbar (Flächenklappen) oder
elastisch ausgebildet (Flächenlappen). Die am Schwanz
liegenden Flächen können die Funktion der Steuer-
flächen erfüllen. |
Bei Gerüstzweideckern kann die Lage der Steuer-
flächen bezüglich der Zelle verschieden sein. Wie die
Bezeichnung ausdrückt, können Schwanzflächen sich
aber nur hinter der Zelle befinden. Sowohl aus
diesem Grunde als auch wegen der Starrheit, bezw.
Beweglichkeit der Flächen muß man zwischen Schwanz-
und Steuerflächen unterscheiden.
Da die Höhensteuerklappen bei sämtlichen
Apparaten an fixe Teile angeschlossen sind, so ist
die Bezeichnung »Höhensteuer« als für das Ganze
85 falsch. Richtig muß es horizontale Schwanz-
läche mit Klappen« oder »Schwanzfläche mit Höhen-
steuerklappen« heißen. Berechtigt ist dagegen die Be-
und zwar an beiden Tragdecks hat Ferber 1909 ver- | zeichnung »vorderes Höhensteuer«, da dieses der
Eine interessante Reminiszenz: Gabriele d’Annunzio bei einem Besuche in Issy 1912.
184
ganzen Größe nach verdrehbar ist. Bei Gerüstzwei-
deckern kann man aus demselben Grunde auch vom
Seitensteuer sprechen. Liegt, was selten vorkommt,
ein starrer Teil vor dem Steuer, so wird dies bei
dem betreffenden Apparat eigens bemerkt.
Da die Konstrukteure von Gerüstzweideckern in
bezug auf Steuer- und Schwanzflächen einen weit
rößeren Spielraum als bei irgend einem anderen
yp haben, ist auch davon ausgiebig Gebrauch ge-
macht worden. Es finden sich die verschiedensten
Kombinationen. Nicht nur ein vorderes Höhensteuer
und ein bis drei Seitensteuer, sondern ein vorderes
Höhensteuer, eine horizontale Schwanzfläche mit
Klappen und ein bis drei Seitensteuer oder ein bis
zwei horizontale Schwanzflächen und ein bis drei
Seitensteuer etc. Im letzteren Falle trägt nur die obere
Fläche die Höhensteuerklappe. Auch bei Vorhanden-
sein nur je einer Flächenart bestehen verschiedene
Anordnungsmöglichkeiten. Die Wright-Zweidecker
1909 bis 1911 und die Sanders-Zweidecker 1910 und
1911 ohne horizontale Schwanzflache. Erstere zwei
Seitensteuer, die sich um eine gemeinsame Achse
drehen, letztere drei Seitensteuer; jedes nur einmal
gelagert. |
A. Das vordere Höhensteuer
findet sich bei fast allen erfolgreichen, älteren Gerüst-
zweideckern, auch solchen mit vorderem Antrieb:
Voisin, H. Farman, Wright, Curtiß, Cody,
Ferber. Die beiden letzteren mit vorderem Antrieb.
Der Grund zur Verwendung des vorderen Steuers war
der, daß man vorläufig beide Steuer nicht an einem
Gerüst, dem Schwanzgerüst, vereinigen zu können
glaubte oder wenigstens an die Möglichkeit der Ver-
legung nach hinten nicht dachte. In späteren Jahren
versahen einige Konstrukteure die hintere Fläche mit
Höhensteuerklappen oder sie beließen das vordere
Steuer, wodurch die Höhensteuerung erleichtert wurde.
Während bei einigen Typen (Voisin,H.Farman,
Euler 1909, Clément-Bayard 1909) das vordere
Steuer direkt am Boot gelagert ist, mußte bei anderen,
deren Schraube vorne rotiert (Cody, Curtiß,
Ferber), eine eigene Gerüstkonstruktion verwendet
werden, welche die Verbindung zwischen Steuer und
Zelle herstellt. Bei anderen Apparaten erfolgt dies
dann, wenn die Konstrukteure dem Steuer zwecks
Erhöhung seines Wirkungsgrades den Abstand von
der Zelle vergrößern wollten oder wenn sie auf das
Boot verzichteten.
Mit der Lagerungsart des Höhensteuers hängt in
gewisser Hinsicht die Anzahl der horizontalen Steuer-
flächen zusammen. Das Boot kann nämlich nur ein
monoplanes Höhensteuer (Voisin, H. Farman), das
Gerüst kann aber sowohl monoplane Höhensteuer
(H. Farman Ende 1909 u. v. a.) als auch biplane
Höhensteuer tragen (W right, Curtiß bis 1912).
In erster Zeit waren die Flächen der monoplanen
Höhensteuer selten einteilig, meist zweiteilig (H.Far-
man, Cody) oder dreiteilig. DaCody bis zu seinem
Tode Apparate von großer Spannweite baute, haben
auch seine letzten Typen zweiteiliges Höhensteuer.
Solange das vordere Höhensteuer verwendet
wurde, haben die Apparate mit monoplanem, ein-
teiligen, an einem Gerüst gelagerten Höhensteuer die
Apparate mit anders ausgeführtem, vorderem Höhen-
steuer an Zahl übetroffen. Die ersten Apparate mit
dem Höhensteuer dieser Art sind die H. Farman-
Zweidecker 1910.
Als letzter der bekannten Gerüstzweidecker-
konstrukteure ist M. Farman vom vorderen Höhen-
steuer abgekommen (Ende 1913). Sowie einige andere,
weniger bedeutende Fabrikanten hatte er es nicht
wegen des Steuers selbst, sondern wegen der zu
Kufen umgebildeten Trägerkonstruktion beibehalten.
B. Das Schwanzsteuer.
Die verschiedenen Anordnungsarten der am
Schwanze befindlichen Flächen könnte man nach der
Zahl oder nach der Stellung der Flächen zueinander
einteilen. In dieser Abhandlung wollen wir uns aber
jeweils an die Steuergerüste eines bestimmten Typs
halten, da dadurch die einzelnen, zueinander ge-
hörigen und gebräuchlichen Steuerschwänze (Gerüst
mit Schwanz- und Steuerflächen) gegeben sind. Im
übrigen richtet sich das Aussehen des Steuerschwanzes
mehr nach der Zahl der horizontalen als nach der
der Seitensteuer.
Haben die angeführten Apparate kein vorderes
Höhensteuer, so ist dies eigens bemerkt. Die Achsen
beider Steuerarten liegen meistens in einer Ebene.
C. Das Steuergerüst endet in ein Viereck.
Ein bis zwei horizontale Flächen.
Sind zwei horizontale Flächen vorhanden, so
sind, wie oben bemerkt, die Höhensteuerklappen
nur an der oberen Fläche.
Die Voisin-Farman- und Euler-Zweidecker 1909
haben so wie an der Tragzelle auch an der Schwanz-
zelle die senkrechten Führungsflächen. An diese
schließen sich aber keine Seitensteuer, sondern es
wird nur ein einziges Steuer verwendet. Die H. Far-
man-Zweidecker 1909 und 1910 und die Euler-Zwei-
decker 1910 und 1911 haben zwei Seitensteuer. Achsen
bei sämtlichen Apparaten in derselben Ebene. 1911
wurde von einigen Fabriken, z. B. von den Aviatik-
werken und H. Farman zwei hinten und ein vorn
stehendes Seitensteuer verwendet. Dieses steht vor
der Ebene der durch die übrigen Steuerachsen
gebildeten Ebene.
Die Flächen der später folgenden Apparate
werden von einem Steuergerüst, das zwar noch in ein
Viereck endet, getragen, aber es ist keine Zelle mehr
vorhanden, sondern nur mehr eine horizontale
Fläche mit den Höhensteuerklappen. Der Raum für
die untere Fläche ist einfach leer geblieben. Die
Steuerachsen fallen mit den Endkanten des Gerüstes
zusammen: Albatros 1911, drei Seitensteuer; mehrere
Typen H. Farman-Landzweidecker 1911 bis 1914 und
Wasserzweidecker 1912 bis 1914, zwei, 1911 auch
drei Seitensteuer; Otto-Ago-Landzweidecker 1912 und
1913 und Wasserzweidecker 1913, drei Seitensteuer.
Das Steuergeriist anderer Apparate hat nur mehr
Platz für eine einzige Fläche, in welchem Falle das
Gerüst vor den Flächen endet (nähere Beschreibung
unten). Sodann befindet sich der Vorderrand der
horizontalen Flächen und die Seitensteuerachsen in
einer Ebene. Ein Seitensteuer bei Voisin 1910 (Typ
Paris-Bordeaux), Warchalowski 1912, zwei Seitensteuer
bei Sommer 1911 mit vorderem und hinterem Antrieb
und Bristol 1911. Bei letzterem liegen die Seitensteuer
sehr nahe aneinander. Die ersteren drei Apparate
ohne vorderes Höhensteuer. Die Sommer-Zweidecker
mit hinterem Antrieb haben keine Höhensteuerklappe.
Außer dem vorderen Höhensteuer befinden sich
an den Wright-Zweideckern der verschiedenen Länder
bis 1910 keine horizontalen Schwanzflächen. Der erste
Apparat miteiner solchen ist der Wright-Lieben-Knoller-
Zweidecker 1910. Durch eine Zeitlang findet sich auch
bei den anderen vorn und hinten horizontale Flächen,
von Beginn 1911 an aber verschwinden die vorderen
Steuer überhaupt. Bei sämtlichen Wright-Typen zwei
Seitensteuer. Seitensteuer vor dem Höhensteuer.
D. Das Gerüst endet in eine horizontale
Kante.
Eine horizontale Fläche.
Bei seinen Zweideckern des Jahres 1909 stellte
Sommer ein Seitensteuer vor die horizontale
Schwanzfläche. Später setzte er zwei (geteilte) Steuer
über und unter die Fläche. Bei Curtiß 1%9 bis 1914
ein Seitensteuer, das ebenfalls geteilt ist. Ebenso bei
den F. F.-Land- und Wasserzweideckern 1913 und 1914
und Flugboot 1914, und bei einem leichten Grahame—
White-Zweidecker 1913. Die späteren Typen von
Curtiß ohne vorderes Höhensteuer. Bei F.F. und
Grahame-White kein vorderes Höhensteuer. F. F.
Flugboot mit fixem Teil vor dem Seitensteuer. Die
Caudron-Landzweidecker 1911 bis 1914 und Wasser-
zweidecker 1912 bis 1914 haben zwei, nach dem ganzen
Areal über der Fläche stehende, nahe aneinander
befindliche Seitensteuer. Vor ihnen fixe Teile. Die
D. F. W.-Zweidecker 1911 mit zwei ganz kleinen
Seitensteuern. Die Achsen sämtlicher Steuer dieses
Apparates liegen zwar in einer Ebene, jene der
Seitensteuer aber nicht wie sonst über, sondern unter
der Achse des Höhensteuers. Bei den Paulhan-Zwei-
deckern 1910 bis 1912 ein Seitensteuer und eine fixe
horizontale Schwanzfläche. Bei den Voisin-Zwei-
deckern 1913 ein Höhensteuer, in welchem Falle die
horizontale Schwanzfläche der ganzen Größe nach
drehbar ist. Beim Typ 1913 drei, beim Typ 1914
drei Seitensteuer, Achsen bei beiden in derselben
Ebene. Keine vorderen Höhensteuer.
E. Das Steuergerüst endet in eine vertikale
Kante.
Übergangsformen.
Eine horizontale Fläche.
` Hiemit kommen wir zu den Steuerschwänzen mit
ie einer horizontalen Fläche und einem Seitensteuer.
a man in neuerer Zeit immer nach Einfachheit den
Flugzeugbau überhaupt gestrebt hat, ist es erklärlich,
wenn sich bei den meisten modernen Apparaten Steuer-
schwänze dieses Typs, der auch tatsächlich einer der
einfachsten darstellt, vorfinden.
Man könnte die Steuerschwänze der vorgenannten
Art, die weiters dadurch charakteristisch sind, daß
die Steuerflächen von vorn gesehen ein T bilden
(horizontale Fläche über dem Seitensteuer), als
Standardsteuerschwänze bezeichnen. Die einheitliche
Form ist auch in der gleichen Ausführung des Steuer-
gerüstes ausgeprägt.
Übergangsfornen zu diesem Typ sind folgende:
Der Grahame White-Zweidecker Aero-Show 1913 hat
das Seitensteuer zum größeren Teile ober, ein
Ponnier-Zweidecker 1913 und die Euler-Zweidecker
1913 zum größeren Teil unter der horizontalen
Schwanzfläche. Keine vorderen Höhensteuer. Zur
Standardform können diese Steuerschwänze auch
wegen des anders konstruierten Steuergerüstes nicht
gezählt werden.
Das Steuergerüst, das sich am besten bewährt
und sich bis heute erhalten hat, wurde zum erstenmal
von den Albatros-Werken und Voisin verwendet. Der
erste Apparat mit Standardschwanz haben die Al-
batros-Werke herausgebracht. Die Voisin-Werke haben
nur etwas Ähnliches verwendet. Während nämlich
beim Albatros-Zweidecker (dieser hatte vorderen
Antrieb) die Achsen in einer Ebene liegen, liegt die
Seitensteuerachse des Voisin-Zweideckers vor der
Höhensteuerachse, was durch die eigentümliche Be-
festigungsart der horizontalen Fläche bedingt ist. Ob-
wohl diese Anordnung bedeutend ungünstiger ist, hat
sie Voisin noch an einem Wasserzweidecker 1913
verwendet. Wahrend aber diese Methode von anderen
Konstrukteuren nicht angenommen wurde, hat sich
die Bauart der Albatros-Werke auch bei anderen
Typen eingeführt und wurde dort verbessert. Wir
finden sie bei einer großen Zahl neuerer Flugzeuge.
In ausgedehntem Maße und von 1912 an hat H.Far-
man diesen Steuerschwanz verwendet. Weiters auch
Bleriot (Salon 1913), Morane-Saulnier-Wasserzwei-
decker 1913 etc. Sopwitha-Flugboot 1913. Deutsche
Apparate: Schwade 1913 und 1914, Gotha 1913, Otto-
Ago-Land- und Wasserzweidecker 1913. An letzterem
ist interessant, daß auf die horizontale Schwanzfläche
ein dreiteiliger Spannbock gesetzt ist. Sämtliche
Apparate mit Standardschwanz ohne vorderes Höhen-
steuer.
185
7. Die Lagerung des vorderen Höhensteuers.
Das vordere Steuergerüst.
Das im Absatz »Vorderes Höhensteuer« Gesagte
sei hier wiederholt und ergänzt. Dreifache Ausführungs-
möglichkeit der Lagerung des Höhensteuers:
1. Am Bootvorderteil.
2. Durch einfache Ausleger.
3. Durch eine Konstruktion, die auch einen Teil
des Fahrgestelles bildet.
Methode 1 wird bei Fehlen des Bootes natürlich
‚nicht verwendet, dagegen muß bei Vorhandensein
eines Bootes das vordere Höhensteuer nicht am Boot
Be sein. Methode 2 besteht darin, daß man von
unkten an der Vorderkante der oberen und unteren
Tragfläche Streben führt, die sich vorn an der Steuer-
achse treffen. Je zwei übereinander liegende Ausleger
sind durch mehrere Stiele gegeneinander verspreizt.
Gewöhnlich sind zwei solche Strebenpaare vorhanden.
Sie liegen ferner meist in einer Ebene parallel zur
Flugrichtung. Nach außen gehen die Streben beim
Zodiac-Zweidecker 1911. Cody hat an seinen Appa-
raten außer den gewöhnlichen, an der Seite betind-
lichen Auslegerpaaren wegen des groß dimensionierten
Höhensteuers noch eine dritte Lagerungsstelle ver-
wendet. Die Achsenmitte hält nämlich entweder ein
drittes Auslegerpaar oder bei älteren Apparaten vier
Träger, die eine Pyramide bilden. Daher die Teilung
des Höhensteuers. Bei H. Farman 1909 erfolgt die
Dreiteilung dadurch, daß die Auslegerpaare nicht die
Enden der Achse halten, sondern geringeren
Abstand von einander haben.
Die dritte Methode wurde von den Brüdern
Wright aufgebracht und von anderen Konstrukteuren
durch lange Zeit verwendet. Die Konstruktion besteht
darin, daß die nach vorn aufgezogenen Kufen des
Fahrgestelles (bei den ersten Wright-Zweideckern
Landungsgestell ohne Rader) am Vorderende die
Steuerflächen trugen. Die weit vorragenden und auf-
gezogenen Kufen dienten auch dazu, das Vornüber-
kippen des Apparates während des Rollens auf dem
Boden zu verhindern. Natürlich sind die Kufen gegen
das obere und untere Tragdeck ausgiebig verspreizt.
Ein Zwischending von Art I und 2 bildet die Bauart
von M. Farman 1909, wo das Steuer an vier, vom Boot
schräg nach vorn gehenden Streben gehalten wird.
Eine einfache, wenn auch nicht solide Lagerungs-
art des Höhensteuers ist bei dem Sommer-Zweidecker
»Salon 1911« zu finden (Mittelding zwischen Me-
thode 1 und 2). Das Gerüst ist auf zwei vom Rahmen
schräg nach vorn- und obengehende Stahlrohre re-
duziert. Eine Kombination von Methode 2 und 3 ist
bei den Sanders-Zweideckern 1910 und 1911 zu finden.
Das Höhensteuer trägt hier eine feste Konstruktion,
fast wie ein Rumpf, der im Querschnitt ein Quadrat
von geringer Seitenlänge zeigt. Die beiden unteren
Träger sind als die Kufen des Fahrgestells ausgebildet.
Etwas Ähnliches haben die Sommer-Zweidecker 1910,
mit dem Unterschied aber, daß auch die oberen Träger
aufgezogen sind, daß der Querschnitt ein größerer ist
und daß das Ganze gegen die obere Fläche abgestützt ist.
Interessant ist die Bauart bei den Paulhan-Zwei-
deckern 1910 und 1911. Die Verbindung des Steuers
mit der Zelle erfolgt durch zwei von der Kante des
unteren Tragdecks ausgehende, horizontale Ausleger.
Da diese aber nicht genügen, so laufen noch nach
hinten und unten schräge Streben zu den weit vor-
ragenden Kufen des Fahrgestells. Beim Wright-
Lieben-Knoller-Zweidecker ist das Höhensteuer an
von den Kufen und von der unteren Fläche aus-
gehenden Trägern angesetzt. Eine weitere Kombination
dieser beiden Methoden findet sich bei den CurtiB-
Zweideckern 1909 bis 1912. Von den Treffpunkten
der auf normale Weise ausgebildeten und angesetzten
Ausleger und von einigen anderen Stellen gehen
Streben zur Mittelkufe des Fahrgestells, die den
Zweck haben, das Fahrgestell zu verstärken.
(Schluß folgt.)
` I
ata + 2 i
>
Flugzeug-Diktaphon im Gebrauche auf einem französischen Maurice Farman-Doppeldecker.
Phonographische Aufzeichnung auf Rekognoszierungsflügen.
Für die spezielle Verwendung von Flugzeugen
als Rekognoszierungsmittel ist schon eine ganze Reihe
von einschlägigen Hilfsapparaten konstruiert und vor-
geschlagen worden, die die Aufgabe des Beobachters,
das Wahrgenommene getreulich aufzuzeichnen und zu
registrieren, nach Tunlichkeit erleichtern sollen. Zahl-
reiche dieser mitunter recht praktischen Vorrichtungen
haben auch tatsächlich im gegenwärtigen Feldzuge
den Beweis ihrer Verwendbarkeit erbracht. Als wesent-
lich den Zwecken der Entlastung des Beobachters
dienend, wird seitens einer hiesigen Firma, Friedrich
May, Wien, I., ein neuer tee empfohlen, der die
Aufzeichnung aller durch Worte oder Zahlen aus-
drückbarer Wahrnehmungen automatisch, ohne Be-
lästigung des Beobachters vornimmt. Hiedurch wird
dem Beobachter die Möglichkeit geboten, seine Beob-
achtungen rascher als durch Niederschrift, mit Ge-
dankenschnelle, dauernd festzuhalten, während seine
Hände für andere Operationen freibleiben.
Die oben eingefügte Illustration zeigt einen der-
artigen Apparat im Gebrauche an Bord eines Flug-
zeuges. Der Apparat, der äußerst kompendiös gebaut
ist und demgemäß im Führerraume des Flugzeuges
leicht untergebracht werden kann, bedient sich des
Phonographenprinzipes, gehört also zu den mechani-
schen
lichen Leben als Diktiermaschinen begegnen. Hiebei
werden die seitens des Beobachters oder Lenkers
gesprochenen Wahrnehmungen durch ein mit ent-
honographen, wie wir sie häufig im geschäft--
sprechendem Mundstück versehenes Rohr gesammelt
und zu einer empfindlichen Membrane geleitet, die
hierauf in Schwingungen gerät. Diese Schwingungen
werden genau so wie beim Phonographen durch ein
feines Hebelwerk auf eine Nadel übertragen, die die
entsprechenden Bewegungen in Form feiner Ritze auf
eine Wachswalze überträgt. Eine Wiedergabe der
Stimme, resp. der in den Apparat hineingesprochenen
Worte ist dann jederzeit möglich. Man hat es in
diesem Falle nur dann nötig, die Wachswalze durch
ein Uhrwerk oder durch elektrischen Antrieb in
Rotation zu versetzen, worauf die Wiedergabe der
Worte nach dem Grammophonprinzipe erfolgt. Eine
nähere Beschreibung des Apparates dürfte sich also
erübrigen. Wiewohl seine große Zweckmäßigkeit ja
nicht zu leugnen ist, so wird er Papier und Schreib-
stift auf dem Flugzeuge doch nicht überflüssig machen
können. Denn in den meisten Fällen wird sich die
Notwendigkeit ergeben, die gesprochenen Worte durch
anschauliche Terrainskizzen etc. zu vervollständigen.
Gerade hier aber tritt seine hohe Zweckmäßigkeit be-
sonders deutlich vor Augen, denn der Beobachter kann
beide Tätigkeiten nunmehr gleichzeitig vollführen,
d. i. seine Beobachtungen in Form gesprochener Worte
der Wachswalze überantworten und sie gleichzeitig
auch durch eine Handskizze illustrieren.
Dem Vernehmen nach soll sich der vorstehend
kurz charakterisierte Apparat tatsächlich nach jeder
Richtung hin bewährt haben.
Der See- und Luftkrieg im Nordseegebiet sowie im Nordmeer.
Von Wilhelm Krebs (Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen).
1915.
Juni 5.: Ein sehr großes deutsches Unterseeboot
vor Newcastle (Tyne) gesichtet.
j 5.: Das deutsche Tauchboot -U 14« wird auf
der Nordsee unter 57° 16 nördlicher Breite
im Kampfe mit fünf bewaffneten britischen
Fischdampfern in den Grund gerammt.
Juni 7.: Ein deutscher Luftkreuzer wird zwischen
Gent und Brüssel von dem britischen
Flieger Warneford überflogen und durch
Bombenwurf in Brand gesetzt.
4 10.: Die englischen Torpedoboote Nr. 10 und
Nr. 12 werden von deutschen Tauchbooten
versenkt. (Nordsee ?)
: Ein Zeppelinkreuzer vernichtet durch
Bombenwiirfe die beiden britischen Fisch-
dampfer »Welfare« und »Laurentian«
30 Seemeilen von Nieuwe Waterweg an
der holländischen Küste.
: Der Dampfer »Arendale« fällt auf dem
Seewege nach Archangel im Nordmeer,
13 Seemeilen von Cap Orlow, einer
Minenexplosion zum Opfer.
Britische Schlachtflotten von 30 und von
20 Einheiten halten auf den Walfang-
gründen bei Spitzbergen SchieBübungen ab.
: Hull wird mit zerstörendem Erfolg von
zwei Zeppelinkreuzern bombardiert.
: Im Weißen Meer werden treibende Minen
gesichtet.
: Fischmangel seit Mai 1915 wegen des
Tauchbootkrieges wird aus England und
Frankreich berichtet.
: Zeitungen berichten, daß ein deutsches
Tauchboot zwei feindliche Dampfer als
Prisen nach Cuxhaven brachte.
Zeppelinkreuzer bombardieren bewaffnete
Plätze und Militärwerkstätten an der
Nordostküste Englands, besonders bei
Newcastle und Shields.
: DieLuftschiffhalle bei Brüssel wird vonzwei
feindlichen Flugzeugen aus bombardiert.
» 121855
„ 16./17.:
=
187
: Zeitungen berichten, daß bei einem eng-
lischen Fliegerangriff auf der Nordsee die
Insassen zweier, auf die Wasserfläche
herabgegangenen Flugzeuge diese ver-
ließen und sich in ein britisches Tauchboot
flüchteten.
Deutsche Flieger unternehmen eine Er-
kundungsfahrt über Dünkirchen.
: Drei oder vier deutsche Fischdampfer aus
Geestemünde werden beim Fischen in
der Nordsee, etwa 8 Seemeilen westlich
Hanstholm, von einem britischen Tor-
pedoboot überrascht und zerstört.*)
: Im englischen Unterhaus legt ein Mit-
1 5 eine Statistik der Luftangriffe auf
ngland vor, die aber, wenn die an
sich schon widerspruchsvollen Zeitungs-
berichte richtig melden, an schr auf-
fallenden Fehlern leidet.
Juni
a 22.:
*) In meinen Vorschlagen zur Kriegsorganisation der
deutschen Seefischerei, die seit Oktober 1914 vor allem in der
Deutschen Nautischen Zeitschrift »Hansa- unter W. K. er-
schienen, war mit aller Entschiedenheit von deutschen
Fischereiunternehmungen in den der britischen Kriegsmarine
zugänglichen Meeresteilen abgeraten. Vielmehr waren die von
der deutschen Kriegsmarine beherrschten Teilgebiete der Nord-
und besonders der Ostsee für solche Unternehmungen vor-
geschlagen und ihre derzeitige große Ergiebigkeit aus meteoro-
logischen und fischereistatistischen Gründen erwiesen.
Glacialkosmogonische Beiträge zur Erdbebenforschung.
Die gebirgsbildenden Kräfte der geologischen Vergangenheit und — Zukunft.
Von H. Hörbiger.
V. Fortsetzung.
Bezüglich der in den verschiedenen diluvialen
Niederungen Deutschlands sporadisch daliegenden
großen Steinblöcke, die schon Goethe »liegen lassen
muBte«, nachdem er sich an ihnen bereits »zu Schanden
gedacht« hatte, müssen wir sogar den von uns
ansonsten allenthalben scharf bekämpften, alten,
englischen Geologenverführer Lyell rechtfertigen;
denn seine Eisdriftheorie auch dieser isolierten
erratischen Blöcke wird von den modernen
geologischen Flutleugnern als längst endgültig abgetan
erklärt. Es ist geradezu ein Verhängnis, daß wir
gerade in jenen »Principies of geology« für und
gegen Lyell stimmen müssen, in welchen die
moderne Geologie umgekehrt bereits gegen und
für ihn »entschieden« hat. Man bedenke aber, daß
Lyell nicht etwa als praktisch anwendender Physiker,
Mechaniker oder Wassertechnologe oder wenigstens
als Berufsgeologe an die Probleme der zu seiner
Zeit noch in den Kinderjahren stehenden Geologie
herangetreten ist, sondern als englischer — Jurist!
Ein solcher kann zur Beurteilung der durch Lyell
für die heutigen Geologen so bindend »ent-
schiedenen« Fragen auch heute gar nichts
anderes mitbringen als höchstens Arbeitslust, wissen-
schaftliches Interesse, juridische Überredungskunst und
last not least unbewußt auch ein hohes Maß echt
englischer e durch die
sich die ahnungslosen neueren Geologen Mitteleuropas
derart gefangen nehmen ließen, daß eine allgemeine
Umkehr erst in den jüngeren Geologengenerationen des
künftigen Weltfriedens zu erwarten sein dürfte. Von
mechanischem Gefühl und Spürsinn zur Wahrheits-
aufdeckung grobphysikalischer Erdenvorgänge
bringt der Jurist auch nicht die leiseste Spur mit
— der erfahrene Jiinger des allgemeinen Maschinen-
baues, Sowie des Berg- und Hiittenwesens von heute
dagegen alles, wenn er sich zugleich bemüht, das
wesentlichste des objektiv gesammelten geologischen
Er nn en ee u nn en LU nn nn
Oh schwarzer Diamant! — Du brennender Stein!
Oh bleib’ uns zur Hand! — Enthüll' ich dein Sein.
Oh vertief' ihre Schand! — Entscheid' uns're Pein!
Oh straf’ Engeland! — Our Sieg sei auch dein!
Dr. Faust.
Tatsachenmaterials sich zu eigen zu machen. — Und
»was du zu finden hoffst, mußt du mit-
bringen«, sagt Tannen, »sonst suchst du
vergebense«el
Bezüglich des L6B schien es allen älteren
Geologen der vorigen Jahrhundertmitte ohneweiters
selbstverständlich, daß es sich hier um ein Produkt des
buchstäblich zuverstehenden »Diluviums« (Große
Flut) handelt. Da kam aber in den Siebzigerjahren
der vielgereiste und ansonsten gewiß verdienstvolle
spätere Bonner Geologieprofessor Freiherr Ferdinand
v. Richthofen den geologischen Flutleugnern mit
seiner >dolischen Lößtheorie« entgegen, die er
in den Schluchten der großen chinesischen Löß-
lager »entdeckt« haben will. Wir erteilen hier vor-
läufig dem heutigen Bonner Kollegen v. Richt-
hofens, Prof. Pohlig*), einem vereinzelt dastehenden
Diluvialgelehrten heutiger Zeit das Wort, um
unsere eigenen fluviatilen Lößgründe später
ausführlicher darlegen zu dürfen:
»Mit Verwunderung werden die vorurteilsfreien
Nachkommen eine Hypothese betrachten, die von
China her über die Entstehung unseres LoB aufgestellt
worden ist, die man die 4olische genannt hat. Durch
die Einbildungskraft eines glänzenden Geistes lebens-
fähig gemacht, ist sie durch dessen diplomatisches
Genie und seine Suggestionskraft, auch für begabtere
Naturen — leider freilich wohl auch teilweise durch
Strebertum und Liebedienerei anderer — zur all-
gemeinen Geltung und längerer Lebensdauer gelangt,
als gut ist. Die blendende Kühnheit dieser Hypothese
nahnı die Geister gefangen; allerseits bemühte man
sich, Beweismaterial herbeizuschaffen.«
Für solch schmeichelhafte Vornehmheit, mit der
sich da die Geologen untereinander bekämpfen, haben
wir insbesondere jetzt als »Barbaren« im Weltkriege
zwar kein Verständnis, dennoch werden wir nicht
0 Hans Pohlig:
ee 1907.
»Eiszeit und Urgeschichte des
188
ermangeln, uns gelegentlich noch weiter auf denzitierten
Richthofengegner zu stützen. Vorläufig machen wir
es kürzer, gerader und aufrichtiger: Die äolische
Lößtheorie ist barer Unsinn! Der geneigte
Leser beobachte einmal die auffallende Schichtung
mit eingesprengten Grobkornhorizonten der nieder-
österreichischen Lößlager in ihren Talschluchten und
— Weinkellern. Zugleich sei abermals ausdrücklichst
betont, daß die Urschuldanderv.Richthofenschen
Lößtheorie wieder nur der englische Quietist Lyell
zu tragen hat. Wir kommen gelegentlich darauf zurück
und lassen da vorläufig unsere Fig. 10 allein weiter-
sprechen, sofern wir sie gesprächig machen konnten.
Und was nun schließlich die im sibirischen
Schlammeisboden teils herdenweise liegend, teils
mitunter auch einzeln in aufrechter Stellung ein-
gefroren vorgefundenen Mammutkadaver betrifft, so
ergibt sich die Lösung dieses Problems aus unserer
Fig. 10 jetzt wie folgt: Die von der großen Tertiär-
Sintflut-Ringwelle am Rande des Inlandeises mittlerer
Breiten der Fig. 10/F überraschten Tiere erreichten
teils eisflößend, teils mit der Strömung schwimmend
im hochgradig erschöpften und tiefschlaftrunkenen
Zustande endlich die polaren Gefilde der Flutumkehr
von Fig. 10/K und Dorten zufällig einzeln bald
Grund unter den Füßen verspürend, verfielen sie, teils
auf allen Vieren stehend, teils auf den Hinterbeinen
hockend und durch den über Schlammflutniveau
gehaltenen Rüssel und Kopf atmend, alsbald in den
tiefsten Schlaf, aus dem es dann kein Erwachen mehr
gab. Denn langsam senkte sich Rüssel und Kopf ein-
schlafend in die ersäufende Schlammflut, die sich in
der eventuell winterlichen und nordisch-nächtlichen
Kälte nach Beruhigung sofort dick zu über-
krusten begonnen hatte, und somit den in Ruhe mehr
erfrorenen als ersäuften Dickhäuter am Umfallen
hinderte. Die nachfolgenden, an Intensität abnehmen-
den Reflexionsringfluten der Fig. 10/M breiteten
dann noch einige besser konservierende Schlammeis-
schichten über sein Heldengrab. So finden wir also
Jahrmillionen (vielleicht auch nur Jahrhunderttausende)
später diese stummen Zeugen einer großen Flut der
Fig. 10 im sibirischen Bodeneise eingebettet mit teils
noch genießbarem Gefrierfleisch und chemisch analysier-
barem Magen- und Zahnlückeninhalt. Zur größten
Verwunderung unserer Paläontologen erweist sich
meist auch der Rüssel dieser Gefriermammute als
ganz schlammerfüllt, was jetzt nach der geschilderten
Erstickungstodesart ohneweiters verständlich wird.
Unsere modernen flutleugnenden Geologen aber
versichern, daß alle diese Eiszeitdickhäuter
dort auch herdenweise gelebt haben
müßten, wo wir sie heute eingefroren
finden. Der geneigte Leser vertraue trotz-
dem unserer Fig. 10.
Ehre sei aber dem Andenken des ausnahmsweise
sehr deutschfreundlichen französischen Paläontologen
Baron Georges v. Cuvier, an dem wir mittel-
europäische Barbaren noch vieles gut zu machen
haben werden. Er ist der von der modernen Lyell-
gefolgsamen Geologie längst »abgetanene« Hauptver-
treter der sogenannten »Katastrophenlehre«
in der Geologie; ein Begriff, dem erst die Glacial-
kosmogonie Form und Inhalt gibt. Cuvier hat
u. a. auch an diesen aufrechten Mammutkadavern
Sibiriens seine allerdings unklaren »Erdumwälzungs«-
Ahnungen zu verwirklichen gesucht, um aber durch
den ersten Katastrophenleugner Lyell alsbald
überstimmt zu werden. Wir hoffen indessen, Cuviers
glorreiche Auferstehung feiern zu köunen, wenn wir
jetzt daran gehen, in den aufrechten Wurzelstöcken
und Baumstumpfen einzelner Steinkohlenflötze ein
Pendant zu diesen aufrechten Mammutkadavern zu
liefern, das abermals nur durch kataklysmatisch-
periodische Flutvorgänge — diesmal aber wieder
durch solche der Fig. 7 bis 9 restlos erklärt und
überzeugend glaubhaft gemacht werden kann.
Zur Lösung dieser ungemein reizvollen Aufgabe
müssen wir uns jetzt dem (trotz Lyell und Sueß) immer
noch so geheimnisvollen Grundelement der Ge-
birgsbildung: der geologischen Schicht, im
Detail zuwenden, nachdem wir den prinzipiellen
Vorgang des glacialkosmogonischen Schichtbaues ja
schon auf den letzten Seiten unseres Maiaufsatzes
annähernd kennen gelernt haben. Wenn wir da
von einem geologischen Geheimnis sprachen,
so bezieht sich das natürlich nicht auf die plutoni-
sche Schicht, wie etwa die vulkanisch angeschüttete
Aschenschicht des Vesuvkegels oder die erstarrten
Lavaschichten des Atna, deren Bildungsvorgang ja auf
der Hand liegt. Allerdings gibt es auch plutonische
Schichten, die abermals nur kataklysmatisch
erklärt werden können, wie z. B. die bereits erwähnten
Intrusionen und Lakkolithen, ferner granulierte
Schlacken- und massive Lavaschichten, die oft fern
von heute tätigen Vulkanen daliegen. Selbst zur
Deutung des Basalts, der Granit- und Porphyrmassen
und anderer plutonischer Gebirgsmassivs bedarf es
des von den heutigen Geologen rundweg geläugneten
Kataklysmus. Knappheit an Raum und Zeit ver-
bieten es uns aber jetzt hiebei zu verweilen. Unser
diesmaliges Ziel ist das kataklysmatische Geheim-
nis der neptunischen Schichtbildung. Anstatt
aber da eine ausführliche systematische Schichten-
klassifikation vorauszuschicken, empfiehlt es sich der
Kürze halber als Schulbeispiel sofort den kompli-
ziertesten Fall zur Erprobung der problem-
lösenden Kraft unserer Flutfiguren 5 bis 9 des Mai-
heftes zu wählen — und das ist eben:
Die Steinkohlenflötzbildung.
Ein noch immer vollwertiges Problem der geo-
logischen Spekulation! Herausfordernd und genuß-
verheibend, wie kaum ein zweites der gesamten
Himmels- und Erdenerforschung. Ein Angelpunkt nicht
nur der geologischen, sondern vielleicht auch aller
M Weltanschauungen überhaupt! Kein
under also, daß auch der Flugtechniker seine
meteorologische Neuorientierung danach zu richten
haben wird. Wolle sich der geneigte Leser durch
aufmerksame Mitarbeit überzeugen, daß wir da keines-
wegs übertreiben.
»Manche ungelöste Frage knüpft sich an die
Entstehung der Steinkohlenflétze. — Obwohl viele
Tausende Menschen bei Tag und Nacht in den Flötzen
arbeiten und viele scharfsinnige Beobachter durch
ihren Beruf veranlaßt sind, ihr Leben hindurch diesen
Ablagerungen ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden, ist
die Entstehung der Flötze doch wohl keineswegs
aufgeklärt.« (Antlitz der Erde, 11/298, 306.)
Und so ist es in der Tat: Weder Lyells »Delta-
theorie« oder seine langsamen Hebungen und Senkungen
des Landes, noch die eustatisch erklärten »Trans-
pressionen« des Wiener Altmeisters vermögen diese
geologische Sphinx zum gemeinverständlichen Sprechen
zu bringen. Und am allerwenigsten hat der zuletzt
auf den Plan getretene, ansonsten hochverdienstvolle
Berliner Paläobotaniker Prof. Dr. H. Potonie*) mit
seiner Moortheorie dieses Rätsel gelöst, wie er
uns glauben machen will und wie wir der belehrenden
Gegensätziichkeit und des leichteren Verständnisses
halber an den Darstellungen seines Jüngers Bölsche**)
zeigen wollen. Auch Dannenberg hat in seinem
mehr beschreibenden Buche ***) den »Geologischen
Bedingungen der Steinkohlenentstehung«
samt dem strittigen Gegensatze zwischen Auto-
chthonie (bodenständige Flötzbildung) und Allo-
chthonie (Anschwemmungstheorie) besondere Kapitel
gewidmet, ohne den anspruchsvolleren Praktiker, den
*) Potonié: -Die Entstehung der Steinkohle und der
Kaustobiolithe überhaupt.« 1910.
**) Bölsche: Im Steinkohlenwald.« Populäre -Kosmos--
Ausgabe. Stuttgart.
5 1 Dannenberg: Die Geologie der Steinkohlenlager-,
erlin.
Kohlenbergmann, befriedigen zu können, wie wir uns
gelegentlich der Aufstellung verschiedentlicher unter-
irdischer Grubenpumpen mehrfach überzeugen konnten.
Und diese drei Autoren bringen uns ja (Potonié
und Dannenberg »streng wissenschaftlich«, Bölsche
po zusammenfassend) nebst den historischen
aten der Steinkohlenforschung auch das Allerneueste
und vermeintlich Endgültigste hierüber.
Nach den historischen Rückblicken Potonies fehlte
es zu Anfang des vorigen Jahrhunderts sogar auch
nicht an solchen Gelehrten, die eine anorgani-
sche Bildungsweise der Steinkoble zu vertreten
suchten: Irgend welche in der Natur vorhandenen
Flüssigkeiten könnten etwa imstande sein, durch
Imprägnation Stein in Kohle überzuführen, wie etwa
Holz in Stein — Luft könnte durch Verdichtung zu
Wasser, Erde und Stein werden — und ähnliche
Märchen. Uber diese Gelehrtenkindereien sind unsere
heutigen Steinkohlenforscher natürlich längst hinaus
und wir mit ihnen. Obwohl die tiefer erschürfte Stein-
kohle schon ganz pechartige Struktur aufweist und
weder im Dünnschliff noch auf der Ätzfläche durch
faserige Struktur eine vegetabilische Herkunft verrät,
so sind wir aus Blatt-, Rinden- und Zweigabdrücken
im Nebengesteine doch schon längst alle fest davon
überzeugt, daß es nur vegetabilische Stoffe sein
konnten, die das Baumaterial zu den Steinkohlenflötzen
geliefert haben mußten. Der Streit dreht sich heute
um andere Dinge.
Schon die ältere Schreibweise »Flötz« besagt,
daß die früheren Kohlenbergingenieure, ohne sich um
geologische Hypothesen zu kümmern, der geradezu
selbstverstandlichen Anschwemmungstheorie, also
der damals noch nicht so genannten Allochthonie
das Wort redeten: Das Material wurde heran-
gefloBt, daher »Flötz«. Die unter Lyells unheil-
vollem Einfluß ganz systematisch und tendenziös
betriebene geologische Katastrophenleugnung,
die Sintflut- und Flutenleugnung der neueren Zeit
überhaupt hat es nun aber mit sich gebracht, daß
auch die Steinkohlenflötze ebensowenig angeflößt
sein dürfen, wie die obenerwähnten LéBlager oder
der sibirische Eisschlamm, in welchem aufrechte
Mammutkadaver hocken! Diese Steinkohlenflötze
müssen daher im Sinne der neuesten geologischen
Irrlehren dorten als Wälder und Sumpfmoore ge-
wachsen sein, wo wir heute die Steinkohle aus der
Tiefe heben! Diese neuere bodenständige Steinkohlen-
theorie oder Autochthonie hat also nach Lyells
Vermächtnis über die ältere, die längste Zeit als
selbstverständlich gegoltene Allochthonie gesiegt!
Sogar ehemalige Allochthonisten, wie der berühmte
französische Steinkohlengeologe und Bergingenieur
Grand’Eury in St. Etienne, sind über Zureden
Potonies später ins autochthonistische Lager über-
gelaufen. Alle diese Lyell-verführten Renegaten und
späteren promovierten Autochthonisten, Spezialisten
und geologischen Quietisten, Katastrophen- und Flut-
leugner wollen wir aber an Hand unserer diesmaligen
Figuren 11 und 12 höflichst einladen, reuigst zur
Allochthonie und zu Cuvier zurückzukehren,
sofern es sich nicht um die wenigen Steinkohlenlager
handelt, in welchen der durch unsere Oszillations-
fluten (Fig. 7) bodenständig eingebettete Wald-
oder Moorboden mit Händen zu greifen ist.
Nur solche einflötzige Kohlenlager, wie etwa das
Braunkohlenvorkommen im Tagbau von Senftenberg
in der Niederlausitz*), mit genau identifizierbaren
Wurzelstöcken der tertiären Sumpfzypresse (ähnlich
den heutigen Sumpfzypressenwäldern der nordameri-
kanischen Swamps) können als bodenständig
eingebettete, also als autochthon gebildete Kohlen-
bänke gelten. Wo aber das Profil eines Steinkohlen-
gebirges mit oft Hunderten von Flötzen, gleich den
Linien eines Notenblattes, durchzogen erscheint, da
müssen wir die in unserer Fig. 11 und 12 schematisch
) Abel: -Bau und Geschichte der Erde.- 1909. Seite 71.
189
versinnlichte, fabriksmäßige, kataklysmatische
Flötzanschwemmung zu Hilfe nehmen, wenngleich
auch das Senftenberger Braunkohlenlager nur kata-
klysmatisch eingebettet worden sein konnte. Aber
auch diese letztere Einbettung könnte auf zweierlei
Art erfolgt sein, nämlich »transgressiv«, das ist
durch die Transgressionen unserer Fig. 8 und
9/B bis D, oder diluvial, das ist durch die Mond-
auflösungsflut (Diluvium) der Fig. 9 und 10/F bis M.
Das wird der formationskundige Geologe natürlich
leicht entscheiden können, wenn er das Deckgebirge
eines solchen Vorkommens untersucht. Besteht näm-
lich dasselbe aus auffallend geschichtetem und
gut erhärtetem Gestein von größerer Mächtigkeit, wie
z. B. das Deckgebirge des nur scheinbar einheitlichen
Kladnoer Flötzes, so liegt notwendig die trans-
gressive Einbettung vor. Ubrigens erweist sich
dieses berühmte Flötz selbst auch als unzweifelhaft
transgressiv angeschwemmt, also als ein alloch-
thon gebildetes, ungemein lehrreiches Schulbeispiel,
auf das später einmal ausführlich zurückzukommen
sich lohnen dürfte. In Neumayrs Erdgeschichte wird
dasselbe natürlich als autochthon end be-
schrieben, was für uns den Reiz der Untersuchung
nur erhöhen kann. — Ist ein solches Deckgebirge
dagegen von geringer Mächtigkeit, unerhärtet und nur
Ban: unauffällig dicker geschichtet, so darf auch der
ormationsunkundige auf diluviale Einbettung
und autochthone Kohlenbildung raten, wenngleich
auch das letztere nicht mit voller Sicherheit. Denn
auch im Diluvium können in höheren Breiten
größere vegetabilische Schwimmstoffmengen in Mulden
abgelagert und mehrfach diluvial überschichtet
worden sein. Sogar auch ein Zwischending zwischen
ausgesprochen diluvialer und ausgesprochen trans-.
gressiver Einbettung stellen unsdie stationärferneren
Stadien AA’ und E’E der Fig. 8 zur Verfügung, falls
uns das eine oder andere Kohlenvorkommen in Ver-
legenheit bringen sollte. Als bestimmt diluvial einge-
bettet dürfen natürlich alle im L6B auffindbaren
Tierknochen u. dgl. gelten, gleich den beschriebenen
sibirischen Mammuten und Rhinozerossen — und auf
alle Fälle geschah alles dies nur auf kataklysmati-
schem Wege, denn eine solcherart konservierende
Einbettung gibt es im Alluvium, also unter heute
beobachtbarem geologischen Kleingeschehen
überhaupt nicht.
Schon nach dem Bisherigen muß es uns ohne-
weiters klar sein, daß ein vielflötziges Kohlengebirge
(wie etwa das Ostrau-Karwiner, das oberschlesische, das
rheinisch-westfälische, das Anziner, das St. Etienner
oder das Saar-Kohlenrevier) nur transgressiv —
das heiBt nur durch entsprechend oftmalige Wieder-
holung anndhernd gleicher kataklysmatischer
Überflutungs-Zyklen (Fig. 8 und 9/B bis D oder B' bis D’)
aufgebaut worden sein kann, daher auch durchwegs
nur allochthon gebildete Flötze enthalten darf. —
Nach diesen allgemein ketzerischen Betrachtungen
wollen wir jetzt ein wenig ins Detail gehen.
Die großen Kellereien des bekannten Brauerei-
städtchens Steinbruch bei Budapest sind in einem
durchaus einheitlich locker aufgebauten Kalksteinfelsen
gehauen, der aus bloßen winzigen Schneckenhäuschen,
den bekannten Nummiliten besteht. Nach der
ebenfalls autochthonen, heutigen Auffassung
der Kalksteingenesis wäre also Pannonien etwa im
Eozän dauernd vom Meere bedeckt gewesen und da
hätten diese Nummiliten durch die ganze, vermeintlich
geologisch lange Zeit eine spezielle Vorliebe für
das vielleicht nur wenige Quadratkilometer große
Plätzchen am Ausläufer des Ofner Gebirges gehabt,
um dorten eine alle andere Meeresfauna ausschließende
Nummilitenkolonie zu gründen und Millionen Gene-
rationen hindurch die Schalen ihrer Abgestorbenen
aufeinander zu häufen. Auch solche Bodenständig-
keit oder Autochthonie der Nummilitenfelsenbildung,
solches Eingebornentum und Eingestorbenentum
seiner Elemente müssen wir nun ebenso entschieden
190
leugnen, wie die Autochthonie der beispielsweise -
im Karwiner Revier übereinandergeschichteten Hunderte
von Kohlenflötzen. Diese Nummilitenhäuschen sind
im Wege der kataklysmatischen Horizontal-
sortierung am Sporn des Ofner Gebirgsauslaufes ©
zusammengeschwemmt worden. Was ist das?
So wie wir im Bette eines stark wechselnden
Alpenflusses bei Niederwasser verschiedene Ablage-
rungsstätten, hier von ausschließlich gelbem Grobsand,
dort blauem Feinsand, da braunem Schlamm, driiben
weißem Feinkies, heriiben griinlichem Grobkies u.s.w.
finden und dies unbewußt und selbstverständlich
daraus erklären, daß bei Hochwasser die Strömungs-
geschwindigkeiten und Richtungen mit Rücksicht auf
das vorhandene Relief des natürlichen Inundations-
pobre und auf die unbeständige Gliederung und
enagbarkeit des alluvialen Flach- oder Steilufers an
diesen verschiedenen Punkten eben solche waren,
daß sie jeweils der Ablagerung gerade nur dieser
Korngröße von gerade nur diesem spezifischen Ge-
wichte und chemischen Zusammenhange gerade an
dieser Stelle günstig waren, während das gröbere
und spezifisch schwerere Korn größeren Sinkbestrebens
diesen Punkt nicht erreichte, sondern schon früher
niedersank, das feinere oder spezifisch leichtere Korn
größerer Schwebefähigkeit aber darüber hinaus ge-
schwemmt wurde, um erst etwa hinter einem Ufer-
vorsprung oder Wehrsporn im mehr stagnierenden
ruhigerem Wasserwirbel schön heraussortiert nieder-
zusinken — gerade so, und ähnlich so, ergeht
es auch allen Sink-, Schwebe- und Schwimmstoffen
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Fig. 11.
in den Breitenoszillationen unserer stationären sowie
rück- und vor schleichenden, schreitenden bis eilenden
und rasenden kataklysmatischen Gezeitenflutberge der
Fig. 8 und 9/B bis D oder auch A bis E und Fig. 9
und 10/F bis M.
Nur werden diese Schwebe- und Sinkstoffe des
auch reichlich mit vegetabilischen Schwimmstoffen
beladenen, kataklysmatisch bewegten und oszillierend
über die Kontinente geschleppten Meeres nicht bloß
aus den Denudationsprodukten der Kontinente und
des aufgewühlten und auch in den felsigen Partien
angenagten Meeresbodens bestehen, sondern auch
reichlich mit zoogenen und phytogenen Kalk- und
Kieselprodukten durchsetzt sein und unter diesen
werden natürlich auch die Num milite n häuschen
ebenso figurieren, wie verschieden große andere
Schnecken-, Ammoniten- und Muschelgehäuse, Krusten-
tierschalen, Korallentrümmer, Stielglieder der See-
lilien u. dgl. Obwohl also diese durchschnittlich
erbsengroßen Nummilitenhäuschen bei geringem spe-
zifischen Gewichte im bewegten Wasser eine große
Schwebefähigkeit besitzen, so werden sie doch nicht
mit den Schlamm- und Schwimmstoffen täglich bis in
äußersten polnäheren Partien der jeweiligen Tages-
Oszillations-Ebbegebiete getragen, sondern schon
früher an Stellen, wo ihrem Sinkbestreben entsprechende
Strömungsverhältnisse herrschen, wohl heraussortiert
abgelagert. Daher fehlen auch Nummilitenkalke
im nördlichen Europa und sind dafür im Süden
häufiger, wie bei Neumayr (Erdgeschichte, 11/366)
zu lesen ist — und daher bilden auch die Fundorte
hLast u.Druckhilze
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ystrieb und Verk ohlun
V 1880
Endzusland des Kohlen-F lözbaues nach Ablauf derMondauflosung, .GrossenFluth'u Eiszetlen
Je eine ades leferu nach
Schematische Versinnlichung des glacialkosmogonischen Aufbaues einer geologischen Schichtserie in ihrer
kompliziertesten Form: Der zahlreichen Wechsellagerung von Tonsandstein oder Schiefertonschichten mit dünnen Steinkohlen-
flötzen unter der weiteren Komplikation durch in verschiedenen Etagen übereinander eingebettete, aufrechtstehende Wurzel-
stöcke von tropischen Bäumen in den nicht abbauwerten Distrikten der Kohlenbergwerke höherer Breiten. Die Figur
stellt den Vorgang der Kohlenflötz- und Taubgestein-Sedimentierung in zwei verschiedenen extremen Baustadien dar: Links
der Erstzustand der Sedimentierung zur Zeit der soeben erfolgten Ebberückstand-Erstarrung je dreier aufeinander gefolgter
Flutberg-Breitenoszillationen, und rechts der Endzustand von 11 solchen täglichen Breitenoszillations-Ebberückständen nach
erfolgter Setzung, Auspressung des Eisschmelzwassers und Verkohlung der einzelnen Schwimmstoffschichten durch die Be-
lastungs-Kompressionshitze unter hermetischem Luftabschluß. Im Erstzustande besteht jede T ageslieferung nach erfolgter
Beruhigung, Heraussortierung der Sink- und Schwimmstoffe nach ihrem spezifischen Gewichte (im Texte als Vertikal-
sortierung beschrieben), sowie Klärung und Frosterstarrung des Wassergehaltes aus drei ganz individuellen Schichten:
Einer oberen vornehmlich vegetabilischen Schwimmstoffschicht, einer unteren sandig-schlammigen Sinkstoffschicht und
einer dazwischen gelagerten Mittelschicht aus trübem Eise, während im Endzustande je >de Tageslieferung nur mehr aus Ober-
und Unterschichte besteht, indem ja die Eismittelschichte durch die Kompressionswärme noch vor dem Verkohlungsbeginne
der vegetabilischen Oberschicht und Zementerhärtung der mineralischen Unterschicht herausgeschmolzen und gepreft wurde.
Nötige Flutvorgänge-Ableitung siehe Fig. 3 bis 9 der April— Juni- Hefte. Erweiterung der Schichtserien zu Formationen und Haupt-
formationen siehe Fig. 12 u.f. nebst Haupttext; ebenso Eingliederung des Ganzen in den kosmologischen Zeitstrom der Erdgeschichte.
—
fossiler Pflanzen (unsere kataklysmatischen
Schwimmstoffe) einen derartigen Kranz um den
Pol, daß letzterer nach dem englischen Geologen
Houghton »aus diesem Pflanzenringe ebensowenig
entkommen kann, wie eine Ratte aus einer von Dachs-
hunden ringsumstellten Falle«. (Erdgeschichte, 11/384.)
Das sagt er nämlich jenen mechanisch gefühllosen
Geologen, welche die Rotationspole »leih’ mir die
Scher’« spielen lassen, um die verschiedenen Eis-
zeiten zu erklären. Doch das hier nur nebenbei.
Was wir nun hier am Beispiele der Nummiliten-
kalkbildung gelernt haben, das gilt auch von den
verschiedenen anderen Muschel- und Ammonitenkalk-
bänken, den Korallenkalkgebirgen, den: Sand- und
Tonsandsteinbänken der verschiedensten Korngröße
und natürlich auch von den Kohlenflötzen:
Keine einzige dieser Bildungen ist autochthon —
alles wird katakiysmatisch-allochthon versedimen-
tiert — also auch das vegetabilische Kohlenmaterial.
Die größten Materialvorräte für die Kalkgebirgs-
bildung liefert aber der zoogene Tiefseeschlamm.
Er besteht aus mikroskopisch kleinen Gehäusen von
allerlei planktonartigem Meeresgetier, wie Foramini-
feren, Globigerinen, Radiolarien, Geißelinfusorien,
Nadeln kieselgerüstiger Spongien, kieselschalige Algen,
Diatomeen etc., aber zum geringen Teile auch aus
solarem Eisenschlackenstaub, der bei Korona-
strahlbestreichungen spurweise in unsere Atmosphäre
gelangt und innerhalb geologischer Zeiträume den
roten Tiefseeschlamm liefert. Die moderne Geologie
meint nun, daß durch diese heute mit dem Schlepp-
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Unterschicht=Sandig-sehlammige Sinkstotfe
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netze konstatierbaren Ablagerungen unmittelbar
der Kalkstein gebildet wird, der dann durch
Lyellsche Hebungen des Meeresbodens als Kalkgebirge
emporsteigt. Das alles gibt es aber DICHT, sondern
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nur im Kataklysmus werden alle diese lk- und
Kieselschlamm-Massen aufgewühlt und im Wege der
soeben betrachteten Horizontalsortierung
über die Kontinente, bezw. in den vier die Erde rück-
und vorumschleichenden und umschreitenden, mond-
sichelförmigen Tages-Oszillations-Ebbegebieten ver-
sedimentiert.
Wir beginnen nun schon langsam klar zu sehen:
Nach dieser für unsere Fig. 11 und 12 wichtigen
Horizontalsortierung werden Schwimmstoffe
notwendig nur an den äußeren Randstreifen der ge-
nannten vier Ebbegebiete abgelagert und von den
Sink- und Schwebestoffen kommen auch nur die
feinsten Schlammpartikelchen bis in jene pheripheren
Sedimentschichten, während der allergröbste Sand
schon an der Innenseite dieser Ebbesicheln nieder-
sinkt. Deshalb wird man auch nie (!!) einen gröberen
Sandstein als unmittelbares Nebengestein (Liegendes
und Hangendes) des Kohlenflötzes finden, sondern nur
Tonschiefer, höchstens Tonsandstein oder kalkigen
Tonschiefer, den sogenannten Kohlenkalk.
Es wird also besonders in der meridionalen Oszilla-
tionsrichtung der umschleichenden Flutberge aus
Fig. 7/8 in den einzelnen Schichten ein ziemlich genau
sortierter, allmählicher Übergang von groben Korallen-
und Kalkschalen-Zerreibsel der Meeresfauna über
Grobsand (innen) bis zum Feinsand und feinsten
Diluvium:
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Sedimenläre Oberstufe.
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Sedimentare Unterstufe.
Endzustand des Kohlen-Flözbaues nach Ablauf derMondauflösung, Grossen Fluth’und Eiszeit
—
Je eine-
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Fig. 12. Schematische Versinnlichung des glacialkosmogonischen Aufbaues einer geologischen Einzelformation in ihrer
denkbar kompliziertesten Form: Eine kalkige Mittelstufe auf einer in be hg Sgr zahlreiche Kohlenflötze führenden
sedimentären Unterstufe, überlagert von einer ebensolchen Oberstufe, darüber ein Eiszeitgebilde (angeschobenes Kon-
glomerat) und das Ganze abgedeckt durch eine grobgeschichtete diluviale Bildung. — Der Vorgang ist auch hier in zwei
extremen Baustadien dargestellt, und zwar links Erstzustand und rechts Endzustand, ganz im Sinne der Nebenfigur 12 und deren
Untertextes. Die hier schematisch versinnlichte »Tiefseeformation- wird in Wirklichkeit nicht derart isoliert vorkommen, und zwar
vielleicht am allerwenigsten als reiche Kohlenflötze führend; d.h. sie wird weder unmittelbar auf altem Unterbau auflagern, noch
ebenso unmittelbar von je einer glacialen und diluvialen Bildung überlagert erscheinen — sondern es werden stets mehrere solcher
Formationen, wenn auch nicht alle Kohle führend, in verschiedener Mächtigkeit und in verschiedenem Grade des Wiederaufgelöstseins
mit Eiszeitgebilden wechsellagern, sofern nicht inzwischen eingetretenes Weggleiten eines oder mehrerer Schichtkomplexe diese
8 noch weiter gestört hat. — Die in ihren Ursachen leicht erkennbare Faltung obigen Endzustandes über dem Relief
des alten Unterbaues darf als -Setzfaltung- angesprochen werden, im Gegensatze zur viel wichtigeren »Gleitfaltung« der
Fig. 7, welch letztere jedesmal dann eintritt, wenn bei tangentialem Flutkraftangriff (Gleitzone der Fig. 6) und entsprechend ebenem
Unterbau die Aufeinanderschichtung so hoch gediehen ist, daß die untersten Schlammschichten durch Belastungs-Kompressions-
wärme auftauen und so den darüber lagernden Schichtkomplexen soweit als Schmiermaterial dienen, daß sie in ein gletscher-
artiges A 181859 können, bis sie an einem Hindernisse unter Mitwirkung des fortdauernden Nachschubes emporsteigen,
sich falten (gleitfalten), überkippen und mitunter sogar überschieben. — Zugehöriges Detail, gen Erklärung der »Flötz-
vereinigung«, Erweiterungen und Eingliederung des Ganzen in die Erdgeschichte vergl. Hinweise in Fig. 11 nebst späterem Haupttext.
192
Schlamm (draußen) stattfinden. Ähnliches wird auch
nach anderen beiläufigen Radialrichtungen der vier
Ebbegebiete erfolgen, so daß man von beiläufig kon-
zentrischen Sichelzonen gleicher Sedimentkorngröße
und -Qualität sprechen kann, obwohl auch in diesen
einzelnen Zonen von der meridionalen Mittellinie aus
ein symmetrischer Ubergang nach beiden Seiten be-
züglich Schichtdicke und Material in irgendeinem
Sinne stattfinden wird.
Nun gibt es nebst dieser Horizontalsortie-
rung auch noch eine für unsere Fig. 11 und 12 ebenso
wichtige Vertikalsortierung, die noch leichter
einzusehen ist: Beim Absetzen im beruhigten oder
nur mehr mäßig bewegten Ebberückstande wird in
der Sinkstoffschichte das dichtere und gröbere Korn
durchschnittlich zu unterst, das feine Schlammkorn zu
oberst, und alles übrige im allmählichen Übergange
dazwischen zu liegen kommen; denn trotz der bereits
durchgeführten Horizontalsortierung wird die zonen-
weise Sedimentkorngröße nicht mathematisch gleich
sein, sondern immer noch feine Unterschiede auf-
weisen, die nun eben im Wege der Vertikalsortierung
zum Vorschein kommen müssen. Eine ähnliche Vertikal-
sortierung muß nun nach Maßgabe des verschiedenen
Auftriebes auch in den bis in die Feinsand- und
Schlamm-Ebbezonen mitgekommenen Schwimm-
stoffen Platz greifen: Die größeren, spezifisch
leichteren Holztrümmer werden nach eingetretener Be-
ruhigung des Ebbewassers sofort obenauf schwimmen,
andere mit geringerem Auftrieb belebte Schwimmstoffe
stellen sich darunter ein und die allerfeinsten Pflanzen-,
Moor- und Humusfasern schmiegen sich zuletzt hinan,
bevor das Ganze in der eiszeitlichen Kälte zu Eis
erstarrt. Denn das wissen wir ja schon aus Früherem,
daß der Kataklysmus in seinen höchsten Stadien
mit einer Eiszeit einhergehen muß.
Damit hätten wir nun so weit vorgearbeitet, um
die Fig. 11/12 zum leichtverständlichen Sprechen zu
bringen. Daher nehme der geneigte Leser jetzt zu-
nächst den Figuruntertext dieser beiden schematischen
Zeichnungen bedachtsam durch und mache sich vor-
erst selbständig seine Gedanken. Wenn er sich dann
mit unseren nachfolgenden allochthonen Aus-
führungen in Übereinstimmung sieht, darf er mit
uns ein »Heurekal« riskieren. Am kurzweiligsten
für den mitarbeitenden Leser wäre es allerdings,
wenn er gleichzeitig das Eine-Mark-Büchlein »Im
Steinkohlenwald« Bölsches (Kosmos, Stuttgart)
durchnehmen wollte. Dieser liebenswürdige Biologe
steht nämlich durchaus auf Lyellschem Boden und
bemüht sich aufrichtigst, Potonies autochthonische
Moortheorie der Kosmos-Leserwelt glaubhaft zu
machen. Viel genauer und aufrichtiger als
Potonié weist er gerade auf jene Schwierig-
keiten des Tatsachenbefundes hin, die sich der
autochthonen Steinkohlengenese entgegenstellen und
konzentriert notwendig seine Bemühungen darauf,
diese Schwierigkeiten zu beheben. Es erweist sich
daher als vorteilhaft, uns durch Bölsche diese
Schwierigkeiten nennen zu lassen, zu sehen, mit
welcher Gewaltlogik er sie zu beheben sucht und wie
sich dieselben aber angesichts unserer Fig. 11 und 12
von selbst verflüchtigen.
Den Kernpunkt des Problems trifft Bölsche
jedenfalls, indem er — gegen die Anschwemmungs-
theorie (Allochthonie) Stellung nehmend — ausruft:
»Es ist doch sonderbar — und es war sonderbar
eigentlich vom Anfang an: daß sich die Flötz-
schicht und die Sandschicht stets so
reinlich geschieden haben sollen bei
der Uberschwemmung. Warum führte das
Wasser offenbar längere Zeit bloß Moorbrühe und
setzte sie als Kohlenmaterial ab, nachher aber ebenso
konsequent bloß Sand, der die Deckschichte liefert?
Warum ging das nicht kunterbunt durcheinander ?«
In der Tat: diese reinliche Scheidung von
Kohlenflötz und Taubgestein, wie sie besonders in
den nicht abbauwerten, zahlreichen, dünnen, durch
ebenfalls nicht sehr dicke Tonsandsteinschichten von-
einander getrennten Steinkohlenflötzen auffällt, ist ein
Rätsel, das vor dem anspruchsvolleren Leser auch
aller nungen Bölsches zu spotten weiß. Diese
reinliche Scheidung, die wir am bequemsten
auf der Kohlengrubenhalde — am klarsten allerdings
in der Grube selbst — beobachten können, macht
ganz den Eindruck, als würde beim Sedimentieren
zwischen den einzelnen Tonschiefer- und Kohlen-
schichten je eine zähe, glattgewichste Segelleinwand
eingelegt, die dann bei der Verkohlung entweder mit-
verkohlt oder sonstwie herausschmilzt. Wie wäre es
also, wenn die Natur hier beim Sedimentieren wirk-
lich eine Scheidewand zwischen Kohlen- und Schiefer-
flötz einlegte, die beim späteren Verkohlen auch wirk-
lich einfach herausschmilzt ?!
Der aufmerksame Leser hat inzwischen wohl
schon aus Fig. 11 und 12 das sich uns von selbst er-
gebende Mittel entnommen, dessen sich die Natur als
solche herausschmelzbare Scheidewand bedient, um
die sonst in der Tat ganz rätselhafte reinliche Schei-
dung der wechsellagernden Kohlen- und Tonsandstein-
schichten zu bewirken: Es ist dies die in beiden
Figuren absichtlich recht drastisch ersichtlich gemachte
Mittelschichte aus mehr oder weniger
trübem Eise, die in jedem täglichen Ebbe-
rückstande der an Hand von Fig. 6, 7 und 9 erörterten
vier Breitenoszillations-Flutwellen nach erfolgter Ver-
tikalsortierung, bezw. Klärung (Aufste ED der
vornehmlich vegetabilischen Schwimmstoffe, Setzung
der sardig- und zoogen- schlammigen Sinkstoffe) und
Frosterstarrung des Ganzen, das sich zwischen
Schwimmstoffschicht (das künftige Kohlenflötz) und
Sinkstoffschicht (das künftige taube Zwischengestein)
eingebaut hat. Diese Eisschicht verschwindet nun bei
erhöhter Belastung durch die sich aufeinanderbauenden
Tagesanlieferungen der täglichen Flutberg-Breiten-
oszillationen, indem sie durch die Belastungs-K o m-
pressionswärme schmilzt und aus den
untersten Schichten in selbem Maße immer wieder
nach oben gedrückt wird, als zu oberst die Schicht-
komplexerhöhung fortschreitet. So kommt also schließ-
lich die untere wohlbegrenzte Schwimmstoffschicht-
fläche unmittelbar auf die nach oben noch besser
eben begrenzte Sinkstoffschicht derselben
Tageslieferung zu liegen, und zwar in so rein-
licher Scheidung, als wäre jede der beiden Schichten
für sich aufgetragen und eben gewalzt worden. Durch
den weiter steigenden Belastungsdruck leidet diese
reinliche Scheidung nicht im geringsten, wohl aber
erhärtet die mit kalkigem Wasser angemachte Schlamm-
und Sandschicht zu Tonschiefer oder Tonsandstein
und die vegetabilische ursprüngliche Schwimmstoff-
schicht verkohlt durch dieselbe Druckwärme unter
hermetischem Luftabschlusse zu Steinkohle wenn der
Druck hoch ist, zu Braunkohle wenn er minder hoch ist;
wobei natürlich auch die seit der Ablagerung ver-
flossene Zeit eine Rolle spielt, und zwar ganz in
selbem Sinne. Die schwer belasteten Anthrazit-
flötze gehören ja auch einem der früheren, und die
leichtest belasteten Braunkohlenflétze dem
jüngsten Kataklysmus an. Ist die Belastung sehr ge-
ring, so gedeiht die Verkohlung nur bis zum Lignit.
So viel vorläufig nur im allgemeinen über die Ver-
kohlungsstadien.
Noch reinlicher muß die Scheidung zwischen der
vegetabilischen Oberschichte der heutigen und der
schlammigen Unterschichte der morgigen Tages-
lieferung ausfallen, indem ja die Flutwelle jedesmal
eine genau ebene, hartgefrorene Schwimmschicht-
obertläche vorfindet, auf die sich der Schlamm der
jeweilig neuen Tageslieferung mit ebenso ebener
Unterfläche niedersetzt. Hier bedürfen wir also keiner
Scheidewand, die nachträglich zu entfernen wäre, um
die reinliche Scheidung von Tageslieferung zu Tages-
lieferung zu erklären, denn jede Tageslieferungs-
oberfläche gleicht nach Beruhigung und Frosterstarrung
an sich schon einer eben gewalzten Fläche.
Im übrigen wolle der geneigte Leser aber be-
achten, daß wir in Fig. 11/12 links die Zwischeneis-
schichte bloß der gröberen Sinnfälligkeit halber in
weitaus größerer Mächtigkeit gezeichnet haben, als zu
solcher reinlichen Scheidung nötig wäre; sie mag
zwar über Mulden oftmals sogar noch mächtiger aus-
gefallen sein, aber die reinliche Scheidung wird auch
dann schon gesichert bleiben, wenn noch während der
Erstarrung der Ober- und Unterschichte die Wasser-
zwischenschichte ganz entwichen ist. Diese Erstarrung
dürfte von unten und oben gleichzeitig beginnen, um
sich dann in der restlichen Wasserschichte zu be-
gegnen. Der Schlammschichte wird vom stark unter-
kühlten Eise der vortägigen Schwimmstoffschichfe die
Flüssigkeitswärme (ca. 80 Kal.) wohl ebenso rasch
entzogen, als letztere von der neuen Schwimmstoff-
schichte nach oben an die Außenluft abgegeben wird.
So kann es also auch vorkommen, daß die beinhart
gefrorene Oberschichte ohne nennenswerte Zwischen-
eisschichte auf die inzwischen auch schon erstarrte
Unterschichte derselben Tageslieferung zu liegen
kommt, ohne daß die reinliche Scheidung irgendwelche
Einbuße erleidet. Oft werden aber auch sehr mächtige
Zwischeneisschichten eingegliedert bleiben, die dann
zu den später zu erdrternden Flötzerveinigungen Ver-
anlassung geben können.
Wo liegt also im Grunde genommen die Ursache
der von Bölsche so richtig gewürdigten reinlichen
Scheidung? Doch in der Gleichzeitigkeit von
Eiszeit undKataklysmus! Ohne Eiszeit würden
die Spuren der über die Erde einhergegangenen
Kataklysmen notwendig ganz anders aussehen, als wir
sie vorfinden : Es würden wohl alle Formationen mehr
diluvialen Charakter haben, wenn wir z. B. den
Profilen der Alpenmasse einen transgressiven
und der Erfüllung der ungarischen Tiefebene einen
diluvialen Charakter beimessen.
Nach der Umkehrbarkeit jeder Gleichung können
wir nun auch sagen: Die reinliche Scheidung
innerhalb der transgressiv abgelagerten neptunischen
Schichten, speziell aber innerhalb des Kohlenflötz-
gebirges, bildet einen mittelbaren Beweis für das Ein-
hergehen einer strengen Eiszeit mit jedem Kataklysmus,
wie dies Fig. 7 ja auch schon illustrieren sollte und
spätere Graphikons noch übersichtlicher machen dürften.
Natürlich widerspricht es ganz den pflanzen-
biologischen Auffassungen Bölsches, wenn wir die
karbonischen Ablagerungen mit einer strengen Eiszeit
einhergehen lassen wollen, weil er in den Karbon-
pflanzen ein universell warmes Erdklima sich
spiegeln sieht. Diesem Irrtum liegt ja gerade die
fälschlich verteidigte Autochthonie der Kohlenflötze
zugrunde. Wenn die üppigen Sumpfgewächse des
nordeuropäischen Karbons wirklich da gewachsen
wären und die Flötze sich wirklich so gebildet hätten,
wie Bölsche es autochthon plausibel zu machen
sich bemüht, dann wäre natürlich eine Eiszeit zur
Karbonablagerungszeit unmöglich. Aber in Wahrheit
sind alle »tropischen Gewächse« der Karbon-
flora auch wirklich in den Tropen ge-
wachsen, wo die Eiszeit gerade in den Niederungen
eine üppige Floraentwicklung nicht hindern konnte.
So fand in den stationär nahen schleichenden Zeiten
der Fig. 8/9 jeder Flutberg das von seinem Vorgänger
vor Jahrhunderten (in stationär nächsten Zeiten viel-
leicht vor Jahrtausenden) wohlgedüngt freigegebene
Terrain je nach Relief immer wieder üppig bewachsen
und teils beurwaldet, bemoort, behumust, betorft vor.
Immer wieder konnte also das Abroden der Urwälder
und üppig beschachtelhalmten und sonst bewachsenen
Siimpfe, das Aufwühlen der vegetabilienhaltigen
Urwaldhumusschichten, der Moor- und Torfmassen, der
submarinen Tang- und sonstigen Algenwälder bei der
Flutbergpassage jedes tropischen Meridiansegmentes
von neuem beginnen, so daß die voranschreitenden
Küstengewässer solcher oszillierenden Flutberge viel-
fach mit vegetabilischen Schwimmstoffen aller Art
(vom feinsten Moospflänzchen-, Moor- und Meeres-
193
algen-Bruchstückchen bis zu Blättern, Zweigen, Rinden,
Stämmen und Wurzelstöcken der größten Urwaldriesen)
dicht bedeckt waren, die schließlich alle in den nörd-
lichen und südlichen mondsichelförmigen Oszillations-
Ebbegebieten in der durch Fig. 11/12 schematich ge-
kennzeichneten Weise zur Ablagerung, Frosterstarrung,
hermetischen Einbettung und ae: gelangen
mußten. Seibstverständlich wurden hiebei Stämme und
ste der Urwaldbäume im stürmischen Flutvorgange
größtenteils zersplittert, zerbrochen und meist auch
zu Häcksel zerkleinert, wenngleich wir auch ziemlich
wohlerhaltene Stammstücke und Wurzelstöcke in den
Kohlenflötzen und deren Umgebung finden.
Trotz des prinzipiell gegensätzlichen Standpunktes
allochthon gegen autochthon) gehen wir also mit
ölsche einig, wenn er von Kohlenschlamm, Kohlen-
brühe, Kohlensuppe, Pflanzensuppe (allerdings er im
ironischen Sinne) spricht, nur daß solche vege-
tabilische Schwimmstoffbrühe auch dicht durchsetzt
sein mußte mit allen möglichen mineralischen und
zoogen-kalkigen und phytogen-kieseligen Schlamm-
massen, die nach Beruhigung des Ebberückstandes
sofort der geschilderten Vertikalsortierung unterworfen
wurden. Trat aber die Frosterstarrung der einzelnen
Tageslieferungen so rasch ein, daß zur reinlichen
Scheidung nicht genug Zeit blieb, so werden wir dort
heute Schieferkohle, Lettenkohle, kurz minderwertige,
magere, tonige, steinähnlichere Steinkohle finden.
Darin besteht also das abgekürzte glacialkosmo-
gonisch-fabriksmäßige Verfahren unserer Kohlenflötz-
bildung, daß wir zur Verwunderung Bölsches tat-
sächlich »Moorbrühe und Sand kunterbunt durch-
einander gewirbelt« täglich über ungeheure Länder-
gebiete schwemmen und dennoch täglich je ein
reinlich voneinander geschiedenes Kohlen- und Ton-
flötz erzielen, weil wir nicht nur das Karbon-, son-
dern überhaupt jede haltbar erhärtende Sedimen-
tierung, wie immer sie der Geologe klassifizieren möge,
trotz des tropischen Rohmaterials nur im not-
wendig mit einer Eiszeit einhergehenden Kata-
klysmus aufbauen lassen können, während
Bölsche eine solche Eiszeit erst unmittelbar nach
dem Karbon gelten lassen will, indem er sagt: »Es
ist gewiß eine Tatsache, die zu denken gibt, wenn
um den Schluß der Steinkohlenperiode eine Eiszeit
über die Erde gegangen ist, die auf der Südhalbkugel
begonnen, dann auf die Nordhalbkugel übergegriffen
zu haben scheint.« In Wahrheit hatte aber die soge-
nannte permokarbonische Eiszeit der Primär-
mondannäherung schon lange vor der Karbon-
sedimentierung eingesetzt, und zwar auf der Nord-
und Südhalbkugel gleichzeitig. So viel also über
die von Bölsche aufgeworfene Frage der »rein-
lichen Scheidung« zwischen Kohlenflötz und
Taubgestein: Sie weist mit unerbittlicher
Notwendigkeit auf einen mit einer Eis-
zeit einhergehenden Kataklysmus hin!
Nun legt Bélsche den Finger noch auf eine zweite
Schwierigkeit des Steinkohlenflötz-Problems : Auf die
in einzelnen Kohlenbergbauen häufig vorkommenden,
aufrecht stehenden Wurzelstöcke und be-
wurzeltenStammstümpfetropischer Bäume.
Und hier sind wir eben bei dem Pendant zu den auf-
recht hockenden Mammuten des sibirischen Schlamm-
eisbodens angelangt. Er findet diese Wurzelstöcke
ungemein gespensterhaft, glaubt sie aber sehr geschickt
als Beweis für die Autochthonie solcher Flötze
auszunützen, Ohne uns überzeugen zu können. Gerade
das Vorkommen solcher aufrechten Wurzelstöcke mit
Stammstümpfen im vielflötzigen Kohlengebirge
beweisen im Sinne der Fig. 11 klar die Allochthonie
der ganzen Flötze. Der aufmerksame Leser hat den
so gespensterhaft anmutenden Vorgang der Wurzel-
stocksedimentierung gewiß schon aus Fig. 11 heraus-
gelesen, wenn er dorten die numerierten Wurzel-
stöcke im Erst- und Endstadium verglichen hat.
Zunächst müssen wir uns vorstellen, daß es sich
um tropische schachtelhalm- und baumfarnähnliche
194
Wurzelstöcke handeln dürfte, die im Stammholze
ein geringeres spezifisches Gewicht haben als in den
Wurzeln; sie werden also im beruhigten Zustand des
Ebberũuckstandwassers mit den Wurzeln ab-
wärts hängend, also in natürlich aufrechter
Stellung schwimmen, wie beispielsweise der Stamm
Nr. 3 in Fig 11 versinnlicht und in solcher Stellung
auch eingefrieren. Verfolgen wir nun gerade diesen
Wurzelstock Nr. 3. Er schwimmt im Erstzustande auf-
recht in der Tageslieferung, die wir die nte nennen,
darunter liegt die n— ite, darüber die n-+ Ite. Im
rechts gezeichneten Endzustande ist die nte Mittel-
schicht verschwunden, die nte Schlammschichte auf
etwa die Hälfte, die nte Vegetabilienschichte auf etwa
ein Viertel der Erstzustands-Mächtigkeit komprimiert
worden. Nachdem diese Kompression nur allmählich
erfolgen konnte, bevor noch eine Verhärtung der
Schichten eintrat, so hatten sich die ursprünglich frei
im Wasser, bezw. im Eise abwärts hängenden Wurzeln
des Stammes Nr. 3 umbiegend und auseinandergreifend
in die nte Schlammschichte hinein versenkt, als würde
er natürlich darinnen wurzeln. Nach oben aber
mußte dieser Stamm während des Kompressions-
vorganges nicht nur die Schlammschichte und Kohlen-
schichte der n+ Iten Tageslieferung langsam durch-
bohren, sondern noch ein gutes Stück in die Schlamm-
schichte der im Erstzustande gar nicht mehr ins
1 fallenden n + 2ten Tageslieferung
dringen. Bedenkt man nun noch, daß die ursprüngliche
Schwimmstoffschichte (eigentlich eine mit lose an-
einander nach oben gestiegenem Vegetabilien-Klein-
material durchsetzte Wasser-, bezw. Eisschichte) nicht
bloß auf das Viertel, sondern vielleicht auf das Zwan-
zigstel bis Vierzigstel der ersttägigen Mächtigkeit
komprimiert wird, die Schlammschichte wohl auch
bis auf etwa zwei bis ein Drittel des Erstzustandes,
so kann ein solcher bewurzelter Baumstumpf bei nur
einiger Länge im Endzustande auch durch mehrere
Etagen hinauf reichen, wenn die Schlammschichten
nicht allzumächtig sind. Um nicht undeutlich zu
werden, aber dennoch sinnfällig zu bleiben, durfte im
Formate der Fig. 11 die Kompression der Schwimm-
stoffschichte nicht so weit getrieben werden und
mußte auch die Mächtigkeit der Sinkstoffschichten
unter dem Durchschnitte bleiben. Wir wissen, daß
sich im Prinzipe gar nichts änderte, wenn inı rechts
ersichtlichen Endzustande die Kohlenflötzdicken nur
ein Viertel oder Achtel — die tauben Zwischen-
schichten ein Doppeltes oder Vierfaches des Gezeich-
neten betrügen. Gleichwohl kommt es in der anderen
Extreme auch vor, daß neben einem 12 Meter mäch-
tigen, homogenen Kohlenflötze ein solches von 1/2
oder lm Dicke einherstreicht, vom ersteren durch
eine Tonsandsteinschichte von nur wenigen Zenti-
metern oder Dezimetern getrennt, wie Ähnliches das
Kohlenflitzprofil im Kladnoer Lagerschachte (Erd-
gesch., 11/568) kennzeichnet.
Es läßt sich an Flötzprofilen kaum etwas so
Extremes denken, daß man dafür nicht auch Beispiele
unter der Erde fände. Durch Lieferung von elektrisch
betriebenen unterirdischen Grubenpumpen hatten wir
wiederholt Gelegenheit, in verschiedenen Kohlenberg-
werken einzufahren, und mit Bergleuten und prakti-
schen Geologen meinungsaustauschend zu verkehren,
und dürfen annehmen, daß die Natur auch für die in
Fig. 11 rechts dargestellte Flötzfolge irgendwo Belege
liefert, besonders bei obbemerktem Spielraum in den
Schichtendicken. Wir dürfen also vom geneigten Leser
volle Toleranz hinsichtlich der Naturtreue unseres
Lernbeispieles der Fig. 11 erwarten, wenngleich die
vertikalen Baumstümpfe nicht leicht irgendwo in ähn-
lich spezifischer Häufigkeit vorkommen werden. Be-
trachten wir das Bild aber immerhin nur als schul-
beispielsweise, schematische Darstellung eines Vor-
ganges, der sehr wohl zum Angelpunkt unserer geo-
logischen und somit auch philosophischen Weltauf-
fassung werden kann, wenn wir ihn einmal durchschaut
und für selbstverständlich befunden haben werden.
Unter dem in unserem Bilde zeichnerisch reduziert
angenommenen Kompressionsverhältnis (etwa 5:1,
wenn man die Enteisung mitrechnet), müßte die linke
Figur schon fünfmal so hoch sein als gezeichnet, um
alle elf Tageslieferungen des rechtsseitigen Endzustan-
des in ihrem Erstzustande zu zeigen. Wir wissen
also, wo wir uns die im linksseitigen Erstzustande
außer Format fallenden Wurzelstécke Nr. 6, 9, 10 und
11 zu denken haben, wenn sie in die gezeichnete
gegenseitige Stellung des Endzustandes gelangen sollen,
besonders wenn wir uns der zwischen den Figuren-
hälften gezogenen Schichten-Korrespondenzlinien be-
dienen. Die auch im Erstzustande noch ins Format
fallenden Wurzelstöcke Nr. 1, 2, 4, 5, 7,8 sind an
Hand dieser Hilfslinien ganz besonders leicht bis in
ihren Endzustand zu verfolgen. Stamm Nr. 11 war zu
lang, er tauchte nach Rücklauf der Hauptflut schon
im Erstzustande mit den Wurzeln bis auf die gefrorene
Schwimmstoffschichtfläche der vorangegangenen Tages-
lieferung und fror daher in schiefer Stellung ein. Was
vom oberen Ende desselben über die n + Ite Schwimm-
stoffschichte ragte, gefror im eiszeitlichen Froste einer
einzigen Nacht bis zu zwiebackähnlicher Sprödigkeit,
um von der nächsttägigen Flutwelle u ar zu
werden. Den längeren Rest finden wir im Endzustande
wegen der ursprünglichen Schiefstellung notwendig
nach einem liegenden Z geknickt und oval gedrückt
vor, wie ja auch ein wurzelloser, horizontal einge-
betteter Baumfarnstamm plattgequetscht werden mußte.
Fig. 11 spricht nun wohl in allen Punkten klar zu
uns und es dürfte daher dem bisher geduldigen Leser
einige Kurzweil bieten, jetzt auch Boölsche über
dieses höchst wichtige, stratiologische Phänomen bis
zum Schlusse zu hören. Was er uns zu sagen hat,
deckt sich vollkommen mit des Paläobotanikers
Potonié diesbezüglicher autochthonen Auffassung,
und enthebt uns daher die liebenswürdige Causerie
unseres Biologen der Mühe, aus Potonies -Die
Entstehung der Steinkohle« die entscheiden-
den Probleme der Steinkohlengenesis und deren
autochthon gebotene Lösungen herauszuheben und
sinnfällig zu gestalten. Wir lesen also bei Bölsche
über diese zweite Schwierigkeit auszugsweise:
»Aber noch eine wunderlichere Tatsache erheischte
Erklärung. — .... Diese Stämme erlaubten sich doch
noch etwas ganz Ärgerliches, das entschieden gar
nicht im Sinne der Anschwemmungstheorie war. Sie
steckten nämlich vielfältig nicht wie ein normales
Stück Treibholz, das die Welle nach langem Herum-
wirbeln endlich im Grundschlamm begräbt, hori-
zontal oder doch ganz regellos nach allen Lagen
und Richtungen hingeschmiegt im Gestein, sondern
sie gefielen sich immer wiederkehrend in einer ganz
bestimmten Situation, die offenkundig auf ein
geheimes Gesetz deutete — aber sicherlich
kein Gesetz des regellos begrabenen Treibholzes.«
Richtig! Ein nach der alten (!!) Schwemmtheorie
(richtiger Lyells Deltatheorie) von einem Strome ver-
driftetes längeres heutiges Stammstück mit Wurzel-
stock würde, irgendwo im Schlamme der seichteren
Deltagewässer abgelagert, also alluvial eingebettet,
immer nur horizontal zu liegen kommen, beson-
ders im als so selbstverständlich supponierten »feucht-
warmen Karbon-Urwaldmoor« der Autochthonisten
Potoniescher — und geologischen Quietisten Lyell-
scher Gefolgschaft. Der glacialkosmologische Kata-
klysmatiker aber, der nur der transgressiven, eiszeit-
lichen Einbettung konservierende Kraft zuerkennt,
sieht in einem solchen hohlen Schachtelhalm-Stamm-
strunk die Spindel einer natürlichen Senk-
wage (Schwimmwage, Ardometer, Gravimeter, mit
dem massiveren Wurzelstocke als Senkgewicht), die
in der beruhigteren Schwimmstoffschichte notwendig
lotrecht schwimmen und eingefrieren muBte; auf-
recht stehend, gleich dem vermeintlich sibirischen
Mammute in der nordischen Diluvial-Schlammschichte,
wie eingangs erwähnt; nur mit dem nicht zu ver-
gessenden Unterschiede, daß letzteres diluvial —
diese natürliche Senkwage aber transgressiv ein-
gebettet wurde.
So sehen wir also in Fig. 11 das geheime
Gesetz Bölsches entschleiert: Es ist das gravi-
metrische Gesetz des als natürliche
Schwimmwage ins eiszeitliche Breitenoszillations-
Ebbegebiet kataklysmatisch verdrifteten und trans-
gressiv eingebetteten, tropischen Schachtelhalm- oder
Baumfarn-Wurzelstockes. — Hören wir jetzt Bölsches
weitere ironisierende Tatsachenschilderung:
Merkwürdige Sachlage: Sollte beim Absetzen
des Kohlenschlammes durch das Wasser einst gerade
ein mitgeschleifter Stamm sich senkrecht aufgebäumt
und so lange in dieser Stellung verharrt haben, bis
ihn die sich auf dem Kohlenbrei lagernde reine
Schlammschicht umgeben und seine Höhlung mit ihrer
später zu Sandstein verhärteten Masse ausgefüllt
hatte? Einmal mochte das als Zufall hingehen. Aber
die Bergleute berichten, daß es Regel sei, immer
wiederkehre! Gelegentlich kamen sechs und mehr
Stämme zum Vorschein, die alle so senkrecht nach
oben, aus dem Kohlenflötz herauf in den Sandstein
strebten! Das war aber nur erst die eine merk-
würdige Beobachtung. Eine zweite betraf nicht die
Decke der Flötzadern, sondern umgekehrt ihren Boden.
Dieser bildete der Schwemmtheorie nach ebenfalls
eine nachmals versteinerte Schlammschicht, die aber
älter war als die aus Kohlenschlamm verhärtete
Fiötzader und bei deren Niederschlag schon das
Fundament abgegeben hatte. (Wir wissen, daß sich
dies in Wahrheit umgekehrt verhält, und zwar nicht
im erhärteten, sondern bloß gefrorenen Zustande.)
»Nun seltsam: Auch dieser Boden schien
doch auch irgend eine unbegreifliche
Beziehung zum Kohlenflötz zu haben:
Aus dem Flötz stiegen gewisse Gebilde in ihn hinein,
die sich mit Spreizung und Gabelung als Wurzeln
großer Waldbäume ergaben. Ganz gewaltig waren
einzelne dieser Wurzelkörper, indem sie trotz ihrer
fragmentarischen Erhaltung als mittleres Stützkreuz
doch schon bis zu 8 Meter im Durchmesser spannten.
Da mochte ein schöner Stamm aufgesessen haben.
Aber wo war dieser Stamm? Seine Ansatzstelle verlor
sich in das Kohlenflötz. Der Wurzelstern lag, genau
wie eine absteigend sich ausbreitende echte Wurzel
im Erdreiche liegt, in der das ganze Flötz tragenden
Gesteinsschicht. Wie sich nach oben zufällig senk-
rechte Stämme beim Niederschlag des Kohlenschlammes
heraufgegipfelt hatten, so mußten hier gerade Wurzel-
enden sich nach unten herabgepreßt haben, und diese
Wurzelenden mußten sich dabei auf eine vollends
mysteriöse Weise in die doch damals schon irgend-
wie tragende Stützschichte noch ganz regelrecht in
korrekter Wurzellage wieder eingegraben haben.«
Der geneigte Leser verstehe hier Bölsche
richtig: Er ironisiert die alte Anschwemmtheorie und
bemüht sich ehrlich, uns verständlich zu machen, was
für allerlei Wunder sich da zugetragen haben müßten,
wenn diese Wurzelstöcke und Baumstümpfe wirklich
herangeschwemmt und nicht an Ort und Stelle ge-
wachsen wären, wie er in Potonies Interesse uns
später glauben machen will. Man fühle doch die
Wärme, mit welcher uns der liebenswürdige Populär-
biologe die Unmöglichkeit einer Allochthonie
solcher Wurzelstockeinbettungen in original-sokrati-
scher Ironie einzureden sich bemüht, dabei aber
unbewußt das dialektisch-rhetorische Kunststück
vollführt, einen Detailvorgang unserer Fig. 11 in einer
so lebendig überzeugenden Weise zu schildern, wie es
uns auf dem Wege trockener Zeichnungsbeschreibung
kaum jemals gelungen wäre. Nur eine kleine Richtig-
stellung ist da nötig: Die alte Anschwemmtheorie
mußte nämlich, ohne zu sagen woher und warum,
in großen Zeitintervallen abwechselnd reine
Kohlenbrühe, dann wieder reinen Schlamm heran-
fluten lassen, so daß das Taubgestein schon etwas
erhärtet ist, wenn die Kohlenbrühe sich darüber
breitet. Daher hält Bölsche es u. a. auch für un-
195
möglich, daß die Wurzeln der Stöcke in diese Stütz-
schicht sich senken könnten. Unsere tägliche
Mischflut findet aber die hartgefrorene Oberfläche
der Schwimmstoffschichte vor, und nicht die
taube Gesteinsschicht, wie es Bölsche für die
alte Schwemmtheorie voraussetzen muß. Unsere Sink-
stoffschicht war wieder zur Zeit der geschilderten
Wurzeleinsenkung auch schon nicht mehr hartgefroren;
denn jene Kompressionswärme, welche die gefrorenen
Mittel- und Oberschichten des jeweils untersten
Schichtkomplexes zum Schmelzen und später die noch
weiter zu komprimierende Vegetabilienschicht zur
Verkohlung bringen mußte, hatte wohl auch die
jeweils zugehörige Schlammschicht so weit aufgetaut,
daß in dem langsamen Setzungsvorgange die von
oben sich langsam herabschiebenden Wurzelstümpfe
in ganz natürlicher (wie gezeichnet), etwas gespreizter
Wurzelstellung in dieselbe eindringen konnten.
Vor, während und nach solcher Auftauung unterlag
natürlich der Wurzelstock samt Umgebung ebenfalls
jenem See manen hydrostatischen, bezw.
geostatischen Drucke, welcher der gesamten auf-
lastenden Schichtsäule entsprach, der aber die Wurzeln
nicht hinderte, sich genau so in die aufgetaute
Schlammschicht zu versenken, als geschähe es in
einem Stromdelta der Erdoberfläche unter bloß atmo-
sphärischem Drucke.
Später, in der beginnenden Zeit der geologischen
Flutleugnung, wurde dann diese alte, allzu unbe-
stimmte Anschwemmtheorie wahrscheinlich dahin
»vervollständigt«, daß man Lyells langfristige und
langsame Hebungen und Senkungen des Landes zu
Hilfe nahm, um der Beflutung Grund zum Kommen
und Gehen zu geben. Da ergab sich aber wahr-
scheinlich die Notwendigkeit, jede gerade Senkung
zur reinen Kohlenbrühe-, jede ungerade zur reinen
Schlammlieferung zu benützen; — woher das so
schön abwechselnd kam, blieb natürlich der gut-
gläubigen Phantasie des Hörers überlassen. Da lag
es nun nahe, die Senkungen nur für Schlamm-
lieferung zu benützen, in den Hebungsperioden aber
an Ort und Stelle das Waldmoor wachsen zu
lassen, welches zukünftig das jeweilige Flötz liefert:
Und das ist eben die durch Bölsche schließlich
verfochtene neueste Moortheorie Potoniés.
Es ist also diese alte, durch Bölsche bekämpfte
Schwemmtheorie ebensowenig mit unserer kata-
klysmatisch-eiszeitlichen Allochthonie der Fig. 6, 7, 8,
9, 11 und 12 zu verwechseln, wie Potonies neueste
Moortheorie oder Lyells Deltatheorie. Letztere muß
wieder Hebungen und Senkungen des Deltagebietes
großer Ströme voraussetzen, da ja das Hoch- und
Niederwasser allein nicht die so schöne Wechsel-
lagerung von Flötz und Taubgestein liefern könnte;
so meinte man vermutlich. Abgesehen davon, daß
es solche intermittierende Hebungen und Senkungen
nicht N wäre mit denselben niemals die beob-
achtete Mächtigkeit und Horizontalausdehnung unserer
heutigen Flötzreviere zu erklären, . denn
die reinliche Scheidung oder die aufrechten
Wurzelstöcke. Und selbst wenn man in erzwun—
pence Geniigsamkeit alles zugeben wollte, so kénnen
eltasedimente niemals hartes Gestein liefern, wie
die ältesten trockenen Schlammschichten des Niltales
und -Deltas zeigen, weil hier nebst dem hohen Drucke
die zementartig bindende Kalkschlammhältigkeit des
Wassers fehlt, die bei unserer kataklysmatischen Sedi-
mentierung ja der aufgewühlte zoogen-kalkige und
phytogen-kieselige Tiefseeschlamm liefert.
Wenn übrigens Bölsches Wurzelkronen trotz
fragmentarischer Erhaltung bis zu 8m Spannweite er-
reichen und ein daran gebliebenes Stammstück nicht
allzu lang ist, können dieselben auch ohne Zuhilfe-
nahme eines »gravimetrischen Gesetzes« nicht anders
in der Schwimmstoffschichte schwimmen, als mit lot-
rechter Stammachse. Der Grundirrtum der auto-
chthonen Vorstellungsweise Bölsches liegt also
weniger in der von ihm beabsichtigten Gespenster-
196
entlarvung, als in der unbewuBten, vermeintlich selbst-
verständlichen Voraussetzung der schon von Lyell
angeren, vielmaligen, la ng periodischen Hebung
und Senkung des heutigen Steinkohlenrevier-Landes,
wobei jeder Hebung eine Neubewaldung, Bemoorung,
Betorfung, kurz eine Kohlenmaterialansammlung —
und jeder Senkung eine Sand- und Schlamm-
verschüttung des Flötzes durch Süßwasserwirkung
(Deltaanbau) entsprechen soll. Dabei muß natur-
gemäß mit Jahrtausenden für jede Hebung und Sen-
kung gerechnet werden, indem es doch nicht gut geht,
einen ruck weisen solchen intermittierenden Vorgang
vorauszusetzen. Da man hiebei aber noch zu der
weiteren abenteuerlichen Voraussetzung gelangt,
daß in der Überflutung die vegetabilischen Schwimm-
stoffe unten und die angeschwemmten Sin k stoffe
oben geblieben sind, so ergab sich da eine heitere
Verlegenheit, aus der sich Lyell zur vollen Zufrieden-
heit der kontinentalen Geologen durch folgende juri-
dische Dekretur zu ziehen wußte:
»Dennoch erhielt sich die Kohle oder die um-
gewandelte vegetabilische Substanz während der
anzen Zeit rein von erdiger Beimischung.
ieses Rätsel läßt sich meines Erachtens, so
unlösbar es auch im Anfang scheint, durch
Vorgänge erklären, die sich an den heutigen Deltas
beobachten lassen.« — (»Geologie oder Entwicklungs-
geschichte der Erde und ihrer Bewohner«. Berlin 1858.)
ber ein derartiges, doch nur durch unsere Fig. 7/11
lösbares Rätsel kann auch wirklich nur der Jurist
Lyell so leichtsinnig hinwegtänzeln — ein wahrer
Geologe aber niemals. Daher sieht sich der gewissen-
haftere und nur durch den überkommenen Autoritäts-
glauben vom selbständigen Urteil abgehaltene Bölsche
als begeisterter Populärbiologe bezüglich dieser rein-
lichen Scheidung, Flötzvielzahl und Wurzel-
stockschwierigkeit zu den folgenden längeren Rede-
wendungen veranlaßt:
»Langsam durchsickernd, baute sich in langen
Zeiträumen ganz ruhig am Fleck das Moor und mit
ihm das Material des künftigen Flötzes. Wo es sehr
dick wurde, da mochte es viele einander folgende
Generationen von Waldbäumen überdauern, es ver-
schlang die morschen Reste der älteren und ließ neue
in sich wurzeln und aus sich heraussteigen.« — (Das
mag man für das erwähnte Tagbau-Braunkohlenflötz
von Senftenberg gelten lassen. Bau und Geschichte
der Erde von Abel, S. 71) — »Kam endlich die Hoch-
flut« — (Zwischenfrage: woher, warum, wodurch be-
dingt?) — »die den letzten dieser Wälder knickte und
ersäufte, so blieb diesen höchsten Wassern gar keine
große Arbeit mehr. Mögen sie das Moor noch ein
letztes Mal ordentlich aufgeweicht, aufgewühlt,
durchgeknetet, noch ebenmäßiger geschichtet
haben — von eigentlichem Verschwemmen war jeden-
falls für gewöhnlich keine Rede mehr und so
kam auch keinerlei Mischung mit dem zu-
gestrudelten Sande der Hochflut in Frage.«
Man beachte die zwingend logische Kausalität:
Das Moor wurde von der sandschwangeren Hochflut
wohl ordentlich aufgewühlt und durchgeknetet, aber
weil vom eigentlichen Verschwemmen für
gewöhnlich »keine Rede« mehr war, kam
auch eine Vermischung von Moormaterial mit Sand
»nicht in Frage!« Wer hätte da eigentlich reden
und fragen sollen? Dem Populärfeuilletonisten hilft
doch allzuleicht das Wort aus der Verlegenheit.
Eine Hochflut, die Sand tragen und das Moor auf-
wühlen muß, soll diese Schwimmstoffe nicht ver-
schwemmen, soll nicht notwendig unsere Horizontal-
und Vertikalsortierung bewirken und nicht irgendwo
anders den Sand zu unterst und das Moormaterial
zu oberst versedimentieren! Oder es sollte der Sand
nicht die Gelegenheit wahrgenommen haben, sich bei
dieser Mooraufwühlung in die Moortiefe zu versenken!
Keineswegs, so meint Bölsche; denn:
»Dieser Sand lagerte sich vielmehrnotwendig(!!)
ganz oben auf den Moorgrund. Ragten die Stümpfe
des letzten Waldes noch über diesen Grund, so füllte
der Sand ihre Höhlungen und begrub sie äußerlich in
seiner Masse, die später zu Sandstein erhärtet auf
dem zur Kohle erhärteten Moor stand. Und so mochte
der Prozeß sich unzähligemal wiederholen: Auf dem
Sande siedelte sich wieder ein Waldmoor als neue
Sohle an, um zur Wende seiner Zeit das gleiche
Schicksal zu erleben, und so fort. So war der Kreis
der Dinge abgeschnitten bis wieder zum Ausgangs-
punkte. Die Steinkohle, die der kühne Gedanke durch
die fernsten Ozeane gestrudelt, kehrte zu ihrem Fleck
selber heim. Wo sie heute lag, da war sie auch
organisch gewachsen. Die Karte der heutigen
Steinkohlenreviere bezeichnet genau
auch das Gebiet der Sumpfwälder von
damals, den Sitz der gesuchten Land-
flora. Nicht in einem mysteriösen Hinter-
lande von nirgendwo und überall hatte
sie gegrünt, sondern da, wo heute unsere
Industrie ihr Erbe fand. — Quod erat demon-
strandum!
Sollte es außer unseren gemachten Voraus-
schickungen und Zwischenbemerkungen nun noch
nötig sein, weitere Widerlegungsmühe aufzuwenden?
Oder hat sich der aufmerksame Leser angesichts der
leichtbeschwingten autochthonen Argumente in
den drei SW IE ER ved (reinliche Flötzscheidung,
lotrechte Baumstümpfe mit Wurzelkronen, Vielzahl auf-
einander gebauter Flötze) auch ohnedies schon für den
Vorgang unserer Figuren 11/12 entschieden? Wir
möchten gern das letztere annehmen dürfen. Aber
vielleicht will uns der geborene Skeptiker mit der
Frage an die Wand drücken, warum in dem von uns
gelten gelassenen typischen Falle des Senftenberger
Braunkohlenflötzes die kataklysmatische Hochflut nicht
um so sicherer das Moor weggeschwemmt und
die Waldbäume entwurzelt und verdriftet hat. Da
haben wir nur zu erinnern, daß ja der Kata-
klysmus mit einerEiszeiteinhergehen
mußte. Das schlammgeschwängerte Diluvium fand
also jedes Moor und jeden aldboden hart-
gefroren und dieses Mooreis durch die Baum-
wurzeln fest mit dem Untergrund verankert vor!
Ein Aufheben solcher, die Kataklysmushochzeit etwa
im gefrornen und übereisten Zustande überdauernden
Moore als Ganzes ist daher in der verhältnismäßigen
Schnelligkeit des Vorganges kaum irgendwo möglich.
Wohl aber hatte das sich meist langsam dahin
schiebende Landeis (es gibt natürlich auch stag-
nierende Eiszeit — Landeismassen!) den ganzen
Wald oberhalb des gefrorenen, gut verankerten und
monierartig durchfaserten Moors abgeschert und
weggeführt, so daß die Schlammflut eben auch
nur die heute verbraunkohlt vorfindbaren kurzen
Stammstümpfe mit Wurzelkronen einzubetten hatte.
Und erst bei höherer Weiterbeschichtung trat jene
Flötzkompression und Enteisung ein, bei welcher sich
die festverankerten Baumstümpfe ins überlagernde
Deckmaterial emporbohrten. Dasselbe gilt ebenso
auch für den Fall, als dieses Senftenberger Flötz
nicht diluvial, sondern transgressiv ein-
gebettet worden sein sollte, was ja der glacialkosmo-
gonisch 5 Geologe leicht entscheiden wird
können. Die mehr tropischen Wälder, Moore, Sümpfe,
Tang- und Algenlager aber waren nicht verankert.
Zwar wurden auch da erst die Stämme durch die
Oszillationsfluten gefällt und zerkleinert, aber zum
Schlusse wurden doch auch die Wurzelstöcke samt
Moor- und Humusboden aufgehoben und in die
Oszillationsebbegebiete höherer Breiten im Wege der
geschilderten Horizontal- und Vertikalsortierung ver-
sedimentiert.
Es ist ja auch durchaus nicht der Zweck unserer
Bemühungen, den eifrigen naturwissenschaftlichen
Causeur Bölsche persönlich in dem ihm über-
lieferten >Steinkohlenwalde« zu widerlegen, da er ja
nur das Sprachrohr des überlieferten, heute schon
fast unausrottbaren Lyellschen Quietismus in Dingen
autochthoner Steinkohlengenesis in seinen Pan
wissenschaftlichen Leserkreisen sein will. Aber wir
mußten in Berücksichtigung der stark auf die Probe
gestellten Geduld unserer Leser darauf bedacht
sein, eines der wichtigsten Probleme der Stratiologie
von der heiteren Seite zu fassen, trotz der Trübsal
des Weltkrieges. Und dazu bot und bietet uns
Bölsches »Steinkohlenwald« um so einladendere
Gelegenheit, als auch er seine Darbietungen mit Humor
würzt (wenn auch manchmal unfreiwillig) und als er
gewiß die ganze neuere einschlägige Literatur zu
Rate gezogen hatte, während er diese populäre
Monographie so passend für unsere Zwecke
gestaltete.
Die auszugsweisen Zitate aber mußten und müssen
wir bringen, weil oft gerade die unbefangensten und
urteilskräftigsten technischen Leser es sind, die einem
Literaturhinweise auch dann nicht folgen, wenn sie
das Buch nur aus dem Schranke des Nebenzimmers
197
zu holen hätten, um sofortige Vergleiche anstellen zu
können. Wir sind also Bölsche sehr zum Danke ver-
pflichtet dafür, daß er uns behilflich ist und bleibt,
die Problemstellung, Lösung und Gegenlösung auch
dem nicht spezialfachmännischen technischen Leser
in einem Gusse gewaltsam aufzudrängen und
ihn so nachdriicklicher und dennoch schonend zur
Stellungnahme und Verwertung seiner meist selbst-
unterschätzten reichen Erfahrungen einzuladen.
Wir wären also jetzt in der Lage, auf wohlvor-
ebautem Boden an Hand von Fig. 12 näher auf die
chwierigkeit der Flötzvielzahl und auf den For-
mationsbau überhaupt einzugehen, um dem Flieger
zu zeigen, auf welch weitem Umwege er erst zum
richtigen Verständnis der ihn bedrohenden atmo-
sphärischen Paroxysmen gelangen kann. Denn nur
nach Erhärtung des geologischen Kataklysmus können
auch im großen meteorologischen Geschehen die
kosmischen Urkräfte zwingend erwiesen werden.
(Fortsetzung folgt.)
Sturmkalender für Juli und August 1915.
7 — — — —
Atmosphärische Störungsfolgen aus den Hauptherdgebieten der tropischen
Sturmbildung
.... a ae EEC See BEIERER PETE
Wochen | im Westatlantik | im Westpazifik | id re
Sturmbiidungsepochen
Mai, Juni Juni | Juni . Juni Mai Mai/Juni Juni Juni Juni Juni Juni Juni
alJunils, bis en 17. bis 23. 20. bis 30. 21. bis 27.| 27. bis 2. 2. bis 11. | 17. bis 23. 20. bis 23. | 2. bis 11. | 17. bis 23. 20. bis 30.
1. bis 7. | Europa Europa
Nord- Nord- Indischer
N i amerika} | amerika a | Ostasien | (Westen) |
& bis 14 Europa Europa (Nord-
° | | pazifik) l |
70 ä = AR ee ee et
Ost-
ar Europa Europa uns
Sina en, o o Lo _ 1 . Aa en) RENTEN
amerika
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Juli 4
22 bis 28 | arene
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29. bis 31. | | | | Ä
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August! | | | |
1. bis 7. | Europa |
I — ne | I r
August 2 |
8. bis 14. |
Die engen Beziehungen der südöstlichen Störungen zu den Temperatur-Exzessen, besonders auch den Frösten dieses
Frühlings, konnten bis über die dritte Juniwoche verfolgt werden. Bis in die Nacht zum 20. Juni 1915 verzeichneten noch
von + 38" am 8. Juni (Remscheid), + 36" am 11. Juni 1915 (Celle). Die gesteigerte Sonnentatigkeit kam vor allem in der
letzten Juniwoche durch ausgebreitete Gew .terbildung zur Geltung,
entsprechend der seit Jänner 1915 von mir
| Teile des norddeutschen Niederungsgebietes den Landbau schädliche Nachtfröste nach Maximis der Schattentemperatur
verfolgten besonderen 26 bis 27tägigen Periode der norddeutschen Gewitter. Besonders wirksame Epochen sind vor-
berechnet für die erste, dritte und vierte Woche des Juli und für die dritte und vierte Woche des August 1915. In diesen
Wochen, vornehmlich in den vierten, sollte auf Gewitterneigung und auf Kompaßstörungen Bedacht genommen werden.
| Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen.
Wilhelm Krebs.
198
Bücherbesprechungen.
Grundriß der deutschen Literaturgeschichte. Von
Karl Quenzel.
Das Büchelchen ist als Einführung in die deutsche
Literaturgeschichte gedacht und dürfte besonders für
jene, die deutsche Kultur und deutsche Dichtung nur
vom Hörensagen kennen, ein handlicher Führer vom
Beginne deutscher Poesie in altgermanischer Zeit bis
in die jüngste deutsche Dichtungsperiode sein. In
den denkbar kleinsten Rahmen ist jener großer Ent-
wicklungsgang unserer Dichtung gebracht, der unser
Seelenleben und Empfinden abseits von unserem
praktischen Schaffen umfaßt und uns nach fremd-
völkischem Empfinden neben der tiefgründigen
Schöpfungsart unserer Forschungsarbeiten als Volk
der Dichter und Denker kennzeichnete. In klarer,
übersichtlicher Kürze das mächtige Gebiet deutscher
Literatur zusammenzufassen, hat sich der Autor als
Aufgabe gestellt, die Marksteine dieser Geschichte
hervorzuheben und so den gewaltigen Aufbau unserer
Literatur zu skizzieren, die ja mit Recht als die
umfangreichste der Weltliteratur bezeichnet wird.
Diese Aufgabe treffend zu lösen und dabei doch mit
richtigen Werturteilen die Bedeutung unserer Dichter
und ihrer Arbeiten einzuschätzen, ist wohl das eigent-
liche Verdienst des kleinen Werkchens. Das dürfte
dem Verfasser nur durch seine darin zum Ausdruck
kommende genaueste Kenntnis so ziemlich aller
Originalwerke deutscher Dichtung möglich gewesen
sein. Der Flugtechnik ist es ja gelungen, dem Pegasus
der Dichter in Form einer praktischen Maschine eine
vollendete Wirklichkeit zu verleihen, und sie wird
ja auch, zurückschenkend, neues Fühlen und neues
Empfinden in unsere Poesie tragen. So ist auch an
dieser Stelle ein Hinweis auf dieses Büchelchen ge-
rechtfertigt. Hanns Pittner.
Betriebsstörungen am Flugmotor und deren Be-
seitigung unter Berücksichtigung des deutschen
Gnöme-Motors. Von Ingenieur E Schumann,
Lehrer für Motorenkunde und Fluglehrer beim Frei-
willigen Marinefliegerkorps. Verlag von M.Krayn,
Berlin W. 10, Genthinerstraße 39. Preis brosch. Mk. 1.
Die flugtechnische Literatur hat gerade in der letzten
Zeit, die namentlich auf dem Gebiete der Motoren-
industrie einen hervorragenden Aufschwung gebracht
hat, eine ungemein starke Bereicherung durch das
Erscheinen neuer, einschlägiger Werke erfahren, die
den allerjüngsten Errungenschaften auf diesem Ge-
biete in entsprechender Weise Rechnung tragen. Die
momentane Zeit, die dem Flugzeuge eine kaum jemals
vorausgesehene Verbreitung und Anwendung gebracht
hat, hat ja auch das Bedürfnis nach derartigen Weg-
weisern unmittelbar geboren, zumal ja die Zahl jener,
welche sich dem Fliegen selbst zuwenden, um sich
dann dem Vaterlande zur Verfügung zu stellen, ständig
im Wachsen begriffen ist. Da ist nun das Erscheinen
eines neuen — aus der Praxis für die Praxis ge-
schriebenen — Werkchens: »Betriebsstörungen am Flug-
motor und deren Beseitigung« doppelt zu begrüßen,
denn es erscheint schon durch die geschickte, über-
sichtliche Anordnung seines Textes sowie durch seine
übrige Aufmachung berufen, eine Lücke auf dem Ge-
biete der Motorenliteratur wirksam auszufüllen.
Um alle überflüssige Weitschweifigkeit, die dem
Werkchen seine Handlichkeit und seine Zweckmäßig-
keit als Bordbüchelchen nehmen würde, zu vermeiden,
wird hier keine Beschreibung des Motors und seiner
einzelnen Organe und Funktionen gegeben, es wird
vielmehr in Rezeptform für alle erdenklichen Fälle
von Betriebsstörungen, die während des Fluges auf-
treten können, die entsprechende, am raschesten zum
Ziele führende Abhilfe angegeben. Erleichtert wird
dem Benützer der Gebrauch dieses wirklich sehr
empfehlenswerten und im Felde besonders gut ver-
wendbaren Büchleins durch die ganz besonders gut
gelungene Übersichtlichkeit des Textes. Besonders
praktisch sind in dieser Beziehung die am Ende an-
geschlossenen beiden Tafeln: Tabelle zur Feststellung
von Betriebsstörungen am Flugmotor, und Tafel II:
»Der Motor läuft nicht«. Die Hauptursachen sind hier
in Gruppen geteilt, deren jede einzelne die möglichen
Ursachen angibt, für welche im textlichen Teile die
Abhilfsmaßnahmen angegeben werden, deren Auf-
suchen durch Seitenindices auf den beiden Tafeln er-
leichtert wird.
Gewissermaßen als Rezeptierbuch ungemein prak-
tisch und übersichtlich, ist diesem, im Taschenbuch-
format gehaltenen Werkchen nur die größte Verbreitung
zu wünschen.
Der Luftkrieg 1914/15. Dargestellt von einem Flug-
techniker. Verlag Hesse & Becker, Leipzig.
Es sei gleich gesagt: Dieses Buch hilft einem
Bedürfnis ab. Wenngleich schon vor Ausbruch des
Krieges dem Fliegen in weiten Kreisen großes Interesse
entgegengebracht wurde, mußte die ungeheure Wichtig-
keit der »Fünften Waffe«, die dem Flugtechniker stets
klar nn ist, als unerwartete Überraschung wirken.
Der Laie hatte wohl fliegen gesehen und auch einige,
mitunter recht falsche Begriffe vom Flugwesen er-
halten; jetzt aber trat die gebieterische Notwendig-
keit ein, sich genauer zu unterrichten, besonders aber
die militärische Verwendbarkeit der Luftfahrzeuge
kennen zu lernen. Zahlreiche Schriften haben dies
versucht; viele waren zu populär, andere wieder zu
fachlich gehalten, nur wenige entsprachen dem Zwecke.
Das vorliegende Werk hat den Vorteil, wirklich auf
Grund der neuesten Erfahrungen im jetzigen Kriege
geschrieben zu sein, und außerdem bringt es in
methodischer Reihe nicht nur Aufsätze über die Ver-
wendbarkeit der Luftfahrzeuge, über die Luftflotten
unserer Feinde, über sämtliche Waffen des Fliegers
und Vorrichtungen zur Bekämpfung der Flugmaschinen,
sondern auch zahlreiche Feldpostbriefe und Berichte
aus dem Munde von Fliegern und Augenzeugen, die
dem Buche den Charakter einer Dokumentensamm-
lung geben. Für den Leser tritt aber dadurch noch
der Vorteil ein, außer einer anregenden Darstellung
des Kriegflugwesens auch die Leistungen der Flieger
aus deren Darstellungen kennen zu lernen, die sich
mitunter zu packender Wucht echten dichterischen
Könnens steigern. Denn die eherne Wirklichkeit hat
so manchem Flieger den Mund geöffnet, der vorher
kaum je an eine schriftstellerische Leistung heran-
getreten wäre. Nicht unerwähnt sei, daß die bildliche
Ausstattung zur Anschaulichkeit des Inhaltes bedeutend
beiträgt, so daß dieses Werk zu einem Volksbuch
werden dürfte. P. B.
Im Flugzeuge gegen England und andere Flieger-
geschichten. Von Georg Müller-Heim. Hesse
& Becker-Verlag in Leipzig.
Eine Reihe kleiner Erzählungen, deren wechsel-
voller Inhalt wie ein Kranz um das moderne Luft-
fahrzeug gewunden ist. Manche der kleinen Novellen
schließt sich dem Reigen der unzähligen Kriegs-
eschichten an, die jetzt wie Pilze aus feuchtem
jrunde schießen. Einige Begebenheiten spielen auch
in Friedenszeit; und wie es dem normalen Novellen-
buche zukommt, tritt die Liebe in ihre Rechte, denn
es werden wohl alle Beziehungen Gott Anıors zum
Flugwesen vor dem geneigten Leser ausgebreitet.
Heitere Szenen wechseln mit tiefernsten Vorkomm-
nissen, die alle in liebenswiirdigem Plaudertone vor-
gebracht werden. Wenn auch dieses Buch den Durch-
schnitt literarischer Erscheinungen kaum überragt,
kann es doch als spannende Unterhaltungslektiire
bezeichnet werden, die geeignet erscheint, ein odei
zwei leere Stunden angenehm auszufüllen. P. B.
—
2 — — — — — . —— — ſ — ͤ in, — —
AR
2
Oberst Emil Uzelac, der bereits mehrfach aus-
zeichnete Kommandant unserer k. u. k. Luftschiffer-
teilung, ist nun neuerdings von Seiner Majestät
durch die Ernennung zum Kommandanten der Luft-
fahrertruppen, sowie durch Verleihung des Ritter-
u des Leopold-Ordens besonders ausgezeichnet
worden.
Hauptmann Rupert Pflanzer, Vizepräsident des
Österreichischen Flugsportklubs, welcher, wie wir
bereits in Nr. 1/2 d. J. mit großer Freude berichten
konnten, von Seiner Majestät bereits mehrfach für
sein ganz auBerordentliches Wirken am nördlichen
Kriegsschauplatze ausgezeichnet wurde, ist nun neuer-
lich dekoriert worden. Seine Majestät verlieh ihm für
seine vorzüglichen Dienstleistungen vor dem Feinde
das goldene Verdienstkreuz mit der Krone am Bande
der Tapferkeitsmedaille. In den Kreisen seiner zahl-
reichen Freunde und Verehrer, die sich Herr Haupt-
mann Pflanzer überall durch sein ungemein kon-
ziliantes und liebenswürdiges Wesen, wie auch durch
seine nie ermüdende Hilfsbereitschaft erworben, hat
die Nachricht von seiner neuerlichen Auszeichnung
auch berechtigte Freude hervorgerufen. Wir knüpfen
nur den herzlichen Wunsch daran, daß seiner so erfolg-
reichen Tätigkeit auch fernerhin stets die wohlver-
diente Anerkennung und Würdigung zuteil werden möge.
Hauptmann Julius Waltl, der verdienstvolle
Referent für Luftfahrt im Kriegs ministerium, ist mit
1. Juli zum Major ernannt worden.
Der Sturzhelm als Lebensretter. Ein höchst
gefahrvolles Abenteuer mit spannenden Phasen, das
für den Beteiligten glücklich verlief, bestand ein Flieger
beim deutschen Westheer, der davon in einem an
seinen Vater gerichteten Briefe, der dem »Lübecker
Generalanzeiger« zum Abdruck überlassen wurde, wie
BIST IRRE SE
KOA Chronik D> sA., <
DOA en àj
199
v]
N
DON IN VIN AN TAN
auh, esis ois ie ole a nieioieleisleinie oe slecle een ein soisfolo eo ulelaloie nie nie iels sie sm cielo ole ols clea cisiste elelsieinle alojoie sia sleislsle ss else ele sie ale oles]
folgt berichtet: »Lieber Vater! Als ich Dir den letzten
Brief schrieb, ahnte ich noch nicht, daB ich in den
letzten Tagen so viel erleben sollte, und nur durch
ein Wunder mit dem Leben davongekommen bin.
Ich flog am 22. morgens bei nebligem Wetter mit
Leutnant J., einem vortrefflichen Flieger, nach S., und
stellte den Vormarsch feindlicher Truppen nach Norden
fest. In der Gegend von B. kamen wir in schwere
Regenwolken und mußten auf 1000 m heruntergehen.
In diesem Augenblick hörten wir auch schon das
Aufschlagen feindlicher Artilleriegeschosse gegen die
Maschine und es schien unter uns eine ganze franzö-
sische Division in Bereitstellung. J. erhielt eine Kugel
in den Leib. Der Motor blieb stehen und die Maschine
sank steil herunter, mitten auf die feindlichen Truppen
zu, die ein rasendes Feuer auf uns gaben. In 800 m
bäumte sich die Maschine auf, ich drehte mich um
und sah J. (den Flugzeugführer) mit einem Schuß
mitten durch die Stirn tot daliegen. Nun ergriff ich
über die Lehne des Sitzes das Steuer, und es gelang
mir so, den braven Doppeldecker wieder in Gleitflug
zu bringen. Der Wald jenseits der Franzosen war
mein Ziel; die Minuten, in denen ich in 200 m Höhe
über dem Feind dahinglitt, wurden mir Ewigkeiten.
Ein Hagel von Geschossen sauste mir dauernd um
die Ohren. Plötzlich fühlte ich einen heftigen Schlag
gegen die Stirn, das Blut lief über beide Augen.
Aber der Wille siegte. Ich blieb bei Bewußtsein, und
dachte nur daran, die Maschine über den Feind fort
und glatt herunter zu bringen. Da warf ein Windstoß
den Apparat herum, und da mein toter Kamerad auf
dem Seitensteuer lag, konnte ich nicht anders, als
mitten im Feind zu landen. Dabei überschlug sich
die Maschine, die an einen Zaun anrannte. Ich flog
in hohem Bogen heraus. Von allen Seiten liefen die
Pilotballonstation einer Österreichischen Feldfliegcrabteilung in Russisch-Polen.
(»Kilophot.«)
200
Rothosen auf mich zu, immer noch
schießend. Ich zog die Pistole und
streckte noch drei zu Boden, dann
fühlte ich ein Bajonett auf der Brust.
Jetzt kam ein höherer Offizier und
rief: »Laßt ihn leben, er istein tapferer
Soldat!« Ich wurde zum komman-
dierenden General des 17. französi-
schen Korps gebracht, der mich aus-
fragte, natürlich ohne Erfolg. Dann
sagte er mir, ich würde als Ge-
fangener nach Paris gebracht werden,
wo schon vier Fliegeroffiziere wären.
Da ich jedoch durch den starken
Blutverlust sehr schwach war, blieb
ich zunächst an Ort und Stelle. Zwei
Ärzte zogen das Geschoß, dessen
Wucht durch den Sturzhelm gebrochen
worden war, aus meiner Stirn, die
nicht durchschlagen war. Ich wurde
verbunden und erhielt Rotwein. Uber-
haupt benahmen sich die Offiziere
sehr nett und achtungsvoll gegen
‚mich. In meinem Kopfe aber lebte nur
ein Gedanke, der, aus der Gefangen-
schaft zu entfliehen. Der Donner der
deutschen Geschütze kam immer
näher, Gewehrfeuer klang dazwischen,
und nach zwei Stunden platzten die
ersten deutschen Granaten in unserer
Nähe. Da eilten die Franzosen an ihre Pferde. Ich
benützte den unbewachten Augenblick und kroch unter
einen Busch, dort blieb ich liegen bis der französi-
sche Rückzug hinter mir war. Dann schleppte ich mich
nach B., wo ich im Hospital freundliche Aufnahme für
die Nacht fand. Am nächsten Morgen brachte mich
ein deutsches Auto zu meiner Abteilung zurück.«
Eine Reminiszenz aus ek 1912. König Peter von Serbien bei einem Be-
suche des Flug
eldes Juvisy. (Links Präsident Falliéres.)
Eine Reminiszenz aus dem Jahre 1912. König Peter von Serbien bei einem Be-
suche des Flugfeldes Juvisy. (Rechts Präsident Fallieres.)
Ein Schutzkissen für Flieger. In der »Deutschen
Luftfahrer-Zeitschrift« wird eine aus dem Auslande
kommende Idee für ein Schutzkissen beschrieben, mit
dem ein Flieger beim Abstürzen seinen Kopf vor zu
großer Gewalt beim Aufschlagen schützen kann. Die
praktische Einrichtung, die auch für Deutschland zur
Nachahmung und Anfertigung empfohlen wird, besteht
in zwei passend geformten Luftkissen
aus gummiertem Stoffe, die mit Riemen
über die Brust, ähnlich wie eine Weste
befestigt werden und den Flieger in
keiner Weise in seinen Bewegungen
hindern, da sie in normalem Zustande
nicht aufgepumpt sind und beim
normalen Verlauf des Fluges auch
nicht aufgepumpt zu werden brauchen.
Nur bei einem Absturze kommt das
Aufpumpen in Frage. In diesem Falle
braucht der Flieger nur auf einen
Hebel zu drücken und aus einer kleinen
mit stark komprimierter Luft gefüllten
Stahlflasche, die in einem Leder-
behälter des Befestigungsriemens sitzt
und durch einen Schlauch mit dem
Luftkissen verbunden ist, strömt die
Luft in die Kissen und bläst sie weit
auf. Der Flieger kann nun, wenn er
auf die Erde stürzt, seinen Kopf
zwischen den Kissen bergen und so
die Gewalt des Aufpralles sicherlich
mildern. Erfolgt der Absturz über
einer Wasserfläche, so werden die
Luftkissen als Schwimmgürtel dienen.
Versuche, diese Idee in die Wirk-
lichkeit zu übertragen, dürften, wie
die »Luftfahrer-Zeitschrift« bemerkt,
wohl kaum auf sehr große Schwierig-
keiten stoßen.
PATENTE
Muster- und Markenschutz in allen Ländern
erwirkt
ing. J. FISCHER, Patentanwalt
Wien, I. Maximilianstrasse Nr. 5.
Seit 1877 im Patentfache tätig.
Herausgegeben vom: »K. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein«. — Verantw. Red.: in Vertretung Fritz Ellyson,
Druck von Otto Maaß’ Söhne, Wien L
— —
“00 0 0 0 0 0,9 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 a 0 0 0 0 ee OWURO 7.4 ee N
ÖSTERREICHISCHE
FLUG-ZEITSCHRIFT
Herausgegeben von dem unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Majestät des 4
Kaisers und Königs stehenden k. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein. ND
Manuskripte werden nicht zurückgestellt. Der Nachdruck Angenommene Beiträge werden honoriert. Die Verfasser
von Artikeln und Abbildungen ist nur mit Quellenangabe & sind für Form und Inhalt der von ihnen eingesandten
und Zustimmung der Redaktion gestattet. 88 Artikel und Abbildungen verantwortlich.
( Cooooooooc - ON
ERSCHEINT ZWEIMAL IM MONAT.
Nr. 15/16 August 1915 IX. Jahrgang
Inhalt: Die erste Kaperung eines Lenkluftschiffes in der Geschichte. — Professor Leopold Kliment f. — Über das Rückdreh-
moment der Luftschraube, von Oskar Heimstädt. — Graf Foppen; von Hanns Pittner. — Das Heldengrab des Hauptmannes
Franz Freiherrn v. Berlepsch auf dem Kirchhofe zu Warcholi bei Nisko. — Aus Industrie und Praxis. — Ein amerikanischer
Zeppelinzerstörer. — Geschützdonner und Hochatmosphäre. — Die wichtigsten Flugzeuge Frankreichs, Englands und Rußlands. —
Sturmkalender für August und September 1915, von Wilhelm Krebs (Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte, Schnelsen). —
Bücherbesprechungen. — Chronik.
Chefredakteur: Ing. A. Budau, o. ö. Professor der k. k. Technischen Hochschule in Wien
Redakteur für den offiziellen und wissenschaftlichen Teil für die Dauer der Abwesenheit der Herren Oberst
Wilhelm Suchomel und Ing. Adolf Janisch: Fritz Ellyson
Unter Mitwirkung von:
PAUL BELLAK Dr. A. HILDEBRANDT RICHARD KNOLLER HANNS PITTNER Dipl. Ing. C. SCHMID
Prokurist, Wien e a. D., Ing., 5 i IEE Schriftsteller, Wien 55 11
FELIX BRAUNEIS “ Berlin echn. Hochschule, Wien E LAK 4 : n
ingenieur, Wien F. HINTERSTOISSER W. KREBS RITTER v. RODIN X Uk, Rittmeister, Wiener-
Dr. Ing. WALTER FREIR. k. u. k. Major, Wien Leiter der Wetterwarte Ingemeur, Wien
v. DOBLHO Schnelsen Holstein : f LEOPOLD SCHMIDT
Konstrukteur an der k. k RAOUL HOFFMANN J. POPPER-LYNKEUS Ing., Prof., Wr.-Neustadt
Techn. Hochschule, Wien Ingenieur, Wien GUSTAV E. MACHOLZ Ingenieur, Wien KARL TINDL
EDUARD DOLEZAL ANTON JAROLIMEK Johannisthal Ing., Konstrukteur a. d. k. k.
k. k. Hofrat, o. ö. Prof., an k. k. Oberinspektor, König- HUGO L. NIKEL STEPHAN POPPER Techn. Hochschule, Wien
der k. 5 Hoch- grätz k.k. techn. Ob.-Offiz., Wien Ingenieur, Wien VILHELM TRABERT
ule, rofessor, Direktor der
FRITZ ELLYSON Dr. F. JUNG HANS F. v. ORELLI FRANZ REBERNIGG 7 entralanstalt für Meteoro-
Flugmaschinen- Professor a. d. k. k. Tech- Schriftsteller, Wien erg Wien k. logie u. Geodynamik, Wien
Konstrukteur, Wien nischen Hochschule, Wien STEPHAN PETROCZY Dr. C. WIESELS-
IGO ETRICH D. W. KAISER v. PETROCZ RUDOLF SCHIMEK BERGER
GroBindustrieller, Ober- Kapitanleutnant a. D., k. u. k. Luftschifferhaupt- k.u. k. Major d. R., Direktor Assistent an der Universitat
altstadt Charlottenburg mann, Wien der Autoplanwerke, Wien in Göttingen
Die erste Kaperung eines Lenkluftschiffes in der Geschichte.
Das italienische Marineluftschiff »Citta di Jesi« bei Pola erbeutet.
Um Mitternacht vom 5. auf den 6. August ist Mit magnetischer Kraft zieht unser Hauptkriegs-
unseren Waffen ein in seiner Art bisher einzig da- | hafen die italienischen Kriegsluftschiffe an. Zu Beginn
stehender Erfolg zuteil geworden. Das italienische | des Krieges war es die »Citta di Ferrara«, die mit
Marineluftschiff »Citta di jesi« wurde unweit Pola | ihrer silberglänzenden Hülle sich öfters in der Nähe
regelrecht gekapert. Diesmal wurde Ben Akiba Lügen | Polas sehen ließ. Ein langes Leben war ihr freilich
gestraft. Die Geschichte kennt wohl die Wegnahme | nicht beschieden. Am 8. Juni wurde sie von ihrem
von Freiballons und Fesselballons, aber Lenkluftschiffe | Schicksal ereilt. Unser Seeflugzeug -L 48< mit Linien-
sind zwar vernichtet, aber niemals weggenommen | schiffsleutnant Klasing als Führer und Seekadett
worden. Deshalb verdient dieser Erfolg eine besondere | Fritsch als Beobachter hat ihm in den Morgen-
Würdigung. Wir können auf unsere Erstlingsleistungen stunden dieses Tages ein Ende bereitet. Mit glän-
stolz sein. Das erste durch einen Flieger vernichtete | zender Bravour wurde das feindliche Luftschiff zum
Luftschiff, die »Citta di Ferrara«, fiel einem unserer | Niedergehen gezwungen und zerstört. Und nun kam
Seeflugzeuge zum Opfer. Ein österreichisch- ungarisches die Kunde von der Kaperung eines anderen italienischen
Unterseeboot war es, das die Möglichkeit, ein gegne- | Luftschiffes, der »Citta di Jesi«.
risches Unterseeboot mit eigenen Mitteln zu vernichten, Dieses Lenkluftschiff wurde in der Nacht vom
zum erstenmal praktisch erwiesen hat und wieder eines | 5. auf den 6. August um Mitternacht bei Pola durch
unserer Unterseeboote hat als erstes ein gegnerisches | Schrapnellfeuer zum Niedergehen gezwungen und
Torpedoboot vernichtet. Und nun kommt die Weg- | weggenommen.
nahme eines ganzen, aktionsfähigen feindlichen Lenk- as Luftschiff »Citta di Jesi< führt seinen Namen
ballons durch ein Torpedoboot. Das ist eine herrliche | nach der Stadt Jesi am Esino, westlich von Ancona.
Perlenkette von Rekorden ! Sie war vor dem Kriege wenig bekannt, und man
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Das Wrack des von einem österreichischen Torpedoboot bei Pola erbeuteten
italienischen Luftschiffes »Citta di Jesis im Schlepptau. (Interessantes Blatt.)
wundert sich, daß eines der größten und schönsten
Luftschiffe Italiens ihren Namen trägt oder vielmehr
trug. Aber schon in den ersten Kriegstagen gewann
Jesi auch für uns besondere Bedeutung. Dort befinden
sich Luftschiffhallen und Reparaturwerkstätten für Luft-
fahrzeuge. Dorthin richtete sich gleich zu Kriegsbeginn
einer der erfolgreichen Angriffe unserer Seeflugzeuge.
Das Marineluftschiff »Citta di Jesic kommt in
keiner Liste vor, es muß daher erst in allerjüngster
Zeit fertiggestellt worden sein und war mit seinen
15.000 Kubikmeter Inhalt zweifellos einer der besten
Luftkreuzer der italienischen Kriegsmarine. Viele dieses
Typs besitzt sie bestimmt nicht.
Nach der Vernichtung der »Citta di Ferrara< war
eine längere Pause in den italienischen Luftkriegs-
unternehmungen eingetreten. Offenbar wurde an der
Fertigstellung eines neuen Luftschiffes und der Ein-
schulung von dessen Besatzung gearbeitet. Schließlich
war man so weit. Wie viele Probeflüge unternommen
wurden, entzieht sich unserem Urteil. Aber in der
Nacht vom 5. auf den 6. August sollte Pola angegriffen
werden. Die Dunkelheit begünstigte das Unternehmen.
Aber die Ausluger auf den Schiffen und in den Forts
waren wachsam. Vor Mitternacht wurde der heran-
kommende Feind entdeckt und bald erzitterte die
Luft vom Donner der Abwehrgeschiitze. Die Ex-
plosionsflammen krepierender Schrapnells zerrissen
das Dunkel der Nacht. Immer näher liegen die Spreng-
punkte an dem feindlichen Luftschiff. Die Lage wird
ungemütlich. Ein Volltreffer und die schöne Kampf-
maschine geht in Flammen auf! Aber dazu kommt es
nicht. Das Luftschiff senkt sich nieder. Es war offenbar
von den Schrapnellagen eingekreist, und manches
Sprengstück mag die Ballonhülle getroffen und Gas-
verluste verursacht haben. Jetzt ruht die Gondel auf
der Meeresfläche. Schon jagen unsere Torpedoboote
blitzschnell heran. Im Nu sind sie in der Nähe der
köstlichen Beute und ehe die Italiener Zeit finden,
das Luftschiff zu zerstören, sind sie dingfest ge-
macht.
Die ganze Besatzung — drei Seeoffiziere, ein
Maschinist und zwei Mann — gerät in unsere Ge-
fangenschaft. Eines unserer Torpedoboote aber nimmt
—
den gewaltigen, nunmehr wehrlosen Luftkreuzer in
Schlepp und bringt ihn in den Hafen von Pola ein.
Vom Insichtkommen des Luftschiffes bis zu seiner
Wegnahme kann nicht viel Zeit vergangen sein. Denn
trotz der hohen, etwa 70 bis 80 Kilometer in der
Stunde betragenden Geschwindigkeit der »Citta di
Jesi« war es ihm nicht gelungen, die kurze Entfernung,
die es noch von seinem Angriffsziele trennte, zurück-
zulegen. Es hatte gar keine Gelegenheit gehabt, irgend-
welche Schadensstiftung auch nur zu versuchen. Der
feindliche Luftangriff ist, bevor er noch begonnen
hatte, schon in sich zusammengesunken. Das feind-
liche Luftschiff wurde weggenommen, ehe es an sein
Ziel herangelangt war. Mit ihm ging dessen geschulte
Bemannung für Italien verloren. Und wenn man schon
Luftschiffe nachschaffen kann, die Heranbildung ge-
übter Luftschiffbesatzungen ist schwierig und nimmt
viel Zeit in Anspruch. Keine der Verbandmächte hat
es während des Friedens zu einer größeren Anzahl
kriegsbrauchbarer Luftschiffe gebracht. Alles auf
diesem Gebiet geschaffene trägt den Stempel des
Versuches an sich. Am weitesten sind noch die
Italiener fortgeschritten. Aber erst kurz vor Kriegs-
beginn haben sie jene Typen geschaffen, die jetzt
zur Anwendung kommen. Naturgemäß konnten wegen
der geringen Zahl der Luftschiffe nur wenige Be-
satzungen ausgebildet werden. Und so ist der Verlust
von zwei ganzen Luftschiffbemannungen — »Citta di
Ferrara« und »Citta di Jesic — ebenso schwerwiegend
wie jener der Luftschiffe selbst. Zweimal haben ita-
lienische Lenkballons einen ernstlichen Angriff unter-
nommen. Beidemal endete die Aktion mit Total-
verlusten. Es scheint, als ob nicht nur das Adriatische
Meer bitter wäre, sondern daß auch die Luft über
der Adria von Bitterkeit erfüllt wäre. Wenigstens
dürften dies die Italiener empfinden, und ein bitterer
Geschmack wird jedem Italiener auf der Zunge
brennen, wenn er den Namen »Citta di Jesi« aus-
spricht, den Namen jenes Lenkluftschiffes, das als
erstes gekapert wurde.. . Für uns aber wird der
Name einen guten Klang haben, denn er versinn-
bildlicht uns einen besonders schönen Erfolg, der über-
all Stolz und Freude hervorrufen wird. »N. Fr. Pr.«
Te
Professor Leopold Kliment f.
Einer der tätigsten Mitarbeiter und Förderer aller
flugtechnischen Bestrebungen ist mit dem Tode des
Vizepräsidenten des Flugtechnischen Vereines in
Mähren, Prof. Leopold Kliment, den heimischen
Flugtechnikerkreisen entrissen worden. Mit umfassen-
den praktischen Erfahrungen und ungewöhnlich wissen-
schaftlichem Weitblick ausgestattet, hat Prof. Kliment
frühzeitig den hohen Wert aller flugtechnischen Ar-
beiten würdig eingeschätzt und neben seinem arbeits-
reichen beruflichen Wirken für die Ausgestaltung und
die Hebung der Flugtechnik in Österreich eine rege
Arbeitstätigkeit entfaltet, der sein unerwartetes Hin-
scheiden ein viel zu frühes Ende setzte.
Prof. Kliment war in Brünn im Jahre 1863 ge-
boren und zeichnete sich schon an der Mittelschule
und später während seines Hochschulstudiums durch
eine ganz ungewöhnliche Be-
gabung aus. Nach Ablegung
seiner Diplomprüfung im
ahre 1886 trat er in die
anniecksche Maschinen-
fabrik ein, ging dann zur
Ausgestaltung und Erweite-
rung seiner Kenntnisse für
einige Zeit ins Ausland, wo
er bei der Firma Borsig in
Berlin und später bei der
Firma Sulzer in Winterthur
auf Grund seiner reichen
Fähigkeiten die allseitigste
Anerkennung fand und bald zu
leitenden Stellungen im Kon-
struktionsbureau gelangte.
Nach mehrjähriger erfolg-
reicher Tätigkeit im Auslande
erhielt er neuerlich eine Be-
rufung der Wannieck-Werke
nach Brünn, wo er als Ober-
ingenieur mit der Führung
des technischen Bureaus be-
traut wurde. Er war in jener
Zeit nicht allein praktisch,
sondern auch wissenschaftlich
tätig und es erschienen da-
mals zahlreiche wertvolle
Veröffentlichungen aus seiner
Feder in den bedeutendsten
Fachzeitschriften des In- und
Auslandes. In Anerkennung
seiner hervorragenden theo-
retisch-wissenschaftlichen Forschungsarbeit verlieh ihm
die Brünner Technische Hochschule die Dozentur für
allgemeine Maschinenkunde. Durch die Fusionierun
der Ersten Brünner Maschinenfabrikgesellschaft un
der Firma Wannieck & Co. wurde er technischer
Direktor des neuen Unternehmens und bald darauf
wurde ihm das Ehrenamt eines Prüfungskommissärs
für die zweite Staatsprüfung des Maschinenbaufaches
an der Technischen Hochschule übertragen. Seine
vielseitige Tätigkeit aber und die Gründlichkeit, mit
der er seine beruflichen Pflichten erfüllte, zwangen
ihn bald, die Dozentur zurückzulegen. Als aber im
Oktober 1905 Prof. Wellner sein Lehramt zurück-
legte, wurde er über einhelligen Vorschlag des Pro-
fessorenkollegiums zum Nachfolger Wellners gewählt.
Sein hervorragendes, ein Jahrzehnt umfassendes Wirken
an der Technischen Hochschule in Brünn, während
welcher Zeit er alle seine Kräfte in umsichtiger Weise
zur Entwicklung der Hochschule und zum Nutzen der
studierenden Jugend verwendete, sicherte ihm die
aufrichtigste Liebe und Verehrung seiner Schüler sowie
die weitestgehende Anerkennung des gesamten Pro-
fessorenkollegiums. Dies erhellt auch daraus, daß er
schen Vereines in MA
Prof. Leopold Kliment, Vizepräsident des Flugtechni-
ren, Zweigvereines k. k.
Österreichischen Fiugtechnischen Vereines.
Am 28. Juni ist Professor Leopold Kliment,
Vizepräsident des Flugtechnischen Vereines in
Mähren, in Franzensbad, wo er Heilung von
einem schweren Leiden suchte, gestorben.
als noch verhältnismäßig junger Professor für das
Schuljahr 1913/14 zum Rector magnificus gewählt
wurde. Eine weitere Ehrung wurde ihm von seiten
des Deutschen Ingenieurvereines in Mähren, zu dessen
Gründern Prof. Kliment zählte, dadurch zuteil, daß
ihn dieser, in Würdigung seiner hervorragenden Eigen-
schaften, zum Obmanne wählte.
Prof. Kliment war in seinem ganzen Schaffen
eine ausgesprochene Persönlichkeit. Als eifriger Ver-
fechter seiner Ansicht von dem eminenten Werte der
praktischen Tüchtigkeit jedes Ingenieurs setzte er die
Gründung eines Maschinenbaulaboratoriums an der
Brünner Hochschule durch, um seinen Schülern neben
theoretischem Wissen auch jene praktischen Kennt-
nisse vermitteln zu können, die sie für ihr Schaffen
und Wirken im späteren Leben unbedingt benötigen.
Von derselben Gründlichkeit
war er auch in seiner außer-
beruflichen Tätigkeit beseelt,
speziell in seinen zahlreichen,
fast immer in der Stille ge-
leisteten nationalen und
humanitären Wohltätigkeits-
bestrebungen,die die Gtite und
menschenfreundliche Hilfs-
bereitschaft seines Herzens
in die weitesten Kreise seiner
Vaterstadt trugen. Sein reges
Interesse für die Aviatik
dürfte ihm in erster Linie
durch die Arbeiten seines
ehemaligen Lehrers Prof.
Wellner übermittelt worden
sein. Doch war es unzweifel-
haft sein scharf erkennender
Geist, der ihn den durch-
schlagenden Wert und die
Bedeutung aller aviatischen
Bestrebungen zu einer Zeit
schon würdigen ließ, wo die
noch vielbelächelte Flug-
technik den zahlreichsten
Anfeindungen von berufener
und unberufener Seite aus-
gesetzt war. Dies ist um so
anerkennenswerter,alsgerade
damals die erfolglosen flug-
technischen Bemühungen
seines bedeutenden Lehrers
die Aussichtslosigkeit aller
ähnlichen Bestrebungen zumindest für den Laien als
erwiesen gelten ließ und die in derselben Zeit auch
andernorts mißglückten aviatischen Versuche keine
werbende Kraft ausüben konnten. Prof. Kliment verstand
es aber auch hierin, äußerliches Mißgeschick von dem
Werte der Idee und des Prinzips zu trennen und
jenen regen und tätigen Anteil an dieser neuen tech-
nischen Disziplin zu nehmen, der für die Entwicklung
und den Ausbau der Flugtechnik in Österreich von
wesentlicher Bedeutung war. Seiner umsichtigen
„ und propagandistischen Tätigkeit
gelang es auch, das Interesse für die heimische Aviatik
in den weitesten Kreisen wachzurufen, zu nähren und
zu erfolgreicher Tätigkeit anzuspornen. Der Flug-
technische Verein in Mähren ehrte sein unermüdliches
und zielbewußtes Wirken durch seine Wahl zum
Vizepräsidenten, in welcher Eigenschaft er auch
unmittelbaren und bestimmenden Einfluß auf die
Vereinstätigkeit nehmen konnte. Mit seinem viel zu
frühen Hinscheiden verliert die Österreichische Flug-
technik einen tätigen Mitarbeiter und unermüdlichen
Förderer, dessen reiches Wirken dauernd in unser
aller Erinnerung fortleben wird. H. P.
204
Über das Rückdrehmoment der Luftschraube.
Von Oskar Heimstädt.
Alle Vorschläge zum Bau einer dynamisch ge-
tragenen Flugmaschine, die in dem theoretischen Zeit-
alter (vor Wright) entstanden sind, hatten als eine
Grundlage die Anwendung zweier oder mehrerer
gegenläufiger Schrauben als Treibmittel. In der
richtigen Erkenntnis, daß nur eine derartige Anordnung
der Luftschrauben alle stabilitätsstörenden Neben-
wirkungen der Schrauben (Kreiselwirkung, Reaktions-
moment und ähnliche) ausschaltete, glaubten die
Bahnbrecher des Maschinenfluges auf sie nicht ver-
zichten zu können. Wilbur Wright selbst hielt mit
einer Hartnäckigkeit, die seinen Tod überdauerte, an
dem Grundsatz des Zweischraubenantriebes fest.
Nun hat dieser nicht allein die oben genannten
Vorteile, Freiheit von Rückdrehmoment und Kreisel-
wirkung, für sich, sondern noch dazu zwei andere
Eigenschaften, welche den ersten Erbauern von Flug-
zeugen gleich wertvoll gewesen waren. Es sind dies
erstens die gesteigerte Nutzwirkung zweier
Schrauben gegenüber nur einer von demselben oder
nicht viel größerem Durchmesser, und zweitens die
geringere Umdrehungszahl eines Schraubenpaares.
(Dieses läuft gewöhnlich mit der halben Umdrehungs-
geschwindigkeit des Motors.) Gerade die zweite
Eigenschaft mußte den ersten Flugzeugbauern sehr
wertvoll sein, da im Anfang der Entwicklung des
Flugwesens die Materialfrage noch ungeklärt war und
bei den mangelnden Erfahrungen im Bau von Luft-
schrauben die Gefahr des Zerspringens bei schnell-
laufenden Schrauben nicht gering war. Beide Fragen
spielen in Anbetracht der gewaltigen Fortschritte im
Motoren- und Luftschraubenbau heutzutage so gut
wie keine Rolle mehr.
Die Kreiselwirkung der Schraube kommt eigentlich
mehr als gefügeschädliches Moment in Betracht, wenn
sich zu ihr nicht noch die eines Umlaufmotors gesellt.
Von um so Poer Wichtigkeit ist aber das noch
übrige Rückdrehmoment der Schraube, welches in mehr
als einer Beziehung Berücksichtigung erheischt.
Um sich über seine Wirksamkeit klar zu werden,
stelle man sich ein vollkommen symmetrisch gebautes
- Flugzeug vor, dessen Schwerpunkt genau in der
Symmetrieebene liegt. Die Breite und Tiefe der Trag-
flächen und ihre Anstellwinkel scien für beide Seiten
des Flugzeuges vollkommen gleich. Wenn jetzt der
Motor mit der auf seiner Kurbelwelle festsitzenden
Schraube zu arbeiten beginnt, so tritt sein Rückdreh-
moment in die Erscheinung, da sein Drehmoment
unmittelbar auf die umgebende Luft, ein vom Flug-
zeug unabhängiges Mittel, übertragen wird. Das
Drehmoment eines modernen Motors von etwa 120 PS
und 1400 Umdrehungen ist aber durchaus nicht gering;
es beträgt etwa 60 Meterkilogramm. Das Rückdreh-
moment hat selbstverständlich den gleichen Wert.
Wenn nun der Motor einer derartig ausgerüsteten
Maschine am Ort arbeitet, so wirkt, bei rechtsum-
laufender Schraube, das Rückdrehmoment so, daß das
linke Anlaufsrad stärker belastet wird als das rechte.
Bei einem Radabstand von zwei Metern ist der Unter-
schied dann gleich dem Rückdrehmoment selbst, also
gleich 60 kg. Angenommen, das ganze Flugzeug wiege
800 kg und die Last sei symmetrisch verteilt, so wird
das linke Anlaufsrad mit 430 kg, das rechte dagegen
nur mit 370 kg belastet.
Dieses gilt, solange die Last des Flugzeuges beim
Anlauf auf dem Boden ruht. Es ist aber nicht ohne
Bedeutung fiir den in der Praxis oft vorkommenden
Fall, daß die Maschine über ein Hindernis, beispiels-
weise eine Bodenwelle, rollt. Da der Schwerpunkt
trotz der ungleichmäßigen Verteilung des Gewichtes
in der Symmetrieebene verbleibt, so tritt leicht, be-
sonders bei weicher Beschaffenheit des Bodens, ein
Verreißen nach links ein, was dann besonders ver-
hängnisvoll werden kann, wenn das linke, schwerer
belastete Rad mehr beeinflußt wird als das rechte.
Nach dem Abflug wird das Rückdrehmoment
naturgemäß von den Tragflächen aufgenommen, immer
noch symmetrischen Bau des Flugzeuges vorausge-
setzt. Die linke Tragfläche wird wiederum um 30 kg
mehr, die rechte dagegen um 30 kg weniger belastet.
Um diesen Unterschied auszugleichen, muß die Flächen-
verwindung betätigt werden, sonst tritt eine Neigung
des Flugzeuges nach links ein. Wird aber der Aus-
gleich durch die Verwindung vorgenommen, so erhöht
sich der nützliche Widerstand auf der linken, herab-
55 Seite. Auf der rechten vermindert er sich.
ie Folge davon ist, daß ein Drehmoment um die
senkrechte Achse des Flugzeuges eintritt. Die Maschine
hat ständig das Bestreben, einen Kreis zu beschreiben,
was wiederum nur durch entsprechende Einstellung
des Seitensteuers hintangehalten werden kann.
Diese Erscheinung bezeichnete man zu Anfang
des flugtechnischen Zeitalters als »Drehkrankheit«, und
da sie natürlich als außerordentlich lästig empfunden
wurde, so trachtete man danach, sie zu beseitigen.
Das gab eine mühevolle Arbeit mit Winkel und Schnur,
zumeist im Morgengrauen, ehe der gewünschte Zu-
stand gefunden wurde, der selbstverständlich bei der
geringsten Havarie gestört wurde und wiederhergestellt
werden mußte. Diese Arbeit wurde dadurch sehr
erschwert, daß den ersten Flugzeugbauern (von den
Wrights abgesehen) die Einsicht und das Verständnis
für Fragen mehr theoretischer Natur vollkommen ab-
ging, und das wahl- und ziellose Experimentieren,
besonders mit Motor und Schraube, das Sammeln von
auf sicherer Grundlage ruhenden Erfahrungen er-
schwerte.
Mittlerweile haben sich die Verhältnisse geändert.
Der Flugzeugbauer unserer Zeit setzt seinen Stolz
darein, die Maschine ve flugfertig aus der
Fabrik herauszubringen, ohne daß mühevolle Kor-
rekturen notwendig sind. Diese werden bereits in den
Werkstätten vorgenommen und das Flugzeug weist
im vorhinein die notwendigen Abweichungen von der
symmetrischen Bauart auf.
Welcher Art diese sind, ist in der Öffentlichkeit
nicht bekannt. Die Einzelheiten dürften verschieden
sein und werden als Fabrikationsgeheimnis gehütet.
Jedenfalls braucht der Führer eines sorgfältig ge-
arbeiteten Flugzeuges während des normalen
Fluges Verwindung und Seitensteuer zur Auf-
hebung des Rückdrehmomentes der Schraube nicht
zu betätigen.
Dafür setzt aber dieses sofort mit voller Kraft
ein, wenn der Motor zu arbeiten aufhört, wenn also
der Flugzeugführer absichtlich oder gezwungen zum
Gleitfluge übergeht. Die unsymmetrische Bauart der
Tragflächen und der Steuerung bewirkt dann, daß das
Flugzeug sich nach der rechten Seite neigt. Dieses
Bestreben muß durch den Gebrauch der Flächenver-
windung aufgehoben werden. Betätigt aber der Flieger
die Verwindung in dem entsprechenden Sinne, so
verstärkt sich wiederum der vorher ausgeglichen ge-
wesene nützliche Widerstand auf der rechten Seite
und die Maschine zeigt die Neigung, einen Kreis,
wenn auch mit großem Radius, nach rechts zu
beschreiben. Der Führer muß also gleichzeitig auch
das Seitensteuer gebrauchen. Das allerdings nur für
den Fall, daß er während des Gleitfluges unbedingt
die gerade Linie einhalten will oder dazu gezwungen
ist. Besondere Verhältnisse, die in der Praxis für
gewöhnlich obwalten, bringen es aber mit sich, dad
gerade die letztangeführte Steuerungsmaßnahme sehr
selten in Tätigkeit tritt oder dem Führer besunders
augenfällig wird.
Nebenbei sei noch bemerkt, daß sich dem durch
die unsymmetrische Bauart des Flugzeuges hervor-
gerufenen Moment noch ein zweites hinzugesellt. Dieses
besteht darin, daß die weiter rotierende Schraube,
welche die Arbeit des Leerlaufes vom Motor zu über-
winden hat, ein Aktionsmoment hervorruft, das zwar
wesentlich kleiner ist als das Rückdrehmoment, aber
doch immerhin berücksichtigt werden muß. Es dürfte
mit 10 Meterkilogramm in Rechnung zu stellen sein,
so daß nach Beginn des Gleitfluges ein Drehmoment
um die Längsachse von 70 Meterkilogramm ange-
nommen werden muß.
Diese Verhältnisse in das Gemeinverständliche
übertragen, bedeutet nun nichts mehr und nichts weniger,
als daß der Führer des Flugzeuges stets einen Be-
gleiter an Bord hat, welchem es beliebt, in kritischen
Augenblicken, das ist eben die Einleitung des Gleit-
fluges, seinen Platz zu wechseln, und zwar begibt
er sich an einen Ort, der bei einem Motor mit rechts-
umlaufender Schraube gegenüber seinem eigentlichen
Platz um etwa 1 Meter nach rechts verlegt ist. Während
des normalen Fluges würde sich der Führer für einen
solchen Begleiter bedanken, da die Schwierigkeiten
in der Lenkung recht bedeutend sein würden. Wenn
der Motor aber aussetzt oder abgestellt wird, ist er
auf diesen Fall vorbereitet und er begegnet ihm durch
entsprechende Steuerungsmaßnahmen.
Es muß übrigens darauf hingewiesen werden, daß
bei den modernen Riesenmaschinen, wie sie heute
fast ausschließlich für Militärzwecke gebraucht werden,
dieser fatale Passagier eine um so geringere Rolle
spielt, je größer das Trägheitsmoment um die Längs-
achse des Flugzeuges ist. Wirklich Alle trat
es nur bei den vorläufig abgetanen leichten S
maschinen der Franzosen auf, wo es auch durch
augenblicklichen Gebrauch der Verwindung beseitigt
werden mußte.
Das durch den unsymmetrischen Bau des Flug-
zeuges hervorgerufene Moment tritt nicht nur dann
auf, wenn der Motor zu arbeiten aufhört, sondern
auch in allen den Fällen, wo der Schraubenzug
entfällt. Diese treten ein, wenn die Relativge-
schwindigkeit des Flugzeuges gegenüber der Luft
größer wird als die normale, für welche die Steigung
der Schraube berechnet ist. Wenn das Flugzeug bei-
205
spielsweise nach vorne kippt und der Motor weiter-
läuft, so kann seine Eigengeschwindigkeit in einem
solchen Maße. wachsen, daß die »ideelle Marschge-
schwindigkeit« der Schraube erreicht wird, bei welcher
der Motor mit seiner normalen Umdrehungszahl leer-
laufen würde. Wenn er dann nicht gedrosselt wird,
geht er durch. Oder es kann das Flugzeug von einer
von vorn kommenden Bö überfallen werden, wobei
der Motor wiederum leerläuft und durchgeht.
Da die Flugrichtung nun in den seltensten Fällen
mit der Richtung der Luftströmung, in welcher auch
die Böen angreifen, übereinstimmt, so werden die
Störungen recht mannigfaltig und unübersichtlich.
Wenn zum Beispiel die Bö bei dem bisher ins Auge
gefaßten Fall einer rechtsumlaufenden Schraube von
rechts vorn das Flugzeug trifft, so wird das durch
den teilweisen oder vollständigen Leerlauf von Motor
und Schraube geweckte Moment um die Längsachse
je nach der Stärke der seitlichen Komponente ent-
weder vermindert, aufgehoben oder in sein Gegenteil
verkehrt, daß sich das Flugzeug nach links neigt.
In diesem Falle verschwindet das Drehmoment, welches
durch die unsymmetrische Gestaltung der Tragflächen
bei vermindertem oder aufgehobenem Schraubenzug
auftritt. Wenn aber die von vorn auftreffende Windbö
mit einer linksseitigen Komponente behaftet ist,
so verstärkt sie dieses Moment um die Längs-
achse. Das Flugzeug neigt sich dann sehr stark nach
rechts und der Führer muß dann sehr auf der Hut
sein, wenn er das Abrutschen nach dieser Seite ver-
hindern will.
Das Rückdrehmoment der Schraube spielt daher
eine gewisse, wenn auch nicht bedeutende Rolle. Es
kann in bestimmten, nicht gerade seltenen Fällen die
von außen kommenden Störungen des Gleichgewichtes
verstärken. Doch sind diese Störungen nicht so be-
deutend, daß man, etwa durch ausschließlichen Ge-
brauch des Antriebes mittels zweier gegenläufiger
Schrauben, auf die Vorteile der durch die Motorwelle
direkt angetriebenen Schraube verzichten sollte.
Graf Zeppelin.*)
Von Hanns Pittner.
Wie alle Bestrebungen auf dem Gebiete der Luft-
schiffahrt, begegneten auch die Zeppelinschen Versuche
zu Beginn unseres Jahrhunderts einer mehr als skepti-
schen Beurteilung. Ungewohntes und Neues trat mit
selbstbewußter, sicherer Gebärde in den Ideenkreis
althergebrachter Vorstellungen und schlug in seiner
grundsätzlichen Zusammenhanglosigkeit mit den An-
sprüchen des Alltags und im unklaren Verstehen zur
sprichwörtlichen Komik um. »in der schwäbischen
Residenz habe ein alter Offizier den schnurrigen Plan
ausgeheckt, ein lenkbares Luftschiff zu bauen. — Lenk-
bares Luftschiff? — ! — Ja, es gibt doch komische
Käuze!« — Und dieses Urteil blieb lange Zeit schneller
als das Schiff und leider ebensolange noch wenig
lenkbarer. Damit waren die Widerstände gegeben,
nun konnte die Kraft in Erscheinung treten. Und un-
bekümmert von der öffentlichen Meinung schritt Graf
Zeppelin an die Vorarbeiten zur Durchführung seines
Luftschiffbaues. In selbstsicherer Überzeugung begann
er sein Werk, die Pläne waren fertig und der Erfolg
gewiß. Aber ein chinesisches Sprichwort sagt unge-
fähr: Wenn man neun Zehntel eines Weges erreicht
hat, hat man noch die Hälfte des Weges vor sich. —
Plötzlich stockte alles, und schier unübersteigbare
Hindernisse wuchsen ringsum empor, denn die verfüg-
baren Mittel waren erschöpft. Um diese Zeit flatterte
diesem und jenem ein Briefchen ins Haus, worin um
einen Beitrag zum Bau des Luitschiffes gebeten wurde.
Die Bitte wurde im Papierkorb bestattet und man war
sprachlos. Mein Gott. »Der Mann war ja General und
hatte im 70er Krieg einen berühmt gewordenen Er-
*) Graf Zeppelin feierte am 8. Juli seinen 77. Geburtstag.
kundigungsritt ausgeführt. Aber er sollte sich wirklich
nicht mit Dingen befassen, die er als Laie nicht
versteht. Die Sachverständigen haben es ihm doch
gesagt...
Und er hat sich doch damit befaßt. Gott sei
Dank. — Aber es bedurfte einer beispiellosen Energie
und einer durch nichts zu erschütternden Überzeugungs-
treue — kurzum einer ganzen Persönlichkeit. Und
da fand das Schicksal an Graf Zeppelin seinen
Meister.
Der Erfinder Graf Zeppelin ist nur eine Erschei-
nung einer aufstrebenden Kulturepoche, er steht nicht
vereinzelt da im Werte seiner Arbeit, einzig wird er
erst durch die Art, wie er sein Ziel erreichte und wie
er und sein Streben, herauswachsend aus der bloßen
Verwirklichung einer Idee, das deutsche Nationalgefühl
zu einer bildhaften Deutlichkeit erhoben. Einen starren
Lenkballon ähnlichen Prinzips hätte auch unter Um-
ständen ein anderer erfinden können, diesen Plan
aber in dem Umfange und unter den bekannten Ver-
hältnissen durchführen — ein ganzes Volk damit aus
den Bahnen des Alltags zur opferfreudigsten Begeiste- .
rung emporzureißen und mit dem Willen des Siegers
das Interesse einer Nation an dieses Werk zu fesseln,
damit es das werde, was es in seiner Gänze bedeuten
kann, vermochte nur einer, der selbststark seine Person
hinter seinem Werke zurückstellen konnte, und im-
stande war, dort, wo der Glaube an sein Ziel ihm
nicht entgegenkam, sich denselben im Trotze zu
erzwingen. i
In dieser persönlichen Art liegt ein großes Motiv
der Lebensgeschichte des Grafen Zeppelin und liegt
auch der Kern seines Erfolges. Mit Recht führt ein
206
begeisterter Verehrer des Grafen, Dr. A Saager,*) in
seinem neu erschienenen Werkchen an, daß die wert-
vollsten Kräfte, die das deutsche Volk sein Eigen
nennt, in ihm den höchsten Ausdruck gefunden: die
Treue, die Beharrlichkeit, das Vertrauen und die Un-
beugsamkeit; daß er heute gleichsam als Symbol
dieser Kräfte vor dem deutschen Volke steht. Saager
hat es verstanden, durch Vereinigung historischer Be-
richte nicht allein die Persönlichkeit Graf Zeppelins
aus der Fülle seiner den Schöpfer überstrahlenden
Arbeit herauszumeißeln, sondern auch die Volks-
psychologie klarzulegen, wie sie in der Wandlung von
der ursprünglichen Achtlosigkeit bis zur idealsten
Begeisterung an dem
Werden und Vollen-
den des Zeppelinschen
Werkes Anteil nahm. —
Ferdinand Graf v.
Zeppelin wurde als
Sohn des Hofmarschalls
des Fiirsten von Hohen-
zollern - Sigmaringen
am 8. Juli 1838 zu
Konstanz auf der so-
genannten »Insel« ge-
boren. Nach privaten
Studien kam er 1853
an die Real- und Poly-
technische Schule in
Cannstadt und zwei
Jahre später »den Tra-
ditionen der Familie
getreu« an die Kriegs-
schule in Ludwigsburg.
Als Leutnant nahm er
zweimal Urlaub, um im
Jahre 1858 die Uni-
versität in Tübingen
zu beziehen und 1863,
um zu kriegswissen-
schaftlichen Studien
am Sezessionskrieg in
Nordamerika teilzu-
nehmen. Seinem Taten-
drange fiel es aber
sehr schwer, nur den
Beobachter zu spielen,
und gelegentlich eines
Flankenrittes gegen
Stuarts Reiter ging sein
Temperament mit ihm
durch und er ließ sich
hinreißen, die Attacke
mitzureiten. Dabei
wurde er abgesprengt
und geriet im Feuer
der ihn verfolgenden
feindlichen Reiter in
höchste Lebensgefahr,
aus der ihn nur seine
Geistesgegenwart und
seine Unerschrockenheit mit knapper Not retteten. Bei
St. Paul in Kanada machte er auch seinen ersten Aufstieg
im Fesselballon und hatte dabei Gelegenheit, die Be-
deutung des Ballonwesens für militärische Zwecke
festzustellen und näher ins Auge zu fassen. Seinen
Studienaufenthalt in Amerika beschloß er mit einer
abenteuerlichen Forschungsreise, die er mit zwei
Russen und zwei Indianern an die Quellen des Mis-
sissippi unternahm. !m Jahre 1866 kämpfte Zeppelin
als Württemberger auf Seite der Österreicher und
zeichnete sich im Treffen von Aschaffenburg durch
die Wiederherstellung der Verbindung zwischen der
württembergischen und hessischen Division aus.
Berühmt wurde Zeppelin durch seinen im deutsch-
) Zeppelin, der Mensch, der Kämpfer, der Sieger. Bunte
Bilder von gestern und heute.
Ferdinand Graf v. Zeppelin.
französischen Kriege (1870/71) ausgeführten kühnen
Erkundigungsritt fünf Tage nach der Kriegserklärung,
der ihn tief ins Feindesland führte und durch welchen
er wertvolle Nachrichten über den Aufmarsch der
feindlichen Armee seinem Kommando übermitteln
konnte. Während der Belagerung von Paris hatte er
angesichts der zahlreichen Kugelballons, die in der
Stadt aufstiegen, um Nachrichten von der belagerten
Stadt an die Truppen in der Provinz zu übermitteln
und von denen kein einziger wieder zurückkam, Ge-
legenheit, den eminenten Wert eines kriegstüchtigen
Lenkballons zu erkennen, welcher Gedanke in ihm
einmal Wurzel schlagend, auch zum persönlichen Ar-
beiten auf diesem Ge-
biete Anregung gab.
Nachdem er im
Jahre 1890 als General
z. D. in Pension ging,
beschäftigte er sich
denn auch eingehend
mit den umfassenden
Studien zu seinem Luft-
schiffbau. Die Prinzi-
ien des zu lösenden
roblems hatte er be-
reits im Mai 1887 als
königlich württem-
bergischer Militärbe-
vollmächtigter in einer
Denkschrift niederge-
legt. Bis zum Jahre 1893
hatte Graf Zeppelin mit
der fachmännischen
Hilfe des Ingenieurs
Th. Kober die Pläne
zu seinem Projekte
ausgearbeitet. Nun lag
ihm daran, ein Gut-
achten von kompe-
tenter-Seite darüber zu
erlangen und er wandte
sich mit der Bitte an
den Kaiser, eine Sach-
verstandigen-Kommis-
sion einzusetzen, mit
dem hinzugefiigten
Wunsche, daB der be-
riihmte Physiker Helm-
holtz, der seinerzeit die
Unmöglichkeit nachzu-
weisen versuchte, mit
so großen Körpern die
Luftwiderstände über-
winden zu können, mit
dem Vorsitz betraut
würde. Helmholtz selbst
kam nach eingehendem
Studium zur ber-
zeugung, daß dieses
Projekt unbedingt be-
achtenswert und nicht
unausführbar sei, da aber unglücklicherweise der ver-
dienstvolle Gelehrte vor der Abgabe des Gutachtens
starb, fällte die Kommission, unbeeinflußt von seiner
Ansicht, ein durchaus ablehnendes Urteil. Damit be-
gann für Zeppelin die Zeit jener Kämpfe, in denen
sein wahrer, fester Charakter entscheidend werden
konnte. Es war auch natürlich, daß er sich nach seiner
inneren Lo Se asl ay Überzeugung mit diesem
Urteil nicht zufrieden geben konnte, und er wandte
sich 1896 an den Verein deutscher Ingenieure. Dies
war ein glücklicher Schritt, denn das Urteil dieser
Männer der Praxis war ungleich günstiger und der
Verein erließ sogar einen Aufruf, um sein Unternehmen
zu unterstützen und zu fördern. Die Folge davon war,
daß ungefähr 400.000 Mark in zwei Jahren zur Reali-
sierung seines Projektes zusammenflossen, zu welchem
Betrage er die gleiche Summe aus eigenen Mitteln
hinzulegte und damit die »Aktiengesellschaft zur
Förderung der Luftschiffahrt« begründete. Am 2. Juli
1900 war der erste Lenkballon fertig. Aber alle drei
Aufstiege, die das Luftschiff bis Oktober 1900 unter-
nahm, verliefen nicht glücklich, da es jedesmal havariert
wurde. Man war allgemein mit abwartender Skepsis
dem Bau gefolgt, angesichts der mißglückten Versuche
aber wurde das Urteil eindeutig: Das Monstrum steigt
nicht wieder! wie eine Autorität bemerkte, und der
Zusammenbruch schien endgültig, als sich auch die
Gesellschaft aus Mangel an Mitteln auflösen mußte.
Weitere Versuche des Grafen, durch wiederholte,
in ihrer Art packende Aufrufe neue Mittel zusammen-
zubringen, schlugen fehl, selbst der berühmte »Aufruf
an Deutsche« von Moedebeck zeitigte nur ein ganz
bescheidenes Resultat. Erst als sich der König von
Württemberg der Sache annahm und eine Lotterie
zugunsten des Baufonds genehmigte und Zeppelin
abermals eine beträchtliche Summe beisteuerte, konnte
der Bau eines neuen Lenkballons in Angriff genommen
werden, der im Spätherbst 1905 fertig wurde und im
Jänner 1906 — gestrandet und durch einen Orkan
wieder vernichtet war. — —
sprach von dem Zeppelin-Luftschiff wie von
einer »Erinnerung«. —
Aber nun erwachte in Zeppelin der echte wilde
Trotz. Er gab Equipage, Diener und jenen Komfort
auf und bestritt aus eigenen Mitteln den Bau eines
dritten Luftschiffes — und diesesmal siegte er. Zwei
Fahrten von je 100 Kilometer Länge gelangen ohne Un-
fall und nun wurde zu seiner weiteren Unterstützung
in Preußen eine Lotterie genehmigt und ihm — unter
bestimmten Bedingungen — ein Zuschuß vom Reiche
in Aussicht gestellt. Neues Hoffen und sieggewisses
Schaffen enttaltete sich am Bodensee. Es folgte nun
die Zwölfstundenfahrt in die Schweiz am 1. Juli 1908.
Die Skeptiker schwiegen, das Volk war begeistert,
hingerissen. Der »Luitgroßadmiral«, wie Ernst von
Wolzogen den Grafen nannte, wurde verehrt und be-
sungen wie ein Held.
Zwar wurde an kompetenter Stelle noch immer
eine nervöse Unsicherheit beobachtet, und anläßlich
eines Versuches, eine 24-Stundenfahrt auszuführen,
die als vorgeschriebene militärische Übernahmsfahrt
f sollte, wobei man aber unterlassen hatte, die
ilitärbehörde rechtzeitig zu verständigen, kam es
sogar zu einem kleinen Mißverständnis zwischen dem
Grafen und dem damaligen Kriegsminister von Einem,
das aber sofort wieder beigelegt war. Eine humoristi-
sche Zeitschrift veröffentlichte damals das gelungene
Wortspiel: »Im Anschluß an den Konflikt zwischen
dem Grafen Zeppelin und dem Kriegsminister von
Einem spricht man jetzt allenthalben von den beiden.
Später wird man nur noch von Einem sprechen,
nämlich vom Grafen Zeppelin.« (Der Schreiber
dieser Zeilen hat sich zwar geirrt, denn damals waren
Namur und Lüttich noch leere Namen, aber die Volks-
stimmung war damit gekennzeichnet.)
Und nun sollte am 4. August die militärische
Übernahmsfahrt angetreten werden. Sie führte vom
Bodensee über Basel, Straßburg, Speyer nach Mainz
und zurück nach — Echterdingen! — Das Luft-
schiff durch Feuer gänzlich zerstört. — Und nun ge-
schah etwas ganz Seltsames, ein Ereignis, das beispiel-
los dasteht in der Geschichte menschlichen Schaffens,
etwas, das Hildebrandt treffend ein »Wunder des
Idealismus« nennt. Als das Luftschiff in Flammen auf-
ging, erfüllte Verzweiflung und Wut über die Tücke
des Elements die Tausende, die anwesend waren.
Aber brausende, jauchzende, nicht endenwollende
Hurra- und Hochrufe begrüßten den Grafen, als er im
Automobil zur Unglücksstelle kam — ohne eine Miene
zu verziehen — wie zur Marmorsäule erstarrt.
Am gleichen Tage noch wurde spontan der Gedanke
einer Nationalsammlung geboren. Der Funke, der bei
Echterdingen das Luftschiff vernichtete, hat auch im
deutschen Herzen gezündet. Der Kronprinz stellte sich
an die Spitze eines deutschen Reichskomitees zur
207
Aufbringung einer Ehrengabe an den Grafen Zeppelin.
Zwei Monate später waren 51% Millionen Mark bei-
sammen, die ganze Volksspende belief sich auf
7 Millionen Mark, wovon nach der » Württemberger
Zeitung: mehr als 1½ Millionen Mark bereits am fol-
genden Tag nach dem Echterdinger Unglück gezeichnet
waren. Alles stand wie bezaubert im Banne dieses
Ereignisses.
Und ist auch dein Ballon zerschellt,
Alldeutschland bleibt dir hold. —
Die Stange, die dein Volk dir hält,
Ist eine Stange Gold,
schrieb damals der »Ulk«. Und diese Stange Gold
war im eigentlichen Sinne auch der Geburtsdukaten
des Zeppelinschen Werkes.
Von »Echterdingen« ab ging der Siegesflug
Zeppelins steil empor. Es fehlte zwar auch künftighin
nicht an Katastrophen, die dieser Arbeit wie lauernde
Schatten zu folgen schienen, aber jede wurde eine
große Lehre und so wurden sie immer seltener, so
daß der endliche Erfolg schließlich alle Opfer und
Verluste überstrahlte. Heute steht Graf Zeppelin am
Ziele, erfüllt von dem erhebenden Bewußtsein, nicht
nur das Richtige gewollt, sondern auch erreicht zu
haben. Der große Einsatz, die Wertprobe in eiserner
Zeit rechtfertigten das Vertrauen, das Hoffen und die
Zuversicht eines ganzen Volkes auf das Werk eines
einzelnen.
Der losbrechende Sturm war den Luftkreuzern
vertrautes Element und löste die in sie durch ein
Jahrzehnt unermüdlicher Arbeit hineingelegten Energien.
Die ganze Welt sah mit nervöser Spannung den ersten
Kriegsfahrten der Zeppeline entgegen, und Städte und
Küsten unserer Gegner versanken zitternd in ängst-
liches, schützendes Dunkel. Vielleicht haben sich un-
sere »hochkultivierten« Gegner nach ihren eigenen
haßerfüllten Absichten die Angriffe der Zeppeline
anders vorgestellt und zu Beginn des Krieges ein
maBloses Vernichtungswerk erwartet. Es lag nicht an
der Unmöglichkeit, daß es nicht geschah, sondern an
den auch im Kriege von uns respektierten Menschen-
rechten. Die Zeppeline bekämpften nur den Feind,
diesen aber unerbittlich, furchtlos und mit Erfolg. —
Eine glänzende Schilderung möge aus dem Buche
Dr. Saagers hier anzuführen gestattet sein:
Eine Zeppelinnacht in Paris.
ar ER Von überall hört man den Ruf:
Zeppelins! Les Zeppelins!«
en a Schutzmann steht mitten im Haufen und er-
rt:
»Sie wurden ein Viertel vor ein Uhr aus Compiégne
gemeldet und müssen jetzt über der Enceinte sein. .«
Die Uhr ist kurz nach eins. Überall in Paris —
von Montparnasse bis Menilmontant, in Passy und
Montmartre erklingen die Hornsignale der Feuerwehr-
leute, Autos rasen durch die Boulevards und blasen
Alarm. Garde a vous! Vorm Bahnhof werden die
letzten Lichter gelöscht und wir stehen im Dunkeln
unter dem sternklaren Himmel. Aus der Ferne, vom
Mont Valerien und den Forts um Paris hören wir in
der stillen Nacht das tiefe Brummen der Kanonen.
An den Droschkenhaltestellen haben die Kutscher die
Laternen ihrer Wagen gelöscht und sich aus Angst
vor den Zeppelinen in die geschlossenen Droschken
verkrochen.
Da wird die Luft von einem ohrenbetäubenden
Knall erschüttert.
»Sehtl« ruft einer aus dem Haufen und zeigt in
der Richtung des Eiffelturmes: Zeppelin!
»Wo, wo ?«
»Und die kleinen Lichter hinter ihm! Das sind
unsere Flieger. . Sie kriegen ihn! Sie kriegen ihn!«
Wir starren angestrengt zu den Sternen hinauf,
sehen aber nur ihr ruhiges Blinken, nichts anderes;
weder Zeppeline noch französische Flieger. Durch
die Stille aber hören wir die Kanonen vom Platz
»Les
208
vorm Trocadero und die Mitrailleusen von der Platt-
form des Eiffelturmes.
Es ist die erste Frühlingsnacht. Die Luft ist so
lind und mild. Die schwarze Kuppel des Invaliden-
doms hebt sich wie eine Silhouette vom Sternen-
himmel ab. Wir hören zwei kräftige Explosionen oder
Schüsse. Sind es Bomben von dem unsichtbaren
Luftschiff oder französische Kanonen ?
Wie von einer unsichtbaren Macht angezogen,
sammeln alle Scheinwerfer, die bisher unaufhörlich
und unaufhaltsam über den Himmel gefegt sind, sich
jetzt an einem bestimmten Punkt, schneiden sich und
bilden leuchtende Winkel am östlichen Horizont. Ein
Strahlenbund vom Eiffelturm zeigt gerade auf die
Sacré-coeur-Kirche, die zwischen den Höhen von
Montmartre weiß durch die Nacht leuchtet. Ein an-
derer Sucher kommt von dem Dach auf Dyfagels
Etablissement, entfaltet sich wie ein Fächer und
bildet ein leuchtendes Oval über Batignolles. Von
verborgenen Stationen längs der Seine, von den
kleinen Ortschaften in der 5 von Paris, aus
der tiefsten Dunkelheit der Weltstadt selbst strahlen
diese leuchtende Brücken aus, die zu dem unsicht-
baren Feind in der Nacht hinaufführen, der hoch
oben in der Finsternis dem Lauf der Seine folgt und
ohne zu schwindeln, die Sterne in dem rinnenden
Wasser blinken sieht.
Plötzlich sehen wir, wie ein Sucher, der unruhig
auf und ab vibriert hat, in die Höhe schiebt und fast
lotrecht über unseren Köpfen ein Oval bildet. Gleich-
zeitig prasselt vom Dach des Triumphbogens der
Bleiregen der Mitrailleusen. Und jetzt hören wir in
der Richtung von Grenelle deutlich die Motoren des
Luftschiffes, ein tiefes Brummen, das näher und näher
kommt, und im nächsten Augenblick sehen wir, indem
der Scheinwerfer seine Beute findet und umschließt
einen fe N, der von dem leuchtenden Oval des
Scheinwerfers umgeben, einen Augenblick im Stern-
bild der Kassiopeja steht und darauf langsam weiter-
leitet, den Champs Elysées in der Richtung von
euilly folgend. Das Luftschiff, das vorn eine stark
leuchtende Laterne hat, schwimmt sicherlich nicht
mehr als 1000 m über der Stadt. Jetztiaber steigt es,
versucht durch ein schnelles Manöver dem Licht des
\
—
I
Scheinwerfers zu entgehen. Die Luft hallt von Kanonen-
schüssen wider, und deutlich sehen wir, wie die
Schrapnells vor, hinter und neben dem Zeppelin ex-
plodieren, ohne daß ein einziges trifft. Die Explosionen
der Granaten hinterlassen einen Federbusch von
weißem Rauch, der unterm Nachthimmel verflattert.
Im Kielwasser des Luftschiffes zeigen sich einige
kleine helle Punkte, die über den Himmel gleiten
und plötzlich verlöschen. Zuerst glauben wir, daß es
verfolgende französische Aeroplane sind mit Laternen
am Steven, schließlich aber kommen sie in solchen
Mengen vor, daß wir annehmen müssen, daß es ent-
weder leuchtende Raketten oder Funken vom Motor
des Zeppelins sind.
Der Anblick, den ich geschildert habe, dauert nur
wenige Augenblicke. Durch ein schnelles Manöver ist
das Luftschiff in der Dunkelheit verschwunden, übrig
sind nur die roten Funken und die Strahlenbündel der
Scheinwerfer, die wieder ohne Ziel ruhelos über den
Himmel flackern.
Die Kanonenschüsse werden seltener und ferner
und verstummen schließlich ganz. Die leicht bekleideten
Zuschauer, die die Balkons gefüllt hatten, schließen
Fenster und Läden. Vereinzelte Nachtwanderer, die
das seltsame Schauspiel verfolgt hatten, kehren heim.
Bald ist alles still. Paris schläft wieder.«*)
Wenn heute das deutsche Volk dem Grafen Zep-
pelin eine ungleich größere Verehrung entgegenbringt
als dem Erfinder eines erfolgreichen starren Luft-
schiffes eigentlich zukommt, so fühlt es instinktiv, daß
— wie Saager treffend ausführt — das deutsche
Volk an der Persönlichkeit des Grafen und an
seinem Werk »gelernt hat, sich als Volk zu fühlen«!
Und mit weit vorschauender Erkenntnis schließt
Saager in seinem Vorwort mit den Worten, daß
»spätere Geschichtsschreiber in die Darstellung des
Weltkrieges ein Kapitel wohl hineinziehen werden
müssen, das »Echterdingen« heißt. Und sie werden
betonen, daß »unser« Zeppelin gerade die Eigen-
schaften in aller Stille bei seinem Schaffen vor-
preine hat, durch die im Weltkriege das deutsche
olk sich bewährte«.
*) J Eine Se Schilderung von Andreas Winding, erschienen
in -Politiken«.
Aufstieg eines „ arischen Fliegers auf gepanzertem use -Doppel-
r
decker. Südlicher
iegsschauplatz. (»Interessantes Blat
209
Das Heldengrab unseres unvergeßlichen und hochverehrten Ausschuß-
mitgliedes Hauptmannes Franz Freiherrn v. Berlepsch auf dem
Kirchhofe zu Warcholi bei Nisko.
ADN
S
Na;
DANS
Der besonderen Liebenswürdigkeit der Frau Ba-
ronin v. Berlepsch verdanken wir die obenstehend
reproduzierte Aufnahme des einfachen Heldengrabes.
Hier wurde unser unvergeBlicher, treuer Freund und
MM CF ica
; ” 8
s
"E
2
dl
>-
J J
e
Aviationskollege von seinem Diener Anton Nowak,
der ihn von Raclavice, wo Freiherr v. Berlepsch am
29. Oktober v. J. den Heldentod fand, bis Warcholi
trug, am 30. desselben Monates beerdigt. R.i.P.
Aus Industrie und Praxis.
(Neues aus Amerika.)
Wer an der Hand der kurzen, dafür aber um
so inhaltsschwereren Berichte unserer verbündeten
Generalstäbe die Leistungen unserer Luftfahrer-
truppen im Felde verfolgt, wird schon durch die
schmucklose, nackte Aufzählung und Registrierung
einzelner Tatsachen allein unschwer zu der Über-
zeugung gelangen, daß nicht zuletzt die rauhe
Notwendigkeit des Krieges selbst den
mächtigsten Anlaß zu der in der letzten
Zeit bemerkbar gewordenen rapiden
Expansion des Flugwesens und seiner so ungemein
sprunghaft forcierten Entwicklung auch in tech-
nischer Hinsicht geboten hat.
Wenn wir schon zu einer Zeit, da noch niemand
die Möglichkeit kriegerischer Verwicklungen ernstlich
zu erwägen vermochte, mit großer Befriedigung kon-
statieren konnten, daß gerade das deutsche und
österreichische Flugwesen sowohl qualitativ wie auch
quantitativ jenes unserer nunmehrigen Feinde zu über-
flügeln begann — und dies im wahrsten Sinne des
Wortes —, so kann heute, nach mehr als zwölf Monaten
ununterbrochenen Kampfes, zu Wasser, zu Lande und
zur Luft, eben im Hinblicke auf die effektiven
Leistungen, die gerade die jüngste Zeit auf unserer
Seite gebracht, kein Zweifel mehr darüber obwalten,
daß die neu hinzugekommenen, speziell kriegstech-
nischen Erfahrungen und deren verständnisvollste
Auswertung hier das übrige getan haben, um uns
1 so wohlverdienten Vorsprung dauernd zu
sichern.
210
All dem gegenüber erscheint es nur allzu begreif-
lich, daß unsere Gegner, gewitzigt durch ihre sich
täglich mehrenden MiBerfolge, alle erdenklichen An-
strengungen machen, uns diesen zum Teil von ihnen
schon selbst kleinmütig eingeräumten Vorrang streitig
zu machen. Zu welchen Verirrungen solch überhastete
Bemühungen ohne Systematik führen können, dies
sehen wir an den Mißerfolgen, die sich prompt ein-
stellen, sobald wir von dem Auftauchen irgend eines
neuen Leviathans der Lüfte — und dies scheint
momentan die Spezialität unserer Gegner zu sein —
hören.
Rußland hat mit seinen gigantischen »Sikorskys«
den Anfang gemacht, bald folgte Frankreich mit
seinen Dorands — »Großkampfflugzeuge«
enannt — und zuletzt hören wir nun auch von dem
rscheinen eines, vermutlich in Italien geborenen
Luftdreadnoughts über den österreichischen Stellungen
im Süden der Monarchie. Im Hinblicke auf die ziffern-
mäßig ausgedrückte Minderwertigkeit dieser mon-
strösen Flugzeuge, auf die ebenso ziffernmäßig aus-
drückbaren Nachteile, die spezifisch dieser Riesen-
klasse nachgewiesen werden können, ist es nur auf
das lebhafteste zubegrüßen, daß der auch
in Deutschland und Österreich zwischen-
weilig aufgetauchte Plan bezüglich Baues
von ähnlichen Ungetümen, das Projekt der
Großkampfflugzeuge, tatsächlich bisher
nur auf dem Papier geblieben ist. Verdanken
wir doch viel, wenn nicht gar alles, der unserem
Gegner geheimnisvollen Beweglichkeit und Agilität
unserer Kriegsdoppeldecker, die in diesem Belange,
wie die Ergebnisse von über dem nördlichen Kriegs-
schauplatze stattgefundenen Luftkämpfen lehren, den
schweren Apparaten der Sikorskyklasse weitaus
überlegen sind, die trotz des unverhältnismäßig großen
Aufwandes an motorischer Leistung eben infolge ihres
großen Beharrungsvermögens über eine soweit aus-
dehnbare Bewegungsgeschmeidigkeit nicht verfügen.
Stellenweise vermag man heute bereits die Wahr-
nchmung zu machen, daß speziell die Franzosen alle
erdenklichen Versuche unternehmen, sich dem be-
währten kraftvollen deutschen Doppeldeckertyp zu
nähern, allem Anscheine nach aber mit wenig Erfolg.
Fehlt ihnen gerade hier
doch die vitalste Voraus-
setzung: der deutsche
Standmotor. Bereits vor
Kriegsausbruch machteein
Erlaß des französischen
Kriegsministers viel von
sich reden, demzufolge die
Motorenindustriellen an-
gewiesen wurden, sich
mit dem Baue von Stand-
motoren intensiver zu be-
fassen und dabei sich
speziell an das deutsche
Vorbild zu halten. Diese,
kurz vor Toresschluß ge-
kommene Einsicht hatte
wohl den Ankauf einiger
deutscher Motorenmodelle
zur Folge, einen brauch-
baren Standmotor aber hat
die französische Motoren-
industrie nicht herausge-
bracht. Aber auch die
französische und auch
die englische Flugzeug-
industrie selbst hatte im
Kopieren deutscher Vor-
bilder wenig, herzlich
wenig Erfolg, trotzdem sie
es doch bloß notwendig
gehabt hätte, den einen
oder den anderen der
wenigen, durch Notlan-
ER
Ta h le o
dungen in feindlichen Besitz gekommenen Apparate
glatt zu kopieren.
Auf welchem technischen Niveau sich dermalen
die Flugzeugindustrie unserer Feinde bewegt, dies
erfahren wir nunmehr zugleich mit einigen recht
interessanten Einzelheiten auf dem Umwege über
Amerika, dessen merkwürdige Auffassung und Aus-
legung der Pflichten eines neutralen Staates in den
letzten Monaten vielfach von berufenerer Seite erörtert
worden ist.
Die Industrie der Vereinigten Staaten, speziell
aber die Flugzeugindustrie, versorgt heute bekanntlich
Frankreich, vor allem aber Rußland ausgiebig mit
Flugzeugen, unter diesen zunächst mit solchen des
Systems Curtiß. Sowohl die französische Marine,
wie auch jene Rußlands verfügen über eine große
Anzahl von Original-Curtiß-Flugbooten, die in regel-
mäßigen Zeitabständen an die Verbündeten zur Ab-
lieferung gebracht werden. So ist erst in den letzten
Tagen ein Transport von über achtzig solchen Flug-
booten an die Dreiverbandsmächte geliefert worden,
Bestellungen, die augenscheinlich die völlig brach
darniederliegende amerikanische Industrie vor gefähr-
lichen geschäftlichen Stagnationen bewahrt haben.
Als fast alleinige und konkurrenzlose Lieferanten
an die Dreiverbandsmächte kommen heute nur die
Curtiß-Werke in Hammondsport in Betracht. Ver-
schwindend klein sind im Vergleiche hiezu die Liefe-
rungen, welche Thomas Brothers und Benoist
übertragen werden. Nachdem der Bedarf des eigenen
Landes, d. i. der amerikanischen Marine, ein äußerst
geringer ist — die neuesten Berichte sprechen von
der unglaublich geringen Anzahl von 23 Wasserflug-
zeugen, über welche die Marine der U.S.A. heute
insgesamt verfügen soll — so sind diese Firmen
haupsächlich darauf angewiesen, das Ausland als
Absatzgebiet für ihre Produktion zu gewinnen, da der
Flugsport in Amerika selbst nicht recht florieren will.
Unter dem Drucke dieser Verhältnisse, sowie
beeinflußt durch die Erfolge deutscher Flugzeuge,
suchen nun fast alle amerikanischen Fabriken ihr Heil
in dem Kopieren deutscher Doppeldecker, meist aber
nur mit geringem Erfolge, da ihnen ja die jahrelange
Erfahrung fast völlig fehlt.
Fig. 1. Blick in den Montageraum der neuen Curtiß-Factory in Buffalo.
—— — — — ee
Fig. 2. Planzeichnung des Benoist-Flugbootes.
Unter der Ungunst der Verhältnisse haben die
Wright-Werke zu Dayton, Ohio, am meisten zu
leiden. Orville, der nach dem Tode seines genialen
Bruders die alleinige Leitung der Fabriken übernahm,
hat sich augenscheinlich nicht dazu entschließen
können, die neuzeitlichen Bautendenzen bei seinen
Konstruktionen zu berücksichtigen, und so erscheint
es nur zu begreiflich, daß bei dem erbitterten Kon-
kurrenzkampfe der amerikanischen Flugzeugindustrie,
welche ja angestrengt an der Vervollkommnung ihrer
Schöpfungen arbeitet, der Wright-Doppeldecker heute
selbst in den U.S.A. als veraltet und unmodern be-
zeichnet wird.
So wenig in Amerika auf dem Gebiete des Land-
flugzeugbaues bisher geleistet worden ist, so viel
konnte anderseits wieder auf jenem des Wasserflug-
wesens erzielt werden. Allen voran hat Curtiß, die
speziell für Amerika hohe Bedeutung des Flugbootes
für die Zwecke der Küstenverteidigung ermessend,
diesesselbstzu höchster Vollendung zu bringen vermocht.
Durch die Erfolge
seiner fliegenden Boote
und die damit verbundene
größere Nachfrage zur
Vergrößerung seines
Betriebes genötigt, hat
Curtiß in jüngster Zeit
eine Filialfabrik seiner
in Hammondsport und
Newyork befindlichen
Werke, die auch mit mehr
oder minder großem Er-
folg die Motorenerzeu-
gung betreiben, in Buffalo
errichtet, die sich haupt-
sächlich mit der Erzeu-
gung von Landflug-
maschinen befaßt. Fig. 1
genan einen kleinen
inblick in die große
Montagehalle dieser Fa-
brik, in welcher gerade
eine Serie seiner neuen
Militär-Doppeldecker in
Anfertigung begriffen ist.
Aus dem Bilde geht sehr
deutlich die heute bereits
hierzulande verworfene
Kühlerform und -anord-
nung hervor, sowie auch
211
der unverkennbar deutsche Schnitt
des Rumpfes und Fahrgestelles.
Auf dem Gebiete des Flugboot-
baues hat Curtiß in Amerika selbst
nur in Benoist einen halbwegs
ebenbürtigen Konkurrenten gefunden,
dessen neues Flugboot, Typ 1915,
in den Fig. 2 und 3 dargestellt ist.
Die in Chicago, Illinois, gelegene
Fabrik von Benoist stellt zwei Typen
dieses Bootes her, und zwar Typ
»A«, zweisitzig, mit 75 PS-Motor,
und Typ »B«, ebenfalls zweisitzig,
aber mit 100 PS-Motor. Ersterer Typ
besitzt eine Spannweite von rund
12 m bei einer durchschnittlichen
Decktiefe von 175m. Das Boot ist
vollkommen aus Spruce hergestellt
und 7 m lang, vorne mit viertelzölli-
gem Fournier, rückwärts mit solchem
von 3/3 Zoll Stärke überzogen. Der
Motor befindet sich unmittelbar
hinter den beiden Frontsitzen, also
im Boote selbst, und treibt mittels
einer Kette die Druckschraube an.
Im te folgt die Bauart den
11 Curtiß erfolgreich eingeführten
inien.
Neuerdings ist auch der amerikanische Konstruk-
teur Christofferson, dessen eigenartiger Doppel-
decker bereits in Nr. 1/2 d. J. beschrieben wurde,
mit einer sehr hübsch ausgeführten Flugbootkonstruk-
tion hervorgetreten, deren Dispositionszeichnung in
Fig. 4 wiedergegeben ist. Ausführung der Flächen,
Steuer und Steuerung etc. ist unverändert von dem
beschriebenen Apparat auch auf die Bootskonstruktion
übernommen worden. Auch der speziell für harten
Seegang sehr widerstandsfähig gebaute Bootsrumpf
verrät gewisse Ähnlichkeit mit jenem des Doppel-
deckers, besonders in der Art der Beplankung, die
ja für die Apparate des genannten Konstrukteurs
charakteristisch ist und ebenfalls bereits ausführlich
beschrieben wurde. Der Boden des Bootes verläuft
stufenlos von vorne in schwacher Kurve konvex ab-
fallend, hernach vollkommen eben und horizontal,
dann wieder schwach nach oben führend. Vollkommen
ungewölbt (in der Querrichtung betrachtet), wird er
seitlich rechts und links durch zwei Längsleisten ein-
2
Fig. 3. Benoist-Flugboot der amerikanischen Marine.
212
gefaßt, die hochkant gestellt, über den Boden hinaus- | Urteile amerikanischer Marineure ganz besonders gut
ragen und dem Boote im Wasser eine sicherere Führung
verleihen und dabei auch schädliche Wirbelungen
vermeiden sollen.
Die oben 15 m klafternden Tragdecken sind analog
jenen des Landdoppeldeckers ausgeführt und auch
bezüglich ihrer Konturierung jenen gleich geführt. Die
Fig. 4. Planzeichnung des Christofferson-Flugbootes.
beiden, in einem gegenseitigen Abstande von Im ge-
führten Träger der Tragflächen besitzen Doppel-T-
Querschnitt und sind aus verleimten Sprucehölzern
zusammengesetzt. Auch die aus Oregonspruce und
Lindenholz gefertigten Rippen besitzen den gleichen
Querschnitt. Ihre vordersten Partien erhalten einen
Überzug aus Wallnußfournier, der die Bildung einer
glatten, rillenfreien Ober- und Unterfläche des Ein-
trittsschnabels bezweckt. Als Novum ist die Art der
Innendiagonalversteifung des Flügelgerüstes hervor-
zuheben. An Stelle der üblichen Drahtzüge werden
hölzerne Zugstäbe sowohl für die Querrichtung, wie
auch für die Diagonalen verwendet, wie dies aus der
Draufsicht in Fig. 4, links, hervorgeht. Die Verbindung
dieser Stäbe mit den Rippen erfolgt nicht etwa
gelenkig oder mit seitlichem Spielraum, sondern
durch Verleimung an den Kreuzungsstellen. Die An-
schlußverbindungen je zweier zusammenstoßender
Stäbe sind gelenkig durchgeführt. Ob diese neue Art
der Innenverspannung tatsächlich der gebräuchlichen
überlegen ist, kann ohne Erfahrungsresultate nicht so
ohne weiteres entschieden werden. Jedenfalls hat
diese Methode den großen Vorteil für sich, daß die
Dehnung einen viel geringeren Prozentsatz einnimmt,
selbst bei vervielfachter Beanspruchung, so daß sich
das häufige Nachspannen erübrigen dürfte.
Neben den Flugbooten der Bauart Curtiß und
Benoist hat die amerikanische Marine in jüngster
Zeit auch Wasserflugzeuge der Bauart BurgeB-
Dunne eingestellt, die von der Burgeß-Aeroplane-
Company in Marblehead, Massachusetts, im Linzenz-
wege erzeugt werden. Es sind dies die schwanzlosen
Doppeldecker des englischen Kapitäns Dunne, die
in Europa berechtigterweise recht kühle Aufnahme
gefunden haben. Wie die Fig. 5 zeigt, ist lies
nach Abnahme der Räder dadurch zu einem Wasser-
flugzeuge adaptiert worden, daß er mit seinen lang-
gestreckten Kufen einfach auf einen an denselben
befestigten Mittelschwimmer gestellt wurde. Mit einem
Maschinengewehr armiert, soll sich dieser Apparat
für die Zwecke der Küstenverteidigung nach dem
eignen.
7 unverkennbare Einfluß deutscher Konstruk-
tionstendenzen zeigt sich auch in dem in Fig. 6
wiedergegebenen Entwurfe des Militärdoppeldeckers
eines jüngeren amerikanischen Konstrukteurs, He in-
' rich, dessen Tragdecken die Pfeilform, gepaart mit
negativer Flächenstaffelung, auf-
weisen. Praktischen Versuchen zu-
folge soll dieser Apparat, der noch
im Vorjahre erprobt wurde, eine
Geschwindigkeitsdifferenz von mehr
als 50 Prozent der Minimalge-
schwindigkeit gezeigt haben, wobei
der besonders kurze Anlauf sowie
auch das brillante Steigvermögen der
Maschine auf eine gute Ausnützung
der Flächen schließen läßt. In weni-
gen Minuten zerlegbar, besitzt die
aschine mit Passagier einen Akti-
onsradius von 500 Meilen. Die Sitze
sind tandemartig, also hintereinander,
im breiten Bootsrumpfe angeordnet,
die Breite der Passagiersitze ist
derartig groß gehalten, daß bequem
auch zwei Passagiere Platz finden
können. Die Steuerung ist, ent-
sprechend den Anforderungen der
amerikanischen Heeresverwaltung,
in doppelter Anzahl vorgesehen.
Die Grenzen der erreichbaren Ge-
schwindigkeit schwanken bei dem
vorliegenden Typ bei Verwendung
eines 100 PS-Gyromotors zwischen
80 und 150 km/St. Bei einer Be-
lastung mit einem Passagier, Brenn-
stoff und Öl für 4 Stunden, vermag
dieser Apparat 260m pro Minute zu steigen. Der
Motor selbst ist ein amerikanischer Gyromotor von
110 PS eff., einem Brennstoffverbrauch von 10 Gallonen
pro Stunde und einem Gewichte von bloß 135 kg.
ie oberen Flügel sind als durchlaufendes, ungeteiltes
Tragdeck ausgebildet und schwach pfeilförmig nach
hinten gedreht. Ihr Gerüst besteht aus zwei Pechene
längsträgern mit Sprucerippen, deren beider Quer-
schnitt ein »I« zeigt. Der Vierkant-Gitterrumpf trägt
vorn eine gehämmerte Aluminiumhaube a la Euler
und rückwärts eine nichttragende Dämpfungsfläche
a la Aviatik, an die sich die paarigen Höhensteuer-
lappen anschließen. Das Fahrgestell, dessen Anord-
nung aus der Zeichnung hervorgeht, trägt eine kurzer
aufgebogene Stoßkufe, deren Anwesenheit im Hin-
blicke auf die vorliegenden Erfahrungen als unzweck-
mäßig bezeichnet werden muß. An dieser Stelle soll
übrigens darauf hingewiesen werden, daß die noch
vor drei Jahren von fast allen Flugtechnikern so warm
Fig. 5. Schwanzloser Burgeß-Dunne-Wasserpfeilflieger der
amerikanischen Marine.
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empfohlenen Kufen nunmehr in Deutschland und
Österreich gänzlich eliminiert worden sind, woran
nicht zum mindesten die durch ihre Anwesenheit bei
steilen Landungen ständig nahegerückte Gefahr des
Einbohrens und Uberschlagens am Boden, wie aber
auch anderseits die weitestgehende Rücksichtnahme
an an unnötiger luftwiderstanderregender Teile
schuld ist.
Unter den weiteren bemerkenswerten Neukonstruk-
tionen der amerikanischen Flugzeugindustrie ist noch
der neue Sloane-Doppeldecker, Fig. 7, zu erwähnen,
der von der Sioane-Aeroplane-Company in San Fran-
cisco, Kalifornien, gebaut wird, die sich bislang mit
dem Kopieren französischer Apparate, namentlich aber
der Deperdussin-Eindecker, begnügte. Der neue Sloane
»E 2«-Doppeldecker, der ebenfalls für militärische
Zwecke gebaut wurde, ist mit einem 80 PS-Gyro-
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Fig. 6. Militärdoppeldecker Heinrich.
motor ausgestattet, mit welchem Geschwindigkeits-
differenzen bis zu 50 Prozent erzielt werden können und
eine Steiggeschwindigkeit von 1200 m in 10 Minuten
erreicht werden kann. Auf die Verwandtschaft mit den
von der Gesellschaft früher gebauten Deperdussin-
Apparaten deutet die unverändert übernommene De-
be a E hin, die durch ein an einem
vertikalen, breiten Bügel befestigtes Handrad gekenn-
zeichnet ist. Die übrigen Charakteristika dieses
Apparates gehen aus der Dispositionszeichnung deut-
lich hervor. Das Fahrgestell ist, ähnlich wie bei
Bristol, vierrädrig, vermutlich um die Gefahr des
berschlagens auf dem Boden wirkungsvoller zu
vermeiden.
Normalerweise nimmt der Apparat auf seinem
hinteren Radpaar den Anlauf, während das vordere
bloß als Stoßradpaar zur Geltung kommt. Zur
Abstützung des Schwanzes dient eine gefederte
Eschenholzkufe unterhalb des Seitensteuers. Der
213
Rumpf, der mit dem ohne Dämpfungsflächen ange-
setzten Höhensteuer jenem des Morane-Eindeckers
stark ähnelt, läuft in eine horizontale Kante aus. Die
sich hieraus ergebende, relativ breite Bauchfläche
des Rumpfes soll in diesem Falle die Funktionen
der fehlenden Dämpfungsfläche übernehmen. Im all-
gemeinen folgt auch dieser Apparat den in Amerika
gebräuchlichen Konstruktionsnormen, die sich er-
sichtlich auf einem noch sehr bescheidenen Niveau
bewegen.
Außer dem vorbeschriebenen Apparate erzeugt
die Sloane-Aeroplane-Company noch einen leichten
Militäreindecker, Modell »D«, ein kleines einsitziges
Flugzeug, das speziell für Erkundungszwecke gebaut
wird. Ausgerüstet ist dasselbe mit einem 100 PS-
Gyromotor. Seine Geschwindigkeit reicht von 80 bis
152 km/St., der Brennstoffvorrat ist für 4 Stunden
Fig. 7. Militärdoppeldecker Sloane.
vorgesehen. Modell »D 2< ist ein zweisitziger Apparat
von etwas größeren Abmessungen mit einem 100 PS-
Gyromotor. Seine Geschwindigkeit reicht von 72 bis
144 km/St., wobei der Betriebsstoffvorrat ebenfalls für
4 Stunden reicht. Als Steiggeschwindigkeit werden
610 m in 6 Minuten angegeben.
Der Preis jedes Flugzeuges beträgt K 28.000, die
Wasserausrüstung besonders kostet außerdem noch
K 2200.
So sehr das Militärflugzeugwesen wie auch die
Flugzeugindustrie in den Vereinigten Staaten rück-
ständig ist, ebenso sehr ist auch die Motorenindustrie
nach europäischen Begriffen hinsichtlich ihrer Pro-
duktionsqualität und auch des Größenumfanges stark
zurückgeblieben.
Von Interesse mag hier eine in amerikanischen
Blättern veröffentlichte Übersicht über die verwendeten
Motoren der amerikanischen Armee und Marine sein,
die wir nachstehend anschließen:
214
Brennstoff. Brennstoff- | Totalgewicht Gewicht
Gewicht
M i |
otor | kg verbrauch | Ölverbrauch Bu ved Ä Motor una
100 PS Gnome 5525 | 12°26 | 176°35 | 311°35
70 PS Renault. 1842 4204 | 3:59 | 11172 32159 451
l |
90/100 PS Curtis. 1828 36°32 | 227 69435 289-40 341 |
i U
Mit den konstruktiven Eigenheiten der neueren | hat nunmehr auch das Interesse der amerikanischen
amerikanischen Motorenkonstruktionen, von denen erst | Heeresverwaltung und der Marine entfacht, so daß die
vor kurzem in diesen Zeilen die Rede war, soll sich | nächste Zukunft der dortigen Industrie auch bessere
demnächst ein gesonderter Artikel ausführlich befassen. | Zeiten und damit auch die so lang entbehrte Existenz-
Der gegenwärtige Weltkrieg, der den Flugzeugen | möglichkeit, hoffentlich aber auch die Unabhängigkeit
auf beiden Seiten zu großen Erfolgen verholfen hat, | vom Auslande bringen dürfte.
Ein amerikanischer Zeppelinzerstörer.
Die zahlreichen, wohlgelungenen Raids deutscher | »superintendent« zugleich. Außerdem beteiligt sich an
Zeppeline nach England und Frankreich haben unseren | der Konstruktion noch Wilbur Kimball, ein ameri-
gemeinsamen Gegnern schließlich die Überzeugung | kanischer Flugkünstler und Luftakrobat. Das ganze
beigebracht, daß sie einen erfolgreichen Kampf gegen | Luftschiff wird selbstverständlich zur Gänze aus eng-
die deutschen Luftschiffe nur dann aufnehmen können, | lischem Material erbaut.
wenn sie in der Lage sind, den Zeppelinen Äquivalente Doch halt, wir sprachen bisher stets nur von
zur Luft entgegenzustellen. Der nach jeder Richtung | einem Luftschiffe, während die Gesellschaft ja den
hin gänzlich mißlungene Versuch, das Zep- | Bau einer ganzen Serie gleich fürs erste plant und
pelinsche System glatt nachzukopieren, istin | diese umfaßt nicht weniger als fünf Einheiten.
Frankreich bekanntlich nicht mehr wiederholt worden | Das erste Exemplar dieses Riesenluftschifftyps geht,
und da sich auch die Flugzeuge Englands und Frank- | dem Berichte des amerikanischen Fachblattes zufolge,
reichs im Verteidigungs- und Angriffskampfe gegen bereits seiner Vollendung entgegen, die vier weiteren
Zeppeline nicht recht bewährt zu haben scheinen, so | befindensich ebenfalls in vorgeschrittenem Herstellungs-
entstand in England der Plan, ein neues, gigantisches | stadium. Die Totallänge eines solchen Luftschiffes,
Riesenluftschiff starren Systems, einen »Zeppelin- | welches wir hier in der Ansichtzeichnung, teilweise
Destroyer«, wie ihn die amerikanische Fachpresse e beträgt 236 Fuß, der Maximal-
nennt, zu erbauen, der die normalen Armee- und urchmesser 28 Fuß, während das Gas volumen 108.000
Marineluftschiffe in jeder Hinsicht, namentlich aber an
Manövrierfähigkeit, erheblich übertreffen soll.
Ober die Vorgeschichte wie auch über die tech-
nischen Eigenheiten des Projektes erzählt die ameri-
Kubikfuß mißt. Vollkommen ausgerüstet, besitzt das
Luftschiff einen Aktionsradius von 300 Meilen (7).
wobei für die Besatzung vier Mann gerechnet wurden,
nämlich: ein Steuermann, ein Kanonier und zwei
kanische Fachschrift »Aeronautics< etwa folgendes: | Ingenieure. Die Besatzung ist in einer länglichen,
Vom Präsidenten der Aeronautical Society of | unterhalb des Vorderteiles des zigarrenförmigen
America, Mr. Mac Mechen, der sich vor kurzem | Rumpfes angeordneten Kabine untergebracht, die nach’
für mehrere Monate in England zwecks Auseinander- | dem Muster der Zeppeline völlig verkleidet und mit
setzung mit den Förderern seines Projektes aufhielt. | kleinen, lukenartigen Fensterchen versehen ist.
wird gegenwärtig ein neues Riesenluftschiff des starren Vorne ist ein 75 PS E.N. V. Motor englischer
Typ gebaut, welches schon in den nächsten Monaten | Abstammung eingebaut, rückwärts ein ebenfalls eng-
zur Erprobung gelangen soll. Es handelt sich um einen | lischer Greenmotor von 125 PS. Diese treiben ver-
Zeppelinzerstörer, der noch im gegenwärtigen Kriege | mittels Stahlbandtriebes direkt die beiderseits a la
in den Kampf gegen die deutschen Zeppeline aus- | Zeppelin angeordneten, gelenkig nen Luft-
geschickt werden soll. schrauben an. Beiderseits des Körpers befinden sich
je vier Höhensteuerflächen, während sich rückwärts,
am äußersten Ende des Körpers die eigenartig ge-
formten Höhen- und Seitensteuerflächen befinden. Für
das Gerüst des Ballonkörpers wird Holz verwendet.
Er zerfällt in 14 Unterteilungen und sind die durch-
ehenden Verbindungsholme untereinander durch
iagonaldrahtzüge gegeneinander versteift. Diese
Drähte gehen, ähnlich wie Radspeichen von einem
Mittelring radial aus und verleihen, indem sie sich
| enge um die 32 Längsträger schlingen, dem ganzen
Gerippe eine hohe Festigkeit (?). Über dieses Längs-
Zwecks Finanzierung des Projektes hat sich unter fast
ausschließlicher Beteiligung Englands, das an der Ver-
wirklichung dieses Planes begreiflicherweise das aller-
größte Interesse hat, ein Konsortium mit einem Kapital
von rund 5 Millionen Dollar (24 Millionen Kronen)
gebildet, in welchem die hervorragendsten Finanzleute
Englands vertreten sind. Der vorgenannte ehrenwerte
Bürger des »neutralen« Amerika, Mr. Mac Mechen,
ist »general manager« der Gesellschaft, ein Mr. Walter
Kamp aus New-York (dessen Name übrigens auffallend
unbekannt klingt) ist Konstrukteur des Luftschiffes und
Fig. 1. Ansicht, teilweise geschnitten, des amerikanischen Zeppelinzerstörers.
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215
DOD
000
Fig. 2. Die Halle des amerikanischen Zeppelinzerstörers.
gerüst schiebt sich ein zweites, aus 29 Querringen
bestehendes, welches die Außenhaut aufnimmt. Die
Innenhaut des Ballons wird aus feinstem kanadischen
Fichtenfurnier gebildet, welches nach Zigarrenwicklungs-
art rings um das Gerüste gewunden wird. Vorne und
hinten endet diese Fichtenfurnierlage in je eine Kalotte,
bezw. Spitze aus Mahagoniholzfurnier. Spiralförmig
ewickelte, dazwischengelegte und mit Leim getränkte
nder und außerdem eine äußere Aluminiumdraht-
wicklung verleiht diesem Gerüst samt der Haut eine
größere Widerstandsfähigkeit und Festigkeit — aber
auch ein erheblich größeres Gewicht. Die inneren
14 Gasballonets sind aus dreifach gummiertem Stoffe
hergestellt und trotzdem sehr leicht. Die Gondel hängt,
wie bereits erwähnt, am Vorderteil des Körpers und
enthält nebst den Motoren alle Vorrichtungen zur
Steuerung des Ballons, die Tanks und die nautischen
Instrumente etc. etc.
Die Einrichtung des Schiffes gestattet ein Steigen
und Niedergehen des Ballons ohne Gasverlust durch
Verdichtung oder Expansion des Gases. Erstere
wird durch zwei Sturtevant-Aluminiumgebläse erzielt,
deren jedes 9 Pfund wiegt und durch je einen Motor
angetrieben wird. Zum Zwecke der Gaskompression
und der Temperaturerniedrigung desselben behufs
Tragkraftverminderung wird kalte Luft in die einzelnen
Ballonets eingeblasen, während zur Erreichung des
gegenteiligen Effektes warme Luft eingeblasen wird.
Um dabei etwaigen Entzündungsgefahren wirksamer
vorzubeugen, ist eine besondere Expansionskammer
vorgesehen, in die das Gas einströmen kann und die
mit Asbestwänden verkleidet ist. Diese Einrichtung
soll auch bereits erprobt und sehr praktisch befunden
worden sein.
Von den neuen Luftschiffen erwartet man eine
Geschwindigkeit von ca. 90 Stundenkilometer bei
einer Aktiousdauer von 10 Stunden, was einem Aktions-
radius von 450 Kilometer gleichkäme.
Die beiden hier eingefügten Abbildungen, die wir
ebenfalls nach dem genannten amerikanischen Blatte
reproduzieren, zeigen die Ballonhalle, die je zwei
dieser Luftschiffe aufnehmen soll, und die erst vor
kurzem fertiggestellt worden ist. Zu erwähnen ist, daß
die ganze Konstruktion den Konstrukteuren und Pro-
en patentrechtlich geschützt worden sein soll.
lassisch ist aber die Bemerkung des amerikanischen
Blattes, die es sich mit Bezug auf die Leistungsfähig-
keit dieser Ballons in Gegenüberstellung zu den
deutschen Zeppelinen leistet: »Sie sind viel leichter
steuerbar als die monströsen Zeppeline, und wir er-
warten von ihnen, daß sie ober diesen (???) mit un-
vergleichlicher Sicherheit, aber auch mit unvergleich-
lichem Erfolge operieren werden (!!!).«
Wir haben uns im vorstehenden damit begniigt,
die Beschreibung des amerikanischen Zeppelinzer-
störers und die an sein Erscheinen und Eingreifen
geknüpften Hoffnungen unserer Feinde nur durch die
stellenweise Zwischenschaltung von Satzzeichen zu
kritisieren. Ohne dem phantastischen Projekte eine
höhere Bedeutung als die verdiente zuzumessen,
möchten wir aber an dieser Stelle der Ansicht Aus-
druck verleihen, der sich übrigens alle gesitteten
Kulturvölker anschließen müssen, daß nämlich eine
derartige Unterstützung unserer Gegner durch einen,
seine Neutralität ununterbrochen beteuernden
und ebenso oft verletzenden Staat, zumindestens
oes an den Pranger gestellt zu werden
verdient.
Geschützdonner und Hochatmosphäre.
Den Ausführungen des Herrn Fauth im Junihefte
der »Österreichischen Flug-Zeitschrift« 1915 über die
Reichweite des Geschützdonners bitte ich sogleich
folgendes entgegnen zu dürfen:
Die Berechnungen des Physikers van den Borne,
denen ich mich in meiner Erklärung der angeführten
Fälle anschloß, gingen nicht so sehr aus von der
Reflexion an einer Grenzfläche, als von der Refraktion
in einer Grenzschicht. Meine Darstellung auf Seite 51
zog den Vergleich mit der reinen Reflexionserscheinung
des Echos nur aus Gründen der Gemeinverständlich-
keit heran. Sie sind für den Geschützdonner von Ant-
werpen, Oktober 1914, auf das exakteste bestätigt
durch die Untersuchung des Niederländischen Meteoro-
logischen Institutes (E. van Everdingen) und durch
die in voller Übereinstimmung mit ihnen stehenden
und sie noch über ein erhebliches Gebiet erweiternden
Erhebungen des Geographen der Universität Münster,
Herrn Meinardus. Ich verweise auf dessen Beitrag
zum Maihefte 1915 der »Meteorologischen Zeitschrift«,
das ferner eine gleicherweise bestätigende, wenn auch
neue Probleme aufstellende Untersuchung des Wiener
Physikers Herrn Dörr bringt.
Der Gedanke an reflektierende Grenzflächen in
verschiedenen, auch mäßigen Höhen der Atmosphäre,
zur Erklärung für Anomalien in der Ausbreitung des
Schalles ist schon um 1868 von dem englischen
Forscher Tyndall ausgesprochen worden. Er ist aber
bereits um 1892 von dem bekannten norwegischen
Meteorologen Mohn bei einer Untersuchung über
Schallsignale auf See verlassen worden.
Für das Ausbleiben solcher Signale schon auf
wenige Seemeilen Entfernung machte Mohn vor
allem einen Schallschatten verantwortlich, der durch
nachgewiesene Temperaturunterschiede in der unteren
Atmosphäre veranlaßt war. Die beteiligte Aufbiegung
216
der Schallstrahlen beruht auf der coon Physiker be-
kannt sein sollenden Tatsache, daB in wärmerer Luft
der Schall sich schneller, in kälterer sich langsamer
fortpflanzt. Der umgekehrte Fall des Herabbiegens
gilt, wenn die obere Luftschichte wärmer, ihr Gefüge
also lockerer ist, ein Verhalten, das in seinem Erfolge
dem gesunden Gefühl«, auf das Herr Fauth beson-
deren Wert legt, auf das klarste widerspricht.
An anderer Stelle komme ich selbst ausführlicher
darauf zurück, daß eine nl Se wärmere und
deshalb spezifisch leichtere Schichte von solcher
Wirkung zeitweise wohl von der schon jenseits 10 km
Höhe beginnenden Stratosphäre gestellt sein kann.
Doch ist der rechnerische Nachweis hier nicht mit der
Genauigkeit geführt und vor allem auch nicht so viel-
seitig bestätigt durch Beobachtungen, wie der Nach-
weis, den Herr vanden Borne für die Grenze Stick-
stoff/Wasserstoff erbracht hat, welche bei etwa 70 km
liegt, nicht aber, wie Herr Fauth meint, bei 100 km
und mehr.
Die flandrischen Mistpoeffer, die wegen ihres von
Herrn Fauth so hoch bewerteten mystischen Charak-
ters meinethalben auch als Mystpuffer bezeichnet
werden mögen, sind keineswegs so häufig, wie man
nach seinen Ausführungen glauben könnte. Der von mir
erwähnte Fall des 12. August 1910 war bis 1914 der
erste und letzte dieses Jahrhunderts. Die von mir
unterstützte volkstümliche Erklärung — als die ein-
fachste und natürlichste, doch wohl die annehmbarste
— aus Schießübungen der britischen Marine hat in
diesem Kriege zum mindesten eine vollwertige Gegen-
probe gefunden.
| Unter dem 7. Mai 1915 meldeten die »Times«, daß
die Festung Dover und die Häuser dieser Stadt von
der auf Dünkirchen eröffneten Kanonade erschüttert
worden seien. Das schwere Geschütz war von deutscher
Seite, wenn auch näheres nicht bekannt ist, jedenfalls
auf flandrischem Boden aufgestellt.
Diese Unsicherheit, die wegen des militärischen
Geheimnisses nichtmilitärischen Forschern in Heeres-
und Marineangelegenheiten auf Schritt und Tritt be-
gegnet, gibt auch die beste Antwort auf die von
auth aufgeworfene Frage, weshalb noch nicht ein
einziges Mal festgestellt ist, »ob und woher Kanonen-
schüsse jene mystischen und dumpfen Puffer ver-
ursacht haben könnten«.
Die besonderen atmosphärischen Zustände, die
nach meiner Meinung für die verschiedene Reichweite
maßgebend sind, boten den eigentlichen Anlaß zu
meinen ersten Veröffentlichungen seit Jänner 1915,
deren eine in die »Osterreichische Flug-Zeitschrift« vom
Februar 1915 gelangt ist. Sie waren tunlichst gemein-
verständlich, für Tageszeitungen geschrieben, um zu
möglichst allseitigen Beobachtungen und zu genauen
Aufzeichnungen anzuregen.
Im übrigen verweise ich auf meine ausführlicheren
Veröffentlichungen, besonders in der »Welt der
Technik<. In ihnen sind die Rätsel dieser irdischen
Schallstrahlungen in Beziehung gesetzt zu kosmischen
Strahlengängen, deren von mir versuchte Erklärung
noch durch eine diesjährige Heidelberger Akademie-
schrift des auch von Herrn Fauth genannten Meisters
der spektrographischen Himmelsforschung erneute, bis
zu wunderbaren und an neuen Rätseln reichen Fein-
heiten ausgedehnte Bestätigung erhalten hat.*)
Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen.
Wilhelm Krebs.
| °) M. Wolf in den Sitzungsberichten der Heidelberger
Akademie der Wissenschaften vom 25. Oktober 1911 und vom
6. Jänner 1915. (Hier bs. S. 8.)
Die wichtigsten Flugzeuge Frankreichs, Englands und Rußlands.
Der gegenwärtige große Krieg ist ein guter Lehr-
meister für unsere so bedeutende fünfte Waffe. Schon
lange erkannte man, daß die Luftfahrzeuge, insbe-
sondere die Flugmaschinen, für militärische Zwecke
ganz besonders dienlich sind. Im heutigen Krieg liegen
den Fliegern eine Unmenge Aufgaben ob, so daß sich
der Kampf ohne Flugzeuge überhaupt nicht denken läßt.
Eine ganz besondere Rolle spielen die Flug-
maschinen in der Aufklärung. Mit allem möglichen
Kartenmaterial, Sprenggeschossen, photographischen
Apparaten etc. ausgerüstet, verlassen die Kriegsflieger
ihren Feld-Flughafen, um aufs genaueste Stärke und
Stellung des Feindes zu erkunden. Alles das zeichnet
er in seine Karten ein und erst dann, wenn er alles
erkundet hat, tritt er den Rückflug — oft unter den
denkbar schwierigsten Verhältnissen — an. Hiebei
dient das Flugzeug auch insbesondere als Unter-
stützung der Artillerie. Es sucht die Standorte der
feindlichen Batterien auf, die es durch Abschießen von
Signallichtern seiner eigenen Artillerie bekanntgibt.
Nicht zu unterschätzende Erfolge werden durch
Abwerfen von Sprenggeschossen auf feindliche Stel-
lungen, Munitionskolonnen, Traindepots, Magazine und
andere militärisch wichtige Punkte erzielt. Oft ereignet
es sich, daß es zu Luftkämpfen kommt, die an die
Führer und Beobachter mitunter ganz gewaltige An-
forderungen stellen, und sind hiebei Mut, Ausdauer
und Geistesgegenwart die drei wichtigsten Faktoren.
Bis jetzt haben unsere Flieger durch kühne Taten
bewiesen, daß sie alle von diesem Geiste beseelt sind.
Frankreich, das bisher stets den Vorrang im Flug-
wesen innehatte, hat zu Beginn dieses Völkerringens
— dem Kampf um Sein oder Nichtsein — mit seinem
Flugwesen vollkommen versagt. Lange dauerte es,
bis sie sich überhaupt blicken ließen, währenddem
unsere wackeren deutschen Piloten schon die Seine-
metropole überflogen. Angeblich wurden sofort Gegen-
maßregeln von seiten der französischen Regierung
aufgestellt, von denen bis zur Stunde noch nicht all-
zuviel zu merken war. Während man bei uns in
Deutschland schon die Rumpfdoppeldecker als Standard-
typ hatte, begann man in Frankreich erst im Kriege,
die besten Systeme als Militärmaschinen auszubauen.
So finden wir heute nur noch wenig Systeme in der
französischen Militäraviatik vertreten, während in
Frankreich vorher eine Unmenge verschiedener Flug-
zeugkonstruktionen existierte. Am meisten sind bei
den Franzosen noch die
Doppeldecker von Henry und Maurice Farman
vertreten, die infolge ihres außerordentlichen Steig-
vermögens sehr beliebt und kriegstüchtig sind. Die
Maschinen sind nach dem bekannten Farmantyp ge-
baut und besitzen kein vorderes Höhensteuer. Der
Führer- und Beobachtersitz ist mit einer gepanzerten
Karosserie umgeben und ist oft vorn ein Maschinen-
gewehr eingebaut. Zum Antrieb dienen e
Gnöme- und Renault-Motoren. Als ebenfalls sehr ge-
eignet wird von der französischen Heeresverwaltung der
Voisin-Gefechts-Doppeldecker
angesehen, Diese Maschine ist aus dem bekannten
Voisin-Doppeldecker hervorgegangen. Höhen- und
Seitensteuer befinden sich in der Schwanzzelle. Die
weit nach vorn ragende Gondel trägt Schnellfeuer-
geschütz, das nach allen Richtungen hin beweglich
ist. Zum Anlauf dient ein robustes, aus Stahlrohr
hergestelltes Fahrgestell. Dieser Typ wird außer von
Voisin selbst auch in den Werkstätten von Nieuport
und Breguet hergestellt. Der kleine
Caudron-Doppeldecker
ist ebenfalls viel zu finden. Dem Gesamtaufbau nach
gleicht diese Maschine den vorher beschriebenen mit
einer merklichen Ausnahme. Während bei Farman
und Voisin der Motor hinter der Tragzelle gelagert
ist, befindet sich derselbe bei Caudron (meist 80 bis
210199
217
181910)
ee
HE
Oberst Uzelac, Kommandant der k. u. k. Luftfahrertruppen, im Gespräch mit Generalmajor Hoehn, Kommandant
des Kriegspressequartiers, und Rittmeister Lehmann.
100 PS Anzani) vor den Tragflächen. Jedoch zeigt
diese Maschine keinen durchgehenden Rumpf, sondern
schließt die Gondel kurz hinter den Tragflächen ab.
Seit geraumer Zeit baut auch Blériot Caudron-Doppel-
decker, da seine Maschine im französischen Heere
keine Verwendung mehr findet. Als einziger Eindecker
wird von den Franzosen der
Morane-Parasol-Eindecker
geflogen. Diese Maschinen, deren Tragdecken über
dem Rumpf liegen, sind alle als Einsitzer gebaut und
sollen sich bisher sehr gut bewährt haben.
Außer diesen Normaltypen werden noch in den
Werkstätten von Letort große
Kampf-Flugzeuge
nach den Plänen des Hauptmannes Dorand hergestellt.
Diese Kampf-Flugzeuge ZEIGE" sehr große Abmes-
sungen und sind mit zwei Motoren ausgerüstet. Der
sehr lange Rumpf ragt weit nach vorn über, was eine
bequeme Unterbringung von Maschinengewehr und
ute Aussicht bedingt. Diese Maschinen sollen den
Wachtdienst über Paris versehen. Allerdings hat man
bis heute nur wenigerfolgreiche Taten von ihnen gehört.
Aber nicht nur die französische, sondern auch die
englische Luftflotte steht der deutschen an Leistungen
weit zurück. Wenn sich auch die Engländer öfters
sehen lassen, so richten sie doch nichts aus, was uns
erheblichen Schaden zufügen könnte. Die Konstruk-
tionen, die die Engländer verwenden, dürften auch
genügend bekannt sein; trotzdem sei hier nochmals
kurz auf die englischen Flugzeuge hingewiesen, die
im gegenwärtigen Kriege Verwendung finden. Der
Avro-Doppeldecker
ist durch den Luftangriff auf die Zeppelin-Werft in
Friedrichshafen bekannt geworden. Die Maschine ist
ein Rumpf-Doppeldecker, dessen Karosserie, in welcher
a
der Gnöme-Motor gelagert ist, Birnform zeigt. Das
Fahrgestell besteht aus zwei Laufrädern und einer
kräftigen StoBkufe. Höhen- und Seitensteuer liegen
im Schwanz. Von diesem Typ nur geringe Abweichun-
gen zeigen die
Short- und Sopwith-Doppeldecker.
Diese beiden Maschinen sind besonders als Wasser-
flugzeuge (Zweischwimmertyp) in der englischen
Marine vertreten. Über Wasserflugzeuge soll an dieser
Stelle nicht eingehend berichtet werden, da dieses
Thema ein Kapitel für sich bildet. Die
Vickers- und Graham White-Doppeldecker
ähneln bis auf ganz genen ige Abweichungen den
französischen Henri Farman-Maschinen, aus denen
ewissermaßen entstanden sind.
as die Sicherheit anbelangt, so bilden die
B. E.-Doppeldecker
der Königlichen Flugzeugwerke eine Klasse für sich.
Diese Apparate sind einfach ohne genaue Berech-
nungen gebaut, und man kann sagen, fast täglich
ereignen sich mit diesem Typ Unfälle, die lediglich
auf Konstruktionsfehler zurückzuführen sind. Vorer-
wähnte Flugzeuge finden in der Hauptsache bei den
Engländern Verwendung.
Wie aus Vorgesagtem zu ersehen ist, verfügen
unsere Feinde über eine ganze Anzahl verschiedener
Flugzeugkonstruktionen, mit denen sie jedoch nicht
allzuviel leisten.
Über Rußlands Flugzeuge ist nicht viel zu sagen,
da sie meist französischen Ursprunges sind. Als einzig
rein russische Konstruktion gilt der
Sikorsky-Riesen-Doppeldecker,
der zurzeit bei den Russen in einer e
Form zu finden ist.
sie
218
Sturmkalender für August und September 1915.
Atmosphärische Störungsfolgen aus den Hauptherdgebieten der tropischen
Sturmbildung
191855, i
im Westatlantik im indischen Ozean
Wochen | bezw. mitti. Am | Im Westpazifik | (Westen)
Sturmblidungsepochen
Juni/Juli Juli Juli Juli / Aug.] Juni / Juli Juli Juli Juli Juli / Aug. Juli | Juli Juli Juli / Aug.
uni/Juliſ 14. bis 23. 22. bis 28. 28. bis 3. | 28. bis 6. 8. bis 15. | 17. bis 28. 22. bis 28. 28. bis 3. | 8. bis 15. pete 23. 22. bis 28. 28. bis 3. |
Ostasien Indischer
Nord- Nord- Ost-
amerika amerik (Nord- Europa Ozean
ay pazifik) | Ostasien (Süden) (Westen)
Ba a al ross ae eS (Nord- Sturm- Z i
Nord- pazifik) bildun Indischer
amerika .bis Ozean |
Nord- Ostasien Ost- (Westen)
Europa Europa amerika - — | Nord- Europa
August3 pazifik) (Süden)
15.
: Ostasien Ost-
— — Europa Sur BE RE (Nord. Europa ER,
August4 Nord- paz en
22. bis 28. Europa amerika d
un Be z SORE, Cee ene — 9
|
August5 Ost- |
| 29. is 31. Europa
(Süden) |
— — — — — — Europa Nord- N
amerika |
sent, a! Europa
33 S nn ee o a Nord- |. —
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8. bis 14. Europa |
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Sept. 3 | j
15. bis 21. |
1
| Europa |
Die sehr lebhaft gewordene Sonnentätigkeit läßt elektrische und magnetische Störungen besonders in der dritten und zu
Anfang der vierten Augustwoche und in der dritten Septemberwoche erwarten. Die Haufung südöstlicher Störungen im |
August stellt ähnlich gegensätzliche Temperaturen und verhältnismäßig trockenes Wetter nördlıch der Alpen wie im |
Vorsommer 1914 in Aussicht. Besonders zu warnen ist vor dem überraschenden Einsetzen starker Sturmböen, deren eine |
am 2. August 1915 einen französischen Fesselballon entführte. Diese besondere Warnung ist deshalb nötig, weil sonst die
Sturmverhältnisse im Sommer eine Abschwächung erkennen lassen. Frühere Beispiele sind vor allem von den Katastrophen
des Sommers 1913 bei Helgoland geboten, deren letzte am 9. September 1913 den deutschen Luftkreuzer »L 1« vernichtete.
Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen. Wilhelm Krebs.
Bücherbesprechungen.
Die Technik im XX. Jahrhundert. Unter Mitwirkung
hervorragender Vertreter der technischen Wissen-
schaften i von Geh. Regierungsrat
Dr. A. Mie the, Professor an der königl. Techni-
schen Hochschule zu Berlin. Vierter Band: Das
Verkehrswesen, die Großfabrikation. Braunschweig,
Verlag von George Westermann.
| Schon der Name des Autors und des Verlages
selbst bieten doppelte Gewähr dafür, daß das Thema
des vierten Bandes in jeder Hinsicht auf das geist-
und ei interpretiert wurde.
as vorliegende, 500 Kunstpapierseiten umfassende,
geradezu künstlerisch ausgestattete Werk gliedert
sich in zehn große Einzelkapitel, die der Reihe nach
behandeln:
1. Dampf- und Elektrobahnen. Von Direktor Alexander
Doepner, Wildau.
2. Die Schiffe und ihre Maschinenanlagen.
A. Die Schiffe. Von Prof. Walter Laas, Charlot-
tenburg.
B. Die Schiffsmaschinen. Von Prof. Paul Krainer,
Charlottenburg.
3. Die Kraftwagen. Von Geh. Regierungsrat Prof.
Dr. A. Riedler, Charlottenburg.
4. Die Luftfahrt. Von Major z. D. Prof. Dr. August
v. Parseval, Charlottenburg.
5. Post, Telegraphie und Fernsprechwesen. Von
R. Kuhlmann, Berlin-Friedenau.
6. Graphik. Von Geh. Regierungsrat Prof.Dr. A. Mie the,
Charlottenburg.
7. Die technischen Maßnahmen der Großfabrikation.
Von Direktor E. Huhn.
8. Der Großbetrieb und seine Organisation. Von
Direktor E. Huhn, Charlottenburg.
9. Die wirtschaftliche Ausgestaltung der Großfabri-
kation. Von Prof. Dr. Karl Moll wo, Berlin.
Von den uns zunächst interessierenden Kapiteln
verdienen speziell die unter 1, 2, 3 und 4 genannten
eine ganz besondere Beachtung, unter diesen aber
wieder das Spezialkapitel »Luftfahrt«, das in Major
v. Parseval einen ganz vorzüglichen Interpreten
gefunden hat.
Der Autor gibt hier eine erschöpfende Übersicht
zunächst über den Stand der technischen und theoreti-
schen Grundlagen des Maschinenfluges, behandelt
dabei in geschickt eingeflochtener Weise die bahn-
brechenden Arbeiten Eiffels und anderer Experimen-
tatoren, wobei sich Gelegenheit ergibt, nicht bloß die
wichtigsten Ergebnisse der Hauptversuche an Flächen-
modellen und Rümpfen, wie auch an kompletten
Flugzeugmodellen diagrammatisch zu registrieren,
sondern auch den Gang der einzelnen Untersuchungen
und die zu denselben erforderlichen Instrumente und
Apparaturen zu beschreiben. Ein spezielles Kapitel
wird auch dem Ruderfluge gewidmet, wobei auch auf
die Prinzipien des Vogelfluges als Grundlage des
Ruderfluges näher eingegangen wird, ein Kapitel,
weiches der Autor der »Mechanik des Vogelfluges«
sehr gut zu bearbeiten verstanden hat. Theorie und
Berechnung sowie Konstruktion der Luftschrauben
werden in ebenso ausführlicher Weise erörtert, wobei
der Autor diesem Kapitel durch die Vorführung seiner
eigenen Versuche und Konstruktionen eine recht
interessante Note zu verleihen weiß. Nach einer aus-
führlichen Besprechung der heute hauptsächlich im
Gebrauche stehenden Flugmotortypen geht der Ver-
fasser auf die Ballontechnik über, deren historische
Grundlagen kurz gestreift werden. Auch hier kommt
dem Verfasser seine langjährige praktische Erfahrung
als Ballonfahrer und schließlich als erfolgreicher Lenk-
ballonkonstrukteur zugute, ebenso in dem Kapitel:
Drachen, Fesselballon und Fallschirm, welches mit
großer Sachkenntnis und Gründlichkeit behandelt
wird. Es folgen hierauf Beschreibungen der haupt-
sächlichsten Ballontypen sowie Flugzeugtypen, worauf
der Verfasser auf die Verwendungsmöglichkeiten zu
sprechen kommt. Ein mit besonderer Sorgfalt ausge-
wähltes und zusammengestelltes Bildermaterial, das
auf dem vorzüglichen Papier besonders vorteilhaft
zur Geltung kommt, unterstützt die Anschaulichkeit
des Geschriebenen, welches sich durch große Über-
sichtlichkeit und Reichhaltigkeit in relativ knappem
Rahmen auszeichnet, wesentlich. Wenn auch seit
Herausgabe des vorliegenden Werkes manche in dem
Buche ausgesprochene Ansicht widerlegt oder doch
nur teilweise abgeändert wurde — wozu ja nicht
wenig die forcierte Verwendung und Praxis des Fliegens
im letzten Jahre beigetragen hat — so ist dessen
unleugbarer Wert für die Zwecke der Belehrung und
Einführung weiterer Kreise — insofern wir eben zu-
nächst nur das Kapitel »Luftfahrt« ins Auge fassen,
nicht zu leugnen.
Das nächste uns interessierende Kapitel: »Die
Kraftwagen« von A. Riedler zeigt in analoger
Stoffgliederung ebenso die wissenschaftlichen wie
auch — und dies ist hier von nicht zu unterschätzender
Bedeutung — die industriellen Grundlagen des Auto-
baues, die in der Praxis zur ea a Sera
wissenschaftlichen Prüfmethoden, ein Spezialgebiet,
auf welchem der Verfasser der » Wissenschaftlichen
Automobilwertung< ebenfalls gründliche Erfahrungen
zu sammeln Gelegenheit hatte.
Mit gleicher Gründlichkeit, jedoch stets ohne
Voraussetzung allzu großer oder doch über das Mittel-
maß technischer Kenntnisse hinausgehender Vorbildung
werden die übrigen vorstehend aufgezählten Kapitel
behandelt, deren Autoren direkt in der Praxis auf
ihren Spezialgebieten bewährte und wertvolle Er-
fahrungen sammeln konnten.
Als ganz besonders empfehlenswert muß die
Lektüre der drei letzten Kapitel empfohlen werden,
die sich mit den internen Maßnahmen der Fabrikation
befassen und in denen auch recht vernünftige — ver-
mutlich durch den Einfluß Taylors allmählich
entwickelte — Gesichtspunkte erörtert werden.
Berücksichtigt man zum Schlusse noch die graphi-
sche und drucktechnische Ausstattung des Werkes,
so kann gesagt werden, daß der Inhalt des vierten
Bandes sich würdig des großen, umfassenden Titels
erweist. — Censor. —
England als Scheininsel, so lautet die Überschrift
des soeben erschienenen Juni/Juli-Heftes der Zeit-
schrift »Motor« (Verlag Gustav Braunbeck
G. m. b. H., Berlin W. 35, Lützowstraße 102).
Das große, reichhaltige und höchst interessante
Heft umfaßt nicht weniger als 140 Seiten und stellt
sich schon durch seinen Umfang als eine der wert-
volisten Kriegsverdffentlichungen dar. Der Spitzen-
artikel, dem eine ganze Reihe bisher in Deutschland
(Leipzig,
219
un veröffentlichter Illustrationen beigegeben ist, zeigt,
wie wenig England bei dem heutigen Stande der Luft-
fahrt noch eine Insel ist. England ist nur noch eine
Scheininsel, und mit fortschreitender Technik wird es
die Vorteile seiner insularen Lage ganz verlieren.
Ein mit dem Eisernen Kreuze ausgezeichneter Flieger
schildert unter dem Titel »Feldflieger an der Front«
allerlei Flugbeobachtungen aus Flandern. Höchst be-
merkenswert ist der Artikel »PariserFliegerdämmerung«,
besonders auch durch eine Reihe authentischer Auf-
nahmen aus deutschen Armeeflugzeugen. Vor dem
entzückten Auge des Lesers breitet sich aus der
Vogelschau das öde, von a “Ere durchzogene
Kriegsgebiet in Flandern aus. it Staunen sieht
man zum erstenmal aus der Höhe ein ganzes vorge-
schobenes Infanteriewerk, ein eingeschossenes Sperr-
fort und eine ganze Kette von Forts, aufgenommen
von Feldfliegern. Hier erhält man wirklich ein Bild
des Krieges. Prächtig illustriert ist ferner ein Artikel
»U-Boote an der Front«. Nächtliche Kampfszenen,
Periskopbilder und Sehrohre selbst wechseln mit-
einander ab. Eine besonders fein illustrierte Arbeit
behandelt den Luftkrieg gegen Italien. Dem kriegeri-
schen Automobil sind ebenfalls längere Arbeiten ge-
widmet. Erich Köhrer führt uns im Automobil »Auf
Hindenburgs Spuren« mit köstlichen leichten Feder-
zeichnungen von Ernst Deutsch. Eine große Studie
behandelt den Lastwagen als Kriegsfahrzeug. So ist
das neue »Motor«-Heft, das nicht weniger als 157
Illustrationen enthält, wieder als äußerst gelungen
zu bezeichnen.
Fiugtechnische Neukonstruktionen. Von Heinrich
ams, mit zahlreichen bildlichen Darstellungen,
erschienen im Verlage »Unser Flugwesen«, Kiel.
Preis broschiert Mk. 1.
Vorliegende Schrift befaßt sich in erster Linie mit
Neuerungsideen des Verfassers, der wohl über die
wichtigsten Fragen unserer Flugtechnik falsch unter-
richtet zu sein scheint. Ohne in nähere Details ein-
zugehen, folgt die Darstellung dem Muster von
Katalogen, indem sie, ohne wissenschaftliche oder
praktische Begründung der einzelnen Konstruktionen,
diese ungemein marktschreierisch anpreist.
Die zeichnerischen Darstellungen sind äußerst
mangelhaft, zum größten Teile aber total unkenntlich.
»Wieder ein neuer herrlicher Sieg« ist zu unserer
Freude fast täglich in den Berichten des Generalstabes
zu lesen. Namentlich die Erfolge auf dem nördlichsten
Kriegsschauplatze, die unsere wackeren Truppen schon
weit in die Ostseeprovinzen gebracht und Namen wie
St. Petersburg in den Bereich der Möglichkeit gerückt
haben, sind prächtig. Auf der vorzüglichen Freytag-
schen Karte der westrussischen Kriegsschauplätze,
1:2,000.000, 70:100 cm groß, Preis mit .
K 1°30 = Mk. 1°10, gegen dessen Einsendung (auc
in Briefmarken) jede Buchhandlung wie der Verlag
G. i ag & Berndt, Wien, VII. Schottenfeldgasse 62
eeburgstr. [Robert Friese]), dieselbe liefert,
ist das jetzt im Vordergrunde des Interesses stehende
Gebiet besonders beriicksichtigt. Die in vielen Farben
schön ausgeführte Karte reicht von St. Petersburg bis
Odessa und von der deutschen Grenze bis Moskau,
so daß der ganze ungeheure Kampfraum und auch die
rumänisch-russische Grenze mit ganz Bessarabien
ersichtlich ist. Wir empfehlen gerne die Karte wie
auch die anderen guten Freytagschen Karten. (Öster-
reichisch-russische und deutsch-russische Grenzge-
biete, 1:1000.000, K 1°30 = Mk. 1°10 mit Porto; öster-
reichisch-ilalienisches Grenzgebiet, 1:600.000, K 1°30
= Mk. 1°10 mit Porto; Nordost-Frankreich und Belgien,
1:750.000, K 1'30 = Mk. 1°10 mit Porto; Handkarte
von ganz Italien, 1:1,500.000, K 1°30 = Mk. 1°10
mit Porto.
—
XENXA Chronik X DX DXI]
Die neu inszenierte U-Boot-Aktion des Öster-
reichischen Flottenvereines. Der Österreichische
Flottenverein verständigt uns: Die großen Industrie-
und Handelsunternehmungen fördern die U-Boot-
Aktion in hervorragender Weise, indem dieselben
große Beträge zur Anschaffung von U-Boot-Abzeichen
subskribieren und diese Abzeichen ihren Beamten und
Arbeitern etc. geben. Hiedurch erhält die U-Boot-
Aktion nicht nur eine Spende, sondern es wird durch
Verbreitung der U-Boot-Abzeichen dieser so eminent
wichtigen und patriotischen Aktion Popularität ver-
schafft. Aber auch die breitesten Schichten der Be-
völkerung, ja auch kleine Beamte, Arbeiter etc. tragen
durch Ankauf eines U-Boot-Abzeichens, welches K 2
kostet, ihr Scherflein zur Schaffung eines U-Bootes
aus freiwilligen Gaben bei.
Tödlicher Unfall eines rumänischen Fliegers.
Am 30. Juli früh hat sich in der Nähe des Forts Dom-
nesti ein neuer Fliegerunfall zugetragen, der einem
jungen verdienstvollen Offizier, dem Unterleutnant
Berceanu vom 2. Jägerbataillon, das Leben gekostet
hat. Berceanu war der Militärflugschule in Cotroceni
seit sechs Monaten zugeteilt. Den ersten Unterricht
im Fliegen erhielt der junge Offizier von dem be-
währten Piloten Oberleutnant Zorileanu und ab-
solvierte dann die Pilotenschule als erster seiner
Serie. Das Flugzeug, mit dem sich der Unfall zutrug,
war ein Zweidecker Farman, der im Lande angefertigt
worden ist. Dieses Flugzeug, auf dem täglich Flüge
unternommen wurden, bot, wie es heißt, nicht ge-
nügende Sicherheit, da es nicht genügendes Gleich-
gewicht hatte. Es ist dies, wie gesagt, keine fest-
estellte Tatsache, sondern eine Vermutung, deren
ichtigkeit durch die im Zuge befindlichen amtlichen
Erhebungen erst erwiesen werden soll.
Am 30. Juli früh führten die Piloten der Militär-
flugschule über dem Flugfelde von Cotroceni mehrere
Flüge aus. Auf dem Farman machte zuerst Ober-
leutnant Olanescu einen Flug von einer viertel Stunde,
er kehrte zurück, ohne daß ihm etwas zustieß. Nach
ihm bestieg Berceanu das Flugzeug. Nach einem Fluge
von zehn Minuten, während dessen das Flugzeug an-
scheinend tadellos funktionierte, landete er, und
unternahm einige Minuten später einen zweiten Flug.
Das Flugzeug stieg zuerst bis zu einer Höhe von
500 m, verminderte dann diese Höhe bis auf 150 m
und nahm die Richtung nach dem Fort Domnesti,
wobei es über die Fouragedepots der Armee dahin-
flog. In der Nähe des Forts ereignete sich der Unfall.
Das Flugzeug begann sich auf die Seite zu neigen,
und alle Bemühungen des Piloten, es wieder ins
Gleichgewicht zu bringen, blieben vergeblich. Plötz-
lich sah man, wie das Flugzeug sich in der Luft
überschlug und dann mit voller Schwere auf den
Boden stürzte, wo es vollkommen in Trümmer ging.
Der unglückliche Flieger, der unter das Flugzeug zu
liegen kam, blieb sofort tot. In der Wucht des An-
pralls barst der Körper des jungen Offiziers der
anzen Länge nach. Als die in der Nähe befindlichen
Soldaten zur Hilfe herbeieilten, fanden sie nichts als
ein grauenhaftes Gemenge von Fleisch, Blut und Erde.
Der Leichnam des unglücklichen Offiziers wurde in
die Kapelle des Militärspitals überführt, wo ihn die
Kameraden mit Blumen bedeckten. Das Leichen-
begängnis des jungen Offiziers wurde mit besonderem
Pompe begangen.
Unsichtbare Flugzeuge. Die »Kölner Zeitung«
schreibt: Um die Flieger vor den deutschen Ballon-
abwehrkanonen zu schützen, ist die französische Firma
Moreau auf den Gedanken gekommen, unsichtbare
Flugzeuge zu schaffen. Die Gesellschaft stellt Ein-
decker her, die in Höhen von 1000 bis 1200 m nur
noch schwach sichtbar, bei 2000 m Höhe aber schon
fast unsichtbar werden. In französischen Zeitschriften
sind über diese »geniale Erfindung« längere Aufsätze
erschienen, und man verspricht sich von dieser »Ent-
deckung« für die Zukunft große 8 Es ist sehr
erfreulich, daß französische Kritiker den hohen Wert
einer solchen Erfindung anerkennen und sie als genial
bezeichnen, und es ist doppelt erfreulich, daß einer
deutschen Arbeit — um eine solche handelt es
sich nämlich — so hohes Lob gezollt wird. Infolge
der durch den Krieg geschaffenen Verhältnisse war
es der Firma Moreau Fréres in Combs-la-Ville
nämlich möglich, ein deutsches Patent ohne weitere
Formalitäten und Entschädigungen zu übernehmen.
Das unsichtbare Flugzeug ist die Erfindung des Mün-
sterischen Motorenbauers Ingenieurs Knubel, dem
es nach jahrelanger Arbeit vor etwa anderthalb Jahren
gelang, einen Eindecker herzustellen, dessen Lenker
ohne Tarnkappe sich unsichtbar zu machen verstand.
Das unsichtbare Flugzeug, das einen Rumpf und
Flügelaufbau wie alle anderen Maschinen hat, wird
nämlich nicht mit Leinwand verspannt und überzogen,
sondern mit einer völlig durchsichtigen Masse, dem
sogenannten Cellon. Das Cellon, das von der Rheinisch-
westfälischen Sprengstoff-Aktiengesellschaft hergestellt
wird, hat in den letzten Jahren in der Automobil- und
Flugzeugindustrie an Stelle des Glases vielfach Ein-
gang gefunden. Es ist eine chemische Verbindung
zwischen Zellulose und Essigsäure und hat geradezu
ideale Eigenschaften. Es besitzt gleich dem Glas
völlige Durchsichtigkeit ohne zu splittern, besitzt die
Biegsamkeit des feuergefährlichen Zelluloids, ohne zu
brennen, und ist zäh wie Gummi, ohne von Benzin,
Benzol oder Wasser angegriffen zu werden. Cellon
läßt sich in jeder beliebigen Größe und Stärke her-
stellen. Ingenieur Knubel kam zuerst auf den Gedanken,
das Cellon statt der Leinwand zum Bespannen von
Flugzeugtragflächen zu benützen. Seine Versuche, die
er bereits im Sommer 1913 anstellte, ergaben, daß
eine Maschine, die mit Cellon bespannt und bekleidet
war, schon in der Höhe von 1000 m fast unsichtbar
wurde. Da auch die Holzteile des Rumpfes, die Flügel-
rahmen und Rippen einen blaugrauen An-
strich erhielten, war es dem unbewaffneten
Auge schon völlig unmöglich, den Apparat
in m Höhe am Himmel zu entdecken. Die
Knubelsche Erfindung wurde in Deutschland
patentiert. Wenn also die Franzosen die
unsichtbare Maschine als ihr geistiges Eigen-
tum ausgeben, so ist das falsch. Es liegt
hier nur ein Patentraub vor, der in Friedens-
zeiten sicherlich ein gerichtliches Nachspiel
haben dürfte.
Nächtliche Looping -the -loop - Flüge
bilden, wie wir der Zeitschrift »Aircraft«
entnehmen, zurzeit eine der Hauptattraktionen
der großen Panama -Pacific - Ausstellung.
Pegoud hat also nicht nur Schule gemacht,
die immer sensationslüsternen und fixen
Amerikaner haben sogar ein Mittel gefunden,
den Nervenkitzel um ein Beträchtliches zu
steigern und den Darbietungen einen noch
mysteriöseren Charakter dadurch zu ver-
lethen, daß sie sie in die Nacht verlegen.
Mr. Artur Smith, ein junger CurtiB-
Pilot, hat sich bereit finden lassen, für Geld
und gute Worte die halsbrecherischen Pro-
zeduren im Dunkel der Nacht vor den
Augen der Ausstellungsbesucher zu voll-
führen, die sich natürlich, von dem unleugbaren Reiz
dieser neuen Vorführungen angezogen, zu vielen
Hunderttausenden allnächtlich in der Ausstellung ein-
finden. Um seine Manöver allen Augen auch verfolg-
bar und die Bahn seiner tollkühnen Kurven sichtbar
zu machen, brachte er am Vorderteile seines Appa-
rates mehrere kleine Lichtquellen an, die von einer
mitgeführten und vom Motor angetriebenen Dynamo
gespeist werden. Ein solcher Flug wurde denn auch
von einem anwesenden Photographen auf die Platte
gebracht — ähnlich der Art der Blitzaufnahmen —
und die hier eingefügte Illustration läßt genau die
Bahn seines Flugzeuges im Dunkel der Nacht er-
kennen. Angesichts der Tatsache, daß der Pilot
Smith sich aber eines normalen Curtiß-Doppeldeckers
für seine Produktionen bediente, was ja auch zur
Genüge aus dem zweiten, hier ebenfalls reprodu-
zierten Bilde hervorgeht, erscheint es mehr als zweifel-
haft, daß der Flieger den Apparat ähnlich wie Pégoud
zum Überschlagen brachte. Wir vermuten viel eher,
daß er durch seine allerdings vielleicht sehr kühnen
Kurven- und Sturzflüge im Dunkel der Nacht sehr
leicht den Eindruck geschlossener Loopingflüge bei
Deresan 5 ..
Die durch einen am Re befestigten Scheinwerfer sichtbar gemachten
lugbahnen Smiths.
221
a
Mr. Arthur Smith auf dem Curtiß-Doppeldecker, mit weichem er die
nächtlichen Looping-the-loop-Fiäge vollführte.
den Zusehern erwecken konnte, zumal die Täuschung
bekanntlich da viel leichter bewerkstelligt werden
kann. Daß aber Or abL ungen ala Pegoud mit einem
schweren Militärdoppeldecker möglich sind, ist sehr
stark anzuzweifeln. Das amerikanische Blatt bemerkt
schließlich, daß das Bild der Flugbahn keineswegs
retuschiert, sondern wahrheitsgetreu wiedergegeben
wurde. (277)
Streik in italienischen Fahrzeugfabriken. In
den Fahrzeugfabriken Nagliani-Mailand und Sa-
voie-Bovisie traten die Arbeiter in den Ausstand.
Die italienische Presse beschwört die Arbeitgeber und
die Arbeiter, sich zu einigen, da die militärischen
Lieferungen nicht verzögert werden dürfen.
Die Sprengwirkung der deutschen Flugzeug-
bomben. Ein englischer Feldpostbrief berichtet von
der gewaltigen Sprengwirkung der deutschen Fiug-
zeugbomben. Der Brief enthält interessante Einzel-
heiten über den Angriff zweier deutscher Tauben auf
Amiens. Danach verbreiteten die deutschen Flugzeug-
bomben Tod oder Zerstörung über ein weites Gebiet.
Die erste Bombe schon bewies, daß die Deutschen
einen ganz starken e neuester
Erfindung verwendeten. 22 Häuser
wurden zerstört und 70 beschädigt.
30 Personen wurden getötet oder
verwundet.
Ein italienisches Flugzeug
herabgeschossen. Magyar Orszag«
meldet: Eine unserer Batterien be-
merkte am 29. Juli nachmittags auf
dem Plateau von Doberdo über
unserer Stellung in einer Höhe von
etwa 2500 m ein feindliches Flug-
zeug. Die Batterie nahm das Flug-
zeug Sofort unter Feuer. Die Insassen
des Flugzeuges schienen bloß einen
geeigneten Punkt zu suchen, um ihre
omben mit Erfolg abwerfen zu
können. Die Batterie gab drei Schüsse
ab, doch das Flugzeug setzte seinen
Weg fort. Als der vierte Schuß abge-
geben war, wurde das Flugzeug von
einer dichten Rauchwolke umgeben,
und nachdem sich diese verzogen
hatte, konnte man sehen, daß das
Flugzeug einen Volltreffer bekommen
hatte und mit rasender Eile zu Boden
sauste. In einer Höhe von etwa 500 m
222
sprang einer der Offiziere aus dem brennenden Ap-
parat heraus und wurde später, bis zur Unkenntlichkeit
verstümmelt, als formlose Masse aufgefunden. Der
Apparat war ein Biplan französischen Typs und man
fand darin die Leiche eines zweiten Offiziers, die
völlig verkohlt war. Der Brand des Flugzeuges war
dadurch entstanden, daß durch den Treffer unserer
Batterie die Bombe zur Explosion gebracht worden
mal welche die Flieger zum Abwurf bereit gehalten
atten.
Fortschritte im Flugwesen. Der Oberstleutnant
Rousset schreibt im »Petit Parisien« unter anderem:
Man hört jetzt zum erstenmal von Flugzeugen, die
mit Kanonen bewaffnet sind. Die Erfindung dieser
neuen Art Flugzeuge bedeutet, daß der Luftkrieg bei
weitem noch nicht alles geboten hat, was er zu bieten
vermag. Er nimmt jetzt im Gegenteil eine andere Ent-
wicklung. Man muß mit großen Überraschungen
rechnen. Die neu angewendete Taktik mit der Ent-
sendung ganzer Geschwader, die aus 20 Flugzeugen
bestehen, kann uns noch unschätzbare Dienste leisten,
namentlich wenn diese Taktik in noch höherem Maße
erweitert wird.
Unsere Flieger auf dem südwestlichen Kriegs-
schauplatz. Wie die Unseren auf dem südwestlichen
Kriegsschauplatz ein italienisches Flugzeug herunter-
holten, schildert ein Zugsführer bei einer Maschinen-
gewehrkompagnie in folgender Weise:
Es war am 18. Juli gegen 9 Uhr vormittags, als
wir in unserer Stellung plötzlich ein Surren ver-
nahmen. Ich erkannte einen unserer Doppeldecker,
der mit dem uns bekannten Zeichen versehen, den
Kurs gerade über unsere fast 2000 m hohe Kuppe
gegen die in nächster Nähe befindliche italienische
renze nahm. Es verstrich eine kurze Zeit und schon
vernahmen wir das Geknatter der feindlichen Ma-
schinengewehre und in wenigen Minuten krepierten
auch schon die ersten italienischen Schrapnelle vor
und hinter unserem Flugzeug. Es dürften 200 bis
250 Schrapnelle in der Zeit von kaum einer Stunde
gewesen sein. Durch das Feuer verrieten jedoch die
Italiener ihre Feldbatteriestellungen und das benützten
sogleich unsere Haubitzen, um ihr gebieterisches
Wort in Form von wohlgezielten Granattreffern ein-
zulegen, und nach jedem Schuß verstummten auch
schon die einzelnen feindlichen Batterien. Ich sah
von meinem dominierenden Standpunkt aus deutlich
die Wirkung unserer Volltreffer.
Inzwischen kam die telephonische Meldung:
»Feindlicher Flieger in Sicht — Richtung gegen unsere
Stellung<. Ich ließ sofort die Maschinengewehre
in Feuerbereitschaft bringen und eilte hierauf zu dem
unweit postierten 72fach vergrößernden Scherenfernrohr,
von wo aus ich schon nach kurzer Zeit deutlich den
feindlichen Flieger hoch am Horizont bemerkte. Aber
auch unser Doppeldecker nahm bereits den Kurs gegen
das ankommende italienische Flugzeug, in Spiral-
windungen über diesem kreisend, da er jedenfalls
dasselbe von oben anzugreifen sich entschloß. In
diesem Moment begannen aber auch schon unsere
Batterien ihre Salven erdröhnen zu lassen. Es waren
bange Minuten für uns und es kann sich niemand
die Aufregung nur annähernd vorstellen, die man als
Beobachter aus kurzer Entfernung bei diesem Kampfe
in den Lüften mitmacht, ohne eigentlich helfen zu
können. Hochinteressant war es, die Kühnheit unseres
heldenhaften Fliegers, wie er durch Schleifen, plötz-
liche Wendungen, dann wieder durch momentanes
Auf- und Absteigen mit seinem Flugzeug der Ein-
schlußgabel zu entrinnen verstand, zu beobachten.
Plötzlich bemerkten wir das Krepieren eines
Schrapnells in der nächsten Nähe des feindlichen
Flugzeuges. Dieses begann auch schon zu schwanken
und mit einemmal pfeilschnell abzustürzen. Man be-
merkte genau durch das vortreffliche Fernrohr, daß
der Lenker des feindlichen Flugzeuges dasselbe noch-
mals durch Aufreißen ins Gleichgewicht bringen
wollte, um dem todbringenden Absturze zu entgehen;
doch im nächsten Moment schon stürzte der Apparat
in einen hohen Hochwald ab. Kaum hatten wir das
Geschehene durch das Glas aufgenommen, sahen wir
auch schon unseren Helden in den Lüften unserer
Bergkuppe zufliegen; wir begrüßten ihn durch
Schwenken unserer Taschentücher, was er durch
Schwenken einer Fahne quittierte.
Zeppelins erster »Aufstieg«. Eine kleine Er-
innerung an den Grafen Zeppelin erzählt ein alter
französischer Marineoffizier im »Temps«. Es war im
Jahre 1864, als die französische Korvette »Tisiphone«,
die längere Zeit im Hafen von New-York gelegen
hatte, nach Baltimore abging. Kurz vor der Abfahrt
kam plötzlich noch ein Passagier an Bord, ein junger
Mann von etwa 25 Jahren, der mit nach Baltimore
wollte. Da Kriegsschiffe niemals Passagiere auf-
nehmen, so handelte es sich hier um eine besondere
Vergünstigung, und der neue Ankömmling wurde auch
von dem Kapitän mit besonderer Hochachtung be-
grüßt. Er speiste dann mit dem Kapitän zu abend,
und es war bereits spät, als er sich zu den Offizieren
des Schiffes gesellte. Es war ein lustiger junger
Herr, der sogleich Leben in die Gesellschaft brachte
und um die Erlaubnis bat, den französischen See-
leuten einen guten Tropfen Rheinwein vorsetzen zu
dürfen, den er in seinem Koffer mit sich führte.
Zwölf Flaschen wurden auf den Tisch gestellt, und
bald war man sehr guter Stimmung. Die Offiziere
aber hatten während der Nacht ihren Dienst zu tun;
der eine nach dem andern enifernte sich, und so
blieben schließlich nur noch der Passagier und ein
junger Seekadett beieinander, den die Pflicht nicht
abberief. Sie tranken und plauderten die ganze Nacht
zusammen, und als die letzte Flasche geleert war,
unternahmen sie einen Spaziergang durch das Schiff,
der schließlich auf der höchsten Stange des Bram-
segels hoch oben auf der Spitze des Fockmastes
endete. Dieses Kletterkunststück war den beiden ein
Beweis, daß sie noch fest auf den Beinen standen.
Für den Seekadetten bedeutete die Sache im übrigen
nichts Besonderes, denn das Wetter war schön und
das Meer ruhig. Eine desto erstaunlichere Leistung
war es für den Passagier. Denn er gestand seinem
Kameraden, daß er als Kavallerieoffizier niemals vor-
her Gelegenheit gehabt habe, einen Mastbaum zu
erklimmen, daß dies sein erster »Aufstieg« in so
luftige Sphären gewesen sei. Das kühne Stückchen,
das er mit dem unerschrockenen Mitklettern voll-
bracht hatte, sicherte ihm die lebhafteste Sympathie
des Seekadetten. Der Passagier der »Tisiphone« gab
dem anderen seine Visitenkarte, auf der die Worte
standen: »Graf Zeppelin, Adjutant Seiner Majestät
des Königs von Bayern«. Der Graf befand sich damals
auf der Reise, um an dem amerikanischen Sezessions-
kriege teilzunehmen und er hatte die Gastfreundschaft
des französischen Schiffes in Anspruch genommen,
um dem Kriegsschauplatz möglichst rasch näher zu
kommen. Der Seekadett, der diesem ersten »Aufstieg«
Zeppelins beiwohnte, wurde später Fregatten-
kapitän und Mitglied der französischen Akademie der
Wissenschaften.
Die bisherigen Luftangriffe auf England. Der
vom Admiralstab der deutschen Marine (zuletzt 18.d.M.)
gemeldete erfolgreiche Angriff deutscher Marineluft-
schiffe auf die City von London und auf wichtige An-
lagen an der Themse ist auf Grund der amtlichen
Berichte der siebente Luftangriff auf England.
In der Nacht vom 19. zum 20. Jänner erschienen
deutsche Marineluftschiffe zum erstenmal über der
Ostküste Englands und belegten vor allem Yarmouth
mit Bomben. Aın 29. April wurden die Küstenbefesti-
gungen bei Harwich und einigen anderen Orten der
englischen Küste durch deutsche Luftschiffe und Flug-
zeuge bombardiert. Zwei weitere erfolgreiche Vor-
stöBe deutscher Luftgeschwader erfolgten am 5. und
7. Juni. Am erstgenannten Tage warfen deutsche
MOONE)
2101018
223
OOO
89/09/80
Aus einer amerikanischen Flugzeugwerkstätte.
Phot. Ing. R. Hofmann.
Marineluftschiffe zahlreiche Bomben auf die befestigte
Humbermündung und Harwich, am 7. gelangten sie
bis vor die Vorstädte Londons, nach Kingston und
Grimsby, und richteten an den Befestigungswerken
und Docks schweren Schaden an. In der Nacht vom
9. zum 10. August führten deutsche Marineluftschiffe
abermals Angriffe gegen befestigte Küsten- und Hafen-
plätze der englischen Ostküste aus. Trotz starker
5 wurden britische Kriegsschiffe auf der
Themse, die Docks von London, ferner der Torpedo-
stiitzpunkt Harwich und wichtige Anlagen am Humber
mit Bomben beworfen. Die Luftschiffe kehrten von
ihrer erfolgreichen Unternehmung unversehrt zurück.
In der Nacht vom 12. zum 13. August erneuerten
deutsche Marineluftschiffe zum sechstenmal ihre An-
griffe auf die englische Ostküste und bewarfen hiebei
die militärischen Anlagen in Harwich mit gutem Er-
folg. Trotz starker Beschießung durch die Befesti-
ungen kehrten alle Luftfahrzeuge unbeschädigt zurück.
n der Nacht vom 17. zum 18. August endlich erfolgte,
nachdem am 16. August frühmorgens ein deutsches
Unterseeboot Parton Harrington und Whitehaven an
der Westküste von England bombardierte, der siebente
Luftangriff durch deutsche Flugzeuge, der bis über die
City von London getragen wurde.
Unser Ausschußmitglied, Ing. Raoul J. Hof-
mann, der sich in Wien vor mehreren Jahren auf
dem Gebiete des Luftschraubenbaues und der Flug-
zeugkonstruktion praktisch und mit Erfolg betätigt
hat, weilt gegenwärtig in Amerika, von wo er uns
ie
* A ` < ` * ` a
- —
die hier eingefügten beiden Photographien aus der
von ihm geleiteten Flugzeugfabrik übersendet. Die
beiden Bilder scheinen im allgemeinen das, was wir
bezüglich des technischen Niveaus, auf welchem sich
der Flugzeugbau in Amerika bewegt, in gleicher
Nummer an anderer Stelle sagen, primo visu zu be—
stätigen: die modernen europäischen Richtlinien
scheinen der amerikanischen Flugzeugindustrie gänz-
lich zu fehlen oder doch unbekannt geblieben zu sein.
Fliegerverluste unserer Feinde. Eine Aufstel-
lung aus deutschen amtlichen Berichten, sowie aus
Zeitungsberichten unserer Gegner, die ihre eigenen
Verluste wohl kaum übertreiben dürften, ergibt
nach dem »Flug-Sport<, daß die deutschen und
österreichischen Truppen bisher 135 Luftfahr-
zeuge abgeschossen haben. Diese Zahl wird
allerdings eher zu niedrig als zu hoch gegriffen
sein, denn in der folgenden Aufstellung sind nur
solche Flugzeuge angegeben, die innerhalb der
deutschen und österreichischen Linien landen mußten
oder abstiirzten. Wie viele feindliche Flugzeuge be-
reits kampfunfähig die eigenen Linien noch erreichten,
entzieht sich vorläufig noch der Kenntnis. Man kann
aber annehmen, daß die Zahl dieser Flugzeuge der
oben angegebenen kaum nachstehen wird. Die Zu-
sammenstellung ist insofern interessant, als sie
Schlüsse auf den Offensivgeist unserer Gegner ge-
stattet. Während die Franzosen kühne, weit aus-
gedehnte Streifen über den Schwarzwald, Baden,
Elsaß-Lothringen und das Rheinland ausgeführt haben,
See
Propellerbau in einer amerikanischen Flugzeugwerkstätte.
Phot. Ing. R. Hofmann.
224
beschränken sich die Engländer nur auf kleine Streifen
ihrer schmalen Front in Belgien. Nur wenige eng-
lische Offiziere drangen auf deutsches Gebiet vor, wo
sie ihr Schicksal dann ereilte. Dagegen haben die
englischen Wasserflugzeuge häufige und ausgedehnte
Streifen über der Nordsee bis an die belgische und
deutsche Küste unternommen, während die im Frieden
besser organisierten französischen Marineflugzeuge
gegen die deutsche Küste gar keinen Vorstoß unter-
nahmen, sondern sich auf die Beschießung einiger
belgischer, jetzt in deutschem Besitz befindliche.
Häfen beschränkt haben. Weiter kann man den fran-,
zösischen Fliegern im allgemeinen eine bessere Aus-
bildung und Orientierungsvermögen nachrühmen, da
sie nur selten sich über neutrales Gebiet verirrten.
Von den englischen Fliegern aber landete ein ziemlich
bedeutender Prozentsatz auf holländischem Gebiet.
Von französischen Fliegern wurden auf reichs-
deutschem Boden 21 Flugzeuge abgeschossen, bezw.
zum Niedergehen gezwungen. Vor der deutschen Front
in Frankreich wurden 22 Maschinen, in Belgien sechs
zum Niedergehen gezwungen. Zwei französische Flug-
zeuge landeten in der Schweiz, zwei in Holland, die
dort interniert wurden. Zwei französische Flieger, die
auf seiten der Montenegriner kämpften, fielen öster-
reichischer Artillerie zum Opfer.
57 kampfunfähigen Flugzeugen sind 11 in Luftkämpfen
durch deutsche Maschinen unschädlich gemacht
worden. Unter den abgeschossenen Franzosen be-
fanden sich bekannte Persönlichkeiten, wie der Se-
nator Reymond, Mitglied der bekannten Untersuchungs-
kommission, der vor zwei Jahren die Schäden im
französischen Flugwesen beseitigen sollte, der De-
puters Girod, sowie die bekannten Flieger Marc,
ourpre, Gaubert, Radel und Garros. Von englischen
Fliegern wurden sechs über deutschem Gebiet un-
schädlich gemacht, sechs andere fielen in Frankreich
und nicht weniger als 22 wurden von unseren Truppen
in Belgien heruntergeholt. Vor den Dardanellen blieben
fünf englische Flieger mit ihren Maschinen, die sich
in allzugroße Nähe der türkischen Batterien gewagt
hatten, und acht Engländer wurden in Holland inter-
niert, nachdem sie irrtümlicherweise dort gelandet
waren. Zwei englische Flugzeuge konnten von hol-
ländischen Dampfern in der Nordsee aufgefischt und
ihre Insassen an Land gebracht werden. Bemerkens-
wert ist, daß auf belgischem Boden vor der deutschen
Front neun Engländer im Luftkampfe den Deutschen
unterlagen. Zusammen sind also bisher 47 englische
Flugzeuge vernichtet.
Die russische Armee, die nicht über ein so aus-
gedehntes Fliegerheer verfügt, wie Frankreich und
England, hat bisher eine Einbuße von 26 Maschinen
zu verzeichnen. Gerade hier ist es jedoch schwer
Aus der Zahl von
Ne ee
festzustellen, wie groB die effektiven Verluste der
Russen gewesen sind, da an der ungeheuren Front
von der Ostsee bis zum Kaukasus wahrscheinlich
zahlreiche Flieger, die lahmgeschossen worden waren,
in den ausgedehnten Wäldern und Sümpfen ein Ende
gefunden haben, ohne daß dies der Öffentlichkeit be-
kannt geworden wäre. Vor Przemysl haben die Russen
nicht weniger als sechs Flugzeuge eingebüßt, von
denen drei dem Riesentyp Sikorsky angehörten.
Belgien hat, soweit bekannt ist, vier Flugzeuge ver-
loren, von denen eines auf holländischen Boden
landete. Von italienischen Verlusten ist bisher der
Untergang der »Citta di Ferrara« und die in dieser
Nummer besprochene Kaperung der »Citta di Jesi«
bekannt geworden, die allerdings für die italienische
Luftflotte um so schwerer zählen.
Ein Lufttorpedoboot: Die Erfindung eines ame-
rikanischen Admirals. Amerikanischen Blättern wird
aus Washington gemeldet: Konteradmiral B. A. Etake
erhielt ein Patent für ein Lufttorpedoboot, das im-
stande sein soll, Schiffe in geschützten Häfen an-
zugreifen. Er hat den Plan, ein Riesenflugzeug mit
Whitehead-Torpedos auszustatten. Das Flugzeug
würde fünf Meilen vor dem anzugreifenden Ziele
niedergehen und den Torpedo ähnlich lancieren wie
ein Zerstörer. Der Torpedo wird automatisch in Be-
wegung gesetzt und steuert mit 40 Knoten auf das
Ziel zu. Auf diese Weise glaubt man, Flotten in ab-
geschlossenen Häfen angreifen zu können.
Ein deutsches Fliegerstückchen über Lüttich.
Die »Times« erzählten: Ein deutscher Flieger machte
sich nächtlicherweile mtt Sprengkörpern an einem der
Forts zu schaffen. Da er in nur 300 m Höhe schwebte,
wäre er ein leichtes Ziel für die Kugeln gewesen. So
band er an eine etwa 75 m lange Schnur eine rote
Laterne, die nun von den Belgiern in Stücke geschossen
wurde, während er lächelnd darüber schwebte.
Von der k. u. k. Luftschiffer-Abteilung. Das
letzterschienene Verordnungsblatt für dask. u. k. Heer
bringt unter anderem auch die Ernennung des be-
kannten Fliegermajors Hans Umlauff R. v. Frank-
well zum Oberstleutnant. Oberstleutnant v. Umlauff
ist durch seine aufsehenerregenden Flüge, u. a. Wien—
Budapest (1911) bekannt. Des weiteren bringt das
gleiche Verordnungsblatt auch die Ernennung des mit
dem Personalreferate der Luftschiffer-Abteilung be-
trauten Hauptmannes Wilhelm Hoffory zum Major.
Auch Major Hoffory hat sich durch seine zahlreichen
Ballonfahrten einen klangvollen Namen geschaffen
Schließlich wurde noch Oberleutnant Feldpilot Johann
Mandl durch die Verleihung des Ordens der Eisernen
Krone für Tapferkeit als Flieger vor dem Feinde
ausgezeichnet. i
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Herausgegeben vom: »K. k. Österreichischen Fiugtechnischen Verein«. — Verantw. Red.: in Vertretung Fritz Eliyson.
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Manuskripte werden nicht zurückgestellt. Der Nachdruck Angenommene Beiträge werden honoriert. Die Verfasser
von Artikeln und Abbildungen ist nur mit Quellenangabe sind für Form und Inhalt der von ihnen eingesandten
und Zustimmung der Redaktion gestattet. 88 Artikel und Abbildungen verantwortlich.
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| ERSCHEINT ZWEIMAL IM MONAT.
Nr. 17/18 September 1915 l IX. Jahrgang
Inhalt: Vom schweizerischen Militärflugwesen. — Amerikas erstes Marine-Luftschiff. — Betrachtungen über die gegenseitige
Anordnung und Winkelstellung der Tragflächen eines Doppeldeckers. — Gerüstzweidecker, von Fritz Lichtenstern, Einjährig-
Freiwilliger. (Schluß.) — Der Deperdussin-Eindecker. — Aufstellung einer Fliegeroffiziersschule. — Neues Profil für Tragdecken
und Fallschirme, von Prof. Jean Stroescu. — Glacialkosmogonische Beiträge zur Erdbebenforschung, von H. Hörbiger, Maschinen-
ingenieur und Privatastronom. e — Geschiitzdonner und Aerologie, von Wilhelm Krebs (Holsteinsche Wetter- und
Sonnen warte, Schnelsen). — Der See- und Luftkrieg im Nordseegebiet sowie im Nordmeer, von Wilhelm Krebs (Schnelsen). —
Bücherbesprechungen. — Chronik.
Chefredakteur: Ing. A. Budau, o. 6. Professor der k. k. Technischen Hochschule in Wien
Redakteur für den offiziellen und wissenschaftlichen Teil für die Dauer der Abwesenheit der Herren Oberst
Wilhelm Suchomel und Ing. Adolf Janisch: Fritz Ellyson
Unter Mitwirkung von:
PAUL BELLAK Dr. A. HILDEBRANDT RICHARD KNOLLER HANNS PITTNER Dipl. Ing. C. SCHMID
Prokurist, Wien Lufischifferhaupbnann f. P. Ing., Professor a. d. k k. Schriftsteller, Wien 1 N
FELIX BRAUNEIS erlin echn. Hochschule, Wien d > :
Ingenieur, Wien F. HINTERSTOISSER W. KREBS RPETER „ RUDIN K UK. Rittmeister, Wiener-
Dr. Ing.WALTER FREIR. k. u. k. Oberstit., Wien Leiter der Wetterwarte Ingenieur, Wien LEOPOLD SCHMIDT
v. DOBLHOFF Schnelsen, Holstein
Konstrukteur an der k. k RAOUL HOFFMANN J. POPPER-LYNKEUS Ing., Prof., Wr.-Neustadt
Techn. le ice Ingenieur, Wien une Ingenieur, Wien „KARL ann, a
EDU D EZAL ANTON JAROLIMEK ng., Konstrukteur a. d. K. K.
k. k. Hofrat, o. Ö. Prof., an k.k. OD E, König- HUGO L. NIKEL STEPHAN POPPER Techn. Hochschule, Wien
der k. a Hoch- grätz k. k. techn. Ob.-Offiz., Wien Ingenieur, Wien e TRABERT
FRITZ ELLYSON Dr. F. JUNG HANS F. v. ORELLI FRANZ REBERNIGG „Professor, Direktor der
Flugmaschinen- Professor a. d. k. k. Tech- Schriftsteller, Wien ng., Kommissär des k. k. logie u. Geodynamik, Wien
Konstrukteur, Wien nischen Hochschule, Wien STEPHAN PETROCZY V Dr. C. WIESE LS-
100 ETRICH D. W. KAISER v. PETROCZ RUDOLF SCHIMEK BERGER
Großindustrieller, Ober- Kapitänleutnant a. D., k. u. k. Luftschifferhaupt- k. u. k. Major d. R., Direktor Assistent an der Universität
altstadt Charlottenburg mann, Wien der Autoplanwerke, Wien in Göttingen
Vom schweizerischen Militärflugwesen.
Auf Grund der ihm am 8. August 1914 erteilten | Militärflugwesen vor. Ihre Mitglieder werden vom
Vollmachten hat der Bundesrat einen Beschluß gefaßt | schweizerischen Militärdepartement ernannt. Der Chef
über die provisorische Organisation des | der MER TEUDRE ist von Amts wegen Mitglied der
Militarflugwesens. Nach Art. 1 wird das | Kommission. Die Beschlüsse und Vorschläge der
Militärflugwesen bis auf weiteres der Generalstabs- | Kommission gehen an den Chef der Generalstabs-
abteilung des schweizerischen Militärdepartements ! abteilung, welcher sie mit seinen Anträgen dem Militär-
unterstellt. Demgemäß leitet der Chef der General- | departement vorlegt. Diese Organisation tritt, wie der
stabsabteilung als Abteilungschef die Geschäfte der | letzte Art. 6 besagt, provisorisch in Kraft und soll
Militarfliegertruppe. Dem Chef der Generalstabs- | Gültigkeit bis zu der später erfolgenden definitiven
abteilung sind laut des Art. 2 unterstellt: das vorläufig | Regelung durch ein Bundesgesetz haben.
notwendige Verwaltungs- und Instruktionspersonal der Ein gleichzeitig erlassener provisorischer Bundes-
Fliegertruppe, die Fliegertruppe, die Kommission für | ratsbeschluß ordnet in 17 Artikeln die Rekrutierung,
das Militärflugwesen. Art. 3 bestimmt: »Das zurzeit | Ausbildung und E der Flieger-
nötige Verwaltungs- und Instruktionspersonal der | truppe. Wir entnehmen diesem Beschluß, daß als
Fliegertruppe wird provisorisch im Rahmen der hiefür | Militärflieger nur wehrpflichtige Schweizer Bürger ein-
bewilligten Kredite bestellt und verwendet.« Die ! geteilt werden können, welche sich das sclıweizerische
Fliegertruppe besteht zufolge des Art. 4 aus den | Militärfliegerzeugnis erworben haben. Die Ausbildung
Militärfliegern, den Beobachtungsoffizieren und den ' zum Militärflieger erfolgt auf der Militärfliegerschule
Fliegerkompagnien. | bis zum Erwerb des Zeugnisses als Militärflieger.
Für die Prüfung aller das Militärflugwesen be- | Mit der Ernennung zum Militärflieger erfolgt für
treffenden Fragen und insbesondere für die Vorschläge | Soldaten und Unteroffiziere die Beförderung zum
über die Verwendung des Ergebnisses der National- | Adjutant-Unteroffizier. Offiziere behalten
sammlung sieht Art. 5 eine Kommission für das ! ihren Grad. Flieger, welche bisher nicht gedient
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»Citta di Jesi«, heruntergeschossen in der Nacht vom 5. auf den 6. August vor Pola. Aufgenommen vor dem
Hereinschleppen nach Pola.
hatten, werden als freiwillige Flugzeugführer ohne ! Fliegerabteilung kommandiert.
militärischen Grad der Fliegertruppe zugeteilt. Während
des Ausbildungskurses erhalten die zur Militärflieger-
schule kommandierten Schüler ihren Gradsold (bisher
nicht Gediente haben den Soldatensold), die regle-
mentarischen Kompetenzen für Unterkunft und Ver-
pflegung sowie eine Tageszulage von Frcs. 2. Mit
der Ernennung zum Militärflieger erhalten die Schüler
Anspruch auf eine Prämie von Frcs. 3000, zahlbar
in drei Raten von Frcs. 1500, Frcs. 900 und Frcs. 600
innerhalb dreier Jahre. Im aktiven Dienst und in
Wiederholungskursen erhalten Fliegeroffiziere Grad-
sold, Mundportion und eine tägliche Zulage von
Frcs. 10, I re ei und freiwillige Flugzeug-
führer einen Tagessold von Frcs. 12 und Mundportion.
Die Militärflieger sind außer den gesetzlichen Wieder-
holungskursen zu besonderen Flugleistungen ver-
pflichtet. Sie erhalten dafür eine besondere Entschädi-
gung von Frcs. 50 in der Stunde für obligatorische
und Frcs. 30 für fakultative Leistungen innerhalb der
gewährten Budgetkredite.
Als Beobachtungsoffiziere werden Offiziere
des Generalstabes oder der Truppengattungen zur
Die Ausbildung der
Beobachtungsoffiziere erfolgt in einem dreiwöchigen
theoretischen Kurs bei der Fliegerabteilung und in
einer durch das schweizerische Militärdepartement
nach Antrag der Generalstabsabteilung zu bestimmenden
Zahl an Fahrten in Ballon und Flugzeug. Nach be-
endeter Ausbildung werden die BeöbachEinssöifiziere
der Fliegertruppe zugeteilt. Die Beobachtungsoffiziere
beziehen bei allen Übungen mit der Fliegertruppe und
im aktiven Dienst neben den reglementarischen Kom-
petenzen eine tägliche Soldzulage von Frcs. 10. Vor
der Zuteilung zu den Fliegerkompagnien haben diese
Mannschaften Spezialkurse zu bestehen von 35 Tagen
für die Mechaniker, von 13 Tagen für die übrigen
Mannschaften. Die Rückversetzung zu der Truppen-
gattung, aus der die Mannschaften hervorgehen,
kann von der Generalstabsabteilung jederzeit verfügt
werden.
Das gesamte Personal der Fliegertruppe, mit Ein-
schluß der a E Flugzeugführer, steht während
der Ausbildung auf der Militärfliegerschule und bei
allen Übungen unter dem Gesetz über die Militär-
versicherung.
Amerikas erstes Marineluftschiff.
(Unser österreichisches Körting-Luftschiff als Vorbild.)
Gelegentlich unserer, in der letzten Nummer dieses
Blattes angestellten Betrachtungen über das amerika-
nische Flugwesen brachten wir auch die kurze Be-
schreibung eines ähnlich dem Prinzipe der Zeppeline
konstruierten Starrluftschiffes, dessen Hauptver-
wendungszweck in der Verfolgung und dem Zerstören
dieser erfolgreichen Luftkreuzer unserer Verbündeten
bestehen soll. Nunmehr berichtet der » scientific
american von einem neuen, für die Vereinigten Staaten
bestimmten Luftkreuzer, der ebenfalls in Kürze seiner
Vollendung entgegengehen soll und im Hinblicke auf
die bisher in Amerika erfolglos gebliebenen Bemühungen
nach Schaffung einer einheimischen Luftschiffklasse,
sowie auch wegen der in dem neuen Projekte ent-
haltenen, bemerkenswerten Gesichtspunkte sei hier
nach dem zitierten Blatte der betreffende Bericht aus-
zugsweise wiedergegeben.
Bereits vor sieben Jahren hat als erster in Amerika
Kapitän Thomas Baldwin, der bekanntlich auch
auf dem Gebiete des Aeroplan-, namentlich aber des
Wasserflugzeugbaues hervorgetreten ist, für dieamerika-
nische Armee einen Lenkballon, die »California«,
gebaut, die auch damals einer Militärkommission vor-
geführt wurde, aber wenig Beifall gefunden hatte.
Zwei weitere, ebenfalls von Kapitän Baldwin in der
Folge gebaute Lenkluftschiffe, der »Arro we und der
»Baldwin Ille, waren gleich dem erstgebauten von
dem unstarren Typ, die aber, wie gesagt, keinerlei
Erfolge erzielen konnten. Parallel zu den Arbeiten
Baldwins liefen jene Wellmans und Vanimans, deren
Ozeanluftschiffe »Amerika le und »Amerika Il« Ende
1910 bekanntlich bei den ersten Flugversuchen über
das Meer kenterten. Ein ähnliches Schicksal, nur mit
| dem traurigen Unterschiede, daß dasselbe auch
Fig. 1. Der Baldwin-Lenkballon, das erste Marine-Luftschiff Amerikas.
Menschenopfer forderte, war dem Ozeanluftschiffe
»Acron« von Vaniman, der nach Wellmans Fiasko
dessen Ideen weiterverfolgte, beschieden, denn zwei
Jahre später, 1912, ging auch dieses Luftschiff gelegent-
lich einer Versuchsfahrt kläglich zugrunde.
Durch diese konstanten Mißerfolge augenschein-
lich ein wenig entmutigt, wandte die amerikanische
Admiralität und Heeresverwaltung ihr Augenmerk mehr
dem Flugwesen zu, das aber, wie wir eben in letzter
Nummer ausgeführt, mangels ausreichender Förderung
hier auch nur eine recht mangelhafte Entwicklung
aufzuweisen vermochte.
Die neuesten Erfolge der deutschen Luftkreuzer
aber haben mit einem Male das bereits erloschene
Interesse der Amerikaner entfacht, und gerade in der
letzten Zeit einige neue Projekte entstehen lassen,
deren eines wir bereits in der letzten Nummer dieser
Zeitschrift charakterisierten. Der Zweck dieses für
die Engländer in erster Linie bestimmten »Zeppeline-
Destroyers« ist, wie schon sein Name besagt, aus-
schließlich in der Vernichtung der deutschen Luftschiffe
zu suchen. Nunmehr berichtet das amerikanische
Wochenblatt »Scientific american«, welches in wissen-
schaftlichen Dingen ganz ausgezeichnet unterrichtet
ist, von einem neuen, ebenfalls in Ausführung be-
griffenen amerikanischen Luftkreuzer, der aber dies-
mal für die amerikanische Navy bestimmt ist. Die
j |
f
4
Fi
4
—
— ——— ͥ́ͥꝙ—ę'kũP S —— —
Admiralität der Vereinigten Staaten hat nämlich, wie
dieses Blatt berichtet, den als Flieger bekannten Kapitän
Baldwin, der auch den ersten Militärlenkballon in Amerika
baute, mit der Herstellung eines neuen Marineluft-
schiffes betraut, dessen kurze Beschreibung wir an
Hand der Daten, die das genannte Blatt veröffentlicht,
hier wiedergeben wollen. Im Entwurfe stellt der neue
Lenkballon eine Kreuzung zwischen Baldwins früherem
Renard-Santos Dumont-Astra-Typ und einem öster-
reichischen Körting dar. Maßgebend für die konstruk-
tiven Richtlinien waren die Wünsche der amerikani-
schen Admiralität. Wie der - Scientific american« angibt,
ist der neue Ballon ein verbesserter Körting. Inwieweit
hier das Wort - verbesserter zutrifft, bleibe dem Urteile
der Fachmänner vorbehalten.
Die Hülle des Ballons umschließt vier Unter-
abteilungen, die an ihren unteren Enden miteinander
kommunizieren. Sämtliche Manövrierventile, wie auch
die Sicherheitsventile befinden sich ebenfalls an der
Unterseite der Hülle. Im Innern der Hülle sind zwei
kugelförmige Luftsäcke (Ballonets) mit Stricken an-
gebracht und zwecks Vermeidung ihres Verschiebens
an den Hüllenboden angenäht. Die Gesamtlänge des
Ballonkörpers mißt 53°5 m, ihr größter Durchmesser
ca. 10°5 m, sein Fassungsvermögen beträgt 3080 m3.
Ein Drittel des gesamten Rahmens der Gondel
ist viereckig und versteift ein darin eingebautes Boot.
a nee |
Fig. 2. Verankerung des Baldwin-Marine-Luftschiffes fiber der See.
228
Die beiden anderen Drittel sind wie bei Körting nur
aus einer geringen Anzahl von Streben aus Stahl-
rohren hergestellt, die unter spitzem Winkel zur Flug-
richtung gestellt werden und, da sie Dreiecksverbände
darstellen, Drahtverspannungen unnötig machen. In-
folgedessen ist der Stirnwiderstand des ganzen
Aggregates ein sehr geringer, speziell im Vergleiche
zu den unmodernen Santos-Dumont-Typen.
Im übrigen weist der neue Lenkballon Kapitän
Baldwins mehrere interessante Einzelheiten auf, so
u. a. die sichere und doch leicht lösbare Gondelauf-
hängung an der Gashülle vermittels hölzerner Knebel.
Letztere werden nämlich in die Taschen eines speziellen
verstärkten Gürtels geschoben. Zwecks Verminderung
aller schädlichen Widerstände ist die Gondel unmittel-
bar unter der Hülle in möglichst geringem Vertikal-
abstande von derselben angeordnet. Ferner hat sich
Baldwin zwei Prinzipien aus dem Flugzeugbau zunutze
gemacht. Das eine betrifft die Verwendung eines
120 PS Motors, der zwei Luftschrauben durch Ketten-
übertragung antreibt, und die andere bezieht sich auf
die Steuerung des Ballons selbst, indem nämlich mit
einem Steuerrade zwei verschiedene Manöver voll-
führt werden können.
Die beiden getrennten Steuerflächen für die Höhen-
steuerung, wie sie bei den Zeppelinen und Parsevals
im Gebrauche stehen, bewähren sich speziell im
böigen Wetter äußerst vorteilhaft, und so wurde eine
analoge Anordnung auch an dem neuen Lenkballon
Baldwins vorgesehen.
Interessant ist noch die Art und Weise, wie Baldwin
die Verankerung seines Ballons vorsieht. Im Hinblicke
darauf, daß Landungen öfters im Freien in Gegenden
notwendig werden, wo keine Halle ihr schützendes
Dach über den Ballon breitet, hat sich Baldwin ganz
besonders mit dem Verlangen der amerikanischen
Marinebehörde befaßt, welche zur Bedingung machte,
daß die bestellten Lenkballons im Freien in ver-
ankertem Zustande auch einem Sturme von 80 km
Stundengeschwindigkeit standhalten müßten.
Baldwin löst nun diese Frage so, daß er eine
Vorrichtung vorsieht, die aus Fig. 2 schematisch zu
ersehen ist. Das Ankertau wird mit seinem einen Ende
an der vorderen Spitze der Ballonhülle befestigt. Um
den zentralen Zug auf diesen Teil mehr zu verteilen,
teilt sich das Ankertau vorher in eine Anzahl radial
auslaufender kleinerer Taue, die an einem verstärkten
Gürtel der vorderen Ballonspitze angreifen. Ihre
Gänsefüße bewegen sich ganz frei und verteilen so
den Zug auf die wenigen Seile, aus denen die Haupt-
aufhängung besteht. Das andere Ende des Taues läuft
zu einem pyramidenförmigen Stahlturm, der in der
Erde verankert ist. Dortselbst läuft es über eine Rolle,
deren Achse nach allen Richtungen frei beweglich ist,
und dann vertikal zu einer unterirdisch einbetonierten
Verankerung im Sinne der Darstellung Fig. 2. Um
ein Zubodendrücken des Luftschiffes und Beschädi-
gungen desselben zu verhindern, werden von der
ondel an langen Stricken Ballastsäcke herabgelassen.
Wird der Ballon nun durch einen Windstoß herab-
edrückt, so wird das Gewicht des Ballastes nun vom
oden getragen und die dadurch bedingte Auftriebs-
vermehrung setzt jetzt einem weiteren Niederdrücken
des Ballons ein Ziel.
Der Bau dieses nach den vorstehenden Gesichts-
punkten konstruierten Ballons soll bereits in Angriff
genommen worden sein. Trotz vieler Unzulänglich-
keiten, die das ganze Projekt noch aufzuweisen hat,
ist aber mit Sicherheit anzunehmen, daß dasselbe
weit mehr Existenzberechtigung besitzt, als der be-
reits besprochene Zeppeline-Destroyer des wackeren
Mr. Mac Mechen.
Betrachtungen über die gegenseitige Anordnung und Winkelstellung
der Tragflächen eines Doppeldeckers.
Über die aktuelle Frage der Flächenstaffelung
äußert sich Paul Kauffmann im »Aeroplan« wie folgt:
Die gegenseitige Anordnung der Tragflächen bei
Doppeldeckern läßt sich nach den in Fig. 1 dar-
gestellten drei Typen einteilen, wobei der Anstell-
winkel der beiden Tragflächen immer derselbe bleibt.
Flog
— @=
Ric ung
z
ype 1 Type normal Type Goupy
Fig. 1.
Die Versuche Eiffels haben gezeigt, daß der
eigentliche Wert aller dieser Typen derselbe ist;
einzig und allein Gründe der Konstruktion, der Aus-
sichtsmöglichkeit vom Flugzeuge aus, der Schwer—
punktsanordnung, der soliden Bauart und der Auf—
nahme des Schraubenzuges etc..... haben die
Konstrukteure veranlaßt, von der normalen Type ab-
zuweichen.
Wir haben oben angenommen, daß der Anstell-
winkel für die beiden Tragflächen derselbe sei; aber
es liegt gar kein Grund vor, daß dies immer so sein
Kx
muß, wenn man das günstigste Verhältnis des
Auftriebes zum Rücktrieb einhalten will, da man die
Gesamtheit der beiden Tragflächen nicht wie zwei
getrennte Flächen, sondern wie ein neues aero-
dynamisches System ansehen muß, das sich nicht zu
einer einfachen Formel reduzieren läßt.*) Tatsächlich
*) Immer nach Eiffelschen Daten seiner Laboratoriums-
versuche,
|
|
können wir annehmen, daß, wenn wir die beiden
Tragflächen unter einer bestimmten Winkeldifferenz
zueinander staffeln, wir unser Ky im Verhältnis zu
einem Eindecker um einen nicht unbedeutenden Betrag
vermindern, im Gegensatze auch zu den 20 bis 25
Prozent, die wir bei dem normalen System haben.
Type t.
Type I. Type 1
be
AnsteDwinsl L 7
le iber
Anstellwinke)
+— —
Grosser
\
Anstellminke
Type Sopwith Type Voisin FBA, Type X.
Fig. 2.
(Kx bleibt immer dasselbe wie bei einem Eindecker.)
Unser Verhältnis
sein.
Auf diese Weise konnten wir voriges Jahr ver-
schiedene Typen von Doppeldeckern mit gestaffelten
Tragflächen entstehen sehen, die wir in Fig. 2
schematisch dargestellt haben. Der Typ HI wurde
im großen erprobt. Die Ky sind nur um 10 bis 15
Prozent vermindert. Bei dem Typ von Voisin (F. B. A.)
beträgt die Verminderung nur 6 bis 12 Prozent.
= wird also bedeutend besser
Wir bemerken, daß der Doppeldecker Caudrons
hinter dem Voisins (F.B.A.) zurücksteht, wie immer
auch die Tragflächenverstellung sein mag, nach unserer
Ansicht auch bei dem gleichen Anstellwinkel, denn,
einmal in der Luft, wird die obere Tragfläche die viel
1 . pro Quadratmeter besitzen.
ach den Versuchen Eiffels hat die tiefer gelegene
Tragfläche einen verminderten Auftrieb, und nicht die
höher gelegene. Die biegsamen Rippen der höher
gelegenen Tragfläche werden sich also mehr ab-
platten wie diejenigen der tiefer gelegenen, und somit
auch einen kleineren Anstellwinkel haben.
Bei dem gut erprobten Typ Sopwiths endlich sind
eventuelle einschränkende Bemerkungen nicht er-
wähnenswert. Es dürfte hier sogar noch gelingen, mit
der einen Tragfläche einen Teil des Stirnwiderstandes
der anderen aufzunehmen. Alles in allem finden wir
229
bei diesem Doppeldecker günstiger ist als bei einem
Eindecker.
Die Winkelneigung der beiden Tragflächen zu-
einander soll sehr schwach sein, sie hängt vom
mittleren Anstellwinkel der beiden Tragflächen, von
ihrer Wölbung etc. ab, und jeder einzelne Fall ver-
langt eine spezielle Erprobung. Diejenige Tragfläche,
die den größten Anstellwinkel hat, muß natürlicher-
weise auch eine größere 2 nun haben wie im Fall
Voisin. Bei dem Typ III dürfte die Tragflächenstaffelung
zueinander wenigstens ein Fünftel der Flächentiefe
und die Tragflächenneigung zueinander 2° betragen.
Erstere kann zwischen den Werten von 0 (Voisin
F.B.A.) bis ein Fünftel (Sopwith), ja ein Drittel
variieren, letztere von 1° bis 4°. Bei dem Neigungs-
verhältnis von 4° kann sogar der Normalabstand der
beiden Tragflächen voneinander auf fünf Sechstel
hier einen Höchstwert und ein Verhältnis Ko welches 1 ne are neh ihrer ie
Gertistzweidecker. |
Von Fritz Lichtenstern, Einjährig-Freiwilliger.
(Schluß.)
8. Schwanz- und Steuergerüst.
Die im Absatz Schwanz- und Steuerflächen ge-
ebene Einteilung ist auch bei Besprechung des
hwanz- und Steuergerüstes eingehalten. Es gibt also:
Gerüste, die in ein Rechteck, in eine Kante oder in
ein Dreieck enden.
Das Gerüst der weitaus meisten Apparate besteht
aus vier Längsträgern samt den dazwischenliegenden
Stielen. In die vorhin gegebene Disposition lassen
sich auch die Gerüste mit drei oder zwei Trägern
bringen. Bei vielen Apparaten sind entweder alle vier
Träger oder zwei neben- oder übereinander liegende
Träger zu einander parallel.
Die von den Flächen ausgehenden Träger greifen
immer an den Stellen an, wo die Zellenstiele (der
hinteren Reihe) eingesetzt sind, und zwar die unteren
Träger über der Fläche, daher hinter der Befestigungs-
stelle des Stieles, die oberen Träger gleichfalls auf
der Oberseite des Oberdecks und über der Befesti-
gungsstelle der Stiele.
A. Endfigur, das Viereck.
Bis Ende 1912 waren die meisten Gerüstzwei-
decker mit einem Steuergerüst, das in ein Viereck
Quadrat oder Rechteck) endet, versehen. An diesem
erüst meinte man wenigstens in der ersten Zeit die
Schwanz- und Steuerflächen am besten befestigen zu
können. Die zwei horizontalen Schwanzflächen und
die zwei bis drei Seitensteuer konnten dann auf
leichte Weise untergebracht werden. Maschinen mit
nur einer horizontalen Fläche und einem Seiten-
steuer waren ja ziemlich selten.
Ist die Endfigur des Gerüstes ein Rechteck, so
liegt meist die größere Seite horizontal. Die Seiten-
differenz ist nicht allzu groß. Die Seitensteuer an
diesen Gerüsten sind immer am Ende der Achse ge-
lagert. Bei den Howard Wright-Zweideckern 1911 und
1912 aber befindet sich die obere Lagerungsstelle des
einzigen Seitensteuers in der Achsenmitte. Da die
horizontale Schwanzfläche in normaler Weise aufge-
legt ist, so steht diese und das Seitensteuer in Kreuz-
form. Bei den Caudron- Wasserzweideckern 1912—1914
liegen nur die unteren Träger parallel zur Flugrichtung.
Die Achsen der beiden Seitensteuer fallen aber mit
den senkrechten Stielen am Ende des Gerüstes nicht
in eine Gerade, sondern sie sind nach innen gerückt.
Die Euler-Zweidecker 1913 dagegen haben die Ober-
träger parallel zur Längsachse.
Von der gewöhnlichen Art der abweichenden
Steuergerüste wurden von den verschiedenen Wright-
Gesellschaften ` verwendet. Als nämlich die Brüder
Wright das vordere Höhensteuer und daher auch das
bis dahin von ihnen gebrauchte, besonders einfache
Gerüst verlassen hatten, kamen sie auf das Gerüst,
das aus vier Trägern besteht. Da es zwischen den
beiden Schrauben Platz haben muß, ist es sehr schmal
gehalten, hat aber gleiche Höhe wie die Zellenstiele,
ist also ziemlich hoch. Die senkrechten Mittelstreben
am Ende tragen in halber Höhe das Höhensteuer
(ohne fixen Teil). Die zwei Seitensteuer, die beibe-
halten worden sind, sind an horizontalen Verbindungs-
stangen der Träger gelagert und miteinander stark
verbunden. Haben die Apparate Einschraubenantrieb,
so sind entweder zwei übereinander liegende Träger
ae (Original-Wright 1913) oder es bilden alle
räger einen Pyramidenstumpf (Deutscher Wright-
Zweidecker 1911). Dasselbe Gerüst findet sich an
einem Sanders-Zweidecker 1911, wo drei Seitensteuer,
aber keine horizontale Fläche vorhanden ist. -
Die Steuerschwänze, deren Gerüst schon vor den
Flächen endet, sind so ausgeführt, daß die einzige
horizontale Fläche mit der Vorderkante aufgesetzt ist.
Vom Hinterrand der Fläche, bezw. von Stellen nächst
der Höhensteuerachse wird die Fläche durch zwei
schräg nach vorn zum Unterträger laufende Streben
gehalten. Sind zwei Seitensteuer vorhanden, so be-
finden sich diese innerhalb der Streben. Zum erstenmal
hat Sommer einen solchen Steuerschwanz verwendet.
Das Gerüst der Caudron-Landzweidecker 1910-1914
ist dadurch merkwürdig, daß die unteren Träger
gleichzeitig die Kufen des Fahrgestells sind. Die Ober-
träger gehen von der Unterseite des oberen Tragdecks
aus. Seitensteuer wie bei den Wassermaschinen.
hnlich, aber noch interessanter ist das Gerüst
des Zweideckers der Automobil-Fachschule Mainz 1911.
Je zwei übereinander liegende Träger sind vereinigt
und bilden je ein Stück, da sie vor der Zelle in Form
eines Halbkreises von großem Radius ineinander
übergehen. Die unteren Teile bilden die Kufen des
Gestells, die oberen Teile sind unter dem Oberdeck
befestigt. Damit der Propeller zur Bewegung genug
Raum hat, bleibt jedes Trägerpaar bis hinter die
Schraube in einer Ebene parallel zur Flugrichtung
(und normal zur Erdoberfläche). Sodann verringert
sich der Querschnitt stark und endet schließlich in ein
Quadrat von geringer Seitenlänge. Das Hochziehen der
Kufen bis zum Oberdeck hat den gleichen Zweck wie
die Konstruktion von M. Farman. — Eine horizontale
Schwanzfläche, zwei Seitensteuer mit Flossen, kein
vorderes Höhensteuer.
B. Horizontale Kante.
Die Steuergerüste dieses Typs, das in eine
horizontale Kante ausgeht, sind meist nach derselben
230
Art ausgeführt wie die vorderen Gerüste der gewöhn-
lichen Art. Die horizontale Schwanzfläche ist vorne
an den letzten senkrechten Streben des Steuergerüstes
befestigt. Die Endkante des Gerüstes fällt mit der
Hauptbefestigungsstelle der Schwanzfläche, bezw. mit
der Höhensteuerachse zusammen.
Die Gerüste dieser Art sind ziemlich stark ver-
breitet gewesen: Curtiß Land- und Wasserzweidecker
1909—1914, Ferber 1909, D.F. W. 1911, Grahame White
leichter Typ 1913, F. F. 1913 und 1914. In neuester
Zeit hat M Farman dieses Steuergerüst verwendet.
Andere Abarten des Steuergerüstes, das in die
horizontale Kante endet, sind folgende: einige Euler-
Zweidecker 1913 haben die oberen Träger parallel
zur Flugrichtung, während die unteren nach hinten
geneigt sind. Seitensteuerachse vor der Höhensteuer-
achse. Beim F. F.-Flugboot 1914 sind die vier Träger
nicht gerade, sondern nach oben, bezw. nach unten
gebogen. Sie verlassen die Tragdecks tangential, auf
welche Weise der Konstrukteur größere Festigkeit
des Gerüstes erzielen wollte. An den Sommer-Zwei-
deckern 1909 sind die Oberträger hinten schwach, die
Unterträger stark aufgezogen, so daß sich die Schwanz-
fläche (ohne Klappe) bequem auflegen läßt. Ein
Seitensteuer vor der Fläche oder zwei über und unter
derselben. Die oberen Träger einiger Sommer- und
Albatros-Zweidecker 1911 sind parallel zur Flug-
richtung, die unteren sind hinten zu einem Viertel-
kreis nach aufwärts gebogen. Sommer mit zwei
Seitensteuern nahe aneinander, Achsen wie sonst bei
Sommer. Albatros mit zwei über und unter der Fläche
befindlichen Seitensteuern.
Apparate, deren Gerüst aus zwei Trägern besteht,
wurden von drei Konstrukteuren gebaut: von Paulhan
1910—1911, von Ziegler und Voisin 1913 und 1914.
Paulhan hat bei seinen ersten Zweideckern (ge-
baut von H. Fabre) wie an den Flügelholmen und an
den Hauptrippen des Seitensteuers auch an den Gerüst-
trägern die bekannte Fachwerkkonstruktion verwendet.
Hier ist das Gerüst für das vordere Höhensteuer und
‘fiir die Schwanzfläche (ohne Klappe) gemeinsam. Die
Träger gehen also durch die Zelle knapp oberhalb
der unteren Fläche hindurch. Jeder Träger besteht
aus zwei übereinander liegenden Balken, die durch
Fachwerk verbunden sind. Dieser Hochkantträger ist
mit Stoff überzogen, so daß er nicht viel Widerstand
bietet. Wegen des großen Widerstandes, den aber
hauptsächlich die Flügel wegen der besonderen Kon-
struktion hervorriefen, und des ziemlich bedeutenden
Gewichtes kam Paulhan im folgenden Jahre von dieser
Bauart ab und griff seither zu gewöhnlichen Holmen
und Gerüstträgern.
Sowohl die Träger für das einzige vorne befind-
liche Höhensteuer als auch jene für die horizontale
Schwanzfläche sind am unteren Tragdeck befestigt.
Das Seitensteuer ist nur an einem Punkte gelagert,
die Endpunkte der Achse sind aber ausgiebig ver-
spannt. Sowohl beim Typ 1910 als auch 1911 sind die
Träger parallel zur Flugrichtung.
Zwei weniger bekannte Apparate mit aus zwei
Trägern bestehendem Steuergerüst sind der Zwei—
decker der Automobilfabrik De Dion-Bouton 1911 und
das Flugboot von Ziegler 1912. Ersterer hat ein vorderes
Höhensteuer, zwei horizontale Schwanzflächen, voll-
ständig verdrehbar, und zwei Seitensteuer. Die Träger
ehen in ein Drittel des Flächenabstandes durch die
elle hindurch. Der Vorderteil, der das vordere Höhen-
steuer trägt, ist aber nicht die direkte Verlängerung
der Träger, sondern etwas anders ausgebildet. Die
Träger des Gerüstes am Ziegler-Flugboot sind an je
zwei hintereinander stehenden Stielen der beiden
Reihen in halber Höhe befestigt.
Am erfolgreichsten verwendete die Fabrik Voisin
das Gerüst mit zwei Trägern (1913 und 1914). Sie
sind in halber Stielhöhe angesetzt. Jedes der drei
Seitensteuer ist wie bei Paulhan an einem Punkte
gelagert. Alle drei Punkte liegen aber innerhalb der
Endpunkte der Höhensteuerachse.
C. Vertikale Kante.
Das Steuergerüst mit senkrechter Endkante wurde
bereits früher als Standardform bezeichnet. Erst hier
können wir uns mit der interessanten Entwicklung
dieser Gerüstform befassen.
Die Albatroswerke haben diesen Steuerschwanz
wohl zum erstenmal verwendet, aber den Vorteil
nicht voll ausgenützt. Da der Apparat vorderen
Antrieb hatte, konnte man die vier Träger an den
Endpunkten der das Boot unmittelbar umgebenden
Stiele, die voneinander also geringen Abstand hatten,
ansetzen. Auf diese Weise ergibt sich natürlich
auch ein schmales Gerüst und die breite horizontale
Schwanzfläche mit den Klappen, deren fixer Teil bis
zur Höhensteuerachse auf das Gerüstende gelegt war,
mußte daher erstens durch vom unteren Ende der
Seitensteuerachse schräg seitwärts nach oben gehende
Verstrebungen und zweitens von einem auf die Fläche
gesetzten Spannmast versteift werden. Im allgemeinen
war es aber eine beachtenswerte Konstruktion.
Die Fabrik Voisin, die im Herbst 1911 ihre ersten
Apparate mit dem Steuergerüst des Standardschwanzes
versah, hat die Vorteile des Gerüstes, geringes Gewicht
und geringen Luftwiderstand, durch vollständig verfehlte
Anordnung der Schwanzflächen illusorisch gemacht.
Das Gerüst endet wie gewöhnlich in die Seitensteuer-
achse, die auch hier nach oben verlängert ist. Die
horizontale Schwanzfläche mit Klappe ist aber nur
in der Mitte der eigenen Vorderkannte, und zwar an
dem oberen Ende der Seitensteuerachse, also nur an
einem Punkte des Gerüstes befestigt. Die Fläche
ist wohl gegen die Verlängerung der letzteren ver-
spannt und auch nach unten verspreizt, was aber
starken Beanspruchungen kaum Stand gehalten haben
dürfte. Schon das Reißen eines Drahtes hätte sehr
gefährlich werden müssen.
Ebenso wie einige Konstrukteure ihre Apparate
mit zwei nebeneinander liegenden Trägern versahen,
haben andere wieder ein Gerüst mit zwei über-
einander befindlichen verwendet. Dieses Steuergerüst
ist aber nur bei vorderem Antrieb (Cody, vorderer
und Zweischraubenantrieb) oder hinterem Zwei-
schraubenantrieb (Wright) möglich. Dann läßt sich
aber kein am Schwanz befindliches Höhensteuer ver-
wenden. (Dieses könnte einmal gelagert hinter dem
Seitensteuer liegen.) Höchstens kann eine mit dem
Seitensteuer starr verbundene horizontale Fläche ge-
nommen werden. Bei hinterem oder vorderem Antrieb
wären nämlich die Verspannungen nicht möglich, und
zwar aus dem Grunde, weil sie in einem zu großen
Winkel zur Flugrichtung ständen. Während des Fluges
würden diese Verspannungen stark vibrieren oder gar
ausgerissen werden. Für ein Steuer ist diese Gerüst-
konstruktion mit zwei Trägern gerade noch fest genug.
Verspannungen bei hinterem Zweischraubenantrieb
wären überhaupt nicht anzubringen.
D. Endfigur ein Dreieck.
Apparate, deren Gerüste eine ungerade Zahl von
Längsträgern besitzen, sind nur zwei gebaut worden.
Einer von Ponnier 1913 und einer von Grahame White.
Während bei ersterem der einzelne Träger unten
liegt, ist er beim zweiten oben.
Näher beschrieben sehen die Konstruktionen
folgendermaßen aus: Die Oberträger bei Ponnier sind
nicht allein nächst den Stielen befestigt, sondern sie
sind an parallel zur Flugrichtung laufenden Stahl-
rolıren angeschlossen, die die Verbindung zwischen
zwei hintereinander stehenden Stielen herstellen. Die
Stiele stehen schräg nach außen. Der untere Träger
ist an einem Bock, der vom Boot fast bis zum Boden
reicht, angesetzt. Von dort gehen entsprechend der
Konstruktion für die Oberträger Stangen zu den Enden
der Räderachse. Das Gerüst ist also tm Vorderteil
sehr hoch. Hinten bleibt der Querschnitt ein Dreieck,
das aber geringe Größe hat. Hier kann die horizontale
Fläche bequem aufgesetzt werden. Zur weiteren
Fixierung dienen wie bei Voisin 1911 etc. vom unteren
Gerüstende ausgehende schräge Streben. — Der ein-
zelne Träger des Grahame White-Zweideckers ist
nach der Methode Pischoff-Dorner in der Schrauben-
welle gelagert. Wegen derseiben Antriebsart gleicht
dieser Zweidecker auch in anderen Beziehungen denen
von Pischoff und Dorner. Die Unterträger schließen
an die Kufen des Fahrgestelles an. Um die ganze
Bauart kräftiger zu gestalten, sind die Kufen am Boot
befestigt. Hinten wird der Querschnitt wie beim vor-
beschriebenen Apparat bedeutend kleiner, und zwar
reduziert sich die Höhe ungefähr auf die Hälfte. Da
die horizontale Fläche oben aufgelegt ist, ist die
Verwendung der schrägen Verstrebungen wie bei
Ponnier um so berechtigter.
9. Das Fahrgestell.
Sollte sich noch einmal Gelegenheit dazu geben,
Fahrgestelle in einem eigenen Aufsatz zu behandeln,
so sollen darin auch jene den Gerüstzweideckern
eigentümlichen eingehend behandelt werden. Hier
müssen wir uns mit einigen kurzen Bemerkungen
begnügen.
A. Das Doppelkufenfahrgestell
hat H. Farman im Jahre 1909 aufgebracht. Seither ist
es bei den meisten Gerüstzweideckern zu finden.
Die Kufen haben verschiedene Länge. Wenn sie
sehr kurz sind, so sind sie nur gegen das Unterdeck
in der Richtung zum Boot (Rahmen) abgestützt
(H. Farman 1912—1914, Vickers 1914). Bei Grahame
White in der Verlängerung der Kufen die Träger des
Schwanzgerüstes. Weit vorragende Kufen sind mit
dem vorderen Gerüst verschmolzen (M. Farman etc.).
Kufen von beträchtlicher Länge sind außer gegen die
Flächen meist gegen das Steuergerüst (die Se
geruste) verstrebt (H. Farman etc.). Die Kufen bei
audron sind auch die Unterträger des Schwanz-
gerüstes. Hier ragen die Kufen ganz wenig vor die Zelle.
B. Andere Fahrgestellkonstruktionen.
Befestigung am Boot.
Zweirädrig ist das Gestell der Voisin- und Euler-
Zweidecker 1909, das nach der Methode des Gelenks-
dreiecks gefedert ist. Das Fahrgestell des modernen
Rumpf-Ein- und Zweideckers (Standardgestell) ver-
wendete Euler bereits 1910 und behielt es bis 1914,
da er den Bau von Gerüstzweideckern aufgab, bei.
Mehr als zwei Räder, deren Achsen nicht in eine
Gerade fallen, haben die Gestelle der Voisin-Zwei-
decker 1910-1914, Sanchez-Besa 1912 und Bathiat-
Sanchez 1913. Diese haben vier Räder, die nach der
Standardmethode mit dem Boot verbunden sind. Ein
schwerer Voisin-Zweidecker 1914 (200 PS) besitzt sechs
Räder, deren Achsen durch je zwei Streben gegen
das Boot abgestützt sind. — Das Fahrgestell der
Cody-Zweidecker 1911—1913 ist nach dem Einkufen-
system gebaut. Vorne trägt die Kufe ein kleines Stoß-
rad, auf dem der Apparat während der Ruhe aber nicht
ruht. Wegen der großen Spannweite des Apparates
und der geringen Spurweite der Räder befinden sich
an den Zellenenden kleine Stützräder. Diese ver-
wendete Cody bereits im ganre 1909. Der dritte Stütz-
punkt des Apparates befindet sich in Form eines
Sporns unter dem Boot.
Das dreispurige Gestell des Cody-Zweideckers 1909
hat vor und hinter dem Haupträderpaar (abgestützt
wie Standard, Druckfedern) ein (vorderes) Stoßrad
und ein (hinteres) Schlepprad. Die vier Räder können
nicht gleichzeitig mit dem Boden in Berührung sein.
Äußere Stützräder.
C. Am Unterdeck befestigte Fahrgestelle.
Einspurig ist das Fahrgestell des Ferber-Zwei-
deckers. Die beiden Räder sind pneumatisch gefedert.
Von zweispurigen Gestellen, die natürlich über-
wiegen, ist das Gestell des Blériot-Zweideckers 1913
zu nennen. Jedes Rad ist am Ende eines zweiarmigen
Hebels gelagert, der vorn die Federung trägt.
231
Dreispurige Gestelle sind aus dem Gelenks-
dreiecks- und Mittelkufensystem kombiniert: Savary,
Curtiß. Bei letzterem ist der Kufenvorderteil gegen
das vordere Steuergerüst abgestützt.
10. Motor, Kraftübertragung und Schrauben.
Der Lagerung des Motors des Gerüstzweideckers
kommt wegen der Lage desselben eine hohe Bedeutung
zu. Sie muß stark und kräftig durchkonstruiert sein,
da sich sonst schwere Unfälle ergeben. Es wurden
allerlei Versuche gemacht, die Gefährlichkeit des
Motors im Gerüstzweidecker (auch mit hinterem An-
trieb) zu vermindern oder zu beseitigen.
A. Direkter Antrieb.
Ob es sich um einen Stand- oder Rotationsmotor
handelt, ob der Apparat Boot oder Rahmen besitzt,
so ist die Motorachse meist knapp über dem Unter-
deck. Dies ist auch die einfachste Anordnung. Bei
Vorhandensein eines Rahmens wird ein Standmotor,
bezw. der Lagerbock eines Rotationsmotors auf das
Unterdeck gesetzt. Wird ein Boot verwendet, so
können beide Motorarten ohne größere Gewichts-
erhöhung hinaufgerückt werden, wodurch die am Be-
ginn dieser Abhandlung dargelegten Vorteile erreicht
werden können.
Schwächere Rotationsmotoren, bis ca. 80 PS,
rotieren immer hinter der Schraube. Die Welle ist
vor dem Motor (zweimal) gelagert. Stärkere Motoren
müssen sich aber zwischen den beiden Lagern
befinden.
Die Otto-Ago-Zweidecker, deren Boot nicht mehr
bis zum Motor reicht, haben ein eigenes auch nach
vorn kräftig verspreiztes Gestell für den Motor.
Auf die obere Begrenzungsfläche des Bootes ist
der Motor des Vickers-Zweideckers 1913 gesetzt. Eine
andere Art des Hochbringens der Motorwelle ist die
bereits eingangs erwähnte von Curtiß.
Interessant ist die Lage des Motors des ebenfalls
am Beginn des Aufsatzes besprochenen Voisin-Zwei-
deckers 1914. Damit der schwere (200 PS) Motor
möglichst vom Boot verdeckt wird, ist er nicht ans
Ende, wo der Bootsquerschnitt gering ist, sondern
hinter die beiden nebeneinander liegenden Sitze, das
ist knapp hinter die Bootsmitte verlegt. Von Nachteil
ist die bedeutende Länge der Welle. Die lange Achse
wird stark auf Torsion beansprucht und Vibrationen
machen sich in erhöhtem Maße bemerkbar.
B. Indirekter Antrieb.
Hier unterscheidet man Ein- und Zweischrauben-
antrieb. Der Motor ist der Rotationsebene der Schraube
entweder sehr nahe oder er hat größere Entfernung.
Dann wird aus dem im vorigen Absatz angegebenen
Grunde nicht die Motor- sondern die Schraubenwelle
verlängert. Der Antrieb erfolgt immer mittels Kette.
Bei Cody wird die Kraft von einem Standmotor
übertragen, bei den schweren Typen von H. Farman-
Land- und Wasserzweideckern (160 PS) von einem
Rotationsmotor. Die Lagerung der Schraubenachse
liegt bei ersterem noch am Boote selbst, bei letzterem
wird ein eigener Bock verwendet.
Bei einem leichteren Voisin-Zweidecker 1914 ist
der Motor aus demselben Grunde wie beim schweren
Apparat nach vorn geriickt. Bock fiir die Schraube
wie bei Farman. Auf das Unterdeck ist der Motor
aller Wright-Zweidecker, auch jener mit Boot und
mit Einschraubenantrieb, gesetzt. Aus der Lage neben
den Sitzen entsteht die unsymmetrische Anordnung.
Dadurch wird das Gefahrenmoment verringert.
Von Apparaten mit hinterem Zweischrauben-
antrieb gibt es bloß zwei bekanntere Typen, die
Wright- und die Sanders-Zweidecker. Der Motor des
a steht in der Symmetrieebene.
jegt
C. Der Motor vor den Sitzen,
so befinden sich letztere zwischen Motor und Schraube,
eine nicht angenehme Situation! Die durch die Lage
232
des Motors am Gerüstzweidecker mit hinterem An- | rüstzweideckern von Voisin 1909—1912 und Euler 1909.
trieb bedingte Gefahr ist nun beseitigt. Diese Methode | Die Vickers- und Cody-Zweidecker 1913 mit vier-
ist an zwei Apparaten verwendet: am Zweidecker der | flügeligen Holzschrauben. Apparate mit vorderem
Automobil-Fachschule Mainz 1911 und von Grahame | Antrieb haben immer gewöhnliche zweiblätterige
vun 15 Die on cen im le diet Holzpropeller.
er Antrieb bei ersterem Apparat erfo irekt, ` 7
was hinsichtlich des indirekten Antriebes Kraftersparnis | 11. Die Durchführung der Staffelung (Schräg-
bedeutet. Nachteil: Lange Welle. Da das Boot geringe | Stellung der Stiele) an mehreren Teilen von
Höhe hat und der Sitz vom Boden wenig entfernt ist, Gerüstzweideckern.
hat auch die Welle vom Sitz geringen Abstand. Dies Hier handelt es sich darum, festzustellen, wie
macht die Lage des Piloten noch unangenehmer. weit bei einigen Typen die Schrägstellung der Stiele
Die Schraube des Grahame White-Zweideckers | sich erstreckt.
wird indirekt angetrieben. Die Bootswände sind hier Ein H. Farman-Zweidecker 1911 mit gestaffeiten
höher, weshalb auch der Abstand von der Welle zum | Tragdecks. Alle Stiele außer den Zellenstielen senk-
Sitz größer gehalten werden kann. Hier muß die | recht. Eine horizontale Schwanzfläche mit Klappen,
Schraubenwelle kurz sein. Sie ist noch innerhalb des | zwei Seitensteuer. Kein vorderes Höhensteuer. — Ein
Bootes gelagert. Lagerung des Gerüstoberträgers in | schwerer H. Farman-Zweidecker 1911 gestaffelte Trag-
der Schraubennabe. ns ER oa ha 18 hinter dem 5
: N . | des Oberdecks. Stiele des Steuergerüstes schräg. Eine
D. mie a a une 9 Pedy A A horizontale Fläche mit Klappen, drei Seitensteuer. Bei
: ; : beiden Apparaten keine vorderen Höhensteuer. — Ein
Indirekter, und zwar nur Zweischraubenantrieb | M. Farman-Zweidecker 1911 gestaffelte Decks. Alle
existiert nur bei zwei Apparaten: Cody 1909 und | anderen Stiele ebenfalls schräg, auch die Achsen der
Savary 1911 und 1912. Interessant ist, daß die Zahn- | beiden Seitensteuer. Diese mit der Achse des hinteren
räder der Motorwelle bei beiden hinter dem Motor | Héhensteuers in einer schrägen Ebene. Unten Fläche
liegen. Bei Savary aber nur ein Zahnrad, da (zur | ohne Klappe. Vorderes Höhensteuer. — M. Farman-
Vermeidung von Unfällen durch Reißen einer Kette) | Wasserzweidecker 1912 wie der vorige Apparat
zum Antrieb beider Schrauben nur eine Kette ver- | jedoch ohne die untere Schwanzfläche. — Euler-
wendet wird. 3 Zweidecker 1913 mit hinterem und vorderem Antrieb,
E. Die Schrauben. gestaffelte Tragdecks. Schräge Stieledes Steuergerüstes.
Schrauben mit besonders breiten Blättern haben | Schwanzflächen von der normalen Anordnung von
die alten Cody-Zweidecker. Die Blechschrauben, wie | Euler. — Vickers-Zweidecker 1913. Standardschwanz,
sie Levavasseur verwendete, finden sich an den Ge- |; sämtliche Stiele schräg, auch Seitensteuerachse.
Der Deperdussin-Eindecker.
Die Fabriken von A. Deperdussin konstruieren | aufgerollt, welche auf zwei dünne Längsträger L und
egenwärtig zwei Apparattypen, einen Eindecker | L’ (Fig. 1) aufgenagelt werden. Ihre Breite ist ungefähr
(Monöcoaue) und einen Zweisitzer (Biplace). Der Ein- | 1 cm und ihre Wicklungswinkel zu den Längsträgern
decker ist die bekannte, ausgezeichnete Monocoque, | beträgt ungefähr 450. Auf diese erste Fournierumhüllung
die durch ihre Schnelligkeitsrekorde und durch ihre | wird nun gleicherweise eine zweite in umgekehrter
Flüge durch Europa berühmt ist. Richtung B aufgerolit, die mit der ersten einen Wick-
Im nachstehenden sei einiges über ihre Detail- | lungswinkel von 90° bildet. Schließlich wird noch eine
konstruktion mitgeteilt, die speziell darauf hinzielt, den | dritte Furnierlage C darüber gewickelt, im selben
Flugwiderstand auf das geringste herabzusetzen. Sinne wie die erste Umhüllung. Damit ist der Rumpf
Der Rumpf hat eine nach rückwärts schlank zu- | fertig. Er wird noch mit Leinwand überspannt und
laufende Form mit einem starken Vorderteile von efirniBt. Da das Aufwickeln der verschiedenen
kreisförmigem Querschnitt, analog jenem schneller | Schichten immer abwechselnd im entgegengesetzten
Fische. Die Motorwelle trägt eine die Schrauben-
nabe umschließende kalottenförmige Kappe, derart,
daß die Kühlluft ungehindert zu den Zylindern
streichen kann. Die Konstruktion des außerordent-
lich leichten und gleichzeitig sehr widerstands-
fähigen Rumpfes ist vollständig verschieden von
Fig. 1. Schematische Darstellung der Wicklung eines Fig. 2. Befestigung der Fahrgestellbügel.
Monocoque-Rumpfes. Fig. 3. Fahrgestelldetail.
den gewöhnlichen Rumpfbauten mit ihren Längs- und | Sinne geschieht, ist der Kumpf absolut undeformierbar
Querträgern, Verbindungsstreben und Verspannungen | und dabei außerordentlich leicht. Vorne ist er noch
durchgeführt. Bei dem Rumpf der Monocoque gibt | mit zwei Stahlspanten ausgestattet, die das Motor-
es keinen einzigen Spanndraht. lager tragen. Zwei Zwischenstücke halten die Längs-
Das Prinzip seiner Konstruktion ist folgendes: | träger der Flügel und ein leichter Doppelmast trägt
Auf einer hölzernen Form werden spiralig dicht neben- | die obere Drahtverspannung. Die Räderachse endlich
einander schmale und elastische Furnierholzstreifen A | ist mittels Gummibändern an zwei in der Hitze ge-
bogenen Holzreifen des Rumpfes befestigt, die durch
Querstücke gegenseitig versteift sind. Alle diese Teile
sind selbstverständlich auf den zulässig kleinsten Quer-
schnitt gearbeitet, um den Luftwiderstand zu verringern.
Die Steuerungen sind sämtlich im Innern des Rumpfes
untergebracht, so daß nur der Kopf des Piloten über
das Rumpfgehäuse emporragt, der sich auf ein Kissen
in einer zu diesem Zwecke eingebauten Lehne stützen
kann, die nach rückwärts zum besseren Abströmen
der Luft einen Kegelansatz trägt. Der ganze Apparat
ist von einer unvergleichlichen Leichtigkeit, ohne an
Festigkeit etwas einzubüßen. Der gänzliche Mangel
aller jener Teile, welche bei einer eventuellen Landungs-
havarie, die leider bei den kolossalen Geschwindig-
keitsleistungen des Apparates leicht möglich ist, zer-
brechen oder absplittern können, verringert ganz außer-
ordentlich die Möglichkeit einer Verwundung desPiloten.
Die charakte-
ristischen Merk-
male der zuletzt
gebauten Mono-
coque (Renntyp),
die noch nicht
erprobt worden
ist,. sind folgen-
de: Spannweite
66 m, Länge
6°02 m, Flächen-
areal 9 m2, Ver-
windung 1'1 m2,
Höhensteuer0'8m?.
Das Gewicht mit
einem 160 PS
Gnöme-Motor be-
trägt 450 kg. Bei
dem »Biplace-
finden wir alle
jene ckarakteristi-
schen Merkmale
wieder, die allen
anderen Appa-
raten eigen sind.
Der Rumpf besteht
aus vier Längs-
trägern, welche
mittels Streben,
Querstücken, Alu-
minium-Beschlä-
gen und Spann-
arähten mit Spann-
schließen ver-
bunden sind. Vorne trägt der Rumpf eine Kappe aus
biegsamen Holzlatten, ähnlich wie beim Rumpf der
»Monocoque«. Die Oberseite des Rumpfes ist karos-
serieartig verkleidet, zum Schutze des Piloten und
des vor ihm sitzenden Passagiers.
Das Chassis besteht aus zwei bügelförmigen
Fahrgestellstreben, die mit dem Rumpf durch ein Ver-
bindungsstück derart verbunden sind, daß sie rasch
ausgewechselt werden können. An den Bogenenden,
die mit den unteren Längsträgern des Rumpfes durch
Bolzen und Schraubenmuttern verbunden sind, wird
ein geschmeidiges Tau befestigt, welches unter dem
Rumpfe F einen Gürtel bildet und auf der anderen
Seite wieder an den Bogenenden befestigt ist. Wenn
man die Schraubenmutter lockert, werden die beiden
Bogen frei und können auf diese Weise bei einem
Unfall rasch durch andere ersetzt werden. Eine
Diagonalversteifung D erhöht die Widerstandskraft
der Bogen, die miteinander durch zwei Ovalrohre
verbunden sind. Durch eine auf dem Bogen C bei O
verstellbare Doppelführung kann die normale Stellung
der. rohrförmigen Radachse E einreguliert werden.
Das Prinzip der Steuerung durch eine schwenk-
bare Brücke bei dem Deperdussin-Eindecker ist
233
folgendes: Eine gabelartige Brücke ist im Rumpfe
von vorne nach rückwärts beweglich an den unteren
Rumpflängsträgern montiert. Durch zwei leichte Rohre
ist diese Gabel mit einem zweiarmigen Hebel (L) ver-
bunden, der durch Drahtseile die Höhensteuer betätigt.
Wenn der Pilot den Volant V an sich zieht, wird
durch die Brücke und den Hebel das Steuer aufwärts-
gerichtet. Dreht er den Volant, so nimmt dieser die
mit ihm verbundene, an der Brücke montierte Rolle P
mit, welche zwei Steuerkabel führt, die über die
Rollen Pi, Pz, Ps zu dem Punkte A des auf dem
Chassisbogen um die Achse B drehbar angebrachten
Winkelhebels A BC laufen. Das Verbindungsstück
A—C besteht aus zwei dünnen Stahlbändern.
Ein Rohr T überträgt in entsprechender Weise
die Bewegungen der beiden Winkelhebel. In C ist
ein kurzes Rohr t angesetzt, welches an seinem Ende
Fig. 4. Steuerungsschema. — Fig. 5. Detail des Flügelmastes.
die drei gegen den Hinterrand der Tragfläche führen-
den unteren Verwindungsdrähte vereinigt. Fig. 4 zeigt
deutlich mittels Pfeilen die Bewegung der Verwindungs-
drähte, Kabel und Rollen in dem Momente, wo sich
der Apparat nach links neigt, und der Pilot, um sich
aufrecht zu erhalten, den Volant in entgegengesetzter
Richtung dreht (im Sinne des Uhrzeigers). Der Vorteil
dieser vollständig instinktiv zu betätigenden Steuerung
ist außerordentlich groß für die Flugschüler, die sich
dadurch leicht und genau über die Wirkungsart der
Steuerbewegungen klar werden.
Das Seitensteuer wird mit den Füßen durch
Pedale betätigt wie bei allen neueren Apparaten.
Sämtliche oberen Spanndrähte sind an den Masten
C 5 (Fig. 5). Die vorderen Spannseile vereinigen
sich bei T und die zu dem Hinterrande der Tragfläche
führenden Verwindungsdrähte laufen in einem Kabel
vereinigt über die Rolle P. Das sind in den wesent-
lichsten Grundzügen die konstruktiven Eigenarten der
zwei Apparattypen, die von dem außerordentlich tüch-
tigen Ingenieur Bechereau gebaut werden, der in
intensiver Weise seit dem Beginn der dynamischen
Luftschiffahrt an der Verbesserung der Flugzeuge
arbeitet. SL.
—
234
Aufstellung einer Fliegeroffiziersschule.
Bei den k. u. k. Luftfahrtruppen gelangt, wie
Streffleurs Militärblatt meldet, mit 1. Oktober 1915
eine Fliegeroffiziersschule in Wiener-
Neustadt zur Aufstellung, die die Heranbildung
von Flugzeugbeobachteroffizieren bezweckt. Die Fre-
quentanten dieser Schule erhalten eine theoretisch-
fachtechnische und eine praktische Ausbildung.
In diese Schule können aufgenommen werden:
Einjährig-Freiwillige nach erfolgreicher Absolvierungder
Reserveoffiziersschule, Kadettaspiranten und Kadetten
(Fähnriche) i. d. Res., die das 30. Lebensjahr nicht
überschritten haben und die körperliche Eignung be-
sitzen. Bevorzugt werden Hörer oder Absolventen
einer technischen Hochschule (insbesondere Maschinen-
bau- und Ingenieurschule), dann Aspiranten, die bereits
ai haben.
auer der Ausbildung ca. fünf Monate.
Die Ernennung der Frequentanten zu Kadetteni.d.R.
der Luftfahrtruppen wird zu dem Zeitpunkt erfolgen,
in dem sie ihre Verwendbarkeit für den Kriegsflieger-
dienst nachgewiesen haben. Eine Ausbildung zu Feld-
piloten vor der Verwendung als Flugzeugbeobachter
ist ausgeschlossen.
Gesuche um Aufnahme sind stempelfrei im
Dienstwege bis 15. September an die Militärkommandos
(bei der Armee im Felde an die Armeekommandos,
Armeegruppenkommandos) zu leiten. Die Gesuche
haben folgendes zu enthalten: Truppenkörper, Charge,
Name, Assentjahr, Tag und Jahr des Präsenzdienst-
antrittes, wann und mit welchem Erfolg die Reserve-
offiziersschule absolviert wurde, Alter, Angabe der
absolvierten Mittel- und Hochschule; an Hochschulen
abgelegte Prüfungen, Angabe einer eventuellen Praxis,
Dauer derselben. Die Zeugnisse über absolvierte
Schulen werden nach erfolgter Einrückung zur k. u. k.
Luftfahrtruppe beizubringen sein. Jedem Gesuch ist
ein Zeugnis des Truppenchefarztes beizulegen.
Die Anzahl der Frequentanten ist beschränkt.
Gesuche, die aus Rücksicht auf den festgesetzten
Stand der Schule keine Berücksichtigung finden,
werden für einen späteren Einberufungszeitpunkt
vorgemerkt.
Neues Profil für Tragdecken und Fallschirme.
Von Prof. Jean Stroescu.*)
Angeregt durch das von Constantin im »Aéro-
phile« vorgeschlagene Fliigelprofil, sowie durch den
Artikel von Dr. Cousin und Guigon, der in der Zeit-
schrift »Technique aéronautique< veröffentlicht wurde,
und das berühmte »Geheimnis der Einsaugung« beim
Vogelflug zum Gegenstande hat, schlage ich, vorerst
für die aerodynamischen Laboratorien, ein neues Profil
für die Flächen des Drachenfliegers vor, das auch
Fig. 1.
besonders für die Schraubenflügel anwendbar ist,
deren Bewegungsgeschwindigkeit ungleich größer, und
deren Anstellwinkel (Steigung) konstant ist, wodurch
eine beabsichtigte Zone des »Unter-
druckes« eher erzeugt werden könnte.
Wenn man vom Flügelprofil Con-
stantins ausgeht (Fig. 1), so be-
stand meine ursprüngliche Anordnung,
welche speziell die Schaffung einer
großen Zone des »Unterdruckes« im
Auge hatte, darin, eine halbkreis-
förmige Höhlung auf der Oberseite der
Tragfläche vorzusehen, welche sich
über die ganze Flügellänge parallel zur
Vorderkante erstreckt, und zwar dort,
wo die Strömungslinien am weitesten
von der Oberseite der Tragfläche ent-
fernt sind. (Fig. 2.) Auf diese Art wird die Zone des
»Unterdruckes« eine mehr oder weniger zylindrische
Fig. 2.
Form besitzen, die als Basis den Querschnitt der
Höhlung (vermehrt um denjenigen Teil des »Unter-
°) »La Technique aéronautique.«
druckes«, der durch die Ablenkung der Luftströmungs-
linien durch die Vorderkante gebildet wird) und als
Höhe die Flügelspannweite, d. h. die Länge der
Höhlung haben wird. Der Raum des »Unterdruckes«,
wie dies Fig. 1 und 2 andeutet, wird noch einmal so
groß sein als bei dem Profile Constantins und daher
auch eine doppelte Saugwirkung haben.
Aber diese meine ursprüngliche Anordnung wurde
mittlerweile modifiziert und das Resultat dieser Fort-
entwicklung ist das Profil, welches ich heute vorschlage.
Bei diesem Profil (Fig. 3) unterstützt die Einsaugung
nicht allein die Tragkraft, sondern sie erleichtert auch
die Durchdringung der Luft.
Die Theorie dieses Profiles ist, kurz gesagt, etwa
die folgende:
Die Strömungslinien werden, indem sie die Eintritts-
kante treffen, über die höchste Stelle der Kante ab-
Langstrager
Aluminium Luftteiler
Fig. 3.
gelenkt und zwar um so mehr, je größer die Translations-
geschwindigkeit des Apparates und je größer die
Neigung der Fläche c—a sein wird. Die Stärke dieser
Eintrittskante, oder besser die Stirnhöhe dieses
»Luftteilers«, ist sehr klein im Verhältnis zu der
Stirnhöhe der Tragfläche, folglich wird auch sein
Eindringungswiderstand, der durch das Aufprallen der
Luftmoleküle verursacht wird, kleiner sein, als der-
jenige, den die Stirnhöhe d—e der Tragfläche er-
zeugen wird, welche nun aber in dem vorliegenden
Falle gar keine Möglichkeit hat, den Stirnwiderstand
zu vermehren, da sie von den Strömungslinien nicht
direkt getroffen wird, diese vielmehr über ihre Ober-
seite hinweggleiten. Mit anderen Worten: Wir sehen,
daß diese Anordnung eine Zone des Unterdruckes
schafft (D), deren Einsaugungsrichtung durch die
Resultierende F ausgedrückt wird, die sich aus den
beiden Komponenten g und h zusammensetzt, von
denen die eine die Eindringung, die andere den Auf-
trieb begünstigt. Es besteht zwischen den Stirnhöhen
a-b und d—e ein bestimmtes Verhältnis, wie auch
Fig. 4.
zwischen den Entfernungen c—e und b—e, dieses zu
präzisieren aber möge den aerodynamischen Versuchs-
laboratorien überlassen bleiben.
Wendet man das Profil auf die Schraubenflügel
an, so wird das Resultat vielleicht noch befriedigen-
der sein, weil die größere, relative Windgeschwindig-
keit, d. h. die größere Translation, in diesem Falle
Winkelgeschwindigkeit der Flügel, die Strömungslinien
mehr ablenkt und eine um so größere Zone des Unter-
druckes erzeugt, ohne für den Moment ein genaueres
Schraudenflügel
Fig. 5.
Verhältnis zwischen den dadurch geschaffenen Be-
ziehungen aufzustellen, kann man folgende Bemerkungen
machen: Am äußeren Ende des Schraubenflügels, wo
die Geschwindigkeit am größten ist, wird die Eintritts-
kante des Luftteilers weiter von der Vorderkante des
Schraubenflügels entfernt sein müssen, und umgekehrt
wird, je höher der Rotationsachse die Entfernung zwischen
den beiden Kanten immer kleiner werden können, im
— ee
-
235
selben Verhältnis, wie eben die Strömungslinien gegen
ae ch zu immer weniger abgelenkt werden.
(Fig. 5.
Vom Standpunkte der Bauart dieser Flächen und
Schraubenflügel mache ich hier einige Vorschläge,
Fig. 6.
welche die Fig. 3 und 5 zeigen, sehe aber für
heute von einer genaueren Beschreibung ab. Auf. dem-
selben Prinzip der Einsaugung schlage ich gleichzeitig,
KA
Fig. 7.
und zwar auf Grund außerordentlich gelungener Modell-
versuche das in Fig. 6 wiedergegebene Profil für Fall-
schirme vor. Man sieht, daß die Strömungslinien
durch die nach oben gebogenen Ränder ungleich mehr
abgelenkt werden und dadurch eine Zone (D) des
Unterdruckes schafft, welche bedeutend größer ist als
bei einem gewöhnlichen Fallschirm.
Glacialkosmogonische Beiträge zur Erdbebenforschung.
Die gebirgsbildenden Kräfte der geologischen Vergangenheit und — Zukunft.
Von H. Hörbiger.
VI. Fortsetzung.
Wer von unseren geologisch einigermaßen unter-
richteten geneigten Lesern sich der Mühe unterzogen
hat, den Figuren 11 und 12 samt den dazugehörigen,
voran dargestellten kosmischen Kraftäußerungen und
irdischen Flutvorgängen einer geologischen Vergangen-
heit und Zukunft auf den Grund zu gehen, wird gewiß
gern zugeben, daß wir in der Zerpflückung des uns be-
hindernden Laplace-Lyellschen Geologenirrtums
kaum jemals zu anmaßend und zu drastisch werden
können; wir setzen daher die noch weiter auszu-
beutenden Figuren 11 und 12 zu seiner Bequemlichkeit
nochmals hieher, denn sie bilden ja gleichsam das
geologische Schibboleth der Glacialkosmogonie.
Die bereits beleuchtete Lyell-Potonié-Bölschesche
»Lösung« des Rätsels von der »Reinlichen Schei-
dung und den aufrechten Wurzelstöcken«
in den oft zahlreich übereinander gebetteten Stein-
kohlenflötzen wäre beim heutigen Stande der physi-
Da aber sah ich, daß den meisten die Naturwissenschaft
nur etwas ist, insofern sie davon leben, und daf sie sogar
den Irrtum vergöttern, wenn sie davon ihre Existenz haben.
Goethe zu Eckermann am 12. Oktober 1825.
kalischen Erfahrung eigentlich zu kindlich, um noch
einer eingehenden Widerlegung zu bedürfen; doch
mangels einer mitdenkbaren Kosmogonie hat
Potonié mit der Lyell schen »Deltatheorie« durch
die eifrig und geschickt verteidigte Vermoorung*)
derselben derart »autochthon« hypnotisierend auf die
mitteleuropäischen Geologen der Weltkriegszeitwende
gewirkt, daß es ganz unmöglich geworden ist, sich
mit einer gegnerischen Einsicht fachmännisches Gehör
zu verschaffen. Der nachsichtige Leser findet es daher
wohl verzeihlich, wenn wir gerade im Punkte der
Steinkohlengenesis einen entsprechend längeren und
stärkeren Hebel ansetzen und die Begeisterung eines
modern-naturwissenschaftlichen Denkers (Bölsche)
für einige wichtige Details des Lyellschen Grund-
irrtums noch weiter als Hebelstützpunkt wählen. Hören
wir also seine herausfordernd sokratisch-ironische
Schilderung der gespensterhaften aufrechten Wurzel-
*) Potonié: »Die Entstehung der Steinkohle etc.«, 1910.
236
stöcke mit durch das Kohlenflötz nach oben strebenden
Stammstücken noch weiter an, um unsere glacial-
kosmogonische Deutung wirksamer zu gestalten:
»Diese doppelseitige Häufung der unwahrschein-
lichsten Zufälle war denn doch etwas zu stark. Und
die Situation wurde noch herausfordernder durch
folgenden dritten Sachverhalt: Es drängten sich
stellenweise nicht nur die Wurzeln selbst alle genau
in der richtigsten Stellung nebeneinander, wie ein
wahrer Waldwurzelboden (bis zu 73 Stammwurzeln
wurden einmal in England an einem Fleck gezählt),
sondern es geschah auch, daß ein Wurzelstock von
unten aus dem Bodengestein mit seinem Stammende
in das Kohlenflötz eintrat, dasselbe vollständig durch-
setzte und nach oben in dem Deckgestein als veritabler
Stammstumpf noch um ein ganzes Stück weiter ging.
Also eine sich ergänzende, verschmelzende Kombi-
nation beider Dinge !«
Diese bei nicht allzu Se mugen eiszeitlichen
Nachtfroste ganz natürliche Eigentümlichkeit zeigen
fast alle Wurzelstöcke der Fig. 11, ohne unsere Ver-
wunderung zu erregen — und der aufmerksam mit-
gekommene Leser weiß, wie dieselbe ja auch nur
auf kataklysmatisch-allochthonem Wege verständlich
geworden ist. Erfolgt die Sedimentierung eines nach-
herigen Kohlenreviers aber im grimmigeren eiszeit-
lichen Winter, und handelt es sich um Baumfarne
und Riesenschachtelhalmstöcke, so wird der über
die erstarrte Schwimmstoffebene ragende
Teilder Stämme so glasspröde gefroren
sein, bis die nächsttägige stürmische Flutwelle sie
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erreicht, daß sie alle in dieser gemeinsamen
Ebene abgeschert werden. Diese sogenannten,
besonders von Grand' Eury in St. Etienne vielfach
beobachteten »Scherflächen« hat Böls che
offenbar nicht gekannt, sonst würde seine autochthone
Voreingenommenheit auch diese Erscheinung als
Beweis für die Bodenständigkeit solcher abgescherter
Baumstämme beansprucht haben. Dies holt aber
L. Waagen (Unsere Erde, 1908) wie folgt nach:
»Lange Zeit erschien es unaufgeklärt, warum nur
die Stümpfe dieser Bäume, und zwar alle
in gleicher Höhe förmlich abgeschnitten
uns überliefert wurden. Potonié fand auch dafür
eine einleuchtende Erklärung in der Annahme, daß
die Höhe der Stümpfe uns die ehemalige Wasserlinie
anzeigt, oberhalb welcher die Verwesung ihr Werk
tat.« — Wir sind da der eben angedeuteten, wesent-
lich anderen Überzeugung, in der wir auch
unserem Altmeister Sueß widersprechen müssen, wenn
er bezüglich dieses dritten Steinkohlenrätsels (rein-
liche Scheidung, aufrechte Wurzelstöcke, und Scher-
flächen) im »Antlitz der Erde« 11/307 sagt:
»Die Zeichnungen der Tagbrüche von St. Etienne,
welche Grand’ Eury veröffentlicht hat, 5 ein gutes
Bild davon, wie die Vegetation dem Sedimente folgt
und wie immer neue und neue Individuen in den
neuen Bänken (Flötzen) auftreten. Allerdings hebt aber
Grand’ Eury ausdrücklich hervor, daß jeder größere
Bestand von Bäumen und Wurzeln oben abge-
schnitten wird durch eine Scherfläche,
über welcher die folgende Schicht beginnt.« - »>Obwohl
| Last u. U ruckhilze.
| strieb und Verklohlun
nach Wasst
Endzusland des Kohlen-Flözbaues nach Ablauf derMondauflösung, Crossen futhu. Eiszeilen
Je leine Tades tefe
Fig. 11. Schematische Versinnlichung des glacialkosmogonischen Aufbaues einer geologischen Schichtserie in ihrer
kompliziertesten Form:
Der zahlreichen Wechsellagerung von Tonsandstein oder Schiefertonschichten mit dünnen Steinkohlen-
flötzen unter der weiteren Komplikation durch in verschiedenen Etagen übereinander eingebettete, aufrechtstehende Wurzel-
stöcke von tropischen Bäumen in den nicht abbauwerten Distrikten der Kohlenbergwerke höherer Breiten. Die Figur
stellt den Vorgang der Kohlenflötz- und Taubgestein-Sedimentierung in zwei verschiedenen extremen Baustadien dar: Links
der Erstzustand der Sedimentierung zur Zeit der soeben erfolgten Ebberückstand-Erstarrung je dreier aufeinander gefolgter
Flutberg-Breitenoszillationen, und rechts der Endzustand von 11 solchen täglichen Breitenoszillations-Ebberückständen nach
erfolgter Setzung, Auspressung des Eisschmelzwassers und Verkohlung der einzelnen Schwimmstoffschichten durch die Be-
lastungs-Kompressionshitze unter hermetischem Luftabschluß. Im Erstzustande besteht jede Tageslieferung nach erfolgter
Beruhigung, Heraussortierung der Sink- und Schwimmstoffe nach ihrem spezifischen Gewichte (im Texte als Vertikal-
sortierung beschrieben), sowie Klärung und Frosterstarrung des Wassergehaltes aus drei ganz individuellen Schichten:
Einer oberen vornehmlich vegetabilischen Schwimmstoffschicht, einer unteren sandig-schlammigen Sinkstoffschicht und
einer dazwischen gelagerten Mittelschicht aus trübem Eise, während im Endzustande jede Tageslieferung nur mehr aus Ober-
und Unterschichte besteht, indem ja die Eismittelschichte durch die Kompressionswärme noch vor dem Verkohlun sbeginne
der vegetabilischen Oberschicht und Zementerhartung der mineralischen Unterschicht herausgeschmolzen und gepreft wurde.
Nötige Flutvorgänge-Ableitung siehe Fig. 3 bis 9 der April—Juni-Hefte. Erweiterung der Schichtserien zu Formationen und Haupt-
formationen siehe Fig. 12 u.f. nebst Haupttext; ebenso Eingliederung des Ganzen in den kosmologischen Zeitstrom der Erdgeschichte.
sich nun im Gebiete der Loire so deutlich die
Aufeinanderfolge der Wälder zeigt, ist
doch Grand’Eury durch die Betrachtung dieser
Scherflächen und insbesondere auch durch die gründ-
liche Verfolgung des Verwesungsprozesses der Pflanzen
zurückgeführt worden zu der Meinung, daß die Flötze
nicht an Ort und Stelle entstanden, sondern daß
sie durch Wasser zusammengetragene
und übereinander geschichtete Reste von verwesten
Pflanzen seien.«
Wenngleich sich also in diesen »bankweise
übereinander geschichteten Wäldern«
und in der »dem Sedimente Ra rue Vege-
tation« unser Altmeister ebenfalls als Autochthonist
verrät, so hätten wir dafür in dem französischen Berg-
ingenieur Grand’Eury die gewichtige Stimme eines
fachmännisch erfahrenen Allochthonisten als
Stütze gewonnen; aber auch diese Stimme hat durch
die suggestive Kraft Potonies inzwischen ihre Selbst-
ständigkeit wieder teilweise eingebüßt. Denn in seinem
historischen Überblicke erzählt Potonie, daß es ihm
1900 gelegentlich einer Geologen-Exkursion nach
St. Etienne gelungen sei, Grand’ Eury wieder teilweise
zur Autochthonie zurück zu überreden, wenigstens
soweit es das Stein- und Braunkohlenvorkommen
betrifft. Übrigens müssen wir auch der ursprünglichen
Allochthonanschauung Grand’ Eurys entschieden wider-
sprechen, daß es sich in der Allochthonie um ver-
weste Pflanzenstoffe handeln m ü Bte oder auch nur
könnte oder dürfte. Auf diese ungemein wichtige
Frage der Flötzbildung wollen wir später noch aus-
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237
führlicher zurückkommen. — Doch hören wir jetzt
wieder Bölsches Steinkohlenrätsel-Schilderungen
und Lösungen weiter:
»Es ist schon früher erwähnt, wie solche Kohlen-
flötze nicht bloß auf und unter jeder Schiefertonschicht
einmal vorkommen, sondern wie in großen Lagern
gleichsam ganze Türme solcher Wechsel-
schichten aufeinander gehäuft erscheinen.
Es entsteht im Querschnitt das Bild eines einzigen
großen Felsblockes, in welchem die Flötze sich gleich-
sam wie die schwarzen Linien eines Notenblattes
einzeichnen, parallel immer wieder in gewissen Ab-
ständen den Stein durchziehend.«
Und damit hat nun Bölsche die vierte
Schwierigkeit der autochthonen Flötz-
erklärung ins Licht gerückt: Die Vielzahl
der Flötze in aufeinander lagernden Etagen, welche
vor dem Unbefangenen jedes autochthonen Erklärungs-
versuches ebenso spotten muß, wie die »reinliche
Scheidung« die »lotrechten Baumstämme« und die
soeben beleuchteten »Scherflächen« Grand’ Eurys. Wie
sollnun die Autochthonie solcher Vielzahl-
flötze erklärt werden, wenn unsere Figuren 11/12
etwa nicht zu Recht bestehen sollten? Doch hören
wir zunächst wieder, wie Bölsches ironische Dar-
stellung der >»reinlich geschiedenen« Allochthonie
solch zahlreichen Schichtenwechsels lautet:
»Nach der Schwemmtheorie mußte man sich vor-
stellen, es sei am gleichen Fleck so und so oft eine
Weile einfacher Schlamm abgelagert worden, dann
eine Weile Kohlenbrühe, jetzt auf diese wieder nicht-
Ungeschichtetes
e Diluvium!
Sedimentare Oberstufe. ;
Endzustand des Kohlen-Flözbaues nach Ablauf derMondauflösung Grossen Fluth’und Eiszeit
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Mittal
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Sedimentäre Unterstufe.
Unlerbau.
Fig. 12. Schematische Versinnlichung des glacialkosmogonischen Aufbaues einer geologischen Einzelformation in ihrer
denkbar kompliziertesten Form: Eine kalkige Mittelstufe auf einer in Wechsellagerung zahlreiche Kohlenflötze führenden
sedimentären Unterstufe, überlagert von einer ebensolchen Oberstufe, darüber ein Eiszeitgebilde (angeschobenes Kon-
glomerat) und das Ganze abgedeckt durch eine grobgeschichtete diluviale Bildung. — Der Vorgang ist auch hier in zwei
extremen Baustadien dargestellt, und zwar links Erstzustand und rechts Endzustand, ganz im Sinne der Nebenfigur 11 und deren
Untertextes. Die hier schematisch versinnlichte »Tiefseeformation« wird in Wirklichkeit nicht derart isoliert vorkommen, und zwar
vielleicht am allerwenigsten als reiche Kohlenflötze führend; d. h. sie wird weder unmittelbar auf altem Unterbau auflagern, noch
ebenso unmittelbar von je einer glacialen und diluvialen Bildung überlagert erscheinen — sondern es werden stets mehrere solcher
Formationen, wenn auch nicht alle Kohle führend, in verschiedener Mächtigkeit und in verschiedenem Grade des Wiederaufgelöstseins
mit Eiszeitgebilden wechsellagern, sofern nicht inzwischen eingetretenes Weggleiten eines oder mehrerer Schichtkomplexe diese
8 noch weiter gestört hat. — Die in ihren Ursachen leicht erkennbare Faltung obigen Endzustandes über dem Relief
des alten Unterbaues darf als -Setzfaltung- angesprochen werden, im Gegensatze zur viel wichtigeren »Gleitfaltung« der
Fig. 7, welch letztere jedesmal dann eintritt, wenn bei tangentialem Flutkraftangriff (Gleitzone der Fig. 6) und entsprechend ebenem
Unterbau die Aufeinanderschichtung so hoch gediehen ist, daß die untersten Schlammschichten durch Belastungs-Kompressions-
wärme auftauen und so den darüber lagernden Schichtkomplexen soweit als Schmiermaterial dienen, daß sie in ein gletscher-
artiges Fließen geraten können, bis sie an einem Hindernisse unter Mitwirkung des fortdauernden Nachschubes emporsteigen,
sich falten (gleitfalten), überkippen und mitunter sogar überschieben. — Zugehöriges Detail, Flutableitung, Erklärung der »Flötz-
vereinigung-, Erweiterungen und Eingliederung des Ganzen in die Erdgeschichte vergl. Hinweise in Fig. 11 nebst späterem Haupttext.
238
vegetabilischer Schlamm, dann nochmals Kohle, aber-
mals Schlamm und so fort, bis die beiden Produkte
hübsch abwechselnd übereinander lagen, wie die
Etagen eines amerikanischen Wolkenkratzers.«
Unverkennbar ist das Schlußbild ausgezeichnet
gewählt für — den Endzustand unserer Fig. 11/12,
während wir für den dortigen Erstzustand diesen
Turmbau noch auf das mindestens Fünffache in die
Höhe gestreckt und in jede Tageslieferung die reinlich
scheidende Eisbank uns eingeschoben denken müssen,
wenn das Bild vollkommen sein soll. Wir sind natür-
lich mit Bölsche vollkommen darüber einig, daß
solche Allochthonie unmöglich ist! Noch un-
möglicher aber erscheint die bei Bölsche sich schließ-
lich ergebende, zum Teil bereits vorigesmal zitierte
autochthone Urwaldmoortheorie Potonies, weil
wir dazu wieder die Jahrtausende abwechselnder
Bodenhebungen und -senkungen nebst zugehörigen
Zwischenbewaldungen und -beflutungen. brauchten,
während doch vor dem glacialkosmogonisch be-
waffneten Auge diese jeweiligen >Tausend Jahre
sind wie ein Tag. (ll. Petr. 3/8.)
Gerade diese Vielzahl der Schichifolgen, wie etwa
die drei Profilbilder auf Seite 370/72/73 in Neumayr-
Uhligs Erdgeschichte (Kohlenfelder bei Aachen und
Valenciennes, Anthrazitbassin Pennsylvaniens) sie
darstellen, müßte dem Unbefangenen bei bloß
autochthoner Beleuchtung ein ewiges Rätsel
bleiben, dessen Lösung also wohl dennoch irgend
einer (kataklysmatisch-gezeitlichen) »Schwemm-
theorie« vorbehalten zu sein scheint. Bölsche meint
jedoch in getreuer Vertretung Lyell-Potonies:
»Gerade an solchen Stellen zeigte sich aber in
höchster Deutlichkeit, wie zäh und ebenfalls durchaus
regelmäßig sich jenes wunderbare Wurzelsenken und
Stammaufrecken aus dem Kohlenflötze heraus in die
tragende und lastende Gesteinsschicht hinein auf immer
wieder vollzogen hatte.«
Wir hoffen bestimmt, daß dem durch die letzten
Hefte aufmerksam mitgekommenen Leser alles dies
an Hand von Fig. 11/12 zur natürlichen Selbstver-
ständlichkeit geworden ist und ihm auch das folgende
kein Staunen mehr abnötigt:
»In einer einzigen Schichtenfolge dieser Art, bei
Kattowitz, die im ganzen 670 m tief 5 zeigten
sich 27 Tonschieferböden in 27 jener Kohlenflötz-
einschließungen, und 27 mal wuchsen jene gespensti-
schen wurzelähnlichen Gebilde abwärts aus der
Kohle in die Böden hinein. In Nordamerika lieferte
gar ein Block von 470 m Dicke 76 solcher Wurzel-
böden und das senkrechte Aufwachsen von Stämmen
nach oben wurde in der gleichen Gegend 18 mal in
den einander folgenden Etagen des gleichen Werkes
beobachtet.«
Auch diese Vorkommnisse lassen uns angesichts
der Fig. 11/12 ganz kühl. Wohl aber dürfte den auf-
merksamen Leser jetzt schon ein geheimes Grauen
vor der vermutlichen, autochthonen Erklärung
solchen Etagenbaues beschleichen: 76 mal mußte
sich der Boden in mindestens 152 Jahrtausenden regel-
mäßig gehoben und gesenkt haben; 76 mal ist da ein
Urwaldmoor entstanden, das 76 mal wieder zu einer
reinen Kohlenschichte niedergewalzt und mit einer
»reinlich geschiedenen<e Schlammschichte bedeckt
wurde, um dann emporsteigend immer wieder zum
Wurzelboden eines neuen Riesenschachtelhalm- und
Baumfarn-Urwaldes (in unseren Breiten!!)zu werden!
Und was für Urwälder müssen das erst
gewesen sein, wenn sie samt dem Moore, in dem
sie jeweils standen, Flötze von mindestens ½ bis
Im und mehr Mächtigkeit lieferten, nachdem laut
Chevandiers Berechnung ein hundertjähriger Buchen-
wald beim Verkohlen ein Schichtchen von nur 2 em
Dicke liefern soll! Zudem gibt es aber auch über unge-
heure Gebiete streichende Flötze von 10 und 12 m
Mächtigkeit, wie z. B. das berühmte Kladnoer Flötz
oder das Thickcoal-Flötz von Südstaffordshire, worüber
wir noch sprechen werden.
Nach unserem glacialkosmogonischen Fabriksver-
fahren der Fig. 7, 11, 12 ließen sich aber günstigenfalls
solche durchaus mit lotrechten Wurzelstöcken besetzte
76 Flötze samt dem tauben Zwischengestein schon in
76 Tagen »reinlich geschieden« einbetten, wenn
nicht die große Gesamtmächtigkeit von 4700 m
dafür sprechen würde, daß hier auch einige Serien
flötzloser Sandsteinschichten, eventuell im Sinne der
Fig. 12 auch eine kalkige Tiefsee-Mittelstufe dazwischen-
Bean wurden, oder gar der ganze Block ein
rodukt mehrerer Flutberg-Kulminationen darstellt,
somit mehrere Einzelformationen, ähnlich der Fig. 12,
in sich begreift. Daß aber Bölsche in Vertretung Lyell-
Potonies der autochthonen Genesis auch solcher
Vorkommnisse mangels einer einleuchtenden Kosmo-
gonie ernstlich den Vorzug gibt, geht aus seinen
weiteren begeisterten Ausführungen hervor:
»Hier half alles nichts: Die Existenz dieser Bäume,
die von unten in die Kohlenflötze hineinwuchsen und
oben aus ihnen herausragten« — (siehe hier Stamm
Nr. 3, 4, 8 u. dgl. in Fig. 11) — »erforderte eine
neue und unabhängige Erklärung. —
(Wir glaubten, diese Erklärung in Anerkennung solchen
naturwissenschaftlichen Eifers mit den Figuren 11
und 12 im vorhinein bieten zu sollen.) — »Einerlei
zunächst noch, was das Flötz selber sein sollte hin-
sichtlich seiner Herkunft: Diese Bäume hatten
hier ein ursprüngliches und eigenes
Existenzrecht. Sie waren selber nicht ange-
schwemmt, sondern sie standen, wie sie da zutage
traten, unzweifelhaft auf ihrem eigenen und ursprüng-
lichen Wurzelboden. Der Tonschiefer, auf dem das
Flötz jedesmal lag, war ein alter Waldboden, in dem
die Wurzeln oder wurzelähnlichen Stützgebilde seiner
Bäume fest verankert saßen. Dieser Waldboden konnte
zu Lebzeiten unmöglich im Meere gelegen haben, denn
Bäume farnähnlicher Gefäßkryptogame wachsen nicht
im Wasser, weder im Ozean noch im Süßwasser.«
Der aufmerksame Leser übersehe nicht, daß hiemit
erst das »Grundfaktum« konstatiert erscheint, auf
welchem die schließliche Urwald-Hypothese aufgebaut
und zu welch letzterer er durch die folgende schwemm-
theoretische Überlegung in unerbittlicher Logik hin-
geführt werden soll. Versagen wir also vor allem
diesem Grundfaktum den Glauben, bevor wir die
überleitende Botschaft hören, um gegen die schließ-
liche und schwerste aller autochthonen An-
fechtungen entsprechend gefeit zu sein:
»Wollte man dieses schlechterdings nicht mehr
zu erschütternde (!!) Grundfaktum jetzt
mit der Schwemmtheorie in Einklang bringen, so war
nur mehr folgendes möglich: Ein alter Waldboden
hatte seinen Laubwald getragen. Auf einmal
senkte sich aber das Terrain (!!) und das
Wasser eroberte den Fleck. Dieser führte als erste
stoffliche Invasion schwarze Kohlenbrühe, also irgend-
wo aufgewühltes und mitgestrudeltes, völlig zersetztes
Pflanzenmaterial heran und lagerte auf den alten Wald-
boden und zwischen die ersäuften und teilweise
zu kurzem Stummel abgebrochenen
Bäume das ab, was später zur echten Steinkohle
sich verhärtet hat. — Nun trat Änderung ein: Statt
Kohlenbrei kam Sandschlick, der sich auf den schwarzen
Kohlenbrei legte, auch die höchsten Baumstümpfe
endgültig in sich begrub und später den heute noch
aufliegenden Sandstein bildete, während der alte Wald-
boden ganz unten, der noch die Wurzeln hegte, ebenfalls
zu Tonschiefer verhärtete. In vielen Fällen geschah
es jedoch, daß sich nach einiger Zeit das ganze
Terrain abermals aus dem Wasser er-
hob (!!). Auf der Deckschicht bildete sich ein neuer,
fruchtbarer Lehmboden, in dem abermals ein Wald
sich ansiedelte — so lange, bis wieder das Wasser
ihn mit neuer Senkung bedrohte (!!), über-
schwemmte und ersäufte. Abermals jetzt Einschwemmen
erst von Kohlenschlamm, dann von Decksand. So ent-
steht das zweite Schichtenpaar hoch über dem Grabe
des ersten. Langt die Zeit, so mag diessiebzig
und mehrmals geschehen — der Erfolg
mußte stets der gleiche sein, und es wuchs bloß
die Pyramide der Schichtenfolge ins
Ungeheure.«
So lautet also die überleitende Zwischenüberlegung,
die vom Leser des Kosmosbüchleins »Im Stein-
kohlenwald« zunächst als vorletzte Möglichkeit
geduldet, dann als Unmöglichkeit erkannt und über-
wunden werden muß, wenn er die sich nachher
ergebende Potoniesche Urwald-Moor-Theorie als
einzig übrig bleibende Wahrheit vorübergehend mit-
empfinden soll. Der Kürze halber überschlagen wir
einige weitere einschmeichelnde Übergangsgedanken
Bölsches und setzen zu einigen Marksteinen des noch
zurückzulegenden Lyell-getreuen Spekulationsweges
das uns bereits von Seite 196 des Juli-Doppelhe es
her bekannte Endresultat Potoniés:
»MuBte das groBe Moor als Quelle des Kohlen-
schwemmateriales weit im Hinterlande des jedesmaligen
neuen Urwaldes angenommen werden? Die Moore
müssen ganz in der Nähe, das Sandmaterial muß
ferner gelegen sein, damit das Moormaterial zuerst
an die Reihe des Heranschwemmens kam. Aber muBten
die Moore hinter den Wäldern liegen? Es gibt noch
Plausibleres ! Sind denn Wald und Moor ein Gegen-
satz? Ganz gewiß nicht! Der Begriff des »Waldmoors«
ist ebenfalls ein vollkommen fester. — In der Tat: Es
ibt nichts, was uns hindern könnte, in jenen uralten
ferwäldern der Steinkohlenzeit ebenfalls rings um
die Bäume her einen echten und rechten Moorgrund
vorauszusetzen. Es bedarf nur noch eines kleinen
Schrittes, undeslöstsichdas letzte Rätsel (I).
Wenn die Bäume jener Urwälder schon zu ihrer ge-
sundesten Lebenszeit sich aus einem Moor erhoben,
so wird die Frage akut, ob erst die „
noch Moormassen hieher zu verstrudeln und zwischen
den Stämmen abzulagern brauchte. Oder ob nicht das
bereits an Ort und Stelle seit alters vorhandene Wald-
moor selbst genügte, um das Steinkohlenflötz zu er-
zeugen? — War das spätere Flötz nicht einfach das
ursprüngliche Moor selbst? —
Indem nun Bölsche dies umständlichst und in
einer Uberzeugungstreue bejaht, um die wir Potonie
nur beneiden können, braucht er die wiederholten
Lyellschen Senkungen des Terrains nur mehr, um die
notwendigen Decksandschichten über die immer wieder
neu erstandenen Urwaldmoore zu breiten und ist so
bei dem wesentlichen Inhalte des Potoniéschen Buches:
»Die Entstehung der Steinkohle und
der Kaustobiolithe überhaupt« angelangt.
(Kaustobiolith = Brennbarer Lebensstein.) Die nun
folgenden Schlußausführungen, wie wir sie schon auf
Seite 196 des vorigen Heftes zitiert haben, klingen
et bloB auszugsweise schon so einschmeichelnd,
daß wir samt dem geneigten Leser der Versuchung
rettungslos unterliegen müßten, wenn sich uns nicht
in Fig. 7, 11, 12 längst vorher schon die glacialkosmo-
gonische Lösung des Problems auf von Weltraum-
tiefe herauf fundiertem Wege von selbst
ergeben hätte!
Im übrigen gibt es nicht nur viele Geologen,
sondern sogar auch Spezialisten der genetischen Stein-
kohlenforschung, die sich die Kernfragen des Problems
(Reinliche Flötzscheidung, Vielzahl der Flötze, lot-
rechte Bäume in vielen Flötzetagen übereinander,
Scherflächen solcher Baumstümpfe) noch nicht in der
gleichen wissenschaftlichen Aufmerksamkeit gestellt
haben dürften. Selbst Potonié sieht vornehmlich bloß
den einzelnen aufrechten Flötzbaumstamm schärfer
an und vermeidet ängstlich alle Abbildungen, die dem
Leser etwa die Frage nach der Entstehung von 200
bis 300 übereinander gebauten Flötzen und deren
reinliche Scheidung auf die Lippen nötigen könnten,
während z. B. Dannenberg in seiner mehr deskriptiven
»Geologie der Steinkohlenlager« solche Flötz-Vielzahl-
Beispiele auch graphisch in Menge bringt, allerdings
auch ohne eine andere Lösung anzustreben, als die
von Bölsche geschilderte. Zur Anregung des nicht
239
fachmännischen Lesers in Sachen der Flötz-Viel-
zahl sei hier noch eine Stelle aus dem Sueßschen
»Antlitz der Erde« zitiert:
»Das Flötzrevier von Ostrau und Karwin in
Mähren und Schlesien umfaßt zwei dem Alter nach
unterscheidbare Abteilungen von flötzführenden Ge-
birgen. Läßt man die Flötze unter 15cm (!!!)
außer Betracht, so ergibt die ältere Abteilung in einer
Mächtigkeit von 3793 m zusammen 179 Kohlenflötze;
und die 415 m mächtige jüngere Abteilung umschließt
39 Flötze; zusammen 218 Flötze in einem 4208 m
mächtigen Flötzgebirge, und durchschnittlich je
Im Steinkohle auf m Sandstein und Schiefer.«
(A. d. E., 11/298.)
Man beachte: »Läßt man die Flötze unter 15 cm
außer Betracht«, die ja gerade die häufigsten sein
müssen: 218 Flötze! Wahrscheinlich beinhaltet das
Revier weit über 300 Flötze. Das flötzführende System
des Ruhrbeckens enthält drei Abteilungen mit 76 bau-
würdigen und 54 unbauwürdigen Flötzen,
wie in Neumayrs Erdgeschichte zu lesen. Also kann
man im selben Bauwertverhältnisse im mährisch-
schlesischen Revier mit etwa 370 Flötzen rechnen.
Die 130 Flötze des Ruhrbeckens erklärt Potonié im
Zusammenhange mit den belgischen, nordfranzösischen
und englischen Kohlenbecken als sicher (!!)
autochthon entstanden! — Doch wir wollen hier
noch glacialkosmogonisch etwas weiter ausholen, um
auch die sogenannten Kohlenschmitzchen,
Kohlensäcke, Großen Massen und Flötz-
verdickungen zwanglos verstehen zu lernen.
Gesetzt, während der Flötzkompression und Eis-
schmelze hätte das Schmelzwasser der in Fig. 12
links mit »Flötzvereinigung« bezeichneten drei Tages-
lieferungen aus irgend einem Grunde den seitlichen
Ausweg nicht rechtzeitig durchbrechen können. Dann
wird innerhalb dieser drei nun wieder flüssig ge-
wordenen Tageslieferungen eine neue »Vertikal-
sortierung« eintreten, bei welcher sich Schlamm- und
Schwimmstoffschichten nach Maßgabe ihrer spezifischen
Gewichtsdifferenzen gegenseitig langsam durchdringen,
so daß alle drei Sinkstoffschichten sich unten zu
einer Tripelschlammschichte vereinigen und alle drei
Schwimmstoffschichten ihre Einzelvegetabilien nach
oben steigen lassen können, bevor die Wasseraus-
pressung und Nachsetzung des oberen Flötzkomplexes
(die kataklysmatische Möglichkeit eines wirklich
»tektonischen« Erdbebens) stattfindet. Eine solche
Flötzvereinigung kann natürlich ebensowohl auch 10
und 20 Tageslieferungen umfassen, wenn das Schmelz-
wasser durch dichten Untergrund und hermetisch zu-
efrorenen Oberbau gleichsam in einem druckfesten
efäße eingeschlossen bleibt oder die endlich durch-
Ben Aufstiegöffnungen noch zu enge sind, um den
eharrungszustand empfindlich zu stören. Besonders
im eiszeitlichen Hochsommer sedimentierte Flötz-
komplexe werden solche Flötzvereinigungen begünsti-
gen, weil da vielleicht die gestrige Tageslieferung
noch nicht vollends erstarrt ist, wenn sich die heutige
Beschickung bereits wieder darüber breitet.
Die »Flötzvereinigung« kann aber auch zur eis-
zeitlichen Hochwinterszeit in den untersten Tages-
lieferungen beginnen und sich in dem Maße nach
oben fortsetzen, als ganz oben weiterbelastend darauf
sedimentiert wird. Unter Umständen kann so die ganze
Schichtserie eine Oberstufe (oder Unterstufe, falls eine
solche nicht zur Flutkulminationszeit teilweise wieder
aufgelöst würde) erst nach Abschlich des Flutberges
(der neuherzugekommiene Leser würdige hier die Fig. 6
bis 9 des Maiheftes) sich zu einer, allerdings nicht
mehr so reinlich geschiedenen Hauptsinkstoffschichte
und einer zugehörigen Hauptschwimmstoffschichte
vereinigen, bevor das Schmelzwasser Auswege findet;
solches kann besonders wieder im eiszeitlichen Hoch-
sommer, nach erfolgtem Flutbergabschlich am ehesten
geschehen. Findet dann das Wasser allmählich seit-
lichen Abfluß, so legt sich das summarische Flötz
langsam auf die summarische Schlammschichte auf,
240
um im kommenden Eiszeitwinter vielleicht so fest
wieder zu gefrieren, daß eine im selben Winter wieder
beginnende, eventuell diesmal schwimmstoffarme Sedi-
mentierung die gut verankerte Vegetabilschichte gar
nicht mehr aufhebt, sondern jetzt einen flötzleeren
Komplex von jeweils hartgefrierenden Sediment-
schichten mit zwischengelegten Eisschichten darüber
baut, durch deren Gewichtsbelastung dann erst die
Kompression und Verkohlung der begrabenen Flötz-
vereinigung eingeleitet und durch die nachfolgenden
Flutbergpassagen vollendet wird.
Hiebei ist aber noch folgendes zu notieren: Die
oberen Schlammschichten werden beim Durchsinken
der nach oben strebenden Schwimmstoffschichten
immerhin noch die einzelnen Elemente der letzteren
ein wenig mit Schlamm belasten, besonders die jeweilig
oberen größten Elemente; und das gibt dann die dem
Bergmanne wohlbekannten, schieferigen, steinichten,
mageren Bänke innerhalb mancher mächtiger Flötze;
zumindest wird sich eine Flötzvereinigung daran er-
kennen lassen, daß die Kohlenqualität nicht durch die
ganze Mächtigkeit gleich ist oder auch nicht gleich-
mäßig sich ändert, sondern in sich auch wieder eine
abwechselnde Schichtung von fetterer und magerer
und steinhältigerer Qualität aufweist.
Eine solche Unterteilung eines mächtigen Flötzes
durch abwechselnd magere und fettere Schichten kann
aber auch dadurch zustande kommen, daß die einzelnen
Breitenoszillationsfluten eines Flutbergvorbeischliches
wohl sehr schwimmstoffreich aber sonst ziemlich
klar oder schlammarm sind. Dann werden eben nur
Schwimmstoffschichten aufeinander gebaut, die ent-
weder nur durch sehr dünne -Mittel« ohne reinliche
Scheidung geschichtet erscheinen, oder immer nur in
den unteren Partien der einzelnen Tageslieferungen
»magere«, in den oberen aber »fettere« Kohle
aufweisen. Also eine Art von fertig sedimen-
tierter Flötzvereinigung, die einem Flutberg-
vorbeischlich von so vielen Tagen Dauer entspricht,
als sich im vereinigten Flötz derartige Unterteilungen
erspähen lassen. Der erfahrene Kohlenbergmann wird
uns gewiß für beide Arten von Flötzvereinigungen
(wir könnten sie sekundäre und primäre nennen) Bei-
spiele aufzuweisen wissen; und wir hoffen ja auch,
später, unter Mithilfe von glacialkosmogonisch bekehr-
ten Bergleuten, noch ausführlicher hierüber sprechen
zu können.
Erfolgt nun eine solche primäre oder auch sekundäre
Flötzvereinigung über Mulden und Kesseln eines alten
Unterbaues, so ergeben sich die sogenannten Kohlen-
schmitzchen, Kohlensäcke, Großen Massen und Flötz-
verdickungen. Hiezu gibt es aber auch noch einen
zusätzlichen, ergänzenden Ansammlungsvorgang, zu
dessen bequemerem Verständnis wir noch die Begriffe
der »Gleitfaltung und »Setzfaltung« fest-
legen müssen, die der aufmerksame Leser auch schon
im Untertexte der Fig. 12 berührt findet. Gerät näm-
lich ein frisch sedimentierter Kohlenschicht-Komplex
während des Auftauens der untersten Schlammschichten
in der schon bei Fig. 6/7 beschriebenen Weise ins
Gleiten und Falten, so werden die einzelnen
Schichten in den Falten stellenweise dünner ausge-
dehnt, gestreckt, ausgewalzt, dafür an anderen Stellen
wieder zusammengeschoben, gestaucht, verdickt. Eine
solche durch Gleitfaltung teilweise erklärbare Zu-
sammenschiebung der gletscherartig plastischen, meist
noch unverkohlten Schwimmstoffschichte stellt eben
die in Neumayrs Erdgeschichte (Seite 573) abgebildete
»GroBe Masse« von St. Etienne dar. Doch dürfte auch
dieser Faltenstauchung eine primäre oder sekundäre
Flötzvereinigung (eventuell noch dazu über einer
Mulde) vorangegangen sein, wie uns bald noch klarer
werden dürfte.
Ganz anders verhält sich dies bei der in Fig. 12
versinnlichten »Setzfaltung«, allwo gar kein
Gleitvorgang mitzuspielen braucht. Vorausgesetzt zu-
nächst, daB eine Flötzvereinigung nicht stattfindet,
sondern die Enteisung tageslieferungsweise von unten
nach oben erfolgt, so werden sich die untersten Flötze
nach erfolgter Kompression und Verkohlung genau
dem Relief des alten Unterbaues anschmiegen, die
höheren Flötze aber dieses Relief immer mehr ver-
schleiern; denn es muß während des Setzungsvorganges
an den Sätteln des alten Unterbaues eine teilweise
Streckung und Auswalzung — in den Mulden hingegen
eine Stauchung und Verdickung aller Schichten ein-
treten. Auf diese Weise wird uns auch das sogenannte
»Auskeilen« der einzelnen Flötze aus Fig. 12 ver-
ständlich, wenn man sich unten die Schmelzung und
Verkohlung schon begonnen denkt, während oben
noch weiter sedimentiert wird; denn dann wird im
Falle eines stark muldigen Unterbaues jede Tages-
lieferung trotz der gestern wieder hergestellten Ein-
ebnung doch heute immer wieder eine neue, allerdings
immer flachere Mulde vorfinden, an deren flachen
Rändern sich die Sink- und Schwimmstoffschichten
oft bis zum Verschwinden verjüngen müssen. Natürlich
kann man sich diesen Vorgang der Setzfaltung auch
noch mit Flötzvereinigungen und Gleitstauchungen
kombiniert denken, um dann beispielsweise die
St. Etienner »GroBe Masse« noch leichter zu verstehen.
Wenn wir hierin nun noch um einen Schritt weiter
ehen wollen, wird zu beachten sein, daß Mulden und
essel eines alten Unterbaues (entgegen dem in Fig. 12
ablesbaren Vorgange) beim Beginne der Schwimmstoff-
sedimentierung schon längst mit Eis erfüllt sein werden.
Dieses Eis mag in seinem unteren Teile aus den stag-
nierenden Gletschern des vorangegangenen Revolu-
tions-Ebbegürtels-Darüberschliches (vgl. Fig. 6 bis 9)
stammen, in seinem oberen Teile aber eine Art er-
starrter reiner Wassersedimentierung darstellen;
denn es wird ja den eigentlich wirklich sedi-
mentierenden Flutbergoszillationen eine reine oder
sedimentarme, ruhigere, seichte, tagesperiodische Vor-
beflutung vorangehen, welche natürlich nicht imstande
sein wird, das alte, festverankerte Gletschereis aufzu-
heben, sondern nur Eisschichte auf Eisschichte darüber
bauen kann, besonders im eiszeitlichen Hochwinter.
Rückt nun der im Sinne von Fig. 6 bis 9 breiten-
oszillierende Flutberg allmählich näher heran und
beginnen die Oszillationsfluten allmählich trüber,
schlammhältiger und schwangerer an vegetabilischen
Schwimmstoffen zu werden, so findet dann die be-
ginnende Flötzsedimentierung bereits ein schönes Eis-
niveau hoch über dem unter stagnierendem Eise be-
grabenen alten Grundgebirge vor.
Und das ist nun die Vorbedingung, welche bei
der Anschwemmung des berühmten Kladnoer Flötzes
erfüllt war, bevor die ausnahmsweise sehr schlamm-
armen aber schwimmstoffreichen Oszillationsfluten ihre
Ablagerungsarbeit begannen. Um zum allgemeinen
Typus dieses Kladnoer Flötzes zu gelangen, denke
man sich ein etwa aus der Silurzeit stammendes altes
Grundgebirge von reich in Berg und Tal gegliedertem
Relief — etwa im Sinne des »alten Unterbaues« der
Doppelfigur 12, nur etwas flacher und etwa 7 ver-
schieden hochragende Grate und 8 Niederungen um-
fassend. Darauf liegt ein etwa 12 m mächtiges, vier-
bis fünfbankiges Kohlenflötz, welches sich allen
Unebenheiten dieses alten Reliefs bergauf und
bergab anschmiegt; nur in den Senkungen mag mit
dem Flötz gleichzeitig sedimentiertes »Liegendes« von
geringer Mächtigkeit die kleineren Unebenheiten des
alten Grundgebirges ausfüllen. Zudem denke man sich
das Riesenflötz über die Sättel hinweg »gestreckt«,
in den Tälern »gestaucht« und an den Hängen teil-
weise »verworfen«. Darüber lagert nun ein mächtiges
ganz flötzloses Karbongebirge, in seinen ganz geringen
Oberflächen - Unebenheiten das Relief des Grund-
gebirges ganz flach verratend, ähnlich wie etwa in
Fig. 12 rechts die Flexur der Mittelstufe den Verlauf
des alten Unterbaues andeutet. Mehrere Schächte
durchteufen dieses Deckgebirge bis zu dem in ver-
schiedenen Tiefen liegenden Flötz, neben welchem
stellenweise auch ein sekundäres Hangendflötz von
bloß 1/2 bis 1 m verläuft.
In Neumayrs Erdgeschichte erscheint nun die
Ansicht vertreten, daß auch dieses Flötz autochthon,
d. h. in seiner heutigen Lage am so viel-
fach N Grundgebirge gewachsen
sei. ir müssen das entschieden verneinen, wenn-
gleich oder vielmehr eben weil das Flötz allen Un-
ebenheiten des alten Unterbaues angeschmiegt er-
scheint. Denn es ist doch ganz undenkbar, daß sich
an so steilen Bergabhängen ein Urwaldmoor-Flötz
von im komprimierten und verkohlten Zustande noch
immer 12 m Mächtigkeit anbaue oder gar anschwemme.
Hier läßt sich also mit der autochthonen Urwaldmoor-
Theorie nichts erklären, wle der geneigte Leser gewiß
sofort zugibt. Zunächst setzt das Urwaldmoor immer
die Tiefebene voraus und nicht ein so reich ge-
gliedertes Gebirgsrelief, wie es die verschiedenen
Kladnoer Profile aufweisen. Dann müßte für ein 12 m
mächtiges Flötz das Moor etwa 50 oder 70 m tief
gewesen sein, was auf Bergabhängen oder Graten
noch weniger denkbar erscheint. Aber auch mit keinem
der vielen Zwischenstadien des an Hand von Böl-
sches »Steinkohlenwald« bisher zerpflückten auto-
chthon gedachten Entwicklungsganges läßt sich hier
etwas erklären — ja auch mit unserer Fig. 11/12 allein
nicht so ohneweiters. Wir stehen also da vor einem
neuen Prüfstein der glacialkosmogonischen Stein-
kohlentheorie.
Es ist ja ohneweiters schon klar, daß auch dieses
Flötz ursprünglich ganz horizontal abgelagert worden
sein mußte — es kann daher der heutige allen Un-
ebenheiten des alten Unterbaues sich anschmiegende
Verlauf des Flötzes nur auf Setzfaltung beruhen.
Dies zusammengenommen führt uns zu der einzigen
Möglichkeit, daß das alte Grundgebirge zur Zeit des
Flötzablagerungsbeginnes mit allen seinen Mulden
und Graten und an tief unter stagnierendem,
primäreiszeitlichen Gletschereise begraben lag, welches
durch die zahlreichen, dem eigentlichen Flutberg-
anschlich notwendig vorangehenden, seichten Vorbe-
flutungen nicht nur nicht aufgehoben oder nieder-
geschmolzen, sondern vielmehr schichtenweise erhöht
und nivelliert worden sein mußte. Das jedenfalls auf
primäre (z. T. vielleicht auch sekundäre) Flötzver-
einigung zurückzuführende Riesenflötz wurde also
ohne besondere vorangehende, flötzlose Untersedimen-
tierung auf ein bis hinab massives und gut verankertes,
einheitliches Eisbillard hoch und senkrecht über allen
Mulden des alten Grundgebirges ganz horizontal
angeschwemmt und abgelagert. Erst darüber wurde
dann Schichte auf Schichte das heutige flötzlose Stein-
kohlendeckgebirge durch schwimmstofflose, aber sand-
und schlammreiche Oszillationsfluten vielleicht auch
in mehreren Flutberg-Vorbeischlichen aufgebaut, ohne
daß diese Oszillationsfluten mächtig genug gewesen
wären, das unten gutverzahnte Grundeis zu unter-
fahren und aufzuheben oder oben die wohl nieder-
gefrorenen Schwimmstoffschichten aufzulösen. Diese
spätere Belastung durch das flötzlose mächtige Deck-
gebirge führte dann erst zur Kompression und zu
ener Erhitzung, Vereinigung und Verkohlung des
Flötzes, durch dessen ärmeabgabe nach unten
das Untereis langsam niedergeschmolzen und aus-
gepreßt werden konnte. Wahrscheinlich hat hiebei
unter der gut isolierenden mächtigen und gewichtigen
Sedimentdecke auch die innere Erdwärme zur lang-
samen Entfernung des Ureises beigetragen. Daß bei
dieser endgültigen Setzung und Verkohlung die spär-
lichen unteren Schlammschichten zum Schlusse, wie
das Bild bei Neumayr zeigt, sich mehr in die Mulden
zusammenschwemmen ließen, anstatt auf den Ab-
hängen und Graten des alten Unterbaues unter dem
nachsinkenden Flötz sich anzulagern, ist uns leicht
verständlich. Ebenso klar ist, daß bei dieser vielfach
gewellten Niederschmiegung das Flötz nicht durch
Auswalzung, sondern durch Streckung gedehnt wurde
und so besonders an den steileren Abhängen zerreißen
und Verwerfungen erleiden mußte. Einähnlicher Vorgang
dürfte sich bei den meisten uneben und doch ziemlich
241
äquidistant zum alten Unterbau daliegenden Flötzen
abgespielt haben : Sie wurden ursprünglich meist über
einem massiven Eisniveau angeliefert und wir hätten
uns daher auch die alten Unterbaumulden der Fig. 12
im Erstzustande unten zum Teil mit stagnierendem
Gletschereise ausgefüllt zu denken.
Wir dürfen zum Abschlusse dieser Detailbehand-
lung eines fruchtbaren konkreten Falles wohl soweit
mit der Zustimmung des geneigten Lesers rechnen,
um das Kladnoer Flötz als einen klaren Beweis für
das Einhergehen einer grimmigen Eiszeit mit dem uns
eine >europdische Tropenflora« vortäuschenden
Karbon ansprechen zu können. Wenn wir übrigens
Fig. 11/12 in allen bisher erörterten Punkten unsere
Zustimmung geben, so wissen wir schon von früher,
daß ohne Eiszeit eine reinlich geschiedene Schichten-
bildung, ob nun flötzführend oder flötzleer, überhaupt
unmöglich ist. Somit erscheint sowol die sogenannte
permokarbonische (primäre), als auch die kreta-
jurassische (sekundäre) und die neopaläogene (tertiäre)
iszeit (letztere fälschlich Quartär und Diluvium ge-
nannt) durch die Tatsache der reinlich geschiedenen
Schichtbildung allein schon bewiesen, ohne daß wir
für jede dieser Gebirgsbauperioden erst nach Rund-
höckern, Moränen, Gletscherschliffen und Terrassen-
schottern zu forschen hätten. Denn das Eiszeiteis
konnte ja nur im Vorlande hochgebirgigen Hinter-
landes in schiebender Bewegung gewesen sein, während
es über einem ziemlich abgetragenen Relief, wie die
alte böhmische Masse, meistens stagnieren mußte,
daher dort keine dem heutigen Eiszeitforscher ge-
läufigen Spuren zurücklassen konnte.
m nun auch über den Hergang der Verkohlung
eine bessere Einsicht zu gewinnen, haben wir zunächst
zu bedenken, daß Druck allein noch keine Wärme
erzeugt, wenn die drückende Kraft nicht auch einen
Weg unter Überwindung eines gleich großen Wider-
standes zurücklegt, bezw. nicht auf einen zusammen-
drückbaren Körper wirkt. Es muß im unter Druck ge-
setzten Medium eine Molekülannäherung, eine Struktur-
veränderung stattfinden; es muß eine »Arbeit« (im
mechanischen Sinne) geleistet werden, denn nur solcher
mechanischen Arbeit entspricht auch ein Wärme-
äquivalent, wie denn auch kaltes Eisen unterm Schmiede-
hammer glühend wird. Bedienen wir uns des Meter-
kilogrammes und der Kalorie als Maßeinheit der me-
chanischen Arbeit, bezw. der Wärmemenge, die in
einem Kohlenflötze (oder einem Massengrabe von
Fischen) durch Kompression aufgewendet, bezw. ent-
wickelt werden kann, und versuchen wir uns ein ganz
rohes Gefühl über die Möglichkeit der Verkohlung '
(bezw. Destillation des Erdöles aus den Unmassen
kataklysmatisch eingebetteter Meerestiere) zu bilden,
indem wir an einem konkreten Beispiele solche ent-
wickelbare Druckwärme beiläufig zu ermitteln trachten.
Das spezifische Gewicht der fertigen Steinkohle
sei 1°25 und ihre spezifische Wärme gleich der des
Koks mit 0'2 angenommen. Das heute rund 1 m dicke
Flötz habe, als schon enteiste und mäßig vorkom-
primierte Schwimmstoffschichte noch 21 m Mächtigkeit
besessen, so daß die eigentlich komprimierende Kraft
langsam einen Kompressionsweg von 20 m zurück-
zulegen hatte. Die Enddruckkraft der fertigen Kohle
ist gleich dem absoluten Gewichte der überdeckenden
Gesteinssäule. Von der Möglichkeit einer lokalen
Druckerhöhung durch eventuelle Kniehebel-, bezw.
Gewölbeseitendruckwirkung im späteren Faltungs-
vorgange sei einfachheitshalber abgesehen ; die Druck-
kraft des Erstzustandes sei Null. Das Arbeitsdiagramm
wird also kein Rechteck, sondern eine Art recht-
winkligen Dreieckes sein, mit einer einwärtshängenden
Kompressionskurve als Hypothenuse. Die stratigraphi-
schen Verhältnisse des heute möglicherweise ge-
falteten Deckgebirges mögen in einem bestimmten
Falle auf eine ursprüngliche Belastungshöhe schließen
lassen, die einer heutigen Gesteinssäule von, sagen
wir, 3400 m Höhe entspricht, was bei 2500 kg Gewicht
pro I m3 einen Kompressions-Enddruck von 8,500.000 kg
242
pro I m? des heute I m starken Flötzes, bezw. pro 1 më
fertiger Steinkohle ergibt (= 850 Atmosphären). Würde
dieser Druck am ganzen Kompressionswege gewirkt
haben, so wäre eine Kompressionsarbeit von 170,000.000
Meterkilogramm geleistet worden, die rund 400.000
Kalorien Wärmemenge in dem betrachteten Kubik-
meter Steinkohlen anhäufen könnte, wenn sich der
Prozeß so rasch volizége, daß durch Leitung keine
Wärme verloren ginge. Da aber der Kompressions-
druck mit Null begann, das Arbeitsdiagramm also die
vorerwähnte eingebauchte Dreiecksform aufweist, so
beträgt die in jener, einem heutigen Kubikmeter fertiger
Steinkohle entsprechenden Schwimmstoffmenge me-
chanisch erzeugbare Wärmemenge entsprechend weniger
als die Hälfte von 400.000 — also sagen wir etwa
150.000 Kal., vorausgesetzt, daß auch wirklich alle
Arbeit in Wärme verwandelt wird, was ja bei einem
so unelastischen Körper beiläufig zutreffen könnte,
falls wir nicht auch in der Strukturveränderung eine
Arbeitsanhäufung erblicken sollen. In derselben rohen
Weise, unter Einsetzung obigen spezifischen Kohlen-
gewichtes und konstant bleibend gedachter spezifischer
Wärme weiterrechnend, gelangen wir bei absoluter
Wärmeisolierung nach außen zu einer bloß mechanisch
erzeugten Endtemperatur des unter vollkommenem Luft-
abschluß fertig verkohlten und komprimierten Flötzes
von etwa 6000 C., was allerdings schon fast der Kirschrot-
glut entsprechen würde. Es darf uns dies aber durch-
aus nicht zu viel erscheinen, indem wir ja eines großen
Wärmeüberschusses zur Deckung der Ableitungs-
verluste und durch entweichende Destillationsprodukte
während sehr langer Zeit bedürfen ; rechneten wir
doch auch mit einer bloß dem Gefühle nach be-
stimmten Arbeitsdiagrammfläche, die sich genau wohl
nur durch Preßversuche ermitteln ließe — und setzten
wir ja auch eine 100 prozentige Energieumsetzung
voraus, was nur im Laboratoriumsexperimente an-
nähernd zutreffen würde. Anderseits geht mit dieser
mechanischen auch noch eine chemische Wärmeent-
wicklung einher. Es dürfte in dem mechanisch lang-
sam eingeleiteten Druckverkohlungsprozesse wohl
soviel Wärme auf chemischem Wege hinzukommen,
daß damit ein Teil der Leitungsverluste für die Zeit
des gesamten Kompressions- und Destillationsvor-
ganges gedeckt wird. Auch kann uns die allerdings
mäßigere Druckerwärmung der ja ebenfalls etwas
kompressiblen anorganischen Zwischenschichten der
Fig. 11/12 zu Hilfe kommen, indem sich so eine Selbst-
erwärmung der !soliermassen vollzieht. Ebenso kann
man mit einem Zuschuß aus der inneren Erdwärme
rechnen, die ja im (geologisch) kurzen Kataklysmus
durch Verwerfungs- und Lakkolithenbildung, durch
Intrusionen, Magmaergüsse, vulkanische, glutgasige
und hydrothermische Paroxysmen leichter den Weg
in die oberen Erdkrustenschichten herauf findet, als
im langen Alluvium unserer heutigen Zeit. Für die
anfängliche Enteisung der allmählich unter Druck ge-
ratenden unteren Schichten ergibt sich uns noch ein
Wärmeguthaben aus dem Eisgehalte der belastenden
überlagernden Schichten, das im obigen Rohüber-
schlage auch noch nicht berücksichtigt erscheint ; viel-
leicht genügt dasselbe für die Enteisung, die bei dem
von unten kommenden Wärmezuschuß je nach Einzel-
mächtigkeit schon in der 30. oder 50. Tageslieferung
unter der Oberfläche des jeweils eben gefrorenen
Oszillations-Ebbegebietes beginnen mag. Auch mag die
spezifische Wärme der anfänglichen Flötzmasse nicht
0'2, sondern etwa 0°6 (wie für Holz) sein. Unter
summarischer Berücksichtigung alter dieser Gewinste
und Verluste kann man also je nach Belastung mit
Temperaturen rechnen, die zwischen 200° und 400° liegen
dürften. So leichtfertig dies nun auch ermittelt scheinen
mag (wollten wir ja im Grunde auch nur dem Stein-
kohlenchemiker kataklysmatische Anregungen bieten),
so wird die Sache einigermaßen plausibler, wenn wir
jetzt das Verkohlungsexperiment bei heiztechnisch zu-
geführter Wärme befragen : »Erhitzt man Holz in ver-
schlossenen Röhren, so erhält man bei 200 bis 280° C.
eine der Holzkohle, bei 300° eine der Steinkohle ähn-
liche Masse, die bei 400° anthrazitähnlich wirde —
aber wohl gemerkt: ohne besondere Druckwirkung
oder gleichzeitiger Drucksteigerung.
Demnach besteht also kein Zweifel, daß uns trotz
der Vergeschwisterung unseres Kataklysmus mit
einer Eiszeit die zur Verkohlung notwendige Tem-
peratur reichlich zur Verfügung steht, indem inklusive
aller Zuschüsse aus der chemischen Wärmeentwicklung
und der inneren Erdwärme von der überschlagsweise er-
rechneten Energie leicht 40 bis50 Prozent zur Verkohlung
nutzbar werden dürften. Dazu kommt noch, daß wir
im hohen Drucke selbst und in der beliebigenL ange
der verfügbaren Zeit noch zwei weitere, die Verkohlung
begünstigende Faktoren erblicken dürfen — Faktoren,
1 bei dem vorzitierten Laboratoriums-Experimente
ehlen.
Daß im bloßen geologisch-quietistischen (Lyell-
schen) Lichte, d. h. ohne Kataklys mus der Kohlen-
chemiker und Genesiserforscher nicht klar sehen kann,
bestätigt uns auch Dannenberg), indem er sagt:
Trotzdem uns die chemische Natur dieses
Kohlungs prozesses noch durchaus
dunkel (!!) ist, sind doch mehrfach Versuche unter-
nommen worden, denselben durch eine Formel dar-
zustellen. — Daß aber auch solche Formeln ohne
Kataklysmus und Eiszeit nicht zum Ziele führen, ergibt
sich aus folgendem: »Von verschiedenen Forschern
sind in neuerer Zeit Theorien aufgestellt worden,
die den Prozeß der Verkohlung auf die Tätigkeit
von Mikroben (1) zurückzuführen suchen. —
Renault hat diese hypothetischen Verkohlungs-
Mikroben sogar auch schon getauft und so den
»Mikrokokus carbo« und einen »Mikrokokus
lignitum« für Stein- und Braunkohle unterschieden,
was wir nur zum Ergötzen unserer Leser miterwähnen ;
daraus mögen sie die Finsternis jener 0 eat er-
messen, in welche die geogonische Detailforschung
durch die Laplace-Lyellsche Katastrophenlosigkeit ge-
führt worden ist. Aber nicht nur: Ohne Kataklysmus
keine Lösung des Steinkohlenproblems ! — sondern
auch: Ohne Kataklysmus keine Eiszeit und umgekehrt
— und ohne diese beiden Unzertrennbaren und ohne
einander Unmöglichen überhaupt keine Steinkohle ! —
Wir müssen in erster Linie eine rasche, fäulnis-
sichere, also frosterstarrte Einbettung der vege-
tabilischen (und für die natürliche Steinöldestillation
auch der animalischen) Rohstoffe, gefolgt von einer
sofortigen entsprechenden Anfangsbelastung unter
Luftabschluß als unerläßlich für die Steinkohlen-
flötze- (und Petrolea)-Bildung bezeichnen; ein Vorgang,
der im quietistischen Sinne niemals auszudenken sein
wird, sondern unbedingt zum, mit einer Eiszeit
einhergehenden Kataklysmus führen muß. Also
nicht nur die »reinliche Scheidung« des Kohlenflötzes,
sondern seine Existenz überhaupt bedingt die Eiszeit
im Kataklysmus. Wäre also diese Eiszeit nicht schon
aus den großen Endmoränenzügen Norddeutschlands,
aus Gletscherschliffen und Rundhöckern heute weit
und breit gletscherfreier Gegenden u. s. w. sicher er-
wiesen: Das Kohlenflötz allein müßte uns
auf die Spur der gewesenen Eiszeiten
führen! Denn sein vegetabilisches Rohmaterial hätte
doch in der Langsamkeit des autochthon gedachten
Vorganges unbedingt verwesen müssen, bevor es im ver-
meintlich warınen Karbonklima entsprechend luftdicht
abgeschlossen und gehörig belastet werden konnte.
Durch den kataklysmatisch-eiszeitlichen Hartfrost wird
aber jede der täglich angeschwemmten Schwimmstoff-
schichten sofort fäulnissicher konserviert und am
nächsten Tage auch schon luftdicht abgeschlossen.
Die endgültige Hochbelastung kann dann auch Jahr-
zehnte oder Jahrhunderte später, eventuell, wie bei
den Anthrazitlagern, auch erst im nächsten oder zweit-
nächsten Kataklysmus, also auch wohl Jahrhundert-
millionen später erfolgen, wenn nur gleich anfangs
) Dannenberg: -Die Geologie der Steinkohlenlager.- Berlin,
durch Frost und hermetisch abschließende Einbettung
die dauernd fäulnissichere Konservierung erzwungen
und sichergestellt worden ist.
Das fühlt auch schon der moderne »sautochthon«
spekulierende Steinkohlentheoretiker, indem wir bei
Dannenberg lesen: »Es müssen also besondere Um-
stände eintreten, um zu bewirken, daß der in der
lebenden Pflanze zunächst nur vorübergehnd gebundene
Kohlenstoff dauernd festgehalten werde und
so durch allmähliche Anhäufung zu mächtigen Ab-
lagerungen anwachsen kann. Diese besonderen Um-
stände werden in erster Linie den Eintritt und
Fortgang der Verwesung verhindern
müssen. (!!) Der sonst bei normaler Temperatur,
d. h. nicht unter Gefrierpunkt und Zutritt
der Luft rasch eintretende Zerfall wird
hintangehalten durch die Gegenwart von Humus-
säuren«. (!!)
Mutet das nicht ähnlich ratlos an, wie Renaults
Mikrokokus carbo? Mit Genugtuung hören wir hier
abermals einen en grübelnden Fachmann (im
Gegensatze zu Potonies Vorliebe für Verwesungs-,
Vermoderungs-, Vertorfungs- und Fäulnisprozesse) —
wenn auch im Interesse der Kohlensäure-Steinkohlen-
hypothese von Arrhenius-Frech — gerade das ver-
langen, was sich aus unserem Kataklysmus folge-
richtig von selbst aufdrängt —, was wir aber auch
ohne solchen Zwang a priori als selbstverständliche
Bedingung eines eventuell erst zu ersinnenden Kohlen-
243
Sedimentierungsvorganges betrachtet hätten: Die zer-
setzungsverhütende Wirkung des eiszeit-
lichen Frostes! Da aber für Dannenberg im
tropischwarmen Urwaldmoor Potonies dieser Frost
fehlt, muß er sich mit der antiseptischen Wirkung von
»Humussäuren« (! !) behelfen, deren es also in Wahrheit
durchaus nicht bedarf
So hätten wir denn in den beiden letzten Aufsätzen
das wichtigste Detail-Problem der Geologie und somit
auch das wichtigste Element der Gebirgsbildung ohne
jedwede Zuhilfenahme von unbestimmten oder wahren
Erdbebenkräften aus dem Groben heraus, kausal —
und hoffentlich auch zur zustimmenden Befriedigung
des geduldig mitgekommenen Lesers in glacialkosmo-
gonisches Licht gerückt. Wollen wir aber in unserem
barbarischen Vordringen gegen die breite Pseudo-
gelehrtenfront des Westens keine Hauptfestung un-
erobert hinter uns lassen, so hätten wir, die nötige
Geduld der geehrten Redaktion immer noch voraus-
gesetzt, zunächst noch die Probleme der Erdöl- und
Asphalt-Entstehung, sowie der großen Steinsalzablage-
rungen glacialkosmogonisch zu verarbeiten — Pro-
bleme, die auf Lyell-Laplacescher Grundlage ebenso
unlösbar bleiben müßten, wie das der eben abge-
handelten Steinkohlen-Entstehung.
Berichtigung: Die auf Seite 189-191 des Juli-
heftes neunmal erscheinende verschriebene Bezeichnung:
Nummiliten lies richtig: Nummuliten.
Geschützdonner und Aerologie.
Von Wilhelm Krebs. (Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen.)
Meinen ersten Mitteilungen über Geschützdonner
von ungewöhnlicher Hörweite im gegenwärtigen Kriege
ist eine ganze Eigenliteratur kleinen Maßstabes über
die einschlägigen Fragen gefolgt.
In der Wochenschrift »Prometheus« ist der Versuch
gemacht, die von mir bereits angezogene Erscheinun
des Seedonners an der flandrischen Küste (mistproffers
umgekehrt zur Erklärung gehörter Kanonaden zu ver-
werten. Es sei diesem Versuche hier sogleich ent-
gegengehalten, daß dieser Seedonner keineswegs so
häufig ist, wie dort angegeben. Der letzte verbürgte
Fall ging auf den 12. August 1910 zurück, nach viel-
jähriger Pause. Auch hat noch immer die einfachste
und natürlichste Erklärung als die beste gegolten. Das
ist für die vorliegenden Beobachtungen das ferne
Geschützfeuer, in diesem Falle an der britischen Küste.
Das muß um so mehr gelten, als dieser Krieg
auch bereits eine Gegenprobe gestattete. Die Be-
schieBung Diinkirchens machte sich, nach einer Meldung
vom 8. Mai 1915, in Dover an der englischen Kiiste
mit dem Erfolge bemerkbar, daß sie nicht nur gehört,
sondern auch an der Erschütterung von Baulichkeiten
gefühlt wurde. Dover liegt 78 km von Dünkirchen,
etwa 116 km von dem wahrscheinlichen Standorte
der schweren deutschen Geschütze.
Es muß dahingestellt bleiben, ob Dover noch in
dem Bereiche der direkten Hörbarkeit lag. Jedenfalls
ist diese bei Untersuchungen über die Kanonade auf
Antwerpen vom 7. bis 9. Oktober 1914 bis auf 100 km
hinausgerückt. Für diese Untersuchung sind nieder-
ländische Beobachtungen von E. van Everdingen,
nordwestdeutsche von W. Meinardus zusammen-
gestellt. Eine umfassende Veröffentlichung von
W. Meinardus ist im Maihefte 1915 der »Meteoro-
logischen Zeitschrift erschienen. Die beigegebene
Kartenskizze läßt erkennen, daß diese Ausdehnung der
direkten Hörbarkeit des Geschützdonners im wesent-
lichen mit der Richtung der Beschießung zusammenfiel.
Gerade dasselbe Verhalten galt im Mai für Dover.
Der hier behauptete Zusammenhang steht im Ein-
klang mit neueren Ergebnissen des deutschen Physikers
F. Auerbach. Übersteigt die Geschwindigkeit des
Geschosses die des Schalls, dann erfährt dieser in der
Schußrichtung auch eine entsprechende Steigerung
seiner Geschwindigkeit. Dieses Verhalten würde der
vermehrten Hörweite vollauf zur Erklärung dienen.
Diese Vergrößerung ‘der Hörweite braucht darum
noch nicht für das außerhalb der Zone des Schweigens
liegende Gebiet der indirekten Hörbarkeit zu gelten,
die in dem Februarbeitrage von mir auf eine Art Echo
aus der Hochatmosphäre zurückgeführt ist.
Dasselbe Maiheft 1915 der »Meteorologischen Zeit-
schrift« bringt einen Beitrag von J. N. Dörr, der sich
u. a. auf die Schallfolgen der Dynamitexplosion
des 7. Juni 1912 bei Wr.-Neustadt bezieht. Die ab-
gebildete Verteilung ihrer Meldungsorte läßt eine fast
genau entgegengesetzte Lage des äußeren Gebietes
indirekter Hörbarkeit zu dem inneren Gebiete direkter
Hörbarkeit erkennen. Dieses erstreckte sich übrigens
auch über 100 km hinaus. Es lag im Osten des Ex-
plosionsortes. Das äußere Gebiet indirekter Hörbarkeit
lag dagegen im Westen. Das Kartenbild erweckt den
Eindruck, als ob die ganze Schallerscheinung in den
Höhen der Atmosphäre von Osten nach Westen ver-
weht worden wäre. Und tatsächlich liegt einiger Anhalt
dafür vor, daß am 7. Juni 1912 über Österreich eine
kräftige Hochströmung der Atmosphäre nach westlicher
Richtung hin herrschte.
In derselben Arbeit ist auf die überaus große
Bedeutung hingewiesen, den die Hörbarkeit des
Geschiitzdonners als Orientierungsmittel für strate-
gische Zwecke besitzt. Ein Zusammenarbeiten der
Kriegswissenschaften mit der Meteorologie und be-
sonders mit der Aerologie auf diesem Gebiete liegt
demnach im eigenen Interesse der Heeresleitung.
An einem solchen Zusammenarbeiten besitzt das
Geschützwesen noch ganz besondere weitere Inter-
essen. Über diese unterrichtet ein Beitrag zu dem-
selben Maiheft 1915 der »Meteorologischen Zeitschrift«
über Artillerie und Meteorologie. Er hat den k. u. k.
Hauptmann der Artillerie Herrn J. V. Berger zum
Verfasser. Er verlangt vor allem eine genaue Kontrolle
der atmosphärischen Verhältnisse, die die Flugbahn
der Geschosse zu beeinflussen vermögen.
Genannt sind Bewegung, Wärme, Druck und
Feuchtigkeit der Luft. Verlangt ist vor allem ihre
244
Kontrolle durch selbstschreibende Apparate bei den
den Versuchen dienenden Geschützstellungen.
Es sei gestattet, zur Ergänzung einige besonders
wichtige Punkte hier zu berühren.
ie sehr äußere Nebenumstände eine GeschoB-
bahn alterieren, wird wohl am besten dadurch be-
wiesen, daß die wirklich beobachteten Bahnen im
äußersten Falle kaum 1/0 der Länge, 1/29 der Höhe
der reibungsfrei berechneten Bahnen erreichen.
Ein wichtiges Verbesserungsmittel ist der Drall
der gezogenen Geschütze, der auch Steilfeuergeschosse
nicht als Querschläger, sondern bekanntlich mit der
zündertragenden Spitze landen läßt. Doch kann er bei
Fernschüssen seitliche Abweichungen von 12 und
mehr Metern in seinem Drehungssinne veranlassen.
Die italienischen Geschütze stellen den sonst zumeist
üblichen Rechtsdrall den, entgegengesetzte Folgen
bedingenden Linksdrall gegenüber. Da österreichische
Artillerie wohl recht vielfache Gelegenheit finden wird,
mit italienischen Kanonen zu schießen, wie die
deutsche Artillerie mit belgischen, französischen, eng-
lischen und russischen, ist darauf besonders zu achten.
Da ferner die mehr und mehr in Aufnahme ge-
langenden Steilfeuergeschütze über Höhen von vier
und mehr Kilometern schießen, kommen auch hoch-
atmosphärische Verhältnisse in Betracht. Hier eröffnet
sich dem militärischen Flugwesen offenbar ein neues
Feld der orientierenden Betätigung.
Der See- und Luftkrieg im Nordseegebiet sowie im Nordmeer.
Von Wilhelm Krebs (Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen).
1915.
Juli 16-24.: Mehrere feindliche, nach Archangel be-
stimmte Dampfer werden in der Höhe
der ea und Shetland-Inseln von
deutschen Tauchbooten versenkt.
Die Zahl der von deutschen Tauchbooten
versenkten Schiffe wird von dem offiziel-
len deutschen Wolffschen Telegraphen-
bureau bis zu diesem Tage auf 292 be-
ziffert; unter ihnen sind 229 britische,
33 neutrale Schiffe, von denen 6 irrtiim-
lich versenkt sind. Die dabei verlorenen
Menschenleben bezifferte der britische
Staatsmann Marnamara auf 1594.
: Deutsche Flieger bombardieren Dünkirchen.
28.: Deutsche Flieger bombardieren Calais
und Gravelines.
: Der Hamburger Fischdampfer »Senator
von Barenberg-GoBlar« wird bei Horns-
riff in der Nordsee von einem britischen
Tauchboot torpediert.
5 25.:
Juli 28./29.: Zehn britische Fischdampfer werden
innerhalb der letzten 24 Stunden von
deutschen Tauchbooten versenkt.
: Deutsche Tauchboote und deutsche Minen
werden wiederholt im Weißen Meere
festgestellt.
: Brand der Ardee-Werke in Glasgow, ver-
bunden mit großen Explosionen.
R 8.: Der britische Hilfskreuzer »India« wird
vor dem Westfjord von einem deutschen
Tauchboot versenkt.
$ 9.: Der Geestemünder Fischdampfer > Saturne
Nr. 79 wird von einem britischen Kreuzer
in der Nordsee vor der holländischen
Küste bei Ymuiden versenkt.
„ 9./10.: Deutsche Marineluftschiffe bombardieren
nachts mit Erfolg militärische Anlagen
am Humber, bei Harwich und an der
Themsemündung, ferner britische Kriegs-
schiffe in dieser und die Londoner Docks.
Bücherbesprechungen.*)
Fliegerschule. Was muß ich wissen, wenn ich Flieger
werden will? Ein Lehr- und Handbuch für den Flug-
techniker und Flugschüler. Von Heinz Erblich,
Flugzeugführer, Leutnant im ottomanischen Flieger-
korps. Mit 95 Abbildungen im Text. Zweite, durch-
gesehene Auflage. Berlin W. 62, Verlag Richard
Karl Schmidt. l
Der vorliegende sechzigste Band der so unge-
mein rasch populär und weltberühmt gewordenen
Autotechnischen Bibliothek stellt ein wesentlich er-
weitertes und auf Grund der neuesten Erfahrungen
abgeändertes Kompendium für den Flugeleven dar,
wie er es gerade braucht. Es war von vornherein
ein begrüßenswerter und glücklicher Gedanke des
rührigen Verlages, auch die Flugtechnik in allen ihren
Details und Hilfsdisziplinen im Rahmen der Auto-
technischen Bibliothek zu behandeln, zumal Ausstattung
und Format dieser handlichen Taschenbücher dem
Bedürfnisse der Praxis am meisten Rechnung trägt.
Speziell das vorliegende sechzigste Bändchen bringt
in diesem Belange sehr wertvolles Material, nicht
bloß dem Flugschüler und jenem, der es werden will,
sondern auch jedem Laien, der sich über das Fliegen
selbst orientieren will. Sehr zweckmäßig sind die im
Anhange gegebenen Vertragsbedingungen des Ver-
bandes deutscher Motorfahrzeug-Industrieller für die
Ausbildung von Flugzeugführern, ferner die Prüfungs-
*) Sämtliche in dieser Rubrik besprochenen Bücher und
Zeitschriften können durch die Administration unserer Zeit-
schrift bezogen werden.
We Bee
a
t
wm
bedingungen etc. Hierauf folgt ein Verzeichnis der
wichtigsten deutschen Flugplätze und Flugstützpunkte,
ein Firmenverzeichnis und Bezugsquellennachweis.
Den Schluß bilden die vom Verfasser in sehr drasti-
scher Weise zusammengestellten -Zwölf Gebote für
Flugzeugführer«, deren Beherzigung jedem, der ein
solcher werden will, nur angeraten werden kann.
Seinem vom Autor gedachten Zwecke vollauf ent-
sprechend, kann dieses in seiner übersichtlichen Art
wirklich sehr gut gelungene Büchlein jedem bestens zur
Anschaffung anempfohlen werden, der sich auf kurzem
Wege über die Vorgänge beim Fluge, aber auch über
die Funktionen einer modernen Flugmaschine infor-
mieren will.
Sport und Spiel. Nach einem Entwurf des + Prof.
Friedr. Wappenhans, bearbeitet von Freiherrn
R. v. Fichard, kaiserl. Reg.-Rat. 89 Seiten.
Preis €0 Pfg.
Das frisch und lebendig geschriebene Büchlein
gibt zunächst eine Erklärung des Begriffes von Sport
und Spiel. Es folgt eine Übersicht über die ver-
schiedenen Sportarten und Spiele, sowie eine Ver-
deutschung sportlicher Fremdwörter. Berücksichtigt
sind dabei alle bei uns bekannten und ausgeübten
Arten von Sport, wie gymnastischer Sport, Waffen-,
Wasser-, Winter-, Reit-, Fahr-, Luftsport; ferner Sport-,
Brett- und Kartenspiele, sowie Unterhaltungs- und
Gesellschaftsspiele. Das Biichlein ist allen Sport-
freunden, die auf Sprachreinheit halten, bestens zu
empfehlen.
er
*
r
4 =
un
a ee ae
Flugmotoren. Zu den
der Welt brachte, gehört auch die relativ unbefriedi-
gende Leistungsfähigkeit der Industrien der Entente-
mächte gegenüber den jede Erwartung übertreffenden
Leistungen der deutschen, österreichischen und
ungarischen Industrie. Die relativ größte Mehrleistung
egenüber der Friedensproduktion zeigte die ungarische
ndustrie, und dies ist auch ganz natürlich, denn die
ungarische Industrie war auch in Friedenszeiten her-
vorragend leistungsfähig, nur fehlte ihr die Gelegenheit
zur Betätigung; sie arbeitete sozusagen ständig ge-
bremst. Jetzt, wo ihr durch große militärische Bestel-
lungen Gelegenheit geboten wird, ihre volle Kraft zu
entfalten, zeigt sie so recht, daß sie in ihren Leistungen
die so oft als allein entsprechend gepriesenen aus-
ländischen Fabrikate noch zu übertreffen vermag.
Anlaß zu diesen Betrachtungen bietet uns eine aus
Arad kommende Nachricht, derzufolge in der dortigen
Automobilfabrik »Marta« die Dauer der bisher mit
25 Stunden festgesetzten Aero-
motorenproben auf 50 Stunden
erhöht wurde und die »Marta«-
Aeromotoren diese über zwei
Tage und zwei Nächte dauern-
den Proben glänzend bestanden.
Zu bemerken ist, daß die zur
Probe gelangten Motoren dem
Hiero-Typ 145 PS angehören,
für die der Dauerbetrieb be-
sonders wichtig ist. Eine Serie
dieser Motoren wurde von
seiten der Fabrik erst jüngst der
Heeresverwaltung übergeben.
Ingenieur Hieronimus,
der Konstrukteur der nach ihmbe-
nannten »Hiero-Motoren«,
die in den Marta-Werken er-
zeugt werden, und der in einer
Wiener Flugmotorenfabrik die
Fabrikation von Flugmotoren
seines Systems leitet, äußerte
sich vor kurzem einem Fach-
mann gegenüber dahin, daß
die bei der Marta-Fabrik in
Arad erzeugten Flugmotoren
geradezumeisterhafthergestellt -
werden. »Ich bin — sagte er —
auf das angenehmste über-
rascht, mit welcher Präzision
und Exaktheit die »Marta« alle
Teile der Motoren bis in die
kleinsten Details fertigstellt.
Die Fabrik hat keine Kosten
gescheut, um die besten, mo-
dernsten Werkzeugmaschinen
für die Flugmotorenfabrikation
Windmessungen am nördlichen Kriegsschauplatze.
Chronik .
Fünfzigstündige Erprobung der Hiero-Marta- |
berraschungen, die der Krieg |
anzuschaffen. Sie verwendet ferner das allerbeste,
erprobteste Material, und die Erzeugung überwacht
Generaldirektor Haltenberger, ein hervorragender
Fachmann, dem Direktor Ingenieur Spitzer, der
den Ruf eines äußerst tüchtigen Motoringenieurs ge-
nießt, zur Seite steht. Dabei herrscht eine Ordnung
in der »Bude«, wie sie eben sein muß, um solche
schöne Erfolge erzielen zu können. Ich kann versichern,
daß die Hiero-Motoren in keiner Fabrik der Welt
besser erzeugt werden könnten, wie in der Marta-
Fabrik, und daß die dort fabrizierten Motoren jedem
bewährtesten in- und ausländischen Fabrikate zu-.
mindest gleichgestellt werden können.«
Die Flucht Gilberts. Der französische Flieger
Gilbert ist trotz seines gegebenen Ehrenwortes aus
der Schweizer Kriegsgefangenschaft geflohen. Über
die Flucht werden jetzt folgende Details bekannt:
Ein Freund Gilberts kaufte in Genf eine vollständige
Touristenausrüstung, einen falschen Bart und
Schnurrbart. Dann versicherte er sich der Mitwirkung
eines Automobils, das sich in
Luzern am Bahnhof befinden
mußte. Einen Tag später waren
alle Vorbereitungen getroffen.
Der Freund reiste nach Luzern,
wo er übernachtete und andern
Tags friihzeitig nach Göschenen
fuhr, wo sich Gilbert befand.
Der Freund iiberreichte hier
Gilbert die fiir ihn gekauften
Kleider und traf mit ihm die
letzten Vorbereitungen. Nun
schlugen sie miteinander den
Weg nach Göschenen ein.
Unterwegs wurden sie von einer
Wache angehalten, konnten
aber ihren Weg trotzdem fort-
setzen, in den Zug springen
und nach Luzern fahren. Hier
erwartete sie das Automobil
auf dem Bahnhofplatz. Sie
bestiegen es und gelangten
nach einer tollen Fahrt nach
Genf, wo sie ruhig iiber die
Grenze gingen.
Spione in Flugzeugen.
Vom stellvertretenden General-
kommando des 7. deutschen
Armeekorps geht der »Köln.
Ztg.< folgendes zu: Es ist
festgestellt worden, daß feind-
liche Flugzeuge in den be-
setzten und den dem Feindes-
land benachbarten Gebieten,
und zwar vor allem in abge-
legenen ländlichen Gegenden,
Spione ausgesetzt
246
haben. Es muß daher als vaterländische Pflicht eines
jeden Deutschen betrachtet werden, beim Nieder-
gehen eines Flugzeuges sofort dem nächsten Polizei-
beamten oder der nächsten Militärperson Anzeige zu
erstatten oder, wenn dies mit Zeitverlust verbunden
ist, selbst mit Unterstützung anderer die Insassen
anzuhalten oder, wenn das Flugzeug wieder aufge-
stiegen sein sollte, die Umgegend nach ausgesetzten
verdächtigen Personen abzusuchen. Das Flugzeug darf
nicht beschädigt werden; auch ist zu verhindern, daß
die Insassen Papiere, Karten, photographische Platten
vernichten. Achtet jeder in seinem Bereich auf all
diese Dinge, dann werden auch die geriebensten
Pläne unserer Feinde zuschanden werden.
Italienische Flugzeuge und Lenkballons. Laut
einer an das Ministerium des Innern gelangten Mit-
teilung des Kriegsministeriums hat Italien eine meue
Kennzeichnung seiner Flugapparate angeordnet. So-
wohl Land- wie Wasserflugzeuge sind auf der unteren
Seite des rechten Flügels gr ü n, auf dem linken Flügel
rot gefärbt, die Mitte bleibt dagegen weiß. Das
Vertikalsteuer trägt die italienischen Farben. Italienische
Lenkballons zeigen bei Tag die nationale Fahne mit
dem Wappen Savoyens und der Königskrone, bei
Nacht drei Weglaternen in den Nationalfarben weiB-
rot-grün; außerdem hängt ein rotes Licht unter der
Gondel.
Eine neue Welthöchstleistung. Aus Essen
a.d. Ruhr wird telegraphiert: Ein »Kondor«-Flug-
zeug mit vier Passagieren ist am 3. d. M. auf dem
Flugplatz Rotthausen 3280 m hoch gestiegen.
Die bisher ermittelte Welthöchstleistung betrug 3050 m.
Einen neuen e von un-
bedingt zuverlässiger Sicherheit soll der bekannte
Mathematiker und Seismologe Pater Alfani der
Schweizer Militärbehörde zur Verfügung gestellt haben.
Leider sind genauere Mitteilungen aus militärischen
Gründen nicht zur Veröffentlichung gelangt. Für die
Militär-Aviatik wäre es selbstverständlich von außer-
ordentlicher Bedeutung, wenn diese aktuelle Frage
in einwandfreier Weise gelöst werden könnte, denn
alle bisher versuchten Apparate haben sich als höchst
unzuverlässig erwiesen, speziell wegen der Schwierig-
keit, die absolute Fluggeschwindigkeit vom Aeroplan
aus festzustellen. Bis jetzt zogen es die Piloten
mangels eines zuverlässigen Lancierapparates vor, sich
lediglich auf ihre Schätzung zu verlassen, wobei es
ihnen tatsächlich gelang, wie ja die täglichen Zeitungs-
berichte melden, unter Zugrundelegung ihrer reichen
Erfahrungen eine ganz ansehnliche Treffsicherheit im
freien Wurf zu erzielen.
Lenkbare Kugelballons. Nach letzten Nach-
richten scheinen die Franzosen in der Luftschiffahrt
wieder von vorne anfangen zu wollen, da sie sich
neuerdings damit beschäftigen, den Kugelballon durch
zwei an der Gondel montierte Luftschrauben unab-
hängig von den Windströmungen fortzubewegen und
zu steuern. Man wollte speziell damit Notlandungen
in ungeeignetem Terrain oder auf dem Wasser ver-
hindern. Der Bericht verdient eine humorvolle Berück-
sichtigung.
Die Gründung eines Fliegerheimes hat der
deutsche Luftflottenverein in letzter Zeit in den um-
fangreichen Wirkungskreis seiner Tätigkeit einbezogen.
Vielfachen Anregungen seiner Mitglieder folgend, wurde
beschlossen, daß der Verein diesbezügliche Schritte
zur Aufbringung der notwendigen Mittel unternehmen
möge, um ein Erholungsheim für alle diejenigen
Männer zu schaffen, die im Dienste der Luft-
fahrt — als Flieger, Beobachter oder Besatzungen
von Luftschiffen — zu Schaden gekommen sind oder
infolge der Anstrengungen ihres schweren Berufes er-
holungsbedürftig sind. In Anbetracht der besonders
gefahrvollen und schwierigen Dienstleistung, die die
Luftschiffer zu erfüllen haben, ist dieser Beschluß
charitativer Fürsorge aufs wärmste zu begrüßen. Der
Verein hat diese Aktion vorläufig durch einen umfang-
reich angelegten Vertrieb von Marken mit den Bild-
nissen der berühmtesten deutschen Staatsmänner und
Heerführer eingeleitet und wird der gestellten Auf-
gabe in absehbarer Zeit nochlin anderer Weise näher-
reten.
Tödlicher Unfall eines deutschen Fliegers.
Der Erfinder des unsichtbaren Flugzeuges, über das
wir in unserer letzten Nummer berichtet haben, ist
bei Münster tödlich abgestürzt. Anton Knubel ist
auf dem Flugplatze Loddenheide bei Münster mit
seinem neuesten Eindecker zu einem Probefluge auf-
gestiegen. Nach einigen Runden kippte der Apparat
in m Höhe um und stürzte senkrecht zu Boden.
Knubel, der sich durch einen Sprung aus dem Flug-
zeug retten wollte, erlitt einen Schädelbruch und starb
nach wenigen Minuten. Wie bekannt, ist es Knubel
gelungen, durch Verwendung von Cellon bei der Trag-
nun seine Flugzeuge in einer Höhe von
1000 bis 1500 m fast vollständig unsichtbar zu machen,
da durch das durchsichtige Cellon der Apparat sich
= 1855 Höhe nur ganz unmerklich vom Himmel
abhebt.
Eine Gotha-Taube als Ehrendenkmal für Gotha.
In Gotha wurde bei einer unter dem Vorsitze des
Staatsministers v. Bassewitz stattgehabten Ver-
sammlung beschlossen, in ähnlicher Weise wie andere
Städte in Deutschland und Österreich ihren Wehrmann
in Eisen aufgestellt haben, dort ein Erinnerungsdenk-
mal von ganz besonderer Art aufzurichten, und zwar
soll in Anbetracht der Bedeutung, die Gotha in den
letzten Jahren auf dem Gebiete der Flugtechnik er-
halten hat, eine Gotha-Taube von 45 m Spannweite
auf einem granitenen Sockel aufgestellt werden. Die
Seitenflächen des Sockels tragen Bilder der zu wieder-
holten Malen aus der Luft bekämpften Städtefestungen
Paris und Dover. Das ganz in Holz ausgeführte Flug-
zeug soll durch Einschlagen von Nägeln einen Spenden-
beitrag der Nationalstiftung für die Hinterbliebenen
von im Felde gefallenen Kriegern zuführen und wird
in der Nähe des Residenzschlosses aufgestellt werden.
Bau von transatlantischen Riesenflugzeugen.
Nach der »Newyork World« hat die britische Re-
gierung bei Beach in Stratford 250 Doppel-
decker und zehn riesige Dreidecker, die im-
stande sein sollen, in ununterbrochenem Fluge
über den Atlantischen Ozean zu fliegen,
bestellt. Die Ablieferung des ersten transatlantischen
Dreideckers ist für Ende Oktober vorgesehen.
Die Erbauer haben die Wahl, einen Probeflug über
den Ozean oder über eine gleich lange Strecke in
Amerika zu unternehmen. Ein Erbauer erklärte, die
Dreidecker würden riesige Flugboote mit Motoren im
Schiffskörper sein, jedoch nicht vor Ablauf von drei
Monaten fertiggestellt werden können. Da dann die
kalte Jahreszeit eingesetzt haben würde, würde der
Probeflug nicht über den Atlantischen Ozean gemacht
werden können, sondern längs der atlantischen Küste
Nordamerikas.
Weitere Nachrichten wissen noch zu berichten,
daß diese neuen Dreidecker, außer vier Maschinen-
ewehren auf einer kleinen, als Panzerturm dienenden
rhöhung, eine Revolverkanone tragen. Jeder Apparat
soll acht Motoren besitzen, wobei zwei und zwei als
Schwestermaschinen gekuppelt sind, die vier Propeller
antreiben sollen. Die Seitensteuerung soll durch Pro-
ellerschwenkung bewirkt werden. Von unten ist jedes
ampfflugzeug in der Form eines umgekehrten Daches
stark gepanzert. So viele Neuerungen auf einmal klingen
selbst für amerikanische Begriffe märchenhaft. Wir
können aber vorläufig noch ganz beruhigt schlafen,
denn hier scheint der Wunsch der Vater des Gedankens
zu sein. Die Bestellung allein genügt in diesem Falle
noch nicht, daß sich diese erwünschten Ungetüme
in absehbarer Zeit über einem deutschen Schützen-
graben zeigen werden. Wenn überhaupt diese phan-
tastische Nachricht auf Wahrheit beruht, was stark
zu bezweifeln ist, so muß doch mit berechtigtem
Zweifel in Frage gestellt werden, ob die amerikanische
Flugzeugindustrie imstande ist, ganz neuartige Flug-
zeuge von so eminent durchgreifenden Neuerungen
leichsam im Handumdrehen herstellen zu können.
enn auch die erste brauchbare Flugmaschine in
Amerika von den Brüdern Wright gebaut wurde, so
ist es doch erwiesen, daß von jener Zeit ab die
amerikanische Flugzeugindustrie, sowohl was Neu-
konstruktionen als auch Herstellungstechnik betrifft,
weit hinter den europäischen Fabriken zurückgeblieben
ist. Nun ist wohl anzunehmen, daß die Engländer und
Franzosen ihre durch Jahre hindurch gesammelten
und sorgsam gehüteten Erfahrungen den amerikanischen
Fabriken zur Verfügung gestellt haben, damit diese
bei ihren Lieferungen auf der Höhe der gestellten
Ansprüche bleiben, dessenungeachtet wird aber aus
diesem Bau eines transatlantischen Dreideckers voraus-
sichtlich ein Luftschloß werden. Denn der Entwicklungs-
gang im Flugzeugbau war bisher, wie in jedem anderen
technischen Industriezweig, ein langsamer, in stetem
Aufbau fortschreitender; es ist von vornherein klar,
daß der Bau eines in dieser Art projektierten Luft-
dreadnoughts an eine gewaltige Erfahrungsreihe ge-
bunden ist, und bis diese von den amerikanischen
Fabrikanten gemacht wird, dürften ihre Apparate kaum
mehr Gelegenheit haben, den gewünschten Zwecken
zu dienen.
e e gegen England. Eine inter-
essante Zusammenstellung der Zeppelinangriffe gegen
England entnehmen wir den »Hamburger Nachrichten«.
Darnach haben bis jetzt zwanzig Zeppelinfahrten nach
England stattgefunden, die mit bemerkenswertem Er-
folge dem scheinbar in Ruhe und Sicherheit geborgenen
Inselland die blutigen und vernichtenden Schrecken
des Krieges unmittelbar vor Augen rückten. Das
erste Mal erfuhren wir am 20. Jänner 1915, daß die
Zeppeline eine Reise nach England angetreten haben,
um hier wichtige, dem Kriege dienende Gebiete mit
Luftbomben zu belegen. Eine ungeheure Aufregung
bemächtigte sich der Engländer, da sie erkannten, daß
sie nicht mehr in strahlender Unnahbarkeit in dem
Weltenmeere lagen, denn ihre starken Flotten, der
wichtigste Schutz Englands, konnten gegen Luftwaffen
nichts ausrichten. England war einem Feinde erreich-
bar, auch ohne daß die Flotte besiegt worden war.
Sieben Wochen konnten sich ungefähr die Engländer
der Ruhe erfreuen. Aber am 12. März hörten sie wieder
das Surren der Propeller der Riesenkreuzer bei Spurn
Point. Nun ging es schneller und immer häufiger mit
den Angriffen gegen das englische Inselland vorwärts.
Am 14. April wurde wieder die Tyne-Mündung mit
Bomben bedacht. In der Nacht vom 15. zum 16. April
erfolgte ein neuer Angriff gegen Maldon, Essax, Lowe-
stoft und Southwood. Vierzehn Tage später, am
30. April, wurden die Dock- und Hafenanlagen von
Ipswich und Whitton zum Teil zerstört. Am 3. Mai
wurde ein englisches Unterseeboot von den Zeppelinen
vernichtet. Eine Woche später, am 10. Mai, folgte der
erste Angriff auf London selbst. Wiederum eine Woche
später, am 17. Mai, wurde die Grafschaft Kent, be-
sonders Ronsgate, mit Zeppelinbomben bedacht. Am
31. Mai 1915 hörte London zum zweiten Male über
sich die Zeppelinpropeller. Bei diesem Angriff wurden
eine Reihe von Londoner Docks und Werften durch
die Zeppeline zum Teil zerstört. Schon wenige Tage
später, in der Nacht vom 4. zum 5. Juni, wurden die
Gasbehälter und Öltanks von Harwich vernichtet. In
der Nacht vom 6. zum 7. Juni machten Zeppeline einen
neuen Besuch in der Gegend am Humber, und zwar
zerstörten sie die Docks und Werften von Grimsby.
In der Nacht vom 15. zum 16. Juni wurde die Nord-
seeküste von England besucht und eine Reihe wichtiger
Anlagen von Newcastle mit Bomben beworfen. Am
4. Juli gab es eine seltsame Schlacht zwischen Zeppe-
linen und englischen Kriegsschiffen (Kreuzern und
Torpedobooten), in der die Luftschiffe den Sieg davon-
trugen. In der Nacht vom 9. zum 10. August wurde
cin Torpedostützpunkt und andere Kriegsanlagen von
247
Harwich zerstört. Drei Tage später erhielt der Kriegs-
hafen von der englischen Ostküste einen erneuten
Besuch der Zeppeline, dem mehrere militärische
Anlagen zum Opfer fielen. Die Nacht vom 17. zum
18. August ist darum bedeutsam, weil zum erstenmale
die City von London von den Zeppelinen angegriffen
worden ist. Dieser Besuch der Riesenluftkreuzer zeitigte
in dem englischen König den Wunsch, das etwas un-
sicher gewordene Gelände der englischen Hauptstadt
zu verlassen. Nachdem in der Nacht vom 8. zum 9.
September der vierte Angriff auf London und der
zweite auf die City geschah, wurden auf dieser Reise
große Fabriksanlagen von Norwich und Eisenwerke
von Middiesborough mit gutem Erfolg angegriffen. In
der Nacht vom 11. zum 12. September srioigle
wiederum ein Angriff auf die Ostküste und in der
Nacht vom 12. zum 13. September wurden die Be-
festigungsanlagen von Southend durch Luftschiff-
bomben teilweise zerstört. Zwanzig schwere Angriffe
hat England bisher ausgehalten und noch mehr werden
folgen. Berichte über den letzten Zeppelinangriff auf
London geben einen Begriff von der vernichtenden
Wirkung der verwendeten Brandexplosivbomben.
Ganze Häuserreihen wurden zerstört und einige
wichtige Verkehrsadern der Stadt in schwere Mit-
leidenschaft gezogen. Unter den 106 Opfern, die dieser
Angriff forderte, befanden sich vier Soldaten. Als —
so lauten die Berichte — um 10 Uhr 55 Minuten die
erste Bombe fiel und die Kanonen auf das Luftschiff
zu feuern begannen, wurden die Theaterbesucher
sofort ersucht, die Gebäude zu verlassen. Die Lichter
wurden ausgelöscht, jedoch entstand nirgends eine
Panik. Sobald einer von den an verschiedenen Stellen
der Stadt aufgestellten Scheinwerfern das Luftschiff
en hatte, vereinigten alle Scheinwerfer ihre
ichtkegel auf den Zeppelin, der, in großer Höhe
schwebend, deutlich sichtbar war und wie eine Alumi-
niumzigarre aussah. Das ganze Schauspiel dauerte
nur 10 bis 15 Minuten. Die getroffenen Straßen mußten
abgesperrt werden. Die Furcht vor den Zeppelin-
angriften ist wegen der häufigen Angriffe setg im
Wachsen, zumal da man kein sicher wirkendes Hilfs-
mittel dagegen kennt. Die deutsche Überlegenheit zur
Luft hat die Sicherheit Englands vernichtet. Ob heute
noch ein englisches Fachblatt fragen wird, warum
Deutschland die Millionen für die nutzlosen Zeppeline
ausgibt?
Englands Luftschiffe sind bis jetzt im Gegen-
satze zu den englischen Fliegern in keiner Weise
hervorgetreten. Die Ursache davon liegt in erster -
Linie darin, daß man in England in keiner Weise
Wert auf die Ausgestaltung des einheimischen Luft-
schiffbaues gelegt hat und sich lediglich darauf be-
schränkte, geeignete und erprobte Lenkballons aus
dem Ausland, speziell aus Frankreich, zu beziehen.
Die Anzahl der in England vor dem Kriege in Ver-
wendung gestandenen Lenkballons war aus diesem
Grunde naturgemäß sehr gering, und ihre militärische
Verwendungsmöglichkeit wurde wesentlich noch da-
durch eingeschränkt, daß sie in ihrer konstruktiven
Anlage nur für einen kleinen Aktionsradius berechnet
waren, da sie in erster Linie nur als Küstenwacht-
und Abwehrluftschiffe gedacht waren und nicht als
Kampfluftschiffe im eigentlichen Sinne des Wortes.
Es hat sich allerdings in England die bisnun ver-
tretene Auffassung des Militärluftfahrwesens wesentlich
geändert, und es hat sich, speziell auf Grund der
häufigen Zeppelinbesuche, eine umfassende Organi-
sation und Ausgestaltung der Luftschiffahrt als not-
wendig erwiesen, und zwar besonders was die
Marineluftschiffahrt betrifft, so daß nunmehr die
englische Militärverwaltung anscheinend bedeutende
Anstrengungen macht, das Versäumte nachzuholen.
Bei Kriegsausbruch hatte die englische Heeres-
verwaltung nur vier kleine, mit den griechischen
Buchstaben Beta, Gamma, Delta und Eta bezeichnete
Prall-Luftschiffe zur Verwendung, die durch eine lange
Gondel versteift sind. Der Rauminhalt dieser Lenk-
248
7
ballone beträgt 935, 2115 und 5090 m?. Die beiden
ersteren kleineren haben nur einen Motor, die anderen
zwei. Mit Ausnahme des kleinsten sind alle diese
Luftschiffe mit zwei vierflügeligen Luftschrauben ver-
sehen, die durch ihre drehbare Lagerung je nach
ihrer Stellung als Vortriebs- oder Hubschrauben oder
auch hebend und tragend wirken und dadurch das
Aufsteigen und Landen selbst bei verhältnismäßig
kleinem Raum ermöglichen lassen. Die Geschwindig-
keit des größten dieser kleinen Luftschiffe soll 19˙5 m
in der Sekunde betragen.
Die Marineverwaltung besaß bei Kriegs-
beginn nur zwei Lenkballone, gleichfalls Prallschiffe,
und zwar ein Parseval-Luftschiff mit 8000 m? Raum-
inhalt und 19 m/Sek. Geschwindigkeit, sowie ein fran-
zösisches Astra-Torres-Luftschiff mit 8700 m? Fassungs-
vermögen, das eine Geschwindigkeit von 22˙7 m / Sek.
erreichte. Von diesen beiden Schiffsarten waren fünf
in Auftrag gegeben, und zwar eines der letzteren
Gattung in Frankreich und vier Parsevalschiffe. Ferner
sind noch in Italien drei Luftschiffe zu je 15.000 m?
Rauminhalt nach dem System Forlanini bestellt, das
durch einen an den Tragkörper anschließenden Gitter-
träger versteift ist; und endlich hat die englische
Marine verwaltung vor kurzem in England selbst bei
Vickers und Armstrong zwei Luftschiffe nach dem
starren System von über 20.000 m? Inhalt in Auftrag
gegeben, über deren Konstruktionseinzelheiten aber
zurzeit Nachrichten noch fehlen.
Historische Dokumente über militärische Luft-
schiffahrtversuche. Nach der im Weltkriege zur
Gentige klargelegten Notwendigkeit und Bedeutung
der Luftschiffahrt im Kriege, ist es interessant zu er-
fahren, wo und wann zum ersten Male militärische
Luftschiffahrtversuche stattgefunden haben. In diesem
Sinne sind verschiedene hochinteressante Schriftstiicke
von Bedeutung, die vor einiger Zeit in Madrid vom
»Memorial des Artilleria« entdeckt wurden und die
auf die Verwendung der Luftschiffahrt zu
militärischen Zwecken, soweit es die geschicht-
liche Entwicklung anlangt, ein ganz neues Licht werfen.
Wer danach etwa glaubt, daß unsere hochentwickelte
Militärluftschiffahrt, auf deren Leistungen wir mit
Recht stolz sind, erst ein Produkt unserer heutigen
Zeit ist, wird sich jetzt eines Besseren belehren lassen
müssen. Durch ein aufgefundenes bemerkenswertes
Dokument erfahren wir mit unzweifelhafter Gewißheit,
daß schon das 18. Jahrhundert Anspruch darauf er-
heben kann, den ersten Anstoß zu der Entwicklung einer
militärischen Luftschiffahrt gegeben zu haben.
Am 15. November 1792 richtete der Chef des
kgl. spanischen Artilleriekorps Grafv. Aranda an
den Brigadegeneral der Artillerie Pedraz ein Schreiben
— oder jenes oben erwähnte Dokument! — in dem
er sich über Versuche, »einen Luftballon zu mili-
tärischen Zwecken zu verwenden« äußerte. Diese
Versuche haben auch tatsächlich stattgefunden, und
zwar beteiligten sich daran ein Professor, drei Offi-
ziere und zwei Kadetten des Colegio des Artilleria,
der Artillerieschule.
Die Versuche fanden in der ersten Hälfte des
Novembermonates 1792 in der kgl. Residenz zu San
Lorenzo de Escorial, in Gegenwart des Königs Don
Carlos IV. statt. Sie fielen zur Zufriedenheit aller
Beteiligten aus, mußten jedoch wegen der Ungunst
VATENTE
der Witterung abgebrochen werden. Der Versuchs-
ballon war in der Artillerieschule hergestellt worden,
und es ist nun besonders interessant, aus dem Schreiben
des Grafen Aranda zu ersehen, daB damals schon die
Luftschiffahrt zu den gleichen militärischen Zwecken
in Betracht gezogen wurde, wie heute. Der Graf
spricht ausdrücklich davon, daß das Luftschiff ent-
weder im freien Aufstiege oder als Fesselballon in
entsprechenden Höhen zur Erkundung des Geländes
und etwaiger in diesem vorgenommener Bewegungen,
bezw. Angriffsdispositionen eines feindlichen Heeres
dienen sollte.
Ferner beabsichtigte man, die Schüler der Artillerie-
schule in der Führung des Luftschiffes theoretisch
und praktisch vollkommen auszubilden. Dieser Luft-
schiffversuch des Colegio des Artilleria im November
1792 ist, wie nunmehr feststeht, tatsächlich der erste, der
in Europa zu rein militärischen Zwecken unternommen
wurde. Gewiß kannte man vorher schon in Frankreich
und Spanien Luftballons, aber niema!s hatte man daran
gedacht, sie über wissenschaftliche Forschungsgrenzen
hinaus in den Dienst des Heeres zu stellen.
Bisher war man der Ansicht, daß Frankreich als
erster europäischer Staat die Luftfahrt im Kriege ver-
wendet habe, und zwar in der Schlacht von Fleurus
1794. Durch das aufgefundene Dokument ist nunmehr
unwiderleglich festgestellt, daß dieser Ruhm Spanien
gebührt.
Ein schwerer Fliegerverlust unserer Feinde.
Der durch seine aufsehenerregenden Looping-the loop-
Flüge in der ganzen Welt bekannt gewordene fran-
zösische Pilot Pegoud wurde vor kurzem bei Belfort
von einem deutschen Kampfflugzeug nach einem vor-
hergegangenen Gefecht in 2000 m Höhe abgeschossen,
wobei Pégoud den Tod fand. Der edle Sieger ehrte
seinen gefallenen hervorragenden Gegner dadurch,
daß er einige Tage später auf das Grab Pégouds
Blumen abwarf.
Internierungsorte und Durchzugsstationen der
Kriegsgefangenen im europäischen und asiatischen
Rußland. Den vielfachen Wünschen nach Aufschluß
über die Aufenthaltsorte jener unserer Truppen, die
das Unglück hatten, in russische Kriegsgefangenschaft
zu geraten, dienen am besten G. Freytags Karten
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Anstalt G. Freytag & Berndt G. m. b. H., Wien, VII.
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erwirkt
Ing. J. FISCHER, Patentanwalt
Wien, I. Maximilianstrasse Nr. 5.
Seit 1877 im Patentfache tätig.
Herausgegeben vom: »K. k. Österreichischen Fiugtechnischen Verein«. — Verantw. Red.: in Vertretung Fritz Ellyson.
Druck von Otto MaaB’ Söhne, Wien I.
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S$ Manuskripte werden nicht zurückgestellt. Der Nachdruck
> von Artikeln und Abbildungen ist nur mit Quellenangabe
6) und Zustimmung der Redaktion gestattet.
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ÖSTERREICHISCHE
FLUG-ZEITSCHRIFT
Herausgegeben von dem unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Majestät des
Kaisers und Königs stehenden k. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein. A
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Angenommene Beiträge werden honoriert. Die Verfasser
sind für Form und Inhalt der von ihnen eingesandten
Artikel und Abbildungen verantwortlich.
NC->00000000 JONN
ERSCHEINT ZWEIMAL IM MONAT.
Oktober 1915
IX. Jahrgang
Inhalt: Kombinierte ee fir Flugzeuge, System Bordeaux. — Die Wasserstoffgewinnung im Kriege. — Sturm-
turmk 0
kalender. — 8 ender für Oktober und
vember 1915, von Wilhelm Krebs (Holsteinsche Wetter- und
onnen warte,
Schnelsen). — Geschützdonner und Hochatmosphäre, von Wilhelm Krebs (Schnelsen). — Die Wichtigkeit der Flieger im Kriege. —
Sonnentä
keit und Witterung, von Wilhelm Krebs ( Amp nen).
von Wilhe
Krebs (Schnelsen). — Glacialkosmogonische Be
— Der See- und Luftkrieg im . 80
äge zur Erdbebenforschung, von H. H
e im Nordmeer,
rbiger, Maschineningenieur
und Privatastronom. (Fortsetzung.) — Chronik
Chefredakteur: Ing. A. Budau, o. ö. Professor der k. k. Technischen Hochschule in Wien
Unter Mitwirkung von:
PAUL BELLAK Dr. A. HILDEBRANDT
Prokurist, Wien Luftschifferhau na.D.,
FELIX BRAUNEIS Berlin
Ingenieur, Wien F. HINTERSTOISSER
k. u. k. Oberstit., Wien
Dr.Ing.WALTER FREIN.
v. DOBLHOFF RAOUL HOFFMANN
Konstrukteur an der k. k.
RICHARD KNOLLER
Ing., Professor a.d. k. k.
Techn. Hochschule, Wien
W. KREBS
Leiter der Wetterwarte
Schnelsen, Holstein
GUSTAV E. MACHOLZ
HANNS PITTNER
* LUDWIG SCHMIDL
ROBERT POLLAK
RITTER v. RUDIN “ u. k. Rittmeister, Wiener
Ingenieur, „Wien LEOPOLD SCHMIDT
J. POPPER-LYNKEUS Ing., Prof., Wr.-Neustadt
Dipl. Ing. C. SCHMID
Lindenberg
Techn. ne, Wien Ingenieur, Wien Johannis thal Ingenieur, Wien l KARE TINDI k.k
EDUARD DOLEZAL ANTON JAROLIMEK ng., Konstrukteur à. G. K. K.
k. k. Hofrat, o. ö. Prof., an k. k. 8 Kõnig- HUGO L. NIKEL R Techn. Hochschule, Wien
der k.k. Technischen Hoch- grätz k. k. techn. Ob.-Offiz., Wien genleun WILHELM TRABERT
FRITZ ELLYSON Dr. F. JUNG HANS F. v. ORELLI I 10 dere 1 Zentralanstalt für Meteoro-
Flu inen- Professor a. d. k. k. Tech- Schriftsteller, Wien ne Wien k. logie u. Geodynamik, Wien
Konstrukteur, München nischen Hochschule, Wien STEPHAN PETROCZY
Dr. = WIESELS-
100 ETRICH D. W. KAISER v. PETROCZ RUDOLF SCHIMEK GER
Oroßindustrieller, Ober- Kapitänleutnant a. D., k. u. k. Luftschifferhaupt- k.u. k. Major d. R., Direktor Assistent an der Universität
altstadt Charlottenburg mann, Wien der Autoplanwerke, Wien in Göttingen
Kombinierte Pendelstabilisierung für Flugzeuge, System Bordeaux.
Dem Fachblatte »La Technique Aéronautique«
entnehmen wir die nachstehenden Ausführungen, die
wir für heute kritiklos wiedergeben wollen :
In seinen bekannten Studien zur Luftschiffahrt *)
hatte J. Bordeaux den Einfluß schwingender Massen
auf die Stabilität erschöpfend behandelt, aber seine
Forschungen auf diesem Gebiete datieren weit zurück
und seine neuerlichen Vorschläge fassen zugleich ältere
Erkenntnisse und Beobachtungen zusammen, die zu
den kürzlich durchgeführten Versuchen zur Ausnützun
der Pendelbewegung Anlaß gaben, sowie sie auc
gleichzeitig den experimentellen Nachweis der mangel-
haften Fähigkeitsauswertung bei den vorhandenen
Apparaten erbrachten.
Um speziell die letzteren mit ihren immer wieder-
kehrenden gleichen Konstruktionselementen ins Auge
zu fassen, ist dabei zu bemerken, daß ihre einseitige
konstruktive Vervollkommnung oft gerade das Gegen-
teil bewirkt, als die Stabilität zu erhöhen. Wenn irgend
eine Störung eine Tragflächenneigung hervorruft, so
wird erstens die Geschwindigkeit um einen davon
abhängigen Wert beeinflußt und außerdem noch
die Massenträgheit, genau dem Richtungssinn dieser
) Etude raisonnée de l’A&roplane et description critique
des modéles actuels.
Störung folgend, wirken — dieselbe also noch ver-
ößern. Mit anderen Worten, jede äußere Störung
ndet in der Trägheit der einzelnen Massenteile, aus
denen sich der Apparat zusammensetzt, ein vergrößern-
des Moment. |
Einzig und allein der Apparat von Moreau läßt
in der bekannten Art diese Trägheit auf bestimmte
Steuerteile wirken, um allfällige unfreiwillige Verände-
rungen der Lage des Apparates abzuschwächen ; aber
durch die Verwendung von Hilfsstabilisierungsflächen
von nur kleiner Flächengröße wird nur bei Schwan-
kungen von großer Amplitude eine entsprechende
Wirkung erzielt.
Im Gegensatz hiezu glaubt Bordeaux vielmehr,
daß es vorteilhafter wäre, auf die Verwindung der
Haupttragfläche zu wirken, damit die automatische
Stabilisierungswirkung sofort und in vollem Umfange der
äußeren Störung zur Geltung komme.
Weitergehend kann man sagen, daß, wenn man
ein Mittel besitzt, die Schiefstellung und den Anstell-
winkel der Tragfläche zu verändern, besondere Hilfs-
flächen vollständig überflüssig werden, und Bordeaux
weist in dieser Beziehung speziell auf all die Nach-
teile hin, die sich durch den Einbau solcher Hilfs-
flächen in ein Flugzeug ergeben und auf dic zahl-
\|
oo
TN
Wal
Schwimmer
reichen ihnen zuzuschreibenden Unfälle, die gerade
dann geschahen, wenn der Pilot die normale Fluglage
durch die Höhen- und Seitensteuer oder die Verwin-
dung wiederherstellen wollte.
»Die Anwendung dieser Hilfsflächen erfordert eine
Ge ieee Entfernung von der Haupttragflache. Daraus
olgen einerseits zerbrechliche Rumpfbauten, anderseits
notwendige exponierte Steuerteile mit all den dabei
auftretenden Hemmungen, Brüchen u. dgl. Endlich ist
man bei Verwendung solcher Hilfsflächen gezwungen,
ihnen eine beschränkte Flächengröße zu geben, woraus
wieder eine ungenügende und nicht exakte Wirkung
im Falle der höchsten Inanspruchnahme folgt. Alle
Piloten sind sich nach ihren Erfahrungen darin einig,
daß bei der Landung die Betätigung des Höhensteuers
nur durch Überwindung eines dermaßen starken Wider-
standes möglich ist, daß sie dabei fast eine physische
Kraftleistung entfalten müssen.
Wenn nun nach einem langen Flug, also nach
einer ermüdenden Anstrengung des Piloten, dieser
nun noch gezwungen wäre, energisch solche Hilfs-
flächen zu betätigen, kann ihm kaum noch die Kraft-
leistung zugemutet werden, sich derselben tatsächlich
entsprechend zu bedienen.«
Nun mögen dagegen die Direktiven der Bordeaux-
schen Idee in Erwägung gezogen werden:
1. Weglassung jeglicher Hilfsflächen ;
2. Ausgestaltung eines Pendelsystems, derart, daß
eine Störung in der Gleichgewichtslage selbsttätig eime
für die Stabilisierung günstige Veränderung der
Tragflächenwirkung erzeugt.
Tragfliche |
PEST
Motorantried
Fig. 2. Seitenansicht des kombinierten Pendelsystems bei einem Eindecker. Abmessungen: Tragflächenareal 24 mz; Gesamt-
gewicht 870 kg; Fluggeschwindigkeit 26:95 m pro Sekunde; Motorstärke 55 PS; Anstellwinkel der Tragflächen 60.
Digitized by Google
Wir werden nachfolgend auseinandersetzen, wie
dies durch ein kombiniertes Pendelsystem erreicht
werden kann, bei welchem es außerdem möglich ist,
eine gegenseitig unterstützende Wirkung bei der Ver-
änderung der Flächenstellung zu erzielen.
Prinzip. — Wenn (Fig. 1) zwei Massen M und M,
sich vollständig frei und unabhängig voneinander um
ein gemeinsames Rotationszentrum O, mit welchem
sie unveränderlich verbunden sind, drehen können,
so werden die beiden Massen, wenn man sie mit einer
erteilten gleichen Geschwindigkeit sich selbst überläßt,
unter dem Einfluß der Schwere um O Bogen beschreiben,
die dem Abstande ihres Massenschwerpunktes vom
Rotationszentrum umgekehrt proportional sind.
251
Die entferntere schwingende Masse M, wird aus
dem kahnförmig verkleideten Führersitz und dem Piloten
gebildet. Die näher liegende Schwingungsmasse M
umfaßt den Motorantrieb. Beide sind mittels zwei
konzentrischen Kardans an dem Schwingungszentrum O
befestigt; die Schwerpunkte der beiden Massen sind vom
Rotationszentrum 0°5 m, bezw. ungefähr 2 m entfernt.
Es ist klar, daß diese durch die Schwere hervor-
gerufenen Schwingungen ebensogut durch Einwirkungen
auf die Fläche im Sinne der longitudinalen oder trans-
versalen Symmetrieachse entstehen können, und daß,
5 bemerkt, Störungen im ersteren Sinne
offenbar auch Störungen in transversaler Richtung zur
Folge haben werden.
. Tragflache
Fig. 3. Vorderan sicht.
Es trifft dies genau zu, speziell fiir kleine, un-
vermittelt einsetzende Schwankungen, wie solche im
Fluge häufig einsetzen, sogar. wenn diese Schwan-
kungen 10° erreichen oder etwas überschreiten.
Wenn wir anderseits zwei auf ihren Durchmessern
einander gegenüberliegende Punkte A und] betrachten,
so durchlaufen diese Punkte, die zu den Massen M,
bezw. M, gehören, Wegbahnen, die senkrecht über-
einander liegen. Es wird endlich, zufolge des Prinzipes,
das wir oben ausgedrückt haben, der von dem Punkt J
durchlaufene Weg der Masse M, die dem Schwingungs-
zentrum näher liegt, größer sein, als der von dem
Punkt A durchlaufene Weg der Masse M,.
Dies vorausgesetzt, wird die Verwirklichung des
Systems verhältnismäßig leicht.
Betrachten wir nun einmal die Richtlinien der
Längsstabilität genauer.
Nehmen wir an, daß am kürzeren Pendel M ein
Hebel H angebracht ist, der bei J endigt, wo wir ein
Kabel befestigen. Dieses Kabel lauft um ein Rolle I,
die ihrerseits wieder unverrückbar an dem längeren
Pendel M, befestigt ist, kehrt dann zurück und wird
bei K an dem vorderen Flügellängsträger fixiert.
Was geschieht nun, wenn ein Windstoß von vorne
die Tragfläche trifft?
Infolge der dadurch bewirkten Fluggeschwindig-
keitsverzögerung werden nach dem Trägheitsprinzip
die pendelnden Massen nach vorne durchschwingen.
Die Schwingungsbahnen der Rolle I und des Punktes
werden senkrecht übereinander liegen; dadurch da
252
der Punkt J hinaufschwingt und das Kabel mitnimmt,
wird sich die Strecke. I J verlängern und natürlicher-
weise die andere Strecke K I verkürzen, die Trag-
fläche wird also dadurch vorne herabgezogen, d. h.
wieder in ihren ursprünglichen Anstellwinkel gebracht.
Es wäre damit tatsächlich eine stabilisierende Wirkung
erzielt.
Um einen Rückenwindstoß von unten auszu-
gleichen, kann ein analoges System verwendet werden,
wobei der Hebel H,, dem ersteren entgegengesetzt bei |’
ein Kabel trägt, das über eine zweite Rolle I lauft
(die an derselben Achse wie die vorige montiert ist)
und das wieder zur Tragfläche zurückgeführt bei K
an dem rückwärtigen Längsträger (in ungefähr zwei
Drittel der Flächentiefe) fixiert ist. Es ist leicht er-
sichtlich, daß, wenn der Anstellwinkel durch den Wind-
stoß verkleinert wird, der die Tragfläche hinten hebt,
wobei eee die Fluggeschwindigkeit erhöht wird,
nach dem Trägheitsprinzip die pendelnden Massen
nach rückwärts schwingen werden, der Punkt J‘ wird
höher wandern und das Kabel mitnehmen, wodurch
der Hinterrand der Tragfläche herabgezogen, also die
Wirkung des Windstoßes wieder ausgeglichen wird.
Fig. 4. Kahnförmiges Rumpfvorderteil mit den Einzelheiten der Steuerung.
Es erübrigt sich, die beiden ganz homogenen
Stabilisierungsmethoden in transversaler Richtung zu
beschreiben, wodurch ebenso leicht alle lateralen
Störungen ausgeglichen werden können.
Anwendung dieser Vorrichtung zur Len-
mune aes Apparates — Da wir eingangs die bei
der Lenkung des Apparates hinderliche Einwirkung
von Hilfssteuerflächen anführten, so ist es selbst-
verständlich notwendig, daß der Pilot durch freiwillige
Betätigung jener Stabilisierungsorgane, die wir eben
beschrieben haben, die Möglichkeit besitzen muß, auf
diese Weise den Apparat auch in horizontaler und ver-
tikaler Richtung steuern zu können.
Zu diesem Zwecke sind die Rollen an einer Lauf-
vorrichtung befestigt, die auf gebogenen Schienen
rollt, deren Krümmungsmittelpunkt in O liegt, und die
aus U-Eisen gebildet werden. Die Stellung der Lauf-
vorrichtung wird mittels eines Verbindungshebels durch
den Volant bestimmt.
Anderseits kann dieses Doppelschienensystem nach
links oder rechts verschoben werden, indem es auf
zwei anderen, zu den ersten kreuzweise verlaufenden
Schienen rollt, wodurch eine seitliche Flügelneigung
(Schiefstellung des Apparates) bewirkt wird.
Wir haben also damit ein Mittel, den Anstell-
winkel und die Lage der Tragfläche in transversaler
Richtung zu modifizieren, der Pilot kann also, wie
wir gesehen haben, alle Steuerungskombinationen, die
mit einem Apparat möglich sind, ausführen.
Die Figuren 2 und 3 erläutern zur Genüge die
Einzelheiten des Aufbaues eines Hydromonoplans,
ohne auf die Montagedetails näher einzugehen. Wir
sehen deutlich, wie die pendelnden Massen unabhängig
voneinander in den zwei Schwingungsebenen, um ihre
durch das Rotationszentrum gehenden beiden Achsen
ausschlagen können.
Die Punkte J und J‘, wo die Kabel angreifen, sind
mit der Masse des Motorantriebes jeder durch zwei
Hebelstangen verbunden. Bei einer bestimmten Lage
des Apparates, z.B. bei der normalen Fluglage, liegen
die vier Punkte ], K, |» K‘ in einer Geraden, die durch
das Zentrum O des Hauptdrehlagers geht. Die Trag-
fläche ist mit den Schwimmern durch vier Verbindungs-
stützen fest und unverrückbar verbunden. —
Etwas über einige Einwendungen. — Bei
jedem neuen System tauchen natürlicherweise Ein-
wendungen auf und Bordeaux hat Wert darauf gelegt,
dieselben vorweg zu beantworten.
a) Speziell der Kommandant Renaud hat in einer
Studie über Pendelstabili-
sierung konstatiert, daß die
Erhaltung der normalen
Fluglage durch ein Pendel-
system gegenüber ein-
tretenden Gleichgewichts-
störungen ganz gut möglich
wäre, außer in zwei
Fällen, in denen eine
gegenteilige ee Once
vorgebracht wird. Diese
beiden Fälle wären an der
Hand der Gegenerklärun-
gen Bordeaux’ folgende:
1. Wenn bei Gegen-
wind die relative Ge-
schwindigkeit des Appa-
rates (in bezug auf die
Windströming) durch eine
äußere Einwirkung, z. B.
ein RiickenwindstoB von
oben, verringert, die abso-
lute Geschwindigkeit also
dadurch erhöht wird, so
wird das Pendel in seiner
Gegenbewegung nachdem
Tragheitsprinzip nach rück-
wärts ausschwingen und
der Anstellwinkel der
Fläche dadurch vergrößert, in welchem Falle aber,
nach Renaud, der Anstellwinkel verkleinert werden
müßte, um die ursprüngliche relative Geschwindigkeit
und dabei normale Fluglage wieder zu erlangen.
Bordeaux erwidert darauf folgendermaßen : Das
Wichtigste, das bei einer solchen Störung wieder-
hergestellt werden muß, ist die Gleichgewichtslage im
Fluge, überhaupt die Schwebemöglichkeit; wenn also
die relative Geschwindigkeit verringert wird, muß der
Anstellwinkel vergrößert werden, damit der Apparat
sich in der Luft halten kann und es ist folglich ganz
in Ordnung, wenn das Pendelsystem in der reflexiven
Wirkung den Anstellwinkel der Tragfläche ver-
größert.
2. Wenn der Apparat eine Flugverzögerung durch
einen niedergehenden Windstoß von vorne erleidet,
so wird das Pendelsystem seinem Prinzip zufolge nach
vorne ausschwingen und eine Verkleinerung des An-
stellwinkels der Tragfläche hervorrufen.
Bordeaux erwidert darauf, daß man der Ansicht
des Kommandanten Renaud: hier müsse eine gegen-
teilige Wirkung einsetzen, da ja der Anstellwinkel
durch den Windstoß, der die Tragfläche vorne herab-
drückt, ohnedies verkleinert wird, en
könne, daß eben durch die Verkleinerung des Anstell-
winkels infolge der Pendelwirkung auch die Flug-
geschwindigkeit erhöht wird, und dadurch automatisch !
die Schwebemöglichkeit gewahrt bleibt. i
b) Bordeaux prüft weiters noch die Einwendung,
welche in folgender Form gegen sein System erhoben
werden könnte :
»Wenn der Aeroplan von einem Windstoß von
vorne getroffen wird, so wird das Pendelsystem durch
sein vorschwingendes Gewicht wie ein Beschleuni-
gungsausgleicher wirken und in diesem Sinne noch
die gleichzeitig eingeleitete stabilisierende Wirkung
durch die Flügelverstellung unterstützen, also einen
nützlichen Einfluß ausüben; wenn aber anderseits der
Apparat in diesem Moment gerade steil niedergeht,
253
Es muß besonders hervorgehoben werden, führt
Bordeaux weiters aus, daß, um die Wirkung des kom-
binierten Pendels zu verstehen, man sich vergegen-
wärtigen muß, daß die beiden Pendel immer wie ein
Beschleunigungsausgleicher funktionieren werden,
ausgenommen den Fall absolut konstanter
Flug geschwindigkeit, wo sie durch das Pendel-
Prinzip des tief liegenden Schwerpunktes lediglich die
tabilität günstig beeinflussen. l
c) Wäre aber in einer weitergehenden Einwendung
nicht anzunehmen, daß das Pendelsystem nur dann
wirkungsvoll einsetzt, wenn die Tragfläche von heftigen
Erschütterungen getroffen wird?
Fig. 5. Einstellung des Pendelsystems bei einem Gleitflug mit abgestelitem Motor.
so würde das Vorschwingen der schweren Pendel-
massen in gleicher Weise eine unterstützende Tendenz
auslösen, die in diesem Moment unbedingt gefährlich
wäre.« |
Demgegenüber, meint Bordeaux, könnte man
folgendes bemerken:
»Wenn der Aeroplan mit dem kombinierten Pendel-
system ausgestattet, nach abwärts fliegt und in dieser
Lage von einer Bö getroffen wird, so wird dieselbe
unmittelbar eine Flugbeschleunigung erzeugen und es
wird in diesem Falle das Massenpendel nach rück-
wärts und nicht nach vorne schwingen, also auch in
diesem Falle in günstiger Weise durch die Schwer-
gewichtswirkung als Beschleunigungsausgleicher fun-
gieren. |
Bordeaux weist diese Einwendung als ganz un-
stichhaltig zurück. Das durch seine Lagerung empfind-
liche Gewichtspendel wird bei jeder Geschwindigkeits-
veränderung einsetzen, gleichgültig, ob diese klein oder
groß ist. Diejenige Störung, welche den Grad einer
heftigen Erschütterung erreicht, wird nicht unvermittelt
momentan, sondern innerhalb einer gewissen, kurzen
Zeit anwachsend erzeugt werden, und während der
unendlich kleinen Zeitteilchen, in welche man die
Dauer dieser Störungserscheinung zerlegen kann, wird
das Gewichtspendel eine gleicherweise veränderliche
und anwachsende Kraft ausüben, derart, daß in jedem
Augenblick, handelt es sich nun um eine tausendstel
Sekunde oder um einige Sekunden, das Pendelsystem
korrespondierend mit den Veränderungen der äußeren
254
Störung, diesen eine gleich große und direkt entgegen-
ke INS entgegensetzen wird. Ohne
weifel werden die Pendelausschläge sehr schwach
sein in bezug auf die Tragflächenneigungen, aber
diesen und den Störungen, die die Tragflächenneigung
hervorrufen, in gleicher Art proportioniert.
d) Die letzte Einwendung endlich betrifft die Ver-
änderungen im Schraubenzug.
Wenn man annehmen würde, daß die Verände-
rungen des Schraubenzuges nur einen Einfluß auf
das Pendel, das der Motorantrieb bildet, äußern, so
würde allerdings eine Veränderung des Anstell-
winkels hervorgerufen werden, die dem Zweck-
mäßigen in diesem Falle verkehrt pence wäre. Aber
Bordeaux erläutert hier: »angepaBt an die Prinzipien
der rationellen Mechanik, werden die Wirkungen der
Schraubenzugsveränderungen gleichzeitig auf die ver-
schiedenen Organe des Aeroplans übertragen, speziell
auf die Tragflächen, wo diese Veränderungen einen
großen Einfluß auf die Fluggeschwindigkeit ausüben
werden. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet,
werden die solcherart einsetzenden Relativbewegungen
der Massenpendel Anstellwinkelveränderungen hervor-
rufen, welche den bei gleichartigen äußeren Störungen
hervorgerufenen konform sind. Das erhellt übrigens
auch aus den Gleichungen von d’Alembert, welche
genau die Kräftebeziehungen, die bei der Übertragung
des Schraubenzuges und seiner Veränderungen auf
die einzelnen Massenteile des Aeroplans ausgelöst
werden, enthalten«.
Diese kurze Analyse erhebt absolut nicht den
Anspruch einer erschöpfenden Behandlung der recht-
fertigenden Studie, durch welche der Erfinder sich
bemüht hat, der methodischen Berechnung alle jene
verschiedenartigen Fälle zu unterbreiten, die sich
bei der Vorführung des Apparates im horizontalen
Flug, im ansteigenden Flug, im Gleit- oder im Sturz-
flug bei abgestelltem Motor ergeben.
Das Projekt selbst wurde nach der für zweck-
mäßig anerkannten Baumethode des Kommandanten
Dorand entworfen, bei Verwendung einer Blériot-
Tragfläche, die genau nach Eiffelschen Daten
et Laboratoriumsversuche bemessen — konstruiert
wurde. — qt.
Die Wasserstoffgewinnung im Kriege.
Nach einem Vortrage, gehalten in der Vollversammlung des Österr. Ingenieur- und Architekten -Vereines am
23. Jänner 1915 von Dr.-Ing. A. Sander, Darmstadt.“)
Die Wasserstoffgewinnung im Kriege kann schon
auf eine mehr als hundertjährige Entwicklung zurück-
blicken, denn der Wert der Luftschiffahrt für die
Kriegführung ist schon sehr frühzeitig erkannt worden.
Im Jahre 1783 unternahm der Physiker Charles in
Paris den ersten Aufstieg mit einem mit Wasserstoff
gefüllten Ballon, und schon elf Jahre später, am
2. April 1794, stellten die Franzosen eine Luftschiffer-
kompagnie auf, die aus einem Feldwebel, 3 Unter-
offizieren und 20 Mann bestand. Zum Hauptmann
dieser Kompagnie wurde der Physiker Coutelle
ernannt, der sich schon seit mehreren Jahren mit der
Herstellung von Militärballons sowie mit der Aus-
arbeitung eines neuen Verfahrens zur Wasserstoff-
gewinnung mit gutem Erfolge beschäftigte. Bei den
andauernden Kämpfen, die die französische Republik
zu jener Zeit gegen Österreicher, Holländer und
Engländer zu führen hatte, fanden die »Aérostiers«,
wie die neue Luftschiffertruppe sich nannte, bald
Gelegenheit, ihre Kunst zu zeigen. Bei der Belagerung
der Städte Maubeuge und Charleroi leisteten sie
gute Dienste, und ganz besonders in der Schlacht
bei Fleurus am 26. Juni 1794, wo die Entscheidung
nicht zuletzt durch die Mitwirkung des Ballons zu-
gunsten der Franzosen ausfiel. Dieser Erfolg führte
alsbald zur Errichtung einer zweiten Luftschiffer-
kompagnie, sowie zu einer Erhöhung des Mannschafts-
standes. Auch in den folgenden Jahren bei der
Belagerung von Düsseldorf, Mainz, Worms und
Mannheim hat sich die Luftschiffertruppe, trotzdem
ihr manches Mißgeschick begegnete, gut bewährt,
als aber die Österreicher unter Erzherzog Karl im
Jahre 1796 den Franzosen bei Würzburg eine schwere
Niederlage beibrachten, da gerieten auch die Luft-
schiffer mit ihrem Ballon. in Gefangenschaft**). Auch
Napoleon nahm auf seiner Expedition nach Ägypten
eine Luftschifferkompagnie mit, doch wurde das Schiff,
auf dem das Ballonmaterial sowie die Gaserzeugungs-
apparate verladen waren, von der englischen Flotte
vernichtet, so daß die Truppe nicht zur Verwendung
gelangen konnte. Nach seiner Rückkehr nach Paris
löste Napoleon, der der Luftschiffertruppe von Anfang
an kein großes Interesse entgegenbrachte, im Jahre 1799
die Aerostiers auf.
*) Zeitschrift des Österr. Ingenieur- und Architekten-
Vereines, 1915, Heft 37 und 38.
**) Dieser Ballon ist heute noch im Heeresmuseum in Wien
zu sehen.
Erheblich später als in Frankreich begann man
in anderen Ländern der Verwendung der Luftschiff-
fahrt für militärische Zwecke Beachtung zu schenken,
so in Österreich im Jahre 1866 und in Deutschland
während des Krieges 1870. Die deutsche Luftschiffer-
abteilung sollte während der Belagerung von Straßburg
zum ersten Male in Tätigkeit treten, jedoch bereitete
die Gasbeschaffung damals solche Schwierigkeiten,
daß die Truppe, nachdem sie sich auch vor Paris
nicht bewährt hatte, schon im Oktober des gleichen
Jahres wieder aufgelöst wurde. Erst 1884 wurde sie
neugebildet. Die Franzosen dagegen machten während
des Krieges und namentlich während der Belagerung
von Paris von den Luftballons ausgiebigen Gebrauch,
weniger zur Beobachtung der Bewegungen des Gegners
als zum Geben von Lichtsignalen sowie zur Beförde-
rung von Personen und Briefen aus der von den
deutschen Armeen eingeschlossenen Stadt. In der
Zeit vom 23. September 18/0 bis zum 28. Jänner 1871
stiegen in Paris nicht weniger als 66 Ballons mit
161 Personen, etwa 3 Millionen Briefen und 364 Brief-
tauben an Bord auf und nur fünf von diesen Ballons
gerieten in die Hände der deutschen Armee.
Hatte also schon damals die Luftschiffahrt im
Kriege sehr wichtige Aufgaben zu erfüllen, um wieviel
mehr ist dies heute der Fall, wo wir über eine ganze
Reihe lenkbarer Luftschiffe verschiedenen Systems
verfügen, die nicht nur zu Aufklärungszwecken, sondern
auch als Angriffswaffe Verwendung finden und die im
Laufe des gegenwärtigen Krieges schon ganz Hervor-
ragendes geleistet haben. Auch die Frage der Gas-
beschaffung hat mit der Verwendung der lenkbaren
Luftschiffe bei Heer und Marine ganz außerordentlich
an Bedeutung gewonnen und die Anforderungen, die
an die Gaserzeugungsapparate gestellt werden, sind
seitdem naturgemäß erheblich gestiegen, wie wir
gleich sehen werden. Nachdem der Freiballon im
Kriege heute kaum mehr Verwendung finden wird,
zumal die Nachrichtenübermittlung aus belagerten
Plätzen nach außen durch die Flieger heute viel
schneller und zuverlässiger besorgt wird, handelt es
sich für uns nur um den Fesselballon und die Motor-
luftschiffe. Die Gasversorgung dieser beiden Ballon-
typen ist ebenso wie ihre Verwendung recht ver-
schieden.
Als Fesselbailon verwenden heute fast sämt-
liche Armeen den von Parseval und Sigsfeld
in den Jahren 1893 bis 1897 konstruierten Drachen-
ballon; das ist ein Ballon von zylindrischer Form,
der wie ein Drachen schräg gegen den Wind gestellt
ist und 600 bis 750 m3 Gas faßt. Er wird an einem
Stahldrahtkabel hochgelassen und mit Hilfe einer fahr-
baren, von Hand oder durch einen Motor betriebenen
Winde eingeholt. Der Ballon erhebt sich bis zu einer
Höhe von m, der Beobachter im Korbe ist durch
ein Telephon mit der Erde verbunden. Hieraus ergibt
sich, da der Drachenballon ein äußerst wertvolles
Mittel zur Aufklärung ist, zumal ein geübter Beobachter
bei klarem Wetter mit freiem Auge auf 20 km und
unter Umständen noch weiter das Gelände überblicken
kann. Aber nicht nur in dem weiten Gesichtsfeld,
sondern vor allem in der Raschheit, mit der die
ee des Ballonbeobachters durch das Telephon
an die Rommandostelle gelangen, liegt der große Wert
des Fesselballons im Kriege. Es ist bekannt, daß die
Fesselballons im gegenwärtigen Kriege schon vor-
zügliche Dienste geleistet haben, namentlich durch
ihr Zusammenwirken mit der schweren Artillerie. Dem
Fesselballon fällt hiebei die wichtige Aufgabe zu,
einmal die versteckten Stellungen der feindlichen
Batterien zu erkunden, die oft von der Erde aus gar
nicht aufzufinden sind, und weiter die Schußwirkung
der eigenen Artillerie zu beobachten und so das Ein-
schießen zu leiten. Es versteht sich von
selbst, daß der Fesselballon nur dann
derart wichtige Aufgaben zu leisten ver-
mag, wenn er in kürzester Frist gefüllt
und zum Aufstieg fertiggemacht werden
kann. Man ersieht hieraus, von welcher
Bedeutung die Frage der Gasbeschaffun
ist, die höchste Zuverlässigkeit un
Schnelligkeit bei der Füllung gewähr-
leisten muß. Schon Coutelle, der
Kommandeur der ersten französischen
Luftschifferkompagnie, beschäftigte sich
mit dieser Frage. Zu jener Zeitkannte man
nur ein einziges Verfahren zur Wasser-
stoffgewinnung, und das war die Ein-
wirkung von verdünnter Schwefelsäure
auf Eisen. Die Gasgewinnung erfolgte
in sehr primitiver Weise, zumeist in
stehenden geschlossenen Holzfässern, die
zum Teil mit Eisendrehspänen gefüllt
waren. Durch ein bis zum Boden reichendes
Rohr wurde die Schwefelsäure einge-
gossen und durch ein zweites Rohr das
entwickelte Gas abgeleitet. Um die Gas-
entwicklung zu beschleunigen, wandte man
stets mehrere derartige Fässer gleichzeitig an, weshalb
diese Art der Gaserzeugung die Bezeichnung »Tonnen-
verfahren« erhielt. Als Coutelle an die Spitze der
neugebildeten Luftschifferkompagnie berufen wurde,
erhielt er den Auftrag, ein neues Verfahren ausfindig
zu machen, das den Wasserstoff ohne Verwendung
von Schwefelsäure zu gewinnen gestattet.
Der Grund für diese Maßnahme war folgender: Die
Schwefelsäure wurde damals noch ausschließlich aus
Schwefel gewonnen, da aber in jenen kriegerischen
Zeiten aller verfügbare Schwefel zur Herstellung von
SchieBpulver erforderlich war, so fehlte das Roh-
material für die Fabrikation von Schwefelsäure und
man mußte deshalb nach einem anderen Verfahren
zur Gewinnung von Wasserstoff Umschau halten. Es
traf sich günstig, daß wenige Jahre vorher Lavoisier
die Beobachtung gemacht hatte, dab Wasserdampf
beim Überleiten über rotglühendes Eisen in seine
Bestandteile, Wasserstoff und Sauerstoff, zerfällt, und
daß hiebei der Sauerstoff sich mit dem Eisen zu
Eisenoxyd verbindet, während der Wasserstoff frei
wird. Coutelle versuchte nun, diesen Laboratoriums-
versuch in großem Maßstabe zu wiederholen. Zu
diesem Zwecke errichtete er einen gemauerten Ofen,
in dem sieben mit eisernen Drehspänen gefüllte Re-
torten durch zwei Holzfeuer erhitzt wurden. Wenn
die Retorten genügend heiß waren, wurde Wasser-
dampf über das Eisen geleitet. Das am anderen Ende
D A,
, IJ
K
255
des Ofens entweichende Gas wurde mit Wasser und
Kalkmilch gewaschen und gelangte dann in den Ballon.
Die Errichtung des Ofens dauerte natürlich mehrere
Tage und die Heizung erforderte eine sehr sorgfältige
Überwachung, da die Retorten leicht Risse bekamen,
wodurch Wasserstoff verloren ging. Auch bei normalem
Betriebe verlief die Gaserzeugung nur sehr langsam,
denn die Füllung eines Ballons von 450 m3 Inhalt
dauerte 36 bis 40 Stunden. Trotzdem also dieses Ver-
fahren für den Gebrauch im Felde recht wenig geeignet
war, fand es vor Maubeuge, Charleroi und bei Fleurus
Anwendung, es geriet dann aber bald in Vegessenheit.
In der Folge griff man wieder auf das Tonnenverfahren
zurück und suchte dessen Leistungsfähigkeit auf ver-
schiedene Weise zu steigern. So hat die deutsche
Luftschifferabteilung im Jahre 1870 vor Straßburg eine
umfangreiche Gaserzeugungsanlage errichtet, die aus
75 mit vieler Mühe beschafften Weinfässern bestand.
60 von diesen Fässern dienten zur Gaserzeugung, zwölf
zum Waschen des heißen Gases mit Wasser und drei
Fässer zum Trocknen. Auf diese Weise gelang es,
den Beobachtungsballon in fünf Stunden zu füllen, aber
auch diese höchst primitive und schwerfällige Anlage
entsprach in keiner Weise, wie man sich leicht vor-
stellen kann, den Anforderungen, die im Felde gestellt
N —— — 0s ae Sena >
Fig. 1.
werden, und es ist durchaus erklärlich, daß die Luft-
schifferabteilung so bald wieder aufgelðst wurde.
In Frankreich wurde nach dem Kriege 1870 die
Ausgestaltung der Militärluftschiffahrt und namentlich
auch die Verbesserung der Gaserzeugung mit Eifer
betrieben. In jenen Jahren wurden auch die ersten
fahrbaren Gaserzeuger erbaut, bei denen der
Wasserstoff ebenfalls aus Eisen und Schwefelsäure
gewonnen wurde. Weitere Verbreitung erlangten
besonders die Konstruktionen von Yon und L a-
chambre sowie in neuerer Zeit die von Godard,
die in Fig. 1 dargestellt ist. Ein solcher Wagen trägt
zwei eiserne, innen verbleite Gasentwickler, einen
Wäscher und einen Trockner, ferner eine kleine Pumpe,
die zugleich die Gasentwickler mit Säure und den
Wäscher mit kaltem Wasser speist. Die verdünnte
Säure wird ständig durch die beiden mit Eisenspänen
beschickten Entwickler gepumpt, die sie beide von
unten nach oben durchströmt. Zur Erzeugung von
Ums Wasserstoff sind etwa 4 kg Eisen und 8 kg
Schwefelsäure erforderlich, ferner muß an dem be-
treffenden Orte Wasser in ausreichender Menge vor-
handen sein. Ein Wagen für eine stündliche Leistung
von 150 m8 hat ein Gewicht von etwa 2100 kg; hiezu
kommen noch 7200 kg Material zur Füllung eines
Ballons von 600 m8 Inhalt.
In Deutschland wurde in den Achtzigerjahren von
Majert und Richter ein Verfahren ausgearbeitet
256
zur Erzeugung von Wasserstoff auf trockenem Wege.
Sie fanden, daß ein Gemisch aus Zinkstaub und ge-
löschtem Kalk beim Erhitzen auf Rotglut Wasserstoff
entwickelt, und konstruierten auf Grund dieser Be-
obachtung einen Wagen, der aus einem Kessel aus
Eisenblech mit Holzfeuerung und einem umklappbaren
Schornstein bestand. In den Kessel war eine größere
Anzahl von Röhren eingelassen, die luftdicht ver-
schlossen werden konnten und die von der Flamme von
außen umspült wurden. Das Zinkstaub-Kalkgemisch
war in fest verlöteten Blechbüchsen von etwa 40 cm
Hinterwagen.
Fig. 2 Deutscher Gaswagen.
Vorderwagen.
Höhe eingefüllt, die in die Röhren des Kessels ein-
eschoben wurden. Beim Erhitzen schmolz dann die
ötung und die Gasentwicklung begann. Der Apparat
gestattete ein kontinuierliches Arbeiten und lieferte
ein reineres Gas als die vorher beschriebenen Ver-
fahren, aber dennoch war dieses Verfahren nur kurze
Zeit bei der preußischen Luftschifferabteilung in Ge-
brauch. Die Füllung des Ballons dauerte auch hier
noch zwei bis drei Stunden, so daß also auch dieses
Verfahren noch nicht allen Anforderungen in bezug
auf Einfachheit und Schnelligkeit der Gaserzeugung
entsprach.
n militärischen Kreisen war man inzwischen mehr
und mehr zu der Überzeugung gelangt, daß der Fessel-
ballon im Ernstfalle nur dann seine Aufgabe voll und
ganz zu erfüllen vermag, wenn er in weniger als
einer halben Stunde gefüllt und aufgelassen werden
kann. Da dieser Forderung keine der damals bekannten
fahrbaren Anlagen entsprach, so entschloß man sich,
von der Wasserstofferzeugung inı Felde
ganz abzusehen und statt der schwer-
fälligen Gaserzeuger fertigen, in Stahl-
flaschen komprimierten Wasser-
stoff auf Wagen oder Lasttieren
mitzuführen. Diese Methode fand zuerst
im Jahre 1885 bei der englischen Ex-
pedition nach dem Sudan Anwendung;
zum Transport der Stahlflaschen be-
nützten die Engländer Kamele, und
zwar war immer ein Tier mit zwei
Gasflaschen beladen. Die neue Art der
Gasversorgung hat sich hiebei recht
gut bewährt, ja man kann wohl sagen,
daß bei dieser Expedition die Erzeugung
des Wasserstoffes an Ort und Stelle
wegen des zweifellos vorhandenen
Wassermangels die
hätte. Auch die Italiener benützten das englische System
bei ihrem Feldzug gegen Abessinien im Jahre 1887 und
seitdem ist die Mitführung von Wasserstoff in Stahl-
flaschen in fast allen Armeen zur Einführung gelangt.
Die Luftschifferabteilungen haben auf diese Weise
eine sehr große Beweglichkeit erlangt, die hinter der
der Feldartillerie kaum mehr zurücksteht. Es ist ferner
gelungen, was lange Zeit vergeblich erstrebt wurde,
den Fesselballon in kürzester Frist zum Aufstieg fertig
größten Schwierigkeiten bereitet | Mitführun
zu machen. Die von den Engländern zuerst benützten
Stahlflaschen waren 2°40 m lang und wogen etwa 30 kg.
Ihr Inhalt betrug 32 l, so daß sie also bei einem Druck
von 120 Atmosphären ungefähr 4 m3 Gas faßten. Die
beim deutschen Heere heute gebräuchlichen Stahl-
flaschen sind von stärkerer Bauart als die englischen
und haben einen Inhalt von 361. Bei einem Druck
von 150 Atmosphären fassen sie ungefähr 5 m3 Gas,
so daß also zur Füllung eines Fesselballons von 600 m3
Inhalt 120 Gasflaschen nötig sind. Zur Beförderung
der.-Flaschen dienen nach dem Protzensystem gebaute
Wagen, die mit vier Pferden bespannt sind und
„je 20 Flaschen tragen (Fig. 2). Die Vorderprotze
trägt fünf, die Hinterprotze 15 Flaschen; jeder
Wagen wiegt 1145 kg. Zu einer Ballonfüllung
ist also der Inhalt von sechs Wagen erforder-
lich. Die deutschen Feldluftschiffer-Abteilungen
führen auf zwölf Wagen den Bedarf für eine
zweimalige Füllung eines Fesselballons mit sich.
Die Abfuhr der leeren, sowie die Heran-
schaffung frisch gefüllter Gasflaschen besorgen
besondere Gaskolonnen in gleicher Weise, wie
dies auch mit der Munition geschieht. Durch
gründliche Ausbildung und Schulung der Luft-
schiffermannschaften hat man es dahin gebracht,
daß vom Moment des Absitzens der Mannschaft
bis zum Auflassen des Ballons nur 15 bis
höchstens 20 Minuten verstreichen. Die rasche
Füllung des Ballons wird dadurch ermöglicht,
daß sämtliche Flaschen aller sechs Wagen an ein
gemeinschaftliches Rohr gleichzeiti panee onsen
werden, worauf die Ventile der Flaschen, ohne
daß diese von den Wagen heruntergenommen werden,
nach Bedarf geöffnet werden. Es sei noch bemerkt,
daß auch noch besondere Automobile und Eisenbahn-
wagen für den Transport von Wasserstoff in Stahl-
flaschen gebaut worden sind, die ebenfalls für den
Nachschub von Gas recht gut verwendbar sind. Die
Flaschenwagen der französischen Armee (Fig. 3) sind
von den deutschen wesentlich verschieden; es sind
keine Protzkästen, sondern vierrädrige Wagen mit
sechs Flaschen von je 25 ms Inhalt. Die Flaschen
fassen also fünfmal so viel als die deutschen Flaschen
und sind dementsprechend auch beträchtlich länger.
Ein solcher Wagen, der 150 m3 Gas mitführen kann,
ist mit sechs Pferden bespannt, denn sein Gewicht
beträgt 3000 kg. Man ersieht hieraus, daß die deut-
schen Flaschenwagen infolge ihrer leichteren Bauart
den französischen zweifellos überlegen sind.
Wenn nun auch, wie
wir soeben sahen, die
Fig. 3. Französischer Gaswagen.
g des komprimierten Wasserstoffes vom mili-
tärischen Standpunkte aus allen Anforderungen genügt,
so kann sich doch die Verwendung von Stahlflaschen
unter bestimmten Verhältnissen recht schwierig gestalten,
so z.B. bei gebirgigem Gelände mit schlechten Wegen
oder bei weiter Entfernung des Aufstiegortes von einer
Bahnlinie. Das mag auch der Grund sein, weshalb bei
manchen Armeen die fahrbaren Gaserzeuger doch
immer noch beibehalten werden. In Rußland z. B.
waren die französischen Gaserzeuger nach dem Eisen-
SE — Oat a>
Fig. 4. Fahrbarer Wasserstoffgenerator Schuckert auf einem Automobil.
Schwefelsäuresystem noch am Anfang dieses Jahr-
hunderts in Gebrauch und erst während des Krieges
mit Japan im Jahre 1904 gelangte ein anderes Gas-
erzeugungsverfahren zur Einführung, das weniger
schwerfällige Apparate erforderte. Es war dies die
Einwirkung von Aluminium auf Natronlauge, ein Ver-
fahren, das zwar schon lange bekannt war, das aber
bis dahin noch nicht in größerem Maßstabe Ver-
wendung gefunden hatte. Die Gasentwicklung verläuft
bei diesem Verfahren sehr lebhaft und unter starker
Wärmeentwicklung, so daß es nur dort Anwendung
finden kann, wo Kühlwasser in ausreichender Menge
beschafft werden kann. Zur Erzeugung von 1 ms
Wasserstoff sind hiebei nur etwa 5'5 kg Material mit-
zuführen, das ist nur eiwa halb so viel wie bei den
älteren fahrbaren Gaserzeugern französischen Ursprungs.
Das ostsibirische Feldluftschiffer - Bataillon, das 1904
im Kriege mit Japan gebildet wurde, war mit zwei
verschiedenen Arten von Gaserzeugern ausgerüstet;
von diesen sollte der eine in der Ebene, der andere
im Gebirge Verwendung finden. Der Apparat für die
Ebene bestand aus zwei auf einen Karren montierten
Gaserzeugern und einem diesen beiden gemeinsamen
Wäscher, der ebenfalls auf einem zweirädrigen Karren
aufgestellt war. Jar Kompagnie besaß acht solcher
Gaserzeuger und vier Wäscher, die an eblich zu-
sammen in einer halben Stunde einen Ballon von
640 m3 füllen konnten. Der für den Ge-
birgskrieg bestimmte Apparat war dagegen
so leicht gebaut, daß ein Lastpferd zwei
dieser Gaserzeugertragen konnte. Auch das
zur Gaserzeugung erforderliche Material
wurde auf Saumtieren befördert, und zwar
trug ein Pferd das für 10 m3 Wasserstoff
erforderliche Material. Diese Gaserzeuger
waren Blechzylinder von etwa 2 m Höhe
und 05m Durchmesser. Sie wurden im
unteren Teil mit Natronlauge gefüllt,
während das Aluminium in Form von
Blechabfällen in einem Drahtkorb ruhte,
der im oberen Teile des Entwicklers an
einer Welle aufgehängt war und durch
Drehung einer Kurbel in die Lauge herab-
gelassen wurde. Das Gas gelangte aus
dem Entwickler in den ständig von kaltem
Wasser durchströmten Wäscher und von
da in den Ballon.
Wieder ein anderes Verfahren zur
Gasgewinnung benützten die spanischen
Luftschiffer bei dem Feldzug nach Marokko.
Dieses von der Elektrizitäts-A.-G. vorm.
Schuckert & Co. in Nürnberg ausge-
Ir
—
257
arbeitete Verfahren beruht auf der Ein-
wirkung von Silizium auf Natronlauge;
diese beiden Stoffe reagieren bei 80 bis
900 C. sehr lebhaft miteinander. Diese
Temperatur wird ohne äußere Wärme-
zufuhr erzeugt, indem die bei der Be-
reitung der Natronlauge auſtretende
Lösungswärme in sehr zweckmäßiger
Weise ausgenützt wird. Die Apparate
bestehen aus dem Entwickler mit ein-
gebautem Lösegefäß, dem Silizium-
behälter und einer Einkurbelungsvor-
richtung für das Silizium, sowie aus
dem Kühler mit zugehöriger Pumpe zur
Förderung des Kühlwassers. Die Gas-
erzeuger werden in mehreren Größen
für eine Stundenleistung von 60 bis
300 ms gebaut. Bei dem kleinsten Typ
sind alle Apparate auf einen Wagen
montiert, während bei den größeren
Typen der Wäscher mit der Pumpe
einen besonderen Wagen erfordert. Die
Apparate werden auch auf Automobile
montiert (Fig. 4). Zur Erzeugung von
1 m3 Wasserstoff sind hiebei nur 2 kg
Material erforderlich. 1 m3 Gas stellt sich
auf etwa 75 Pfg. Diese Apparate sind im deutschen,
österreichischen, italienischen und türkischen Heere
im Gebrauch.
Ein ganz ähnliches Verfahren ist bei den fran-
zösischen Luftschiffertruppen unter dem Namen
Silikolverfahren in Anwendung. Dabei wird Ferro-
silizium mit einer 35 bis 40 prozentigen Natronlauge
behandelt; eine äußere Wärmezufuhr ist auch hier
nicht erforderlich, da infolge der lebhaften Reaktion
die Temperatur in dem Gasentwickler alsbald auf
60 bis 800 C. steigt Die fahrbaren Gaserzeuger liefern
400 m3 in einer Stunde; ihre Einrichtung ist von der
des soeben erwähnten Verfahrens der Schuckert-
Geselischaft nicht wesentlich verschieden. Die Aus-
gangsmaterialien zur Gewinnung von 1m3 Wasser-
stoff haben ein Gewicht von etwa 1°9 kg und der
7 des Gases beträgt auch hier 70 bis 80 Pfg.
r 1 m8. .
Infolge der lebhaften Wärmeentwicklung sind die
beiden letztgenannten Verfahren im Felde nur da zu
gebrauchen, wo reichliche Wassermengen zur Kühlung
des Gases vorhanden sind. Für wasserarme Gegenden
ist das ebenfalls m Frankreich ausgebildete Hydro-
genitverfahren von Bedeutung, weil hier die Wasser-
stoffgewinnung unter Verwendung von sehr wenig
Wasser möglich ist. Das Hydrogenit ist ein Gemisch
Haus feinpulverisiertem Ferrosilizium und Natronkalk,
Fig. 5. Hydrogenitpatronen.
Fig. 6. Wasserstoffgenerator nach dem Hydrogenitverfahren.
eine graue sandige Masse, die sich leicht entzünden
läßt und selbst bei Luftabschluß rasch abbrennt, wo-
bei Wasserstoff in großer Menge entweicht. Aus
3 kg der Masse, die bei gewöhnlicher Temperatur
unbegrenzt lange haltbar ist, erhält man etwa 1 m3
Wasserstoff von sehr großer Reinheit und einem Auf-
trieb von 1180 bis 1190 g’m3. Die Hydrogenitmasse
läßt sich zu Blöcken pressen und kommt in luftdicht
verschraubten Blechbüchsen (Fig. 5) von 25, bezw.
50 kg Gewicht in den Handel. Der Inhalt einer solchen
Büchse liefert beim Verbrennen 8, bezw. 16 m8
Wasserstoff, und zwar geht die Verhrennung in der
kurzen Zeit von nur 10 Minuten vor sich. Die Entzündung
des Hydrogenitgemisches erfolgt mit Hilfe einer kleinen
Menge Zündpulver, das durch ein gewöhnliches
Streichholz in Brand gesetzt werden kann, worauf
sich die Verbrennung durch die ganze Masse, je-
doch ohne Flamme, fortpflanzt. Fig. 6 zeigt
eine kleine stationäre Anlage nach diesem System.
Die bei dem französischen Heere eingeführten
fahrbaren Gaserzeuger nach diesem System sind
mit je sechs paarweise angeordneten Generatoren
versehen und liefern 150 m3 Wasserstoff in 1 Stunde.
Der Vorgang bei der Gaserzeugung ist folgender:
In den Generator wird eine Blechbüchse nach
Entfernung des Deckels eingesetzt, dann wird der
Generator durch einen schweren, mit Handgriffen
versehenen Deckel luftdicht verschlossen und das
Hydrogenitgemisch wird durch eine ebenfalls ver-
schließbare Öffnung im Deckel entzündet. Die
Generatoren sind mit einem Wassermantel um-
geben, dessen Füllung durch die bei der Verbren-
nung des Gemisches freiwerdende Wärme in
Dampf verwandelt wird; der Dampf wird gegen
Ende der Verbrennung in den Generator eingeleitet,
wodurch die Gasausbeute vergrößert und die
brennende Masse abgelöscht wird. Das Gas wird
mit Wasser gewaschen und zur Trocknung über
eine Schicht von Koks und Sägespänen geleitet.
Die Gewinnungskosten für 1 m3 Wasserstoff be-
tragen bei diesem Verfahren Mk. 1°30 bis Mk. 1°50.
Auch das Kalziumhydrid findet in Frankreich
seit einigen Jahren in größerem Umfange Anwendung
zur Wasserstoffgewinnung für militärische Zwecke.
Das Tan ang ist eine Verbindung von Kalzium-
metall mit asserstoff, die durch Einleiten von
Wasserstoff in geschmolzenes Kalzium hergestellt
wird. Das Hydrid ist also gewissermaßen
ein Wasserstoffakkumulator, denn man
kann auf diese Weise den bei irgend
einem chemischen Prozeß, wie z. B. bei
der Elektrolyse der Chloralkalien, ge-
wonnenen Wasserstoff leicht an metalli-
sches Kalzium binden und so für irgend
eine spätere Verwendung aufspeichern,
denn der Wasserstoff wird aus dem
Hydrid sofort wieder abgegeben, wenn
man es mit Wasser zusammenbringt.
Diese Eigenschaft macht das Kalzium-
hydrid, wie leicht erklärlich, für militäri-
sche Zwecke besonders wertvoll, wenn
auch die Wasserstoffgewinnung nach
diesem Verfahren recht kostspielig ist.
Anfangs bereitete die außerordentlich
starke Wärmeentwicklung, die bei der
Zersetzung des Hydrids mit Wasser
eintritt, grobe Schwierigkeiten, die aber
durch einen sehr sinnreichen, von dem
französischen Chemiker Jaubert kon-
struierten Apparat behoben wurden.
Ferner wurde in dem Laboratorium für
Militärluftschiffahrt in Chalais-Meudon
ein fahrbarer Gaserzeuger (Fig. 7) nach
diesem Verfahren gebaut, der die außer-
ordentlich hohe Stundenleistung von
1600 ms aufweist. Diese Anlage nahm mit
einem Vorrat von 20 t Kalziumhydrid, woraus 20.000 m3
Wasserstoff gewonnen werden können, schon wieder-
holt an den großen französischen Manövern teil und
hat sich, wie man hört, hiebei gut bewährt. Aller-
dings ist der Preis des Kalziumhydrids noch so hoch,
daß 1 m3 Wasserstoff etwa Mk. 4°— kostet.
Als ein für die militärische Wasserstoffgewinnung
recht brauchbares Ausgangsmaterial sei schließlich
noch das aktivierte Aluminium genannt, das
schon vor mehreren Jahren von Maurichau-
Beaupre für diesen Zweck empfohlen wurde.
Während er aber zur Aktivierung des Aluminiums
ra be aap und Sublimat, also zwei höchst giftige
Stoffe verwendete, ist es der chemischen Fabrik
Griesheim-Elektron gelungen, durch Zusatz von
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Fig. 7. Wasserstoffgenerator nach dem Kalziumhydridv erfabren.
etwa 1 Prozent Atznatron und 1 Prozent Quecksilber-
oxyd zu dem Aluminium ein weniger giftiges
Präparat von nahezu gleicher Leistungsfähigkeit
herzustellen. 1 kg dieser beiden Präparate liefert bei
bloßer Einwirkung von Wasser 1'0 bis 1'2 ms
Wasserstoff, dessen Preis sich auf etwa Mk. 1°50
bis Mk. 1°80 stellt.
(Fortsetzung folgt.)
Sturmkalender.
Die Epochen gesteigerter Sonnentätigkeit vom
24. bis 30. August und von da bis 6. September 1915
hatten, nach Ausweis der Cirrus-Streifungen, wieder
zur Sturmbildung in allen drei, durch ihre Störungs-
folgen für Europa in Betracht kommenden Hauptherd-
gebieten tropischer Wirbelstürme geführt.
Atmosphärische Störungen waren demnach für
Europa aus dem westatlantischen Hauptherdgebiete
in der zweiten und vierten Septemberwoche fällig,
aus dem westpazifischen Hauptherdgebiete gegen
Ende der ersten und der zweiten Oktoberwoche, aus
dem südöstlichen Hauptherdgebiete in der vierten
September- und der ersten Oktoberwoche 1915.
Auf dem italienischen Kriegsschauplatze kamen
jene Epochen durch gewitterhafte Zustände zur Geltung,
besonders am Abend des 30. August durch ein schweres
Gewitter auf dem Karst und am 3. September durch eine
Wolkenbruchkatastrophe über dem Adriahafen Bari.
Der erwartete frühherbstliche Temperatursturz war am
Südhange der Alpen, seit 2. September, eingetreten.
Die Gewitterneigung anscheinend der ersten Sep-
temberwoche kam noch auf einem anderen Nachbar-
pebiere des großen Kriegsschauplatzes zum Eingreifen.
ei Ekenaes, an der hochmagnetischen Südwestecke
Finnlands, wurde eine unterminierte Eisenbahnbrücke
vorzeitig durch Blitzschlag in die Luft gesprengt.
Die Wiederkehr dieser starken Epochen, die auch
durch lebhafte Fleckenänderungen auf beiden Halb-
kugeln der Sonne ausgezeichnet waren, ließ magneti-
sche Störungen in den beiden mittleren Wochen des
September 1915 als besonders angezeigt erscheinen.
Die sonst damit verbundene Gewitterneigung sollte
aber durch die mehr und mehr zur Geltung ge-
langende Kühle des diesjährigen Herbstes einiger-
maBen niedergehalten werden.
Wilhelm Krebs.
Sturmkalender fiir Oktober und November 1915.
Von Wilhelm Krebs (Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen).
im Westatiantik
bezw. mitti. Amerika
Sept.
13. bis 19.
Sept.
24. bis 30.
S
20. bls 26.
Nov. 3
15. bis 21.
—
im Westpazifik
Sturmblidungsepochen
August | Au Spt. Sept. Sept. | Sept. JAug./Spt.) Sep.. Sept.
24.015 30. 31. is B. | 5. bis 15. 13. bis 19. 20. bis 28. 31-bis 6. 5. bis 15. 13. bls 19.
mn — — — 4 —— • ͤ—6H—D—ä—k— ——— —
Atmosphärische Störungsfolgen aus den Hauptherdgebisten der tropischen
Sturmbiidung
a im Indischen Ozean
| (Westen) |
|
I
Sept. |
20. bis 30.
Europa
— — | OS fC • ͤ— ͤÿ— | mm nn
1
t Störungstermine, die durch Sturm- oder Unfall-Meldungen bereits Bestätigung erfuhren.
Geschützdonner und Hoch atmosphäre.
(Nachtrag.)
Der Einwand des Herrn Fauth -Eine immer
noch hypothetische Reflexion an einer imaginären
Schichtgrenze der Atmosphäre wäre vielleicht ver-
trauens würdiger, wenn die äußere Umhüllung nicht
gerade der spezifisch leichte Wasserstoff wäre“ ist
doch nur so zu verstehen, daß eine Reflexion an der
Schichtgrenze gegen ein leichteres Medium bestritten
wird. Er tritt, allgemein auf Reflexion angewendet, in
Widerspruch zu einem so alten Besitz der physikali-
schen Wissenschaft, wie die Erklärung des Regen-
bogens aus innerer Spiegelung im Regentropfen, also
aus Reflexion im Wasser gegen Luft. Wie von mir
kurz noch im Jännerhefte 1915 der Meteorologischen
Zeitschrift ausgeführt, ist der Teil der Regenbogen-
theorie, zu dem diese Erklärung gehört, nicht bloß
drei, sondern mehr als sechs Tahrhunderte alt, da
schon vor Descartes der Freiburger Physiker
Dietrich der Deutsche sie in aller Klarheit
entwickelt hat, besonders zur Unterscheidung des
Haupt- vom Neben-Regenbogen. Auf die Reflexion
260
des Schalles angewandt, tritt er in Gegensatz zu den
schönen Versuchen J. Tyndalls zum Nachweis der
Reflexion des Schalles an Gasen und Dämpfen, die
in der siebenten Vorlesung seines Werkes über den
Schall, und zwar der deutschen Ausgabe von A. von
Helmholtz und Cl. Wiedemann, nach der sechsten
englischen Auflage, mitgeteilt sind. Ich erwähne be-
sonders den auf Seite 376 und 377 wiedergegebenen
Versuch. Die erhitzte Luft über einer Fischschwanz-
flamme und sogar der heiße Gaskörper selbst genügte,
um die deutliche Abdeckung eines Schallstrahls
und außerdem seine deutliche Ablenkung nach den
Reflexionsgesetzen zu erreichen (a. a. O., Seite 376,
Fig. 159*). Beide Nachweise wurden mit schall-
empfindlichen Gasflammen geführt. Sie lassen nicht
den ge:ingsten Zweifel daran, daß auch der Schall an
der Schichtgrenze eines spezifisch leichteren Mediums
(hier gewöhnliche Luft gegen erhitzte Luft, bezw. gegen
das leichtere und noch durch Erhitzung besonders
erleichterte Leuchtgas) Reflexion erfährt.
Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen.
Wilhelm Krebs.
*) Bei dieser Gelegenheit sei nachgetragen, daß diese
Untersuchungen Tyndalls erst in das Jahr 1873 entfielen
und d Tyndall selbst auch Versuche von Stokes und
Reynold bestätigt fand, die einen Teil der Mohnschen Er-
gebnisse vorwegnahmen.
Die Wichtigkeit der Flieger im Kriege.
Eine ganz besonders wichtige Rolle im gegen-
wärtigen großen Krieg — in dem Ringen um Sein
oder Nichtsein — spielen unzweifelhaft die Luftfahr-
zeuge. Sie tragen einen nicht zu unterschätzenden
Teil zu unseren Siegen bei, und ohne sie ist für die
heutige Auffassung ein Krieg fast undenkbar. Diese
noch so junge Waffe hat sich innerhalb kürzester
Zeit zur Vollendung entwickelt. Bevor auf die nähere
Gliederung des Flugwesens der verschiedenen Länder
einzugehen ist, seien hier erst die Aufgaben der
eege! im Kriege angeführt.
ie Aufgaben, welche den Kriegsfliegern unter-
liegen, sind verschiedenster Natur. Eine der wichtigsten
von ihnen ist die Aufklärung. Hier hat das Flugzeug
die Stellung, Stärke u. s. w. des Feindes genau aus-
zukundschaften und sie möglichst genau der eigenen
Partei zu übermitteln. Ebenfalls unentbehrlich ist das
Flugzeug als nee LT eee der Artillerie
sowie der Unterseeboote. Auch als Angriffswaffe ist
das Flugzeug sehr geeignet, da es durch Abwerfen
von Sprenggeschossen erheblichen Schaden anrichten
kann, was Taten bisher mehrmals bewiesen. Hier
seien nur die mehrfach ausgeführten Bombardements
auf Dünkirchen durch deutsche Flieger als Beispiel
angeführt.
Wenn man nun das heutige Flugwesen mit jenem
vor eineinhalb bis zwei Jahren vergleicht, so findet
sogar der Fernstehende, daß große Umwälzungen statt-
gefunden haben. Es ist noch nicht allzu lange her, daß
man das französische Flugwesen für das »Unbesiegbare«
hielt. Jedoch hat sich diese Ansicht vollkommen ge-
dreht. Zur rechten Zeit wußte das deutsche Volk,
welchen Vorteil es aus einer starken deutschen Luft-
flotte ziehe. Als dann zur Zeit der »Ala« in Berlin 1912
Se. königl. Hoheit Prinz Heinrich von Preußen — der
Senior unter den deutschen Fliegern — eine National-
flugspende in die Wege leitete, trug jeder sein
Scherflein zu diesem Werke bei, und nach kurzer Zeit
kamen Summen zusammen, die sieben Millionen weit
überschritten. Nach Schluß der Sammlungen wurden
Prämien für Dauerflüge u.s.w. ausgeschrieben und
neue Flugzeugführer ausgebildet. Rasch stiegen die
Leistungen, Rekord um Rekord eroberten wir, so daß
wir bis zu Kriegsbeginn im Besitz der wichtigsten
Höchstleistungen waren. Es sei hier nur an die
länzenden Flüge von Ingold, Stoeffler, Landmann,
oehm, Oelerich u. a.m. erinnert, die in der Ent-
- wicklungsgeschichte der Flugtechnik einzig dastehen.
Nur selten kamen deutsche und ausländische Flieger
auf Weitflügen zusammen, und da, wo sie sich trafen,
zogen die Unseren auf Siegeslorbeeren gebettet heim.
Neidisch blickte das Ausland auf unsere emporblühende
Flugzeugindustrie herab, da brach — kurz vor Beginn
des Wasserflugzeug-Wettbewerbes in Warnemünde —
dieser größte aller Kriege aus. Marktschreierische
Pläne schmiedeten unsere Feinde, wie sie sofort nach
Mobilmachung unsere schönen deutschen Gaue zer-
stören wollten. Jedoch alles nur Illusion! Bluff! Welcher
Schrecken durchfuhr die sonst kühlen Pariser, als der
erste deutsche Flieger über der Seine-Metropole er-
schien. Von den französischen Fliegern waren keine
zu sehen. Schliefen sie? Oder was trug die Schuld?
Zerfahrene und verlotterte Organisation brachten das
Flugwesen Frankreichs zum Sturz. jedoch das all
Versäumte nachzuholen, war unseren westlichen Nach-
barn bis heute unmöglich, wenn auch die Zeitungen
gegenteilige Behauptungen aufstellen wollen.
Unsere braven Flieger haben zur Genüge gezeigt,
was sie zu leisten imstande sind, und werden wir
weiter tagtäglich Heldenleistungen von ihnen erfahren,
die zum sicheren Sieg unseres teuren Vaterlandes
führen. W.
Sonnentätigkeit und Witterung.
VI. Sonnentätigkeit und Gewitter.
Die Nachricht von dem St. Elmsfeuer in den öster-
reichischen Bergstellungen beim Pustertale, das an
mehreren Tagen der zweiten Oktoberwoche 1915 bemerkt
zu sein scheint, wird ergänzt durch eine Gewittermeldung
aus Lesina vom Morgentermin des 10. Oktober. Beide
Nachrichten stehen in guter Übereinstimmung mit
der Wiederkehr einer, auf Grund gesteigerter Sonnen-
tätigkeit erwarteten Epoche vermehrier Gewitter-
neigung. In den letzten der veröffentlichten Sturm-
kalender war sie auf die vierte August- und die dritte
Septemberwoche angesetzt. Im Oktober enttiel sie
demnach auf die zweite Woche. Die beteiligte Epoche
gesteigerter Sonnentätigkeit bekräftigte ihr Anhalten
durch Neubildung eines Sonnenflecks, der, ungefähr
beim Kreuzen des Mittelmeridians, am 9. Oktober 1915
zur Beobachtung gelangte.
Die große Übereinstimmung der irdischen Ge-
witter mit der Sonnentätipkeit konnte an der Aus-
breitung der Gewitter fast gleichzeitig in getrennten
Klimagebieten und an ihrer Übereinstimmung unter
sich und mit den Epochen gesteigerter Sonnentätig-
keit gegenüber der Erde nachgewiesen werden. Ge-
wählt wurden für diesen, nun über sieben Jahre
ausgedehnten Nachweis als Klimagebiete Mitteleuropa,
die nordamerikanische Union und Italien.
Die Union ist durch den Ozean, Italien durch das
Hochgebirge der Alpen klimatisch von Mitteleuropa
getrennt. Trotzdem stimmt die Ausbreitung der Ge-
witter, für die ein Zahlenausdruck durch Auszählung
der betroffenen Landesteile in jedem Gebiete ge-
wonnen wurde, in hohem Grade überein. Fig. 1 bringt
in zeichnerischer Form einen Teil dieses Nachweises,
für die fünf Monate April bis August 1909.
In Anbetracht dieser Übereinstimmung durfte auf
einen ursächlichen, gemeinsamen Zusammenhang der
Sonnentätigkeit mit der Gewitterbildung in der irdischen
Atmosphäre geschlossen werden. Die Gewitterelek-
trizität entstammt also vornehmlich dem ladenden
Einflusse der Sonnenstrahlung. Die Gewitterbildung
darf anderseits als ein neues, irdisches Signal, als
ein neues Signal neben den feinstreifigen Federwolken,
angesehen werden.
Für den aktuellen Fall, von dem diese Darlegung
ausging, im Oktober 1915, erscheint von Bedeutung,
daß, trotz der Spärlichkeit solcher Federwolken bisher
im Oktober 1915, dieses Signal für die vorliegende
Epoche der Sonnentätigkeit nicht ausgeblieben ist.
Beobachtet wurden sie über meiner unterelbischen
Sonnen- und Wetterwarte in den Morgenstunden des
7. und 10. Oktober. Ihre Streifungsrichtungen wiesen
261
hier hauptsächlich nach Nordosten und Nordnordosten.
Sie kennzeichneten das ungefähr antipodal gelegene
westpazifische Hauptherdgebiet der tropischen Sturm-
bildung als von der Sonne her besonders stark betätigt.
Die atmosphärischen Störungsfolgen aus der
dortigen Sturmbildung waren demnach für Ostasien oder,
bei mehr östlicher, maritimer Lage der nach Norden
führenden Sturmbahn, für den Nordpazifik in der
dritten und vierten Oktoberwoche, für die mittleren
Breiten Nordamerikas in der ersten und zweiten, für
Europa in der dritten Novemberwoche 1915 fällig.
Fig 1.
Die Sonnentätigkeit und ihre Signale in der Erd-
atmosphäre, Federwolken, Gewitter- und Sturmbildung,
lieBen die fiir die dritte Septemberwoche 1915 erwartete
besondere Neigung zu elektrischen und magnetischen
Störungen um eine halbe Woche früher in Erscheinung
treten. Solche Störungen — in dieser zunehmend kalten
Jahreszeit für Mitteleuropa und seine Nachbarschaft
allerdings weniger elektrische als erdmagnetische —
erscheinen deshalb im Oktober und November be-
sonders für die erste und zweite Woche angezeigt.
Außerdem kommt ihre Wiederkehr für Oktober in der
vierten, für November in der dritten Woche besonders
in Betracht. Der gegenwärtige Kriegsschauplatz in
Westrußland legt durch die in diesem Teile Europas
besonders starken örtlichen Störungen solchen War-
nungen einige Wichtigkeit bei. Denn jene zeitlichen
und diese örtlichen Störungen pflegen einander gegen-
un erheblich zu verstärken.
aß Kompaßstörungen auch im Kriege sehr ver-
hängnisvolle Folgen haben können, dafür bot, erst
noch im Spätsommer 1915, der westliche Kriegsschau-
platz ein Beispiel. Der deutsche Fliegeroffizier Moissi
verirrte sich mit einem Kameraden, auf einem Fluge
von Lille nach Ostende, über Wolken und Nebel nach
Calais. Beide fielen infolgedessen in Gefangenschaft.
In einem Briefe aus dieser ist jedenfalls einem
fehlerhaften Kompaß die Schuld gegeben. Da das
Datum nicht völlig feststeht, konnte allerdings noch
nicht sichergestellt werden, ob diese Fehlweisung mit
erdmagnetischen oder auch mit elektrischen Störungen
in Zusammenhang stand.
Alle eisernen und stählernen Gegenstände können die
Kompaßnadel beeinflußen. Anzuempfehlen ist deshalb,
bei solchen Kriegsflügen nach dem Kompaß über Nebel,
vor allem etwaige Einflüsse der Bewaffnung, soweit sie
aus Stahl hergestellt ist, also von Gewehr- und Geschütz-
rohren, Seitengewehren u. dgl. zu berücksichtigen.
10
f 10. 20 10
FH 4
Verbreitung der in den Wetterbe-
richten gemeldeten Gewitter von
Tag zu Tag im April bis August 1909
=e)
— 6
Landes-
_ | teile Italiens
Landes-
teile { Deutschlands
der nordamerika-
teile nischen Union
— 4) (Staaten)
ej Sonnentätigkeit
Landes- |
Die Störungen der italienischen und neuestens
auch der großen englisch-französischen Offensive durch
»schlechtes Wetter« lassen die weitere meteorologische
Auswertung der gegebenen Übersicht der atmosphäri-
schen Störungsfolgen für Europa nicht ohne Interesse
erscheinen.
Die südöstlichen Störungen sind mit einem Vor-
walten östlicher bis nördlicher Luftströmungen über den
westlicheren Gebieten Europas verbunden. Besonders
wenn sie mit den Kältewellen zusammentreffen, die
den westpazifischen Störungen zu folgen pflegen,
zeigen sie deshalb Frostneigungen an. Die west-
atlantischen Störungen pflegen dagegen, besonders an
ihren Vorderseiten, und hier noch etwas mehr als die
westpazifischen Störungen, Wärme mitzubringen. Sie
sind zugleich die hauptsächlichen Träger der Nieder-
schlagsneigung, da sie noch viel unverbrauchte Tropen-
feuchtigkeit mitzubringen pflegen. Doch stellt sich die
stärkste Niederschlagsneigung gewöhnlich dann ein,
wenn Tiefs aus allen drei Störungsgebieten, selbst
oder durch die von ihnen ausstrahlenden Druckrinnen,
über Mitteleuropa zum Zusammenwirken gelangen. Ein
solches Zusammenwirken lag noch im August und
Oktober 1915 den Hochwasserneigungen ihrer ersten
Woche zugrunde, die im Oder- und Elbegebiete bis
über die Mitte dieser Monate hin nachwirkten. |
Jene Erfahrungsregeln, auf die vorliegende Über-
sicht angewandt, liessen im Oktober 1915 besonders
die mittlere Dekade als niederschlagsreich und die letzte
Woche als geneigt zu Frösten erscheinen, vorausge-
setzt, daB in dieser Woche Störungsfolgen aus west-
atlantischer Sturmbildung auch weiterhin ausbleiben.*)
*) Diese Erwartung eines Temperatursturzes fir Mue al
ist inzwischen in vollem Umfange eingetroffen. Auf reichliche
Niederschlage im ersten Teil der mittleren Oktoberdekade lief das
unter dem 12. und 15. Oktober gemeldete erneute Hochwasser im
Oder- und Elbegebiete schließen. Hochwasser führten in dieser De-
kade auch Fliisse des serbisch-mazedonischen Kriegsschauplatzes.
262
Jene neue Art, das Wetter vorauszubestimmen,
ist ohne Zweifel der weiteren Entwicklung und der
genaueren Ausbildung im einzelnen zugänglich. Vor
allem gestatten die ostasiatischen und die nordamerika-
nischen Voretappen der von den westlichen Störungs-
folgen eingeschlagenen Wege eine Kontrolle der ersten
Voraussagen und vielfach ein Urteil über die zu er-
wartende Intensität der Erscheinungen. Im ganzen
erscheint die neue Art der Vorausbestimmung des
Wetters auf diese so vorteilhaft langen Fristen auch
geeignet, die Witterungsdienste Mitteleuropas von
westeuropäischer Bevormundung zu befreien.
Denn seit Leverriers Bearbeitung des Sturmes
von Balaclava und seit seinen und Fitzroys Schritten
zur praktischen Auswertung dieser Ergebnisse zu einem
Tagesdienste der Witterung, ist diese französisch-
britische Art des Witterungsdienstes die allein-
herrschende gewesen. Auch den deutschen Witterungs-
diensten hat sie ihren Stempel aufgedrückt.
Dieser geschichtlichen Bevormundung tritt aber
eine sehr tatsächliche zur Seite. In jener alten Form
sind die mitteleuropdischen Witterungsdienste in
außerordentlich hohem Grade von westeuropäischen
Tagesmeldungen abhängig. Das tritt vor allem seit
der Zeit zutage, da, infolge des Krieges, jene Tages-
meldungen aus feindlichen Staaten fortgefallen sind.
Sturmwarnungen für das Nordseegebiet, wo sie ganz
besonders wichtig sind, gehören beispielsweise seitdem
fast zu den Unmöglichkeiten.
Bei dem Nordseesturm des 8. Juli 1915 lagen
deshalb Warnungen der Deutschen Seewarte nicht
vor, während von meiner Seite schon vier bis sechs
Wochen vorher durch den Sturmkalender, und danach,
auf Grund nordamerikanischer Etappen-Meldungen,
um drei und nochmals um einen Tag im voraus durch
Telegramme nach Helgoland gewarnt werden konnte.
Gerade in dieser Kriegszeit, die die täglichen
Wetterkarten der mitteleuropäischen Witterungsdienste
so außerordentlich beschnitten hat, erscheint die neue,
in Deutschland geschaffene Art der Wettervorhersage
berufen, eine sehr erhebliche Lücke auszufüllen.
Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen.
Oktober 1915. Wilhelm Krebs.
Der See- und Luftkrieg im Nordseegebiet sowie im Nordmeer.
Von Wilhelm Krebs (Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen).
1915.
Ein britisches Geschwader beschieBt Zee-
brügge und versenkt ein deutsches Vor-
postenboot.
: Französischer Doppeldecker über Nieuport
von deutschem Flieger abgeschossen.
: Deutscher Luftkreuzer hält über der Nord-
see den schwedischen Dampfer » Morrick«
an, entlaBt ihn nach Legitimierung.
: Der amerikanische Dampfer »Munroe«
ist durch das Eis bis in die Adventbai
auf Spitzbergen vorgedrungen. Britische
Kriegsschiffe folgen.
: Alliierte Flieger bombardieren Ostende
und Middelkerke.
5 31.: Der norwegische Dampfer »Helga« erliegt
einer Mine im Weißen Meere.
Am Ebeltoftshafen in der Croßbai auf
Aug. 22./23.:
Sept. 1;:
Spitzbergen wird das deutsche wissen- |
schaftliche Observatorium von den Eng-
ländern zerstört.
.: Acht britische Fischdampfer werden in
der Nordsee von zwei deutschen Tauch-
booten versenkt.
: Die britische Flotte bombardiert West-
ende und Ostende. :
: Nachts. Deutsche Luftkreuzer bombar-
dieren Waffenplätze im Osten Englands.
: Französische und britische Flieger bom-
bardieren Ostende.
: Deutsche Luftkreuzer bombardieren Lon-
don und Norwich.
e 11.: Alliierte Flieger bombardieren Ostende.
„ 11./12.: Deutsche Luftkreuzer bombardieren die
Docks von London.
: Bomben auf Kent abgeworfen von einem
deutschen Flugzeug. In der Nacht vorher
soll Southend auch von einem Luftkreuzer
angegriffen worden sein.
Glacialkosmogonische Beiträge zur Erdbebenforschung.
Die gebirgsbildenden Kräfte der geologischen Vergangenheit und — Zukunft.
Von H. Hörbiger.
VII. Fortsetzung.
Die Entstehung der Erdöl- und Erdgas-Lager-
stätten, sowie der Bitumen überhaupt.
Was mag wohl die Flugtechnik mit der Entstehung
der Bitumina zu schaffen haben? — Was mit Erdbeben
und gebirgsbildenden Kräften — ja und was mit Geo-
logie überhaupt?
An dieser aa Sa Frage glauben wir
unseren neugewonnenen Leser zu erkennen. Wir
müssen ihn daher dringendst bitten, nebst den Schluß-
zeilen des Septemberaufsatzes zunächst mindestens
auch die Einleitungen zu unseren flugmeteorologischen
und kosmogeogonischen Darbietungen der Jänner-,
Februar- und Aprilhefte geneigtest nachholen zu wollen,
um die zu erhoffende Nachsicht für die scheinbar so
offenbare Zusammenhanglosigkeit unserer Rede auf-
bringen zu können. — Im übrigen könnten wir uns
aber auch darauf berufen, daß ja das Kraftmittel
Seh’t Erdpech, Öl und Gas! — Es geht ins re 8
Kaum meistern ließ sich das — Trotz Denkerschweiß und Säure
Geheimst und sonnenklar! — Im Tiefsten wohlverwahret!
Sei's d'rum endlich wahr — Den Schürfern offenbaret.
Frei nach Faust II.
Erdöl als auch aus Braun- und Steinkohlenteer ge-
wonnen werden kann. Und nachdem wir in den zwei
letzten Aufsätzen die Steinkohlensphinx zum Sprechen
bringen durften, erübrigt jetzt eben noch, der Natur
die Vorkehrungen und das Verfahren genauer ab-
zulauschen, welches sie bei der Herstellung des Roh-
öls in der geologischen Vergangenheit und — Zukunft
zu beobachten pflegt.
Doch die Berechtigung, in diesen Blättern über
den glacialkosmogonischen Ursprung der gasigen,
flüssigen und festen Bitumina (Erdgas, Erdöl, Erd-
teer, Paraffin, Erdwachs, Erdpech, Asphalt), sowie
auch des Steinsalzes und Gipses sprechen zu dürfen,
liegt noch viel tiefer begründet, wie der vom Dezember-
heft her aufmerksam mit uns gekommene geneigte
Leser sehr wohl weiß. Wollen wir ja doch dem Flieger
diekosmische Herkunft der ihn bedrohenden großen
meteorologischen Vorgänge (Gewitter, Stürme, Wetter-
stürze) und damit auch einen, den Fachastronomen
unserer Flugniotoren, das Benzin, ebensowohl aus ı und Fachgeologen noch immer verborgenen zwiefachen
kosmischen Wasserzufluß zur Erde glaubhaft zu
machen suchen und ihm Wege abstecken, auf welchen
er zu einer verläßlicheren Wetterprognose von größerer
Zeitreichweite gelangen könnte, wenn er guten Willens
ist! — Dieser Neuerkenntnis stehen nun aber gewisse,
nicht nur meteorologische undastronomische,
sondern auch sehr gewichtige geologische Grund-
irrtümer im Wege. Diese letzteren zu beseitigen gilt
es also noch immer, bevor wir ungehindert meteoro-
logisch und astronomisch zur Sache sprechen können.
Gleich dem Steinkohlenprobleme hat auch das
Problem der Bitumina-Entstehung zunächst eine vor-
nehmlich geologisch-dynamische und dann aber noch eine
chemisch-physikalische Seite; doch ist gerade diese
letztere im vorliegenden Falle noch viel wichtiger und im
chemischen Laboratorium auch schon viel eingehender
bearbeitet worden, als dies mangels einer zwanglos
mitdenkbaren Kosmo-Geogonie auch in Dingen der
Steinkohlenforschung bisher geschehen hätte können.
Zwei weltbekannte Forscher Mitteleuropas sind es
denn auch, ein Erdölgeologe und ein Erdölchemiker *),
denen wir außer mehreren kleineren Arbeiten ein
fünfbändiges Monumentalwerk über den Gegenstand
verdanken; ihnen wollen wir auch vorzugsweise hier
soweit folgen, als wir für die geogonische Seite des
Problems nicht auch einige grundlegende glacial-
kosmogonische Verbesserungen in Vorschlag zu bringen
haben. Können wir als Nicht-Berufschemiker hinsicht-
lich der physikalischen Seite dieses hohen Problems
Herrn Prof. Englers Laboratoriumsresultate auch
nur dankbarst als etwas unabänderlich Gegebenes
aufgreifen, so glauben wir dennoch Herrn Professor
Höfer in geologischer Hinsicht um so mehr will-
kommene Ergänzungen bieten zu dürfen, als er in
seiner Vorrede zum II. Band die Meinung ausspricht,
daß die »spezielle Geologie des Erdöls« trotz der
jahrelang mühsam aufgewendeten Arbeit nicht ganz
befriedigen dürfte«. Die uns damit gegebene Freiheit,
auch unaufgefordert mitarbeiten zu dürfen, begrüßen
wir um so freudiger, als sich leider bisher noch kein
Erdöl-Pupulärgeologe gefunden hat, der dem Probleme
derart heitere Seiten abgewonnen hätte, wie dies
Bölsche hinsichtlich des Steinkohlenproblems in
seinem »Steinkohlenwald« gelungen ist. Und nachdem
anderseits Viktor Scheffels »Asphalt< dennoch
wieder zu wenig sachliche Anhaltspunkte bietet, wird
der Leser diesmal auf kurzweilige Fassung unserseits
verzichten müssen.
Um unser diesmaliges Arbeitsprogramm im voraus
kurz darzulegen: Hinsichtlich der letzten geologisch-
dynamischen Ursachen der nine Rents bung glauben
Höfer und Engler in altherkémmlicher Weise mit
der Laplace-Lyellschen — also katastrophen-
losen Erdkörperfortentwicklung ihr volles Auslangen
finden zu können. Und nur diese pietätvolle Genüg-
samkeit ist’s, die wir rügen müssen. Was wir hinsicht-
lich derselben schon auf den letzten Seiten unserer
vormonatlichen Steinkohlenabhandlung vorgebracht
haben, müssen wir hier mit noch mehr Nachdruck
betonen: Ohne Kataklysmus keine restlose
Lösung des Bitumenproblems! Und natürlich
abermals: OhneEiszeitkeinKataklysmus und
umgekehrt — und ohne diese beiden Unzertrenn-
lichen und ohne einander Unmöglichen überhaupt
weder Bitumen, noch Steinkohle, noch Steinsalz, noch
Gips, noch Kalkstein, noch Sandstein, noch irgend-
welche neptunische Schichtbildung überhaupt. Höfer
und Engler wollen aber ganz im Lyell-Potonie-
schen Sinne aus dem heute beobachtbaren geo-
logischen und biologischen Kleingeschehen heraus
H. Höfer: Das Erdöl und seine Verwandten«. (1/1888,
II 1906, III. 1912.)
C. Engler: »Die neueren Ansichten über die Entstehung
des Erdöls“ und »Die Bildung der Hauptbestandteile des Erd-
öls.« Aus: »Petroleum.« (1907.)
Engler und H. Höfer: »Das Erdöl, seine Physik,
Chemie, Geologie, Technologie und Wirtschaftsbetrieb.« Fünf
Bände (1909).
H. Höfer: -Die Geologie, Gewinnung und Transport des
Erdöls.« Band II von: »Das Erdöl etc.« (1909.)
263
auch ein Erdölvorkommen, wie das karpathische,
kaukasische, transkaspische, pennsylvanische etc. er-
klären ! Natürlich haben wir diesen wissenschaftlich-
genügsamen Quietismus auch auf meteorologischem
und astronomischem Gebiete vielfach zu rügen, wie
a dies hinsichtlich des Hagelschlages, der Großen
lut, des Wirbelsturmes, der Mondesherkunft, der
Sternschnuppen u. dgl. teilweise auch bereits ge-
schehen ist. Und so wollen wir die in der Vorzeit
über die Erde gegangenen, die Erdgeschichtsepochen
bestimmenden Mondauflösungskatastrophen auch aus
den Erdgas- und Erdölfundstätten heraus zu er-
weisen suchen, selbst auf die Gefahr hin, die ge-
nannten beiden mitteleuropäischen Hauptfachleute hie
und da ebenso ins Unrecht setzen zu müssen, wie
ihren Verführer Ly ell und dessen bitumengeologischen
Jünger Potonie.*) Halten wir uns also zunächst an
diesen letzteren.
Die großen Verdienste Potonies um die Phyto-
paläontologie sind es eigentlich, die ihm auf dem Gebiete
der Mineralkohlen- und Bitumen-Urmaterialien die aller-
dings nur zaghafte Gefolgschaftsleistung Englers und
Höfers eingebracht haben. Solche Fälle von verderb-
licher Wirkung des »Autoritäts«-Glaubens hatten wir auf
allen drei von uns liebhaberisch bearbeiteten Gebieten
aufzuspüren vielfache Gelegenheit. Vom Italiener
Schiaparelli war schon die Rede. Seine unsterb-
lichen Verdienste auf Mars haben ihm auch den
blinden Glauben aller heutigen Astronomen An seine
gänzlich irrige, reinplutonische »Theorie der Stern-
schnuppen« gesichert. Es genügte ihnen, diese Theorie
in ein paar harmlose mathematische Formeln gekleidet
zu sehen, um alles gesunde eigene Urteil an den
Mailänder Marskanalentdecker zu verlieren. In ähnlicher
Weise hatte es auch der Augenspiegelerfinder und
gefeierte Physiker v. Helmholtz leicht, mit seiner
ganz unhaltbaren, aber mathematisch reich armierten
»Erhaltung der Sonnenenergie« die ganze
astronomische Welt von heute zu hypnotisieren. Der
Franzose H. Poincaré und der Engländer G. H.
Darwin genießen wieder als Reinmathematiker den
Ruf von derart großen Magiern, daß sie den Astronomen
und Geologen das alte wissenschaftliche Märchen
von der Erdenkindschaft des Mondes (und notwendig
auch von der Sonnenkindschaft der Erde) neuerdings
im blutigsten Ernste erzählen und »streng exakt
mathematisch beweisen« durften. — Nur weil bisher
noch kein wirklich anwendender, sich in seinen Werken
also selbst kontrollierender und somit gewitzigter
Mathematiker (Konstrukteur) die Zeit gefunden hat,
sich ernstlicher mit diesen Problemen zu befassen,
konnte alles dies und noch vieles andere unbelacht
und ungestraft verbrochen werden.
Und Potoniés »Sapropelite« (»faulschlamm-
haltige, petroleumbildende (!!) Gesteine«) und sonstige
»Kaustobiolithe« (z. B. »Humusgesteine« = Braun-
und Steinkohle!) gehören in dieselbe Kategorie wissen-
schaftlicher corpus delicta. Wie souverain wendet er
sichdoch auch gegen uns alterprobte Kataklysmatiker,
wenn er auf Seite 82 seines Steinkohlen- und Petroleum-
buches sagt:
»Zur Beschaffung des notwendigen Urmaterials (zur
Bitumenbildung) glaubt man aber noch vielfach einer
Katastrophentheorie zu bedürfen, nach der,
durch besondere Umstände veranlaßt, Massengräber
von Tieren entstanden sein sollen, als Urmaterialien
der Petrolea. Berteles z.B. (1892) — um nur einen
anzuführen — meint, Petroleum sei nur möglich:
1. beim Vorhandensein größerer Massen von
Meerestieren, insbesondere von Mollusken; 2. bei
einem Festland mit steilen Uferrändern, von dem
periodisch bei stärkeren Niederschlägen mit reiBen-
der Gewalt große Schlammassen ins Meer
geworfen werden konnten, wodurch die Lebenswelt
begraben wurde.«
*) Potonié: »Die Entstehung der Steinkohle und der
Kaustobiolithe überhaupt (wie des Torfs, der Braunkohle, des
Petroleums u. 8. w.« (1910.)
264
Hier hören wir also den einen Lyell- getreuen
Erdöl- Geologen (Berteles) das quietistisch ge-
waltsam verlangen, was wir kataklysmatisch
spielend leicht, und zwar im natürlich - fabriksmäßi
durchgebildeten Patentschnellverfahren bieten! Un
ein anderer, noch extremerer Lyellianer (Potonié)
lächelt auch noch überlegen über das bescheidene,
doch so ganz quietistische Kataströphchen, welches
sich Berteles in Vorschlag zu bringen erlaubt!
Denn Potonie braucht nur ausgetrocknete Pfützen,
Teiche und langsam verlandete Seegründe mit ihrem
planktonhältigen »Faulschlamm«, um zu den ver-
meintlichen Urmaterialien der Petrolea zu gelangen.
Prinzipiell ist aber Berteles’ Gefühl in zweifacher
Hinsicht richtig: Er verlangt zunächst größere
Massen von lebend begrabenen Meerestieren und
wünscht deren gewaltsam plötzliche, perio-
dische Einbettung vermutlich bis zu einem Grade,
daß eine Verwesung nicht mehr gut Platz greifen kann.
Seine Detailerfüllung dieser beiden Bedingungen,
speziell der zweiten, erscheint uns aber gänzlich
unzureichend, ja unmöglich — in der Grundidee
geradezu dilletantisch unbeholfen. Auf diese Weise
lassen sich höchstens zerstreute, ortsfeste Organismen
und Seepflanzen (Seeanemonen, Korallen, Schwämme,
Muscheln, Algen, Tange etc.) fäulnissicher einbetten,
aber auch nicht ein einziges behendes, frisches Fisch-
lein oder gar die gewünschten größeren Massen
von Meerestieren; noch weniger aber läßt sich solcherart
(ohne Eiszeit) eine ausgedehnte periodische Schichten-
bildung bewerkstelligen.
Um beispielsweise dem Ölvorkommen Bakus
gerecht zu werden, muß die Sache in viel größerem
Maßstabe, in viel rationellerer Weise, gleichsam
massenfabriksmäßig betrieben werden, etwa indem
wir der ganzen Groß- und Klein bewohnerschaft
(Sauriern, Walen, Fischen, Würmern, Medusen, Tinten-
fischen und sonstigen Mollusken, potenzierte Billionen
von Planktonorganismen etc.) den Aufenthalt in
einem ganzen Weltmeer verleiden, sie in eine
große Bucht mit sackartigen Hinterbuchten locken, um
sie schließlich auch von da noch im Wege sanft zu-
nehmender Meeresoszillationen allmählich in die ver-
schiedenen vereisten Festlandbecken zu drängen, zu
werfen, zu schöpfen, wo sie dann entweder im all-
täglich erstarrenden Ebbeschlamme der einzelnen
Tageslieferungen laut Fig. 11/12 kohlenflötzartig auf-
einandergefrieren oder in solchen Tageslieferungs-
Vereinigungen in großen Massen gieichzeitig den
schmerzlosen Erfrierungstod erleiden und vom nach-
kommendnächsten Revolutionsflutberg der Fig. 7 bis 9
mit einer kompletten Schichtformation a la Fig. 12 —
und später noch mit deren mehreren belastet und
komprimiert werden mögen, um Bene die hieraus
resultierende Druckwärme zur Destillation unter
hohem Druck auszunützen, wie dies eben
Engler im Laboratorium experimentell bereits er-
forscht hat.
Doch versuchen wir uns zunächst einmal ein
dürftiges Gefühl für die notwendige Größe solcher
Meerestiermassen an Hand der heute vorfindbaren
und von Höfer gesammelten Tatsachen zu bilden:
»In der erdgasreichen Umgebung Bakus wurden
bisher mehrere hundert Ölspringquellen erbohrt.
Beim (durch das Anbohren der ölführenden Schicht
gegebenen) Ausbruch eines solchen Ölspringbrunnens
und eine Weile nachher erzittert der Boden der Um-
gebung heftig; manchmal treten in der Umgebung
des Bohrloches Spalten auf, welchen Ol und Gas ent-
strömen. Das Geräusch ist oft kilometerweit zu hören.
Die Ausbrüche können auch so heftig sein, daß sie
das Bohrloch teilweise oder ganz zerstören. — Der
berühmte Lukasbrunnen in Jefferson County (Texas)
warf am 10. Jänner 1901 und dann noch durch einige
Zeit eine Säule schweren Erdöls aus 396 m Tiefe
6l m hoch in die Luft und lieferte täglich 11.025 Ton-
nen Öl aus dem achtzölligen Rohr. Die Gase, deren
Druck dies bewirkten, entwickelten hier durch längere
Zeit eine Energie (mindestens 1016 HP), welche den
Lukasbrunnen geradezu zu einem Phänomen erhob.
— Ein anderer sehr ergiebiger Olspringer Nord-
amerikas war jener des Jannes Pools (Louisiana),
der in vier Monaten 170.000 Tonnen Öl gab. In Mexiko
warf ein Springer durch zwei Monate täglich 13.000
bis 15.000 t aus, und jener bei Portrero del Liano
gab anfänglich täglich 1450 t, später jedoch 23.200 t
täglich, ein Erdreservoir war in 60 Tagen mit 435.000 t
Erdöl gefüllt. Ein berühmter Springer war der Tagieff
Well bei Baku, welcher am 5. Oktober 1886 in 70 nı
Tiefe das Öl erschloß, das in einem mächtigen Strahle
durch die Luft schoB und stündlich t Rohöl
geliefert haben soll, das ist mehr als die Tages-
produktion der gesamten pennsylvanischen Olbrunnen.
— Nach Engler wurden aus dem Bohrbrunnen Bakus
auch Schlamm, Sand und Steine, letztere in der Größe
von „ bis zu 250 m Höhe in die Luft ge-
schleudert. A. B. Thompson berichtet aus diesem
Gebiete, daß in der Gegend des Romanysees wiederholt
Olspringer mit vier Millionen, einer mit sechs Millionen
Gallonen Tagesergiebigkeit erbohrt wurden; einer warf
die Ölsäule 110 m in die Luft.«
»Da die treibende Kraft derartiger Springbrunnen
nicht der hydrostatische Überdruck ist, wie z.B. bei
den artesischen Brunnen, sondern der Überdruck des
absorbierten Gases, da sich dieses mit dem Ol ent-
leert und durch letzteren Vorgang in der Lagerstätte
selbst der Gasdruck sinken muß, so ist das Leben
einer solchen Springquelle naung ein sehr kurzes,
einige Stunden oder Tage, länger, talls sie geschlossen
wird, dann fließt das Ol durch einige Zeit ruhig aus
dem Bohrlochsmund, erreicht später diesen auch nicht
mehr, und muß gepumpt werden. — Manchmal sind
die Ölergüsse auch nur stoßweise, intermittierend, in
Pausen von mehreren Minuten oder Stunden erfolgend,
und bilden somit einen Olgneiser, welcher in manchen
Gegenden Spritzer genannt wird. — Der Lady
Hunter- Well in der unteren Olregion Pennsylvaniens
warf in halbstündigen Pausen einen Olstrahl 30m hoch.«
»Es können jedoch auch Gasausbrüche ohne
oder mit nur wenig Erdöl erfolgen. Längst be-
kannt sind die ewigen Feuer bei Baku; in Pennsyl-
vanien wird das Erdgas im ausgedehntesten Maße
als Beheizungs- und untergeordnet als Leuchtmaterial,
insbesondere in den großen Fabriken und Haushaltungen
von Pittsburg seit längerer Zeit verwendet. Da wie
dort steht dieses Vorkommen in engster Verbindung
mit dem des Erdöls. Auch hier ist ein porenreiches
Gestein als Reservoir notwendig; auch hier haben die
Antiklinen (die Scheitel der Gesteinsschichtfalten) auf
die Gasführung einen sehr günstigen Einfluß, auch
hier wird die Ergiebigkeit mit der Größe des Reservoirs
und dem darin herrschenden Druck zunehmen; die
Geologie des Erdöls ist mithin auch die des Erdgases.«
»Das Erdgas ist häufig ein Begleiter des Stein-
salzes; schon seit langem ist das Knistersalz von
Wieliczka bekannt. Es wurde konstatiert, daß hier ein
brennbares Gas vorliegt, welches im stark komprimier-
ten Zustande in dem wolkigen Steinsalz eingeschlossen
sein muß. Das Zusammenvorkommen derart brennbarer
Gase und Steinsalzlagerstätten oder Solquellen wird
mehrerenorts nachgewiesen, ohne daß hieraus Schlüsse
auf genetische Beziehungen zwischen diesen beiden,
noch weniger zwischen Steinsalz und Erdöl gezogen
worden wären. — Das Gas des Knistersalzes besteht
jedenfalls aus Wasserstoff und Kohlenoxyd, doch läßt
die Rechnung nicht sicher entscheiden, ob überdies
ölbildendes Gas oder Sumpfgas (Methan = CH4) oder
ein ähnlicher Kohlenwasserstoff vorhanden ist. Man
vermutet, daß das eingeschlossene Gas verdichtet, und
zwar flüssig oder fest ist. — Im Salzbergbau zu Szlatina
Ungarn) fuhr man 1783 Erdgas, einen sogenannten
läser an, das jahrelang zur Beleuchtung der Grube
diente. — In der Provinz Sztschwang (China) ent-
strömen demselben Bohrloch Sole und Erdgas; letzteres
dient zur Heizung der Sudpfannen.«
„Das unter höherem Druck stehende Gas kann
auch im feinen trockenen Sande vorkommen; wird es
erbohrt, so wird der Sand mitgerissen; es bildet sich
ein Sandspringer, der jedoch gewöhnlich keine lange
Lebensdauer hat. — Der Gasdruck wurde im Findlay-
distrikt bei geschlossenem Rohre mit durchschnittlich
25˙5 Atmosphären, bei dem ersten Brunnen bis zu
30˙2 Atmosphären gemessen. — Im Alleghany-County
stieg der abgesperrte Druck auf 30°2 Atmosphären, bei
Parisch auf 23°1 Atmosphären und im Monroebrunnen
auf 103 Atmosphären (!!), ebenso im Gasbrunnen des
Green County (Pennsylvanien). Im Indiana Gasfelde
wurden zwischen 7°4 bis 59 Atmosphären gemessen.
In der 400 m tiefen Bohrung bei Wels (Oberösterreich)
wurde beim Erbohren eines Gaslagers die bis oben
stehende Wassersäule herausgeschleudert, ebenso aus
einer 199 m tiefen Bohrung bei Orów (Galizien), was
Drucken von mindestens 40, bezw. 20 Atmosphären ent-
spricht. — In Westvirginien zeigte der Morganbrunnen
anfangs 54°4 Atmosphären; der Thomas Cunningham
Nr. 1 wies selbst nach mehrmonatigem freien Gas-
ausfluß noch 81°6 Atmosphären (!!) Druck auf, ebenso
noch zwei andere Gasbrunnen.«
>Wenn der Druck eine gewisse Grenze über-
schreitet, so müssen die Gase, eine gewisse Maximal-
temperatur vorausgesetzt, flüssi 7 werden. Es wurde
deshalb wiederholt die Frage aufgeworfen, ob nicht
etwa die Erdgase in diese m Zustande in ihren Lager-
stätten angehäuft sind, im bejahenden Falle wäre es
auch erklärlich, daß ein einziges, verhältnismäßig
kleines, unterirdisches Gasreservoir durch viele Jahre
immense Gasmengen abzugeben vermag. — Es kann
bestimmt vorausgesetzt werden, daß das Athan (Ca He)
nochmehr das Propan (Cs Hs), welches bei —250 ja
schon bei gewöhnlichem Luftdruck flüssig wird,
im flüssigen Zustand vorhanden ist. Äthan ist bis zu
28:9 Prozent, Propan bis zu 2 Prozent im Erdgas ent-
halten. — Dagegen lehren aber die Untersuchungen
Olszewskis, daß das im Erdgas bis zu 60 und 80 Prozent
enthaltene Methan oder Sumpfgas (CH4) erst bei 54°9
Atmosphären und —81°'8° C. den kritischen Punkt er-
reicht und unter 49 Atmosphären bei —85'40C., flüssig
wird. Diese sehr tiefgelegenen Temperaturen sind in
den Gasgebieten selbstredend ausgeschlossen, somit
auch der flüssige Zustand des Methan. — Der Einwand
gegen die Möglichkeit eines so hohen Druckes in 500 m
Tiefe, daß die darüber gelegenen befindlichen Schichten
gehoben werden müßten, da ihr Gewicht zu klein wäre,
ist nicht stichhaltig, da es sich hier um ein Problem
der Festigkeitsiehre und nicht um die Hebung einer
isolierten Masse handelt. — Zweifelsohne wird uns
in Bälde einer unserer Physiker die sichere Lösung
dieses wissenschaftlich und technisch wichtigen
Problems bieten. Bisher liegt nur ein Versuch vor;
es hat nämlich Dabrovsky in einem Lindeschen
Apparat das Erdgas von Boryslav unter Anwendung
eines Druckes von 200 Atmosphären, der auf 20 Atmo-
sphären reduziert wurde, verflüssigt. Das verflüssigte
as fing bei 1060 C. zu sieden an.«
»Im Jahre 1890 gaben 399 Gasbrunnen in Indiana
täglich 22,068.353 m3 Erdgas, also durchschnittlich ein
Brunnen stündlich 2304 m3. Drei ergiebigste Schächte
Nordamerikas gaben anfangs 7600, 9300 und 11.300 m3
Erdgas pro Stunde. Das 302 m tiefe Gasbohrloch Nr. 2
bei Kisszärmäs (Siebenbürgen) gab 1909 bis 10:575 m3
und 1910 bis 10'655 m3 Erdgas in der Sekunde, also
3810 m3 in der Stunde. Es enthält 99°25 Prozent Methan
und 0°75 Prozent Sauer- und Stickstoff. Die Temperatur
des ausströmenden Gases ist + 40C., der Druck 30 Atmo-
sphären. Dieser hochergiebige Gasbrunnen war durch
einige Zeit geschlossen, als 1911 ein starker Gas-
ausbruch erfolgte, dem leichte Erdbeben vorangingen.
Die größte Eruption erfolgte 360 m östlich vom Gas-
brunnen aus fünf Kratern, welche einen 120 m langen,
20 m breiten und 15m hohen Wall von herausge-
schleuderten Gesteinsstücken anschütteten und einer
nach Norden gerichteten Spalte entsprachen. Die
eckigen Mergelstiicke des Triimmerfeldes waren bis
265
100 kg schwer etc.« — (Höfer: »Das Erdöl u. s. V.«
III/ 192 - 201 auszugsweise.)
Soviel sei vorläufig zur Bequemlichkeit des Lesers
zitiert, auf daß er sich zunächst selbst ein richtiges Ge-
fühl für die Höhe dieses Problems und ein .
Urteil über die chemisch- physikalische, geologisch-
dynamische, sowie qualitative und quantitative Seite
desselben bilden möge. Zu berichtigen hätten wir
hier aber, daß es irrig ist, aus der Höhe einer aus
dem Bohrloche herausgeschleuderten Wassersäule auf
den unteren Gasdruck zu schließen. Wenn wir die an
der sogenannten »Mammutpumpe« gemachten Er-
fahrungen heranziehen, so wissen wir, daß die Wasser-
säule zunächst sich mit aufsteigenden und sich unter-
wegs ausdehnenden Gasblasen reich durchsetzen muß
und somit immer leichter und leichter wird, bis endlich
jene Reduktion des hydrostatischen Druckes eintritt, bei
weicher letzterer vom unteren Gasdruck überwunden
wird. Damit erklärt sich zum Teil auch die Ölgeiser-
erscheinung. Es kann also eine 400 m hohe Wasser-
säule auch durch einen wesentlich geringeren Gas-
druck als 40 Atmosphären herausgeschleudert werden,
wenn das Rohr auf das Gaslager trifft. Außerdem ist
zu bedenken, daß das einem Bohrloche entweichende
Gas kaum erst durch einen dem Lindeverfahren ähn-
lichen Naturvorgang verflüssigt zu werden brauchte,
sondern wohl größtenteils von jeher im flüssigen Zu-
stand in den Tiefen angesammelt steht. Wir meinen
also: Es könnte sein, daß selbst das schwer zu ver-
flüssigende Methan dennoch eines nicht allzuhohen
Druckes und einer nicht allzutiefen Temperatur be-
darf, um in den Tiefen Jahrhunderttausende lang im
flüssigen — andere Gase vielleicht sogar im festen Zu-
stande verharren, wie ja ähnliches auch im Wieliczkaer
Knistersalz vermutet wird. Erst durch Störung solchen
flüssigen Zustandes, ähnlich dem Siedeverzugsvorgang
beim Wasser, tritt die Gasentbindung und höhere Gas-
druckentwicklung ein. Es ist also vielleicht nur mit
großer Vorsicht aus Verflüssigungs- und Vergasungs-
versuchen im Laboratorium auf die Ölzustände im
Erdinnern zu schließen.
Was wir nach obigen Tatsachenzitaten vom ge-
neigten Leser jetzt erwarten dürfen, ist ungefähr der
erstaunte Ausruf: Und zu einem solch massen-
haften Ölvorkommen, wie etwa das im Baku-Gebiete
oder im Lukasbrunnen von Texas, sollte ein von
Berteles geschildertes Kataströphchen die nötigen
Mengen frisch eingebetteter Meerestiere genügend
hermetisch und verwesungsfrei eingebettet haben!?
Oder gar Potoniés Faulschlammschichten ausge-
trockneter Teiche und Pfützen sollen etwa hinreichen,
um das nötige Urmaterial zu solchen Erdöl- und
Energieanhäufungen zu liefern!?
Ist es uns nun gelungen, dem geneigten Leser
eine ähnliche Verblüffung und Fragestellung zu sug-
gerieren, so lenken wir jetzt seine Aufmerksamkeit
wieder zurück auf unsere Fig. 6, 7, 8 und 9 des
Maiheftes, nebst dem dort und im juniheft hiezu Ge-
sagten, um den bereits oben angedeuteten Riesen-
fischzug in einer sackartigen Hinterbucht inszenieren
zu können. Wenn wir beispielsweise das geschilderte
karpathisch- kaukasische Erdölvorkommen im Lichte
eines solchen kataklys matischen Riesenfischzuges ins
Auge fassen, so ergibt sich für die verschiedenen
tertiären Flutbergvorschliche sofort das Mittelmeer-
becken mit der schön trichterförmigen Straße von
Gibraltar als bestgeeignete Einfangsbucht. Der Vor-
gang ließe sich etwa folgendermaßen ausmalen: In
den Zeiten der vorschleichenden Flutberge der
Fig. 6 bis 9 möge gelegentlich der Zenithflutberg das
atlantische und der Nadirflutberg das westpazifische
Weltmeerbecken durch seine Breitenoszillationen vom
Grunde aus aufwühlen und durch Beunruhigung und
Schlammschwängerung eine Zeitlang unbewohnbar
machen. Noch bevor dieser Zustand eintritt, sieht
sich die behendere Meeresfauna von den Plankton-
organismen und Quallen bis zu den Robben, Walen
und Haien des atlantischen Beckens nach Osten ge-
266
drängt. Die Mehrzahl der letzteren wird teils das
sibirische Eismeer erreichen, soweit es nicht ent-
wässert und ganz vereist sein solite, teils um Afrika
herum den Weg ins südindische Becken finden, so-
weit es nicht in den über beide Pole um die Erde
gelegten Revolutions - E b b e gürtel einbezogen er-
scheint. Ein Teil der flüchtigen Meeresfauna möge
die Ostsee und den anschließenden Bottnischen und
Finnischen Meeresbusen als Refugium wählen, falls
es zur kritischen Zeit dort überhaupt Wasser gibt.
Der größte Teil der so reich gegliederten Meeres-
bewohnerschaft wird sich aber in dem Trichter der
Gibraltarstraße verfangen und so in die Falle des
Mittelmeerbeckens geraten, wo es sich noch längere
Zeit unter stagnierenden, mäßigen Meeresoszillationen
trügerisch ruhiger leben läßt, ‚als im Atlantik, direkt
unterm oszillierend heranschleichenden Zenithflutberg.
Damit ist aber das Schicksal dieser Faunascharen
schon größtenteils besiegelt, und ein Entkommen
wohl nur mehr einem geringen Prozentsatz möglich,
wenn der oszillierende Zenithflutberg endlich im
schleichenden Tempo den afrikanischen Kontinent-
sockel besteigt und seine täglichen Breitenflutwellen
über das Mittelmeerbecken und die pyrenäischen,
apenninischen und alpinen Gebirgswälle hinweg
nach Nordeuropa ins vereiste Gelände wirft. Ein
Teil der abgesperrten Mittelmeer-Überbevölkerung
wird schon bei dieser Gelegenheit in die nord-
europäischen Oszillations- Ebbegebiete und deren
Mulden geschwemmt und im Sinne der (allerdings in
erster Linie für Steinkohlesedimentierung geltenden)
Fig. 11'12 zur Frosteinbettung gebracht. Der größte
Teil wird aber so lange nach Osten ausweichen und
sich im Adriatischen, Ägäischen und Schwarzen Meere
zusammendrängen, als es überhaupt geht. Schließlich
werden aber auch diese letzten Refugien von den
heftigeren »Tethys«-Oszillationen ergriffen und aus
ihnen täglich ganze Flottenladungen der
Meeresfauna in die nordöstlich davon liegenden
vereisten Festlandsbuchten uns geworfen,
geschöpft und in der von Fig. 11/12 her bekannten
frosterstarrenden Weise fäulnissicher eingebettet.
Dort, wo die Tageslieferungen täglich ganz nieder
gefrieren, erfolgt die Einbettung im Schichtenwechsel;
wo aber in tieferen Becken immer noch ein Teil der
Füllung unter Salzausscheidung flüssig bleibt, ent-
stehen schließlich buchstäbliche Massengräber
von im Wege der bereits beschriebenen und teilweise
auch hier anwendbaren Horizontalsortierung nach
Arten und Größenklassen wohlsortierten Opfern des
Kataklysmus. Es ist das »GroBe Sterben«, das schon
manchem bedächtigen Paläontologen noch rätsel-
hafter erschienen ist, als die Lebensentwicklung selbst.
Der oszillierend näher rückende, kulminierende und
abschleichende Zenithflutberg baut dann (im Sinne
einer Formation der Fig. 12) den gut belastenden
Grabhügel darüber, manchmal mit Kohlenflötzen,
meist aber auch ohne solche, und es kommt dann
nur zu einem Sand- und Tonsandstein-Schichtkomplex
als Grabhügel, eventuell auch mit Salzflötzen, Anhy-
drit- und Gipsbänken untermischt, wie später noch
verständlicher gemacht werden soll.
Wenn wir hier eine Karte der »alten Welt« zur
Hand nehmen, so sehen wir, daß die heutigen europäi-
schen, besonders aber diekarpathischen und kaukasisch-
kaspischen Erdöllager samt den Erdpech-, Erdwachs-
und Asphaltlagern (auch dem des Toten Meeres) sich
AE a ganz befriedigend dem geschilderten
organge eines solchen kataklysmatischen Riesen-
fischzuges eingliedern lassen, bei welchen das Mittel-
meerbecken als Einfangsbucht dient. Im nachstatio-
nären Falle (Stationärzeit selbst entspricht Fig. 5, 6
und 7 des Maiheftes) eines rückschleichenden Flut-
berges (vergleiche Fig. 8.9) wird wieder das Arabische
Meer mit dem Roten Meere und Persischen Golf als
Hinterbuchten eine ausgiebige Einfangsgelegenheit
bieten, von welcher wir auch den altbekannten Öl-
und Asphaltreichtum Mesopotamiens herleiten, einen
Teil der Beute aber auch an das kaukasisch-kaspische
Ollager abgeben könnten.
as aber für die (von Ost nach West) rück-
schleichenden und bloß in geographischer Breiten-
richtung heftig oszillierenden Flutberge auf der Nor d-
hemisphäre am ersten Blick als bestgeeignete Einfangs-
bucht größten Stils sich aufdrängt, das ist wohl der
heutige Golf von Mexiko, mit den Halbinseln
Yukatan und Florida als Fangwehren und dem
vorgelagerten Cuba als Rückwehre. Wenngleich in
kataklysmatischer Zeit gelegentlich eines dortigen
Flutbergdurchschliches zufolge des täglichen Hebens
und Senkens des Meeresniveaus der heutige Verlauf
der Uferlinien nicht in Betracht kommt, so bleibt
doch die Tatsache eines riesigen Einfangbeckens be-
stehen, aus welchem heraus nicht nur die rück-
schleichenden, sondern auch die pseudostationären
Flutberge die ganze Mississippiniederung weit nach
Norden und auch nach Osten und Westen hin mit
Ölurmaterialien beschichten müssen. Als zweitbeste
Einfangsbucht Nordamerikas, aber nur für vor-
schleichende und schreitende bis eilende Flutberge
in Betracht kommend, drängt sich uns der Golfvon
Kalifornien auf. — Es würde natürlich zu weit
führen, wollten wir die ganze Erdkarte nach gün-
stigen Einfangsbuchten für Bitumenurmaterialien ab-
suchen. Der Hauptsache nach genügt es wohl zu
sehen, daß sich von den vier augenfälligsten Einfangs-
buchten (Mittelmeer, Arabisches Meer, Mexikogolf
und Kaliforniengolf) auch die vier ergiebigsten Ol-
felder und reichsten Asphaltlager der Erde ganz unge-
zwungen herleiten lassen, wie wir gleich zeigen wollen.
m dies bequem einsehen zu können, ist es un-
bedingt nötig, daß der geneigte Leser sowohl die
Lehren unserer Fig. 7, 8 und 9, als auch die der
Fig. 11/12 vollkommen innehabe und überzeugungs-
treu annehme. Eine Rememorierung unserer Mai-,
Juli- und September-Aufsätze, soweit dieselben die
vorgenannten fünf Figuren betreffen, wird also für
jene geneigten Leser sehr am Platze sein, die hier
zu einer festen Meinung gelangen wollen. Das Wesen
des Rück- und Vorschleichens, sowie der täglichen
weitausgreifenden meridionalen Breitenoszillationen
der beiden kataklysmatischen Zenith- und Nadir-
flutberge dürfte ja an Hand von Fig. 8/9 nebst Begleit-
text im Prinzipe wohl schon seinerzeit hinreichend
klar geworden sein, so daß es hier nur mehr der
Auffrischung der gewonnenen Grundvorstellungen be-
darf. Für unser Problem kommen hier vornehmlich
nur die stationärnahen Zeiten des Kataklysmus,
also die zwischen den Stadien B und D der Fig. 8/9
liegenden Zeitläufte in Betracht, die ja auch immer-
hin so manches Jahrzehntausend umfassen mögen.
Denn bei allzuschnellen Fiutrücklauf (Stadium
A und A’ in Fig. 89) oder allzuschnellen Vorlauf
(Stadium E! E in Fig. 89) fließen die beiden Flut-
berge noch immer, bezw. schon wieder inein-
ander und können demzufolge auch keine weitaus-
greifenden Breitenoszillationen ausführen. Abgesehen
davon, ist ja in diesen beiden Stadienreihen auch die
tägliche Längsverschiebung der Flutberge per Breiten-
oszillation zu groß, als daß da eine Bucht eine größere
Anzahl von Tageslieferungen hintereinander auf eine
und dieselbe Area schaffte.
Also nur vollkommen isoliert ausgebildete
schleichende Flutberge (Stadien B, B', C, D', D
in Fig. 8/9) vermögen ihre Flutwellen jahrelang, ja
Jahrzehnte und Jahrhunderte lang (je nach zeitlicher
Nähe zum stationären Stadium Cy taglich beispiels-
weise aus dem östlichen Mittelmeere tiber ganz Ost-
europa — oder aus dem Arabischen Meere über
Arabien, Persien, Turkestan, Afghanistan u. s. w. —
oder aus dem Mexikogolf weit und breit über die
ganze Mississippiniederung hinaus, aus dem Golf von
Kalifornien bis in die Rocky Mountains, oder aus dem
Bengalischen Meerbusen selbst über den Himalaja
hinweg zu werfen. Und auch nur in dieser manches
Jahrzehntausend umfassenden Kulminationszeit
des Kataklysmus (Stadien B bis D in Fig. 8/9)
kulminiert auch die ihm vergeschwisterte Eiszeit,
um in den täglichen Oszillationsebbertickstanden die
Meeresfaunamassen (und weiter draußen auch die
täglich abgelagerten vegetabilischen Schwimmstoff-
massen unserer Fig. 11/12) sofort schmerzlos (bezw.
fäulnissicher) eingefroren und eingebettet wissen zu
dürfen. Hieraus geht auch hervor, daß in den Tropen
gelegene Buchten sich nicht besonders für Bitumen-
zweckdienliche Meeresfaunaeinbettungen eignen,
anders müßten wir beispielsweise im Hinterlande des
Golfes von Guinea viel ausgiebigere Ölfelder finden,
als dies bisher tatsächlich zutrifft. Bitumen-zweck-
dienliche Einfangsbuchten müssen also vor allem eine
gewisse höhere geographische Breite haben. Aber auch
die in zu hohen + Breiten liegenden Buchten eignen
sich auch dann nicht zum zweckdienlichen Einfang,
wenn sie ihre Weltmeermündung den (geographischen)
Breitenoszillationsfluten der stationären, sowie rück-
und vorschleichenden — oder den (geogra-
phischen) Längsrevolutionsfluten der rück- und vor-
schreitenden Flutberge auch noch so schön
trichterförmig entgegenhalten, weil sie im ersteren
Falle von den Breitenoszillationswellennichtmehr —
und im zweiten Falle von den Revolutionswellen
überhaupt niemals wirksam erreicht werden
können. Denn es bildet ja eine prinzipielle Kenn-
zeichnung aller kataklysmatischen Stadien der Fig. 8
bis 10, daß in ihnen die höchsten Breiten mehr und
mehr entwässert werden, um die Tropen unter das
»Große Wasser« der Inkaväter und die mittleren
Breiten unter das Eis des »Großen Winters« zu
bringen. (Vergleiche Seite 105 u. f. im Aprilhefte.)
So wäre z. B. der Ohotskische Meerbusen eine
günstige Einfangsbucht für (von Ost nach West) rück-
schleichende Flutberge, wenn er um etwa 20 Breiten-
grade südlicher läge. Abgesehen von einem Pechsee
und spärlichen Erdölfunden auf Sachalin scheinen im
weiteren nördlichen Hinterlande dieses Meerbusens
bisher noch keine auffälligen Erdölspuren gefunden
worden zu sein. Dagegen dürfte die für (von West
nach Ost) vorschleichende und schreitende Flut-
berge günstig liegende Alaskabucht trotz ihrer hohen
geographischen Breite dadurch einigen Einfang er-
möglicht haben, daß die kanadischen Küstengebirge
eine Art von hinauflenkendem Wehrsporn dieser
Bucht abgeben; denn aus Alaska (speziell Cook inlet)
werden Ifunde gemeldet. Ihrer geographischen
Breitenlage nach müßten im Norden und Nordwesten
des Gelben Meeres und des Golfes von Tonking
eigentlich mehr Ole zu finden sein als hierüber bis-
her verlautet. Doch sind alle diese Buchten auch viel
zu klein, um in den Olfunden Ostasiens und Alaskas
besonders angedeutet zu erscheinen. Auch ist deren
Form und Hauptrichtung dem sicheren Einfange nicht
in dem Maße günstig, wie wir dies beim Arabischen
Meer, Mtttelmeer, Golf von Mexiko und zum Teil auch
im Kalifornischen Golf so zweckdienlich verwirklicht
sehen. Denn eine zweckmäßige Einfangsbucht soll
sich nicht so sehr den Breiten oszillationswellen der
Flutberge entgegen öffnen, als vielmehr der geogra-
phischen Längsbewegung der oszillierend heran-
schleichenden oder auch schreitenden und eilenden
Flutberge. Und das trifft eben im Arabischen
Meer und im Golf von Mexiko für die vor-
stationären also (von Ost nach West) rück-
schleichenden Flutberge (Stadien B, B' in Fig. 8-9)
vortrefflich zu. Ganz ausgezeichnet stimmt dies aber
im Mittelmeer für die nachstationären, also (von
West nach Ost) vorschleichenden Flutberge (Stadium
D D in Fig. 8/9). Es stimmt daher auch vollkommen,
daß sich die ergiebigsten Ölfelder Europas nördlich
vom äußerst östlichen Ende des Mittelmeerbeckens
und deren Hinterbuchten vorfinden. Und hinsichtlich
dieser Bedingung bilden die auf rück schleichende
Flutberge zugerichteten beiden anderen hauptsäch-
lichsten Einfangsbuchten auch ganz richtig zutreffende
Spiegelbilder des Mittelmeer-Ölvorkommens: Die
267
ergiebigsten Ölfelder finden sich nördlich vom
westlichsten Ende des Arabischen Meeres und des
Golfes von Mexiko. Es sei gestattet, hierauf etwas
näher einzugehen, um die Sache auch unseren geehrten
Skeptikern gegenüber glaubwürdig zu gestalten.
Wir wollen des leichteren Verstandnisses halber
nach Höfer (»Das Erdöl«, Seite 580) fünf Haupt-
gebiete des nordamerikanischen Gas- und Olvor-
kommens unterscheiden: l. Die Appalachische
Area (New-York, Pennsylvanien, Ostohio, West-
virginien, Kentuky und Tennessee), als die größte und
älteste seit 1859 ausgebeutete Ölarea; 2. die Illinois-
Area (Nordwestohio, Indiana, Illinois und Missouri);
3. die Mittlere Kontinental-Area (Kansas,
Indianerterritorium, Oklahoma, Texas und Louisiana);
. de Rocky Mountain-Area (Süddakota,
Wyoming, Utah und Colorado) und 5. die Kali-
fornische Area mit den verschiedenen Ol- und
Gasfeldern Kaliforniens. — Diese fünf Ölgebiete
Nordamerikas wolle sich der wärmer interessierte
Leser auf einer Karte übersichtlich umgrenzen und
hervorheben, um uns in der Folge leichter zustimmen
zu können. Dabei dürfen die beiden erstgenannten
Gebiete in eines zusammengefaßt werden, so daß
wir also zu beiden Seiten des oberen und unteren
Mississippi eine nordöstliche (1. und 2.) und eine süd-
westliche (3.) Olarea unterscheiden.
Nun nehmen wir einmal an, die fast stationären
Nadir- und Zenithflutberge wären in ihren letzten
und vorletzten Rück- oder ersten und zweiten Vor-
umschlichen eben im Begriffe, den Meridian von 90°
Länge zu überschleichen, was ja auch Jahrhunderte
und Jahrzehnte lang dauern kann. Zentralamerika
steht da natürlich jedesmal ganz unter Wasser und
jedesmal wird täglich eine alle unsere heutigen Be-
griffe übersteigende Riesenflutwelle im Mittel über
die heutige Guatemalagegend in das Becken des
heutigen Mexikogolfes und weit darüber hinaus nach
Norden geworfen. Die trägen Wassermassen bringen
natürlich ihre äquatoriale Rotations - Peripherie-
geschwindigkeits-Komponente mit und werden daher,
nach Norden ausschwingend, auch passatartig
nach Osten ausweichen! Und nachdem dabei
das ebenfalls nach Nordosten streichende Appalachen-
gebirge eine Art Leit- und Riickwehr bildet, so kommt
es, daB wir das ganze Appalachische Olgebiet
einschließlich der Illinois-Area (2.), also das ganze
nordöstliche Gebiet in seinen hiezu geeigneten
Niederungen von unserer mexikanischen Einfangs-
bucht aus mit Meeresfaunamassen uns beschichtet
denken dürfen. Dies gilt also nur für ganz langsam
schleichende Flutberge (gleichgültig ob vor- oder
rückschleichende), weil nur diese so gut isoliert
und hoch ausgebildet sind, daß sie ihre Breiten-
oszillationswellen weit genug nach Norden und Süden
ausschwingen — und die Wasserpassatwirkung
in Erscheinung treten lassen können.
Schneller rück- und vorschreitende und eilende,
also viel niedrigere Flutberge werden ihre Oszillations-
wellen nicht in so hohe + Breiten hinaufschwingen
lassen, und zwar in unserem speziellen Falle die vor-
schreitenden noch weniger als die (von Ost nach
West) rückschreitenden, weil für sie der Mexikogolf
nicht mehr als zusammenfangender Trichter, nicht
mehr so zweckdienlich als Einfangsbucht wirkt. Die
nördlichen Oszillationsfluten eines den Golf nach
vorwärts (von West nach Ost) durchschreitenden
Flutberges werden daher über das heutige Florida
hinweg südlich der Appalachen-Wehre hinaus-
schwingen und ihren Meeresfaunagehalt jedesmal
wieder zurück in den Atlantik schwemmen. Anders
ist dies jedoch bei den schneller (von Ost nach
West) rückschreitenden und eilenden Flutbergen der
vom Stadium C der Fig. 8/9 entfernteren vorstatio-
nären Zeiten (etwa Stadium B und B/); denn für diese
erscheint die Form und Lage des Mexikogolfes ge-
radezu wie auf reichen Fischfang vorausberechnet;
da müssen bei jeder Flutbergkulmination viele beute-
268
reichen Breitenoszillationen täglich . ganze Flotten-
ladungen von Meerestieren in die Mississippiniederung
werfen und ihnen zugleich auch eine wirksame, nach
Westen gerichtete Bewegungskomponente mitgeben.
Es stimmt also vollkommen, wenn die westlich
der Mississippiniederung gelegene »Mittlere Kon-
tinental-Area« bedeutend südlicher liegende
Gebiete umfaßt, als dienordöstliche Appalachische
und Illinois-Area. Lage die. Sache umgekehrt, wäre
eine glacialkosmogonische Erklärung dafür nicht zu
finden, während sıe sich uns so von selbst aufdrängt!
Es stimmt aber auch, wenn nach neueren Produktions-
ausweisen (1890 bis 1910 bei Höfer) sich gerade
das westlich des Mississippi liegende, also auch
südlichere Ölgebiet, insbesondere Oklahoma, als das
ölreichste zu erweisen scheint. Denn in den Jahren
1907 bis 1910 erreicht die Produktion von Oklahoma
bereits das vier- bis sechsfache der pennsylvanischen;
allerdings geht die letztere seit den ersten Achtziger-
jahren bis 1910 von 30,000.000 Barrels zuriick auf
etwa 9,000.000 Barrels pro Jahr; aber wahrscheinlich
nicht so sehr wegen beginnender Erschöpfung des
nordwestlichen Lagers, als vielmehr wegen der Kon-
kurrenz der seither zahlreich neu entdeckten Olfelder
in der Mittleren Kontinental-Area. So lieferte Oklahoma
1900 erst nur 6470 Barrels pro Jahr, 1910 aber schon
52,028.718 Barrels. Pennsylvanien und New-York
lieferten dagegen 1859/2000, 1882/30,053.500 und 1910
wieder nur 9,848.500 Barrels. Für Pennsylvanien mit
New-York und Virginien könnten schließlich auch
rückschleichende Flutberge in Betracht kommen, die
ihre Faunamassen direkt von Osten aus dem Atlantik
hereingeschwemmt haben mußten; doch auch das
nur aushilfsweise. Hauptlieferant für den größten
Teil des nordöstlichen Gebietes bleibt der Mexikogolf.
Daß die Kalifornische Area nur durch vor-
schleichende, schreitende und eilende Flutberge von
Westen her versorgt worden sein kann, ist selbst-
verständlich. Für die Rocky Mountain-Area können
schließlich auch nur vorschleichende und pseudo-
stationäre Flutberge in Frage kommen, doch unter
Zuhilfenahme der Einfangswirkung des Kalifornischen
Golfes und der oben beschriebenen Wasser passat-
wirkung der trägen Flutmassen.
Wenn wir jetzt zu dem über die Einfangswirkung
des Arabischen Meeres und des Mittelmeeres bereits
weiter oben Gesagten die in Nordamerika soeben an-
gestellten Studien verwerten, diirfte es wohl kaum
nötig sein, beim geneigten Leser über die Herkunft
der karpathischen, kaukasisch-transkaspischen, meso-
potamischen, persischen u. s. w. Olgebiete noch
weitere Überredungsmühe aufzuwenden. Und wenn
wir aber das alles wieder auf die Süd hemisphäre
anwenden, so versagt die Geographie ganz. Abge-
sehen davon, daß eigentlich nur Afrika und Süd-
amerika verhältnismäßig schmale Landzungen in
mittlere und mäßig höhere Südbreiten hinauf recken,
fehlen dort durchwegs größere Buchten mit, den
südlichen Oszillationsfluten entgegengehaltenen Welt-
meermündungen. Es fehlen daher auch auf der ganzen
Südhemisphäre so ausgiebige Ölfunde, die mit den
nordamerikanischen, asiatischen und europäischen Öl-
feldern irgend einen Vergleich aushalten könnten. Der
spärliche Ölgebietsstreifen, der sich nach Höfer am
OstfuBe der Anden von Bolivia bis ins Feuerland
hinauf erstreckt, ist auch ohne Einfangsbuchten leicht
zu erklären. Rückschleichende und schreitende Flut-
berge haben den ganzen flachen Teil Südamerikas
beschwemnit und ihre Faunamassen notwendig längs
des langgestreckten Andenfußes abgelagert. Solche
im Verhältnis zur Nordhemisphäre kaum der Rede
werten Öllagerchen können natürlich auf der ganzen,
Erde vorkommen. Konzentrierte Meeresfauna-
massen konnten aber nur die beschriebenen vier
Haupteinfangsbuchten der Nordhemisphäre liefern.
Buchten, die polwärts kein Hinterland haben, wie
etwa die Hudsonbai oder das Carabische Meer,
können natürlich als Einfangsbuchten nicht in Be-
tracht kommen; die erstere übrigens auch wegen ihrer
polaren und nur polwärts offenen, das letztere wegen
seiner tropischen Lage nicht. Im übrigen glauben wir
aber, daß geschäftssinnige Ölschürfer, die auf neue
Ölfelder aus sind, aus unseren bisherigen Winken ganz
im Sinne unseres diesmaligen Mottos reichen Gewinn
ziehen und uns zur Deckung von Drucklegungskosten
einige »Prozente Provision gutschreiben« könnten.
ach dieser flüchtigen geographischen und speziell-
geologischen Bitumen-Umschau wollen wir uns jetzt
wieder mehr der physikalisch-chemischen und allge-
mein-geologischen Seite unseres bitumengenetischen
Problems zuwenden. In seinen zwei neuesten Erdöl-
büchern*) bringt Höfer bezüglich der »Allgemeinen
Geologie« des Erdöls und seiner Verwandten zunächst
seine eigenen 20 Thesen und schließt daran weitere
sieben Thesen Englers bezüglich des Chemismus der-
seiben Stoffe, unter Vorbehalt etwa später notwendig
werdender Modifikationen natürlich. Bei Abfassung
des betreffenden Spezialkapitels unseres glacial-
kosmogonischen Hauptwerkes**) (1910) waren uns
diese 27 Thesen im Original völlig unbekannt. Zwar
lag uns die erste (1888er) Auflage von Höfers
»Erdöl« leihweise vor, doch schien uns dieselbe durch
Potoniés Steinkohlen- und Bitumen-Entstehung um so
mehr überholt, als sich Potonié in seinem Buche ***)
durchaus als endgültigen Bringer der Wahrheit gibt
und sich dabei nicht nur auf Höfer, sondern auch auf
Experimente stützt, die Engler mit Faulschlamm
und Seeschlick angestellt hat, also mit dem lang-
jährigen Bodensatze seichter, stehender Gewässer,
darinnen ja die Leichenreste von kleinen Wassertieren
(dem sogenannten Plankton) und Wasserpflanzen
(Algen u. dgl) perzentuell eine große Rolle
spielen. Daß aber die in der Natur vorkommende
Menge solchen Seeschlicks absolut genommen
irgendwelche Rolle bei der Entstehung der
heutigen oben auszugsweise geschilderten Lager von
Erdöl, Erdgas, Erdpech und Asphalt gespielt
haben sollten, ist ganz ausgeschlossen. Es ist auch
nicht anzunehmen, daß Potonié irgend einen ernst-
haften Geologen ganz überzeugt hätte, obwohl Engler
nicht umhin kann, Potonies »Sapropel oder Faul-
schlamm« als ausschließliche bergangs-
stufe aus den »Tierischen und pflanzlichen Rest-
stoffen« zu den »Bitumen verschiedener Phasen«
aufzugreifen 1). Unsere damaligen Informationen über
den augenblicklichen Stand der »Neuesten Ansichten«
über dıe Entstehung der Steinkohle und der Bitumen
glaubten wir (abgesehen von einigen älteren geologi-
schen Zusammenfassungen) nur bei Potonie holen
zu sollen und sind daher erst so zur Überzeugung
nen daß hier hinsichtlich der »Allgemeinen
eologie der Bitumen« ein noch vollständig
ungelöstes Problem vorliegt! Gegenüber den
Potonieschen Faulschlammhypothesen stellten daher
auch wir 1910 die folgenden acht Thesen auf, an denen
wir auch heute nicht viel zu modifizieren haben:
1.Große Mengen von organogenen
Fettstoffen müssen durch einen natürlichen Vorgang,
eventuell in einem Becken lokal aufgehäuft werden,
wobei es nichts verschlägt, wenn diese Anhäufung
in Schichtenform erfolgt, ähnlich den Kohlenflötzen.
2. Bis zur endgültigen Einbettung müssen diese
Urstoffe vor Verwesung, Fäulnis und Zersetzung an
der Luft bewahrt bleiben, am besten also wohl
durch Frosterstarrung jeder einzelnen Schicht.
3. Die Einbettung muß hermetisch sein, um
auch weiterhin einen dauernden Verwesungsschutz
zu bilden, am besten wohl wieder durch Frosterstar-
rung des ganzen Schichtkomplexes.
*) Höfer: -Das Erdöl und seine Verwandten- (1912) und
rdöl« (1909) als II. Bd. des großen Werkes.
osmogonie, eine neue Welt-
»Das
*) Fauth: »Horbigers Glacial
bildungslehre etc.e (1913).
) Potonié: -Die Entstehung der Steinkohle und der
Kaustobiolithe überhaupt etc.- (1910).
„ -Die neueren Ansichten über die Entstehung-
und -Die Bildung der Hauptbestandteile des Erdols« (1907).
4. Dieser von Fettstoff schwangere Schichtkomplex
wird unter hohen Druck zu bringen sein, um u. a.
auch eine Erhöhung des Siedepunktes der
flüchtigen Teile zu erzielen, wie etwa in einem ge-
schlossenen Kocher.
5. Mit zunehmendem Druck ist für eine ent-
sprechend hohe Temperatur zu sorgen, um die
Fettstoffe einer Hochdruckdestillation unter-
ziehen zu können; am einfachsten benützen wir die
sich von selbst ergebenden Belastungs-Kompres-
sionswärme nebst der inneren Erdwärme.
6. Die unmittelbare Umhüllung des Rohproduktes
muß nach Auftauung des Schichtgemenges dennoch
soweit porös sein, daß sie den Destillations-
produkten das Entweichen in das Base beine n gestatten.
7. In diesem Nebengestein ist für die entsprechende
Kondensations- und Ansammlungsgelegenheit
zu sorgen, etwa durch die erhöhte Porösität, durch
obes Korn oder durch Klüfte von durwegs niedriger
emperatur.
8. Nach oben sind diese Öldurchtränkungsschichten
durch undurchlässige und gut belastete
Tonschichten hermetisch abzuschließen, um die
Destillationskondensate für beliebig lange Zeiten zu
konservieren und die sich entwickelnden Gase am
Entweichen nach oben zu hindern.
Diese acht geologischen Grundbedingungen mögen
zunächst unsere völlige chemische Harmlosigkeit ver-
raten. Aber dennoch glauben wir, daß sie den von
Engler im Laboratorium künstlich nachgeahmten, in
der Erde hintereinander zu schaltenden chemischen
bergangsprozessen besser entsprechen, als was
Potonié hiefür in geologischer Hinsicht geboten hat
und von Engler auch vorübergehend als geologische
Grundlage angenommen wurde. Für die chemischen
Ausfertigungsprozesse samt den vorausgehenden Bi-
tumierungsphasen bietet uns Engler in den »Neueren
Ansichten« das folgende Schema »als eine übersicht-
liche Darstellung eines auf Experimente gestützten
möglichen genetischen Zusammenhanges des Ur-
materials — tierische und pflanzliche Reste — mit
den Haupttypen (Methanöle, Naphtenöle, Schmieröle)
des Erdöls:
Tierische und pflanzliche Reststoffe
pe verfaulen und verwesen, verlieren dabei Eiweiß-,
ellstoffe u.s. w., hinterlassen die Dauerstoffe: Fett-,
Wachsreste u. s. w.)
Sapropel oder Faulschlamm.
Bitumen verschiedener Phasen.
L IIa. | IIb. III. IV.
Ana- Poly- Kata- Ecgono- Oxy-
bitumen bitumen | bitumen bitumen bitumen
ta GaaS ee) ree Paraffine
un ase n Ay n Flzp + 3
(Cn Hm + 3) | i
| fits Olefine a ere
Yv Paraffine
Polyolefine
(Cn 8 x
|
flüss. Paraffine Naphtene Schmieröle
und Gase) (Cn Hen) (Cn Hen — x)
(Cn Hen + 3) |
fl. Paraffine Naphtene Schmieröle
(und Gase) (H — ärmer)
Dieses Schema betrachten wir nur unterhalb
der Bitumen verschiedener Phasen« mit
der begreiflichen Scheu des Nichtberufschemikers,
während wir oberhalb dieser Zeile uns wohl erlauben
dürfen, Modifikationen in Vorschlag zu bringen, und
zwar um so beherzter, als uns Engler ja auch selbst
nur einen möglichen genetischen Zusammenhang
269
des Urmaterials mit den von ihm experimental nach-
geahmten Haupttypen des Erdöls bieten will und sich
in seiner geologischen Unsicherheit auch das Recht
späterer Modifikationen seines Schemas vorbehalten hat.
Wir schlagen also zunächst vor, die Zwischenstufe:
»Sapropel oder Faulschlamm« einfach ganz
wegzulassen. Aus einem Zusammenhalten von Potoniés
»Faulschlamm«-Hypothesen mit Englers experimen-
tellen Arbeiten ersieht man sofort, daß hier nur eine
Gefälligkeit, ein kollegiales Entgegenkommen des
Erdölchemikers dem sonst so verdienstvollen Phyto-
paläontologen gegenüber vorliegt.
Des weiteren möchten wir vorschlagen, im Haupt-
titel des Schemas die tierischen Reststoffe mit
erdrückendstem Übergewicht zu betonen und die
pflanzlichen Reststoffe nur ausnahms- und zufalls-
weise hin und wieder in geringen Mengen zuzulassen,
wenigstens soweit Urstoffe des Erdöls in Betracht
kommen. Hiefür möchten wir nicht so sehr chemische,
als vielmehr mechanische Gründe vorbringen.
Wenn der geneigte Leser jetzt nochmals überlesen
wollte, was wir auf Seite 190—192 des Juliheftes über
»Horizontalsortierung und Vertikal-
sortierung« vorgebracht haben, könnten wir uns
hier kurz fassen: Wir können nicht zugeben, daß
phytogene (pflanzliche) Schwimmstoffe und zoogene
(tierische) Sinkstoffe irgendwo untermengt abge-
lagert werden, ansonsten müßte es auch Steinkohlen-
flötze mit eingeschlossenen Muscheln geben. Und
ebenso selten als wir in der Steinkohle eine verkohlte
Muschelschale finden (wohl fast niemals?), ebenso
unwahrscheinlich sind mit den Urmaterialien des Erdöls
irgendwo phytogene Urstoffe zusammen eingebettet
worden. Und wenn es auch ausnahmsweise irgendwo
ein Erdöl geben sollte, das aus phytogenen Reststoffen
herstammt, so waren es sicher nur Pflanzenstoffe
ohne Untermischung tierischer Reste. Wir verwenden
die im Kataklysmus durch die oszillierend um-
schleichenden beiden Flutberge entwurzelten und auf-
gehobenen Urwald- u. dgl. Pflanzenreste, und dazu
ehören auch die Tange und Fettalgen des Meeres,
in erster Linie zur Steinkohle n flötzbildung. Und
wenn es höchst ausnahmsweise auch vorkommt, daß
aus angefahrenen Kohlenflötzen Erdöl träufelt, wie
Höfer (Erdöl u. s. V., 242) berichtet, so werden wir
abermals ausnahmsweise eher zugeben, daß dieses
spärliche Steinkohlenöl den pflanzlichen
Fettstoffen (eventuell Fettalgen) des verwendeten, durch-
wegs phytogenen Steinkohlenurmaterials entstammt
und nicht etwa miteingeschlossenen Mollusken oder
Fischen etc. Und wenn beispielsweise Unmassen von
Fischleichen wirklich irgendwo genau denselben
Gesetzen der Horizontalsortierung unterworfen wurden,
wie die vegetabilischen Schwimmstoffe, und zusammen
in einem und demselben Oszillations-Ebbegebiet zur
Ablagerung kamen, so sorgt wieder die bei Fig. 11
Be Vertikalsortierung dafür, daß diese
ischleichen nicht in die obere Schwimmstoffschichte,
sondern in die untere Sinkstoffschichte gelangen, da
ja in dem zermürbenden Verschwemmungsvorgang ein
aldiges Platzen oder Entlüften der Schwimmblasen
eintreten muß. Es werden daher auch Fischversteine-
rungen mie im Kohlenflötz selbst, sondern höchst
ausnahmsweise nur im feinkörnigen »Liegenden« und
»Hangenden« vorkommen. Daß nun solche, Fischreste
führende Schiefertone etwas bituminös sein müssen,
ist ja selbstverstandlich. Aber es wäre im Falle öl-
haltiger Nachbarkohle wieder irrig, mit Höfer zu
schließen, daß solches zoogenes Ol aus dem Schieferton
in das anliegende Kohlenflötz gelangt sein könnte;
denn die Kohle wird im Wege der auf Seite 241/42 des
Septemberheftes beschriebenen Druckverkohlung
zu einer ganz undurchlässigen pechartig-homogenen
Masse, die ein Eindringen des Ols von außen nicht
gestattet. Allerdings ist es chemisch schwer vorstell-
bar, daß im Kohlenflötz enthaltenes phytogenes Öl
den VerkohlungsprozeB überdauert haben und nicht
durch Destillation entwichen sein sollte. Abgesehen
270
von der dichten Pechstruktur behelfen wir uns da
aber mit Engler und anderen älteren Steinkohlen-
chemikern noch damit, daß in diesem Prozesse die
im Laboratorium als notwendig erprobten hohen
Temperaturen durch die Länge der geologischen
Verkohlungs z e it dauer gewissermaßen ersetzt werden
können.
Es ist ja möglich, daß wir den einen oder anderen
dieser unserer Detailvorschläge später zurückziehen
oder modifizieren müssen, aber im allgemeinen möchten
wir doch bitten, bei weiteren Bitumenexperimenten
hinsichtlich der natürlichen Erdölentstehung im
großen vom »Sapropel« oder Faulschlamm einmal
versuchsweise ganz absehen zu wollen. Man wird
sehen: Es geht sicher bequemer ohne denselben. Um
dem Bitumenchemiker diesen Verzicht zu erleichtern,
wollen wir uns jetzt Potonies neues Nomenklatur-
schema näher ansehen:
Biolithe
(von Organismen und deren Teilen gebildete Gesteine)
Akaustobiolithe Kaustobiolithe
(unbrennbare Biolithe) (brennbare Biolithe)
Liptobiolithe
(unverwesbare
Sapropelite Humusgesteine
(faulschwammhalt., (überwiegend pflanzen-
etroleumbildende | resthaltige Gesteine Pflanzenriickstande
esteine, z. B. Ol- z. B.. Steinkohle) z. B. Bernstein,
schiefer) Wachsharz etc.)
Um den Manen des verdienstvollen Phytopaläonto-
logen auch hier gerecht zu werden, schlagen wir vor,
die drei ersten Begriffe (Biolithe, Akaustobiolithe,
Kaustobiolithe) als prägnante Bezeichnungen organo-
gener »Gesteine« zwar beizubehalten, jedoch deren
durchaus quietistisch (katastrophenlos und auto-
chthon) gedachten Inhalt inderüberwiegenden Mehrzahl
der Fälle in einen kataklysmatischen zu ver-
wandein. Von den drei Unterabteilungen der Kausto-
biolithe aber sind besonders die Begriffe der »>Sapro-
pelite« und der »Humusgesteine« ihrem Wort-
sinne nach schon zu irreführend, um ihnen glacialkos-
mogonischen Inhalt geben zu können, und auch
der quietistische Sinn der >Liptobiolithe«
(liptos=zurückgelassen) würde eine arge Einschrän-
kung erfahren müssen, wenn wir den Begriff bei-
behalten sollen. Möglicherweise ist es nämlich gar
nur der Bernstein, den man einen Liptobio-
lithen im Potoniéschen Sinne nennen darf. Es besteht
aber für uns auch da kein Zweifel, daß auch der Bernstein
eine teilweise kataklysmatische Vorgeschichte hat. Und
nach unserem eingangs betonten diesmaligen Arbeits-
programm will ja auch unsere ganze Bitumen-
betrachtung keinen anderen Endzweck verfolgen, als
auch den Bitumenforschern die Notwendigkeit der
geologischen Kataklysmen in der Erdgeschichte nahe-
zulegen, wie wir es den Steinkohlenforschern gegen-
über ja bereits so getan haben und den Salzforschern
gegenüber noch tun wollen. Den Begritf »Wachsharz«
ventilieren Engler und Höfer überhaupt nicht. Das
Erdwachs aber ist ja gleich dem Asphalt als ein
Rückstandsprodukt einer langwierig-kühlen, natürlichen
Erdöldestillation anzusehen, weshalb ja auch aus-
drücklich von elner »Verharzung des Erdöls« gesprochen
wird. Also durchaus nicht alles, was in der heutigen
bitumenchemischen Nomenklatur unter Wachs und
Harz gefaßt erscheint, darf als Liptobiolith
pflanzlichen Ursprungs und quietistischer Herkunft
gelten. Wenn es Engler auch gelungen ist, aus frischen
und verfaulten Wasserfettpflanzen auch »Fettwachse«
herzustellen, so schließt das noch immer nicht den
Kataklysmus in der Erdgeschichte aus. Und im Grunde
bekämpfen wir ja auch Potonié vornehmlich nur
deshalb, weil er sich über die Katastrophenbedürfnisse
der bedächtigeren alten Geologen geradezu lustig
macht, da von »Verlegenheitshypothesen« spricht und
diese seine Anschauungen auch Engler und Höfer zu
suggerieren wußte.
Und nun gar die anderen beiden »Kaustobiolithe!« Es
gibt weder wirkliche »Faulschlammgesteine« (»Sapro-
muß!
Geologie vorübergehend ernst zu nehmen
pelite«, noch ausgesprochene »Humusgesteine« (Mine-
ralkohlen) in einem solchen Maße, daß man dafür
cine neue geologische Nomenklatur erfinden müßte ;und
am allerwenigsten lassen sich die Olschiefer- und
Steinkohlenvorkommen je in diesen Wortsinn
zwängen. Wir haben ja die vermeintlichen »Humus-
gesteine« schon auf unserem Gange durch Bölsches
»Steinkohlenwald« im Juli- und Septemberheft als die
oft in über hundert Etagen tibereinandergeschichteten
Steinkohlenflötze kennen gelernt und in ihrer Lyell-
Potonieschen Genesis ablehnen müssen. Wir sehen
auch vollkommen klar, woher der Grundirrtum dieser
Sapropelitengeologie stammt. Lyell hat den Geologen
die Katastrophen ausgeredet, demzufolge müssen die
Bitumina ebenso autochthon entstanden sein, wie
Bölsche das für die Steinkohle so eifrig verfechtet.
Es kann ja in unseren und höheren Breiten zwar
fossilen »Faulschlamm« (versteinerten Seeschlick) und
fossilen »Humus« (in Potonieschem Sinne eigentlich
versteinerter Torf- und Moorgrund) autochthonen Ur-
sprungs in verschwindenden Quantitäten
geben, indem in kataklysmatischen Zeiten wohl mit-
unter auch ein faulschlammhaltiger, verlandeter Teich-
grund oder ein ebensolcher torfhaltiger Moorgrund
im vereisten Zustande eingebettet worden sein muß.
Wir glauben aber zugleich bestimmt behaupten zu
dürfen, daß an einer Probe solcher wirklicher
»Faulschlamm«- und »Humus<-Gesteine Potonié selbst
die von ihm in seinem Buche gestellten Sapropelit-
und Kaustobiolith- Bedingungen keineswegs erfüllt
sehen würde, während dagegen jener Ölschiefer, den
er schon als »Sapropelit« — oder jene Steinkohle,
die er schon soweit als »Humusgesteine« gelten
lassen möchte, um davon als von einem Kausto-
biolithen in seinem Sinne sprechen zu können, in
Wahrheit kein Faulschlammgestein, bezw. kein Humus-
gestein in seinem Sinne sein kann, sondern die
von uns geschilderte kataklysmatische Bitumen-,
bezw. Kohlenentstehungsgeschichte hinter sich haben
Faulschlamm- und Humus-Gesteine gibt
es nicht!
Demjenigen Erdöl- und Steinkohlen-Chemiker und
Geologen, der etwa Potoniés autochthone Biolithen-
eneigt war,
möchten wir in unvermeidlich teilweiser Wiederholung
das Folgende mit allenı Nachdruck zur gewissenhaften
Erwägung anheimgeben: Alle geologischen Forma-
tionen sind kataklysmatisch aufgebaut; nichts von den
heutigen Alluvialbildungen kann jemals festes Gestein
geben; also gibt es im quietistischen Sinne ab-
gelagerte neptunische Gesteine überhaupt nicht,
wie es auch wirkliche Faulschlammgesteine so gut
wie gar nicht gibt; am allerwenigsten darf Potonie
die Cannelkohlen, Bitumenschiefer und Stinkkalke als
Sapropelgesteine in seinem Sinne ansprechen, denn
alle diese Bitumina sind ebenfalls kataklysmatisch
abgelagert worden und höchstens ein Tausendstel
oder ein Hunderttausendstel des organogenen Fett-
stoffes derselben mag vielleicht auf Faulschlamm
zurückzuführen sein; vielleicht aber auch nicht einmal
das, indem es trotz aller chemischen Experimente
doch sehr fraglich bleibt, ob organogenes Material
einem Jahrhunderte, ja Jahrtausende langen Fäulnis-
prozeß, erst im Wasser und dann gelegentlich der Ver-
landung in seichter Erde, unterworfen werden darf,
wenn es abermals Jahrhunderttausende später tief
unter der Erde sich noch zur Petroleumdestillation
eignen soll — gesetzt: Diese Tiefuntererdesetzung
wäre quietistisch (ohne Kataklysmus) überhaupt denk-
bar. Niemals kann ein solcher Faulschlamm trotz
Potonies Fig. 22 (»Profil durch ein kleines ehemaliges
Wasserbecken, verlandet durch vollständige Ausfüllung
mit Sapropelit, aufgeschlossen beim Bau des Teltov-
kanals«) ohne kataklysmatische Frosteinbettung und
sofortige tiefe Besedimentierung etwas anderes werden
als eben »Boden«; die heutigen Sumpflachen mit
ihrer Wasserblüte, ihren Olalgen, ihren Kleinorganismen,
ihrem vorhandenen Faulschlamm, haben somit nur
agrikulturelles Zukunftsinteresse und sind von gar
keiner zukünftig geologischen Bedeutung; es reichten
diese Stoffe auch in viel verhunderttausendfachter
Quantität nicht hin, um ein Petroleumvorkommen wie
das flüchtig geschilderte südosteuropäische oder süd-
westasiatische oder das der Nordost- oder Mittleren
Kontinental-Area Nordamerikas zu erklären, indem
hiefür nach unserer Schilderung ganze Weltmeere
teilweise »ausgefischt« werden müssen; die Meeres-.
tierreste in den bituminösen Ablagerungen oder in
deren Nähe können wieder nur die kataklysmatische
Sedimentierung beweisen und nicht die altgemeinte
Bildung in Meeresküstennähe; es ist auch in keiner
Weise verständlich, wie heutige Faulschlammablage-
rungen (gesetzt sie verhunderttausendfachten sich)
ohne katastrophale Vorgänge in schön und breit ge-
schichteter, eventuell geschieferter Form in die
Tiefe der Erde unter hohem Druck und zur De-
stillation gelangen sollten; schon die vielfachen
Bemühungen älterer Geologen, katastrophale
Hypothesen zu ersinnen, um die bloß äußere Form
der Schichtung und Faltung so manchen Gebirgsprofils
zu erklären und um so manches andere quietistisch
niemals Erklärbare dennoch denkbar zu gestalten,
verpflichteten eigentlich auch Potonie zu einer mehr
umfassenden geologischen Erd- und kosmologischen
Weltanschauung (anschauen, buchstäblich zu ver-
stehen), anstatt einer so einseitigen Vertiefung in die
vorgefaßte Idee der Urwaldmoore und Sapropel-
sd
s kann ja auch den beiden Autoren des ge-
nannten mitteleuropäischen »Er d ö I«-Monumental-
werkes nicht allzu schwer fallen, sich der Beein-
flussung durch Lyell-Potonie zu entziehen, wie aus
der Harmlosigkeit unserer Modifikationsvorschläge
zu Englers Bitumenschema zu entnehmen ist.
Natürlich können sie unsere glacialkosmogonischen
Beiträge zur geogonischen Geheimniserschließung erst
dann ernst nehmen, wenn es ihnen zugleich gelingt,
die traditionelle Scheu vor stattgehabten geologischen
Katastrophen abzulegen. Dann dürfte von selbst die
Einsicht Platz greifen, daß auch Lyell schon zu den
astronomisch irregeführten Geologen zählt und der
älteste und erfolgreichste Geologenverführer eigentlich
Laplace war, der somit indirekt auch Potoniés Sapropel-
und Humusgesteine am Gewissen haben möge. Geo-
logen und Meteorologen hätten gewiß schon längst
jene Katastrophenerkenntnisse erlangt, deren sie zum
larsehen so dringend bedürfen, ohne es zugeben zu
wollen, wenn Laplace nicht der unbewußt vorgefaßten
„ Meinung zuliebe gewisse un-
haltbare Sätze seiner »Mecanique celeste« erfunden
und -analytisch bewiesen« hätte. Laplace ist also
der Hemmschuh frühzeitigerer geologischer und
meteorologischer Neueinsichten in den Gang der
Weltenuhr und Wettermaschine — ihn schalte man
aus, wenn sich so manches rascher klären soll über
und unter uns! — Doch nun zum Schlusse nochmals
zurück zum Bitumenthema.
Bezüglich der fünf Bitumenphasen l, Ila, IIb, III
und IV (und dem daraus folgenden) in Englers Bi-
tumenschema müssen wir den etwa wärmer inter-
essierten Leser auf die zugehörige Originalarbeit ver-
weisen. Denn obwohl Engler beispielsweise unter
Anabitumen das noch im Werden begriffene Bi-
tumen versteht und dazu u. a. auch »Sapropelwachs«
und »Seeschlickbitumen« zählt, wollen wir dagegen
hier noch keine dringendere spezielle Vorstellung
erheben, solange er nicht in den oberen Zeilen des
Schemas die zu erwartenden, mehr prinzipiellen
Modifikationen vorzunehmen für gut findet. Und da
möchten wir noch fragen, ob denn Engler irgend
einen anderen (sachlichen) Grund dafür hat, die
tierischen und pflanzlichen Reststoffe erst einer Fäulnis
und Verwesung zu unterziehen, bevor er die unver-
wesbaren Reste zur Druckdestillation bringt, wenn
es nicht die bloße pietätvolle Rücksichtnahme auf
Potoniés Faulschlammhypothese sein soll?
271
Wir glauben aber dem diesbezüglich immerhin
noch sehr unsicheren Erdölchemiker ja gerade damit
den größten Mitarbeiterdienst zu erweisen, daß wir
durch unsere kosmogonischen eiszeitvergeschwisterten
Mondannäherungen und Auflösungen eine sofort
hermetische und vorerst absolut fäulnissichere
Einbettung von vornehmlich ganz frischen, also meist
lebend frost-begrabenen Meeresorganismen denkbar
gestalten. Ohne Kataklysmus sieht der bloß quietistisch
grübelnde Erdölchemiker sich natürlich genötigt, aus
der Not eine Tugend zu machen und die Fäulnis und
Verwesung der tierischen und pflanzlichen Reststoffe
in sein Bitumenschema aufzunehmen, weil ohne eiszeit-
1 Kataklysmus diese Zersetzungsprozesse unter
uft- und Wasserzutritt eben unvermeidlich sind. Aber
ebenso notgedrungen müßte sich der Chemiker die
einmal begonnene Verwesung wegen der praktisch
unbegrenzten Länge der Verwesungszeit doch auch so-
weit fortgesetzt denken, daß nicht nur von den Eiweiß-
und Zellstoffen, sondern auch von den Fettdauer-
stoffen schließlich nichts anderes mehr übrig bleibt, als
zur Erdöldestillation ganz unbrauchbarer Moder, wie
ja dies die paläontologischen Tierfunde auch beweisen.
Durch experimentelle Destillation größerer Mengen
von frischen Fisch- und Muschelleichen erhielt
Engler petroleumähnliche Destillate, welche sich
vom Rohöl nur vornehmlich dadurch unterscheiden,
»daß sie stets große Mengen von Stickstoff in Form
von Pyridin- und Aminbasen enthalten, während die
natürlichen Rohöle stickstoffarm bis stickstofffrei sind.
Des weiteren haben ihm Untersuchungen von lange
Zeit verscharrt gewesenen Leichen, ferner von Leichen-
wachs und Tiefseeschlamm ergeben, daß die in der
Leiche enthaltenen Stickstoffverbindungen (Muskel-
substanz u. s. w.) sehr rasch durch Fäulnis zersetzt
werden, während das Fett als sehr beständig zurück-
bleibt. Aus diesen Beobachtungstatsachen erklärt nun
Engler das relative Fehlen von Stickstoff
im Rohöl folgendermaßen: In den Kadavern, die
später Erdöl lieferten, tritt zunächst eine Zersetzung
(Fäulnis) der stickstoffhaltigen Substanzen ein. Stick-
stoff entweicht als solcher oder als Ammoniak oder
als noch kompliziertere Verbindung, und nur Spuren
davon bleiben zurück. Aus den Fettkörpern allein
bildet sich das Erdöl.“ (Höfer; Das Erdöl u. s. V.,
270/71, auszugsweise.)
Dieses relative Fehlen des Stickstoffes im natür-
lichen Erdöl ist vielleicht der einzige sachliche Grund,
der Engler dazu bestimmt haben mochte, der Fäulnis
und Verwesung der tierischen und pflanzlichen Rest-
stoffe eine so ausgesprochene Mitwirkung in seinem
chemischen Rohölschema einzuräumen und auch der
. Faulschlam m hypothese eine
olle bei der Erdölbildung zuzuerkennen. Wir sagen
ausdrücklich »quietistisch«, weil wir dem Tiefsee-
schlamme eben nur ohne Kat aklys mus jede Mög-
lichkeit der Gesteinsbildung absprechen, nicht aber in
unserem großen Mondannäherungs- und Auflösungs-
vorgange. In unseren Steinkohlenabhandlungen (ver-
gleiche Seite 191 u.f. des Juliheftes) haben wir ge-
zeigt, daß im heute beobachtbaren alluvialen Klein-
geschehen, bezw. geologischen Nichts geschehen
aus dem, notwendig auch einen hohen Prozentsatz
von Kleinorganismen und deren Leichen enthaltenden
kalkigen Tiefseeschlamm in allen historischen
Ewigkeiten kein Kalkstein entstehen könnte, sondern
alles immer nur Schlamm bleiben müßte. Denn nur
dann, wenn in den heftigen Meeresoszillationen (ver-
leiche Fig. 4 bis 9 nebst Text in den April- bis
funiheften) der stationärnahen, eisigen Zeiten dieser mit
Plankton- und sonstigen Kleintierleichen geschwängerte
Tiefseeschlamm aufgewühlt und im Wege der ge-
schilderten Horizontalsortierung über die Kontinente
versedimentiert, verschichtet und belastet wird, ent-
stehen daraus nachher die erhärteten Kalksteinbänke.
Diese werden notwendig dort, wo die Horizontal-
sortierung größere Prozentsätze von Kleintierleichen
und deren Fettresten mit dem Kalkschlamm ablagert
272
und täglich zur vorläufig fäulnissicheren Frost-
erhärtung bringt und bald auch weiter hoch hinauf be-
lastet, die bitumindse Kreide, den Bitumenkalk, Stinkkalk
u. dgl., also ein Kalkmuttergestein für Petroleum ab-
eben. Gelegentlich solcher Horizontalsortierung werden
eispielsweise auch die Muschelschalen nicht nur nach
Größenklassen, sondern zum Teil auch nach leeren
und vollen, letztere sogar nach lebendigen und toten
Muschelkörpern sortiert. Daher gibt es auch bitumen-
freie und bitumenreiche fossile Muschelbänke,
also letztere auch als ergiebiges Muttergestein des
Erdöls. Ob aber hier die tierischen Reste vor der
natürlichen Druckdestillation eine Fäulnis durchmachen
oder nicht, dürfte in bezug auf den Stickstoffgehalt
des späteren Erdöls ziemlich gleichgültig sein. Bei
der riesigen Zeitdauer der nachher unter Luftabschluß
und mäßiger Druckwärme einsetzenden natürlichen
Destillation kann der Stickstoff vielfach Gelegenheit
finden, ihm genehmere Verbindungen einzugehen und
zu entweichen, als sich dem Erdöl chemisch einzu-
gliedern. Schließlich ist bei dem notwendigen Vor-
handensein von Salzwasser und Fehlen von Luft eine
Fäulnis ebensowohl erschwert als irgend eine ähn-
liche Zersetzung vielleicht sogar erleichtert, bei
welcher dem Stickstoffe abermals verschiedene Ab-
gangsmöglichkeiten geboten sein können. Die primi-
tivsten chemischen Erfahrungen genügen schon, um
solche Möglichkeiten einzusehen. Das will besagen:
Das relative Fehlen des Stickstoffes im Rohöl ist kein
Beweis dafür, daß die Urmaterialien des Erdöls
quietistischen Fäulnisprozessen im großen
unterworfen sein mußten, wie wir solche jetzt, in der
alluvialen Natur, im kleinen beobachten können,
bezw. wie sie Potonié für den Faulschlamm voraus-
setzen mußte. Oder kürzer zusammenfassend: Dieses
Fehlen des Stickstoffes gibt kein wirksames Argu-
ment gegen die von uns behaupteten großen, geo-
logischen, eiszeitgepaarten Kataklysmen der Tertiär-,
Sekundär- und Primärzeit etc., denen allein ja schließ-
lich unsere lange Verteidigungsrede gegenüber La-
place und Lyell gelten will. Hierüber wollen wir
später auch noch dem Salzgeologen und Paläontologen
eindringlicher ins Gewissen reden.
Höfer vertritt in seinem Buche (Erdöl u. s. V.)
auch die Anschauung, »daB das Bitumen und speziell
das Erdöl in primären Lagerstätten auftritt«, d. h.
also dort gebildet wurde, wo wir es heute finden.
Diese Anschauung müssen wir dringendst einer Neu-
erwägung empfehlen. Wir sind wirklich auch der
Meinung, »daß in der Destillations-Retorte — im Ent-
stehungsherd — keine Olanhäufung stattfinden kann,
sondern nur in der abgekühlten Vorlage, nämlich in
den aus den unter Druckwärme gesetzten Massen-
gräbern emporführenden Spalten und daranschließenden
5 Gesteinsschichten«. Ganz besonders gilt dies
ür die unterirdischen Öllager, aus welchen unsere
Ölspringer und Ölbrunnen gespeist werden.
Näheres hierüber würde hier zu weit führen, doch
wird jeder kataklysmusgläubige Leser dieses Gefühl
teilen. Nur der Destillationsrückstand, gleichsam
‚der Koks aller natürlichen Destillation, verbleibt an
ursprünglicher Lagerstätte — die Destillations-
produkte, ob nun pechartige, flüssige oder gar
gasige, verlassen notwendig die Retorte, getrieben
teils durch den Gesteinsschwerdruck, teils durch
den so zu nennenden Destillations dam p f druck, auch
durch hydrostatischen Druck und Kapillarwirkung, bei
Gasen auch durch den Auftrieb im porösen wasser-
durchtränkten Gestein. Ganz bestimmt an sekundärer
und oft auch tertiärer Lagerstätte befinden sich die in
den Antiklinaldomen und Sätteln angesammelten Öle
und Gase. Der hiefür in der Ölgeologie bereits ein-
eführte Begriff der regionalen und lateralen Migration
(Wanderung aufwärts und seitwärts) wird also viel
weiter zu fassen sein, als Höfer es vorläufig noch
zuzugeben geneigt ist. Der Kataklysmus schließt die
primären Ol- und Gaslagerstätten förmlich aus.
Auch die Versuche Höfers, sich aus dem heute
beobachtbaren geologischen Kleingeschehen heraus
kleine Kataströphchen zu konstruieren, die zur An-
häufung der Bitumenurmaterialien führen könnten,
werden sich als unnötig erweisen, wenn der unserseits
so bequem durchsichtig gemachte Große Kataklys-
mus einmal auch wirklich durchschaut sein wird.
Nun zum Schlusse noch eine kleine Hausaufgabe
für den geneigten Leser zur Anregung. Es ist eine bei
Höfer vielfach betonte Tatsache, daß sich Steinkohlen-
lager und Öllager gegenseitig fast ganz ausschließen,
während dagegen Salzlager und Sole meist mit Erdgas
und Erdöl vergeschwistert vorkommen. Wie ist das
zu erklären? Man sollte doch gerade das Gegenteil
vermuten! Wo ist das Salz bei der Steinkohlenflötz-
bildung geblieben, nachdem dort Meerwasser und
Druckwärme eine so große Rolle gespielt haben?
Und entspräche es nicht besser unserem Gefühle,
wenn Erdöl und Erdgas gerade in der Nähe der
Steinkohle oder im Flötze selbst am allerhäufigsten
sich vorfände? Doch um in dieser Sache sofort klar
zu sehen, bedürfen wir auch einer kataklysmati-
schen Steinsalzgenese, die aber aus Platz-
gründen unserer nächsten Enthüllung vorbehalten
bleiben muß. Steinsalz, Steinöl und Steinkohle! Ohne
Kataklysmus drei ewig unlösbare Detailprobleme der
allgemeinen Geologie
Chronik.
Neue Weltrekords im Passagierflug. Der
Flieger Franz Reiterer, ein gebürtiger Österreicher,
der seit Jahren als Chefpilot in einer deutschen Flug-
zeugfabrik tätig ist, stellte vor kurzem zwei neue
Höhenweltrekords im Passagierflug auf.
Er stieg zuerst mit vierPa 5 auf 5000 m
und schlug damit den von dem Franzosen Garaix zu
Chartres im Februar 1914 geschaffenen Weltrekord
von 3300 m. Bei einem zweiten Aufstieg mit drei
Passagieren überbot er den im Juni vorigen
Jahres bei dem Asperner Flugmeeting von dem
deutschen Piloten v. L681 aufgestellten Weltrekord
von 4770 m mit einer Leistung von 5500 m.
Reiterer war, wie erinnerlich sein diirfte, auch
einer der Bewerber um den »Schicht-Preis«, hatte
aber schon bald nach dem Start bei Stockerau
das Pech, eine Notlandung vornehmen zu miissen,
bei der sein Apparat, ein Etrich-Eindecker, derart
beschädigt wurde, daß er aus dem Wettbewerb aus-
scheiden mußte.
VATENTE
Muster- und Markenschutz in allen Ländern
Wien, I. Maximilianstrasse Nr. 5.
erwirkt
Ing. J. FISCHER, Patentanwalt
Seit 1877 im Patentfache tätig.
Herausgegeben vom: »K. k. Österreichischen Fiugtechnischen Verein«. — Verantw. Red.: Prof. Ing. A. Budau.
Druck von Otto Maaß’ Söhne, Wien I.
Manuskripte werden nicht zurückgestellt. Der Nachdruck
ÖSTERREICHISCHE
FLUG-ZEITSCHRIFT
Herausgegeben von dem unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Majestät des
N Kaisers und Königs stehenden k. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein.
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Angenommene Beiträge werden honoriert. Die Verfasser
/ von Artikeln und Abbildungen ist nur mit Quellenangabe
und Zustimmung der Redaktion gestattet.
sind für Form und Inhalt der von ihnen eingesandten j
Artikel und Abbildungen verantwortlich.
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ERSCHEINT ZWEIMAL IM MONAT.
Nr. 21/22 November 1915 IX. Jahrgang
Inhalt: Österreichische Physiker, von Prof. Dr. Gustav Jäger. — Eine Erinnerung an den ersten Balkankrieg. — Über Benzol,
von Dr. P. Martell. — Weltrekorde der Höhe, von Wilhelm Krebs. — Die Wasserstoffgewinnung im Kriege. (Schluß.) — Beitrag
zur Theorie des Insektenfluges, von Hanns Pittner. — Sturmkalender für November und Dezember 1915, von Wilhelm Krebs
(Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte, Schnelsen). — Neues vom deutschen Kriegsflugwesen. — Bücherbesprechungen. — Chronik.
Chefredakteur: Ing. A. Budau, o. ö. Professor der k. k. Technischen Hochschule in Wien
Unter Mitwirkung von:
PAUL BELLAK F. HINTERSTOISSER RICHARD KNOLLER HANNS PITTNER Dipl. Ing. C SCHMID
ndenberg
Prokurist, AE k. u. k. Oberstit., Wien Jng., Professor a. d. k. k. Schriftsteller, Wien
EN wien A. HÖRBIGER n. Hochschule, Wien ROBERT POLLAK „LUDWIG SCHMIDL
L x Ingenieur, Mauer b. Wien W. KREBS RITTER v. RUDIN Neustadt
Dr. Ing. WALTER FREIRA. Leiter der Wetter warte Ingenieur, Wien LEOPOLD SCHMIDT
v. DOBLAOFF RAOUL HOFFMANN Schnelsen, Holstein
Konstrukteur an der k. k. Ingenieur, Wien J. POPPER-LYNKEUS Ing., Prof., Wr.-Neustadt
Techn. Hochschule, Wien GUSTAV E. MACHOLZ Ingenieur, Wien KARL TINDL
EDUARD DOLEZAL ANTON JAROLIMEK Johannisthal Ing., Konstrukteur a.d.k.k.
k. k. Hofrat, o. ö. Prof., an k. k. Oberinspektor, König- HUGO L. NIKEL STEPHAN POPPER Techn. Hochschule, Wien
der k. k. Technischen Hoch- grätz k. k. techn. Ob.-Offiz., Wien Ingenieur, Wien WILRELM TRABERT
SO ETRICR Dr. F. JUNG HANS F. v. ORELLI FRANZ REBERNIGG „Professor, Direktor der
A Professor a. d. k. k. Tech- Schriftsteller, Wi Ing., Kommissär des k. k.
Oroßindustrieller, Ober- nischen Hochschule, Wien 5 Patentamtes, Wien logie u. Oeodynamik, Wien
altstadt : STEPHAN PETROCZY f Dr. C. WIESELS-
Dr. A. HILDEBRANDT D. W. KAISER v. PETROCZ RUDOLF SCHIMEK BERGER
Luftschifferhauptmann a. D., Kapitänleutnant a. D., k. u. k. Luftschifferhaupt- k. u. k. Major d. R., Direktor Assistent an der Universitit
Berlin Charlottenburg mann, Wien der Autoplan werke, Wien in Oöttingen
Österreichische Physiker.
Antrittsrede des für das Studienjahr 1915/16 gewählten Rektor magnificus der k. k. Technischen Hochschule
in Wien, Prof. Dr. Gustav jäger.“
Hochverehrte Versammlung! Alles, was wir gegen-
wärtig denken und tun, geschieht im Zeichen der täg-
lichen großen Ereignisse. Die patriotische Begeisterung
hat eine nie geahnte Höhe erreicht. Es wäre außer-
ordentlich verlockend, von dieser Stelle die bereits
vorhandene Grundstimmung zu einem vollen por
akkord zu entfalten. Jedes Höchstgefühl bedart aber
der Erholungspausen, um immer neu in alter Stärke
entstehen zu können. Machen wir eine solche Pause.
Ziehen wir uns für eine kleine Weile zurück vor dem
Sturmgebraus der gewaltigen Zeit und wandeln wir
auch heute den stillen Weg der Pflicht.
Gestatten Sie mir deshalb, hochverehrte An-
wesende, altem Brauche gemäß mit Ihnen einen
kleinen Ausflug in mein besonderes Fachgebiet zu
machen.
Ich führe Sie an einen See. Ein leichter Wind
weht gegen das Ufer. Die ganze Wasserfläche ist
dadurch in Bewegung geraten, und gleichförmig
schlägt Welle um Welle gegen das Gestade. Wir
können beobachten, daß mit gleichförmiger Ge-
*) Gehalten am 6. November 1915.
schwindigkeit die Wellen sich uns nähern, daß in
einer bestimmten Zeit, etwa in einer Minute, immer
dieselbe Wellenzahl anlangt.
age fahren wir in einem Boote gegen die
Wellen in den See hinaus. Da zeigt es sich, daB die
Wellen häufiger an das Boot anschlagen als an das
Ufer. Wir kehren um und finden, daß jetzt weniger
Wellen das Boot treffen als früher. Alles dies läßt
sich leicht zahlenmäßig ausdrücken, indem es in sehr
einfacher mathematischer Beziehung zur relativen Ge-
schwindigkeit zwischen Boot und Wellen steht.
Sie wissen, daß jeder Ton durch Luftwellen ver-
ursacht wird, die in regelmäßigen Zeitintervallen unser
Ohr treffen. Durch die Zahl der in der Sekunde an-
langenden Schallwellen ist die Tonhöhe bestimmt.
Eilen wir den Schallwellen entgegen, so muß die
Wellenzahl geradeso wie in dem früheren Beispiel
die Zahl der Wasserwellen steigen. Entfernen wir uns
von der Tonquelle, so muß die uns treffende Wellen-
zahl sinken. Durch die Wellenzahl oder, wie man
gewöhnlich sagt, durch die Schwingungszahl ist aber
die Tonhöhe bestimmt. Je 1 die Schwingungs-
zahl, desto höher der Ton. Wir werden also zu dem
214
Schlusse genötigt, daß der Ton einer sich uns
nähernden Tonquelle höher, einer sich von uns ent-
fernenden tiefer sein muß als jener Ton, den sie bei
relativer Ruhe zu uns besitzt. Das Experiment hat
diesen Schluß als richtig erwiesen. Jeder von uns ist
in der Lage, dahingehende Beobachtungen zu machen.
Begegnen wir einem rasch fahrenden Automobil, so
merken wir ganz deutlich, daß die Huppe bei der
Annäherung höher ertönt als bei der Entfernung.
Auch die Natur des Lichtes haben wir als eine
Wellenbewegung erkannt. Die verschiedenen einfachen
Farben haben verschiedene Schwingungszahlen und
verschiedene Brechungsexponenten. Durch die Schwin-
gungszahlen ist die Lage der sogenannten Spektral-
linien fixiert. Dies gilt jedoch nur für ruhende Licht-
quellen. Nähert oder entfernt sich die Lichtquelle von
uns, so müssen die a nene en der einzelnen
Farben andere werden, die Spektrallinien mtissen sich
verschieben.
Dies läßt sich an den Spektren der Fixsterne
tatsächlich beobachten, woraus folgt, daß die soge-
nannten Fixsterne in Bewegung sind; ja wir können
aus der Verschiebung der Spektrallinien berechnen,
mit welcher Geschwindigkeit sich uns ein Fixstern
nähert oder von uns entfernt.
Daß die Fixsterne ihren Ort am Himmel ver-
ändern, weiß man schon lange. Man war auch in der
Lage, die Sehwinkelgeschwindigkeit für viele Sterne
zu bestimmen. Durch Mittelwertsbildung der Seh-
winkelgeschwindigkeit und der absoluten Geschwindig-
keit in der Sehlinie sind wir aber in der Lage, einen
Schluß auf die Entfernung der Fixsterne, ja auf die
Größe des ganzen sichtbaren Weltalls zu machen.
Aus eigenen Rechnungen fand ich z. B., daß die Ent-
fernung der gerade noch wahrnehmbaren Fixsterne etwa
.500,000.000 mal so groß ist als die Entfernung der
Erde von der Sonne.
Es würde zu weit führen, hier ausführlich mitzu-
teilen, was die Astrophysik alles der Beobachtun
der Verschiebung der Spektrallinien verdankt. Es sei
nur erwähnt, daß wir imstande sind, die Rotations-
eschwindigkeit der Sonne und der Planeten, die
onstitution der Saturnringe, die Umlaufzeit, die
gegenseitige Entfernung und die Masse der Doppel-
sterne zu berechnen.
Entsprechend der Größe der Lichtgeschwindigkeit
von 300.000 km muß natürlich auch die Geschwindig-
keit der Lichtquelle in der Sehlinie entsprechend groß
sein, wenn eine deutliche Verschiebung der Spektral-
linien wahrgenommen werden soll. Nichtsdestoweniger
sind wir in der Lage, auch an irdischen Lichtquellen
derartige Beobachtungen zu machen. Es eignen sich
dazu besonders die leuchtenden Gase in Geißlerischen
Röhren. So kann man z. B. an Wasserstoffzonen eine
Verschiebung der Spektrallinien gut beobachten und
daraus rückschließend ihre Geschwindigkeit berechnen.
Aus dem wenigen Angeführten läßt sich wohl
schon erkennen, von welch weittragender Bedeutung
für die gesamte Physik dieser Schluß war, den wir
eingangs auf die Erscheinungen bewegter Schall- und
Lichtquellen machten. Es muß wohl ein ganz besonders
hervorragender Denker gewesen sein, der zum ersten-
mal diesen Schluß zog. Seine Wiege stand in Salz-
burg, sein Name ist Christian Doppler.
Er wurde im Jahre 1803 als der Sohn eines Stein-
metzmeisters geboren. Er besuchte durch 3 Jahre unser
Polytechnisches Institut. Er war Professor der Mathe-
matik an verschiedenen Schulen, wurde schließlich
1849 Professor der praktischen Geometrie an unserem
Institut und 1850 Professor der Experimentalphysik
an der Wiener Universität und Direktor des neu-
gegründeten Physikalischen Instituts. Nur kurze Zeit
war ihm an dieser Stelle gegönnt. Ein Brustleiden
nötigte ihn, nach dem Süden zu gehen. Er starb in
Venedig im Frühjahr 1853.
Wir haben seine hervorragendste gedankliche
Leistung kennen gelernt. Man faßt sie gewöhnlich
unter dem Namen des Dopplerschen Prinzips
zusammen. Dieses Prinzip lebt befruchtend fort in
den, jüngsten physikalischen Forschungen und hat
seinem Entdecker Unsterblichkeit gesichert.
Nun möchte ich mit Ihnen, hochverehrte An-
wesende, abermals rein physikalisches Gebiet betreten
und einen Blick auf die Theorie der Materie werfen.
Wiederum waren es bereits altgriechische Denker,
welche sich die Materie aus den sogenannten Atomen
aufgebaut dachten. Wir sind heute noch derselben
Ansicht, und es ist uns gelungen, besonders die Er-
scheinungen der Materie im gasförmigen Zustande
auf Grund der Atomhypothese am einfachsten zu
beschreiben.
Wir stellen uns vor, daß die Molekeln der Gase
verhältnismäßig weit voneinander entfernt und in
lebhafter Bewegung begriffen sind. Dadurch müssen
sie sowohl aufeinander als auch auf die Wände, die
sie umschließen, beständig Stöße ausüben, woraus
sich der Druck des Gases erklärt. Öffnen wir ein mit
einem Gas gefülltes Gefäß, so muß das Gas infolge
der Bewegung der Molekeln allmählich in die Luft
entweichen, während unsere Luft in das Gefäß ein-
dringt. Die Raschheit, mit welcher sich zwei Gase
durchdringen, hängt zum Teil von der Größe der
Gasteilchen ab, so daß wir aus Messungen des soge-
nannten Diffusionskoeffizienten der Gase die Größe
der Molekeln berechnen können. Die Zahlen, zu
welchen wir so gelangen, sind außerordentlich klein,
so daß es nicht leicht wird, sich davon eine Vor-
stellung zu machen. Auch könnte man leicht Zweifel
hegen an der Richtigkeit des Gedankenganges,
obwohl er völlig klar zutage liegt. Was aber die
Richtigkeit der Berechnung hauptsächlich verbürgt,
sind die übereinstimmenden Resultate, welche ver-
schiedene andere Methoden — es gelang mir selbst
deren sechs zu finden — ergaben.
So erhält man z. B. für den Durchmesser einer
Wassermolekel die Hälfte von einem Milliontel Milli-
meter. Könnten wir demnach die Molekeln Perlen-
schnurartig aneinanderreihen, so würden zwei Millionen
erst die Länge von einem Millimeter geben. Denken
wir uns ein Metallkörnchen von der Größe eines
Stecknadelkopfes zu einem Draht von der Dicke einer
Molekel ausgezogen, so würde er so lange, daß wir
ihn hundertmal um die Erde schlingen könnten.
Wenn wir von verschiedenen Substanzen so viel
Gramm nehmen, als ihr Molekulargewicht angibt, so
erhalten wir Mengen, welche gleich viel Molekeln
enthalten. Eine solche Menge pflegt man kurz ein
Mol zu nennen. Die Zahl der Molekeln in einem
Mol möglichst genau zu bestimmen, ist Gegenstand
modernster Forschung. Sie ist wegen der Kleinheit der
Molekeln natüriich über alle Vorstellung groß, nämlich
ein Sechser mit 23 Nullen, also Sechshunderttausend °
Trillionen. Man nennt sie die Loschmidtsche
Zahl; denn der erste, der in diese geheimnisvollen
Tiefen der Forschung vordrang, der die Größe der
Molekeln berechnete, war der Österreicher Josef
Loschmidt.
Loschmidt hatte ähnlich wie Doppler einen sehr
wechselvollen Lebenslauf. Zu Putschirn bei Karlsbad
in Böhmen im Jahre 1821 als Sohn armer Bauern
geboren, gelang es ihm durch Vermittlung des Pfarrers
‘und Lehrers seines Heimatsortes das Gymnasium,
durch eigenen mühseligen Erwerb, sowie durch die
Wohltaten einiger Gönner die Universität zu Prag,
dann jene zu Wien, sowie unser Polytechnisches
Institut zu besuchen. Er widmete sich dem Studium
der Philosophie, Mathematik, Physik und Chemie.
Nach Beendigung der Hochschulstudien war er in
verschiedenen Fabriken tätig, ohne aber dabei
materielle Vorteile zu erzielen. Im Alter von 35 Jahren
nahm er eine Lehrstelle an einer Wiener Unterreal-
schule an und widinete sich nebenbei ganz seinen
wissenschaftlichen Forschungen. Diese erregten die
Aufmerksamkeit der Fachleute, und es war haupt-
sächlich Stefan, der damalige Leiter des physikali-
schen Instituts, der ihn in jeder Weise förderte
Loschmidt wurde schließlich Professor an der Wiener
Universität. Er starb im Jahre 1895.
Sein Hauptwerk, die Berechnung der Größe der
Molekeln und der nach ihm benannten Zahl, ist aus
den Anschauungen der sogenannten kinetischen Gas-
theorie hervorgegangen. Diese wurde von Stefan
ganz besonders gepflegt und wir verdanken diesem
hervorragenden Physiker eine Reihe der schönsten
Erfolge auf diesem Gebiet. Was ihn besonders mit
Loschmidt in Freundschaft verband, war wohl sein
ähnliches äußeres Schicksal.
Auch Josef Stefan war der Sohn armer Leute,
die weder lesen noch schreiben konnten. Er wurde
1835 in St. Peter bei Klagenfurt geboren. Er besuchte
in Klagenfurt die Volksschule und das Gymnasium
und bezog sodann die Wiener Universität, wo er
sich hauptsächlich dem Studium der Mathematik und
Physik widmete. Er trat frühzeitig mit selbständigen
wissenschaftlichen Arbeiten hervor, wurde 1863 ordent-
licher Professor der höheren Mathematik und Physik
an der Wiener Universität und wenige Jahre, später
Direktor des Physikalischen Instituts. In diesem
Wirkungskreis verblieb er bis zu seinem Lebensende.
Er starb an den Folgen eines Schlaganfalles im
Jahre 1893.
Stefans Forschungen erstrecken sich über alle
Gebiete der Physik. Jede seiner zahlreichen Arbeiten
bedeutet eine dauernde Bereicherung der Wissen-
schaft. Besonders befruchtend für die ganze Lehre
von der Wärmestrahlung war die Entdeckung des
nach ihm benannten Strahlungsgesetzes. Darunter
versteht man die Beziehung, welche zwischen der von
einem Körper ausgestrahlten Wärmemenge und seiner
Temperatur besteht.
aß die ursprüngliche Annahme, die ausgestrahlte
Wärmemenge sei der Temperatur proportional, un-
richtig ist, hatte man schon lange gewußt. Es ist
jedoch erst Stefan gelungen, durch die Berechnung
vieler Versuche nachzuweisen, daß die von einem
Körper ausgestrahlte Wärme proportional der vierten
Potenz seiner absoluten Temperatur ist. Messen wir
demnach die von einem heißen Körper ausgestrahlte
Wärme, so können wir seine Temperatur berechnen,
auch wenn der Körper wie z.B. die Sonne nicht direkt
zugänglich ist. Aus der von der Sonne uns zuge-
strahlten Wärme findet man nach dem Stefanschen
Strahlungsgesetz für ihre Temperatur etwa 6000° C.,
eine Temperatur, welche man mit irdischen Wärme-
quellen noch nicht erzielt hat. .
Die Erwärmung eines Körpers durch Strahlung
ist eine sogenannte Energieumwandlung. Es geht
strahlende Energie in Wärmeenergie über. Jede Um-
wandlung der Wärme in eine andere Energieform,
z. B. in Arbeit oder umgekehrt, erfolgt nach zwei
großen Naturgesetzen, dem Satze von der Erhal-
tung der Energie und dem sogenannten En-
tropiesatze.
Während der Energiesatz jedermann vertraut ist
und in volkstümlichen Formulierungen, wie »Aus
nichts wird nichts«e oder »Nichts auf der Welt geht
verloren«, seinen trivialsten Ausdruck fand, ist der
Entropiesatz eine Rarität, die sich im geistigen
Besitz nur weniger vorfindet. Tatsächlich bedarf es
der Beherrschung entsprechender Teile der höheren
Mathematik, um diesen Satz seinem vollen Inhalt und
Umfang nach begreifen zu können. Nichtsdestoweniger
möchte ich darauf hinweisen, daß die Entropie eine
Größe ist, welche durch die Wärme- und Temperatur-
verhältnisse eines Systems von Körpern bestimmt
wird. So oft eine Energieänderung von selbst vor
sich geht, ist diese immer mit einer Vermehrung der
Entropie verbunden.
Der Entropiesatz lehrt uns also, in welcher
Richtung Energieverwandlungen in der Natur ohne
unser Zutun stattfinden. So erkennen wir bei jedem
sich bewegenden Mechanismus, daß immer ein ge-
wisser Arbeitsaufwand zur Überwindung der Reibungs-
und anderer Widerstände notwendig ist, daß diese
275
verschwundene Arbeit aber ohneweiters als Wärme
auftritt. Das Umgekehrte beobachten wir nicht. Es
reiben sich nicht zwei Körper von selbst auf Kosten
ihres Wärmeinhalts. Stecken wir ein Stück Eisen in
eine Kupfervitriollösung, so überzieht es sich mit
Kupfer; gleichzeitig entsteht in der Lösung Eisenvitriol.
Umgekehrt findet das nicht statt, d. h. stecken wir
in eine Eisenvitriollösung ein Stück Kupfer, so wird
kein chemischer Prozeß eingeleitet. Bringen wir einen
warmen und einen kalten Körper zusammen, so geht
nie Wärme vom kälteren Körper zum wärmeren über,
sondern immer vom wärmeren zum kälteren. Stellen
wir für diese und analoge Fälle die Entropieformel
auf, so zeigt sich immer, daß bei jeder derartigen
Energieumwandlung die Entropie zunimmt. Wir
können allgemein sagen: Alle Naturvorgänge sind mit
einem Wachstum der Entropie verbunden.
Betrachten wir noch ein Beispiel. Die Luft in
einem Raume sei in Strömung begriffen und habe an
verschiedenen Stellen verschiedene Temperatur. Wir
überlassen sie sich selbst; sie kommt zur Ruhe; die
Temperaturen gleichen sich aus.
Zustand der Luft der vollkommenen Ruhe und
Temperaturgleichheit in allen ihren Punkten zu. Es
ist das also der wahrscheinlichste Zustand, in dem
sich ohne äußere Einflüsse die Luft befinden wird.
Für dieses Beispiel ist die kinetische Gastheorie im-
stande, die mathematische Formulierung zu geben.
Wenn wir uns einen Raum vorstellen, der mit
einem Gas etwa mit Luft erfüllt ist, so müssen, falls
die Bewegung der Gasmolekeln ganz dem Zufall
überlassen wird, die Richtungen, nach welchen sie
sich bewegen, alle gleich wahrscheinlich sein. Es
werden also in dem Gas gleichzeitig ebensoviel Mo-
lekeln nach der einen als nach der entgegengesetzten
Richtung fliegen. Durch eine solche Verteilung der
Bewegungen wird sich der Schwerpunkt des Gases
nicht ändern, das Gas bleibt in Ruhe.,
Weniger wahrscheinlich wird ein Zustand sein,
bei welchem sich die Molekeln eines Teiles des Gases
vorzüglich in einer Richtung bewegen, die eines
anderen Teiles wieder in einer anderen. Diese Teile
werden dann in ihrer Gänze nach jener Richtung
wandern, in welcher sich die meisten Molekeln be-
wegen. Wir haben ein Gas in Bewegung. Wir müssen
also diesen Zustand als einen unwahrscheinlicheren
halten, der in der Tat im Laufe der Zeit in den
wahrscheinlicheren, den Ruhezustand übergeht.
Während durch die Verteilung der Bewegungs-
richtungen der Gasmolekeln die Ruhe oder Bewegung
des Gases bestimmt ist, ist durch die Bewegungs-
energie der Molekeln die Temperatur gegeben. £
größer die Energie, desto höher die Temperatur. Es
läßt sich nun nicht einsehen, warum durch die fort-
währenden Zusammenstöße der Gasmolekeln der Fall
eintreten sollte, daß in einem Teil des Gases die
Molekeln beständig eine höhere Bewegungsenergie
haben sollten als in einem anderen. Sondern alle
Zustände sind in allen Teilen des Gases gleich wahr-
scheinlich. Das heißt der wahrscheinlichste Zustand
wird jener sein, bei welchem die Temperatur in allen
Punkten dieselbe ist, während ein Zustand, bei welchem
die verschiedenen Teile des Gases auf verschiedenen
Temperaturen sind, ein unwahrscheinlicherer ist.
Es ist Ihnen bekannt, daß die Wahrscheinlichkeit
eines Ereignisses mathematisch durch einen echten
Bruch dargestellt wird. In unserem Beispiel wächst
demnach im Laufe der Zeit die Wahrscheinlichkeit
des Zustandes, sie strebt dem Werte Eins zu. Ähn-
liches tut die Entropie der Luft. Auch sie strebt im
Lauf der Zeit einem Maximum zu. Wie für die Wahr-
scheinlichkeit eines Zustandes ist es der kinetischen
Gastheorie auch gelungen, mathematische Formeln
für die Entropie eines Gases abzuleiten, und es ergab
sich das überraschende Resultat, daß die Entropie
proportional dem Logarithmus der Wahrscheinlichkeit
ist. Der Entropiesatz sagt also aus, daß das ganze
Immer strebt der .
276
Geschehen in der unorganischen Welt zu immer wahr-
scheinlicheren Zuständen führt.
Die Auffindung der Beziehung zwischen Entropie
und Wahrscheinlichkeit eines Zustandes stellt eine
eistige Leistung dar, wie sie nur ganz ausnahmsweise
in der Geschichte der Naturwissenschaften zu finden
ist. Sie lieferte N ein mathematisches Rüst-
zeug, ohne welches viele neuere Forschungen, in
erster Linie wieder jene über Wärmestrahlung, ganz
undenkbar sind. Dieses Gebiet wurde erschlossen
durch Anwendung der beiden Hauptsätze der mecha-
nischen Wärmetheorie; und zwar war das erste
wesentliche Resultat die direkte Ableitung des Stefan-
schen Strahlungsgesetzes, so daß dies nicht nur em-
pirisch gefunden, sondern auch theoretisch begründet
wurde. Diese außerordentlichen Leistungen, von denen
wir eben gesprochen haben, stammen von einem
der bedeutendsten Physiker, welche die Menschheit
hervorgebracht hat, von dem größten österreichischen
Physiker Ludwig Boltzmann.
Aus allen Richtungen des Reiches kamen unsere
großen Physiker: Doppler von Westen, Loschmidt von
orden, Stefan von Süden. Boltzmann kam in der
Hauptstadt selbst zur Welt. In der Nacht vom Fasching-
dienstag auf den Aschermittwoch des Jahres 1844
wurde er geboren in dem Hause auf der Landstraße,
wo gegenwärtig bereits seit mehr als einem Jahre
täglich die männliche Bevölkerung auf ihre Kriegs-
tauglichkeit geprüft wird. Oben kam ein Heros zur
Welt, unten fand ein Maskenball statt. Boltzmann
selbst äußerte einmal im Scherz, daß die Zufälligkeit
der Zeit und des Ortes seiner Geburt auf sein ganzes
Leben vonEinfluß war; denn, wie dem heitern Fasching-
dienstag unmittelbar der ernste Aschermittwoch folgt,
so schlage auch sein Gemüt häufig von der höchsten
Freude in die tiefste Traurigkeit um.
Nachdem er die Vorschulen in normaler Weise
zurückgelegt hatte, studierte Boltzmann an der Wiener
Universität Mathematik und Physik vorwiegend bei
Stefan, dessen Assistent er auch wurde. Schon im
Alter von 25 Jahren folgte er einem Rufe an die
Grazer Universität als Professor der theoretischen
Physik. Nach kurzer Zeit kam er als Professor der
Mathematik an die Wiener Universität zurück. Von
1876 bis 1889 wirkte er sodann als Professor der
Experimentalphysik an der Grazer Universität. Nach
Kirchhoffs Tod im Jahre 1887 erhielt Boltzmann einen
Ruf nach Berlin, dem er jedoch trotz günstiger An-
erbietungen nicht Folge leistete. Hingegen widerstand
er nicht einem Ruf nach München, wo er an der
Universität bis 1894 Vorlesungen über theoretische
Physik hielt. In diesem Jahre kam er als Nachfolger
Stefans nach Wien zurück. Er weilte auch hier nicht
dauernd. Nach sechsjährigem Wirken übersiedelte er
für zwei Jahre nach Leipzig, um sodann abermals
seine Wiener Professur, die während dieser Zeit nicht
besetzt war, zu übernehmen. Im Sommer 1906 ging
er von uns.
Das Dopplersche Prinzip, die Loschmidtsche Zahl,
das Stefansche Strahlungsgesetz und die Boltzmannsche
Formulierung des Entropieprinzips sind einzig da-
stehende Errungenschaften, auf denen ein großer Teil
der Resultate der modernen Physik basiert. Wenn die
Wissenschaft selbst auch an keine Grenzen der Länder
und Völker gebunden ist, so muß es uns doch mit
Bes em Stolz erfüllen, wenn wir uns einer besonderen
flege derselben im eigenen Vaterlande rühmen
können. Leider haben wir Österreicher einen großen
Fehler. Wir sind zu bescheiden. Boltzmann selbst hat
dies in einem Nachruf auf Loschmidt einmal folgender-
maßen zum Ausdruck gebracht: -Wir Österreicher
sind ddch sonderbare Leute. Wenn einer von uns
etwas recht Großes leistet, so genieren wir uns förm-
lich, getrauen uns gar nicht recht, es Öffentlich zu
sagen«. »Andere Menschen sind da ganz anders. Sie
glauben sich selbst zu ehren, wenn sie ihre großen
Männer verherrlichen, und es muß als rührend be-
zeichnet werden, wenn sie im Eifer über das Ziel
hinausschießen und vor Begeisterung daraus fast
Halbgötter machen, während die Geschichte dann
freilich lehrt, daß es Menschen waren«. Die Physiker
Doppler, Loschmidt, Stefan und Boltzmann waren
wohl auch nur Menschen, aber ich kann mir kein Lob
denken, welches auch nur annähernd der Ehrung ent-
spräche, die sie verdienen.
Diese Ehrung und Anerkennung der eigenen be-
deutenden Männer und ihrer Leistungen immer wieder
zum Ausdruck zu bringen, ist unser aller Pflicht. Wie
könnten wir erwarten, von anderen gerühmt zu werden,
wenn wir uns selbst verkleinern? Und hat es sich
nicht auf allen Gebieten gezeigt, wohin uns unsere
eigene Bescheidenheit geführt hat? Hat man uns Öster-
reicher anderswo verstanden, geschweige anerkannt?
Hat man auswärts sich nicht die abenteuerlichsten
Vorstellungen von unserem Staate, von unseren Völkern
emacht? Freilich, die letzte Zeit hat die Welt eines
esseren belehrt. Auf ein Feld geführt, wo alles
Können sich sofort in Taten und Erfolg umsetzt, da
wurde dem Gegner eine etwas andere Meinung von
unserer Tüchtigkeit beigebracht.
Eine Erinnerung an den ersten Balkankrieg.
Deutsche Flieger an der Front. — Im Feuer an der Tschataldscha-Linie.
Eine Stunde von Konstantinopel entfernt liegt am
Marmara-Meer das Städtchen San Stefano, derselbe
Ort, an dem im Jahre 1878 der denkwürdige Friede
geschlossen wurde. Täglich bis in die späte Nacht
hinein hallt jetzt der Artilleriekampf von der stark
befestigten Catalza-Linie herüber, und die täglichen
Übungen des kaiserlich ottomanischen X. Armeckorps,
das in San Stefano in Reserve liegt, zeigen uns, daß
wir in Kriegszeiten leben. Hier hat auch der kom-
mandierende General, Generalleutnant Hurschid Pascha,
mit seinem Generalstab, dessen Chef Oberstleutnant
Enver Bey ist, sein Quartier und leitet umsichtig die
taktische Verwendung der nahe gelegenen Flieger-
abteilung des kaiserlich ottomanischen Heeres.
Sechs Kilometer nördlich von San Stefano erblicken
wir eine weite Ebene, die wegen der günstigen Start-
und Landungsgelegenheiten für einen Flugplatz geradezu
geschaffen erscheint. Dies hat wohl auch die kaiserlich
ottomanische Regierung veranlaßt, ihren Militärflug-
platz hieher zu verlegen. San Stefano ist landschaft-
lich der schönste Flugplatz der Welt. Wir sehen weit
auf das Marmara-Meer hinaus, an dessen jenseitigen
Ufern sich die Vorgebirge Kleinasiens wie silberne
Silhouetten abheben, im Vordergrund das idyllisch
gelegene San Stefano und bei klarer Luft weit entfernt
die Metropole Konstantinopel.
Erheben wir uns nur wenige hundert Meter mit
dem Flugapparat in die Lüfte, so kann man vor dem
überwältigenden Eindruck der Landschaft fast das
Steuern vergessen, um sich ungehindert dem wunder-
vollen Genuß der Naturschönheit hinzugeben. Eine
gänzlich unerwartet heftig einsetzende Bö bringt uns
aber bald wieder in die Wirklichkeit zurück und nun
bin ich dabei angelangt, was ich als den Tropfen
20288 908
7 Ur SIF
909g
Wache vor dem Quartier Enver Paschas in San Stefano.
Wermut bezeichnen möchte, den das Schicksal nie | Husni Pascha steht. Wie bereits erwähnt, untersteht
vergißt, in einen guten Trunk zu tun. Die geographi- | sie jetzt im Kriege dem X. Armeekorps und erhält die
sche Lage des Flugplatzes zwischen dem Schwarzen | Befehle unmittelbar durch den Chef des Generalstabes
und dem Marmara-Meer, die sehr nahe gelegenen | Oberstleutnant Enver Bey. Major Mehmed Ali Bey,
Erhebungen und Hügelketten von Catalza und Strandza | ein erfahrener und vielgereister Offizier, der fließend
und nicht zum wenigsten die schon morgens um acht | deutsch und französisch spricht, kommandiert die
Uhr brennende liebe Sonne bewirkten, daß selbst an | Abteilung, die sich aus folgenden Flieger- und Be-
den ruhigsten Tagen bereits wenige Meter über dem | obachtungsoffizieren zusammensetzt. Fliegeroffiziere:
Erdboden ein mit Böen merkwürdigster Art durch- | Die Hauptleute Salim Bey und Kr. Effendi, Rittmeister
setzter Wind sein Possenspiel mit uns Fliegern treibt, | Fessa Bey. Oberleutnants: Norri*) und Fethi*). Leutnants:
das den Erfahrenen allerdings bald wenig stört, dem | Fasil Asis und Salim, ferner als Leiter der Flug-
Schüler und Anfänger aber viel zu schaffen macht. | schule Herr Rentzel und als Zivilflieger Herr Scherff.
Der Wind wechselt außerordentlich schnell und ist | Mechaniker: Zwei deutsche und zwei französische,
sehr heftig, was ich besonders gut bei einem Gleit- | außerdem 34 Soldaten und türkische Monteure. Be-
flug aus 1500 m Höhe spüren konnte. obachtungsoffizier: Generalstabshauptmann Kemal Bey.
Die kaiserlich ottomanische Fliegerabteilung ist | An Flugapparaten sind vorhanden: Zwei Mars-Pfeil-
der Verkehrsabteilung des Kriegsministeriums unter- | -
stellt, an deren Spitze Seine Exzellenz Generalleutnant
) + bei dem ersten Flug Konstantinopel— Jerusalem.
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Stambul, im Vordergrund das Kriegsministerium.
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Rittmeister Tessa Bey. Major Djémal. Hauptmann Kr. Effendi.
Doppeldecker, vier Rep-, zwei Bristol- und zwei
Deperdussin-Eindecker.
Die türkischen Fliegeroffiziere fliegen mit Eifer
und beherrschen ihre Maschinen gut, jeder kennt seinen
Apparat genau und verwaltet ihn selbst. Die Flug-
maschinen sind in drei geräumigen Schuppen unter-
N die zugleich als Werkstätten dienen. Die
annschaften schlafen in Zelten und kochen sich selbst
ihr Essen, während die Offiziere ein kleines Bretter-
häuschen bewohnen, das Schlaf-, Wohn- und Speise-
raum zugleich ist. Die Abteilung hat zwei Automobile
zur Verfügung, die den Verkehr mit Konstantinopel
und San Stefano vermitteln, außerdem besteht eine
telephonische Verbindung mit dem Kriegsministerium,
dem Bahnhof San Stefano, dem General- Kommando
des X. Armeekorps und dem Großen Hauptquartier.
18:0
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91019
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(Seine Exzellenz Izzev Pascha, Generalissimus.) — Das
große Interesse für die Verwendung von Flugapparaten
im jetzigen 1 wurde hauptsächlich durch Oberst-
leutnant Enver Bey geweckt. Er selbst unternahm mit
mir einen Erkundigungsflug von 1 Stunde 35 Minuten
nach den feindlichen Stellungen am Derkos-See. Leider
war ich gezwungen, sehr früh umzukehren, da die
Dunkelheit hereinbrach. Die Landung erfolgte aus
1200 m Höhe im Gleitflug bei völliger Finsternis, so
daß große Feuer auf dem Flugplatz angezündet wurden,
um das Niedergehen ohne Gefahr zu ermöglichen. Der
erstere größere Flug mit einem »Mars-Pfeil-Doppel-
decker« erfolgte mit Generalstabshauptmann Kemal
Bey als Beobachter und mir als Führer am 7. März
von San Stefano aus über Konstantinopel (Stambul—
Galata~ Péra), dem Bosporus und zurück in einer
Stambul mit Marmara-Meer.
ITS
a ws
Der bedeutendste Flug, der als Kriegs- und Welt-
rekord einzig in seiner
Art dasteht, wurde durch
den Herrn Scherff von
den deutschen Flugzeug-
werken mit Generalstabs-
hauptmann Kemal Bey am
22. Marz ausgefiihrt. Der
Flug, der um6 Uhr 20 Mi-
nuten vormittags begann,
ing zunächst am Ufer des
armara-Meeres entlang
über Kumburgas-Silivri—
Degirmänköjnach Tschorlu,
wo der Mars- Pfeil-
Doppeldecker um 8 Uhr in
2000 m Höhe eintraf. Von
hier aus wendeten sich die
Flieger nach TscherkeB-
köj—Kabalscha—Bagalan
und erreichten am Derkos-
See das Schwarze Meer.
Sie folgten nun dem Ufer
und flogen über Büdera—
Gögda-Daontpascha nach
dem Flugplatz San Stefano
zurück, wo die Landung
um 10 Uhr 22 Minuten vor-
mittags sehr glatt erfolgte.
Hauptmann Kemal Bey
hatte nicht nur die Haupt-
kräfte der Bulgaren fest-
gestellt, sondern auch
alle rückwärtigen Staf-
feln und Befestigungs-
gruppen eingesehen, um
sie seinem Hauptquartier
unverzüglich zu melden.
Der Flug dauerte vier
Stunden zwei Minuten,
eine Leistung, die Führer
und Beobachter alle Ehre macht. Auch die tüchtigen
Fliegeroffiziere Fessa und Fethi machten Erkundungs-
flüge über den Feind, sie können diese aber nicht sehr
weit ausdehnen, da der Aktionsradius ihrer Apparate
Der jetzt torpedierte »Bouvet« vor Konstantinopel.
durchschnittlichen Höhe von 1200 m. Diesem Flug
verdanke ich den schönsten Tag meines Lebens.
(Beschreibung folgt im nächsten Heft.)
aufhörlich bedacht, am Feinde zu bleiben, um die
Nahaufklärung zu ermöglichen. Er ist deshalb auch
mit seinem »Deperdussin« unmittelbar hinter die vordere
|
Ibrahim, der Flugplatzwächter.
sehr beschränkt ist. Vor allem Leutnant Fethi ist un- | lich frohes »Glück ab« zu.
Wetter. Wir müssen uns
hier alle unbedingt auf
unseren Motor verlassen
können, denn die Lan-
dungsmöglichkeiten sind
sehr selten, eine Not-
landung, noch dazu im
Gebiet der Komitadji,
bedeutet wohl stets »Er-
ledigung« von Insassen
und Apparat.
Über feindliche Ge-
lände fliegen wir niemals
unter 1200 m Höhe. Unser
»Mars« erhielt neulich die
Feuertaufe, indem er in
800 m Höhe bei Kadiköj
von mehreren Geschos-
sen getroffen wurde.
Die niedrige Höhe kam
durch starken Rücken-
wind, der plötzlich ein-
setzte und den Apparat
sofort mehrere hundert
Meter herunterdrückte.
Wie sehr ist seit jenem
denkwiirdigen Krieg die
Flugmaschlne vervoll-
kommnet und was haben
unsere tüchtigen Flieger
unter der bewährten
Leitung des deutschen
Hauptmannes Serno in
der Türkei geleistet! Aber
nicht nur deutsche Flug-
zeugführer waren in
Gallipoli und am Suez-
Kanal tätig, sondern auch
türkische Flieger lernten
gewissenhaft und mit
Linie gegangen und fliegt bei jedem Wind und
Eifer deutsche Flugzeuge meistern. Maschinengewehre
bedienen nur erfolgreiche Bombenwerfer.
Wir in der Heimat rufen ihnen, den Helden des
Balkans und Wächtern der Dardanellen, ein zuversicht-
Kr. Effendi.
280
Über Benzol.
Die ungewöhnliche Aufwärtsentwicklung in der
Anwendung der motorischen Kraft in den letzten Jahr-
zehnten hat die moderne Technik gezwungen, nach
immer neuen Betriebsstoffen Umschau zu halten, wobei
oftmals die hohe Preislage eines bestimmten Brenn-
stoffes das Aufsuchen eines billigeren Ersatzbrennstoffes
zwingend bedingte. Einen solchen Fall zeigt uns die
wirtschaftliche Entwicklung des Benzinverbrauches, da
das ausgedehnte Anwendungsgebiet des Benzins eine
Preissteigerung desselben herbeiführte, die die Schaf-
fung eines Ersatzbrennstoffes, insbesondere mit Rück-
sicht auf die Automobilindustrie, fast unerläßlich machte.
Die Möglichkeit eines solchen Ersatzbrennstoffes
bot hier Benzol, das übrigens in der Chemie schon
lange bekannt ist, als Brennstoff für motorische Zwecke
jedoch erst seit mehr als etwa einem Jahrzehnt in Be-
tracht kommt. Das Benzol C6 H6 gehört der aroma-
tischen Reihe der Kohlenwasserstoffe an; seine prak-
tische Bedeutung trat erst durch die Erfindung der
künstlichen Anilinfarbstoffe, vornehmlich mit der Schaf-
fung des künstlichen Indigos in die Erscheinung. Noch
jetzt nimmt das Benzol in der chemischen Großindustrie
ei der Herstellung der künstlichen Anilinfarbstoffe
eine Hauptstellung ein. Benzol ist eine wasserhelle,
leicht bewegliche, stark lichtbrechende Flüssigkeit von
eisentümlich ätherischem Geruch. Das spezifische Ge-
wicht bei 20 Grad beträgt 0°88. Das Benzol erstarrt
bei etwa 00 kristallinisch, schmilzt bei +88 und siedet
bei 80°59. Die Benzole des Handels weisen oft einen
nicht angenehmen teerartigen Geruch auf, der auf einen
Gehalt von Thiophen zurückzuführen ist. Man kann
Benzol von dem Thiophen dadurch befreien, daß man
das Benzol mit konzentrierter Schwefelsäure schüttelt.
Geschichtlich betrachtet wurde das Benzol im Jahre 1825
von Faraday unter den Bestandteilen der trockenen
Destillation der fetten Ole entdeckt; 1834 fand Mitscher-
lich bei der Destillation der Benzolsäure mit Kalk eben-
falls Benzol. Wichtig war die 1845 von Hofmann ge-
machte Entdeckung, daß auch in den leichten Teerölen
Benzol enthalten war.
Vier Jahre später zeigte Mansfield eine Methode,
welche die vorteilhafte Gewinnung des Benzols aus
Steinkohlenteer gestattete. Benzol ist im Steinkohlenteer
bis zu 2 Prozent enthalten. In der Gegenwart wird das
für motorische Zwecke benötigte Benzol fast ausschließ-
lich aus dem Koksofengas gewonnen, und zwar durch
Waschung mit Teerölen, die sogenannte L.eichtöle sind,
welche in der Regel zwischen 200% bis 300° destillieren.
Die chemische Zusammensetzung der Handelsbenzole
ist gewissen Schwankungen ausgesetzt. Nachfolgend
geben wir eine mittlere Werte zeigende Zusammen-
stellung von 90er Benzol:
Schwefelkohlenstoff 0'6860/, Hylole 22'180
Wasser 0:0600% Benzol 80:922
Paraffine 0:1000 Toluol 14:850
Brom u. Thiophen 02020,9
Verunreinigungen sind also in diesem Handelsbenzol
in größerer Zahl enthalten.
In früheren Jahrzehnten erfolgte die Gewinnun
des Benzols ausschließlich aus Steinkohlenteer, der sic
als Nebenprodukt bei der Leuchtgasfabrikation ergab.
Da jedoch Benzol im Leuchtgas derjenige Stoff ist,
welcher dem Gas die Leuchtkraft verleiht, so ist es klar,
daß man das Benzol dem Leuchtgas nur in geringem
Umfange entziehen konnte, wollte man nicht das
Leuchtgas als solches seines Charakters entkleiden. Die
auf dieser Fabrikationsbasis gewonnene Benzolmenge
war daher sehr unbedeutend. Erst als man dazu über-
ring, die bei der Verkoksung der Steinkohle in der
estillationskokerei gewonnenen Nebenprodukte im aus-
al Maße wirtschaftlich zu verwerten, erhielt die
enzolgewinnung für die technischen Industrien prak-
tische Bedeutung, da sich bislang allein die chemische
Industrie des Benzols bediente. Bei dem Koksofengas
fiel die Forderung nach hoher Leuchtkraft fort, da man
hier das Ziel hauptsächlich auf die Erreichung hoher
Heizkraft richtete. Der ProduktionsprozeB in der
Destillationskokerei erstrebte daher vornehmlich die
tunlichst vollständige Gewinnung von Teer, Benzol
und Ammoniak als Nebenprodukte.
Das hat zur Folge gehabt, daß der Mittelpunkt
der deutschen Benzolgewinnung in den Kokereien und
Hüttenwerken des rheinisch-westfälischen, oberschlesi-
schen und Saargebietes heute zu suchen ist. Die ständig
wachsende Nachfrage nach Benzol hat bereits vielen
Kokereien Veranlassung gegeben, an eine entsprechende
Vergrößerung der Fabrikationsanlagen heranzutreten.
Die Verbrennung des Benzols vollzieht sich nach fol-
gender Formel, als mittlere Zusammensetzung an-
Suen C6H und zwar: C6H6+4+ 150 —6cO02+4+3
20. Setzt man die folgenden Verbindungsgewichte
ein, und zwar für C- 12; O- 16; H — 1, so ergibt
sich 784240 — CX 44+3 18. Hienach verbrennen
78 Teile Benzol mit 240 Teilen Sauerstoff zu 264 g
Kohlensäure und 54 g Wasser. Da jedoch in 1 kg Luft
nur 0'235 kg Sauerstoff enthalten sind, so müssen wir
zur Ermittlung des notwendigen Gewichtes der Luft den
Sauerstoffbedarf mit 9235 multiplizieren. Zur Berech-
nung des Luftbedarfes in Liter ist der Luftbedarf in
Kilogramm mit 773 oder der Sauerstoffbedarf mit u
zu multiplizieren, da 773 Liter ein Gewicht von 1 ke
besitzen. Theoretisch würde sich hienach der Luftver-
brauch zur vollständigen Verbrennung von 1 kg Benzol
auf 10°12 m3 berechnen. In der Praxis arbeitet man jedoch
mit einem Luftüberschuß von 20—50 Prozent, da es sich
gezeigt hat, dal3 ein solcher Luftüberschuß erforderlich ist,
wenn man eine vollständige Verbrennung des Gasge-
misches erzielen will. Berechnet man auf der gleichen
Grundlage die für Benzin notwendige Luftmenge, so er-
geben sich 11:7 m3. Einen bemerkenswerten Vorzug besitzt
das Benzol gegenüber dem Benzin insofern, als das
spezifische Gewicht des Benzols fast konstant ist,
während dasselbe beim Benzin sehr schwankend ist.
Vorteilhaft für das Benzol ist auch das Fehlen eines
hohen Wasserstoffgehaltes, der beim Benzin zu den so
unerwünschten Kompressionszündungen führt.
Von großer Bedeutung für den wirtschaftlichen
Wert eines Brennstoffes ist natürlich sein Wärmeinhalt.
Benzol enthält nun auf I kg ca. 10.000 W.-E., während
auf 1 kg Benzin ca. 11.000 W.-E. kommen. Praktisch
bedeutet das, daß in wärmetechnischer Hinsicht 11°6 kg
Benzol etwa 10 kg Benzin entsprechen. Würden beide
Brennstoffe gleiche Preise haben, so würde unter diesen
Verhältnissen an einen Wettbewerb des Benzols mit Benzin
natürlich nicht zu denken sein, da aber Benzol nicht un-
wesentlich billiger ist, so tritt große Wirtschaftlichkeit
klar zutage. Ein zweiter vorteilhafter Punkt des Benzols
ist folgender: Das heute allgemein verbreitete Leicht-
benzin besitzt ein spezifisches Gewicht von durchschnitt-
lich 0°72, während das für Benzol auf 0°88 lautet. Das
Verhältnis der spezifischen Gewichte ist hienach wie
1:125. Das bedeutet, daß man in einem Behälter,
welcher 70 kg Benzin faßt, 86:5 kg Benzol mitführen
kann oder 95.000 W.-E. Diese Tatsache ist für die
Praxis von erheblicher Bedeutung, besonders für das
Automobil. Denn, da der Brennstoffbehälter eine wesent-
lich größere Menge Benzol gegenüber Benzin auf-
nehmen kann, so wächst beispielsweise der Aktions-
radins bei einem Automobil nicht unbedeutend. Nach
Jaenichen ist in einzelnen Fällen eine Steigerung des
Aktionsradius um 10 Prozent beobachtet worden. Für
die technische und wirtschaftliche Beurteilung des
Benzols ist der Standpunkt der deutschen Heeresver-
waltung nicht ohne Interesse.
Die Militärverwaltung macht nämlich bei den Sub-
ventionslastwagen zur Bedingung, daß sich diese mit
Benzol betreiben lassen. Ein Hauptgrund dieser Be-
dingung ist allerdings der, daß Benzol deutsches Fabrikat
ist, während Benzin nur aus Rohprodukten gewonnen
wird, die dem Auslande entstammen. Der militärische
Standpunkt verlangt mit Recht vollständige Unabhängig-
keit vom Auslande, die beim Benzin nicht gegeben ist.
Eine steigende Verwendung des Benzols liegt daher
auch im nationalen Interesse, käme daher ausschließlich
der einheimischen Industrie zugute.
Wie bei Benzin, ist auch bei Benzol eine gewisse
Explosionsgefahr gegeben, da der Entflammungspunkt
zwischen 120 bis 130 liegt. Bei dieser Temperatur kann
es bereits zur Entwicklung brennbarer Dämpfe kommen,
die in Verbindung mit der atmosphärischen Luft ein
explosibles Gemisch bilden. Mittel, die Explosionsgefahr
herabzumindern, gibt es nicht. Selbstverständlich Sali
fiehlt sich die Aufbewahrung von Benzol unter Beo
achtung jeglicher geeigneter Sicherheitsmaßregeln. Hier-
hin gehören feuersichere Gefäße, bei welchen das Hin-
einschlagen einer Flamme unmöglich ist. Auch das
Fernhalten offenen Feuers oder Lichtes muß als eine
selbstverständliche Forderung gelten. Uber die Lagerung
von Benzol, was auch von ähnlichen feuergefährlichen
Stoffen gilt, bestehen in Deutschland landesgesetzliche
und ortspolizeiliche Bestimmungen, deren wesentlicher
Inhalt folgender ist: Räume, die dem dauernden Ver-
kehr von Personen dienen, dürfen zur Lagerung von
nicht mehr als 15 kg Benzol in feuersicheren Gefäßen
benützt werden. Für Verkaufsräume von Kleinhändlern
ist eine Menge bis zu 30 kg zugelassen, unter der Vor-
aussetzung, daß die Verkaufsräume nicht mit den Wohn-
räumen in Verbindung stehen. Befreiung von dieser
Bestimmung findet statt, wenn die Wohnräume rauch-
und feuersicher abgeschlossen werden können. Wird
Benzol in einer Menge von 30 bis 300 kg gelagert, so
ist der Ortspolizei hievon Anzeige zu machen. Wird
die Lagermenge von 300 kg Benzol überschritten, so
ist vorher von der zuständigen Ortspolizeibehörde die Er-
laubnis einzuholen. Im übrigen bestehen noch besondere
Bestimmungen über die sachgemäße Anlage von Heiz-
und Lichtanlagen in den Benzollagerräumen.
Als einen großen Nachteil des Benzols hat man
es bezeichnet, daß es schon bei geringen Kältetem-
peraturen die Frostsicherheit einbüße. In der Tat beginnt
das 90er Handelsbenzol bei — 50 bereits feste Kristalle
abzuscheiden, so daß sich hiebei für den Motorbetrieb
im Winter Schwierigkeiten ergeben. Es ist jedoch bereits
gelungen, ein sogenanntes Winterbenzol herzustellen,
welches gegenüber den bei uns üblichen Temperaturen
als durchaus frostsicher gelten kann.
Man hat ferner geglaubt, auf eine besondere Giftig-
keit der Dämpfe des Benzols hinweisen zu müssen. Es
ist richtig, daß Benzoldämpfe Schwindel, Ohrensausen,
Brech- und Hustenreiz verursachen; in Fabriken, wo
Zeugstoffe durch Benzol entfettet werden, hat man bei
den Arbeitern durch Einatmen der Benzoldampfe Trunken-
heit beobachtet. Geeignete Schutzmaßregeln heben diese
Gefahren nahezu auf. Im Automobilbetrieb haben diese
Benzoldämpfe gar keine praktische Bedeutung, da sie
aus dem Auspuff das Benzol nur in Spuren ausstoßen
281
und so tatsächlich unwirksam sind. Für Motorzwecke,
insbesondere für Automobile kommt hauptsächlich das
sogenannte gereinigte 90er Handelsbenzol in Frage.
Diese Bezeichnung rührt daher, daß 90 Prozent, bei
der Destillation bis 1000 übergehen. Die Ursache, daß
bei früheren Versuchen Benzol für schnellaufende
Motoren schwer verwendbar war, lag darin, daß man
der chemischen Eigenart des Benzols anfangs nicht
genügend Rechnung ru, Nur darũber war man sich
einig, daß der geringe Wasserstoffgehalt des Benzols
eine erhebliche höhere Kompression, bis 8 Atmosphären
und mehr zuließ, was beim Benzin nicht der Fall ist.
Auch das 5 Gewicht des Benzols wurde zu
wenig berücksichtigt. Man ging dazu über, bei den
stationären Motoren die Kompression zu erhöhen, er-
zielte aber unerwarteterweise keine befriedigenden
Ergebnisse hiebei. Es stellte sich nämlich der starke
Kohlenstoffgehalt des Benzols hindernd in den Weg,
der zwar eine bessere thermische Ausnützung der
Maschine erlaubte, aber anderseits zu einer zu starken,
unzulässigen Verrußung führte. Man erkannte bald, daß
die motorische Verwendbarkeit des Benzols von der
Schaffung eines geeigneten Vergasers abhing und daß
mit der Konstruktion eines solchen das Problem als gelöst
zu betrachten war. Für die Technik ist die Vergaserfrage
in bezug auf Benzol längst erledigt. Die anfänglichen
Vergasungsschwierigkeiten mit Benzol waren ver-
schiedener Art. Das oft zu gasarme Gemisch führte zu
Fehlzündungen, die dann eine starke Verrußung der
Zündorgane im Gefolge hatten. Einen nicht geringen
Anteil an der Verrußung hatte anderseits ein zu gas-
reiches Gemisch. Es ergab sich so in unerwünschter
Weise ein zu starkes Rauchen des Auspuffs und ein
vollständiges Verschmutzen der Zylinder, Kolben, ins-
besondere der Ventile, sowie der Zündkerzen. Grund-
bedingung war eine sachgemäße n also
eine richtige Bemessung der Luft und gründliche Durch-
un des Gemisches. Man erkannte bald, daß dem
spezifischen Gewicht des Benzols dahin Rechnung zu
tragen war, daß man den Schwimmer stärker belastete,
auch machte sich eine Erweiterung der Düsen erforder-
lich. Weiter war der Beheizung des Vergasers Auf-
merksamkeit zu schenken. Auch hier schlug man ver-
schiedene Wege mit Erfolg ein. Wenngleich der Luft-
bedarf des Benzols geringer als der des Benzins ist, so
waren doch für die Beschaffung eines größeren Luft-
überschusses entsprechende Maßnahmen notwendig.
Diese Aufgabe fiel den automatischen, in ihrem Durch-
gang verstellbaren Zusatzluftventilen zu. So ist die Ver-
ee für Benzol in einer vollkommen rl Sa
eise gelöst worden und damit ist der deutschen Benzol-
industrie ein unschätzbarer Dienst geleistet worden.
Leider hat die große Nachfrage nach Benzol bereits ein
Anziehen der Preise zur Folge gehabt, und fast hat es
den Anschein, als ob es beim Benzol zu derselben
unerwünschten Preisentwicklung kommt wie beim
Benzin, was der Ausbreitung des Benzols natürlich nur
hinderlich sein kann. Dr. P. Martell.
Weltrekorde der Höhe.
In der zweiten Septemberwoche 1915 waren
deutsche Zeitungen voll von einem neuen Weltrekord
der Flughöhe, der sich aber leider als angeblich
herausstellte. Ein schweizerischer Flieger, Audemars,
hatte am 8. September 1915 bei Paris einen Flug von
Issy-les-Moulineaux nach Villacoublay. ausgeführt
und dabei, wie aus dem »Excelsior« zu entnehmen,
6600 m Höhe erreicht. Das braucht nicht bestritten
zu werden. Entschieden muß aber dagegen Stellung
genommen werden, daß, wie weiter behauptet ist,
diese Flughöhe ein neuer Weltrekord ist, und daß
den damit gebrochenen vorherigen Rekord der fran-
zösische Flieger Legagneux geschaffen hätte. Dieser
Wettbewerb ist vielmehr eine gänzlich französische
oder vielmehr französisch-schweizerische Angelegen-
heit. Denn Legagneux erreichte am 27. Dezember
1913 zwar die damals höchste Flughöhe von 6120 m.
Diese Flughöhe ist aber seitdem schon mehrmals er-
heblich überstiegen worden. Am 10. Februar 1914 er-
reichte der argentinische Flieger Newbury 6275 m,
am 31. März 1914 der deutsche Flieger G. Linne-
kogel 6300 m, am 9. Juli 1914 derselbe Deutsche
6570 m, während inzwischen am 23. Juni 1914 der
österreichisch-ungarische Flieger Oberleutnant Bier
auf der Flugwoche zu Aspern sogar mit einem Passa-
gier noch höher als Legagneux gestiegen war, bis
6170 m. Am 14. Juli 1914 führte dann über Linden-
thal bei Leipzig der deutsche Flieger Heinrich Ölerich
einen Doppeldecker der Deutschen 5
bis über 8000 m, wahrscheinlich bis 8100 m empor.
282
In Nr. 14 vom 25. Juli 1914 brachte die »Osterreichische
Flug-Zeitschrift« auf Seite 283 einen kurzen Bericht
dariiber. Er ist von mir sogleich, gegeniiber dem von
Audemars erhobenen Anspruch, in der deutschen
Tagespresse als Quelle zitiert worden. Der Weltrekord
der Höhe von rid at Wh ake war demnach nicht allein
schon vier- bis fünfmal gebrochen. Von deutscher Seite
war vielmehr auch, schon fast 14 Monate vor dem Hoch-
fluge Audemars’, ein neuer Weltrekord aufgestellt,
unter dem dieser Pariser Hochflug noch um nicht
weniger als anderthalb Kilometer zuriickblieb.
ann die Pariser Meldung fast als ein Boykot-
tierungsversuch der Flugtechnik »Made in Germany<
aufgefaBt werden, so ist es schwer, die richtige Be-
zeichnung für die willige Heeresfolge deutscher
Zeitungen auf diesem Wege zu finden. Im folgenden
bringe ich den Wortlaut einer solchen Meldung aus
einer Hamburger Zeitung vom 11. September 1915:
»Neuer Höhenrekord von einem Schweizer Flieger
aufgestellt.
Der Schweizer Flieger Audemars stieg am Mitt-
woch von Issy-les-Moulineaux auf, um den Höhenrekord
zu schlagen. Er landete eine Stunde später in Villa
Coublay. Es wurde von den offiziellen Kommissären
des Aeroklubs von Frankreich festgestellt, daß der
Höhenmesser 6600 m verzeichnete. Audemars schlug
demnach den von Legagneux mit 6210 m innegehabten
Höhenweltrekord«.
Erklärlich erscheint ein solches Versehen nur aus
den trostlosen Gepflogenheiten des Korrespondenz-
geschäftes für Zeitungen, außerordentlich vielen Stoff
tür äußerst geringen Preis zu liefern. Die für ein
solches Geschäft arbeitenden Schriftsteller sind unter
diesen Umständen genötigt zu einer Massenerzeugung,
die vor allem aus der gesetzlich weniger geschützten
ausländischen Literatur schöpft. So tritt gelegentlich
eine so unglaublich verkehrte Reklame für ausländische
Interessen zutage, wie sie im obigen Zitat der Nach-
welt aufbewahrt ist.
Um ihr auf dem Felde der Weltrekorde der Höhe
ein für allemal vorzubeugen, sei gestattet, zum Schlusse
die geschichtliche Reihe der rekordtragenden Flieger
und ferner die sonstigen, gegenwärtig geltenden Höhen-
rekorde übersichtlich zusammenzustellen.
l. Träger des Weltrekords im Höhenflug.
1908 Dezember 8.: Wilbur Wright... 115m
1909 1 1.: H. Latham
1910 September 3.: Morane
. e >% č ù% >œ
1910 Oktober l: A. Wyn malen 2780 m
5 5 31.: R. Johnstone 2961 „
„ November 23.: Drexel ....... 3050 „
» Dezember 9.: G. Legagneux 3100 „
» z 26.: Hoxs e, 3500 „
1911 September 4.: R. Garros...... 3910 „
1912 a 7.: R. Garros 5010 „
= 17.: G. Legagneux 5450 „
„ Dezember 11.: R. Garros 5610 „
1913 März 1l.: Perreyon 5880 „
„ Dezember 27.: G. Legagneux 6120 „
1914 Februar 10.: Newbury ...... 6275 „
» März 31.: G. Linnekogel . 6300 „
» Juli 9.: G. Linnekogel .. .6570,
5 14.: H. Ölerich. . . 8100 „
II. Sonstige Weltrekorde der Höhe.
1901 Juli 31.: Berson und Süring
auf dem Luftballon
»Preußen«
Rubensohnu. Mon-
rad Aas auf dem
Kabru im Himalaya .
Drachenaufstieg vom
Mount Weather (Va.)
unter Wm. R. Blair
Sonde-Ballon-Aufstieg
von Pavia unter
Pericle Gamba . 35.030 „
An diesem höchsten Ballon-Aufstieg war Deutsch-
land insofern mitbeteiligt, als seine Industrie die er-
folgreiche Maschine, den Sonde-Ballon, geliefert hatte.
Er war von der Kontinentalen Kautschuk-
Kompagnie in Hannover hergestellt. Den Höhen-
rekord mit bemanntem Ballon wollten anderseits den
beiden obengenannten deutschen Luftschiffern zwei
Italiener streitig machen. Die Herren Piacenza und
Ranza behaupteten, am 9. August 1909, von Turin
aufsteigend, die Höhe von 11.800 m erreicht zu haben.
Doch erklärte eine, bei der römischen Zentralanstalt
für Meteorologie von mir eingezogene Auskunft diese
Höhe für nicht authentisch. »Der Ballon-Barograph
war in Unordnung, die erreichte Maximalhöhe konnte
also nicht bestimmt werden. Vielleicht kann man die-
selbe nicht über 7000 m schätzen. Kein wissenschaft-
licher Bericht dieses Aufstieges liegt vor.«
Holsteinische Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen.
Wilhelm Krebs.
1907 Herbst:
1910 Mai
7265 „
1911 Dezember 7.:
Die Wasserstoffgewinnung im Kriege.
(Fortsetzung und Schluß.)
Wir kommen nun zu der zweiten großen Gruppe
von Verfahren, den stationären Anlagen, wie sie
in Festungen, Lagerplätzen und Luftschiffhäfen zur
Versorgung der lenkbaren Luftschiffe mit ihrem großen
Wasserstoffbedarf in Gebrauch sind. Während bei
den bisher besprochenen, für den Gebrauch im Felde
bestimmten Anlagen das Gewicht der Apparate und
der zur Gaserzeugung erforderlichen Materialien,
sowie die schnelle Betriebsbereitschaft von ausschlag-
gebender Bedeutung sind, kommt es bei den statio-
nären Anlagen in erster Linie auf eine hohe Stunden-
leistung an, damit die im normalen Betriebe eines
Luftschiffes entstehenden Gasverluste in möglichst
kurzer Zeit durch eine Nachfüllung ersetzt werden
können. Um auch die völlige Frischfüllung eines
Luftschiffes, die bei einem Zeppelin-Luftschiff 22.000
bis 25.000 m3 Wasserstoff erfordert, in einem Tage
durchführen zu können, sind diese Anlagen mit einem
Gasbehälter oder einem großen Flaschenlager ver-
sehen, so daß also stets Wasserstoff auf Vorrat er-
zeugt werden kann. Zum Beispiel besitzt die Luft-
schiffhalle in Hamburg eine aus 388 Flaschen be-
stehende Abfüllanlage. Die Flaschen sind in zwei
Gruppen geteilt und es liegen jeweils vier Flaschen
übereinander.
Auch für die Gewinnung des Wasserstoffes in
großen stationären Anlagen stehen uns heute zahl-
reiche verschiedene Verfahren zur Verfügung, die
auch auf diesem Gebiete das früher allein gebräuch-
liche Verfahren der Einwirkung von Eisen auf Schwefel-
säure vollständig verdrängt haben. In den Neunziger-
jahren des vorigen Jahrhunderts gelangten für statio-
näre Wasserstoffanlagen die elektrolytischen
Wasserzersetzer zur Einführung, die ein sehr
reines Gas lieferten und fast ohne Bedienung ar-
beiteten. Für die Zwecke der Militärluftschiffahrt
fanden namentlich die Apparate der Elektrizitäts- A.-G.
vormals Schuckert & Co., sowie die der Maschinen-
fabrik Oerlikon in Oerlikon bei Zürich Anwendung,
die beide mit alkalischen Elcktrolyten arbeiten und
Eisenelektroden benützen. Bei den Schuckert-
apparaten sind die Elektroden, um eine Vermischung
des an der Anode abgeschiedenen Sauerstoffes mit
dem an der Kathode abgeschiedenen Wasserstoff zu
verhüten, mit metallischen Scheidewänden versehen.
Zur Erzeugung größerer Gasmengen muß stets eine
ganze Reihe solcher Zersetzungszellen hintereinander
geschaltet werden, wobei die gebildeten Gase durch
eine Sammelleitung abgeführt und in Behältern ge-
trennt aufgespeichert werden. Nach diesem System
wurden seinerzeit in Straß-
burg und in Metz zwei
Anlagen für eine stünd-
liche Leistung von je 50 m3
Wasserstoff errichtet. Der
Elektrolyseur der Maschi-
nenfabrik Oerlikon
zeichnet sich vor den
Schuck ert apparaten
durch seinen viel gerin-
geren Raumbedarfaus. Die
einzelnen Zellen (Fig. 8)
Fig. 8. Elektrolyseur der
Maschinenfabrik Oerlikon
(System Dr. Schmidt).
sind hier nach Art einer Filterpresse zusammenge-
schraubt und an Stelle der Metallglocken dienen Asbest-
diaphragmen zur Trennung der eisernen Elektroden
voneinander. Zur Erzeugung von 1 më Wasserstoff ist
bei den elektrolytischen Wasserzersetzern ein Energie-
aufwand von 6 kWh erforderlich; der Wasserstoff ist
also ziemlich teuer, wenn die Strompreise nicht sehr
niedrig sind. Die Oerlikonapparate sind bei der
englischen Militärluftschifferstation in Farn-
borough in Gebrauch, sowie bei den Ballon-
schiffen der schwedischen und russischen Marne.
Diese Ballonschiffe sind mit großen elektro-
Iytischen Anlagen, Kompressoren und Stahl-
flaschen ausgerüstet; sie dienen zur Küstenver-
teidigung, da mit Hilfe des Drachenballons das
Aufsuchen von Unterseebooten und Seeminen
erheblich erleichtert wird.
Auch das oben erwähnte, von Coutelle
schon im Jahre 1794 benützte Verfahren, die
Einwirkung von Wasserdampf auf glühendes
Eisen, ist in den letzten Jahren wieder zur
Einführung gelangt, natürlich in wesentlich
verbesserter Form. Die Internationale
Wasserstoff-A.-G. in Berlin stellt durch
Reduktion von Kiesabbränden mittels Wasser-
gases einen für die kontinuierliche Wasser-
stoffgewinnung gut geeigneten porösen Eisen-
schwamm her, der auf etwa 800° erhitzt und
mit Wasserdampf behandelt wird. Hiebei tritt,
wie schon oben erwähnt wurde, eine Zerlegung
des Wasserdampfes ein, derart, daß der Sauer-
stoff mit dem Eisen zu Eisenoxyduloxyd zusam-
mentritt, während Wasserstoff frei wird. Das
Eisenoxyd wird jeweils wieder mit Generatorgas
oder Wassergas zu Eisen reduziert. Zur Aus-
führung des Verfahrens wurden früher Öfen mit
vertikalen Eisenretorten verwendet; da diese
jedoch eine geringe Haltbarkeit zeigten, verwendet die
Internationale Wasserstoff-A.-G. neuerdings
hiezu gemauerte Schachtöfen. Um das Eisen stets auf
der für die Umsetzung erforderlichen Temperatur zu
283
erhalten, wird in bestimmten Zeitabständen Wassergas
in dem Schachtofen verbrannt, während bei den älteren
Retortenöfen die Beheizung des Eisens von außen er-
folgte. Es sind bei diesem Verfahren also drei Perioden
zu unterscheiden: eine Heizperiode, eine Reduktions-
periode und eine Gasperiode. Der Wasserstoff hat
eine Reinheit von 98 bis 99 Prozent, 1 ms stellt sich
auf etwa 12 Pfg. Dieses Verfahren war in der älteren
Ausführungsform bis vor kurzem in der Festung Köln
in Gebrauch, wo eine Anlage für eine Bes ung von
160 m in einer Stunde vorhanden war. Ferner findet
es bei der österreichischen Luftschifferstation in
Fischamend bei Wien Anwendung; diese Anlage ist
jedoch so eingerichtet, daß sie zugleich nach einem
ähnlichen von Prof. Strache in Wien ausgearbeiteten
Verfahren (Fig. 9) arbeiten kann, dessen Wirkungs-
weise die folgende ist:
Durch Einblasen von Luft wird zu-
nächst im Generator Generatorgas ge-
wonnen, welches durch die daneben auf-
gestellte hohe Reduktionskammer geleitet
und zunächst durch Zufuhr von Sekundär-
luft vollständig verbrannt wird, damit das
in der Reduktionskammer aufgespeicherte
Eisenoxyd erhitzt wird. Die Abgase ent-
weichen durch einen Dampfüberhitzer und
das Abgasventil zum Schornstein. Dann
wird die Sekundärluft, welche die Ver-
brennung des Generatorgases bewirkt,
abgestellt, das Kohlenoxyd reduziert nun
das Eisenoxyd zu metallischem Eisen und
der Rest des Kohlenoxyds wird oben vor
dem Überhitzer verbrannt. Sobald die Re-
duktion beendet ist, wird das hydraulische
Zwischenventil, welches sich zwischen
dem Generator und der Reduktionskammer
befindet, geschlossen und Dampf in den
oberen Teil der letzteren eingeblasen. Dieser überhitzt
sich an den glühenden Schamottesteinen und gelangt
sodann auf das frisch reduzierte metallischeEisen, indem
er Wasserstoff und Eisenoxyd liefert. Der Wasserstoff
entweicht unten in den Wäscher, während das Eisen-
oxyd bei einer neuerlichen Warmblaseperiode wieder
zu metallischem Eisen reduziert wird.. Als Brennstoff
'Ausblas -Rohr | |
LA, Abgasventil
=
A
landrad 72
ll
ven!
| | Fr = | Regeneralor
| | | 8 bebe |
| Fulllrichter I | | ` HA | ‘
N I | nz e i | asserju auf
—-—} = 16 —. — —
N j Zwischen 1 U stand 11
\ r Mir 1 \ : x 2 — . |=
IS
‘|
Fig. 9.
muß dabei Holzkohle verwendet werden, weil sonst
eine Bildung von Schwefeleisen eintritt. Zur Er-
zeugung von 1 mè Wasserstoff sind 2 kg Holzkohle
erforderlich.
284
Eine sehr bemerkenswerte Verbesserung dieses
Verfahrens stellt der von Dr. Messerschmitt
konstruierte Generator dar. In einen aus Schamotte-
steinen gemauerten Schacht ist ein Eisenzylinder
hängend eingebaut, während ein zweiter kleinerer
Eisenzylinder auf dem Boden des Generators steht.
Der von diesen beiden Zylindern gebildete ringförmige
Raum ist mit Eisenerzen angefüllt. Das Innere des
Generators ist mit einem Gitterwerk aus Schamotte-
steinen ausgemauert, das als Wärmespeicher dient.
Zur Heizung des Generators sowie zur Heizung und
Reduktion des Eisenoxyds wird in der Mitte des
Schachtes von unten Wassergas und Verbrennungsluft
eingeleitet, jedoch nur so viel Luft, daß ein Teil des
Wassergases unverbrannt bleibt. Die Gase steigen in
dem mittleren Teile des Schachtes hoch, streichen
dann von oben nach unten durch das Eisenoxyd, das
sie zu metallischem Eisen reduzieren und zugleich
erwärmen, und strömen schließlich an dem äußeren
Teile des Generators wieder nach oben. Die in den
Gasen noch enthaltenen brennbaren Bestandteile
werden in diesem äußeren Teile durch neuerdings
zugeführte Verbrennungsluft verbrannt, wodurch auch
das äußere Schamottegitterwerk auf die Reaktions-
temperatur von 700 bis 8000 erhitzt wird. Diese sinn-
reiche Konstruktion des Generators ermöglicht eine
sehr gleichmäßige Beheizung des Eisenoxyds und eine
sehr weitgehende Ausnützung der in den Reduktions-
gasen enthaltenen Wärme. Nach etwa 20 Minuten ist
die Heizung und Reduktion des Eisenoxyds beendet,
hierauf werden die Verbrennungsgase durch Einleiten
von Dampf während einiger Sekunden aus dem
Generator ausgespült, worauf die Erzeugung von
Wasserstoff beginnen kann. Hiebei wird Wasserdampf
von oben in den äußeren Teil des Generators einge-
führt, der nun das rotglühende Eisen von unten nach
oben durchströmt und hiebei zersetzt wird. Der ge-
bildete Wasserstoff entweicht durch eine Vorlage mit
Wasserabschluß oben in der Mitte des Generators
Fig. 10. Wasserstoffaniage, System Rincker und Wolter.
Turdsgeblase. Ölbehäller 6.
Olpumpe.
{.Generator. 0. Generator.
Gastrockener
Trockenreiniger
Kohleno
Fig. 11.
und wird in der üblichen Weise gekühlt und gereinigt.
Die Gasperiode dauert etwa zehn Minuten, worauf das
Eisenoxyd von neuem geheizt und reduziert werden
muß. Die Anlage kann sowohl kontinuierlich wie mit
Unterbrechung betrieben werden, da der Generator in
Vorlage. i
xydreiniger
wenigen Stunden angeheizt werden kann. Die Bedienung
der Anlage besteht lediglich in der Beobachtung der
Temperatur an einem Pyrometer sowie in der Hebel-
umstellung bei den einzelnen Arbeitsperioden. Alle
Hebelstellungen werden selbsttätig verriegelt, so daß
falsche Ventilstellungen nicht vorkommen können. Als
Zusatzanlage zu dem Wasserstoffgenerator ist noch
eine Wassergasanlage der bekannten Bauart erforder-
lich. Anlagen nach dem System Messerschmitt,
das von der Karl Franckes Wasserstoffgas-
G.m.b.H. in Bremen verwertet wird, sind auf der
Zeppelinwerft in Friedrichshafen, in den Festungen
Köln und Königsberg sowie in den Kriegsluftschiff-
häfen Mannheim, Düsseldorf und Dresden in Betrieb.
Der Reinheitsgrad des nach diesem Verfahren erzeugten
Gases ist 98˙5 Prozent, die Herstellungskosten sind
ering.
5 Ein anderes Verfahren, das von zwei Holländern,
Rincker und Wolter, ausgearbeitet wurde, geht
von dem Olgas aus, das beim Durchleiten durch einen
mit glühendem Koks Bellen Generator eine weit-
gehende Zersetzung erfährt, indem die Kohlenwasser-
stoffe in Kohlenstoff und Wasserstoff zerfallen. Dieses
Verfahren war bis vor kurzem in Königsberg in Be-
trieb, ferner haben die russischen Luftschiffertruppen
eine derartige Anlage in Benützung, die auf zwei
Eisenbahnwagen montiert ist (Fig. 10). Der erste
Wagen trägt zwei Generatoren, ein Gebläse, einen
Ölbehälter sowie die dazugehörige Pumpe, während
auf dem zweiten Wagen die Apparate zur Reinigung
des Gases aufgestellt sind (Fig. 11). Die Generatoren
werden zunächst mit Hilfe des Gebläses heißgeblasen,
dann wird oben eine bestimmte Menge Ol eingespritzt,
das vergast und zersetzt wird. Der gebildete Wasser-
stoff wird unten aus den Generatoren abgesaugt,
gekühlt, gereinigt und getrocknet. Das gereinigte Gas
enthält noch zwei bis drei Prozent Kohlenoxyd, das
durch eine besondere Nachreinigung, durch Uberleiten
über erhitzten Natronkalk, entfernt wird. Die Anlage
liefert 100 m3 Wasserstoff in einer Stunde;
die 555 sind lediglich
Koks und Ol, und zwar können die ver-
schiedensten le, wie rohes Erdöl,
Petroleumdestillations-Rückstände, Teer,
Benzol oder Benzin hiezu Verwendung
finden. Zur Bedienung der Anlage sind
nur zwei Mann erforderlich, die Herstel-
lungskosten betragen 10 bis 14 Pfg. für
1 m. Die Anlage kann, da sie verhältnis-
mäßig leicht beweglich ist, nicht nur in
Festungen W finden, sondern
auch einem Luftschiff folgen, um bei der
Landung rasch das zur Nachfüllung er-
forderliche Gas zu liefern.
Auch von den oben besprochenen
Verfahren für den Gebrauch im Felde sind
einige zum Betriebe größerer stationärer
Anlagen geeignet; so findet das Silizium-
verfahren der Firma Schuckert in
der Festung Mainz, bei den schweizeri-
schen sowie bei den italienischen Luft-
schiffern in Bracciano Anwendung, wo
stationäre Anlagen für eine Leistung von
300 m3 in einer Stunde vorhanden sind,
während fast alle französischen Festun-
gen der Ostgrenze mit leistungsfähigen
Wasserstoffanlagen nach dem analogen
Silikolverfahren von Jaubert ausge-
rüstet sind.
Schließlich sei noch darauf hinge-
wiesen, daß heute auch zahlreiche in-
dustrielle Betriebe im Besitz von großen
Wasserstoffanlagen sind, wie z. B. viele
chemische Werke, Ölfabriken, Schiffswerften und
Glühlampenfabriken. Auch diese Anlagen können im
Notfalle zur Beschaffung von Wasserstoff für das Heer
herangezogen werden. Es sei hier nur die Chemische
Fabrik Griesheim-Elektron in Griesheim bei
Frankfurt a. M. genannt, die sich um die Entwicklung
der Luftschiffahrt in Deutschland große Verdienste
erworben hat. In dieser Fabrik werden täglich riesige
Mengen Wasserstoff erzeugt, und zwar als Neben-
produkt bei der Elektrolyse des Chlorkaliums und
Chlornatriums. Aus meinen Ausführungen ist wohl
ein Bild davon zu entnehmen, wie die wichtige Frage
Beitrag zur Theorie
Einen interessanten Beitrag zum Insektenflug hat
ein französischer Naturforscher vor einiger Zeit in der
Zeitschrift La Nature veröffentlicht. Jousset de
Bellesme leitet seine Ausführungen mit dem Hin-
weise auf die noch immer stattfindenden Abstürze
von Flugzeugen ein, deren Ursache lediglich der
hg nalen Stabilität der Flugzeuge zuzuschreiben
ist. Tatsächlich sind ja auch Flugunfälle, die nur auf
ein Versagen des Motors oder auf einen Schrauben-
bruch zurückzuführen sind, außerordentlich selten.
Wenn man aber, so führt Jousset aus, demgegen-
über sämtliche Flugtiere beobachtet, so wird man
nicht eines von ihnen finden, das das Opfer eines
Absturzes geworden sei. Wenn auch die Flug-
bedingungen bei den Flugtieren wesentlich anders
liegen als bei den Flugzeugen, so wäre doch ein
eingehendes, systematisches Studium der Flugtiere
insofern von Bedeutung, als wir in demselben die
absolut vollkommene organische Lösung des Stabili-
tätsproblems besitzen, deren genaue Kenntnis auch in
praktisch-flugtechnischer Hinsicht wertvolle und an-
regende Ideen geben würde.
Es scheint, sagt Dr. Jousset, daß bis jetzt alle,
die sich ihre Pfade durch die Lüfte zu bahnen ver-
suchten, so wie Ikarus, im DL Banne des
Vogelfluges damit begannen, denselben nachzuahmen
oder ihn als Basis ihren radikalen Forschungen zu-
grunde zu legen. In Wahrheit aber seien die Vögel
durch ganz spezielle Flugbedingungen und ihren ana-
tomischen Flügelkomplex überhaupt die schlechtesten
Vorbilder, die man habe wählen können.
Es gibt andere Tiere, die viel bewundernswerter
fliegen, und deren Flug auf Grund ähnlicher Flug-
bedingungen dem maschinellen Fluge näher liegt,
nämlich: die Insekten.
Jousset hat ganz interessante Versuche mit
Zweiflüglern (Stubenfliegen, Rosenfliegen, Stechfliegen,
Wasserspinnen etc.) gemacht, die außer den beiden
Flügeln noch einen kleinen, aber sehr wichtigen
Apparat besitzen, welchen die Naturforscher Flügel-
kölbchen (Schwingkölbchen) nennen, und welcher im
wesentlichen aus einem dünnen Stiele besteht, der in
einem runden Kölbchen endigt. Wenn man diese beiden
Flügelkölbchen bei einer Rosenfliege abschneidet, so
verliert das Insekt zwar nicht die Fähigkeit des Flie-
gens, aber die Möglichkeit, seinen Flug zu lenken,
also die Steuerfähigkeit ist fast gänzlich eingebüßt.
Setzt man ein so verstümmeltes Insekt frei auf den
Rand des Tisches, so reibt es wiederholte Male die
verletzte Stelle, zögert dann einen Augenblick und
versucht, sich endlich in schnellem Flug davon zu
schwingen. Kaum aber hat es seinen Abflu sort ver-
lassen, beschreibt es einen parabolischen Kreisbogen
und fällt in ungefähr 1 m Entfernung kopfabwärts
zu Boden, überpurzelt sich einige Male und bleibt
dann auf dem Rücken liegen. Wenn es sich nach einiger
Zeit erholt hat, unternimmt es einen neuen Versuch, aber
diesmal ist schon sein Aufflug viel schwieriger. Es
schwingt sich durch einen harten Aufschlag der Flügel
vom Boden, erhebt sich 6 bis 7 em und macht aber
dann, trotz der emsig schwirrenden Flügelschläge
dieselbe Sturzbewegung und schlägt kopfabwärts in
ungefähr 10cm von der Abflugstelle so heftig auf
den Boden auf, daß es liegen bleibt. Die Fähigkeit
zum horizontalen und aufsteigenden Flug ist unwieder-
bringlich vernichtet.
285
der Wasserstoffgewinnung, die vor 20 Jahren noch
fast unlösbar zu sein schien, heute in einer allen
Anforderungen entsprechenden Weise ihre Lösun
gefunden hat. Es ist weiter daraus zu erkennen, da
an dem riesigen Aufschwung, den die Luftschiffahrt
in den letzten Jahren genommen hat, auch die Chemie
einen sehr wesentlichen Anteil hat.
des Insektenfluges.
Jousset betrachtet nun den Flug eines Insektes
genauer, das oft an einer Stelle ruhig in der Luft
wie über einem unsichtbaren Faden schwebt, welcher
seine Flügel an zwei Punkten, den Auftriebszentren,
kreuzt. Dieser angenommene Faden stellt das theore-
tische Unterstiitzungslager des fliegenden Insektes
dar und ist die Sustensions- oder Schwebeachse, und
die differenzierten Beziehungen in der gegenseitigen
Lage dieser Schwebeachse und des Schwergewichts-
zentrums des Insektes bestimmen die axiale Körper-
n und folglich auch die Flugrichtung des In-
sektes.
Das Schwergewichtszentrum befindet sich bei
diesen Insekten ungefähr in der unteren Partie der
Thoraxbasis. Seine Lage ist bei den Zweiflüglern
wenig veränderlich, da deren Bauchteil (Abdomen)
mit dem Brustkorb (Thorax) eng und fest verbunden
ist; bei den Haut- oder Aderflüglern (Wespen, Bienen,
Hornissen etc.) hingegen, deren Bauchteil sehr be-
weglich ist, kann auch das Schwergewichtszentrum des
Rosenfliege mit ihren Fiügelkölbchen (b).
Links ein solches vergrößert.
Insektes im Fluge nach vor- und nach rückwärts verlegt
werden. Diese Insekten können also, um sich die Stabiliät
während des Fluges zu sichern, das Schwergewichts-
zentrum unmittelbar unter die Schwebeachse verlegen.
indem sie den Bauchteil nach abwärts hängen lassen,
und können dabei jederzeit durch eine höchst primi-
tive Schwergewichtsverlegung die eventuell gestörte
Stabilität beeinflussen. In der Tat wird jeder Natur-
beobachter die genannten Insekten meistenteils mit
dem scharf nach abwärts gebogenen Bauchteil fliegen
sehen.
Diese Art, durch Schwergewichtsverstellung den
Flug zu stabilisieren, trifft im Prinzipe sowohl bei den
Zweiflüglern als auch bei den Hautflüglern zu; bei
beiden Gruppen geschieht dies aber durch einen ver-
schiedenen Mechanismus.
Bei den Zweiflüglern ist das Schwergewichts-
zentrum zwar unverschiebbar, aber die Schwebeachse
kann durch die vorher erwähnten, für den stabilen
Flug hochwichtigen Flügelkölbchen nach vor- oder
nach rückwärts verschoben werden, indem die Flügel-
kölbchen die Flügelstellung und auch die Größe der
Flügelschwingungen bestimmen können.
Bei den Hautflüglern wird die Schwergewichts-
verlegung auf Grund der Beweglichkeit des Bauch-
teiles noch durch die Fußstellung des Insektes ver-
stärkt. Bei ihnen ist wieder die Schwebeachse un-
286 »
veränderlich und die Flügel haben im Fluge immer
dieselbe Vibrationsamplitude.
Die Richtigkeit dieser Theorie hat Jousset
durch mannigfache Experimente kontrollieren können.
Und es war in der Tat auch möglich, einem Insekt,
das man seiner Flügelkölbchen beraubt hat, die für
seinen stabilen Flug unbedingt notwendige Fähigkeit
wiederzugeben, sein Schwergewichtszentrum hinter die
Schwebeachse verlegen zu können. Man hat zu diesem
Zwecke einer Rosenfliege, der man die Flügelkölbchen
weggeschnitten hatte, rückwärts auf den Bauchteil
ein starkes, ganz gerades, ungefähr 10cm langes RoB-
haar an Als man das damit ausgestattete Insekt
losließ, fiel es vorerst zur Erde, und zwar mit dem
rückwärtigen Teil nach abwärts. Nun kürzte man das
Haar etwas, und nach einigen Versuchen dieser Art,
um die notwendige Länge des Haares festzustellen,
gelang es tatsächlich, die Rosenfliege wieder zu einem
normalen Flug in horizontaler und aufsteigender Rich-
tung zu bringen.
Von diesen Erkenntnissen leitet nun Jousset,
dem Insektenflug angepaßt, eine Reihe von kon-
struktiven Veränderungen an den bestehenden Flug-
zeugen ab, die in den angeführten Vorschlägen nicht
sehr zweckdienlich und auch wenig aussichtsreich
wären.
Es ist im Gegensatze zu den Insekten besser, die
Flugzeuge etwas kopfschwer zu bauen, einerseits um
das Höhensteuer zu entlasten, anderseits auch um
im Falle eines Motorschadens das Flugzeug leicht in
einen Gleitflug bringen zu können. Das im allgemeinen
für die Stabilität gewiß vorteilhafte Prinzip des flie-
genden Schwerpunktes läßt sich bei Flugzeugen aus
konstruktiven Gründen nicht überall durchführen, außer-
dem erschwert der tiefliegende Schwerpunkt erheblich
die leichte Steuerbarkeit und unter bestimmten Um-
ständen sogar die Stabilität. Die von ihm vorgeschlagene
Vertikalsteuerung durch eine Laufgewichtsverstellung
wäre höchst mangelhaft und unpraktisch aus Gründen,
die nicht näher erörtert zu werden brauchen.
Im gesamten aber würde ein genaueres Studium
der Insekten, speziell was die Flügelkonstruktion be-
trifft, ganz wertvolle Daten liefern. Dieser rein kon-
struktive Teil wurde von ihm aber leider gar nicht
berührt. Der Insektenflügel bildet eine ideale Flügel-
konstruktion, der für seine Verwendungsart eine voll-
kommene Auflösung aller Spannungs- und Trag-
momente bietet. Das scheinbar willkürlich den Flügel
durchziehende Gittergerüst läßt sich relativ nach ganz
einfachen und höchst sinnfälligen Prinzipien auflösen
und gewährt Erkenntnisse wertvollster Art.
Hanns Pittner.
Sturmkalender für November und Dezember 1915.
Von Wilhelm Krebs (Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen).
— — —
Atmosphärische Störungsfolgen aus den Hauptherdgebieten der tropischen
Sturmbildung
8. bis 14.
+ Störungstermin, der unter dem 28. Oktober 1915 durch eine Taifun-Nachricht aus den Philippinen bestätigt ist. Hunderte
von Menschenleben sollen im südlichen Luzon den Sturmverheerungen zum Opfer gefallen sein. Vielleicht handelte es
1915, |- — —
Im Westatlantik Im Indischen Ozean
Wochen | bezw. mitti. * Im Westpazifik | (Westen)
Sturmblidungsepochen |
| k Br |
Oktober | 11. bis 17. | 16. bis 22. 22. bis 30. | 2. bis 10. | 11. bis 17. | 22. bis 30. 11. bis | 16. bis
| | Ä
Oktober | | |
15. bis 21. Ostasien |
= (Nore Le | en _
azi j
Oktober] Nord- s 72 | Indischer
22. bis 28. amerika |
bas J- i a2: = Ostasien i= S os, yes
Oktober Nord- T |
29. bis 31. amerika Indischer |
— 4 — e | — — (Westen) — f
esten
Novemb. Europa |
1. bis 7.
Ostasien |
BEN She et ²˙ wear tae et SE a. Nord- Nord- (Nord- S III Ao mn nm Be m rn Er fen u |
amerika | amerika i ifi |
Novemb | pazifik) Ost-
8. bis 14. Europa Europa |
| Nord- (Süden) |
JV re ae j amerika Ze - d * Out Te eS |
Novemb. st-
15. bis 21. Europa Süden |
— —— — | Europa | — — — U - „ —— -= - |
Novemb.
22. bis 28. Europa
=e, ee te Nord- _ Ae Ai J K
amerika
Novemb. |
29. bis 30. |
=o = Coe a ĩ a ron
|
— - Europa — — oo. |
i !
sich um das auch früher schon beobachtete Auftreten zweier Wirbelstürme, die einander in einem Zwischenraum weniger
Tage folgten.
287
Neues vom deutschen Kriegsflugwesen.
Anfang September 1915.
Immer und immer wieder gelangen von allen
Kriegsschauplätzen Mitteilungen über hervorragende
Leistungen der deutschen Flieger ins Heimatland. Ja,
unsere deutschen Flieger machen besonders den
Herren Franzmännern viel zu schaffen. Wohl sorgen
die maßgebenden französischen Kreise für allerlei
Vorsichtsmaßregeln bei etwaigen Luftangriffen, dennoch
läßt ihr Luftbewachungsdienst sehr zu wünschen übrig.
Anfang August gab der Ausschuß des Kriegs-
ministeriums für chemische Studien die Mittel bekannt,
mit denen sich die Zivilbevölkerung im Falle eines
deutschen Luftangriffes gegen die Wirkungen ersticken-
der Gase schützen kann. Der Ausschuß schlägt der
Zivilbevölkerung vor, sich im Falle eines Alarms in die
mittleren Stockwerke zu flüchten, da die Keller und
unteren Stockwerke von den schweren erstickenden
Gasen überschwemmt würden, während die oberen
Stockwerke von Geschossen durchschlagen werden
könnten. Man solle Mund und Nase mit einem ange-
feuchteten Tuch bedecken und sich möglichst schnell
von der Stelle entfernen, die von den erstickenden
Gasen erfüllt sei. Die Vorschläge der Behörden sind
ja an und für sich nicht schlecht, doch werden sie
nur in den seltensten Fällen befolgt, da bekanntlich
gerade die französische Bevölkerung zu sehr von der
Neugierde geplagt wird, die Operationen feindlicher
Luftfahrzeuge zu beobachten.
In letzter Zeit vollbrachten deutsche Flieger wieder
poke ar Sal Angriffe auf feindliche Städte. So warf
am 27. Juli ein deutscher Flieger auf Dünkirchen vier
Bomben ab, die mehrfach in der Stadt Schaden ver-
ursachten. Zwei Tage darauf wurden Calais, Gravelines
und St. Omer ausgiebig mit deutschen Fliegerbomben
belegt. Französischen Meldungen zufolge warf am
30. Tui ein Aviatik-Doppeldecker aus sehr großer
Höhe vier Bomben auf Gerardmer ab, die Sachschaden
anrichteten und drei Soldaten schwer verletzten. Dem
Aviatik-Flugzeug, das durch mehrere französische
Maschinen verfolgt wurde, gelang es, unversehrt zu
entkommen. Am 30. und 31. Juli war die friedliche,
offene Stadt Freiburg im Breisgau wieder einmal das
Ziel der ruchlosen französischen Fliegerangriffe. Am
Morgen des ersten Tages erschienen von Südwesten
her drei feindliche Flugzeuge über der Stadt, auf
welche sie sieben Bomben abwarfen, wodurch eine
Zivilperson getötet und sechs verletzt wurden. Am
nächsten Tag besuchten sechs Flieger die Stadt und
warfen — jedoch ohne Erfolg — mehrere Bomben
auf den Bahnhof und die Fabriksanlagen der Automobil-
und Aviatik-A.-G. Als Vergeltungsmaßregel bombar-
dierten noch am selben Tage mehrere deutsche Flieger
die Bahnhofsanlagen bei St. Die, den Flughafen von
Nancy und Fabriksanlagen und Flugplatz bei Lunéville
mit Erfolg. Besonders wirkungsvoll war der Angrift
auf Nancy, wo mehrere Personen verletzt und drei
große Brände verursacht wurden.
Auch ist die Tätigkeit unserer Ballonabwehrkanonen
— der sogenannten Baks — eine sehr rege und erfolg-
reiche. So wurden am 6. August vier feindliche Flug-
zeuge zum Landen gezwungen und gefangengenommen.
Ebenfalls erfüllen unsere Kampfflugzeuge auf glänzende
Weise ihre Aufgaben. Am 8. August wurden bei Ypern,
Gondrexange, Schwarzensee, Dammerkirch und Har-
bovey je ein feindliches Flugzeug durch deutsche
Kampfflugzeuge zum Niedergang gezwungen.
Außer Freiburg mußten noch Saarbrücken, Zwei-
brücken, St. Ingbert, Kolmar, Saarlouis und Mülheim
in letzter Zeit unter feindlichen Fliegerangriffen leiden.
Doch gelang es hier, mehrere Flugzeuge des Feindes
herunterzuschießen.
Währenddem früher auffallend viel englische
Flieger Angriffe auf deutsche Stellungen und Städte
unternahmen, verschwinden die Engländer immer mehr
bei solchen Luftunternehmungen. Aus Anlaß des letzten
erfolgreichen Luftschiffangriffes auf England sind
wieder neue Bestimmungen über die Verdunkelung
Londons erlassen worden. Übrigens wird jetzt ge-
meldet, daß der englische Fliegeroffizier Leutnant
Reginald Lord beim letzten Zeppelinangriff den Tod
fand. Der Flieger war zur Bekämpfung des Zeppelins
aufgestiegen, mußte aber unverrichteter Dinge wieder
zurückkehren. Infolge der Dunkelheit stürzte der
Offizier bei der Landung tödlich ab.
Besonderes Aufsehen erregte kürzlich die Flucht
des bekannten französischen Fliegerleutnants Gilbert
aus schweizerischer Internierung. Gilbert, der sein
Ehrenwort abgegeben hatte, nicht zu fliehen, hat mit
diesem seinem Wortbruch scheinbar seinem Vater-
lande eine große Freude bereitet, denn seine »kühne
Tat« (!) wird seitens der französischen Presse sehr
gelobt. Nachdem die Auslandspresse zu diesem Vor-
kommnis Stellung nahm und schärfste Kritik übte,
sah sich die französische Regierung genötigt, Gilbert
wieder nach der Schweiz zurückzuschicken.
Für hervorragende und kühne Flugleistungen vor
dem Feinde wurden in letzter Zeit eine Anzahl
deutscher Flieger mit Auszeichnungen dekoriert. So
erhielten das »Eiserne Kreuz« Il. Klasse: Major Hiller,
Oberleutnant v. Klösterlein, die Leutnants Frank
Seydler, Hch. Barth, Adolf Viktor v. Koerber, Offizier-
stellvertreter F. E. Köhler- Haußen, Vizefeldwebel
Schwarz und Kaskeline, die Unteroffiziere Lehmann,
Buck, Bors, Beckmann, Jesse und Mellenthin, Fähn-
rich zur See Scheid und Obermaschinistenmaat Dose.
Denselben Orden I. Klasse erhielten: Hauptmann Graf
Albrecht Berenger v. Westarp, Hauptmann Pretzell, die
Oberleutnants Horn, Koslik, Kadelke und Huttig, die
Leutnants Immelmann, Junker, Giegold, Morell, Hoefig,
v. Detten, v. Grawert und Niemann, die Offiziers-
stellvertreter Hörmann, Hopfgarten, Cipa, Menge und
Heller, Vizefeldwebel Köneke, die Unteroffiziere Metz,
Demke und Behr, ferner Dr. Kurt Wegener.
Letzte Nachricht! Aus Essen wird gemeldet:
Der Flugzeugführer Höhndorf hat am 4. September
auf dem Flugplatz Johannisthal einen neuen Höhen-
weltrekord im Fluge mit vier Passagieren aufgestellt.
Er erreichte eine Höhe von 3280 m und hat somit
die am 25. Februar 1914 von Garaix aufgestellte Höhe
von 3059 m überboten. Der benützte Apparat war ein
Doppeldecker, Konstruktion Westphal, der Kondor-
Flugzeugwerke G. m. b. H. in Essen. —w—
— il
Bücherbesprechungen.*)
Jahresbericht des Deutschen Luftfahrt-Vereines in
Böhmen für das Vereinsjahr 1914.
Wie alljährlich hat der Deutsche Luftfahrt-Verein
auch für das verflossene Vereinsjahr 1914 ein Jahr-
büchlein herausgegeben, das über die rege Tätigkeit des
*) Sämtliche in dieser Rubrik besprochenen Bücher und
Zeitschriften können durch die Administration unserer Zeit-
schrift bezogen werden.
Vereines Aufschluß gibt. In kurzer, aber übersichtlicher
Darstellung ist der flugtechnischen Veranstaltungen
dieses Jahres gedacht, die im Rundflug durch Öster-
reich-Ungarn um den Schicht-Preis kulminieren, bei
welchem Anlaß gleichzeitig der Deutsche Luftfahrt-
Verein für Böhmen durch die Organisierung einer
diesem eingegliederten Schleifenfahrt über Nord-
westböhmen rühmlichst hervortrat. Die eigentliche
288
Sporttätigkeit des Deutschen Luftfahrt-Vereines für
Böhmen, die auf dem Gebiete der Freiballonfahrten
liegt, erfuhr durch den Ausbruch des Krieges eine
jähe Unterbrechung, da der genannte Verein die in
seinem Besitze befindlichen Ballone der Heeresver-
waltung opferfreudig überließ. Aus dem reichhaltigen
und in jeder Weise gelungen durchgeführten Programm
der Vereinstätigkeit im Jahre 1914 kann mit voller Be-
rechtigung auf eine ersprießliche Tätigkeit des Vereines
in den kommenden Jahren geschlossen werden.
Der Flugzeugkompaß und seine Handhabung.
Kompaßkompensieren und Kursabsetzen. Ein Hand-
buch für Flugzeugführer und Beobachter von
Kapitän Fritz Gans ber g, z. Zt. Navigationslehrer
beim Freiwilligen Marine-Fliegerkorps. Mit 43 Seiten
Text und einer Tafel. Preis Mk. 1°50. Verlag von
M. Krayn, Berlin W. 1915.
Über die Wichtigkeit des Kompasses zur Orien-
tierung der Flieger bei Nacht und bei unsichtigem
Wetter viel Worte zu verlieren, wäre hier unange-
bracht. Soll aber ein Kompaß seine Aufgabe als
Orientierer erfüllen, so muß er auch in dem Flugzeug
richtig eingebaut sein, was mit Rücksicht auf die
Empfindlichkeit der Kompasse für in der Nähe
befindliche Eisenmassen, die an einem Flugzeuge,
namentlich in dem Motor, in reichem Maße vorhanden
sind, sehr schwer ist. Beinahe immer wird infolge
dieser magnetischen Einwirkungen der Kompaß eines
Flugzeuges eine Abweichung vom magnetischen Me-
ridian, die bei allen Ablesungen berücksichtigt werden
muß, haben, welche dem Flugzeugführer immer be-
kannt sein muß. Außerdem aber muß bei richtiger
Steuerung nach bestimmter Richtung auch bei der
Ablesung des Kompasses der Abtriftung durch
den Wind Rechnung getragen werden, so daß sich
beim Kurshalten zwei Einflüsse summieren, die
bei der Ablesung des Kompasses zu berücksichtigen
sind und dieselbe daher umständlicher gestalten, als
dem ersten Eindruck nach gedacht werden sollte. Gar
viele Flugzeugführer haben durch unrichtige Kompaß-
ablesung ihren richtigen Kurs verloren und sind in
Feindeshand gefallen, so kürzlich auch Alexander
Moissi, der in einem Brief an seine Frau schrieb,
infolge unrichtiger Einstellung seines Kompasses am
Apparat ins Unglück geraten zu sein.
Unter solchen Umständen kann man es heute nur
begrüßen, wenn in einem Handbüchlein das Wesent-
lichste über Flugzeugkompasse, deren Einbau und
Kompensierung im Flugzeug gebracht wird, sowie auch
jene Angaben sich vorfinden, welche auf Ablesung
des Kompasses zwecks Einhaltung eines bestimmten
Kurses wichtig sind. Diesem Zwecke entspricht das
hier in Besprechung stehende Büchlein, das von einem
Fachmann auf diesem Gebiete geschrieben ist, in
vollstem Maße, so daß wir dasselbe bestens empfehlen
können. Die Ausstattung ist gut. Wenn wir schon etwas
auszusetzen haben, so ist dies das Fehlen einer oder
einiger Zeichnungen der gebräuchlichsten Flugzeug-
kompasse, bei deren Vorhandensein viel beschreibender
Text erspart worden und dabei der Anschauung des
Lesers zu Hilfe gekommen wäre. Wir sind überzeugt, daß
in einer Neuauflage nach Friedensschluß das Büchlein
mit guten Zeichnungen bereichert sein wird. A.B.
Erlebnisse von Dardanellenfliegern schildert
das neueste Heft des »Motor« (Verlag Gustav Braun-
beck G. m. b. H., Berlin W. 35. August/September-
Heft 1915. Preis Mk. 1—) in einem längeren Artikel,
dessen Verfasser ein bekannter Fliegeroffizier ist. Dem
Artikel ist eine Reihe hochinteressanter Bilder beige-
geben, u. a. der Eingang in die Dardanellen und die
Stadt Gallipoli, von einem feindlichen Flugzeug auf-
genommen, nächtliche Angriffe auf die Dardanellen
und estes false Aufnahmen des Landungsgebietes
der Engländer auf der Halbinsel Gallipoli, das engli-
sche Mutterschiff »Ark Royal« und das kieloben-
treibende englische Schlachtschiff »Majestic«. Dazu
prächtige landschaftliche Aufnahmen. Besonders wertvoll
ist eine photographische Aufnahme, die die Beschießung
eines englischen Doppeldeckers durch deutsche Ab-
wehrgeschütze darstellt. Der bekannte Berliner Schrift-
steller Erich Köhrer schildert allerlei Selbsterlebtes
unter dem Titel: »Rings um den Dnjestr«, sommerliche
Autofahrten durch das befreite Galizien. Eine ein-
gehende authentische Würdigung finden unsere frei-
willigen Motorboote in einem eo illustrierten
Artikel: »Das F. M.K. im Kriege«. Panzerboote, Touren-
boote, Schnellboote und Hafenbarkassen werden in
ihrer mannigfaltigen Kriegstätigkeit geschildert. Ein
bekanntes Mitglied des kaiserl. freiwilligen Automobil-
Korps, das selbst den Krieg von gy lg Po mitgemacht
hat, gibt einen »Jahres-Rückblick des Kriegs-Äutlers«.
Ein leiser, feiner Humor weht aus den Zeilen dieses
Riickblicks. Allerlei U-Boot-Abenteuer sind unter dem
Titel: »Im Reiche des U-Boots« zusammengefaßt.
Hans Karl Rehm entwirft als Augenzeuge eine Text-
skizze einer Fliegerbeschießung. Dem Humor der
Fliegerei ist eine reizende Studie gewidmet. Ganz
hervorragend illustriert ist eine längere Darstellung des
Anteils, den die Ssterreichisch-ungarische Automobil-
Industrie am Kriege hat. Über die Zukunftsmöglich-
keiten einer künftigen Raumfahrt plaudert Paul Bellak,
Wien, in phantasieanregender Weise. Der Weg des
militärischen Kraftfahreis wird von einem, der jan
selbst gegangen ist, kurz geschildert.
a lsh und Flugzeugindustrie der krieg-
führenden Staaten. Von Roland Eisenlohr.
65. Heft der von Ernst Jäckh herausgegebenen
un EU En Anm Une »Der Deutsche Krieg«. Preis
50 Pfg. Deutsche Verlagsanstalt in Stuttgart.
Es ist eine Tatsache, die uns mit berechtigtem
Stolz erfüllt, daß, je länger der Krieg dauert, desto
unverkennbarer und für unsere Feinde empfindlicher
sich die Überlegenheit geltend macht, die wir Deutsche
uns auch im Luftkrieg errungen haben. Diese
Überlegenheit ist nicht ein Geschenk des Zufalls, sie
ist die Frucht unermüdlicher wohlorganisierter Arbeit,
die schon vor dem Krieg am Werk war und Erfolge
erzielt hat, die nicht so effektvoll sich den Augen des
großen Publikums aufdrängten, wie die der fran-
zösischen Parade- und Reklameflieger, dafür aber
desto nachhaltiger und gründlicher waren. Darüber
gibt uns die vorliegende kleine Schrift eines Fach-
mannes allerlei interessante Aufschlüsse; zugleich unter-
richtet sie uns aber auch über die Anstrengungen, die
unsere Feinde machten und machen, den Vorsprung,
den früher besonders die Franzosen vor uns hatten,
beizubehalten, und dann, nachdem wir ihn eingeholt,
zurückzugewinnen. Daß auch die Leistungen der
Gegner durchaus objektiv und unbefangen gewürdigt
werden, macht die Eisenlohrsche Schrift besonders
sympathisch und erhöht ihren sachlichen Wert. Sie
wird jedem, der sich als guter Patriot der deutschen
Erfolge im Luftkrieg freut, sowohl wegen des reichen
tatsächlichen Inhaltes willkommen sein, wie dadurch,
daß sie unsere Zuversicht auf weitere, noch größere
und durchschlagendere Erfolge der deutschen Luft-
flotte stärkt und zur Gewißheit macht.
Jahrbuch der technischen Zeitschriften-Literatur.
Auskunft über Veröffentlichungen der technischen
Fachpresse nach Sachgebieten, mit technischen
Zeitschriftenführer. Ausgabe 1915 für die Literatur
des Jahres 1914. Von Heinrich Rieser. Verlag tür
Fachliteratur Ges. m. b. H., Wien l. und Berlin W 30.
(Preis Mk. 4°—.)
Die technischen Zeitschriften, die früher die Buch-
literatur zu ergänzen bestimmt waren, bilden heute.
bereits eine selbständige Quelle für den überwiegenden
Teil des Fachstoffes. Der Einzelne kann den beständig
zunehmenden Stoff in den vielen Fachblättern ohne
Anwendung planmäßiger Vorkehrungen nicht mehr in
Evidenz halten. Auf die rasche Ermittlungsmöglichkeit
einschlägiger Literatur im Augenblicke des Bedarfes
wird aber heutzutage großer Wert gelegt. Ein Behelf,
der die Orientierung über die Veröffentlichungen der
— m
technischen Fachpresse wesentlich erleichtert, kann
in dem vorliegenden »Jahrbuch der technischen Zeit-
schriften-Literatur« erblickt werden, das eine nach
Sachgebieten geordnete Zusammenstellung der be-
achtenswerteren, im Jahre 1914 in den führenden
technischen Zeitschriften des In- und Auslandes er-
schienenen Fachaufsätze darstellt. Zweifellos wird durch
diese Quellensammlung dem Einzelnen Gelegenheit
gegeben, sich ohne Zeitverlust und auf bequeme Weise
einen Überblick über die hauptsächlichste, richtung-
gebende Literatur seines Faches zu verschaffen und
mit den neueren Erfahrungen der Fachwelt auf dem
laufenden zu bleiben sowie auf gegebene Anregungen
bei später eintretendem Bedarfe rasch zurückzukommen.
Insbesondere die in der ausführenden Technik Stehenden
sowie die Baubehörden und Konstruktionsbureaus
werden dieses Nachschlagebuches nicht entraten können,
wenn sie anläßlich der Ausarbeitung von Projekten
einschlägigen Literaturstoff suchen. Gewissermaßen als
Gesamt Jahresindez der technischen Zeitschriften muß
es auch den technischen Bibliotheken und den Fabriks-
archivaren wertvolle Dienste leisten können. Das
handliche und billige Buch, das alljährlich erscheint
und sich stets erneuert, verdient die weiteste
Verbreitung und kann den Fachgenossen nur wärmstens
empfohlen werden, da es ein nützliches und brauch-
bares Hilfsmittel bei der Quellenforschung darstellt,
das viel Zeit und Arbeit erspart.
Für die neuerlichen Kämpfe am Balkan ist zu
den bereits erschienenen Karten der einzelnen Balkan-
länder soeben auch die Übersichtskarte, die das
ganze in Betracht kommende Kriegsgebiet auf einmal
ersehen läßt, in zweiter Auflage erschienen. Die
289
Freytagsche Karte der Balkan-Halbinsel 1: 1,250.000,
70: 82 cm, K 1'20 = Mk. 1, die schon während der
beiden Balkankriege als eine der besten sich bewährt
hat, ist in allen Angaben auf der Höhe der Zeit
stehend — auch die Grenzberichtigung zwischen der
Türkei und Bulgarien bei Adrianopel—Dimotika ist
schon durchgeführt! — Ebenso kann eine Karte vom
nördlichsten russischen Kriegsschauplatze und eine
neue Karte von Rumänien bestens empfohlen werden.
— Diese in fünf Farben sehr schön ausgeführten
Karten können gegen Einsendung von K 130 =
Mk. 1°10 (auch in Briefmarken) portofrei von jeder
Buchhandlung, wie vom Verlage G. Freytag
& = rndt, Wien, VII. Schottenfeldgasse 62, bezogen
werden.
Unter den vielen kleinen Zusendungen, die
der Redaktion zwecks Besprechung regelmäßig zu-
gehen, finden wir diesmal auch einige Ansichtspost-
karten, die seitens der Firma J. F. Lehmanns Ver-
lag, München SW. 2, Paul Heysestraße 26, uns zu-
gesandt worden sind. In der vorgefaßten Überzeugung,
solchen Kleinigkeiten in unseren Spalten keinen Raum
zu gewähren, entschlossen wir uns doch, diese Karten
einer Durchsicht zu unterziehen, und waren angenehm
überrascht, in denselben ganz interessante und bisher
noch nicht veröffentlichte Bilder über Flugzeuge zu
Wasser und zu Lande in den verschiedensten Mo-
menten ihrer Wirksamkeit vorzufinden, so daß wir
nicht anstehen, diese Sammlung von Postkarten,
welche unter dem Titel »Der Krieg 1914/15 in Post-
karten« erscheint, unseren Lesern, welche an derlei
Kriegserinnerungen Freude haben, ganz angelegentlichst
zu empfehlen.
N
Chronik.
Mitteilungen aus der deutschen Flugzeug-
industrie. Die „Berl. Z. a. M.“ meldet, daß sich die
Hansa Flugzeugwerke Karl Caspar,
Hamburg, und die Brandenburgische Flug-
zeugwerke in Brandenburg a. H. mit der
Deutschen Aero- Gesellschaft A.-G. in
Berlin fusioniert haben. Die neue Gesellschaft heißt
Hansa- und Brandenburgische Flugzeug-
werke A.-G., Brandenburg a. H.—Berlin—
Hamburg; zum Generaldirektor des neuen Unter-
nehmens wurde der in österreichischen flugtechnischen
und automobilistischen Kreisen allbekannte und ge:
schätzte Kommerzialrat Kamillo Castiglioni
berufen.
Auszeichnung des Fliegers Immelmann. Der
bekannte deutsche Fliegerleutnant Immelmann,
der bereits sechs feindliche Flugzeuge zum Absturz
gebracht hat und sich das Eiserne Kreuz zweiter und
erster Klasse erwarb, ist nun auch durch Verleihung
des Militär-St. Heinrich-Kreuzes und des Hohenzollern-
schen Hausordens ausgezeichnet worden.
Eine Zeppelinfahrt des Herzogs von Mecklen-
burg von Temesvar nach Sofia. ie die »Agence
Telegraphique Bulgare« meldet, ist ein Zeppelin, der
mit dem Herzog von Mecklenburg in Temesvar
aufgestiegen war, in Sofia gelandet. Der König
wohnte in Begleitung seines Gefolges der Landung
im Aerodrom bei. Das Erscheinen des Zeppelin, der
über der Stadt Evolutionen ausführte, rief Aufsehen
hervor.
Tödlicher Absturz Franz Reiterers. Der durch
seine im September aufgestellten neuen Weltrekorde
allbekannte Chefpilot der »Hansa- und Brandenburgi-
schen Flugzeugwerke A.-G.«, Franz Reiterer, ist
am 21. November auf dem Flugfelde in Johannisthal
tödlich verunglückt. Franz Reiterer, ein gebürtiger
Steiermärker, hat am 22. und 29. September 1. J. drei
neue Höhenweltleistungen aufgestellt. Am 22. September
vormittags gelang es ihm, mit einem Doppeldecker
mit vier Fahrgästen in 58 Minuten eine Höhe von
5000 m, am Abend desselben Tages mit drei Fahr-
gästen in 68 Minuten eine Höhe von 5500 m und am
29. September mit zwei Fahrgästen (bei schlechtem
Wetter) eine Höhe von 6500 m zu erreichen.
Slaworossow gefallen. Der russische Flieger
Slaworossow, in Wien durch seine Teilnahme
am Ersten internationalen Flugmeeting in Aspern be-
kannt, ist Anfang Oktober in Frankreich bei einem
Erkundungsfluge auf nicht näher bezeichnete Weise
gefallen. Slaworossow war in den letzten Jahren in
Warschau als Fluglehrer der »Aviata« tätig und trat
Anfang 1914 als Freiwilliger in die französische Armee
ou we er alsbald einer Fliegerabteilung zugeteilt
wurde.
Ein Fliegerdenkmal zur Erinnerung an den
Weltkrieg. Die Schaffung eines monumentalen Erin-
nerungszeichens, gewidmet »Dem österreichischen
Flugwesenim Weltkrieg und seinen Helden«
wurde auf Anregung des Vizepräsidenten des k. k. Öster-
reichischen Aeroklubs, Herrn Alfred v. Straßer, in der
letzten Ausschußsitzung des Klubs beschlossen. Für
den zur Errichtung des Denkmals notwendigen Fonds
widmete der Klub 1000 Kronen, den gleichen Betrag
zeichneten Präsident Dr. Baron Economo und Herr
v. Straßer. Das Denkmal soll im Weichbilde der
Stadt Wien nach Beendigung des Krieges zur Auf-
stellung gelangen.
Heldenleistung eines deutschen Fliegers. Dem
22jährigen bayerischen Flieger Böhme gelang es kürz-
lich im Kampfe mit drei französischen Flugzeugen, die
einen Angriff auf Freiburg ausführten, zwei von ihnen
abzuschieBen, worauf das dritte die Flucht ergriff. Der
290
junge und ungemein kühne Flieger hat sich durch
wiederholte Höchstleistungen außerordentlich rasch po-
pulär gemacht und genießt beinahe den Ruf eines
»Weddingen der Luft«. Böhme beschäftigte sich schon
vor dem Kriege mit dem Flugwesen und erlernte auf
einem Grade-Eindecker das Fliegen. Seine Vaterlandsliebe
und seine Begeisterung für das Flugwesen bestimmten
ihn, trotz seiner dauernden körperlichen Untauglichkeit,
sich bei Beginn des Feldzuges sofort freiwillig zum
Heeresdienst zu stellen. Bis Mai d.J. war er Abnahme-
flieger für neue Flugzeuge in einer rheinischen Stadt,
wobei er oft bis zu 10 Flüge an einem Tage aus-
führte. Dabei wurde er ein so sicherer und ruhiger
Flieger, daß er bis jetzt trotz seiner etwa 300 Flüge,
die er seit Kriegsbeginn gemacht hat, noch keine Speiche
verbogen hat. Seit Juni befand sich Böhme im Feld
und was er dort und mehrere andere seiner Flieger-
kameraden flugtechnisch geleistet haben, wird wohl erst
nach dem Feldzuge allgemein gewürdigt werden. Erst
wenige Wochen vor seinem großen Erfolg über Elzach
hatte er auf ein Kampfflugzeug umgeschult. Böhme
gehört zweifellos zu den besten deutschen Fliegern.
Besonders bemerkenswert ist, so lesen wir in den
»Münch. N. N.<, seine ungewöhnliche Beherrschung des
Flugzeuges auch in den schwierigsten Lagen; so ist es
ihm erst kürzlich gelungen, seinen Eindecker bei einem
mehrmaligen Überschlagen wieder in die normale Lage
zurückzubringen.
Militärische Flugvorführungen in Hamburg.
Am 17. Oktober fand auf der Rennbahn in Groß-
Borstel ein militärisches Schaufliegen statt, das einen
außerordentlich festlichen und eindrucksvollen Verlauf
nahm. An demselben nahmen 20 Flugapparate teil, die
in Einzel- und Geschwadermanövern den Zuschauern
militärische Flugleistungen vorführten, die ein wirkungs-
volles Bild von dem Können der Piloten und der
Leistungsfähigkeit der Apparate boten. Die Veranstal-
tung, die eigentlich ein Öffentliches Schulfliegen war,
erweckte interessante Erinnerungen an das erste Schau-
fliegen auf demselben Platze, wo von den 3 bis 4 Appa-
raten, die überhaupt vom Boden abkamen, der einzige
Grade eine nennenswerte Leistung vollbrachte. Wie
hatten damals die alten Hamburger die Köpfe ge-
schüttelt und wie erst recht bei dem diesjährigen Fliegen.
Das überaus reiche Erträgnis der Flugveranstaltung
wurde dem Roten Kreuze und der Hamburgischen Kriegs-
hilfe übermittelt.
Übergang der Wrightschen Flugzeugfabrik an
den Schwabschen Kriegsmaterialtrust. Wir ent-
nehinen den Zeitungsberichten, daßdie Wright-Aero-
plan-Comp. an ein Syndikat verkauft wurde, das von
Wiggin, dem Präsidenten des Chase National
Bank, geführt wird. Wie Orville Wright aus-
führt, ist er infolge Krankheit außerstande, die Inter-
essen der Gesellschaft zu vertreten. Er wird tech-
nischer Berater der Gesellschaft werden, die eine
breitere Kapitalsanlage anstrebt, um die Herstellung
von Flugzeugen in großem Umfangeauf-
zunehmen. Beherrschenden Einfluß auf die neue
Gesellschaft haben dieselben Interessenten, welche die
Midvale Steel Com p. erworben haben, also der
Schwabsche Kriegsmaterialtrust.
Das Eiserne Kreuz auf den österreichischen
Armeeflugzeugen. Bisher waren die österreichischen
Armeeflugzeuge durch rot-weiß-rote Streifen an der
unteren Seite der Tragflächen gekennzeichnet. Nunmehr
hat das Armeeoberkominando angeordnet, daß sämtliche
bei den Fliegerkompagnien im Felde in Verwendung
stehenden Flugzeuge gleich denen der deutschen Armee
durch das »Eiserne Kreuz« in schwarzer Farbe auf weibem
Grunde, und zwar auf der Ober- und Unterseite jeder
Tragfläche und beiderseits am Seitensteuer, zu kenn-
zeichnen sind. Bei bereits rot-weiß-rot markierten Flug-
zeugen ist außerdem die neue Kennzeichnung mit dem
schwarzen Kreuze anzubringen. Ein rot-weiß-roter
Wimpel am Schwanzende bezeichnet die Zugehörigkeit
des Flugzeuges zur österreichischen Armee.
Die neue Organisation des rumänischen
Militärflugwesens. Das rumänische Militärflugwesen
wird in seiner nunmehr geschaffenen Neuorganisation
eine eigene Waffengattung bilden, die der Direktion
der Militärschulen im Kriegsministerium untergestellt
sein wird. Zum Kommandanten des Aviatikerkorps
wurde Oberstleutnant Gavanescu vom Großen General-
stab ernannt. Zu der in Cotroceni befindlichen Militär-
Flugbahn werden zwei Kompagnien in vollständiger
reglementmäßiger Formation detachiert werden. Die
Militärflieger werden in Hinkunft zuerst die Piloten-
schule und dann die Schule für Militäraviatik absolvieren.
Zu diesem Zwecke werden sie zuerst den Kurs auf der
Zivilflugbahn der »Nationalen Flugliga« in Baneasa
mitmachen, wo sie das Diplom als Pilot erlangen
werden und dann ihre spezielle Ausbildung als Militär-
flieger in der Militärflugschule erhalten. Da die Flugbahn
von Cotroceni auf einem für Flüge sehr ungeeigneten
Terrain gelegen ist, so wird jetzt wegen Ankaufes oder
Pachtung eines geeigneten Terrains für die Militärflug-
bahn unterhandelt.
Neue französische Geschützflugzeuge. Nach
einer Meldung des »Temps« sind die seit einigen Tagen
in den französischen: Generalstabsberichten erwähnten
Geschützflugzeuge (Avions Canons) Zweidecker, die
außer dem üblichen Maschinengewehre eine kleine
Hotchkiß-Kanone auf der oberen Tragfläche tragen.
Die ersten Versuche mit dem Geschützflugzeuge seien
im Jänner von den Hauptleuten Remy und Faure
angestellt worden, die infolge eines falschen Manövers
abgestürzt und getötet worden sind.
Amerikanische Flugzeuglieferungen. Dem
»New York Herald« zufolge werden seit einigen Wochen
durchschnittlich fünfzehn Flugzeuge Jeden Tag
aus den Vereinigten Staaten nach England verschifft.
Dieser tägliche Durchschnitt, bemerkt das Blatt, stellt
just die Zahl der Flugzeuge dar, über welche die
amerikanische Armee und die amerikanische Marine
insgesamt verfügen. An den Lieferungen sind vier Firmen
beteiligt: die Curtiß Company zu Buffalo, die Burgeß
Company zu Marblehead, die Thomas Brothers Company
zu Ithaca und die Glenn Martin Company zu Los Angeles.
Die letztere Gesellschaft baute übrigens jüngst auch sechs
Flugzeuge für die holländische Regierung. Die Apparate
wurden nach ihrer Fertigstellung von zwei in Los Angeles
eingetroffenen holländischen Militärfliegern, dem Haupt-
mann Visscher und dem Leutnant Ter Poorten, geprüft
und übernommen. Die beiden Offiziere überwiesen der
Gesellschaft eine neue Bestellung der holländischen
Regierung auf zwanzig Flugzeuge.
Das französische Riesenluftschiff »Alsaces,
“das durch das zielsichere Feuer der deutschen Artillerie
bei Rethel heruntergeholt wurde, war eines der neuesten
Luftschiffe der französischen Heeresverwaltung. Das Luft-
schiff wurde schon vor Ausbruch des Krieges bei der
bekannten Automobilfirma Clement Bayard ın Auftrag
gegeben, aber erst während des Krieges fertiggestellt.
Es hatte einen Gesamtinhalt von 23.000 m3. Seine Länge
betrug 130m, der größte Durchmesser 19m, die Gesamt-
höhe 23 m. Der Antrieb des Luftschiffes wurde durch
vier Motoren von je 250 PS besorgt. Die »Alsace« hatte
die bekannte Form der nach vorn verdickten Zigarre,
die sich nach hinten verjüngt. Das Luftschiff war, wie
alle französischen Militärluftschiffe, nach dem halbstarren
System gebaut. Der Antrieb der vier Luftschrauben
erfolgte durch je einen der parallel zueinander ge-
lagerten Motoren.
Die Stenerung des Ballons erfolgte durch ein am
Ende des Kielgerüstes angebrachtes großes Seitensteuer,
während die horizontale Steuerung durch drei vor dem
Seitensteuer angeordnete große Flächen ausgeübt wurde,
die auch zugleich die Stabilisation des Luftschiffes be-
wirkten. Die Geschwindigkeit der »Alsace« soll angeblich
70 km in der Stunde betragen haben. Die Tragfähigkeit
an Nutzlast wurde auf 3000 kg berechnet. Die Be-
dienungsmannschaft setzte sich aus 12 Personen zu-
sammen, unter denen drei Offiziere waren. Die höchste
Höhe, die das Luftschiff erreicht haben soll, wird auf
3000 m EEE
Die » Alsace« gehörte zu jenen »unstarren Zeppelinen«,
von deren bevorstehendem Bau der Inspektor der fran-
zösischen Luftschiffahrt, General Hirschauer, bereits
Ende 1912 Mitteilung machte. Da es den Franzosen
bisher nicht gelang, starre Riesenluftschiffe zu erbauen
— die Zeppelinnachahmung »Spieß« war felddienst-
untauglich so wollten sie ihre unstarren Luftschiffe
ins Riesenmaß vergrößern, um auf diese Weise die
Leistungen der deutschen gewaltigen Starrluftschiffe zu
erreichen.
Russische Riesenflugzeuge. Nach Berichten fran-
zösischer Blätter soll die russische Heeresverwaltung
bereits Versuche mit riesenhaften Flugzeugen vom Typ
Sikorsky anstellen, die in ihren Dimensionen noc
größer als die bisher bekannten sein sollen. Es ist merk-
würdig. daß sich jetzt plötzlich bei unseren Gegnern
das Bedürfnis nach Riesenflugzeugen bemerkbar macht,
die wahrscheinlich durch Wunder an Leistungsfähigkeit
ihre verlorene Sache retten sollen. Es ist mehr als fraglich,
ob das bei starren Luftschiffen mit Erfolg aufgestellte
Prinzip der großen Dimensionen in paralleler Anwendung
auf Flugzeuge eine aussichtsreiche Verbesserung bietet.
Denn nach dem heutigen Stande der Flugtechnik kann,
als erwiesen angenommen werden, daß der Wirtschaft-
lichkeitsgrad dieser großen Maschinen im Verhältnis zu
ihrer Größe sinkt. Schon bei den normalen Sikorsky-
Apparaten ist dieser ein sehr ungünstiger, wozu noch
die große 'Manövrierungsunfähigkeit kommt, die ja
eigentlich den größten Mangel eines Flugzeuges dar-
stellt. Der derzeitige Stand der Flugzeugbautechnik
bietet noch ein so reiches Arbeitsfeld in bezug auf die
Ausgestaltung der inneren Konstruktion der Apparate,
der Flugsicherheit und der rationellen Arbeitsweise, die
zusammen erst die notwendige Grundlage für den Bau
solcher Riesenflugzeuge bieten werden, daß so verfrühten
und erzwungenen Anstrengungen heutzutage nur ein
bedeutungsloser Wert beizumessen ist. Es ist ja gewiß
anzunehmen, daß im künftigen Flugzeugbau auch auf
die Schaffung von großdimensionierten Apparaten Be-
dacht genommen wird, dann aber wird diese auf Grund
der eingetretenen Vorbedingungen eine natürliche Ent-
wicklung sein, die auch einen sicheren Erfolg garantiert.
So viel dürfte aber schon heute feststehen, daß dann
das ökonomische und leistungsfähige »Riesenflugzeug«
nicht mit dem Typ des Sikorsky-Apparates überein-
stimmen wird.
Japans Luftflotte. Japans Interesse für die Luft-
schiffahrt ist erst von recht geringer Dauer. Als in
Europa die Fliegertechnik bereits einen weiten Ent-
wicklungsgang hinter sich hatte, war man in Japan
noch fast vollkommen tatlos. Im Jahre 1911 bequemte
man sich, auch mehrere Offiziere nach Europa und
Amerika zu entsenden, die die dortigen Fortschritte
in Augenschein zu nehmen hatten und mit geringen
Aufträgen von seiten ihrer Regierung ausgestattet
waren. Von dieser Belehrungsreise wurden einige
Farman-, Blériot- und Wright-Apparate sowie ein
deutscher Eindecker und ein Parsevalballon nach Japan
ebracht. 1911 betrug der ausgeworfene Etat fiir den
usbau einer Luftflotte 3°8 Millionen Mark. Ein Flug-
feld bei Tokorozawa wurde vorbereitet, sowie eine
Halle für zwei Lenkluftschiffe bei Tokio errichtet. Im
Jahre 1912 wurde von den Amerikanern Baldwin, Lec
und Hammond in Japan eine Gesellschaft für die
Fabrikation von Flugzeugen begründet. Doch wurde
daraus nichts Besonderes. Erst Anfang 1914 wurden
durch eine japanische Marinekommission in Deutsch-
land große Abschlüsse gemacht. Daimler erhielt einen
Auftrag von 400 Flugmotoren, ihre Anlieferung fand
jedoch aus Mangel an Zeit nur in ganz geringem
Maße statt.
Zu Beginn des Krieges soll Japan, nach Mitteilung
der »Flugwelt«, einen Flugzeugpark von 50 Aeroplanen
und einen Parsevalballon besessen haben, mit einem
Bestand von 100 bis 120 Offizieren. Vor Kiautschau
291
sollen mehrere Apparate in Tätigkeit getreten sein,
jedoch nur eine geringe Leistungsfähigkeit bewiesen
haben. Angesichts der ziemlich erheblichen Anzahl
der angenommenen Flugzeuge sind die sonst bekannten
Leistungen der japanischen Militärflieger um so mehr
verwunderlich geringfügig. Die Glanzleistung japani-
scher Fliegerkunst datiert vom März dieses Jahres, als
vier Flieger die Strecke Tokorozawa— Osaka (80 km)
zurücklegten.
Neuerungen im französischen Kriegsflugwesen.
Einem Bericht der »Times« sind interessante Aus-
führungen über die jüngsten Neuerungen der französi-
schen Flugtechnik zu entnehmen, besonders über die
beiden mit so drohender Gebärde angekündigten neuen
Kriegsflugzeugtypen. Danach ist das eine Kriegsflug-
zeug, wie schon bekannt, ein Dreidecker mit
einer Spannweite der Flügel von über 23 m und einer
Höhe von 7 m. Der Rumpf des Flugzeuges trägt be-
quem zwölf Mann, von denen sechs die ständige
Mannschaft bilden. Zwei Fli eger sitzen eng bei-
sammen in der Mitte; im Notfalle genügt einer, um
die Maschine zu lenken. Zwei Beobachter und
zwei Kanoniere für die Geschütze vervollständigen
die Mannschaft. Die Bestückung besteht aus vier
3'7 cm-Geschiitzen. Das Flugzeug soll etwa 130 km
in der Stunde leisten können. Diesem Großkampf-
flugzeug istein Zerstörerflu gz e ug zugeordnet,
ein Doppeldecker von nur 7 m Flügelspannung und
2m Höhe, den ein einziger Motor antreibt. Der Zwei-
decker soll 160 km in der Stunde fliegen und ist mit
einem Maschinengewehr ausgerüstet, das von dem
Flieger selbst bedient wird, der gleichzeitig die Arbeit
des Beobachters verrichten muß. Dieses neue Schnell-
flugzeug soll als Luftjäger dienen und etwa dieselben
Autgaben erfüllen wie die Zerstörer zur See. Bei den
Versuchsflügen soll es nach den Angaben des Mit-
arbeiters der »Times« innerhalb 40 Sekunden vom
Erdboden aus eine Höhe von über 900 m erreicht
haben. Um dem Flieger die Hände zur Bedienung des
Maschinengewehres frei zu lassen, ist die Lenkung in
neuartiger Weise so konstruiert, daß das Flugzeug
ohne Benützung der Hände gesteuert werden kann.
Nach den vom erwähnten Berichterstatter angefügten
Betrachtungen und wiedergegebenen Außerungen
französischer Fliegeroffiziere gehen die Bestrebungen
Frankreichs nun dahin, eine möglichst große Zahl von
Flugzeugen dieser neuen Arten zu erhalten, um mit
ihnen dann Geschwaderangriffe gegen wichtige deutsche
Punkte zu unternehmen.
Frauen als Kriegsfliegerinnen. Französischen
Blättern zufolge sollen nunmehr auch Frauen als
Fliegerinnen in den Kriegsdienst gestellt werden. In
Frankreich hat eine Anzahl Damen einen Bund ge-
ündet, dessen Aufgabe es sein wird, Frauen für eine
rt freiwilligen Fliegerkorps auszubilden. In Issy-les-
Moulineaux, der Zentrale der französischen Aviatik,
haben die Damen bereits etliche Schuppen gemietet,
um sich daselbst in die Geheimnisse der Fliegerei
einführen zu lassen. Hiezu bemerken die »Münchner
Neuesten Nachrichten« : Vom Rechtsstandpunkt aus
wird nun zu prüfen sein, ob die Frau als Fliegerin,
wenn sie dem Gegner in die Hände fällt, als voll-
wertige Kombattantin zu behandeln sei oder nicht.
Maßnahmen zur Wiedererlangung der fran-
zösischen »Vorherrschaft in der Luft« Einige
Blätter aus dem neutralen Auslande berichten über
angestrengte Bemühungen in Frankreich um den
deutschen Vorsprung in der Beherrschung der Luft-
waffe einzuholen. Wenn man diese Berichte liest, hat
man die Empfindung, daß die Romantik in Frankreich
doch noch nicht ausgestorben ist. Wir entnehmen
diesen Ausführungen folgendes: Während man, wie
berichtet, in England jüngst das Aerial Institute of
Great Britain begründete, um die Flugtechnik zu
fördern und vor allem die Herstellung von Flugzeugen
für die englische Armee und die Marine zu mehren,
292
hat sich nun in Frankreich eine »Ligue Aérienne
Francaise pour la Suprématie de l’Air« gebildet, die
sich ähnliche Aufgaben stellt.
Die »Petite Gironde«, ein in Bordeaux erscheinen-
des großes französisches Provinzblatt, veröffentlicht
eine erste Kundgebung dieser Liga, in der es unter
anderem heißt: »Um im Luftkriege zu einem Ergebnis
zu gelangen, das die Lage des Feindes schwer beein-
trächtigen kann, um gut verteidigte feindliche Stütz-
punkte zu erreichen und sie zu zerstören, müssen in
rascher Aufeinanderfolge große Massen von Bomben
und Torpedogeschosse tragenden Flugzeugen auf sie
geworfen werden. Das ist die Ansicht unserer hervor-
ragendsten Führer, und das ist auch die Formel, für
die nun die Öffentlichkeit eintreten wird, um ihr zum
Siege zu verhelfen. Die Liga ist der praktische Ausdruck
dieser in allen Kreisen der Bevölkerung stets mehr
um sich greifenden Meinung. Eine ergänzende, unab-
hängige Flotte von 5000 Flugzeugen (in England hat
man eine solche von 10.000 für notwendig befunden)
wiirde unsere Flieger zweifellos zu den Herren der Luft
machen. Eine derartige Vorherrschaft wiirde unmittel-
bare, fiir alle Augen sichtbare Folgen nach sich ziehen.
Sie würde es uns nicht nur ermöglichen, die Kraft
des Feindes an ihren Wurzeln zu treffen, da wir seine
Fabriken und Magazine zerstören könnten, sie würde
uns vor allem gestatten, die »Tauben« und »Aviatik«
zu vernichten. Sie würde das Geheimnis unserer Be-
wegungen bewirken und uns die Sicherheit im Rücken
gewährleisten. Sie würde uns dagegen erlauben, in
das Spiel des Feindes zu blicken und dessen Ver-
bindungen, Stützpunkte und Armeekorps zu gefährden.
Sie würde für die deutschen Festungen, die deutschen
Magazine und die deutschen Truppen eine fort-
währende und furchtbare Bedrohung darstellen. Die
Liga erstrebt daher das sofortige Studium und die
Bildung dieser neuen Macht.«
Unterzeichnet sind diese Phrasen unter anderen
von Louis Barthou und Georges Clemenceau, zwei
früheren Ministerpräsidenten, den Senatoren H. Beren-
ger, Paul Doumer, Stephen Pichon, Gaston Menier
und Touron, den Deputierten Clementel, Maurice
Barrés, Paul Painlevé und Herzog v. Rohan, dem
Akademiker Ernest Lavisse, dem Obmann der Pariser
Anwaltskammer Henry Robert, dem Baron H. de Roth-
schild, dem Vizepräsidenten des Französischen Auto-
mobilklubs Grafen R. de Clermont-Tonnerre und auch
von dem Possendichter und Chefredakteur des »Figaro«
Alfred Capus.
Man soll also in Frankreich noch 5000 Flugzeuge
bauen, und damit ist die »Vorherrschaft in der Luft«
errungen. Nun, fünftausend Flugzeuge lassen sich
nicht, so »aus dem Ärmel herausbeuteln«, und schließ-
lich: das, was Frankreich könnte, das könnte Deutsch-
land auch. Wäre Frankreich imstande, weitere 5000
Flugzeuge »aus dem Ärmel zu beuteln«, so würde
auch der deutsche Michel seine Ärmel beuteln, und
wenn er sich dann gar 10.000 Flugzeuge aus dem
Ärmel beutelte — was dann, verehrte »Ligue Aérienne
Francaise pour la Suprématie de !’Air«? ...
Soeben erschienen:
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x: Manuskripte werden nicht zurückgestellt. Der Nachdruck
> von Artikeln und Abbildungen ist nur mit Quellenangabe
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Herausgegeben von dem unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Majestät des
Kaisers und Königs stehenden k. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein.
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sind für Form und Inhalt der von ihnen eingesandten ©
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Die Verfasser
Artikel und Abbildungen verantwortlich.
2 NIEREN ee ae ih linnan O-TON
ERSCHEINT ZWEIMAL IM MONAT.
Nr. 23/24
Dezember 1915
IX. Jahrgang
Inhalt: Der Luftkrieg. — Oberleutnant-Feldpilot Hassan Riza Efendi Pieler }. — Oberleutnant Adolf Janousek +. — Graphostatik,
mit besonderer Berücksichtigung der Fachwerke (Schluß). — Der Kampf gegen Luftfahrzeuge vom Erdboden aus, von
des Druckes und der
Paul Béjeuhr. ~ Die Bestimmun
anns Pittner. —
der Westfront. — Stambul, von
ipL-Ing.
eschwindigkeit von Luft und Gasen, von Prof. Ing. A. Budau. — Von
Uber die vermutliche Ursache der Nebelschüsse oder Mistpoeffers, von
H. Hörbiger. — Deutscher Brief. — Das Gemälde »Die große Zeite von Ludwig Koch. — Chronik. — Patenterteilungen.
Chefredakteur: Ing. A. Budau, o. 5. Professor der k. k. Technischen Hochschule in Wien
Unter Mitwirkung von:
H. HÖRBIGER
Ingenieur, Mauer b. Wien
RAOUL HOFFMANN
FELIX BRAUNEIS
Ingenieur, Wien
Dr.ing.WALTERFREIR.
v. DOBLHOFF
W. KREBS
Leiter der Wetterwarte
Schnelsen, Holstein
HANNS PITTNER
Schriftsteller, Wien
ROBERT POLLAK
Dipi. Ing. C. SCHMID
Lindenberg
LUDWIG SCHMIDL
k. u.k. Rittmeister, Wiener-
Ingenieur, Wien Hauptmann RITTER v. RUDIN
Konstrukteur an der k. k. Neustadt
Techn. Hochschule, Wien | ANTON JAROLIMEK KREY,ERENDI ingenieur, Wien LEOPOLD SCHMIDT,
EDUARD DOLEŽAL k. k. Oberinspektor, König- . POPPER-LYNKEUS Ing., Prof., Wr.
b. d kee o f Mo OUSTAY E Apno aer, Wen yap KARE TINDE, |,
. k. nischen Hoch- Dr. F. ng. , Konstrukteur a. d. k. k.
ule, Wien an ar Tech- | HUGO L. NIKEL STEPHAN POPPER Techn. Hochschule, Wien
nischen Hochschule, Wien k. k. techn. Ob.-Offiz., Wien Ingenieur, Wien WILHELM TRABERT
IGO ETRICH
Oroßindustrieller, Ober-
altstadt
Dr. A. HILDEBRANDT
re tmanna.D.,
n
P. HINTERSTOISSER
k. u. k. Oberstit., Wien
D. W. KAISER
Kapitănleutnant a. D.,
Charlottenburg
RICHARD KNOLLER
Ing., Professor a. d. k. k.
Techn. Hochschule, Wien
RANS F. v. ORELLI
Schriftsteller, Wien
STEPHAN PETROCZY
v. PETROCZ
k. u. k. Luftschifferhaupt-
mann, Wien der Autoplanwerke, Wien in
Professor, Direktor der
itralanstalt für Meteoro-
Patentamtes, Wien logie u. Geodynamik, Wien
. C. WIESELS-
RUDOLF SCHIMEK Dr. GEROER
k.u.k. Majord.R., Direktor Assistent an der Universität
Gdttingen
FRANZ REBERNIGG
Ing., Kommissär des k. k.
Der Luftkrieg.
Im Rule 1915 hat der Luftkrieg eine Schärfe
erreicht, die alle Mutmaßungen und Vorhersagungen,
welche vor Kriegsausbruch über denselben hie und da
geäußert wurden, weitaus übertroffen hat.
Außerordentliche Anforderungen werden an die
. Waffen des Luftkrieges ee Von neuen Apparaten,
immer vollkommener und vollkommenerer Bauart, dringt
die Kunde durch die Tagesblätter, sowohl bei Freund,
als bei Feind. Immer verderblicher wird leider das durch
dieselben verursachte Zerstörungswerk. Daß unter solchen
Umständen die Anforderungen an die mit der Ver-
teidigung unseres Vaterlandes durch die Luftwaffen
betrauten Offiziere und Mannschaften überaus große
sind, ist einleuchtend.
Mit Beruhigung kann gesagt werden, daß sich unsere
Fliegertruppen den höchsten Anforderungen gewachsen
ezeigt haben. Ein Beweis hiefür sind die zahlreichen
uszeichnungen, welche an Offiziere und Mannschaften
der k. u. k. Luftschiffer-Abteilung im Laufe des zu Ende
gehenden Jahres bisher erteilt wurden und die wir hier als
ein jeden Patrioten erfreuendes Ruhmesblatt anführen.
Es wurden ausgezeichnet:
Offiziere:
Mit dem Leopold-Orden: Oberst Emil Uzelac.
Mit dem Eisernen Kronen-Orden III. Klasse:
Oberstleutnant Hans Umlauff Ritter v. Frankwell, Major
Ferdinand Deutelmoser, Oberleutnant Oskar Safar,
Oberleutnant Bela v. Losonczy, Oberleutnant Johann
Mandl, Oberleutnant Hassan Pieler, Hauptmann
Adolf Heyrowsky, Oberleutnant Robert Cizinsky.
Mit dem Militär-Verdienstkreuz Ill. Klasse:
Major Ferdinand Deutelmoser, Hauptmann Stephan
Petroczy v. Petrocz, Hauptmann Johann Bukowsky,
Hauptmann Wilhelm Dvorak, Hauptmann Karl
Stohansl, Hauptmann Karl Christian, Hauptmann
Robert Eyb, Hauptmann Matthias Bernat, Rittmeister
Stephan Freiherr v. Ankershofen, Hauptmann Franz
Smioka, Hauptmann d.R. Karl Zuleger, Rittmeister
Karl Führich, Hauptmann Erich Kahlen, Hauptmann
N Kara, Hauptmann Eugen Czapari, Hauptmann
ikolaus Wagner Edler v. Florheim, Hauptmann
Eugen Steiner Edler v. Auring-Göltl, Hauptmann
Aladar Tauszig, Hauptmann Ferdinand Cavallar
Ritter v. Grabensprung, Hauptmann Rudolf Holeka,
Hauptmann Heinrich Kostrba, Hauptmann Artur
Schlett, Hauptmann Stanislaus Ritter v. Rozen, Haupt-
mann Leo Libano, Hauptmann Eduard v. Trautenegg-
Rzemenovsky, Hauptmann Raoul Stojsavljevic,
Hauptmann Modestus Plank, Rittmeister Georg Edler
v. Lehmann, Hauptmann Josef Bendik, Hauptmann
Bruno Schonovsky, Hauptmann Otto Ji ndra, Haupt-
mann Kamillo Perini, Hauptmann Viktor Schünzel
Hauptmann Franz Rabitsch, Hauptmann Josef
294
Steiner, Oberleutnant Karl Sabeditsch, Ober-
leutnant Karl Huppner, Oberleutnant Max Perini,
Oberleutnant Bela v. bacon y, Oberleutnant Richard
Hübner, Oberleutnant Max Macher, Oberleutnant
Viktor Seebauer, Oberleutnant Alfons Veljacic,
Oberleutnant Johann Wierzeisky, Oberleutnant Oskar
Fekete, Oberleutnant Anton Venczel, Oberleutnant
San Ventura, Oberleutnant Roman Florer, Ober-
eutnant Julius Ludwig, Oberleutnant Artur Kol-
litsch, Oberleutnant Josef v. Maier, Oberleutnant
Rudolf Vanicek, Oberleutnant Johann Mandl, Ober-
leutnant Hassan Pieler, Oberleutnant Emanuel Mainx,
Oberleutnant d. R. Leopold Kann, Oberleutnant Franz
Schorn, Oberleutnant Robert Ellner, Oberleutnant
Alexander Hartzer, Oberleutnant Ernst Ritter von
Pfiffer, Oberleutnant Johann Calogovic, Ober-
leutnant Ludwig Dumbacher, Oberleutnant Leo
Bisce, Oberleutnant Franz Cserich, Oberleutnant
Adolf Rath, Oberleutnant Leopold Urban, Ober-
leutnant Eduard Lewa k, Oberleutnant Otto Langl,
Oberleutnant Anton Lanyi-Lanczendorfer, Ober-
leutnant Eduard Fritsch, Oberleutnant Karl Banfield,
Reserveleutnant Benno Fiala Ritter v. Fernbrugg,
Leutnant Rudolf Stanger, Hauptmann Oskar Ros-
mann, Hauptmann Heinrich Reisner, Hauptmann
Hugo Brunar, Hauptmann August Freiherr von
Mandelsloh, Hauptmann Anton Sieber, Haupt-
mann Kurt Wilhelm Edler v. Helmfeld, Hauptmann
Joser Kastranek, Hauptmann Oskar Lestin, Ober-
eutnant aeann nn i hal, Oberleutnant Albert
a erda,
Sanchez de Oberleutnant Robert
Cizinsky.
Mit dem silbernen Signum laudis: Hauptmann
Emil Kumstat, Hauptmann Ljubisa Kosanovic,
Hauptmann Julius Mally, Hauptmann Josef Steiner,
Oberleutnant Josef Cejnek, Oberleutnant Ernst Reischer,
Oberleutnant Vinzenz Martinek, Oberleutnant Johann
Murgu, Oberleutnant Franz Cik, Oberleutnant Julius
Ludwig, Oberleutnant Artur Kollitsch, Oberleutnant
Anton Größler, Reserveoberleutnant Max Hesse,
Oberleutnant Ludwig Dumbacher, Oberleutnant
Zoltan Hollosy, Recervclentnant Josef Glanz, Re-
serveleutnant Ludwig Hautzmayer.
Mit dem Signum laudis: Hauptmann Johann
Bukowsky, Rittmeister Artur de Varbogya et Nagymad
Bogyay, Hauptmann Wilhelm Dworak, Hauptmann
Oskar Zeidner, Hauptmann Matthias Bernat, Ritt-
meister Stephan Freiherr v. Ankershofen, Hauptmann
Franz Smicka, Hauptmann i.d.R. Karl Zuleger,
Rittmeister Karl Führich, Hauptmann Eugen Steiner-
Gölt! Edler v. Auring, Hauptmann Aladar Tauszig,
Hauptmann Ferdinand Cavallar Ritter v. Graben-
sprung, Hauptmann Emil Kumstat, Hauptmann Gustav
Studeny, Hauptmann Rudolf Holeka, Hauptmann
Robert Oswald, Hauptmann Heinrich Kostrba,
Hauptmann Artur Schlett, Hauptmann [Ljubisa
Kosanovic, Hauptmann Stanislaus Ritter v. Rozen,
Hauptmann Leo Libano, Hauptmann Oskar Lestin,
Hauptmann Karl Sternischa, Hauptmann Arpad
Gruber, Hauptmann Eduard v. Trautenegg-Rzeme-
novsky, Hauptmann Raoul Stojsavljevic, Haupt-
mann Modestus Plank, Rittmeister Waldemar Kenese,
Rittmeister August Knirsch, Hauptmann Robert
Schwarz, Hauptmann Bruno Schonovsky, Haupt-
mann Otto Jindra, Hauptmann Kamillo Perini,
Hauptmann Viktor Schünzel, Hauptmann Walter Lux,
Oberleutnant Josef Smetana, Oberleutnant Heinrich
Schartner, Oberleutnant Wedige v. Froreich, Ober-
leutnant Alfred Schindler, Oberleutnant Oskar von
Meczenzef-Schmoczer, Oberleutnant Oskar Safar,
Oberleutnant Karl Sabeditsch, Oberleutnant Josef
Cejnek, Oberleutnant Max Perini, Oberleutnant Oswald
Ritter v. Neudorf-Nachodsky, Oberleutnant Bela
v. Losonczy, Oberleutnant Richard Hübner,
Oberleutnant Viktor Seebauer, Oberleutnant Alfons
Veljacic, Oberleutnant Johann Wierzeisky, Ober-
leutnant Viktor Novy Edler v. Wallersberg, Ober-
leutnant Oskar Fekete, Oberleutnant Ernst Reischer,
Oberleutnant Johann Ventura, Oberleutnant Roman
Florer, Oberleutnant Vinzenz Martinek, Oberleutnant
Franz Hellmann, Oberleutnant Kornelius Kiraly,
Oberleutnant Franz Cik, Oberleutnant Julius Ludwig,
Oberleutnant Stefan Horvath, Oberleutnant Rudolf
Henke, Oberleutnant Alexander Schön, Oberleutnant
Bruno Freiherr v. Lazan-Bechinie, Rerserveober-
leutnant Max Hesse, Oberleutnant me Gehfink,
Oberleutnant Robert Ellner, Oberleutnant Alexander
Hartzer, Oberleutnant Emanuel Grycz, Oberleutnant
Ignaz Kozma, Oberleutnant Ernst Ritter v. Pfiffer,
Oberleutnant Ludwig Dumbacher, Oberleutnant Leo
Bisce, Oberleutnant Gustav Rubritius, Oberleutnant
Wladimir Klajic, Oberleutnant Emil Cioli, Ober-
leutnant Albert Fix, Oberleutnant Julius Csicsery
v. Csicser, Reserveoberleutnant Rudolf Schreiber,
Oberleutnant Otto Seidl, Oberleutnant Karl Banfield,
Reserveleutnant Josef Glanz, Leutnant Josef Brat-
mann, Reserveleutnant Benno Fiala Ritter v. Fern-
brugg, Reserveleutnant Ludwig Hautzmayer, Leut-
nant Rudolf Stanger, Reserveleutnant Johann Zvacek,
le Heinrich Reisner, Hauptmann Hugo
Betka, Hauptmann Adolf Heyrowsky, Hauptmann
Robert Baar, Hauptmann Johann Riedlinger Edler
von Kastrenberg, Hauptmann Hugo Brunar, Haupt-
mann Rudolf Kop pl, Oberleutnant Richard Baum-
gartner, Oberleutnant Friedrich Rosenthal, Ober-
leutnant Adalbert Feszl, Oberleutnant Artur Böhm,
Oberleutnant Franz Weikert, Oberleutnant Bruno
Moltini, Oberleutnant Albert Sanchez de laCerda,
Oberleutnant Josef v. Sohar, Oberleutnant Johann
Wagner, Oberleutnant Otto Stiaßny, Oberleutnant
Robert Cizinsky, Oberleutnant Alexander Janku-
lovic, Oberleutnant Johann Fischer, Reserveober-
leutnant Ernst Freiherr v. Plener.
Mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse: Oberst
Emil Uzelac, Major Ferdinand Deutelmoser, Haupt-
mann Stefan Petroczy v. Petrocz, Hauptmann Robert
v. Kaiserfeld, Hauptmann Nikolaus Wagner Edler
v. Florheim, Hauptmann Gustav Studeny, Hauptmann
Heinrich Kostrba, Hauptmann Raoul ale c.
Hauptmann Otto Jindra, Oberleutnant KarlHuppner,
Oberleutnant Max Perini, Oberleutnant Max Macher,
Reserveoberleutnant Max Hesse, Oberleutnant Ale-
xander Hartzer, Oberleutnant Ludwig Dumbacher,
Oberleutnant Oskar Schilz, Oberleutnant Otto Langl,
Reserveleutnant Benno Fiala Ritter v. Fernbrugg,
Leutnant Rudolf Stanger, Hauptmann Hugo Betka,
Rittmeister Gustav v. Koczian, Oberleutnant Robert
Cizinsky, Oberleutnant Otto Schartner.
Mannschaft:
Mit der goldenen Tapferkeitsmedaille: Die
Offiziersstellvertreter: Johann Mattl, Josef Siegel;
die Feldwebel: Robert Meltsch, Johann Varga; die
Zugsführer: Ernst Till, Rudolf Stolba.
Mit der silbernen Tapferkeitsmedaille I. Kl.:
Die Fähnriche: Bogut Burian, Edmund Sparmann;
die Offiziersstellvertreter: eu Mattl, Josef Siegel,
Bruno Czernil, Max Libano; die Feldwebel: Fried-
rich Würbel, Stefan Dobos, Franz Kuntner, Johann
Varga, Emil Zebethy, Gottfried Ruß, Franz
Schmidt, Ferdinand Konschel, Stefan Huzjan,
Josef Mugrauer, Franz Juhacz, Julius Arigi; die
Zugsführer: Franz Benda, Ferdinand Junker, Karl
Barth, Andreas Borbely, Hubert Graf, Ernst Till,
Elemer Szalkay, Ferdinand Knötig, Rudolf Stolba,
Heinrich Eipert, Alexander Renner; die Korporäle:
Stefan Szücs, Zeno Kovach, Adalbert Malagursky;
der Gefreite: Max Bartl.
Mit der silbernen Tapferkeitsmedaille Il. Kl.:
Der Fähnrich: Max Brociner; der Offiziersstellvertreter:
Max Libano, Johann Mattl; die Feldwebel: Johann
Varga, EmilZebethy, Gottfried Ruß, Josef Mugrauer,
Franz Juhacz, Rudolf Driemer;die Zugsführer: Viktor
Knopp, Franz Malina, Otto Elstner, Karl Kulig,
Waldemar Renner; die Korporäle: Franz Schmied,
Aladar Liptak, Matthias Paulnits, Rudolf Forst,
Andreas Kvas; der Gefreite: Gabriel Urban; der
Luftschiffer: Franz Greiner.
Mit der bronzenen Tapferkeitsmedaille: Der
Offiziersstellvertreter: go iegel, Max Libano;
die Zugsführer: Franz Benda, Andreas Borbely, Ernst
Till, Oskar Elstner, Josef Mach; die Korporäle:
*
Josef f Gungel,
295
Stanislaus Pachuta, Kurt Gruber; der Gefreite:
Franz Kostecki; die Luftschiffer: Leopold Bauer,
Ludwig Soos, Johann Hafner,
osef Hambach und Franz Prohaska.
s %
%
Die Namen der Herren, welche Mitglieder unseres
Vereines sind, sind fettgedruckt.
—
Oberleutnant-Feldpilot Hassan Riza Efendi Pieler t+
geboren am 31. Dezember 1889 in Pozsony, absol-
vierte die Realschule, die Artillerie-Kadettenschule,
im Jabre 1912 den Ballonkurs, im Jahre 1913 den
Fliegerkurs, und wurde im Dezember 1913 zum
Balionfiibrer, im März 1914 zum Feldpiloten er-
nannt. Er stand im Felde seit 26. Juli 1914, war
zuerst eingeteilt bei der Seeflugstation, später bei
der Fliegerkompagnie Nr. 6 und Fliegerkompagnie
Nr. 4. Er absolvierte zirka 200 Flüge mit mebr als
60.000 km im schweren Karstterrain Montenegros
mit schwierigen Notlandungen, darunter Landun-
Oberleutnant Hassan Riza Efendi Pieler.
gen auf Wasser mit Landflugzeugen, Nachtflüge
mit Bombenangriffen, Seeaufklärung mit Land-
flugzeugen, erfolgreiche Angriffe gegen Städte,
Kriegs- und Handelsschiffe und feindliche Flieger.
Wurde am 8. Juni 1915 mit dem Militär-Verdienst-
kreuz III. Klasse, am 1. Dezember 1915 mit dem
Orden der Eisernen Krone Ill. Klasse ausgezeichnet.
Stürzte am 24. November 1915 bei der Erprobung
eines neuen Kampfflugzeuges bei Görz ab und
starb am 26. November an den biebei erlittenen
Verletzungen.
Oberleutnant Adolf Janousek.
Oberleutnant Adolf Janousek +
eboren am 25. November 18% in Hodolein bei
Ölmütz, absolvierte die Realschule und die Militär-
akademie in Wr.-Neustadt, stand als Flieger
seit 23. September 1915 im Felde, nahm unter
anderem auch an dem Geschwaderflug nach
Verona am 14. November 1915 teil und wird seit
19. November vermißt. Nach dem italienischen
Generalstabsbericht vom 21. November d. J. wurde
er von den Italienern bei einem Fluge berab-
geschossen. |
296
Graphostatik, mit besonderer Berücksichtigung der Fachwerke.
(Schluß.)
Der durchlaufende Träger.
Wie sich bereits bei der rechnerischen Behand-
lung des durchlaufenden Trägers gezeigt hat, ist zur
Bestimmung der Stützendrücke, der Momente und
auch der Schwerkräfte die Kenntnis der auftretenden
Durchbiegungen nötig. Die entstehenden Deformationen
lassen sich aber auch zeichnerisch bestimmen und
der ganze Verlauf der Linie, nach welcher sich die
Schwerachse des Trägers einstellt, angeben. Diese
Linie heißt die Elastische Linie und kann nach
dem Verfahren von Mohr konstruiert werden,
sobald man die Momentenfläche kennt. Auf die theore-
tische Begründung der im folgenden anzugebenden
Konstruktion sei nicht weiter eingegangen, da sie
ohnehin in jedem Lehrbuch zu finden ist; es möge
vielmehr gleich der Fall behandelt werden, daß auf
Fig. 34.
einen Träger von 10 m Spannweite in den aus der
Zeichnung ersichtlichen Abständen Kräfte:
P, = 3000 kg
wirken. (Fig. 34.) Der Träger sei beispielsweise ein
Walzeisen etwa von J-förmigem Querschnitt, und
habe ein Trägheitsmoment:
J = 7575 cm‘
bezogen auf die horizontale Achse, was einem Normal-
profil Nr. 28 entspricht. Es ist klar, daß es nicht ge-
nügt, die wirklich auftretenden Durchbiegungen auf-
zutragen, da sich diese ja immer so klein ergeben
werden, daß es bei dem für die Zeichnung nötigen
Maßstab unmöglich wäre, sie zu konstruieren, bezw.
enau abzulesen. Es ist also unbedingt nötig, die
eformationen zu vergrößern, also einen praktisch
brauchbaren Maßstab für ihre Auftragung zu benützen.
Der Träger ist im Maßstab 1:200 gezeichnet und
der Kräftemaßstab so gewählt, daß I mm = 200 kg
entsprechen. Um nun den Verlauf der Momente zu
bestimmen, muß zunächst ein Horizontalzug für das
Seileck angenommen werden; dieser beträgt beispiels-
weise
H = 6000 kg,
* KIEW N
H- 5000 Rt
was bei dem gewählten Kräftemaßstab einer Strecke
von 30 mm entspricht. Nun kann man ohne weiteres
die Momentenfläche M konstruieren, wobei nur zu
berücksichtigen ist, daß die Schlußlinie durch die
Auflagervertikalen hindurchgeht.
Für die Konstruktion dieser Momentenfläche ist
nichts weiter zu beachten, als daß sich die Seilstrahlen
auf der Richtungslinie jener Kraft schneiden, zu der
sie gehören; also beispielsweise auf der Richtungs-
linie von P, die Parallelen zu den Seilstrahlen 2 und 3;
durch den Schnitt der Seilstrahlen mit den Auflager-
vertikalen (durch A und B) muß dann die Schlußlinie
gehen (4), zu ihr die Parallele ins Seileck eingetragen,
gibt auch die gesuchte Größe an.
Nun ergibt sich die Linie der elastischen
Durchbiegung, wenn man mit dieser Momenten-
fläche M als Belastungsfläche ein
zweites Seileck konstruiert, dessen
Horizontalzug aber nicht mehr frei
wählbar ist; er muß vielmehr nach
den Sätzen der Festigkeitslehre der
Gleichung
em E
aH
entsprechen, wobei
Peet
E
die Dehnungszahl, also em / kg ist. Setzt
man in diese Gleichung ein, so sieht
man, daß der absolute Wert
|
!
|
ist, also H“ eine Fläche darstellt. Das
ist auch nötig, denn so wie für die
Kräfte im Seileck der Horizontalzug
eine Kraft war, so muß er hier für
die Flächen eine Fläche sein.
Die Flächen ergeben sich nun, wenn
der mittlere Teil nochmals in zwei
Flächen zerlegt wird, zu
F, = 10000 em?
F, = 25000 n
F, = 25000 ”
F, = 15000 1
Damit kann nun wieder ein Seileck gezeichnet werden,
das gleichzeitig die Tangenten an die elastische Linie
darstellt, so daß auch diese genau genug eingetragen
werden kann. Für die Wahl des Maßstabes, der zur
Konstruktion des zweiten Seileckes verwendet wird,
ist folgendes zu bedenken: Bei richtiger Dimensionie-
rung fallen begreiflicherweise die auftretenden Durch-
biegungen nur sehr klein aus und die Seilkurve würde
von der Schlußlinie nur wenig abweichen. Um bequem
ablesen zu können, hat man daher statt H’ nurn anzu-
nehmen, denn dann wird die Durchbiegung f das
n- fache; denn allgemein ist
und mit pata
= H. = 1/n H.
wir
H‘f
11 = nf
n
also erscheint in der Zeichnung (fi) die elastische
Durchbiegung f = n-mal vergrößert, wenn man den
Horizontalzug zu H': wählt. Im gezeichneten Fall ist
2. 100.000. 7575
H‘ =< 60L0 ee 2,651.250 cm?
Die Längen sind bereits 1:200 verzerrt, also stellt |
1mm der Zeichnung bereits 40.000 mm? der Wirklich-
keit dar oder 490 cm’, denn das Moment ist ja gegeben
durch Kraft mal Hebelarm, und nun stellt die Längen-
einheit sich 200 fach verkürzt dar, während die Kraft
von 200 kg durch 1 mm dargestellt ist, so daß 1 mm?
als Momentenmaßstab 200.200 = 40.000 mm” der Wirk-
lichkeit entspricht. Bei einem Flächenmaßstab von
1 mm = 2000 mm ergäbe sich ein
H, = 1325 mm,
was natürlich zu groß ist; um aber bequem zeichnen
zu können, wählt man davon nur den n-ten Teil, also
beispielsweise ½¼%o, so daß
H‘, — 26:5 mm
beträgt. Die Durchbiegungen des
Trägers werden dadurch zunächst fünf-
zigfach übertrieben; es ist aber zu be-
denken, daß außerdem alle Längen nur
den 200. Teil der Wirklichkeit dar-
stellen, so daß endlich die tatsächlich
auftretenden Durchbiegungen 4 mal so
groß sind, als sie in der Zeichnung
erscheinen; das heißt also: während
die Maßstäbe für die
Längen 1:200 i mm — 200 mm)
Flächen 1: 40000 (1 mm — 40000 mm’)
sind, erscheinen die
Durchbiegungen 1:4 (1 mm — 4 mm)
Im gezeichneten Fall ist die größte
entstehende elastische Senkung der
Schwerlinie des Trägers
y = 2'8 mm
gemessen von der Schlußlinie, also der
Schnittlinie der Seilkurve mit den Verti-
kalen durch die Auflager.
Im Flugzeugbau trachtet man nun,
die Querschnitte nie größer zu di-
mensionieren, als den auftretenden
Beanspruchungen bei dem verlangten
Sicherheitsgrad entspricht. Das hat zur
Folge, daß die Holme über die ganze
Länge nicht mehr denselben Quer-
schnitt, also auch nicht das gleiche
Trägheitsmoment I haben, welche Vor-
aussetzung aber bei der oben ange-
gebenen Bestimmung der Durchbiegung
gemacht wurde. In diesem Falle setzt
sich die elastische Linie aus zwei oder
mehreren Ästen zusammen, für deren Konstruktion
nur zwei oder mehrere verschiedene Polentfernungen
so zu wählen sind, daß für den einen Teil
A,
Z l
— h
H, = aH
und fiir den anderen
ı_ 2
H: aH
ist, wenn J,
momente sind.
Fiir die resultierende Beanspruchung eines Flug-
zeuges darf nicht allein die Spannung maßgebend sein,
welche in den Holmen infolge der vertikalen Belastung,
also des Auftriebes, auftritt, sondern es muß diese
erst mit jenen Spannungen kombiniert werden, welche
in den Stäben der Stirnwiderstand hervorruft, und
schließlich ist zu bedenken, daß über die Holme
zwischen den einzelnen Knoten auch noch die Last
ENDE verteilt ist, also zur Berechnung der
imensionen, bezw. zur Kontrolle der auftretenden
Beanspruchungen, die resultierende Beanspruchung
aus Normalspannung (Zug oder Druck) und Biegungs-
beanspruchung maßgebend ist.
und Jo die betreffenden Trägheits-
P A,
—— E 9 ;
297
Als vertikal wirkende Kraft kommt der resul-
tierende Druck in Betracht, welcher zunächst
im Druckmittelpunkt D (Fig. 35), und zwar senkrecht.
zur Sehne wirkt, die unter dem Anstellwinkel i zur
Flugrichtung geneigt ist; die Holme H, und Hg ent-
sprechen nun den Knotenpunkten I und II der Fig. 15
im zweiten Teil dieser Arbeit (siehe Heft 7 und 8,
Seite 93), die Verbindung der Schwerpunkte der Holm-
querschnitte dem Stab I—II, und es ergibt die Be-
stimmung der Stützendrücke in H, und H, jene Kräfte,
welche in den Querschnitten, aber wieder unter dem
Winkel i zur Senkrechten wirken. Es sind also noch
die Auflagerdrücke A, und A, nach den Richtungen
H
:
!
i
i
!
!
i
H
:
i
i
l
!
l
!
|
!
I
j
!
H
U
~P,
Fig. 35.
H, Hs, bezw. Hz H, und H, He zu zerlegen. Man hat
daher nur durch das Ende von A, (maßstabrichtig
durchzuführen) Parallele zu Hi Ha, bezw H, He zu
ziehen, um jenen Betrag zu finden, der als Belastung
für das vertikale Fachwerk einzuführen ist, während
die Verbindung von H, mit H, (entweder ein Rohr
oder eine Kastenrippe) zunächst durch die Kraft W
beansprucht wird.
Fig. 36.
Nun ändert sich aber die Lage des Druckmittel-
punktes mit der Änderung des Anstellwinkels i und
das hat zur Folge, daß auch die Stützdrücke in H,
und Hg sich ändern, damit aber auch die ganze vertikale
Belastung eine andere wird. Für die Dimensionierung
ist nun jene Lage des Druckmittelpunktes zu wählen,
welche die größte Beanspruchung ergibt, wenn der
dazu gehörige Anstellwinkel überhaupt in den praktisch
vorkommenden Bereich fällt. Es kann aber auch ein
298
anderer Winkel i die größte Holmbeanspruchung er-
geben, und zwar ist das jener, bei dem das Verhältnis
von Stirnwiderstand und Auftrieb, also Kr am größten
ist. Zunächst sei nur der ersterwähnte Fall behandelt.
Fig. 36 zeigt schematisch die Lastverteilung. Die
Widerstände A und B sind dann aus der Beziehung
eingeführt werden. Die in den einzelnen Stäben des
Fachwerkes sich ergebenden Spannungen sind dann
erst sinngemäß zu vereinigen und liefern die resul-
tierenden Normalspannungen, während von den auf-
tretenden Biegungsmomenten die zusätzliche Bean-
spruchung sich herleitet.
Zu den entwickelten Methoden der Untersuchung
durchlaufender Träger sei noch das Folgende nachge-
A= ps tragen: Sowohl fiir die rechnerische als auch fiir die
l graphische Bestimmung der Momente ist es wichtig,
und aß man die an der Einspannstelle und am anderen
p= p= Auflager wirkenden Momente kennt. Aus der Flügel-
l befestigung am Rumpf ergibt sich die Tangente an
zu rechnen. den Verlauf der elastischen Linie, während das Moment
des Druckes auf die Fläche,
01 0 welche über den äußersten
i 03 0.2 i Stiel vorragt, auch bekannt
ay g6 05 85 30 ist, wodurch sich die Anzahl
09 OF — der Unbekannten um zwei
en 5 25 vermindert.
| u Ist also die graphische
„ 20 oder rechnerische Unter-
Fig. 37.
Wie bereits im zweiten Teil gezeigt wurde, ist
der obere Hinterholm der am stärksten
beanspruchte, also wird die ungünstigste Lage
des Druckmittelpunktes jene sein, bei der Bam größten
ausfällt. Das ist dann der Fall, wenn x =1 wird, was
aber nur selten zutreffen wird. Da die Abhängigkeit
von A und B von der Lage des Druckmittelpunktes
eine lineare ist, so stellt ein Diagramm der Druck-
mittelpunktswanderungen unmittelbar auch einen MaB-
stab für die Auflagerdrücke dar. Das wird besonders
übersichtlich, wenn man die einzelnen Lagen des
Druckmittelpunktes über die Tragflächenspiere zeichnet,
wobei sich sofort die Abstände x bezw. I x ablesen
lassen. (Fig. 37.)
Aus dem Diagramm, welches Stirndruck und Auf-
trieb in Abhängigkeit vom Anstellwinkel i enthält,
findet man den zum Winkel i gehörigen Stirnwider-
stand und hat dann das ganze Flugzeug unter diesem
Winkel angestellt zu untersuchen. Mit diesem Wert
von x wird nun der Auftrieb P auf den vorderen,
bezw. hinteren Holm nach den Verhältnissen
4 _ 1x
l l
und
V: l
verteilt und diese Beträge als die gleichförmig verteilte
Last des Vorder- bezw. Hinterholmes eines durch-
laufenden Trägers über so viel Stützpunkte, als Stiele
vorhanden sind, betrachtet; daraus werden dann die
Stützdrücke bestimmt und mit diesen das Fachwerk
untersucht, wie in Fig. 14 auf Seite 93 des Heftes
Nr. 7 uhd 8 gezeigt wurde.
Dann wirkt auf das horizontal liegende Fachwerk
ebenfalls gleichförmig verteilt der Stirnwiderstand, so
daß auch hier die in den Kastenrippen wirkenden
Kräfte als Stützendrücke gefunden werden können und
als Belastungen, genau so wie beim Auftrieb erwähnt,
suchung der Fachwerksträger
erfolgt, so erhält man die
Axialkräfte,dieindenHolmen,
Stielen und Kastenspieren
wirken.
Diese Axialkräfte sind
nunmehr aber noch mit den
Beanspruchungen, die sich
aus den Biegungsmomenten
ergeben, zu kombinieren, und
das kann sowohl rechnerisch
als auch zeichnerisch ge-
4 schehen.
Es sei also der Fall
untersucht, daß auf einem
Stab (Fig. 38) ein Biegungs-
moment Mp wirkt. Dabei
ist das größte Biegungsmoment in cm/kg
_Ql
Mb = 8
wenn | die Spannweite in em und Q die Last in kg
bedeutet. In diesem Falle rechnet man den nötigen
Querschnitt in cm* aus der Beziehung
21. 1
war ke
wobei k, die Biegungsfestigkeit in kg/cm? ist. Wirkt
aber gleichzeitig in dem Stab eine Zug- oder Druck-
kraft P, dann verteilt sich zunächst diese über den
ee ̃ —
Fig. 38.
ganzen Querschnitt, wie man annimmt, gleichmäßig,
also ist die spezifische Spannung infolge
der Axialkraft
ca = oe
N F
Von der Biegungsbeanspruchung herrührend ist
aber in den von der sogenannten neutralen Faser am
weitesten abstehenden Randfasern noch eine Druck-,
bezw. Zugbeanspruchung vorhanden, die man aus der
Beziehung
9d = 1
und
findet, wenn dabei die gezogene Faser um e, cm und
die gedrückte ume, cm von der Nullinie ab-
steht. Wirkt also in dem Stab Zug und Biegung, dann
wird die Zugbeanspruchung um cz vermehrt, wirkt
Druck, dann wird dieser um ca vermehrt, in beiden
Fällen aber auf der anderen Seite um cd, bezw. cz
vermindert, und es ist die auftretende Druckbean-
spruchung gegeben durch
wenn P eine Druckkraft (KB), J das Trägheitsmoment
(cmt) und F die Fläche (cm?) bedeutet; zeichnerisch
Fig. 9
stellen sich diese Verhältnisse noch einfacher dar
(Fig. 39). Trägt man nämlich von einer Achse X—X,
aus aufwärts Druck (—) und abwärts Zug (+) auf,
dann ist die auf 1 cm? wirkende Zugbeanspruchun
dargestellt durch die Linie AB, wobei XA ein Ma
für die Kräfte darstellt. Von der Biegung herrührend
findet man ehe eine Zugkraft von der Größe
XC und eine Druckkraft X, D in der anderen Faser,
dann ist das Diagramm der Spannungen im Quer-
schnitt das schraffierte, das heißt, die Faser bei X
erhält die Summe, die bei X, die Differenz dieser
beiden Spannungen von der Größe XC bezw. X, D,
während die bei N spannungslos ist (neutrale Faser).
Sinngemäß gilt das gleiche von Druckbeanspruchungen.
In allen Fällen fällt die Nullinie mit der Schwer-
linie zusammen, falls das Moment in einer Trägheits-
hauptsache wirkt. In jedem anderen Falle ist aber die
Nullinie und ihre Lage erst zu bestimmen, wie dies
im Heft 3 und 4 dieses Jahrganges, Seite 37 und 38,
gezeigt wurde.
Der Einfluß von Biegungs- und re nen
ist beim Fachwerk folgender: Zufolge der Axialkraft
(es sei dabei in erster Linie an Druckkräfte
gedacht) ist der Querschnitt auf Druck, bezw. auf
Fig. 40.
Knickung beansprucht; letztere ist um so gefährlicher,
je 1 die Länge des so beanspruchten Stabes ist,
und besonders gefährlich, wenn der Lastangriff ex-
zentrisch erfolgt. Dieser letztere Fall tritt aber in dem
Fachwerk auf. Infolge der Biegungsmomente tritt
nämlich im Stab eine Durchbiegung f auf und es er-
gibt sich dann (Fig. 40), daß der bei Knickung am
Stärksten beanspruchte Teil des Stabes, also der
Querschnitt, bei C bereits um f durchgebogen ist, das
heißt also, die Last P wirkt mit einer Exzentrizität f
als Knicklast auf den Stab. Daher ist zunächst diese
Federung f aus dem wirkenden Biegungsmoment zu
berechnen und dann die Beanspruchung zu ermitteln,
die zur reinen Axialkraft durch die Exzentrizität f
hinzukommt. Diese Verhältnisse sind ja im heurigen
299
Jahrgang ohnehin schon an anderer Stelle behandelt
und soll daher auch nur darauf verwiesen werden.
Bisher wurden nur solche Fälle behandelt, bei
denen es sich um die Zusammensetzung von Biegung
und Axialkräften handelt. Es gibt aber auch Fälle, wo
es nötig ist, Biegung und 9 zusammenzusetzen;
diese Notwendigkeit ergibt sich dann, wenn man
beispielsweise aus dem Rumpf, in dem ein oder
mehrere Motoren sitzen, mit Zwischenschaltung einer
Welle zur Luftschraube übersetzt, wobei dann diese
Welle sowohl auf Drehung (Motordrehmoment), als
auch auf Biegung infolge des Luftwiderstandes be-
ansprucht ist. In einem solchen Falle wird aber die
Zusammensetzung und die Ermittlung der sich er-
gebenden Beanspruchungen nicht mehr so einfach.
Wellen können rein auf Drehung beansprucht sein
und werden dann einfach aus der Beziehung gerechnet,
daß das Drehmoment Ma gleich sein muß der zu-
lässigen Drehungsbeanspruchung multipliziert mit dem
Widerstandsmoment.
Setzt man kreisförmigen Querschnitt mit dem
Durchmesser d voraus, so ist
85
Md = 16 d’ kp
wobei kd die zulässige Drehungsbeanspruchung in
kg/cm? ist. Für 15 kann genau genug 0˙2 gesetzt
werden (statt 0'196). In der Regel kennt man aber
nicht das Drehmoment, sondern die Leistung in PS
und die zugehörige Umdrehungszahl pro Minute; nun
ist aber p
=
15
wenn P in kg die Umfangskraft, v die Umfangsge-
schwindigkeit in m/Sek. am Radius Rm bedeutet, also
ya FER
Aus diesen beiden Gleichungen ist aber nach Um-
formung und Zusammenziehung der Unveränderlichen
das Drehmoment: Ñ
Ma =P R = 71620 ->
so daß man jederzeit bei gegebener Leistung in
Pferdestärken und Umdrehungszahl das entsprechende
Drehmoment findet. Der Fall der reinen Drehungs-
beanspruchung läßt sich verwirklichen, wenn die
Welle mit dem Motor und dem Propeller, bezw.
dessen Vorgelege nicht starr, sondern verschiebbar
verbunden ist. Wäre die Welle nur auf Biegung
beansprucht, so wäre sie zu rechnen aus
4
Mo 32 d' kb,
N=
wobei
Mo = das Biegungsmoment in cm/kg
d = den Durchmesser in cm
kb = die zulässige Biegungsbeanspruchung
in kg/cm? |
wt
bedeutet, dabei kann man wieder fiir 32 genau genug
O' setzen.
Ist sowohl Biegungs- als auch Drehungs-
beanspruchung vorhanden, so ermittelt man ein
ideelles Biegungsmoment Mi und rechnet wie
früher aus
Mi O'! d? kp.
Dieses ideelle Biegungsmoment ist nach den Sätzen
der Festigkeitslehre zu rechnen aus
Mi = 0°35 Mb + 0°65 V Mb? + (co Md)
oder aus
M 3
i= 8 M 2 V Mb: + (ao Ma)‘,
300
dabei haben Mb und Ma die frühere Bedeutung,
co stellt den Quotienten
kb
1˙3 Kd
dar und beträgt für Stahl rund 1. Dieses ideelle
Biegungsmoment kann man nun zeichnerisch er-
mitteln, wenn Mo und Ma bekannt sind. (Fig. 41.)
Das zwischen den Lagern A und B gelegene Wellen-
stück sei durch eine Kraft P im Abstande a vom
linken Lager auf Biegung und außerdem durch ein
Drehmoment Ma
auf Drehung bean-
sprucht. Der Ver-
lauf des Bicgungs-
momentes stelltsich
als ein Dreieck dar,
das sehr leicht
konstruierbar ist.
Man wählt einen
Pol C in der Ent-
fernung H von der
Kraft P, die in irgend
einem Kräftemaß-
stab aufgetragen ist
und zieht die beiden
Polstrahlen I und 2
dann ebenso durch
die Auflagersenk-
rechten die Paral-
lelen dazu und erhält
damit das Dreieck
DEF, das den Ver-
lauf der Momente darstellt. Dann ist das y, an jeder
Stelle ein Maß für das jeweilige Biegungsmoment.
Wählt man den Pol C so, daß die Schlußlinie DF
horizontal wird, so kann man unmittelbar darüber
das Drehmoment Ma, das eine unveränderliche Größe
darstellt, auftragen, wobei nur wieder der gleiche
Momentmaßstab zu verwenden ist, der Betrag ye
stellt dann das Drehmoment dar. Zieht man im Ab-
stand 8 7 von DF eine Linie und bildet den Be-
Qo
> yı beispielsweise im Punkt G, so ist also
trag 8
GH=% Mb
und die Strecke
GK= > Ma.
Macht man
GK = G].
so ist JH gegeben durch
5 a 5 a
ö e) g Ma)
5 EIERN
= S V Mott Mar.
An
HL = g Mb
das Stück HJ angefügt, gibt in der Strecke HM den
gesuchten Betrag, denn es ist
HM=HL+LM=HL+H],
3
8
daher
H M= 3 Mo + o V Me? - Ma’?
Fig. 41.
also das gesuchte ideelle Moment in demselben
Momentenmaßstab wie die Biegungs- oder Dreh-
momente aufgetragen sind. Das ist für jeden Punkt
bestimmbar und von einer Horizontalen aus auftrag-
bar, der Verlauf der ideellen Momentenlinie also
konstruierbar.
Ist der Faktor æo von Eins verschieden, so hätte
man statt Ma eben æo Md aufzutragen und im übrigen
genau so wie angegeben vorzugehen. Auch ist es
vollständig gleichgiltig für den einzuschlagenden Weg,
wenn beispielsweise die Biegung gleichmäßig über
die ganze Länge verteilt ist, wie dies ja infolge des
Luftwiderstandes der Fall ist. Nur stellt sich das
Biegungsmoment dann statt als Dreieck als eine
Parabel dar, deren Scheitelhöhe zu finden ist aus
wenn q die Last pro I cm und | die Länge in cm dar-
stellt.
Zusammenfassung.
Es wurden außer den Grundlagen der Grapho-
statik die für den Flugzeugbau wichtigsten in Betracht
kommenden Fälle zeichnerisch behandelt, bezw. der
Weg dafür gewiesen. —a—
Der Kampf gegen Luftfahrzeuge vom Erdboden aus.
Von Dipl. Ing. Paul Béjeuhr, Stuttgart.
Die Beschießung von Luftfahrzeugen bietet so
große Schwierigkeiten, daß die bisherigen Mittel der
Infanterie sowie der Feld- und Schiffsartillerie nicht
ohne weiteres ausreichen, sondern der neuen Angriffs-
waffe angepaßt werden müssen. Dem Gewehrfeuer
und auch dem Maschinengewehrfeuer fehlt trotz der
augenblicklich großen Massenwirkung die Reichweite,
die Wirksamkeit und vor allen Dingen die Beob-
achtungsfähigkeit der Geschosse und ihrer Bahnen.
Ersterem Nachteil — der zu geringen Reichweite —
ist natürlich nicht abzuhelfen; beherrscht daher der
Luftgegner in überlegener Weise die Höhen über
2000 m, so ist eigentlich jede Abwehr mit Gewehr-
und Maschinengewehrfeuer unnütz und als Munitions-
vergeudung zu unterlassen. Nehmen wir dagegen seine
größte Flughöhe einmal zu 1500 m an (was ja durch
entsprechende Höhenlage der betreffenden Orte sehr
häufig der Fall sein wird), so lassen sich die beiden
weiteren Nachteile — geringe Wirksamkeit und
fehlende Beobachtungsfähigkeit der Geschosse — bis zu
einem gewissen Grad beheben. Die geringe Wirksamkeit
der Gewehr- und Maschinengewehrgeschosse liegt
darin, daß sie gegen die Tragilächen, die Steuer, den
Rumpf u.s.w. der Flugzeuge nichts ausrichten. Die
Schußverletzung dieser Teile behindert das Flug-
vermögen gar nicht. Selbst Treffer an Steuerbetätigungs-
u =<
es R
—
Je Ta
-
e AE
$ N ~ 7") eae 2 7
po die Kugel treffen werd
rd Fae oe
O
ws
Wie man schießen muß, um Flugzeuge und Luftschiffe zu treffen. (Nach einer englischen Zeitschrift.)
einrichtungen sind nicht gefährlich, da sie vermöge
ihrer Elastizität die Geschosse abprallen lassen. Ganz
ähnlich ergeht es den Luftschiffen: bei Wasserstoff-
füllung verliert das Schiff 1 m3 Gas in 32/3 Minuten,
wenn das Schußloch I cm? groß ist, also ein ganz un-
bedeutender Verlust, der selbst bei vielen Schuß-
treffern an ein Herunterholen des Schiffes nicht denken
läßt. Es ist daher nötig, die »edlen Teile« des Luft-
fahrzeugs zu treffen, um es zu besiegen. Diese sind
nun in erster Linie die Besatzung, weiters aber der
Motor, die Luftschraube, der Kühler und die Betriebs-
stoffvorräte. Alle diese Teile sind nun mit der Be-
satzung zusammen vorn im Flugzeugrumpf, bezw. in
den Gondeln der Luftschiffe vereinigt, was den Angriff
sehr erleichtert. Bei der Maschinenanlage der Luft-
schiffe muß allerdings beachtet werden, daß diese
rößtenteils so unterteilt ist, daß auch ein Weiter-
ahren noch möglich ist, wenn ein oder selbst zwei
Motoren beschädigt sind. Daher wird sich ein wirk-
samer Angriff in der Regel auf die Mittelkabine zu
richten haben, welche die Beobachtungs- und Artillerie-
offiziere aufnimmt. Günstiger für den Angreifer liegt
der Fall beim Flugzeug. Ganz abgesehen von dem
größeren Erle beim Treffen des Führers, weil im
Gegensatz zum Luftschiff kein Ersatz einspringen kann,
ist auch das Flugvermögen sofort behindert, wenn
irgendwie der Vortrieb versagt. Treffer einzelner
Steuerhebel sind nicht unbedingt erfolgreich, weil
unsere Flieger es heute verstehen, mit der Verwindung
Höhen- und Seitensteuer zu ersetzen und umgekehrt.
Treffer auf den Propeller erreichen ebenfalls nicht
viel, weil die Flügel zwar aussplittern, aber zur Not
auch noch ihren Dienst tun, wenn sie wie Reisigbesen
aussehen.
Unbedingt wirkungsvoll sind dagegen Treffer
auf Zylinder und Hilfsmaschinen (Wasserpumpe, Öl-
umpe, Vergaser, Magnetapparate u.s.w.) sowie auf
Kühler und Benzinbehälter. Läuft das Wasser aus, so
muß der Motor über kurz oder lang heiß werden und
sich festfressen, ist aber der Benzinbehälter an-
eschossen, so verliert die Zuleitung momentan den
Boebka, was ebenfalls zum Stillstehen des
Motors führt. — Wird also das erste Drittel des
Rumpfes mit Schüssen belegt, so steigt die Wahr-
scheinlichkeit des Trefferfolges tedeutend.
Die fehlende Beobachtungsfähigkeit der Geschosse
muß durch eine genau einzuhaltende Vorgabe beim
Abfeuern des Schusses ersetzt werden. Eine einfach
zu merkende Regel heißt: etwa sechsmal die Länge
des Flugzeugs vorhalten, bezw. auf die Spitze des
Luftschiffes zielen, um einen wirksamen Schuß an-
zubringen. Die Erklärung ist leicht verständlich. Flug-
zeuge haben eine Durchschnittslange von 10 m, sie
fliegen etwa 1500 m hoch und haben eine Geschwindig-
keit von etwa 110 km/Std., also 305 m/Sek. Das
Infanteriegeschoß verläßt mit 800 m/Sek. Anfangs-
geschwindigkeit das Rohr, ist demnach in etwa 2 Se-
kunden in der Flugachse des Flugzeugs. Dieses hat
sich inzwischen (vom Augenblick des Abfeuerns an)
um 2 30°5 = 60 m vorwärts bewegt; hält der Schütze
also sechsmal Flugzeuglänge = 6 x 10 m = 60 m vor,
so muß das Geschoß treffen. Ganz ähnlich beim Luft-
schiff: es ist etwa 130 m lang, also vom Bug bis zur
Mitte 65 m, fährt mit etwa 105 km / Std., das ist 289 m/Sek.
Geschwindigkeit in 18060 m Höhe, so daß ein mit
800 m/Sek. abgefeuertes Infanteriegeschoß in 2°25 Se-
kunden in der Flugachse ist. Wird auf die Spitze
gezielt, so ist diese in 2°25 Sekunden um 2°25 x 28:9
= 65 m vorgerückt, inzwischen also gerade die Mittel-
kabine an diese Stelle gekommen, in die dann das
Geschoß einschlagen würde.
Aber auch der gewöhnlichen Artillerie wird es
schwer möglich sein, Luftfahrzeuge erfolgreich zu be-
kämpfen. Den Kanonen fehlt die Möglichkeit der für
diesen Kampf nötigen Erhöhung auf mindestens
65—75°, den Haubitzen mangelt die Gestrecktheit der
Flugbahn und auch die Feuergeschwindigkeit, beide
besitzen außerdem nicht genügend großes Seiten-
richtfeld (erforderlich sind volle 360°) und außerdem
fehlt die Beobachtungsfähigkeit der Geschosse zur
Anbringung der Schußkorrekturen.
Es wurden deshalb Sondergeschütze gebaut, deren
Einrichtungen alle obigen Mängel beseitigten. Der
Einbau selbsttätiger Verschlüsse (sog. Keilverschlüsse)
ermöglichte große Feuergeschwindigkeit, die Ziel-
einrichtungen gestatteten ein dauerndes Verfolgen des
sich schnell bewegenden Zieles, die große Reichweite
und Treffgenauigkeit wird durch große Mündungs-
eschwindigkeiten (450 bis 1000 m/Sek.) und lange
Röhre (30 bis 70 mal Kaliber) erreicht. Die Geschosse
302
werden derart eingerichtet, daß eine stark rauchende
Füllung die Geschoßbahn deutlich erkennbar macht,
während die Zändvorrichtung entsprechend dem leichten
Gefüge der Luftfahrzeuge schon beim leichtesten
Aufschlag zündet.
Trotzdem muß das Schießverfahren gegen das
sonst übliche noch erheblich abgeändert werden, da
die feindlichen Luftfahrzeuge meist nur kurze Zeit
sichtbar bleiben und sich sehr schnell mit häufig
wechselnder Richtung bewegen. Ein eigentliches »Ein-
schießen« auf das Ziel ist auch mit Hilfe genau zu
beobachtender Geschosse nicht möglich; vielmehr
muß das Schießen darin bestehen, eine Art »Mäh-
feuer«, das heißt Schnellfeuer nach Seite und Höhe,
in der geschätzten oder gemessenen Entfernung unter
Berücksichtigung der nötigen Korrekturen und auf
Grund der Beobachtung der Geschosse anzuwenden.
Dieses Schießverfahren erzielt die besten Erfolge.
Die Bestimmung des Druckes und der Geschwindigkeit von Luft
und Gasen.
Mitgeteilt von Prof. Ing. A. Budau.
Über Instrumente zur Messung von Luftströmungen
hat Herr Ing. Leo Rott in dieser Zeitschrift vor über
drei Jahren (1912) bereits eine Reihe von Aufsätzen ver-
öffentlicht, in welchen sich ein großer Teil der da-
mals in Verwendung gestandenen Vorrichtungen in
Beschreibung und Bild angeführt vorfindet. Herr In-
genieur E. Stach, Lehrer an der Bergschule in
Bochum, veröffentlicht in einigen kürzlich erschienenen
Nummern der Zeitschrift des V. d. I. das gleiche
Thema behandelnde Aufsätze, die manches enthalten,
was in der eingangs erwähnten Arbeit des Ing. Rott
nicht enthalten ist. Im folgenden sollen einige der
neueren Apparate aus letztgenannter Arbeit mitgeteilt
werden, wobei, wo dies nützlich erschien, einige Er-
gänzungen und Erläuterungen zugefügt wurden, um
einem mit diesem Gegenstande weniger vertrauten
„ das Verständnis dieser Apparate zu er-
eichtern.
I. Statische Druck- und Geschwindigkeitsmesser.
Die einfachsten und häufigst angewandten hieher-
gehörigen Apparate sind die Offenen Heber baro-
meter, die sowohl zur Messung von Uber- und
Fig. 1. Offenes Heber- Anemometer.
Unterdrücken in Gefäßen eingeschlossener Gas- oder
Luftmengen, als auch zur Messung der Geschwindig-
keit von Luftströmungen, also als Anemometer
(Fig. 1) Verwendung finden. Aus der leicht abmeB-
baren Höhe Hi, auf die sich die im U-Schenkel be-
findliche Sperrfliissigkeit, Wasser, Alkohol, einstellt
und bei Kenntnis des spezifischen Gewichtes y, der-
selben läßt sich die Luftgeschwindigkeit aus derselben
ermitteln.
Bei der Messung von Innendrücken, Fig. 2, pflegt
man bei offenen Heberbarometern den fraglichen
Druck px auch in der Weise zu bestimmen, daß man
wie zuvor die Höhe H, mit dem spezifischen Gewicht
der Sperrflüssigkeit multipliziert, dem zu ermittelnden
Druck gleichsetzt, also mit
px = yı H.
rechnet, wenn nach dem Überdruck gefragt wird.
Der absolute Druck ergibt sich ebenso aus
px = pa +7: Hi.
Man begeht dabei aber einen Fehler, da von dem
so bestimmten Betrage noch das Gewicht jener Gas-
säule von der Höhe H,, welche auf der Sperrflüssig-
keit im linken Rohrschenkel lastet, abzuziehen ist.
Bezeichnet yx das spezifische Gewicht des Gases im
Gefäße, so ist richtig
px = pa + yı H, — yx Hg.
Bei dem geringen spezifischen Gewicht der Luft
oder der Gase ist diese Vernachlässigung völlig be-
Pa
Fig. 2. Heber-Barometer.
langlos. Ihre Berücksichtigung würde Werte ergeben,
welche weit kleiner sind als die Fehler, die man mit
Rücksicht auf die Meniskusbildung in den Flüssigkeits-
spiegeln bei der Ablesung nicht vermeiden kann.
Fig. 3. Heber-Barometer mit zwei Sperrflässigkeiten.
Bei sehr kleinen Pressungsunterschieden ist dieser
letztere Umstand auch bei Anwendung spezifisch sehr
leichter Sperrflüssigkeiten so störend, die Höhen-
unterschiede in den ee fallen so
gering aus, daß diese Art und Weise der Druck-
bestimmung versagt. Es ist aber leicht einzusehen,
daß man weitaus größere Ausschläge zu erzielen in
der Lage ist, wenn man zwei Sperrflüssigkeiten an-
wendet, also eine Anordnung wählt, wie in Fig. 3
dargestellt, wo das zu untersuchende Gas auf den
Spiegel eines HilfsgefaBes M drückt, in das ein
Schenkel der früher horizontal an das Gefäß ange-
schlossenen Manometerröhre eintaucht. Dieses Hilfs-
efäß, dessen Flüssigkeitsoberflächen gegenüber dem
Querschnitt der Manometerröhre sehr groß zu denken
sind, enthält nun eine zweite Sperrflüssigkeit, deren
spezifisches Gewicht kleiner sein muß, als jenes der
im U-Schenkel befindlichen Sperrflüssigkeit. Bei der
Ablesung wird man also folgende Gleichung zu be-
rücksichtigen haben: i |
Hi yı = px + H: y2
worin px den zu messenden spezifischen Gasdruck,
das spezifische Gewicht der leichteren Sperrflüssig-
keit, yı jenes der schwereren Sperrflüssigkeit bedeutet.
Durch diese Anordnung wird die Spiegeldifferenz H,
der Hauptsperrflüssigkeit ganz wesentlich vergrößert
werden, und zwar um so mehr, je mehr das spezifische
Gewicht der zweiten B jenem der ersten
gleich wird. Dies soll im folgenden noch näher er-
läutert werden:
Denkt man sich den Zylinder von der Höhe H',
in Fig. 2 plötzlich mit Flüssigkeit gefüllt, deren spezi-
fisches Gewicht nur halb so groß, wie jenes der
Sperrflüssigkeit ist, so wird sich der Spiegel von H,
im rechten Rohrschenkel zunächst um einen Betrag
heben müssen, der 2 H betragen muß, um der neuen
Belastung im linken Spiegel auf der Niveaufläche EF
das Gleichgewicht zu halten. Nun senkt sich aber der
Spiegel von H: um jenen Betrag, um den sich jener
von H, gehoben hat. Man wird also im linken Schenkel
wieder einen Flüssigkeitszylinder, diesmal aber nur
von der Höhe 2 nachzufüllen haben, was wieder
eine Hebung des Spiegels im rechten Schenkel um
den halben Betrag, also um qs zur Folge haben
wird. Dies erfordert wieder ein Nachfiillen links und
es folgt wieder eine kleinere Hebung rechts u. s. f.,
bis die Unterschiede nicht mehr merkbar werden.
Das ursprüngliche H': = H, = yx px bei Anwendung
von nur einer Sperrflüssigkeit hat sich aber durch
dieses sukzessive Nachfiillen auf
1•. (IA 2 T4 8 T1)
vergrößert. Nennt man n = . das Verhältnis der
2
spezifischen Gewichte der ersten und der zweiten
Sperrflüssigkeit, so war bei der zuvor behandelten
Annahme n =2. Würde die neue Sperrflüssigkeit nur
ein Drittel des Gewichtes der ersten haben, so wäre
n = 3 und die obige Betrachtung wiederholt, würde
die schließliche Spiegelerhebung im rechten Rohr-
schenkel über das Niveau EF mit
EDEN
1 (+ 419 )
ergeben. Man hat also allgemein
n
K. (ILA TT MT ) -H
n —1
und wenn H', yx px und N eingeführt wird,
2
mit Bezug auf Fig. 3
8
H, = er
i Zur: 71 — 72
Die ohne zweite Sperrflüssigkeit (Fig. 2) sich cin-
stellende Spiegeldifferenz H, = px yx wird also durch
die Einfüllung der zweiten Sp:rrflüssigkeit in dem
303
früher vom Gas erfüllten zweimal abgebogenen linken
Rohrteil (Fig. 3) im Verhältnisse -) - vergrößert.
ı 72
Wird als zweite Sperrflüssigkeit Alkonol mit y =08
verwendet und als erste Wasser mit y, =I, so ver-
größert sich die vom Innendrucke px
abhängige Spiegeldifferenz um das Fünf-
fache. Die Ablesungsfehler werden um
das Fünffache verkleinert sein. Würde
die zweite Sperrflüssigkeit ein spezifi-
sches Gewicht y: =0°9 haben, so wäre
die Spiegeldifferenz zehnmal größer, die
Ablesung also noch mehr erleichtert.
Auf diesem Prinzipe beruht der
Zugmesser von Dr. Rabe, Fig. 4. Die
Meßflüssigkeiten, die sich in der Färbung
unterscheiden, lagern in einem (dem
linken) Schenkel des U-Rohres über-
einander. Ihre Trennfläche bildet den
Nullpunkt. Beide Rohrschenkel sind am
oberen Ende mit bedeutenden Erweite-
rungen versehen. Die linke Erweiterung
ist der Behälter für die leichtere Sperr-
flüssigkeit (M in Fig. 3), während die
rechte Erweiterung dazu dient, den
Flüssigkeitsspiegel der schwereren Flüs-
sigkeit auf nahezu konstantem Niveau
zu erhalten, wodurch der Vorteil erzielt
ist, daß der Nullpunkt der Skala unver-
rückt bleibt. Der Nachteil, daß bei dieser
Anordnung die Spiegelabstände kleiner
sind als bei der in Fig. 3 dargestellten
Anordnung, muß in Kauf genommen
werden. Diese Erweiterungen werden
durch Schläuche a und b mit den Räumen,
deren Druck zu bestimmen ist, in Ver-
bindung gesetzt, und zwar findet bei
Überdruckmessungen Anschluß bei a, bei
Unterdruckmessungen hingegen bei b
statt. Die Abmessungen und Flüssigkeiten
sind meist so gewählt, daß mindestens
eine doppelte Vergrößerung des Aus-
schlages im Vergleich zur Wassersäule
stattfindet. Zur Abdrosselung der Flüssig-
HER opem
ka HI Ti l cE
jee)
RE
FR AUT l PER AES Et ESE Se E
keitsbewegungen und zur Verminderung 2 Fig. 4.
der Neigung zum Mischen beider Flüssig- „on e Rabe:
keiten bei starken Druckschwankungen
ist an dem rechten Schenkel des Zugmessers eine Ein-
schnürung mit eingelegter Glaskugel c angebracht. Die
dargestellte Ausführung stammt von G. A. Schultze,
Charlottenburg.
Von dieser Firma wird ferner ein Feindruckmesser
für Drücke von + 001 bis + 25 mm W.-S. herge-
Fig. 5. Feindruckmesser von G. A. Schultze.
stellt, der schematisch in Fig. 5 dargestellt ist. Das
Gefäß zur Aufnahme der Meßflüssigkeit (destilliertes
Wasser) ist durch einen Einbau in die luftdicht ge-
trennten Kammern a und b geteilt. Bei Überdruck ist
die Meßstelle mit d, bei Unterdruck mit c zu ver-
binden. Durch eine im Deckel drehbare Millimeter-
schraube mit 100teiligem MeBrade kann die an der
304
Schraube befestigte Spitze s soweit gedreht werden,
bis die Nadel eines mit zwischengeschalteter Batterie e
angeschlossenen Galvanoskops f ausschlägt. Die
ganzen Millimeter sind an der Skala m, die Unterteile
an dem Mikrometer ablesbar.
Bedingung für eine einwandfreie Ablesung ist
eine erschiitterungsfreie Aufstellung.
Ein für Feinablesung und
Abdrosselung schwankender
Drücke eingerichtetes Mano-
meter mit senkrechtem MeB-
rohr für Füllung mit absolutem
Fig. 6. Manometer nach
ndtl.
Fig. 7. Staugerät nach
Dr. L. Pra Bra :
bee und Prandtl.
Alkohol ist in Fig.6 wiedergegeben. Das Manometer be-
steht aus einem weiten gußeisernen Gefäß mit aufgebauten
Schlauchanschlüssen und vorgebautem, senkrechtem
Steigrohr. Zwischen Gefäß und Steigrohr ist ein in
der Abbildung vorn sichtbarer Hahn angebracht, der
jene unmittelbar oder unter Zwischenschaltung enger,
verschieden langer era le N die unter dem
Gefäß liegen, verbindet. Diese Röhrchen dämpfen
schwankende Ausschläge je nach der durch ent-
sprechende Hahnstellung zwischengeschalteten Länge.
er
i
— — — =>
Fig. 8. Staukopf nach Prandti.
Zunächst stellt man ohne Dämpfung roh ein und be-
ruhigt dann durch allmähliches Einschalten von
Röhrchen mittels Hahndrehung, wodurch man rasche
und genaue Ablesungen erzielen kann. Zum Ablesen
dient eine kleine, auf einem seitlich angebrachten
Stabe verschiebbare Lupe; mit ihr verbunden befindet
sich hinter dem Glasrohr ein kleiner Hohlspiegel, der
ein umgekehrtes Bild des Meniskus gibt. An einer
Feinschraube stellt man solange, bis, durch die Lupe
gesehen, das Bild des Meniskus und dieser selbst
einander zu berühren scheinen. Die Ablesung erfolgt
mittels Nonius und an an einer Millimeterteilung.
Dieses für genaue Messungen sehr zweckmäßige
Manometer ist von Prof. Dr. L. Prandtl, Göttingen,
u ote
uch die in der eingangs erwähnten Arbeit vom
Ing. Rott sehr eingehend behandelten sogenannten
Mikromanometer haben in letzter Zeit einige
Verbesserungen aufzuweisen. Neben dem im Heft
Nr.7, Jahrgang 1912, Seite 157 beschriebenen Pneumo-
meter mit Prandtischer Stauscheibe*), die
der Strömung durch ihren Durchmesser ein Hindernis
bereitet, findet als Rezeptor für dieselben neuerdings
ein von Prof. Brabée angegebener und von Professor
Prandtl abgeänderter Staukopf, Fig.7, in den Ver-
suchslaboratorien, auch injenen für Hydrauiik, steigende
Verwendung, da durch denselben infolge seines
kleinen Durchmessers die Luftströmung weniger be-
hindert wird.
Der Staukopf K, Fig. 8, dessen vorderes der
Strömung zugekehrtes Ende durch eine Rotations-
fläche gebildet wird, deren Meridian eine theoretische
Stromlinie ist, hat an der zylindrischen Seitenwand,
wo das Vorhandensein eines Staues in der strömenden
Flüssigkeit nicht melir anzunehmen ist, eine Anzahl
kleiner Löcher o, durch welche sich der dort herr-
schende Druck in den Innenraum fortpflanzen kann.
Der Staudruck, der an der vordersten Spitze wohl
am größten sein wird, wird durch ein dünnes Rohr r,
bis zur Anschlußstelle a (Fig. 7) an das Manometer
geleitet, der Druck des Innenraumes ebenso durch
r, zur Anschlußstelle b. Um den Staukopf in ge-
schlossene Räume, durch welche Luft oder Gase
strömen, einzubringen, werden die beiden Rohr-
leitungen r, und rs durch ein je nach Bedarf länger
Fig. 9. Fest eingebautes Staurohr.
oder kürzer genommenes Umhüllungsrohr U einge-
schlossen, das durch eine Stopfbüchse s in das Gefäß
eingebracht wird. Die Länge | des Staukopfes muß
selbstredend kürzer sein, als der Durchmesser d des
Umhüllungsrohres. Diese Anordnung hat den großen
Vorteil, daß man durch Verschieben des Staugerätes
in der Stopfbüchse den Staukopf an verschiedene
Stellen des Strömungsquerschnittes bringen kann.
Durch das mit dem Staugeräte verbundene Mikro-
manometer erhält man die Druckdifferenz zwischen
dem vordersten Ende und der Seitenfläche des Stau-
kopfes, also den durch das Einbringen des Instru-
mentes in die Strömung erzeugten Staudruck.
Wo es von Vorteil sein kann, über die durch
eine Rohrleitung ständig strömende Luftmenge jederzeit
Aufschluß zu haben, wird eine Staukopfanordnung gut
sein, wie die Fig. 9 darstellt. Diese von FueB in
Steglitz angegebene Anordnung zeigt den Staukopf
fest eingebaut in einen Zwischenflansch, der an
passender Stelle der Rohrleitung angebracht werden
kann. Die Anschlußstellen an das Manometer sind
durch Hähne, bei höheren Drücken durch Schieber
absperrbar. Das Manometer gibt stets den Staudruck
an, aus welchem sich bei Kenntnis der Eichzahl des
Staukopfes die dem Drucke entsprechende Luft-
geschwindigkeit berechnen oder aus vorhandenen
g *) Siehe auch Budau, Lehrbuch der Hydraulik, S. 321.
Tabellen entnehmen läßt. Die Luftgeschwindigkeit
wird nach neuerlicher Korrektur auf eine mittlere Ge-
schwindigkeit mit dem Durchgangsquerschnitte multi-
pliziert, die jederzeit die durch die Rohrleitung
strömende Luft- oder Gasmenge angeben.
Diese Anordnung läßt sich auch mit einen selbst-
registrierenden Geschwindigkeits- oder auch Luft-
volumen-Schreiber ausstatten.
Die eigentlichen Mikromanometer, an welche die
vorerwähnten Stahlköpfe angeschlossen werden,
—
Fig. 10. Mikromanometer mit festem Nullpunkt nach
r. Berlowitz.
namentlich jenes Manometer mit gebogenem MeBrohr
nach Krell (Flugzeitschrift 1912, Seite 159, Fig. 12
u. 13), haben in der Zwischenzeit keine Abänderungen
aufzuweisen. Hingegen haben die Mikromanometer nach
Recknagel mit schwenkbarem Meßrohr (Fig. 10) eine
Verbesserung erfahren durch Anordnung eines festen
Nullpunktes nach Dr.-Ing. Berlowitz (Ausführung von
G. Rosenmüller, Dresden-N), Fig. 10. Sie bieten nach
genauer Einstellung des Nullpunktes den Vorteil, daß
bei wechselnder Neigung des Meßrohres eine Neu-
ablesung des Nullpunktes nicht erforderlich ist. Diese
Wirkung wird dadurch erreicht, daß der Nullpunkt
der MeBréhre unter Berücksichtigung der Kapillar-
erhebung der Sperrflüssigkeit durch die Drehachse des
schwenkbaren Armes gelegt ist.
Dieses Mikromanometer wird durch den Ablaßhahn
mittels Schlauches und Glastrichters gefüllt. Der Null-
punkt wird bei der geringsten Neigung des Meßrohres
Fig. 11.
(1:50) eingestellt. Durch Heben und Senken des Füll-
trichters können leicht alle Luftbläschen aus dem
Meßrohr und den Zuleitungen entfernt werden.
Der in der letzten Zeit immer mehr und mehr
zunehmende Gebrauch dieser Mikromanometer in
den Versuchsanstalten für Aeromechanik haben einen
Übelstand erkennen lassen, der darin besteht, daß
Druckschwankungen in den zu messenden Luft-
strömungen auch Schwankungen in den Meßröhren
erzeugen, die die genauen Ablesungen erschweren.
Trifft eine Druckschwankung auf die Seite des Auf-
nahmegefäßes für die Sperrflüssigkeit, so ist der weite
Raum ausreichend, um die Schwankung abzuschwächen;
auf der Seite des Meßrohres dagegen kann eine solche
Dämpfung nicht eintreten, da es hier an dem nötigen
weiten Raume fehlt. Man kann sich hier dadurch
helfen, daß man vor das MeBrohr eine Flasche schaltet,
305
welche etwa den gleichen Rauminhalt wie das Auf-
nahmegefäß hat, oder man ordnet, wie in Fig. 11
gezeigt, über dem Aufnahmegefäß einen zweiten Raum
an, der mit dem Meßrohr durch einen Schlauch in
Verbindung gebracht wird. Statt dieses zweiten
Raumes kann auch ein mit einem entsprechenden
Fig. 12. Umstellhahn mit Dämpfung.
Hohlraume ausgestatteter Umstell-Hahnkörper (Fig. 12)
auf dem Mikromanometer angebracht werden, wohei
noch Druckdifferenzen von 0°01 mm mit 5 Prozent Ge-
nauigkeit abzulesen sind und gleichzeitig das Mikro-
manometer bequem ein- und abgestclit werden kann.
Ist es erforderlich, schnell hintereinander und
ohne Umstellung in zwei MeBbercichen zu untersuchen,
Fig. 13. Mikromanometer nach Dr. Rosenmüller.
so kommen Mikromanometer mit zwei festen Meß-
röhren in Frage, die von Dr. Rosenmüller angegeben
und in Fig. 13 schematisch dargestellt sind.
Die beiden MeBrohre
haben verschiedene Neigung
und sind so angeordnet, daß
ihre Meßbereiche einander
etwas überdecken. Wird der
Meßbereich des einen Rohres
überschritten, so tritt ohne
Umstellung der Meßbereich
des anderen Rohres in Wirk-
samkeit.
Die Notwendigkeit, Druck-
messer selbst registrierend
zu bauen, ist auf den der
technischen Gebiete schon
sehr friih dagewesen und es
bestehen zahlreiche Apparate
und Konstruktionen, welche
dieses Problem, je nach dem
Bedarf in vollständiger oder
unvollkommener Weise lösen
und von denen sich einzelne
in dem schon wiederholt er-
wähnten Aufsatz von Ing. Rott
vorfinden. Die bei Ballon-
fahrten stets mitgeführten
registrierenden Barometer
dürften hier als bekannt vor-
ausgesetzt werden.
Die Leuchtgas- Technik
benützt auch solche Apparate,
um über den Gasdruck in
ihren Leitungen eine genaue
Aufzeichnung zu haben. Bei
Laboratoriumsversuchen kann mitunter ein solcher
Apparat auch von Nutzen werden, und zwar um einen
Beobachter zu ersparen. Für größere Druckdifferenzen
AUNT aa Val:
UUU DON
iT is) T LIT
IN
AC Ca
14. Druckschreiber
Fig.
mit Tauchglocke, Bauart
de Bruyn.
306
wird sich dader Druckmesser mit Tauchglocke
nach de Bruyn empfehlen (Fig. 14), welcher sehr
a gebaut ist und im Prinzip auf der Hebung
und Senkung einer Tauchglocke durch den wechselnden
Gasdruck beruht.
Für kleinere Druckunterschiede eignen sich die
Schwimmer-(Tauchglocken-) Apparate weniger gut,
rt: Il, ZOLL LLA
Fig. 15. Druckschreiber mit . Flüssigkeits-
b ruyn.
wenn auch durch Einschaltung von Hebeln die
Schwimmerbewegung auf die Schreibtrommel be-
deutend vergrößert werden kann. Die Reibung des
Schreibstiftes und des denselben führenden Hebel-
werkes läßt sich nicht so weit herunterdrücken, daß
4
22
Fig. 16. Hydro-Geschwindigkeitsschreiber.
sie die Bewegung der Gasglocke bezüglich ihrer
Empfindlichkeit nicht merkbar beeinflussen würde. —
Die großen Vorteile jedoch, welche die Schwimmer-
apparate für stationäre Druckmesser besitzen, waren
wohl ein Ansporn, über weitere Verbesserungen an
demselben nachzusinnen, um den zuvor erwähnten
Übelstand auszuschalten. Es gelang dies durch die
Einführung von schwingenden Flüssigkeitsbehältern.
In Fig. 15 ist ein Druckschreiber der
Bauart von de Bruyn dargestellt, der folgende
Wirkung hat:
Es ist a der in Schneiden gelagerte Behälter, der
die Flüssigkeit b aufnimmt. Durch Druckwirkung auf
einen der Fliissigkeitspiegel wird der Schwerpunkt
des Drehkörpers verlegt und damit dessen Drehung
in den Schneiden hervorgerufen. An dem Ringkörper
ist ein Stift c befestigt, der den in d drehbaren Hebel
e mitnimmt, wodurch der zu messende Druck auf der
seitlich aufgestellten Uhrtrommel f verzeichnet wird.
Das beiderseits offene Rohr g dient zum Ausgleich
bei Druckiiberschreitung. Durch das Gegengewicht
h kann die Empfindlichkeit des Apparates eingestellt
werden. Der Druck wird durch die hohle Achse über-
tragen; das bedingt eine sehr sorgfältige Abdichtung,
um einerseits Druckverluste zu vermeiden, anderseits
den Widerstand an Reibung auf ein Mindestmaß herab-
zusetzen.
In jenen Fällen, wo die Aufzeichnung der Luft-
oder Gasgeschwindigkeit erwünscht ist, gestaltet sich
der Bau der registrierenden | |
Apparate etwas verwickelter.
Da es sich hiebei meistens um
sehr geringe Druckunterschiede
handelt, muß höchste Empfind-
lichkeit angestrebt werden. Prin-
zipiell unterscheiden sich die
Geschwindigkeitsschreiber von
den Druckschreibern dadurch,
daß der Empfänger (Sperrglocke,
schwingender Flüssigkeitsbe-
hälter) in einem völlig geschlos-
senen Raume untergebracht sein
muß, in welchem der gleiche
Druck herrschen muß, wie in der
zu untersuchenden Luftströmung.
Bei dem an Fig. 7 und 9 erläuter-
ten Falle der durch eine Rohr-
leitung strömenden Luft müßte
also der Raum unter der Sperr-
glocke an a und der Abschluß-
raum mit b durch Rohrleitungen
verbunden werden. Auch der
Papierstreifen auf der Registrier-
trommel muß eine andere Teilung
haben als bei Druckmessung, da
der Staudruck im Wurzelver-
hältnisse mit der Geschwindig-
keit steht. Die den regelmäßig
steigenden Geschwindigkeiten
entsprechenden Horizontallinien
des Registrierpapieres werden
also von der Nullinie in quadrati-
schem Verhältnisse zunehmenden
Abständen angeordnet sein
müssen.
Diese besonderen Einrichtun-
genseien an einigen Ausführungen
erörtert. In Fig. 16 ist ein Hydro-
Geschwindigkeitsschreiber dargesstellt. Der zylindrische
Behälter a ist durch ein eingesetztes Rohr b in zwei
Räume getrennt, die mit einer Trag- und einer Sperr-
flüssigkeit soweit gefüllt werden, daß noch genügend
Spiel für Verschiebung der Flüssigkeit bei der höchsten
Geschwindigkeit verbleibt. Die Tauchglocke d schwimmt
mittels des Hohlzylinders t in der Flüssigkeit I,
während der Mantel m in die Flüssigkeit II taucht.
Durch die Rohre r und rı werden die Einzeldrücke
vom Staugerät mittels der gleichzeitig stellbaren Hähne
h und hi unter und über die Tauchglocke geleitet,
wodurch diese der Geschwindigkeitshöhe entsprechend
verschoben wird. Durch entsprechende Bemessung der
Tauchglocke wird eine Übersetzung in der Glocken-
verschiebung zu erreichen sein, um eine Vergrößerung
der Geschwindigkeitsaufzeichnung zu erhalten. Zum
ang
Fig. 17. Hydro-
Geschwindigkeits-
schreiber für Drücke
bis 15 At.
Abschluß des Deckels dient der Wasserverschluß w,
in den der am Deckel angebrachte Zylinder c taucht.
Um die Schreibvorrichtung druckdicht und reibungsfrei
Fig. 18. Geschwindigkeltsschreiber von Fueß mit gleicher
Diagrammteilung und Z&hiwerk.
aus dem Gerät herauszufiihren, geht die am Mantel m
sitzende Schreibstange s durch ein in die Sperr-
flüssigkeit tauchendes Rohr p. Zum Füllen oder Ent-
leeren des Gerätes sind Außenrohre
und Verschraubungen angebracht. Der
Zwischenhahn he dient dazu, bei ab-
gestellten Haupthähnen h und h; die
Tauchglocke beiderseits mit atmo-
sphärischer Luft zu füllen, also Druck-
ausgleich herbeizuführen, um den Null-
punkt festzulegen.
Handelt es sich um die Messung der
Geschwindigkeit bei hohen Drücken,
so reicht die Fliissigkeitshéhe zum
Abschluß des Durchführrohres für die
Schreibstange nicht mehr aus. Bei den
Hydro-Schreibern greift man dann zu
dem Mittel, die Schreibtrommel durch
eine übergestülpte dicht schlieBende
Metallhaube mit Beobachtungsfenster
in den Druckraum einzubeziehen, wie
aus Fig. 17 ersichtlich.
Durch Anordnung eines Magnet-
9 vergl. Fig. 19 und 20, und
Wahl einer besonderen Schwimmer-
form hat Fueß einen Geschwindig-
keitsmesser herausgebracht, der für alle
Drücke verwendbar ist, wie sie bei Gas-
oder Preßluftmessungen vorkommen,
und der außerdem gleichgeteilte, also
planimetrierbare Diagramme aufschreibt.
Die Einrichtung des Meßgerätes ist aus Fig. 18
zu ersehen. In dem starkwandigen, durch einen Deckel
fest verschlossenen Gefäß k mit der Sperrflüssigkeit
307
befindet sich der oben kegelstumpfartig ausgebildete
Schwimmkörper a mit der ihn umgebenden Glocke g.
Die Ableitungen des Staurohres s, das durch die
Stopfbüchse f geht, führen zwecks Beseitigung von
Druckschwankungen durch die Windkessel I und |;
nach den Hähnen d unde, die gleichzeitig gestellt
werden, und damit unter und über die Glocke g. Der
auf der Stange des Schwimmers sitzende Anker o
bewegt sich entsprechend der Verschiebung der Tauch-
glocke in dem mittels Stopfbüchse b luftdicht ab-
553 Rohr r, das aus 1 oder Kupfer
estehen muß. Um Rohr r greift der in w drehbare
Hufeisenmagnet m, an dem der Schreibhebel c gelenkig
befestigt ist. Die Aufzeichnung role auf der durch
ein Uhrwerk getriebenen Trommel t. Die Flüssigkeits-
verschiebung kann an dem Wasserstand h beobachtet
werden.
Aus dem in einer bestimmten Zeit (24 Stunden)
von dem Geschwindigkeitsschreiber gelieferten Papier-
streifen kann man die zu jeder Zeit dagewesene
Geschwindigkeit ohneweiters ablesen. Von mehr Inter-
esse wird aber wohl die Kenntnis der gesamten Luft-
menge sein, die in dem erwähnten Zeitraum durch
die Rohrleitung geströmt ist. Durch Ausrechnen für
kleine Zeitabschnitte, innerhalb welcher die Luft-
geschwindigkeit sich nur wenig änderte, läßt sich
dieses Luftvolumen aus den Aufzeichnungen des
Geschwindigkeitsschreibers ermitteln, doch ist dies
eine mühselige und zeitraubende Arbeit. Es war
daher naheliegend, auf Verfahren zu sinnen, um die-
selbe abzukürzen. Das einfache Mittel der Plani-
metrierung der Diagrammfläche mittels eines Plani-
meters ist bei den Diagrammen, die diese Geschwindig-
keitsschreiber liefern, nicht anwendbar, da
V = Fle dt,
worin F den Querschnitt der Rohrleitung bedeutet,
eine lineare Teilung für die Ordinaten, d. i. die Ge-
schwindigkeiten c voraussetzt, die hier, wo der
Schwimmer zylindrisch ist, quadratisch oder nahezu
sein wird. Eine von der zylindrischen abweichende
Form des Schwimmers könnte wohl in Erwägung ge-
zogen werden und würde es ermöglichen, die Teilung
für die Geschwindigkeiten nach linearer Skala auf
dem Registrierblatt zu erhalten. Fueß wählt aber, um
durch diesen Apparat auch das ganze Volumen Luft
Fig. 19. Integrierendes Zählwerk von Fueß.
für beliebige Zeitabschnitte durch ein Zählwerk zu
erhalten, noch eine andere recht geistreiche Anordnung,
die schematisch in Fig. 19 dargestellt ist. Auf dem
308
in f drehbaren Schreibhebel befindet sich das Kurven-
stück c, das den mit dem Taster e ausgestatteten
Hebel h beim Herabfallen begrenzt. Angehoben wird
der Hebel durch die von einem Uhrwerk getriebene
Daumenscheibe g; die mit dem Hebel verbundene
Klinke k betätigt das Zahnrad n, dieses treibt das
Zählwerk z. Je nach der Stellung des Schreibhebels
gibt das Kurvenstück dem Taster einen kleineren
oder größeren Fallweg frei, wonach sich dann der
von der Klinke abgewickelte Bogen des Zahnrades n
richtet. Durch die Formgebung des Kurvenstückes
von c hat man es in der Hand, die Abhängigkeit der
Drehung des Zählwerkes von der „lu der Sperr-
glocke beliebig zu machen. Würde dieses Kurvenstück
nach einer archimedischen Spirale geformt sein, so
wäre keine Besserung der Verhältnisse erzielt, denn
die Drehung des Schaltrades würde dann in linearem
Verhältnisse mit der Zunahme des Staudruckes stehen,
während dieses Verhältnis für die Zunahme der Ge-
schwindigkeit anzustreben ist. Das Kurvenstück müßte
also bei zylindrischem Schwimmer steiler nach links
abfallen, damit bei höheren Stellungen der Sperrglocke
mehr Zähne des Schaltrades gefaßt werden, als dies
die archimedische Spirale gestatten würde. Durch die
von der zylindrischen abweichende Form des
Schwimmers werden die Verhältnisse aber auch be-
einflußt.
Durch den beschriebenen Zwischenmechanismus
ist das Zählwerk zu einem integrierenden Zähl-
werk geworden, welches, sich auf anderem Prinzipe
fußend, auch bei den schreibenden Venturi-
Wassermessern vorfindet.*) Ein Übelstand, der
sich jedoch bei der Anwendung solcher Geschwindig-
8 ») Siehe Budau, Kurzgefaßtes Lehrbuch der Hydraulik,
. 313.
—— 8
keitsschreiber auf Gasströmungen einstellt, besteht
darin, daß sowohl die Diagrammteilung des Schreib-
papiers als auch die Angaben des Zählwerkes, da von
der Gasdichte abhängig, dieser entsprechend ange-
ordnet sein müßten. Schwankt die Gasdichte, so sind
an den Angaben Korrekturen nötig.
Das Anwendungsgebiet für Druckmeßgeräte ist
außerordentlich groß, es wird aber nicht immer eine
Aufzeichnung der Druckänderungen und damit die Be-
schaffung immerhin teurer Apparate geboten er-
scheinen, namentlich dann nicht, wenn größere Druck-
änderungen zu den Ausnahmen gehören; hier tut ein
einfacher billiger Druckmesser für Ablesung oder An-
zeige auch seine Schuldigkeit. Greifen aber mehrere
Betriebe eines großen Werkes derart ineinander, daß
z. B. eine Hochofen- oder Koksofenanlage einem
Maschinenbetrieb Gas von bestimmtem Druck liefern
muß, dann werden Druckschreiber zu unentbehrlichen
und unparteiischen Arbeitshelfern, sofern ihre An-
gaben zuverlässig sind und auf ihre Pflege einige
Sorgfalt verwendet wird.
Von wesentlicher Bedeutung für das Ergebnis
der Druckmessung, besonders bei niedrigen Drücken,
ist die Art und Stelle der Druckentnahme, und es darf
wohl behauptet werden, daß in vielen Fällen Unklar-
heit darüber herrschen wird, was nun eigentlich mit
dem Druckmesser bestimmt wurde, ob statischer,
dynamischer oder Gesamtdruck.
Bei Untersuchungen mit hohen Anforderungen an
Genauigkeit, wird sich immer nur die Anwendung von
geeichten Druckmessern empfehlen, doch werden
schreibende Druckmesser von Wert sein, um vor dem
Versuch den Beharrungszustand zu bestimmen und
während des Versuches etwa unvermeidliche Druck-
schwankungen abwarten zu können.
(Fortsetzung folgt.)
Von der Westfront.
Ende Oktober 1915.
In der in den letzten Tagen stattgefundenen
Champagneschlacht haben dic deutschenFlieger wieder
große Heldentaten vollbracht. Eine Anzahl Luftkämpfe
fanden statt, die stets zu unseren Gunsten ausfielen.
Mehrmals hat der deutsche Generalstabsbericht die
Erfolge der Fliegeroffiziere Leutnant Immelmann
und Leutnant Boelcke gemeldet.
Anscheinend sind die Franzosen mit der Leitung
ihres Luftfahrwesens immer noch nicht zufrieden, denn
einer »Havas«-Meldung zufolge hat die französische
Regierung den Vorschlag des Kriegsministers Mille-
rand für die Bildung eines neuen Unterstaats-
sekretariates des Krieges, dem die Leitung des mili-
tärıschen Luftfahrwesens übertragen werden soll, an-
genommen. Als Mandanten dafür hat man nach der
Absetzung Hirschauers den Deputierten Besnard
gewählt, von dem man hofft, daß er Maßnahmen er-
greifen werde, um Frankreich wieder an dic _erste
Stelle im Flugwesen zu bringen. Die stetigen Ände-
rungen in der Leitung und der Organisation des
französischen Militärflugwesens beweisen offensicht-
lich, daB unsere westlichen Nachbarn einsehen, wie
weit sie uns Deutschen in der Fliegerei noch zurück-
stehen.
Blättermeldungen zufolge haben auch die Fran-
zosen in den letzten Tagen bekannte Flieger verloren,
die meist im Lande beim Ausprobieren neuer Flugzeug-
typen ums Leben gekommen sind. Am 6. Scptember
ist der nicht unbekannte Fliegerhauptmann Fequant
durch deutsches Maschinengewchrfeuer bei Saarbrücken
herabgeschossen worden. Der Beobachtungsoffizier
Graf Laroche-Foucauld soll bei einem Luft-
kampf, den sein Führer mit einem deutschen Flieger
zu bestehen hatte, ebenfalls den Tod gefunden haben.
Auf dem Flugfelde in Amberieu ist der französische
Fliegerleutnant Pagis tödlich verunglückt. Weiter
meldet die »Temps«, daß der Militärflieger Heiman
bei einem Probeflug mit einem neuen Flugapparat ab-
gestürzt ist. Das Unglück, wobei Heiman den Tod
fand, trug sich bei Chartres zu. Als Beobachter ver-
unglückte Leutnant Maudhuy, Sohn des bekannten
Generals, tödlich auf dem Flugfeld Toul. Bei einem
Zusammenstoß zweier Flugzeuge fanden der Sohn
des bekannten Automobilfabrikanten Peugeot und
ein Fliegersoldat den Tod, während bei Abbeville der
Flugschüler Sergeant Thomas bei einem Alleinflug
tödlich abgestürzt ist. Aus Pau wird auch der Tod
des Fliegerleutnants Fournicr gemeldet.
Auffallend wenig erfährt man zurzeit von engli-
schen Fliegern. Scheinbar befindet sich eben das
englische Militärflugwesen in einer schlimmen Ver-
fassung, denn aus New-York wird der »Associated
Press« berichtet, daß eine Anzahl französischer Flieger
nach England geschickt worden sei, um die englischen
Flieger bei der Abwehr deutscher Luftangriffe auf
England zu unterstützen. Nach ausländischen Blatter-
meldungen macht Frankreich erhebliche Anstrengungen,
um sich wieder den seinerzeitigen ersten Platz im
Flugwesen zu sichern. In letzter Zeit soll von Frank-
reich ein Dardanellen-Fliegerkorps aus 400 Flugzeug-
führern und Beobachtern gegründet worden sein. Ob
diese Angaben der Wahrheit entsprechen, erscheint
noch als sehr zweifelhaft. Nunmehr macht sich in
Frankreich auch ein erheblicher Mangel an Arbeiter-
personal bemerkbar, wodurch der Flugzeugbau eine
große Stockung erlitten hat. Wie »Petit Journal«
schreibt, beabsichtigt die französische Regierung,
Arbeiter aus Indien kommen zu lassen und dieselben
in den Flugzeug- und Munitionsfabriken zu beschäf-
tiren. Einen erheblichen Verlust hat die französische
Flugzeugindustrie durch die Vernichtung durch Feuer
der Firmen VoisinundFarman erlitten. Während
am 13. September bei Voisin in Blancourt bei Paris
ein Brand ausbrach, wurde am 18. September die
Fabrik von Farman zerstört. Der Sachschaden be-
läuft sich auf mehrere hunderttausend Francs.
Allgemein dürfte von Interesse. sein, daß ein
japanischer Marineoffizier, Onakichi Isobe, sich nach
Frankreich eingeschifft hat. Der Japaner hat im Jahre
1913 bei den Rumpler-Werken fliegen gelernt und am
21. November 1913 auf dem Flugplatz Johannisthal
das deutsche Pilotenpatent Nr. 598 auf Rumpler-Taube
erworben. — —
Verschiedene neue pe von Kampfilugzeugen
haben in letzter Zeit die. Franzosen herausgebracht.
Besondere Beachtung verdienen die neuen Geschütz-
flugzeuge, sogenannte »Avions canons«. Diese Ma-
schinen sind große Zweidecker, die mit Maschinen-
gewehren ausgestattet sind und außerdem auf der
oberen Tragfläche eine kleine Hotchkiss-Kanone mit-
führen. Die Versuche mit diesen Flugzeugen sind
jedoch nicht zur Zufriedenheit unserer Feinde aus-
gefallen. Eine andere Konstruktion zeigt der Caudron-
Kampfdoppeldecker. Die Bauart dieses Kampfflug-
zeuges gleicht im allgemeinen dem Caudron-Normal-
typ, nur daß es größere Ausmaße als letzterer zeigt.
Rechts und links vom Rumpf zwischen den Trag-
flächen befinden sich je ein 100 PS Le Rhöne-Motor.
Auf dem vordersten Rumpfteil ist ein Maschinen-
gewehr angebracht. Infolge der leichten Bauart er-
reicht die Maschine eine große Geschwindigkeit und
hohe Steigfähigkeit. Kürzlich haben deutsche Truppen
ein solches Caudron-Kampfflugzeug zum Landen ge-
zwungen.
ach wie vor vollbringen unsere deutschen Kampf-
flieger hervorragende Leistungen, wofiir sie stets mit
Orden ausgezeichnet werden.
Das »Eiserne Kreuz« erhielten: Major v. Reit-
meyer (1. Kl.), Hauptmann Strehle (I. Kl.), Ober-
leutnant v. Pflugk-Hartung (1. Kl.), Marineflieger
Oberleutnant zur See Edler (I. Kl.), Marineflieger
Oberleutnant zur See Lorenz (1. Kl.), Oberleutnant
Student (1. Kl.), Oberleutnant Pfeifer (I. Kl.), Ober-
leutnant Götz (1. Kl.), Leutnant Graf Werner von
Reischach (2. Kl.), Leutnant v. Bülow (1. Kl.), Leut-
nant Homburg tt Kl.), Leutnant Rühmer (1. Kr
Leutnant Soyter (I. Kl.), Leutnant Plausbeck (I. Kl.),
Leutnant Des loch (I. Kl.), Beobachter Leutnant Hel-
mut Meyer (1. Kl.), Leutnant Kehrer (1. Kl.), Leutnant
Hahn (1. Kl.), Leutnant Lantzius (1. Kl.), Offiziers-
stellvertreter Gries mann (l. Kl.), Offiziersstellvertreter
Nüsse! (1. Kl.), Vizefeldwebel Span nhacke (1. Kl.),
inzwischen gestorben, Vizefeldwebel Thomann (2. Kl.),
Vizefeldwebel Hirschfeld (2. Kl.), die Unteroffiziere
Seisser, Böhme, Metz und Stöcker (1. Kl.),
v. Baur (2. Kl.), Marineflieger Dietz (2. Kl.) und
Reihs (1. Kl.) und die in militärischen Diensten
stehenden Zivilflieger Leutnant Oskar Roempler
(1. Kl.), Leutnant Anslinger (1. Kl.), Vizefeldwebel
Fritz Schiffers (1. KL), Vizefeuerwerker Walter
Tille (1. Kl.), Unteroffizier Karl De nic ke (2. Kl.),
Unteroffizier Georg Schöner (2. KL), Unteroffizier
Hans Zahn (2. Kl.), Josef Kaspar (I. Kl.) und
Oberbootsmaat Schönfelder (1. KL), Leutnant
Lucke und Leutnant Leistner erhielten das Ritter-
kreuz II. Klasse des Albrecht-Ordens mit Schwertern
und Leutnant der Reserve Iwan denselben Orden
l. Klasse.
Leider haben wir auch den Verlust verschiedener
bekannter Zivilflieger zu beklagen. Am 27. Juli ist
Helmut Culin als Reserveleutnant einem Luftkampf
zum Opfer gefallen. Culin war am 18. September 1895
zu Hamburg geboren. Er wurde 1913 durch die National-
flugspende bei den »Hansa«-Flugzeugwerken Karl
Caspar, Hamburg, ausgebildet und bestand am
28. Oktober 1913 seine Pilotenprüfung mit einer Hansa-
Taube auf dem Flugplatz Fuhlsbüttel bei Hamburg.
309
Er war als Flieger nur wenig bekannt; doch leistete
er im Felde Vorzügliches, weshalb er noch kurz vor
seinem Tode zum »Eisernen Kreuz 1. Klasse« ein-
gegeben worden war. Es war ihm jedoch nicht mehr
vergönnt, sich dieser hohen Auszeichnung zu erfreuen.
Henrique Stoldt gehörte einer Feldflieger-Abteilung
im Osten an, woselbst er kürzlich tödlich abgestürzt
ist. Er war ein Schüler des Fliegers Treitschke in
Kiel und erwarb am 29. Mai 1912 das Pilotenpatent
Nr. 219 für Grade-Eindecker auf dem Flugplatz Krons-
hagen bei Kiel. Stoldt war seinerzeit Herrenflieger,
und hat man von ihm nur wenig gehört. Noch kurz
vor seinem Tode wurde er zum Leutnant d. L. be-
fördert. Einen weiteren Verlust haben wir in dem
Heldentod des früheren Fluglehrers der »Halberstädter
Flugzeugwerke G. m. b. H.« Freiherrn Eberhard von
Gienanth zu beklagen. Er war im Besitze des
Flugmaschinenführer-Zeugnisses Nr. 400, das er am
7. Mai 1912 auf Bristol-Zweidecker in Halberstadt
erworben hat. Er steuerte zuletzt Wasserflugzeuge.
In Münster i. W. ist vor einiger Zeit der Flugzeug-
konstrukteur Knubel tödlich abgestürzt. Es ist wohl
bekannt, daß Knubel schon seit Jahren Flugzeuge
baut. Er verwandte als Bespannung eine vollständig
durchsichtige Cellonmasse, wodurch das Flugzeug in
großer Höhe fast unsichtbar war. Während er früher
Maschinen nach dem Taubentyp baute, war die letzte,
mit der er abstürzte, ein moderner Rumpfdoppeldecker.
Allgemeine Trauer in Fliegerkreisen rief die
Todesnachricht des bekannten Zivilfliegers Ing. Josef
Suwelack hervor. Suwelack war einer der
populärsten deutschen Flieger. Er erwarb am 30. August
1911 auf Rumpler-Taube das Pilotenzeugnis Nr. 102.
Danach war er eine Zeitlang bei den Rumpler-Werken
als Fluglehrer und Chefpilot tätig und hatte er damals
gute Erfolge. Am 8. Dezember 1911 flog er mit einem
Fluggast ohne Unterbrechung 4 Stunden 34 Minuten,
womit er einen Dauerweltrekord aufgestellt hat. In len
Flugwochen in Johannisthal und Hannover plazierte
er an zweiter Stelle. Nachdem er kurze Zeit den
schnellen Aviatik-Eindecker, Typ Hanriot, gesteuert
hat, gründete er in Essen die »Kondor-Flugzeugwerke
G.m.b.H.«, die neben dem Bau der Kondor-Eindecker
auf dem Flugplatz Gelsenkirchen- Essen-Rotthausen
eine Fliegerschule betreibt. Seit Kriegsbeginn stand
er im Dienste des Vaterlandes, bis er kürzlich auf
dem westlichen Kriegsschauplatz infolge eines Luft-
kampfes den Heldentod starb.
in letzter Zeit wurden auch wieder einmal einige
Rekordversuche unternommen. Am 9. September be-
absichtigte der Schweizer Flieger Audemars den
seinerzeit von Oelerich aufgestellten Höhenwelt-
rekord mit 8150 m zu brechen. Auf dem Flugfelde
Issy-les-Moulineaux stieg er auf und landete nach
einstündigem Fluge in Villacoublay. Er hatte eine
Höhe von 6600 m erreicht, so daß sein Versuch er-
gebnislos verlief. Ebenfalls vergebens versuchte der
englische Flieger Hawker auf einem Sopwith-
F den Rekord des Deutschen zu über-
ieten. .
Hervorragende Flüge erzielte der Österreicher
Franz Reiterer, Chefpilot der »Hansa- und Branden-
burgische Flugzeugwerken A.-G.«. Er stieg am 11. Sep-
tember mit einem neuen B. F. W.-Doppeldecker auf
und erreichte mit vier Fluggästen eine Höhe von
m, womit er einen neuen Weltrekord aufgestellt
hat. Noch am selben Tage startete er mit der gleichen
Maschine auf dem Flugplatz Briest und stellte auch im
Fluge mit drei Passagieren einen neuen Weltrekord auf,
indem er eine Höhe von 5600 m erklomm. Es zeigte
sich bei den Flügen, daß der neue B.F. W.-Doppel-
decker eine vorzügliche Steigfähigkeit besitzt. Trauriger-
weise ist nunmehr Reiterer vor kurzem tödlich
verunglückt. W.
— ae
310
Stambul.
Stambul.
Von Hanns Pittner.
Sicher und geborgen vor der Beutelust unserer
Feinde liegt Konstantinopel, die Perle am Hellespont.
Die türkische Armee hat in monatelangen helden-
mütigen Kämpfen im Vorland der Dardanellen die
zähesten Anstrengungen der Entente, den Bosporus
einzunehmen, abgewehrt, und mit traditioneller Tapfer-
keit die feindlichen Eroberungsgelüste auf jene Be
Stätte zunichte gemacht, die einst ihre Vorfahren sich
als Mittelpunkt ihrer Kultur erkoren hatten. Nach vielen
durch Generationen währenden Kämpfen hat sich hier
vor Jahrhunderten das junge, starke, aufstrebende
osmanische Volk zu friedlichem und ruhigem Leben
niedergelassen und das alte Byzanz des oströmischen
Reiches zum Mittelpunkt des Orients gemacht. Aus den
Trümmern der oströmischen Kaiserstadt erstand in
morgenländischer Pracht eine neue Metropole, die sich
bis in unsere Zeit das orientalische, fremdartig-schöne
Gepräge bewahrte. — Stambul, die Pforte Europas,
zählt zu den schönsten Städten der Erde. Stille Zauber
umweben die ewigen Gärten, die alten Paläste, das
goldig schimmernde Meer. Die Phantasie versunkener
Jahrhunderte träumte hier Märchen von Schönheit und
Glück und spann geheimnisvolle Schleier über Wirk-
lichkeit, Wunder und Sagen, bis der eherne Weckruf
unserer Zeit die Träume verscheuchte, die Schleier
zerriß. — Die älteste Geschiclite greift in vielfachen
Zusammenhängen auf dieses Land zurück, wo einst, in
sagenhafter Vergangenheit, Trojas trotzige Mauern
standen. Hier, im Lande des Ikarus, ward die Flieger-
sehnsucht geboren und der erste Sonnenflug versucht.
Der Gedanke des Menschenfluges fand Eingang in die
ältesten türkischen Volksdichtungen, den Märchen von
1001 Nacht, die reich an Schilderungen von fliegenden
Menschen, Zauberern und Geistern sind, und die uns
heute wie ein traumhaftes Ahnen einer kommenden
Wirklichkeit erscheinen. Später in geschichtlicher Zeit
soll schon um das Jahr 850 der Gelehrte und Philosoph
Abul Kassem al Abbas ibn Firnas den Vogelflug nach-
zuahmen versucht haben, wobei er aber den Tod fand.
Später, im Jahre 1009,-unternahm der türkisch-arabische
Sprachforscher Al Ijawhari abermals einen Versuch, mit
einem von ihm gebauten Apparat zu fliegen, fand aber
auch dabei den Tod.
Und heute, tausend Jahre später, ziehen in sicherem
Fluge die türkischen Flieger durch die Lüfte und halten
treue Wacht gegen Englands beutegierige Flotte. Ver-
schwunden sind Träume und Sagen, Märchen und Ver-
gangenheit. Eine eiserne Wirklichkeit gab der Ikarus-
sehnsucht Erfüllung und führt hier an der Geburtsstätte
des Fluggedankens die mutigsten türkischen Söhne zum
Sonnenflug höchsten Heldentums. Die sagenhafte Poesie
des ersten Fluggedankens fand einen sieghaften Aus-
druck in einer Maschine aus Holz und Stahl und schuf
ein neues Ikarusgeschlecht, das hoch in sonndurch-
lühten Himmelsweiten seine Kreise zieht über Ikarus’
euchtem Grab, während im azurnen Blau der Ferne
Stambul, die Stadt der tausend Minaretts, in sicherer
Hut geborgen liegt, Galatas geschäftiges Leben braust
und Peras jahrhundertalte Gärten schlafen. — Menschen-
geschichte! — — Und wieder eine Spanne Zeit, dann
tritt das Flugzeug wieder in friedlichem Wettbewerb
mit den Verkehrsmitteln unserer Zeit. Wüste und Od-
land haben die Schrecken ihrer Wege verloren, denn
wenn irgendwo, dann wird hier das Luftfahrzeug am
ehesten dem praktischen Verkehre dienen. Tagelange
Karawanenwege werden in Stunden überwunden und
die weiten Länder des türkischen Reiches durch ein
Verkehrsmittel schnellster Art verbunden. Der geistige
Verkehr entfernter Städte wird durch Flugpostverbindung
in ungeahnter Weise erleichtert werden und zu erhöhtem
Schaffen vereinen, um die Wunden zu heilen, die der
Weltkrieg schlug. Hier ist für die Flugtechnik das
311
Land der unbegrenzten poo a wo sie in fried-
lichem Schaffen die ersten Erfolge zeitigen wird. Das
Land wird vielleicht an Poesie verlieren, aber an Kraft
gewinnen, vielleicht auch in wirklichem Sinne noch
schöner sein, denn welch anderer Weg führt zu höheren
Zielen als der nahe der Sonne und den Sternen.
Über die vermutliche Ursache der Nebelschüsse oder Mistpoeffers.
Eine vorausgreifende Untersuchung
von H. Horbiger.
Die lebhafte Erörterung der Reichweite und atmo-
sphärischen Reflexion des Weltkrieg-Geschützdunners
mit seiner »Zone des Schweigens« durch die
Herren Wilh. Krebs und Phil. Fauth in den dies-
jährigen Nummern 3/4, 11/12, 15/16, 17/18 und 19/20
dieser Zeitschrift hat auch ein ebenso unheimliches als
altes Rätsel der meteorologischen Akustik: die »Mist-
poeffers« aufs Tapet gebracht und zur Diskussion
gestellt. Indem nun Herr Krebs diese Diskussion in
dem guten Glauben abgeschlossen hat, uns die Lösung
des Problems in der einfachsten Selbstverständlich-
keit geboten zu haben, wenn er die flandrischen Mist-
poeffers nach landläufiger Meinung auf den Geschütz-
donner seekriegerischer Artillerie zurückführt, so dürfte
den aufmerksamen Leser nunmehr auch die glacial-
kosmogonische Deutung des Phänomens inter-
essieren. Wir greifen damit unseren geplanten meteorolo-
gischen Entwicklungen um so lieber voraus, als Fauth
die Frage zwar vorzeitig angeschnitten hat, die Lösung
des Problems aber dem geneigten Leser aus Platz-
gründen vorenthalten mußte.
Da es sich um eine nur wenig bekannte und von
den meisten Meteorologen absichtlich ignorierte oder
meist nur ausweichend erwähnte atmosphärische
Schallerscheinung handelt, wollen wir uns zur Bequem-
lichkeit des geneigten Lesers zunächst »ums Phänomen
näher erkundigen«. — Der unlängst verstorbene Heraus-
geber des »Sirius«, der langjährige Astronom und
Meteorologe der »Kölnischen Zeitung«, Dr. Her-
mann J. Klein, sagt in seinem reichhaltigen Buche:
»Die Wunder des Erdballes« diesbezüglich u. a.
das Folgende:
»Geräusche wie ferne Donnerschläge hat man häufig
an der belgischen Küste vernommen und sie werden
dort als Nebelschüsse (Mist-puffers) bezeichnet. Aus
dem Miindungsgebiet des Ganges kennt man ähnliche
Detonationen unter dem Namen »Barisal-Schüsse« ; sie
klingen ähnlich dem Donner großer, aber sehr ferner
Geschütze. Alle Versuche, die Ursache dieser
Detonationen zu ergründen, sind bis jetzt
escheitert. — Wir müssen noch einer merkwürdigen,
okalen Flut des Meeres gedenken, die mit den Ge-
zeiten indessen keinen Zusammenhang hat und deren
Ursache überhaupt noch einigermaßen rätselhaft ist.
Dieselbe tritt bei ruhigem Wetter und stiller See bis-
weilen im westlichen Teile der Ostsee auf und zeigt
sich als wiederholte Überflutung des schmalen Küsten-
. saumes. Man bezeichnet die Erscheinung mit dem
Namen Seebaer, ein Name, der wahrscheinlich mit
dem alten Worte bahr (Woge) zusammenhängt. Bis-
weilen geht dieser kurzen Überflutung ein von weither
schallendes Getöse voraus. So bei dem Seebaeren, der
zu Anfang des 19. Jahrhunderts zwischen Kolberg und
Köslin eintrat, wo das Getöse so stark war, daß die
Pferde vor den Pflügen scheu wurden. Bei dem See-
baeren, der im Mai 1833 auftrat, vernahm man vor der
Flut einen starken Knall oder auch ein Getöse, als
wenn ein schwerer Sturm im Anzuge begriffen sei. —
Was die Mistpuffers anbelangt, so ist besonders merk-
würdig, daß noch niemand diese Detonationen in seiner
Am Himmel tiefes Schweigen, stille steht
Der Wolken one. — sprachlos die kecken Winde,
Stumm wie der Tod der Erdball drunten — plötzlich
Zerreißt ein grauser Donnerschlag die Wolken: —
amlet II.
unmittelbaren Nähe vernommen hat. Die See zwischen
der belgischen und englischen Küste ist von Fahrzeugen
sehr belebt, dennoch hat noch nie ein Fischer die
Detonationen auf dem Meere stärker gehört, als sie auf
der Küste erschallen, und stets kommen sie aus der
Ferne. — So weit Klein.
Hieraus geht zunächst deutlich hervor, daß man
bei der Erforschung dieses luftakustischen Rätsels den
Geschützdonner schon längst, vielleicht sogar noch
lange vor Shakespeares Zeiten (vergl. Motto) in den
Kreis der Vermutungen einbezogen hatte und diese
Vermutung bestimmt nicht bestätigt fand. Mit
Recht weıst also Fauth auch hier auf ein für die
Forschung noch fruchtbar zu beackerndes Feld hin;
und keineswegs kann die Sache mit billigen Hinweisen
auf Schießübungen der britischen Marine so leichthin
abgetan werden.
Es wird übrigens berichtet, daß man an windstillen
und sonnigen Sommermittagen solche Detonationen
auch am Bodensee und dessen flachen Ufern ver-
nehmen kann. Überhaupt geht aus allen Berichten, wie
auch aus unserem Hamlet-Zitat hervor, daß diese
dumpfe Schallerscheinung nur an sehr windstillen und
klaren Sommertagen um die Mittagszeit herum,
also bei Sonnenhöchststand unserer Breiten und
auch immer nur auf stiller, ruhiger Meeres- und See-
fläche oder deren flachen Ufern wahrzunehmen ist.
Wer von den geneigten Lesern uns aufmerksam
durch das Dezember- (1914), Februar- und Märzheft
(1915) gefolgt ist, weiß bereits, daß wir nur den so-
enannten Meteoren mineralische Natur — und
eibungswärme-Eigenglut zuerkennen, unter Stern-
schnuppen aber kosmische Eiskörper galaktischen
Ursprungs verstehen, die, an der Erde vorbeihuschend,
außerhalb Atmosphäre und Erdschatten im
reflektierten Sonnenlichte leuchten; und daß gerade die
sichtbaren unter ihnen die Atmosphäre mest gar
nicht erreichen und meist dadurch »verlöschen«e, daß
sie in den Erdschatten eindringen, oft auch dadurch
sich plötzlich zu »entzünden« scheinen, daß sie aus
dem Erdschatten heraushuschen, um in abnehmender
Beleuchtungsphase und zunehmender Entfernung zu
verblassen oder hinter dem Dunstkeilring des Horizontes
zu verschwinden.
Wer sich um Meteorstatistik gekümmert hat, weiß
auch, daß wirklich beobachtete Meteorsteinfälle
mit aufgelesenen Resten ihr Tagesmaximum um die
Mittagszeit (mit einiger Verspätung in den Nach-
mittag hinein) und ihr Jahresmaximum in unseren
Breiten um die Hochsommerzeit haben. Es sei
auch in Erinnerung gebracht, daß es bei uns nur im
Sommer donnert und blitzt und vornehmlich auch nur
im Sommer hagelt und gewittert und auch das wieder
überwiegend nur um die Mittagszeit, mit einiger Ver-
spätung in den Nachmittag hinein; ebenso, daß wir
alle strichweise auftretenden meteorologischen Vorgänge
(Hagelschläge, Wolkenbrüche, lokale e Wirbel-
stürme etc.) auf die Wärmeausdehnungs Zersplitterung
und Einschmelzung von mit kosmischer Geschwindigkeit
in die Atmosphäre einschießenden Eissternschnuppen
312
- zurückführen. (Vergl. Seite 41 bis 46 des Februarheftes.)
Die kräftigen Donner- und Blitzschläge bei den lokalen
Gewittern, Wolkenbrüchen und Hagelschlägen ergeben
sich aus der reibungselektrischen Ladung (Eiskörner-
reibung in der Luft) der Zersplitterungs- und Schmelz-
produkte des mit etwa 20 facher Kanonenkugelgeschwin-
digkeit eingedrungenen Eiskörpers von selbst; ebenso
der Sturm aus den in der Umgebung des Einschuß-
kanals mit ungeheurer Gewalt in Bewegung gesetzten
Luftmassen. Es haben also sowohl die tatsächlich be-
obachteten Meteorsteinfälle als auch die unsichtbaren
Roheiseinschüsse hei uns ihr Jahresmaximum im
Sommer und ihr Tagesmaximum um die Mittagszeit,
und ganz dasselbe gilt auch von den »Nebelschüssen«;
ein Fingerzeig also für die Auffindung einer plausiblen
Erklärung!
Wir wissen schon aus dem Februarhefte (1915),
daß ein mit kosmischer Geschwindigkeit in die Atmo-
sphäre einschießender Eiskörper fast explosionsartig in
örner zerstieben muß. Das gibt jedenfalls ein starkes,
schußartiges oder auch knatterndes Geräusch, jedoch,
bei mehr tangentialem Einschuß, in so großen
Höhen und so dünner Luft, daß wir unter gewöhn-
lichen Umständen am Grunde des Luftozeans davon
kaum etwas hören dürften, am unwahrscheinlichsten in
der Art eines Geschützschusses. Wohl aber können wir
die viel weiter herab erfolgende Zerberstung eines er-
hitzten Gesteinsmeteors hören, wie dies u. a. auch
das berühmte Madrider Tagesmeteor vom 10. Februar
1896 (9 Uhr vormittags) gezeigt hat. — Aber auch das
ist vielleicht noch immer nicht die unmittelbare eigent-
liche Ursache der Mistpoeffers, weil ja da jeder Be-
obachter sofort gewahr werden müßte, daß der »Schuß«
aus der Höhe kommt, während die dumpfen Knalle
der Mistpoeffers nur ganz unbestimmt -aus großer
Ferne« an das Ohr des Lauschers gelangen. Aber es
ibt sowohl bei den Gesteinsmeteor- als auch bei den
oheiseinschüssen noch eine weitere Notwendigkeit
einer Schallerscheinung: das Hineinstürzen der
Luft in das Vakuumrohr, welches jeder solche
Eindringling hinter sich lassen muß. Bei den großen
Mörserbomben unserer heutigen Artillerie hören wir
dieses Luftzusammenprallen notwendig als ein konti-
nuierliches Dröhnen, bei der mindest 20mal
höheren kosmischen Geschwindigkeit eines Roheis-
oder Meteoreinschusses muß daraus ein kürzerer Knall
oder auch wohl eine Art von kurzem Donnerrollen
werden. Aber damit dieser Schall bis zu uns dringe,
muß der Einschuß ziemlich senkrecht erfolgen, da
sich ansonsten (bei mehr tangentialem Eindringen) die
Geschwindigkeitsaufzehrung in zu großen Höhen und
zu dünnen Luftschichten und notwendig auch zu lang-
sam vollzieht, als daß daraus ein Knall entstehen und
dieser als solcher bis zu uns dringen könnte. Aber auch
einen solchen kosmischen Luftknall des mehr senk-
rechten Einschusses wird der aufmerksame Beobachter
nur dann als aus der Höhe kommend hören, wenn der
senkrechte Einschuß ziemlich genau in seinem Zenith
11 wofür die Wahrscheinlichkeit so gut wie Null
ist. Er wird aber auch von einem in größerer Ent-
fernung von seinem Zenith fast senkrecht erfolgenden
Einschuß nichts hören, wenn derselbe über dem
Lande, oder gar über ausgedehnten Waldungen, oder
bei windigem Wetter über stärker bewegter See, oder
überhaupt bei bewölktem und windigem Himmel erfolgt,
weil beispielsweise der Wald die von oben kommende
dumpfe Schallwelle gleichsam aufsaugt, wie etwa
schwarzer Samt den Lichtstrahl; ähnliches gilt ja auch
von allen Landflächen überhaupt, sowie auch von der
stürmischen See.
Um also einen solchen kosmischen Projektil-
einschuß in unsere Atmosphäre hier unten als dumpfen
»Nebelschuß« vernehmen zu können, ist es notwendig,
daß die ziemlich senkrecht von oben kommende Schall-
welle oder dynamische Luftstoßwelle eine ruhige
weite Wasserfläche trifft, auf welcher sie sich dann
nach allen Seiten ausbreitet und so in einer Weise das
Trommelfell des Horchers erreicht, daß ihm der Schall
nicht von oben, sondern bloß ganz unbestimmt
»aus weiter Ferne« zu kommen scheint. Daher ist das
Schallphanomen der Mistpoeffers an die Nähe des
Meeres oder großen Binnensees mit ruhiger Fläche
und flachen Ufern und somit auch an windstilles,
sonniges Wetter gebunden; Windstille allein bei Be-
wölkung genügt nicht, weil das Gewölke das wirk-
samere Herabgelangen der Schallwelle vereitelt; ebenso
genügt klarer Himmel allein bei mäßigem Winde nicht,
weil letzterer die schwache vertikale Schallwelle ver-
weht und auch die Wasserfläche beunruhigt und zur
hörbaren Ausbreitung der dumpfen Schallwelle un-
geeignet macht. Wahrscheinlich wird es nur wenige
ichter befahrene, buchtenartige und flachufrige Meeres-
flächen geben, die zeitweilig eine ruhige Wasserfläche
bieten — und wahrscheinlich sind auch diese Schiffahrts-
straßen und Flachufer nicht überall entsprechend dicht
mit intelligenten und aufmerksamen Beobachtern
besetzt, so daß bisher solche Beobachtungen eben nur
aus Flandern und Holstein, aus der N
und vom Bodensee bekannt geworden sind.
Damit wäre also vorläufig die Bedingung des
ruhigen sonnigen Wetters, sowie die so rätselhafte und
nicht überall erfüllbare örtliche Bedingung der Mist-
poeffer-Hörbarkeit verständlich gemacht. Was aber nun
die Gebundenheit des so merkwürdigen Schallphänomens
an die Sommerszeit unserer Breiten und an die
mittlere Tageszeit, also überhaupt an dieSonnen-
hochstandsnähe anbelangt, so sollen uns das die
beiden nangen Figuren durchsichtig machen helfen.
Wir sehen da in Fig. ! die Resultierenden aus
Sonnen- und Erdenschwere und aus diesen wieder in
Fig. 2 die so zu nennenden Kraftlinien dieser beiden
Schwerkräfte abgeleitet. Es handelt sich da um ganz
selbstverständliche Kurven, die aber trotzdem für jeden
heutigen Astronomen und Meteorologen ein absolutes
‘adamyasuauu0g ~
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ER Ce eee Eee
Fig. 1. Das Kraftfeld der Erden- und Sonnenschwere im Be-
reiche der Erdmondbahn, versinnlicht durch die Resultierenden
aus den (auf gleichmäßig verteilte Massenpunkte ausgeiibten)
beiden Anziehungen. Die Schraffenlinien der Schwerediagramme
stellen diese Anziehungen im richtigen gegenseitigen Maß-
stabe und im zugehörigen Abstande von Sonne und Erde dar.
N = neutraler Punkt des Radiusvektor, in welchem sich die
beiden Anziehungen gegenseitig aufheben; S = in welchem sie
gleich sind und sich summieren.
Novum darstellen, weil der Astronom bei Berechnung
von Kleinkörperbahnen keinen Mediumwider-
stand berücksichtigt und jede solche Bewegung unter
dem Gesichtspunkte der reinen Keplerschen Gesetze
55 die ja auch einen Mediumwiderstand nicht
ennen. |
Diese Kraftfeldkurven der Fig. 2 sind also für unser
Problem insofern äußerst lehrreich, als sie zeigen,
warum die von der Erde eingefangenen, zum Einsturz
sich anschickenden Kleinkörper (Meteore und Roheis-
körper) den Sonnenhochstandsort als Einschußort
zu gewinnen trachten, also in unseren Breiten vornehm-
lich im Sommer und um den Mittag herum in die
Atmosphäre schießen. Allerdings würden sich diese
Kleinkörper nur dann in solchen zum Radiusvektor
symmetrisch liegenden Kurven der Erde nähern, bezw.
ausschließlich den Sonnenhochstandsort erreichen, wenn
sie in einem dichten Medium (etwa gleich dem Wasser)
schwämmen und sich ursprünglich relativ zur Erde in
Ruhe befänden, also in zur Erdbahn parallelen und
nahen Bahnen mit der Erde um die Sonne und mit
dieser auch gegen den Sonnenapex (Zielpunkt der
E translatorischen Sonnenbewegung) hin sich
egten. Immerhin wird aber auch schon der ge-
ringste Atherwiderstand im selben Sinne wirken, be-
sonders wenn man auch noch die Kleinheit und ge-
ringe Dichte der kosmischen Eiskörper in Betracht
zieht. Diese Kraftlinien der Schwere (Fig. 2) lassen bei
einigem Nachdenken aber auch darauf schließen, daß
die eingefangenen und vorübergehend zu Kleinmonden
gemachten Eiskörper und Meteore genötigt werden,
die großen Achsen ihrer rasch einschrumpfenden
spiralelliptischen Bahnen allmählich der Richtung SN
es Radiusvektors der Erdbahn anzuschmiegen, und
zwar mit sonnen ze n i th warts liegendem Perigäum und
sonnennadirwärts liegendem K po gäum, so daß sie
Fig. 2. Das Kraftfeld der Erden- und Sonnenschwere im Be-
reiche der Erdmondbahn, versinnlicht durch die aus den
Resultierenden der Fig. 1 ableitbaren IKraftlinien der Schwere.
Man erhält dieselben, wenn man in Fig. 1 noch mehr Zwischen-
massenpunkte mit den zugehörigen Kräfteparallelogrammen
verzeichnet und die sich gegenseitig suchenden Resultierenden
durch kontinuierliche Kurven verbindet. N und S sind Punkte des
Radiusvektors, in welchen die beiden Anziehungen einander
neu sieren (= N) bezw. sich summieren (= S).
313
bei fortschreitender Bahneinschrumpfung vornehmlich
in Sonnenhochstandsnähe, also bei uns zur sommer-
lichen Mittagszeit, mehr oder weniger tangential in die
Erdatmosphäre einschießen müssen.
Ob wir aber deren Einschußknall als »Mistpoeffer«
hören können, hängt nun noch von den anderen,
weiter oben besprochenen Nebenumständen ab. Zunächst
ist der mehr oder weniger tangentiale Einschuß die
Regel, der senkrechte Einschuß eine mehr zufällige
Ausnahme, und nur in letzterem Falle können wir den
Einschuß- oder Explosionsknall bei sonst günstigen
Nebenumständen indstille, Wolkenlosigkeit, ruhiges
Meer mit flachen Ufern etc.) hören. Obwohl wir also
in unseren Breiten zur sommerlichen Tageszeit fast
een oft sogar stündlich unbewußt Zeugen von inner-
halb Hörweite erfolgenden Roheiseinschüssen sind, und
das Gebiet des wahrscheinlichsten und dichtesten Eis-
einschusses die Erde täglich mit dem Sonnenhöchststand
umläuft und jährlich auch zwischen den Wendekreisen
auf und nieder wandert, so ist es uns nun dennoch ver-
ständlich geworden, warum die Meldungen von wirk-
lich gehörten Nebelschüssen so spärlich einlaufen
und bisher auch nur auf wenige enger begrenzte Ge-
biete der Erdoberfläche beschränkt geblieben sind.
Was nun den Seebaern betrifft, so ist es möglich,
daß die beiden obzitierten Beispiele zwei prinzipiell
verschiedene Erscheinungen darstellen. Denn der »See-
baer« von Kolberg-Késlin mit dem vorangehenden
starken Getöse trägt eigentlich alle Merkmale eines
normalen Seebebens, eines Phänomens also, für welches
die moderne Geologie zwar eine festgeglaubte Erklärung
bietet, die aber auch wieder vollständig irrig ist. Wir
werden davon hoffentlich bei Abschluß unserer Erd-
bebenbetrachtungen noch eingehender sprechen können.
Allgemeine Andeutungen hierüber findet der geneigte
Leser auf Seite 20/21 und 47 bis 50 unserer Jänner- und
Februar- Aufsätze.
Der zitierte. 1888er Seebaer mit dem an einen
»schweren Sturm< erinnernden Getöse vor der Flut
stellt dagegen nach unserer vorläufigen Vermutung eine
vom Mistpoeffer nurgraduellverschiedene Folge-
erscheinung eines Roheiseinschusses dar. Als auch nur
raduell abweichende Wirkungen derselben prinzipiellen
Grindirsache haben wir ja auch schon im Dezember-
(1914) und Februar- (1915) Aufsatze unter anderem auch
die trockene und Regenbö kennen gelernt, auf
deren Rechnung wir ja auch die Vernichtung der beiden
Zeppeline bei Helgoland und über dem Teutoburger
Walde zu setzen bemüßigt sind.
Also: Mistpoeffer, Seebaer, Bö, Regenbö, Platz-
regen, Lokalgewitter, Wolkenbruch, Hagelstrich, Tor-
nado, Taifun, Hurrikan, Wasserhose, Sandhose, Wind-
hose, Wüstensturm etc., alles prinzipiell einheitliche
Folgeerscheinungen von nur nach Einschußrichtuug,
Geschwindigkeit, Ort und Zeit, Körpergröße und
Struktur graduell verschiedenen Roheisein-
schüssen. Der hier ins Auge gefaßte Seebaer bildet also
nur ein Ubergangszwischenglied zwischen dem schein-
bar windstoßlosen Mistpoeffer und dem auch nur schein-
bar lautlosen BoenwindstoB. Dem dumpfen Schall-
phänomen eines nach Größe, Richtung und Geschwin-
digkeit entsprechend bemessenen Roheiseinschusses folgt
also eine lokale fast senkrecht herabstoßende Luft-
kompressionswelle, welche die ruhige Wasserfläche auf
einem beschränkten kreisförmigen oder wenig ovalem
Gebiete etwas niederdrückt und so eine ringförmige
Welle nach außen entsendet, der natürlich in größeren
Zeitintervallen auch noch einige abnehmend schwächere
folgen müssen, wie wir es im kleinen beim Steinwurf
ins Wasser beobachten können. Diese notwendig lang-
atmigen Ringwellen erreichen bei sonstiger Windstille
endlich auch zu verschiedenen Zeiten verschiedene
Stellen des flachen Ufers in verschiedener Intensität, um
so dorten als Seebaer in Erscheinung zu treten. Der
glacialkosmogonisch einigermaßen aufgescheuchte Beob-
achter eines Seebaeren wird also in der Richtung des
beiläufig vermutbaren Zentrums solcher scheinbar wind-
loser Ringwellen, möglicherweise sogar nahe seinem
314
Horizonte, auch eine kleinere oder größere Haufen-
wolkenbildung beobachten können, wenn sich die-
selbe nicht etwa gar schon unterhalb seines Horizontes
vollzieht, so daß dieser trotz des gehörten dumpfen
Knalles und sanfter Flut auch weiterhin wolkenlos
bleibt. Möglicherweise erreichen nur die allerschwächsten
Ausläufer der Ringflutwellen unauffällig und stark ver-
spätet das Ufer: Nun, dann war es eben ein »echter«
Mistpoeffer. Dasselbe gilt auch für den Beobachter im
Fischerboot, weil er die langatmigen Ringwellen, bezw.
deren majestätisch langsame Schaukelung überhaupt
nicht bemerkt, solange er über keine glacialkosmo-
gonische Beobachterschulung verfügt.
Steigern wir nun aber die Eiskörpergröße, Einschuß-
geschwindigkeit und Neigung entsprechend, so wird
aus Mistpoeffer, Seebaer und Bö schließlich der wirbel-
artig dahinrasende Sturm mit Wolkenbruch, Hagelschlag,
Donner und Blitz. Ist es doch schon öfters vorgekommen,
daß oft bis ins sonnigste Nachmittagwetter hinein un-
gestört verlaufene Sommerwiesenfeste durch »ein plötz-
lich hereinbrechendes furchtbares Unge-
witter ihren jähen Abschluß fanden und dennoch
wieder hellster Abendsonnenschein auf die Stätte der
naßkalten Verwüstung herablachte. Ganz dasselbe voll-
zieht sich auch auf hoher See, wenn der Schiffer die
perspektivisch unansehnlich kleine Sturmwolke über den
sonst wolkenlosen Horizont heraufkommen sieht.
Schleunigst rafft er die Segel, denn er weiß, daß binnen
wenigen Minuten Sturm und Finsternis hereinbricht,
um meist wieder dem klarsten Abendhimmel Platz zu
machen. Nicht etwa daß unsere Land- und Seemeteoro-
logen solchen atmosphärischen Paroxysmen einge-
standener maßen ratlos gegenüberständen: Sie denken
sich in der Regel überhaupt nichts Besonderes dabei.
Shakespeare müssen wir dagegen eine entschieden
viel bessere Note aus Mechanik geben; denn ihm fiel
die Sache notwendig als etwas Unerklärliches auf,
wenn er im Hamlet seinen ersten Schauspieler unser
heutiges Motto deklamieren läßt. — Vom Mistpoeffer
bis zum Tornado: Eine im vermeintlich
defizitlosen, reinterrestrischen Wasserkreis-
laufe ewig unlösbare Rätselreihe!
Deutscher Brief.
(Originalbericht unseres Frankfurter Mitarbeiters.)
Ende November 1915.
Nicht nur an der Front und bei den Flieger-
abteilungen im Lande herrscht großer Flugbetrieb;
nein, auch auf den Privatflugplätzen der einzelnen
Flugzeugfabriken herrscht emsige Tätigkeit. Neben
dem ständigen Bau neuer Flugzeuge sind die Flug-
zeugfirmen noch mit der Ausbildung neuer Militär-
flugschüler beschäftigt, und ist jetzt in Deutschland
die Zeit gekommen, in der die deutsche Flugzeug-
industrie ihre Triumphe feiert. Rastlos werden neue
Maschinen herausgebracht, die heute schon sehr
schwierigen Prüfungen unterworfen sind. Die Industrie
ist mit Aufträgen versorgt, daß sie nur schwer in der
Lage ist, allen Ansprüchen gerecht zu werden. Uber
einzelne Konstruktionen näher einzugehen, ist die
Zeit jetzt nicht geeignet, doch werden die weniger
Eingeweihten einmal später nach dem Kriege über
all das Geleistete erstaunt sein. Trotzdem sich schon
jetzt überall die Unbill der gegenwärtigen Jahreszeit
sehr bemerkbar macht, lassen sich unsere braven
Flugzeugfiihrer weder an der Front noch im Lande
vor nichts abschrecken und mit Begeisterung und er-
folgreich trotzen sie allen Unannehmlichkeiten und
Gefahren.
Als besonders beachtenswert und der Nach-
ahmung bedürfend, hat sich ein Schaufliegen gezeigt,
das am 17. Oktober zugunsten der Kriegsfürsorge
von der Militärfliegerschule Hamburg-Fuhlsbüttel auf
der Borsteler Rennbahn abgehalten wurde. Selbst-
redend brachte die Hamburger Bevölkerung der Ver-
anstaltung — die einen sehr vielseitigen Charakter
trug — ein sehr großes Interesse entgegen, so daß
der Besuch ein überaus starker war. Besondere Be-
wunderung riefen die Flüge von Hauptmann Renk
(Kommandoführer der Fliegerschule), Leutnant Tiet-
low, Leutnant Rambaldi, Unteroffizier Böhme
und der Fluglehrer Petersen, Lückfeld, Daus
und Kneeser hervor. Es standen im ganzen 13 Flug-
zeuge zur Verfügung, und zwar: Albatros- und D.F.W.-
Doppeldecker, Fokker-Eindecker und Hansa-Tauben.
Die ganze Veranstaltung nahm einen schönen Verlauf
und es konnte der Kriegsfürsorge ein Betrag von an-
nähernd 20.000 Mark zugeführt werden.
Diesem schönen Beispiele folgend, hat nun am
Sonntag den 28. November die Leipziger Luftschiff-
hafen- und Flugplatz-A.-G. auf dem Flugplatz Leipzig-
Mockau ein Wohltätigkeitsfliegen abgehalten. Der
Arbeitsausschuß hatte für alles Sorge getragen und
sogar den bekannten Fliegerleutnant Immelmann
für die Veranstaltung gewonnen. Zum Bedauern aller
Anwesenden kam noch kurz vor Beginn des Fliegens
| die Nachricht, daß allen Militärfliegern die Beteiligung
an der Veranstaltung untersagt ist. Glücklicherweise
waren gerade mehrere Zivilflieger auf dem Flugplatz
anwesend, die sich sofort bereit erklärten, ihre Flug-
kunst zu zeigen. So war es vor allem Fokker, der
Konstrukteur des bekannten kleinen Fokker-Eindeckers,
der die zahlreiche Zuschauermenge in Erstaunen und
Bewunderung versetzte. Ebenfalls eine Reihe schöner
Flüge zeigte der als Sturzflieger nicht unbekannte
frühere Grade-Pilot Gustav Tweer. Außerdem ent-
wickelten noch die Flieger der Aviatik-Fliegerschule
und der neugegründeten VV G. m.
b. H. eine rege Fliegertätigkeit. Zum Schlusse der
Veranstaltung wurde noch dem Chefpiloten der letzt-
genannten Firma, Gustav Flick, ein Lorbeerkranz
überreicht für seine hervorragenden Flüge auf dem
neuen Germania - Doppeldecker. Trotz des erstge-
nannten unliebsamen Zwischenfalles ist die Veran-
staltung ganz zur Zufriedenheit der Zuschauer und
Veranstalter verlaufen, so daß auch diesmal eine ganz
stattliche Summe guten Zwecken zugeführt werden
konnte. Es ist empfehlenswert und steht auch hoffent-
lich zu erwarten, daß derartige Schauflüge zugunsten
wohltätiger Zwecke auch bald seitens anderer Städte
Nachahmung finden. a
Wie aus dem »Reichsanzeiger« hervorgeht, hat
am 8. November in den Räumen der Treuhand-
Gesellschaft die Generalversammlung der »Akademie
für Aviatik« stattgefunden. Wie noch erinnerlich sein
dürfte, betrieb seinerzeit die »Akademie für Aviatik«
auf dem Flugplatz Puchheim bei München eine Flieger-
schule, sowie besondere Sonderkurse für Flugschüler
u.s.w. Wie jetzt verlautet, soll endgültig beschlossen
worden sein, das Gelände des ehemaligen Flugfeldes
Puchheim zu verkaufen.
Von bekannten Persönlichkeiten aus der Industrie
ist am 4. November in Berlin nach langem Kranksein
Franz Reschke, der Inhaber der bekannten Propeller-
fabrik, gestorben. Der Verstorbene hat es verstanden,
seine Firma aus kleinen Anfängen heraus zu dem
heutigen Weltunternehmen emporzuarbeiten. Unter
der technischen Mitarbeit von Prof. Reißner werden
in der Fabrik die bekannten Reschke-Propeller her-
gestellt, die im gegenwärtigen großen Kriege schon
eine nicht zu unterschätzende Stellung eingenommen
haben.
Von der Front hört man momentan weniger,
doch leisten unsere Kriegsflieger nach wie vor Hervor-
ragendes. Am 8. November war es wieder Leutnant
Immelmann, dem es gelang, westlich von Douai
einen mit drei Maschinengewehren ausgerüsteten eng-
lischen Bristol-Doppeldecker im Luftkampf zu be-
siegen. Eine Reihe von Ordensauszeichnungen zeugt
ferner von der Unermüdlichkeit und den großen Er-
folgen unserer wackeren Lufthelden. So wurden mit
dem Eisernen Kreuze dekoriert: Hauptmann Kurt
Müller (1. Kl.), inzwischen gefallen, Hauptmann Max
Sorg (I. Kl.), Oberleutnant Werner Braune (1. Kl.),
Oberleutnant Cranz (1. Kl.), Oberleutnant Hahn
(1. Kl.), Oberleutnant Ohmke (1. Kl.), Oberleutnant
Kögler (1. Kl.), Oberleutnant Krauser (1. Kl.),
Oberleutnant Hempel! (1. Kl.), Oberleutnant zur See
v. Roques (1. Kl.), Leutnant Ulmer (1. Kl.), Leutnant
Stober (1. Kl.), Leutnant Greiner (1. Kl.), Vize-
feldwebel Schramm (1. Kl.), Vizefeldwebel Ernst
Dircks (2. Kl.), Vizefeldwebel Schumm (2. Kl.),
Vizefeldwebel F. Weiß (1. Kl.), Unteroffizier Hammel-
mann (2. Kl.), Unteroffizier Fritz God duhn (2. Kl.),
Unteroffizier Johann Weiß (2. Kl.), Unteroffizier
A. Huck (2. Kl. und österreichische Tapferkeits-
medaille), Unteroffizier Schultz (2. Kl.), Unteroffizier
Heiligenstedt (2. Kl.), Unteroffizier Kamphausen
(2. Kl. und österreichische Tapferkeitsmedaille). Ge-
freiter Tillmanns (2. Kl.), Gefreiter Thuy (2. Kl.),
Gefreiter Besier (2. Kl.) und die Marinebeobachter
Bruno Majewsky (1. Kl.) und Steuermannsmaat
Karl Wendt (2. Ku). Weiters wurde verliehen dem
Leutnant Boelcke das Ritterkreuz des Hausordens
von Hohenzollern mit Schwertern, Oberleutnant
Schneider von der Feldfliegerabteilung 69 das
Ritterkreuz des Militär-St. Heinrich-Ordens, Leutnant
Immelmann von der Feldfliegerabteilung 62 und
Leutnant v. Gehe vom Armeeflugpark Gaede das
Ritterkreuz Il. Klasse des Albrecht-Ordens mit
Schwertern.
Bei einem Rundflug durch Oberbayern stürzte bei
Miesbach ein Doppeldecker aus bis jetzt noch un-
bekannter Ursache ab. Die Insassen gehörten der
EE —Uũä——— ee Ee
315
bayerischen Flieger-Ersatzabteilung an. Der Fiihrer
Leutnant Freiherr v. Seckendorf wurde verletzt,
während der Beobachter Oberleutnant Freiherr von
Crailsheim den Tod fand. Ein ähnliches Unglück er-
eignete sich am 26. November auf dem Flugplatz in Gotha,
wobei ebenfalls der Beobachter, ein Leutnant, tot war.
Bekanntlich wurden seitens der deutschen Heeres-
leitung für erbeutete feindliche Flugzeuge Eroberungs-
gelder ausgeschrieben. Das erste derartige Eroberungs-
geld für erbeutete Feindesflugzeuge wurde nun kürz-
lich der III. bayerischen Fliegerabteilung zugesprochen.
Leutnant Schlemmer mit Leutnant Baer als Be-
obachter, beide von dieser Abteilung, haben vor einiger
Zeit ein französisches Kampfflugzeug heruntergeholt.
Verschiedene interessante Meldungen sind der
Auslandspresse zu entnehmen. In Paris hat sich kürz-
lich ein schweres Fliegerunglück ereignet, das leicht
noch viel schwerere Folgen hätte nach sich ziehen
können. Beim Überfliegen der Stadt stürzte ein mit
zwei Militärfliegern besetztes Flugzeug ab und fiel
in der Nähe des Trocaderos nieder. Während der
eine tot war, blieb der andere schwer verletzt. Beim
Landen sind auf dem Militärflugplatz Le Bourget zwei
Flugzeuge zusammengestossen und alle vier Flieger
verbrannt. age einer Motorexplosion stürzte ein
Flugzeug des Marinefliegerparkes Dünkirchen aus
ca. 1000 m Höhe auf die Befestigungen von Saint
Pol-sur-mer und begrub die Insassen als Leichen.
Bei einem Erkundungsfluge ist vor wenigen Tagen
der Russe Slawarossow tödlich verunglückt. Wie
verlautet, beabsichtigt der schwedische Forscher
Dr. Erich Mjöborg eine Forschungsreise nach Neu-
Guinea im Flugzeug zu unternehmen. Zu diesem
Zwecke soll eine besonders große Maschine erbaut
werden. Ich werde noch einmal in späteren Heften
auf derartige Forschungsreisen im Flugzeug zurück-
kommen. W.
Das Gemälde »Die große Zeit« von Ludwig Koch.
Die offizielle Vertriebsstelle des Invalidenfonds-
Kriegsfürsorgeamt hat in jüngster Zeit, um für ihren
humanitären Zweck eine neue Einnahmsquelle zu
schaffen, eine Aktion eingeleitet, der nur voller Erfolg
gewünscht werden kann.
Der Maler Ludwig Koch hat auf Anregung einer
für die Kriegsfürsorge verdienstvollen Persönlichkeit ein
Gemälde »Die große Zeit« geschaffen, welches die
Fürsten und Staatsmänner der Zentralmächte bildlich
vereinigt, um so den durch die welthistorischen Ereig-
nisse enger zusammengeschweißten Monarchien eine
symbolische Darstellung zu geben. Das Gemälde, sich
auf einem düsteren aber doch durch einzelne Strahlen
der Friedenssonne erleuchteten Hintergrunde aufbauend,
zeigt eine Kavalkade von Majestäten, Prinzen und Heer-
führern zu Roß und zu Fuß, im Vordergrunde drei reichs-
deutsche und drei österreichisch-ungarische Soldaten. Es
macht in seiner Gesamtgruppierung einen überaus wohl-
tuenden Eindruck, und war am 17. und 18. September
in der Kunstsammlung des Invalidenfonds ausgestellt.
Am 5. Juli wurde das Originalgemälde von Seiner Majestät
besichtigt und war Seine Majestät sowohl über die ge-
lungene Ausführung als auch darüber, daß dieses Ge-
mälde zugunsten des Invalidenfonds geschaffen wurde,
sichtlich erfreut.
Seitens des Invalidenfonds wurde nun veranlaßt,
daß Kopien und Reproduktionen in den Verkehr gesetzt
werden, und diese Aktion kann nicht nur wegen der aus
dem Erlös der Verkäufe dem Invalidenfonds zufliessenden
Beträge, sondern auch deshalb gebilligt werden, daß
dadurch zahlreiche Künstler mit der Anfertigung der
Kopien und Reproduktionen Beschäftigung finden und
die Not im Künstlerstande dadurch gelindert wird.
Der Bürgermeister der Reichshaupt- und Residenz-
stadt Wien, Se. Exzellenz Dr. Richard Weiskirchner,
hat eine Kopie in der Größe des Originalgemäldes der
Gemäldegalerie der Reichshaupt- und Residenzstadt
Wien einverleibt.
Die offizielle Vertriebsstelle des Invalidenfonds,
III. Parazelsusgasse 11, und das Kriegsfürsorgeanit,
IX. Berggasse 15, nehmen Subskriptionen für die Kopien
und Reproduktionen entgegen.
Chronik.
Eine Flugzeug-Expedition zur Fr ors chung
Neu-Guineas. In der letzten Versammlung der Gesell-
schaft für Anthropologie und Geographie in Stockholm
hielt der Forschungsreisende Dr. Erich Mjöberg einen
Vortrag über seinen Plan, mit Flugmaschinen die bisher
unentdeckten Gebiete der Insel Neu-Guinea zu er-
forschen. Darüber liegen nun weitere Einzelheiten vor.
Dr. Mjöberg ist der Meinung, daß die Hochebenen des
Innern von Neu-Guinea besser mit einem Flugapparat
zu erreichen sind, als durch andere Verkehrsmittel, für
welche die dichten Urwälder und reißenden Ströme der
Insel ein großes Hindernis bilden. Die Hauptsache ist,
daß sich in dem unbekannten Innern geeignete Landungs-
plätze für Aeroplane finden. Für die Fahrt sollen zwei
Biplane vom Farman-Typ zur Anwendung kommen mit
festen Motoren, ein kleiner, nur für eine Person gebaut,
und ein großer mit Raum für fünf Personen und 500 kg
Ballast. Der erstere würde nur für Fahrten zur Erkun-
dung passender Landungsplätze dienen, während das
große Flugzeug für die Mitglieder der Expedition be-
stimmt wäre. Die Kosten des Unternelimens hat Doktor
Mjöberg auf etwa 150.000 Kronen veranschlagt.
316
Die Sichtbarkeit des Unterseebootes vom Luft-
schiff aus. Uber die Sichtbarkeit der Unterseeboote
vom Luftfahrzeug aus liegen jetzt im Anschluß an be-
sondere optische Untersuchungen über senkrecht reflek-
tiertes Licht von Prof. Dr. Richarz (Marburg) in der
»Deutschen optischen Wochenschrift« auch wissenschaft-
liche Erfahrungen vor, die für die im gegenwärtigen
Weltkriege tatsächlich erprobte Verwendung der Luft-
fahrzeuge als Waffen gegen die Unterseeboote beachtens-
werte physikalische Erklärungen geben. Erfahrungsgemäß
können die U-Boote vom Luftschiff oder Flugzeug
wesentlich besser unter der Wasseroberfläche, bei ruhiger
See sogar bis zu 20 m Tiefe, gesehen werden, als vom
Seeschiff. Im letzteren Falle handelt es sich um eine
schräge, im ersteren um eine senkrechte Reflexion der
Lichtstrahlen, wobei das Himmelslicht weniger stört und
das Bild eines Gegenstandes unter dem Wasser kräftiger
auf das Auge wirkt.
Englische Flieger in Palästina. Am 11. Oktober
mußte ein bei Gaza aufgestiegenes französisches Flug-
zeug, wie dem »Flugsport« aus Jaffa berichtet wird, ın
der Gegend von Berseba in der Wüste landen und
wurden die Insassen gefangen genommen. Bei El Arisch,
am Meer südlich von Gaza, soll ebenfalls ein feindliches
Flugzeug heruntergeschossen worden sein, dessen Be-
mannung auch gefangengenommen wurde. Das engli-
sche Flugzeugmutterschiff fuhr am 13. Oktober mit
nördlichem Kurs an Jaffa vorbei. Mit Eintritt der stürmi-
schen Jahreszeit werden die Feinde ihre Fliegertätigkeit
von See aus wohl sehr einschränken müssen.
Eine hervorragende Fliegerleistung. Am 29. No-
vember stiegen in Rogatica vier Flieger auf. Sie
durchflogen eine Strecke von 300 km bis Castelnuovo
bei 30 Grad Kälte, meist in einer Höhe von 2600 m!
Sie stiegen um 10 Uhr vormittags auf, kamen um 1 Uhr,
also in drei Stunden an. Nach dieser erstaunlichen
Leistung kehrten sie heil mit wichtigem Aufklärungs-
material zurück.
Eine Fallschirmlandung aus 3000 m Höhe.
Nach einer Meldung des Lokalanzeigers aus Rotterdam
soll der englische Marineflieger Oberleutnant Mait-
land eine gelungene Fallschirmlandung aus seinem
Flugzeug ausgeführt haben. Er stieg in London mit
seinem Apparat 3000 m hoch und sprang dann mit
einem selbstgebauten Fallschirm aus dem Flugzeug.
Trotz der enormen Höhe landete der Offizier wohl
behalten.
Schweizer Flieger in Deutschland. Der Schweizer
Flieger Züst von Heiden (Appenzell außer Rhoden),
der 1m deutschen Heere Dienst leistet und schon im
September 1914 an der Westfront das Eiserne Kreuz
zweiter Klasse erhalten hatte, ist während der großen
Oktoberkämpfe in der Champagne mit dem Eisernen
Kreuz erster Klasse ausgezeichnet worden.
Patenterteilungen
des k. k. österreichischen Patentamtes über Erfindungen auf dem Gebiete der Luftschiffahrt im Jahre 1915.
Klasse 77d.
Nr. 67.459. Ein durch Propeller angetriebe
nes Luftfahrzeug mit Geschütz, das derart ange-
ordnet ist, daß es möglich ist, ohne durch den Propeller
behindert zu werden, in der Richtung der Propellerachse
zu schießen. — Daimler-Motoren-Gesellschaft
in Untertürkheim bei Stuttgart. — 15. Juni 1914.
Nr. 67.460. Zusatzpatent zu obigem Luftfahrzeug. —
Daimler-Motoren-Gesellschaft in Untertürk-
heim bei Stuttgart. — 15. Juni 1914.
Nr. 67.547. Einrichtung zur Höhen- und Schräg-
steuerung von Luftfahrzeugen. — John Wesley
Boughton in Philadelphia. — 1. Juh 1914.
Nr. 67.548. Schraubenflieger, welcher mittels
einer Anzahl von Flügeln, welche am Umfange eines
Fallschirmes um radiale Achsen verstellbar angeordnet
sind, getrieben wird. — Jacob Christian Hansen-
Ellehammer in Kopenhagen und Niels Waltersen
Aasen in Frederiksberg bei Kopenhagen. — 1. Juli 1914.
Nr. 67.552. Stabilisierungseinrichtung an
Luftfahrzeugen. — Josef Stadelmann in Buch bei
Bregenz. — 1. Juli 1914.
ä Nr. 67.651. Trag- oder Bremsflache. — August
Redlin in Wien. — 1. Juni 1914.
Nr. 67.896. Flugmaschine mit Stoffbalınen
zusammen- und entfaltenden Segelradern. — Kurt
Schultze in Berlin-Pankow. — 15. Juli 1914.
Nr. 67.901. Ballonhülle — Dr. Max Mosz-
kowski in Berlin-Grunewald und Alwin Loewenthal
in Berlin-Charlottenburg. — 1. August 1914.
Nr. 68.090. Propeller mit verstellbaren Flügeln. —
Albert Hirth in Cannstatt-Stuttgart. — 1. August 1914.
VATENTE
Nr. 68.121. Flugzeug mit verstellbaren beider-
seitigen Tragflügeln. — Wenzel Gisman in Prag. —
1. August 1914.
Nr. 68.702. Flugzeug mit auf- und abbewegten
Flügeln. — Dr. Max Fabiani in Wien. — 15. No-
vember 1914.
Nr. 68.703. Lenkeinrichtung für Flugzeuge mit
nebeneinander befindlichen Sitzen. — Glenn Hammond
Curtiß in Hammondsport (V.St.A.). — 15. No-
vember 1914.
Nr. 69.041. Lenkbares Fahrgestell für Flug-
zeuge. — Jacob Lohner & Comp. in Wien. —
l. Dezember 1914.
Nr. 69.183. Lenkballon. — Karl Königs-
wieser in Wien. — 1. Dezember 1914.
Nr. 69.184. Tragfläche für Flugzeuge. — Alois
Wolfmüller in Pasing bei München. — 15. August 1914.
Nr. 69.185. Flugzeug. — Josef Bércz in Köln-
Ehrenfeld. — 15. Dezember 1914.
Nr. 69.563. Flugzeug. — Käthe Mahr in Baden
bei Wien. — 1. Februar 1915.
Nr. 69.565. Schwimmer für Wasserflugzeuge. — .
Oskar Ursinus in Frankfurt a. M. — 15. De
zember 1914.
Nr. 69.568. Quersteuerklappe für Flugzeuge. —
Luft-Verkehrs-Gesellschaft, Aktiengesellschaft in
Johannisthal bei Berlin.
Nr. 69.569. Abfeuerungs vorrichtung für
SchuBwaffen auf Luftfahrzeugen. — Franz Schneider
in Johannisthal bei Berlin. — 15. Dezember 1914.
Nähere Beschreibungen zu vorstehenden Patenten folgen in der
nächsten Nummer: 1/2 1916.
Muster- und Markenschutz in allen Ländern
erwirkt
Ing. J. FISCHER, Patentanwalt
Wien, I. Maximilianstrasse Nr. 5.
Seit 1877 im Patentfache tätig.
Herausgegehen vom: »K. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein«. — Für die Redaktion verantwortlich‘ Anton Klinger.
Druck von Otto Maaß’ Söhne, Wien l.
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des unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Majestät des Kaisers und Königs
stehenden
K. K. ÖSTERREICHISCHEN FLUG TECHNISCHEN VEREINES.
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Nr. 1/2 Jänner 1915 7 IX. Jahrgang
AUFRUF.
Der gegenwärtige Weltkrieg bat der Flugtechnik und Luftschiffabrt eine Reibe
unvergänglicher Erfolge gebracht. Eine unmittelbare Folge davon ist die erfreuliche
Tatsache, daß der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein, welcher an der Ent:
wicklung unserer nationalen Flugtechnik großen Anteil genommen bat, seit Beginn
des Krieges eine nambafte Anzahl von Beitritten aufzuweisen hat. Das Präsidium
des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines will diese Gelegenheit gerne er-
greifen, um nochmals an die verehrten Mitglieder und Kompatrioten den dringenden
Appell zur Werbung neuer Mitglieder zu richten.
Großes haben wir geleistet, noch größere Aufgaben harren unser!
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Mitteilung der Redaktion.
Ich bringe hiemit den Lesern unserer Zeitschrift zur Kenntnis, daß Herr FRITZ ELLYSON die
redaktionellen Agenden des im Felde weilenden Generalsekretärs Herrn Oberst WILHELM SUCHOMEL,
sowie des ebenfalls einberufenen Redakteurs Herrn Ing. ADOLF JANISCH übernommen bat und in dieser
Eigenschaft seit 15. August w „tätig, ist...
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Der Chefredakteur:
Ing. A. BUDAU, Professor an der k. k. Technischen Hochschule.
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jAVISO!
An die P. T. Mitglieder des k. k. Österreichischen
Flugtechnischen Vereines.
Gelegentlich der Durchsicht unserer Bibliothek hat die Vereins-
leitung festgestellt, daß zahlreiche Bücher seit längerer Zeit
an die Mitglieder des k. k. Osterreichischen Flugtechnischen
Vereines verliehen worden sind, ohne bisher rückgestellt zu
werden. Die P. T. Vereinsmitglieder werden daher höflichst
ersucht, die entliehenen Bücher ehebaldigst der Vereins-
leitung rückzuerstatten. Bis zur beendeten Revision ist die
Verleihung von Büchern aus der Bibliothek nicht möglich.
Das Sekretariat des k. k. Österreichischen Flugteehnisehen Vereines.
II
Ergebnis der Ill. Fluglotterie, veranstaltet vom k. k. Österreichischen
Flugtechnischen Verein.
Wie in den verflossenen Jahren, veranstaltete der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein auch im
abgelaufenen Jahre 1914 eine, zahlreiche Werttreffer umfassende Lotterie, deren Ergebnis dank reger Beteiligung
seitens der Mitglieder unseres Vereines, wie auch der weiteren Öffentlichkeit, ein recht günstiges genannt
werden kann.
Die Bilanz dieser vom k. k. Finanzministerium mit 50.000 Losen & 1 K bewilligten Lotterie ergab
nämlich folgendes Resultat:
Einnahmen für 13.708 verkaufte Lose ....... m m nn nern K 13.708 —
Für Ziehüngslisten:. =i ] «] x ee ͤũòᷓTm G a „ 23195
í E Zusammen K 13.939°95
Die Ausgaben betrugen für Treffer, Provisionen, Postsparkassa und Portospes en K 3.539°32
Für Reklame, Miete, Gehälter, Betriebserfordernisse ..... o „ 4.595°13
Für Drucksorten und Divers „ 1.759927
Zusammen K 9.89372
Das Reinerträgnis beträgt somit K 4046'23, welches Vereinszwecken zugeführt wird.
AVISO.
Von den Jahrgängen 1912, 1913 und 1914 der Vereinszeitschrift wird eine größere |
Zahl von Exemplaren, soweit ‘der Vorrat reicht, um den ermäßigten Betrag von je
K 8°— abgegeben. Bestellungen sind an das Vereinssekretariat zu richten.
Die Redaktion der Österreichischen Flug-Zeitschrift.
Degener
Unsere Zeitgenossen
Neueste VII. völlig umgearbeitete Ausgabe
Enthält ausserdem: die Biographien der deutschen und ausser-
deutschen Staatsoberhäupter der europäischen regierenden _
Fürstenfamilien, wich®&e Angaben über Herkunft, Lebens-
lauf, Familie, Werke, $chöpfungen, Lieblingsbeschäftigungen,
Adresse etc., ein Pseufdonym-Lexikon ca. 3200 gegenwärtiger
Schriftsteller und Küfistler; authentische Angaben über die
hauptsächlichsten Bildungsstätten des Geistes, wie Universi-
täten, Hochschulen, Lyceen, Bibliotheken, Archive, Akademien,
gelehrte Gesellschaften, Museen, Sammlungen etc. etc.
2149 Seiten mit rund 14 Millionen Buchstaben, Gr.-8°
Vornehm gebunden Mk. 13°50
Fast der ganze Inhalt beruht auf Selbstangaben
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i Offizielle Mitteilungen
des unter dem Allerhéchsten Protektorate Seiner Majestät des Kaisers und Königs
stehenden
K. K. ÖSTERREICHISCHEN FLUGTECHNISCHEN VEREINES.
Nr. 3/4 Februar 1915 IX. Jahrgang
Funktionäre des Vereines.
Erster Ehrenpräsident:
Se. Durchlaucht Fürst Hugo Dietrichstein zu Nikolsburg Graf Mensdorff-Pouilly, k. u. k. Geheimer
Rat, Generalmajor a. D. etc.
Ehrenpräsidenten:
August Ritter v. Ritt, k.u.k. Geheimer Rat, Leopold Schleyer Edier von Pontemaighera,
k. k. Minister a. D. etc. k. u. k. Feldmarschalleutnant und Sektionschef im k. u. k. Kriegs-
sterium.
Präsident:
Alexander Cassinone, Generaldirektor der Maschinenfabriks A.-G. Körting in Wien.
Vizepräsidenten:
Franz HinterstoiBer, k. u. k. Major, Vizepräsident des Dr. Konstantin Freiherr v. Economo, Präsident
k. k. Österreichischen Aeroklubs. des k. k. Österreichischen Aeroklubs etc.
Richard Knolier, Professor an der k. k. Technischen Hochschule Wien.
Bibliothekare: Revident Georg Eckardt, Ing. Franz Wels. Kassier: Dr. Arnold Hildesheimer.
Kassier-Stellvertreter: James Worms, Bankbeamter.
AusschuBmitgileder: Altmann Josef, k. k. Baurat: Angeli Robert v., k. k. Rechnungsdirektor; Ascher Moritz, Dr.; Austerlitz
Leopold, Dr., k. u.k. Oberst; Bechtel Friedrich, Redakteur; Bellak Paul, Prokurist; Beschorner Alexander, kaiserl. Rat;
Booms Wilhelm, k. u. k. Hauptmann; Budau Artur, k. k. Hochschulprof.: Castiglioni Camillo. k. k. Kommerzialrat; Doblhoft
Walter, Freih. v., Dr.-Ing.; DoleZal Eduard, k. k. Hofrat; Eckardt Georg, Revident; pte T Artur, k. k. Kommerzial-
rat; Etrich Igo, Großindustrieller; Flesch Josef, kaiserl. Rat; Foregger Richard v., Dr.; edmann Max, Reichsrats-
abgeordneter; Gerstner Ferd., k. k. Oberbaurat; Hofmann Raoul, „; Hildesheimer Arnol Dr.; Jung Franz, Dr., k. k.
Prof.; Kann Rudolf, techn. Beamter; Katzmayr Richard, Ing.; Kirsch B., k. k. Prof.; Kiticsän Koloman, k. u. k. Oberst -
leutnant; Kolowrat-Krakovsky Alexander, Graf; Kövesdy Theodor, k. k. Inspektor; Neumann Josef, k. u. k. Oberst d. R.;
Nikel Hugo L., k. u. k. techn. Oberoffizial; Orel Eduard, Ritter v., k. u. k. Hauptmann; Orelli Hans Friedrich v., Schrift-
steller; Petröczy Stephan v., k. u. k. Hauptmann; Pittner Hans, Schriftsteller; Pflanzer Rupert, k. k. Rechnungsrevident;
Pfungen Otto, Baron; Porsche Ferd., Direktor; Rädy-Maller Maximilian, Direktor; . Franz, Ing.; Riedmatten
Roger de; Saltiel Wilh. v., k. k. Oberrevident; Schimek Rudolf, k. u. k. Major; Schmidl Ludwig, k. u. k. Rittmeister; Schmidt
Leopold, Ing., Prof.; Schuster Anton, Revident; Stobanzl Karl, k. u. k. Hauptmann; Tauber Friedrich, k. u. k. Hauptmann;
Tindi Kan .; Umlauff Hans Ritter v. Frankwell, k. u. k. Major; Uzelac Emil, k. u. k. Oberst; Warchalowski August,
Direktor; Wechsler Norbert, Privatier; Wels Franz, Ing.; Worms James, Bankbeamter; Wurzel Georg Karl, Dr.; Zoller
Johann, Ober-Ing.
Im Sinne der 88 6 und 8 der Statuten wurden zu Mitgliedern des Ausschusses delegiert vom
k. k. Handcisministerium: k. k. Baurat Josef Altmann;
k. k. Ministerlum für Kultus und Unterricht: Ministerialrat Dr. Rudolf Ritter v. Pollak; als Vertreter der
— » entralanstalt für Meteorologie . ynamik: Direktor Prof. Wilh. Trabert;
K. k.eMiinisterium für öffentliche Arbejten: k. k. Oberbaurat Karl Goebl;
ae: Y ROKriegsministerium: Emil Uzelac, k.\u. k. Oberst;
` yt: k. Krlegsministerlum, 5 ilon: Wladimir Slawik, k. u. k. Linienschiffsleutnant.
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Ilm Sinne des § 9 der Statuten: Georg Schic
4 - Im Sinne des § 11 derStatuten wurden von den Zweigvereinen (Landesdelegierten) in den Ausschuß kooptiert, und zwar vom:
n PI igtechnischen Verein in Mähren ı Justin Robert, Großindustrieller.
Flugtechnlschen Verein in Schlesien 'ı Dr. Stephan Zwierzina, Troppau.
Vereins-Sekretariat: k. u. k. Oberst d. R. Wilhelm Suchomel, Generalsekretär.
Vereinsiokalitäten, Sekretariat und Redaktion: Wien, I. Uraniastraße (Uraniagebäude), 3. Stock. Bureaustunden an Wochen-
tagen von l9 bis 12 und 1½3 bis 6 Uhr. Telephon Nr. 13.340. Postsparkassenkonto 88.760.
Das Lesezimmer und die Vereinsbibliothek stehen den Mitgliedern des Vereines an Wochentagen, und zwar am Montag,
Mittwoch und Samstag von 4 bis 6 Uhr zur Verfügung.
AVISO.
Von den Jahrgängen 1911, 1912, 1913 und 1914 der Vereinszeitschrift wird eine
größere Zahl von Exemplaren, soweit der Vorrat reicht, um den ermäßigten Betrag
von je K 8°— abgegeben. Bestellungen sind an das Vereinssekretariat zu richten.
| Die Redaktion der Österreichischen Flug-Zeitschrift.
Der gegenwärtige Weltkrieg hat der Flugtechnik und Luftschiffahrt eine Reibe
unvergänglicher Erfolge gebracht. Eine unmittelbare Folge davon ist die erfreuliche
Tatsache, daß der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein, welcher an der Ent-
wicklung unserer nationalen Flugtechnik großen Anteil genommen bat, seit Beginn
des Krieges eine nambafte Anzahl von Beitritten aufzuweisen bat. Das Präsidium
des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines will diese Gelegenheit gerne er-
greifen, um nochmals an die verehrten Mitglieder und Kompatrioten den dringenden
Appell zur Werbung neuer Mitglieder zu richten. .
Großes haben wir geleistet, noch größere Aufgaben harren unser!
Neubeitritte seit November 1914.
Stifter: Philipp Freiherr Haas v. Teichen, Wien; Dr. Karl Freiherr v. Skoda, Generaldirektor der Skoda-
werke A.-G., Wien.
Lebenslängliche Mitglieder: Anton Ritter v. Kerpely, Generaldirektor der Österr. Alpinen
Montan-Gesellschaft, Wien; Baron Louis v. Rothschild, Wien; Karl Thonet, k. k. Kommerzialrat, Wien.
Gründer: Albert Frankfurter, Hofrat, Generaldirektor des Österreichischen Lloyd, Triest; Anton von
Harpke, k. k. Kommerzialrat und Fabriksbesitzer, Wien.
Unterstützende Mitglieder: Ferdinand Graf Kinsky, S. M. Oberststallmeister, Wien;
L. August Lohnstein, Generaldirektor der k. k. priv. österr. Länderbank, Wien; Poldihütte, Wien; Franz Ritter
Regenhart v. Zapory, Wien.
Ordentliche Mitglieder: Wilhelm v. Boschan, Wien; Leopold Baß, k. k. Kommerzialrat, Wien;
August Denk, k. k. Kommerzialrat, Wien; Viktor Diemansberger, Techniker, Wien; Eduard Engel, Wien;
Alfred Fluß, Fabrikant, Freiberg; Dr. Heinrich FrieB, Industrieller, Wien; Dr. Ignaz Gruber v. Menninger,
Geheimer Rat, Wien; Dr. med. Karl Hochsinger, Universitätsdozent, Wien; Dr. Hermann Höfinger, Hof- und
Gerichtsadvokat, Wien; Dr. Alfred Neumann, Generalsekretär der Ersten k. k. priv. Donau-Dampfschiffahrts-
Gesellschaft, Wien; Michael Oblath, Wien; Otto Olbrich, Würbenthal; Egon L. on, Ingenieur, Olovo;
Dr. Viktor Quittner, diplomierter Ingenieur, Fischamend; Karl Redlich, k. k. Oberbaurat, Wien; Franz Freiherr
v. Ringhoffer, GroBindustrieller, Smichow; Dr. Hans Freiherr v. Ringhoffer, Großindustrieller, Smichow; Julian
Romanczuk, Vizepräsident des Abgeordnetenhauses, Wien; M. Rotter, Direktor, Wien; Heinrich Schicht jun.,
Präsident der Georg Schicht A.-G., Aussig; Dr. Wilhelm v. Scheuchenstuel, k. k. Sektionschef und General-
direktor, Wien; Heinrich Schnabel, k. k. Kommerzialrat, Wien; Dr. Franz Ritter von Schonka, Präsident der
Ersten k. k. priv. Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft, Wien; Paul v. Seybel, Präsident der Allg. Verkehrs-
bank, Wien; Karl Smekal, Südbahn-Inspektor, Wien; Leopold Spira, Wien; Theodor Theyer, kaiserl. Rat,
Wien; Vianelli Giorgio, Präsident der Handels- und Gewerbekammer, Rovigno.
Teilnehmer: Fritz Lichtenstern, Wien.
Die P. T. Mitglieder werden ersucht, sich rege an der Werbung neuer Mitglieder
zu beteiligen.
Niemandem wird durch die Beitrittsaufforderung eine ernstliche Last zugemutet.
Jeder, der beitritt Damen und Herren, vom Stifter bis zum Teilnehmer), stärkt
die Organisation des Vereines. Jeder Neueintretende ist gleichmäßig willkommen.
Werbeschreiben stehen über Anforderung zur Verfügung. Die Abhaltung von
Propagandavortragen zur Erweckung des Allgemeininteresses für die Entwicklung
der Flugtechnik wird erbeten.
AVISO!
An die P. T. Mitglieder des k. k. Österreichischen $
Flugtechnischen Vereines.
Gelegentlich der Durchsicht unserer Bibliothek hat die Vereins-
leitung festgestellt, daß zahlreiche Bücher seit längerer Zeit
an die Mitglieder des k. k. Österreichischen Flug technischen
Vereines verliehen worden sind, ohne bisher rückgestellt zu
werden. Die P. T. Vereinsmitglieder werden daher höflichst
ersucht, die entliehenen Bücher ehebaldigst der Vereins-
leitung rückzuerstatten. Bis zur beendeten Revision ist die
Verleihung von Büchern aus der Bibliothek nicht möglich.
Das Sekretariat des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines.
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; des unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Majestät des Kaisers und Königs ;
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K. K. ÖSTERREICHISCHEN FLUGTECHNISCHEN VEREINES,
Nr. 5/6 | März 1915 IX. Jahrgang
Aufruf.
Der gegenwärtige Weltkrieg hat der Flugtechnik und Luftschiffabrt eine Reihe
unvergänglicher Erfolge gebracht. Eine unmittelbare Folge davon ist die erfreuliche
Tatsache, daß der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein, welcher an der Ent-
wicklung unserer nationalen Flugtechnik großen Anteil genommen hat, seit Beginn
des Krieges eine namhafte Anzahl von Beitritten aufzuweisen hat. Das Präsidium
des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines will diese Gelegenheit gerne er-
greifen, um nochmals an die verehrten Mitglieder und Kompatrioten den dringenden
Appell zur Werbung neuer Mitglieder zu richten.
Großes haben wir geleistet, noch größere Aufgaben harren unser!
Personalnachricht.
Unser geschätztes Ausschußmitglied, Vizepräsident des Allgemeinen Automobilverbandes Herr Hans
Friedrich v. Orelli, der seit Kriegsbeginn als Ordonnanzfahrer auf dem nördlichen Kriegsschauplatze in
Verwendung stand und in dieser Eigenschaft bereits ausgezeichnet worden ist, wurde durch die Verleihung
des Marianerkreuzes ausgezeichnet.
Direktor Viktor Cassinone f.
Die Vereinsleitung erfüllt hiemit die traurige Pflicht, allen Mitgliedern, Freunden und Förderern zur
Kenntnis zu bringen, daß unser Präsident, Herr Generaldirektor Alexander Cassinone, wie auch der
k. k. Österreichische Flugtechnische Verein, einen schweren Verlust zu beklagen haben. Unser hochgeschätztes
Mitglied, Herr Viktor Cassinone, ein Bruder unseres Herrn Präsidenten und Direktor der Körting-Werke in
Bärcelona, ist dortselbst am 24. Februar plötzlich verschieden. Der Verblichene hat während seines hiesigen
Aufenthaltes als Sportkommissär die Bestrebungen unserer nationalen Aviatik stets aufs wärmste gefördert
und sich um deren Organisation die größten Verdienste erworben. Der k. k. Österreichische Flugtechnische
Verein, zu dessen geschätztesten und beliebtesten Mitgliedern Herr Direktor Viktor Cassinone gezählt hat,
wird dessen Andenken stets hoch in Ehren halten. R. I. P.
Der Inhaber des österreichischen Patentes Nr. 53.271 vom 1. Jänner 1912, betreffend:
„Lenkbares Luftschiff“
wünscht behufs Fabrikation des patentierten Gegenstandes mit österreichischen Fabrikanten in Ver-
bindung zu treten. Derselbe ist gerne bereit, das Patent zu verkaufen sowie Lizenzen zu erteilen oder
andere Vorschläge zur Ausführung des Gegenstandes des in Frage stehenden Patentes entgegenzunehmen.
Gefällige Anträge unter >H. B. 331« an die Expedition Rudolf Mosse, Wien, I. Seilerstätte Nr. 2.
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Vortragszyklus über Luftfahrt im Wiener Volksbildungsverein.
a Über Initiative unseres geschätzten Ausschuß mitgliedes, des Herrn Paul Bellak, veranstaltet der
Wiener Volksbildungsverein, V. Stöbergasse 13—15, einen populär und ungemein belehrend
gehaltenen Vortragszyklus über das Gesamtgebiet der modernen Luftfahrt und ihrer wissen-
schaftlichen, wie auch rechtlichen Grundlagen. Mit Rücksicht darauf, daß das umfangreiche Gebiet
in eine Reihe von untergeordneten Spezialgebieten zerlegt wurde, welche durch berufene Fachkräfte
behandelt werden, ist den weitesten Kreisen dadurch die Möglichkeit gegeben, sich über die vielen Einzel-
disziplinen der Luftfahrt in einer Weise zu orientieren, die bezüglich der Fülle des Gebotenen
bisher noch nicht erreicht wurde. Den ersten Vortrag hielt Ausschußmitglied des k. k. Österreichischen
Flugtechnischen Vereines, Schriftsteller Herr Hans Friedrich v. Orelli, welcher einleitend über das Thema:
»Vom Kampfe um das Luftreich« sprach. Den zweiten Vortrag in dieser Reihe hielt Ausschußmitglied Herr
Paul Bellak über »Einführung in die Aerostatik«, in welcher der Vortragende in ungemein anschaulicher
Weise die Prinzipien des statischen Auftriebes an der Hand instruktiver Bilder und Vorführungen klarlegte.
Das weitere Programm sieht noch die folgenden Vorträge vor:
Dienstag den 16. März 1915. Der Fessel- und Freiballon in Theorie und Praxis. Ing. Paul Kürt, Ballonführer.
R BER a „ Motorkunde. Ing. Hans Popper.
30. „ „ Die Lenkballons. Ing. Karl Tindl.
š „ 6. April „ Einführung in die Aerodynamik. Ing. Karl Tindl, Konstrukteur an der k. k.
Technischen Hochschule. |
5 „ 13. „ » Aeroplane I. Fritz Ellyson, Flugzeugkonstrukteur.
> „ 20. , „ Aeroplane II. Fritz Ellyson, Flugzeugkonstrukteur.
= 2.27: 25 „ Wasserflugzeuge. Fritz Ellyson, Flugzeugkonstrukteur.
a „ 4 Mai „ Schrauben- und Schwingenflieger, sowie andere Konstruktionen. Paul Bellak,
AusschuBmitglied des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines.
= =: | rome „ Luftverkehrsrecht. Dr. O. Ritter v. Komorczynski-Osczynski.
i = I8. „ = at und Flugwesen. Dr. Georg Stein, Demonstrator der Ersten Lehrkanzel
i ür Anatomie.
Eventuelle weitere Vorträge werden rechtzeitg noch bekanntgegeben werden.
Das Sekretariat des Wiener Volksbildungsvereines hat sich in entgegenkommendster und dankens-
wertester Weise bereit erklärt, Mitgliedern des k. k. Osterreichischen Flugtechnischen Vereines den Besuch
aller dieser Vorträge, der gegen Lösung einer Kurskarte von K 4.— möglich ist, eine Begünstigung im
Ausmaße von 25 Prozent zu gewähren. Es ergeht daher an alle Mitglieder des k. k. Österreichischen
Flugtechnischen Vereines sowohl im Hinblick auf die Reichhaltigkeit des vorgetragenen Materiales, wie auch
in Berücksichtigung der besonders günstigen Gelegenheit die höfliche Einladung zur Teilnahme an diesem
Kurs. Anmeldungen hiezu nimmt das Sekretariat des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines, Wien,
l. Uraniastraße 1 (Uraniagebäude), wie auch das Sekretariat des Wiener Volksbildungsvereines, Wien, V.
Stöbergasse 13/15, entgegen.
Einbanddecken für die Österreichische Flug-Zeitschrift.
Im Sekretariate des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines, Wien, I.
Aspernplatz (Uraniagebäude), sind, so lange der Vorrat noch reicht, mehrere Einband-
decken zu den Jahrgängen 1911, 1912, 1913 und 1914 .der Österreichischen Flug:
Zeitschrift in eleganter schwarzer Leinenpressung mit Aufdruck in Goldlettern zum
Preise von K 2°50 pro Stück erhältlich. Versand erfolgt gegen Voreinsendung oder
Nachnahme des Betrages.
Aviso für Vereine, Bibliotheken, Buchhändler und Schulen.
In der Administration der Österreichischen Flug-Zeitschrift, Wien, I. Aspernplatz
(Uraniagebäude), ist noch eine größere Anzabl der Jahrgänge 1911 bis 1914 der
Österreichischen Flug-Zeitschrift zu dem herabgesetzten Husnabmspreise von K 2°—
pro Jahrgang erhältlich. Mit Rücksicht darauf, daß der Inhalt dieser Jahrgänge nicht
bloß eine Fülle gediegenen wissenschaftlichen und auch popular-belebrenden Materiales
enthält, dabei aber auch die ganze bistorische Entwicklung der Luftfahrt bis auf den
heutigen Tag behandelt, ergeht an alle Interessenten, Vereine, Bibliotheken und
Schulen die böfl. Einladung, durch baldige Subskription von diesem Sonderangebote
freundlich Gebrauch machen zu wollen. Auf Wunsch werden die verlangten Jahrgänge
innerhalb der Wiener Gemeindebezirke von der Administration aus zugestellt. Post-
versand erfolgt nur per Nachnahme oder Voreinsendung des Betrages.
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K. K. OSTERREICHISCHEN FLUGTECHNISCHEN VEREINES.
Nr. 7/8 April 1915 IX. Jahrgang
EINLADUNG
I. ordentlichen Hauptversammlung
Mitglieder des K. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines
10. Mai 1915, präzise 7 Uhr abends
im
Festsaale der Wiener Handels-Akademie
Wien, I. Akademiestraße 12.
TAGESORDNUNG:
1. Geschäftsbericht des Ausschusses für das Vereinsjahr 1914.
2. Bericht der Revisoren für das Jahr 1914 und Antrag auf Erteilung des Absolutoriums für
die finanzielle Gebarung des Ausschusses.
3. Wahlen nach § 13 der Statuten. (Wahl von Ehrenmitgliedern, korrespondierenden Mit-
gliedern, Verifizierung der im Laufe des Jahres 1914 vorgenommenen Kooptierungen in
den Vereinsausschuß.)
4. Allfallige Anträge aus dem Kreise der Vereinsmitglieder. (Solche Anträge müssen bis
spätestens 3. Mai 1915, 12 Uhr mittags, im Sekretariat des k. k. Österreichischen Flug-
technischen Vereines, Wien, I. Uraniastraße 1, einlangen. Später eingelangte Anträge
können zur Verhandlung in der Hauptversammlung nicht mehr zugelassen werden.
= Elend ieder Stifter, lebenslangliche Mitglieder, Gründer, unterstützende, korrespondierende
und ordentliche Mitglieder haben aktives und passives Wahlrecht und sind stimmberechtigt.
Zwecks eventuell notwendiger Legitimation wird die Mitnahme der Mitgliedskarte empfohlen.
II
Bericht des Vereins ausschusses über die Tätigkeit des Vereines
im Jahre 1914.
Schwere Gewitterwolken begannen sich bereits am
politischen Horizont zu bilden, als das in jeder Be-
ziehung so ungemein ereignisreiche Jahr 1914 anbrach,
das im Hinblicke auf die Größe, Zahl und propa-
andistische Bedeutung seiner aviatisch - sportlichen
anifestationen vielleicht als die markanteste Epoche
unserer nationalen Flugtechnik bezeichnet werden muß.
Denn lange noch, bevor das definitive Programm
der flugtechnischen Veranstaltungen für das verflossene
Jahr festgelegt und abgeschlossen war, stand schon
die Abhaltung zweier großer Wettbewerbe fest,
nämlich jene des Schicht-Flug es und die der Wiener
Flug woche. Besonders die erstgenannte Veranstaltung,
der Flug um ‘den 100.000 Kronen-Preis der Aussiger
Großindustrielen Georg und Heinrich Schicht,
bildete die vortretendste Neuerscheinung im
Programme unserer bisherigen Konkurrenzen,
sie sollte aber auch gleichzeitig eine Kraftprobe unserer
einheimischen Industrie sein, welche nun zum erstenmal
vor die Aufgabe gestellt wurde, Apparate in einen
über weite Strecken unserer Monarchie führenden
Rundflug zu schicken. Wie gut diese, durch didamaligen
schwierigen, industriellen Verhältnisse erschwerte Auf-
gabe von unseren Konstrukteuren und Fliegern gelöst
worden ist, darüber wurde bereits in dieser Zeitschrift
gesprochen. Es sei nur hier die in sportlicher Beziehung
bedeutsanıe Tatsache wiederholt, daß der Wettbewerb
um den 100.000 Kronen-Schicht-Preis, der im Vorjahre
eben zur Austragung gelangte, der erste 80
Rundflug durch österreichischs- ungarisches
Gebiet, die erste rein nationale berland-
Konkurrenz in unserem Reiche überhaupt
war. An dieser Stelle erachtet es die Vereinsleitung
als ihre Pflicht, den Herren Georg und Heinrich
Schicht für die so munifizente Förderung unseres
Flugsportes den wärmsten Dank auszusprechen.
Das zweite, in seiner Bedeutung nicht minder
einzuschätzende sportliche Ereignis des verflossenen
Jahres war die Ill. Internationale Flugwoche in Aspern,
die dank der günstigeren wirtschaftlichen Verhältnisse
zu der imposantesten Veranstaltung wurde, die in Aspern
je arrangiert worden war. Mit besonderer Be-
friedigung muß hiebei die diesmals stärkere Be-
teiligung der deutschen Flugzeugindustrie und
der deutschen Flieger selbst hervorgehoben werden,
die ja sonst die Internationalen Wiener Flugwochen in
recht bescheidener Zahl besuchten. Diesmal standen sich
die berühmtesten Fliegerund Apparattypen Deutschlands,
‚Österreichs und Frankreichs gegenüber, und diese
Tatsache, im Vereine mit der großen Zahl der Teil-
nehmer ist es, welche diesem Meeting den Stempel des
Großartigen und Imposantesten aufdrückt.
Aber auch an sensationellen, aus der Schablone
des Alltäglichen fallenden Darbietungen hat es im
verflossenen Jahre nicht gefehlt. Wir nennen an dieser
Stelle nur kurz die Schauflüge des Pegoud-Schülers
Baron v. Pasquier, der beiden Fallschirmkünstler
Lemoine und Bourhis, der Fallschirmversuche des
Barons v. Odkolek, die insgesamt einen sehr guten
Besuch aufzuweisen hatten.
In industrieller Hinsicht hat sich in unserem
engeren Vaterlande im letzten Jahre ein Wandel
vollzogen, der im Interesse unseres militärischen
Flugwesens nur auf das lebhafteste begrüßt zu
werden verdient: de Vermehrungderaviatischen
Produktionsstätten. So errichteten die Johannis-
thaler Albatros-Werke wie auch die Mühlhausener
»Aviatik« A.-G. in Wien Filialfabriken, deren letztere
unter der Leitung unseres Altmeisters [llner stel:t.
Der Schluß des Jahres 1914 brachte noch die Gründung
der »Osterreichischen Flugzeugfabrik A.-G.«, die durch
die Persönlichkeit ihres »Spiritus rector«, des Freiherrn
Karl v. Skoda, besonderes Interesse beansprucht.
Die Reihe der in so glanzvoller Weise eingeleiteten
sportlichen, in erster Linie der friedlichen Entwicklung
unseres Flugwesens gewidmeten Aktionen wurde ganz
unvermittelt und jah durch den so raschen Ausbruch
des Weltkrieges unterbrochen, dem die ruchlose,
schändliche Ermordung unseres erlauchten
Thronfolgerpaares unmittelbar voranging. Seit
dieser Zeit — Anfang August 1914 — steht die gesamte
Aviatik Österreichs bereits unter dem Zeichen des
Krieges und mit diesem Zeitpunkte beginnt
auch die vollständige Sistierung des zivilen
Flugsportes innerhalb der Monarchie.
Diese unvorhergesehenen Verwicklungen haben aller-
dings in gewisser Beziehung Anderungen im vor-
gesehenen Programme bedingt, sie sind aber doch
nicht so schwerer Natur, als dal sie propagandistische
und sonstige Tätigkeit des Vereines und der übrigen
flugsportlichen Organisationen erschweren oder gar
lahmlegen hätten können. Ein kurzer Überblick über
die Tätigkeit des Vereines möge dies illustrieren.
Im Vordergrunde der Vereinstätigkeit stand natur-
gemäß die Behandlung aller mit der wissenschaftlichen
und praktischen Flugtechnik zusammenhangenden Fragen
technischer und auch rein administrativ-propagandisti-
scher Natur. Im ersteren Belange ee die
Arbeitsabteilung für technische, Versuchs-
und Demonstrations - Angelegenheiten im
Laufe des letzten Jahres eine intensive Tätigkeit, die
sich hauptsächlich auf die Uberprüfung und eventuelle
Förderung von zur Begutachtung und Unterstützung
eingereichten Erfindungen erstreckte. Besonders die
zweite Hälfte des abgelaufenen jahres stellte die
Arbeitsabteilung in dieser Beziehung vor immer neue
„ da der ausgebrochene Krieg be-
fruchtend und belebend auf die Erfindertätigkeit
einzuwirken begann. Im ganzen wurden dieserart
von der technischen Arbeitsabteilung des Vereines im
verflossenen Jahre allein an 200 Gutachten abgegeben,
doch muß an dieser Stelle mit Bedauern vermerkt
werden, daß unter den während dieser Zeit ein-
gereichten Projekten kein einziges derart genügend
gekennzeichnet oder so restlos Befriedigend durch-
geführt erschien, daß eine materielle Förderung einen
tatsächlichen Erfolg hätte gewährleisten können.
Im ganzen haben im Laufe des verflossenen Jahres
stattgefunden:
8 Sitzungen des Ausschusses;
4 Sitzungen der Arbeitsabteilung für administrative,
Werbe- und Propaganda-Angelegenheiten ;
7 Sitzungen der Arbeitsabteilung für technische,
Versuchs- und Demonstrationsangelegenheiten ;
19 Sitzungen verschiedener Komitees, in welchen
von den Vereinsfunktionären über jene Angelegenheiten
verhandelt wurde, welche vom k. k. Österreichischen
Flugtechnischen Vereine im Einvernehmen mit _dem
k. k. Osterreichischen Aeroklub, bezw. dem Oster-
reichischen Luftschifferverbande zur Durchführung ge-
kommen sind.
..
Uber die besonderen Veranstaltungen, die vom
Kk. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein
inauguriert wurden, wird das Nachstehende berichtet:
1. Die bereits im Jahre 1913 eingeleitete Aktion
zur Schaffung einer wissenschaftlichen Zentral-Prüt-
und Untersuchungsstelle flugtechnischer Neuerungen,
verschiedener Motoren - Schrauben- und Flugzeug-
konstruktionen hat durch die am 12. Mai 1914 statt-
gefundene Konstituierung des Vereines »Flug-
technische Versuchsanstalt< den formellen
Abschluß der vorbereitenden Arbeiten gefunden. Nach
dem Ergebnis der in dieser Sitzung vorgenommenen
Wahlen und Delegierungen wurden ernannt:
zum Präsidenten des Vereines »Flugtechnische
Versuchsanstalt“: Seine Exzellenz Geheimer Rat,
Sektionschef Dr. Wilhelm Exner, Präsident des k.k.
Technischen Versuchsamtes;
zum Vizepräsidenten: Prof. Ing. Richard
Knoller;
zu Kuratoren wurden delegiert:
seitens des k. u. k. Kriegsministeriums: Major
Ludwig Leid];
seitens des k. k. Ministeriums für Kultus
und Unterricht: Rudolf Ritter v. Pollak;
seitens des k. k. Ministeriums für öffent-
liche Arbeiten: Sektionschef Hugo Franz und
Ministerialrat Friedrich Leonhard;
seitensdesk. k. Technischen Versuchsamtes:
Ministerialsekretär Dr. Alfred Christ;
seitens der Gemeinde Wien:
Dr. Anton Loderer;
seitens der k.u. k. Luftschiffer-Abteilung:
Oberst Emil Uzelac. `
seitens des k. k. Österreichischen Flug-
technischen Vereines: Generaldirektor Alexander
Cassinone und Dr. Arnold Hildesheimer.
Weitere Delegierungen behielt sıch das k. k.
Technische Versuchsamt vor.
In den seither stattgefundenen Sitzungen der VoH-
zugsausschüsse und’ der Aktionskomitees wurde der
Arbeitsplan des neuen Vereines in großen Zügen
skizziert. Die an dem Zustandekommen und der Durch-
führung desselben interessierten Behörden, wie das
k. u. k. Kriegsministerium, das k. k. Ministerium für
öffentliche Arbeiten und die Gemeinde Wien haben
in bereitwilligster Weise jede Unterstützung zugesagt,
das k. u. k. Kriegsministerium hat sogar in munifizenter
Weise dem Unternehmen bereits werktätige Hilfe zuteil
werden lassen. Uber die besondere Organisation und
Arbeitseinteilung des Institutes wurde an anderer Stelle
ausführlich berichtet. Leider hat die unvorhergesehene
Gestaltung der zweiten Hälfte des verflossenen Jahres
die Durchführung des Arbeitsprogrammes zur Gänze
und in dem geplanten Stile unmöglich gemacht, so
daß dieses erst nach Eintritt normaler Zeiten völlig
erledigt werden kann. Da aber seitens der k. u. k.
Heeresverwaltung die Aktivität der bereits vorhandenen
Laboratorien auch während des Krieges erwünscht
erscheint, so trat einstweilen über Kriegsdauer ein
Provisorium an die Stelle des geplanten Unternehmens,
und zwar das aerodynamische Laboratorium an der
k. k. Technischen Hochschule, welches unter der be-
währten Leitung unseres Vizepräsidenten, des Professors
Ing. Richard Knoller, steht und das dermalen eine
rege Tätigkeit auf diesem Gebiete im Dienste der
Heeresverwaltung entwickelt. Daß nicht bloß öffentliche
Behörden, sondern auch private Interessenten die
Zwecke des Vereines unterstützen und fördern, dies
geht daraus hervor, daß neben den bereits Genannten
noch als Mitglieder beigetreten sind:
k. k. Osterreichischer Flugtechnischer
Verein, |
k. k. Österreichischer Aeroklub,
Wiener Flugfeld-Gesellschaft,
Dr. Konstantin Freiherr v. Economo,
Gebrüder Böhler & Co.,
Poldihütte,
Peter Thöne, Fabrikant,
Dr. Arnold Hildesheimer,
Motorluftfahrzeug-Gesellschaft m. b. H.,
Kamillo Castiglioni, Kommerzialrat,
Lohner & Co.,
udwig Lohner, Gemeinderat.
Der Eintritt normaler Zeiten wird aber zweifellos
auch dem Vereine-Flugtechnische Versuchsanstalt« die
endliche Perfektionierung aller vorbereitenden Arbeiten
und damit auch die definitive Aufnahme des Arbeits-
betriebes in dem vorgesehenen Maßsstabe bringen. Nach
dem seitens der vorgenannten Behörden bekundeten
Interesse, steht auch mit vollster Gewißheit zu erwarten,
Magistratsrat
III
daß der Verein dann auch über jene materiellen Mittel
verfügen wird, die ihm die Durchführung seines
gesamten Programmes ermöglichen werden
2. Dank der unermüdlich und zielbewußt durch-
geführten Vorarbeiten des Flughafen-Komitees Porto-
rose, dank des allseits bewiesenen Interesses aller
ausschlaggebenden Faktoren hat die bereits im Jahre
1913 begonnene Aktion des k. k. Österreichischen
Flugtechnischen Vereines zur Errichtung eines Flughafens
in Portorose im abgelaufenen Jahre zu der Gründung
der »Marinesektion Portorose«, Zweigverein des
k. k. Osterreichischen Flugtechnischen Vereines, geführt,
womit die Erreichung des angestrebten Zieles gewähr-
leistet erscheint. So wird man sich nun neben der
Verwirklichung des Projektes auch mit den mit dem
Wasserflugwesen im Zusanımenhange stehenden tech-
nischen, offiziellen Fragen intensiver befassen können.
In der am 18. Juli 1914 stattgehabten konstituierenden
Versammlung dieses Vereines sind auf Grund des
Referates des Proponenten, Herrn Ing. Adolf Steiner
Edlenv. Eltenberg, Herr Hans v. Reininghaus
für die Stelle des Präsidenten und die Herren
Kontreadmiral v. Adamovitz und v. Sigmund .
als Vizepräsidenten des in Bildung begriffenen
Vereines designiert worden. Alle vorgenannten Herren
erklärten, die auf sie gefallene Wahl annelımen zu
wollen. Zwecks Übernahme des Ehrenpräsidiums über
den Zweigverein wurden die nötigen Schritte veranlaßt,
um Se. Durchlaucht Prinz v. Hohenlohe, k. k.
Statthalter von Triest, zur Annahme dieser Ehrenfunktion
zu bewegen. Die Statuten des Vereines haben vor-
behaltlich der nachträglichen Genehmigung durch den
Ausschuß des k. k. Österreichischen Flugtechnischen
Vereines die Zustimmung der Vereinsleitung gefunden
und sind bezüglich Form und Inhalt jenen des k. k.
Österreichischen Flugtechnischen Vereines vollkommen
angepaßt. Die Zeit zur Durchführung der in Aussicht
genommenen Arbeiten zwecks Anlage eines Flughafens,
wie Gebäudeadaptierungen etc. ist mit Rücksicht auf
den bald darauf erfolgten Kriegsausbruch leider schon
zu kurz geworden, um diesbezüglich irgendwelche
Resultate zuzulassen. Bei dem grossen Interesse, welches
aber dieses Projekt bei allen einschlägigen Stellen, wie
aber auch unter der Zivilbevölkerung findet, steht mit
allergrößter Sicherheit auch hier zu erwarten, daß der
Eintritt friedlicher Zeiten die baldige Er-
stehung und das rasche Aufblühen einer neuen
aviatisch-sportlichen Zentralstelle unter der
Patronanz des k. k. Österreichischen Flugtechnischen
Vereines herbeiführen wird.
3. Auch im verflossenen Jahre konnte sich die
Veranstaltung der dritten österreichischen
Fluglotterie einer regen Beteiligung seitens der
Mitgliedschaft und eines weiteren Kreises von Förderern
der flugtechnischen Bestrebungen erfreuen. Uber das
ziffernmäßige Ergebnis der dritten Fluglotterie des
k. k. Osterreichischen Flugtechnischen Vereines wurde
bereits berichtet. Hier sei allen, die an dem Gelingen
dieser Veranstaltung tätigen Anteil genommen, nochmals
von der Vereinsleitung der wärmste Dank ausgesprochen.
4. Die Aktion zur Schaffung einer Österreichischen
Luftflotte, in deren Zentralkomitee der k. k. Oster-
reichische Flugtechnische Verein durch das Präsidium
vertreten war, gelangte im abgelaufenen Jahre durch
die Überweisung des gesammelten Betrages von
K 1,507.169°07 an das k. u. k. Kriegsministerium zum
definitiven Abschluß.
5. Die vom Ausschusse des k. k. Österreichischen
Flugtechnischen Vereines geplante Aktion, betreffend
einen Wettbewerb für Zeichenvorlagen aviatischer Natur
zum Gebrauche in Schulen und Unterrichtsanstalten
zwecks geeigneterer Verbreitung flugtechnischer Kennt—
nisse und größerer Unterstützung der Anschaulichkeit,
mußte leider unterbleiben, da das k. k. Ministerium für
Kultus und Unterricht im Hinblicke darauf, daß die
Verwendung von Vorlagen beim Zeichenunterrichte an
Volks- und Bürgerschulen nicht statthaft ist, nicht in
IV
der Lage war, die Herausgabe derartiger Vorlagen zu
a oder ihnen eine Empfehlung in Aussicht zu
stellen.
6. Die Vereinsleitung beabsichtigte für das
kommende Jahr die Abhaltung einer zweiten Inter-
nationalen Flugausstellung in der Wiener
Rotunde und hat zu diesem Zwecke seitens des Aus-
schusses auch die Bewilligung zur Vornahme der
erforderlichen Vorarbeiten eingeholt. Im Sinne einer
vom k. k. Ministerium für öffentliche Arbeiten an die
Vereinsleitung gelangten Zuschrift, wurden aber die
betreffenden Vorarbeiten eingestellt und der Plan zur
Veranstaltung einer Flugausstellung für die nächste Zeit
vorläufig vertagt. Nach der gegenwärtigen Gestaltun
der politischen Verhältnisse wäre es ohnehin fraglıc
gewesen, ob unsere Industrie wie auch jene des uns
freundlichen Auslandes diesem Plane mit werktätiger
Sympathie gegenübergestanden wäre.
7. Unter den propagandistischen Veranstaltungen
des Vereines sind in erster Linie zu nennen: Die Flug-
lotterie, ferner Vorträge etc., deren Erträgnisse teils
Vereinszwecken, teils den Zwecken der Förderung
unserer heimischen Luftfahrt zugeführt wurden. So hielt
Direktor Illner der österreichischen Flugzeugwerke
»Aviatik« am 25. Februar 1914 in der »Kleinen
Bühne« einen Vortrag »Aus meiner Fliegerpraxis«,
dessen Reinerträgnis dem Fonds zur Errichtung eines
Fliegerheims in Aspern zugeführt wurde. Über Ein-
ladung des k. k. Österreichischen Aeroklubs, des Oster-
reichischen Verbandes des Vereines Deutscher Ingenieure
und des k. k. Osterreichischen Flugtechnischen Vereines
sprach am 26. März des verflossenen jahres Professor
johann Schütte, der bekannte Konstrukteur des
Schütte-Lanz-Ballons, in der-Kleinen Bühne, über
a »Gegenwärtigen Stand der Luftschiffahrt und deren
Ziele«.
Es folgte hierauf ein Vortrag des Luftschiffer-
hauptmannes a. D. Dr. A. Hildebrandt über das
Thema »Die Erde von oben und Luftfahrerkarten« mit
vielen zum Teil farbigen Lichtbildern, schließlich ver-
dient ein Vortrag des Herrn Präsidenten des Aeroklubs,
Dr. Konstantin Freiherrn v. Economo: »Uber das
Fliegen« besonders hervorgehoben zu werden. Einen
ungemein interessanten und lehrreichen Vortrag über
»Das Recht des Luftverkehrs« hielt Herr Privatdozent
Dr. Otto Ritter v. Komorzynski-Os zezynski,
der allseits mit dem größten Beifall aufgenommen
wurde. |
Wiealljährlich hatauch im verflossenen Jahre das Aus-
schußmitglied des k. k. Osterreichischen Flugtechnischen
Vereines, Herr Direktor Maximilian Rady-Maller,
seine »Kleine Bühne« wiederholt in liebenswürdiger
Weise unentgeltlich zu Vortragszwecken dem Vereine
zur Verfügung gestellt. In dankbarer Anerkennung dieser
tatkraftigen, selbstlosen Förderung der Vereinstätigkeit
fühlt sich der Ausschuß verpflichtet, dem Herrn Direktor
Rädy-Maller für dieses liebenswürdige Entgegenkom-
men namens des Vereines den warmsten Dank an
dieser Stelle auszusprechen. .
8. Im verflossenen abe wurde der k. k. Oster-
reichische Flugtechnische Verein seitens des Aero—
Clubs d'Italia zum Ehrenmitgliede dieses Klubs
ernannt. Das Vereinspräsidium wurde ermächtigt, dem
Acro-Club d'Italia die Annahme der Ehrenmitglied-
schaft des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Ver-
eines dankend bestätigen zu können.
9. Die Vereinsleitung hat es für zweckmäßig er-
achtet, der Witwe des gelegentlich des Schicht-Fluges
tödlich verunglückten Piloten Raimund Karl Pitsch-
mann eine materielle Unterstützung zuzuwenden. In
Ausführung dieses Gedankens wurde seitens der Vereins-
leitung im Einvernehmen mit dem k. k. Österreichischen
Aeroklub der Witwe des verunglückten Piloten der
Betrag von K 1000°-- aus dem Fonds für die Ver-
anstaltung des Schicht-Fluges als Spende übermittelt.
10. Die Vereinsleitung hat des weiteren im ver-
flossenen Jahre den Gedanken der Errichtung einer
Fliegerversicherung in Erwägung gezogen und
gedenkt nach Eintritt normaler Zeiten denselben seiner
praktischen Lösung zuzuführen.
11. In Angelegenheit der Vereinszeitschrift ist mit
Befriedigung zu konstatieren, daß sich diese, dank der
zielbewußten Initiative des Herrn Chefredakteurs
Professor Ing. A. Budau, allmählich zu einem wissen-
schaftlich gediegenen Fachblatte entwickelt hat, das sich
in den Kreisen seiner Leser und Interessenten stetig
steigernder Beliebtheit und Verbreitung erfreut. An dieser
Stelle betrachtet es die Vereinsleitung als ihre Pflicht,
Herrn Professor Budau für sein umsichtiges,
selbstloses Wirken im Interesse der Entwick-
lung des Vereinsorganes den wärmsten Dank
namens des Vereines auszusprechen. Leider
haben die Ereignisse des verflossenen Jahres — zu Be-
ginn 1914 der Streik im Buchdruckergewerbe und später
die kriegerischen Verwicklungen — technische Schwierig-
keiten hervorgerufen, die sich in dem verminderten
Umfange der einzelnen Nummern, wie auch in ihrem
selteneren Erscheinen widerspiegeln. Aber auch hier
sind die verursachenden Einflüsse vorüber-
gehender Natur, so daß die Fortsetzung des ur-
sprünglichen Programmes der Zeitschrift nach
Beendigung des Krieges, der ja eine große Zahl
unserer Mitarbeiter und Vereinsmitglieder in das Feld
rief, vollkommen gewährleistet erscheint.
12. Bezüglich der Mitgliederbewegung im Vereins-
jahre 1914 kann im Hinblicke auf die wirtschaftliche,
durch den Krieg bedingte Krise dennoch mit größter
Befriedigung konstatiert werden, daß die Zahl der
Mitglieder in dieser Zeit eher gestiegen ist. Dies
ınuß wohl in erster Linie darauf zurückgeführt werden,
daß die weiteste Offentlichkeit, im Hinblicke
auf die hervorragenden Leistungen unserer
Flieger im Kriege, nunmehr im Vertrauen auf die
Bedeutung der Flugtechnik bestärkt und zur
Förderung unseres nationalen Flugwesens ange-
spornt, an dieser selbst interessiert wurde, in einem
Maße, wie es sonst die wirksamste Propaganda in
Friedenszeiten nicht zuwege gebracht hätte.
Als ein besonders erfreuliches und ehrenvolles Mo-
ment muß in diesem Belange vermerkt werden, daß
Ihre k. u. k. Hoheiten, die durchlauchtigsten Herren
Erzherzoge Leopold Salvator und Joseph Fer-
dinand gnädigst die Ehrenmitgliedschaft des k. k.
Osterreichischen Flugtechnischen Vereine anzunehmen
geruht haben. Dieser neuerliche Beweis allerhöchster
Anerkennung und Huld möge für alle Mitglieder, För-
derer und Freunde des k. k. Österreichischen Flugtech-
nischen Vereines nur ein erneuter Ansporn zu weiterer
werktätiger Mitarbeit im Interesse der Stärkung unserer
Organisation sein!
13. An dieser Stelle erachtet es die Vereinsleitung
als ihre traurige Pflicht, auch jener Funktionäre und
Mitglieder zu gedenken, die ihr Leben auf dem Felde
der Ehre lassen mußten. So beklagt der k. k.
Österreichische Flugtechnische Verein den Heimgang
seines hochgeschätzten, im Interesse des Vereines
stets hervorragend tätig gewesenen Ausschußmit-
gliedes, desk.u.k. Hauptmannes Franz Freiherrn
v. Berlepsch, Generalsekretär des k. k. Osterreichi—
schen Aeroklubs und der Wiener Flugfeld-Gesellschaft,
dessen ungemein verdienstvolles Wirken in unserer
Zeitschrift bereits gewürdigt wurde. Mit Freiherrn von
Berlepsch verliert der k. k. Osterreichische Flug-
technische Verein eines seiner wertvollsten und hervor-
ragendsten Mitglieder, dem die Vereinsleitung stets das
ehrenvollste Angedenken bewahren wird.
Ferner beklagt der k. k. Österreichische Flugtech-
nische Verein den Heimgang der auf dem Felde der
Ehre gefallenen Mitglieder:
k. u. k. Generalstabshauptmann Oskar Ros mann
(t am 29. August 1914),
k. u. k. Oberleutnant Josef Flassig (F anfangs Septem-
ber 1014),
k. u. k. Oberleutnant Engelbert Wolf ( anfangs Sep-
tember 1914),
(t 30. Oktober 1914),
u. k. Oberleutnant Adalbert Fe BI (+25. Novemb. 1914),
k. u. k. Oberleutnant Manfred Georgievics(f Oktober
1914),
k. u. k. Hauptmann Miecislaus Miller (t 29. juli 1914).
Der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein
und mit ihm die gesamte österreichische Luftfahrt
werden diesen in treuester Pflichterfüllung auf
dem Felde der Ehre gefallenen Fliegerhelden
stets ein treues, hochehrendes Angedenken
bewahren.
Demgegenüber ist wieder mit freudiger Genug-
tuung zu konstatieren, daß eine große Anzahl von
Vereinsmitgliedern sich im Laufe des gegenwärtigen
Krieges derart ausgezeichnet hat, daß ihre Leistungen
die allerhöchste Anerkennung gefunden haben. So ist
in erster Linie hervorzuheben, dal} unser hochgeschätztes
Ausschußmitglied, der Kommandant der k. u. k. Luft-
schifferabteilung Oberstleutnant Emil Uzelac, im
Kriege außertourlich zum Obersten befördert wurde,
nachdem ihm vorher durch Se. Majestät zu seinen vielen
bisherigen Auszeichnungen noch der Orden der Eisernen
Krone dritter Klasse verliehen worden war. Unter den
übrigen ausgezeichneten Militärfliegern, die sich durch
ıhre Tätigkeit vor dem Feinde rühmlichst hervorgetan
haben, seien besonders die Herren Oberleutnants Karl
Banfield, Ferdinand Ritter Cavallar v. Graben-
sprung, Rudolf Holeka, Max Macher, Aladar
Taussig, Johann Mandl, Kamillo Perini, Nikolaus
Wagner v. Florheim und Heyrofsky genannt,
deren Wirken als Flieger vor dem Feinde die vollste
Bewunderung fordert. Als fahrender Ordonnanzoffizier
vor dem Feinde hat sich auch unser geschätztes Aus-
schußmitglied, Schriftsteller Herr Hans Friedrich von
Orelli, in besonderer Weise hervorgetan, wofür er auch
durch die Verleihung des Marianerkreuzes ausge-
zeichnet wurde.
14. Der Ausbruch des Krieges hat auch innerhalb
des Vereinsbetriebes infolge der dadurch bedingten Ein-
berufungen so manche Änderung zur unmittelbaren
Folge gehabt. So stehen seit Kriegsbeginn bereits sämt—
liche Herren des Sekretariats im Felde, und wurde mit
der Leitung der laufenden Vereinsgeschäfte sowie der
Redigierung der Österreichischen Flug-Zeitschrift seitens
des Präsidiums ein Mitglied der technischen Arbeits-
abteilung des Vereines betraut.
15. Daß der Kriegsausbruch nur einen innigeren
Zusammenschluß mit den verbrüderten deutschen flug-
sportlichen Korporationen gebracht hat, davon zeugt
die nachstehend reproduzierte Sympathiekundgebung,
die dem Vereinspräsidium unter dem 19. September 1914
telegraphisch zukam:
»Die heute versammelten Mitglieder des Reichsflug-
vereines entbieten dem Flugtechnischen Verein brüder-
liche Grüße. — Der österreichische und der deutsche
Aar werden selbst gegen eine Welt von Feinden auch
in der Luft treue Wacht halten!
k. u. k. Oberleutnant Albert Sanchez de la Cerda
k.
Reichsflugverein.«
Das Präsidium des k. k. Österreichischen Flug-
technischen Vereines hat dieses Telegramm wie folgt
erwidert: ’
»Das Präsidium des k. k. Österreichischen Flug-
technischen Vereines, der als erster Verein die Fahne
der Propaganda für die Flugtechnik in Osterreich ent-
faltet hat, dankt herzlichst für die vom Reichsflugverein
übermittelten brüderlichen Grüße. Unsere Flieger, die
deutschen und österreichisch-ungarischen, kämpfen wohl
schon gegen eine Welt von Feinden. Aber der Sieg
wird unser sein, weil der Kampf einer guten Sache
gilt. Sieg muß im Osten und Westen werden!
Das Präsidium des k. k. Österreichischen
Flugtechnischen Vereines.“
Dieser von patriotischen Gefühlen diktierte
Austausch gegenseitiger Sympathien muß auf das leb-
hafteste begrüßt werden, bedeutet er doch die in diesen
V
Zeiten nicht genug einzuschätzende neuer-
liche Versicherung und Festigung treuester Freundschaft
mit unserem glorreichen Bundesgenossen.
16. Bezüglich des Standes des Vereinsvermögens
wird mitgeteilt, daß der Herr Vereinspräsident von dem
im Buchhaltungsfache sachverständigen Herrn Hansl
die Überprüfung der Buchhaltung vornehmen ließ und
auf Grund des diesbezüglich erstatteten Referates die
Buchhaltung in bester Ordnung befunden wurde.
Die statutengemäß zur Überprüfung der Bilanz und
der Vereinsbuchhaltung bestimmten Revisoren: Groß-
industrieller Norbert Reicher und Adolf Igler haben
statutengemäß die Bücher geprüft und über die Revision
den nachstehenden Bericht verfaßt:
»Die genannten Revisoren sind in der angenelimen
Lage, der für den 10. Mai d.J. einberufenen VI. Haupt-
versammlung des k. k. Österreichischen Flugtechnischen
Vereines als Resultat der vorgenommenen Revision der
Vereinsbuchhaltung die Konstatierung zur Kenntnis
bringen zu können, daß ordentliche Buchungen vorge-
funden wurden, welche in Summa das Bild einer pein-
lich genau geführten Kassawirtschaft ergeben, und stellen
dieselben daher den Antrag, die Hauptversammlung
wolle dem Ausschusse für das Jahr 1914 im Sinne der
Statuten das Absolutorium erteilen.
Aus der nachfolgenden Vermögensaufstellung ist
ersichtlich, daß auch das verflossene Jahr in finanzieller
Hinsicht ein schwieriges war, was ja in erster Linie
auf die durch den Kriegsausbruch bedingte
Restringierung des wirtschaftlichen Etats und
der Investitionslust selbst zurückzuführen ist. Trotz
dieser Schwierigkeiten aber ist es dem Vereine dank
einer großen Reihe neuer Beitritte, die seine Organisation
wesentlich stärkten, sowie dank seiner hier bereits auf-
ezählten, mit durchwegs gutem Erfolge arrangierten
nternehmungen gelungen, die Vereinsausgaben und
Einnahmen auch im vertlossenen Jahre im großen und
ganzen im Gleichgewichte zu halten.
Bilanzkonto
für den 31. Dezember 1914.
Aktiva:
1. Bargeld) K 35116
2. Guthaben bei der k. k. Post-
sparkassa auf Konto:
Nr. 88.760 . . . K4.570:48
„ 131.039 . . . „ 24078
„ 107.852... „ 45423
„ 149.078 .n 7606:67 „ 6.032:16
3. Guthaben bei der Verkehrs-
Dank so a po ðͤ eae ee a » 5.947°83
4, Guthaben beim Wiener Bank-
vere˙inninin „ 5.000 — K 17.331°15
5. Inventar laut Bilanz
vom 31. Dezem—
ber 10138. K 7.63258
Neuanschaffun-
gen 1914 ©. >o P 255° —
K 7.887°58
ab 15 Prozent Ab-
nützunng .. „ 1.183°20 K 6.70438
Wert der Biblio—
thek laut Bilanz vom
31. Dezember 1913 K 4.10242
Sammlungen laut
Bilanz vom 31. De—
zember 1913. .. „ 50287
K 4.09529
Neuanschaffun-
gen 1914 (Samm—
lungen) . .... „ 10020
K 4.795°49
Fürtrag K 4.795-49 K 6.70438 K 17.331'15
VI
Übertrag K 4.79540 K 6. 704-38 K 17.331˙15
ab 15 Prozent Ab-
schreibung. . . . » 71925 „ 4.076°24
photographischer
Apparat 300°—
ab 25 Prozent Ab-
schreibung. . . „ 75.— » 225— „ 11.005°62
6. Anteilscheine der Wiener Flugfeld-
Gesellsehaft 2 eS „ 14.000 —
7. Kriegsanleihe . . . 2.2 2 2 2000. „ 5.000°—
Fürtrag K 47°336°77
—
Übertrag K 47.330677
8. Vorausbezahlte Bureaumiete . K 1.414°16
Vorausbezahlte Miete für Lese-
halle A nat, dak? esp S ” 627°48 7 2.041˙64
9. Außenstände an Annoncen und Abonne—
ments „ 3.18491
K 52.563°32
Passiva
l. Fremde Gelder . . . . K 2.07393
2. Saldo (Vereinsvermögen) „ 50.8939
K 52.563°32
Auszugsweise Berichte:
Sitzung des Ausschusses des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines vom 4. Februar 1915.
Vorsitzender: Präsident Generaldirektor
A. Cassinone.
Der Vereinspräsident eröffnet die Sitzung mit
einer kurzen Gedenkrede, in welcher er der auf dem
Felde der Ehre gefallenen Fliegerhelden und Vereins-
mitglieder in warmen Worten der Anerkennung ge-
denkt. Hernach gelangen die an der Tagesordnung
stehenden Punkte zur Durchsprache:
1. Der Vorsitzende weist auf die Notwendigkeit
der statutarisch vorgesehenen Hauptversammlung hin
und beantragt, die VI. ordentliche General versammlung
der Vereinsmitglieder noch im Monate März abzu-
halten. Mit Rücksicht aber auf die durch die kriege-
rischen Ereignisse bedingten Einberufungen stände
eine zu geringe Beteiligung seitens der Vereins-
mitglieder zu erwarten, weshalb im Laufe der Sitzung
der Beschluß gefaßt wurde, die Abhaltung der Haupt-
versammlung auf den Monat Mai zu verschieben und
zum Gegenstande der nächsten Ausschußsitzung zu
machen.
2. Seitens der k. k. niederösterreichischen Statt-
halterei wurde der Vereinsleitung eröffnet, daß die
für das Halbjahr 1914 fällige Subvention zu einem
späteren Zeitpunkte erst zur Auszahlung gelangen
wird.
3. Ein Antrag des Herrn Fritz Ellyson, be-
treffend Errichtung einer Fliegerstiftung oder, Ein-
leitung einer Aktion im Rahmen des k. k. Öster-
reichischen Flugtechnischen Vereines zugunsten der
Hinterbliebenen von auf dem Felde der Ehre ge-
fallenen Fliegern, wird mit dem Bemerken zur Kennt-
nis genommen, daß Herr Ellyson diesbezüglich
konkrete Vorschläge entwickeln möge.
4. Der Herr Vereinspräsident bringt dem Aus-
schusse zur Kenntnis, daß sich der k. k. Österreichische
Flugtechnische Verein an der Zeichnung der Kriegs-
anleihe mit einem höheren Betrage beteiligt hat.
5. Seitens der Firmen SchieBl & Co., sowie
Körting A.-G. wurde dem Vereine eine Geldspende
von K 600 gewidmet.
6. Hinsichtlich der Mitgliederbewegung im ab-
gelaufenen Jahre teilt der Vorsitzende mit, daß in
diesem Zeitraume ungefähr 100 Mitglieder teils aus-
getreten, teils verstorben sind. Der hiedurch bedingte
Entfall aber wird durch zahlreiche Neubeitritte,
unter denen sich wieder mehrere Stifter, lebenslang-
liche, gründende und ordentliche Mitglieder befinden,
derart reichlich wettgemacht, daß das Niveau des
Mitgliederstandes gegenüber jenem des Vorjahres
eher gestiegen ist.
7. In bezug auf die internen Angelegenheiten des
Vereines werden seitens des Ausschusses die seitens
der Vereinsleitung getroffenen Maßnahmen bezüglich
Remunerationen etc. zur Kenntnis genommen und
nachträglich genehmigt.
8. Im Hinblicke auf die außerordentlich eifrige
Organisationstätigkeit, die das ordentliche Vereins-
mitglied, Herr Prokurist Paul Bella k, im Interesse
des Vereines entfaltet hat, wird dieses Mitglied in
den Ausschuß des Vereines kooptiert. Gleichzeitig
wird dem Ausschusse das von Herrn Paul Bella k
mit großer Mühe zusammengestellte, photographische
Archiv vorgelegt, welches seine Entstehung der Initia-
tive und tatkräftigen Förderung des genannten Herrn
verdankt und in seiner Art eine wertvolle, viele
tausend Bilder umfassende Sammlung darstellt, die
der Mitgliedschaft des Vereines zur Benützung frei-
gestellt werden soll. Seitens des Ausschusses wird
beschlossen, Herrn Bellak den Dank des Vereines
zum Ausdrucke zu bringen.
Nach Erledigung der Tagesordnung gelangen
einige Vereinsangelegenheiten zwischen dem Präsidium
und dem Ausschusse zur vertraulichen Durchsprache,
worauf die Sitzung geschlossen wird.
Sitzung des Ausschusses des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines vom 16. April 1915.
Vorsitzender: Präsident Generaldirektor
A. Cassinone.
Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung mit Worten
des Gedenkens für das am 24. Februar d. J. ver-
schiedene Mitglied, Herrn Direktor Viktor Cassinone,
eines Bruders des Herrn Präsidenten, der inmitten
seiner ausgedehnten Fürsorgeaktion zu Barcelona
verstarb. Die Mitglieder des Ausschusses erheben
sich zum Zeichen der Trauer von ihren Sitzen und
sprechen dem Herrn Präsidenten ihre Teilnahme aus.
Sodann kommt der Vorsitzende auf die zahlreichen
Auszeichnungen zu sprechen, die Vereinsmitgliedern
im Laufe der letzten Zeit zuteil geworden sind. Bei
dieser Gelegenheit konnte der Vereinspräsident aber-
mals mit großer Befriedigung konstatieren, daß zahl-
reiche der ausgezeichneten Mitglieder auch dem
Vereinsausschusse angehören. In weiterer Erledigung
des Tagesprogrammes hebt der Präsident die großen
Verdienste, die sich auch im abgelaufenen Jahre Herr
Prof. Ing. A. Budau in seiner Eigenschaft als Chef-
redakteur der Österreichischen Flug- Zeitschrifterworben
hat, mit Worten der größten Anerkennung und des
Dankes hervor, wobei er dem Herrn Prof. Budau
auch den wärmsten Dank des Ausschusses namens
des Vereines ausspricht.
Hierauf bringt der Vereinspräsident mit Rücksicht
auf den Umstand, daß einige Herren die Sitzung vor
ihrem Schlusse verlassen zu müssen angaben, noch
vor der Erledigung der auf dem Programme fest-
gelegten Punkte einige wichtige, vertrauliche An-
gelegenheiten dem Ausschusse zur Kenntnis, über die
sich eine kleine Debatte entspinnt.
Es gelangen nunmehr die einzelnen Punkte des
Programmes zur Erledigung:
1. So teilt der Präsident bezüglich der Haupt-
versammlung mit, daß in der heutigen Sitzung gemäß
der in der vorangegangenen Sitzung getroffenen Ver-
einbarung Tag und Stunde derselben festzusetzen
sei. Seitens des Ausschusses wurde hierauf der
Beschluß gefaßt, als Tag den 10. Mai, als Stunde
7 Uhr abends und als Örtlichkeit wie alljährlich den
Festsaal der Wiener Handelsakademie, Wien, I. Aka-
demiestraße 12, zu wählen.
Der Ausschuß genehmigt die hier an anderer
Stelle wiedergegebene Tagesordnung der Haupt-
versammlung. Bezüglich der Kassengebarung wird
der Antrag gestellt werden, der Vereinsleitung das
Absolutorium zu erteilen. Es gelangen darauf noch
einige Vorschläge bezüglich der Wahl von Ehren-
mitgliedern und sonstigen Vereinsfunktionären zur
Durchsprache und wird beschlossen, diese Angelegen-
heiten ebenfalls zum Gegenstande der Verhandlungen
bei der Hauptversammlung zu machen.
2. Seitens des in Berlin lebenden Vereinsmitgliedes
Herrn Josef Lechner langte im Sekretariate des
Vereines eine namhafte Geldspende ein, die im Sinne
des seitens des Spenders ausgedrückten Wunsches
als Baustein zu einer durch den k.k. Österreichischen
Flugtechnischen Verein ins Leben zu rufenden »Frei-
willigen Luftflottensammlung« verwendet werden möge.
Nach reiflicher Erwägung aber wurde seitens des
Ausschusses beschlossen, diesen Betrag im Einver-
nehmen mit dem Spender den Zwecken einer schon
früher geplanten Errichtung einer Fliegerstiftung zu-
zuführen und nach Einlangen des Einverständnisses
seitens des Spenders eine diesbezügliche Ankündigung
nebst Aufruf im offiziellen Teil des Vereinsorganes
zu publizieren. Gleichzeitig wird dem Spender der
Dank des Vereinsausschusses namens des Vereines
bekanntgegeben.
3. Aber Antrag des Mitgliedes der technischen
Arbeitsabteilung, Herrn Fritz Ellyson, wird die
Abhaltung von populär belehrenden Vortragskursen
über das Gesamtgebiet der Luftfahrt in den Vereins-
VII
lokalitäten beschlossen. Dieser Veranstaltung liegt
die Idee zugrunde, daß die gegenwärtige Zeit, die,
wie die Erfindertätigkeit belehrt, die weitestgehende
Promulgierung flugtechnischer Kenntnisse im Inter-
esse gesünderer, geistiger Produktion auf diesem
Gebiete wünschenswert erscheinen läßt, aus den
Kreisen der Mittelschiiler, Handwerker etc. ein großes
Interessentenkontingent zu stellen vermag, die diese
Gelegenheit, sich rasch und kostenlos die Grund-
begriffe der Flugtechnik und Luftfahrt nebst der ein-
schlägigen Hilfswissenschaften anzueignen, nur be-
grüßen werden.
4. Die seitens der Firma Otto Maaß' Söhne
eingelangte Verständigung bezüglich Verteuerung des
Druckes wird seitens des Ausschusses zur Kenntnis
genommen und die vom Präsidium in dieser An-
gelegenheit getroffene Entscheidung nachträglich ge-
nehmigt.
5. Beziiglich eines von der hiesigen Antiquariats-
buchhandlung Stern dem Sekretariate gemachten
Angebotes, betreffs Ankaufes des literarischen Nach-
lasses des verstorbenen Mitgliedes, Lehrers M illa,
wird seitens des Ausschusses beschlossen, diesem
Angebote im Hinblicke auf den Wert der einzelnen
Objekte in konkretem Sinne näherzutreten.
6. Mit bezug auf die soeben in Druck erschienene
Broschüre »Motorenkunde für Flugtechniker<« wurde
das Sekretariat angewiesen, sich mit einer Verlags-
buchhandlung wegen kommissionsweisen Verkaufes
dieser Broschüre ins Einvernehmen zu setzen.
Es gelangen hierauf noch einige interne Angelegen-
heiten des Vereines zwischen dem Präsidenten und
dem Ausschusse zur Durchsprache, worauf die Sitzung
geschlossen wird.
Aviso an die P. T. Vereinsmitglieder und Interessenten der Luftfahrt!
Populär-wissenschaftliche Vortragskurse über Luftfahrt im k.k. Österreichischen Flugtechnischen Verein.
Von der unbestrittenen Erkenntnis geleitet, daß
die weitestgehende Verbreitung flugtechnischer Kennt-
nisse im gegenwärtigen Zeitpunkte, der der praktischen
Luftfahrt die größten Triumphe, der wissenschaftlichen
Pflege derselben aber eine Fülle neuer, mitunter
recht wertvoller Anregungen brachte, nicht bloß im
Interesse einer weiteren Öffentlichkeit, sondern auch
in jenem der gesunden Erfindertätigkeit
liegt, hat die Leitung des k.k. Österreichischen Flug-
technischen Vereines die Abhaltung von populär
vorgetragenen Lehrkursen über das
Gesamtgebiet derLuftfahrtbeschlossen.
Diese Kurse sollen alljährlich, und zwar im Winter,
zur Wiederholung gelangen, wobei stets dieneuesten
Erfahrungen auf den einzelnen Spezialgebieten
berücksichtigt werden sollen. Als Vortragslokal wurde
das Lesezimmer des k. k. Österreichischen Flug-
technischen Vereines gewählt. Der Besuch dieser
Kurse verpflichtet zu keinerlei Beitragsleistungen, er
steht vielmehr denMitgliedern unseres
Vereines vollkommen frei. Durch Mit-
glieder eingeführte Gäste werden
bestensbegrüßt.
Die Vereinsleitung plant die Abhaltung des
ersten kompletten Kurses dieser Art noch für das
heurige Frühjahr, und zwar für die Zeit vom
5. Mai bis 10. Juli. Nachdem aber die Abhaltung zu
diesem, allerdings schon sehr vorgerückten Zeitpunkte
nur von der Erreichung einer gewissen
Teilnehmeranzahlabhängig ist, so ergeht
an alle, die an dem Zustandekommen der Kurse
interessiert sind, die freundliche Einladung, sich
namentlich im Sekretariate des k. k. Österreichi-
schen Flugtechnischen Vereines, I. Uraniastraße 1
(Uraniagebäude), ehebaldigst vormerken
zu lassen. Nachstehend geben wir die vorläufige
Vortragsordnung wieder. Die Einzeltermine, sowie
die Namen der Vortragenden werden rechtzeitig noch
verlautbart werden. Um auch Mittelschülern
den Besuch der Veranstaltung möglich zu machen,
werden die einzelnen Vorträge stets auf Mittwoch
und Samstag fallen. Beginn jedesmal 7 Uhr abends.
Reihenfolge der Vorträge:
Geschichte der Luftfahrt, ihre Sagen und Märchen.
Geschichte der Luftfahrt II. Geschichte der Flug-
zeuge »Schwerer als Luft«.
Einführung in die Aerostatik.
Freiballon und Fesselballon
Praxis, Gasgewinnung.
Die Lenkballons.
Motorkunde I.
Motorkunde II.
Einführung in die Aerodynamik I.
Einführung in die Aerodynamik II. (Flugtechnisches
Versuchswesen.)
Aeroplankonstruktion I.
. Aeroplankonstruktion Il.
. Aeroplankonstruktion III.
. Wasserflugzeuge.
. Schraubenflieger und reine Schwingenflieger.
; aus Systeme. Die Überwindung der Schwer-
rat.
Die Praxis des Fliegens.
meer.
. Flugzeugfabrikation und Organisation des Flug-
wesens.
Acrophotogrammetrie, drahtlose Telegraphie samt
Hilfswissenschaften.
Luftverkehrsrecht.
Medizin und Flugwesen.
Bet Erreichung der entsprechenden Teilnehmer-
zahl gelangt der erste Vortrag bereits Mittwoch den
5. Mai d. J., um 7 Uhr abends, im Lesezimmer des
k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines zur
Abhaltung.
in Theorie und
Les PD. De
Orientierung im Luft-
19.
20.
Das Sekretariat des k. k. Osterreichischen Flugtechnischen Vereines.
VIII
Motor- Luftfahrzeug- Gosellsthafi
Wien I.
Herausgegeben vom: »K. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein«. — Verantw. Red.: in Vertretung Fritz Ellyson.
Druck von Otto Maaß’ Söhne, Wien I.
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Erscheint am 10. und 25. eines jeden Monats. © 2 IC S
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Mitteilungen
Seiner Majestät des Kaisers und Königs
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stehenden
K. K. ÖSTERREICHISCHEN FLUGTECHNISCHEN VEREINES.
IX. Jahrgang
Sitzung des Vereinsausschusses vom 10. Mai 1915, unmittelbar vor
Stattfinden der Hauptversammlung.
Vorsitzender: Präsident Generaldirektor
A. Cassinone.
Der Vereinspräsident eröffnet die zahlreich
besuchte Sitzung mit dem Vortrage einer vertraulichen
Angelegenheit, über welche sich unter den Mitgliedern
des Ausschusses eine lebhafte Debatte entspinnt.
Sodann gelangen die an der Tagesordnung stehenden
Neuwahlen im Ausschusse selbst zur Durchführung.
Im Sinne der Vereinsstatuten, welche ein alljährliches
Ausscheiden eines Drittels der Ausschußmitglieder
und einen entsprechenden Ersatz durch neuzuwählende
fordern, wobei eine Wiederwahl der ausscheidenden
Ausschußmitglieder statthaft ist, wurden durch das
Los jene Angehörigen des Vereinsausschusses er-
mittelt, die für die neue Berichtsperiode auszuscheiden
haben. Im Hinblicke aber auf die dermaligen, äußeren
Verhältnisse, sowie in Anbetracht des Umstandes, daß
weitaus der größte Teil der Vereinsmitglieder im Felde
steht, wurde schließlich beschlossen, für diesmal von
Neuwahlen abzusehen und der Hauptversammlung den
Vorschlag zu machen, die ausscheidenden Aus-
schußmitglieder für die laufende Funktionsperiode
wiederzuwählen. Gleichzeitig teilt der Vorsitzende mit,
daß das AusschuBmitglied J. Worms sich veranlaßt
sehe, auf sein Amt als Kassier-Stellvertreter des
Vereines zu resignieren. Der Ausschuß nimmt dies
mit Bedauern zur Kenntnis und pflichtet dem Vor-
schlage des Herrn Präsidenten, an seine Stelle den
mit der Revision der Vereinsbuchhaltung betrauten
Herrn Anton ‘Hansel, welcher sich in der abge-
laufenen Berichtsperiode dieser Aufgabe mit besonders
anerkennenswertem Eifer unterzogen hat, als Ersatz-
mann zu wählen, lebhaft bei, worauf beschlossen
wurde, diese Wahl sowie jene des Herrn Paul
Bellak durch die Hauptversammlung bestätigen zu
lassen. Hierauf wurde die Sitzung geschlossen.
Protokoll über die VI. ordentliche Hauptversammlung des k. k. Öster-
reichischen Flugtechnischen Vereines, abgehalten am 10. Mai 1915.
Vorsitzender: Präsident Generaldirektor
A. Cassinone.
Der Vereinspräsident eröffnet die VI. ordentliche
Hauptversammlung mit folgender Ansprache:
»Inmitten einer großen, bewegten Zeit, die unserer
nationalen Flugtechnik und Luftfahrt die grandiosesten
Triumphe beschieden hat, haben wir uns heute hier
zusammengefunden, um das statutarische Erfordernis
der diesjährigen ordentlichen Hauptversammlung der
Mitglieder des k. k. Österreichischen Flugtechnischen
Vereines zu erfüllen.
Indem ich hiemit die Ehre habe, die heutige
VI. ordentliche Hauptversammlung zu eröffnen, be-
grüße ich die erschienenen Herren Vereinsmitglieder
sowie die Herren Vertreter der hohen k.k. Ministerien,
in deren Anwesenheit ich wie bisher die Gewähr des
Bestehens eines hohen Interesses für die Tätigkeit
unseres Vereines an diesen zentralen Stellen erblicke,
auf das herzlichste.
Ereignisse von allergrößter Tragweite für die
weitere Gestaltung und Entwicklung unserer heimi-
schen Luftfahrt, deren Interessen wir ja in erster
Linie dienen und die sich seit dem Stattfinden
unserer letzten Hauptversammlung als notwendige
Folge damals noch ungeahnter kriegerischer Ver-
wicklungen vollzogen haben, machen es mir zur
angenehmen Pflicht, ihrer für uns so wichtigen Er-
gebnisse wenigstens in aller Kürze noch vor dem
Eingehen auf die einzelnen Punkte der heutigen
Tagesordnung zu gedenken.
Als das verflossene Vereinsjahr mit einem groß-
zügig angelegten Arbeitsprogramme einsetzte und
neben einer ganzen Reihe hervorragender sportlicher
Wettbewerbe und Vorführungen eine nicht mindere
Anzahl rein interner technischer Aufgaben
brachte, da dachte noch niemand auch nur im ent-
ferntesten daran, daß schon die allernächste Zeit,
die zweite Hälfte des verflossenen Jahres, unsere
vereinten, in systematischer Vervollkommnungsarbeit,
in friedlichen Wettbewerben so oft gestählten Kräfte
u a andere, wichtigere Aufgaben stellen
werde.
Noch hofften wir, als wir die Schreckenskunde
von der verdammenswerten Tat ruchloser Mörderhände
schon einigermaßen erfaßt, daß ganz Europa sich an
unsere Seite stellen und Sühne für die schwere Tat
fordern werde. Es sollte anders kommen! Erst als
England, Rußland und Frankreich und ihre perfiden
Staatslenker sich offen auf die Seite der Meuchel-
mörder stellten, als alle Schlechtigkeit und Ver-
worfenheit sich zusammentat zum Bunde gegen unser
geliebtes Vaterland, da entschloß sich unser heiß-
geliebter, ritterlicher alter Kaiser, unser erhabenster
Allerhöchster Protektor, das lange sorglich gehütete
Schwert zu ziehen, um all die Niedertracht und
Meuchelsucht abzuwehren.
Mit grenzenloser Begeisterung folgten die Völker
Österreichs dem Rufe ihres greisen Kaisers und jenem
des ihm in Nibelungentreue zugetanen deutschen
Kaisers zu den Waffen, fühlten sie sich doch eins
mit ihm in dem Vertrauen auf ihre Stärke, in der
Liebe zum Vaterlande und in dem Bewußtsein, daß
der Kampf einer nur zu gerechten Sache galt.
Was jahrelange, systematische, mit großem Ver-
ständnis geförderte Vervollkommnungsarbeit zu zei-
tigen vermag, dies zeigten unsere braven Truppen
gleich in den ersten Tagen dieses denkwürdigsten
aller Kriege, in dem sie nun schon über neun Monate
Schulter an Schulter mit ihren, ihnen durch Helden-
geist, Zucht und Gesittung engverwandten deutschen
Bundesgenossen, gegen böswillige Feinde kämpfen.
Die beredteste Sprache aber vollends reden die
hervorragenden Ruhmestaten unserer verbündeten
Fliegerhelden, die nun zum erstenmal,
seitdem die Flugtechnik und Luftfahrt einen inte-
grierenden Bestandteil unserer modernen
Heeresorganisation bildet, den Schauplatz
friedlicher Wettkämpfe mitdem Kriegsschauplatze
vertauschen mußten. Durch die zahllosen Berichte
unserer gesamten Tagespresse ist es Ihnen, meine
sehr geehrten Anwesenden, ja zur Genüge bewußt
geworden, in welch entscheidender Weise unsere
Flieger das gesamte moderne Schlachtenbild,
ja de gesamte Gestaltung des gegenwärtigen
Krieges zu beeinflussen vermocht haben. Ich begnüge
mich daher hier nur mit der freudigen, auf die tat-
sächlichen Ergebnisse gestützten Konstatierung, daß
Deutschland und Osterreich-Ungarn den
Franzosen und allen unseren Feinden, die sich auf
diesem Gebiete am weitesten fortgeschritten wähnten,
im heiligen Kampfe um Ehre und Ansehen des Vater-
landes den Rang definitiv,endgiltig ab-
gelaufen haben. Und dies ist bloß das Ergebnis
strammster Zucht und Organisation, gepaart mit ver-
ständnisvollster Förderung der Zwecke unserer mili-
tärischen Luftfahrt. Sie werden, meine sehr geehrten
Anwesenden, sehr leicht einsehen, daß es bedeutend
schwerer fällt, eine so dominierende Position,
wie wir sie dermalen gegenüber unseren
verbündeten Feinden auf dem Gebiete der
Luftfahrt einnehmen, dauernd zu behaupten,
als eine solche nur zuerreichen.
Sie werden, meine sehr geehrten Herren, es
ebenso begreiflich finden, daß unsere Gegner,
gewitzigt durch ihre sich täglich mehrenden
MiBerfolge, alle erdenklichen Anstrengungen
machen werden, uns diesen Rang streitig zu machen.
Daß es daher des intensivsten Zusammen-
schlusses aller Kräfte bedarf, um dieses
wirkungsvoll zu vereiteln, brauche ich wohl nicht
besonders hervorzuheben. Doch im Hinblicke darauf
finde ich es unerläßlich, an Sie, meine sehr geehrten
Herren, neuerlich den herzlichsten Appell zu richten,
sich der Notwendigkeit des forcierten, ver-
einigten Weiterarbeitens im Interesse der
Stärkung unserer Organisation, die ja in erster
Linie berufen ist, durch ihre weitausgreifende
Tätigkeit die Voraussetzungen für eine gedeihliche
Weiterentwicklung und Entfaltung unserer Luftfahrt
zu Schaffen, nicht zu verschließen und nach
Tunlichkeit diesen Gedanken propagandi-
stisch und werktätig zu vertreten und zu fördern.
Aus dem Rechenschaftsberichte des Vereinsausschusses
ist es Ihnen ja bekannt, daß der k. k. Österreichische
Flugtechnische Vereingerade im verflossenen
Jahre eine Reihe von Arbeiten in Angriff genommen
hat, die in diesem Belange von höchster Wichtigkeit
sind, daß aber der Ausbruch des Krieges die Vereins-
leitung vor ganz andere Aufgaben gestellt hat, vor
denen die Durchführung seiner anderen, geplanten
Aktionen einstweilen in den Hintergrund treten muß.
Doch der Eintritt normaler Zeiten wird auch hier zu
den bereits vorhandenen Aufgaben noch eine Reihe
neuer, heute vielleicht in ihrem Umfange noch nicht
ganz absehbarer Aufgaben bringen und da gilt es,
schon heute die Bedingungen für deren klaglose Ab-
wicklung schaffen. Und so hoffe ich mich eins mit
den geehrten Herren Mitgliedern des k. k. Österreichi-
schen Flugtechnischen Vereines, wenn ich Sie bitte,
getreu dem Wahlspruch unseres Allerhöchsten Pro-
tektors, unseres innigstgeliebten Kaisers, mit ver-
einten Kräften mitzuarbeiten an der Stärkung
unserer Organisation, an der Propagierung der flug-
technischen Idee! |
Mögen in dieser Beziehung jedem ein-
zelnen von Ihnen die ganz hervorragenden
Watfentaten unserer im Felde stehenden
VereinskollegenalskleinerAnsporndienen,
deren manch einer auch die verdiente Aller-
höchste Auszeichnung und Würdigung ge-
funden hat!
Bei dieser Gelegenheit betrachte ich es als meine
traurige Pflicht, auch jener Herren Mitglieder
zu gedenken, die ihr teures Leben auf dem
Felde der Ehrelassen mußten. (Die Anwesenden
erheben sich zum Zeichen der Trauer von den Sitzen.) So
beklagt der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein
den Heimgang seineshochgeschätzten, im Inter-
esse des Vereines stets hervorragend tätig
B Ausschußmitglie des, des k. u. k.
auptmannes Franz Freiherrn v. Berlepsch, General-
sekretärs des k. k. Osterreichischen Aeroklubs und der
Wiener Flugfeld-Gesellschaft, dessen ungemein ver-
dienstvolles Wirken in unserer Vereins- Zeitschrift
bereits gewürdigt wurde. Mit Freiherrn v. Berlepsch
verliert der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein
eines seiner wertvollsten und hervorragendsten Mit-
pear dem die Vereinsleitung stets das ehrenvollste
ngedenken bewahren wird.
Ferner beklagt der k. k. Österreichische Flugtech-
nische Verein den Heimgang seines im Vorjahre
gelegentlich einer dienstlichen Autofahrt tödlich ver-
unglückten Mitgliedes, des Herrn Hauptmann Miecis-
laus Miller, sowie der auf dem Felde der Ehre ge-
fallenen Fliegerhelden und Herren:
Generalstabshauptmann Oskar Rosmann, Ober-
leutnant Josef Flassig, Oberleutnant Engelbert W olf,
Oberleutnant Albert Sanchez de la Cerda, Ober-
leutnant Adalbert FeBl, Oberleutnant Manfred Geor-
gievics, Max v. Stutterheim, Kurt Ritter Umlauf
v. Frankwell, Generalmajor Wladimir Janiczek.
Aber noch vor Kriegsausbruch wurden dem Ver-
eine eine ganze Reihe lieber Mitglieder durch die
erschütternde Ballonkatastrophe von Fischamend ent-
rissen. Es sind die Herren: Hauptmann Hans Haus-
wirth und Oberleutnant Ernst Hofstätter, die mit
Ing. Kammerer und anderen Mitgliedern unserer
Luftschiffer-Abteilung den Tod fanden.
Der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein
und mit ihm die gesamte Österreichische Luftfahrt
werden diesen in treuester Pflichterfüllung auf dem
Felde der Ehre gefallenen Fliegerhelden stets ein
treues, hochehrendes Angedenken bewahren. Ich aber
danke Ihnen für die durch das Erheben von den
Sitzen bekundete Ehrung unserer teuren Toten.
Indem ich nunmehr zur eigentlichen Tagesordnung
der heutigen Hauptversammlung übergehe, erlaube ich
mir zu bemerken, daß das Stattfinden dieser Ver-
sammlung statutengemäß rechtzeitig durch das Vereins-
organ, sowie durch Verlautbarungen in den hiesigen
Tageszeitungen angekündigt wurde. Auch im heurigen
Jahre war die Direktion der Wiener Handelsakademie
so überaus liebenswürdig, uns den Festsaal zur Ab-
haltung der Hauptversammlung zu überlassen, wofür
ich mir erlaube, der verehrlichen Direktion namens
der Versammlung den verbindlichsten Dank auszu-
sprechen.
Über die Tätigkeit des Vereines im abgelaufenen
Jahre gibt Ihnen, meine sehr geehrten Herren, der in
der letzten Nummer des Vereinsorganes publizierte
Rechenschaftsbericht des Vereinsausschusses genauen
Aufschluß. Nachdem diese Verlautbarung noch recht-
zeitig vor dem Termine der Hauptversammlung er-
schienen ist, glaube ich aus Gründen der Zeitersparnis
von einer Verlesung desselben hier Abstand nehmen
zu sollen und stelle daher den Antrag:
»Die heute tagende VI. ordentliche Hauptver-
sammlung der Mitglieder des k. k. Österreichischen
Fiugtechnischen Vereines möge von einer Verlesung
des Geschäftsberichtes des Ausschusses in der heutigen
Versammlung absehen und mich ermächtigen, die Ab-
stimmung über die Annahme des Geschäftsberichtes
des Ausschusses durch die Hauptversammlung vorzu-
nehmen. Ich bitte daher alle jene Herren, welche den
Bericht des Ausschusses für das Vereinsjahr 1914 zur
Kenntnis nehmen, ihr Einverständnis durch das Erheben
der Hand zu bekunden.« (Allseitiges Erheben der Hände.)
Zur Gegenprobe bitte ich jene Herren, welche den
Bericht des Ausschusses nicht zur Kenntnis nehmen,
die Hand zu erheben. (Es meldet sich niemand.)
Auf Grund der vorgenommenen Abstimmung kon-
statiere ich die zustimmende Kenntnisnahme des
Geschäftsberichtes des Ausschusses, betreffend das
Vereinsjahr 1914, durch die heute tagende Hauptver-
sammlung des k. k. Österreichischen Flugtechnischen
Vereines.
Ich übergehe nunmehr zum Punkt 2 der Tages-
ordnung: Bericht der Revisoren für das
Vereinsjahr 1914 und Antrag auf Erteilung
des Absolutoriums für die finanzielle Ge-
barung des Ausschusses:
Der Bericht der Revisoren hat folgenden Wortlaut:
»Die gefertigten Revisoren sind in der ange-
nehmen Lage, der für den 10. Mai 1915 einberufenen
Hauptversammlung des k. k. Österreichischen Flug-
technischen Vereines als Resultat der vorgenommenen
Revision der Vereinsbuchhaltung die Konstatierung
zur Kenntnis bringen zu können, daß ordentliche
Buchungen vorgefunden wurden und stellen die-
selben daher den Antrag, die Hauptversammlung
wolle dem Ausschusse für das Jahr 1914 im Sinne
der Statuten das Absolutorium erteilen.
Adolf Igler m.p. Norbert Reichert m. p.
Vorsitzender: Auf Grund der Verlautbarung
des Berichtes der Revisoren stelle ich nun die Anfrage,
ob einer der Herren zu diesem Punkte das Wort zu
ergreifen wünscht? (Niemand meldet sich.)
Vorsitzender: Ich bitte also jene Herren, die
gegen die Kenntnisnahme dieses Berichtes stimmen,
die Hand zu erheben. (Niemand meldet sich.)
Vorsitzender: Da niemand gegen die Kenntnis-
nahme des Berichtes der Revisoren stimmt, konstatiere
ich hiemit die einstimmige Annahme dieses Berichtes
durch die VI. ordentliche Hauptversammlung des Ver-
eines. Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch den
Herren Rechnungsrevisoren, sowie dem liqui-
dierenden Kassier des Vereines, Herrn Dr. Arnold
Hildesheimer, ferner seinem Stellvertreter Herrn
J. Worms für ihre besondere Mühewaltung bei der
Liquidierung und Prüfung der Vereinsausgaben bestens
danken. (Bravo-Rufe.)
Damit gelange ich nun zur Erledigung des Punk-
tes 3 der Tagesordnung: Wahlen nach S 13 der
Statuten.
Im Sinne einer Beschlußfassung des Vereins-
ausschusses bitte ich die heute tagende Haupt-
versammlung, die Wahl des Herrn Öberinspektors
Anton Jarolimek, Königgrätz, zum Ehrenmitgliede
des Vereines vorzunehmen. Ich glaube, daß es zur
Motivierung dieses Antrages wohl keines besonderen
Hinweises auf die horvorragenden, wissenschaftlichen
Leistungen Jarolimeks bedarf. Der Name dieses
greisen Forschers, der noch heute, nach erreichtem
achtzigsten Lebensjahre mit bewunderungswürdiger
Geistesschärfe unermüdlich die zahllosen Probleme
der theoretischen Flugtechnik ergründet, wird gleich
jenen unserer berühmten Konnationalen Wellner,
v. Lößl, Kreß u. a. für immer mit der Geschichte
III
aviatischer Forschung in Osterreich aufs engste ver-
knüpft bleiben. (Bravo-Rufe.) Ich bitte daher die An-
nahme dieser Wahl per Akklamation vornehmen zu
wollen.
Diesem Antrage wird seitens der Hauptversamm-
lung mit lebhaftem Beifalle zugestimmt.
Vorsitzender: Auf Grund der allseits be-
kundeten Zustimmung erkläre ich die Wahl des Herrn
Oberinspektors Jarolimek zum Ehrenmitgliede
des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines
als vollzogen und werde veranlassen, daß sein Name
auf die Liste der Ehrenmitglieder des Vereines ge-
setzt werde.
Schließlich erlaube ich mir der Hauptversammlung
zur Kenntnis zu bringen, daß im Laufe des ver-
flossenen Jahres Herr Prokurist Paul Bellak in den
Vereinsausschuß kooptiert wurde und ersuche ich
namens des Ausschusses diese Wahl nachträglich
bestätigen zu wollen. Wünscht jemand der Herren zu
diesem Punkte der Tagesordnung noch das Wort zu
ergreifen? (Niemand meldet sich.)
Vorsitzender: Da niemand zu diesem Gegen-
stande der heutigen Tagesordnung das Wort zu er-
greifen wünscht, bringe ich den Antrag zur Ab-
stimmung, und ersuche jene Herren, welche die Be-
stätigung der Wahl des genannten Herrn zum Aus-
schußmitgliede geben wollen, die Hand zu erheben.
Mit der Annahme des letzten Antrages des Aus-
schusses ist auch der Punkt 3 der heutigen Tages-
ordnung erledigt.
Im Anschlusse an diesen Punkt aber finde ich es
gemäß der im Vorjahre gelegentlich der letzten Haupt-
versammlung normierten Statutenänderung notwendig,
Neuwahlen im Vereinsausschusse selbst vorzunehmen.
Laut Beschluß der V. Hauptversammlung der Mit-
glieder des Vereines hat nämlich heuer zum ersten-
mal ein Drittel der Mitglieder des Ausschusses
automatisch durch das Los auszuscheiden und der
Hauptversammlung zur Neuwahl gestellt zu werden.
Hiebei ist eine Wiederwahl der Ausscheidenden statt-
haft. Ich schreite daher an die Durchführung dieser
Bestimmung, indem ich gemäß dem Ergebnisse der
heute hier stattgefundenen Sitzung des Ausschusses
die tagende Hauptversammlung bitte, die Wieder-
wahl der durch das Los heuer auszuscheidenden
Ausschußmitglieder mit Rücksicht auf die dermaligen
besonderen Verhältnisse genehmigen zu wollen.
Zur Konstatierung, ob jemand zu diesem Punkte
das Wort zu ergreifen wünscht, bitte ich jene Herren,
die dies zu tun gedenken, die Hand zu erheben.
(Niemand meldet sich.)
Gegenprobe. (Niemand meldet sich.)
Vorsitzender: Und nun bitte ich zur Kon-
statierung der Genehmigung, die Anwesenden die
Hand zu erheben. (Allseitiges Erheben der Hände.)
Der Vizepräsident des k. k. Österreichischen
Aeroklubs Herr Alfred v. Strasser erhebt sich, um
unter Hinweis auf die besondere Mühewaltung und
Sorgfalt, die das Präsidium auch im verflossenen
Jahre bei der Leitung des k. k. Österreichischen
Flugtechnischen Vereines entfaltet hat, besonders zu
danken und dem Präsidium, insbesondere aber dem
Herrn Generaldirektor Cassinone ein Vertrauens-
votum auszusprechen. Diese spontane Kundgebung
wurde seitens der versammelten Vereinsmitglieder
mit dem größten Beifall aufgenommen, worauf der
Vorsitzende den Anwesenden seinen wärmsten Dank
im eigenen Namen, sowie im Namen des Präsidiums
zum Ausdrucke brachte.
Vorsitzender: Nachdem nun der letzte Punkt
der heutigen Tagesordnung erledigt worden ist und
heuer offenbar aus dem Umstande heraus, daß die
meisten Herren unserer Vereinskollegen im Felde
stehen, besondere Anträge aus den Kreisen unserer
Vereinsmitglieder nicht eingelaufen sind, die Tages-
ordnung der heutigen Hauptversammlung bereits er-
ledigt ist, schließe ich hiemit die Sitzung.
*
IV
Bevor ich dies jedoch tue, möchte ich die Ge-
legenheit noch benützen, um im eigenen Namen,
sowie im Namen des Vereinspräsidiums in erster
Linie dem Ausschusse für den Eifer und die be-
sondere Mühewaltung, mit der er die Vereins-
angelegenheiten im Laufe des letzten Jahres erledigt
und mit der er die Bestrebungen des Vereins-
präsidiums unterstützt hat, den wärmsten Dank zu
sagen.
In gleicher Weise fühle ich mich auch ver-
pflichtet, dem Herrn Prof. Budau in seiner Eigen-
schaft als Chefredakteur der Vereinszeitschrift herzlichst
für seine im Interesse der wissenschaft-
lichen Hebung unseres Vereinsorganes
entfaltete Tätigkeit, für seine großen Bemühungen,
dieses Blatt nach allen Seiten hin immer mehr und
mehr auszubauen, den verbindlichsten Dank aus-
zusprechen. (Lebhafter Beifall.) Im übrigen danke ich
im eigenen, wie auch im Namen des Vereinspräsidiums
ohne Ausnahme allen jenen Herren, die in irgend
einer Art an der Förderung der Ziele und Zwecke
des Vereines mitgewirkt haben.
In dem Momente, da ich die VI. ordentliche
Hauptversammlung der Mitglieder des k. k. Österreichi-
schen Flugtechnischen Vereines schließe, drängt es mich
noch, zum Schlusse einen uns alle beseelenden Wunsch
zum Ausdrucke zu bringen, der so recht alle herz-
lichen, dermalen nur unserem geliebten Vaterlande,
seinem so heißgeliebten, weisen Oberhaupte und seiner
glänzenden Armee geltenden Gefühle innigster Dank-
barkeit bekundet und der einer lichtvolleren, freudigen
Zukunft gilt. Einem Wunsche, der in erster Linie
unserem erhabensten, allerhöchsten Protektor zu-
gedacht ist und in dem Satze gipfelt: (Die An-
wesenden erheben sich von ihren Sitzen.)
Möge es nach siegreicher Beendigung des uns
von neidsüchtigen, hämischen Feinden aufgezwungenen
Krieges Sr. Majestät, unserem allergnädigsten Kaiser
und Herrn, noch lange vergönnt sein, seine gütige,
väterliche Hand in so unendlicher Weisheit über uns
walten zu lassen, möge seine glorreiche, herrliche
Regierung ihm noch viele Tage reinsten Herrscher-
glückes bescheren, das in dem Bewußtsein gipfelt,
sich die Liebe und Verehrung seiner Untertanen durch
unermüdliche, weise Fürsorge errungen und gefestigt
zu haben. Und in diesem Sinne weiß ich mich mit
Ihnen, meine sehr geehrten Anwesenden vollkommen
eins, wenn ich die Zusammenfassung aller dieser
Herzenswünsche in die wenigen, aber um so herz-
licheren Worte kleide: Se. Majestät unser aller-
nädigster Kaiser und Herr, unser allerhöchster
rotektor, er lebe hoch, hoch, hoch!
An dieser Stelle aber dürfen wir auch des treuesten
Freundes und Bundesgenossen unseres geliebten
Kaisers nicht vergessen und unsere Glück- und Segens-
wünsche gelten in dieser Stunde auch Sr. Majestät
dem Kaiser Wilhelm II, und ich bitte Sie mit mir
einzustimmen in den Ruf: Se. Majestät Kaiser
Wilhelm II. er lebe hoch, hoch, hoch!
Ebenso drängt es mich, hier noch des neuesten Ver-
bündeten unserer beiden Monarchen in gleicher Weise
zu gedenken und ich bitte Sie noch im Hinblicke auf
die teure Waffenbrüderschaft, die uns und Deutsch-
land mit dem Osmanenreiche verbindet, ebenso herz-
haft in den Ruf einzustimmen, Se. Majestät Sultan
Mohammed V. er lebe hoch, hoch hoch!
Nach dieser spontanen Huldigung, welche in den
Herzen der Anwesenden den freudigsten Widerhall
auslöste, schloß der Vorsitzende die diesjährige Haupt-
versammlung.
Sitzung des Vereinsausschusses vom 10. Mai 1915, unmittelbar nach
Stattfinden der Hauptversammlung.
Vorsitzender: Präsident Generaldirektor ! wesenden Herren als Alterspräsidenten übergibt, meldet
A. Cassinone.
Der Vereinspräsident spricht zunächst im Namen
des Präsidiums sowie im eigenen Namen den Herren
Dr. Arnold Hildesheimer, Norbert Reichert
und Adolf Igler den wärmsten Dank für ihre so
ungemein anerkennenswerten Bemühungen bei der
Führung und Überprüfung der Kassageschäfte aus.
Bevor noch der Präsident zwecks Vornahme der
Neuwahl des Präsidiums den Vorsitz an einen der an-
sich Herr Reichsratsabgeordneter Max Friedmann
zum Worte und beantragt die Wiederwahl des
bisherigen Präsidiums per Akklamation. Dieser Antrag
wird auch seitens der versammelten Ausschußmitglieder
mit Beifall aufgenommen, worauf der Vorsitzende für
das ihm und dem ganzen Präsidium bei dieser
Gelegenheit dargebrachte Vertrauensvotum sowie für
die durch die Wiederwahl bekundete Anerkennung
wärmstens dankt. Die Sitzung wird hierauf geschlossen.
Soeben erschienen:
Motorenkunde für Flugtechniker.
Unter diesem Titel ist im Verlage des k. k. Osterreichischen Flugtechnischen Vereines
eine ungemein reichhaltige, popular-anschaulich geschriebene Schrift erschienen, die,
durch zahlreiche Textfiguren und Abbildungen illustriert, den Bau, die Funktion und
den Betrieb der heute üblichen Flugmotorensysteme erläutert und nebstbei wertvolle
Ratschläge für alle in Betracht kommenden Reparaturen etc. enthält. Im Hinblicke
auf das wirklich mit besonderer Sorgfalt zusammengetragene Material, das in seiner
geschickten Zusammenstellung eine reichhaltige Fundgrube praktischen Wissens
darstellt, kann dieses Werk, welches von Ing. Stephan Popper, einem auf diesem
Gebiete besonders versierten Fachmanne, verfaßt ist, allen Interessenten nur auf
das wärmste empfohlen werden. Als wichtiger Behelf zum Selbstunterrichte ist
dieses Buch ganz besonders anzusehen. Zu beziehen gegen Voreinsendung des
Betrages von K 3’— oder per Nachnahme durch die Kommissions-Buchhandlung
Lehmann & Wentzel, Wien, I. Kärntnerstraße 30, oder durch das
Sekretariat des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines,
Wien, Il. Uraniastraße i, Uraniagebäude.
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8 des unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Majestät des Kaisers und Königs ;
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K. K. ÖSTERREICHISCHEN FLUGTECHNISCHEN VEREINES.
Nr. 11/12 Juni 1915 IX. Jahrgang
Funktionäre des Vereines.
Erster Ehrenpräsident:
Se. Durchlaucht Fürst Hugo Dietrichstein zu Nikoisburg Graf Mensdorff-Poullly, k. u. k. Geheimer
Rat, Generalmajor a. D. etc. :
Ehrenpräsidenten:
August Ritter v. Ritt, k.u.k. Geheimer Rat, Leopold Schleyer Edler von Pontemaighera,
k.k. Minister a. D. etc. k. u. k. Feldzeugmeister und Sektionschef im k. u. k. Kriegs-
ministerium.
Präsident:
Alexander Cassinone, Generaldirektor der Maschinenfabriks A.-G. Körting in Wien.
Vizepräsidenten:
Franz Hinterstoißer, k. u. k. Major, Vizepräsident des Dr. Konstantin Freiherr v. Economo, Präsident
k. k. Österreichischen Aeroklubs. des k. k. Österreichischen Aeroklubs etc.
Richard Knoller, Professor an der k. k. Technischen Hochschule Wien.
Bibliothekare: Revident Georg Eckardt, Ing. Franz Wels. Kassier: Dr. Arnold Hildesheimer.
Kassier-Stellvertreter: James Worms, Bankbeamter.
AusschuBmitglileder: Altmann Josef, k. k. Baurat; Angeli Robert v., k. k. Rechnungsdirektor; Ascher Moritz, Dr.; Austerlitz
Leopold, Dr., k. u. k. Oberst; Bechtel Friedrich, Redakteur; Bellak Paul, Prokurist; Beschorner Alexander, kaiserl. Rat;
Booms Wilhelm, k. u. k. Hauptmann; Budau Artur, k. k. Hochschulprof.: Castiglioni Camillo. k. k. Kommerzialrat; Doblhoff
Walter, Freih. v., Dr.-Ing.; DoleZal Eduard, k. k. Hofrat; Eckardt Georg, Revident; Ehrenfest-Egger Artur, k. k. Kommerzial-
rat; Etrich Igo, Großindustrieller; Flesch Josef, kaiserl. Rat; Foregger Richard v., Dr.; Friedmann Max, Reichsrats-
abgeordneter; Gerstner Ferd., k. k. Oberbaurat; Hofmann Raoul, Ing.; Hildesheimer Arnold, Dr.; Jung Franz, Dr., k. k
Prof.; Kann Rudolf, techn. Beamter; Katzmayr Richard, Ing.; Kirsch B., k. k. Prof.; Kiticsan Koloman, k. u. k. Oberst-
leutnant; Kolowrat-Krakovsky Alexander, Graf; Neumann Josef, k. u. k. Oberst d. R.; Nikel Hugo L., k. u. k. techn.
Oberoffizial; Orel Eduard, Ritter v., k. u. k. Hauptmann; Orelli Hans Friedrich v., Schriftsteller; Petröczy Stephan v.,
k. u. k. Hauptmann; Pittner Hans, Schriftsteller; Pflanzer Rupert, k. k. Rechnungsrevident; Pfungen Otto, Baron;
Porsche Ferd., Direktor: Rädy-Maller Maximilian, Direktor, Rebernigg Franz, Ing.; Riedmatten Roger de; Saltiel Wilh. v.,
k. k. Oberrevident: Schimek Rudolf, k. u. k. Major; Schmidl Ludwig, k. u. k. Rittmeister; Schmidt Leopold, Ing., Prof.;
Schuster Anton. Revident; Stohanzl Karl, k. u. k. Hauptmann; Tauber Friedrich, k. u. k. Hauptmann; Tindl Karl, Ing.;
Umlauff Hans Ritter v. Frankwell, k. u.k. Major; Uzelac Emil, k. u. k. Oberst; Warchalowski August, Direktor; Wechsler
Norbert, Privatier; Wels Franz, Ing.; Worms James, Bankbeamter; Wurzel Georg Karl, Dr.; Zoller Johann, Ober-Ing.
Im Sinne der 8$ 6 und 8 der Statuten wurden zu Mitgliedern des Ausschusses delegiert vom
k. k. Handelsministerium: k. k. Baurat Josef Altmann;
k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht: Ministerialrat Dr. Rudolf Ritter v. Pollak; als Vertreter der
k. k. Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik: Direktor Prof. Wilh. Trabert;
k. k. Ministerium für öffentliche Arbeiten: k. k. Oberbaurat Karl Goebl;
k. u. k. Kriegsministerium: Emil Uzelac, k. u. k. Oberst;
k. u. k. Kriegsministerium, Marine-Sektion: Wladimir Slawik, k. u. k. Linienschiffsleutnant.
Im Sinne des $ 9 der Statuten: Georg Schicht.
Im Sinne des § 11 derStatuten wurden von den Zweigvereinen (Landesdelegierten) in den Ausschuß kooptiert, und zwar vom:
Flugtechnischen Verein in Mähren: Justin Robert, Großindustrieller.
Fiugtechnischen Verein In Schlesien: Dr. Stephan Zwierzina, Troppau.
Vereins-Sekretariat: k. u. k. Oberst d. R. Wilhelm Suchomel, Generalsekretär, i. V. Fritz Ellyson.
Vereinslokalitäten, Sekretariat und Redaktion: Wien, I. Uraniastraße (Uraniagebäude), 3. Stock. Bureaustunden an Wochen-
tagen von !9 bis 12 und 1½3 bis 6 Uhr. Telephon Nr. 13.34. Postsparkassenkonto 88.760.
Das Lesezimmer und die Vereinsbibliothek stehen den Mitgliedern des Vereines an Wochentagen, und zwar am Montag
Mittwoch und Samstag von 4 bis 6 Uhr zur Verfügung.
AVISO.
Von den Jahrgängen 1912, 1913 und 1914 der Vereinszeitschrift wird eine
größere Zahl von Exemplaren, soweit der Vorrat reicht, um den ermäßigten Betrag
von je K 2°— abgegeben. Bestellungen sind an das Vereinssekretariat zu richten.
Die Redaktion der Österreichischen Flug-Zeitschrift.
Der gegenwärtige Weltkrieg bat der Flugtechnik und Luftschiffabrt eine Reihe
unvergänglicher Erfolge gebracht. Eine unmittelbare Folge davon ist die erfreuliche
Tatsache, daß der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein, welcher an der Ent-
wicklung unserer nationalen Flugtechnik großen Anteil genommen bat, seit Beginn
des Krieges eine nambafte Anzabl von Beitritten aufzuweisen bat. Das Präsidium
des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines will diese Gelegenheit gerne er:
greifen, um nochmals an die verehrten Mitglieder und Kompatrioten den dringenden
Appell zur Werbung neuer Mitglieder zu richten.
Großes haben wir geleistet, noch größere Aufgaben harren unser!
Neubeitritte seit März 1915.
Gründer: Mahla Jakob, k. k. Kommerzialrat, Gablonz.
Unterstützende Mitglieder; Eisenwerke A.-G. Rothau-Neudek, Wien; Kirste Leo E., Flugzeug-
konstrukteur, Wien ; Kohn Julius, Großindustrieller, Wien ; Mauthner Isidor, Kommerzialrat, Wien.
Ordentliche Mitglieder: Bartelmuß Karl Moritz, Ing., Bielitz ; Finzi Albert, Kaufmann, Wien;
Hansel Anton, Prokurist, Wien; Kolin Julius, Ing., Galgocz ; Popper Eduard Hans, Ing., Wien; Porak Ernst,
Fabriksbesitzer, Kienberg ; Ranzinger Vinzenz, kgl. ung. Bergrat, Wien; Seklehner Viktor, Mechaniker, Pola ;
Wlach Hans, Krönau.
* 5 *
i Wir bitten, unsere Bestrebungen durch eifrige Werbung neuer Mitglieder freundlichst unterstützen zu
wollen.
Das Sekretariat des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines.
Die P. T. Mitglieder werden ersucht, sich rege an der Werbung neuer Mitglieder
zu beteiligen.
Niemandem wird durch die Beitrittsaufforderung eine ernstliche Last zugemutet.
Jeder, der beitritt (Damen und Herren, vom Stifter bis zum Teilnehmer), stärkt
die Organisation des Vereines. Jeder Neueintretende ist gleichmäßig willkommen.
Werbeschreiben steben über Anforderung zur Verfügung. Die Abbaltung von
Propagandavorträgen zur Erweckung des Allgemeininteresses für die Entwicklung
der Flugtechnik wird erbeten.
Soeben erschienen:
Motorenkunde für Flugtechniker.
Unter diesem Titel ist im Verlage des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines
eine ungemein reichhaltige, populär-anschaulich geschriebene Schrift erschienen, die,
durch zahlreiche Textfiguren und Abbildungen illustriert, den Bau, die Funktion und
den Betrieb der heute üblichen Flugmotorensysteme erläutert und nebstbei wertvolle
Ratschläge für alle in Betracht kommenden Reparaturen etc. enthält. Im Hinblicke
auf das wirklich mit besonderer Sorgfalt zusammengetragene Material, das in seiner
geschickten Zusammenstellung eine reichhaltige Fundgrube praktischen Wissens
darstellt, kann dieses Werk, welches von Ing. Stephan Popper, einem auf diesem
Gebiete besonders versierten Fachmanne, verfaßt ist, allen Interessenten nur auf
das wärmste empfohlen werden. Als wichtiger Behelf zum Selbstunterrichte ist
dieses Buch ganz besonders anzusehen. Zu beziehen gegen Voreinsendung des
Betrages von K 3 — oder per Nachnahme durch die Kommissions-Buchhandlung
Lehmann & Wentzel, Wien, I. Kärntnerstraße 30, oder durch das
Sekretariat des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines,
Wien, I. Uraniastraße i, Uraniagebäude.
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des unter dem Allerhéchsten Protektorate Seiner Majestät des Kaisers und Königs
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Nr. 13/14 Juli 1915
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Funktionäre des Vereines.
Erster Ehrenpräsident:
Se. Durchlaucht Fürst Hugo Dietrichstein zu Nikoisburg Graf Mensdorff-Pouiliy, k. u. k. Geheimer
Rat, Generalmajor s. D. etc.
Ehrenpräsidenten:
August Ritter v. Ritt, k.u.k. Geheimer Rat, Leopold Schleyer Edier von Pontemalghera,
k.k. Minister a. D. etc. k. u. k. Feldzeugmeister und Sektionschef im k. u. k. Kriegs-
ministerium.
Präsident:
Alexander Cassinone, Generaldirektor der Maschinenfabriks A.-G. Körting in Wien.
Vizepräsidenten:
Franz Hinterstolßer, k. u. k. Major, Vizepräsident des Dr. Konstantin Freiherr v. Economo, Präsident
k. k. Österreichischen Aeroklubs. des k. k. Österreichischen Aeroklubs etc.
Richard Knoller, Professor an der k. k. Technischen Hochschule Wien.
Bibliothekare: Revident Georg Eckardt, Ing. Franz Wels. Kassier: Dr. Arnold Hildesheimer.
Kassier-Stellvertreter: James Worms, Bankbeamter.
AusschuBmitgileder: Altmann Josef, k. k. Baurat: Angeli Robert v., k. k. Rechnungsdirektor; Ascher Moritz, Dr.; Austerlitz
Leopold, Dr., k. u.k. Oberst; Bechtel Friedrich, Redakteur; Bellak Paul, Prokurist; Beschorner Alexander, kaiserl. Rat;
Booms Wilhelm, k. u. k. Hauptmann; Budau Artur, k. k. Hochschulprof.; Castiglioni Camillo. k.k. Kommerzialrat; Doblhoff
Walter, Freih. v., Dr.-Ing.; DoleZal Eduard, k. k. Hofrat ; Eckardt Georg, Revident; Ehrenfest-Egger Artur, k. k. Kommerzial-
rat; Etrich Igo, Großindustrieller; Flesch Josef, kaiserl. Rat; Foregger Richard v., Dr.; edmann Max, Reichsrats-
abgeordneter; Gerstner Ferd., k. k. Oberbaurat; Hofmann Raoul, Ing.; Hildesheimer Arnold, Dr.; Jung Franz, Dr., k. k.
Prof.; Kann Rudolf, techn. Beamter ; Katzmayr Richard, Ing.; Kirsc B., k. k. Prof.; Kiticsän Koloman, k. u. k. Oberst-
leutnant; Kolowrat-Krakovsky Alexander, Graf; Neumann Josef, k. u. k. Oberst d. R.; Nikel Hugo L., k. u. k. techn.
Oberoffizial; Orel Eduard, Ritter v., k. u. k. Hauptmann; Orelli Hans Friedrich v., Schriftsteller; Petröczy Stephan v.,
k. u. k. Hauptmann; Pittner Hans, Schriftsteller; Pflanzer Rupert, k. k. Rechnungsrevident; Pfungen Otto, Baron;
Porsche Ferd., Direktor; Rädy-Maller Maximilian, Direktor; Rebernigg Franz, Ing.; Riedmatten Roger de; Saltiel Wilh. v.,
k. k. Oberrevident: Schimek Rudolf, k. u. k. Major; Schmidl Ludwig, k. u. k. Rittmeister; Schmidt Leopold, Ing., Prof.;
Schuster Anton, Revident; Stohanzl Karl, k. u. k. Hauptmann; Tauber Friedrich, k.u.k. Hauptmann; Tindl Karl, Ing.;
Umlauff Hans Ritter v. Frankwell, k. u. k. Major; Uzelac Emil, k. u. k. Oberst; Warchalowski August, Direktor; Wechsler
Norbert, Privatier; Wels Franz, Ing.; Worms James, Bankbeamter; Wurzel Georg Karl, Dr.; Zoller Johann, Ober-Ing.
Im Sinne der §§ 6 und 8 der Statuten wurden zu Mitgliedern des Ausschusses delegiert vom
k. k. Handeisministerium: k. k. Baurat Josef Altmann;
k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht: Ministerialrat Dr. Rudolf Ritter v. Pollak; als Vertreter der
k. k. Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik: Direktor Prof, Wilh. Trabert;
k. k. Ministerium für öffentliche Arbeiten: k. k. Oberbaurat Karl Goebl;
k. u. k. Kriegsministerium: Emil Uzelac, k. u. k. Oberst; .
K. u. k. Kriegsministerium, Marine-Sektion: Wladimir Slawik, k. u. k. Linienschiffsleutnant.
Im Sinne des § 9 der Statuten: Georg Schicht.
Im Sinne des § 11 der Statuten wurden von den Zweigvereinen (Landesdelegierten) in den Ausschuß kooptiert, und zwar vom:
Flugtechnischen Verein in Mähren : Justin Robert, Großindustrieller.
Flugtechnischen Verein in Schlesien: Dr. Stephan Zwierzina, Troppau.
Vereins-Sekretariat: k. u. k. Oberst d. R. Wilhelm Suchomel, Generalsekretär, i. V. Fritz Ellyson.
Vereinsiokalitäten, Sekretariat und Redaktion: Wien, I. Uraniastraße (Uraniagebäude), 3. Stock. Bureaustunden an Wochen-
tagen von 1/9 bis 12 und 1,3 bis 6 Uhr. Telephon Nr. 13.340. Postsparkassenkonto 88.760.
Das Lesezimmer und die Vereinsbibliothek stehen den Mitgliedern des Vereines an Wochentagen, und zwar am Montag
Mittwoch und Samstag von 4 bis 6 Uhr zur Verfügung. l
Von den Jabrgängen 1912, 1913 und 1914 der Vereinszeitschrift wird eine
größere Zahl von Exemplaren, soweit der Vorrat reicht, um den ermäßigten Betrag
von je K 2'°— abgegeben. Bestellungen sind an das Vereinssekretariat zu richten.
Die Redaktion der Österreichischen Flug-Zeitschrift.
Der gegenwärtige Weltkrieg bat der Flugtechnik und Luftschiffabrt eine Reihe
unvergänglicher Erfolge gebracht. Eine unmittelbare Folge davon ist die erfreuliche
Tatsache, daß der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein, welcher an der Ent-
wicklung unserer nationalen Flugtechnik großen Anteil genommen bat, seit Beginn
des Krieges eine namhafte Anzabl von Beitritten aufzuweisen hat. Das Präsidium
des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines will diese Gelegenbeit gerne er:
greifen, um nochmals an die verebrten Mitglieder und Kompatrioten den dringenden
Appell zur Werbung neuer Mitglieder zu richten.
Großes haben wir geleistet, noch größere Aufgaben harren unser!
Die P. T. Mitglieder werden ersucht, sich rege an der Werbung neuer Mitglieder
zu beteiligen.
Niemandem wird durch die Beitrittsaufforderung eine ernstliche Last zugemutet.
Jeder, der beitritt (Damen und Herren, vom Stifter bis zum Teilnehmer), stärkt
die Organisation des Vereines. Jeder Neueintretende ist gleichmäßig willkommen.
Werbeschreiben steben über Anforderung zur Verfügung. Die Abhaltung von
Propagandavorträgen zur Erweckung des Allgemeininteresses für die Entwicklung
der Flugtechnik wird erbeten.
Na On Oaa ANAONA Anana ANAONA OSANA NNOO anaa AOAN DO a aana anaana AAAA na IU titiſſſſſſſüſſſſſſſanſſſſſſiſſſſſſſſſſſſſſſſſſſſſſſſſſſſſaſſſſſſſſſantſpſſſiiſſpſppſiſſ
Einbanddecken für die Österreichische Flug-Zeitschrift.
Jm Sekretariate des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines, Wien, I.
Aspernplatz (Uraniagebäude), sind, so lange der Vorrat noch reicht, mebrere Einband:
decken zu den Jahrgängen 1911, 1912, 1913 und 1914 der Österreichischen Flug:
Zeitschrift in eleganter schwarzer Leinenpressung mit Aufdruck in Goldlettern zum
Preise von K 2°50 pro Stück erhältlich. Versand erfolgt gegen Voreinsendung oder
Nachnahme des Betrages.
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AVISO!
An die P. T. Mitglieder des k. k. Österreichischen
Flugtechnischen Vereines.
Gelegentlich der Durchsicht unserer Bibliothek hat die Vereinsleitung festgestellt,
daß zahlreiche Bücher seit längerer Zeit an die Mitglieder des k. k. Osterreichi-
schen Flugtechnischen Vereines verliehen worden sind, ohne bisher rückgestellt zu
werden. Die P. T. Vereinsmitglieder werden daher höflichst ersucht, die entliehenen
Bücher ehebaldigst der Vereinsleitung rückzuerstatten. Bis zur beendeten Revision
ist die Verleihung von Büchern aus der Bibliothek nicht möglich.
Das Sekretariat des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines.
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Erscheint am 10. und 25. eines jeden Monats.
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K. K. ÖSTERREICHISCHEN FLUGTECHNISCHEN VEREINES.
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Mitteilungen
Seiner Majestät des Kaisers und Königs
Nr. 15/16
August 1915
IX. Jahrgang
Auszugsweiser Bericht.
Sitzung des Ausschusses des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines vom 24. Juli 1915.
Vorsitzender: Präsident Generaldirektor
A. Cassinone.
Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung mit einer
kurzen Einleitung, in welcher er mit Stolz der Tatsache
gedenkt, daß neuerdings, das ist seit Abhaltung der
letzten Ausschußsitzung, eine ganze Anzahl von Vereins-
angehörigen sowie Fliegeroffizieren durch Allerhöchste
Auszeichnungen dekoriert worden sei. So wurde in
erster Linie unser verdienstvoller Ehrenpräsident, Seine
Exzellenz Feldmarschalleutnant Leopold Schleyer
Edler v. Pontemalghera, von Seiner Majestät
zum Feldzeugmeister ernannt. Das Präsidium des
k.k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines nahm
diesen Anlaß wahr, um Seiner Exzellenz die herzlich-
sten Glückwünsche des Vereines zu entbieten, worauf
seitens Seiner Exzellenz ein überaus warmes Dank-
schreiben, gerichtet an das Präsidium des k. k. Öster-
reichischen Flugtechnischen Vereines, einlangte, dessen
Wortiaut der Vorsitzende auch zur Verlesung brachte.
Des weiteren wurden von Seiner Majestät unser
Ausschußmitglied Oberst Emil Uzelac in Anerkennung
verdienstvollen Wirkens als Kommandant der k. u. k.
Luftschiffer-Abteilung sowie als Flieger vor dem Feinde
zum Kommandanten der Luftfahrertruppen ernannt
und überdies noch durch die Verleihung des Ritter-
kreuzes des Leopold-Ordens ausgezeichnet. Auch an
Herrn Oberst Uzelac erging seitens des Präsidiums
eine in warmen Worten gehaltene Glückwunschadresse,
die ebenso herzlich erwidert wurde. Unter den weiter-
hin ausgezeichneten Mitgliedern des Vereinsausschusses
befindet sich noch Herr kaiserl. Rat Josef Flesch,
dem in Anerkennung seines hervorragenden Wirkens
auf dem nördlichen Kriegsschauplatze von Seiner
Majestät das Signum Laudis verliehen wurde. Ferner er-
hielt Vereinsmitglied Hauptmann Friedrich Boemches
das Militär-Verdienstkreuz mit der Kriegsdekoration.
Von den Angehörigen unserer k. u. k. Luftschiffer-
abteilung und Marinefliegersektion wurden aus-
gezeichnet:
mitdem SignumLaudis:
Leutnant Felix Edler v. Czizek-Schmidaich,
Oberleutnant Dr. Friedrich Ritter KraBl von
Traissenegg,
Leutnant Franz Freiherr Mayr v. Melnhof,
Oberleutnant Dr. Alfred Rapaport Edler von
Porada,
Oberleutnant Dr. Johann Rosenberg,
Fregattenleutnant Alfred Freiherr v. Minarelli-
Fizgerald,
Linienschiffsleutnant Hugo Ochermüller;
mit dem Orden der Eisernen Krone
mitder Kriegsdekoration:
Linienschiffsieutnant Wenzel Woseczek,
Linienschiffsleutnant Gustav Klasing,
Oberstleutnant Heinrich Tenner;
mitdem Militär-Verdienstkreuz mit
der Kriegs dekoration:
Fregattenleutnant Alois Kaindl,
Fregattenleutnant Konstantin Maglic,
Fregattenleutnant Bela v. Losonczy,
Linienschiffsleutnant Franz Mikule cz k y,
Fregattenleutnant Glauko Prebanda.
Bei dieser Gelegenkeit bringt der Vorsitzende dem
Ausschusse zur Kenntnis, daß auch sein Sohn Ernst
Alexander, welcher bei eee e freiwillig in die
deutsche Armee eintrat und im Mai bei einem Sturm
auf Ypern durch Schuß verletzungen schwer verwundet
wurde und sich nunmehr auf dem Wege der Besse-
rung befindet, durch r Eisernen Kreuzes
ausgezeichnet wurde. Diese Mitteilung wurde vom
versammelten Ausschusse mit großer Befriedigung zur
Kenntnis genommen und der Vorsitzende aufs herz-
lichste beglückwünscht.
Anschließend an die Mitteilung dieser Auszeich-
nungen knüpft der Vereinspräsident die Betrachtung,
daß sich in der Auszeichnung die ganz besondere
Aktivität unserer Fliegeroffiziere widerspiegle, welche
in letzter Zeit zu ganz hervorragenden Erfolgen
geführt hat. Es sei aber aus all dem ersichtlich,
daß wir den Vorsprung, den unsere Feinde auf
dem Gebiete der Luftfahrt einzunehmen geglaubt
hatten, nicht nur erreicht, sondern definitiv die Hege-
monie auf dem Gebiete der modernen Luftstrategie
errungen haben. In diesem Belange erscheint es an-
gezeigt, die unvergänglichen Ruhmestaten unserer
verbündeten Fliegerhelden in würdiger Form dauernd
festzuhalten und sie der Nachwelt zu überliefern.
Einen diesbezüglichen konkreten Vorschlag bringt
der Vorsitzende hierauf zur Verlesung, in welchem
der Antragsteller, Vereinsmitglied Herr Hauptmann
V.J. Berger, ausführt, daß es nicht nur aus prak-
tischen, sondern auch aus Gründen der Pietät, ferner
auch im Interesse der Geschichte der Luftfahrt im
Kriege angezeigt erschiene, daß der Flugtechnische
Verein im Einvernehmen mit dem Kriegsministerium
und der Marinesektion sich das erforderliche bildliche
und textliche Material zur Herausgabe eines Werkes
beschaffe, welches die Leistungen unserer Flieger im
Kriege festhalten soll. Nach kurzer Diskussion wurde
der Antrag des Herrn Hauptmann Berger vom
II
Ausschusse angenommen und das Sekretariat er-
mächtigt, die erforderlichen Schritte zwecks Be-
schaffung des genannten Materiales einzuleiten.
Auf die weiteren Punkte der Tagesordnung über-
pence bringt der Vorsitzende dem Ausschusse zur
enntnis, daß es der Vereinsleitung trotz der größten
materiellen und anderen Opfer gelungen sei, auch
heuer ein Vereinsjahrbuch herauszugeben, welches,
wie die Presse-Rezensionen bekunden, sowohl be-
züglich seines Inhaltes als auch seiner Ausstattung
seine Vorgänger nicht nur erreicht, sondern auch in
manchem übertroffen hat.
Der Ausschuß nimmt diese Mitteilungen mit Be-
friedigung zur Kenntnis, bei welcher Gelegenheit dem
Verfasser des Jahrbuches, Herrn Fritz Ellyson,
gleichzeitig auch der Dank und die Anerkennung des
Ausschusses ausgesprochen wird.
Nachdem noch einige interne Angelegenheiten des
Vereinsbetriebes zur Sprache und Diskussion gelangt
waren, macht der Vorsitzende Mitteilung von der neuen
Sammlung, welche dem Verein dank der opferwilligst
fördernden Initiative des Ausschußmitgliedes Herrn
Prokuristen Paul Bellak einverleibt werden konnte.
Es ist dies das »Photographische Archi ve,
welches eine Sammlung von über 1600 Photographien
aus dem Gebiete der Luftschiffahrt und Flugtechnik
umfaßt und welche durch Herrn Bellak in über-
sichtlicher handlicher Form für die Vereinsmitglied-
schaft etc. zusammengestellt und geordnet wurde. Die
äußerst geschmackvolle und ungemein praktische Art,
in welcher die einzelnen Bilder auf steifen Papp-
kartons angeordnet wurden, sowie die ganze Anlage
der Sammlung, welche dem Organisationstalente und
den Bemühungen des Herrn Bellak zu verdanken
ist, macht diese reichhaltige Sammlung neben unseren
anderen zu einer der wertvollsten für die Mitglied-
schaft und für weitere Interessentenkreise bestimmten
Einrichtungen.
Der Ausschuß nimmt diese Mitteilungen des Vor-
sitzenden mit großer Befriedigung zur Kenntnis und
ermächtigt ihn, den ganz besonderen Dank der Vereins-
leitung Herrn Paul Bellak für seine so außer-
ordentlich liebenswürdigen und uneigennützigen Be-
mühungen auszusprechen. Gleichzeitig wird das
Sekretariat angewiesen, das vom Herrn Bellak vor-
gelegte Exposee, betreffend die Einrichtung und Ein-
teilung des Photographischen Archivs, zu veröffent-
ichen.
Es gelangen hierauf noch einige der Vereins-
leitung seitens des Herrn Ing. Adolf Steiner von
Eltenberg sowie von Herrn Fritz Ellyson be-
züglich Kriegsfürsorgeaktionen etc. vorgelegte Projekte
zur ausführlichen Durchsprache, und wird das Sekre-
tariat angewiesen, bezüglich der Weiterverfolgung
derselben die nötigen Schritte einzuleiten.
Zum Schlusse trägt der Vorsitzende dem Aus-
schusse noch einige interne Vereinsangelegenheiten vor,
worauf die Sitzung geschlossen wird.
Photographisches Archiv des k. k. Österreichischen Flugtechnischen
Vereines.
Dank der opferfreudigen Initiative und der werk-
tätigen Förderung seitens eines unserer verehrten
Ausschußmitglieder ist nunmehr, wie bereits kurz be-
richtet, die Vereinsleitung in die angenehme Lage
versetzt worden, die der Benützung seitens der ge-
schätzten Mitgliedschaft und auch weiterer Inter-
essenten dienenden Sammlungen und Institutionen
des Vereines um eine neue, nicht minder wertvolle
zu bereichern, und damit neben einer auserlesenen
Bibliothek und Lichtbildersammlung eine übersichtlich
geordnete, ungemein reichhaltige Bildersammlung als
Illustrationsmaterial zu der Geschichte der Luft-
schiffahrt und Flugtechnik in Form des neuen »Photo-
graphischen Archivs« der Mitgliedschaft und auch
einer weiteren Interessentengemeinde zur Verfügung
zu stellen.
Indem die Vereinsleitung an dieser Stelle noch-
mals ihren aufrichtigsten Dank dem ungenannt sein
wollenden Spender ausdrückt, übergibt sie die nun-
mehr fertiggestellte Sammlung ihrer Bestimmung,
indem sie an die verehrliche Mitgliedschaft die höf-
liche Einladung ergehen läßt, sich in Bedarfsfällen
des im Bibliothekszimmer unserer Vereinslokalitäten,
Wien, I., Aspernplatz, Uraniagebäude, untergebrachten
Photographischen Archivs freundlichst bedienen zu
wollen.
Im nachstehenden sei nun kurz die Einrichtung
der Sammlung erläutert, sowie die Einteilung und
Bezeichnung der einzelnen Bilderkarten etc. erklärt.
1. Verwendung.
Das Photographische Archiv des k. k. Oster-
reichischen Flugtechnischen Vereines dient wissen-
schaftlichen, technischen und geschichtlichen Studien-
zwecken. Ferner bietet es bildliche Beiträge für
literarische Arbeiten, Hlustrationsmaterial für Zeit-
schriften und Bücher. Die Blätter des Archivs können
als Unterlagen zur Herstellung von Lichtbildern und
als hervorragendes Anschauungsmaterial für Kurse
verwendet werden. Außerdem werden sich noch
weitere Anwendungsgebiete ergeben.
2. Ausstattung der Archivblätter.
Die Blätter des photographischen Archivs haben
vollkommen einheitliches Format (Quartformat). Jedes
Blatt befindet sich in einer Umhülle, um die Bilder
zu Schonen. Die Photographien werden auf die
Kartonblätter an den vier Ecken angeklebt.
3. Einteilung der Archivblätter.
Sämtliche Archivblätter sind in 13 Gruppen unter-
gebracht, die nach Spezialgebieten benannt sind. Die
Zugehörigkeit der Einzelblätter zu ihrer Fach-
gruppe wird durch einen großen Buchstaben
des Alphabets gekennzeichnet.
Die Unterteilung der einzelnen Gruppen ist ver-
schieden gehandhabt und geht von folgenden Ge-
sichtspunkten aus:
l. Gruppen, deren Blätter zwar ein bestimmtes
Gesamtgebiet umfassen, jedoch noch in Unter-
abteilungen gebracht werden müssen, werden
außerdem durch eine Zahl bezeichnet, die sich neben
dem Großbuchstaben befindet.
II. Gruppen, deren Blätter ein einheitliches Ge-
biet umfassen, werden alphabetisch geordnet. Dies
geschieht nach den Anfangsbuchstaben des
Stichwortes der kurzen Titelbeschreibung, die
jedes Bild trägt. Die Blätter dieser Gruppen werden
dadurch kenntlich gemacht, daß der Anfangsbuch-
stabe des Stichwortes mit roter Tinte unter-
schrieben ist; außerdem ist der Anfangsbuchstabe
in roter Schrift und kleinen Lettern neben dem
Großbuchstaben der Gruppenbezeichnung gesetzt.
III. Gruppen, deren Blätter in wenige, jedoch
große Unterabteilungen geteilt werden müssen, er—
halten als Kenntlichmachung eine Kombination der
angeführten Erkennungszeichen, indem 1. die Unter-
a bteilungen durch Zahlen nach I kenntlich ge-
macht werden und außerdem die Unterabteilungen
nach II durch rote Striche und kleine Buch-
staben näher angegeben werden.
III
Praktische Durchführung dieser Einteilung.
An Hand nachstehenden Beispieles sei die praktische Durchführung der Beschreibung erläutert:
les eines Preiballons im Felde
aittelst Masserstalfgesflaschen.
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Fachgruppe A, Fach
Unterabteilung 1.
Das Archiv wird nach Art einer Vertikalregistratur
untergebracht; die Gruppen werden durch Holzwände
1 die Unterabteilungen und alphabetischen
nerie ngen durch Kartonblätter, welche aus der
Reihe der Archivblatter herausragen und zur schnellen
Auffindung der verlangten Blätter deren jeweilige
Erkennungsbezeichnungen tragen.
Gruppeneinteilung des Archivs.
A) Freiballons:
1. Freiballonfüllung.
2. Freiballon beim Aufstieg.
3. Freiballon im Fluge.
4. Freiballonbestandteile.
5. Freiballonflugveranstaltungen.
6. Verschiedenes.
B) Fesselballons:
1. Herstellung und Aufbewahrung von Wasser-
stoffgas.
2. Militärische Fesselballonabteilungen.
3. Fesselballon im Dienst.
4. Verschiedenes.
C) Lenkballons:
Alphabetisch geordnet.
D) Eindecker:
Alphabetisch geordnet.
E) Doppeldecker:
Alphabetisch geordnet.
F) Sonstige Aeroplankonstruktionen:
Alphabetisch geordnet.
G) Wasserflugzeuge:
Alphabetisch geordnet.
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alphabetische Unterabteilung a.
pe D, Fachgruppe N, Unterabteilung l,
alphabetische Unterabteilung e.
H) Motoren:
Alphabetisch geordnet.
I) Sonstige Flugzeugkonstruktionen:
1. Schraubenflugzeuge.
2. Schwingenflieger.
3. Kombinierte Systeme.
4. Sonstige Konstruktionen.
K) Motorlose Drachenflieger, Drachen, Fall-
schirme:
1. Motorlose Drachenflieger und Gleitflieger.
2. Drachen.
3. Fallschirme.
L) Aufnahmen aus der Vogelschau:
Alphabetisch geordnet.
M) Verschiedenes:
1. Flugveranstaltungen.
2. Ausstellungen.
3. Flugplätze.
4. Ballonhallen und paneer’ .
5. Flugzeugfabriken und Werkstätten.
6. Aeroplantransporte.
7
8
9
. Flugzeugbestandteile und Hilfsapparate.
. Militärische Luftfahrt.
. Flugwissenschaft und Versuchswesen.
10. Kunstwerke und Denkmäler.
11. Unfälle.
12. Verschiedenes.
N) Porträts:
1. Einzelporträts (alphabetisch geordnet).
2. Gruppenbilder (alphabetisch geordnet).
Gesellschaft m. b. H.
Wien, XIX. Muthgasse 36/38
Telegramme: AVIATIK, WIEN
Telephon: D. 98 und D. G. II/417
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Iiotor-Luitfalrzeng-Weselstalt |
Wien I.
Herausgegeben vom: »K. k. Österreichischen Fiugtechnischen Verein«. — Verantw. Red.: in Vertretung Fritz Eliyson.
Druck von Otto MaaB’ Söhne, Wien L
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K. K. ÖSTERREICHISCHEN FLUG TECHNISCHEN VEREINES.
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September 1915 IX. Jahrgang
Personalnachricht.
Dem k. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein gereicht es zur besonderen
Freude, zwei seiner verehrten Herren Vize-Präsidenten zur wohlverdienten Aller-
höchsten Beförderung, resp. Auszeichnung berzlichst beglückwünschen zu können.
Major Franz Hinterstoißer wurde, wie wir dem letzterschienenen Ver-
ordnungsblatt entnehmen, zum Oberstleutnant befördert. Oberstleutnant Hinter-
stoißer, der seit der Gründung der Militär-aeronautischen Anstalt derselben zuerst
als Lehrer, dann durch viele Jahre als Kommandant angehörte, darf mit Recht sich
den Namen eines Pioniers der Luftschiffabrt beilegen. Als besonders wohlwollender
Förderer hat sich Oberstleutnant Hinterstoißer stets dem Flugtechnischen Verein
erwiesen, den er dank seiner bervorragenden Kenntnisse und seines reichen
Wissens durch interessante Vorträge und Publikationen in der »Österreichischen
Flug-Zeitschrift« tatkräftigst unterstützte. Die Beförderung Oberstleutnant Hinter-
stoißers, der sich wegen seiner ausgezeichneten Eigenschaften überall der größten
Beliebtheit erfreut, wird in allen Luftschifferkreisen die lebhafteste Befriedigung
auslösen.
Prof. Rich ard Knoller wurde in Anerkennung seiner erfolgreichen Tätigkeit
auf dem militar-aviatischem Gebiete durch Verleihung des Ordens der Eisernen
Krone III. Klasse ausgezeichnet. Prof. Richard Knoller hat als Lehrer der Flugtechnik
und des Kraftfabrwesens, sowie als Leiter der Flugtechnischen Versuchsanstalt an
der Wiener Technischen Hochschule eine verdienstvolle Tätigkeit entfaltet. Auch
hat der Genannte Arbeiten von grundlegendem Werte geschaffen und sich auch auf
konstruktivem Gebiete in bervorragender Weise verdient gemacht. Wir geben an-
laBlich dieser besonderen Auszeichnung der Hoffnung Ausdruck, daß auch ferner-
bin das erfolgreiche Wirken Prof. Knollers die verdiente Anerkennung finden möge.
AVISO.
Von den Jabrgängen 1912, 1913 und 1914 der Vereinszeitschrift wird eine
größere Zabl von Exemplaren, soweit der Vorrat reicht, um den ermäßigten Betrag
von je K 2°— abgegeben. Bestellungen sind an das Vereinssekretariat zu richten.
Die Redaktion der Österreichischen Flug-Zeitschrift.
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Neubeitritte seit Juli 1915.
Gründer: Pfeifer Kalman, Baron, Gutsbesitzer, Edlach bei Reichenau.
Ordentliche Mitglieder: Gligorin Karl, Neunkirchen; Kletecka Franz, Wien; Luft-Verkehrs-
Gesellschaft, Berlin-Johannisthal; Nowotny Leopold, Wien; Plachy Alois, Wien; Popper von Podhragy
Fritz, Baron, Wien; Pramhas Alois, Kapfenberg ; Urban, Dr. Karl, Prag; Wohlschlager Jakob, Architekt, Wien.
Teilnehmer: Styrcea Alexander, Baron, Großgrundbesitzer, Wien.
+ +
+
Wir bitten, unsere Bestrebungen durch eifrige Werbung neuer Mitglieder freundlichst unterstützen zu
wollen.
Das Sekretariat des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines.
Der gegenwärtige Weltkrieg bat der Flugtechnik und Luftschiffabrt eine Reibe
unvergänglicher Erfolge gebracht. Eine unmittelbare Folge davon ist die erfreuliche
Tatsache, daß der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein, welcher an der Ent-
wicklung unserer nationalen Flugtechnik großen Anteil genommen bat, seit Beginn
des Krieges eine namhafte Anzabl von Beitritten aufzuweisen hat. Das Präsidium
des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines will diese Gelegenheit gerne er-
greifen, um nochmals an die verehrten Mitglieder und Kompatrioten den dringenden
Appell zur Werbung neuer Mitglieder zu richten.
Großes haben wir geleistet, noch größere Aufgaben harren unser!
Die P. T. Mitglieder werden ersucht, sich rege an der Werbung neuer Mitglieder
zu beteiligen. |
Niemandem wird durch die Beitrittsaufforderung eine ernstliche Last zugemutet.
Jeder, der beitritt (Damen und Herren, vom Stifter bis zum Teilnebmer), stärkt
die Organisation des Vereines. Jeder Neueintretende ist gleichmäßig willkommen.
Werbeschreiben steben über Anforderung zur Verfügung. Die Abbaltung von
Propagandavorträgen zur Erweckung des Allgemeininteresses für die Entwicklung
der Flugtechnik wird erbeten.
Soeben erschienen:
Motorenkunde für Flugtechniker.
Unter diesem Titel ist im Verlage des k. k. Osterreichischen Flugtechnischen Vereines
eine ungemein reichhaltige, populär-anschaulich geschriebene Schrift erschienen, die,
durch zahlreiche Textfiguren und Abbildungen illustriert, den Bau, die Funktion und
den Betrieb der heute üblichen Flugmotorensysteme erläutert und nebstbei wertvolle
Ratschläge für alle in Betracht kommenden Reparaturen etc. enthält. Im Hinblicke
auf das wirklich mit besonderer Sorgfalt zusammengetragene Material, das in seiner
geschickten Zusammenstellung eine reichhaltige Fundgrube praktischen Wissens
darstellt, kann dieses Werk, welches von Ing. Stephan Popper, einem auf diesem
Gebiete besonders versierten Fachmanne, verfaßt ist, allen Interessenten nur auf
das wärmste empfohlen werden. Als wichtiger Behelf zum Selbstunterrichte ist
dieses Buch ganz besonders anzusehen. Zu beziehen gegen Voreinsendung des
Betrages von K 3°— oder per Nachnahme durch die Kommissions-Buchhandlung
Lehmann & Wentzel, Wien, I. Kärntnerstraße 30, oder durch das
Sekretariat desk.k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines,
Wien, Il. Uraniastraße i, Uraniagebäude.
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Nr. 19,20 | Oktober 1915 IX. Jahrgang
Kreß-Denkmal in Tullnerbach.
Aus den Kreisen unserer Mitglieder sind uns in der letzten Zeit Mitteilungen
zugekommen, welche uns darauf aufmerksam machten, daß die Pflege des Kreß-
Denkmals am Tullnerbach zu wünschen übrig lasse. Das Präsidium hat sich dem-
zufolge veranlaßt gesehen, in dieser Angelegenheit Schritte zu unternehmen, und
ist nun in der angenehmen Lage, den P. T. Mitgliedern im nachfolgenden ein Schreiben
des Bürgermeisteramtes in Tullnerbach zur Kenntnis zu bringen, und begt die
sichere Überzeugung, daß dessen Inhalt von unseren Vereinsmitgliedern mit Be-
friedigung aufgenommen wird. ——
Das Präsidium.
Z. 549/3. Bürgermeisteramt Tullnerbach, am 21. Oktober 1915.
Kreß-Denkmalausgestaltung.
An das
Präsidium des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines
in Wien.
1 25 In höflicher Beantwortung Ihrer geschätzten Zuschrift vom 20. Oktober 1915 beehre ich mich folgendes
mitzuteilen:
Die Gemeinde vertretung von Tullnerbach hat in ihrer Sitzung am 8. Juli 1915 die Ausgestaltung des
Kreß-Denkmals mit einem Kostenaufwande von K 300°— einstimmig genehmigt. — Da die Gemeinde Tullner-
bach zur Durchführung ihres Projektes ein weiteres Stück Grund von ungefähr 110 m? benötigt, mußte sie
sich an die Betriebsdirektion der Wientalwasserleitung wenden, welche uns auch diesen Grund unter den
gleichen Bedingungen wie dem k. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein (provisorisch bis auf weiteres)
zur Verfügung gestellt hat.
ie erforderlichen Erhebungen, der große Mangel an Fuhrwerk und geeigneten Arbeitskräften ge-
statteten bedauerlicherweise die Ausführung des gut durchdachten Projektes nicht mehr, weshalb diese An-
gelegenheit auf das Frühjahr 1916 verschoben werden mußte.
Die hiezu erforderlichen Erdarbeiten werden noch im Laufe dieses Jahres besorgt werden, damit
dann im Frühjahr 1916 der Ausgestaltung kein Hindernis mehr entgegensteht. l
Indem ich das P. T. Präsidium bitte, hievon Kenntnis zu nehmen, und auch die P. T. Herren Vereins-
mitglieder verständigen zu wollen, zeichne ich in
vorzüglicher Hochachtung K. Bohdal m. p
Bürgermeister.
An unsere Mitglieder!
Mit dem Ersten dieses Monats bat Herr Fritz Ellyson die Redaktion der »Öster-
reichischen Flug-Zeitschrift« niedergelegt, da sich ihm Gelegenheit bot, in München
in einer flugtechnischen Fabrik eine seinen Neigungen besser zusagende Stellung zu
erlangen. Die Leitung der Redaktion liegt derzeit in Händen des unterzeichneten
Chefredakteurs, und beabsichtigt das Präsidium des Vereines, den Redaktionsposten
vorläufig nicht zu besetzen. Bei dieser Gelegenheit gestattet sich der Unterzeichnete,
an die geschätzten Vereinsmitglieder und Herren Mitarbeiter der Zeitschrift mit der
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Bitte heranzutreten, die Zeitschrift durch Beiträge zu unterstützen, wobei namentlich
aktuelle Berichte über Episoden aus dem Flugzeugkrieg sehr erwünscht wären.
In der sicheren Erwartung, mit diesen Zeilen keine Fehlbitte zu tun, und mit
dem Wunsche, daß es dem eingangs erwähnten, verdienstvollen Exredakteur unserer
Zeitschrift recht bald gelingen möge, auf dem harten Felde der Praxis Erfolge zu
erringen, die schwerer wiegen als jene auf dem Gebiete der Feder, zeichnet
der Chefredakteur:
Arthur Budau
Maschinen-Ingenieur, o. 8. Professor an der k. k. Technischen Hoch-
schule in Wien, Ritter des Ordens der Eisernen Krone III. Klasse.
Personalnachricht.
Herr Oberst Wilhelm Suchomel, derzeit beim 7. Armee-Etappenkommando,
früher Kommandant der 54. Feldartillerie-Brigade, erhielt für seine Verdienste vor
dem Feinde das Militär-Verdienstkreuz IJI. Klasse mit der Kriegsdekoration.
Diese Auszeichnung unseres Generalsekretärs wird gewiß in den Kreisen
unserer Mitglieder freudigen Widerhall auslösen, und wir gestatten uns, im Namen des
Präsidiums, des Ausschusses und der Redaktion Herrn Oberst Wilbelm Suchomel
zu dieser Ehrung zu beglückwünschen.
Der gegenwärtige Weltkrieg bat der Flugtechnik und Luftschiffahrt eine Reibe
unvergänglicher Erfolge gebracht. Eine unmittelbare Folge davon ist die erfreuliche
Tatsache, daß der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein, welcher an der Ent-
wicklung unserer nationalen Flugtechnik großen Anteil genommen hat, seit Beginn
des Krieges eine nambafte Anzahl von Beitritten aufzuweisen hat. Das Präsidium
des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines will diese Gelegenbeit gerne er-
greifen, um nochmals an die verehrten Mitglieder und Kompatrioten den dringenden
Appell zur Werbung neuer Mitglieder zu richten.
Großes haben wir geleistet, noch größere Aufgaben harren unser!
Die P. T. Mitglieder werden ersucht, sich rege an der Werbung neuer Mitglieder
zu beteiligen. |
Niemandem wird durch die Beitrittsaufforderung eine ernstliche Last zugemutet.
Jeder, der beitritt (Damen und Herren, vom Stifter bis zum Teilnehmer), stärkt
die Organisation des Vereines. Jeder Neueintretende ist gleichmäßig willkommen.
Werbeschreiben stehen über Anforderung zur Verfügung. Die Abhaltung von
Propagandavorträgen zur Erweckung des Allgemeininteresses für die Entwicklung
der Flugtechnik wird erbeten.
AVISO.
Von den Jahrgängen 1912, 1913 und 1914 der Vereinszeitschrift wird eine
größere Zahl von Exemplaren, soweit der Vorrat reicht, um den ermäßigten Betrag
von je K 2°— abgegeben. Bestellungen sind an das Vereinssekretariat zu richten.
Die Redaktion der Österreichischen Flug-Zeitschrift.
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k. k. handels- und landesgerichtlich beeideter Schätzmeister
empfiehlt sein reichhaltiges Lager für Sportgeschenke.
Telephon Nr. 1408 WIEN, |. REITSCHULGASSE 4 Telephon Nr. 1408
EIGENE KUNSTGEWERBLICHE WERKSTÄTTE.
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November 1915 IX. Jahrgang
An unsere Mitglieder! |
Die außerordentlichen welthistorischen Ereignisse, die sich in rascher Auf:
einanderfolge vor uns abspielen, sind auch auf unser Vereinsleben nicht obne Wirkung
geblieben. Die wissenschaftlichen und sportlichen Bestrebungen des Vereines, die sich
in Vorträgen, Konkurrenzen und sonstigen Veranstaltungen äußerten, haben infolge
der jetzt dem Vaterlande gewidmeten Tätigkeit der Mehrheit unserer Mitglieder so
gut wie aufgebört, so daß lediglich in unserer Zeitschrift die Vereinstätigkeit noch
zum Ausdruck gelangt.
Es wäre aber doch möglich, daß in den Kreisen der Mitglieder, und namentlich
der Ausschbußmitglieder unseres Vereines, manche Anregungen auftauchen, die auf
unser Vereinsleben von belebendem Einfluß sein könnten. Das unterzeichnete
Präsidium bittet, ibm daher Anregungen nicht vorzuenthalten, und wird es sich sebr
angelegen sein lassen, dieselben, wenn sie mündlich oder schriftlich vorgebracht
werden, zu prüfen, und wenn gut befunden, ins Leben treten zu lassen. |
An die Herren Mitglieder, insbesondere des Ausschusses, ergeht sonach
hiermit die Bitte, solche Anregungen nicht unbeachtet zu lassen, und das unter-
zeichnete Präsidium erklärt sich bereit, jederzeit eine Ausschußsitzung einzuberufen,
wenn drei Herren Mitglieder des Ausschusses eine solche zur Besprechung vor-
liegender Anregungen wünschen.
Hat der Verein bisher trotz der ungünstigen Verhältnisse Zeugnis seiner
Lebenskraft gegeben, so wird derselbe im Bewußtsein der großen Dienste, den seine
verflossene Tätigkeit für die Entwicklung der Flugtechnik in Österreich unbestritten
hatte, gewiß auch weiterhin auf die tatkräftige Unterstützung seiner Mitglieder,
namentlich der Ausschußmitglieder, zählen dürfen.
Eine Revision der Vereinsbibliothek hat gezeigt, daß derselben eine größere
Anzahl von Bänden seit längerer Zeit fehlen und sich als entliehen in den Händen
von Vereinsmitgliedern befinden. Wenn es auch einerseits erfreulich ist, daß unsere
Bücherei, die wohl eine der vollständigsten der flugtechnischen Literatur ist und als
solche einen Stolz unseres Vereines bildet, seitens der Mitglieder so rege in An-
spruch genommen wird, so wäre doch zu wünschen, daß die Biicherentlebnungen
nicht über ein ungebührliches Zeitmaß ausgedehnt werden, damit selbe allen Mit-
gliedern gleichmäßig von Nutzen sein können.
Das unterzeichnete Präsidium bittet daber jene Herren Vereinsmitglieder,
welche Bücher aus unserer Vereinsbibliothek entliehen haben und welche derselben
nicht mebr dringend benötigen, dieselben der Geschäftsstelle des Vereines zurück-
stellen zu wollen.
Gleichzeitig ergeht an sämtliche Vereinsmitglieder, welche mit ihrem Mitglieds-
beitrag noch im Rückstand sind, die ſreundliche Bitte, den letztgenannten nach
Möglichkeit, entweder im ganzen oder zumindest in einer Abschlagszahlung, noch
im Monat Dezember der Geschäftsstelle des Vereines zumitteln zu wollen, damit
über die Auflage der Zeitschrift für das nächste Jabr rechtzeitig ein guter Überblick
erlangt werden könne. Das Präsidium.
il
Der gegenwärtige Weltkrieg hat der Flugtechnik und Luftschiffabrt eine Reihe
unvergänglicher Erfolge gebracht. Eine unmittelbare Folge davon ist die erfreuliche
Tatsache, daß der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein, welcher an der Ent:
wicklung unserer nationalen Flugtechnik großen Anteil genommen bat, seit Beginn
des Krieges eine namhafte Anzahl von Beitritten aufzuweisen hat. Das Präsidium
des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines will diese Gelegenbeit gerne er-
greifen, um nochmals an die verehrten Mitglieder und R den dringenden
Appell zur Werbung neuer Mitglieder zu richten.
Großes haben wir geleistet, noch größere Aufgaben harren unser!
Die P. T. Mitglieder werden ersucht, sich rege an der Werbung neuer Mitglieder
zu beteiligen.
Niemandem wird durch die Beitrittsaufforderung eine ernstliche Last zugemutet.
Jeder, der beitritt Damen und Herren, vom Stifter bis zum Teilnehmer), stärkt
die Organisation des Vereines. Jeder Neueintretende ist gleichmäßig willkommen.
Werbeschreiben stehen über Anforderung zur Verfügung. Die Hbhaltung von
Propagandavorträgen zur Erweckung des Hllgemeininteresses für die Entwicklung
der Flugtechnik wird erbeten.
ae
AVISO.
Von den Jahrgängen 1910, 1912, 1913 und 1914 der Vereinszeitschrift wird eine
größere Zahl von Exemplaren, soweit der Vorrat reicht, um den ermäßigten Betrag
von je K 2°— abgegeben. Bestellungen sind an das Vereinssekretariat zu richten.
Die Redaktion der Österreichischen Flug-Zeitschrift.
Aus anderen Vereinen.
Mitteilungen des k. k. Österreichischen Aero-Clubs vom 5. November 1915.
Es wurden nachfolgenden Herren des Österr. Aero-
Clubs Allerhöchste Auszeichnungen verliehen:
Dem Ehren-Präsidenten, Durchlaucht Max Egon Fürst
zu Fürstenberg, k. u. k. Oberstleutnant, das
Offizierskreuz des bayerischen Militärverdienst-
ordens mit Schwertern;
den Mitgliedern: Ferdinand Deutel moser, k. u. k.
Major, das Eiserne Kreuz;
Wilhelm Friedmann, k. u. k. Oberleutnant, das
Eiserne Kreuz;
Rudolf Ritter v. Wiener-We lten, k. u. k. Ordon-
nanz-Offizier, das Eiserne Kreuz;
Johann v. Kenyeres, k. u. k. Oberleutnant, neuerlich
die Allerhöchste belobende Anerkennung;
Camillo Moraitini, k. k. Landsturmleutnant, die
Allerhöchste belobende Anerkennung;
dem Sportkommissär Friedrich Boemches, k. u. k.
Hauptmann, das Eiserne Kreuz;
dem Flieger Rudolf Stanger, k. k. Leutnant, das
Eiserne Kreuz.
* $
Unserem Klub wurde wieder ein treues Mitglied
durch den Tod entrissen. Herr Géza Baron Gutmann-
Gelse, k. u. k. Husarenleutnant, fand den Heldentod
für Kaiser und Reich. Der Verstorbene besaß für sein
mutiges und tapferes Verhalten vor dem Feinde das
Signum laudis am Bande der Tapferkeitsmedaille und
das Militär-Verdienstkreuz mit der Kriegsdekoration.
Der k. k. Österreichische Aero-Club wird seinem
auf dem Felde der Ehre gefallenen Mitglied stets ein
treues, ehrendes Angedenken bewahren und dessen
Namen in der Tafel der gefallenen Heiden des Aero-
Clubs verewigen.
s +
*
Einen schweren Verlust hat das Flugwesen durch
den Tod eines seiner e Flieger, des Chefpiloten
der Hansa-Brandenburger Flugzeugwerke in Briest bei
Brandenburg, Franz Reiterer, erlitten, der infolge
eines Sturzes gemeinsam mit seinem Begleiter, Haupt-
mann Bela Mogan, tödlich verunglückte.
Franz Reiterer nat, wie wir in der letzten Nummer
unserer „Mitteilungen berichteten, im September
dieses jahres drei neue Höhenweltrekorde geschaffen,
und zwar am 21. September die Höhenweltrekorde
mit 5500 m mit drei Begleitern und 5C00 m mit vier
Begleitern; am 29. September mit 1957 m mit zwei
Begleitern. Reiterer, ein gebürtiger Osterreicher, hat
viele bedeutende Flugleistungen vollführt und dureh
die Aufstellung der drei Weltrekorde, wozu er einen
Doppeldecker mit 160 PS Mercedes-Motor benützte,
ganz Hervorragendes geleistet.
Mit größter Betrübnis beklagt der Aero-Club den
Verlust seines Flugzeugführers, den der Tod mitten
in seinem besten Schaffen so jäh dahinraffte, und
wird sein Name in der Geschichte des Aero-Clubs
stets ehrenvoll in Erinnerung bleiben.
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_ ws Offizielle Kr Mitteilungen i *
g des unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Majestät des Kaisers und Königs B
i 2 stehenden 0
K. K. OSTERREICHISCHEN FLUG TECHNISCHEN VEREINES.
Nr. 23/24 Dezember 1915 IX. Jahrgang
Professor Ingenieur Arthur Budau.
Zum 60. Geburtstage.
Der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein
wünscht Herrn Professor Ingenieur Arthur
Budau im Namen seines Ausschusses und aller
Mitglieder von Herzen Glück und Gottes Segen
zum 4. Jänner 1916, dem hohen Geburtsfeste.
Die Jahre fliehen pfeilgeschwind. 1907, als
der alte Wiener Flugtechnische Verein unter dem
Motto »Viribus unitise sich mit dem Verein
»Flugmaschine« zur gemeinsamen Arbeit verband,
lernten wir engeren Fachleute von damals Herrn
Professor Budau kennen, und hatten. das Glück,
mit dem so sympathischen Hochschulprofessor zu
unterhandeln. Schon um diese Zeit war Budau
bestrebt, immer dort zu sein, wo das Recht war,
und er hat es immer verstanden, wenn die Wogen
der Wechselrede noch so hoch giengen, durch
wohlwollende Ruhe den Frieden zu suchen und
zu finden.
Schon im nächsten Jahre war es uns Flug-
technikern und den k. u. k. Luftschiffer-Offizieren
vergönnt, uns um die Lehrkanzel Budaus zu
scharen und seinen Vorträgen über Flugtechnik
zu lauschen. Er war also der erste, welcher dieses
Fach auf der Hochschule einführte und nicht un-
wesentlichen Anteil daran hatte, daß schon im
Jahre 1910 eine eigene Lehrkanzel für Luftfahrt
und Kraftfahrwesen errichtet wurde, auf die dann
der bekannte und verdienstvolle Professor Richard
Knoller berufen wurde.
Folgen wir im Nachstehenden dem Lebenslauf
unseres werktätigen Vorstandes und so umsichtigen
Chefredakteurs der Vereinszeitschrift. Die Skizze ver-
danken wir dem langjährigen Assistenten des Herrn
Professors Budau, Herrn Ingenieur Karl Tindl.
»Professor Arthur Budau wurde am
4. Jänner 1856 in Podgörze bei Krakau als Sohn des
Oberingenieurs Josef Budau geboren, der damals
beim Bahnbau in Galizien beschäftigt war. Das Unter-
gymnasium besuchte Budau in Görz, das Obergymnasium
am Theresianum in Wien. Schon früh hatte er eine große
Vorliebe für technische Dinge und eine durch manuelle
Geschicklichkeit geförderte Beschäftieung mit den ver-
schiedensten physikalischen Apparaten und Mechanismen
ließ den Entschluß in ihm reifen, sich nach dem
Gymnasium dem Studium des Maschinenbaues zu
widmen.
Er besuchte dann die Technische Hochschule in
Wien, die er im Jahre 1879 absolvierte. Hierauf wandte
sich Budau sofort der praktischen Ingenieurtätigkeit zu.
Seine ersten Anstellungen nahm er in Maschinenfabriken,
Eisengießereien und Eisenwerken; war als Hütten-
ingenieur, dann als Konstrukteur und Betriebsingenieur
im Bau von Transmissionen, Kranen und asser-
turbinen tätig.
So führten ihn seine Lehr- und Wanderjahre in
die verschiedenartigsten Betriebe, ließen ihn verschiedene
Länder und Menschen kennen lernen und verhalfen ihm
zur Sammlung jenes reichen Schatzes an Erfahrungen,
von dem er später so wertvollen Gebrauch machen
konnte. Namentlich als Ingenieur der Maschinenfabrik
von Tamagno und Musso in Biella in Oberitalien hatte
Budau Gelegenheit, auf dem Gebiete der Wasserkraft-
maschinen mit Erfolg tätig zu sein; war ja gerade
damals die Ausnützung der Wasserkräfte in Oberitalien
sehr energisch in Angriff genommen worden. Seine
Tätigkeit in Italien brachte Ing. Budau auch mit dem
später so berühmt gewordenen italienischen Flugtechniker
Forlanini zusammen. Budau machte sich dann selb-
ständig und arbeitete als Zivilingenieur in Biella. Während
dieser Zeit widmete er eingehende Studien der Frage
der Regulierung der Wasserkraftmaschinen, nahm selbst
zahlreiche Patente über Regulatoren und sammelte das
Material zu dem später in Wien veröffentlichten Werke:
»Beiträge zur Frage der Regulierung hydraulischer
Motoren« 1), in dem zum erstenmale Theorie und Ent-
wicklung der Turbinenregulatoren erschöpfend behandelt
sind. Budaus stets dem Neuesten auf seinem Fachgebiete
zugewandtes Interesse ließ ihn sofort nach Bekannt-
werden der Konstruktion des amerikanischen Pelton-Rades
die Vorzüge dieses neuen Motors erkennen, und unbe-
kümmert um die Gegnerschaft, die das Pelton-Rad damals
namentlich in Deutschland fand, stellte Budau 1893 das
erste Pelton-Rad am Kontinente auf?). Der Erfolg war
so gut, daß eine große Anzahl von weiteren Bestellun-
gen auf solche Motoren erfolgte. Auch den in Europa
sehr zaghaft in Angriff genommenen Einbau der
amerikanischen Francis-Turbinen förderte Budau in seinem
Wirkungskreise, wo er nur konnte.
Im Jahre 1899 trat er als Konstruktionsingenieur in
die Leobersdorfer Maschinenfabrik ein, wo er unter
anderem auch beim Entwurfe und der Inbetriebsetzung
des Hohenturter Elektrizitätswerkes beschäftigt war. In
jener Zeit begannen auch seine flugtechnischen Studien.
*
lI
Während der langjährigen Beschäftigung mit den
Wasserkraftmaschinen war Ing. Budau, da die damalige
Literatur auf dem Gebiete der Hydraulik den Bedürf-
nissen des praktischen Ingenieurs ganz und gar nicht
entgegenkam, gezwungen gewesen, sich viel mit hydrauli-
schen Problemen zu beschäftigen und die Ahnlichkeit
der Strömungserscheinungen in Luft und Wasser hatten
ihn angeregt, seine Studien auf dieses verwandte Gebiet
auszudehnen. Es folgte der Vortrag »Die mechanischen
Grundgesetze der Flugtechnik« 3) in der Fachgruppe der
Maschineningenieure am 10. Februar 1903, in welchem
auch alle Gegner des österreichischen Flugtechnikers
Wilhelm Kreß Stellung nahmen; denn sie hatten nach
ihren alten Anschauungen Kreß ja die Unmöglichkeit
des freien Fluges stets vorgerechnet. Der Gedankengang
Budaus hat sich aber als richtig durchgesetzt; daß ihm
hiefür auch die Priorität zuerkannt wird, zeigen die
Außerungen Wittenbauers in seiner Aufgabensammlung
über technische Mechanik’).
Im Herbste 1904 erfolgte die Berufung Ing. Budaus
als außerordentlicher Professor des Maschinenbaues an
die Technische Hochschule in Wien, wo er die Vor-
WI
Professor Ingenieur Arthur Budau.
die Flugkörper von dem Gesichtspunkte aus behandelt
wurden, daB ein Schweben in der Luft nur dadurch
zustande kommen kann, daß eine gewisse Luftmenge
nach abwärts beschleunigt wird; die dabei entstehende
Reaktion liefert eben jene nach aufwärts gerichtete Kraft,
die der Schwere das Gleichgewicht halten kann. Dieser
Gedankengang ist heute allgemein akzeptiert, führt aber
auf eine Formel für die zum Schweben notwendige
Leistung, welche gerade den halben Betrag an Schwebe-
arbeit ergibt, mit dem damals allgemein gerechnet
wurde. Budaus neue Formel wurde auf das heftigste
angefochten und in der Zeitschrift des Osterr. Ingenieur-
und Architektenvereines#) entspann sich darüber eine
lebhafte Diskussion, in welcher gegen die neue Formel
lesungen über Wasserkraftmaschinen und Pumpen sowie
über Fiydraulik übernahm. Im selben und in den nächst-
folgenden Jahren hielt Prof. Budau eine große Zahl
von Vorträgen über sein Fachgebiet teils 1m Plenum,
teils in den Fachgruppen des Österr. Ingenieur- und
Architektenvereines6) und wurde in den Jahren 1907 bis
1909 zum Obmann der Fachgruppe der Maschinen-
ingenieure des genannten Vereines gewählt. Neben seinem
engeren Fachgebiete pflegte Prof. Budau auch fort-
laufend flugtechnische Studien, war Mitglied des Vereines
»Flugmaschine« und gehört seit der Vereinigung dieses
Vereines mit dem Wiener Flugtechnischen Verein zum
Österreichischen Flugtechnischen Verein dem letzteren
an. Er wurde bald in den Ausschuß gewählt und auch
zum Mitglied des Direktionsrates bestellt, welcher eine
Zeit lang bestand, um den damaligen Präsidenten Ex-
zellenz v. Schleyer zu entlasten. In dieser Eigenschaft
hat Prof. Budau wiederholt den Ausschußsitzungen
präsidiert.
Als die ersten großen Erfolge der Brüder Wright
in Europa bekannt wurden und man sich auch in
Frankreich intensiv mit Flugtechnik zu beschäftigen be-
gann, entschloß sich Prof. Budau in Erkenntnis der
oBen Zukunft dieses neuen technischen Gebietes zur
nkündigung von Vorlesungen über Flugtechnik im
Wintersemester 1908/09. Es waren die ersten Vorlesungen
über Flugtechnik an der Wiener Hochschule, an denen
350 bis 400 wissensdurstige Hörer teilnahmen. Die Vor-
lesungen wurden dann im Sommer 1909 veröffentlicht”).
Prof. Budau entfaltete auch weiterhin eine rege
Tätigkeit auf flugtechnischem Gebiete und hat eine ganz
Reihe junger Ingenieure zu Arbeiten in diesem Fache
angeregt. Namentlich das im Jahre 1909 errichtete und
in den nächsten Jahren ausgestaltete Hydromechanische
Versuchslaboratorium 8), das nach den Plänen Professor
Budaus im Neubaue der Technischen Hochschule unter-
gebracht wurde, gab die Möglichkeit, ebenfalls flug-
technische Arbeiten — wenn auch in kleinem Maß-
stabe — durchzuführen. In diesem Laboratorium fand
auch ein dem Flugtechnischen Verein gehörender Ver-
a appara für Propellermodelle®) Aufstellung, der von
Seite der Erfinder stark in Anspruch genommen wurde.
Das Jahr 1910 brachte die ennung Prof. Budaus
zum ordentlichen Professor, 1912 die zum Mitgliede des
Patentgerichtshofes. Im Herbste 1912 vollendete Professor
Budau sein »KurzgefaBtes Lehrbuch der Hydraulik- 10),
welches in zahlreichen Kapiteln auch die Zusammen-
hänge dieser Wissenschaft mit der Flugtechnik be-
leuchtet. Daß dieses Werk den Bedürfnissen der prakti-
schen Ingenieure in weitgehendem Maße gerecht wird,
beweist am besten die Tatsache, daß gegenwärtig in
Amerika eine Übertragung desselben ins Englische
unternommen wird. Auch einige der zahlreichen früher
erschienenen Aufsätze Budaus über Regulierung und
Turbinenrohrleitungen wurden in die englische Sprache
übersetzt.
1913 wurde die verdienstvolle Tätigkeit
Prof. Budaus durch Verleihung des Ordens
der Eisernen Krone Ill. Klasse anerkannt.
Seit 1913 versieht Prof. Budau auch in uneigen-
nützigster Weise die Stelle eines Chefredakteurs der
»Österreichischen Flug-Zeitschrifte und führt in den
letzten Monaten, nachdem alle Hilfskräfte teils einge-
rückt, teils abgegangen sind, neben seiner beruflichen
Tätigkeit die gesamten Geschäfte der Redaktion.
enn Prof. Budau an seinem 60. Geburtstage auf
HI
zurūckblickt, so kann er wohl mit seiner Arbeitsleistung
und mit den Erfolgen derselben voll zufrieden sein.
Aber so eine richtige Jubiläumsstimmung dürfte doch
erst gar nicht aufkommen können; dazu ist er noch
viel zu sehr mitten drinnen in aller Arbeit, viel zu tätig
in seinem Berufe, dem er seine besten Kräfte widmet,
als daß er lange Rückschau halten würde über das Stück
Lebensweg, das nun hinter ihm liegt. So werden wohl
auch seine zahlreichen Schüler, die heute über die ganze
Welt zerstreut in den verschiedensten Ingenieurberufen
tätig sind, noch zehn Jahre warten müssen, damit sie
dann zum 70. Geburtstage als Gratulanten vor ihn hin-
treten und eine größere Liste seiner Arbeiten und Erfolge
aufzählen können, als dies hier geschehen.«
Glück ab! Gut Land! Ad multos annos.
Hinterstoißer
Oberstleutnant.
* *
&
Fußnoten:
1) »Beiträge zur Frage der Re ulerurg ly cereal:
scher Motoren«. Verlag von Carl Fromme, Wien.
Erstes Heft: »Die Berechnung der hydraulischen Turbinen-
atoren«. Wien 1906.
Zweites Heft: -Die Geschwindigkeitsregulierung der hydrauli-
schen Motoren von ihren Anfängen bis in die Achtziger-
jahre des vorigen Jahrhunderts«. Wien 1906.
Drittes Heft: -Die Geschwindigkeitsregulierung der hydrauli-
schen Motoren von den Achtzigerjahren des vorigen
Jahrhunderts bis auf den heutigen Tag-. Wien 1909.
»L’Industria«, Rivista Tecnica ed Economica Illustrata.
Milano 1907. Band XXI. S. 741.
Siehe auch: Die Entwicklung der Wasserkraft-
maschinen und Wasserkraftanlagen« von Prof. Ing.
Arthur Budau. Zeitschrift des Osterr. Ingenieur- und Archi-
tektenvereines, 1914. Heft 16 und 17.
„Die mechanischen Grundgesetze der Flugtech-
nik unter der vereinfachenden Annahme konstanten spezifi-
schen Volumens der atmosphärischen Luft« von Ing: ur
Budau. Zeitschrift des Österr. Ingenieur- und Architekten-
vereines, 1903. Heft 42 und 43.
5 Heft 44, Jahrgang 1903.
—
2
ude alte aus der technischen Mechanik« von
Prof. Ferdinand Wittenbauer. IIL Band, Flüssigkeiten und
Gase, Seite 284, Aufgabe 450: »Das Verdienst, die Schwebe-
arbeit in dieser Form > =d Gv) richtig eingeschätzt zu
haben, gebührt A. Budau. is ahin wurde gewöhnlich
E = Gv angenommen«.
6) Zum großen Teile veröffentlicht in der Zeitschrift des
Österr. Ingeniear- und Architektenvereines.
7) »Vorträge über Theorie und Bau der Flug-
apparate. Wien 1909.
8) Das Hydromechanische Versuchslaboratorium
an der k. k. Technischen Hochschule in Wiene.
Mitgeteilt von o. ö. Prof. A. Budau. Zeitschrift des Österr.
Ingenieur- und Architektenvereines, 1913. Heft 22 und 23.
9) Ing. Richard Katzmayr: »Die Prüfstelle für Modell-
Luftschrauben des k. k. Österreichischen Flug-
technischen Vereines. Österreichische Flug-Zeit-
schrift, 1913. Seite 151.
10) Verlag von C. Fromme, Wien.
seine reiche Tätigkeit auf den verschiedensten Gebieten
AVISO.
Von den Jahrgängen 1910, 1912, 1913 und 1914 der Vereinszeitschrift wird eine
größere Zahl von Exemplaren, soweit der Vorrat reicht, um den ermäßigten Betrag
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IV
Die P. T. Mitglieder werden ersucht, sich rege an der Werbung neuer Mitglieder
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Niemandem wird durch die Beitrittsaufforderung eine ernstliche Last zugemutet.
Jeder, der beitritt (Damen und Herren, vom Stifter bis zum Teilnebmer), stärkt
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Frankwell, k. u. k. Oberstleutnant, der Orden
der Eisernen Krone mit der Kriegsdekoration;
den Mitgliedern: Dem als Flieger vor dem Feinde ge-
fallenen k. u. k. Oberleutnant Friedrich Rosenthal,
das Militär-Verdienstkreuz mit der Kriegsdekoration;
Leopold Grafen ne zu Glatz und im
en k. u. Rittmeister, das Signum
audis;
Dr. 1 Richard Wolf, k. u. k. Leutnant, das Signum
audis;
den Fliegern: Gustav Klasing, k. u. k. Linienschiffs-
leutnant, das Militär- Verdienstkreuz mit der Kriegs-
dekoration;
Rudolf Stanger, k. k. Leutnant, das Signum laudis:
Alfred Freiherrn v. Minarelli- Fitzgerald, k. u. k.
Linienschiffsleutnant, Glauko Prebanda, k. u. k.
Fregattenleutnant, und Heinrich Fontaine von
Felsenbrunn, k. u. k. Fregattenleutnant, erneut
die Allerhöchste Belobung.
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Nr. 7 und 8 Jahrg. 1915
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Flug⸗Zeitschrift
Österreichische
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Nr. 9 u. 10
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Vor dem Aufstieg zu einem Erkundungsflug.
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Nr. 13 u. 14
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Jahrg. 1915
Fesselballonstation am nördlichen Kriegsschauplatz.
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FLUGTECHNISCHER VEREIN IN SCHLESIEN
FLUGTECHNISCHER VEREIN MARINE-SEKTION PORTOROSE
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Nr. 15 u. 16 PAETA Jabrg. 1915
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Das Wrack des von einem österreichischen Torpedoboot bei Poia erbeuteten
italienischen Luftschiffes »Citta di Jesi« im Schleppta
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Jahrg. 1915
»Citta di Jesi«, heruntergeschossen in der Nacht vom 5. auf den 6. ARENSE vor, Pota!
Aufgenommen vor dem Hereinschleppen nach Pola
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Nr.19 u. 20 Jahrg. 1915
Tiirkisches Lager, aufgenommen von einem Flugzeuge.
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| Nr. 21 u. 22 Jabrg. 1915
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Die vollständig zertrümmerte Gondel des kürzlich bei Rethel in der dere n ‘ok
zur Landung gezwungenen französischen Luftschiffes »Alsace:
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Nr. 23 u. 24 . 1915
Eingang der Dardanellen, aufgenommen von Hauptmann Kr. Efendi.
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