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Full text of "Österreichische Flug-Zeitschrift 9.1915"

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Flug-Zeitschrift 


k. R. Österreichischen Fluetechnischen Vereines in Wien 


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WIEN, J. ASPERNPLATZ 
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Telepbon Nr. 13.340. 


Redaktion: 
WIEN, I. ASPERNPLATZ 
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Telepbon Nr. 13.340. 


Offizielles Organ seiner Zweigvereine: 14 F 


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Nr. 1 und 2 Jahrg. 1915 


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FLUG-ZEITSCHRIFT 


Herausgegeben von dem unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Majestät des 
= Kaisers und Königs stehenden k. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein. 


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Jänner 1915 


Angenommene Beitrige verden honoriert. 


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sind für Form und Inhalt der von ihnen eingesandten © 
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RSCHEINT ZWEIMAL IM MONAT. 


Artikel und Abbildungen verantwortlich 


Die Verfasser 


IX. Jahrgang 


Inhalt: Englische Visionen aus dem Jahre 1913. — Fliegerwaffen. — Sturmkalender für Dezember 1914 und Jänner 1915, von 
Wilhelm Krebs. (Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen.) — Der Vizepräsident des 3 rI ugs ortklub, 
a 


5 tmann Rupert Pflanzer, militärisch belobt. — 
Frei a. — Aus Amerika. — Glacialkosmogonische Beiträge zur Physik 
ARR und Privatastronom. — Das französische Mili 


Die drahtlose Tele 


hie und der 
r Atmosphäre und der Sonne, von H. Hörbiger, 
Fla e — Bücherbesprechung. — Chronik. 


eg, von Dr. udewig, 


Chefredakteur: Ing. A. Budau, o. ö. Professor an der k. k. Technischen 


Hochschule in Wien. 


Redakteur für den offiziellen und wissenschaftlichen Teil für die Dauer der Abwesenheit der Herren 
Oberst Wilhelm Suchomel und Ing. Adolf Janisch: Fritz Eliyson. 


Paul Bellak 
Prokurist, Wien 


Felix Brauneis 
Ingenieur, Wien 


Dr.-Ing. Walter Freiherr 
v. Doblhoff 


Konstrukteur an der k. k. Techni- 
schen Hochschule, Wien 


Eduard DoleZal 


k. k. Hofrat, o. 6. Professor an der 
k. k. Techn. Hochschule, Wien 


Fritz Eliyson 
Flugmaschinen-Konstrukteur, Wien 


Igo Etrich 
GroBindustrieller, Oberaltstadt 


Dr. A. Hildebrandt 
Luftschifferhauptmann a. D., Berlin 


F. HinterstoiBer 
k.u.k. Major, Wien 


Raoul Hoffmann 
Ingenieur, Wien 


Anton Jarolimek 
k. k. Oberinspektor, Königgrätz 


Unter Mitwirkung von: 


Dr. F. Jung 
Professor an der k. k. Technischen 
Hochschule, Wien 
D. W. Kalser 
Kapitänleutnant a. D., Charlottenburg 


Richard Knoller 


Ingenieur, Professor an der k. k. 
echnischen Hochschule, Wien 


W. Krebs 
Leiter der Wetterwarte Schnelsen, 
Holstein 
Gustav E. Macholz 
Johannisthal 


Hugo L. Nikel 
k. k. technischer Oberoffizial, Wien 


Hans F. v. Orelli 
Schriftsteller, Wien 
Stephan Petroczy 
v. Petrocz 
k.u.k. Luftschifferhauptmann, Wien 


Robert Poliak 
Ritter v. Rudin 
Ingenieur, Wien 
J. Popper-Lynkeus 
Ingenieur, Wien 


Stephan Popper 
Ingenieur, Wien 


Franz Rebernigg 


Ingenieur, Kommissär des k. k. 
Patentamtes, Wien 


Rudolf Schimek 


k. u. k. Major d. R., Direktor der 
Autoplanwerke, Wien 


Dipl. Ing. C. Schmid 
Lindenberg 


Ludwig Schmldl 
k. u. k. Rittmeister, Wr.-Neustadt 


Leopold Schmidt 
Ingenieur, Professor, Wr.-Neustadt 


Karl Tindi 


Ingenieur, Konstrukteur an der 
k.k. Technischen Hochschule, Wien 


Wilhelm Trabert 


Professor, Direktor der Zentral- 
anstalt für Meteorologie und Geo- 
dynamik, Wien 


Dr. C. Wieselsberger 


Assistent an der Universität in 
Göttingen 


Englische Visionen aus dem Jahre 1913. 


Schon in Friedenszeiten, da noch niemand auch 
nur im Traume an die Möglichkeit eines nahen 
Krieges von so gigantischen Dimensionen gedacht, 
hat die »aviation in Germany« unseren Vettern 
jenseits des Kanals schwere Sorgen bereitet. Man hat 
es ursprünglich drüben einfach nicht für möglich 
gehalten, daß ein Volk, wie das deutsche, sich mit 
so kolossaler Begeisterung und Opferwillig- 
keit der Förderung und Ausgestaltung der militäri- 


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schen Luftfahrt annehmen werde und die anfäng- 
lichen, bekannterweise nicht im System begründeten 
Mißerfolge der a a schadenfroh belacht. 
Als aber ein ganzes Volk aufstand, sein Bestes für 
die gute Sache herzugeben, als der Erfolg das 
patriotische, in seiner opfermutigen Art einzig 
dastehende Streben einer ganzen Nation 
reichlich krönte, die Leistungen der deutschen Luft- 
flotte in gleicher Weise mit ihrem Umfange wuchsen, 


»Der schwarze Schatten des Luftschiffes.< 


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In der Vorwoche veröffentlichten wir eine Übersichtskarte von England mit einigen Auszügen aus »Review of Reviews«, welche 
die Gefahren der Luft behandelten. Heute sind wir durch die Liebenswürdigkeit der »Review of Reviews« in der Lage, zwei 
weitere graphische Darstellungen zu reproduzieren, welche die Möglichkeiten von Luftschiffattacken durch Deutsch- 
land (f) vor Augen führen, und die jeden Patrioten von der vitalen Notwendigkeit überzeugen müssen, daß England geeignete 
Vorsorge durch Bewilligung angemessener Vorkehrungsmittel treffen müsse, um ein verhängnisvolles Zurückbleiben im Ansehen 
der Nationen, welches diesem Lande droht, zu vermeiden. In der obigen Darts ung ist aus dem äußeren Kreise, der ganz England 
mit einschließt, der Radius der möglichen Aus- und Inlandsreisen der deutschen Luftschiffe mit Helgoland als Ausgangs- 
punkt ersichtlich. Wird letzterer nach Borkum verlegt, so würden sich die Distanzen nach London und Süd-England noch weiter 
verringern. Der 300 Meilen-Radius (der nächstkleinere Kreis auf dem Bilde) bezeichnet etwa den Aktionsradius der Flugmaschinen. 


(»Flight«, Nr. 9, Jahrg. V, vom 1. März 1913, S. 248.) 


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da begann man drüben denn doch ein wenig nach- 
denklich und kleinlaut zu werden. Stimmen guter 
Patrioten wurden laut, daß es nun Zeit sei, auch in 
England an die Organisation des Militärflugwesens 
zu denken. Aber merkwürdigerweise! Die Engländer, 
die doch in gewissen Dingen — das läßt sich ja 
einmal leider nicht leugnen — bisher eine so 
ziemlich führende Stellung einnahmen, scheinen sich 
für diese, gewiß doch brennende Frage ihrer 
nationalen Verteidigung nicht sehr erwärmt oder 
interessiert zu haben, denn die Industrie, welche im 
Lande mit vieler Mühe und Not entstanden war, 
konnte sich nie über eine volle Beschäftigung be- 


3 


klagen. Selbst die »Royal Aircraft Factory« in Farn- 
borough, welcher der englische König ziemlich nahe 
steht, hatte unter diesem Mangel an Arbeit und Auf- 
trägen empfindlich zu leiden, bis einige ganz unglaub- 
lich klingende Vorfälle — in den Tragdecken ihrer 
Doppeldecker wurden ganze Mäusekulturen entdeckt, 
es wurden fehlerhafte Materialien verwendet etc. — 
ihren bis dahin nicht schlechten Ruf gänzlich unter- 
gruben. So sahen sich die meisten Fabriken genötigt, 
ihr Absatzgebiet entweder unter den Sportsmen 
(Graham White) oder im Auslande selbst zu 
suchen. So hat die Firma Bristol nun mit Bréguet 
einen Lizenzvertrag geschlossen, demzufolge Bréguet 


Wie Frankreich und Deutschland sich auf den Luftkrieg vorbereiten. 
Die Luftschiffstationen längs der französisch-deutschen Grenze. 


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Aus der obigen Darstellung aus »Review of Reviews« ist zu ersehen, daß nicht weniger als acht Luftschiffstationen zur Benützung 


für die kürzeste Angriffslinie auf die neue strategische Grenze En 
Luftschiffstation an der russischen und dre 


pianos errichtet wurden. Demgegenüber befindet sich bloß eine 
oder vier an der französischen Grenze. 


(»Flight«, Nr. 9 ex 1913, S. 249.) 


4 


die Bristol-Doppeldecker für Frankreich erzeugt. Die 
Unlust oder vielleicht auch das Unvermögen 
der englischen Heeres- und Marineverwaltung, 
größere Summen für die militärische Luftfahrt 
und Flugtechnik zu präliminieren, hatte hier 
eben Verhältnisse geschaffen, die intensiv auf die 
Industrie und jetzt auch auf die Position des 
ganzen Inselreiches im Weltkriege rückwirken. 

Ebensowenig Verständnis wie für die Flugtechnik 
zu Wasser und zu Lande bekundete die englische 
Heeresverwaltung für die Fragen der Luftschiffahrt. 
Seit dem Zusammenbruche des Luftschiffes »Mayfly«, 
das wohl eine gutgemeinte Nachempfindung der 
großen Zeppeline (aber nur der Größe nach!) sein 
sollte, verfügt England nur über einige wenige Luft- 
schiffe der Beta-Klasse, deren Aktionsradius und 
Konstruktion aber mit jenem der modernen Zeppelin- 
Ballons kaum zu vergleichen ist. 

Allmählich kam den Engländern ihre 
Schwäche auf dem Gebiete der militärischen Luft- 
fahrt zu Bewußtsein, beschleunigt wurde dies 
durch die in aller Welt Aufsehen erregenden 
Rekordleistungen der Deutschen. Von 
dunklen Vorahnungen getrieben, begann der 
erste Lord der englischen Admiralität, Winston 
Churchill, sich intensiv mit der Frage der Aus- 
gestaltung des Seeflugwesens zu befassen, nachdem 
er sich durch einige Passagierflüge oberflächlich von 
der Wichtigkeit desselben überzeugt hatte. Die 
Zeitungen entfalteten eine intensive Propaganda, allein 
das Versäumte war in so kurzer Zeit umso weniger 
nachzuholen, als zwei der wichtigsten Grundlagen 
und Voraussetzungen fehlten: Erstens die techni— 
sche Schulung und Erfahrung der Industrie, 
wie sie in Deutschland durch die Förderung seitens 
der Heeresverwaltung ermöglicht worden war, und 
zweitens 55 Begeisterung und Opferwillig- 
keit der Bevölkerung, welche eben die deutsche 
Heeresverwaltung in die Lage versetzen konnte, die 
Industrie ausreichend zu unterstützen. Daß die 
Engländer wenigstens so offenherzig waren, 
ihre Schwäche einzubekennen, davon zeugen 
verschiedene Berichte in ihren eigenen Zeitungen und 
Journalen. Daß sie aber anderseits auch die 
deutschen und Österreichischen Luft- 
rüstung en mit größter Angst und mit scheelen 
Blicken verfolgten, dabei aber selbst fast untätig 
stehen blieben, ist weniger begreiflich. Schon vor 
Ausbruch des Weltkrieges war die Zeppelin- 
Furcht der Engländer, speziell aber der Londoner 
etwas Sprichwörtliches geworden. Irgend eine dumpfe 
Vorahnung von großen kommenden Ereignissen 


scheinen sie ja doch gehabt zu haben, denn wiederholt 
konnte man in ihren Zeitungen von dem Erscheinen 
eines »Gespensterluftschiffes« lesen, das ver- 
mutlich aus Deutschland kam und im Nebel der 
Nacht stets lautlos wieder verschwand. Die Spionen- 
und Luftschiffurcht in London wurde bald so groß, 
daß sich ein ganzer Sagen- und Legendenkranz um 
die deutschen -Zeppeline« schlang, die diesen 
phantasievollen Erfindungen einer echten Angst 
natürlich fernestanden. 

Der gegenwärtige Krieg aber hat den Engländern 
wenigstens in einer Beziehung wirklich recht ge- 
geben: Ihre Angst war nicht umsonst! London 
erwartet schon seit Wochen den Besuch des ersten 
»Zeppelins«, nachdem deutsche Flieger die Themse- 
stadt bereits liebevoll aus den Lüften herabgegrüßt. 
Die »Zeppelin-Angst« hatte den Gipfel erreicht, als 
die Befürchtungen durch das tatsächliche Erscheinen 
mehrerer »Zeppeline«, die eine regelrechte Attacke 
durchführten, gerechtfertigt wurden. 

Da mag es nicht uninteressant erscheinen, wenn 
ich zwei Blätter aus meiner Kartothek herausgreife 
und hier den Lesern dieser Zeitschrift auftische. Aus 
doppeltem Grunde sind sie für die weitesten Kreise 
von Interesse. Denn einerseits zeigen sie, daß die 
Engländer bereits Beginn 1913 mit der Mög- 
lichkeit eines Ernstfalles in der Luft und 
allen seinen eventuellen Konsequenzen, 
wie sie heutewirklicheintreffen, rechneten 
und mit welchen Mittelnsieihre Landsleute 
haranguierten, umVerschwindendes zu leisten, 
anderseits aber gewähren die in der Tat nicht 
übertriebenen Darstellungen einen Einblick in 
die heute sich wirklich offenbarenden Macht- 
verhältnisse der verschiedenen Kräftegruppen und 
dieserhalb schon ist diese mit »Our phantom A:ir-Fleet« 
bezeichnete Kartenübersicht des englischen Fachblattes 
»Flight« von größtem Interesse, welchem die beiden 
Abbildungen aus seiner Nr. 9, V. Jahrgang, vom 
1. März 1913, entnommen sind. Ohne diesen beiden, 
wie schon erwähnt, wirklich nicht übertriebenen 
Bildern noch einen weiteren Kommentar hinzuzufügen, 
möchte ich nur bemerken, daß die zugehörigen U ber- 
und Unterschriften wörtlich übersetzt und analog den 
Originalen angeordnet wurden. Eine Frage aber kann 
ich nicht unterdrücken: Ist die Kongruenz der »Var- 
ahnungen« und aller hier teils gekennzeichneten, tell 
zwischen den Zeilen der Bilderunter- 
schriften zu lesenden Momente mit dem nun 
mehr Tatsache Gewordenen nicht zumindest er. 
staunlich ? 

Fritz Ellyson. 


Fliegerwaffen. 


Der große Aufschwung der Aviatik und der Lenk- 
ballontechnik hat das gesamte Flugwesen in mili- 
tärischer Hinsicht in kürzester Zeit nicht nur zum 
unentbehrlichsten Rekognoszierungsmittel gemacht, 
sondern auch eine neue Waffe erstehen lassen, die in 
erster Linie dazu berufen ist, hinter der Front operie- 
render Armeen in wirksamer Weise einzugreifen. Der 
Flieger trägt den Angriff seiner Heeresmacht weit 
hinein in die Feindeslande, wochen- und monatelang, 
bevor die nachrückende Landmacht Gelegenheit hat, 
jene Gebiete zu besetzen. 

Dadurch ergibt sich aber eine große Mannigfaltig- 
keit verschiedentlichster Aufgaben, die ihrerseits 
spezielle Behelfe erfordern, um nach besten Kräften 
durchgeführt werden zu können. 

Abgesehen von den Leistungen unserer Aviatiker, 
die reine Rekognoszierungsflüge betreffen, gilt das 
Hauptaugenmerk der Flieger dem Bestreben, den 
Aufmarsch des Feindes zu beunruhigen. Dies gelingt 
teils durch Fliegeranyriffe auf marschierende oder 
lagernde Truppenteile, teils durch Vernichtung von 
Bahngeleisen, Bahnhöfen, Munitions- und Proviant- 


transporten, sowie von Magazinen aller Art. Ebenso 
erscheint es von Wichtigkeit, strategisch wertvolle 
Brücken im Hinterlande zu zerstören. 

Ferner erscheint die Beunruhigung der Bevöl- 
kerung des Hinterlandes von Bedeutung, denn die 
moralische Depression, welche durch wohlgelungene 
Fliegerangriffe auf die Zivilbevölkerung ausgeübt wird, 
ist durchaus nicht außer acht zu lassen; von der 
Vernichtung wichtiger Objekte ganz abgesehen. 

Die deutsche und österreichisch-ungarische Heeres- 
leitung hat sich in dieser Beziehung bisher stets von 
völkerrechtlichen Prinzipien leiten lassen und daher 
Angriffe durch Flugzeuge und Lenkballons in erster 
Linie auf Festungen gestattet. Paris, Calais, Warschau 
wissen hievon zur Genüge zu erzählen. Da sich jedoch 
unsere Feinde nicht gescheut haben, offene Städte 
zu bombardieren, so mußte zu Repressalien ge- 
schritten werden, wie das Luftbombardement von 
Nancy zeigt. Die ganz furchtbare Wirkung der 
Bomben, die von den deutschen Zeppelin-Ballons 
abgeworfen werden, dürfte wohl die feindlichen 
Flieger bald zur Einsicht bringen; da diese keine 


Zerstörungsmittel besitzen, die auch nur annähernd 
der Wirkung einer deutschen Luftschiffbombe gleich- 
kommen, so wagen sie ein zu ungleiches Spiel. Ein 
kleiner Erfolg, der durch Völkerrechtsbruch erzielt 
werden konnte, wie der Fliegerangriff auf Freiburg, 
kann von der deutschen Heeresleitung durch Ent- 
sendung eines »Zeppelins< sehr bitter und empfindlich 
gerächt werden, was auch geschehen ist. 


Fliegerbrandbombe. 


Die deutschen Lenkballons haben zwar in dem 
Weltkrieg schon überaus große Erfolge gebracht, sie 
sind aber ganz zweifellos noch nicht derart eingesetzt 
worden, wie es ihrer Zahl und Leistungsfähigkeit ent- 
spricht. Zweifellos werden sie uns noch so manche 

berraschung bringen. Aber schon heute kann man 
wohl erkennen, daß die großen deutschen Starrluft- 
schiffe vielleicht weniger als Rekognoszierungsfahr- 
zeuge dienen, denn als furchtbares Kampfmittel. Ihre 
ungeheure Tragfähigkeit und Schnelligkeit lassen sie 
zu weiten Fahrten sehr geeignet erscheinen. Meist 
aber werden diese zur Nachtzeit durchgeführt, um 
größere Sicherheit gegen feindliche Beschießung zu 
erreichen. Die glänzenden Leistungen der Aeroplane 
lassen ja auch das Luftschiff als Rekognoszierungs- 
fahrzeug entbehrlich erscheinen, so daß sich dieses 
fast ausschließlich dem Kampfzweck widmen kann, 
wenngleich es auch sicherlich befähigt ist, bei Tage 
über Feindesland zu fliegen, wie die Fahrt des Schütte- 
Lanz-Ballons durch Russisch-Polen ins österreichisch— 
ungarische Hauptquartier beweist. Wenn ein Luftschiff 
durch einen Gewehrschuß verletzt wird, so genügen 
etwa 20 kg Ballastabgabe, um den Gasverlust während 
der Dauer einer Stunde zu ersetzen. Es bleibt dem- 
nach stets weitaus geniigend Zeit, um den erlittenen 
Schaden während der Fahrt zu beheben. 

Die a A des Lenkballons ist aber das 
Beschießen befestigter Plätze und die Zerstörung 
wichtiger Bauten, wie Brücken, Bahndämmen und 
sonstiger Anlagen. Diesem Zweck dienen die Luftschiff- 
bomben, welche von Bord des Lenkballons abgeworfen 
werden. Es ist derzeit natürlich nicht angängig, nähere 
Angaben über die Art der verwendeten Projektile und 
deren Lancierung zu geben. Die Geheimhaltung dieser 
Daten ist schon deshalb von Wichtigkeit, weil unsere 


5 


Feinde tatsächlich bemüht sind, den deutschen Groß- 
luftschiffbauten ähnliche Konstruktionen entgegenzu- 
stellen, wie der Bau des Spieß-Ballons und des 
Vickers-Ballons beweisen. Es sei daher nur folgende 
Angabe gemacht, welche englischen Berichten ent- 
nommen ist. Bei dem furchtbaren Bombardement von 
Antwerpen, welches im August des Jahres 1914 nicht 
weniger als 700 Häuser durch Luftschiffbomben zer- 
störte und beschädigte, konnte auf Grund der Splitter- 
funde dieser Bomben festgestellt werden, daß eine 
Zeppelin-Bombe etwa 150 kg wiegen dürfte. Unter 
diesen Umständen ist die Verheerung begreiflich, 
welche durch deutsche Luftschiffe hervorgerufen wird. 
Da die Tragfähigkeit eines deutschen Lenkballons die 
eines feindlichen Luftschiffes um mehr wie das Dop- 
pelte übersteigt, können diese nur eine verschwindende 
Rolle spielen; dieverhältnismäßig geringe Geschwindig- 
keit feindlicher Ballons aber ist ebenfalls ein Grund, 
um diese für den Luftkrieg fast gänzlich ausscheiden 
zu lassen. 

Gegen Angriffe durch feindliche Aeroplane sind 
die Zeppelin-Luftschiffe vorzüglich geschützt. Sie 
tragen auf ihrem Rücken eine Plattform, die mit der 
unterhalb der Hülle liegenden Gondel durch einen 
den Ballon durchquerenden Schacht verbunden ist, so 
daß sie stets erreichbar ist. Auf dieser Plattform be- 
finden sich kleine Schnellfeuergeschütze und Maschinen- 
gewehre, die jede Annäherung von feindlichen Flug- 
zeugen hintanhalten, lange bevor deren Lenker selbst 
zum Schuß kommen können. 

Aber auch der Aeroplan leistet vorzügliche Dienste 
als Waffe, wenngleich die Leistungen einer Flieger- 
bombe nur klein gegenüber den Zerstörungen der 
Luftschiffbomben sind. Es sind in erster Linie zwei 


Fliegerexplosivbombe. 


Arten von Bomben, die Anwendung finden: Explosiv- 
körper und Brandbomben. Die verschiedenartigsten 
Systeme werden benützt; auch hier wird erst nach 
dem Kriege die Möglichkeit geboten sein, genaue 
Angaben über die Art und Wirkung der verschiedenen 
Bomben zu geben. Jedenfalls herrscht unter diesen 
Zerstörungsmaschinen große Verschiedenheit. Die 
Explosivbomben schwanken im Gewichte zwischen 
10 kg und 20 kg. Die tragfähigen deutschen Flugzeuge 


Fliegerpfeile. 


gestatten die Mitnahme schwererer Bomben, während 
die französischen Projektile anfangs meist leichter 
waren. Ein französischer Monoplan erhält bei jedem 
Aufstieg etwa zwei bis drei je 10 kg schwere Bomben; 
die Deutschen, welche mit ihren starken Doppel- 
deckern fast stets bedeutend weitere Flugreisen unter- 
nehmen wie unsere Feinde, fliegen meist mit mindestens 
fünf schweren Bomben ab. Die Brandbomben und 
französischen Brandpfeile gehen meist unten spitz zu, 
an ihrem oberen Ende tragen sie einen Flügelkranz, 
der ihnen eine leicht drehende Bewegung und stetige 
woe während des Falles erteilt. Bei dem Aufschlagen 
auf dem Boden wird der Zündungsmechanismus durch 
den Druck eines vorragenden Stabes gelöst, so daß 
die Bombe zur Explosion gebracht wird und alle 
brennbaren Gegenstände im weiten Umkreis entzündet. 
Benzindepots, Proviant- und Munitionsdepots sind 
dann rettungslos verloren. Ebenso werden Feuers- 
briinste hervorgerufen, wenn Baulichkeiten getroffen 
werden. 

Die Explosivbomben, welche anfangs ihrer Kon- 
struktion nach mit den Brandgeschossen große Ähn- 
lichkeit hatten, sind nun meist zu sehr vervollkomm- 
neten Mechanismen ausgebildet worden. Es bestand 
nämlich stets die Gefahr, daß der Flieger bei harter 
Landung oder bei ungünstigem Abflug selbst das 
Opfer seiner Bomben werden könnte, wenn diese 
durch hartes Aufschlagen zur Explosion gebracht 
würden. Deshalb hat man nun die Einrichtung ge- 
troffen, daß der Zündungsmechanismus völlig arretiert 
bleibt, solange die Bombe nicht abgeworfen wurde. 
Diese trägt aber an ihrem oberen Ende ebenfalls ein 
Windrad, welches jedoch nicht fest mit dem tropfen- 
förmigen Metallkörper verbunden ist, sondern während 
des Falles in Rotation versetzt wird. Nach einer 
bestimmten Anzahl von Umdrehungen, die während 
der Fallhöhe von 60 bis 100 m gemacht werden, wird 
erst die Zündungsvorrichtung freigegeben, die aber 
jetzt mit größter Empfindlichkeit reagiert und bei der 
leisesten Berührung des Erdbodens oder selbst des 
Wasserspiegels die Bombe zur Explosion bringt. 

Der Abwurf der Bomben aus dem Flugzeug ist 
von großer Schwierigkeit. Bei niederem Fluge kann 


der Aeroplan leicht selbst herab- 
geschossen werden und aus großer 
Höhe ist die Treffsicherheit sehr 
gering. Die verschiedensten Vor- 
richtungen sind nun getroffen worden, 
um das Bombenlancieren zu er- 
leichtern und besseres Zielen zu er- 
möglichen. Die einfachste Methode 
ist wohl das Abwerfen von Hand 
aus; hin und wieder trifft man auch 
eine Vorrichtung, welche aus einem 
gebogenen Gleitrohr besteht, durch 
welches die Bombe abgeworfen wird, 
ähnlich wie der Wagenführer eines 
elektrischen Trambahnwagens Sand 
in die Schienen gleiten läßt. Kom- 
pliziertere Einrichtungen, welche 
gleichzeitig mit Visiervorrichtungen 
versehen sind, werden mitunter durch 
Drahtzug oder Pedal bedient. Die 
Treffsicherheit hängt jedoch in erster 
Linie von der Geschicklichkeit des 
Werfers ab. 

Auch sonstige Bombenarten sind 
schon versucht worden; es seien nur 
die Stinkbomben genannt, welche da- 
zu dienen sollen, Proviant- und Futter- 
vorräte unbrauchbar zu machen. Über 
ihre Erfolge und Konstruktion ist 
noch nichts bekannt geworden. 

Die Franzosen haben als Über- 
5 raschung den Fliegerpfeil gebracht, 
der anfangs vielleicht belächelt 
wurde, sich aber als ziemlich ge- 
fährliche Waffe erwiesen hat. Er be- 
steht aus einem bleistiftstarken, zugespitzten Stahl- 
stab von ungefähr 12cm Länge und 23g Gewicht, 
dessen oberer Teil derart ausgefräst ist, daß er 
kreuzförmigen Querschnitt erhält. Aus der Höhe von 
1000 bis 2000 m abgeworfen, kann er immerhin ein 
Pferd vollkommen durchbohren und Menschen töten. 
Die Treffsicherheit ist eine sehr geringe, weshalb er 
wohl nur zur Beunruhigung lagernder oder geschlossen 
marschierender Truppenteile dienen kann. Die mo- 
ralische Wirkung aber, welche durch das plötzliche 
Herabregnen dieser Metallspitzen entsteht, ist immer- 
hin beträchtlich, so daß die Erzeugung des Flieger- 
pfeiles von uns bald Paeti -Fh wurde. Nun be- 
kommen die Franzosen ihre Erfindung empfindlich zu 
spüren und die von Fliegerpfeilen getroffenen Soldaten, 
werden wohl mit geringem Genuß die auf allen 
deutschen Geschossen befindliche Aufschrift lesen: 
»Invention francaise, Fabrication allemande«, sofern 
sie nämlich noch zu lesen imstande sind. 

Viele Aeroplane sind auch mit Maschinengewehren 
bewaffnet, die wohl kaum zum Kampfe gegen die 
Landmacht angewendet werden, sondern meist als 


Phot. Paul Bellak. 


Wirkung deutscher Luftschiffbomben: Inneres eines Zimmers, 
in welchem zwei Mädchen getötet und ein Mann schwer 
verletzt wurde. (Aus »The Independent«.) 


Schutz- und Angriffswaffe gegen feindliche Flugzeuge 
dienen sollen. Die Treffsicherheit dieser Maschinen- 
rar ist jedoch nicht sehr groß; die stampfenden 

wegungen des eigenen Fahrzeuges, die blitzschnellen 
Wendungen des Feindes und der beschränkte Raum 
im Flugzeug selbst verhindern häufig das genaue 
Zielen. Die deutschen Flieger verlassen sich daher 
meist auf ihre Schießfertigkeit und einen guten Kara- 
biner und zeigen sich so meist als überlegen. Fast 
stets versuchen die Gegner einander zu überhöhen, 
um von oben herab den Gegner durch einen Schuß 
oder Bombenwurf zu vernichten. Dieses nerven- 


7 


spannende Wechselspiel erfordert nicht nur ganze 
Männer, sondern auch erstklassige Flugmaschinen und 
in beiden Punkten sind wohl unsere Fliegertruppen 
unübertrefflich. 

Die endgültigen Lehren des Luftkrieges sowohl 
in technischer als militärischer Hinsicht werden wohl 
erst nach Beendigung des Krieges gezogen werden 
können; heute aber schon hat es sich erwiesen, daß 
sowohl Lenkballon als auch Flugzeug als Angriffs- 
waffen verwendet werden können und ganz bedeutende, 
ja überraschende Erfolge erzielen. 

| Paul Bellak. 


Sturmkalender für Dezember 1914 und Jänner 1915.*) 


Von Wilhelm Krebs. (Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen.) 


| 


Störungsfolgen aus den Hauptherdgebicten der tropischen Sturmblidung 


: 1914/15 
| Wooten | im Westatiantik | Im Westpazifik 
Sturm- Sturm- Sturm- Sturm- Sturm- 
ı Novem. re bildun age | bilden 
| . bis i. 6. bis 12. | 13. bis 19. 18. bis 28. 25.bis J. 
| _— — — : E — at — hs m a ̃ —̃ — 
Sturm- ' turm- 
aes ey bildun bildung 
amerika N 
Dez. 2 sure | Nord- e . — 
. bis 14. 8. bis 17, [amerika pazifik) 8. bis 
Nora — 
| amerika | 
Pre: = Euros N Nord: en 
821. amerika ; 
F Nord- | . 
Ostasien 
Nord- 
amerika | ak) 
Nord- 
amerika 
7 
Nord - 
Europa amerilca , 
Ostasien 
1 o 
. | paz 
Europa amerika 
Ostasien 
— — — Europa (Nord 
pazifik) 
a AR re ze fala — | Europa un 
. BE Nord- 
amerika 
Europa 
Europa 


+ bezeichnet Störungsfolgen, die durch Unwetter- 
meldungen bereits bestätigt sind. 


Die vorberechneten Epochen gesteigerter Sonnen- 
wirkung 18. bis 26. November und 1. bis 8. Dezember 
sind durch Sonnenflecken, feinstreifige Zirren und 
vom 22. November an in Italien, sowie am 6. De- 
zember in Flandern durch Gewitter bestätigt. Eine 


) Vgl. »Wetter-, besonders Sturmvoraussichten langer 
Frist« von Wilhelm Krebs in Nr. 25/26 der Deutschen Luft- 
fahrer-Zeitschrift vom 30. Dezember 1914, S. 437 bis 442. 


neue Doppelepoche 8. bis 17. Dezember zeigte sich 
durch starke Ausbruchserscheinungen auf der Sonne 
und sonst zunächst durch Federwolken (ci) an. Ein 
ansehnliches Fleckensignal erlosch beim Vorübergang 
auf der Nordhalbkugel, ein neues, größeres stellte sich 
auf der Südhalbkugel ein. Wiederkehr ist für Dezem- 
ber vom 15. an, im Jänner bis 18. und nach dem 23. 
berechnet. In diesen Zeiten, vor allem zwischen dem 
4. und 13. Jänner 1915, sollte in dazu geneigten 
Gebieten auf Kompaßstörungen geachtet werden, im 
Februar besonders vom 1. bis 8. 


Der Vizepräsident des Österreichischen Flugsportklub, Reserve- 
hauptmann Rupert Pflanzer, militärisch belobt. 


Unter den zahlreichen Funktionären und hervor- 
ragenden Organisatoren der österreichischen Aviatik, 
welche zu Kriegsbeginn unter die Fahnen berufen 
worden sind, befindet 
sich auch der in den 
weitesten Kreisen be- 
kannte und hochge- 
schätzte Vizepräsident 

des Österreichischen 
Flugsportklubs, Haupt- 
mann Rupert Pflanzer, 
dessen verdienstvolles 
Wirken im Interesse des 
heimischen Flugwesens 
wiederholt bereits ge- 
würdigt wurde. Erst im 
Vorjahre wurde Haupt- 
mann Pflanzer durch 
Een nn 55 
chsten Gnadenakt von. 

Oberleutnant zum Haupt- eS * 
mann der Reserve be- Fur} 
fördert und die Kunde hie 

von wurde allenthalden, , 
wo man den lieben 
würdigen, in seiner 

Tätigkeit und Hilfsbe- 
reitschaft nie erlahmen- 
den Vizepräsidenten des 
Österreichischen Flugsportklubs kannte, mit 
größten Genugtuung und Freude aufgenommen. 

Nun kommt vom Kriegsschauplatze die erfreuliche 
Nachricht, daß Herr Hauptmann Pflanzer, der bei 


é ‘ Vi 
Win = ` > Aii 
~ _ 

* — 
x e.. 


` 
- 
+ 


der 


2 


K. u. k. Reservehauptmann Rupert Pflanzer, Vizepräsident des 
sterreichischen Flugsportklubs. 


* 
— * 
a 


der ersten operierenden Armee eingeteilt ist, im Hin- 
blicke auf seine rastlose, sehr erfolgreiche Tätigkeit 
durch die belobende Anerkennung des Armee-Ober- 
kommandos und den 
Dank im Namen des 
Allerhöchsten Dienstes 
ausgezeichnet wurde. Es 
mag dies ein trefflicher 
Beweis sein, daß dieser 
hervorragende Sports- 
mann auch im Felde 
ebenso hervorragend 
wirkt, denn derlei Be- 
lobungen sind spärlich 
bemessen. 

Diese Auszeichnung 
des Herrn Hauptmann 
Pflanzer, dessen Bild 
wir hier reproduzieren 
und der auch Vizepräsi- 


j ae? dent des Osterreichi- 
chen Touringklubs, Mit- 
Se Te is der Österreichischen 
= en eronautischen Kom- 
— —— ferner Direk- 


mission, 
tionsmitglied der Wiener 
Flugfeld-Gesellschaft 
und Ausschußmitglied 
des k. k. Osterreichi- 
schen Flugtechnischen Vereines ist, wird in der 
Wiener Gesellschaft gewiß ebenfalls mit großer Freude 
aufgenommen werden, in welcher er sich der größten 
Sympathien erfreut. 


Die drahtlose Telegraphie und der Krieg. 


Von Dr. Paul Ludewig, Freiberg i. Sa. 


i; 


Wie für so vieles andere, hat der Krieg auch für 
die drahtlose Telegraphie gewaltige Veränderungen 
gebracht. Sie ist in den kriegführenden Ländern dem 
friedlichen Verkehre ganz entzogen und einzig und 
allein in den Dienst der kriegerischen Operationen 
getreten. Eine Folge davon ist, daß wichtige wissen- 
schaftliche Forschungen, die in der letzten 
Zeit begonnen hatten, ins Stocken geraten sind. Es 
hatte sich nämlich im Laufe des letzten Jahres eine 
internationale Kommission gebildet, die sich 
das Ziel gesetzt hatte, die eigentümlichen Unregel- 
mäßigkeiten, die der drahtlose Verkehr zeigt, und die 


mit größer werdender Entfernung zwischen Sende- 
und Empfangs-Station erheblich zunehmen und zu 
mancherlei Unzuträglichkeiten führen, in größtem 


Maße wissenschaftlich zu erforschen. Die auf einer 
Empfangsstation ankommende Energie weist nämlich 
auch bei vollkommen konstant gehaltener Energie- 
ausstrahlung eigentümliche Schwankungen 
auf; die bisherigen Versuche ergeben, daß in der 
Nacht die Signale viel deutlicher sind, daß man daher 
in der Nacht auch 1 Reichweiten als am Tage 
erzielen kann, daß aber gerade des Nachts die 
Schwankungen sehr stark und plötzlich sind, während 
am Tage einigermaßen konstante Verhältnisse 
herrschen und daß endlich bei Sonnenuntergang und 
Sonnenaufgang starke ee A mit besonderem 
Rhythmus zu beobachten sind. Die Ursachen dieser 
Erscheinung können nur auf eine Einwirkung des 
zwischen Sende- und Empfangsstation liegenden 
Zwischenraumes zurückzuführen sein und sind nur 
dadurch einer exakteren Untersuchung zugänglich, 
daß man von einer Großstation mit konstanter 
Energie elektrische Wellen aussendet, die von einer 


—— —Eàʒà˖ʃͥͤ 2 — 
— err —— —y— :,! —— — — —¼ ll 


großen Anzahl über ein möglichst großes Gebiet 
verstreuten Stationen quantitativ aufgenommen werden. 
Die erwähnte Kommission war in Brüssel gegründet, 
umfaßte Nationalkomitees in fast allen europäischen 
Ländern und sollte zum erstenmal in größtem MaB- 
stabe bei der Sonnenfinsternis am 21. August 
1914 in Tätigkeit treten. Die Stationen in Nauen, 
Norddeich, Paris, Petersburg und Bobruisk, die so 
ausgewählt waren, daß sie in möglichst verschiedener 
Lage zu der Zone größter Finsternis lagen, sollten 
zu bestimmten Zeiten mit verschiedenen Wellenlängen 
verabredete Zeichengruppen geben, die dann auf den 
Empfangsstationen nach einer einheitlichen Methode 
quantitativ aufgenommen werden sollten. Es waren 
schon ausgedehnte Vorversuche mit allen genannten 
Stationen angestellt, die ein schon recht wertvolles 
Material geliefert haben. Es war bereits ein erster 
ausführlicher Bericht über die Tätigkeit der Kommission 
in Druck erschienen, da machte der Kriegsausbruch 
der ganzen Tätigkeit ein schnelles Ende. Ob sich 
nach dem Kriege eine allgemeine internationale 
Beteiligung wieder erreichen lassen wird, erscheint 
fraglich. Im Interesse der weiteren Entwicklung der 
drahtlosen Telegraphie ist eine ähnliche großzügige 
Untersuchung dringend erforderlich. 


2. 


So friedlich diese Tätigkeit der Stationen werden 
sollte, so kriegerisch wurde sie mit einem Schlage. 
Es ist ja nur natürlich, daß man bisher während 
des Krieges über dieses für große Entfernungen 
wichtigste Nachrichtenmittel nur wenig gehört hat. 
Nur kurze Notizen erinnerten an seine große Aufgabe: 
Wir lasen, daß die »Kronprinzessin Cäcilie«, die an 
ein anderes Schiff gerichtete drahtlose Anfrage eines 


feindlichen Schiffes über ihren Aufenthaltsort auf- 
gefangen habe und dadurch der Wegnahme entgangen 
sei, daß die »Emden« die drahtlosen Mitteilungen 
über Abfahrtszeiten feindlicher Schiffe auffing und 
so die Möglichkeit erhielt, die Schiffe abzufangen, 
u. a. m. Welche außerordentliche Rolle die drahtlose 
Telegraphie gerade im Seekriege heute spielen wird, 
das können wir nur ahnen und davon werden wir 
später mit Staunen Kunde erhalten. Aber auch im 
Landkriege ist ihre Tätigkeit eine überaus vielseitige. 
Dabei erfährt die ganze Organisation der deutschen 
Funkentelegraphie ihre große Probe und es ist 
daher interessant, die Resultate, die sie in den Jahren 
1904 bis 1907 in den Kämpfen in Südwest- 
Afrika erzielt hat, ins Gedächtnis zurückzurufen. 
Allerdings stand damals die Technik noch nicht auf 
der gleichen Höhe wie heute. Dafür hatten die 
Stationen aber insofern ein leichteres Arbeiten, als 
Störungen durch feindliche Stationen wegfielen. Welch 
große Rolle sie damals gespielt haben, geht aus dem 
Berichte des Generals v. Throta über die Schlacht 
am Waterberg hervor: »Ohne die Feldsignal-Abteilung 
hätte ich die Operationen überhaupt nicht und ohne 
die Funkerabteilung nur sehr schwer durchführen 
können«. Die damals benützten Stationen führten die 
Antenne mit einem Ballon oder Drachen in die Höhe 
und erzielten so Reichweiten von 200 bis 300 km. 
Heute hat man in den Heeren aller Länder diese 
Methode verlassen und verwendet feste Maste, die 
teleskopartig ineinander geschoben werden und zum 
Aufstellen nur einige inuten Zeit in Anspruch 
nehmen. Die tägliche Durchschnittsleistung einer 
Station betrug damals 20 Funksprüche mit 800 Worten, 
wobei zu berücksichtigen ist, daß zahlreiche Gewitter 
und die in diesen Breiten besonders starken »atmo- 
sphärischen Störungen«, die Tätigkeit der Stationen 
einschränkten. In dem amtlichen Berichte über die 
Tätigkeit dieser Station, den Hauptmann Flaskamp *) 
gegeben hat, wird ihre Bedeutung folgendermaßen 
zusammengefaßt. 

Zur Beurteilung dieser Betriebsleistungen muß 
darauf aufmerksam gemacht werden, daß das, was 
von einer Station an eine andere gefunkt wurde, die 
drei übrigen Stationen mithören konnten, so daß alle 
fünf Stationen über die taktische Lage sehr gut Be- 
scheid wußten und die Truppen, mit denen sie zu- 
sammen waren, orientieren und warnen konnten, was 
namentlich wegen des vielen Hin- und Herziehens 
der Hottentottenbanden — mit ähnlichen Leuten 
haben wirs ja heute wieder zu tun (Der Verf.) — 
von großer Wichtigkeit war. Der Funkenbetrieb war 
in dieser Zeit unstreitig das Hauptnachrichtenmittel 
für die wichtigen Operationen .« 

Dabei wird der Dienst der Funker als besonders 
anstrengend hervorgehoben. Wenn die Truppen 
auf einem Rastplatz ankamen und Ruhe hatten, mußten 
die Funker die Station aufbauen und die Nacht hin- 
durch Betrieb machen. Denn, einmal erreicht man 
nachts die größten Reichweiten und zweitens sind 
die atmosphärischen Störungen der Nacht geringer 
als am Tage. Daß man dabei aber den Mut nicht 
sinken ließ, beweist der folgende, aus gleicher Quelle 
entnommene Bericht: »— In diesem Zelte verbrachte 
Generalleutnant v. Throta mit den Offizieren seines 
engeren Stabes die Nacht vom 11. bis 12. August. 
Es war bitter kalt, aber Feuer durfte unter keinen 
Umständen gemacht werden. Da kommt Oberleutnant 
Häring auf den guten Gedanken, das vom vielen 
Funken kochend heiße Kühlwasser des Motors abzu- 
lassen und zum Grogbrauen zu benützen. So bekommen 
die Funkenstation und auch die Offiziere des Haupt- 
quartiers in der kalten Nacht doch noch einen Grog, 
der zwar trübe war und nach Kesselstein schmeckte, 
aber doch alle erquickt hat«, und dann heißt es weiter: 
>In der Nacht — wir machten bis 2 Uhr 45 Minuten 
morgens ununterbrochen Betrieb — fiel unser Ballon 


*) Verlag von R. Eisenschmidt, Berlin, 1910. 


9 


außerhalb des Lagers, wo es von Hereros wimmelte, 
in die Büsche. Kurz vorher war von zwei Mann, die 
dort Wasser holten, einer erschlagen worden. Aber, 
als es hieß: ‚Freiwillige vor, um den Ballon zu holen‘ 
meldeten sich alle Funker«. 


3. 


Die Schwierigkeiten, die damals das Hochhalten 
der Drachen und Ballons gemacht haben, fallen heute, 
wie gesagt, ganz weg. Wir verfügen über eine große 
Anzahl von Feld-Funkenstationen, die 
eine wichtige Ergänzung der Drahttelegraphie bilden. 
Sie sind auf vierrädrigen Fahrzeugen untergebracht, 
deren jedes von sechs Pferden gezogen wird. Nach 
mannigfachen Versuchen ist das System der tönenden 
Funken in Deutschland allgemein eingeführt, und zwar 
in der speziellen Ausführung der Telefunken-Gesell- 
schaft. Ein Mast von etwa 30 m Höhe befindet sich 
auf einem der Wagen; an seinem oberen Ende ist im 
betriebsfertigen Zustande eine Schirmantenne ange- 
bracht. Bis auf etwa 300 km wird mit diesen Stationen 
eine wechselseitige gute Verständigung erreicht. Die 
Sendeenergie liefert eine Wechselstrom-Dynamo, die 
von einem Benzinmotor getrieben wird, während zum 
Empfang der Kontaktdetektor mit Telephon dient. 

Außer diesen Stationen gibt es auch noch solche 
kleineren Typs, die meist im Aufklärungsdienste 
verwendet werden und deswegen nur auf Pferden 
gepackt werden. Neuerdings ist ferner eine sogenannte 
Tornisterstation konstruiert, die ebenfalls für den 
Aufklärungs- und Sicherheitsdienst bestimmt ist und 
von fünf Trägern mitgeführt werden kann. Das Gesamt- 
gewicht von ca. 100 kg ist auf einzelne Traglasten 
verteilt und übersteigt damit nicht das zulässige 
Maximalgewicht der Tornister der Fußtruppen. Als 
Stromquelle dient hier ein kleiner Magnetinduktor, 
der von Hand angetrieben wird, als Antenne ein 9m 
hoher Mast. Die Reichweite beträgt damit nur 
25 bis 50 km. 

Auf der Seite unserer Feinde ist man in ähnlicher 
Weise wie bei uns mit Feldstationen ausgerüstet. So 
liefert die Marconi-Gesellschaft, die besonders für 
die Ausrüstung des englischen Feldheeres in Frage 
kommt, Karrenstationen mit 21 m hohem Mast und 
300 km Reichweite und tragbare Stationen mit einem 
Mast von 9m Höhe und 20 km Reichweite. Aus einem 
Vergleich dieser Zahlen mit den deutschen geht hervor, 
daß die Einrichtungen der Feldstationen der ver- 
schiedenen Länder sich überaus ähnlich sind. In 
wichtigen Einzelheiten weichen sie natürlich vonein- 
ander ab. 

Außer diesen Feldstationen gibt es bekanntlich 
eine große Zahl fester Stationen, von denen 

erade Mitteleuropa direkt überschwemmt ist. Die 

Deutsche Telefunken-Gesellschaft hat bis zum 1. Juli 
1913 insgesamt 1980 Stationen geliefert. Nach einer 
Zusammenstellung des internationalen Verzeichnisses 
der Funkentelegraphenstationen aus dem Jahre 1913 
besitzt Deutschland 551 Stationen, Osterreicli 95, Frank- 
reich 322, Rußland 135, Japan 110, Großbritannien 1581, 
wobei die größte Anzahl auf Schiffsstationen zu rechnen 
sind. So sind von den 4441 Stationen der Welt 3853 
Bordstationen. Diese Angaben sind allerdings mit 
großer Vorsicht zu behandeln, da nach einem Bericht 
der Deutschen Telefunken-Gesellschaft ganz andere 
Zahlen gelten würden. 


Ein besonderes Interesse bieten die sogenannten 
Großstationen, die Entfernungen bis zu 6000 km 
zu überbrücken vermögen. Man muß dabei allerdings 
eine bestimmte Einschränkung machen, denn es werden 
auch oft von kleinen Stationen gelegentlich ungewöhn- 
liche Reichweiten erzielt. Das ist aber nur bei einem 
Nachtverkehr möglich, und zwar meist dann, wenn 
die eingangs erwähnten besonders starken Schwan- 
kungen in der Empfangsenergie auftreten. Wenn man 
von der Reichweite einer Station spricht, so darf man 
sich natürlich nicht auf derartige Unregelmäßigkeiten 


10 


beziehen und nur die Resultate, die am Tage erzielt 

wurden und die während des ganzen Jahres eine 
Suse Konstanz aufweisen, berücksichtigen 
lirfen. 

Unter den groBen Stationen steht die Station in 
Nauen mit an erster Stelle. Sie ist im Laufe der 
Jahre systematisch weiter ausgebaut, besaB im Jahre 
1903 eine Reichweite von 1100 km, dann im Jahre 
1906 bei einer Turmhöhe von 100 m eine Reichweite 
von 2000 km und beherrscht heute, nachdem der 
100 m-Turm eingestürzt und ein neuer von 250 m Höhe 
an seine Stelle gesetzt ist, einen Kreis von einem 
Radius von etwa 6400 km, und ermöglicht es damit, 
mit der amerikanischen Gegenstation in Sayville bei 
New-York eine Verbindung herzustellen. Es ist damit 
ein Weg gegeben, die vom deutschen Hauptquartier 
herausgegebenen Meldungen direkt nach Amerika 
gelangen zu lassen, der allerdings im Anfang des 
Krieges insofern etwas beschränkt wurde, als die 
amerikanische Regierung über diese Nachrichten strenge 
Zensur verhängte. Die Gegenstation in Sayville hat 
eine Reichweite von 3500 km, so daß direkte Meldungen 
von Amerika nach Deutschland auf drahtlosem Wege 
nicht möglich sind. 

Im weiteren Verlauf des Krieges wird voraus- 
sichtlich die Großstation am Eiffelturm in Paris noch 
eine Rolle spielen. Auch hier hat die Station, die im 
Jahre 1903 zuerst in kleinem Maßstabe erbaut wurde, 
eine fortschreitende Entwicklung durchgemacht. Die 
Antenne besteht heute aus sechs Drähten, die von 
der Spitze des Turmes in der Richtung auf die Rue 
de Grenelle ausgespannt und deren Enden in das 
eigentliche Stationsgebäude geführt sind. Da von der 
Verwaltung der Stadt Paris oberirdische Bauten neben 
dem Eiffelturm aus ästhetischen Gründen nicht ge- 
nehmigt wurden, ist die Station unterirdisch angelegt, 
hat aber dadurch infolge der Überschwemmung im 
Jahre 1909 eine Zeitlang eine empfindliche Störung 
erfahren. Es sind drei verschiedene Senderanlagen 
vorhanden, deren eine mit Knallfunken arbeitet, bisher 
den Zeitsignaldienst ausgeübt hat und dabei in der 
Nacht Reichweiten bis zu 5000 km, am Tage bis zu 
3000 km erzielte. Eine sehr starke Sendeanlage mit 
tönenden Funken, die mit 100 bis 120 Kilowatt 
Antennen-Energie arbeitet, ist neuerdings eingebaut 
und wird damit auch beträchtlich größere Reichweiten 
ermöglichen. Jedenfalls ist die Möglichkeit vorhanden, 
daß der Eiffelturm über Deutschland hinweg direkt 
mit den russischen Stationen Verbindung erhalten 
kann, wie denn überhaupt die Eiffelturmstation aus- 
schließlich von der französischen Militärbehörde ent- 
worfen und installiert ist und auch nur militärischen 
Zwecken unter Ausschluß jeden Handelsverkehres 
dient. Damit ist ein zweites Beispiel geschaffen, 
welches zeigt, wie die Franzosen ihre Baudenkmäler 
zur Kriegsführung benützen. Wenn die Türme der 
Kathedrale von Reims zu Artillerie- Beobachtungs- 
zwecken gedient haben, wenn in ihrer unmittelbaren 
Nähe Geschütze aufgestellt wurden, so hat man auf 
das Kunstwerk keine Rücksicht nehmen können und 
wird es auch bei dem Eiffelturm nicht tun, der sehon 
zu Friedenszeiten einem der heute wichtigsten 
militärischen Hilfsmittel dienstbar gemacht ist. So 
sehr es uns schmerzen wird, daß der Eiffelturm mit 
seiner prächtigen Gitterkonstruktion fallen wird und 
daß dem Leiter der Station, dem Kommandanten 
Ferrié, der immer in bereitwilligster Weise wissen- 
schaftliche, quantitative Empfangsversuche dadurch 
unterstüzt hat, daß er auch deutschen Forschern zu 
verabredeten Zeiten Zeichen gab, seine Station ver- 
nichtet werden wird, für so sicher und selbstverständ- 
lich ist es, daß man dem Feinde das wichtigste 
Nachrichtenmittel zu entreißen suchen wird. Daß 
unsere Feinde, die ein deutsches Hospitalschiff 
kaperten, weil es angeblich eine Station für drahtlose 
Telegraphie an Bord führte, uns trotzdem die Schuld 
am Fall des Eiffelturmes zuschieben werden, halten 
wir von vornherein für selbstverständlich. 


5. 


In den letzten Jahren sind in den verschiedenen 
Ländern eine ganze Reihe von funkentele- 
graphischen Weltprojekten entstanden, die 
zum Teile auch bereits zur Ausführung gekommen 
und jetzt während des Krieges naturgemäß von ganz 
besonderer Wichtigkeit sind. Außer der bereits 
erwähnten Verbindung Nauen-Sayville hat 
Deutschland die Verbindung zwischen Nauen 
und Togo über eine Entfernung von 5500 km 
herzustellen gesucht. Die Kolonien Deutsch- 
Ostafrika und Deutsch-Südwestafrika 
sollten über die Station Togo mit dem Mutterlande 
in Verbindung gebracht werden. Auch bestand die 
Absicht, die deutschen Besitzungen an der 


Südsee an dass Deutsch-Niederländische 


Kabel in Japan anzuschließen. Die Stationen sind 
bei Kriegsausbruch zum Teile betriebsfertig gewesen. 

Auch Frankreich hatte ähnliche Pläne. Von 
besonderem Interesse sind aber heute die über die 
ganze Erde verteilten englischen Großstationen, 
deren Entstehungsgeschichte durch die im Marconi- 
Prozeß zutage getretenen unreinen Machen- 
schaften noch in Erinnerung ist. In dem Abkommen 
zwischen der Regierung und der Marconi-Gesellschaft 


sind zunächst sechs Großstationen vorgesehen, 
nämlich in England, Ägypten, Britisch- 
Ostafrika, Britisch-Stidafrika, Vorder- 


indien und die Malayen-Halbinsel, wobei 
Entfernungen von 3000 bis 4000 km zu überbrücken 
sind. Dazu sind eine große Anzahl von anderen Ver- 
bindungen geplant, die inzwischen zum großen Teile 
zur Ausführung gekommen sind. Bekanntlich waren 
die Bedingungen für die Marconi-Gesellschaft 
überaus günstig. Für jede Station waren F2 Millionen 
Mark zu zahlen und außerdem erhielt die Gesellschaft 
auf die Dauer von 28 Jahren 10 Prozent der Einnahme 
der Station. 


Es verdient heute wiederholt zu werden, wie der 
Nauticus 1912 das ausgedehnte britische Funken- 
telegraphennetz beurteilte. England kann damit 
»nicht nur die überseeischen Besitzungen und Stütz- 
punkte in eine bessere strategische Verbindung mit 
sich selbst und untereinander bringen, sondern etwas 
viel Wichtigeres erreichen, nämlich, daß jedes britische 
Schiff, das die zwischen den Besitzungen liegenden 
Meere befährt, in Zukunft stets in Verbindung mit 
der Heimat erhalten. Die Kriegsschiffe werden jeden 
Augenblick Befehle erhalten, die Handelsschiffe über 
wichtige Vorgänge, z. B. Kriegsgefahr und Kriegs- 
ausbruch, das Erscheinen feindlicher Handelszerstörer 
u. s. w. unterrichtet werden können. England hat 
dann den nordatlantischen Ozean, das Rote Meer, 
denIndischen Ozean, den größten Teil der ostasiatischen 
Gewässer, sowie große Teile des südatlantischen und 
des südlichen Stillen Ozeans vom Standpunkte des Nach- 
richtenwesens aus seiner Herrschaft unterworfen.« 


Danach ist die Tätigkeit unserer Kreuzer, die trotz- 
dem dem englischen Handel sehr ungeheure Wunden 
geschlagen haben, ganz besonders zu bewerten und 
der Untergang der »Emden« zum großen Teile auf die 
drahtlosen Hilfsmittel unserer Gegner zurückzuführen. 

In welcher Weise sich die deutschen Kreuzer 
anderseits die drahtlose Telegraphie zunutze machen, 
geht aus einem Bericht hervor, den der Kapitän einer 
der von dem Kreuzer »Karlsruhe« versenkten Schiffe 
gegeben hat. Da heißt es: »Dem Kapitän wurde 
nachts um 2 Uhr gemeldet, daß die Lichter eines 
Schiffes ganz in der Nähe zu schen seien. Er stürzte 
auf Deck und bemerkte, daß der Dampfer, der sich 
später als »Crefeld« herausstellte, seinem Schiffe dicht 
folgte und ihn nicht aus den Augen ließ. Bei Anbruch 
des Tages sah man am Horizonte schweren Rauch 
und kurz danach war die «Karlsruhe« da — der 
englische Dampfer fuhr langsamer, und glaubte, daß 
das Kriegsschiff nichts anderes sein könne, als ein 
englisches. Aber der Kreuzer hißte die deutsche 


Flagge. Der Kapitän ließ nun drahtlos das S. O. S.- 
Signal (Das Signal wird von Schiffen in höchster Not 
gegeben und hat auch bei dem Untergange der 
»Titanic«a und den anderen großen Schiffskatastrophen 
der letzten Jahre ein wichtige Rolle gespielt. Der Verf.) 
geben, das dringende Gefahr anzeigte, aber sogleich 
kam von dem Kreuzer das Signal, er solle das unter- 
lassen, sonst werde er in den Grund gebohrt werden. Die 
»Karlsruhe« war damals von folgenden Schiffen 
begleitet: »Patagonia«, »Rio Negno«, »Asuncion«, 
»Indrani«. Diese Schiffe wurden in einer Entfernung 
von ca. 50 km getrennt zu beiden Seiten des Kriegs- 
schiffes gehalten und durch sie erfuhr die »Karlsruhe« 
von jedem Schiffe, das in Sicht kam. Die deutschen 
Schiffe waren mit Apparaten für drahtlose Telegraphie 
ausgerüstet, die Botschaften nur auf eine bestimmte 
Strecke übermitteln und so waren die Schiffe in 
beständiger Verbindung miteinander, ohne daß jemand 
sonst auf der Welt es wissen oder die Telegramme 
auffangen konnte«. ë 


Daß die Engländer die deutschen Stationen in 
den Kolonien so bald wie möglich zu zerstören 
suchten, entspricht ihren Monopolbestrebungen zur 
Errichtung eines rein britischen Funkentelegraphen- 
netzes. Eine Anzahl von deutschen Stationen sind 
ihnen leider dabei zum Opfer gefallen. Welche 
Wirkung die Beschießung einer Funken- 
station haben kann, darüber gibt der folgende 
Bericht (Telefunkenzeitung Nr. 7) eines Augenzeugen 
Auskunft. Es handelt sich um die Beschießung der 
Telefunkenstation Tschesmé bei Smyrna durch die 
Italiener im Jahre 1912. 

»Das Torpedoboot begann ungefähr um die Mittags- 
zeit 10 bis 15 Granaten zu werfen, die den Weg 
entlang von der Küste zur Station aufschlugen. Ich 
vermute, daß dies ein Warnungszeichen für die Leute, 
die in ihren Weingärten arbeiteten, sein sollte, eine 
Aufforderung, aus der Schußrichtung zu gehen. Die 
Bauern ließen auch sofort ihre Arbeit liegen und 
kehrten in ihre Häuser zurück. Unmittelbar darauf 
begann die »Pisa« größere Granaten zu werfen, etwa 
80 bis 85. Die Gesamtzahl betrug 90 bis 100. Der 
Effekt war schrecklich und sehr beklagenswert. Die 
70. Granate brachte den Turm zum Einsturze. Der 
Turm kam in ostwestlicher Richtung mit furchtbarem 
Krachen zu Fall. Die Turmbasis hatte sich 2m nach 
Westen verschoben; der Turm selbst war in einer 
Höhe von 4 bis 5m wie ein Haken gebogen. Die 
Beschießung dauerte ca. 2 Stunden, dann dampften 
die Schiffe davon. Ich ging an Ort und Stelle und 
betrachtete das Resultat dieses Ereignisses. Ich sah 
den Turm am Boden liegen, die Eisenstücke verbogen 
und durch Granatsplitter durchlöchert, die westliche 
Mauer des Stationsgebäudes eingestürzt, ebenso drei 
Viertel der Nordmauer. Von Granaten wurden getroffen 
der Telegraphierraum, wo alles zerstört wurde, mit 
Ausnahme des Lautverstärkers, der Akkumulatoren- 
raum, in denen alle Zellen durch die einfallende 
Mauer vollständig vernichtet wurden, der Maschinen- 
raum. Hier scheint der Schaden nicht sehr groß zu 
sein, wenigstens sieht äußerlich der Diesel-Motor und 
die große Dynamomaschine noch ganz anständig aus«. 


7 


Die drahtlose Telegraphie in ihrer 
Anwendung auf die Luftfahrt wird in 
diesem Kriege eine ganz besondere Rolle spielen. 
Direkte Nachrichten hat man darüber nicht gehört, 
wie naturgemäß überhaupt über die Tätigkeit unserer 
Luftschiffe. Doch war schon vor dem Kriege jedes 
unserer Luftschiffe, auch die dem internationalen 
Passagierverkehr dienenden, mit Sende- und Empfangs- 
station für drahtlose Telegraphie ausgerüstet. 

Der Freiballon spielt ja in diesem Kriege im 
Gegensatze zu 1870/71 gar keine Rolle mehr. Er ist 
durch das Flugzeug, dessen sichere Beute er bei 
seiner geringen Bewegungsfreiheit werden würde, 


11 


vertrieben. Es ist nun leider mit großen Schwierig- 
keiten verbunden, im Flugzeuge drahtlos zu senden 
oder zu empfangen. Die dazu nötige Antenne müßte 
in Gestalt eines langen Drahtes vom Flugzeug herab- 
gelassen werden und würde eine große Gefahren- 
quelle bilden. Wenn auch diese Schwierigkeit von 
der Telefunken-Gesellschaft dadurch zum Teil über- 
wunden ist, daß an dem Draht in Abständen von 5m 
Reißstellen angebracht sind, die nur geringe Festigkeit 
besitzen und im Falle des Hängenbleibens der Antenne 
am Erdboden reißen, so sind doch die Flugapparate 
meist nicht mit drahtlosen Stationen ausgerüstet, da 
für die Apparatur nur ganz geringes Gewicht und ein 
sehr beschränkter Platz zur Verfügung steht. Auch 
ist das Abhören der Depeschen bei dem starken 
Motorengeräusch fast ausgeschlossen. Die Flugzeuge 
scheinen daher nach kurzer Aufklärungsfahrt jeweils 
zu landen und ihre Meldungen von der Landungsstelle 
weiterzugeben. 

Es bleibt also nur der Lenkballon für den 
Einbau einer Funkenstation übrig, und es liegt auf der 
Hand, daß der drahtlose Verkehr von und zum Luft- 
schiff während einer größeren Beobachtungsfahrt von 
der allergrößten Bedeutung sein kann. Man hat lange 
Zeit Bedenken gehegt, in einen mit Wasserstoff ge- 
füllten Ballon eine Sende station einzubauen, da man 
an den in unmittelbarer Nähe der Hülle befindlichen 
Antennenteilen ein Sprühen und damit eine Entzündung 
des Gases befürchtete. Das hat sich als grundlos er- 
wiesen, und wenn man nun noch die Vorsicht ge- 
braucht, die Sendestation nur beim Steigen des Ballons, 
wenn also aus den Hüllen kein Gas entweicht, in 
Tätigkeit zu setzen, so ist eine Gefahr so gut wie 
ausgeschlossen. 

Dabei dient die drahtlose Telegraphie nicht nur 
dem Austausch militärischer Nachrichten, sondern 
auch der Sicherung des Luftschiffes vor den 
Gefahren des Wetters. Welch große Bedeutung 
eine gu organisierte meteorologische Beratung hat, 
geht daraus hervor, daß in den letzten Jahren die Zahl 
der Luftschiffunglücksfälle relativ zur Fahrtenzahl in 
demselben Maße beträchtlich abgenommen hat, wie 
der meteorologische Beratungsdienst weiter ver- 
vollkommnet wurde. Seine Tätigkeit besteht im be- 
sonderen in Warnungen vor Sturm, Böen und Ge- 
wittern und der Angabe nebelfreier Zonen. Dazu ist 
schon seit einer Reihe von Jahren ein eigener, über 
ganz Deutschland verbreiteter »Warnungsdienst 
für Luftfahrer« in Tätigkeit, der sich zum Teil auf 
den schon seit langen Jahren bestehenden allgemeinen 
Wetterdienst stützt und in dessen Dienst sich besonders 
die Inhaber der kleinen Postämter gestellt haben. 
Diese melden die Beobachtungen über den Zug der 
Gewitter etc. an eine Zentralstelle, von wo die 
Warnungen dann direkt an die in Fahrt befindlichen 
Luftschiffe weitergegeben werden. 

+ 


Wenn auch bei dem praktischen Betriebe im 
Felde mancherlei Schwierigkeiten dadurch entstehen 
werden, daß der Feind mit seinen Stationen den 
Betrieb dadurch zu stören sucht, indem er mit gleicher 
Wellenlänge dazwischen funkt und damit die 
Morsezeichen unleserlich macht; ein einziges 
wichtiges Telegramm, das seinen Be- 
stimmungsort unverkürzt erreicht, kann 
von der größten Bedeutung werden. 

Die drahtlose Telegraphie bildet damit ein 
wichtiges Glied in der Kette der technischen Hilfs- 
mittel, als deren wichtigste noch das Eisenbahnwesen, 
die Luftschiffahrt und die Ballistik zu nennen sind. 
Nur wenn sie alle ohne Störung an der einen großen 
Aufgabe mithelfen, ist bei den heutigen Verhält- 
nissen ein Erfolg zu erreichen. Eine Nation, die mit 
ihrer Technik zurückbleibt, wird daher den anderen 
gegenüber beträchtlich im Nachteil sein. Auch unter 
diesem Gesichtspunkte bedeutet für uns der Ausgang 
dieses Krieges bei dem Bestreben Englands, unsere 
Industrie und Technik lahmzulegen, eine Existenzfrage. 


12 


Aus Amerika. 


1. Der neue 100 PS Christofferson-Militär- 
doppeldecker. 


Infolge der beispiellos energischen Geltend- 
machung der Wright schen Patentrechte, welche den 
beiden genialen Brüdern auch das Ehrendoktorat 
verschiedener Universitäten einbrachte, sowie infolge 
der Fusionierung der beiden großen Firmen Wright 
und Curtiß zu einer Art Aeroplantrust ist die Ent- 
wicklung des Flugzeugbaues, insofern man hier 
vom Wasserflugzeugbau absieht, weit hinter 


üblichen vertauschte und auch sein ziemlich kom- 
pliziertes Fahrgestell durch eines unserer standardi- 
sierten Typen ersetzte. Aber auch die übrigen 
Konstrukteure Amerikas, die eben, wie gesagt, mehr 
Dilettanten auf diesem Gebiete sind, haben sich 
dem Beispiele Curtiß’ angeschlossen, dessen 
Doppeldecker für sie immer vorbildlich gewesen war. 
Eine rühmliche Ausnahme hievon scheint jedoch 
der Konstrukteurpilot Silas Christofferson in 
Los Angeles zu machen, dessen Flugboote sich 
in Amerika eines guten Rufes erfreuen. Allerdings 


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Fig. 1. Dreiviertelprofil des 100 PS Christofferson-Doppeldeckers. 


jener zurückgeblieben, die wir in Deutschland 
und Osterreich mitgemacht haben. Die einzigartige 
Gestaltung dieser industriellen Verhältnisse hatte ja 
zur Folge, daB die Konkurrenz, diese wichtigste 
Vorbedingung fürallentechnischen Fortschritt, 
fast gänzlich unterbunden und ausgeschaltet, ja sogar 
unmöglich gemacht wurde. So finden wir nur ver- 
einzelte Amateure, die den Bau von Flugmaschinen 
mehr als Liebhaberei, denn aus geschäftlichen Inter- 
essen betreiben und daß diese mit den großen 


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läßt sein neuester Doppeldecker, der, wie sein Name 
besagt, für militärische Zwecke in erster Linie 
bestimmt zu sein scheint, deutlich den Einfluß 
deutscher Bautendenzen und deutscher 
Konstruktionsideen erkennen, wenngleich auch 
nicht zu leugnen ist, daß manches an dem Apparate, 
dessen Beschreibung wir hier nach dem »Aero 
and Hydro wiedergeben, Originalkonstruktion des 
Erbauers ist. Für die militärischen Flugzeug- 
konkurrenzen in San Diego, Kalifornien, 


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Fig. 2. Seitenansicht des 100 PS Christofferson-Doppeldeckers. 


Fabriken des In- und Auslandes kaum konkurrieren 
können, die über einen Grundstock reicher, praktischer 
Erfahrungen verfügen, das dürfte wohl einleuchtend 
sein. Was aber gegenüber diesen Tatsachen konstatiert 
werden muß, was bei einer solchen Lage der 
industriellen Verhältnisse kaum ausbleiblich war, ist 
der Umstand, daß die amerikanische Industrie, sei 
es infolge Fehlens eigener produktiver Köpfe, sei 
es infolge der durchschlagenden Erfolge der 
deutschen und österreichischen Industrie, sich 
allmählich den bei uns üblichen Leitlinien 
des modernen Flugmaschinenbaues 
anzupassen beginnt. So finden wir, daß Curtiß sich 
sukzessive zum Baue von Rumpfdoppeldeckern 
entschloB, dabei seine typische Aileron- 
anordnung mit der bei uns allgemein 


bestimmt, wurde der neue 100 PS Doppeldecker 
im Monate Oktober des verflossenen Jahres fertig- 
gestellt. Er stellt im wesentlichsten einen dreisitzigen 
Rumpfdoppeldecker dar, dessen Oberdeck größer 
als das untere bemessen und mit großflächigen 
Klappen versehen ist. Eine besondere Eigenart verrät 
der Bau des Rumpfes, auf die weiter zurückgekommen 
wird. Die Hauptflächen, d. i. die Tragdecken des 
Apparates sind bezüglich ihrer Innenkonstruktion 
fast analog jenen der Bleriot-Eindecker gebaut. Für 
die acht Flächenstiele, welche die beiden Decken 
miteinander verbinden, gelangte Spruce zur Ver- 
wendung, ebenso für die Flügellängsträger und die 
Vollrippen, deren Gurten aus Esche bestehen. Während 
das obere Flügelpaar dreiteilig ausgeführt erscheint, 
zerfällt das untere in zwei Teile. Die Spannweite 


des Oberdeckes beträgt ein wenig mehr als 11 m, 
die des unteren ca. 9'5 m, bei einer beiderseits gleichen 
Flügeltiefe von 18 m und einem gegenseitigen 
Vertikalabstande von 2 m. Statisch wohl 
einwandfrei, aerodynamisch aber weniger 
günstig erschent de Formgebung und 
Konstruktion des Rumpfes durchgeführt. Erstere 
bewegt sich nach den Linien der deutschen Doppel- 
decker-Bootsrümpfe, erhält aber durch eine vordere 
Blechhaube, die den Motor nach vorne und nach den 
Seiten hin völlig überdeckt, eine ziemlich ungünstige 
Gestaltung, welche das Auftreten widerstand- 
erzeugender, kräftiger Saugwirbel in der Gegend der 
Sitze, also hinter der Haube, bedingt. Konstruktiv 
ist der Rumpfkörper als Kastenträgerwerk 
durchgebildet, dessen vier Längsträger aus quadrati- 
schen Eschengurten gebildet werden, die gegen- 
einander auf an sich bekannte Art durch Quersprossen 
aus Spruce unter Vermittlung von Diagonalzugdrähten 
versteift werden. Der rückwärtige Teil des Bootes 
erhält einen Überzug aus cellonierter Leinwand, 
während der vordere bis hinter den rückwärtigen 
(Lenker-)Sitz mit 2 mm starkem Holzfurnier über- 
zogen wird, dessen Verziehen durch aufgenagelte, 
in der Richtung der Schraubenachse liegende Parallel- 
streifen von halbrund geschnittenem Spanischrohr 
verhindert werden soll. Auf diesem an sich ganz 
hübsch durchgeführten Rumpfkörper baut sich am 
vordersten eile, recht unvermittelt, ohne die 
so wichtigen, allmählichen Übergänge 
die Blechhaube (Verschalung) des Motors auf, 
die, wie Fig. 1 zeigt, zwecks besseren Luftdurch- 
lasses an der Stirnseite Längsschlitze und an der 
berseite sowie rechts und links kiemenartige 
ffnungen erhält. Innerhalb dieser Aluminiumhaube 
liegt der 100 PS Hall-Scott-Motor und an diesen, 
nach hinten anschließend, der direkt vor dem 
Beobachtersitze disponierte Kühler, der an dieser 
Stelle allerdings keinen großen Kühleffekt gewähr- 
leisten kann, wenngleich sich hieraus auch der Vorteil 
der leichteren Kontrollierbarkeit dieses 
wichtigen Organes ergibt. Die Brennstoff- und 
lbehälter, welche für ein Fassungsvermögen von 
4 Stunden Betriebsdauer eingerichtet sind, 
befinden sich teils unterhalb des Beobachtersitzes, 
teils unterhalb des Kühlers, vor dem Beobachter. 
Normalerweise entwickelt der Motor eine Tourenzahl 
von 1300 pro Minute und treibt mit dieser einen 
Zweiflügelpropeller von 2500 mm Durchmesser. Der 
Raum unmittelbar hinter der Motorzelle dient zur 
Aufnahme der Passagiere. Die sehr weich gepolsterten 
Vordersitze sind genügend breit gehalten, so daß 
zwei Personen nebeneinander. ausreichend 
Platz finden. Die Sitze befinden sich in der Vertikal- 
ebene des Druckmittels, so daß Gewichtsunterschiede 
auf die Einstellung der Steuerflächen und auf die 
Lage des Systemschwerpunktes keinen Einfluß nehmen. 
Vor dem rückwärtigen Lenkersitze ist eine Flugzeug- 
steuerung nach Curtiß eingebaut. Eine gleiche Ein- 
richtung kann auch ohne Schwierigkeiten vor den 
Sitzen der Beobachter eingebaut werden. Die ebene 
Dämpfungsfläche vor dem Höhensteuer ist 
nicht, wie dies bei anderen Apparaten fast 
allgemein der Fall ist, parallel zur Schrauben- 
achse eingestellt, sie arbeitet vielmehr unter 
Druck, da sie mit der letzteren einen positiven 
Anstellwinkel von ca. 4°, somit einen negativen 
Schränkungswinkel mit den Ebenen der Flächensehnen 
einschließt. Diese Maßnahme erscheint wohl dadurch 
gerechtfertigt, daß der Apparat mit horizontal ein- 
gestellter Dämpfungsfläche zu stark hinterlastig 
wäre. In diesem Belange scheint das Anstellen der 
Dämpfungsfläche allerdings keine ökonomische 
Abhilfe einer statisch ungünstigen Massen- 
verteilung zu sein. 
Neuartig an dem Apparate ist auch dessen Fahr- 
gestell, das eine Kombination unseres bekannten 
Standardtyps mit jenem von CurtiB und Breguet 


13 


zugleich zu sein scheint. Der Rumpf entsendet zwei 
kräftige Stahlrohrstützen nach unten, die sich zwecks 
Aufnahme der Gummifederringe vereinigen und durch 
diese die Radachse tragen. Außerdem tragen zwei 
vom Vorderteil des Rumpfes ausgehende Stahlrohr- 
stützen ein drittes ungefedertes Rad, dessen 
Achse mit den Tragschenkeln der beiden rückwärtigen 
Räder durch Spruce-Ausleger verbunden sind. Der 
Schwanzteil des fl moka wird durch eine auf 
bekannte Art abgefederte Holzkufe statisch gestiitzt. 

Bei den praktischen Erprobungen des neuen 
Doppeldeckers zeigte es sich, daß der Apparat über 
einen ziemlichen Kraftüberschuß verfügte und dadurch 
eine bedeutende Variation der Geschwindig- 
keit ermöglichte. Bei dem ersten offiziellen Probe- 
fluge, der unter der Führung des Erbauers, Silas 
Christofferson, von San Diego nach San Francisco 
führte und an dem zwei Passagiere teilnahmen, wurde 
eine Maximalgeschwindigkeit von 75 Meilen pro 
Stunde und eine Minimalgeschwindigkeit von 35 Meilen 
pro Stunde erreicht, es ergab sich somit eine Differenz 
von rund 40 Meilen. Leider mußte der Flug vorzeitig 
abgebrochen werden, da der Kühler leck wurde, was 
übrigens bei dessen vorerwähnter ungünstigen An- 
ordnung nicht wundernehmen konnte. Bei diesem 
Fluge trug der Apparat eine aus zwei Passagieren, 
Brennstoff für vier Stunden etc. bestehende Nutzlast. 
Das Gewicht des vollkommen betriebsfertigen 
Doppeldeckers beträgt rund 750 kg, wäre also in 
en der übrigen Größenverhältnisse nicht zu 

och. 


2. Die aerodynamische Wage des technologischen 
Institutes von Massachusetts. 


Wissenschaftliche Forschung und wissen- 
schaftliche Lehr- und Versuchsmethoden 
auf dem Gebiete der Flugtechnik und Luftschiffahrt 
beginnen nun auch in Amerika, wo bisher das 
praktische Studium, verbunden mit Empirie, die 
Oberhand hatte, feste Wurzel zu fassen. Schon im 
Frühjahre 1913 hatte die polytechnische Hoch- 
schule zu Massachusetts, eine der bedeutend- 
sten technischen Lehranstalten der Ver-. 
einigten Staaten, die Abhaltung regelrechter 
Unterrichtskurse über Luftschiffahrt und Flugtechnik 
angekündigt und die Installierung der verschiedenen 
Behelfe in Angriff genommen. Zu diesen gehört u.a. als 
interessantestes Objekt die erst kürzlich aufgestellte 
Luftdruckwage, die ein Duplikatexemplar 
ener des »National Physikal Laboratory« in 

eddington bei Farnborough, England, darstellt und 
die dortselbst mit dem größten Erfolge verwendet 
wird. Die Wage wurde in allen ihren Einzelheiten 
von der Cambridge Scientific Instrument 
Company gebaut und repräsentiert das feinste und 
sensibelste MeBinstrument für Luftdruckmessungen, 
welches je nach Amerika gebracht wurde. Eine kurze 
Beschreibung an Hand der beigefiigten Zeichnungen 
und Abbildungen diirfte daher auch an dieser Stelle von 
Interesse sein. 


Der Hauptteil der Wage besteht aus den drei 
Wagearmen A, B, C (Fig. 3), deren Richtungen sich 
unter rechten Winkeln kreuzen und deren Schenkel 
in einem Stahlkopfe zusammenlaufen. Das Gewicht 
der Wage, ihrer Arme und sonstigen Teile wird von 
einem Hohlkegel aufgenommen, der seinerseits 
wieder auf einem Arme ruht, welcher von einem auf 
dem Boden mittels Schrauben befestigten Fundament- 
ständer getragen wird. Der vertikale Arm A reicht in 
den Unterteil des Windkanals und dient zur Aufnahme 


des zu untersuchenden Modelles, während die hori- 


zontalen Arme parallel und rechtwinkelig zu der 
Richtung des Versuchsluftstromes eingestellt sind. 
Zur Regulierung, resp. Feststellung der Schwerpunkt- 
lage der rotierenden Teile des Vertikalarmes dienen 
vier Balanziergewichte F. Um allzu heftige 
Schwingungen der Wagenarme zu vermeiden, welche 


14 


die Güte des Instrumentes sowie seine Meßgenauig- 
keit stark beeinträchtigen würden, sind an 
verschiedenen Punkten der Wage besondere Dämpfungs- 
vorrichtungen angebracht, deren k: rößte und 
wichtigste an der Basis bei D (Fig. 4) zu sehen 
ist, welche die Bewegungen der drei Arme nach allen 
Richtungen hin wirksam abzudämpfen vermag. Die 
Einrichtung der Wage gestattet die Messung sowohl 
der Kräfte, welche längs der drei Achsen an 
dem Modelle wirksam sind, wie auch jene der 
Momente dieser Kräfte mit Bezug auf die 
vorgenannten Achsen. Eine einfache Vorrichtung 
gestattet unter Vermittlung von besonderen Spann- 
drähten eine Fixierung der drei Arme in jeder 
beliebigen Position. Die an dem Modelle 


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Fig. 3. Ansicht der aerodynamischen Wage. 


auftretenden Kräfte können durch Gewichte W 
ausbalanziert werden, die an den Enden der 
horizontalen Arme suspendiert werden, wobei eine 
genauere Adjustierung noch durch die längs der Arme 
beweglichen Schiebegewichte / selbst möglich ist. Die 
längs der vertikalen Achse wirkendenKräfte 
werden durch einen Vertikalstab, der inner- 
halb des Vertikalarmes der Wage frei gleitet, 
auf einen horizontalen Wagearm übertragen, 
durch den die Messung direkt erfolgt. Um die Empfind- 
lichkeit der Wage zu variieren, ist die Einrichtung 
der Wage so getroffen, daß die vorerwähnten 
Gewichte auch an den unteren Teilen des 
Vertikalarmes angebracht werden können. Die 
Drehung der Wage um ihre Vertikalachse selbst 
wird durch einen Torsionsdraht verhindert, dessen 
Spannung (Torsionsspannung) durch einen 
Torsionsindikator T angezeigt wird. Das an 


dem vertikalen Arm befestigte Modell kann um zwei 
Achsen rechtwinkelig zur Richtun des 
Versuchsluftstromes bewegt werden, so da das 
Instrument die Vornahme von Auftriebs-Rücktriebs- 
messungen, sowie Messungen jener Kräfte, die unter 
den verschiedensten Neigungswinkeln wirken, ge- 
stattet. 


Fig. 4. Aerodynamische Wage. 


3. Der Pfeildoppeldecker Daugherty-Stuparf. 
Seit dem Erscheinen des Burgeß-Dunne-Pffeil- 


doppeldeckers, welcher im Vorjahre der ameffrika- 
nischen Marineverwaltung ohne Erfolg vorgeführt 
wurde, hat die Pfeilform in Amerika bloß Beinen 
Repräsentanten gefunden: Curtiß baute im Voß jahre 
ein Eindecker-Flugboot, dessen Tragdecken 


einen sehr großen Pfeilwinkel im horizontalen 
Sinne zeigten, gab aber diesen Typ mangels ent- 
sprechender Erfolge nach kurzen Erprobungen 
wieder auf. Nunmehr ist in dem Pfeildoppeldecker 
Daugherty-Stupar ein neuer Vertreter dieses, in 
Deutschland beinahe schon völlig ad acta gelegten Typs 
erstanden, der sich bezüglich seiner äußeren Linien, 
sowie aber auch seiner konstruktiven Details sehr 
stark an die bekannten deutschen Vorbilder 
anlehnt. Seine unter großem Winkel nach hinten 
divergierenden Tragdecken zerfallen bezüglich ihrer 
Konstruktion in fünf einzeln abnehmbare Teile, wovon 
auf die obere Decke drei und auf die untere zwei 
entfallen. Das Innengerüst der Flügel besteht aus 
zwei Längsholmen aus Esche, die zur Erhöhung ihrer 
Torsionsfestigkeitund Wetterbeständigkeit 
mit leimgetränkter Leinwand umwickelt sind 
und über welche in gleichen Abständen die Rippen 
verteilt sind, von denen für die Hauptrippen 
Kastenrippen und für die übrigen Stegrippen 
zur Anwendung gelangen. Beide Holme sind auf die 
übliche Art durch Diagonalzüge von 3 mm starkem 
Stahldraht gegeneinander verspannt. Der Überzug der 
Tragdecken besteht aus Rohleinen, welches zum 
Schlusse nach der Spannung mit Emailit imprägniert 
und geglättet wird. Die Spannweite der oberen Trag- 
decke mißt 12°5 m, die der unteren 8'5 m, die Flächen- 
tiefe der ersteren beträgt 1'755 m, die der letzteren 
15 m. Bemerkenswert ist, daß die Flügel sich 
gegen die Spitzen zu verbreitern, wie dies ja 


Fig. 5. Vorderansicht des Pfeildoppeldeckers Daugherty- 
Stupar. 


bekanntlich bei dem schnellen Deperdussin- 
Renneindecker der Fall ist. Die Zurundung der 
Flügelspitzen erfolgt ähnlich wie bei Morane- 
Saulnier, so daß die Hinterkante länger wird 
als die Vorderkante, wodurch die Druckver- 
schiedenheiten in diesem Gebiete besser 
ausgeglichen werden sollen. (?) Die Vertikal- 
distanz zwischen Ober- und Unterdeck beträgt 1°5 m, 
und wird durch acht parallele Vertikalstreben aufrecht- 
erhalten. Die äußersten derselben entsenden auf jeder 
Seite noch je zwei schräge Stiele nach den Flügel- 
spitzen. Das Flügelprofil zeigt eine ziemlich schwache 

arabelwölbung, deren höchster Punkt etwas hinter 
dem vorderen Drittel der Flügeltiefe liegt. Die Rippen 
selbst bestehen aus Sprucegurten, die über ent- 
sprechende Pappelstege gelegt und mit diesen durch 

erleimung und Vernagelung verbunden werden, 
worauf sie überdies noch einen Überzug mit leim- 
Ba Leinwand erhalten. Sie liegen in einem 

bstande von durchschnittlich 30 mm voneinander 

arallel und laufen in eine, sämtliche Endteile der 

ippen verbindende dünne Hintersaumleiste aus 
Eschenholz aus. Bezüglich der Träger ist noch zu 
bemerken, daß sie aus Einfachheitsgründen, das ist 
zwecks leichterer Herstellung und Auswechselbarkeit 
die gleichen Dimensionen und den gleichen Rechtecks- 
querschnitt aufweisen. Ob letzterer auch bei der 
speziellen Lage der Träger, wie sie eben die 
Pfeilform bedingt, in statischem Sinne auch 
der richtigste ist, bleibt mehr als fraglich. In 
ne Weise wie die Rippen, bestehen auch die 

tiele der beiden Tragdecken aus Spruce, deren 
Querschnitt Tropfenform aufweist. Die Befestigung 
der Stiele erfolgtan den Querträgern deroberen 
Fläche unter Vermittlung besonderer Stiel- 


15 


schuhe, welche mit ihren Querbolzen an den Augen- 
schrauben der Flächenholme gelenkig befestigt werden. 
Für die Befestigung der Stiele mit den Quer- 
trägern der unteren Fläche ist eine besondere 
Art von Stielschuhen vorgesehen, welche 
ein Umlegen der Stiele zwecks leichterer 
Demontage ohne Lösung irgend welcher 
Drahtverbindungen etc. erlaubt. Zwecks Zu- 
sammenlegung des Apparates hat man nur acht rasch 
lösbare Schraubenverbindungen an der oberen Fläche 
zu Öffnen, worauf die Flächen übereinander geklappt 
und von dem Rumpfe nach Lösung der Anschluß- 
verbindungen abgenommen werden können. Gemäß 


Fig. 6. Seitenansicht des Pfeildoppeldeckers Daugherty- 
Stupar. 


den Erfahrungen, welche Dunne mit der Pfeilform 
sammelte, die aber in der Praxis viel zu wenig 
berücksichtigt wurden, ist der Rumpf des Apparates 
im Verhältniszur Spannweite ungemein kurz 
gehalten. Eshat sich eben gerade bei der Pfeil- 
form herausgestellt, daß der große Hebelarm 
der Schwanzflächen und die Pfeilstellung der 
Flächen selbst sich gegenseitigstark beein- 
flussen, so daß entweder die stabilisierende 
Funktion des einen oder des anderen Teiles 
bei zu großer Länge des Rumpfes herabgesetzt 
wird. Dunne ging daher von seinem Prinzip der 
gänzlichen Fortlassung des Schwanzes und 
hinterer Dämpfungsflächen nicht ab. Die 
Konstrukteure des vorstehend beschriebenen 
Apparates glauben aber, durch die Anfügung eines 
relativ sehr kurzen Rumpfes, die spezi- 
fischenNachteiledesschwanzlosen Apparates, 
wie längerer Start etc. beheben zu können, ohne 


Fig. 7. Pfeildoppeldecker Daugherty-Stupar, Draufsicht. 


dabei die Nachteile der Kombination, Pfeilform 
mit Schwanz, in Kauf nehmen zu müssen, ein Gedanke, 
der ja bis zu einem gewissen Grade nicht un- 
richtig sein mag. Der ganze Aufbau des Rumpfes, 
der ebenfalls nach europäischen Gesichtspunkten 
vorgenommen wurde, ist ungemein einfach und leicht. 
Der rückwärtige, an den Lenkersitz anschließende 
Teil des Rumpies trägt den ebenfalls demontierbaren 


16 


Schwanz, dessen Dämpfungsfläche eben aus vor- 
erwähnten Rücksichten recht klein, doch bei weitem 
ausreichend bemessen wurde. Die große Höhensteuer- 
fläche ist geteilt und schließt unmittelbar an die 
Dämpfungsfläche an. Der Flächeninhalt der 
ersteren ist genau doppelt so groß wie 
jener der letzteren. 

Das Fahrgestell, welches seinem Äußern nach 
von Deperdussin übernommen worden zu sein 
scheint, besteht aus zwei gebogenen, aus verleimten 
Fournieren hergestellten Kufen, die, vom 
Rumpfe nach vorne entsendet, hier von zwei kurzen, 
massiven Eschenstielen abgestützt werden, die 
vermutlich die Zugbeanspruchung auf den Rumpf 
übertragen sollen, aber infolge ihrer Stellung einen 
Teil des Druckes des hinteren Fahrgestell- 
auslegers mit aufnehmen werden. Auch das 


— — 


Klappen und einem Pedalbrett für das Seiten- 
steuer. 


Nach den Angaben des amerikanischen Blattes 
»Hydro-Aero«, soll der Apparat bei den praktischen 
Erprobungen sich als ungemein steigfähig und schnell 
erwiesen haben, welche Eigenschaften man in erster 
Linie seinen geringen schädlichen Widerständen, 
wie auch der Kürze des Rumpfes zuschreibt. 


4. Curtiß. 


Glenn H. Curtiß, Amerikas erfolgreichster Hydro- 
plankonstrukteur, hat, von den Erfahrungen geleitet, 
die er im Laufe von sechs Jahren sammeln konnte, 
seinen Flugzeugen nunmehr ein gänzlich verändertes 
Aussehen gegeben. Viel mochte hiezu auch das 
erfolgreiche Durchsetzen der auf unserem 


— 


—— — 


— 


— 


Fig. 8. Curtiß-Rumpfdoppeldecker 1915. 


Fahrgestell ist leicht abnehmbar. Zu diesem Behufe 
sind bloß vier 5/s-zöllige Schraubenbolzen zu ent- 
fernen. Die Spurweite der beiden Pneumatikräder des 
Fahrgestelles beträgt ungefähr 1775 m, ist also im 
Verhältnis zur Spannweite reichlich klein. 
Die Abfederung der Räder selbst erfolgt auf bekannte 
Art mittels Gummischleifen à la Deperdussin oder 
Farman. 

Der Kopfteil des Rumpfes trägt einen siebenzylin- 
drigen Gnöme-Motor von 50 PS Nennleistung, der 
direkt einen Zugpropeller von 2400 mm Dia- 
meter mit einer Tourenzahl von 1125 Umdrehungen 
pro Minute antreibt, was einen Zug von etwa 200 kg 
ergibt. Die Kapazität der Behälter ist für unsere 
Begriffe recht niedrig. So faßt der Benzinbehälter 
bloß 75 kg und der Ölbehälter nur 32 kg. 

Die Steuerung besteht nach Farman aus 
einem Handhebel für Höhensteuerung und 


Kontinente gebräuchlichen Richtlinien bei- 
getragen haben, jedenfalls aber steht fest, daß seine 
neuesten Typen, insofern wir hier nur die Land- 
flugzeuge betrachten, fast nichts mehr mit jenen 
von 1912 und 1913 gemein haben. 

Sein neuester Doppeldecker zeigt 
wenigstens, daß Curtiß sich nunmehr die übliche 
Schablone zurechtgelegt und mit dem Bau seiner 
rumpflosen Doppeldecker gebrochen hat. Sein 
Militärdoppeldecker 1914 ist ein schwach ge- 
staffelter Rumpfapparat, der noch den für 
Amerika speziell in die Wagschale fallenden 
Vorteil besitzt, nach Abnahme des Radgestelles 
ineinregelrechtes Wasserflugzeug verwandelt 
werden zu können. Ansonsten hat die in Hammond- 
sport, an den Ufern des Keuka-Sees gelegene Fabrik 
im verflossenen Jahre die bekannte Ozeanflugmaschine 
hervorgebracht, deren Ende} unseren Lesern ebenso 


Fig. 9 und 10. Curtiß-Doppeldecker, transportbereit in Kisten verpackt. 


17 


Fig. 11. i ainia ia Hammondsport, 


bekannt ist. Die Erfahrungen, die Curtiß mit diesem 
Apparate und mit seinem hier schon erwähnten 
Eindeckerflugboote machen konnte, haben eben wieder 
gezeigt, daß sein normales Zweideckerflugboot, wie 
es in zahlreichen Exemplaren in Diensten der ameri- 
kanischen und italienischen Marinebehörde steht, 
dermalen kaum übertroffen werden kann, weshalb 
Curtiß einstweilen diesen Typ unverändert weiter- 
baut. Bemerkenswert ist hiebei allerdings, daß er im 
Laufe der Zeit die Herstellungsweise wesent- 
lich vereinfacht und die Maschine selbst in 
ihren Details auch verfeinert hat. In diesem 
letzteren Belange ist speziell das Boot, welches 
Curtiß für die italienische Heeresverwaltung 
ausgeführt hat, bemerkenswert. Hier wurden 
zunächst die namentlich in der Gegend der Vorder- 
sitze sonst elastisch gehaltenen Seiten- 
wände durchgehends starr durchgeführt. 


Da überdies die italienische Marineverwaltung, 
abweichend von der amerikanischen, die 
Forderung stellte, daß das Boot, nicht wie sonst, 
dreisitzigsein, sondernnurzweihintereinander 
angeordnete Sitze enthalten solle, so war 
hiedurch die Möglichkeit einer schmäleren Bauart 
und auch besseren Linienführung 2 
Entsprechend der Forderung nach größerer Steifig- 
keit der Seitenwände, wurden diese an dem in 
Rede stehenden Boote aus drei durchgehenden, 
direkt aus dem Stamme herausgesägten und mit 
einander unter Faserkreuzung verleimten 
Mahagonifournieren hergestellt, wodurch die 
Festigkeit gegenüber den normalen, aus 
mehren Teilen getrennt hergestellten Boots- 


Fig. 13. 100 PS Curtiß-OX-Motor. 


Fig. 12. Gesamtansicht der Flugzeug- und Motorenwerke 
Curtiß, Hammondsport, U. S. A. 


körpern erheblich erhöht wurde. Curtiß hat 
an diesem Boote auch dem besseren Schutze 
der hintereinander sitzenden Insassen 
durch eine, einfache auf- und zusammen- 
klappbare 5) hice aise keapen 
In ausgespanntem Zustande bedeckt diese Bedachung, 
welche aus Rippenbögen und Stoffüberzug mit 
eingelassenen Cellonfenstern besteht, den 
ganzen Führer- und Passagierraum. In zu- 
sammengelegtem Zustande nimmt sie einen 
relativ nur sehr kleinen, das Gesichtsfeld 
keinesfalls beengenden Raum vor dem Führer- 
sitze ein. Der Raum für die Insassen selbst hat 
elliptischen Querschnitt und wird durch den vor dem 
Passagiersitze durchgehenden Vorderholm der unteren 
Fläche durchkreuzt. Neuartig ist am Vorderteile 
des Bootes die Anwendung einer dreifachen 
Wölbungsunterteilung, wodurch ein bedeutend 
rascheres Abheben vom Wasser, aber auch 
. Schutz gegen zu tiefes Eintauchen beim 
nwassern, sowie gegen seitliches 
Schleudern gewährleistet werden soll. 

Curtiß erzeugt bekanntlich auch Flugmotoren, 
wie Fig. 13 zeigt, und soll es auf diesem Gebiete zu 
einer sehr großen Leistungsfähigkeit gebracht haben, 
was aus Berichten über verschiedene Dauerleistungen 
seiner Motoren hervorgeht. 

« * 
* 

Zum Schlusse sei hier noch eine Abbildung 
reproduziert, welche einen der neuesten, amerikanischen 
Flugmotoren, nämlichden60PS Achtzylinder-Ashmusen- 
Motor in seinen Einzelteilen zeigt. Der Motor, welcher 


Fig. 14. Curtiß-Flugboot auf dem Transporte. 


18 


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Fig. 15. Bestandteile des amerikanischen Ashmusen-Flugmotors. 


Rn für den neuen Wright-Doppeldecker, | Bildung kreisender Luftströme zwischen 
odell B, gebaut wurde, verkörpert einige spezifisch Parallelrippen in horizontaler Richtung ver- 
amerikanische Leitgedanken, denen wir bereits im | mieden wird. Die links vorne sichtbare Kurbelwelle 
Automobilmotorenbau dieses Landes begegneten. ist ungemein solid und dauerhaft gearbeitet und für 
So ist aus der Abbildung ersichtlich, daß die | dreifache Lagerung ausgebildet. In der Mitte zwischen 
Köpfe von je einer Reihe Zylindern (diese stehen zu | Gehäuse und Kurbelwelle ist noch die kleine, 
je vier, V-förmig zueinander) en bloc gegossen sind, | zwangläufig arbeitende Ölpumpe sichtbar, daneben 
wie auch die Zylinder aus dem gleichen Materiale | die gepreßten Pleuelstangen. Das Gehäuse selbst ist 
mit den doppelten, sich rechtwinkelig kreuzenden Kühl- | ungemein leicht hergestellt. Vorne ist das Schwungrad 
rippen gegossen werden. Ob diese Art der Kühl- | sichtbar, vor diesem die Kettenräder für die Schrauben- 
rippenanordnung vorteilhaft ist, wäre zu be- | ketten, sowie ein Anschlußstück für eine Hand- 
zweifeln, denn der hiedurch einerseits gewonnene Vor- | andrehkurbel. Die Ashmusen-Motor-Company, 
teil der weiteren Oberflächenvergrößerung | welche ihre Konstruktion durch eine Anzahl von 
wird wieder durch den Umstand wettgemacht, | Patenten geschützt hat, hat ihren neuen Motor 
daß die von vorne heranstreichende Kühlluft an den | bereits fertiggestellt und Erprobungen unterzogen, 
vertikalen Kühlrippen ein Hindernis findet, | über deren Ergebnisse aber bisher noch nichts 
welches sie nicht zu den rückwärtigen Teilen | verlautet. 
des Zylinders gelangen läßt, was ja sonst durch — American. — 


Glacialkosmogonische Beiträge zur Physik der Atmosphäre und 
der Sonne. 


»Wir wissen nicht wie das Wetter entsteht«. 
Der greise Meteorologe Dr. J. M. Pernter, 1903. 


II. 5 Gewitterstürme, heftige Böen u. s. w.) durchsetzt zu 


j in pflegen. 

In der letzten Nummer des vorigen jahrganges ein P . ER : 
dieser Zeitschrift haben wir den dL baled a Um aber in dieser Hinsicht nicht allzu weit 
das Vertrauen des Luftschiffers und Fliegers in die | reichende Hoffnungen zu erwecken und anderseits 
bestehenden Grundlehren der Meteorologie zu unter- | dem billigen Spotte unserer geehrten fachmeteoro- 
graben, indem wir einen, ohne Vorwissen der Astro- | logischen Skeptiker einigermaßen vorzubeugen, sei 
nomen, Geologen und Meteorologen seit jeher im | VOrausgeschickt, daß es nie möglich sein wird, ein 
Flusse befindlichen, zwiefachen kosmischen Eiszufluß | lokal auftretendes Gewitter obbezeichneter Art ört- 
zur Erde nachzuweisen versprachen. Unser Endziel | lich und zeitlich genau voranzusagen, wie das ja 
ist, das physikalische Urwesen jener luftdynamischen | auch heute aus dem Studium der gestrigen Isobaren- 
und luftelektrischen Paroxysmen, die den kühnen | Karten heraus noch immer nicht geleistet werden 
Befahrern des Luftozeans gefährlich werden können, | Kann. Aber ebensogut wie der Meteorologe aus der 
vom kosmologischen Standpunkte aus in ein neues | momentanen Windrichtungs- und Luftdruckverteilurg 
Licht zu rücken und zugleich einen Weg zu zeigen, | (über den ganzen Kontinent und die angrenzenden 
auf welchem solche Vorgänge, wenn auch nicht zeit- | Meere) heraus auf die wahrscheinliche allgemeine 
lich und örtlich scharf bestimmt, dennoch auf 8 bis | Wetterlage des nächsten Tages für die einzelnen, 
14 Tage, mitunter sogar auf Monate hinaus annähernd | In das Isobarennetz eingesponnenen Landbezirke 
vorhergesehen werden können. Mehr als zwölfjährige schließen ‚kann, ebenso wird der glacialkosmogonisch 
Erfahrungen befreundeter Observatorien werden uns eingearbeitete Sonnenbeobachter die größeren Wetter- 
darin unterstützen. Im genannten Endzwecke hat | Stürze auf Wochen hinaus und auf Tage genau für 
diesen Weg ja auch schon Herr Wilhelm Krebs, der | beiläufige geographische Längen und Breiten warnend 
rührige Leiter der Holsteinschen Wetter- und Sonnen- | vorhersagen können. Fehlprognosen dürften da kaum 
warte in Schnelsen, betreten — im geophysikalischen | häufiger sein, als sie in der heutigen 24 stündigen 
Prinzipe aber werden wir zu dieser Sache noch Wettervoransage unterlaufen. Aber auch der Prozent- 
manches beitragen können. Die Zeit kann auch nicht | Satz der heutigen Fehlprognosen wird zu verringern 
mehr ferne sein, in der jede Flugstation ihren tele- | Sein, wenn es die Wetterbeobachtung einmal über 
graphischen Anschluß an spezielle Sonnen- und | Sich gebracht haben wird, sich auf den glacialkosmo- 
Wetterwarten haben wird, um auf mehrere Tage gonischen Standpunkt zu stellen. Doch hierüber später 
oder Wochen hinaus vor dem wahrscheinlichen Ein- | näheres. 
treten größerer Wetterstürze gewarnt zu werden, die Bevor wir nun an die in Aussicht gestellte Detail- 
ja besonders in den Sommermonaten (der zugehörigen | bearbeitung des Wolkenbruch- und Hagelproblems 
Hemisphäre) in der Regel auch von Schwärmen lokal ! an der Hand von konkreten Beispielen schreiten, 
auftretender Gewitter (Wolkenbrüche, Hagelschläge, glauben wir erst einige der lästigsten Zweifel be- 


seitigen zu sollen, die den einen oder anderen Leser 
noch immer hindern dürften, uns sein volles Gehör 
zu schenken. Außer der später zu behandelnden 
meteorologischen — gibt es nämlich auch 
eine geologische Notwendigkeit eines ausgiebigen 
kosmischen Wasserzuflusses. Und in der Behandlung 
dieses Themas wird sich hoffentlich der erst an- 
gezielte Zweifel des Lesers: -Wie wäre ein so aus- 
giebiger kosmischer Wasserzufluß denkbar, wenn das 
Niveau des Ozeans seit undenklichen Zeiten auf 
konstanter Höhe verbleibt?« — verfliichtigen. Gewiß 
ist es diese Frage, mit der uns der Leser zuerst in 
Verlegenheit bringen will. Die zweite Zweifelfrage dürfte 
dann lauten: »Wie wäre es möglich, daß der mit allen 
erdenklichen Hilfsmitteln und physikalischen Lehr- 
sätzen ausgerüstete Meteorologe bisher noch nichts 
von diesem zwiefachen kosmischen Eiszuflusse 
bemerkt oder wenigstens geahnt haben sollte?« -- 
Und drittens: »Wie wäre es möglich, daß die viel 
ältere und auf viel höherer Stufe stehende Astronomie 
die glacialkosmogonisch behaupteten himmlischen 
Eismassen nicht schon längst gesehen und dem 
Meteorologen nicht schon längst einen kosmischen 
Eiszufluß wahrscheinlich gemacht haben sollte?< — 
Im Verlaufe der anzustellenden Betrachtungen wird 
sich uns des Öfteren Gelegenheit bieten, die beiden 
letztgenannten Zweifel abzuschwächen; es empfiehlt 
sich aber, unsere Aufmerksamkeit zunächst auf den 
erstangeführten zu konzentrieren. 

Wir wissen, daß die Erde einen äquatorialen 
Durchmesser von rund 1275 km hat. Allgemein bekannt 
dürfte es auch sein, daß unser heutiges Ozeanvolumen 
eine dem Rotationsellipsoid entsprechend nivellierte 
Erde in einer durchschnittlichen Tiefe von bloß rund 
21 km gleichmäßig überfluten würde, wenngleich 
das Lot mitunter Abgründe des Meeresbodens von 
9 km gemessen hat. — Weniger bekannt ist es viel- 
leicht, daß das Wasservolumen des gesamten Ozeans 
bloß etwa ein 850 stel des Erdvolumens beträgt. Es 
handelt sich nun zunächst darum, uns für dieses 
Volumenverhältnis sinnfällige Raumvorstellungen zu 
schaffen, um zur Einsicht zu kommen, daß die Erde 
im Verlaufe auch nur der jüngsten geologischen Zeit- 
räume oberflächlich schon längst zur wasserlosen 
Wüste geworden sein müßte, wenn kein Wasser von 
außen zukäme. 

Zu diesem Zwecke laden wir den meteorologischen 
und geologischen Zweifler ein, das folgende Raum- 
vorstellungsexperiment durchzuführen: Auf dem FuB- 
boden eines mindestens 13 m im Geviert messenden 
Tanzsaales zeichnen wir zwei konzentrische Kreise 
von 10 und 123/,m Durchmesser und denken uns 
dabei die äußere Kreislinie genau 2½ mm dick ge- 
zogen. Der äußere Kreis stellt dann den Äquator- 
umfang der Erde im Maßstabe von 1: 1,000.000 dar, 
während die 2!/o mm dicke Kreislinie selbst, im selben 
Maßstabe, die gleichmäßige Tiefe des heutigen Ozean- 
volumens auf einer genau nivellierten Erde versinn- 
licht. Der innere Kreis von 10 m Durchmesser soll nur 
beiläufig die Größe des noch glutflüssigen Erdinnern 
räumlich und relativ zur Krustendicke und Ozeantiefe 
vorstellbar machen. Es genügt natürlich nicht, wie 
mancher Leser vielleicht denkt, dieses Experiment 
bloß im Geiste zu machen, sondern man zeichne sich 
diese Kreise auch wirklich auf und ziehe wenigstens 
einige Grade der äußeren Kreislinie auch wirklich auf 
weißem Papier mit schwarzer Tusche genau 2% mm 
dick durch, um die Sache dem Auge recht sinn- 
fällig zu machen. Nun stelle man sich an Hand dieser 
zwei Kreislinien einen 12%, m großen Globus vor, 
der von einem 21/3 mm tiefen Ozean gleichmäßig über- 
flutet und in einem inneren Kugelvolumen von rund 
10 m Durchmesser noch weißglutflüssig ist! — 

Eine ungeheure Perspektive eröffnet sich uns 
aus diesem, gewiß noch von keinem Meteorologen 
oder Geologen angestellten Raumvorstellungs-Experi- 
mente, wenn wir nun die Größe des Erdvolumens 
und dessen glutflüssigen Teiles mit der Seichtheit 


° 19 


des Ozeans vergleichen. Ein solcher maßstäblicher 
Volumsvergleich kann uns weder am Meeresufer oder 
auf hoher See, noch aber an Hand eines noch so 
großen Bibliotheksglobus glücken ! Denn bei letzterem 
können wir uns keine maßstäblich richtige Raum- 
vorstellung von der relativen Seichtheit des Ozeans 
machen — dieselbe unterschreitet unser Vorstellungs- 
vermögen ; und am Meeresufer lassen wir uns wieder 
von der scheinbar endlosen Wasserfläche und der 
8 Ozeantiefe überwältigen, ohne uns von der 
röße des Erdvolumens eine richtige Relativvor- 
stellung machen zu können — dasselbe überschreitet 
unser Vorstellungsvermögen. Wir mußten also einen 
Maßstab wählen, in weichem die eine Größe dem 
unbewaffneten Auge noch nicht unendlich klein, die 
andere dem an der Scholle haftenden Auge noch 
nicht unendlich groB erscheint. Durch eine solche 
pomiva Fußbodenzeichnung wird diese Schwierigkeit 
ehoben und bei einiger gutwilliger Phantasie er- 
kennen wir sofort, daß unser Ozean, obwohl die 
Erde zu vier Fünftel bedeckend und manchmal zu 
grausigen Tiefen von 5 bis 9km absinkend, gegen- 
über dem Erdvolumen fast verschwindet! 

Es drängt sich nun die Frage auf: Ist es denn 
in Anbetracht des ene sr Erdinnern möglich, 
daß dieses verschwindende Minimum eines irdischen 
Ozeans durch die geologischen Jahrhunderttausende 
(zahlentrunkene Geologen schwelgen ja auch in 
Jahrhundertmillionen und -Billionen) hindurch immer 
aus demselben Wasser bestehen bleiben könnte? 
Wir müssen da etwas weiter ausholen. 

Wie in jedem Bergwerke ersichtlich, dringt das 
Sickerwasser mit ungeheurem hydrostatischen Drucke 
durch die poröse und zerklüftete Erdkruste und muß 
daher insbesondere längs der Niederbruchsspalten, 
längs der durch Vulkane markierten Steilküsten aus 
seismischen Linien überhaupt, mit einem Drucke 
von, sagen wir bis zu 10.000 Atmosphären, auf das 
dem Glutflüssigen benachbarte Gestein drücken. 
Unbedingt muß dieses Hochdruck-Sickerwasser dorten 
auch so hoch erhitzt werden (viele Hunderte von 
Celsiusgraden über dem atmosphärischen Siedepunkte), 
daß es sich trotz des hohen Druckes in dauernder 
Siedebereitschaft befindet. Wir kennen den technischen 
Begriff des »Siedeverzuges« seinem physikalischen 
Inhalte nach und dürfen ihn jetzt hier anwenden. 

Im Siedeverzuge befindliches Wasser bedarf nur 
einer ganz geringen, nicht allzu allmählichen Druck- 
entlastung oder auch nur einer geringeren Erschütterung, 
um sofort zum Sieden oder zur Explosion gebracht 
zu werden. Im Dampfkesselbetriebe erfahrene 
Techniker, insbesondere die Ingenieure und Inspek- 
toren der Dampfkessel-Untersuchungs- und Ver- 
sicherungsgesellschaften werden da den militärischen 
Flugtechnikern gerne mit ihren Erfahrungen aus- 
helfen. Unter ihnen ist es allbekannt, daß in unver- 
sicherten Fabriksbetrieben mit Sonntagsruhe die 
meisten Dampfkesselexplosionen des Montags früh 
stattgefunden haben. Wenn der ungewarnte Heizer 
um Mitternacht Feuer macht und während des 
langsamen Druckanstieges nicht hie und da einen 
Heizhahn oder Wasserstandshahn öffnet, keine Speise- 
pumpe oder Injektor in Betrieb setzt oder nicht sonst- 
wie den Wasserspiegel des Kessels zeitweilig 
beunruhigt, setzt den ruhig unter Druck gebrachten 
Kessel der Explosionsgefahr aus, wenn er um 6 Uhr 
die Dampfpfeife oder der Maschinist plötzlich das 
Dampfventil der Maschine öffnet. So manche Kessel- 
explosion wurde und wird unbewußt dadurch ver- 
mieden, daß es einfach nicht möglich ist, den Wasser- 
spiegel während des Druckanstieges in Ruhe zu 
belassen. Es werden da langsam kleinere Hähne zu 
den Dampfheizungen, Trockenkammern, Kochappa- 
raten, zur Maschinenvorwärmung, zur Dampfspeise- 
pumpe etc. nacheinander geöffnet, wodurch das 
Kesselwasser gleichsam immer wieder daran erinnert 
wird, daß es bei einer gewissen, dem jeweiligen 
Drucke entsprechenden Temperatur zu sieden und 


20 ` 


Dampf zu entwickeln, bezw. den der jeweiligen 
Temperatur entsprechenden Druck immer wieder 
genau einzustellen hat. Bekanntlich siedet das Wasser 
unter atmosphärischem Druck bei 100° C., dagegen 
unter: 


2 4 6 8 
schon bei rund: l 
133 151 164 174 183 190 197 211 etc. Grad Celsius. 


Nebstbei bemerkt ist hieraus schon zu ersehen, 
daß der Druckanstieg nicht proportional dem 
Temperaturanstiege erfolgt und auch roh zu 
schließen, daß in den uns hier interessierenden Erden- 
tiefen einem Temperaturanstiege von nur einem Grad- 
bruchteil schon ein Druckanstieg von vielen Atmo- 
sphären entsprechen muß und umgekehrt; eine 
Erkenntnis, die später noch weitere zeitigen wird. 
Doch zurück zum Siedeverzug. 

Wird im Dampfkessel das Wasser sehr langsam 
und ohne äußere Beunruhigung erhitzt, so steigen 
wahrscheinlich keine Siededampfblasen von der Heiz- 
fläche zurWasseroberfläche empor, sondern esfindet das 
Medium Zeit genug, sich durch ruhige, langsame 
Zirkulation durchaus gleichmäßig zu erwärmen und 
so durch bloß oberflächliche Verdampfung den jeweils 
der steigenden Temperatur entsprechenden Dampf- 
druck einzustellen. Eskommt eben nicht in die Lage, 
sich selbst innerlich dauernd zu beunruhigen. Unter 
solchen Umständen steigt die Wassertemperatur auch 
etwas über den dem jeweiligen Drucke entsprechenden 
Hitzegrad; es vergißt gleichsam rechtzeitig zu sieden, 
daher die Bezeichnung: »Siedeverzug«. 

l Erschüttert man aber jetzt diese überhitzte Wasser- 

masse ein wenig oder erniedrigt man den auf der 
ruhigen Wasseroberfläche lastenden Dampfdruck 
durch rasches Öffnen eines größeren Ventils plötzlich 
ein wenig, so erinnert man das Wasser gleichsam 
an seine Druckrückständigkeit, es beginnt plötzlich 
in allen Schichten (nicht nur an der Heizfläche) 
Dampfblasen zu entwickeln, zu sieden: Der 
Siedeverzug wird ausgelöst (wie man, zwar 
nicht ganz richtig, sagen könnte), der Druck steigt plötzlich 
mit solcher Vehemenz, geradezu stoBartig, explosions- 
artig, daß der Kessel in die Luft fliegt. 

Daß wir bei dieser Erinnerungsauffrischung etwas 
länger verweilten, war durchaus notwendig, weil 
dieser SEN Aare ungemein wichtige Vorgang dem 
Geologen offenbar nicht geläufig zu sein scheint, 
ihn aber zur Revidierung seiner Erdbebentheorien 
zwingen und uns zur Neuerkenntnis eines aus- 
giebigen innerirdischen Wasserverbrauchs -- also auch 
zur leichten Behebung des oben erstgenannten 
Zweifels verhelfen wird. 

Ziehen wir nämlich aus diesen Betrachtungen 
des technisch so wichtigen Siedeverzuges die 
Konsequenzen für das tiefere, heiße und wasser- 
durchdrückte Erdinnere, so wird uns sofort klar, daß 
die Bedingungen zur Ausbildung der verschiedent- 
lichen Siedeverzüge nirgends so restlos zusammen- 
gegeben sind, wie eben in diesem tieferen Erdinnern. 
Zwar ist ein wirkliches »Sieden« dort überhaupt 
nicht möglich, weil das Sickerwasser (mit Ausnahme 
von Spalten, Verwerfungen u. dgl.) kaum irgendwo 
in größeren Hohlräumen am heißen Gesteine ansteht, 
sondern eben nur in den Gesteinsporen in mikro- 
skopisch dünnen Schichten an die reichstgegliederte 
»Heizfläche« hochdrückig angepreßt erscheint. Es 
kann nur entweder Wasser bleiben solange es geht 
oder es muß plötzlich explodieren, wenn die 
Bedingungen zur Auslösung der Explosion gegeben 
sind. An den verschiedensten geographischen Längen 
und Breiten (mit Vorliebe aber in den niedrigeren 
und mittleren Breiten, in den habituellen StoBgebicten 
längs der Bruchspalten oder Schütterlinien, in denen 


10 12 14 19 etc. Atm. Uberdruck*) 


) Unter »Atmosphäre« hier t kg Druck pro lem ver- 
standen. 


————— ——— ——— a —————— — — — B 2 2.22 2 A SA a 1 E U 0 U E 


eben das Druckwasser am weitesten ins heißere 
Erdinnere gelangen kann) in den verschiedensten 
Tiefen müssen die untersten Partien des Sicker- 
wassers permanent in den verschiedensten Graden 
des geladenen, bezw. explosionsbereiten Siede- 
verzuges befindlich sein. Eine geringe Erschütterung, 
eine geringe, nicht allzu allmähliche Druckentlastung 
genügt, um dort unten eine Wasserexplosion aus- 
zulösen. Dabei handelt es sich aber auch meist um 
so hohe Temperaturen, daß mit der Dampfexplosion 
auch sofort die größtenteilweise thermochemische 
Zersetzung des Wasserdampfes in H und O einher- 
gehen muß. 

Und für solche explosionsauslösende geringe 
Erschütterungen und Druckschwankungen ist durch 
die wechselnden Resultierenden aus Sonnen- und 
Mondanziehung, ausgeübt auf die schiefachsig 
rotierende, immerhin etwas elastische Erdkruste, 
ferner durch Springfluten des Wasserozeans und aus- 
giebige lokale Depressionen im Luftmeere reichlich 
vorgesorgt. Es verbiegt sich die Erdkruste nach- 
gewiesenermaßen ja stets ein wenig unter dem Einflusse 
der Gezeitenkräfte, das heißt, es gibt nebst der atmo- 
sphärischen und hydrosphärischen auch eine litho- 
sphärische und magmatische Ebbe und Flut. Und 
daraus kann für die verschiedenen innerirdischen 
Orte hochgradigen Siedeverzuges abwechselnd jene 
geringe Druckentlastung resultieren, welche zur lokalen 
iedeexplosion und teilweisen thermochemischen 
Zersetzung des die Erdkruste dabei schüttelnden und 
stoßenden Wasserdampfes führen muß! 

Bestrebt, einen ausgiebigen innerirdischen Wasser- 
verbrauch (außer den bekannten Hydratbildungen und 
der fortschreitenden Versickerung) nachzuweisen, wären 
wir also damit beieinem vermeintlich längst restios ge- 
lösten Probleme der Geologie, dem Erdbebenproblem 
angelangt. Der geneigte Leser wende uns hier nicht 
ein, daß eine neue Erdbebentheorie doch nichts mit 
einer neuen Wolkenbruch- und Hageltheorie oder mit 
einer neuen Sonnenfleckentheorie gemein haben 
könne; denn wir müssen ihm ja erst einen ausgiebigen 
innerirdischen Wasserverbrauch plausibel machen, 
welcher bei der gegebenen, in geschichtlicher Zeit 
konstanten Ozeantiefe einem ebenso ausgiebigen 
kosmischen EiszuflußB das Gleichgewicht hält. Wir 
bitten daher um weiteres geduldiges Gehör. 

Die heutige Geologie unterscheidet der Haupt- 
sache nach dreierlei Erdbeben: a) vulkanische Beben, 
b) Einsturzbeben und c) tektonische oder Dislokations- 
beben.*) Für uns ist aber diese geologische Einteilung 
der Erdbeben vollständig hinfällig geworden, indem 
der obangedeutete innerirdische asserexplosions- 
vorgang ausschließlich das einheitlich physikalische 
Urwesen aller wie immer heißenden Erdbeben 
darstellt. Es lassen sich in dieser heute üblichen 
Erdbebeneinteilung ja auch durchaus keine scharfen 
Grenzen ziehen, indem die einzelnen Unterscheidungs- 
merkmale in den verschiedensten Punkten ganz 
allmählich ineinander übergehen. So wird es auch 
verständlich, daß z. B. der Erbebenspezialist 
A. Stübel**) sagt: »Die Unterscheidung vulkanischer 
und tektonischer Erdbeben sei mangels strenger 
Beweise bis jetzt nur auf eine subjektive Auffassung 
begründet geblieben; infolge dessen sei die in 
Erscheinung tretende Art der Erschütterung, welche 
als tektonisch bezeichnet wird, eine Folge der 
Außerung vulkanischer Kraft in den peripherischen 
Herden.« Von anderer Seite wird aus ähnlichen 
Gründen (der Gelehrten-Uneinigkeit) empfohlen, eine 
Zwischenform: »Die vulkanisch-tektonischen Erdbeben« 
oder »Spannungsbeben« einzuschalten. Nach SueB 
lassen die tektonischen Erdbeben noch mehrfache Ein- 
teilungen zu, wie etwa: Querbeben, Längsbeben, Blatt- 
beben, Vorschubbeben u. dgl. Aus dieser Uneinigkeit 
der Gelehrten gewinnt unsere Behauptung, daß es 


*) Sieberg: »Handbuch der Erdbebenkunde.« 1904. 
**) Stübel: »Über das Wesen des Vulkanismus.« 1897. 


tektonische und Einsturzbeben überhaupt nicht gibt, 
sondern alle Beben im Grunde genommen nur 
Dampf-Explosionsbeben sein können, allein schon 
einiges Gewicht. Findet eine solche innerirdische 
Dampfexplosion in der Nähe eines Vulkans statt, 
so daß der letztere gleichsam ein Sicherheitsventil 
gegen allzu heftiges Stoßen von unten darstellt, so 
registriert der Geologe eben ein vulkanisches 
Beben. Wirkt ein solches Sicherheitsventil nicht 
abschwächend mit, so wird ein tektonisches Beben, 
das heißt eine vermeintliche Äußerung der »gebirgs- 
bildenden Kräfte« verzeichnet. Wir geben auch zu, 
daß beispielsweise im Karstgebiete Höhleneinstürze 
vorkommen und in solchen Fällen auch Häuser in 
die Tiefe stürzen können, oder daß in Bergwerken, 
wie in Raibel geschehen, ein Niederbruch auch einmal 
plötzlich erfolgen kann. Aber daß die dabei in 
der nächsten Umgebung etwa verspürten leisen 
Erschütterungen als »Erdbeben« im seismologischen 
Sinne angesprochen werden dürfen, das bestreiten 
wir entschieden. Wir leugnen daher auch die 
sogenannten »Einsturzbeben«. Vom Wasser nicht 
erfüllte oder vom Wasser ausgewaschene Hohlräume 
kann es nur oberhalb des Meeresniveaus geben. 
Stürzt ein solcher Hohlraum ein, wie im Karstgebiete 
etwa möglich, so sind die bewegten Massen viel zu 
gering, als daß sie eine weitreichende Erschütterung 
verursachen könnten. Wo durch Verlagerungen des 
Seespiegels früher ausgewaschene Hohlräume unter 
Wasser stehen, kann auch ein plötzlicher Einsturz 
keine weitreichende Erschütterung erzeugen, indem 
im Wasser nur von einem Einsinken und nicht 
von einem erschütternden Einstürzen gesprochen 
werden kann. In Parenthese sei hier (einer Kritik 
vorbeugend) auch bemerkt, daß wir die aus alten 
Strandlinien und unterseeischen Flußbetten erweis- 
baren Verlagerungen des Meeresspiegels durchaus 
nicht auf »Hebungen und Senkungen« von Kontinental- 
massen im Lichte der sogenannten »Kontraktions- 
theorie« und vermeintlichen »gebirgsbildenden 
Kräfte« zurückführen, sondern auf wirkliche 
Meeresverlagerungen durch kosmische Kräfte. 
Bezüglich des näheren hierüber können wir dem 
geologischen Fachmanne wieder nur auf den geologi- 
schen Teil unseres Hauptwerkes*) verweisen. 

Es erscheint nach Kenntnisnahme des so einfachen 
glacialkosmogonischen Wesens der Erdbeben auch 
ungemein rätselhaft, wie der Geologe dieses so aus- 
drückliche Erdbeben-»S toBen« von unten am Orte 
des Epizentrums (das heißt senkrecht oberhalb des eben 
ausgelösten Siedeverzuges) aufinnerirdische »Einstürze« 
(Einsturzbeben) oder auf die uBerungen 
»gebirgsbildender Kräftes (Dislokationsbeben 
oder tektonische Beben) zurückführen kann. Gebirgs- 
bildende Kräfte sind heute, das heißt außerhalb des 
Kataklysmus (vgl. geologischen Teil unseres 
Hauptwerkes) niemals und nirgends in Aktion, 
auch nicht in den allerschwächsten Ausmaßen, von 


der Anschüttearbeit tätiger Vulkane natürlich 
abgesehen. »Gebirge« werden nur-im Kataklysmus 
gebaut. Aber auch da hat die sogenannte 


»Kontraktion«, als die vermeintliche Grundursache 
der Gebirgsbildung, gar nichts mit Gebirgsbau zu 
tun, sondern nur die vertausendfachten Mondesflut- 
kräfte und die zugehörigen kataklysmatischen Ozean- 
bewegungen bauen Gebirge auf, wie in unserem 
Hauptwerke auf 235 Lexikonseiten eingehendst 
beschrieben und durch 37 Diagramme bequem ver- 
anschaulicht erscheint. 

Die Verbreitung der Erdbebenwelle durch die 
feste Kruste hindurch sowohl, als auch in den vom 
»Hypozentrum« (unserem innerirdischen Explosionsherd) 
ausstrahlenden geraden Richtungen durch das Magnıa 
hindurch, wird in der Seismologie natürlich ganz 
richtig gedeutet; nur ist die am Orte des Hypozentrums 


*) Fauth: »Hörbigers Glacialkosmogonie, eine neue 
Weltbildungslehre etc.- Kaiserslautern 1913. Preis Mk. 30°—. 


21 


wirkende primäre Ursache kein Zusammen- 
sturz, sondern ein explosiver Auseinanderstoß; 
und auch nur zufolge eines solchen ist die Fort- 
pflanzung dieser Stoßwirkung nach allen Richtungen 
des erderfüllten Raumes denkbar. Unseren geehrten 
Skeptikern unter den Fachgeologen, die da etwa, den 
Hypothesenschmied witternd, überlegen lächeln wollen, 
empfehlen wir dringendst, einige Jahre bei Krupp in 
Essen oder bei Skoda in Pilsen zu praktizieren 
oder sich sofort unseren Motorbatterien oder den 
deutschen 42 cm-Mörsern anzuschließen, um ein 
praktisches Urteilsgefühl für jene Explosivkräfte zu 
erlangen, welche zur stoBweisen Bewegung 
großer Massen nötig sind. Gewiß würden sie von 
dort beschämt und über sich selbst lachend heim- 
kehren, um ihre Gebirgsbildungs- und Erdbeben- 
theorien an der Hand unseres Hauptwerkes schleunigst 
einer Revision zu unterziehen. 


Ein extremer Fall solch innerirdischer Siede- 
verzugsexplosion mit einem vulkanischen Auspuff 
(oder Sicherheitsventil) wird durch die 1882er Ex- 
plosion der Sundainsel Krakatau illustriert. Jene 
Gasmengen, welche damals Unmengen vulkanischen 
Staubes emporgerissen und über die ganzen Deck- 
schichten unseres Luftozeans verbreitet hatten, waren 
vornehmlich Wasserstoff, resultierend aus inner- 
irdischer thermochemischer Wasserzersetzung, während 
der Sauerstoff größtenteils im Erdinnern gebunden 
blieb, zum Teil auch unsere Atmosphäre bereichern 
half. Einen anderen extremen Fall solch innerirdischer 
Wasserzersetzung zeigt der Ausbruch des Mont Pele 
auf Martinique (1902), dessen totbringende Gase eben- 
falls vornehmlich aus solchen Zersetzungs-Wasserstoff 
bestanden haben mußten. Sieht in anderen Fällen der 
Schiffer den Ozean gleich einem brüllenden Berge 


‚sich erheben und Gase explosionsartig entweichen, 


so weiß er im Uberlebenstalle aus dem Schwefel- 
wasserstoffgeruche, daß hier Wasser mit flüssigem 
Magma in Berührung gekommen und explosionsartig 
thermochemisch zersetzt worden ist; denselben Geruch 
verspüren wir auch, wenn wir flüssige Hochofen- 
schlacke mit Wasser begießen. In Fällen von Hoch- 
ofenausbrüchen ereignen sich oft die verheerendsten 
Wasserzersetzungs- Explosionen: Ein Mont Pele- 
Ausbruch im kleinen! Es sei auch auf die große Ein- 
heitlichkeit der physikalischen Grundursache eines 
Krakatau-Ausbruches und einer Sonnenprotuberanz 
verwiesen: Thermochemische Wasserzersetzung, das 
heißt der Widerstreit zwischen kosmischem Neptunis- 
mus und Plutonismus im kosmologisch kleinen hier 
und dort; bei allmählicher Steigerung solchen physi- 
kalisch einheitlichen Geschehens gelangen wir dann 
zu den oberen Extremen, das ist zu den Muttergestirn- 
Explosionen, Planetensystem- und Sterngruppen- 
geburten, den Neuen Sternen«. Sollte der geneigte 
Leser in begreiflicher Scheu vor einem 800 seitigen 
Werke von Lexikonformat etwas Kürzergefaßtes hier- 
über vernehmen wollen, so sei seine geschätzte Auf- 
merksamkeit auf das Dezemberheft 1914 von »Peter- 
manns geographische Mitteilungen« gelenkt, darinnen 
diese Probleme eingehender diskutiert erscheinen.*) 

Uns interessiert aber hier nur die untere Ex- 
treme solcher Ereignisse, d. h. die notwendig per- 
manente Wasserzersetzung im Erdinnern. Sowohl 
bei den erwähnten Vulkanausbrüchen und submarinen 
Explosionen als auch ausnahmslos bei den 
universell fast täglich sich ereignenden Erd- und 
Seebeben äußert die permanente innerirdische Wasser- 
zersetzung ihre Wirkung. Das eine Zersetzungsprodukt, 
der Wasserstoff, entweicht zum Teil durch die Vulkane 
und sonstigen Poren der festen Erdkruste (Fumarolen, 
Spalten, Bergwerke etc.), dringt durch das ca. 14 mal 
schwerere atmosphärische Gasgemisch empor, über- 
lagert dasselbe hochgradig expandiert in mehrere 


*) Dr. F. Nölke: »Die Glacialkosmogonie von Hörbiger- 
Fauth.« Eine Kritik. H. Hörbiger: »Zu Dr. F. Nölkes Ein- 
wendungen gegen die Glacialkosmogonie.« Eine Abwehr. 


22 


hundert Kilometer hohen Schichten bis zur Sättigung 
der Erdoberflächenschwere, um dann mit hochgradig 
elektrisch geladenem Koronaeisstaub geschwängert, von 
Zeit zu Zeit (bei den Polarlichterscheinungen) in den 
Weltraum zu entweichen; zum Teil geht solcher 
Zersetzungswasserstoff auch andere Verbindungen in 
der Erdkruste ein (Hydrate, Kristallisationsprozesse). 
Letzteres gilt auch insbesondere von dem Sauerstoffe, 
als dem anderen Zersetzungsprodukte des inner- 
irdischen Sickerwassers, soweit nicht ein Teil davon 
auch zum erneuernden Aufbau der Atmosphäre dient. 

Wie durch solche explosionsartige Abflutungen 
des mit elektrischem Eisstaub geschwängerten obersten 
Wasserstoffes in den Weltraum das Polarlicht 
zustande kommt, warum diese Abflutungen vornehm- 
lich in Polnähe, und zwar flammenartig längs des 
Erdschattenmantels hinaus erfolgen, woher das geiBler- 
rohrartige Leuchten dieser Abflutungen kommt und 
warum dieselben bei erhöhter Sonnentätigkeit deut- 
licher und häufiger auftreten und außerdem noch eine 
tägliche und jährliche Doppelperiodizität aufweisen — 
das alles kann der Interessent im Hauptwerke an 
Hand von unterstützenden Zeichnungen lückenlos ab- 
geleitet finden. Hier sei nur des logischen Zusammen- 
hanges halber darauf hingewiesen, daß die Glacial- 
kosmogonie auch in den Polarlichtern eine mittel- 
bare Folge der innerirdischen Wasserzersetzung 
sieht und daß dieses Problem ja auch mit dem Sturm-, 
Wolkenbruch- und Hagelproblem zusammenhängt, 
in dem ohne solchen Wasserverbrauch ein kosmischer 
Eiszufluß bei konstantem Ozeanniveau undenkbar wäre. 

Es ist nun nicht nur eine logische Folgerung des 
kosmischen Eiszuflusses, sondern eine nachgewiesene 
Tatsache, daß bei den tätigen Vulkanen fortwährend 
und vornehmlich Wasserstoff entweicht. Der dort 
entweichende unzersetzte Wasserdampf als 


solcher ist natürlich nicht auf das Wasserverbrauchs- 


oder Verlustkonto der Erde zu buchen, sondern nur 
der Wasserstoff. Bedenkt man aber, daß das Wasser- 
molekül (Hpo) aus zwei Atomen Wasserstoff vom 
Atomgewichte 1 und einem Atom Sauerstoff vom 
Atomgewichte 16 besteht, so müßten für jedes Kilo- 
gramm entweichenden Wasserstoffes schon je 9 kg 
Wasser zersetzt werden, wenn vom entwickelten 
Wasserstoffe nichts in der Erdkruste gebunden bliebe. 
Weil aber solche Verbindungen notwendig statthaben, 
so können einem Kilogramm des vulkanisch oder 
sonstwie (meist auch unbemerkt) entweichenden 
Wasserstoffes auch 20 kg innerirdisch zersetzten 
Wassers entsprechen. Nimmt man nun noch hinzu, 
daß zu allen Kristallisationsvorgängen und sonstigen 
mineralogischen Prozessen (Oxyde, Hydrate) fort- 
während Wasser verbraucht wird, so ergibt sich 
daraus die logische Notwendigkeit eines kosmischen 
Eiszuflusses, wenn das Ozeanniveau nicht sinken soll. 
Diese Notwendigkeit muß der Leser einsehen, bevor 
er an die kosmische Herkunft des Wolkenbruches, 
Hagelschlages und Zeppeline vernichtenden 
Sturmes glauben kann. 

Es gibt wohl Geologen, die einen ähnlichen 
Verdacht hegen; aber keiner wagt es, diesen auf- 
dringlichen Gedanken zu Ende zu denken: »Mit der 
Erdmasse verglichen, erscheint das Meer doch nur 
als ein dünnes Flüssigkeitshäutchen, welches die 
Depressionen des mächtigen Balles bedeckt. Das 
Meerwasser bildet kaum den tausendsten Teil des 
gesamten Erdkörpers; es könnte durch die Poren 
der Gesteine aufgenommen werden, es könnte zur 
Hydratbildung verwendet werden, und dies wird auch 
in ferner Zeit sein Ziel und Ende seine — so mono- 
logisiert der sehr bedächtige Geologe Reyer.*) 

Wir schen also, daß auch der mechanisch un- 
erfahrene Geologe mitunter schon den innerirdischen 
Wasserverbrauch ahnt — aber nur den mineralogischen 
und nicht auch den dynamischen. Daß die Schwer- 
kraft zur Hervorbringung der geodynamischen 


*) Reyer: »Geologische Prinzipienfragen«, Leipzig 1907. 


Zuckungen nicht ausreichen kann, sondern zu deren 
Erklärung ganz andere Kräfte (Dampfkräfte und 
Wärmeaufwand) zu Hilfe zu nehmen sind, das liegt 
ihm ferne. Er sieht daher auch das Ende des 
Ozeans in weiter geologischer Zukunftsferne, während 
in Wahrheit das Ozeanniveau jährlich um mindestens 
20 cm sinken müßte, wenn nichts von außen zukäme. 
Es gibt sogar auch Geologen, welche die Weltenuhr 
verkehrt laufen sehen und aus dem, bei den Vulkanen 
entweichenden Wasserdampf auf einen Wasser- 
gewinn für den Ozean schließen! Nach diesen 
sonderbaren Anschauungen wären die ganzen Ozean- 
gewässer im glutflüssigen Erdinnern absorbiert ge- 
wesen und durch allmähliche Abkühlung des Magmas 
zur Ausscheidung gelangt! Kein Wunder also, daß in 
den Bibliotheken solcher Fachkreise die Pflicht- 
exemplare unseres Hauptwerkes vorläufig ungelesen 
verstauben. — 

Betrachten wir nun zur Erhärtung der auf weitem 
Umwege gewonnenen neuen Einsichten nochmals die 
beiden konzentrischen FuBbodenkreise von 10 und 
123); m Durchmesser, um uns so recht das gegen- 
seitige Volumenverhältnis von innerirdischem Glutfluß, 
bezw. Wärmevorrat, fester Kruste, Ozeanvolumen und 
gesamtem Erdvolumen zu vergegenwärtigen, so wird 
man nach einiger Überlegung zugeben müssen, daß 
die Erde spielend alljährlich eine universelle Wasser- 
schichte von sagen wir 30 cm Tiefe teils zersetzt 
(natürlich auf Kosten des erst in großen geologischen 
Zeiträumen zu erschöpfenden innerirdischen Urwärme- 
vorrates), teils andersartig verbraucht. Aber einmal 
versuchsweise diesen jährlichen Wasserverbrauch zu 
bloß 25 cm universeller Wasserschichtentiefe an- 
genommen, so wären wir mit unserem durchschnitt- 
lich 2500 m tiefen Ozean in geologisch lächerlichen 
10.000 Jahren fertig, wenn nichts von außen käme. 
Und wo blieben aber dann die Jahrhunderttausende 
der Erdgeschichte oder gar die Jahrbillionen der 
Lyell-getreuen geologischen Jahreszahlen-Enthusiasten? 

Der wärmer interessierte Leser trachte einen 
hüttenmännisch erfahrenen Physiker zur Betrachtung 
der zwei Fußbodenkreise einzuladen und an ihn, etwa 
unter Zuhilfenahme der Fig. 148 unseres Hauptwerkes, 
die Frage zu richten: Ist die Erde von 12.750 km 
(1234 m) Diameter mit einem Weißglutinhalt von rund 
10.000 kın (10 m) Diameter imstande, jährlich eine 
Wasserschichte von 25cm Tiefe (000025 mm = etwa 
ein 250 stel der Papierdicke dieser Zeitschrift) teils 
thermochemisch zu zersetzen (O bleibt ganz, H teil- 
weise im Erdinnern gebunden), teils zu anderen 
geogenetischen Zwecken zu verbrauchen und in 
welchem Maße zehrt der hiezugehörige Wärmebedarf 
an der in Fig. 148 (unseres Hauptwerkes) relativ roh 
versinnlichten Urwärmemenge der Erde, wenn die 
Dichte des Glutflüssigen etwa 5 bis 9, die Temperatur 
durchschnittlich rund 2000“ C. und die spezifische 
Wärme desselben rund 0'2 ist? Im Bejahungsfalle 
säßen wir dann in 10.000 Jahren auf dem Trockenen, 
bezw. wir existierten überhaupt nicht, wenn die 
heutige meteorologische Grundlage eines ausschließ- 
lichen terrestrischen Wasserkreislaufes zu Recht be- 
stünde. Natürlich dürfte der zu solchen Abenteuern 
aufgelegte Leser nicht versäumen, dem betreffenden 
Physiker vorher die abgelaufenen geologischen Zeit- 
räume in Erinnerung zu bringen — oder ihm das 
geneigte dreimalige Durch-Studium des glacial- 
kosmogonischen Hauptwerkes zu empfehlen und ihm 
insbesondere den geologischen Teil recht dringend ans 
Herz zu legen. 

Vielleicht fragt jetzt der Leser noch, wie es 
möglich wäre, daß der innerirdische Wasserverbrauch 
dem kosmischen Eiszuflusse derart genau die Wage 
halten könne, daß das Ozeanniveau in historischer 
Zeit konstant bleibt. Denken wir uns ein großes 
Wasserreservoir mit einem oberen Zufluß- und einem 
unteren Abflußrohr, beide durch eingeschaltete Hähne 
regulierbar. Es ist leicht einzusehen, daß man Zu- 
und Abfluß gegeneinander so regulieren kann, dab 


sich das Wasserniveau in einer bestimmten Höhe des 
Reservoirs als konstant einstellt; erhöht man dann 
den Zufluß ein wenig, so wird sich der Spiegel auch 
auf etwas größerer Höhe wieder konstant einstellen. 
Es steigt einfach der hydrostatische Druck im Reservoir 
so lange, bis die untere Ausflußgeschwindigkeit ge- 
nügt, dem oberen Zufluß die Wage zu halten. Ein 
ähnliches Transitoreservoir mit konstantem Wasser- 
spiegel stellt nun auch unser Ozean dar. Würde der 
spezifische kosmische Zufluß für einige Jahrhunderte 
ein höherer werden, so würde der Ozean natürlich 
durch einige Jahrzehnte um einige Dezimeter oder 
vielleicht auch Meter mit abnehmender Geschwindig- 
keit steigen, um dann wieder auf neuer Höhe kon- 
stant zu bleiben. Im übrigen könnten auch größere 
periodische Schwankungen des kosmischen Eis- 
zuflusses, wie solche durch die Periodizität der Sonnen- 
flecken und damit zusammenhängenden Pegelstände 
der Ströme auch angedeutet erscheinen, nicht sonder- 
lich auffallen, weil sie durch die viel stärkeren Un- 
regelmäßigkeiten von Ebbe und Flut verwischt 
werden. Es würde sich dabei ja auch immer nur um 
einen verschwindenden Bruchteil des angenommenen 
25 cm jährlichen Zuflusses handeln, um welchen das 
innerhalb enger Grenzen so bewegliche Ozeanniveau 
innerhalb einer Sonnenfleckenperiode von rund 
11°/, Jahren schwanken könnte, was einer selbst darauf 
abzielenden Beobachtung nicht auffallen dürfte. Ander- 
seits lassen alte, hochliegende Strandlinien, sowohl 
in den hohen Breiten als auch in den Tropen, ebenso 
auch die weit ins Meer hinein sich fortsetzenden 
Bettfurchen vieler tropischen Ströme auf große prä- 
historische Schwankungen des Ozeanniveaus schließen. 
Für alle diese Erscheinungen bringt die Glacial- 
kosmogonie ebenso zwanglose Erklärungen wie 
für die geologischerseits vermuteten, ‚wiederholten 
oszillierenden und schichtenbauenden Überflutungen 
ganzer Kontinente, für die Wasser der so vielfach 
naturvölkerlich überlieferien »Großen Flut« u. s. w. 
Bezüglich der Details solcher Vorgänge können wir 
wieder nur auf das Hauptwerk verweisen, weil es sich 
da durchwegs um Dinge handelt, die ohne graphische 
Behelfe nicht klargestellt werden können. 

Bei dieser Gelegenheit können wir zum Schlusse 
unserer diesmaligen Ausführungen der Versuchung 
nicht widerstehen, im Interesse der zentraleuropäischen 
»barbarischen« Wissenschaft den uns umtobenden 
Weltkrieg auch auf kosmologisch-geologisch-meteoro- 
logisches Gebiet voranzutragen. Ein französischer 
Grüntischmathematiker (Laplace) ohne jedwede 
technisch-mechanische Erfahrung war es, der vier 
astronomische Generationen und in seiner Ge- 
folgschaft war es wieder ein physikalisch gänzlich 
ungeschulter Engländer (Lyell), der drei geologi- 
sche Generationen in kosmogonischer und geogoni- 
scher Hinsicht vollständig in die Irre geführt hat. 
Und wenn sich auch einzelne »barbarische« Astro- 
nomen bereits von der ausschließlich plutonischen 
Weltbildungslehre Laplaces loszumachen suchten, 
so war es wieder ein Franzose (Poincare, ein 
Bruder des verhängnisvollen Präsidenten), weicher im 
Vereine mit einem Engländer (G.H. Darwin, Sohn 
des großen Biologen, beide mechanisch-technisch 
gänzlich unerfahrene Reinmathematiker), der physi- 
kalisch unmöglichen Nebularhypothese eine neue 
Brücke geleimt hat, so daß die kultureuropäischen 
Astronomen und Geologen neuerdings in den Bann 
der »verbesserten Nebularhypothese« ge- 
zogen wurden. »Auch wissen (!!!) wir durch die 
strengen Rechnungen (!!!) H. Poincares und 
G. H. Darwins, daß ein rotierendes Flüssigkeits- 
ellipsoid bei dem Achsenverhältnis 1'716 seine 
Symmetrie verliert, indem es sich einseitig verlängert 
bis zur Gestalt einer Birne, die durch Abschnürung 
schließlich in zwei große Teile zerfällt. Anwendung 
auf Erde, Mond und Doppelsterne.« So zu lesen im 
Oktoberhefte 1913 der Wiener »Urania«e.. Es wäre 
Zeit, daß sich Zentraleuropa auch in wissenschaftlicher 


23 


Beziehung auf sich selbst besinnt und von der Aus- 
länderei abläßt, dort, wo sie durchaus nicht am Platze 
ist. Der Mond ist nicht aus der Erde hervorgegangen, 
sondern kreiste in der -Proselenenzeit- als selb- 
ständiger Planet zwischen der Erd- und Marsbahn. 
Wegen seiner geringen Masse verspürte dieser ehe- 
malige Zwischenplanet den Mediumwiderstand ver- 
hältnismäßig viel stärker als Mars und Erde, seine 
Planetenbahn schrumpfte daher rascher ein als die 
Marsbahn auch heute noch einschrumpft, daber auch 
umso rascher als die Erdbahn, so daß schließlich 
Luna von der Erde eingefangen und zum Trabanten 
degradiert werden mußte. Nach noch unbestimmbaren 
Jahrhunderttausenden wird sich dieser heutige Erd- 
mond gleich seinen vier bis sechs Vorgängern auf 
der Erde auflösen und so in einem neuen, mit einer 
Eiszeit einhergehenden Kataklysmus eine 
neue geologische Hauptformation bringen, 
wie im bereits mehrfach erwähnten glacialkosmogoni- 
schen Hauptwerke ausführlich dargelegt erscheint. 
Ebenso bilden sich Doppelsterne nicht durch Ab- 
schnüren birnenförmiger Flüssigkeits-Rotationskörper 
(trotz alles rechnerischen Bluffs eine mechanische 
Unmöglichkeit), sondern durch gegenseitiges Einfangen 
von mit geradliniger Eigenbewegung belebten Fix- 
sternen. (War is war and business is business: Right 
or wrong, my country! —) 

Der geneigte Leser verzeihe diese »barbarisch«- 
chauvinistische Abschweifung vom engeren meteoro- 
logisch vorbereitenden Thema; es hängt aber dies 
allesund noch vieles andere so innig zusammen, 
wie im Verlaufe weiterer Darlegungen noch klar 
werden dürfte, daß der Leser uns auch noch andere 
Extempora gerne nachsehen wird, falls er uns gläubigst 
anhören will. Für diesmal glauben wir, die 
geologische Notwendigkeit eines kosmischen Eis- 
zuflusses zur Erde soweit plausibel gestaltet zu 
haben, daß wir uns nächstens auch der meteoro- 
logischen Notwendigkeit solchen Zuflusses und 
der Behebung der beiden restlichen, eingangs 
genannten Leserzweifel zuwenden können. Etwaigen 
sonstigen, wohl zu begründenden Zweifelsäußerungen 
aus Leserkreisen wird gerne entgegengesehen, um 
die weiteren Ausführungen anregender gestalten zu 
können. H. Hörbiger. 


Nachtrag. 


Der vorstehende Aufsatz II, eigentlich ein etwas 
verschämter glacialkosmogonischer Beitrag zur Erd- 
bebenkunde, wurde dem Herrn Chefredakteur am 
10. Janner d. J. unterbreitet. Nicht etwa der er- 
schreckende Zufall, daß drei Tage nachher durch er- 
hebliche Luftdruckschwankungen (vgl. Isobaren- und 
Windkarte über Mittelitalien und Balkan vom 11. bis 
13. Jänner) im Vereine mit verstärkten Gezeitenkräften 
(Perihelpassage der Erde am 2., Perigäumspassage 
des Mondes am 12. und Neumond am 15. Jänner) in 
Mittelitalien am 13. Jänner morgens ein Schwarm von 
innerirdischen Siedeverzugsexplosionen ausgelöst wird, 
drängt uns, auch noch die nächste Fortsetzung einer 
verstärkten Beweisführung des innerirdischen Wasser- 
verbrauches zu Erdbebenzwecken zu widmen, sondern 
die souveräne Sicherheit, mit welcher die Wiener und 
wohl auch sonstigen Tagesblätter ihren ahnungslosen 
Lesern abermals die üblichen »Aufklärungen von fach- 
männischer Seite« mit dem bekannten Märlein vom 
»Einsturzbeben« und »tektonischen oder 
Dislokations beben? vorsetzen, während die 
nackte Wahrheit schon seit Jahrzehnten teils in den 
zugehörigen Staatsinstituten antichambrieren, teils auf 
der Gasse frieren muß. Wir glauben versichern 
zu dürfen, daß selbst der bloß rein flugtechnisch 
interessierte Leser auch in der glacialkosmogoni- 
schen Erdbebentheorie auf seine Rechnung 
— weil dieser um so sicherer zur Einsicht einer not- 
wendig kosmischen Herkunft aller Ballon, 
Zeppelin und Aeroplan vernichtenden Stürme — 
kommen wird. : 


24 


Das französische 


Wie sich die Entwicklung des Luftschiff- und 
Flugwesens im Heere Frankreichs bis zum Beginn 
des Jahres 1913 gestaltet hat, dürfte auch heute von 
Interesse sein, da auf dieser Grundlage ja die weitere 
Ausbreitung in den 1½ Jahren bis zum Ausbruche 
des Krieges vor sich gegangen ist. Am 23. März 1912 
wurde ein neues Gesetz erlassen, wonach das franzö- 
sische Luftfahrwesen als selbständige »fünfte Waffe« 
aufgestellt wurde, die aus vier Luftschiffer- und drei 
Fliegerkompagnien zu je drei Offizieren und 108 Mann 
bestehen sollte, wozu noch eine Fahrerkompagnie zu 
drei Offizieren, 127 Mann und 133 Pferden trat und 
außerdem eine nach Bedarf festzusetzende Zahl von 
Luftfahrerzügen zu je einem Offizier, 60 Mann und 
7 Pferden. Es bestehen drei Luftfahrbezirke, 
Reims, Versailles, Lyon, deren jeder eine Anzahl von 
Luftfahrstationen und -Nebenstationen umfaßt. Der 
Kommandeur des Bezirkes, ein Oberst oder Oberst- 
leutnant, verfügt über einen Stab und Unterstab von 
5 Offizieren und 31 Unteroffizieren und Mannschaften. 
Die Luftfahrstation hat das luftfahrende und technische 
Personal, sowie die Bedienungsmannschaften auszu- 
bilden und das Fahr- und Kriegsgerät zu unterhalten 
und verfügt zu diesem Zwecke über eine Anzahl 
Depots und Werkstätten. Der Budgetentwurf für 1913 
sah für das gesamte Luftfahrwesen einen Betrag von 
Frcs. 37,662.476 vor, gegen 1912 ein Mehr von 
Frcs. 4,431.126 oder 12 Prozent. 

In bezug auf die Luftschiffe wurde das zu Anfang 
des Jahres 1912 aufgestellte Bauprogramm erheblich 
erweitert, statt fünf Schiffe von je 8000 m? Inhalt 
wurden solche von je 17.000 m? vorgesehen, die eine 
Länge von 110 m und einen Durchmesser von 16 m 
erhalten sollten. Sie sollten nicht nach dem starren 
System ausgeführt werden, sondern in etwa zwanzig 
durch Schotten geteilten Abteilungen mit drei Gondeln 
und einem Beobachtungsstande auf der Hülle. Die von 
ihnen zu erreichende Geschwindigkeit sollte 70 km 
in der Stunde betragen. Zu Beginn des Jahres 1913 
verfügte die Luftflotte über fünf Kreuzer von mehr als 
8000 m? Inhalt, fünf Aufklärer von 6000 bis 8000 m? Inhalt 
und drei kleinere Beobachter, von deren Vermehrung 


Leitfaden der Filmphotographie. Anleitung zur Aus- 
übung der Photographie mit Roll-, Flach- und 
Packfilms, von Friedr. Hahne. Mit 48 Abbildungen 
im Text. Photographischer Bücherschatz, Band XVII. 
Preis Mk. 2—, geb. Mk. 2°50. Leipzig, Ed. Liese- 
gangs Verlag, M. Eger. 


Das neue Werk stellt einen äußerst brauchbaren 
Ratgeber für das Gesamtgebiet der Filmphotographie 
dar. Von einem erfahrenen Fachmanne geschrieben, 
begnügt es sich nicht damit, auf jede Abteilung des 
umfangreichen Stoffes ein flüchtiges Streiflicht zu 
werfen, sondern befaßt sich mit jeder Einzelaufgabe 
eingehend, ohne dabei aber die klare Schreibweise 
auch nur stellenweise einzubüßen. Besonders be- 
achtenswert mag das erscheinen, daß die Licht- und 
Schattenseiten der Filmverwendung einer sehr ge- 
rechten und umfassenden Kritik unterzogen werden, 
sodaß sich auch der Laie über die Vor- und Nachteile 
der Films ein richtiges Urteil bilden kann. 


Der Vielseitigkeit des vorliegenden Werkes ent- 
spricht die nachfolgende Übersicht. Es beginnt mit 
der Beschreibung der Fabrikation der Kamera- und 
Kinofilms im Allgemeinen. Daran schließen sich die 
für den Amateur notwendigen Einzelbesprechungen, 
wie: Vorrichtungen zum Gebrauch von Planfilms in 
gewöhnlichen Kameras, Adaptivsysteme, Filmpack- 
kassetten. Dann folgt die Einteilung der im Handel be- 
findlichen Filmpacks und orthochromatischen Films. 
Dann eine übersichtliche Zusanımenstellung der Vor- 
züge und Nachteile, wobei auch praktische Winke zur 


Militärflugwesen. 


da ihre Aufgabe durch Flieger besser zu erfüllen sei. 
Seit 1909 wurden auch Versuche mit einem Beob- 
achtungsdrachen angestellt, der aus zwei 
Drachensystemen besteht, von denen das eine ein 
Kabel spannt, an dem der durch das zweite System 
. Beobachtungskorb bis zur gewünschten 

öhe emporgelassen werden kann. Dieser Drachen 
sollte besonders dann Anwendung finden, wenn wegen 
zu starken Windes Fesselballon, Flugschiff und Flug- 
zeug nicht aufsteigen können. An Flugzeugen besaß 
die Republik zu Anfang des jahres 1912 bereits 
208; im Laufe des jahres 1912 wurden nicht weniger 
als 84 dazu geschaffen. 1913 sollten diese in den 
Friedensdienst übertreten, während zur Ergänzung 
und Verstärkung der Kriegsreserven 454 neu zu 
beschaffende Flugzeuge vorgesehen waren. Der Aus- 
bildung der Flieger wurden große Mittel und große 
Sorgfalt zugewendet und bei der Begeisterung der 
französischen Bevölkerung für diese junge Waffe 
fehlte es keineswegs an geeigneten Personen dazu, 
der Andrang von jungen Leuten zur Fliegerausbildung 
war vielmehr erheblich stärker als der Bedarf. So 
lagen bis juni 1913 nicht weniger als 1800 Gesuche 
von Offizieren und Mannschaften vor, zu denen noch 
die große Zahl der ausgebildeten Zivilflieger kommt. 
Die Bedingungen, die ein Militärflieger zu erfüllen hat, 
sind ein Rundflug von mindestens 200 km an höchstens 
zwei aufeinanderfolgenden Tagen mit zwei Zwischen- 
landungen, zwei Uberlandflüge von mindestens 
150 km in gerader Linie innerhalb einer Woche, ein 
Höhenflug von 45 Minuten Dauer in 800 m Höhe. 
Auch die Übungstätigkeit, die die Militärflieger ent- 
falteten, war eine überaus rege, täglich fanden etwa 
250 Flüge statt. Als Ausrüstung für die Flugzeuge zum 
Kampfe kommen Maschinengewehre und Abwurfbomben 
in Betracht; von den heimtückischen Pfeilen war noch 
nicht die Rede, diese »Kulturerrungenschaft« ‘hat erst 
der Krieg gebracht. Wir sehen die Republik also 
emsig an der Arbeit, ihr Flugwesen auf eine große 
Höhe zu heben, wir wissen aber auch, daß an dem 
deutschen Flugwesen in aller Stille gearbeitet worden 
ist, so daß es dem französischen mindestens ebenbürtig, 


Vermeidung der elektrischen Entladungen gegeben 
werden. Daran reiht sich eine Beschreibung der ver- 
schiedenen Filmkameratypen und Sucher, sowie eine 
Anleitung zum richtigen Gebrauch der Sucher, um 
falsche perspektivische Verhältnisse zu verhüten. 

Der spezielle Teil des Werkes umfaßt folgende 
Punkte: Einlegen der Rollfilms, Fehler im Gebrauche, 
Flachfilmkameras, Apparate zur genauen Ermittlung 
der Belichtungszeit, Entwickeln der Rollfilms, Winke 
für das richtige Zerschneiden unentwickelter Film- 
bänder, Entwicklerrezepte und Vorrichtungen für das 
maschinelle Entwickeln und die Standentwicklung, 
Fixieren, Wässerungseinrichtungen und Trocknen der 
Roll- und Flachfilms. Sodann folgen Erfahrungssätze 
zur Beurteilung der Negative, empfehlenswerte 
Methoden zur Beeinflussung des Negativcharakters 
während der Entwicklung, sowie zur Nachbehandlung 
nicht einwandfreier Negative. Zum Schlusse wird noch 
eine Zusammenstellung der möglichen Fehlerschei- 
nungen und Winke zu deren Verhinderung oder Ver- 
besserung gegeben. 

Eine besondere Stärke des Werkes liegt auch 
darin, daß der Verfasser nicht in den bekannten Fehler 
verfallen ist, seine Arbeitsweise für die allein richtige 
zu halten, sondern die Materie in solcher Weise ab- 
gefaßt hat, daß jeder Verständige den ihm am besten 
scheinenden Weg einschlagen kann, ohne dabei die 
Führung, die das Werk bieten will, zu verlieren. Es 
kann daher jedem, der sich dieser Kunst widmet, als 
zuverlässiger Wegweiser bestens empfohlen werden. 

Ing. E. Lhotta. 


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D. 


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Sturm. 


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1/4 bewölkt; 
= Nebel; R = Gewitter; — 


Zusammen 


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— 
— 


Schnee; 


4/4 bewölkt; @ = Regen; x 


Legende: Temperatur in 0C.; Wind in Sek./m; O = klar; O 
wölkt; @ 


26 


betrug die dabei erreichte Gesamtflugdauer der Flüge 
am Felde 50 Stunden. 

Flugleistungen: Am 4. legte Zugsführer Pilot 
Karl Kulik die Feldpilotenprüfung ab, und zwar flog 
er mit einem 85 PS Doppeldecker »F. C.« in 1600 m 
vom hiesigen Flugfelde nach Médling, beschrieb dort 
drei Spiralen, flog weiter nach Fischamend und landete 
dortselbst glatt. Nach längerem Aufenthalte flog der- 
selbe nach Bruck a. d. L. und von dort auf das hiesige 
Flugfeld zurück, wo er wieder glatt landete. Prüfungs- 
kommissär war Oberleutnant Feldpilot und Kom- 


* 


Hauptmann Ludwig Leidi, welcher seit Auf- 
lösung der Verkehrstruppenbrigade der technischen 
Abteilung unserer k. u. k. Luftschiffer-Abteilung zu- 
geteilt wurde und diese seither auch leitet, wurde in 
Anerkennung seiner hervorragenden Verdienste auf 
militärtechnischem, speziell aber auf flugtechnischem 
Gebiete, aus besonderer Allerhöchster Gnade von 
Sr. Majestät zum Major befördert. Es ist dies ein 
deutliches Zeichen der Anerkennung, welche die un- 
gemein ersprießliche Tätigkeit, die Herr Major Leid! 
im Dienste unserer militärischen Flugtechnik entfaltete, 
allerhöchstenorts gefunden hat. In den Kreisen der 
österreichischen Flugtechniker und Militärflieger, in 
denen sich Herr Major Leidi zufolge seines um- 
fassenden fachlichen Wissens und seiner bewährten 
Tüchtigkeit großen Ansehens erfreut, wird diese Aller- 
höchste Würdigung gewiß nur mit größter Freude 
begrüßt werden. 


Graf Zeppelin an den k. k. Österreichischen 
Aeroklub. 


Von Sr. Exzellenz Dr. Ferdinand Grafen Zeppelin 
ist an den k. k. Österreichischen Aeroklub anläßlich 
der übermittelten Neujahrswünsche das nachfolgende 
Telegramm eingelangt: 


»Österreichischer Aeroklub, Wien. Dem Präsidenten 
des Österreichischen Aeroklub danke ich herzlichst 
für die freundlichen Glückwünsche zum Jahreswechsel. 
Ich freue mich, daß die Steigerung der Leistungen 
meiner Luftschiffe, an der ich arbeite, mittelbar auch 
unseren treuen Verbündeten nützen wird. 


Graf Zeppelin. 


Der amerikanische Aeroklub an den k. k. Öster- 
reichischen Aeroklub. 


Das nachfolgende Schreiben ist vom amerikani- 
schen Aeroklub an den k. k. Österreichischen Aero- 
klub eingelangt: 

»An das löbliche Präsidium des k. k. Österreichi- 
schen Aeroklub, Wien, Österreich. 


New-York, 8. Dezember 1914. 
Sehr geehrter Herr Präsident! 


Folgender Beschluß, der unsere Sympathie für 
die verbundenen Vereine der »Federation Aéronautique 
Internationale« ausdrückt, wurde bei der am 9. No- 
vember 1914 gehaltenen Jahressitzung des amerikani- 
schen Aeroklub einstimmig gefaßt: 

In Erwägung, daß die Reihen unserer verbrüderten 
Vereine der »Federation Aéronautique Internationale« 
sich in den großen europäischen Kämpfen gelichtet 
haben infolge der Kühnheit ihrer Mitglieder, welche 
ihrem betreffenden Vaterlande auf Kosten des eigenen 
Lebens patriotische Hilfe geleistet haben; und auch 
in Erwägung, daß der amerikanische Aeroklub in 
Übereinstimmung mit allen aeronautischen Körper- 
schaften der ganzen Welt diesen Verlust für die 
acronautische Wissenschaft sowie die verlorenen 
Beziehungen mit den Klubgenossen beweint, soll es 
demzufolge beschlossen werden: daB wir diesem 
Ausdrucke unseres Kummers in unser Jahrbuch ein- 
tragen und den Aeroklubs Belgiens, Deutschlands, 
Englands, Frankreichs, Österreich-Ungarns und Ruß- 


mandant Rich. Schuster. Am 7. legten die Korporäle 
K. Bart und A. Stojan die Pilotenprüfung ab. Am 
14. vormittags landete, aus Fischamend kommend, 
Vormeister Pilot E. Till mit Feuerwerker Gorschak 
als Beobachter aus einer Höhe von 2600 m mit 
einem 85 PS Doppeldecker. Am 27. landeten, ebenfalls 
von Fischamend kommend, Vormeister Feldpilot 
B. Takacs mit Zugsführer A. Kuszmann als Be- 
obachter aus einer Höhe von 2400 m mit einem 
90 PS Doppeldecker »B 30«. w 


s 
lands unser Beileid fiir die von ihren Mitgliedern 
erlittenen Verluste bezeigen werden, ferner der Fähig- 
keit, der Kühnheit und der Pflichttreue von so mutigen 
Luftschiffern, deren Namen in unsere Ehrenliste für 
Heldentaten eingetragen wurden, hiemit die verdiente 
Achtung zollen. 


Es soll noch beschlossen werden, daß eine mit 
den Unterschriften der Klubleiter versehene Abschrift 
dieser Beschlüsse einem jeden der verbrüderten 
Vereine der »Féderation Aéronautique Internationale« 
als ee unserer Kameradschaft übersandt werden 
muß. 

Mit dererneuten Versicherung unserer vorzüglichen 
Hochachtung verbleiben wir in aller Brüderlichkeit 


Aero Club of America: 
Howard Huntington m.p. Alan R. Hawley m. p. 


Sekretär. Präsident.« 
* 


Der Aeroklub hat hierauf an den Aero Club of 
America das folgende Antwortschreiben gerichtet: 


»An das löbliche Präsidium des Aero Club of 
America. 


Sehr geehrter Herr Präsident ! 


Wir erhielten Ihr sehr geschätztes Schreiben vom 
8. Dezember 1914 und danken verbindlichst für die 
uns in schwerer Kriegszeit übermittelte Sympathie- 
kundgebung, welche in Ihrer Jahressitzung vom 
9. November 1914 gefaßt wurde. 


Nicht minder danken wir für die unseren Flieger- 
mitgliedern gewidmeten Worte der Anerkennung und 
Ehrung für deren heldenhafte Leistungen. 


Wir versichern Ihnen bei diesem Anlasse, daß 
die freundschaftlichen Gesinnungen, welche wir fiir 
die Biirger Amerikas und insbesondere fiir unsere 
dortigen Sportsgenossen hegen und von welchen sich 
Tausende Ihrer Landsleute durch die gastliche Auf- 
nahme, die sie bei uns finden, so oft überzeugt haben, 
auch durch die kriegerischen Ereignisse nicht gelitten 
haben, freuen uns, daß wir auf die gleichen Sym- 
pathien bei Ihnen rechnen können und bitten, daß Ihr 
geschätzter Klub als Dolmetsch unserer herzlichen 
Gefühle auch ferner fungieren möge. 

Als Gegenstück zu diesen unseren Gesinnungen 
für unsere Sportgenossen diene das Verhalten des 
französischen Aeroklub, welcher unsere und unseres 
Verbündeten Mitglieder aus seinem Kłub ausge- 
schlossen hat. Wir sind dem französischen Aeroklub 
auf dieses Gebiet seiner fragwürdigen Heldentat und 
seines unsportmäßigen Vorgehens nicht gefolgt und 
glauben hiedurch die Sympathie bei allen Sport- 
genossen nur gekräftigt zu haben. 

Indem wir Ihnen zum Jahreswechsel die herz- 
lichsten Glückwünsche für die gedeihliche Entwicklung 
ihres Klub und für das Wohl aller Mitglieder ent- 
bieten, zeichnen wir in aller Freundschaft und Hoch- 
achtung 


Das Präsidium des k. k. Österreichischen Aeroklub: 


Rudolf Hubel m.p. Alfred v. Strasser m. p.“ 
Schriftführer. 


Wo sind die russischen Flieger? Der Kriegs- 
korrespondent des »Berliner Tageblatt«, Haupt- 
mann a. D. Förster, berichtet von einem Besuch bei 
den deutschen Fliegern in Polen: »In Automobilen, mit 
denen uns eine in der Nähe untergebrachte Flieger- 
abteilung in überaus liebenswürdiger Weise abholen 
ließ, fuhren wir hinaus zum Flugplatz, wo in wasser- 
dichten, sehr geräumigen Zelten die »Rumpler-Tauben« 
untergebracht sind und sorgsam behütet werden. Im 
Frühjahr des verflossenen Jahres, als noch niemand 
an einen Weltkrieg dachte, saß ich im fernen Süden, 
unter Ägyptens sengender Sonne, mit einem zur Ge- 
nesung von schwerer Krankheit dort weilenden 
schwedischen Offizier zusammen. Wir sprachen vom 
Geist im deutschen Heere, das der Nordländer genau 
kannte. Da sagte er mit schlichtem Ernst, aus dem 
volle Überzeugung sprach: »Eure Offiziere sind 
zu schade für den Frieden Die gehören 
in den Krieg.“ An dieses Wort mußte ich heute 
denken, als ich die Fliegeroffiziere sah, frisch, trotz 
ihrer nervenangreifenden Tätigkeit und begeistert für 
ihre verantwortungsvolle Aufgabe. Jeden Abend, oft 
recht spät erst, erfährt der Führer der Fliegerabteilung, 
ob sich die Stellungen der kämpfenden Truppen ver- 
schoben haben, sowie die Absichten der Führung für 
den nächsten Tag. Auf Grund dieser Nachrichten 
erteilt er dann den Flugzeugführern und Beobachtern 
die Aufträge. Besondere Wünsche der Truppenführer 
werden natürlich dabei sehr berücksichtigt. Zumeist 
handelt es sich wohl darum, die geschickt eingedeckten 
Artilleriestellungen des Feindes zu erkunden oder die 
Treffwirkung unserer Batterien im Ziel zu beobachten. 
Signale, mit Leuchtpistolen abgegeben, deren Be- 
deutung natürlich streng geheimgehalten wird, künden 
an, ob die Schüsse im Ziele sitzen oder nicht, und 
wie unsere Feuerwirkung zu verbessern ist. Häufig 
auch wagen sich die Flieger sehr weit nach vorne, 
um die Versammlung des Feindes oder Anmarsch und 
Aufstellung von Reserven in Erfahrung zu bringen. 
Schon mancher Offizier ist für eine so heldenmütige 
Erkundung, die oft ausschlaggebend für die Operationen 
vieler Tage war, ehrenvoll ausgezeichnet worden. 
Auch bei der Abteilung, die wir besuchten, schmückte 
mehrere Offiziere das Eiserne Kreuz erster Klasse. 
Man zeigte uns die gefürchteten Fliegerbomben und 
erklärte uns ihre Wirkung. Wie liebenswürdig unsere 
Flieger auch Feinden gegenüber sein können, beweist 
folgende kleine Geschichte: Ein russischer Major vom 
Infanterie-Regimente Nr. 159 war in den Kämpfen an 
der Rawka, nicht allzuweit von hier, gefangen ge- 
nommen worden und mit ihm ein zarter, hübscher, 
noch sehr junger Soldat, der sich bald — als seine 
sechzehnjährige Tochter entpuppte. Beide wurden mit 
aller nur möglichen Schonung behandelt und schrieben 
auf Veranlassung der Offiziere eines höheren Stabes 
zwei Briefe: einen an die Gattin und Mutter, um sie 
über das Schicksal ihrer Lieben zu beruhigen und 
einen an das Regiment Nr. 159 mit der Bitte, den 
ersten Brief an seinen Bestimmungsort zu befördern. 
Tagsdarauf schraubte sich einer unserer Flieger- 
offiziere empor in die Luft und warf die Briefe über 
der russischen Stellung ab. Wo sind nun aber die 
russischen Flieger? Von ihren Riesenapparaten 
machte man eine Zeitlang viel Aufhebens. Sie ver- 
sagten vollkommen und man hört nichts mehr von 
ihnen. Auch ihre kleineren Flugzeuge sind verschwunden. 
Und der Grund hiefür? Die Russen haben viele 
ihrer eigenen Aeroplane selbst herunter- 
geholt — so groß war die Angst vor den »Tauben«! 
Es wurde deshalb der Befehl erlassen, daß auf 
Flugzeuge überhaupt nicht mehr ge- 
schossen werden dürfe. Allerdings ist es auch 
schwer und bei stärkerem Nebel oft ganz unmöglich, 
selbst bei nicht allzu hohem Fluge die Nationalitäts- 
abzeichen der Apparate zu erkennen. Dieser Befehl 
wurde, wie festgestellt werden konnte, erst wieder 
aufgehoben, als die deutschen Flieger in bedrohlicher 
Anzahl über den russischen Stellungen kreisten. 


27 


Krieg und Technik. Um eine vom Geheimen Rat 
Dr. W. Exner ausgehende Aktion zur Versorgung 
von Kriegsinvaliden mit Prothesen wirksam zu fördern, 
wird gemeinsam vom Technischen Museum für 
Industrie und Gewerbe und der Wiener Urania eine 
Vortragsreihe über »Krieg und Technik- veranstaltet, 
deren Reinertrag zur Anschaffung künstlicher Glied- 
maßen für Verstümmelte dient. Diese Lichtbilder- und 
Experimentalvorträge, für welche hervorragende Fach- 
leute in. dankenswerter Weise ihre Mitwirkung zu- 
gesagt haben, werden ab 12. Jänner jeden Dienstag, 
abends ½ 8 Uhr, an der Wiener Urania nach dem 
folgenden Programme abgehalten: 


12. Jänner: Einleitung von Exzellenz Dr. W. Exner 
und Vortrag von k. u. k. Generalmajor 
Albert Edlen v. Obermayer: »Die 
30°5 cm-Motorbatterien«. 

Dr. Max Bamberger, o. 6. Professor 
an der k. k. Technischen’ Hochschule: 

» Explosivstoffe«. . 

9. Februar: k. u. k. Oberintendant Johann Schubert, 
Vorstand der 12. Abteilung des Kriegs- 
ministeriums: »Verpflegung im Kriege«. 

16. Februar: k. u. k. Linienschiffsleutnant Emil von 
Descovich: »Der Seekrieg«. 

23. Februar: Generaldirektor Alexander Cassinone: 
»Die Luftfahrt im Kriege«. 

2. März: Dr. Julius Tandler, o. d. Professor, 

Vorstand der I. anatomischen Lehrkanzel: 

»Wie können Schäden am menschlichen 

Bewegungsmechanismus gutgemacht 

werden ?. 

Dozent Dr. Rudolf Aberle Ritter von 

Horstenegg: »Künstliche Gliedmaßen 

für Kriegsverwundete«. 

Dr. Julius Miesler, Prokurist der Firma 

Siemens & Halske: »Die Aufgaben der 

Elektrotechnik im Kriege«. : 

k. u. k. Geheimer Rat Dr. W. Exner: 

»Krieg und Technik«. 


Unscre P. T. Mitglieder werden hiemit eingeladen, 
sich vollzählig an dieser humanitären und patriotischen 
Veranstaltung zu beteiligen, da diese Kriegsvorträge 
einem wichtigen Zweige der Invalidenfürsorge zugute 
kommen und überdies auch die grundlegende Be- 
deutung der Technik für das Kriegswesen der Öffent- 
lichkeit vor Augen führen sollen. Karten zu den 
einzelnen Vorträgen sind ab 2. Jänner 1915 an den 
Kassen der Wiener Urania zu K 2°10 und K 1°06 er- 
hältlich. Außerdem werden dort auch Abonnements 
mit 20 Prozent Preisermäßigung für die erste, und 
zweite Hälfte der Vortragsreihen abgegeben. Ande- 
rungen im Vortragsprogramm bleiben vorbehalten. 

Deutsche Flugzeuge über Dünkirchen. Vier 
deutsche Flugzeuge haben am 30. Dezember v. J. eine 
halbe Stunde lang Bomben auf die Gebäude der Stadt 
abgeworfen, wobei 15 Personen getötet und 32 ver- 
wundet wurden. Die Truppen feuerten auf die Flug- 
zeuge, die jedoch entkamen. Ein ausführlicher Bericht 
der »Daily Mail« über den Angriff deutscher Flugzeuge 
auf Dünkirchen besagt: »Am 30. Dezember warfen 
sieben Flugzeuge Bomben auf die Stadt ab. In allen 
Stadtteilen wurden die Explosionen gehört. Kaum war 
ein Flugzeug verschwunden, erschien ein anderes. 
In der ganzen Stadt krachte Gewehrfeuer, das auf die 
Flugzeuge eröffnet wurde, die explodierende Bomben 
auswarfen, die dicke schwarze Rauchsäulen hervor- 
riefen. Viele Häuser wurden beschädigt. Nach allen 
Richtungen flogen die Scherben springender Fenster- 
scheiben. An einer Stelle wurde das Geleise der 
Straßenbahn mitten durchschnitten. Die erste Bombe 
fiel auf die befestigte Stellung, zwei andere in der 
Nähe der Bahnstation, die vierte in die Rue Caumartin, 
die fünfte in die Küche des Militärlazaretts, die nächste 
beim Rathaus in der Rue St. Pierre und Rue Nieuport, 
die letzte in der Nähe des Arsenals; zwei Bomben 
fielen in der Vorstadt Rosendaal auf eine Fabrik. 


26. Jänner: 


9. März: 
16. März: 


23. März: 


28 


Auch die Bezirke Oudekerque und Veurne wurden 
getroffen. Viele Personen wurden schwer verletzt; 
die Leichen sind schrecklich verstümmelt. Die Bomben 
waren mit Kugeln gefüllt, die die Mauern verschiedener 
Gebäude siebartig durchlöcherten. Ein deutsches Flug- 
zeug kreuzte als Wache außerhalb der Stadt und 
nahm nicht an dem Überfall teil, sondern hielt sich 
offenbar bereit, etwaige feindliche Flieger abzuwehren. 
Ein österreichischer Schleifenflieger. Der 
Feldpilot Oberleutnant Hans Mandl, der sich durch 
seine großen Uberlandfliige Wien—Graz—Laibach 
in die erste Reihe unserer Österreichischen Flieger 
gestellt hat und auch im gegenwärtigen Feldzuge 
gegen Rußland mehrere hervorragende Fliegerleistungen 
ausführte, weilte kürzlich in Deutschland, wo er 
Gelegenheit hatte, auf einem deutschen Flugzeuge 
Probeflüge auszuführen. Bei einem dieser Flüge ver- 
suchte er auch einen Schleifenflug, der ihm so 
gui gelang, daB er dann in unmittelbarer Folge 13 
chleifenflüge ausführen konnte. Oberleutnant Mandl 
ist damit der erste österreichische Schleifenflieger, 
a Erfolg, der seine hervorragende Tüchtigkeit be- 
weist. 
Das rettende Flugzeug in Tsingtau. Nach 
Petersburger Meldungen ging ein deutsches Flugzeug 
noch vor der Übergabe dieser chinesischen Kolonie 
in dem 28 km nördlich von Tsingtau gelegenen Peikou 
nieder, dem ein Offizier entstieg. Es gelang diesem 
kühnen Piloten, sich nach Peking durchzuschlagen. 
Die Fahrt eines englischen Hydroplans. In 
Ymuiden wurde der vermißte englische Flieger 
Hewlett, der am englischen Angriff auf Cuxhafen am 
ersten Weihnachtstag teilgenommen hat, vom hollän- 
dischen Dampfer »Maria van Hattum« eingebracht. 
Sein Flugzeug war auf der Höhe von Helgoland auf 
See niedergegangen. Nach sechs Stunden des Umher- 
treibens wurde er am ersten Weihnachtstag früh vom 
genannten Dampfer aufgefischt. Er wartete vergebens 
einige Zeit auf Sicht eines englischen Kriegsschiffes, 
ließ dann sein Flugzeug sinken und ging auf den 
Dampfer über. Hewlett ist jetzt in Ymuiden beim 
englischen Vizekonsul untergebracht und wird in 
einigen Tagen nach England zurückkehren. Nach 
anderer Meldung ist Hewlett in der Bucht von 
Helgoland am ersten Weihnachtstage aufgestiegen 
und, längs der dänischen Küste fliegend, in dichten 
Nebel geraten. Dabei passierte er Cuxkafen und flog 
ein Stück nach Deutschland hinein. Er flog dann in 
nordöstlicher Richtung zurück und entdeckte angeb- 
lich einen Zeppelinschuppen, ging auf 200 m Höhe 
nieder, warf Bomben, wurde sofort heftig beschossen 
und flog wieder seewdrts, um das englische 
Geschwader zu erreichen. Bei Helgoland sah er ein 
deutsches Geschwader, ging nieder und warf wieder 
Bomben. Eine davon soll auf ein großes Schiff 
gefallen sein. Die Wirkung konnte er aber nicht 
beobachten. Als er weiter sein englisches Geschwader 
suchte, bekam er Motordefekt und mußte aufs Wasser, 
wo er umhergetrieben wurde, bis der Dampfer ihn fand. 
Die englische Wasserflugzeugflotte. Der 
»Temps« veröffentlichte Mitteilungen über die englische 
Wasserflugzeugflotte, deren Organisation verhältnis- 
mäßig neu ist und erst seit wenigen Monaten besteht. 


Erst nachdem Churchill bein Marinebudget für 


die Luftflotte eingetreten war, nahm sie eine starke 
Entwicklung. Nach dem »Temps« verfügt England 
heute über 103 Flugzeuge, darunter 62 Wasserflug- 
zeuge, über 120 ständige Flieger und 20 besonders 
ausgebildete Offiziere. Längs der Küste sind fünf 
Stationen für Wasserflugzeuge angelegt. Es wird 
angenommen, daß die englische Luftflotte zu Ende 
des Jahres 180 Offiziere und 1500 Mann zählt. Für 
die Ausbildung von Fliegern wurden allein fünf 
Millionen Francs, für den Bau und Unterhalt der Flug- 
zeuge neun Millionen vorausgabt. 

Vorkehrungen gegen deutsche Flugzeuge in 
Frankreich. Lyoner Blättern zufolge beschloß die 
Stadtverwaltung im Einverständnis mit den militärischen 
Behörden, die Beleuchtung der Brücken- und Hafen- 
anlagen künftig von 9 Uhr abends an zu untersagen. 


Der Bürgermeister erklärte, die Bevölkerung brauche 
deswegen nicht beunruhigt zu sein. Da on ein 
militärisch wichtiger Punkt sei, müßte diese Maßregel 


getroffen werden, um die Bevölkerung zu schützen. 

Ein französischer Lenkballon bei Koblenz 
niedergegangen. Am Neujahrsabende ist auf der 
Grube »Idylle« bei Kruft ein französischer Lenkballon 
niedergegangen. An der Landungsstelle fand man 
französische Karten, Instrumente, ein Signalhorn sowie 
eine deutsche und eine französische Flagge. Das 
Bezirkskommando, das sofort Mitteilung erhielt, 
entsandte 200 Mann, die den Ballon nach Koblenz 
verluden. Der Lenkballon ist ungefähr 18 bis 20 m 
lang und hat einen Durchmesser von 4 bis 5 m. Eine 
Gondel ist nicht vorhanden. 

Die neue Kriegsnummer des Motor (No- 
vember-Dezember-Heft 1914, Verlag Gustav Braun- 
beck, Ges. m. b. H., Berlin W. 35, Lützowstraße 
Nr. 102/104, Preis Mk. 1—) ist soeben erschienen. 
Aus dem Inhalte: Automobil-Kriegsfahrten in 
Belgien und Frankreich (illustriert). — »Monsieur 
Taube«. Die deutschen Fliegerangriffe auf Paris 
(illustriert). — Englische Flugangriffe in Deutschland. 
— Die österreichischen Motorbatterien (illustriert). — 
Ein englischer »Gentleman«-Flieger. — Die englische 
Angst vor Luftfahrzeugen. — Die Jagd auf Flieger 
Son — Flieger - Weihnachten. Aufruf zur 

ammlung von Liebesgaben für die im Felde stehenden 
Flieger. — Das kriegerische Automobil (illustriert). — 


Flugerlebnisse in Feindesland (illustriert). — Im 
Zeichen des Eisernen Kreuzes. — Allerlei Kriegs- 
abenteuer deutscher Flieger. — Eine hochherzige 


Stiftung. — Der Luftkrieg. Von Tag zu Tag 
(illustriert). — Neue Firmen. — Veränderungen. Das 
rächtig illustrierte, umfangreiche Heft schildert eine 
Reihe von kriegerischen Automobilfahrten in Feindes- 
land, Panzerautomobile und Panzermotorboote treten 
auf und vor allem wird der Krieg in den Lüften 
durch prächtige Schilderungen eingehend dargestellt. 
Unter dem Titel »Monsieur Taube« werden die 
deutschen Flugangriffe auf Paris zusammengestellt 
und eine Reihe interessanter Illustrationen aus aus- 
ländischen Zeitschriften wird bei dieser Gelegenheit 
im »Motor« wiedergegeben. Ein besonderer Artikel 
ist den österreichischen Motorbatterien gewidmet, 
die den Deutschen so gute Dienste im Westen 
leisteten. Auch die Taten englischer Flieger werden 
eingehend und anschaulich geschildert. 


VATENTE 


Muster- und Markenschutz in allen Ländern 


erwirkt 


Ing. J. FISCHER, Patentanwalt 


Wien, I. Maximilianstrasse Nr. 5. 
Seit 1877 im Patentfache tätig. 


Herausgegeben vom: »K. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein«. — Verantw. Red.: in Vertretung Fritz Ellyson. 
Druck von Otto Maaß’ Söhne, Wien I. 


FLUG-ZEITSCHRIFT 


Herausgegeben von dem unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Majestät des 
Kaisers und Königs stehenden k. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein. 


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Manuskripte werden nicht zurückgestellt. Der Nachdruck 88 Angenommene Beiträge werden honoriert. Die Verfasser ; 
von Artikeln und Abbildungen ist nur mit Quellenangabe & sind für Form und Inhalt der von ihnen eingesandten 
und Zustimmung der Redaktion gestattet. 88 Artikel und Abbildungen verantwortlich. 


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ERSCHEINT ZWEIMAL IM MONAT. 
Nr. 3,4 Februar 1915 IX. Jahrgang 


Inhalt: Der deutsche Luftangriff gegen England. — Von der enghechen Luftflotte. — Graphostatik mit besonderer Beriick- 

sichtigung der Fachwerke. — Der Aeroplan im Kriege, von Major W.S. Brancker. — Glacialkosmogonische Beiträge zur Physik 

der Atmosphäre und der Sonne, von H. Hörbiger, Maschineningenieur und Privatastronom. — Glacialkosmogonische Beiträge 

zur Erdbebenforschung, von H. Hörbiger. — Die Bilanz der deutschen Nationalflugspende. — Geschützdonner als Echo von 

der Hochatmosphäre, von Wilhelm Krebs. — Flugfragen und AU SE STUNESAUESICHTEN: von Wilhelm Krebs. (Holsteinsche Wetter- 

und Sonnenwarte Schnelsen.) — Die Luftfahrt im Kriege, von Major d. R. Franz Hinterstoißer. — Armierte und gepanzerte Flug- 
zeuge, von Fritz Lichtenstern, Wien. — Bücherbesprechung. — Chronik. 


Chefredakteur: Ing. A. Budau, o. 6. Professor der k. k. Technischen Hochschule in Wien 


Redakteur für den offiziellen und wissenschaftlichen Teil für die Dauer der Abwesenheit der Herren Oberst 
Wilhelm Suchomel und Ing. Adolf Janisch: Fritz Ellyson 


Unter Mitwirkung von: 


PAUL BELLAK Dr. A. HILDEBRANDT RICHARD KNOLLER ROBERT POLLAK LUDWIG SCHMIDL 
Prokurist, Wien Luftschifferhauptmanna.D., Ing., Professor a.d. k.k. RITTER v. RUDIN k. u. k. Rittmeister, Wiener- 
FELIX BRAUNEIS Berlin Techn. Hochschule, Wien Ingenieur, Wien Neustadt 
Ingenieur, Wien F. HINTERSTOISSER W. KREBS J. POPPER-LYNKEUS LEOPOLD SCHMIDT 
Dr. Ing. WALTER FREIR. k. u. k. Major, Wien Feier ger ne Ingenieur, Wien Ing., Prof., Wr.-Neustadt 
v. 
Konstrukteur an der k. k RAOUL HOFFMANN USTAV E. MACHO STEPHAN POPPER KARL TINDL 
Techn. Hochschule, Wien Ingenieur, Wien GUS — ie OLZ Ingenieur, Wien Ing., Konstrukteur a.d.k.k. 
are o o , „eee e, MUGOL.NIKEL | FRANZ REBERNIGG nn ma Wie 
. k. Hofrat, o. ö. „an k.k. Oberinspektor, König- . NEE ; 1083 WILHELM TRABERT 
der l. k. Technischen Hoch- grätz k.k. techn. Ob.-Offiz., Wien Ing. „Kommissär des k. k. „Professor, Direktor der 
Dr. F. JUNG HANS F. v. ORELLI entralanstalt für Meteoro- 
F Plugmaschinened Professor a. d. k. k. Tech- Schriftsteller, Wien UU 
Konstrukteur, Wien nischen Hochschule, Wien STEPHAN PETROCZY der Autoplanwerke, Wien Dr. C. WIESELS- 
1GO ETRICH D. W. KAISER v. PETROCZ BERGER 
Großindustrieller, Ober- Kapitänleutnant a. D., k. u. k. Luftschifferhaupt- Dipl. Ing. C. SCHMID Assistent an der Universität 
altstadt Charlottenburg mann, Wien Lindenberg in Oöftingen 


Der deutsche Luftangriff gegen England. 


England kann nur in England selbst bezwungen | das bereits landeinwärts gelegene Sandringham, etwa 
werden, das war die Überzeu ung, zuder Napoleon | 15 km nordöstlich von NEE ol mit dem bekannten 
gommen als ihm seine Feldzüge in Ägypten und | englischen Königssitz. Nach einer amtlichen englischen 

yrien gezeigt hatten, daß es mit einer Bedrohung | Meldung sind aber noch andere Orte von dem Luft- 
Englands in Indien auf diesem Wege nichts sei. Von | angriffe betroffen und mit Bomben beworfen worden. 
dem gleichen Gedanken ist jedenfalls nicht nur die | Wie stark das deutsche Angriffsgeschwader gewesen, 
oberste deutsche Heeresleitung, sondern auch die ge- | läßt sich vorläufig auch nur erraten. Nach englischen 
samte Öffentliche Meinung, ja ganz Deutschland be- ! Angaben sollen es sechs Zeppelin-Ballons gewesen 
herrscht. Und aus solchen Erwägungen heraus ist dieser | sein, die zuerst vereinigt flogen, sich aber dann 
erste Luftangriff gegen England entstanden, von dem | bei ihrer Annäherung gegen die Küste trennten und 
übrigens schon lange Zeit, nicht amtlich, aber im ge- | nach Norden und Süden wandten. Ebenso weiß man 
samten deutschen Lande herum, die Rede gewesen | noch nicht, von welchem Luftschiffhafen aus sie auf- 
und der schon lange mit Sehnsucht erwartet worden geflogen sind. 
ist. Soweit sich bis jetzt bestimmen läßt, sind fünf olländische Fischerdampfer wollen von dem 
englische Städte von diesem kühnen Angriffe betroffen | westlich von Amsterdam gelegenen Ymuiden aus eine 
worden. Anzahl Luftschiffe gesehen haben, die mit weitab see- 

Yarmouth, ungefähr 150 km nördlich der Themse- | wärts liegendem Kurse geflogen kamen. Dies spricht 
mündung, gegen das bereits einmal ein deutscher | mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür, daß das Ge- 
Flottenraid gerichtet gewesen ist, Sheringham und | schwader irgendwo an der deutschen Nordseeküste 
Cromer, zwei Küstenpunkte, die von Yarmouth aus | zu seinem Raid aufgestiegen ist. Es hätte somit ohne 
50 km weiter nach Nordwesten gelegen sind. Kings- | Zwischenlandung eine Entfernung von 1200 bis 1500 
lynn, das sich an der The Wash genannten Einbuch- ! Kilometer zurückgelegt. Allerdings konnte es auch in 
tung westlich von Yarmouth befindet. Und endlich | Gent, Antwerpen oder Briissel aufgestiegen sein, so- 


30 


fern die schon lange herumgebotenen Nachrichten auf 
Wahrheit beruhen, daß in einer dieser Städte ein 
Luftschiffhafen eingerichtet worden ist. 

Der angerichtete Schaden scheint nur in Yarmouth 
etwas bedeutender gewesen zu sein. Wahrscheinlich, 
weil hier sichtiges Wetter herrschte. Französische 


isolierende und schützende Kraft eingebüßt, seitdem 
erwiesen ist, daß das englische Inselland auch auf 
dem Luftwege erreicht werden kann und die dabei be- 
teiligten Luftschiffe nicht einmal zu Schaden kommen. 

ei dem ersten Versuche wird es nicht bleiben. 
Es werden andere folgen. Jeder weitere Versuch wird 


Berichte sprechen von fünf Toten und zehn Schwer- | sich die Erfahrungen seiner Vorgänger zunutzen 


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Kartenskizze zum deutschen Luftangriff. 


verwundeten. Aber der angerichtete materielle Schaden 
will vorläufig wenig bedeuten. Mehr ins Gewicht fällt, 
daß alle Luftschiffe wieder unbeschädigt 
zurückkehren konnten. 

Vor allem kommt aber die moralische Seite 
dieses ersten deutschen Luftangriffes 
in Betracht und diese muß sehr hoch 
angeschlagen werden. Das Meer hat seine 


ziehen, berechnender angelegt und darum erfolgreicher 
sein. Gelingt es der britischen Heeresleitung nicht, 
sich dieser Angriffe so oder anders zu erwehren, so 
ist eine stete Beunruhigung der Bevölkerung und 
damit eine Diskreditierung der eigenen Verteidigungs- 
einrichtungen unausweichlich, die sich unter Um- 
ständen bis zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung 
steigern kann. N. Z. Z. 


Von der englischen Luftflotte. 


Der erfolgreiche Raid deutscher Lenkballons 
und Flugzeuge nach England hat unter anderem auch 
zu dem für Eingeweihtere keineswegs überraschenden 
Ergebnisse geführt, daß die gesamte englische Luft- 
flotte, deren wirkliche Größe und Zusammen- 
setzung momentan nicht kontrollierbar ist, ihre 
ganze Aktionsfähigkeit eingebüßt hat. Für den Ferner- 
stehenden, der stets nur gehört haben mag, daß 
England in technischen Dingen fast immer die 
Hegemonie inne hatte, mag es daher merkwürdig 
klingen, wenn er vernimmt, daß die vorhandenen Luft- 
schiffe und Flugmaschinen im gegenwärtigen Kriege, 
wörtlich genommen, nur »zu Lokaldiensten« 
verwendet werden und daß ihr Hauptverwendungs- 
zweck nurinder Sicherung derenglischen Haupt- 
stadt besteht, die, gleich Paris, ständig von einer 
ns Kette fliegender Ein- und Doppeldecker und 

enkballons umgeben ist, deren Insassen die ver- 
antwortungsvolle Aufgabe zufällt, peinlich nach etwa 
sich nahenden feindlichen Luftmonstren zu fahnden. 
Zu einer kraftvollen, energischen Abwehr scheinen 
sich also die Organisatoren der englischen Militär- 
aviatik nicht entschließen zu können und dies aus 
guten Gründen. Es ist an dieser Stelle schon des 
öfteren darauf hingewiesen worden, daß der eng- 
lischen und stellenweise auch der französi- 
schen Militäraeronautik und -aviatik jener Zug ins 
Große fehlt, der, gepaart mit klarer Erkenntnis und 


Beurteilung der militärisch wichtigen Leitlinien, 
der deutschen Luftfahrt zu einem so grandiosen 
Triumphzuge in Feindesland verholfen hat. 

Den Grund zu dem, was man unter einer eng- 
lischen Luftflotte versteht, hat der frühere englische 
Kriegsminister Colonel Seely gelegt, der für die 
Fragen der militärischen Luftfahrt wohl einiges Ver- 
ständnis bekundet hat. Die Organisation oblag dem 
Brigadier-General Henderson, der in Salisbury 
Plain das Hauptzentrum des militärischen Flugwesens 
errichtete. Die Industrie des Landes wurde in 
der ersten Zeit so schwach beschäftigt, daß einzelne 
Firmen sich zur Schließung ihrer Betriebe veranlaßt 
sahen. Erst als der erste Lord der englischen Admiralität 
Winston Churchill heftig für die Förderung des 
militärischen Luftfahrwesens eintrat, begannen 
bessere Zeiten für die Industrie. In erster Linie war 
es neben Grahame Claude White, Sopwith, Short 
und A. V. Roe die Royal Aircraft factory in 
Farnborough, die sich zahlreicher Aufträge erfreute, 
zumal sie auch den Bau kleiner Lenkballons aufnahm. 
Letztere scheinen eine besondere Spezialität Englands 
zu sein. Denn schon im Jahre 1912 trat ein englischer 
Konstrukteur, namens illows, mit einer Lenk- 
ballonkonstruktion hervor, die damals ob ihrer 
zwergenhaften Dimensionen viel Aufsehen erregte und 
auch von der Heeresverwaltung angekauft wurde. Das 
hervortretendste Charakteristikon dieses Ballons war 


dessen torpedoartige Gondel, ORT FT re N 
die kaum Platz für zwei Personen ö * eee 
bot, die die Führung des Ballons | WR A 


in halb liegender Stellung bewerk- k | 3 
stelligen mußten. Zum Antriebe der 77 , l 3 
beiden Luftschrauben diente ein 
15 PS luftgekühlter Zweizylinder- 
motor, der an der Stirnseite der 
Gondel geschickt eingebaut war. 
Bald stellte es sich heraus, daß die 
Handhabung dieses in minimale 
Bestandteile zerlegbaren Ballons 
zwar ungemein einfach war, dieser 
selbst aber einen viel zu geringen 
Aktionsradius und eine viel zu 
kleine Nutzlastkapazität besaß, um 
mit den Konstruktionen anderer 
Heeresverwaltungen in einen auch 
nur halbwegs ebenbürtigen 
Wettkampf treten zu können. 


So schritt denn die englische 
Regierung an den Bau eines spe- 
ziellen Kriegsluftschiffes 
halbstarren Systemes, der 


Fig. 1. Englisches Prall-Luftschiff der Gamma-Klasse. 


weniger bewährten Beta-Klasse zeigt. Dem Vernehmen 
nach sollen Luftschiffe der Delta-Klasse in dem jetzigen 
Abwehr-, resp. Lauerdienste um London eine aus- 
pa Verwendung finden, weshalb eine kurze 

harakterisierung, soweit sie eben auf Grund der uns 
erreichbaren Daten möglich ist, interessieren dürfte. 
Die Luftschiffe der Delta-Klasse sind vom un- 
starren Typ. Der aus Kontinental-Ballonstoff her- 
rei Körper faßt ca. 180.000 Kubikfuß Gas. Zum 

ntriebe dienen zwei aneinander ee Motoren, 
die eine Gesamtleistung von 210 PS entfalten und dem 
Ballon eine durchschnittliche Stundengeschwindigkeit 
von 44 englischen Meilen erteilen. 

An dem Ballonkörper hängt mittels Stahlkabeln 
die 8m lange Gondel, deren Form jener eines 
Motorbootes nachgebildet erscheint. Vor dem fixen 
Sitze des Lenkers (Steuermannes) befindet sich eine 


Fig. 2. Gondel mit Propellerwelle eines 
Delta-Luftschiffes. 


»Mayfly<, deren Ende (Zusammen- 
knickung und Absturz aus geringer 
Höhe beim Abflug) unseren Lesern 
ja bekannt sein dürfte. Praktisch be- 
währt, insofern man hier nämlich von 
einem »Bewähren« reden kann, 
haben sich eigentlich bloß die Luft- 
schiffe der Gamma- und Delta-Klasse, 
hergestellt von der Royal Air- 
craft factory in Farnborough. 
Beide Typen sind von fast gleicher 
Größe und unterscheiden sich ober- 
flächlich nur durch die verschiedene 
Bauart der Gondel und deren Auf- 
hängung am Ballonkörper. Während 
die Luftschiffe der Gamma-Klasse 
einen langen, vierkantigen und an 
den Stirnseiten sich konisch ver- 
jüngenden Gordelrumpf aufweisen, 
der aus Stahlrohr hergestellt und 
dessen hintere Hälfte mit Leinwand 


überzogen ist, besitzen die Luftschiffe N a mine f * 

der Delta-Klasse einen ganz kurzen, PRS Fa Zu Pen Ze er‘ D Y 

mehr Ähnlichkeit mit einem Motor- e i 1 a: Be * 
bootrumpfe zeigenden Gondelkörper. . | ay’ 28 à 


Ersterer ist aus Fig. 1 ersichtlich, ' l | a Bina ee ar * 
die ein Gamma-Luftschiff über dem JPE S A n Fra. 
Flugfelde Lark Hill zeigt, letzterer EE = ap A ER 
aus Fig. 2, während Fig. 3 ein Drei- 
viertelprofil eines Luftschiffes der Fig. 3. Englischer Prallballon der Beta-Klasse. 


Fig. 4. Spritzwand der Gamma-Gondel. 


Art Spritzwand (Fig. 4) mit den wichtigsten Instru- 
menten, sowie eine Steuerung, analog einer Flugzeug- 
steuerung. Zu Füßen des Lenkers befinden sich zwei 
Kupplungspedale für beide Motoren, sowie Gasdrossel- 
pedale zur Regulierung der Tourenzahl. Kompaß, 
Aneroid, Inklinometer und sämtliche anderen nautischen 
Instrumente sind übersichtlich auf der vorerwähnten 
Spritzwand installiert, die überdies durch ein C. A. V.- 
Batteriesystem elektrisch beleuchtet werden kann. 
Seitlich vom Lenkerplatze befindet sich noch ein zweites 
Steuerrad, durch dessen Vermittlung die Propeller- 
drehebene geändert werden kann (ähnlich wie beim 
Lenkballon »Austria« zumZwecke der Steuerung). 
Über der Mitte des Gondelkörpers läuft quer eine 
kräftige Stahlrohrachse, die der Welle der Luftschrauben 


Fig. 5. Skizze des »B E 2«-Doppeldeckers. 


als Lager dient. Die Versteifung dieser Stahlrohrachse 
gegenüber dem Gondelgerüste erfolgt durch vier 
kräftige Vertikalstützen aus Stahlrohren. An den 
äußersten Enden dieser Welle rotieren die beiden aus 
je zwei einzelnen Luftschrauben bestehenden 

ropeller, die nach allen Richtungen hin ver- 
stellt werden können. Dieserart vermögen sie den 
Abhub vom Boden, die Steigschnelligkeit, 
zu beschleunigen, wie auch die Landung sanfter zu 
gestalten. 

Durch das Handrad an der 
vertikalen Steuersäule werden die 
horizontalen Steuerflächen am Hinter- 
ende des Ballonkörpers verstellt, 
während die Verstellung des Seiten- 
steuers durch das seitliche Handrad 
simultan mit der Verschwenkung der 
Propeller erfolgt. Die Hülle enthält 
vier automatische Ventile, deren 
beide rückwärtigen mit den Gas- 
kammern kommunizieren, während 
die beiden vorderen mit den Luft- 
kammern in Verbindung stehen. 
Unterhalb der Gondel befinden sich 
auch Säcke zur Aufnahme von Wasser- 
ballast, die, wenn sie teilweise noch 
gefüllt sind, gleichzeitig auch als 
hydraulische Landungspuffer 
dienen. Um Irrtümer zu vermeiden, 
sind die einzelnen Rohrleitungen 


für Motor und Ballon in verschiedenen Farben ge- 
strichen, so z. B. die Kühlwasserleitung blau, Benzin- 
leitung rot, aa y gelb und die Leitung für kom- 
primierte Luft weiß. Die Gesamtkonstruktion und 
Ausführung dieses Luftschiffes wurde von der Royal 
Aircraft factory durchgeführt. 

Neben der Erzeugung von Luftschiffen betreibt 
die genannte Fabrik auch die Herstellung von Aero- 
planen, in erster Linie von Doppeldeckern nach 
den Entwürfen des Chefkonstrukteurs Havilland. 
Fig. 5 zeigt die Seitenansicht eines solchen Doppel- 
deckers, der »BE 2«-Klasse. Beliebt scheinen die 
Maschinen der Royal Aircraft factory in den 
Kreisen der englischen Flieger gerade nicht zu sein, 
wenn man ihre Urteile vernimmt. Nichtsdestoweniger 
aber haben sie in großer Zahl in der englischen 


Fig. 6. Steuerschwanz des B E 2«-Doppeldeckers. 


Armee Verwendung gefunden, sind aber trotz ihrer 
vielfach gerühmten Vorzüge den stets als langsam und 
kriegsunbrauchbar verschrieenen deutschen Tauben 
noch niemals gefährlich geworden. 

Ein weiterer Flugzeugtyp, der auf englischer Seite 
in vielen Exemplaren dermals verwendet wird, ist 
der von A. V.Roe gebaute Avro-Doppeldecker (Fig. 7 
und 8), der besonders durch seinen eigenartigen 
Rumpf auffällt. Ein Flugzeug dieser bereits im 
Jahre 1912 bekannt gewordenen Bauart wurde erst 
kürzlich von den Deutschen in Belgien heruntergeholt. 
Der Rumpf des Apparates besteht aus einem außer- 
gewöhnlich hohen Kastenträger, dessen Festig- 
keit durch die große Bauhöhe vergrößert wurde. 
Zwischen den beiden Flächen ist die Höhe des Boots- 
körpers gleich dem Vertikalabstande der beiden Trag- 
decken. Um dem Lenker trotzdem einen möglichst 
guten Ausblick zu ermöglichen, sind in die hohen 
Seitenwände des Bootes beiderseits längliche, 
schmale Fensterstreifen eingelassen, die 
völlig unverkleidet bleiben, damit der Führer 


Fig. 7. Englischer Avro-Kriegsdoppeldecker, Dreiviertelprofil. 


— 


WIQIIZEO 


und sein Begleiter im Bedarfsfalle 
auch über den Rand der Fenster- 
öffnung hinaus- und hinuntersehen 
kann. Auf Grund der Leistungen 
der englischen Flieger im gegen- 
wärtigen Kriege, soweit sie nämlich 
der weiteren Öffentlichkeit bekannt 
geworden sind, scheint es mit größter 
Wahrscheinlichkeit anzunehmen zu 
sein, daß dieser Flugzeugtyp 
auf seiten der Engländer noch 
der erfolgreichste gewesen 
ist. Denn erwiesenermaßen war 
ein Avro-Doppeldecker auch 
an dem berühmten oder vielmehr 
berüchtigten Anschlag auf 
dieFriedrichshafener Zeppe- 
lin-Halle und Luftfahrzeug- 
werft beteiligt und auch in 
Belgien haben Avro-Doppeldecker in immerhin 
flugtechnisch anerkennenswerter Weise manövriert. 
Von den übrigen Luftfahrzeugtypen Englands, soweit 


sie im gegenwärtigen Kriege mit einigem Erfolge in | 


Fig. 8. Englischer Avro-Kriegsdoppeldecker, Seitenansicht. 


Aktion getreten sind, soll ein andermal die Rede 
sein. Eines steht hiebei aber fest: Viel wird und 
kann es nicht sein! 

efe. — 


t 


Graphostatik mit besonderer Berücksichtigung der Fachwerke. 


Einer der wichtigsten Wissenszweige der Technik 
ist die zeichnerische Behandlung von Fragen der 
Festigkeitsiehre und anderen, die ohne diese Art der 
Untersuchung nur durch längere Rechnungen erledigt 
werden könnten. Wenn man außerdem bei fort- 
schreitender Rechnung auch noch auf den Ergebnissen 
der vorhergehenden fußen muß, sich also jeder kleinste 
Rechnungsfehler fortschleppt und häufig auch die Über- 
sichtlichkeit des Ganzen sehr leidet, so wird man 
sofort zugeben müssen, daß die graphische Unter- 
suchung sowohl was Einfachheit als auch Über- 
sichtlichkeit anbelangt, der rechnerischen Bestimmung 
fast ausnahmslos überlegen ist. Das graphische Ver- 
fahren zeigt aber auch den Einfluß einer Änderung 
in der Regel sofort oder eserlaubt durch Inter- oder 
Extrapolation oder durch Zeichnung einer Fehlerkurve 
das richtige Ergebnis zu erzielen, während die 
Rechnung meist vom Anfang bis zum Ende nochmals 
durchgeführt werden muß, ehe man den Einfluß der 
Änderung erkennt. 


Für den Flugzeugbau kommen in erster Linie in 
Betracht: Schwerpunktsbestimmungen, zum 
Beispiel des ganzen Apparates oder seiner einzelnen 
Teile, der Querschnitte vieler kraftübertragender Teile, 
wie beispielsweise von Rohren mit anderen als kreis- 
runden Querschnitten zwecks Bestimmung der Null- 
linie; von Trägheitsmomenten zur Untersuchung 
der Schwingungen ganzer Apparate oder bei Kon- 
struktionselementen für die Berechnung der Wider- 
standsmomente, wenn nicht einfache Querschnitte 
vorliegen, und als Wichtigstes: die 5 der 
Stabkräfte in den Fachwerken. Denn jeder Flug- 
apparat ist gegenwärtig als Fachwerk ausgebildet, 
sei es der Rumpf oder die Tragfläche als solche, und 
schließlich auch der fertig montierte Apparat. Es 
sollen daher im folgenden einige der gebräuchlichsten 
Methoden für die angegebenen Fälle behandelt werden, 
und zwar zunächst mehr allgemeine und im zweiten 
Teile dann die Graphostatik der Fachwerke.*) 

Zunächst seien einige Tatsachen, die für das 
Folgende von großer Bedeutung sind, ins Gedächtnis 
zurückgerufen. Greifen mehrere Kräfte P an einem 
Punkt, den sogenannten Angriffspunkt, an, dann hat 
die Erfahrung gelehrt, daß man sie durch eine 
Resultierende oder zu deutsch durch eine Mittel- 


) Herr Ellyson hatte die Freundlichkeit, mich darauf 
aufmerksam zu machen, daß die graphische Bestimmung der 
Schwerpunkte und Trägheitsmomente etc. an Flugzeugen 
in der Deutschen Zeitschrift für Flugtechnik und 
Motorluftschif fahr t« (Berlin) im Juniheft 1914 von ihm 
ausführlich behandelt wurde. 


kraft R ersetzen kann. Diese läßt sich finden, indem 
man ein sogenanntes Kräfteparallelogramm zeichnet, 
in dem die beiden Kräfte P, und P, (s. Fig. 1 
Seiten sind, Seitenkräfte, während die Mittel- 
kraft Rals Diagonale erscheint. 

Da die Seiten AD und BC gleich sind, so läßt 
sich aus dem Dreieck ABC sofort nach dem Cosinus- 
satz mit Berücksichtigung dessen, daß 


6 = 180 — C 
ist, die Mittelkraft der Größe nach angeben zu 
R=V PST PA F 2P, Pr cos. a. 

Man sieht also schon hier, welchen Aufwand 
an Rechnung es erfordert, um die Größe der Resul- 
tierenden zu bestimmen. 

Ist beispielsweise der Winkel zwischen den 


beiden Seitenkräften œ = 60° und diese Kräfte selbst: 
P, = 500 kg und P: = 300 kg so findet man 


R= 500° + 300° 2. 500.300. ½ = 700 kg. 


Man hat also zweimal zu quadrieren, dann drei 
Multiplikationen, sowie eine Addition auszuführen 
und sodann die Wurzel zu ziehen, um R zu finden. 


geo hy 


Fig. 1. 


Und wenn, wie es ja die Regel ist, die einzelnen 
Bestimmungsstücke nicht durch so einfache runde 
Zahlen ausgedrückt sind, dann fällt die Arbeit noch 
ärger als bei diesem Beispiel aus. Um nun den 
Winkel zu bestimmen, braucht man gewöhnlich eine 
Zeichnung, und da drängt sich begreiflicherweise die 
graphische Lösung von selbst auf. Nachdem man 
erfahrungsgemäß die Resultierende als Diagonale 
des Parallelogrammes oder richtiger als SchiuB- 
linie eines Kräftezuges Pi, P: (also an AB =P, der 


34 


Größe und Richtung nach BC = (P;) angefügt, 
Schlußlinie dann AC = R) findet, genügt es, das 
Dreieck ABC zu zeichnen. Denn man kann ja die 
Kräfte durch Strecken darstellen und dazu irgend 
einen passenden Maßstab wählen, in dem die Kräfte 
als Längen erscheinen, um an diesem sofort R 
abzulesen. In Fig. 1 sind zum Beispiel 100 kg dar- 
gestellt durch 8 mm, so daß man nur R in den Zirkel 


der wirkenden Kräfte P, und P, (Fig. 1) sich bewegen. 
Da die angeführte Zusammensetzung nach dem 
Kräftedreieck genau so für die Zusammensetzung 
von Geschwindigkeiten gilt, jede Kraft aber eine 
Beschleunigung und infolgedessen eine Bewegung an 
dem frei beweglichen Punkt A hervorruft, so gibt 
die Richtung von R auch an, nach welcher Seite sich 


| der Angriffspunkt A bewegen würde. Soll keine 


Fig. 2. 


zu nehmen und an dem Maßstab abzulesen hat. Das 
stellt eine ganz bedeutende Zeitersparnis dar und ist 
zudem einer der wichtigsten und häufigsten Fälle, 
wie sich besonders bei den Fachwerken zeigen wird. 

Sinngemäß wäre bei mehreren Kräften vorzugehen. 
Fig. 2 bedarf wohl keiner näheren Erklärung, ebenso 
wie die Zerlegung der Mittelkraft R in die Seitenkräfte 


3 


Se) 


Fig. 3. 


P, und P,, deren Richtungen gegeben sind, durch 
Fig. 1 dargestellt sind. 

In allen Fallen ist die Mittelkraft als SchluB- 
seite des Dreieckes (Fig. 1), bezw. des Kräfte- 
vieleckes (Fig. 2) aufgetreten und damit sowohl ihre 
Größe als auch ihre Richtung festgelegt. Beim 
Anfügen der einzelnen Kräfte im Vieleck ist nur zu 


Fig. 4. 


beachten, daß sie stets ebenso einzuführen sind, wie 
sie an dem Angriffspunkt wirken und deshalb wird 
ihre Richtung durch Pfeile angedeutet. (Beachte 
Kraft P. und Pg, in Fig. 2.) 

Es lassen sich also die Seitenkräfte durch eine 
Mittelkraft ersetzen. Denkt man sich den Angriffspunkt 
frei beweglich, dann würde er unter dem Einflusse 


Bewegung auftreten, also der Punkt in Ruhe bleiben, 
dann muß R gleich Null werden oder für die Kräfte 
ergibt sich der Satz: Gleichgewicht herrscht 
dann, wenn die Mittelkraft gleich Null ist; 
das zeigt die Zusammensetzung in einfachster Weise 
dadurch an, daß die Schlußlinie im Kräftezug 
fehlt, also das Ende der Strecke, welche die Kraft P; 
in Fig.3 darstellt, bei der Aneinanderreihung auf den 
Anfangspunkt A des Kräftezuges zu liegen kommt. 

Der Sinn der Kraftrichtung ist im Falle des 
Gleichgewichtes derselbe, also zum Beispiel in Fig. 3 
ist der Kräftezug entgegen dem Drehsinn des Uhr- 
zeigers zu durchlaufen; wenn daher an einem Punkt A 
eine Kraft wirkt, die durch Stäbe beispielsweise mit 
den Richtungen Pi, P:, Ps aufgenommen werden kann, 
dann ist sie nach diesen drei Richtungen zu zerlegen 
und ergibt sich aus dem Kräftezug, der ja gleichsinnig 
zu umfahren ist, der Sinn der einzelnen Kraft- 
richtungen. (Zerlegung der Kraft im Knoten- 
Bene eines Fachwerkes.) Dann tritt keine 

ewegung auf, es herrscht Gleichgewicht; in Fig. 2 

ist die Richtung von R entgegen dem Sinn des 
Durchlaufens, weil kein Gleichgewicht herrscht, sondern 
A sich in der Richtung R bewegen würde, und um das 
zu verhindern, also Gleichgewicht herzustellen, Ran A 
in der entgegengesetzten Richtung wirken müßte. 

Alles bisher Angeführte gilt 
von Kräften, die in einer Ebene, 
an einem Punkt angreifend, 
wirken. Für das räumliche Kraft- 
eck sind dann sinngemäß die 
Schlußlinien der Projektionen 
aller Kräfte auch die ent- 
sprechenden Projektionen der 
Mittelkraft und ihre wahre Größe 
läßt sich nach bekannten Sätzen 
der darstellenden Geometrie 
finden. 


Sind beliebig viele Kräfte 
in der Ebene (Fig. 4) zusammen- 
zusetzen, so geht man folgender- 
maßen vor. Es sei die Mittel- 
kraft R der drei Kräfte Pi, Pz, Pa 
zu bestimmen, also ihre Richtung 
und Größe, sowie ihre Lage anzugeben. 

Man wählt zu diesem Zwecke einen Pol Z und 
zieht die sogenannten Polstrahlen Z O, Z I, Z 2, Z 3, wo- 
bei PI, Pe, Ps, wie früher angegeben wurde, der Größe 
und Richtung nach aneinandergefiigt werden, und so 
zunächst schon die Größe sowohl als auch die 
Richtung der Mittelkraft R gefunden ist. Ihre Lage 


egen die Einzelkräfte ist aber noch zu bestimmen. 
Kin zeichnet nunmehr auf den Richtungen der Kräfte 
Strahlen, welche parallel sind zu den Polstrahlen ao, 
a1, a2, as, und zwar immer von einer Kraftrichtung 
bis zur nächsten zugehörigen. (Siehe auch weiter 
unten in Fig. 6 in dem Seileck, das auf den horizontalen 
Kraftrichtungen gezeichnet ist.) Es müssen sich also 


Fig. 5. 


auf P, die Seilstrahlen a, und a, schneiden, wie das 
auch im Kräfteplan der Fall ist; verlängert man nun 
a. und as, also die äußersten Strahlen bis zum 
Schnitt S, so geht durch diesen Punkt die Mittelkraft R, 
deren Größe und Richtung aus dem Kräfteplan, 
wie die Zusammensetzung heißt, schon gefunden 
wurde. Der Beweis für die Richtigkeit dieses Ver- 


Fig. 


fahrens ergibt sich sofort, wenn man überlegt, daß P, 
im Kräfteplan in a, und a, zerlegt wurde, P, in a, 
und a: und schließlich Pa in as und aa, wobei dann R 
die Mittelkraft aus a, und a, ist. Was rechts im 
Kräfteplan geschehen ist, wurde aber auch links im 
sogenannten Seileck durchgeführt, denn es tritt 
wieder P, als Mittelkraft aus a, und a, auf und 
ebenso R als Mittelkraft aus a, und a,, damit aber 
auch schon als die gesuchte Mittelkraft der Einzel- 
kräfte Pi, Pa und Ps. 


Fehlt im Kräfteplan die Schlußlinie und ist auch 
das Seileck geschlossen, dann herrscht Gleich- 
gewicht. (Fig. 5.) 

Diese Zusammensetzung kann nun bereits dazu 
verwendet werden, den Schwerpunkt eines Ge- 
bildes zu bestimmen. 


Es sei von der in Fig. 6 gezeichneten Fläche der 
Schwerpunkt aufzusuchen. Die Fläche 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6 
läßt sich in Dreiecke zerlegen, deren Schwerpunkt 
(S, bis S,) ohne weiteres angegeben werden kann. 
Faßt man nun die Flächen als Kräfte auf, die alle 
parallel wirken, dann kann man, wie oben entwickelt 
wurde, die Mittelkraft aller dieser Kräfte F, bis F, 
bestimmen, und zwar erhält ınan in diesem Falle eine 
Richtungslinie s,, welche gleichzeitig die Schwerlinie 
darstellt. Dreht man die Kräfte um irgend einen 
Winkel (am besten um 90°, so daß die Seilstrahlen 
senkrecht zu den ersten stehen), so findet man eine 


BOOZ N 


Q 
» 
* 

u 
& 
N 
* 


35 


zweite Richtung, also eine zweite Schwerlinie s,. Im 
Schnitt der beiden ist dann der gesuchte Schwer- 
punkt S. 


Es lassen sich nun alle beliebig begrenzten 
Flächen in einzelne Streifen zerlegen, deren Flächen- 
inhalt und Schwerpunkt bequem angegeben werden 
kann. Ist die N eine Kurve, dann kann die 
Fläche, sofern nur die Flächenstreifen schmal genug 
gewählt wurden, als Parallelogramm oder Dreieck 
oder gegebenenfalls als Trapez aufgefaßt werden. 
Der Schwerpunkt des letzteren ergibt sich nach der 
Konstruktion, die in Fig. 7 angegeben ist und keiner 
weiteren Erörterung bedarf. 


Zur besseren Erkläruug sei in Fig. 8 der Quer- 
schnitt eines Stieles von einem Doppeldecker unter- 
sucht. Die Aufsuchung des Schwerpunktes eines Quer- 
schnittes ist von besonderer Bedeutung für die Be- 
urteilung, ob die Beanspruchung rein axial oder 
exzentrisch erfolgt. Da Stiele auf Druck beansprucht 
sind, das Holz aber gerade dieser Art der Inanspruch- 
nahme weniger gewachsen ist als der Zugbeanspruchung, 
so ist jede exzentrische Belastung hier besonders ge- 
fährlich, da zu den reinen Druckbeanspruchungen 
zusätzliche Kräfte kommen. Eine derartige, als falsch 
zu bezeichnende Konstruktion ist ja in Heft 22 und 23 


wa 


0 
DAS 


6. 


dieser Zeitschrift vom Jahre 1914 auf S. 376 u. ff. nach- 
gerechnet und sei daher auf diesen Aufsatz verwiesen. 

Es sollte deshalb die Ausbildung von Stielen und 
ähnlich beanspruchten Konstruktionselementen, bei- 
spielsweise von ähnlich gezogenen Stahlrohren für 
das Fahrgestell oder der Pyramiden zur Tragflächen- 
befestigung so erfolgen, daß die Kraftrichtung immer 


ee 


24 


Fig. 7. 


durch den Schwerpunkt der einzelnen Querschnitte 
geht. Meist erhalten solche Streben tropfenförmigen 
Querschnitt etwa nach Fig. 8. Die eine Symmetrielinie 
stellt naturgemäß bereits eine Schwerlinie dar, so daß 
es sich nur mehr um die Aufsuchung der zweiten 
handelt. (Es entfällt daher hier die bei unsymmetrischen 
Querschnitten nötige Drehung der »Kräfte«.) Alles 
andere ist nach dem weiter oben Gesagten verständlich. 


Die Zerlegung erfolgte in eine Halbkreisfläche, 


deren Schwerpunktabstand gegeben ist durch 5 x a 


in Trapeze und in einen Kreisabschnitt F-, für den 
angenähert ein Dreieck gesetzt wurde. 

Es sei an dieser Stelle gleich die Ermittlung des 
axialen oder äquatorialen Trägheits- 
momentes nach dem Verfahren von Mohr und 
nach dem von Culmann angegeben. 


Auf einen Beweis, der übrigens in jedem Lehrbuch | 


zu finden ist, sei hier nicht eingegangen. Nach Mohr 
verwandelt man die Flächen zunächst in flächengleiche 
Rechtecke mit der Grundlinie a = 50*) und den 
Höhen (Fig. 9) 


h, = 1038 mm 
he = T10 n 
hg = 6:70 n 
h, = 5'80 n 
hs = 445 „ 
he == 2:05 n. 
‚= 013 „ 


betrachtet jetzt diese in den Schwerpunkten angreifend 
als Kräfte parallel zur Achse X—X, für die das Träg- 


denkt und mit Y, = 20 mm als Polweite dazu ein 
zweites Seil- und Kräfteeck zeichnet. Das Stück, 
welches von den beiden äußersten Seilstrahlen auf 
der Achse X—X abgeschnitten wird, sei z = 25°25 mm, 
dann ist wieder angenähert 


Ix ~a yı Ya 2 
und in diesem Fall 


lx = 5. 2. 2. 2˙525 
Ix = 505 cm* 


was mit Ix = 51˙3 nach Mohr ganz gut übereinstimmt, 
da bei dem kleinen Maßstab die Genauigkeit leidet. 

Für die Genauigkeit von Ix gilt das gleiche wie 
oben gesagt wurde. Für eine zur Schwerachse parallele 
Achse Z—Z findet man das Trägheitsmoment nach 
dem Satz von Steiner 


lz = Ix + Fx? 
wenn F der Flächeninhalt des untersuchten Quer- 


schnittes und x der Abstand der Schwerlinie X—X 
von der neuen Achse ist. 


3 


Fig. 8. 


heitsmoment zu bestimmen ist und zeichnet flir sie 
Seileck und Kräftepolygon; die Polweite sei dabei 
yı = 20 mm. Verlängert man wieder die beiden 
äußersten Seilstrahlen, so liegt zwischen diesen und 
dem Seileck eine Flache F, und es bestimmt sich 
dann angendhert das Trägheitsmoment für diese 
Achse X—X (Schwerachse gemäß dem in Fig. 8 an- 
egebenen Verfahren, das sich bis hieher ja mit dem 
Auszelührten deckt) aus der Beziehung 


Ix ~2a Yı F, 
also in dem gezeichneten Falle 


Ix = 2. 5. 2. 2˙565 
lx = 51°30 cm. 


lx stimmt genau. wenn man statt des Vieleckes 
eine Kurve hätte, wird also um so genauer, je schmäler 
die Streifen sind, in welche man die Fläche zerlegt 
hat, da dann das Vieleck sich mit der Kurve am 
besten deckt. 

Das Bestimmen der Fläche ist zu umgehen nach 
Culmann, indem man sich die von je zwei auf- 
einanderfolgenden Seilstrahlen auf der X- X-Achse 
abgeschnittenen Strecken bi bis b; abermals als 
Parallelkräfte in den Flächenschwerpunkten angreifend 


) Die Zahlenangaben gelten natürlich nur für den ge- 
zeichneten Fall. 


Sinngemäß läßt sich das axiale Trägheitsmoment 
für die zweite Achse Y—Y finden und ist in die 
Knickformel nach Euler für den beiderseits frei ein- 
gespannten Stab von der Länge l und der Knick- 
belastung P das kleinste Trägheitsmoment I ein- 
zusetzen: 

P= N 1 
E, das Elastizitätsmaß des Stoffes, ist in Kilogramm’ 
Quadratzentimeter und alle anderen Dimensionen in 
Zentimeter, bezw. Kilogramm einzusetzen. Rechnerisch, 
z. B. für die Achse n—n findet man das Trägheits- 
moment als Unterschied des Trägheitsmomentes der 
Fläche: Stielquerschnitt plus Fläche bis zur Achse, ver- 
mindert um das der Fläche zwischen unterer Quer- 
schnittsbegrenzung und Achse nn nach der Sim ps on- 
schen Regel. Für den unteren Flächenteil ist: 


In — g ue T4 L 2 +4 h. T2 l. T4 b 


+ 21% + 1°) 


also hier 
= 3 1 (22 44.04 +2. 025 + 4.033 +2. 05° + 
+4.08° +2. 12% + 23) 
In‘ = 2753 em- 


für den anderen Teil (statt | sind L zu nehmen) 
69 1(2°44.37°+2.385° 4 4. 38 2. 368+ 
+ 4.33% -+ 2. 2˙9˙+ 2°) 
In“ = 93°62 cm‘ 
In = In“ — In’ = 90°87 cm‘ 


daher 


und somit für die zweite Achse Y—Y nach dem Satz 
von Steiner: 


ly = In — F lo? = 18 cm“. 


und 


sein. Den Quotienten aus Tragheitsmoment und Ab- 
stand der äußersten Faser bezeichnet man als Wider- 
standsmoment W: 


Fig. 9. 


Ist der Querschnitt auf Biegung beansprucht 
und wirkt die Kraft in einer der Hauptachsen des 
Schnittes, also z. B. in der Ebene X—X im Punkt D 
(Fig. 10), dann fällt die Nullinie mit der zweiten Haupt- 
achse Y— Y zusammen. Bedeutet M das Biegungs- 
moment, I das Trägheitsmoment, bezogen auf die 
Nullinie und o die Normalspannung in der Faser, die 
den Abstand y hat, so ist 


M 
o=- y. 


Sind ferner e, und e, die Abstände der gezogenen, 
bezw. gedrückten Fasern von der Nullinie, dann muß, 
wenn k, bezw. kz die zulässige Druck-, bezw. Zug- 
beanspruchung ist: 


Maßgebend ist der kleinere Wert von W. Im ge- 
zeichneten Falle ist, da die Biegung um die Nullinie 
Y—Y erfolgt: M = Pa und die Abstände e, und e: 
zu finden, indem man zu Y—Y parallele Tangenten t, 
und t, zeichnet. So findet man mit dem Wert a = 0°75 
und P = 100 kg den Wert M = 75 cmkg und damit ein 


75 


k: K ig 


18 = 7'5 kg/cm’. 


Greift die Last in keiner der Hauptachsen an 
und sind i, und i, die Hauptträgheitshalbmesser, also 
aus 

Ix F i£, 


ly = Fi,? 


bezw. 


38 


gerechnet, dann kann die Nullinie nach Mohr folgender- 
maßen gefunden werden. Es bedeute in Fig. 10 der 
Punkt O den Angriffspunkt der Kraft, S den Schwer- 
punkt, dann trägt man auf den Hauptachsen i, und i, 
auf und projiziert O auf beide Achsen. A wird mit C 
und B mit D verbunden und in A, bezw. B Senkrechte 
dazu errichtet. deren Schnitt mit den Achsen in E 


und F schon zwei Punkte der Nullinie sind. Die 
übrige Berechnung ist wie früher durchzuführen, also 
die zu E F parallelen Tangenten t.“ und t: zu zeichnen, 
um ei' und &‘ zu finden. Es wird dabei ez, der Ab- 
stand der äußersten gedrückten Faser größer und 
das Moment ist jetzt P. b., also weit mehr als früher; 


man findet 
M = 100 . 2:2 = 220 cm/kg 
220 


k = -g 


und 
. 3'1 = 38 kg'cm? 


und 
220 
18 


also rund fünfmal so große Druckbean- 
1 wie früher, obwohl die Exzentrizität nur 
klein ist. Wirkt P in S, dann gibt es nur einheitliche 

: Spannungen im ganzen Querschnitt, in 


kz = . 1 = 12:2 kg/cm’ 


diesem Fall also nur Druck und findet 
man 
EB 100 . A 


Unter allen Umständen ist daher 
zentrale Beanspruchung, das heißt An- 
griffspunkt im Schwerpunkt der Fläche 
anzustreben. Die Faser, welche ge- 
drückt ist, läßt sich am einfachsten 
erkennen, wenn man sich die Achse 
X—X, in der die Kraft P und D wirkt, 
als Stab vorstellt, der um den Punkt S 
(Schnitt der Nullinie mit X—X) dreh- 
bar ist; dann driickt die Kraft P 
(Druckkraft vorausgesetzt) die in der 
Zeichnung oben gelegene Faser hin- 
unter und zieht die unten gelegene 
aufwärts, also ist oben Druck, unten 
Zug. Gleiches gilt von O als Angriffs- 
punkt, nur ist der Drehpunkt jetzt die 
Projektion von O auf die Nullinie, als Schnittpunkt 
der durch O gehenden und zur Nullinie senkrechten 
Ebene mit der Nullinie selbst. Die Fasern, die in 
der Nullinie liegen, sind spannungslos. 


Damit sind die wichtigsten Fälle behandelt und 
wird in der Fortsetzung die Anwendung des bisher 
Mitgeteilten auf die graphische Untersuchung der 
Fachwerke gezeigt werden. — 4 — 


(Fortsetzung folgt.) 


er To! 


Der Aeroplan im Kriege. 
Von Major W. S. Brancker. *) 


Bis zum Ausbruche des Weltkrieges im Jahre 1914 
war die praktische Verwendbarkeit des Aeroplans 
im Kriege unerprobt, da in Tripolis ebenso wie am 
Balkan die materiellen Bedingungen fehlten, die über 
seinen Kriegswert hätten vollen Aufschluß geben 
können. Indessen ist man auf Grund der in Friedens- 
zeiten gewonnenen Erfahrungen in der Lage, sich 
über den strategischen Wert der Flugmaschine und 
der Methoden ihrer Anwendung zum größten Teile 
eine hinreichend genaue Vorstellung zu machen, 
während einzelne Fragen allerdings erst durch die 
Erfahrungen eines mit allen Mitteln der modernen 
Technik geführten Krieges ihre definitive Beant- 
wortung finden werden. 


Von den vielen Aufgaben, zu denen der Aeroplan 
im Kriege berufen erscheint, sind folgende die 
wichtigsten: 1. Aufklärung; 2. Zerstörung feindlicher 
Luftfahrzeuge ; 3. Angriff auf Truppen im Felde, auf 
militärisch wichtige Bauten und Materialien, wie 
Luftschiffhallen, Öltanks, Magazine u. s. w. 


1. Aufklärungsdienst. Dieser gehört zu den Haupt- 
aufgaben des Aeroplans im Kriege. Die Manöver- 
erfahrungen des Friedens haben bereits die Brauch- 
barkeit des Aeroplans für Aufklärungszwecke erwiesen 
und es unterliegt keinem Zweifel, daß dieser im 
modernen Kriege zu den allerwichtigsten Hilfsmitteln 
der Strategie gehört. Der Aeroplan stelit hier das 
ebenso notwendige wie geeignete Gegenmittel gegen 


*) Nach einem im Militär-Ausbildungskomitee in London 
gehaltenen Vortrag. 


die mit der enormen Ausdehnung der Kampflinien und 
-Distanzen gesteigerten Aufklärungsschwierigkeiten 
dar. Brauchbare Schlachtpläne lassen sich unschwer 
entwerfen, wenn Größe und wahrscheinliche Absichten 
des Feindes bekannt sind; indessen ist es durch die 
Schußpräzision der heutigen weittragenden Gewehre 
und Geschütze, die große Zahl und ausgedehnte 
Formation der Truppen und die Verwendung rauch- 
losen Pulvers der Kavallerie heute außerordentlich 
erschwert, die feindlichen Positionen zu erkennen 
und die erforderliche schnelle und genaue Aufklärung 
zu verschaffen. Dagegen vermag der Aeroplan unter 
günstigen Verhältnissen, namentlich bei geschlossenen 
feindlichen Formationen, eine gute und rasche Infor- 
mation zu verschaffen, was besonders bei Kriegs- 
ausbruch von größter Bedeutung ist. Ein geeigneter 
Aeroplan dürfte eine zehnmal schnellere und ver- 
läßlichere Information verschaffen als eine ganze 
Kavalleriedivision nach eintägigem Gefechte zu liefern 
vermag. 

Es gibt jedoch eine Anzahl ungünstiger Faktoren, 
die sich dem Aufklärungsdienst in den Lüften ent- 
gegensetzen und welche die Zuverlässigkeit dieser 
Aufklärung stark zu beeinträchtigen vermögen. Hieher 
gehören: a) Unvollkoınmene Beobachtung und feind- 
liche Scheinmanöver ; b) ungünstige Witterungsver- 
hältnisse; c) Schwierigkeiten der Instandhaltung; 
d) Flugzeug-Abwehrgeschütze am Erdboden ; e) Be- 
kämpfung in der Luft. 


a) Unvollkommene Beobachtung. Die Kunst der 
genauen Beobachtung aus dem Flugzeuge ist viel 


schwerer und erfordert weit mehr Schulung als das 
Fliegen selbst. Sowohl der Pilot als auch der Beob- 
achter müssen in der Lage sein, eine Karte ebenso 
schnell und leicht zu lesen, wie ein Buch, und in 
jedem Augenblicke während eines Überlandfluges 
sollten sie genau wissen, wo sie sich befinden. Über- 
dies muß der Beobachter (oder in einem Einsitzer 
der Pilot) in der Lage sein, Truppen auf dem Erd- 
boden genau auszunehmen, ihre Art und Zahl zu 
schätzen und ihre Stellung auf der Karte genau zu 
verzeichnen. Er muß diese Funktion in einem rauhen 
Winde und in schweren Wolken ausüben und nach 
vollzogener nung über das Gesehene einen klaren 
und anschaulichen Bericht abfassen können. Es ist 
daher nicht zu verwundern, wenn die Ergebnisse der 
Aufklärung in den Lüften manchmal ungenau und 
irreführend sind. Dieser Nachteil wird noch ver- 
schlimmert durch Scheinmanöver, die der Feind in 
der ausgesprochenen Absicht unternimmt, den Beob- 
achter zu täuschen, indem z. B. kleine Truppenteile 
längs der Landstraße verteilt und die Hauptmacht 
des Heeres in Dörfern und Wäldern verborgen 
ala wird, oder indem Schützengräben nur zum 
chein aufgeworfen und die eigentlichen Verschan- 
zungen verdeckt werden, Gewehre eine solche Auf- 
stellung erhalten, daß sie wie Lagerzelte, Büsche 
u. s. w. aussehen. Die einzigen Mittel zur Beseitigung 
dieser Schwierigkeiten bestehen in der sorgfältigen 
Schulung und größtmöglichen Erfahrung des Beob- 
achters, sowie in dem Besitze einer genügenden 
Anzahl von Aeroplanen, um zweifelhafte Informationen 
kontrollieren und ohne großen Zeitverlust richtigstellen 
zu können. Am besten eignen sich für diese Art der 
Aufklärung Aeroplane, welche eine langsame Fahrt 
und ein gutes Gesichtsfeld aufweisen, obwohl solche 
Maschinen bei starkem Gegenwinde wieder im Nach- 
teile sind. 

b) Witterungsverhältnisse. Die Natur ist heute 
der größte Feind der Aufklärung: ihre Waffen sind 
Wind, Regen, Wolken, Nebel und Dunkelheit. Es 
kommt vor, daß Aeroplane mit einer Geschwindigkeit 
von 100 bis 110 km pro Stunde von einem starken 
Gegenwinde zurückgetrieben werden. Der große 
Nachteil des Windes ist nicht seine Gefährlichkeit, 
sondern die starke Verringerung des Aktionsradius. 
Indessen läßt sich dieser Schwierigkeit durch stetige 
Erhöhung der Fluggeschwindigkeit wenigstens teilweise 
Herr werden. Die Nachteile eines starken Regens 
bestehen in der Blendung der Augen durch die nieder- 
fallenden Regentropfen, wogegen man sich durch 
Anordnung gedeckter Sitze einigermaßen schützen 
kann. Hochgelegene Wolken (von ca. 1000 m an) be- 
hindern die Aufklärungsarbeit nicht, sondern nützen 
ihr eher, da sie dem Aeroplan erforderlichenfalls eine 
Zuflucht gewähren, während in der von diesen 
Wolken zugelassenen Rekognoszierungshöhe der Pilot 
vor dem Infanteriefeuer praktisch sicher ist. Bei 
geringeren Wolkenhöhen dagegen wird der Aufklärungs- 
flieger gezwungen, sich innerhalb der wirksamen 
Reichweite des Gewehrfeuers zu begeben. Diesem 
Übelstande begegnet man durch den Bau von Panzer- 
aeroplanen. Was den Einfluß des Nebels betrifft, so 
wird dieser in der Mehrzahl der Fälle die aeronautische 
Aufklärung unmöglich machen, ebenso wie die Auf- 
klärung am Lande selbst durch ihn fast gänzlich 
lahmgelegt wird. Aufklärungsflüge in der Dunkelheit 
stellen heute noch keinen sicheren Behelf des Reko- 
gnoszierungsdienstes dar, da die verfügbaren Maschinen 
noch nicht so zuverlässig sind, um die Möglichkeit 
von Notlandungen auszuschließen, welche im Dunkel 
und auf unbekanntem Terrain eine schr prekäre 
Sache darstellen. Mit der fortschreitenden Entwicklung 
in der Sicherheit des Maschinenfluges wird jedoch 
auch der nächtlichen Aufklärung mit Hilfe des Aero- 
plans nichts im Wege stehen. 

Die Mittel zur Bekämpfung ungünstiger Witterungs- 
verhältnisse sind also vorwiegend zweifacher Natur: 
1. verläßliche Flugmaschinen, 2. hohe Geschwindig- 


39 


keiten. Was letztere betrifft, so ist eine in der Luft 
schnelle Flugmaschine meist um so schwerfälliger beim 
Landen, selbst wenn sie in der Hand eines guten 
Piloten auf freiem Felde langsam zu Boden gehen 
kann. Als Gegenmittel werden zur Erzielung eines 
steilen Abstieges Luftbremsen und zur Verringerung 
des Auslaufens am Lande Landbremsen angewendet. 
Derartige Bremsen befinden sich bei einigen 
Maschinentypen bereits im Gebrauche, jedoch hat 
diese Angelegenheit das Versuchsstadium noch nicht 
verlassen. Ein weit schwerwiegenderer Nachteil der 
hohen Geschwindigkeit besteht jedoch in der größeren 
Schwierigkeit der Beobachtung. Denn selbst wenn 
trotz rascher Fahrt die Details der Landschaft, der 
sich darauf bewegenden Truppenkörper u. s. w. 
genügend deutlich ausgenommen werden können, so 
sind doch die Augen, das Gehirn und die Hand nicht 
flink genug, um in der Eile ermessen zu können, wo 
sich diese Truppenkörper etc. jeweils auf der Land- 
karte befinden, und um die festgestellten Tatsachen 
in einem Notizbuch verzeichnen zu können, bevor 
das Flugzeug wieder viele Kilometer weiter ist und 
eine Anzahl möglicherweise wichtiger Einzelheiten, 
übersehen wurden. Diese Schwierigkeit läßt sich nur 
durch Schaffung von Aeroplanen mit veränderlicher 
Geschwindigkeit beheben. 


c) Die Schwierigkeiten der Instandhaltung des 
Aeroplans im Felde werden meistens unterschätzt. 
Das Flugzeug und sein Motor sind zarte und gebrech- 
liche Maschinen. Im Aerodrom mag ein guter Pilot 
Tag für Tag viele Flüge und Landungen mit seiner 
Maschine vornehmen, ohne daß diese den geringsten 
Schaden erleidet. Im Kriege dagegen muß in jedem 
Wetter geflogen werden, um sich die erforderliche 
Information zu verschaffen, und fast auf jedem Boden 
Be nee werden, um dieselbe zu überbringen. Die 

olgen hievon sind naturgemäß Defekte verschiedenster 
Art, welche zu ihrer Reparatur viel Zeit und Ge- 
schicklichkeit, sowie die Mitnahme zahlreicher Reserve- 
teile erfordern. Die SEEN der Lieferung von 
Reserveteilen wird in dem Maße größer, als die 
Anzah) der verschiedenen in Verwendung stehenden 
Aeroplantypen zunimmt. Ähnliches gilt von den 
Motoren, welche überdies schon nach kurzer Betriebs- 
periode einer gründlichen Überholung bedürfen. Ferner 
werden transportable Zelte benötigt, um die Maschinen 
am Erdboden unterzubringen und dieselben vor den 
schädlichen Einflüssen der Witterung zu schützen. 
Aus alldem geht die Tatsache hervor, daß nur ein 
kleiner Teil der im Felde vorhandenen Fiugzeuge in 
einem gegebenen Momente auch für den Kriegsdienst 
verfügbar sein wird. Zur Heilung dieser Mängel gibt 
es verschiedene Mittel, welche auch alle gleichzeitig 
angewendet werden können, und zwar: 1. Größte 
Dauerhaftigkeit der Konstruktion; 2. geringe Anzahl 
der verwendeten Flugzeug- und Motortypen; 3. Ein- 
führung zusammenlegbarer Flugzeuge, welche eine 
schnelle und bequeme Unterbringung zulassen; 4. ein 
hervorragend geschultes Personal. 


d) Flugzeug- Abwehrgeschütze an Land. Alle 
Staaten sind bemüht, sowohl stabile als auch 
fahrbare Abwehrgeschütze gegen Luftfahrzeuge heraus- 
zubringen. Für das in Bewegung befindliche Heer gibt 
es indes heute noch kein allen Ansprüchen gerecht 
werdendes Geschütz dieser Art und daher ist ein 
Aufklärungsflugzeug in einer Höhe von zirka 1000 m 
über dem Erdboden gegen Gewehrfeuer und in zirka 
1200 m auch gegen Kanonenfeuer ziemlich sicher. 
Das Schießen auf Aeroplane bietet große natürliche 
Schwierigkeiten, welche vorwiegend mit der Reich- 
weite des Geschützes, der Schußrichtung, der Schwierig- 
keit des Einschießens und der Geschwindigkeit des 
Aeroplans zusammenhängen. Dazu kommt noch die 
Schwierigkeit der Unterscheidung zwischen eigenen 
und feindlichen Flugzeugen, obwohl man es an 
Bemühungen zur Schaffung geeigneter Unter- 
scheiduungsmerkmale nicht hat fehlen lassen. 


38 


gerechnet, dann kann die Nullinie nach Mohr folgender- 
maßen gefunden werden. Es bedeute in Fig. 10 der 
Punkt O den Angriffspunkt der Kraft, S den Schwer- 
punkt, dann trägt man auf den Hauptachsen i, und i, 
auf und projiziert O auf beide Achsen. A wird mit C 
und B mit D verbunden und in A, bezw. B Senkrechte 
dazu errichtet. deren Schnitt mit den Achsen in E 


und F schon zwei Punkte der Nullinie sind. Die 
übrige Berechnung ist wie früher durchzuführen, also 
die zu E F parallelen Tangenten t,“ und t:“ zu zeichnen, 
um ei' und e, zu finden. Es wird dabei e,, der Ab- 
stand der äußersten gedrückten Faser größer und 
das Moment ist jetzt P. b., also weit mehr als früher; 


man findet 

M = 100 . 2:2 = 220 cm / kg 
und 220 

k= 18 ‚31 = 38 kg em 


und 
_ 220 
18 
also rund fiinfmal so groBe Druckbean- 
per nung wie früher, obwohl die Exzentrizität nur 
klein ist. Wirkt P in S, dann gibt es nur einheitliche 
Spannungen im ganzen Querschnitt, in 
diesem Fall also nur Druck und findet 
man 


kz .1= 12:2 kg/cm’ 


P 100 


— = EN 7 2 
k = E = 182 55 kg/cm’?. 


Unter allen Umständen ist daher 
zentrale Beanspruchung, das heißt An- 
griffspunkt im Schwerpunkt der Fläche 
anzustreben. Die Faser, welche ge- 
drückt ist, läßt sich am einfachsten 
erkennen, wenn man sich die Achse 
X—X, in der die Kraft P und D wirkt, 
als Stab vorstellt, der um den Punkt S 
(Schnitt der Nullinie mit X—X) dreh- 
bar ist; dann drückt die Kraft P 
(Druckkraft vorausgesetzt) die in der 
Zeichnung oben gelegene Faser hin- 
unter und zieht die unten gelegene 
aufwärts, also ist oben Druck, unten 
Zug. Gleiches gilt von O als Angriffs- 
punkt, nur ist der Drehpunkt jetzt die 
Projektion von O auf die Nullinie, als Schnittpunkt 
der durch O gehenden und zur Nullinie senkrechten 
Ebene mit der Nullinie selbst. Die Fasern, die in 
der Nullinie liegen, sind spannungslos. 


Damit sind die wichtigsten Fälle behandelt und 
wird in der Fortsetzung die Anwendung des bisher 
Mitgeteilten auf die graphische Untersuchung der 
Fachwerke gezeigt werden. — 4 — 


(Fortsetzung folgt.) 


— — — ee — 


Der Aeroplan im Kriege. 


Von Major W. S. 


Bis zum Ausbruche des Weltkrieges im jahre 1914 
war die praktische Verwendbarkeit des Aeroplans 
im Kriege unerprobt, da in Tripolis ebenso wie am 
Balkan die materiellen Bedingungen fehlten, die über 
seinen Kriegswert hätten vollen Aufschluß geben 
können. Indessen ist man auf Grund der in Friedens- 
zeiten gewonnenen Erfahrungen in der Lage, sich 
über den strategischen Wert der Flugmaschine und 
der Methoden ihrer Anwendung zum größten Teile 
eine hinreichend genaue Vorstellung zu machen, 
während einzelne Fragen allerdings erst durch die 
Erfahrungen eines mit allen Mitteln der modernen 
Technik geführten Krieges ihre definitive Beant- 
wortung finden werden. 


Von den vielen Aufgaben, zu denen der Aeroplan 
im Kriege berufen erscheint, sind folgende die 
wichtigsten: 1. Aufklärung; 2. Zerstörung feindlicher 
Luftfahrzeuge; 3. Angriff auf Truppen im Felde, auf 
militärisch 0 0 Bauten und Materialien, wie 
Luftschiffhallen, Öltanks, Magazine u. s. w. 


1. Aufklärungsdienst. Dieser gehört zu den Haupt- 
aufgaben des Aeroplans im Kriege. Die Manöver- 
erfahrungen des Friedens haben bereits die Brauch- 
barkeit des Aeroplans für Aufklärungszwecke erwiesen 
und es unterliegt keinem Zweifel, daß dieser im 
modernen Kriege zu den allerwichtigsten Hilfsmitteln 
der Strategie gehört. Der Aeroplan stellt hier das 
ebenso notwendige wie geeignete Gegenmittel gegen 


*) Nach einem im Militär-Ausbildungskomitee in London 
gehaltenen Vortrag. 


Brancker.*) 


die mit der enormen Ausdehnung der Kampflinien und 
-Distanzen gesteigerten Aufklärungsschwierigkeiten 
dar. Brauchbare Schlachtpläne lassen sich unschwer 
entwerfen, wenn Größe und wahrscheinliche Absichten 
des Feindes bekannt sind ; indessen ist es durch die 
Schußpräzision der heutigen weittragenden Gewehre 
und Geschütze, die große Zahl und ausgedehnte 
Formation der Truppen und die Verwendung rauch- 
losen Pulvers der Kavallerie heute außerordentlich 
erschwert, die feindlichen Positionen zu erkennen 
und die erforderliche schnelle und genaue Aufklärung 
zu verschaffen. Dagegen vermag der Aeroplan unter 
günstigen Verhältnissen, namentlich bei geschlossenen 
feindlichen Formationen, eine gute und rasche Infor- 
mation zu verschaffen, was besonders bei Kriegs- 
ausbruch von größter Bedeutung ist. Ein geeigneter 
Aeroplan dürfte eine zehnmal schnellere und ver- 
läßlichere Information verschaffen als eine ganze 
Kavalleriedivision nach eintägigem Gefechte zu liefern 
vermag. 

Es gibt jedoch eine Anzahl ungünstiger Faktoren, 
die sich dem Aufklärungsdienst in den Lüften ent- 
gegensetzen und welche die Zuverlässigkeit dieser 
Aufklärung stark zu beeinträchtigen vermögen. Hieher 
gehören: a) Unvollkommene Beobachtung und feind- 
liche Scheinmanöver ; b) ungünstige Witterungsver- 
hältnisse; c) Schwierigkeiten der Instandhaltung; 
d) Flugzeug-Abwehrgeschütze am Erdboden; e) Be- 
kämpfung in der Luft. 


a) Unvollkommene Beobachtung. Die Kunst der 
genauen Beobachtung aus dem Flugzeuge ist viel 


schwerer und erfordert weit mehr Schulung als das 
Fliegen selbst. Sowohl der Pilot als auch der Beob- 
achter müssen in der Lage sein, eine Karte ebenso 
schnell und leicht zu lesen, wie ein Buch, und in 
jedem Augenblicke während eines Überlandfluges 
sollten sie genau wissen, wo sie sich befinden. Über- 
dies muß der Beobachter (oder in einem Einsitzer 
der Pilot) in der Lage sein, Truppen auf dem Erd- 
boden genau auszunehmen, ihre Art und Zahl zu 
schätzen und ihre Stellung auf der Karte genau zu 
verzeichnen. Er muß diese Funktion in einem rauhen 
Winde und in schweren Wolken ausüben und nach 
vollzogener marang über das Gesehene einen klaren 
und anschaulichen Bericht abfassen können. Es ist 
daher nicht zu verwundern, wenn die Ergebnisse der 
Aufklärung in den Lüften manchmal ungenau und 
irreführend sind. Dieser Nachteil wird noch ver- 
schlimmert durch Scheinmanöver, die der Feind in 
der ausgesprochenen Absicht unternimmt, den Beob- 
achter zu täuschen, indem z. B. kleine Truppenteile 
längs der Landstraße verteilt und die Hauptmacht 
des Heeres in Dörfern und Wäldern verborgen 
ehalten wird, oder indem Schützengräben nur zum 
chein aufgeworfen und die eigentlichen Verschan- 
zungen verdeckt werden, Gewehre eine solche Auf- 
stellung erhalten, daß sie wie Lagerzelte, Büsche 
u. s. w. aussehen. Die einzigen Mittel zur Beseitigung 
dieser Schwierigkeiten bestehen in der sorgfältigen 
Schulung und größtmöglichen Erfahrung des Beob- 
achters, sowie in dem Besitze einer genügenden 
Anzahl von Aeroplanen, um zweifelhafte Informationen 
kontrollieren und ohne großen Zeitverlust richtigstellen 
zu können. Am besten eignen sich für diese Art der 
Aufklärung Aeroplane, welche eine langsame Fahrt 
und ein gutes Gesichtsfeld aufweisen, obwohl solche 
Maschinen bei starkem Gegenwinde wieder im Nach- 
teile sind. 

b) Witterungsverhdlinisse. Die Natur ist heute 
der größte Feind der Aufklärung: ihre Waffen sind 
Wind, Regen, Wolken, Nebel und Dunkelheit. Es 
kommt vor, daß Aeroplane mit einer Geschwindigkeit 
von 100 bis 110 km pro Stunde von einem starken 
Gegenwinde zurückgetrieben werden. Der große 
Nachteil des Windes ist nicht seine Gefährlichkeit, 
sondern die starke Verringerung des Aktionsradius. 
Indessen läßt sich dieser Schwierigkeit durch stetige 
Erhöhung der Fluggeschwindigkeit wenigstens teilweise 
Herr werden. Die Nachteile eines starken Regens 
bestehen in der Blendung der Augen durch die nieder- 
fallenden Regentropfen, wogegen man sich durch 
Anordnung gedeckter Sitze einigermaßen schützen 
kann. Hochgelegene Wolken (von ca. 1000 m an) be- 
hindern die Aufklärungsarbeit nicht, sondern nützen 
ihr eher, da sie dem Aeroplan erforderlichenfalls eine 
Zuflucht gewähren, während in der von diesen 
Wolken zugelassenen Rekognoszierungshöhe der Pilot 
vor dem Infanteriefeuer praktisch sicher ist. Bei 
geringeren Wolkenhöhen dagegen wird der Aufklärungs- 
flieger gezwungen, sich innerhalb der wirksamen 
Reichweite des Gewehrfeuers zu begeben. Diesem 
Übelstande begegnet man durch den Bau von Panzer- 
aeroplanen. Was den Einfluß des Nebels betrifft, so 
wird dieser in der Mehrzahl der Fälle die aeronautische 
Aufklärung unmöglich machen, ebenso wie die Auf- 
klärung am Lande selbst durch ihn fast gänzlich 
lahmgelegt wird. Aufklärungsflüge in der Dunkelheit 
stellen heute noch keinen sicheren Behelf des Reko- 
gnoszierungsdienstes dar, da die verfügbaren Maschinen 
noch nicht so zuverlässig sind, um die Möglichkeit 
von Notlandungen auszuschließen, welche im Dunkel 
und auf unbekanntem Terrain eine sehr prekäre 
Sache darstellen. Mit der fortschreitenden Entwicklung 
in der Sicherheit des Maschinenfluges wird jedoch 
auch der nächtlichen Aufklärung mit Hilfe des Aero- 
plans nichts im Wege stehen. 

Die Mittel zur Bekämpfung ungünstiger Witterungs- 
verhältnisse sind also vorwiegend zweifacher Natur: 
1. verläßliche Flugmaschinen, 2. hohe Geschwindig- 


39 


keiten. Was letztere betrifft, so ist eine in der Luft 
schnelle Flugmaschine meist um so schwerfälliger beim 
Landen, selbst wenn sie in der Hand eines guten 
Piloten auf freiem Felde langsam zu Boden gehen 
kann. Als Gegenmittel werden zur Erzielung eines 
steilen Abstieges Luftbremsen und zur Verringerung 
des Auslaufens am Lande Landbremsen angewendet. 
Derartige Bremsen befinden sich bei einigen 
Maschinentypen bereits im Gebrauche, jedoch hat 
diese Angelegenheit das Versuchsstadium noch nicht 
verlassen. Ein weit schwerwiegenderer Nachteil der 
hohen Geschwindigkeit besteht jedoch in der größeren 
Schwierigkeit der Beobachtung. Denn selbst wenn 
trotz rascher Fahrt die Details der Landschaft, der 
sich darauf bewegenden Truppenkörper u. s. w. 
genügend deutlich ausgenommen werden können, so 
sind doch die Augen, das Gehirn und die Hand nicht 
flink genug, um in der Eile ermessen zu können, wo 
sich diese Truppenkörper etc. jeweils auf der Land- 
karte befinden, und um die festgestellten Tatsachen 
in einem Notizbuch verzeichnen zu können, bevor 
das Flugzeug wieder viele Kilometer weiter ist und 
eine Anzahl möglicherweise wichtiger Einzelheiten 
übersehen wurden. Diese Schwierigkeit läßt sich nur 
durch Schaffung von Aeroplanen mit veränderlicher 
Geschwindigkeit beheben. 


c) Die Schwierigkeiten der Instandhaltung des 
Aeroplans im Felde werden meistens unterschätzt. 
Das Flugzeug und sein Motor sind zarte und gebrech- 
liche Maschinen. Im Aerodrom mag ein guter Pilot 
Tag für Tag viele Flüge und Landungen mit seiner 
Maschine vornehmen, ohne daß diese den geringsten 
Schaden erleidet. Im Kriege dagegen muß in jedem 
Wetter geflogen werden, um sich die erforderliche 
Information zu verschaffen, und fast auf jedem Boden 
20 werden, um dieselbe zu überbringen. Die 

olgen hievon sind naturgemäß Defekte verschiedenster 
Art, welche zu ihrer Reparatur viel Zeit und Ge— 
schicklichkeit, sowie die Mitnahme zahlreicher Reserve- 
teile erfordern. Die . der Lieferung von 
Reserveteilen wird in dem Maße größer, als die 
Anzahl der verschiedenen in Verwendung stehenden 
Aeroplantypen zunimmt. Ähnliches gilt von den 
Motoren, welche überdies schon nach kurzer Betriebs- 
periode einer gründlichen Überholung bedürfen. Ferner 
werden transportable Zelte benötigt, um die Maschinen 
am Erdboden unterzubringen und dieselben vor den 
schädlichen Einflüssen der Witterung zu schützen. 
Aus alldem geht die Tatsache hervor, daß nur ein 
kleiner Teil der im Felde vorhandenen Flugzeuge in 
einem gegebenen Momente auch für den Kriegsdienst 
verfügbar sein wird. Zur Heilung dieser Mängel gibt 
es verschiedene Mittel, welche auch alle gleichzeitig 
angewendet werden können, und zwar: 1. Größte 
Dauerhaftigkeit der Konstruktion; 2. geringe Anzahl 
der verwendeten Flugzeug- und Motortypen; 3. Ein- 
führung zusammenlegbarer Flugzeuge, welche eine 
schnelle und bequeme Unterbringung zulassen; 4. ein 
hervorragend geschultes Personal. 


d) Flugzeug- Abwehrgeschütze an Land. Alle 
Staaten sind bemüht, sowohl stabile als auch 
fahrbare Abwehrgeschütze gegen Luftfahrzeuge heraus- 
zubringen. Für das in Bewegung befindliche Heer gibt 
es indes heute noch kein allen Ansprüchen gerecht 
werdendes Geschütz dieser Art und daher ist ein 
Aufklärungsflugzeug in einer Höhe von zirka 1000 m 
über dem Erdboden gegen Gewehrfeuer und in zirka 
1200 m auch gegen Kanonenfeuer ziemlich sicher. 
Das Schießen auf Aeroplane bietet große natürliche 
Schwierigkeiten, welche vorwiegend mit der Reich- 
weite des Geschützes, der Schußrichtung, der Schwierig- 
keit des Einschießens und der Geschwindigkeit des 
Aeroplans zusammenhängen. Dazu kommt noch die 
Schwierigkeit der Unterscheidung zwischen eigenen 
und feindlichen Flugzeugen, obwohl man es an 
Bemühungen zur Schaffung geeigneter Unter- 
scheiduungsmerkmale nicht hat fehlen lassen. 


40 


e) Kampf in den Lüften. Es ist klar, daß die 
Existenz feindlicher Flugzeuge mit Schußwaffen zur 
Verfolgung der eigenen Aufklärungsflugzeuge die 
Arbeit der letzteren stark beeinträchtigen und häufig 
unmöglichmachen muß, wenn man sichnichtentschließt, 
die eigenen Aeroplane gleichfalls in geeigneter Weise 
auszurüsten. Aeroplane werden die Kavallerie für den 
Aufklärungsdienst nie ganz ersetzen können, da letz- 
tere dort immer noch erfolgreich sein wird, wo erstere 
versagen. Außerdem kann die Kavallerie nicht allein 
mit Sicherheit zwischen Feind und Freund unter- 
scheiden, sondern auch die moralische und physische 
Beschaffenheit desFeindes beurteilen, mit jedem beliebi- 
gen feindlichen Truppenkörper in Fühlung bleiben und 
dem Feinde endlich bei seinem Vormarsche Widerstand 
entgegensetzen. Es ist daher Aufgabe der modernen 
Kampfleitung, ihre Aeroplane und Kavallerie für die 
Aufklärung so zu verwenden, daß sie einander 
ergänzen und unterstützen; insbesondere wird die Ver- 
wendung der Flugzeuge zu Anfang eines Feldzuges in 
die Möglichkeit versetzen, seine Kavallerie zu schonen 
und ihr eine langwierige und unfruchtbare Arbeit zu 
ersparen, um sie dafür um so kampfesfrischer für den 
Zeitpunkt des engeren Kontaktes mit dem Feinde zu 
erhalten. Das Flugzeug ermöglicht auch, die Wirkung 
der Artillerie zu beobachten und dadurch eines der 
schwierigsten und wichtigsten Probleme der modernen 
Kriegführung zu lösen. Endlich läßt sich die Ver- 
ständigung zwischen weit entlegenen Truppenteilen 
ebenfalls auf allerschnellstem Wege mit Hilfe des 
Aeroplans durchführen, sofern eine telephonische oder 
funkentelegraphische Verbindung nicht möglich ist. 

2. ang feindlicher Luftfahrzeuge. — Es 
ist bereits durch die Praxis erwiesen, daß es möglich 
ist, gewöhnliche Gewehre, Maschinengewehre und 
selbst kleinere Kanonen auf Aeroplanen mitzuführen 
und mit einer gewissen Treffwahrscheinlichkeit zu 
bedienen. Es erscheint daher logisch, daß, wenn zwei 
feindliche Mächte über Aeroplane verfügen, diese 
einander bekämpfen müssen, um einerseits das Vor- 
dringen des Gegners zu verhindern, anderseits die 
Erreichung des eigenen Aufklärungszweckes mit 
Waffengewalt zu erzwingen. Der moderne Kriegs- 
aeroplan muß daher bewaffnet sein, und die dadurch 
bedingte Erhöhung des Gewichtes und der Konstruk- 
tionsstärke hat einen Verlust sowohl an Geschwindig- 
keit wie an Steigkraft zur Folge, so daß vorläufig das 
armierte Flugzeug dem nicht armierten gegenüber 
unter sonst gleichen Bedingungen im Nachteil sein 
muß. Vom Standpunkte der Offensive kann ein Aero- 
plan angreifen: a) feindliche Luftschiffe, b) feindliche 
Aeroplane, c) Luftfahrzeuge auf dem Erdboden. Der 
Durchschnittsaeroplan besitzt eine größere Ge- 
schwindigkeit als das Durchschnittsluftschiff, und der 
Kampf zwischen beiden muß daher solange andauern, 
als die Verfolgung durch die Aeroplane dauert. Das 
Flugzeug kann schneller und höher fliegen und ist 
leichter zu manövrieren als das Luftschiff, während 
letzteres schneller steigt und eine stabilere Plattform 
zur Aufnahme schwerer Geschütze aufweist als ersteres. 
Das Luftschiff wird im allgemeinen versuchen, den 
Aeroplan durch seine Überlegenheit im exakten 
Feuern in Distanz zu halten, während dieser versuchen 
wird, so dicht als möglich an das feindliche Luft- 
schiff heranzukommen und von seiner Überlegenheit 
im Manövrieren Gebrauch zu machen, um dadurch 
die geringere Präzision und Reichweite seines Feuers 
zu kompensieren. Es wird von Vorteil sein, wenn 
möglichst 3 bis 4 mit Maschinengewehren, leichten 
Geschützen oder Bomben bewaffnete Aeroplane 
gleichzeitig gegen ein Luftschiff gesandt werden. 
Indessen besteht auch die Möglichkeit, daß der 
schnellere Aeroplan das Luftschiff einholt und rammt. 
Das ist zwar eine verzweifelt mutige Tat, kann aber, 
namentlich bei ein- oder zweimaliger Wiederholung, 
seine moralische Wirkung auf die feindliche Luft- 
schifflotte nicht verfehlen. Der Kampf zwischen zwei 
Aeroplanen ist schon wesentlich schwerer vorzustellen. 


Wenn jedes der beiden Flugzeuge die Absicht hat, 
den Gegner zu vernichten, so werden die Piloten 
voraussichtlich so manövrieren, daß sie einander 
gegenseitig am Gebrauch der Waffen nach Möglich- 
keit hindern und ihren eigenen Begleiter in die 
taktisch günstigere Position zu bringen suchen werden. 
Wenn ein Aeroplan dem anderen zu entkommen 
sucht, so kann natürlich nur die größere Geschwindigkeit 
des Verfolgers dafür entscheidend sein, ob die Gegner 
in Fühlung kommen oder nicht, jedoch bietet der 
fliehende Pilot dem Verfolger selbst das beste Ziel. 
Wie bereits bemerkt, wird ein armiertes Flugzeug 
gegenüber dem nicht armierten immer hinsichtlich der 

eschwindigkeit und Steigfähigkeit im Nachteil sein, 
und daher wird ersteres das letztere nur schwer 
fangen können. Zu einer wirksamen Abwehr der 
feindlichen Flugzeugaufklärung wird sich die Schaffung 
eines Systems empfehlen, wobei je einem armierten 
Abwehrflugzeug ein bestimmtes Gebiet zugewiesen 
ist, innerhalb dessen es kreuzen und ein etwa ein- 
brechendes feindliches Flugzeug verjagen kann. Auf 
diese Weise könnte man sich die Beherrschung des 
Luftmeeres über einem bestimmten Territorium sichern, 
bevor die feindliche Luftaufklärung erfolgreich vor- 
gedrungen ist. 


Aeroplane und Luftschiffe am Erdboden, sowie 
deren Behausungen und Zelte können aus ziemlich 
großer Entfernung bemerkt werden und bieten ein 
sehr gutes und ungeschütztes Ziel gegen Angriffe von 
oben. Der plötzliche und gleichzeitige Angriff von 
drei oder vier Aeroplanen mit Bomben aus nicht 
allzugroßer Höhe kann derartigen Objekten großen 
Schaden zufügen, wogegen nur brauchbare Flugzeug- 
abwehrgeschütze einigen Schutz zu bieten scheinen. 


3. Angriff auf Truppen, Schiffe und wichtige 
Objekte. Gegenwärtig ist nicht anzunehmen, daß dem 
Angriffe von Flugzeugen auf app) eine grobe 
Bedeutung zukommt. Solange der Kampf in den 
Lüften selbst und vor allem die wichtigere Aufklärungs- 
arbeit nicht erledigt sind, wird es sich kaum als zweck- 
mäßig erweisen, viel Energie auf ein solches Ziel zu 
verwenden, da der anzurichtende Schaden zu gering 
sein wird, um das Risiko einer solchen Aktion inner- 
halb der Reichweite des feindlichen Feuers zu recht- 
fertigen. Wenn anderseits zu Ende eines schweren 
Kampfes noch armierte Flugzeuge verfügbar sind 
(was zu bezweifeln ist), so werden diese sicherlich 
zur weiteren Demoralisierung eines geschlagenen 
Heeres wertvolle Dienste leisten. Der Angriff auf 
große Geschütze, Magazine, Öltanks u. s. w. gehört 
jedoch im Festungskriege ohne Zweifel mit zu den 
wichtigsten Aufgaben der Aeroplane. 


Es ist ausgeschlossen, alle vom militärischen 
Standpunkte wünschenswerten Eigenschaften in einem 
einzigen Aeroplantyp zu vereinigen, dagegen dürfte 
eine Beschränkung auf fünf verschiedene Typen allen 
billigen Anforderungen gerecht werden, und zwar: 


I. Der einsitzige Aufklärungsaeroplan von hoher 
Geschwindigkeit und außerordentlicher Steigfähigkeit 
für Rekognoszierungen über weite Bereiche bei jedem 
Wind und von solcher Leistungsfähigkeit, daß er 
jeder Art von Bekämpfungswaffe, die heute zur Ver- 
fügung steht, mit Leichtigkeit zu entkommen vermag. 

II. Eine schnelle zweisitzige Aufklärungsmaschine 
für verhältnismäßig grobe Reichweiten, welche in der 
Lage ist, einen Beobachter und eine Funkenstation 


aufzunehmen. Ein solcher Typ könnte auch zum 
Bombenwerfen dienen. 
III. Ein zweisitziger Aufklärungsaeroplan mit 


hervorragend gutem Gesichtsfeld und der Fähigkeit, 
auf jedem Terrain zu landen, besonders geeignet für 
die Nahaufklärung während der Schlacht und zur 
Beobachtung des Artilleriefeuers. 

IV. und V. Zwei ähnliche Flugzeugtypen, die eine 
zur Aufnahme eines Maschinengewehres, die andere 
für ein leichtes Geschütz (Granatfeuer), beide Typen 


aus dem Versuchsstadium noch nicht heraus, jedoch heute 
bereits durchaus im Bereich des Möglichen gelegen. 

Die Verwendung des Aeroplans für die Aufklärung 
ist zweifellos dazu angetan, bei allen militärischen 
Vorgängen den Fortgang der Operationen zwischen 
zwei Gegnern, welche den Wert der Offensive ein- 
zuschätzen wissen, zu beschleunigen. Wenn aber 
schon die gegenwärtige Art der Kriegführung im 
Felde die außerordentlichsten Anforderungen an die 
Nerven, den Mut und die moralischen Eigenschaften 
von Offizieren und Mannschaft stellt, so gilt dies 
noch in weit höherem Maße vom Luftkriege, und ein 
aeronautischer Aufklärungsdienst, bei welchem diese 
wichtigste Voraussetzung mangelt, wird gegenüber 


41 


dem in dieser Hinsicht überlegenen Gegner sehr bald 
den kürzeren ziehen. 

Eine der wichtigsten Folgen aus der vorwiegend 
durch die Militärverwaltungen der Großstaaten ent- 
wickelten Luftfahrt besteht darin, daß die geographi- 
sche Lage und Eigentümlichkeit eines Landes nicht 
mehr dieselben Vor- und Nachteile bietet, wie bisher. 
Von nun an wird der Kampf um die Vorherrschaft 
in den Lüften — sei es nun für handelspolitische 
oder Kriegszwecke — unwiderstehlich vorwärts- 
schreiten und die militärische und technische Be- 
herrschung des Luftmeeres wird eine ähnliche Be- 
deutung gewinnen, wie sie heute für die Mehrzahl 
der Großstaaten der Seegeltung zukommt. 


Glacialkosmogonische Beiträge zur Physik der Atmosphäre und 
i der Sonne. 


»Dem Wassersturz mit Hagelschlag von kurzer Sturmesdauer 
Ihm sinne nach — auf schmaler Spur — und du begreifst genauer.« 


Wir haben letzthin, einer einheitlichen Erd- und 
Seebebentheorie nachspürend, die geologische 
Notwendigkeit eines ausgiebigen kosmischen Eis- 
zuflusses zur Erde 
zu machen versucht und wollen uns heute, wie ver- 
sprochen, dermeteorologischen Notwendigkeit 
eines zwiefachen solchen Zuflusses im beson- 
deren zuwenden.*) — Zwar haben wir schon im 
Dezember-Schiußhefte auf die Zirrus-, Haufen-, Ge- 
witter- und Hagelwolkenbildung samt den die letzteren 
begleitenden luftdynamischen und luftelektrischen Pa- 
roxysmen hingewiesen, als auf Erscheinungen, welche 
aus dem defizitlosen terrestrischen Wasserkreislauf 
und der diesem unterhalten sollenden Sonnenwärme- 
strahlung heraus allein, für den weniger genügsamen 
Mechaniker und Hydro-Wärmetechnologen nie und 
nimmer befriedigend erklärt werden können, so sehr 
sich auch die besten meteorologischen Bücher von 
heute**) den Anschein hiezu geben wollen. Wenig- 
stens sind ausnahmsweise Eingeständnisse (der Rat- 
losigkeit) einzelner Autoren noch immer zu wenig auf- 
richtig und weitgehend. 


Wie wir nun schon wissen, ist die Zirrus- 
wolkenbildung (und hiezu gehören auch die 
ausgedehnten allgemeinen Trübungen der Atmosphäre, 
die halbuniversellen Wetterstürze, unsere ausgedehnten 
winterlichen Schneefälle u. dgl., wobei allerdings auch 
die Kondensate der Verdunstungsfeuchtigkeit mit- 
wirken) ausschließlich auf das Konto des schon 
im ersten Aufsatze dargelegten solifugalen Fein- 
eiszuflusses zu setzen. An der hochfliegenden 
Zirruswolkenbildung selbst hat die terrestrische Ver- 
dunstung und Kondensation auch nicht den aller- 
geringsten Anteil, sondern erst bei den hieraus resul- 
tierenden Niederschlägen wirken die letzteren beiden 
Erscheinungen in einem gewissen geringen Prozent- 
satz mit. Wir wollen uns über diese meteorologische 
Notwendigkeit einer kosmischen Herkunft der Zirrus- 
wolken und Gefolgschaften jedoch erst später eine 
verstärkte Gewißheit schaffen. Unsere heutigen 
Betrachtungen seien den in unseren Breiten sinn- 
fälligsten Erscheinungen des solipetalen Roheis- 
zuflusses (vergl. Seiten 396, 397, 399, Heft 24): dem 
Wolkenbruch mit Hagelschlag gewidmet, weil 
die Meteorologie solchem katastrophalen Geschehen 
im Luftozean uneingestandenermaßen am allerrat- 


») Die im Nachtrage zum vorigen Aufsatze II in Aussicht 
gestellte Vertiefung der Erdbebenüberlegungen fügen wir der 
klareren Übersicht halber als gesonderte Abhandlung dem vor- 
liegenden Aufsatze III an. 

**) Z.B. Hann: »Lehrbuch der Meteorologie«, 1906 und 
1913. — Wegener: »Thermodynamik der Atmosphäre«, 1911. 
— Emden: »Gaskugeln«, 1907. — Umlauft: »Das Luftmeer«, 
1891. — Reye: »Die Wirbelstürme etc.«, 1872 u. a. 


im allgemeinen glaubhaft 


Frei nach Faust II. 


losesten gegenübersteht, daher auch die meteoro- 
logische Notwendigkeit eines kosmischen Eis- 
zuflusses zur Erde an diesen Wetterkatastrophen 
am allerüberzeugendsten zu erweisen sein dürfte. 

Schon Ende der Siebzigerjahre des vorigen Jahr- 
hunderts haben zwei Autoren nicht weniger als 
35 verschiedene Hageltheorien aufgezählt.*) Und 
laut Wegener**) scheint seither nur ein weiterer 
Erklärungsversuch Prof. Dr. Wilhelm Traberts hinzu- 
gekommen zu sein, den dieser aber selbst als negativ 
hinstellt : 

»Wir sehen von allen früheren und unvollkom- 
meneren Erklärungsversuchen ab und weisen nur auf 
die in jüngerer Zeit fast überall angenommene Theorie 
hin, welche in der Anlagerung unterkühlter Tröpfchen 
an das ursprüngliche Graupelkorn das Wesen der 


Hagelbildung sieht. Nöllner und K. A. Vogel (1849) 


scheinen die ersten gewesen zu sein, die von dieser 
Vorstellung Gebrauch gemacht haben. Namentlich 
durch die Versuche von Dufour und Berger hat 
diese Annahme große Verbreitung gefunden. Trabert 
hat nun in einem Artikel: »Die Bildung des Hagels« 
(Meteorologische Zeitschrift 1899) geltend gemacht, 
„daß diese Vereinigung mit Tröpfchen quan- 
titativ nicht ausreicht, um dieaußerordent- 
liche Größe der Hagelkörner zu erklären.« 
(Wegener, Seite 300.) 

Läßt man also diesen jüngsten, negativen Er- 
klärungsversuch als sechsunddreißigsten gelten, so 
wäre hiedurch die Berechtigung unserer glacialkos- 
mogonischen — also einer siebenunddreißig- 
sten Hageldeutung allein schon dargetan. Damit 
soll aber keineswegs die Unterkühlungs- und Anglie- 
derungstheorie verworfen werden, sondern möchten 
wir mit Trabert nur geltend machen, daß sie allein 
nicht imstande ist, das Hagelphänomen im vollen 
Umfange zu deuten, dagegen eine willkommene 
Ergänzung unserer kosmischen Hageltheorie bildet; 
eine Ergänzung, die sich übrigens aus der letzteren 
von selbst aufdrängt, wie wir sehen werden. 

Am allerwenigsten könnte aus der reinen Unter- 
kühlungs- und Angliederungstheorie heraus das hori- 
zontale Dahinstiirmen der Hagelwolke, bezw. 
das schmalstrichweise Auftreten des Hagel- 
falles und die damit einhergehenden luftelektri- 
schen und dynamischen Paroxysmen erklärt 
werden, wie wir an einigen Beispielen sinnfällig 
machen wollen. Ganz unverständlich wird die Sache 
aber, wenn ein Hagelstrich kurz nacheinander noch 
ein zweites und drittesmal von einem Hagelwetter 
bestrichen wird, solange man nicht unseren kosmi- 


) C. Waehner: »Historisch-kritische Übersicht über die 
Hageltheorien mit Berücksichtigung wissenschaftlich festge- 
stellter Tatsachen« (Rotterdam 1876) und W.Schwaab: »Die 
Hageltheorien älterer und neuerer Zeit« (Kassel 1878). 


42 


schen Muttereiskörper gelten läßt, der ja vor der 
Körnerzerstiebung beim tangentialen Einschießen in 
die obersten allerdünnsten Hydrogensphärenschichten 
zunächst in zwei oder drei Teile zerfallen kann, von 
denen notwendig der größte etwas vorauseilen, der 
kleinere und kleinste mehr und mehr etwas zurück- 
bleiben muß. Wir wollen zunächst einen solchen Fall 
aus Hann’s »Lehrbuch der Meteorologie« heraus- 
greifen und analysieren: 


»Die Feststellung der 9 ane in der Schweiz 
und in den österreichischen Alpen hat ergeben, daß 
ein Hagelwetter, das sich einmal in einer bestimmten 
Richtung in Bewegung gesetzt hat, dieselbe bei- 
behält, ohne Rücksicht darauf, ob Gebirgszüge oder 
Talrichtungen mit derselben übereinstimmen oder 
nicht. Mehrere Hagelzüge desgleichen Tages 
verfolgen meist die gleiche Richtung oder 
sind parallel und geradlinig angeordnet, so 
daß zuweilen auch der eine Hagelzug als 
die Fortsetzung des früherenerscheint.(!!!) 
Gebirgshöhen von 2000 m Kammhöhe und 
darüber werden ohne Änderung der Zug- 
richtungüberschritten. Vorausgegangene Hagel- 
wetter mit starker Abkühlung, welche die Erdober- 
fläche mit Eis bedeckt hinterlassen haben, verhindern 
nicht, daß ein zweites und drittes Hagelwetter den 
gleichen Weg einschlägt. (!!!) Besonders bemerkens- 
wert sind in dieser Beziehung die drei Hagelzüge 
vom 21. August 18%, die K. Prohaska beschrieben 
hat. Eine 70 km lange Strecke, die über Graz bis 
zur ungarischen Grenze geht, liegt in der Bahn aller 
drei Hagelwetter (5, 6 und 7 Uhr abends) und die 
Eismassen, die der erste Hagelsturm zurückließ, bil- 
deten kein Hindernis für den zweiten. Die kolossalen, 
mit Eis bedeckten Flächen, die nach dem zweiten 
Hagelzuge zwischen dem Köflacher Becken und dem 
Schemmerl vorhanden waren, konnten nicht verhin- 
dern, daB der aus dem Lungau kommende dritte 
Hagelzug seinen Weg über dieselbe Gegend nahm. — 


Auch die Hagelwetter vom Anfang Juli 1897 zogen 
wiederholt über die schon stark abgekühlten (!!!) | 


Landesteile und ließen die noch wärmeren bei Seite 
liegen.« (Hann: »Lehrbuch der Meteorologie«, 1906, 
Seite 524 


Dieser Grazer Fall ist durchaus typisch für einen 
Eis-Sternschnuppen-Einschuß des jährlichen August- 
maximums der Sternschnuppenerscheinungen. Der 
Muttereiskörper, den in letzter Instanz der atmo- 
sphärische »Abendwall« (ein später noch zu er- 
klärender, neuer glacialkosmogonischer Begriff) direkt- 
läufig eingefangen haben dürfte, war schon in den 
obersten Hydrogensphärenschichten (vergl. seismische 
Wasserstoffproduktion im vorigen Aufsatz Il) in jene 
drei ungleichen Teile zerfallen, aus denen er 
vor kosmologischen Äonen in der letzten Zeit seiner 
galaktischen Ballung wohl zusammengefügt, aber in 
den Fugen nicht genügend zur Regelation gebracht 
ward. (Über diese Ballung von Milchstraßen-Eis- 
körpern sowie über die glacialkosmogonische Stern- 
schnuppentheorie überhaupt, können wir uns aus 
Platzgründen hier nicht verbreiten, sondern müssen 
wieder nur auf unser schon öfter erwähntes Haupt- 
werk*) verweisen.) Zufolge des allmählich auftretenden 
Luftwiderstandes mußte notwendig die aus dem 
größten Drittel resultierende Hagelwolke zuerst, 
und zwar örtlich auch voreilend, die des kleinsten 
zuletzt, und zwar in der Strichrichtung auch örtlich 
nachhinkend, den Grund des Luftozeans erreichen und, 
unbekümmert um das vorgefundene Bodenrelief oder 
die etwa schon daliegenden Eismassen, seine Hagel- 
ladung im geraden, schmalen Striche ablagern, während 
das mittelgroße Drittel auch in allen diesen Dingen 
die Mitte halten mußte. (Über Hagelwolkenbildung 
selbst vergl. Seite 400 des letzten Dezemberheftes.) 


9) Fauth: »Hörbigers Glacialkosmogonie, eine neue Welt- 
bildungslehre«, Kaiserslautern 1913. 


Nach Prohaskas Kartenskizze (bei Hann 
reproduziert) verläuft dieser dreimalige Hagelstrich 
ziemlich genau von West nach Ost (mit einer geringen 
Neigung nach Süden hin), wie es sich für die End- 
wirkung eines im Juli/August rechtsläufig eingefangenen 
Kleineismondes geziemt, der seine Bahn schon 
ziemlich der Ekliptik angeschmiegt hat. (Über solche 
Anschmiegung vgl. Dezemberheft 1914 von »Peter- 
manns Mitteilungen«.*) Auch das Datum des Er- 
eignisses (21. August) würde für einen heftigeren 
Hagelschlag sehr gut passen, indem es bei ent- 
sprechender mehrtägiger Einschußverspätung einem 
Einfange aus dem höchsten August - Sternschnuppen- 
maximum heraus entspricht. 

Leider aber bricht die Zeichnung Prohaskas 
an der ungarischen Grenze jäh ab; anders müßte zu 
ersehen sein, daß der erste, um fünf Uhr abends bei 
Judenburg einsetzende heftigste Hagelstrich auch am 
weitesten über Graz hinaus und nach Ungarn hinein- 
reicht und der letzte um sieben Uhr in Lungau, also 
schon viel westlicher einsetzende Strich am wenigsten 
weit — während der Sechsuhrhagelschlag mit seinem 
örtlichen Beginn und Ende zwischen beiden wieder 
die Mitte halten muß. Alles dies drängt sich vom 
Standpunkte der glacialkosmogonischen Hageldeutung 
als durchaus notwendig und selbstverständlich auf, 
während keine der vonSchwaab und Wegener 
berührten 36 Hageltheorien irgend eine halbwegs 
plausible Deutung dafür geben kann. 

Aus Hanns Kommentar zu dem 18%er dreifachen 
Grazer Hagelschiag geht weiters deutlich hervor, daß 
dem ausschließlich terrestrisch meditierenden Meteoro- 
logen es bloß bemerkenswert erscheint, daß die 
bereits daliegenden Eismassen kein Hindernis 
für das Fallen des nachkommenden 
Hagels bilden (!!!); vermutlich weil er glaubt, daß 
die erhöhte Sommersonnenwärme es ist, welche das 
Dunstmaterial für die Hagelbildung emporgeschafft 
hat und es ihm nun rätselhaft erscheinen muß, wenn 
in der über den behagelten Landstreifen stehenden 
Luftwand durch die Hagelkälte nicht schon alle Ver- 
dunstungsfeuchtigkeit zur Kondensation und Eisbildung 
gebracht worden sein sollte; anders wäre es kaum 
zu verstehen, daß er sich bloß darüber verwundert, 
wie denn ein bereits abgekühlter Landstreifen noch- 
mals und sogar ein drittesmal behagelt werden konnte, 
während doch die beiden wärmeren Gebietsstreifen 
beiderseits gleich daneben hinziehen. 

Er muß sich in dieser rein thermischen Hagel- 
erklärung notwendig dadurch noch mehr bestärkt 
fühlen, daß es bei uns vornehmlich nur im Sommer 
und vornehmlich nur in den heißesten Tages- 
stunden hagelt. Er muß sich offenbar vorstellen, daß 
diese heißen Tagesstunden die Verdunstungsprodukte 
im Wege des bereits (Seite 399 u. f. des letzten 
Dezemberheftes) gerügten aufsteigenden Luft- 
stromes« in so großen konzentrierten Mengen 
und eingestandenermaßen rasch, jasogar»explosiv« 
nach oben schaffen, daß die oberen, beim Aufsteigen 
sich ausdehnenden und somit sich abkühlenden Luft- 
mengen sie nicht mehr absorbiert halten können, 
sondern sie zur Ausscheidung und Eisbildung bringen 
müssen. Für minder kausalitätsbedürftige Gemüter 
würde sich dann allerdings schön erklären lassen, 
warum es in hohen Breiten, in unserem Winter und 
bei Nacht in den seltensten Fällen hagelt. Und 
doch ist das alles irrig! Wir werden diese 
merkwürdige geographische Verbreitung (Vorliebe 
für + 30° bis 60° Breite) sowie jährliche und tägliche 
Periodizität (Vorliebe für Sommer und Frühnachmittags- 
stunden) später aus rein himmelsmechanischen 
Prinzipien heraus restlos erklären. Der »aufsteigende 
Luftstrom« im landesüblich meteorologischen Sinne 
existiert nicht; und was an heißen Sommertagen in 
ganz Obersteiermark, Unterkärnten, Südsalzburg und 


*) Nölke: -Kritik der Glacialkosmogonie« und Hörbigers 


Abwehr derselben. 


Westtirol an Verdunstungsprodukten emporstrebt, 
verschwindet fast gegenüber dem, was 
in den berichteten drei Abendstunden mit zwei 
Unterbrechungen, in dreifacher Auflage, vom Lungau 
bis tief nach Ungarn hinein auf schmaler Hagelspur 
herunterstürzte ! 

Anderseits könnte der moderne Meteorologe im 
vorliegenden Falle auch glauben, daß die vom ersten 
Hagelstrich erzeugte Kälte verursachend wirkt für eine 
zweite und dritte Kondensation und Ausgefrierung 
des atmosphärischen Dampfgehaltes. Wir wissen aber 
schon aus Prof. Traberts erwähnter Untersuchung, 
daß der denkbar höchste Feuchtigkeitsgehalt einer 
hochsommerlichen Warmluftsäule quantitativ nicht 
hinreicht, um die manchmal so außerordentliche 
Größe der auf ihrer Basis sich häufenden Hagel- 
körner zu erklären. Es ist daher auch umsoweniger 
denkbar, daß nach solcher vermeintlicher Kondensation 
und Ausgefrierung auch noch für einen zweiten und 
dritten Hagelschlag hinreichend genug Feuchtigkeit 
in es betreffenden Luftwand zurückgeblieben sein 
sollte. 

Übrigens empfindet Trabert gerade die so 
merkwürdig konzentrierte Kälte, welche zur gedachten 
Hagelbildung nötig wäre und die auch nach dem Hagel- 
schlag so auffallend fühlbar bleibt, als das eigentliche 
Rätselhafte des ganzen Hagelproblems. Da wissen 
wir aber auch schon, daß die nach jedem (auch hoch- 
sommerlichen und heißnachmittägigen) Hagelschlag 
beobachtbare Kälte ausschließlich auf die, durch die 
lebendige Kraft des zerkörnten kosmischen Eis- 
einschusses von oben herabgerissenen und gestoßenen 
kalten Luftmassen zurückzuführen ist und somit zu 
ihrer Erklärung gar keiner tieferen hydrowärme- 
theoretischen Erwägungen bedarf, wie solche von 
manchen Hagel- Hypothetikern angestellt zu werden 
pflegen. So will z. B. Mohr diese Kälte dadurch 
erklären, daß er den Hagel zunächst in den unteren 
dampfgesättigten Luftschichten durch Kondensation 
und Erstarrung des Dampfgehaltes zu Wasser und 
Eis sich bilden läßt, ohne hiefür Gründe anzugeben; 
dadurch soll ein Vakuum (»Raumverminderung«) er- 
zeugt werden, in welches dann die oberen, noch 
kälteren Luftschichten »herabstürzen« sollen. Dagegen 
will wieder Krönig beweisen, daß durch solche 
Kondensation und Erstarrung eine »Luftexpansion« 
eintreten müßte, anstatt einer Raumverminderung, da 
er sich wahrscheinlich bewußt ist, daß bei solchen 
Aggregatszustandsänderungen von H,O je die 
latente Dampf- und Flüssigkeitswärme 
von etwa 6004+80 Kalorien frei werden und der 
Luft zu Ausdehnungszwecken zugute kommen könnte. 
Der ganze gelehrte Streit wird aber höchst gegen- 
standslos, wenn wir die kosmische Herkunft des 
Muttereiskörpers, bezw. die Eisnatur der bloß im 
reflektierten Sonnenlichte außerhalb des Erdschatten- 
kegels leuchtenden Sternschnuppen (nicht zu 
verwechseln mit den selbstverständlich in Eigenglut 
leuchtenden mineralischen Meteoren) ein- 
setzen, weil sich dann nicht nur die Form, Größe, 
Struktur und Menge des Hagelkorneises samt dem 
begleitenden Regenguß von selbst ergibt, sondern 
auch das ansonsten doch allerrätselhafteste 
schmalstrichweise Auftreten, der be- 
gleitende Sturm, die Unmengen hochgespannter 
Reibungselektrizität, die (noch zu erklärende) geo- 
graphische Verbreitung und jährliche und tägliche 
Periodizität der Hagel- und Gewitterstürme überhaupt. 

Die Gesamtheit des Rätselhaften aller dieser 
Hagelfaktoren scheint den modernen Meteorologen 
gar nicht mehr recht zum Bewußtsein zu kommen, 
während dagegen C. Waehner (sehr bezeichnender- 
weise Mediziner von Beruf, also ebenfalls nur Lieb- 
haber- Meteorologe — vgl. Julius Robert Mayer) 
schon vor fast vierzig Jahren eine einheitliche 
Erklärung des Gesamtphänomens zur Bedingung 
gemacht hat, wenn eine Hageltheorie ernst genommen 
werden soll. Lassen wir zur Phantasieanregung des 


43 


geneigten Lesers nun einmal auch aus Waehners 
rbeit eine Hagelsturmschilderung auszugsweise 
Revue passieren: 

»Nebst dem orkanartigen Sturm, der das Hagel- 
wetter begleitet, ist eine wichtige Tatsache bei 
Prüfung der Hageltheorien auch die, daß der Hagel 
mehr, als es meistens die anderen Niederschläge tun, 
nur über engbegrenzte Räume sich aus- 
breitet, daß die Hagelwetter also durchaus lokale 
Phänomene sind. Das denkwürdige Hagelwetter vom 
13. Juli 1788 in Frankreich hatte eine Breite von 
ungefähr elfLieues (zirka 49 km), wenn wir den vier 
bis fünf Lieues (18 bis 22 km) breiten Regennimbus 
mitrechnen, der das Hagelwetter in zwei parallele 
Streifen teilte. Bekanntlich erstreckte sich dieses, 
in seinen Folgen entsetzliche Ungewitter vom 
Süden Frankreichs in gerader Linie von 
Südwest nach Nordost über das mittlere und 
nördliche Frankreich und Belgien bis in die Mitte 
von Holland hinein! Der westliche Hagelstrich 
behielt während seines ganzen Verlaufes die mittlere 
Breite von vier Lieues (17°8 km), während der östliche 
im Mittel über zwei Lieues (etwa 9 km) breit war. 
Erstaunenswert und mehr als Ausnahme mag hiebei 
gelten, daß der westliche Hagelstrich beiläufig 
200 Lieues (zirka 900 km), der östliche, auf dem es 
erst zwei Stunden nach dem Anfang des ersten zu 
hageln begann, fast anderthalbhundert Lieues (zirka 
660 km) lang war. Und doch ist auch dieses Hagel- 
wetter noch klein zu nennen gegen jenes, welches 
am 27. Mai 1834 Rußland vom Baltischen bis zum 
Schwarzen Meer, vom Dnjestr und Niemen bis zur 
Wolga, also in einer Ausdehnung über fünfzehn 
Längegrade und zehn Breitegrade verwüstete. 
Diese strichweise und genau begrenzte 
Ausbreitung der Hagelwetter ist für die 
Beurteilung der Hageltheorien ebenfalls 
von Wichtigkeit, weil charakteristisch. 
Diese Tatsache wird schon im alten Testamente 
und dort als etwas Wunderbares erwähnt, wo 
es heißt: Und der Hagel schlug in ganz Ägypten 
alles, was auf dem Felde war, beides, Menschen und 
Vieh. Außer allein in Goßen, da die Kinder Israels 
waren, da hagelte es nicht. (Mose II, 9/26.) Aus der 
1788 und auch sonst wohl beobachteten Zeit, in der 
das Unwetter an den einzelnen Orten nacheinander 
getobt hatte, ergaben sich noch manche interessante 
Aufschlüsse über die Fortpflanzungsgeschwindigkeit 
der Wolke und die Ausdehnung derselben, soweit 
aus ihr jedesmal der Hagel herabfiel. Erstere betrug 
im Mittel 94 km pro Stunde und da es in jedem 
Orte sieben bis acht Minuten hagelte, so ist die Länge 
der jeweiligen Hagelwolke auf 86 bis 89 km zu 
rechnen. Hiebei drangen Hagelstücke durch die Stroh- 
dächer in die Ställe hinein, die größeren Tiere auf 
dem Felde rannten verwundet und toll gemacht 
umher, Schafe wurden zu Tausenden 
erschlagen, und als der Hagel endlich weg- 
geschmolzen war, blieben die von ihm verheerten 
Felder von erschlagenen Vögeln und anderem Wilde 
vollständig bedeckt!« Soweit Waehner in seiner 
»Historisch-kritischen Übersicht der Hagel- 
theorien«. 

Rechnet man jetzt hiezu auch noch den jeden 
größeren Hagelschlag begleitenden Wirbelsturm und 
luftelektrischen Energieaufwand, die Form, Größe, 
Struktur und ungeheure Menge der Hagelkörner, 
die geographische Verbreitung sowie jährliche und 
tägliche Periodizität der Hagelwetter, so erscheinen 
in der vorstehenden Waehnerschen Schilderung 
schon die wichtigsten Beobachtungstatsachen auf- 
gezählt, welchen nach Waehner jede ernst zu 
nehmende Hageltheorie, somit auch die hier vor- 
zutragende glacialkosmogonische Hagelschlag- 
und Wolkenbruch-Erklärung gerecht zu werden hat. 

Der aufrichtigere und bedächtigere Meteorologe, 
wie zum Beispiel der verstorbene Altmeister Pernter, 
steht diesen geschilderten Tatsachen gewiß innerlich 


44 


ratlos gegenüber; andere wieder gehen ihnen scheu 
aus dem Wege oder begnügen sich mit ziemlich 
vagen, ebensowenig physikalisch - kritischen, als 
pädagogisch überzeugenden Erklärungsversuchen. 
Ungescheut dürfen wir uns aber damit brüsten, stets 
die größten Schwierigkeiten des Tatsachenbefundes 

aufgesucht zu haben, um daran unsere kosmische 
Wetterlehre zu erproben. Wenn wir dabei bewußt 
in den Brustton des Jahrmarktsbudenausrufers ver- 
fallen, so hat dies seinen Grund in der stolzen 
Unnahbarkeit der offiziellen Fachleute, um deren 
entgegenkommendes Gehör wir uns nun schon seit zwei 
Jahrzehnten vergeblich bemühen. Wenige dankens- 
werte Ausnahmen bestätigen nur diese bittere 
Erfahrungsregel. Sogar der nach seinem 1903er Aus- 
spruch gewiß nicht allzu selbstzufriedene Direktor 
der Wiener Meteorologischen Zentralanstalt (Pernter) 
erklärte uns ausdrücklich, daß er die Aushängebögen 
unseres Hauptwerkes nicht lesen werde, darum 
wir ihn behufs Urteilabgabe in aller Form gebeten 
hatten. Der Berliner Erdmagnetiker und Meteorologe 
von Bezold verwies uns entriistet an die 
Astronomen, als wir auf Grund einer Empfehlung 
der Deutschen Ingenieurvereins-Zeitschrifts-Redaktion 
1898 bei ihm vorkommen und an Hand einer 
schematischen Milchstraßenzeichnung Herkunft und 
Wesen des Erdmagnetismus über die Sonne her 
ableiten wollten. Der Astrophysiker Prof. Dr. Julius 
Scheiner empfing uns 1901 erst nach mehr- 
monatlicher Belagerung und zweimaligem Sturm- 
laufen in seiner Potsdamer Festung, um uns mit 
den allerväterlichsten Abmahnungen zu entlassen, 
als wir ihm die Eisnatur des Ringnebels in der Leier 
seinem spektroskopischen »Befunde« zum Trotze 
ableiten und um seine moralische Mithilfe bitten 
wollten. Der Pariser Marsphantast Flammarion 
ließ uns durch einen dortigen Apotheker einen 
Prospekt über blutreinigende Heilmittel zusenden, 
als wir ihm 1896 die glacialkosmogonische Lösung 
- des Marsrätsels schriftlich angeboten hatten. Der 
Mailänder Marskanalentdecker und Sternschnuppen- 
theoretikerProf. Schiaparelli beschied1897 unsere 
Bitte um Gehör aus Zeitmangel abschlägig. Der 
Prager Selenograph Prof. Dr. L. Weinek stellte 
schon 1896 die Diagnose auf »kaum mehr heilbares 
Beherrschtsein von einer fixen Idee<, als wir ihm ein 
250 seitiges Manuskript: Ȇber den vermeintlichen 
lunaren Vulkanismus und die merkwürdigen Vorgänge 
auf dem Planeten Mars im Lichte technischer 
Erfahrung« mit der Bitte um vorurteilfreies Studium und 
moralische Mithilfe unterbreiteten. Der Observator 
P. Lais der vatikanischen Specula lachte aus vollem 
Halse, als wir ihm 1903 in Rom persönlich die 
erstarrte uferlose Ozeannatur des gesamten Erdmond- 
reliefs glaubhaft zu machen versuchten. Über zahlreiche 
ähnliche Erfahrungen mit enger heimatlichen 
akademischen Fachleuten der unserseits »unberufen 
usurpierten« drei Gebiete (Kosmologie, Geologie mit 
Paläontologie und Meteorologie) gedenken wir 
vorläufig noch zu schweigen, weil wir die Hoffnung 
noch immer nicht aufgeben, den Weg zu ihren ver- 
eisten Herzen endlich doch noch zu finden. Der 
geneigte Leser darf aber versichert sein, daß wir ihm 
mit der Schilderung diesbezüglicher Abenteuer aus 
den letzten 20 Jahren monatelange Kurzweil bereiten 
könnten, auf daß er unseren heiteren Grimm mit 
ebenso heiterer Nachsicht beurteile. Nemo propheta 
in patria. Wollen wir aber ganz gerecht sein, müssen 
wir die Urschuld an solcher Seelennot in letzter 
Linie den Franzosen Laplace und Poincare und 
den Engländern Lyell und G. H. Darwin (vgl. 
Seite 23 des vorigen Heftes) aufbürden, in deren Bann 
eben alle diese Fachleute, und zwar größtenteils 
unbewußt, stehen. 

Nach dieser unsachlichen Abirrung vom eigent- 
lichen Hauptthema, wollen wir nun zu dem fran- 
zösischen 1788er Riesen-Doppelhagelstrich zurück- 
kehren. Wenn bei dem zitierten dreifachen steiri- 


schen 1890er August-Hagelschlag der ursprüngliche 
Muttereiskörper beim ersten tangentialen Streifen der 
obersten dünnsten Hydrogensphärenschichten in seine 
drei letztgefügten, verschieden großen Drittel zerfiel, 
so teilte sich der einschießende Muttereiskörper des 
französischen Hagelschlages eben in bloB zwei 
ungleiche Hälften, und zwar etwas explosiver Art, so 
daß die beiden ungleich großen Komponenten in der 
horizontalen Querrichtung schon etwas auseinander- 
gewichen waren, als sie die für die Körnerzerstiebung 
geeigneteren dichteren Luftschichten erreichten. Selbst- 
verständlich war hier der Muttereiskörper bedeutend 
größer als beim dreifachen steirischen Hagelfall, 
und wahrscheinlich auch die Einschußgeschwindigkeit, 
sowie der Größenunterschied der beiden Kom- 
ponenten erheblich größer, nachdem es am nach- 
hinkenden Hagelstrich um zwei Stunden später zu 
hageln begann, in Steiermark aber nur je eine Stunde 
Zwischenzeit konstatiert wurde. Daß die kleinere Eis- 
körperhälfte des östlichen Hagelstriches hinter der 
größeren des westlichen Hagelstriches entsprechend 
zurückbleiben mußte, ist eine einfache Folge des Luft- 
widerstandsgesetzes; es stimmt also vollkommen, 
wenn es gerade am östlichen kürzeren und schmä- 
leren Hagelstrich mit der kleineren Hagelwolke 
später und bei kürzerer Dauer zu hageln begann, 
während das Umgekehrte glacialkosmogonisch unmög- 
lich zu erklären wäre. Allem Anschein nach handelte 
es sich beim großen französischen zweigeleisigen 
Hagelschlag um einen Zufallseinschuß ohne vor- 
herige Trabantenzeit des großen Muttereiskörpers, 
während beim steirischen dreifachen, aber eingeleisigen 
Hagelstrich der viel kleinere Muttereiskörper einige 
Tage oder Wochen vorher erst regelrecht als Klein- 
eismond eingefangen wurde und die Erde erst einige- 
mal in stark elliptischer Spiralbahn umlaufen mußte, 
bevor er in seinem letzten Perigäum zum tangentialen 
Einschießen gelangte. Hiefür spricht nämlich die ziem- 
lich genaue West-Ostrichtung des steirischen Hagel- 
striches, während der französische Doppelstrich bei- 
läufig unter 45° zur Parallelkreisrichtung verlief, was 
bei einem regelrecht eingefangenen Kleineismond 
nicht gut möglich ist. Trifft diese Vermutung zu, so 
kann man sich auch über die beiden EinschuB- 
geschwindigkeiten ein beiläufiges Urteil bilden. 
Ein Kleineismond kann in seinem letzten Perigäum 
nicht gut anders als mit einer zwischen 7 und 9 km 
liegenden Tangentialgeschwindigkeit einschießen. Bei 
einem unter zirka 45° zur Parallelkreisrichtung erfol- 
genden, sehr großen Hagelschlag kommt man mit 
der Annahme der Wahrheit am nächsten, daß der 
Muttereiskörper auf seinem ziemlich heliozentrischen 
Wege zur Sonne die Erdbahn beiläufig senkrecht 
kreuzen wollte, was beiläufig mit 42 Sek./km erfolgen 
muß. Nachdem die Erde mit ca. 30 Sek./km ihre Bahn 
zieht, so geht man weiters am sichersten, wenn man 
einfach die hieraus resultierende Relativ- 
geschwindigkeit, also etwa V 30° + 40° = 50 Sek./km 
als Einschußgeschwindigkeit annimmt. Natürlich wird 
das noch durch die Rotationsgeschwindigkeit der Erd- 
oberfläche ein wenig modifiziert, was wir aber für 
unsere Zwecke vernachlässigen können. Daß aus 
solchen Einschußgeschwindigkeiten unfaBbare 
Arbeitsmengen resultieren müssen, die größtenteils 
in Sturm (Luft- und Wassermassenverlagerungen), 
zum Teil aber auch in Reibungselektrizität umgesetzt 
werden, das können wir nun schon beiläufig erahnen. 
Wir verlernen auf diese Art auch alles Staunen, wenn 
z.B. Reye*) zu dem Resultate kommt, daß der 
Cubaorkan vom 5. bis 7. Oktober 1844 allein zur 
Bewegung der einströmenden Luftallermindestens 
eine Arbeit von 473,500.000 PS während drei voller 
Tage aufgewendet hat, was, wenn wir Reye richtig 
verstehen, summarisch etwa 123 Billionen Pferdekräfte 
ausmacht, da er wahrscheinlich zwar von »Arbeit« 
spricht, aber »Leistung« meint. Um uns nun da ein 


*) Reye: »Die Wirbelstürme etc.«, Hannover 1872, 


beiläufiges Urteil bilden zu können, müssen wir uns 
vorher auch noch eine Vorstellung von der Größe 
solcher Muttereiskörper schaffen. 

Nehmen wir zunächst eine bestimmte beschei- 
dene Hagelleistung an, indem wir uns etwa einen 
Hagelstreifen von bloß 40 km Länge und 3 km Breite, 
also von rund 120 km? Fläche gleichmäßig mit etwa 
35 mm Niederschlagsmenge in Form von Hagel- 
körnern und Schmelzwasser beschickt denken. 
Das gäbe dann einen kugeligen Muttereiskörper 
von etwa 200 m Durchmesser. Schießt derselbe mit 
rund v = 10 Sek./km ein, so gibt das nach A=',mv? 
eine Arbeit von rund 280 Billionen Pferde- 
kräfte, welche vornehmlich in Sturm und Reibungs- 
elektrizität umgesetzt werden, da zum Zerstieben und 
Anschmelzen des Eises, bezw. der Körnerwolke nur 
ein kleiner Bruchteil der mitgebrachten Bewegungs- 
energie benötigt wird. Flaut ein solcher Sturm binnen 
einer Stunde ab, so war das inklusive Zerkörnerungs-, 
Abschmelzungs- und Elektrisierungsarbeit, eine durch- 
schnittliche Sturm-Sekunden-Leistung von rund 
800.000 Millionen Pferdekräfte, von denen wir an der 
Erdoberfläche natürlich nur einen kleinen Bruchteil 
zu verspüren bekommen, da sich ja die gewaltsamen 
Luftverlagerungen bis in große Höhen hinauf erstrecken. 
Das wäre also ein bescheidener Hageischlag, wie wir 
ihn vielfach jeden Sommer beobachten können. 

Ganz andere Kräfte muß aber »das in seinen 
Folgen entsetzliche« französische Hagelunwetter 
aufweisen. Nach Waehners Schilderungen darfman in- 
mitten der einzelnen Hagelstreifen mit etwa 30, bezw. 
20 cm Eis- und Wasserniederschlag rechnen; wir werden 
also nicht sehr fehlgehen, wenn wir für das ganze 
vom Hagel und Wolkenbruch betroffene Gebiet von 
etwa 37.440 km? durchschnittlich 10 cm Niederschlag 
annehmen, was beiläufig einen Muttereiskörper von 
rund 3744 x 10° kg Gewicht oder 1'04km Durch- 
messer entsprechen dürfte. Schießt ein solcher Mutter- 
eiskörper nun mit rund 50 Sek./km ein, so gibt das 
eine Arbeit von rund 624 X 10'° oder rund 6'/, Millio- 
nen Billionen Pferdekräfte. Flaut ein solcher Sturm 
in 12 Stunden ab, so gibt das eine durchschnittliche 
sekundliche Sturmleistung von 144 X 10%", das ist 
144 Billionen Pferdekräfte. Haben wir die Nieder- 
schlagsmenge doppelt zu groß genommen, so war es 
ein Muttereiskörper von etwa 825 m Durchmesser bei 
einer durchschnittlichen Sekundenleistung von beiläufig 
72 Billionen Pferdekräfte — alles durchaus im Be- 
reiche der Möglichkeit liegende Werte. 

Zu beachten bleibt, daß ein solcher Wirbelsturm 
über dem festen Relief des Kontinents sich viel rascher 
austobt als über dem ebenen Meere. Der den fran- 
zösischen Hagelschlag begleitende Wirbelsturm mag 
mit stark verminderten und bald ganz aufhörenden 
Niederschlag auch noch über der Ostsee und Finnland 
in abnehmender Heftigkeit fühlbar gewesen sein, um 
nach 12 Stunden in Lappland ganz zu erlöschen. Über 
der hohen See aber, könnte ein solches Wirbelsturm- 
Vakuumrohr, aller Schmelzwässer und Eiskörnerreste 
längst entledigt, noch tagelang herumirren, weil 
eben die lebendige Kraft der trägen Luftmassen- 
Wirbelbewegung an der Wirbelbasis keinen auch nicht 
annähernd so großen Widerstand zu überwinden hat, 
wie am Kontinent. So ist es zu verstehen, daß Reye 
von einem Cubaorkan sprechen kann, der drei Tage 
lang eine Leistung von über 470 Millionen Pferde- 
kräfte ausübte. In Anbetracht des Umstandes aber, 
das Reye nur die an der Wasseroberfläche beobacht- 
baren Wirkungen in Rechnung ziehen konnte, dürfen 
wir uns da ruhig noch etliche Nullen angehängt denken, 
um zu einem wahrscheinlichen Muttereiskörper von 
300 bis 500 oder mehr Meter Durchmesser zu gelangen, 
dereinschießendeinendreitägigen Orkan entfesselnkann. 

Wollen wir nun auch noch über den dreifachen 
steirischen Hagelschlag ein ähnlich ziffermäßiges 
Schätzungsurteil erlangen, so nehmen wir den 70 km 
langen Hagelstreifen etwa 5km breit und durchschnitt- 
lich mit 6cm Gesamtniederschlag beschickt an. Das 


45 


Bine dann einen kugeligen Muttereiskörper von 342 m 
urchmesser und 21 X 10° kg Gewicht, der bei 8 km 
Einschuß geschwindigkeit inklusive Zerkörnerung, Ab- 
schmelzung und reibungselektrischer Ladung eine 
Sturm arbeit von rund 9 X 10, das ist 900 Billionen 
Pferdekräfte — und bei vierstündiger Sturmdauer eine 
mittlere sekundliche Sturmleistung von 62.500 Millionen 
Pferdekräfte entwickelt. Haben wir den Niederschlag 
wieder doppelt zu groß angenommen, so war es 
immerhin ein Muttereiskörper von etwa 270m Durch- 
messer, der bei 8km Einschußgeschwindigkeit eıne 
Gesamtarbeit von 450 Billionen, bezw. eine Sekunden- 
leistung von 31.250 Millionen Pferdekräfte entwickelte. 

Nach all dem wird uns also kein fachmännischer 
Rechenstift mit Pferdekräftezahlen von an der Erdober- 
fläche gemessenen Sturmleistungen mehr in Staunen 
versetzen, nachdem wir für die Aufwühlung der 
ganzen Luftozeantiefe zu bedeutend höheren 
Arbeitsmengen und Leistungen gelangen. Wir wollen uns 
nun anderen Details des Hagelphänomens zuwenden. 

Die Entstehung der Hagelwolke aus dem ein- 
schießenden Muttereiskörper haben wir schon auf 
S. 400 des Dezemberheftes gelegentlich der Haufen- 
wolkenableitung angedeutet, müssen aber jetzt, um 
zum Wirbelsturm und zur Hagelkornstruktur 
zu gelangen, damit nochmals eingehender von vorne 
beginnen. 

Nachdem jedes Eisen- und Gesteinsmeteor bei 
seinem Einschusse auf der vorderen Außenseitenhälfte 
so rasch glühend wird, daß es der langsamen Wärme- 
leitung halber innen weltraumkalt bleibt und 
bei einiger Sprödigkeit des Gesteins aus Gründen 
der Wärmeausdehnungs-Spannungsdifferenzen zer- 
springen muß, sowird dies bei dem wenig festen und 
in der Weltraumkälte um so spréderer Eise in noch 
viel höherem Maße zutreffen; denn es bleibt dabei 
sicher ausgeschlossen, daß diese rasche Erwärmung 
sofort etwa bis zum Abschmelzen und Verdampfen der 
vorderen Eiskörperaußenseitenhälfte gedeihen könnte, 
weil schon eine geringe Erwärmung von etwa 70° C. 
(also von etwa — 270° auf -- 200° C.) derartige Wärme- 
ausdehnungs-Materialspannungen in der betroffenen 
Außenkruste erzeugt, daß letztere sofort sich los- 
schälen und in Körner zerstieben muß. Dies geschieht 
bei hoher Einschußgeschwindigkeit aber derart plötz- 
lich und folgt Schichte um Schichte einander derart 
rasch, daß man sagen kann: Der einschießende Eis- 
körper zerstiebt je nach Größe und Einschußgeschwin- 
digkeit mehr oder weniger explosionsartig in 


eine immer noch nahezu weltraumkalte und immer 


noch mit fast ursprünglicher Einschußgeschwindigkeit 
belebte Eiskörnerwolke. Jetzt kann aber diese 
Körnerwolke nicht mehr mit ihren Einzelindividuen 
die trägen Luftmassen durchstoßen, weil sich die 
summarische Widerstandsfläche etwa verzehntausend- 
facht haben kann; diese so zwar vergrößerte Wider- 
standsfläche wird jetzt mit noch ungeminderter 
»lebendiger« Kraft nicht nur ‚hren eigenen Luftbereich 
durch Kompression vor sich herschieben und schließ- 
lich zufolge der Luftelastizität eine Kompressionswelle 
voraussenden, sondern durch Luftreibung auch be- 
trächtliche und immer größere und größere Nachbar- 
luftmassen schräg nach abwärts oder, bei größeren 
Muttereiskörpern, auch mehr oder weniger tangential 
mit sich in die Tiefe reißen. Das wäre also der 
dem größeren Hagelschlage unmittelbar 
vorauseilende Sturm! 

Der durch die schräg abwärtsstoßende, für uns 
immer noch unsichtbare Körnerwolke vor ihr herge- 
schobene verdichtete Luftbereich, läßt hinter sich eine 
Art Vakuumrohr, in welches die umgebende Luft nach- 
stürzen will und dabei nach bekannten, bei Wasser- 
ausflußöffnungen sichtbaren Erscheinungen in Drehung 
geraten muß. Diese Drehung teilt sich dann nach und 
nach zum Teile auch der vorauseilenden Luftkom- 
pressionswelle mit und so wird es verständlich, daß 
der dem Hagelschlag vorauseilende, ihn begleitende und 
nachfolgende Sturm zum Wirbelsturm werden kann; 


46 


ihm folgt dann das reibungselektrizitätsschwangere 
Schmelzwasser als Wolkenbruch mit heftigen 
Blitzen und Donnerschlägen, und erst im Verlaufe des 
letzteren folgt dann der Rest des Hageleises, weil 
dasselbe zufolge des an seiner Bewegungsenergie 
fortwährend zehrenden Luftwiderstandes schon zurück- 
zubleiben begonnen hat. Der erste, sich noch nicht 
drehende SturmstoB ist daher mehr als eine voraus- 
eilende Luftelastizitätswirkung zu betrachten. 

Man sieht also, daß nur ein kleiner Bruchteil der 
mitgebrachten Bewegungsenergie des Muttereiskörpers 
zur Zerberstungsarbeit verbraucht wird; der weitaus 
größte Teil derselben wird in Luftbewegungsenergie 
und Reibungselektrizität, also in Sturm, Blitz und 
Donner umgesetzt. Im Momente des Zerberstens ist 
die Eiskornwolke noch immer fast ganz weltraumkalt, 
daher noch ganz ohne Dampfumhüllung und dem 
Meteorologenauge unsichtbar; aber schon schiebt sie 
die vorerwähnte Luftkompressionswelle in zunehmender 
Ausdehnung vor sich her und schwängert ihre noch 
scharfkantigen Eiskörner mit hochgespannter Reibungs- 
elektrizität, die sich vorläufig noch nicht nach unten 
entladen kann, da die mitgerissene und umgebende 
kalttrockene und dünne Höhenluft (überwiegend 
Wasserstoff und Stickstoff) noch einen absoluten 
Nichtleiter darstellt. Doch schreitet die Weiter- 
erwärmung und Elektrisierung der einzelnen Eiskörner 
durch Luftreibung während solchen Einherbrausens 
der immer noch unsichtbaren, weil dampflosen Hagel- 
wolke unaufhaltsam fort; aber in den tieferen, dichteren 
und wärmeren Luftschichten und schon nach einiger 
Verlangsamung des Einherstürmens wird die Schmelz- 
und Verdampfungstemperatur an den vorderen und 
seitlichen Körnerkanten und Spitzen erreicht: Die 
Hagelwolke beginnt sich, noch ımmer in großer Wolken- 
höhe, in Dampf zu hüllen und endlich auch dem 
Berufsmeteorologen sichtbar zu werden. Wahrscheinlich 
handelt es sich dabei noch immer nicht um ein wirk- 
liches Verdampfen, sondern nur um ein Zerstäuben 
oder Vernebeln des Schmelzwassers, mit welchem 
hochgradig reibungselektrisch geladenen Wasserstaub 
nun die einherstürmende und meist schon in Drehung 
befindliche Luftkompressionswelle übersättigt und 
schwärzlich gefärbt wird. Die Hagelwolke »siedet« oder 
»kocht« jetzt schon, wie der vorurteilsfrei beob- 
achtende Landmann zutreffend sagt. 


»Kämtz vergleicht das Geräusch, das man vor 
dem Fall von großen Hagelkörnern hört, mit dem, 
das man durch Schütteln eines großen Bundes von 
Schlüsseln hervorbringt« — berichtet Waehner. Man 
hört da wahrscheinlich das Zerstäuben des Schmelz- 
wassers und das nunmehr beginnende Geknister über- 
springender reibungselektrischer Funken, die ja in der 
dichten und schwarzen Hageldampfwolke so lange 
unsichtbar bleiben können, bis die elektrische Energie- 
anhäufung durch Blitz und Donner Entladung schafft. 
Möglicherweise hat man auch schon das Zerstiebungs- 
geräusch eines letzten Restes des Muttereiskörpers 
gehört. 


Das ursprünglich scharfkantige Hagelkorn muB bei 
Erreichung der Schmelztemperatur zunächst rundlich 
abschmelzen und sich verkleinern, was etwa noch in 
Höhen von 50 bis 30 km herab vor sich gehen dürfte. 
Nach Erreichung der Fallschirmgeschwindigkeit inner- 
halb der bereits langsamer, träge dahinrasenden Luft- 
druckwelle kann dieser AbschmelzprozeB unter Um- 
ständen wieder zum Stillstande kommen und sich sogar 
ins Gegenteil verkehren, das heißt die etwa sogar 
»unterkühlten Tröpfchen« des Schmelzwasserstaubes 
kondensieren sich im Weiterstürnen der Hageldampf- 
wolke wieder auf den Hagelkornresten, überziehen 
dieselben mit zwiebelschichtenartigen, dicht kristallini- 
schen Eisschichten und vergrößern sie somit wieder. 
Auch die reibungselektrischen Ladungen und Ent- 
ladungen können solche Schichtenbildung beeinflussen. 
Hier ist es also, wo wir von der anfangs erwähnten 
»Unterkühlungs- und Angliederungstheorie« Gebrauch 
machen können, ohne um die nötige Feuchtigkeits- 
menge und konzentrierte Kälte besorgt sein zu müssen. 


Hat nun diese schichtenweise Wiederüberfrierung 
einmal begonnen, so können auch einzelne bereits 
mehrschichtig überfrorene Körner wieder zusammen- 
gefrieren, um nachher gemeinsam wieder weiter über- 
schichtet zu werden, was oft zu den bizarrsten und 
unregelmäßigsten Hagelkornformen führen kann. Es 
soll also die Bildung großer »SchloBen« durch An- 
einandergefrieren kleinerer, bereits abgeschmolzener 
und eventuell neu überschichteter Hagelkörner nicht 
geleugnet werden, besonders wenn sich solches aus 
dem Querschnittsgefüge erkennen läßt. Aber es kann 
gewisse gegenseitige Verhältnisse der Muttereisgröße, 
dessen Eisstruktur (kristallinisch bis amorph und firn- 
artig) der Einschußgeschwindigkeit und Richtung, der 
Lufttemperatur u. s. w. geben, unter welchen auch 
große, bloß angeschmolzene Eisbruchstücke und Eis- 
tafeln (wie bereits beobachtet) den Erdboden unzer- 
splittert erreichen. Das wird besonders dann zur 
Gewißheit, wenn solche Blöcke innen eine terrestrisch 
abnormale, tiefe Temperatur aufweisen, also einen Rest 
der tiefen Weltraumkälte. In dieser Hinsicht ist eine un- 
garische Zeitungsnachricht vom 12. Juli 1913 interessant: 

»Der Hagelschlag, der gestern das Dorf Erdö-Szakal 
heimsuchte, forderte 90 Menschenopfer. Ein schreck- 
licher Wirbelwind ging dem Hagel voran, der die 
Eiskörner aneinandergefrieren ließ, so daß Eisstücke 
von 10 kg Gewicht im Dorfe niederfielen. Auch fünf 
Eisblöcke von je einem Zentner Gewicht wurden im 
Gebiete des Dorfes gefunden. Der Hagelschlag bildet 
ein Unikum. In Kärnten gab es im Jahre 1897 eine 
ähnliche Hagelkatastrophe, bei der Eisstücke von 1 kg 
Gewicht gefunden wurden.« 

Möge diese Zeitungsmeldung dem Schulmeteoro- 
logen auch journalistisch übertrieben klingen, so gibt 
es angesichts der Lückenlosigkeit der vorliegenden 
glacialkosmogonischen Gedankenfolge doch die aller- 
triftigsten Gründe, an die Tatsächlichkeit des 
gemeldeten Vorganges zu glauben. Wir dürfen im 
Lichte unserer kosmologischen Wetterlehre ebenso 
bereitwillig an Hagelblöcke von einen Zentner 
Gewicht glauben, wie an solche von I kg oder von 
Kopf-, Faust-, Gänse-, Hühner- oder Taubeneigröße. 
ja selbst der »GroBe Hagel als ein Zentner« 
aus Offenb. 1521 hat nunmehr nach glacial- 
kosmogonischen Darlegungen alles Mystische und 
Unglaubliche verloren. Werden doch in dem gewiß 
sehr ernst zu nehmenden Buche Waehners selbst 
Hagelblöcke von Elephantengröße erwähnt, die in 
Indien gefallen sein sollen und vom Verfasser eben- 
falls auf Regelation der Hagelkörner zurückgeführt 
werden. In letzterer Beziehung vertritt jedoch die 
kosmologische Wetterlehre eine andere Meinung, 
umsomehr, als indische Offiziere beim Zerschlagen 
solcher Eisblöcke und nachherigem Betasten der 
frischen Bruchflächen sich die Fingerspitzen erfroren 
hatten. Das heißt: Das Eis war fast weltraum- 
kalt! Und nach glacialkosmogonischen Prinzipien 
kam es auch aus dem Weltraume! 

Sollte es uns aber im Bisherigen noch nicht ge- 
lungen sein, dies dem geneigten Leser glaubhaft zu 
machen, so sehen wir einer präzisen Formulierung 
seiner diesbezüglichen geschätzten Zweifel gerne ent- 
gegen, um sie nächstens vor Inangriffnahme der 
jährlichen und täglichen Periodizität und geographischen 
Verbreitung der Hagelwetter nach Tunlichkeit beheben 
zu können. H. Hörbiger. 


* è ** 


Druckfehlerberichtigungen: 


In vorigen beiden Heften sind unliebsamer Weise 
die folgenden, teils sinnstörenden Druckfehler stehen 
geblieben: Seite 399, Spalte 2, Zeile 15 von oben, 
lies »Wassermassen« anstatt Luftmassen; S. 400, 
Sp. 1, Z. 10 v. o., lies »solche« anstatt solcher und 
Z. 37 v. o., lies »bereits« anstatt bereit; S. 19, Sp. 1, 
Z. 31 v. o., lies „12.756 km« anstatt 1275; S. 19, Sp. 2, 
Z. 36 v. O., lies »und« anstatt aus; S. 19, Sp. 2, Z. 14 v. u., 
lies »setzt er den: anstatt setzt den; S. 23, Sp. 1, 
Z. 13 v. u., lies »Krücke« anstatt Brücke. 


47 


Glacialkosmogonische Beiträge zur Erdbebenforschung. 


Eine Erweiterung der im vorigen Hefte gebrachten seismologischen Anregungen gelegentlich des 
mittelitalienischen Bebens vom 13. Jänner 1915. 


Von H. Hörbiger. 


I 


Flugtechnik und Erdbeben! Wie reimt sich das 
zusammen? — Der etwa neu herzugekommene, mit- 
hin also fragende unter den geneigten Lesern unter- 
ziehe sich der Mühe, unsere meteorologischen Vor- 
betrachtungen in den beiden früheren Heften möglichst 
vorurteilsfrei und mit einigem Vertrauen zur Anwend- 
barkeit jahrzehntelanger Konstruktionssaal- sowie 
Berg- und Hüttenwerkserfahrungen auf geodynamische 
Probleme e urchzunehmen — und 
er wird fraglichen Zusammenhang in einer Weise ge- 
geben finden, daß wir angesichts der jüngsten Erd- 
bebenkatastrophe gewiß auf sein weiteres Gehör 
rechnen dürfen. 

Der im vorigen Hefte unter II. angestrebte Nach- 
weis einer vorerst bloß geologischen Not- 
wendigkeit des kosmischen Eiszuflusses zur Erde 
hat uns ganz unverhofft ein neues kosmophysikali- 
sches Urwesen der Erdbeben enthüllt. Doch wird die 
heutige Meteorologie des defizitlosen, rein terrestri- 
schen Wasserkreislaufes diesen kosmischen Eiszufluß 
insolange nicht erkennen und zugeben wollen, als die 
Geologie und Geodynamik sich nicht ein Herz nimmt, 
ihre kontraktionstheoretische (Übertragung der Nebu- 
larhypothese auf die Geogonie) Gebirgsbildungs- 
hypothese samt der dreifachen Erdbebenerklärung 
über Bord zu werfen. Und die Wiener sowie Grazer 
geologische Schule (Österreichisch-»Barbariens«)*), 
bezw. deren hyperloyale und ultrapietätvolle Laplace- 
und Lyell-Gefolgschaftsleistung (also in letzter Linie 
unsere wissenschaftliche Französelei und Engländerei) 
ist es, die solchen himmelschreienden Irrtum (vom 
»tektonischen oder Dislokations- und Einsturzbeben«) 
verschuldet hat. Das wollen wir im folgenden noch 
erhärten. p 

Die vorigmaligen Betrachtungen (II.), eigentlich 
selbst schon ein etwas verschämter glacialkosmogoni- 
scher zur Erdbebenkunde, wurden der Re- 
daktion am 10. Jänner unterbreitet. Wie schon früher 
gesagt: Nicht etwa der erschreckende Zufall, daß drei 
Tage später in Mittelitalien durch erhebliche Luft- 
druckschwankungen und verstärkte Gezeitenkräfte ein 
Schwarm von innerirdischen Siedeverzugs-Explosionen 
ausgelöst wurde, drängt uns zu dieser schärferen 
Präzisierung unseres gegnerischen Standpunktes, 
sondern die suggestive Sicherheit, mit welcher die 
Wiener und sonstigen Blätter »Barbariens« ihren 
ahnungslosen Lesern abermals die üblichen »A u f- 
klärungen von fachmännischer Seite« mit dem 
befehdeten »Dislokations- und Einsturz«e-Märchen 
vorsetzten, zwingt uns dazu, weil eben die dies- 
bezügliche nackte Grundwahrheit schon seit fast 
zwei Jahrzehnten teils in den zugehörigen Staats- 
instituten antichambrieren, teils auf der Gasse 
frieren muß. 

Unsere gegnerische sachliche Zusammenfassung 
aus der vorigen Abhandlung (II.) könnte etwa kurz 


*) Als begeistert kriegführende »Barbaren« wollen wir 
vor einem sieghaften Friedensschluß mit den östlichen, süd- 
lichen und westlichen »Kultur«-Nationen keine sich uns auf- 
drängende Gelegenheit versäumen, den uns umtobenden Neid- 
weltkrieg auch im wissenschaftlichen Sinne auf feindliches 
Gebiet voranzutragen und einfach als Verräter zu brand- 
marken diejenigen, die uns allzu pietätvoll in den Arm fallen 
wollen. Wir stehen ja auch auf dem Boden eines k. k., somit 
in den Krieg verwickelten flugtechnischen Vereines; Pietät 
und Mitleid mit französischen und englischen Pseudogelehrten, 
ob tote oder lebendige, soll insolange Sünde für uns sein, 
als wir nicht eine »neue Erde unter neuem Himmel« erkämpft 
haben, »auf welcher Gerechtigkeit wohnt«. Russen und Serben 
kommen diesbezüglich weniger in Betracht. 


„Das sprecht ihr so! Das scheint euch sonnenklar; 
Doch anders weiß es, der zugegen war.“ 


Mephisto im Faust IL 


lauten: Es gibt weder »Einsturzbeben« noch »tekto- 
nische oder Dislokationsbeben«, wie der so gelehrt 
anmutende Begriff lautet, weil es weder die zuge- 
hörigen innerirdischen Hohlräume noch aber die 
hiezu erdachten (im Prinzipe Laplace-Lyellschen) 
»gebirgsbildenden Kräfte« gibt; sondern alle wie 
immer heißenden Erdbeben sind ausschließlich und 
Boa einheitlich auf innerirdische 
iedeverzugs-Explosionen zurückzuführen, die ent- 
weder mit oder ohne vulkanischer Sicherheitsventil- 
Dämpfung vor sich gehen können. Diese Explosionen 
werden ihrerseits wieder durch kosmische Kräfte 
ausgelöst, und zwar entweder mittelbar (durch jähe 
Luftdruckgefälle oder atmosphärische Depressionen, 
verursacht durch Sonnenkoronastrahl-Bestreichung, 
das ist Sonnenfleck- und Sonnenfackelbezirk-Anzielung 
der Erde und damit zusammenhängenden größeren 
Roheis-Einschüssen) oder unmittelbar (durch 
verstärkte Sonnen- und Mondes-Gezeitenkräfte, das 
ist Ebbe- und Flutkräfte). Es kann aber auch vor- 
kommen, daß die mittelbare und unmittelbare 
kosmische Siedeverzugs-Auslösung gleichzeitig 
wirkt, wie dies auch im vorliegenden Falle des 
mittelitalienischen Erdbebens vom 13. Jänner zutraf. 
Wir wollen uns dessen zunächst einigermaßen ver- 
gewissern: 


1. Mittelbare kosmische Explosionsauslösung 
durch atmosphärische Depressionen. 


»Wollte man als Ursache dieses entschieden (!!) 
tektonischen (!!), das ist eines mit Lage- 
veränderungen der Erdkruste einhergehenden Bebens 
starke Luftdruckänderungen annehmen, so zeigen die 
Wetterkarten der letzten Tage tatsächlich bedeutende 
Luftdruckschwankungen über Italien und über dem 
Balkan. Es ist nicht unwahrscheinlich, wenn auch 
bisher nicht streng nachgewiesen, daß derart kräftige 
Druckschwankungen bereits vorhandene Spannungen 
in der Erdkruste als Erdbeben auszulösen vermögen. 
Denn es bedeutet eine Änderung des Barometerstandes 
von 1mm eine Belastungsänderung von mehr als 
13.000 t per 1 km?« — so schreibt der meteorologische 
Fachkorrespondent des »Neuen Wiener Abendblattes« 
vom 14. Jänner in seinem Berichte: »Die Auf- 
zeichnungendeskatastrophalenErdbebens 
vom 13. Jänner.< Ohne sich nun durch diese »ent- 
schieden tektonische« Anschauung des Erd- 
bebenfachmannes gefangen nehmen zu lassen, wolle 
der geneigte Leser hieraus bloß die Tatsache ent- 
nehmen, daß Mittelitalien zur kritischen Zeit unter 
bedeutenden Luftdruckschwankungen gestanden hat, 
— und daß fachmännischerseits die Möglichkeit einer 
barometrischen Erdbebenlösung bereits zugegeben 
wird, wenn auch im physikalisch ganz unrichtigen 
Sinne. Wir werden hierauf noch ausführlicher zurück- 
kommen. 


2. Unmittelbare kosmische Explosions- 
auslösung durch verstärkte Gezeitenkräfte. 


Über das Grundwesen der Ebbe- und Flutkräfte 
ist der geneigte Leser jedenfalls orientiert, doch 
dürfte es sich in der Mehrzahl der Fälle empfehlen, 
die Erinnerung etwas aufzufrischen, um ein bequemes 
Urteil zu ermöglichen. Die Mondbahnebene fällt nicht 
mit der scheinbaren Sonnenbahn (Ekliptikebene) 
zusammen, da wir ansonsten allmonatlich eine totale 
Sonnen- und Mondesfinsternis erlebten. Die Neigung 
der Mondbahnebene zur Ekliptik beträgt bloß 5° 8°06', 


48 


doch liegt die Schnittlinie der beiden Ebenen (die 
Mondknotenlinie) nicht fest, sondern dreht sich 
in 18'613 Jahren einmal nach rückwärts herum, das 
ist der Mondumlaufrichtung entgegengesetzt (retrograd). 
Es kann also zur Neu- und Vollmondzeit nur dann 
eine Sonnen-, bezw. Mondesfinsternis geben, wenn 
um diese Zeit die Knotenlinie beiläufig nach dem 
Sonnenmittelpunkt hin gerichtet ist: Es durchwandert 
dann der Knotenfaktor der Mondgezeitenkräfte 
sein Maximum. Das Minimum tritt notwendig ein, 
wenn diese Knotenlinie um 90° oder 270° weiter 
gewandert ist, indem dann der Neumond um gute 5° 
unterhalb, bezw. oberhalb des Sonnenortes ungesehen 
vorüberzieht. Nun beschreibt der Mond (relativ zur 
feststehend gedachten Erde) eine Ellipse um seinen 
Hauptplaneten; aber auch die große Achse (Apsiden- 
linie) dieser elliptischen Mondbahn liegt abermals 
nicht fest, sondern vollendet in 8'847 Jahren einen Vor- 
wärts-(direkten)Umlauf. Das Maximum dieses Ap- 
sidenfaktors der Mondgezeitenkräfte wird also 
abermals dann erreicht, wenn diese Apsidenlinie 
ebenfalls beiläufig nach dem Sonnenmittelpunkt hin 
gerichtet ist, denn dann findet entweder Neumond 
oder Vollmond (die Syzigien) in Erdnähe (im 
Perigäum) statt. Nachdem (aus nicht kurz erörterbaren 
Gründen) unter beiden Syzigien die Neumondstellung 
die wirksameren Gezeitenkräfte liefert, so wird unter 
sonst gleichen Umständen dieser Syzigienfaktor 
dann sein Maximum erreichen, wenn zur Neumondzeit 
sich Knoten- und Apsidenlinie im Radiusvektor 
(Richtung Erdmittel-Sonnenmittel) begegnen, also 
bei einer totalen Sonnenfinsternis in Erdnähe des 
Mondes. 

Nun gibt es noch einen vierten Faktor, gleichsam 
einen Erdbahnexponenten zu obigen drei Mondkraft- 
faktoren: Die Ellipsenform der Erdbahn selbst. Hier 
liegt aber die große Achse für unsere Betrachtungen 
so gut wie fest, denn sie gebraucht rund 21.000 Jahre 
zu einem direkten Umlauf. Heuer passierten wir die 
Sonnennähe (das Perihelium) am 2. Jänner um 7 Uhr 
abends. Erst ums Jahr 1928 herum geschieht dies zu 
Beginn des 3. Jänner und erst gegen Ende dieses 
bis Mitte des nächsten Jahrhunderts hinein wird die 
Perihelpassage der Erde am 4. Jänner stattfinden. 
Es darf uns nun nicht irre machen, daß das mittel- 
italienische Erdbeben scheinbar so ungenau mit dem 
Perihelium zusammenfiel, da es sich ja da um eine ganz 
allmählich verlaufende Annäherung und Abrückung 
der Erde zur und von der Sonne handelt, so daß sich 
der Sonnenabstand vom Ende November bis Mitte 
Februar relativ nur wenig von dem des 2. Jänner 
unterscheidet. Man spricht daher auch besser nicht 
von diesem Datum des 2. Jänner als einen 
kritischen Tag der Perihelpassage, sondern 
richtiger vom nördlichen Hochwinter als der 
für beide Hemisphären kritischen Jahreszeit 
des Perihelverweilens der Erde, oder vom 
November bis Februar als den kritischen Perihel- 
monaten. 

So wären wir nun bei den in meteorologischen 
und geodynamischen Kreisen so verpönten kritischen 
Tagen« Falbs angelangt. Dieser Name ist der 
Schrecken aller zünftigen Wetterkundigen geworden, 
und zwar wie wir später zeigen werden, ebenso mit 
Recht als mit Unrecht. Es waren denn auch viele 
Meteorologen dieses Erdbebenpropheten Tod. Um 
es gleich kurz vorauszuschicken: In geophysikalischer 
und himmelsmechanischer Hinsicht hatte dieser arme 
Autodidakt gewiß Unrecht, denn weder stößt das 
glutflüssige Erdinnere an kritischen Tagen springflut- 
artig gegen die Innenklippen der festen Erdkruste, 
um das Erdbeben zu erzeugen, noch aber könnte der 
Mond an solchen kritischen Tagen eine derartige 
atmosphärische Ebbe und Flut erzeugen, das sich 
daraus, für den vorurteilsfreien Verstand physikalisch 
einsehbar, eine gewaltsame Änderung der Wetterlage 
ableiten ließe. Weder auf das Beben der Erdkruste, 
noch auf atmosphärische Paroxysmen kann der Mond 


selbst einen direkten Einfluß ausüben, wohl 
aber einen mittelbaren, und zwar ebenso zeitlich 
elastischen als ausgiebigen, wie später gezeigt werden 
soll, bis wir in der A a le Meteorologie 
klarer sehen werden. Nur im Prinzipe sei auch dies- 
bezüglich hier schon vorausgeschickt, daß der Mond 
an »kritischen Tagen« nicht nur verstärkte Gezeiten- 
kräfte auf Meer und Erdkruste (Hydro- und Lithos- 
Baur) ausübt, sondern, besonders um die verstärkten 
eumondzeiten herum, auch auf den kosmischen 
Feineis- und Roheiszufluß zur Erde einen 
erhöhten heranlenkenden Einfluß nimmt. 
Wir werden da in die Lage kommen, ebensowohl 
den Aristoteles als auch einen der modernsten 
offiziellen Meteorologen zu Kronzeugen aufzurufen. 

Hatte also Falb im physikalischen Prinzipe 
stets Unrecht, so müssen wir ihm in statistischer 
Hinsicht umso bestimmter Recht geben. Und alle 
jene statistischen Beweise, welche übereifrige Fach- 
meteorologen gegen Falb zusammengestellt haben, 
müssen wir als »gemacht«, als nicht objektiv, als 
tendenziös oder mindestens mißverständlich be- 
zeichnen, wofür wir auch die Beweise nicht schuldig 
bleiben werden. Es soll auch klar gezeigt werden, 
warum Falb an seinen »kritischen Tagen« nebst 
Wolkenbrüchen, Wetterstürzen, Erdbeben, Vulkan- 
ausbrüchen und Schlagwettern manchmal und manchen- 
orts auch den allerblauesten Himmel hinnehmen 
mußte. Die »Laienmeute« hatte Falb und hat auch 
heute sein ebenso im Finstern tappender Nachfolger 
in der Mehrzahl von Fällen für sich; das darf vor- 
läufig auch als entscheidend gelten; denn 
niemand hat so bestimmt Unrecht, als ein der 
vox populi gegenüber bestimmt verneinender 
»Fachmann«. Als diesbezügliches Beispiel sei jenes 
»fachmännische Gutachten« angeführt, 
welches der Präsident der Pariser Akademie 
Bertholon im Jahre 1790 gegen ein von 300 
bäurischen Augenzeugen unterfertigtes Protokoll über 
einen am 24. Juli, abends 9 Uhr, erfolgten Meteor- 
steinfall abgegeben hatte: Er bemitleidete 
einfach die Gemeinde, welche einen so 
thörichten Maire besitzt, daß er über 
eine so offenbare physikalische Un- 
möglichkeit auch noch ein Protokoll 
aufnehmen ködnne«. Unsere Erfahrungen mit den 
akademischen Wissenschafts-Machthabern heutiger 
Zeit sind ganz ähnliche. 

Doch nun zurück zu den Gezeitenkräften, in 
unserem Falle des 13. Jänner 1915, welcher Tag nach 
obigem ja praktisch mit unserer Perihelpassage 
vom 2. Jänner ganz genau zusammentrifft.*) Der 
Mond hatte sein Perigäum am 12. Jänner, 3 Uhr früh, 
erreicht, also praktisch ebenfalls mit dem Erdbeben- 
tag genau zusammenfallend. Der Neumond aber 
passierte am 15. Jänner, 3 Uhr nachmittags, etwa 
3° südlich der Sonne, sodaß der Syzigienfaktor am 
13. Jänner schon nahe seinem Maximum im raschen 
Ansteigen sich befand. Und nachdem der Mond für 
den mitteleuropäischen Meridian am 13. Jänner um 
4,7 Uhr früh aufging, war für Mittelitalien um 8 Uhr 
früh auch der Mondtagsfaktor der Gezeitenkräfte eben 
im raschen Zunehmen begriffen. Es waren somit zur 
kritischen Zeit und am kritischen Orte nicht nur alle 
fünf Gezeitenfaktoren nahe ihrem Maximum (mit 
Ausnahme des Knotenfaktors vielleicht), sondern das 
Produkt auch noch im Zunehmem begriffen, woraus 
jene rasch ansteigende Druckentlastung am inner- 
irdisch tiefen Orte eines explosionsbereiten Siedever- 
zuges resultieren konnte, welche die Explosion auch 
ohne barometrische Mithilfe auslösen mußte. Nimmt 
man dazu noch die naclıgewiesenen bedeutenden 


*) Auch das noch furchtbarere Erdbeben von Messina am 
28. Dezember 1908, früh, war ein genaues Perihel-Erdbeben mit 
verstärkten Mondgezeitenkräften. Perihelpassage am 2. Jänner; 
Sonnenfinsternis am 22. Dezember; Erdnähe des Mondes und 
Zentralpassage tätiger Sonnenfackelbezirke am 26. Dezember, 
worüber später näheres. 


Luftdruckschwankungen des 13. Jänner über Mittel- 
italien, so muß da wohl der ärgste Skeptiker nach- 
denklich werden. Natürlich wird uns ein solcher 
immer noch einwenden, daß zu anderen Zeiten viel 
stärkere Luftdruckschwankungen mit einem stärkeren 
Gezeitenkraftprodukt zusammenfallen können, ohne 
daß ein Erdbeben ausgelöst werden muß. Da hat 
man sich eben immer vor Augen zu halten, daß diese 
Kräfte nicht unmittelbar die Erdkruste packen und 
schütteln, sondern daß da am richtigen Orte und zur 
richtigen Zeit auch ein explosionsbereiter Siedever- 
zug dazu gehört. Auch müssen im entscheidenden 
Momente beide Auslösefaktoren (der barometrische 
und gezeitliche) im druckentlastenden Zu- 
nehmen begriffen sein, da es anders vorkommen 
kann, daß rasch steigender Luftdruck den Anstieg der 
Gezeitenkräfte soweit aufhebt, daß auch der explosions- 
reifste Siedeverzug nicht zur Auslösung gelangt. 
Der Luftdruck muß örtlich rasch sinken, die 
Gezeitenkraft gleichzeitig dortselbst rasch steigen 
und ein explosionsbereiter Siedeverzug muß am Orte 
der hieraus resultierenden Druckentlastung bereit- 
gestellt sein, wenn der Explosionsstoß von unten 
erfolgen soll. Und das ist auch das Geheimnis der 
zeitweiligen MiBerfolge Falbs hinsichtlich der Erd- 
bebenprognosen. 

Mit diesem armen Unglückskinde Falb hat nun 
die moderne Meteorologie auch das so wertvolle 
Bad weggeschüttet und sich mit ihren Wetterprognosen 
bloß auf die Luftdruckverteilungs- und Gradienten- 
karten zurückgezogen, sodaß sie mit einiger Sicherheit 
bloß auf 24stündige Wetteransage sich einlassen 
kann. Mondeinfluß auf kritische Naturereignisse ist 
verpönt, weil Falb ihn behauptet hatte. Kein Wunder 
also, daß das jährliche Erdbebenmaximum vom 
Dezember jänner / Februar (1) meteorologischerseits 
zwar konstatiert, aber irrig und einseitig gedeutet 
wird. Die nachfolgende Tabelle der monatlichen 
Verteilung von Bebenhäufigkeit und Luft- 
druck unterschieden in Europa, von F. Seidl, 
möge dies illustrieren: *) 


| 
Jänner Februar | März | April | Mai 
| | 


49 


(sozusagen ein Exponent der Mondeskräfte) als den 
intensiver wirkenden Siedeverzugs-Auslösungs- 
faktor aufrecht erhalten. Man sieht ja aus der Tabelle 
auch, daß im Monat Oktober und November die 
Erdbebenhäufigkeit sich nicht nach den Gradienten- 
gefälle-Ziffern richtet, weil eben nicht diese letzteren 
das ausschlaggebende sind, sondern die durch das 
Perihelium höher hinauf potenzierten Mondgezeiten- 
kräfte. Die Luftdruckgefälle wirken eben nur im selben 
Sinne mit. Natürlich würden die Sonnenflutkräfte der 
Perihelmonate allein das nordwinterliche Beben- 
maximum nicht so auffallend bedingen, da ja deren 
Zu- und Abnahme nur sehr allmählich erfolgt. Aber 
diese Sonnennähe bringt eben die übrigen vier Mond- 
gezeitenfaktoren (Knoten-, Apsiden-, Syzigien- und 
Mondtag-Faktor) erst zur erhöhten Wirkung, insbe- 
sondere dann, wenn diese auch ihrerseits mit ihren 
Maximalwirkungen oder wenigstens mit ihren An- 
stiegen zusammenfallen, wie etwa gelegentlich einer 
Jänner-Sonnenfinsternis zur Erdnähenzeit des Mondes. 

Daß in Europa »überall die Erdbebentätigkeit in 
der kalten Jahreszeit eine regere ist, als in der warmen« 
ist schon längst aufgefallen — »so fielen auch von 
den 75 Erdbebentagen, welche von 1875 bis 1897 im 
sächsischen Vogtlande beobachtet wurden, 66 auf die 
Zeit vom September bis März und nur neun auf die 
Zeit vom April bis August« — berichtet Sieberg. 
Gedeutet wird das aber ausschließlich in der Weise, 
daß (wie solches auch erst die Glacialkosmogonie 
genetisch erklärt) immer die jeweilige Winterhemi- 
sphäre den höheren mittleren Luftdruck aufweist und 
demzufolge auch die größere Amplitude der Luftdruck- 
schwankungen. Ebenso war man sich bald klar darüber, 
daß es eine barometrische Erdbebenauslösung gibt, 
denn bei einer diesbezüglichen statistischen Unter- 
suchung kommt Sieberg zu dem vielsagenden Re- 
sultate, daB von 100 Erdbeben eines beobachteten 
Gebietes und Zeitraumes 71 bei sinkendem und 29 
bei steigendem Luftdruck stattfanden. Wir müssen 
hier aber nochmals betonen, daß eine rein baro- 
metrisch ausgelöste Siedeverzugs-Explosion nur eine 


Häufigkeit der Erdbeben der Jahre 306 bis 1842. 


| 
1046 | 947 
| 


147 · 7 1386 119-4 95-4 


Luftdruckunterschiede in Millimetern in der Richtung des Gradienten SE- NW ; 2820 km. 


‘ 
l 


126 | 80 42 16 —02 
i i | 


4 i 
1 


Diese Tabelle spricht Bände für uns, indem die 
Perihelmonate mit einem auffallenden Jahresmaximum 
sich geltend machen und zu dem auch noch der 
eigentliche Perihelmonat Jänner das absolute Maxi- 
mum liefert. Aber weit entfernt das zuzugeben, setzt 
der Meteorologe und Geodynamiker dieses nord- 
winterliche Uberwiegen der Erdbebenhäufigkeit 
durchaus nicht auch auf Rechnung der Sonnennähe, 
denn da käme ja Falb zu einem Schein von Recht, 
sondern ausschließlich die jäheren und größeren 
Luftdruckschwankungen des Winters sollen dies 
bewirken, was uns ja teilweise auch recht sein Kann. 
Ja es kommt uns sogar sehr gelegen, daß man eine 
Abhängigkeit der Erdbebenhäufigkeit von der Steilheit 
des Luftdruckgefälles in der vorherrschenden Wind- 
richtung bereits zugibt; aber trotzdem müssen wir 
die winterliche Erhöhung derSonnengezeitenkraft 


*) Aus Sieberg: »Handbuch der Erdbebenkunde« 1904. 


0'6 04 | 1:5 


| 
Juni | Juli August Sept. Okt. Nov. ' Dez. 
i l | 
1004 | 1018 | 1102 | 1109 | 123-7 | 136°4 
| 53 | 92 | 60 | 9'3 


solche bei rasch sinkendem Luftdruck sein kann; 
es kommt aber vor, daß eine solche rein barometrische 
Druckentlastung nur langsam durch die Sickerwasser- 
säule hindurch bis zur Tiefe des geladenen Siede- 
verzuges vorzudringen vermag, so daß hiedurch die 
Explosion auch in einem Zeitpunkte ausgelöst werden 
kann, in welchem (bei raschem Luftdruckwechsel) an 
der Erdoberfläche das Barometer schon wieder eine 
steigende Tendenz zeigt. Wirken aber druckent- 
lastende Gezeitenkräfte mit, wie im Falle des 13. Jänner, 
so können diese so sehr überwiegen, daß die Explo- 
sion auch bei einer selbst in der Explosionsherdtiefe 
ansteigenden barometrischen Druckkomponente er- 
folgen kann. Manchmal wird es aber (in ungeklüfteter 
Herdtiefe) den äußeren Luftdruckschwankungen über- 
haupt unmöglich gemacht, durch die Sickerwassersäule 
hindurch bis zum Orte des Siedeverzuges vorzu- 
dringen, so daß nur Gezeitenkräfte allein die Explo- 
sion auslösen können, welch letztere dann mitunter 


50 


auch bei höchstem Barometerstand oder ausgesprochen 
steigender Tendenz eintreten kann. Dieser Umstand 
ist es ja eben, der den Meteorologen, Geologen und 
Geodynamikern in der Abhängigkeit der Erdbeben- 
auslösung von den Luftdruckschwankungen den Wahr- 
heitsfund im physikalischen Grundwesen umso mehr 
erschwert, als sie durch den Dislokationsirrtum ja 
auch das physikalische Wesen des Erbebens selbst 
so gründlich verkennen müssen. Aber immerhin bietet 
es für unsere Aufklärungsarbeit schon eine wesent- 
liche Erleichterung, wenn wenigstens der Geodynami- 
ker schon eine Abhängigkeit der Erdbebenauslösung 
vom Luftdruck »nicht mehr für ganz unwahrschein- 
lich« hält. 

Der reine Geologe der Wiener Schule verhält 
sich in seiner vorgefaßten »tektonischen« Meinung 
aber auch dagegen noch immer ablehnend ; denn 
sein Urteil über das Erdbeben vom 13. Jänner lautet: 
»Das Erdbeben ist auf keine außerirdischen und außer- 
gewöhnlichen Kräfte zurückzuführen, keine elektrischen 
oder magnetischen Wirkungen sind seine Ursachen, 
auch bei vulkanischem Boden nicht. Nur die Schwere 
und die elastische Spannung sind die wirkenden 
Kräfte«.*) — Wir wiederholen vorläufig hiezu nur, 
daß die akademische Wissenschaft niemals so sicher 
irrt, als wenn sie populär allgemein Geahntes be- 
stimmt verneint. Die außerirdischen und außer- 
gewöhnlichen Kräfte der Erdbebenauslösung haben 
wir im bisherigen ebensowohl kennen gelernt, wie 
die »stoßende« Kraft selbst. Über die Pikanterie 
der elektrischen und magnetischen Begleit- 
erscheinungen werden wir nach Absolvierung der 
»gebirgsbildenden Kräfte« des Tektonikers noch zu 
sprechen kommen. 

Natürlich stellt sich der durch die herrschende 
Wiener Geologenschule »tektonisch« verführte Geo- 
dynamiker eine barometrische Erdbebenauslösung auch 
nur so zwar vor, daß die Luftdruckschwankung un- 
mittelbar an der innerirdischen Gebirgsmassenver- 
schiebung (»Dislokation«) und zwar ausschlaggebend 
mitwirkt, bezw. daß gerade nur noch diese etlichen 
Tausend Tonnen Mehrdruck per Quadratkilometer 
fehlten, um den vermeintlichen »Einsturz des Hohl- 
raumes«**) oder die Durchknickung des Erdkrusten- 
gewölbes oder den das Gleichgewicht wieder her- 
stellenden Rutscher im Gewölbewiderlager, bezw. in 
der Verwerfungs- oder Niederbruchspalte oder die 
endliche Ausschnellung einer »elastischen horizontalen 
Spannung« u. s. w. (kurz die »Dislokation«)**) aus- 
zulösen. Alles das gibt es aber in Wahrheit 
nicht. Denn ebensogut könnte ein Tiroler Scharf- 
schützenjunge meinen, daß der leise Fingerdruck 
seines Vaters auf den Stecher des Scheibenstutzens 
unmittelbar ausschlaggebend es ist, der die 
Kugel ins Schwarze befördert, weun ein Vergleich 
mit dem wahren Vorgange beim Erdbebenstoße ge- 
macht werden soll. 

Der »tektonisch« urteilende, weil kontraktions- 
theoretisch verführte Geologe wird diesen Vergleich 


) »Neue Freie Presse« vom 15. Jänner 1915. 

Der »Reichspost«-Fachmann erkannte ausdrücklich auf 
ein »Einsturzbeben« — eine zweite Autorität der „N. F. Presse« 
dagegen auf ein »Tektonisches Beben« vom 13. Jänner 1915. 


| 


nicht gelten lassen, sondern uns mit der »elasti- 
schen Spannung« des Armbrustbogens kommen 
wollen, dessen Saite beim Umkehren durch die 
Schwerkraft allein aus dem Hacken schnellt. Aber 
eben diesen gespannten Bogen — den gibt es bei 
der Erdbebenauslösung nicht, sondern nur den ex- 
plosionsbereiten Sprengstoff. Sofort verständlich muß 
das dem Berg- und Hüttenmanne, dem Dampfkessel- 
und Verbrennungsmotor-Ingenieur, dem Festungs-, 
Feld- und Marineartilleristen dann werden, wenn ein 
erheblicher Bruchteil eines Barometersturzes durch 
Felsklüfte, Verwerfungen, Niederbruchspalten, auch 
Bergschächte und Stollen, tätige und erstorbene Vul- 
kanschlünde u. dergl. durch die restliche Sicker- 
wassersäule hindurch bis zur Tiefe des gespannten 
Siedeverzuges hinab fühlbar wird, und dort den 
Stecher des Scheibenstutzens leise antupft, um jenen 
fürchterlichen Massenstoß auszulösen, welchen Geo- 
logen, Meteorologen und Geodynamiker so arg miB- 
verstehen. Man versuche einmal eine ganz kleine, 
bloß mit Wasser teilweise gefüllte, dickwandige Gra- 
nate in den Fokus des Hochofens zu bringen oder 
auch nur tief in das Stahlbad der Bessemerbirne oder 
des Martinofens zu tauchen und dort festzuhalten. 
Im kleinen MaBstabe kann man auch eine saftige, un- 
aufgeschnittene aber rasch gut vorgewärmte Kastanie 
in flüssige Hochofenschlacke tauchen oder einfach 
auf die heiße Herdplatte legen und abwarten was da 
geschieht. 

Natürlich werden wir mit solchen Experimenten 
unseren geehrten geologischen und geodynamischen 
Skeptikern insolange nichts einzureden vermögen, 
als es uns nicht gelingt, ihnen ihre heutigen Anschau- 
ungen über »Gebirgsbildung« auszureden. Denn: 
»ein richtiges Verständnis der Dislokations- 
beben ist nur möglich, wenn sie im Zusammenhang 
mit der Gebirgsbildung begriffen werden« — 
sagt Neumayr in seiner Erdgeschichte. Wir müssen 
uns somit jetzt der Provenienz der sogenannten 
»Kontraktionslehre« zuwenden, die ja das 
Um und Auf der herrschenden Gebirgsbildungs- 
hypothese darstellt. Dies soll nächstens geschehen. 


Nachtrag. 


Während der Drucklegung komnit uns die Februar- 
nummer der »AstronomischenKorrespondenz« 
(Hamburg 1915) zu, darinnen der Herausgeber Artur 
Stentzel in einem Aufsatze: »Das Jänner- 
maximum des Vulkanismus 1915« ebenfalls die 
Gezeitenkräfte des Mondes und der Sonne in allerdings 
physikalisch stark abweichenden: Sinne für die Erd- 
beben verantwortlich macht. Schon gelegentlich des 
Messineser Bebens (1908) hatte Stentzel in der 
»Grazer Tagespost« unter: Die wahre Ursache 
des süditalienischen Erdbebens« gegen die 
»Einsturz-und Dislokationstheorie« energisch 
Stellung genommen, um am 12. Jänner im selben 
Blatte durch Dr. Mittelbach energisch zurück- 
gewiesen zu werden. Nachdem Graz die Wiege und 
der dortige Geologe R. Hoernes der Urheber der 
Dislokationstheorie ist, werden wir nach Absolvierung 
der »gebirgsbildenden Kräfte« von diesem 
Streite zu profitieren suchen. 


Die Bilanz der deutschen Nationalflugspende. 


Die Nationalflugspende hat diesmal von der Ver- 
öffentlichung eines Jahresberichtes abgesehen. Das 
Kuratorium glaubte, daß besser als eine Denkschrift 
die Taten deutscher Flieger im Felde von dem vor— 
bereitenden Wirken der Nationalflugspende zeugen; 
dem kann man nur beistimmen. 

Als am Ende des Jahres 1912 die Volkssammlung 
mit einem Ergebnis von rund 7½ Millionen Mark 
schloß und damit der Sammlung des deutschen Volkes, 
die vier jahre früher für die Ausbildung der anderen 
großen Luftwaffe dem Grafen Zeppelin zur Ver- 


fügung gestellt wurde, ziemlich nahe kam, konnte man 
kaum erwarten, daß diese Stiftungen bereits so früh 
den Beweis ihrer zweckmäßigen Verwendung er- 
bringen sollten. Alle jene, die ihr Scherflein zu diesen 
Suminen beigetragen haben, werden heute mit den 
Friichten, die geerntet worden sind, zufrieden sein. 
Die Schöpfungen des Grafen Zeppelin sind der 
Schrecken unserer Feinde geworden, selbst dort, wo 
diese sich weit ab vom Schuß wähnen. Deutsche 
Flieger leisten an unseren Fronten Außergewöhnliches, 
und schwerlich haben sich die verbündeten Gegner 


träumen lassen, daß es gelingen würde, ihrem gemein- 
samen Ansturm zu trotzen, um so weniger, als auch 
in Frankreich, England und Rußland während der 
letzten zwei Jahre gewaltige Anstrengungen aus staat- 
lichen Mitteln und Nationalspenden gemacht worden 
sind, um Glänzendes in der Flugtechnik zu leisten. 
Ein Heer ohne diese Aufklärungsmöglichkeiten würde 
im heutigen Kampf rettungslos verloren sein. Die 
Nationalflugspende hat gerade noch rechtzeitig genug 
eingegriffen, um einerseits in bezug auf die Leistungs- 
fähigkeit der deutschen Industrie das zu vollenden, was 
frühere Stiftungen ins Rollen gebracht hatten und 
anderseits die Flieger zu jener Härte, Zähigkeit und 
Zuverlässigkeit durchzubilden, die für das Lösen der 
ihnen gestellten Aufgaben unerläßlich sind. Von dem 
Eisernen Kreuz der ersten Klasse entfallen auf die 
Beherrscher der Luft allein 5˙4 Prozent, ein gewaltig 
hoher Prozentsatz. 

Von den Mk. 7,234. 50629, die insgesamt am Schluß 
der Sammlungen eingelaufen waren, standen dem 
Kuratorium Mk. 5,212.691°41 zur freien Verfügung. 
Von dem Rest waren nach dem Willen der Stifter 
reichlich eine Million für die Beschaffung von Flug- 
zeugen bestimmt, Mk. 577.000 wurden für die Be- 
gründung der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt 
aufgewandt und der Rest entfiel auf verschiedene 
Spezialzwecke. Das Jahr 1913 figurierte in der Ab- 
rechnung mit Mk. 1,715.344°06 Ausgaben, so daß zu 
Beginn des Jahres 1914 dem Kuratorium durch nach- 
träglich enden, Zinsen und Kursgewinn aufgelaufen 
nahezu noch 4 Millionen zur Verfügung standen. 
Die jetzt veröffentlichte Abrechnung für das letzte 


22 


De 


51 


Jahr weist eine Ausgabe von Mk. 2,152.759°38 aus. 
Obenan stehen die Aufwendungen fiir die Ausbildung 
von Fliegern mit Mk. 748.376°15. An Fliegerprämien 
(Renten) wurden Mk. 538.241°09 gezahlt, die Wett- 
bewerbe mit Mk. 368.000°30 unterstützt. Für Spezial- 
zwecke wurden verausgabt Mk. 150.000 für die Anlage 
eines Wasserflugplatzes, Mk. 25.000 für Fliegerkurse 
in München, k. 66.550 für Fliegerversicherung, 
Mk. 65.000 Zuschuß erhielt die Luftfahrerschule in 
Adlershof und nahezu der gleiche 1 wurde für 
Versuche und . nachgeprüfter Erfindungen 
bewilligt. Auch die der Förderung des Flugwesens in 
den Kolonien gewidmeten Mk. 32.583'46 haben ihren 
Zweck nicht verfehlt, denn wenn auch nur selten eine 
Kunde aus dem für uns abgeschnittenen Südafrika 
herüberdringt, so hörten wir doch um so häufiger von 
der Wirksamkeit deutscher Kolonialflieger, die sicher 
den nur schwachen Kampfwerten ausgezeichnete 
Dienste leisten. Diesen recht imposanten Ziffern 
gegenüber verschwinden die Verwaltungskosten fast 
vollständig, denn sie übersteigen mit Einschluß der 
allgemeinen Unkosten Mk. 33.000 nur um ein Ge- 
ringes. / 

Sehr erfreulich ist es, daB die Nationalflugspende 
auch jetzt noch in der Lage ist, weiter im Sinne ihrer 
Stifter zu wirken, da der am Schluß des Geschäfts- 
jahres vorhandene Fonds die noch immerhin erfreu- 
liche Höhe von Mk. 1,843.617°46 hatte. Da einige der 
großen Hauptposten, wie Prämien und Wettbewerbe, 
in Fortfall kommen, so wird die Nationalflugspende 
noch weiter wirksam dazu beitragen können, daß das 
deutsche Flugwesen in dieser großen Zeit nicht erlahmt. 


yr 


Geschützdonner als Echo von der Hochat mosphäre. 


Das Seegefecht des 24. Jänner 1915 fand am 
Vormittag inmitten der Nordsee statt. Gleichzeitig 
wurde, nach einer Drahtmeldung aus Amsterdam, bei 
Franeker in der niederländischen Provinz Friesland, 
heftiges Geschützfeuer gehört, das seinen Höhe- 
punkt zwischen ½ 11 und 11 Uhr erreichte. Es ist nicht 
daran zu zweifeln, daß dieser Kanonendonner von 
jenem Seegefechte herrührte, um so weniger, als die 
Herkunftsrichtung stimmte: nördlich der lnseln Ameland 
und Schiermannikoog. Das bedeutet für Franeker 
Nordnordosten und diese Richtung peilt mit einiger 
Genauigkeit den Punkt unter 6° östlicher Länge, 55° 
nördlicher Breite*), 70 Seemeilen oder 130 km west- 
nordwestlich von Helgoland, bei dem nach dem 
deutschen Marineberichte das Seegefecht von den 
britischen Schiffen abgebrochen wurde. 

Aber die Entfernung von dieser Meeresstelle nach 
Franeker beträgt 190 km.*) Wie vom Gewitterdonner 
bekannt ist, wird sein Einsetzen selten noch 20 Se- 
kunden nach dem Blitze, also auf mehr als 65 km 
Entfernung wahrgenommen. In der Tat handelt es sich 
um eine physikalische Erscheinung, die erst seit sieben 
Jahren bekannt, seit fünf Jahren erklärt ist. Der 
schweizerische Meteorologe de Querpain stellte 
zuerst bei einer Dynamitexplosion gelegentlich des 
Baues der Jungfraubahn fest, daß der Donner dieser 
Explosion im zweiten Hundert Kilometer der Ent- 
fernung ein neues Maximum der Hörbarkeit hatte. 
Der deutsche Physiker von dem Borne und nach 
ihm Alfred Wegener fanden die Erklärung in einer 
Reflexion des Schalles an einer Grenzfläche zweier 
Schichten in der Hochatmosphäre, die Wegener 
dort suchte, wo der Sauerstoff- und auch der Stick- 
stoffgehalt ihrer unteren Schichten geschwunden und 


*) Für den Fall, daß die Peilung von der deutschen 
Admiralität sogleich rechtweisend angegeben ist, handelt es sich 
um 54% nördlicher Breite und 170 km Strecke bis Franeker. 
Auch hiefür trifft die gegebene Erklärung zu. 


der Wasserstoff zur Vorherrschaft gelangt ist. Jene un- 
erwartet weite Hörbarkeit starker Explosionen kommt 
demzufolge auf ihr Echo an der Innenseite des Wasser- 
stoffmantels des Erdballes hinaus. 


Damit ist wohl auch eine ähnliche Meldung er- 
klärt, die mit den Nachrichten vom Angriffe 
deutscher Luftkreuzer auf die englische 
Ostküste zusammenfiel: »Rotterdam, 20. Jänner. Dem 
‚Nieuwe Rotterdamschen Courants‘ wird telegraphiert, 
daß man gestern nachmittag heftigen Kanonendonner 
aus der Richtung Borkum hörte.« — Über Schall- 
richtungen sind erfahrungsgemäß Täuschungen 
möglich. Das Gefecht an der Küste begann zwischen 
8 und '/,9 Uhr am Abend des 19. Jänner. Aber es ist 
auch gar nicht ausgeschlossen, daß schon vorher auf 
See britische Kriegsschiffe die deutschen Lufikreuzer zu 
beschießen suchten. Dann handelte es sich um Ent- 
fernungen von 140 bis 200 km (diese für die deutsche 
Einbruchstelle an der englischen Küste) bis zur Gegend 
von Rotterdam, eine Entfernung, die der genaueren 
Angabe vom 24. Jänner 1915. sehr nahe kommt. 


Noch ein anderer Umstand kann dafür angeführt 
werden. An der holländischen und an der belgischen 
Nordseeküste ist die rätselhafte Erscheinung des See- 
donners nicht selten. Als »Mistpoeffer« hat er durch 
den dort einheimischen Physiker van den Broeck 
eine der bekanntesten Beschreibungen gefunden. Die 
Erklärungen waren sehr verschieden. Sie sind schon 
in atmosphärischen, vulkanischen und maritimen 
Richtungen gesucht worden. Bei dem letzten Auftreten 
der »Mistpoeffers« am 12. August 1910, auf dem jetzt 
vielgenannten belgischen Bäderstrande, erhielt der 
Genter Geograph van de Vyver von den Strand- 
bewohnern die Erklärung: »On tire en Angleterre« 
(Man schießt in England). Es scheint, als ob diese 
einfache Erklärung auch die richtige ist. 


Wilhelm Krebs. 


52 


Flugfragen und Witterungsaussichten. 
Von Wilhelm Krebs. 
(Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen.) 


Störungsfolgen aus den Hauptherdgebieten der tropischen Sturmbll duns 


1915, 
| Wochen F a Tim Indischen Ozean | 
Im Westatlantik | im Westpazifik (Westen) | 
turm- rm- Sturm- | Sturm- — f Sturm- Sturm- ; 
und bildun | bildung bildun erg, 3841 oe | 
Jänner 20.bis26. 26. Dezbr. | 3. bis ID. | 13. bis 19. 26. Dezbr.| 3. bis 0. | 
| Dezember |bis3.Jänn.| Jänner | Jänner 7 bis 3.Jänn.| Jänner | 
Nord- 17. bis 24. | | 
zur amerika Ostasien | | 
t Nord- Ostasien 1 | | 
en amerika (Nord- (Osten) 
Jänner 5 pazifik) + | 
29. bis 31. 
Schwarzes | 
RE War a nn Ostasi Stu Pe (0. 150 Sturm- 
stasien rm- sten rm- 
bie 7. (Nord- | bildung hidung 
a pazifik) 30. bis 6. | 30. bis 6. 
Europa „nen, SS Se Ae l 3 
Í Febr. 2 | 
8. bis 14. | 
Indische 
„„ „„ a u \ 771: 7 y O t si ‘a aa (Westen ) 
Febr. 3 Nord- stasien esten 
Europa ord- 
15. bis 21. amerika pazifik) | 
o. 7 3 Nord- 2ööͤ —fö⅛ ER 
amerika | 
Febr. 4 
22. bis 28 | 
- _. |. | Europa REE FERRE ee 8 | 
2 Schwarzes | 
März 1 
Europa Neer-betiet | 
1. bis 7 p (Osten) 
— n Nord.. _.... 
amerika 
März 2 | 
8. bis 14. | 
= — „ en NT ee aa & S 
ärz 3 
15. bis 21. Europa | 
März 4 | | 
22. bis 28. | | 
nr - „7 
März 5 
29. bis 31. | 


+ bezeichnet Störungsfolgen, die durch Unwetter- 
oder Schiffsunfallmeldungen bestätigt sind. 

Das Eintreffen der in der vierten Jännerwoche 
östlich des Schwarzen Meeres erwarteten Störung aus 
indo-afrikanischer Sturmbildung (26. Dezember bis 
3. Jänner) gestaltete sich sehr folgenreich. Unter dem 
26. Jänner wurde über Konstantinopel Unwetter in 
Kaukasien gemeldet, als Ursache der völligen Ein- 
stellung der dortigen Kriegshandlungen. Über Mittel- 
europa hatte sich die ebenfalls von dem Auftreten 
solcher südöstlichen Tiefbildung erwartete Ausbreitung 
der fälligen Kältewelle vollzogen, die wieder nicht 
ohne Rückwirkung auf die Vorgänge auf dem polnisch- 
russischen Kriegsschauplatze war. Diese offenkundige 
Wichtigkeit der Störungen aus dem indo-afrikanischen 
Herdgebiete tropischer Sturmbildung gab Veranlassung, 
solche Störungen nun vollständig im Sturmkalender 
zu bringen. 

Die Kabelmeldung eines schweren Schiffsverlustes 
im amerikanischen Westatlantik, 300 Seemeilen von 
Kap Henry, ermöglichte am 29. Jänner eine genauere 
telegraphische Sturmwarnung nach Helgoland, und 
zwar rechtzeitig. Das bedeutete in diesem Falle zwei 
bis drei Tage vor dem diesseitigen Sturmausbruch 
innerhalb eines um fünf Wochen im voraus ange- 
kündigten Störungstermines. 

Wiederkehr gesteigerter Sonnentätigkeit gegen- 
über der Erde ist vorberechnet im März 1915 bis zum 6., 


zwischen dem 10. und 22. und nach dem 27. Besonders 
in der ersten und in der letzten dieser Märzepochen 
sollte auf Kompaßstörungen geachtet werden. 


Zwei Luftkreuzerfahrten der letzten Jännerwoche 
1915 legten, wenn sie auch beide von deutschen Flug- 
schiffen ausgeführt wurden, ein deutliches Zeugnis 
ab für die Überlegenheit des spezifisch deutschen 
starren Systems. Ein Zeppelin-Schiff, das von einer 
Fahrt nach Nancy den Heimweg nahm, entging un- 
versehrt der Beschießung der dortigen Artillerie. Das 
war am 29. Jänner. Vier Tage vorher, am 25. Jänner, 
war ein anderer deutscher Luftkreuzer bei Liebau in 
der gleichen Lage. Er fiel aber dem doch sicher dem 
französischen nicht überlegenen Feuer der russischen 
Artillerie zum Opfer. Seine Bemannung geriet in Ge- 
fangenschaft. Ihre geringe Zahl (sieben Mann) bezeugt, 
daß er kein Zeppelin-Schiff war. 


In deutschen Zeitungen ist er mit »P. 79« be- 
zeichnet, mit einer sicherlich zu hohen Nummer. Wenn 
man sich außerdem die russische Schreibart des »P« 
vor Augen hält, ergibt sich ein sehr wahrscheinlicher 
Schluß auf -M. 9«. Auf jeden Fall handelte es sich 
um einen halb- oder unstarren Luftkreuzer. Diesen 
dürfte unter solchen Umständen das Suchen nach den 
in der Ostsee zurzeit befürchteten feindlichen Unter- 
secbooten eine dankbarere Aufgabe bieten, als der 
Besuch stark bestückter Landstellungen des Feindes. 


53 


Die Luftfahrt im Kriege. 


Aus einem Vortrage des Major d.R. Franz Hinterstoißer. 


Die ersten Monate des Kriegsjahres sind vorüber! 
Die bangen Stunden, Tage und Wochen, in denen 
uns die Wucht kriegserfahrener, sehr gut bewaffneter 
und seit langem schlagfertiger Massenheere an die 
Wand zu drücken versuchte, sind hinter uns. 

Wir haben nun selbst ausgiebig Kriegserfahrungen 
gesammelt; alle Räder des kolossalen österreichisch- 
ungarischen Heeresmechanismus, denen so viele Jahre 
nur das allernotwendigste Betriebsmittel gereicht 
wurde, sind nunmehr eingelaufen und alles klappt 
nun in unserer herrlichen Armee, die Tag für Tag 
neue Lorbeerreiser um ihre wehenden Fahnen windet. 
Das Soldatenglück ist mit den starken, pflichtbe- 

eisterten Bataillonen! Nicht zuletzt haben sich unsere 
uftfahrzeuge, als die neuesten der modernen Kriegs- 
mittel, einen würdigen Platz ganz vorne im Streite 
erkämpft! Gefürchtet vom Feinde und hochgeehrt vom 
Freunde, fehlt bei keiner Schlacht, bei keiner Be- 
lagerung, bei keiner Gefahr das k.u.k. Luftschifferkorps. 

Vorallemist es die Flugmaschine, die 
täglich im kühnen Fluge ihre Wichtigkeit 
dem Gegner in die Ohren donnert. | 

Der Kriegskorrespondent Hermann Katsch des 
Berliner Lokalanzeigers schildert wie folgt die Tätig- 
keit unserer Flieger: 


»Als Wright vor 5Jahren sein schwerfälliges Flug- 
zeug mit Hilfe einer Startmaschine auf dem Tempel- 
hofer Felde den neugierigen Berlinern vorfiihrte, wer 
hätte schon damals daran denken dürfen, daß in 
einem der nächsten Kriege die Flugmaschine nicht 
nur zu einem wichtigen Gliede des ganzen Kampf- 
bildes werde, nein, daß sogar dieses Kriegsbild durch 
die Flugmaschine eine gründliche und sehr eigen- 
artige Veränderung erfahren würde! Und als dann 
durch das unablässige Ringen um die Beherrschung 
der Luft, die Technik und die Industrie Geräte schufen, 
die schrittweise im Hoch-, Weit- und Schnellfluge 
fast täglich die Grenzen menschlichen Könnens ver- 
schoben, und unsere westlichen Nachbarn, auf deren 
Grund und Boden die deutschen Heere jetzt stehen, 
scheinbar alle anderen Völker durch verblüffende 
Leistungen zu überholen schienen, wer war da nicht 
in Deutschland der Ansicht, daß die scheinbar zu 
pedantisch und zögernd den Fortschritten des Flug- 
zeugbaues folgende deutsche Heeresverwaltung den 
Vorsprung, den die Franzosen gewonnen hatten, zum 
Schaden unserer Waffen nie einholen würde! In den 
zahlreichen Vereinen, die sich mit den Fragen der 
Flugtechnik beschäftigten, bildete darum das Thema 
oft den Gegenstand von Vorträgen und Diskussionen, 
wie der nächste Krieg durch das Flugzeug umgestaltet 
werden würde, das nur in den seltenen Fällen als ein 
Gegenstand des Sportes erschien und im Gegenteil 
fast ausschließlich als Waffe ausgebildet wurde. 

Da waren viele, die als erste Erscheinung eines 
neuzeitlichen Kampfes einen Zweikampf von Flieger- 
geschwadern an der Grenze prophezeiten, einen Zwei- 
kampf, der wieder zu den allerersten Formen der 
Fehde, zum Kampf des einzelnen gegen den einzelnen, 
zurückführen würde. 


Und alles kam anders. Es mag ja sein, daß zu 
Beginn des Krieges auch den Fliegern Aufgaben zu- 
fielen, die gelegentlich auch wohl zum Zweikampf 
geführt haben, aber der Wert des Flugzeuges erweist 
sich auch auf taktischem, nicht nur auf strategischem 
Gebiete, und der Beginn des Krieges ist der stra- 
tegische Aufmarsch. 

Ein paar Aufregungen schufen ja wohl am Nieder- 
rhein und in Mitteldeutschland beobachtete fran- 
zösische Flieger im Beginn des Krieges, aber die 
unzähligen, nach allenRichtungen fahrenden Eisenbahn- 
züge, die unser Heer zum Kampfe führten, konnten 
ihnen nichts verraten, irgend welchen Schaden, der 
unsere Mobilmachung hätte stören können, vermochten 


sie nicht anzurichten, ob es ihnen an Wagemut, an 
geeigneten Wurfgeschossen oder — gar an geo- 
graphischen Kenntnissen gebrach, die niemals eine 
ee der Franzosen gewesen ist, man weiß 
es nicht...... 


Was zunächst die Gefahren betrifft, die im Kriege 
zu dem an sich gefährlichsten aller Fortbewegungs- 
mittel hinzutreten, ist der Umstand, daß der Flieger, 
hoch am Himmel dahinziehend, von Zehntausenden 
gleichzeitig erblickt wird, die ihn abzuschießen 
trachten. 


Da das Rattern des Motors alle vom Schießen 
herrührenden Schallwirkungen übertönt, ist im Krieg 
der Flieger gezwungen, ununterbrochen zu beobachten, 
ob und wo er das Feuer des Feindes auf sich lenkt; 
gleichzeitig muß er in seinem Elemente, der Luft, 
unausgesetzt und nach allen Richtungen ausspähen, 
ob sich ihm in der Luft ein Gegner stellt, um recht- 
zeitig eine größere Höhe als der andere zu erreichen: 
denn der vom Feinde überflogene Flieger ist dem 
anderen ausgeliefert. 


Schließlich ist der Kriegsflieger auch gezwungen, 
nicht nur wie der Sportflieger einen zum Landen 
geeigneten Platz im unbekannten Gelände ausfindig 
zu machen, sondern er muß stets hinter der Front 
der eigenen Truppen landen, da ein Zur-Erde-gehen 
hinter der feindlichen Front mit Sicherheit mindestens 
den Verlust eines BLU und die Außergefecht- 
setzung zweier kriegsmäßig ausgebildeter Flieger- 


offiziere bedeutet. 


Wenn man zu allen diesen Anforderungen noch 
die Notwendigkeit rechnet, den Motor in allen seinen 
Teilen dauernd zu überwachen und den zufälligen 
Angriffen der wechselnden Luftströmungen in jedem 
Augenblicke erfolgreich zu begegnen, so wird man 
auch der Heeresverwaltung recht geben, die auf alle 
verblüffenden Sportflugzeuge verzichtete und vom 
Anfang an von der Industrie sichere, schwere und 
für zwei Flieger eingerichtete Maschinen verlangte. 

Dieselben Gesichtspunkte waren auch bei der 
k. u. k. Luftschifferabteilung maßgebend. 

Und so sehen wir, daß schon 1910 die idealschöne 
Etrich-Taube für ein Eigengewicht von zwei Männern 
eingerichtet wurde und daß als Normalflugzeug der 
Doppeldecker, der Lohner-Pfeilflieger, bestimmt wurde. 

Schon im Jahre 1911 waren unsere Flieger in 
der Lage, 10 Stunden mit diesen Flugapparaten in der 
Luft auszuharren; dabei konnte man über 1000 km 
Weg zurücklegen und in einer Höhe von 2000 m 
stundenlang dahinfliegen. 

So hatten wir in ganz kurzer Zeit erstklassige 
Rekognoszierungsmittel! 


Nebenbei wurden von den Technikern die Motoren 
betriebssicherer gemacht; die Flügel, die ja viel Platz 
wegnehmen, wurden von Haus aus leicht abnehmbar 
konstruiert, die ganze Ausrüstung wurde erprobt und 
so feldbrauchbare Fliegergruppen (Reparaturwerk- 
stätten, leichte Zelte und Transportwagen) zusammen- 
gestellt. 

Das Fliegen selbst ist keine schwere Kunst: Nicht 
viel Wissenschaft, nur ein tapferes Herz im Leib und 
Soldatenglück hiezu. Hier der Ausbildungsvorgang! 
Zuerst einige Wochen Motorenkunde, Wetterregeln, 
vielleicht eine Ballonfahrt, dann Fahrschule mit ge- 
drosseltem Motor und schließlich der erste Flug. 

Er ist gelungen. Mit Begeisterung kommt man 
aus dem Reiche der gefiederten Sänger zurück und 
singt nun selbst das Lob auf den unsagbar schönen 
Luftreisen über die so kleine Welt dahin! 

Man wird nicht müde, mit den Kameraden alles 
zu besprechen, was man geschaut und erfahren hat; 
kaum kann man die Zeit bis zum nächsten Aufstiege 
erwarten. Endlich ist auch der da. 


54 


Alles ist gut gegangen. Nur ein paarmal hat 
auf Sekunden ein Zylinder ausgesetzt: aber es sind ja 
sechs; der eine wird sich schon wieder einrenken. 
Richtig! Es geht schon wieder im gleichmäßigen 
Rhythmus weiter. Herrlicher Gleichklang, der jede 
Sorge verschlingt. Glatt gelandet. 

Nun, bei dem nächsten Niederstieg kam das Luft- 
fahrzeug jenem Graben zu nahe, aber doch blieb es 
rechtzeitig stehen. Zwei Meter weiter und ein Kopf- 
sturz wäre unausbleiblich gewesen. Dies Erlebnis ist 
vorüber. Welch wohliges Gefühl, wenn die Gefahr 
hinter einem liegt! 


Nach dem folgenden Fluge bricht infolge der 
harten Landung ein Laufrad. 

Der Apparat neigt sich zur Seite, streift mit 
einer Tragfläche den Boden und havariert; selbst hat 
man nicht Schaden genommen. 

So macht der junge Flieger bei schönem Wetter 
unter Aufsicht des erprobten Lehrers, der ihn auch 
anfangs begleitet, etwa ein Dutzend Flüge. 

Alles ist eitel Freude und Lust. Einmal nur hätte 
der Schüler beinahe die Umplankung landend umge- 
rannt. Er kam dabei aus dem Sitze und machte einen 
Salto, weil er den Riemen, mit dem er an den Sitz 
gegurtet war, zu früh losgemacht. 

Vor ein paar Tagen überraschte ihn in den Lüften 
eine Vertikal-Bö. Hui! Gings damals rasch in die Tiefe! 
Grausliches Gefühl! Aber der brave Motor setzte nicht 
aus und schleppte das Flugzeug wieder in regelrechte 
Luftschichten, wo die Fahrt wieder weiter ging, als wäre 
nichts gewesen. Ich hätte durch dieses unsichtbare 
Luftloch bis zum Boden sausen können. Das wäre 
eine feine Landung geworden! Roß undReiter Kleinholz! 

Gestern sind wir gar in der dunklen Nacht erst 
zurückgekommen. 


Der Luftschifferteufel hatte uns nämlich verleitet, 
den Höhenrekord, welchen Kamerad X. vor Wochen 
geschaffen, zu schlagen. Richtig gelang es uns, um 
mehr als 100 m höher zu klimmen, aber es hat höllisch 
lang gedauert, und schon war die Sonne schlafen 

egangen, als wir immer noch unsere Kreise zogen. 

Finster starrte der Boden herauf und wir hatten keine 
Ahnung, ob wir uns schließlich auf einen Fabriks- 
schlot, auf ein Hausdach oder in die grüne Wiese 
setzen würden. Gott sei Dank! Der Landungsort war 
nur ein Wald. Ein paar Hautabschürfungen und Kratzer 
im Gesichte erinnern uns jetzt an diese interessante 
Niederkunft. 


Heute habe ich wirklich Pech gehabt. Ich habe 
mir den Oberschenkel gebrochen. Das kam so: In 
1000 m Höhe riß ein Spanndraht bei meiner »Taube« 
und legte sich unglückseligerweise über die Schraube. 
Sie fing zu splittern an und zersprang in wenigen 
Augenblicken in Tausende Stücke. Fast senkrecht 
stellte sich die Flugmaschine und nun ging’s mit 
unheimlicher Geschwindigkeit dem Boden zu. Ein 
schreckliches Gefühl. Das ganze Leben durchlebt man 
nun in einigen Sekunden und glaubt schon, daß es 
aus ist. Kaltblütig stellt man noch den Motor ab und 
zieht mit ganzer Kraft das Héhensteuer.... 

Siehe da, in 200 m Höhe etwa gelingt es wirklich, 
den Kopf des stürzenden Vogels noch hinauf zu reißen; 
das Flugzeug mäßigt den Sturzflug, aber doch bricht 
alles unter und ober mir zusanımen. 

Als ich wieder zur Besinnung komme, lieg’ ich 
im Spital und denke schon wieder an den nächsten 
Aufstieg. 

Jetzt werde ich aber alles noch hnndertmal mehr 
visitieren, bevor ich aufsitze ..... 

Kaum genesen, geht’s wieder in die Höhe. Man 
ist inzwischen schlauer, bedächtiger und vorsichtiger ge- 
worden, hat von Flug zu Flug neue Gefahren und Klippen 


— 


des Luftmeeres erkennen gelernt und verliert 
nach und nach viel an Schneid, die so unverwüstlich 
schien. 

So sieht's im allgemeinen aus. Es ist durchaus 
menschlich, und nur wenige Ausnahmen ragen längere 
Zeit aus der Luftschifferschar heraus. Wie Sterne 
erglänzen sie, vergehen rasch und machen neuen 
Größen Platz. 

Allen Fliegern aber zollen wir Bewunderung. 

Diesen Pionieren der Luftfahrt kann nicht genug 
Ruhm, Auszeichnung und Anerkennung zugewendet 
werden. 

Nun zum anderen Vertreter der Luftfahrt im 
Kriege, zum lenkbaren Ballon. 

s ist merkwürdig, daß der Laie immer glaubte, 
der Luftballon ist der Uberwinder gewesen; er wäre 
es, der das Luftmeer erobert u. s. w. 

Mag sein, daß die gewaltigen Dimensionen und 
die majestätische Erscheinung eben den einschüchtern- 
den Einfluß auf daß Volk ausüben, aber es muß doch 
Bedenken erregen, daß gerade die Ballonsportleute 
nicht sofort blinde Anbeter der Lenkbaren wurden: 
sie haben ja wiederholt den verderblichen Einfluß 
des Windes bei den Ballonlandungen kennen und 
fürchten gelernt; sie wissen, daß eben nur die Luft- 
schiffhallen sicheren Schutz gewähren und nur in 
pam Lande das Fahren mit Kraftballons kein großes 

isiko ist, in dem eine entsprechende Anzahl solcher 
Häfen vorhanden ist. 

Deutschland und Frankreich haben -- wie 
Ing. Friedrich Huth ausführt -- die Ergebnisse ihrer 
militärischen Experimente mit den Luftschiffen, speziell 
die Manövererfahrungen mit großem Geschick ver- 
schleiert. Aber es steht fest, daß das starre System 
der lenkbaren Luftschiffe sich am trefflichsten bewährt 
hat. Der Inhalt der »Zeppeline« ist seit 1906 auf weit 
mehr als das Doppelte angestiegen, und damit hat 
auch die Geschwindigkeit zugenommen. Sie betrug 
1906 etwa 58km pro Stunde, während der neueste 
Typ eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 104km pro 
Stunde besitzt. Mit anderen Worten: Die modernen 
»Zeppeline« schneiden bei einem Schnelligkeits- 
vergleiche mit den Flugzeugen durchaus günstig ab. 

Die »Zeppeline«, die sich als wirkliche Schlacht- 
schiffe der Luft gebrauchen lassen, sind außerdem 
mit Maschinengewehren ausgestattet, die zur Abwehr 
gegen Flugmaschinen vornehmlich benützt werden. 

Über die Wirkungen der Sprengladungen, die 
über Bord geworfen werden, ist die Meinung geteilt, 
die moralische Wirkung ist aber jedenfalls eine 
ungeheure. 

Das Luftschiff hat aber noch einen anderen 
riesigen Vorzug, das ist seine Fähigkeit, sicher und 
unbehelligt bei Nacht zu fahren. Nach diesem großen 
Kriege werden wir wohl von vielen solchen nächtlichen 
Unternehmungen zu hören bekommen. 

Selbst der alte Kugelballon und der Drachen- 
ballon finden heute noch im Felde und Festungskriege 
hervorragende Verwendung als Zielaufklärer und 
Schußbeobachter. Der Ballon war übrigens nie ein 
Feind der Luftfahrt, wie viele sagen, denn er hat 
seit Jahr und Tag die freie Atmosphäre befahren und 
die Wege erforscht, die später die Luftfahrzeuge 
gewandelt sind. 

Nun zum Schlusse möchten wir hoffen, 
daß unsere Luftfahrer es nicht notwendig 
hatten, im Kriege umzulernen, was sie in 
den Friedensjahren auf dem Flug- und Ex- 
erzierplatz gelernt haben. Neues, viel neue 
Erfahrungen werden sie aus dem Felde mitbringen 
und es wird für sie nicht schwer sein, daraus eine 
wirklich vorbildliche Organisation von Militärluft- 
fahrertruppen zu schaffen! 


55 


Armierte und gepanzerte Flugzeuge. 
Von Fritz Lichtenstern, Wien. i 


Allgemeines. 


Als im Anfang dieses Jahrzehntes die Aviatik in 
ein Stadium ruhigerer Entwicklung eintrat und die 
Heeresverwaltungen der GroBstaaten Flugzeuge an- 
schafften, muBte man auch daran denken, die Flug- 
zeuge eines Gegners, der gleichfalls über solche ver- 
fügt, bekämpfen zu können. Es ist dies die typische 
Erscheinung in der Kriegsgeschichte, daß immer ein 
Abwehrmittel geschaffen werden mußte, sobald ein 
neues Kriegsmittel auftauchte. — Von den Luftfahr- 
zeugen aus sollten Festungen, Lagerplätze, Truppen- 
körper, Schiffe etc. vernichtet werden. Schließlich 
erkannte man, daß Flugzeuge mit Bomben oder 
Maschinengewehren zu bewaffnen sind und daß letztere 
mehr zur Abwehr dienen. Im Gegensatze zu den 
Bomben, die unten, auf der Erde befindliche Objekte 
treffen sollen, werden die durch Pulverkraft abge- 
schossenen Projektile hauptsächlich. zur Bekämpfung 
von Luftfahrzeugen gebraucht. Die Möglichkeit des 
Schießens mitgewöhnlichen Armeegewehren, Revolvern 
etc., die selbstverständlich ist, ist hier weiter nicht be- 
rücksichtigt. Ebenso soll von Brandpfeilen, sogenannten 
fliegenden Bomben, Lufttorpedos etc., deren Gebrauch 
beschränkt geblieben ist, nicht gesprochen werden. — 
Da der Pilot des Flugzeuges von der Lenkung genug 
beansprucht ist, sollen, wie dies auch tatsächlich 
gewöhnlich erfolgte, nur mindestens zweisitzige Flug- 
zeuge armiert werden. 


Bomben und Visiervorrichtungen. 


Bereits 1910 wurde durch Flugveranstaltungen, 
besonders aber durch den bekannten französischen 
Pneumatikfabrikanten Michelin Wettbewerbe ange- 
regt, die das Abwerfen von vorläufig imitierten Spreng- 
körpern aus Flugzeugen von einer bestimmten Höhe 
und innerhalb eines auf dem Boden befindlichen 
Kreises von bestimmtem Radius bezweckten. 

Soll der Körper das Ziel erreichen, so muß die 
Geschwindigkeit und die relative Höhe des Flugzeuges 
bekannt sein. Erstere kann mit den gewöhnlich zu 
Gebote stehenden Mitteln nicht genau gemessen 
werden. Die Höhe über dem Meeresspiegel wird an 
einem Höhenmesser abgelesen und die Meereshöhe 
des Zieles, die auf der Karte ersichtlich ist, abge- 
rechnet. Wegen der durch das Flugzeug erteilten 
Beschleunigung fällt der Körper nicht senkrecht zu 
Boden. Seine Bahn bildet aus diesem Grunde eine 
Parabel. Dieser Faktor muß natürlich in Betracht 
gezogen werden. 


Die Bomben befinden sich in eigenen Behältern, 
die nächst dem Passagiersitze angeordnet sind. Bei 
einem H. Farman-Zweidecker z.B., der Mitte 1912 
gebaut wurde, sind diese Behälter in länglicher Form 
seitlich des Sitzes angebracht. Sie sind der Länge 
nach in Unterabteilungen gesondert, die gerade Platz 
für eine Bombe bieten. Im Gebrauchsfalle werden sie, 
nachdem sie aus dem Behälter genommen worden 
sind, zwischen den Füßen fallen gelassen. 


Beim Abwerfen kommt es darauf an, daß der 
Schütze das Terrain unter sich und das Ziel gut sicht. 
Der vorerwähnte Zweidecker hatte noch nicht das 
kurze bespannte Boot, wie es heute bei dieser Bauart 
üblich ist. Man geht daher sowohl bei den Flug- 
zeugen mit hinten und vorn liegendem Motor in 
der Weise vor, daß man entweder den Rumpfboden 
ausschneidet oder die Bomben seitlich des Gerüstes 
fallen läßt. Befindet sich seitlich unter dem Boote 
ein Teil des Fahrgestelles oder andere Teile des 
Apparates, so müssen, damit diese von der Bombe 
nicht getroffen werden können, Führungsrohre für die 
Bomben verwendet werden. Da bei Verwendung von 
massiven Rohren eine Profilierung zu umständlich 
wäre, nimmt man Führungen aus Drahtgeflecht. 


Um freien Ausblick nach unten zu erreichen, wird 
der betreffende Teil der Bodenbespannung durch eine 
Glimmerplatte ersetzt. 


Visiervorrichtungen. 


Da beim Zielen eine Größe, die Geschwindigkeit, 
gewöhnlich nicht bestimmbar ist, wurden Vorrichtungen 
konstruiert, die dies ermöglichten, so daß sich gute 
Treffresultate erzielen lassen mußten. Sowohl in 
Frankreich als auch in den Vereinigten Staaten selbst 
wurde die Visiervorrichtung des amerikanischen 
Leutnants Scott verwertet (1911). Der Apparat besteht 
aus einem Fernrohre, das an einem Sextanten um 
eine horizontale Achse drehbar ist. Der Rahmen, an 
dem das Ganze aufgesetzt ist, ist kardanisch aufge- 
hängt und trägt ein Getriebe, mittels dessen man das 
Fernrohr in die Ebene parallel zur Flugrichtung drehen 
kann. Unterhalb des Rahmens befinden sich die Bom- 
ben, die der Schütze im geeigneten Augenblicke mit 
der Hand ausstößt. Damit wegen der Massenträgheit 
sich kein Ausschlag des Rahmens ergibt, trägt der- 
selbe unten ein Gewicht. 


Die Höhe über dem Erdboden wird auf folgende 
Weise bestimmt: Durch das Fernrohr wird das Objekt 
auf der Erdoberfläche in der Flugrichtung visiert. 
Dann ist der Winkel, in dem das Fernrohr eingestellt 
werden muß, an dem Sextanten ablesbar. Nun wird 
das Fernrohr in die senkrechte Lage gebracht und 
die Zeit festgestellt, die bis zum Wiedererscheinen 
des Objektes im Fernrohre verstreicht. Nun sind alle 
Winkel und eine Kathete eines rechtwinkeligen Drei- 
ecks gegeben und die zweite, die Höhe, läßt sich 
berechnen. 


Scott hat darauf Tabellen für alle in Betracht 
kommenden Höhen und Geschwindigkeiten aufgestellt 
und die betreffenden Winkel bestimmt, in die das 
Fernrohr einzustellen ist, um durch das Abwerfen der 
Bombe das Ziel zu treffen, wenn es sich im Fernrohr 
zeigt. Dabei muß letzteres in dem durch die Tabelle 
angegebenen Winkel eingestellt sein. Berücksichtigung 
der parabolischen Bahn der Bombe wie oben. 


Bei seinen Versuchen benützte Scott einen 
Wright-Zweidecker. Hier mußte der Passagier, um 
visieren zu können, eine recht unangenehme Stellung 
einnehmen. Sowohl für die Präzision der Einstellung 
des Fernrohres wäre es besser, als auch für den 
Beobachter bequemer, wenn das Visieren liegend 
besorgt werden könnte. Möglich ist dies aber nur in 
Rumpfflugzeugen. 


Um das gefährliche Hantieren mit den Bomben 
während des Fluges zu vermeiden, hat die Roland- 
Luftfahrzeug-Gesellschaft eine Vorrichtung gebaut, 
die das Fallenlassen der Sprengkörper durch Tritt auf 
ein Pedal gestattet. Die Sprengkörper fallen direkt 
aus dem Behälter heraus. 


Verwendung von Bomben gegen Luftfahrzeuge. 


In erster Linie kommen Sprengkörper zur Ver- 
nichtung von Objekten auf der Erdoberfläche in 
Betracht. Diese Ziele müssen entweder unbeweglich 
sein oder die Geschwindigkeit darf im Verhältnis zu 
der des Flugzeuges nicht zu groß sein. Die Bewegungs- 
richtungen dürfen dann keinen zu großen inkel 
einschließen oder gar entgegengesetzt sein. Bei 
gleicher und paralleler Bewegungsrichtung ist die 
Treffwahrscheinlichkeit natürlich am größten. 


Wegen der großen Oberfläche ist die Treffsicher- 
heit für das gasgetragene System besser, zumal der 
Lenkballon nicht so leicht zu steuern ist, und er nicht 
die Wendigkeit des Flugzeuges besitzt. Da die Ver- 
hältnisse bei letzterem umgekehrt sind, ist es schwerer 
zu treffen. 


56 


Will der Schütze das feindliche Flugzeug mit 
einer Bombe treffen, so müßte sein eigener Apparat 
den anderen zuerst überfliegen. Dies ist bei ursprüng- 
lich ungefähr gleicher Höhe der beiden Flugzeuge so 
gut wie unmöglich, weil der Pilot des angegriffenen 
Apparates mindestens in gleiche Höhe kommen will. 
Nur dann, wenn dieser besonders schwer ist, wird 
dieses Manöver weniger leicht glücken. Hier spielt 
also die Steiggeschwindigkeit die größte Rolle. Ist 
aber schon bei der Begegnung eine Höhendifferenz 
vorhanden, dann ist auch der untere Apparat schwer 
zu erkennen und mit einer Bombe zu treffen, da er 
sich vom Gelände schlecht abhebt. 


Daraus geht hervor, daß im Kampfe zwischen 
Flugzeug und Lenkballon die Bombe eine unter- 
geordnete, im Kampfe zwischen Flugzeugen unter- 
einander fast gar keine Bedeutung hat. 


Maschinengewehre für Flugzeuge. 


Daher mußte man zu einem Kampfmittel greifen, 
mittels dessen man Geschosse nach beliebigen Richtun- 
en abfeuern konnte. Eine solche Waffe mußte in erster 
inie leicht sein und durch sie mußten sich in kurzer 
Zeit viele Geschosse abschießen lassen. Denn der 
feindliche (nicht armierte) Apparat ist nur auf Minuten 
in solcher Nähe, daß man auf ihn gut zielen und ihn 
mit den nicht weittragenden Projektilen erreichen kann. 
Die Waffe, die hier allein in Betracht kommt, ist das 
. Maschinengewehr und die ähnlich gebauten Maschinen- 
pistolen etc. Der Bewaffnung der Insassen mit Ge- 
wehren und Revolvern wurde bereits Erwähnung getan. 
Am montierten Maschinengewehr unterscheidet 
man 1. das eigentliche Maschinengewehr, 2. die 
Lafette, 3. den Schild. 


Da man mit Maschinengewehren 300 bis 400 
Schüsse in der Minute abgeben kann, käme es wegen 
der raschen Aufeinanderfolge der Schüsse zu einer 
starken Erwärmung des Laufes. Diese würde ihrer- 
seits eine Vergrößerung der Bohrung verursachen, 
die wieder eine Verschlechterung der Treffresultate 
nach sich ziehen würde. Es muß daher der Lauf die 
durch die Schüsse erzeugte Wärme abgeben, wozu 
man Wasser- und Luftkühlung verwendet.*) 


A.Diebeiden Kühlungsarten. 


Im Falle der Wasserkühlung ist der Lauf mit 
einem Hohlzylinder (»Wasserjacke<), dessen Achse 
oberhalb der Achse des Laufes liegt, umgeben. (Bei 
Verwendung des Maschinengewehres auf der Erde 
kann in wasserreichen Gegenden eine Pumpe benützt 
werden, die Wasser aus einen Behälter oder Bach 
etc. durch Schläuche zur Wasserjacke pumpt.) Da 
der Schütze im Flugzeug verhältnismäßig wenig 
Schüsse abzugeben Gelegenheit hat, kann die Wasser- 
kühlung, die eine starke Kühlwirkung hat, diesen 
Vorteil nicht recht zeigen. Wollte man aber bei 
stärkerer Erwärmung Wasser nachfüllen, so wäre dies 
im Flugzeug erstens wegen der schwierigen Unter- 
bringung eines leicht erreichbaren Wasserbehälters 
und wegen der Schwankungen des Flugzeuges und 
wegen der besonderen Lage des Gewehres schwierig. 


Der Lauf des Maschinengewehres mit Luftkühlung 
trägt zum leichteren Ausstrahlen der Wärme Kühl- 
rippen, die die Oberfläche vergrößern. Bleibt das 
Maschinengewehr während des Gebrauches an dem- 
selben Orte, so haben die Rippen eine schlechtere 
Kühlwirkung als das Wasser. Im Flugzeug aber, wo 
ein außerordentlich starker Luftzug herrscht, wird 
dieser Nachteil wettgemacht. Wegen der stärkeren 
Dimensionierung des Laufes ist die Präzision beim 
Schießen größer als bei einem Lauf mit Wassermantel. 
Ferner ist der Lauf leichter ersetzbar und das Gewicht 
geringer. 


*) Sowohl hinsichtlich der Notwendigkeit als der ge- 
bräuchlichen Kühlungsarten fällt die Analogie mit den wasser- 
und luftgekühlten Motoren auf. 


Hinsichtlich der Verwendung im Flugzeug ist 
also die Luftkühlung der Wasserkühlung vorzuziehen. 
Tatsächlich ist bei den meisten in Flugzeugen einge- 
bauten Maschinengewehren Luftkühlung zu finden. 


B. Das Visier. 


Da die Maschinengewehre die in den betreffenden 
Staaten eingeführte Gewehrmunition verfeuern, so hat 
der Lauf gleiches Kaliber wie das Armeegewehr. Da 
aber der Lauf hier etwas kürzer ist, ist die ballistische 
Wirkung nicht ganz dieselbe wie dort. Das Visier 
besteht wie beim Armeegewehr aus dem vorderen 
Visier, dem Korn, und dem hinteren Visier, dem Aufsatz 
mit dem Grinsel. Damit Fehler beim Visieren, die sich 
mehr fühlbar machen würden als beim Infanterie- 
gewehre, wo schlechtgewählter Aufsatz leicht zu 
korrigieren ist, nicht leicht vorkommen können, muß 
die Visiervorrichtung sorgfältiger durchgebildet und 
auch eingestellt werden. Zum Ermöglichen eines ge- 
nauen Zielens werden sogenannte Schattenhäuschen 
verwendet. Diese dienen dazu, die das richtige Zielen 
a Lichtreflexe auf dem Korn zu ver- 
meiden. 


C. Der Patronenzubringer 


besteht nicht, wie bei den gewöhnlichen Maschinen- 
gewehren, aus einem Ledergurt oder Leinwandstreifen, 
auf dem die Patronen aufgereiht sind, sondern aus 
einem steifen Blechrahmen, der mit Schlitzen versehen 
ist. Zwischen diesen stecken die Geschosse. Dies hat 
den Vorteil, daß die erste Patrone und daher die 
ganze Reihe leichter eingeführt werden kann. Da 
wegen des großen Gewichtes und wegen der Un- 
möglichkeit des Verfeuerns einer größeren Munitions- 
menge, Streifen mit 200 bis 250 Patronen, wie sie im 
Landkriege verwendet werden, unpraktisch wären, so 
sind diese Rahmen tatsächlich vorzuziehen. 


D. Die Lafette. 


Wegen der Gewichtsersparnis ist die Lafette des 
Maschinengewehres denkbar einfach. Sie besteht aus 
einer einfachen Strebe, seltener aus einem drei- bis 
vierteiligen Bock, auf dem oben eine Art Gabel ge- 
setzt ist. Der Lauf muß sowohl nach der Seite als 
auch nach oben und unten verdrehbar sein. Die 
Gabel ist daher um einen senkrechten Zapfen, der in 
der Gabel gelagerte Lauf des Maschinengewehres 
um eine horizontale Achse drehbar. 


E. Der Schutzschild. 


Was den Schild, der die feindlichen Geschosse 
vom Körper des Schützen abhalten soll, anbelangt, 
so ist dieser entweder die gepanzerte Wand des 
Bootes oder er ist aus Gründen der Gewichtsersparnis 
weggelassen. Nur in einem Falle glaubte der Kon- 
strukteur auf einen eigenen Schild nicht verzichten 
zu können. 


F. Die übrigen Teile des eigentlichen 
Maschinengewehres. 


Hinsichtlich derselben (Verschluß etc.) sind keine 
Unterschiede bezüglich der auf festem Boden ver- 
wendeten Typen hervorzuheben. 


G. Besondere Konstruktionen. 


In letzter Zeit erfuhr man besonders von fran- 
zösischen und englischen Flugzeugen. die mit 
Maschinengewehren ausgerüstet waren. Dabei wurden 
meist das HotchkiB-Gewehr, eine französische Kon- 
struktion, daneben als englische Fabrikate jene von 
Maxim und Levis verwendet. 


H. Das Schießen mit dem Maschinen- 
gewehre. Das SchuBfeld. 


Der wichtigste Teil des SchuBfeldes liegt vorn; 
wenn nach vorn geschossen wird, so bietet, auch 
wenn Schuß- und Flugrichtung einen kleinen Winkel 


einschließen, der Körper des Flugzeuges den Ge- 
schossen des Gegners die geringste Fläche. Größer 
ist diese, wenn das vordere Schußfeld ausgeschaltet 
ist und der Pilot den Apparat erst seitlich wenden 
muß, wenn sein Passagier schießen will. 


Das vordere Schußfeld muß also frei sein. Es 
darf weder durch die Schraube noch durch Flächen 
oder andere Teile behindert sein. Natürlich muß auch 
der Führer. hinter dem Schützen sitzen. 


Übrigens müßte wegen des Rückstoßes die Flug- 
und Schußrichtung nicht zusammenfallen. Der Rück- 
stoB beim Maschinengewehr ist deshalb geringer als 
beim Infanteriegewehr, da er bei der sogenannten 
Automatik (automatisches Öffnen des Verschlusses etc.) 
ausgenützt wird. Auch wenn letzteres nicht der Fall 
wäre, so würde das Maschinengewehr den Rückstoß 

rößtenteils selbst aufnehmen, da es schwerer als das 
meegewehr ist. 


J. Die verschiedenen Anordnungsarten von 

Maschinengewehren im Flugzeuge und die 

teilweise dadurch bedingten verschiedenen 
Bauarten. 


Hinsichtlich des freien Ausschusses nach vorne 
und der dadurch in bezug auf die Rumpfflugzeuge 
veränderte Anordnung der einzelnen Teile ist von den 
verschiedenen Bauarten die von Voisin-Farman 
noch immer die beste. Die Schattenseiten derselben 
— Gefährdung der Insassen durch den Motor beim 
Sturze und großer Luftwiderstand des Steuergerüstes — 
sind schon häufig genug betont worden. 


Solche Zweidecker, die mit Maschinengewehren 
ausgerüstet wurden, sind: Voisin-Doppeldecker (Pariser 
»Salon« 1910 und Mitte 1914), H. Farman -Wasser- 
zweidecker (»Salon« 1912), Landzweidecker (Beginn 
1913), M. Farman-Doppeldecker (Londoner »Aero- 
Show« 1914) etc. 

Um aber auch von Eindeckern, die wegen der 
Schnelligkeit bei der Verfolgung feindlicher Flugzeuge 
sichtlich im Vorteile sind, nach vorne schießen zu 


— —— ee. 


57 


können, kann man die Schraube und den Motor nach 
hinten, und zwar erstere an das Ende des normalen 
Eindeckerrumpfes verlegen (Torpedo-Eindecker). Die 
Schraube wird dann durch eine Welle von ent- 
sprechender Länge angetrieben. Man erhält nun zwar 


Voisin-Eindecker. 


einen vollständig ungehinderten Abzug des durch die 
Schraube erzeugten Luftstromes. Als Nachteil nimmt 
man aber außer der gefährlichen Lage des Motors 
die Umständlichkeit der langen Welle, das umständ- 
liche Montieren der Lager und das Gewicht derselben 
in Kauf. Weiters wird wegen der besonderen Lage 
der Schraube die Steuerung erschwert. 


Eindecker Tatin-Paulhan. 


Der erste Apparat dieses Typs wurde von dem 
bekannten Theoretiker und Praktiker Viktor Tatin 
zusammen mit dem Piloten und Konstrukteur Louis 
Paulhan Mitte 1911, und zwar zu friedlichen Zwecken 
gebaut. Seither konstruierten nur Borel (»Salon« 1913) 
und Ruby (Beginn 1914) ein solches Flugzeug. 


(Schluß folgt.) 


Bücherbesprechung. 


Der Bilériotsche Flugapparat und seine Benützung 
durch Pégoud vom Standpunkte des Ingenieurs. 
Von Paul Béjeuhr, Dipl.-Ingenieur, Berlin, mit 
26 Abbildungen im Text. Druck und Verlag von 
Friedrich Vieweg & Sohn, Braunschweig 1914. 


Meine, in mehrjähriger, fachpublizistischer Be- 
schäftigung gewonnenen Erfahrungen haben mir schon 
längst den guten Glauben an einen wirklich 
wirksamen Schutz geistigen Eigentums geraubt. 

So sehr ich in jedem einzelnen Falle jeglichen 
Eingriff in fremde geistige Urheberrechte als 
eine gröbliche Mißachtung und Verletzung journalisti- 
schen Anstandes verurteile, so habe ich mich dennoch 
im Laufe der Zeit und im Bewußtsein völliger 
Ohnmacht gegenüber der schon fast gewohnheits- 
mäßigen und leider immer mehr überhandnehmenden 
Produktion geistigen Schmarotzertums langsam daran 
gewöhnt, derlei Erscheinungen auf das Konto unseres, 
durch das fortschreitende Anwachsen des Konkurrenz- 
kampfes krankhaft veränderten Zeitcharakters zu 
buchen. So vermag mich heute — ganz im Gegensatz 
zu früher nichts mehr zu einem energischen 
Hinweise auf den a zu verleiten, 
wenn ich hin und wieder beim Durchblättern dieser 
oder jener Fachzeitschrift auf die wörtliche Wiedergabe 
meiner ureigensten Ansichten, auf die getreue 
Reproduktion meiner Originalskizzen und Zeichnungen 
stoße, selbst dann nicht, wenn, was ja fast aus- 
nahmslos der Fall ist, mein Name als der des Autors 
»versehentlich« fortgelassen und aus 


Zeichnungen ebenso »versehentlich« entfernt 
worden ist. Aus dem Umstande, daß sich die Fälle 
der Zugrundelegung und Benützung fremden, geistigen 
Eigentums in selbständigen, als »Originalabhandlungen« 
deklarierten Publikationen in letzter Zeit mehren, 
ist eben zu schließen, daß dieser nicht genug zu 
verurteilende Vorgang zu einer förmlichen Gepflogenheit 
eworden ist, die selbst durch den ausdrücklichen 
ermerk des Stammorganes: »Nachdruck unserer 
Originalartikel untersagt« oder »Nachdruck nur mit 
Quellenangabe und ausdrücklicher Genehmigung der 
Redaktion gestattet«, in ihrer Existenz nicht im 
mindesten gefährdet werden kann. 


Ich fühle mich durchaus nicht berufen, diese 
Zustände detaillierter zu kritisieren oder Mittel und 
Wege vorzuschlagen, die einen Wandel in dieser 
Beziehung schaffen könnten. Jedenfalls aber wäre 
dies eine dankbare Aufgabe für einen rechtskundigen 
zünftigen Journalisten. Ich hätte wahrlich auch die 
für eine bloße Bücherbesprechung gewiß ungewöhn- 
liche Einleitung gerne vermieden, wenn es hier 
nicht gälte, sich endlich einmal der eigenen 
Haut zu wehren. 


Vor mir liegt in schmuckem, gelbern Bande eine 
kleine Broschüre, deren Inhalt mich aus doppelten 
Gründen lebhaft interessierte. Einmal wegen des 
behandelten Themas, und dann wegen des Autors, 
dessen Name sich in den Kreisen der engeren Flug- 
technikerzunft des besten Klanges erfreut: »Der 


den Bleriotsche Flugapparat und seine Benützung durch 


58 


Pégoud.« Von Paul Bejeuhr, Dipl.-Ingenieur in 
Berlin. Ich habe das kleine, für den Fachmann und 
auch für den nicht ganz unvorbereiteten Laien in 
gleich verständiger, flüssiger Weise geschriebene 
Werkchen mit größtem Interesse vom Anfang bis 
zum Ende durchgelesen und kann ohne jegliche 
subjektive Urteilstrübung wohl behaupten, daß es 
eine ganz geschickte Zusammenfassung und geistreich 
interpretierte Behandlung des im Titel aufgeworfenen 
Themas bietet. Was ich aber nicht verschweigen 
kann, ist, daß ich dem Autor dieser sonst sehr inter- 
essanten Schrift den Vorwurf einer bedauerlichen 
Verletzung meines geistigen Urheberrechtes 
machen muß, einen Vorwurf, den ich schon deswegen 
nicht unterdrücken kann, als der Verfasser im 
Vorworte sowohl, wie auch im Verlaufe seiner fach- 
lichen Ausführungen der verschiedensten Quellen 
gedenkt, aus denen er geschöpft, dabei aber meiner 
vollständig vergißt, wiewohl er von meinen 
Veröffentlichungen den ausgiebigsten, 
stellenweise sogar wörtlichen Gebrauch 
gemacht hat. 
Zur näheren Darlegung dessen will ich zeitlich 
ein wenig zurückgreifen. Als uns Pégoud im 
Herbste 1913 auf dem Asperner Flugfelde seine 
neuartigen Flugkünste vor Augen führte, regte mich 
der Anblick seiner wirklich fesselnden Experimente, 
sowie die Überzeugung, daß das Dargebotene für 
die praktische Ausübung des Fliegens von 
größtem Werte sein könnte, sobald es in 
unzweideutiger Weise technisch inter- 
pretiert und kommentiert würde, zu einer Unter- 
suchung jener Vorgänge an, welche bei der Voll- 
führung aller dieser Evolutionen mitspielten, ja, sie 
überhaupt ermöglichten. Ich zerlegte die Flug- 
bewegungen des Apparates, soweit sie mit dem 
Auge verfolgbar waren, in einzelne Phasen, 
rekonstruierte mir daraus die Steuerungsmaßnahmen 
des Lenkers, da Pégoud selbst hierüber nicht das 
eringste verlauten ließ. Die Ergebnisse dieser 
Onfersuchung. welche sich also nur auf Wahr- 
nehmungen stützten, veröffentlichte ich in übersicht- 
licher Weise unter dem Titel: »Technische 
Impressionen vom Schaufluge Pégouds« 
in Heft 21 vom 15. November 1913, Jahrgang IV, der 
„Zeitschrift für Flugtechnik und Motorluftschiffahrte, 
Berlin. Hiebei brachte ich nicht bloß die bildliche, resp. 
zeichnerische Rekonstruktion dereinzelnen 
Flugphasen, sondern auch eine graphische 
Darstellung der Trägheitsmomente des 
Bleriot-Eindeckers nebst einigen Details. 
Es war dies die erste detaillierte, 
mechanisch-einwandfreie, publizistische 
Behandlung der Pegoudschen Flüge. 
Denn die vorangegangenen Veröffentlichungen be- 
wegten sich auf sachlich grundfalscher Basis, 
wie die späteren über dieses Thema abgehaltenen 
Diskussionen bewiesen. Die Richtigkeit meiner 
zeichnerischen Darstellung und Erklärung wurde 
vielerseits bestritten, bis eine von Herrn Ingenieur 


Vorreiter, Berlin, erworbene kinematographische 
Filmaufnahme sie vollinhaltlich bestätigte. Herr 
Vorreiter hatte gelegentlich eines über dieses 


Spezialthema im Berliner Reichsflugverein 
abgehaltenen Diskussionsabendes auch meine 
Zeichnungen und Erklärungen zum Gegen- 
stande eines Vortrages gemacht, der allseits mit 
großem Beifalle aufgenommen wurde. In der Folge 
erschienen in mehreren in- und ausländischen Tages- 
blättern populäre Erklärungen der Flugvorführungen 
Pegouds, die sämtlich erwiesenermaßen auf der von 
mir zuerst gefundenen Deutung aufgebaut waren. 


Der geneigte Leser, der heute unter der Rubrik 
»Bücherschau« eine ausführliche Besprechung mit 
genauer Inhaltsangabe des betreffenden Werkes ver- 
mutet haben wird, möge freundlichst entschuldigen, 
wenn ich einmal mit der Schablone gebrochen und 
an Stelle dessen Dinge erzählt habe, die scheinbar 
nicht hieher gehören. Ich sage aber nur »scheinbar«, 
denn zur Illustration der Bedeutung des vorliegenden 
Bändchens erscheinen sie mir doch notwendig. Es 
wäre mir gewiß niemals beigefallen, meine Wenigkeit 
so in den Vordergrund zu drängen, auf meine eigenen 
Arbeiten in so aufdringlicher Art hinzuweisen, wenn 
mich nicht die Notwehr, mein geistiges Eigen- 
tum zu schützen, aus der bisher beobachteten Reserve 
und Gleichgiiltigkeit herausgerissen hätte. So z. B. 
möchte ich kurz bei dieser Gelegenheit erwähnen, 
daß das amerikanische Wochenblatt »Scientific 
American« in seinem S. A.-Supplement Nr. 1986 
vom 24. Jänner 1914 auf den Seiten 56 bis 58 eine 
wortwörtliche Übersetzung der »Tech- 
nischen Impressionen« veröffentlichte, hiebei in 
einer Fußnote wohl die »Zeitschrift für Flugtechnik 
und Motorluftschiffahrt<« als Quelle angab, jedoch 
mein Zeichensignum »Ellyson« eigenmächtig 
von meinen Originaltafeln entfernte. Meine Vor- 
stellungen bei der Redaktion dieses Blattes blieben 
selbstverständlich völlig erfolglos. 


Der Autor des vorliegend zu besprechenden 
Bändchens hat es nun nicht viel anders getan. 
So finde ich auf Seite 39 als Fig. 23 eine Zeichnung, 
die der Tafel Il meines vorzitierten Artikels direkt 
entnommen ist, worauf noch die Massenlinien 
hindeuten, die aus der Zeichnung im Buche 
unbegreiflicherweise nicht entfernt wurden. Auch 
hier wurde widerrechtlich mein Signum 
entfernt, ja nicht einmal durch eine entsprechende 
Bemerkung im Unterschriftentexte ersetzt. Des 
weiteren belehrt die zeichnerische Darstellung des 
Kräftespieles auf Seite 27, sowie die Zeichnung auf 
Seite 22 links, daß der Autor sich meiner Dar- 
stellungsweise bedient hat. 


Aber auch textlich finden sich zahlreiche, 
mitunter sogar wörtliche Kongruenzen und 
Zitate aus meiner Abhandlung, ohne daß diese auch 
nur ein einzigesmal in dem ganzen Bändchen 
erwähnt worden wäre. Daß diese Kongruenzen nicht 
ungewollt sind, das heißt nicht zufällig sind, 
geht aus der Häufigkeit hervor, mit welcher sie 
an den verschiedenen Stellen des Bändchens auftreten. 
Gleich in der Einleitung finde ich den wörtlich von 
mir übernommenen Passus: »mit einem feinen (fein- 
fühligen) Verständnis für die Analyse der Flug- 
bewegungen«, gleich darauf, wenige Zeilen weiter, 
finde ich in derselben Reihenfolge die gleichen 
Namen: Prevost, Gilbert, Brindejonc zitiert, 
dazwischen bedient sich der Autor des gleichen 
Gedankenganges und der gleichen Aus- 
drucksweise, indem er auf die begeisterten 
Ausführungen der »indifferenten« Tagespresse hin- 
weist etc. etc. Ich könnte hier die Zahl der Wort- 
beispiele noch über mehrere Spalten ausdehnen, 
glaube aber, daß die kurzen vorstehenden Kostproben 
bereits genügen. Dies soweit zur Klarlegung meines 
Standpunktes bei der Beurteilung des vorliegenden 
Werkchens. Was dieses also inhaltlich 
anbelangt, so kann ich füglich behaupten, daß es 
nichts anderes als eine Verbreiterung meiner 
oberwähnten Abhandlung darstellt, durch 
biographische Daten und auch Hinzufügung anderer 
Ansichten geschickt, aber nicht zum Vorteile, erweitert. 


Fritz Ellyson. 
Der 


Ungarische Luftschiff- und Flugmaschinen- 
A.-G. Kaum daß jemand, mit Ausnahme der engsten 
Interessenten, wohl von der Existenz dieses ungari- 
schen Unternehmens gewußt haben mag. Bei ihrer 
vorjährigen Generalversammlung wies sie auch noch 
einen Verlust aus, nun scheint ihr der Weltkrieg mit 
einem Ruck auf die Beine geholfen zu haben. Ihre 
erates Bilanz schlieBt bei einem Aktienkapital von 
K 150.000 mit einem Reingewinn von K 20.500. 

Errichtung einer Flugzeug-Aktiengesellschaft. 
Die Flugzeugindustrie verfügt in Osterreich und 
Ungarn bisher erst über relativ wenig Unternehmungen. 
Um so mehr wird es begrüßt werden, daß nunmehr 
auch auf diesem Gebiete eine aller Voraussicht nach 
vielversprechende DENE n zu erwarten ist. Wie 
wir erfahren, dürfte in naher Zeit eine von General- 
direktor Dr. Karl Freiherrn v. Skoda und anderen 
zu errichtende Flugzeugfabrik unter der Firma: 
»Österreichische Flugzeug-A.-G.« mit 
einem Kapital von vorläufig 0°6 Millionen Kronen ins 
Leben treten. Die Fabrik wird ihren Standort voraus- 
sichtlich in Niederösterreich erhalten. 

Auf Luftwache gegen Unterseeboote. Ein 
eigenartiges Amt ist durch den Krieg dem norwegi- 
schen Militärflieger Leutnant Gran zuteil 
5 Er umkreist auf einem Wasserflugzeug die 

üsten und das neutrale Meergebiet Norwegens, um 
Unterseeboote der kriegführenden Mächte aufzuspüren 
und sie aus diesen Gewässern zu verscheuchen. 


— + 


LLL Chronik DRTIMTZDX] 


Gran, ein kühner und abenteuerlustiger Mann, der 
ein Mitglied der Expedition war, die Kapitän Scott 
und seine Gefährten im ewigen Schnee des Südpolar- 
kreises fand, der als erster vier Stunden über das 
offene Meer von Schottland nach Norwegen flog, ist 
ein geborener Seemann und geborener Flieger, und 
das muß man auch sein auf der Luftwache gegen 
Unterseeboote. Über seine Eindrücke und Erfahrungen 
während der Kriegszeit hat er allerlei Interessantes 
erzählt, durch das diese neue Form des Posten- und 
Späherdienstes romantisch beleuchtet wird. Von einem 
sandigen Küstenstrich, dem einzigen Fleck der nor- 
ehe Küste, an dem es möglich ist, mit einiger 
Sicherheit aufzusteigen und zu landen, fliegt er bei 
jeder Art Wetter die norwegische Küste auf und 
nieder, um nach Unterseebooten und anderen kleinen 
Kriegsfahrzeugen auszuspähen. Die Frage, ob es 
deutsche oder englische Schiffe sind, berührt ihn nicht 
viel. Für ihn und seinen Beobachter genügt es, ein 
fremdes Kriegsschiff innerhalb der verbotenen Grenze 
von 5 km der norwegischen Gewässer festzustellen. 
Sofort stößt das Flugzeug dann nieder und übermittelt 


dem Schiff den ebenso höflich wie energisch gegebenen 


Befehl, in weniger neutrale Gewässer abzudampfen. 
Es ist kein Ruheposten, auf dem sich Leutnant Gran 
befindet. Seit den ersten Tagen des Krieges haben 
die norwegischen Buchten und Fjorde eine große An- 
ziehungskraft auf fremde Schiffe aller Art ausgeübt. 
Wieder und wieder liefen die leichten und kühnen 


> 


— —— — — a 


Deutsches Flugzeug vor dem Aufstieg auf dem Kriegsschauplatz im Westen. 


— -~ — — — — 


u 7 
ee — — 


— — — 


Transport eines Fesselballons zur Aufstiegstelle. 


Vorposten der kriegführenden Flotten in diese neu- 
tralen Gewässer, um Atem zu schöpfen und sich aus- 
zuruhen, bevor sie wieder auf der Suche nach Beute 
hinausfuhren. Bis zu 50 Unterseeboote einer einzigen 
Macht sind von dem wachsamen norwegischen Wasser- 
flieger zu verschiedenen Zeiten seit 
dem Kriege beobachtet worden. Da 
liegt an der Oberfläche einer ruhigen 
und geschützten Bucht das Untersee- 
boot, seine Luken geöffnet, während 
die Mannschaft in der reinen klaren 
Luft der norwegischen Küste Er- 
frischung atmet. Plötzlich kommt aus 
dem blauen Himmel oder mitten aus 
dem Nebel ein surrender zweisitziger 
Eindecker daher mit der norwegi- 
schen Flagge am Schwanz und mit 
den norwegischen Landesfarben grell 
bemalt an den unteren Tragflächen. 
Mit einem raschen Stoß niederwärts, 
der ihn fast über die Spitzen der 
tanzenden Wellen gleiten läßt, ent- 
bietet der Wachtposten der Luft 
seinen Gruß. »Hier ist kein Bleiben 
für euch, Kapitän,« scheint er zu 
sagen, »schnell hinaus aus den nor- 
wegischen Gewässern, sonst gibt’s 
was.« Und der Wink wird verstanden, 
die Luken schließen sich rasch, 
nieder in die Tiefen taucht das 
Unterseeboot, und nach einer Minute 
sieht man nur noch seine dunkle 
Form unter der Oberfläche lautlos 
dahingleiten durch die klaren stillen 
Fluten, wieder hinaus auf hohe See. 
Wenn die an der norwegischen Küste ausgestellten 
Wachen etwas Besonderes bemerken, dann benach- 
richtigen sie den Flieger, damit er nähere Erkundung 
einzieht. Eines Tages befand er sich im Quartier, um 
ein wenig auszuruhen. Da wurde ihm von der Post 
eine telephonische Meldung übermittelt. Er sprang in 


PATENTE 


sein Auto und flog zur Küste hinab. Deutlich, vom 
Lande aus zu sehen lag da ein berühmtes Untersee- 
boot. Der Ton des Motors genügte. In einer Minute 
war es unter Wasser und fort. Und der nächste Tag 
brachte die Nachricht, daß drei große Kreuzer auf den 
Grund der Nordsee gesunken waren. In den ersten 
Tagen des Krieges sah der norwegische Wasserflieger 
viele schöne und großartige Szenen. Welch ein präch- 
tigeres Schauspiel gibt es für einen Seemann, als hoch 
aus der Luft herniederzuschauen auf eine große 
Schlachtflotte, die durch die Nordsee dampft? Jetzt 
sind solche Bilder nicht mehr zu erblicken. Gran 
hat sich in seinem Dienst eine große Übung erworben, 
ganz nahe an Schlachtschiffe und Kreuzer heranzu- 
fliegen. Er umkreist die Fahrzeuge mit größter Sicher- 
heit und weiß ihnen die schweigende Aufforderung, 
die sein Erscheinen enthält, sehr nachdrücklich vor 
Augen zu führen. Im ganzen ist er seit Beginn des 
Krieges mehr als 3000 km übers Meer geflogen. Auf 
einer einzigen Fahrt von der Küste auf hohe See und 
zurück legte er mit seinem Beobachter gegen 400 km 
zurück. Das ist ein Rekordflug über See für ein zwei- 
Rap Flugzeug. 

in deutsches Flugzeug zur Landung in den 
französischen Reihen gezwungen. Ein deutsches 
Flugzeug wurde bei Amiens von einem französischen 
verfolgt und zur Landung gezwungen, wobei es in die 
französischen Linien fiel. Ein deutscher Offizier wurde 
getötet, der andere verletzt. 


Se. k. u. k. Hoheit Erzherzog Josef Ferdinand im Gespräche mit Oberst Uzelac 
(links) und Hauptmann Hoffory (rechts). 


Deutsche Flieger über Belfort. Deutsche 
Flieger überflogen Belfort und warfen Bomben auf 
den Bahnhof und auf das Fort Mezire. Von dort 
wurden sie erfolglos beschossen. Zwei französische 
Flugzeuge übernahmen die Verfolgung, hörten aber 
damit bald auf. 


Muster- und Markenschutz in allen L.ändern 


erwirkt 


lng. J. FISCHER, Patentanwalt 


Wien, I. Maximilianstrasse Nr. 5. 


Seit 1877 im Patentfache tätig. 


Herausgegeben vom: »K. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein«. — Verantw. Red.: in Vertretung Fritz Ellyson. 
Druck von Otto Maaß’ Söhne, Wien I. 


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ÖSTERREICHISCHE 


FLUG-ZEITSCHRIFT 


Herausgegeben von dem unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Majestät des 
Kaisers und Königs stehenden k. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein. X 


9000000000000 0000000000000 0 00000 


9000000000000 MUCH) 


Manuskripte werden nicht zurückgestellt. Der Nachdruck 88 Angenommene Beiträge werden honoriert. Die Verfasser 


von Artikeln und Abbildungen ist nur mit Quellenangabe sind für Form und Inhalt der von ihnen eingesandten 
und Zustimmung der Redaktion gestattet. 88 Artikel und Abbildungen verantwortlich. 
WAC co0ccc00c Z SC 00000000 ORNS 


ERSCHEINT ZWEIMAL IM MONAT. 
Marz 1915 


Nr. 5/6 IX. Jahrgang 


Inhalt: Oberinspektor Anton Jarolimek. — Vom Flugzeug beschossen! Von Hans Friedrich v. Orelli. — Erfinder und Entdecker. 
— Zur vorläufigen Beschwichtigung, von H. Hérbiger, Maschineningenieur und Privatastronom. — Berechnung von T lächen- 
holmen, von Cand. ing. L. Kubinsky, Lemberg -Wien. — Armierte un gepanzerte Flugzeuge, von Fritz Lichtenstern, Wien. (Schluß.) 
Sonnentätigkeit und Witterung, von Wilhelm Krebs. (Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen.) — Beiträge zur Flugtechnik, 

von Hauptmann Josef Viktor Berger. — Bücherbesprechung. — Chronik. l 


Chefredakteur : Ing. A. Budau, o. ö. Professor der k. k. Technischen Hochschule in Wien 


Redakteur für den offiziellen und wissenschaftlichen Teil für die Dauer der Abwesenheit der Herren Oberst 
Wilhelm Suchomel und Ing. Adolf Janisch: Fritz Ellyson 


Unter Mitwirkung von: 


Dr. A. HILDEBRANDT RICHARD KNOLLER ROBERT POLLAK 
Luftschifferhauptmanna.D., Ing., Professor a.d. k. k. RITTER v. RUDIN 
Berlin Techn. Hochschule, Wien Ingemeur, Wien 
F. HINTERSTOISSER W. KREBS J. POPPER-LYNKEUS 
k. u. k. Major, Wien Leiter der Wetterwarte ingenieur, Wien 


Schnelsen Holstein a 
RAOUL HOFFMANN STEPHAN POPPE 


ANTON JAROLIMEK Johannisthal 
k. k. Hofrat, o. 5. Prof., an k. k. 9 König- HUGO L. NIKEL FRANZ REBERNIGG 


LUDWIG SCHMIDL — 


PAUL BELLAK 
k. u.k. Rittmeister, Wiener- 
eustadt 


Prokurist, Wien 
FELIX BRAUNEIS 
Ingenieur, Wien 
Dr. Ing. WALTER FREIR. 
v. DOBLHOF 
Konstrukteur an der k. k. 
Techn. Hochschule, Wien 
EDUARD DOLEZAL 


LEOPOLD SCHMIDT 
Ing., Prof., Wr.-Neustadt 


KARL TINDL 
Ing., Konstrukteur a. d. k. k. 
echn. Hochschule, Wien 


WILHELM TRABERT 


FRITZ ELLYSON Dr. F. JUNG HANS F. v. ORELLI RUD F SCHIMEK Zentralanstalt fir os 
Flugmaschinen- Professor a. d. k. k. Tech. Schriftsteller, Win f Ae o len 
Konstrukteur, Wien nischen Hochschule, Wien STEPHAN PETROCZY “ger Autoplanwerke, Wien Dr. C. WIESELS- 
IGO ETRICH D. W. KAISER v. PETROCZ i BERGER 
Oroßindustrieller, Ober- Kapitänleutnant a. D., k.u. k. Luftschifferhaupt- Dipl. Ing. Ç. SCHMID Assistent an der Universität 
altstadt Charlottenburg mann, Wien Lindenberg in Göttingen 


Oberinspektor Anton Jarolimek. 
Zu seinem 80. Geburtstage. 


Am 13. Februar d.J., mitten in einer wildbewegten, Kräften seines hervorragenden Geistes und Genies, 


vom Kampfeslärm durchtobten Zeit, einer Zeit, die 
dem modernen Flugwesen zu seinem unerreicht 
grandiosen Triumphzuge verhalf, feierte einer seiner 
größten und genialsten Vorkämpfer, Ober- 
inspektor Anton Tarolimek, in aller Stille und in 
vollster geistiger und körperlicher Frische, seinen 
80. Geburtstag. Mente sano in corpore sano, fand ihn 
der Tag dieses so seltenen nn... an dem sich 
nicht bloß die engere Flugtechnikerzunft, sondern auch 
eine weitere Gemeinde von hervorragenden Männern 
der Technik und Wissenschaft in bewunderndem 
Gedenken dem greisen Jubilar näherte, um ihm ihre 
Gefühle unwandelbarer Verehrung und Bewunderung 
zugleich mit den herzlichsten Glückwünschen dar- 
zubieten. 

Achtzig Jahre! Ein weise genütztes, ganzes 
Menschenalter, ein Leben rastlosester, schöpferi- 
scher Tätigkeit bedeutet dieser Zeitraum, sobald 
wir von Anton Jarolimek sprechen! Ein Leben, 
ausgefüllt von dem erfolgreichen Bestreben, mit allen 


die Bestrebungen der modernen Technik zu fördern, 
den Kreis der Anschauungen und Erkenntnisse aus- 
zubauen. Unser Vaterland vermag sich stolz zu 
rühmen, Söhne hervorgebracht zu haben, deren Ver- 
dienste um Wissenschaft und Kunst unvergänglich, 
deren Namen unauslöschbar für alle Zukunft der Nach- 
welt überliefert werden. Und unter diesen gebührt. 
dem Namen Anton Jarolimek ein allererster 
Platz! Und dies mit vollster Berechtigung. Denn es 
gibt kaum ein Gebiet menschlichen Forschens, kaum 
ein Problem technischen oder naturwissenschaftlichen 
Charakters, das Jarolimek nicht mit der Fackel 
seines scharfen Geistes durchleuchtet, das er 
nicht mit der ihm eigenen Gründlichkeit untersucht 
und behandelt hätte. Nicht bloß die Zahl, sondern 
auch die Gediegenheit und Vielseitigkeit seiner Ar- 
beiten legen hiefür ein beredtes Zeugnis ab. Sein 
Reichtum an fruchtbaren Ideen ist unerschöpflich und 
für viele Techniker und Ingenieure eine Fundgrube 
klassischer Wissenschaft geworden. 


62 


Geboren am 13. Februar 1835 als Sohn eines 
Realschulprofessors inPardubitz, absolvierte Anton 
Jarolimek 1853 das ständische, polytechnische In- 
stitut in Prag, worauf er in den Dienst der k. k. Tabak- 
regie eintrat. Nach achtjähriger Tätigkeit bei den 
Fabriken in Göding, Preßburg, Pest und Fiume im 
Jahre 1861 nach Hainburg berufen, war er bei dem 
umfangreichen Ausbau und der maschinellen Aus- 
gestaltung der dortigen Haupt-Tabakfabrik durch 
weitere acht Jahre hervorragend tätig. Nachdem aber 
Jarolimek nach dieser I6jährigen Dienstleistung bei 
der k. k. Tabakregie sich zwar vielfach belobt sah, 
jedoch bei den damaligen Verhältnissen über ein 
jahreseinkommen von 600 Gulden C.-M. nicht hinaus- 
kommen konnte, verließ er 1869 den Staatsdienst, um 
die Leitung der in Hain- | 
burg 1842 von M. W. 
Schlosz nach engli- 
schem Vorbilde ge- 

ründeten Nadel- und 

adierwarenfabrik zu 
übernehmen, woselbst er 
15 Jahre hindurch eine 
rege, reformatori- 
sche Tätigkeit ent- 
faltete, neue Maschinen 
konstruierte und auch 
den Stahlschnurtrieb 
erfand, welcher nament- 
lich von Siemens & 
Halske schon bei der 
allerersten, elektrischen 
Lokomotive und dann 
noch mehrere Jahre hin- 
durch Verwendung fand 
und wohl nur deshalb 
zu keiner aligemeineren 
Verbreitung gelangte, 
weil der damals zur 
Herstellung der Stahl- 
schnüre benützte Stahl- 
draht nicht die ganz ent- 
5 Qualität be- 
saß. 


Zu jener Zeit hatte 
Oberinspektor Anton 
Jarolimek schon unter 
anderem technologische 
Studien und auch inter- 
essante Untersuchungen 
über die Einwirkung 
des Härte- und An- 
laßprozesses auf 
die Konstitution 
des Stahles vor- 

enommen, welche viel- 
ach, auch in Lehr- 
büchern, Beachtung ge- 
funden haben. 


Inzwischen hatten, nach 15jährigem Verharren 
Jarolimeks in dieser Stellung, die Verhältnisse bei 
der k. k. Tabakregie eine wesentliche Verbesserung 
erfahren. Und so trat er Ende 1883 wieder in den 
Staatsdienst über, in welchem er dann schon nach 
13 Jahren die sechste Rangsklasse erreichte. Als Vor- 
stand der großen Fabriken in Hainburg, Göding 
und Sedletz hatte er jede Gelegenheit benützt, um 
nicht nur die vorhandenen Maschinen und techni- 
schen Hilfsmittel der Fabrikation zu verbessern, 
sondern auch die bis dahin stets nur empirisch ge- 
übten Arbeitsprozesse auf wissenschaftliche Grund- 
lagen zu stellen, wodurch er auch den jüngeren Be- 
amten die Möglichkeit eröffnete, mancherlei Fort- 
schritte anzubahnen. 


Diese Verdienste Jarolimeks, speziell die letzt- 
genannten, sind in der breiteren Öffentlichkeit bisher 
viel zu wenig gewürdigt worden. Denn genau 


Oberinspektor i. P. Anton Jarolimek. 


betrachtet, führten seine Bestrebungen, die in erster 
Linie eine wissenschaftliche Reform des Arbeits- 
prozesses, eine Vereinfachung der Operationen etc. 
anbahnten, direkt auf das gleiche Endresultat wie 
das heute vielbestaunte, ebensoviel mißverstandene, 
aber einzig rationelle Taylorsystem; auf die größt- 
möglichste »efficiency« wie es Taylor bezeichnender- 
weise nennt, auf die höchst erreichbare efficiency“, 
Ergiebigkeit, nicht bloß der ganzen Fabrik, sondern 
auch jedes einzelnen Arbeiters, jeder einzelnen 
Maschine, wobei aber auch die Verdienstmöglichkeiten 
jedes einzelnen erheblich gesteigert werden. In diesem 
Sinne ist also Jarolimek der eigentliche Vorläufer 
und Vorkämpfer dieses Systems geworden, das nun 
in ganz Amerika die grandiosesten Triumphe feiert. 
In seiner großen Be- 
scheidenheit aber hat 
Jarolimek es hier, wie 
in allem anderen, stets 
vermieden, seine großen 
Verdienste durch Hin- 
weis auf seine Arbeiten 
selbst hervorzuheben 
und in das richtige Licht 
zu rücken. 


Immerhin fand sein 
Wirken allerhöchsten- 
orts doch eine erfreuliche 
Anerkennung, denn im 
Jahre 1898 wurde Jaro- 
limek durch die Ver- 
leihung des Ordens der 
Eisernen Krone dritter 
Klasse ausgezeichnet. 


Von weiteren Kund- 
gebungen der Anerken- 
nung und des Dankes, 
nicht nur seitens der 
Generaldirektion, son- 
dern auch der Fabriks- 
beamten und Arbeiter, 
für deren Interessen er 
stets eintrat, letzteres 
besonders durch die tun- 

lichste Ausgestaltung 

aller hygienischen und 
Wohlfahrtseinrichtungen, 
begleitet, trat Ober- 
inspektor Jarolimek 
im Jahre 1901 in den 
dauernden Ruhestand. 
Ungeachtet seiner in- 
tensiven Berufstätigkeit, 
die doch den größten 
Teil seiner Zeit absor- 
bierte, hatteJarolimek 
immer noch Zeit ge- 
funden, sich wissen- 
schaftlich auf den ver- 
schiedensten Gebieten der Technik und Naturwissen- 
schaften zu betätigen. Das kennzeichnendste Charak- 
teristikon aller dieser, seiner diesbezüglichen Forscher- 
arbeit entsprungenen Publikationen ist die Tiefe und 
Gründlichkeit des Wissens und die geradezu klassi- 
sche Präzision der Fassung. Betrachtet man das 
Verzeichnis seiner Arbeiten, vergleicht man sie inhaltlich 
miteinander, so muß man mit Bewunderung gestehen, 
daß Jarolimek auf jedem von ihm kultivierten 
Gebiete ein ganzer Meister ist, ein echter Klassiker 
der exakten Wissenschaften, dessen Vielseitigkeit und 
Geistesschärfe die höchste Anerkennung fordern. 


Daß ihm diese vor dem strengen Forum der 
Wissenschaft auch nicht versagt wurde, möge schon 
daraus hervorgehen, daß seine Abhandlungen 
über Dämpfe und über Gravitation dieEhre 
hatten, in die Druckschriften der kaiser- 
lichen Akademie der Wissenschaften auf- 


genommen zu werden. Zahlreiche seiner Lehren 
sind auch in Lehrbücher übernommen worden, wie 
in das Lehrbuch der Physik von Chwolson. Seine 
Abhandlungen über das weitere Gebiet der Maschinen- 
technik und Technologie erschienen seinerzeit in den 
angesehensten technischen Fachblättern, so z. B. in 
Dinglers »Polytechnischem gouna Jahrgang 1870 
bis 1880, in der »Zeitschrift des Österreichischen 
Ingenieur- und Architekten-Vereines«. Ab 1882 finden 
wir Jarolimeks Abhandlungen über Physik 
der Atmosphäre, sowie über verschiedene Pro- 
bleme der Luftschiffahrt und Flugtechnik auch in der 
»Deutschen Zeitschrift für Luftschiffahrt«, sowie auch 
in mehreren österreichischen Fachzeitungen, wie »HP<- 
Fachzeitung für Flugtechnik, »Österreichische Flug- 
Zeitschrift« etc. etc. 

Von seinen 44 größeren Ahhandlungen, die in 
Fachkreisen, wie auch in der weiteren Öffentlichkeit 
das größte Aufsehen erregten, seien hier nur genannt: 
»Dermathematische Schlüsselzur Pyramide 
des Cheops«, »Über die Mechanik des 
Muskels«, »Über das Härten des Stahles«, 
Ȇber Friktionsrollenlagere, ferner eine Ab- 
handlung über die »Erfindung des Stahlschnur- 
triebes«, »Über das natürliche Skalenmaß 
progressiver Steuern« etc. Schon die wenigen, 
vorstehend aufgezählten Arbeiten, deren größter Teil 
direkt aus der Praxis des Lebens erflossen, verraten 
die wahrhaft seltene, bewundernswerte Vielseitigkeit, 
die Jarolimeks Schaffen so recht charakterisiert. 
Alle diese Arbeiten, die in gleich flüssiger Weise 
geschrieben sind, erhalten noch durch den Umstand 
eine besondere Note, daß sie eigentlich nur Neben- 
produkte seiner angestrengten Reformationstätigkeit, 
daß sie nicht das alleinige et seiner langjährigen 
Forscherarbeit geblieben sind. 

Dies zwingt uns und jeden Unbefangenen, die 
aufrichtigste ewunderung für das unermüdlich 
schöpferische Genie dieses hochgelehrten Greises ab, 
der noch heute mit unverminderter Geistesschärfe und 
unermüdlicher Konsequenz dem Studium wichtiger 
Probleme der Flugtechnik obliegt, die sich allmählich 
zu seiner Lieblingsbeschäftigung herausgebildet zu 
haben scheint. Und als Flugtechniker steht uns 
Jarolimek hier eigentlich am nächsten. Von seinen 
diesbezüglichen Publikationen seien als historisch 
erwähnt: >Zur Luftschiffahrtsfrage« (1873), worin 
bereits Gleitflugversuche a la Wright und 
ein steuerbarer Doppeldecker in Vorschlag 
en wurden. Von besonders grundlegender 

edeutung sind seine flugtechnisch-mathe- 
matischen Abhandlungen, wie: Ȇber 
das Problem dynamischer Flugmaschinen« 
(1893), Ȇber die Bedeutung des Gliederungs- 
prinzipes für die Flugtechnik« (1894), 
»Über den Widerstand der Flüssigkeiten« 
(1908), welche wohl die bedeutendste mathematisch- 
experimentelle Untersuchung darstellt, publiziert im 
Sitzungsberichte der böhmischen Akademie der 
Wissenschaften, »Über den Einfluß der Luft- 
dichte auf den dynamischen Flug«, »Über 
Luftschrauben und Schraubenflieger« etc. 
Speziell auf diesem letzteren Gebiete, nämlich 
auf dem Gebiete der Schraubenflieger, war 
Jarolimek stets als einer der eifrigsten Verfechter 


63 


und Vorkämpfer zu finden. Seine diesbezüglichen An- 
schauungen deckten sich mit jenen von Wellner 
und Popper-Lynkäus, der zu seinen besten 
Freunden zählt. Aber auch auf dem Gebiete des 
Motorenbaues hat sich Jarolimek, wenigstens 
inspiratorisch, aber mit vollem Erfolge betätigt. Seine 
vielgenannten Vorschläge zur Konstruktion 
leichter Motoren zielten in erster Linie auf deren 
Verwendung für Flugmaschinen ab. 


Als ganz besondersinteressante Arbeit 
Jarolimeks verdient an dieser Stelle noch jene 
über den »Einfluß fluktuierender Wind- 
strömungen und regelmäßiger Schwin- 
gungen auf die Größe des Luftwider- 
standes« genannt zu werden, die im Jahrgang V der 
»Zeitschrift des Österr. Ingenieur- und Architekten- 
Vereines«, 1894, erschien und infolge der hier ver- 
tretenen, ungemein anregenden Leitgedanken großen 
Beifall erntete. 


Bloß mit ihren Titeln aufgezählt, füllen seine 
fachliterarischen Arbeiten ein mehrere Seiten um- 
fassendes Verzeichnis, sie hier vollends so zu würdigen, 
wie sie es, jede einzeln, verdienen würden, wird ganz 
und gar unmöglich. Nur das eine mag immer wieder 
mit besonderer Akzentuierung hervorgehoben werden, 
daß sie sowohl wie auch seine sonstigen Anregungen 
für die heutige Techniker- und Flugtechnikergeneration 
zu einer unerschöpflichen Fundgrube gediegensten 
Wissens, reinster, edelster Wissenschaft geworden 
sind, als welche sie zweifellos auch den kommenden 
Generationen noch lange mit größtem Verteil und 
Nutzen dienen werden. 


Zurückblickend auf eine so reiche Fülle wert- 
vollster Arbeit, auf ein imponierendes Stück geistiger 
Produktion, auf so herrliche Erfolge, verbringt nun 
der greise Jubilar seinen Lebensabend in aller Stille 
und Zurückgezogenheit in Königgrätz. Aber nicht 
untätig, einzig und allein der Pflege seiner Gesund- 
heit lebend, wie man es doch bei einem Achtziger 
wohl schon voraussetzen könnte. Keinesfalls, der 
wunderbare, nimmermüde Geist vertieft sich weiter 
in die vielen Probleme, deren es in der Flugtechnik 
gibt, schöpft und produziert Neues, der Greisennatur, 
die ja doch diesem jugendlich gebliebenen Schwung, 
dieser seltsamen Elastizität des Geistes schon nicht 
mehr so frei zu folgen vermag, zu Trotz. Momentan 
mit Untersuchungen über Stromlinienverlauf an Trag- 
decken und Luftschrauben beschäftigt, unterhält der 
greise Gelehrte durch zahlreiche Fachzeitschriften 
noch immer einen innigen Kontakt mit der Außenwelt, 
der Welt der Technik, der er so viel gegeben und 
der er noch vieles zu geben hat und, wie wir hoffen, 
auch geben wird. 


Und so möge es diesem bewundernswerten 
Manne, den der k. k. Österreichische Flug- 
technische Verein mit Stolz zu seinen 
geschätztesten und verehrtesten Mit- 
gliedern zählt, beschieden sein, seine 
rastlose Pionierarbeit noch lange jahre 
fortzusetzen, möge es ihm vergönnt 
sein, sich noch lange der Früchte seiner 
segensreichen, geistigen Aussaat in 
vollsterGesundheit und Rüstigkeit zu 
erfreuen! 


Vom Flugzeug beschossen! 
Von Hans Friedrich v. Orelli. 


Ungeachtet der beruhigendsten Versicherungen | geworden. Dank besonderer Überredungs- und Be- 


unseres Generalkonsuls entschloß ich mich sofort 
nach der mir zufällig bekanntgewordenen historischen 
Kriegserklärung unserer Monarchie das sonnige 
Pharaonenland zu verlassen. Nicht leicht fiel mir der 
Abschied, gedachte ich der mühevollen und kosten- 
reichen Vorbereitungen zu der mir von besonderer 
Seite anvertrauten Studienmission, die nun illusorisch 


stechungskünste gelang es mir schließlich, in einer 
dichtgepferchten Ladung Menschen auf dem letzten 
Lioydschiff Triest zu erreichen. 

Wenige Tage später. Über die sanften Hügelketten 
des Krakauer Vorlandes wälzt sich die schier endlose 
Riesenschlange rasselnder Wagen, munterer Pferde und 
plaudernder Menschen unserer gewaltigen Munitions- 


64 


kolonne. In die russisch-polnische Wüste hinaus ! 
Nach einer hastigen Metamorphose vom typischen 
Tropenreisenden zum rauhen Krieger, zog ich als 
fahrende Ordonnanz des Kommandos mit zu neuer 
abenteuerlicher Zigeunerfahrt, die mich fast vier 
Monate gebannt halten sollte. Vom Ernst des Krieges 
hatten wohl die wenigsten unter uns etwas geahnt bis 
zu jenem Augustabend, an dem uns seine ganze Größe 
in grausamster Plötzlichkeit zum Bewußtsein kam. 
Es war in dem ereignisschweren Zeitpunkte, da 
unser Korps seine erste Begegnung mit dem fliegenden 
Feinde verzeichnete. Gegen Dämmerung hatten wir 
nach langem Marsche in sommerlicher Gluthitze 
unser Ziel erreicht — ein weites, brachliegendes 
Ackerfeld an einem Waldesrande. Eben trafen wir 
Anstalten zur Lagerung, als plötzlich aus unergründ- 
licher Ursache die Pferde lebhaft unruhig zu werden 
begannen. Rätselhaft! Weit im Umkreis nichts 
Fremdes zu sehen oder gar aufzuspüren ! Angestrengt 
lauscht das Ohr in die Ferne. Und richtig: Erst kaum 
vernehmbar, dann allmählich zunehmend, dringt ein 
- feines, dumpfes Summen als des Rätsels Lösung zu 
uns. Die abenteuerlichsten Vermutungen durchschwirren 
die Reihen. Wie elektrisiert, haften alle Blicke 
suchend im magischen Dämmerschein des abendlichen 
Himmels. Nichts zu entdecken ! Nichts läßt das Nahen 
eines so unbeschreiblich eindrucksvollen Ereignisses 
vorausahnen, eines Erlebnisses, das dem übersättigten 
Zeitungsleser im Stammkaffeehaus doch ziemlich harm- 
los und unbedeutend dünken mag, demjenigen jedoch, 
der seine Wucht zu fühlen bekam, zweifellos für sein 
ganzes Leben unauslöschlich eingeprägt bleiben wird. 
Immer deutlicher, immer bestimmter und lauter, 
kommt das unheimliche Brummen näher. Kein Zweifel 
mehr: Ein Flugzeug! In’s Unermeßliche droht die 
nervöse Spannung zu steigen. Kaum daß es einige 
zwischen den Baumwipfeln hindurch bemerkt haben 
wollen, taucht es auch schon plötzlich über den 
oberen Konturlinien des Gehölzes auf, scharf ge- 
zeichnet: die Silhouette eines Eindeckers. Alles greift 
instinktiv zur Waffe. Und in der Tat! Einen ganz 
seltsamen Reiz übte der Gedanke, auf ein fliegendes 
Ungetüm zielen zu dürfen, das unendliches Verderben 
zu säen bestimmt ist. Freilich, diese Jagdbegeisterung, 


sie hat auch schon manch böses Unheil vollbracht, 
wenn zügelloser Eifer blindlings schoß und — die 
eigenen Flugzeuge traf: Eine bittere Rache für die 
schweren Versäumnisse an weitestgehender Volks- 
aufklärungsarbeit ! 

Ist’s Freund oder Feind? — Dies die bange Frage, 
die auf allen Lippen schwebt. Erkennungszeichen auf 
den Tragflächen nicht wahrnehmbar. Doch die 
markante Form mußte den nagenden Zweifel augen- 
blicklich beseitigen. Es ist der Feind! Der Russe ! 
»Gut zielen und lebhaft feuern, wenn er näher kommt!« 
Wie von schwerem Alp befreit, vernimmt die Mann- 
schaft diesen kurz gefaßten, heiß ersehnten Entschluß 
des Kommandanten. Schon lange schien uns der 
Flieger erspäht zu haben, denn in unvergleichlich 
stolzer Majestät steuert er geradewegs auf uns zu. 
Augenblicke ungeheuerster Spannung folgen. Was wird 
geschehen? Wird er uns angreifen wollen ? 

Viele Hunderte Meter hoch schwebt er — ehe 
wir uns es recht versehen — lotrecht ober unseren 
Häuptern. Sollman schießen, wo doch an ein erfolg- 
reiches Treffen nicht zu denken ist? Was kümmert’s 
den da oben, daß einige Voreilige in nervöser Hast 
die pfeifenden Bleigrüße emporsenden! Er zieht, 
einem beutelüsternen Raubvogel gleich, der irdischen 
Macht entrückt, unbeirrt seine Kreise und Spiralen. 
Kein einziges Auge vermag sich dem unwiderstehlichen 
Banne dieses suggestiven Schauspieles in den Lüften 
zu entziehen. Von banger Sorge sind die hörbar 
pochenden Herzen erfüllt. Rat- und hilflos sehen wir 
armen Erdenwürmer, uns der entsetzlichen Willkür 
eines einzigen fliegenden Geschöpfes und dem Zufalle 
preisgegeben! Alles, was wir einst in glücklicheren, 
ruhigen Tagen von der jetzt so verabscheuungswürdig 
erscheinenden Systematik von Fallbombenversuchen 
vernommen, durchzuckt, die Phantasie mächtig er- 
hitzend, alle Gehirne und malt in grellsten Farben 
die unabsehbaren Verheerungen eines Treffers in das 
große Ziel aus vielen Wagen voll Munition und Spreng- 
stoffen. Während so die gefolterten Nerven schier zu 
zerreißen drohen, sieht plötzlich das bewaffnete Auge 
ein dunkles, winziges Etwas sich vom Apparate oben 
loslösen und blitzartig zur Erde niedersausen. Kaum 
daß sich noch die schmerzenden Lider in fatalistischer 


Feldmäßige Befestigungen (Fliegerphotographie). 


Die Pfeile bezeichnen die Schußrichtung; a, c und f die Schützengräben; 


b Verbindungsgraben, zugleich Flankierungsanlage des Vorfeldes von f; d Verbindungsgraben zu einer Vorstellung; e Ver: 
bindungsgraben in die deckende, im Schatten liegende Mulde; g verlassener Graben. 
(Aufnahme des Herrn Oberleutnanıs Kollitsch, uns zur Verfügung gestellt von Herrn Schriftsteller Hans Friedrich v. Orelli.) 


Erwartung des {Kom- 
menden zusammenzu- 
krampfen vermögen — 
ein entsetzlicher, sinn- 
betäubender Krach, 
stärker als Kanonen- 
schlag, und eine mäch- 
tige Wolke brauner 
Massen pufft — nicht 
weit von uns — aus 
dem zerfahrenen Erd- 
boden empor. Gottlob, 
für diesmal waren wir 
verschont geblieben ! 
Wir atmen erleichtert 
auf. 

Da! Wieder jener 
unheimliche Feuerblitz 
und Knall! Und furcht- 
bares, markerschiittern- 
des Heulen und Weh- 
klagen. Sollten 
Menschen. . .? Alles 
eilt zur Stelle. Tief 
bewegt, keuchend vom 
Laufe, preisen wir das 
gütige Geschick, das 
die Bombe nur einen 

harmlosen Bagage- 
wagen zersplittern ließ. 

tliche unschuldige 
Pferde waren tot und 
wie durch Wunder nur 
wenige Menschen leicht 
getroffen! Angesichts 
dies grausigen Bildes 
der Zerstörung fluchte 
mein Inneres jenen zahl- 
reichen Naseweisen, 
die einst stets neue 
Argumente gegen die 
Verwendungsmöglich - 
keit von Fallgeschossen 


In einen hochstämmigen Wald abgestürtztes Flugzeug. Aufnahme 
des Beobachters. Die Insassen blieben unverletzt. 
(Freundlichst zur Vertugung graten von Herrn Schriftsteller Hans 
riedrich v. Orelli.) 


65 


erklügeln zu müssen 
glaubten, die uns dann 
später in gewissen- 
losester Unwissenheit 
die unerhörtesten Män- 
gel der Kriegsluftfahrt 
und der russischen im 
besonderen vortäusch- 
ten und uns so einer ver- 
hängnisvollen Sicher- 
heit zu opfern suchten. 
Wahrlich, ich wünschte 
innig, solch einem, am 
sicheren Schreibtisch 
»Erfahrungen« .... 
sammelnden »Fach- 
manne, nur einen Bruch- 
teil jener Sekunden bei 
uns draußen erleben 
zu müssen — ich bin 
überzeugt, sein unge- 
rechtes, geringschatzi- 
ges Urteil hätte er für 
ewig vergessen ! 

it seinem Erfolge 
offenbar zufrieden, gab 
der Russe sein schauer- 
liches Kreisen wieder 
auf, um sich feindwärts 
zu wenden. Langsam 
löste sich von uns die 
Last der lähmenden 

Nähe des Sensen- 

mannes und in seliger 
Lust folgten die Blicke 


hinschwebenden, bis 
er, ein Punkt, plötzlich 
in einem tollen Wirbel- 
reigen vieler kleiner, 
weißer Schrapnellwölk- 
chen, am fernen Hori- 
zont verschwunden war. 


Erfinder und Entdecker. 
Ein Beitrag zu Hörbigers »Glacialkosmogonie«. 


Der Erfinder, resp. Entdecker hat eine große 
Ähnlichkeit mit dem Dichter. Bis in die neueste Zeit 
erkannte man dem Dichter den Lorbeer menschlicher 
Wissenschaft und Geisteskultur zu. »Das Höchste 
ist der Dichter«, hieß es; er ist der »Liebling der 
Musen, dem »Sänger« gebührt der Preis. Diese 
Anschauung hat sich jedoch heute, und wie ich 
glaube, nicht mit Unrecht, geändert. Heute gehört 
der Preis dem Erfinder und Entdecker. Seine Gaben 
sind Gaben an die ganze Menschheit, an keine 
Nation gebunden, sie ändern förmlich das Antlitz 
der Erde, sie sind unentbehrliche Schätze des einzelnen 
wie der Staaten, sie bestimmen den Sieg einer 
Nation über die andere und sind Ruhmestaten, die 
in der Geschichte verzeichnet bleiben. Damit soll 
der Dichter, der Künstler nicht herabgesetzt werden. 

Sowie es nun unverstandene Dichter gibt, so 
ibt es auch unverstandene Erfinder und Entdecker. 

Ibst die zünftige Wissenschaft hat schon wiederholt 
auf allen Gebieten neue Ideen irrtümlich abgelehnt 
und man hat deshalb alle Ursache, in der ‘Zurtick- 
weisung neuer Ideen recht vorsichtig zu sein. 


Eine solche neue Idee ist Hörbigers »Glacial- 
kosmogonie«. Zwar steht Hörbiger, so erzählt er 
uns, schon seit zirka 20 Jahren mit den »offiziellen« 
Astronomen und Meteorologen im Kampfe und sie 
wollen seine »Glacialkosmogonie« nicht anerkennen. 
Was er uns da mitteilt vom Marsphantasten Flam- 
marion, vom »greisen Meteorologen« Pernter, von 


Bezold, Scheiner, von Weinek und P. Lais, 
vom »Sternschnuppentheoretiker« Schiaparelli, ist 
wirklich erquickend in unserer düsteren Zeit, und 
mancher von uns Lesern möchte gewiß sehr gerne 
noch mehr von diesem jährigen Krieg mit den 
»offiziellen« Astronomen hören. 

Hörbigers Idee ist nun in Kürze diese: Im 
Weltenraume fliegt eine unbestimmte Anzahl von 
kleinen, mittleren und ganz ungeheuren Eisblöcken 
herum, welche bald auf die Sonne, bald auf die Erde 
fallen. Auf der Sonne erzeugen sie Sonnenflecken 
und auf der Erde Hagelkatastrophen u. s. w. Die 
weiteren Ausführungen von Roheis- und Feineisein- 
und -ausschuß etc. dürfen wir hier wohl übergehen, 
weil sie zum Kern der Idee nicht mehr notwendi 
sind. Man beobachtet nun bei jedem Erfinder un 
Entdecker, wie sich seine Ideen um einen Kern auf 
ganz bestimmte Weise ankristallisieren. Es dürfte 
deshalb interessant sein, den Werdegang des 
Hörbigerschen Systems zu analysieren, sagen wir 
psychisch zu analysieren. 


Ich glaube mich da nicht zu täuschen, wenn ich 
folgendes annehme: Hörbiger stieß in seiner privat- 
astronomischen Tätigkeit vor zirka 20 Jahren auf den 
Umstand, daß für die Sonnenflecken und deren 
Entstehung keine befriedigende in da ist. 
Wir wissen, daß sie auch bis heute noch fehlt. Hier 
setzt nun sein Ideengang ein, der in gewissem Sinne 
den Vorzug der Einfachheit hat. Feuer wird durch 


traumverloren dem Da- 


66 


Wasser gelöscht und an dieser Stelle entsteht daher 
ein dunkler Fleck. So auch auf der Sonne. Aber 
woher das Wasser nehmen? Es muß von außen 
kommen — selbstverständlich — aus dem Weltenraum. 
Dort kann es infolge der Kälte angeblich nicht als 
(flüssiges) Wasser existieren, also als Eis. Die 
himmlischen Eisblöcke, Eisberge, Eismeteore, Eismonde, 
Eiskugeln, Eisnadeln sind nun logisch fertig. Um 
diese fertige Idee einer Erklärung der Entstehung der 
Sonnenflecken durch hineinstürzende immense Eis- 
klumpen hat nun Hörbiger, wie ich analysiere, seine 
ganze übrige Glacialkosmogonie aufgebaut. Er ist 
dabei so glücklich gewesen, überall lauter Bestätigungen 
im Weltenraum, über, auf und unter der Erde zu 
finden. 

Ich glaube nicht, daß es hier am Platze ist, viele 
Einwände gegen die Glacialkosmogonie vorzubringen 
und so eine lange Diskussion hervorzurufen, denn 
Hörbiger erklärt und entkräftet alles mit Leichtigkeit, 
zumal er ja auch von der »offiziellen« Astronomie 
und Meteorologie sehr viel hinübernimmt. Und 
hinsichtlich der Herkunft dieser »himmlischen Eisblöcke« 
verweist er uns leider auf sein Werk. Ich glaube 
vielmehr, daß mit mir viele Leser bei der Lektüre 
zu folgendem Schlusse gekommen sein werden: 

Wenn nämlich jemand mit einer Hypothese 
kommt, die alles Hergebrachte auf den Kopf stellt, 
so ist es ausgerechnet seine Pflicht und Schuldigkeit, 
solche Beweise kurz und bündig zu bringen, welche 
einleuchtend, überzeugend, erdrückend sind. Solange 
nicht solche Beweise gebracht werden, ist es wohl 
nicht Sache der Andersgläubigen und der Wissenschaft 
mit einem großen Aufgebote von Mühe eine jede 
neue Hypothese zu widerlegen. Es ist gewiß eine 
verblüffende Annahme, daß im Weltenraume die 

ungeheuersten Eisblöcke nur so herumfliegen. 
Ebensogut könnte man die Sonnenflecken durch 
Löcher im Lichtäther erklären wollen, was schließlich 
auch niemand widerlegen könnte. Es ist also Aufgabe 
Hörbigers, auf Mittel und Wege zu sinnen, uns 
diese »himmlischen« Eisblöcke so zu zeigen, daß 
wir sie in ihrer Gänze mit Augen sehen können; 
denn die bisher angeführten Gründe genügen den 
meisten wohl nicht. Hoffentlich ist das nicht so 
schwer, so einen -Kleineismond auch mit dem 
Fernrohr so für einige Zeit einmal »einzufangen«. 
Ängstliche Gemüter dürften übrigens zweifeln und 
annehmen, daß so ein provinzgroßer »Kleineismond« 


oder gar »ZufallseinschuB« doch einmal 
rechtzeitig zu platzen — was dann? 


Im übrigen können wir Hörbigers Phantasie 
bewundern, die anscheinend aus der Erklärung der 
Sonnenfleckenentstehung ein ganzes, weitverzweigtes 
System herausbringt. Was man da ferner zu 
hören bekommt, ist interessant genug. »Grüntisch- 
mathematiker«, »unerfahrener Reinmathematiker«, »aus- 
schließlich terrestrisch-meditierende Meteorologen«, 
»arme Unglückskinder« und »arme Autodidakten«, 
»tektonisch verführte Geodynamiker< etc. mit 
ihrer »ultrapietätsvollen Gefolgschaftsleistung« haben 
den »himmelschreienden Irrtum« verschuldet, ohne 
die »Sonnenkoronastrahlbestreichung« und »Sonnen- 
fackelbezirksanzielung«, den glacialkosmogonischen 
>» Abendwalle, die »galaktische Ballung« und die »Ballung 
von Milchstraßeneiskörpern«s, kurz, die »Glacial- 
kosmogonie« richtig zu würdigen. Auch nicht übel 
sind die poetischen Mottos, zumal das frei nach 
Faust, die den Abhandlungen vorangestellt sind und 
recht belebend wirken. »Dem assersturz mit 
Hagelschlag von kurzer Sturmesdauer, ihm sinne 
nach, auf schmaler Spur, und du begreifst genauer.« 


Wir nehmen übrigens Hörbiger gegenüber 
nicht eine absolut verneinende Stellung ein. Wissen 
wir es, ob nicht irgendwo im Weltenraum ein Körper 
aus H,O bestehen kann? Aber bejahen können wir 
nur, was wir mit unseren Sinnen auf diesem Gebiete 
möglichst direkt wahrnehmen können. Die Sonne 
sehen wir und die Sonnenflecken auch; es ist an 
Hörbiger daher, uns auch die himmlischen 
Eisblöcke zu zeigen. 

Zum Schlusse möge Hörbiger diese Zeilen 
verzeihen, und es begreiflich finden, daß in dieser 
Zeitschrift aus mehreren Gründen seine Anschauungen 
nicht unkritisiert bleiben könnten. Ist es eine durch 
die Erfahrung bewiesene Pflicht der Wissenschaft, 
Erfindern und Entdeckern, ihren vornehmsten Kindern, 
und ihren neuen Ideen gegenüber eine liebevolle und 
unterstützende Haltung einzunehmen, so ist es 
umgekehrt auch Sache solcher Erfinder, die eigenen 
Ideen immer wieder auf ihre Richtigkeit zu prüfen, 
da jeder Konstrukteur weiß, wie leicht eine theoretisch 
noch so schön angelegte Sache nicht stimmt, und 
weil Irren eine recht menschliche Eigenschaft ist. Man 
kann da leicht um einige »Lieues« fehlen. 


Dr. W. F. 


vergißt, 


Zur vorläufigen Beschwichtigung. 


Etwas verspätet zur Gegenäußerung eingeladen, 
könnte ich mir’s zur Schonung der jetzt im Weltkriege 
so kostbaren technisch-wissenschaftlichen Lesergeduld 
dadurch erleichtern, daß ich den halbfreundlichen 
Zwischenrufer zunächst bitte, meine vorangegangenen 
vier Artikel (ab Silvesterheft) noch zweimal, aber 
mit mehr Aufmerksamkeit durchzunehmen, als er in 
der ersten Entrüstung dafür erübrigt zu haben scheint. 
»Du mußt es dreimal sagen!« so gemahnte mich 
schon des öfteren mein durchaus nicht zu verachtender 
Antipode — und »du mußt es dreimal lesen!« 
— so darf ich diesen Rat an meine voreiligen Herren 
Skeptiker weitergeben. Dies befolgend, würde sich 
Dr. W. F. vielleicht doch innewerden, daß in meteoro- 
logischen Dingen der Schlußpunkt ja noch nicht ge- 
setzt ist, bezw. daß die Eiskörper und deren Herkunft 
noch eingehender besprochen werden sollen, bis wir 
die geologische Streitfrage der Gebirgsbildung 
und Erdbebenursache entschieden und somit auch 
die geologische Notwendigkeit eines kosmischen 
Eiszuflusses zur Erde hinter uns gebracht haben. Ich 
könnte meinem ziemlich farblosen Zwischenrufer auch 
den Rat geben, den Flugtechnischen Verein soweit 


»Bist du beschränkt, daß neues Wort dich stört? 
Willst du nur hören, was du schon gchort ?« 


Mephisto im Faust II. 


zu subventionieren, daß mir die Redaktion pro Doppel- 
heft 100 Seiten zur Verfügung stellen kann, dann 
drucken wir einfach unser 800seitiges Hauptwerk 
wörtlich ab und er ist in acht Monaten bezüglich 
dieser Eiskörper aux faits. Aber was sage ich da? 
Ist denn Dr. W. F. trotz meiner vielfachen Hinweise 
auch nur auf den Einfall gekommen, lächerliche zwei 
Mark auf den Altar der Wissenschaft zu legen und 
sich meine spottbillige kleine Gelegenheitsschrift“) 
(notabene während der sechswöchigen Marter eines 
Schrotkurgebrauches in Nieder-Lindewiese verfaßt) 
anzuschaffen, um seine frivole Neugierde in 
aller Stille zu befriedigen? Soweit gewitzigt 
bin ich denn doch schon, um in den süßen Worten 
des Zwischenrufers jenen Köder des spöttischen 
Skeptikers nicht zu verkennen, der mich, ihm zur 
Kurzweil, gesprächig machen soll. Da aber das offenbar 
ganz ironische Gesicht meines Neckers trotz des ge- 
schlossenen Visiers immerhin auch einige sympathi- 


) Hörbiger: »Wirbelstürme, Wetterstürze, Hagelkata- 
strophen und Marskanalverdopplungen-. Kaiserslautern 1913, 
Preis Mk. 2°-. 


sche Züge erkennen läßt, so sei das angebotene Spiel 
meinethalben um so lieber bei offenem Fenster ge- 
spielt, als ich ja eigentlich gar keine Trümpfe in der 
Hand des schlecht maskierten Schmeichlers sehe. 

In sonniger Vormittagsstunde über die Felder 
schreitend, können wir schon jetzt, im März, die 
Lerche über unseren Häuptern ihr Morgenlied trällern 
hören. Der Gehörsinn weist uns genau die Richtung, 
nach welcher hin wir ihren fixen Flatterort hoch in 
der Luft zu suchen haben. Aber langes und aufmerk- 
sames Spähen kostet uns dessen endliche Auffindung, 
obwohl wir dann innewerden, daß sich die dunkle 
Selbstschattenseite der Sängerin ganz scharf vom 
hellen Blaugrau des Himmelshintergrundes abhebt. 
Wir würden aber die stationäre Flatterin trotz ihres 
akustischen Dauersignales ganz bestimmt nicht ent- 
decken, wenn ihr Gefieder die Farbe diffus beleuchteten 
Firneises trüge! Der Gesichtswinkel einer etwa 2 dm 
spannenden Lerche beträgt bei rund 200 m Höhe ihres 
Standortes ca. 3°4 Bogenminuten oder ein Neuntel 
des Monddurchmessers. Eine Flugmaschine, die in 
200 km Höhe (natürlich unerreichbar) denselben Ge- 
sichtswinkel spannt, müßte 200 m Tragflächenbreite 
haben. Ohne ihr Motorgedonner zu hören, könnten 
wir ihre rauhfrostüberzogene Silhouette ebensowenig 
entdecken, wie eine stumme, weißgefiederte Lerche 
in 200 m Höhe! 

Herr Dr. W. F. weiß wohl, wo das hinaus soll. 
In etwa 200 km Höhe dürften die mit durchschnittlich 
8 km / Sek. mehr oder weniger tangential, und zwar je 
kleiner desto häufiger einschießenden Eiskörper von 
einem oder 10 bis 300 oder höchstens 500 m Durch- 
messer ihre von außen nach innen abbauende Zer- 
körnerung beginnen; und ein solcher Eisbolide von 
200 m Durchmesser etwa gehört ja auch zu einem 
kräftigen Hagelschlag und Wolkenbruch mittlerer 
Güte. Eiskörper von 800 m Durchmesser dürfte die 
Erde ebenso selten einfangen, als wir Hagelstriche von 
800 km Länge zu verzeichnen haben. V or der Zerkörne- 
rung sehen wir also am Tage in der Regel auch den 
größten einfangbaren Eiskörper nicht, weil in min- 
destens 200 km Höhe sein fahles Weiß und auch sein 
fahlgrauer Selbstschattenteil im fahlen Hellblaugrau 
des wolkenlosen Himmels verschwimmt. Nach der 
Zerkörnerung können wir die noch hochfliegende 
dampflose Hagelwolke ebenfalls nicht sehen, weil dic 
Körner zu klein und ihre gegenseitigen Abstände zu 
groß sind, um eine summarische Reflexlichtwirkung 
hervorzubringen; erst in kleineren Höhen wird die 
Hagelwolke dadurch sichtbar, daß sie sich in Dampf 
oder Schmelzwasserstaub zu hüllen beginnt. Keines- 
falls dürfte die Höhe einer solchen dahinrasenden 
Hagelwolke in ihrem Sichtbarkeitsbeginn schon 
einmal gemessen worden sein, weil eine solche 
Messung bisher nur trigonometrisch möglich ist, was 
auf zwei weit auseinander liegenden Standpunkten 
so langwierige Vorbereitungen und gegenseitige Ver- 
ständigung erfordert, daß sich wieder nur häufigere 
stiller stehende, niedrigere Kumuluswolken u. dgl. 
zur Höhenmessung eignen. Die eben auftauchende Hagel- 
wolke entzieht sich also bisher der Höhenmessung. 

Könnte sich aber obgenannte Riesenflugmaschine 
von weißer Färbung und 200 m Spannweite in Berliner 
Breiten zu Hochsommermitternachtszeit in 
Höhen von 400 und 600 km emporschrauben, so daß 
sie nicht nur schon die höchsten Luftschichten, sondern 
auch den Erdschatten bereits verläßt, so würde 
sie uns trotz des nunmehrigen Gesichtswinkels von 
nur mehr 1°7, bezw. 1'13 Bogenminuten als winziges, 
hellweiß strahlendes »Lercherl< sichtbar werden, 
indem sie jetzt mit reflektiertem Sonnenlicht in unseren 
finsteren Beobachtungsstandort hereinleuchtet! 
Aus demselben Grunde werden wir zur selben Zeit, 
von + 50° Breite aus, einen Eiskörper von 400 oder 
600 m Durchmesser in 400 oder 600 km Höhe als 
feines, hellweißes Lichtpünktchen von 3'4 Bogen- 
minuten Durchmesser dahinschieBen sehen: Und das 
sind eben die Sternschnuppen aus Eis! 


67 


Herr Dr. W. F. hat also unsere kosmischen Eis- 
körper jedenfalls schon zu Hunderten oder Tausenden 
gesehen, ohne es zu wissen. Wenn er sie nun 
auch noch mit Händen greifen will, so ist das zu 
viel verlangt, und es passen auf ihn die meinerseits 
schon des öfteren tiefempfundenen Mephistoworte: 


»Daran erkenn ich den gelehrten Herrn! 

Was ihr nicht tastet, steht euch meilenfern; 

Was ihr nicht faßt, das fehlt euch ganz und gar; 
Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr, sei nicht wahr; 
Was ihr nicht wägt, hat für euch kein Gewicht; 
Was ihr nicht münzt, das, meint ihr, gelte nicht!« 


Für einen »Gelehrten Herrn« tut mir aber Dr. W. F. 
denn doch noch viel zu wenig entrüstet, so daß ich 
hinter seinen Initialen lieber einen kommunen Flug- 
interessenten vermuten möchte, dem man daher das 
bisherige Sternschnuppenmißverständnis umso leichter 
verzeihen darf. 

Wahrscheinlich entrüstet sich mein gefährlicher 
Lobredner wohl erst jetzt umso mehr, da er ebenso- 
gut weiß wie ich, daß es in der heutigen Astronomie 
kaum etwas fester Geglaubtes gibt, als die mineralische 
und reibungsglutleuchtende Natur der Sternschnuppen. 
Schiaparellis »Entwurf einer astronomi- 
schen Theorie der Sternschnuppen« (1871) 
gilt noch immer als epochales Werk, dem wir 
aber den Boden entziehen müssen. Ich hatte mich 
schon im Jahre 1897 an den verdienstvollen Entdecker 
der Marskanäle mit der Bitte um Gehör in Dingen 
einer uferlosen Ozeannatur des Mars und der Eis- 
natur der Sternschnuppen gewendet, doch ohne Erfolg. 
Schiaparelli hat das Problem der jährlichen und 
täglichen Variation der Sternschnuppen mit fast 
erschöpfender Gründlichkeit behandelt und ist dabei, 
zu derart selbstbefriedigenden Scheinlösungen gelangt, 
daß es allerdings gewagt erscheinen muß, wenn ich 
zum Zweifel an die auch nur prinzipielle Richtigkeit 
seiner plutonischen Sternschnuppentheorie einzuladen 
mir erlaube. Die Sache erfordert aber ein derart 
weites Ausholen, daß es unmöglich ist, Herrn Dr. W.F. 
zu befriedigen und ich ihn leider abermals auf Seite 684 
bis 738 unseres Hauptwerkes verweisen muß. Im 
Prinzipe besteht Schiaparellis Grundirrtum darin, 
daß er die Sternschnuppen mit jenen Meteoren 
verwechselt, von denen das Wiener naturhistorische 
Hofmuseum die reichste Sammlung besitzt; er selbst 
sagt zwar: »Man muB hievon die sogenannten eigent- 
lichen Boliden ausnehmen, welche am Ende ihrer 
Bahn zerplatzen und im allgemeinen tiefer als die 

ewöhnlichen Sternschnuppen herabsteigen.« Von den 

ternschnuppen glaubt er, daß sie in viel größerer 
Höhe als winzig kleine »Meteore< (vermeintlich oft 
von wenig Gramm Gewicht) durch gänzliches Ver- 
brennen in der Luft »verlöschen«, während sie in 
Wahrheit nur dadurch verschwinden, daß unsere im 
reflektierten Sonnenlichte leuchtenden Eiskörper 
plötzlich in den Erdschatten eintauchen! 
Durchaus nicht jeder solcherart »verlöschende« Eis- 
körper muß nachher auch in die Atmosphäre ein- 
schießen; die meisten von ihnen durchschießen bloß 
den Erdschatten und fliegen dann in hyperbolisch ge- 
knickter Flugbahn wieder weiter. Wit sehen aber 
auch gar manchen von der Erde bereits ein- 
gefangenen und zum kurzlebigen Trabanten ge- 
machten Eisboliden auf einem kurzen Stiicke seiner 
Umlaufbahn als »Sternschnuppe«. Denn fiir so nahe 
umlaufende Kleineismonde bleibt zwischen dem 
Dunstkeilring des nächtlichen Horizonts und den 
dazu in wechselnder Neigung herumschwenkenden 
Erdschattenzylinder nur wenig sonnenlichtdurch- 
fluteter Zwischenraum, bei dessen Durchschießung sie 
für uns aufleuchten können. Jene viel zahlreicheren 
Kleineiskörper, welche beim Einschießen kleinere 
Haufenwolken, Böen und Platzregen erzeugen, können 
wir als Sternschnuppen überhaupt nicht sehen, da in 
den hiezu notwendigen Höhen ihr Gesichtswinkel 
noch zu klein ist. Das Einschießen selbst können wir 


68 


wieder aus dem Grunde nicht sehen, weil dieser Ein- 
schußort bei Tage im alles überschimmernden Sonnen- 
lichte und bei Nacht innerhalb des Erdschattens liegt. 
Weiter in das so komplizierte Detail der glacial- 
kosmogonischen Sternschnuppentheorie einzugehen 
ist im Rahmen dieser vorläufigen Beschwichtigung 
ganz untunlich; doch will ich Herrn Dr. W. F. gerne 
ein Gratisexemplar unseres Hauptwerkes zur Ver- 
fügung stellen, falls er das Talent hat, aus einem 
denkbequemen Saulus ein fleißig mitarbeitender Paulus 
zu werden. 

Für heute muß ich mich noch ernstlich dagegen 
verwahren, wenn mein Coppe ee Zwischenrufer 
den doch mit uns gekommenen Lesern die glacial- 
kosmogonische Grundidee damit »in Kürze« 
skizzieren will, daß im Weltraume die Eiskörper 
verschiedenster Größe »nur soherumfliegen«. 
Die näheren Gesetze und Regeln, nach welchen die 
Eisboliden in das Anziehungsgebiet der Sonne und 
in letztere selbst geraten, findet er im Hauptwerke 
AN gemacht. Auch die launige Bemerkung, 
daß so ein Eisbolide »doch einmal rechtzeitig zu platzen 
vergessen könnte«, dürfte den Leser irreführen. Die 
Zerkörnerung erfolgt von außen nach innen und nicht 
etwa explosiv von innen heraus. Und diese Zerkörne- 
rung kann niemals ganz versagen! Übrigens ist der 
Zusammenstoß mit einem unzerkörnten Eisbolidenrest 
nicht gefährlicher als jene aus einem ebensolchen 
Roheiseinschuß gefolgte Bö, welche einen Marine- 
Zeppelin bei Helgoland bis zur Vernichtung nieder- 
zwang, oder jenes Vakuumrohr, welches einen anderen 
1 über dem Teutoburger Walde zum Aufspießen 
auf die Baumwipfel hinlegte. Wir werden diese beiden 
typischen Fälle später, auf besser vorbereitetem Boden, 
in luftphysikalischer Hinsicht noch genauer klarlegen. 

Aber auch mit seiner »psychologischen 
Analyse des Werdeganges« unserer glacial- 
kosmogonischen Gedankenfolge hat Dr. W. F. daneben 
geraten. Dieselbe ist durchaus nicht aus irgend welchen 
»Feuerlösch«- Spekulationen über das physikalische 
Grundwesen der Sonnenflecken, Fackeln, Protuberanzen 
und Koronastrahlen erwachsen, sondern hat bei jenen 
rätselhaften radialen Lichtstreifen einzelner »Mond- 
vulkane« begonnen, die immer nur um die Vollmond- 
zeit herum sichtbar werden. Ich möchte mir aber 
vorbehalten, das nervenaufwühlende Seelenabenteuer 
meiner Erstlingsentdeckung lieber bei späterer Ge- 
legenheit vor einem bereits glacialkosmogonisch- 
gläubigen Forum verschiedener flugtechnischer Vereine 
zum besten geben zu dürfen. Erst nach weitem, zwang- 
läufigem Umwege über Marskanäle, Jupiterstreifen, 
Saturnring, Neptunmondbahnlage, Kometenschweife, 
Sternschnuppenperiodizität, Meteorherkunft und Milch- 
straßengenesis hat sich mir auch das Geheimnis eines 
so zu nennenden »Neptunismus der Sonne« ent- 
hüllt; erst als eine diesbezügliche Gedankenkette längst 
lückenlos in sich selbst zurückgekehrt war, wurde 
mir das Detail des solaren Geschehens und sein Zu- 
sammenhang mit den großen meteorologisch-terrestri- 
schen Vorgängen ganz klar. Wenn ich aber in dieser 
Flugzeitschrift damit beginnen mußte, so geschah 
es, weil die Flieger hieran zuerst Interesse nehmen 
dürften, und dies für sie auch zuerst praktische Werte 
zu zeitigen verspricht. 


Was nun schließlich Dr. W. F.s Beanständung 
einzelner unvermeidlich halbneuer, den ganz neuen 
Gegenstand aber genau umschreibender Begriffe der 
glacialkosmogonischen Nomenklatur betrifft, so sei 
auf mein heutiges Leitmotto verwiesen, das mein 
offenbar bereits halbbekehrter Skeptiker nicht allzu 
ungütig aufnehmen wolle. Von Grüntischmathematikern 
und technisch unerfahrenen Reinmathematikern darf 
auch wirklich nur der Maschinenbauer und Baustatiker 
sprechen, weil er, im Gegensatze zu den unverantwort- 
lichen Astronomen und Meteorologen, unter schwerer 
Verantwortung zu rechnen, bezw. hohe Pönalien zu 
zahlen hat, wenn sich sein Werk schließlich unökono- 
misch dreht oder unsicher hält und das Zeug sich zum 
Schlusse als verrechnet erweist. Wie viel und wie 
oft dagegen auf den genannten rein »wissenschaft- 
lichen« Gebieten weit neben der Wahrheit vorbei 
gerechnet worden ist, dürfte sich noch häufig zu 
zeigen Gelegenheit finden. 


Die freundliche Ermahnung meines halbliebens- 
würdigen Kritikers, nicht etwa um einige »Lieues< zu 
fehlen, kommt angesichts unseres 800 seitigen Haupt- 
werkes von Lexikonformat und seinen 212 instruktiven 
Zeichnungen leider zu spät! Denn: Mit 13 Jahren 
trug ich das erste Mal zur Sommernachtszeit mein 
Bettzeug verstohlen in den Garten aufs frische Heu, 
um im Anblicke der Milchstraße, dieses später als 
oberstes Rätsel des Kosmos erkannten Phänomens, 
einzuschlafen und um nachmitternachts nachsehen zu 
können, ob sich dieses unheimliche, scheinbar einen 
zarten irdischen Wolkenring bildende Lichtband auch 
wirklich mit den übrigen Sternen weitergedreht hat. 
Mit 30 Jahren durfte ich mich damit brüsten, sämtliche 
quälenden Rätsel der Astrophysik zu kennen, ohne in 
der zu solchem Selbststudium zusammengeschleppten 
Literatur eine befriedigende einheitliche Erklärung des 
Ganzen gefunden zu haben. Mit 34 Jahren machte ich 
die oben angedeutete, glacialkosmogonische Schliissel- 
entdeckung am Monde mittels eines scharfen Tele- 
skops, fiir welches mir Baron Rothschild heute eine 
runde Million bieten darf, um es dem technischen 
Museum zu stiften. Mit 38 Jahren, nach vierjährigem 
vergeblichen inländischen Suchen, fand ich endlich in 
Herrn Hauptlehrer Phil. Fauth in Landstuhl (Bayer. 
Rheinpfalz) einen verständigen und diskussionsfreudigen 
Liebhaber-Selenographen und späteren ebenso treuen 
als streitbaren Mitarbeiter, ohne welchem ich den 
Qualen des Alleinwissens der ungeheuersten Dinge 
wahrscheinlich erlegen wäre. Und zufolge zunehmender 
Geschäfts-, Familien- und Gesundheitssorgen war es 
mir erst mit 53 Jahren vergönnt, mit unserem gemein- 
samen Hauptwerke vor die Öffentlichkeit zu treten. 
Allem Anschein nach wird es aber noch 20 Jahre 
dauern, um, eventuell mit den flugtechnischen Ver- 
einen an der Spitze und einem Heere von Lieb- 
habern im Gefolge, bei den einschlägigen mittel- 
europäischen Staatsinstituten den Handstreich wagen 
zu dürfen. Mehr zögernde Vorsicht kann auch Herr 
Dr. W. F. von mir nicht verlangen. Wohl aber glaube 
ich es ihm empfehlen zu dürfen, sich in dieser weisen 
Tugend auch selbst noch einige Jahre fleißig üben 
zu wollen. Verzeihung! 


H. Hörbiger. 


Berechnung von Tragflachenholmen. 
Von Cand. ing. L. Kubinsky, Lemberg - Wien. 


Ausgenommen einige besonders einfache Fälle, 
ist die Bestimmung der Beanspruchung von Stäben 
bei gleichzeitigem Vorhandensein von Quer- und 
Längskräften eine schwierige. Ist das Biegungsmoment 
und die Längskraft (Axial- oder auch Knickkraft genannt) 
an einer Stelle des Trägers bekannt, so kann die 
Beanspruchung aus der Beziehung: 


M P 


berechnet werden, wobei M das Biegungsmoment 
an der betreffenden Stelle, J das Trägheitsmoment 
des Stabes, y die Durchbiegung, P die Längskraft 
und f den Stabquerschnitt darstellen, 


Die Axialkraft P ist stets bekannt und kann 
demnach die durch sie hervorgerufene Beanspruchung 
leicht bestimmt werden. Bezüglich des Biegungs- 
momentes muß bemerkt werden, daß die Größe 
desselben nicht nur von der Querbelastung, sondern 


auch von der Längslast abhängt; diese sucht die 
durch die erstere entstandene Durchbiegung meistens 
zu vergrößern, bis ein neuer Gleichgewichtszustand 
ne den äußeren und inneren Kräften erreicht 
wird. 

Für einfache Fälle bestehen eine Reihe von 
Gleichungen, die die Bestimmung des Momentes für 
jeden Punkt des Stabes leicht ermöglichen. Ein 
einfaches Näherungsverfahren besteht darin, daß man 
zunächst die Durchbiegung, welche der Querbelastung 
entspricht, bestimmt, und sodann das Moment um 


einen solchen Betrag erhöht, der gleich ist dem 
Produkt aus der Längskraft mal der arpa aa 
größe, hervorgerufen durch die Querbelastung. Der 


hiebei entstandene Fehler kann in den meisten Fallen 
vernachlässigt werden. 

Wenn aber die Querbelastung keine über die 
anze Stützweite gleichmäßig verteilte ist, zum 
eispiel ST aufliegende Einzelkräfte wirken, 

oder die Kraftverteilung eine ungleichmäßige, wenn 
auch kontinuierliche ist (zum Beispiel bei Pleuel- 
stangen), ferner wenn die Längskraft nicht zentrisch 
am Träger angreift oder aber der Fall eines über 
mehrere Stützen gehenden Trägers (Aeroplan- 
Tragflächenholme) vorliegt, dann bietet die graphische 
Methode vor der analytischen eine Menge Vorteile. 
Sie ist in ihrer Anwendung sehr einfach und kann 
der durch die Annäherung des Verfahrens bedingte 
Fehler in seiner Größe abgeschätzt werden, bezw. 
beliebig verkleinert werden. 

Es sei ABC (Fig.1) die neutrale Achse eines 
Stabes, der gleichzeitig durch die Einzelkräfte W,, 
W: und Ws, wie auch durch die Längskraft P 
beansprucht werde. Der Träger ist bei A und C frei 
aufliegend gestützt. Der Linienzug ADEFC stellt 
das Biegungsmomentendiagramm dar, welches durch 
die Querkräfte allein hervorgerufen wurde. Die 
LängskraftP allein ergibt ein Momentendiagramm 
nach Form AGC, welches gleich ist der Form des aus- 
geknickten Stabes. Das gesamte Biegungsmoment an 
jeder Stelle des Stabes ist somit durch die Summe der 
Ordinaten, das ist: ye + yg gegeben, wobei yg 
natürlich im gleichen Maßstab wie ye aufgetragen 
sein muß. Wie man die Größe von ye findet, ist 
allgemein bekannt (Seilpolygon); es bleibt demnach 
nur die Bestimmung von yg zu erklären. 

Die Durchbiegungskurve eines belasteten Stabes 
kann man ohne weiteres aufzeichnen, wenn man schon 
sein Momentendiagramm gezeichnet hat, denn die 
Durchbiegungskurve ist bekanntlich das Seilpolygon 
des Momentendiagrammes. Der Vorgang ist demnach 
folgender: zuerst wird das Momentendiagramm für 
die Querkräfte allein aufgezeichnet. Nun betrachte 
man diese Kurve als eine neue Lastverteilungslinie 
und konstruiere dazu neuerlich das Momenten- 
diagramm. Werden nun deren Ordinaten durch E XJ, 
das heißt durch das Produkt aus dem Elastizitäts- 
modul mal dem Tragheitsmoment, dividiert, so 
stellt die Kurve die Durchbiegungslinie des 
Trägers dar, falls derselbe lediglich durch die 
Querkräfte belastet wird. Im folgenden sei dieses 
Diagramm das »erste Durchbiegungs- 
diagramm« benannt. Multipliziert man nun die 
Ordinaten dieses ersten Durchbiegungsdiagrammes 
mit der konstanten Längskraft P und trägt sie 
neuerlich auf, so erhält man das durch die 
Längskraft hervorgerufene Momenten- 
diagramm, unter der Voraussetzung, daß die 
Gestalt des kombiniert belasteten Trägers genau 
gleich der Form der durch Addition der beiden 
Momentenlinien gewonnenen Momentenlinie wäre. Dies 
ist nun nicht der Fall. Man kann jedoch die 
Annäherung vergrößern, bezw. den entstandenen 
Fehler verkleinern, wenn man die erhaltene 
Momentenkurve der Längskraft allein neuerdings 
so behandelt, wie oben beschrieben, das heißt 
zunächst das z weite Durchbiegungs- 
diagramme konstruiert und daraus durch 


69 


Multiplikation mit P ein neues Momenten- 
diagramm zeichnet. Die Ordinaten desselben sind 
zu dem zuerst erhaltenen Diagramm hinzuzufügen. 
Will man die Genauigkeit noch weiter treiben, so 
kann man den Vorgang wiederholen, bis man eine 
Durchbiegungslinie erhält, deren Gestalt mit der des 
beanspruchten Stabes mit einer für ein graphisches 
Verfahren überhaupt möglichen Genauigkeit identisch 
sein wird. Für den praktischen Gebrauch ist es 
genügend genau als Gesamtbiegungsmoment jenes 
zu betrachten, das sich aus dem Momentendiagramm 
der Querkräfte plus den Momenten der Längskraft P, 
die an den Hebelarmen der Ordinaten der ersten 
Durchbiegungslinie angreifen, zusammensetzt. Der 
Genauigkeitsgrad kann durch Vergleich der Maximal- 
ordinaten des Querkraftmomentendiagrammes und dem 
ersten Durchbiegungsdiagramm bestimmt werden. Im 
allgemeinen wird man finden, daß letztere nicht mehr 
als ein Zehntel der ersteren sind, und es kann weiter 
geschlossen werden, daß die Maximalordinate des 
zweiten Durchbiegungsdiagrammes kleiner sein wird 
als ein Zehntel der Ordinate des aus dem ersten Durch- 


Ag. 4. 


biegungsdiagramm abgeleiteten Momentendiagrammes, 
der durch die Vernachlassigung des zweiten Diagrammes 
entstandene Fehler wird demnach meistens kleiner 
als ein Prozent sein. 

Wirkt die Langskraft P nicht zentrisch, dann 
ist die ursprüngliche Momentenkurve um einen Betrag 
zu vergrößern, der gleich ist dem Produkte aus der 
Längskraft mal der Exzentrizität. Es ist demnach 
nötig, eine konstante Ordinate, die diesem Betrage 
gleich ist, der Momentenlinie der Querkräfte 
hinzuzufügen, bevor man die erste Ausbiegungslinie 
zeichnet. Hierauf verfahre man genau so, wie oben 
erklärt wurde. 

Für Zugorgane, die auch gleichzeitig in ihrer 
Querrichtung belastet werden, ist das aus dem 
ersten Durchbiegungsdiagramm gewonnene Momenten- 
diagramm vom Querkraftdiagramm in Abzug zu 
bringen. Sonst wird genau wie früher beschrieben 
vorgegangen. 

Das Verfahren kann auch bei sogenannten »einge- 
spannten« Trägern mit Vorteil benützt werden. 
Die Kurve, nach welcher sich der Stab unter dem 
gemeinsamen Einflusse der Quer- und Längskräfte 
durchbiegt, ist nun nicht mehr gleich der Gestalt des 
Momentendiagrammes der Längskraft. Die Einspann- 
momente an den Stützstellen beeinflussen die Lage 
der Nullinie, von welcher die Ordinaten im Momenten- 


70 


diagramm gezählt werden müssen. Sie ergeben im 
allgemeinen eine Verkleinerung der 
Momente, welche aus dem ersten Durchbiegungs- 
diagramm entstehen. In solchen Fällen ist es somit 
noch weniger nötig ein zweites Durchbiegungsdiagramm 
zu konstruieren. 

Es werde nun der Fall des eingespannten 
Trägers betrachtet, der gleichzeitig eine Querkraft 
in der Trägermitte trägt und axial durch die Kraft P 
beansprucht wird. Nachdem die Tangenten der 
elastischen Linie an den Einspannstellen horizontal 
und parallel sind, ist die Fläche des Momenten- 
diagrammes gleich Null zu setzen. Diese Bedingung 
muß von allen zu zeichnenden Momentendiagrammen 
erfüllt werden, sowohl von den Diagrammen der 
Querkräfte allein, als auch von den Diagrammen, die 
aus dem ersten oder zweiten u. s. w. Durchbiegungs- 
diagramme abgeleitet wurden. In Fig. 2 ist zunächst 
wieder das Momentendiagramm der Querkraft W allein 
und darunter das daraus abgeleitete Durchbiegungs- 
diagramm pgr gezeichnet worden. Die Nullinie st 


Fe. 2. 
| 


ist nun so eingetragen worden, daß die zwischen ihr 
und der Kurve abgegrenzten Flächen ober und unter 
der Nullinie gleich groß sind. Mit Hilfe dieses 
Diagrammes kann man das durch die Einspannung 
reduzierte Moment in jedem Stabquerschnitt bestimmen, 
ferner kann man in oben gezeigter Weise durch 
Multiplikation der Ordinaten mit der Längskraft P 
das entsprechende Momentendiagramm finden. Hiebei 
ist wieder vorausgesetzt, daß die Gestalt des ausge- 
bogenen Stabes genau gleich der des ersten Durch- 
biegungsdiagrammes ist. Ist eine höhere Genauigkeit 
gewünscht, so konstruiert man das zweite Durch- 
biegungsdiagramm und legt hiebei die Nullinie derart, 
daß die über und unter derselben liegenden Flächen 
einander gleich sind. 

Ist ein Stab durch unregelmäßig gelagerte 
Einzellasten und durch eine Längskraft bean- 
sprucht, so muß, wenn er horizontal fest eingespannt 
ist, von allen Momentendiagrammen noch folgende 
Bedingung erfüllt werden: Hiebei wird von der 
Bedingung ausgegangen, daß die Momente an den 
Stützen von den inneren und den äußeren Kräften 
einander entgegengesetzt gleich sind. In Fig. 3 stelle 
der Linienzug abc das Momentendiagramm des 
Stabes unter der Einwirkung der drei Querkräfte 
Wi, W: und W, dar, unter der Voraussetzung, daß 
der Stab frei aufliege. Mit Ma und Mo seien 


nur die Einspannmomente über den Stützen bezeichnet. 
Es gilt dann die Beziehung : 


l 
ie si. 
2 (2) 
und 
17 F(, — 3x) 


worin F die Fläche des Momentendiagrammes für 
den frei 
Spannweite und x den Abstand des Schwerpunktes 


aufliegenden Träger, 2 die. halbe 


der Momentenfläche von der vertikalen Trägermittel- 
linie bezeichnen. Das Momentendiagramm für den 
eingespannten Träger findet man nun, indem 
man die Nullinie de in den Abständen Ma und 
Mo über den Stützpunkten zieht. Zeichnet man nun 
die erste Durchbiegungslinie, so findet man die zuge- 
hörige Nullinie ef, von welcher die Ordinaten zu 
zählen sind, die mit P multipliziert, das Zusatz- 
moment der Längskraft geben, indem man die Linie 
gf in den Abständen Ma‘ und Mp’ über den Stützen 
zieht. Hiebei wurden die Werte von Ma‘ und Mb 
in ähnlicher Weise gefunden, wie wir bei dem 
Momentendiagramm der Querkräfte, das heißt man 
bestimmt zunächst die Diagrammfläche F’ und rechnet 
mit dem neuen Schwerpunktsabstand x' wie oben 
gezeigt wurde. | 

Im folgenden seien nun die über mehrere 
Öffnungen gehenden Träger, die gleichzeitig durch 
Quer- und Längskräfte belastet werden, behandelt. 
Es ist dies fiirdie Tragflächenholm-Berechnung 
der wichtigste Fall. 

Bevor wir die Methode auf derartige Stäbe an- 
wenden, muß gezeigt werden, wie das Momenten- 
diagramm mehrfach gestützter Stäbe und 
allgemeiner Querbelastung gezeichnet wird. Für die 


vorliegenden Zwecke eignet sich am besten das Ver- 
fahren der >charakteristischen Punkte«. 

Es sei AB in Fig. 4 irgend ein zwischen zwei 
benachbarten Stiitzen liegender Teil eines mehrfach 
gestiitzten Tragers. A C B sei das Biegungsmomenten- 
diagramm dieses Trägers, fiir den Fall, daß er frei 
aufliegt und sich überhaupt nur zwischen den 
Stützen A und B befindet. Nun suche man die 
Größe der Momentenfläche F und die Lage des 
Schwerpunktes S, dessen Entfernung von der rechten 
Stütze (B) mit x bezeichnet werde. Es ist nun 


Be = c l, worin œ den Neigungswinkel des be- 
lasteten Stabes über Stütze A gegen die horizontale 


Nullinie A B bezeichnet. Be ist der Abstand des Schnitt- 
punktes c der Tangente mit der Vertikalen durch B. 


Ferner ist Be. E. I= dem Flächenmoment des 

Momentendiagrammes bezüglich B, worin E den 

Elastizitätsmodul und I das Trägheitsmoment des 

Stabquerschnittes bedeuten. Es ist: 
Be.E.I=F.x- A a Bb 3 = &alEl 
C * . — . a. 6 . 6 — 


Errichtet man im Punkte p, ein Drittel der 
Spannweite l vom Lager A entfernt, eine Lotrechte 


2 F x 
|? 


und schneidet man auf ihr die Strecke pn = 
ab, so ist: 


und für den Schnittpunkt m mit der Linie ab gilt: 


ee + A Lj. Bo 
also wird: 


2 pn pm n 
oder 


71 


Mit anderen Worten: multipliziert man die Strecke 
nm mit der halben Spannweite 2 so ist die ge- 


wonnene Größe en der Neigung des Trägers 
über der Stütze A. Die gleiche Überlegung wurde nun 
für den links von der Stütze A liegenden Trägerteil 
gemacht. Man erhält auch hier einen Punkt, dessen 
Abstand von der wahren Nullinie des Momenten- 


diagrammes mit der halben Spannweite 4 multi- 


pliziert, proportional der Neigung des Stabes über 
der Stütze A ist. Da es sich um einen starren Träger 
handelt, müssen natürlich beide Stabneigungen über A 
einander gleich sein. Das Gefälle der Neigung ist 


positiv, wenn der Abschnitt mn von links nach 
rechts zunimmt, es ist negativ, wenn der Wert 
des Abschnittes von rechts nach links zunimmt. 
Daraus folgt auch, daß bei Trägern über mehrere 
gleich große Spannweiten die wahre Nullinie des 
Momentendiagrammes auf der einen Seite der Stütze 
über, auf der anderen Seite unter dem jeweiligen 
charakteristischen Punkte liegen muß, und zwar um 
die are Beträge. Sind die Einzelspannweiten 
ungleich, so sind die Abstände der charakteristi- 
schen Punkte proportional den 
Spannweiten. 


Demnach wird das Momentendiagramm eines 
mehrfach gestützten Trägers gezeichnet, indem man 
zunächst die Momentendiagramme für die frei auf- 
liegenden Einzelträger zeichnet, sodann die 
charakteristischen Punkte berechnet und nun die wahre 
Nullinie des Momentendiagrammes als gebrochene 
Linie so zeichnet, daß sie entweder in gleichen Ab- 
ständen über und unter den charakteristischen Punkten 
(gleiche Spannweiten) oder in den Spannweiten ver- 
kehrt proportionalen Abständen hinweggeht. Für 
gleichmäßig verteilte Querlasten ist das Verfahren 
besonders einfach, denn der Abstand des charakte- 
ristischen Punktes über der horizontalen Träger- 
mittellinie ist gleich zwei Drittel der Maximalordinate 
des parabolischen Momentendiagrammes des Träger- 
teiles, für den die Bestimmung erfolgt. 

Es werde nun angenommen, daß der Träger 
gleichzeitig durch eine Längskraft P beansprucht 
werde. Das Momentendiagramm für die Querkräfte 
allein sei gezeichnet — wie oben gezeigt — und 
daraus die erste Durchbiegungslinie abgeleitet worden. 
Diese Kurve gibt nun nicht mit der Längskraft multi- 
pliziert die Momentenlinie der Längskraft. Um das von 
dieser Kraft stammende Moment für jeden Trägerpunkt 
zu erhalten, muß man auch die über den Stützpunkten 
auftretenden inneren Momente berücksichtigen. Diese 
Momente werden analog den Momenten der Quer- 
kräfte gefunden. Es sei in Fg.5AmBnopCgD 
die erste Ausbiegungslinie eines mehrfach gestiitzten 
Trägers. Für den linken Trägerteil AB wurde das 
Momentendiagramm der Längskraft P durch Multi- 
plikation der Ordinaten des Diagrammes über der 
horizontalen Nullinie AB mit P gefunden werden. 
Nachdem sich der Träger jedoch über B nach C fort- 
setzt, so entsteht über der Stütze B ein Moment, 
das heißt die wahre Nullinie geht von A nach r; sie 
wurde in genau gleicher Weise gefunden, wie die 
Nullinie des Momentendiagrammes der Querkräfte 
allein. In ähnlicher Weise findet man die Lage der 
Nullinie für die Felder CB und BD, wobei stets zu 
beachten ist, daß dieselbe von den charakteristischen 
Punkten in Feldern gleicher Spannweiten gleich weit 
absteht, während in Feldern ungleicher Spannweite 
verkehrt proportional diesen Längen entfernt ist. 
Nachdem die Nullinie gezeichnet ist, kann man die 
Momente für die Quer- und Längskräfte rechnen. Bei 
größerer gewünschter Genauigkeit wiederholt man 
das Verfahren entsprechend oft. 

Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, daß 
eine geringe Änderung der Höhenlage eines 
Stützpunktes bei mehrfach gestützten Trägern eine 


verkehrt 


72 


wesentliche Anderun 
Trägers bedingt. Für Träger, die auch durch eine 
Längskraft beansprucht werden, ist dies von be- 
sonderer Bedeutung, denn eine nur geringe Senkung 
einer Stütze bedingt eine bedeutende Steigerung der 
durch die Längskraft hervorgerufenen Beanspruchung 
des Stabes. 


des Biegungsmomentes des wurde, während für S, die Fläche bc nm verwendet 


wurde. Hierauf ersetzt man in oben gezeigter Weise 
die Punkte durch die richtig gelegenen T; und S}. 
Mit ihnen findet man die Nullinie adc in der oft 
beschriebenen Weise. 

Zusammenfassung. Es wurde gezeigt, daß 
das Verfahren der Addition der von den Längs- und 


Wir penen zunächst neuerlich vom mehrfach ge- 
stützten Träger aus, dessen eine Stütze sich um ô 
gesenkt hat. Es muß dann die dieser neuen Be- 
dingung entsprechende neue Lage der charakteristi- 
schen Punkte festgestellt werden. Diese findet man, 
indem man die Abstände der charakteristischen Punkte 
von der Trägermitte des unbelasteten Trägers um den 


Betrag 2 EI Aa bezw. 2 E 1. (im selben Maßstabe!) 
1 2 


vergrößert oder verkleinert, je nachdem das über der 
betreffenden Stütze herrschende Moment durch die 
Lagenänderung zu- oder abgenommen hat. Die so 
gefundenen Punkte sind die neuen Lagen der charak- 
teristischen Punkte. Es folgt aus obigen Gleichungen, 
daß bei Trägern guin Materiales, Querschnittes 
und gleicher pannweite, also I, = k, die 
Änderung der Lage der charakteristischen Punkte gleich 


2 ist, und zwar muß bei um 6 einsinkender Stütze 


der charakteristische Punkt um = näher von der Ver- 
bindungslinie der festen Stiitzen abstehen. Dieses 
Verfahren kann auch für längsbeanspruchte Träger 
verwendet werden; es sei ak mnc in Fig. 6 die erste 
Durchbiegungslinie eines Stabes über zwei Offnungen, 
der durch eine gleichmäßig verteilte Querlast und eine 
Längskraft P beansprucht wurde. Die Mittelstütze ist 
um 6 eingesunken. Zunächst findet man nach dem 
bekannten Verfahren die charakteristischen Punkte T, 
und Si, wobei die Fläche ak mb zur Berechnung 


der Lage des charakteristischen Punktes T, benützt 


den Querkräften erzeugten Biegungsmomente für einzeln 
oder kontinuierlich belastete Stäbe über eine oder 
mehrere Öffnungen mit Erfolg anwendbar ist. Hiebei 
kann die Längskraft zentrisch oder exzentrisch an- 
greifen. Bei einfacher Lastverteilung und einfach 


Fig. 6. 


gestützten Trägern bietet die analytische Behandlung 
allerdings Vorteile, aber bei ungleichmäßigen Be- 
lastungen, sei es nun durch Einzelkräfte oder kon- 
tinuierliche Lasten, ist das graphische Verfahren kürzer 
und leichter anzuwenden. Für mehrfach gestützte Träger 


ist es jedoch das einzig praktisch brauchbare Verfahren. 


73 


Armierte und gepanzerte Flugzeuge. 
Von Fritz Lichtenstern, Wien. 
(Schluß.) 


Unter gewöhnlichen Umständen wird bei einem 
Flugzeug, das vorderen Antrieb besitzt, nur die 
Möglichkeit des Schießens nach der Seite bestehen. 
Ein im »Salon« 1913 ausgestellt gewesener einsitziger 
Nieuport-Eindecker, hatte seitlich über den Rumpf 
hinausragend und mit dem Lauf senkrecht zur Flug- 
richtung des Apparates ein Maschinengewehr ein- 


Nieuport-Eindecker. 


gebaut. Zu der Parade über Kriegsflugzeuge, die 
Mitte 1914 in Villacoublay stattfand, war ein schwerer, 
armierter und gepanzerter Apparat derselben Fabrik 
erschienen, der zwei Plätze aufwies. 

Es wurden verschiedene Versuche gemacht, um 
bei vorderem Antrieb dennoch nach vorne schießen 
zu können, und zwar: 1. Schießen über den Propeller 
hinweg; 2. durch eine Vorgelegewelle des Motors für 
die Schraube; 3. Anwendung einer Arretiervorrichtung 
für die Schraube. 

Methode 1 wurde auf einem Deperdussin-Eindecker 
ausprobiert. Das Gewehr ist — in der Flugrichtung 

esehen — über dem rechten Teil des zweiteiligen 
pannbockes aufgesetzt. Die Mündung liegt etwas 
hinter der Rotationsebene des Propellers und bei 
senkrechter Stellung desselben weit über dem höchsten 
Punkt des oberen Flügels. Um das Gewehr zu be- 
dienen, stellt sich der Schütze auf seinen Sitz. Diese 
Stellung ist schon beim Zielen DEE da bei der 
großen Geschwindigkeit der Druck der Luft so stark 
ist, dab man Mühe aufwenden muß, um sich aufrecht 
zu erhalten. Weiters kann man auch wegen der un- 
vermeidlichen Schwankungen des Apparates nicht 
ruhig zielen, da man in dieser Stellung die reflektori- 
schen Gegenbewegungen macht. Außer dem Körper 
des Schützen verursacht der zwischen den beiden 
Teilen des Spannbocks stehende Schutzschild (schon 
früher erwähnt) viel schädlichen Widerstand. Am 
Schild ist dieser wegen der zum leichten Abstreichen 
der Luft ganz ungeeigneten Form besonders groß. 
Schon bei den ersten Versuchen muß sich diese An- 
ordnung als vollkommen unbrauchbar erwiesen haben. 

Methode 2 wurde, da sie eine besondere Aus- 
bildung des Motors erfordert, von einer bekannten 
Motorenfabrik verwendet. Es wurde dieser Fabrik ein 
spezieller Motor und ein mit diesem angetriebenes 


der Durchmesser der über der Motorachse gelagerten 
Vorgelegewelle ziemlich gering ist und das Gewehr- 
rohr darin nicht, bezw. nur wenig verrückbar ist, so 
muß man, um Schießen zu können, den Apparat immer 
erst genau in die Richtung des Zieles einstellen. 
Schon deshalb ist dies fast undurchführbar, da der 
Schütze dem Führer die genaue Richtung nicht an- 
eben kann. Auch bei Bedienung des Gewehres durch 
en Piloten dürfte sich selbst bei größerer Übung kein 
Erfolg erzielen lassen. Dabei ist nicht einmal berück- 
sichtigt, daß das Einstellen bei eventuell herrschendem 
stärkeren Wind schwierig ist und daß mit dem Ein- 
stellen Zeit vergeht. Die verstrichene Zeit wird der 
bewaffnete Gegner entsprechend ausnützen, ohne daß 
sich der andere wehren kann und der unbewaffnete 
a wird sich mittlerweile in Sicherheit gebracht 
aben. 


Die Vorteile des Motors mit hängenden Zylindern 
sind immerhin nicht zu unterschätzen. Die Aussicht 
nach vorne ist etwas freier und weiters kann man den 
Motor auch in einen gewöhnlich geformten Rumpf 


Deperdussin-Eindecker. 


einschließen. Früher baute Gyp-Gregoire, dann 
auch die Firma, von der die Rede war, solche Motoren 
(ohne Vorgelege). 

Im Falle der Arretiervorrichtung bei Methode 3 
(Schneider) kann der Schuß nur dann abgegeben 
werden, wenn der Schraubenflügel schon vorüber ist. 

In Eindeckern mit über den umpf hochgesetztem 
Tragdeck (Parasol-Eindecker) und jene der alten 
Bauart mit den Sitzen unter der Fläche und unter der 
(verlängerten) Schraubenachse wurden Maschinen- 
gewehre noch nicht eingebaut, obwohl man hier 
wenigstens in der Flugrichtung schräg abwärts 
schießen könnte. Diese Apparate haben übrigens auch 
deshalb militärische Bedeutung, weil man nach unten 
freien Ausblick hat. 


Um den freien vorderen Ausschuß zu erhalten, 
wurde neuerdings die Pischoff-Dornersche Bau- 
art und Kraftübertragung wieder aufgebracht. Beim 
Eindecker von Ponche-Primard (»Salon« 1912) ist 
das Schußfeld durch die bis zur Höhe des Tragdecks 


Sikorsky-Zweidecker. 


Luftfahrzeug patentiert. Nach dem ersten Anspruch 
handelt es sich um ein Luftfahrzeug mit durch ein 
Vorgelege angetriebener Propellerwelle. Letztere ist 
hohl und an thr ein Geschütz irgend welcher Art an- 
geordnet. Der zweite Anspruch: Luftfahrzeug mit in 
der hohlen Schraubenachse liegendem Geschütz, das 
hinter dieser ausschwenkbar angeordnet ist. 

Vorerst wurden die vier Zylinder hängend (unter 
der Motorachse) an das Kurbelgehäuse angesetzt. Da 


aufgezogene Kufe teilweise behindert. Auch tritt hier 
die Reibung und das Gewicht der Übertragungsteile 
unangenehm auf. 

inige Konstrukteure wieder wollten in der Weise 
vorgehen, daß sie Rumpfzweidecker mit seitlichem 
direkten Antrieb versahen. Unter anderem hat auch 
die besondere militärische Verwendungsfähigkeit 
Sikorsky zu der damals EL Motorenanlage 
an seinen Apparaten, den »Zeppelin-Zerstörern«, wie 


74 


sie schon vor Beginn des Krieges genannt wurden, 
veranlaßt. Die vier einzeln auf dem unteren Tragdeck 
stehenden 100 PS Argus-Motoren treiben die vorne 
befindlichen Schrauben an. Diese Bauart ist von 
Dorand und vom Laboratoire d’Aéronautique 
militaire de Chalais-Meudon verbessert 
worden. Die zwei Gnöme-Motoren sind derart von 
Rotationskörpern umgeben, daß der Luftwiderstand 
stark vermindert werden konnte. Da diese Motor- 
eindeckung aus Stahl besteht, diente sie gleichzeitig 
als Panzerung für die Motoren. Zur Erzielung eines 
günstigen Me der Schrauben rotieren 
diese hinter der Zelle. 

Eine solche geteilte Motorenanlage ist natürlich 
kompliziert. Ferner ist es Schwierig, das Fahrgestell 
so anzuordnen, daß es bei der Landung zu keinen 
Brüchen kommt. Die Lage der Kufen und Räder direkt 
unter den Motorenerscheint deshalb ungünstig, da der 
schwere Rumpf nicht unterstützt ist. 

Möglicherweise ließe sich mit vorderem indirekten 
Zweischraubenantrieb, wie er früher von Savary und 
von Liore benützt wurde, Erfolg erzielen. Allerdings 
könnte der Platz des Schützen nicht ganz vorne sein. 
Ferner macht sich wieder die Reibung etc. geltend. 

Am einfachsten und an jedem Flugzeuge mit 
vorderem direkten Antrieb verwendbar, wäre das 
Mittel, den Umlaufkreis des Propellers stark zu ver- 
mindern. Durch drei- oder vierflügelige Schrauben 
würde sich dies noch nicht erzielen lassen. Dabei ist 
an den Turbinenpropeller gedacht, wie ihn Coanda 
an einem seiner Zweidecker Ende 1910 benützt hat. 
Diese Turbine müßte aber ökonomischer arbeiten, als 
jene von Coanda. Sie wurde bereits 1911 aufge- 

eben. Die Turbine wäre auch zwecks geringerer 
auhöhe des Fahrgestells wünschenswert. 


Schutz des Flugzeuges vor den Wirkungen von 
Geschossen. 


Zur Erreichung dieses Zieles muß der Konstrukteur 
sich vor Augen halten: Größte Einfachheit der Form 
des Flugzeuges. Die Teile, die außen nicht liegen 
müssen, sollen ins Innere des gepanzerten Rumpfes 
verlegt und eingeschlossen werden. Der Motor, von 
dessen Funktionieren der Apparat so sehr abhängt 
und der vor Verletzungen besonders zu schützen ist, 
muß eingeschlossen sein, wie man dies zur Erzielung 
eines geringen Luftwiderstandes schon des öfteren 
gemacht hat. Letzteres Prinzip deckt sich überhaupt 
mit dem der möglichsten Unverwundbarkeit, abgesehen 
von der Panzerung. Da die Schraube bei Stand- oder 
Rotationsmotoren auf der Welle sitzt, verwendet man 
zur Vermeidung eines zu pal Sia Rumpfvorderteiles 
die bekannten, sich mit der Schraube mitdrehenden 
Rotationskörper. 

Auch der Körper der Insassen muß vom Rumpfe 
umschlossen werden, so daß nur die Köpfe heraus- 
ragen. Die Einschließung hat den Nachteil, daß die 
Orientierungsfähigkeit erschwert ist. Außerdem kann 
ein eventuell vorhandenes Maschinengewehr nicht 
leicht bedient werden. 

Ebenso wie Motor und Insassen sollten die so 
wichtigen Steuerzüge zum größeren Teile innerhalb 
des Rumpfes geführt werden. Bei den Drähten oder 
Kabeln für die Verwindung (Hilfsflügel) ist die Ein- 
schließung natürlich undurchführbar. Auch doppelte 
Züge würden nichts nützen. Bei den Panzerzweideckern 
von Voisin, Dorand, »Chalais-Meudon« be- 
finden sich sowohl am oberen als auch unteren Trag- 
deck Flügelklappen. Die Klappen jeder Seite sind 
durch je eine Stange miteinander verbunden. Die Züge 
sind doppelt, und zwar für die oberen und unteren 
Klappen. Die Stange dient dazu, daß im Falle des 
Unbrauchbarwerdens eines Steuerzuges der betreffende 
Hilfsflügel doch betätigt werden kann und bei Intakt- 
sein aller Züge zum genaueren Zusammenarbeiten 
aller Klappen. 

Diese Methode ist aber nicht immer verwendbar, 
das ist 1. bei der Verwindung des Eindeckers und 


2. bei Zweideckern, deren unteres Tragdeck geringere 
Spannweite hat. Oder sollte man die Steuerung oder 
Verwindung, wie seinerzeit beim Höhensteuer der 
Wright-Zweidecker, durch Holz, bezw. Stahlstangen 
betätigen? Das Plus an Gewicht würde durch größere 
Sicherheit wettgemacht werden. 

Teile, die außerhalb des Rumpfes liegen müssen, 
sollen möglichst einfach gehalten sein. Das Fahrgestell 
soll nicht kompliziert sein. In dieser Hinsicht ist heute 
bekanntlich eine Form im Gebrauch, wie sie einfacher 
nicht mehr gedacht werden kann. Die Räder können 
Vollgummireifen tragen, wobei das größere Gewicht 
nicht in Betracht käme. Die sogenannten Panzer- 
(Scheiben-)rader werden übrigens ebenso leicht ver- 
letzbar sein, wie die Drahtspeichenräder. Was die 
Schwanzkufe betrifft, so hat diese verhältnismäßig zu 
wenig Bedeutung, als daß sie einer besonderen Aus- 
bildung bedarf. ` 

Spann- und Verwindungsböcke sind ohnedies 
schon sehr einfach. Sie bestehen aus zwei, höchstens 
vier Streben. Die Zahl der Stiele ist zu reduzieren, 
wenn auch damit nicht zu weit gegangen werden darf 
(Breguet 1911). Beim Bruch einer Strebe hätten 
die wenigen anderen mehr auszuhalten, als wenn sich 
der Druck auf die Flächen auf mehrere Stiele verteilt. 
Dagegen wird es sich empfehlen, besonders die Stiele 
und Böcke stärker als sonst zu dimensionieren. Das 
Fahrgestell aber braucht nicht verstärkt zu werden, 
1 eine Verletzung natürlich keinen Absturz zur Folge 

ätte. 

In vollkommenster Weise läßt sich das Prinzip der 
möglichst einfachen Bauart beim heutigen Standardtyp 
durchführen. Nur wegen der einheitlichen Bauart ist 
er zu diesem geworden. Weniger einfach sind die 
Zweidecker der Bauart Voisin-Farman. Die vorhin 
niedergelegten Konstruktionsprinzipien zur Sicherung 
des Flugzeuges sind in erster Linie auf diese beiden 
Typen anzuwenden. 


Das Baumaterial. 


Was das Material, dem Geschosse und Splitter 
wenig anhaben können, betrifft, so ist dem Stahl der 
Vorzug zu geben. Er kann nicht in Brand geschossen 
werden und weiters splittert er nicht. Stahl, der bereits 
aus anderen Gründen (kein Verziehen etc.) bei der 
Konstruktion gebraucht wird, muß verwendet werden: 
1. bei Flügelholmen, 2. bei Spann- und Verwindungs- 
böcken, 3. bei Zellenstielen. Wünschenswert ist Stahl- 
konstruktion bei Rümpfen und Fahrgestellen. (Erstere 
sind oft nur teilweise gepanzert!) 

Um das Feuerfangen der Flügel- und Rumpf- 
bespannung zu verhüten, imprägniert man den Stoff 
mit Cellonemaillit. 


Die Panzerungen. 


Um die wichtigen Teile des Flugzeuges vor Klein- 
ewehr- und Maschinengewehrfeuer und gegen kleinere 
ranatsplitter zu schützen, werden diese, bezw. der 

Rumpf gepanzert. An Stelle der pa des 
Rumpfes werden Panzerplatten gesetzt. Da der Motor 
und die Insassen, deren Verletzung in erster Linie 
vorzubeugen ist, sich im Rumpfvorderteil befinden, 
so wird meist das vordere Drittel oder die vordere 
Hälfte mit Panzer versehen. Wenn die Tanks sich 
hinter den Sitzen befinden, so muß sich die Panzerung 
auch über diese erstrecken. Ein Schuß könnte dort 
eine Explosion, mindestens aber das Auslaufen des 
Betriebsstoffes zur Folge haben, was zu einer Ent- 
zündung des Benzins von seiten des Motors führen 
kann. Was den Panzer selbst betrifft, so kommt dessen 
Dicke und daher das Gewicht bei gleichem Material 
in Betracht. Häufig wird Chromnickelstahl verwendet. 
Ein Stahlpanzer von 2 mm Dicke und 1 m* Oberfläche 
wiegt ca. 50 kg. Bei hohem Gewicht bietet dieser 
Panzer erst in ungefähr 500 m Höhe Schutz und außer- 
dem können nur Flugzeuge mit starken Motoren einen 
solchen Panzer ohne große Verringerung der Ge- 
schwindigkeit tragen. 


75 


Sonnentätigkeit und Witterung. 
Von Wilhelm Krebs. (Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen.) 
(Fortsetzung aus Nr. 20,21 vom 1. November 1914.) 


V. Neuentdeckte Vorgänge auf dem Gebiete der 
Sonnentätigkeit und ältere, fast verschollene 
Sonnenaufnahmen. 


Meine Darstellung der Sonnentätigkeit kann nicht 


an zwei Entdeckungen auf dem Gebiete der Sonnen- 
physik vorübergehen, die beide in neuester Zeit der 
pektralphotographie zu danken sind. Bei der einen 
darf sie es um so weniger, als aus ihr ein neues, 
gewichtiges Zeugnis für die die Sonnentätigkeit be- 
herrschende Rolle der Wirbelringe zu gewinnen ist. 
Diese Entdeckung ist zuerst im Frühjahre 1909 
von dem Engländer J. Evershed gemacht worden. 
In den folgenden Jahren ist sie durch eine gründliche 
Untersuchung des Amerikaners Ch. E. St. John 
sichergestellt und weitergeführt worden. An größeren 
Sonnenflecken, deren John allein in den Jahren 1910 
und 1911 nicht weniger als elf genau untersuchte, 
wurden Linienverschiebungen im Spektrum der Halb- 


Fig. 17. Rechte Hälfte eines Radialschnittes durch die 
Umgebung eines Sonnentleckens, nach John. 


Stromlinien der aus- und 


A der einströmenden Metallgase, bezeichnet mit den 
Atomzeichen der wichtigsten. 


rear x 
2 Obere und untere Grenze der umkehrenden Schicht. 
= Lage des Sonnenfleckenkernes. 


— —— 


Magnetische Kraftlinien. 


Höhenlagen J nach Jewell, L nach Lockyer. 


schattenhöfe (Paenumbra) auf spektralphotographi- 
schem Wege nachgewiesen. Auf Grund der Doppler- 
schen Regel wurden aus ihnen radial vom Kernteil des 
Sonne nfleckens ausgehende und radial ihm zuführende 
Bewegungen erschlossen. Durch sie wurden Gase der 
unteren Chromosphäre oder umkehrenden Schicht 
vom Kernteil nach außen, solche der oberen Chromo- 
sphäre nach innen geführt. (Fig. 17.) Das Gesamtbild 
dieser Bewegungsvorgänge entsprach also einem 
Wirbelring. (Fig. 18.) 


Doch sei sogleich bemerkt, daß keineswegs alle 
der in Gasform untersuchten Elemente den gesamten 
Wirbel mitmachten. Das galt nur von den spezifisch 
zumeist leichteren Elementen, wie Kalzium, Natrium, 
Magnesium, Wasserstoff, außerdem auch vom Eisen. 
Die schwereren Elemente nahmen trotz ihres gas- 
förmigen Zustandes nur an dem Ausströmen innerhalb 
der umkehrenden -Schicht teil. Beim Wenden des 
Wirbelstromes nach oben, das, nach der Darstellung 
beider Beobachter ungefähr über der äußeren Um- 
randung eines Halbschattenhofes (Paenumbra) statt- 
fand. blieben sie zurück. 

Der dadurch hervorgerufene Stauungszustand bot 
John eine willkommene Erklärung für das Auftreten 
des hochglühenden Fackelrandes im Umkreis der 
großen Sonnenflecken. Doch erscheint gar nicht aus- 
geschlossen, daß an dieser höheren Glut ähnliches 
mitwirkt, wie Deslandres an Fackelgebieten nach- 
gewiesen hat. 

Im Kapitel II dieser Artikelreihe, auf S. 216 der 
Österr. Flug-Zeitschrift vom 25. Juni 1914, ist in Fig. 4 
ein solches Fackelgebiet dargestellt, das zugleich ein 
Fallgebiet der Chromosphäre war. Auf S. 271 der Zeit- 
schrift vom 25. Juli 1914 verglich ich den Zustand höherer 
Glut mit den mit Temperaturerhöhungen ebenfalls 
verbundenen Föhn- oder Fallwinderscheinungen der 
Erdatmosphäre. Verdichtung und Verdichtungswärme 
stellen sich auch ein beim Absinken der Gase einer 
Kugelschale. Diese Richtung für die schwereren Gase 
der umkehrenden Schicht anzunehmen, ist durch die 
Überlegung nahegelegt, daß die vom Fleckeninnern 
herausströmenden Gase eine Ergänzung verlangen. 

So dürfte ihr Kreislauf ähnlich geschlossen sein, 
wie bei den leichteren Gasen, nur daß er sich in 
seinem absteigenden und rückkehrenden Teile unseren 
heutigen Instrumenten entzieht. Es würde sich jedes- 
mal um einen doppelten Wirbelring handeln. Ein 
oberer der leichteren, ein unterer der schwereren Gase 
sind einander jedesmal zugeordnet. Dort, wo sie sich 
trennen, zeichnet sich ein leuchtender Fackelkranz ab. 
(Fig. 18.) 

Diese längst beobachtete und nach den eben 
dargelegten Entdeckungen doppelt, durch Stauung 
und verdichtendes Absinken der heißen Metallgase 
E Sprie Glut bietet augenscheinlich die Erklärun 
ür das rapide Weitersteigen der leichteren Gase un 
edenfalls für ihren, trotz der Ausdehnung bei diesem 

eitersteigen, anhaltenden Glutzustand. Man kann in 
ihm den eigentlichen Grund des oberen, unserer Be- 
obachtung völlig zugänglichen Wirbelringes sehen. 

Nach Johns Untersuchungen sind von den be- 
kannten ungefähr 70 Elementen jedenfalls dic an ihren 
Spektrallinien von ihm bestimmten 27 beteiligt. Von 
solchen Spektrallinien wurden nicht weniger als 506 
der Prüfung unterzogen. Sie ließen auf Teilbewegungen 
radial über die Halbschattenpartie schließen, die ein- 
wärts wie auswärts etwa m pro Sekunde im 
Höchstfalle erreichten. (Fig. 17.) In mittlerer Höhe, 
besonders bei Linien des Eisens und des Aluminiums, 
sanken sie auf 0 Sek./m herab. 

Das Höhenverhältnis in der Chromosphäre und 
in ihrer untersten umkehrenden Schicht konnte an der 
Intensität der Spektrallinien ermessen werden. Dabei 
stellte sich heraus, daß das rote Licht einen tieferen 
Einblick in das Meer glühender Gase gestattete als 
das violette. Bis zu dieser größten, mit Hilfe der 
Spektralphotographie erloteten Tiefe nahmen die aus- 
wärtsgerichteten Geschwindigkeiten der schwereren 
Gase noch zu. 

Es handelte sich hier um Linien des Cadmium, 
Chrom, Kobalt, Titan und vor allem wieder des Eisens, 
dessen Spektrallinien nach Hunderten zählen. Durch 
ihre von John gemessenen Verschiebungen wurden 


76 


Auswärtsgeschwindigkeiten verraten von mehr als 


2000 Sek./m bis zu 0 Sek./m und sogar zu leichten 
Einwärtsbewegungen herab. (Fig. 17.) 

Ein noch universelleres Vorkommen ihres Ele- 
mentes verrieten die ebenfalls zahlreichen Linien des 
Kalziums. Von mehr als 1000 Sek./m Auswärts- 
geschwindigkeit sank die von ihnen angezeigte Radial- 
bewegung der glühenden Kalziumgase oberhalb der 


Fig. 18. Rechte Hälfte eines Radialschnittes durch einen 
doppelten solaren Wirbelring, 


im Anschlusse an Johns spektralphotographische Auslotungen 
der Chromosphäre, entworfen von Wilhelm Krebs. 


Obere Grenze der Photosphäre. 
Obere Grenze der umkehrenden Schicht. 


LS 


—— == ge 


— | 


= un = 


Wirbel der schwereren Gase. 


Wirbel der leichteren Gase. 


Höhenangaben nach Lockyer. 


umkehrenden Schicht auf 0 herab und ging in zu- 
nehmende Einwärtsgeschwindigkeiten über. Die K- 
und H-Linien des Kalziums wiesen schließlich die 
höchsten jener Geschwindigkeiten auf. 

Die stärkste Einwärtsbewegung des Wirbelringes, 
deren Schauplatz nach Jewells Ergebnissen, denen 
John sich anschließt, 25.000 km höher liegt, als die 
der stärksten Auswärtsbewegung, erreichte nach Johns 
Tabelle der gesamten Messungen etwa 1900 Sek./m. 
Sie stand also sehr nahe der stärksten Auswärts- 
geschwindigkeit des Eisens. 


Die für die rohen Umrisse des oberen Wirbel- 
ringes noch fehlenden auf- und absteigenden Äste sind 
gerade am Kalziumgase bereits durch Deslandres 
nachgewiesen. Die Aufnahmen, auf Grund deren die 
Steig- und Fallgebiete der Fig. 4 von mir entworfen 
sind, geschahen im K:-Lichte des Kalziums. Sie ergaben 
die volle Erklärung für spektroskopische Beobachtungen, 
die mehr als 30 Jahre älter waren. 


Respighi hatte sie im Jahre 1871 veröffentlicht. 
Er hatte gefunden, daß am Sonnenrande die Chromo- 
sphäre stellenweise sich von oben nach unten zu- 
sammenzog oder sogar ganz zusammenschwand und 
dabei in intensives Glühen geriet. Diese Stellen 
befanden sich nahe bei oder gerade über der Kern- 
partie von Sonnenflecken. 


ein enger Zusammenhan 


Diese spektroskopischen Randbeobachtungen der 
Sonne lieferten offenbar Fallgebiete oder absteigende 
Strömungen der Chromosphäre in Seitenansicht. Be- 
deutungsvoll erscheint an ihnen die Lage über Sonnen- 
flecken. An den Steig- und Fallströmungen der Fig. 6, 
daß ihre Höchstgeschwindigkeit von 1400 und 
2100 Sek./m derselben Größenordnung angehörten, 
wie die der Horizontalströmungen Johns. Dieser 
selbst fand an Aufnahmen der K-Linien des Kalziums 
aufsteigende 1 von 1300 bis 1870, ab- 
steigende von 680 bis 2200 Sek. /m. 

Sie liegen wiederum innerhalb jener Größen- 
ordnung. Daß bei solchen Fallgeschwindigkeiten bei 
weitem nicht immer eine Erhitzung eintritt, die über 
den dunklen Sonnenflecken die absteigenden Gase in 
helle Glut versetzt, kann nicht befremden. Denn ihnen 
kommen die aufsteigenden schwereren Gase des 
unteren Wirbelringes entgegen. Sie steigen nicht 
minder steil empor und müssen infolgedessen sehr 
erheblich abkühlend wirken. (Fig. 18.) Schließlich wird 
es auf das Massenverhältnis ankommen. Es erscheint 
sogar nicht ausgeschlossen, daß damit die letzte und 
richtige Erklärung für die Entstehung der dunklen 
Sonnenflecken selbst geliefert werden kann. 

Rätselhaft erscheint nur, daß bei den einen Fällen 
mit Sonnenflecken gegeben 
war, bei den anderen Fällen diese Bewegungsvorgänge 
ihre Spuren auf gänzlich fleckenfreien Flächen des 
Sonnenballes hinterließen. j 

Die Lösung des Rätsels wird von einer Kalzium- 
K-Aufnahme Deslandres’ geboten, die schon im 
Jahre 1909 gemacht ist. (Fig. 19.) Sie betraf einen 


S 
as Sonnenfleck f 
Wirbelring im 
—~ Filament K-Lichte 
O t 100 200 Meg. 
0 2 * U 5 i 


Fig. 19. Feld 3 Sonnentätigkeit am Morgen des 
. September 1909, 8 bis 8” a. 
Nach einer spektrographischen Aufnahme zu Meudon von 
Deslandres, im K»-Lichte des Kalziums. (Pariser Akademie, 
Compte rendu vom 10. Jänner 1910.) 


großen, mehrkernigen Sonnenflecken mit seiner Um- 
gebung, der auch aus anderen Gründen eine geradezu 
geschichtliche Bedeutung beansprucht. Er signalisierte 
ein Gebiet hochgesteigerter Sonnentätigkeit, dessen 
Vorübergang zeitlich mit der stärksten bekannt- 
ewordenen Einwirkung auf die Erde verknüpft war. 
or allem wurden Polarlichter auf der ganzen Erde, 
bis nahe zum Äquator beobachtet. Es handelte sich 
ferner um die stärksten magnetischen Störungen, die 
auf der Erde verzeichnet sind, und weiterhin um 
eine Häufung von Gewitter- und Sturmbildungen in 
verschiedenen Gebieten der Erdatmosphäre. 

Es handelte sich endlich um ein Gebiet der 
Sonnenoberfläche, auf welchem vulkanische Tätigkeit, 
immer wiederkehrend in Höchsterscheinungen, zurück- 
verfolgt ist in das IV. Jahrhundert vor, und vorwärts 
verfolgt ist bis in das II. Jahrtausend nach 
unserer Zeitrechnung. 

Diese so ausgezeichnete Epoche ge- 
steigerter Sonnentätigkeit bot in der Hoch- 
region der Kalzium- K-Gase am 24. September 
1 ein Bild, das einen Wirbelring über der 
bedeutendsten damaligen Sonnenfleckengruppe 
vereinte mit den sichtbaren Spuren einer 
ganzen Schar von Wirbelringen über der 
freien Sonnenoberfläche. (Fig. wo 

Daraus ergibt sich der Schluß, daß zwar 
eine gewisse Vorliebe der Sonnentätigkeit 
dafür bestehen mag, über großen und regel- 
mäßigen Sonnenflecken Wirbelringe auszu- 
bilden, daß aber die Sonnenoberfläche über- 
haupt ein Feld für diese Gebilde bietet. 

Es erübrigt noch eine Zusammenstellung 
der Maße der neu dazugekommenen Wirbel- 
ringe mit denen der früher in den Kapiteln Ill 
und IV betrachteten (Tabelle). Aus dieser 
Tabelle folgt, daß sie tatsächlich der gleichen 
Größenordnung angehören. 


Fig 


77 


der Wasserstoffmassen sichtbar. ah a Es stellte 
sich heraus, daß entgegengesetzte Wirbelbewegung 
mit entgegengesetzter Polarisation dieses Lichtes ver- 
bunden war. 

Auch hier blieb die Möglichkeit einer direkten 
Kontrolle am einfachen Fernrohrbilde nicht aus. 
Die erste, am ausführlichsten berichtete Untersuchung 
Hales hatte an einer Stelle gesteigerter Sonnen- 
tätigkeit stattgefunden, die am 27. Juni 1908 der 
Erde zugekehrt war. Das chs a Fleckensignal, 
ein kleiner Flecken, mit Eee ern, war meiner 
alltäglichen teleskopischen Kontrolle nicht entgangen. 
Sieben Ban. Aufnahmen dieses Fleckens, am 
27. Juni 1 und den vier nachfolgenden Tagen, 


hatten auch im einfachen Dreizöller seine Rotation 
erkennen lassen. 


.20. Nachweis eines elektromagnetischen Feldes auf der Sonne, 
durch die Zerlegun 
achter durchquert, in zwei entgegengesetzt zirkularpolarisierte Teile 
(Zeeman-Effekt), nach G. 


Im Sonnenfleckenspektrum, dem mittleren Bande, das oben und unten 


eines Lichtstrahles, der es radial zum Beob- 
- Hale (Mt. Wilson-Observatory). 


Bei den er Kraftäußerungen der vom en ektrum begleitet ist, ist eine Eisenlinie in zwei Linien 
ý : _ zerlegt, die dem Sonnenspektrum angehört, während rechts und links 
vulkanischen Tätigkeit der Sonne hat die Um atmosphärische Linien unzerlegt bleiben. Durch Drehen eines vorge- 


setzung der Kräfte, besonders ihre Einwechs- 
lung in elektrische Energie, einen großen 
Spielraum. In der Tat sind unverkennbar 
elektrische Erscheinungen innerhalb von 
Feldern gesteigerter Sonnentätigkeit sichergestellt. 
Vor allem sind es solche, die durch elektromagnetische 
Beeinflussung der Lichtstrahlen zustande kommen 
und dadurch der teleskopischen, polariskopischen 
und spektroskopischen Beobachtung zugänglich werden. 
Die wichtigste Entdeckung dieser Art wurde im Jahre 
1908 gemacht. 

Dem Sonnenforscher G. E. Hale auf dem 
Mt. Wilson-Observatory in Kalifornien Bean, der 
einwandfreie Nachweis, daß das dunklere Band, 
welches das Spektrum eines Sonnenfleckens darstellt, 
nahe der Sonnenmitte zirkulare, am Sonnenrande 
lineare Polarisation aufwies. (Fig. 20.) Dieses Ver- 
halten og tbe» genau dem von dem niederländischen 
Physiker P. Zeeman gefundenen Verhalten eines 
Bündels von Lichtstrahlen, das von einem starken 
elektromagnetischen Felde beeinflußt wird. Solche 
Kraftfelder wurden auf Spektralphotographien im 
H a-Wasserstofflichte auch als regelrechte Wirbel 


*) Die Ausmessung dieser Wirbelringe ist auf S. 272 der 


Osterr. Flug-Zeitschrift Nr. 14, vom 25. Juli 1914, bereits mit- 
geteilt. 


rs ee nn nn ee ee 0 


| 


schalteten Nicol-Prismas wird einmal die linke, dann die rechte Teil- 
linie stärker verdunkelt (»ausgeléschte). 


Hiedurch ist die entgegen- 
gesetzte Zirkular-Polarisation bewiesen. 


Sie verlief ungewöhnlich rasch. Die Zeit einer 
Drehung um 180° ging bis auf 12 Stunden herab. 
Sie verlief auch in ungewöhnlicher Richtung. Diese 
war zyklonal, nicht wie bei rotierenden Sonnen- 
flecken gewöhnlich von mir gefunden antizyklonal. 
Sie zeigte dadurch an,daB der beobachtete Sonnenflecken 
einem aufsteigenden Gebiete der Sonnenoberfläche 
angehörte, nicht wie sonst gewöhnlicher einem 
absteigenden Gebiete.*) Auch stellten sich bei 
weiterer Untersuchung der begleitenden Umstände 
Ergebnisse ein, die auf eine nicht eben gewöhnliche, 
wenn auch nicht besonders einflußreiche Äußerung 
der Sonnentätigkeit deuteten. 

Zeeman schätzte die Stärke des untersuchten 
magnetischen Feldes jener Sonnenstelle auf 3000 GauB- 
Einheiten oder Gamma (1). Das sind 30 Millionen 
kleine Einheiten (y). Bei der 1495 Millionen 
Kilometer betragenden Entfernung der Erde von der 
Sonne kommen sie umgekehrt, entsprechend dem 


*)W.Krebs:»Gemeinsames Drehungsgesetz bei 5 
schen und heliodynamischen Wirbeln.« Physikalische Zeitschrift, 
X., Seite 1022—1023, Leipzig 1909. 


Wirbelringe auf der Sonnenoberfläche. 


Datum der Beobachtung W²irbelringe Kleinster 85 BE SE 8 Mittlerer Nach . 

I. 3. und 31. Juli 19 iea 7 3 110“ 45“ Chevalier 
2. 3. und 4. August 1908 ..... 28 9 70⁰ 47“ Fox 
3. 31: August 1908 cee oa 234 20 20° 80“ 50% Fox 
4. 24. September 1909. ...... 11 21“ 90“ 54“ Deslandres 
5. 24. September 1909 (Fleckenum- 

nr 1 54" 54“ 54" Deslandres 
© 16: Marz 1910: > ea caoga 4 26“ 65" 49“ Krebs 
7. Mai 1910 bis November 1911 . . 11 17“ 45% 34" John 


78 


Quadrat dieser Entfernung, nur mit einem außer- 
ordentlich winzigen Bruchteile eines y zur Geltung, 
während 1’ Störung der Deklination auf der Erde 
allein mehr als 5 y Störung der Horizontal-Intensität 


an der Erdoberfläche verlangt. So erklärte es sich, 
N 


0 1 E 3’ 4’ 
Fig. 21. Wasserstoff-Flocculi in zyklonaler Wirbelhewegung 
um je einen Sonnentleck nördlich und südlich des Aquators. 


Im Ha-Lichte photographiert am 9. September 1908, 6 Uhr 
mittlere Greenwicher Ortssternzeit auf Mt. Wilson (Kalifornien) 
von Mr. George E. Hale. 


daß der 27. Juni 1908 seit dem Aufgehen der Sonne, 
trotz jener auf der Sonne beobachteten elektro- 
magnetischen Kraftäußerungen, jedenfalls an europäi- 
schen Warten als erdmagnetisch ruhiger Tag 
verzeichnet ist. Und daß diese Ruhe auch anhielt 
über die amerikanische Tageszeit hin, an der 
jene Beobachtung geschah. Immerhin aber 
waren die Tage vom 27. bis zum 30. Juni, an 
denen diese Ruhe anhielt, in Europa und Nord- 
amerika vielfach von Gewittern heimgesucht. 

Das an Sonnenflecken arme Jahr 1913 ist 
dann von Hale benutzt worden, um nach dem 
Zeeman-Effekt, also nach elektromagneti- 
schen Kraftäußerungen auf der Sonne, auch außer- 
halb des Bereiches der Sonnenflecken zu suchen. 
Dieses Bestreben war von vollem Erfolg gekrönt. 
Es stellte sich ein allgemeines magnetisches 
Kraftfeld der Sonne heraus, hundertmal so stark 
als das magnetische Kraftfeld der Erde. Es et- 
gaben sich sogar Anzeichen für das Vorhanden- 
sein eines besonderen magnetischen Feldes in 
den äußersten Schichten der Sonnenatmosphäfre, 
das an Stärke allerdings nur ein Millionstel des 
Erdfeldes war. 

Diese allgemeine Verbreitung elektromagne- 
tischer Erscheinungen auf der Sonnenoberfläche 
tritt der von mir behaupteten allgemeinen Ver- 
breitung der Wirbelringe bestätigend zur Seite. 
Und diese wieder kann zur Erklärung derjenigen 


77 


2. März 1889, 10 Uhr 25 Min. vorm. 
— . ee ON 


allgemeinen Eigenschaften der Sonne dienen, von der 
die ganze Spektralanalyse ausgegangen ist. 

s ist die Zweiteilung der Chromosphäre in die 
umkehrende Schicht, die das Absorptions-Spektrum 
liefert, und in die obere, eigentliche Chromosphäre 
mit ihrem fe geuen farbigen Blıtz- oder Flash- 
Spektrum. Dieses Spektrum liefert die eigenen Farben- 
linien der als hochglühende Gase auftretenden 
Elemente. Die dunklen Fraunhofer schen Linien 
des Absorptions-Spektrums sind dieselben Linien, 
als schattende Silhouetten auf dem leuchtenden 
Sonnenspektrum. Nach dem Kirchhoff schen 
Gesetz absorbieren die Gase der umkehrenden Schicht 
gerade diejenigen Farben, die von ihnen sonst aus- 
gestrahlt werden. Doch geschieht das nur dann 
mit sichtlichem Erfolge, wenn sie geringere Strahlungs- 
energie entfalten als der leuchtende Hintergrund. 

war gilt die Voraussetzung Kirchhoffs nicht 
mehr als zutreffend, daß es sich um reine Temperatur- 
Strahlungen handelt. Doch nehmen Temperatur- 
Strahlungen ohne Zweifel einen besonders breiten 
Raum dabei ein. Die umkehrende Schicht kehrt also 
vornehmlich deshalb die Spektrallinien um, aus 
Leuchtend zu Dunkel, weil sie kühler ist, als die sie 
durchstrahlende Sonnenoberfläche. 

Aber warum ist sie kühler ? 
Die Antwort auf diese Frage scheint in der 
peren Richtung zu liegen, wie die auf Grund 
eslandresscher Messungen gefundene Erklärung 
für das Leuchten der Fackelgebiete. Absteigende 
Gasmassen müssen stärkere Glut infolge Verdichtung, 
aufsteigende dagegen müssen Abkühlung infolge 
Ausdehnung erleiden. Bei einer allgemeinen Ver- 
breitung der Wirbelringe ist aber in der Chromo- 
sphäre an aufsteigenden Strömungen ebensoweni 
Mangel wie an absteigenden. Es ist anzunehmen, da 
die an Wirbelringen spektrographisch nachgewiesenen 
Horizontal-Verschiebungen nur Komponenten sind, 
daß sie sogleich mit einem Aufsteigen oder einem 
Absteigen der ae en Gase der Chromosphäre 
verbunden sind. Dann fällt bei den von John aus- 
geloteten Sonnenfleckenwirbeln die Auswärtsbewegung 
mit dem Aufsteigen zusammen, also mit einer 
Abkühlung der Chromosphäre. (Fig. 18.) Mit dieser 
Abkühlung scheint also auch eine streng physikalische 
Erklärung geliefert zu sein für die umkehrende Schicht 
selbst und für das Einfallen der Auswärtsverschiebung 
erade in diese dynamisch gekühlte Unterschicht der 
hromosphäre. 
Die Anschauung der allgemeinen Verbreitung 
emporquellender Wirbelringe auf der Sonnenoberfläche 
wird in dieser Hinsicht auch von dem längst bekannten 


E | 


4. März 1889, 3 Uhr nachm. 


0 1 2 s 4 59 


Fig. 22 und Fig. 23. Absorptions-Zonen und Lichtringe im Umkreise 


der Sonne 


nach Aufnahmen mit rotempfindlichen Platten von K.W.Zenger (Prag). 
(Die Meteorologie der Sonne und das Wetter im Jahre 1889, Selbstver- 


lag, Prag. Tafel: Die Sonne beim Sturme.) 


3. Februar 1882, 9 Uhr 29 a. 


a a Oe ALLA 
oO Ar: Br Se 0 


Fig. 24 und Fig. 25. Absorptions-Zonen und Lichtringe im Umkreise der Sonne, 
ositiv nach Aufnahmen mit rotempfindlichen Platten von K. W. Zen 
eteorologie der Sonne und ihres Systems. A. Hartlebens Verlag, 

aphien, aufgenommen mit Steinheils Aplanate während der 

großen magnetischen Störungen des Jahres 1882.) 


TafelI: Sonnenphoto 


allgemeinen Vorkommen der umkehrenden Schicht 
gestützt. 

In vielen Fällen, von denen einzelne bereits 
gelegentliche Erwähnung fanden, sind solcheWirbelringe 
als sogenannte Ring- oder Bogen-Protuberanzen, 
über dem Sonnenrande beobachtet worden, auf 
Tausende von Kilometern schon hinausgeschossen 
in den Weltenraum. (Fig. 10 und 16.) In dem 
geschilderten . Falle des 23. bis 25. September 1909 
waren mit dem Auftreten sehr ausgeprägter Wirbelringe 
in der Chromosphäre der Sonne ganz hervorragende 
Störungen in der Atmosphäre und im magnetischen 
Felde der Erde verbunden. 

Im Hinblick darauf gewinnen die fast verschollenen 
Untersuchungen des Prager Professors Zenger 
erneutes Interesse. Mit besonders präparierten, auch 
rotempfindlichen Kollodiumplatten gewann er die 
Photographien riesiger ringförmiger Gebilde zwischen 
Sonne und Erde. Ihr Auftreten stand in auffälligem 
zeitlichen Zusammenhange mit katastrophalen 
Erscheinungen der Erdatmosphäre. 

Die zunächst abgebildeten Aufnahmen Zengers 
vom 2. und 4. März 1889 bringen eine einfachere 
Form der Erscheinung. (Fig. 22 und 23.) Es handelt 
sich bei ihr um eine, die Sonne teilweise verdunkelnde 
Wolke von elliptischer oder kreisförmiger Gestalt, 
die von einer lichteren Zone umgeben erscheint. 
Besonders in Fig. 22 erinnert diese an einen Wirbelring 
von Deslandresschem Typus. (Vgl. Fig. 19.) Von 
Katastrophen ereigneten sich besonders am 2. März 
Schneesturm in Ostpreußen und Litauen, der hier 
viele Menschenopfer gefordert haben soll, am 4. März 
Bora bei Triest. Doch erscheint von noch größerer 
Bedeutung, daß am 16. März 1889 in der Südsee 
ein Taifun zu katastrophalem Ausgang führte, der 
in der ersten Märzwoche entstanden sein dürfte. 
Es war der Apia-Taifun, der an jenem Märztage 
auf dieser Reede der Samoa-Insel Upolu zwei 
deutsche und drei amerikanische Kriegsschiffe und 
126 Menschenleben als Opfer forderte. 

Die von Zenger als »Absorptions-Zonen« be- 
zeichneten dunklen Wolken und ihre lichtere Umgebung 
können noch packendere Ähnlichkeit mit den in 
neuerer Zeit aufgenommenen Gebilden der äußersten 
Chromosphäre der Sonne gewinnen. Die weiter abge- 
bildeten Fig. 24 und Fig. 25 zeigen sie in Formen, 


19. Februar 1882, 8 Uhr 15 a. 


79 


die an die Filamente erinnern. 
(Fig. 14 auf S. 352 der Flug-Zeit- 
schrift Nr. 20/21 vom 1. November 
1914.) Nach meiner dortigen Dar- 
stellung dürfen sie als der durch 
Abkühlung dunkle Gischt der Wellen 
bezeichnet werden, die bis zu 
mehr als Kilometerhöhe das Welt- 
meer der äußeren Chromosphären- 
ase schlägt. Besonders große 

ehnlichkeit mit der auffallendsten 
jener Absorptions-Zonen (Fig. 24) 
weist bei C und D ein zusammen- 
gesetztes Filament auf, das auf einer 
in Fig. 26 abgebildeten Sonnen- 
aufnahme entgegentritt. Die Ähn- 
lichkeit ist in den Hauptzügen 
vollkommen, wenn man dieses 
Sonnenbild so betrachtet, daß WSW 
oben liegt. 

Das Sonnenbild ist eine Auf- 
nahme im Wasserstofflicht, die an 
dem gleichen, für die Sonnentätigkeit 
denkwürdigen Tage geschehen ist, 
dem die Aufnahme in Fig. 19 ent- 
stammt, dem 24. September 1909. 
Sie bietet eine wichtige Ergänzung 
dieser Aufnahme, denn sie bringt 
das Filament bei C und D in augen- 
scheinliche Beziehungen zu der 
Zerstörung des den Sonnenflecken 
umgebenden Ringwirbels an seiner 
Ostseite. Wenn man bedenkt, daß die kilometerhohe 
Woge, die das Filament erzeugte, eine Front von 
mehr als 500.000 km hatte, so tritt diese Ausbruchs- 
katastrophe in ihrer, für unser Vorstellungsvermögen 
unfaßbaren Größe entgegen. 


er. (Die 
ien 1886, 


O | 
4 ee 
G y = 
\ 
8 


e Einzige Spur eines Sonnenfleckens bei A. 
> Leuchtende Glutwolken, besonders bei A und B. 
— Filamente, besonders bei C und D 


CCC’ 


0 400 800 Meg. 
o 70 20 
Fig. 26. Die Sonne am Nachmittage des 24. September 1909, 
43 bis 46, über Meudon 


nach einer spektrographischen Aufnahme im Ha-Lichte des 
Wasserstoffes von Deslandres. 


(Pariser Akademie, Compte rendu vom 10. Jänner 1910.) 


80 


Besonderer Hervorhebung wert erscheint bei einem 
H mit der Aufnahme Zengers vom 3. Februar 
1882 der Umstand, daß das ähnliche Filament dieser 
Aufnahme auch ein ähnliches Verhalten zu dem mit- 
aufgenommenen Lichtringe aufweist. Es hat sich eben- 
falls mit dem, dem Zentrum (der Sonne) nächsten 
Teile in diesen Ring eingebohrt. 

Vom 3. und vom 20. Februar weiß Zenger 
starke magnetische Störungen zu berichten, die am 
20. zwischen Berlin und Breslau den Telegraphen- 
verkehr unterbrachen. Am 4. und 15. Februar wurden 
Nordlichter gesehen. Am 6. wüteten orkanartige 
Stürme in Westrußland und in Böhmen, am 19. Februar 
an der Unterelbe, die schwere Sturmflut hatte. Am 
21. Februar herrschte sehr hoher Seegang auf dem 
Atlantischen Ozean. Doch können diese Sturm- 
erscheinungen, auf das westatlantische Hauptherd- 
gebiet der tropischen Sturmbildung bezogen, auch 
von der stärkeren Epoche der ersten Februarwoche 1882 
abgeleitet werden. (Fig. 24.) 

Bedeutungsvoll erscheint noch ein Vergleich der 
Maßstäbe der beiderlei Sonnenaufnahmen. Was bei 
Deslandres nach Bogenminuten zählt, zählt bei 
Zenger nach vollen Graden und mehr. Die von 
Zenger aufgenommenen Wolkengebilde entstammen, 
wenn sie anders mit den ihnen ähnlichen Erscheinungen 
der Chromosphäre im Zusammenhange stehen, demnach 
einer 60 bis 150 mal näheren Gegend des Welten- 
raumes. Sie bezeichnen Ausbruchswolken der Sonne, 
die auf der Reise nach der Erde begriffen sind. 


| leitet: der Witterung der Erde. 


Die Entfernung der Erde von der Sonne beträgt 
im Mittel 149,500.000 km oder 149.500 Megameter. 
Jene Gebilde sind also in einer Entfernung angehalten, 
die etwa 1000 bis 2000 Megameter von der Erde, 
146.500 bis 148.500 Megameter von der Sorine liegt. 
Das sind Entfernungen, hinter denen die bisher sicher- 

estellten Auswürfe der Sonne weit zurückstehen. 

ie höchsten Protuberanzensäulen blieben in der 
Randprojektion unter 600, die höchsten Protuberanzen- 
ringe erreichten aber 900 Megameter. In Kapitel IV 
konnte ich darauf hinweisen, daß dieser Ringausbruch 
wahrscheinlich 2000 Megameter Höhe erreichte 
en Flug-Zeitschrift vom 1. November 1914, S. 353). 

onst sind, bei Gelegenheit der Sonnenfinsternis des 
3. August 1905, Wirbelringe in der Korona bis zu 
250 Megameter, Koronastrahlen, ebenfalls zwar in 
der Projektion auf die optische Ebene, bis auf den 
vierfachen Sonnendurchmesser, also auf weniger als 
7000 Megameter Entfernung von der Sonne verfolgt 
worden. 

Jede direkte Beobachtung und jede Beobachtungs- 
methode ist willkommen, die die verbleibende un- 
geheure Leere überbrückt. Denn daß außer Licht und 
Wärme noch kleine Massenteilchen sie von der Sonne 
her passieren, die Träger elektrischer Ladungen sein 
können, ist, nach anderen, indirekten Beobachtungen 
zweifellos. Über diese soll das nächste Kapitel handeln, 
das zu der anderen Seite dieser Beitragsreihe über- 


(Fortsetzung folgt.) 


Beiträge zur Flugtechnik. 


Von Hauptmann Josef Viktor Berger. 


Der überraschend schnelle Aufschwung des Flug- 
zeugbaues hat eine betriibend hohe Zahl von 
Menschenleben gefordert. Viele dieser im besten 
Lebensalter stehenden Männer wären vermutlich heute 
noch am Leben, wenn sie dem Grundsatze »Probieren 
geht über Studieren« nicht gar zu gründlich 
gehuldigt hätten. 

Die Luft ist als Gasgemisch vom Wasser in jeder 
Beziehung so verschieden, daß die Erfahrungen, auf 
welche in arpana r anne Entwicklung See- und 
Binnenschiffahrt zurückblicken, für den Flugzeugführer 
fast gänzlich wertlos sind. 

Hier heißt es von Grund aus neu aufbauen und 
der Theorie neben der Praxis den gebührenden 
Raum schaffen, damit der Verlust an Menschenleben 
endlich auf ein erträgliches Maß sinke und das im 
Flugzeugbau investierte Kapital sich insofern besser 
verzinse, als weniger Maschinen zu Bruch gehen. 

Die Mittel zu diesem Ziele sind mannigfaltig und 
finden wohl zum größten Teile auch schon Anwendung. 
Wenn ich hier dessenungeachtet ebenfalls Beiträge 
liefern will, so liegt die Ursache lediglich darin, 
daß meines Erachtens jeder neue Gedanke auf seine 
Eignung vorwärts zu helfen geprüft, und wenn 
tauglich, verwertet werden soll. 


I. Schießen und Fliegen. 


Wie das Geschoß einer Feuerwaffe ist auch das 
Flugzeug ein durch den lufterfüllten Raum bewegter 
Körper. Deshalb müssen zwischen beiden sowohl 
Ahnlichkeiten wie Unterschiede obwalten, mit welchen 
wir uns hier beschäftigen wollen. 

Die Geschoßflugbahn entsteht unter dem Einfluß 
dreier Kräfte: dem Drucke der Pulvergase, der 
Anziehungskraft der Erde und dem Luftwiderstand. 
Setzt man an Stelle der momentan wirkenden Kraft 
der Pulvergase die andauernde Motorleistung, so 
erkennt man die weitgehende Ähnlichkeit und zugleich 
den Hauptunterschied zwischen der von einem 
Geschoß und einem Flugzeug beschriebenen Bahn. 
Die Triebkraft wirkt auf das Geschoß nur während 
einer kurzen Zeit, auf das Flugzeug aber anhaltend 


ein, die Folge davon ist das gleich von der Mündung 
an feststellbare Herabsinken des Geschosses aus 
der ursprünglichen Bewegungsrichtung, während die 
andauernden Kraftzuschüsse, welche der Motor dem 
Flugzeug erteilt, der Sinktendenz entgegen wirken, 
somit Auftrieb erzeugen. 

Über die Anziehungskraft der Erde ist nichts 
Besonderes zu sagen, denn sie übt bekanntlich auf 
alle Körper ihren Einfluß aus. Nur die Bemerkung sei 
gestattet, daß es nicht ganz zutreffend ist, von einer 
»Sinkverminderung« zu sprechen. Das Maß, 
um welches ein Körper in der Zeiteinheit sinkt, ist, 
insoweit die Anziehungskraft der Erde in Betracht 


kommt, stets das gleiche h =g% und unabhängig 


von der Form und dem Material dieses Körpers. 


Der große Einfluß der Form äußert sich jedoch 
bei der dritten Kraft, beim Luftwiderstand. Jeder die 
Luft durchschneidende Körper muß diese beiseite 
drängen, wozu eine genau bestimmbare Arbeit 
erforderlich ist. Ihre Menge läßt sich theoretisch 
zwar ermitteln, doch ergibt sich in der Praxis deshalb 
ein anderes Bild, weil die Luft als Gasgemisch einer 
weitgehenden Zusammendrückung fähig ist, daher 
nicht einfach wie ein Stück Holz beiseite geschoben 
werden kann. Der von den einzelnen in Bewegung 
befindlichen Teilen des Flugzeuges auf die Luft aus- 
geübte Druck wird nur zum Teil auf deren Ver- 
drängung verwendet, der größere Teil dient zum 
Zusammendrücken, worauf die Flugfähigkeit der 
Apparate beruht. Dieser partiellen Verdichtung muß, 
da das Gesamtvolumen konstant ist, eine partielle 
Luftverdünnung entsprechen. Sie äußert sich in den 
Saugwirbeln (Sogwirkung) am rückwärtigen Teile 
der bewegten Körper. Sie ist es, die beispielsweise 
den Knall beim Schießen aus Feuerwaffen erzeugt; 
auch gabsie den Anlaß zur Katastrophe von Fischamend 
vom 20. Juni 1914. 

In dem Bestreben, die günstigste Form für das 
Abfließen der Luft, wiedie vorteilhaftesten Bedingungen 
für deren Verdichtung, bezw. Verdünnung zu finden, 
kann die Flugtechnik von der Ballistik wesentlich 


efördert werden. Die Lehre von der Bewegung der 
Geschosse durch die Luft, die äußere Ballistik, befaßt 
sich schon seit langer Zeit mit der wissenschaftlichen 
Erforschung des Wesens des Luftwiderstandes und 
sucht ihn in Abhängigkeit zu bringen, sowohl von 
der Form wie der Geschwindigkeit des Geschosses. 
Dieses Ziel war wegen der Hindernisse, welche sich 
der Gewinnung einwandfreien Beobachtungsmateriales 
entgegenstellen, schwer zu erreichen. Heute kann 
allerdings diese Aufgabe als gelöst bezeichnet werden. 
Was den Zusammenhang zwischen dem Luft- 
widerstand und der Geschoßgeschwindigkeit betrifft, 
so gibt die nachstehende Fig. I eine Vorstellung davon. 
Wir können deutlich drei Teile dieser Kurve 
unterscheiden: den unteren, flachen a—b, den 
mittleren, steilen b—c—d und den oberen, ebenfalls 
flachen d—e. 
Für die Flugtechnik hat, wegen der in Frage 
kommenden Geschwindigkeitsgrößen, wohl nur der 
erste Teil a—b praktischen Wert. Immerhin soll der 


w0 M 


O45 


040 
035 


9 


160 ie dee vac fee See 


Fig. 1. Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit (v) und 
Luftwiderstand (w). 
abcde = Luftwiderstandskurve 
a = Beginn der Kurve ..... Koordinaten x - 0, 
b= = des steilen Kurven- 
teiles 


p- O13 


x = 240, y = 0°18 


c= Wendepunkt. x = 310, y = 0°27 


d = Beginn des flachen Kurven- 
telleB u: na “Svat 8 x= 560, y = 0°38 
x = 1000, y = 0°32 


Hinweis nicht unterdrückt werden, daß im zweiten 
Teil der Wendepunkt c liegt, dessen Abszisse der 
Geschwindigkeit des Schalles entspricht. 

In der detaillierten, hinsichtlich der Abszissen 
vielleicht von Meter zu Meter fortschreitenden Durch- 
arbeitung des Kurventeiles a—b liegt eine dankbare 
Aufgabe für alle flugtechnischen Versuchsanstalten. 
Diese Arbeit wird und muß geleistet werden; es 
handelt sich nur darum, von einwandfreien Versuchs- 
grundlagen auszugehen, weil sonst die Beobachtungs- 
ergebnisse für die Praxis wertlos sind. Zu diesem 
Zwecke dürfte sich die Beiziehung von Ballistikern 
als sehr vorteilhaft erweisen. Hand in Hand damit 
kann der Einfluß der Form festgestellt und geklärt 
werden. In diesem Belange bestehen zwar bedeutende 
Unterschiede zwischen Aviatik und Ballistik, aber 
letztere wird doch aus ihrer Erfahrung so manchen 
wertvollen Ratschlag geben können. Überhaupt 
kann der Umstand, daß die Ballistik und 
ihre Jünger, die Artilleristen, zu flugtechni- 
schen Arbeiteninnurgeringem Maße heran- 


pe so. 409 700 


81 


gezogen wurden und werden, vom Stand- 
punkte des aviatischen Fortschrittes nur 
als beklagenswerte Tatsache bezeichnet 
werden. 

Die drei früher genannten Kräfte greifen zwar 
auf der ganzen Oberfläche der Flugmaschine an; 
es ist jedoch statthaft, sie zu summieren und durch 
je eine ent ee in nur einem Punkte angreifende 
Kraft mittels folgender Überlegung zu ersetzen. 

Die Kraft des Motors wird auf die Schraube 
übertragen und äußert sich als Propellerzug, wenn 
die Schraube vor, als Schub, wenn sie hinter den 
Tragflächen angeordnet ist. Der Luftwiderstand läßt 
sich, weil die Tragflächen stets um den Anstellwinkel 
zur Bewegungsrichtung geneigt sind, und die anderen 
Teile des Flugzeuges nur wenig zum Gesamtwiderstand 
beisteuern, in zwei Komponenten, eine senkrechte 
und eine wagrechte, zerlegen. Beide greifen im 
»Druckpunkt« an. Als »Zugkraft« möge hier der 
um die wagrechte Luftwiderstands-Komponente ver- 
minderte Propellerschub, als »Druckkraft« die 
lotrechte Komponente des Winddruckes gelten, wobei 
die Bezeichnung »wagrecht< eigentlich nicht ganz 
zutreffend ist, denn es handelt sich nur um jenen 
Teil des Rücktriebes, der dem Vortrieb direkt entgegen- 
gesetzt ist. 

Besteht zwischen der Richtung des letzteren und 
der Wagrechten irgend eine Neigung, so kommt nur 
die Horizontalprojektion des ersteren, das ist die 
Verkürzung nach dem Cosinus, des Lagewinkels, in 
Betracht, die Sinus-Komponente wirkt dann, wenn 
nach aufwärts gerichtet, als auftriebfördernd, im 
Gegenfalle vermehrt sie die Anziehungskraft der Erde. 
Letztere greift stets im Schwerpunkt an und ist immer 
lotrecht nach abwärts gerichtet. 

Das Kräftespiel eines Flugzeuges wäre an sich 
nicht sehr kompliziert, wenn die drei Hauptpunkte: 
zur: Druck- und Schwerpunkt eindeutig 
bestimmte Lagen hätten. 

Das ist aber nicht der Fall. Jedes Flugzeug kann 
mit Hilfe einer Änderung des Anstellwinkels die dem 
Winddrucke ausgesetzte Fläche und damit die Lage 
des Druckpunktes ändern. Ist eine Anderung des 
Tragflächenareales möglich, so ändert sofort Druck- 
und Zugpunkt ihre Lage. Letzteres tritt auch ein, 
wenn bei Zweischraubenfliegern, zum Beispiel bei 
den Wright-Apparaten, der eine oder andere 
Propeller versagt, bezw. abgestellt wird. 

Auch der Schwerpunkt kann seine Lage ändern. 
Oft geschieht dies absichtlich, zum Beispiel zur 
Erhaltung des Gleichgewichtes, beim Abwerfen von 
Bomben oder sonstigen schweren Körpern, schließlich 
bei Fallschirmversuchen. Dadurch, daB der Flugzeug- 
führer auf diesen Fall vorbereitet ist, hat er es in 
der Hand, GegenmaBregeln zu treffen, Allerdings 
können diese auch zu spät kommen, oder ungenügend 
wirksam sein, dann ist, wie es im Frühjahr 1914 zu 
Aspern geschah, ein Absturz die Folge. Gleiches 
wird sich bei einer unbeabsichtigten Änderung der 
Schwerpunktslage um so leichter ereignen, als dem 
unvorbereiteten Führer beinahe immer die Zeit, oft 
sogar auch die Möglichkeit fehlt, Gegenmaßregeln 
zu treffen. 

Unter diesen einschränkenden Voraussetzungen 
möge nun das Kräftespiel im Flugzeug an Hand 
nachstehender Skizzen betrachtet werden. Wie schon 
ein flüchtiger Blick auf diese Skizzen zeigt, wurde 
angenommen, daß die drei Hauptpunkte stets in 
einer lotrechten Ebene liegen. 

Dann sind, ganz allgemein gesprochen, drei Fälle 
möglich: 

1. die drei Punkte sind voneinander getrennt, 

2. zwei von ihnen fallen zusammen, und 

3. alle fallen zusammen. 


Bei getrennten Hauptpunktlagen lassen sich wieder 
je sechs Fälle unterscheiden, so daß deren insgesamt 13 
zu untersuchen sind. 


82 


Festhalten muß man, daß der Schwerpunkt stets 
der Aufhängepunkt des Flugzeuges bleibt, und daß 
dieses sich nur um eine durch diesen Punkt gehende 
Achse, die Schwerachse, drehen kann. So klar 


D D 


5 2 — 
=, 
2 o> 
Fig. 2. Fig. 3. 
20 — 2 — 
=} 


D 


Fig. 6. Fig. 7. 


2 5 


5 


D D 


Fig. 10. Fig. 11. 


D = Druckpunkt und Druckrichtung. 


diese Bemerkung auch ist, und so einleuchtend und 
selbstverstandlich sie erscheint, so wurde doch 
gegen sie hie und da gefehlt. 

Eine Betrachtung der 13 dargestellten Fälle ergibt 
folgendes: 


Fig.2. Die unterhalb des Schwerpunktes angreifende 


Zugkraft trachtet das Flugzeug aufzubäumen, sie 
macht es »schwanzschwers«; ist alo eine 
ungünstige Anordnung. 
= 5 
— 
D 
D 2 — 
Fig. 4. Fig. 5. 
2 — 
D95 
Dos 
2 _O— 
Fig. 8. Fig. 9. 


de oe 


5 


2 


Fig. 12. 


Fig. 13. Fig. 14. 


S = Schwerpunkt und Schwerrichtung. Z= Zugpunkt und Zugrichtung. 


Fig. 3. Die oberhalb des Schwerpunktes angreifende 
Zugkraft macht zwar das Flugzeug kopfschwer, die 
tiefe Schwerpunktlage hat jedoch eine große Stabilität 
zur Folge, deshalb erscheint diese Anordnung 
besonders dann als die günstigste der ersten Gruppe, 


wenn durch einen nach vorne aus der Lotrechten vor- 
geschobenen Druckpunkt D dessen, entgegengesetzt 
der Uhrzeigerbewegung gerichtetes Drehmoment dem 
im Zugpunkt in der Uhrzeigerbewegung wirkenden 
Drehbestreben das Gleichgewicht hält. 

Fig. 4. Der hochgelegene Schwerpunkt bedingt 
»labiles Gleichgewicht«, führt also zu einer 
praktisch unverwendbaren Konstruktion. 

Fig. 5. Diese Anordnung ist noch ungünstiger 
als die frühere, weil der Hebelarm SZ länger als 
in Fig. 4 ist. 

Fig. 6. Die tiefe Schwerpunktlage gibt der 
Anordnung eine natürliche Stabilität; die Lage des 
Zugpunktes oberhalb des Druckpunktes ist aber 
praktisch undurchführbar. Gleiches gilt von Fig. 7. 

In der zweiten Gruppe zeigt 

Fig. 8 eine theoretisch nicht besonders ungünstige, 
in der Praxis aber unmögliche Anordnung, während 

Fig. 9 des hochgelegenen Schwerpunktes wegen 
auch theoretisch ungünstig ist. 

Fig. 10 stellt, entsprechend der Fig. 3 der ersten 
Gruppe, die günstigste, 

ig. 11, wegen des tiefangeordneten Druckpunktes, 
eine unmögliche Anordnung vor. 

Fig. 12 ist ebenfalls unanwendbar, wie der hoch- 
gelegene Schwerpunkt beweist; 

Fig. 13 zeigt eine für die Stabilität sehr vorteilhafte 
Anordnung, doch ist dieser gleichzeitig auch zu 
entnehmen, daß und warum unterlastige Flugzeuge 
stark schwingen. 

In Fig. 14 ist das Flugzeug im »indifferenten« 
Gleichgewicht, Fall Pegoud; die Vorteile der 
leichten Steuer- und Wendbarkeit sind bekannt, 
ebenso der Nachteil des unruhigen, durch die 
en Bö gestörten, leicht katastrophal endenden 

luges. 

Tritt die früher gemachte Voraussetzung, daß 
die drei Hauptpunkte in einem Lote liegen, nicht zu, 
so wird an den dargestellten Verhältnissen nur 
insofern eine Änderung eintreten, als die zur Wirkung 
kommenden Drehmomente an längeren Hebelarmen, 
also stärker angreifen. 

Die Übereinstimmung des Flugzeuges mit dem 
Geschoß ist leicht herzustellen. Die Linie, in welcher 
die drei Hauptpunkte als liegend gedacht werden 
können, ist die Geschoßachse. Der Schwerpunkt 
liegt bei fast allen Geschossen hinter der Längen- 
mitte, der Druckpunkt vor derselben. Infolgedessen 
erzeugt der Luftwiderstand ein das Geschoß von 
vorne über oben nach rückwärts drehendes Moment, 
dem entgegen zu wirken Aufgabe. des Dralles 
(Zwangsrotation des Geschosses um seine eigene 
Achse) ist. 

Versuche, Geschosse mit vor der Längenmitte 
liegendem Schwerpunkt, sogenannte »Pfeilgeschosse«, 
zu erzeugen, liegen zwar vor, sie machen den Drall 
auch entbehrlich, gleichzeitig nehmen sie dem Ge- 
schosse aber die eben durch den Drall stabilisierte 
Achse, so daß ein geringer Seitenwind genügt, um 
das Geschoß aus seiner Bahn zu drücken. Deshalb 
kann man sagen, daß die durch den Drall erzwungene 
Drehung mehr der Festlegung der Geschoßachse 
während des Fluges als der Vorbeugung gegen das 
Umkippen dient. 

Der Fall, daß die drei Hauptpunkte nicht in der 
Geschoßachse lagen, kam bei den »Exzenterkugeln« 
glatter Geschütze vor. Es waren dies Rundgeschosse, 
denen man durch Auseinanderlegung von Schwer- 
und Zugpunkt eine Drehung gab, welche zur Steigerung 
der Treffähigkeit nicht unwesentlich beitrug, wenn sie 
auch nicht so wirksam wie der Drall war. 

Bei allen wesentlichen Unterschieden, die sonach 
zwischen der ballistischen und der aviatischen Wissen- 
schaft bestehen, ist deren nahe Verwandtschaft doch 
unverkennbar. Die Aviatik hat als jüngere Schwester 
alle Ursache, von der älteren zu lernen und das für 
sie Brauchbare zu benützen, doch kann sie dem 
Sprichworte: »Prüfe alles und behalte das 


83 


Beste« nur dann folgen, wenn sie zum Prüfen be- 
fähigt, wenn sie in die Lehren der Ballistik ein- 
gedrungen ist. 


II. Gleichgewichtsregler. 


Über die Ursachen der leider so zahlreichen Flug- 
zeugabstürze kann man in der Tagespresse die ver- 
schiedenartigsten Berichte lesen. Meist treffen sie 
haarscharf daneben, was durch die in der Regel 
äußerst mangelhaften Fachkenntnisse der Bericht- 
erstatter erklärbar ist. Weniger klar ist es, warum die 
Fachkreise der Feststellung der jeweiligen Unfalls- 
ursachen nicht mit der im Interesse der Flugtechnik 
notwendigen Gründlichkeit nahetreten, und wenn dies 
doch hin und wieder geschieht, warum das Ergebnis 
nicht wissenschaftlich verarbeitet wird, um dann in 
der Praxis verwertet werden zu können. 

Wie der Flug selbst, beruht auch der Flugunfall 
auf Naturgesetzen. In die letzten Finessen dieser sind 
wir allerdings heute noch nicht eingedrungen. Deshalb 
heißt es rastlos vorwärts streben und jede Gelegenheit 
hiezu muß auf das beste und gründlichste ausgenützt 
werden. Es ist eine Binsenweisheit, daß man aus be- 
gangenen Fehlern am meisten lernt. Für die Flug- 
technik besagt dies, daß aus dem Studium der Unfälle 
die wertvollsten Lehren zu ziehen sind. Wer nun dem 
aviatischen Forscher das Material vorenthält, wer die 
Klarlegung der letzten Ursache, und sei sie scheinbar 
noch so belanglos, verhindert, der schadet der Flug- 
technik, der stellt sich dem Fortschritt entgegen! 

Auf diese Weise wird der Unfug, daß Laien sich 
Urteile anmaßen, gefördert und Unberufene zu Arbeiten 
und Versuchen angespornt, die besser unterblieben 
wären. Das gilt ganz vorzüglich für die Konstruktion 
der Gleichgewichtsregler, der Stabilisatoren. 

Treten wir dieser Frage näher, so müssen wir 
von der auch dem blutigsten Laien bekannten Tatsache 
ausgehen, daß jeder aviatische Unfall auf das plötzliche 
Aussetzen der Tragkraft des Flugzeuges zurückzuführen 
ist. Das Flugvermögen geht verloren, wenn entweder 
die tragenden Flächen unter übermäßiger Bean- 
spruchung zusammenbrechen oder infolge zu großer 

eigung jeglichen Auftrieb verlieren. 

Ersterer Fall läßt sich nur durch soliden, kräftigen 
Bau aller Teile des Flugzeuges vermeiden. Man ist 
derzeit auch bereits vom leichten Bau abgekommen 
und, weil im Besitze kräftiger Motoren, nicht mehr 
zu einer den Gesetzen der Logik und Vorsicht wider- 
sprechenden Gewichtsersparnis gezwungen. 

Es bleibt somit nur die zweite Ursache bestehen, 
und sie ist es auch, gegen welche sich die bisher 
erfolglosen Angriffe der Stabilisatorenerfinder 
richten. 


Ausgehend von der Anschauung, daß die Flug- 
maschine bei wagrechter Lage der Tragflächen die 
richtige Stellung im Luftmeere einnimmt, wird die 
Konstruktion einer Vorrichtung angestrebt, welche die 
Horizontalität unbedingt gewährleistet. 

Wie jeder Körper, braucht auch die Flugmaschine 
für die Erhaltung des Gleichgewichtes einen Stütz- 
punkt. Archimedes’ Worte: »Gebt mir einen 
Stützpunkt, auf daß ich die Welt aus ihren 
Angeln hebe le gilt auch für sie. Das Nächstliegende 
ist der Rückgriff auf die absolute Horizontale oder 
Vertikale, wie sie durch die Libelle, bezw. das 
Pendel versinnbildlicht wird. 


Die meisten der vorhandenen Aerostabilisatoren 
bedienen sich auch einer dieser beiden Vorrichtungen, 
und zwar in der Weise, daß beim Auftreten einer 
Neigung des Flugzeuges diese Stütze einen Ausschlag 
zeigt, welcher eine derartige Bewegung auslöst, daß 
die wagrechte Fluglage wieder hergestellt wird. 

Hiebei ist es möglich, nicht nur den Sinn, sondern 
auch die Intensität der initierten Bewegung zu variieren, 
ebenso wie sich die Auslösung auf eine einfache, 
direkt wirkende Kraft beschränken oder einen Servo- 
motor in Gang setzen kann. 


84 


Führt ein Erfinder das Modell eines solchen 
Libellen- oder Pendelstabilisators vor, so wird es sich, 
falls es überhaupt nicht allen Gesetzen der Mechanik 
Hohn spricht, bewähren. 


In dem Moment jedoch, wo der Einbau in das 
Flugzeug erfolgt und die Vorrichtung in der Luft 
funktionieren soll, stellt sich mit fast absoluter Sicher- 
heit ein Versager ein und der Pilot kommt, durch das 
Vorhandensein des Stabilisators in Sicherheit gewiegt, 
in Gefahr zu verunglücken. Man kann somit behaupten, 
daß ein gerade im Momente dringenden Bedarfes ver- 
sagender Stabilisator schlechter ist als gar keiner. 
Warum versagen Stabilisatoren ? 


Viele Flieger glauben in der Luft die Ursache 
suchen zu müssen. Sie sagen, dieses Gasgemisch ist 
dehnbar und komprimierbar, es weist daher einmal 
Pressungen, das anderemal Luftlöcher auf, was zur 
Folge hat, daß die Steuerorgane, auf welche der 
Stabilisator zu wirken berufen ist, entweder zu stark 
oder zu schwach, einmal übermäßig, das anderemal 
gar nicht reagieren. 


Weil die Luft als Gasgemisch ein sehr leicht- 
flüssiger Körper ist, besteht gewiß die Möglichkeit des 
Auftretens von Luftverdichtungen und -verdünnungen, 
aber aus der gleichen Ursache ist es in der Regel 
ausgeschlossen, daß diese Erscheinungen größere Aus- 
breitung erhalten. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, 
und zwar beim Auftreten von Wirbelwinden (Zyklone, 
Taifune, Tornados); aber diesen Fall können wir ganz 
ruhig ausschalten, denn jeder Wirbelwind ist ein der- 
artig abnormer Zustand der Atmosphäre und kündigt 
sich bei Vorhandensein eines geregelten Wetterdienstes 
so rechtzeitig an, daß Flugzeuge den Aufstieg unter- 
lassen, bezw. zeitgerecht landen können. Wird aber 
eines von ihnen doch überrascht, so hilft ihm auch 
der beste Stabilisator nichts. 


Wir werden daher gut daran tun, nach einer 
anderen Versagerursache zu suchen. Betrachten wir 
einmal irgend ein geodätisches Instrument, so sehen 
wir, wie vorsichtig der Operateur mit ihm umgeht, 
wie er jede Erschütterung fernhält und geduldig das 
Beruhigen der Libellenblase abwartet, um seine 
Messungen vornehmen zu können. 


Und im Aeroplan? Der Motor arbeitet ununter- 
brochen; sein Gewicht ist, bezogen auf die Leistung, 
ein minimales. Dieser große, das dynamische Fliegen 
überhaupt erst möglich machende Vorteil, ist aber 
auch nachteilig, denn die entwickelte Energiemenge 
macht sich durch eine intensive Erschütterung des 
1 nur zu deutlich fühlbar. Doch nicht genug 
an dem! Der starke Motor erzeugt eine große Ge- 
schwindigkeit, diese wieder eine bedeutende Fliehkraft. 

Der die Libelle füllende Körper wird, mag seine 
chemische Konsistenz welche immer sein, dadurch 
dauernd aus seiner auf dem Erdboden stets einge- 
nommenen Normallage gebracht, er kann nicht in sie 
zurückkehren. 


Die Libelle wird also nicht funktionieren, ein auf 
ihr aufgebauter Stabilisator muß versagen. Gleiches 
ilt auch vom Pendel, denn die Flichkraft und die 

otorerschütterung hindern es, die Normallage einzu- 
nehmen. Weil somit die Grundlage wankt, muß auch 
die sinnreichste Ausführung enttäuschen. 


In Erkenntnis dessen haben einige Erfinder einen 
anderen »Stützpunkt« gesucht und glauben ihn 
im Gyroskop gefunden zu haben. Auf dem Prinzipe 
der » Stabilität der freien Achse? beruhend, ist 
der Kreisel entschieden dem Pendel und der Wasser- 
wage vorzuziehen. Soll er jedoch ausgiebig wirken, 
so muß sein Drehmoment ein großes sein, das heißt, 
man muß ihm viel Kraft zuführen. Es heißt nun diese 
irgendwoher nehmen. 


Das ist leichter gesagt, denn getan, weil damit 
unweigerlich eine Vermehrung des Fluggewichtes ver- 
bunden ist. Ob man eine eigene Kraftquelle einbaut 
oder ob man den Flugmotor um den Kraftbedarf des 


Kreisels stärker hält ist gleichgültig, wenn auch die 
letztere Methode den Vorzug verdient. 


Die praktische Schwierigkeit der Konstruktion 
eines wirksamen Kreiselstabilisators liegt somit in 
der Gewichtsfrage und wird umso leichter zu beheben 
sein, je größer das Flugzeug ist, denn mit dessen 
Abmessungen steigen sowohl das Tragvermögen, wie 
die Motorkraft. Beim Luftfahrzeug liegen diese Ver- 
hältnisse eben auch nicht anders wie beim Seeschiff. 


Diese Tatsache haben die Erfinder von Kreisel- 
stabilisatoren verkannt, ihre Apparate mußten deshalb 
versagen. 


In letzter Zeit ist ein ganz neues Stabilisierungs- 
prinzip aufgetaucht. Es stammt vomFranzosen Doutre 
und besteht dem Wesen nach aus einer unter Feder- 
druck stehenden Platte. An der Front des Flugzeuges 
befestigt, wird diese Platte in indifferentes Gleich- 

ewicht versetzt, wenn sich der Aeroplan in Normallage 
in böenfreier Luft bewegt, weil der von rückwärts auf 
die Platte wirkende Federdruck genau dem auf die 
vordere Plattenseite ausgeübten Druck der Luft ent- 
spricht. Wie eine Änderung dieser Gleichgewichtslage 
erfolgt, muß sich die Platte nach irgend einer Richtung 
bewegen und damit die Initiative zur Betätigung der 
Tragflächenverwindung oder der Steuerflächen, bezw. 
beider geben. 


Diese Vorrichtung scheint, weil auf brauchbarer 
Grundlage ruhend, allen anderen überlegen zu sein. 
Dem Kreisel gegenüber fällt besonders der Vorteil 
geringeren Kraftbedarfes angenehm auf. 


Ohne die Möglichkeit leugnen zu wollen, daß 
mit der Zeit allen hier angegebenen Schwierigkeiten 
zum Trotz ein brauchbarer und wirksamer Flugzeug- 
stabilisator gefunden werden wird, muß doch die 
Ansicht ausgesprochen werden, daß die Wahrschein- 
lichkeit für das Eintreffen dieses Ereignisses eine 
sehr geringe ist. 

Sehen wir, um uns hierüber zu orientieren, einmal 
ganz vom konstruktiven Moment ab und nehmen 
eine vollauf entsprechende Vorrichtung als vorhanden 
an. Welches wird ihr Effekt sein? 


Das durch sie repräsentierte Prinzip ist das der 
Beharrlichkeit. Ein mit einem Stabilisator ausgerüsteter 
Aeroplan wird daher jeder Kursänderung einen um- 
so größeren Widerstand entgegensetzen, je besser und 
je wirksamer der Stabilisator ist. 


Jedes »stabilisierte« Flugzeug wird daher un- 
lenksam, es wird >hart« sein. Das ist ein ganz 
bedeutender Nachteil, der auch durch die Schaffung 
der Möglichkeit, den Stabilisator nach Bedarf und 
Wunsch des Piloten aus- und einzuschalten, nicht 
ganz behoben wird, weil entweder die für dieses 
Manöver nötige Willensäußerung und Zeit fehlen 
oder weil gerade beim ausgeschalteten Stabilisator 
plötzlich die Notwendigkeit seiner Funktionierung ein- 
treten kann. 


Resumieren wir: 


Die Pendel- und dieLibellenstabilisatoren sind, weil 
auf unbrauchbarer Basis ruhend, unverwendbar, besser 
ist der Kreisel, doch erheischt er großen Kraftaufwand, 
um verläßlich zu wirken; noch besser ist Doutres 
Druckplatte, doch liegen heute noch unzureichende 
Versuchsergebnisse vor, sodaß es unmöglich ist, 
derzeit über sie abschließend zu urteilen. Wird in 
Zukunft aber auch ein konstruktiv voll entsprechender 
Stabilisator hergestellt, so wird sein Vorteil deshalb 
nicht zu überschätzen sein, weil selbst der beste 
dieser Apparate den Nachteil, das Flugzeug unlenksam 
zu machen, mit sich bringt. 


Man darf daher für die Gegenwart und wohl auch 
für die nächste Zukunft auf das Vorhandensein von 
Stabilisatoren nicht rechnen, sondern muß im kräftig 
gebauten, leicht manövrierbaren und von einem 
tüchtigen Piloten gelenkten Flugzeug das geeignetste 
Mittel zur Unfallverhütung sehen. 


Ill. Führungstechnik. 
Für gewöhnlich befaßt sich die »Flugtechnik« 


nur mit dem Bau der einzelnen Flugzeugteile, 
eventuell noch mit der Meteorologie und der 
KompaBlehre. 


Heute aber, wo wir mitten im Weltkrieg stehen 
und es nicht bloB einmal erlebten, daB Begriffe ihren 
Wesensinhalt änderten, erscheint es ohne weiteres 
zulässig, auch die »Führungstechnik«, das heißt die 
zweckmäßigste Art der Flugzeugsteuerung unter den 
Sammelnamen der Flugtechnik zu bringen. Selbst- 
verständlich soll und kann hier nur die Kriegsfliegerei 
berücksichtigt werden. 


Die zu beantwortende Frage lautet daher: 
»Wie sollman ein Flugzeug im feindlichen 
Feuer führen?« 


Die Antwort wäre an sich sehr einfach: 
»So, daß der anbefohlene Zweck erreicht 
werde.« Die Schwierigkeit beginnt aber sofort, 
wenn man in die Details eintritt. Mag der anbefohlene 
Zweck welch immer sein, stets wird er um so sicherer 
erreicht werden, je unbeschädigter Flieger, Fluggast 
und Flugzeug bleiben. Die feindliche Waffenwirkung 
ist es also, welche die Grundlage der Untersuchung 
zu bilden hat. 


Hält man sich die kleinen Abmessungen und die 
hohe Geschwindigkeit wie Manövrierfähigkeit der 
Flugzeuge vor Augen, so kann man das im gegen- 
wärtigen Feldzug wiederholt gemeldete erfolgreiche 
Beschießen von Aeroplanen kaum verstehen. Das 
Kriegsflugzeug muß die Fähigkeit haben, nach Bedarf 
Höhen auch über 3000 m aufzusuchen und eine 
Stundengeschwindigkeit von mindestens 100 km 
dauernd zu entwickeln. 


Ein diesen Bedingungen nicht entsprechender 
Zweisitzer ist eben kein Kriegsflugzeug. 

Die Notwendigkeit, tiefer als es die eigene 
Sicherheit erfordert, herabzugehen, kann bei schlechter 
Beleuchtung, bei Nebel oder Bewölkung gegeben 
sein. Wer die bezüglichen Meldungen über das gegen 
Flugzeuge durchgeführte Schießen liest, wird jedoch 
feststellen können, daß nicht immer die Licht- und 
Witterungsverhältnisse den Flieger zwangen, in die 
Zone der feindlichen Waffenwirkung einzutreten. 
Dann kann es nur eine Erklärung für dieses Verhalten 
geben: der betreffende Flieger war seiner Sache 
nicht ganz sicher, das heißt er vermochte die 
feindliche Waffenwirkung nicht richtig zu beurteilen. 
Das auszusprechen ist zwar nicht angenehm, aber 
ich halte dafür, daß es besser ist, die Wahrheit zu 
hören, als Vogelstraußpolitik zu spielen. Nur wenn 
man sich bewußt ist, gefehlt zu haben, kann eine 
gründliche Wendung zum Bessern erhofft werden. 
Will man dem feindlichen Feuer ausweichen, 
so muß man seinen Bereich kennen. Diesbezüglich 
lassen sich die Feuerwaffen in drei Gruppen teilen: 
Die Gewehre, die gewöhnlichen und die 
Sondergeschütze. | 


Zu den Gewehren zählen die Infanterie- und die 
Maschinengewehre. Die ballistischen Daten aller der- 
zeit in der Ausrüstung der verschiedenen Staaten befind- 
lichen Gewehre zeigen untereinander ganz gering- 
45 0 Unterschiede. Selbe sind eigentlich nur für 
den Waffentechniker von Interesse. Der Flieger begeht 
keinen in die Wagschale fallenden Fehler, wenn er 
die Wirkung des Einzelschusses, die Feuerschnelligkeit, 
die Treffähigkeit und die Reichweite gleich ansetzt. 

Für ihn erscheint die Reichweite in wagrechter 
und senkrechter Richtung als der wichtigste unter 
den obengenannten Faktoren. Sie kann in beiden 
Richtungen mit rund 2000 m angesetzt werden. 
Denken wir uns daher irgend eine Stellung, so 
erhalten wir als den geometrischen Ort der wirksamen 
Gewehrschußweite die Oberfläche einer Halbkugel 
vom Halbmesser gleich 2 km. Der wievielte Teil 
hievon wegen der Erhöhungsmöglichkeit in Abzug zu 


die Kegelachse in 


85 


bringen ist, bildet allerdings eine Frage für sich- 
Ganz allgemein kann man sagen, daß er, ebenso wie 
die praktische (zum Unterschied von der »ballisti- 
schen) Treffähigkeit vornehmlich vom Ausbildungs- 
grad der Truppen im SchieBen bei den verschiedensten 

örperlagen abhängt. Je besser diese Ausbildung ist, 
desto kleiner wird der, vornehmlich in der Lotrechten 
oberhalb des Kugelmittelpunktes zu suchende 
»schußtote Raum« und desto größer die erzielte 
Trefferzahl sein. Hinsichtlich der Wirkung sei bemerkt, 
daß durch die Festsetzung des »wirksamen 
Ertrages« mit 2000 m schon eine Klärung dahin- 

ehend getroffen ist, daß innerhalb dieser Entfernung 
jeder Teil des Flugzeuges sicher durchschlagen wird, 
falls er nicht durch einen, übrigens nur in den 
seltensten Fällen vorgesehenen Panzer geschützt ist. 
Trifft dies jedoch zu, so kann man die Grenze des 
wirksamen Gewehrertrages aus jenen Versuchen 
ableiten, welche die Feldartillerie vor Annahme des 
Schildschutzes durchgeführt hat. Es ist klar, daß dann 
die Grenze des wirksamen Ertrages dem Schützen 
bedeutend näher liegt; doch muß dieser ebenso wie 
der Flieger beachten, daß es unmöglich ist, das ganze 
Flugzeug durch Panzerung zu schützen. Wenn diese 
überhaupt vorkommt, so bleibt sie auf die empfind- 
lichsten Teile: Führer- und Begleitersitz, 
Motor und Benzinbehälter wie Kühler 
beschränkt. Die sonstigen Teile des Flugkörpers, die 
Trag- und Steuerflächen, denn die Schrauben sind 
immer ungeschützt, einfach weil sie nicht durch 
Panzer zu schützen sind, 


Das Maschinengewehr unterscheidet sich vom 
Standpunkte des Fliegers dadurch vom Infanterie- 
gewehr, daß es einerseits eine größere Feuer- 
schnelligkeit, anderseits aber auch eine geringere 
Erhöhungsfähigkeit als dieses besitzt. Insolange 
letzteres ausreicht, wird daher der Flieger gefährdeter 
sein, als im Feuer einer der Schußzahl nach gleichen 
Infanterieabteilung. Zahlenmäßig ausgedrückt läßt 
sich dieses Verhältnis ungefähr folgend darstellen: 
Das Maschinengewehr verfeuert in der Minute rund 
400, das Infanteriegewehr 10 Schüsse. Ein Maschinen- 
gewehr kann daher ungefähr 40 Infanteristen ersetzen 
oder die Wirkung von fünf Maschinengewehren 
gleicht der einer Infanteriekompagnie, welche durch- 
schnittlich 200 Gewehre führt. 


Vermag aber vielleicht eine zielbewußte Aus- 
bildung diese 200 Mann dazu bringen, ihre Gewehre 
auch im fast lotrechten Anschlag treffsicher abzufeuern, 
so bleibt die Erhöhungsfähigkeit des Maschinen- 
gewehres wegen seiner Lafettierung immer an eine 
bedeutend niedriger gelegene Grenze gebunden. Ich 
möchte den Höchstwert, allerdings ohne jede Ver- 
bindlichkeit, auf (nicht über) 30° schätzen. Dann 
ergibt sich der »wirksame Bereich« eines sonst 
ungehindert schieben könnenden Maschinengewehres 
als jener Teil der früher genannten Halbkugel, welcher 
erübrigt, wenn man aus ihr einen Kegel von 60° 
halbem Öffnungswinkel derart herausschneidet, daß 
den lotrecht nach aufwärts 
gerichteten Kugelhalbmesser fällt. : 

Im Profil entfallen dann von den 180° der Halb- 


kugel 120° auf den durch den Kegel gebildeten 
schuBtoten Raum, das sind rund 

120° Ur 

180 = 66°6 Prozent. 


Hieraus folgt, daß der Flieger gewonnenes Spiel 
hat, wenn er die Strecke von der Ertragsgrenze (2000 m) 
bis zum Abstande 


a = 2000. sin 30° = 2000 X 0:5 = 1000 m 
also 
20C0 — 1000 = 1000 m 


heil zurücklegen konnte. 


86 


Die vom Maschinengewehr gefährdete Zone kann 
hienach als halb so groß wie jene angesetzt werden, 
welche das Infanteriegewehr bestreicht. Dafür be- 
dingen die größere Feuerschnelligkeit und höhere 
ballistische Treffähigkeit des Maschinengewehres, daß 
die Gefährdung des er während der Fahrt von 
2000 auf 1000 m eine größere als im Infanteriefeuer ist. 


Über das Schießen gegen Flugzeuge aus gewöhn- 
lichen Geschützen habe ich ausführlich in jenem Auf- 
satze berichtet, welcher unter dem Titel »Das Flug- 
zeug im Feuer der feindlichen Artillerie« 
in Nr. 11 vom 10. Juni 1914 dieser Zeitschrift er- 
schienen ist. 


Deshalb kann ich mich hier mit dem Hinweis auf 
diese Arbeit begnügen und sofort zu der dritten Gruppe, 
zu den Sondergeschützen übergehen. Es sind dies 
Schnellfeuerkanonen von 5 bis 10°5 cm Kaliber, in 
große Erhöhungen gestattenden Feld-, Kraftwagen- 
und ortsfesten Lafetten. Von staatlichen wie privaten 
Fabriken in den mannigfaltigsten Formen ausgeführt, 
können besonders die Kr u p p schen 6˙5, 7:5 und 10°5 cm 
Flugzeugabwehrkanonen Anspruch auf Interesse er- 
wecken. 


Diese den Lesern unserer Zeitschrift aus früheren 
Abbildungen wohlbekannten Geschütze erscheinen 
zur wirksamen Flugzeugbekämpfung ohne weiteres 
geeignet, wenn sie einen ausreichenden Ertrag mit 
ebensolcher Beweglichkeit verbinden. Dies scheint, 
gestützt auf die beim Schnellfeuerfeldgeschütz ge- 
wonnenen Erfahrungen, am besten bei der 7'5 cm- 
Kanone in Kraftfahrlafette zuzutreffen. Sie selbst ist 
so oft abgebildet worden, daß es sich erübrigt, sie 
hier nochmals zu bringen. Wichtiger scheint mir, über 
die lot- und wagrechte Tragweite Angaben zu bringen. 


Ähnlich wie dies auf S. 178 der Nr. 11 dieser 
Zeitschrift vom 10. Juni 1914 für gewöhnliche Geschütze 
geschah, bringt die nachstehende Tabelle I die den 
Erhöhungen von 15°, 30°, 45°, 60° und 75° ent- 
sprechenden Flugbahnen der drei Kruppschen 

anonen, die die wichtigsten Zahlenangaben enthält. 


Tabelle 1. 
2 65 75 10°5 
Z ; ee 
25 Benanntlich em L npp che 
8 Flugzeug -Abwehr- 


kanone 


1 

2 | SchuBweite in 30° || 8300 | 9900 | 12000 
Meter bei einer | K 

3 Rohrerhohung | 45° 9500 11000 13700 

4 | von | 60° 8100 | 9900 | 12300 

5 | 75° 5400 | 8600 

= ee — —— de = = ae Ss SIE 

6 15° | 600 700 900 | 

7 Scheitelhöhe in | 30° | 1900 2100 2550 
Meter bei einer | 

8 ji Rohrerhöhung 45° | 3450 4000 5050 

9 von 60° | 5100 6250 7950 

10 75° 7400 11500 


Anmerkung: 


Die Geschoßanfangsgeschwindigkeiten betragen bei der 


65 cm-Kanone Va = 620 m Sek. 
CO 5 = a = 650 a 
10:3 n n Va = 700 L 


Die Geschoße wiegen bei der 


6:5 cm-Kanone P= 40 kg 
To. 5 = P= 65,5 
105 „ » P= 18 0 „ 


Aus beiden Behelfen zusammen läßt sich erkennen, 
daß der Wirkungsbereich dieser Sondergeschütze in 
lot- wie in wagrechter Richtung ein solcher ist, daß 
ihm kein Flugzeug zu entrinnen vermag. 


Versuchen wir zu einer Vorstellung der zu 
erwartenden Wirkung zu gelangen, so müssen wir 
einerseits den Kurs, die Flughöhe und Flugge- 
schwindigkeit des Aeroplans, anderseits die Leistung 
des Geschützes zahlenmäßig ansetzen. 


In meinem früher angezogenen Aufsatze sagte ich, 
daß das direkte Anfahren der für die Sicherheit des 
Fliegers günstigste Kurs sei. Er möge deshalb hier 
angenommen werden. 


Als Flughöhen wählen wir nacheinander jene von 
1000, 2000, 3000 und 4000 m, gerechnet vom Mündungs- 
horizont des schießenden Geschützes. Die Flugge- 
schwindigkeit sei mit 30 m/Sek., das sind 108 km/ 
Stunden, angenommen. 


Als Geschoß kann nur das Schrapnell in Frage 
kommen. Bei der 7'5 cm-Kanone enthält es rund 
300 Füllkugeln zu je 10g. Dieses Geschütz vermag 
auch gegen Flugzeuge bis zu 20 Schüssen pro Minute 
abzugeben, wenn seine Konstruktion, besonders aber 
die Richtmittel dem Zwecke angepaßt sind. 


Die Länge des vom Flugzeug in den vier ver- 
schiedenen Höhen zurückzulegenden Weges ergibt 
sich aus dem Abstand jenes Punktes, in welchem die 
Flugbahn 10 Erhöhung (das sind 75°) die be- 
treffende Höhe überschreitet von jenem Punkte, in 
welchem die Flugbahn größten Ertrages (das sind 45°) 
unter diese Höhe fällt. Die Flächen der so be- 
herrschten Räume ergeben sich dann durch die Multi- 
plikation der Längen (in der Tabelle 2 wurden diese 
als Tiefen- bezeichnet) mit der Breitenwirkung eines 
Schrapnells. Letztere wird in den SchieBanleitungen 
meist mit 10 Strichen angegeben. Da ein Strich der 
tausendste Teil der Schußweite ist, stellt sich die 
Breite des Wirkungsbereiches auf ebenso viele Meter, 
als der Abstand vom Geschütz 100 m beträgt. Jeder 
Wirkungsbereich hat somit Trapezgestalt, seine Fläche 
ist daher das Produkt aus der Tiefe und der mittleren 

reite. 


In der umstehenden Tabelle 2 sind für die 
Höhen von 1000, 2000, 3000 und 4000 m der Beginn, 
das Ende, die Tiefe, die untere und obere Breite, wie 
die Fläche des Wirkungsbereiches angegeben. 


In der nächsten Spalte »Flugdauer< ist die Zeit 
ersichtlich, welche das mit 30 m:Sek. bewegte Flug- 
zeug braucht, um die »Tiefe« des Wirkungsbereiches 
zu durcheilen. Multipliziert man diese Dauer mit der 
Zahl 20, so erhält man die »Schußzahl«, deren Produkt 
mit 300 die »Füllkugeln« gibt. 

Unter der, sowohl durch die notwendige Änderung 
der Richtelemente, wie durch die Streuung der Flug- 
bahnen und Zünder berechtigten Annahme einer gleich- 
mäßigen Verteilung der Füllkugeln über die ganze 
Fläche des Wirkungsbereiches, folgt schließlich die 
in Tabelle 2 auf ganze Zahlen abgerundete »Flächen- 
belastung«. Ein Vergleich dieser Zahl mit der Ober- 
fläche des Flugzeuges führt zur Erkenntnis, daß dieses 
nicht besonders gefährdet erscheint, weil es im Durch- 
schnitt nur einen Füllkugeltreffer zu erwarten hat. 


Dieses theoretische Kalkul kann vielleicht den 
einen oder anderen Flieger dazu verführt haben, die 
Wirkung der feindlichen Waffen zu unterschätzen, 
und sich erst durch den erlittenen Schaden darüber 
belehren zu lassen, daß es immer der Ansatz der 
Rechnung ist, welcher der eiugehendsten Prüfung 
bedarf. Nun sind wir hier von Grundlagen ausgegangen, 
die nichts weniger, denn einwandfrei sind. Als still- 
schweigend wurde das französische Streuverfahren 
angenommen, welches, wie es die Kriegsereignisse 
eben beweisen, als nichts anderes, denn eine reglemen- 
tierte, darum aber doch sinnwidrige Munitionsver- 
schwendung anzusehen ist. 


87 


Tabelle 2. 

| h untere obere l 1 | | Flächen- 
' . Beginn Ende Tiefe Fläche | | belastung 
| Flughöhe | Breite | Flugdauer || | 1 Füllkugeln | 
| chußzahl | Eine Füll- 
| des Wirkungsbereiches | — en 

- — — - - — -— fällt auf je 

Meter m? Min. Sek. | | Stück | m: 


300 | 11.500 | 11.200 


500 9.900 9.400 5 
8 


8.900 


= a re OTE 


| 1200 || 6.800 | 5.600 


800 


Das einzig Richtige wird sein, die Schußweiten 
mit Hilfe eines Entfernungsmessers festzustellen und 
dieses Gerät gleichzeitig auch zur Ermittlung der 
Bewegungsschnelligkeit und -richtung des Flugzeuges 
zu verwenden. Schaltet man, natürlich an Hand einer 
einfachen Regel und nicht einer langwierigen Rechnung 
diese »Bewegungskorrekturen« aus, so ergibt 
sich als das angemessenste Schießverfahren jenes, bei 
weichem das Ziel mit der Richtung von Geschütz und 
Entfernungsmesser verfolgt wird, bis es in den besten 
Wirkungsertrag getreten, also auf mindestens 5 km 
herangekommen ist, dann wird eine aus der Erfahrung 
abzuleitende Zahl von Schüssen mit zutreffenden Richt- 
elementen abgegeben und die Wirkung derselben 
abgewartet. Ist sie ausgeblieben, so wird dieser Vor- 
gang nach Bedarf mehreremal wiederholt. Ein 
solches Verfahren spart nicht nur an Munition, sondern 
es kann auch deshalb zu einem Erfolg führen, weil 
der Flieger durch anfängliches Schweigen des Geschütz- 
feuers sorglos gemacht, Be in eine wohl- 
vorbereitete Garbe tritt, daher überrascht und, wenn 


nicht gleich getroffen, doch daran gehindert wird, 


schleunigst GegenmaBregeln zu treffen. . 

Haben wir hiemit ein ausreichend klares Bild der 
Wirkung der Sondergeschütze entworfen, so können 
wir nun an die Festlegung der vom Flieger zu 
beachtenden Verhaltungsmaßregeln schreiten, 

Im Gegensatz zu gewöhnlichen Geschützen liegt 
hier die Möglichkeit, durch Wahl großer Flughöhen 
dem Feuerbereiche zu entrinnen, nicht vor. Er muß 
deshalb durcheilt werden. Das geschieht, wie bereits 
gesagt, am besten im direkten Anfahren, denn da ist 
der kürzeste Weg zurückzulegen. 

Eine stetige Kurshaltung empfiehlt sich jedoch 
nicht, sondern es wird die feindliche Wirkung nur ab- 
schwächen, wenn durch immerwährende Handhabung 


12 68 | 224.000 3, 7“ | 


| 


der Steuerorgane um die beste Kursrichtung als Mittel- 
linie »schiefe Sc hhleifen« gefahren werden. 

Die Größe des Ausschlages ist aus den Streuungs- 
werten abzuleiten und wird besonders der Höhe nach 
nicht weniger denn 100 m, gemessen vom »mittleren 
Kurse«, betragen dürfen. 

Die Höhe, in welcher sich der Flug bewegen soll, 
wird stets so groß wie möglich sein. Bewölkung, 
Nebel und Windverhältnisse kommen da zu berück- 
sichtigen. Ihnen muß natürlich Rechnung getragen 
werden. Weiters erkennt der Flieger den Vorteil 
direkten Anfahrens daran, daß das schießende Geschütz 
hiebei alle drei Elemente des Schrapnellfeuers 
(Höhen-, Seitenrichtung- und Zünderstellung) ändern 
muß, während beim »Umfahren« nur die Seiten- 
richtung der Änderung bedarf. Letzteres wird daher, 
entgegen oft geäußerten Ansichten, zu vermeiden sein. 

Die Windrichtung erheischt besonders beim 
Abflug wie bei der Landung e e Man 
starte und lande immer gegen den Wind, die Aus- 
nützung von Wolken zur Sichtentziehung während 
des Fluges ist eine weitere Regel. Vor der unmittel- 
baren Annäherung an den aufzuklärenden Raum wird 
der Flieger ganz in den Wolken verschwinden können, 
zur Durchführung der Aufgabe muß er zwar aus den 
Wolken treten, er soll aber auch dann trachten, sie 
als schützenden, sein Flugzeug im Bedarfsfalle 
gleich wieder aufnehmenden und es nicht ver- 
ratenden Hintergrund zu benützen. 

Das Fahren in Wolken und Nebel setzt allerdings 
eine entsprechende Friedensschulung voraus. Diese ist 
jedoch unseren Fliegern zuteil geworden, so daß 
wir hoffen dürfen, daß sie, die Technik der Kriegs- 
fliegerei vollkommen beherrschend, der Führung als 
Auge dienen und die in sie gesetzten Hoffnungen 
zur Gänze erfüllen werden. 


Bücherbesprechung. 


»Fünfundzwanzig Jahre Luftschiffahrt.« l 
Resümierende Betrachtungen über die Ent- 
wicklung der Luftschiffahrt und des Flugwesens, die 
schrittweise Zurückverfolgung des historischen Werde- 
ganges, den unsere erfolgreichste jüngste Waffe 
innerhalb der engeren Grenzen unseres 
Vaterlandes durchgemacht, bieten in diesen 
Tagen grandioser Triumphe zur Luft gewiß eine 
interessante und anregende Beschäftigung. Vor uns 
liegt in schmuckem, kaisergelben Einbande eine kleine 
Broschüre, deren Verfasser wie kein zweiter berufen 
erscheint, dieses Thema sozusagen aus eigenster An- 
schauung heraus, in bündiger und doch erschöpfender 
Weise zu behandeln. Ist es doch der hochverdiente 
ehemalige Kommandant und Mitbegründer unserer 
k. u. k. Luftschiffer-Abteilung, Vizepräsident des k. k. 
Österreichischen Flugtechnischen Vereines, Major 
Franz Hinterstoißer, mit dessen Namen die 
österreichische Luftschiffahrt und Flug- 


technik für immer untrennbar verknüpft 
bleibt, der sich hier der anerkennenswerten und in der 
glücklichsten Weise gelösten Aufgabe unterzogen hat, 
dieser interessanten Denkschrift seine persönlichen 
reichhaltigen Erfahrungen zugrunde zu legen und damit 
dem ganzen eine fesselnde, persönliche Note 
zu verleihen. So weiß diese ungemein flüssig 
und anziehend geschriebene, im Verlage von 
»Streffleurs Militärische Zeitschrift« er- 
schienene Studie in schlichtem und doch belebendem 
Erzählertone von den Zeiten zu plaudern, die der 
Gründung unserer Militär-Luftschifferabteilung voran- 
gingen, von den Zeiten, in denen der Verfasser 
selbst der neugegründeten Luftschiffer- 
Abteilung als Leiter und Organisator vor- 
stand, in denen er sich die größten Ver- 
dienste um ihre Anlage, Organisation und 
weiteren Ausbau erwarb und so den Grund 
zu dem großen Mechanismus legte, dessen 


88 


klagloses Funktionieren jetzt viel zur Er- 
haltung unserer momentanen Position bei- 
trägt. Ingewissem Sinne ist diese Schrift auch 
gleichzeitig eine Jubiläumsschrift. Denn in 
wenigen Wochen jährt sich zum fünfundzwanzig- 
sten Male der Tag, an dem der Verfasser als blut- 
junger Leutnant in den damals neuaufgestellten 
militär-aeronautischen Kurs kommandiert wurde, der 
Tag, seit welchem wir ihn fast volle zweieinhalb De- 
zennien in ausschließlicher Beschäftigung mit den 
Fragen der militärischen Luftfahrt finden. Und so ver- 
mag uns Major Hinterstoißer interessante, farben- 
reiche Bilder aus jener Zeit aus eigenster Anschauung 
zu vermitteln, wir durchleben die ganze rapide Ent- 
wicklung des Luftschiff- und Flugwesens noch einmal. 
Ungemein geschickt ist in diesem Belange die 
sprunghafte Entwicklung des Flugwesens 
speziell charakterisiert, die durch zahlreiche chrono- 
logische Daten sinnfällig illustriert wird. Des großen 


Anteiles, den unser Vaterland, seine Industrie 
und Techniker hiebei selbst genommen, 
wird in der ausführlichsten Weise gedacht, ebenso 
der hervorragendensportlichenLeistungen, 
die im Laufe der letzten fahre auf dem Gebiete des 
Frei- und Lenkballonwesens wie auch des Maschinen- 
fluges selbst gezeitigt wurden. Aber auch der wissen- 
schaftlichen Forschung, ihren Fortschritten und 
ihren Pionieren e der Verfasser an mehreren 
Stellen seines Schriftchens. Dazwischen eingeflochtene 
eigene Glossen und persönliche Anschau- 
ungen gestalten die Lektüre dieser Studie besonders 
anregend und belehrend. Und im Hinblicke auf alle 
diese ganz vortrefflichen Eigenschaften, die das 
Werkchen berufen erscheinen lassen, eine Lücke auf 
dem Gebiete unserer heimischen, chronist i- 
schen Literatur ausfüllen zu helfen, kann ihm nur 
eine recht weite Verbreitung gewünscht wee 


Chronik. 


Hauptmann Julian Zborowski, einer der aller- 
besten Offiziere, die jemals der Militär-Luftschiffer- 
truppe angehört haben, derzeit im 7. Infanterie- 
Regimente dienend, der seit Beginn des Krieges im 
Felde stand, sich dabei für seine hervorragenden 
Leistungen vor dem Feinde schon den Orden der 
Eisernen Krone mit der Kriegsdekoration erwarb und 
auch das Signum laudis erhielt, dann aber schwer 
verwundet wurde, ist, kaum wiederhergestellt, neuer- 
dings an die Front geeilt und nunmehr schon wieder 
für sein tapferes Verhalten vor dem Feinde durch die 
Allerhöchste belobende Anerkennung ausgezeichnet 
worden. 

Dr. Hermann Elias, einer der bekanntesten 
und verdienstlichsten wissenschaftlichen Luftschiffer 
Deutschlands, der gleich zu Beginn des Krieges als 
Oberleutnant einberufen wurde, ist für seine hervor- 
ragenden Leistungen als Leiter einer Fliegerabteilung 
und Flugzeugbeobachter schon mit dem Eisernen 
Kreuze erster und zweiter Klasse sowie dem Militär- 
Verdienstkreuze mit der Kriegsdekoration ausgezeichnet 
und seither auch zum Hauptmann befördert worden. 

Die technischen Wunder des Weltkrieges! So 
könnte man über das soeben erschienene neue Kriegs- 
heft des »Motor« (März 1915, Verlag Gustav 
Braunbeck G. m. b. H., Berlin W. 35) schreiben. 
Eine ganze Reihe in Deutschland bisher unveröffent- 
lichter englischer Darstellungen des großen Krieges 
begleitet die einleitenden Artikel des neuen »Motor«- 
Heftes. Die deutschen Luftangriffe gegen England und 
der gescheiterte Angriff der Engländer auf Cuxhaven 
erfahren eine zusammenfassende und nervenerregende 
Darstellung. Wir sehen in prächtigen Bildern u. a. 
eine kombinierte Luft- und Seeschlacht an der belgi- 
schen Küste, Darstellungen der Verfolgung englischer 
Kreuzer durch Luftfahrzeuge in der Nordsee, die Ab- 
bildung eines bombenwerfenden Zeppelins und eines 
anderen, der über der Nordsee durch das Schein- 
werferlicht eines nächtlichen Dampfers gesichtet wird. 
Englische Flugboote durchstreifen den Abendhimmel 
und die verräterischen Umrisse eines Unterseebootes 
werden auf der Meeresoberfläche sichtbar. Wohl nie 
in Deutschland ist einem Thema, das wie der Luft- 


VATENTE 


krieg so alle Herzen bewegt, eine solche Aufmerk- 
samkeit zugewandt worden, wie im Märzhefte des 
»M otor«. Panzerzüge und Panzerautomobile werden 
in einer Reihe glänzender Aufnahmen gezeigt und vor 
allem die Wunder des Torpedos in Wort und Bild 
aus der Feder eines Fachmannes geschildert. Zum 
ersten Male erfährt diese schwierige Materie eine 
solche eingehende, allgemein verständliche Erläuterung. 
Spannende Flugabenteuer lösen einander ab. Ein 
Flieger aus dem Osten schildert, wie er von Kosaken 
abgeschossen wird, ein Artikel plaudert über Flug- 
zeug und Artillerie, ein anderer über die dramatischen 
Szenen des Kampfes von Flugzeug gegen Flugzeug. 
Das Panzermotorboot im Kriege, tritt auf und seine 
Verdienste werden geschildert. Über den Flieger als 
Nachrichtenübermittler wird ebenso getreu berichtet, 
wie über die Szenen, die sich abspielen, -wenn die 
Bomben fallen. Kurz, das Märzheft des »Motor« 
übertrifft alle seine Vorgänger an reichhaltigem, 
fesselndem, bildlichem und textlichem Inhalt. In ganz 
wunderbarer Weise wird er der schweren Aufgabe 
1 einheitliche Bilder aus dem großen Krieg in 
arstellungen von dauerndem Wert festzuhalten. 

Deutsche Aerogesellschaft. Bei der Deutschen 
Aerogesellschaft, die sich mit der Herstellung von 
Luftfahrzeugen befassen will und nun zunächst mit 
Mk. 400.000 Aktienkapital in Berlin begründet wurde, 
ist Kommerzialrat Castiglioni zum Vorstand er- 
nannt worden. Dem Aufsichtsrat gehören bekannte 
Berliner Finanzleute, wie Karl Hagen und Max von 
Wassermann, an. Die Deutsche Aerogesellschaft 
wurde, wie seinerzeit berichtet, im Vorjahre gegründet 
und ist derzeit sehr stark mit Lieferungen für die 
Heeresverwaltung beschäftigt. Kommerzialrat Camillo 
Castiglioni, der neue Vorstand dieses Unter- 
nehmens, ist Direktor der Österreichischen Motor- 
Luftfahrzeug-Gesellschaft m. b. H., welche Funktion 
er auch weiterhin ausüben wird. 

Ein französisches Flugzeuggeschwader für 


Serbien. In Marseille ist ein ganzes Flugzeug- 
geschwader, 80 Mann Flieger, Maschinengewehr- 
schützen, Mechaniker, eingetroffen, um mit der 


nächsten Dampfergelegenheit nach Serbien abzugehen. 


Muster- und Markenschutz in allen Ländern 


erwirkt 


Ing. J. FISCHER, Patentanwalt 


Wien, I. Maximilianstrasse Nr. 5. 
Seit 1877 im Patentfache tätig. 


Herausgegeben vom: »K. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein«. — Verantw. Red.: in Vertretung Fritz Ellyson. 
Druck von Otto MaaB’ Söhne, Wien I. 


ÖSTERREICHISCHE 


FLUG-ZEITSCHRIFT 


Herausgegeben von dem unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Majestät des 
Kaisers und Königs stehenden k. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein. XA 


am 0000000000000 
“00 000000 000000800. 


Manuskripte werden nicht zurückgestellt. Der Nachdruck 88 Angenommene Beiträge werden honoriert. Die Verfasser 
von Artikeln und Abbildungen ist nur mit Quellenangabe & sind für Form und Inhalt der von ihnen eingesandten 
und Zustimmung der Redaktion gestattet. Artikel und Abbildungen verantwortlich. 


YAO (2200000000 = © re NC 00000000c—_ JONNY 
ERSCHEINT ZWEIMAL IM MONAT. 


Nr. 7/8 April 1915 IX. Jahrgang 


Inhalt: Vom deutschen Flugwesen im gegenwärtigen Kriege. — Graphostatik, mit besonderer Berücksichtigung der Fachwerke. 
(Fortsetzung.) — Selbsttätige Flugzeug-Terrainaufnahmen, von Lampl. — SIr Ho ogoni ache Beiträge zur Erdbebenforschung, 
von H. Hörbiger, Maschineningenieur und Privatastronom. — Aus der Praxis — für die Praxis. — Chronik. 


Chefredakteur : Ing. A. Budau, o. ö. Professor der k. k. Technischen Hochschule in Wien 


Redakteur für den offiziellen und wissenschaftlichen Teil für die Dauer der Abwesenheit der Herren Oberst 
Wilhelm Suchomel und Ing. Adolf Janisch: Fritz Ellyson 


Unter Mitwirkung von: 


Dr. A. HILDEBRANDT RICHARD KNOLLER 
Luftschifferhauptmanna.D., Ing., Professor a. d. k. k. 
Berlin Techn. Hochschule, Wien 
W. KREBS 
Leiter der Wetterwarte 
Schnelsen Holstein 


GUSTAV E. MACHOLZ 


PAUL BELLAK 
Prokurist, Wien 


FELIX BRAUNEIS 
Ingenieur, Wien 
Dr. Ing. WALTERFREIIH. 
v. DOBLHOFF 
Konstrukteur an der k. k. d 0 
Techn. Hochschule, Wien Ingenieur, Wien 
EDUARD DOLEŽAL ANTON JAROLIMEK 


k. k. Hofrat, o. ö. Prof., an k. K. ae 
der k. k. Technischen Hoch- " a König 


ROBERT POLLAK LUDWIG SCHMIDL 
RITTER v. RUDIN k. u.k. Rittmeister, Wiener- 
Ingenieur, Wien Neustadt 
J. POPPER-LYNKEUS LEOPOLD SCHMIDT 
ingenieur, Wien Ing., Prof., Wr.-Neustadt 
STEPHAN POPPER KARL TINDL 
Johannisthal Ingenieur, Wien Ing., Konstrukteur a.d.k.k. 


HUGO L. NIKEL FRANZ REBERNIGG Techn. Hochschule, Wien 
k. k. techn. Ob.-Offiz., Wien Ing., Kommissär des k. k. WILHELM TRABERT 


F. HINTERSTOISSER 
k. u. k. Major, Wien 


RAOUL HOFFMANN 


schule, Wien Patentamtes, Wien Professor, Direktor der 
: Dr. F. JUNG HANS F. v. ORELLI Zentralanstalt für Meteoro- 
e Professor a. d. k. k. Tech- Schriftsteller, Wien 5 . logie u. Oeodynamik, Wien 
Konstrukteur, Wien nischen Hochschule, Wien STEPHAN. PETROCZY ger Autoplanwerke, Wien Dr. C. WIESELS- 
IGO ETRICH D. W. KAISER v. PETROCZ BERGER 
Großindustrieller, Ober- Kapitänleutnant a. D, k.u. k. Luftschifferhaupt- Dipl. Ing. C. SCHMID Assistent an der Universität 
altstadt Charlottenburg mann, Wien Lindenberg in Gottingen 


Vom deutschen Flugwesen im gegenwärtigen Kriege. 


In Ost und West stehen unsere tapferen Truppen 
in blutigen Kämpfen einer Welt von Feinden gegen- 
über. Fast drei Vierteljahre schon tobt der heftigste 
aller bisherigen Kriege. Eine unverkennbar wichtige 
Rolle spielen die Luftfahrzeuge, insbesondere aber die 
Flugmaschinen. 

Schon zur Genüge wurde in vorliegender Zeit- 
schrift die Operationsfähigkeit der Kriegsflugzeuge 
besprochen. In Friedenszeiten wurden Fliegerwett- 
bewerbe der verschiedensten Arten abgehalten, die in 
Deutschland durchschnittlich militärischen Charakter 
trugen, während man in Frankreich diesen Wett- 
bewerben mehr eine sportlichere Tendenz gab. Es 
ist nicht zu verkennen, daß die Franzosen auf ihren 
Veranstaltungen hervorragende Leistungen vollbrachten, 
die immer mehr zeigten, daß Frankreich mit Recht 
den ersten Platz im Flugwesen behaupten kann. 
Frankreich sollte sich jedoch nicht zu lange dieser 
Ruhmeslorbeeren erfreuen. Denn mit dem Einsetzen 
der deutschen Nationalflugspende waren die Leistungen 
unserer westlichen Nachbarn bald weit überflügelt und 
Deutschland errang Rekord auf Rekord. Mit aller 
Stille versuchte man in Deutschland die verschieden- 


sten Typen, um ein gutes, militärisch brauchbares 
System herauszubringen. Und dieses System haben 
wir jetzt in dem Rumpfdoppeldecker gefunden, der 
schon sehr erfolgreich auf allen Kampfplätzen debutiert 


hat. Diese Maschinen werden von allen größeren 
deutschen Flugzeugfabriken hergestellt, und gelangen 
besonders Mercedes- und Benz-Motoren als Antriebs- 


kraft zur Anwendung, wie auch Argus- und Oberursel- 
Motoren. Es kommen hier in erster Linie die Erzeug- 
nisse folgender Firmen zum Gebrauch: 
Automobil- und Aviatik A.-G., Albatros- 
werke G. m. b. H., Ago- Flugzeugwerke G. m. b. H., 
A. E. G., Brandenburgische Flugzeugwerke 
G. m. b. H., Deutsche Flugzeugwerke G. m. b. H., 
Eulerwerke, Ottowerke, Fokker-Aeroplan- 
bau m. b. H, Gothaer Waggonfabrik A.-G., 
Luftfahrzeug-Ges. m. b. H., Luft- Verkehrs- 
Ges. m. b. H., E. Rumpler- Luftfahrzeugbau 
G. m. b. H. und Otto Schwade & Co. Ganz ver- 
einzelt sind noch Flugzeuge von Goedecker in 
Mainz, Kondor in Essen und Sommer in Frank- 
furt a. M. zu finden. Von obigen Firmen bauen außer 
Doppeldeckern noch Eindecker Fokker nach dem 


90 


bekannten französischen Typ Morane-Saulnier, 
womit der Konstrukteur selbst im Vorjahre glänzende 
Sturzflüge etc. ausgeführt hat. Außerdem sind noch 
die Hansa-Flugzeugwerke Hamburg, Karl 
Caspar, Flugzeugbau Friedrichshafen 
G. m. b. H., Pit UED EL Lübeck-Trave- 
münde G. m. b. H., Halberstädter Flugzeug- 
werke G. m. b. H, jleannin- Flugzeugbau 
G. m. b. H., Pfalz- Flugzeugwerke G. m. b. H., 
r G. m. b. H., Märkische 
Flugzeug-Werft und a. m. für die Heeresverwaltung 
stark beschäftigt. 

Was die deutsche Flugmotorenindustrie anbelangt, 
so ist diese auch mit Aufträgen überhäuft, die sich in 
der Hauptsache auf die Firmen Daimler-Motoren- 
Ges., enz & Cie, Argus-Motoren-Ges, 
Motorenfabrik Oberursel A.-G., Otto Schwade 
& Co. und Rapp-Motoren-Werke verteilen. Auf 
die einzelnen Konstruktionen der Flugzeuge und 
Motoren einzugehen, muß aus militärischen Gründen 
unterbleiben. Die bisherigen Ergebnisse haben gezeigt, 
daß Deutschland anderen Ländern in der Flugtechnik 
kein Haar breit zurücksteht. Von allen Seiten her 
kommen gute Nachrichten unserer deutschen Flieger, 
die sogar bis in die Türkei ihr Vaterland verteidigen. 

In letzter Zeit haben wieder erfolgreiche Angriffe 
deutscher Flugmaschinen auf feindliche Orte und 
Stellungen stattgefunden. So war es besonders Calais, 
das in letzter Zeit mehrmals von deutschen Kriegs- 
fliegern erfolgreich angegriffen wurde. Über diesen 
letzten Angriff berichtet die in England angekommene 
Besatzung des schwedischen Dampfers »Diana«, der 
gerade in den Docks von Calais lag: »Die deutschen 
Flieger überflogen die Docks in der Richtung auf die 
Stadt und die Mannschaften der Schiffe flüchteten 
unter Deck. Auf die Schiffe und Kais wurden aus den 
Flugzeugen etwa 500 Stahlpfeile herabgeworfen. Auch 
Bomben wurden abgeworfen, doch soll der angerichtete 
Schaden nicht sehr groß sein. Verschiedene Ein- 
richtungen wurden zerstört und auch Feuer bemerkt. 
Die Flugzeuge wurden heftig beschossen, doch gelang 
es allen, unversehrt zu entkommen.« 

Der sich auf dem Wege nach England befindliche 
englische Dampfer »Teal« wurde, wie das »Haager 
Korrespondenzbureau« meldet, von zwei Flugzeugen 
angegriffen, indem diese Bomben auf den Dampfer 


' IIRA > 4 
Vir, 


Mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnete deutsche Flieger. 


warfen. 
Fischdampfern in Verbindung. 
Lichtsignale, während die Fischdampfer 
abschossen. 


Über Pont-a-Mousson erschien eine deutsehe 
Flugmaschine, die durch Abwerfen von Bomben er- 
heblichen Schaden anrichtete. Desgleichen wurden 
Gerardmer und Dünkirchen erfolgreich mit deutschen 
Flugzeugbomben belegt. 


Interessant ist ein »Rezept« gegen Fliegerbomben, 
das wir einem Kriegsbericht entnehmen: »Der Leutnant 
K..., der mich begleitet, verfolgt seit einigen Minuten 
mit dem Fernglas den Flug eines Flugzeuges, das 
aus der Gegend von Toul her näherkommt. SchlieB- 
lich ist er sicher, daß es ein Franzose ist. Er fragt 
mich, ob ich wüßte, wie man Fliegerbomben ver- 
meiden könnte. Ich bekannte, daß ich nur ein Mittel 
kenne: »Schön zu Hause bleiben in einem unzweifel- 
haft neutralen Lande.« Aber der Leutnant erklärte 
mir mit der durch die Umstände gebotenen Kürze: 
»Sobald eine Bombe in der Nähe platzt, muß man 
zu der Stelle laufen, an der sie geplatzt ist, um dort 
stehen zu bleiben und von dort muß man zu der 
Stelle laufen, wo die zweite platzt und so fort, bis 
das Luftbombardement beendet ist! Zuerst verstand 
ich das nicht, aber die Erklärung ist sehr einfach. Da 
der Flieger in der Luft nicht stillstehen kann, so kann 
er nicht eine Bombe nach der anderen auf ein und 
denselben Punkt werfen; wie schnell er auch arbeiten 
mag, in der kurzen Frist zwischen dem Werfen zweier 
en legt das Flugzeug mindestens 30 bis 40 m 
zurück.« i 


In den letzten Tagen haben auch wieder feind- 
liche Flieger versucht, sich deutschem Gebiet und 
Stellungen zu nähern. Am 26. März erschien aus der 
Richtung Schlettstadt kommend, abends kurz vor 
t6 Uhr, ein feindlicher Flieger — dem Flugzeugtyp 
nach ein Engländer — über Straßburg und überflog 
in beträchtlicher Höhe die Festung. Der Flieger, der 
eine Höhe von über 2000 m innehatte, wurde heftig 
aber erfolglos beschossen. Nach etwa 20 Minuten 
verschwand er in der Richtung nach dem Breuschtal. 
Wie nachträglich bekannt wird, warf der Flieger fünf 
Bomben ab, die nur im Südosten der Stadt nieder- 
fielen, ohne besonderen Schaden anzurichten. ; 


Die Flugzeuge standen durch Signale mit 
Die ia gaben 
euerpfeile 


. p” "T g — u rm 
. £ * i ows We N. * y 
‚un 


Von links nach rechts: Oberleutnant Saenger, Leutnant Baas 


berleutnant Hahn, Ingold, Leutnant Hug, Oberleutnant Bremer, Vizefeldwebel Reichert. 


Am selben Tage erschienen mehrere feindliche 
Flieger über der Festung Metz und warfen einige 
Bomben auf den südlichen Stadtteil. Sachschaden 
wurde nicht angerichtet, dem hingegen aber drei 
Soldaten getötet. Die Flieger wurden schließlich durch 
Artilleriefeuer vertrieben. . 


Wie der »Nieuwe Courante aus Sluis meldet, 
überflogen englische Flieger Seebrügge und warfen 
Bomben ab. Ob Schaden angerichtet wurde, ist un- 
bekannt. Die Flieger wurden von der ganzen Küsten- 
linie beschossen. 


Über die Landung französischer Fliegerim 
Breisgau wird gemeldet: »Die beiden Flieger, zwei 
Unteroffiziere, entstiegen unversehrt dem Flugzeuge, 
zündeten es dann an, so daß dasselbe sofort lichterloh 
brannte. Eine nach Hunderten zählende Menschenmenge 
kam hinzu und umringte die Flieger. Diese ließen sich 
mag gefangennehmen und der Militärbehörde aus- 
iefern.« . 


Nachstehender Feldpostbrief schildert in 
anschaulicher Weise einen Luftkampf, den einer 
unserer tapferen Flugzeugfiihrer gegen eine fünffache 
feindliche Obermacht zu führen hatte. 


»Bei uns in C... geht alles seinen Gang. Wir 
sind fleißig an der Arbeit, tun den Franzosen Abbruch, 
wo es nur immer möglich ist. Glücklicherweise ist 
das Wetter seit 14 Tagen besser geworden, so daß 
wir fast täglich sämtlich ausschwärmen können. Heute 
ist leider einer unserer besten Führer bei einem 
heldenhaften Kampf schwer verwundet worden, doch 
dürfte er, da die Verletzungen nicht lebensgefährlich 
sind, in einigen Wochen wieder auf dem Posten sein. 
In letzter Zeit kamen die Franzosen, die nach den 
letzten Gefechten, die wir uns hoch über den Schützen- 
gräben lieferten, vorsichtig geworden waren, nicht 
mehr einzeln, sondern nur noch geschwaderweise, 
um über unseren Stellungen ihre Bomben abwerfen 
zu können. Der Feind schickte fast immer die schweren 
Kampfflugzeuge vor, die gepanzert sind, zwei Motoren 
besitzen und mit Maschinengewehren ausgerüstet 
sind, während die normalen Flugzeuge sich zunächst 
etwas zurückhalten. Durch das Feldtelephon wird uns 
fast immer die Ankunft eines derartigen Geschwaders 
rechtzeitig PEMER und sofort steigt einer der 
Unsrigen auf, um die Franzosen am Weitervordringen 
zu hindern. Gestern war die Reihe an Leutnant B., 
der sich schon bei dem ersten Gefecht bei A.... 
ausgezeichnet hat. Auf die Meldung: »Feindliche 
Flieger in Sicht!« verließ er mit seinem Beobachter 
den Platz und steuerte in 2000 m Höhe dem französi- 
schen Geschwader, das aus fünf Einheiten bestand, 
entgegen. Die Franzosen rekognoszierten zuerst über 
unseren Gräben und schienen nicht allzu geneigt, 
sich hinter unsere Linien zu wagen, als Leutnant B. 
mit seinem Doppeldecker ihnen entgegenkam. Sobald 
der Gegner merkte, daß er nur ein deutsches Flug- 
zeug vor sich habe und daß keine Verstärkung in 
der Nähe sei, stürzten die fünf Flugzeuge auf unseren 
Apparat zu.. Leutnant B., der sich noch rechtzeitig 
hätte zurückziehen können, nahm trotzdem den Kampf 
auf. Es gelang ihm, wie man durch das Scherenfernrohr 
feststellen konnte, zunächst durch einige unglaublich 
kühne und fast senkrechte Kurven sich dem ersten ge- 
panzerten Doppeldecker, der mit dem Maschinengewehr 
nicht zum Schuß kommen konnte, zu entziehen. Dabei 
kam er einem französischen Eindecker in die Flanke 
und nun eröffnete der Beobachter unseres Flugzeuges 
mit dem Maschinengewehr ein so wirksames Feuer 
auf den Franzosen, daß dieser schon nach einer 
halben Minute, sich mehrmals überschlagend, in die 


91 


Tiefe stiirzte. Die anderen Gegner drangen erbittert 
auf Leutnant B. ein, der mit bewundernswerter Ruhe 
operierte. Das Kampfflugzeug war ihm inzwischen in 
den Rücken gekommen und eröffnete offenbar heftiges 
Feuer auf B. Plötzlich sahen wir unseren Doppeldecker 
etwa 200 m tief fast senkrecht abstürzen. Schon 
glaubten wir, daß unser armer Kamerad tödlich ver- 
letzt sei, erkannten aber zu unserer unaussprechlichen 
Freude, daß B. die Franzosen genarrt hatte und durch 
einen vorgetäuschten Absturz sich ihrem Feuer für 
einige Minuten entzogen hatte. Piötzlich schoß der 
Apparat auf einen vor ihm liegenden französischen 
ungepanzerten Doppeldecker zu und nach fünf Minuten, 
während beide Maschinen sich ständig umkreisten, 
sank der feindliche Apparat, mit der Steuerzelle zuerst, 
senkrecht zu Boden. Also auch der zweite Gegner 
war abgetan. Die drei übrigen Franzosen aber be- 
gannen jetzt eine Jagd auf unseren Kameraden, die 
in ihren aufregenden Einzelheiten kaum zu schildern 
ist. Fast 20 Minuten lang wehrte sich B. durch alle 
möglichen Manöver, bis ihn das Schicksal ereilte. 
Einem der Gegner war es gelungen, unseren Doppel- 
decker unter wirksames Feuer zu nehmen und B. 
erhielt zwei Kopfschüsse. Trotz seiner schweren 
Verwundung riß er die Maschine herum, und da er 
sich kaum 5 km vor unseren Gräben befand, gelang 
es ihm, zu Boden zu kommen. Die Franzosen ließen 
nun auch von einer Verfolgung ab, zumal einer von 
ihnen durch einen Volltreffer unserer Artillerie buch- 
stäblich in Fetzen gerissen wurde. Leutnant B. hatte, 
obwohl ihm das Blut über die Schutzbrille floß, doch 
noch die Kraft, seinen Apparat, der über 50 Kugel- 
spuren zeigte und eher einem Sieb als einem Flug- 
zeug glich, heil auf den Boden zu setzen, ehe ihn das 
Bewußtsein verließ. Wir schafften unseren tapferen 
Kameraden in das Lazarett zu C..., wo der Arzt 
uns die beruhigende e ang machen konnte, daß 
die beiden Schüsse, die der Flieger erhalten hatte, 
zwar ernst, aber nicht lebensgefährlich sein dürften.« 


Weiter zeigt noch folgender Bericht kurz, wie der 
ehemalige Rennstallbesitzer und Herrenreiter Ober- 
leutnant Friedrich Rosenthal als Fliegeroffizier den 
Heldentod für sein Vaterland starb: »Der junge 
Offizier, der bei all seinen Erkundungsflügen stets 
große Kühnheit an den Tag legte, geriet einmal in 
ein Gefecht mit einem russischen Flieger. Einer seiner 
Schüsse tötete den Gegner, dessen Apparat riß im 
Absturz das Flugzeug Rosenthals mit sich. Dieses 
wurde vollständig zertrümmert und Rosenthal 
an hiebei so schwere Verletzungen, denen er bald 
erlag.« 


Vorliegende pe zeigen so recht, mit welchem 
Heldenmut, weicher Todesverachtung und mit welcher 
Ausdauer unsere braven Flieger kämpfen. 


Leider ist einer der besten und beliebtesten 
deutschen Militärflieger, Leutnand Ferdinand von 
Hiddessen, in französische Gefangenschaft geraten. 
Leutnant v. Hiddessen war durch seine hervor- 
ragenden Flüge auf Euler-Doppeldecker be- 
kannt geworden. Im Prinz Heinrich-Flug 1913 ging 
er als erster Sieger im Zuverlässigkeitspreis hervor. 
Zu Kriegsbeginn führte er wohlgelungene Flüge über 
Paris als einer der ersteiı aus, wofür ihm das Eiserne 
Kreuz l. und II. Klasse verliehen wurde. Kürzlich er- 
eilte auch ihn das Schicksal und liegt er jetzt ver- 
wundet in einem Lazarett in Verdun. 


Beim Schreiben dieser Zeilen haben unsere 
wackeren deutschen Flieger neue Heldentaten voll- 
bracht, über die wir in einer der nächsten Nummern 
berichten werden. — W. — 


Jahrbuch des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines 1914. 


Das Vereinsjahrbuch 1914 erscheint in den nächsten Tagen und wird den Mitgliedern des Vereines 
unentgeltlich zugestellt. Es ergeht daher an alle P. T. Mitglieder das höfliche Ersuchen, Adressenänderungen 
etc. rechtzeitig bekanntzugeben, damit in der Versendung des Jahrbuches keine Verzögerung eintrete. 


92 


Graphostatik, mit besonderer Berücksichtigung der Fachwerke. 


(Fortsetzung.) 


Im folgenden seien die Verhältnisse untersucht, 
die für Fachwerke, soweit diese im Flugzeugbau 
in Betracht kommen, maßgebend sind. 

An jedem Fachwerke unterscheidet man äußere 
und innere Kräfte. Bei Flugapparaten sind Auf- 
trieb, Stirnwiderstand, Kräfte von der Einspannung 
herrührend u. dgl. äußere, die in den Stäben, also 
Holmen, Stielen u. ä., ferner in den Drähten auf- 
tretenden Beanspruchungen innere Kräfte. Außer- 
dem bezeichnet man (Fig. 11) die oben gelegenen 


Fig. 11. 


Holme o als Obergurt, die untenliegenden als 
Untergurt u, die Stiele als Vertikale v und die 
Drähte als Diagonalen d. In den De RUE 
ergeben sich Auflagerkräfte A und B, die vom 
Rumpfe oder anderen Teilen geliefert werden müssen 
und durch das Fachwerk hervorgerufen werden. Das 
in Fig. 11 gezeichnete Fachwerk heißt wegen der 
Vertikalen auch Ständerfachwerk, während man 
eine Konstruktion nach Fig. 12 als Strebenfach- 
werk (also ohne Lotrechte) bezeichnet. Der Einfluß 
auf die Verteilung der Kräfte wird weiter unten klar 
werden. 

Das Fachwerk muß nun im Gleichgewicht sein, 
und zwar müssen sowohl die äußeren als auch die 
inneren Kräfte untereinander im Gleichgewicht stehen. 


Fig. 12. 


Selbst wenn das aber für die äußeren Kräfte der 
Fall ist, könnten noch Momente vorhanden sein und 
es tritt als dritte cue fiir das Gleichgewicht 
hinzu: Summe der omente gleich Null. 
Stützwiderstände, also hier A und B, sind immer als 
äußere Kräfte einzuführen und muß daher die Summe 
aus den äußeren Kräften im Gleichgewichtsfall Null 
sein. Genügen die Gleichgewichtsbedingungen zur 
Ermittlung der Stützwiderstände, dann heißt das 
System äußerlich statisch bestimmt und es 
ist zur Stützung an zwei Stellen nötig, daß eine 
Lagerung Kräfte senkrecht zu ihrer Unterlage, das 


andere aber beliebig gerichtete Kräfte aufnehmen kann 
(siehe Fig. 13). Wäre nur ein Stützpunkt vorhanden, 
dann müßte einefeste Einspannung vorgesehen sein. 
Gentigen die Gleichgewichtsbedingungen zur Be- 
stimmung der Stützreaktionen nicht, so heißt der 
Träger äußerlich statisch unbestimmt und ihre 
Größe ist nur zu ermitteln, indem man die Form- 
änderungen beachtet, welche dabei auftreten. (Dieser 
Fall wird sich z. B. bei der Untersuchung des Stirn- 
en ergeben.) Gleiches gilt von den inneren 
räften. 


Nach dem bereits im ersten Teil Entwickelten 
können die Stabkräfte in einem Fachwerke folgender- 
maßen gefunden werden (Fig. 14): Auf das gezeich- 
nete System mögen die Kräfte P., P}, P;, P. wirken; 
ferner sei das Lager A so ausgeführt, daß es nur 
Kräfte senkrecht zur Unterlage aufnehmen kann, 
während das Lager B beliebig gerichtete Kräfte über- 
trägt. (Kipplager.) Es müssen also zunächst die 
äußeren Kräfte im Gleichgewichte sein ; daher ist die 
Mittelkraft der Kräfte P, bis P, zu bestimmen und 
sodann in die Lagerdriicke A und B zu zerlegen : die 
Richtung von A ist gegeben (senkrecht zur Unterlage), 
ebenso die von R nach der Zusammensetzung und 
da zwischen A, R und B Gleichgewicht herrschen 

muß, müssen sich die Richtungslinien auf R schneiden; 

damit ist auch die Richtung von B festgelegt, ihre 
an I aber durch Zerlegung von R nach A und B 
zu finden. 


Fig. 13. 


Nunmehr können auch die Stabspannungen 
gefunden werden. In jedem Knotenpunkte muß Gleich- 
gewicht herrschen, denn wäre das nicht der Fall, 
dann würde er sich ja verschieben. Es ist also am 
Knoten I nur A nach den beiden Richtungen 1 und 6 
zu zerlegen, wie das ganz rechts geschehen ist; die 
‚Richtung der Spannungen findet man, wenn man den 
Kräftezug gleichsinnig, also da A schon der Richtung 
nach gegeben ist, in diesem Falle im Sinne der Uhr- 
zeigerbewegung, umfährt. Es ist also die Spannung 1 
und auch 6 zum Knoten gerichtet. Im Knotenpunkt II 
muß Gleichgewicht herrschen zwischen 1, P,, 2 und 7. 
Der Größe nach ist 1 und P, bekannt, daher an 
l... . P, anzuschließen und das Kräftevieleck zu 
schließen: Richtungen von 2 und 7 dienen dazu. 
Gleichsinnig umfahren, sieht man, daß 2, 7 und I 
zum Knoten Il gerichtet sind. Es drückt also die 
Spannung im Stab 1 gegen die beiden Knoten I und II: 
das heißt der Stab ist auf Druck beansprucht. 
Vollendet man diese Konstruktion, so findet man 
schließlich, daB alle Stäbe Druckstäbe sind. Stets 
sind die Stäbe in der Reihenfolge anzuschließen, in 
der man auf sie trifft, wenn man den betreffenden 
Knoten umkreist. 

Dieses Verfahren wurde zuerst von Cremona 
angegeben und heißt nach ihm Cremonaplan, das 
Beispiel selbst ist der »Hütte« entnommen. Es kann 
nun aber auch der Fall eintreten, daß die äußeren Kräfte 
nicht in den Knoten, sondern an den Stäben zwischen 
den Knoten I und Il angreifen. Dann muß man 
folgendermaßen vorgehen : Man betrachtet (Fig. 15) 
den Stab I bis II als einen Träger über einer Öffnung, 


der in I und II Stützendrücke R, und R, ausübt ; diese 
sind dann wie eine Belastung in den Knoten I und II 
als äußere Kräfte in die Untersuchung einzuführen. 
Die Kräfte P, und P, werden zunächst zu einer 
Mittelkraft R zusammengesetzt, dann nimmt man auf 
R einen Punkt an (1) und verbindet mit den Knoten- 


93 


Stab auf Biegung beansprucht. Die Querschnitts- 
bestimmung muß daher nach den Formeln über 
zusammengesetzte Beanspruchung, also in 
diesem Falle nach M 

max 


„rA W 


Fig. 14. 


punkten I und Il. Parallele dazu, im Kräftezug einge- 
tragen, zeigen, daß wieder Gleichgewicht herrscht; 
den auf I entfallenden Betrag von R findet man durch 
Ziehen einer Parallelen zu I-Il, denn dann ist 2-3 die 
Größe R, und O2 die Größe R, und 2-4 die Spannung S, 
die in den Stab fällt. Zu den übrigen Kräften in den 


Fig. 


Knoten I, bezw. Il. kommt also noch R., bezw. R: 
hiezu und die entsprechende Resultierende wird dann 
verwendet zur Ermittlung der Stabspannungen. Im 
Stab I-II wirkt dann die Zug- oder Druckspannung, 
gefunden aus dem Cremonaplan, erstere vergrößert 
um den Betrag S, letztere um dieselbe Größe ver- 
kleinert und außerdem die Resultierende R, die den 


erfolgen, wobei + o die entstehende Zug-, — ø die 
entstehende Druckspannung ist; ferner bedeutet F 
die Fläche, max das größte Moment von den 
Kräften herrührend und W das Widerstandsmoment 
des Querschnittes und P die resultierende Normal- 
spannung. 


Dieser Fall tritt beispielsweise bei den Stielen auf, 
welche infolge ihrer Angehörigkeit zum Tragwerk- 
system Druckstäbe sind (siehe später), außerdem 
aber durch den Luftdruck auf ihre Stirnfläche auf 
Biegung beansprucht werden. Nur ist in diesem Fall 
mit gleichförmig verteilter Last zu rechnen, was zwar 
für die Auflagerdrücke nichts ändert, doch ist dann 


94 


das Biegungsmoment nicht wie für den Fall der 
Einzelkraft (Fig. 16) 


Mar = Lea 
sondern (Fig. 17) 
Pi 
M max = 8 


Im Flugzeugbau sind bis jetzt einige Arten der 
Tragkonstruktion besonders ausgeprägt. 

im folgenden werden zuerst die Doppeldecker 
untersucht; da sind vor allem die Apparate mit 
Pfeilform von jenen ohne Pfeilform zu unterscheiden. 
Denn die Beanspruchung der ersteren ist eine ganz 
andere, als sie z. B. für die gewöhnlichen Brücken- 
konstruktionen auftritt. Ferner ist ein Unterschied zu 


— ee oe 5 


machen, ob der Apparat gestaffelte Flächen hat 
oder nicht; gerade die Staffelung ist jetzt fast durch- 
wegs anzutreffen, obwohl nach den Untersuchungen 


Fig. 16 und 17. 


G. Eiffels (siehe »Der Luftwiderstand und der Flug«) 
die Staffelung bis zu Neigungswinkel von rund 100 
keinen Einfluß hat, sondern erst bei sehr großen 
Auftriebswerten die 
Staffelung rückwärts 
günstiger wird. Fig. 18 
zeigt die Polaren zu 
den untersuchten 

Flächen zweier Flügel 
von 90 X 15cm mit 
1/13°5 Pfeil der Kreis- 

kriimmung. (Fig. 18 
| ist eine Wiedergabe 
| der Fig. 95 in dem 
| vorerwähnten Werke.) 
Man sieht, daß die 
Kurven sich bis zu 
einem Auftriebswert 
von 


Dispositif J. 


— — 
L . . 


praktisch decken und 
erst dann der Auftrieb 
größer wird, als bei 
der Anordnung II; 
nach diesen Unter- 
suchungen ist die 
Staffelung um volle 
Flügelbreite bei vier 
Drittel dieser Tiefe 
als lotrechten Ab- 
stand am günstigsten. 
Danach wäre eigent- 
lich der Einfluß recht 
belanglos auf die 
Tragfähigkeit, aber 
recht groß auf die 
Festigkeitsverhält- 
nisse, wie sich später 
zeigen wird. 
Zunächst lassen 
sich einige Gesichts- 
punkte festlegen, die 
für alle Doppeldecker- 
anordnungen gelten. 
Der Flugapparat stellt 
ein räumliches 
Fachwerk dar, an 
welchem als äußere 
Kräfte Auftrieb und 
Stirnwiderstand 


. wirken; das ganze 

„ ist an vier 

unkten festgehalten, 

F Dispositif I. die alle auf der glei- 

de 7 chen Seite des Systems 

— . liegen. Man könnte 

also nunmehr das 

— a ca d’ ll. Fachwerk wirklich als 
räumliches unter- 

3 d’_W suchen, müßte dann in 


den Projektionen des 
Trägers mit den Pro- 
jektionen der Kräfte 


arbeiten und zum Schluß der Untersuchung die 
wirkliche Größe der einzeinen Stabspannungen suchen. 
Im folgenden wurde aber ein anderer Weg ein- 
geschlagen: das räumliche Fachwerk läßt sich 
zerlegen in zwei horinzontal liegende und zwei 
vertikale Fachwerke; erstere sind die Tragflächen, 
letztere die Systeme, gebildet aus Tragflächen- 
holmen, Stielen und Verspannungsdrähten, soweit 


Fig. 19. 


sie wieder in einer Ebene liegen. Untersucht man 
jedes dieser vier Systeme für sich, so ergeben 
sich gewisse Stabspannungen, herrührend von je 
einem System, die dann alle, soweit sie in einem 
Punkte wirken, sinngemäß zusammengesetzt werden 
müssen, um die resultierende Spannung zu ergeben. 
In den Tragflächen (Fig. 19). sind die in der 
Flugrichtung vorne liegenden Holme 1 und 3 
als Untergurte auf Zug. die hinten liegenden 
2 und 4 auf Druck beansprucht; dieselben 
Holme sind aber auch Ober-, bezw. Unter- 
gurte für die vertikalen Fachwerke und 
dadurch ist 1 und 2 Druckstab, 3 und 4 aber 
Zugstab: das hat zur Folge, daß in 3 die 
Summe der Zugspannungen und in 2 die 
Summe der Druckspannungen auftritt, für die 
Dimensionierung, bezw. für die Kontrolle 
der Beanspruchungen, also für den Hinterholm 
der im oberen Flügel hinten gelegene, maß- 
55 ist; für den Vorderholm hängt die 
imensionierung meist von der Größe der 
Resultierenden im Holm 1 ab, weil das Holz 
für Druck weit weniger fest ist als für Zug; 
beispielsweise ist für Fichtenholz (das gebräuchlichste 
Material für Holme) die zulässige Druckbeanspruchung 
nur 245 kg/cm?, dagegen sind bis 750 kg/cm? als Zug 
zulässig. 
Für die ganze Untersuchung ist also nur die 
Stabspannungsermittlung je zweier Fachwerke nötig, 


Fig. 20. 


wobei noch die beiden horizontalen, weil nur durch 
den Stirnwiderstand beansprucht, gleich sind, also 
nur ein derartiges Fachwerk untersucht werden 
muß. Wenn man daher die in den Knoten wirkenden 
Kräfte kennt, ist nach dem früher Gesagten, alles 
andere sehr einfach. Um die horizontalen Kräfte in 
den Knotenpunkten der Tragflächen zu bestimmen, 
sei zunächst folgende Überlegung angestellt: Die 
Tragfläche besteht in der Regel aus zwei Holmen, 
zwischen denen dann die Rippen sich befinden. Die 


| 


95 


Rippen sind aber zu schwach, um Kräfte zwischen 
den Holmen derart zu übertragen, daß man sie als 
Teile des Fachwerkes betrachten könnte; dazu wäre 
außerdem nötig, daß die beiden Holme in die Rippen 
selbst eingepaßt wären, was bei der großen Zahl 
der Rippen praktisch undurchführbar ist. Die Rippen 
sind daher nichts anderes als ein Mittel, der Fläche 
die verlangte Form zu geben, der Stoffbespannung 
eine Unterlage zu bieten. Zur Herstellung eines Fach- 
werkes zieht man aus dem erst erwähnten Grunde 
einige Rippen ein, denen man kastenförmigen 
Querschnitt gibt, wodurch ihr Trägheitsmoment 
bedeutend größer als bei den gewöhnlichen Rippen- 
formen wird und die auch eingepaßt werden, oder, 
was am einfachsten ist, man gibt zwischen die beiden 
Holme Stahlrohre, von denen die innerhalb der 
Tragflächen liegenden Verspannungen ausgehen; 
das gibt eine sehr solide und ganz einwandfrei 
ausführbare Konstruktion der Tragflächen. In der 
Regel sind die vorderen Rippenenden, um eine steife 
Stirnkante zu erhalten, mit Furnierplatten überzogen, 
derart, daß in die Rippe das Furnier eingelassen, 
angenagelt und geleimt ist. (Fig. 20.) Das gibt dann 
ein einziges starres System, das den darauf wirkenden 
Stirnwiderstand auf den Vorderrand überträgt. Der 
Anteil des Druckes, den jede Rippe auf den Holm 
überträgt, ist bei gleicher Teilung der entsprechende 
Teil des Gesamtwiderstandes der Tragfläche und 
ist dieser Vorderholm als durchlaufender Träger 
über zwei oder drei Öffnungen zu betrachten. Damit 
wird die genaue Untersuchung aber kompliziert, 


Fig. 21. 


weil man Durchbiegungen, Formänderungen, zu 
berücksichtigen hat. Dagegen ist die weit einfachere 
Annahme, daß auf jedem Knoten eben ein Teil des 
Stirnwiderstandes wirkt, unzulässig, weil ja die 
Stützenwiderstände ganz andere sind, je nachdem 
ob der Träger durchläuft oder nicht, also nur aufliegt 
oder auskragt. Und diese Stützenwiderstände sind 
dann eben die Kräfte, welche für die weitere Unter- 
suchung in Betracht kommen. 

Der Fall des durchlaufenden Trägers ist ein 
derart häufiges Problem, daß sowohl die graphische 
als auch die rechnerische Lösung hier angegeben 
werden soll. So ist fast jede Kurbelwelle bei Kolben- 
maschinen in mehr als zwei Lager gelagert; auch 
für den Vierzylindermotor ist die Lagerung in drei 
Lagern gebräuchlich und die Trägerstützung auf 
mehr als zwei Unterlagen ist ebenfalls recht oft zu 
finden. Es sei daher zunächst, um das Verfahren 
selbst zu zeigen, der in Fig. 21 gezeichnete Fall 
untersucht. Auf den Träger wirken in einem Felde 
zwei, in dem anderen nur eine Kraft. Aus den 
allgemeinen Gleichgewichtsbedingungen: Summe der 
äußeren Kräfte gleich Null und Summe aller Momente 
gleich Null könnte man nur zwei Unbekannte finden, 
während hier drei Stützenwiderstände berechnet 
werden sollen. Zu den vorhandenen Bedingungs- 
gleichungen ist also noch eine dritte zu suchen und 
diese kann man aufstellen, indem man die auftretenden 
Deformationen in N von den wirkenden 
Kräften anschreibt. Der Träger wird sich im durch- 


96 


gebogenen Zustand etwa nach der gezeichneten Linie 
einstellen; an diese im Lager C die Tangente gelegt, 
gibt dann als Gerade AB einen Träger an, der unter 
dem Einfluß der Lasten Pi, Pa, Pa, sowie W, und Ws 
sich soweit durchgebogen hätte, als die Kurve angibt. 
Man braucht also zunächst Gleichungen, welche 
den Zusammenhang zwischen Widerstandsfähigkeit 
(Trägheitsmoment) und Durchbiegung angeben. 


Nach den Sätzen der Festigkeitslehre findet man 
die Durchbiegung f (Fig. 22 und 23) eines einseitig 
eingespannten Trägers, der am Ende mit der 
Last P beansprucht ist, nach der Gleichung 


Pi 


3E] 


Wirkt die Last P im Abstand a von dem freien 
Ende des Trägers entfernt, dann ist die Durchbiegung 
des Endes zu finden, indem man f für die Stelle 
sucht, wo P wirkt und dann beachtet, daß von dort 
ab der Stab seine ursprüngliche gerade Achse 
beibehalt. l 


f = 1) 


—— 


Fig. 23. 


Es läßt sich dann folgende Beziehung aufstellen: 
le | l 
EJ (5+ 3 
Kennt man die Durchbiegungen, dann kann man 
die Stützenwiderstände folgendermaßen rechnen: 
zunächst muß sein: Summe der äußeren Kräfte 
gleich Null und ebenso die Summe der Momente. 


Das Moment sei positiv, wenn es im Uhrzeigersinn 
dreht. Damit ergeben sich folgende Gleichungen: 


— W, +P, - W. +P +P W. = O. . 3) 
WI Ii — Pi a, + Po as + Ps az — Wa la =0 ; 4) 


dabei ist die Stütze W, als Momentpunkt gewählt. 

Dort denkt man sich nun einen Träger ein- 
gespannt, der sich so durchgebogen hat, wie gezeichnet, 
und der ursprünglich gerade war (A, B). Um das zu 
erreichen, müßten die Kräfte W,, Pi, Pz, P, und W, 
wirken, W, ist natürlich ohne Einfluß, weil die Kraft 
in der Einspannstelle aufgenommen wird. Die ent- 
stehenden Durchbiegungen haben die Größe f, und 


fa, und zwar entsteht fi unter der Einwirkung von W, 
und Pr, und f, durch P, Pa und Wa. Nun kann man 
den Winkel! œ ausdrücken, denn es ist 


1 


und 


f. 


tang œ = 
I, 


und 


„ 
— — 0[—ö—F—ůůkꝛ ³28DFPkxꝛ⁊x2ꝑRM᷑klä.——ß——ß—ß—ß——ß—ß—ß—ß—ßKß—— ; M-6ijſ—00 •äſſö. ä . —— 0 — :. — o 


tang a, = — tanga = — - 


damit wird 
fi ss ff 


lı la 


>. 8 8 @ òè ò% >œ 


und das ist bereits die gesuchte dritte Gleichung. Es 
bleibt nur noch f selbst auszudrücken. Die Durch- 


biegung, von W, herrührend, ist nach 1) 


Wh“ 
3El 


fw, = 


die von P, stammend nach 2) 


h= Fi =, |P, —.(4 4 BTA) 4 
. l. — W 1,° 
+ P, an (z 2 2 oF 3 - | 


Die so gefundenen Werte in Gleichung 5) eingesetzt 
und in Verbindung mit 3) und 4) gebracht, erlaubt 
sofort die Ermittlung der dritten Unbekannten. 


Es sei beispielsweise 


P, = 1100 kg, 
y = 450 ” 
3 == n 


und die Stützweiten, bezw. die Kraftabstände 


l = 50 cm, 
ly = 96 ” 
a, = 25 n 
a, == 24 5 
An = 64 n 


dann lautet die Momentengleichung: 


50 W, — 25. 1100 + 24. 450 + 64 . 400 — 96 W, = 0 


und die Durchbiegungen: 


h= F | 1100. 25+ (7 3 „ m 
fi = 14,300.000 ET — 41.6666 K 
ferner die Durchbiegung bei Wa: 
b er | 450 we (A 4 4 
+ 400.64 f 2 W. = 
f = 72,517.120 2 — 293.912 87 


und damit lautet die Gleichung 5): 
50 (14.300.000 — 41.6666 W) — 


— gg (62.517.120 — 293.912 W.) = 0, 


dabei ist bereits durch E I Hividiert. Diese Gleichung 
vereinfacht und mitder Momentengleichung zusammen- 
gestellt, erlaubt W, und W, zu berechnen: 

W, — 3°67 W, + 563:2 


= 0 


W, — 1°92 W, + 178 0 
W, = 220 kg 
W, = 2442 ” 
und aus: i 
WI +W: +W, = 1950. . W; = 1485˙8 n 


Die Auflagerdrucke W,, W, und W, ohne Be- 
rücksichtigung der Kontinuität des Trägers hätten 
sich folgendermaßen ergeben: 


Für das Feld mit der Spannweite li: 


9 
2 


WI“ = W.“ — 550 kg. 


Vom Feld mit l,: 


W,” = P, (le — a:) = 450 . 48 = 225 kg 
p 450 > 
.“ Fs ae — an ; 
W, i, 90 112:5 kg 
von Pa herrührend: 
W.“ = Ps (la — as) = 400 . 32 = 1333 kg 
ls 96 
W” = Ps as = 400 . 64 == 266:6 kg 
ls 96 
daher ist: 
W, = 500 k ’ 
Wa — W. F Wa” + We" = 9083 kg 


W, = Wa“ + W.“ = 3791 kg. 
Nachstehend sind die Werte gegenübergestellt: 


Durchlaufend Freiaufliegend 
WI. . . 2442 kg 500 kg 
W.. . . 14858 „ 908:3 „ 
Ws... 2200 „ 3791 „ 


Der Einfluß ist also recht bedeutend! 


(Fortsetzung folgt.) 


Selbsttätige Flugzeug-Terrainaufnahmen. 


Wenn zum Zwecke der militärischen Aufklärung 
oder zur Richtigstellung, bezw. Ergänzung vorhandener 
Karten eines engeren Kriegsschauplatzes die Ent- 
sendung von Luftschiffen oder Flugzeugen erforderlich 
wird, so ist die Vornahme von photographischen 
Aufnahmen des Geländes durch den Piloten oder 
seinen Begleiter im allgemeinen unerläßlich, sofern 
auf Genauigkeit und Details Wert gelegt wird. Aus 
einer Höhe von 1000 bis 1500 m sehen die Gegen- 
stände auf dem Erdboden nicht allein ganz anders 
aus, als sie sich dem Beschauer auf ebener Erde 
präsentieren, da sie aus der Vogelschau gewisser- 
maßen plattgedrückt, zweidimensional erscheinen, 
sondern sie bieten sich dem Auge häufig auch unter 
einem so kleinen Gesichtswinkel dar, daß sie der 
Aufmerksamkeit oder Sehschärfe des Beobachters 
leicht entgehen können. Dies gilt aber noch in 
erhöhtem Maße von dem Beobachter im Aeroplan, 
verglichen mit einem solchen auf einem Luftschiffe 
oder auf einem ruhenden Beobachtungspunkte, da 
beim Flugzeug noch die Geschwindigkeit der Fahrt 
und die geringe Stabilität der Plattform die ruhige 
Beobachtung beeinträchtigen. Hieran kann auth die 
Verwendung von Fernrohren wenig ändern, umso 
mehr, als diese bei der erforderlichen starken Ver- 
größerung nur ein geringes Gesichtsfeld aufweisen 
und daher bei den starken Vibrationen der Maschine 
ein ruhiges Im-Auge- behalten des Objektes praktisch 
unmöglich machen. Die Brauchbarkeit der Beobachtung 
wird aber völlig in Frage gestellt, wenn zu der 
Beobachtung durch das Fernglas gleichzeitig die 
erforderliche erschöpfende Aufzeichnung des Ge- 
sehenen hinzukommen soll. 

Ist nun gar ein Terrain von mehreren hundert 
Kilometern Ausdehnung zu erkunden, so wird es 
schließlich für Auge, Hirn und Hand zur physischen 
Unmöglichkeit, die gewünschte Registrierung der 
Beobachtungen fortlaufend mit genügender Genauigkeit 
und Vollständigkeit innerhalb der zur Verfügung 
stehenden kurzen Zeit durchzuführen, so daß ein 
derartiger Aufklärungsflug häufig von relativ geringem 
Werte sein muß. Die Unterstützung der Hand- 
aufzeichnungen durch die Vornahme vereinzelter 
photographischer Aufnahmen vom Flugzeuge aus 
wird zwar schon seit langem geübt, jedoch stellt 
auch dieses nur ein mangelhaftes Auskunftsmittel 
dar, da die Manipulation mit dem Apparat nicht 
allein die Bewegungs- und Beobachtungsfreiheit 
beeinträchtigt, sondern weil vor allem einzelne will- 
kürlich vorgenommene Aufnahmen kein zusammen- 


hängendes Bild von der Landschaft bieten und 
überdies häufig wichtige, dem Auge in ihrer 
Bedeutung nicht unmittelbar kenntliche Terrainpunkte 
unberücksichtigt bleiben. | 
Allen genannten Übelständen wird nun durch 
die neueste Erfindung des dem italienischen Luft- 
schifferkorps ang -börgen Kapitäns Giovanni Fabbri, 
die von Major H. Bannermann-Phillips im 
»Scientific Americane beschrieben wird, in wirk- 
samster Weise abgeholfen. Die automatische Flugzeug- 
kamera von Fabbri soll nicht allein den Auf- 
klärungsflieger entlasten, sondern vor allem den 
Wert eines jeden Aufklärungsfluges ohne besonderes 
Hinzutun von seiten der Besatzung um ein Beträcht- 
liches erhöhen, und darin ist die Bedeutung der 
Erfindung vom militärischen Standpunkt in erster 
Linie zu erblicken. Dieselbe besteht im wesentlichen 
aus einer am Flugzeug in geeigneter Weise befestigten 
Kamera besonderer Konstruktion, welche automatisch 
auf einem Filmband aufeinanderfolgende Aufnahmen 
des überflogenen Geländes macht, die sich zu einer 
Art Panorama zusammensetzen lassen. Dies bringt 
den doppelten Vorteil mit sich, daß der Beobachter 
nicht allein in der Lage ist, seine Aufmerksamkeit 
gänzlich und ohne Se ER, auf das unter ihm 
befindliche Terrain und etwaige Vorgänge innerhalb 
desselben zu konzentrieren, sondern er kann auch 
seine Beobachtungen unabhängig von den selbst- 
tätigen Aufzeichnungen der Kamera in einem ge- 
schlossenen Bericht zusammenfassen, dessen Vergleich 
mit den photographischen Aufnahmen von Interesse ist. 
Zwei vn des Erfindungsgegenstandes 
sind seine geringe Größe und Schwere und seine 
außerordentliche Einfachheit. Der Apparat kann 
bequem auf jedem Aeroplan montiert und jederzeit 
nach Belieben in Betrieb gesetzt oder abgestellt 
werden, während er in der Zwischenzeit selbsttätig 
und ohne jede Bedienung seine Aufgabe erfüllt. 
Desgleichen ist es naturgemäß möglich, wie mit 
einer gewöhnlichen Kamera Einzelaufnahmen zu 
knipsen. Im großen ganzen stellt der Apparat eine 
Art Miniatur-Kinematograph dar. Er besitzt einen 
langen Film, der mittels zweier Rollen auf-, bezw. 
abgewickelt wird und auf einer Seite eine Reihe von 
Löchern in gleich großen Abständen trägt. Sobald 
ein gegen den Film drückender Stift in ein Loch 
eingreift, wird der Film gestoppt, der Objektiv- 
verschluB automatisch geöffnet und infolge der statt- 
findenden Belichtung die unterhalb des Flugzeuges 
gelegene Landschaft aufgenommen. Der Antrieb für 


98 


den Schaltmechanismus und die damit zusammen- 
hängenden Momentaufnahmen erfolgt in sinnreicher 
Weise durch einen kleinen Luftpropeller, der durch 
den Luftstrom stets nur in einer Richtung in 
Umdrehung gesetzt wird und mittels einer Vorgelege- 
welle und eines Kettengetriebes die Antriebswelle 
des Apparates in Bewegung setzt. Der Objektiv- 
verschluB wird von dieser Welle gleichfalls durch 
eine Übersetzung selbsttätig ausgelöst. Die Ge- 
schwindigkeit der Filmbewegung muß natürlich in 
Übereinstimmung mit der Geschwindigkeit des Flug- 
zeuges gegenüber dem Erdboden eingestellt werden, 
zu welchem Zwecke eine Kompensierung der in die 
Flugrichtung fallenden Windkomponente erforderlich 
ist. Diese kann in einfacher Weise durch Veränderung 
des Übersetzungsverhältnisses an der Antriebswelle 
erfolgen. Durch den unabhängigen Propellerantrieb 
ist man, abgesehen von dem Einfluß der Wind- 
komponente, hinsichtlich des Antriebes der Kamera 
nur an die tatsächliche Fortbewegungsgeschwindigkeit 
des Flugzeuges gebunden, während beispielsweise 
der Antrieb von der Hauptwelle bei Stillstand des 
Motors versagen würde. 

Ein in praktischer Hinsicht wichtiges Detail 
besteht darin, daß bei jeder einzelnen Aufnahme 
die Windrose des Kompasses und die Ablesung des 
Höhenbarometers mit aufgenommen werden, so daß 
diese zwei wichtigsten Angaben auf jedem einzelnen 
Bildchen in einer Ecke desselben genau abzulesen 


sind und daher auch diese Handaufzeichnungen fort- 
fallen. Während die Kompaßablesungen die sofortige 
geographische Orientierung nach der Nord-Südrichtung 
Ben urn, ermöglicht die Barometerablesung eine 
eurteilung der wahren Größenverhältnisse aus den 
verschiedenen Verkleinerungsgraden der Bildchen. 
Außerdem aber kann man bei richtiger Einstellung 
der Übersetzung des Schaltmechanismus dafür sorgen, 
daß die einzelnen Bilder praktisch ohne Unterbrechung 
aufeinanderfolgen, so daß jedes Bild an das vorher- 
gehende anschließt oder dieses teilweise überdeckt. 
Wird sodann der Film nach der Entwicklung in die 
einzelnen Bildchen zerschnitten und diese mittels 
übereinstimmender Bildpunkte, zum Beispiel an Hand 
einer Landstraße, eines Flußlaufes u. s. w. so 
aneinandergefiigt, daß alle Kompaßanzeigen zu- 
einander genau parallel sind, so erhält man ein 
praktisch lückenlos fortlaufendes Panorama des über- 
flogenen Geländes, bei dessen Studium nur noch 
die einzelnen Barometerablesungen zur Ermittlung 
der wahren Größenverhältnisse in Rücksicht zu 
ziehen sind. Der Film besitzt normalerweise eine 
solche Länge, daß mit einem Apparat bei einer 
Flughöhe von zirka 1200 m eine fortlaufende Flugbahn 
von rund 150 km Länge selbsttätig aufgenommen wird. 
Es wird nicht ohne Interesse sein, zu erfahren, 
daß diese militärisch zweifellos wertvolle Neuerung 
dem glücklichen Erfinder die ansehnliche Summe 
von 1½ Millionen Kronen eingebracht hat. Lampl. 


Glacialkosmogonische Beiträge zur Erdbebenforschung. 
Ein vorbereitendes Einschaltekapitel zur Erden- und Gebirgsbildung. 
Von H. Hörbiger. 


II. 


Flugtechnik und Gebirgsbildung!? — Man miB- 
verstehe uns nicht: Im letzten Dezemberheft sind wir 
ausgezogen, zur erhöhten Flieger- und Luftschiffer- 
sicherung die Möglichkeit einer länger befristeten 
(mehrtägigen — ja mehrwöchigen) Wetter- und Sturm- 
prognose durchsichtig zu machen, indem wir zunächst 
die kosmische Herkunft aller Luftmeer-Paroxysmen 
aus den solaren Vorgängen (Sonnenflecken, Fackel- 
bezirken und Koronastrahlen), bezw. das ununter- 
brochene, aber vor den Augen der Astronomen und 
Meteorologen noch immer verborgene Geschehen eines 
ausgiebigen, zwiefachen, kosmischen Wasser-, bezw. 
Eiszuflusses zur Erde zu erweisen suchen und nachher 
den drahtlichen Anschluß aller Flugstationen an glacial- 
kosmogonisch bekehrte Sonnen- und Wetterwarten als 
zweckdienlich empfehlen wollen. Dem steht aber 
nebst der vollständig irrigen Grundlage der 
heutigen Meteorologie (sie will alle Wettervorgänge 
bloß aus einem defizitlosen terrestrischen Wasser- 
kreislauf heraus erklären) auch ein weitverzweigter 
und festverwurzelter geologischer Grund- 
irrtum. entgegen: Man erblickt in den Erd- 
beben Außerungen gebirgsbildender Kräfte! 
Wir aber müssen, um den kosmischen Wasserzufluß 
glaubhaft zu machen, eine fortdauernde innerirdische 
Wasserzersetzung — also einen ausgiebigen terre- 
strischen Wasserverbrauch nachweisen und führen 
zu solchem Zwecke alle wie immer heißenden Erd- 
beben auf innerirdische, durch kosmische Kräfte aus- 
gelöste Siedeverzugsexplosionen und thermochemische 
Wasserzersetzungen zurück, die ihrerseits wieder eine 
periodisch sichtbare Wasserstoffabflutung in den Welt- 
raum (Polarlichter) und eine astronomisch nachweisbare 
Gewichtszunahme der Erde (eine Mitursache der Akze- 
leration der Mondbewegung) zur Folge haben. Somit 
erscheint uns nun auch die Aufgabe gestellt, nicht 
nur die Irrigkeit der heutigen fachmännischen 


Anschauungen über Wetterursachen, Erdbebenkräfte | 


»Ungern entdeck’ ich höheres Geheimnis! 
Mephisto im Faust II. 


und Gebirgsbildung zu erweisen, sondern auch die 
glacialkosmogenische Wahrheit an die Stelle dieser 
meteorologischen und geologischen Irrtümer zu setzen, 
bevor wir eine sonnenphysikalisch begründete, lang- 
fristige Sturmprognose widerspruchslos durchsichtig 
machen können. Das ist also jener — dem etwa 
neu herzugekommenen Leser im ersten Momente un- 
klare — Zusammenhang zwischen Flugtechnik und 
Gebirgsbildung, für welchen wir an seine Geduld 
appellieren müssen. 

Wir haben es ja letzthin gehört: »Ein richtiges 
Verständnis für die Pen en ist nur 
möglich, wenn sie im Zusammenhange mit 
der Gebirgsbildung begriffen werden- — so 
versichert uns ein führender moderner Geologe, von 
welchem wir aber mit größter Bestimmtheit 
sagen können, daß er sowohl alle Erdbeben als auch 
alle Gebirgsbildung in ihren Grundursachen gänzlich 
mißverstehen mußte, weil er (samt allen Nachfolgern 
und Schülern) seine Theorien nur auf Lyell-geo- 
at bezw. Laplace-kosmogonischer 

rundlage aufgebaut haben konnte: und diese Grund- 
lagen sind eben irrig. 

Ein kleiner Ausflug in das Gebiet der Erden- 
und Weltenbildung (Geogonie und Kosmogonie) ist 
also unerläßlich, wenn wir über irrige und wahre 
Gebirgsbildungs-Theorien mit Erfolg und bequem 
verständlich sprechen sollen. Es ist das aber »ein 
Abschnitt der Geologie, in welchem die größten 
und schwierigsten Probleme dieser Wissen- 
schaft wie in einem Brennpunkte zusammenlaufen.) 
ja, wir können da steigernd hinzufügen, daß diese 

robleme nicht nur noch viel größer und schwieriger 
sind, als sich es selbst der aufrichtigste und ein- 
sichtigste Geologe jemals innerlich zugestanden haben 
mag, sondern daß diese Schwierigkeiten auch inso- 
lange ganz unüberwindlich bleiben, als 
man auf Laplace-Lyellscher Grundlage 


*) V. Uhlig: »Über Gebirgsbildung«. Wien 1904. 


steht — daß sich aber anderseits, bei glacial- 
kosmogonischemLichte betrachtet, die Sache 
im großen ganzen dennoch wieder leidlich einfach 
gestaltet, wie es sich ja für eine neue astronomische 
Wahrheit auch geziemt. Den bewußt großsprecheri- 
schen Brustton unserer festen Überzeugung in diesen 
Dingen haben wir schon auf Seite 44 des Heftes 3 und 4 
zu entschuldigen versucht, so daß wir uns da keinen 
allzu großen weiteren Zwang auferlegen zu müssen 
glauben. Wir wollen den geneigten Leser ja auch 
nicht auf den üblichen Schleichwegen erheuchelter 
Bescheidenheit überzeugen, sondern geradeaus. 

Man schenke uns also geduldiges und auf- 
merksames Gehör: Denn nicht nur wir müssen 
hier zu seismologischen Zwecken einige kosmogonische 
Vorausschickungen machen, sondern überhaupt alle 
belehrend tätigen Geologen und Geodynamiker, ob 
sie nun popularisieren oder strenge dozieren, müssen 
in ihren Hand- und Lehrbüchern von irgend einem 
Entwicklungsvorgang und daraus ableitbarem heutigen 
inneren Zustand des Erdballes ausgehen. Nur drängt 
sich ihnen da (selbst den allerbarbarischmittel- 
europäischesten unter ihnen)*) in erster Linie immer 
wieder die heute bereits 120jährige und dennoch 
immer noch faszinierende französische »Nebular- 
hypothese« auf, wie sich ja auch gewisse Kulturkreise 
unserer Damenwelt selbst mitten im Weltkriege dem 
oft allersinnlosesten Zauber der Pariser Modelle nicht 
zu entziehen vermögen. Kein Wunder also, daß z. B. 
auch Sieberg sein »Handbuch der Erdbeben- 
kun de- also einleiten mußte: Den Ausgangs- 
punkt für diese Erörterungen bildet die Nebular- 
hypothese Laplaces, zu Unrecht meist die Kant- 
Laplacesche Hypothese der Weltbildung genannt, 
trotzdem sie nicht alle Erscheinungen 
inder planetarischen Weltzuerklären 
vermag. (Dem praktisch anwendenden Mechaniker 
und Physiker vermag diese physikalische Unmöglich- 
keit überhaupt nichts zu erklären. Und die 
heutige geologische Grundidee der Gebirgsbildung, 
die sogenanten »Kontraktionstheorie«[sowohl 
in der Geogonie als auch in der Sonnenphysik], ist 
eben nur die »streng logische« Bau dieser vom 
Bruder des Revanche-Präsidenten Poincaré »ver- 
besserten« französischen Glanzleistung.) »Ihr zufolge 
ist das Sonnensystem aus einem ungeheuren ro- 
tierenden Urgasball entstanden, indem die von 
ihm durch die Zentrifugalkraft abgeschleuderten Gas- 
ringe zerrissen und sich dann zu eigenen Weltkörpern, 
den Planeten, zusammenballten; auf diese Weise 
bildete sich auch unsere Erde.« — (Sie- 
berg.) 

Ein Vorgang, den wir in allen seinen Zusammen- 
hängen mit den heutigen solaren und terrestrischen 
Erscheinungen, sowie mit dem geologischen Geschehen 
der nahen und fernen Vergangenheit und Zukunft der 
Erde auf 800 Lexikonseiten nicht ganz erschöpfen 
konnten, erscheint hier in irriger Auslegung in sechs 
Spaltzeilen gezwängt. Und so sehr imponiert dieser 
Urgasball auch den barbarischesten Gelehrten, 
daß z.B. S. Günther in München zu dem Resultate 
kommt, daß unsere Erde etwa in den innersten zwei 
Fiinfteln des Durchmessers auch heute noch 
glutgasförmig sein müsse! Zumindest weiß 
er diesen unfreiwilligen Gelehrtenscherz mit einer 
derart imposanten physikalischen Nomenklatur aus- 
zuschmücken, daß seine Hypothese auch von den 
ernstesten Berufsforschern erwähnenswert gefunden 
wird. Sieberg berichtet hierüber weiter: »Dabei 
nimmt Svante Arrhenius**) an, daß die unter ge- 
waltigem Drucke und sehr hoher Temperatur stehen- 
den Gase so stark zusammengepreßt wären, daß sie 
sich praktisch nahezu wie feste Körper verhielten, nur 
mit dem Unterschiede, daß schon bei Änderung des 

*) Vgl. Fußnote auf Seite 47 des Heftes 3 und 4. 


5 Arrhenius: Lehrbuch der kosmischen Physik, 1903, 
und -Das Werden der Welten«, 1908. 


99 


Druckes starke Massenverschiebungen einträten.« 
Offenbar will Arrhenius auf diese Weise die 
Möglichkeit eines »Dislokationsbebens« in der auf 
hochgepreßter gasiger Unterlage schwimmenden 
festen Erdkruste glaubhaft machen. Wir wollen es den 
rheinländisch-westfälischen Berg- und Hüttenwerks- 
physikern und Chemikern überlassen, da Mitdenk- 
versuche anzustellen — und wenn solche nicht ge- 
lingen sollten, den schwedischen Nobelpreisträger 
eines Besseren zu belehren. 

Als vorläufiger Notbehelf einer gründlicheren 
Kritik der Nebularhypothese seien Holzmüllers 
»Elementare Betrachtungen über das Sonnensystem« 
empfohlen.*) Doch warnen wir auch da wieder vor 
seiner freundlichen Stellungnahme zu v. Helm- 
holtzens Sonnenenergie-Erhaltung und zur berüch- 
tigten A. Schmidtschen »Sonnentheorie«. Erstere 
ist nämlich nichts anderes, als ein Ausbau der Nebular- 
hypothese aus der kosmologischen Vergangenheit in 
die Gegenwart der Sonne herein. Die Schmidtsche 
Sonnentheorie ist gar das Abgeschmackteste, was 
jemals ein Stubengelehrter zu Markte gebracht hat. 
Auch tut dieser sonst gründliche Nebularhypothesen- 
Kritiker unserem Kant zu sehr Unrecht. Eine Kant- 
Laplacesche Hypothese gibt es nicht, denn Kant 
ging nicht vom Urgasball, sondern von staubförmig 
verteilter Masse aus und gab sich die für seine Zeit 
denkbar anerkennenswerteste Mühe, in diesem Chaos 
zunächst eine Revolutionseinleitung plausibel 
zu machen. Wir haben seinen Gedankengang in un- 
pA Al a auch dementsprechend zu wiirdigen 
gewubt. 

Aus glacialkosmogonischen Überlegungen müssen 
wir neuerdings der älteren, vorlaplaceschen »Fluiditäts- 
hypothese« huldigen, indem nach unserer Überzeugung 
alle inneren Planeten (die äußeren bestehen sozusagen 
aus purem Wasser, bezw. Eis) einschließlich der Sonne 
ausdem Zusammenflusse glutflüssiger 
Sprengmassen der partiellen (einseitigen) Dampf- 
explosion eines gigantischen Muttergestirnes hervor- 
gegangen sind, aus welcher Tatsache sich nicht nur 
die stoffliche Einheitlichkeit der gesamten Sonnen- 
welt, sondern auch alle Arten von Bewegung in der- 
selben (die translatorische des Sonnensystems durch 
den Weltraum, sowie auch Umlaufs- und Dreh- 
bewegungen aller Planeten und Monde einschließlich 
der Sonne) einheitlich herleiten lassen. Hienach ist 
die Erde in etwa vier bis fünf Sechsteln ihres Außen- 
durchmessers innen durchaus weißglutflüssig und von 
einer solchen mineralischen Zusammensetzung, die 
sich beiläufig ergäbe, wenn man sämtliche bisher 
wirklich zur Erde gefallenen Meteormassen verschie- 
densten Eisengehaltes einschmelzen, umrühren und 
absetzen lassen würde. Keinesfalls können die Glut- 
flußmassen des tieferen Erdinnern jene Eisenarmut 
(oder Metallarmut überhaupt) aufweisen, wie die uns 
zugänglichen vulkanischen Laven und plutonischen 
Massengesteine, weil wir ansonsten nicht auf das 
spezifische Durchschnittsgewicht der Erde von 5°56 
kommen könnten. Durch den hohen Schwerdruck des 
nen Erdinnern allein, läßt sich diese hohe 

ischdichte der Erde nicht erklären, da ja die Zu- 
sammendrückbarkeit des flüssigen Magmas, ähnlich 
nn des Wassers, gar bald eine Grenze erreichen 
muß. s 

Es sei nun auch der zu solchem Erdzustand 
führende glacialkosmogonische Gedankengang kurz 
angedeutet: Es liegt offenbar ein großer Widersinn 
in der heutigen astronomischen Lehrmeinung, daß 
dietranslatorische Bewegung des Sonnen- 
systems von 16 bis 20 km’Sek. nach dem Sternbilde 
der Leyer hin eine Folge jener inter- 
stellaren Anziehung sei, welche für uns aus 
den Leyer- und Herkulessternen herresultiert, während 


*) Holzmüller: »Elementare Betrachtungen über das 
Sonnensystem und Widerlegung der von Kant und Laplace 
aufgestellten Hypothesen über dessen Entwicklungsgeschichte«, 
1906. 


100 


doch offenbar viel enger stehende Sterne 
einzelner Sterngruppen sich einander nicht nähern. 
Nicht nur die engeren eigentlichen Sternhaufen (wie 
der berühmte im Herkules) müßten sich ohne Umlaufs- 
bewegung um einen gemeinsamen massigen Schwer- 
punkt schon in fernrohrgeschichtlicher Zeit zu einem 
einzigen Sterne kondensiert haben, sondern auch 
Sterngruppen, wie etwa das bekannte Siebengestirn, 
könnten nicht bestehen, wenn es eine Anziehung auf 
interstellare Entfernung gäbe. Und zu dieser 
letzteren verhält sich eine interplanetarische 
Entfernung wie etwa die verschiedensten Bruchteile 
eines Millimeters zum verschiedensten Vielfachen des 
Kilometers. 

Zu einer solchen Einschränkung der Schwerkrafts- 
Fern wirkung bedarf es nicht etwa einer gewaltsamen 
und tiefgreifenden Änderung der im engeren Planeten- 
Ne und in Doppelsternsystemen längst bewährten 

ewtonschen Gravitationsformel, sondern nur der 
Einführung eines mit der Entfernung auch irgendwie 
höher potentiell zunehmenden Leitungsverlustes 
der Schwerefernwirkung. Das reine Newtonsche 
Gravitationsgesetz hat eine negative Strahlung 
zur stillschweigenden Voraussetzung, eine Art von 
Saugstrahlen, welche das anziehende Massen- 
zentrum in gleicher Dichte nach allen Seiten des 
Raumes entsendet -- gleich einer strahlenden Licht- 
quelle. Dabei wird weiters stillschweigend voraus- 
gesetzt, daß diese Saugstrahlen einzeln ungeschwächt, 
mit stets gleichbleibender Intensität, 
bis in alle Raumestiefen, also abermals stillschweigend 
auf alle interstellaren Entfernungen hinaus 
sich fortsetzen. Denn nur unter diesen Voraussetzungen 
nimmt die Sonnenschwere (oder die Schwere schlecht- 
hin) genau umgekehrt proportional dem 
Quadrate der Entfernung oder proportional der nach 
außen abnehmenden Anzahl solcher Saugstrahlen pro 
Flächeneinheit ab. Welcher Art immer aber das 
physikalische Wesen der Schwere und ihrer inter- 
medialen Fernwirkung auch sei (ob Ätherdruck, 
ob wirkliche Anziehung etc.“), so wird man immer 
auch mit einem Fernwirkungsverluste, einem 
Leitungsverluste der Schwere, oder einer Art von 
intermedialem Absorptionsverluste zu 
rechnen haben, wie ja, auch vielseitige technische 
Erfahrungen im Energie-Übertragungswesen es lehren. 
Um solchem Verluste sinnfälligen Ausdruck zu geben, 
denke man sich die oberwähnten Gravitations-Saug- 
strahlen nach außen nicht nur an spezifischer Dichte 
(Zahl pro Flächeneinheit), sondern auch an Einzel- 
intensität abnehmend, und zwar bis zum völligen 
Verlöschen in etlichen Neptunfernen, womit einem 
mechanisch-erfahrenen Gefühle auch nicht die ge- 
ringste Gewalt angetan erscheint. 

Um unserer Ehrfurcht vor dem Gravitationsgesetze 
eines diesmal ausnahmsweise seelisch sehr hoch- 
stehenden Engländers (Newton) keinen Abbruch 
zu tun, bezw. um im Aufbau der so einfachen Gravi- 
tationsformel keine weiteren konstruktiven Änderungen 
vorzunehmen, hatten wir seinerzeit nach bescheidenem 
Dafürhalten bloß vorgeschlagen, im Gravitationsfaktor 
des umgekehrten Entfernungsquadrates 1/a* den Ex- 
ponenten so zwar variabel zu gestalten, daB man 
anstatt 1/a? setzt: 1/a?+x. Der konservative Astronom 
hätte sich also nur diese zusätzliche variable Ex- 
ponentialgröße x als eine Art hyperbolischer Funktion 
der Entfernung zu denken, deren Kurve (auf die 
Sonnenschwere bezogen) innerhalb der Zone der 
dichteren inneren Planeten (längs des Radius- 
vektors als Asymptote hinschleichend) für x praktisch 
Nullwerte ergibt — und erst draußen bei den um so 
vieles ferneren großen oder äußeren Planeten 
(Jupiter. Saturn, Uranus, Neptun und bei den trans- 
neptunischen Planetoiden) sich allmählich hyperbolisch 
von der Asymptote erhebt und in dem Maße in der 


*) Vgl. Isenkrahe: »Das Rätsel von der Schwerkraft«, 
1879. 


Rechnung fühlbar wird, als dort auch die Fehler- 
grenzen der beobachtungstechnischen Kontrolle sich 
mehr und mehr erweitern. Das will sagen: Durch die 
teleskopische Meßkunst kann nicht konstatiert 
werden, ob durch die rechnerische Verarbeitung 
dar beobachteten Planetenörter nicht doch etwa 
die Jupiterbahn um Tausender, die Saturnbahn um 
Zehntausender, die Uranusbahn um Hunderttausender 
und die Neptunbahn um etliche Millionen des Kilo- 
meters zu groß gefunden wurde — und größer 
brauchen diese Abweichungen auch nicht zu sein, 
um bei der weiteren hyperbolischen Verlustzunahme 
zu einem völligen Verlöschen der Sonnenschwere in 
etlichen Neptunfernen zu gelangen. Das will 
weiter besagen, daß gar keine untrüglichen Beweise 
dafür erbracht werden können, daß die durch Newton 
erst durchsichtig gewordenen drei Kepler-Gesetze 
auch für größere interplanetarische Entfernungen 
streng mathematisch genau sind. Dieselben dürften 
nach vielen technisch-physikalischen Analogien auch 
wohl nur den Asymptoten jener sanft geschwungenen 
Kurven vergleichbar sein, welche erst die mathematisch 
genaue Wahrheit darstellen — oder kurzen Stücken 
solcher Kurven, die man praktisch durch Gerade er- 
setzen darf. Von der Erde nach auswärts fehlt uns, 
wie gesagt, die schärfere Meßkontrolle der Rechnung; 
man bestimmt die Entfernungen einfach nach dem 
zweiten und dritten Gesetze Keplers, ohne zu 
zweifeln oder eine schärfere Meßkontrolle für nötig 
zu halten. Und von der Erde nach einwärts ist es ja 
bekannt, daß Merkur (und der Enkesche Komet) 
sich der Rechnung nicht recht fügen will, wobei aller- 
dings der in Sonnennähe etwas größere Medium- 
widerstand und die dort sich drängenden klein- 
planetarischen Massen mitwirken mögen. 

Wir vertreten also die Ansicht, daß die Sonnen- 
schwere von der Erde nach auswärts allmählich 
rascher abnimmt und daher in Sonnennähe 
auch etwas rascher zunimmt als gewöhnlich 
gerechnet wird. 

Es ist auch zu bedenken, daB zu Newtons 
Zeiten weder die ungeheuren Fixstern-Entfernungen 
noch die Fixstern-Eigenbewegungen und die trans- 
latorische Bewegung unseres Sonnensystems nach 
den Leyersternen hin, noch aber Uranus und Neptun 
bekannt waren, also das Gravitationsgesetz auch un- 
möglich in jener interstellaren Reichweite 
gedacht sein konnte, welche ihm heute in verzeih- 
licher wissenschaftlicher Loyalität stillschweigend und 
kritiklos unterlegt wird. Wohl dachte sich Newton 
sein Gesetz für alle Massen und alle Orte des 
unermeBlichen Weltraumes geltend, wie es in oben 
ausgeführter glacialkosmogonischer Beschränkung ja 
auch richtig ist; denn wo immer im Weltenraume sich 
Planeten und Monde um einen Fixstern schwingen 
mögen, werden dort dieselben Gesetze herrschen 
wie bei uns; doch würde Newton unsere Sonnen- 
Eigenbewegung wohl kaum als eine summarische 
Anziehungswirkung der Leyer- und Herkules- 
Fixsternmassen angesehen haben, wenn er deren 
Entfernung auch nur annähernd gekannt und von 
der Sonnen-Eigenbewegung überhaupt etwas gewußt 
hätte. 

Wir sind daher auch fest davon überzeugt, 
daß alle jene Berechnungen großer Kometen (im 
glacialkosmogonischen Sinne nichts anderes als trans- 
neptunische Planetoiden, die dem Neptun bei seinen 
Mondeinfangsversuchen entwischt sind und zur Sonne 
gelenkt wurden), welche über etwa 100 Jahre Umlaufs- 
zeit ergeben, irrig sein müssen. Und man errechnete 
mit dem auf große interplanetarische Entfernungen 
ebenso sorglos angewendeten zweiten und dritten 
Kepler- Gesetz ja auch Kometen-Umlaufszeiten von 
5, 10, 20, 30, ja sogar 75 tausend Jahren! Wirklich 
zurückgekommen sind aber nur vier von den großen 
Kometen mit mäßig längerer Umlaufszeit von 61°12, 
71°56, 72°65 und 7603 Jahren — und davon sind 
rechnerisch nur die letzten drei um 36, 35 und 52 


Erdbahnradien über eine mittlere Neptunferne hinaus- 
un Kein Komet kehrt aber jemals wieder zur 
onne zurück, der sich einmal über 2 oder 2½ Neptun- 
fernen hinausgeschwungen hat, weil er da schon in 
das Gebiet der rascheren Abnahme der Sonnenschwere 
und mit dem Reste seiner lebendigen Kraft 
dem Anziehungsgebiet der Sonne leicht entrinnt und 
im schwerelosen Raume geradlinig weiterschwebt. 
Aber auch bei diesen zurückgekommenen vier großen 
Kometen sind notwendig die großen Bahnachsen 
etwas kleiner, als dies rechnerisch angegeben wird, 
weil ja die Abweichung von den Kepler-Gesetzen 
nur eine mit der Entfernung ganz allmählich 
zunehmende sein kann. Und unter jenen vermeintlich 
nicht zurückgekommenen großen Kometen, deren be- 
rechnete Umlaufszeiten um 80 und 90 jahre herum 
liegen, werden wieder manche sehr wohl zurück- 
ekommen sein, jedoch notwendig mit so großer 

erspätung, daß man sie nicht wieder erkannt, 
sondern für neu entdeckte gehalten und neu be- 
rechnet hat. Daß aber Kometen mit beobachteten 
Bahnelementen, die rechnerisch viel über 100 oder 
gar 200 Jahre Umlaufszeit und mehr ergeben, jemals 
wieder zur Sonne zurückkehren, ist ganz aus- 
geschlossen. 

Wir können in der Betonung der Unmöglich- 
keit, Unzulässigkeit — ja Unsinnigkeit 
einer interstellaren Schwerkrafts fern wirkung kaum 
jemals zu viel tun, da gerade in diesem Punkte 
das voraussichtliche Kopfschiitteln der Kometenbahn- 
berechner oder anderer einfluBreicher astronomischer 
Skeptiker unsere flugtechnischen Leser an uns irre 
machen kann. So geschah es auch 1899, als uns nach 
einem Leoniden- und Sonnenfleckenvortrag der be- 
kannte groBe Physiker und (technisch ganz unerfahrene) 
Gasmechaniker Dr. Boltzmann einwarf, »er glaube 
bestimmt behaupten zu können, daß die Gravitation 
doch unvergleichlich weiter in Newtons Gesetzes- 
zwang reichen müsse. Zwei Siriusweiten schienen 
ihm als Reichweite der Sonnenschwere eher möglich, 
als zwei Neptunfernen, wie es unsere damaligen 
zeichnerischen Vortragsunterlagen schematisch 
versinnlichten. Dies erhelle aus den Bewegungen 
der Doppelsterne, zwischen welchen das reine 
Gesetz noch keine Abweichung zeige. Die freisichtbare 
Milchstraße liege außerhalb der sıchtbaren Fixsterne, 
anders wäre eine Parallaxe längst erkannt worden.« 

Wir hatten nämlich in jenem Vortrage die frei- 
sichtbare Milchstraße als ein, aus, im reflektierten 
Sonnenlichte leuchtenden Eiskörpern (Kleinkometen 
und Sternschnuppen) bestehendes pseudo planetari- 
sches Gebilde von nur etlichen Neptunfernen 
mittlerem Ringradius erklärt. Als zahllose kleine 
Eiskometen, die seit jeher in ihrem außerhalb Sonnen- 
schwerebereich liegenden Entstehungs-Aphelium re- 
lativ stille stehen und nur translatorisch mit 
uns kommen. Man kann auch sagen: Es sind das weit 
transneptunische Eisplanetoiden, die in jenem großen 
Sonnenabstande nur mehr die Umlaufsgeschwindigkeit 
Null brauchen, um jene Zentrifugalkraft Null zu 
erzeugen, die der dort herrschenden Sonnenschwere 
Null das Gleichgewicht hält. Anders lassen sich 
nämlich die Sonnenflecken, deren heliographische 
Verteilung und deren Periodizität nicht erklären. 
Es stürzt solches galaktisches Eis in die Sonne, und 
zwar in einer durch die äußeren Planetenmassen be- 
dingten, sehr verwickelten Periodizität. 

Behufs Wiedergewinnung eines durch obigen 
souverain hingeworfenen Machtspruch Boltzmanns 
unsicher gewordenen Gönners der Glacialkosmogonie 
wurde damals (1899) schleunigst eine Durchmusterung 
aller zugänglich gewesenen Doppelsterndaten vor- 
genommen: Die linearen Komponenten-Entfernungen 
der bis dahin von den beobachtenden Astronomen 
linear ausgemessenen fünf Doppelsterne bleiben 
alle unter einer Neptunferne. Es sind dies 23˙6, 
20:1, 19:5, 23°99 und 13:0 Erdbahnradien — und eine 
Neptunferne beträgt 30°05 Erdbahnradien! Aber auch 


gelan 


101 


alle übrigen helleren, linear noch nicht aus- 
emessenen, sondern bloß nach Gesichtswinkel und 
mlaufszeit bekannten Doppelsterne müßte man in 
(ihrer Helligkeit nach) ganz unnatürliche Weltraum- 
tiefen hinausgeschoben denken, wenn deren linearer 
Komponentenabstand an zwei Neptunfernen heran- 
reichen oder über dieselben hinaus wachsen soll. 
Und eine Siriusferne Boltzmanns mißt beiläufig 
18.300 Neptunfernen! Also beweist auch gar keine 
Bewegungsform der Doppelsterne irgend etwas gegen 
das völlige Verlöschen der Sonnenschwere in — sagen 
wir vorsichtig und gelinde — etlichen Neptun- 
fernen! 

Unter den Leyer- und Herkulessternen, nach 
welchen unser geradliniger Sonnenflug bei 16 bis 
20 km/Sek. hin gerichtet ist, leuchtet Wega am 
weitaus hellsten. Er ist demnach höchstwahrschein- 
lich auch der uns weitaus nächste Fixstern unserer 
Sonnenreiseziel-Gegend. Alle übrigen Fixsterne jener 
Himmelsgegend können einzeln 10, 100, 1000 und 
10.000 mal weiter abstehen. Und Wegas Ent- 
fernung von der Sonne beträgt rund 
43.000 Neptunfernen! Und aus solchen Ent- 
fernungen soll für unsere Sonne eine derartige An- 
ziehung resultieren, daß sie heute schon mit 16 bis 
20 km/Sek. dahinfliegt! Das steht denn. doch mit 
den sonst üblichen, auf viele Dezimalen genauen 
Denkgesetzen der Astronomen in allzu auffallendem 
Widerspruch. 

Wenn also die übrigens von der Nebular- 
hypothese gänzlich ignorierte Eigen- 
bewegung der Sonne und der Fixsterne keine 
Gravitationserscheinung sein kann, so muß sie 
notwendig eine Trägheitserscheinung 
sein, da es ein Drittes nicht gibt. Und das führt 
eben zu einer kosmischen Ballistik, nach welcher 
unser Sonnensystem nicht das Kondensat eines 
ruhenden und (man verrät uns nicht woher) rotieren- 
den Glutgasballes von mehr als Neptunbahn- 
durchmesser (an sich schon eine physikalische Un- 
möglichkeit) sein kann, sondern schon den beinahigen 
Endzustand des ursprünglichen Zentrums einer kosmi- 
schen Glutprojektilwolke darstellt, welche (wie schon 
erwähnt) aus der einseitigen und kleinst-teilweisen 
Dampfexplosion eines Riesenfixsterns vom viel- 
millionenfachen Volumen unserer heutigen Sonne 
hervorgegangen ist. Solche »Giganten« der Fixstern- 
welt sind durch Hertzsprung erst in jüngster 
Zeit auf photographischem Wege entdeckt und so 
benannt worden. Sie zeichnen sich durch verhältnis- 
mäßige »Kühle« (äußere Hellrotglut anstatt WeiB- 
glut) aus und entbehren wahrscheinlich auch der 
sogenannten Photosphäre (Glutgasozean über dem 
bodenlosen Glut flu B ozean), wie in unserem Haupt- 
werke genetisch verständlich gemacht erscheint. Wir 
reihen sie aber absichtlich dem weiblichen »Fix- 
stern«geschlechte ein und nennen sie Gigantinnen, 
denn sie sind im glacialkosmogonischen Sinne die 
Zuchtmütter neuer Sonnensysteme und Stern- 
haufen etc. Es sind das wirkliche »F ix« sterne, denn 
sie können aus glacialkosmogonisch ableitbaren 
Gründen nur mehr ganz geringe Eigenbewegung 
und auch kaum eine zeitmessende Rotation besitzen. 
Durch ihre riesige Masse und Anziehungskraft evaku- 
ieren sie auch notwendig den sie umgebenden Welt- 
raum bis in viel beträchtlichere Raumestiefen hinaus, 
als etwa die Anziehungskraft unserer Sonne reicht, 
so daß ihnen jedes nahe kommende normale Gestirn, 
Meteor etc. unrettbar verfällt und ihre Masse in 
um so rascherem Zunehmen begriffen sein muß, je 
massiger sie bereits sind. Kein eingefangener Be- 
gleiter kann sich lange halten und etwa mit seinem 
Planeten umlauf die Zeit messen oder der masse- 
lüsternen Gigantin Äonen hindurch Gesellschaft leisten. 
Haarscharf passen daher auf sie die ansonsten dunk- 
len Mephistoworte: »Ungern entdeck ich 
höheres Geheimnis. — Göttinnen thronen hehr 
in Einsamkeit, — Um sie kein Ort, noch weniger eine 


102 


Zeit; — Von ihnen sprechen ist Verlegenheit. — Die 
Mütter sind es! Schaudert’s dich? — Nach ihrer 
Wohnung magst instiefsteschürfen, — 
Du bist schuld, daß ihrer wir bedürfen! — Nicht 
Schlösser sind, nicht Riegel wegzuschieben. — Von 
Einsamkeiten wirst umhergetrieben. — Hast du Be- 
griff von Öd’ und Einsamkeit? — Bist du bereit?« 

Fast jeder neue Stern*) und jedenfalls auch 
jeder Sternhaufen, jede Sterngruppe und jede »Star- 
drifte (weite Sterngruppen mit gemeinsamer, etwas 
divergierender Eigenbewegungsrichtung) ist das 
Resultat einer solchen Gigantian-Niederkunft im ver- 
schiedenen Alters- und Entwicklungsstadium. Fla m- 
marion hat ja auch schon drei »Eilsterne« ge- 
funden, deren geradlinige Flugbahnen, nach rückwärts 
verlängert, sich in einem Punkt des unermeßlichen 
Weltraumes treffen, somit ebenfalls auf eine dortselbst 
stattgehabte lateral-partielle Gigantian-Explosion hin- 
weisen. Und aus einer solchen ist auch unser Sonnen- 
system einschließlich der Milchstraße 
hervorgegangen). 

Unsere Sonnenwelt bewegt sich demnach aus 
reinen Trägheitsgründen mit etwa 16 bis 
20 km / Sek. nach dem Sternbilde der Leyer (dem 
sogenannten Sonnen a pex an der Grenze des Herkules- 
sternbildes) hin und die ganze Milchstraße 
kommt mit uns. Der Ausgangspunkt dieser sowohl in 
Vergangenheit als in Zukunft unermeBlich langen, 
geradlinigen Sonnenreise, der sogenannten Sonnen- 
antiapex (Sonnenstart), liegt somit dem Sonnenapex 
Sonnenziel) weltraumdiametral gegenüber; also im 

ternbilde der Taube etwa. Von dorther wurde 
nun der Baustoff unseres Sonnensystems vor geo- 
logischen Ewigkeiten mittels Dampfexplosivkraft nach 
dem gegenüberliegenden Sternbilde der Leyer hin ab- 

eschossen, bezw. dampfkolbenartig beschleunigt. 

nd auf diesem langen geradlinigen Wege vom 
Sonnen antiape x her hat die Planetenwelt, und somit 
auch unsere Erdenheimat, ihre bisherige Entwicklung 
vim Fluge« (1) durchgemacht, um sie auch nach dem 
Sonnen a pex hin im Fluge unaufhaltsam fortzusetzen. 
Zu solcher Entwicklung gehört nun auch die von den Geo- 
logen und Geodynamikern so gänzlich mißverstandene 
Gebirgsbildung der geologischen Vergangen- 
heit und Zukunft. Es wird uns sogar leichter fallen, 
einen Späherblick in diese nächste geologische 
Zukunft zu werfen, als in die Vergangenheit, weil 
uns zu solchem Zwecke die Masse des diesmaligen 
Erdmondes bekannt ist und rechnerisch verwertet 
werden kann, wie aus Fig. 3 und 4 ersichtlich ist. Und 
aus dieser geologischen Zukunft können wir dann 
auch die Gebirgsbildung der geologischen Vergangen- 
heit leichter ermessen, um dann erst Schlüsse auf 
das geologische Dunkelder Gegenwart, 
somit auch der Erdbeben mit Erfolg wagen zu dürfen. 

Vorausgreifend sei vorläufig hier nur erwähnt, 
daß diese Gebirzebildung durchaus kein permanen- 
tes, allmähliges geologisches Geschehen darstellt, 
wie unsere Ly el! getreuen Erdbebentheoretiker irre- 
gefiihrtermaBen meinen; sie erfolgt vielmehr immer 
erst nach jahrmillionenlangen Pausen geologischen 
Kleingeschehens (bezw. verhältnismäßigen Nichts- 
geschehens) in von unserem Altmeister SueB (trotz 
seiner teilweisen Lyell gefolgschaft) längst erahnten 
»Episoden von so unsagbar erschütternder 
Gewalt, daß die Einbildungskraft sich 
sträubt, das Bild auszumalen, für welches 
der führende Verstand aus den Profilen 
großer Kettengebirge heraus die allge- 
meinen Umrisse setzte. — (»Antlitz der Erde«.) 
Wir sehen also: Cuviers alte Katastrophenlehre 
dem Engländer Lyell zuliebe äußerlich hartnäckigst 


) Es gibt nämlich auch neue Sterne, welche bloß das 
stattgehabte Ineinanderfliefen der beiden glutflüssigen Kom- 
ponenten eines bereits engsten Doppelsternes (Algoltypus) 
signalisieren. 

**) Bezüglich des Näheren über Milchstraßengenesis, 
vergl. Fauth: »Hörbigers Glacialkosmogonie« 1913. 


leugnen, innerlich ihrer aber dennoch dringendst be- 
dürten — das ist die Kennzeichnung der philoso- 
phischen Gedankenwelt der älter erfahrenen, be- 
dächtigeren und führenden unter unseren modernen 
Geologen. 

Diese von Sueß geahnten Gebirgsbildungs- 
»Episoden von unsagbar erschütternder 
Gewalt« werden wir in den so zu nennenden Kata- 
kiysmen der einzelnen Mondangliederungen (und 
Auflösungen) an unserer Erde kennen lernen, wozu 
wir jedoch noch etwas weiter ausholen müssen, um 
den Gedankengang nach Tunlichkeit lückenlos zu 
gestalten. 

Dorten, hinter uns, am Orte des Sonnen- 
antiapex, im Sternbilde der Taube ist also vor. 
kosmologisciten Zeiträumen unsere gigantische 
Sternenmutter, von einem jüngst eingefangenen gänz- 
lich wasserdurchtränkten (also dunklen) Begleiter 
von etwa Neptun- bis Jupitergröße umkreist, ebenfalls 
aus Trägheitsgründen in majestätisch langsamer 
Drehung und Eigenbewegung dahingewandelt; sie 
kann vielleicht auch heute noch in der Umgebung 
derTaube irgend wo aufgefunden werden. Aus himmels- 
mechanischen Gründen mußte sich jener dunkle ver- 
hältnismäßig kleine Begleiter samt seinem Sicker- 
wassergehalt schließlich dieser seiner Herrin einver- 
leiben. Und in Gestalt solchen Sickerwassers hatte 
nun Vater Kosmos sein belebendes Sperma 
in den Schoß unserer Sonnensystem-Mutter gesenkt, 
deren hoffnungsfrohe Schwangerschaft damit besiegelt 
ward. Diese eingedrungene Wassersprengbombe konnte 
durchaus nicht sofort eingeschmolzen werden, wie 
hüttenmännisch unerfahrene Thermodynamiker etwa 

lauben dürften, weder durch Wärmeumsetzung der 

ewegungsenergie, noch durch Wärmeübertragung 
aus den umflutenden Glutflüssen ; ihre Oberfläche 
wird den Glutmedien vielmehr als Kondensator dienen, 
nachdem vorher der größte Teil der Bewegungsenergie 
in einen umrasenden GlutfluBsturm umgewandelt 
wurde. Unter hohem Druck, wasser- und dampfdicht 
umschlackt, gelangt unsere Wassersprengbombe endlich 
in der Tiefe der eigenen Dichte zur Ruhe, und heutige 
Erden jahrtausende kann es dauern, bis der Zustand 
des »Siedeverzuges« (vergl. Seite 19 und 20 des Jänner- 
doppelheftes) und damit auch die dauernde Explosions- 
bereitschaft der Glutgigantin erreicht ist. Solches, unter 
einem Drucke von vielen zehntausend Atmosphären in 
den Bombenporen fest eingeschlossenes und im Siede- 
verzug befindliches Wasser ist durchaus einer Melinit- 
bombe von gigantischen Dimensionen zu vergleichen. 
Eine geringe Erschütterung oder zufällige geringe 
Druckentlastung, etwa durch Einfang eines neuen 
kleinen kurzlebigen Trabanten, genügt, um die nach 
irdischen Begriffen unfaßbar große seitliche Teil- 
explosion auszulösen, gegen welche nicht nur unsere 
Dampfkessel und 42er Mörsergeschoßexplosionen, 
sondern auch die physikalisch viel ähnlichere Krakatau- 
eruption oder auch die größtbeobachtete eruptive 
Sonnenprotuberanz das bloße Platzen einer Seifen- 
blase darstellt. 

Man kann die mittlere Dichte der Wasserspreng- 
bombe etwa zwischen 6 und 9 liegend annehmen und 
jene der damit zu schwängernden Glutgigantin außen 
etwa mit rund 1 und im Zentrum mit 15 bis 20, so daß 
die Bombe in der Tiefe von etwa ein Drittel bis zur 
Hälfte des Gigantienradius die Kugelschichte dereigenen 
Dichte antreffen und dort endlich zur Ruhe kommen 
dürfte. Aus solcher Tiefe (von etwa 2000 bis 3000 
und mehr Erddurchmesser) wird nun bei der schließ- 
lichen Explosion eine beiläufig kegelförmige Glutfluß- 
masse, in Billionen von einzelnen Glutfetzen oder 
Glutflußprojektilen zerstiebend, in einem weiteren 
kegelförmigen Raum hinausgeblasen. Man muß sich 
da eine Art von weitstreuendem Mörserschuß, eine 
Glutprojektilwolke vorstellen, deren Elemente je nach 
Tiefenursprung Faust- bis Haus- und Berggröße 
aufweisen und mit Anfangsgeschwindigkeiten von 
Hunderten und Tausenden von Sekundenkilometern 


belebt werden. Solche Anfangsgeschwindigkeiten 
können natürlich nicht durch einen bloß momentan 
wirkenden Explosionsstoß erzeugt werden, sondern 
man hat sich da eine Art von Dauerdruckwirkung, 
ähnlich dem Verbrennungsvorgang im Dieselmotor, 
nur im gigantischesten Raum und Zeitmaßstab, vor- 
zustellen. Auf Strecken von vielen hunderttausend 
Kilometern werden diese, das Baumaterial zu einem 
neuen Sonnensystem bildenden GlutfluBprojektil- 
massen, durch sozusagen stoBfreie Gas- und Dampf- 
druckwirkung beschleunigt, um, nicht allzusehr zerstoben, 
eine so hohe Anfangsgeschwindigkeit zu erreichen, 
daß der größte Teil der Glutprojektilwolke noch mit 
einem namhaften Geschwindigkeitsreste dem An- 
ziehungsbereiche der mütterlichen Gigantin enteilen 
kann. Ein Teil der langsameren Nachzügler erreicht 
die mütterliche Anziehungsgrenze nach außen natürlich 
nicht und muß sich dann in den verschiedentlichen Rück- 
sturzbahnen wieder dem Muttergestirne einverleiben. 
Anderseits vermag der höchstbeschleunigte, spezifisch 
leichteste und kleinstkörperige Teil der dahinrasenden 
Glutprojektilwolke nicht nur dem mütterlichen An- 
ziehungsbereiche, sondern auch dem des massigeren 
Projektilwolkenteiles selbst in schon abgekühltem und 


erstarrtem Zustande gleich anfangs zu enteilen ; und aus 


solchen kleinsten Explosionsflüchtlingen rekrutiert sich 
eben der meteoritische Gehalt des Fixsternraumes. 
Unzählbare Billionen von Meteoriten werden also 
bei einer solchen Sonnensystemgeburt mitgeboren, 
die aber im glacialkosmogonischen Sinne durchaus 
nicht mit den Sternschnuppen verwechselt 
werden dürfen. Und solche Meteormassen sind es 
auch, welche in ihrer kinetischen und potentiellen 
Energie die gegenseitige Erhaltung der Fixsterngluten 
garantieren; denn in die Anziehungsbereiche anderer 
Fixsterne gelangend, stürzen sie in letztere und ver- 
wandeln ihre hohe Einschußenergie wieder in Glut- 
wärme. Damit gelangt auch die Robert Mayersche 
Sonnenenergieerhaltung (der von Helmholzschen 
Sonnen-»Kontraktionslehre« gegenüber) wieder 
zu ihrem alten Rechte, wie nur nebenbei bemerkt 
sein möge. 

Die langsameren und massigeren Elemente der 
dem sternmütterlichen Anziehungsbereiche glücklich 
enteilten Projektilwolke verbleiben aber vorläufig noch 
alle innerhalb der Reichweite des gemeinsamen Glut- 
projektilschwerpunktes, der im Falle unseres Sonnen- 
systems mit etwa 20 km/Sek. dahinschwebte. Hätten 
diese Elemente in unserem Falle alle die gleiche 
hinaus gerettete Geschwindigkeit gehabt, so würde 
deren gegenseitige Anziehung zu einer vollständigen 
Vereinigung im gemeinsamen Systemschwerpunkte 
geführt haben und das heutige Resultat wäre eine 
vielmals größere, aber planetenlose, nicht 
rotierende Sonne gewesen, die heute ohne uns 
mit etwa 20 km / Sek. nach der >L e y e re hinflöge. Weil 
aber die einzelnen Elemente dieser schließlich restieren- 
den Glutprojektilwolke von verschiedener Größe, Dichte 
und Masse, somit auch schon von verschiedener Ge- 
schwindigkeit (von beiläufig 15 bis 30 km/Sek.) 
waren, und weil diese Baustoff-Glutflußwolke auch 
eine soweit unregelmäßige Form gehabt haben mußte, 
daß deren Massenschwerpunkt auch nicht mit dem 
stereometrischen Schwerpunkt zusammenfallen konnte 
— und schließlich weil die ursprünglichen Elementen- 
Flugbahnen nach außen notwendig etwas divergierten, 
so mußte aus hier schwer erörterbaren, vom erfahrenen 
Leser aber erahnbaren Gründen, eine Drehung und 
Abflachung der durch die gegenseitige Schwere 
zusammengehalten dahinfliegenden Glutprojektilwolke 
eingeleitet werden, also ein linsenförmiger Glut- 
projektilkreisel entstehen. Und im Schwerpunkte dieser 
aus ballistischen Trägheitsgründen geradlinig 
dahinschwebenden und rotierenden Glutprojektillinse 
beginnt sich nun durch gravitative Vereinigung der 
schwersten und größten revolvierenden Glutflußmassen 
das Fundament unserer künftigen Sonne aufzubauen. 
Dieser Sonnenembryo muß also notwendig um die- 


103 


selbe Achse und im selben Sinne rotieren, in welchem 
der ganze Glutprojektilkreisel revolviert. Und auch 
in weiter draußen liegenden Revolutionszonen ab- 
sorbieren die größeren und massigeren Elemente die 
dem Zentrum rascher spiralig zustrebenden kleineren 
äußeren Glutflußmassen und legen so die Fundamente 
zu einer Unzahl kleiner künftiger Planeten, von 
welchen immer wieder die kleineren äußeren 
vondengrößeren inneren eingefangen 
undabsorbiert werden. 

Ein solcher selbständiger, kleinerer, äußerer 
Zwischen planet war also im kosmologischen 
Gestern unseres Sonnensystems auch unser 
heutiger Erd mond, bis er schließlich am Ende 
der sogenannten, von den Astronomen teils ignorierten, 
teils gänzlich mißverstandenen »Proselenenzeit« 
von der Erde eingefangen und zum Trabanten de- 
gradiert werden mußte. Und damit sind wir am 
springenden Punkte des grellsten Widerspruches 
zwischen Nebularhypothese und Glacial- 
kosmogonie angelangt, bei welchem wir uns für 
einen von jedermann mitdenk baren und glaub- 
würdigeren Vorgang der Gebirgsbildung 
entscheiden müssen, als ihn die heutige »Kontraktions- 
hypothese« (die geologische Folgerung aus der Nebular- 
hypothese) plausibel zu machen sucht. 

Nach nebularhypothetischen Dogmen sind die 
Planeten aus Glutgasringen zusammengeschnurrt, 
die sich vom (man weiß nicht warum) rotierenden, 


. viel größeren Sonnenglutgasball durch die Zentrifugal- 


kraft losgelöst haben sollen. Und solche Ringe sollen 
dann in zweiter Instanz auch die einzelnen Planeten 
abgeworfen haben (Saturn ist der diesbezügliche Irre- 
führer), aus welchen wieder die Monde entstanden 
sein sollen. Nachdem aber für die Glaubhaftmachung 
einer solchen Erd mond genesis die Leichtgläubig- 
keit der Zuhörer nicht recht reichen wollte, ist man 
darauf verfallen, den Erdmond als Ganzesaus 
der Erde hervorgehen zu lassen; und dafür eben 
haben die »Verbesserer« und Krückenleimer der Ne- 
bularhypothese, insbesondere der französische 
Mathematiker Poincaré und der englische 
Mathematiker Darwin (der Jüngere) die »exakten 
Rechnungen« geliefert, welche unseren »barbarischen« 
Astronomen so sehr imponieren. Vorgearbeitet dürfte 
da ein gewisser Jacobi haben, der es fertig brachte, 
einem glutflüssigen Rotationskörper auf rein mathemati- 
schem Wege eine zur Rotationsachse unsymmetrische 
Birnenform zu geben, von der sich schließlich 
durch (man erfährt nicht wie verursachte) Zunahme 
der Rotationsgeschwindigkeit der kleinere, stingel- 
seitige Birnenteil als künftiger Erdmond loslöst. Das 
hat dann der englische Mathematiker (Sohn des 
großen Biologen) noch dahin erweitert, daß nicht nur 
der Erdmond sich auch heute noch von der Erde 
spiralig entfernt, sondern auch alle Doppelsterne auf 
dieselbe Weise entstanden sein sollen. Dabei pocht 
er mit solch blutigem Ernste auf die »strenge 
Exaktheit« seiner diesbezüglichen Rechnungen, 
daß ihm tatsächlich nicht wenige »barbarische« Astro- 
nomen und samt diesen auch die ältesten Wiener 
Geologen darauf hineingefallen sind. Wenn darüber 
bisher noch niemand gelacht hat, so beweist das nur, 
daß noch kein praktisch anwendender Physiker 
(Maschinenbauer) die Zeit fand, solchen »brot- 
losen Spekulationen« nachzuhängen. 

Um also den Konflikt recht sinnfällig zu kenn- 
zeichnen: Laut Nebularhypotbhese ist der Erd- 
mond ein »Sohn der Erde« und letztere -eine 
Tochter der Sonne«. Laut Glacialkosmo- 
Eon ie hingegen ist der Erdmond der ehemalige 

lanetennachbar des Mars, gleichwie auf die 
beiden winzigen Marsmonde nur ehemalige Planeto- 
iden aus der die Marsbahn umschließenden Planeto- 
idenzone darstellen können. Es kann somit die Sonne 
auch niemals die Großmutter des Mondes gewesen 
sein, sondern sind vielmehr alle inneren Planeten 
samt dem Erdmonde zusammen nur die schwächlichen 


104 ` 


Geschwister der Sonne, welch letztere ja selbst 
ne auch nur ein glutflüssiges Konglomerat 
zahlloser ehemaliger Planetenglutmassen darstellt; 
denn alles zusammen samt den zahllosen Elementen 
der teleskopischen Milchstraße (die freisichtbare ist 
wieder etwas anderes) sind aus dem gemein- 
samen MutterschoBe jener königlichen Stern- 
gigantin im Sternbilde der Taube hervorgegangen. 
Aber nicht nur unser heutiger Erdmond allein kreiste 
einstens als selbständiger Kleinplanet zwischen den 
ungleich erweitert zu denkenden Bahnen von Erde 
und Mars, sondern noch vier oder sechs oder 
mehr weitere Kleinplaneten hatten ihre selbständigen 
Bahnen zwischen der ehemals marsnahen Lunabahn 
und der erweiterten Erdbahn eingelagert. Und alle 
diese wurden im Verlaufe vom heutigen Jahrhundert 
Millionen nacheinander eingefangen und auf der 
Mutter Erde zur Auflösung gebracht. Und jede solche 
Mondangliedung und Auflösung hatte eine neue große 
Eiszeit und Gebirgsbauperiode mit abschließender 
Sintflut — kurz einen »Kataklysmus« über die 
Erde gebracht, deren Spuren die älteren Geologen 
der Cuvierschen Schule in den sogenannten geo- 
logischen Hauptformationen (Primordial-, 
Primär-, Sekundär-, Tertidr- und Quartär-Zeitalter 
der Erde), wie durch einen dichten Schleier blickend, 
angestaunt hatten. Und je weiter die durch Laplace 
und Lyell verführten modernen Geologen von dieser 
älteren, im Detail allerdings ganz unbestimmten 
Katastrophenlehre Cuviers*) abgerückt sind, desto 
. weiter haben sie sich von der Wahrheit entfernt. 
Das mag der ansonsten ganz Lyell-getreue Alt- 
meister Sueß auch gefühlt haben, wenn er im 
„Antlitz der Erde«**) resigniert ausruft: »Indem 
man sich der Bewunderung des Korallentierchens 
hingab, welches das Riff türmt, und der Betrachtung 
des Regentropfens, der den Stein höhlt, hat sich, 
fürchte ich, aus der freundlichen Alltäglichkeit unseres 
bürgerlichen Lebens ein gewisser geologischer 
Quietismus herüber geschmeichelt in die Beur- 
teilung der größten Fragen der Erdgeschichte, welcher 
nicht zur vollen Beherrschung der Erscheinungen 
führt, die für das heutige Antlitz der Erde die maß- 
5 waren und sind.“ (Antlitz der Erde«e, I, 


Wir dürfen darin schon eine feine, teilweise 
freilich noch unbewußte und versteckte Absage an den 
alten englischen Geologen-An- und Ver führer Lyell 
erblicken und eine kaum mißzuverstehende Fahnen- 
flucht aus dem kontraktionstheoretischen Lager der 


modernen Geologen. Allerdings war unser kataklys- 


matischer Gewährsmann auch selbst wieder dem aller 
verderblichsten geologischen »Quentismus« verfallen, 
indem er die durch so viele naturvölkerliche Über- 
lieferungen erhärtete Tatsache einer universellen 
»Großen Flut« (Sintflut) zu leugnen sich unterfing: 
»Solche Katastrophen hat, soweit ge- 
schriebene Berichte reichen, unser Ge- 
schlecht nicht erlebt.< Wir werden aber 
die diesbezüglichen »Bücher« zu gelegener Zeit 
»-auftun«! 

Diese naturvölkerlich so vielfach überein- 
stimmend überlieferte »Sintflut« scheint der 
Wiener Geologenschule also undenkbar, wohl aber 
die seinerzeitige Abtrennung des Mondes 
von der Erde! Man wird an der Denkmettiode dieser 
Herren ganz irre! Als bezeichnend mag erwähnt 
werden, daß an- der geologischen Lehrkanzel der 
Wiener Universität diese englisch-französi- 
sche Abtrennung des Mondes von der Erde als 
derart feststehende Tatsache gelehrt wird, daß ein 
sonst ungemein sympathischer, jüngerer lehrtätiger 
Geologe diese Abtrennung zum Gegenstande seiner 
erfolgreichen Doktor-Dissertation machen konnte! 


Ausnahmsweise müssen wir hier einem großen, daher 
auch deutsch-freundlichen toten Franzosen zu seinem ihm 
durch Ly ell geraubten Rechte verhelfen. 

% Ed. Sue: »Das Antlitz der Erde«, I, II, III, und Ih. 


Das soll einmal ein Techniker mit einem ähn- 
lichen englisch-französischen Bluff nachmachen! Eine 
solche transvogesische Kulturliebäugelei wird auf 
vermeintlich wissenschaftlichem Gebiete auch 
mitten im Neid-Weltkriege noch immer gepflegt, 
während unser Hauptwerk teils ungelesen in den 
Bibliotheken der geologischen Reichs- 
anstalt, der geologischen Gesellschaft, 
des theologischen Seminars und des 
wissenschaftlichen Klubs verstaubt, teils 
überhaupt noch keinen Platz in den größeren einschlä- 
gigen Bibliotheken Mitteleuropäisch-»>Barbariens« 
gefunden hat. 

Wer also den Erdmond aus der Erde hervor- 
gehen läßt, der erklärt höchstens (wie bereits ge- 
schehen) das pazifische Ozeanbecken für den angeb- 
lichen Schoß der Erde, welchem der Erdmond ent- 
sprungen ist — zur Gebirgsbildung muß er sich aber 
jener »>Kontraktionslehre« bedienen, nach 
welcher sich die innen eventuell noch gasförmige 
Erde durch weitere Abkühlung zusammenziehen und 
80 die feste Kruste zur Runzelung und Faltung bringen 
soll — und die Erdbeben sollen dann eben die 
Äußerung dieser allmählich, langsam und permanent 
wirkenden gebirgsbildenden — also auch der 
schichtenfaltenden,schichtenüberschieben- 
den und schichtenüberkippenden Kräfte sein! 
Wir wollen über die Unhaltbarkeit dieser Hypothese 
jetzt keine weiteren Worte verlieren, bevor wir nicht 
die einfache glacialkosmogonische Wahrheit an ihre 
Stelle gerückt haben. 

Zu diesem Zwecke müssen wir uns jetzt der so- 
genannten von den meisten Astronomen ignorierten 
— von einigen anderen wieder gänzlich irrig gedeuteten 
»Proselenen«-Überlieferung zuwenden, die uns 
3 Snichlliene Anhaltspunkte für 
das Eingefangensein des Erdmondes 
liefern kann: 

»Verschiedene Historiker des Altertums sagen 
übereinstimmend, daß das hohe Alter der Arkadier 
am meisten daraus erhelle, daß sie »-Proselenen« 
genannt werden, d. h. »Vormondliche«e. Dieser 
pelaskische Volksstamm, welcher vor den Hellenen 
Arkadien bewohnte, rühmt sich, früher in das 
Land gekommen zu sein, als sich der 
Mond am Himmel zeigte. Er führt diesen 
Namen so allgemein. daB vormondlich und 
vorhellenisch als gleichbedeutend galt. Ari- 
stoteles sagt (in der Staatsverfassung der Tageaten): 
Die Barbaren, welche Arkadien bewohnten, seien 
von den späteren Arkadiern vertrieben worden, ehe 
der Monderschien, weshalb sie Proselenen 
genannt werden. Appolonius Rhodius drückt 
sich bei seiner Behauptung, daß Agypten vor allen 
anderen Ländern bewohnt gewesen sei, folgender- 
maßen aus: Noch nicht kreisten am Himmel die Ge- 
stirne alle, noch waren die Danaer nicht da, nicht 
das deukalionische Geschlecht, vorhanden waren nur 
die Arkadier, von denen es heißt, daß sie vor 
dem Monde lebten, Eicheln essend auf den 
Bergen. Ähnliche Andeutungen einer Entstehung des 
Mondes während der Existenz des Menschen auf 
Erden begegnen wir auch im tropischen Amerika. 
Der Völkerstamm der Mozkas auf der Hochebene 
von Bogota rühmt sich ganz wie die Hellenen eines 
vormondlichen Zeitalters.« (O. Mindt, -Das 
Weltall« 1901/09: »Seit wann leben Menschen auf 
Erden?«) 

Mindt, ebenfalls im Banne Laplaces stehend, 
meint nun, daß im Sinne der Nebularhypothese schon 
Menschen auf Erden wohnten, als sich der Sonnen- 
gasball noch nicht so weit zusammengezogen hatte, 
um schon so weit in Weißglut geraten zu sein (hieran 
trägt auch v. Helmholtz*) seinen Schuldanteil), 


) v. Helmholtz, ein Nebularhypothesen-Erweiterer, 
hatte mit Ritter herausgerechnet, daß sich die Sonne dadurch 
erhitzt, daß sie sich durch Abkühlung zusammenzieht. Die 
klarsten Köpfe sind ihm darauf hineingefallen. 


und den Erdmond so hell beleuchten zu können, 
daß die Menschen diesen letzteren endlich auch hätten 
sehen müssen. Wir dürfen es uns ersparen, auf die 
weiteren kindlichen Folgerungen einzugehen, welche 
Mindt hieraus auf dem Umwege der Nebularhypo- 
these für das Alter des Menschengeschlechtes zu 
ziehen bemüht ist. Wir notieren diese nebularhypo- 
thetische Ausnützung der Proselenensage nur, um 
den Tiefstand zu illustrieren, den kosmologische 
Spekulationen der vollblütigsten Barbaren durch 
französische Modehuldigung bereits erreicht haben. 

Der geneigte Leser hege nicht etwa den Ver- 
dacht, daß uns erst die Proselenenberichte zur Mond- 
einfangtheorie verleitet haben könnten. Wir sind zu 
solcher Überzeugung auf dem Wege rein mechani- 
scher Überlegungen gelangt, deren Aufrollung allein 
ein Buch füllen könnte. Wir benützen diese Berichte 
nur, um unsere Darlegungen für den Leser kurz- 
weiliger zu gestalten und zugleich zu zeigen, daß das 
Menschengeschlecht viel, viel älter ist, als unser 
Erdmond. Die Proselenenberichte sind uns erst be- 
kannt geworden, als sich die in sich selbst zurück- 
kehrende glacialkosmogonische Gedankenkette bereits 
längst Glied für Glied lückenlos gestaltet hatte. Nur 
eine Verlegenheit bereiteten uns diese Berichte: Es 
fehlten uns roch Andeutungen einer von den 
Polen zum Äquator gerichteten Flut, 
die mit dem Mondeinfange einhergegangen sein mußte, 
obwohl es für das Fehlen dieses Zusatzberichtes in- 
solange befriedigende Erklärungen gab, als sie alle 
nur teils von Mittelmeeranwohnern, teils von tropischen 
Höhenbewohnern stammend angenommen werden 
durften. Da überraschte uns ein überzeugter Leser 
unseres Hauptwerkes (Oberingenieur Dr Fr. Hart- 
mann) mit der REE eines Fundes bei A. von 
Humboldt, der im 3. Bande seines »K osm o s« 
S 480—482) alle diese Proselenensagen mit großer 

kepsis Revue passieren läßt, allwo auch Mindt 
geschöpft haben dürfte. Dort heißt es nämlich unter 
anderem auch: -Die Entstehung des Mondes 
hängt mit der Sage einer großen Flut 
zusammen (II), welche ein Weib namens H u y- 
tha ca oder Schia, das den Wundermann Ba t- 
schika begleitete, durch ihre Zauberkünste 
veranlaßt hatte. Batschika verjagte das Weib; 
sie verließ die Erde und wurde der Mond: 
welcher bis dahin den Muyskas nicht 
geleuchtet hatte«. 

Daß diese Naturmenschen, als Nichtastronomen, 
den plötzlich am Himmel auftretenden Erdmond nicht 
als eingefangenen ehemaligen Planeten und eigent- 
lichen Verursacher der Flut erkannt haben konnten, 
ist ja klar. Gewiß wurde die nYa a Mye erst 
lange nach dem astronomisch denkwürdigen Er- 
eignis des Erdmondeinfanges darüber gesponnen. 
Und gerade die naive Konstruktion des Mythos: die 
verstoBene Huythaca rächt sich mittels einer hervor- 


gezauberten Flut und flüchtet sich zugleich an 


die Himmelssphäre und wurde der Mond — 
wirkt beweisend für unseren astronomisch realen 
Hintergrund der -S ag c«. 

In unserer trockenen Gelehrtenwelt sind »Sagen« 
und »Mythen<, insbesondere die Flutsagen, aller- 
dings schon in argen Mißkredit geraten. Wie sehr 
das zu Unrecht geschieht, wird der geneigte Leser 
unseres Hauptwerkes glaubhaft gemacht finden. Kein 
Geologe wird es uns z. B. ohneweiters glauben, daß 
die altgermanischen Drachensagen von hohem 
ie läontologischen und anthropologischen 

erte sind. Wir dürfen dieses Problem jedoch hier 
nicht tiefer anschneiden, weil es da überhaupt kein 
Fertigwerden gibt. Er lese unser Hauptwerk. 

Ein glänzendes Beispiel trockener Gelehrten- 
skepsis bietet der Sagensammler A. v. Humboldt 
selbst. So lächelt er in seinen tropisch-südamerikani- 
schen Reiseschilderungen auch über das von den 
Orinoco- und Peru-Indianern als unzweifelhafte Tat- 
sache überlieferte »>GroBe Wasser« ihrer »Väter«. 


105 


An steilen Felsen des Orinocohochlandes, »wohin 
mannurmittels sehr hoher Gerüste ge- 
langen könnte«, finden sich Tierbilder, symboli- 
sche Zeichen und hieroglyphische Figuren in die 
Steinwände eingehauen. Auch unzweifelhafte alte 
Ozeanniveauspuren (Strandlinien) mit in den 
nackten Felsen regelmäßig eingehauenen Steinsitzen 
konstatierte er in solchen Höhen. Mitten in den 
Savannen steht ein in nicht leicht erreichbaren Höhen 
besonders reich verzierter Fels, von den Eingeborenen 
selbst »Tepumereme« (bemalter Fels) genannt. 
»Fragt man nun die Eingeborenen, wie es möglich 
gewesen sei, diese Bilder einzuhauen, so erwidern 
sie lächelnd, als sprächen sie eine Tatsache aus, mit 
der nur ein Weißer nicht bekannt sein kann: Zur 
Zeit des ‚Großen Wassers‘ sind unsere 
Vater so hoch oben im Canoe gefahren!« 
Der geneigte Leser beachte also hier die über- 
legene Skepsis A. v. Humboldts, mit der er als 
eifriger »Sagen«-Sammler selbst die so treuherzigen 
Erzählungen der tropisch südamerikanischen Rot- 
häute aufnimmt und weitergibt. Die Glacialkosmogonie 
aber liefert diesen so schwer mißverstandenen Natur- 
menschen die naturwissenschaftlichen Belege für das 
»Große Wasser« ihrer Väter. Denn der jüngste der 
auf Erden bereits zur Auflösung gelangten Erdmonde 
(wir nennen ihn den Tertidrmond, im Gegensatze 
zum heutigen viel größeren Quartärmond und dem 
heute noch als »Mars« sein ephemeres Planeten- 
dasein fristenden, noch viel größeren Quintärmond 
der geologischen Zukunft) hatte in den seiner Auf- 
lösung vorangehenden Jahrzehntausenden (uns vorüber- 
gehend in 5, 4, 3, 2 Erdradien Abstand umrasend) 
die höheren und mittleren Erdbreiten entsprechend 
entwässert und zur Vereisung gebracht, dafür aber 
in den tropischen Breiten eine permanente Gürtel- 
hochflut zusammengezogen, von deren höchstem und 
längst andauerndem Niveau uns nun die so hoch- 
gelegenen, unzugänglichen Wasserlinien des tropisch- 
südamerikanischen Hochlandes mit ihren eingehauenen 
Steinsitzen, Hieroglyphen und symbolischen Figuren 
Zeugnis geben. 
Wenn uns aber diese Tropenhochland-Indianer 
nur von einem »Großen Wasser« ihrer Väter 
erzählen und nicht auch von einer alles ersäufenden 
»Großen Flut«, so hat auch das seine genaue, glacial- 
kosmogonische Richtigkeit. Denn gerade sie konnten 
die Tertiär-Sintflut (nämlich das plötzliche 
Zurückfluten des durch Jahrzehntausende nach dem 
Tertiärmondeinfang langsam zusammengezogenen 
tropischen Flutgiirtels) nur als »GroBe Ebbe« 
empfunden haben. Als die binnen weniger Wochen 
sich vollziehende Tertiärmondauflösung mit daraus 
folgenden »GroBen Hagels, »Feurigen Bergstürzen«, 
sowie einer Schlamm-, Lehm- und Lößbeschickung 
der ganzen Erdoberfläche vorüber war, krochen sie 
aus ihren Felsenschlupfwinkeln, soweit sie das Un- 
geheuerliche überlebt haben mochten, und sahen 
veinen neuen Himmel und eine neue Erde, 
denn der alte Himmel und die alte Erde waren ver- 
angen, ünd das Meer war nicht mehr« 
(Johanneischer Bericht) und fanden, dab »die Mensch- 
heit wieder zum Lehmacker geworden 
ware (babylonischer Bericht) Das Meer war 
nicht mehr, es war in die Tiefe gesunken, dafiir 
aber waren Höhen und (insbesondere die neuen) 
Niederungen mit hohen Schichten von Lehm 
und LOB bedeckt — jenem 1.68, deren heutige 
Restlager die Geologen, durch v. Richthofen irre- 
geführt, als ein Wind produkt (äolische Lößtheorie) 
betrachten! Auch das Klima fanden sie plötzlich ver- 
ändert, sie mußten in die Tiefe steigen. 
Doch blieben sie aus Pietät für ihre Väter in dem 
neuen Lande, um dessen neue Höhen ja doch ihre 
Väter im Canoe gefahren waren. 
Die Enkel ungezählten Grades dieser tropischen 
Kataklysmus-, Eiszeit- und Hochwasser-Überlebenden 
mochten später nach dem Wiedererwachen einiger 


106 


Inca-Kultur und bei erhöhtem metaphysischen Be- 
dürfnis sich noch immer dankbar jener Hochländer, 
z. B. auch der Gegend des heutigen Titicacasees in 
Bolivia erinnert und oben den Göttern ihre Jahres- 
festopfer dargebracht haben. Ihre Priester mögen 
nach Studium der Überlieferungen von einem »Großen 
Wasser«, »GroBen Hagel«, »Schlammwolkenbrtichen« 
und »Feurigen Bergstürzen«, von dem Schutze, den 
die Väter damals in den Höhlen und Klüften der 
Felsen gefunden hatten, gelehrt haben, daß eine 
solche Zeit wiederkommen wird und zwar bald, um 
die vielleicht unbotmäßige Masse durch die Furcht zu 
zügeln. Es wurde dann vielleicht beantragt, vorsichts- 
halber in jenen Höhen künstliche Schutzunterstände, 
unterirdische Bauten, Kellerräume anzulegen. Denn 
von der jahrhunderttausende langen Dauer eines 
solchen Mondannäherungs- Tropenflutgürtelanstieges 
konnten selbst die Priester keine Ahnung haben, da 
sich ihnen die Überlieferungen der verschieden lang 
vergangenen Ereignisse notwendig zeitlich auf eine 
Ebene projizieren mußten. Und als Jahrhunderte oder 
Jahrtausende später das »GroBe Wasser« noch immer 
nicht kommen wollte, und die Inca-Kultur und Kunst noch 
höher gestiegen war, sah man sich vielleicht veranlaßt, 
in derselben Höhe einen prächtigen Tempel mit 
skulpturenreichem monolithischen Eingangstor zu 
bauen und später diese Tempelbauten auch mehr und 
mehr zu erweitern. Auch lag es nahe, dorten eine 
Begräbnisstätte für einzubalsamierende Leichname der 
»Herren« und »Ältesten« anzulegen. Es ist aber auch 
möglich, daß diese Unterschlupfe aus der tropischen 
Eiszeit, bezw. der Zeit des »GroBen Wassers« selbst 
stammen und nur die Tempelbauten nach der »Großen 
Ebbe« errichtet wurden. 

So konnte es also kommen, daß heute an den 
Ufern des Titicacasees in der Nähe des Indianer- 
dorfes Tiahuanaco viele prähistorische Ruinen stehen 
und Gräber mit zum Teile mumienhaft erhaltenen 
Leichen einer ausgestorbenen Menschenrasse, zum 
Teile auch mit Skeletten sich vorfinden. Eine Tradition 
verlegt die Entstehung dieser gigantischen Bauten in 
eine Zeit, in der die Sonne noch nicht ihre Kreise 
am Himmel zog. Schon zur Zeit der spanischen Er- 
oberung wunderten sich die Spanier, wie diese großen 
Monolithen in diese Gegend kamen, ohne daß man 
auf einige Meilen Entfernung Steinbrüche gefunden 
hätte. Erregen aber schon die oberirdisch sichtbaren 
Ruinen unser Staunen, so wird die Sache noch 
rätselhafter, wenn wir hören, daß unterirdische Bau- 
anlagen vorhanden sind, von denen ein spanischer 
Chronist behauptet, daß sie noch viel großartiger 
seien, als das, was man oberirdisch erblicke, die aber 
wegen Verschüttung und Stickgasen nicht so ohne- 
weiters erforschbar seien. Das Rätselhafteste aber 
bleibt der Umstand, daß diese Bauten derart isoliert, 
auf solcher Höhe vorgefunden werden, in der trotz 
der niedrigen Breite ein Klima herrscht, das kaum 
den Mais reifen läßt, obwohl ein Frost dorten auch 
im »Winter« nicht vorkommt. Man vermutet auch, 
daß die unterirdischen Bauten bedeutend älter seien, 
als die oberirdischen. Eine plausible glacialkosmogoni- 
sche Erklärung dieser, aller archäologischen Deutungs- 
versuche spottenden Ruinen haben wir oben schon 
vorweg gegeben. 

Wir können hier nicht alle jene Anhaltspunkte 
dafür aufzählen, daß ein Teil der Eiszeitmensch- 
heit den »Großen Winters, den »Fimbul- 
Winter« (die jüngste Eiszeit samt dem nach- 
stationären Teil des Tertiärkataklysmus also) auf den 
Tropenhöhen Zentral- und Südamerikas in ziemlich 
hohem Kulturzustande verlebt hat, und daß dorther 
stammende Überlieferungen sich in so manchen aben- 
teuerlich anmutenden Bildern der Johanneischen 
Apokalypse widerspiegeln. Der mosaische und 
babylonische Sintflutbericht aber mußte wieder aus 
Überlieferungen geschöpft worden sein, die von 
jenen Naturvölkern stammen, welche die letzten 
Jahrtausende der jüngsten großen Eiszeit am reich 


gegliederten Strande der erwähnten tropischen Tertiär- 
gürtelhochflut, also in den mittleren Breiten als 
wahre Eiszeitmenschen, als Eiszeit- 
höhlenbewohner »durchhalten«e mußten. Diese 
sind es dann gewesen, welche den Ablauf des 
„Großen Wassers« der Inca-Väter wirklich als 
»Große Flut«, als »Sintflut« erlebt hatten. 
„Die Flut kam vom Meere hers, heißt es im 
babylonischen Beriche — »Es taten sich auf 
die Brunnen der Tiefe«, lesen wir im mosai- 
schen Berichte. 

Wir verstehen: Als die Gürtelhochflut-zusammen- 
haltende Tertiätmondmasse sich (im geologischen 
Zeitsinne) »plötzliche aufgelöst hatte, mußte die 
schlammbeschickte Tropenhochflut nach beiden Polen 
hin abfluten; für die Mittelbreitenbewohner begann 
also das Meer rasch aus den Ufern zu treten und das 
Grundwasser zu steigen, das heißt die Flut kam 
vom Meere her und die Brunnen der Tiefe 
tatensich auf! Gleich dem heutigen Quardärmonde 
war natürlich auch der allerdings viel kleinere Tertiär- 
mond mit einem tiefen, durchaus erstarrten, uferlosen 
Ozean bedeckt. Dieser lunare Eisozean war wohl das 
erste, was der Auflösung geweiht war, als endlich 
die riesigen Flutkräfte am Monde (nadirseits die 
Mondesfliehkrafts-, zenithseits die Erdenschwerkrafts- 
Überschüsse) die viele Kilometer dicke Eisbedeckung 
zu zerreißen begannen. (Vgl. Fig. 4.) Die einzelnen 
Eisblöcke wurden im bereits geschilderten Sinne in 
der Erdatmosphäre zu Hagelwolken mit Wolkenbrüchen 
aufgelöst, welche die Tropengürtelflut vorübergehend 
noch erhöhten. Daher spricht der aus tropischen 
Überlieferungsquellen schöpfende Johanne ische 
Bericht an drei Stellen von einem »Großen Hagel« 
mit »:Großem Erdbeben«, während der aus 
mittleren Breiten geschöpfte Mosa ische Bericht Di e 
Schleusen des Himmels sich öffnen sieht 
und von einem »Vierzig Tage und vierzig 
Nächte lang andauernden Regen- spricht. Das 
Johanne ische »GroBe Erdbeben“ wird uns nun 
auch sofort klar, denn nicht nur rasch ansteigende 
Gezeitenkräfte lösen Sie deverzugsexplosionen 
aus, sondern auch deren plötzliches Aufhören. 
Nachdem wir sogar heute ein leises Gezeitenatmen 
der Lithosphäre (Erdkruste) beobachten (lithosphärische 
Ebbe und Flut), so mußten die gegen Schluß des Tertiär- 
kataklysmus ins Riesige angestiegenen Gezeitenkräfte 
des allerdings kleineren umrasenden Tertiärmondes 
die Erde geradezu etwas linsenförmig deformiert 
halten; nach erfolgter Mondauflösung gab es demnach 
nebst der hydrosphdrischen auch eine litho- 
sphärische »Sintflut«, das heißt die linsenförmig 
deformierte Erde mußte sich mehr zur Kugelform 
»zurücksetzen«. (Setzen im bautechnischen Sinne 
zu verstehen.) Von daher stammen denn auch die 
meisten der großen Verwerfungen und Krusten- 
niederbrüche, die wir heute beobachten können. 
Es muß das ein lang andauernder, an Heftigkeit 
allerdings allmählich abnehmender Erdbebenschwarm 
gewesen scin, gegen welchen unsere heutigen aller- 
heftigsten Beben nur ein leises Tönen der Erdkrusie 
darstellen. Die Erdkruste mag da gewogt haben, wie 
ein Saatfeld im Winde etwa und dennoch gab es 
dabei keine Spur von Gebirgsbau, sondern 
nur Gebirgszerstörung! »Berge fallet über uns 
und Hügel bedecket uns!« ist eine biblische Ausdrucks- 
weise, die aus diesbezüglichen kataklysmatischen 
Überlieferungen geschöpft sein mag. 

Natürlich bestand nicht der ganze heliotische Kern 
des Tertiärmondes aus im Wasser gelöster Schlacke, 
also aus solchem bunten Lehm, wie wir ihn auch auf 
Hochofen-Schlackenhalden sehen können, sondern 
mußte der eisenhältigere, zentrale Teil, ungelöst ge- 
bliebene Muttergestirn-Eisenschlacke gewesen sein. 
Diese zerfiel bloß in einzelne berggroße Teile, welche 
beim tangentialen Einschießen in die Erdatmosphäre, 

leich den Meteoren, außen glühend werden mußten. 
aher sagt der Johanneische Bericht auch: »Und 


es fuhr wie ein großer Berg mit Feuer brennend ins 


Meer; und der dritte Teil des Meeres war Blut« 
(nämlich eisenrostfärbig, terrarossafärbig) — »Und es 
fiel ein großer Stern vom Himmel, der brannte wie eine 
Fackel“. — Von solchen ungelösten Eisenschlacken- 
Einschüssen leiten wir auch die isoliert daliegenden 
Eisenerzberge unserer Eisentagbau-Bergwerke her, die 
ja auch gar keinen geologischen Verwandtschaftsgrad 
und Zusammenhang mit ihrer Umgebung erkennen 
lassen. Auf die vielen sonstigen Anhaltspunkte, welche 
uns die apokalyptischen Berichte für die Tatsächlich- 
keit einer stattgehabten Tertiärmondauflösung und 
abschließenden »Sintflut« noch bieten, können wir 
aus Platzgründen hier nicht eingehen; wärmere Inter- 
essenten seien aber auf den geologischen Teil unseres 
Hauptwerkes*) verwiesen. 

Welches sind nun wohl 
Schwierigkeiten, die unsere geehrten Skeptiker in 
diesen glacialkosmogonischen Deutungen alter Über- 
lieferungen, wie z. B. der des »Großen Wassers« der 
Inca-Väter sehen dürften? — Wie sollte es möglich 
sein, daß einerseits solche der Witterung und Ver- 
witterung ausgesetzte Felsenbemeißelungen — 
anderseits solche Überlieferungen Jahrhundert- 
tausende oder gar jahrmillionenlang durchhalten 
können, wo wir doch in den Alpen alljährlich Zeugen 
von gewaltigen Verwitterungsprozessen sind, und wir 
auch von der Geschichte unserer eigenen näheren 
Vorfahren rein gar nichts wüßten, wenn es da, wie 
bei den Rothäuten, keine geschriebene Geschichte 
gäbe?! — Wir wissen aus Erfahrung, daß gerade den 
gelehrten Leser solch engherzige Zweifel befallen 
müssen. 

Bezüglich Verwitterung haben wir nur daran 
zu erinnern, daß dieselbe ohne alljährlichen Frost 
im halbwegs wetterfesten Gestein so gut wie Null 
ist. Handelt es sich doch gerade um jene Gegenden, 
in welchen der Eingeborene den Winter die »Zeit 
der Sonne« und den Sommer die »Zeit der 
Wolken« nennt. Woher dieser nie derschlagarme 
(natürlich nicht kalte) Winter und woher die 
sommerliche (natürlich warme) Regenzeit 
der südamerikanischen niedrigen Breiten kommt, 
hoffen wir im später fortzusetzenden meteorologischen 
Teile unserer Beiträge überzeugend darlegen zu können. 
Unseren Frost und unseren Winter kennt 
der südamerikanische Tropenindianer gar nicht, so 
lang er nicht die höchsten Kordillerenkämme erklimmt. 
Aus demselben Grunde können wir auch den be- 
schriebenen rätselhaften Ruinen und Riesenskulpturen 
von Tiahuanaco am hochliegenden Titicacasee ein 
beliebig hohes Alter zuschreiben: sie stehen in frost- 
freien Höhen, wenngleich der glacialkosmogonisch 
nun leicht. verständliche Sommerhagel auch dorten 
nichts Seltenes ist. 

Und was nun die Überlieferungen betrifft, 
so müssen wir mitteleuropäische »Barbaren« uns 
allerdings zur völligen Überlieferungsunfähigkeit 
bekennen, wir haben uns einfach nichts mündlich zu 
überliefern, weil doch alles, und zwar mehr als gut 
ist, niedergeschrieben wird. Es wäre auch ganz un- 
möglich, auch nur unser Geschichtswissen allein durch 
Überlieferung auf die Nachwelt zu vererben, geschweige 
denn alle sonstigen »barbarisch«-geistigen Errungen- 
schaften. Ganz anders aber beim Naturmenschen, der 
von all dem Inhalte unserer Bibliotheken verschont 
bleibt. Sein einziger geistiger Schatz ist das, was er 
mündlich von den Vätern empfing; ihn wahrt er und 
vererbt er durch mündliche Weitergabe an seine 
Enkel. Unter Naturmenschen halten wir also sehr 
wohl eine jahrmillionenalte Überlieferung für möglich, 
wenigstens im wesentlichen eines so ungeheuren 
Ereignisses, wie es der sich rasch vollziehende Ab- 
schluB eines Mondannäherungs- und Auflösungs- 
Kataklysmus mit polwärts gerichteter Sintflut einer- 
seits oder ein Mondeinfang mit äquatorwärts gerichteter 


die beiden größten 


*) Fauth: »Hörbigers Glacialkosmogonie«, 1913. 


107 


schrittweiser Ozeanzusammenziehung anderseits dar- 
stellt. Es ist dabei auch ganz leicht begreiflich, daB 
durch die e UL lange Überlieferung 
auch das Allerungeheuerlichste im Detail allmählich 
alltägliche Formen annehmen wird — im wesentlichen 
aber, trotz aller solcher Abschwächung, für uns »ganz 
gescheite« mitteleuropäische »Barbaren« (war is war) 
zur Unglaublichkeit— zur vermeintlichen »Sage« 
— auswächst. 

Es wäre die höchste Zeit, diesen »Sagen« der von 
unserer überlieferungserstickenden Kultur noch un- 
berührten Naturvölker schleunigst mehr ehr- 
fürchtiges gelehrtes Gehör zu schenken, als 
beispielsweise A. v. Humboldt dafür übrig hatte. 
Darin wissen wir uns auch mit dem Wiener Anthro- 
pologen Dr. Pöch einig. Diese wohlmeinende und 
gläubige Aushorchung aller im Naturzustande lebenden 
»Ältesten«, ehe sie von der Vernichtung durch 
westeuropäische Kultur erreicht werden, wäre fast 
noch dringender, als die Erforschung unserer europäi- 
schen Eiszeithöhlen, weil letztere doch noch weiter 
durchhalten können, solange nicht französische »Kultur« 
die Resultate »barbarischen« Forscherfleißes vernichtet, 
wie z.B. im August 1914 in der Dordogne mit O. Hausers 
Steinzeit-Museum geschehen. (Vgl. »Umschau« 1915/4.) 

Nun ergibt sich uns aber aus der gedachten 
äquatorwärts gerichteten Begleitflut eines Mond- 
einfanges, und zwar speziell des Quartärmondeinfanges 
(heutiger Erdmond) ganz ungesucht die Lösung eines 
anderen, heute vielfach pro und contra crörterten 
Problems: Des »Unterganges der Atlantis«. 
Obwohl die diesbezüglichen Berichte nichts von einem 
Mondeinfang — die mittelländisch geschöpften Pro- 
selenenüberlieferungen nichts von einer Ozeanver- 
lagerung — und die Huythaca-Flutsage nichts von 
einem Atlantisuntergang zu erwähnen wissen, so sind 
das doch nur getrennte Überlieferungsabzweigungen 
aus dem einheitlichen Naturereignis unseres Quartär- 
mondeinfanges. Keinesfalls dürften die letzten 
Quartär-Proselenen, die da Eicheln auf denBergen 
aBen, den Mondeinfang, von dem notwendig mit- 
unterlaufenen, schweren und länger andauernden, 
universellen Erdbebenschwarme abgesehen, als sonder- 
liche kosmische Katastrophe empfunden haben. Nur 
Völkerschaften, die ohne besser entwickelte Kleinschiff- 
fahrt auf flachen, kontinentfernen Inseln niedriger 
Breiten hausten, dürften dabei zugrundegegangen 
sein. Und dadurch rücken eben die von den heutigen 
Historikern und Geographen so vielfach angezweifelten 
Berichte über den Untergang der »Atlantis« in ein 
neues, helles Licht. Denn dieser neu eingefangene 
Quartärmond begann, wie bereits angedeutet, mit seinen 
in Fig. 2 versinnlichten Flutkräften die hohen Ozean- 
breiten im raschen Pilgerschritte zu entwässern und 
in den niedrigen und Tropenbreiten das Ozeanniveau 
erdengürtelartig zu erhöhen. Dies ist auch der Grund, 
warum wir heute in hohen Breiten hochliegende 
alte Strandlinien längs aller felsigen Steilküsten 
beobachten können und warum sich auch beispiels- 
weise außerhalb der heutigen Kongomündung ein 
tiefes unterseeisches Kongobett, ja ein gewaltiger, 
unterseeischer Kongofjord, weit ins Meer hinaus mit 
dem Lote verfolgen läßt. Der »Atlantische Aqua- 
torialrücken«, das am nördlichen Wendekreis 
liegende »Atlantische Plateau«, die Untiefen der 
»Kap Verdischen« und »Kanarischen« Inseln, der 
»Südatlantische Rücken«, sowie die heutigen 
Untiefen anderer tropischer Archipele des Indischen 
und Stillen Ozeans — das alles können zur 
Proselenenzeit große, flache, zusammenhängende, 
blühende Insellandmassen gewesen sein, die beim 
Quartärmondeinfange dauernd unter Wasser gelangt 
sein mußten, so daß wir hier auch für den »fabelhaften« 
Untergang der »Atlantis« hinreichende Wahrscheinlich- 
keit begründet sehen. 

Wenn uns die Mozkas und Arkadier nichts 
von einer Mondeinfangflut berichten, so ist das natiir- 
lich, da sie ja nicht nur Inlandsbewohner, sondern 


108 


sogar auch Höhenbewohner, also keinesfalls S tr a n d- 
bewohner waren. Ebenso ist einzusehen, daß auch 
die aus den Mittelmeeruferländern stammenden Pro- 
selenenberichte nichts von einer mit dem Auftreten 
des Mondes einhergehenden Strandverschiebung 
wissen, weil ja das Mittelmeer gerade in jener 
neutralen -+ Breitenzone liegt, in welchen + Breiten 
sich das weniger abgeplattete, proselenische — mit 
dem mehr abgeplatteten selenischen Ozeanniveau 
schneiden mußte. Auch hängt ja das Mittelmeer nur 
durch die schmale Gibraltarstraße mit den Weltmeeren 
zusammen, so daß sich auch aus diesem Grunde die 
Weltmeerverlagerungen im Mittelmeerbecken nicht 
sonderlich bemerkbar machen konnten. Aber trotzdem 
gibt esja doch auch die Huythacaflutüberlieferung 
A. v. Humboldts, von der wir oben Notiz genommen 
haben, so daß der Gedankenring auch in historischer 
Hinsicht lückenlos geschlossen erscheint. 

Der Untergang der außerhalb der »Säulen des 
Herkules« gelegenen »Atlantis« (wahrscheinlich der 
heutige »Atlantische Äquatorialrücken«) darf also als 
wahr hingenommen werden und somit auch der 
Quartärmondeinfang. Natürlich waren selbst die 
ältesten griechischen Heidenpriester, auf deren Jahr- 
bücher sich Platons Atlantisbericht u. a. stützt, nicht 
selbst Zeugen des Ereignisses, sondern nur Sammler 
von Uberlieferungsbruchstticken desselben. Gewiß 
hatten sie diese Bruchstücke phantasievoll ergänzt und 
für ihre Zwecke ausgeschmückt, wie ja das Priester- 
art seit jeher war, während der hieraus schöpfende 
Platon abermals unbewußt bemüht sein mochte, die 
Sache in seine zeitgenössischen Verhältnisse herein- 
zukonstruieren. Es ist ja auch durchaus nicht 
anzunehmen, daß dieser gewissenhafte griechische 
Weise seine »ziemlich ausführlichen Berichte über die 
politische Verfassung und die Reichtümer der atlanti- 
schen Länder und die Kriege, die deren Könige mit 
Ägypten und Griechenland geführt haben«, so ganz 
aus der Luft gegriffen haben sollte. 

Bei diesen gewiß tendenziös ausgeschmückten 
und zu Staatsreligionszwecken ausgenützten heidnisch- 
priesterlichen Atlantisberichten dürfte auch Johannes 
eine Inspirationsanleihe gemacht und sie mit seinen 
christlich-zeitgenössischen, auf Babylon zielenden 
Anpassungswendungen versehen haben. Denn wir 
finden im Johanneischen Berichte Stellen, die sich 
als eine symbolische Schilderung des strafgerichtlichen 
Unterganges flacher oder nur sanft hügeliger, tropisch- 
üppiger und reicher Inselmassen gelegentlich der be- 
schriebenen Mondeinfangsflut viel ungezwungener 
deuten lassen, denn als eine Originalschilderung des 
kontinentalen kriegerischen Babylon-Unterganges. Wie 
z. B.: »Und ein starker Engel hub einen großen Stein 
auf, als einen Mühlstein, warf ihn ins Meer und 
sprach: ‚Also wird mit einem Sturm verworfen die 
große Stadt Babylon und nicht mehr erfunden werden“. 
— Zunächst waren damalige Mühlsteine nicht größer 
als ein Kinderwagenrad unserer Zeit. Und so groß 
mochte der neu eingefangene Mond in seinem Peri- 
gäum geschienen haben, da seine Bahn anfangs viel 
ellyptischer sein mußte als heute. Für einen etwa am 
Atlasgebirge stehenden Zeugen der äyuatorwärts ge- 
richteten Mondeinfangsflut wurde also dieser als Voll- 
mond leuchtende Mühlstein im Osten scheinbar vom 
Lande her »aufgehoben« und in der Nähe der Atlantis 
»ins Meer geworfen«, während zugleich die feind- 
lichen Atlantisinselmassen im Wasser verschwanden. 
10 hannes führt zu seinen Zwecken das kontinentale 

abylon an. Weiters: »Und es ward ein großes 
Erdbeben, daß ein solches nicht gewesen ist, seit 
Menschen auf Erden gewesen sind, solch’ Erdbeben 
so groß. — Und aus der Stadt wurden drei Teile, 
und die Städte der Heiden fielen. — Und alle Inseln 
entflohen, und keine Berge wurden gefunden. — Diese 
Heiden sind wieder eine johanneisch-christliche Ein- 
fügung; sonst könnte aber alles auf den gerüchtweise 
aus Nordwestafrika nach Griechenland oder Ägypten 
vermeldeten Atlantisuntergang stimmen. Die Hauptstadt 


konnte auf drei flachen Hügeln erbaut gewesen sein, 
und zerfiel beim langsamen, schrittweisen Ansteigen 
des tropischen Ozeanniveaus naturgemäß zunächst in 
drei Teile, bevor alle flacheren Inseln und niedrigeren 
Berge unter Wasser gelangten. Ein großer, langan- 
dauernder Erdbebenschwarm von langsam abnehmender 
Intensität war beim Quartärmondeinfange selbstver- 
ständlich: Das Neuauftreten der lunaren Gezeiten- 
kräfte mußte viel mehr langverhaltene und tief- 
liegende Siedeverzugsexplosionen auslösen, als der 
allerkritischeste Tag von heute. 

Die griechischen oder ägyptischen priesterlichen 
Überlieferungssammler mochten auf diese kleinkönig- 
lich umworbene Handelskonkurrentin und kriegerische 
Feindin »Atlantis« im nachhinein auch ihren staats- 
kirchlichen Groll ausgelassen und folgendes, von 
nen abermals zweckmäßig umgearbeitetes 

rteil gefällt haben: »Komm’, ich will Dir zeigen 
das Urteil der großen Buhlerin, die da auf vielen 
Wassern sitzt, mit welcher gebuhlet haben die 
Könige auf Erden, und die da wohnen auf Erden, trunken 
worden sind vom Weine ihrer Buhlerei. — Dieses 
Weib mit dem goldenen Becher in der Hand voll 
Greuels und Unsauberkeit. — Diese Mutter aller 
Greuel auf Erden!< 

Es ist ungemein wahrscheinlich, daß auf der 
kriegerisch gut geschützten Atlantis ein reiches und 
üppiges Leben herrschte, daß die Mittelmeerstaaten 
im Frieden um deren Freundschaft warben und dabei 
dennoch tyrranisiert wurden. Die späteren über- 
lieferungssammelnden griechischen Priester malten 
sich das in erhöhter Unsittlichkeit aus und stimmten 
über den überlieferten Untergang der Atlantis im spät 
nachhinein den folgenden, von Johannes ver- 
christlichten Triumphgesang an: 

»Und ich sah einen Engel“ niederfahren vom 
Himmel,“ der hatte eine große Macht,“ und die Erde 
ward erleuchtet von seiner Klarheit;« — 

Zweifelsohne die ursprüngliche naturmenschliche 
Auffassung und spätere priesterliche . 
des neu eingefangenen und nun die Erde mit un- 
gewohntem Nachtsilberlichteübergießenden heutigen 
Quartärmondes. — 

»und schrie aus Macht mit großer Stimme und 
sprach: Sie ist gefallen, sie ist gefallen, Babylon* die 
große, und eine Behausung der Teufel — und ein 
Behältnis aller unreinen Geister und 
feindseligen Vögel geworden! Denn vom 
Weine des Zornes ihrer Buhlerei haben alle Heiden * 
getrunken und die Könige auf Erden, die mit ihr 
Buhlerei getrieben, und ihre Kaufleute sind 
reichgewordenvon ihrer großen Wol- 
lust.* Gehet aus von ihr, mein Volk, daß ihr nicht 
teilhaftig werdet ihrer Sünden,* auf daß ihr nicht 
empfanget etwas von ihren Plagen. Denn ihre 
Sünden reichen bis in den Himmel,“ und 
Gott denkt an ihren Frevel.“ Bezahlet 
ihr, wie sie euch bezahlet hat, und 
machet es ihr zwiefältig nach ihren 
Werken. Und mit welchen Kelch sie euch 
eingeschenket hat, schenkel ihr zwie- 
fältig ein. Wie viel sie sich herrlich ge- 
macht und ihren Mutwillen gehabt, so 
vielschenketihr Qual und Leid ein. Denn 
sie spricht in ihrem Herzen: Ich sitzeundbin 
eine Königin und werde keine Witwe 
sein und Leid werde ich nicht sehen. 
Darum werden ihre Plagen auf einen Tag kommen, 
der Tod, Leid und Hunger; mit Feuer wird 
sie verbrannt werden; denn stark ist Gott der Herr, * 
der sie richten wird. Und es werden sie beweinen 
und beklagen die Könige aufErden, die mit 
ihr gebuhlet und Mutwillen getrieben 
haben, wenn sie sehen werden, den Rauch von 
ihrem Brande. Und werden von ferne stehen vor 


* Hier sehen wir wieder die priesterliche Hereinkon- 
struierung ins Johanneische Zeitalter seitens des alles ver- 
christlichenden monotheistischen Apokalyptikers. 


Furcht ihrer Qual und sprechen: Wehe, wehe die 
große Stadt Babylon,* die starke Stadt! Auf eine 
Stunde ist dein Gericht gekommen. — Und die 
Kaufleute auf Erden werden weinen und Leid 
tragen über sie, weil ihre Ware niemand 
mehr kaufen wird. — Die Kaufleute 
solcher Ware, dievonihrsindreich ge- 
worden, werden von ferne stehen vor Furcht ihrer 
Qual, weinen und klagen. Denn in einer Stunde ist 
verwüstet solcher Reichtum. Undalle Schiff- 
herren und der Haufe, die auf den Schiffen 
hantieren, und Schiffleute, dieaufdem 
Meere hantieren, standen von ferne und schrien 
da sie den Rauch von ihrem Brande sahen und 
sprachen: Wer ist gleich der großen Stadt, in 
welcher reich geworden sind alle, die 
da Schiffe im Meere hatten, von ihrer 
Warel Denn in einer Stunde ist sie verwüstet. Freue 
dich über sie Himmel* — denn Gott hat euer Urteil 
an ihr gerichtet.«* — (So auszugsweise zu lesen in 
der Apokalypse 18/1-20.) 


Nicht ganz ohne »barbarisch<-chauvinistischen 
Hintergedanken haben wir hier etwas tiefer in die 
atlantisuntergang-verdächtigen alten Texte gegriffen. 
So mochten griechische Zeus- oder de yptisctie Ra- 
Priester in spdt nachhinein tiber ein »offenbar« von 
den Göttern dem Untergange zugeführtes Feindes- 
land beiläufig frohlockt haben — und so mag durch 
sie auch der schrift- und weltarchivkundige Johannes 
angeregt worden sein, das retrospektivprophetische 
Auge auf den Untergang des »sündhaften« Babylon 
gerichtet, seine Visionen vom künftigen Welt- 
gericht auszumalen! 


Der geneigte Leser nehme jetzt aber bei an- 
gehaltenem Atem das ganze Zitat nochmals auf- 
merksam durch und beachte besonders die gesperrt 
gedruckten Stellen: Paßt dieses Johanneische 
Urteil nicht viel besser auf die »Atlantis« unserer 
Zeit (Albion) als auf irgend ein anderes modernes 
Babylon? 


Die »Österreichische Flug-Zeitschrift« 
ist nun allerdings kein politisches Blatt — im Welt- 
frieden. Aber im Weltkriege 71 Und gar in einem so 
verbrecherisch vorbedachten Neid-Weltkriege, wo es 
uns invaliden »Barbaren« ebenfalls zur Pflicht 
wird, mit allen Mitteln mitzukämpfen und Schreiber 
dieser Zeilen auch vier Söhne dem Heere überlassen 
mußte. »Gott strafe England!« -- so lautet 
jetzt der mitteleuropäisch-»barbarische« Feldgruß, den 
sogar auch das gutmütige Wien schon an alle Wände 
malt. Mit kosmischen Majuskeln wollen wir den 
Antwortsgruß an die »Wolken des Himmels« 
schreiben: >Er strafe es!«, und zwar buchstäblich 
nach Johanneischem Urteile, welches wir in 
derselben Form schon 1899 der »Friedensfurie« Berta 
Suttner und zwei technischen Hochschulprofessoren 
zur Begutachtung unterbreitet hatten, ohne für den natur- 
wissenschaftlichen Hintergrund Glauben zu finden.**) 
Möge es nunmehr dem deutschen Kriegsherrn ver- 
gönnt sein, die Rolle des vom Himmel hernieder- 
fahrenden E.igels (der im Silberlichte erstrahlenden 
Luna) von großer Macht und erdenerleuchtender Klar- 
heit übernehmen und recht bald mit großer 
Stimme den Urteilsvollzug verkünden zu dürfen. 

Genug der halbmetaphysischen Exkursionen, die 
vielleicht nicht ohne Kurzweil für den geneigten Leser 
waren. Wir wollen uns jetzt, dem heutigen Schlusse 
zueilend, wieder flugtechnisch nüchtern zu fassen suchen. 


Der »Untergang der Atlantis« dürfte uns 
jetzt ebenso plausibel geworden sein, wie der gleich- 
zeitige Mondeinfang unddie zugehörigeäquator- 
warts gerichtete, pilgerschrittweise Huythacaflut 


* Siehe Fußnote S. 108. 

% Vgl. Suttner: »Die Haager Friedenskonferenz« (1900), 
Seite 136 u. f. und »Eine Utopie aus dem Haager Kongreßjahr 
1899. in Nr. 45 der Frankfurter Wochenschrift Die Umschau« 1914. 


109 


bebenschwarm des Johannes und die Richtig- 
keit der Behauptung eines vormondlichen Alters 
verschiedener Naturvölker. Nicht zu verwechseln mit 
dieser einen überlieferten >GroBen Flute ist die 
andere vom quator polwärts gerichtete 
„Große Flut,< die den Abfluß des »Großen 
Wassers« der Inca-Väter darstellt, die auch dem 
biblischen und babylonischen Sintflutberichte und 
zahlreichen anderen mit diesen in den Hauptpunkten 
übereinstimmenden naturvölkerlichen Überlieferungen 
zugrunde liegt und die aber trotzdem unser Altmeister 
Sueß zu leugnen sich bemühte, weil weder der Glaube 
an die Nebularhypothese, noch aber die Pietät für 
Lyell einsolches katastrophales Flutgeschehen in der 
Geologie zulassen darf. Wir dürfen diese zwei 
Arten von Großen Fluten« schon deshalb nicht 
verwechseln,- weil die jüngste Mondeinfang- 
flut (unseres heutigen Quartärmondes, die Huythaca- 
flut v. Humboldts) bis an die 70.000 Jahre hinter 
uns liegen kann, während dagegen die jüngste Mond- 
auflösungsflut (Tertiärmondauflösung, Abfluß 
des »Großen Wassers«) auch viele Jahrmillionen tief 
in der geologischen Vergangenheit erfolgt sein kann. 
Vielleicht dürfen wir aber da auch je eine Nulle 
streichen, bis die mit so genauen MeBinstrumenten 
ausgerüsteten astronomischen Observatorien sich auf 
glacialkosmogonische Basis stellen und zunächst ver- 
schiedene Bahneinschrumpfungskoeffizienten zu be- 
stimmen trachten. Es ist sogar möglich, daß wir auf 
dem Wege der Sterngeschwindigkeitsmessung nach 
Dopplerschem Prinzipe auch den kosmologi- 
schen Zeitpunkt unserer Muttergestirnentbindung 
in der Taube bestimmen könnten, wodurch auch ein 
Maßstab für die Bestimmung gewisser abgelaufener 
geologischer Zeiträume gewonnen wire. 
Ein Arbeitsprogramm hiefür haben wir bereits in Vor- 
bereitung. 

Nach obigem ist also klar, daß jene hoch- 
liegenden Strandlinien der hohen Breiten, die dem 
Quartärmondeinfange vorangingen und jene Wasser- 
linien des tropischen Südamerika-Fochlandes, die das 
»Große Wasser« der Inca-Väter eingenagt hat, sehr 
verschiedenen geologischen Alters sind. Nach 
Jahrzehntausenden mag das erstere, nach Jahrmillionen 
das letztere zu bemessen sein. Nun ist es aber sehr 
bezeichnend, daß SueB durch Erwägung dieser 
Strandlinien schon zu der Vermutung gelangt ist, daß 
in tiefer geologischer Vergangenheit sich Anhäufungen 
der Ozeanmassen an den Polen und am Äquator ab- 
gewechselt haben dürften. Aus der Art dieser Strand- 
linien konnte er sogar folgern, daß Wasseranhäufung 
am Äquator und Minderung an den Polen das Merkmal 
der jüngsten dieser Ozeanverlagerungen sei! Aber 
trotzdem leugnet er den universellen Charakter der 
so vielfach übereinstimmend überlieferten »Sintflut!« 
Er ist zu früh gestorben, sonst hätte er das noch 
freiwillig zurückgenommen. 5 

Der aufmerksam mitgekommene Leser hat hieraus 
wohl schon den Schluß gezogen, daß unsere heutigen 
Ebbe- und Flutberechnungen doch ganz in der 
Luft hängen müssen, wenn der neu eingefangene 
heutige Mond einen derartig tiefen Tropenozeangtirtel 
zusammengezogen haben soll, daß dadurch die 
Atlantis samt dem Kongofjord unter Wasser 
kam. (Für letztere Tatsache haben wir allerdings auch 
noch eine zweite Hilfserklärung zur Hand.) Es ist wirk- 
lich so: Im Ebbe- und Flutproblem wurde mindestens 
schon ebensoviel daneben gerechnet, wie bei den 
Bestimmungen der Kometenumlaufszeiten von vielen 
Jahrhunderten und Jahrtausenden. Wenn wir heute den 
Erdmond aus dem Systeme entfernen könnten, so gäbe 
das schon eine kleine Mondauflösungs-Sintflut. 
Am Aquator sänke das Meeresniveau vielleicht um 1800 
oder mehr Meter, so daß der heute tief unter- 
seeische Kongofjord samt einigen atlantisverdächtigen 
Landrücken über Wasser käme und im hohen Norden 
das Ozeanniveau wieder beiläufig die alten hoch- 
liegenden Strandlinien erreichte. Das heute beobacht- 


110 


bare gezeitliche Heben und Senken des Meeres- 
spiegels (je zweimal innerhalb 24 Stunden und 50 Mi- 
nuten) ist eben nur der Pilgerschritt, in welchem 
der Mond den seinerzeit rasch zusammengezogenen 
Tropenflutgürtel zu erhalten trachtet, bezw. in 
welchem er diesen Flutgürtel innerhalb kommender Jahr- 
hunderttausenden wieder zuden alten hohen tropischen 
Strandlinien der »Incaväter« und darüber hinaus 
zusammenziehen wird. Aus demselben Grunde ist 
auch hinsichtlich eines anderen Problems viel ins 
Blaue hinein erklärt worden : Die Meeresströmungen ! 
Der Golfstrom fließt nicht nach Norden, weil das 
Seewasser im mexikanischen Becken erwärmt wurde, 
sondern der Mond quirlt das Wasser dort durch und 
dessen Erwärmung ergibt sich als Nebenerscheinung. 
Um aber das ganze Mysterium der Meeresströmungen 
aufzuhellen, bedarf es eines Aufsatzes für sich ; wir 
wollen es daher bei diesem Anschneiden der Frage 
bewenden lassen, und wärmere Interessenten auf 
unser Hauptwerk verweisen. 

Aber auch in vielen anderen Dingen müssen wir 
ketzerische Behauptungen an die Stelle mancher 
»Wissens«-Dogmen setzen. Was uns beispielsweise 
die heutige Geologie und Anthropologie über das 
Alter des Menschengeschlechtes glaubhaft machen 
will, wonach der Mensch erst im gänzlich miB- 
verstandenen »Quartär« aufgetreten somit der 
jüngste Sproß der Schöpfung sein soll, das ist 
ebenso irrig, wie die heutige katastrophenlose 
Einteilung der ganzen Erdgeschichte, die Vorstellung 
von der langwierigen neptunischen Schichtenbildung 
— der Steinkohlenflötz-, Salzgebirge- und Steinöllager- 
bildung, der IE ae ene des Gebirgsbaues 
u. s. w. — denn alles dies wurde kataklysmatisch 
— gleichsam fabriksmäßig bewerkstelligt, wie 
wir sehen werden. 

Der Mensch hat mindestens schon zwei Kata- 
klysmen (das ist Mondeinfang mit Einfangflut, 
Mondheranschrumpfung mit Eiszeit und Mond- 
auflösung mit Sintflut) im überlieferungs- 
fähigen Zustande mitgemacht, wie wir mit ehr- 
fürchtigem und glacialkosmogonisch geschärftem Ge- 


Aphelium. 

Nadir (n, a, z.) Zenith 

z H=Uberschuss Az 
T- << 


an: fi 
F=Fliehkraft, o Schwerin 5 


Nadir 


az 
Fm=Amo*600°65 


Oberfl. Schwere=|000000 


-Gramm- 


A Faz=-581 027208 Aa} 
Aan» = $80°978 1691-4 Aaz» +581:076350 | Amn=- 60060309700 

oHan»+ 0 049059 JoHaz=+ 004914% | olen»+ 0051537 fo 
0 05 ro 1 


Mittel. 


In, m, z.) Zenith. 
H=Überschuss 


an: kr 
E FeFlichkraft. 9 Schwert 


Fmz»- 600 654634 
Amz» + 600706181 
Hmz»+ 005154 


5 


hör von den »Altesten« der tropisch südamerika- 
nischen Rothäute lernen können. Den Tertiärkata- 
klysmus durchlebte er sogar schon als Künstler, 
wie unsere Eiszeithöhlen-Wandzeichnungen, die hoch- 
mexikanischen Tempelruinen, die Skulpturen am 
Titicacasee, die HieroglypheneinmeiBelungen an den 
hochgelegenen Strandlinien der oberen Orinocofelsen 
und die heute unkultivierbaren Kultur-Terrassenbauten 
der peruanischen Abhänge beweisen, wenn man es 
über sich gewinnt, alle diese Dinge durch glacial- 
kosmogonische Brillen zu betrachten. (Denn eine bis- 
herige Erden-Eiszeit ohne Kataklysmus, bezw. Mond- 
annäherung, und umgekehrt ist undenkbar, wie wir 
nächstens sehen werden.) Aber während der europä- 
ische Tertiär-Eiszeitmensch im bloßen jagd- und 
Höhlenleben ein wenig verwildern mußte, konnte der 
tropische Tertiär-Eiszeitmensch des zentralamerika- 
nischen (heutigen) Hochlandes sogar Ackerbau, Vieh- 
zucht und primitive Textilindustrie treiben (leicht 
bekleidete Relieffiguren am Titicacasee verraten dies), 
kunstvolle Tempel- und Unterstandsbauten errichten, 
den Himmel studieren etc. Professor Julius Nestier 
in Prag, der drei Jahre (1911 bis 1913) mit dem 
Studium der Örtlichkeit am Titicacasee verbrachte, 
kann uns da manche Stütze beibringen. 

Der Mensch konnte im überlieferungsfähigen Zu- 
stande sogar schon ein Zeitgenosse der Saurier 
gewesen sein, worauf die bei allen alten Kultur- 
völkern (Chinesen, Germanen etc.) zu findenden 
Lindwurm- und Drachensagen schließen lassen. 
Die erst in unserer Zeit von den Paläontologen 
ausgegrabenen Diplodocus-Skelette entsprechen in 
Form und Größe ganz den Lindwürmern der 
Drachensagen, und doch dürfen wir diesen alten 
Völkern keine paläontologischen Kenntnisse 
zumuten! Eben weil der Mensch den höchsten, 
aufrechtgehenden Vernunfttypus darstellt, darf er 
nicht das jüngste, sondern muß er das älteste 
Produkt einer zielstrebigen Entwicklung sein. Die 
von den heutigen Paläontologen vermutete >s pr u n g- 
weise« und »explosive« Entwicklung gibt es 
in der organischen Natur nicht, wohl aber in der 


Perihelium. 


Nadir In, p. z.) Zenith. 
H = Überschuss A= 


an aft. =: 
S FsFliehkraft,_o_ Sch WERTET 


z 
R o=0',98325 Rime 
9'0° I | 


Agu Rol Fliehkraft= 345583 


-per m5 Was- * -Ser 
Fpn=* 621293661 fof Fpz=- 621293661 ~ 


Apn=- 621°239326 , Apz= + 621'349865 
oHpn=* 0054335 JoHpz=+ 0056204 
20 25 0 


Fig. 1. Graphische und numerische Übersicht der heutigen beiläufigen Sonnenflutkräfte auf Erden in Gramm pro 1 m? Wasser 


und im Maßstabe von 50mm =1 
Hubkrafte. Unten: Das an der 


g: Oben: Die im Durchmesser n z wirkenden Flieh- und Schwerkraftsüberschüsse als eigentliche 
rdoberfläche wirkende Flutkraftsystem der Sonne für die drei Hauptentfernungen. Ableitung 


der Kräfte vgl. Fig. 5 im Aufsatze des nächsten Heftes. 


kosmischen. Und wenn Knochen und Zähne des 
Menschen in mesozoischen Schichten nicht gefunden 
werden, so beweist das gar nichts gegen sein 
Dagewesensein; wohl aber beweist dies, daß er 
eben schon klug genug war, um den die Erde um- 
schleichenden vier mondsichelförmigen Gebieten der 
Schichtenbildung und des Gebirgsbaues im weiten 
Bogen auszuweichen. Er mußte dies sogar 
fast unbewußt tun, wenn auch nur ein bißchen 
dämmernde Vernunft da war.*) 

Mit dem Bisherigen erscheint nun der Boden in 
historischer Hinsicht aus dem Groben soweit 
eebnet, um nächstens auch die Mechanik des 

ondeinfanges nebst Begleitflut, des kataklysma- 
tischen Gebirgsbaues, der Mondauflösung und 
der Sintflut an Hand von ergänzenden Zeichnungs- 
unterlagen ohne weitere zeitraubende Seiten- und 
Rückblicke, bequem verfolgbar und für Vorurteilsfreie 
leicht glaubhaft durchnehmen zu können. 

Um da so manches Unerhörte nicht ganz un- 
vorbereitet als abschreckende Spekulation zu em- 
pfinden, möge der geneigte Leser inzwischen die 
heutigen vier Flutkräfte-Übersichtsfiguren durchsehen, 
obwohl wir sie erst nächstens genauer besprechen 
können. Abweichend von der sonstigen Flutrechnungs- 
Gepflogenheit haben wir keine Daten für Fluthöhen 
errechnet, sondern bloß die Flutkräfte selbst in 
Gramm pro Kubikmeter Wasser an den beiden Zenith- 
und Nadirpunkten zn der beiden Flutberge bestimmt, 
um damit den Geologen leichter ans Herz 
greifen zu können. Mit den 6 Dezimalen wollten 
wir kein kokettes Spiel treiben, wir mußten sie 
eben entwickeln, wenn in den heutigen Flutkräften 
der Unterschied in den Zenith- und Nadirhubkräften 
zutage treten soll. Die Zeichnungen dienen natürlich 
viel eingehenderen Erörterungen des Flutproblems als 
Unterlage, als wir sie heute und nächstens aus Platz- 
gründen in Aussicht nehmen können. Was da uner- 
örtert bleiben muß, mag sich der geneigte Leser aus 
den Zeichnungen einfach hinwegdenken. 


*) Näheres vergl: »Anwendung der Glacialkosmogonie auf 
die Urgeschichte des Menschen« in unserem Hauptwerke. 


77} ee cu A <r . .. 

2 Apogäum = Mittel 8 Perigäum, : 
12 Nadir (n, a, z.] Zenith. % Nadir. (n, m, z.] Zenith % Nadir (n, p. z.) Zenith 2 
2 © 12 N © 12 2 = 6. 

Ss H=Uberschuss sA SE H= Überschuss nA A F H = Überschuss al < 
et an: „werka 5 < < a “hee rkra 7 an: ff 

i= Fefliehkrafi o Schr TE: F fliehkrafl 9 — 
unf 
G] = | III s x 

| | il l | < 


I. IN) 


m 


r =6378000 
Tsid= 


Oberfl. Sehwere =1000006 


In- -Gramm- 

Fan- + 3°093049 1 1 Faz=-3093049 Fmn=+3°442075 1 
== 7° 3 * Aaz=+3 192924 | Amn 
sse 44  Has=+0099875 l 

05 10 


90 


'€m=074727r' EM = 


111 


Wir wissen: Wenn sich die Sonnen- und Mondes- 
flutkräfte ganz addieren (das ist zu Neu- und Voll- 
mondzeiten, insbesondere bei Sonnen- und Mondes- 
finsternissen), so gibt das eine Springflut — wenn 
sie sich kreuzen oder sozusagen subrtahieren, so 
eine Nippflut. Die größte Springflut wird heute 
eintreten gelegentlich einer Sonnentinsternis zur Pe- 
rigäumszeit im Anfang Jänner, denn da ergibt sich für 
die Zenithhubkraft eine Kräftesumme von 0°1389 + 
0:0562 = 0:1951, also rund 0'2 g pro Kubikmeter Meeres- 
niveauwasser. Die schwächste Nippflut ergibt sich heute 
gelegentlich des ersten und letzten Viertels anfangs Juli 
zur Apogäumszeit, wo sich eine Nadirhubkraft von höch- 
stens 0°04 g (bei starker Deklination des Mondes noch 
weniger, universelle Wetterstürze mit großen Stürmen 
und lokalen Wolkenbrüchen) ergeben kann. Die stärk- 
ste Springflutkraft ist also etwa das Fünffache von 
der schwächsten Nippflutkraft. Kritische Naturereignisse 
(Erdbeben, Vulkanausbrüche, Schlagwetterkatastrophen 
in den Bergwerken) werden durch diese Springflut- 
kräfte ausgelöst. 


Daraus dürfen wir aber nicht schließen, daß es 
einer Verfünffachung der Flutkräfte bedarf, um 
zu kritischen Tagen erster Ordnung zu kommen, 
sondern müssen wir da das obere Maximum mit 
dem Nippflut- Mitte! vergleichen. Hienach reicht 
schon eine Verstärkung des Durchschnittes auf das 
rund Doppelte hin, um zur stärksten Springflutwirkung 
zu gelangen. 

Haben wir uns damit ein mechanisches Anfangs- 
gefühl für Flutkraftvergleiche gebildet, so können wir 
585 die heut i g e n. (oder für wann immer geltenden) 

on nen flutkräfte ganz außer Spiel lassen und nur 
die heutigen Mondes flutkräfte mit jenen ver- 
schiedener Epochen der nächsten geologischen 
Zukunft in gefühlsweisen Vergleich setzen und uns 
apen Wenn eine e UNE der heutigen Mondes- 
flutkraft schon kritische Naturereignisse zeitigt, was 
geschieht, wenn sich diese Kräfte auf das 37-, 50-, 

1 , 20.000-, ja 134.500fache erhöhen, 
wie dies in den Fig. 3 und 4 zu ersehen ist? Das 
ist der Kataklysmus der geologischen 


30° 160° 9 
INL = 180" 


5 


-per -ser. 


Fmz 3.42075 F pn = + 3°853644 1:1 Fpz=-3'855644 
= +3°559105 | Am=-3721849 E.E Apz=+3'992568 

$_ Hmz=+0'117050 Hpn=*O151795 | Hpz=r0'158924 

15 20 25 30 


Fig. 2. Graphische und numerische Übersicht der heutigen beiläufigen Mondesflutkräfte auf Erden in Gramm pro 1 m? Wasser 


und im Maßstabe von 50 mm = 1 g. 


Oben: Die im Durchmesser nz wirkenden Flieh- und Schwerkraftsüberschüsse als eigentliche 


Hubkräfte. Unten: Das an der Erdoberfläche wirkende Flutkraftsystem des Mondes für die drei Hauptentfernungen. Ableitung 
der Kräfte vgl. Fig. 5 im Aufsatze des nächsten Heftes. 


112 


Zukunft! Das sind gebirgsbildende 
Kräfte! Das gibt Episoden von unsagbar 
erschütternder Gewalt« Doch schicken wir 
leich hier voraus, daß gerade die höchsten dieser 
räfte nicht von jener gebirgsbauenden Wirkung sind, 
wie beispielsweise die der Mittelfigur 3, wie wir gleich 
sehen werden. 

In Fig. 3 links beträgt der Mondabstand noch 
177 Erdradien gegenüber r von heute, welcher 
heutige Abstand durch die obere Figurenrandlinie Em 
im selben MaBstabe versinnlicht erscheint, in welchem 
unter den Flutkraftdiagrammen die gewählten drei 
typischen Mondabstände durch schwarze Scheibchen 
dargestellt sind. Der Durchmesser der Mondscheibe 
ist das 3˙4 fache des heutigen, die Leuchtkraft 
auf das 12 fache gestiegen. Sonnen- und Mondes- 
finsternisse sind jetzt viel häufiger, aber wegen der 
zunehmenden Verschlechterung des Klimas selten zu 
beobachten. Der siderische Monat et nur mehr 
vier heutige Tage und die Zenith- und Nadir-Hub- 
kräfte sind auf 49, bezw. 42 g pro 1 m? Wasser, 
das ist auf das 50-, bezw. 37fache der heutigen 
mittleren Zenith-Hubkraft des Mondes gestiegen! Die 
natürlich bereits ins Riesige angestiegenen Zenith- 
und Nadir-Flutberge umwandern die Erde noch 
immer nach rückwärts in ca. 32 heutigen Stunden 

egenüber den 24 Stunden 50 Minuten von heute. 

ir nennen das bezeichnenderweise das »Zeitalter 
der rückeilenden breiteren Gürtelhochflut 
und des allmählichen Beginnes geologi- 
scher Bauarbeit«, welches natürlich etliche Jahr- 
zehntausende vorher bei noch größerem Mondabstand 
schon begonnen hat und ebenso auch noch für ge- 
ringere Mondabstände bis etwa auf rund 10 r herab 
gelten mag. Noch immer bewegen sich die Flutberge 
zu schnell nach rückwärts, als daß sie sich zu wirk- 
lich ausgesprochenen, isolierten Wasserbergen aus- 
bilden könnten; sie fließen vielmehr noch immer zu 


einer breiteren Tropengürtelflut mit (dem Erdrelief 
entsprechend) reich gegliederten Uferlinien zusammen, 
welch letztere aber in kombiniert zwei periodischem 
Rhythmus (Fiutrückumlaufszeit von 1¼ Tag und Knoten- 
rückumlaufszeit von vielleicht 2½ Jahren oder mehr) 
in flachen Ebbe- und Flutgebieten weit aus- und ein- 
atmen. Schichtenbildung und Eiszeit hat bereits in 
größerem Maßstabe begonnen. Jede tägliche Ebbe- 
schichte gefriert bereits nieder. Der Eiszeitmensch 
findet längs beiden sehr gezackten und lebendigen 
Ufern dieser breiten Gürtelhochflut noch immer leid- 
liche Weide- und Jagdgründe und Wohngelegenheiten. 
Ganz kluge Völker haben sich bereits auf den halbinsel- 
artig in die Tropengürtelflut hineinragenden Hoch- 
ländern Zentralamerikas und auf eventuellen Inseln 
des tropischen Afrika zusammengepfercht, soweit sie 
nicht schon erlegen sind und den zunehmend er- 
schwerten Lebensbedingungen sich rasch genug an- 
zupassen Gelegenheit fanden. 

Einfügen müssen wir hier, daß die Ursache jeder 
Eiszeit einzig in dieser Mondannäherung besteht. 
Die so sehr erhöhten Mondesflutkräfte ziehen nämlich 
auch den Luftozean zu einem höheren Tropengürtel 
zusammen, so daß die höheren Breiten, selbst in den 
Tiefebenen, unter einen Luftdruck geraten, wie er 
etwa heute in den ewigen Schneeregionen unserer 
Hochgebirge herrscht. Diese Zustandsänderung erfol 
natürlich une allmählich, Jahrhunderttausende 
hindurch und dementsprechend auch die allmähliche 
Vereisung der ozeanfreien Gelände höherer und mitt- 
lerer Breiten. Daraus darf aber nicht gefolgert 
werden, daß etwa die wasserfreien Reste der Tropen- 
länder unter umso höheren Luftdruck geraten und 
umso heißer werden müßten. Im Gegenteile. Die 
Erdoberflächenschwere ist heute als mit Atmosphären- 
höhe »gesättigt« anzunehmen. Das will sagen: 
Wenn wir heute am Luftozeangrunde aus entsprechen- 
den, O und N enthaltenden, festen oder flüssigen 


Vex Nacheilende- -Stationäre Hochfluth- -Voreilende. “em 


Beispiet:Rev.Zeil=42Rolal. + 

Nadir (n, n,z.) Zenith = 
= j h N 

H= Überschuss aed 

— 


an: kraf 
FeFliehkran o Schwer 


d Fn *Ano= 40'0 


2623": Rev.Zeil = Rol.Zeil =004Tsa. 
Nadir (n, s, 2.) Zenith. 
H= Überschuss 


a “sche 


Beisplel:Rev.Zeit= 0 3 Rotat. 


Nadir (n, v. 2.) Zenith. 4 9 
H= Überschuss ef < 

n: 
2 ill 


rk 


an Hinz F Rithkrafl o Ennill 
wai UA T A e 
ee | < Mondauflösungsbeginn 2 
& | EI Lil ll 1 bvahe — | 2 
U ee ase we er ar U Apr re ur, r F 
Gos T =6378000" 5 N Ho- 7907 | -7 i 33 


Tsid= 
. 


© 
3 
2 8 
+ = 
i 
zg 
gr 
V 
: 
in -Gramm- 
Fmns + 400 Fnz = - 400 Fsn 2 +253 
Ann= - 35'8 oe Anz= + 449 Asn - 194 
Hnnz + 42 py Hnz= + 49 Hsn» + 59 
p f 1 + 30 43 30 O cp 10 200 x 


=2360590”, 


Aequ RolFliehkrafi= 34558 


„per m3 Was- | -Ser: 
. 
= + vne -~ vza + 
Hsz= + 91 Hyvn= + 737 U 22 +2 
se 500 o 1900 son 0 


Fig. 3. Graphische und numerische Obersicht der beiläufigen Mondesflutkräfte auf Erden in drei typischen Stadien der 
nächsten geologischen Zukunft. Alles in Gramm pro 1 m? Wasser und in 1: 75, 1: 750 und 1: 15.000 des Kräftemaßstabes 
der Fig. 1 und 2. Oben: Die im Durchmesser nz wirkenden Flieh- und Schwerkraftsüberschüsse als eigentliche Hubkräfte. Unten: 
Die an der Erdoberfläche wirkenden Flutkraftsysteme entsprechend den drei Mondabständen A’, C und E, der Fig. 8 im nächsten 
Aufsatze, wie sie auch hier maßstäblich richtig versinnlicht erscheinen; außerdem zeigt die obere Randlinie Em die heutige mittlere 
Entfernung des Mondes von der Erde im selben Maßstabe. Ableitung der Kräfte vgl. Fig. 5 im Aufsatze des nächsten Heftes. 


Chemikalien einen Kubikkilometer atmosphärischer Luft 
erzeugen und freigeben, so müssen in etwa 400 km 
Höhe aus der unsere Atmungsluft überlagernden, all- 
mählich in die Drucklosigkeit des Weltraumes über- 
gehenden Hydrogensphäre etwa 15 bis 20 Tausend 
oder mehr Kubikkilometer höchstexpandierten Wasser- 
stoffes(nämlichdasGewichtsäquivalent von 1,300.000kg) 
inden Weltraum entweichen! Dasselbe ge- 
schieht aber auch, wenn wir die Erdoberflächen- 
schwere in den Zenith- und Nadirpunkten des 
umlaufenden Mondes durch die Hubkräfte zu- 
nehmend erniedrigen, weil dann dort nur 
mehr eine entsprechend leichtere Luftsäulenhöhe 
festgehalten werden kann und alles darüber Hinaus- 
ee in die Höhe expandiert und oben in den 

eltraum entweichen muß. Durch die zunehmenden 
Mondesflutkräfte gelangen also nicht nur die höheren 
Breiten ebenso zunehmend unter niedrigeren Luft- 
druck, sondern die ganze Gashülle der Erde ver- 
armt immer mehr und mehr: Und das ist die 
einzige Ursache der großen Eiszeiten gewesen. 
Für eine Unterteilung dieser großen Eiszeiten an 
einem bestimmten Meridian in mehrere Subeiszeiten 
und Interglacialzeiten wird sich uns aus der 
Mittelfigur 3 und besonders aus späteren Figuren die 
Notwendigkeit von selbst aufdrängen. Theoretisch 
hat also diese Luftverarmung schon beim Mond- 
einfang (sagen wir vor 70.000 Jahren) mit einem 
plötzlichen Ruck begonnen, hat aber seither nur in 
dem Maße langsam zugenommen, als der mittlere 
Mondabstand seither kleiner geworden ist. Theoretisch 
sind wir also schon vor vielleicht 70.000 Jahren in 
die künftige Eiszeit, bezw. in den Quartär- 
kataklysmus eingetreten, nur schleicht dieses 
große geologische Ereignis in so langsamer Zunahme 
aus einem sanften Beginn heran, daß man innerhalb 


F Voreilende Hochfluth bei 

Mondauflösungsbeginn. 

Mondesflulhkräfte auf Erden 
1:225000 


ser. 


— 
un 
— 
o 
o 


Was 


Mondschwere=A, 


= 


Zenilh«z) 


ondoberfl-Schwere = 171.000 Cr. 


Nadir 8 E 

Aon=-1601 A»z=-+19612 = 

Fön=+3874 Föz=- 3874 S 

Hön=+2273 Höz=+15738 50000 
H=Überschüsse E 

e ‘aves Mur E 

Elichkraft=F_o Sewers 5 

nenne Im 

4 N 

Le 

y ia er, N % 

t 


| Ester | 


Rev.zeil=34St. gol zes 20 Sl., 


— 


e=0'0224r 


Hebel 


„A252 ek 
+ 28 N * 


429 6 
- 261234 |+356049 


1:2,250.000 


Fig. 4. Graphische und numerische Übersicht der beiläufigen 
Mondesflutkräfte auf Erden (oberes Diagramm und Erdfigur) 
und beiläufigen Erdenflutkräfte am Monde (unteres Diagramm 
und Mondfigur) um die Zeit des künftigen Mondauflösungs- 
beginnes entsprechend dem Stadium E der Fig. 8 im nächsten 
Aufsatze. Alles in Gramm pro I m’ Wasser, und zwar oben und 
links in 1.: 225.000, unten und rechts in 1 : 2,250.000 des Kräfte- 
maßstabes der Fig. 1 und 2. — Ableitung der Kräfte vgl. Fig. 5 
im Aufsatze des nächsten Heftes. 


113 


»historischer« Zeiträume kaum eine Änderung merkt, 
bezw. daß diese ungemein langsame Klimaverschlech- 
terung von, aus vielen anderen kosmischen Ursachen 
stammenden, kurzen (12-, 18-, 29-, 35-, 84- 164- und 
mehrjährigen) und vorderhand stärkeren Klima- 
schwankungen jetzt noch bis zur Unkenntlichkeit 
überwuchert wird. Möglicherweise liegt der Kul- 
minationspunkt des geheimnisvoll, theoretisch 
bereits längst begonnenen Quartärkataklysmus 
(somit auch der künftigen Eiszeit) noch 500.000 


Jahre — und die zugehörige Mondauflösung samt 


Sintflut noch weitere 50.000 Jahre tiefer in der g eo- 
logischen Zukunft verborgen. Vielleicht kann 
man aber auch da noch je eine Null streichen, wenn 
uns die viel besser bewaffneten astronomischen 
Observatorien endlich zu Hilfe kommen. 

Und diesen Kulminationspunkt von Kata- 
klysmus und Eiszeit versinnlicht uns eben die nächste 
Mittel figur 3. Zur Stationären Hochflut- 
zeit« dieser Mittelfigur wird der Mond schon auf 
ca. 702 Erdradien herangeschrumpft sein und die 
Mondumlaufszeit ist gleich der inzwischen auf viel- 
leicht 26 Stunden angewachsenen Rotationszeit der 
Erde — also der Monat gleich einem Tag geworden. 
Die Mondscheibe hat den 875 fachen Durchmesser und 
die 73fache Leuchtkraft von heute erlangt; innerhalb 
einer gewissen Breitenzone gibt es täglich je eine 
länger dauernde totale Sonnen- und Mondesfinsternis, 
von denen aber wegen der Klimaverschlechterung kaum 
etwas anderes zu sehen ist, als der starke diffuse 
Lichtwechsel. Die Zenith- und Nadirhubkräfte sind 
auf 91, bezw. 59 g pro 1 m? Wasser, also auf das 
863-, bezw. 530fache von heute gestiegen! 
Aber nicht so sehr diese hohen Flutkraftbeträge sind 
hier das Entscheidende, sondern vielmehr der Um- 
stand, daß die beiden Punkte z und n (Zenith und 
Nadir des Mondes an der Erdoberfläche) jetzt lang- 
andauernd am selben Meridian haften bleiben. 
Die Flutberge, welche in den vorangegangenen Jahr- 
tausenden nur mehr sehr langsam die Erde um- 
schlichen haben, sind daher zum Stillstande gelangt, 
sind stationär geworden! Aber auch schon während 
dieser letzten Zeit der rückschleichenden Hoch- 
flutberge hatten diese hinreichend Zeit, sich vollends 
isoliert auszubilden und zur diesen Kräften 
vollentsprechenden Höhe emporzuwachsen, 
wie dies nun zur Stationärzeit erst recht der Fall ist. 
Das gesamte Ozeanvolumen hat sich da längst in zwei 
ungleiche Hälften geteilt; ein höherer und schmälerer 
Zenithflutberg hängt dauernd nach dem Monde hin — 
und ein entsprechend niedrigerer, aber breiterer Nadir- 
flutberg wird durch die nadirseitigen Fliehkraftsüber- 
schüsse dauernd antipodisch emporgestaut bleiben. Aus 
heute nicht erörterbaren Gründen bleibt der Zenith- 
flutberg über dem Kontinentsockel des heutigen 
Afrika stehen, während sich der breitere Nadirflutberg 
in das heutige pazifische Becken einlagert. Zufolge 
des Umstandes aber, daß Erdachse und Mondumlaufs- 
achse nicht zusammenfallen, sondern einen in etwa 
halbjähriger oder längerer Periode (Mondknoten- 
umlauf) zwischen vielleicht 30° und 50° schwankenden 
Winkel zueinander bilden, müssen beide Flutberge 
täglich einmal um diesen Winkel meridional auf- 
und niederpendeln! Mit Leichtigkeit überschreiten also 
Ausläufer des oszillierenden Zenithflutberges täglich 
einmal die höchsten Alpenkämme, während nadirseits 
wieder die höchsten Spitzen des Himalaja täglich 
einmal unter Wasser gelangen. Wir brauchen uns 
also nicht länger darüber zu verwundern, wenn heutige 
Geologen dort oben versteinerte Meeresmuschellager 
und andere Meerespetrefakten finden. Aber auch das 
ganze Geoid muß sich da längst eiförmig de- 
formiert haben, doch sollen nicht etwa die Ei- 
linien der Fig. 3 und 4 diese Deformierung darstellen; 
es sind das nur Flutkraftdiagramme; dennoch erfolgt 
die Deformierung in ähnlichem Sinne. 

Trotzdem kann aber der Eiszeitmensch in 
den beiden tropischen Teilen des stationären, 


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114 


senkrecht zum Äquator über beide Pole sich windenden 
Ebbegürtels sein allerdings sehr bewegtes Nomaden- 
und Jagdleben im bestabgehärteten Zustande zur Not 
weiterfristen. An das Erdbeben muB er sich aller- 
dings gewöhnen, wie ein im ungefederten Wagen auf 
holpriger StraBe dahinfahrender Reisender an die 
Radstöße. Aber auch durch dieses Erdbeben des 
eigentlichen Gebirgssbauzeitalters werden Gebirge 
nichtgebaut, sondern nur zerstört! Wir 
werden den fabriksmäßigen Schichten- und Gebirgs- 
bau-Vorgang des stationären Hochflut-Zeitalters und 
der nach rück- und vorwärts angrenzenden Jahr- 
tausende nächstens an der Hand von spezielleren 
graphischen Unterlagen leichter durchsichtig machen 
können, als dies heute möglich wäre. 

Istnun diesem stationären Hochflut-Zeitalter 
je ein solches der rückschleichenden, rück- 
schreitenden und rückeilenden (oder auch 
nachschleichenden, nachschreitenden und nacheilenden) 
Hochfluten vorangegangen, so folgen jetzt bei 
weiterer Verringerung des Mondabstandes nach- 
einander in allmählich abnehmend kürzerer Dauer 
die Zeitalter der vorschleichenden, vor- 
schreitenden, vorlaufenden, voreilenden 
und vorrasenden Hochfluten, bis endlich die 
Mondauflösung bei Erreichung der durch Fig. 4 
versinnlichten Zustände eintritt — und einmal ein- 
geleitet, sich auch rasch vollzieht. 

Ausgiebig gebirgsbildend wirken eigentlich nur die 
rück- und vor-schleichenden und schrei- 
tenden Hochfluten nebst der stationären Hoch- 
flut, weil nur da die Flutkräfte Zeit finden, das 
Geoid entsprechend zu deformieren, isolierte und 
heftig oszillierende Flutberge zu erhalten und mit 
Hilfe des eiszeitlichen Hartfrostes entsprechend hohe 
Schichtkomplexe emporzubauen, die dann durch 
dieselben Flutkräfte auch immer wieder zu den Flut- 
bergen herangleiten und immer wieder teilweise 
zerstört werden. Das sind nun die vom Altmeister 
Sueß geahnten Episoden von so unsagbar 
erschütternder Gewalt, daß die Einbildungs- 
kraft sich sträubt, das Bild auszumalen, für welches 
der führende Verstand aus den Profilen großer Ketten- 
gebirge heraus die allgemeinen Umrisse setzte. Der 
geneigte Leser wird sich nächstens überzeugen, daß 
auf dem nunmehr vorbereiteten Boden und in den 
jetzt gesetzten Umrissen diese Ausmalung des 

ildes ein Kinderspiel geworden ist. 

In der Fig. 3 rechts beträgt der Mondabstand 
nur mehr 2'785 r, während die Mondauflösung laut 
Fig. 4 bei einem solchen von 1°8r oder noch etwas 
früher beginnen dürfte. Der siderische Monat beträgt 
in Fig. 3 nur mehr / des heutigen Tages oder 
etwa 0'3 des inzwischen wieder auf vielleicht 19 
heutiger Stunden verkürzten neuen Tages. Denn es 
ist ja klar, daß die vor stationären Flutrück läufe 
(bei kleinerer Fluthöhe) eine negative Flutreibungs- 
arbeit verrichten, durch welche die Erdrotations- 
Winkelgeschwindigkeit allmählich etwas verringert, 
daher der Tag etwas verlängert werden mußte. Das 
wird aber durch die nachstationären Flutvorläufe 
wieder reichlich hereingebracht; sie beschleunigen die 
Erdrotation (bei größerer Fluthöhe) durch positive 
Flutreibungsarbeit derart, daß in Fig. 3 rechts der 
Tag vielleicht nur mehr 19, in Fig. 4 nur mehr 18 
unserer heutigen Stunden lang ist. Genau wird sich 
das kaum jemals rechnen lassen, weil man für den 
absoluten Wert der Flutreibung immer nur spekulative 
Annahmen machen kann. 

Die Zenith- und Nadirhubkräfte sind auf 2304, 
bezw. 737 g pro 1 m Wasser, das ist auf das 20.000-, 
bezw. 6300 fache der heutigen mittleren Zenithhubkraft 
des Mondes gestiegen! Und dennoch werden da keine 
Gebirge mehr gebaut und vorläufig auch nicht mehr 
sonderlich zerstört. Selbst die Erdbeben sind wieder 
etwas seltener geworden. Die Flutkraftwirkung auf die 
Erdkruste ist jetzt ähnlich der Wirkung eines schnell 
dahinfahrenden schweren Schlitischuhläufers auf 


schwacher, biegsamer Eisdecke, auf welcher der lang-. 
sam gleitende leichte Knabe sicher einbrechen 
würde. Zwar wurde die Erde durch die Dauerwirkung 
des so schweren Flutkraftsystemes allmählich etwas 
linsenförmig deformiert, aber der tropische Erdkrusten- 
gürtel atmet gezeitlich lange nicht in dem Maße, als 
die Flutkräfte angestiegen sind, weil der nahe Mond 
zu schnell über die einzelnen Längsgrade und Siede- 
verzugsstellen hinweghuscht, um die Krustenmassen 
nach aufwärts zu beschleunigen, wie es ja die Vor- 
aussetzung einer Druckentlastung wäre. Dazu kommt 
noch folgendes: Die Mondbahnebene hat sich in- 
zwischen der Ekliptik etwas mehr angeschmiegt, dabei 
aber auch die Erdachse mehr senkrecht zur eigenen 
Ebene, mithin auch zur Ekliptik aufgerichtet. Der 
Winkel der Flutbreitenoszillationen ist also ein 
wesentlich kleinerer, vielleicht auch nahezu Null 
geworden. Aber das ist noch nicht das Ausschlag- 
gebende, sondern der Umstand, daß auch die trägen 
Wassermassen der (obwohl sehr nahe) umrasenden 
Mondmasse jetzt nicht mehr folgen können. Ein isoliert 
umlaufender Flutberg ist schon lange nicht mehr 
möglich, sondern sind diese Flutberge schon längst 
in einen voreilenden, höheren, schmäleren Tropen- 
gürtel zusammengeflossen, dessen Ufer sogar ruhiger 
sein dürften, als die der vorstationären, breiteren, 
rückeilenden Giirtelflut. Wir sind da also längst 
schon in das geologisch zukünftige »Zeitalter der 
voreilenden schmäleren Gürtelhochflut 
und der unmittelbar vorsintflutlichen Zeite 
eingetreten, das ist in die wiedergekommene Zeit 
eines überlieferten »Großen Wassers« der Väter 
unserer tropisch-amerikanischen Rothäute! 

Der Mond ist nun eine wasserradgroße Scheibe 
vom 33fachen Durchmesser und der 1089 fachen 
Leuchtkraft der heutigen Luna geworden und der 
tropische Eiszeitmensch kommt aus den (universell) 
täglich rund je 3½ maligen totalen und länger an- 
dauernden Sonnen- und Mondesfinsternissen gar nicht 
mehr heraus. Der Riesenmond geht auch längst nicht 
mehr im Osten auf, sondern im Westen (er um- 
rast ja die Erde viel schneller, als diese rotiert), und 
zwar für einen bestimmten Meridian täglich rund 
2'/, mal. Schon die täglich 3½ malige, langandauernde 
Beschattung eines 30° breiten tropischen Zonen- 
streifens der Tagesseite muß die mittlere Jahres- 
temperatur der gesamten Atmosphäre und Erdober- 
fläche weiters stark herabsetzen. Der tropische 
Eiszeitmensch sähe von seinem fixen Standpunkte aus 
täglich durchnittlich 2'/, mal den verfinsternden Voll- 
mond und sonnenverfinsternden Neumond und je 2½¼ 
erste und letzte Viertel, wenn die Atmosphäre nicht 
dauernd trübe wäre — er sieht also nur den diffusen 
fortwährenden Lichtwechsel unter stürmisch bewölktem 
Himmel. Das Jahr kennt er schon lange nicht mehr 
und in dem für ihm unverständlichen Durcheinander 
von absoluter und teilweiser Finsternis und sehr 
variablen Lichtblicken ist im auch der Maßstab für 
Tag und Nacht verlorengegangen. Er kann die Zeit 
nicht mehr messen: Die kataklysmatisch erregte, trübe 
und kalte Erdenwelt ist für ihn zeitlos geworden! 
Das tropische Ozeanniveau ist wegen der größeren 
Mondmasse jetzt höher gestiegen, als dies vor Jahr- 
millionen seine Väter erlebt hatten. An den Felsen- 
wänden von im jüngsten Quartärkataklysmus erneuerten 
Hochgebirgen nagt sich eine neue höhere Wasser- 
linie ein, die er abermals mit seinen Symbolen und 
Hieroglyphen übermeißelt, damit im nächsten Quintär- 
Alluvium seine Enkel und irgend ein neuer über- 
weiser-weißer A. v. Humboldt einander aber- 
mals geringschätzend belächeln mögen! Und abermals 
wird das Recht auf Seite der Enkel sein! 

Wir müssen es uns aus Platzgründen versagen, heute 
noch näher auf die inhaltsreiche und weitausgreifend 
anregende Fig. 4 einzugehen, um dafür im nächsten 
Hefte auf dem vorbereiteten Boden umso leichter über 
die Gebirgsbildung, Mondauflösung und 
Sintflut abschließend sprechen zu können. 


115 


Aus der Praxis — für die Praxis. 


Der automatische Stabilisator von Sperry-Curtiß. 


Wiewohl die hervorragendsten Praktiker des Fluges 
die Notwendigkeit automatischer Gleichgewichtsregler 
immer mehr negieren, fehlt es doch dermalen nicht 
an zahllosen Bestrebungen und Versuchen, dieses 
Problem seiner entgültigen Lösung zuzuführen. Im 
Rahmen dieser Zeitschrift sind schon des öfteren 
einschlägige Projekte besprochen worden, doch hat 
keines derselben in seiner Ausführung derart befriedigt, 
daß es auch nur die Bezeichnung einer »Lösung« ver- 
dient hätte. Unter allen bisher erprobten Vorrichtungen 
aber scheint noch der bereits im Vorjahre so oft 
erwähnte Stabilisator des Amerikaners Sperry der 
beste zu sein, der auch, in ein CurtiB-Flugboot ein- 
gebaut, zu dem großen französischen Wettbewerbe 
»Union pour la sécurité en aéroplane« angemeldet 
und mit einem Preise ausgezeichnet wurde. Es sei 
daher bei dieser Gelegenheit seine Beschreibung in 
aller Kürze nach einem französischen Fachblatte 
wiedergegeben. Die eingefügte Skizze zeigt den 
Apparat und seinen Einbau im Aufrisse an dem 
Beispiele eines Curtiß-Doppeldeckers. Im wesent- 
lichen besteht er aus den folgenden Teilen: 1. Aus 
der zur Messung der Windstärke dienenden Fühl- 
platte A, 2. einer Reihe von Kreiseln und Servo- 
motoren B und E, welche die Seitenstabilität, und 
Gruppe C und L, welche die Längsstabilität reguliert. 
Die Fühlplatte A, welche aus Aluminium besteht und 
Rechteckform besitzt, ist senkrecht zwischen zwei 
wagrechten Zapfen aufgehängt und erfüllt drei 
Funktionen: 1. zeigt sie dem Führer des Flugzeuges 
in jedem Momente die Geschwindigkeit des Apparates, 
2. halt sie die Geschwindigkeit der Flugmaschine 
innerhalb gewisser Grenzen, und 3. reguliert sie die 
Tatigkeit der Kreisel, die den Apparat im normalen 
Fluge im Aneen erhalten. Bezüglich der sub 
2 genannten Funktion der Platte ist zu bemerken: 
Steigt beispielsweise der Apparat aufwärts, so ist sich 
wohl sein Lenker darüber klar, daß er steigt, daß seine 
Maschine eine entsprechende schiefe Lage im Luftraume 
einnimmt und sein Motor langsamer läuft. Er kennt 
aber die relative Geschwindigkeit seines Apparates 
nicht und dies kann leicht dazu führen, daß diese 
sukzessive gleich Null wird, in welchem Falle der 
Apparat nach hinten abrutschen und stürzen kann. Um 
dem vorzubeugen, tritt die Platte A in Funktion. Fällt 
nämlich die Geschwindigkeit des Apparates unter eine 
gewisse Grenze, so vermindert sich auch der Luftdruck 
auf die Platte A in entsprechendem Maße. Diese ist 
auf derartige Druckdifferenzen und Unterschiede der- 
artig abgestimmt (analog der Fühlplatte beim 
Doutreschen Stabilisator), daß sie in diesem Falle 
eine elektrische Kontaktvorrichtung betätigt, die ihrer- 
seits auf einen Servomotor wirkt, der mit PreBluft 
betätigt wird und durch den Schnurzug P das Höhen- 
steuer entsprechend verstellt. Auf diese Art wird 
das Aufwärtssteuern des Lenkers unterbrochen und 
die Flugmaschine zum Sinken gebracht, bis ihre 
normale, verloren gegangene Geschwindigkeit wieder 
erreicht ist. 


Die außerdem noch durch die vorerwähnte Fühl- 
platte beeinflußten Kreisel (vier an der Zahl) B, E,C 
und L sind in einer Art Kardangelenk befestigt. Zwei 
von ihnen drehen sich der Symmetrieebene des 
Apparates entsprechend, und zwar in gegenseitig 
entgegengesetzter Richtung, während die beiden 
anderen sich in der senkrechten Ebene drehen, 
mals zur seitlichen Erstreckung der Tragdecken. 

ie Kreisel bestimmen im Raume drei Richtungen 
von unveränderlichen Ebenen, die parallel und senk- 
recht zu ihren Drehebenen liegen. Bezüglich der 
relativen Bewegungen des Apparates und der Kreisel, 
reißen letztere die Arme des Kardangelenkes mit sich 
fort, an denen Hebel befestigt sind, die auf die 
Schieber zweier kleiner Preßlufthilfsmotoren wirken. 


Diese sind dicht bei dem Kreisel angebracht, und 
zwar beeinflußt der eine das Höhensteuer, während 
der andere die Verwindungsflächen (Klappen) betätigt. 
Im Übrigen finden wir diese Anordnung ja bei allen 
Stabilisationsautomaten, die sich besonderer Servo- 
motoren bedienen. Die ganz besondere Eigenart des 
Sperry-Stabilisators aber besteht in der Weise, in 
welcher diese Bewegungen des Hilfsmotors durch die 
Anemometerplatte A korrigiert werden. Einer be- 
stimmten Neigung der Flugmaschine mit Bezug auf 
die Ebene des Kreisels entspricht eine bestimmte 
Verstellung des Hilfsmotorschiebers und damit ein 
entsprechender . der Steuerflächen. Letzterer 
hängt bezüglich seiner Größe nur von der Neigung 
der Flugmaschine ab, keineswegs aber von deren 
Geschwindigkeit, die sie in diesem Augenblicke 
gerade entwickelt. Gegenüber den bereits bekannten 
Stabilisatorkonstruktionen kann bei diesem Stabilisator 
ein sogenanntes »Überregulieren« nicht eintreten, da 
für jede Lage und Geschwindigkeit die Regulierung 
immer in dem erforderlichen Intensitätsgrade und in 


Der selbsttätige Sperry Stabilisator 
Fig. 1. 


dem erforderlichen Umfange erfolgt. Dadurch, daß 
das Instrument solcherart mehrfache Abstufungen 
seiner Wirksamkeit zuläßt, wird es den Zwecken der 
Praxis unter den bestehenden, bisherigen Systemen 
noch am meisten gerecht. Denn eine Betätigung der 
Steuerflächen, wie sie bei langsamer Fahrt des 
Apparates erforderlich wäre, würde bei schnellem 
Fluge der Maschine viel zu kräftig wirken und die- 
Folge hievon wäre ein Übersteuern mit folgendem 
sehr unruhigem Fluge, eventuell sogar Absturz. Um 
solche Unregelmäßigkeiten schon im Keime zu 
ersticken, ist die Platte A vorgesehen, die den Zeit- 
unkt für die Betätigung der Antriebshebel der 
Schieber des Hilfsmotors entsprechend der Ge- 
schwindigkeit des Apparates verändert und in jedem 
Falle den Umfang der Steuerwirkung in ein 
bestimmtes Verhältnis zur Fluggeschwindigkeit bringt. 

Der elektrische Strom, der erforderlich ist, um 
die Kreisel mit 12.000 Touren pro Minute zu drehen, 
wird von der kleinen Dynamomaschine G geliefert, 
die nur wenige Kilogramm wiegt und mittels Riemen- 
übertragung von der Kurbelwelle des Motors aus 
angetrieben wird. Damit die Kreisel auch nach Still- 
stand des Motors noch eine Zeitlang weiter arbeiten 
und den Stabilisator in Funktion erhalten können, 
ist eine kleine Akkumulatorenbatterie vorgesehen, die 
auch als Pufferbatterie dient, das heißt plötzliche 
Schwankungen im Stromkreise ausgleicht, so daß ein 
gleichmäßiger Lauf der Kreisel gewährleistet erscheint. 
Außerdem ist zur Regelung des den Kreiseln, resp. 
ihren Antriebsmotoren zugeführten Stromes noch ein 


116 


besonderer Regulator vorgesehen. Bei horizontalem 
Fluge oder bei stillstehendem Motor tritt die in den 
Akkumulatoren aufgespeicherte Energie sofort in Tätig- 
keit. Zur Herstellung der komprimierten Luft dient ein 
Kompressor H, der auf einen der Zylinder angebracht 
ist. Der Kompressor erhält den Antrieb im Augen- 
blicke der Explosion; indessen verhindert ein genau 
eingestelltes Ventil die Vermischung der Gase mit 
der durch die Leitung I in den Behälter J 
Ben komprimierten Luft. Derart bleibt der 

ehälter J unter einen bestimmten Druck gefüllt. Er 
erhält stets eine genügende Menge komprimierter 
Luft, die das Arbeiten des Hilfsmotors auch einige 
Zeit nach dem Anhalten des Motors ermöglicht. 


An dem Stabilisator ist des weiteren auch eine 
Arretiervorrichtung angebracht, die es dem Lenker 
ermöglicht, vermittels einesam Steuerrade angebrachten 
Hebels Q, den Stabilisator in oder außer Wirksamkeit 
zu setzen. Das Gesamtgewicht der gesamten Stabili- 
sationsvorrichtung soll nicht mehr als 20 kg betragen. 
Nach Berichten ausländischer Fachzeitschriften und 
Zeitungen, soll er sich bei den verschiedenen Probe- 
flügen unter den strengsten Bedingungen sehr gut, 
ja außerordentlich gut bewährt haben. So hat, als die 
hiemit ausgerüstete Curtiß-Maschine in voller Fahrt 
war, der Passagier seinen Sitz verlassen, sich auf 
den einen Flügel sowohl der Breite wie auch der 
Länge nach hingesetzt, während der Lenker sich 
aufrichtete, die Arme hochhob und seinen Sıtz verließ, 
dabei die Steuerhebel losließ, ohne daß hiemit die 
Flugmaschine irgend wie aus dem Gleichgewicht ge- 
bracht worden wäre. Gelegentlich eines anderen 
Experimentes stieg der betreffende Curtiß-Doppel- 
decker einzig und allein durch diese selbsttätige 
Steuerung aus dem Wasser auf, flog automatisch 
stabilisiert wagrecht weiter und setzte dann seien 
Flug fort, während der Lenker den Stabilisator aus- 
schaltete und die weitere Lenkung übernahm. Dann 
flog der Apparat wieder unter dem alleinigen Einflusse 
des Stabilisators horizontal weiter, während der 
Lenker seine Arme über der Brust kreuzte. Dieses 
Manöver war von einer Verminderung der Tourenzahl 
des Motors begleitet, wodurch dann selbsttätig der 
Gleitflug herbeigeführt und die Landung bewirkt 
wurde. Die französischen Fachblätter äußern sich 
recht optimistisch über den neuen, verbesserten 
Stabilisator Sperrys. Daß er aber noch immer nicht 
in der Praxis, wenigstens seitens der Amerikaner und 
der Franzosen, denen er ja bereits im Vorjahre vor- 
gelegt wurde, verwendet wird, speziell aber jetzt, 
befremdet im Hinblicke auf diese Urteile ein wenig. 


Signalbomben für Luftfahrzeuge. 


Der gegenwärtige Krieg hat belebend auf die 
Erfinderphantasie eingewirkt, in einer Weise, wie sie 
sonst die friedlichste Konkurrenz nicht zustandegebracht 
hätte. Neben den zahllosen verschiedenartigsten, 
eigens für Kriegszwecke erfundenen und konstruierten 
Flugzeug- und Lenkballontypen, finden wir noch 
allerhand andere, ebenso fragwürdig nützliche Dinge 
auf dem großen internationalen Erfindermarkte und 
die Statistiken der einzelnen Patentämter beweisen, 
daß in keinem früheren Zeitabschnitt so viele und 
bei näheren Zusehen so viele unbrauchbare Gegen- 
stinde zum Patente angemeldet wurden, wie in der 
Zeit seit Kriegsausbruch bis heute. Besonderer Be- 
liebtheit und Aufmerksamkeit scheinen sich speziell 
unter den gelegentlichen Kriegserfindern die Bomben 
zu erfreuen, von denen sich jeder einzelne einen 
wahren »Bombenerfolg« auch verspricht. Aber auch 
Signalisierungsbehelfe hat der Erfindergeist gezeitigt, 
so beispielsweise in Frankreich und England die 
bekannte Rußsignalisierungseinrichtung nach James 
Means, die im gegenwärtigen Kriege auf Seite der 
drei Ententemächte sehr stark verwendet werden soll, 
meist aber mit dem schlechtesten Erfolge. Derartige 
Signalisierungsvorrichtungen versagten aber im feld- 


N Röhre befindet, 


mäßigen Gebrauche auch dann, wenn es sich darum 
handelte, den eigenen Truppen während des Fluges 
rasch eine durch eine anschauliche Kartenskizze 
illustrierte Meldung zukommen zu lassen. Man sann 
denn auch auf ein geeigneteres Mittel und fand es 
auch in Form der Signalbombe, wie das englische 
Fachblatt »Flight« berichtet. Zu diesen Zwecken 
wurden in der ersten Zeit des öfteren kleine, beschwerte 
Ledertäschchen verwendet, seit neuestem gelangen 
aber regelrechte Signalbomben zur Anwendung. Ein 
Franzose, Paul Fugairon, ist der Erfinder dieser 
Bombe, die bereits mit sehr gutem Erfolge bei Brest 
erprobt worden ist. Der Hauptsache nach besteht 
diese 5 aus einem Hohlzylinder, dessen 
unteres Ende zugespitzt und dessen Oberteil mit 
einem entsprechenden Verschlußdeckel abgedeckt ist. 
Durch einen schmalen Kanal, in den die Nadel T 
paßt, wird in den konisch verjüngten Unterteil Blei 


Fig. 2. Signalbombe für Flugzeuge. 


eingegossen, damit im Abwärtsfallen die richtige Lage 
der Bombe erhalten bleibe. Die vorerwähnte Nadel 
steht mit ihrem oberen Ende in Verbindung mit einem 
kleinen Kniehebel, der mit einer kleinen Scheibe des 
Zündbolzens B korrespondiert. Die Spiralfeder R hält 
den Zündbolzen B stets in seiner Lage, während die 
beiden Blechschleifen S als Führungen bei der Be- 
wegung des Bolzens dienen. Der obere Teil des 
ar wird durch eine Kappe gebildet, die vier 
otfene Fensterchen C enthält. Durch vier besondere 
Klammern gehalten, befindet sich im Innern das 
Material für bengalisches Raketenfeuer, welches durch 
die Explosion einer mit Knallquecksilber gefüllten 
Kapsel, die sich an dem äußeren oberen Ende der 
entzündet wird. Die 

adel T, welche beim Aufschlagen der Bombe zuerst 
den Boden berührt, wird durch den Zug der Spiral- 
feder nach oben gedrückt, so daß sie dadurch den 
Zündstift B niederdrückt, da ja, wie erwähnt, der 
Kniehebel, der mit der Nadel T in Verbindung steht, 
sich gegen die Scheibe E des Zündstiftes stemmt. 
Im wesentlichen ist dieses System der Zündung ja 
nichts Neues. Wohl aber stellt die Verbindung der 
Nachrichtenbombe mit dem hier gekennzeichneten 


Signale eine ganz zweckmäßige Neuerung dar. Der 
Zweck derselben ist ja leicht zu ersehen. Bei 
unsichtigem Wetter oder aber bei größerer Entfernung 
des Ortes, wo die Bombe niedergeht, von dem Stand- 
orte des nächsten Beobachtungspostens, wird dieses 
in der Nacht wie bei. Tag gleich deutlich erkennbare 
Zeichen auf größere Distanzen die Lage der Bombe 
angeben. Die Nachricht nebst eventueller Kartenskizze 
wird in dem Inneren des zylindrischen Hohlkörpers 
auf die aus den Abbildungen ersichtliche Weise 
befestigt. 

Um die Fallgeschwindigkeit des Instrumentes zu 
verzögern und sie damit schon während ihres Falles 
deutlich ersichtbar zu machen, empfiehlt der genannte 
Erfinder, die Bombe mit einem kleinen Fallschirm 
zu versehen, der seitens des Beobachters schon beim 
Auswerfen geöffnet wird. 


Kraftersparnis durch rotierende Propellerkappen. 


Das Streben nach Verringerung des schädlichen 
Luftwiderstandes der Fiugzeuge hat in der Folge der 
Entwicklung zu ganz erheblichen Fortschritten auf 
dem Gebiete der Imprägnierung der Tragdecken und 
Rümpfe geführt. Allein nicht in der zweckmäßigsten 
Gestaltung der der Lufttreibung am meisten aus- 
i Oberfläche liegt das Mittel, die schädlichen 

iderstande zu verringern, sondern in zumindest 
eben demselben Grade auch in der Wahl der ge- 
eignetsten Flügel- und Rumpfquer- und Längsschnitte. 
Diesem letzteren Punkte beginnt man nun allmählich 
überall mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden. Spezieli die 
Franzosen haben es verstanden, ihren Apparaten die 
in diesem Belange vorteilhaftesten Linien zu verleihen, 
wenngleich ihre Konstruktionen in statischer Hinsicht 
einen Vergleich mit den deutschen oder österreichi- 
schen gar nicht vertragen. An dieser Stelle ist schon 
des öfteren der bezüglich seiner aerodynamischen 
Linien so hervorragend konstruierte Eindecker 
Deperdussin als Muster eines schnellen Flugzeuges 
hingestellt worden. Diese seine große Geschwindigkeit 
verdankt dieser Apparat lediglich oder doch zum 
größten Teile seiner günstigen Rumpfform, die einen 
regelrechten Kegelkonus darstellt, dessen vorderer 
Teil torpedoartig verjüngt und zugerundet ist. An 
diesem Apparate war auch besonders die große 
kallottenförmige Propellerkappe charakteristisch, die 
an der Basis einen Durchmesser von 500 mm aufwies. 
Ihr Zweck bestand bei dem Deperdussin-Eindecker 
in der regelmäßigeren und symmetrischeren Luft- 
ablenkung, besonders aber darin, die Kühlluft direkt 
jenen Stellen zuzuführen, die ihrer am meisten be- 
dürfen: denRippen des Rotationsmotors. In Deutschland 


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EN SN TN IN IN IN IN IN SS 


117 


und auch in Österreich wurde diese Idee des öfteren 
aufgegriffen, jedoch nur in der Form, daB die Propeller 
entsprechende Kappenansätze aus dem gleichen Holz- 
material erhielten, deren Durchmesser aber weit 
geringer waren. Wenn auch bei den letztgenannten 
Apparaten keine Rotationsmotoren verwendet wurden, 
so war doch der Zweck dieser Kappen damit verfehlt, 
da sie in ihrem Durchniesser viel zu klein bemessen 
waren und demgemäß nicht die für den größten 
Rumpfquerschnitt erforderliche Ablenkung der Luft- 
teilchen herbeiführen konnten. Als Beispiel einer 
sinngemäßeren und richtigeren Anwendung einer 


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Fig. 3. 
Skizze eines Eindeckers mit rotierender Propellerkappe. 


solchen Propellerkappe reproduzieren wir hier in 
Fig. 3 den Teil des Seitenrisses eines amerikani- 
schen Eindeckers. Der Konstrukteur desselben, ein 
Herr M. Gouverneur, teilt zu dieser Abbildung 
mit, daß dieser Apparat mit einem vierzylindrigen 
Roberts-Motor ausgerüstet war und er auf Grund 
seiner zahlreichen Versuche einwandfrei feststellen 
konnte, daß die Anwendung der dargestellten 
Metallblechhaube bei einer Geschwindigkeit von 
100 km / Stunden eine Kraftersparnis von 11 PS 
ermöglichte. Er konnte dies deutlich feststellen, da 
er nach Abnahme dieser Haube unter den gleichen 
äußeren Bedingungen eine um die genannte Differenz 
höhere Le ne benötigte. Wie die Abbildung 
zeigt, handelt es sich hier um eine Kappe von nahezu 
Im Durchmesser! Schwierigkeiten dürften sich hier 
allerdings nur bei der Lagerung einer so großen 
Propellerkappe ergeben, sonst aber wäre dieses 
Prinzip sehr zu befürworten. — american. — 


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| POLDI-AQUILA 


DER STAHL FUR 


. FLUGZEUG-KURBELWELLEN | 
POLDIH UTTE 


80 · 16: COPENICKERSTRASSE 113 


WIEN 
m. INVALIDENSTRASSE 5-7 


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L Chronik DZ DXETEDK] 


Neues von Pégoud. Der französische Luftartist ! geworden, doch hätte er noch durch einen Gleitflug 


Pegoud, der dem Wiener- Publikum im Oktober 
1913 in Aspern seine Schleifen- und Kreiselflüge, 
sowie das Looping the loop vorgeführt hat, hat 
natürlich, gleich seinen Kollegen, angeblich auch schon 
eine Menge Ruhmwürdiges im Kriege getan. So be- 
richtet wenigstens der Pariser Korrespondent des 
»Newyork Herald«, der dem Flieger zufällig begegnet 
ist, allerdings nicht auf dem Kriegsschauplatze, sondern 
auf dem Pariser Boulevard. Pégoud erzählte, daß 
er sich bei Kriegsausbruch schon auf dem »Imperator« 
zur Überfahrt nach Amerika befunden hatte und nur 
gerade noch mit seiner Flugmaschine über die fran- 
zösische Grenze zurückkommen konnte. Jetzt sei er 
im Begriff, mit seinem neuen Apparat — den alten 
hatten ihm eine Woche vorher die Deutschen zu- 
sammengeschossen — zur Front zurückzufliegen. Bis 
nun habe er Glück gehabt. Eines Morgens, als er 120 
Meilen von seinem Abflugsorte entfernt war, kam ihm 
ein Hagel von Gewehrschüssen entgegen; seine 
Maschine und die Flügel seien vielfach durchbohrt 
worden, er selbst sei unverletzt geblieben. Als aber 
der Benzinbehälter leck geworden sei und der Motor 
ausgesetzt habe, sei die Situation ernstlich kritisch 


* 


hinter den französischen Linien niedergehen können. 
Ein andermal sei er nach einem längeren Fluge über 
den deutschen Stellungen, da ihm das Benzin aus- 
ging, im Park eines Schlosses gelandet, das von den 
eutschen besetzt war. Es gelang ihm jedoch, durch 
einen Knaben in der Nacht Benzin zu erhalten und 
trotz Beschiebung durch »Ulanen« zu entkommen. 
Ein wackerer deutschböhmischer Feldpilot. 
Zweifach ausgezeichnet, und zwar mit der großen 
Silbernen Tapferkeitsmedaille und dem Eisernen 
Kreuze wurde der Feldpilot Korporal Max Barthel 
aus Reichenberg. Für wiederholt mit bestem Erfolge 
durchgeführte Erkundungsflüge im südlichen Polen 
erhielt er die große Silberne Tapferkeitsmedaille zu- 
erkannt. Das Eiserne Kreuz erwarb er bei einem Zu- 
sammenstoße mit einem deutschen Militärlenkballon. 
Das Luftschiff kreuzte über dem österreichischen 
Flugzeuge, das die Insassen des Ballons — da aus 
der Höhe die Herkunft eines Aeroplans nicht zweifel- 
los festgestellt werden kann — für ein russisches 
hielten und deshalb mitBombenund Maschinengewehr- 
feuer herunterzuholen versuchten. Selbstverständlich 
hätte die Erwiderung des Feuers das Luftschiff arg 


Ing. Rudolf Stanger, der als Letzter von der Festung Przemyśl abflog. 


efährdet, möglicherweise gar zur Explosion gebracht. 
arthel und der ihn begleitende Beobachtungs- 
offizier bewahrten aber ihre Besonnenheit, bis es 
ihnen gelang, die deutschen Verfolger von ihrem 
Irrtum zu überzeugen. Das kaltblütige Verhalten der 
österreichischen Flieger wurde im deutschen Armee- 
kommando hoch gewertet und_der Auszeichnung mit 
dem Eisernen Kreuz würdig erachtet. Barthel führte 
in der Folge noch einige gefahrvolle Feldflüge durch, 
bei der Erprobungeines Flugzeuges letzter Konstruktion 
stürzte er ab und zog sich eine schwere Knieverletzung 
zu, bis zu deren Ausheilung 
er seiner Felddienstbestim- „ 5 
mung entzogen bleibt. | 
in neues italienisches 
Luftschifferkorps. Unter 
Ausnützung der bestehenden 
Formationen wurde in Italien | 
durch einen am 16. Jänner in | 
Kraft getretenen Erlaß ein | 
neues Luftschifferkorps ge- | 
ründet. Wie die »Kölnische | 
eitung« berichtet, handelt | 
es sich um eine vollkommen | 
selbständige Abteilung, wo- Ä 
bei das bisherige Genle- 
Spezialistenbataillon und das 
Fliegerbataillon, das durch ° | 
Gesetz vom 27. Juni 1912 ge- | 
schaffen wurde, aufgelöst 
werden. Im Juli 1914 lag der 
Kammer ein Gesetzentwurf 
des Kriegsministers Grandi 
(und bereits der Bericht des 
zu seiner Beratung gewählten +s 
Ausschusses), betreffend die | 
Neubildung eines Luftschiffer- 
korps vor, der damals aber 
nicht zur Verabschiedung ge- 
langte. Jetzt hat mit Rücksicht 
auf seine Wichtigkeit auch 
für die Kriegsvorbereitung 
der kgl. ErlaB den Gesetz- 
entwurf in etwas veränderter 
Form mit einem Schlage 
durchgeführt und dabei dem 
Ordinarium desKriegsbudgets 
1914/15 Lire 220.000, dem s: 
Extraordinarium 1914,15 rund 
16'/, Millionen hinzugefügt, 
von denen 5 Millionen dem 
Marineministerium für 
Wasserflugzeuge u. s. w. zur 
Verfügung stehen. Abgesehen 
von der Zentraldirektion des * 
Luftschiffer- und Flugzeug- 
wesens im Kriegsministerium, 
deren Direktor auch Zivil- 
ingenieure, Flugzeug- und 
Motorenkonstrukteure, Ver- 
suchsmechaniker u. s. w. 
unterstehen, hat man, nach 
Luftschiffern und Fliegern ge- 
trennt, zwei Truppenkom- 
mandos zu verzeichnen, das 
erste zu je einem Bataillon Luftschiffer und Lenkluft- 
schiffer mit einer Luftschifferwerkstatt, das andere 
einem Bataillon Flieger mit den nötigen (Zahl nicht 
bekanntgegeben) Flugzeuggeschwadern, einem Schul- 
bataillon für Flieger und einer technischen Direktion 
des Flugwesens, endlich ein technisches Zentralinstitut 
für Luftschifferwesen. Das Offizierskorps zählt 
2 Obersten, 5 Oberstleutnants, 7 Majore, 67 Haupt- 
leute, 102 Leutnants und Unterleutnants und einen 


Mannschaftsstand von nach Bedarf festzusetzendem 


Umfange. Voll durchgeführt, wird das Luftschiffer- 
korps im Ordinarium des Kriegsbudgets eine jährliche 
Mehrausgabe von 0°95 Millionen verlangen. 


x — Sean fav ta oron 2.4. Kany pane —L 9 . 


119 


Eine erschütternde Szene im Luftkriege wird 
in englischen Blättern geschildert. Ein Leutnant als 
Beobachter mit einem Sergeanten als Führer war 
von der französischen Heeresleitung beauftragt, eine 
verdeckte deutsche Batterie festzustellen, deren Feuer 

roen Schaden anrichtete. »Als wir über die deutschen 
inien kamen«, erzählte der Flugzeugführer, »wurden 
wir von einem furchtbaren Granatfeuer begrüßt. Wir 
stiegen höher und sahen endlich nicht nur eine, 
sondern drei Batterien.< »Da sind sie also!« sagte 
der Leutnant und ballte die Faust gegen sie. Dann 


3 4 5 6 7 7 


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X . 4A 22. F tamssgees 


Übersichtskarte der bisherigen Luftkämpfe über See. (Von W. Krebs.) 


rief er, zu mir gewendet: Unsere Aufgabe ist erfüllt, 
schnell zurück!« Ich wandte rasch, aber wir waren 
kaum 500 m weit gekommen, als der Regen der 
Schrapnells schlimmer denn je wurde. Der Rauch 
hüllte uns in so dichte Wolken, daß es unmöglich 
war, 20 m weit zu sehen. Wir versuchten, aus dieser 
Hölle hinauszukommen, aber Schrapnells, eins immer 
besser gezielt als das andere, explodierten gerade 
über unseren Köpfen mit entsetzlichem Krachen. 
Einen Augenblick glaubte ich, daß mein Gehirn 
zersprungen sei. Gleichzeitig fühlte ich mich plötzlich 
krank; dann schnitt mit einem Male dichter Nebel 
jede Aussicht ab, so daß ich wie in der Nacht saß. 


120 


Trotz meiner Schmerzen hielt ich die Maschine in 
derselben Höhe, um den Geschossen auszuweichen, 
die seltener wurden. »Sind sie gesund, Leutnant ?« 
rief ich, aber ich bekam keine Antwort, da ich glaubte, 
daß er mich nicht gehört hatte, wiederholte ich meine 
Frage, und öffnete dabei meine Augen. Aber ich empfing 
wieder keine Antwort, und ich sah nichts als tiefe 
Dunkelheit um mich her. Ich befand mich allein im 
weiten Raum, 6000 Fuß über der Erde. Ich fürchtete 
mich und befahl meine Seele Gott, denn ich fühlte, 
mein letztes Stündlein sei gekommen. Da ich die 
Batterien der Feinde unter mir hörte, so hatte ich 
nur den einen Gedanken, zurückzukehren, koste es, 
was es wolle, um die Meldung zu überbringen. Geleitet 
von dem Geräusch der Schrapnells unter mir, wendete 
ich die Maschine in der Richtung, in der ich zu meinen 
Kameraden zu konımen hoffte. Ich fuhr nun in dieser 
Richtung nach meiner Rechnung ungefähr zwei 
Minuten, als der Leutnant zu meinen Erstaunen 
plötzlich ausrief: »Achtung Mann! Höher hinauf! Ich 
rieB das Flugzeug so rasch empor, daß es hinauf- 
schoß und dabei die Wetterfahne eines Kirchturms 
mit fortriB, an dem die Maschine um ein Haar zer- 
schmettert wäre. »Danke, Herr Leutnant,< sagte ich. 
»Sie müssen entschuldigen, aber ich kann nichts sehen. 
Sind Sie verwundet ?« >Ja,« antwortete er, ich glaube 
schwer; ich fühle mich sehr schlecht.« Dann sagte 
er: »Wenden sie jetzt nach links, noch mehr nach 
links. So ist’s gut. Nun gerade vorwärts.« Bald zeigte 
mir ein frischer Kugelregen an, daß wir wieder über 
den Linien der Deutschen waren; etwa drei Minuten 
später rief die Stimme des Beobachters: »Nun sind 
wir da. Ich sehe unsere Leute, die auf uns warten. 
Laßt den Apparat niedergehen!« Ich hörte nichts 
mehr, aber bald landeten wir auf festem Grund und 
Boden. Den Wartenden, die das Flugzeug umringten, 
bot sich ein erschüttender Anblick dar: der Flugzeug- 
führer war erblindet, für immer des Lichtes beraubt, 
und neben dem bleichen Mann mit den toten Augen 
lehnte der leblose Körper des Offiziers, der soeben 
seinen letzten Atemzug getan hatte. 


VATENTE 


Vortragszyklus über Luftfahrt im Wiener 
Volksbildungsverein. Der vom Wiener Vollesbildungs- 
verein jeden Dienstag von '/,8 bis / 9 Uhr abends 
im Wiener Volksbildungshause, V. Stöbergasse 13—15, 
veranstaltete Vortragszyklus über »Die Luftfahrt« hat 
in weiten Kreisen großes Interesse erweckt, so daß 
durch die Liebenswürdigkeit der vortragenden Fach- 
leute dem Wunsche entsprochen werden kann, noch 
einige Kursabende anzufügen, was jedoch nur unter 
teilweiser Abänderung der in der letzten Nummer der 
Flug-Zeitschrift veröffentlichten Kursordnung möglich 
wurde. Demnach werden noch folgende Vorträge ab- 
gehalten: ° 
13. April 1915. Aeroplane I. Ing. Fritz Ellyson. 
20. Aeroplane II. Ing. Fritz Ellyson. 
Aeroplane lil. Ing. Fritz Ellyson. 
Medizin und Flugwesen. Dr. Georg 
Stein. 

Das Luftrecht. Dr. O. Ritter v. Komor- 
zyaski-Oszczynski. 
Schrauben- und Schwingenflieger, so- 
wie sonstige Konstruktionen. Paul 
Bellak. 
Aerophotogrammetrie. Die Orientierung 
des Luftfahrers. Ing. Paul Kürt. 
Die Praxis des Be ‚Ing. Paul Kürt. 
Wasserflugzeuge. Ing. Fritz Ellyson. 
Vergangenheit und Zukunft des Flug- 
wesens. Die Überwindung der Schwer- 
kraft. Paul Bellak. 

Eine Jagd auf deutsche Flieger. Zwischen 
Nancy und Tou! fand am 7. v. M. eine Jagd auf 
deutsche Flieger statt. Von der Ankunft eines deutschen 
Flugzeuges benachrichtigt, schwangen sich französi- 
sche Flieger sofort in die Luft, um den Ankömmling 
zu umzingeln und anzugreifen. Gleichzeitig eröffnete 
die Artillerie das Feuer auf die Taube, die sofort die 
Richtung nach dem Elsaß einschlug. Da das Flugzeug 
sich sehr hoch hielt, konnte es die deutschen Linien 
erreichen, bevor es den französischen Fliegern gelang, 
den Deutschen wirksam anzugreifen. 


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4. Mai 


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Der Inhaber des österreichischen Patentes Nr. 53.271 vom 1. Jänner 1912, betreffend: 


„Lenkbares Luftschiff“ 


wünscht behufs Fabrikation des patentierten Gegenstandes mit österreichischen Fabrikanten in Ver- 
bindung zu treten. Derselbe ist gerne bereit, das Patent zu verkaufen sowie Lizenzen zu erteilen oder 
andere Vorschläge zur Ausführung des Gegenstandes des in Frage stehenden Patentes entgegenzunehmen. 

Gefällige Anträge unter -H. B. 331« an die Expedition Rudolf Mosse, Wien, I. Seilerstätte Nr. 2. 


Herausgegeben vom: K. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein-. — Verantw. Red.: in Vertretung Fritz Ellyson. 
Druck von Otto Maaß’ Söhne, Wien I. 


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FF OO NS Or 4 ON DENN NEN ENE NNN 


OSTERREICHISCHE 


> Herausgegeben von dem unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Majestät des 
Om 
Manuskripte werden nicht zurückgestellt. Der Nachdruck 9g Angenommene Beiträge werden honoriert. Die Verfasser 
von Artikeln und Abbildungen ist nur mit Quellenangabe $8 sind für Form und Inhalt der von ihnen eingesandten 
und Zustimmung der Redaktion gestattet. 88 Artikel und Abbildungen verantwortlich. 
OC 0000000) 7 Coo JOINS 
ERSCHEINT ZWEIMAL IM MONAT. 


Nr. 9/10 Mai 1915 IX. Jahrgang 


Inhalt: Tödlicher Absturz des Piloten Wittmann. — Der Fesseldrache, von Hauptmann J. V. Berger. — Graphostatik, mit 

besonderer Berücksichtigung der Fachwerke. (Fortsetzung.) — Die russische Luftflotte. — Glacialkosmogonische Beiträge zur 

Erdbebenforschung, von H. Hörbiger, Maschineningenieur und Privatastronom. — Sturmkalender für Mai und Juni 1915, von 

Wilhelm Krebs (Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen). — Bericht über die Generalversammlung des k. k. Oster- 
reichischen Aeroklubs am 17. April 1915. — Biicherbesprechungen. — Chronik. 


Chefredakteur: Ing. A. Budau, o. 6. Professor der k. k. Technischen Hochschule in Wien 


Redakteur fiir den offiziellen und wissenschaftlichen Teil fiir die Dauer der Abwesenheit der Herren Obcrst 
Wilhelm Suchomel und Ing. Adolf Janisch: Fritz Ellyson 


Unter Mitwirkung von: 


PAUL BELLAK Dr. A. HILDEBRANDT RICHARD KNOLLER ROBERT POLLAK LUDWIG SCHMIDL 
Prokurist, Wien Luftschifferhauptmanna.D., Ing., Professor a. d. k. k. RITTER v. RUDIN K. u. k. Rittmeister, Wiener- 
FELIX BRAUNEIS „ Berlin Techn. Hochschule, Wien Ingenieur, Wien Neustadt 
Ingenieur, Wien F. HINTERSTOISSER W. KREBS J. POPPER-LYNKEUS LEOPOLD SCHMIDT 
Dr. Ing. WALTER F REIN. k. u. k. Major, Wien Laa der W Ingenieur, Wien Ing., Prof., Wr.-Neustadt 
Konstrukteur an der k. k RAÖUL HOFFMANN 55 STEPHAN poppER KARL TINDL 
Techn. Hochschule, Wien Ingenieur, Wien GUSTAV E. MACHOLZ Ingenieur, Wien Ing., Konstrukteur a.d.k.k. 
EDUARD DOLEZAL ANTON JAROLIMEK Johannisthal Techn. Hochschule, Wien 
k. k. Hofrat, 0.0. Prof., an k.k. Oberinspektor, König- HUGO L. NIKEL 3 WILHELM TRABER T 
der k. EI anim Hoch- grätz k. k. techn. Ob.-Offiz., Wien Wenne Wien 5 PE Pr der 
d entralanstalt für eoro- 
FRITZ ELLYSON Prof ala u Tech- Rn fe ORELLI RUDOLF SCHIMEK logie u. Geodynamik, Wien 
Flugmaschinen- rofessor a. d. k. k. Tec riftsteller, Wien k. u. k. Major d. R., Direktor 
Konstrukteur, Wien nischen Hochschule, Wien STEPHAN PETROCZY der Autoplanwerke, Wien Dr. C. WIESELS- 
IGO ETRICH D. W. KAISER v. PETROCZ : BERGER 
Großindustrieller, Ober- Kapitänleutnant a. D., k. u. k. Luftschifferhaupt- Dipl. Ing. C. SCHMID Assistent an der Universität 
altstadt Charlottenburg mann, Wien Lindenberg in Göttingen 


Tödlicher Absturz des Piloten Wittmann. 


Bei einem Probeflug verunglückt. 


Einer der prea He ungarischen Aviatiker, der | worauf diese ihn baten, den Flug nach Aspern zu unter- 
zu den schönsten Hoffnungen berechtigte, ist am | lassen, doch der pflichtbewußte junge Mann ließ sich 
10. d. M., abends, in Aspern während des Ausprobierens | nicht abreden. Er flog ab und landete glatt auf dem 
einer für die Armee bestimmten Flugmaschine abge- | Flugfelde in Aspern. Samstag nachmittags und Sonntag 
stürzt, und zwar so unglücklich, daß er eine halbe | früh flog er den Apparat vor der Kommission in Aspern 
Stunde darauf seinen Verletzungen erlag. Der unglück- | ein. Sonntag nachmittags klagte Wittmann neuer- 
liche Pilot ist der Oberingenieur der Ersten ungarischen | dings über heftige Kopfschmerzen, er bestieg aber am 
Flugmaschinenfabrik Viktor Wittmann, dessen Name | Abend neuerlich den Apparat und nahm den Piloten 
in der ungarischen Aviatik einen guten Klang hatte. | Ziegler mit. 


Über die Katastrophe wird folgendes gemeldet: Der Apparat parierte glänzend, alssich Wittmann 
Die Erste ungarische Flugmaschinenfabrik hatte in | zur Landung anschickte. Plötzlich, in etwa 50 m Höhe 
letzterer Zeit große Bestellungen für die Armee er- | über dem Boden, neigte sich die Maschine zur Seite 
halten und Oberingenieur Wittmann fiel die Aufgabe | und im nächsten Augenblick lag sie in Trümmern auf 
zu, jeden Apparat vor seiner Ablieferung an die Heeres- | dem Boden, die beiden Piloten unter sich begrabend. 

leitung auszuprobieren und dann abzuliefern. Eine | Sofort eilten die auf dem Flugfeld weilenden Aviatiker 
solche Ablieferung hatte auch am Samstag zu erfolgen. | in Automobilen zu der abgestürzten Flugmaschine, wo 
Wittmann bestieg den zur Übergabe bestimmten | sie den Piloten Ziegler völlig unversehrt antrafen, 
Apparat in Budapest mit seinem Monteur Wirko und | während Wittmann mit furchtbaren Verletzungen 
flog glatt von hier nach Aspern. Vor seinem Abfluge | unter der Maschine hervorgezogen wurde. Eine halbe 
am Freitag abends beklagte sich Wittmann zu seinen | Stunde später, um halb acht Uhr abends, erlag der 
Pester Freunden, daß er heftige Kopfschmerzen habe, | Unglückliche seinen Verletzungen. 


122 


Viktor Wittmann war in Szolnok geboren und 
26 Jahre alt. Er widmete sich schon zur Zeit, als er 
noch die Technische Hochschule besuchte, dem Studium 
der Aviatik und war alsbald einer unserer tüchtigsten 
Theoretiker. 

Später ging er nach Frankreich, und zwar 
nach Reims, wo er in der Fabrik von Caudron 
praktische Studien betrieb. Aus Frankreich zurück- 
gekehrt, ging er mit Unterstützung unseres Handels- 
ministeriums nach Wr.-Neustadt, wo er ein Schüler 
Iliners wurde. Nach Budapest gekommen, war er 
alsbald einer unserer tüchtigsten Flieger, der den un- 
garischen Höhenrekord mit 1096 m aufstellte. Er nahm 


am Schichtflug teil und holte sich den Zuverlässigkeits- 
preis von K 10.000. Alljährlich nahm er am ungarischen 
Stephanspreis mit Erfolg teil. Auch indem vom k.k. Oster- 
reichischen Aeroklub im Juni 1914 veranstalteten dritten 
internationalen aviatischen Meeting in Aspern erzielte 
er ansehnliche Leistungen. In der Höhenkonkurrenz 
erreichte er als Erster mit einem Passagier 3070 m Höhe. 
Am dritten Tage des Meetings kam er mit einem Passa- 
gier 3260 m hoch, am vierten Tage 3400 m, und am 
letzten Tage erreichte er in der Geschwindigkeits- 
konkurrenz den dritten Preis. Zu Beginn des Krieges 
1 er auf dem südlichen Kriegsschauplatz mit Erfolg 
ätig. | 


Der Fesseldrache. 
Von Hauptmann J. V. Berger. 


Die längste Zeit war der Fesseldrache nichts 
anderes als ein bei Kindern sehr beliebtes Spielzeug. 
Erst Franklin, der Erfinder des Blitzableiters, wies 
mit Hilfe des Drachen die elektrische 
Spannung der Gewitterwolken nach. Zu seiner Zeit 
wurde dadurch der Drache ein Modegerät, mit welchem 
die ganze Welt experimentierte. Es ist selbstverständ- 
lich, daß die Wissenschaft von allen diesen Versuchen 
keinerlei Gewinn hatte. Das Interesse an Drachen 
schlief auch bald wieder ein, um erst in der Mitte 
des vergangenen Jahrhunderts, aber in streng wissen- 
schaftlicher Form, neu zu erstehen. Von dem Be- 
dürfnis getrieben, die höheren Luftschichten der Er- 
forschung zugänglich zu machen, griff die Aerologie, 
man kann sagen notgezwungenermaßen, zum Fessel- 
drachen und gab dadurch den Flugtechnikern eine 
sehr dankbare Aufgabe. Von den verschiedenen Kon- 
struktionen, welche daraufhin entstanden, seien hier 
nur zwei genannt: der »Hargrave- und der 
»Nickel-Drache«. Beide haben bis jetzt der wissen- 
schaftlichen Erforschung der höheren Luftschichten 
gute Dienste geleistet und dadurch den Drachen 
auch für andere Zwecke geeignet erscheinen 
lassen. In dieser Beziehung sei auf die Aerophoto- 
grammetrie, das Hochnehmen von Beob- 
achtern und das Signalisieren aus der 
Luft hingewiesen. 


Der Siegeszug des Flugzeuges hemmte jedoch 
abermals die Entwicklung des Drachen. Alles war von 
den mit unerwarteter Geschwindigkeit steigenden 
Leistungen der Flugmaschinen derart überrascht und 
hingerissen, daß der Fesseldrache in den Hintergrund 
gedrängt wurde. Ist dies auch begreiflich, so wolle 
doch nicht vergessen werden, daß ebenso wie auf 
dem Meere Fahrzeuge verschiedenster Bauart neben- 
einander bestehen, das Segelschiff sich neben dem 
Unterseeboot behauptet, auch in der Luft die mannig- 
fachsten Formen von Fahrzeugen neben- und mit- 
einander Verwendung finden können und eine solche 
auch finden müssen. 


ede Art von Fahrzeugen hat ein ganz bestimmtes 
Gebiet, auf welchem sie allen anderen vorzuziehen 
ist. Die Flugmaschine darf daher nicht als eine Ver- 
drängerin des Drachen, sondern nur als ein Mittel 
betrachtet werden, das uns hilft, das beste Verwen- 
dungsgebict für jede Art von Luftfahrzeugen zu er- 
kennen. Fesselballon und -drache auf der einen, 
Motorballon und Flugzeug auf der anderen Seite 
bilden Typen von ganz deutlich ausgesprochener 
Eigenart; weil jede von ihnen in einem bestimmten 
Belange allen anderen vorzuzichen ist, müssen sie alle 
nebeneinander bestehen. 

Die Vernachlässigung, welche der Drache infolge 
des Siegeszuges der Flugzeuge erlitt, macht sich jetzt 
im Kriege sehr unangenehm fühlbar, denn es fehlt 
allerorten an Drachen. 

Selbst eine nur oberflächliche Betrachtung der 
Eigenart des Drachen ergibt, daß er infolge seiner 
einfachen Bauart von allen Luftfahrzeugen die gering- 


sten Gestehungskosten verursacht. Seine Handhabung 
und Instandhaltung sind die denkbar einfachsten. Als 
besonderer Vorteil muß seine Fähigkeit, 
im starken Winde zu fliegen, bezeichnet 
werden. 


In anderen Belangen steht er wiederum den 
übrigen Luftfahrzeugen nach. So fehlt ihm die Fähig- 
keit zur Ortsveränderung aus eigener Kraft, auch ist 
sein Tragvermögen ein verhältnismäßig geringes und 
schließlich läßt seine Betriebssicherheit heute noch 
viel zu wünschen übrig. 


Mit voller Berechtigung kann man daher sagen, 
daß es im Interesse aller an der Luftschiffahrt irgend- 
wie Beteiligten liegt, wenn der Fesseldrache 
unter Ausnützung seiner Vorzüge und unter 
Berücksichtigung der Grenzen seiner 
Leistungsfähigkeit der Wissenschaft 
und der Technik dienstbar gemacht werde. 

Stabilität, Steighöhe und Hubkraft sind die drei 
Hauptziele der Drachenforschung. Zu ihrer Klärung 
mögen nachfolgende Zeilen einen bescheidenen Bei- 
trag in der Absicht bieten, dem Fesseldrachen zu 
dem ihm gebührenden Platze zu verhelfen. 

Bevor jedoch auf den Gegenstand eingegangen 
werde, sei die Bemerkung gestattet, daß wir derzeit 
zwar schon eine Theorie der athmosphärischen Ge- 
setze haben, daß diese aber viele Annahmen enthält, 
von deren Unanfechtbarkeit jedoch nicht jedermann 
überzeugt zu sein braucht. 

Die Frage der Stabilität, des Gleichgewichtes in 
der Flugrichtung und senkrecht darauf, muß deshalb 
den Ausgangspunkt der Betrachtung bilden, weil mit 
ihr die Flugfähigkeit, also die Vorbedingung zur 
praktischen Verwendbarkeit des Fesseldrachen, be- 
antwortet wird. Um die Untersuchung möglichst ein- 
fach zu halten, sei die Annahme gestattet, die 
Drachenfläche sei eine Ebene F in Fig. 1. 

Wie auf jeden Flugkörper, wirken auch auf den 
Fesseldrachen drei Kräfte cin. Er muß daher auch 
drei Hauptpunkte*) aufweisen. Es sind dies: der 
»Zugpunkt« Pz, in welchem der Zug des Fessel- 
kabels angreift, der »Druckpunkt« Pd, wo der 
hebende Luftdruck ansetzt, und der »Schwerpunkt« 
Ps, der Angriffspunkt der Schwerkraft. Diese drei 
Punkte können einzeln liegen oder auch, wie in 
meinem Aufsatze: »Beiträge zur Flugtechnik« aus- 
geführt, zu zweit, bezw. zu dritt zusammenfallen. Aus 
den im ebengenannten Aufsatze enthaltenen Angaben 
kann entnommen werden, wie in einem solchen Falle 
vorzugehen ist. Zur Vereinfachung vorliegender Aus- 
führungen sei die in Fig. I dargestellte Lage der drei 
Hauptpunkte allein betrachtet. 

Bei dieser Gelegenheit sei gleich darauf hin- 
gewiesen, daß der Zug- und der Schwerpunkt eine 
durch die Konstruktion gegebene Lage haben, während 
jene des Druckpunktes veränderlich ist. 


) Diesbezüglieh siehe auch meinen Aufsatz: „Beiträge zur 
Flugtechnik“ in Nummer 56 dieser Zeitschrift. 


Bezüglich der drei in diesen Punkten angreifenden 
Kräfte: der »Zugkraft« Z, der »Druckkraft« D und der 
»Schwerkraft« S ist zu bemerken, daß ihre Richtungen 
insoweit festgelegt erscheinen, als die erstgenannte 
stets in der Richtung des Fesselkabels, die zweite 
senkrecht auf die Drachenfläche und die dritte lotrecht 
wirken. Da der Fesselort gegeben ist, erscheinen auch 
die Richtungen der ersten und dritten Kraft festgelegt. 
Abermals ist es die im Druckpunkte angreifende Kraft, 
welche der Festlegung bedarf. Wir sehen also jetzt 
schon, daß die Hauptsache der Untersuchung die 
Druckkraft und ihr Angriffspunkt bilden werden. 

Hinsichtlich der Guerstabilitat ist es ohne- 
weiters klar, daB die drei Hauptpunkte in einer, der 
Symmetrieebene, liegen miissen, weil sonst ein Pendeln 
des Drachen um seine Längenachse unvermeidlich, 
ein ruhiger Flug somit unmöglich ist. Die nach oben 
verlängerten Kraftrichtungen Z und S dürfen sich daher 
nicht kreuzen, sondern müssen sich im Punkte O 
schneiden. Durch diesen Punkt muß nun auch die 


E + Prachen(Trag) Fläche 
B-Z ugpunkt 

Boe Drucknunkl 

2 Schwerpunkt 

0 - Hraflezentrum 

7 2 Winkel 


Z°Z ughraf! 


D »Wınddaruch 
S - Gewicht 


€ d f= f) 


Fig. 1. 


verlängerte Druckrichtung gehen, wenn Gleichgewicht 
herrschen soll, weil nur dann ein Drehen der hebenden 
Luft um den den Drachen haltenden Zugpunkt Pz ver- 
mieden wird. Das Kennzeichen für einen flug- 
fähigen Drachen ist somit das Vorhandensein 
eines »Kräftezentrums« O, in welchem sich die 
Verlängerungen der drei Kräfte schneiden. 

Ist diese Bedingung erfüllt, so wird der Drache 
ruhig in der Luft schweben und weder steigen noch 
sinken. 

Die mathematischen Bedingungen für das Gleich- 
gewicht sind: 

Z=O und Ma = Ms, wenn Ma das Drehmoment 
des hebenden Luftdruckes, Ms jenes des herabziehen- 


den Gewichtes bedeuten. Beide Momente sind wegen 
des Verschwindens der Zugkraft auf den Zugpunkt 
Pz zu beziehen. Der Abstand des Schwerpunktes Ps 
vom Zugpunkt Pz ist, wie bereits gesagt, bekannt, 
dagegen die Strecke Pz-Pa unbekannt. Sie möge mit 
x bezeichnet werden, während wir erstere mit | be- 
nennen wollen. Beim Drachenwinkel @ besteht dann 
die Momentgleichung: 
Ma = Ms 
worin 


2 A. abelzuggegenkraft 


A V. cs «Auftrieb 
A =. Z A- 


123 


Ma = xX. cos . A 
und 
| Ms = I. cos . s 


sind. Wegen A (Auftrieb) = D. cos a, wird 


x = sec c. 5 ee 1) 


Setzen wir des weiteren im Kräftezentrum O das 
Parallelogramm der drei mehrerwähnten Kräfte zu- 
sammen, so finden wir die auf den ersten Blick be- 
fremdende Erscheinung, daß Z nicht Null wird, 
sondern einen der ursprünglichen Richtung entgegen- 
gesetzten Wert von Z“ annimmt. Eine einfache Über- 
legung läßt jedoch gleich erkennen, daß es sich bei 
Z' um die zur Hochnahme des Kabels erforderliche 
Kraft, welche gleich dem Gewichte des abgelaufenen 
Kabelstückes ist, handelt. Da diese Länge und das 
Gewicht des Kabels pro laufenden Meter bekannt 
sind, ist auch 2“ bekannt. Mit Hilfe des 
Sinussatzes läßt sich nun aus dem Drei- 
eck OD Z“ die Größe D rechnen mit: 


D: Z = sin E: sine 
_ sin C 2 
sin « 
E = 180 — (la+ 6) 
_ cos(Z2a+f) ,, 
dz sin æ 3 


Die Verbindung der Formeln 1) und 2) 


ergibt: 
= tg æ 1.8 
cos (2 f 2 


Nunmehr haben wir alle in Betracht 
kommenden Werte durch bekannte Größen 
und die Winkel @ und @ ausgedrückt. Zur 
Bestimmung der letzteren wurden bisher 
entweder Voraussetzungen gemacht, die 
nicht unbedingt richtig sein müssen oder 
man hat Messungen von ungenügender 
Genauigkeit vorgenommen. Beides kann 
nicht befriedigen. Ich erlaube mir daher 
vorzuschlagen, durch Verwendung photo- 
grammetrischer Meßmethoden die Ge- 
nauigkeit auf das größte, heute erreich- 
bare Maß zu steigern. Allerdings werden 
für die hier notwendigen Aufnahmen ge- 
wöhnliche photographische Apparate deshalb nicht 
entsprechen, weil die großen Steighöhen der Drachen 
einerseits und die Wahrscheinlichkeit anderseits, daß 
in den oberen Luftschichten ein anders gerichteter 
Wind als auf dem Boden weht, ein Aufnahmegerät 
mit großem Bildwinkel erfordern, während Moment- 
aufnahmen undurchführbar sind, da mit der plötzlich 
veränderbaren Windrichtung auch der Drache seine 
Stellung und Neigung ändert. Deshalb kann an Weit- 
winkelobjektive nicht gedacht werden. Das einzige 
Gerät, welches somit für gegenständliche Zwecke in 
Frage kommen kann, ist der nach meinen Angaben ab- 
geänderte Scheimpflugsche Panorama-Apparat.*) 


Diese Abänderungen habe ich bei der Propa- 
gierung des Scheimpflugschen Instrumentariums 
für Zwecke der ballistischen Forschung“) dahingehend 
vorgeschlagen, daß die Mittelplatte des Apparates 
lotrecht gestellt werde und diejenigen Seitenplatten, 
welche nach unten arbeiten, weggelassen werden, 
weil die nicht gebraucht werden. Für vorliegenden 


. 1a) 


*) Siehe diesbezüglich meinen Aufsatz in der Nr. 13 bis 17, 
Jahrgang 1913, dieses Blattes. 

**) Siehe diesbezüglich »Internationales Archiv für Photo- 
grammetrie«. IV. Band, 1913/14. 


124 


Zweck gilt dies ebenfalls, denn auch hier muß man 
mit lotrechter Mittelplatte arbeiten und kann der nach 
abwärts photographierenden Seitenplatten entbehren. 
Wie bei der ballistischen Forschung kann auch für 
Drachenmessungen die zweifache, das stereometrische, 
so überaus genaue Ausmessen ermöglichende Auf- 
nahme mit großem Vorteil Anwendung finden. Die 
Basis, der Abstand der beiden Panorama-Apparate, 
rechnet sich aus der größten Gegenstandsweite mit 
Hilfe der als bekannt vorauszusetzenden Brennweite 
und der als gerade noch zulässig anzunehmenden 
Punktschärfe. Nehmen wir, um ja recht sicher zu 
gehen, an, daß noch Drachen in 10 km Höhe über 
der durch die optischen Achsen beider Mittelplatten 
gelegt gedachten wagrechten Ebene aufgenommen 
werden sollen, ferner, daß die Brennweite rund 
100 mm, die kleinste zulässige Bildschärfe 0'1 mm 
betrage, so erkennen wir aus dem Verhältnis der 
Brennweite zur Bildschärfe von 1:1000, daß die Basis 


Arbeit muß zwar mit großer Sorgfalt ausgeführt 
werden, sie wird aber bei einiger Übung kaum viel 
Zeit beanspruchen. Der Halbmesser des Bildfeldes 
entspricht beim alten gelegentlich der Katastrophe 
von Fischamend vernichteten Apparat dem 2˙5 fachen 
der Aufnahmeweite, das heißt, bei 10 km größter 
Steighöhe des Drachen muß der Abstand des 
Aufnahmegerätes 10:25 = 4 km betragen. Der 
Stereokomparator gestattet noch eine Ausmessung auf 
0°01 mm; soll der Drache daher auf der Platte noch 
wahrnehmbar sein, so muß er im Verhältnis dieser 
Genauigkeitsgrenze zur Brennweite, also 4 dm groß 
sein. 

Dieses Maß ist selbstverständlich nur als untere 
Grenze für die Wahrnehmbarkeit des Drachen aufzu- 
fassen. Für die Vornahnıe von Messungen muß es 
überschritten werden. Als Anhaltspunkt kann da aber- 
mals die Tatsache gelten, daß als unterer Grenzwert 
der Punktschärfe des unbewaffneten Auges O'I mm 


gelten. Sollen, 1 5 bei der wie: 
i di a aga messung notwendig ist, zwei Punkt- 
A i „ 2 2. linkes boite, koordinaten bestimmt werden, so darf 
„ rechle FAN H>H, -a + Basis die Länge des Drachenbildes nicht unter 
A unke | Platte ZEN H:0-H-9-f-Brenmwete 02 mm, das wären in der Natur 8 m, 
55 \ > Bild con Pant A sinken. Geht man der Genauigkeit wegen 
ch | Ha Prunk? / \ 2 y . , : f 

H + linker | Apiun j \ È -Bild von Pau Pl noch ein wenig weiter, so kann man 
/ \ B:P'- p- Aral diesen Wert auf 10 m aufrunden und 
/ \ daraus die allgemeine Regel ableiten: 
/ \ »Die Lange des Drachen muB ebensoviel 
/ \ Aus dem Bilde folgt. Meter betragen als seine größte Steig- 

/ \ Daf , afp eee. höhe Kilometer beträgt.« 
/ \ Die Aufstellung des photogrammetri- 


ebensoviel Meter betragen muß als die Aufnahmehöhe 
Kilometer zählt. Mit 10 m Basis kommen wir sonach 
fast für alle Fälle aus. Die beiden zu einem Aggregat 
gehörenden Panorama-Apparate werden am besten 
durch eine Gitterträgerkonstruktion zu einem Ganzen 
fest verbunden und dieses um einen lotrechten Ständer 


in der Wagrechten drehbar gemacht. An diesem 
Ständer ist auch ein Fernrohr und die Auslösung 
sämtlicher Momentverschlüsse zu befestigen, damit 
der Beobachter einerseits das System so drehen kann, 
daß der Drache stets von der Seite gesehen wird und 
damit er im geeigneten Momente alle Kammerver- 
schlüsse auslösen kann. Um eine genaue Ausmessung 
zu ermöglichen, müssen an beiden Apparaten Vor- 
richtungen angebracht werden, welche es gestatten, 
die Mittelplatten in eine lotrechte, ihre optischen 
Achsen in eine und dieselbe wagrechte Ebene zu 
bringen; das heißt, man muß Wasserwagen und Visier- 
vorrichtungen vorschen. Das Traggerüst muß an einem 
nach allen Seiten freie Übersicht gewährenden Punkte 
dauernd eingebaut werden, so daß nur die beiden 
Panorama-Apparate jeweils aufzusetzen sind. Diese 


— . eet 


schen Aufnahmegerätes kann auch auf 
dem drehbaren Dache des Kabelhauses, 
falls überhaupt ein solches vorhanden 
ist, erfolgen. Dann besteht die Möglich- 
keit, stets mit dem Winde zu photo- 
graphieren und es treten Stirn-(en face-) 
Aufnahmen an Stelle der seitlichen (en 
profil-) Aufnahmen. Im Genauigkeits- 
grade ist eine Änderung nicht zu be- 
fürchten, die Bestimmung des Zug- 
winkels 5 erfolgt durch Messung der 
Zugpunktkoordinaten, aus welchen mit 
Annahme des Aufstellungsortes als 
Koordinatenanfang der Zugwinkel als 
arc. tg. des Bruches: Ordinate durch 
Abszisse folgt. 

Den Lagewinkel œ bestimmt man aus 
der Koordinatendifferenz zweier, tun- 
lichst weit voneinander entfernter Punkte 
des Drachen auf ganz die gleiche Weise. 

Gegenüber dererstgenannten Methode 
hat die zweite den Vorteil, daß ein Auf- 
stellungsplatz für die Kabelstation nicht 
erst ermittelt werden muß und daß stets 
mit dem Winde photographiert werden kann. Wegen 
des letzteren Umstandes ist bei Anbringung einer 
Seitenwinkelteilung am Kabelhaus auch die Be- 
stimmung der Windrichtung in jener Höhe möglich, 
in welcher der Drache schwebt, bezw. seine Gleich- 
gewichtslage erlangt. Man kann also auf diese Weise 
die Windrichtung der oberen Luftschichten messen. 


Bei seitlichen Aufnahmen kann die Bestimmung 
der Windrichtung nur indirekt erfolgen. Aus den 
Koordinatenmessungen im Stereokomparator ergibt 
sich der Winkel zwischen der Windrichtung und der 
Plattenebene. Durch Bildung der algebraischen Summe 
aus diesem Werte und dem Azimut der Plattenebene 
erhält man die tatsächliche Windrichtung. 


Bei der ersten Methode ermittelt man den Zug- 
winkel 5 aus der mit Hilfe des Stereokomparators 
zu messenden Koordinatendifferenz des Zugpunktes 
und der Kabelerdstation. Damit diese beiden Punkte 
verläßlich auf den Bildern erscheinen, ist dem Beob- 
achtungsfernrohr ein dem lot-, bezw. senkrechten Bild- 
winkel gleicher Ausschlag zu geben. 


Bei diesen Messungen kann man auch sofort die 
in Drarhenhöhe herrschende Windrichtung feststellen. 

Den Lagewinkel œ erhält man durch Messung 
der Koordinaten zweier in der Symmetrielinie des 
Drachen liegender Punkte als arc. tang des Bruches, 
Ordinaten- durch Abszissendifferenz. 

Die Einführung beider Winkelwerte in die For- 
meln 1a) und 2 gibt die Lage des Druckpunktes Pd 
und die Größe des Winddruckes D. 

Nun handelt es sich darum, den Zusammenhang 
zwischen der Geschwindigkeit und dem Drucke des 
Windes zu bestimmen. 

Die ganz allgemein gehaltene Formel hiefür 


lautet: 
D = f (v) 


Die Ermittlung dieser Funktion dürfte in einwand- 
freier Weise nur so möglich sein, daß mit Hilfe der 
aerodynamischen Wage, siehe 1. und 2. Heft dieser 
Zeitschrift, 1915, Seite 14, Fig. 4, alle in Betracht 
kommenden Drachen-, bezw. Tragflächenformen der 
Untersuchung im Luftstrome aller denkbaren Stärken 
unterzogen werden. Es wird sich empfehlen, hiebei von 
Selbstschreibern (automatischen Registrierapparaten) 
Gebrauch zu machen. 

Derart erhält man für jede Drachen-, bezw. Trag- 
flächenform den Zusammenhang zwischen der Stärke 
und dem Druck des Windes. Werden die Werte der 
ersteren als Abszissen, der letzteren als Ordinaten 
auf Millimeterpapier aufgetragen, so ergibt sich ein 
Linienzug, welcher durch einen von Hand aus vor- 
zunehmenden Koordinatenausgleich zu einer stetigen 
Kurve umzuformen ist, deren Gleichung mit Hilfe der 
analytischen Geometrie bestimmt werden kann. Diese 
ist das gesuchte Gesetz. 

Um dem Einwand, daß Laboratoriumsversuche 
den Verhältnissen der Wirklichkeit nicht entsprechen, 
zu begegnen, wären die Messungen des Winddruckes 
auch in freier Luft vorzunehmen. Die Selbstregistrie- 
rung eines geeichten Winddruckmessers in Verbindung 
mit jener eines Anemometers wird auch bei frei- 
strömender Luft den gesuchten Zusammenhang in 
einwandfreier Weise ergeben. In beiden Fällen dürfte 
es sich jedoch empfehlen, für jede Geschwindigkeit 
mehrere Werte des Winddruckes zu beobachten 
und deren Mittel zu verwerten. Dann wird die 
Schlußfolgerungumsozwingender werden. 

Ist die tatsächlich zwischen dem Druck und der 
Geschwindigkeit des Windes bestehende Beziehung 
bekannt, so kann man aus der Größe des nach 
Formel 2 zu berechnenden Winddruckes die Stärke 
des in Drachenhöhe wehenden Windes ermitteln. 
Die Höhe ist aus der Stereokomparatormessung er- 
hältlich. 

Die stereometrische Messungsart geht aus Fig. 2 
hervor. Pl, und Pl, sind die beiden lichtempfind- 
lichen Platten, beim Scheimpflugschen Panorama- 
Apparat die bereits transformierten und vereinigten 
Platten, f ist die Brennweite, P jener Punkt, dessen 
Entfernung zu messen ist, und a der Abstand beider 
Plattenhauptpunkte. Zwischen diesen Größen und der 
zu suchenden Entfernung D besteht die Beziehung 


D:a—f:p 


125 


wenn man mit p das Maß jener Verschiebung be- 
zeichnet, welche erforderlich ist, um die anfangs 
gleichlaufenden Visuren im Punkte P zu vereinigen. 
Diese, als »Parallaxe« bezeichnete Verschiebung 
gestattet der Stereokomparator bis auf 0°01 mm genau 
zu messen. Wir können daher die Entfernung des 
Punktes P aus der oben angegebenen Formel rech- 
nen mit: 


a.f 
ee ‘l ee o 3 
5 ) 
weiche man auch schreiben kann: 
a.f 
D= P 3a) 


Um eine Vorstellung darüber zu gewinnen, mit 
welcher Genauigkeit Entfernungsmessungen im Stereo- 
komparator durchführbar sind, differenzieren wir die 
Formel 3a nach p und erhalten daraus: 

D? 
d D = — a f d 334 4) 


Die Einführung der bereits früher ermittelten 
Werte von: 


D= 4 km 
a= 10m 
f = 100 mm 
und 
dp = O Ol mm 
gibt: 
d D = — 160 m 


Das Tragvermögen der Drachen, die letzte der 
festzustellenden Größen, wird am besten ebenfalls 
auf dem Versuchswege ermittelt, indem man Drachen 
gleichen Systems, aber verschiedenen Eigengewichtes 
unter wechselnder Belastung bis zur Gleichgewichts- 
höhe steigen läßt, über alle Wahrnehmungen und 
Beobachtungen Vormerkung führt und die Ergebnisse 
nach graphischer Darstellung und allenfalsiger Aus- 
gleichung analytisch verarbeitet. Die Wiederholung 
dieser Methode für alle üblichen Drachen- und Trag- 
flächenformen wird auch die Frage der Tragfähigkeit 
in vollauf befriedigender Weise lösen. 

Die in Fachkreisen des öfteren geäußerte Ansicht, 
daß der Drachenbetrieb sich im Laufe der Zeit wegen 
der unvermeidlichen Materialbeschädigungen wesent- 
lich teurer stelle als der Gebrauch von Pilotballons, 
soll durchaus nicht in Zweifel gezogen werden. 

Eine Bedeutung kann diesem Einwand aber inso- 
fern nicht zuerkannt werden, als es sich in den vor- 
liegenden Ausführungen und Vorschlägen gerade um 
das Erkennen jener Momente handelt, welche ge- 
eignet zu sein scheinen, den Bau und Betrieb von 
Fesseldrachen in theoretisch richtige Wege zu leiten 
und Anhaltspunkte gewinnen zu lassen, aus denen 
die Flugwissenschaft ebenso Vorteil ziehen kann, wie 
die Aerologie. 

In diesem Sinne möge der hier unternommene 
Versuch, dem Fesseldrachen den ihm gebührenden 
Platz zu verschaffen, beurteilt werden. Ä 


Graphostatik, mit besonderer Berücksichtigung der Fachwerke. 


(Fortsetzung.) 


An dieser Stelle sei gleich als weiterer unbestimm- 
barer Fall die Berechnung einer statisch unbestimmten 
Pyramide zur Tragflächenbefestigung 
gezeigt. Ist nämlich ein derartiger Bock, dessen 
Schema Fig. 24 zeigt, nicht durch Drähte verspannt, 
also nicht als Fachwerk ausgebildet, sondern nur in 
den oberen Ecken durch Winkel kräftig versteift, so 
liegt ein Fall vor, der statisch unbestimmt ist. Hat 
der Apparat Pfeilform, so tritt in diesem Bock ein 


ganz bedeutender Schub vorwärts auf, bezw. jede 
derartige Pyramide ist in horizontaler Richtung be- 
ansprucht, wenn die Maschine zum Sturz kommt. 
Während man gebrochene Holzteile verhältnismäßig 
leicht ausbessern kann, ist das bei Metallkonstruk- 
tionen nicht der Fall und sollte deshalb die Pyramide 
stets diesen, wenn auch zufälligen Beanspruchungen 
gewachsen sein. Die Berechnung eines solchen Rahmens 
ist aber einer der schwierigsten Fälle der statisch un- 


126 


bestimmten Konstruktionen und erst in den letzten 
Jahren sind einige Methoden ausgearbeitet worden, 
welche die Kontrolle der auftretenden Beanspruchungen 
gestatten. 

Müller-Breslau (s. z. B. Neue Methoden der 
Festigkeitslehre«, sowie >Hütte«, 21. Aufl., 3. Band) 
und dann auf dessen Grundlagen weiterbauend, hat 
besonders Ing. Dr. W. Gehler, Professor an der 
kgl. Technischen Hochschule in Dresden, ein einfaches 
Verfahren zur Berechnung solcher Rahmen aus- 
gearbeitet, 

Seine Arbeit behandelt alle vorkommenden 
Rahmenkonstruktionen; für den Flugzeugbau dürften 
aber bisjetztnurderdreiseitigeeingespannte 
Rahmen (Fig. 25b) und der dreiseitige 


Q 


Fig. 24 und 25. 


Rahmen mit Fußgelenken, sogenannten G e- 
lenkrahmen (der häufigere Fall), in Betracht 
kommen. 

Letzterer ist einfach, ersterer dagegen drei- 
fach statisch unbestimmt. 

Nach diesem neuen Verfahren (s. auch: »Der 
Rahmene. Einfaches Verfahren zur Berechnung von 
Rahmen aus Eisen und Eisenbeton mit ausgeführten 
Beispielen von Ing. Dr. W. Gehler, Berlin 1913, 
Verlag W. Ernst & Sohn) wird als statisch unbe- 
stimmbare Größe der sogenannte Einspannungs- 

rad yw eingeführt. Fig. 26 zeigt den Verlauf der 
omente, wenn der freigestützte Balken A, B in 
der Mitte durch eine konzentrierte Last P bean- 


sprucht ist. 
8 
D 


M 2 
Mim} 1 lll 
lin T 15 Al \ 
RS le S ae 


IN 
Q 


— — 
N 


N r 


A “ 


2 


5 iil 
/ 
/ 
UIT 
N 


N 


Fig. 26. 


Dieser entspräche ein Betrag Mmax, bestimmbar 
aus 
Pi 


7 Mmax = 4 
Infolge der starren Verbindung bei A verschiebt 
sich aber das Momentdreieck um die Größe des Eck- 


momentes MA aufwärts und das resultierende größte 
Moment ist dann nur mehr: 


Mm = Mmax — MA. 
Nun bezeichnet Prof. Gehler als Einspannungs- 
grad das Verhältnis: 
a= Ma 
AT Mmax 


welcher Wert sich nach seinem Verfahren ungemein 
einfach ermitteln läßt. 
Aus dieser Beziehung ist dann 


MA = Mmax “A 


und da Mmax bekannt ist, findet man 

Pl. 

4 

ferner ist der Rahmenschub H zu rechnen aus: 
Hh = Ma. 


Beim dreifach statisch unbestimmten Rahmen mit 
eingespanntem Pfosten ergeben sich drei Einspannungs- 


grade: 


MA = uA 


u Ma 
FAT ee 
oes MB 
Mm 
c= Me 
Mm 


woraus die Eckmomente als die statisch unbestimm- 
baren Größen und das vierte Eckmoment aus diesen 
als statisch bestimmbarer Wert berechnet werden 
kann. Die Lösung ist eine angenäherte, welche aber 
nur den Einfluß der Längskräfte auf die Formände- 
rungen vernachlässigt, für unsere Fälle also voll- 
ständig genügt. Eine weitere Voraussetzung ist die, 


Fig. 27. 


daß das Material homogen ist und daß man das 
Trägheitsmoment der Winkelverbindung vernach- 
lässigt, also nur mit I des Balkens und Is der Pfosten 
rechnet und dafür bei veränderlichen Querschnitten 
einen mittleren Wert setzt. 


Nach Gehler setzt man dann für 
h I 
1 is 
und es ergeben sich für den in Fig. 26 gezeichneten 
Fall, horizontal wirkende Last P, folgende Beziehungen: 
MA l 
Wimax 2+v 


= . Me _, 1 
uC = u = + Mmax —T 2 


= py 


UA = uB = — 
und 


Für den Flugzeugbau ist die horizontale Be- 
lastung aber die Regel (Fig. 27) und so wie man 
früher den auf A, B frei aufliegenden Balken zum Ver- 
gleich herangezogen hat, so ist hier der Vergleich 
mit dem bei D eingespannten Kragträger A‘, D' nahe- 
liegend und man findet: 


MA 

MA = MR 

— MB 

MB = Mk 

Mc 

HO = R 

Mp 

HD = NK 

dabei ist 

MK — — Pr 


wobei r der Abstand der Last vom Punkte D ist. 


Das Biegungsmoment wird als positiv bezeichnet, 
wenn es an der Rahmeninnenseite Zug erzeugt, im 
entgegengesetzten Falle aber als negativ. (Rahmen- 
innenseite gedrückt.) 

Für den gleicherweise belasteten Gelenk- 
rahmen bestimmt man wa mit Hilfe der Arbeits- 
gleichungen nach Castigliano, uB aber rein 
statisch. 

Diese Arbeitsgleichung lautet allgemein: 


M 6M 
(M. SM 40 
2 > 2 


Fig. 28. 


Mit den Bezeichnungen der Fig. 28 ergeben sich 
nach Gehler zunächst die allgemeinen Gleichungen: 
Sr Summe aller horizontalen äußeren Kräfte gleich 

ull: 


P—X—(W—X)=0...... 1) 
ebenso die der vertikalen: 
A+B=0......... 2) 


und schlieBlich die Momente, z. B. fiir den Punkt C, 


Pr—AI+X.0=0 ...... 3) 
daraus ist daher schon 
A=P-- 
und gemäß Gleichung 2) 
B API. 
Mit diesen Werten ist dann 


z. B. der Bolzen bei D, bezw. bei 
C als freiaufliegender Träger nach 
Fig. 29 zu rechnen aus: 
Al_ zx 
4 32 


wenn er mit kreisförmigem Quer- 


ds kb 


schnitte ausgeführt wird; für 325 
Fig. 29. kann ohne weiteres 0'1 gesetzt 


werden. 


Die Größe X wird nun folgendermaßen bestimmt: 
Für den Stab A—D ist das Moment 


M=-+ Xy, 
wenn y kleiner ist als r. Ist es größer, dann wird 
M=+Xy—P(y—1) 
in beiden Fällen ist aber: 


öM 


und die Arbeitsgleichung für AD lautet nach Aus- 
führung der Integration: 


127 
_ 1 [X P mwm 7 Pi pe 
© =a [55 +]. 
Für AB ist 
M=-+Xh—P(h—r)— Ax 
die partielle Ableitung daher + h und 
=| (he PIT 
Az EI &h 1— Ph?!+ 5 rhi. 
Für B C wird 
M = — (P — X) y 
die Ableitung ist wieder + y und 


h3 


1 


somit gilt für den ganzen Rahmen: 


A, + As + % = 0 
und es wird 


x P »@-3n+9+3@-n 
2 


3+2» 
wenn man 
| I h, 
Is 1 
und 
h 
setzt. Nun läßt sich schon das Eckmoment Ma be- 


rechnen, denn es ist in 
Ma = + Xh — P (h-r) 
nur fiir X der eben gefundene Wert einzusetzen: 


„ 


N 372229 


Fig. 30. 


und damit ist auch A ͤ bestimmbar, weil 


Mk =— Pr 
ist 
MA 3 +r 
HA = MK 2(3+ 2») 


und fiir die Ecke B zundchst das Eckmoment 
Msp = — (P — N) h 
und nach Einsetzen für X schließlich 


MB _ RB 3+ (3 — n’) 
Wik 2(3-+ 2 v) 


Riickt die Last bis in die Ecke A (Fig. 30), so 
wird 7 = 1, weil r = h ist und damit 


MB = 


MA 1 


MAS WK 2 


128 


und ferner 


daher sind die Eckmomente: 


Ma = ua (— P h) = +P -> 


Mp = uB ( P h) = — P -3- 


und 


Die wagrechten Schübe in C und D sind 


P 
Xx = 2 


was sich aus der Betrachtung direkt ergibt. 
Zur Kontrolle kann die Gleichung 
AA B — | 


verwendet werden. 


Der zweite Fall ist der eines eingespannten 
Rahmens, der sich allerdings schwieriger verwirk- 


Fig. 31. 


lichen läßt. Mit den Bezeichnungen nach Fig. 31 er- 
geben sich folgende Beziehungen für die Einspannungs- 
grade: 


v 5—3» 
segal ba) 
2. nv [(7+9v u 
mom te ( % 
_ N 3+14v+9v | 
ee YA Bs 0 
3-+ 26 15 2 
40-1 2 e p A Br _ pays) 
dabei ist 24 
Q, = v 
und 
fi- I 6 v. 


Rückt die Einzellast in den Knoten A, also in die 
obere Rahmenecke, so wird 


r=h 
und damit 
r 
a | 


das eingesetzt gibt für die Einspannungsgrade: 


„ 
3 v 
uB = + 28. 


— — 


1+3 
uc = — av 

1+3 
b 2 Fe 


Im ersteren Falle (P im Abstand r wirkend) ist das 
Moment 
Mk =— Pr 


Fig. 32. 


dadurch entstanden, daß man sich den Punkt C ge- 
löst und AD bei D eingespannt denkt. 
Im letzteren Falle dagegen ist 


| Mk = — Ph. 
Mit diesem Wert ist beispielsweise 
Ma 
HAS Ph 


Fiir den eingespannten Rahmen gilt die Beziehung 


(ua — uB) — (ud — uc) = 0 


was wieder zur Kontrolle der Rechnung recht gut 
verwertet werden kann. 

Bei allen Formeln ist angenommen, daß die 
Stützen unbedingt fest sind, also in keiner Richtung 
sich verschieben können. Der Einfluß derartiger Ver- 
schiebungen, von Wärmeeinflüssen u. s. w. ist in dem 


8 A 


S 


Fig. 33. 


angezogenen Werke auch behandelt und sind die 
Bezeichnungen hier von dort beibehalten, um das 
Eindringen in die ungemein interessanten und dabei 
verhältnismäßig einfachen Beziehungen zu erleichtern. 
Das Studium der statisch unbestimmten Konstruktionen 
kann dem ne nicht genug anempfohlen 
werden. Die Fig. 32 und 33 zeigen noch die ent- 
stehenden Verbiegungen, deren zeichnerische Be- 
stimmung a. a. O. auch behandelt ist. Die Ecke A 
ist auf Zug, die bei B auf Druck beansprucht. Die 
sorgfältige Eckenausbildung ist besonders wichtig, 
weil an diesen Stellen die Längs- und Querkräfte 
plötzlich aus einer in die andere Richtung abgelenkt 
werden und weil von ihrer Festigkeit bei horizontal 
wirkenden Kräften die Tragfähigkeit des ganzen 
Rahmens abhängt. —a-— 


(Fortsetzung folgt.) 


a a es pi 


129 


Deutscher Flieger überbringt eine Meldung einer österreichischen Fliegerstation in Südostgalizien. 
(»Kilophot«.) 


Die russische Luftflotte. 


Von der russischen Grenze. 

Bisher hat man nicht allzuviel über die Tätigkeit 
der russischen Luftflotte, von der man sich in Rußland 
zu Kriegsbeginn nicht wenig versprochen hat, gehört. 
Auf dem ostpreußischen Kriegsschauplatze sind nur 
vereinzelt russische Flieger gesichtet worden, etwas 
zahlreicher schon auf dem galizischen und zuletzt auch 
auf dem polnischen Kriegsschauplatze. Von der Tätig- 
keit der russischen Luftschiffe hat man bisher über- 
haupt nichts gehört. Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, 
daß die russische Luftflotte derart schwach ist, daß 
sie nicht ernstlich im gegenwärtigen Kriege auftreten 
könne. Lange vor Ausbruch des Krieges hat die russi- 
sche Heeresverwaltung ganz besonders ihr Augenmerk 
auf das Heeresflugwesen gerichtet und eine an und 
für sich schon recht respektable Luftflotte geschaffen. 
Erklärlicherweise ist der französische Einfluß auf diese 
Bestrebungen nicht unbedeutend gewesen. Zu Beginn 
des Jahres 1914 wurde das russische Flugwesen einer 
besonderen militärischen Organisation unterzogen. In 
Petersburg wurde eine Offizierluftfahrtschule 
und eine Versuchsstation für Luftschiffe und Flugzeuge 
errichtet. In der Flugabteilung dieser Schule sollen 
jährlich 35 Fliegeroffiziere ausgebildet werden. Die 
Winterschule befindetsichin Warschau, die Sommer- 
schule in Gatschina. Eine zweite Fliegerschule für 
Offiziere befindet sich in der Nähe von Sebastopol. 
Sie wurde vom russischen Flottenverein gegründet, 
ist aber bereits in den Besitz der Heeresverwaltung 
übergegangen. Die russische Luftschiffertruppe umfaßt 
15 kriegsstarke Kompagnien, davon befindet 
sich die 1. und 2. Kompagnie in Brest-Litowsk, die 
3. in Sveaborg, die 4. in Kowno, die 6. in Ossoviez, 
die 8. in Sebastopol, die 11. in Nowogeorgiewsk und 
die 12. in Kars (Kaukasus). Diese Kompagnien bilden 
die Festungsformationen. Zu den Feldformationen ge- 
hören die drei sibirischen Kompagnien, die 5. Kom- 
pagnie in Grodno, die 7. Kompagnie in Kiew, die 
9. Kompagnie in Lida und die 10. Kompagnie in 
Berditschew. Luftschiffhallen sind in Petersburg, 
Gatschina, Kowno, Lida, Brest-Litowsk, Lutzk, Ber- 


ditschew, Reval, Minsk, Pleskau, Witebsk, Homel, 
Kiew und Libau vorhanden. Ferner sind noch eine 
Anzahl von Verankerungsplätzen in letzter Zeit fertig- 
gestellt worden. 

Die Zahl der vorhandenen Luftschiffe 
läßt sich nicht feststellen, da die russische Heeres- 
verwaltung sie streng geheim hält. Seit Kriegsausbruch 
ist an der Konstruktion verschiedener neuer Systeme 
gearbeitet worden. Bei Ausbruch des Krieges waren 
in Rußland Luftschiffe nach den Systemen Lebaud PR 
Clement-Bayard, Astra,Parseval, Dux, Griff, 
Tschaika, Berkert u. s. w. vorhanden. Gebaut 
wurden die einzelnen Fahrzeuge auf den Ischora- 
Werken, auf der Baltischen Werft, bei Duflon & 
Constantinowitsch, bei der Dux-A.-G. in Moskau. 
Die russischen Luftschiffe sollen nach Äußerungen von 
unterrichteten Kreisen erst später in den Kampf, wenn 
dieser in ein »besonderes Stadium« eintreten sollte, 
eingreifen. Es ist aber sehr fraglich, ob es hiezu 
kommen wird, denn es sprechen so verschiedene 
Anzeichen für die Annahme, daß mit den russischen 
Luftschiffen nicht alles so in Ordnung ist, wie man 
es von interessierter Seite gerne hinstellen möchte. 
Im Flugzeugwesen ist eine Reform im Gange. Fran- 
zösische und englische Konstrukteure sollen sie leiten. 
Die Abgänge an Flugzeugen sind im russischen Heer 
nicht unbedeutend gewesen, trotzdem die Fliegerei 
bei den Russen bisher nicht so recht vorwärts ge- 
kommen ist. Allerdings sind von deutschen und öster- 
reichischen Truppen nicht wenige Flugzeuge nach der 
Einkesselung ganzer russischer Truppenkörper erbeutet 
worden. 

In Rußland selbst sind einige ziemlich leistungs- 
fähige Unternehmen, die sich mit dem Bau von Flug- 
zeugen befassen, vorhanden. So dielschora-Werke 
bei Kolpino in der Nähe von Petersburg. Die mit 
französischem Kapital arbeitende Aktiengesellschaft 
Dux in Moskau, ferner die Baltische Schiffbau- 
werft in St. Petersburg, die Firma Duflon & Con- 
stantinowitsch. Solange die Schiffahrtswege durch 
die Dardanellen, über Wladiwostok und Archangelsk 


130 


befahrbar waren, wurden zahlreiche Flugapparate aus 
England, Frankreich und aus den Vereinigten Staaten 
nach Rußland eingeführt. Wie das französische Flug- 
wesen, krankt auch das russische, vielleicht mehr noch 
als das erstere an dem Durcheinander der verschieden- 
sten Systeme, so daß absolut keine Einheitlichkeit in 
der Ausbildung der Flugzeugführer erzielt werden 
konnte. 

Ersatzteile und Motoren liefern die »Gnöme- 
Werkes in Moskau und die Fabrik »Motor« in Riga. 
Im russischen Heere sind neun Fliegerkompagnien 
vorhanden. Jede Kompagnie soll drei Geschwader 
zu je sechs Flugzeugen aufweisen. Ferner werden eine 
Anzahl Reserveflugzeuge bereitgehalten und eine 
Anzahl von Kraftwagen. Zu jeder Kompagnie gehört 
entsprechendes Hilfspersonal. Soweit bekannt, stehen 
die einzelnen Kompagnien in St. Petersburg, Warschau, 
Kiew, Libau, Reval, Moskau, Sebastopol, Brest-Litowsk 
und Kowno. Als besondere Flugstiitzpunkte sind Reval 
und Libau ausersehen. In Moskau und Odessa bestehen 


weitere Privatfliegerschulen, die auch Offiziere als 
Flieger ausbilden. Nach dem Urteil von Fachkritikern 
haben die militärischen Flieger besonders in den 
Operationen in Ostpreußen vollständig versagt. Es 
war ihnen nur in seltenen Fällen möglich, zweifels- 
frei den deutschen Aufmarsch festzustellen, nur zu oft 
haben sie sich durch Scheinstellungen und Schein- 
operationen der Deutschen täuschen lassen. Auch das 
Feststellen des Standortes der deutschen Artillerie 
hat viel zu wünschen übrig gelassen. Man ist in den 
enannten Kreisen der Ansicht, daß den russischen 
ilitärfliegern die praktische Ausbildung im erforder- 
lichen Maße abgegangen ist und daß sie ohne die 
entsprechenden Kenntnisse hinausgesandt worden sind. 
Die neue Kategorie der Militärflieger, die jetzt hinter 
der Front für zukünftige Aufgaben vorbereitet wird, 
wird mit gründlicherer Ausbildung an der Front er- 
scheinen. Diese Flieger sollen besonders für den zu 
erwartenden Festungskampf verwendet 


Glacialkosmogonische Beiträge zur Erdbebenforschung. 


Die gebirgsbildenden Kräfte der geologischen Vergangenheit und — Zukunft. 
Von H. Hörbiger. 


Lehr’ mich die Zukunft vorher — soll ich Vergang'nes dir sagen! 
Dann erst magst Spähblicke du — ins Dunkel der Gegenwart wagen! 


III. 

Vor dem geneigten, durchs Februar- und April- 
heft aufmerksam mit uns gekommenen Leser bedarf 
obangedeutetes Thema gewiß keiner längeren Recht- 
fertigung mehr, um sich auch in diesen Blättern 
heimatsberechtigt fühlen zu dürfen: Wir müssen 


F Voreilende Hochfluth bet 
Mondauflösungsbeginn. 


Mondesflulhkräfte auf Erden 
1:225.000 


ser. 


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oO 
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Was 


Mondschwere=A> 


ndoberfl-Schwere = 171.000 Cr. 


Nadir Zenilh(ez) 33 8 

An- 1601 4522219612 = = 
Fön=+3874 Föz=-- 3874 S 
Hön=+2273 H&öz=+15738 50000 

H=Überschüsse E 

. am: kr s +4 = 
aF o Schwert by: 5 

J EEE a ee D 
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„2752 
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1:2,250.000 


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Fig. 4. Graphische und numerische Übersicht der beiläufigen 
Mondesflutkräfte auf Erden (oberes Diagramm und Erdfigur) 
und beiläufigen Erdenflutkräfte am Monde (unteres Diagramm 
und Mondfigur) um die Zeit des künftigen Mondauflösungs- 
beginnes entsprechend dem Stadium E der Fig. 8. Alles in 
Gramm pro 1 m? Wasser, und zwar oben und links in 1: 225.000, 
unten und rechts in 1: 2,250.000 des Kräftemaßstabes der Fig. 1 
und 2. — Ableitung der Kräfte vgl. Fig.5. 


Frei nach Zoroaster. 


dem Geologen und Geodynamiker erst seine heutigen 
Gebirgsbildungs- und Erdbeben-Hypothesen 
gewaltsam ausreden, bevor wir den zeit- 
genössischen Meteorologen und Astronomen einen 
ausgiebigen zwiefachen kosmischen Eiszufluß 
zur Erde zwangläufig einreden — und hieraus 
dann dem Flieger und Luftschiffer die kosmische 
Herkunft aller ihn gefährdenden atmosphärischen 
Paroxysmen widerspruchslos klarlegen können. 

Solchem Aus reden muß aber die diesbezügliche 
neue, glacialkosmogonische Wahrheit voraus- 
geschickt werden, welche wir an Stelle der geologi- 
schen und geodynamischen Irrtümer empfehlen 
wollen, wenn dem mitkommenden Leser ein objek- 
tives Urteil tunlichst erleichtert werden soll. 

Um nun sofort auf die geologischerseits bisher 
so gänzlich mißverstandenen »gebirgsbilden- 
den Kräfte« (die vermeintlichen Erdbebenursachen 
der heutigen Geodynamiker) übergehen zu können, 
müssen wir nochmals die selbstverständliche Voraus- 
setzung nachdrücklichst betonen, daß uns der ge- 
duldige Leser im Jänner-, Februar- und Aprilhefte 


Ableitung der Mondes -Fluthkrafte 


der.Slalionären Hochſtuth- 2 


Cramm per Kubikmeler Wasser! 
12253 Fitehkrafte in allen Erden unken- 


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Au! je de weitere nune e Kugelschale wirkleineholiches.beiläufg im iam - verheltms Weineres Flulhirani-igsen 


Fig. 5. Ableitung des erdoberflächlichen Mondesflutkraftsystems 
für die geologisch-zukünftige stationäre Hochflutzeit ent- 
sprechend dem Stadium C der Fig. 8. Oben: Die im Durchmesser 
nz wirkenden Flieh- und Schwerkraftsüberschüsse als eigent- 
liche Hubkräfte. Ein ähnliches, nur im beiläufigen Durchmesser- 
und Dichtenverhältnisse kleineres Flutkraftsystem wirkt auch 
auf jede weitere 1 m dicke, innere Kugelschale des Erdkörpers. 
Anwendung hievon in Fig. 6 und 7. Näheres über Ableitung 
dieser Kräfte vgl. im zugehörigen Text. 


die erbetene volle Aufmerksamkeit geschenkt haben 
muß, wenn er auch diesmal auf seine Genußrechnung 
kommen soll. 

Zunächst bitten wir, die heutigen sieben Graphi- 
kons samt Untertext vorerst einmal genauer durch- 
prüfen zu wollen, um vorläufig bloß die Richtung zu 
ermessen, nach welcher die Sache jetzt hinaus will. 
Die Fig. 4 ist uns zwar schon aus dem Aprilhefte her 
bekannt, doch glaubten wir sie nochmals einfügen zu 
sollen, weil daraus erst heute weiterer Nutzen ge- 
zogen werden kann. Beginnen wollen wir unsere 
diesmaligen Studien aber mit Fig. 5, d. i. mit der Ab- 
leitung des erdoberflächlichen Mondes-Flutkraftsystems 
zur geologisch-zukünftigen »Stationären Hoch- 
flutzeit<, weil dasselbe den Kulminationspunkt 
der eigentlichen Gebirgsbauperiode der geo- 
logischen Zukunft kennzeichnet und damit auch die 
Figuren 1 bis 4, 6 und 7 durchsichtig werden. Über- 
haupt werden sich unsere nunmehrigen weiteren Dar- 
legungen vornehmlich im Beschreiben von Graphikons 
erschöpfen müssen, weil es sich da durchaus um 
Dinge handelt, die sich ohne graphische Unterlagen 
gar nicht durchsichtig machen lassen. 

Diese Fig. 5 (im Vereine mit den davon ab- 
Been Fig.6und7) bringt übrigens nur das nähere 

etail zur Mittelfigur 3 des Aprilheftes; was also 
schon dorten hierüber gesagt wurde, wäre zunächst 
auch nochmals zu überlesen. — Nachdem dieses Flut- 
kraftsystem ja ein vollständiges Rotationsgebilde 
nach einer in der Verbindungslinie vom Mond- und 
Erdmittel (Radiusvektor der Mondbahn) liegenden 
Achse nz darstellt, so genügt zur Kräfteableitung die 
Betrachtung eines bloßen Halbmeridians, wie einen 
solchen der Halbkreis der Fig. 5 versinnlichen soll. 
Der Einfachheit halber stelle der Durchmesser nz 
(Nadir-Zenith) zugleich auch den Erdäquator dar, so 
daß der Punkt >90°< den Nordpol kennzeichnet und 
der durch o gehende Vertikaldurchmesser die Erd- 
rotationsachse, wenngleich dieselbe laut Fig. 3 
wechselnd allgemein schief zur Mondbahnebene steht. 
Diese letztere falle also in Fig.5 mit der Erdäquator- 
ebene zusammen. 

Den jetzt per etwa 26stündigen Tag (heutige 
Stunden) siderisch genau einmal umlaufenden 
Mond in der Größe von 0'273 des Erddurchmessers 
(maßstäblich etwa 14' mm) haben wir uns in der 
Verlängerung nz, in einem Abstande von 7'02 Erd- 
radien (etwa 372mm) rechts vom Erdmittelpunkte o 
zu denken. Er revolviert jedoch nicht um diesen 
Mittelpunkt o, sondern um den ca. 0'087 r rechts 
davon liegenden gemeinsamen Systemschwer- 
punkt c, so daß auch der Erdmittelpunkt o mit dem 
perdeleusschian 


Die cela tägliche Pendel- -Schwingung der Erdoberfläche 
-Fluthkrafte-Systems der 


nr Sdald des Mondes- N tye 
oe LTA ING Hochfluthzeil” 


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Fig. 6. Das in Fig. 5 abgeleitete erdoberflächliche Mondesflut- 

kraftsystem der geologisch- zukünftigen stationären Hochflut- 

zeit — bei gleichzeitiger Versinnlichung der täglichen relativen 

Pendelbewegung der Erdoberfläche innerhalb dieses Flutkraft- 

systems. Anwendung hievon in Fig. 7 und Stadium C der 
Fig. 8 und 9. 


131 


Radius e um c revolviert, ohne daß dies die 
Erde hindern könnte, zugleich auch um die durch o 
gehende Erdachse in derselben Zeit einmal zu ro- 
tieren. Die Größe dieses e ergibt sich aus der Er- 
wägung, daß die Erdmasse (80) am Revolutionsradius e 
dieselbe Fliehkraft entwickeln muß, wie die 
Mondmasse (1) am zugehörigen Revolutionsradius c. 
Nachdem die Erde nicht zugleich um o und c 
rotieren kann, so ist hier der mechanisch-physi- 
kalische Unterschied zwischen Erdrotation und 
Erdrevolution im System Erde-Mond sehr zu 
betonen, wenn der Rechnungsansatz richtig sein soll: 
Die Erde rotiert also um die o-Achse und letztere 
revolviert in gleicher Zeit einmal um c. Daran ändert 
sich auch nichts, wenn laut Fig. 3, 6 und 10 diese 
Revolutionsachse in Wirklichkeit wechselnd 
schief zur Rotationsachse steht. Die Revolutions- 
bewegung der Erde im System Erde-Mond ist mit- 
hin mehr ein siebartiges Schwenken (mechanisches 
Kurbel-Plansieb in der Mühlenindustrie) um die Re- 
volutionsachse c, gleich wie ja auch ein Exzenterring 
(mit unendlich langer Exzenterstange) um das Haupt- 
wellenmittel schwenkt, ohne selbst zu rotieren. Und 
ebenso wie alle Massenpunkte eines solchen Ex- 
zenterringes gl eich große Kreise um zugehörige 
individuelle Mittelpunkte an stets zueinander parallel 
bleibenden Radien beschreiben, so vollführen auch 
alle Massenpunkte des Erdvolumens in dieser Mond- 
revolutionsbewegung genau gleich große Kreise von 
einheitlichen Radius e um zugehörige individuelle 
Mittelpunkte. Die Revolutionsfliehkraft eines Kubik- 
meter Wassers ist also immer dieselbe (nämlich in 
diesem Falle F = m“: e = 253g pro 1 m? Wasser), 
ob nun dieser Wasserkubus bei z oder n oder sonst 
irgendwo an der Erdoberfläche oder im Erdinnern 
sich befindet. Auch ist die Richtung dieser Massen- 
einheitsfliehkräfte eine einheitliche: alle wirken 
parallel zu E (Radiusvektor) nach links hin ge- 
richtet. Das Diagramm dieser Masseneinheitsfliehkräfte 
des gesamten Erdvolumens ist also laut Fig. 5 ein 
Rechteck nn“ z“ z von der Ordinatenhöhe F = 
253g und Basis nz. 

Anders gestaltet sich dies aber mit den, diesen 
Fliehkräften F das Gleichgewicht haltenden, bezw. 
entgegenwirkenden Mondanziehungskräften A, 
da ja die Mondschwere umgekehrt quadratisch 

roportional der nach links hin z unehmenden Ent- 
ernung a b nimmt und alle Masseneinheitsschwerkräfte 
des ganzen Erdvolumens nach dem Mondmittelpunkte 
hin konvergieren. Alle diese Schwerkräfte sind also, 
je nach Mondmittelabstand der einzelnen Massenein- 
heiten, verschieden groB und zum Unterschiede 


„—klismattsehen Erregungs zustande 


Das ıdealisıerte Geoid im Kala Seeks e 
aaen L Hochfluthen 


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Fig. 7. Schematische Versinnlichung des gebirgsbildenden, 

kataklysmatischen Erregungszustandes der Erde durch die Fiut- 

kraftsysteme der Fig. 6 zur geologisch-zukünftigen stationären 

Hochflutzeit — zugleich auch ähnlicher Erdzustände in den 

Kataklysmen der geologischen Vergangenheit. Dieser Stationär- 

zustand entspricht dem Stadium C der Fig. 8, bezw. dem Mittel- 
bilde der Fig. 3. 


132 


von den Fliehkräften auch nicht parallel zu- 
einander gerichtet. Ein Kubikmeter Wasser wird 
daher nur in o mit A = F = 253g vom Monde an- 
gezogen, während dagegen seine Mondschwere in n 
mit An = 194g und in z mit Az = 344g sich er- 
gibt. Das Diagramm der Mondschwere der einzelnen 
im Erddiameter nz liegenden Masseneinheiten ist 
daher oben nach einer Kurve n'o'z' begrenzt. 
Solcherart also Revolutions- Fliehkraftsdiagramm 
nn“z’z und Mond-Schwerkra ftsdiagramm 
n n'o'z'z aufeinander gelegt und voneinander sub- 
trahiert, ergeben die Vertikalordinaten der Differenz- 
flächen no'n' und z“ oz die nad ir seitigen Re- 
volutions-Fli e h kraftsüberschüsse und zenith- 
seitigen Mondes-S ch we r kraftsüberschüsse + d. h. 
die durchmesserdehnenden Flut kräfte (oder Hub- 
kräfte) in den senkrecht herabzuprojizierenden ein- 
zelnen Punkten des lun azentrischen Er d durch- 
messers nz. (Hier und auch in allen anderen Fi- 
guren 1 bis 9 ist unter Zenith punkt z stets jener 
wandernde Punkt der Erdoberfläche zu ver- 
stehen, welcher den Mond jeweils im Zenith stehen 
hat. Der Nadir punkten ist der jeweils diametral 
entgegengesetzte Oberflächenpunkt.) 
m nun hieraus die oberflächlichen Flutkräfte 
(Hubkräfte) der beispielsweisen 11 Teilpunkte 15°, 
30°. . . etc. des Halbmeridians (oder auch Aquators 
und überhaupt eines jeden anderen durch nz gelegten 
»größten Kreises der Erdoberfläche) zu erhalten, 
werden diese Teilpunkte vom Mondmittel aus durch 
Kreisbögen auf den Diameter nz (Diagrammbasis) 
herabgeschlagen und durch die so erhaltenen Basis- 
teilpunkte die Schwere ordinaten, bezw. Flieh- 
kraftsordinaten in den oberen Diagrammflächen 
gezogen. Mit diesen Schw e re ordinaten (lunazentrisch 
angelegt) und der gemeinsamen Fliehkraftsordinate 
(parallel zu n z angelegt) in den einzelnen Meridian- 
unkten 15°, 30°. . .etc. die in Fig. 5 ersichtlichen 
räfteparallelogramme errichtet, ergeben die »Re- 
sultierenden« hieraus sowohl nach Richtung als 
auch nach maßstäblicher Größe (hier 13mm = 100g 
pro I m? Wasser) die gesuchten erdoberflächlichen 
Flutkräfte eines jeden durch nz gelegten größten 
Oberflächenkreises. Ganz auf dieselbe Weise sind nun 
auch die Flutkräfte in Fig. 1 bis 4 gewonnen worden. 
Da aber dorten numerisch nur die Zenith- und 
Nadirflutkräfte (Hubkräfte Hz und Hn) anzugeben 
waren, so ergaben sich dieselben, wie auch in Fig. 5, 
einfach als die Differenzen der in z und n wirkenden 
Schwerkräfte A und Fliehkräfte F. 

Solche Flutkräfte wirken nun aber nicht nur an 
der Erdoberfläche, sondern auch an jeder weiteren 
inneren Kugelschale des Erdvolumens; nur sind die 
jeweiligen Flutkraftsysteme im beiläufigen Diameter- 
verhältnis dieser Kugelschalen kleiner, zugleich aber 
im Dichteverhältnis (Wasser = 1) größer als die hier 
zeichnerisch und numerisch bestimmten Oberflächen- 
kräfte. Zur Klarstellung tut man am besten, sich den 
Ozean zunächst ganz wegzudenken und diese Flut- 
kraftsysteme nur auf die durchaus nicht starre, sondern 
erwiesenermaßen etwas elastische Erdkruste und deren 
glutflüssiges Innere wirkend sich vorzustellen. Dabei 
denke man sich das ganze starre und glutfliissige 
Erdvolumen in lauter konzentrische Kugelschalen von 
Im Schalendicke zerlegt. Ist nun die mittlere Dichte 
der äußeren Kugelschale etwa 2°5 von der des Wassers, 
so wirken auf jeden Kubikmeter dieser Oberflächen- 
schale die 2½ fachen Flutkräfte der in Fig. 5 ein- 
geschriebenen Zahlenwerte. Hat beispielsweise die 
Kugelschale des halben Erdradius schon die Dichte 
9, so sind dorten die halben Oberflächenkräfte zu 
verneunfachen u. S. w, 

Ohne den geduldigen Leser mit den zugehörigen 
Detailberechnungen langweilen zu wollen, mußten 
wir bei der Ableitung dieser Flutkraftsysteme den- 
noch absichtlich länger verweilen und die Rechnungs- 
grundlage durchsichtig machen, weil in den 
meisten astronomischen Handbüchern das »Ebbe- und 


Flut«-Problem oft in einer Weise behandelt erscheint, 
die an mechanischer Unerfahrenheit ihresgleichen 
sucht. Insbesondere gilt dies für die Erklärung der 
irdischen Nadirflut des Mondes. Es wird da ein- 
fach gesagt, daß der Mond den Erdmittelpunkt stärker 
anziehe als die Nadirgewässer und diese letzteren 
demzufolge steigen müßten! Von einer Re- 
volutionsfliehkraft ist dabei keine Rede; noch weniger 
von den negativen Hubkräften im Ebbegürtel oder 
von den aufs Erdinnere wirkenden Flutkratt- 
systemen. Da nun die moderne Astronomie dem 
eologen auch nichts von früheren Mond- 
einfängen und Auflösungen zu sagen weiß, 
so konnte auch noch kein Geologe auf den Einfall 
kommen, daß sich hinter solchen Flut- 
kraftsystemen das Wesen des Schichten- 
baues und der Gebirgsbildung verbirgt, 
oder daß solche Mondannäherungen 
überhaupt diegroßen Perioden der Erd- 
geschichtebestimmthabenkonnten. 

Aus den Flutkraftsystemen der Fig. 3 bis 7 er- 
messen wir aber schon jetzt gefühlsweise mit Leichtig- 
keit, daB diese Flutkräfte des gesamten Erdvolumens 
in ihrer summarischen Wirkung nicht nur eine erd- 
oberflächliche Ozeanflut und Ebbe von un- 
geahnter Größe erzeugen, sondern auch das 
ganze Geoid eiförmig deformieren 
müssen. Um zu ermessen, wie groß diese De- 
formierung gefühlsweise sein dürfte, haben wir nur 
die heutigen Zenith- und Nadir-Hubkräfte der 
Fig. 2 mit denen der Fig. 5 zu vergleichen, man be- 
denke: 0'117 und 0'111 g pro Im? Wasser heute und 
91, bezw. 59g zur stationären Hochflut- 
zeit der nächsten geologischen Zukunft! Wenn also 
schon heute bei Springflutkonstellationen (maximal 
0195 und 0'186g pro Im? Wasser, also bei einer 
bloßen Verdopplung der mittleren Flutkraftstärke), an 
den Straßburger und Potsdamer geodynamischen Ob- 
servatorien Erdkrustenhebungen und Senkungen von 
22 bis 47 em gemessen, bezw. errechnet werden,) 
was muß geschehen, wenn sich diese Kräfte ver- 
sechsundvierzig-, bezw. vereinunddreißigfachen! Wir 
möchten jenen verständigen Geologen sehen, dem 
sich bei solcher Einsicht nicht das Herz zusammen- 
krampft! 

Doch nicht einmal dieses Zahlenverhältnis 
allein darf jetzt unseren Gefühlmaßstab bilden, 
indem ja da ein beinahe noch wichtigerer 
Faktor hinzukommt: heute umlaufen die Zenith- 
und Nadirpunkte z. unden der Fig. 2 den Erdumfang 
in 24h 50‘ nach rückwärts, während sie zur stationären 
Hochflutzeit, wenn vielleicht auch nicht Jahrtausende, 
so doch Jahrhunderte lang am selben Meridian 
haften bleiben und nur täglich (also etwa inner- 
halb 26 heutiger Stunden) einmal zwischen den auch 
noch näher zusammenriickenden Mondeswendekreisen 
auf- und niederwandern. Heute finden diese Flut- 
kräfte also gar nicht Zeit (weder im Ozean noch 
im Erdvolumen selbst) so recht zur Wirkung zu ge- 
langen, indem die Erdoberfläche zu rasch unter den 
beiden Flutkardinalpunkten z und n hinwegeilt, so daß 
ihnen die auch noch so beweglichen, aber immerhin 
auch trägen Wassermassen nur mit einem kleinen 
Bruchteil der beabsichtigten Größe folgen können. 
Zur stationären Hochflutzeit aber können sich 
diese versechsundvierzig-, bezw. vereinunddreißig- 
fachten Flutkräfte ganz ausleben, den Ozean in 
zwei ganz isolierte, ungleich hohe und breite 
Wasserbrüste teilen und auch das Geoid aus- 
giebig oval deformieren, wie ja solches auch 
die Figuren 6 und 7 sinnfällig machen sollen. Und 
trotzdem führt auch diese gewaltsame Oval- 
deformierung an sich allein noch immer zu 
keiner eigentlichen Gebirgsbildung, wie wir 
später, tiefer greifend, noch erkennen werden. Wohl 
aber können wir jetzt schon herausfühlen, daß ein 


Sieberg: -Handbuch der Erdbebenkunde.« 1904. 


Teil der großen Verwerfungen, Spaltungen, Schollen- 
und Grabenniederbrüchen in der Erdkruste in solchen 
Erdenzeitaltern gebildet werden muß. | 

Zur Vorstellungserleichterung empfiehlt sich da 
wieder der Schlittschuhläufervergleich auf dünner 
Eiskruste: der bloß 20kg schwere Junge kann da, 
ruhig stehend, allmählich durchbrechen, während 
ein fünf- und sechsmal so schwerer Athlet im raschen 
Gleiten heilhinüberkommt. Inunserem stationären 
Hochflutfalle ist aber dieser Vergleich erst noch zu 
stürzen: der 46, bezw. 3Imal schwerere Athlel steht 
stille und der leichte Knabe gleitet schnell 
über die dünne Eisdecke! Wenn also dieser Junge 
(der Mond in Fig. 2) schon die Kruste meßbar de- 
formiert (oberwähnte Straßburger und Potsdamer geo- 
dynamische Beobachtungen), was muß erst dieser 
Athet (der Mond in Fig. 5, 6, 7) vollbringen! 

Im Falle der Fig. 4, der unmittelbar v or sintflut- 
lichen Zeit der Fig. 8 also, stimmt aber dieser Ver- 
gleich wieder un gestürzt: dort ist der nun allerdings 

.000, bezw. 12.000mal so schwere Athlet (der 
siderisch täglich sechsmal umrasende Mond) 
als schnellstens gleitender Schlittschuh- 
läufer mit dem sechsmal langsamer laufenden Jungen 
(dem heutigen Mond aus Fig. 2) in see zu 
setzen. Der nun die Erdrotation täglich fünfmal 
überholende Mond kann jetzt die Erde nicht auch 
täglich fünfmal nach jedem Aquatordurchmesser 
ausgiebig oval deformieren, weil da die Zeit nicht 
einmal zur entsprechend raschen Erdkrustenmassen- 
ee our langt, geschweige denn zur Uber- 
windung der Gewölbestarre. Er macht das jetzt viel- 
mehr ganz summarisch: die polnahen, nega- 
tiven, also dauernd einwärts gerichteten, etwa das 
7000fache der heutigen betragenden Ebbegürtel- 
kräfte drücken die Erde im Vereine mit den um- 
sausenden Aquator hub kräften im Verlaufe der un- 
mittelbar vorsintflutlichen Jahrzehntausende zur 
schwachen Linsenform platt, wie dies wieder die 
obere Figurenhälfte 10 versinnlicht haben möchte. 
Es ist das sogar eine Zeit der lithosphärischen 
Ruhe vor dem Sturme, es ist die Zeit eines aber- 
maligen »GroBenWassers« der ne Inca- 
Väter aus dem vorigen vorbereitenden Aufsatze. 

Also auch diese allmähliche Linsenformierung des 
Geoids in»unmittelbar vorsintflutlicher 
Zeit« der Fig. 8 führt zu keiner Gebirgsbildung 
mehr — wie und wann diese letztere vielmehr statt- 
findet, hat der aufmerksame Leser im Prinzipe ja 
schon aus Fig. 7 und 8 erkannt. Bevor wir aber 
hierauf näher eingehen können, müssen wir an Hand 
von Fig. 8, 9 und 10 einmal einen Überblick aus 
kosmologischer Vogelperspektive über den ganzen 
Katak 8 s mus gewinnen, weil sichs dann leichter 
auch im Detail zur Sache sprechen lassen wird. 
Zu solchem Zwecke überspringen wir vorläufig noch 
Fig. 4, 6 und 7, um später auf besser geebnetem 
Boden darauf zurückzukommen. 

Als Basis der Kollektivfigur 9 diene die dortige 
Unterfigur IV, in der wir den heutigen Mond- 
abstand von der Erde in rund 60 Erdradien auf- 
geteilt sehen und darinnen einige typische, teils schon 
einigermaßen behandelte, teils noch eingehender zu 
erörternde Mondentfernungserdstadien mit A, A‘, B, 
B, C, D', D, E', E und F bezeichnet. Die drei Stadien 
A‘, C, E bei Mondabständen von rund 18r, 7r 
und 28r kennen wir zum Teile schon aus Fig. 3, 
das heutige Stadium aus Fig. 2 des vorigen Auf- 
satzes; das Stadium E bei 1'8r aus Fig. 4 und 
spezielldas stationäre Hochflutstadium C 
bei 7 r auch schon näher aus Fig. 3, 5,6 und 7. Alle 
diese Stadien A bis E der geologischen Zu- 
kunft sehen wir (teils mit den zugehörigen Mond- 
abständen) auch noch in Fig. 8 und das Stadium F 
und folgende (bis M) in Fig. 10 übersichtlich ge- 
macht. 

Die über der Fig. IV angeordneten Diagramme 
I, II, III sind mit ihren Ordinatenhöhen und Abszissen- 


133 


punkten genau nach den zugehörigen Mondabständen 
der Grundfigur IV orientiert, nur die »>Wegformen 
des Mondzeniths« derFig. V mußten aus Platz- 
gründen hievon eine Ausnahme machen; doch er- 
möglichen deren Detailüberschriften eine solche 
Orientierung auch da. 

Als zunächst Wichtigtses darf das Schaubild III 
gelten, welches uns die Zunahme der Zenith- und 
Nadir-Hubkräfte Hz und Hn früherer Figuren gegen das 
rechts liegende Ende der restlichen Quartärmondzeit hin 
recht drastisch veranschaulicht. Wenn wir roher- 
weise und einfachheitshalber die Mondannäherung an 
die Erde proportional der Zeit setzen, so 
stellt natürlich die Figurenbasis IV nicht nur einen 
Entfernungs- sondern auch einen Zeitmaßstab dar. 
(In Wahrheit wird aber die Bahnschrumpfung des 
Mondes um so rascher erfolgen, je enger die Bahn 
schon ist.) Nur um in einem solchen leichter ver- 
ständlichen, gleichgeteilten Zeitmaßstabe 
sprechen zu können, veranschlagen wir vorläufig die 
Dauer einer Mondbahnradiusverkürzung um einen 
Erdradius (nicht ganz willkürlich) auf rund 10.000 
heutiger Erdenjahre. 

In diesem Falle würde der allmählich empfind- 
licher werdende Beginn der Flutwirkung, Luft- 
verarmung, Klimadepression, Vereisung 
und Schichtenbildung ums Stadium A’ herum 
(linke Fig. 3, A‘ in Fig. 8), d. i. die Mondannäherung 
auf etwa 18r erst in etwa 420.000 Jahren von heute 
eintreten; 110.000 Jahre später, also in 530.000 Jahren 
von heute wäre dann, bei einer Mondheranschrumpfung 
auf etwa 7r der Höhepunkt des Kataklysmus, der 
grimmigsten Vereisung und des ausgiebigsten Schichten- 
und Gebirgsbaues, d. i. die stationäre Hoch- 
flutzeit (Mittelfigur 3, C in Fig. 8, die bereits be- 
dachten Figuren 5, 6 und 7) erreicht. Die Dauer der 
größten und nachhaltigsten Wirksamkeit dieser Ge- 
birgsbauperiode kann man im selben ZeitmaBstabe 
etwa mit rund (symmetrisch zum Stadium C liegenden) 
20.000 ent veranschlagen. Und weitere 50.000 Jahre 
später (nach C), also in etwa 580.000 Jahren von heute, 
folgt endlich die »Mondauflösung und Sint- 
flut« der Fig. 4 und 10, also das geologisch- 
zukünftige DI lu v-iume« im buchstäblichen Sinne des 
Wortes, bezw. im wahren Sinne der älteren Geologen 
aus der Mitte des vorigen ddr 

An der absoluten Gewißheit, daß diese 
Eiszeit u ee undspäter 
abschließenden Sintflutimkosmologi- 
schen Zeitmaßstabe »unmittelbar be- 
vorsteht«, ändert sich gar nichts, wenn wir uns 
im angenommenen Zeitmaßstabe auch um 100 Prozent 
auf oder ab geirrt haben sollten, bezw. wenn wir 
diese »historisch« unermeßlichen Zeiträume 
noch zu verdoppeln oder zu halbieren 
hätten. Es ändert sich im Prinzipe aber auch dann 
nichts, wenn neben diesem arithmetisch geteilten 
Entfernungsmaßstab der Unterfigur IV unser 
Zeitmaßstab nach rechts hin an Dichte der Teil- 
striche etwa logarithmisch abnimmt, so daB wir heute 
etwa 15.000 Jahre in unmittelbar vorsintflutlicher Zeit 
aber bloß etwa 5000 Jahre zur Mondannäherung um 
einen Erdradius gebrauchen sollten. Alle diese 
Detailunsicherheit soll uns also von den weiteren 
Engrosbetrachtungen keinesfalls abhalten. 

In Fig. 9/III finden wir links zur besseren Orien- 
tierung auch die bereits bekannten zahlenmäßigen 
Zenith- und Nadirhubkräfte einzelner bereits er- 
örterter typischer Erdstadien nochmals beigefügt. 
Außerdem sehen wir in der Unterfigur Illa für den 
stationären Zustand die über den ganzen Halbmeridian 
verteilten Oberflächen-Flutkräfte nach Zahl und Rich- 
tung herausgehoben, und zwar maßstäblich in 1/200 
der Hz- und Hn-Ordinaten der Hauptfigur Ill. In 
dieser letzteren ist es besonders lehrreich, zu schen, wie 
die Kurven der Hubkräfte Hz und Hn von einem 
heutigen Minimum von 0'12 g pro I m? Wasser gegen 
das (rechte) Ende hin bis zu einem so riesigen 


134 


Maximum anwachsen, daß das Zeichnungsformat nur 
ihre Eintragung bis zum Stadium D erlaubt hat, und 
dabei mußten die Hz- und Hn-Kurven als punktierte 
Linien bis zum oberen Rande der Ganzfigur durch- 
geführt werden. Die Ordinatenhöhen der Mond- 
auflösungs-Kräfte würden für z noch um 89 m — für 
n um 223m über diesen Zeichnungsrand hinaus- 
reichen! Während dagegen die Winzigkeit unserer 
heutigen z- und n-Hubkräfte im selben Ordinaten- 
maßstab (vgl. links Heute-) überhaupt nicht 
darstellbarist! 


Erst bei dieser graphischen Veranschau- 
lichung der Flutkräfte beschleicht uns das richtige 
Gefühl für die Jäheit des Kräfteanstieges gegen Ab- 
schluß des Kataklysmus hin. Das sind Kräfte! 
Sozusagen vor unseren Augen muß die unmittelbar 
vorsintflutliche Erde eine auffallende Linsenform 
annehmen und wir erhalten einen Begriff von der 
Vehemenz des Zurücksetzens (Setzen im Sinne 
des Erdarbeiters und Fundamentmaurers) dieser 
Linse zur ursprünglichen beiläufigen Kugelform, 
wenn solche Kräfte plötzlich zu wirken 
aufhören! 


Im obersten Figurenteile I sehen wir zwei Dia- 
gramme auf gemeinsamer Basis errichtet: das der 
rdrotations-Winkelgeschwindigkeit (Rot. W.) und 
das der Mondrevolutio ns- Winkelgeschwindig- 
keit (Rev. W.). Außerdem haben wir zur bequemen 
Besprechung einer so zu nennenden zeitlichen >V er- 
schleppung des stationären Hochflut- 
stadiums« in der Unterfigur la den stationär 
nächsten Teil des Differenzdiagrammes I (Stadium 
B bis D der Fig. 9/[V und 8) im 10fachen Längs- 
maßstabe der Fig. I herausgehoben, wie solches 
auch in Fig. Ila der Fig. Il gegenüber geschah. 

Wir sehen in Fig. I, daß die Rot. W. mit zu- 
nehmender Flutintensität der Fig. III (zufolge rotation- 
hemmender, negativer Flutreibungsarbeit) gegen 
den Stationärzeitpunkt C hin erst AR ET später 
immer schneller und schließlich vor C wieder lang- 
samer sinkt, um dann von Cnach dem Mondauflösungs- 

unkt F hin (zufolge rotationfördernder, positiver 
Flutreibungsarbeit) zunehmend rasch anzusteigen und 
nach erfolgter Du tra auf der neu erlangten 
Höhe zu verbleiben. Die Rev. W. dagegen steigt 
durchaus kompressionslinienartig an (nach dem Aus- 


drucke Y I: R? des dritten Kepler-Gesetzes, R = ab- 
nehmender Mondbahn-Radius der Fig. IV), bis sie 


nn) $ AAN 
>. ID — Iil = A j 1800 
UU SpLels 180 Welse, 


tten,geologisch wirksamen Faktoren bis zum | 
eologisch wirksamen rt SZU 
| 


Ib. (Z gn. A780 la EIET AÀ 
lulh-(33 5°)-Rüek-(425°)-Umlauf-(57 4 


4 >. 5 ct ~ 


n) 5 
HUCK 
Al] = sammt 


Umahliger peg l 
Geologischer Bauarbeil Transgressions-u 


— 


11 ief 272 VETRA 
U } Kal da KLY 2 


rtelhochflulh, |Hochfluth-@-Ber-@-ge u. @ Ebbegirtel 


bei F zur Zerreißung des Mondes durch die alle 
Mondfestigkeit überwiegenden Flutkräfte der Fig. 4 
und somit zu dem geologisch plötzlichen Drama 
der Fig. 10 führt. Es wird ohne weiteres verständlich, 
daß man diese beiden Diagramme nur gehörig auf- 
einander zu legen braucht, um in den grobschraftierten 
Differenzflächen die Ordinaten der so zu nennen- 
den Flut-Winkelgeschwindigkeit (Fl. W.) zu erhalten. 
Man sieht, daß dieselbe im Stationärzeitpunkt C Null 
wird, bezw. aus negative in positive Beträge 
übergeht; sie darf vor C negativ genannt werden, 
weil sich bis dahin die beiden Flutkardinalpunkte 
z und n (wie auch heute) nach rückwärts, der 
Erdrotation entgegengesetzt, um die Erde bewegen; 
sie wird über C hinaus positiv, weil von da ab 
diese beiden Punkte der Erdrotation vorschleichen 
und voreilen, ja vorrasen, wie solches das Anwachsen 
der + Ordinaten der Fig: I sinnfällig macht. 

Da sich nun die Fiutreibungsleistung als ein 
Produkt von Flutreibung und Flutgeschwindigkeit 
(die ja proportional der Fl. W. ist) darstellt, so muß 
sich uns notwendig links von C eine negative 
(rotationhemmende) und rechts von C eine posi- 
tive (rotationfördernde) Flutreibungs leistung 
ergeben, wenn wir aus den Differenzordinaten der 
Fig. I und den zugehörigen Kräftesummen der Fig. Ill 
Produkte bilden. Auf diese Weise entstand nun das 
Diagramm der Flutreibungsarbeit (»Leistung«, 
das heißt Arbeit pro Zeiteinheit, sollten wir 
eigentlich Seng mechanisch sagen) der Fig. 9/11. 
Dabei wurde einfachheitshalber roh angenommen, daß 
sich die Flutreibung ungefähr proportional der Summe 
aus den Hubkräften Hz und Hn ändern wird. Genau 
ist das keinesfalls, indem ja erstens bei größeren 
Flutgeschwindigkeiten (bezw. z- und n-Punkt-Ge- 
schwindigkeiten) die trägen Wassermassen diesen 
Punkten noch nicht, bezw. nicht mehr voll 
folgen können und demzufolge zweitens der Druck 
der Flutberge auf die lithosphärische Unterlage auch 
nicht als eine genaue Funktion von Hz und Hn an- 
gesehen werden kann; aber beiläufig darf man das 
dennoch relativ so annehmen und auch von dem 
ziemlich wechselnden Einflusse des Bodenreliefs 
(Flutreibungskoeffizient - Veränderlichkeit) absehen, 
wenn es sich bloß um eine Generalübersicht des 
Vorganges handelt, bei der man nur en gros arbeiten 
kann. Eine rechnerische Darstellung der Reibungs- 
kraft absolut, wie es im Maschinenbau, durch Ex- 
periment und Erfahrung unterstützt, mit einiger Sicher- 


* 
I 
1 
+ 
a 
€ 
— 
oO 
— 
te 


Gauche en ssnduueiyag'pden 8809 


yp Dunsoynepuoy aya 


Gürtelhoch 


~ 


flu 


$ 
— 
D 
| 
iD 


Ih, 


1 


sebirgsbau-Zeilalter Vorsinlfluthliche Zeil 


Fig. 8. Rohe Versinnlichung einiger typischer Erdstadien aus der ungefähr eigentlichen, geologisch wirksamen Gebirgsbauzeit des 


künftigen Quartärkataklysmus, 


i.etwa aus dem letzten Drittel unserer restlichen Quartärmondzeit der Fi 


9. Es entsprechen die 


Stadien A’, C und E' den drei Stadien der Fig. 3, außerdem das Stadium C den Detailfiguren 5, 6 und 7. fn den Stadien B bis E 


versinnlichen die schwarzen Scheibchen Größe und zugehörige Entfernung des heranschrumpfenden Mondes. 


Ahnliche Stadien 


durchlief die Erde auch in jedem der bereits abgelaufenen vier (eventuell sechs) Mondauflösungs-Kataklys men. 


heit geübt werden kann, ist hier überhaupt unmöglich. 
Immerhin wird aber der ein eschlagene Weg für 
unsere Übersichtszwecke der hinreichend angenähert 
richtige sein. 

ir sehen also in Fig. 9/ II, daß die rotation- 
hemmende, negative (—) Reibungsarbeit links 
von C verschwindend klein ist gegenüber dem theore- 
tischen Anstieg der rotationfördernden, positiven (++) 


tadi 2 ; — HE 
Figla Verschleppung des ET Sta ella = | F ig. J. E p 82 
bell nm | iM iil I | il > Diagramm = 5| 838 
| | | ne a der 5 — a © 
A i | 0 | 16 , © A R| 333 
von Fig I. u 2 | | 0 | I 5 I | 100 | I) | | I 5 Fluth-Winkel- 5 2 825 
10 fach | 10 j N i I 1 00 10 i =| Geschwindigkeit: 8 „5 38 
| vertangert. HUNT ili 0 i N | mMw=Revw-Rotw 2 PrE 
EEE OTR 7 925 
n a Erde,langsam sinkend bis C, dann rasch steigend bis F al EE 
35 
E 


I U Il elgeschwindigkeit, FLW=ReuW-R II 
ist I bishin negativ, nachher posiliv 
| 


III LU Ill | | i | | N — . 
0 =Revolulions-Winkelgeschwindigkeil des Mondes,nach VI:R* wachsend bis „uni buf. 


Figll⸗ Negative, Rotation Posilive,Rotalion 
DerTheil hemmende fördernde 
BCD Fluthreibungsarbeit. 


von Fig. I. (N) DI, 05 
Dfach verlängert. we A 
8: Durch Agla ulla soll eine zeitliche Verschleppun 
stationären Zustandes C durch viele Jahrhun 
versinnlicht sein 


Negalive, Rotation hemmende Fluthreibungs arbeil bis C, dann posiliv undrapid zunehmend: € 


er 


FETT) 


M 
MRs. Schw, EINER FAN Diameler ZN 
Te 


Beispiele: |H2 0 Revol-Fliehkräfte 
Kräfle| Hz | Hn 1 7 
Heutel011?0 loma] = 4 
EA ag 22 7 
2019159 * Beispiel: Fluthkräfte <ã 


w E. 2300 737 
un F 11573812273 T 5 
Gramm p.m? Wasser. 2. Alles in Gramm per Kubikmeter Wasser. 


Heute 01170 u. HA Gr. 


im stationären Stadium C. 


enith 


60 Erd-Radien 50 20 
Heutige Mondentfernung von der Erde, 607). 


Jezt-Stadium,|Sladium A.] Stad.A’.| Slad.B. | Stad. B? | Stad.B” 
Je n Eraufntang, Umfang | 0 ! ine 001 Umf. 
7 


— 
. 


Rückeilende Fluth-112 Oscillat Bram 


Rückeilende Hochfluth-4 08 Oscillal.per Revol. 


Riickschreilende Hochf1-1000 Oscill.per Revol. 


Riickeilende Fluth -1'35 Qscillat.per Revol. 


Wegformen des Mond-Zenilhs 
Heute T04 Breſtenoseillalionen per Revolution 


Erd rotations - Richtung. 


Rücklaufende Hochfluth-53 Oscill. 


— 

E 

2 

8 

© 

oe 

8 

ie 5 

Fig. I. ® 5 
Diagramm 5 8 7 

der 2 0 he , 

20 Mil 2 

Fluthreibungsarbeit ; | Wie] $8 

des 1 = = 
te Combination von Fig lull i 0 2 ae 
| 600 . 

III III | ll] wy es 
f | Mh; 88 


. 0 
| tp Sladium A, (305 


135 


Arbeit jenseits des Stationärpunktes C. Doch ist 
hier, wie schon betont, die Einschränkung zu machen, 
daß diese positive Riesenleistung nur dann voll zu- 
stande käme, wenn die beiden stationärnahen Flut- 
berge bis zum Schlusse isoliert ausgebildet blieben 
und den Flutkardinalpunkten z und n voll und ganz 
folgen könnten; dennoch wird der wirklich zur Erd- 
rotationbeschleunigung nutzbar gemachte Teil der 


b der restlichen Quartärmondzeit von heute bis zur künfti 


ss 


ysmus einer geologischen Zukunft, 


Fig lll Diagramm der 
Zenilh-u.Nadir- 


ßen (II.) innerhal 
A bis E der Figurenbasis IV siehe Fig. 8; Flutkrafteysteme für die Stadien A‘ C E' siehe Fig. 3, 5, 6, 7; Mondauflösungsstadiun E, bezw. F siehe Fig. 4 und 10 F bis M. 


t 
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| PA | 1 
Hubkräfle e 83 
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| | | | | III | | II ER. S ' 
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). IV Stadium A’-(17°77). a E. 2 5 
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Stalionares Stad CI Stad. D- Stad. D: | Stad.b. stet. Stel „3 
0°000,000.001 Umf. | 0°01Umf | 0°1 Umf. | 1 Umf. |1 | Umf. 1Umf. getu 
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136 


positiven, nachstationären Flutreibungsarbeit 
ein bedeutend Vielfaches der negativen, vor- 
stationären Arbeit sein. (Aus diesem Schaubilde der 
Fig. II konnte eigentlich auch erst auf den Verlauf 
der Rot. W.-Kurve der Fig. I geschlossen werden und 
umgekehrt — doch auch nur dem Gefühle nach, 
welches der geneigte, mechanisch erfahrene Leser 
nunmehr hoffentlich auch mit uns teilt.) 

Von besonderer Wichtigkeit für das später erst 
zu vertiefende Verständnis der geologischen Schicht- 
und Gebirgsbauarbeit um die Stationärzeit C der 
Fig. 8 und 9 herum ist nun die Fig. 9/V. Ihre Wellen- 
züge sollen uns die Wegformen versinnlichen, 
welche der Zenithpunkt z (und notwendig auch der 
Nadirpunkt n) auf dem Tropengürtel der Erde zwischen 
den aus- und einatmenden Mondeswendekreisen in 
den einzelnen Stadien der Fig. 9/IV und Fig. 8 be- 
schreibt. Und mit diesen beiden Punkten z und n 
bewegen sich ja auch die beiden Flutberge in Wellen- 
linien um den irdischen Tropengürtel. Bei großer + 
Flutgeschwindigkeit, wie z.B. im heutigen Stadium 
(erster Wellenzug links in Fig. V) oder im Stadium 
E der Fig 9/IV und Fig. 8 (letzter Wellenzug rechts 
in Fig. V) schwingen diese beiden Kardinalpunkte pro 
einmaligem Gürtelumlauf auch nur beiläufig einmal 
zwischen den Mondeswendekreisen auf und nieder, 
so daß solche langgezogenen Wellenlinien entstehen. 
Je näher aber zum Stationärstadium C hin liegend, 
desto mehr solcher Breitenoszillationswellen entfallen 
auf einen Flutumlauf. Ja in unmittelbarer Zeitnähe des 
Stationärstadiums entfallen sogar die beispielsweise 
eingezeichneten 450, 500, 700, 750, 1200, 3000 bis fast 
unendlich viele solcher Breitenoszillationen auf 
einen Meter des geographischen Längs-, Rück- und 
Vorschleichens dieser beiden Kardinalpunkte: Und 
das sind eben die Zeiten der grimmigsten 
Vereisung und des intensivsten Schichten- 
und Gebirgsbaues im ganzen Kataklysmus. 

Wir konnten daher diese Wellenlinien maß- 
stäblich richtig nur für 7 Stadien: Heute, A, A', 
B, D, E' und E auf einen ganzen Flutumlauf, bezw. 
Erdumfang auftragen. In den übrigen Stadien mußte 
eine zehnfache (Stadium B' und D'), hundertfache 
(Stadium B“ und D”) und 10,000.000 fache (stationär- 
nahe Zeiten) Streckung des Längsmaßstabes Platz 
greifen, um die einzelnen Wellenlängen noch maB- 
stäblich versinnlichen zu können. Statt des ganzen 
Erdumfanges wurde fürs Stadium B' und D' ein Zehntel, 
für B und D“ ein Hundertstel desselben als Zeichnungs- 
formatlänge gewählt, wie in den obgenannten übrigen 
7 Stadien für den ganzen Erdumfang, um die darauf 
entfallenden Wellenzüge in richtiger Anzahl unterzu- 
bringen. Man müßte also das Wellenband B’ und D' 
zehnmal, B“ und D“ hundertmal aneinanderstoßen 
und dann diese auf die jetzige Bandlänge (ein Erd- 
umfang) zusammenschieben (längsmaßstäblich redu- 
zieren), um die Feinheiten der Wellenlängen mit jenen 
der obgenannten 7 Stadien maßstäblich unmittelbar 
vergleichen zu können. 

Nichts von alldem ist aber zeichnerisch im ge- 
gebenen Format möglich, und müssen wir uns daher 
bezüglich der Feinheit dieser stationärnäheren 
Wellenteilungen ganz auf das Entgegenkommen des 

eduldigen Lesers verlassen, hier seine kinematische 
aum- und Zeitvorstellung nach Kräften wirken zu 
lassen. Und gerade die Durchschauung dieser Flut- 
kinematik und Dynamik ist für das Gebirgsbauver- 
ständnis wichtig, da jede solche Flut-Breitenoszillation 
auf jeder der vier erdumschleichenden Oszillations- 
Ebbegebiete je eine »Schichte« (Sandstein, Ton- 
sandstein, Kalkstein etc. — bei Kohlensedimentierung 
sogar je zwei Schichten : Kohlenflötz und trennendes 
Taubgestein) pro Tag ablagert. 
ar für die Wellenzüge des stationären und 
pseudostationären (rück- und vorschleichenden) 
Zustandes ist der Längsmaßstab der Wellenzüge so 
bemessen, daß man dort die gezeichneten Wellenlängen 
(nicht auch die Amplituden) einfach als naturgroß 


gezeichnet ansehen darf. — Welch’ ein Unterschied 
also zwischen den Flutoszillations- Wellenlängen 
von heute und denen des stationären und pseudo- 
stationären Zustandes ! Über 38.000 km eine Wellen- 
länge von heute — und Bruchteile eines Millimeters 
um die Zeit der schleichenden Flutrevolutions-Umkehr ! 
Und wiederum rund 34.000 km eine solche Wellenlänge 
im Stadium E unmittelbar vor Mondauflösung ! Welch 
eine Wandlung der kinematischen und dynamischen 
Verhältnisse, die wir uns für spätere Zwecke gut ein- 
prägen müssen ! 

Um diese Fig. 9/V zu späteren Gebirgs- und 
Schichtenbauzwecken noch bequemer durchschauen zu 
können, wollen wir uns en der Fig.6 und 7 zuwenden 
und das Wesen der Flutbreitenoszillationen 
vom Stationärpunkt C der Fig. 8 und 9 aus nach rück- 
und vorwärts zu verfolgen suchen. Hier sehen wir (in 
Fig.6) die in Fig. 5 abgeleiteten erdoberflächlichen Mon- 
desflutkräfte nach Richtung und Größe (ca. 13 mm = 100g 
pro 1 m3 Wasser) numerisch und maßstäblich über- 
sichtlich gemacht. Wir finden in dieser Figur auch 
eine relativePendelbewegung der Erdoberfläche 
innerhalb des fix zu denkenden Flutkraftsystems ange- 
deutet, die ja mit der bereits mehrfach erwähnten 
Breitenoszillation der Kardinalpunkte z und n identisch 
ist. Natürlich darf man sich auch die Erdoberfläche 
fix und das Flutkraftsystem der Fig. 6 innerhalb des 
angedeuteten Ausschlagwinkels oszillierend denken. 
Wir wählen aber absichtlich die erstere Relativvor- 
stellung, weil in den letzten Jahren die sogenannte 
»Pendulationstheorie<« des Ing. Preibisch, ver- 
öffentlicht durch den Tiergeographen Simroth,*) viel 
von sich reden gemacht hat. Nach derselben wird 
nämlich die Eiszeit dadurch zu erklären gesucht, daß 
die Erde eine Schwingungsbewegung um den durch 
Equador und Sumatra gehenden Äquatordurchmesser 
ausführen soll, aber nicht pro Tag, sondern innerhalb 
Lyelischer Jahrbillionen einmal. Trotz der mechani- 
schen Unmöglichkeit dieser Hypothese ist es aber 
dennoch durchaus kein Zufall, daß die Preibisch- 
Simrothsche »reale« Jahrbillionen-Schwingung um 
dieselbe Oszillationsachse erfolgen soll, wie 
unsere in Fig. 6 und 7 versinnlichte tägliche Relativ- 
schwingung der Erdoberfläche. Betrachtet man nämlich 
die Linien gleicher Pendelschwere (z. B. in Günthers 
»Handbuch der Geophysik«), so ergibt sich, daß der 
afrikanische Kontinentsockel eine Art Massen- 
vorsprung des Geoids, eine sozunennende »Geoidnase« 
bildet, auf welcher sich zur stationären Hochflutzeit 
notwendig die Mondanziehung verankern — der 
Zenithflutberg festlegen muß, während demzufolge 
sich der Nadirflutberg in die pazifische Ozeanwanne 
einlagert. Es geht demnach auch unsere stationäre 
Flutbreitenoszillationsachse beiläufig durch Equador 
und Sumatra. Während also Preibisch und Simroth 
durch tiergeographische und eiszeitforscher- 
liche Überlegungen zu dieser Lage einer Schwingungs- 
achse gelangten, ergab sich uns dasselbe aus den 
Linien gleicher Pendelschwere, sowie aus der 
linienweisen Verteilung der großen Kettengebirge, wie 
sie durch Kreichgauer**) für verschiedene Erd- 
geschichtsperioden zusammengesucht wurden. Und 
nachdem unser stationärer Zustand der täglichen Flut- 
kraftsystem-Schwingungen am selben Meridian 
viele Jan chunderts andauern kann (vgl. Verschleppung 
des stationären Stadiums in Fig. 9/1 und II), so muB 
sich dieser Zustand tatsächlich im paläontologischen 
Befunde der Tiergeographen, sowie in den Spuren 
der grimmigsten jüngsten Vereisung der Erdoberfläche 
widerspiegeln, was eben Preibisch-Simroth zur 
Aufstellung ihrer mechanisch-physikalisch jedoch ganz 
unmotivierbaren »Pendulationstheorie« verleitet 
hat. Dies nur eines der vielen Beispiele, nach welchen 
sehr ernste Forscher unbewußt fürunsbeweisende 
Beobachtungstatsachen gesammelt haben, die 


*) Simroth: »Die Pendulationstheorie«, 1907. 
% Kreichgauer: »Die Aquatorfrage in der Geologie«, 1902. 


sie aber mangels einer universellen Geogonie not- 
wendig mißdeuten mußten. 

Um uns nun über diese relative tägliche 
Pendelbewegung der Erdoberfläche innerhalb des 
stationären Flutkraftsystems vollkommen überzeugend 
klar zu werden, wollen wir uns zunächst der unteren 
Kleinfigur 6 bedienen, welche ja Erd- und Mond- 
durchmesser samt Mondabstand des Stationärstadiums 
im einheitlichen Maßstabe darstellt. Denken wir uns 
darinnen zunächst die mit N’ bezeichnete Erdachse 
nebst zugehörigem Aquator und nördlichem Mond- 
wendekreis nm vorläufig weg und lassen die Erde 
eine halbe Rotation um die Erdachse N und gleich- 
zeitig den Mond eine halbe Revolution in der 
gezeichneten Mondbahnebene vollführen, so wandert 
hiebei der ursprüngliche geographische Ort des z-Punktes 
längs des Mondwendekreises z zi nach zı, während 
der neue geographische Ort des z-Punktes jetzt n 
ist, folglich muß der Zenithpunkt z während dieser 
halben Umdrehung längs des Mondzenithmeridians 
von zı (am nördlichen Mondwendekreis) nach n (am 
südlichen Mondwendekreis) gewandert sein, um nach 
der nächsten Halbumdrehung wieder in z (am nörd- 
lichen Mondwendekreis) anzulangen. (Ganz geradlinig 
wird diese Meridianwanderung des Zenithpunktes z 
zwar nicht sein, sondern die Wegspur einen äußerst 
schlanken »Achter« bilden, was uns aber vorläufig nicht 
zu beirren braucht.) 

Es ist also das rein geographisch dasselbe, als 
ob Erde und Mond in der in Fig. 6 unten gezeichneten 
ursprünglichen Stellung verblieben wären, doch erstere 
ohne zu rotieren, mit ihrer Achse eine Pendel- 
schwingung von N nach N' und zurück gemacht hätte, 
und zwar um den zur Papierebene senkrechten Äquator- 
durchmesser als Oszillationsachse ; oder es bliebe rein 
geographisch auch dasselbe, wenn man bei nicht 
rotierender Erde den nicht umlaufenden Mond auf 
seinem jetzt fixen Himmelsmeridian zwischen seinen 
Himmelswendekreisen pro Tag einmal auf und nieder- 
steigen ließe. Mechanisch ist diese Relativkinematik 
natürlich insofern nicht dasselbe, als uns bei nicht 
revolvierendein Systeme (Erde-Mond) die Revolutions- 
Fliehkräfte fehlen würden, welche einerseits den 
stationären Mond im Abstand von 7 r halten, ander- 
seits auf der Erde den Nadirflutberg auftürmen müssen. 
Da uns aber hier vornehmlichnurdiegeographische 
Seite derstationären und pseudostationären Flutdynamik 
deutlich vorstellbar werden soll, ist obige kinemati- 
sche Raumvorstellung das geeignetste Mittel dazu. 

Sollte uns aber dieses papierene Experiment im 
Geiste nicht recht gelingen wollen, so bedienen wir 
uns eines kopfgroßen, schiefachsig und drehbar auf 
einem Stativ montierten Erdglobus und eines faust- 
großen Apfels (als Mond), den wir uns auf einem 
Kerzenleuchter in gleicher Mittelhöhe mit dem Globus 
aufspießen. Zeichnen wir uns ferner auf horizontaler 
Tischfläche die maßstäblich richtige Mondbahn mit 
7r als Radius, in deren Mitte wir den Globus stellen. 
Die Mondbahn möge in 4 Quadranten mit den Teil- 
punkten (3609) 00, 900, 1800 und 270" geteilt sein und 
der Mond mit ihm zugeneigter Erdachse bei 0° Länge 
Aufstellung finden. Der gewählte, dem Monde zuge- 
kehrte Mondzenithmeridian der Erde sei der mittel- 
afrikanische etwa 20° östlich G. Lassen wir jetzt ver- 
einfachend den Mond in der Ekliptikebene (also 
parallel der Tischfläche) umlaufen, so liegt der an- 
fangliche Mondzenith z im nördlichen Sonnenwende- 
kreis-Schnittpunkt mit dem gewählten fixen Mond- 
zenithmeridian, also in + 231/00 Breite. Schieben wir 
jetzt das Mondstativ auf den Bahnpunkt 900 und 
drehen auch die Erde um 90° weiter, so ist hiebei z 
in den Äquator herabgestiegen. Dieses Spiel qua- 
drantenweise fortgesetzt, sehen wir z bei 180° Mond- 
bahnlänge auf —- 231/0 Breite, umkehren, bei 270° 
Länge aufsteigend wieder den Aquator passieren und 
bei 3600 Länge wieder in + 231/20 Breite anlangen, 
und zwar immer am selben Meridian von 20! 
geographischer Länge verbleibend. 


137 


Ist uns nun so die längsstationäre Breiten- 
bewegung des Mondzenithpunktes z (und notwendig 
auch des Nadirpunktes n) stereometrisch durchsichti 
geworden, so haben wir uns noch vorzustellen, da 
der Mond nicht genau in der Ekliptik revolviert, 
sondern in einer Ebene, die heute rund 5°, zur 
Stationärzeit aber etwa bloß mehr 3° zur Ekliptik 
geneigt ist; und ferner, daß die Schnittlinie beider 
Ebenen (Mondknotenlinie) heute in ca. 18 Jahren, 
zur betrachteten Stationärzeit aber vielleicht in bloB 
2 bis 3 Jahren retrograd umläuft; so daß also die 
Mondeswendekreise abwechselnd extrem einmal 
je 3° außerhalb, dann wieder 3° innerhalb der 
Sonnenwendekreise zu liegen kommen. Nehmen 
wir jetzt noch hinzu, daß bis dahin die Erdachse 
durch die Breitenflutreibungsarbeit mindestens bis auf 
rund 20° Ekliptikschiefe aufgerichtet sein wird (gegen- 
über den heutigen 23¼ ), so kann der stationäre Mond 
seine geographischen Wendekreise etwa zwischen 
+ 23° und + 17° aus- und einatmen lassen, und 
zwar in etwa 2½, jähriger Periode sagen wir, was 
eben heute in 18°6jähriger Periode innerhalb + 28'/,° 
und 18½ geographischer Breite sich abspielt. 

ies will nun in Fig. 9/V dadurch sinnfällig ge- 
macht sein, daß wir dorten die Mondeswendekreise, 
zwischen denen sich ja die Wellenlinien der Breiten- 
oszillationen von z und n einordnen, von links nach 
rechts hin immer enger werden sehen und vielleicht 
geschieht dies in Wirklichkeit in noch viel engerem 
Maße, als dorten gezeichnet. Es wird also dıe, in 
mondlosen Zeiten mit ihrem Nordpol (kreiselartig 
wankend, Präzession) dem Sonnenapex zustrebende 
Erdachse bei jeder neuen Mondannäherung und Auf- 
lösung immer wieder fast senkrecht zur Erdbahn- 
ebene aufgerichtet, so daß nach jeder, also auch der 
jüngsten Sintflut, die be hreszeiten verwischt 
erscheinen mußten. Der Naturmensch, welcher das 
irdische Jahr nicht aus dem wechselnden Auf- und 
Untergange der Sternbilder, sondern aus dem jahres- 
zeitlichen Wechsel von Tag und Nacht und der 
irdischen Natur überhaupt als solches erkannt haben 
konnte, hatte daher im jeweiligen neuen Paradiese- 
nicht nur keinen Monat sondern auch keinen 
Jahres zeitmaßstab mehr und dies ist auch der 
Grund, warum sich in alten Texten verblaßte Spuren 
von Zeiten eines »ewigen Frühlings« 
auf Erden finden. 

Doch nun zurück zu Fig. 6. Die dort gezeichnete 
Eilinie ist zwar eine auf einen Kreis basierte Kräfte- 
diagrammlinie, aber wir können sinnfälligerweise 
immerhin annehmen, daß sich die beiden »statio- 
nären Flutberge« in irgend einem (etwa 50fach) 
überhöhten Maßstabe ebenso darstellen würden. Zu- 
gleich darf man sich vorstellen, daß im »Ebbegürtel« 
auch das Grundwasser so tief sinkt, als diese Eilinie 
»überhöht« erkennen läßt. Wir müssen uns jetzt von 
der schulgewohnten Vorstellung losreißen, nach 
welcher wir die irdischen Klimazonen nach geographi- 
scher Breite, nach Äquator und Erdachse und nach 
deren Neigungswinkel zur Ekliptik beurteilen; denn 
jetzt ist eine Erdeiachse z n hinzugekommen, 
welche um eine durch Equador und Sumatra gesteckte 
Oszillationsachse täglich einmal relativ auf- und 
niederschwingt. Der Aquator dieser Eiachse verläuft 
in seiner Mittelstellung über beide Rotationspole und 
mit ihm auch der bereits genannte Ebbegürtel. 
In diesem stationären Ebbegürtel herrscht also 
die Eiszeit, während unter den beiden Flutbergen 
jene »Flutzeit« herrscht, die von den modernen 
Eiszeitforschern dahin mißverstanden wurde, daß sie 
den Begriff einer Zwischeneiszeit (Interglacial- 
zeiten) einführten, darüber wir noch sprechen werden. 

Im stationären Ebbegürtel mag die Landvereisung 
sich bis nahe dem Äquator herabschieben. Und nur 
diese beiden tropischen Flecken des Ebbegürtels — 
im Norden und Süden von sich langsam heran- 
schiebenden Stirnmoränen, im Osten und Westen von 
den meridional oszillierenden beiden Flutbergen be- 


138 


renzt — laden zur Zusammenströmung der stationären 

iszeitmenschheit ein. Das wären also wieder die 
beiden Gegenden um das F Equador a 
ganz Tropisch-Amerika) und um Sumatra herum (also 
das heute zum Teile unter Wasser stehende Gond- 
wanaland mit Nordaustralien und Indien). 


In unmittelbar vor- und nachstationärer Zeit, 
bezw. in den unserem Stationärpunkt C der Fig. 8 
und 9 vorangehenden und nach folgenden Jahrzehn- 
tausenden, in denen also die beiden vollkommen 
isolierten Flutberge (täglich einmal auf- und nieder- 
pendelnd) die Erde nach rück- und vorwärts langsam 
umschleichen und umschreiten, muß natürlich 
auch der Ebbegiirtel im selben Schleich- 
tempo mitwandern. Es gelangen also große Länder- 
gebiete der mittleren und niedrigen Breiten in ver- 
schiedenen Zeitintervallen von mehreren Jahrhunderten 
und Jahrtausenden abwechselnd unter oszillierenden, 
schichtenbildenden Wasser und dann wieder unter Schutt 
anschiebendes Inlandeis! Und das ist das Geheimnis 
von der vermeintlichen Unterteilung der 

roBen Eiszeit in Untereiszeiten und 

wischeneiszeiten. Diese »Interglacial- 
zeitene unserer Eiszeitgelehrten sind also eigentlich 
ein großes Mißverständnis. Denn in Wirklichkeit 
nimmt die Erdenvereisung beiläufig im Sinne der 
Kurve Hz von Fig. 9/IIf ununterbrochen zu bis zum 
Zeitpunkt C, dann wieder langsam ein wenig ab bis 
zum Zeitpunkt F, um dorten durch die Sintflut ihren 
geologisch plötzlichen Abschluß zu finden, wie 
solchen die Fig. 10 versinnlichen soll. 


Sinngemäß haben wir um die Stationärzeit herum 
zweierlei Ebbe und Flut zu unterscheiden: eine 
Oszillations-Ebbe und Flut und eine Re- 
volutions-Ebbe und Flut, von denen erstere 
täglich abwechseln, letztere aber in Perioden von 
Jahrtausenden, Jahrhunderten, Jahrzehnten u. s. w. 
herab, je nach zeitlichem Abstand von C. 


Nördlich und südlich von jedem der beiden Flut- 
berge erstreckt sich je ein breites halbmondförmiges 
Ebbe- und Flutgebiet — die so zu nennenden Os- 
zillationsebbegebiete — in welchen der eigentliche 
Schichtenbau stattfindet. Die täglich einmal auf- 
und niederpendelnden Flutberge wühlen natürlich alle 
Alluvialablagerungen (Humus, Lehm, Löß, Fein- und 
Grobsand, Fein- und Grobkies etc.) auf und benagen 
auch ausgiebig alles Festgestein, sie roden notwendig 
auch alle Waldbestände samt den Wurzelstöcken ab, 
heben um so gewisser auch alle Strauch-, Gras-, Moor-, 
Torf- und Moosbestände des von ihnen befluteten 
Landes auf, sie verschonen auch die submarinen 
Tang- und sonstigen Algenwälder nicht, auch nicht die 
riesigen Muschel-, Schnecken- und sonstigen Schaltier- 
ablagerungen und Knochengerüste des Meeresbodens. 
Mit allen diesen Stoffen, die wir grob in mineralische 
und tierische Sinkstoffe und in vegetabilische 
Schwimmstoffe einteilen können, sind die beiden 
Flutberge insbesondere in ihren nördlichen und süd- 
lichen Oszillationsebbe- und Flutbereichen schwer 
beladen. Es ist also klar, daß auf diesen vier halb- 
mondförmigen Oszillations-Ebbegebieten täglich un- 
geheure Mengen von solchen Sink- und Schwimm- 
stoffen schichtenweise liegen bleiben und im grimmigen 
Eiszeitfroste auch täglich beinhart niedergefrieren 
müssen. 


So bauen sich da ungeheure Schicht- 
komplexe auf, so lange, bis durch den zu- 
nehmenden Schwerdruck die untersten Schichten 
wieder auftauen und in ihren lehmigen Bestandteilen 
ein ausgezeichnetes Schmiermaterial abgeben, auf 
welchem nun solche hochaufgebaute und weitaus- 
gebreitete Schichtkomplexe ins gletscherartige Gleiten 
nach den beiden Flutkardinalpunkten z und n hin- 
geraten. Das ist also die Bedeutung der in Fig. 6 
und 7 sinnfällig gemachten Zone der Schichtung 
und Gleitung. Um die Kräfte, die solches Schicht- 
gleiten bewirken, sind wir nicht in Verlegenheit, da 


deren Breitenoszillationen 


wir ja in Fig. 6 die in diesen Zonen beiläufig 
tangential wirkenden Hubkräfte entnehmen können, 
welche das beiläufig 600 bis 900fache der heutigen 
Flutkräfte ähnlicher Zonen betragen. Natürlich können 
diese gleitenden en wie in Fig. 7 er- 
sichtlich, die Zenith- und Nadirpunkte nicht er- 
reichen, da sie ja gleichsam daliegende Ringgewölbe 
bilden, die sich trotz ihrer gletscherartigen Piastizität 
auch durch die noch so großen, langen Schubkräfte 
nicht unter einem gewissen kleinsten Ringumfang 
zusammenstauchen lassen. Dieses Herangleiten von 
immer neuen gefalteten Schichtringwellen kann aber 
trotzdem nicht ins Stocken geraten, weil dieselben 
beim tieferen Hineingleiten unter die Flutberge durch 
immer wieder teilweise 
aufgelöst werden. Insbesondere werden die Ober- 
falten dieser Ringschichtwellen fortwährend abgenagt 
und das Material immer wieder in die Ebbegebiete 
hinausgeschwemmt und so neu versedimentiert. 

Hier wird nun das Thema unerschöpf- 
lich, denn hier sind wir endlich bei der eigentlichen 
und wahren Gebirgsbildung angelangt. Hier sind 
wir mitten in jenen »Episoden von so erschüt- 
ternder Gewalt«, von denen Altmeister Sueß trotz 
seiner Lyell-Gefolgschaft ahnungsvoll meint, »>daB 
die Einbildungskraft sich sträubt, dasBild 
auszumalen, für welches der grübelnde Ver- 
stand aus den aufgeschlossenen Schicht- 
profilen der großen Kettengebirge« heraus, mit 
ihren Faltungen, Überkippungen und Uberschiebungen 
»die allgemeinen Umrisse setzte. Um ganz 
gründlich zu sein, müßten wir jetzt zunächst den 
kataklysmatischen Vorgang der vertikalen und hori- 
zontalen Korngrößensortierung der aufgelösten 
Sinkstoffe sowie der schichtenweisen Ablagerung 
der vegetabilischen Schwimmstoffe (Steinkohlen- 
flötzbildung) und sonstiger Versedimentierung (Kalk- 
steinbildung, Salzgebirgebau, Bitumen- und Erdöl- 
Ablagerung, natürliche Destillation des Erdöls, Petre- 
fakteneinbettung 5 klarstellen; doch jedes dieser 
Kapitel würde bei größter Einschränkung einen Auf- 
satz für sich bedingen. Wir müssen daher dies alles 
aus Platzgründen auf unbestimmte Zeit verschieben 
und können höchstens in Aussicht nehmen, nächstens 
einmal die wichtigste und typischeste aller Schichten- 
bildungen: Die Steinkohlenflötz-Ablagerung als 
instruktivstes Schulbeispiel der Gebirgsbildung heraus- 
greifen, weil es da, selbst bei dem nicht mit uns 
gekommenen Leser im vorhinein feststehen dürfte, 
daß diese Steinkohlengebirgsbildung mit dem Aus- 
gangspunkte unserer geologischen Abschweifung, d. i. 
mit den Erdbeben gewiß nichts zu tun haben 
kann. 

Das bisher Gesagte ermöglicht es uns aber doch 
schon, uns von der hergebrachten geologischen 
Vorstellung leicht loszumachen, daß die so riesigen 
sedimentären Schichtfalten unserer Hochgebirge sich 
durchaus im erhärteten Zustande so gebogen 
haben könnten, ohne zermalmt zu werden! Die 
Vorstellung des Faltungsvorganges wird jetzt nämlich 
dadurch wesentlich erleichtert, daß die noch nassen 
aber gefrorenen Schichtmassen eine gletscher- 
artige Plastizität besitzen und somit durch die Mond- 
schwere auf (durch die Erdwärme und Schweredruck 
aufgetauter) schmieriger Unterlage in ein lang- 
sames Fließen, Stauen, Falten, Überkippen und Über- 
schieben geraten, ähnlich wie ja auch das scheinbar 
so spröde Gletschereis sich in einem langsamen pech- 
artigen Flusse befindet. 

Natürlich pendeln die Wassermassen der beiden 
Flutberge nicht nur in der geographischen Breite auf 
und nieder, sondern werden deren Ufer auch in der 

eographischen Länge stark aus- und einatmen: Die 
Schichtbau- und Gleitgebiete werden sich auch dorten 
herum zu einem ovalen Ring zusammenschließen, nur 
in viel schmälerer Ausdehnung als nördlich und süd- 
lich von den beiden Flutbergen. Man kann also im 
Sinne der Inschriften von Fig. 7 sehr wohl von einer 


>Ovalringfaltung« der beiden Flutberge sprechen. 
Ebenso bedürfen die dortigen Bezeichnungen einer 
Zenith- und Nadir-Gleitnarbe und Faltungs- 
zone wohl kaum einer näheren Begründung mehr. 
Der stationäre Hochflutzustand ist in dieser primi- 
tiven und nur schematisch zu verstehenden Fig. 7 
aber so dargestellt, als ob die beiden Flutberge in 
ihrem letzten vorstationären Umlauf nicht von Osten 
herangeschlichen wären, sondern sich unvermittelt so 
eingestellt hätten und in Dauerwirkung blieben. Wäre 
solches jedoch wirklich der Fall gewesen, so sähen 
wir heute die Ruinen zweier, aber um so auffallen- 
derer Ovalringfaltungen, und zwar zenithseits um den 
afrikanischen Kontinenthorst herum und nadirseits 
noch deutlicher das pazifische Ozeanbecken oval um- 
säumend, als wir dies ohnehin heute sehen. Nachdem 
aber in stationärnahen Zeiten der Tropengürtel von 
den breiten oszillierenden Flutbergen ungemein 
langsam umschlichen wird, so daß die stationär- 
nächsten Rück- und Vorumschliche auch Jahrtausende 
lang dauern, so kommt eigentlich jeder Punkt des 
Äquators wiederholt in die Lage, für längere 
Zeit das Zentrum (z und n Punkte) einer solchen 
Ovalringfaltung zu sein. Es baut sich also da Oval- 
ringfaltsystem neben und über Ovalringfaltsystem, 
doch so, daß bei jeder neuen Flutberg-Längsstellung 
die Faltungsruinen der vorhergegangenen Flutstellung 
in der Umschleichrichtung hin um so leichter wieder 
aufgelöst werden, in je niedrigeren Breiten sie liegen. 

Aber auch dieser Vorgang ist aus dem heutigen 
geologischen Befund heraus nicht so einfach zu ver- 
stehen, weil ja das schon vom jeweilig vorigen 
Kataklysmus her reich gegliederte Bodenrelief dem 
Weggleiten der verschiedenen Schichtkomplexe die 
allerverschiedensten Hindernisse in den Weg legt, 
daher auch das Zusammengleiten der Ringfaltungen 
bei weitem nicht in jener Vollständigkeit und Regel- 
mäßigkeit erfolgen kann, wie dies etwa Fig. 7 er- 
warten ließe. Stellenweise bleiben die Gleitfalten an 
älteren Gebirgen hängen und bilden, falls sie nicht 
vorher aufgelöst werden, um so größere Hindernisse 
für spätere, etwa beim nächsten oder zweitnächsten 
Flutbergumschlich neuerdings herangleitende Schicht- 
komplexe — stellenweise geht das Herangleiten ohne 
Hindernisse von statten und werden solche Schicht- 
massen auch weniger gefaltet, überkippt oder gar 
überschoben sein, weil sie ebenso wie ihre Vorgänger 
im selben Maße wieder aufgewaschen werden können, 
als sie herangleiten, stellenweise wird ein Weggleiten 
überhaupt nicht eintreten, wie wir dies an dem 
Horizontalliegen der sogenannten russischen Tafel, 
der Saharaterrassen, der Schichten des Tafelberges 
in Kapland, der englischen und nordfranzösischen 
Steilküsten, Helgolands, des Coloradoflusses u. s. w. 
studieren können. Oft wird es vorkommen, daß sich 
herangleitende Schichtkomplexe um ein isoliert da- 
stehendes Hindernis konkav herumbiegen oder zwi- 
schen zwei nahen Hindernissen konvex durchhängen 
und in weiterer vervielfachender und abwechselnder 
Kombination solcher Möglichkeiten zu den abenteuer- 
lichsten Formen der Faltenverbiegung auch im hori- 
zontalen Sinne führen. Schließlich ist noch zu be- 
denken, daß die abnagende Wirkung der Oszillations- 
und späteren Revolutionsfluten alles das wieder zu 
Ruinen macht, Oberfalten abradiert, Täler ausfrißt, 
Niederungen ausfüllt u. s. w. 


139 


So wird es also verständlich, daß das so unregel- 
mäßige Durcheinander der heute als »Gebirge« da- 
liegenden Schicht-Gleitfaltungsruinen dem glacialkos- 
mogonisch noch ungeschulten Geologenauge gar kein 
plausibles Gesetz der Gebirgsbildung verrät und ihm 
somit die sogenannte »Kontraktionstheorie« 
(Gebirgsbildung durch Auskühlungs-Zusammenzie- 
hungs-Runzelung der festen Erdkruste) ungestraft 
eingeredet werden durfte. 

Eine weitere Komplikation ergibt sich noch aus 
folgendem: Dorten, wo schon aus früheren Kataklys- 
men Gleitfaltungen hängen blieben, geschieht solches 
natürlich auch im nächsten Kataklysmus; an dieser 
Stelle erfährt somit die nicht absolut starre Erdkruste 
mit der Zeit eine derartige Mehrbelastung, daß sie 
langsam niedersinkt oder an durch die fortwährende 
Erddeformierung gebildeten Gewölbesprüngen jäh nie- 
derbricht; da sie aber, wenn auch noch so mächtig, 
im Grunde doch am glutflüssigen Erdinnern 
schwimmt, so muß dieses Magma durch solche 
Bruchspalten emporgedrückt werden, eventuell sogar 
auch unterhalb der oszillierenden Flutberge und neuge- 
bildeten Schichtkomplexe; solches Magma dringt dann 
auch zwischen die noch gefrorenen neptunischen 
Schichten ein, um dorten zu sogenannten »Intru- 
sionen« (notorisch plutonische Schichtgebilde 
zwischen notorisch neptunischen) oder in größeren 
kompakten Massen zu sogenannten «Lakkolithen« 
(plutonische unter neptunischen Schichtaufwölbungen 
verborgene oder durch spätere Erosion abgedeckte 
Gesteinseen) zu erstarren. Nachdem es sich da auch 
um periodische Mehrbelastungen durch Hochfluten 
und Gezeitenkräfte handelt, so kann das Emporquellen 
des Magmas auch periodisch erfolgen, woraus 
sich die oftmals geschichtet daliegenden pluto- 
nischen Gesteinsmassen erklären lassen. Das Magma 
kann auch in solchen Mengen emporkommen, daß es 

anze plutonische Gebirgsstöcke (Granit, Porphyr, 

asalt etc.) innerhalb unzweifelhaft neptunisch ab- 
gelagerten Schichtkomplexen bildet. Durch die Wärme- 
abgabe solcher emporgedrückter Glutflußmassen werden 
die anliegenden neptunischen Schichtmassen im 
noch unerhärteten nassen Zustande, oft unter hohem 
Drucke gleichsam gebrannt, umgebildet (Gesteins- 
metamorphose), auf welche Weise z. B. auch der 
kristallinische Schiefer erklärt werden kann. Auch 
neptunisch abgelagerte Kalkmassen (ebenfalls 
kataklysmatisch aus heraussortierten meerestierischem 
Schalen- und Krustenzerreibsel sedimentiert) können 
im noch nassen Zustande solcher Metamorphose unter- 
zogen werden, um z. B. den weißen kristallinischen 
Marmor zu liefern, wobei allerdings auch spätere In- 
filtration mitgewirkt haben mag. 

Wir können, wie gesagt, dieses Thema im Detail 
hier nicht erschöpfen, wie wir es auch selbst in 
unserem Hauptwerke nicht erschöpfen konnten. Aber 
der geneigte Leser versuche jetzt einmal von dem 
neugewonnenen Standpunkte aus etwa Neumayrs 
»Erdgeschichte« oder Sueß’ »Antlitz der 
Erde« durchzunehmen, und er wird staunen, wie die 
dorten aufgehäuften objektiven Beobachtungstatsachen 
in dem neuen Lichte sich von selbst zu einem ganz 
neuen einheitlichen und widerspruchslosen Lehr- 
gebäude gruppieren, wenn es ihm gelingt, den dorten 
von Laplace-Lyellschem Standpunkte aus gegebenen 
Erklärungen den Glauben zu versagen. 


(Fortsetzung folgt.) 


* = 


140 


Sturmkalender für Mai und Juni 1915. 


Von Wilhelm Krebs. (Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen.) 


Störungsfolgen aus den Hauptherdgebicten der tropischen Sturmbilidung 


1915, 
im Indischen Ozean 
im Westpazifik | indwestend 
| | 
Sturm- f | 
Sturm- Sturm- 
. bis Sturm- 28. bis 5 rm- 
bildun bildu 
I. bis I. bis t 
Nord- Sturm- pazifik) Sturm- Indischer Sturm- 
Smerika ur l „ | re bildung Ozean rg een 
3 10. bie 16. Ostasien t0. bis 16. (Westen) 10. bis 168. 
15. bis 21. no | 
Sturm- p ) | Ostasien Sturm- Indiscber 
bildung | — | ----- - —-| (Nord- |- = -——| bildun Ozean 
Mai 4 Nord- !6.bis pazifik) 18. bis 22. (Westen) 
22. bis 28. Europa amerika : 
Nord- Ostasien Indischer 
= amerika a an (Nord- eg = Ozean 
Mai Nord- pazifik) (Westen) 
29. bis 31 amerika Ostasien | Ost- 
N ee 
pa en Ost- 
Juni 1 Nord- 
1. bis 7. Europa amerika Europa 
Nord (Süden) 
5 * bo ey ~~~ 1 Europa amerika| | a Ost. n 
un 
Europa Europa 
8. bis 14 r us (Süden) 
üüĩõÜ%C r EEE rde ia a ͤ»ñ ov. 8 
| Para ores amerika 
un 
15. bis 21 | Europa 
E BESTER a r EEE AEE EE WER PELENE, Nord- F 
amerika 
| ns Europa ! | 
| he et — SEE aE 3 RER i — 22277 ͤ— re ee — Er uk 
| | | | 
Juni 5 
29. bis 30 Europa | 


Für die Termine Indischer Ozean (Westen) kamen hiefür einige Schiffsunfälle bei Aden und vor der Einfahrt in den Suez- 
kanal in Betracht. Die weitere Bahn der Störungsfolgen scheint danach östlicher gelegen zu haben als gewöhnlich, so 
daß die Störungen im Südosten Europas zumeist nur durch ihre indirekte Wirkung, 
rückschläge bemerkbar waren. Die Wiederkehr besonders wirksamer Epochen der Sonnentätigkeit steht im Juni bis zum 3. 
und nach dem 16. in Aussicht. In dieser Zeit ist auf Gewitterbildung und erdmagnetische Störungen besonders zu achten. 


auf eine Förderung der Kälte- 


Bericht über die Generalversammlung des k. k. Österreichischen 
Aeroklubs am 17. April 1915. 


Die 15. ordentliche earam ing des k. k. 
Österreichischen Aeroklubs, welche am 17. April 1915, 
um 7 Uhr abends, im Hotel Imperial stattfand, 
wurde in Vertretung des im Felde stehenden 
Präsidenten Freiherrn von Economo vom Vize- 
präsidenten Herrn Alfred von Strasser geleitet, 
welcher die erschienenen Herren begrüßte und 
die Beschlußfähigkeit der Generalversammlung kon- 
statierte. f 

Anwesend waren die Herren: Vizepräsident Ge- 
neraldirektor Alexander Cassin one, die Ausschuß- 
mitglieder: k. u. k. Hauptmann Wilhelm Hoffor y, 
Rudolf Hu bel, Prof. Dr. Hans Lorenz, Ing. Ernst 
Müller, Josef Polacsek, Norbert Reichert. 
Dr. julius Steinschneider und k. u. k. Major 
Hans Umlauff Ritter v. Fran kwell; ferner die 
Mitglieder: Reichsratsabgeordneter Max Friedmann, 
k. u. k. Hauptmann Siegfried Heller, Direktor Rudolf 
Klein, Ing. Paul Kürt, Ernst Szilänyi, Rudolf 
E. Rothe, Konsul Felix v. Stiaßny, Dr. Paul 
Cohn und andere. 


Entschuldigt waren die Herren: Präsident Baron 
Economo, die Vizepräsidenten Major Hinter- 
stoißer, Oberst Uzelac, ferner Hauptmann Adolf 
Engel, Dr. Eduard Etthofen, egierungsrat 
Dr. Oskar Fischl, kaiserl. Rat Josef v. Flesch, 
Dr. Arnold Hildesheimer, Robert Mauthner, 
Maximilian Mautner, Dr. Hermann Ritter von 
Schrötter und Kommerzialrat Robert Siercke, 
als im Felde stehend; ferner die Herren: Ausschuß- 
mitglied Kommerzialrat Kamillo Castiglioni, 
Dozent Dr. Viktor Heß, Viktor Ritter Mautner 
v. Markhof, Andreas v. Rudno-Rudzinski 
und andere. 

Der Vorsitzende bestimmte zur Protokoll- 
führung den Sekretär des Klubs und ersuchte die 
Herren k. u. k. Hauptmann Wilhelm Hoffory und 
Rudolf Hubel das Amt der Skrutatoren und Veri- 
fikatoren freundlichst zu übernehmen. 

Hierauf hielt der Vorsitzende folgende An- 
sprache: Geehrte Herren! Das Klubjahr, über. 
welches wir Ihnen zu berichten haben, hat mit reger 


Tätigkeit eingesetzt und auch in der ersten Jahres- 
hälfte zwei hervorragende sportliche Ereignisse ge- 
bracht: den Schicht-Flug und das inter- 
nationale aviatische Meeting in Aspern, 
das »Derby der Lüfte«. Dasselbe fand ein jähes Ende 
durch das fluchwürdige Attentat von Sarajevo am 
28. Juni, dem unser höchster Protektor, Se. kaiserl. 
Hoheit der Durchlauchtigste Herr Erzherzog Franz 
Ferdinand und dessen hohe Gemahlin zum Opfer 
fielen. Wir hatten alle gehofft, daß die gesitteten 
Völker und deren Staatenlenker sich auf die Seite der 
österreichisch-ungarischen Monarchie stellen werden, 
um mit uns die Sühne für die Meuchelmörder zu 
fordern und zu erlangen. Es kam aber anders; ins- 
besondere als England und seine perfiden Staatslenker 
sich an die Seite der Protektoren der Meuchelmörder 
stellten, ist es zum Weltkrieg gekommen, inmitten 
dessen wir jetzt leben und als dessen erstes Opfer 
wir unseren höchsten Protektor ansehen müssen, der 
in treuer Pflichterfüllung den Tod fand. 


Sofort nachdem die schmerzliche Nachricht aus 
Sarajevo ihre Bestätigung fand, hat unser Präsident 
eine Trauersitzung des Klubvorstandes veranlaßt und 
in beredten Worten die unvergänglichen Verdienste 
des Verstorbenen um unseren Klub, um die österr.- 
ungar. Luftschiffahrt und um die Ausgestaltung der 
fünften Waffe für Kriegszwecke geschildert. 

Auch an dieser Stelle wollen wir das Gelöbnis 
erneuern, in Liebe und Dankbarkeit das Andenken an 
Se. kaiserl. Hoheit, unseren verewigten Protektor, 
hochzuhalten und nie versiegen zu lassen. 


Die Versammlung hat sich zum Zeichen der Trauer 
von den Sitzen erhoben und der Vorsitzende er- 
klärt, diese Kundgebung in dem Protokolle verewigen 
zu lassen. 


Der Vorsitzende berichtet, daß er an Se. Ex- 
zellenz Dr. Jaroslaw Grafen Thun, als den Vormund 
der Kinder weiland Sr. kaiserl. Hoheit, das Jahrbuch 
1915, welches das Bildnis und einen Nachruf für 
Se.kaiserl. Hoheit enthält, übersandt habe und das nach- 
folgende Schreiben von Sr. Exzellenz eingelangt sei: 


»An das verehrliche Präsidium des 
k. k. Österreichischen Aeroklubs, Wien. 
In Erwiderung der geschätzten Zuschrift vom 
2. d. M. erlaube ich mir, für die Zusendung zweier 
Exemplare Ihres Jahrbuches meinen verbindlichsten 
Dank auszusprechen, sowohl im Namen meiner 
Mündel, der Kinder weiland Ihres höchsten Pro- 
tektors, als auch in meinem eigenen Namen. Mit 
dem Ausdrucke vorzüglichster Hochachtung er- 
gebener Dr. Jaroslaw Gf. Thun m. p.« 


Nachdem von der Verlesung des Protokolles 
der letzten Generalversammlung Abstand genommen 
wurde, erstattet der Vorsitzende den Bericht 
über das Klubjahr. 


Viele Herren des Klubs, allen voran das Durch- 
lauchtigste Mitglied Se. k. u. k. Hoheit Erzherzog 
Josef Ferdinand, der ruhmreiche Feldherr und 
Armeekommandant, Se. k. u. k. Hoheit Erzherzog 
Heinrich Ferdinand und Se. k. u. k. Hoheit 
Erzherzog Leopold Salvator, ferner der Präsi- 
dent Konstantin Freiherr v. Economo, die Vize- 
präsidenten k. u. k. Major Franz Hinterstoißer 
und k. u. k. Oberst Emil Uzelac, sowie die Ausschuß- 
mitglieder k. u.k. Hauptmann Adolf Engel, Dr. Eduard 
Etthofen, Dr. Oskar Fischl, kaiserl. Rat Josef 
v. Flesch, Dr. Arnold Hildesheimer, k. u. k. 
Hauptmann Wilhelm Hoffory, Robert Mauthner, 
Ernst Müller, Dr. Hermann Ritter v. Schrötter, 
Kommerzialrat Robert Siercke und k. u. k. Major 
Hans Ritter Umlauff v. Frankwell, dann eine 
große Anzahl von Mitgliedern und anderer Funktionäre 
des Klubs sind ins Feld gezogen, um für Kaiser und 
Reich zu kämpfen; viele von ihnen haben sich schon 
mit Ruhm bedeckt und sind durch Auszeichnungen 
geehrt worden; mancher hat den Heldentod am Felde 


141 


der Ehre gefunden. Franz Freiherr v. Berlepsch, 
k.u.k.Hauptmann des2. Tiroler Kaiserjäger-Regimentes, 
das geschäftsführende Ausschußmitglied des Klubs, 
fiel als einer der ersten auf dem nördlichen Kriegs- 
schauplatze. Weiters verlor der Klub bis zum Berichts- 
schlusse seine Sportkommissäre Max v. Stutter- 
heim und Kurt Ritter Umlauffv. Frankwell, 
dann seine Freiballonführer Generalmajor Wladimir 
Janiczek, sowie die Flugzeugführer des Klubs 
Oskar Rosman, Albert Sanchez de la Cerda, 
Josef Flassi 4 Adalbert Fe B] und Manfred G e- 
or gie vics, die bei ihren gefahrvollen Erkundungs- 
flügen mit dem Flugzeug den Heldentod fanden. 

Wir werden Ihnen nach Friedensschluß Vorschläge 
erstatten, in welcher Weise der Klub das Andenken 
an seine Heldenmitglieder dauernd zu ehron gedenkt. 

Außer den Vorgenannten, welche in Ausübung 
ihres schweren und gefahrvollen Berufes ihr Leben 
hingaben, gedenken wir in aufrichtiger Trauer des 
Unglücksfalles, welchem Herr k. u. k. Hauptmann 
Miecislaus Miller, Kommandant der Fliegerabteilung 
in Wr.-Neustadt, zum Opfer fiel, der auf einer dienst- 
lichen Automobiltour nach dem Kriegsschauplatze be- 
griffen, bei Stuhlweißenburg am 29. juli verunglückte 
und seinen Verletzungen erlag. 


Ein überaus tragisches Geschick hat die Mit- 
glieder und Führer des Klubs, die Herren Hauptmann 
Johann Hauswirth, Oberleutnant Ernst Hof- 
stätter, Oberleutnant Ernst Flat z und Leutnant 
Otto Haidinger getroffen, die mit noch anderen 
Herren der furchtbaren Flugkatastrophe in Fischamend 
zum Opfer fielen. Das Körting-Militärluftschiff stieß 
mit der von Oberleutnant Ernst Flat z geführten 
Flugmaschine zusammen, wobei die oben genannten 
mo noch fünf andere Herren einen grauenvollen Tod 
anden. 


Der k. k. Österreichische Aeroklub und mit ihm 
die gesamte österreichische Luftschiffahrt werden 
allen gefallenen Fliegerhelden, den vorgenannten 
Funktionären und Mitgliedern stets ein treues, hoch- 
ehrendes Andenken bewahren! 

Die Versammlung erhebt sich zum Zeichen der 
Trauer von den Sitzen. 


Unser Klub hat statutengemäß der Heeres- 
verwaltung seine gesamten Ballons und das Material 
zur Verfügung gestellt und an die k. u. k. Luftschiffer- 
abteilung abgeliefert. 

Ein besonders vielversprechendes Jahr schien das 
Klubjahr 1914 zu werden. Bereits am 1. Jänner fand 
die erste Freiballonfahrt des Klubs statt, deren sich 
in der ersten Hälfte des Jahres mehrere anreihten. 
Die für das Frühjahr angesetzten Fuchs- und Ziel- 
fahrten mußten leider ungünstiger Witterung wegen 
auf den Herbst verschoben werden, konnten aber in- 
folge des inzwischen ausgebrochenen Krieges nicht 
mehr stattfinden, und auch die in Aussicht genommene 
Beteiligung an mehreren Wettbewerben von anderen 
Vereinigungen mußte infolgedessen unterbleiben. 

Im Herbste beabsichtigte der Klub, den an ihn er- 
gangenen liebenswürdigen Einladungen Folge leistend, 
sich an verschiedenen auswärtigen ballonsportlichen 
Veranstaltungen zu beteiligen. So war für Anfang 
August eine Fuchsballonfahrt mit Automobilverfolgung 
in Budapest geplant, für September eine Wettfahrt 
des Deutschen Luftfahrtvereines in Böhmen und eine 
Zielfahrt von Berlin aus, veranstaltet vom Kaiserlichen 
Aeroklub, und im Oktober sollte eine Wettfahrt mit 
Ballonverfolgung durch Automobile in Budapest statt- 
finden. Außerdem hätte der Klub seine bis dahin nicht 
abgehaltenen Fuchs- und Zielfahrten auch im Herbste 
durchgeführt. 


Die Gordon Bennett-Wettfahrt für Kugelballons 
sollte heuer in Amerika stattfinden und hatte der 
Aeroklub zwei Nennungen abgegeben. Infolge der 
inzwischen eingetretenen Ereignisse mußte dieselbe 
aber verschoben werden und wurden uns die ein- 
gezahlten Nenngelder rückvergütet. 


142 


Seit dem Bestande des Klubs bis zum Ende 1914 
wurden 455 Aufstiege gemacht, welche 1862 Stunden 
und 25 Minuten währten, wobei 42.4388 km zurück- 
gelegt wurden. 

Wissenschaftliche Auffahrten hat der k. k. Öster- 
reichische Aeroklub von 1901 bis 1914 83 unternommen. 

Der k. k. Österreichische Aeroklub zählt nunmehr 
107 Kugelballonführer und unter seinen Mitgliedern 
205 Ballonfahrer. 

Der Aeroklub hat bis 31. Dezember 1914 an 
Führerdiplomen ausgestellt: Freiballonführer 107, 
Flugzeugführer 185, Lenkballonführer 28 und Wasser- 
flugzeugführer 4. 

Die Bestrebungen des Klubs wurden auch heuer 
wieder durch den Eintritt zahlreicher Mitglieder ge- 
fördert. Leider hat der Klub infolge der weltgeschicht- 
lichen Ereignisse auch viele Mitglieder teils durch 
den Tod, teils auch durch Austritt verloren, so daß 
der Aeroklub auch heuer 396 Mitglieder zählt. 

Der Vorstand des Klubs hat beschlossen, von 
einer Streichung der französischen Mitglieder Abstand 
‘zu nehmen und diese fragwürdige Heldentat feind- 
licher Klubs nicht nachzuahmen. Die Generalversamm- 
lung nimmt dieses Vorgehen zur genehmigenden 
Kenntnis. 

In der Zeit vom 19. bis 26. April fand der erste 
mit großen Preisen dotierte und überhaupt im großen 
Stile angelegte Ssterreichisch-ungarische Wettbewerb 
im Überlandflug, die Konkurrenz um den K 100.000- 
Schicht-Preis statt. Die Details über diesen 
Wettflug sind bei den aviatischen Veranstaltungen 1914 
verzeichnet. 

Ein unschätzbares, unvergängliches Verdienst um 
die heimische Flugsache hat sich der hochherzige 
Stifter des »Schicht-Preises«, Herr Georg Schicht, 
erworben, dem hiemit der herzlichste Dank für seine 
W Förderung der Luftschiffahrt ausgesprochen 
wird. 

Der Vorsitzende bittet die Anwesenden, als Aus- 
druck des Dankes für Herrn Georg Schicht, sich 
von den Sitzen zu erheben, und beantragt, Herrn 
Schicht schriftlich mitzuteilen, daß sich die General- 
versammlung seiner in dankbarer Gesinnung er- 
innert hat. 

In der Zeit vom 21. bis 30. Juni fand das dritte 
internationale aviatische Meeting in 
Aspern statt, das in diesem Jahre infolge der zahl- 
reichen Beteiligung von seiten der Flieger, sowie 
seiner ganz neuartigen schwierigen Konkurrenzen 
wegen, zu einem hochsportlichen Ereignis wurde. 

Se. k. u. k. Hoheit Erzherzog Leopold 
Salvator hatte wiederum die Gnade, das Protektorat 
über diese Veranstaltung zu übernehmen. Das Ehren- 
präsidium lag in den Händen Sr. Durchlaucht des 
Fürsten Hugo v. Dietrichstein. 

Die Durchführung der Veranstaltung war heuer 
ebenso wie in den beiden vorhergegangenen Jahren 
eine mustergültige. 

Nebst dem Präsidenten des Klubs haben sich auch 
um das Zustandekommen und die Durchführung des 
Flugmeetings eine ganze Reihe von Herren in hervor- 
ragender Weise verdient gemacht, und spricht der 
Aeroklub für die selbstlose aufopfernde Tätigkeit allen 
Herren seinen Dank aus. 

Nachdem die ausgeschriebenen Preise heuer nicht 

ewonnen wurden, gelangen sie neuerdings für das 
fahr 1915 zur Ausschreibung. Als neuer Preis kommt 
der »Semmering-Preis«, gestiftet von Herrn 
Rudolf E. Rothe, hinzu, sowie der vom Klub- 
präsidenten Konstantin Freiherrn v. Economo ge- 
stiftete Wasserflugzeugpreis »Adria«, ferner zwei 
Ehrenpreise des Herrn Dr. Paul Cohn. 

Bezüglich des »Adria-Preises« haben die 
Triester Blätter, da Triest in dem »Adria-Rundflug« 
nicht einbezogen ist, eine Polemik geführt und hat 
sich infolgedessen eine Korrespondenz des Aeroklubs 
mit einem Triester Blatte entwickelt, welches dahin 
aufgeklärt wurde, daß Triest in der Verbotszone liegt. 


In der Sitzung vom 7. April wurde zur Kenntnis 
gebracht, daß der bisherige Ehrenpräsident, Herr 
Viktor Silberer, diese Stelle niedergelegt hat. 
Herr Viktor Silberer, der Begründer des Aeroklubs, 
war der erste Freiballonführer in Österreich und hat 
sich durch sein langjähriges tatkräftiges Wirken große 
Verdienste um die gesamte Luftschiffahrt erworben. 
Der Austritt des genannten Herrn wird mit allgemeinem 
Bedauern zur Kenntnis genommen. 

Wir haben beschlossen, die publizistischen Be- 
ziehungen zur »Wiener Luftschiffer-Zeitung« zu lösen 
und die e des Klubs in eigener, Regie 
unter dem Titel »Mitteilungen des k. k. Oster- 
reichischen Aeroklubs, der 5 
Acronautischen Kommission und des Österreichischen 
Luftschiffer-Verbandes« herauszugeben. 

Der Aeroklub hat durch die so außerordentlich 
dankenswerten Bemühungen seines AusschuBmitgliedes 
Herrn Ing. Ernst Müller eine Verbilligung des Gas- 
preises für Ballonfahrten bei den städtischen Gas- 
werken durch das gütige Entgegenkommen des Herrn 
Direktors Menzel erreicht, und stattet der Aeroklub 
an dieser Stelle hiefür seinen herzlichsten Dank der 
hochlöblichen Gemeinde Wien, der Direktion der 
städt. Gaswerke und seinem Ausschußmitgliede ab. 

Dem Herrn k. u. k. Linienschiffsieutnant Wenzel 
Wosetek wird für seinen Flug mit dem Wasserflug- 
zeug von Pola nach Kumbor (Golf von Cattaro), 
welcher ohne Zwischenlandung durchgeführt, bei einer 
Länge von 495 km einen Rekord darstellt, ferner dem 
Herrn Linienschiffsleutnant Franz Mikuleczky für 
hervorragende Flüge mit dem Wasserflugzeuge die 
Verdienstmedaille des Aeroklubs in Silber verliehen. 

Die Alleinfahrt des Herrn Oberleutnants Max 
Macher von Fischamend nach Trelleborg (Schweden) 
in der Dauer von 31 Stunden 12 Minuten wurde als 
österreichischer Dauerrekord anerkannt und Herrn 
Oberleutnant Max Macher ein Ehrenpreis für Re- 
1 zugesprochen. 

Das Zentralkomitee zur Schaffung 
einer österreichischen Luftflotte hat in 
Anbetracht der obwaltenden Umstände den aus den 
Sammlungsergebnissen gebildeten Fonds von K, 400.000 
der kaiserlichen Militärkanzlei zur freien Verfügung 
des Kaisers übergeben. Die Sammlung wurde somit 
ihrer ursprünglichen Bestimmung zugeführt. 

Der k. k. Österreichische Aeroklub darf für sich 
das Verdienst in Anspruch nehmen, allen Vereinen 
voran, seit seinem Bestande seinen ganzen Einfluß 
auf die Bedeutung der Luftschiffahrt für die Wehr- 
macht des Staates gerichtet und dementsprechend 
auch zielbewußt gehandelt zu haben. 

Der gegenwärtige Krieg hat die Bedeutung des 
Flugwesens den weitesten Kreisen aller Bevölkerungs- 
schichten klar vor Augen geführt und die ganz außer- 
ordentlichen Leistungen unserer tapferen Heldenflieger 
haben allseits die Überzeugung von der Notwendig- 
keit einer starken Wehr zur Luft wachgeruſen. Um 
diesem Ziele zuzustreben, trachtet der Aeroklub die 
zivile Luftschiffahrt in Österreich vorwärts zu bringen 
und so zur Wehrkraft des Staates nach besten Kräften 
beizutragen. 

Das Klubjahr 1914 war für den Aeroklub nicht 
nur seiner großen Veranstaltungen wegen ein be- 
deutungsvolles Jahr, sondern ganz besonders durch 
die in schwerer Kriegszeit gewonnenen Erfahrungen 
und Erfolge wurde der Beweis erbracht, daß die Ziele 
und Bestrebungen des Klubs, sowohl die Luftschiff- 
fahrt in Österreich als auch die Flugzeugindustrie, 
durch Veranstaltungen jeder Art zu fördern und auf 
eine hohe Stufe zu bringen, vollkommen geglückt ist. 
Dem Aeroklub gebührt sicherlich das Verdienst, durch 
die von ihm geschaffenen Veranstaltungen diese groß- 
artigen Fortschritte gefördert und erreicht zu haben. 
Wir appellieren hiemit an alle beteiligten Faktoren, 
Hand in Hand mit uns zur gedeihlichen Weiter- 
entwicklung, bis zur höchsten Vollendung, der so 
ruhmreichen österreichischen Luftschiffahrt beizutragen! 


Kassenverwalter Herr Dr. Julius Steinschneider 
erstattet den Bericht über dieKassagebarung, 
welcher von der Generalversammlung genehmigend 
zur Kenntnis genommen wurde. 


Aus dem Kassaberichte ist ersichtlich, daß die 
Einnahmen 1914 K 1%.306'42, die Ausgaben K 186.564 01 
betrugen ; derselbe schließt mit einem Saldo von 
K 37.185°17. Die Bilanz weist einen Vermögensstand 
von K 47.777'80 aus, wovon K 10.000 in Kriegsanleihe 
eingezahlt wurden. 


Herr Dr. Otto Ritter v. Komorzynski berichtet 
im Namen der Kassarevisoren, daß sie die Kassa- 
gebarung einer Prüfung unterzogen und richtig be- 
funden haben und ersucht um die Erteilung des Ab- 
solutoriums, welche einstimmig erfolgte. 


Herr Norbert Reichert ersucht, dem Herrn 
Kassaverwalter Dr. Julius Steinschneider und 
den Herren Revisoren Ernst Bader und Dr. Otto 
Ritter v. Komorzynski den Dank der Generalver- 
sammlung für ihre Bemühungen zu votieren. Ein- 
stimmig angenommen. 

ber Antrag des Vorsitzenden beschließt die 
Generalversammlung einstimmig, daß der Aeroklub 
einen Beirag von für einen Nagel dem 
„Eisernen Wehrmann« widme. 


Der Vorsitzende bringt vor Punkt 4 (Wahl des 
Präsidiums, des Ausschusses und der Revisoren) 
nachfolgenden an ihn eingelangten Brief des im Felde 
stehenden Präsidenten Konstantin Freiherrn v. E c o- 
no mo zur Verlesung: 


„Sehr verehrter Herr v. Strasser! Da 
es mir leider nicht möglich ist, zu der General- 
versammlung des Aeroklubs, so gern ich auch möchte, 
zu erscheinen, so bitte ich Sie, als Vorsitzender der 
Versammlung, meine Entschuldigung und mein Be- 
dauern für mein Fernbleiben gütigst aussprechen zu 
wollen, zugleich aber auch meinen herzlichsten Dank 
für das mir im Laufe des jahres erwiesene Vertrauen. 
Ich lege natürlich mein Amt, das mir in so ehren- 
voller Weise voriges jahr übertragen wurde, hiemit 
wieder nieder, in der Hoffnung, daß mein Bestreben, 
zur Zufriedenheit des Klubs zu arbeiten, mir wenig- 
stens einigermaßen gelungen sein dürfte. Freilich bin 
ich mir nachträglich selbst bewußt, daß manches anders 
oder besser hätte gemacht werden können, im Augen- 
blicke habe ich aber stets, soweit es mir möglich 
war, mein bestes Bemühen angewendet. Dieselbe 
Versicherung kann ich im Namen unseres leider so 
früh verblichenen, gemeinsamen Freundes unser aller, 
unseres unermüdlichen Mitarbeiters Franz Freiherrn 
v. Berlepsch, geben, mit dem ich viele mühsame 
und viele freudige Tage im Dienste des Aeroklubs 
und der heimischen Luftschiffahrt verbracht habe, und 
es drängt mich, Sie zu bitten, als Vorsitzender, mein 
tiefes Beileid dem Aeroklub auszudrücken, an diesem 
Tage seiner Generalversammlung, für den schweren 
Verlust, den er erlitten hat, durch den Heldentod, den 
sein geschäftsführendes Ausschußmitglied auf dem 
Felde der Ehre fürs Vaterland gefunden hat. 


Gestatten Sie mir, nun auch Ihnen, verehrter 
Herr v. Strasser, und Herrn Generaldirektor 
Cassinone zu danken für die große Fürsorge, die 
Sie der Leitung der Klubangelegenheiten zwar stets, 
aber ganz besonders in diesen schweren Zeiten ge- 
widmet haben, und der es gelungen ist, auch in dieser 
stürmischen Periode das Panier unseres geliebten 
Klubs hochzuhalten und alle Angelegenheiten des- 
selben glatt abzuwickeln und das Jahrbuch in dieser 
schönen Ausstattung zu veröffentlichen! Ebenso danke 
ich dem Präsidium und dem Ausschuß, sowie den 
Mitgliedern der Spezialausschüsse für ihre hingebungs- 
volle Arbeit im Laufe dieses Klubjahres. 


Die Luftschiffahrt hat sich in diesem großartigen 
Ringen der Völker als eine unentbehrliche Waffe er- 
wiesen; die Österreichische Luftschiffahrt insbesondere 
hat viele Errungenschaften und Siege zu feiern dank 


143 


der umsichtigen militärischen Leitung und dank dem 
geharnischten Mute ihrer Piloten; mit Trauer und Stolz 
1 wir alle der vielen edlen Opfer, die ihre 

eihen gelichtet haben, mit Hoffnung und Ehrgeiz 
blicken wir aber auf die jungen Helden, die für sie 
eingesprungen sind. Wer aber die österreichische 
Luftschiffahrt nicht eitel nennen will, muß im gleichen 
Atemzuge auch den Namen des Österreichischen Aero- 
klubs nennen, so innig ist die rage ea und jede 
Entwicklungsstufe derselben mit dem irken des 
Aeroklubs verquickt! Eines vom andern trennen zu 
wollen, wäre ein leerer und zweckloser Versuch. 
Daher wünsche ich in dem Augenblicke, da ich die 
mir anvertraute Präsidentenwürde in die Hände der 
Generalversammlung wieder zurücklege, dem Aero- 
klub auch fernerhin kräftiges und glanzvolles Gedeihen 
im Dienste und zum Wohle unseres geliebten Vater- 
landes im Kriege und im Frieden, zum Siege über 
feindliche Mächte der Menschen und Natur. Mit hoch- 
achtungsvolisten Grüßen Ihr C. F. Economo m.p.« 


Die nachfolgenden Herren wurden wiedergewählt: 


als Präsident: Konstantin Freiherr v. Economo; 
als Vizepräsidenten: Major Franz Hinterstoißer, 
Alfred v. Strasser, Generaldirektor Alexander 
Cassinone, k. u. k. Oberst Emil Uzelac; 


in den Ausschuß die Herren: Gustav Bader, 
kaiserl. Rat Alexander Beschorner, Kommerzialrat 
Kamillo Castiglioni, k. u. k. Hauptmann Adolf 
Engel, Dr. Eduard Etthofen, Regierungsrat 
Dr. Oskar Fischl, kaiserl. Rat Josef v. Flesch, 
Dr. Amold Hildesheimer, k. u. k. Hauptmann 
Wilhelm Hoffory, Rudolf Hubel, Primarius Prof. 
Dr. Hans Lorenz, Robert Mauthner, Ing. Ernst 
Müller, Josef Polacsek, Norbert Reichert, 
Dr. Anton Schlein, Dr. HermannRitterv.Schrötter, 
Kommerzialrat Robert Siercke, Dr. Julius Stein- 
schneider, k. u. k. Major Hans Ritter Umlauff 
v. Frankwell; 


als Kassarevisoren die Herren: Ernst Bader, 
Dr. Otto Ritter v. Komorzynski-Oszczynski; 


als Revisorenstellvertreter die Herren: Ing. Fer- 
dinand Adam, Hans Bergmann. 


Die Wahl des Präsidenten erfolgte einstimmig 
unter lebhaften Heilrufen auf denselben; ebenso 
wurden die anderen vorgeschlagenen Kandidaten für 
den Ausschuß und die Revisoren mit Stimmen- 
einhelligkeit gewählt. 


Nach der Wahl ergriff der Vorsitzende das 
Wort zu folgender Rede: 


»Gestatten Sie mir, meine Herren, daß ich jenen 
Wunsch zum Ausdruck bringe, der uns alle in diesen 
Zeiten beseelt, in welchen unsere Gedanken und 
Hoffnungen bei den verbündeten Armeen weilen, der 
österreichisch-ungarischen und der deutschen, aber 
auch bei dem obersten Kriegsherrn Seiner Majestät 
unserem Kaiser. Möge nach der siegreichen Be- 
endigung des Krieges es ihm noch lange gegönnt 
sein, seine gütige Hand über uns walten zu lassen 
und seine RN Regierung noch ungezählte Jahre 
währen! Unsere Wünsche fassen wir in die Worte 
zusammen: Seine Majestät unser Kaiser 
lebe hoch!« Die Anwesenden stimmten begeistert 
in die Hochrufe ein. 


Herr Abgeordneter Max Friedmann spricht dem 
Vorsitzenden, Herrn Alfred v. Strasser, für dessen 
erfolgreiche Tätigkeit im Laufe des Kriegsjahres im 
Namen der Mitglieder den herzlichsten Dank aus. 

Der Vorsitzende erklärt, den Dank auch auf 
den zweiten geschäftsführenden Vizepräsidenten, Herrn 
Generaldirektor Cassinone, übertragen zu müssen, 
und daß es ihn freue, in dieser schweren Zeit den 
Klub tatkräftig erhalten zu haben; er hoffe, sein Amt 
bald in die Hände des wohlbehalten vom Felde heim- 
gekehrten Präsidenten legen zu können. 

Schluß der Generalversammlung 8 Uhr abends. 


144 


Bücherbesprechungen. 


Jahrbuch 1915 des k. k. Österreichischen Aero- 
klubs. 


In gewohnt geschmackvoller Ausstattung liegt 
nunmehr das Jahrbuch 1915 des k. k. Osterreichischen 
Aeroklubs vor uns, das heuer, trotz der das zivil- 
flugsportliche Leben lahmlegenden kriegerischen Er- 
eignisse des verflossenen Halbjahres in unvermin- 
dertem Umfange erschienen ist und inhaltlich als 
besonders reichhaltig bezeichnet werden muß. Die 
ersten Seiten sind zunächst den teuren Toten des 


verflossenen Jahres gewidmet. In dieser Hinsicht ver- - 


merkt der Klub an der Spitze mit schmerzlicher 
Trauer, daß er durch die Tat ruchloser Mörderhände 
seinen erhabensten und höchsten Protektor, Se. k. u. k. 
Hoheit den Durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Franz 
Ferdinand d’Este, verloren hat, der an der Ent- 
wicklung nicht nur des Klubs, sondern auch des 
zivilen Luftfahrt- und Flugsports stets den lebhaftesten 
Anteil genommen hat. In ebensolcher herzlichen Weise 
gedenkt der Aeroklub in den nächsten Seiten seines 
unvergeBlichen, verdienstvollen Generalsekretärs, des 
Hauptmannes Franz Freiherrn v. Berlepsch, den 
der ruhmvolle Heldentod auf dem Schlachtfelde ereilte. 

Es folgt hierauf ein ausführlicher Bericht über 
das vergangene Klubjahr 1914, dem mit Befriedigung 
entnommen werden kann, daß der k. k. Österreichische 
Aeroklub im abgelaufenen Jahre eine ganz besondere 
organisatorische Tätigkeit bei den großen Wett- 


bewerben dieses Jahres entfaltete, daß aber auch die 


sonstige Klubtätigkeit eine recht lebhafte und frucht- 
bare war. In diesem Belange wird an dieser Stelle 
auch der aktiven Mitwirkung des k. k. Österreichischen 
Flugtechnischen Vereines gedacht. Nach der üblichen 
Wiedergabe der verschiedenen Prüfungsbestimmungen 
sowie verschiedener anderer Klubmitteilungen kommt 
die Sprache auf die sportlichen Ergebnisse des ver- 
flossenen Jahres, insoweit sie innerhalb unserer Mon- 
archie im Rahmen der programmäßig vorgesehenen 
Veranstaltungen gezeitigt wurden. Hieran schließt sich 
eine übersichtliche Zusanımenstellung der bis zu Ende 
1914 erzielten internationalen Rekorde auf dem Ge- 
samtgebiete des praktischen Luftfahrt- und Flugwesens. 
Ein ganz neuer, in diesem Jahre in das Jahrbuch auf- 
genommener Abschnitt: »Unsere Helden zur Luft. Das 
Flugzeug im Krieg« führt in anschaulicher Weise die 
wichtigsten Ergebnisse der Luftfahrt und Flugtechnik 
im Kriege vor Augen, wobei in angemessener Weise 
des hervorragenden persönlichen Anteiles der ein- 
zelnen Flieger gedacht wird. Mehrere Porträttafeln 
sowie gelungene Einzelillustrationen beleben diese 
wirklich anziehend geschriebenen Schilderungen und 
die daran angeschlossenen Notizen und Bemerkungen. 

AuBerlich und inhaltlich, aber auch drucktechnisch 
hervorragend ausgestattet, erweckt dieses Jahrbuch 
keineswegs -kriegsmaBigen« Eindruck, es schließt 
sich vielmehr den früheren Jahresberichten dieses um 
die Hebung unseres nationalen Luftfahrt- und Flug- 
wesens so hochverdienten Klubs würdig an, welchen 


gegenüber es sogar durch die Anfügung mehrerer 
völlig neuer Abschnitte ungemein vorteilhaft erweitert 
erscheint. Spectator. 


Kriegsluftschiffe und Kriegsflugzeuge. 


In den letzten Wochen haben sich die feindlichen 
Luftangriffe auf Baden, Elsaß und Ostpreußen erheb- 
lich vermehrt und im Felde erhält diese neue Waffe 
von Monat zu Monat erhöhte Bedeutung. Die kom- 
mende schöne Jahreszeit wird der Luftflotte noch viel 
Gelegenheit geben, nicht nur aufklärend, sondern 
auch angreifend in dem Kampf zu wirken. Der Be- 
völkerung steht kein Mittel zu Gebote, sich gegen 
diese Raubvögel zu schützen, die in den Frieden 


a Be 


— 


unseres Vaterlandes einbrechen, der dank des starken 
Schutzes unseres Heeres im Innern herrscht. Da heißt 
es gegebenen Falles so schnell wie möglich unter- 
scheiden, ob Freund oder Feind, um dann im sichern 
Keller Schutz zu suchen. Der Verlag des Taschen- 
buches der Luftflotten hat soeben ein Werk heraus- 
gegeben, das vorzüglich geeignet ist, an Hand von 
guten Abbildungen aufklärend über die Luftwaffe zu 
wirken. (Kriegsluftschiffe und Kriegsflugzeuge der 
verschiedenen Staaten, 66 Bilder zur Feststellung von 
Luftschiffen und Flugzeugen. J. F. Lehmanns Verlag, 
München. Preis Mk. 1°20. 


Das Werk enthält alle Luftschiff- und Flugzeug- 
typen der kriegführenden Staaten sowie auch der 
neutralen. Bei den Luftschiffen sind auch Angaben 
emacht über Rauminhalt, Geschwindigkeit, Länge, 
urchmesser und Motorenkräfte; beigegeben sind 
auch für das Erkennen höchst zweckmäßige Schatten- 
risse. 


Gleich wertvolle Dienste wird das Werk auch 
jedem Freund der Luftflotte leisten. Und wer ist das 
in der Gegenwart nicht? In handlichem Taschen- 
format ist es in Leporelloform zusammengelegt und 
ermöglicht so leicht die Gegenüberstellung aller 
Typen und das Feststellen aller wesentlichen Bau- 
unterschiede. Viel Freude verspricht es auch der 


Jugend zu machen, den Wehrkraft-, Jungdeutschland- 


und Pfadfindergruppen, die ihren Stolz darein setzen, 
in allen Truppengattungen Bescheid zu wissen, und 
denen bisher jeglicher Anhalt für die Luftwaffe fehlte. 
Wir möchten dieses billige und anregende Büchlein 
in der Hand jedes Lehrers sehen, der sich den Dank 
seiner Zöglinge sicher erwerben könnte, wenn er sie 
mit den Helden der Luft und ihren Fahrzeugen ver- 
traut machte. In den Grenzlanden wäre dies von be- 
sonderem Wert. Auch für Polizeibehörden und ihre 
Organe ist es unentbehrlich, vor allem wird es aber 
den Soldaten im Felde, die im Flieger den gefähr- 
lichsten Feind erkannt haben, als wertvoller Berater 
eine willkommene Liebesgabe im Schützengraben sein. 


Die höheren technischen Lehranstalten Österreichs 
und die Berechtigungen ihrer Absolventen. 


Unter diesem Titel hat der Österreichische Poly- 
technische Verein in Wien ein Schriftchen heraus- 
gegeben, das insbesondere bestimmt ist, die vielfach 
recht unklaren Anschauungen über unsere höheren 
technischen Lehranstalten (die sogenannten höheren 
Gewerbeschulen und gleichgestellten Lehranstalten) zu 
berichtigen und auch als Berufswahlführer zu dienen. 
Das Schriftchen bringt eine gedrängte Skizze der 
Organisation der Schulen, die Aufnahmsbedingungen, 
die Studiengebühren, eine Übersicht aller höheren 
technischen Lehranstalten Österreichs, die Lehrpläne 
der einzelnen Abteilungen: Maschinentechnik, Elektro- 
technik, Textiltechnik, technische Chemie, Baufach, 
Schiffbau, graphische Technik u. s. w., eine Übersicht 
der Berechtigungen der Absolventen für den Militär- 
dienst, Studienberechtigungen, gewerbegerichtliche 
Begünstigungen und eine Skizze der Laufbahnen im 
öffentlichen und privaten technischen Dienst. Für Eltern, 
die sich über die im Titel genannten Anstalten unter- 
richten wollen und für die Schüler der Lehranstalten 
enthält das gut ausgestattete Schriftchen eine Menge 
wichtiger Angaben und wertvoller Hinweise. Das 
Heftchen wird gegen Einsendung von K 1 (50 Heller 
für Schüler) in Briefmarken von der Geschäftsstelle 
des Österreichischen Polytechnischen Vereines, Wien, 
I. Universitätsstraße Nr. 11, überallhin portofrei 
geliefert. Ein sich etwa ergebendes Reinerträgnis fällt 
gemeinnützigen Vereinszwecken zu. 


NT 


N 
22 


een. 


m 


Ein FlugzeugprozeB in England. — Das Monopol 
für Albatros. 

Das neue »Wr. Abendblatt« bringt folgende be- 
merkenswerte Mitteilung: Vor dem Londoner Zivil- 
Bein fand jüngst die erste Verhandlung eines 

rozesses statt, den die Mechanical and General 
Inventions Company gegen die Berliner Albatros- 
Flugzeugwerke wegen eines vorgeblichen Kontrakt- 
bruches angestrengt hatte. Rechtsanwalt Mac Cardie, 
der die deutsche Firma vertrat, gab die Erklärung ab, 
daß er schon mehrere Male um die Vertagung des 
Falles bis nach dem Kriege einkam, da der Haupt- 
zeuge der Verteidigung, Direktor Wiener, ein 
0 sterreicher, sich in Berlin aufhalte. 


er Richter, Mr. Bray, erwiderte indes, daß er die 


Angelegenheit zu hören wünsche, um über die Frage 
entscheiden zu können, ob die Vernehmung dieses 
Zeugen für die Verteidigung unerläßlich scheine. Der 
Vertreter der klägerischen Gesellschaft, Mr. Schwabe, 
erhielt also das Wort. Wie er darlegte, forderte diese 
von den Albatros-Werken die Auslieferung eines 
Zweideckers oder andernfalls einen durch das Gericht 
zu bestimmenden Schadenersatz. Dieser Zweidecker, 
den bei Ausbruch des Krieges die englische Regierung 
requirierte, habe eine sehr interessante Vorgeschichte. 
Gegenwärtig werde er durch eine Summe Geldes 
repräsentiert, welche die englische Regierung sich an 
seine rechtmäßigen Eigentümer zu bezahlen ver- 
pflichtete. »Sind wir das,« meinte Mr. Schwabe, 
»so steht uns das Geld zu; wenn nicht, dann der 
deutschen Firma — nach dem Kriege!« Die klägerische 
Gesellschaft, fuhr der Rechtsanwalt fort, hatte mit 
einem Herrn Jablonski, der die Albatros-Flugzeug- 


Fesselballon der Fliegerabteilung in Russisch-Polen. 


145 


N 


nm 


Ya 


werke vertrat, einen Vertrag abgeschlossen, demzu- 
folge ihr die deutsche Firma einen Aeroplan liefern 
sollte, der den englischen Militär- und Marine- 
behörden vorzuführen war. Entsprach das Flugzeug 
den Anforderungen dieser Behörden, so hatte die 
klägerische Gesellschaft es für den Preis von 
Mk. 28.000 anzukaufen, und sie sollte hiedurch auch 
das Recht erwerben, Apparate dieses Typs in England 
und gewissen andern Ländern zu erzeugen. Herr 
Wiener, der österreichische Leiter der deutschen 
Werke, und Herr Jablonski wurden den englischen 
Militärbehörden vorgestellt, die ihnen ihre Befriedigung 
über das Leistungsvermögen der gelieferten Maschine 
zum Ausdruck brachten. Nun — führte Schwabe 
aus — schien Direktor Wiener plötzlich zu der 
Ansicht zu neigen, daß die Sache einen großen 
Erfolg verspreche und daß es schade wäre, wenn ihre 
Ausbeutung der klägerischen Gesellschaft anheimfiele. 
Er leugnet daher die Gültigkeit des Kontraktes, mit 
der Begründung, daß Herr Jablonski nicht berechtigt 
ewesen wäre, einen solchen Vertrag abzuschließen. 
an der Korrespondenz, die Jablonski in dieser 
Ae delle mit den Albatros-Flugzeugwerken unter- 

t, erhelle jedoch, daß dieser von der deutschen 
Firma direkt ermächtigt wurde, auf den Vertrag ein- 
zugehen, der der klägerischen Gesellschaft für fünf 
Fluss das Monopol der Erzeugung von Albatros- 
lugzeugen in England zugestand. Als Herr Wiener 
vor dem Kriege in London weilte, habe er übrigens 
mit der klägerischen Gesellschaft auf der Basis des 
Vertrages unterhandelt, was allein schon eine Aner- 
kennung der Befugnisse Jablonskis und des von 
ihm abgeschlossenen Kontraktes darstelle. Was nun 


nase 


REN jiri 


(»Kilophot.«) 


146 


den Schadenersatz anlange — schloß Mr. Schwabe, 
— so müsse es dem Gericht überlassen bleiben, den 
Wert zu schätzen, der einem fünfjährigen Monopol 
in der AT OD ane eae. zukomme, bei dem eine 
Lizenzgebiihr von Mk. 1 fiir jeden Apparat dieses 
besonderen Typs vorgesehen war. Die letztere Dar- 
legung gab den Anlaß zu folgendem Zwiegespräch: 
Richter Bray: Die Zustände in der Welt sind 
BREITE wirklich sehr günstig, um eine solche 
erechnung anzustellen! 
Mr. Schwabe: Die Zustände in der Welt sind 
perenna just sehr günstig, für den Verkauf von 
eroplanen. : 
ichter Bray: Die Zustände in der Welt werden 
bald derart sein, daß man sich einen Aeroplan 
wünschen wird, um in eine andere Welt zu 


fliegen. 

Mr. Schwabe: Das würde die Nachfrage nach 
Flugzeugen noch bedeutend erhöhen und der uns 
zukommende Schadenersatz würde dann die kühnsten 
Träume menschlichen Geizes übersteigen. 

Richter Bray entschied, daß die Verteidigung 
auf das Erscheinen des Direktors Wiener nicht 
zu verzichten vermöge und vertagte den Fall sine 
die, also bisnach dem Kriege. 

Gestiftete deutsche Wasserflugzeuge. Neue 
deutsche Marineflugzeuge, auf besondere Namen ge- 
tauft, sind eine der jüngsten ee be im Kriege. 
Der Flottenbund deutscher Frauen hat aus den 
Ergebnissen einer Sammlung durch die Marinever- 
waltung ein Wasserflugzeug beschafft, das auf den 
Namen »Frauenflottenbund« getauft wurde. Ferner 
haben Schüler des Katharineums in Lübeck ebenfalls 
den Betrag für ein Marineflugzeug gesammelt, das den 
Namen ongdeutschlande erhielt. Schließlich wird 
zur Erinnerung daran, daß die Provinz Westpreußen 
schon im Jahre 1912 ein Wasserflugzeug gestiftet hat, 
demnächst wieder ein Wasserflugzeug den Namen 
»Westpreußen« tragen. 

Ein Geheimdokument über die »Neutralität« 
Belgiens. Das zweite Maiheft der »Österreichischen 
Rundschau« enthält einen interessanten Artikel des 
derzeit in New-York lebenden Osterreichers Direktor 
Leopold Perutz über die Haltung Amerikas im Kriege. 
Im Rahmen dieses Artikels wird ein englisches Ce- 


ooo 
OO 
D 


DOD 


heimdokument von hoher Bedeutung im Faksimile 
veröffentlicht. Die Aufschrift lautet in deutscher Über- 
setzung: »Geheim. Dieses Dokument ist Eigentum 
Sr. britischen Majestät Regierung und nur zur persön- 
lichen Information von... und jener ihm unterstellten 
Offiziere, deren Obliegenheiten es berührt. Er ist per- 
sönlich dafür haftbar, daß es sicher aufbewahrt und 
sein Inhalt nur jenen Offizieren zugänglich gemacht 
wird. Bericht über Belgien, südlich der Linie Charleroi- 
Namur-Lüttich, und über Brüssel unter dem Gesichts- 
unkt der Luftschiffahrt. 1914.« — Es ist dies ein 
nformationsbuch für englische Flieger über die geo- 
Penn nen Verhältnisse und insbesondere über die 
andungsmöglichkeiten in den südlichen Gegenden 
Belgiens. Es wurde streng geheim gehalten und ist als 
»Eigentum seiner britischen Majestät Regierung« be- 
zeichnet. Es beweist, daß England sich längst mit 
einer Zusammenarbeit mit Belgien im Falle eines 
Krieges beschäftigt hat, und gestattet, anzunehmen, 
daß zwischen Belgien und England ein darauf bezüg- 
licher Geheimvertrag bestanden hat. 

Die Generalversammlung des Französischen 
Aeroklubs. In Paris hat am 29. April die jährliche 
Generalversammlung des Aeroclub de France statt- 
gefunden. Nur 32 Mitglieder scharten sich um den Prä- 
sidenten Herrn Deutsch de la Meurthe, der die 
Sitzung mit einer sehr bewegten Ansprache an diese 
Getreuen eröffnete. Die Rede gipfelte in den Nach- 
rufen, die Herr Deutsch den Toten des Klubs zu 
widmen hatte. »Bittere und unersetzbare Verluste«, 
sagte der Präsident, mußten wir im abgelaufenen 
Verwaltungsjahre ertragen. Sechzehn unserer Mit- 
Besen, unter ihnen W. de Fonvielle und Rene 

umpelmayer, schieden aus dem Leben, und 
ihrer vierzehn, Ernest Zens, Senator Emile Rey- 
mond, Hauptmann Sacerac de Forge, Henri 
Roux, Marc Pourpe, J. Marconnet, E.Vallier, 
V. Auclére, E. Bourceret, L. Helbronner, 
|. P. Faure, A. Blachéres, M. Grand und 
. Le Cérf, sind ruhmvoll auf dem Felde der Ehre 
gefallen.« Auch der in deutsche Gefangenschaft ge- 
ratenen Mitglieder, Maurice Chevillard, Jean de 
Vilmorin, Roland Garros, Victor Bagues, 
Henri de Pracomtal, A.Dumont undA. Roussel, 
gedachte Herr Deutsch, um dann mit erhobener 


ooo 


Die Liebesgaben unserer Flieger an die Gegner. Sprengbomben, Brandgeschosse und Fliegerpfeile. 
(Zur Verfügung gestellt durch Herrn Schriftsteller Hans Friedrich v. Orelli.) 


Stimme die Liste jener Mitglieder zu verlesen, die 
sich im Kriege bereits auszeichneten. Ihrer 39, darunter 
Eugene Gilbert, Adolphe Pegoud, Garros, 
Marc Pourpe, Louis Gaubert, Jacques Moreau, 
Louis Bréguet, Louis Dancourt, E. Surcouf, 
Dr. E. Rey mond, Graf de Lareinty-Tholozan 
und Brindejonc des Moulinais, fanden Er- 
wähnung im Tagesbefehl der Armee. Die Hauptleute 
der Reserve Jacques Balsan, de Rose und René 
Quinton wurden zu Majoren ernannt, die Leutnants 
der Reserve J. Verne, V. Bacon, de Sansal, 
Tisseyre, B. de Lesseps, de Malherbe, 
E. Surcouf und Soreau zu Hauptleuten. Zu 
Leutnants wurden Graf Henry de la Vaulx, Paul- 
han, Henri Roux, Marquis des Riviers und Graf 
Kergariou befördert; zu Unterleutnants Garros, 
Brindejonc des Moulinais, Dancourt, 
Thomäs und Le Grain; zu Feldwebelleutnants 
Graf Montigny, Bunau-Varilla, Seratzky 
und Amand; zuFeldwebeln Jacques de Lesseps, 
77 Laboucheres und der Vizepräsident des 

lubs Leon Barthou. Mehrere dieser Mitglieder 
sind für das Kreuz der Ehrenlegion vorgeschlagen, 
einige auch für die militärische Medaille. Herr 
Deutsch de la Meurthe erörterte nun kurz die 
bedeutsame Rolle, die das Flugwesen bei den 

egenwärtigen tragischen Ereignissen spiele. Der 
e de France, bemerkte er, könne stolz auf das 
sein, was er zur Eroberung der Luft beigetragen habe. 
»Freilich,« so fügte er hinzu, »wir hatten geträumt, 
in der Luftschiffahrt und im Flugwesen die weiße 
Taube erblicken zu können, die den Ölzweig 
durch die Welt tragen und die Völker 
einander nähern würde. Und wir sehen heute 
nicht ohne Beklemmung, daß unsere Träume in den 
blutigen Greueln eines uns aufgedrungenen Krieges 
zerronnen sind — eines Krieges, der um so grausamer 
ist, als alle Zerstörungsmittel, so verwerflich sie auch 
sein mögen, von unseren Feinden unerbittlich an- 
gewendet werden.« Generalsekretär Besançon er- 
stattete Bericht über die Tätigkeit des Klubs, der 
sich, wie er erklärte, seit dem Juli des Vorjahres der 
Armee nützlich gemacht und bis zum 31. Dezember 
nicht weniger als 41 Luftschifführerdiplome abgegeben 
habe, was die Zahl der bis dahin insgesamt aus- 
gestellten solchen Diplome auf 429 erhöhte. Aus mili- 
tärischen Gründen, bemerkte Herr Besançon, wäre 


„ 5 
n 


Vor dem Aufstieg zu einem Erkundungsflug. 


n 


147 


es ihm nicht möglich, sich über die Verrichtungen 
der französischen Lenkballone zu äußern; 
aber er dürfe sagen, daß die französischen Konstruk- 
teure großer Luftschiffe mit den deutschen rivalisieren 
können, und daß die gegenwärtig bestehende fran- 
zösische Lenkballonflotte die Erwartungen der Militär- 
behörde mehr als erfüllt habe. (?) Das Flugwesen 
besprach Herr Besançon nur vom sportlichen 
Standpunkte aus, indem er erwähnte, daß von 136 
im Vorjahre aufgestellten Flugwelthöchst- 
leistungen deren 56 von französischen Fliegern 
mit französischen Flugzeugen erzielt wurden. Herr 
Mallet, der Schatzmeister, verlas die Rechnungs— 
legung und wies auf die günstige finanzielle Lage 
des Klubs hin, dessen Mitgliederzahl und Einnahmen 
sich infolge des Krieges nicht wesentlich vermindert 
hätten. Die vorgesehenen Ausgaben für das kommende 
Verwaltungsjahr wurden von der Versammlung ge— 
nehmigt, und diese billigte dann, ohne daß sich ein 
Widerspruch erhob, die von dem Klubkomitee bereits 
im Vorjahre verfügte Streichung aller An- 
gehörigender mitFrankreich im Kriege 
stehenden Nationen aus der Mitglieder- 
liste. Die ausscheidenden Komiteemitglieder, unter 
denen sich Santos Dumont, Graf Lambert, Graf 
de la Vaulx und Herr Deutsch de laMeurthe 
befanden, wurden sämtlich wiedergewählt. 

400 a ade Flieger im Dienst. — Daten 
aus der Generalversammlung des englischen 
Aeroklubs. — Ende März hielt in London der 
Royal Aero Club of Great Britain seine jährliche 
Generalversammlung ab. Prof. A. K. Huntington, 
der an Stelle des verhinderten Marquis of Tulli- 
bardine den Vorsitz führte, besprach die Tätigkeit 
des Klubs während des Vorjahres und knüpfte hieran 
einige Bemerkungen über die der Vereinigung infolge 
des Krieges erwachsenen Aufgaben. Nach seinen 
Mitteilungen haben 297 Flieger im Jahre 1914 in Eng- 
land das Flugzeugführerdiplom erworben; stieg damit 
die Gesamtzahl der von dem Klub abgegebenen 
Fliegerdiplome auf 1002, so könne man auf eine 
weitere, ebenso starke Vermehrung schon bis zum 
1. Mai 1915 rechnen, da sich auf den englischen Flug- 

latzen mehr als 300 e zur Ausbildung be— 
änden. Bei Beginn des Krieges habe der Klub die 
zivilen Flieger eingeladen, sich samt und sonders als 
Freiwillige in den Dienst desLandes zu stellen; 


- 


(»Kilophot«.) 


7 


Deutscher Flieger vor dem Aufstieg. 


fast alle leisteten dem Aufrufe Folge, sie wurden 
seitdem, den Erfordernissen entsprechend, dem Land- 
heere oder der Marine zugeteilt. Abgesehen von 
jenen Klubmitgliedern, welche bei der Erzeugung und 
rprobung militärischer Flugzeuge wirksam sind, 
ständen nun mehr als 400 Flieger im aktiven Dienst. 
Die Verluste im Flugdienste seien bisher nicht 
allzu groß gewesen. Seit Beginn des Krieges zähle 
man 35 Tote oder Vermißte, 11 der Todesfälle hätten 
sich infolge von Abstürzen in England selbst ergeben. 
Zugunsten der im Kriege un Flieger und 
ihrer Hinterbliebenen habe der Klub jetzt eine Hilfs- 
kassa geschaffen, der bereits Pfd. St. 7007 an frei- 
willigen Spenden zuflossen. 
in neues Füllgas für Lenkluftschiffe wird in 
der »Deutschen Luftfahrer-Zeitschrift«, Berlin (Verlag 
Klasing & Co., 1915, Heft 5/6), vorgeschlagen, das 
zwar schon längere Zeit bekannt ist, bisher aber noch 
keine aeronautische Verwendung gefunden hat. Als 
Ersatz für das höchst gefährliche und wegen starker 
Diffusion häufig nachzufüllende Wasserstoffgas wird 
das unbrennbare, von Wasser leicht absorbierbare 
und außerdem bei 6'4 Atmosphären Druck flüssig 
werdende Ammoniakgas empfohlen. Bei der Ver- 
wendung von Ammoniakgas treten zwei Schwierig- 
keiten auf. Einmal greift das durch seinen Geruch 
erstickend wirkende Gas die gewöhnlichen Ballon- 
hüllenstoffe an und zweitens ist es wesentlich schwerer 
als Wasserstoff, da sein spezifisches Gewicht, bezogen 
auf Luftdichte 1, etwa 0°6 beträgt, gegen etwa nur ein 
Zehntel für Wasserstoff. Den ersten Übelstand kann 


man technisch dadurch beseitigen, daß man den 


— 


(»Kilophot«.) 


Hüllenstoff mit einem besonderen Material, z. B- 
Emaillit überzieht, das den Stoff schützt und undurch- 
lässig macht. Der zweite Übelstand scheint zunächst 
viel schwerwiegender, da wegen der wesentlich ge- 
ringeren Tragkraft ein Ammoniakballon mindestens 
doppelt so groß sein müßte wie ein Wasserstoffballon. 
Aber dafür hat der Ammoniakballon doch ganz 
außerordentliche Vorteile. Abgeschen davon. daß 
Ammoniakgas billig und unentzündbar ist, bietet es 
noch zwei weitere erhebliche Vorzüge. Es wird leicht 
und schnell von Wasser absorbiert (11 Wasser nimmt 
bei 15° C. 6001 Gas auf) und ein Ammoniakgasballon 
kann daher durch geeignete, mit dem Tragkörper 
verbundene Wassereinrichtungen aufsteigen, ohne 
Ballast abzuwerfen, oder auch fallen, ohne Gas zu 
verlieren. Will man den Auftrieb vermindern, so läßt 
man Ammoniakgas durch Wasser absorbieren, will 
man mehr Auftrieb erzielen, so erhitzt man nur wenig 
das Wasserreservoir und das absorbierte Gas wird 
wieder frei. Ein großer Teil des Ballastes kann des- 
halb fortfallen und durch stärkere Motoren ersetzt 
werden. Endlich ließe sich auch die Nachfüllung viel 
einfacher und schneller erreichen als beim Wasser- 
stoffballon, da das bequem zu verflüssigende Ammoniak- 
gas in leichten Stahlflaschen sogar im Luftschiff mit- 
genommen und in gasförmigem Zustande zur Nach- 
füllung verwendet werden könnte. Jedenfalls würden 
sich auf Grund der Mitteilungen in der »Deutschen 
Luftfahrer-Zeitschrift«e eingehende Versuche mit Am- 
moniakgas zur Füllung von Ballons lohnen, wenn 
auch sicherlich noch manche technische Schwierig- 
keiten zu überwinden sein dürften. 


VATENTE 


Muster- und Markenschutz in allen Landern 


erwirkt 


Ing. J. FISCHER, Patentanwalt 


Wien, I. Maximilianstrasse Nr. 5. 


Seit 1877 im Patentfache tätig. 


Herausgegeben vom: K. k. Österreichischen Fiugtechnischen Verein«. — Verantw. Red.: in Vertretung Fritz Ellyson. 
Druck von Otto MaaB’ Söhne, Wien I. 


u. o. 00000000 Ce uneeeoe ee ee © 


0O000000000000000000000C.. M DOJ Boor boo 


Manuskripte werden nicht zurfickgestellt. Der Nachdruck 


OSTERREICHISCHE 


FLUG-ZEITSCHRIFT 


Herausgegeben von dem unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Majestät des A 
Kaisers und Königs stehenden k. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein. 


Angenommene Beiträge werden honoriert. Die Verfasser 
Artikel und Abbildungen verantwortlich. 


sind für Form und Inhalt der von ihnen eingesandten © 


von Artikeln und Abbildungen ist nur mit Quellenangabe 
und Zustimmung der Redaktion gestattet. 
©) ZUBOC>oo000000. 7 © ay Ga N a ©) NNC->00000000- ON 
ERSCHEINT ZWEIMAL IM MONAT. 


OP 


Nr. 11/12 


Juni 1915 


IX. Jahrgang 


Inhalt: Zum Erfolge unseres Flugfahrzeuges »L 48<, von rate 


Berger. — Gerüstzweidecker, von Fritz Lichtenstern, Einjä 


Id Ritter v. Stockert. — Fli 
g-Freiwilliger. — Italiens Luf 


erbomben, von Hauptmann J. V. 
otte. — Abwurfvorrichtung für 


Fliegerpfeile. — Der See- und Luftkrieg im Nordseegebiet. Chronik, zusammengestellt von Wilhelm Krebs (Schnelsen). — Uber 


die Reichweite des Geschiitzdonners, von Ph. 


Glacialkosmogonische Beiträge zur Erdbebenforschung, von H. Hörbiger, 


Fauth. — Ammoniak als Füllgas für 


uftschiffe, von Dr.-Ing. A. Sander, Darmstadt. — 
aschineningenieur und Privatastronom. (Fortsetzung.) — 


Tarifabschlüsse in der Flugzeugindustrie. — Bücherbesprechungen. — Chronik. 


Chefredakteur: Ing. A. Budau, o. ö. Professor der k. k. Technischen Hochschule in Wien 


Redakteur für den offiziellen und wissenschaftlichen Teil für die Dauer der Abwesenheit der Herren Oberst 
Wilhelm Suchomel und Ing. Adolf Janisch: Fritz Ellyson 


Unter Mitwirkung von: 


Dr. A. HILDEBRANDT 
Luftschifferhauptmanna.D., 
Berlin 
F. HINTERSTOISSER 
k. u. k. Major, Wien 


RAOUL HOFFMANN 


PAUL BELLAK 
Prokurist, Wien 


FELIX BRAUNEIS 
ingenieur, Wien 
Dr. Ing. WALTER FREIH. 
v. DOBLHOF 
Konstrukteur an der k. k. l $ 
Techn. Hochschule, Wien Ingenieur, Wien 
EDUARD DOLEZAL ANTON JAROLIMEK 
k. k. Hofrat, o. ö. Prof., an k.k. Oberinspektor, König- 


der k.k. Technischen Hoch- grätz 
schule, Wien 
FRITZ ELLYSON Dr. F. JUNG 


Flugmaschinen- Professor a. d. k. k. Tech- 


Konstrukteur, Wien 
100 ETRICH 
GroBindustrieller, Ober- Kapitanleutnant a. D., 

altstadt Charlottenburg 


RICHARD KNOLLER 
Ing., Professor a. d. k. k. 
Techn. Hochschule, Wien 
W. KREBS 
Leiter der Wetter warte 
Schnelsen Holstein 
GUSTAV E. MACHOLZ 
Johannisthal 


HUGO L. NIK EI. RI 
k. k. techn. Ob.-Offiz., Wien Ing. Kommissär des k. k. 


HANS F. v. ORELLI 
Schriftsteller, Wien 
nischen Hochschule, Wien STEPHAN PETROCZY 
D. W. KAISER v. PETROCZ 
k. u. k. Luftschifferhaupt- 


mann, Wien Lindenberg 


LUDWIG SCHMIDL 
k. u.k. Rittmeister, Wiener- 
Neustadt 


LEOPOLD SCHMIDT 
Ing., Prof., Wr.-Neustadt 


KARL TINDL 
Ing., Konstrukteur a.d.k.k. 
Techn. Hochschule, Wien 
WILHELM TRABERT 


Professor, Direktor der 
Zentralanstalt für Meteoro- 


„ RUDOLF SCHIMEK logie u. Qeodynamik, Wien 
u. k. ajor N., rektor 

0 Dr. C. WIESELS- 
der Autoplanwerke, Wien BERGER 


Dipl. Ing. C. SCHMID Assistent an der Universität 
in Oöttingen 


ROBERT POLLAK 
RITTER v. RUDIN 
Ingenieur, Wien 


J. POPPER-LYNKEUS 
Ingenieur, Wien 


STEPHAN POPPER 
Ingenieur, Wien 


FRANZ REBERNIGG 


Patentamtes, Wien 
RUDOLF SCHIMEK 


Zum Erfolge unseres Flugfahrzeuges »L 48«. 


Österreichs Helden war es vorbehalten, der Welt 
den Nachweis zu liefern, daß die Flugmaschine einen 
Kampf mit dem Lenkballon großen Typs wagen und 
a {te zu Ende führen könne. 

llerdings gehört dazu auch der Mut und die 
Unerschrockenheit unserer Flieger. 

Schon 25 Jahre datieren die Bemühungen des 
Wiener Flugtechnischen Vereines zurück, um der 
Flugmaschine Un und insbesondere jener des 
Altmeisters Wilhelm KreB zum Siege zu verhelfen. 
immer wieder wurde mit Modellen der Beweis ver- 
sucht und auch erbracht, daB das die Welt der 
Gelehrten, Techniker und Erfinder seit Jahrhunderten 
lebhaft beschäftigende Problem der Flugmaschine 
»schwerer als die Luft«, sich seiner Lösung nähere. 
Nur an der Schwere des Motors lag es, daß man 
nicht praktische Erfolge erzielte. 

Da rief Otto Freiherr v. Czedik, mit seinem 
außerordentlichen Organisationstalent, den Verein 
»Flugmaschine« ins Leben. Nach Besiegung nicht 
unerheblicher Schwierigkeiten war es ihm gelungen, 
den jungen Verein, der den alten etwas stagnierenden 
Wiener Flugtechnischen Verein bald in der Mit- 


gliederzahl um das doppelte überholt hatte, mit 
diesem zum »Osterreichischen Flugtechnischen Verein« 
zu verbinden. Der Gewinn, Se. Durchlaucht den 
Fürsten Otto Dietrichstein zum Ehrenpräsidenten 
und den damals als Vorstand der neu errichteten 
Verkehrstruppenbrigade in Aussicht genommenen 
Oberst Leopold chleyer zum Miigliede und 
Präsidenten des Vereines »Flugmaschine« und in 
weiterer Folge des neuen Vereines, kann gar nicht 
hoch genug bewertet werden, denn erst dadurch 
wurde die so überaus wertvolle Mitarbeit hoher 
offizieller militärischer Kreise an dessen Bestrebungen 
gesichert. 

Von dem zu jener Zeit zum Generalmajor 
beförderten Präsidenten Schleyer liegen in den 
Mitteilungen des Vereines »Flugmaschine« Nr. 4 vom 
20. Dezember 1908 unter dem Titel: »Das Luftfahrzeug 
für militärische Zwecke« weit vorausblickende 
Äußerungen über die militärische Verwendbarkeit der 
Lenkballons und Flugmaschinen vor. 

Kurz vorher hatte Wright bei einer Stunden- 
geschwindigkeit von 60 km und einer Fahrzeit von 
1 Stunde 38 Minuten, die damals enorm erscheinende 


150 


Steighöhe von 110 m erklommen gehabt, und zwischen 
den Fachmännern des Österreichischen Fugtechnischen 
Vereines wurden langwierige Debatten über die 
Möglichkeit, bis zu welcher Höhe man mittels der 
Explosionsmotoren werde aufsteigen könnnen, ab- 
geführt. 

Generalmajor Schleyer vertrat in seinen Aus- 
führungen die einzig richtige Ansicht, daß man erst 
am Beginne einer neuen Epoche stünde, und be- 
schränkte sich bei diesen, ohne Luftschlösser zu 
bauen, auf die Annahme des schon Erreichten. Doch 
kam er damals zu dem Schlusse, daß die Luftfahr- 
zeuge für künftige Kriege von nicht unwesentlicher 
Rolle sein dürften, deren Vervollkommnung für die 
Heeresverwaltung von Bedeutung, von dieser daher 
zu unterstützen sei, weshalb auch das allgemeine 
Interesse an der Flugschiffahrt zu fördern wäre. Für 
den Fall hiefür genügender verfügbarer Mittel sollten 
Lenkballons und Flugmaschinen angekauft und ver- 
vollkommnet werden, andernfalls, das heißt bei be- 
schränkten Mitteln, nach deren Höhe »durch Erwerbung 
von Aeroplanen, vorerst deren weitere Entwicklung 
gefördert werden«. 


Mittlerweile ist der damalige Vereins - Präsident 
als Sektionschef in das, Kriegsministerium berufen 
und kürzlich zum Feldzeugmeister befördert worden. 
Se. Exzellenz Leopold Schleyer v. Pontemal- 
ghera blieb sich und seinen damaligen Ansichten 
treu. Die verfügbaren Mittel gestatten es zwar, sich 
auch mit der Frage der Lenkballons nebensächlich 
zu befassen, aber das Hauptaugenmerk der öster- 
reichischen Heeresverwaltung blieb auf die Herstellung 
militärisch bestverwendbarer Flugzeuge gerichtet und 
sie wurde dadurch vor finanziellen Verlusten bewahrt, 
welche hier schwerer ins Gewicht gefallen wären, als 
es bei unserem kapitalskräftigeren Verbündeten mit den 
»Zeppelinen« der Fall war. Daß man in Österreich 
mit den beschränkten verfügbaren Krediten in erster 
Linie nur den Bau von Flugmaschinen verfolgte, war 
richtige Voraussicht, und der k. k. Österreichische 
Flugtechnische Verein mag darauf stolz sein, daß es 
dessen erster Präsident, Exzellenz Leopold von 
Schleyer, war, der diese, wie man nun sieht, für 
Österreich beste Richtung verfolgte. 


Leopold Ritter v. Stockert. 


Fliegerbomben. 
Von Hauptmann J. V. Berger. 


Luftfahrzeuge äller Arten und Systeme haben den 
Heeren und Flotten im Weltkriege bisher schon vor- 
zügliche Dienste geleistet und werden dies auch noch 
weiter tun. Neben der Aufklärung ist es besonders 
das Abwerfen von Bomben, welches eine, nach den 
darüber im Frieden gemachten Erfahrungen und den 
darauf gestützten Erwartungen, weit übertreffende 
Wirkung ergab. 

In der zielbewußten Arbeit der Konstrukteure und 
im mit kühler Überlegung gepaarten Wagemut der 
Luftfahrer ist die Erklärung für diese überraschenden 
Erfolge zu suchen. Es ist deshalb gewiß angezeigt, 

erade an dieser Stelle über das Abwerfen von 
omben aus Luftfahrzeugen, vornehmlich aus Flug- 
maschinen, zu sprechen und dabei alle zu beachtenden, 
allgemeinen Gesichtspunkte aufzuzeigen. Um dieses 
Ziel in tunlichst bester Weise zu erreichen, sei fol- 
gende Stoffgliederung gewählt: 

1. Die Fliegerbombe. 

2. Ihre Befestigung und das Abwerfen. 

3. Die Wirkung am Ziele. 

Die Ausführungen sollen absichtlich allgemein, 
also ohne Eingehen auf besondere Konstruktionen, 
gehalten werden, damit einerseits gegen die in Kriegs- 
zeiten gebotene Geheimhaltung nicht verstoßen und 
anderseits durch Stellungnahme für oder gegen eine 
bestimmte Vorrichtung der Anschein von Parteilich- 
keit vermieden werde. 

Zu 1. Bei der Neuheit der Kriegsfliegerei ist es 
selbstverständlich, daß sich bisher ein einheitlicher 
Typ von Fliegerbomben noch nicht herausbilden 
konnte. Das muß den im Weltkriege bereits gemachten 
und noch zu machenden Erfahrungen überlassen werden. 

Anzustreben ist der Einheitstyp auf jeden Fall, 
da er den Vorteil der Einfachheit mit sich bringt. 

Wer sich der Mühe unterzieht, die in verhältnis- 
mäßig großer Anzahl vorliegenden Entwürfe von 
Fliegerbomben zu studieren, wird finden, daß viele 
Erfinder gegen den Grundsatz: »Im Kriege hat nur 
das Einfache Bestand« verstoßen, ja daß sie oft nicht 
einmal die unerläßlichsten Anforderungen erfüllt haben; 
letzteres vermutlich aus Unkenntnis der Sachlage. 

Was muß von diesen Geschossen unbedingt ver- 
langt werden ? 

Vor allem und immer wieder eine einfache Kon- 
struktion, dann eine tunlichst große und verläßlich 
eintretende Wirkung, ferner der Ausschluß jeder Mög- 
lichkeit einer Gefährdung des Luftfahrzeuges und des 
Fliegers. 


Als Maß für die Einfachheit der Konstruktion 
kann die Zahl der die Bombe bildenden Teile gelten. 
Die Wirkung ist zwar vornehmlich durch die Explo- 
sion des Sprengstoffes anzustreben, aber man darf 
nicht vergessen, daß dieser nur dann und um so besser 
wirkt, je widerstandsfähiger die Hülle ist; denn diese 
hat mindestens die Rolle der Verdämmung bei Minen 
zu übernehmen, wenn man schon auf eine Schlag- 
wirkung, wie sie von den Granaten der Geschütze 
geleistet wird, verzichtet. Die Forderung nach Sicherheit 
des Luftfahrzeuges und des Fliegers wird dadurch 
erfüllt, daß eine vorzeitige, das heißt unbeabsichtigte 
Explosion der Bombe unbedingt ausgeschlossen ist. 

Das gilt natürlich auch für den Transport der 
Geschosse von der Erzeugungsstelle bis zum Ge- 
brauchsorte, also bis zu ihrer Befestigung am Luft- 
fahrzeuge. Über die hiebei möglicherweise auftreten- 
den Beanspruchungen scheinen sich die Konstrukteure 
von Fliegerbomben nicht immer vollkommen klar zu 
sein, denn sonst würden sie filigrane Entwürfe, wie 
sie beispielsweise in den Heften 2 und 5 des Jahr- 
ganges 1913 dieser Zeitschrift dargestellt sind, ver- 
meiden, und sich lieber an die robuste Bauart der 
Artilleriegeschosse halten. Auch die Nachahmung der 
Artilleriezünder kann der Sache nur von Vorteil sein, 
denn hier liegen langjährige Erfahrungen vor. Neben 
den von der Artillerie gebrauchten könnten allerdings 
auch chemische Zünder Verwendung finden, sobald 
sie nur den zu fordernden Grad von Sicherheit und 
Verläßlichkeit bieten. Weil diese Zünderart für See- 
minen gebräuchlich ist, liegen auch Erfahrungen vor, 
doch darf man nicht darauf vergessen, daß die Be- 
dingungen, unter welchen der Zünder in der Flieger- 
bombe wirken soll, wesentlich andere als bei See- 
minen sind. 

Bevor man an die Konstruktion einer Flieger- 
bombe schreitet, muß man sonach folgendes bedenken: 
Welche Form ist für den Bombenkörper zu wählen, 
aus welchem Material ist er zu erzeugen, wie viel 
und welcher Sprengstoff ist einzufüllen und welches 
Gewicht soll die gebrauchsfertige Bombe haben ? 

An Formen kommen die Kugel, die Birne und 
der Zylinder in Betracht. Die Kugel hat den Vorteil 
einfacher Konstruktion, die Birne den des tief, also 
günstig liegenden Schwerpunktes für sich. Dem von 
manchen Konstrukteuren bevorzugten Zylinder kann, 
ganz gleichgültig, ob er ebene, konische oder ab- 
gerundete Grundflächen aufweist, ein besonderer Vor- 
teil nicht zugesprochen werden. 


Erwägt man, daß eine tiefe Schwerpunktslage des- 
halb von Vorteil ist, weil sie einen ruhigen Fall und des- 
wegen auch eine verhältnismäßig gute Treffähigkeit 
erwarten läßt, so wird man kaum fehlgehen, wenn 
man in der Birne die vorteilhafteste Form der Flieger- 
bombe erblickt. Als Material kann wegen der zu 
fordernden Festigkeit nur ein Metall, mit Rücksicht 
auf den Kostenstandpunkt wohl nur Gußeisen, in 
Frage kommen. Die Wandstärke wird hiebei so zu 
wählen sein, daß sie einerseits den beim Auffallen 
der Bombe auftretenden Beanspruchungen genügt, 
das heißt, daß die Bombe nicht früher bricht, bevor 
der Zünder wirkt, während anderseits diese Wand- 
stärke et gering sein muß, um eine hin- 
reichende Menge von Sprengstoff einfüllen zu können. 
Bezüglich des letzteren wird man wohl vom Schwarz- 
ulver absehen und zu den modernen, brisanten 
toffen, den Nitroverbindungen organischer Stoffe, 
greifen. Dabei ist abermals das Vorbild der Artillerie 
insofern maßgebend, als diese in der Verwendung 
brisanter Stoffe bereits erfahren, auch über die Art 
der für diese Stoffe unbedingt notwendigen Zündung 
Aufschluß geben kann. 

Das Gesamtgewicht einer Fliegerbombe hängt 
zuerst davon ab, wie hoch die Einzelwirkung min- 
destens sein soll und wie viel Bomben ein Luftfahr- 
zeug mitführen kann. Bei der Einzelwirkung, über die 
später eingehend gesprochen werden soll, ist neben 
der tatsächlichen Wirkung der einzelnen Bombe noch 
auf die Treffähigkeit Rücksicht zu nehmen. Man hat 
also darüber Klarheit zu gewinnen, ob es besser ist, 
viele leichte oder wenige schwere Bomben mitzu- 
führen. Bei der Gewichtsfestsetzung kommt aber noch 
die im Momente des Abwurfes auftretende Störung 
des Gleichgewichtes in Frage, denn man darf den 
seine ganze Aufmerksamkeit selbstverständlich der zu 
lösenden Aufgabe widmenden Luftfahrer nicht in 
Gefahr bringen, infolge des Abwurfes einer Bombe 
abzustiirzen. Dividiert man den für das Mitführen 
von Bomben verfügbaren Teil des freien Auftriebes 
durch das festgesetzte Einzelgewicht, so erhält man 
die Zahl der an Bord mitführbaren Geschosse und 
aus der erfahrungsgemäß bekannten und später noch 


151 


zu behandelnden Treffwahrscheinlichkeit die zu er- 
wartende Gesamtwirkung. Diese Rechnung wird eben- 
falls einen Anhalt zur Festsetzung des Einzelgewichtes 
geben, so daß dieses als Kompromiß mehrerer, 
einander teilweise widersprechender Faktoren anzu- 
sehen ist. 

Zu 2. Die Befestigung der Bomben an den Luft- 
fahrzeugen muß einfach, sicher und dabei doch leicht 
lösbar sein. Die Notwendigkeit einer einfachen Be- 
festigung braucht nach dem bereits Gesagten nicht 
mehr begründet zu werden. Sie mußte aber sowohl 
der Vollständigkeit wegen, wie deshalb Erwähnung 
finden, weil damit die Konstruktion der Abwurf- 
vorrichtung im engsten Zusammenhange steht. 
Gerade hier vermißt man aber die so notwendige 
Einfachheit in hohem Maße. | 

Sicher muß die Befestigung deshalb sein, weil 
es unter keinen Bedingungen angeht, daß eine Bombe 
sich ohne den Willen des Fliegers vom Flugzeug 
loslöst. Das ist insolange leicht zu erreichen, als 
normale Verhältnisse vorherrschen. Treten aber ab- 
normale Umstände ein, z. B. bei den nie auszu- 
schließenden Notlandungen, so werden die Luftfahr- 
zeuge meist bis an die Grenze des Zulässigen be- 
ansprucht und gerade da muß, weil man auf die 
Wahrung kalten Blutes bei dem in Lebensgefahr 
befindlichen Flieger nicht sündigen soll und darf, 
die Verbindung halten. Die leichte Lösbarkeit ist 
darin begründet, daß das Abwerfen wegen der hohen, 
von den Luftfahrzeugen schon aus Gründen der 
Selbsterhaltung einzuhaltenden Geschwindigkeit an 
das Erfassen eines kurzen Augenblickes gebunden 
ist. Allen diesen Anforderungen dürfte entsprochen 
werden, wenn die Bomben auf drehbaren Unterlagen 
(Brettern, Schienen u. dgl.) lagern, welche im richtigen 


Zeitpunkte durch Betätigung eines Handhebels derart 


edreht werden, daß die Bombe, der Einwirkung der 
chwerkraft überlassen, zu fallen beginnt. Die kompli- 
zierten, die wagrechte aus der Geschwindigkeit des 
Luftfahrzeuges folgende Bewegung der Bombe be- 
rücksichtigenden Abwurfvorrichtungen widersprechen 
den eben entwickelten Bedingungen direkt, im folgenden 
soll aber auch gezeigt werden, daß sie durchaus 


Der Kommandant der k. u. k. Luftschiffer-Abteilung, Oberst Emil Uzelac. besichtigt die Bestandteile eines 
herabgeschossenen feindlichen Flugzeuges. 


152 


nicht das leisten können, was ihre Erfinder von ihnen 
erwarten. 

Zu 3. Die Wirkung am Ziele setzt sich aus einer 
mechanischen und einer chemischen zusammen, wozu 
noch die Treffwahrscheinlichkeit deshalb kommt, 
weil aus ihr jener Teil der eigentlichen Wirkung 


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Bild 1. 


folgt, der tatsächlich Zerstörungsarbeit verrichtet. Die 
mechanische Wirkung ist die Folge der von der 
Bombe durch den freien Fall erworbenen lebendigen 
Kraft, welche bekanntlich das halbe Produkt aus 
der Masse und dem Quadrate der Geschwindigkeit 
darstellt. Die Masse erscheint durch das Gewicht 
gegeben, denn sie ist der Quotient aus diesem und 
der Beschleunigung der Schwere. Nehmen wir sie 
mit rund 10 (für Wien tatsächlich 9°81) an, so folgt 
die Masse beispielsweise einer 20 kg schweren Bombe 
mit 20: 10 = 2, das heißt, die lebendige Kraft einer 
solchen Fliegerbombe ist annähernd gleich dem 
doppelten Quadrate ihrer Auftreffgeschwindigkeit. 
Letztere folgt aus den Gesetzen des freien Falles. 
Würde man dabei den Widerstand der Luft unberück- 
sichtigt lassen, so erhielte man mit zunehmender 
Fallhöhe ununterbrochen steigende Fallgeschwindig- 
keiten. Die Zunahme der Geschwindigkeit in der 
Zeiteinheit, das ist die Beschleunigung, wird aber 
gemindert durch den ebenfalls mit dieser Ge- 
schwindigkeit steigenden Luftwiderstand. Dieser kann 
so groß werden, daß er der Geschwindigkeitszunahme 
die Wage hält, so daß das Geschoß nach dem 
Durcheilen einer bestimmten Höhe mit gleichbleibender 
Geschwindigkeit weiter fällt. Wie groß diese jeweils 
ist, hängt vom Gewicht der Bombe und der Form ab, 
welche sie dem Luftwiderstande darbietet. Der kgl. 
preußische Oberst z. D. v. Schewe hat diesbezüglich 
in den »Artilleristischen Monatsheften« Nr.11 und 12 
von 1907 unter dem Titel: »Das Auswerfen von 
Geschossen aus dem lenkbaren Luftschiff 
und das Beschießen desselben« eine Studie 
veröffentlicht, welche allen Luftfahrern und Konstruk- 
teuren nur wärmstens empfohlen werden kann. Danach 


erreicht z. B. eine 50- bis 7355 kg schwere, aus 2000 m 
Höhe abgeworfene Kugel 1292 m/Sek. Endgeschwindig- 
keit und braucht dazu 23°72 Sekunden Fallzeit; während 
Kugeln von 16 bis 32°65 kg Gewicht die gleiche Höhe 
in 25 Sekunden durcheilen und mit 1185 m / Sek. auf- 
fallen. Die Grenzgeschwindigkeit ersterer rechnet 
Oberst v. Schewe mit 138:4, jene 
der leichteren Kugeln mit 123'0 m / Sek. 
Daraus folgt, daß die Fallhöhe nur 
weniger mehr als 2000 m übertreffen 
muß, um den Fliegerbomben die 
Höchstgeschwindigkeit zu erteilen, 
daß daher die Annahme, die lebendige 
Kraft ließe sich durch Aufsuchen 
großer Flughöhen steigern, nicht zu- 
trifft. 

Machen wir hier die vielleicht 
nicht ganz zutreffende Voraussetzung, 
daß die birnförmige, 20 kg wiegende 
Bombe sich bezüglich der durch den 
Luftwiderstand hervorgerufenen Ver- 
zögerung wie eine gleichschwere Kugel 
verhalte, so kommt ihr eine Höchst- 
geschwindigkeit von 123:0 m/ Sek., 
und nach dem oben Gesagten eine 
lebendige Kraft von im aximum 
rund 30.000 mkg/Sek. zu. Ihre chemi- 
sche Wirkung ist das Produkt aus 
der von den heißen Verbrennungs- 
gasen der Gewichteinheit des ver- 
wendeten Sprengstoffes geleisteten 
Druckarbeit und der Menge des in 
die Bombe eingefüllten Sprengstoffes 


Über die den verschiedenen 
Sprengstoffen innewohnende chemi- 
sche Energie orientiert nachstehende 
Tabelle. 


Energieinhalt der wichtigsten Ex- 
plosivstoffe. 


Schwarzpulver 290.000 | 1'000 
Kollodiumwolle (12% N) 310.00 1070 
Trinitrotoluol (Tritol) . . , 312.000 | 1'080 
Pikrinsdure .......... | 345.000 | 1'190 
SchieBwolle (13°, N) | 465.000 1'610 
Dynamit (75% N)). 550.000 | 1-900 
Nitroglycerin ......... 670.000 |! 2:300 
Sprenggelatine (7 % Koll. Wolle) || 700.000 2400 


Die letzte Spalte dieser Tabelle bietet durch 
den Vergleich der neuartigen Sprengstoffe mit dem 
alten Schwarzpulver und untereinander die Möglichkeit, 
die jeweils entsprechende Auswahl zu treffen. Nehmen 
wir beispielsweise an, diese Wahl wäre. auf die 
Sprenggelatine gefallen und von den 20 kg Gesamt- 

ewicht der Bombe wären mit Rücksicht auf die 

ahrung hinlänglicher Festigkeit 15 kg Gußeisen und 
5 kg Sprengstoff, so würde eine chemische Wirkung 
von 3:5 Millionen mkg/Sek., also fast das 120 fache 
der mechanischen Wirkung resultieren. Die Summe 
beider ist die Gesamtwirknng der Bombe, wobei 
jedoch zu beachten ist, daß die mechanische Wirkung 
sich immer in der Richtung der Schwerkraft, das heißt 
lotrecht nach abwärts, die chemische dagegen senk- 
recht auf die Widerstand leistende Wand, hier somit 


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2 2 Meleorlugie 3. Segodynamik, ui 
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— —— — — — — 
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radial auf den Bombenkörper äußert. In vorstehendem 
Bild 1 ist dieser Zusammenhang mit Rücksicht auf 
eine ausreichende Deutlichkeit in absichtlich unzu- 
treffendem Maßstabe beider Wirkungen dargestellt. 
Nimmt man die abgeleiteten Wirkungsgrößen aber 
zu Hilfe, so bekommt man eine recht gute Vorstellung 
von der Wirkung der Fliegerbomben. 

Sobald die Verbindung der Bombe mit dem Luft- 
fahrzeuge, auf welche Art immer, gelöst wird, beginnt 
sie zu fallen und beschreibt, wenn, was hier an- 
genommen werden soll, die Abwurfvorrichtung ihr 
keine Eigengeschwindigkeit verleiht, eine Bahn, die 
der »ballistischen Kurve« ähnlich ist, weil sie wie 
diese unter dem Einflusse dreier Kräfte entsteht. Die 
eine davon ist die Bewegungsgröße (lebendige Kraft) 
des Luftfahrzeuges, sie wirkt in der Flugrichtung. 
Die zweite ist die lotrechte nach abwärts gerichtete 
Anziehungskraft der Erde. An dritter Stelle ist die 
Einwirkung der von der fallenden Bombe durcheilten 
Luftschichten zu nennen. Diese bewirkt nicht nur eine 
Verzögerung des Bombenfalles, sondern als Wind 
auch eine seitliche Verschiebung (Driften). 

Aus der vom Luftfahrzeug eingehaltenen Flughöhe 
folgt bei bekanntem Geschoßgewicht die Fallzeit und 
aus dem Produkte dieser und der Fluggeschwindigkeit 
des Luftfahrzeuges der Weg des letzteren während 
des Falles der Bombe. 

Welchen Wert die Fluggeschwindigkeit bei den 
im Weltkriege bisher durchgeführten Bombenabwürfen 
wirklich erreicht hat, entzieht sich der öffentlichen 
Besprechung. Als beinahe vollwertiger Ersatz können 
aber die Ergebnisse der flugsportlichen Veranstaltungen 
dienen. So war die beste, beim »Internationalen Wett- 
bewerb auf Geschwindigkeit« während der Flugwoche 
»Aspern 1914« erzielte Zeit 41 Minuten / Sekunden, 
das heißt, der Träger des Ersten Preises hat die mit 
100 km bestimmte Entfernung Flugfeld Aspern—Flug- 
feld Wr.-Neustadt — Flugfeld Aspern in der ange- 
gebenen Zeit zurückgelegt. Daraus rechnet sich die 
Stundengeschwindigkeit des Siegers mit 146 km oder 
405 m/Sek. Da beim Abwerfen von Bomben unter 
Umständen auch manövriert werden muß, so ist für 
die hier durchzuführende Untersuchung auch das Aus- 
maß der zulässigen Geschwindigkeitsverminderung 
von Interesse. Dazu liefert uns der »Wettbewerb auf 
Geschwindigkeitsdifferenz« der gleichen Flugwoche die 
Angabe, daß der Träger des Ersten Preises 57˙8 km 
kleinste Geschwindigkeit entwickelte und die Höchst- 
a na 102:2 Prozent dieses Minimums betrug. 

araus ergibt sich letztere mit 116°872 km, der absolute 
Unterschied zwischen der Mindest- und der Höchst- 
en mit 59'072 km/Stunden. Auf unseren 

all übertragen, kann man sagen, daß die Mindest- 
geschwindigkeit selbst die Hälfte des Höchstwertes 
derselben, also 20 m/Sek., betragen kann. 

Nehmen wir nun, wie früher, die Flughöhe mit 
rund 2000 m und eine 20 kg schwere Bombe mit 
25 Sekunden Fallzeit an, so kann der während dieser 
Zeit vom Luftfahrzeug zurückgelegte Weg schwanken 
zwischen rund 1000 und 500 m. Den Visier- oder Vor- 
stellwinkel erhält man leicht, wenn man anstatt des 
üblichen Bogenmaßes das in der Artillerie übliche 
Strichmaß gebraucht, denn ein Strich entspricht jenem 
spitzen Winkel eines rechtwinkeligen Dreieckes, dessen 
lange Kathete 1000, dessen kurze Kathete Im mißt. 
Bei 2000 m Flughöhe ist daher dies die lange Kathete, 
während die kurze pro Strich 2m mißt. Die 1000, 
bezw. 500 m entsprechen daher 500, bezw. 250 Strichen, 
wobei die Umrechnung in das Bogenmaß dadurch 
bewirkt werden kann, daß der rechte Winkel 1600 
Striche umfaßt. Mit einer rund 1500 Striche umfassenden 
Winkelteilung an der Visiervorrichtung kann man 
daher auslangen, und es würde genügen, den mit Hilfe 
einer handlich zu haltenden Tabelle aus der jeweiligen 
Flughöhe und -geschwindigkeit resultierenden Vorhalte- 
winkel einzustellen und die Bombe in dem Momente 
fallen zu lassen, als die Visur das Ziel trifft. Leider 
stellt sich die Sache nicht so einfach. Einmal kommt 


153 


es nicht bloß auf die durch den Motor erzeugte Flug- 
geschwindigkeit an, sondern es muß die Ortsver- 
änderung des Luftfahrzeuges gegenüber dem Erd- 
boden berücksichtigt werden. Hier macht sich schon 
der Einfluß des Windes geltend. Wir müssen uns 
jedes Luftfahrzeug als im Luftmeere mit einer be- 
stimmten Geschwindigkeit schwimmend denken. Beim 
Freiballon ist diese Geschwindigkeit gleich Null, bei 
Lenkballons und Flugzeugen eine Funktion des Trieb- 
werkes und der Form. Das ganze System bewegt sich 
nun überdies mit der Geschwindigkeit des umgebenden 
Luftmeeres gegenüber der Erde, so daß als Ortsver- 
änderung dem festen Boden gegenüber nur die algebra- 
ische Summe beider Bewegungsgrößen zu berück- 
sichtigen kommt. Ganz abgesehen von den Schwierig- 
keiten, welche sich der Bestimmung der Wind- 
geschwindigkeit von Bord eines Luftfahrzeuges ent- 
gegenstellen, hat es ja weniger auf deren absolute 
Größe als auf jenen Teil derselben anzukommen, der 
in der Flugrichtung wirkt, daher beim Vorhalten zu 
berücksichtigen ist. Kann man auch diese Schwierigkeit, 
was gerne zugegeben werden soll, überwinden, so 
stellt sich sogleich eine zweite ein, deren Überwindung 
meiner Ansicht nach kaum möglich sein dürfte. Es ist 
die Änderung der Geschwindigkeit und Richtung des 
Windes mit der Flughöhe. Daß sich diese Größe mit 
zunehmendem Abstande der Luftschichten vom Erd- 
boden ändert, war wohl schon längst bekannt; zahlen- 
mäßige Werte aber stehen erst seit der regelmäßigen 
Aufnahme von Pilotballonaufstiegen zur Verfügung. 
Durch Entgegenkommen der k. k. Zentralanstalt für 
Meteorologie und Geodynamik ist mir das einschlägige 
Material zugänglich gemacht worden. Es ist derart 
reichhaltig, daß es hier nur gestreift werden kann. 
Indem ich mir eine gründliche Verarbeitung desselben 
für einen späteren Zeitpunkt vorbehalte, möchte ich 
schon jetzt für das mir bewiesene Entgegenkommen 
bestens danken. Die genannte Anstalt verwendet als 
Pilotballone Fabrikate der Firmen Saul, Aachen, 
Metzeler, München, und (vor dem Kriege) Tréugol- 
nik, Petersburg, mit 150bis200 m/Sek.Steiggeschwindig- 
keit. Durch das in Intervallen von je einer Minute er- 
folgende Anvisieren des Ballons mit einem Theodoliten 
wird seine Flugbahn festgelegt und sowohl tabellarisch, 
wie graphisch aufgezeichnet. Aus den im Jahre 1914 
so gewonnenen Fluglinien habe ich in Bild 2 die 
sieben kennzeichnendsten ausgewählt und wieder- 
gegeben. 

Neben Wendungen aller Winkelgrößen sehen wir 
vollständige Richtungsänderungen, ja auch Schlingen. 
Die Fluglinie VII weist sogar drei Schlingen auf. Eine 
ganz oberflächliche und deshalb in den Folgerungen 
unverbindliche Betrachtung der sieben Fluglinien des 
Bildes 2 zeigt, daß Änderungen der Windrichtung 
vornehmlich in den Höhen von durchschnittlich 700, 
bezw. 1500 und 3700 m, also nach einem Steigerungs- 
verhältnis von ungefähr 1:25:50 zu erwarten sind. 
Darauf stützt sich meine Ansicht von der Minder- 
wertigkeit besonderer Abwurfvorrichtungen. Meinem 
Dafürhalten nach ist es absolut unmöglich, den ver- 
schiedenen Windrichtungen in zutreffender Weise 
Rechnung zu tragen, um so weniger, als mit jeder 
Richtungsänderung wegen der Reibung, welche zwischen 
den in verschiedener Richtung bewegten Luftschichten 
auftritt, eine Verminderung der Windgeschwindigkeit 
verbunden ist. Selbst wenn es möglich wäre, was ich 
aber nur mit Vorbehalt zugeben kann, daß vom Erd- 
boden aus allen diesen Änderungen Rechnung getragen 
werden könnte, so muß ich ganz entschieden dagegen 
Stellung nehmen, daß eine solche Berücksichtigung von 
Bord eines Luftfahrzeuges aus möglich ist. Wer daher die 
Konstruktion von Abwurfvorrichtungen ins Auge gefaßt 
hat, möge vor allem die Pilotballonfrage studieren, 
dann wird er viel Zeit, Geld und Mühe sparen. Da 
ich, wie bereits gesagt, nächstens diesem Problem eine 
eingehende Behandlung werde zukommen lassen, 
möchte ich jetzt nur nochmals sagen, daß die in 
Bild 2 dargestellten Fluglinien an sich schon Beweis 


154 


genug für meine Behauptung von der Zweck- und 
ertlosigkeit solcher Vorrichtungen sind. 

Als unmittelbare Folge davon erachte ich die 
geringe Treffähigkeit der Fliegerbomben. Sie ist als 
ein notwendiges Übel einfach in Kauf zu nehmen und 
kann wohl nur durch große Übung der Flieger ver- 
bessert werden. Welche Werte sie aufweist, kann 
man aus den über diesen Gegenstand veröffentlichten 
Berichten nicht entnehmen, weil keine nıaßstabtreuen 
Skizzen der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, welche 
unter der Anführung der Höhe und Geschwindigkeit 
des bombenabwerfenden Flugzeuges die Aufschlag- 
punkte zeigen würden. 

Auch aus dem im Jahre 1912 in Aspern abge- 
haltenen Wettbewerb kann man auf die Treffähigkeit 
nicht schließen, denn die Propositionen waren vielleicht 
für sportliche, aber nicht für artilleristische Zwecke 
entsprechend. 

Dagegen ist es möglich, aus den in Nr. 17 vom 
10. September 1912 dieser Zeitschrift enthaltenen Be- 
richt : »Bombenwerfen aus Flugzeugen« auf die Treff- 
fähigkeit zu schließen. Er handelt von Fankreich, 
woselbst im Juli 1912 ein Zielwurfwettbewerb ab- 
gehalten wurde. Das Ziel bestand beim Werfen von 
200m Höhe aus einem Kreis von 20m Durchmesser, 
bei jenem aus mindestens 800 m Höhe aus einem 
Rechteck von 120 m Länge und 40 m Breite, das sind 
die nach Ansicht der Franzosen für die deutschen 
Ballonhallen zutreffenden Maße. Geworfen wurden je 


15 sphärische Wurfkörper zu 7 kg Gewicht. Anfangs 
hielt Leutnant Mailfert den Rekord mit neun 
Treffern, später überbot ihn Leutnant Gaubert, 
weicher elfmal das angegebene Rechteck traf. 

Im ersteren Falle wurden 60 Prozent, im letzteren 
gar 73 Prozent Treffer erzielt. Daraus kann man be- 
rechnen, daß, um alle Würfe ins Ziel zu bringen, 
dieses mindestens 384, bezw. 292 m lang und 128, 
bezw. 96 m breit hätte sein müssen. Bedenkt man 
jedoch, daß bei diesem Wettbewerb jedenfalls die für 
einen guten Rekord notwendigen Vorbedingungen: 
geübtes Personal und günstige Witterung vorhanden 
waren, dann, daß die Wurfhöhe nur 800 m betrug, 
also einen Wert zeigte, der im Kriege zum fast 
sicheren Abschießen des betreffenden Flugzeuges 
führt, so kann man diesen Zahlen einen nur sehr 
bedingten Wert zubilligen. 

Hiemit am Schlusse meiner Darlegungen angelangt, 
möchte ich ihr Ergebnis dahin zusammenfassen, daß mit 
Rücksicht auf die geringen Treffererwartungen nur 
Bomben großer Flächenwirkung, also ausreichenden 
Gewichtes und starker Sprengladung verwendet und nur 
sehr ausgedehnte Ziele beworfen werden sollen. Die 
Nichtbeachtung dieser beiden Regeln kann die an sich 
ganz vortreffliche Fliegerwaffe in einen an sich gar 
nicht gerechtfertigten Mißkredit bringen. Dies ist da- 
durch vermeidbar, daß man sich von Haus aus über 
ihr Leistungsvermögen klar wird. Wer nur mögliches 
erwartet, wird nicht enttäuscht werden. 


Gerüstzweidecker. 
Von Fritz Lichtenstern, Einjährig-Freiwilliger. 


1. Die Bezeichnungen -Gerũstzweidecker . 
Boot.. 


Gegen Mitte des jahres 1909 konnten zwei Haupt- 
typen von Flugzeugen als erfolgreich bezeichnet 
werden. Es waren dies erstens die Eindecker, wie 
sie sich im großen und ganzen bis heute unverändert 
erhalten haben, und die Zweidecker mit hinterem 
Antrieb. Bereits im folgenden jahre kam ein zweiter 
Eindeckertyp und auch ein Zweideckertyp hinzu. 
Ersterer hat sich aber nicht erhalten. Mithin gibt 
es also eine Art von Eindeckern und zwei Arten 
von Zweideckern. 

Während für den neueren Zweideckertyp bald 
eine passende Bezeichnung (»Rumpfzweidecker«) ge- 
funden wurde, wurde vom älteren Typ immer als 
vom »Zweidecker mit hinter den Insassen befindlichem 
Motor« u. dgl. gesprochen. Eine kurze Benennung ist 
noch nicht gefunden worden. Der Verfasser möchte 
nun bei dieser Gelegenheit eine solche in Vorschlag 
bringen, wie dies schon im Titel geschehen ist. Der 
Ausdruck »Gerüstzweidecker« will sagen, daß die 
Steuerflächen des Apparates von einer eigenen, weiten 
und unbespannten Gerüstkonstruktion gehalten werden. 
Diese Bezeichnung müßte auch für solche Bauarten 
Anwendung finden, bei denen die Verbindung zwischen 
Zelle und Schwanz wohl auf die gleiche Weise er- 
folgt, deren Schraube aber vorn rotiert. Hier würde 
man also »Gerüstzweidecker mit vorderem Antrieb« 
sagen, sonst aber einfach »Gerüstzweidecker«, zumal 
der hintere Antrieb weitaus überwiegt. 

Da nun schon die Rede von neuen Benennungen 
ist, so soll auch hinsichtlich des Ausdruckes »Boot« 
(beiLandflugzeugen), der bei Rumpfeindeckern, Rumpf- 
zweideckern und Gerüstzweideckern gebraucht wird, 
Klarheit geschaffen werden. Ein Boot, ein auf dem 
Wasser sich fortbewegendes Fahrzeug, wird nie über 
die Länge ausgedehnt, die unbedingt nötig ist, um die 
Sitze etc. unterzubringen. Kein Boot ist deshalb 
stark über den Nutzraum verlängert, um das Steuer 
weit hinten anbringen zu können oder den Abfluß des 
Wassers leichter zu bewerkstelligen. Da die Verhält- 
nisse bei der »Gondel« des Gerüstzweideckers die 
gleichen wie beim Wasserboot sind, so sollte dieser 


und | Teil bei beiden Typen der Gerüstzweidecker immer 


als »Boot« bezeichnet werden, während die »Körper« 
(»Brücken« etc.) des Rumpf-Ein- und Zweideckers als 
»Rümpfe« bezeichnet werden sollen. Eine Benennung 
»Bootszweidecker« im Gegensatze zu »Rumpfzwei- 
decker< wäre aus einem unten anzuführenden Grunde 
nicht möglich. 

In dieser Abhandlung sollen beide Arten der 
Gerüstzweidecker Beachtung finden, und zwar nicht 
nur Land-, sondern auch Wasserflugzeuge (Schwimmer- 
flugzeuge und Flugboote mit Steuergeriist). 


2. Vor- und Nachteile der Gerüstzweidecker 
gegenüber den Rumpfzweideckern. 


Trotzdem es nun schon lange Zeit hervorragend 
gute Typen von Rumpfzweideckern gibt, haben dessen- 
ungeachtet einige Konstrukteure weiterhin Gerüst- 
zweidecker gebaut. Wenn die Konstrukteure an ihren 
Bauarten festhalten und nicht, wie es viele machten, 
zum Rumpfapparat übergingen, so mußte dies natür- 
lich Gründe haben. Sie wußten bestimmte, im System 
des Gerüstzweideckers liegende Vorteile auszunützen, 
so daß sich diese Apparate in einigen Punkten den 
Rumpfflugzeugen überlegen erwiesen oder aber legten 
die Abnehmer (Heeresverwaltungen!) besonderen Wert 
auf die Anordnung des Motors hinter den: Fahrern. 

Bei einem Vergleich der Gerüst- und Rumpf- 
zweidecker sind als die wichtigsten Vorteile der 
ersteren zu erwähnen: Günstige Aussicht von den 
Sitzen, hauptsächlich vom vorderen. Abgesehen von 
dem heute nicht mehr verwendeten (vorhin angedeu- 
teten) Eindecker der Bauart mit den Sitzen unter der 
Fläche und den nur in einigen Apparaten existierenden 
Eindeckern des sogenannten Torpedotyps ist eine so 
gute Aussicht bei Rumpfflugzeugen auch nicht an- 
nähernd bis zu diesem Grade erreicht worden. Wenn 
der Führer oder Passagier direkt über dem Vorder- 
rand des (unteren) Tragdeckes sitzt, so hat er wegen 
des Motors schräg abwärts keine Aussicht. 

Zwei weniger bedeutsame Vorzüge sind: 1. Soli- 
dere Befestigung der Schwanz- und daher bessere 
Lagerung der Steuerflächen, und 2. Verwendung des 
kurzen Bootes, das wegen der geringeren Länge 


natürlich leichter herzustellen ist und im Gegensatz 
zum Rumpf, an dessen Ende die Steuerflächen liegen, 
größeren Beanspruchungen nicht ausgesetzt ist. 

Was die Montierung der Steuer bei den Rumpf- 
flugzeugen betrifft, so kann diese an modernen Appa- 
raten so gut ausgeführt werden, daß sie jener an den 
Gerüstzweideckern beinahe gleichkommt. 

Der bedeutendste Nachteil des Gerüstzweideckers, 
der auch am meisten zu seinem Seltenerwerden beitrug, 
ist der, daß die Insassen durch die hintenliegenden 
schweren Massen bei Stürzen häufig erschlagen 
wurden. Die meisten der tödlichen Unfälle mit Gerüst- 
zweideckern sind darauf zurückzuführen, daß der 
Motor, mitunter auch die Tanks nach dem Auftreffen 
auf der Erde von den Lagerungsstellen sich lösten 
und die Fahrer erdrückten. Nicht möglich ist dies, 
wenn der Motor unsymmetrisch angeordnet ist und 
die Schraube (Schrauben) indirekt antreibt, wobei 
dann der Motor seitlich der Sitze angeordnet ist. 
Wahrscheinlich sind die Brüder Wright auch von 
diesem Gesichtspunkte ausgegangen, als sie bei 
ihren Apparaten bis 1913 den indirekten (Zweischrau- 
ben)antrieb verwendeten. Aber gerade der Zwei- 
schraubenantrieb, damals noch mit zwei Ketten, die 
eben den Unfall verschuldeten, hat zu dem ersten 
schweren Absturz eines Wright-Zweideckers und 
zum Tode eines Insassen geführt. — 1913 wurde auch 
r right der indirekte Einschraubenantrieb ver- 
sucht. 

In der Zeit des Überganges vom Gerüst- zum 
Rumpfzweidecker wurde häufig auf die Folgen des 
Durchschlagens des Steuergerüstes durch Splitter des 
Propellers oder selbst durch den abspringenden Pro- 
peller aufmerksam gemacht. Dies mußte notgedrungen 
zum Absturz führen. Bei anderen Flugzeugen sind 
wohl schon des öfteren die Schrauben, in einigen 
Fällen sogar samt dem Motor oder auch mit einem Teil 
des Motors (!!) während des Fluges vom Apparat 
abgesprungen, bei Gerüstzweideckern aber hat sich 
ein solcher Fall nur einmal ereignet, und zwar bei 
einem H. Farman- Zweidecker in Gatschina (Ruß- 
land), bei welcher Gelegenheit die Schraube mit dem 
Gnöme-Motor herausflog. 

Dafür, daß die Schraube während des Fluges 
nicht plötzlich splittert, muß außer dem Schrauben- 
fabrikanten auch der Monteur Sorge tragen. Die 
Flanschschrauben müssen so gut angezogen werden, 
daß ein Lockern unmöglich ist, und weiters muß er 
sich vergewissern, ob die Drähte und Spannschrauben 
in der Nähe des Propellers in Ordnung sind. Denn 
ein Brechen des Propellers kann nicht bloß durch 
Rütteln, bedingt durch schlechte Befestigung im 
Flansch, sondern auch dadurch verursacht werden, 
daB ein in Schraubennähe befindlicher Spanndraht 
reißt, sich in die Schraube verfängt und diese zum 
Splittern bringt. 

Dem Abspringen der Schraube samt dem Motor etc. 
kann auch nur durch exakte Ausführung der Ver- 
schraubungen der Motorlagerung vorgebeugt werden. 
Hält aber der Konstrukteur das Abfliegen des Pro- 
pellers für nicht ausgeschlossen, so arbeitet er dem 
Durchschlagen des Steuergerüstes auf die Weise ent- 
gegen, daß er die Träger in der Rotationsebene der 

chraube durch Armierungen verstärkt oder Stahl- 
rohre an Stelle des Holzes verwendet. Verstärkungen 
nebst der Stahlkonstruktion finden sich bei den 
Zweideckern von Otto und der demselben Kon- 
strukteur gehörigen Ago-Werke. 

Ein geringerer Nachteil des Gerüstzweideckers 
läßt sich also auf leichte Weise beseitigen, während 
ein schwerer, die gefährliche Anordnung der Sitze, 
auf einfache Art nicht zu bessern ist. 

Über den Luftwiderstand und das Arbeiten der 
Schraube bei Gerüst- und Rumpfzweideckern ist fol- 
gendes zu bemerken: Der hintere Antrieb erweist 
sich ungünstiger als der vordere. Die Schraube 
arbeitet bekanntlich nur in solcher Luft gut, die 
nicht aufgewühlt ist. Die Schraube des Gerüst- 


155 


zweideckers gelangt aber in einen Luftraum, der 
bereits durch das vorausgehende Boot, weniger durch 
die Flächen, schon »in Aufruhr versetzte und nicht 
mehr wirbelfrei ist. Bei den Flächen gelingt es noch, 
die Luft stoßfrei abströmen zu lassen, was Schon 
deshalb erfolgen muß, damit die Flächen ökono- 
misch arbeiten, beim Boot aber liegen die Verhält- 
nisse anders. Einen Rumpf läßt man allmählich in 
einen kleinen Querschnitt übergehen und in eine 
Kante oder Spitze auslaufen. Am Boot ist dies aber 
deshalb nicht möglich, da, wenn es sich um einen 
Standmotor handelt, der ganze hintere Teil vom Motor 
und den Tanks, wenn ein Rotationsmotor Anwendung 
findet, von den Tanks eingenommen wird. Rotations- 
motoren von geringerer Pferdestärke werden nämlich 
in bespannte Boote nicht eingebaut, das heißt ein- 
eschlossen, sondern bloß einfach (einmal) gelagert. 
n beiden Fällen kann also nicht mit derselben 
Methode wie bei den Rumpfflugzeugen vor- 
gegangen werden, sondern man ist genötigt, das 
oot mit einem großen Querschnitt abzuschließen. 
Wirbelbildungen sind die Folge davon. 

Noch schlechter ist es um die Apparate mit un- 
bespanntem Boot und solchen ohne eigentliches Boot 
(nähere Besprechung weiter unten) bestellt. Hier rotiert 
der Propeller nicht in den Wirbeln, die das ungünstig 
geformte Boot, sondern die in dieser Hinsicht noch 
ungünstiger geformten Körper der Insassen und die 
Tanks erzeugt haben. 

Der durch die Schraube erzeugte Luftstrom hat 
beim Rumpfflugzeug wohl den Rumpf ganz zu um- 
fließen, wodurch wegen der Luftreibung Kraft verloren 
geht, was weiters die Geschwindigkeit vermindert; 
in neuerer Zeit haben es die Konstrukteure aber ver- 
standen, durch Anwendung der bekannten Rotations- 
körper um die Schraube, welch erstere mehr oder 
minder großen Radius haben, diesen Nachteil teilweise 
zu beheben. 

Man könnte annehmen, daß die Gerüstzweidecker 
hier im Vorteil sind, da der Schraubenwind keinen 
Rumpf, bezw. kein Boot zu umfließen hat. Der Luft- 
strom trifft aber wieder das Steuergerüst, wodurch 
dieser Vorzug fast verloren geht. Übrigens wurden 
die vorerwähnten Rotationskörper am Boot von Ge- 
rüstzweideckern, wo sie einen günstigen Abschluß 
des Bootes ersetzen würden, noch nicht verwendet. 

Das in den letzten Absätzen Gesagte trifft für 
die Gerüstzweidecker mit vorderem Antrieb nicht 
zu. Sowohl beim Sturze droht den Fahrern keine 
solche Gefahr, als auch ein Durchschlagen des Steuer- 
gerüstes ist ausgeschlossen. Die Schraube arbeitet 
ökonomischer und für das Boot kann eher als beim 

ewöhnlichen Gerüstzweidecker ein für den leichten 
bzug der Luft geformtes Ende geschaffen werden. 
Von diesem Umstand wird aber deshalb kein aus- 
giebiger Gebrauch gemacht, weil dann ein Vorteil 
des Gerüstzweideckers überhaupt, das im Verhältnis 
zum Rumpf kurze Boot, verloren ginge. 


3. Die Teile des Gerüstzweideckers. 


Der Gerüstzweidecker mit hinterem und vorderem 
Antrieb besteht aus sechs Teilen. Wenn wir von dem 
Teile, der die Antriebsquelle und Sitze enthält, aus- 
gehen, so sind dies in der Reihenfolge: 1. Boot, bezw. 
sein Ersatz, 2. Tragzelle, 3. vorderes Steuergerüst 
und (hinteres) Schwanzgerüst, 4. Steuer- und Schwanz- 
flächen, 5. Fahrgestell, 6. Motor, Übertragungsteile 
und Schraube. Da das vordere Steuergerüst nicht bei 
allen Apparaten zu finden ist, so wurde es nicht ge- 
sondert angeführt. Bei manchen Typen sind zwei Teile, 
z.B. vorderes Steuergerüst und Fahrgestell, miteinander 
verschmolzen. 

Weil hinsichtlich der einzelnen Teile, Steuergerüst, 
Steuerflächen etc., bei den Apparaten mit hinterem 
Antrieb keine anderen Prinzipien herrschen als bei 
jenen mit vorderem, so sind z. B. bei den einzelnen 
Formen der Steuergerüste auch die dorthin gehörigen 
von Gerüstzweideckern mit vorderem Antrieb erwähnt, 


156 


wobei aber immer besonders bemerkt ist, daß es sich 
um solche Apparate handelt. Von diesen sind die 
Teile 1 und 6 gesondert besprochen. 

Wie oben erwähnt, sollen in diesem Artikel auch 
die betreffenden, interessant ausgebildeten Teile von 
Apparaten, die Hydroplane sind, Berücksichtigung 
finden. Aus begreiflichen Gründen wollen wir uns 
mit den Schwimmern nicht abgeben. 


4. Das Boot und der »Rahmen«. 


Da wir bei sämtlichen Teilen von der einfacheren 
zur komplizierten Konstruktion übergehen wollen, so 
müssen wir hier vorerst jene Bauart besprechen, die 
nicht als Boot zu bezeichnen ist, da sie im wesent- 
lichen in zwei nebeneinander nen Trägern aus 
Holz oder Stahlrohr besteht. iese könnte man 
»Rahmen für den Motor und die Sitze« 
»Rahmen« benennen. 
Bootszweidecker!) 


A. Der Rahmen. 


Rahmen sind gegen Mitte 1909 aufgekommen. 
1910 und 1911 hatten sie sich bei einer großen Zahl 
von Typen durchgesetzt, aber bereits im folgenden 
Jahre wurden sie wieder vom Boot zurückgedrängt. 

Die Gründe zur Verwendung waren Gewichts- 
ersparnis und »Verminderung des Luftwiderstandes«. 
Wie sich ja auch bei den Rumpfflugzeugen zeigte, 
trachteten auch deren Konstrukteure, den Rumpf 
schlank auszubilden, oder wenn dies nicht erfolgte, 
wurde der Rumpf unbespannt gelassen. Übrigens 
findet sich der freie Sitz beim Rahmen beim gabeligen 
Rumpf für Rumpfflugzeuge von Enders-Chilling- 
worth (1911). Zu beiden haben die gleichen 
Prinzipien, Reduktion des Luftwiderstandes, geführt. 

Seither haben sich die Ansichten in dieser Hin- 
sicht geändert. Man baut Rümpfe von großem Quer- 
schnitt, um den Motor und die Insassen etc. möglichst 
vollständig einschließen zu können, die nun dem Ab- 
streichen der Luft geringen Widerstand entgegensetzen. 
Demgemäß werden in neuerer Zeit auch in Gerüst- 
zweidecker keine freien Sitze mehr eingebaut, 
sondern die Sitze werden durch das Boot verdeckt. 

Wie bereits oben bemerkt, besteht der Rahmen 
aus zwei starken Längsträgern aus Holz oder Stahl- 
rohr, die miteinander verbunden sind. Bei einem 
H. Farman-Zweidecker, Beginn 1912, finden sich 
einzeln, in senkrechten Ebenen, verstrebte Längs- 
träger. Damit der Pilot, der bei zweisitzigen Apparaten 
immer den vorderen Platz einnimmt, die Füße 
nicht gestreckt halten muß, werden in einem Winkel 
zu den Trägern kurze Stücke angesetzt, die mit den 
Trägern verschraubt werden. Der Passagiersitz be- 
findet sich häufig nicht direkt hinter dem Führersitz, 
sondern ersterer liegt etwas höher, wodurch eine 
treppenförmige Anordnung entsteht. Der Fahrgast 
setzt sich auf diesen Sitz, der keine Lehne hat, mit 
den Beinen zu beiden Seiten des Körpers des Führers, 
eine recht unangenehme Stellung! Das ganze hatte 
mehr das Aussehen eines Provisoriums, war aber 
dennoch bei vielen Konstruktionen durch lange Zeit 
zu sehen. 

Die vollständig freie Lage der Sitze bei Ver- 
wendung des Rahmens erhöhte das Gefühl der Sicher- 
heit natürlich nicht, zumal die Insassen, ohne sich an 
einem festen Teil in der Nähe (sonst am Boot) an- 
halten zu können, immer Gefahr liefen, beim Sturze 
herausgeschleudert zu werden. Dies ist vielleicht 
weniger gefährlich, als das Verbleiben im Apparat, 
da der Motor die Fahrer unbedingt erdrücken muß, 
während beim Herausfallen oder direktem Heraus- 
springen, was auch häufig gemacht wurde, bei nicht 
zu großer Höhe die Wucht des Falles gemildert 
werden kann. Als anscheinend besseres Rettungs- 
mittel versuchten viele Piloten einen Klimmzug an 
den Mittelstreben der vorderen Zellenstielreihe. Da- 
durch konnte der Pilot vor einer direkten Berührung 
mit dem Erdboden bewahrt werden und ferner konnte 


oder kurz 
(Daher keine Bezeichnung 


ihm auch der Motor nichts anhaben. Kritisch wird 
die Lage, wenn der Sturz in zu steilem Winkel oder 
gar senkrecht erfolgt, oder wenn sich der Apparat 
nach dem Aufschlagen überschlägt. Die vorgenannte 
Methode kann auch dann nicht angewendet werden, 
wenn die Sitze sich weit vor der Zelle befinden 
(meist bei Apparaten mit Boot). 

An neueren Apparaten wurden die Sitze nämlich 
deshalb aus der Zelle hinausgerückt, um erstens dem 
eventuell mitzunehmenden Passagier eine bequemere 
Lage zu sichern und zweitens ihm, der ja häufig 
militärischer Beobachter war, nebst dem Führer freie 
Aussicht nach unten zu ermöglichen. 

Wollte man keinen besonderen Aufbau für den 
Motor verwenden, so lagerte man ihn direkt auf dem 
Rahmen, d. h. knapp über der unteren Tragfläche. Bei 
direktem Antrieb kann der Propellerzug (Propeller- 
achse) nicht durch den Widerstandsmittelpunkt gehen, 
wodurch also eine Hauptforderung für die Stabilität 
unerfüllt bleibt. Greift, wie in dem vorerwähnten Falle, 
der Zug unter dem Widerstandsmittel an, so tritt ein 
Aufbäumen des Apparates ein, d. h. der Anstellwinkel 
des Tragdecks wird größer. 

Nun verwenden bereits seit 1908 die Konstrukteure 
der Aeronautical Experiment Association 
(A. E. A.), deren bedeutendster Glenn H. Curtiß 
wurde, an ihren Zweideckern statt der horizontalen 
schräge Hauptträger am Rahmen, wobei sie gegen- 
über der gewöhnlichen Bauart drei Vorteile erreichten. 
Erstens wurde die Schraubenachse in die richtige Höhe 
gebracht, dadurch die Stabilität des Apparates besser, 
zweitens konnte man die besonderen Fußbretter weg- 
lassen, drittens dienen die schrägen Hölzer — als 
Teile des Fahrgestells — teilweise dazu, die Landungs- 
stöße aufzufangen. 

Von dieser Konstruktion wurde hauptsächlich in 
den Vereinigten Staaten selbst (Burgeß, Baldwin) 
Gebrauch gemacht. Ferner finden wir sie an einem 
Zweidecker von White Graham 1911. Hier, aber 
auch bei Burgeß, ist der schräge Rahmen nicht ein 
Teil des Fahrgestells. 

Cody hat an seinen Apparaten mit hinterem 
Antrieb verschiedene Bauarten verwendet. Als er 1910 
vom vorderen (Zweischrauben-) Antrieb abkam, ver- 
ließ er auch das Boot. Die Sitze verlegte er knapp 
über die horizontalen Träger für den Motor und 
zwischen die schrägen, zum Stoßrade des Fahrgestells 
laufenden Verstrebungen. 1913 ordnete er die Sitze 
auf diesen letzteren an und er verkleidete die Sitze 
einfach dadurch, indem er den Stoff über horizontale, 
auf die Streben etc. gelegte Brettchen befestigte. Auf 
diese Weise wurden drei treppenartig angeordnete 
Sitze verkleidet. Bei einem fünfsitzigen Apparat sind 
außerhalb dieses »Bootes« und an demselben beider- 
seits je ein Sitz befestigt (!). 

H. Farman, der Mitte 1909 von der Verwendung 
des Bootes wie überhaupt vom Voisin-Typ ab- 
gekommen ist, brachte im Herbste desselben Jahres 
einen Apparat heraus, bei dem nur der Körper des 
Führers durch eine ganz merkwürdige, rundliche Ver- 
kleidung verdeckt war. 


B. Das Boot. Form des Bootes. 


So wie beim Rumpf der Rumpfflugzeuge und 
beim Schwimmer der Wasserflugzeuge wird aus 
Gründen der Einfachheit die vierkantige Bauart bevor- 
zugt. Von vierkantigen Booten gibt es wieder solche 
mit quadratischem und rechteckigem Querschnitt. Mit 
Ausnahme des Vorderteils ist der Querschnitt auch 
hinten meist längs der ganzen Länge überall derselbe. 
Auch das Boot wird immer mit Stoff bezogen. 

Bei den ersten Gerüstzweideckern mit vier- 
kantigem Boot, wie die ersten erfolgreichen Apparate 
solche Bootsform aufwiesen. endet das Boot vorn 
in eine horizontale Kante. Außer dem Zweck, die 
Luft zu durchschneiden, hat sie auch die Aufgabe, 
die Lagerung für das Höhensteuer aufzunehmen. 
Während im Falle der horizontalen Kante der Führer 


die Füße wohl in einem gewissen Abstand neben- 
einander halten kann (und wegen des Seitensteuer- 
hebels halten muß), sie aber etwas aufziehen muß, 
ist es bei der im Jahre 1912 und 1913 gebräuchlich 
gewesenen Bauart, das Boot mit einer senkrechten 
Kante abzuschließen (Euler, Werner & Pfleiderer, 
Gotha M. Farman seit 1910) nötig, die Füße näher 
aneinander zu rücken. 

Besser ist es, das Boot vorn durch eine Fläche, 
die entweder im Vertikal- (französischer Wright- 
Zweidecker 1911, White Graham 1914) oder im 
Horizontalabschnitt (H. Farman seit Ende 1912, 
Schwade) eine Kurve zeigt. Besonders letztere Art 
wurde sehr gebräuchlich. 

Interessant ist die Bootsform der Otto-Ago-Zwei- 
decker. Das Boot ist ähnlich wie bei den Eindeckern 
von R. E. P., Clement-Bayard und Oertz 
ausgebildet. Der Hauptgrund für die Verwendung 
des fünfkantigen Querschnittes und des damit ver- 
bundenen Kieles ist der, die Insassen bei günstiger 
Form des Bootes und nicht zu großem Querschnitt 
möglichst vollständig einschließen zu können. Der 
Kiel soll bei einem eventuellen Antreffen des Bootes 
auf dem Boden den Anprall aufnehmen und den 
Apparat in seine normale Lage zurückbringen. Vorn 
endet das Boot in eine Spitze. Am stärksten ist es 
im vorderen Drittel und endet schon kurz hinter der 
Vorderkante des unteren Tragdecks, und zwar unter- 
halb desselben, so daß es den Motor nicht mehr ent- 
halten könnte. Dies ist auch gar nicht möglich, da 
der Motor in halber Höhe zwischen den Tragdecks steht. 

Von runden Booten gibt es solche, die im 
Querschnitt einen Kreis und solche, die eine Ellipse 
zeigen. Erstere verwendete durch lange Zeit Paulhan. 
Das Boot endet vorn in eine Spitze, hinten in eine 
runde Kappe und hat die Form eines Schuhes. Da 
dieses Boot aus Aluminiumblech besteht, kein inneres 
festes Gerüst besitzt und nicht auf der unteren 
Fläche aufruht, ist es in einem horizontal liegenden 
gebogenen, profilierten und am Umfang laufenden 
Träger eingehängt. | 

Elliptischen, fast kreisfömigen Querschnitt hat 
das Boot einiger Typen der Vickers- Zweidecker. 
Der Querschnitt ist genauer ein polygonaler, da es 
nicht wie bei Paulhan aus Metall, sondern aus 
mit Stoff überzogenen Holzleisten besteht. 

Der Vorderteil des Bootes ist bis knapp über 
den Sitz eingedeckt, was entweder durch ebene oder 
durch verschiedenartig gewölbte Flächen erfolgt. Auf 
den Hinterrand der Eindeckung wird seit neuerer 
Zeit vor den Sitz des Führers eine Glimmerplatte 
gesetzt. 

Von besonderen Bootsformen sind in der Folge 
einige angeführt. Außerordentlich breit ist das 
Boot der viersitzigen deutschen Wright-Militärzwei- 
decker 1913. Zwecks leichterer Verständigung und 
kürzerer Bauart sitzen der Pilot und ein Passagier 
nebeneinander, dahinter die zwei anderen Insassen. 
Vorne horizontale Kante. Der Nachteil, daß durch die 
breite Ausführung der Luftwiderstand, der beim 
Wright-Zweidecker ohnedies erheblich ist, vergrößert 
wird, wird durch Bequemlichkeit der Insassen und 
durch die leichtere Verständigungsmöglichkeit wett- 
gemacht. In neuerer Zeit werden viersitzige Boote, 
bei denen die Sitze ebenso angeordnet sind (Graham 
W hite) nicht so breit ausgeführt. 

Die deutschen Wright-Zweidecker 1913 hatten 
auch eine andere Bootsform. Das Boot hat einen 
flachen, horizontalen Boden. Vorn findet sich eine 
hohe Haube, die durch eine gewölbte Fläche ge- 
bildet wird. Hinten endet das Boot ähnlich wie bei 
älteren zweisitzige Automobilkarosserien. 

Euler hat in der Zeit von 1910 bis 1913 die 
vierkantigen Boote seiner Apparate vorn durch eine 
ebene, aber schräge Fläche begrenzt. Dies ist durch 
das Fahrgestell bedingt, dessen vordere und hintere 
Strebenpaare am Vorder-, bezw. Hinterende des Bootes 
angesetzt sind. Die Enden der beiden vordersten 


157 


Streben sind an allen vier Trägern des Bootes be- 
festigt, wodurch eine schräge Fläche entsteht, während 
die hintersten Streben nur bis zu den unteren Trägern 
reichen. 

Einige Typen von Landflugzeugen 1911 und 1912 
und Wasserflugzeugen 1912 und 1913 der Aviatik- 
und der Albatros-Werke haben Boote von folgender 
Form. Der Querschnitt ist vierkantig. Den Abschluß 
nach vorn bildet entweder eine schräge, nach hinten 
geneigte Fläche, die unten in eine Rundung übergeht, 
in welchem Falle die Seitenflächen des Bootes eben 
und zueinander parallei sind oder eine abgerundete, 
8 geneigte und in die Seitenwände übergehende 

läche. 

Das Boot eines zu ag. Des 1914 gebauten ge- 
panzerten und armierten Voisin-Zweideckers fällt 
durch seine bedeutende Lange auf. Vorn findet sich 
ein groBes Rechteck, das durch eine abgerundete 
Panzerplatte verdeckt ist. Hinter dem ersten Drittel 
der Lange verringert sich der Querschnitt nach beiden 
Richtungen und endet schließlich in eine schräge 
Kante. Das Boot enthält drei Sitze, einen einzelnen 
vorn, die beiden anderen dahinter und nebenein- 
ander. Auf diesen Apparat soll unten noch zurück- 
gekommen werden. 


Eine der merkwürdigsten Konstruktionen ist wohl 
jene des H. Farman-Zweideckers, Typ »Rapid«, ge- 
baut Herbst 1912. Das Boot ist dreiteilig. Der Quer- 
schnitt der zwei hinteren Teile zeigt ein großes 
Quadrat. Die ebenen Wände sind überall gleich hoch. 
Der vorderste Teil hat die Form eines Paraboloides. 
Vorder- und Mittelteil sind fest miteinander ver- 
bunden und reichen bis zur Vorderkante des Trag- 
decks, wo sie, und zwar an jener des unteren Trag- 
decks, in Scharnieren gelagert und oben noch ge- 
sichert sind. Das Ganze ist nämlich aus dem Grunde 
abnehmbar gemacht, da sich vorn ein zweiter Sitz 
3 Der hintere Sitz liegt vollständig innerhalb 
der Zelle. 


Blériot hat an seinem Zweidecker »Salon« 
1913 ebenfalls ein Boot mit rundem, aber nicht 
abnehmbarem Vorderteil verwendet. 


Ein H. Farman-Zweidecker des Jahres 1911 hatte 
ein ähnliches Boot, wie das des an zweiter Stelle 
erwähnten deutschen Wright-Zweideckers. Hier ist 
aber der Boden nicht auf der ganzen Länge eben, 
sondern vorn aufgezogen. 


Das Boot eines Mitte 1913 gebauten Ponnier- 
Zweideckers ist ähnlich wie der Rumpf der Nieuport- 
Eindecker geformt oder richtiger bespannt. Der 
Querschnitt ist quadratisch auch hinten, dort ist das 
Boot aber nicht auf dem ganzen Querschnitt be- 
spannt. 


C. Unbespannte Boote 


finden sich selten. Im Jahre 1908 bauten die Brüder 
Voisin einen Zweidecker, bei dem die Bespannung 
des Bootes fehlte. An Stelle der Bespannung an den 
Bootswänden waren dort die Kühlrohre eingesetzt. 

1910 brachte die gleiche Fabrik einen Apparat 
heraus, dessen Boot wegen der Einfachheit nicht 
verkleidet wurde. Hier war das Höhensteuer bereits 
nach hinten verlegt, weshalb die Konstrukteure auf 
den vorderen Ansatz mit der horizontalen Kante am 
Boot verzichten konnten. Daraus ergibt sich eine 
kleine Gewichtsersparnis. Da aber das vordere Stoßrad 
am Bootsvorderteil eine breite Verstrebung erforderte, 
wurde, um nicht eine — für den Luftwiderstand — 
ungünstige Form, die sich natürlich auch nur äußert, 
wenn das Boot bespannt ist, zu erhalten, die Be- 
spannung weggelassen. 

An einem von H. Farman für den Militärwett- 
bewerb von Reims 1911 genannten Apparat mit Boot 
war dasselbe ebenfalls nicht verkleidet. Um Gewicht 
zu sparen ist es sehr schlank und da dann ohnehin 
nicht viel verdeckt ist, ist die Bespannung für über- 
flüssig erachtet worden. 


158 


D. Lage des Bootes. 


- Bei weitaus den meisten Gerüstzweideckern ist 
das Boot einfach auf das untere Tragdeck gesetzt. 
Hier kann es nämlich am leichtesten befestigt werden. 
Der Schraubenzug kann aber dann meist nicht durch 
den Widerstandsmittelpunkt geführt werden. Bei 
direktem Antrieb ist dies entweder nur dann möglich, 
wenn der Motor nicht wie gewöhnlich auf die Fläche 
gesetzt, sondern in entsprechende Höhe gehoben ist, 
in welchem Falle ein eigener Lagerbock nötig ist, 
oder es muß das den Motor enthaltende Boot ge- 
hoben werden. In diesen Fällen kann man das 
abet niedriger bauen, was gewiß von Vorteil 
ist. Die panze Bauart ist aber nicht sehr gebräuchlich, 
da die Zellenstiele, zwischen denen das Boot ein- 
gehängt ist, entweder sehr stark gehalten sein müssen 
oder aber noch eigene Verstrebungen hinzukommen 
sollen. Dadurch ist der Vorteil des niedrigeren, daher 
leichten Fahrgestells illusorisch gemacht. Ist aber die 
Befestigung leicht ausgeführt, so kann dies ins- 
besondere bei der Landung schwere Folgen haben. 
Diese Anordnung ist von bekannteren Typen nur bei 
alam White (1913) und M. Farman (1914) zu 
inden. 

Auf dem letzten Pariser »Salon« (1913) hat 
H. Farman einen ganz eigenartigen Zweidecker 
ausgestellt. Das Boot ist bis zum oberen Tragdeck 


gerückt. Hier kann der Schraubenzug durch den 
Widerstandsmittelpunkt natürlich nicht gehen, viel- 
mehr greift ersterer oberhalb des letzteren an. 
Da aber das untere Tragdeck im Vergleiche zum 
oberen sehr geringes Ausmaß hat, so ist das Wider- 
standsmittel nicht zu tief, so daß auch der Abstand 
zwischen diesem Punkt und der Schraubenachse nicht 
übermäßig groß ist. Nun verursacht der unterhalb 
der Achse liegende Widerstandsmittelpunkt ein Ein- 
stellen des Apparates in einen kleineren Winkel, wo- 
durch in weiterer Folge die Geschwindigkeit erhöht 
wird. Da es sich hier um einen ausgesprochenen 
Rennapparat handelt, wie dies auch in der ganzen 
konstruktiven Durchbildung zu erkennen ist, so war 
dieser Umstand nicht unvorhergesehen. 

Was die tiefe Lage des Bootes betrifft, so ist 
auch diese nur bei einem Typ von Apparaten, und 
zwar bei den Otto-Ago-Zweideckern verwendet 
worden. Hier liegt das Boot fast vollständig unter 
dem unteren Tragdeck. Dann liegt der Schwerpunkt 
tiefer und weiter vor dem Druckmittel als bei anderen 
Gerüstzweideckern. Dadurch wird der Apparat von 
selbst vorderlastig. Da aber der Abstand der beiden 
Punkte nicht zu groß ist, so wird weder, wie sonst, 
wenn der Schwerpunkt tief unter dem Druckmittel- 
punkt liegt, die Stabilität beeinflußt, noch kann der 
Wind auf den Apparat besondere Wirkung haben. 


(Schluß folgt.) 


Italiens Luftflotte. 


Gleich in den ersten Tagen des Krieges hat Italien 
die Angriffe der österreichischen Luftflotte zu ver- 
spüren bekommen. Venedig ist durch einen Triestiner 
Marineflieger mit 14 Bomben belegt worden und 
in Chiavaralla haben andere österreichische Flieger 
die Ballonhalle und andere militärische Gebäude mit 
Bomben belegt. Das Luftschiff »Citta di Ferrara« 
ist fernerhin bei einem Angriff auf den Kreuzer »Zriny« von 
unseren Fliegern angegriffen und vernichtet worden. 

Italien war der erste Staat, der den Wert des 
Luftfahrzeuges im Kriege praktisch erprobt hat. Bei 
dem Feldzug in Tripolis im jahre 1912 benützten die 
Italiener sowohl Lenkballons als auch Flugzeuge, 
doch waren die Resultate, die man mit dieser neuesten 
Kriegswaffe erzielte, keine glänzenden zu nennen. 
Italien hat, abgesehen von einigen unwichtigen Kon- 
struktionen italienischer Ingenieure, sich beim Bezug 
von Flugzeugen hauptsächlich auf Deutschland und 
Frankreich gestützt. Von Deutschland übernahm 
man die vor drei Jahren schon ausgezeichnet durch- 
gearbeiteten Parseval-Ballons und Frankreich 
lieferte die Flugzeuge für das italienische Heer, und 
gab, als die Industrie in Italien ernsthaft mit dem Bau 
von Flugmaschinen begann, doch immer wieder neue 
Anregungen und Richtlinien für die Weiterentwicklung 
dieser Waffe. Wie fast das ganze Ausland, hat sich 
Italien der Einführung von Starrluftschiffen in das Heer 
gegenüber ablehnend verhalten. Die »Battaglione 
Specialisti del Genio« (Luftschiffertruppen), deren 


Kommando sich in Rom befindet, hielten die Ver- 
wendung von mittelgroßen unstarren Ballons für 
praktischer als die deutscher Starrluftschiffe. So wurden 
denn in den Jahren 1913 und 1914 in Deutschland 
zwei Parseval-Luftschiffe bestellt, die eine 
Größe von 10.000 m? Inhalt besaßen und die zunächst 
den Grundstock für die gegenwärtige Luftflotte Italiens 
bedeuteten. Nach dem Muster der Parseval-Luftschiffe 
entstanden »M 2« und -P 5«, die in Italien erbaut 
und mit italienischen Motoren ausgerüstet worden 
waren, nachdem die englischen Wolseley-Motoren, 
die das italienische Militärluftschiff »M 2« anfänglich 
besaß, sich als unzulänglich erwiesen hatten. Die 
italienische Marine besitzt zwei Luftschiffe von 
12.000 më Inhalt, die aus neuerer Zeit stammen und 
die bei 18 Fahrtstunden bisher Reichweiten von 
700 km bewiesen haben. Der effektive Bestand der 
italienischen Luftflotte ist auf 12 bis 15 kriegstüchtige 
Lenkluftschiffe zu beziffern. 

Die italienischen Flieger haben namentlich in den 
beiden letzten Jahren auf Grund der deutschen und 
der französischen Erfolge fleißig gearbeitet, so daß 
Italien heute mehr als 20 gut ausgebildete und an- 
gelegte Flugfelder besitzt. Die Flugzeuge selbst sind 
größtenteils französischen Ursprungs und die italieni- 
schen Eigenkonstruktionen haben sich streng an die 
Vorbilder vonFarman, Voisin und Deperdussin 
angelehnt. Direkte Lieferungen nach Italien erhielt in 
erster Reihe H. Farman und Blériot. 


Abwurfvorrichtung für Fliegerpfeile. 


Unter den neueren Offensivwaffen unserer Flieger 
erfreuen sich die in Frankreich erfundenen Flieger- 
pfeile einer stetig steigenden Verwendung auf seiten 
unserer verbündeten Flieger. Anfänglich zwar sträubten 
sich unsere Heeresverwaltungen, dieses barbarische 
Kampfmittel zu verwenden, doch als sowohl die 
Franzosen und Engländer sich nicht scheuten, es in 
immer umfangreicherem Maßstabe zu gebrauchen, da 
sagte man sich auch bei uns, daß die so lang beob- 
achtete Courtoisie und Rücksichtnahme angesichts 
so böswilliger Feinde sehr schlecht angebracht sei, 


und so entschloß man sich denn, den Kampf mit 
gleichen Waffen aufzunehmen. »Invention francaise, 
Fabrication allemande« kann man in die charakteristi- 
schen Stahlstifte eingeprägt lesen, die nun in großer 
Zahl auf beiden Seiten verwendet werden. Über ihr 
Aussehen, ihre Funktion, sowie über die Art ihrer 
Lancierung erzählte unser Mitarbeiter Paul Bellak 
in der jännernummer dieser Zeitschrift an Hand von 
Illustrationen alles Wissenswerte. Neuerdings wird 
nun seitens eines Vereinsmitgliedes, des Herrn 
Leopold Spira, der Vorschlag gemacht, die Flieger- 


Das Einwickeln der Fliegerpfeile. 


pfeile abweichend von der usuellen Art abzuschleudern, 
und die hier wiedergegebenen Aufnahmen verbildlichen 
diese Idee. 

Hienach werden die Pieile einzeln in einen etwa 
dezimeterbreiten Gurt, als Leinwand, Canevas o. dgl. der- 
art eingeschlagen, daß der Wicklungssinn zwischen 
je zwei benachbarten Pfeilen sich stetig umkehrt. 


15 bis 20 solcher Pfeile, oder auch mehr, bilden mit 


dem etwa meterlangen Gurte eine Rolle, die an dem 
offenen Ende einen ledernen Handgriff aufweist, mittels 
dessen sie gehalten wird. Das Abschleudern der Flieger- 
pfeile erfolgt nun durch Hinausschleudern der Rolle, 
die dabei in vertikaler Richtung gehalten wird, wobei der 
Beobachter den sich nun abrollenden Gurt in der Hand hält. 

Die Pfeile werden nun nach Maßgabe des Auf- 
rollens der Wicklung und nach Maßgabe ihrer gegen- 


159 


Abschleudern des Bündels. 


seitigen Entfernung nacheinander frei und fallen mit 
der Spitze nach unten im Sinne der ausgeführten 
Schleuderbewegung abwärts. Der genannte Erfinder 
nennt als besonderen Vorteil seiner Methode die 
Möglichkeit, größere Geländestriche mit Fliegerpfeilen 
zu belegen, was bisher bei der üblichen Art der Ab- 
lassung (Gleitrohr mit durch Pedal betätigter Öffnungs- 
klappe) nicht möglich war. Für die praktische Ver- 
wendung dieser einfachen Vorrichtung empfiehlt es 
sich, mehrere solcher vorher zurechtgewickelter Rollen 
mitzunehmen, um sie im geeigneten Momente ab- 
schleudern zu können. 

Der praktischen Erprobung wird es jedenfalls 
auch vorbehalten bleiben, ob dieser an und für sich 
recht einfache Gedanke für den gedachten Zweck 
auch verwendbar sein wird. 


Der See- und Luftkrieg im Nordseegebiet. 


Chronik, zusammengestellt von Wilhelm Krebs (Schnelsen). 


Durch die Phase der Unterseeboot-Blockade, in 
die der deutsche Seekrieg gegen die Westmächte seit 
18. Februar 1915 trat, ist der Kriegsschauplatz haupt- 
sächlich in den Ärmelkanal, in die Irische See und 
in den Ostteil des Nordatlantik verlegt. Dieser vor- 
läufige und teilweise Abschluß des Nordseekrieges 
läßt es an der Zeit erscheinen, eine kurze, sachliche 
Zusammenstellung seiner bisherigen Hauptereignisse 
zu veröffentlichen. 113 

14. 


Beim Minenlegen in der Themse- 
mündung wird der deutsche Dampfer 
»Königin Luise« in den Grund ge- 


August 6.: 


schossen. Der englische Kreuzer 
»Amphion« wird von einer Mine 
vernichtet. 


August 18.: Das deutsche Unterseeboot U 15«, 
seit seinem Angriff an der englischen 
Ostküste auf einen britischen Kreuzer, 
wahrscheinlich Birmingham, vermißt. 
Die deutschen Kreuzer »Stralsund« 
und »Straßburg« schießen an der 
englischen Ostküste ein britisches 
Unterseeboot in den Grund. 

: Seegefecht nordwestlich Helgoland. 
Die kleinen Kreuzer» Ariadne«,» Mainz« 
und »Köln« geraten im Nebel in den 
Feuerbereich britischer Schlacht- 
kreuzer und gehen verloren. 

Ein Zeppelin-Kreuzer bombardiert 
Antwerpen, besonders die Gas- 
zentrale, die niederbrennt, 


>» ca. 18.: 


September 12.: 


160 


September 


Oktober 


November 


13.: 


22.: 


28. 
3. 


D 


21.: 


24.: 


i 


: Der 


: Ein 


S. M. kleiner Kreuzer »Hela« von 
einem britischen Unterseeboot tor- 
pediert. 

»U 9«, unter Kapitänleutnant Wed- 
digen, torpediert 20 Seemeilen nord- 
westlich von Hoek van Holland die 
britischen Panzerkreuzer »Aboukir«, 
»Hogue« und »Cressy«. 
Bombardement gegen die Außen- 
befestigungen Antwerpens eröffnet. 
Angriff auf den inneren Fortgürtel 
Antwerpens. und Bombardement der 
Stadt selbst eröffnet. 
Das deutsche Torpedoboot »S 116«, 
auf Vorposten bei Helgoland, wird 
von einem britischen Unterseeboot 
torpediert. 


: Antwerpen völlig in deutschem Besitz, 
: Ostende wird von den Deutschen 


besetzt. 


: »U 12« bringt den britischen Kreuzer 


»Hawke«, 60 Seemeilen von Peter- 
head, zum Sinken. 


: Die deutschen Torpedoboote »S 115«, 


>S 117<, S 118«, »S 119« gehen nach- 
mittags vor der holländischen Küste 
im Kampfe mit dem britischen Kreuzer 
»Undaunted« und mit vier britischen 
Zerstörern unter. 


: Das britische Unterseeboot „E 3« 


wird nachmittags in der Deutschen 
Bucht vernichtet. 


: Die Kämpfe um die Yser-Linie fangen 


bei Nieuport an. 


: Der englische Dampfer »Glitra« wird, 


als erstes Handelsschiff, von einem 
Unterseeboot versenkt. 
Britische Kriegsschiffe beginnen den 
Widerstand der Alliierten bei Nieu- 
ort zu unterstützen. 

ie Flutschleusen an der Yser- 
Mündung werden entfernt, so daß 
mit den nachfolgenden Spring- und 
Sturmfluten (Hub bis 6 m) eine 
zunehmende Überschwemmung des 
Yser-Gebietes eintritt. 


: Ein deutsches Unterseeboot beteiligt 


sich an den Küstenkämpfen bei Nieu- 
port. 


: Leutnant Kaspar überfliegt auf 


einer »Taube« das Meer und bom- 
bardiert Dover. 


: Die Deutschen beginnen die bel- 


gische Nordseeküste mit schweren 
Geschützen zu bestücken. 

Erste Seelord der britischen 
Admiralitat, Prinz Ludwig von 
Battenberg, tritt zurück. 


: Admiral Lord Fisher wird zum Ersten 


Seelord ernannt. 


: Der britische Kreuzer »Hermes« wird 


vor Dünkirchen von einem deutschen 
Unterseeboot zum Sinken gebracht. 
Das britische Schlachtschiff »Vener- 
able<« kehrt schwer beschädigt nach 
England zurück, anscheinend von 
einem deutschen Unterseebot torpe- 
diert oder von einer Mine beschädigt. 
deutsches Kreuzergeschwader 
bombardiert Küstenwerke und einige 
kleinere Schiffe bei Yarmouth. 


: Das britische Unterseeboot »D 5. 


wird, anscheinend auf der Verfolgung, 
durch eine deutsche Mine in die Luft 
gesprengt. 


: Der deutsche Kreuzer »York« gerät 


auf die Minensperre in der Jade und 
fliegt in die Luft. 


November 7.: 


Dezember 2.: 


Jänner 1.: 


n 


19.: 


19.: 


24.: 


25.: 


11.: 


22: 
22.: 
23.: 


Der britische Minensucher »Mary« 
erliegt bei Lowestoft einer Minen- 
explosion. 

Uber Sheerness und Harwich zwei 
deutsche Flugzeuge. 


Das britische Torpedoboot »Niger« 


wird vor Dover von einem deutschen 
Unterseeboot torpediert. 

Das britische Torpedoboot »Druand« 
wird an der schottischen Küste durch 
eine Mine in die Luft gesprengt. 
Der deutsche Hilfskreuzer »Berlin« 
fahrt ungehindert in den Hafen von 
Drontheim ein, wird aber dort in- 


- terniert. 
: Das deutsche Unterseeboot »U 18< 


ist an der Nordkiiste Schottlands 
einem patrouillierenden britischen 
Kriegsschiffe zum Opfer gefallen. 
Das Bombardement der flandrischen 
Küste durch britische Kriegsschiffe 
nimmt seinen Anfang. 

Explosion des britischen Linien- 
schiffes »Bulwark« vor Sheerness. 
Erneutes Bombardement von Ostende 
und Zeebrügge durch britische Kriegs- 
schiffe. Sy 
Besonders heftige Erneuerung der 
Kanonade an der flandrischen Küste, 


: Die deutsche Hochseeflotte beschießt 


Hartlepool und andere bewaffnete 
Plätze der englischen Küste. 


: Vier deutsche Flugzeuge bombardieren 


Calais. 


: Ein englischer Flieger bombardiert 
24./25.: 


Ostende. 

Britische Flieger bombardieren Cux- 
haven und Langeoog, werden unter 
schweren Verlusten verjagt, trotz ver- 
suchter Unterstiitzung durch gleich- 
zeitig vorstoßende britische Kriegs- 
schiffe. Sechs britische Flugzeuge 
werden vernichtet, vier Kriegsschiffe 
beschädigt,” auch durch deutsche 
Marineluftschiffe. 


: Deutsche Flieger bombardieren Calais. 


Ein Albatros-Doppeldecker gelangt in 
der Themse-Miindung bis über Erith, 
10 km von London. 


: Deutsche Flieger bombardieren Dün- 


kirchen. 


1915. 
Ein deutsches Unterseeboot torpe- 
diert im Kanal das britische Linien- 
schiff »Formidable«. 


: Ein französisches Fliegergeschwader 


wird bei Zeebrügge durch das Feuer 
der Küstenwache verscheucht. 


: DeutscheFlieger, erst über derThemse- 


Mündung, bombardieren Dover und 
überfliegen auf dem Rückwege Dün- 
kirchen. 


Deutsche Flieger werfen 30 Bomben 


auf Dünkirchen. 


: Ein deutsches Unterseeboot wird im 


Hafen von Dover gesehen. 


: Deutsche Marineluftkreuzer bombar- 


dieren die englischen Befestigungen 
bei Yarmouth, Sherningham, Cromer 
und Kingslynn, einer überfliegt auch 
Sandringham. 

Eine britische Fliegerbombe fällt auf 
holländischen Boden. 

Zehn deutsche Flieger bombardieren 
Dünkirchen. 

Alliierte Flieger bombardieren Gent 
und Zeebrügge. 


Jänner 24.: 


Februar 5.: 
8.: 
9.: 


9 


” 


30.: 


12./13.: 


15.: 


16.: 


18.: 


21./22.: 


: Ein 


Dreistündiges Seegefecht nordwest- 
lich Helgoland zwischen vier deut- 
schen Panzerkreuzern und fünf briti- 
schen Schlachtkreuzern mit zahl- 
reichem Gefolge an leichten Kreuzern 
und Torpedobooten. Auf deutscher 
Seite sinkt derPanzerkreuzer»Blticher«, 
auf britischer Seite sollen ein Schlacht- 
kreuzer und zwei Zerstörer gesunken, 
zwei Schlachtkreuzer schwer be— 
schädigt sein. 


.: Die britische Flotte beginnt Middel- 


kerke und Westende-Bad zu bom- 
bardieren. 


: Bei Nieuport geht ein französischer 


Zerstörer unter. 

deutsches Fliegergeschwader 
bombardiert heftig die britischen 
Anlagen bei Dünkirchen. 


: Angriff der Alliierten bei Nieuport, 


wird von deutschen Marinetruppen 
zurückgeschlagen. 


: Das deutsche Unterseeboot »U 21« 


eröffnet den Unterseebootkrieg in der 
lrischen See durch Versenkung zweier 
britischen Handelsdampfer. 

Ein deutscher Flieger bombardiert, 
nach Kampf mit einem britischen 
Flieger, Dünkirchen. 

Erneuter Artilleriekampf an 
flandrischen Küste. 
Französische Flieger beteiligen sich 
am Bombardement Zeebrügges. 

Ein britisches Flugzeug wird über 
Brüssel von einer deutschen »Taube« 
abgeschossen. 


der 


: Britische Flieger bombardieren Ost- 


ende, einer wirft auch über Vlissingen 
nach dem Deutschen Dampfer »Main« 
eine Bombe ab. 
34 britische Flugzeuge fliegen von 
Dover nach Flandern, bombardieren 
Ostende, Blankenberghe und Middel- 
kerke. 
Schwerer Sturm über Flandern bringt 
zwei französische Flieger zum Absturz 
und zwingt zwei britische zur Not- 
landung bei Brügge. 
40 britische und 8 französische Flieger, 
die im Massenflug binnen 20 Minuten 
den Kanal überqueren, bombardieren 
nachmittags Ostende und Zeebrügge. 
Drei Wasserflugzeuge werden zum 
Absturz gebracht, eines von einem 
niederländischen Torpedoboot auf- 
efischt. 

ie von einer im Jänner von mir an- 
Ben Störung veranlaßten auf- 
rischenden südlichen Winde bringen 
den deutschen Luftkreuzern »L 4« 
und »L 3« an der jütischen Küste 
bei Blaarvandshuk und Fanö, unweit 
nördlich der deutschen Grenze, den 
Untergang. 
Die von der deutschen Admiralität 
angekündigte Unterseeboot-Blockade 
Englands tritt in Kraft. 


: Vor Dover entdeckt und bombardiert 


ein britischer Flieger ein deutsches 
Unterseeboot, wird aber durch Ge- 
wehrfeuer abgewiesen. 


: Ein deutsches Wasserflugzeug verirrt 


sich inı Schneesturm auf der Fahrt 
von Hamburg nach Sylt an die 
jütische Küste, wird nach Unter- 
suchung freigegeben. 

(Nachts.) Ein Zeppelin-Kreuzer bom- 
bardiert mit grobem Erfolg Calais. 


Februar 23.: 


: Zwei 


: Feindliche 
: Ein 


161 


Während britische Flugunterneh- 
mungen wegen des an der flandri- 
schen Küste herrschenden Nebels 
ruhen, fliegen vier deutsche Flug- 
zeuge nach der englischen Küste, 
bombardieren Cromer und andere 
bewaffnete Küstenplätze in Essex. 


: Zwei deutsche Flieger nach Schnee- 


sturm bei Scheveningen geborgen. 


: Ein Zeppelin-Kreuzer und mehrere 


deutsche Flieger bombardieren mit 
Erfolg Calais. 

deutsche Flieger 
über Sheerness. 


erscheinen 


: Deutsche Flieger bombardieren Nieu- 


port 


a Belgische Flieger bombardieren Ost- 


ende. 


: Ein französischer Munitionsdampfer 


vor Ostende in den Grund geschossen. 
Kursirrung nach Ostende statt Nieu- 
port. 


: U 8% wird abends bei Dover von 


einem britischen Zerstörer versenkt. 


: Ein Zeppelin-Schiff strandet abends 


bei Tirlemont an Bäumen. 


: Ein Zeppelin-Schiff erscheint über 


Calais. 


: 12« wird vom britischen Zerstörer 


»Ariel« in den Grund gerammt. 


: Ein Zeppelin-Schiff über Boulogne. 
: (Nachts.) Ein Zeppelin-Schiff wirft, 


22 Seemeilen von Spurnhead, Bomben 
nach dem britischen Dampfer »Lin- 
hope« 


pe«. 
: Deutsche Luftfahrzeuge bombardieren 


Calais. 


: Eine »Taube« verfolgt vor dem Tyne 


den britischen Dampfer »Blonde« mit 
Bomben und Fliegerpfeilen. 


: Alliierte Flieger bombardieren Ostende. 
Ein britischer Doppeldecker wird von 


einer deutschen » Taube: zur Landung 
bei Bergen op Zoom, auf neutralem 
Boden, gezwungen. 


: Ein britisches Flugzeug suchte die 


Unterseeboot-Werft zu Antwerpen zu 
bombardieren. 


: Deutsche Flieger bombardieren mit 


zerstörendem Erfolg die feindlichen 
Befestigungen auf Mont Cassel in 
Flandern. 

Flieger bombardieren 
Brügge, Christelles und Courtrai. 
eutsches Flugzeug verfolgt den 
Dampfer »Staffa« nahe der britischen 
Nordseeküste mit Bomben. 


: Britische Flieger über Zeebrügge. 
: Erneuter Geschützkampf bei 


Zee- 
briigge 


: Eine »Taube« bombardiert Havers- 
- kerke. 
: (Nachts.) Seeschlacht vor Bergen an 


der norwegischen Küste infolge von 
Mißverständnissen zwischen starken 
Geschwadern der britischen Flotte. 
Die Schlachtkreuzer »Warrior« und 
»Superb« werden versenkt, »Lyon« 
u. a. schwer beschädigt. 


.: In den Stürmen der Vortage strandete 


bei Lowestoft das britische Minen- 
schiff »Spider«. 


: Britische Flieger bombardieren Heyst 


und Knocke. 


: Französische Flieger bombardieren 


Brügge. 


: Deutsche Luftkreuzer bombardieren 


bewaffnete Plätze der Tyne-Mündung. 


: Vor Rotterdam wird der britische 
Dampfer »Serulat« von deutschen 
Wasserflugzeugen angegriffen. 

: Die deutschen Marineluftkreuzer über 
Newcastle vernichten den Neubau des 
britischen Schlachtschiffs »Resolution« 
durch drei Bombentreffer. 

: Ein deutsches Flugzeug bombardiert 
Calais. 

: Französische Flieger bombardieren 
Ostende. 

: Deutsche Luftkreuzer bombardieren 

Lowestoft und andere bewaffnete 

Plätze seiner Nachbarschaft. 

Ein deutscher Doppeldecker bom- 

bardiert Sittingbourn und Faversham 

an der Südseite der Themse-Mündung. 

: Das deutsche Flugzeug, das am 
15. Calais bombardierte, wirft über 
Greenwich bei London eine Bombe ab. 

: Ein englisches Unterseeboot wird in 
der deutschen Bucht versenkt. 

: Ein angeblicher Fliegerangriff auf 
den Hamburger Zentralbahnhof stellt 
sich als Scherz eines dänischen 
Setzers heraus. 

17.: Deutsche Flieger über Yorkshire. 

: Die Yser-Überschwemmungen (seit 
24. Oktober 1914) sind erheblich zu- 
rückgegangen. 

: Deutsche Flieger bombardieren zwei 
englische Fischdampfer bei Noord- 
hinder-Feuerschiff. 

: Die Zeeland-Linie (England-Nieder- 

lande) stellt den Passagierverkehr 

ein und beschränkt sich auf den 

Postverkehr. 

Der Yserkanal wird zwischen Dix- 

muiden und Ypern von deutschen 

Truppen überschritten. Brückenkopf 

auf dem linken Ufer bei Licerne 

befestigt. 

.: Ein englisches Unterseeboot wird in 
der Nordsee versenkt. (Wiederholun 
der Nachricht vom 17. April 1915? 

: Drei Tauben kreisen acht Stunden 
lang über Dünkirchen, um zu re- 
kognoszieren. 

: Das Bombardement Dünkirchens mit 
schwerstem deutschen Geschütz be- 
ginnt. Der Geschützdonner veranlaßt 
Erschütterungen an Baulichkeiten in 


Dover. 

: Ipswich, Whitton und Bury St. Ed- 
monds werden von Zeppelin-Schiffen 
und deutschem Flugzeug mit Brand- 
bomben beworfen. 

: Deutsche Flieger werden an der 
Küste von Suffolk gesichtet. 

.: Ein Zeppelin-Schiff soll über Norfolk 
gesehen worden sein. 

: Von der britischen Marine wird ein 
neuer Minengürtel in der südwest- 
lichen Nordsee ausgelegt. 

: Deutsche Flieger über Dünkirchen 
geben Lichtsignale. 


» 15./16.: 


„ 22./23.: 


Der englische Zerstörer »Recruit« 

wird bei Galloper-Feuerschiff von 

einem deutschen Unterseeboot ver- 
senkt. 

3 1.: Bei einem Vorpostengefecht nahe 
Noordhinder- Feuerschiff werden ein 
britischer Fischdampfer und zwei 
deutsche Torpedoboote in den Grund 
ebohrt. 
in deutsches Fluggeschwader über 
Dünkirchen. Eine Abteilung trennt 
sich und bombardiert Gravelines und 
Calais. 

; Zwei deutsche Flieger werden bei 
Noordhinder- Feuerschiff von einem 
niederländischen Lotsendampfer auf- 
gefischt. 

: Ein deutsches Unterseeboot hat vor 

Hull 9 englische Fischdampfer versenkt. 


Mai l: 


3 
N 


x 3.: Ein britisches Unterseeboot wird in 
der Nordsee durch Zeppelin-Bomben 
vernichtet. 

5 3.: Ein deutscher Flieger wird bei Dover 

esichtet. 

Š 5.: Eine deutsche Taube über Dünkirchen. 

5 6.: Wegen der Zeppelingefahr werden 


die Leuchtfeuer an der englischen 
Ostküste gelöscht. 

: Vor Zeebrügge fliegt der britische 
Zerstörer »Maori< in die Luft. 

: Zwei Zeppelin-Schiffe bombardieren 
Southend und Westoliffe an der 
Themsemündung. 

: Ein Zeppelin-Schiff wird abends an 
der Tynemündung gesichtet. 

: Der britische Hilfskreuzer »Prinzess 
Irene« fliegt in Port-Viktoria bei 
Sheerness in die Luft. 


: Deutsche Flieger bombardieren Dün- 
kirchen und Gravelines. 

: Ein britischer Flieger über Brügge. 

„ 30.: Bei Ostende wird ein feindlicher 

Flieger von deutschen Küsten- 

batterien abgeschossen. 

ls Flieger bombardieren Ost- 

ende. i 


Deutsche Marineluftschiffe bombar- 
dieren die Londoner Docks mit 
schweren Brandfolgen. 

: Ein französisches Flugzeug mußte 
wegen Motordefekt bei Cadzand in 
Holland niedergehen. Die Offiziers- 
besatzung, zwei Engländer, wird in- 
terniert. 

: Der deutsche Unterseebootkrieg wird 
nach Norden bis zu den Shetland- 
Inseln ausgedehnt. 

: Deutsche Marineluftschiffe bombar- 
dieren bei Harwich den Hafen und den 
Bahnhof. 

= 5.: DeutscheFlieger bombardieren Calais. 

„  6./7.: Deutsche Marineluftschiffe bombar- 

dieren die Docks von Grimsby und 

den Humberhafen Kingston mit 
schweren Brandfolgen. 


Mai/Juni 31./1.: 


Juni J.: 


Über die Reichweite des Geschiitzdonners. 


Die Detonationen der Geschütze an der Grenze 
von Lothringen und vor Toul, St. Mihiel und Verdun 
werden in der Rheinpfalz seit einem halben Jahre mit 
verschwindenden Ausnahmen täglich gehört. An der 
pfälzisch-lothringischen Grenze sind diese Gehörs- 
wahrnehmungen natürlich deutlicher, in größeren Ent- 
fernungen matter; es gibt selbstverständlich genug 
tote Winkel, in denen gar nichts gehört wird, obwohl 


sie ziemlich nahe am Schauplatze der BeschicBuny 
liegen, und dicht dabei befinden sich oft Gegenden, 
in welchen der Schall zweifelfrei festgestellt ist. 
Gegenüber den im Hefte 3/4 (S. 51) von Herrn 
W. Krebs besprochenen Erscheinungen nun ist es 
jedenfalls von weiterem Interesse, nachzuweisen, daß 
die Kraft der genannten Schallverbreitung so groß 
ist, daß sie ohne den Umweg über eine Reflexions- 


schicht auf dem kürzesten Wege zum Ohre des ent- 
fernten Hörers gelangt. Man hat in der Pfalz anfangs 
gezaudert, eine so bedeutende Reichweite anzu- 
nehmen, weil man die Vorhöhen des lothringischen 
Landes als Schallfänger oder -wände ansah. Das ist 
aber ganz und gar hinfällig, weil das Relief jener Er- 
hebungen kaum wenige Promille (!) der Reichweite 
ausmacht, also gegenüber den in Schwingung ver- 
setzten Luftmassen verschwindet. 

Eine immer noch hypothetische Reflexion an 
einer imaginären Schichtengrenze der Atmosphäre 
wäre vielleicht vertrauenswürdiger, wenn die äußere 
Umhüllung nicht gerade der spezifisch leichte Wasser- 
stoff wäre. Wer diese Annahme als maßlos empfindet, 
hat wenigstens ein gesundes Gefühl für sich. Es ist 
ja aber gar nicht nötig, bis in Höhen von 100 
und mehr Kilometer hinauf zu hoffen. Die Cirro- 
stratus schichten stehen von jenen bis in geringere 
Höhen herab fast immer zur Verfügung und bilden 
wenigstens richtige, materielle Wände, geeignet zur 
Zurückwerfung starker Schälle. Zum mindesten ist 
unter der Annahme niedrigerer Reflexionsebenen dem 
Gedanken vorgebeugt, daß die flächenhafte Aus- 
breitung auch der stärksten akustischen Erschütterungen 
(in Kugelschalen) doch wohl auf weite Entfernungen 
und in große Höhen hinauf zu einer solchen »Ver- 
diinnung« und Verflachung der Schallwellen führen 
müsse, daß sie schon aus diesem Gesichtspunkte 
kaum mehr hörbar herabgelenkt werden dürften. Es 
möchte darum empfehlenswerter sein, an die Stelle 
der Höchstgrenze von Sauerstoff und Stickstoff in der 
Atmosphäre — als der reellen, in Wahrheit aber doch 
ganz bildlichen Grenzschichte — eine immer vor- 
handene, wenn auch oft noch unsichtbare Cirrus- 


163 


schichte anzunehmen, für die man Höhen zwischen 
10 und 100 km erfahrungsgemäß zur Verfügung hat. 
Es ist beglaubigte Tatsache, daß durch die ganze 
Rheinpfalz hindurch bis an ihre Nordspitze hin das 
Donnern der Kanonen von Verdun, besonders der 
Motorbatterien, ohne Unterbrechung durch einen toten 
Raum, gehört wird. Man unterscheidet sogar den 
Einzelschuß von den Salven und weiß es immer um 
einen Tag voraus, wenn die amtlichen Berichte von 
besonderen Ereignissen berichten: Man hört das un- 
mittelbar an dem hitzigen Artilleriekampfe ab. Eben- 
so wurden im Hunsrück die heißen Schlachttage be- 
sonders deutlich herausgehört. Vom Königsstuhl- 
Observatorium bei Heidelberg teilte Herr Prof. Wolf 
mit, daß an stillen Tagen der Donner bis dahin 
genen! werde und die Entfernung beträgt fast genau 
km (am Wohnorte des Schreibers 120 bis 150 km)! 
Dagegen hört man laut dankenswerter Mitteilung vom 
Taunus-Observatorium auf dem Feldberge bestimmt 
nichts (230 bis 250 km), so daß wohl die wirkliche 
Reichweite der Detonationen 12zölliger Geschütze 
damit, soweit horizontale Ausbreitung in Frage kommt, 
ziemlich sicher oder in engen Grenzen festgestellt ist. 
Ob die rätselhaften »Mistpoeffer« (»Nebelschüsse«) 
überhaupt unter dem Gesichtspunkte terrestrischer, 
gar artilleristischer Erscheinungen betrachtet werden 
sollen, ist noch sehr die Frage. Wenigstens ist 
noch kein einziges Mal festgestellt worden, 
ob und von woher Kanonenschüsse jene mystischen, 
dumpfen »Puffer« verursacht haben könnten. Da man 
aber weiß, daß besondere atmosphärische Zustände 
zu ihrer Wahrnehmung Vorbedingung sind, so wird 
hier nuch ein fruchtbares Feld für die Forschung zu 
beackern bleiben. Ph. Fauth. 


Ammoniak als Füllgas für Luftschiffe.“ 


Von Dr.-Ing. A. San der, Darmstadt. 


In einer Mitteilung in der »Deutschen Luftfahrer- 
Zeitschrift- 1915, Heft 5/6, ist vor kurzem auf die 
Möglichkeit hingewiesen worden, an Stelle des brenn- 
baren Wasserstoffs Ammoniakgas zur Füllung von 
Luftballonen und Lenkluftschiffen zu verwenden. Die 
Auffindung eines nicht brennbaren Ballongases mit 
großem Auftrieb wäre zweifellos von hoher Bedeutung 
für die weitere Entwicklung der Luftschiffahrt. Die 
Betriebssicherheit der mit Gas gefüllten Luftfahrzeuge 
würde hiedurch außerordentlich gesteigert werden, 
und ebenso würde die Verwendbarkeit der Luftschiffe 
im Kriege sowohl zu Erkundungszwecken wie als 
Angriffswatfe noch wesentlich größer werden. Denn 
es bestünde, wenn wir ein nichtbrennbares Ballongas 
besäßen, nicht mehr die Gefahr, daß die Gasfüllung 
des Luftschiffes durch feindliche Geschosse in Brand 
gesteckt und das Luftschiff auf diese Weise zum 
Absturz gebracht werden könnte. 

Schon aus diesem Grunde verdient die Frage 
des Wasserstoffersatzes durch Ammoniakgas eine 
nähere Prüfung. Es werden aber in der oben er- 
wähnten Notiz noch weitere Vorzüge des Ammoniaks 
angeführt, nämlich, daß es leicht und schnell von 
Wasser absorbiert wird, daß es in Stahlflaschen in 
verflüssigtem Zustand bequem an Bord des Luft- 
schiffes mitgeführt werden kann und daß es billiger 
als Wasserstoff sei. Auf Grund dieser günstigen 
Eigenschaften bestehe die Möglichkeit, mit sehr 
wenig Ballast auszukommen, da man einen Teil des 
Ammoniaks, wenn der Auftrieb vermindert werden 
soll, in Wasser absorbieren könne, und da man das 
Gas durch Erhitzen dieser wässerigen Lösung leicht 
wieder frei machen könne, wenn der Ballon höher 
steigen soll. Mit Hilfe einiger an Bord mitgeführter 
Stahlflaschen sollte ferner im Falle eines größeren 
Gasverlustes eine Nachfüllung des Ballons mit 


*) Chemiker-Zeitung, Berlin. 


Ammoniak sogar während der Fahrt möglich sein. 
Als Nachteile des Ammoniaks werden nur seine zer- 
störende Einwirkung auf den gummierten Ballonstoff 
sowie sein geringerer Auftrieb gegenüber Wasserstoff 
genannt. Der schädliche Einflu des Ammoniaks auf 
die Ballonhülle sollte durch einen Überzug von 
Emaillit (Azetylzellulose) beseitigt werden. 

Ehe wir uns mit der Frage beschäftigen, ob diese 
Angaben zutreffen oder nicht, sei festgestellt, daß der 
Vorschlag, Ammoniak als Ballonfüllgas zu verwenden, 
durchaus nicht neu ist. Denn schon zu Beginn der 
Achtzigerjahre des vorigen Jahrhunderts, zu einer 
Zeit also, wo die Beschaffung von Wasserstoff in 
größeren Mengen noch außerordentliche Schwierig- 
keiten bereitete, wurde dieses Thema lebhaft erörtert, 
und man darf als sicher annehmen, daß auch Versuche 
mit Ammoniak damals angestellt wurden. So schreibt 
E. Meißel in einem im Jahre 1866 bereits ab- 
gefaßten, aber erst 1882 veröffentlichten Aufsatz ) 
»Über die Verwendung eines großen Luftschiffes zu 
geographischenEntdeckungsreisen«, daß neben Wasser- 
stoff, dessen Benützung zu längeren Luftreisen 
wegen seiner beträchtlichen Herstellungskosten, seiner 
schwierigen Nachfüllung und seines starken Diffusions- 
vermögens nicht zu empfehlen sei, noch Leuchtgas 
und Ammoniak in Frage kommen. Dann heißt es 
wörtlich: »Die Eigenschaft des Ammoniakgases, unter 
8 Atmosphären Druck flüssig zu sein, wobei es nur 
den 800. Teil seines Gasraumes einnimmt, macht es 
zu einem in starken eisernen Gefäßen mitzuführenden 
kostbaren Ballast, aus dem jederzeit ein Teil der 
Gasfüllung ersetzt werden kann.« MeiBels Vorschlag 
ging dahin, in einen mit Leuchtgas gefüllten Ballon 
ein kleines Ballonett einzubauen, das durch eine 
Schlauchleitung mit mehreren an der Ballongondel 


+) Zeitschrift des Deutschen Vereines zur Förderung der 
Luftschiffahrt 1882, Band 1, Seite 10. 


164 


befestigten Ammoniakflaschen verbunden und nach 
Bedarf mit Ammoniak gefüllt werden sollte. 

Zu der gleichen Frage äußerte sich zwei Jahre 
darauf Th. Ziem.*) Er sagt: »Man kann das er- 
forderliche Ammoniak entweder als verflüssigtes 
Ammoniak oder als übersättigte wässerige Lösung 
mitführen. Der Ballon wird durch Absorption 
des Gases in Wasser entleert.« Schließlich sei hier 
noch eine Abhandlung von P. Jeserich**) erwähnt 
»Über Anwendung der modernen Chemie für aero- 
nautische Zwecke«. Hier werden die verschiedenen, 
zumeist aus Luftschifferkreisen stammenden Vorschläge 
zum erstenmal vom chemischen Standpunkt aus 
erörtert, und es wird auf die technischen Schwierig- 
keiten hingewiesen, die sich der Verwendung des 
Ammoniaks entgegenstellen. Jeserich betonte 
bereits, daß die vermeintlichen Vorzüge des Ammoniaks, 
namentlich seine große Begier, Wasser anzuziehen, 
sich in der Praxis recht unangenehm bemerkbar 
machen würden. 

Diese Bedenken gelten ebenso wie damals, als 
die Wasserstoffgewinnung noch in ihren ersten An- 
fängen stand, auch heute noch. Ja, man kann sagen, 
daß unter den heutigen Verhältnissen das Ammoniak 
noch weniger Aussicht hat als damals, den Wasserstoff 
zu ersetzen. Man braucht nur das spezifische Gewicht 
der beiden Gase miteinander zu vergleichen, um zu 
erkennen, daß der Auftrieb des Ammoniaks für Motor- 
luftschiffe viel zu gering ist, denn er beträgt nicht 
einmal die Hälfte des Auftriebs von Wasserstoff (vgl. 
Tabelle). 


Spezifisches Gewicht Auftrieb 
Gewicht 1 kg pro i ms 1 kg pro 1m: 
Luft ..... 1:00 1°29 = 
Wasserstoff 0'07 0:09 1:20 
Ammoniak 0:59 0'77 0°52 


Ein Luftschiff mit Ammoniakfüllung müßte somit 
mehr als doppelt so groß sein als ein mit Wasserstoff 
gefülltes Luftschiff, um denselben Auftrieb und die 
gleiche Leistungsfähigkeit zu besitzen. Für Lenk- 


} Ebenda, Band 3, Seite 234. 
**) Ebenda, Band 2, Seite 322. 


——— EES “SI ap Jr 


luftschiffe ist das leichteste Gas unter allen Um- 
ständen auch das geeignetste. 

Das Ammoniak käme also allenfalls für Freiballone 
in Betracht, da sein Auftrieb von dem des Leuchtgases 
nicht allzuviel verschieden ist. Hier würde aber sein 
erstickender Geruch von den Insassen der Ballongondel 
höchst unangenehm empfunden werden, ferner würde 
infolge der überaus großen Löslichkeit des Ammoniaks 
in Wasser der Ballon beim Durchfahren feuchter Luft- 
schichten, namentlich aber bei Regen oder Schnee, 
stark an Auftrieb verlieren. Ein Lacküberzug wird die 
zerstörende Einwirkung des Ammoniaks auf die Ballon- 
hülle für einige Zeit zwar verhindern, die Lebensdauer 
der Ballonhülle wird aber jedenfalls erheblich kürzer 
sein als bei Füllung des Ballons init Wasserstoff oder 
Leuchtgas. Was ferner die angebliche Ungefährlichkeit 
des Ammoniaks betrifft, so ist hiezu zu bemerken, daß 
die weitverbreitete Annahme, Gemische von Ammoniak 
mit Luft seien nicht explosiv, durchaus irrig ist. Erst 
im vorigen jahre hat sich durch das Ausströmen von 
Ammoniakdämpfen aus einer defekt gewordenen Kälte- 
maschine eine schwere Explosion ereignet, und es ist 
im Anschluß an diesen Vorfall durch Versuche von 
Schlumberger und Piotrowski“) einwandfrei 
festgestellt worden, daß Gemische von Ammoniak und 
Luft in bestimmten Grenzen (unter den gewählten Ver- 
suchsbedingungen betrug das Explosionsbereich 16°5 
bis 26°8 Vol.-Proz.) explosibel sind. 


Schließlich ist noch zu berücksichtigen, daß 
Ammoniak heute etwa zehnmal teurer ist als Wasser- 
stoff. Denn 1kg Ammoniak und 1kg Wasserstoff 
kosten beide nahezu Mk. 1. Dem Volumen nach ist 
jedoch 1 kg Ammoniak nur 1°3 ms, 1 kg Wasserstoff 
dagegen 11 m3. Noch erheblich größer wird aber diese 
Preisdifferenz, wenn man die für gleichen Auftrieb 
erforderlichen Gasmengen berechnet, denn in diesem 
Falle stellt sich Ammoniak etwa 23 mal teurer als 
Wasserstoff. Es ergibt sich also, daß das Ammoniak 
nicht die geringste Aussicht hat, den Wasserstoff als 
Ballongas zu ersetzen. 


*) Journ. Gasbeleucht. 1914, S. 941. 


Glacialkosmogonische Beitrage zur Erdbebenforschung. 
Die gebirgsbildenden Kräfte der geologischen Vergangenheit und — Zukunft. 
Von H. Hörbiger. 


»Darum wird ihnen der Himmel kräftige Irrtümer senden, daß sie glauben 
der Lüge und verkennen die eisigen Wasser all', die oben am astro- 


nomischen Himmel sind.« 


IV. (Fortsetzung.) 


Bis auf die später noch nutzbringender auszu- 
beutende Bedeutung einer »Verschleppung des 
stationären Stadiums« erscheint in den vor- 
stehenden Absätzen die inhaltsreiche Fig. 9 für den 
entgegenkommenden und diagrammgewohnten Leser 
wohl schon ganz bequem durchschaubar und glaub- 
haft gemacht. Die geehrten (in technischen Dar- 
stellungen dynamischer Vorgänge weniger erfahrenen) 
astronomischen und geologischen Herren Skeptiker 
aber seien an dieser Stelle herzlichst gebeten, uns 
erst dann weiter folgen zu wollen, bis diese Fig. 9 
auch zu ihnen eine laute und überzeugend glaub- 
würdige Sprache zu sprechen beginnt. Dazu gehört 
nun allerdings in erster Linie, daß sie sich von den 
gottgesandten Irrtümern einer Jacobi-, Poincare-, 
G. H. Darwinschen Birnenform glutflüssiger 
Rotationskörper — kurz, von der Laplace-Lyell- 
schen Vorstellung einer Erdenkindschaft, bezw. 
Sonnenenkelschaft unseres heutigen Erdmondes end- 
gültig lossagen und das Eingefangensein desselben 
durch die Erde als eine durch die bereits abgehandelte 
»Proselenen«-Überlieferung, die Huythacaflutsage, 
die Atlantisuntergangs-Berichte, die submarinen Strom- 
betten tropischer Flüsse, die alten hochliegenden 
nordischen Strandlinien u. a. m. vorläufig hinreichend 


Frei nach II. Thessal. 2;11 u. Ps. 148 4. 


glaubhaft gemachte Tatsache hinnehmen. Diese ge- 
ehrten Skeptiker dürfen ja auch versichert sein, daß 
im künftigen Weltfrieden sie selbst noch einmal 
bemüht sein werden, durch eine psychiatrisch gelehrte 
Kommission feststellen zu lassen, auf welche Weise 
es den vorgenannten paar Franzosen und Engländern 
im Vereine mit dem später hinzukommenden Italiener 
Schiaparelli gelingen konnte, mit ihrer mathema- 
tisch reich armierten Suada das jüngst abgelaufene 
ER astronomischer Aufklärung derart in die 
rre zu führen, daß ihnen heute die ehemalige Planeten- 
natur des Erdmondes samt dem zweifachen kosmischen 
Eiszufluß zur Erde eine derartige Abneigung einflößt, 
wie wir sie schon so vielfach erfahren mußten. 


Wenn wir hier der genannten transvogesischen 
und translamancheschen Pseudogelehrtengruppe nach 
den heurigen Pfingstsonntagserfahrungen auch noch 
den (auf Mars allerdings ewig verdienstlichen) 
Mailänder Entdecker angliedern, so geschieht es aus 
dem engscheidenden Grunde, weil Schiaparelli mit 
seinem Entwurf einerastronomischen Theo- 
rie der Sternschnuppen« das astronomische 
Blendwerk seiner vorgenannten transalpinen Ver- 
bündeten erst vollends »kräftig« ausgestaltet hatte. 
Nachdem wir die lokalen und katastrophalen 
meteorologischen Vorgänge auf das Einschießen von 


Eissternschnuppen in unsere Atmosphäre zurückführen, 
Schiaparelli aber (und mit ihm die ganze durch 
ihn verführte heutige astronomische Welt) in allen 
Siernschnuppen ausnahmslos in Reibungsglut selbst- 
leuchtende mineralische Kleinkörper (gleich 
den Meteoren) sieht, so werden wir uns später mit 
dieser »astronomischen Theorie der Stern- 
schnuppen« notwendig noch eingehender zu befassen 
haben, bis wir durch Abhandlung der Gebirgsbildung 
vorerst die geologische Notwendigkeit eines kos- 
mischen Eiszuflusses zur Erde hinter uns gebracht 
haben werden. »Die streng mathematisch und 
klar durchgeführte Begründung einer astro- 
nomischen Theorie der Sternschnuppen« ist 
bekanntlich hervorgegangen aus dem berühmten »Brief- 
wechsel- Schiaparellis mit dem römischen Jesuiten- 
ater und Sonnenforscher Secchi: »Note e 
iflessioni sulla teoria astronomica delle 
Stelle cadenti«, mit welchem die wissenschaftliche 
Welt 1867 »überrascht« wurde. Wie heiter ist es 
für unsere Freunde doch, nach Pfingsten 1915 in einem 
solchen Buche zu blättern, darinnen ein italieni- 
scher Sternschnuppentheoretiker einen italieni- 
schen Sonnenfleckenbeobachter Vorträge über die 
Stelle cadenti hält, ohne daß einer von beiden 
weiß, daß diese Sternschnuppen aus Eis bestehen 
und, wenn in die Sonne stürzend, dorten die Sonnen- 
flecken, Sonnenfackeln, Sonnenprotuberanzen und 
Koronastrahlen erzeugen ! Natürlich wissen wir ganz 
gorau, daß unser Rufen nicht so sehr im Getöse des 
eltkrieges als vielmehr im Rauschen der gegen- 
seitigen internationalen Lobpreisungen der mittel- 
europäisch-barbarischen Gelehrtenwelt ungehört ver- 
hallt — oder, wenn es hoch geht, dabei ein Heiterkeits- 
erfolg herauskommt; im letzteren Falle werden aber 
erst spätere Astronomengeschlechter zu entscheiden 
haben, welcher Seite da die Rolle der unfrei- 
willigen Komik zugeteilt war. 

Hier reicht der vorserajevoisch üblich gewesene, 
international-akademisch-süßliche Gelehrtenjargon 
nicht mehr hin, um den einschlägigen mitteleuropä- 
ischen »Fachleuten« die so gänzliche Unangebrachtheit 
ihrer international-pietätvollen Gelehrten-Loyalität zum 
richtigen Bewußtsein zu bringen. — Hier kann nur 
mehr die rücksichtsloseste Vortragung des Weltkrieges 
auch auf wissenschaftliches Gebiet und eine jahr- 
zehntelange vollständige Vernationalisierung 
der kosmo- und geogonischen Wissenschaft Wandel 
schaffen. Man beschuldige uns da nicht etwa der 
pietätlosen Donquichotterie wehrlosen Toten 
gegenüber, sondern wer sich zum Sekundanten dieser 
toten Gelehrtenverführer berufen fühlt, der gebe uns in 
diesen oder beliebig anderen Spalten die willkommene 
Gelegenheit, zu ihren sachlichen Widerlegungen unserer 
vorläufigen en bloc- Anschuldigungen in ebenso sach- 
licher Weise Stellung zu nehmen. Allerdings, was die 
»Astronomische Sternschnuppentheorie« 
Schiaparellis anbelangt, wollen die erbetenen 
gegnerischen Sekundanten noch unsere späteren dies- 
bezüglichen astronomisch-meteorologischen Detail- 
ausführungen abwarten, oder die Seiten 684 bis 738 
und die Kapitel XI, XIII und XXII bis XXIV unseres 
Hauptwerkes*) dreimal kritisch durchnehmen, wozu 
wir ja auch schon in unserem vorpfingstlichen Rededuell 
(Märzheft) mit Herrn Dr. W. F. alle Sternschnuppen- 
theoretiker eingeladen haben wollten. 

Nach diesen zeiterzwungenen Kriegsabschweifungen 
wollen wir uns nun wieder sachlicher zu fassen 
suchen, und zwar zunächst vielleicht an der Er- 
holungsfigur 8, die ja eine vorausgeschickte Ergänzung 
zur bereits abgehandelten Fig. 9 bilden sollte. Unter 
Zuhilfenahme des im früheren zu Fig. 3 bis 7 Gesagten 
sind uns diese zeitlich sehr verschieden weit ausein- 
ander liegenden Erdstadien der nächsten 
geologischen Zukunft zum Teil ja wohl schon 


— 


) Phil. Fauth: »Hörbigers Glacialkosmogonie, eine neue 
Weltbildungslehre.« 1913. 


165 


verständlich geworden. Um nun die Sache auch .zeit- 
lich besser überblicken zu können, denke man sich 
zunächst auch in den Stadien A und A“ im Abstande 
von 30, bezw. 17:7 Erdradien die bereits außerhalb 
Papierformat fallenden (den Mond versinnlichenden) 
schwarzen Scheibchen gezeichnet und dann die ver- 
schiedenen Erdstadienbildchen mit Ausnahme von 
B! C D’ so weit auseinander geschoben, bis diese 
Scheibchen in eine beiläufig gerade Linie zu 
liegen kommen, deren nach rechts hin sanft anstei- 
gende Richtung eben durch die drei Mondscheibchen 
CD bereits gegeben erscheint. Dann stehen diese 
Erdstadienbildchen im relativ richtigen gegenseitigen 
Zeitabstande und ist die so markierte, nach rechts hin 
ansteigende Mondbildchenlinie als eine »Erzeugende« 
des später noch instruktiver zu verwertenden >M on d- 
bahnkegels« anzusehen. Diese künstliche Hilfs- 
raumvorstellung von Planeten- und Mondbahnkegeln 
ist zum leichteren Verständnis der jüngeren und 
nächstkünftigen Sonnensystem-Entwicklungsgeschichte 
derart unumgänglich nötig, daß wir diese Vorstellung 
schon jetzt flüchtig zu erwecken suchen müssen. 
Übrigens erscheinen die zwischen den einzelnen Erd- 
bildchen einzuschaltenden Zwischenzeiten auch noch 
in der 6. Unterzeile der Fig. 8 als »Beispiels- 
weise relative Zwischenzeiten« ange- 
deutet. Ist nämlich der gegenseitige Mittelabstand der 
Stadien B’ C D’ je eine geologische Zeiteinheit, so 
rückt Stadium B ca. 7, A‘ ca. 80 und A ca. 100 solche 
Zeiteinheiten nach links von seinem jeweilig rechten, 
und D ca. 7, E' ca. 25 und E ca. 6 Zeiteinheiten nach 
rechts von seinem jeweilig linken Nachbar ab. Ein 
weiterer Vergleich dieser Einzelbilder mit den zeit- 
maßstäblich eingeordneten gleichnamigen Stadien- 
punkten der Fig. 9/IV und V wird nötigenfalls diese 
richtige zeitliche Auseinanderhaltung der gezeichneten 
Erdstadien A A“ BB! CD- DE'E noch erleichtern. 

Die Umlaufszeiten (Flutrevolutionszeiten) in Tagen 
(d) und Tagesbruchteilen (h) in der nächsten Legenden- 
zeile der Fig. 8 geben uns die Zahl der Flutberg- 
Breitenoszillationen pro einer solchen 
Flutberg revolution um den ganzen Tropengürtel 
herum an. Hier ist aber an das zu den Stadien 
B. B“ C D” D' der Fig. 9/IV Gesagte zu erinnern: 
Die höchsten Oszillations zahlen pro Flutrevolu- 
tion drängen sich erst in zeitlich unmittelbarer Nähe 
des stationären Stadiums C, also weit innerhalb der 
Stadien B' und D' zusammen. Viele Hunderte und 
Tausende von Breitenoszillationen pro Revolution, 
ja 500, 700, 1200, 3000 bis fast unendlich viele solcher 
Oszillationen pro einen Meter des Rück- und Vor- 
schleichens der theoretischen Flutberggipfel, wie wir 
dort gehört haben! Wir werden davon nächstens bei 
der Steinkohlensedimentierung und Formationsent- 
stehung engeren Gebrauch machen. 

Die oberste Zahlenreihe (245h u.s.w.) versinn- 
licht die ungefähren Tageslängen der einzelnen 
Erdstadien in heutigen Stunden, die zweite 
Zahlenreihe wieder die dementsprechenden Mond- 
abstände in Erdradien, und die dritte endlich die 
zugehörigen siderischen Monatslängen (Mond- 
umlaufszeiten) in heutigen Tagen und Stunden. 
Im allgemeinen nimmt die Luftverarmung und dadurch 
bedingte zum Teil auch tropische Vereisung der 
Erde vom zeitlich bereits weit hinter uns liegenden 
Mondeinfange über die Stadien A bis E der Fig. 8 
erst ungemein langsam, dann später aber sozusagen 
parabolisch ansteigend zu, und mit ihr auch die 
übrigen durch die Mondannäherung bedingten 
geologisch wirksamen Faktoren (Hochfluten, deren 
Breitenoszillationen, Schichten- und Gebirgsbau, Vul- 
kanismus, Magmaergüsse, Giftgasentweichungen etc.) 
bis zum geologisch plötzlichen Kataklysmusabschluß E 
der Fig. 9, bezw. F bis M der Fig. 10 (Mondauflösung 
und Sintflut). Aber in allen diesen Vorgängen bildet 
das laut Fig. 9/IV zeitlich vollständig unsymmetrisch im 
Kataklysmus eingegliederte Stadium C samt unmittel- 
barer Zeitnachbarschaft ein kräftigst hervor- 


166 


tretendes primäres Zwischenmaximum oder 
Hauptmaximum, während der katastrophale Kata- 
klysmus abschluß trotz seines geologisch »plötz- 
lichen« Einsetzens (Mondauflösung, »groBer Hagel«, 
Schlammflutfall, Kugelrückbildung des linsenförmig 
zerdrückten Geoids, Sintflut mit Eisverdriftung in die 
beiderseitigen Polarbreiten, Löß-, Lehm- und Sand- 
beschickung der ganzen ummodellierten Erdoberfläche, 
»feurige Bergstürze« von außen, »großes Erdbeben«, 
vulkanische und giftgasige Paroxysmen u. dgl.) nur 
mehr ein sekundäres Endmaximun darstellt, 
ohne besondere gebirgsbauliche Tätigkeit zu 
entwickeln. Und nur wegen seiner geologischen 
Plötzlichkeit und der nachfolgenden Schroffheit 
des Wiedereintretens normaler Zustände hat sich 
dieses sekundäre Endmaximum der Tertiärmond- 
Annäherung und Auflösung dem überliefernden Ge- 
dächtnisse der Naturmenschheit als »GroBe Flut« so 
tief eingeprägt, daß wir mit glacialkosmogonischer 
Lupe deren Uberlieferungsrest aus alten Texten 
herauslesen können, während Spuren des vorge- 
nannten kataklysmatischen Hauptmaximums nur 
durch Grabarbeit im Schichtenbuche der Erdrinde er- 
schürft werden können. 

Wie wir später noch bequemer sehen werden, 
konnte der notwendig schwer abgehärtete Eiszeit- 
mensch das stationäre Hau pt maximum des Tertiär- 
kataklysmus einfach aus dem Grunde nicht als solches 
empfinden, weil sich da innerhalb eines Menschen- 
alters gar kein besonderer Wechsel im großen 
kataklysmatischen Geschehen der Fig. 7 
bis 9 bemerkbar machte. Er wurde in den Kata- 
klysmus in großer Lebensnot hineingeboren, bestand 
seinen Kampf mit den denkbar ungünstigsten 
Lebensverhältnissen in strotzender Gesundheit sieg- 
reich bis ins höchste Alter und wußte seinen 
mitkämpfenden Enkeln somit eigentlich gar 
nichts sonderlich Bemerkenswertes aus seinem Leben 
zu überliefern. Wohl hatten ihm die Väter eine 
dunkle Ahnung von einem längst »verlorenen 
Paradiese« hinterlassen und vielleicht auch einen 
schwachen Hoffnungsschimmer, dasselbe einstens 
wieder zu gewinnen; aber irgend eine klare Vor- 
stellung von diesem »Paradiese« konnte er sich 
natürlich nicht machen, weil ihm da jede persönliche 
Naturerfahrung fehlte und auch der seinerzeitige Ver- 
lust dieses Paradieses durch die Väter nur ein un- 
gemein allmählicher sein konnte: »Die Erde ward 
wüsteundleer«, wie ein gelehrter Hallenser Ober- 
rabbiner I. Moses 1/2 berichtigend übersetzt und 
wie es wohl auch richtiger überliefert worden 
sein dürfte. Aber dieses »ward« (anstatt war) umfaBte 
notwendig viele Jahrhunderttausende, innerhalb welcher 
selbst das patriarchalischeste Menschenalter nichts 
bedeutet; und wie ja auch wir keine Ahnung davon 
haben, daß wirschon seit Jahrzehntausenden im langsam 
schleichenden Begriffe stehen, das uns um- 
gebende Paradieszuverlieren! 

Anders aber im sekundären Endmaximum des 
Kataklysmus: Der »Große Winter« ward 
plötzlich überstanden und fiir den sieghaft Uber- 
lebenden der furchtbaren Tertiärmond-Auflösung und 
Tertiärsintflut hatte sich die denkbar schroffste Wen- 
dung zum Besseren binnen weniger Jahre — ja im 
wesentlichen binnen weniger Wochen (obwohl es da 
weder Wochen, noch Monate, noch Jahre gab) — voll- 
zogen. Was uns Moses in l. 1/2 von der »Finsternis 
auf der Tiefe erzählt, die plötzlich dem »Lichte« 
weichen mußte, vom ersten Wechsel von Tag und 
Nacht, vom Sammeln des Wassers an besonderen 
Orten, vom aufsprießenden Gras, Kraut und Bäumen 
mit Samen und Früchten, ein jegliches nach seiner 
Art, vom endlichen Erscheinen des »Großen Lichtes“ 
am Himmel, von der Belebung des Wassers, des 
Landes und der Luft mit Gewürm, Fischen, Vich 
und Gevögel »aller Art«, das alles konnte der 
Sintflut überlebende noch miterleben. Der »GroBe 
Winter« auf der ungemein langsam »wüste und leer« 


gewordenen Erde ward plötzlich überstanden 
und zufolge allmählich one Aufrechtstellung der 
Erdachse ist ein»Ewiger Frühling« angebrochen. 
Die Finsternis auf der Tiefe war plötzlich dem Lichte 
gewichen und der Geist Gottes, der bisher nur über 
den Wassern geschwebt haben konnte, mußte sich 
dem Naturmenschen in den neuen vielfachen W u n- 
dern des neuerblühenden Paradieses aufdringlich 
offenbaren! Daswarein Erlebnis, würdig, den 
Enkeln tausendfach erzählt und bis in unsere heutigen 
Tage der Naturmenschheit überliefert zu bleiben! Nur 
wir ganz gescheiten Mitteleuropäer wissen das alles 
besser und lächeln selbstzufrieden über den »Mythus 
vom verlorenen und wiedergewonnenen 
Paradiese und der großen Flute. 

Solche Uberlieferungsspuren eines »ewigen Früh- 
lings« auf Erden mußten auch dem Apokalyptiker 
Johannes zur Kenntnis gekommen sein, da anders die 
Stelle eines Engelschwures aus Offenb. 10/5—6: 
»daß hinfort keine Zeit mehr sein solls 
durchaus rätselhaft bliebe. Diese Notiz kann sich aber 
auch von Überlieferungsresten aus- unmittelbar 
vorsintflutlicher Zeit« (vgl. Fig. 8) herleiten 
lassen, da ja dorten, wie auf Seite 114 des Aprilheftes 
ausgeführt: Jahr, Monat, Tag und Nacht bis 
zur Unkenntlichkeit verwischt sein mußten und not- 
wendig gegen Schluß des jetzigen Kataklysmus wieder 
verwischt sein werden. Aus solchen und 
ähnlichen, ohne glacialkosmogonische Beleuchtung 
natürlich ganz unverständlichen Stellen der 
Apokalypse ist ja auch die profangelehrte Irr- 
meinung entstanden, daß der Verfasser dieses alten 
Textes ein Gehirnleidender gewesen sein müsse und 
somit auch jeder ein Narr sei, der sich mit diesem 
verrückten Buche befassen könne. Auch Newton mußte 
sich diesen Vorwurf in seinen alten Tagen gefallen 
lassen. Die Glacialkosmogonie bringt uns aber den 
Schlüssel, um dieses sprichwörtlich siebenfach 
versiegelte und dunkelste aller alten Bücher 
»aufzutun« und stellenweise tiefe altnaturwissen- 
schaftliche Weisheit daraus schöpfen zu können. 

Wir sind durch solche Grabarbeit in alten Texten 
ja auch zu der Vermutung gekommen, daß Moses 
und Johannes nicht nur die größten Gelehrten ihrer 
Zeit, sondern vielleicht des ganzen Altertums über- 
haupt waren. Daß sie vieles ihnen Unerklärliches in 
erster Linie sich nur metaphysisch deuten 
konnten und hiebei der dichterischen Phantasie den 
weitesten Spielraum lassen durften, das mub man 
eben im Geiste ihrer Zeit und ihres gesetzgeberischen, 
bezw. pädagogischen Wirkens zu erfassen trachten, 
wie uns ja auch Altmeister Goethe durch seinen 
Faust-Wagner in sokratischer Ironie also ermahnen 
läßt: »Verzeiht! es ist ein groß Ergetzen — Sich in 
den Geist der Zeiten zu versetzen — Zu schauen, 
wie vor uns ein weiser Mann gedacht — etc.« 

Übrigens ist ja Moses mit großer Wahrschein- 
lichkeit als ein der erdichteten Mutter untergeschobener 
Pharaonenverwandter anzusehen, der nachher 
jene ausgezeichnete Erziehung genoß, die ihn sowohl 
in alle ägyptisch-priesterlichen Geheimarchive ein- 
führte, als nachher auch zu jenem genialen Führer 
und Gesetzgeber eines unterdrückten Volkes (ver- 
meintlich seines Volkes) begeistern und befähigen 
konnte, als den wir ihn beim genaueren Hinsehen 
kennen lernen. Desgleichen ist (nach Delff) auch 
der nachmalige Apokalyptiker ln nicht der 
frühere einfache, ungebildete Fischer Johannes aus 
Galiläa gewesen, sondern nach unseren von Delff 
abweichenden Anschauungen als ein hochstudierter 
jüdischer Theologensohn aus Jerusalem zu betrachten, 
der seinem Vater noch als Student und bei Lebzeiten 
des Meisters im Geheimen abtrünnig geworden sein 
dürfte. Er ist zugleich identisch mit jenem »Jüngling«, 
der (laut Mark 14/51—52) bei der Gefangennahme des 
Meisters in Gethsemane nackt die Flucht ergreifen 
mußte. Als solcher jüdischer Schriftgelehrtensohn war 
also dieser nachmalige Evangelist und Apokalyptiker 


qonanta unbedingt von hoher damaliger jerusa- 
emitischer Schulbildung, die allein ihn im späteren 
hohen Alter zu jenen groBen Gelehrten seiner Zeit 
befähigen konnte, als welchen wir ihn unter glacial- 
kosmogonischem Gesichtswinkel in der Apokalypse 
und bei vorurteilsfreiem Vergleiche auch in seinem 
Brief- und ganz eigens gearteten Evangeliumstil er- 
kennen dürfen. Bei späterer Besprechung der Fig. 10 
werden wir noch so manche dunkle Stelle seines 
siebenfach versiegelten Buches sowohl als auch der 
mosaischen Genesis aufzuhellen in der Lage sein. 

Doch nun nochmals zurück zu Fig. 8. Bezüglich 
des primitiven zeichnerischen Inhaltes der dortigen 
Erdstadienbildchen selbst sei für spätere Zwecke noch 
einiges zur Festhaltung empfohlen. Wir sehen speziell 
im Stadium C die Gebiete der mutmaßlichen Vereisung 
(geschuppt), die der Sedimentierung (gestrichelt), die 
der tropischen Bodenkulturfähigkeit (weiß) und die 
der momentanen Flutbergbedeckung (schraffiert) kennt- 
lich gemacht — und ist dies auch in den übrigen vier 
Bildchen des »Transgressions«- und Gebirgsbau-Zeit- 
alters B B'-D' D so zu verstehen. Der Amplitudenwinkel 
der theoretischen Flutberggipfelwege, bezw. der z- und 
n - Punkt- Wanderungen ist durchaus mit f bezeichnet 
und es versinnlicht die Abnahme desselben von A 
nach E hin sowohl die allmähliche Engerrückung der 
Mondeswendekreise, als auch die Aufrichtung der 
Erdrotationsachse. Die schon in Fig. 9/V eingehend 
studierten Wellenzüge der Breitenoszillationen von 
z und n sind auch hier schematisch angedeutet, doch 
natürlich unmöglich im einheitlichen Wellen-Längs- 
maBstabe; man denke sich daher diese Wellen in B' 
D“ noch viel enger und in E' E noch etwas lang- 
gestreckter als gezeichnet! Die im Differenzdiagramme 
der Fig. 9/I sinnfällig gemachte, erst geringere Ab- 
nahme, dann steilere Zunahme der Erdrotations-Winkel- 
geschwindigkeit kommt auch hier durch die obere Zeile 
der ungefähren Tageslänge in heutigen Stunden 
zum Ausdrucke, ebenso die rasche Zunahme der 
Mondrevolutions- Winkelgeschwindigkeit gegen Ende 
hin durch die Zeile der Monatslängen inheutigen 
Tagen und Stunden. Unmittelbar vor der Trabanten- 
Destruktion eine sidersche Monatslänge von bloß 
dreieinhalb heutigen Stunden! Der geneigte Leser wolle 
sich das Ungeheure der Revolutionsschnelligkeit auch 
von dieser reziproken Seite aus tunlichst einprägen, 
um sich für die Katastrophe der Fig. 10 gehörig vor- 
bereitet zu wissen. 

Dem geologisch weniger gerüsteten Leser sind 
wir nun auch eine Erklärung des heute üblichen 
»Transgressions«-Begriffes schuldig. Der Geologe 
findet nämlich aus den heute trockenliegenden 
neptunischen Schichtenfolgen, daß behufs Ablagerung 
solcher Schichten das Meer oszilierend über die 
Kontinente gegriffenhaben müsse. (Transgredieren = 
übergreifen. inige Zitate aus dem »Antlitz der 
Erde« (dem Lebenswerke des Altmeisters Ed. Sue B) 
werden uns da sofort mitten in die moderne geologische 
Vorstellungswelt versetzen. Lyell war derjenige, 
welcher solche wiederholte Überflutungen und Wieder- 
trockenlegungen des Landes durch wiederholte 
Hebungenund Senkungen der Kontinente erklären 
zu können vermeinte. Obwohl nun SueB ihm in den 
hauptsächlichsten »Grundlagen der Geologie« 
zu folgen bemüht ist, schien unserem Altmeister 
schließlich diese Lyellsche Zumutung denn doch zu 
stark, weil er im »Antlitz der Erde«, II., S. 684, sagt: 

»Diese Aufzählungen zeigen, daß die 
Lehre von den säkulären Schwankungen 
der Kontinente nicht hinreicht, die wieder- 
holten Trockenlegungenund Uberflutungen 
des festen Landes zu erklären«. 

Gewiß nicht! Denn von ganz unbedeutenden 
Hebungen und Senkungen einzelner Gebietsteile ab- 
gesehen schwanken die Kontinente nicht, 
sondern gegen Ende der einzelneu Mondeszeiten der 
geologischen Vergangenheit und Zukunft (wie z. B. 
eben in den Stadien B bis D der Fig. 8,9) wird der 


167 


Ozean im Sinne der Fig. 7 bis 9 in breiten- 
pendelnder, doppelter Flutbergform wieder- 
holtinschleichendem bis laufendem Tempo 
über diese Kontinente noch rück- und vor- 
wärts hinweggeschleppt und dabei jene 
Sedimentierungsarbeit geleistet, die durch in ge- 


schichtlicher Zeit beobachtbare Vorgänge auch in 


Lyellschen Jahrbillionen nicht angehäuft werden 
kann. Also die Lyellschen Hebungen und Senkungen 
erklären das nicht, daher mußte SueB in Unkenntnis 
unserer glacialkosmogonischen neuen Grundlagen 


der Geologie für dieses oszillierende Überlandgreifen 


der Ozeane den Begriff der »Transgressionen« 
einführen, dem er folgenden Inhalt gibt: 

»Es findet ein langsames aber unausgesetztes Aus- 
füllen der ozeanischen Gebiete statt, welches eine 
allgemeine Verdrängung der Meere aus ihren Tiefen 
hervorbringen muß, und zugleich wird die Trans- 
gression durch die vorschreitende Erniedrigung 
der Festländer erleichtert. Die Bildung der 
Sedimente veranlaßt ununterbrochene, 
eustatische, positive Bewegungen der 
Strandlinien« (A. d. E., 11/687). 

Unter »positiven Bewegungen der Strandlinien« 
versteht SueB das langsame Landeinwärts- 
schreiten der letzteren, also ein Steigen des 
Ozeanniveaus — unter negativen Bewegungen das 
Sinken desselben. Natürlich meint er nicht ein An- 
steigen zufolge unserer vervielfachten Hubkräfte der 
Fig. 3 bis 6 etwa, sondern zufolge Ausfüllens der 
Meeresbecken durch die Erosionsarbeit der Flüsse in 
obzitiertem Sinne. Und offenbar ist es dieses 
nivellierende Schwanken des Erdreliefs, das er mit 
Eustatik bezeichnet wissen will; für welches 
Schwanken er aber notwendig wieder Lyellsche 
Jahrmillionen in Anspruch nehmen muß. Für eine 
weitausgreifende »positive Strandlinienbe- 
wegung«, die wir mittels der oszillierenden Flut- 
berge der Fig. 7 bis 9 vierfach an einem Tage, 
also wirklich »fabriksmäßig« bewirken, braucht 
die Sueßsche »Transgression« unfaßbar lange 
Lyellsche Zeiträume, so daß der Altmeister trotz 
seiner teilweisen Absage an Lyell von diesem 
englischen Geologenverführer dennoch wieder nicht 
loskommen konnte. Denn die Lyellsche Haupt- 
grundla 1 der modernen Geologie ist ja eben die 
irrige Vorstellung, daß wir zur Erklärung der 
Schichten- und Gebirgsbildung keiner anderen 
geologischen Vorgänge bedürfen, als die 
wir heute beobachten können — nur müsse man da 
ungeheure Zeiträume zu Hilfe nehmen. Wir aber 
wollen diese heute beobachtbaren Vorgänge (Erosion, 
Deltabildung, Dünenbauten, Gletscherarbeit, Vulkan- 
ausbrüche, Erdbeben etc.) ostentativ mit »Geo- 
logisches Kleingeschehen- — noch besser aber 
mit GeologischesNichtsgeschehen bezeichnen, 
weil mittels desselben dem praktisch anwendenden 
Mechaniker auch nicht die lieblichsten Formen der 
sächsischen Schweiz, geschweige denn etwa gar 
Gebirgsbildungen wie etwa die Pyrenäen, Alpen, 
Apenninen, Kordilleren, der Kaukasus und Ural oder 
gar der Himalaja erklärt werden können. Bedenken 
wir noch, daß SueB aus dem reichen Schichtenwechsel 
auf »zahlreiche Oszillationen« der Strandlinien 
und aus der sedimentären Formationsfolge auf. »oft- 
9 Wiederholung gleicher Vor gänge« 
schließt (und zwar mit Recht) — daß aber weder 
alles dies aus seiner eustatisch erklärten »Trans- 
gression«, noch letztere aus dem Stromdelta- 
bildungen und feinen Tiefseeschlamm - Ablagerungen 
(denn nur auf solche reduziert sich doch die gedachte, 
heute beobachtbare Tiefenausfüllung) befriedigend er- 
klärt werden kann, so bleibt kaum anzunehmen, daß 
er seine Transgressionserklärung ernstlich für 
erschöpfend gehalten haben konnte. 

Aus solcher Einsicht leitet sich wohl auch die 
Resignation her, die Sueß auf Seite 703 Il seines 
Lebenswerkes wie folgt zum Ausdruck bringt: »Wie 


168 


Rama über das Weltmeer schaut, dessen Umriß am 
Horizonte mit dem Himmel sich mengt und eint, und 
wie er sinnt, obwohl ein Piad hinaus zu bauen sei 
in das schier Unermeßliche, so blicken wir über den 
Ozean der Zeiten, aber es zeigt sich uns bis 
heute nirgends ein Ufer.« Diesen gesuchten, 


aufwärts führenden Pfad findet der erkenntnisfreudige 


Leser in den bisherigen Figuren 3 bis 10 ausgesteckt; 
und später noch folgende Graphikons sollen uns will- 
kommene Gelegenheit bieten, ihn für jeden gesunden 
und höhenfreudigen Touristen bequem gangbar 


auszubauen. Wer aber an den Lyell-Krücken weiter. 


hinken will, welche sich genügsame Geologen bei 
nebular-hypothetischem Lichte immer noch leimen zu 
können vermeinen, der bleibe im Tale blühendsten 
Irrtums aus II. Thessal. 2/11. 

Um den Golf von Mexiko mit reinem Stromwasser 
allein auszufüllen, brauchte der Mississippi nach 
Reyer rund 4000 Jahre; nach welchen Lyellschen 
Zeiträumen würde sich also das Mississippidelta durch 
das ganze Golfvolumen bauen? Vielleicht nach 4000 
Millionen Jahren, wenn der Kubikmeter Stromwasser 
durchschnittlich 1cm? Schlamm führt. Doch dieses 
Delta baut sich nur in kegelmantelförmigen und 
nach außen an Dicke und Korngröße rasch ab- 
nehmenden verschwommenen Schichten auf 
und niemals in ausgedehnten, an Korn und Dicke 
gleichmäßig gearteten, horizontal liegenden und 
reinlich geschiedenen Schichten! Und woher 
nähme eine solcherart gewiß nicht erklärbare Fest- 
lands-»Transgression« die vermuteten zahl- 
reichen Oszillationen und woher die öfteren 
Wiederholungen gleicher Zustände? Aller- 
dings würde ein Profilschnitt des Mississippideltas 
verschiedene verschwommene Schichtfolgen erkennen 
lassen, darinnen sich die verschiedenen Hochwasser- 
perioden des Stromes spiegeln — aber kann man 
daraus auf die so ausgedehnten, horizontal liegenden 
Schichten der Saharraterassen, der russischen Tafel, 
der nordfranzösischen und ostenglischen Steilküste, 
Helgolands, der sächsischen Schweiz oder des Grand- 
Canons schließen? Darin möchten wir den Lyell- 
verführten Fachgeologen wirklich nicht weiter stören. 

Während also zu einer nach Sueß »eustatisch« 
erklärten Transgression (gesetzt, sie wäre möglich) 
nach diesem Mississippibeispiel alle Jahrbillionen 
Lyells nicht ausreichen (von den geforderten zahl- 
reichen Oszillationen und der öfteren Wiederholung 
ähnlicher Verhältnisse ganz abgesehen), sehen wir 
hier in Fig. 7 bis 9 zwei ungleiche Ozeanhälften in 
Einern, Zehnern, Hundertern von Tagen, — in Einern, 
Zehnern, Hundertern und eventuell auch Tausendern 
von Jahren (zahllosemal breitenoszillierend) die 
Erde nach rück- und vorwärts umwandern, also von 
einem zum andernmal auf einem bestimmten Meridian 
immer wieder dieselben Vorgangsserien wiederholend 
und erst nach jeder 10., 100., 1000. Flutbergrevolution 
(je nach zeitlichem Abstand vom stationären Stadium 

der Fig. 7 bis 9) eine Änderung der einzelnen 
Oszillations- und Revolutionsverhältnisse erkennen 
lassend. Allerdings liegen diese letzteren längeren 
Revolutionszeiten weit innerhalb der Stadien B' D' 
der Fig. 8 in unmittelbarer zeitlichen Nähe des 
stationären Stadiums C, weshalb wir sie ja auch 
schon. pseudostationäre Zeiten und Stadien 
nannten. 

Wann die gesonderten Flutberge ihre strenger 
»transgressive« Tätigkeit beginnen und einstellen, ist 
schwer zn sagen: sie besteht jedenfalls in den Stadien 
B und D schon, bezw. noch und in den Stadien 
A‘ und E' noch nicht, bezw. nicht mehr. Zu- 
sammenfassend dürfen wir also im Sinne der Fig. 8 
die Stadien B bis D das Zeitalter der rück- und 
vorschleichenden und schreitenden, bezw. 
stationären Oszillations-Hochflutberge und 
Ebbegüftel samt Eiszeiten nennen und wieder 
inmitten einen Teil davon bezeichnenderweise das 
engere Mondeszeitalter der »Transgressionen« 


und des Gebirgsbaues. Wie aber diese »Trans- 
gressionen« Schichten und Gebirge bauen, ließ uns 
schon die Fig. 7 ahnen, und werden wir an späteren 
Schicht-Detailfiguren noch bequemer kennen lernen. 
Und wie die in Fig. 8 angemerkte Zeit der »rück- 
eilend-breiteren« und der »voreilend-schmäleren Gürtel- 
hochflut«, sowie der »allmähliche Beginn geologischer 
Bauarbeit« und die »unmittelbar vorsintflutliche Zeit« 
zu verstehen ist, dürfte jetzt aus dem Bisherigen und 
dem Zusammenhalten von Fig. 8 mit 9 ohnehin schon 
klar sein. Zu wiederholen wäre hier nur noch, daß 
wir in das Zeitalter der rückeilenden Gürtelflut 
(noch nicht Giirtel hoch flut) schon in tief vorgeschicht- 
licher Vergangenheit, gelegentlich des beschriebenen 
Atlantisunterganges und Mondauftretens 
der letzten Proselenen eingetreten sind, ihre geo- 
logisch empfindlichere Wirksamkeit aber erst um die 
Stadien A bis A‘ herum zu verspüren beginnen 
werden. Dabei wollen wir uns durch die gezeichneten 
Flutgürtel- und Flutbergtiefen der Fig. 7 und 8 unsere 
Raumvorstellung nicht verzerren lassen, indem diese 
Ozeantiefen etwa 200 mal überhöht dargestellt werden 
mußten, um deutlich sinnfällig zu werden. 

Damit dürfte uns nun auch Fig. 8 zu einem be- 
quemen Erinnerungsbehelf an das bisher Gesagte 
geworden sein; es empfiehlt sich jetzt nur noch an 
einigen weiteren Zitaten aus dem »Antlitz der 
Erde< hiezu verschiedene Proben auf das Exempel! 
zu machen, um einigermaßen klar zu sehen: 

»Und in diesen Umständen liegt auch die Ursache, 
warum so oft und von so hervorragenden Forschern 
der Gedanke ausgesprochen worden ist, daß diesen 
Serien gewisse Zyklen zugrunde liegen, 
das ist andauernder Schichtwechsel und 
dabei eine mehrmalige Wiederkehr ähn- 
licher Zustände«. (A. d. E., 11/685.) 

Man beachte hier den Plural der Serien! Es 
handelt sich um Schichtserien, die sich selbst auch 
wiederholen, also um Serien von Schichtserien, das 
heißt, um zahlreiche Oszillationsspuren innerhalb 
zahlreicher Revolutionsspuren unserer beiden 
Flutberge der Fig. 7 bis 9! Alle diese vermuteten 
Zyklen samt dem andauernden Wechsel und der oft- 
maligen Wiederkehr ähnlicher Zustände finden sich 
in reichster Auswahl in diesen unscheinbaren Graphi- 
kons — bleiben aber ganz unverständlich, wenn man 
darauf die oben zitierte »eustatische« Transgressions- 
erklärung unseres Altmeisters Sueß anwenden will. 

»Die Analyse der rhätischen Schichtfolge in den 
Alpen führt zu dem Ergebnisse, daß die positive 
Bewegung, welchedasrhätische Ufer weiter 
und weiter, endlich über einen sehr großen 
Teil von Mitteleuropa und weiter in das 
nördliche Schottland gerückt hat, eine 
oszillatorische gewesen ist. Immerhin sprechen 
besonders die rhätischen Vorkommnisse und jene von 
Purbeck für das Auftreten zahlreicher geringer 
Oszillationen.« (A. d. E., II 685/86.) 

Hier glauben wir die Wirkung eines möglicher— 
weise rück schleichenden, oszillierenden Zenith- 
oder Nadirflutberges wiederzuerkennen; es könnte 
aber auch eine vor schleichende Revolutions- 
Kulmination vorliegen, was einem glacialkosmogonisch 
überzeugten Stratigraphen zu entscheiden ein leichtes 
sein wird. Aber zweifelsohne handelt es sich hier um 
die Breitenoszillationen eines pseudostationären 
Flutberges, wo nicht gar des stationären Zenith- 
Flutberges selbst, der ja nach Früherem am mittel- 
afrikanischen Meridian Halt machen mußte und 
spielend seine Breitenoszillationen täglich über ganz 
Europa hinbreiten konnte. Gewiß denkt aber hier der 
Altmeister an Oszillationen »eustatischer« Natur von 
vielhunderttausendmal längerer Schwingungsdauer als 
die unserer Tagesoszillationen eines vorbeischleichen- 
den Flutberges; auch müssen dieselben nicht gerade 
geringe gewesen sein, indem unsere Flutberge auch 
zahlreiche weit ausgreifende Breitenoszillationen der 
täglichen Flutwellen anzunehmen gestatten. 


Genug vorläufig der Anpassungsversuche solcher 
dunkler, aus dem geologischen Beobachtungs-Tat- 
sachenmaterial heraus geschöpfter fachgeologi- 
scher Ahnungen an die Lehren unserer Fig. 7 bis 9. 
Wir wollen uns jetzt über Fig. 4, dem Drama der 
Fig. 10, also dem sekundären Endmaximum des 
künftigen Quartärkataklysmus und notwendig auch 
jedes vorangegangenen, also auch des Tertiär- und 
Sekundärkataklysmus zuwenden, um dann nächstens 
wohlvorbereitet die Schichtarbeit des primären 
Hauptmaximums C der Fig. 7 bis 9 näher ins Auge 
fassen zu können. 

Das obere Diagramm der Fig. 4 notiert die Mond- 
oberflächenschwere mit 171.000 g pro 1 m? Wasser. 
Das gilt natürlich nur für den vereinfachten Fall, als 
der Mond eine genaue Kugel von der bekannten 
Masse, aber durchaus gleicher Dichte und nicht 
zugleich ein Trabant der Erde, sondern noch selb- 
ständiger Planet wäre. In Wirklichkeit haben wir uns 
aber da einen eisenhaltigen, im Wasser unlöslichen 
(Muttergestirn-) Schlackenkern vorzustellen, der nach 
außen allmählich in wassergelöstem Schlackenlehm 
und Schlackenfeinsand übergeht, wie ihn unsere 
bereits terrestrisch geschlemmten Lehm- und Lößlager 
zeigen oder wie man solchen buntfarbigen Schlacken- 
lehm auf jeder Hochofen-Schlackenhalde beobachten 
kann, auf welcher nebst eisenhaltiger auch minder 
eisenhaltige Schlacke dem Regen und der Verwitterung 
ausgesetzt ist. Über diesen heliotischen (sonnenstoff- 
lichen) Mondkern breitet sich ein uferloser, wohl an die 
150 oder mehr Kilometer tiefer, heute (wenigstens im 
von der Erde aus gesehen senkrechten Querschnitte) 
wahrscheinlich bis auf den Grund, möglicherweise 
aber überhaupt ganz erstarrter Ozean aus. Es ist 
also alles Eis am Monde, was wir da vom 
Grunde des Mond-»Vulkans« Plato bis zu den 
SpitzenderLeibnitzer Gebirge im Teleskop sehen 
und nicht sehen, seien es nun die dunkelgraugrünen 
Mare oder die hellweißen Höhen oder sonstigen Ge- 
filde mit allen dazwischenliegenden opalisierenden 
Farbennuancen des reinkristallinischen bis vollkommen 
amorphen und staubförmigen bis rauhreifförmigen 
Eises. Wir werden den Beweis dafür allen akademi- 
schen und sonstigen Polarisations- und Spektral- 
Selenologen zum Trotze gelegentlich später erbringen. 
Für heute müssen wir den geneigten Leser um blindes 
Vertrauen zum praktisch anwendenden Wasserphysiker 
(dem Gebläse-, Dampf-, Gas- und Eismaschinenbauer) 
und um schärfstes Mißtrauen allen denjenigen gegen- 
über bitten, die ihm von Lava und Vulkanen am 
Monde sprechen wollen. Außerstenfalls sehe man sich 
den Mond in einem Urania-Teleskop in den ver- 
schiedensten Beleuchtungsphasen des öfteren an, ohne 
auf den nebularhypothetisch-plutonisch abgerichteten 
Erklärer des »lunaren Vulkanismus« zu hören: Er 
wird dann den erstarrten uferlosen Mond- 
ozean mit Händen greifen! 


Schon Kant hatte die Vulkannatur der teils 
kreisrunden, teils rundlich polygonalen Ringgebirge 
und Wallebenen des Mondreliefs angezweifelt — aber 
erst unserer mit Spektroskop und Kamera, mit 
Photo-, Bolo- und Polarimeter ausgerüsteten Gelehrten- 
zeit blieb es vorbehalten, am Monde »opalisierend- 
glasartiges Gestein« (!!) polarimetrisch »nach- 
zuweisen«, eine Wärmestrahlung des Mondes bolo- 
metrisch und photometrisch »außer Zweifel zu setzen« 
und sogar mondtagesstündliche Oberflächenteniperatur- 
»Messungen« vorzunehmen, die am Mondmittage 
»Gesteins«-Temperaturen bis zu 180° C. ergaben — 
allerdings anerkennenswerterweise auch Morgen- 
temperaturen von absolut 0°, bezw. — 273° C.! Natürlich 
ist es wieder ein Engländer, bezw. Amerikaner *), der 
unseren barbarischen Gelehrten diese »streng wissen- 
schaftliche Lösung des Problems« — geliefert hat, 
wie sich Dr. H. J. Klein, der Meteorologe der 


*) Frank W. Very: »The probable range of temperature 
on the Moon.« Astroph. Journ. VIII. Nov. Dez. 1898. 


169 


Kölnischen Zeitung in seinem »Handbuch 
der Aligemeinen Himmelsbeschreibung« 
respektvollst ausdrückt. — Der Engländer Neison*) 
und sein Kölner Übersetzer Klein sehen in den 
zur Sonnenhochstandszeit nachdunkelnden grau- 
grünen (!!) »Mare«-Flächen des Mondes sogar das 
allmondtägliche Erwachen einer Vegetation! — 
Der Franzose Landerer**) wußte auf bolometri- 
schem Wege sogar die beiläufige chemische Formel 
des »Glasartigen (!!) Mondgesteins« festzustellen! 
Und keine Geringeren als beispielsweise unser Alt- 
meister Sueß**) und der Münchner Physiker 
H. Ebert und der Geograph Dr. S. Güntherf) 
schwören auf dieses »Gläserne« (I) Mondrelief! — 
Ebertt}f) hat sogar mit Glasfluß künstliche 
»Mondvulkane« und Mondmare hergestellt, um seinem 
Kollegen Günther vorzuarbeiten. 

In einem gewissen Sinne haben wir aber hier 
tatsächlich das »Gläserne Meer« aus Offenb. 4/6 
und 15/2 vor uns; nur bleibt zu beachten, daß dem 
Apokalyptiker bei der griechischen Abfassung 
seines für uns so dunklen Urtextes nur das Wort 
»Kristallos« zur Verfügung stand, mit welchem der 
diesbezüglich auch heute noch wortarme Grieche so- 
wohl Eis als auch Krisiall und Glas (!!) zu be- 
zeichnen gezwungen ist. Jedenfalls fand der ältere und 
vielgereiste Johannes beim Durchstöbern der alten 
heidnischen Priesterarchive Ägyptens und Griechen- 
lands ein »Feurig glänzendes Eismeer voll 
Augen vorne und hinten« vor, während die ver- 
schiedenen Übersetzer und Rückübersetzer daraus ein 
»Gläsernes Meer dem Kristalle gleich mit 
Feuer gemenget« machten und »die Augen vorne 
und hinten« (offenbar die seitlich beleuchteten, augen- 
artige Schatten werfenden Ringgebirge des dem 
Tertiär-Eiszeitmenschen manchmal dennoch durch 
Wolkenlücken hindurch sichtbar gewordenen stationär- 
nahen Tertiärmondes) nicht anders sinngemäß zu ver- 
werten wußten, als sie den »vier Wesen« zuzuschreiben, 
die on ones zu seiner Darstellungsart brauchte. 

chon die Größe einzelner »Mondvulkane« (ab- 
gesehen von deren ganz unvulkanischen Querprofilen) 
läßt einen vernünftigen Vergleich mit irdischen 
Vulkanen nicht zu, indem einzelne Ringgebirge und 
Wallebenen den Flächenraum unseres Königreiches 
Böhmen umfassen, während dagegen unser Vesuv, 
Ätna oder Hekla am Monde nur mittels größerer 
Teleskope zu erspähen wäre. Die erste und größte 
Weiterverbreitung der irrigen Gelehrtenvorstellung 
von dürren und bizarren »Felsen<-Gebirgen, von 
erloschenen »Vulkanen< und Lava-»Maren« am 
Monde haben wohl die beiden Englander Nasmith 
und Carpenter ttt) am Gewissen. Ganz im nebular- 
hypothetisch-plutonischen Banne Laplaces stehend 
und im Monde ein erstarrtes Glutgaskondensat sehend, 
hatten sie einige »Mondvulkane« und Landschaften in 
Gips modelliert und denselben ein derart dürres und 
felsiges Aussehen zu geben gewußt, daß heute, wo 
alle älteren Lexika und Mondlehrbücher mit Photo- 
graphien dieser Gipsvulkane überschwemmt erscheinen, 
auch gar kein gebildeter Laie — und sei er selbst 
ein Eismaschinenphysiker oder vielgereister Polar- 
forscher — ein teleskopisches Mondbild noch voraus- 
setzungslos ansehen und beurteilen kann! Daran 
haben auch die großartigen mondphotographischen 
Arbeiten der berühmten Lick-Sternwarte in Kalifornien, 
der Gebrüder Henry und der beiden Pariser Astro- 
nomen M. Loewy und P.H. Puiseux, des bel- 


*) Neison: »The Moon, and the condition and configuration 
of its surface«, 1876. Deutsch 1881. 

) Landerer: »Sur l'angle de polarisation de la Lune.« 
Compt. rend., 1889, Bd. 109. 

***) Ed. Sueß: »Einige Bemerkungen über den Mond.« 
Sitzungs-Ber. Wiener Akad. 1895. 

) S. Günther: »Vergleichende Mond- und Erdkunde«, 
1911. — »Die Glacialhypothese und der Mond-, 1913. 

+t) H. Ebert: -Beitrag zur Physik der Mondoberfläche-, 1909. 

ttt) Nasmith & Carpenter: »The M 
a Planet, a World and a Satellite«, 1874. 


von considered as 


170 


nen Selenographen W. Prinz, des amerikanischen 
stronomen William Pickering an der Harward- 
Sternwarte mit seinen Unternehmungen auf Jamaika 
und einem Andenvorberge bei Arequipa in Chile, sowie 
des Prager Astronomen und Mondlandschaftsmalers 
L. Weinek u. a. m. nichts mehr zu ändern vermocht. 
Die Mitglieder des Flugtechnischen Vereines hatten 
gewiß schon häufig Gelegenheit, im Turm-Stiegen- 
hause der Wiener »Urania« die besten dieser mond- 
photographischen Leistungen zu bewundern: Gewiß 
ist ihnen eher der Gedanke gekommen, daß der Mond 
aus Gips modelliert sein dürfte, als daß sie da einen 
uferlosen erstarrten Ozean sähen! Die Engländer, 
Franzosen und Amerikaner mögen das verantworten. 

Um alle heutigen Mondplutonisten zu wider- 
legen, dazu fehlt hier Zeit und Raum. Wir haben 
diese durchaus unvollständige Aufzählung ja auch 
nur versucht, um beim geneigten Leser nicht etwa 
den Gedanken aufkommen zu lassen, daß wir nur in 
völliger Unkenntnis der einschlägigen seleno- 
Ban Literatur so »naiv« daherreden und im 

onde einen tief uferlosen und erstarrten Ozean er- 
spähen konnten. Wir werden im künftigen Weltfrieden 
nicht ermangeln, unter eingehender Berücksichtigung 
der einschlägigen Literatur den Laplace- verführten 
Mondplutonisten unseren lunarenNeptunismus 
annehmbar zu gestalten. Vorläufig müssen wir noch 
an den Glauben des geneigten Lesers appellieren: 
Er lasse sich durch die 14tagige Sonnenbestrahlung 
der einzelnen Mondlandschaften, durch bolometrische 
Mondtemperaturbestimmungen und polariskopisch- 
chemische »Mondgesteins«-Analysen an unserer hydro- 
technologischen Mondeinsicht nicht irre machen und 
denke mitunter auch an den mit ewigem Eise 
bedeckten Kenia unterm Äquator Zentral- 
afrikas! Unsere noch zu erläuternde Fig. 10 wird 
ja auch erst dann gesprächig, wenn wir als über- 
zeugte Mondneptunisten an sie herantreten. 

Und nun mit diesem erbetenen Mondeisglauben 
ausgerüstet zur Sache: Nur auf einem nicht ro- 
tierenden, durchaus gleich dichten und genau 
kugelförmigen Planeten von Mondgröße und Masse 
wäre also die Oberflächenschwere ringsum gleich 
etwa 171.000g pro Im? Wasser. Auf unserem Tra- 
banten muß sie aber zunächst wegen der Erd- 
anziehung und Revolutionsfliehkraft auch heute 
schon am Zenith- und Nadirpunkte geringer sein 
als am für uns sichtbaren »Scheiben<-Rande. Und 
zwar ist diese Differenz bei kugelrundem und massen- 
homogenem Mond theoretisch bei z etwa 3'768 und 
bein etwa 373g pro 1m Wasser, während im 
künftigen Mondauflösungs-Stadium der Fig. 4 und 10 
diese Differenzen theoretisch auf 167.470 und 123.333 g 
pro Img Wasser angewachsen sein würden! Das 
heißt: Bei Kugelform und 1°8r Mondabstand würde 
theoretisch die Erdenhubkraft des Zenithpunktes z 
(167.470 g) schon beinahe die dortige Mondober- 
flachenschwere von 171.000 g erreichen. In Wahrheit 
werden aber schon die heutigen Erdenflutkräfte 
den uns aus eben diesem Grunde immer dieselbe 
Seite zuwendenden Mond etwas eiförmig de- 
formieren, um so mehr, als die äußere Form ja durch 
den ehemals größtenteils flüssig gewesenen uferlos- 
tiefen Eisozean bestimmt wird. Bei den Entfernungs- 
und Kräfteverhältnissen der Fig. 4 aber muß diese 
Eideformierung eine ungleich auffallendere geworden 
sein. Vielmehr wird es gar nicht einmal zu einer 
Annäherung bis auf I’8r kommen, indem durch diese 

ewaltige Eideformierung und durch die geringe 
Dichte der mächtigen äußeren Mondschichten (Eis 
und gefrorner Schlamm) die Oberflachenschwere am 
uns zugewendeten Eispitz und abgewendetem Eistumpf 
vielleicht schon bei 2r Abstand (oder noch früher) 
von den Erdschwereüberschüssen, bezw. Mondes- 
fliehkraftüberschüssen soweit überboten wird, daß 
sich dort der mächtige Eisozean in riesigen, mars- 
mondgroßen Blöcken loszulösen beginnt. Man 
glaube aber nicht, dab dieser Auflösungsbeginn etwa 


ein allmählicher sein wird. Denn trotz der tiefen 
Kälte behält das Eis und der gefrorne Lehmkern 
des Mondes immerhin eine gewisse gletscherartige 
Plastizität. Mit dem Geologenhammer bearbeitet, 
würde dieses Eis im räumlich und zeitlich Kleinen 
mehr als die gewohnte Eissprödigkeit aufweisen 
— im großen Volumen aber und im Verlaufe von 
Pe na »fließt« es förmlich aus der 

ugel- in die Eiform über, ohne in den tieferen 
Schichten rissig und brüchig zu werden. Dieses 
»Setzen< aus der Kugel- zur Eiform hat ja schon 
heute, ja sofort nach dem Mondeinfange vor — sagen 
wir 70.000 oder auch 7000 Jahren begonnen, um 
schließlich im Erdstadium der Fig. 4 die in Fig. 10 
sinnfällig gemachte Eiform zu erlangen. Auch heute 
bildet der Mond schon ein sanftes Ei trotz der viel- 
gepriesenen gegenteiligen Untersuchungs-»>Resultate« 
des Breslauer Astronomen Franz. Der Mondeisozean 
muß unter der uns zugekehrten Eispitze auch viel 
tiefer sein als unter dem für uns unsichtbaren anti- 
podischen Eistumpf, und das ist auch der Grund, 
warum einzelne Mondmechaniker auf Grund der 
physischen Libration des Mondes herausrechnen 
konnten, dab der Schwerpunkt des Mondes um etwa 
60 km jenseits seines Mittelpunktes liegt. Diese lunare 
Schwerpunktsexzentrizität wird also mit der weiteren 
Bahnschrumpfung des Mondes zunehmen, bis auch 
sie im Erdstadium der Fig. 4 die aus Fig. 10 F erahn- 
bare Größe erreicht haben wird. 

In dieser eiförmigen Sprungbereitschaft des im 
zeitlich und räumlich großen gletscherartig 
plastischen Quartärmondes werden die in Fig. 4 
nur für die Kugelform ziffermäßig ersichtlich ge- 
machten »Hubkräfte« daher die Mondoberflächen- 
schwere schon um ein Gewaltiges überbieten 
müssen, wenn die Zerreißung endlich erfolgen soll, 
indem ja die Zerreißfestigkeit des homogenen 
Eises und gefrornen Lehms zu überwinden ist. Die 
ZerreiBung wird also buchstäblich rißartig plötzlich, 
geradezu explosionsartig erfolgen, wenn auch zunächst 
bloß die über 100 km tiefe Eiseischale an die Reihe 
kommt. Hat aber einmal diese explosionsartige Eis- 
auflösung begonnen, so wird sie notwendig mit 
hinaufpotenziert zunehmender Geschwindigkeit fort- 
gesetzt, indem ja der Mond an Masse und somit 
auch an Oberflächenschwere verliert — die Erde 
aber an beidem gewinnt, zugleich diese Schwere- 
abnahme noch dazu auch eine Festigkeitsabnahme 
bedingt. Nach Ablösung der Eiseispitze wird der 
Mondkörper notwendig langsam >»kentern« und der 
Erde den bisherigen Eistumpf zukehren wollen, doch 
kann es nicht rasch genug so weit kommen, indem 
immer wieder die augenblicklich der Erde zugewen- 
deten Eiseischalenteile zur Losreißung gelangen. Es 
ist ein Debacle ohne genau vorausbestimmbare Gesetz- 
mäßigkeit: Mit zunehmender Vehemenz wird 
der Trabant zertrümmert! 

Das ist nun das erhabene Schauspiel, welches 
die drei primitiven oberen Bildchen F G H der Fig. 10 
in schlichtester Weise illustrieren sollen. Die Mond- 
auflösung muß also durch einen plötzlich ein- 
setzenden »großen Hagel« auf Erden angekündigt 
werden! Aber alle Begriffe, die wir uns etwa an dem 
auf Seite 43 des Februarheftes geschilderten entsetz- 
lichen französischen Hagelschlag gebildet haben, 
der am 13. Juli 1788 einen zweigeleisigen Kultur- 
streifen vom Südwesten Frankreichs über Belgien bis 
tief nach Holland hinein vernichtete — alle diese 
Hagelbegriffe sind zu verschwindend klein für den 
hier einsetzenden »großen Hagel“ aus Offenb. 11/19 
und 16/21! Denn viele Tausende, ja Hunderttausende 
solcher noch viel, viel größerer, breiterer und 
längerer Hagelstreifen überdecken einander 
Wochen hindurch ringsum in allen tropischen und 
mittleren Breiten der sanft linsenförmig plattgedrückten 
und schwer vereisten Erde mit ihrem äquatorialen 
Sintflutreservoir. Dabei entwickelt jeder dieser zahl- 
losen Riesenhagelstreifen einen dementsprechenden 


luftdynamischen und luftelektrischen Paroxysmus mit 
Wolkenbruch, wie wir ihn in historischer Zeit noch 
nirgends auf Erden, auch nicht in der berühmten 
»Thüringischen Sintflut« vom 29. Mai 1613, erlebt 
haben dürften. Also wirklich ein »großer Hagel«, 
eine wochenlange Hagelserie im allerkosmologischesten 
Sinne des Wortes bricht da los, begleitet von einem 
ebenso universellen wochenlangen Wolkenbruch 
mit unaufhörlichen, denkbar furchtbarsten Donner- 
und Blitzschlägen und unbeschreiblichem Sturmes- 
geheul: Buchstäblich ist’s der »Jüngste Tag«, der 
da für den heil durch den ganzen Kataklysmus ge- 
kommenen Restteil der Eiszeitmenschheit an- 
bricht und die »>GroBe Flut« der tropischen Indianer 
und sonstigen zahlreichen Naturvölkerüberlieferungen 
— das>Diluvium« buchstäblichen Sinnes der älteren 
Geologen — die »Sintflut« des mosaischen und baby- 
lonischen Berichtes einleitet. 

Jetzt verstehen wir die Überlieferungsreste, welche 
Johannes in den heidnisch-priesterlichen Archiven 
entsprechend verwertet und aufbewahrt gefunden 
haben dürfte, wenn er Offenb. 11/19 und 16/21 sagt: 
»Und es geschahen Blitze und Stimmen 
und Donner und Erdbeben und ein großer 
Hagel. — »Und ein großer Hagel, als ein 
Zentner, fiel vom Himmel auf die Menschen; 
und die Menschen lästerten Gott über die 
Plage des Hagels; denn seine Plage ist 
sehr groß.« 

Außer den »Stimmen, Blitz, Donner und Hagel« 
verstehen wir natürlich auch das diesmalige »Erd- 
beben« des Johannes sofort, wenn wir jetzt unsere 

lacialkosmogonische Erdbebentheorie im Jäuner- und 
Februarhefi überlesen. Denn sofort nach dem ersten 
Einsetzen des großen Hagels muß ja auch die Erde 
in allen Fugen zu ächzen beginnen; ein bedeutender 


Erstes Auflösungsstadium:Überbietung der 


171 


Volumteil des Mondes wird sich zu einem die Erde 
noch tage- und wochenlang umrasenden Eistrümmer- 
ring auflösen, der aus seinen innersten Partien fort- 
während berg- und marsmondgroße Eisblöcke tangential 
an die Atmosphäre abgibt, wie ja dies Fig. 10/F ver- 
sinnlichen will. Dadurch verzehren sich im selben 
Maße auch jene Mondes-Hubkräfte der Fig. 4, 
die im letzten Stadium E der vorsintflutlichen Zeiten 
der Fig. 8 die Tropengürtelhochflut zusammen mit der 
Linsenform der Erde in Permanenz erhalten haben. 
Diese Linsenform des unmittelbar vorsintflutlichen 
Geoids beginnt daher geologisch plötzlich sich zur 
früheren beiläufigen Kugelform der nunmehr abermals 
bald mondlosen Erde zurückzusetzen. Dadurch werden 
ebenso plötzlich so viele Verwerfungen, Grabenbrüche, 
Schollensenkungen (auch Magmaergüsse submarin 
und litoral, Intrusionen, Lakkolithen- und Vulkan- 
bildungen etc.) ausgelöst und dem Ozeanwasser 
ebenso vielfache Gelegenheit geboten, bequem und 
in größeren Mengen, rasch und unter hohem hydro- 
statischem Drucke an das feindliche innerirdische 
Glutelement heranzukommen und nach sofortiger 
Auslösung der sämtlichen älteren Siedeverzüge 
auch selbst in ein hochdruckiges, permanentes Ex- 
plosionssieden zu geraten; so daß also vom 
Äquator bis in höchste Breiten ringsum ein univer- 
selles Explosionsstoßen von unten eintritt, ein wochen- 
langes förmliches »Brodeln« der Lithosphäre gleich 
einem belasteten Kochtopfdeckel! Denn all die seis- 
mischen Paroxysmen, welche mit der allmählichen, 
viele Jahrzehntausende währenden »Setzung« des auch 
in stationärnaher Zeit arg zerschütterten Geoids (erster 
Hauptursprung aller großen Verwerfungen etc.) zu 
einer schließlichen Linsenform der Lithosphäre einher- 
gingen — alle diese erdendeformierenden Paroxys- 
men werden jetzt gleichsam rückbildend wiederholt 


Dadurch wochenlanger,GrosserHagel’u.Wot | Darnach Zerfall des centralen,ungelisten Eisen- 
Mondoberflachenschwere dureh Erdenfluth- | kenbruch,übergehend in Schlammfluthfall 
Kräfte u. Zerfall der Ciskruste,g‘. tGlasmeeri| bei Zerfall gelösten Mondkernes.r’kLössfall 4 | ten Erzlager und dergl.liefert. Fall, 


schlacken-Kernes,p"welcher die ee isolier 
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er in den Stadien. FH enthaftete Tro] Die Polargebiele erreichend,stauen dief Die zurück ebbenden Polarfluthbergef Diese primaren, sehon geschwachten 


pen-Ocean-Gürtel FT0Gi verläuft in 2 | Ring-Wellen sich vorübergehend zu 2]entsenden Reflexions-RingfluthwellenJ Reflexringfluthen stauen sich zum se- 
Ring-Fluth-Wellen nach beiden Polen Bergen empor. die wieder zurück ebbenl die in den Tropen sich wieder erreichen. | eundären ropen-Oceangürtel empor. 
Jm Stadium M beginnen die Vorgange J. K. LH abermals,in raseh abnehmender Jnlensität sich 2-3 mal wiederholend,bis die Gewässer sieh ganz nivellieren. 


Fig. 10. Versuchsweise Versinnlichung der den geologisch-zukünftigen Quartarkataklysmus aus Fig. 3 bis 9 geologisch 
»plötzlich« abschließenden Mondauflösung und dadurch entfesselten, universellen, beidhemisphärischen »Grofßen Flut«, zugleich 
ein Bild aller früheren Kataklysmenabschlüsse, sowie der »Sintflut« der verschiedenen retrospektiven Schöpfungsgeschichts- 
5 und Naturvölkerüberlieferungen. Die Stadien F bis M schließen sich unmittelbar an das Stadium E der Fig. 8 und 9 
an. Die oberen drei Bilder zeigen Anfangs-, mittleres und Endstadium der Mondauflösung; die unteren vier versinnlichen die 
Abflutung des durch den täglich etwa 6% mal die Erde umrasenden Mond bisher zusammengehaltenen tropischen Ozeangürtels 
der Fig. 8/E nach den beiden Polen hin, bezw. das zwei- bis dreimalige, an Intensität allmählich abnehmende Pendeln dieser riesigen 
Doppelringflutwelle bis zum Eintritt des Ruhezustandes nach mehreren heutigen Monaten. 


172 


(zweiter Hauptursprung der Verwerfungen etc.) — aber 
in ihrer überwiegenden Mehrheit auf wenige Wochen, 
im größeren und kleineren Reste auf wenige Jahre 
und Jahrzehnte zusammengedrängt, aber in ihren 
letzten rückbildenden Zuckungen allerdings wohl auch 
in weitere Zukunft hinein verlängert. 

Man kann also sagen, daß mit den in Fig. 10 
illustrierten Schlußvorgängen des Quartär-Kataklysmus 
auch ein wochenlanges universelles Erdbeben 
von solcher uns gänzlich unfaßbaren Gewalt einher- 
gehen muß, daß es wieder nur von dem Erdbeben 
des geologisch künftigen Quintärmond - Einfanges 
Mars) und dem der fernen künftigen Quintärmond- 

intflut stark überboten werden kann. Ganz dasselbe 
Bild bietet natürlich auch die Tertiär-, Sekundär- und 
Primär-Mondauflösung der geologischen Vergangen- 
heit, aus der ja Johannes geschöpft haben mußte, nur 
im zeitlich nach rückwärts immer mehr und mehr an 
Intensität abnehmenden Maße, weil ja die aufgelösten 
und noch aufzulösenden Erdmonde der geologischen 
Vergangenheit und Zukunft an Größe und Masse der 
zeitlichen Reihenfolge nach immer nur gewaltig zu- 
nehmen können. 

Aber ebenso wie die Tertiäreiszeitmenschen im 
Stadium E der Fig. 8 den Tertiärmond manchmal 
durch die spärlichen Wolkenlücken als ein »feurig 
glänzendes Eismeer voll Augen vorne und 
hinten« erblicken konnten, ebenso mußten sie beim 
Beginne der Eiszertrümmerung den in Fig. 10/F er- 
sichtlichen Eistrümmerring der Erde als einen ungemein 
feurig glänzenden Sternschnuppenschwarm 
momentweise erhascht haben. Sie sahen »die Sterne 
desHimmelsaufdieErde fallen!« Der Tertiär- 
mond mußte notwendig die feurige Albedo seines 
Eispanzers bald verlieren und die Terrarossafarbe 
des eisenhaltigen Schlackenlehms annehmen, so 
weit man seinen nackten heliotischen Kern manchmal 
erblicken konnte. Wir verstehen abermals die von 
Johannes vermutlich vorgefundenen Überlieferungsreste, 
wenn er Offenb. 6,12 bis 16 sagt: 

»Und siehe, da ward ein großes Erdbeben, und 
die Sonne ward schwarz wie ein härener Sack und 
der Mond ward wie Blut; und die Sterne des Himmels 
fielen auf die Erde, gleichwie ein Feigenbaum seine 
Feigen abwirft, wenn er vom großen Wind bewegt 
wird: und der Himmel entwich wie ein zusammen- 
gerolltes Buch ; und alle Berge und Inseln wurden 
bewegt aus ihren Örtern; und die Gewaltigen und 
alle Knechte und Freien verbargen sich in den Klüften 
und Felsen an den Bergen, und sprachen zu den Bergen 
und Felsen: Fallet auf uns und verberget uns!« — 

Das große Erdbeben, den blutigen Mond, die 
fallenden Sterne, die bewegten Inseln und Berge sowie 
die Zuflucht der Gewaltigen und Knechte in die Klüfte 
und Höhlen der Berge und Felsen haben wir schon 
soeben kommentiert. Der entweichende Himmel ist 
wohl auf die rasenden Wolkenverschiebungen im 
Tanze von West nach Ost zurückzuführen. Die 
schwarze Sonne läßt auf ein tiefes Erfülltsein der 
tagesseitigen Atmosphäre schließen, oder es könnten 
damit auch die täglichen 2 bis 3 Sonnenfinsternisse 
von je 20 und mehr Minuten — samt ebensovielen 
Mondesfinsternissen von je beiläufig dreiviertel- bis 
ganzstündiger Dauer angedeutet sein. Keinesfalls 
konnten die heidnischen Priester die aufgefangenen 
Überlieferungsreste klar verstanden haben, sie wurden 
in teils unbewußt, teils bewußt zweckmäßig entstellter 
Form verwahrt und durch Johannes auch weiterhin 
ins menschlich Vorstellbare hereinkonstruiert -- wie 
er sich beispielsweise unter Gewaltigen und Knechten 
eben nur die Kasten seiner Zeit vorgestellt haben 
konnte. Das schleunige Aufsuchen der Felsenhöhlen 
durch die Eiszeitmenschen wird durch die Heftigkeit 
und Korngröße des großen Hagels, sowie durch den 
bis dahin unerhörten Donner, Blitz und Sturm ver- 
ständlich; wir trieben es mit heutigen Nerven gewiß 
wohl noch viel ärger! Auch mögen wahnsinniger 
Schreck vor dem überirdischen Selbstmordgedanken 


zeitigen und mangels Waffen und Zeit zu den zitierten 
Ausrufen an Bergen und Felsen drängen. Ein Thema 
für diephantasiereicheren modernen Land- 
schaftsmaler! Für einen Böcklin redivivus! 

Allmählich muß aber dieser große Hagel und 
Wolkenbruch in einen universellen »Schlammflut- 
fall« übergehen, bis die Auflösungsreihe an dem 
stark eisenrosthaltigen gefrornen Lehm- und Fein- 
sandkern des zerfallenden Mondes kommt. Schließlich 
stellen sich auch die »feurigen Bergstürze« ein, 
wenn auch der ungelöste, eisenhaltigere, zentrale Teil 
des heliotischen Mondkernes der Zerreißung anheim- 
fällt. Es hat also gar nichts Unvernünftiges 
oder Gehirnweiches mehr an sich, wenn wir 
diesbezüglich bei Johannes weiter lesen: 

»Und der Engel nahm das Rauchfaß, füllte es mit 
Feuer vom Altar und schüttete es auf die Erde. Und 
da geschahen Stimmen und Donner und Blitze und 
Erdbeben. — Und es ward ein Hagel und Feuer mit 
Blut gemenget, und fiel auf die Erde; und das dritte 
Teil der Bäume verbrannte und alles grüne Gras ver- 
brannte. — Und es fuhr wie ein großer Berg mit 
Feuer brennend ins Meer; und der dritte Teil des 
Meeres ward Blut — und das dritte Teil der leben- 
digen Kreaturen im Meere starben, und das dritte 
Teil der Schiffe ward verderbet. — Und es fiel ein 
großer Stern vom Himmel, der brannte wie eine 
Fackel, und fiel auf das dritte Teil der Wasserströme 
und über die Wasserbrunnen. — Und der Name des 
Sternes heißt Wermut; und das dritte Teil des Wassers 
ward Wermut; und viele Menschen starben von den 
Wassern, daß sie waren so bitter worden. — Und es 
ward geschlagen das dritte Teil der Sonne und das 
dritte Teil des Mondes und das dritte Teil der Sterne, 
daß ihr drittes Teil verfinstert ward, und der Tag das 
dritte Teil nicht schien, und die Nacht desselbigen 
gleichen.« (Offenb. 8/5 bis 12.) 

Hier sehen wir also den reinen Eishagel schon 
allmählich in einen Schlamm hagel und Meteor- 
hagel und schließlich in einen Eisenberg hagel 
übergehen. Wo hier Johannes nicht etwa selbständig 
aus dem Gluthagel der heliotischen Mondkerntrümmer 
seine Folgerungen auf die Vegetation seiner Zeit 
zieht, kann sich ja auch die Atmosphäre schon so arg 
erhitzt haben und der möglicherweise glühend unten 
anlangende Schlackenhagel setzte Baum, Strauch und 
Gras der vom Eishagel etwa noch verschont ge- 
bliebenen tropischen Eiszeithochgebiete in Brand, die 
damals natürlich im Niveau des Ozeantropengiirtels 
lagen. Den mit Feuer brennend ins Meer fahrenden 
Berg gleich dem wie eine Fackel brennenden, vom 
Himmel fallenden Stern erkennen wir als zwei fallen 
gesehene (von den vielen ungesehenen) größere 
Bruchstücke des lunaren Eisenschlackenkernes der 
Fig. 10/H, die natürlich außen in Reibungsglut geraten 
waren, gleich unseren Meteoreisensteinen. Das hiebei 
entstehende Eisenoxyd und auch der eisenhaltige Teil 
des Schlammes mußte natürlich die augenblicklich 
seichteren küstennahen Meeresteile rot färben, »in 
Blut verwandeln«, wie der überlebende Eiszeit- 
mensch seinen Enkeln treuherzig erzählt haben mochte. 
Daß an solch arger Verschlammung des See- und 
Süßwassers die Fische massenhaft zugrunde gehen 
mußten, ist um so verständlicher, als mit dem Schlanıme 
ja auch Unmengen von Natriumverbindungen und 
sonstigen Alkaliensalzen herabkommen mußten, welche 
die fließenden Gewässer ebenfalls ungenießbar »bitter< 
und giftig machten und den Tod manches Durst- 
löschenden zur Folge haben konnten. Die verderbten 
Schiffe bestätigen vielleicht, wenn die Überlieferung 
echt ist, nur unsere Vermutung, daß mindestens die 
tropischen Südamerika-Eiszeitmenschen ihre Kanoe- 
flottillen stets zur Verfügung hatten, und dorther 
dürften auch die Überlieferungen stammen, aus deren 
heidnisch-priesterlich verbuchten Resten Johannes 
geschöpft haben mußte. Anderseits ist nicht zu ver- 
gessen, daß der Apokalyptiker für seine Erderneue- 
rungsbilder nur seine eigene Zeit als Hintergrund 


gewählt haben konnte und somit auch eigenmächtig 
von verderbten Schiffen sprechen durfte. 


Das »Dritteil« kann teils eine prophetische 
Redensart ähnlich unserem »fast ganz« sein, teils ein 
wirkliches beiläufiges Drittel darstellen, wie z. B.: 
Der verfinsterte Dritteil des Tages und der Nacht 
weist klar auf die geschilderten Sonnen- und Mondes- 
verfinsterungsverhältnisse hin. Jeder Durchgang des 
im Mittelabstand von ca. 2r vorüberhuschenden 
Tertiärmondes durch die Basis des Erdschattenkegels 
bestand aus drei Episoden: Einem je eine halbe 
Stunde währenden ersten und letzten Viertel und einer 
verfinsterten Vollmondzwischenzeit von rund einer 
Stunde; das kam aber allnächtlich zwei- bis dreimal 
vor. Ebenso gab es zur Tageszeit je 2 bis 3 Sonnen- 
verfinsterungen von je 20 Minuten, wie bereits er- 
wähnt; die Sternverfinsterungen stellen sich als eine 
simple Sternverdeckung durch den etwa 30° im Durch- 
messer spannenden Tertiärmond dar, während der- 
selbe, auch selbst verfinstert, den dort perspektivisch 
wohl über 90° breiten Erdschattenkegel allnächtlich 
zwei- bis dreimal beiläufig je eine Stunde lang durch- 
schwebte; selbst wenn man einen wolkenfreien Nacht- 
himmel voraussetzen dürfte, würde von der sichtbaren 
Sternhimmel-»Halbkugel« ringsum erst der am Horizont 
sitzende, etwa 200 breit einzuschätzende atmosphäri- 
sche Dunstkeilring in Abzug zu bringen sein; setzt 
man aber noch das allermäßigste Gewölke der un- 
mittelbar vorsintflutlichen Eiszeitnacht ein, so wird 
der verfinsterte Mond von 300 Durchmesser ganz leicht 
»das dritte Teil« der restlichen Sterne ver- 
decken. Wahrscheinlich stammen aber diese Ver- 
finsterungsüberlieferungen aus der dem »Großen 
Hagel« unmittelbar vorangehenden Zeit und es liegt 
da somit eine zeitliche Vermischung vor, die schon in 
den ersten Jahrtausenden des Überlieferungsvorganges 
begonnen haben konnte, also auch dem gewiß vor- 
sichtig verarbeitenden Johannes um so leichter ver- 
ziehen werden darf. Auch ist anzunehmen, daß 
Johannes die Überlieferungen des Quartärmond- 
einfanges und der Tertiärmondauflösung auch selbst 
schon vermischt vorgefunden haben dürfte, und den- 
noch hat er sie größtenteils in getrennten Kapiteln 
verarbeitet und nur zum kleinsten Teile vermengt. 
Gewiß darf man erwarten, daß unsere heutigen 
Astronomen, unversehens in die finsternisreichen Tage 
unmittelbar vor undwährend der Mondauflösung 
versetzt, sich in dem Chaos von Verfinsterungen im 
Momente des ersten Schreckens ebensowenig zurecht- 
finden könnten, wie die getreulich naiv überliefernden 
Eiszeitmenschen oder die viel späteren, Reste sammeln- 
den Heidenpriester, oder der alles getreulich und im 
besten Glauben verchristlichende Johannes. Die Zeiten, 
in denen man diesen Schriftsteller für einen Gehirn- 
leidenden halten durfte, sind vorüber! 


Angesichts der Fig. 10 wird das Thema der dies- 
bezüglichen alten Texte fast unerschöpflich, und 
umgekehrt! Wir wollen es daher für heute bei dieser 
kurzweiligen Kostprobe bewenden lassen und bei 
Moses hierüber lieber wieder später einmal zu 
»schöpfen« versuchen. Vielleicht fühlt sich der ge- 
neigte Leser schon durch das Bisherige angeregt, bei 
Johannes und Moses einmal auch selbständig 
tiefer unter die Druckerschwärze hinabzugraben nach 
dem bekannten Rezepte unseres erkenntnistheoretischen 
Gewährsmannes: »Wo Du stehst, grab’ tief hinein! 
Drunten ist die Quelle! Laß’ die dunklen Männer 
schrei’n: Stets ist drunten Hölle!« 


Er revidiere jetzt aber auch einmal genauer die 
Über-, Unter-, Neben- und Inschriften der sieben 
simplen Bildchen der Fig. 10: Es dürfte da im Prin- 
zipe kaum noch etwas unklar sein. Im Detail gibt es 
da natürlich noch vieles zu sagen, was im wesent- 
lichen ja auch nicht ungesagt bleiben soll. Der ge- 
neigte Leser beachte aber gefälligst, daß das 
Stadium J sich nicht etwa erst an das Stadium H 
anschließt, sondern schon im Stadium G einsetzt, 


173 


ebenso wie das Stadium F bereits im Stadium E der 
Fig. 8 und 9 eingesetzt hat. 

Nur noch einige prinzipielle Erläuterungen hiezu 
für heute: Unmittelbar nachdem im Stadium F »die 
Schleusen des Himmels geöffnet« wurden, 
beginnt auch schon im Stadium G das Hochziehen 
der Schleusen des irdisch-tropischen Sint- 
flutreservoirs, währenddem sein Inhalt mit 
dem lunaren Schlammflutfall geschwängert 
wird und so nachher zur »Lehm«- und Löß-Beschickung 
der ganzen Erdoberfläche führt. »Die Menschheit ist 
wieder zum Lehmacker geworden«, heißt es ja auch 
nach der Sintflut im babylonischen Berichte. Diese 
»Große«, vom Äquator beidpolwärts gerichtete Mond- 
auflösungs-»Flut« hat also eine zweifache Ver- 
anlassung: Es ist dies der universelle »Große 
lunare Hagelwolkenbruch« der Fig. 10/F—G 
einerseits und das plötzliche Aufhören der 
die Tropengiirtel-Hochflut zusammenhaltenden luna- 
ren Flutkräfte der Fig. 4 anderseits. Diese vom 
heranschrumpfenden Monde Jahrhunderttausende, viel- 
leicht auch nur Jahrzehntausende hindurch zusammen- 
gesogene Tropengiirtelflut der Fig. 8’E wird eben 
durch den universellen Hagelwolkenbruch und Schlamm- 
flutfall raschest noch einmal ausgiebigst nachgefüllt 
und schlammgeschwängert, um zugleich losgelassen 
zu werden! 

Dasist also das ureinfache kosmo- 
physikalische Grundwesen des natur- 
wissenschaftlichen Hintergrundesaller 
Sintflutberichte der Naturvölker, Pro- 
pheten undalten Schriftsteller. Man kann 
daher auch von den Zeiten einer bislang so be- 
rechtigt geschienenen Sintflut- und Katastrophen- 
leugnung aller führenden Geister der modernen 
Geologie gleichfalls behaupten, daß sie endgültig 
vorüber sein müßten, wenn diese Geister einmal aus 
ihrer saturierten Bequemlichkeit heraustreten und die 
ihnen hier gebotene Aussichtsplattform besteigen 
wollten. Bei allem schuldigen Respekt vor ihren be- 
währten Arbeitsmethoden und bereits hoch aufge- 
stapelten unschätzbaren objektiven Beobach- 
tungsresultaten, die wir alle noch bestens zu verwerten 
wissen werden, sehen wir uns angesichts der biblio- 
thekarischen Verstaubung unseres im Jänner 1913 er- 
schienenen Hauptwerkes genötigt, ihnen loyalsten 
Sinnes den Krieg zu erklären und erwarten 
von ihrer Ritterlichkeit, daß sie den Handschuh auf- 
heben und uns mittels eben dieser längst vorhandenen 
Beobachtungsresultate (Ansichten gelten 
nicht) zu widerlegen suchen werden. »Wir sind ge- 


kommen, ein Feuer anzuzünden auf Erden — und 
was wollten wir lieber, denn es brennete schon!« 
(Luk. 12 49.) 


Insofern aber einige neuere Geologen dennoch 
nicht umhin können, am Ende der jüngsten »Großen 
Eiszeit« eine sogenannte Pluvialperiode (Große 
Regenzeit, denn Sintflut ist verpönt!) zuzugeben, ja 
sogar zu behaupten und nachzuweisen (1), suchen sie 
dieselbe durch ein plötzlich eintretendes Schmelzen 
des Eiszeiteises zu erklären! Die Sache liegt 
aberin Wahrheit beiläufig umgekehrt: 
Das Eiszeiteis wird durchdie »Große 
Flut«eingeschmolzen! Die beiden passatartig 
voreilenden Ringflutwellen der Fig. 10‘) und K heben 
das in dem schematischen Bildchen F GH geschuppt 
angedeutete Inlandeis der mittleren Breiten auf und 
verdriften es samt den teilweise auf ihm liegenden 
erratischen Blöcken und den sich am Eise 
vor der Flut retten wollenden Dickhäutern und 
sonstigen Eiszeitsäugern in höhere Breiten. Die 
Steinblockeisflöße kentern natürlich unterwegs baldigst, 
aber das geschicktere Großgetier erreicht weiter 
mittreibend beispielsweise auch jene Gefilde Nord- 
sibiriens, in deren Eisschlammboden wir heute ganze 
Herden von Mammuten und Rhinozerossen, zum 
Teil sogar in aufrechter oder hockender 
Stellung eingefroren vorfinden. Es löst sich jetzt 


174 


also auch das Rätsel der mitunter ganz sporadisch 
und weit außerhalb jedweder Altmoräne liegenden 
großen erratischen Blöcke, der ganz universell 
verbreiteten Löß- und Lehmlager samt dem 
Schlammeisboden hoher Breiten, sowie auch der so 
gespensterhaft aufrecht eingefrornen, im Fleische 


mitunter noch ganz frischen sibirischen Mammut- 
kadaver. In allen diesen drei, nebst noch so manchen 
sonstigen Beziehungen laden wir die modernen, sint- 
flutleugnenden Herren Geologen herzlichst ein, zu 
ihrem älteren Kollegen Cuvier der vorigen Jahrhundert- 
mitte reuigst zurückzukehren! 


(Fortsetzung folgt.) 


Tarifabschlüsse in der Flugzeugindustrie. 


I. Berlin. 


Die Betriebe der Flugzeugbranche gehören zu 
den jüngsten der Berliner Metallindustrie. Trotzdem 
haben sie ihrer Bedeutung entsprechend bereits 
nennenswerten Umfang angenommen. Es sind in 
Flugzeugbetrieben Groß-Berlins weit über 4000 Ar- 
beiter beschäftigt. 

Bereits vor zwei Jahren wurden mit mehreren 
dieser Betriebe Vereinbarungen über Löhne u. s. w. 
abgeschlossen. Damals waren allerdings nur reichlich 
500 Personen in diesen Betrieben beschäftigt. Ende 
März d. J. hatten die im Jahre 1913 abgeschlossenen 
Vereinbarungen ihr Ende erreicht und es galt nun die 
Lohn- und Arbeitsbedingungen aufs neue festzusetzen. 
Zu dem Zweck fanden eine Anzahl Versammlungen 
und Verhandlungen statt. 

Die Inhaber der Betriebe waren zunächst nicht 
bereit, tarifliche Vereinbarungen abzuschließen, trotz 
der starken Beschäftigung in ihren Betrieben. Es war 
das wahrscheinlich auf die Einwirkung des Verbandes 
Berliner Metallindustrieller zurückzuführen, der glaubt, 
an seinem Grundsatze, keine Tarifverträge mit den 
Arbeitern abzuschließen, auch jetzt noch festhalten zu 
müssen. Dabei haben eine Reihe von Betrieben, die 
mit für die Aufrechterhaltung dieses Grundsatzes 
kämpfen, ihn selbst durchlöchert, indem sie mit dem 
Metallarbeiterverband Verträge abschlossen. 

Schließlich kam es zu gemeinsamen Verhand- 
lungen zwischen den Vertretern der beteiligten Or- 
ganisationen und den Vertretern der Flugzeugbetriebe 
unter Hinzuziehung eines Vertreters des preußischen 
Kriegsministeriums. Allerdings versuchten die Unter- 
nehmer bei den ersten Verhandlungen noch die Ab- 
machungen auf die Löhne zu beschränken, und als 
es hierüber zu einer Verständigung kam, glaubten die 
Herren, die Sache sei erledigt. Die Meinung der Ar- 
beiter war aber eine andere und schließlich mußten 
auch die Vertreter der Flugzeugbetriebe sich dazu 
bequemen, von ihrem bisherigen Standpunkt ab- 
zulassen. 

Die nunmehr wiederum anberaumten Verhand- 
lungen führten dazu, daß folgende Vereinbarung zu- 
stande kam: 

Vereinbarung 


zwischen dem Verband Berliner Flug- 
zeug-Industrieller und dem Deutschen 
Metallarbeiterverband, sowie dem 
Deutschen Holzarbeiterverband namens 
der unterzeichneten Organisationen. 

§ 1. Die normale wöchentliche Arbeitszeit beträgt 
51 Stunden. 

§ 2. Die tägliche Arbeitszeit muß zwischen 7 Uhr 
morgens und 5 Uhr nachmittags fallen. An den Tagen 
vor den hohen Festen (Weihnachten, Ostern und 
Pfingsten) endet die Arbeitszeit spätestens um 2 Uhr. 
Ein Lohnausfall für den Weihnachtsheiligenabend, so- 
fern er nicht auf einen Sonnabend fällt, tritt nicht ein. 

8 3. Für Startmannschaften sind Ausnahmen in 
der Einteilung der Arbeitszeit zulässig. Auch hier soll 
die wöchentliche Arbeitszeit 5l Stunden nicht über- 
schreiten. 

8 4. Wird in Doppelschicht gearbeitet, so arbeitet 
die erste Schicht von 6 Uhr morgens bis 3 Uhr nach- 
mittags, die zweite Schicht von 3 Uhr nachmittags 
bis 12 Uhr nachts. Jede Schicht hat je zwei viertel- 
stündige Pausen, welche in die Arbeitszeit eingerechnet 


werden. Für die zweite Schicht (Nachtschicht) wird 
ein Aufschlag von 5 Pfennig pro Stunde gezahlt. 
Sonnabends arbeiten die Schichten von 6 Uhr morgens 
bis 12 Uhr mittags und von 12 Uhr mittags bis 6 Uhr 


abends. Am Weihnachtsheiligenabend wird wie an 
den Sonnabenden gearbeitet. Ein Lohnausfall tritt 
nicht ein. 
§ 5. Die Einstellungslöhne betragen für: 
Pfennig 
Schlosser s ..-. e 3 8 80 
Dreher’... ik ae ⁰ RT 85 
Werkzeugmacher 85 
Klempner 85 
Schweißer 2.44 —2—ͤ 85 
Sei.. at oS ewe de 80 
Schmiede. ............ 2.04 80 
Maschinenarbeiter (Eisen). ..... . 80 
_Kupferschmiede. ............ 85 
Tischler =... $2 oe Ea ĩðͤ 222 8 80 
Bootsbau 80 
Zinne. a 80 
Stellma chend 80 
Maschinenarbeiter (Holz) ........ 80 
Sattler und Tapezieren 85 
Maler und Lackieren 80 
Hilfsarbeiter bis 18 Jahre 50 
> über 18 Jahre ....... 60 
Hilfsarbeiterinnen . . . ... 2.22 2.. 40 


Sofern dieselben Berufsarbeit verrichten, nach 
drei Wochen 5 Pfennig Zulage. 

Alle, die diesen oder einen höheren Lohn bereits 
haben, erhalten eine Zulage von 5 Pfennig pro 
Stunde. 

Für Verladen und Verpacken auf dem Bahnhof 
werden 10 Pfennig pro Stunde Zuschlag gezahlt. 

8 6. Für Garderoben, Wascheinrichtungen, Ver- 
bandskästen und sonstige hygienische Einrichtungen 
ist Sorge zu tragen. 

N 7. Bei Bedarf an Arbeitskräften sollen möglichst 
die Arbeitsnachweise der vertragschließenden Arbeit- 
nehmerorganisationen benützt werden. 

8. Wo bessere als in dieser Vereinbarung vor- 
gesehene Arbeitsverhältnisse bestehen, dürfen die- 
selben nicht verschlechtert werden. 

8 9. Wird in Akkord gearbeitet, so soll der 
Mindestverdienst 20 Prozent höher als der jeweilige 
Stundenlohn sein. Der Stundenlohn ist unter allen 
Umständen zu garantieren. 

§ 10. Entlassungen dürfen wegen Durchführung 
dieser Vereinbarung nicht stattfinden. 

11. Wünsche und Beschwerden der Arbeiter- 
schaft werden durch den Arbeiterausschuß vorge- 
bracht, dieser Ausschuß unternimmt auch die Bei- 
legung von Differenzen, die sich aus der vorstehenden 
Vereinbarung ergeben. Ist eine Einigung nicht zu er- 
zielen, so wird die Angelegenheit einer Schlichtungs- 
kommission unterbreitet. Dieselbe setzt sich zusammen 
aus drei Vertretern des Verbandes der Berliner Fluy- 
zeugindustriellen und drei Vertretern der vertrag- 
schließenden Arbeitnehmerorganisationen. 

§ 12. Die Vereinbarung gilt bis zum offiziellen 
Friedensschluß, längstens aber ein Jahr. 

Nach Friedensschluß wird über die Lohn- und 
Arbeitsbedingungen neu verhandelt. Dabei wird auf 
die Mitwirkung des Vertreters des Kriegsministeriums 
gerechnet. 


Bis zu diesen Verhandlungen wird an den be- 
stehenden Lohn- und Arbeitsbedingungen nichts ge- 
ändert. 

§ 13. Die Vereinbarung tritt mit dem Tage des 
Abschlusses in Kraft. 

Diese Vereinbarungen sind von einer Versamm- 
lung der in den Flugzeugbetrieben beschäftigten Ar- 
beiter gutgeheißen und inzwischen auch von den 
beiderseitigen Vertretern unterschrieben. Damit sind 
diese Vereinbarungen entsprechend dem § 13 in 
Kraft getreten. 


Der Vertreter des Kriegsministeriums, der bei den 
Verhandlungen zugegen war, hat sich in durchaus 
unparteiischer und erfolgreicher Weise um das Zu- 
standekommen der Verständigung bemüht. 


II. Wien. 


Die Wiener Flugzeugindustrie hat erst während 
der Kriegsdauer einen bedeutenden Aufschwung ge- 
nommen; dieser dürfte jedoch auch in der Friedens- 
zeit andauern. In den drei Betrieben, die sich mit der 
Erzeugung von Flugapparaten beschäftigen, wird eine 
beträchtliche Zahl von Arbeitern beschäftigt. In diesem 
Betriebe ist es nun den Verbänden der Metallarbeiter, 
Holzarbeiter und Tapezierer möglich geworden, mit 
der Direktion, die den Wünschen der Arbeiter in der 
anerkennenswertesten Weise entgegenkam, einen über 
die Kriegsdauer gültigen Arbeitsvertrag abzuschließen, 
dessen Hauptpunkte die folgenden sind: 


175 


Die normale wöchentliche Arbeitzeit beträgt zwei- 
undfünfzig Stunden. Nach Friedensschluß ist dienormale 
wöchentliche Arbeitszeit fünfzig Stunden. Die tägliche 
Arbeitszeit muß zwischen 128 Uhr früh und 1/06 Uhr 
nachmittags fallen. Überstunden, Nachtarbeit, Feier- 
tagsarbeit und Sonntagsarbeit werden mit den bereits 
bestehenden Aufschlägen bezahlt. Die Eintrittslöhne 
steigen nach acht Wochen um zehn, nach weiteren 
zehn Wochen um weitere zehn Heller. Die Flug- 
feldzulage beträgt pro Stunde zwanzig Heller. Alle 
Arbeiter, die durch diese Lohnregulierung nicht um 
wenigstens drei Lohnstufen gesteigert werden, erhalten 
eine Lohnaufbesserung um so viele Lolinstufen, daß 
auch sie insgesamt gegen ihre jetzigen Bezüge um 
drei Lohnstufen aufgebessert werden. 

Diese Vereinbarung gilt bis zum offiziellen Friedens- 
schluB, längstens aber ein Jahr. Nach Friedensschluß wird 
über die Lohn- und Arbeitsbedingungen neu verhandelt. 
Bis zu diesen Verhandlungen wird an den bestehenden 
Lohn- und Arbeitsbedingungen nichts geändert. 

Dieser Vertragsabschluß wird auch nach dem 
Kriege den in der Flugzeugindustrie beschäftigten 
Arbeitern die Möglichkeit geben, durch eine gute 
Organisation einen einheitlichen Arbeitsvertrag zu er- 
reichen. Allerdings dürfen die Arbeiter ihre Organi- 
sation während des Krieges nicht vernachlässigen, 
sondern müssen schon jetzt dafür Sorge tragen, daß 
ihre Reihen festgefügt dastehen. Je besser ihre Organi- 
sation ausgebaut sein wird, desto leichter wird ein 
einheitlicher Arbeitsvertrag erreicht werden können. 


Bücherbesprechungen. 


Jahrbuch der Naturwissenschaften. 1913:14. Unter 
10 von Fachmännern herausgegeben von 
Dr. Josef Plaßmann. 


Es ist dem einzelnen in unserer Zeit schlechter- 
dings unmöglich, der fast unermeßlichen Tätigkeit auf 
dem Gebiete der Naturwissenschaften in allen Einzel- 
heiten zu folgen und alle Fortschritte auf diesem 
weitverzweigten Wissensgebiete aufzunehmen. Die 
Quellen, durch die diese Forschungen und Errungen- 
schaften der Öffentlichkeit übergeben werden, sind in 
ihrer Gesamtzahl nicht jedem zugänglich, wobei es 
außerdem schwer ist, das Wertlose vom Bedeutungs- 
vollen auszuscheiden und dieses organisch dem Be- 
stehenden einzureihen. Diese Aufgabe hat sich das 
bereits im 29. Jahrgang stehende »Jahrbuch der 
Naturwissenschaften« gestellt, indem es die 
wissenschaftliche Jahresernte in den Rahmen eines 
streng gesichteten Übersichtswerkes bringt und in 
ebenso anziehenden als naturgemäß reichhaltigen 
Artikeln dem Gelehrten und auch dem Laien die Mög- 
lichkeit bietet, das Neueste auf diesem weiten 
Forschungsgebiete zu überblicken. 

Geleitet von den Gesichtspunkten des allgemein 
praktischen Interesses, ist der Stoff leicht verständlich 
behandelt und bietet dem Gelehrten noch durch die An- 

abe der Quellenwerke Gelegenheit zur eingehenderen 
Burcharbeitung des Gebrachten. Dadurch wird es zu 
einem für alle Schichten bestimmten Führer auf 
dem weiten Gebiete der Naturwissenschaften und zu 
einer ebenso interessanten wie ernsten Enzyklopädie. 

Gerade in unserer Zeit, wo Entdeckungen und 
neue Errungenschaften speziell auf dem Felde der 
naturwissenschaftlichen Forschungsarbeit einander in 
steter Reihenfolge ablösen, wird es für den wahrhaft 
Gebildeten zur zwingenden Notwendigkeit, nicht allein 
die Neuerungen in dem gerade bevorzugten Fach- 
wissenszweige, sondern eine Gesamtorientierung sich 
anzueignen, wobei auch gerade für den Forscher die 
inneren Zusammenhänge in den Fortschritten auf den 
einzelnen Gebieten interessant sind, die einander oft 
in stufenweiser Entwicklung bedingen und ganz 
wesentlich zum Verständnis des mächtigen Aufbaues 
der gesamten Naturforschung beitragen, welche zur 


eo Je 


Basis unseres modernen Lebens und Schaffens ge- 
worden ist. 

Von hervorzuhebender Bedeutung sind in diesem 
29. Jahrgang die Kapitel über die Fortschritte auf 
dem Gebiete der Chemie und der praktischen In- 
dustrie, die auch in ihrer Artikelzahl dominieren. Von 
fachwissenschaftlichem Interesse ist speziell das Kapitel 
über die Luftschiffahrt, worin bei der Anführung der 
Fortschritte im Lenkballonbau in den einzelnen euro- 
päischen Staaten eine zwar herbe, aber leider wahre 
Kritik auf die fast gänzliche Vernachlässigung des 
Lenkballons in Österreich hinweist. Ganz besonders 
hervorgehoben zu werden verdient die klare, über- 
sichtliche Einteilung und prägnante Darstellung des 
außerordentlich umfangreichen Stoffes, der dadurch, 
trotz des in die kürzeste Form gebrachten hohen 
wissenschaftlichen Gehaltes leicht verständlich wird. 
Es wäre dem Werke aufrichtig zu wünschen, daß es 
außer seinem ständigen Leserkreise auch Eingang in 
die weitesten Schichten der Bevölkerung finden und 
als berufenes Kompendium der fruchtbaren geistigen 
Tätigkeit zum wertvollsten Hilfsbuch für das allgemeine 
Volkswissen werden möchte. Hans Pittner. 


Der moderne Luft- und Seekrieg wird in dem 
soeben erschienenen April;Mai-Heft des »Motor« 
van W.35, Verlag Gustav Braunbeck G. m. b. H.; 

reis Mk. 1) in all seinen seltsamen und nerven- 
erregenden Erscheinungen besonders eingehend ge- 
schildert. Wir sehen die Marineflugzeuge sich wie 
Seeadler auf feindliche Schitfe stürzen und erleben 
das merkwürdige Schauspiel, daß große Kriegsschiffe 
sich vor den kleinen Flugzeugen und ihren Bomben . 
flüchten müssen. Die Mai-Nummer des »Motor« bringt 
eine ganze Reihe solcher Abenteuer und gibt zum 
erstenmal ein großartiges textliches Gemälde dieser 
neuen Form des Seekrieges. Zum erstenmal erfährt 
auch das Unterseeboot in dem vorliegenden Heft eine 
ganz eingehende bildliche und textliche Wiirdigung. 
Das Auge des Unterseeboots, das Sehrohr, und was 
es zu schen erlaubt, wird durch eine ebenso prächtige, 
wie seltene Photographie wiedergegeben. Wir sehen 
ferner eine Szene, wie ein auf 30 m Tiefe gesunkenes 
U-Boot sich mittels der Telephonboje mit den Menschen 


176 


oben auf der Meeresoberfläche unterhält. Wir tun | pflug, Feldpost, Telegraphenwagen, Werkstätte, Dun- 
einen Blick in die Torpedokammer eines Tauchbootes | kelkammer, Panzerwagen etc. Unter dem Titel »Der 
und sehen neuartige Unterseeboote ohne Periskope | Phönix von Przemysl« wird der kritische Augenblick 
ihren Weg auf den Meeresgrund nehmen. Die hohe 55 in dem der letzte österreichisch- ungarische 
Bedeutung des Automobils in diesem Ben Kriege oppeldecker sich aus der in Feuer und Flammen 
wird in einer Reihe von Artikeln gefeiert. Erich Köhrer | stehenden Festung emporschwingt. Eindrucksvolle 
schildert eine Reise »Im Auto an die Front< und Ernst | Photographien von explodierenden Landminen vervoll- 
Deutsch schmückt diese Arbeit durch feine Feder- | ständigen das düstere Schlachtengemälde. Das 136 
zeichnungen. Das Automobil tritt gleich einem Ver- | Seiten starke Mai-Heft des »Motor« bildet alles in 
wandlungskünstler in allen möglichen Formen auf: | allem eines der wertvollsten Dokumente des Welt- 
als Straßenwalze, Feldschmiede, Lichtanlage, Schnee- | krieges. 


Chronik. 


Heldentod zweier Luftschiffer. Laut einer in | meldet aus Barletta: Heute morgen erschienen einige 
Wr.-Neustadt eingelangten Meldung hat Oberleutnant | feindliche Schiffe vor Barletta und beschossen die 
Helfer vom 92. Infanterie-Regiment sowie sein Pilot | Station, das Schloß und das Naphthalager. Sie ver- 
bei einem Erkundungsfluge den Heldentod gefunden. | ursachten nur wenig Schaden. Die feindlichen Schiffe 
Oberleutnant Helfer wurde bei der Wr.-Neustädter | wurden darauf von unseren Schiffen verfolgt. 


Luftschiffer-Abteilung als Beobachter ausgebildet und Erfolge türkischer Flieger. Neutrale Zeitungen 


a abe Monat auf den nördlichen Kriegs- veröffentlichen Auszüge aus Aufzeichnungen von Augen- 
lta zeugen der Dardanellenkämpfe. Diese heben wieder- 
‚Das erste bulgarische Flugzeug. Wie man aus | holt die Tüchtigkeit der türkischen Flieger hervor. 
Sofia mitteilt, wurde dort jüngst das erste in Bulgarien | Nach der Meinung der Neutralen könnten die türki- 
verfertigte Flugzeug ausgestellt. Mehrere bulgarische | schen Flieger allein in San Stefano, der von den 
Stabsoffiziere, darunter der Major des Militär-geo- | Franzosen gegründeten Fliegerschule, ihre Kenntnisse 
grapischen Institutes Karajordanow (ein Zögling | nicht erworben haben. Sie nehmen an, daß die Türken 
des österr.-ungar. Militär-geographischen Institutes), | selbständig weitergearbeitet und riesige Fortschritte 
haben einige Verbesserungen erfunden, die bei dem | dabei gemacht hätten. Die Türken handhaben mit 
neuen Flugzeug angewendet worden sind. Erfolg die von den Franzosen eingeführten Flieger- 

Angriffe österr.-ungar. Schiffe und Flugzeuge. | pfeile. Auch im Bombenwerfen haben sie sich geübt. 
(Der italienische amtliche Bericht.) Amtlich | Ein türkischer Flieger hat bis jetzt sechzig Bomben 
wird folgende erste italienische Kriegsmitteilung ver- | auf die Engländer geworfen. Türkische Flieger sind 
öffentlicht: Es war vorauszusehen, daß sofort nach | der Schrecken der feindlichen Flieger und ihrer Fessel- 
der Kriegserklärung eine Offensive gegen unsere | ballons. Während eines Fluges über Sedd-ül-Bahr 
Adriatische Küste erfolgen würde, weniger aus mili- | stellte ein türkischer Flieger fest, daß 17 feindliche 
tärischen Gründen, als um eine moralische Wirkung | Panzerschiffe und Kreuzer, 30 Torpedoboote und 
zu erzielen. Aber man hatte bereits vorgesorgt, ihr | 60 Transportdampfer sich außer Schußweite der 
zu begegnen, und sie nur kurz dauern zu lassen. In | türkischen Batterien hielten, während nur Lazarett- 
der Tat haben einige kleine Einheiten, hauptsächlich | schiffe sich der Küste näherten, um viele Verwundete 
Torpedojäger und Torpedoboote, am 24. Mai zwischen | und Kranke aufzunehmen. Der Augenzeuge stellte 
4 und 6 Uhr morgens einige Kanonenschüsse auf | schließlich fest, daß die Höhe von Hissarlik im Süden 
unsere Adriatische Küste abgegeben. Auch haben | von Kum Kaleh sich noch immer im Besitz der Türken 
Flugzeuge versucht, das Arsenal von Venedig an- | befindet, ebenso das Kap Kaba-Tepe. Man ersieht 
zugreifen. Die feindlichen Schiffe wurden nach kurzer | aus diesen Mitteilungen, wie wertvolle Dienste das 
Beschießung von unserer Torpedoflotille gezwungen, | Flugwesen auch im Reiche des Halbmondes leistet, 
sich zu entfernen. Die Flugzeuge wurden von unseren | und auch hier werden erst nach dem großen Krieg 
Abwehrkanonen beschossen, ferner von Gewehrfeuer | die Leistungen des türkischen Militärflugwesens in 
empfangen und von einem unserer Aeroplane, sowie | gebührender Weise bekannt werden. Auch englische 
einem über der Adria fliegenden Luftschiffe an- | Flieger sind noch hie und da über dem türkischen 
gegriffen. Die angegriffenen Ortschaften sind Porto | Kriegsschauplatz tätig. Wie auf den anderen Kriegs- 
Corsini, Hafen von Ravenna, der sofort antwortete | schauplätzen, haben die Engländer auch hier ihre 
und den Feind zwang, sich zu entfernen, weiter | unfaire Kampfesweise eingeführt, wie einem Bericht 
Ancona, wo der Angriff hauptsächlich bezweckte, die | aus Konstantinopel zu entnehmen war. Englische 
Bahnlinie zu unterbrechen, und leicht auszubessernde | Flieger bewarfen Madytos mit Bomben, und zwar 
Schäden verursachte, endlich Barletta, wo ein Angriff | ausgerechnet das Spital, das deutlich sichtbar das 
von einem Aufklärungsboot erfolgte, das durch ein | Zeichen des Roten Halbmondes trägt. Einige Kranke 
Schiff in Begleitung eines Unterseebootes in die | wurden verletzt. Englische Flieger, die über Gallipoli 
Flucht geschlagen wurde. In Jesi (bei Ancona) warfen | flogen, warfen Proklamationen ab, in denen bestritten 
Flieger Bomben auf einen Hangar, aber ohne ihren | wird, daß die Engländer die türkischen Gefangenen in 
Zweck zu erreichen. Alle anderen Nachrichten über | Ägypten schlecht behandeln und in denen Phrasen ent- 
Operationen dieser Nacht sind unbegründet. »Corriere« | halten sind, die dazu bestimmt sind, die Türken zu täuschen. 


Muster- und Markenschutz in allen Ländern 

erwirkt 

lng. J. FISCHER, Patentanwalt 

Wien, I. Maximilianstrasse Nr. 5. 
Seit 1877 im Patentfache tätig. 


Herausgegeben vom: K. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein“. — Verantw. Red.: in Vertretung Fritz Ellyson. 
Druck von Otto Maaß’ Söhne, Wien I. 


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0% 


Manuskripte werden nicht zurückgestellt. Der Nachdruck 88 Angenommene Beiträge werden honoriert. Die Verfasser 


von Artikeln und Abbildungen ist nur mit Quellenangabe sind für Form und Inhalt der von ihnen eingesandten 
und Zustimmung der Redaktion gestattet. 88 Artikel und Abbildungen verantwortlich. 
LIRHOTo00000000 7 G SS 


ERSCHEINT ZWEIMAL IM MONAT. | 
Nr. 13/14 | Juli 1915 IX. Jahrgang 


Inhalt: Betrachtungen zur Entwicklung der Luftschiffahrt in Deutschland, von Hanns Pittner. — Gerüstzweidecker, von Fritz 
Lichtenstern, Einjährig-Freiwilliger. — Phonographische Aufzeichnung auf Rekognoszierungsfligen. — Der See- und Luftkrieg 
im Nordseegebiet, von Wilhelm Krebs (Schnelsen). — e Beiträge zur Erdbe en AR AUG von H. Hörbiger, 
Maschineningenieur und Privatastronom. (Fortsetzung.) — Sturmkalender für Juli und August 1915, von Wilhelm Krebs (Holsteinsche 

Wetter- und Sonnenwarte, Schnelsen). — Bücherbesprechungen. — Chronik. 


Chefredakteur: Ing. A. Budau, o. ö. Professor der k. k. Technischen Hochschule in Wien 


Redakteur für den offiziellen und wissenschaftlichen Teil für die Dauer der Abwesenheit der Herren Oberst 
Wilhelm Suchomel und Ing. Adolf Janisch: Fritz Ellyson 


Unter Mitwirkung von: 


PAUL BELLAK Dr. A. HILDEBRANDT RICHARD KNOLLER ROBERT POLLAK LUDWIG SCHMIDL 
Prokurist, Wien Luftschifferhauptmanna.D., Ing., Professor a.d. k. k. RITTER v. RUDIN k. u. k. Rittmeister, Wiener- 
FELIX BRAUNEIS Berlin Techn. Hochschule, Wien Ingenieur, Wien Neustadt 
Ingenieur, Wien F. HINTERSTOISSER W. KREBS J. POPPER-LYNKEUS LEOPOLD SCHMIDT 
Dr.Ing. WALTER in k. u. k. Major, Wien ra ger ae Ingenieur, Wien Ing., Prof., Wr.-Neustadt 
v. 
Konstrukteur an der k. k. RAOUL HOFFMANN rav MachoLz STEPHAN POPPER KARL TINDL 
Techn. Hochschule, Wien Ingenieur, Wien GUSTAV E. MACHOLZ Ingenieur, Wien Ing., Konstrukteur a. d. k. k. 
„ EDUARD DOLEZAL ANTON JAROLIMEK i 5 FRANZ REBERNIGG Ich. Hochschule, Wien 
-K. flolrat, O. O. FTOT., an k, k. Oberinspektor, König- . Se 1 L ABE 
der k. k. Technischen Hoch- grätz ® k. k. techn. Ob.-Offiz., Wien Hs Da SS KK ee 5 
FRITZ ELLYSON Ban HANS on te RUDOLF SCHIMEK {ome u. Geodynamil, Wien 
Flugmaschinen- Professor a. d. k. k. Tech- Schriftsteller, Wien k.u.k. Major d. R., Direkt gie u. y ' 
Konstrukteur, Wien nischen Hochschule, Wien STEPHAN PETROCZY der Autoplanwerke, Wien Dr. C. WIESELS- 
IGO ETRICH D. W. KAISER v. PETROCZ : BERGER 
GroBindustrieller, Ober- Kapitanleutnant a. D., k.u. k. Luftschifferhaupt- Dipl. Ing. C. SCHMID Assistent an der Universitat 
altstadt Charlottenburg mann, Wicn Lindenberg in Göttingen 


Betrachtungen zur Entwicklung der Luftschiffahrt in Deutschland. 


Von Hanns Pittner. 


Die Bedeutung der Luftschiffahrt als Waffe im | aber auch ruhmreich für Deutschlands Fahnen sich in 

Krieg hat sich in dem nun monatelangen Völkerringen | diesem Kriege offenbarten. 
in einer die größten Erwartungen erfüllenden Weise Wie überall war auch in Deutschland zu Beginn 
kundgetan. Diese Tatsache ist nicht allein ein Erfolg | des vorigen Dezenniums, als die Luftschiffahrt aus rein 
der modernen Technik, sondern auch ein erhebender | theoretischen und empirischen Bahnen herauswachsend 
und belohnender Erfolg für alle jene, die sich in der | eine praktische Wirklichkeit sich eroberte, die Förde- 
Erkenntnis dieser Bedeutung im geschlossenen Zu- | rung dieser Bestrebung und die propagandistische 
sammenwirken in den Dienst der großen Sache ge- ; Arbeit dafür in den Händen ziviler Vereinigungen 
stellt und durch ihre oft im kleinen und in der Stille | gelegen, in denen sich so ziemlich alle Arbeitskräfte 
geleistete Arbeit jene mächtige Front bildeten, die sich | auf diesem Gebiete, Forscher, Konstrukteure und In- 
allen Hemmnissen dieser aufstrebenden neuen techni- | dustrielle zuengem Zusammenwirken verbanden. Diese 
schen Disziplin entgegenstellte, und ihr auf diese Weise Vereinigungen, die zum Teil sportlichen, wissenschaft- 
I 


eben jene Entwicklungsfreiheit sicherte, die in gedeih- | lichen und wirtschaftlichen Charakters waren, sowie. 
licher Arbeit den erfolgreichen Ausbau und die schlag- | weiters die Flugplatz- und Verkehrsunternehmungen 
fertige Vervollkommnung der Flugtechnik und Luft- | und alle zu ähnlichen Zwecken gegründeten Gesell- 
schifffahrt garantierte. schaften wurden in Deutschland vom »Deutschen Luft- 

Es dürfte nicht uninteressant sein, jene Direktiven | fahrer-Verband« in großzügiger und planmäßiger Or- 
hervorzuheben, in denen die Entwicklung der gesamten | ganisation vereinigt und dadurch ein Verband von 
Luftschiffahrt in Deutschland jenen Aufschwung nahm, | autoritativer Bedeutung geschaffen, der fähig und be- 
der Deutschland heute in der Führung des Luftkrieges | rufen ist, den gesamten Aufgaben der Luftfahrt im 
an erste Stelle stellt, und in einer Rückschau die ge- | weitesten Umfange und in erfolgreicher Weise gerecht 
waltigen Anstrengungen zu überblicken, deren Folgen ı zu werden. Der ganz bedeutende Aufschwung dieses 


178 


Verbandes erhellt aus den Tatsachen, daß er 1902 
er bereits 1906 bei 9 Vereinen 2700 Mitglieder, 
1910 bei 46 Vereinen 53.000 Mitglieder und Ende 1913 
bei 91 Vereinen 82.000 Mitglieder zählte und bei an- 
nähernd gleicher Entwicklung heute weit mehr als 
100.000 Mitglieder zu wirksamer Arbeit vereint. 

Als erste Aufgabe hat der Deutsche Luftfahrer- 
Verband unter Mitwirkung der obersten Reichs- und 
Staatsbehörden auf den Deutschen Luftfahrertagen in 
Stuttgart 1912 und Leipzig 1913 ein Grundgesetz für 
das gesamte deutsche Luftfahrwesen geschaffen, worin 
er auch die Stellung und Obliegenheiten der einzelnen 
ihm eingegliederten Vereine festlegte, und zwar in der 
Weise, daß jedem Verein ein bestimmtes Heimats- 
gebiet als Arbeitsfeld zugewiesen wurde, in welchem 
dieser in propagandistischer und ausgestaltender Arbeit 
für die Förderung und den Fortschritt der Luftschiff- 
fahrt tätig zu sein hat und darüber auch dem Verbande 
verantwortlich bleibt. Gleichzeitig behält der Verband 
als solcher die oberste Leitung bezüglich aller Ver- 
anstaltungen in der Luftschiff- 
fahrt in seinen Händen und es 
steht ihm allein die Befugnis 
der AS ung von Führerzeug- 
nissen als Ballon-, Luftschiff- 
und Flugzeugführer zu. Diese 
einfache und klare Organisation 
hat im wesentlichen und in 
erster Linie dadurch, daß eben 
alle Kräfte gleichsam von einer 
Zentrale aus geleitet in den 
Dienst derselben Sache gestellt 
werden, zu dem eminenten Auf- 
schwung der Luftschiffahrt in 
Deutschland beigetragen und 
wäre ein nachahmenswertes 
Beispiel für den Ausbau der 
Vereinstätigkeitin unserer Mon- 
archie. 

Gerade im Hinblick darauf, 
daß durch die vielsprachige, 
nationale Gliederung bei uns 
die Bildung von verschiedenen 
Vereinigungen begünstigt wird, 
die in ihrer notwendig beding- 
ten kleinen und begrenzten 
Wirkungsweise als selbständige 
Vereine ohnmächtig den ge- 
waltigen Aufgaben der Förde- 
rung der Luftschiffahrt gegen- 
überstehen würden, wäre es 
re ie frühzeitig eine wirk- 
same Propaganda über die 
Grenzen der lokalen Organi- 
sation in weitem Umfange in alle Teile der Monarchie 
zu tragen, hier die Interessenten und Freunde der 
Luftschiffahrt unter Hinweis der tatsächlich patrioti- 
schen Bedeutung ihrer auf diesem Gebiete zu ent- 
faltenden Tätigkeit zum Zusammenschluß zu veran- 
lassen und mit dem Wiener Mutterverein zu einer 
einheitlichen Arbeitstätigkeit zu verbinden, um eben 
jene durchschlagende und bestimmende Macht in der 
Förderung und dem Ausbau der gesamten Luftschiff- 
fahrt zu besitzen, die allein imstande wäre, das 
Luftfahrwesen zu einer für alle Kreise Bedeutung 
erlangenden Höhe emporzureißen, wie dies in unserem 
Bundesstaat der Fall ist. 

Allerdings liegen dort die Verhältnisse durch das 
einsprachige Wirkungsgebiet wesentlich günstiger wie 
bei uns, doch weisen eben die obwaltenden Schwierig- 
keiten, bedingt durch die verschiedensprachigen Kron- 
länder unserer Monarchie, auf diese Form der Organi- 
sation der gesamten Kräfte zur Förderung der Luft- 
schiffahrt hin. 

Als Zweigniederlassungen dieser Art wären in 
erster Linie die verschiedenen größeren Industrie- 
zentren ins Auge zu fassen. Hier müssen eben unter 
Hinweis auf die Bedeutung und den Wert eines mäch- 


K. u. k. Linienschiffsleutnant Wenzel Woseéek, 
Pola (Orden d. Eis. Krone m. d. Kriegsdek.). 


tigen, ausgebreiteten Zentralvereines der Luftschiff- 
fahrt, speziell im Hinblick auf die Landesverteidigung, 
sowie auch in kultureller und fortschrittlicher Bezie- 
hung das geweckte Interesse für diese große Sache in 
der Richtung angeregt werden, durch Zusammenschluß 
aller Freunde, Förderer und Interessenten einen groß- 
zügig angelegten Ausbau der gesamten Aufgaben der 
Luftschiffahrt zu ermöglichen, zum erhöhten Schutze 
des Vaterlandes, welchen Interessen der Verband durch 
seine Tätigkeit ja dienen würde, und zum gedeihlichen 
Emporblühen einer der großartigsten Errungenschaften 
der Menschheit. Es wäre notwendig, besonders unter 
Hinweis auf den Wahlspruch unseresgreisen Monarchen 
mit vereinten Kräften in geschlossener Einheit der- 
selben Sache zu nützen, Separatbestrebungen zu meiden 
und unter der zentralistischen Leitung des Wiener 
Vereines eben in jener Hinsicht tätig zu sein, wie dies 
zur planmäßigen Entwicklung der Luftschiffahrt not- 
wendig wäre. Den einzelnen Zweigniederlassungen 
wäre ein selbständiges Arbeitsgebiet überlassen, inner- 
halb des Rahmens des gesamten 
Verbandes, und diese hätten 
dafür die Gewähr, allen für die 
Förderung der Luftfahrt not- 
wendigen Aufgaben in lokaler 
und allgemeiner Hinsicht, eben 
gestützt auf die Macht eines die 
ganze Monarchie umfassenden 
Verbandes, unbedingt gerecht 
werden zu können. Denn jeder 
Erfolg im persönlichen wie im 
allgemeinen Leben wird durch 
Machtverhältnisse bestimmt. 
Gerade gegenwärtig, wo in 
den außerordentlichen Leistun- 
gen der Luftfahrzeuge im Dienste 
des Krieges eine in der Tat sich 
offenbarende Propaganda für 
das Luftfahrwesen liegt, und der 
entscheidende Wert einer auf der 
höchsten Höhe der Leistungs- 
fähigkeit stehenden starken und 
umfangreichen Luftflotte auch 
dem Laien einleuchten muß, wäre 
ein günstiger Moment mit den 
Vorarbeiten und der Einleitung 
dieser großzügigen Organisation 
zu beginnen und getreu den 
historischen Verdiensten Öster- 
reichs und seiner Forscher um 
die Entwicklung der Flugtechnik 
eine Vormachtstellung aut diesem 
Gebiete fiir unser Vaterland 
anzustreben, um durch zivile 
Tätigkeit unserer Landesverteidigung die besten und 
ausreichendsten Mittel zu bieten, allen künftigen 
feindseligen Überfällen schlagfertig zu begegnen. Aus 
diesem Grunde wäre es patriotische Pflicht jedes 
einzelnen, mitzuarbeiten an der großen Aufgabe und 
im kleinen Wirkungskreise das Große zu fördern. 
Hand in Hand mit dieser die Gesamtheit zusammen- 
fassenden Organisation müßte auch eine rege sport- 
liche Betätigung einsetzen, als praktische Vorschule 
hysischer Leistungen, wie dies auch tatsächlich im 
eutschen Luftfahrer-Verband geschieht, und schon 
aus der einen Tatsache erhellt, daß im Jahre 1913 mit 
den 150 den Vereinen des Deutschen Luftfahrer-Ver- 
bandes gehörenden Ballons 1700 Freiballonfahrten 
zu Vergnügungs- und wissenschaftlichen Zwecken aus- 
geführt wurden. Die unmittelbare Folge dieser regen 
Tätigkeit waren die zwei Weltrekorde, die sich Deutsch- 
land für Freiballons im Jahre 1913 neu errungen, 
nämlich für Zeit und für Entfernung, beide in einer 
und derselben Ballonfahrt. Es war dies die bekannte 
Fahrt des Ballons »Duisburg« mit 1600 m° Inhalt, der 
am 13. Dezember in Bitterfeld mit drei Fahrern auf- 
stieg und sich 87 Stunden in der Luft hielt, wobei er 
eine Strecke von 2800 km zurücklegte. Von denselben 


großzügigen und gewaltigen Dimensionen sind auch 
alle anderen Wettbewerbe, die der Deutsche Luft- 
fahrer-Verband in bezug auf Luftfahrzeuge während 
der Zeit seines Bestandes veranstaltete. 
ist von vornherein klar, daß bei einer so 
reichen Möglichkeit der praktischen Betätigung Erfolge 
in konstruktiver Hinsicht, sowie an Erfahrungs- und 
physischen Leistungswerten unausbleiblich sind, und 
somit der Staat im Bedarfsfalle auf eine große Anzahl 
tüchtig ausgebildeter und erprobter Führer zurück- 
greifen kann. Dies wird vielleicht später von um so 
größerer Bedeutung, als bei weiterer Ausgestaltung 
des Flugwesens auch in größerem Maße Anlaß zu 
privatsportlicher Betätigung gegeben wird und somit 
die Heeresverwaltung gegebenenfalls in die Möglich- 
keit versetzt werden kann, durch Requirierung der 
Flugzeuge und Einstellung schon flugkundiger Führer 
ihren Bestand nötigenfalls rasch ergänzen zu können, 
wie dies auch im Automobilwesen geschieht. Ob und 
inwieweit dieser Gedanke praktisch durchführbar ist, 
wird die Zukunft lehren, Tatsache 
aber ist, daß Deutschland heute 
schon außerordentlich starke 
Reserven an im Flugsport aus- 
gebildeten Führern besitzt, die 
Bürgschaft sind für Sieg und 
Ehre der deutschen Luftflotte. 
Diese einheitlich gestaltete 
Arbeitstätigkeit in Deutschland, 
die durch den Deutschen Luft- 
fahrer-Verband über das ganze 
Reich ausgebreitet wird und so 
die weitesten Volkskreise zur 
regen Anteilnahme und Unter- 
stützung der Tätigkeit auf dem 


Gebiete des Luftfahrwesens 
zwingt, ermöglichte auch ein 
ausdauerndes Durcharbeiten und 


zähes Festhalten eines einmal 
als erfolgreich erkannten Planes 
und sicherte weiters jeder in 
dieser Richtung begonnenen Ar- 
beit jenen felsenfesten Glauben 
an die Güte und den Wert der- 
selben, der notwendig ist, um 
dieselbe auch über unbezwing- 
bar scheinende Widerstände 
hinweg und aufGrund bedeuten- 
der materieller Opfer der ganzen 
Nation zu einem erfolgreichen 
Abschluß zu führen. 

Nur unter diesen Voraus- 
setzungen war es dem Grafen 
Zeppelin möglich, sein grobes 
Projekt, die Schaffung eines leistungsfähigen und ge- 
gebenenfallskriegstüchtigen Luftkreuzerszuermöglichen 
und dieses Ziel auch tatsächlich trotz aller im Prinzip 
gelegenen Schwierigkeiten und den fast sprichwörtlich 
gewordenen unglückseligen Zufälligkeiten und Kata- 
strophen, an denen diese große Idee einigemal zu 
scheitern drohte, zu erreichen, ohne das Schicksal 
ähnlicher Erfinder zu teilen, denen die Ungunst der 
Verhältnisse und der unsichere Glaube ihrer Mit- 
menschen an ihr Werk das Erreichen ihrer Ziele 
versagte. 

Die Konsequenz der schweren Unglücksfälle, mit 
denen das Projekt des Grafen Zeppelin heimgesucht 
wurde, grenzte beinahe an ein für dieses Werk un- 
abwendbares Schicksal. Wir erinnern uns der kon- 
stant aufeinanderfolgenden Unfälle, wobei stets die 
betroffenen Luftschiffe gänzlich vernichtet wurden, 
so L Z 4 bei Echterdingen am 5. August 1908, das 
Heeres-Luftschiff Z Il durch Sturm bei Weilburg am 
25. April 1910, die »Deutschland 1« bei ihrer zweiten 
Passagierfahrt im Teutoburgerwald am 28. Juni 1910, 
die »Deutschland 2« in Düsseldorf am 30. März 1911, 
die »Schwaben« durch Brand in Düsseldorf vor der 
Halle am 28. Juni 1912 und das Heeres-Luftschiff 


Fregattenleutnant Gottfried Banfield 
(Militar-Verdienstkreuz m. d. Kriegsdek.). 


ES SE — 


179 


L Z 15 (ZI) in Karlsruhe am 19. März 1913, das 
Marine-Luftschiff L I am 9. September 1913 durch 
seinen Untergang in der Nordsee nördlich Helgoland 
infolge einer schweren Bö, wobei 14 pflichttreue 
Soldaten den Tod fanden, und sechs Wochen später 
das Marine-Luftschiff L II, am 17. Oktober 1913, durch 
die erschütternde Katastrophe bei Johannisthal, wo 
dieses größte Luftschiff der Welt von 27.000 m? Gas- 
inhalt in 200 m Höhe explodierte und sämtliche 
28 Mitfahrer das Leben verloren. Und trotz alledem 
gewann kein Kleinmut hemmende Gewalt gegen dieses 
Werk, sondern lösten im Gegenteil gerade diese 
Unglücksfälle eine um so größere Kraft aus, zu voll- 
enden und vollenden zu helfen, was einmal begonnen 
war. Das Werk eines Menschen ward durch diese 
Schicksalsschläge zum Gemeingut der ganzen Nation. 
Alle, alle arbeiteten mit und gaben diesem einen 
Menschen durch ihren unerschütterlichen Glauben 
einen eisernen Willen, den Bann, der über seinem 
Unternehmen zu schweben schien, zu brechen und 
erfolgreich zu siegen über das 
Schicksal und die Macht aller 
Elemente. Millionen flossen in 
Form von Spenden aus dem 
ganzen Reich als notwendige 
Mittel zu neuer Arbeit zusammen, 
freudig gegeben und geopfert, 
und dieser zähe Trotz sprengte 
alle Widerstände. Die Opfer 
waren groß, aber der Erfolg noch 
größer, und das entscheidet. 
Heute ist eine tagelange Sturm- 
fahrt keine aufregende Leistung 
mehr und diese große Aktions- 
fähigkeit der Zeppelin-Luft- 
schiffe gab ihnen auch jenen 
hohen militärischen Wert, um 
bedeutungsvoll und erfolgreich 
in diesen Weltkrieg eingreifen 
und das Vertrauen eines ganzen 
Volkes in schwerster Zeit be- 
lohnen zu können. 

Welch ansehnliche Höhe 
die Vervollkommnung der Zep- 
pelin-Luftschiffe und die damit 
gewdhrleistete Flugsicherheit 
erreichte, geht auch in klarster 
Weise aus der regen Tätigkeit 
der zu Verkehrszwecken ge- 
gründeten Deutschen Luftschiff- 
Aktiengesellschaft (Delag) her- 
vor, die von 1910 bis 1913 bei 
792 Fahrtagen 1240 Fahrten 
mit ihren sieben Zeppelin-Luft- 
schiffen ausführen konnte. Die Gesamtfahrzeit betrug 
während dieser drei Jahre 2576 Stunden bei einer 
summarischen Fahrstrecke von 140.094 km, wobei 
26.223 Personen befördert wurden — eine Leistung, 
die in Anbetracht der vorhin geschilderten Schwierig- 
keiten als ganz außerordentlich bezeichnet werden muß. 

Diese durchschlagenden Erfolge veranlaßten auch 
die deutsche Heeresverwaltung, einen großzügigen 
und planmäßigen Ausbau der Kriegsluftflotte in die 
Hand zu nehmen, und es wurde gleichzeitig, um 
dies zu ermöglichen, in Potsdam Ende 1913 eine 
zweite Luftschiffwerft errichtet, da die bisher einzige 
in Friedrichshafen den Anforderungen nicht mehr 
genügen konnte. Die deutsche Kriegsluftflotte umfaßte 
auch Anfang 1914 bereits 9 Zeppeline für die Land- 
armee und 2 Luftschiffe für die Marine. Diese letzteren 
waren als Ersatz der bei Helgoland und Johannisthal 
verloren gegangenen Schiffe, ein neuer Zeppelin L II! 
und ein Schiitte-Lanz-Luftschiff. 

Eine Grundbedingung für die Ausgestaltung der 
deutschen Zeppelin-Luftflotte war ein groß angelegtes 
Netz von Luftschiffhallen im ganzen Deutschen Reiche, 
ohne welche die praktische Indienststellung dieser 
groß dimensionierten Luftkreuzer aus ökonomischen 


180 


Gründen unmöglich gewesen 
wäre. Allerdings waren gerade 
diese Anlagen der kostspielig- 
ste Teil des deutschen Luft- 
flottenprogrammes, aber man 
hatte infolge der großen Serie 
von Unglücksfällen noch kost- 
spieligere Erfahrungen gemacht 
und sich den zwingenden Not- 
wendigkeiten anpassen gelernt. 
Selbst eine unbedingte Sturm- 
sicherheit vorausgesetzt, wäre 
ein Luftschiff, bei andauernd 
gefahrvollem Wetter infolge der 
beschränkten Betriebsmittel, die 
es mitzunehmen imstande ist, 
gezwungen, aus der immerhin 
durch freie Manövrierung Schutz 
gewährenden Höhe niederzu- 
gehen und in der gefahrvollen 

ähe der Erde der Zerstörung 
preisgegeben, wenn es hier nicht 
jenen Schutz finden kann, der 
es davor bewahrt. Es wurden 
deshalb große Doppelhallen 
errichtet in Friedrichshafen, 
Potsdam, Dresden, Hamburg, 
Leipzig, Johannisthal, Metz, 
Köln und Königsberg, sowie 
Einzelhallen in Baden-Baden, 
Frankfurt a. M., Düsseldorf, 
Mannheim, Gotha, Posen, Lieg- 
nitz, Biesdorf und in Altenstein 
und Trier.*) Als nächste, schon 
im Jahre 1914 in Bauangriff genommene Häfen wurden 
Braunschweig, München, Stuttgart, Coburg und Emden 
gewählt. 

Als aber auch durch diese festen Hallen die 
Luftschiffe keinen genügenden Schutz hatten und es 
bei Sturmlandungen abermals zu Unfällen kam, ging 
man in der weiteren Ausgestaltung des Luftschiffhafen- 
netzes zu den noch kostspieligeren drehbaren Hallen 
über. In dieser Art wurde der größte Luftschiffhafen 
von der Marineverwaltung bei Nordholz an der Bahn 
Cuxhaven-Geestemünde angelegt, der drei Doppel- 
hallen und mehrere Einzelhallen umfaßt. Ähnliche 
Bauten wurden sodann für die Militärverwaltung in 
Hannover, Dresden, Köln, Düsseldorf, Darmstadt, 
Mannheim, Metz, Lahr, Friedrichshafen, Königsberg, 
Graudenz und Schneidemühl in Angriff genommen. 


Dies illustriert zur Genüge die gewaltigen An- 
strengungen in Deutschland, die um jeden Preis die 
Durchführung des einmal een Programmes 
gewährleisten, selbst wenn neue Unfälle noch be- 
deutendere materielle Opfer erfordern würden. Denn 
das Projekt des absolut praktischen und zweckmäßigen 
Luftschiffhafens ist noch immer nicht gelöst. Es liegen 
zahlreiche Pläne vor, um allen, auch den Drehhallen 
anhaftenden Mängeln abzuhelfen, die einzige sichere 
Möglichkeit in diesem Belange dürfte aber wohl in 
einer engen Anlehnung an das Prinzip der Seehäfen 
liegen, nämlich von der Natur dazu günstig aus- 
gestattete Territorien zu diesem Zwecke auszubauen. 
Für die Luftschiffe kämen in diesem Sinne jene Täler 
in Betracht, die während des ganzen Jahres Windstille 
haben. Solche Täler sind erwiesenermaßen gar nicht 
selten und diese müßten dann, eben den günstigen 
Verhältnissen Rechnung tragend, groß angelegt aus- 
gebaut werden, so daß nicht ein einzelnes Luftschiff, 
sondern ein ganzer Teil der Luftflotte daselbst sta- 
tioniert. 

Wie aus dieser Darstellung ersichtlich, war die 
hauptsächlichste Aufmerksamkeit in Deutschland den 
großen und starren Luftschiffen zugewandt. In dieser 
Bevorzugung erblickte man anfänglich, speziell unter 


*) Statistische Daten nach dem Jahrbuch der Naturwissen- 
schaften. 1913/14. 


Linienschiffsleutnant Gustav Klasing 
(Orden d. Eis. Krone m. d. Kriegsdek.). 


| 


Berücksichtigung der ungeheu- 
ren materiellen Opfer, eine 
unfruchtbare Einseitigkeit, be- 
sonders noch, als die rasch 
aufstrebende Aviatik im Ausland 
sich wahrhaftig im Fluge alles 
Interesse eroberte und jegliches 
Bemühen mit Lenkballonen als 
längst überlebt erscheinen ließ. 
Aber es zeigte sich, wenn auch 
erst nach Jahren, immer deut- 
licher, und eben jetzt durch die 
erfolgreiche Verwendung der 
Zeppeline im Kriege in noch er- 
höhtem Maße, daß die deutsche 
Heeresverwaltung von sachlich 
wohlüberlegten und richtigen 
Erwägungen geleitet war, als 
sie den großen Zeppelin-Luft- 
schiffen ihr besonderes Interesse 
zuwandte. Dadurch hat sich 
Deutschland auf dem nun prak- 
tisch doch bewährten Gebiete 
des Lenkballonwesens einen 
wohl von keinem Staate mehr 
einzuholenden Vorsprung ge- 
sichert. Speziell der Mangel an 
jahrelangen, von Deutschland 
unter ganz hervorragenden 
Opfern und der zähesten Aus- 
dauer gemachten Erfahrungen, 
ließen alle Versuche in Frank- 
reich und England, die Zeppelin- 
Lufschiffe nachzuahmen, bei- 
nahe kläglich scheitern. Erst dieser hervorragende 
Luftschifftyp, in Verbindung mit der mächtigen Aero- 
plan-Flotille, errang Deutschland eine Überlegenheit 
im Luftkrieg seinen Feinden gegenüber, die sich auch 
in den Gesamterfolgen des Weltkrieges fühlbar macht. 

In Osterreich wurde leider nach dem Unfalle des 
»Lebaudy« bei Linz, sowie des infolge materieller 
Schwierigkeiten eingestellten Stagl - Mannsbarth- 
Ballons, und der noch in aller Erinnerung stehenden 
schweren Katastrophe bei Fischamend, wo unser 
aktionsfähigster Lenkballon »Körting« samt der Be- 
satzung verbrannte, dem Ausbau der Luftschiffahrt in 
dieser Richtung viel zu wenig Aufmerksamkeit zu- 
gewendet und die Schaffung einer mit Erfolg operations- 
fähigen Aeroplanflotte in erster Linie im Auge be- 
halten. Aber wie sich eben in dem Weltkriege zeigt, 
hat sich eine einseitige Wertentscheidung nur für den 
Aeroplan, ebensowenig wie für den Lenkballon voll- 
zogen, vielmehr hat sich ein wirksames und er- 
gänzendes Zusammenarbeiten dieser beiden als be- 
sonders wirksam erwiesen, wie dies die deutsche 
Luftflotte zeigt. 

Allerdings hat der Lenkballon noch lange nicht 
die letzte Stufe seiner Entwicklung erreicht. Es werden 
auch hier noch durchgreifende Verbesserungen ein- 
setzen, speziell in bezug auf die Ausschaltung seiner 
Feuergefährlichkeit; auch die Leistungsfähigkeit wird 
noch zu steigern sein, und es steht zu erwarten, daß 
die Deutschen als die ERBEN. welche bis jetzt den 
Lenkballon im Weltkrieg erfolgreich verwenden, auch 
aus seiner Kriegstätigkeit tiefgehende Erfahrungen 
schöpfen werden. In dieser Weise wurden ja schon 
in den letzten Jahren Neueinführungen getroffen, die 
eine wesentliche Vervollkommnung des Lenkballons, 
sowie der Luftschiffahrt überhaupt bedeuten, nämlich 
neue Orientierungsmöglichkeiten und der Nachrichten- 
dienst vom Luftschiff aus. Bezüglich der Orientierung 
wurden in zweifacher Richtung bemerkenswerte Be- 
schlüsse gefaßt, einerseits durch Einführung ent- 
sprechender Luftfahrkarten, in welchen die geeigneten 
Landungsplätze, Füllgasanlagen, sowie die für den 
Luftschiffer gefährlichen und zu meidenden Objekte, 
wie Hochspannungsleitungen etc. eingezeichnet sind, 
anderseits durch Anlegung und Unterhaltung von 


8 181 


Leuchtfeuern, um den Luftschiffer bei Nachtfahrten | Apparatur ist von denkbarster Einfachheit und ge- 


vor solchen Plätzen zu warnen oder durch bestimmte 
Blinkfeuereinrichtungen geeignete Landungsplätze zu 
bezeichnen und eine entsprechende Orientierung zu 
bieten. Eben diese wurde weiters auch durch die 
Ausgestaltung des Nachrichtendienstes gefördert, auf 
Grund der Versuche das Luftschiff in konstanter 
funkentelegraphischer Verbindung mit der Erde zu 
halten. Dadurch wäre weiters auch die Möglichkeit 
gegeben, dem Luftschiff bei weiter Fahrt laufende 
Wetternachrichten zukommen zu lassen, sowie dieses 
leichzeitig in den Stand gesetzt, bei schwerem 

etter eventuelle notwendige Landungen ankündigen 
zu können. In der Tat ist es in letzter Zeit gelungen, 
wesentliche Erfolge im Bau von Radiostationen für 
Luftschiffahrtszwecke zu erzielen. In dieser Beziehung 
ist es der Spezialfirma Dr. E. F. Huth in Berlin 
gelungen, Empfangs-, sowie Sendstationen von so 
kleinen Dimensionen und geringem Gewicht her- 
zustellen, daß sie bequem sogar von jedem Frei- 
ballon und Aeroplan mitgeführt werden können. Die 


stattet einen funkentelegraphischen Verkehr auf un- 
gefähr 150 km. Dieses Mittel zur Orientierung enang 
besonders bei Nebel hervorragende Wichtigkeit. In 
diesem Falle ist es von Bedeutung, gerichtete Funken- 
wellen zu benützen, daß z. B. nur nach einzelnen 
Richtungen bestimmte Wellenzüge ausgesendet werden, 
die den Empfänger in Fahrt nur bei Kreuzung einer 
der betreffenden Richtungen ansprechen. Auf diesem 
Prinzip beruht der Telefunkenkompaß von Arco. Eine 
vollständige Sende- und Empfangsstation für 100 km 
nach diesem System wiegt ungefähr 40kg, ist also 
für Luftschiffe außerordentlich geeignet. 

Der Luftschiffahrt ist wie ersichtlich noch ein 
mächtiges Gebiet der Entwicklung vorbehalten. Wir 
sind ja trotz der bereits erzielten großen Erfolge erst 
am Beginn einer neuen technischen Errungenschaft, 
und es wäre von Wert, alle Kräfte zum mächtigen 
Aufschwung derselben einzusetzen, um auch hierin, 
wie bisher, in kultureller und zivilisatorischer Richtung 
als Barbaren“ die Führung zu behalten. 


Gerüstzweidecker. 


Von Fritz Lichtenstern, Einjährig-Freiwilliger. 
II. Teil. 


E. Rahmen; Form und Lage des Bootes 
bei Gerüstzweideckern mit vorderem 
Antrieb. 


Rahmen finden sich bei den Apparaten von: 
Hanuschke 1910, der »Fachschule Mainz, 1910 und 
1911 und Savary (Zweischraubentrieb) 1910 und 1911. 
Der Sitz des Caudron-Zweideckers 1910 liegt knapp 
über dem Unterdeck, die Motorachse aber in halber 
Höhe der Zellenstiele, so daß kein gemeinsamer 
Rahmen vorhanden ist. 

Einen Übergang vom Rahmen zum Boot an 
Gerüstzweideckern mit Vorderantrieb bildet die 
Methode von Ferber (1909). Der Pilot sitzt oder 
richtiger hängt an einem Gurt, der an zwei horizontalen 
Trägern befestigt ist. Zwischen den Vorderenden ist 
der Standmotor gelagert. Die Träger sind hinten bis 
zu den Schwanzflächen verlängert, halten aber diese 
nicht allein. 

Ein Boot findet sich bereits beim Zweidecker 
von Breguet (1909). Seither hat der Konstrukteur das 
Boot zu einem Rumpf verlängert und baut Rumpf- 
zweidecker. 1911 wurden Apparate mit vorderem An- 
trieb und Boot von den Albatros-Werken, Caudron 
und von Sommer herausgebracht. 

Das Boot aller dieser Typen ist n Die 
Träger bleiben vorn und bis knapp vor das Boots- 
ende zueinander parallel. Ein Rotationsmotor läßt 
sich dann leicht in der Bootsachse lagern und voll- 
ständig einschließen (Albatros, Caudron, Sommer). 
Die Lagerung ist doppelt durchgeführt. Am Ende 
laufen die Träger zu einer Kante zusammen. 


In neuerer Zeit hat man den Querschnitt der 
Boote, der bei den ersten Apparaten gering war, ver- 
größert. Aus Gründen des Luftwiderstandes wurde 
auch Bootsvorder- und Hinterteil geändert. Ersterer 
wird ähnlich wie am Rumpf der Nieuport-Eindecker 
ausgebildet und der bloß einmal gelagerte Rotations- 
motor oben mit einer Haube eingedeckt (Caudron 
1912—1914). In einem derartig ausgebildeten Boot 
läßt sich natürlich auch ein Standmotor einbauen 
(Euler 1913). 

Am Noäl-Zweidecker einfach gelagerter Rotations- 
motor mit Haube, Bootsboden aber nicht aufgezogen. 
Das Ende des Bootes bei Caudron 1912—1914 ver- 
ringert sich auch der Höhe nach. Merkwürdig sind 
Boot und Motoreinbau eines Savary-Zweideckers 1911. 
Der Querschnitt ist ein Rechteck, dessen längere 
Seite horizontal liegt. Die Haube steht über die 
Bootsoberseite ziemlich weit hinaus. 


Die Boote liegen immer auf dem unteren Trag- 
deck. Bereits früher wurde schon bemerkt, daß dies 
nur am No&l-Zweidecker nicht zutrifft. 


5. Die Tragzelle. 


Bei Vergleich der Gerüst-Zweidecker der mittleren 
Jahre des modernen Flugzeugbaues, das ist seit Be- 
ginn 1910 bis Ende 1912, ergibt sich, daß die Zelle 
zu den Bestandteilen des Apparates gehört, der kaum 
bei zwei Typen gleich ausgeführt ist. Hinsichtlich der 
Details läßt sich wohl Gemeinsames finden. 


A. Form der Flächen. 


Was den Grundriß der Flächen betrifft, so ist 
dieser der Einfachheit halber in den meisten Fällen 
rechteckig. Die Flächen von Apparaten, die mit Ver- 
windung arbeiten, sind außen abgerundet. Wenn 
sich die Rotationsebene der Schraube noch inner- 
halb der Zelle befindet, so sind die Tragdecks bis 
zum »Schraubenkreis« zu dieser Ebene ausgeschnitten. 


B. Die Differenz der Spannweite beider 


Tragdecks. 


Bis ungefähr Ende 1910 war die Spannweite des 
Ober- und Unterdecks desselben Apparates bei Gerüst- 
und Rumpfzweideckern immer gleich. Dann trat der 
Umschwung ein, und die meisten Konstrukteure ver- 
größerten die Spannweite oben und beließen sie 
unten. Manchmal ist der Unterschied gering, kann 
aber bis zu 2m anwachsen. Die Dimensionen des 
aus der eigentlichen Zelle vorstehenden Teiles 
richten sich meist nach denen der Flächenklappen 
(bei Typen mit Klappen). Apparate mit Verwindung 
haben am Ober- und Unterdeck selten ungleiche 
Spannweite. | 

Bei großer Verschiedenheit der Spannweiten sind 
die hinausragenden Teile des oberen Tragdecks ab- 
nehmbar, so daß nach ihrer Entfernung beide Flächen 
gleich weit klaftern. Die Abnehmbarkeit hat den Zweck, 
einen Apparat auch von großer Totalspannweite in 
einem normal dimensionierten Hangar unterbringen 
zu können. 

Nach einer interessanten Methode, die zwar nicht 
hieher gehört, konnte die Spannweite eines H. Farman- 
Zweideckers 1911 verringert werden. Die Zellenenden 
sind um Achsen, die durch die Vorderkanten des 
Tragdecks gehen, drehbar, so daß sich die Spann- 
weite von 20 auf 11°5m reduzieren läßt. 


182 ° 


C. Die gegenseitige Lage der Tragdecks 


ist bei weitaus den meisten Apparaten die natürliche, 
also die Vorderkannten beider Flächen direkt über- 
einander. Einige Konstrukteure haben auch von der 
Staffelung der Tragdecks Gebrauch gemacht, indem 
sie das Ober- vor das Unterdeck verschoben (H. Far- 
man und M. Farman, Rheims 1911, M. Farman, Wasser- 
flugzeuge 1912, Euler mit hinterem und vorderem 
Antrieb 1913 etc.). 


D. Die gegenseitige Verbindung der Trag- 


decks. 
Bei Gerüstzweideckern erfolgt diese immer 
durch zwei Stielreihen. Die vordere Reihe steht 


meist an der Vorderkante der Tragdecks. Ist die Zelle 
mit Klappen versehen, so liegt die hintere Stiel- 
reihe längs einer Linie, die durch die Klappenachsen 
gezogen ist. Da die Verziehbarkeit der Zelle um so 
leichter erfolgen kann, je geringer der Abstand der 
Stielreihen voneinander ist, so sind bei Apparaten 
mit Verwindung die hinteren Stiele ungefähr im 
zweiten Drittel der Flächentiefe (Wright) oder höch- 
stens bis knapp zur Mitte derselben eingesetzt 
(Caudron). An einigen Typen solcher Apparate sind 
auch die vorderen Stiele (nach hinten) bis zum vor- 
deren Flügelholm verschoben. (Grahame-White mehrere 
Typen, Vickers, Samuel White, Sopwith-Flugboot, 
sämtliche 1913.) 

Die Anzahl der Stiele in einer Reihe ist ver- 
schieden. Bezüglich derselben kommt es auf die 
Spannweite des betreffenden Apparates an. Während 
normale Apparate selten über 12 Stiele haben, weisen 
größere Typen bis zu 32 auf. 

Gewöhnlich haben die nebeneinander befindlichen 
Stiele, die nicht unmittelbar neben dem Boote (Rahmen) 
stehen, voneinander gleichen Abstand. Durch letztere 
Stiele wird der Abstand der mittleren Stiele unter- 
teilt. Sie dienen dazu, das Gewicht, das Fahrer und 
Motor haben (während des Fluges), direkt auf das 
Oberdeck wirken zu lassen. Natürlich nehmen auch 
die Stiele selbst dieses Gewicht als Zug auf. 

Die Unterteilung des Zellenmittelteiles ist lange 
vor 1910 aufgekommen und wurde von vielen Kon- 
strukteuren durch lange Zeit beibehalten. Neuestens 
verzichteten Einige aut diese Stiele. Auch der Abstand 
aller außen liegenden Stiele kann an demselben Typ 
ungleich sein. Bisweilen haben die innen befindlichen 
voneinander gleichen, die vorletzten aber von den 
äußersten größeren Abstand etc. etc. Übrigens herrscht 
bei Rumpfzweideckern in dieser Hinsicht mehr Regel- 
mäßigkeit. 

Die äußersten Streben von Apparaten, die Ver- 
windung besitzen oder deren Tragdecks abgerundet 
sind, haben voneinander nicht den Abstand, der der 
Spannweite (des Unterdecks) entspricht, sondern er 
ist geringer. Bei einigen Typen handelt es sich um 
einige Zentimeter, bei anderen ist der Abstand be- 
trächtlich. 

Zur Unterstützung der vorragenden Flächenteile 
bei Apparaten mit verschieden weit klafterndem Ober- 
und Unterdeck dienen schräg vom Fußpunkt der 
äußersten Stiele nach oben gehende Streben. Wenn 
die Flachenteile von der Hauptfläche demontierbar 
sind, so muß dies auch bei den Stielen leicht möglich 
sein. Unter anderem haben die Voisin-Werke diese 
Verstrebung dadurch verstärkt, indem sie vom Ober- 
ende der äußersten Stiele normal auf die langen kurze 
Streben führten. In neuerer Zeit haben Konstrukteure 
auf die schrägen Streben verzichtet, wenn auch die 
Differenz der Spannweiten groß ist. 

Sind die Tragdecks gestaffelt, so sind die Stiele 
entsprechend schräg gestellt und an denselben Stellen 
wie gewöhnlich an Apparaten mit direkt übereinander- 
liegenden Flächen eingesetzt. 


E. Die Bespannung der Tragdecks. 


Einseitig bespannte Tragdecks wurden 1909 und 
1910 unter anderem von Voisin, H. Farman, Paulhan 


verwendet. Da dann die Flügelrippen in Taschen ein- 
genäht werden mußten, ergab sich großer Luftwider- 
stand, wodurch die Tragdecks weniger ökonomisch 
als doppelseitig bespannte arbeiteten. In der Folge- 
zeit verschwinden daher die einfach bezogenen Flügel. 


F. Die Verbindung zwischen Zelle und 
Boot. 


Jeder Teil (Flügel) beider Tragdecks des Gerüst- 
zweideckers bildet mit dem gegenüberliegenden ein 
Stück, da die Holme gemeinsam sind. Eine sichtbare 
Trennung in rechten und linken Flügel ist also nicht 
durchgeführt. Diese Trennung erleichtert das De- 
montieren. Sie besteht schon lange bei Rumpf- 
eindeckern. Als sie sich um die Wende des Jahres 1912 
auch bei Rumpfzweideckern einführte, konnte sie bei 
den Gerüstzweideckern deshalb nicht angenommen 
werden, weil an Apparaten ohne Boot (mit Rahmen) 
eine solche Befestigung nicht durführbar ist, und bei 
Apparaten mit Boot eine Teilung aus dem Grunde 
nicht angezeigt wäre, da die Träger des Steuergerüstes 
an Punkten befestigt sein müssen, die starr miteinander 
verbunden sind. Ein Verziehen des Gerüstes würde 
die Steuerfähigkeit erschweren. 


G. Stabilisierungsorgane. 


So wie an allen gebräuchlichen Flugzeugtypen, 
sind an Gerüstzweideckern beide Stabilisierungs- 
systeme (künstliche und natürliche) zu finden. Die 
Flächenklappen an Gerüstzweideckern wurden von 
Voisin und H. Farman, die Verwindung von den 
Brüdern Wright zum erstenmal mit Erfolg verwendet. 
Wegen der Einfachheit hat später eine größere Anzahl 
von Konstrukteuren die Klappenmethode ange- 
nommen. 

Die Klappen sind meist rechteckig und fügen sich 
in den Grundriß der Tragdecks ein. Spitze Klappen, 
wo letzteres nicht vollständig erfolgt, gibt es z. B. bei 
Otto-Ago, runde bei Sommer und Albatros 1911. 

Die Klappen’ einiger Apparate sind zwangsläufig 
beweglich, bei anderen wieder — und dies ist die 
erhebliche Mehrheit — hängen sie am ruhenden 
Flugzeug schlaff herab. Ziehbar sind sie bekanntlich 
bloß nach unten, weshalb beim Legen in die Kurve 
die Wirkung nicht so günstig ist wie bei verziehbaren 
Flächen (Zellen) wo die Flächen auf beiden Seiten 
gleichzeitig betätigt werden. 

Das, was von Verwindung an Gerüstzweideckern 
von Belang ist, ist bereits unter Absatz D dieses Ab- 
schnittes gesagt worden. 

Apparate mit elastisch verziehbaren Klappen als 
Zwischending von einfachen Klappen und verwind- 
baren Tragdecks sind auf wenige Typen, z. B. 
Warchalowski (Autobiplan), beschränkt geblieben. Die 
Form des Tragdecks ist die der Zanonia. 

Was die Zahl und Lage der Klappen betrifft, so 
gibt es verschiedene Möglichkeiten. Bei gleicher 

pannweite von Ober- und Unterdeck: 1. oben 
(z. B. Euler 1910), 2. oben und unten (z. B. Albatros 
1911), 3. unten (z. B. M. Farman 1910). Bei ver- 
schiedener Spannweite: 1. oben, nach innen, bis 
zur eigentlichen Zelle (Zellengrenze, z. B. H. Farman 
1910); 2. oben bis über die Zellengrenze, a) Klappe 
ungeteilt, in einem Stück (H. Farman 1911, Typ I), 
b) Klappe geteilt (H. Farman 1911, Typ II); 3. oben 
innerhalb der Zelle, bis zur Zellengrenze (z. B. 
Sommer 1911, Albatros 1911); 4. oben und unten, 
oben bis zur Grenze (z. B. M. Farman 1911); 5. oben 
und unten, oben bis zur Grenze (z. B. Savary 1911). 

Während die Stabilisierungsvorrichtungen der 
oben besprochenen Art Bestandteile der Tragdecks 
sind, sind jene der folgenden dadurch merkwürdig, 
daß sie an den Flächenstielen befestigt sind. Diese 
Methode war in den jahren 1909 bis 1911 ge- 
bräuchlich. Nur Curtiß hat sie länger beibehalten. 
Heute ist man aber von ihr abgekommen. . 

Je eine Klappe ist an zwei Punkten der Vorder- 
kante in halber Höhe der Stiele, und zwar meist an 


Stielen der hinteren Reihe gelagert (Curtiß 1909 
bis 1913, M. Farman 1910). Hier gehen die Klappen 
über die Zelle nicht hinaus, während es bei den 
F. F.-(Flugzeugbau Friedrichshafen-) und nig ait 
deckern (1913 und 1914, 1909 bis 1913) der Fall ist. 
Bei Cody sind die Klappen iiberdies nicht direkt an 
den Stielen, sondern an von diesen nach hinten 
gehenden horizontalen Auslegern gelagert. Die Achse 
fallt nicht mit der Vorderkante zusammen, sondern 
sie ist nach hinten geriickt. 

Als zweite Art von an den Zellenstielen befind- 
lichen Stabilisatoren hat man die drehbaren Flächen 
anzusehen. Bei Gerüstzweideckern wurde sie von 
Bronislawski 1911 verwendet. Zwei übereinander 
liegende, starr verbundene Flächen sind in der Mitte 
um eine senkrechte Achse (Stiel) angeordnet. Diese 
Achse ist oben und unten am Treffpunkt zweier zu 
5 einem Bogen verlängerten und sich in einem 

unkte vereinigenden Holme des Ober- und Unter- 
decks gelagert. 

Bei Drehen der Achse, was mittels Zahnrad und 
Kette erfolgt, wird, da die Flächen nur von einer 
Seite betätigt werden, die Projektion der Fläche 
(nach vorn), damit auch der Widerstand des be— 
treffenden Zellenteils geändert. 

Die natürlichen Stabilisatoren anderer Flug— 
zeugtypen sind auch jene der Gerüstzweidecker und 
umgekehrt. (Die an den Stielen befindlichen Klappen 
als künstliche Stabilisatoren sind an Rumpf- 
zweideckern nicht verwendet worden.) 

Natürliche Stabilisatoren sind: Besondere Wölbung, 
Form und gegenseitige Stellung der Tragdeckteile, 
bezw. Tragdecks. 

Mit ersteren wollen wir uns hier nicht abgeben. 
Ahnlich wie bei den Blériot-Eindeckern ist der 
Grundriß der Flächen bei Clément-Bayard 1909 und 
1910, M. Farman 1909 bis 1914, Bleriot 1913. Zanonia 
bei Warchalowski bereits erwähnt. 

Hinsichtlich der gegenseitigen Lage der Flächen- 
teile der Tragdecks von Gerüstzweideckern gibt es 
einige interessante Ausführungsarten. Reine V-Form 
bei einem Tragdeck existiert nicht. Bei H. Farman 
1911 und Otto-Ago z. B. ist der Mittelteil des Unter- 
decks horizontal, nur die äußeren Teile sind nach 
außen schwach schräggestellt, so daß sie zusammen- 
geschoben, V-Form bilden würden. Wirkliche V-Form, 


183 


wendet. Unten V-, oben A- (verkehrte V-) Form bei 
Curtiß, was schon bei den A.-E.-A.-Zweideckern zu 
finden war. Beide Tragdecks des Sanders-Zweideckers 
1910 und 1911 sind nach oben gebogen. 

Durch die Staffelung der Tragdecks wird die 
schädliche (wirbelbildende) Wechselwirkung der Trag- 
decks verringert. Apparate bereits angeführt. 

Im Jahre 1908 wurde von den Brüdern Voisin 
eine besondere Stabilisierungsmethode aufgebracht. 
Je zwei hintereinander stehende Zellenstiele sind durch 
eine Stoffbespannung miteinander verbunden. Die 
ersten Apparate hatten vier solche Wände, zwei ganz 
außen und zwei nahe dem Boot (auch bei Euler 
1909), bei M. Farman 1909, Voisin, Euler, Clément- 
Bayard, alle 1910, zwei außenliegende »Kasten- 
flächen«. Wenn der Apparat eine seitlich geneigte 
Stellung annimmt, sollen diese Flächen das seitliche 
Abrutschen verhindern. Seitenwinde aber wirkten auf 
solche Apparate viel stärker ein als auf solche ohne 
Kastenflächen, da sich ihnen eine größere Fläche bot. 
Infolgedessen kam es zu starken Abdriften. Noch Ende 
1910 wurden die senkrechten Stabilisierungsflächen 
sowohl an der Zelle als auch am Schwanz (eben- 
falls Voisin und Euler) weggelassen. 


6. Steuer- und Schwanzflächen. 


Die Steuerflächen der Flugzeuge dienen entweder 
zur Höhen- oder zur Kursänderung. Die Schwanzflächen 
sind entweder ganz starre Flächen oder sie sind zum 
Teile um Achsen drehbar (Flächenklappen) oder 
elastisch ausgebildet (Flächenlappen). Die am Schwanz 
liegenden Flächen können die Funktion der Steuer- 
flächen erfüllen. | 

Bei Gerüstzweideckern kann die Lage der Steuer- 
flächen bezüglich der Zelle verschieden sein. Wie die 
Bezeichnung ausdrückt, können Schwanzflächen sich 
aber nur hinter der Zelle befinden. Sowohl aus 
diesem Grunde als auch wegen der Starrheit, bezw. 
Beweglichkeit der Flächen muß man zwischen Schwanz- 
und Steuerflächen unterscheiden. 

Da die Höhensteuerklappen bei sämtlichen 
Apparaten an fixe Teile angeschlossen sind, so ist 
die Bezeichnung »Höhensteuer« als für das Ganze 
85 falsch. Richtig muß es horizontale Schwanz- 
läche mit Klappen« oder »Schwanzfläche mit Höhen- 
steuerklappen« heißen. Berechtigt ist dagegen die Be- 


und zwar an beiden Tragdecks hat Ferber 1909 ver- | zeichnung »vorderes Höhensteuer«, da dieses der 


Eine interessante Reminiszenz: Gabriele d’Annunzio bei einem Besuche in Issy 1912. 


184 


ganzen Größe nach verdrehbar ist. Bei Gerüstzwei- 
deckern kann man aus demselben Grunde auch vom 
Seitensteuer sprechen. Liegt, was selten vorkommt, 
ein starrer Teil vor dem Steuer, so wird dies bei 
dem betreffenden Apparat eigens bemerkt. 

Da die Konstrukteure von Gerüstzweideckern in 
bezug auf Steuer- und Schwanzflächen einen weit 
rößeren Spielraum als bei irgend einem anderen 
yp haben, ist auch davon ausgiebig Gebrauch ge- 
macht worden. Es finden sich die verschiedensten 
Kombinationen. Nicht nur ein vorderes Höhensteuer 
und ein bis drei Seitensteuer, sondern ein vorderes 
Höhensteuer, eine horizontale Schwanzfläche mit 
Klappen und ein bis drei Seitensteuer oder ein bis 
zwei horizontale Schwanzflächen und ein bis drei 
Seitensteuer etc. Im letzteren Falle trägt nur die obere 
Fläche die Höhensteuerklappe. Auch bei Vorhanden- 
sein nur je einer Flächenart bestehen verschiedene 
Anordnungsmöglichkeiten. Die Wright-Zweidecker 
1909 bis 1911 und die Sanders-Zweidecker 1910 und 
1911 ohne horizontale Schwanzflache. Erstere zwei 
Seitensteuer, die sich um eine gemeinsame Achse 
drehen, letztere drei Seitensteuer; jedes nur einmal 
gelagert. | 


A. Das vordere Höhensteuer 


findet sich bei fast allen erfolgreichen, älteren Gerüst- 
zweideckern, auch solchen mit vorderem Antrieb: 
Voisin, H. Farman, Wright, Curtiß, Cody, 
Ferber. Die beiden letzteren mit vorderem Antrieb. 
Der Grund zur Verwendung des vorderen Steuers war 
der, daß man vorläufig beide Steuer nicht an einem 
Gerüst, dem Schwanzgerüst, vereinigen zu können 
glaubte oder wenigstens an die Möglichkeit der Ver- 
legung nach hinten nicht dachte. In späteren Jahren 
versahen einige Konstrukteure die hintere Fläche mit 
Höhensteuerklappen oder sie beließen das vordere 
Steuer, wodurch die Höhensteuerung erleichtert wurde. 

Während bei einigen Typen (Voisin,H.Farman, 
Euler 1909, Clément-Bayard 1909) das vordere 
Steuer direkt am Boot gelagert ist, mußte bei anderen, 
deren Schraube vorne rotiert (Cody, Curtiß, 
Ferber), eine eigene Gerüstkonstruktion verwendet 
werden, welche die Verbindung zwischen Steuer und 
Zelle herstellt. Bei anderen Apparaten erfolgt dies 
dann, wenn die Konstrukteure dem Steuer zwecks 
Erhöhung seines Wirkungsgrades den Abstand von 
der Zelle vergrößern wollten oder wenn sie auf das 
Boot verzichteten. 

Mit der Lagerungsart des Höhensteuers hängt in 
gewisser Hinsicht die Anzahl der horizontalen Steuer- 
flächen zusammen. Das Boot kann nämlich nur ein 
monoplanes Höhensteuer (Voisin, H. Farman), das 
Gerüst kann aber sowohl monoplane Höhensteuer 
(H. Farman Ende 1909 u. v. a.) als auch biplane 
Höhensteuer tragen (W right, Curtiß bis 1912). 

In erster Zeit waren die Flächen der monoplanen 
Höhensteuer selten einteilig, meist zweiteilig (H.Far- 
man, Cody) oder dreiteilig. DaCody bis zu seinem 
Tode Apparate von großer Spannweite baute, haben 
auch seine letzten Typen zweiteiliges Höhensteuer. 

Solange das vordere Höhensteuer verwendet 
wurde, haben die Apparate mit monoplanem, ein- 
teiligen, an einem Gerüst gelagerten Höhensteuer die 
Apparate mit anders ausgeführtem, vorderem Höhen- 
steuer an Zahl übetroffen. Die ersten Apparate mit 
dem Höhensteuer dieser Art sind die H. Farman- 
Zweidecker 1910. 

Als letzter der bekannten Gerüstzweidecker- 
konstrukteure ist M. Farman vom vorderen Höhen- 
steuer abgekommen (Ende 1913). Sowie einige andere, 
weniger bedeutende Fabrikanten hatte er es nicht 
wegen des Steuers selbst, sondern wegen der zu 
Kufen umgebildeten Trägerkonstruktion beibehalten. 


B. Das Schwanzsteuer. 


Die verschiedenen Anordnungsarten der am 
Schwanze befindlichen Flächen könnte man nach der 


Zahl oder nach der Stellung der Flächen zueinander 
einteilen. In dieser Abhandlung wollen wir uns aber 
jeweils an die Steuergerüste eines bestimmten Typs 
halten, da dadurch die einzelnen, zueinander ge- 
hörigen und gebräuchlichen Steuerschwänze (Gerüst 
mit Schwanz- und Steuerflächen) gegeben sind. Im 
übrigen richtet sich das Aussehen des Steuerschwanzes 
mehr nach der Zahl der horizontalen als nach der 
der Seitensteuer. 

Haben die angeführten Apparate kein vorderes 
Höhensteuer, so ist dies eigens bemerkt. Die Achsen 
beider Steuerarten liegen meistens in einer Ebene. 


C. Das Steuergerüst endet in ein Viereck. 
Ein bis zwei horizontale Flächen. 


Sind zwei horizontale Flächen vorhanden, so 
sind, wie oben bemerkt, die Höhensteuerklappen 
nur an der oberen Fläche. 

Die Voisin-Farman- und Euler-Zweidecker 1909 
haben so wie an der Tragzelle auch an der Schwanz- 
zelle die senkrechten Führungsflächen. An diese 
schließen sich aber keine Seitensteuer, sondern es 
wird nur ein einziges Steuer verwendet. Die H. Far- 
man-Zweidecker 1909 und 1910 und die Euler-Zwei- 
decker 1910 und 1911 haben zwei Seitensteuer. Achsen 
bei sämtlichen Apparaten in derselben Ebene. 1911 
wurde von einigen Fabriken, z. B. von den Aviatik- 
werken und H. Farman zwei hinten und ein vorn 
stehendes Seitensteuer verwendet. Dieses steht vor 
der Ebene der durch die übrigen Steuerachsen 
gebildeten Ebene. 

Die Flächen der später folgenden Apparate 
werden von einem Steuergerüst, das zwar noch in ein 
Viereck endet, getragen, aber es ist keine Zelle mehr 
vorhanden, sondern nur mehr eine horizontale 
Fläche mit den Höhensteuerklappen. Der Raum für 
die untere Fläche ist einfach leer geblieben. Die 
Steuerachsen fallen mit den Endkanten des Gerüstes 
zusammen: Albatros 1911, drei Seitensteuer; mehrere 
Typen H. Farman-Landzweidecker 1911 bis 1914 und 
Wasserzweidecker 1912 bis 1914, zwei, 1911 auch 
drei Seitensteuer; Otto-Ago-Landzweidecker 1912 und 
1913 und Wasserzweidecker 1913, drei Seitensteuer. 

Das Steuergeriist anderer Apparate hat nur mehr 
Platz für eine einzige Fläche, in welchem Falle das 
Gerüst vor den Flächen endet (nähere Beschreibung 
unten). Sodann befindet sich der Vorderrand der 
horizontalen Flächen und die Seitensteuerachsen in 
einer Ebene. Ein Seitensteuer bei Voisin 1910 (Typ 
Paris-Bordeaux), Warchalowski 1912, zwei Seitensteuer 
bei Sommer 1911 mit vorderem und hinterem Antrieb 
und Bristol 1911. Bei letzterem liegen die Seitensteuer 
sehr nahe aneinander. Die ersteren drei Apparate 
ohne vorderes Höhensteuer. Die Sommer-Zweidecker 
mit hinterem Antrieb haben keine Höhensteuerklappe. 

Außer dem vorderen Höhensteuer befinden sich 
an den Wright-Zweideckern der verschiedenen Länder 
bis 1910 keine horizontalen Schwanzflächen. Der erste 
Apparat miteiner solchen ist der Wright-Lieben-Knoller- 
Zweidecker 1910. Durch eine Zeitlang findet sich auch 
bei den anderen vorn und hinten horizontale Flächen, 
von Beginn 1911 an aber verschwinden die vorderen 
Steuer überhaupt. Bei sämtlichen Wright-Typen zwei 
Seitensteuer. Seitensteuer vor dem Höhensteuer. 


D. Das Gerüst endet in eine horizontale 
Kante. 


Eine horizontale Fläche. 


Bei seinen Zweideckern des Jahres 1909 stellte 
Sommer ein Seitensteuer vor die horizontale 
Schwanzfläche. Später setzte er zwei (geteilte) Steuer 
über und unter die Fläche. Bei Curtiß 1%9 bis 1914 
ein Seitensteuer, das ebenfalls geteilt ist. Ebenso bei 
den F. F.-Land- und Wasserzweideckern 1913 und 1914 
und Flugboot 1914, und bei einem leichten Grahame— 
White-Zweidecker 1913. Die späteren Typen von 
Curtiß ohne vorderes Höhensteuer. Bei F.F. und 


Grahame-White kein vorderes Höhensteuer. F. F. 
Flugboot mit fixem Teil vor dem Seitensteuer. Die 
Caudron-Landzweidecker 1911 bis 1914 und Wasser- 
zweidecker 1912 bis 1914 haben zwei, nach dem ganzen 
Areal über der Fläche stehende, nahe aneinander 
befindliche Seitensteuer. Vor ihnen fixe Teile. Die 
D. F. W.-Zweidecker 1911 mit zwei ganz kleinen 
Seitensteuern. Die Achsen sämtlicher Steuer dieses 
Apparates liegen zwar in einer Ebene, jene der 
Seitensteuer aber nicht wie sonst über, sondern unter 
der Achse des Höhensteuers. Bei den Paulhan-Zwei- 
deckern 1910 bis 1912 ein Seitensteuer und eine fixe 
horizontale Schwanzfläche. Bei den Voisin-Zwei- 
deckern 1913 ein Höhensteuer, in welchem Falle die 
horizontale Schwanzfläche der ganzen Größe nach 
drehbar ist. Beim Typ 1913 drei, beim Typ 1914 
drei Seitensteuer, Achsen bei beiden in derselben 
Ebene. Keine vorderen Höhensteuer. 


E. Das Steuergerüst endet in eine vertikale 
Kante. 


Übergangsformen. 
Eine horizontale Fläche. 


` Hiemit kommen wir zu den Steuerschwänzen mit 
ie einer horizontalen Fläche und einem Seitensteuer. 

a man in neuerer Zeit immer nach Einfachheit den 
Flugzeugbau überhaupt gestrebt hat, ist es erklärlich, 
wenn sich bei den meisten modernen Apparaten Steuer- 
schwänze dieses Typs, der auch tatsächlich einer der 
einfachsten darstellt, vorfinden. 


Man könnte die Steuerschwänze der vorgenannten 
Art, die weiters dadurch charakteristisch sind, daß 
die Steuerflächen von vorn gesehen ein T bilden 
(horizontale Fläche über dem Seitensteuer), als 
Standardsteuerschwänze bezeichnen. Die einheitliche 
Form ist auch in der gleichen Ausführung des Steuer- 
gerüstes ausgeprägt. 


Übergangsfornen zu diesem Typ sind folgende: 
Der Grahame White-Zweidecker Aero-Show 1913 hat 
das Seitensteuer zum größeren Teile ober, ein 
Ponnier-Zweidecker 1913 und die Euler-Zweidecker 
1913 zum größeren Teil unter der horizontalen 
Schwanzfläche. Keine vorderen Höhensteuer. Zur 
Standardform können diese Steuerschwänze auch 
wegen des anders konstruierten Steuergerüstes nicht 
gezählt werden. 


Das Steuergerüst, das sich am besten bewährt 
und sich bis heute erhalten hat, wurde zum erstenmal 
von den Albatros-Werken und Voisin verwendet. Der 
erste Apparat mit Standardschwanz haben die Al- 
batros-Werke herausgebracht. Die Voisin-Werke haben 
nur etwas Ähnliches verwendet. Während nämlich 
beim Albatros-Zweidecker (dieser hatte vorderen 
Antrieb) die Achsen in einer Ebene liegen, liegt die 
Seitensteuerachse des Voisin-Zweideckers vor der 
Höhensteuerachse, was durch die eigentümliche Be- 
festigungsart der horizontalen Fläche bedingt ist. Ob- 
wohl diese Anordnung bedeutend ungünstiger ist, hat 
sie Voisin noch an einem Wasserzweidecker 1913 
verwendet. Wahrend aber diese Methode von anderen 
Konstrukteuren nicht angenommen wurde, hat sich 
die Bauart der Albatros-Werke auch bei anderen 
Typen eingeführt und wurde dort verbessert. Wir 
finden sie bei einer großen Zahl neuerer Flugzeuge. 
In ausgedehntem Maße und von 1912 an hat H.Far- 
man diesen Steuerschwanz verwendet. Weiters auch 
Bleriot (Salon 1913), Morane-Saulnier-Wasserzwei- 
decker 1913 etc. Sopwitha-Flugboot 1913. Deutsche 
Apparate: Schwade 1913 und 1914, Gotha 1913, Otto- 
Ago-Land- und Wasserzweidecker 1913. An letzterem 
ist interessant, daß auf die horizontale Schwanzfläche 
ein dreiteiliger Spannbock gesetzt ist. Sämtliche 
Apparate mit Standardschwanz ohne vorderes Höhen- 
steuer. 


185 


7. Die Lagerung des vorderen Höhensteuers. 
Das vordere Steuergerüst. 

Das im Absatz »Vorderes Höhensteuer« Gesagte 
sei hier wiederholt und ergänzt. Dreifache Ausführungs- 
möglichkeit der Lagerung des Höhensteuers: 

1. Am Bootvorderteil. 

2. Durch einfache Ausleger. 

3. Durch eine Konstruktion, die auch einen Teil 
des Fahrgestelles bildet. 

Methode 1 wird bei Fehlen des Bootes natürlich 


‚nicht verwendet, dagegen muß bei Vorhandensein 


eines Bootes das vordere Höhensteuer nicht am Boot 
Be sein. Methode 2 besteht darin, daß man von 

unkten an der Vorderkante der oberen und unteren 
Tragfläche Streben führt, die sich vorn an der Steuer- 
achse treffen. Je zwei übereinander liegende Ausleger 
sind durch mehrere Stiele gegeneinander verspreizt. 
Gewöhnlich sind zwei solche Strebenpaare vorhanden. 
Sie liegen ferner meist in einer Ebene parallel zur 
Flugrichtung. Nach außen gehen die Streben beim 
Zodiac-Zweidecker 1911. Cody hat an seinen Appa- 
raten außer den gewöhnlichen, an der Seite betind- 
lichen Auslegerpaaren wegen des groß dimensionierten 
Höhensteuers noch eine dritte Lagerungsstelle ver- 
wendet. Die Achsenmitte hält nämlich entweder ein 
drittes Auslegerpaar oder bei älteren Apparaten vier 
Träger, die eine Pyramide bilden. Daher die Teilung 
des Höhensteuers. Bei H. Farman 1909 erfolgt die 
Dreiteilung dadurch, daß die Auslegerpaare nicht die 
Enden der Achse halten, sondern geringeren 
Abstand von einander haben. 

Die dritte Methode wurde von den Brüdern 
Wright aufgebracht und von anderen Konstrukteuren 
durch lange Zeit verwendet. Die Konstruktion besteht 
darin, daß die nach vorn aufgezogenen Kufen des 
Fahrgestelles (bei den ersten Wright-Zweideckern 
Landungsgestell ohne Rader) am Vorderende die 
Steuerflächen trugen. Die weit vorragenden und auf- 
gezogenen Kufen dienten auch dazu, das Vornüber- 
kippen des Apparates während des Rollens auf dem 
Boden zu verhindern. Natürlich sind die Kufen gegen 
das obere und untere Tragdeck ausgiebig verspreizt. 

Ein Zwischending von Art I und 2 bildet die Bauart 
von M. Farman 1909, wo das Steuer an vier, vom Boot 
schräg nach vorn gehenden Streben gehalten wird. 

Eine einfache, wenn auch nicht solide Lagerungs- 
art des Höhensteuers ist bei dem Sommer-Zweidecker 
»Salon 1911« zu finden (Mittelding zwischen Me- 
thode 1 und 2). Das Gerüst ist auf zwei vom Rahmen 
schräg nach vorn- und obengehende Stahlrohre re- 
duziert. Eine Kombination von Methode 2 und 3 ist 
bei den Sanders-Zweideckern 1910 und 1911 zu finden. 
Das Höhensteuer trägt hier eine feste Konstruktion, 
fast wie ein Rumpf, der im Querschnitt ein Quadrat 
von geringer Seitenlänge zeigt. Die beiden unteren 
Träger sind als die Kufen des Fahrgestells ausgebildet. 
Etwas Ähnliches haben die Sommer-Zweidecker 1910, 
mit dem Unterschied aber, daß auch die oberen Träger 
aufgezogen sind, daß der Querschnitt ein größerer ist 
und daß das Ganze gegen die obere Fläche abgestützt ist. 

Interessant ist die Bauart bei den Paulhan-Zwei- 
deckern 1910 und 1911. Die Verbindung des Steuers 
mit der Zelle erfolgt durch zwei von der Kante des 
unteren Tragdecks ausgehende, horizontale Ausleger. 
Da diese aber nicht genügen, so laufen noch nach 
hinten und unten schräge Streben zu den weit vor- 
ragenden Kufen des Fahrgestells. Beim Wright- 
Lieben-Knoller-Zweidecker ist das Höhensteuer an 
von den Kufen und von der unteren Fläche aus- 
gehenden Trägern angesetzt. Eine weitere Kombination 
dieser beiden Methoden findet sich bei den CurtiB- 
Zweideckern 1909 bis 1912. Von den Treffpunkten 
der auf normale Weise ausgebildeten und angesetzten 
Ausleger und von einigen anderen Stellen gehen 
Streben zur Mittelkufe des Fahrgestells, die den 
Zweck haben, das Fahrgestell zu verstärken. 


(Schluß folgt.) 


` I 
ata + 2 i 


> 


Flugzeug-Diktaphon im Gebrauche auf einem französischen Maurice Farman-Doppeldecker. 


Phonographische Aufzeichnung auf Rekognoszierungsflügen. 


Für die spezielle Verwendung von Flugzeugen 
als Rekognoszierungsmittel ist schon eine ganze Reihe 
von einschlägigen Hilfsapparaten konstruiert und vor- 
geschlagen worden, die die Aufgabe des Beobachters, 
das Wahrgenommene getreulich aufzuzeichnen und zu 
registrieren, nach Tunlichkeit erleichtern sollen. Zahl- 
reiche dieser mitunter recht praktischen Vorrichtungen 
haben auch tatsächlich im gegenwärtigen Feldzuge 
den Beweis ihrer Verwendbarkeit erbracht. Als wesent- 
lich den Zwecken der Entlastung des Beobachters 
dienend, wird seitens einer hiesigen Firma, Friedrich 
May, Wien, I., ein neuer tee empfohlen, der die 
Aufzeichnung aller durch Worte oder Zahlen aus- 
drückbarer Wahrnehmungen automatisch, ohne Be- 
lästigung des Beobachters vornimmt. Hiedurch wird 
dem Beobachter die Möglichkeit geboten, seine Beob- 
achtungen rascher als durch Niederschrift, mit Ge- 
dankenschnelle, dauernd festzuhalten, während seine 
Hände für andere Operationen freibleiben. 

Die oben eingefügte Illustration zeigt einen der- 
artigen Apparat im Gebrauche an Bord eines Flug- 
zeuges. Der Apparat, der äußerst kompendiös gebaut 
ist und demgemäß im Führerraume des Flugzeuges 
leicht untergebracht werden kann, bedient sich des 
Phonographenprinzipes, gehört also zu den mechani- 
schen 
lichen Leben als Diktiermaschinen begegnen. Hiebei 
werden die seitens des Beobachters oder Lenkers 
gesprochenen Wahrnehmungen durch ein mit ent- 


honographen, wie wir sie häufig im geschäft-- 


sprechendem Mundstück versehenes Rohr gesammelt 
und zu einer empfindlichen Membrane geleitet, die 
hierauf in Schwingungen gerät. Diese Schwingungen 
werden genau so wie beim Phonographen durch ein 
feines Hebelwerk auf eine Nadel übertragen, die die 
entsprechenden Bewegungen in Form feiner Ritze auf 
eine Wachswalze überträgt. Eine Wiedergabe der 
Stimme, resp. der in den Apparat hineingesprochenen 
Worte ist dann jederzeit möglich. Man hat es in 
diesem Falle nur dann nötig, die Wachswalze durch 
ein Uhrwerk oder durch elektrischen Antrieb in 
Rotation zu versetzen, worauf die Wiedergabe der 
Worte nach dem Grammophonprinzipe erfolgt. Eine 
nähere Beschreibung des Apparates dürfte sich also 
erübrigen. Wiewohl seine große Zweckmäßigkeit ja 
nicht zu leugnen ist, so wird er Papier und Schreib- 
stift auf dem Flugzeuge doch nicht überflüssig machen 
können. Denn in den meisten Fällen wird sich die 
Notwendigkeit ergeben, die gesprochenen Worte durch 
anschauliche Terrainskizzen etc. zu vervollständigen. 
Gerade hier aber tritt seine hohe Zweckmäßigkeit be- 
sonders deutlich vor Augen, denn der Beobachter kann 
beide Tätigkeiten nunmehr gleichzeitig vollführen, 
d. i. seine Beobachtungen in Form gesprochener Worte 
der Wachswalze überantworten und sie gleichzeitig 
auch durch eine Handskizze illustrieren. 

Dem Vernehmen nach soll sich der vorstehend 
kurz charakterisierte Apparat tatsächlich nach jeder 
Richtung hin bewährt haben. 


Der See- und Luftkrieg im Nordseegebiet sowie im Nordmeer. 
Von Wilhelm Krebs (Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen). 


1915. 
Juni 5.: Ein sehr großes deutsches Unterseeboot 
vor Newcastle (Tyne) gesichtet. 
j 5.: Das deutsche Tauchboot -U 14« wird auf 


der Nordsee unter 57° 16 nördlicher Breite 
im Kampfe mit fünf bewaffneten britischen 
Fischdampfern in den Grund gerammt. 


Juni 7.: Ein deutscher Luftkreuzer wird zwischen 

Gent und Brüssel von dem britischen 

Flieger Warneford überflogen und durch 
Bombenwurf in Brand gesetzt. 

4 10.: Die englischen Torpedoboote Nr. 10 und 


Nr. 12 werden von deutschen Tauchbooten 
versenkt. (Nordsee ?) 


: Ein Zeppelinkreuzer vernichtet durch 
Bombenwiirfe die beiden britischen Fisch- 
dampfer »Welfare« und »Laurentian« 
30 Seemeilen von Nieuwe Waterweg an 
der holländischen Küste. 

: Der Dampfer »Arendale« fällt auf dem 

Seewege nach Archangel im Nordmeer, 

13 Seemeilen von Cap Orlow, einer 

Minenexplosion zum Opfer. 

Britische Schlachtflotten von 30 und von 

20 Einheiten halten auf den Walfang- 

gründen bei Spitzbergen SchieBübungen ab. 

: Hull wird mit zerstörendem Erfolg von 
zwei Zeppelinkreuzern bombardiert. 

: Im Weißen Meer werden treibende Minen 
gesichtet. 

: Fischmangel seit Mai 1915 wegen des 
Tauchbootkrieges wird aus England und 
Frankreich berichtet. 

: Zeitungen berichten, daß ein deutsches 

Tauchboot zwei feindliche Dampfer als 

Prisen nach Cuxhaven brachte. 

Zeppelinkreuzer bombardieren bewaffnete 

Plätze und Militärwerkstätten an der 

Nordostküste Englands, besonders bei 

Newcastle und Shields. 

: DieLuftschiffhalle bei Brüssel wird vonzwei 
feindlichen Flugzeugen aus bombardiert. 


» 121855 


„ 16./17.: 


= 


187 


: Zeitungen berichten, daß bei einem eng- 
lischen Fliegerangriff auf der Nordsee die 
Insassen zweier, auf die Wasserfläche 
herabgegangenen Flugzeuge diese ver- 
ließen und sich in ein britisches Tauchboot 
flüchteten. 


Deutsche Flieger unternehmen eine Er- 
kundungsfahrt über Dünkirchen. 


: Drei oder vier deutsche Fischdampfer aus 
Geestemünde werden beim Fischen in 
der Nordsee, etwa 8 Seemeilen westlich 
Hanstholm, von einem britischen Tor- 
pedoboot überrascht und zerstört.*) 


: Im englischen Unterhaus legt ein Mit- 
1 5 eine Statistik der Luftangriffe auf 
ngland vor, die aber, wenn die an 
sich schon widerspruchsvollen Zeitungs- 
berichte richtig melden, an schr auf- 
fallenden Fehlern leidet. 


Juni 


a 22.: 


*) In meinen Vorschlagen zur Kriegsorganisation der 
deutschen Seefischerei, die seit Oktober 1914 vor allem in der 
Deutschen Nautischen Zeitschrift »Hansa- unter W. K. er- 
schienen, war mit aller Entschiedenheit von deutschen 
Fischereiunternehmungen in den der britischen Kriegsmarine 
zugänglichen Meeresteilen abgeraten. Vielmehr waren die von 
der deutschen Kriegsmarine beherrschten Teilgebiete der Nord- 
und besonders der Ostsee für solche Unternehmungen vor- 
geschlagen und ihre derzeitige große Ergiebigkeit aus meteoro- 
logischen und fischereistatistischen Gründen erwiesen. 


Glacialkosmogonische Beiträge zur Erdbebenforschung. 
Die gebirgsbildenden Kräfte der geologischen Vergangenheit und — Zukunft. 
Von H. Hörbiger. 


V. Fortsetzung. 


Bezüglich der in den verschiedenen diluvialen 
Niederungen Deutschlands sporadisch daliegenden 
großen Steinblöcke, die schon Goethe »liegen lassen 
muBte«, nachdem er sich an ihnen bereits »zu Schanden 
gedacht« hatte, müssen wir sogar den von uns 
ansonsten allenthalben scharf bekämpften, alten, 
englischen Geologenverführer Lyell rechtfertigen; 
denn seine Eisdriftheorie auch dieser isolierten 
erratischen Blöcke wird von den modernen 
geologischen Flutleugnern als längst endgültig abgetan 
erklärt. Es ist geradezu ein Verhängnis, daß wir 
gerade in jenen »Principies of geology« für und 
gegen Lyell stimmen müssen, in welchen die 
moderne Geologie umgekehrt bereits gegen und 
für ihn »entschieden« hat. Man bedenke aber, daß 
Lyell nicht etwa als praktisch anwendender Physiker, 
Mechaniker oder Wassertechnologe oder wenigstens 
als Berufsgeologe an die Probleme der zu seiner 
Zeit noch in den Kinderjahren stehenden Geologie 
herangetreten ist, sondern als englischer — Jurist! 
Ein solcher kann zur Beurteilung der durch Lyell 
für die heutigen Geologen so bindend »ent- 
schiedenen« Fragen auch heute gar nichts 
anderes mitbringen als höchstens Arbeitslust, wissen- 
schaftliches Interesse, juridische Überredungskunst und 
last not least unbewußt auch ein hohes Maß echt 
englischer e durch die 
sich die ahnungslosen neueren Geologen Mitteleuropas 
derart gefangen nehmen ließen, daß eine allgemeine 
Umkehr erst in den jüngeren Geologengenerationen des 
künftigen Weltfriedens zu erwarten sein dürfte. Von 
mechanischem Gefühl und Spürsinn zur Wahrheits- 
aufdeckung grobphysikalischer Erdenvorgänge 
bringt der Jurist auch nicht die leiseste Spur mit 
— der erfahrene Jiinger des allgemeinen Maschinen- 
baues, Sowie des Berg- und Hiittenwesens von heute 
dagegen alles, wenn er sich zugleich bemüht, das 
wesentlichste des objektiv gesammelten geologischen 


Er nn en ee u nn en LU nn nn 


Oh schwarzer Diamant! — Du brennender Stein! 
Oh bleib’ uns zur Hand! — Enthüll' ich dein Sein. 
Oh vertief' ihre Schand! — Entscheid' uns're Pein! 
Oh straf’ Engeland! — Our Sieg sei auch dein! 
Dr. Faust. 


Tatsachenmaterials sich zu eigen zu machen. — Und 
»was du zu finden hoffst, mußt du mit- 
bringen«, sagt Tannen, »sonst suchst du 
vergebense«el 

Bezüglich des L6B schien es allen älteren 
Geologen der vorigen Jahrhundertmitte ohneweiters 
selbstverständlich, daß es sich hier um ein Produkt des 
buchstäblich zuverstehenden »Diluviums« (Große 
Flut) handelt. Da kam aber in den Siebzigerjahren 
der vielgereiste und ansonsten gewiß verdienstvolle 
spätere Bonner Geologieprofessor Freiherr Ferdinand 
v. Richthofen den geologischen Flutleugnern mit 
seiner >dolischen Lößtheorie« entgegen, die er 
in den Schluchten der großen chinesischen Löß- 
lager »entdeckt« haben will. Wir erteilen hier vor- 
läufig dem heutigen Bonner Kollegen v. Richt- 
hofens, Prof. Pohlig*), einem vereinzelt dastehenden 
Diluvialgelehrten heutiger Zeit das Wort, um 
unsere eigenen fluviatilen Lößgründe später 
ausführlicher darlegen zu dürfen: 

»Mit Verwunderung werden die vorurteilsfreien 
Nachkommen eine Hypothese betrachten, die von 
China her über die Entstehung unseres LoB aufgestellt 
worden ist, die man die 4olische genannt hat. Durch 
die Einbildungskraft eines glänzenden Geistes lebens- 
fähig gemacht, ist sie durch dessen diplomatisches 
Genie und seine Suggestionskraft, auch für begabtere 
Naturen — leider freilich wohl auch teilweise durch 
Strebertum und Liebedienerei anderer — zur all- 
gemeinen Geltung und längerer Lebensdauer gelangt, 
als gut ist. Die blendende Kühnheit dieser Hypothese 
nahnı die Geister gefangen; allerseits bemühte man 
sich, Beweismaterial herbeizuschaffen.« 

Für solch schmeichelhafte Vornehmheit, mit der 
sich da die Geologen untereinander bekämpfen, haben 
wir insbesondere jetzt als »Barbaren« im Weltkriege 
zwar kein Verständnis, dennoch werden wir nicht 


0 Hans Pohlig: 


ee 1907. 


»Eiszeit und Urgeschichte des 


188 


ermangeln, uns gelegentlich noch weiter auf denzitierten 
Richthofengegner zu stützen. Vorläufig machen wir 
es kürzer, gerader und aufrichtiger: Die äolische 
Lößtheorie ist barer Unsinn! Der geneigte 
Leser beobachte einmal die auffallende Schichtung 
mit eingesprengten Grobkornhorizonten der nieder- 
österreichischen Lößlager in ihren Talschluchten und 
— Weinkellern. Zugleich sei abermals ausdrücklichst 
betont, daß die Urschuldanderv.Richthofenschen 
Lößtheorie wieder nur der englische Quietist Lyell 
zu tragen hat. Wir kommen gelegentlich darauf zurück 
und lassen da vorläufig unsere Fig. 10 allein weiter- 
sprechen, sofern wir sie gesprächig machen konnten. 


Und was nun schließlich die im sibirischen 
Schlammeisboden teils herdenweise liegend, teils 
mitunter auch einzeln in aufrechter Stellung ein- 
gefroren vorgefundenen Mammutkadaver betrifft, so 
ergibt sich die Lösung dieses Problems aus unserer 
Fig. 10 jetzt wie folgt: Die von der großen Tertiär- 
Sintflut-Ringwelle am Rande des Inlandeises mittlerer 
Breiten der Fig. 10/F überraschten Tiere erreichten 
teils eisflößend, teils mit der Strömung schwimmend 
im hochgradig erschöpften und tiefschlaftrunkenen 
Zustande endlich die polaren Gefilde der Flutumkehr 
von Fig. 10/K und Dorten zufällig einzeln bald 
Grund unter den Füßen verspürend, verfielen sie, teils 
auf allen Vieren stehend, teils auf den Hinterbeinen 
hockend und durch den über Schlammflutniveau 
gehaltenen Rüssel und Kopf atmend, alsbald in den 
tiefsten Schlaf, aus dem es dann kein Erwachen mehr 
gab. Denn langsam senkte sich Rüssel und Kopf ein- 
schlafend in die ersäufende Schlammflut, die sich in 
der eventuell winterlichen und nordisch-nächtlichen 
Kälte nach Beruhigung sofort dick zu über- 
krusten begonnen hatte, und somit den in Ruhe mehr 
erfrorenen als ersäuften Dickhäuter am Umfallen 
hinderte. Die nachfolgenden, an Intensität abnehmen- 
den Reflexionsringfluten der Fig. 10/M breiteten 
dann noch einige besser konservierende Schlammeis- 
schichten über sein Heldengrab. So finden wir also 
Jahrmillionen (vielleicht auch nur Jahrhunderttausende) 
später diese stummen Zeugen einer großen Flut der 
Fig. 10 im sibirischen Bodeneise eingebettet mit teils 
noch genießbarem Gefrierfleisch und chemisch analysier- 
barem Magen- und Zahnlückeninhalt. Zur größten 
Verwunderung unserer Paläontologen erweist sich 
meist auch der Rüssel dieser Gefriermammute als 
ganz schlammerfüllt, was jetzt nach der geschilderten 
Erstickungstodesart ohneweiters verständlich wird. 


Unsere modernen flutleugnenden Geologen aber 
versichern, daß alle diese Eiszeitdickhäuter 
dort auch herdenweise gelebt haben 
müßten, wo wir sie heute eingefroren 
finden. Der geneigte Leser vertraue trotz- 
dem unserer Fig. 10. 


Ehre sei aber dem Andenken des ausnahmsweise 
sehr deutschfreundlichen französischen Paläontologen 
Baron Georges v. Cuvier, an dem wir mittel- 
europäische Barbaren noch vieles gut zu machen 
haben werden. Er ist der von der modernen Lyell- 
gefolgsamen Geologie längst »abgetanene« Hauptver- 
treter der sogenannten »Katastrophenlehre« 
in der Geologie; ein Begriff, dem erst die Glacial- 
kosmogonie Form und Inhalt gibt. Cuvier hat 
u. a. auch an diesen aufrechten Mammutkadavern 
Sibiriens seine allerdings unklaren »Erdumwälzungs«- 
Ahnungen zu verwirklichen gesucht, um aber durch 
den ersten Katastrophenleugner Lyell alsbald 
überstimmt zu werden. Wir hoffen indessen, Cuviers 
glorreiche Auferstehung feiern zu köunen, wenn wir 
jetzt daran gehen, in den aufrechten Wurzelstöcken 
und Baumstumpfen einzelner Steinkohlenflötze ein 
Pendant zu diesen aufrechten Mammutkadavern zu 
liefern, das abermals nur durch kataklysmatisch- 
periodische Flutvorgänge — diesmal aber wieder 
durch solche der Fig. 7 bis 9 restlos erklärt und 
überzeugend glaubhaft gemacht werden kann. 


Zur Lösung dieser ungemein reizvollen Aufgabe 
müssen wir uns jetzt dem (trotz Lyell und Sueß) immer 
noch so geheimnisvollen Grundelement der Ge- 
birgsbildung: der geologischen Schicht, im 
Detail zuwenden, nachdem wir den prinzipiellen 
Vorgang des glacialkosmogonischen Schichtbaues ja 
schon auf den letzten Seiten unseres Maiaufsatzes 
annähernd kennen gelernt haben. Wenn wir da 
von einem geologischen Geheimnis sprachen, 
so bezieht sich das natürlich nicht auf die plutoni- 
sche Schicht, wie etwa die vulkanisch angeschüttete 
Aschenschicht des Vesuvkegels oder die erstarrten 
Lavaschichten des Atna, deren Bildungsvorgang ja auf 
der Hand liegt. Allerdings gibt es auch plutonische 
Schichten, die abermals nur kataklysmatisch 
erklärt werden können, wie z. B. die bereits erwähnten 
Intrusionen und Lakkolithen, ferner granulierte 
Schlacken- und massive Lavaschichten, die oft fern 
von heute tätigen Vulkanen daliegen. Selbst zur 
Deutung des Basalts, der Granit- und Porphyrmassen 
und anderer plutonischer Gebirgsmassivs bedarf es 
des von den heutigen Geologen rundweg geläugneten 
Kataklysmus. Knappheit an Raum und Zeit ver- 
bieten es uns aber jetzt hiebei zu verweilen. Unser 
diesmaliges Ziel ist das kataklysmatische Geheim- 
nis der neptunischen Schichtbildung. Anstatt 
aber da eine ausführliche systematische Schichten- 
klassifikation vorauszuschicken, empfiehlt es sich der 
Kürze halber als Schulbeispiel sofort den kompli- 
ziertesten Fall zur Erprobung der problem- 
lösenden Kraft unserer Flutfiguren 5 bis 9 des Mai- 
heftes zu wählen — und das ist eben: 


Die Steinkohlenflötzbildung. 


Ein noch immer vollwertiges Problem der geo- 
logischen Spekulation! Herausfordernd und genuß- 
verheibend, wie kaum ein zweites der gesamten 
Himmels- und Erdenerforschung. Ein Angelpunkt nicht 
nur der geologischen, sondern vielleicht auch aller 
M Weltanschauungen überhaupt! Kein 

under also, daß auch der Flugtechniker seine 
meteorologische Neuorientierung danach zu richten 
haben wird. Wolle sich der geneigte Leser durch 
aufmerksame Mitarbeit überzeugen, daß wir da keines- 
wegs übertreiben. 

»Manche ungelöste Frage knüpft sich an die 
Entstehung der Steinkohlenflétze. — Obwohl viele 
Tausende Menschen bei Tag und Nacht in den Flötzen 
arbeiten und viele scharfsinnige Beobachter durch 
ihren Beruf veranlaßt sind, ihr Leben hindurch diesen 
Ablagerungen ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden, ist 
die Entstehung der Flötze doch wohl keineswegs 
aufgeklärt.« (Antlitz der Erde, 11/298, 306.) 

Und so ist es in der Tat: Weder Lyells »Delta- 
theorie« oder seine langsamen Hebungen und Senkungen 
des Landes, noch die eustatisch erklärten »Trans- 
pressionen« des Wiener Altmeisters vermögen diese 
geologische Sphinx zum gemeinverständlichen Sprechen 
zu bringen. Und am allerwenigsten hat der zuletzt 
auf den Plan getretene, ansonsten hochverdienstvolle 
Berliner Paläobotaniker Prof. Dr. H. Potonie*) mit 
seiner Moortheorie dieses Rätsel gelöst, wie er 
uns glauben machen will und wie wir der belehrenden 
Gegensätziichkeit und des leichteren Verständnisses 
halber an den Darstellungen seines Jüngers Bölsche**) 
zeigen wollen. Auch Dannenberg hat in seinem 
mehr beschreibenden Buche ***) den »Geologischen 
Bedingungen der Steinkohlenentstehung« 
samt dem strittigen Gegensatze zwischen Auto- 
chthonie (bodenständige Flötzbildung) und Allo- 
chthonie (Anschwemmungstheorie) besondere Kapitel 
gewidmet, ohne den anspruchsvolleren Praktiker, den 


*) Potonié: -Die Entstehung der Steinkohle und der 
Kaustobiolithe überhaupt.« 1910. 
**) Bölsche: Im Steinkohlenwald.« Populäre -Kosmos-- 
Ausgabe. Stuttgart. 
5 1 Dannenberg: Die Geologie der Steinkohlenlager-, 
erlin. 


Kohlenbergmann, befriedigen zu können, wie wir uns 
gelegentlich der Aufstellung verschiedentlicher unter- 
irdischer Grubenpumpen mehrfach überzeugen konnten. 
Und diese drei Autoren bringen uns ja (Potonié 
und Dannenberg »streng wissenschaftlich«, Bölsche 
po zusammenfassend) nebst den historischen 

aten der Steinkohlenforschung auch das Allerneueste 
und vermeintlich Endgültigste hierüber. 

Nach den historischen Rückblicken Potonies fehlte 
es zu Anfang des vorigen Jahrhunderts sogar auch 
nicht an solchen Gelehrten, die eine anorgani- 
sche Bildungsweise der Steinkoble zu vertreten 
suchten: Irgend welche in der Natur vorhandenen 
Flüssigkeiten könnten etwa imstande sein, durch 
Imprägnation Stein in Kohle überzuführen, wie etwa 
Holz in Stein — Luft könnte durch Verdichtung zu 
Wasser, Erde und Stein werden — und ähnliche 
Märchen. Uber diese Gelehrtenkindereien sind unsere 
heutigen Steinkohlenforscher natürlich längst hinaus 
und wir mit ihnen. Obwohl die tiefer erschürfte Stein- 
kohle schon ganz pechartige Struktur aufweist und 
weder im Dünnschliff noch auf der Ätzfläche durch 
faserige Struktur eine vegetabilische Herkunft verrät, 
so sind wir aus Blatt-, Rinden- und Zweigabdrücken 
im Nebengesteine doch schon längst alle fest davon 
überzeugt, daß es nur vegetabilische Stoffe sein 
konnten, die das Baumaterial zu den Steinkohlenflötzen 
geliefert haben mußten. Der Streit dreht sich heute 
um andere Dinge. 

Schon die ältere Schreibweise »Flötz« besagt, 
daß die früheren Kohlenbergingenieure, ohne sich um 
geologische Hypothesen zu kümmern, der geradezu 
selbstverstandlichen Anschwemmungstheorie, also 
der damals noch nicht so genannten Allochthonie 
das Wort redeten: Das Material wurde heran- 
gefloBt, daher »Flötz«. Die unter Lyells unheil- 
vollem Einfluß ganz systematisch und tendenziös 
betriebene geologische Katastrophenleugnung, 
die Sintflut- und Flutenleugnung der neueren Zeit 
überhaupt hat es nun aber mit sich gebracht, daß 
auch die Steinkohlenflötze ebensowenig angeflößt 
sein dürfen, wie die obenerwähnten LéBlager oder 
der sibirische Eisschlamm, in welchem aufrechte 
Mammutkadaver hocken! Diese Steinkohlenflötze 
müssen daher im Sinne der neuesten geologischen 
Irrlehren dorten als Wälder und Sumpfmoore ge- 
wachsen sein, wo wir heute die Steinkohle aus der 
Tiefe heben! Diese neuere bodenständige Steinkohlen- 
theorie oder Autochthonie hat also nach Lyells 
Vermächtnis über die ältere, die längste Zeit als 
selbstverständlich gegoltene Allochthonie gesiegt! 
Sogar ehemalige Allochthonisten, wie der berühmte 
französische Steinkohlengeologe und Bergingenieur 
Grand’Eury in St. Etienne, sind über Zureden 
Potonies später ins autochthonistische Lager über- 
gelaufen. Alle diese Lyell-verführten Renegaten und 
späteren promovierten Autochthonisten, Spezialisten 
und geologischen Quietisten, Katastrophen- und Flut- 
leugner wollen wir aber an Hand unserer diesmaligen 
Figuren 11 und 12 höflichst einladen, reuigst zur 
Allochthonie und zu Cuvier zurückzukehren, 
sofern es sich nicht um die wenigen Steinkohlenlager 
handelt, in welchen der durch unsere Oszillations- 
fluten (Fig. 7) bodenständig eingebettete Wald- 
oder Moorboden mit Händen zu greifen ist. 

Nur solche einflötzige Kohlenlager, wie etwa das 
Braunkohlenvorkommen im Tagbau von Senftenberg 
in der Niederlausitz*), mit genau identifizierbaren 
Wurzelstöcken der tertiären Sumpfzypresse (ähnlich 
den heutigen Sumpfzypressenwäldern der nordameri- 
kanischen Swamps) können als bodenständig 
eingebettete, also als autochthon gebildete Kohlen- 
bänke gelten. Wo aber das Profil eines Steinkohlen- 
gebirges mit oft Hunderten von Flötzen, gleich den 
Linien eines Notenblattes, durchzogen erscheint, da 
müssen wir die in unserer Fig. 11 und 12 schematisch 


) Abel: -Bau und Geschichte der Erde.- 1909. Seite 71. 


189 


versinnlichte, fabriksmäßige, kataklysmatische 
Flötzanschwemmung zu Hilfe nehmen, wenngleich 
auch das Senftenberger Braunkohlenlager nur kata- 
klysmatisch eingebettet worden sein konnte. Aber 
auch diese letztere Einbettung könnte auf zweierlei 
Art erfolgt sein, nämlich »transgressiv«, das ist 
durch die Transgressionen unserer Fig. 8 und 
9/B bis D, oder diluvial, das ist durch die Mond- 
auflösungsflut (Diluvium) der Fig. 9 und 10/F bis M. 
Das wird der formationskundige Geologe natürlich 
leicht entscheiden können, wenn er das Deckgebirge 
eines solchen Vorkommens untersucht. Besteht näm- 
lich dasselbe aus auffallend geschichtetem und 
gut erhärtetem Gestein von größerer Mächtigkeit, wie 
z. B. das Deckgebirge des nur scheinbar einheitlichen 
Kladnoer Flötzes, so liegt notwendig die trans- 
gressive Einbettung vor. Ubrigens erweist sich 
dieses berühmte Flötz selbst auch als unzweifelhaft 
transgressiv angeschwemmt, also als ein alloch- 
thon gebildetes, ungemein lehrreiches Schulbeispiel, 
auf das später einmal ausführlich zurückzukommen 
sich lohnen dürfte. In Neumayrs Erdgeschichte wird 
dasselbe natürlich als autochthon end be- 
schrieben, was für uns den Reiz der Untersuchung 
nur erhöhen kann. — Ist ein solches Deckgebirge 
dagegen von geringer Mächtigkeit, unerhärtet und nur 
Ban: unauffällig dicker geschichtet, so darf auch der 

ormationsunkundige auf diluviale Einbettung 
und autochthone Kohlenbildung raten, wenngleich 
auch das letztere nicht mit voller Sicherheit. Denn 
auch im Diluvium können in höheren Breiten 
größere vegetabilische Schwimmstoffmengen in Mulden 
abgelagert und mehrfach diluvial überschichtet 
worden sein. Sogar auch ein Zwischending zwischen 
ausgesprochen diluvialer und ausgesprochen trans-. 
gressiver Einbettung stellen unsdie stationärferneren 
Stadien AA’ und E’E der Fig. 8 zur Verfügung, falls 
uns das eine oder andere Kohlenvorkommen in Ver- 
legenheit bringen sollte. Als bestimmt diluvial einge- 
bettet dürfen natürlich alle im L6B auffindbaren 
Tierknochen u. dgl. gelten, gleich den beschriebenen 
sibirischen Mammuten und Rhinozerossen — und auf 
alle Fälle geschah alles dies nur auf kataklysmati- 
schem Wege, denn eine solcherart konservierende 
Einbettung gibt es im Alluvium, also unter heute 
beobachtbarem geologischen Kleingeschehen 
überhaupt nicht. 

Schon nach dem Bisherigen muß es uns ohne- 
weiters klar sein, daß ein vielflötziges Kohlengebirge 
(wie etwa das Ostrau-Karwiner, das oberschlesische, das 
rheinisch-westfälische, das Anziner, das St. Etienner 
oder das Saar-Kohlenrevier) nur transgressiv — 
das heiBt nur durch entsprechend oftmalige Wieder- 
holung anndhernd gleicher kataklysmatischer 
Überflutungs-Zyklen (Fig. 8 und 9/B bis D oder B' bis D’) 
aufgebaut worden sein kann, daher auch durchwegs 
nur allochthon gebildete Flötze enthalten darf. — 
Nach diesen allgemein ketzerischen Betrachtungen 
wollen wir jetzt ein wenig ins Detail gehen. 

Die großen Kellereien des bekannten Brauerei- 
städtchens Steinbruch bei Budapest sind in einem 
durchaus einheitlich locker aufgebauten Kalksteinfelsen 
gehauen, der aus bloßen winzigen Schneckenhäuschen, 
den bekannten Nummiliten besteht. Nach der 
ebenfalls autochthonen, heutigen Auffassung 
der Kalksteingenesis wäre also Pannonien etwa im 
Eozän dauernd vom Meere bedeckt gewesen und da 
hätten diese Nummiliten durch die ganze, vermeintlich 
geologisch lange Zeit eine spezielle Vorliebe für 
das vielleicht nur wenige Quadratkilometer große 
Plätzchen am Ausläufer des Ofner Gebirges gehabt, 
um dorten eine alle andere Meeresfauna ausschließende 
Nummilitenkolonie zu gründen und Millionen Gene- 
rationen hindurch die Schalen ihrer Abgestorbenen 
aufeinander zu häufen. Auch solche Bodenständig- 
keit oder Autochthonie der Nummilitenfelsenbildung, 
solches Eingebornentum und Eingestorbenentum 
seiner Elemente müssen wir nun ebenso entschieden 


190 


leugnen, wie die Autochthonie der beispielsweise - 


im Karwiner Revier übereinandergeschichteten Hunderte 
von Kohlenflötzen. Diese Nummilitenhäuschen sind 
im Wege der kataklysmatischen Horizontal- 


sortierung am Sporn des Ofner Gebirgsauslaufes © 


zusammengeschwemmt worden. Was ist das? 

So wie wir im Bette eines stark wechselnden 
Alpenflusses bei Niederwasser verschiedene Ablage- 
rungsstätten, hier von ausschließlich gelbem Grobsand, 
dort blauem Feinsand, da braunem Schlamm, driiben 
weißem Feinkies, heriiben griinlichem Grobkies u.s.w. 
finden und dies unbewußt und selbstverständlich 
daraus erklären, daß bei Hochwasser die Strömungs- 
geschwindigkeiten und Richtungen mit Rücksicht auf 
das vorhandene Relief des natürlichen Inundations- 
pobre und auf die unbeständige Gliederung und 

enagbarkeit des alluvialen Flach- oder Steilufers an 
diesen verschiedenen Punkten eben solche waren, 
daß sie jeweils der Ablagerung gerade nur dieser 
Korngröße von gerade nur diesem spezifischen Ge- 
wichte und chemischen Zusammenhange gerade an 
dieser Stelle günstig waren, während das gröbere 
und spezifisch schwerere Korn größeren Sinkbestrebens 
diesen Punkt nicht erreichte, sondern schon früher 
niedersank, das feinere oder spezifisch leichtere Korn 
größerer Schwebefähigkeit aber darüber hinaus ge- 
schwemmt wurde, um erst etwa hinter einem Ufer- 
vorsprung oder Wehrsporn im mehr stagnierenden 
ruhigerem Wasserwirbel schön heraussortiert nieder- 
zusinken — gerade so, und ähnlich so, ergeht 
es auch allen Sink-, Schwebe- und Schwimmstoffen 


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Fig. 11. 


in den Breitenoszillationen unserer stationären sowie 
rück- und vor schleichenden, schreitenden bis eilenden 
und rasenden kataklysmatischen Gezeitenflutberge der 
Fig. 8 und 9/B bis D oder auch A bis E und Fig. 9 
und 10/F bis M. 

Nur werden diese Schwebe- und Sinkstoffe des 
auch reichlich mit vegetabilischen Schwimmstoffen 
beladenen, kataklysmatisch bewegten und oszillierend 
über die Kontinente geschleppten Meeres nicht bloß 
aus den Denudationsprodukten der Kontinente und 
des aufgewühlten und auch in den felsigen Partien 
angenagten Meeresbodens bestehen, sondern auch 
reichlich mit zoogenen und phytogenen Kalk- und 
Kieselprodukten durchsetzt sein und unter diesen 
werden natürlich auch die Num milite n häuschen 
ebenso figurieren, wie verschieden große andere 
Schnecken-, Ammoniten- und Muschelgehäuse, Krusten- 
tierschalen, Korallentrümmer, Stielglieder der See- 
lilien u. dgl. Obwohl also diese durchschnittlich 
erbsengroßen Nummilitenhäuschen bei geringem spe- 
zifischen Gewichte im bewegten Wasser eine große 
Schwebefähigkeit besitzen, so werden sie doch nicht 
mit den Schlamm- und Schwimmstoffen täglich bis in 
äußersten polnäheren Partien der jeweiligen Tages- 
Oszillations-Ebbegebiete getragen, sondern schon 
früher an Stellen, wo ihrem Sinkbestreben entsprechende 
Strömungsverhältnisse herrschen, wohl heraussortiert 
abgelagert. Daher fehlen auch Nummilitenkalke 
im nördlichen Europa und sind dafür im Süden 
häufiger, wie bei Neumayr (Erdgeschichte, 11/366) 
zu lesen ist — und daher bilden auch die Fundorte 


hLast u.Druckhilze 


— swe > 


ystrieb und Verk ohlun 


V 1880 
Endzusland des Kohlen-F lözbaues nach Ablauf derMondauflosung, .GrossenFluth'u Eiszetlen 


Je eine ades leferu nach 


Schematische Versinnlichung des glacialkosmogonischen Aufbaues einer geologischen Schichtserie in ihrer 


kompliziertesten Form: Der zahlreichen Wechsellagerung von Tonsandstein oder Schiefertonschichten mit dünnen Steinkohlen- 
flötzen unter der weiteren Komplikation durch in verschiedenen Etagen übereinander eingebettete, aufrechtstehende Wurzel- 
stöcke von tropischen Bäumen in den nicht abbauwerten Distrikten der Kohlenbergwerke höherer Breiten. Die Figur 
stellt den Vorgang der Kohlenflötz- und Taubgestein-Sedimentierung in zwei verschiedenen extremen Baustadien dar: Links 
der Erstzustand der Sedimentierung zur Zeit der soeben erfolgten Ebberückstand-Erstarrung je dreier aufeinander gefolgter 
Flutberg-Breitenoszillationen, und rechts der Endzustand von 11 solchen täglichen Breitenoszillations-Ebberückständen nach 
erfolgter Setzung, Auspressung des Eisschmelzwassers und Verkohlung der einzelnen Schwimmstoffschichten durch die Be- 
lastungs-Kompressionshitze unter hermetischem Luftabschluß. Im Erstzustande besteht jede T ageslieferung nach erfolgter 
Beruhigung, Heraussortierung der Sink- und Schwimmstoffe nach ihrem spezifischen Gewichte (im Texte als Vertikal- 
sortierung beschrieben), sowie Klärung und Frosterstarrung des Wassergehaltes aus drei ganz individuellen Schichten: 
Einer oberen vornehmlich vegetabilischen Schwimmstoffschicht, einer unteren sandig-schlammigen Sinkstoffschicht und 
einer dazwischen gelagerten Mittelschicht aus trübem Eise, während im Endzustande je >de Tageslieferung nur mehr aus Ober- 
und Unterschichte besteht, indem ja die Eismittelschichte durch die Kompressionswärme noch vor dem Verkohlungsbeginne 
der vegetabilischen Oberschicht und Zementerhärtung der mineralischen Unterschicht herausgeschmolzen und gepreft wurde. 
Nötige Flutvorgänge-Ableitung siehe Fig. 3 bis 9 der April— Juni- Hefte. Erweiterung der Schichtserien zu Formationen und Haupt- 
formationen siehe Fig. 12 u.f. nebst Haupttext; ebenso Eingliederung des Ganzen in den kosmologischen Zeitstrom der Erdgeschichte. 


— 


fossiler Pflanzen (unsere kataklysmatischen 
Schwimmstoffe) einen derartigen Kranz um den 
Pol, daß letzterer nach dem englischen Geologen 
Houghton »aus diesem Pflanzenringe ebensowenig 
entkommen kann, wie eine Ratte aus einer von Dachs- 
hunden ringsumstellten Falle«. (Erdgeschichte, 11/384.) 
Das sagt er nämlich jenen mechanisch gefühllosen 
Geologen, welche die Rotationspole »leih’ mir die 
Scher’« spielen lassen, um die verschiedenen Eis- 
zeiten zu erklären. Doch das hier nur nebenbei. 
Was wir nun hier am Beispiele der Nummiliten- 
kalkbildung gelernt haben, das gilt auch von den 
verschiedenen anderen Muschel- und Ammonitenkalk- 
bänken, den Korallenkalkgebirgen, den: Sand- und 
Tonsandsteinbänken der verschiedensten Korngröße 
und natürlich auch von den Kohlenflötzen: 
Keine einzige dieser Bildungen ist autochthon — 
alles wird katakiysmatisch-allochthon versedimen- 
tiert — also auch das vegetabilische Kohlenmaterial. 
Die größten Materialvorräte für die Kalkgebirgs- 
bildung liefert aber der zoogene Tiefseeschlamm. 
Er besteht aus mikroskopisch kleinen Gehäusen von 
allerlei planktonartigem Meeresgetier, wie Foramini- 
feren, Globigerinen, Radiolarien, Geißelinfusorien, 
Nadeln kieselgerüstiger Spongien, kieselschalige Algen, 
Diatomeen etc., aber zum geringen Teile auch aus 
solarem Eisenschlackenstaub, der bei Korona- 
strahlbestreichungen spurweise in unsere Atmosphäre 
gelangt und innerhalb geologischer Zeiträume den 
roten Tiefseeschlamm liefert. Die moderne Geologie 
meint nun, daß durch diese heute mit dem Schlepp- 


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Erst. 


191 


netze konstatierbaren Ablagerungen unmittelbar 
der Kalkstein gebildet wird, der dann durch 
Lyellsche Hebungen des Meeresbodens als Kalkgebirge 


emporsteigt. Das alles gibt es aber DICHT, sondern 
a 


nur im Kataklysmus werden alle diese lk- und 
Kieselschlamm-Massen aufgewühlt und im Wege der 
soeben betrachteten Horizontalsortierung 
über die Kontinente, bezw. in den vier die Erde rück- 
und vorumschleichenden und umschreitenden, mond- 
sichelförmigen Tages-Oszillations-Ebbegebieten ver- 
sedimentiert. 

Wir beginnen nun schon langsam klar zu sehen: 
Nach dieser für unsere Fig. 11 und 12 wichtigen 
Horizontalsortierung werden Schwimmstoffe 
notwendig nur an den äußeren Randstreifen der ge- 
nannten vier Ebbegebiete abgelagert und von den 
Sink- und Schwebestoffen kommen auch nur die 
feinsten Schlammpartikelchen bis in jene pheripheren 
Sedimentschichten, während der allergröbste Sand 
schon an der Innenseite dieser Ebbesicheln nieder- 
sinkt. Deshalb wird man auch nie (!!) einen gröberen 
Sandstein als unmittelbares Nebengestein (Liegendes 
und Hangendes) des Kohlenflötzes finden, sondern nur 
Tonschiefer, höchstens Tonsandstein oder kalkigen 
Tonschiefer, den sogenannten Kohlenkalk. 

Es wird also besonders in der meridionalen Oszilla- 
tionsrichtung der umschleichenden Flutberge aus 
Fig. 7/8 in den einzelnen Schichten ein ziemlich genau 
sortierter, allmählicher Übergang von groben Korallen- 
und Kalkschalen-Zerreibsel der Meeresfauna über 
Grobsand (innen) bis zum Feinsand und feinsten 


Diluvium: 


f= CROSSES 


geschichietes 


F 
rn as n 


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Sedimenläre Oberstufe. 


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Sedimentare Unterstufe. 
Endzustand des Kohlen-Flözbaues nach Ablauf derMondauflösung, Grossen Fluth’und Eiszeit 


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Fig. 12. Schematische Versinnlichung des glacialkosmogonischen Aufbaues einer geologischen Einzelformation in ihrer 
denkbar kompliziertesten Form: Eine kalkige Mittelstufe auf einer in be hg Sgr zahlreiche Kohlenflötze führenden 
sedimentären Unterstufe, überlagert von einer ebensolchen Oberstufe, darüber ein Eiszeitgebilde (angeschobenes Kon- 
glomerat) und das Ganze abgedeckt durch eine grobgeschichtete diluviale Bildung. — Der Vorgang ist auch hier in zwei 
extremen Baustadien dargestellt, und zwar links Erstzustand und rechts Endzustand, ganz im Sinne der Nebenfigur 12 und deren 
Untertextes. Die hier schematisch versinnlichte »Tiefseeformation- wird in Wirklichkeit nicht derart isoliert vorkommen, und zwar 
vielleicht am allerwenigsten als reiche Kohlenflötze führend; d.h. sie wird weder unmittelbar auf altem Unterbau auflagern, noch 
ebenso unmittelbar von je einer glacialen und diluvialen Bildung überlagert erscheinen — sondern es werden stets mehrere solcher 
Formationen, wenn auch nicht alle Kohle führend, in verschiedener Mächtigkeit und in verschiedenem Grade des Wiederaufgelöstseins 
mit Eiszeitgebilden wechsellagern, sofern nicht inzwischen eingetretenes Weggleiten eines oder mehrerer Schichtkomplexe diese 
8 noch weiter gestört hat. — Die in ihren Ursachen leicht erkennbare Faltung obigen Endzustandes über dem Relief 
des alten Unterbaues darf als -Setzfaltung- angesprochen werden, im Gegensatze zur viel wichtigeren »Gleitfaltung« der 
Fig. 7, welch letztere jedesmal dann eintritt, wenn bei tangentialem Flutkraftangriff (Gleitzone der Fig. 6) und entsprechend ebenem 
Unterbau die Aufeinanderschichtung so hoch gediehen ist, daß die untersten Schlammschichten durch Belastungs-Kompressions- 
wärme auftauen und so den darüber lagernden Schichtkomplexen soweit als Schmiermaterial dienen, daß sie in ein gletscher- 
artiges A 181859 können, bis sie an einem Hindernisse unter Mitwirkung des fortdauernden Nachschubes emporsteigen, 
sich falten (gleitfalten), überkippen und mitunter sogar überschieben. — Zugehöriges Detail, gen Erklärung der »Flötz- 

vereinigung«, Erweiterungen und Eingliederung des Ganzen in die Erdgeschichte vergl. Hinweise in Fig. 11 nebst späterem Haupttext. 


192 


Schlamm (draußen) stattfinden. Ähnliches wird auch 
nach anderen beiläufigen Radialrichtungen der vier 
Ebbegebiete erfolgen, so daß man von beiläufig kon- 
zentrischen Sichelzonen gleicher Sedimentkorngröße 
und -Qualität sprechen kann, obwohl auch in diesen 
einzelnen Zonen von der meridionalen Mittellinie aus 
ein symmetrischer Ubergang nach beiden Seiten be- 
züglich Schichtdicke und Material in irgendeinem 
Sinne stattfinden wird. 

Nun gibt es nebst dieser Horizontalsortie- 
rung auch noch eine für unsere Fig. 11 und 12 ebenso 
wichtige Vertikalsortierung, die noch leichter 
einzusehen ist: Beim Absetzen im beruhigten oder 
nur mehr mäßig bewegten Ebberückstande wird in 
der Sinkstoffschichte das dichtere und gröbere Korn 
durchschnittlich zu unterst, das feine Schlammkorn zu 
oberst, und alles übrige im allmählichen Übergange 
dazwischen zu liegen kommen; denn trotz der bereits 
durchgeführten Horizontalsortierung wird die zonen- 
weise Sedimentkorngröße nicht mathematisch gleich 
sein, sondern immer noch feine Unterschiede auf- 
weisen, die nun eben im Wege der Vertikalsortierung 
zum Vorschein kommen müssen. Eine ähnliche Vertikal- 
sortierung muß nun nach Maßgabe des verschiedenen 
Auftriebes auch in den bis in die Feinsand- und 
Schlamm-Ebbezonen mitgekommenen Schwimm- 
stoffen Platz greifen: Die größeren, spezifisch 
leichteren Holztrümmer werden nach eingetretener Be- 
ruhigung des Ebbewassers sofort obenauf schwimmen, 
andere mit geringerem Auftrieb belebte Schwimmstoffe 
stellen sich darunter ein und die allerfeinsten Pflanzen-, 
Moor- und Humusfasern schmiegen sich zuletzt hinan, 
bevor das Ganze in der eiszeitlichen Kälte zu Eis 
erstarrt. Denn das wissen wir ja schon aus Früherem, 
daß der Kataklysmus in seinen höchsten Stadien 
mit einer Eiszeit einhergehen muß. 

Damit hätten wir nun so weit vorgearbeitet, um 
die Fig. 11/12 zum leichtverständlichen Sprechen zu 
bringen. Daher nehme der geneigte Leser jetzt zu- 
nächst den Figuruntertext dieser beiden schematischen 
Zeichnungen bedachtsam durch und mache sich vor- 
erst selbständig seine Gedanken. Wenn er sich dann 
mit unseren nachfolgenden allochthonen Aus- 
führungen in Übereinstimmung sieht, darf er mit 
uns ein »Heurekal« riskieren. Am kurzweiligsten 
für den mitarbeitenden Leser wäre es allerdings, 
wenn er gleichzeitig das Eine-Mark-Büchlein »Im 
Steinkohlenwald« Bölsches (Kosmos, Stuttgart) 
durchnehmen wollte. Dieser liebenswürdige Biologe 
steht nämlich durchaus auf Lyellschem Boden und 
bemüht sich aufrichtigst, Potonies autochthonische 
Moortheorie der Kosmos-Leserwelt glaubhaft zu 
machen. Viel genauer und aufrichtiger als 
Potonié weist er gerade auf jene Schwierig- 
keiten des Tatsachenbefundes hin, die sich der 
autochthonen Steinkohlengenese entgegenstellen und 
konzentriert notwendig seine Bemühungen darauf, 
diese Schwierigkeiten zu beheben. Es erweist sich 
daher als vorteilhaft, uns durch Bölsche diese 
Schwierigkeiten nennen zu lassen, zu sehen, mit 
welcher Gewaltlogik er sie zu beheben sucht und wie 
sich dieselben aber angesichts unserer Fig. 11 und 12 
von selbst verflüchtigen. 

Den Kernpunkt des Problems trifft Bölsche 
jedenfalls, indem er — gegen die Anschwemmungs- 
theorie (Allochthonie) Stellung nehmend — ausruft: 

»Es ist doch sonderbar — und es war sonderbar 
eigentlich vom Anfang an: daß sich die Flötz- 
schicht und die Sandschicht stets so 
reinlich geschieden haben sollen bei 
der Uberschwemmung. Warum führte das 
Wasser offenbar längere Zeit bloß Moorbrühe und 
setzte sie als Kohlenmaterial ab, nachher aber ebenso 
konsequent bloß Sand, der die Deckschichte liefert? 
Warum ging das nicht kunterbunt durcheinander ?« 

In der Tat: diese reinliche Scheidung von 
Kohlenflötz und Taubgestein, wie sie besonders in 
den nicht abbauwerten, zahlreichen, dünnen, durch 


ebenfalls nicht sehr dicke Tonsandsteinschichten von- 
einander getrennten Steinkohlenflötzen auffällt, ist ein 
Rätsel, das vor dem anspruchsvolleren Leser auch 
aller nungen Bölsches zu spotten weiß. Diese 
reinliche Scheidung, die wir am bequemsten 
auf der Kohlengrubenhalde — am klarsten allerdings 
in der Grube selbst — beobachten können, macht 
ganz den Eindruck, als würde beim Sedimentieren 
zwischen den einzelnen Tonschiefer- und Kohlen- 
schichten je eine zähe, glattgewichste Segelleinwand 
eingelegt, die dann bei der Verkohlung entweder mit- 
verkohlt oder sonstwie herausschmilzt. Wie wäre es 
also, wenn die Natur hier beim Sedimentieren wirk- 
lich eine Scheidewand zwischen Kohlen- und Schiefer- 
flötz einlegte, die beim späteren Verkohlen auch wirk- 
lich einfach herausschmilzt ?! 

Der aufmerksame Leser hat inzwischen wohl 
schon aus Fig. 11 und 12 das sich uns von selbst er- 
gebende Mittel entnommen, dessen sich die Natur als 
solche herausschmelzbare Scheidewand bedient, um 
die sonst in der Tat ganz rätselhafte reinliche Schei- 
dung der wechsellagernden Kohlen- und Tonsandstein- 
schichten zu bewirken: Es ist dies die in beiden 
Figuren absichtlich recht drastisch ersichtlich gemachte 
Mittelschichte aus mehr oder weniger 
trübem Eise, die in jedem täglichen Ebbe- 
rückstande der an Hand von Fig. 6, 7 und 9 erörterten 
vier Breitenoszillations-Flutwellen nach erfolgter Ver- 
tikalsortierung, bezw. Klärung (Aufste ED der 
vornehmlich vegetabilischen Schwimmstoffe, Setzung 
der sardig- und zoogen- schlammigen Sinkstoffe) und 
Frosterstarrung des Ganzen, das sich zwischen 
Schwimmstoffschicht (das künftige Kohlenflötz) und 
Sinkstoffschicht (das künftige taube Zwischengestein) 
eingebaut hat. Diese Eisschicht verschwindet nun bei 
erhöhter Belastung durch die sich aufeinanderbauenden 
Tagesanlieferungen der täglichen Flutberg-Breiten- 
oszillationen, indem sie durch die Belastungs-K o m- 
pressionswärme schmilzt und aus den 
untersten Schichten in selbem Maße immer wieder 
nach oben gedrückt wird, als zu oberst die Schicht- 
komplexerhöhung fortschreitet. So kommt also schließ- 
lich die untere wohlbegrenzte Schwimmstoffschicht- 
fläche unmittelbar auf die nach oben noch besser 
eben begrenzte Sinkstoffschicht derselben 
Tageslieferung zu liegen, und zwar in so rein- 
licher Scheidung, als wäre jede der beiden Schichten 
für sich aufgetragen und eben gewalzt worden. Durch 
den weiter steigenden Belastungsdruck leidet diese 
reinliche Scheidung nicht im geringsten, wohl aber 
erhärtet die mit kalkigem Wasser angemachte Schlamm- 
und Sandschicht zu Tonschiefer oder Tonsandstein 
und die vegetabilische ursprüngliche Schwimmstoff- 
schicht verkohlt durch dieselbe Druckwärme unter 
hermetischem Luftabschlusse zu Steinkohle wenn der 
Druck hoch ist, zu Braunkohle wenn er minder hoch ist; 
wobei natürlich auch die seit der Ablagerung ver- 
flossene Zeit eine Rolle spielt, und zwar ganz in 
selbem Sinne. Die schwer belasteten Anthrazit- 
flötze gehören ja auch einem der früheren, und die 
leichtest belasteten Braunkohlenflétze dem 
jüngsten Kataklysmus an. Ist die Belastung sehr ge- 
ring, so gedeiht die Verkohlung nur bis zum Lignit. 
So viel vorläufig nur im allgemeinen über die Ver- 
kohlungsstadien. 

Noch reinlicher muß die Scheidung zwischen der 
vegetabilischen Oberschichte der heutigen und der 
schlammigen Unterschichte der morgigen Tages- 
lieferung ausfallen, indem ja die Flutwelle jedesmal 
eine genau ebene, hartgefrorene Schwimmschicht- 
obertläche vorfindet, auf die sich der Schlamm der 
jeweilig neuen Tageslieferung mit ebenso ebener 
Unterfläche niedersetzt. Hier bedürfen wir also keiner 
Scheidewand, die nachträglich zu entfernen wäre, um 
die reinliche Scheidung von Tageslieferung zu Tages- 
lieferung zu erklären, denn jede Tageslieferungs- 
oberfläche gleicht nach Beruhigung und Frosterstarrung 
an sich schon einer eben gewalzten Fläche. 


Im übrigen wolle der geneigte Leser aber be- 
achten, daß wir in Fig. 11/12 links die Zwischeneis- 
schichte bloß der gröberen Sinnfälligkeit halber in 
weitaus größerer Mächtigkeit gezeichnet haben, als zu 
solcher reinlichen Scheidung nötig wäre; sie mag 
zwar über Mulden oftmals sogar noch mächtiger aus- 
gefallen sein, aber die reinliche Scheidung wird auch 
dann schon gesichert bleiben, wenn noch während der 
Erstarrung der Ober- und Unterschichte die Wasser- 
zwischenschichte ganz entwichen ist. Diese Erstarrung 
dürfte von unten und oben gleichzeitig beginnen, um 
sich dann in der restlichen Wasserschichte zu be- 
gegnen. Der Schlammschichte wird vom stark unter- 


kühlten Eise der vortägigen Schwimmstoffschichfe die 


Flüssigkeitswärme (ca. 80 Kal.) wohl ebenso rasch 
entzogen, als letztere von der neuen Schwimmstoff- 
schichte nach oben an die Außenluft abgegeben wird. 
So kann es also auch vorkommen, daß die beinhart 
gefrorene Oberschichte ohne nennenswerte Zwischen- 
eisschichte auf die inzwischen auch schon erstarrte 
Unterschichte derselben Tageslieferung zu liegen 
kommt, ohne daß die reinliche Scheidung irgendwelche 
Einbuße erleidet. Oft werden aber auch sehr mächtige 
Zwischeneisschichten eingegliedert bleiben, die dann 
zu den später zu erdrternden Flötzerveinigungen Ver- 
anlassung geben können. 

Wo liegt also im Grunde genommen die Ursache 
der von Bölsche so richtig gewürdigten reinlichen 
Scheidung? Doch in der Gleichzeitigkeit von 
Eiszeit undKataklysmus! Ohne Eiszeit würden 
die Spuren der über die Erde einhergegangenen 
Kataklysmen notwendig ganz anders aussehen, als wir 
sie vorfinden : Es würden wohl alle Formationen mehr 
diluvialen Charakter haben, wenn wir z. B. den 
Profilen der Alpenmasse einen transgressiven 
und der Erfüllung der ungarischen Tiefebene einen 
diluvialen Charakter beimessen. 

Nach der Umkehrbarkeit jeder Gleichung können 
wir nun auch sagen: Die reinliche Scheidung 
innerhalb der transgressiv abgelagerten neptunischen 
Schichten, speziell aber innerhalb des Kohlenflötz- 
gebirges, bildet einen mittelbaren Beweis für das Ein- 
hergehen einer strengen Eiszeit mit jedem Kataklysmus, 
wie dies Fig. 7 ja auch schon illustrieren sollte und 
spätere Graphikons noch übersichtlicher machen dürften. 

Natürlich widerspricht es ganz den pflanzen- 
biologischen Auffassungen Bölsches, wenn wir die 


karbonischen Ablagerungen mit einer strengen Eiszeit 


einhergehen lassen wollen, weil er in den Karbon- 
pflanzen ein universell warmes Erdklima sich 
spiegeln sieht. Diesem Irrtum liegt ja gerade die 
fälschlich verteidigte Autochthonie der Kohlenflötze 
zugrunde. Wenn die üppigen Sumpfgewächse des 
nordeuropäischen Karbons wirklich da gewachsen 
wären und die Flötze sich wirklich so gebildet hätten, 
wie Bölsche es autochthon plausibel zu machen 
sich bemüht, dann wäre natürlich eine Eiszeit zur 
Karbonablagerungszeit unmöglich. Aber in Wahrheit 
sind alle »tropischen Gewächse« der Karbon- 
flora auch wirklich in den Tropen ge- 
wachsen, wo die Eiszeit gerade in den Niederungen 
eine üppige Floraentwicklung nicht hindern konnte. 
So fand in den stationär nahen schleichenden Zeiten 
der Fig. 8/9 jeder Flutberg das von seinem Vorgänger 
vor Jahrhunderten (in stationär nächsten Zeiten viel- 
leicht vor Jahrtausenden) wohlgedüngt freigegebene 
Terrain je nach Relief immer wieder üppig bewachsen 
und teils beurwaldet, bemoort, behumust, betorft vor. 
Immer wieder konnte also das Abroden der Urwälder 
und üppig beschachtelhalmten und sonst bewachsenen 
Siimpfe, das Aufwühlen der vegetabilienhaltigen 
Urwaldhumusschichten, der Moor- und Torfmassen, der 
submarinen Tang- und sonstigen Algenwälder bei der 
Flutbergpassage jedes tropischen Meridiansegmentes 
von neuem beginnen, so daß die voranschreitenden 
Küstengewässer solcher oszillierenden Flutberge viel- 
fach mit vegetabilischen Schwimmstoffen aller Art 
(vom feinsten Moospflänzchen-, Moor- und Meeres- 


193 


algen-Bruchstückchen bis zu Blättern, Zweigen, Rinden, 
Stämmen und Wurzelstöcken der größten Urwaldriesen) 
dicht bedeckt waren, die schließlich alle in den nörd- 
lichen und südlichen mondsichelförmigen Oszillations- 
Ebbegebieten in der durch Fig. 11/12 schematich ge- 
kennzeichneten Weise zur Ablagerung, Frosterstarrung, 
hermetischen Einbettung und ae: gelangen 
mußten. Seibstverständlich wurden hiebei Stämme und 
ste der Urwaldbäume im stürmischen Flutvorgange 
größtenteils zersplittert, zerbrochen und meist auch 
zu Häcksel zerkleinert, wenngleich wir auch ziemlich 
wohlerhaltene Stammstücke und Wurzelstöcke in den 
Kohlenflötzen und deren Umgebung finden. 
Trotz des prinzipiell gegensätzlichen Standpunktes 
allochthon gegen autochthon) gehen wir also mit 
ölsche einig, wenn er von Kohlenschlamm, Kohlen- 
brühe, Kohlensuppe, Pflanzensuppe (allerdings er im 
ironischen Sinne) spricht, nur daß solche vege- 
tabilische Schwimmstoffbrühe auch dicht durchsetzt 
sein mußte mit allen möglichen mineralischen und 
zoogen-kalkigen und phytogen-kieseligen Schlamm- 
massen, die nach Beruhigung des Ebberückstandes 
sofort der geschilderten Vertikalsortierung unterworfen 
wurden. Trat aber die Frosterstarrung der einzelnen 
Tageslieferungen so rasch ein, daß zur reinlichen 
Scheidung nicht genug Zeit blieb, so werden wir dort 
heute Schieferkohle, Lettenkohle, kurz minderwertige, 
magere, tonige, steinähnlichere Steinkohle finden. 
Darin besteht also das abgekürzte glacialkosmo- 
gonisch-fabriksmäßige Verfahren unserer Kohlenflötz- 
bildung, daß wir zur Verwunderung Bölsches tat- 
sächlich »Moorbrühe und Sand kunterbunt durch- 
einander gewirbelt« täglich über ungeheure Länder- 
gebiete schwemmen und dennoch täglich je ein 
reinlich voneinander geschiedenes Kohlen- und Ton- 
flötz erzielen, weil wir nicht nur das Karbon-, son- 
dern überhaupt jede haltbar erhärtende Sedimen- 
tierung, wie immer sie der Geologe klassifizieren möge, 
trotz des tropischen Rohmaterials nur im not- 
wendig mit einer Eiszeit einhergehenden Kata- 
klysmus aufbauen lassen können, während 
Bölsche eine solche Eiszeit erst unmittelbar nach 
dem Karbon gelten lassen will, indem er sagt: »Es 
ist gewiß eine Tatsache, die zu denken gibt, wenn 
um den Schluß der Steinkohlenperiode eine Eiszeit 
über die Erde gegangen ist, die auf der Südhalbkugel 
begonnen, dann auf die Nordhalbkugel übergegriffen 
zu haben scheint.« In Wahrheit hatte aber die soge- 
nannte permokarbonische Eiszeit der Primär- 
mondannäherung schon lange vor der Karbon- 
sedimentierung eingesetzt, und zwar auf der Nord- 
und Südhalbkugel gleichzeitig. So viel also über 
die von Bölsche aufgeworfene Frage der »rein- 
lichen Scheidung« zwischen Kohlenflötz und 
Taubgestein: Sie weist mit unerbittlicher 
Notwendigkeit auf einen mit einer Eis- 
zeit einhergehenden Kataklysmus hin! 
Nun legt Bélsche den Finger noch auf eine zweite 
Schwierigkeit des Steinkohlenflötz-Problems : Auf die 
in einzelnen Kohlenbergbauen häufig vorkommenden, 
aufrecht stehenden Wurzelstöcke und be- 
wurzeltenStammstümpfetropischer Bäume. 
Und hier sind wir eben bei dem Pendant zu den auf- 
recht hockenden Mammuten des sibirischen Schlamm- 
eisbodens angelangt. Er findet diese Wurzelstöcke 
ungemein gespensterhaft, glaubt sie aber sehr geschickt 
als Beweis für die Autochthonie solcher Flötze 
auszunützen, Ohne uns überzeugen zu können. Gerade 
das Vorkommen solcher aufrechten Wurzelstöcke mit 
Stammstümpfen im vielflötzigen Kohlengebirge 
beweisen im Sinne der Fig. 11 klar die Allochthonie 
der ganzen Flötze. Der aufmerksame Leser hat den 
so gespensterhaft anmutenden Vorgang der Wurzel- 
stocksedimentierung gewiß schon aus Fig. 11 heraus- 
gelesen, wenn er dorten die numerierten Wurzel- 
stöcke im Erst- und Endstadium verglichen hat. 
Zunächst müssen wir uns vorstellen, daß es sich 
um tropische schachtelhalm- und baumfarnähnliche 


194 


Wurzelstöcke handeln dürfte, die im Stammholze 
ein geringeres spezifisches Gewicht haben als in den 
Wurzeln; sie werden also im beruhigten Zustand des 
Ebberũuckstandwassers mit den Wurzeln ab- 
wärts hängend, also in natürlich aufrechter 
Stellung schwimmen, wie beispielsweise der Stamm 
Nr. 3 in Fig 11 versinnlicht und in solcher Stellung 
auch eingefrieren. Verfolgen wir nun gerade diesen 
Wurzelstock Nr. 3. Er schwimmt im Erstzustande auf- 
recht in der Tageslieferung, die wir die nte nennen, 
darunter liegt die n— ite, darüber die n-+ Ite. Im 
rechts gezeichneten Endzustande ist die nte Mittel- 
schicht verschwunden, die nte Schlammschichte auf 
etwa die Hälfte, die nte Vegetabilienschichte auf etwa 
ein Viertel der Erstzustands-Mächtigkeit komprimiert 
worden. Nachdem diese Kompression nur allmählich 
erfolgen konnte, bevor noch eine Verhärtung der 
Schichten eintrat, so hatten sich die ursprünglich frei 
im Wasser, bezw. im Eise abwärts hängenden Wurzeln 
des Stammes Nr. 3 umbiegend und auseinandergreifend 
in die nte Schlammschichte hinein versenkt, als würde 
er natürlich darinnen wurzeln. Nach oben aber 
mußte dieser Stamm während des Kompressions- 
vorganges nicht nur die Schlammschichte und Kohlen- 
schichte der n+ Iten Tageslieferung langsam durch- 
bohren, sondern noch ein gutes Stück in die Schlamm- 
schichte der im Erstzustande gar nicht mehr ins 
1 fallenden n + 2ten Tageslieferung 
dringen. Bedenkt man nun noch, daß die ursprüngliche 
Schwimmstoffschichte (eigentlich eine mit lose an- 
einander nach oben gestiegenem Vegetabilien-Klein- 
material durchsetzte Wasser-, bezw. Eisschichte) nicht 
bloß auf das Viertel, sondern vielleicht auf das Zwan- 
zigstel bis Vierzigstel der ersttägigen Mächtigkeit 
komprimiert wird, die Schlammschichte wohl auch 
bis auf etwa zwei bis ein Drittel des Erstzustandes, 
so kann ein solcher bewurzelter Baumstumpf bei nur 
einiger Länge im Endzustande auch durch mehrere 
Etagen hinauf reichen, wenn die Schlammschichten 
nicht allzumächtig sind. Um nicht undeutlich zu 
werden, aber dennoch sinnfällig zu bleiben, durfte im 
Formate der Fig. 11 die Kompression der Schwimm- 
stoffschichte nicht so weit getrieben werden und 
mußte auch die Mächtigkeit der Sinkstoffschichten 
unter dem Durchschnitte bleiben. Wir wissen, daß 
sich im Prinzipe gar nichts änderte, wenn inı rechts 
ersichtlichen Endzustande die Kohlenflötzdicken nur 
ein Viertel oder Achtel — die tauben Zwischen- 
schichten ein Doppeltes oder Vierfaches des Gezeich- 
neten betrügen. Gleichwohl kommt es in der anderen 
Extreme auch vor, daß neben einem 12 Meter mäch- 
tigen, homogenen Kohlenflötze ein solches von 1/2 
oder lm Dicke einherstreicht, vom ersteren durch 
eine Tonsandsteinschichte von nur wenigen Zenti- 
metern oder Dezimetern getrennt, wie Ähnliches das 
Kohlenflitzprofil im Kladnoer Lagerschachte (Erd- 
gesch., 11/568) kennzeichnet. 

Es läßt sich an Flötzprofilen kaum etwas so 
Extremes denken, daß man dafür nicht auch Beispiele 
unter der Erde fände. Durch Lieferung von elektrisch 
betriebenen unterirdischen Grubenpumpen hatten wir 
wiederholt Gelegenheit, in verschiedenen Kohlenberg- 
werken einzufahren, und mit Bergleuten und prakti- 
schen Geologen meinungsaustauschend zu verkehren, 
und dürfen annehmen, daß die Natur auch für die in 
Fig. 11 rechts dargestellte Flötzfolge irgendwo Belege 
liefert, besonders bei obbemerktem Spielraum in den 
Schichtendicken. Wir dürfen also vom geneigten Leser 
volle Toleranz hinsichtlich der Naturtreue unseres 
Lernbeispieles der Fig. 11 erwarten, wenngleich die 
vertikalen Baumstümpfe nicht leicht irgendwo in ähn- 
lich spezifischer Häufigkeit vorkommen werden. Be- 
trachten wir das Bild aber immerhin nur als schul- 
beispielsweise, schematische Darstellung eines Vor- 
ganges, der sehr wohl zum Angelpunkt unserer geo- 
logischen und somit auch philosophischen Weltauf- 
fassung werden kann, wenn wir ihn einmal durchschaut 
und für selbstverständlich befunden haben werden. 


Unter dem in unserem Bilde zeichnerisch reduziert 
angenommenen Kompressionsverhältnis (etwa 5:1, 
wenn man die Enteisung mitrechnet), müßte die linke 
Figur schon fünfmal so hoch sein als gezeichnet, um 
alle elf Tageslieferungen des rechtsseitigen Endzustan- 
des in ihrem Erstzustande zu zeigen. Wir wissen 
also, wo wir uns die im linksseitigen Erstzustande 
außer Format fallenden Wurzelstécke Nr. 6, 9, 10 und 
11 zu denken haben, wenn sie in die gezeichnete 
gegenseitige Stellung des Endzustandes gelangen sollen, 
besonders wenn wir uns der zwischen den Figuren- 
hälften gezogenen Schichten-Korrespondenzlinien be- 
dienen. Die auch im Erstzustande noch ins Format 
fallenden Wurzelstöcke Nr. 1, 2, 4, 5, 7,8 sind an 
Hand dieser Hilfslinien ganz besonders leicht bis in 
ihren Endzustand zu verfolgen. Stamm Nr. 11 war zu 
lang, er tauchte nach Rücklauf der Hauptflut schon 
im Erstzustande mit den Wurzeln bis auf die gefrorene 
Schwimmstoffschichtfläche der vorangegangenen Tages- 
lieferung und fror daher in schiefer Stellung ein. Was 
vom oberen Ende desselben über die n + Ite Schwimm- 
stoffschichte ragte, gefror im eiszeitlichen Froste einer 
einzigen Nacht bis zu zwiebackähnlicher Sprödigkeit, 
um von der nächsttägigen Flutwelle u ar zu 
werden. Den längeren Rest finden wir im Endzustande 
wegen der ursprünglichen Schiefstellung notwendig 
nach einem liegenden Z geknickt und oval gedrückt 
vor, wie ja auch ein wurzelloser, horizontal einge- 
betteter Baumfarnstamm plattgequetscht werden mußte. 

Fig. 11 spricht nun wohl in allen Punkten klar zu 
uns und es dürfte daher dem bisher geduldigen Leser 
einige Kurzweil bieten, jetzt auch Boölsche über 
dieses höchst wichtige, stratiologische Phänomen bis 
zum Schlusse zu hören. Was er uns zu sagen hat, 
deckt sich vollkommen mit des Paläobotanikers 
Potonié diesbezüglicher autochthonen Auffassung, 
und enthebt uns daher die liebenswürdige Causerie 
unseres Biologen der Mühe, aus Potonies -Die 
Entstehung der Steinkohle« die entscheiden- 
den Probleme der Steinkohlengenesis und deren 
autochthon gebotene Lösungen herauszuheben und 
sinnfällig zu gestalten. Wir lesen also bei Bölsche 
über diese zweite Schwierigkeit auszugsweise: 

»Aber noch eine wunderlichere Tatsache erheischte 
Erklärung. — .... Diese Stämme erlaubten sich doch 
noch etwas ganz Ärgerliches, das entschieden gar 
nicht im Sinne der Anschwemmungstheorie war. Sie 
steckten nämlich vielfältig nicht wie ein normales 
Stück Treibholz, das die Welle nach langem Herum- 
wirbeln endlich im Grundschlamm begräbt, hori- 
zontal oder doch ganz regellos nach allen Lagen 
und Richtungen hingeschmiegt im Gestein, sondern 
sie gefielen sich immer wiederkehrend in einer ganz 
bestimmten Situation, die offenkundig auf ein 
geheimes Gesetz deutete — aber sicherlich 
kein Gesetz des regellos begrabenen Treibholzes.« 

Richtig! Ein nach der alten (!!) Schwemmtheorie 
(richtiger Lyells Deltatheorie) von einem Strome ver- 
driftetes längeres heutiges Stammstück mit Wurzel- 
stock würde, irgendwo im Schlamme der seichteren 
Deltagewässer abgelagert, also alluvial eingebettet, 
immer nur horizontal zu liegen kommen, beson- 
ders im als so selbstverständlich supponierten »feucht- 
warmen Karbon-Urwaldmoor« der Autochthonisten 
Potoniescher — und geologischen Quietisten Lyell- 
scher Gefolgschaft. Der glacialkosmologische Kata- 
klysmatiker aber, der nur der transgressiven, eiszeit- 
lichen Einbettung konservierende Kraft zuerkennt, 
sieht in einem solchen hohlen Schachtelhalm-Stamm- 
strunk die Spindel einer natürlichen Senk- 
wage (Schwimmwage, Ardometer, Gravimeter, mit 
dem massiveren Wurzelstocke als Senkgewicht), die 
in der beruhigteren Schwimmstoffschichte notwendig 
lotrecht schwimmen und eingefrieren muBte; auf- 
recht stehend, gleich dem vermeintlich sibirischen 
Mammute in der nordischen Diluvial-Schlammschichte, 
wie eingangs erwähnt; nur mit dem nicht zu ver- 
gessenden Unterschiede, daß letzteres diluvial — 


diese natürliche Senkwage aber transgressiv ein- 
gebettet wurde. 

So sehen wir also in Fig. 11 das geheime 
Gesetz Bölsches entschleiert: Es ist das gravi- 
metrische Gesetz des als natürliche 
Schwimmwage ins eiszeitliche Breitenoszillations- 
Ebbegebiet kataklysmatisch verdrifteten und trans- 
gressiv eingebetteten, tropischen Schachtelhalm- oder 
Baumfarn-Wurzelstockes. — Hören wir jetzt Bölsches 
weitere ironisierende Tatsachenschilderung: 

Merkwürdige Sachlage: Sollte beim Absetzen 
des Kohlenschlammes durch das Wasser einst gerade 
ein mitgeschleifter Stamm sich senkrecht aufgebäumt 
und so lange in dieser Stellung verharrt haben, bis 
ihn die sich auf dem Kohlenbrei lagernde reine 
Schlammschicht umgeben und seine Höhlung mit ihrer 
später zu Sandstein verhärteten Masse ausgefüllt 
hatte? Einmal mochte das als Zufall hingehen. Aber 
die Bergleute berichten, daß es Regel sei, immer 
wiederkehre! Gelegentlich kamen sechs und mehr 
Stämme zum Vorschein, die alle so senkrecht nach 
oben, aus dem Kohlenflötz herauf in den Sandstein 
strebten! Das war aber nur erst die eine merk- 
würdige Beobachtung. Eine zweite betraf nicht die 
Decke der Flötzadern, sondern umgekehrt ihren Boden. 
Dieser bildete der Schwemmtheorie nach ebenfalls 
eine nachmals versteinerte Schlammschicht, die aber 
älter war als die aus Kohlenschlamm verhärtete 
Fiötzader und bei deren Niederschlag schon das 
Fundament abgegeben hatte. (Wir wissen, daß sich 
dies in Wahrheit umgekehrt verhält, und zwar nicht 
im erhärteten, sondern bloß gefrorenen Zustande.) 
»Nun seltsam: Auch dieser Boden schien 
doch auch irgend eine unbegreifliche 
Beziehung zum Kohlenflötz zu haben: 
Aus dem Flötz stiegen gewisse Gebilde in ihn hinein, 
die sich mit Spreizung und Gabelung als Wurzeln 
großer Waldbäume ergaben. Ganz gewaltig waren 
einzelne dieser Wurzelkörper, indem sie trotz ihrer 
fragmentarischen Erhaltung als mittleres Stützkreuz 
doch schon bis zu 8 Meter im Durchmesser spannten. 
Da mochte ein schöner Stamm aufgesessen haben. 
Aber wo war dieser Stamm? Seine Ansatzstelle verlor 
sich in das Kohlenflötz. Der Wurzelstern lag, genau 
wie eine absteigend sich ausbreitende echte Wurzel 
im Erdreiche liegt, in der das ganze Flötz tragenden 
Gesteinsschicht. Wie sich nach oben zufällig senk- 
rechte Stämme beim Niederschlag des Kohlenschlammes 
heraufgegipfelt hatten, so mußten hier gerade Wurzel- 
enden sich nach unten herabgepreßt haben, und diese 
Wurzelenden mußten sich dabei auf eine vollends 
mysteriöse Weise in die doch damals schon irgend- 
wie tragende Stützschichte noch ganz regelrecht in 
korrekter Wurzellage wieder eingegraben haben.« 

Der geneigte Leser verstehe hier Bölsche 
richtig: Er ironisiert die alte Anschwemmtheorie und 
bemüht sich ehrlich, uns verständlich zu machen, was 
für allerlei Wunder sich da zugetragen haben müßten, 
wenn diese Wurzelstöcke und Baumstümpfe wirklich 
herangeschwemmt und nicht an Ort und Stelle ge- 
wachsen wären, wie er in Potonies Interesse uns 
später glauben machen will. Man fühle doch die 
Wärme, mit welcher uns der liebenswürdige Populär- 
biologe die Unmöglichkeit einer Allochthonie 
solcher Wurzelstockeinbettungen in original-sokrati- 
scher Ironie einzureden sich bemüht, dabei aber 
unbewußt das dialektisch-rhetorische Kunststück 
vollführt, einen Detailvorgang unserer Fig. 11 in einer 
so lebendig überzeugenden Weise zu schildern, wie es 
uns auf dem Wege trockener Zeichnungsbeschreibung 
kaum jemals gelungen wäre. Nur eine kleine Richtig- 
stellung ist da nötig: Die alte Anschwemmtheorie 
mußte nämlich, ohne zu sagen woher und warum, 
in großen Zeitintervallen abwechselnd reine 
Kohlenbrühe, dann wieder reinen Schlamm heran- 
fluten lassen, so daß das Taubgestein schon etwas 
erhärtet ist, wenn die Kohlenbrühe sich darüber 
breitet. Daher hält Bölsche es u. a. auch für un- 


195 


möglich, daß die Wurzeln der Stöcke in diese Stütz- 
schicht sich senken könnten. Unsere tägliche 
Mischflut findet aber die hartgefrorene Oberfläche 
der Schwimmstoffschichte vor, und nicht die 
taube Gesteinsschicht, wie es Bölsche für die 
alte Schwemmtheorie voraussetzen muß. Unsere Sink- 
stoffschicht war wieder zur Zeit der geschilderten 
Wurzeleinsenkung auch schon nicht mehr hartgefroren; 
denn jene Kompressionswärme, welche die gefrorenen 
Mittel- und Oberschichten des jeweils untersten 
Schichtkomplexes zum Schmelzen und später die noch 
weiter zu komprimierende Vegetabilienschicht zur 
Verkohlung bringen mußte, hatte wohl auch die 
jeweils zugehörige Schlammschicht so weit aufgetaut, 
daß in dem langsamen Setzungsvorgange die von 
oben sich langsam herabschiebenden Wurzelstümpfe 
in ganz natürlicher (wie gezeichnet), etwas gespreizter 
Wurzelstellung in dieselbe eindringen konnten. 

Vor, während und nach solcher Auftauung unterlag 
natürlich der Wurzelstock samt Umgebung ebenfalls 
jenem See manen hydrostatischen, bezw. 
geostatischen Drucke, welcher der gesamten auf- 
lastenden Schichtsäule entsprach, der aber die Wurzeln 
nicht hinderte, sich genau so in die aufgetaute 
Schlammschicht zu versenken, als geschähe es in 
einem Stromdelta der Erdoberfläche unter bloß atmo- 
sphärischem Drucke. 

Später, in der beginnenden Zeit der geologischen 
Flutleugnung, wurde dann diese alte, allzu unbe- 
stimmte Anschwemmtheorie wahrscheinlich dahin 
»vervollständigt«, daß man Lyells langfristige und 
langsame Hebungen und Senkungen des Landes zu 
Hilfe nahm, um der Beflutung Grund zum Kommen 
und Gehen zu geben. Da ergab sich aber wahr- 
scheinlich die Notwendigkeit, jede gerade Senkung 
zur reinen Kohlenbrühe-, jede ungerade zur reinen 
Schlammlieferung zu benützen; — woher das so 
schön abwechselnd kam, blieb natürlich der gut- 
gläubigen Phantasie des Hörers überlassen. Da lag 
es nun nahe, die Senkungen nur für Schlamm- 
lieferung zu benützen, in den Hebungsperioden aber 
an Ort und Stelle das Waldmoor wachsen zu 
lassen, welches zukünftig das jeweilige Flötz liefert: 
Und das ist eben die durch Bölsche schließlich 
verfochtene neueste Moortheorie Potoniés. 
Es ist also diese alte, durch Bölsche bekämpfte 
Schwemmtheorie ebensowenig mit unserer kata- 
klysmatisch-eiszeitlichen Allochthonie der Fig. 6, 7, 8, 
9, 11 und 12 zu verwechseln, wie Potonies neueste 
Moortheorie oder Lyells Deltatheorie. Letztere muß 
wieder Hebungen und Senkungen des Deltagebietes 
großer Ströme voraussetzen, da ja das Hoch- und 
Niederwasser allein nicht die so schöne Wechsel- 
lagerung von Flötz und Taubgestein liefern könnte; 
so meinte man vermutlich. Abgesehen davon, daß 
es solche intermittierende Hebungen und Senkungen 
nicht N wäre mit denselben niemals die beob- 
achtete Mächtigkeit und Horizontalausdehnung unserer 
heutigen Flötzreviere zu erklären, . denn 
die reinliche Scheidung oder die aufrechten 
Wurzelstöcke. Und selbst wenn man in erzwun— 
pence Geniigsamkeit alles zugeben wollte, so kénnen 

eltasedimente niemals hartes Gestein liefern, wie 
die ältesten trockenen Schlammschichten des Niltales 
und -Deltas zeigen, weil hier nebst dem hohen Drucke 
die zementartig bindende Kalkschlammhältigkeit des 
Wassers fehlt, die bei unserer kataklysmatischen Sedi- 
mentierung ja der aufgewühlte zoogen-kalkige und 
phytogen-kieselige Tiefseeschlamm liefert. 

Wenn übrigens Bölsches Wurzelkronen trotz 
fragmentarischer Erhaltung bis zu 8m Spannweite er- 
reichen und ein daran gebliebenes Stammstück nicht 
allzu lang ist, können dieselben auch ohne Zuhilfe- 
nahme eines »gravimetrischen Gesetzes« nicht anders 
in der Schwimmstoffschichte schwimmen, als mit lot- 
rechter Stammachse. Der Grundirrtum der auto- 
chthonen Vorstellungsweise Bölsches liegt also 
weniger in der von ihm beabsichtigten Gespenster- 


196 


entlarvung, als in der unbewuBten, vermeintlich selbst- 
verständlichen Voraussetzung der schon von Lyell 
angeren, vielmaligen, la ng periodischen Hebung 
und Senkung des heutigen Steinkohlenrevier-Landes, 
wobei jeder Hebung eine Neubewaldung, Bemoorung, 
Betorfung, kurz eine Kohlenmaterialansammlung — 
und jeder Senkung eine Sand- und Schlamm- 
verschüttung des Flötzes durch Süßwasserwirkung 
(Deltaanbau) entsprechen soll. Dabei muß natur- 
gemäß mit Jahrtausenden für jede Hebung und Sen- 
kung gerechnet werden, indem es doch nicht gut geht, 
einen ruck weisen solchen intermittierenden Vorgang 
vorauszusetzen. Da man hiebei aber noch zu der 
weiteren abenteuerlichen Voraussetzung gelangt, 
daß in der Überflutung die vegetabilischen Schwimm- 
stoffe unten und die angeschwemmten Sin k stoffe 
oben geblieben sind, so ergab sich da eine heitere 
Verlegenheit, aus der sich Lyell zur vollen Zufrieden- 
heit der kontinentalen Geologen durch folgende juri- 
dische Dekretur zu ziehen wußte: 

»Dennoch erhielt sich die Kohle oder die um- 
gewandelte vegetabilische Substanz während der 

anzen Zeit rein von erdiger Beimischung. 
ieses Rätsel läßt sich meines Erachtens, so 
unlösbar es auch im Anfang scheint, durch 
Vorgänge erklären, die sich an den heutigen Deltas 
beobachten lassen.« — (»Geologie oder Entwicklungs- 
geschichte der Erde und ihrer Bewohner«. Berlin 1858.) 
ber ein derartiges, doch nur durch unsere Fig. 7/11 
lösbares Rätsel kann auch wirklich nur der Jurist 
Lyell so leichtsinnig hinwegtänzeln — ein wahrer 
Geologe aber niemals. Daher sieht sich der gewissen- 
haftere und nur durch den überkommenen Autoritäts- 
glauben vom selbständigen Urteil abgehaltene Bölsche 
als begeisterter Populärbiologe bezüglich dieser rein- 
lichen Scheidung, Flötzvielzahl und Wurzel- 
stockschwierigkeit zu den folgenden längeren Rede- 
wendungen veranlaßt: 

»Langsam durchsickernd, baute sich in langen 
Zeiträumen ganz ruhig am Fleck das Moor und mit 
ihm das Material des künftigen Flötzes. Wo es sehr 
dick wurde, da mochte es viele einander folgende 
Generationen von Waldbäumen überdauern, es ver- 
schlang die morschen Reste der älteren und ließ neue 
in sich wurzeln und aus sich heraussteigen.« — (Das 
mag man für das erwähnte Tagbau-Braunkohlenflötz 
von Senftenberg gelten lassen. Bau und Geschichte 
der Erde von Abel, S. 71) — »Kam endlich die Hoch- 
flut« — (Zwischenfrage: woher, warum, wodurch be- 
dingt?) — »die den letzten dieser Wälder knickte und 
ersäufte, so blieb diesen höchsten Wassern gar keine 
große Arbeit mehr. Mögen sie das Moor noch ein 
letztes Mal ordentlich aufgeweicht, aufgewühlt, 
durchgeknetet, noch ebenmäßiger geschichtet 
haben — von eigentlichem Verschwemmen war jeden- 
falls für gewöhnlich keine Rede mehr und so 
kam auch keinerlei Mischung mit dem zu- 
gestrudelten Sande der Hochflut in Frage.« 

Man beachte die zwingend logische Kausalität: 
Das Moor wurde von der sandschwangeren Hochflut 
wohl ordentlich aufgewühlt und durchgeknetet, aber 
weil vom eigentlichen Verschwemmen für 
gewöhnlich »keine Rede« mehr war, kam 
auch eine Vermischung von Moormaterial mit Sand 
»nicht in Frage!« Wer hätte da eigentlich reden 
und fragen sollen? Dem Populärfeuilletonisten hilft 
doch allzuleicht das Wort aus der Verlegenheit. 
Eine Hochflut, die Sand tragen und das Moor auf- 
wühlen muß, soll diese Schwimmstoffe nicht ver- 
schwemmen, soll nicht notwendig unsere Horizontal- 
und Vertikalsortierung bewirken und nicht irgendwo 
anders den Sand zu unterst und das Moormaterial 
zu oberst versedimentieren! Oder es sollte der Sand 
nicht die Gelegenheit wahrgenommen haben, sich bei 
dieser Mooraufwühlung in die Moortiefe zu versenken! 
Keineswegs, so meint Bölsche; denn: 

»Dieser Sand lagerte sich vielmehrnotwendig(!!) 
ganz oben auf den Moorgrund. Ragten die Stümpfe 


des letzten Waldes noch über diesen Grund, so füllte 
der Sand ihre Höhlungen und begrub sie äußerlich in 
seiner Masse, die später zu Sandstein erhärtet auf 
dem zur Kohle erhärteten Moor stand. Und so mochte 
der Prozeß sich unzähligemal wiederholen: Auf dem 
Sande siedelte sich wieder ein Waldmoor als neue 
Sohle an, um zur Wende seiner Zeit das gleiche 
Schicksal zu erleben, und so fort. So war der Kreis 
der Dinge abgeschnitten bis wieder zum Ausgangs- 
punkte. Die Steinkohle, die der kühne Gedanke durch 
die fernsten Ozeane gestrudelt, kehrte zu ihrem Fleck 
selber heim. Wo sie heute lag, da war sie auch 
organisch gewachsen. Die Karte der heutigen 
Steinkohlenreviere bezeichnet genau 
auch das Gebiet der Sumpfwälder von 
damals, den Sitz der gesuchten Land- 
flora. Nicht in einem mysteriösen Hinter- 
lande von nirgendwo und überall hatte 
sie gegrünt, sondern da, wo heute unsere 
Industrie ihr Erbe fand. — Quod erat demon- 
strandum! 

Sollte es außer unseren gemachten Voraus- 
schickungen und Zwischenbemerkungen nun noch 
nötig sein, weitere Widerlegungsmühe aufzuwenden? 
Oder hat sich der aufmerksame Leser angesichts der 
leichtbeschwingten autochthonen Argumente in 
den drei SW IE ER ved (reinliche Flötzscheidung, 
lotrechte Baumstümpfe mit Wurzelkronen, Vielzahl auf- 
einander gebauter Flötze) auch ohnedies schon für den 
Vorgang unserer Figuren 11/12 entschieden? Wir 
möchten gern das letztere annehmen dürfen. Aber 
vielleicht will uns der geborene Skeptiker mit der 
Frage an die Wand drücken, warum in dem von uns 
gelten gelassenen typischen Falle des Senftenberger 
Braunkohlenflötzes die kataklysmatische Hochflut nicht 
um so sicherer das Moor weggeschwemmt und 
die Waldbäume entwurzelt und verdriftet hat. Da 
haben wir nur zu erinnern, daß ja der Kata- 
klysmus mit einerEiszeiteinhergehen 
mußte. Das schlammgeschwängerte Diluvium fand 
also jedes Moor und jeden aldboden hart- 
gefroren und dieses Mooreis durch die Baum- 
wurzeln fest mit dem Untergrund verankert vor! 
Ein Aufheben solcher, die Kataklysmushochzeit etwa 
im gefrornen und übereisten Zustande überdauernden 
Moore als Ganzes ist daher in der verhältnismäßigen 
Schnelligkeit des Vorganges kaum irgendwo möglich. 
Wohl aber hatte das sich meist langsam dahin 
schiebende Landeis (es gibt natürlich auch stag- 
nierende Eiszeit — Landeismassen!) den ganzen 
Wald oberhalb des gefrorenen, gut verankerten und 
monierartig durchfaserten Moors abgeschert und 
weggeführt, so daß die Schlammflut eben auch 
nur die heute verbraunkohlt vorfindbaren kurzen 
Stammstümpfe mit Wurzelkronen einzubetten hatte. 
Und erst bei höherer Weiterbeschichtung trat jene 
Flötzkompression und Enteisung ein, bei welcher sich 
die festverankerten Baumstümpfe ins überlagernde 
Deckmaterial emporbohrten. Dasselbe gilt ebenso 
auch für den Fall, als dieses Senftenberger Flötz 
nicht diluvial, sondern transgressiv ein- 
gebettet worden sein sollte, was ja der glacialkosmo- 
gonisch 5 Geologe leicht entscheiden wird 
können. Die mehr tropischen Wälder, Moore, Sümpfe, 
Tang- und Algenlager aber waren nicht verankert. 
Zwar wurden auch da erst die Stämme durch die 
Oszillationsfluten gefällt und zerkleinert, aber zum 
Schlusse wurden doch auch die Wurzelstöcke samt 
Moor- und Humusboden aufgehoben und in die 
Oszillationsebbegebiete höherer Breiten im Wege der 
geschilderten Horizontal- und Vertikalsortierung ver- 
sedimentiert. 

Es ist ja auch durchaus nicht der Zweck unserer 
Bemühungen, den eifrigen naturwissenschaftlichen 
Causeur Bölsche persönlich in dem ihm über- 
lieferten >Steinkohlenwalde« zu widerlegen, da er ja 
nur das Sprachrohr des überlieferten, heute schon 
fast unausrottbaren Lyellschen Quietismus in Dingen 


autochthoner Steinkohlengenesis in seinen Pan 
wissenschaftlichen Leserkreisen sein will. Aber wir 
mußten in Berücksichtigung der stark auf die Probe 
gestellten Geduld unserer Leser darauf bedacht 
sein, eines der wichtigsten Probleme der Stratiologie 
von der heiteren Seite zu fassen, trotz der Trübsal 
des Weltkrieges. Und dazu bot und bietet uns 
Bölsches »Steinkohlenwald« um so einladendere 
Gelegenheit, als auch er seine Darbietungen mit Humor 
würzt (wenn auch manchmal unfreiwillig) und als er 
gewiß die ganze neuere einschlägige Literatur zu 
Rate gezogen hatte, während er diese populäre 
Monographie so passend für unsere Zwecke 
gestaltete. 

Die auszugsweisen Zitate aber mußten und müssen 
wir bringen, weil oft gerade die unbefangensten und 
urteilskräftigsten technischen Leser es sind, die einem 
Literaturhinweise auch dann nicht folgen, wenn sie 
das Buch nur aus dem Schranke des Nebenzimmers 


197 


zu holen hätten, um sofortige Vergleiche anstellen zu 
können. Wir sind also Bölsche sehr zum Danke ver- 
pflichtet dafür, daß er uns behilflich ist und bleibt, 
die Problemstellung, Lösung und Gegenlösung auch 
dem nicht spezialfachmännischen technischen Leser 
in einem Gusse gewaltsam aufzudrängen und 
ihn so nachdriicklicher und dennoch schonend zur 
Stellungnahme und Verwertung seiner meist selbst- 
unterschätzten reichen Erfahrungen einzuladen. 

Wir wären also jetzt in der Lage, auf wohlvor- 
ebautem Boden an Hand von Fig. 12 näher auf die 
chwierigkeit der Flötzvielzahl und auf den For- 

mationsbau überhaupt einzugehen, um dem Flieger 
zu zeigen, auf welch weitem Umwege er erst zum 
richtigen Verständnis der ihn bedrohenden atmo- 
sphärischen Paroxysmen gelangen kann. Denn nur 
nach Erhärtung des geologischen Kataklysmus können 
auch im großen meteorologischen Geschehen die 
kosmischen Urkräfte zwingend erwiesen werden. 


(Fortsetzung folgt.) 


Sturmkalender für Juli und August 1915. 


7 — — — — 


Atmosphärische Störungsfolgen aus den Hauptherdgebieten der tropischen 


Sturmbildung 
.... a ae EEC See BEIERER PETE 
Wochen | im Westatlantik | im Westpazifik | id re 
Sturmbiidungsepochen 
Mai, Juni Juni | Juni . Juni Mai Mai/Juni Juni Juni Juni Juni Juni Juni 
alJunils, bis en 17. bis 23. 20. bis 30. 21. bis 27.| 27. bis 2. 2. bis 11. | 17. bis 23. 20. bis 23. | 2. bis 11. | 17. bis 23. 20. bis 30. 


1. bis 7. | Europa Europa 
Nord- Nord- Indischer 
N i amerika} | amerika a | Ostasien | (Westen) | 
& bis 14 Europa Europa (Nord- 
° | | pazifik) l | 
70 ä = AR ee ee et 
Ost- 
ar Europa Europa uns 
Sina en, o o Lo _ 1 . Aa en) RENTEN 
amerika 
Ost- 
Juli 4 
22 bis 28 | arene 
ö u E Nord- — ME ER 
5 | amerika | 
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29. bis 31. | | | | Ä 
55 re ee Fer ee, eS —= 
August! | | | | 
1. bis 7. | Europa | 
I — ne | I r 
August 2 | 
8. bis 14. | 


Die engen Beziehungen der südöstlichen Störungen zu den Temperatur-Exzessen, besonders auch den Frösten dieses 
Frühlings, konnten bis über die dritte Juniwoche verfolgt werden. Bis in die Nacht zum 20. Juni 1915 verzeichneten noch 


von + 38" am 8. Juni (Remscheid), + 36" am 11. Juni 1915 (Celle). Die gesteigerte Sonnentatigkeit kam vor allem in der 


letzten Juniwoche durch ausgebreitete Gew .terbildung zur Geltung, 


entsprechend der seit Jänner 1915 von mir 


| Teile des norddeutschen Niederungsgebietes den Landbau schädliche Nachtfröste nach Maximis der Schattentemperatur 


verfolgten besonderen 26 bis 27tägigen Periode der norddeutschen Gewitter. Besonders wirksame Epochen sind vor- 
berechnet für die erste, dritte und vierte Woche des Juli und für die dritte und vierte Woche des August 1915. In diesen 
Wochen, vornehmlich in den vierten, sollte auf Gewitterneigung und auf Kompaßstörungen Bedacht genommen werden. 


| Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen. 


Wilhelm Krebs. 


198 


Bücherbesprechungen. 


Grundriß der deutschen Literaturgeschichte. Von 
Karl Quenzel. 

Das Büchelchen ist als Einführung in die deutsche 
Literaturgeschichte gedacht und dürfte besonders für 
jene, die deutsche Kultur und deutsche Dichtung nur 
vom Hörensagen kennen, ein handlicher Führer vom 
Beginne deutscher Poesie in altgermanischer Zeit bis 
in die jüngste deutsche Dichtungsperiode sein. In 
den denkbar kleinsten Rahmen ist jener großer Ent- 
wicklungsgang unserer Dichtung gebracht, der unser 
Seelenleben und Empfinden abseits von unserem 
praktischen Schaffen umfaßt und uns nach fremd- 
völkischem Empfinden neben der tiefgründigen 
Schöpfungsart unserer Forschungsarbeiten als Volk 
der Dichter und Denker kennzeichnete. In klarer, 
übersichtlicher Kürze das mächtige Gebiet deutscher 
Literatur zusammenzufassen, hat sich der Autor als 
Aufgabe gestellt, die Marksteine dieser Geschichte 
hervorzuheben und so den gewaltigen Aufbau unserer 
Literatur zu skizzieren, die ja mit Recht als die 
umfangreichste der Weltliteratur bezeichnet wird. 
Diese Aufgabe treffend zu lösen und dabei doch mit 
richtigen Werturteilen die Bedeutung unserer Dichter 
und ihrer Arbeiten einzuschätzen, ist wohl das eigent- 
liche Verdienst des kleinen Werkchens. Das dürfte 
dem Verfasser nur durch seine darin zum Ausdruck 
kommende genaueste Kenntnis so ziemlich aller 
Originalwerke deutscher Dichtung möglich gewesen 
sein. Der Flugtechnik ist es ja gelungen, dem Pegasus 
der Dichter in Form einer praktischen Maschine eine 
vollendete Wirklichkeit zu verleihen, und sie wird 
ja auch, zurückschenkend, neues Fühlen und neues 
Empfinden in unsere Poesie tragen. So ist auch an 
dieser Stelle ein Hinweis auf dieses Büchelchen ge- 
rechtfertigt. Hanns Pittner. 


Betriebsstörungen am Flugmotor und deren Be- 
seitigung unter Berücksichtigung des deutschen 
Gnöme-Motors. Von Ingenieur E Schumann, 
Lehrer für Motorenkunde und Fluglehrer beim Frei- 
willigen Marinefliegerkorps. Verlag von M.Krayn, 
Berlin W. 10, Genthinerstraße 39. Preis brosch. Mk. 1. 
Die flugtechnische Literatur hat gerade in der letzten 
Zeit, die namentlich auf dem Gebiete der Motoren- 
industrie einen hervorragenden Aufschwung gebracht 
hat, eine ungemein starke Bereicherung durch das 
Erscheinen neuer, einschlägiger Werke erfahren, die 
den allerjüngsten Errungenschaften auf diesem Ge- 
biete in entsprechender Weise Rechnung tragen. Die 
momentane Zeit, die dem Flugzeuge eine kaum jemals 
vorausgesehene Verbreitung und Anwendung gebracht 
hat, hat ja auch das Bedürfnis nach derartigen Weg- 
weisern unmittelbar geboren, zumal ja die Zahl jener, 
welche sich dem Fliegen selbst zuwenden, um sich 
dann dem Vaterlande zur Verfügung zu stellen, ständig 
im Wachsen begriffen ist. Da ist nun das Erscheinen 
eines neuen — aus der Praxis für die Praxis ge- 
schriebenen — Werkchens: »Betriebsstörungen am Flug- 
motor und deren Beseitigung« doppelt zu begrüßen, 
denn es erscheint schon durch die geschickte, über- 
sichtliche Anordnung seines Textes sowie durch seine 
übrige Aufmachung berufen, eine Lücke auf dem Ge- 
biete der Motorenliteratur wirksam auszufüllen. 

Um alle überflüssige Weitschweifigkeit, die dem 
Werkchen seine Handlichkeit und seine Zweckmäßig- 
keit als Bordbüchelchen nehmen würde, zu vermeiden, 
wird hier keine Beschreibung des Motors und seiner 
einzelnen Organe und Funktionen gegeben, es wird 
vielmehr in Rezeptform für alle erdenklichen Fälle 
von Betriebsstörungen, die während des Fluges auf- 
treten können, die entsprechende, am raschesten zum 
Ziele führende Abhilfe angegeben. Erleichtert wird 
dem Benützer der Gebrauch dieses wirklich sehr 
empfehlenswerten und im Felde besonders gut ver- 


wendbaren Büchleins durch die ganz besonders gut 
gelungene Übersichtlichkeit des Textes. Besonders 
praktisch sind in dieser Beziehung die am Ende an- 
geschlossenen beiden Tafeln: Tabelle zur Feststellung 
von Betriebsstörungen am Flugmotor, und Tafel II: 
»Der Motor läuft nicht«. Die Hauptursachen sind hier 
in Gruppen geteilt, deren jede einzelne die möglichen 
Ursachen angibt, für welche im textlichen Teile die 
Abhilfsmaßnahmen angegeben werden, deren Auf- 
suchen durch Seitenindices auf den beiden Tafeln er- 
leichtert wird. 

Gewissermaßen als Rezeptierbuch ungemein prak- 
tisch und übersichtlich, ist diesem, im Taschenbuch- 
format gehaltenen Werkchen nur die größte Verbreitung 
zu wünschen. 


Der Luftkrieg 1914/15. Dargestellt von einem Flug- 
techniker. Verlag Hesse & Becker, Leipzig. 

Es sei gleich gesagt: Dieses Buch hilft einem 
Bedürfnis ab. Wenngleich schon vor Ausbruch des 
Krieges dem Fliegen in weiten Kreisen großes Interesse 
entgegengebracht wurde, mußte die ungeheure Wichtig- 
keit der »Fünften Waffe«, die dem Flugtechniker stets 
klar nn ist, als unerwartete Überraschung wirken. 
Der Laie hatte wohl fliegen gesehen und auch einige, 
mitunter recht falsche Begriffe vom Flugwesen er- 
halten; jetzt aber trat die gebieterische Notwendig- 
keit ein, sich genauer zu unterrichten, besonders aber 
die militärische Verwendbarkeit der Luftfahrzeuge 
kennen zu lernen. Zahlreiche Schriften haben dies 
versucht; viele waren zu populär, andere wieder zu 
fachlich gehalten, nur wenige entsprachen dem Zwecke. 
Das vorliegende Werk hat den Vorteil, wirklich auf 
Grund der neuesten Erfahrungen im jetzigen Kriege 
geschrieben zu sein, und außerdem bringt es in 
methodischer Reihe nicht nur Aufsätze über die Ver- 
wendbarkeit der Luftfahrzeuge, über die Luftflotten 
unserer Feinde, über sämtliche Waffen des Fliegers 
und Vorrichtungen zur Bekämpfung der Flugmaschinen, 
sondern auch zahlreiche Feldpostbriefe und Berichte 
aus dem Munde von Fliegern und Augenzeugen, die 
dem Buche den Charakter einer Dokumentensamm- 
lung geben. Für den Leser tritt aber dadurch noch 
der Vorteil ein, außer einer anregenden Darstellung 
des Kriegflugwesens auch die Leistungen der Flieger 
aus deren Darstellungen kennen zu lernen, die sich 
mitunter zu packender Wucht echten dichterischen 
Könnens steigern. Denn die eherne Wirklichkeit hat 
so manchem Flieger den Mund geöffnet, der vorher 
kaum je an eine schriftstellerische Leistung heran- 
getreten wäre. Nicht unerwähnt sei, daß die bildliche 
Ausstattung zur Anschaulichkeit des Inhaltes bedeutend 
beiträgt, so daß dieses Werk zu einem Volksbuch 
werden dürfte. P. B. 


Im Flugzeuge gegen England und andere Flieger- 
geschichten. Von Georg Müller-Heim. Hesse 

& Becker-Verlag in Leipzig. 

Eine Reihe kleiner Erzählungen, deren wechsel- 
voller Inhalt wie ein Kranz um das moderne Luft- 
fahrzeug gewunden ist. Manche der kleinen Novellen 
schließt sich dem Reigen der unzähligen Kriegs- 

eschichten an, die jetzt wie Pilze aus feuchtem 
jrunde schießen. Einige Begebenheiten spielen auch 
in Friedenszeit; und wie es dem normalen Novellen- 
buche zukommt, tritt die Liebe in ihre Rechte, denn 
es werden wohl alle Beziehungen Gott Anıors zum 
Flugwesen vor dem geneigten Leser ausgebreitet. 
Heitere Szenen wechseln mit tiefernsten Vorkomm- 
nissen, die alle in liebenswiirdigem Plaudertone vor- 
gebracht werden. Wenn auch dieses Buch den Durch- 
schnitt literarischer Erscheinungen kaum überragt, 
kann es doch als spannende Unterhaltungslektiire 
bezeichnet werden, die geeignet erscheint, ein odei 
zwei leere Stunden angenehm auszufüllen. P. B. 


— 


2 — — — — — . —— — ſ — ͤ in, — — 


AR 


2 


Oberst Emil Uzelac, der bereits mehrfach aus- 
zeichnete Kommandant unserer k. u. k. Luftschiffer- 
teilung, ist nun neuerdings von Seiner Majestät 

durch die Ernennung zum Kommandanten der Luft- 
fahrertruppen, sowie durch Verleihung des Ritter- 
u des Leopold-Ordens besonders ausgezeichnet 
worden. 

Hauptmann Rupert Pflanzer, Vizepräsident des 
Österreichischen Flugsportklubs, welcher, wie wir 
bereits in Nr. 1/2 d. J. mit großer Freude berichten 
konnten, von Seiner Majestät bereits mehrfach für 
sein ganz auBerordentliches Wirken am nördlichen 
Kriegsschauplatze ausgezeichnet wurde, ist nun neuer- 
lich dekoriert worden. Seine Majestät verlieh ihm für 
seine vorzüglichen Dienstleistungen vor dem Feinde 
das goldene Verdienstkreuz mit der Krone am Bande 
der Tapferkeitsmedaille. In den Kreisen seiner zahl- 
reichen Freunde und Verehrer, die sich Herr Haupt- 
mann Pflanzer überall durch sein ungemein kon- 
ziliantes und liebenswürdiges Wesen, wie auch durch 
seine nie ermüdende Hilfsbereitschaft erworben, hat 
die Nachricht von seiner neuerlichen Auszeichnung 
auch berechtigte Freude hervorgerufen. Wir knüpfen 
nur den herzlichen Wunsch daran, daß seiner so erfolg- 
reichen Tätigkeit auch fernerhin stets die wohlver- 
diente Anerkennung und Würdigung zuteil werden möge. 

Hauptmann Julius Waltl, der verdienstvolle 
Referent für Luftfahrt im Kriegs ministerium, ist mit 
1. Juli zum Major ernannt worden. 

Der Sturzhelm als Lebensretter. Ein höchst 
gefahrvolles Abenteuer mit spannenden Phasen, das 
für den Beteiligten glücklich verlief, bestand ein Flieger 
beim deutschen Westheer, der davon in einem an 
seinen Vater gerichteten Briefe, der dem »Lübecker 
Generalanzeiger« zum Abdruck überlassen wurde, wie 


BIST IRRE SE 
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199 


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DON IN VIN AN TAN 


auh, esis ois ie ole a nieioieleisleinie oe slecle een ein soisfolo eo ulelaloie nie nie iels sie sm cielo ole ols clea cisiste elelsieinle alojoie sia sleislsle ss else ele sie ale oles] 


folgt berichtet: »Lieber Vater! Als ich Dir den letzten 
Brief schrieb, ahnte ich noch nicht, daB ich in den 
letzten Tagen so viel erleben sollte, und nur durch 
ein Wunder mit dem Leben davongekommen bin. 
Ich flog am 22. morgens bei nebligem Wetter mit 
Leutnant J., einem vortrefflichen Flieger, nach S., und 
stellte den Vormarsch feindlicher Truppen nach Norden 
fest. In der Gegend von B. kamen wir in schwere 
Regenwolken und mußten auf 1000 m heruntergehen. 
In diesem Augenblick hörten wir auch schon das 
Aufschlagen feindlicher Artilleriegeschosse gegen die 
Maschine und es schien unter uns eine ganze franzö- 
sische Division in Bereitstellung. J. erhielt eine Kugel 
in den Leib. Der Motor blieb stehen und die Maschine 
sank steil herunter, mitten auf die feindlichen Truppen 
zu, die ein rasendes Feuer auf uns gaben. In 800 m 
bäumte sich die Maschine auf, ich drehte mich um 
und sah J. (den Flugzeugführer) mit einem Schuß 
mitten durch die Stirn tot daliegen. Nun ergriff ich 
über die Lehne des Sitzes das Steuer, und es gelang 
mir so, den braven Doppeldecker wieder in Gleitflug 
zu bringen. Der Wald jenseits der Franzosen war 
mein Ziel; die Minuten, in denen ich in 200 m Höhe 
über dem Feind dahinglitt, wurden mir Ewigkeiten. 
Ein Hagel von Geschossen sauste mir dauernd um 
die Ohren. Plötzlich fühlte ich einen heftigen Schlag 
gegen die Stirn, das Blut lief über beide Augen. 
Aber der Wille siegte. Ich blieb bei Bewußtsein, und 
dachte nur daran, die Maschine über den Feind fort 
und glatt herunter zu bringen. Da warf ein Windstoß 
den Apparat herum, und da mein toter Kamerad auf 
dem Seitensteuer lag, konnte ich nicht anders, als 
mitten im Feind zu landen. Dabei überschlug sich 
die Maschine, die an einen Zaun anrannte. Ich flog 
in hohem Bogen heraus. Von allen Seiten liefen die 


Pilotballonstation einer Österreichischen Feldfliegcrabteilung in Russisch-Polen. 


(»Kilophot.«) 


200 


Rothosen auf mich zu, immer noch 
schießend. Ich zog die Pistole und 
streckte noch drei zu Boden, dann 
fühlte ich ein Bajonett auf der Brust. 
Jetzt kam ein höherer Offizier und 
rief: »Laßt ihn leben, er istein tapferer 
Soldat!« Ich wurde zum komman- 
dierenden General des 17. französi- 
schen Korps gebracht, der mich aus- 
fragte, natürlich ohne Erfolg. Dann 
sagte er mir, ich würde als Ge- 
fangener nach Paris gebracht werden, 
wo schon vier Fliegeroffiziere wären. 
Da ich jedoch durch den starken 
Blutverlust sehr schwach war, blieb 
ich zunächst an Ort und Stelle. Zwei 
Ärzte zogen das Geschoß, dessen 
Wucht durch den Sturzhelm gebrochen 
worden war, aus meiner Stirn, die 
nicht durchschlagen war. Ich wurde 
verbunden und erhielt Rotwein. Uber- 
haupt benahmen sich die Offiziere 
sehr nett und achtungsvoll gegen 
‚mich. In meinem Kopfe aber lebte nur 
ein Gedanke, der, aus der Gefangen- 
schaft zu entfliehen. Der Donner der 
deutschen Geschütze kam immer 
näher, Gewehrfeuer klang dazwischen, 
und nach zwei Stunden platzten die 
ersten deutschen Granaten in unserer 
Nähe. Da eilten die Franzosen an ihre Pferde. Ich 
benützte den unbewachten Augenblick und kroch unter 
einen Busch, dort blieb ich liegen bis der französi- 
sche Rückzug hinter mir war. Dann schleppte ich mich 
nach B., wo ich im Hospital freundliche Aufnahme für 
die Nacht fand. Am nächsten Morgen brachte mich 
ein deutsches Auto zu meiner Abteilung zurück.« 


Eine Reminiszenz aus ek 1912. König Peter von Serbien bei einem Be- 


suche des Flug 


eldes Juvisy. (Links Präsident Falliéres.) 


Eine Reminiszenz aus dem Jahre 1912. König Peter von Serbien bei einem Be- 
suche des Flugfeldes Juvisy. (Rechts Präsident Fallieres.) 


Ein Schutzkissen für Flieger. In der »Deutschen 
Luftfahrer-Zeitschrift« wird eine aus dem Auslande 
kommende Idee für ein Schutzkissen beschrieben, mit 
dem ein Flieger beim Abstürzen seinen Kopf vor zu 
großer Gewalt beim Aufschlagen schützen kann. Die 
praktische Einrichtung, die auch für Deutschland zur 
Nachahmung und Anfertigung empfohlen wird, besteht 
in zwei passend geformten Luftkissen 
aus gummiertem Stoffe, die mit Riemen 
über die Brust, ähnlich wie eine Weste 
befestigt werden und den Flieger in 
keiner Weise in seinen Bewegungen 
hindern, da sie in normalem Zustande 
nicht aufgepumpt sind und beim 
normalen Verlauf des Fluges auch 
nicht aufgepumpt zu werden brauchen. 
Nur bei einem Absturze kommt das 
Aufpumpen in Frage. In diesem Falle 
braucht der Flieger nur auf einen 
Hebel zu drücken und aus einer kleinen 
mit stark komprimierter Luft gefüllten 
Stahlflasche, die in einem Leder- 
behälter des Befestigungsriemens sitzt 
und durch einen Schlauch mit dem 
Luftkissen verbunden ist, strömt die 
Luft in die Kissen und bläst sie weit 
auf. Der Flieger kann nun, wenn er 
auf die Erde stürzt, seinen Kopf 
zwischen den Kissen bergen und so 
die Gewalt des Aufpralles sicherlich 
mildern. Erfolgt der Absturz über 
einer Wasserfläche, so werden die 
Luftkissen als Schwimmgürtel dienen. 
Versuche, diese Idee in die Wirk- 
lichkeit zu übertragen, dürften, wie 
die »Luftfahrer-Zeitschrift« bemerkt, 
wohl kaum auf sehr große Schwierig- 
keiten stoßen. 


PATENTE 


Muster- und Markenschutz in allen Ländern 


erwirkt 


ing. J. FISCHER, Patentanwalt 


Wien, I. Maximilianstrasse Nr. 5. 


Seit 1877 im Patentfache tätig. 


Herausgegeben vom: »K. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein«. — Verantw. Red.: in Vertretung Fritz Ellyson, 
Druck von Otto Maaß’ Söhne, Wien L 


— — 


“00 0 0 0 0 0,9 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 a 0 0 0 0 ee OWURO 7.4 ee N 


ÖSTERREICHISCHE 


FLUG-ZEITSCHRIFT 


Herausgegeben von dem unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Majestät des 4 
Kaisers und Königs stehenden k. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein. ND 


Manuskripte werden nicht zurückgestellt. Der Nachdruck Angenommene Beiträge werden honoriert. Die Verfasser 
von Artikeln und Abbildungen ist nur mit Quellenangabe & sind für Form und Inhalt der von ihnen eingesandten 
und Zustimmung der Redaktion gestattet. 88 Artikel und Abbildungen verantwortlich. 


( Cooooooooc - ON 


ERSCHEINT ZWEIMAL IM MONAT. 
Nr. 15/16 August 1915 IX. Jahrgang 


Inhalt: Die erste Kaperung eines Lenkluftschiffes in der Geschichte. — Professor Leopold Kliment f. — Über das Rückdreh- 

moment der Luftschraube, von Oskar Heimstädt. — Graf Foppen; von Hanns Pittner. — Das Heldengrab des Hauptmannes 

Franz Freiherrn v. Berlepsch auf dem Kirchhofe zu Warcholi bei Nisko. — Aus Industrie und Praxis. — Ein amerikanischer 

Zeppelinzerstörer. — Geschützdonner und Hochatmosphäre. — Die wichtigsten Flugzeuge Frankreichs, Englands und Rußlands. — 

Sturmkalender für August und September 1915, von Wilhelm Krebs (Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte, Schnelsen). — 
Bücherbesprechungen. — Chronik. 


Chefredakteur: Ing. A. Budau, o. ö. Professor der k. k. Technischen Hochschule in Wien 


Redakteur für den offiziellen und wissenschaftlichen Teil für die Dauer der Abwesenheit der Herren Oberst 
Wilhelm Suchomel und Ing. Adolf Janisch: Fritz Ellyson 


Unter Mitwirkung von: 


PAUL BELLAK Dr. A. HILDEBRANDT RICHARD KNOLLER HANNS PITTNER Dipl. Ing. C. SCHMID 
Prokurist, Wien e a. D., Ing., 5 i IEE Schriftsteller, Wien 55 11 
FELIX BRAUNEIS “ Berlin echn. Hochschule, Wien E LAK 4 : n 
ingenieur, Wien F. HINTERSTOISSER W. KREBS RITTER v. RODIN X Uk, Rittmeister, Wiener- 
Dr. Ing. WALTER FREIR. k. u. k. Major, Wien Leiter der Wetterwarte Ingemeur, Wien 
v. DOBLHO Schnelsen Holstein : f LEOPOLD SCHMIDT 
Konstrukteur an der k. k RAOUL HOFFMANN J. POPPER-LYNKEUS Ing., Prof., Wr.-Neustadt 
Techn. Hochschule, Wien Ingenieur, Wien GUSTAV E. MACHOLZ Ingenieur, Wien KARL TINDL 
EDUARD DOLEZAL ANTON JAROLIMEK Johannisthal Ing., Konstrukteur a. d. k. k. 
k. k. Hofrat, o. ö. Prof., an k. k. Oberinspektor, König- HUGO L. NIKEL STEPHAN POPPER Techn. Hochschule, Wien 
der k. 5 Hoch- grätz k.k. techn. Ob.-Offiz., Wien Ingenieur, Wien VILHELM TRABERT 
ule, rofessor, Direktor der 
FRITZ ELLYSON Dr. F. JUNG HANS F. v. ORELLI FRANZ REBERNIGG 7 entralanstalt für Meteoro- 
Flugmaschinen- Professor a. d. k. k. Tech- Schriftsteller, Wien erg Wien k. logie u. Geodynamik, Wien 
Konstrukteur, Wien nischen Hochschule, Wien STEPHAN PETROCZY Dr. C. WIESELS- 
IGO ETRICH D. W. KAISER v. PETROCZ RUDOLF SCHIMEK BERGER 
GroBindustrieller, Ober- Kapitanleutnant a. D., k. u. k. Luftschifferhaupt- k.u. k. Major d. R., Direktor Assistent an der Universitat 
altstadt Charlottenburg mann, Wien der Autoplanwerke, Wien in Göttingen 


Die erste Kaperung eines Lenkluftschiffes in der Geschichte. 
Das italienische Marineluftschiff »Citta di Jesi« bei Pola erbeutet. 


Um Mitternacht vom 5. auf den 6. August ist Mit magnetischer Kraft zieht unser Hauptkriegs- 
unseren Waffen ein in seiner Art bisher einzig da- | hafen die italienischen Kriegsluftschiffe an. Zu Beginn 
stehender Erfolg zuteil geworden. Das italienische | des Krieges war es die »Citta di Ferrara«, die mit 
Marineluftschiff »Citta di jesi« wurde unweit Pola | ihrer silberglänzenden Hülle sich öfters in der Nähe 
regelrecht gekapert. Diesmal wurde Ben Akiba Lügen | Polas sehen ließ. Ein langes Leben war ihr freilich 
gestraft. Die Geschichte kennt wohl die Wegnahme | nicht beschieden. Am 8. Juni wurde sie von ihrem 
von Freiballons und Fesselballons, aber Lenkluftschiffe | Schicksal ereilt. Unser Seeflugzeug -L 48< mit Linien- 
sind zwar vernichtet, aber niemals weggenommen | schiffsleutnant Klasing als Führer und Seekadett 
worden. Deshalb verdient dieser Erfolg eine besondere | Fritsch als Beobachter hat ihm in den Morgen- 
Würdigung. Wir können auf unsere Erstlingsleistungen stunden dieses Tages ein Ende bereitet. Mit glän- 
stolz sein. Das erste durch einen Flieger vernichtete | zender Bravour wurde das feindliche Luftschiff zum 
Luftschiff, die »Citta di Ferrara«, fiel einem unserer | Niedergehen gezwungen und zerstört. Und nun kam 
Seeflugzeuge zum Opfer. Ein österreichisch- ungarisches die Kunde von der Kaperung eines anderen italienischen 
Unterseeboot war es, das die Möglichkeit, ein gegne- | Luftschiffes, der »Citta di Jesi«. 
risches Unterseeboot mit eigenen Mitteln zu vernichten, Dieses Lenkluftschiff wurde in der Nacht vom 
zum erstenmal praktisch erwiesen hat und wieder eines | 5. auf den 6. August um Mitternacht bei Pola durch 
unserer Unterseeboote hat als erstes ein gegnerisches | Schrapnellfeuer zum Niedergehen gezwungen und 
Torpedoboot vernichtet. Und nun kommt die Weg- | weggenommen. 
nahme eines ganzen, aktionsfähigen feindlichen Lenk- as Luftschiff »Citta di Jesi< führt seinen Namen 
ballons durch ein Torpedoboot. Das ist eine herrliche | nach der Stadt Jesi am Esino, westlich von Ancona. 
Perlenkette von Rekorden ! Sie war vor dem Kriege wenig bekannt, und man 


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Das Wrack des von einem österreichischen Torpedoboot bei Pola erbeuteten 
italienischen Luftschiffes »Citta di Jesis im Schlepptau. (Interessantes Blatt.) 


wundert sich, daß eines der größten und schönsten 
Luftschiffe Italiens ihren Namen trägt oder vielmehr 
trug. Aber schon in den ersten Kriegstagen gewann 
Jesi auch für uns besondere Bedeutung. Dort befinden 
sich Luftschiffhallen und Reparaturwerkstätten für Luft- 
fahrzeuge. Dorthin richtete sich gleich zu Kriegsbeginn 
einer der erfolgreichen Angriffe unserer Seeflugzeuge. 

Das Marineluftschiff »Citta di Jesic kommt in 
keiner Liste vor, es muß daher erst in allerjüngster 
Zeit fertiggestellt worden sein und war mit seinen 
15.000 Kubikmeter Inhalt zweifellos einer der besten 
Luftkreuzer der italienischen Kriegsmarine. Viele dieses 
Typs besitzt sie bestimmt nicht. 

Nach der Vernichtung der »Citta di Ferrara< war 
eine längere Pause in den italienischen Luftkriegs- 
unternehmungen eingetreten. Offenbar wurde an der 
Fertigstellung eines neuen Luftschiffes und der Ein- 
schulung von dessen Besatzung gearbeitet. Schließlich 
war man so weit. Wie viele Probeflüge unternommen 
wurden, entzieht sich unserem Urteil. Aber in der 
Nacht vom 5. auf den 6. August sollte Pola angegriffen 
werden. Die Dunkelheit begünstigte das Unternehmen. 
Aber die Ausluger auf den Schiffen und in den Forts 
waren wachsam. Vor Mitternacht wurde der heran- 
kommende Feind entdeckt und bald erzitterte die 
Luft vom Donner der Abwehrgeschiitze. Die Ex- 
plosionsflammen krepierender Schrapnells zerrissen 
das Dunkel der Nacht. Immer näher liegen die Spreng- 
punkte an dem feindlichen Luftschiff. Die Lage wird 
ungemütlich. Ein Volltreffer und die schöne Kampf- 
maschine geht in Flammen auf! Aber dazu kommt es 
nicht. Das Luftschiff senkt sich nieder. Es war offenbar 
von den Schrapnellagen eingekreist, und manches 
Sprengstück mag die Ballonhülle getroffen und Gas- 
verluste verursacht haben. Jetzt ruht die Gondel auf 
der Meeresfläche. Schon jagen unsere Torpedoboote 
blitzschnell heran. Im Nu sind sie in der Nähe der 
köstlichen Beute und ehe die Italiener Zeit finden, 
das Luftschiff zu zerstören, sind sie dingfest ge- 
macht. 

Die ganze Besatzung — drei Seeoffiziere, ein 
Maschinist und zwei Mann — gerät in unsere Ge- 
fangenschaft. Eines unserer Torpedoboote aber nimmt 


— 


den gewaltigen, nunmehr wehrlosen Luftkreuzer in 
Schlepp und bringt ihn in den Hafen von Pola ein. 
Vom Insichtkommen des Luftschiffes bis zu seiner 
Wegnahme kann nicht viel Zeit vergangen sein. Denn 
trotz der hohen, etwa 70 bis 80 Kilometer in der 
Stunde betragenden Geschwindigkeit der »Citta di 
Jesi« war es ihm nicht gelungen, die kurze Entfernung, 
die es noch von seinem Angriffsziele trennte, zurück- 
zulegen. Es hatte gar keine Gelegenheit gehabt, irgend- 
welche Schadensstiftung auch nur zu versuchen. Der 
feindliche Luftangriff ist, bevor er noch begonnen 
hatte, schon in sich zusammengesunken. Das feind- 
liche Luftschiff wurde weggenommen, ehe es an sein 
Ziel herangelangt war. Mit ihm ging dessen geschulte 
Bemannung für Italien verloren. Und wenn man schon 
Luftschiffe nachschaffen kann, die Heranbildung ge- 
übter Luftschiffbesatzungen ist schwierig und nimmt 
viel Zeit in Anspruch. Keine der Verbandmächte hat 
es während des Friedens zu einer größeren Anzahl 
kriegsbrauchbarer Luftschiffe gebracht. Alles auf 
diesem Gebiet geschaffene trägt den Stempel des 
Versuches an sich. Am weitesten sind noch die 
Italiener fortgeschritten. Aber erst kurz vor Kriegs- 
beginn haben sie jene Typen geschaffen, die jetzt 
zur Anwendung kommen. Naturgemäß konnten wegen 
der geringen Zahl der Luftschiffe nur wenige Be- 
satzungen ausgebildet werden. Und so ist der Verlust 
von zwei ganzen Luftschiffbemannungen — »Citta di 
Ferrara« und »Citta di Jesic — ebenso schwerwiegend 
wie jener der Luftschiffe selbst. Zweimal haben ita- 
lienische Lenkballons einen ernstlichen Angriff unter- 
nommen. Beidemal endete die Aktion mit Total- 
verlusten. Es scheint, als ob nicht nur das Adriatische 
Meer bitter wäre, sondern daß auch die Luft über 
der Adria von Bitterkeit erfüllt wäre. Wenigstens 
dürften dies die Italiener empfinden, und ein bitterer 
Geschmack wird jedem Italiener auf der Zunge 
brennen, wenn er den Namen »Citta di Jesi« aus- 
spricht, den Namen jenes Lenkluftschiffes, das als 
erstes gekapert wurde.. . Für uns aber wird der 
Name einen guten Klang haben, denn er versinn- 
bildlicht uns einen besonders schönen Erfolg, der über- 
all Stolz und Freude hervorrufen wird. »N. Fr. Pr.« 


Te 


Professor Leopold Kliment f. 


Einer der tätigsten Mitarbeiter und Förderer aller 
flugtechnischen Bestrebungen ist mit dem Tode des 
Vizepräsidenten des Flugtechnischen Vereines in 
Mähren, Prof. Leopold Kliment, den heimischen 
Flugtechnikerkreisen entrissen worden. Mit umfassen- 
den praktischen Erfahrungen und ungewöhnlich wissen- 
schaftlichem Weitblick ausgestattet, hat Prof. Kliment 
frühzeitig den hohen Wert aller flugtechnischen Ar- 
beiten würdig eingeschätzt und neben seinem arbeits- 
reichen beruflichen Wirken für die Ausgestaltung und 
die Hebung der Flugtechnik in Österreich eine rege 
Arbeitstätigkeit entfaltet, der sein unerwartetes Hin- 
scheiden ein viel zu frühes Ende setzte. 

Prof. Kliment war in Brünn im Jahre 1863 ge- 
boren und zeichnete sich schon an der Mittelschule 
und später während seines Hochschulstudiums durch 
eine ganz ungewöhnliche Be- 
gabung aus. Nach Ablegung 
seiner Diplomprüfung im 
ahre 1886 trat er in die 

anniecksche Maschinen- 
fabrik ein, ging dann zur 
Ausgestaltung und Erweite- 
rung seiner Kenntnisse für 
einige Zeit ins Ausland, wo 
er bei der Firma Borsig in 
Berlin und später bei der 
Firma Sulzer in Winterthur 
auf Grund seiner reichen 
Fähigkeiten die allseitigste 
Anerkennung fand und bald zu 
leitenden Stellungen im Kon- 
struktionsbureau gelangte. 
Nach mehrjähriger erfolg- 
reicher Tätigkeit im Auslande 
erhielt er neuerlich eine Be- 
rufung der Wannieck-Werke 
nach Brünn, wo er als Ober- 
ingenieur mit der Führung 
des technischen Bureaus be- 
traut wurde. Er war in jener 
Zeit nicht allein praktisch, 
sondern auch wissenschaftlich 
tätig und es erschienen da- 
mals zahlreiche wertvolle 
Veröffentlichungen aus seiner 
Feder in den bedeutendsten 
Fachzeitschriften des In- und 
Auslandes. In Anerkennung 
seiner hervorragenden theo- 
retisch-wissenschaftlichen Forschungsarbeit verlieh ihm 
die Brünner Technische Hochschule die Dozentur für 
allgemeine Maschinenkunde. Durch die Fusionierun 
der Ersten Brünner Maschinenfabrikgesellschaft un 
der Firma Wannieck & Co. wurde er technischer 
Direktor des neuen Unternehmens und bald darauf 
wurde ihm das Ehrenamt eines Prüfungskommissärs 
für die zweite Staatsprüfung des Maschinenbaufaches 
an der Technischen Hochschule übertragen. Seine 
vielseitige Tätigkeit aber und die Gründlichkeit, mit 
der er seine beruflichen Pflichten erfüllte, zwangen 
ihn bald, die Dozentur zurückzulegen. Als aber im 
Oktober 1905 Prof. Wellner sein Lehramt zurück- 
legte, wurde er über einhelligen Vorschlag des Pro- 
fessorenkollegiums zum Nachfolger Wellners gewählt. 
Sein hervorragendes, ein Jahrzehnt umfassendes Wirken 
an der Technischen Hochschule in Brünn, während 
welcher Zeit er alle seine Kräfte in umsichtiger Weise 
zur Entwicklung der Hochschule und zum Nutzen der 
studierenden Jugend verwendete, sicherte ihm die 
aufrichtigste Liebe und Verehrung seiner Schüler sowie 
die weitestgehende Anerkennung des gesamten Pro- 
fessorenkollegiums. Dies erhellt auch daraus, daß er 


schen Vereines in MA 


Prof. Leopold Kliment, Vizepräsident des Flugtechni- 
ren, Zweigvereines k. k. 
Österreichischen Fiugtechnischen Vereines. 


Am 28. Juni ist Professor Leopold Kliment, 
Vizepräsident des Flugtechnischen Vereines in 
Mähren, in Franzensbad, wo er Heilung von 
einem schweren Leiden suchte, gestorben. 
als noch verhältnismäßig junger Professor für das 
Schuljahr 1913/14 zum Rector magnificus gewählt 
wurde. Eine weitere Ehrung wurde ihm von seiten 
des Deutschen Ingenieurvereines in Mähren, zu dessen 
Gründern Prof. Kliment zählte, dadurch zuteil, daß 
ihn dieser, in Würdigung seiner hervorragenden Eigen- 
schaften, zum Obmanne wählte. 

Prof. Kliment war in seinem ganzen Schaffen 
eine ausgesprochene Persönlichkeit. Als eifriger Ver- 
fechter seiner Ansicht von dem eminenten Werte der 
praktischen Tüchtigkeit jedes Ingenieurs setzte er die 
Gründung eines Maschinenbaulaboratoriums an der 
Brünner Hochschule durch, um seinen Schülern neben 
theoretischem Wissen auch jene praktischen Kennt- 
nisse vermitteln zu können, die sie für ihr Schaffen 
und Wirken im späteren Leben unbedingt benötigen. 
Von derselben Gründlichkeit 
war er auch in seiner außer- 
beruflichen Tätigkeit beseelt, 
speziell in seinen zahlreichen, 
fast immer in der Stille ge- 
leisteten nationalen und 
humanitären Wohltätigkeits- 
bestrebungen,die die Gtite und 
menschenfreundliche Hilfs- 
bereitschaft seines Herzens 
in die weitesten Kreise seiner 
Vaterstadt trugen. Sein reges 
Interesse für die Aviatik 
dürfte ihm in erster Linie 
durch die Arbeiten seines 
ehemaligen Lehrers Prof. 
Wellner übermittelt worden 
sein. Doch war es unzweifel- 
haft sein scharf erkennender 
Geist, der ihn den durch- 
schlagenden Wert und die 
Bedeutung aller aviatischen 
Bestrebungen zu einer Zeit 
schon würdigen ließ, wo die 
noch vielbelächelte Flug- 
technik den zahlreichsten 
Anfeindungen von berufener 
und unberufener Seite aus- 
gesetzt war. Dies ist um so 
anerkennenswerter,alsgerade 
damals die erfolglosen flug- 
technischen Bemühungen 
seines bedeutenden Lehrers 
die Aussichtslosigkeit aller 
ähnlichen Bestrebungen zumindest für den Laien als 
erwiesen gelten ließ und die in derselben Zeit auch 
andernorts mißglückten aviatischen Versuche keine 
werbende Kraft ausüben konnten. Prof. Kliment verstand 
es aber auch hierin, äußerliches Mißgeschick von dem 
Werte der Idee und des Prinzips zu trennen und 
jenen regen und tätigen Anteil an dieser neuen tech- 
nischen Disziplin zu nehmen, der für die Entwicklung 
und den Ausbau der Flugtechnik in Österreich von 
wesentlicher Bedeutung war. Seiner umsichtigen 
„ und propagandistischen Tätigkeit 
gelang es auch, das Interesse für die heimische Aviatik 
in den weitesten Kreisen wachzurufen, zu nähren und 
zu erfolgreicher Tätigkeit anzuspornen. Der Flug- 
technische Verein in Mähren ehrte sein unermüdliches 
und zielbewußtes Wirken durch seine Wahl zum 
Vizepräsidenten, in welcher Eigenschaft er auch 
unmittelbaren und bestimmenden Einfluß auf die 
Vereinstätigkeit nehmen konnte. Mit seinem viel zu 
frühen Hinscheiden verliert die Österreichische Flug- 
technik einen tätigen Mitarbeiter und unermüdlichen 
Förderer, dessen reiches Wirken dauernd in unser 
aller Erinnerung fortleben wird. H. P. 


204 


Über das Rückdrehmoment der Luftschraube. 
Von Oskar Heimstädt. 


Alle Vorschläge zum Bau einer dynamisch ge- 
tragenen Flugmaschine, die in dem theoretischen Zeit- 
alter (vor Wright) entstanden sind, hatten als eine 
Grundlage die Anwendung zweier oder mehrerer 
gegenläufiger Schrauben als Treibmittel. In der 
richtigen Erkenntnis, daß nur eine derartige Anordnung 
der Luftschrauben alle stabilitätsstörenden Neben- 
wirkungen der Schrauben (Kreiselwirkung, Reaktions- 
moment und ähnliche) ausschaltete, glaubten die 
Bahnbrecher des Maschinenfluges auf sie nicht ver- 
zichten zu können. Wilbur Wright selbst hielt mit 
einer Hartnäckigkeit, die seinen Tod überdauerte, an 
dem Grundsatz des Zweischraubenantriebes fest. 

Nun hat dieser nicht allein die oben genannten 
Vorteile, Freiheit von Rückdrehmoment und Kreisel- 
wirkung, für sich, sondern noch dazu zwei andere 
Eigenschaften, welche den ersten Erbauern von Flug- 
zeugen gleich wertvoll gewesen waren. Es sind dies 
erstens die gesteigerte Nutzwirkung zweier 
Schrauben gegenüber nur einer von demselben oder 
nicht viel größerem Durchmesser, und zweitens die 
geringere Umdrehungszahl eines Schraubenpaares. 
(Dieses läuft gewöhnlich mit der halben Umdrehungs- 
geschwindigkeit des Motors.) Gerade die zweite 
Eigenschaft mußte den ersten Flugzeugbauern sehr 
wertvoll sein, da im Anfang der Entwicklung des 
Flugwesens die Materialfrage noch ungeklärt war und 
bei den mangelnden Erfahrungen im Bau von Luft- 
schrauben die Gefahr des Zerspringens bei schnell- 
laufenden Schrauben nicht gering war. Beide Fragen 
spielen in Anbetracht der gewaltigen Fortschritte im 
Motoren- und Luftschraubenbau heutzutage so gut 
wie keine Rolle mehr. 

Die Kreiselwirkung der Schraube kommt eigentlich 
mehr als gefügeschädliches Moment in Betracht, wenn 
sich zu ihr nicht noch die eines Umlaufmotors gesellt. 
Von um so Poer Wichtigkeit ist aber das noch 
übrige Rückdrehmoment der Schraube, welches in mehr 
als einer Beziehung Berücksichtigung erheischt. 

Um sich über seine Wirksamkeit klar zu werden, 
stelle man sich ein vollkommen symmetrisch gebautes 
- Flugzeug vor, dessen Schwerpunkt genau in der 
Symmetrieebene liegt. Die Breite und Tiefe der Trag- 
flächen und ihre Anstellwinkel scien für beide Seiten 
des Flugzeuges vollkommen gleich. Wenn jetzt der 
Motor mit der auf seiner Kurbelwelle festsitzenden 
Schraube zu arbeiten beginnt, so tritt sein Rückdreh- 
moment in die Erscheinung, da sein Drehmoment 
unmittelbar auf die umgebende Luft, ein vom Flug- 
zeug unabhängiges Mittel, übertragen wird. Das 
Drehmoment eines modernen Motors von etwa 120 PS 
und 1400 Umdrehungen ist aber durchaus nicht gering; 
es beträgt etwa 60 Meterkilogramm. Das Rückdreh- 
moment hat selbstverständlich den gleichen Wert. 

Wenn nun der Motor einer derartig ausgerüsteten 
Maschine am Ort arbeitet, so wirkt, bei rechtsum- 
laufender Schraube, das Rückdrehmoment so, daß das 
linke Anlaufsrad stärker belastet wird als das rechte. 
Bei einem Radabstand von zwei Metern ist der Unter- 
schied dann gleich dem Rückdrehmoment selbst, also 
gleich 60 kg. Angenommen, das ganze Flugzeug wiege 
800 kg und die Last sei symmetrisch verteilt, so wird 
das linke Anlaufsrad mit 430 kg, das rechte dagegen 
nur mit 370 kg belastet. 

Dieses gilt, solange die Last des Flugzeuges beim 
Anlauf auf dem Boden ruht. Es ist aber nicht ohne 
Bedeutung fiir den in der Praxis oft vorkommenden 
Fall, daß die Maschine über ein Hindernis, beispiels- 
weise eine Bodenwelle, rollt. Da der Schwerpunkt 
trotz der ungleichmäßigen Verteilung des Gewichtes 
in der Symmetrieebene verbleibt, so tritt leicht, be- 
sonders bei weicher Beschaffenheit des Bodens, ein 
Verreißen nach links ein, was dann besonders ver- 
hängnisvoll werden kann, wenn das linke, schwerer 
belastete Rad mehr beeinflußt wird als das rechte. 


Nach dem Abflug wird das Rückdrehmoment 
naturgemäß von den Tragflächen aufgenommen, immer 
noch symmetrischen Bau des Flugzeuges vorausge- 
setzt. Die linke Tragfläche wird wiederum um 30 kg 
mehr, die rechte dagegen um 30 kg weniger belastet. 
Um diesen Unterschied auszugleichen, muß die Flächen- 
verwindung betätigt werden, sonst tritt eine Neigung 
des Flugzeuges nach links ein. Wird aber der Aus- 
gleich durch die Verwindung vorgenommen, so erhöht 
sich der nützliche Widerstand auf der linken, herab- 
55 Seite. Auf der rechten vermindert er sich. 

ie Folge davon ist, daß ein Drehmoment um die 
senkrechte Achse des Flugzeuges eintritt. Die Maschine 
hat ständig das Bestreben, einen Kreis zu beschreiben, 
was wiederum nur durch entsprechende Einstellung 
des Seitensteuers hintangehalten werden kann. 

Diese Erscheinung bezeichnete man zu Anfang 
des flugtechnischen Zeitalters als »Drehkrankheit«, und 
da sie natürlich als außerordentlich lästig empfunden 
wurde, so trachtete man danach, sie zu beseitigen. 
Das gab eine mühevolle Arbeit mit Winkel und Schnur, 
zumeist im Morgengrauen, ehe der gewünschte Zu- 
stand gefunden wurde, der selbstverständlich bei der 
geringsten Havarie gestört wurde und wiederhergestellt 
werden mußte. Diese Arbeit wurde dadurch sehr 
erschwert, daß den ersten Flugzeugbauern (von den 
Wrights abgesehen) die Einsicht und das Verständnis 
für Fragen mehr theoretischer Natur vollkommen ab- 
ging, und das wahl- und ziellose Experimentieren, 
besonders mit Motor und Schraube, das Sammeln von 
auf sicherer Grundlage ruhenden Erfahrungen er- 
schwerte. 

Mittlerweile haben sich die Verhältnisse geändert. 
Der Flugzeugbauer unserer Zeit setzt seinen Stolz 
darein, die Maschine ve flugfertig aus der 
Fabrik herauszubringen, ohne daß mühevolle Kor- 
rekturen notwendig sind. Diese werden bereits in den 
Werkstätten vorgenommen und das Flugzeug weist 
im vorhinein die notwendigen Abweichungen von der 
symmetrischen Bauart auf. 

Welcher Art diese sind, ist in der Öffentlichkeit 
nicht bekannt. Die Einzelheiten dürften verschieden 
sein und werden als Fabrikationsgeheimnis gehütet. 
Jedenfalls braucht der Führer eines sorgfältig ge- 
arbeiteten Flugzeuges während des normalen 
Fluges Verwindung und Seitensteuer zur Auf- 
hebung des Rückdrehmomentes der Schraube nicht 
zu betätigen. 

Dafür setzt aber dieses sofort mit voller Kraft 
ein, wenn der Motor zu arbeiten aufhört, wenn also 
der Flugzeugführer absichtlich oder gezwungen zum 
Gleitfluge übergeht. Die unsymmetrische Bauart der 
Tragflächen und der Steuerung bewirkt dann, daß das 
Flugzeug sich nach der rechten Seite neigt. Dieses 
Bestreben muß durch den Gebrauch der Flächenver- 
windung aufgehoben werden. Betätigt aber der Flieger 
die Verwindung in dem entsprechenden Sinne, so 
verstärkt sich wiederum der vorher ausgeglichen ge- 
wesene nützliche Widerstand auf der rechten Seite 
und die Maschine zeigt die Neigung, einen Kreis, 
wenn auch mit großem Radius, nach rechts zu 
beschreiben. Der Führer muß also gleichzeitig auch 
das Seitensteuer gebrauchen. Das allerdings nur für 
den Fall, daß er während des Gleitfluges unbedingt 
die gerade Linie einhalten will oder dazu gezwungen 
ist. Besondere Verhältnisse, die in der Praxis für 
gewöhnlich obwalten, bringen es aber mit sich, dad 
gerade die letztangeführte Steuerungsmaßnahme sehr 
selten in Tätigkeit tritt oder dem Führer besunders 
augenfällig wird. 

Nebenbei sei noch bemerkt, daß sich dem durch 
die unsymmetrische Bauart des Flugzeuges hervor- 
gerufenen Moment noch ein zweites hinzugesellt. Dieses 
besteht darin, daß die weiter rotierende Schraube, 
welche die Arbeit des Leerlaufes vom Motor zu über- 


winden hat, ein Aktionsmoment hervorruft, das zwar 
wesentlich kleiner ist als das Rückdrehmoment, aber 
doch immerhin berücksichtigt werden muß. Es dürfte 
mit 10 Meterkilogramm in Rechnung zu stellen sein, 
so daß nach Beginn des Gleitfluges ein Drehmoment 
um die Längsachse von 70 Meterkilogramm ange- 
nommen werden muß. 

Diese Verhältnisse in das Gemeinverständliche 
übertragen, bedeutet nun nichts mehr und nichts weniger, 
als daß der Führer des Flugzeuges stets einen Be- 
gleiter an Bord hat, welchem es beliebt, in kritischen 
Augenblicken, das ist eben die Einleitung des Gleit- 
fluges, seinen Platz zu wechseln, und zwar begibt 
er sich an einen Ort, der bei einem Motor mit rechts- 
umlaufender Schraube gegenüber seinem eigentlichen 
Platz um etwa 1 Meter nach rechts verlegt ist. Während 
des normalen Fluges würde sich der Führer für einen 
solchen Begleiter bedanken, da die Schwierigkeiten 
in der Lenkung recht bedeutend sein würden. Wenn 
der Motor aber aussetzt oder abgestellt wird, ist er 
auf diesen Fall vorbereitet und er begegnet ihm durch 
entsprechende Steuerungsmaßnahmen. 

Es muß übrigens darauf hingewiesen werden, daß 
bei den modernen Riesenmaschinen, wie sie heute 
fast ausschließlich für Militärzwecke gebraucht werden, 
dieser fatale Passagier eine um so geringere Rolle 
spielt, je größer das Trägheitsmoment um die Längs- 
achse des Flugzeuges ist. Wirklich Alle trat 
es nur bei den vorläufig abgetanen leichten S 
maschinen der Franzosen auf, wo es auch durch 
augenblicklichen Gebrauch der Verwindung beseitigt 
werden mußte. 

Das durch den unsymmetrischen Bau des Flug- 
zeuges hervorgerufene Moment tritt nicht nur dann 
auf, wenn der Motor zu arbeiten aufhört, sondern 
auch in allen den Fällen, wo der Schraubenzug 
entfällt. Diese treten ein, wenn die Relativge- 
schwindigkeit des Flugzeuges gegenüber der Luft 
größer wird als die normale, für welche die Steigung 
der Schraube berechnet ist. Wenn das Flugzeug bei- 


205 


spielsweise nach vorne kippt und der Motor weiter- 
läuft, so kann seine Eigengeschwindigkeit in einem 
solchen Maße. wachsen, daß die »ideelle Marschge- 
schwindigkeit« der Schraube erreicht wird, bei welcher 
der Motor mit seiner normalen Umdrehungszahl leer- 
laufen würde. Wenn er dann nicht gedrosselt wird, 
geht er durch. Oder es kann das Flugzeug von einer 
von vorn kommenden Bö überfallen werden, wobei 
der Motor wiederum leerläuft und durchgeht. 

Da die Flugrichtung nun in den seltensten Fällen 
mit der Richtung der Luftströmung, in welcher auch 
die Böen angreifen, übereinstimmt, so werden die 
Störungen recht mannigfaltig und unübersichtlich. 
Wenn zum Beispiel die Bö bei dem bisher ins Auge 
gefaßten Fall einer rechtsumlaufenden Schraube von 
rechts vorn das Flugzeug trifft, so wird das durch 
den teilweisen oder vollständigen Leerlauf von Motor 
und Schraube geweckte Moment um die Längsachse 
je nach der Stärke der seitlichen Komponente ent- 
weder vermindert, aufgehoben oder in sein Gegenteil 
verkehrt, daß sich das Flugzeug nach links neigt. 
In diesem Falle verschwindet das Drehmoment, welches 
durch die unsymmetrische Gestaltung der Tragflächen 
bei vermindertem oder aufgehobenem Schraubenzug 
auftritt. Wenn aber die von vorn auftreffende Windbö 
mit einer linksseitigen Komponente behaftet ist, 
so verstärkt sie dieses Moment um die Längs- 
achse. Das Flugzeug neigt sich dann sehr stark nach 
rechts und der Führer muß dann sehr auf der Hut 
sein, wenn er das Abrutschen nach dieser Seite ver- 
hindern will. 

Das Rückdrehmoment der Schraube spielt daher 
eine gewisse, wenn auch nicht bedeutende Rolle. Es 
kann in bestimmten, nicht gerade seltenen Fällen die 
von außen kommenden Störungen des Gleichgewichtes 
verstärken. Doch sind diese Störungen nicht so be- 
deutend, daß man, etwa durch ausschließlichen Ge- 
brauch des Antriebes mittels zweier gegenläufiger 
Schrauben, auf die Vorteile der durch die Motorwelle 
direkt angetriebenen Schraube verzichten sollte. 


Graf Zeppelin.*) 


Von Hanns Pittner. 


Wie alle Bestrebungen auf dem Gebiete der Luft- 
schiffahrt, begegneten auch die Zeppelinschen Versuche 
zu Beginn unseres Jahrhunderts einer mehr als skepti- 
schen Beurteilung. Ungewohntes und Neues trat mit 
selbstbewußter, sicherer Gebärde in den Ideenkreis 
althergebrachter Vorstellungen und schlug in seiner 
grundsätzlichen Zusammenhanglosigkeit mit den An- 
sprüchen des Alltags und im unklaren Verstehen zur 
sprichwörtlichen Komik um. »in der schwäbischen 
Residenz habe ein alter Offizier den schnurrigen Plan 
ausgeheckt, ein lenkbares Luftschiff zu bauen. — Lenk- 
bares Luftschiff? — ! — Ja, es gibt doch komische 
Käuze!« — Und dieses Urteil blieb lange Zeit schneller 
als das Schiff und leider ebensolange noch wenig 
lenkbarer. Damit waren die Widerstände gegeben, 
nun konnte die Kraft in Erscheinung treten. Und un- 
bekümmert von der öffentlichen Meinung schritt Graf 
Zeppelin an die Vorarbeiten zur Durchführung seines 
Luftschiffbaues. In selbstsicherer Überzeugung begann 
er sein Werk, die Pläne waren fertig und der Erfolg 
gewiß. Aber ein chinesisches Sprichwort sagt unge- 
fähr: Wenn man neun Zehntel eines Weges erreicht 
hat, hat man noch die Hälfte des Weges vor sich. — 
Plötzlich stockte alles, und schier unübersteigbare 
Hindernisse wuchsen ringsum empor, denn die verfüg- 
baren Mittel waren erschöpft. Um diese Zeit flatterte 
diesem und jenem ein Briefchen ins Haus, worin um 
einen Beitrag zum Bau des Luitschiffes gebeten wurde. 
Die Bitte wurde im Papierkorb bestattet und man war 
sprachlos. Mein Gott. »Der Mann war ja General und 
hatte im 70er Krieg einen berühmt gewordenen Er- 


*) Graf Zeppelin feierte am 8. Juli seinen 77. Geburtstag. 


kundigungsritt ausgeführt. Aber er sollte sich wirklich 
nicht mit Dingen befassen, die er als Laie nicht 
versteht. Die Sachverständigen haben es ihm doch 
gesagt... 

Und er hat sich doch damit befaßt. Gott sei 
Dank. — Aber es bedurfte einer beispiellosen Energie 
und einer durch nichts zu erschütternden Überzeugungs- 
treue — kurzum einer ganzen Persönlichkeit. Und 
da fand das Schicksal an Graf Zeppelin seinen 
Meister. 

Der Erfinder Graf Zeppelin ist nur eine Erschei- 
nung einer aufstrebenden Kulturepoche, er steht nicht 
vereinzelt da im Werte seiner Arbeit, einzig wird er 
erst durch die Art, wie er sein Ziel erreichte und wie 
er und sein Streben, herauswachsend aus der bloßen 
Verwirklichung einer Idee, das deutsche Nationalgefühl 
zu einer bildhaften Deutlichkeit erhoben. Einen starren 
Lenkballon ähnlichen Prinzips hätte auch unter Um- 
ständen ein anderer erfinden können, diesen Plan 
aber in dem Umfange und unter den bekannten Ver- 
hältnissen durchführen — ein ganzes Volk damit aus 
den Bahnen des Alltags zur opferfreudigsten Begeiste- . 
rung emporzureißen und mit dem Willen des Siegers 
das Interesse einer Nation an dieses Werk zu fesseln, 
damit es das werde, was es in seiner Gänze bedeuten 
kann, vermochte nur einer, der selbststark seine Person 
hinter seinem Werke zurückstellen konnte, und im- 
stande war, dort, wo der Glaube an sein Ziel ihm 
nicht entgegenkam, sich denselben im Trotze zu 
erzwingen. i 

In dieser persönlichen Art liegt ein großes Motiv 
der Lebensgeschichte des Grafen Zeppelin und liegt 
auch der Kern seines Erfolges. Mit Recht führt ein 


206 


begeisterter Verehrer des Grafen, Dr. A Saager,*) in 
seinem neu erschienenen Werkchen an, daß die wert- 
vollsten Kräfte, die das deutsche Volk sein Eigen 
nennt, in ihm den höchsten Ausdruck gefunden: die 
Treue, die Beharrlichkeit, das Vertrauen und die Un- 
beugsamkeit; daß er heute gleichsam als Symbol 
dieser Kräfte vor dem deutschen Volke steht. Saager 
hat es verstanden, durch Vereinigung historischer Be- 
richte nicht allein die Persönlichkeit Graf Zeppelins 
aus der Fülle seiner den Schöpfer überstrahlenden 
Arbeit herauszumeißeln, sondern auch die Volks- 
psychologie klarzulegen, wie sie in der Wandlung von 
der ursprünglichen Achtlosigkeit bis zur idealsten 
Begeisterung an dem 
Werden und Vollen- 
den des Zeppelinschen 
Werkes Anteil nahm. — 

Ferdinand Graf v. 
Zeppelin wurde als 
Sohn des Hofmarschalls 
des Fiirsten von Hohen- 
zollern - Sigmaringen 
am 8. Juli 1838 zu 
Konstanz auf der so- 
genannten »Insel« ge- 
boren. Nach privaten 
Studien kam er 1853 
an die Real- und Poly- 
technische Schule in 
Cannstadt und zwei 
Jahre später »den Tra- 
ditionen der Familie 
getreu« an die Kriegs- 
schule in Ludwigsburg. 
Als Leutnant nahm er 
zweimal Urlaub, um im 
Jahre 1858 die Uni- 
versität in Tübingen 
zu beziehen und 1863, 
um zu kriegswissen- 
schaftlichen Studien 
am Sezessionskrieg in 
Nordamerika teilzu- 
nehmen. Seinem Taten- 
drange fiel es aber 
sehr schwer, nur den 
Beobachter zu spielen, 
und gelegentlich eines 
Flankenrittes gegen 
Stuarts Reiter ging sein 
Temperament mit ihm 
durch und er ließ sich 
hinreißen, die Attacke 
mitzureiten. Dabei 
wurde er abgesprengt 
und geriet im Feuer 
der ihn verfolgenden 
feindlichen Reiter in 
höchste Lebensgefahr, 
aus der ihn nur seine 
Geistesgegenwart und 
seine Unerschrockenheit mit knapper Not retteten. Bei 
St. Paul in Kanada machte er auch seinen ersten Aufstieg 
im Fesselballon und hatte dabei Gelegenheit, die Be- 
deutung des Ballonwesens für militärische Zwecke 
festzustellen und näher ins Auge zu fassen. Seinen 
Studienaufenthalt in Amerika beschloß er mit einer 
abenteuerlichen Forschungsreise, die er mit zwei 
Russen und zwei Indianern an die Quellen des Mis- 
sissippi unternahm. !m Jahre 1866 kämpfte Zeppelin 
als Württemberger auf Seite der Österreicher und 
zeichnete sich im Treffen von Aschaffenburg durch 
die Wiederherstellung der Verbindung zwischen der 
württembergischen und hessischen Division aus. 
Berühmt wurde Zeppelin durch seinen im deutsch- 


) Zeppelin, der Mensch, der Kämpfer, der Sieger. Bunte 
Bilder von gestern und heute. 


Ferdinand Graf v. Zeppelin. 


französischen Kriege (1870/71) ausgeführten kühnen 
Erkundigungsritt fünf Tage nach der Kriegserklärung, 
der ihn tief ins Feindesland führte und durch welchen 
er wertvolle Nachrichten über den Aufmarsch der 
feindlichen Armee seinem Kommando übermitteln 
konnte. Während der Belagerung von Paris hatte er 
angesichts der zahlreichen Kugelballons, die in der 
Stadt aufstiegen, um Nachrichten von der belagerten 
Stadt an die Truppen in der Provinz zu übermitteln 
und von denen kein einziger wieder zurückkam, Ge- 
legenheit, den eminenten Wert eines kriegstüchtigen 
Lenkballons zu erkennen, welcher Gedanke in ihm 
einmal Wurzel schlagend, auch zum persönlichen Ar- 
beiten auf diesem Ge- 
biete Anregung gab. 
Nachdem er im 
Jahre 1890 als General 
z. D. in Pension ging, 
beschäftigte er sich 
denn auch eingehend 
mit den umfassenden 
Studien zu seinem Luft- 
schiffbau. Die Prinzi- 
ien des zu lösenden 
roblems hatte er be- 
reits im Mai 1887 als 
königlich württem- 
bergischer Militärbe- 
vollmächtigter in einer 
Denkschrift niederge- 
legt. Bis zum Jahre 1893 
hatte Graf Zeppelin mit 
der fachmännischen 
Hilfe des Ingenieurs 
Th. Kober die Pläne 
zu seinem Projekte 
ausgearbeitet. Nun lag 
ihm daran, ein Gut- 
achten von kompe- 
tenter-Seite darüber zu 
erlangen und er wandte 
sich mit der Bitte an 
den Kaiser, eine Sach- 
verstandigen-Kommis- 
sion einzusetzen, mit 
dem hinzugefiigten 
Wunsche, daB der be- 
riihmte Physiker Helm- 
holtz, der seinerzeit die 
Unmöglichkeit nachzu- 
weisen versuchte, mit 
so großen Körpern die 
Luftwiderstände über- 
winden zu können, mit 
dem Vorsitz betraut 
würde. Helmholtz selbst 
kam nach eingehendem 
Studium zur ber- 
zeugung, daß dieses 
Projekt unbedingt be- 
achtenswert und nicht 
unausführbar sei, da aber unglücklicherweise der ver- 
dienstvolle Gelehrte vor der Abgabe des Gutachtens 
starb, fällte die Kommission, unbeeinflußt von seiner 
Ansicht, ein durchaus ablehnendes Urteil. Damit be- 
gann für Zeppelin die Zeit jener Kämpfe, in denen 
sein wahrer, fester Charakter entscheidend werden 
konnte. Es war auch natürlich, daß er sich nach seiner 
inneren Lo Se asl ay Überzeugung mit diesem 
Urteil nicht zufrieden geben konnte, und er wandte 
sich 1896 an den Verein deutscher Ingenieure. Dies 
war ein glücklicher Schritt, denn das Urteil dieser 
Männer der Praxis war ungleich günstiger und der 
Verein erließ sogar einen Aufruf, um sein Unternehmen 
zu unterstützen und zu fördern. Die Folge davon war, 
daß ungefähr 400.000 Mark in zwei Jahren zur Reali- 
sierung seines Projektes zusammenflossen, zu welchem 
Betrage er die gleiche Summe aus eigenen Mitteln 


hinzulegte und damit die »Aktiengesellschaft zur 
Förderung der Luftschiffahrt« begründete. Am 2. Juli 
1900 war der erste Lenkballon fertig. Aber alle drei 
Aufstiege, die das Luftschiff bis Oktober 1900 unter- 
nahm, verliefen nicht glücklich, da es jedesmal havariert 
wurde. Man war allgemein mit abwartender Skepsis 
dem Bau gefolgt, angesichts der mißglückten Versuche 
aber wurde das Urteil eindeutig: Das Monstrum steigt 
nicht wieder! wie eine Autorität bemerkte, und der 
Zusammenbruch schien endgültig, als sich auch die 
Gesellschaft aus Mangel an Mitteln auflösen mußte. 

Weitere Versuche des Grafen, durch wiederholte, 
in ihrer Art packende Aufrufe neue Mittel zusammen- 
zubringen, schlugen fehl, selbst der berühmte »Aufruf 
an Deutsche« von Moedebeck zeitigte nur ein ganz 
bescheidenes Resultat. Erst als sich der König von 
Württemberg der Sache annahm und eine Lotterie 
zugunsten des Baufonds genehmigte und Zeppelin 
abermals eine beträchtliche Summe beisteuerte, konnte 
der Bau eines neuen Lenkballons in Angriff genommen 
werden, der im Spätherbst 1905 fertig wurde und im 
Jänner 1906 — gestrandet und durch einen Orkan 
wieder vernichtet war. — — 

sprach von dem Zeppelin-Luftschiff wie von 
einer »Erinnerung«. — 

Aber nun erwachte in Zeppelin der echte wilde 
Trotz. Er gab Equipage, Diener und jenen Komfort 
auf und bestritt aus eigenen Mitteln den Bau eines 
dritten Luftschiffes — und diesesmal siegte er. Zwei 
Fahrten von je 100 Kilometer Länge gelangen ohne Un- 
fall und nun wurde zu seiner weiteren Unterstützung 
in Preußen eine Lotterie genehmigt und ihm — unter 
bestimmten Bedingungen — ein Zuschuß vom Reiche 
in Aussicht gestellt. Neues Hoffen und sieggewisses 
Schaffen enttaltete sich am Bodensee. Es folgte nun 
die Zwölfstundenfahrt in die Schweiz am 1. Juli 1908. 
Die Skeptiker schwiegen, das Volk war begeistert, 
hingerissen. Der »Luitgroßadmiral«, wie Ernst von 
Wolzogen den Grafen nannte, wurde verehrt und be- 
sungen wie ein Held. 

Zwar wurde an kompetenter Stelle noch immer 
eine nervöse Unsicherheit beobachtet, und anläßlich 
eines Versuches, eine 24-Stundenfahrt auszuführen, 
die als vorgeschriebene militärische Übernahmsfahrt 
f sollte, wobei man aber unterlassen hatte, die 

ilitärbehörde rechtzeitig zu verständigen, kam es 
sogar zu einem kleinen Mißverständnis zwischen dem 
Grafen und dem damaligen Kriegsminister von Einem, 
das aber sofort wieder beigelegt war. Eine humoristi- 
sche Zeitschrift veröffentlichte damals das gelungene 
Wortspiel: »Im Anschluß an den Konflikt zwischen 
dem Grafen Zeppelin und dem Kriegsminister von 
Einem spricht man jetzt allenthalben von den beiden. 
Später wird man nur noch von Einem sprechen, 
nämlich vom Grafen Zeppelin.« (Der Schreiber 
dieser Zeilen hat sich zwar geirrt, denn damals waren 
Namur und Lüttich noch leere Namen, aber die Volks- 
stimmung war damit gekennzeichnet.) 

Und nun sollte am 4. August die militärische 
Übernahmsfahrt angetreten werden. Sie führte vom 
Bodensee über Basel, Straßburg, Speyer nach Mainz 
und zurück nach — Echterdingen! — Das Luft- 
schiff durch Feuer gänzlich zerstört. — Und nun ge- 
schah etwas ganz Seltsames, ein Ereignis, das beispiel- 
los dasteht in der Geschichte menschlichen Schaffens, 
etwas, das Hildebrandt treffend ein »Wunder des 
Idealismus« nennt. Als das Luftschiff in Flammen auf- 
ging, erfüllte Verzweiflung und Wut über die Tücke 
des Elements die Tausende, die anwesend waren. 
Aber brausende, jauchzende, nicht endenwollende 
Hurra- und Hochrufe begrüßten den Grafen, als er im 
Automobil zur Unglücksstelle kam — ohne eine Miene 
zu verziehen — wie zur Marmorsäule erstarrt. 
Am gleichen Tage noch wurde spontan der Gedanke 
einer Nationalsammlung geboren. Der Funke, der bei 
Echterdingen das Luftschiff vernichtete, hat auch im 
deutschen Herzen gezündet. Der Kronprinz stellte sich 
an die Spitze eines deutschen Reichskomitees zur 


207 


Aufbringung einer Ehrengabe an den Grafen Zeppelin. 
Zwei Monate später waren 51% Millionen Mark bei- 
sammen, die ganze Volksspende belief sich auf 
7 Millionen Mark, wovon nach der » Württemberger 
Zeitung: mehr als 1½ Millionen Mark bereits am fol- 
genden Tag nach dem Echterdinger Unglück gezeichnet 
waren. Alles stand wie bezaubert im Banne dieses 
Ereignisses. 


Und ist auch dein Ballon zerschellt, 
Alldeutschland bleibt dir hold. — 

Die Stange, die dein Volk dir hält, 
Ist eine Stange Gold, 


schrieb damals der »Ulk«. Und diese Stange Gold 
war im eigentlichen Sinne auch der Geburtsdukaten 
des Zeppelinschen Werkes. 

Von »Echterdingen« ab ging der Siegesflug 
Zeppelins steil empor. Es fehlte zwar auch künftighin 
nicht an Katastrophen, die dieser Arbeit wie lauernde 
Schatten zu folgen schienen, aber jede wurde eine 
große Lehre und so wurden sie immer seltener, so 
daß der endliche Erfolg schließlich alle Opfer und 
Verluste überstrahlte. Heute steht Graf Zeppelin am 
Ziele, erfüllt von dem erhebenden Bewußtsein, nicht 
nur das Richtige gewollt, sondern auch erreicht zu 
haben. Der große Einsatz, die Wertprobe in eiserner 
Zeit rechtfertigten das Vertrauen, das Hoffen und die 
Zuversicht eines ganzen Volkes auf das Werk eines 
einzelnen. 

Der losbrechende Sturm war den Luftkreuzern 
vertrautes Element und löste die in sie durch ein 
Jahrzehnt unermüdlicher Arbeit hineingelegten Energien. 
Die ganze Welt sah mit nervöser Spannung den ersten 
Kriegsfahrten der Zeppeline entgegen, und Städte und 
Küsten unserer Gegner versanken zitternd in ängst- 
liches, schützendes Dunkel. Vielleicht haben sich un- 
sere »hochkultivierten« Gegner nach ihren eigenen 
haßerfüllten Absichten die Angriffe der Zeppeline 
anders vorgestellt und zu Beginn des Krieges ein 
maBloses Vernichtungswerk erwartet. Es lag nicht an 
der Unmöglichkeit, daß es nicht geschah, sondern an 
den auch im Kriege von uns respektierten Menschen- 
rechten. Die Zeppeline bekämpften nur den Feind, 
diesen aber unerbittlich, furchtlos und mit Erfolg. — 
Eine glänzende Schilderung möge aus dem Buche 
Dr. Saagers hier anzuführen gestattet sein: 


Eine Zeppelinnacht in Paris. 


ar ER Von überall hört man den Ruf: 
Zeppelins! Les Zeppelins!« 
en a Schutzmann steht mitten im Haufen und er- 

rt: 

»Sie wurden ein Viertel vor ein Uhr aus Compiégne 
gemeldet und müssen jetzt über der Enceinte sein. .« 

Die Uhr ist kurz nach eins. Überall in Paris — 
von Montparnasse bis Menilmontant, in Passy und 
Montmartre erklingen die Hornsignale der Feuerwehr- 
leute, Autos rasen durch die Boulevards und blasen 
Alarm. Garde a vous! Vorm Bahnhof werden die 
letzten Lichter gelöscht und wir stehen im Dunkeln 
unter dem sternklaren Himmel. Aus der Ferne, vom 
Mont Valerien und den Forts um Paris hören wir in 
der stillen Nacht das tiefe Brummen der Kanonen. 
An den Droschkenhaltestellen haben die Kutscher die 
Laternen ihrer Wagen gelöscht und sich aus Angst 
vor den Zeppelinen in die geschlossenen Droschken 
verkrochen. 

Da wird die Luft von einem ohrenbetäubenden 
Knall erschüttert. 

»Sehtl« ruft einer aus dem Haufen und zeigt in 
der Richtung des Eiffelturmes: Zeppelin! 

»Wo, wo ?« 

»Und die kleinen Lichter hinter ihm! Das sind 
unsere Flieger. . Sie kriegen ihn! Sie kriegen ihn!« 

Wir starren angestrengt zu den Sternen hinauf, 
sehen aber nur ihr ruhiges Blinken, nichts anderes; 
weder Zeppeline noch französische Flieger. Durch 
die Stille aber hören wir die Kanonen vom Platz 


»Les 


208 


vorm Trocadero und die Mitrailleusen von der Platt- 
form des Eiffelturmes. 

Es ist die erste Frühlingsnacht. Die Luft ist so 
lind und mild. Die schwarze Kuppel des Invaliden- 
doms hebt sich wie eine Silhouette vom Sternen- 
himmel ab. Wir hören zwei kräftige Explosionen oder 
Schüsse. Sind es Bomben von dem unsichtbaren 
Luftschiff oder französische Kanonen ? 

Wie von einer unsichtbaren Macht angezogen, 
sammeln alle Scheinwerfer, die bisher unaufhörlich 
und unaufhaltsam über den Himmel gefegt sind, sich 
jetzt an einem bestimmten Punkt, schneiden sich und 
bilden leuchtende Winkel am östlichen Horizont. Ein 
Strahlenbund vom Eiffelturm zeigt gerade auf die 
Sacré-coeur-Kirche, die zwischen den Höhen von 
Montmartre weiß durch die Nacht leuchtet. Ein an- 
derer Sucher kommt von dem Dach auf Dyfagels 
Etablissement, entfaltet sich wie ein Fächer und 
bildet ein leuchtendes Oval über Batignolles. Von 
verborgenen Stationen längs der Seine, von den 
kleinen Ortschaften in der 5 von Paris, aus 
der tiefsten Dunkelheit der Weltstadt selbst strahlen 
diese leuchtende Brücken aus, die zu dem unsicht- 
baren Feind in der Nacht hinaufführen, der hoch 
oben in der Finsternis dem Lauf der Seine folgt und 
ohne zu schwindeln, die Sterne in dem rinnenden 
Wasser blinken sieht. 

Plötzlich sehen wir, wie ein Sucher, der unruhig 
auf und ab vibriert hat, in die Höhe schiebt und fast 
lotrecht über unseren Köpfen ein Oval bildet. Gleich- 
zeitig prasselt vom Dach des Triumphbogens der 
Bleiregen der Mitrailleusen. Und jetzt hören wir in 
der Richtung von Grenelle deutlich die Motoren des 
Luftschiffes, ein tiefes Brummen, das näher und näher 
kommt, und im nächsten Augenblick sehen wir, indem 
der Scheinwerfer seine Beute findet und umschließt 
einen fe N, der von dem leuchtenden Oval des 
Scheinwerfers umgeben, einen Augenblick im Stern- 
bild der Kassiopeja steht und darauf langsam weiter- 

leitet, den Champs Elysées in der Richtung von 
euilly folgend. Das Luftschiff, das vorn eine stark 
leuchtende Laterne hat, schwimmt sicherlich nicht 
mehr als 1000 m über der Stadt. Jetztiaber steigt es, 
versucht durch ein schnelles Manöver dem Licht des 


\ 


— 


I 


Scheinwerfers zu entgehen. Die Luft hallt von Kanonen- 
schüssen wider, und deutlich sehen wir, wie die 
Schrapnells vor, hinter und neben dem Zeppelin ex- 
plodieren, ohne daß ein einziges trifft. Die Explosionen 
der Granaten hinterlassen einen Federbusch von 
weißem Rauch, der unterm Nachthimmel verflattert. 
Im Kielwasser des Luftschiffes zeigen sich einige 
kleine helle Punkte, die über den Himmel gleiten 
und plötzlich verlöschen. Zuerst glauben wir, daß es 
verfolgende französische Aeroplane sind mit Laternen 
am Steven, schließlich aber kommen sie in solchen 
Mengen vor, daß wir annehmen müssen, daß es ent- 
weder leuchtende Raketten oder Funken vom Motor 
des Zeppelins sind. 

Der Anblick, den ich geschildert habe, dauert nur 
wenige Augenblicke. Durch ein schnelles Manöver ist 
das Luftschiff in der Dunkelheit verschwunden, übrig 
sind nur die roten Funken und die Strahlenbündel der 
Scheinwerfer, die wieder ohne Ziel ruhelos über den 
Himmel flackern. 

Die Kanonenschüsse werden seltener und ferner 
und verstummen schließlich ganz. Die leicht bekleideten 
Zuschauer, die die Balkons gefüllt hatten, schließen 
Fenster und Läden. Vereinzelte Nachtwanderer, die 
das seltsame Schauspiel verfolgt hatten, kehren heim. 
Bald ist alles still. Paris schläft wieder.«*) 

Wenn heute das deutsche Volk dem Grafen Zep- 
pelin eine ungleich größere Verehrung entgegenbringt 
als dem Erfinder eines erfolgreichen starren Luft- 
schiffes eigentlich zukommt, so fühlt es instinktiv, daß 
— wie Saager treffend ausführt — das deutsche 
Volk an der Persönlichkeit des Grafen und an 
seinem Werk »gelernt hat, sich als Volk zu fühlen«! 
Und mit weit vorschauender Erkenntnis schließt 
Saager in seinem Vorwort mit den Worten, daß 
»spätere Geschichtsschreiber in die Darstellung des 
Weltkrieges ein Kapitel wohl hineinziehen werden 
müssen, das »Echterdingen« heißt. Und sie werden 
betonen, daß »unser« Zeppelin gerade die Eigen- 
schaften in aller Stille bei seinem Schaffen vor- 
preine hat, durch die im Weltkriege das deutsche 
olk sich bewährte«. 


*) J Eine Se Schilderung von Andreas Winding, erschienen 
in -Politiken«. 


Aufstieg eines „ arischen Fliegers auf gepanzertem use -Doppel- 
r 


decker. Südlicher 


iegsschauplatz. (»Interessantes Blat 


209 


Das Heldengrab unseres unvergeßlichen und hochverehrten Ausschuß- 
mitgliedes Hauptmannes Franz Freiherrn v. Berlepsch auf dem 
Kirchhofe zu Warcholi bei Nisko. 


ADN 
S 
Na; 


DANS 


Der besonderen Liebenswürdigkeit der Frau Ba- 
ronin v. Berlepsch verdanken wir die obenstehend 
reproduzierte Aufnahme des einfachen Heldengrabes. 
Hier wurde unser unvergeBlicher, treuer Freund und 


MM CF ica 
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Aviationskollege von seinem Diener Anton Nowak, 
der ihn von Raclavice, wo Freiherr v. Berlepsch am 
29. Oktober v. J. den Heldentod fand, bis Warcholi 
trug, am 30. desselben Monates beerdigt. R.i.P. 


Aus Industrie und Praxis. 
(Neues aus Amerika.) 


Wer an der Hand der kurzen, dafür aber um 
so inhaltsschwereren Berichte unserer verbündeten 
Generalstäbe die Leistungen unserer Luftfahrer- 
truppen im Felde verfolgt, wird schon durch die 
schmucklose, nackte Aufzählung und Registrierung 
einzelner Tatsachen allein unschwer zu der Über- 
zeugung gelangen, daß nicht zuletzt die rauhe 
Notwendigkeit des Krieges selbst den 
mächtigsten Anlaß zu der in der letzten 
Zeit bemerkbar gewordenen rapiden 
Expansion des Flugwesens und seiner so ungemein 
sprunghaft forcierten Entwicklung auch in tech- 
nischer Hinsicht geboten hat. 

Wenn wir schon zu einer Zeit, da noch niemand 
die Möglichkeit kriegerischer Verwicklungen ernstlich 


zu erwägen vermochte, mit großer Befriedigung kon- 
statieren konnten, daß gerade das deutsche und 
österreichische Flugwesen sowohl qualitativ wie auch 
quantitativ jenes unserer nunmehrigen Feinde zu über- 
flügeln begann — und dies im wahrsten Sinne des 
Wortes —, so kann heute, nach mehr als zwölf Monaten 
ununterbrochenen Kampfes, zu Wasser, zu Lande und 
zur Luft, eben im Hinblicke auf die effektiven 
Leistungen, die gerade die jüngste Zeit auf unserer 
Seite gebracht, kein Zweifel mehr darüber obwalten, 
daß die neu hinzugekommenen, speziell kriegstech- 
nischen Erfahrungen und deren verständnisvollste 
Auswertung hier das übrige getan haben, um uns 
1 so wohlverdienten Vorsprung dauernd zu 
sichern. 


210 


All dem gegenüber erscheint es nur allzu begreif- 
lich, daß unsere Gegner, gewitzigt durch ihre sich 
täglich mehrenden MiBerfolge, alle erdenklichen An- 
strengungen machen, uns diesen zum Teil von ihnen 
schon selbst kleinmütig eingeräumten Vorrang streitig 
zu machen. Zu welchen Verirrungen solch überhastete 
Bemühungen ohne Systematik führen können, dies 
sehen wir an den Mißerfolgen, die sich prompt ein- 
stellen, sobald wir von dem Auftauchen irgend eines 
neuen Leviathans der Lüfte — und dies scheint 
momentan die Spezialität unserer Gegner zu sein — 
hören. 

Rußland hat mit seinen gigantischen »Sikorskys« 
den Anfang gemacht, bald folgte Frankreich mit 
seinen Dorands — »Großkampfflugzeuge« 

enannt — und zuletzt hören wir nun auch von dem 

rscheinen eines, vermutlich in Italien geborenen 
Luftdreadnoughts über den österreichischen Stellungen 
im Süden der Monarchie. Im Hinblicke auf die ziffern- 
mäßig ausgedrückte Minderwertigkeit dieser mon- 
strösen Flugzeuge, auf die ebenso ziffernmäßig aus- 
drückbaren Nachteile, die spezifisch dieser Riesen- 


klasse nachgewiesen werden können, ist es nur auf 


das lebhafteste zubegrüßen, daß der auch 
in Deutschland und Österreich zwischen- 
weilig aufgetauchte Plan bezüglich Baues 
von ähnlichen Ungetümen, das Projekt der 
Großkampfflugzeuge, tatsächlich bisher 
nur auf dem Papier geblieben ist. Verdanken 
wir doch viel, wenn nicht gar alles, der unserem 
Gegner geheimnisvollen Beweglichkeit und Agilität 
unserer Kriegsdoppeldecker, die in diesem Belange, 
wie die Ergebnisse von über dem nördlichen Kriegs- 
schauplatze stattgefundenen Luftkämpfen lehren, den 
schweren Apparaten der Sikorskyklasse weitaus 
überlegen sind, die trotz des unverhältnismäßig großen 
Aufwandes an motorischer Leistung eben infolge ihres 
großen Beharrungsvermögens über eine soweit aus- 
dehnbare Bewegungsgeschmeidigkeit nicht verfügen. 

Stellenweise vermag man heute bereits die Wahr- 
nchmung zu machen, daß speziell die Franzosen alle 
erdenklichen Versuche unternehmen, sich dem be- 
währten kraftvollen deutschen Doppeldeckertyp zu 
nähern, allem Anscheine nach aber mit wenig Erfolg. 
Fehlt ihnen gerade hier 
doch die vitalste Voraus- 
setzung: der deutsche 
Standmotor. Bereits vor 
Kriegsausbruch machteein 
Erlaß des französischen 
Kriegsministers viel von 
sich reden, demzufolge die 
Motorenindustriellen an- 
gewiesen wurden, sich 
mit dem Baue von Stand- 
motoren intensiver zu be- 
fassen und dabei sich 
speziell an das deutsche 
Vorbild zu halten. Diese, 
kurz vor Toresschluß ge- 
kommene Einsicht hatte 
wohl den Ankauf einiger 
deutscher Motorenmodelle 
zur Folge, einen brauch- 
baren Standmotor aber hat 
die französische Motoren- 
industrie nicht herausge- 
bracht. Aber auch die 
französische und auch 
die englische Flugzeug- 
industrie selbst hatte im 
Kopieren deutscher Vor- 
bilder wenig, herzlich 
wenig Erfolg, trotzdem sie 
es doch bloß notwendig 
gehabt hätte, den einen 
oder den anderen der 
wenigen, durch Notlan- 


ER 


Ta h le o 


dungen in feindlichen Besitz gekommenen Apparate 
glatt zu kopieren. 

Auf welchem technischen Niveau sich dermalen 
die Flugzeugindustrie unserer Feinde bewegt, dies 
erfahren wir nunmehr zugleich mit einigen recht 
interessanten Einzelheiten auf dem Umwege über 
Amerika, dessen merkwürdige Auffassung und Aus- 
legung der Pflichten eines neutralen Staates in den 
letzten Monaten vielfach von berufenerer Seite erörtert 
worden ist. 

Die Industrie der Vereinigten Staaten, speziell 
aber die Flugzeugindustrie, versorgt heute bekanntlich 
Frankreich, vor allem aber Rußland ausgiebig mit 
Flugzeugen, unter diesen zunächst mit solchen des 
Systems Curtiß. Sowohl die französische Marine, 
wie auch jene Rußlands verfügen über eine große 
Anzahl von Original-Curtiß-Flugbooten, die in regel- 
mäßigen Zeitabständen an die Verbündeten zur Ab- 
lieferung gebracht werden. So ist erst in den letzten 
Tagen ein Transport von über achtzig solchen Flug- 
booten an die Dreiverbandsmächte geliefert worden, 
Bestellungen, die augenscheinlich die völlig brach 
darniederliegende amerikanische Industrie vor gefähr- 


lichen geschäftlichen Stagnationen bewahrt haben. 


Als fast alleinige und konkurrenzlose Lieferanten 
an die Dreiverbandsmächte kommen heute nur die 
Curtiß-Werke in Hammondsport in Betracht. Ver- 
schwindend klein sind im Vergleiche hiezu die Liefe- 
rungen, welche Thomas Brothers und Benoist 
übertragen werden. Nachdem der Bedarf des eigenen 
Landes, d. i. der amerikanischen Marine, ein äußerst 
geringer ist — die neuesten Berichte sprechen von 
der unglaublich geringen Anzahl von 23 Wasserflug- 
zeugen, über welche die Marine der U.S.A. heute 
insgesamt verfügen soll — so sind diese Firmen 
haupsächlich darauf angewiesen, das Ausland als 
Absatzgebiet für ihre Produktion zu gewinnen, da der 
Flugsport in Amerika selbst nicht recht florieren will. 

Unter dem Drucke dieser Verhältnisse, sowie 
beeinflußt durch die Erfolge deutscher Flugzeuge, 
suchen nun fast alle amerikanischen Fabriken ihr Heil 
in dem Kopieren deutscher Doppeldecker, meist aber 
nur mit geringem Erfolge, da ihnen ja die jahrelange 
Erfahrung fast völlig fehlt. 


Fig. 1. Blick in den Montageraum der neuen Curtiß-Factory in Buffalo. 


—— — — — ee 


Fig. 2. Planzeichnung des Benoist-Flugbootes. 


Unter der Ungunst der Verhältnisse haben die 
Wright-Werke zu Dayton, Ohio, am meisten zu 
leiden. Orville, der nach dem Tode seines genialen 
Bruders die alleinige Leitung der Fabriken übernahm, 
hat sich augenscheinlich nicht dazu entschließen 
können, die neuzeitlichen Bautendenzen bei seinen 
Konstruktionen zu berücksichtigen, und so erscheint 
es nur zu begreiflich, daß bei dem erbitterten Kon- 
kurrenzkampfe der amerikanischen Flugzeugindustrie, 
welche ja angestrengt an der Vervollkommnung ihrer 
Schöpfungen arbeitet, der Wright-Doppeldecker heute 
selbst in den U.S.A. als veraltet und unmodern be- 
zeichnet wird. 

So wenig in Amerika auf dem Gebiete des Land- 
flugzeugbaues bisher geleistet worden ist, so viel 
konnte anderseits wieder auf jenem des Wasserflug- 
wesens erzielt werden. Allen voran hat Curtiß, die 
speziell für Amerika hohe Bedeutung des Flugbootes 
für die Zwecke der Küstenverteidigung ermessend, 
diesesselbstzu höchster Vollendung zu bringen vermocht. 

Durch die Erfolge 
seiner fliegenden Boote 
und die damit verbundene 
größere Nachfrage zur 
Vergrößerung seines 
Betriebes genötigt, hat 
Curtiß in jüngster Zeit 
eine Filialfabrik seiner 
in Hammondsport und 
Newyork befindlichen 
Werke, die auch mit mehr 
oder minder großem Er- 
folg die Motorenerzeu- 
gung betreiben, in Buffalo 
errichtet, die sich haupt- 
sächlich mit der Erzeu- 
gung von Landflug- 
maschinen befaßt. Fig. 1 
genan einen kleinen 

inblick in die große 
Montagehalle dieser Fa- 
brik, in welcher gerade 
eine Serie seiner neuen 
Militär-Doppeldecker in 
Anfertigung begriffen ist. 
Aus dem Bilde geht sehr 
deutlich die heute bereits 
hierzulande verworfene 
Kühlerform und -anord- 
nung hervor, sowie auch 


211 


der unverkennbar deutsche Schnitt 
des Rumpfes und Fahrgestelles. 
Auf dem Gebiete des Flugboot- 
baues hat Curtiß in Amerika selbst 
nur in Benoist einen halbwegs 
ebenbürtigen Konkurrenten gefunden, 
dessen neues Flugboot, Typ 1915, 
in den Fig. 2 und 3 dargestellt ist. 
Die in Chicago, Illinois, gelegene 
Fabrik von Benoist stellt zwei Typen 
dieses Bootes her, und zwar Typ 
»A«, zweisitzig, mit 75 PS-Motor, 
und Typ »B«, ebenfalls zweisitzig, 
aber mit 100 PS-Motor. Ersterer Typ 
besitzt eine Spannweite von rund 
12 m bei einer durchschnittlichen 
Decktiefe von 175m. Das Boot ist 
vollkommen aus Spruce hergestellt 
und 7 m lang, vorne mit viertelzölli- 
gem Fournier, rückwärts mit solchem 
von 3/3 Zoll Stärke überzogen. Der 
Motor befindet sich unmittelbar 
hinter den beiden Frontsitzen, also 
im Boote selbst, und treibt mittels 
einer Kette die Druckschraube an. 


Im te folgt die Bauart den 
11 Curtiß erfolgreich eingeführten 
inien. 


Neuerdings ist auch der amerikanische Konstruk- 
teur Christofferson, dessen eigenartiger Doppel- 
decker bereits in Nr. 1/2 d. J. beschrieben wurde, 
mit einer sehr hübsch ausgeführten Flugbootkonstruk- 
tion hervorgetreten, deren Dispositionszeichnung in 
Fig. 4 wiedergegeben ist. Ausführung der Flächen, 
Steuer und Steuerung etc. ist unverändert von dem 
beschriebenen Apparat auch auf die Bootskonstruktion 
übernommen worden. Auch der speziell für harten 
Seegang sehr widerstandsfähig gebaute Bootsrumpf 
verrät gewisse Ähnlichkeit mit jenem des Doppel- 
deckers, besonders in der Art der Beplankung, die 
ja für die Apparate des genannten Konstrukteurs 
charakteristisch ist und ebenfalls bereits ausführlich 
beschrieben wurde. Der Boden des Bootes verläuft 
stufenlos von vorne in schwacher Kurve konvex ab- 
fallend, hernach vollkommen eben und horizontal, 
dann wieder schwach nach oben führend. Vollkommen 
ungewölbt (in der Querrichtung betrachtet), wird er 
seitlich rechts und links durch zwei Längsleisten ein- 


2 


Fig. 3. Benoist-Flugboot der amerikanischen Marine. 


212 


gefaßt, die hochkant gestellt, über den Boden hinaus- | Urteile amerikanischer Marineure ganz besonders gut 


ragen und dem Boote im Wasser eine sicherere Führung 
verleihen und dabei auch schädliche Wirbelungen 
vermeiden sollen. 

Die oben 15 m klafternden Tragdecken sind analog 
jenen des Landdoppeldeckers ausgeführt und auch 
bezüglich ihrer Konturierung jenen gleich geführt. Die 


Fig. 4. Planzeichnung des Christofferson-Flugbootes. 


beiden, in einem gegenseitigen Abstande von Im ge- 
führten Träger der Tragflächen besitzen Doppel-T- 
Querschnitt und sind aus verleimten Sprucehölzern 
zusammengesetzt. Auch die aus Oregonspruce und 
Lindenholz gefertigten Rippen besitzen den gleichen 
Querschnitt. Ihre vordersten Partien erhalten einen 
Überzug aus Wallnußfournier, der die Bildung einer 
glatten, rillenfreien Ober- und Unterfläche des Ein- 
trittsschnabels bezweckt. Als Novum ist die Art der 
Innendiagonalversteifung des Flügelgerüstes hervor- 
zuheben. An Stelle der üblichen Drahtzüge werden 
hölzerne Zugstäbe sowohl für die Querrichtung, wie 
auch für die Diagonalen verwendet, wie dies aus der 
Draufsicht in Fig. 4, links, hervorgeht. Die Verbindung 
dieser Stäbe mit den Rippen erfolgt nicht etwa 
gelenkig oder mit seitlichem Spielraum, sondern 
durch Verleimung an den Kreuzungsstellen. Die An- 
schlußverbindungen je zweier zusammenstoßender 
Stäbe sind gelenkig durchgeführt. Ob diese neue Art 
der Innenverspannung tatsächlich der gebräuchlichen 
überlegen ist, kann ohne Erfahrungsresultate nicht so 
ohne weiteres entschieden werden. Jedenfalls hat 
diese Methode den großen Vorteil für sich, daß die 
Dehnung einen viel geringeren Prozentsatz einnimmt, 
selbst bei vervielfachter Beanspruchung, so daß sich 
das häufige Nachspannen erübrigen dürfte. 

Neben den Flugbooten der Bauart Curtiß und 
Benoist hat die amerikanische Marine in jüngster 
Zeit auch Wasserflugzeuge der Bauart BurgeB- 
Dunne eingestellt, die von der Burgeß-Aeroplane- 
Company in Marblehead, Massachusetts, im Linzenz- 
wege erzeugt werden. Es sind dies die schwanzlosen 
Doppeldecker des englischen Kapitäns Dunne, die 
in Europa berechtigterweise recht kühle Aufnahme 
gefunden haben. Wie die Fig. 5 zeigt, ist lies 
nach Abnahme der Räder dadurch zu einem Wasser- 
flugzeuge adaptiert worden, daß er mit seinen lang- 
gestreckten Kufen einfach auf einen an denselben 
befestigten Mittelschwimmer gestellt wurde. Mit einem 
Maschinengewehr armiert, soll sich dieser Apparat 
für die Zwecke der Küstenverteidigung nach dem 


eignen. 

7 unverkennbare Einfluß deutscher Konstruk- 
tionstendenzen zeigt sich auch in dem in Fig. 6 
wiedergegebenen Entwurfe des Militärdoppeldeckers 
eines jüngeren amerikanischen Konstrukteurs, He in- 


' rich, dessen Tragdecken die Pfeilform, gepaart mit 


negativer Flächenstaffelung, auf- 
weisen. Praktischen Versuchen zu- 
folge soll dieser Apparat, der noch 
im Vorjahre erprobt wurde, eine 
Geschwindigkeitsdifferenz von mehr 
als 50 Prozent der Minimalge- 
schwindigkeit gezeigt haben, wobei 
der besonders kurze Anlauf sowie 
auch das brillante Steigvermögen der 
Maschine auf eine gute Ausnützung 
der Flächen schließen läßt. In weni- 
gen Minuten zerlegbar, besitzt die 

aschine mit Passagier einen Akti- 
onsradius von 500 Meilen. Die Sitze 
sind tandemartig, also hintereinander, 
im breiten Bootsrumpfe angeordnet, 
die Breite der Passagiersitze ist 
derartig groß gehalten, daß bequem 
auch zwei Passagiere Platz finden 
können. Die Steuerung ist, ent- 
sprechend den Anforderungen der 
amerikanischen Heeresverwaltung, 
in doppelter Anzahl vorgesehen. 
Die Grenzen der erreichbaren Ge- 
schwindigkeit schwanken bei dem 
vorliegenden Typ bei Verwendung 
eines 100 PS-Gyromotors zwischen 
80 und 150 km/St. Bei einer Be- 
lastung mit einem Passagier, Brenn- 
stoff und Öl für 4 Stunden, vermag 
dieser Apparat 260m pro Minute zu steigen. Der 
Motor selbst ist ein amerikanischer Gyromotor von 
110 PS eff., einem Brennstoffverbrauch von 10 Gallonen 
pro Stunde und einem Gewichte von bloß 135 kg. 

ie oberen Flügel sind als durchlaufendes, ungeteiltes 
Tragdeck ausgebildet und schwach pfeilförmig nach 
hinten gedreht. Ihr Gerüst besteht aus zwei Pechene 
längsträgern mit Sprucerippen, deren beider Quer- 
schnitt ein »I« zeigt. Der Vierkant-Gitterrumpf trägt 
vorn eine gehämmerte Aluminiumhaube a la Euler 
und rückwärts eine nichttragende Dämpfungsfläche 
a la Aviatik, an die sich die paarigen Höhensteuer- 
lappen anschließen. Das Fahrgestell, dessen Anord- 
nung aus der Zeichnung hervorgeht, trägt eine kurzer 
aufgebogene Stoßkufe, deren Anwesenheit im Hin- 
blicke auf die vorliegenden Erfahrungen als unzweck- 
mäßig bezeichnet werden muß. An dieser Stelle soll 
übrigens darauf hingewiesen werden, daß die noch 
vor drei Jahren von fast allen Flugtechnikern so warm 


Fig. 5. Schwanzloser Burgeß-Dunne-Wasserpfeilflieger der 
amerikanischen Marine. 


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empfohlenen Kufen nunmehr in Deutschland und 
Österreich gänzlich eliminiert worden sind, woran 
nicht zum mindesten die durch ihre Anwesenheit bei 
steilen Landungen ständig nahegerückte Gefahr des 
Einbohrens und Uberschlagens am Boden, wie aber 
auch anderseits die weitestgehende Rücksichtnahme 
an an unnötiger luftwiderstanderregender Teile 
schuld ist. 


Unter den weiteren bemerkenswerten Neukonstruk- 
tionen der amerikanischen Flugzeugindustrie ist noch 
der neue Sloane-Doppeldecker, Fig. 7, zu erwähnen, 
der von der Sioane-Aeroplane-Company in San Fran- 
cisco, Kalifornien, gebaut wird, die sich bislang mit 
dem Kopieren französischer Apparate, namentlich aber 
der Deperdussin-Eindecker, begnügte. Der neue Sloane 
»E 2«-Doppeldecker, der ebenfalls für militärische 
Zwecke gebaut wurde, ist mit einem 80 PS-Gyro- 


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Fig. 6. Militärdoppeldecker Heinrich. 


motor ausgestattet, mit welchem Geschwindigkeits- 
differenzen bis zu 50 Prozent erzielt werden können und 
eine Steiggeschwindigkeit von 1200 m in 10 Minuten 
erreicht werden kann. Auf die Verwandtschaft mit den 
von der Gesellschaft früher gebauten Deperdussin- 
Apparaten deutet die unverändert übernommene De- 
be a E hin, die durch ein an einem 
vertikalen, breiten Bügel befestigtes Handrad gekenn- 
zeichnet ist. Die übrigen Charakteristika dieses 
Apparates gehen aus der Dispositionszeichnung deut- 
lich hervor. Das Fahrgestell ist, ähnlich wie bei 
Bristol, vierrädrig, vermutlich um die Gefahr des 
berschlagens auf dem Boden wirkungsvoller zu 
vermeiden. 


Normalerweise nimmt der Apparat auf seinem 
hinteren Radpaar den Anlauf, während das vordere 
bloß als Stoßradpaar zur Geltung kommt. Zur 
Abstützung des Schwanzes dient eine gefederte 
Eschenholzkufe unterhalb des Seitensteuers. Der 


213 


Rumpf, der mit dem ohne Dämpfungsflächen ange- 
setzten Höhensteuer jenem des Morane-Eindeckers 
stark ähnelt, läuft in eine horizontale Kante aus. Die 
sich hieraus ergebende, relativ breite Bauchfläche 
des Rumpfes soll in diesem Falle die Funktionen 
der fehlenden Dämpfungsfläche übernehmen. Im all- 
gemeinen folgt auch dieser Apparat den in Amerika 
gebräuchlichen Konstruktionsnormen, die sich er- 
sichtlich auf einem noch sehr bescheidenen Niveau 
bewegen. 


Außer dem vorbeschriebenen Apparate erzeugt 
die Sloane-Aeroplane-Company noch einen leichten 
Militäreindecker, Modell »D«, ein kleines einsitziges 
Flugzeug, das speziell für Erkundungszwecke gebaut 
wird. Ausgerüstet ist dasselbe mit einem 100 PS- 
Gyromotor. Seine Geschwindigkeit reicht von 80 bis 
152 km/St., der Brennstoffvorrat ist für 4 Stunden 


Fig. 7. Militärdoppeldecker Sloane. 


vorgesehen. Modell »D 2< ist ein zweisitziger Apparat 
von etwas größeren Abmessungen mit einem 100 PS- 
Gyromotor. Seine Geschwindigkeit reicht von 72 bis 
144 km/St., wobei der Betriebsstoffvorrat ebenfalls für 
4 Stunden reicht. Als Steiggeschwindigkeit werden 
610 m in 6 Minuten angegeben. 


Der Preis jedes Flugzeuges beträgt K 28.000, die 
Wasserausrüstung besonders kostet außerdem noch 
K 2200. 


So sehr das Militärflugzeugwesen wie auch die 
Flugzeugindustrie in den Vereinigten Staaten rück- 
ständig ist, ebenso sehr ist auch die Motorenindustrie 
nach europäischen Begriffen hinsichtlich ihrer Pro- 
duktionsqualität und auch des Größenumfanges stark 
zurückgeblieben. 

Von Interesse mag hier eine in amerikanischen 
Blättern veröffentlichte Übersicht über die verwendeten 
Motoren der amerikanischen Armee und Marine sein, 
die wir nachstehend anschließen: 


214 


Brennstoff. Brennstoff- | Totalgewicht Gewicht 


Gewicht 
M i | 
otor | kg verbrauch | Ölverbrauch Bu ved Ä Motor una 

100 PS Gnome 5525 | 12°26 | 176°35 | 311°35 

70 PS Renault. 1842 4204 | 3:59 | 11172 32159 451 
l | 

90/100 PS Curtis. 1828 36°32 | 227 69435 289-40 341 | 
i U 


Mit den konstruktiven Eigenheiten der neueren | hat nunmehr auch das Interesse der amerikanischen 
amerikanischen Motorenkonstruktionen, von denen erst | Heeresverwaltung und der Marine entfacht, so daß die 
vor kurzem in diesen Zeilen die Rede war, soll sich | nächste Zukunft der dortigen Industrie auch bessere 
demnächst ein gesonderter Artikel ausführlich befassen. | Zeiten und damit auch die so lang entbehrte Existenz- 

Der gegenwärtige Weltkrieg, der den Flugzeugen | möglichkeit, hoffentlich aber auch die Unabhängigkeit 
auf beiden Seiten zu großen Erfolgen verholfen hat, | vom Auslande bringen dürfte. 


Ein amerikanischer Zeppelinzerstörer. 


Die zahlreichen, wohlgelungenen Raids deutscher | »superintendent« zugleich. Außerdem beteiligt sich an 
Zeppeline nach England und Frankreich haben unseren | der Konstruktion noch Wilbur Kimball, ein ameri- 
gemeinsamen Gegnern schließlich die Überzeugung | kanischer Flugkünstler und Luftakrobat. Das ganze 
beigebracht, daß sie einen erfolgreichen Kampf gegen | Luftschiff wird selbstverständlich zur Gänze aus eng- 
die deutschen Luftschiffe nur dann aufnehmen können, | lischem Material erbaut. 
wenn sie in der Lage sind, den Zeppelinen Äquivalente Doch halt, wir sprachen bisher stets nur von 
zur Luft entgegenzustellen. Der nach jeder Richtung | einem Luftschiffe, während die Gesellschaft ja den 
hin gänzlich mißlungene Versuch, das Zep- | Bau einer ganzen Serie gleich fürs erste plant und 
pelinsche System glatt nachzukopieren, istin | diese umfaßt nicht weniger als fünf Einheiten. 
Frankreich bekanntlich nicht mehr wiederholt worden | Das erste Exemplar dieses Riesenluftschifftyps geht, 
und da sich auch die Flugzeuge Englands und Frank- | dem Berichte des amerikanischen Fachblattes zufolge, 
reichs im Verteidigungs- und Angriffskampfe gegen bereits seiner Vollendung entgegen, die vier weiteren 
Zeppeline nicht recht bewährt zu haben scheinen, so | befindensich ebenfalls in vorgeschrittenem Herstellungs- 
entstand in England der Plan, ein neues, gigantisches | stadium. Die Totallänge eines solchen Luftschiffes, 
Riesenluftschiff starren Systems, einen »Zeppelin- | welches wir hier in der Ansichtzeichnung, teilweise 
Destroyer«, wie ihn die amerikanische Fachpresse e beträgt 236 Fuß, der Maximal- 
nennt, zu erbauen, der die normalen Armee- und urchmesser 28 Fuß, während das Gas volumen 108.000 
Marineluftschiffe in jeder Hinsicht, namentlich aber an 
Manövrierfähigkeit, erheblich übertreffen soll. 

Ober die Vorgeschichte wie auch über die tech- 
nischen Eigenheiten des Projektes erzählt die ameri- 


Kubikfuß mißt. Vollkommen ausgerüstet, besitzt das 

Luftschiff einen Aktionsradius von 300 Meilen (7). 

wobei für die Besatzung vier Mann gerechnet wurden, 

nämlich: ein Steuermann, ein Kanonier und zwei 

kanische Fachschrift »Aeronautics< etwa folgendes: | Ingenieure. Die Besatzung ist in einer länglichen, 

Vom Präsidenten der Aeronautical Society of | unterhalb des Vorderteiles des zigarrenförmigen 

America, Mr. Mac Mechen, der sich vor kurzem | Rumpfes angeordneten Kabine untergebracht, die nach’ 

für mehrere Monate in England zwecks Auseinander- | dem Muster der Zeppeline völlig verkleidet und mit 
setzung mit den Förderern seines Projektes aufhielt. | kleinen, lukenartigen Fensterchen versehen ist. 

wird gegenwärtig ein neues Riesenluftschiff des starren Vorne ist ein 75 PS E.N. V. Motor englischer 

Typ gebaut, welches schon in den nächsten Monaten | Abstammung eingebaut, rückwärts ein ebenfalls eng- 

zur Erprobung gelangen soll. Es handelt sich um einen | lischer Greenmotor von 125 PS. Diese treiben ver- 

Zeppelinzerstörer, der noch im gegenwärtigen Kriege | mittels Stahlbandtriebes direkt die beiderseits a la 

in den Kampf gegen die deutschen Zeppeline aus- | Zeppelin angeordneten, gelenkig nen Luft- 

geschickt werden soll. schrauben an. Beiderseits des Körpers befinden sich 

je vier Höhensteuerflächen, während sich rückwärts, 

am äußersten Ende des Körpers die eigenartig ge- 

formten Höhen- und Seitensteuerflächen befinden. Für 

das Gerüst des Ballonkörpers wird Holz verwendet. 

Er zerfällt in 14 Unterteilungen und sind die durch- 

ehenden Verbindungsholme untereinander durch 

iagonaldrahtzüge gegeneinander versteift. Diese 

Drähte gehen, ähnlich wie Radspeichen von einem 

Mittelring radial aus und verleihen, indem sie sich 

| enge um die 32 Längsträger schlingen, dem ganzen 

Gerippe eine hohe Festigkeit (?). Über dieses Längs- 


Zwecks Finanzierung des Projektes hat sich unter fast 
ausschließlicher Beteiligung Englands, das an der Ver- 
wirklichung dieses Planes begreiflicherweise das aller- 
größte Interesse hat, ein Konsortium mit einem Kapital 
von rund 5 Millionen Dollar (24 Millionen Kronen) 
gebildet, in welchem die hervorragendsten Finanzleute 
Englands vertreten sind. Der vorgenannte ehrenwerte 
Bürger des »neutralen« Amerika, Mr. Mac Mechen, 
ist »general manager« der Gesellschaft, ein Mr. Walter 
Kamp aus New-York (dessen Name übrigens auffallend 
unbekannt klingt) ist Konstrukteur des Luftschiffes und 


Fig. 1. Ansicht, teilweise geschnitten, des amerikanischen Zeppelinzerstörers. 


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215 


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Fig. 2. Die Halle des amerikanischen Zeppelinzerstörers. 


gerüst schiebt sich ein zweites, aus 29 Querringen 
bestehendes, welches die Außenhaut aufnimmt. Die 
Innenhaut des Ballons wird aus feinstem kanadischen 
Fichtenfurnier gebildet, welches nach Zigarrenwicklungs- 
art rings um das Gerüste gewunden wird. Vorne und 
hinten endet diese Fichtenfurnierlage in je eine Kalotte, 
bezw. Spitze aus Mahagoniholzfurnier. Spiralförmig 
ewickelte, dazwischengelegte und mit Leim getränkte 
nder und außerdem eine äußere Aluminiumdraht- 
wicklung verleiht diesem Gerüst samt der Haut eine 
größere Widerstandsfähigkeit und Festigkeit — aber 
auch ein erheblich größeres Gewicht. Die inneren 
14 Gasballonets sind aus dreifach gummiertem Stoffe 
hergestellt und trotzdem sehr leicht. Die Gondel hängt, 
wie bereits erwähnt, am Vorderteil des Körpers und 
enthält nebst den Motoren alle Vorrichtungen zur 
Steuerung des Ballons, die Tanks und die nautischen 
Instrumente etc. etc. 
Die Einrichtung des Schiffes gestattet ein Steigen 
und Niedergehen des Ballons ohne Gasverlust durch 
Verdichtung oder Expansion des Gases. Erstere 
wird durch zwei Sturtevant-Aluminiumgebläse erzielt, 
deren jedes 9 Pfund wiegt und durch je einen Motor 
angetrieben wird. Zum Zwecke der Gaskompression 
und der Temperaturerniedrigung desselben behufs 
Tragkraftverminderung wird kalte Luft in die einzelnen 
Ballonets eingeblasen, während zur Erreichung des 
gegenteiligen Effektes warme Luft eingeblasen wird. 
Um dabei etwaigen Entzündungsgefahren wirksamer 
vorzubeugen, ist eine besondere Expansionskammer 
vorgesehen, in die das Gas einströmen kann und die 
mit Asbestwänden verkleidet ist. Diese Einrichtung 
soll auch bereits erprobt und sehr praktisch befunden 
worden sein. 


Von den neuen Luftschiffen erwartet man eine 
Geschwindigkeit von ca. 90 Stundenkilometer bei 
einer Aktiousdauer von 10 Stunden, was einem Aktions- 
radius von 450 Kilometer gleichkäme. 

Die beiden hier eingefügten Abbildungen, die wir 
ebenfalls nach dem genannten amerikanischen Blatte 
reproduzieren, zeigen die Ballonhalle, die je zwei 
dieser Luftschiffe aufnehmen soll, und die erst vor 
kurzem fertiggestellt worden ist. Zu erwähnen ist, daß 
die ganze Konstruktion den Konstrukteuren und Pro- 
en patentrechtlich geschützt worden sein soll. 

lassisch ist aber die Bemerkung des amerikanischen 
Blattes, die es sich mit Bezug auf die Leistungsfähig- 
keit dieser Ballons in Gegenüberstellung zu den 
deutschen Zeppelinen leistet: »Sie sind viel leichter 
steuerbar als die monströsen Zeppeline, und wir er- 
warten von ihnen, daß sie ober diesen (???) mit un- 
vergleichlicher Sicherheit, aber auch mit unvergleich- 
lichem Erfolge operieren werden (!!!).« 

Wir haben uns im vorstehenden damit begniigt, 
die Beschreibung des amerikanischen Zeppelinzer- 
störers und die an sein Erscheinen und Eingreifen 
geknüpften Hoffnungen unserer Feinde nur durch die 
stellenweise Zwischenschaltung von Satzzeichen zu 
kritisieren. Ohne dem phantastischen Projekte eine 
höhere Bedeutung als die verdiente zuzumessen, 
möchten wir aber an dieser Stelle der Ansicht Aus- 
druck verleihen, der sich übrigens alle gesitteten 
Kulturvölker anschließen müssen, daß nämlich eine 
derartige Unterstützung unserer Gegner durch einen, 
seine Neutralität ununterbrochen beteuernden 
und ebenso oft verletzenden Staat, zumindestens 
oes an den Pranger gestellt zu werden 
verdient. 


Geschützdonner und Hochatmosphäre. 


Den Ausführungen des Herrn Fauth im Junihefte 
der »Österreichischen Flug-Zeitschrift« 1915 über die 
Reichweite des Geschützdonners bitte ich sogleich 
folgendes entgegnen zu dürfen: 

Die Berechnungen des Physikers van den Borne, 
denen ich mich in meiner Erklärung der angeführten 
Fälle anschloß, gingen nicht so sehr aus von der 
Reflexion an einer Grenzfläche, als von der Refraktion 
in einer Grenzschicht. Meine Darstellung auf Seite 51 
zog den Vergleich mit der reinen Reflexionserscheinung 
des Echos nur aus Gründen der Gemeinverständlich- 
keit heran. Sie sind für den Geschützdonner von Ant- 
werpen, Oktober 1914, auf das exakteste bestätigt 
durch die Untersuchung des Niederländischen Meteoro- 
logischen Institutes (E. van Everdingen) und durch 
die in voller Übereinstimmung mit ihnen stehenden 
und sie noch über ein erhebliches Gebiet erweiternden 
Erhebungen des Geographen der Universität Münster, 


Herrn Meinardus. Ich verweise auf dessen Beitrag 
zum Maihefte 1915 der »Meteorologischen Zeitschrift«, 
das ferner eine gleicherweise bestätigende, wenn auch 
neue Probleme aufstellende Untersuchung des Wiener 
Physikers Herrn Dörr bringt. 

Der Gedanke an reflektierende Grenzflächen in 
verschiedenen, auch mäßigen Höhen der Atmosphäre, 
zur Erklärung für Anomalien in der Ausbreitung des 
Schalles ist schon um 1868 von dem englischen 
Forscher Tyndall ausgesprochen worden. Er ist aber 
bereits um 1892 von dem bekannten norwegischen 
Meteorologen Mohn bei einer Untersuchung über 
Schallsignale auf See verlassen worden. 

Für das Ausbleiben solcher Signale schon auf 
wenige Seemeilen Entfernung machte Mohn vor 
allem einen Schallschatten verantwortlich, der durch 
nachgewiesene Temperaturunterschiede in der unteren 
Atmosphäre veranlaßt war. Die beteiligte Aufbiegung 


216 


der Schallstrahlen beruht auf der coon Physiker be- 
kannt sein sollenden Tatsache, daB in wärmerer Luft 
der Schall sich schneller, in kälterer sich langsamer 
fortpflanzt. Der umgekehrte Fall des Herabbiegens 
gilt, wenn die obere Luftschichte wärmer, ihr Gefüge 
also lockerer ist, ein Verhalten, das in seinem Erfolge 
dem gesunden Gefühl«, auf das Herr Fauth beson- 
deren Wert legt, auf das klarste widerspricht. 


An anderer Stelle komme ich selbst ausführlicher 
darauf zurück, daß eine nl Se wärmere und 
deshalb spezifisch leichtere Schichte von solcher 
Wirkung zeitweise wohl von der schon jenseits 10 km 
Höhe beginnenden Stratosphäre gestellt sein kann. 
Doch ist der rechnerische Nachweis hier nicht mit der 
Genauigkeit geführt und vor allem auch nicht so viel- 
seitig bestätigt durch Beobachtungen, wie der Nach- 
weis, den Herr vanden Borne für die Grenze Stick- 
stoff/Wasserstoff erbracht hat, welche bei etwa 70 km 
liegt, nicht aber, wie Herr Fauth meint, bei 100 km 
und mehr. 

Die flandrischen Mistpoeffer, die wegen ihres von 
Herrn Fauth so hoch bewerteten mystischen Charak- 
ters meinethalben auch als Mystpuffer bezeichnet 
werden mögen, sind keineswegs so häufig, wie man 
nach seinen Ausführungen glauben könnte. Der von mir 
erwähnte Fall des 12. August 1910 war bis 1914 der 
erste und letzte dieses Jahrhunderts. Die von mir 
unterstützte volkstümliche Erklärung — als die ein- 
fachste und natürlichste, doch wohl die annehmbarste 
— aus Schießübungen der britischen Marine hat in 
diesem Kriege zum mindesten eine vollwertige Gegen- 

probe gefunden. 
| Unter dem 7. Mai 1915 meldeten die »Times«, daß 
die Festung Dover und die Häuser dieser Stadt von 
der auf Dünkirchen eröffneten Kanonade erschüttert 


worden seien. Das schwere Geschütz war von deutscher 
Seite, wenn auch näheres nicht bekannt ist, jedenfalls 
auf flandrischem Boden aufgestellt. 

Diese Unsicherheit, die wegen des militärischen 
Geheimnisses nichtmilitärischen Forschern in Heeres- 
und Marineangelegenheiten auf Schritt und Tritt be- 
gegnet, gibt auch die beste Antwort auf die von 

auth aufgeworfene Frage, weshalb noch nicht ein 
einziges Mal festgestellt ist, »ob und woher Kanonen- 
schüsse jene mystischen und dumpfen Puffer ver- 
ursacht haben könnten«. 

Die besonderen atmosphärischen Zustände, die 
nach meiner Meinung für die verschiedene Reichweite 
maßgebend sind, boten den eigentlichen Anlaß zu 
meinen ersten Veröffentlichungen seit Jänner 1915, 
deren eine in die »Osterreichische Flug-Zeitschrift« vom 
Februar 1915 gelangt ist. Sie waren tunlichst gemein- 
verständlich, für Tageszeitungen geschrieben, um zu 
möglichst allseitigen Beobachtungen und zu genauen 
Aufzeichnungen anzuregen. 

Im übrigen verweise ich auf meine ausführlicheren 
Veröffentlichungen, besonders in der »Welt der 
Technik<. In ihnen sind die Rätsel dieser irdischen 
Schallstrahlungen in Beziehung gesetzt zu kosmischen 
Strahlengängen, deren von mir versuchte Erklärung 
noch durch eine diesjährige Heidelberger Akademie- 
schrift des auch von Herrn Fauth genannten Meisters 
der spektrographischen Himmelsforschung erneute, bis 
zu wunderbaren und an neuen Rätseln reichen Fein- 
heiten ausgedehnte Bestätigung erhalten hat.*) 


Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen. 
Wilhelm Krebs. 


| °) M. Wolf in den Sitzungsberichten der Heidelberger 
Akademie der Wissenschaften vom 25. Oktober 1911 und vom 
6. Jänner 1915. (Hier bs. S. 8.) 


Die wichtigsten Flugzeuge Frankreichs, Englands und Rußlands. 


Der gegenwärtige große Krieg ist ein guter Lehr- 
meister für unsere so bedeutende fünfte Waffe. Schon 
lange erkannte man, daß die Luftfahrzeuge, insbe- 
sondere die Flugmaschinen, für militärische Zwecke 
ganz besonders dienlich sind. Im heutigen Krieg liegen 
den Fliegern eine Unmenge Aufgaben ob, so daß sich 
der Kampf ohne Flugzeuge überhaupt nicht denken läßt. 

Eine ganz besondere Rolle spielen die Flug- 
maschinen in der Aufklärung. Mit allem möglichen 
Kartenmaterial, Sprenggeschossen, photographischen 
Apparaten etc. ausgerüstet, verlassen die Kriegsflieger 
ihren Feld-Flughafen, um aufs genaueste Stärke und 
Stellung des Feindes zu erkunden. Alles das zeichnet 
er in seine Karten ein und erst dann, wenn er alles 
erkundet hat, tritt er den Rückflug — oft unter den 
denkbar schwierigsten Verhältnissen — an. Hiebei 
dient das Flugzeug auch insbesondere als Unter- 
stützung der Artillerie. Es sucht die Standorte der 
feindlichen Batterien auf, die es durch Abschießen von 
Signallichtern seiner eigenen Artillerie bekanntgibt. 

Nicht zu unterschätzende Erfolge werden durch 
Abwerfen von Sprenggeschossen auf feindliche Stel- 
lungen, Munitionskolonnen, Traindepots, Magazine und 
andere militärisch wichtige Punkte erzielt. Oft ereignet 
es sich, daß es zu Luftkämpfen kommt, die an die 
Führer und Beobachter mitunter ganz gewaltige An- 
forderungen stellen, und sind hiebei Mut, Ausdauer 
und Geistesgegenwart die drei wichtigsten Faktoren. 
Bis jetzt haben unsere Flieger durch kühne Taten 
bewiesen, daß sie alle von diesem Geiste beseelt sind. 

Frankreich, das bisher stets den Vorrang im Flug- 
wesen innehatte, hat zu Beginn dieses Völkerringens 
— dem Kampf um Sein oder Nichtsein — mit seinem 
Flugwesen vollkommen versagt. Lange dauerte es, 
bis sie sich überhaupt blicken ließen, währenddem 
unsere wackeren deutschen Piloten schon die Seine- 
metropole überflogen. Angeblich wurden sofort Gegen- 
maßregeln von seiten der französischen Regierung 


aufgestellt, von denen bis zur Stunde noch nicht all- 
zuviel zu merken war. Während man bei uns in 
Deutschland schon die Rumpfdoppeldecker als Standard- 
typ hatte, begann man in Frankreich erst im Kriege, 
die besten Systeme als Militärmaschinen auszubauen. 
So finden wir heute nur noch wenig Systeme in der 
französischen Militäraviatik vertreten, während in 
Frankreich vorher eine Unmenge verschiedener Flug- 
zeugkonstruktionen existierte. Am meisten sind bei 
den Franzosen noch die 


Doppeldecker von Henry und Maurice Farman 


vertreten, die infolge ihres außerordentlichen Steig- 
vermögens sehr beliebt und kriegstüchtig sind. Die 
Maschinen sind nach dem bekannten Farmantyp ge- 
baut und besitzen kein vorderes Höhensteuer. Der 
Führer- und Beobachtersitz ist mit einer gepanzerten 
Karosserie umgeben und ist oft vorn ein Maschinen- 
gewehr eingebaut. Zum Antrieb dienen e 
Gnöme- und Renault-Motoren. Als ebenfalls sehr ge- 
eignet wird von der französischen Heeresverwaltung der 


Voisin-Gefechts-Doppeldecker 


angesehen, Diese Maschine ist aus dem bekannten 
Voisin-Doppeldecker hervorgegangen. Höhen- und 
Seitensteuer befinden sich in der Schwanzzelle. Die 
weit nach vorn ragende Gondel trägt Schnellfeuer- 
geschütz, das nach allen Richtungen hin beweglich 
ist. Zum Anlauf dient ein robustes, aus Stahlrohr 
hergestelltes Fahrgestell. Dieser Typ wird außer von 
Voisin selbst auch in den Werkstätten von Nieuport 
und Breguet hergestellt. Der kleine 


Caudron-Doppeldecker 


ist ebenfalls viel zu finden. Dem Gesamtaufbau nach 
gleicht diese Maschine den vorher beschriebenen mit 
einer merklichen Ausnahme. Während bei Farman 
und Voisin der Motor hinter der Tragzelle gelagert 
ist, befindet sich derselbe bei Caudron (meist 80 bis 


210199 


217 


181910) 


ee 


HE 


Oberst Uzelac, Kommandant der k. u. k. Luftfahrertruppen, im Gespräch mit Generalmajor Hoehn, Kommandant 
des Kriegspressequartiers, und Rittmeister Lehmann. 


100 PS Anzani) vor den Tragflächen. Jedoch zeigt 
diese Maschine keinen durchgehenden Rumpf, sondern 
schließt die Gondel kurz hinter den Tragflächen ab. 
Seit geraumer Zeit baut auch Blériot Caudron-Doppel- 
decker, da seine Maschine im französischen Heere 
keine Verwendung mehr findet. Als einziger Eindecker 
wird von den Franzosen der 


Morane-Parasol-Eindecker 


geflogen. Diese Maschinen, deren Tragdecken über 
dem Rumpf liegen, sind alle als Einsitzer gebaut und 
sollen sich bisher sehr gut bewährt haben. 

Außer diesen Normaltypen werden noch in den 
Werkstätten von Letort große 


Kampf-Flugzeuge 


nach den Plänen des Hauptmannes Dorand hergestellt. 
Diese Kampf-Flugzeuge ZEIGE" sehr große Abmes- 
sungen und sind mit zwei Motoren ausgerüstet. Der 
sehr lange Rumpf ragt weit nach vorn über, was eine 
bequeme Unterbringung von Maschinengewehr und 
ute Aussicht bedingt. Diese Maschinen sollen den 
Wachtdienst über Paris versehen. Allerdings hat man 
bis heute nur wenigerfolgreiche Taten von ihnen gehört. 
Aber nicht nur die französische, sondern auch die 
englische Luftflotte steht der deutschen an Leistungen 
weit zurück. Wenn sich auch die Engländer öfters 
sehen lassen, so richten sie doch nichts aus, was uns 
erheblichen Schaden zufügen könnte. Die Konstruk- 
tionen, die die Engländer verwenden, dürften auch 
genügend bekannt sein; trotzdem sei hier nochmals 
kurz auf die englischen Flugzeuge hingewiesen, die 
im gegenwärtigen Kriege Verwendung finden. Der 


Avro-Doppeldecker 


ist durch den Luftangriff auf die Zeppelin-Werft in 
Friedrichshafen bekannt geworden. Die Maschine ist 
ein Rumpf-Doppeldecker, dessen Karosserie, in welcher 


a 


der Gnöme-Motor gelagert ist, Birnform zeigt. Das 
Fahrgestell besteht aus zwei Laufrädern und einer 
kräftigen StoBkufe. Höhen- und Seitensteuer liegen 
im Schwanz. Von diesem Typ nur geringe Abweichun- 
gen zeigen die 


Short- und Sopwith-Doppeldecker. 


Diese beiden Maschinen sind besonders als Wasser- 
flugzeuge (Zweischwimmertyp) in der englischen 
Marine vertreten. Über Wasserflugzeuge soll an dieser 
Stelle nicht eingehend berichtet werden, da dieses 
Thema ein Kapitel für sich bildet. Die 


Vickers- und Graham White-Doppeldecker 


ähneln bis auf ganz genen ige Abweichungen den 
französischen Henri Farman-Maschinen, aus denen 
ewissermaßen entstanden sind. 

as die Sicherheit anbelangt, so bilden die 


B. E.-Doppeldecker 


der Königlichen Flugzeugwerke eine Klasse für sich. 
Diese Apparate sind einfach ohne genaue Berech- 
nungen gebaut, und man kann sagen, fast täglich 
ereignen sich mit diesem Typ Unfälle, die lediglich 
auf Konstruktionsfehler zurückzuführen sind. Vorer- 
wähnte Flugzeuge finden in der Hauptsache bei den 
Engländern Verwendung. 

Wie aus Vorgesagtem zu ersehen ist, verfügen 
unsere Feinde über eine ganze Anzahl verschiedener 
Flugzeugkonstruktionen, mit denen sie jedoch nicht 
allzuviel leisten. 

Über Rußlands Flugzeuge ist nicht viel zu sagen, 
da sie meist französischen Ursprunges sind. Als einzig 
rein russische Konstruktion gilt der 


Sikorsky-Riesen-Doppeldecker, 
der zurzeit bei den Russen in einer e 


Form zu finden ist. 


sie 


218 


Sturmkalender für August und September 1915. 


Atmosphärische Störungsfolgen aus den Hauptherdgebieten der tropischen 
Sturmbildung 


191855, i 
im Westatlantik im indischen Ozean 
Wochen | bezw. mitti. Am | Im Westpazifik | (Westen) 
Sturmblidungsepochen 
Juni/Juli Juli Juli Juli / Aug.] Juni / Juli Juli Juli Juli Juli / Aug. Juli | Juli Juli Juli / Aug. 
uni/Juliſ 14. bis 23. 22. bis 28. 28. bis 3. | 28. bis 6. 8. bis 15. | 17. bis 28. 22. bis 28. 28. bis 3. | 8. bis 15. pete 23. 22. bis 28. 28. bis 3. | 


Ostasien Indischer 
Nord- Nord- Ost- 
amerika amerik (Nord- Europa Ozean 
ay pazifik) | Ostasien (Süden) (Westen) 
Ba a al ross ae eS (Nord- Sturm- Z i 
Nord- pazifik) bildun Indischer 
amerika .bis Ozean | 
Nord- Ostasien Ost- (Westen) 
Europa Europa amerika - — | Nord- Europa 
August3 pazifik) (Süden) 
15. 
: Ostasien Ost- 
— — Europa Sur BE RE (Nord. Europa ER, 
August4 Nord- paz en 
22. bis 28. Europa amerika d 
un Be z SORE, Cee ene — 9 
| 
August5 Ost- | 
| 29. is 31. Europa 
(Süden) | 
— — — — — — Europa Nord- N 
amerika | 
sent, a! Europa 
33 S nn ee o a Nord- |. — 
zt d amerika | 
8. bis 14. Europa | 
a oe ar oY 2 5 E un ee 1 a DT ee | 
Sept. 3 | j 
15. bis 21. | 
1 


| Europa | 


Die sehr lebhaft gewordene Sonnentätigkeit läßt elektrische und magnetische Störungen besonders in der dritten und zu 
Anfang der vierten Augustwoche und in der dritten Septemberwoche erwarten. Die Haufung südöstlicher Störungen im | 
August stellt ähnlich gegensätzliche Temperaturen und verhältnismäßig trockenes Wetter nördlıch der Alpen wie im | 
Vorsommer 1914 in Aussicht. Besonders zu warnen ist vor dem überraschenden Einsetzen starker Sturmböen, deren eine | 
am 2. August 1915 einen französischen Fesselballon entführte. Diese besondere Warnung ist deshalb nötig, weil sonst die 
Sturmverhältnisse im Sommer eine Abschwächung erkennen lassen. Frühere Beispiele sind vor allem von den Katastrophen 
des Sommers 1913 bei Helgoland geboten, deren letzte am 9. September 1913 den deutschen Luftkreuzer »L 1« vernichtete. 


Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen. Wilhelm Krebs. 


Bücherbesprechungen. 


Die Technik im XX. Jahrhundert. Unter Mitwirkung 
hervorragender Vertreter der technischen Wissen- 
schaften i von Geh. Regierungsrat 
Dr. A. Mie the, Professor an der königl. Techni- 
schen Hochschule zu Berlin. Vierter Band: Das 
Verkehrswesen, die Großfabrikation. Braunschweig, 
Verlag von George Westermann. 

| Schon der Name des Autors und des Verlages 

selbst bieten doppelte Gewähr dafür, daß das Thema 

des vierten Bandes in jeder Hinsicht auf das geist- 
und ei interpretiert wurde. 

as vorliegende, 500 Kunstpapierseiten umfassende, 
geradezu künstlerisch ausgestattete Werk gliedert 
sich in zehn große Einzelkapitel, die der Reihe nach 
behandeln: 

1. Dampf- und Elektrobahnen. Von Direktor Alexander 
Doepner, Wildau. 

2. Die Schiffe und ihre Maschinenanlagen. 

A. Die Schiffe. Von Prof. Walter Laas, Charlot- 
tenburg. 

B. Die Schiffsmaschinen. Von Prof. Paul Krainer, 
Charlottenburg. 

3. Die Kraftwagen. Von Geh. Regierungsrat Prof. 
Dr. A. Riedler, Charlottenburg. 

4. Die Luftfahrt. Von Major z. D. Prof. Dr. August 
v. Parseval, Charlottenburg. 

5. Post, Telegraphie und Fernsprechwesen. Von 
R. Kuhlmann, Berlin-Friedenau. 


6. Graphik. Von Geh. Regierungsrat Prof.Dr. A. Mie the, 
Charlottenburg. 

7. Die technischen Maßnahmen der Großfabrikation. 
Von Direktor E. Huhn. 

8. Der Großbetrieb und seine Organisation. Von 
Direktor E. Huhn, Charlottenburg. 

9. Die wirtschaftliche Ausgestaltung der Großfabri- 
kation. Von Prof. Dr. Karl Moll wo, Berlin. 

Von den uns zunächst interessierenden Kapiteln 
verdienen speziell die unter 1, 2, 3 und 4 genannten 
eine ganz besondere Beachtung, unter diesen aber 
wieder das Spezialkapitel »Luftfahrt«, das in Major 
v. Parseval einen ganz vorzüglichen Interpreten 
gefunden hat. 

Der Autor gibt hier eine erschöpfende Übersicht 


zunächst über den Stand der technischen und theoreti- 


schen Grundlagen des Maschinenfluges, behandelt 
dabei in geschickt eingeflochtener Weise die bahn- 
brechenden Arbeiten Eiffels und anderer Experimen- 
tatoren, wobei sich Gelegenheit ergibt, nicht bloß die 
wichtigsten Ergebnisse der Hauptversuche an Flächen- 
modellen und Rümpfen, wie auch an kompletten 
Flugzeugmodellen diagrammatisch zu registrieren, 
sondern auch den Gang der einzelnen Untersuchungen 
und die zu denselben erforderlichen Instrumente und 
Apparaturen zu beschreiben. Ein spezielles Kapitel 
wird auch dem Ruderfluge gewidmet, wobei auch auf 
die Prinzipien des Vogelfluges als Grundlage des 


Ruderfluges näher eingegangen wird, ein Kapitel, 
weiches der Autor der »Mechanik des Vogelfluges« 
sehr gut zu bearbeiten verstanden hat. Theorie und 
Berechnung sowie Konstruktion der Luftschrauben 
werden in ebenso ausführlicher Weise erörtert, wobei 
der Autor diesem Kapitel durch die Vorführung seiner 
eigenen Versuche und Konstruktionen eine recht 
interessante Note zu verleihen weiß. Nach einer aus- 
führlichen Besprechung der heute hauptsächlich im 
Gebrauche stehenden Flugmotortypen geht der Ver- 
fasser auf die Ballontechnik über, deren historische 
Grundlagen kurz gestreift werden. Auch hier kommt 
dem Verfasser seine langjährige praktische Erfahrung 
als Ballonfahrer und schließlich als erfolgreicher Lenk- 
ballonkonstrukteur zugute, ebenso in dem Kapitel: 
Drachen, Fesselballon und Fallschirm, welches mit 
großer Sachkenntnis und Gründlichkeit behandelt 
wird. Es folgen hierauf Beschreibungen der haupt- 
sächlichsten Ballontypen sowie Flugzeugtypen, worauf 
der Verfasser auf die Verwendungsmöglichkeiten zu 
sprechen kommt. Ein mit besonderer Sorgfalt ausge- 
wähltes und zusammengestelltes Bildermaterial, das 
auf dem vorzüglichen Papier besonders vorteilhaft 
zur Geltung kommt, unterstützt die Anschaulichkeit 
des Geschriebenen, welches sich durch große Über- 
sichtlichkeit und Reichhaltigkeit in relativ knappem 
Rahmen auszeichnet, wesentlich. Wenn auch seit 
Herausgabe des vorliegenden Werkes manche in dem 
Buche ausgesprochene Ansicht widerlegt oder doch 
nur teilweise abgeändert wurde — wozu ja nicht 
wenig die forcierte Verwendung und Praxis des Fliegens 
im letzten Jahre beigetragen hat — so ist dessen 
unleugbarer Wert für die Zwecke der Belehrung und 
Einführung weiterer Kreise — insofern wir eben zu- 
nächst nur das Kapitel »Luftfahrt« ins Auge fassen, 
nicht zu leugnen. 

Das nächste uns interessierende Kapitel: »Die 
Kraftwagen« von A. Riedler zeigt in analoger 
Stoffgliederung ebenso die wissenschaftlichen wie 
auch — und dies ist hier von nicht zu unterschätzender 
Bedeutung — die industriellen Grundlagen des Auto- 
baues, die in der Praxis zur ea a Sera 
wissenschaftlichen Prüfmethoden, ein Spezialgebiet, 
auf welchem der Verfasser der » Wissenschaftlichen 
Automobilwertung< ebenfalls gründliche Erfahrungen 
zu sammeln Gelegenheit hatte. 

Mit gleicher Gründlichkeit, jedoch stets ohne 
Voraussetzung allzu großer oder doch über das Mittel- 
maß technischer Kenntnisse hinausgehender Vorbildung 
werden die übrigen vorstehend aufgezählten Kapitel 
behandelt, deren Autoren direkt in der Praxis auf 
ihren Spezialgebieten bewährte und wertvolle Er- 
fahrungen sammeln konnten. 

Als ganz besonders empfehlenswert muß die 
Lektüre der drei letzten Kapitel empfohlen werden, 
die sich mit den internen Maßnahmen der Fabrikation 
befassen und in denen auch recht vernünftige — ver- 
mutlich durch den Einfluß Taylors allmählich 
entwickelte — Gesichtspunkte erörtert werden. 

Berücksichtigt man zum Schlusse noch die graphi- 
sche und drucktechnische Ausstattung des Werkes, 
so kann gesagt werden, daß der Inhalt des vierten 
Bandes sich würdig des großen, umfassenden Titels 
erweist. — Censor. — 


England als Scheininsel, so lautet die Überschrift 
des soeben erschienenen Juni/Juli-Heftes der Zeit- 
schrift »Motor« (Verlag Gustav Braunbeck 
G. m. b. H., Berlin W. 35, Lützowstraße 102). 

Das große, reichhaltige und höchst interessante 
Heft umfaßt nicht weniger als 140 Seiten und stellt 
sich schon durch seinen Umfang als eine der wert- 
volisten Kriegsverdffentlichungen dar. Der Spitzen- 
artikel, dem eine ganze Reihe bisher in Deutschland 


(Leipzig, 


219 


un veröffentlichter Illustrationen beigegeben ist, zeigt, 
wie wenig England bei dem heutigen Stande der Luft- 
fahrt noch eine Insel ist. England ist nur noch eine 
Scheininsel, und mit fortschreitender Technik wird es 
die Vorteile seiner insularen Lage ganz verlieren. 
Ein mit dem Eisernen Kreuze ausgezeichneter Flieger 
schildert unter dem Titel »Feldflieger an der Front« 
allerlei Flugbeobachtungen aus Flandern. Höchst be- 
merkenswert ist der Artikel »PariserFliegerdämmerung«, 
besonders auch durch eine Reihe authentischer Auf- 
nahmen aus deutschen Armeeflugzeugen. Vor dem 
entzückten Auge des Lesers breitet sich aus der 
Vogelschau das öde, von a “Ere durchzogene 
Kriegsgebiet in Flandern aus. it Staunen sieht 
man zum erstenmal aus der Höhe ein ganzes vorge- 
schobenes Infanteriewerk, ein eingeschossenes Sperr- 
fort und eine ganze Kette von Forts, aufgenommen 
von Feldfliegern. Hier erhält man wirklich ein Bild 
des Krieges. Prächtig illustriert ist ferner ein Artikel 
»U-Boote an der Front«. Nächtliche Kampfszenen, 
Periskopbilder und Sehrohre selbst wechseln mit- 
einander ab. Eine besonders fein illustrierte Arbeit 
behandelt den Luftkrieg gegen Italien. Dem kriegeri- 
schen Automobil sind ebenfalls längere Arbeiten ge- 
widmet. Erich Köhrer führt uns im Automobil »Auf 
Hindenburgs Spuren« mit köstlichen leichten Feder- 
zeichnungen von Ernst Deutsch. Eine große Studie 
behandelt den Lastwagen als Kriegsfahrzeug. So ist 
das neue »Motor«-Heft, das nicht weniger als 157 
Illustrationen enthält, wieder als äußerst gelungen 
zu bezeichnen. 


Fiugtechnische Neukonstruktionen. Von Heinrich 

ams, mit zahlreichen bildlichen Darstellungen, 

erschienen im Verlage »Unser Flugwesen«, Kiel. 
Preis broschiert Mk. 1. 

Vorliegende Schrift befaßt sich in erster Linie mit 
Neuerungsideen des Verfassers, der wohl über die 
wichtigsten Fragen unserer Flugtechnik falsch unter- 
richtet zu sein scheint. Ohne in nähere Details ein- 
zugehen, folgt die Darstellung dem Muster von 
Katalogen, indem sie, ohne wissenschaftliche oder 
praktische Begründung der einzelnen Konstruktionen, 
diese ungemein marktschreierisch anpreist. 

Die zeichnerischen Darstellungen sind äußerst 
mangelhaft, zum größten Teile aber total unkenntlich. 


»Wieder ein neuer herrlicher Sieg« ist zu unserer 
Freude fast täglich in den Berichten des Generalstabes 
zu lesen. Namentlich die Erfolge auf dem nördlichsten 
Kriegsschauplatze, die unsere wackeren Truppen schon 
weit in die Ostseeprovinzen gebracht und Namen wie 
St. Petersburg in den Bereich der Möglichkeit gerückt 
haben, sind prächtig. Auf der vorzüglichen Freytag- 
schen Karte der westrussischen Kriegsschauplätze, 
1:2,000.000, 70:100 cm groß, Preis mit . 
K 1°30 = Mk. 1°10, gegen dessen Einsendung (auc 
in Briefmarken) jede Buchhandlung wie der Verlag 
G. i ag & Berndt, Wien, VII. Schottenfeldgasse 62 

eeburgstr. [Robert Friese]), dieselbe liefert, 
ist das jetzt im Vordergrunde des Interesses stehende 
Gebiet besonders beriicksichtigt. Die in vielen Farben 
schön ausgeführte Karte reicht von St. Petersburg bis 
Odessa und von der deutschen Grenze bis Moskau, 
so daß der ganze ungeheure Kampfraum und auch die 
rumänisch-russische Grenze mit ganz Bessarabien 
ersichtlich ist. Wir empfehlen gerne die Karte wie 
auch die anderen guten Freytagschen Karten. (Öster- 
reichisch-russische und deutsch-russische Grenzge- 
biete, 1:1000.000, K 1°30 = Mk. 1°10 mit Porto; öster- 
reichisch-ilalienisches Grenzgebiet, 1:600.000, K 1°30 
= Mk. 1°10 mit Porto; Nordost-Frankreich und Belgien, 
1:750.000, K 1'30 = Mk. 1°10 mit Porto; Handkarte 
von ganz Italien, 1:1,500.000, K 1°30 = Mk. 1°10 
mit Porto. 


— 


XENXA Chronik X DX DXI] 


Die neu inszenierte U-Boot-Aktion des Öster- 
reichischen Flottenvereines. Der Österreichische 
Flottenverein verständigt uns: Die großen Industrie- 
und Handelsunternehmungen fördern die U-Boot- 
Aktion in hervorragender Weise, indem dieselben 
große Beträge zur Anschaffung von U-Boot-Abzeichen 
subskribieren und diese Abzeichen ihren Beamten und 
Arbeitern etc. geben. Hiedurch erhält die U-Boot- 
Aktion nicht nur eine Spende, sondern es wird durch 
Verbreitung der U-Boot-Abzeichen dieser so eminent 
wichtigen und patriotischen Aktion Popularität ver- 
schafft. Aber auch die breitesten Schichten der Be- 
völkerung, ja auch kleine Beamte, Arbeiter etc. tragen 
durch Ankauf eines U-Boot-Abzeichens, welches K 2 
kostet, ihr Scherflein zur Schaffung eines U-Bootes 
aus freiwilligen Gaben bei. 


Tödlicher Unfall eines rumänischen Fliegers. 
Am 30. Juli früh hat sich in der Nähe des Forts Dom- 
nesti ein neuer Fliegerunfall zugetragen, der einem 
jungen verdienstvollen Offizier, dem Unterleutnant 
Berceanu vom 2. Jägerbataillon, das Leben gekostet 
hat. Berceanu war der Militärflugschule in Cotroceni 
seit sechs Monaten zugeteilt. Den ersten Unterricht 
im Fliegen erhielt der junge Offizier von dem be- 
währten Piloten Oberleutnant Zorileanu und ab- 
solvierte dann die Pilotenschule als erster seiner 
Serie. Das Flugzeug, mit dem sich der Unfall zutrug, 
war ein Zweidecker Farman, der im Lande angefertigt 
worden ist. Dieses Flugzeug, auf dem täglich Flüge 
unternommen wurden, bot, wie es heißt, nicht ge- 
nügende Sicherheit, da es nicht genügendes Gleich- 
gewicht hatte. Es ist dies, wie gesagt, keine fest- 

estellte Tatsache, sondern eine Vermutung, deren 
ichtigkeit durch die im Zuge befindlichen amtlichen 
Erhebungen erst erwiesen werden soll. 

Am 30. Juli früh führten die Piloten der Militär- 
flugschule über dem Flugfelde von Cotroceni mehrere 
Flüge aus. Auf dem Farman machte zuerst Ober- 
leutnant Olanescu einen Flug von einer viertel Stunde, 
er kehrte zurück, ohne daß ihm etwas zustieß. Nach 
ihm bestieg Berceanu das Flugzeug. Nach einem Fluge 
von zehn Minuten, während dessen das Flugzeug an- 
scheinend tadellos funktionierte, landete er, und 
unternahm einige Minuten später einen zweiten Flug. 
Das Flugzeug stieg zuerst bis zu einer Höhe von 
500 m, verminderte dann diese Höhe bis auf 150 m 
und nahm die Richtung nach dem Fort Domnesti, 
wobei es über die Fouragedepots der Armee dahin- 
flog. In der Nähe des Forts ereignete sich der Unfall. 
Das Flugzeug begann sich auf die Seite zu neigen, 
und alle Bemühungen des Piloten, es wieder ins 
Gleichgewicht zu bringen, blieben vergeblich. Plötz- 
lich sah man, wie das Flugzeug sich in der Luft 
überschlug und dann mit voller Schwere auf den 
Boden stürzte, wo es vollkommen in Trümmer ging. 
Der unglückliche Flieger, der unter das Flugzeug zu 
liegen kam, blieb sofort tot. In der Wucht des An- 


pralls barst der Körper des jungen Offiziers der 
anzen Länge nach. Als die in der Nähe befindlichen 
Soldaten zur Hilfe herbeieilten, fanden sie nichts als 
ein grauenhaftes Gemenge von Fleisch, Blut und Erde. 


Der Leichnam des unglücklichen Offiziers wurde in 


die Kapelle des Militärspitals überführt, wo ihn die 
Kameraden mit Blumen bedeckten. Das Leichen- 
begängnis des jungen Offiziers wurde mit besonderem 
Pompe begangen. 


Unsichtbare Flugzeuge. Die »Kölner Zeitung« 
schreibt: Um die Flieger vor den deutschen Ballon- 
abwehrkanonen zu schützen, ist die französische Firma 
Moreau auf den Gedanken gekommen, unsichtbare 
Flugzeuge zu schaffen. Die Gesellschaft stellt Ein- 
decker her, die in Höhen von 1000 bis 1200 m nur 
noch schwach sichtbar, bei 2000 m Höhe aber schon 
fast unsichtbar werden. In französischen Zeitschriften 
sind über diese »geniale Erfindung« längere Aufsätze 
erschienen, und man verspricht sich von dieser »Ent- 
deckung« für die Zukunft große 8 Es ist sehr 
erfreulich, daß französische Kritiker den hohen Wert 
einer solchen Erfindung anerkennen und sie als genial 
bezeichnen, und es ist doppelt erfreulich, daß einer 
deutschen Arbeit — um eine solche handelt es 
sich nämlich — so hohes Lob gezollt wird. Infolge 
der durch den Krieg geschaffenen Verhältnisse war 
es der Firma Moreau Fréres in Combs-la-Ville 
nämlich möglich, ein deutsches Patent ohne weitere 
Formalitäten und Entschädigungen zu übernehmen. 
Das unsichtbare Flugzeug ist die Erfindung des Mün- 
sterischen Motorenbauers Ingenieurs Knubel, dem 
es nach jahrelanger Arbeit vor etwa anderthalb Jahren 
gelang, einen Eindecker herzustellen, dessen Lenker 
ohne Tarnkappe sich unsichtbar zu machen verstand. 
Das unsichtbare Flugzeug, das einen Rumpf und 
Flügelaufbau wie alle anderen Maschinen hat, wird 
nämlich nicht mit Leinwand verspannt und überzogen, 
sondern mit einer völlig durchsichtigen Masse, dem 
sogenannten Cellon. Das Cellon, das von der Rheinisch- 
westfälischen Sprengstoff-Aktiengesellschaft hergestellt 
wird, hat in den letzten Jahren in der Automobil- und 
Flugzeugindustrie an Stelle des Glases vielfach Ein- 
gang gefunden. Es ist eine chemische Verbindung 
zwischen Zellulose und Essigsäure und hat geradezu 
ideale Eigenschaften. Es besitzt gleich dem Glas 
völlige Durchsichtigkeit ohne zu splittern, besitzt die 
Biegsamkeit des feuergefährlichen Zelluloids, ohne zu 
brennen, und ist zäh wie Gummi, ohne von Benzin, 
Benzol oder Wasser angegriffen zu werden. Cellon 
läßt sich in jeder beliebigen Größe und Stärke her- 
stellen. Ingenieur Knubel kam zuerst auf den Gedanken, 
das Cellon statt der Leinwand zum Bespannen von 
Flugzeugtragflächen zu benützen. Seine Versuche, die 
er bereits im Sommer 1913 anstellte, ergaben, daß 
eine Maschine, die mit Cellon bespannt und bekleidet 
war, schon in der Höhe von 1000 m fast unsichtbar 
wurde. Da auch die Holzteile des Rumpfes, die Flügel- 


rahmen und Rippen einen blaugrauen An- 
strich erhielten, war es dem unbewaffneten 
Auge schon völlig unmöglich, den Apparat 
in m Höhe am Himmel zu entdecken. Die 
Knubelsche Erfindung wurde in Deutschland 
patentiert. Wenn also die Franzosen die 
unsichtbare Maschine als ihr geistiges Eigen- 
tum ausgeben, so ist das falsch. Es liegt 
hier nur ein Patentraub vor, der in Friedens- 
zeiten sicherlich ein gerichtliches Nachspiel 
haben dürfte. 


Nächtliche Looping -the -loop - Flüge 
bilden, wie wir der Zeitschrift »Aircraft« 
entnehmen, zurzeit eine der Hauptattraktionen 
der großen Panama -Pacific - Ausstellung. 
Pegoud hat also nicht nur Schule gemacht, 
die immer sensationslüsternen und fixen 
Amerikaner haben sogar ein Mittel gefunden, 
den Nervenkitzel um ein Beträchtliches zu 
steigern und den Darbietungen einen noch 
mysteriöseren Charakter dadurch zu ver- 
lethen, daß sie sie in die Nacht verlegen. 

Mr. Artur Smith, ein junger CurtiB- 
Pilot, hat sich bereit finden lassen, für Geld 
und gute Worte die halsbrecherischen Pro- 
zeduren im Dunkel der Nacht vor den 
Augen der Ausstellungsbesucher zu voll- 
führen, die sich natürlich, von dem unleugbaren Reiz 
dieser neuen Vorführungen angezogen, zu vielen 
Hunderttausenden allnächtlich in der Ausstellung ein- 
finden. Um seine Manöver allen Augen auch verfolg- 
bar und die Bahn seiner tollkühnen Kurven sichtbar 
zu machen, brachte er am Vorderteile seines Appa- 
rates mehrere kleine Lichtquellen an, die von einer 
mitgeführten und vom Motor angetriebenen Dynamo 
gespeist werden. Ein solcher Flug wurde denn auch 
von einem anwesenden Photographen auf die Platte 
gebracht — ähnlich der Art der Blitzaufnahmen — 
und die hier eingefügte Illustration läßt genau die 
Bahn seines Flugzeuges im Dunkel der Nacht er- 
kennen. Angesichts der Tatsache, daß der Pilot 
Smith sich aber eines normalen Curtiß-Doppeldeckers 
für seine Produktionen bediente, was ja auch zur 
Genüge aus dem zweiten, hier ebenfalls reprodu- 
zierten Bilde hervorgeht, erscheint es mehr als zweifel- 
haft, daß der Flieger den Apparat ähnlich wie Pégoud 
zum Überschlagen brachte. Wir vermuten viel eher, 
daß er durch seine allerdings vielleicht sehr kühnen 
Kurven- und Sturzflüge im Dunkel der Nacht sehr 
leicht den Eindruck geschlossener Loopingflüge bei 


Deresan 5 .. 


Die durch einen am Re befestigten Scheinwerfer sichtbar gemachten 


lugbahnen Smiths. 


221 


a 


Mr. Arthur Smith auf dem Curtiß-Doppeldecker, mit weichem er die 


nächtlichen Looping-the-loop-Fiäge vollführte. 


den Zusehern erwecken konnte, zumal die Täuschung 
bekanntlich da viel leichter bewerkstelligt werden 
kann. Daß aber Or abL ungen ala Pegoud mit einem 
schweren Militärdoppeldecker möglich sind, ist sehr 
stark anzuzweifeln. Das amerikanische Blatt bemerkt 
schließlich, daß das Bild der Flugbahn keineswegs 
retuschiert, sondern wahrheitsgetreu wiedergegeben 
wurde. (277) 


Streik in italienischen Fahrzeugfabriken. In 
den Fahrzeugfabriken Nagliani-Mailand und Sa- 
voie-Bovisie traten die Arbeiter in den Ausstand. 
Die italienische Presse beschwört die Arbeitgeber und 
die Arbeiter, sich zu einigen, da die militärischen 
Lieferungen nicht verzögert werden dürfen. 


Die Sprengwirkung der deutschen Flugzeug- 
bomben. Ein englischer Feldpostbrief berichtet von 
der gewaltigen Sprengwirkung der deutschen Fiug- 
zeugbomben. Der Brief enthält interessante Einzel- 
heiten über den Angriff zweier deutscher Tauben auf 
Amiens. Danach verbreiteten die deutschen Flugzeug- 
bomben Tod oder Zerstörung über ein weites Gebiet. 
Die erste Bombe schon bewies, daß die Deutschen 
einen ganz starken e neuester 
Erfindung verwendeten. 22 Häuser 
wurden zerstört und 70 beschädigt. 
30 Personen wurden getötet oder 
verwundet. 


Ein italienisches Flugzeug 
herabgeschossen. Magyar Orszag« 
meldet: Eine unserer Batterien be- 
merkte am 29. Juli nachmittags auf 
dem Plateau von Doberdo über 
unserer Stellung in einer Höhe von 
etwa 2500 m ein feindliches Flug- 
zeug. Die Batterie nahm das Flug- 
zeug Sofort unter Feuer. Die Insassen 
des Flugzeuges schienen bloß einen 
geeigneten Punkt zu suchen, um ihre 

omben mit Erfolg abwerfen zu 
können. Die Batterie gab drei Schüsse 
ab, doch das Flugzeug setzte seinen 
Weg fort. Als der vierte Schuß abge- 
geben war, wurde das Flugzeug von 
einer dichten Rauchwolke umgeben, 
und nachdem sich diese verzogen 
hatte, konnte man sehen, daß das 
Flugzeug einen Volltreffer bekommen 
hatte und mit rasender Eile zu Boden 
sauste. In einer Höhe von etwa 500 m 


222 


sprang einer der Offiziere aus dem brennenden Ap- 
parat heraus und wurde später, bis zur Unkenntlichkeit 
verstümmelt, als formlose Masse aufgefunden. Der 
Apparat war ein Biplan französischen Typs und man 
fand darin die Leiche eines zweiten Offiziers, die 
völlig verkohlt war. Der Brand des Flugzeuges war 
dadurch entstanden, daß durch den Treffer unserer 
Batterie die Bombe zur Explosion gebracht worden 
mal welche die Flieger zum Abwurf bereit gehalten 
atten. 


Fortschritte im Flugwesen. Der Oberstleutnant 
Rousset schreibt im »Petit Parisien« unter anderem: 
Man hört jetzt zum erstenmal von Flugzeugen, die 
mit Kanonen bewaffnet sind. Die Erfindung dieser 
neuen Art Flugzeuge bedeutet, daß der Luftkrieg bei 
weitem noch nicht alles geboten hat, was er zu bieten 
vermag. Er nimmt jetzt im Gegenteil eine andere Ent- 
wicklung. Man muß mit großen Überraschungen 
rechnen. Die neu angewendete Taktik mit der Ent- 
sendung ganzer Geschwader, die aus 20 Flugzeugen 
bestehen, kann uns noch unschätzbare Dienste leisten, 
namentlich wenn diese Taktik in noch höherem Maße 
erweitert wird. 


Unsere Flieger auf dem südwestlichen Kriegs- 
schauplatz. Wie die Unseren auf dem südwestlichen 
Kriegsschauplatz ein italienisches Flugzeug herunter- 
holten, schildert ein Zugsführer bei einer Maschinen- 
gewehrkompagnie in folgender Weise: 

Es war am 18. Juli gegen 9 Uhr vormittags, als 
wir in unserer Stellung plötzlich ein Surren ver- 
nahmen. Ich erkannte einen unserer Doppeldecker, 
der mit dem uns bekannten Zeichen versehen, den 
Kurs gerade über unsere fast 2000 m hohe Kuppe 
gegen die in nächster Nähe befindliche italienische 

renze nahm. Es verstrich eine kurze Zeit und schon 
vernahmen wir das Geknatter der feindlichen Ma- 
schinengewehre und in wenigen Minuten krepierten 
auch schon die ersten italienischen Schrapnelle vor 
und hinter unserem Flugzeug. Es dürften 200 bis 
250 Schrapnelle in der Zeit von kaum einer Stunde 
gewesen sein. Durch das Feuer verrieten jedoch die 
Italiener ihre Feldbatteriestellungen und das benützten 
sogleich unsere Haubitzen, um ihr gebieterisches 
Wort in Form von wohlgezielten Granattreffern ein- 
zulegen, und nach jedem Schuß verstummten auch 
schon die einzelnen feindlichen Batterien. Ich sah 
von meinem dominierenden Standpunkt aus deutlich 
die Wirkung unserer Volltreffer. 

Inzwischen kam die telephonische Meldung: 
»Feindlicher Flieger in Sicht — Richtung gegen unsere 
Stellung<. Ich ließ sofort die Maschinengewehre 
in Feuerbereitschaft bringen und eilte hierauf zu dem 
unweit postierten 72fach vergrößernden Scherenfernrohr, 
von wo aus ich schon nach kurzer Zeit deutlich den 
feindlichen Flieger hoch am Horizont bemerkte. Aber 
auch unser Doppeldecker nahm bereits den Kurs gegen 
das ankommende italienische Flugzeug, in Spiral- 
windungen über diesem kreisend, da er jedenfalls 
dasselbe von oben anzugreifen sich entschloß. In 
diesem Moment begannen aber auch schon unsere 
Batterien ihre Salven erdröhnen zu lassen. Es waren 
bange Minuten für uns und es kann sich niemand 
die Aufregung nur annähernd vorstellen, die man als 
Beobachter aus kurzer Entfernung bei diesem Kampfe 
in den Lüften mitmacht, ohne eigentlich helfen zu 
können. Hochinteressant war es, die Kühnheit unseres 
heldenhaften Fliegers, wie er durch Schleifen, plötz- 
liche Wendungen, dann wieder durch momentanes 
Auf- und Absteigen mit seinem Flugzeug der Ein- 
schlußgabel zu entrinnen verstand, zu beobachten. 

Plötzlich bemerkten wir das Krepieren eines 
Schrapnells in der nächsten Nähe des feindlichen 
Flugzeuges. Dieses begann auch schon zu schwanken 
und mit einemmal pfeilschnell abzustürzen. Man be- 
merkte genau durch das vortreffliche Fernrohr, daß 
der Lenker des feindlichen Flugzeuges dasselbe noch- 
mals durch Aufreißen ins Gleichgewicht bringen 


wollte, um dem todbringenden Absturze zu entgehen; 
doch im nächsten Moment schon stürzte der Apparat 
in einen hohen Hochwald ab. Kaum hatten wir das 
Geschehene durch das Glas aufgenommen, sahen wir 
auch schon unseren Helden in den Lüften unserer 
Bergkuppe zufliegen; wir begrüßten ihn durch 
Schwenken unserer Taschentücher, was er durch 
Schwenken einer Fahne quittierte. 


Zeppelins erster »Aufstieg«. Eine kleine Er- 
innerung an den Grafen Zeppelin erzählt ein alter 
französischer Marineoffizier im »Temps«. Es war im 
Jahre 1864, als die französische Korvette »Tisiphone«, 
die längere Zeit im Hafen von New-York gelegen 
hatte, nach Baltimore abging. Kurz vor der Abfahrt 
kam plötzlich noch ein Passagier an Bord, ein junger 
Mann von etwa 25 Jahren, der mit nach Baltimore 
wollte. Da Kriegsschiffe niemals Passagiere auf- 
nehmen, so handelte es sich hier um eine besondere 
Vergünstigung, und der neue Ankömmling wurde auch 
von dem Kapitän mit besonderer Hochachtung be- 
grüßt. Er speiste dann mit dem Kapitän zu abend, 
und es war bereits spät, als er sich zu den Offizieren 
des Schiffes gesellte. Es war ein lustiger junger 
Herr, der sogleich Leben in die Gesellschaft brachte 
und um die Erlaubnis bat, den französischen See- 
leuten einen guten Tropfen Rheinwein vorsetzen zu 
dürfen, den er in seinem Koffer mit sich führte. 
Zwölf Flaschen wurden auf den Tisch gestellt, und 
bald war man sehr guter Stimmung. Die Offiziere 
aber hatten während der Nacht ihren Dienst zu tun; 
der eine nach dem andern enifernte sich, und so 
blieben schließlich nur noch der Passagier und ein 
junger Seekadett beieinander, den die Pflicht nicht 
abberief. Sie tranken und plauderten die ganze Nacht 
zusammen, und als die letzte Flasche geleert war, 
unternahmen sie einen Spaziergang durch das Schiff, 
der schließlich auf der höchsten Stange des Bram- 
segels hoch oben auf der Spitze des Fockmastes 
endete. Dieses Kletterkunststück war den beiden ein 
Beweis, daß sie noch fest auf den Beinen standen. 
Für den Seekadetten bedeutete die Sache im übrigen 
nichts Besonderes, denn das Wetter war schön und 
das Meer ruhig. Eine desto erstaunlichere Leistung 
war es für den Passagier. Denn er gestand seinem 
Kameraden, daß er als Kavallerieoffizier niemals vor- 
her Gelegenheit gehabt habe, einen Mastbaum zu 
erklimmen, daß dies sein erster »Aufstieg« in so 
luftige Sphären gewesen sei. Das kühne Stückchen, 
das er mit dem unerschrockenen Mitklettern voll- 
bracht hatte, sicherte ihm die lebhafteste Sympathie 
des Seekadetten. Der Passagier der »Tisiphone« gab 
dem anderen seine Visitenkarte, auf der die Worte 
standen: »Graf Zeppelin, Adjutant Seiner Majestät 
des Königs von Bayern«. Der Graf befand sich damals 
auf der Reise, um an dem amerikanischen Sezessions- 
kriege teilzunehmen und er hatte die Gastfreundschaft 
des französischen Schiffes in Anspruch genommen, 
um dem Kriegsschauplatz möglichst rasch näher zu 
kommen. Der Seekadett, der diesem ersten »Aufstieg« 
Zeppelins beiwohnte, wurde später Fregatten- 
kapitän und Mitglied der französischen Akademie der 
Wissenschaften. 


Die bisherigen Luftangriffe auf England. Der 
vom Admiralstab der deutschen Marine (zuletzt 18.d.M.) 
gemeldete erfolgreiche Angriff deutscher Marineluft- 
schiffe auf die City von London und auf wichtige An- 
lagen an der Themse ist auf Grund der amtlichen 
Berichte der siebente Luftangriff auf England. 

In der Nacht vom 19. zum 20. Jänner erschienen 
deutsche Marineluftschiffe zum erstenmal über der 
Ostküste Englands und belegten vor allem Yarmouth 
mit Bomben. Aın 29. April wurden die Küstenbefesti- 
gungen bei Harwich und einigen anderen Orten der 
englischen Küste durch deutsche Luftschiffe und Flug- 
zeuge bombardiert. Zwei weitere erfolgreiche Vor- 
stöBe deutscher Luftgeschwader erfolgten am 5. und 
7. Juni. Am erstgenannten Tage warfen deutsche 


MOONE) 


2101018 


223 


OOO 


89/09/80 


Aus einer amerikanischen Flugzeugwerkstätte. 
Phot. Ing. R. Hofmann. 


Marineluftschiffe zahlreiche Bomben auf die befestigte 
Humbermündung und Harwich, am 7. gelangten sie 
bis vor die Vorstädte Londons, nach Kingston und 
Grimsby, und richteten an den Befestigungswerken 
und Docks schweren Schaden an. In der Nacht vom 
9. zum 10. August führten deutsche Marineluftschiffe 
abermals Angriffe gegen befestigte Küsten- und Hafen- 
plätze der englischen Ostküste aus. Trotz starker 
5 wurden britische Kriegsschiffe auf der 
Themse, die Docks von London, ferner der Torpedo- 
stiitzpunkt Harwich und wichtige Anlagen am Humber 
mit Bomben beworfen. Die Luftschiffe kehrten von 
ihrer erfolgreichen Unternehmung unversehrt zurück. 
In der Nacht vom 12. zum 13. August erneuerten 
deutsche Marineluftschiffe zum sechstenmal ihre An- 
griffe auf die englische Ostküste und bewarfen hiebei 
die militärischen Anlagen in Harwich mit gutem Er- 
folg. Trotz starker Beschießung durch die Befesti- 
ungen kehrten alle Luftfahrzeuge unbeschädigt zurück. 
n der Nacht vom 17. zum 18. August endlich erfolgte, 
nachdem am 16. August frühmorgens ein deutsches 
Unterseeboot Parton Harrington und Whitehaven an 
der Westküste von England bombardierte, der siebente 
Luftangriff durch deutsche Flugzeuge, der bis über die 
City von London getragen wurde. 


Unser Ausschußmitglied, Ing. Raoul J. Hof- 
mann, der sich in Wien vor mehreren Jahren auf 
dem Gebiete des Luftschraubenbaues und der Flug- 
zeugkonstruktion praktisch und mit Erfolg betätigt 
hat, weilt gegenwärtig in Amerika, von wo er uns 


ie 


* A ` < ` * ` a 
- — 


die hier eingefügten beiden Photographien aus der 
von ihm geleiteten Flugzeugfabrik übersendet. Die 
beiden Bilder scheinen im allgemeinen das, was wir 
bezüglich des technischen Niveaus, auf welchem sich 
der Flugzeugbau in Amerika bewegt, in gleicher 
Nummer an anderer Stelle sagen, primo visu zu be— 
stätigen: die modernen europäischen Richtlinien 
scheinen der amerikanischen Flugzeugindustrie gänz- 
lich zu fehlen oder doch unbekannt geblieben zu sein. 


Fliegerverluste unserer Feinde. Eine Aufstel- 
lung aus deutschen amtlichen Berichten, sowie aus 
Zeitungsberichten unserer Gegner, die ihre eigenen 
Verluste wohl kaum übertreiben dürften, ergibt 
nach dem »Flug-Sport<, daß die deutschen und 
österreichischen Truppen bisher 135 Luftfahr- 
zeuge abgeschossen haben. Diese Zahl wird 
allerdings eher zu niedrig als zu hoch gegriffen 
sein, denn in der folgenden Aufstellung sind nur 
solche Flugzeuge angegeben, die innerhalb der 
deutschen und österreichischen Linien landen mußten 
oder abstiirzten. Wie viele feindliche Flugzeuge be- 
reits kampfunfähig die eigenen Linien noch erreichten, 
entzieht sich vorläufig noch der Kenntnis. Man kann 
aber annehmen, daß die Zahl dieser Flugzeuge der 
oben angegebenen kaum nachstehen wird. Die Zu- 
sammenstellung ist insofern interessant, als sie 
Schlüsse auf den Offensivgeist unserer Gegner ge- 
stattet. Während die Franzosen kühne, weit aus- 
gedehnte Streifen über den Schwarzwald, Baden, 
Elsaß-Lothringen und das Rheinland ausgeführt haben, 


See 


Propellerbau in einer amerikanischen Flugzeugwerkstätte. 
Phot. Ing. R. Hofmann. 


224 


beschränken sich die Engländer nur auf kleine Streifen 
ihrer schmalen Front in Belgien. Nur wenige eng- 
lische Offiziere drangen auf deutsches Gebiet vor, wo 
sie ihr Schicksal dann ereilte. Dagegen haben die 
englischen Wasserflugzeuge häufige und ausgedehnte 
Streifen über der Nordsee bis an die belgische und 
deutsche Küste unternommen, während die im Frieden 
besser organisierten französischen Marineflugzeuge 
gegen die deutsche Küste gar keinen Vorstoß unter- 
nahmen, sondern sich auf die Beschießung einiger 
belgischer, jetzt in deutschem Besitz befindliche. 
Häfen beschränkt haben. Weiter kann man den fran-, 
zösischen Fliegern im allgemeinen eine bessere Aus- 
bildung und Orientierungsvermögen nachrühmen, da 
sie nur selten sich über neutrales Gebiet verirrten. 
Von den englischen Fliegern aber landete ein ziemlich 
bedeutender Prozentsatz auf holländischem Gebiet. 


Von französischen Fliegern wurden auf reichs- 
deutschem Boden 21 Flugzeuge abgeschossen, bezw. 
zum Niedergehen gezwungen. Vor der deutschen Front 
in Frankreich wurden 22 Maschinen, in Belgien sechs 
zum Niedergehen gezwungen. Zwei französische Flug- 
zeuge landeten in der Schweiz, zwei in Holland, die 
dort interniert wurden. Zwei französische Flieger, die 
auf seiten der Montenegriner kämpften, fielen öster- 
reichischer Artillerie zum Opfer. 
57 kampfunfähigen Flugzeugen sind 11 in Luftkämpfen 
durch deutsche Maschinen unschädlich gemacht 
worden. Unter den abgeschossenen Franzosen be- 
fanden sich bekannte Persönlichkeiten, wie der Se- 
nator Reymond, Mitglied der bekannten Untersuchungs- 
kommission, der vor zwei Jahren die Schäden im 
französischen Flugwesen beseitigen sollte, der De- 
puters Girod, sowie die bekannten Flieger Marc, 

ourpre, Gaubert, Radel und Garros. Von englischen 
Fliegern wurden sechs über deutschem Gebiet un- 
schädlich gemacht, sechs andere fielen in Frankreich 
und nicht weniger als 22 wurden von unseren Truppen 
in Belgien heruntergeholt. Vor den Dardanellen blieben 
fünf englische Flieger mit ihren Maschinen, die sich 
in allzugroße Nähe der türkischen Batterien gewagt 
hatten, und acht Engländer wurden in Holland inter- 
niert, nachdem sie irrtümlicherweise dort gelandet 
waren. Zwei englische Flugzeuge konnten von hol- 
ländischen Dampfern in der Nordsee aufgefischt und 
ihre Insassen an Land gebracht werden. Bemerkens- 
wert ist, daß auf belgischem Boden vor der deutschen 
Front neun Engländer im Luftkampfe den Deutschen 
unterlagen. Zusammen sind also bisher 47 englische 
Flugzeuge vernichtet. 

Die russische Armee, die nicht über ein so aus- 
gedehntes Fliegerheer verfügt, wie Frankreich und 
England, hat bisher eine Einbuße von 26 Maschinen 
zu verzeichnen. Gerade hier ist es jedoch schwer 


Aus der Zahl von 


Ne ee 


festzustellen, wie groB die effektiven Verluste der 
Russen gewesen sind, da an der ungeheuren Front 
von der Ostsee bis zum Kaukasus wahrscheinlich 
zahlreiche Flieger, die lahmgeschossen worden waren, 
in den ausgedehnten Wäldern und Sümpfen ein Ende 
gefunden haben, ohne daß dies der Öffentlichkeit be- 
kannt geworden wäre. Vor Przemysl haben die Russen 
nicht weniger als sechs Flugzeuge eingebüßt, von 
denen drei dem Riesentyp Sikorsky angehörten. 
Belgien hat, soweit bekannt ist, vier Flugzeuge ver- 
loren, von denen eines auf holländischen Boden 
landete. Von italienischen Verlusten ist bisher der 
Untergang der »Citta di Ferrara« und die in dieser 
Nummer besprochene Kaperung der »Citta di Jesi« 
bekannt geworden, die allerdings für die italienische 
Luftflotte um so schwerer zählen. 


Ein Lufttorpedoboot: Die Erfindung eines ame- 
rikanischen Admirals. Amerikanischen Blättern wird 
aus Washington gemeldet: Konteradmiral B. A. Etake 
erhielt ein Patent für ein Lufttorpedoboot, das im- 
stande sein soll, Schiffe in geschützten Häfen an- 
zugreifen. Er hat den Plan, ein Riesenflugzeug mit 
Whitehead-Torpedos auszustatten. Das Flugzeug 
würde fünf Meilen vor dem anzugreifenden Ziele 
niedergehen und den Torpedo ähnlich lancieren wie 
ein Zerstörer. Der Torpedo wird automatisch in Be- 
wegung gesetzt und steuert mit 40 Knoten auf das 
Ziel zu. Auf diese Weise glaubt man, Flotten in ab- 
geschlossenen Häfen angreifen zu können. 


Ein deutsches Fliegerstückchen über Lüttich. 
Die »Times« erzählten: Ein deutscher Flieger machte 
sich nächtlicherweile mtt Sprengkörpern an einem der 
Forts zu schaffen. Da er in nur 300 m Höhe schwebte, 
wäre er ein leichtes Ziel für die Kugeln gewesen. So 
band er an eine etwa 75 m lange Schnur eine rote 
Laterne, die nun von den Belgiern in Stücke geschossen 
wurde, während er lächelnd darüber schwebte. 


Von der k. u. k. Luftschiffer-Abteilung. Das 
letzterschienene Verordnungsblatt für dask. u. k. Heer 
bringt unter anderem auch die Ernennung des be- 
kannten Fliegermajors Hans Umlauff R. v. Frank- 
well zum Oberstleutnant. Oberstleutnant v. Umlauff 
ist durch seine aufsehenerregenden Flüge, u. a. Wien— 
Budapest (1911) bekannt. Des weiteren bringt das 
gleiche Verordnungsblatt auch die Ernennung des mit 
dem Personalreferate der Luftschiffer-Abteilung be- 
trauten Hauptmannes Wilhelm Hoffory zum Major. 
Auch Major Hoffory hat sich durch seine zahlreichen 
Ballonfahrten einen klangvollen Namen geschaffen 
Schließlich wurde noch Oberleutnant Feldpilot Johann 
Mandl durch die Verleihung des Ordens der Eisernen 
Krone für Tapferkeit als Flieger vor dem Feinde 
ausgezeichnet. i 


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Herausgegeben vom: »K. k. Österreichischen Fiugtechnischen Verein«. — Verantw. Red.: in Vertretung Fritz Eliyson. 
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Herausgegeben von dem unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Majestät des 3 


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90000000000 0 000000 


Manuskripte werden nicht zurückgestellt. Der Nachdruck Angenommene Beiträge werden honoriert. Die Verfasser 


von Artikeln und Abbildungen ist nur mit Quellenangabe sind für Form und Inhalt der von ihnen eingesandten 
und Zustimmung der Redaktion gestattet. 88 Artikel und Abbildungen verantwortlich. 
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| ERSCHEINT ZWEIMAL IM MONAT. 
Nr. 17/18 September 1915 l IX. Jahrgang 


Inhalt: Vom schweizerischen Militärflugwesen. — Amerikas erstes Marine-Luftschiff. — Betrachtungen über die gegenseitige 

Anordnung und Winkelstellung der Tragflächen eines Doppeldeckers. — Gerüstzweidecker, von Fritz Lichtenstern, Einjährig- 

Freiwilliger. (Schluß.) — Der Deperdussin-Eindecker. — Aufstellung einer Fliegeroffiziersschule. — Neues Profil für Tragdecken 

und Fallschirme, von Prof. Jean Stroescu. — Glacialkosmogonische Beiträge zur Erdbebenforschung, von H. Hörbiger, Maschinen- 

ingenieur und Privatastronom. e — Geschiitzdonner und Aerologie, von Wilhelm Krebs (Holsteinsche Wetter- und 

Sonnen warte, Schnelsen). — Der See- und Luftkrieg im Nordseegebiet sowie im Nordmeer, von Wilhelm Krebs (Schnelsen). — 
Bücherbesprechungen. — Chronik. 


Chefredakteur: Ing. A. Budau, o. 6. Professor der k. k. Technischen Hochschule in Wien 


Redakteur für den offiziellen und wissenschaftlichen Teil für die Dauer der Abwesenheit der Herren Oberst 
Wilhelm Suchomel und Ing. Adolf Janisch: Fritz Ellyson 


Unter Mitwirkung von: 


PAUL BELLAK Dr. A. HILDEBRANDT RICHARD KNOLLER HANNS PITTNER Dipl. Ing. C. SCHMID 
Prokurist, Wien Lufischifferhaupbnann f. P. Ing., Professor a. d. k k. Schriftsteller, Wien 1 N 
FELIX BRAUNEIS erlin echn. Hochschule, Wien d > : 
Ingenieur, Wien F. HINTERSTOISSER W. KREBS RPETER „ RUDIN K UK. Rittmeister, Wiener- 
Dr. Ing.WALTER FREIR. k. u. k. Oberstit., Wien Leiter der Wetterwarte Ingenieur, Wien LEOPOLD SCHMIDT 
v. DOBLHOFF Schnelsen, Holstein 
Konstrukteur an der k. k RAOUL HOFFMANN J. POPPER-LYNKEUS Ing., Prof., Wr.-Neustadt 
Techn. le ice Ingenieur, Wien une Ingenieur, Wien „KARL ann, a 
EDU D EZAL ANTON JAROLIMEK ng., Konstrukteur a. d. K. K. 
k. k. Hofrat, o. Ö. Prof., an k.k. OD E, König- HUGO L. NIKEL STEPHAN POPPER Techn. Hochschule, Wien 
der k. a Hoch- grätz k. k. techn. Ob.-Offiz., Wien Ingenieur, Wien e TRABERT 
FRITZ ELLYSON Dr. F. JUNG HANS F. v. ORELLI FRANZ REBERNIGG „Professor, Direktor der 
Flugmaschinen- Professor a. d. k. k. Tech- Schriftsteller, Wien ng., Kommissär des k. k. logie u. Geodynamik, Wien 
Konstrukteur, Wien nischen Hochschule, Wien STEPHAN PETROCZY V Dr. C. WIESE LS- 
100 ETRICH D. W. KAISER v. PETROCZ RUDOLF SCHIMEK BERGER 
Großindustrieller, Ober- Kapitänleutnant a. D., k. u. k. Luftschifferhaupt- k. u. k. Major d. R., Direktor Assistent an der Universität 
altstadt Charlottenburg mann, Wien der Autoplanwerke, Wien in Göttingen 


Vom schweizerischen Militärflugwesen. 


Auf Grund der ihm am 8. August 1914 erteilten | Militärflugwesen vor. Ihre Mitglieder werden vom 
Vollmachten hat der Bundesrat einen Beschluß gefaßt | schweizerischen Militärdepartement ernannt. Der Chef 
über die provisorische Organisation des | der MER TEUDRE ist von Amts wegen Mitglied der 
Militarflugwesens. Nach Art. 1 wird das | Kommission. Die Beschlüsse und Vorschläge der 
Militärflugwesen bis auf weiteres der Generalstabs- | Kommission gehen an den Chef der Generalstabs- 
abteilung des schweizerischen Militärdepartements ! abteilung, welcher sie mit seinen Anträgen dem Militär- 
unterstellt. Demgemäß leitet der Chef der General- | departement vorlegt. Diese Organisation tritt, wie der 
stabsabteilung als Abteilungschef die Geschäfte der | letzte Art. 6 besagt, provisorisch in Kraft und soll 
Militarfliegertruppe. Dem Chef der Generalstabs- | Gültigkeit bis zu der später erfolgenden definitiven 
abteilung sind laut des Art. 2 unterstellt: das vorläufig | Regelung durch ein Bundesgesetz haben. 
notwendige Verwaltungs- und Instruktionspersonal der Ein gleichzeitig erlassener provisorischer Bundes- 
Fliegertruppe, die Fliegertruppe, die Kommission für | ratsbeschluß ordnet in 17 Artikeln die Rekrutierung, 
das Militärflugwesen. Art. 3 bestimmt: »Das zurzeit | Ausbildung und E der Flieger- 
nötige Verwaltungs- und Instruktionspersonal der | truppe. Wir entnehmen diesem Beschluß, daß als 
Fliegertruppe wird provisorisch im Rahmen der hiefür | Militärflieger nur wehrpflichtige Schweizer Bürger ein- 
bewilligten Kredite bestellt und verwendet.« Die ! geteilt werden können, welche sich das sclıweizerische 
Fliegertruppe besteht zufolge des Art. 4 aus den | Militärfliegerzeugnis erworben haben. Die Ausbildung 
Militärfliegern, den Beobachtungsoffizieren und den ' zum Militärflieger erfolgt auf der Militärfliegerschule 
Fliegerkompagnien. | bis zum Erwerb des Zeugnisses als Militärflieger. 

Für die Prüfung aller das Militärflugwesen be- | Mit der Ernennung zum Militärflieger erfolgt für 
treffenden Fragen und insbesondere für die Vorschläge | Soldaten und Unteroffiziere die Beförderung zum 
über die Verwendung des Ergebnisses der National- | Adjutant-Unteroffizier. Offiziere behalten 
sammlung sieht Art. 5 eine Kommission für das ! ihren Grad. Flieger, welche bisher nicht gedient 


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»Citta di Jesi«, heruntergeschossen in der Nacht vom 5. auf den 6. August vor Pola. Aufgenommen vor dem 
Hereinschleppen nach Pola. 


hatten, werden als freiwillige Flugzeugführer ohne ! Fliegerabteilung kommandiert. 


militärischen Grad der Fliegertruppe zugeteilt. Während 
des Ausbildungskurses erhalten die zur Militärflieger- 
schule kommandierten Schüler ihren Gradsold (bisher 
nicht Gediente haben den Soldatensold), die regle- 
mentarischen Kompetenzen für Unterkunft und Ver- 
pflegung sowie eine Tageszulage von Frcs. 2. Mit 
der Ernennung zum Militärflieger erhalten die Schüler 
Anspruch auf eine Prämie von Frcs. 3000, zahlbar 
in drei Raten von Frcs. 1500, Frcs. 900 und Frcs. 600 
innerhalb dreier Jahre. Im aktiven Dienst und in 
Wiederholungskursen erhalten Fliegeroffiziere Grad- 
sold, Mundportion und eine tägliche Zulage von 
Frcs. 10, I re ei und freiwillige Flugzeug- 
führer einen Tagessold von Frcs. 12 und Mundportion. 
Die Militärflieger sind außer den gesetzlichen Wieder- 
holungskursen zu besonderen Flugleistungen ver- 
pflichtet. Sie erhalten dafür eine besondere Entschädi- 
gung von Frcs. 50 in der Stunde für obligatorische 
und Frcs. 30 für fakultative Leistungen innerhalb der 
gewährten Budgetkredite. 

Als Beobachtungsoffiziere werden Offiziere 
des Generalstabes oder der Truppengattungen zur 


Die Ausbildung der 
Beobachtungsoffiziere erfolgt in einem dreiwöchigen 
theoretischen Kurs bei der Fliegerabteilung und in 
einer durch das schweizerische Militärdepartement 
nach Antrag der Generalstabsabteilung zu bestimmenden 
Zahl an Fahrten in Ballon und Flugzeug. Nach be- 
endeter Ausbildung werden die BeöbachEinssöifiziere 
der Fliegertruppe zugeteilt. Die Beobachtungsoffiziere 
beziehen bei allen Übungen mit der Fliegertruppe und 
im aktiven Dienst neben den reglementarischen Kom- 
petenzen eine tägliche Soldzulage von Frcs. 10. Vor 
der Zuteilung zu den Fliegerkompagnien haben diese 
Mannschaften Spezialkurse zu bestehen von 35 Tagen 
für die Mechaniker, von 13 Tagen für die übrigen 
Mannschaften. Die Rückversetzung zu der Truppen- 
gattung, aus der die Mannschaften hervorgehen, 
kann von der Generalstabsabteilung jederzeit verfügt 
werden. 

Das gesamte Personal der Fliegertruppe, mit Ein- 
schluß der a E Flugzeugführer, steht während 
der Ausbildung auf der Militärfliegerschule und bei 
allen Übungen unter dem Gesetz über die Militär- 
versicherung. 


Amerikas erstes Marineluftschiff. 
(Unser österreichisches Körting-Luftschiff als Vorbild.) 


Gelegentlich unserer, in der letzten Nummer dieses 
Blattes angestellten Betrachtungen über das amerika- 
nische Flugwesen brachten wir auch die kurze Be- 
schreibung eines ähnlich dem Prinzipe der Zeppeline 
konstruierten Starrluftschiffes, dessen Hauptver- 
wendungszweck in der Verfolgung und dem Zerstören 
dieser erfolgreichen Luftkreuzer unserer Verbündeten 
bestehen soll. Nunmehr berichtet der » scientific 
american von einem neuen, für die Vereinigten Staaten 
bestimmten Luftkreuzer, der ebenfalls in Kürze seiner 
Vollendung entgegengehen soll und im Hinblicke auf 
die bisher in Amerika erfolglos gebliebenen Bemühungen 
nach Schaffung einer einheimischen Luftschiffklasse, 
sowie auch wegen der in dem neuen Projekte ent- 
haltenen, bemerkenswerten Gesichtspunkte sei hier 
nach dem zitierten Blatte der betreffende Bericht aus- 
zugsweise wiedergegeben. 


Bereits vor sieben Jahren hat als erster in Amerika 
Kapitän Thomas Baldwin, der bekanntlich auch 
auf dem Gebiete des Aeroplan-, namentlich aber des 
Wasserflugzeugbaues hervorgetreten ist, für dieamerika- 
nische Armee einen Lenkballon, die »California«, 
gebaut, die auch damals einer Militärkommission vor- 
geführt wurde, aber wenig Beifall gefunden hatte. 
Zwei weitere, ebenfalls von Kapitän Baldwin in der 
Folge gebaute Lenkluftschiffe, der »Arro we und der 
»Baldwin Ille, waren gleich dem erstgebauten von 
dem unstarren Typ, die aber, wie gesagt, keinerlei 
Erfolge erzielen konnten. Parallel zu den Arbeiten 
Baldwins liefen jene Wellmans und Vanimans, deren 
Ozeanluftschiffe »Amerika le und »Amerika Il« Ende 
1910 bekanntlich bei den ersten Flugversuchen über 
das Meer kenterten. Ein ähnliches Schicksal, nur mit 


| dem traurigen Unterschiede, daß dasselbe auch 


Fig. 1. Der Baldwin-Lenkballon, das erste Marine-Luftschiff Amerikas. 


Menschenopfer forderte, war dem Ozeanluftschiffe 
»Acron« von Vaniman, der nach Wellmans Fiasko 
dessen Ideen weiterverfolgte, beschieden, denn zwei 
Jahre später, 1912, ging auch dieses Luftschiff gelegent- 
lich einer Versuchsfahrt kläglich zugrunde. 

Durch diese konstanten Mißerfolge augenschein- 
lich ein wenig entmutigt, wandte die amerikanische 
Admiralität und Heeresverwaltung ihr Augenmerk mehr 
dem Flugwesen zu, das aber, wie wir eben in letzter 
Nummer ausgeführt, mangels ausreichender Förderung 
hier auch nur eine recht mangelhafte Entwicklung 
aufzuweisen vermochte. 

Die neuesten Erfolge der deutschen Luftkreuzer 
aber haben mit einem Male das bereits erloschene 
Interesse der Amerikaner entfacht, und gerade in der 
letzten Zeit einige neue Projekte entstehen lassen, 
deren eines wir bereits in der letzten Nummer dieser 
Zeitschrift charakterisierten. Der Zweck dieses für 
die Engländer in erster Linie bestimmten »Zeppeline- 
Destroyers« ist, wie schon sein Name besagt, aus- 
schließlich in der Vernichtung der deutschen Luftschiffe 
zu suchen. Nunmehr berichtet das amerikanische 
Wochenblatt »Scientific american«, welches in wissen- 
schaftlichen Dingen ganz ausgezeichnet unterrichtet 
ist, von einem neuen, ebenfalls in Ausführung be- 
griffenen amerikanischen Luftkreuzer, der aber dies- 
mal für die amerikanische Navy bestimmt ist. Die 


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Admiralität der Vereinigten Staaten hat nämlich, wie 
dieses Blatt berichtet, den als Flieger bekannten Kapitän 
Baldwin, der auch den ersten Militärlenkballon in Amerika 
baute, mit der Herstellung eines neuen Marineluft- 
schiffes betraut, dessen kurze Beschreibung wir an 
Hand der Daten, die das genannte Blatt veröffentlicht, 
hier wiedergeben wollen. Im Entwurfe stellt der neue 
Lenkballon eine Kreuzung zwischen Baldwins früherem 
Renard-Santos Dumont-Astra-Typ und einem öster- 
reichischen Körting dar. Maßgebend für die konstruk- 
tiven Richtlinien waren die Wünsche der amerikani- 
schen Admiralität. Wie der - Scientific american« angibt, 
ist der neue Ballon ein verbesserter Körting. Inwieweit 
hier das Wort - verbesserter zutrifft, bleibe dem Urteile 
der Fachmänner vorbehalten. 

Die Hülle des Ballons umschließt vier Unter- 
abteilungen, die an ihren unteren Enden miteinander 
kommunizieren. Sämtliche Manövrierventile, wie auch 
die Sicherheitsventile befinden sich ebenfalls an der 
Unterseite der Hülle. Im Innern der Hülle sind zwei 
kugelförmige Luftsäcke (Ballonets) mit Stricken an- 
gebracht und zwecks Vermeidung ihres Verschiebens 
an den Hüllenboden angenäht. Die Gesamtlänge des 
Ballonkörpers mißt 53°5 m, ihr größter Durchmesser 
ca. 10°5 m, sein Fassungsvermögen beträgt 3080 m3. 

Ein Drittel des gesamten Rahmens der Gondel 
ist viereckig und versteift ein darin eingebautes Boot. 


a nee | 


Fig. 2. Verankerung des Baldwin-Marine-Luftschiffes fiber der See. 


228 


Die beiden anderen Drittel sind wie bei Körting nur 
aus einer geringen Anzahl von Streben aus Stahl- 
rohren hergestellt, die unter spitzem Winkel zur Flug- 
richtung gestellt werden und, da sie Dreiecksverbände 
darstellen, Drahtverspannungen unnötig machen. In- 
folgedessen ist der Stirnwiderstand des ganzen 
Aggregates ein sehr geringer, speziell im Vergleiche 
zu den unmodernen Santos-Dumont-Typen. 

Im übrigen weist der neue Lenkballon Kapitän 
Baldwins mehrere interessante Einzelheiten auf, so 
u. a. die sichere und doch leicht lösbare Gondelauf- 
hängung an der Gashülle vermittels hölzerner Knebel. 
Letztere werden nämlich in die Taschen eines speziellen 
verstärkten Gürtels geschoben. Zwecks Verminderung 
aller schädlichen Widerstände ist die Gondel unmittel- 
bar unter der Hülle in möglichst geringem Vertikal- 
abstande von derselben angeordnet. Ferner hat sich 
Baldwin zwei Prinzipien aus dem Flugzeugbau zunutze 
gemacht. Das eine betrifft die Verwendung eines 
120 PS Motors, der zwei Luftschrauben durch Ketten- 
übertragung antreibt, und die andere bezieht sich auf 
die Steuerung des Ballons selbst, indem nämlich mit 
einem Steuerrade zwei verschiedene Manöver voll- 
führt werden können. 

Die beiden getrennten Steuerflächen für die Höhen- 
steuerung, wie sie bei den Zeppelinen und Parsevals 
im Gebrauche stehen, bewähren sich speziell im 
böigen Wetter äußerst vorteilhaft, und so wurde eine 
analoge Anordnung auch an dem neuen Lenkballon 
Baldwins vorgesehen. 

Interessant ist noch die Art und Weise, wie Baldwin 
die Verankerung seines Ballons vorsieht. Im Hinblicke 
darauf, daß Landungen öfters im Freien in Gegenden 
notwendig werden, wo keine Halle ihr schützendes 
Dach über den Ballon breitet, hat sich Baldwin ganz 
besonders mit dem Verlangen der amerikanischen 


Marinebehörde befaßt, welche zur Bedingung machte, 
daß die bestellten Lenkballons im Freien in ver- 
ankertem Zustande auch einem Sturme von 80 km 
Stundengeschwindigkeit standhalten müßten. 

Baldwin löst nun diese Frage so, daß er eine 
Vorrichtung vorsieht, die aus Fig. 2 schematisch zu 
ersehen ist. Das Ankertau wird mit seinem einen Ende 
an der vorderen Spitze der Ballonhülle befestigt. Um 
den zentralen Zug auf diesen Teil mehr zu verteilen, 
teilt sich das Ankertau vorher in eine Anzahl radial 
auslaufender kleinerer Taue, die an einem verstärkten 
Gürtel der vorderen Ballonspitze angreifen. Ihre 
Gänsefüße bewegen sich ganz frei und verteilen so 
den Zug auf die wenigen Seile, aus denen die Haupt- 
aufhängung besteht. Das andere Ende des Taues läuft 
zu einem pyramidenförmigen Stahlturm, der in der 
Erde verankert ist. Dortselbst läuft es über eine Rolle, 
deren Achse nach allen Richtungen frei beweglich ist, 
und dann vertikal zu einer unterirdisch einbetonierten 
Verankerung im Sinne der Darstellung Fig. 2. Um 
ein Zubodendrücken des Luftschiffes und Beschädi- 
gungen desselben zu verhindern, werden von der 

ondel an langen Stricken Ballastsäcke herabgelassen. 
Wird der Ballon nun durch einen Windstoß herab- 
edrückt, so wird das Gewicht des Ballastes nun vom 

oden getragen und die dadurch bedingte Auftriebs- 
vermehrung setzt jetzt einem weiteren Niederdrücken 
des Ballons ein Ziel. 

Der Bau dieses nach den vorstehenden Gesichts- 
punkten konstruierten Ballons soll bereits in Angriff 
genommen worden sein. Trotz vieler Unzulänglich- 
keiten, die das ganze Projekt noch aufzuweisen hat, 
ist aber mit Sicherheit anzunehmen, daß dasselbe 
weit mehr Existenzberechtigung besitzt, als der be- 
reits besprochene Zeppeline-Destroyer des wackeren 
Mr. Mac Mechen. 


Betrachtungen über die gegenseitige Anordnung und Winkelstellung 
der Tragflächen eines Doppeldeckers. 


Über die aktuelle Frage der Flächenstaffelung 
äußert sich Paul Kauffmann im »Aeroplan« wie folgt: 
Die gegenseitige Anordnung der Tragflächen bei 
Doppeldeckern läßt sich nach den in Fig. 1 dar- 
gestellten drei Typen einteilen, wobei der Anstell- 
winkel der beiden Tragflächen immer derselbe bleibt. 


Flog 
— @= 
Ric ung 
z 


ype 1 Type normal Type Goupy 
Fig. 1. 
Die Versuche Eiffels haben gezeigt, daß der 


eigentliche Wert aller dieser Typen derselbe ist; 
einzig und allein Gründe der Konstruktion, der Aus- 
sichtsmöglichkeit vom Flugzeuge aus, der Schwer— 
punktsanordnung, der soliden Bauart und der Auf— 
nahme des Schraubenzuges etc..... haben die 
Konstrukteure veranlaßt, von der normalen Type ab- 
zuweichen. 

Wir haben oben angenommen, daß der Anstell- 
winkel für die beiden Tragflächen derselbe sei; aber 
es liegt gar kein Grund vor, daß dies immer so sein 


Kx 


muß, wenn man das günstigste Verhältnis des 


Auftriebes zum Rücktrieb einhalten will, da man die 
Gesamtheit der beiden Tragflächen nicht wie zwei 
getrennte Flächen, sondern wie ein neues aero- 
dynamisches System ansehen muß, das sich nicht zu 
einer einfachen Formel reduzieren läßt.*) Tatsächlich 


*) Immer nach Eiffelschen Daten seiner Laboratoriums- 
versuche, 


| 
| 


können wir annehmen, daß, wenn wir die beiden 
Tragflächen unter einer bestimmten Winkeldifferenz 
zueinander staffeln, wir unser Ky im Verhältnis zu 
einem Eindecker um einen nicht unbedeutenden Betrag 
vermindern, im Gegensatze auch zu den 20 bis 25 
Prozent, die wir bei dem normalen System haben. 


Type t. 


Type I. Type 1 
be 


AnsteDwinsl L 7 
le iber 
Anstellwinke) 
+— — 
Grosser 
\ 


Anstellminke 


Type Sopwith Type Voisin FBA, Type X. 


Fig. 2. 
(Kx bleibt immer dasselbe wie bei einem Eindecker.) 


Unser Verhältnis 
sein. 

Auf diese Weise konnten wir voriges Jahr ver- 
schiedene Typen von Doppeldeckern mit gestaffelten 
Tragflächen entstehen sehen, die wir in Fig. 2 
schematisch dargestellt haben. Der Typ HI wurde 
im großen erprobt. Die Ky sind nur um 10 bis 15 
Prozent vermindert. Bei dem Typ von Voisin (F. B. A.) 
beträgt die Verminderung nur 6 bis 12 Prozent. 


= wird also bedeutend besser 


Wir bemerken, daß der Doppeldecker Caudrons 
hinter dem Voisins (F.B.A.) zurücksteht, wie immer 
auch die Tragflächenverstellung sein mag, nach unserer 
Ansicht auch bei dem gleichen Anstellwinkel, denn, 
einmal in der Luft, wird die obere Tragfläche die viel 
1 . pro Quadratmeter besitzen. 

ach den Versuchen Eiffels hat die tiefer gelegene 
Tragfläche einen verminderten Auftrieb, und nicht die 
höher gelegene. Die biegsamen Rippen der höher 
gelegenen Tragfläche werden sich also mehr ab- 
platten wie diejenigen der tiefer gelegenen, und somit 
auch einen kleineren Anstellwinkel haben. 

Bei dem gut erprobten Typ Sopwiths endlich sind 
eventuelle einschränkende Bemerkungen nicht er- 
wähnenswert. Es dürfte hier sogar noch gelingen, mit 
der einen Tragfläche einen Teil des Stirnwiderstandes 
der anderen aufzunehmen. Alles in allem finden wir 


229 


bei diesem Doppeldecker günstiger ist als bei einem 
Eindecker. 

Die Winkelneigung der beiden Tragflächen zu- 
einander soll sehr schwach sein, sie hängt vom 
mittleren Anstellwinkel der beiden Tragflächen, von 
ihrer Wölbung etc. ab, und jeder einzelne Fall ver- 
langt eine spezielle Erprobung. Diejenige Tragfläche, 
die den größten Anstellwinkel hat, muß natürlicher- 
weise auch eine größere 2 nun haben wie im Fall 
Voisin. Bei dem Typ III dürfte die Tragflächenstaffelung 
zueinander wenigstens ein Fünftel der Flächentiefe 
und die Tragflächenneigung zueinander 2° betragen. 
Erstere kann zwischen den Werten von 0 (Voisin 
F.B.A.) bis ein Fünftel (Sopwith), ja ein Drittel 
variieren, letztere von 1° bis 4°. Bei dem Neigungs- 
verhältnis von 4° kann sogar der Normalabstand der 
beiden Tragflächen voneinander auf fünf Sechstel 


hier einen Höchstwert und ein Verhältnis Ko welches 1 ne are neh ihrer ie 
Gertistzweidecker. | 
Von Fritz Lichtenstern, Einjährig-Freiwilliger. 
(Schluß.) 


8. Schwanz- und Steuergerüst. 


Die im Absatz Schwanz- und Steuerflächen ge- 
ebene Einteilung ist auch bei Besprechung des 
hwanz- und Steuergerüstes eingehalten. Es gibt also: 
Gerüste, die in ein Rechteck, in eine Kante oder in 
ein Dreieck enden. 

Das Gerüst der weitaus meisten Apparate besteht 
aus vier Längsträgern samt den dazwischenliegenden 
Stielen. In die vorhin gegebene Disposition lassen 
sich auch die Gerüste mit drei oder zwei Trägern 
bringen. Bei vielen Apparaten sind entweder alle vier 
Träger oder zwei neben- oder übereinander liegende 
Träger zu einander parallel. 

Die von den Flächen ausgehenden Träger greifen 
immer an den Stellen an, wo die Zellenstiele (der 
hinteren Reihe) eingesetzt sind, und zwar die unteren 
Träger über der Fläche, daher hinter der Befestigungs- 
stelle des Stieles, die oberen Träger gleichfalls auf 
der Oberseite des Oberdecks und über der Befesti- 
gungsstelle der Stiele. 


A. Endfigur, das Viereck. 


Bis Ende 1912 waren die meisten Gerüstzwei- 
decker mit einem Steuergerüst, das in ein Viereck 
Quadrat oder Rechteck) endet, versehen. An diesem 

erüst meinte man wenigstens in der ersten Zeit die 
Schwanz- und Steuerflächen am besten befestigen zu 
können. Die zwei horizontalen Schwanzflächen und 
die zwei bis drei Seitensteuer konnten dann auf 
leichte Weise untergebracht werden. Maschinen mit 
nur einer horizontalen Fläche und einem Seiten- 
steuer waren ja ziemlich selten. 

Ist die Endfigur des Gerüstes ein Rechteck, so 
liegt meist die größere Seite horizontal. Die Seiten- 
differenz ist nicht allzu groß. Die Seitensteuer an 
diesen Gerüsten sind immer am Ende der Achse ge- 
lagert. Bei den Howard Wright-Zweideckern 1911 und 
1912 aber befindet sich die obere Lagerungsstelle des 
einzigen Seitensteuers in der Achsenmitte. Da die 
horizontale Schwanzfläche in normaler Weise aufge- 
legt ist, so steht diese und das Seitensteuer in Kreuz- 
form. Bei den Caudron- Wasserzweideckern 1912—1914 
liegen nur die unteren Träger parallel zur Flugrichtung. 
Die Achsen der beiden Seitensteuer fallen aber mit 
den senkrechten Stielen am Ende des Gerüstes nicht 
in eine Gerade, sondern sie sind nach innen gerückt. 
Die Euler-Zweidecker 1913 dagegen haben die Ober- 
träger parallel zur Längsachse. 

Von der gewöhnlichen Art der abweichenden 
Steuergerüste wurden von den verschiedenen Wright- 
Gesellschaften ` verwendet. Als nämlich die Brüder 
Wright das vordere Höhensteuer und daher auch das 


bis dahin von ihnen gebrauchte, besonders einfache 
Gerüst verlassen hatten, kamen sie auf das Gerüst, 
das aus vier Trägern besteht. Da es zwischen den 
beiden Schrauben Platz haben muß, ist es sehr schmal 
gehalten, hat aber gleiche Höhe wie die Zellenstiele, 
ist also ziemlich hoch. Die senkrechten Mittelstreben 
am Ende tragen in halber Höhe das Höhensteuer 
(ohne fixen Teil). Die zwei Seitensteuer, die beibe- 
halten worden sind, sind an horizontalen Verbindungs- 
stangen der Träger gelagert und miteinander stark 
verbunden. Haben die Apparate Einschraubenantrieb, 
so sind entweder zwei übereinander liegende Träger 
ae (Original-Wright 1913) oder es bilden alle 

räger einen Pyramidenstumpf (Deutscher Wright- 
Zweidecker 1911). Dasselbe Gerüst findet sich an 
einem Sanders-Zweidecker 1911, wo drei Seitensteuer, 
aber keine horizontale Fläche vorhanden ist. - 

Die Steuerschwänze, deren Gerüst schon vor den 
Flächen endet, sind so ausgeführt, daß die einzige 
horizontale Fläche mit der Vorderkante aufgesetzt ist. 
Vom Hinterrand der Fläche, bezw. von Stellen nächst 
der Höhensteuerachse wird die Fläche durch zwei 
schräg nach vorn zum Unterträger laufende Streben 
gehalten. Sind zwei Seitensteuer vorhanden, so be- 
finden sich diese innerhalb der Streben. Zum erstenmal 
hat Sommer einen solchen Steuerschwanz verwendet. 

Das Gerüst der Caudron-Landzweidecker 1910-1914 
ist dadurch merkwürdig, daß die unteren Träger 
gleichzeitig die Kufen des Fahrgestells sind. Die Ober- 
träger gehen von der Unterseite des oberen Tragdecks 
aus. Seitensteuer wie bei den Wassermaschinen. 

hnlich, aber noch interessanter ist das Gerüst 
des Zweideckers der Automobil-Fachschule Mainz 1911. 
Je zwei übereinander liegende Träger sind vereinigt 
und bilden je ein Stück, da sie vor der Zelle in Form 
eines Halbkreises von großem Radius ineinander 
übergehen. Die unteren Teile bilden die Kufen des 
Gestells, die oberen Teile sind unter dem Oberdeck 
befestigt. Damit der Propeller zur Bewegung genug 
Raum hat, bleibt jedes Trägerpaar bis hinter die 
Schraube in einer Ebene parallel zur Flugrichtung 
(und normal zur Erdoberfläche). Sodann verringert 
sich der Querschnitt stark und endet schließlich in ein 
Quadrat von geringer Seitenlänge. Das Hochziehen der 
Kufen bis zum Oberdeck hat den gleichen Zweck wie 
die Konstruktion von M. Farman. — Eine horizontale 
Schwanzfläche, zwei Seitensteuer mit Flossen, kein 
vorderes Höhensteuer. 


B. Horizontale Kante. 


Die Steuergerüste dieses Typs, das in eine 
horizontale Kante ausgeht, sind meist nach derselben 


230 


Art ausgeführt wie die vorderen Gerüste der gewöhn- 
lichen Art. Die horizontale Schwanzfläche ist vorne 
an den letzten senkrechten Streben des Steuergerüstes 
befestigt. Die Endkante des Gerüstes fällt mit der 
Hauptbefestigungsstelle der Schwanzfläche, bezw. mit 
der Höhensteuerachse zusammen. 

Die Gerüste dieser Art sind ziemlich stark ver- 
breitet gewesen: Curtiß Land- und Wasserzweidecker 
1909—1914, Ferber 1909, D.F. W. 1911, Grahame White 
leichter Typ 1913, F. F. 1913 und 1914. In neuester 
Zeit hat M Farman dieses Steuergerüst verwendet. 

Andere Abarten des Steuergerüstes, das in die 
horizontale Kante endet, sind folgende: einige Euler- 
Zweidecker 1913 haben die oberen Träger parallel 
zur Flugrichtung, während die unteren nach hinten 
geneigt sind. Seitensteuerachse vor der Höhensteuer- 
achse. Beim F. F.-Flugboot 1914 sind die vier Träger 
nicht gerade, sondern nach oben, bezw. nach unten 
gebogen. Sie verlassen die Tragdecks tangential, auf 
welche Weise der Konstrukteur größere Festigkeit 
des Gerüstes erzielen wollte. An den Sommer-Zwei- 
deckern 1909 sind die Oberträger hinten schwach, die 
Unterträger stark aufgezogen, so daß sich die Schwanz- 
fläche (ohne Klappe) bequem auflegen läßt. Ein 
Seitensteuer vor der Fläche oder zwei über und unter 
derselben. Die oberen Träger einiger Sommer- und 
Albatros-Zweidecker 1911 sind parallel zur Flug- 
richtung, die unteren sind hinten zu einem Viertel- 
kreis nach aufwärts gebogen. Sommer mit zwei 
Seitensteuern nahe aneinander, Achsen wie sonst bei 
Sommer. Albatros mit zwei über und unter der Fläche 
befindlichen Seitensteuern. 

Apparate, deren Gerüst aus zwei Trägern besteht, 
wurden von drei Konstrukteuren gebaut: von Paulhan 
1910—1911, von Ziegler und Voisin 1913 und 1914. 

Paulhan hat bei seinen ersten Zweideckern (ge- 
baut von H. Fabre) wie an den Flügelholmen und an 
den Hauptrippen des Seitensteuers auch an den Gerüst- 
trägern die bekannte Fachwerkkonstruktion verwendet. 
Hier ist das Gerüst für das vordere Höhensteuer und 
‘fiir die Schwanzfläche (ohne Klappe) gemeinsam. Die 
Träger gehen also durch die Zelle knapp oberhalb 
der unteren Fläche hindurch. Jeder Träger besteht 
aus zwei übereinander liegenden Balken, die durch 
Fachwerk verbunden sind. Dieser Hochkantträger ist 
mit Stoff überzogen, so daß er nicht viel Widerstand 
bietet. Wegen des großen Widerstandes, den aber 
hauptsächlich die Flügel wegen der besonderen Kon- 
struktion hervorriefen, und des ziemlich bedeutenden 
Gewichtes kam Paulhan im folgenden Jahre von dieser 
Bauart ab und griff seither zu gewöhnlichen Holmen 
und Gerüstträgern. 

Sowohl die Träger für das einzige vorne befind- 
liche Höhensteuer als auch jene für die horizontale 
Schwanzfläche sind am unteren Tragdeck befestigt. 
Das Seitensteuer ist nur an einem Punkte gelagert, 
die Endpunkte der Achse sind aber ausgiebig ver- 
spannt. Sowohl beim Typ 1910 als auch 1911 sind die 
Träger parallel zur Flugrichtung. 

Zwei weniger bekannte Apparate mit aus zwei 
Trägern bestehendem Steuergerüst sind der Zwei— 
decker der Automobilfabrik De Dion-Bouton 1911 und 
das Flugboot von Ziegler 1912. Ersterer hat ein vorderes 
Höhensteuer, zwei horizontale Schwanzflächen, voll- 
ständig verdrehbar, und zwei Seitensteuer. Die Träger 

ehen in ein Drittel des Flächenabstandes durch die 
elle hindurch. Der Vorderteil, der das vordere Höhen- 
steuer trägt, ist aber nicht die direkte Verlängerung 
der Träger, sondern etwas anders ausgebildet. Die 
Träger des Gerüstes am Ziegler-Flugboot sind an je 
zwei hintereinander stehenden Stielen der beiden 
Reihen in halber Höhe befestigt. 

Am erfolgreichsten verwendete die Fabrik Voisin 
das Gerüst mit zwei Trägern (1913 und 1914). Sie 
sind in halber Stielhöhe angesetzt. Jedes der drei 
Seitensteuer ist wie bei Paulhan an einem Punkte 
gelagert. Alle drei Punkte liegen aber innerhalb der 
Endpunkte der Höhensteuerachse. 


C. Vertikale Kante. 


Das Steuergerüst mit senkrechter Endkante wurde 
bereits früher als Standardform bezeichnet. Erst hier 
können wir uns mit der interessanten Entwicklung 
dieser Gerüstform befassen. 

Die Albatroswerke haben diesen Steuerschwanz 
wohl zum erstenmal verwendet, aber den Vorteil 
nicht voll ausgenützt. Da der Apparat vorderen 
Antrieb hatte, konnte man die vier Träger an den 
Endpunkten der das Boot unmittelbar umgebenden 
Stiele, die voneinander also geringen Abstand hatten, 
ansetzen. Auf diese Weise ergibt sich natürlich 
auch ein schmales Gerüst und die breite horizontale 
Schwanzfläche mit den Klappen, deren fixer Teil bis 
zur Höhensteuerachse auf das Gerüstende gelegt war, 
mußte daher erstens durch vom unteren Ende der 
Seitensteuerachse schräg seitwärts nach oben gehende 
Verstrebungen und zweitens von einem auf die Fläche 
gesetzten Spannmast versteift werden. Im allgemeinen 
war es aber eine beachtenswerte Konstruktion. 

Die Fabrik Voisin, die im Herbst 1911 ihre ersten 
Apparate mit dem Steuergerüst des Standardschwanzes 
versah, hat die Vorteile des Gerüstes, geringes Gewicht 
und geringen Luftwiderstand, durch vollständig verfehlte 
Anordnung der Schwanzflächen illusorisch gemacht. 
Das Gerüst endet wie gewöhnlich in die Seitensteuer- 
achse, die auch hier nach oben verlängert ist. Die 
horizontale Schwanzfläche mit Klappe ist aber nur 
in der Mitte der eigenen Vorderkannte, und zwar an 
dem oberen Ende der Seitensteuerachse, also nur an 
einem Punkte des Gerüstes befestigt. Die Fläche 
ist wohl gegen die Verlängerung der letzteren ver- 
spannt und auch nach unten verspreizt, was aber 
starken Beanspruchungen kaum Stand gehalten haben 
dürfte. Schon das Reißen eines Drahtes hätte sehr 
gefährlich werden müssen. 

Ebenso wie einige Konstrukteure ihre Apparate 
mit zwei nebeneinander liegenden Trägern versahen, 
haben andere wieder ein Gerüst mit zwei über- 
einander befindlichen verwendet. Dieses Steuergerüst 
ist aber nur bei vorderem Antrieb (Cody, vorderer 
und Zweischraubenantrieb) oder hinterem Zwei- 
schraubenantrieb (Wright) möglich. Dann läßt sich 
aber kein am Schwanz befindliches Höhensteuer ver- 
wenden. (Dieses könnte einmal gelagert hinter dem 
Seitensteuer liegen.) Höchstens kann eine mit dem 
Seitensteuer starr verbundene horizontale Fläche ge- 
nommen werden. Bei hinterem oder vorderem Antrieb 
wären nämlich die Verspannungen nicht möglich, und 
zwar aus dem Grunde, weil sie in einem zu großen 
Winkel zur Flugrichtung ständen. Während des Fluges 
würden diese Verspannungen stark vibrieren oder gar 
ausgerissen werden. Für ein Steuer ist diese Gerüst- 
konstruktion mit zwei Trägern gerade noch fest genug. 
Verspannungen bei hinterem Zweischraubenantrieb 
wären überhaupt nicht anzubringen. 


D. Endfigur ein Dreieck. 


Apparate, deren Gerüste eine ungerade Zahl von 
Längsträgern besitzen, sind nur zwei gebaut worden. 
Einer von Ponnier 1913 und einer von Grahame White. 
Während bei ersterem der einzelne Träger unten 
liegt, ist er beim zweiten oben. 

Näher beschrieben sehen die Konstruktionen 
folgendermaßen aus: Die Oberträger bei Ponnier sind 
nicht allein nächst den Stielen befestigt, sondern sie 
sind an parallel zur Flugrichtung laufenden Stahl- 
rolıren angeschlossen, die die Verbindung zwischen 
zwei hintereinander stehenden Stielen herstellen. Die 
Stiele stehen schräg nach außen. Der untere Träger 
ist an einem Bock, der vom Boot fast bis zum Boden 
reicht, angesetzt. Von dort gehen entsprechend der 
Konstruktion für die Oberträger Stangen zu den Enden 
der Räderachse. Das Gerüst ist also tm Vorderteil 
sehr hoch. Hinten bleibt der Querschnitt ein Dreieck, 
das aber geringe Größe hat. Hier kann die horizontale 
Fläche bequem aufgesetzt werden. Zur weiteren 
Fixierung dienen wie bei Voisin 1911 etc. vom unteren 


Gerüstende ausgehende schräge Streben. — Der ein- 
zelne Träger des Grahame White-Zweideckers ist 
nach der Methode Pischoff-Dorner in der Schrauben- 
welle gelagert. Wegen derseiben Antriebsart gleicht 
dieser Zweidecker auch in anderen Beziehungen denen 
von Pischoff und Dorner. Die Unterträger schließen 
an die Kufen des Fahrgestelles an. Um die ganze 
Bauart kräftiger zu gestalten, sind die Kufen am Boot 
befestigt. Hinten wird der Querschnitt wie beim vor- 
beschriebenen Apparat bedeutend kleiner, und zwar 
reduziert sich die Höhe ungefähr auf die Hälfte. Da 
die horizontale Fläche oben aufgelegt ist, ist die 
Verwendung der schrägen Verstrebungen wie bei 
Ponnier um so berechtigter. 


9. Das Fahrgestell. 


Sollte sich noch einmal Gelegenheit dazu geben, 
Fahrgestelle in einem eigenen Aufsatz zu behandeln, 
so sollen darin auch jene den Gerüstzweideckern 
eigentümlichen eingehend behandelt werden. Hier 
müssen wir uns mit einigen kurzen Bemerkungen 
begnügen. 


A. Das Doppelkufenfahrgestell 


hat H. Farman im Jahre 1909 aufgebracht. Seither ist 
es bei den meisten Gerüstzweideckern zu finden. 
Die Kufen haben verschiedene Länge. Wenn sie 
sehr kurz sind, so sind sie nur gegen das Unterdeck 
in der Richtung zum Boot (Rahmen) abgestützt 
(H. Farman 1912—1914, Vickers 1914). Bei Grahame 
White in der Verlängerung der Kufen die Träger des 
Schwanzgerüstes. Weit vorragende Kufen sind mit 
dem vorderen Gerüst verschmolzen (M. Farman etc.). 
Kufen von beträchtlicher Länge sind außer gegen die 
Flächen meist gegen das Steuergerüst (die Se 
geruste) verstrebt (H. Farman etc.). Die Kufen bei 
audron sind auch die Unterträger des Schwanz- 
gerüstes. Hier ragen die Kufen ganz wenig vor die Zelle. 


B. Andere Fahrgestellkonstruktionen. 
Befestigung am Boot. 


Zweirädrig ist das Gestell der Voisin- und Euler- 
Zweidecker 1909, das nach der Methode des Gelenks- 
dreiecks gefedert ist. Das Fahrgestell des modernen 
Rumpf-Ein- und Zweideckers (Standardgestell) ver- 
wendete Euler bereits 1910 und behielt es bis 1914, 
da er den Bau von Gerüstzweideckern aufgab, bei. 
Mehr als zwei Räder, deren Achsen nicht in eine 
Gerade fallen, haben die Gestelle der Voisin-Zwei- 
decker 1910-1914, Sanchez-Besa 1912 und Bathiat- 
Sanchez 1913. Diese haben vier Räder, die nach der 
Standardmethode mit dem Boot verbunden sind. Ein 
schwerer Voisin-Zweidecker 1914 (200 PS) besitzt sechs 
Räder, deren Achsen durch je zwei Streben gegen 
das Boot abgestützt sind. — Das Fahrgestell der 
Cody-Zweidecker 1911—1913 ist nach dem Einkufen- 
system gebaut. Vorne trägt die Kufe ein kleines Stoß- 
rad, auf dem der Apparat während der Ruhe aber nicht 
ruht. Wegen der großen Spannweite des Apparates 
und der geringen Spurweite der Räder befinden sich 
an den Zellenenden kleine Stützräder. Diese ver- 
wendete Cody bereits im ganre 1909. Der dritte Stütz- 
punkt des Apparates befindet sich in Form eines 
Sporns unter dem Boot. 

Das dreispurige Gestell des Cody-Zweideckers 1909 
hat vor und hinter dem Haupträderpaar (abgestützt 
wie Standard, Druckfedern) ein (vorderes) Stoßrad 
und ein (hinteres) Schlepprad. Die vier Räder können 
nicht gleichzeitig mit dem Boden in Berührung sein. 
Äußere Stützräder. 


C. Am Unterdeck befestigte Fahrgestelle. 


Einspurig ist das Fahrgestell des Ferber-Zwei- 
deckers. Die beiden Räder sind pneumatisch gefedert. 

Von zweispurigen Gestellen, die natürlich über- 
wiegen, ist das Gestell des Blériot-Zweideckers 1913 
zu nennen. Jedes Rad ist am Ende eines zweiarmigen 
Hebels gelagert, der vorn die Federung trägt. 


231 


Dreispurige Gestelle sind aus dem Gelenks- 
dreiecks- und Mittelkufensystem kombiniert: Savary, 
Curtiß. Bei letzterem ist der Kufenvorderteil gegen 
das vordere Steuergerüst abgestützt. 


10. Motor, Kraftübertragung und Schrauben. 


Der Lagerung des Motors des Gerüstzweideckers 
kommt wegen der Lage desselben eine hohe Bedeutung 
zu. Sie muß stark und kräftig durchkonstruiert sein, 
da sich sonst schwere Unfälle ergeben. Es wurden 
allerlei Versuche gemacht, die Gefährlichkeit des 
Motors im Gerüstzweidecker (auch mit hinterem An- 
trieb) zu vermindern oder zu beseitigen. 


A. Direkter Antrieb. 


Ob es sich um einen Stand- oder Rotationsmotor 
handelt, ob der Apparat Boot oder Rahmen besitzt, 
so ist die Motorachse meist knapp über dem Unter- 
deck. Dies ist auch die einfachste Anordnung. Bei 
Vorhandensein eines Rahmens wird ein Standmotor, 
bezw. der Lagerbock eines Rotationsmotors auf das 
Unterdeck gesetzt. Wird ein Boot verwendet, so 
können beide Motorarten ohne größere Gewichts- 
erhöhung hinaufgerückt werden, wodurch die am Be- 
ginn dieser Abhandlung dargelegten Vorteile erreicht 
werden können. 

Schwächere Rotationsmotoren, bis ca. 80 PS, 
rotieren immer hinter der Schraube. Die Welle ist 
vor dem Motor (zweimal) gelagert. Stärkere Motoren 
müssen sich aber zwischen den beiden Lagern 
befinden. 

Die Otto-Ago-Zweidecker, deren Boot nicht mehr 
bis zum Motor reicht, haben ein eigenes auch nach 
vorn kräftig verspreiztes Gestell für den Motor. 

Auf die obere Begrenzungsfläche des Bootes ist 
der Motor des Vickers-Zweideckers 1913 gesetzt. Eine 
andere Art des Hochbringens der Motorwelle ist die 
bereits eingangs erwähnte von Curtiß. 

Interessant ist die Lage des Motors des ebenfalls 
am Beginn des Aufsatzes besprochenen Voisin-Zwei- 
deckers 1914. Damit der schwere (200 PS) Motor 
möglichst vom Boot verdeckt wird, ist er nicht ans 
Ende, wo der Bootsquerschnitt gering ist, sondern 
hinter die beiden nebeneinander liegenden Sitze, das 
ist knapp hinter die Bootsmitte verlegt. Von Nachteil 
ist die bedeutende Länge der Welle. Die lange Achse 
wird stark auf Torsion beansprucht und Vibrationen 
machen sich in erhöhtem Maße bemerkbar. 


B. Indirekter Antrieb. 


Hier unterscheidet man Ein- und Zweischrauben- 
antrieb. Der Motor ist der Rotationsebene der Schraube 
entweder sehr nahe oder er hat größere Entfernung. 
Dann wird aus dem im vorigen Absatz angegebenen 
Grunde nicht die Motor- sondern die Schraubenwelle 
verlängert. Der Antrieb erfolgt immer mittels Kette. 

Bei Cody wird die Kraft von einem Standmotor 
übertragen, bei den schweren Typen von H. Farman- 
Land- und Wasserzweideckern (160 PS) von einem 
Rotationsmotor. Die Lagerung der Schraubenachse 
liegt bei ersterem noch am Boote selbst, bei letzterem 
wird ein eigener Bock verwendet. 

Bei einem leichteren Voisin-Zweidecker 1914 ist 
der Motor aus demselben Grunde wie beim schweren 
Apparat nach vorn geriickt. Bock fiir die Schraube 
wie bei Farman. Auf das Unterdeck ist der Motor 
aller Wright-Zweidecker, auch jener mit Boot und 
mit Einschraubenantrieb, gesetzt. Aus der Lage neben 
den Sitzen entsteht die unsymmetrische Anordnung. 
Dadurch wird das Gefahrenmoment verringert. 

Von Apparaten mit hinterem Zweischrauben- 
antrieb gibt es bloß zwei bekanntere Typen, die 
Wright- und die Sanders-Zweidecker. Der Motor des 
a steht in der Symmetrieebene. 

jegt 
C. Der Motor vor den Sitzen, 


so befinden sich letztere zwischen Motor und Schraube, 
eine nicht angenehme Situation! Die durch die Lage 


232 


des Motors am Gerüstzweidecker mit hinterem An- | rüstzweideckern von Voisin 1909—1912 und Euler 1909. 
trieb bedingte Gefahr ist nun beseitigt. Diese Methode | Die Vickers- und Cody-Zweidecker 1913 mit vier- 
ist an zwei Apparaten verwendet: am Zweidecker der | flügeligen Holzschrauben. Apparate mit vorderem 
Automobil-Fachschule Mainz 1911 und von Grahame | Antrieb haben immer gewöhnliche zweiblätterige 
vun 15 Die on cen im le diet Holzpropeller. 
er Antrieb bei ersterem Apparat erfo irekt, ` 7 

was hinsichtlich des indirekten Antriebes Kraftersparnis | 11. Die Durchführung der Staffelung (Schräg- 
bedeutet. Nachteil: Lange Welle. Da das Boot geringe | Stellung der Stiele) an mehreren Teilen von 


Höhe hat und der Sitz vom Boden wenig entfernt ist, Gerüstzweideckern. 

hat auch die Welle vom Sitz geringen Abstand. Dies Hier handelt es sich darum, festzustellen, wie 

macht die Lage des Piloten noch unangenehmer. weit bei einigen Typen die Schrägstellung der Stiele 
Die Schraube des Grahame White-Zweideckers | sich erstreckt. 

wird indirekt angetrieben. Die Bootswände sind hier Ein H. Farman-Zweidecker 1911 mit gestaffeiten 


höher, weshalb auch der Abstand von der Welle zum | Tragdecks. Alle Stiele außer den Zellenstielen senk- 
Sitz größer gehalten werden kann. Hier muß die | recht. Eine horizontale Schwanzfläche mit Klappen, 
Schraubenwelle kurz sein. Sie ist noch innerhalb des | zwei Seitensteuer. Kein vorderes Höhensteuer. — Ein 
Bootes gelagert. Lagerung des Gerüstoberträgers in | schwerer H. Farman-Zweidecker 1911 gestaffelte Trag- 


der Schraubennabe. ns ER oa ha 18 hinter dem 5 
: N . | des Oberdecks. Stiele des Steuergerüstes schräg. Eine 
D. mie a a une 9 Pedy A A horizontale Fläche mit Klappen, drei Seitensteuer. Bei 


: ; : beiden Apparaten keine vorderen Höhensteuer. — Ein 
Indirekter, und zwar nur Zweischraubenantrieb | M. Farman-Zweidecker 1911 gestaffelte Decks. Alle 
existiert nur bei zwei Apparaten: Cody 1909 und | anderen Stiele ebenfalls schräg, auch die Achsen der 


Savary 1911 und 1912. Interessant ist, daß die Zahn- | beiden Seitensteuer. Diese mit der Achse des hinteren 
räder der Motorwelle bei beiden hinter dem Motor | Héhensteuers in einer schrägen Ebene. Unten Fläche 


liegen. Bei Savary aber nur ein Zahnrad, da (zur | ohne Klappe. Vorderes Höhensteuer. — M. Farman- 


Vermeidung von Unfällen durch Reißen einer Kette) | Wasserzweidecker 1912 wie der vorige Apparat 
zum Antrieb beider Schrauben nur eine Kette ver- | jedoch ohne die untere Schwanzfläche. — Euler- 


wendet wird. 3 Zweidecker 1913 mit hinterem und vorderem Antrieb, 

E. Die Schrauben. gestaffelte Tragdecks. Schräge Stieledes Steuergerüstes. 

Schrauben mit besonders breiten Blättern haben | Schwanzflächen von der normalen Anordnung von 

die alten Cody-Zweidecker. Die Blechschrauben, wie | Euler. — Vickers-Zweidecker 1913. Standardschwanz, 
sie Levavasseur verwendete, finden sich an den Ge- |; sämtliche Stiele schräg, auch Seitensteuerachse. 


Der Deperdussin-Eindecker. 


Die Fabriken von A. Deperdussin konstruieren | aufgerollt, welche auf zwei dünne Längsträger L und 
egenwärtig zwei Apparattypen, einen Eindecker | L’ (Fig. 1) aufgenagelt werden. Ihre Breite ist ungefähr 
(Monöcoaue) und einen Zweisitzer (Biplace). Der Ein- | 1 cm und ihre Wicklungswinkel zu den Längsträgern 
decker ist die bekannte, ausgezeichnete Monocoque, | beträgt ungefähr 450. Auf diese erste Fournierumhüllung 
die durch ihre Schnelligkeitsrekorde und durch ihre | wird nun gleicherweise eine zweite in umgekehrter 
Flüge durch Europa berühmt ist. Richtung B aufgerolit, die mit der ersten einen Wick- 
Im nachstehenden sei einiges über ihre Detail- | lungswinkel von 90° bildet. Schließlich wird noch eine 
konstruktion mitgeteilt, die speziell darauf hinzielt, den | dritte Furnierlage C darüber gewickelt, im selben 
Flugwiderstand auf das geringste herabzusetzen. Sinne wie die erste Umhüllung. Damit ist der Rumpf 
Der Rumpf hat eine nach rückwärts schlank zu- | fertig. Er wird noch mit Leinwand überspannt und 
laufende Form mit einem starken Vorderteile von efirniBt. Da das Aufwickeln der verschiedenen 
kreisförmigem Querschnitt, analog jenem schneller | Schichten immer abwechselnd im entgegengesetzten 
Fische. Die Motorwelle trägt eine die Schrauben- 
nabe umschließende kalottenförmige Kappe, derart, 
daß die Kühlluft ungehindert zu den Zylindern 
streichen kann. Die Konstruktion des außerordent- 
lich leichten und gleichzeitig sehr widerstands- 
fähigen Rumpfes ist vollständig verschieden von 


Fig. 1. Schematische Darstellung der Wicklung eines Fig. 2. Befestigung der Fahrgestellbügel. 
Monocoque-Rumpfes. Fig. 3. Fahrgestelldetail. 


den gewöhnlichen Rumpfbauten mit ihren Längs- und | Sinne geschieht, ist der Kumpf absolut undeformierbar 
Querträgern, Verbindungsstreben und Verspannungen | und dabei außerordentlich leicht. Vorne ist er noch 
durchgeführt. Bei dem Rumpf der Monocoque gibt | mit zwei Stahlspanten ausgestattet, die das Motor- 
es keinen einzigen Spanndraht. lager tragen. Zwei Zwischenstücke halten die Längs- 

Das Prinzip seiner Konstruktion ist folgendes: | träger der Flügel und ein leichter Doppelmast trägt 
Auf einer hölzernen Form werden spiralig dicht neben- | die obere Drahtverspannung. Die Räderachse endlich 


einander schmale und elastische Furnierholzstreifen A | ist mittels Gummibändern an zwei in der Hitze ge- 


bogenen Holzreifen des Rumpfes befestigt, die durch 
Querstücke gegenseitig versteift sind. Alle diese Teile 
sind selbstverständlich auf den zulässig kleinsten Quer- 
schnitt gearbeitet, um den Luftwiderstand zu verringern. 
Die Steuerungen sind sämtlich im Innern des Rumpfes 
untergebracht, so daß nur der Kopf des Piloten über 
das Rumpfgehäuse emporragt, der sich auf ein Kissen 
in einer zu diesem Zwecke eingebauten Lehne stützen 
kann, die nach rückwärts zum besseren Abströmen 
der Luft einen Kegelansatz trägt. Der ganze Apparat 
ist von einer unvergleichlichen Leichtigkeit, ohne an 
Festigkeit etwas einzubüßen. Der gänzliche Mangel 
aller jener Teile, welche bei einer eventuellen Landungs- 
havarie, die leider bei den kolossalen Geschwindig- 
keitsleistungen des Apparates leicht möglich ist, zer- 
brechen oder absplittern können, verringert ganz außer- 
ordentlich die Möglichkeit einer Verwundung desPiloten. 

Die charakte- 
ristischen Merk- 
male der zuletzt 
gebauten Mono- 
coque (Renntyp), 
die noch nicht 
erprobt worden 
ist,. sind folgen- 
de: Spannweite 
66 m, Länge 
6°02 m, Flächen- 
areal 9 m2, Ver- 
windung 1'1 m2, 
Höhensteuer0'8m?. 
Das Gewicht mit 
einem 160 PS 
Gnöme-Motor be- 
trägt 450 kg. Bei 
dem »Biplace- 
finden wir alle 
jene ckarakteristi- 
schen Merkmale 
wieder, die allen 
anderen Appa- 
raten eigen sind. 
Der Rumpf besteht 
aus vier Längs- 
trägern, welche 
mittels Streben, 
Querstücken, Alu- 
minium-Beschlä- 
gen und Spann- 
arähten mit Spann- 
schließen ver- 
bunden sind. Vorne trägt der Rumpf eine Kappe aus 
biegsamen Holzlatten, ähnlich wie beim Rumpf der 
»Monocoque«. Die Oberseite des Rumpfes ist karos- 
serieartig verkleidet, zum Schutze des Piloten und 
des vor ihm sitzenden Passagiers. 

Das Chassis besteht aus zwei bügelförmigen 
Fahrgestellstreben, die mit dem Rumpf durch ein Ver- 
bindungsstück derart verbunden sind, daß sie rasch 
ausgewechselt werden können. An den Bogenenden, 
die mit den unteren Längsträgern des Rumpfes durch 
Bolzen und Schraubenmuttern verbunden sind, wird 
ein geschmeidiges Tau befestigt, welches unter dem 
Rumpfe F einen Gürtel bildet und auf der anderen 
Seite wieder an den Bogenenden befestigt ist. Wenn 
man die Schraubenmutter lockert, werden die beiden 
Bogen frei und können auf diese Weise bei einem 
Unfall rasch durch andere ersetzt werden. Eine 
Diagonalversteifung D erhöht die Widerstandskraft 
der Bogen, die miteinander durch zwei Ovalrohre 
verbunden sind. Durch eine auf dem Bogen C bei O 
verstellbare Doppelführung kann die normale Stellung 
der. rohrförmigen Radachse E einreguliert werden. 

Das Prinzip der Steuerung durch eine schwenk- 
bare Brücke bei dem Deperdussin-Eindecker ist 


233 


folgendes: Eine gabelartige Brücke ist im Rumpfe 
von vorne nach rückwärts beweglich an den unteren 
Rumpflängsträgern montiert. Durch zwei leichte Rohre 
ist diese Gabel mit einem zweiarmigen Hebel (L) ver- 
bunden, der durch Drahtseile die Höhensteuer betätigt. 
Wenn der Pilot den Volant V an sich zieht, wird 
durch die Brücke und den Hebel das Steuer aufwärts- 
gerichtet. Dreht er den Volant, so nimmt dieser die 
mit ihm verbundene, an der Brücke montierte Rolle P 
mit, welche zwei Steuerkabel führt, die über die 
Rollen Pi, Pz, Ps zu dem Punkte A des auf dem 
Chassisbogen um die Achse B drehbar angebrachten 
Winkelhebels A BC laufen. Das Verbindungsstück 
A—C besteht aus zwei dünnen Stahlbändern. 

Ein Rohr T überträgt in entsprechender Weise 
die Bewegungen der beiden Winkelhebel. In C ist 
ein kurzes Rohr t angesetzt, welches an seinem Ende 


Fig. 4. Steuerungsschema. — Fig. 5. Detail des Flügelmastes. 


die drei gegen den Hinterrand der Tragfläche führen- 
den unteren Verwindungsdrähte vereinigt. Fig. 4 zeigt 
deutlich mittels Pfeilen die Bewegung der Verwindungs- 
drähte, Kabel und Rollen in dem Momente, wo sich 
der Apparat nach links neigt, und der Pilot, um sich 
aufrecht zu erhalten, den Volant in entgegengesetzter 
Richtung dreht (im Sinne des Uhrzeigers). Der Vorteil 
dieser vollständig instinktiv zu betätigenden Steuerung 
ist außerordentlich groß für die Flugschüler, die sich 
dadurch leicht und genau über die Wirkungsart der 
Steuerbewegungen klar werden. 

Das Seitensteuer wird mit den Füßen durch 
Pedale betätigt wie bei allen neueren Apparaten. 

Sämtliche oberen Spanndrähte sind an den Masten 
C 5 (Fig. 5). Die vorderen Spannseile vereinigen 
sich bei T und die zu dem Hinterrande der Tragfläche 
führenden Verwindungsdrähte laufen in einem Kabel 
vereinigt über die Rolle P. Das sind in den wesent- 
lichsten Grundzügen die konstruktiven Eigenarten der 
zwei Apparattypen, die von dem außerordentlich tüch- 
tigen Ingenieur Bechereau gebaut werden, der in 
intensiver Weise seit dem Beginn der dynamischen 
Luftschiffahrt an der Verbesserung der Flugzeuge 
arbeitet. SL. 


— 


234 


Aufstellung einer Fliegeroffiziersschule. 


Bei den k. u. k. Luftfahrtruppen gelangt, wie 
Streffleurs Militärblatt meldet, mit 1. Oktober 1915 
eine Fliegeroffiziersschule in Wiener- 
Neustadt zur Aufstellung, die die Heranbildung 
von Flugzeugbeobachteroffizieren bezweckt. Die Fre- 
quentanten dieser Schule erhalten eine theoretisch- 
fachtechnische und eine praktische Ausbildung. 

In diese Schule können aufgenommen werden: 
Einjährig-Freiwillige nach erfolgreicher Absolvierungder 
Reserveoffiziersschule, Kadettaspiranten und Kadetten 
(Fähnriche) i. d. Res., die das 30. Lebensjahr nicht 
überschritten haben und die körperliche Eignung be- 
sitzen. Bevorzugt werden Hörer oder Absolventen 
einer technischen Hochschule (insbesondere Maschinen- 
bau- und Ingenieurschule), dann Aspiranten, die bereits 
ai haben. 

auer der Ausbildung ca. fünf Monate. 

Die Ernennung der Frequentanten zu Kadetteni.d.R. 
der Luftfahrtruppen wird zu dem Zeitpunkt erfolgen, 
in dem sie ihre Verwendbarkeit für den Kriegsflieger- 
dienst nachgewiesen haben. Eine Ausbildung zu Feld- 


piloten vor der Verwendung als Flugzeugbeobachter 
ist ausgeschlossen. 

Gesuche um Aufnahme sind stempelfrei im 
Dienstwege bis 15. September an die Militärkommandos 
(bei der Armee im Felde an die Armeekommandos, 
Armeegruppenkommandos) zu leiten. Die Gesuche 
haben folgendes zu enthalten: Truppenkörper, Charge, 
Name, Assentjahr, Tag und Jahr des Präsenzdienst- 
antrittes, wann und mit welchem Erfolg die Reserve- 
offiziersschule absolviert wurde, Alter, Angabe der 
absolvierten Mittel- und Hochschule; an Hochschulen 
abgelegte Prüfungen, Angabe einer eventuellen Praxis, 
Dauer derselben. Die Zeugnisse über absolvierte 
Schulen werden nach erfolgter Einrückung zur k. u. k. 
Luftfahrtruppe beizubringen sein. Jedem Gesuch ist 
ein Zeugnis des Truppenchefarztes beizulegen. 

Die Anzahl der Frequentanten ist beschränkt. 
Gesuche, die aus Rücksicht auf den festgesetzten 
Stand der Schule keine Berücksichtigung finden, 
werden für einen späteren Einberufungszeitpunkt 
vorgemerkt. 


Neues Profil für Tragdecken und Fallschirme. 


Von Prof. Jean Stroescu.*) 


Angeregt durch das von Constantin im »Aéro- 
phile« vorgeschlagene Fliigelprofil, sowie durch den 
Artikel von Dr. Cousin und Guigon, der in der Zeit- 
schrift »Technique aéronautique< veröffentlicht wurde, 
und das berühmte »Geheimnis der Einsaugung« beim 
Vogelflug zum Gegenstande hat, schlage ich, vorerst 
für die aerodynamischen Laboratorien, ein neues Profil 
für die Flächen des Drachenfliegers vor, das auch 


Fig. 1. 


besonders für die Schraubenflügel anwendbar ist, 
deren Bewegungsgeschwindigkeit ungleich größer, und 
deren Anstellwinkel (Steigung) konstant ist, wodurch 
eine beabsichtigte Zone des »Unter- 
druckes« eher erzeugt werden könnte. 

Wenn man vom Flügelprofil Con- 
stantins ausgeht (Fig. 1), so be- 
stand meine ursprüngliche Anordnung, 
welche speziell die Schaffung einer 
großen Zone des »Unterdruckes« im 
Auge hatte, darin, eine halbkreis- 
förmige Höhlung auf der Oberseite der 
Tragfläche vorzusehen, welche sich 
über die ganze Flügellänge parallel zur 
Vorderkante erstreckt, und zwar dort, 
wo die Strömungslinien am weitesten 
von der Oberseite der Tragfläche ent- 
fernt sind. (Fig. 2.) Auf diese Art wird die Zone des 
»Unterdruckes« eine mehr oder weniger zylindrische 


Fig. 2. 


Form besitzen, die als Basis den Querschnitt der 
Höhlung (vermehrt um denjenigen Teil des »Unter- 


°) »La Technique aéronautique.« 


druckes«, der durch die Ablenkung der Luftströmungs- 
linien durch die Vorderkante gebildet wird) und als 
Höhe die Flügelspannweite, d. h. die Länge der 
Höhlung haben wird. Der Raum des »Unterdruckes«, 
wie dies Fig. 1 und 2 andeutet, wird noch einmal so 
groß sein als bei dem Profile Constantins und daher 
auch eine doppelte Saugwirkung haben. 

Aber diese meine ursprüngliche Anordnung wurde 
mittlerweile modifiziert und das Resultat dieser Fort- 
entwicklung ist das Profil, welches ich heute vorschlage. 
Bei diesem Profil (Fig. 3) unterstützt die Einsaugung 
nicht allein die Tragkraft, sondern sie erleichtert auch 
die Durchdringung der Luft. 

Die Theorie dieses Profiles ist, kurz gesagt, etwa 
die folgende: 

Die Strömungslinien werden, indem sie die Eintritts- 
kante treffen, über die höchste Stelle der Kante ab- 


Langstrager 


Aluminium Luftteiler 


Fig. 3. 


gelenkt und zwar um so mehr, je größer die Translations- 
geschwindigkeit des Apparates und je größer die 
Neigung der Fläche c—a sein wird. Die Stärke dieser 
Eintrittskante, oder besser die Stirnhöhe dieses 
»Luftteilers«, ist sehr klein im Verhältnis zu der 
Stirnhöhe der Tragfläche, folglich wird auch sein 
Eindringungswiderstand, der durch das Aufprallen der 
Luftmoleküle verursacht wird, kleiner sein, als der- 
jenige, den die Stirnhöhe d—e der Tragfläche er- 
zeugen wird, welche nun aber in dem vorliegenden 
Falle gar keine Möglichkeit hat, den Stirnwiderstand 
zu vermehren, da sie von den Strömungslinien nicht 
direkt getroffen wird, diese vielmehr über ihre Ober- 
seite hinweggleiten. Mit anderen Worten: Wir sehen, 
daß diese Anordnung eine Zone des Unterdruckes 


schafft (D), deren Einsaugungsrichtung durch die 
Resultierende F ausgedrückt wird, die sich aus den 
beiden Komponenten g und h zusammensetzt, von 
denen die eine die Eindringung, die andere den Auf- 
trieb begünstigt. Es besteht zwischen den Stirnhöhen 
a-b und d—e ein bestimmtes Verhältnis, wie auch 


Fig. 4. 


zwischen den Entfernungen c—e und b—e, dieses zu 
präzisieren aber möge den aerodynamischen Versuchs- 
laboratorien überlassen bleiben. 

Wendet man das Profil auf die Schraubenflügel 
an, so wird das Resultat vielleicht noch befriedigen- 
der sein, weil die größere, relative Windgeschwindig- 
keit, d. h. die größere Translation, in diesem Falle 
Winkelgeschwindigkeit der Flügel, die Strömungslinien 
mehr ablenkt und eine um so größere Zone des Unter- 
druckes erzeugt, ohne für den Moment ein genaueres 


Schraudenflügel 


Fig. 5. 


Verhältnis zwischen den dadurch geschaffenen Be- 
ziehungen aufzustellen, kann man folgende Bemerkungen 
machen: Am äußeren Ende des Schraubenflügels, wo 
die Geschwindigkeit am größten ist, wird die Eintritts- 
kante des Luftteilers weiter von der Vorderkante des 
Schraubenflügels entfernt sein müssen, und umgekehrt 
wird, je höher der Rotationsachse die Entfernung zwischen 
den beiden Kanten immer kleiner werden können, im 


— ee 


- 


235 


selben Verhältnis, wie eben die Strömungslinien gegen 
ae ch zu immer weniger abgelenkt werden. 
(Fig. 5. 

Vom Standpunkte der Bauart dieser Flächen und 
Schraubenflügel mache ich hier einige Vorschläge, 


Fig. 6. 


welche die Fig. 3 und 5 zeigen, sehe aber für 
heute von einer genaueren Beschreibung ab. Auf. dem- 
selben Prinzip der Einsaugung schlage ich gleichzeitig, 


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Fig. 7. 


und zwar auf Grund außerordentlich gelungener Modell- 
versuche das in Fig. 6 wiedergegebene Profil für Fall- 
schirme vor. Man sieht, daß die Strömungslinien 
durch die nach oben gebogenen Ränder ungleich mehr 
abgelenkt werden und dadurch eine Zone (D) des 
Unterdruckes schafft, welche bedeutend größer ist als 
bei einem gewöhnlichen Fallschirm. 


Glacialkosmogonische Beiträge zur Erdbebenforschung. 
Die gebirgsbildenden Kräfte der geologischen Vergangenheit und — Zukunft. 
Von H. Hörbiger. 


VI. Fortsetzung. 


Wer von unseren geologisch einigermaßen unter- 
richteten geneigten Lesern sich der Mühe unterzogen 
hat, den Figuren 11 und 12 samt den dazugehörigen, 
voran dargestellten kosmischen Kraftäußerungen und 
irdischen Flutvorgängen einer geologischen Vergangen- 
heit und Zukunft auf den Grund zu gehen, wird gewiß 
gern zugeben, daß wir in der Zerpflückung des uns be- 
hindernden Laplace-Lyellschen Geologenirrtums 
kaum jemals zu anmaßend und zu drastisch werden 
können; wir setzen daher die noch weiter auszu- 
beutenden Figuren 11 und 12 zu seiner Bequemlichkeit 
nochmals hieher, denn sie bilden ja gleichsam das 
geologische Schibboleth der Glacialkosmogonie. 

Die bereits beleuchtete Lyell-Potonié-Bölschesche 
»Lösung« des Rätsels von der »Reinlichen Schei- 
dung und den aufrechten Wurzelstöcken« 
in den oft zahlreich übereinander gebetteten Stein- 
kohlenflötzen wäre beim heutigen Stande der physi- 


Da aber sah ich, daß den meisten die Naturwissenschaft 
nur etwas ist, insofern sie davon leben, und daf sie sogar 


den Irrtum vergöttern, wenn sie davon ihre Existenz haben. 


Goethe zu Eckermann am 12. Oktober 1825. 


kalischen Erfahrung eigentlich zu kindlich, um noch 
einer eingehenden Widerlegung zu bedürfen; doch 
mangels einer mitdenkbaren Kosmogonie hat 
Potonié mit der Lyell schen »Deltatheorie« durch 
die eifrig und geschickt verteidigte Vermoorung*) 
derselben derart »autochthon« hypnotisierend auf die 
mitteleuropäischen Geologen der Weltkriegszeitwende 
gewirkt, daß es ganz unmöglich geworden ist, sich 
mit einer gegnerischen Einsicht fachmännisches Gehör 
zu verschaffen. Der nachsichtige Leser findet es daher 
wohl verzeihlich, wenn wir gerade im Punkte der 
Steinkohlengenesis einen entsprechend längeren und 
stärkeren Hebel ansetzen und die Begeisterung eines 
modern-naturwissenschaftlichen Denkers (Bölsche) 
für einige wichtige Details des Lyellschen Grund- 
irrtums noch weiter als Hebelstützpunkt wählen. Hören 
wir also seine herausfordernd sokratisch-ironische 
Schilderung der gespensterhaften aufrechten Wurzel- 


*) Potonié: »Die Entstehung der Steinkohle etc.«, 1910. 


236 


stöcke mit durch das Kohlenflötz nach oben strebenden 
Stammstücken noch weiter an, um unsere glacial- 
kosmogonische Deutung wirksamer zu gestalten: 

»Diese doppelseitige Häufung der unwahrschein- 
lichsten Zufälle war denn doch etwas zu stark. Und 
die Situation wurde noch herausfordernder durch 
folgenden dritten Sachverhalt: Es drängten sich 
stellenweise nicht nur die Wurzeln selbst alle genau 
in der richtigsten Stellung nebeneinander, wie ein 
wahrer Waldwurzelboden (bis zu 73 Stammwurzeln 
wurden einmal in England an einem Fleck gezählt), 
sondern es geschah auch, daß ein Wurzelstock von 
unten aus dem Bodengestein mit seinem Stammende 
in das Kohlenflötz eintrat, dasselbe vollständig durch- 
setzte und nach oben in dem Deckgestein als veritabler 
Stammstumpf noch um ein ganzes Stück weiter ging. 
Also eine sich ergänzende, verschmelzende Kombi- 
nation beider Dinge !« 

Diese bei nicht allzu Se mugen eiszeitlichen 
Nachtfroste ganz natürliche Eigentümlichkeit zeigen 
fast alle Wurzelstöcke der Fig. 11, ohne unsere Ver- 
wunderung zu erregen — und der aufmerksam mit- 
gekommene Leser weiß, wie dieselbe ja auch nur 
auf kataklysmatisch-allochthonem Wege verständlich 
geworden ist. Erfolgt die Sedimentierung eines nach- 
herigen Kohlenreviers aber im grimmigeren eiszeit- 
lichen Winter, und handelt es sich um Baumfarne 
und Riesenschachtelhalmstöcke, so wird der über 
die erstarrte Schwimmstoffebene ragende 
Teilder Stämme so glasspröde gefroren 
sein, bis die nächsttägige stürmische Flutwelle sie 


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erreicht, daß sie alle in dieser gemeinsamen 


Ebene abgeschert werden. Diese sogenannten, 
besonders von Grand' Eury in St. Etienne vielfach 
beobachteten »Scherflächen« hat Böls che 
offenbar nicht gekannt, sonst würde seine autochthone 
Voreingenommenheit auch diese Erscheinung als 
Beweis für die Bodenständigkeit solcher abgescherter 
Baumstämme beansprucht haben. Dies holt aber 
L. Waagen (Unsere Erde, 1908) wie folgt nach: 

»Lange Zeit erschien es unaufgeklärt, warum nur 
die Stümpfe dieser Bäume, und zwar alle 
in gleicher Höhe förmlich abgeschnitten 
uns überliefert wurden. Potonié fand auch dafür 
eine einleuchtende Erklärung in der Annahme, daß 
die Höhe der Stümpfe uns die ehemalige Wasserlinie 
anzeigt, oberhalb welcher die Verwesung ihr Werk 
tat.« — Wir sind da der eben angedeuteten, wesent- 
lich anderen Überzeugung, in der wir auch 
unserem Altmeister Sueß widersprechen müssen, wenn 
er bezüglich dieses dritten Steinkohlenrätsels (rein- 
liche Scheidung, aufrechte Wurzelstöcke, und Scher- 
flächen) im »Antlitz der Erde« 11/307 sagt: 

»Die Zeichnungen der Tagbrüche von St. Etienne, 
welche Grand’ Eury veröffentlicht hat, 5 ein gutes 
Bild davon, wie die Vegetation dem Sedimente folgt 
und wie immer neue und neue Individuen in den 
neuen Bänken (Flötzen) auftreten. Allerdings hebt aber 
Grand’ Eury ausdrücklich hervor, daß jeder größere 
Bestand von Bäumen und Wurzeln oben abge- 
schnitten wird durch eine Scherfläche, 
über welcher die folgende Schicht beginnt.« - »>Obwohl 


| Last u. U ruckhilze. 


| strieb und Verklohlun 


nach Wasst 
Endzusland des Kohlen-Flözbaues nach Ablauf derMondauflösung, Crossen futhu. Eiszeilen 


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Fig. 11. Schematische Versinnlichung des glacialkosmogonischen Aufbaues einer geologischen Schichtserie in ihrer 


kompliziertesten Form: 


Der zahlreichen Wechsellagerung von Tonsandstein oder Schiefertonschichten mit dünnen Steinkohlen- 


flötzen unter der weiteren Komplikation durch in verschiedenen Etagen übereinander eingebettete, aufrechtstehende Wurzel- 
stöcke von tropischen Bäumen in den nicht abbauwerten Distrikten der Kohlenbergwerke höherer Breiten. Die Figur 
stellt den Vorgang der Kohlenflötz- und Taubgestein-Sedimentierung in zwei verschiedenen extremen Baustadien dar: Links 
der Erstzustand der Sedimentierung zur Zeit der soeben erfolgten Ebberückstand-Erstarrung je dreier aufeinander gefolgter 
Flutberg-Breitenoszillationen, und rechts der Endzustand von 11 solchen täglichen Breitenoszillations-Ebberückständen nach 
erfolgter Setzung, Auspressung des Eisschmelzwassers und Verkohlung der einzelnen Schwimmstoffschichten durch die Be- 
lastungs-Kompressionshitze unter hermetischem Luftabschluß. Im Erstzustande besteht jede Tageslieferung nach erfolgter 
Beruhigung, Heraussortierung der Sink- und Schwimmstoffe nach ihrem spezifischen Gewichte (im Texte als Vertikal- 
sortierung beschrieben), sowie Klärung und Frosterstarrung des Wassergehaltes aus drei ganz individuellen Schichten: 
Einer oberen vornehmlich vegetabilischen Schwimmstoffschicht, einer unteren sandig-schlammigen Sinkstoffschicht und 
einer dazwischen gelagerten Mittelschicht aus trübem Eise, während im Endzustande jede Tageslieferung nur mehr aus Ober- 
und Unterschichte besteht, indem ja die Eismittelschichte durch die Kompressionswärme noch vor dem Verkohlun sbeginne 
der vegetabilischen Oberschicht und Zementerhartung der mineralischen Unterschicht herausgeschmolzen und gepreft wurde. 
Nötige Flutvorgänge-Ableitung siehe Fig. 3 bis 9 der April—Juni-Hefte. Erweiterung der Schichtserien zu Formationen und Haupt- 
formationen siehe Fig. 12 u.f. nebst Haupttext; ebenso Eingliederung des Ganzen in den kosmologischen Zeitstrom der Erdgeschichte. 


sich nun im Gebiete der Loire so deutlich die 
Aufeinanderfolge der Wälder zeigt, ist 
doch Grand’Eury durch die Betrachtung dieser 
Scherflächen und insbesondere auch durch die gründ- 
liche Verfolgung des Verwesungsprozesses der Pflanzen 
zurückgeführt worden zu der Meinung, daß die Flötze 
nicht an Ort und Stelle entstanden, sondern daß 
sie durch Wasser zusammengetragene 
und übereinander geschichtete Reste von verwesten 
Pflanzen seien.« 

Wenngleich sich also in diesen »bankweise 
übereinander geschichteten Wäldern« 
und in der »dem Sedimente Ra rue Vege- 
tation« unser Altmeister ebenfalls als Autochthonist 
verrät, so hätten wir dafür in dem französischen Berg- 
ingenieur Grand’Eury die gewichtige Stimme eines 
fachmännisch erfahrenen Allochthonisten als 
Stütze gewonnen; aber auch diese Stimme hat durch 
die suggestive Kraft Potonies inzwischen ihre Selbst- 
ständigkeit wieder teilweise eingebüßt. Denn in seinem 
historischen Überblicke erzählt Potonie, daß es ihm 
1900 gelegentlich einer Geologen-Exkursion nach 
St. Etienne gelungen sei, Grand’ Eury wieder teilweise 
zur Autochthonie zurück zu überreden, wenigstens 
soweit es das Stein- und Braunkohlenvorkommen 
betrifft. Übrigens müssen wir auch der ursprünglichen 
Allochthonanschauung Grand’ Eurys entschieden wider- 
sprechen, daß es sich in der Allochthonie um ver- 
weste Pflanzenstoffe handeln m ü Bte oder auch nur 
könnte oder dürfte. Auf diese ungemein wichtige 
Frage der Flötzbildung wollen wir später noch aus- 


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237 


führlicher zurückkommen. — Doch hören wir jetzt 
wieder Bölsches Steinkohlenrätsel-Schilderungen 
und Lösungen weiter: 

»Es ist schon früher erwähnt, wie solche Kohlen- 
flötze nicht bloß auf und unter jeder Schiefertonschicht 
einmal vorkommen, sondern wie in großen Lagern 
gleichsam ganze Türme solcher Wechsel- 
schichten aufeinander gehäuft erscheinen. 
Es entsteht im Querschnitt das Bild eines einzigen 
großen Felsblockes, in welchem die Flötze sich gleich- 
sam wie die schwarzen Linien eines Notenblattes 
einzeichnen, parallel immer wieder in gewissen Ab- 
ständen den Stein durchziehend.« 

Und damit hat nun Bölsche die vierte 
Schwierigkeit der autochthonen Flötz- 
erklärung ins Licht gerückt: Die Vielzahl 
der Flötze in aufeinander lagernden Etagen, welche 
vor dem Unbefangenen jedes autochthonen Erklärungs- 
versuches ebenso spotten muß, wie die »reinliche 
Scheidung« die »lotrechten Baumstämme« und die 
soeben beleuchteten »Scherflächen« Grand’ Eurys. Wie 
sollnun die Autochthonie solcher Vielzahl- 
flötze erklärt werden, wenn unsere Figuren 11/12 
etwa nicht zu Recht bestehen sollten? Doch hören 
wir zunächst wieder, wie Bölsches ironische Dar- 
stellung der >»reinlich geschiedenen« Allochthonie 
solch zahlreichen Schichtenwechsels lautet: 

»Nach der Schwemmtheorie mußte man sich vor- 
stellen, es sei am gleichen Fleck so und so oft eine 
Weile einfacher Schlamm abgelagert worden, dann 
eine Weile Kohlenbrühe, jetzt auf diese wieder nicht- 


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e Diluvium! 


Sedimentare Oberstufe. ; 


Endzustand des Kohlen-Flözbaues nach Ablauf derMondauflösung Grossen Fluth’und Eiszeit 


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Fig. 12. Schematische Versinnlichung des glacialkosmogonischen Aufbaues einer geologischen Einzelformation in ihrer 
denkbar kompliziertesten Form: Eine kalkige Mittelstufe auf einer in Wechsellagerung zahlreiche Kohlenflötze führenden 
sedimentären Unterstufe, überlagert von einer ebensolchen Oberstufe, darüber ein Eiszeitgebilde (angeschobenes Kon- 
glomerat) und das Ganze abgedeckt durch eine grobgeschichtete diluviale Bildung. — Der Vorgang ist auch hier in zwei 
extremen Baustadien dargestellt, und zwar links Erstzustand und rechts Endzustand, ganz im Sinne der Nebenfigur 11 und deren 
Untertextes. Die hier schematisch versinnlichte »Tiefseeformation« wird in Wirklichkeit nicht derart isoliert vorkommen, und zwar 
vielleicht am allerwenigsten als reiche Kohlenflötze führend; d. h. sie wird weder unmittelbar auf altem Unterbau auflagern, noch 
ebenso unmittelbar von je einer glacialen und diluvialen Bildung überlagert erscheinen — sondern es werden stets mehrere solcher 
Formationen, wenn auch nicht alle Kohle führend, in verschiedener Mächtigkeit und in verschiedenem Grade des Wiederaufgelöstseins 
mit Eiszeitgebilden wechsellagern, sofern nicht inzwischen eingetretenes Weggleiten eines oder mehrerer Schichtkomplexe diese 
8 noch weiter gestört hat. — Die in ihren Ursachen leicht erkennbare Faltung obigen Endzustandes über dem Relief 
des alten Unterbaues darf als -Setzfaltung- angesprochen werden, im Gegensatze zur viel wichtigeren »Gleitfaltung« der 
Fig. 7, welch letztere jedesmal dann eintritt, wenn bei tangentialem Flutkraftangriff (Gleitzone der Fig. 6) und entsprechend ebenem 
Unterbau die Aufeinanderschichtung so hoch gediehen ist, daß die untersten Schlammschichten durch Belastungs-Kompressions- 
wärme auftauen und so den darüber lagernden Schichtkomplexen soweit als Schmiermaterial dienen, daß sie in ein gletscher- 
artiges Fließen geraten können, bis sie an einem Hindernisse unter Mitwirkung des fortdauernden Nachschubes emporsteigen, 
sich falten (gleitfalten), überkippen und mitunter sogar überschieben. — Zugehöriges Detail, Flutableitung, Erklärung der »Flötz- 
vereinigung-, Erweiterungen und Eingliederung des Ganzen in die Erdgeschichte vergl. Hinweise in Fig. 11 nebst späterem Haupttext. 


238 


vegetabilischer Schlamm, dann nochmals Kohle, aber- 
mals Schlamm und so fort, bis die beiden Produkte 
hübsch abwechselnd übereinander lagen, wie die 
Etagen eines amerikanischen Wolkenkratzers.« 

Unverkennbar ist das Schlußbild ausgezeichnet 
gewählt für — den Endzustand unserer Fig. 11/12, 
während wir für den dortigen Erstzustand diesen 
Turmbau noch auf das mindestens Fünffache in die 
Höhe gestreckt und in jede Tageslieferung die reinlich 
scheidende Eisbank uns eingeschoben denken müssen, 
wenn das Bild vollkommen sein soll. Wir sind natür- 
lich mit Bölsche vollkommen darüber einig, daß 
solche Allochthonie unmöglich ist! Noch un- 
möglicher aber erscheint die bei Bölsche sich schließ- 
lich ergebende, zum Teil bereits vorigesmal zitierte 
autochthone Urwaldmoortheorie Potonies, weil 
wir dazu wieder die Jahrtausende abwechselnder 
Bodenhebungen und -senkungen nebst zugehörigen 
Zwischenbewaldungen und -beflutungen. brauchten, 
während doch vor dem glacialkosmogonisch be- 
waffneten Auge diese jeweiligen >Tausend Jahre 
sind wie ein Tag. (ll. Petr. 3/8.) 

Gerade diese Vielzahl der Schichifolgen, wie etwa 
die drei Profilbilder auf Seite 370/72/73 in Neumayr- 
Uhligs Erdgeschichte (Kohlenfelder bei Aachen und 
Valenciennes, Anthrazitbassin Pennsylvaniens) sie 
darstellen, müßte dem Unbefangenen bei bloß 
autochthoner Beleuchtung ein ewiges Rätsel 
bleiben, dessen Lösung also wohl dennoch irgend 
einer (kataklysmatisch-gezeitlichen) »Schwemm- 
theorie« vorbehalten zu sein scheint. Bölsche meint 
jedoch in getreuer Vertretung Lyell-Potonies: 

»Gerade an solchen Stellen zeigte sich aber in 
höchster Deutlichkeit, wie zäh und ebenfalls durchaus 
regelmäßig sich jenes wunderbare Wurzelsenken und 
Stammaufrecken aus dem Kohlenflötze heraus in die 
tragende und lastende Gesteinsschicht hinein auf immer 
wieder vollzogen hatte.« 

Wir hoffen bestimmt, daß dem durch die letzten 
Hefte aufmerksam mitgekommenen Leser alles dies 
an Hand von Fig. 11/12 zur natürlichen Selbstver- 
ständlichkeit geworden ist und ihm auch das folgende 
kein Staunen mehr abnötigt: 

»In einer einzigen Schichtenfolge dieser Art, bei 
Kattowitz, die im ganzen 670 m tief 5 zeigten 
sich 27 Tonschieferböden in 27 jener Kohlenflötz- 
einschließungen, und 27 mal wuchsen jene gespensti- 
schen wurzelähnlichen Gebilde abwärts aus der 
Kohle in die Böden hinein. In Nordamerika lieferte 
gar ein Block von 470 m Dicke 76 solcher Wurzel- 
böden und das senkrechte Aufwachsen von Stämmen 
nach oben wurde in der gleichen Gegend 18 mal in 
den einander folgenden Etagen des gleichen Werkes 
beobachtet.« 

Auch diese Vorkommnisse lassen uns angesichts 
der Fig. 11/12 ganz kühl. Wohl aber dürfte den auf- 
merksamen Leser jetzt schon ein geheimes Grauen 
vor der vermutlichen, autochthonen Erklärung 
solchen Etagenbaues beschleichen: 76 mal mußte 
sich der Boden in mindestens 152 Jahrtausenden regel- 
mäßig gehoben und gesenkt haben; 76 mal ist da ein 
Urwaldmoor entstanden, das 76 mal wieder zu einer 
reinen Kohlenschichte niedergewalzt und mit einer 
»reinlich geschiedenen<e Schlammschichte bedeckt 
wurde, um dann emporsteigend immer wieder zum 
Wurzelboden eines neuen Riesenschachtelhalm- und 
Baumfarn-Urwaldes (in unseren Breiten!!)zu werden! 

Und was für Urwälder müssen das erst 
gewesen sein, wenn sie samt dem Moore, in dem 
sie jeweils standen, Flötze von mindestens ½ bis 
Im und mehr Mächtigkeit lieferten, nachdem laut 
Chevandiers Berechnung ein hundertjähriger Buchen- 
wald beim Verkohlen ein Schichtchen von nur 2 em 
Dicke liefern soll! Zudem gibt es aber auch über unge- 
heure Gebiete streichende Flötze von 10 und 12 m 
Mächtigkeit, wie z. B. das berühmte Kladnoer Flötz 
oder das Thickcoal-Flötz von Südstaffordshire, worüber 
wir noch sprechen werden. 


Nach unserem glacialkosmogonischen Fabriksver- 
fahren der Fig. 7, 11, 12 ließen sich aber günstigenfalls 
solche durchaus mit lotrechten Wurzelstöcken besetzte 
76 Flötze samt dem tauben Zwischengestein schon in 
76 Tagen »reinlich geschieden« einbetten, wenn 
nicht die große Gesamtmächtigkeit von 4700 m 
dafür sprechen würde, daß hier auch einige Serien 
flötzloser Sandsteinschichten, eventuell im Sinne der 
Fig. 12 auch eine kalkige Tiefsee-Mittelstufe dazwischen- 
Bean wurden, oder gar der ganze Block ein 

rodukt mehrerer Flutberg-Kulminationen darstellt, 
somit mehrere Einzelformationen, ähnlich der Fig. 12, 
in sich begreift. Daß aber Bölsche in Vertretung Lyell- 
Potonies der autochthonen Genesis auch solcher 
Vorkommnisse mangels einer einleuchtenden Kosmo- 
gonie ernstlich den Vorzug gibt, geht aus seinen 
weiteren begeisterten Ausführungen hervor: 

»Hier half alles nichts: Die Existenz dieser Bäume, 
die von unten in die Kohlenflötze hineinwuchsen und 
oben aus ihnen herausragten« — (siehe hier Stamm 
Nr. 3, 4, 8 u. dgl. in Fig. 11) — »erforderte eine 
neue und unabhängige Erklärung. — 
(Wir glaubten, diese Erklärung in Anerkennung solchen 
naturwissenschaftlichen Eifers mit den Figuren 11 
und 12 im vorhinein bieten zu sollen.) — »Einerlei 
zunächst noch, was das Flötz selber sein sollte hin- 
sichtlich seiner Herkunft: Diese Bäume hatten 
hier ein ursprüngliches und eigenes 
Existenzrecht. Sie waren selber nicht ange- 
schwemmt, sondern sie standen, wie sie da zutage 
traten, unzweifelhaft auf ihrem eigenen und ursprüng- 
lichen Wurzelboden. Der Tonschiefer, auf dem das 
Flötz jedesmal lag, war ein alter Waldboden, in dem 
die Wurzeln oder wurzelähnlichen Stützgebilde seiner 
Bäume fest verankert saßen. Dieser Waldboden konnte 
zu Lebzeiten unmöglich im Meere gelegen haben, denn 
Bäume farnähnlicher Gefäßkryptogame wachsen nicht 
im Wasser, weder im Ozean noch im Süßwasser.« 

Der aufmerksame Leser übersehe nicht, daß hiemit 
erst das »Grundfaktum« konstatiert erscheint, auf 
welchem die schließliche Urwald-Hypothese aufgebaut 
und zu welch letzterer er durch die folgende schwemm- 
theoretische Überlegung in unerbittlicher Logik hin- 
geführt werden soll. Versagen wir also vor allem 
diesem Grundfaktum den Glauben, bevor wir die 
überleitende Botschaft hören, um gegen die schließ- 
liche und schwerste aller autochthonen An- 
fechtungen entsprechend gefeit zu sein: 

»Wollte man dieses schlechterdings nicht mehr 
zu erschütternde (!!) Grundfaktum jetzt 
mit der Schwemmtheorie in Einklang bringen, so war 
nur mehr folgendes möglich: Ein alter Waldboden 
hatte seinen Laubwald getragen. Auf einmal 
senkte sich aber das Terrain (!!) und das 
Wasser eroberte den Fleck. Dieser führte als erste 
stoffliche Invasion schwarze Kohlenbrühe, also irgend- 
wo aufgewühltes und mitgestrudeltes, völlig zersetztes 
Pflanzenmaterial heran und lagerte auf den alten Wald- 
boden und zwischen die ersäuften und teilweise 
zu kurzem Stummel abgebrochenen 
Bäume das ab, was später zur echten Steinkohle 
sich verhärtet hat. — Nun trat Änderung ein: Statt 
Kohlenbrei kam Sandschlick, der sich auf den schwarzen 
Kohlenbrei legte, auch die höchsten Baumstümpfe 
endgültig in sich begrub und später den heute noch 
aufliegenden Sandstein bildete, während der alte Wald- 
boden ganz unten, der noch die Wurzeln hegte, ebenfalls 
zu Tonschiefer verhärtete. In vielen Fällen geschah 
es jedoch, daß sich nach einiger Zeit das ganze 
Terrain abermals aus dem Wasser er- 
hob (!!). Auf der Deckschicht bildete sich ein neuer, 
fruchtbarer Lehmboden, in dem abermals ein Wald 
sich ansiedelte — so lange, bis wieder das Wasser 
ihn mit neuer Senkung bedrohte (!!), über- 
schwemmte und ersäufte. Abermals jetzt Einschwemmen 
erst von Kohlenschlamm, dann von Decksand. So ent- 
steht das zweite Schichtenpaar hoch über dem Grabe 
des ersten. Langt die Zeit, so mag diessiebzig 


und mehrmals geschehen — der Erfolg 
mußte stets der gleiche sein, und es wuchs bloß 
die Pyramide der Schichtenfolge ins 
Ungeheure.« 

So lautet also die überleitende Zwischenüberlegung, 
die vom Leser des Kosmosbüchleins »Im Stein- 
kohlenwald« zunächst als vorletzte Möglichkeit 
geduldet, dann als Unmöglichkeit erkannt und über- 
wunden werden muß, wenn er die sich nachher 
ergebende Potoniesche Urwald-Moor-Theorie als 
einzig übrig bleibende Wahrheit vorübergehend mit- 
empfinden soll. Der Kürze halber überschlagen wir 
einige weitere einschmeichelnde Übergangsgedanken 
Bölsches und setzen zu einigen Marksteinen des noch 
zurückzulegenden Lyell-getreuen Spekulationsweges 
das uns bereits von Seite 196 des Juli-Doppelhe es 
her bekannte Endresultat Potoniés: 

»MuBte das groBe Moor als Quelle des Kohlen- 
schwemmateriales weit im Hinterlande des jedesmaligen 
neuen Urwaldes angenommen werden? Die Moore 
müssen ganz in der Nähe, das Sandmaterial muß 
ferner gelegen sein, damit das Moormaterial zuerst 
an die Reihe des Heranschwemmens kam. Aber muBten 
die Moore hinter den Wäldern liegen? Es gibt noch 
Plausibleres ! Sind denn Wald und Moor ein Gegen- 
satz? Ganz gewiß nicht! Der Begriff des »Waldmoors« 
ist ebenfalls ein vollkommen fester. — In der Tat: Es 

ibt nichts, was uns hindern könnte, in jenen uralten 

ferwäldern der Steinkohlenzeit ebenfalls rings um 
die Bäume her einen echten und rechten Moorgrund 
vorauszusetzen. Es bedarf nur noch eines kleinen 
Schrittes, undeslöstsichdas letzte Rätsel (I). 
Wenn die Bäume jener Urwälder schon zu ihrer ge- 
sundesten Lebenszeit sich aus einem Moor erhoben, 
so wird die Frage akut, ob erst die „ 
noch Moormassen hieher zu verstrudeln und zwischen 
den Stämmen abzulagern brauchte. Oder ob nicht das 
bereits an Ort und Stelle seit alters vorhandene Wald- 
moor selbst genügte, um das Steinkohlenflötz zu er- 
zeugen? — War das spätere Flötz nicht einfach das 
ursprüngliche Moor selbst? — 

Indem nun Bölsche dies umständlichst und in 
einer Uberzeugungstreue bejaht, um die wir Potonie 
nur beneiden können, braucht er die wiederholten 
Lyellschen Senkungen des Terrains nur mehr, um die 
notwendigen Decksandschichten über die immer wieder 
neu erstandenen Urwaldmoore zu breiten und ist so 
bei dem wesentlichen Inhalte des Potoniéschen Buches: 
»Die Entstehung der Steinkohle und 
der Kaustobiolithe überhaupt« angelangt. 
(Kaustobiolith = Brennbarer Lebensstein.) Die nun 
folgenden Schlußausführungen, wie wir sie schon auf 
Seite 196 des vorigen Heftes zitiert haben, klingen 
et bloB auszugsweise schon so einschmeichelnd, 
daß wir samt dem geneigten Leser der Versuchung 
rettungslos unterliegen müßten, wenn sich uns nicht 
in Fig. 7, 11, 12 längst vorher schon die glacialkosmo- 
gonische Lösung des Problems auf von Weltraum- 
tiefe herauf fundiertem Wege von selbst 
ergeben hätte! 

Im übrigen gibt es nicht nur viele Geologen, 
sondern sogar auch Spezialisten der genetischen Stein- 
kohlenforschung, die sich die Kernfragen des Problems 
(Reinliche Flötzscheidung, Vielzahl der Flötze, lot- 
rechte Bäume in vielen Flötzetagen übereinander, 
Scherflächen solcher Baumstümpfe) noch nicht in der 
gleichen wissenschaftlichen Aufmerksamkeit gestellt 
haben dürften. Selbst Potonié sieht vornehmlich bloß 
den einzelnen aufrechten Flötzbaumstamm schärfer 
an und vermeidet ängstlich alle Abbildungen, die dem 
Leser etwa die Frage nach der Entstehung von 200 
bis 300 übereinander gebauten Flötzen und deren 
reinliche Scheidung auf die Lippen nötigen könnten, 
während z. B. Dannenberg in seiner mehr deskriptiven 
»Geologie der Steinkohlenlager« solche Flötz-Vielzahl- 
Beispiele auch graphisch in Menge bringt, allerdings 
auch ohne eine andere Lösung anzustreben, als die 
von Bölsche geschilderte. Zur Anregung des nicht 


239 


fachmännischen Lesers in Sachen der Flötz-Viel- 
zahl sei hier noch eine Stelle aus dem Sueßschen 
»Antlitz der Erde« zitiert: 

»Das Flötzrevier von Ostrau und Karwin in 
Mähren und Schlesien umfaßt zwei dem Alter nach 
unterscheidbare Abteilungen von flötzführenden Ge- 
birgen. Läßt man die Flötze unter 15cm (!!!) 
außer Betracht, so ergibt die ältere Abteilung in einer 
Mächtigkeit von 3793 m zusammen 179 Kohlenflötze; 
und die 415 m mächtige jüngere Abteilung umschließt 
39 Flötze; zusammen 218 Flötze in einem 4208 m 
mächtigen Flötzgebirge, und durchschnittlich je 
Im Steinkohle auf m Sandstein und Schiefer.« 
(A. d. E., 11/298.) 

Man beachte: »Läßt man die Flötze unter 15 cm 
außer Betracht«, die ja gerade die häufigsten sein 
müssen: 218 Flötze! Wahrscheinlich beinhaltet das 
Revier weit über 300 Flötze. Das flötzführende System 
des Ruhrbeckens enthält drei Abteilungen mit 76 bau- 
würdigen und 54 unbauwürdigen Flötzen, 
wie in Neumayrs Erdgeschichte zu lesen. Also kann 
man im selben Bauwertverhältnisse im mährisch- 
schlesischen Revier mit etwa 370 Flötzen rechnen. 
Die 130 Flötze des Ruhrbeckens erklärt Potonié im 
Zusammenhange mit den belgischen, nordfranzösischen 
und englischen Kohlenbecken als sicher (!!) 
autochthon entstanden! — Doch wir wollen hier 
noch glacialkosmogonisch etwas weiter ausholen, um 
auch die sogenannten Kohlenschmitzchen, 
Kohlensäcke, Großen Massen und Flötz- 
verdickungen zwanglos verstehen zu lernen. 

Gesetzt, während der Flötzkompression und Eis- 
schmelze hätte das Schmelzwasser der in Fig. 12 
links mit »Flötzvereinigung« bezeichneten drei Tages- 
lieferungen aus irgend einem Grunde den seitlichen 
Ausweg nicht rechtzeitig durchbrechen können. Dann 
wird innerhalb dieser drei nun wieder flüssig ge- 
wordenen Tageslieferungen eine neue »Vertikal- 
sortierung« eintreten, bei welcher sich Schlamm- und 
Schwimmstoffschichten nach Maßgabe ihrer spezifischen 
Gewichtsdifferenzen gegenseitig langsam durchdringen, 
so daß alle drei Sinkstoffschichten sich unten zu 
einer Tripelschlammschichte vereinigen und alle drei 
Schwimmstoffschichten ihre Einzelvegetabilien nach 
oben steigen lassen können, bevor die Wasseraus- 
pressung und Nachsetzung des oberen Flötzkomplexes 
(die kataklysmatische Möglichkeit eines wirklich 
»tektonischen« Erdbebens) stattfindet. Eine solche 
Flötzvereinigung kann natürlich ebensowohl auch 10 
und 20 Tageslieferungen umfassen, wenn das Schmelz- 
wasser durch dichten Untergrund und hermetisch zu- 

efrorenen Oberbau gleichsam in einem druckfesten 

efäße eingeschlossen bleibt oder die endlich durch- 
Ben Aufstiegöffnungen noch zu enge sind, um den 

eharrungszustand empfindlich zu stören. Besonders 
im eiszeitlichen Hochsommer sedimentierte Flötz- 
komplexe werden solche Flötzvereinigungen begünsti- 
gen, weil da vielleicht die gestrige Tageslieferung 
noch nicht vollends erstarrt ist, wenn sich die heutige 
Beschickung bereits wieder darüber breitet. 

Die »Flötzvereinigung« kann aber auch zur eis- 
zeitlichen Hochwinterszeit in den untersten Tages- 
lieferungen beginnen und sich in dem Maße nach 
oben fortsetzen, als ganz oben weiterbelastend darauf 
sedimentiert wird. Unter Umständen kann so die ganze 
Schichtserie eine Oberstufe (oder Unterstufe, falls eine 
solche nicht zur Flutkulminationszeit teilweise wieder 
aufgelöst würde) erst nach Abschlich des Flutberges 
(der neuherzugekommiene Leser würdige hier die Fig. 6 
bis 9 des Maiheftes) sich zu einer, allerdings nicht 
mehr so reinlich geschiedenen Hauptsinkstoffschichte 
und einer zugehörigen Hauptschwimmstoffschichte 
vereinigen, bevor das Schmelzwasser Auswege findet; 
solches kann besonders wieder im eiszeitlichen Hoch- 
sommer, nach erfolgtem Flutbergabschlich am ehesten 
geschehen. Findet dann das Wasser allmählich seit- 
lichen Abfluß, so legt sich das summarische Flötz 
langsam auf die summarische Schlammschichte auf, 


240 


um im kommenden Eiszeitwinter vielleicht so fest 
wieder zu gefrieren, daß eine im selben Winter wieder 
beginnende, eventuell diesmal schwimmstoffarme Sedi- 
mentierung die gut verankerte Vegetabilschichte gar 
nicht mehr aufhebt, sondern jetzt einen flötzleeren 
Komplex von jeweils hartgefrierenden Sediment- 
schichten mit zwischengelegten Eisschichten darüber 
baut, durch deren Gewichtsbelastung dann erst die 
Kompression und Verkohlung der begrabenen Flötz- 
vereinigung eingeleitet und durch die nachfolgenden 
Flutbergpassagen vollendet wird. 

Hiebei ist aber noch folgendes zu notieren: Die 
oberen Schlammschichten werden beim Durchsinken 
der nach oben strebenden Schwimmstoffschichten 
immerhin noch die einzelnen Elemente der letzteren 
ein wenig mit Schlamm belasten, besonders die jeweilig 
oberen größten Elemente; und das gibt dann die dem 
Bergmanne wohlbekannten, schieferigen, steinichten, 
mageren Bänke innerhalb mancher mächtiger Flötze; 
zumindest wird sich eine Flötzvereinigung daran er- 
kennen lassen, daß die Kohlenqualität nicht durch die 
ganze Mächtigkeit gleich ist oder auch nicht gleich- 
mäßig sich ändert, sondern in sich auch wieder eine 
abwechselnde Schichtung von fetterer und magerer 
und steinhältigerer Qualität aufweist. 

Eine solche Unterteilung eines mächtigen Flötzes 
durch abwechselnd magere und fettere Schichten kann 
aber auch dadurch zustande kommen, daß die einzelnen 
Breitenoszillationsfluten eines Flutbergvorbeischliches 
wohl sehr schwimmstoffreich aber sonst ziemlich 
klar oder schlammarm sind. Dann werden eben nur 
Schwimmstoffschichten aufeinander gebaut, die ent- 
weder nur durch sehr dünne -Mittel« ohne reinliche 
Scheidung geschichtet erscheinen, oder immer nur in 
den unteren Partien der einzelnen Tageslieferungen 
»magere«, in den oberen aber »fettere« Kohle 
aufweisen. Also eine Art von fertig sedimen- 
tierter Flötzvereinigung, die einem Flutberg- 
vorbeischlich von so vielen Tagen Dauer entspricht, 
als sich im vereinigten Flötz derartige Unterteilungen 
erspähen lassen. Der erfahrene Kohlenbergmann wird 
uns gewiß für beide Arten von Flötzvereinigungen 
(wir könnten sie sekundäre und primäre nennen) Bei- 
spiele aufzuweisen wissen; und wir hoffen ja auch, 
später, unter Mithilfe von glacialkosmogonisch bekehr- 
ten Bergleuten, noch ausführlicher hierüber sprechen 
zu können. 

Erfolgt nun eine solche primäre oder auch sekundäre 
Flötzvereinigung über Mulden und Kesseln eines alten 
Unterbaues, so ergeben sich die sogenannten Kohlen- 
schmitzchen, Kohlensäcke, Großen Massen und Flötz- 
verdickungen. Hiezu gibt es aber auch noch einen 
zusätzlichen, ergänzenden Ansammlungsvorgang, zu 
dessen bequemerem Verständnis wir noch die Begriffe 
der »Gleitfaltung und »Setzfaltung« fest- 
legen müssen, die der aufmerksame Leser auch schon 
im Untertexte der Fig. 12 berührt findet. Gerät näm- 
lich ein frisch sedimentierter Kohlenschicht-Komplex 
während des Auftauens der untersten Schlammschichten 
in der schon bei Fig. 6/7 beschriebenen Weise ins 
Gleiten und Falten, so werden die einzelnen 
Schichten in den Falten stellenweise dünner ausge- 
dehnt, gestreckt, ausgewalzt, dafür an anderen Stellen 
wieder zusammengeschoben, gestaucht, verdickt. Eine 
solche durch Gleitfaltung teilweise erklärbare Zu- 
sammenschiebung der gletscherartig plastischen, meist 
noch unverkohlten Schwimmstoffschichte stellt eben 
die in Neumayrs Erdgeschichte (Seite 573) abgebildete 
»GroBe Masse« von St. Etienne dar. Doch dürfte auch 
dieser Faltenstauchung eine primäre oder sekundäre 
Flötzvereinigung (eventuell noch dazu über einer 
Mulde) vorangegangen sein, wie uns bald noch klarer 
werden dürfte. 

Ganz anders verhält sich dies bei der in Fig. 12 
versinnlichten »Setzfaltung«, allwo gar kein 
Gleitvorgang mitzuspielen braucht. Vorausgesetzt zu- 
nächst, daB eine Flötzvereinigung nicht stattfindet, 
sondern die Enteisung tageslieferungsweise von unten 


nach oben erfolgt, so werden sich die untersten Flötze 
nach erfolgter Kompression und Verkohlung genau 
dem Relief des alten Unterbaues anschmiegen, die 
höheren Flötze aber dieses Relief immer mehr ver- 
schleiern; denn es muß während des Setzungsvorganges 
an den Sätteln des alten Unterbaues eine teilweise 
Streckung und Auswalzung — in den Mulden hingegen 
eine Stauchung und Verdickung aller Schichten ein- 
treten. Auf diese Weise wird uns auch das sogenannte 
»Auskeilen« der einzelnen Flötze aus Fig. 12 ver- 
ständlich, wenn man sich unten die Schmelzung und 
Verkohlung schon begonnen denkt, während oben 
noch weiter sedimentiert wird; denn dann wird im 
Falle eines stark muldigen Unterbaues jede Tages- 
lieferung trotz der gestern wieder hergestellten Ein- 
ebnung doch heute immer wieder eine neue, allerdings 
immer flachere Mulde vorfinden, an deren flachen 
Rändern sich die Sink- und Schwimmstoffschichten 
oft bis zum Verschwinden verjüngen müssen. Natürlich 
kann man sich diesen Vorgang der Setzfaltung auch 
noch mit Flötzvereinigungen und Gleitstauchungen 
kombiniert denken, um dann beispielsweise die 
St. Etienner »GroBe Masse« noch leichter zu verstehen. 
Wenn wir hierin nun noch um einen Schritt weiter 
ehen wollen, wird zu beachten sein, daß Mulden und 
essel eines alten Unterbaues (entgegen dem in Fig. 12 
ablesbaren Vorgange) beim Beginne der Schwimmstoff- 
sedimentierung schon längst mit Eis erfüllt sein werden. 
Dieses Eis mag in seinem unteren Teile aus den stag- 
nierenden Gletschern des vorangegangenen Revolu- 
tions-Ebbegürtels-Darüberschliches (vgl. Fig. 6 bis 9) 
stammen, in seinem oberen Teile aber eine Art er- 
starrter reiner Wassersedimentierung darstellen; 
denn es wird ja den eigentlich wirklich sedi- 
mentierenden Flutbergoszillationen eine reine oder 
sedimentarme, ruhigere, seichte, tagesperiodische Vor- 
beflutung vorangehen, welche natürlich nicht imstande 
sein wird, das alte, festverankerte Gletschereis aufzu- 
heben, sondern nur Eisschichte auf Eisschichte darüber 
bauen kann, besonders im eiszeitlichen Hochwinter. 
Rückt nun der im Sinne von Fig. 6 bis 9 breiten- 
oszillierende Flutberg allmählich näher heran und 
beginnen die Oszillationsfluten allmählich trüber, 
schlammhältiger und schwangerer an vegetabilischen 
Schwimmstoffen zu werden, so findet dann die be- 
ginnende Flötzsedimentierung bereits ein schönes Eis- 
niveau hoch über dem unter stagnierendem Eise be- 
grabenen alten Grundgebirge vor. 

Und das ist nun die Vorbedingung, welche bei 
der Anschwemmung des berühmten Kladnoer Flötzes 
erfüllt war, bevor die ausnahmsweise sehr schlamm- 
armen aber schwimmstoffreichen Oszillationsfluten ihre 
Ablagerungsarbeit begannen. Um zum allgemeinen 
Typus dieses Kladnoer Flötzes zu gelangen, denke 
man sich ein etwa aus der Silurzeit stammendes altes 
Grundgebirge von reich in Berg und Tal gegliedertem 
Relief — etwa im Sinne des »alten Unterbaues« der 
Doppelfigur 12, nur etwas flacher und etwa 7 ver- 
schieden hochragende Grate und 8 Niederungen um- 
fassend. Darauf liegt ein etwa 12 m mächtiges, vier- 
bis fünfbankiges Kohlenflötz, welches sich allen 
Unebenheiten dieses alten Reliefs bergauf und 
bergab anschmiegt; nur in den Senkungen mag mit 
dem Flötz gleichzeitig sedimentiertes »Liegendes« von 
geringer Mächtigkeit die kleineren Unebenheiten des 
alten Grundgebirges ausfüllen. Zudem denke man sich 
das Riesenflötz über die Sättel hinweg »gestreckt«, 
in den Tälern »gestaucht« und an den Hängen teil- 
weise »verworfen«. Darüber lagert nun ein mächtiges 
ganz flötzloses Karbongebirge, in seinen ganz geringen 
Oberflächen - Unebenheiten das Relief des Grund- 
gebirges ganz flach verratend, ähnlich wie etwa in 
Fig. 12 rechts die Flexur der Mittelstufe den Verlauf 
des alten Unterbaues andeutet. Mehrere Schächte 
durchteufen dieses Deckgebirge bis zu dem in ver- 
schiedenen Tiefen liegenden Flötz, neben welchem 
stellenweise auch ein sekundäres Hangendflötz von 
bloß 1/2 bis 1 m verläuft. 


In Neumayrs Erdgeschichte erscheint nun die 
Ansicht vertreten, daß auch dieses Flötz autochthon, 
d. h. in seiner heutigen Lage am so viel- 
fach N Grundgebirge gewachsen 
sei. ir müssen das entschieden verneinen, wenn- 
gleich oder vielmehr eben weil das Flötz allen Un- 
ebenheiten des alten Unterbaues angeschmiegt er- 
scheint. Denn es ist doch ganz undenkbar, daß sich 
an so steilen Bergabhängen ein Urwaldmoor-Flötz 
von im komprimierten und verkohlten Zustande noch 
immer 12 m Mächtigkeit anbaue oder gar anschwemme. 
Hier läßt sich also mit der autochthonen Urwaldmoor- 
Theorie nichts erklären, wle der geneigte Leser gewiß 
sofort zugibt. Zunächst setzt das Urwaldmoor immer 
die Tiefebene voraus und nicht ein so reich ge- 
gliedertes Gebirgsrelief, wie es die verschiedenen 
Kladnoer Profile aufweisen. Dann müßte für ein 12 m 
mächtiges Flötz das Moor etwa 50 oder 70 m tief 
gewesen sein, was auf Bergabhängen oder Graten 
noch weniger denkbar erscheint. Aber auch mit keinem 
der vielen Zwischenstadien des an Hand von Böl- 
sches »Steinkohlenwald« bisher zerpflückten auto- 
chthon gedachten Entwicklungsganges läßt sich hier 
etwas erklären — ja auch mit unserer Fig. 11/12 allein 
nicht so ohneweiters. Wir stehen also da vor einem 
neuen Prüfstein der glacialkosmogonischen Stein- 
kohlentheorie. 

Es ist ja ohneweiters schon klar, daß auch dieses 
Flötz ursprünglich ganz horizontal abgelagert worden 
sein mußte — es kann daher der heutige allen Un- 
ebenheiten des alten Unterbaues sich anschmiegende 
Verlauf des Flötzes nur auf Setzfaltung beruhen. 
Dies zusammengenommen führt uns zu der einzigen 
Möglichkeit, daß das alte Grundgebirge zur Zeit des 
Flötzablagerungsbeginnes mit allen seinen Mulden 
und Graten und an tief unter stagnierendem, 
primäreiszeitlichen Gletschereise begraben lag, welches 
durch die zahlreichen, dem eigentlichen Flutberg- 
anschlich notwendig vorangehenden, seichten Vorbe- 
flutungen nicht nur nicht aufgehoben oder nieder- 
geschmolzen, sondern vielmehr schichtenweise erhöht 
und nivelliert worden sein mußte. Das jedenfalls auf 
primäre (z. T. vielleicht auch sekundäre) Flötzver- 
einigung zurückzuführende Riesenflötz wurde also 
ohne besondere vorangehende, flötzlose Untersedimen- 
tierung auf ein bis hinab massives und gut verankertes, 
einheitliches Eisbillard hoch und senkrecht über allen 
Mulden des alten Grundgebirges ganz horizontal 
angeschwemmt und abgelagert. Erst darüber wurde 
dann Schichte auf Schichte das heutige flötzlose Stein- 
kohlendeckgebirge durch schwimmstofflose, aber sand- 
und schlammreiche Oszillationsfluten vielleicht auch 
in mehreren Flutberg-Vorbeischlichen aufgebaut, ohne 
daß diese Oszillationsfluten mächtig genug gewesen 
wären, das unten gutverzahnte Grundeis zu unter- 
fahren und aufzuheben oder oben die wohl nieder- 
gefrorenen Schwimmstoffschichten aufzulösen. Diese 
spätere Belastung durch das flötzlose mächtige Deck- 
gebirge führte dann erst zur Kompression und zu 
ener Erhitzung, Vereinigung und Verkohlung des 
Flötzes, durch dessen ärmeabgabe nach unten 
das Untereis langsam niedergeschmolzen und aus- 
gepreßt werden konnte. Wahrscheinlich hat hiebei 
unter der gut isolierenden mächtigen und gewichtigen 
Sedimentdecke auch die innere Erdwärme zur lang- 
samen Entfernung des Ureises beigetragen. Daß bei 
dieser endgültigen Setzung und Verkohlung die spär- 
lichen unteren Schlammschichten zum Schlusse, wie 
das Bild bei Neumayr zeigt, sich mehr in die Mulden 
zusammenschwemmen ließen, anstatt auf den Ab- 
hängen und Graten des alten Unterbaues unter dem 
nachsinkenden Flötz sich anzulagern, ist uns leicht 
verständlich. Ebenso klar ist, daß bei dieser vielfach 
gewellten Niederschmiegung das Flötz nicht durch 
Auswalzung, sondern durch Streckung gedehnt wurde 
und so besonders an den steileren Abhängen zerreißen 
und Verwerfungen erleiden mußte. Einähnlicher Vorgang 
dürfte sich bei den meisten uneben und doch ziemlich 


241 


äquidistant zum alten Unterbau daliegenden Flötzen 
abgespielt haben : Sie wurden ursprünglich meist über 
einem massiven Eisniveau angeliefert und wir hätten 
uns daher auch die alten Unterbaumulden der Fig. 12 
im Erstzustande unten zum Teil mit stagnierendem 
Gletschereise ausgefüllt zu denken. 

Wir dürfen zum Abschlusse dieser Detailbehand- 
lung eines fruchtbaren konkreten Falles wohl soweit 
mit der Zustimmung des geneigten Lesers rechnen, 
um das Kladnoer Flötz als einen klaren Beweis für 
das Einhergehen einer grimmigen Eiszeit mit dem uns 
eine >europdische Tropenflora« vortäuschenden 
Karbon ansprechen zu können. Wenn wir übrigens 
Fig. 11/12 in allen bisher erörterten Punkten unsere 
Zustimmung geben, so wissen wir schon von früher, 
daß ohne Eiszeit eine reinlich geschiedene Schichten- 
bildung, ob nun flötzführend oder flötzleer, überhaupt 
unmöglich ist. Somit erscheint sowol die sogenannte 
permokarbonische (primäre), als auch die kreta- 
jurassische (sekundäre) und die neopaläogene (tertiäre) 

iszeit (letztere fälschlich Quartär und Diluvium ge- 
nannt) durch die Tatsache der reinlich geschiedenen 
Schichtbildung allein schon bewiesen, ohne daß wir 
für jede dieser Gebirgsbauperioden erst nach Rund- 
höckern, Moränen, Gletscherschliffen und Terrassen- 
schottern zu forschen hätten. Denn das Eiszeiteis 
konnte ja nur im Vorlande hochgebirgigen Hinter- 
landes in schiebender Bewegung gewesen sein, während 
es über einem ziemlich abgetragenen Relief, wie die 
alte böhmische Masse, meistens stagnieren mußte, 
daher dort keine dem heutigen Eiszeitforscher ge- 
läufigen Spuren zurücklassen konnte. 

m nun auch über den Hergang der Verkohlung 
eine bessere Einsicht zu gewinnen, haben wir zunächst 
zu bedenken, daß Druck allein noch keine Wärme 
erzeugt, wenn die drückende Kraft nicht auch einen 
Weg unter Überwindung eines gleich großen Wider- 
standes zurücklegt, bezw. nicht auf einen zusammen- 
drückbaren Körper wirkt. Es muß im unter Druck ge- 
setzten Medium eine Molekülannäherung, eine Struktur- 
veränderung stattfinden; es muß eine »Arbeit« (im 
mechanischen Sinne) geleistet werden, denn nur solcher 
mechanischen Arbeit entspricht auch ein Wärme- 
äquivalent, wie denn auch kaltes Eisen unterm Schmiede- 
hammer glühend wird. Bedienen wir uns des Meter- 
kilogrammes und der Kalorie als Maßeinheit der me- 
chanischen Arbeit, bezw. der Wärmemenge, die in 
einem Kohlenflötze (oder einem Massengrabe von 
Fischen) durch Kompression aufgewendet, bezw. ent- 
wickelt werden kann, und versuchen wir uns ein ganz 
rohes Gefühl über die Möglichkeit der Verkohlung ' 
(bezw. Destillation des Erdöles aus den Unmassen 
kataklysmatisch eingebetteter Meerestiere) zu bilden, 
indem wir an einem konkreten Beispiele solche ent- 
wickelbare Druckwärme beiläufig zu ermitteln trachten. 

Das spezifische Gewicht der fertigen Steinkohle 
sei 1°25 und ihre spezifische Wärme gleich der des 
Koks mit 0'2 angenommen. Das heute rund 1 m dicke 
Flötz habe, als schon enteiste und mäßig vorkom- 
primierte Schwimmstoffschichte noch 21 m Mächtigkeit 
besessen, so daß die eigentlich komprimierende Kraft 
langsam einen Kompressionsweg von 20 m zurück- 
zulegen hatte. Die Enddruckkraft der fertigen Kohle 
ist gleich dem absoluten Gewichte der überdeckenden 
Gesteinssäule. Von der Möglichkeit einer lokalen 
Druckerhöhung durch eventuelle Kniehebel-, bezw. 
Gewölbeseitendruckwirkung im späteren Faltungs- 
vorgange sei einfachheitshalber abgesehen ; die Druck- 
kraft des Erstzustandes sei Null. Das Arbeitsdiagramm 
wird also kein Rechteck, sondern eine Art recht- 
winkligen Dreieckes sein, mit einer einwärtshängenden 
Kompressionskurve als Hypothenuse. Die stratigraphi- 
schen Verhältnisse des heute möglicherweise ge- 
falteten Deckgebirges mögen in einem bestimmten 
Falle auf eine ursprüngliche Belastungshöhe schließen 
lassen, die einer heutigen Gesteinssäule von, sagen 
wir, 3400 m Höhe entspricht, was bei 2500 kg Gewicht 
pro I m3 einen Kompressions-Enddruck von 8,500.000 kg 


242 


pro I m? des heute I m starken Flötzes, bezw. pro 1 më 
fertiger Steinkohle ergibt (= 850 Atmosphären). Würde 
dieser Druck am ganzen Kompressionswege gewirkt 
haben, so wäre eine Kompressionsarbeit von 170,000.000 
Meterkilogramm geleistet worden, die rund 400.000 
Kalorien Wärmemenge in dem betrachteten Kubik- 
meter Steinkohlen anhäufen könnte, wenn sich der 
Prozeß so rasch volizége, daß durch Leitung keine 
Wärme verloren ginge. Da aber der Kompressions- 
druck mit Null begann, das Arbeitsdiagramm also die 
vorerwähnte eingebauchte Dreiecksform aufweist, so 
beträgt die in jener, einem heutigen Kubikmeter fertiger 
Steinkohle entsprechenden Schwimmstoffmenge me- 
chanisch erzeugbare Wärmemenge entsprechend weniger 
als die Hälfte von 400.000 — also sagen wir etwa 
150.000 Kal., vorausgesetzt, daß auch wirklich alle 
Arbeit in Wärme verwandelt wird, was ja bei einem 
so unelastischen Körper beiläufig zutreffen könnte, 
falls wir nicht auch in der Strukturveränderung eine 
Arbeitsanhäufung erblicken sollen. In derselben rohen 
Weise, unter Einsetzung obigen spezifischen Kohlen- 
gewichtes und konstant bleibend gedachter spezifischer 
Wärme weiterrechnend, gelangen wir bei absoluter 
Wärmeisolierung nach außen zu einer bloß mechanisch 
erzeugten Endtemperatur des unter vollkommenem Luft- 
abschluß fertig verkohlten und komprimierten Flötzes 
von etwa 6000 C., was allerdings schon fast der Kirschrot- 
glut entsprechen würde. Es darf uns dies aber durch- 
aus nicht zu viel erscheinen, indem wir ja eines großen 
Wärmeüberschusses zur Deckung der Ableitungs- 
verluste und durch entweichende Destillationsprodukte 
während sehr langer Zeit bedürfen ; rechneten wir 
doch auch mit einer bloß dem Gefühle nach be- 
stimmten Arbeitsdiagrammfläche, die sich genau wohl 
nur durch Preßversuche ermitteln ließe — und setzten 
wir ja auch eine 100 prozentige Energieumsetzung 
voraus, was nur im Laboratoriumsexperimente an- 
nähernd zutreffen würde. Anderseits geht mit dieser 
mechanischen auch noch eine chemische Wärmeent- 
wicklung einher. Es dürfte in dem mechanisch lang- 
sam eingeleiteten Druckverkohlungsprozesse wohl 
soviel Wärme auf chemischem Wege hinzukommen, 
daß damit ein Teil der Leitungsverluste für die Zeit 
des gesamten Kompressions- und Destillationsvor- 
ganges gedeckt wird. Auch kann uns die allerdings 
mäßigere Druckerwärmung der ja ebenfalls etwas 
kompressiblen anorganischen Zwischenschichten der 
Fig. 11/12 zu Hilfe kommen, indem sich so eine Selbst- 
erwärmung der !soliermassen vollzieht. Ebenso kann 
man mit einem Zuschuß aus der inneren Erdwärme 

rechnen, die ja im (geologisch) kurzen Kataklysmus 
durch Verwerfungs- und Lakkolithenbildung, durch 
Intrusionen, Magmaergüsse, vulkanische, glutgasige 
und hydrothermische Paroxysmen leichter den Weg 
in die oberen Erdkrustenschichten herauf findet, als 
im langen Alluvium unserer heutigen Zeit. Für die 
anfängliche Enteisung der allmählich unter Druck ge- 
ratenden unteren Schichten ergibt sich uns noch ein 
Wärmeguthaben aus dem Eisgehalte der belastenden 
überlagernden Schichten, das im obigen Rohüber- 
schlage auch noch nicht berücksichtigt erscheint ; viel- 
leicht genügt dasselbe für die Enteisung, die bei dem 
von unten kommenden Wärmezuschuß je nach Einzel- 
mächtigkeit schon in der 30. oder 50. Tageslieferung 
unter der Oberfläche des jeweils eben gefrorenen 
Oszillations-Ebbegebietes beginnen mag. Auch mag die 
spezifische Wärme der anfänglichen Flötzmasse nicht 
0'2, sondern etwa 0°6 (wie für Holz) sein. Unter 
summarischer Berücksichtigung alter dieser Gewinste 
und Verluste kann man also je nach Belastung mit 
Temperaturen rechnen, die zwischen 200° und 400° liegen 
dürften. So leichtfertig dies nun auch ermittelt scheinen 
mag (wollten wir ja im Grunde auch nur dem Stein- 
kohlenchemiker kataklysmatische Anregungen bieten), 
so wird die Sache einigermaßen plausibler, wenn wir 
jetzt das Verkohlungsexperiment bei heiztechnisch zu- 
geführter Wärme befragen : »Erhitzt man Holz in ver- 
schlossenen Röhren, so erhält man bei 200 bis 280° C. 


eine der Holzkohle, bei 300° eine der Steinkohle ähn- 
liche Masse, die bei 400° anthrazitähnlich wirde — 
aber wohl gemerkt: ohne besondere Druckwirkung 
oder gleichzeitiger Drucksteigerung. 

Demnach besteht also kein Zweifel, daß uns trotz 
der Vergeschwisterung unseres Kataklysmus mit 
einer Eiszeit die zur Verkohlung notwendige Tem- 
peratur reichlich zur Verfügung steht, indem inklusive 
aller Zuschüsse aus der chemischen Wärmeentwicklung 
und der inneren Erdwärme von der überschlagsweise er- 
rechneten Energie leicht 40 bis50 Prozent zur Verkohlung 
nutzbar werden dürften. Dazu kommt noch, daß wir 
im hohen Drucke selbst und in der beliebigenL ange 
der verfügbaren Zeit noch zwei weitere, die Verkohlung 
begünstigende Faktoren erblicken dürfen — Faktoren, 
1 bei dem vorzitierten Laboratoriums-Experimente 
ehlen. 

Daß im bloßen geologisch-quietistischen (Lyell- 
schen) Lichte, d. h. ohne Kataklys mus der Kohlen- 
chemiker und Genesiserforscher nicht klar sehen kann, 
bestätigt uns auch Dannenberg), indem er sagt: 
Trotzdem uns die chemische Natur dieses 
Kohlungs prozesses noch durchaus 
dunkel (!!) ist, sind doch mehrfach Versuche unter- 
nommen worden, denselben durch eine Formel dar- 
zustellen. — Daß aber auch solche Formeln ohne 
Kataklysmus und Eiszeit nicht zum Ziele führen, ergibt 
sich aus folgendem: »Von verschiedenen Forschern 
sind in neuerer Zeit Theorien aufgestellt worden, 
die den Prozeß der Verkohlung auf die Tätigkeit 
von Mikroben (1) zurückzuführen suchen. — 
Renault hat diese hypothetischen Verkohlungs- 
Mikroben sogar auch schon getauft und so den 
»Mikrokokus carbo« und einen »Mikrokokus 
lignitum« für Stein- und Braunkohle unterschieden, 
was wir nur zum Ergötzen unserer Leser miterwähnen ; 
daraus mögen sie die Finsternis jener 0 eat er- 
messen, in welche die geogonische Detailforschung 
durch die Laplace-Lyellsche Katastrophenlosigkeit ge- 
führt worden ist. Aber nicht nur: Ohne Kataklysmus 
keine Lösung des Steinkohlenproblems ! — sondern 
auch: Ohne Kataklysmus keine Eiszeit und umgekehrt 
— und ohne diese beiden Unzertrennbaren und ohne 
einander Unmöglichen überhaupt keine Steinkohle ! — 
Wir müssen in erster Linie eine rasche, fäulnis- 
sichere, also frosterstarrte Einbettung der vege- 
tabilischen (und für die natürliche Steinöldestillation 
auch der animalischen) Rohstoffe, gefolgt von einer 
sofortigen entsprechenden Anfangsbelastung unter 
Luftabschluß als unerläßlich für die Steinkohlen- 
flötze- (und Petrolea)-Bildung bezeichnen; ein Vorgang, 
der im quietistischen Sinne niemals auszudenken sein 
wird, sondern unbedingt zum, mit einer Eiszeit 
einhergehenden Kataklysmus führen muß. Also 
nicht nur die »reinliche Scheidung« des Kohlenflötzes, 
sondern seine Existenz überhaupt bedingt die Eiszeit 
im Kataklysmus. Wäre also diese Eiszeit nicht schon 
aus den großen Endmoränenzügen Norddeutschlands, 
aus Gletscherschliffen und Rundhöckern heute weit 
und breit gletscherfreier Gegenden u. s. w. sicher er- 
wiesen: Das Kohlenflötz allein müßte uns 
auf die Spur der gewesenen Eiszeiten 
führen! Denn sein vegetabilisches Rohmaterial hätte 
doch in der Langsamkeit des autochthon gedachten 
Vorganges unbedingt verwesen müssen, bevor es im ver- 
meintlich warınen Karbonklima entsprechend luftdicht 
abgeschlossen und gehörig belastet werden konnte. 
Durch den kataklysmatisch-eiszeitlichen Hartfrost wird 
aber jede der täglich angeschwemmten Schwimmstoff- 
schichten sofort fäulnissicher konserviert und am 
nächsten Tage auch schon luftdicht abgeschlossen. 
Die endgültige Hochbelastung kann dann auch Jahr- 
zehnte oder Jahrhunderte später, eventuell, wie bei 
den Anthrazitlagern, auch erst im nächsten oder zweit- 
nächsten Kataklysmus, also auch wohl Jahrhundert- 
millionen später erfolgen, wenn nur gleich anfangs 


) Dannenberg: -Die Geologie der Steinkohlenlager.- Berlin, 


durch Frost und hermetisch abschließende Einbettung 
die dauernd fäulnissichere Konservierung erzwungen 
und sichergestellt worden ist. 

Das fühlt auch schon der moderne »sautochthon« 
spekulierende Steinkohlentheoretiker, indem wir bei 
Dannenberg lesen: »Es müssen also besondere Um- 
stände eintreten, um zu bewirken, daß der in der 
lebenden Pflanze zunächst nur vorübergehnd gebundene 
Kohlenstoff dauernd festgehalten werde und 
so durch allmähliche Anhäufung zu mächtigen Ab- 
lagerungen anwachsen kann. Diese besonderen Um- 
stände werden in erster Linie den Eintritt und 
Fortgang der Verwesung verhindern 
müssen. (!!) Der sonst bei normaler Temperatur, 
d. h. nicht unter Gefrierpunkt und Zutritt 
der Luft rasch eintretende Zerfall wird 
hintangehalten durch die Gegenwart von Humus- 
säuren«. (!!) 

Mutet das nicht ähnlich ratlos an, wie Renaults 
Mikrokokus carbo? Mit Genugtuung hören wir hier 
abermals einen en grübelnden Fachmann (im 
Gegensatze zu Potonies Vorliebe für Verwesungs-, 
Vermoderungs-, Vertorfungs- und Fäulnisprozesse) — 
wenn auch im Interesse der Kohlensäure-Steinkohlen- 
hypothese von Arrhenius-Frech — gerade das ver- 
langen, was sich aus unserem Kataklysmus folge- 
richtig von selbst aufdrängt —, was wir aber auch 
ohne solchen Zwang a priori als selbstverständliche 
Bedingung eines eventuell erst zu ersinnenden Kohlen- 


243 


Sedimentierungsvorganges betrachtet hätten: Die zer- 
setzungsverhütende Wirkung des eiszeit- 
lichen Frostes! Da aber für Dannenberg im 
tropischwarmen Urwaldmoor Potonies dieser Frost 
fehlt, muß er sich mit der antiseptischen Wirkung von 
»Humussäuren« (! !) behelfen, deren es also in Wahrheit 
durchaus nicht bedarf 

So hätten wir denn in den beiden letzten Aufsätzen 
das wichtigste Detail-Problem der Geologie und somit 
auch das wichtigste Element der Gebirgsbildung ohne 
jedwede Zuhilfenahme von unbestimmten oder wahren 
Erdbebenkräften aus dem Groben heraus, kausal — 
und hoffentlich auch zur zustimmenden Befriedigung 
des geduldig mitgekommenen Lesers in glacialkosmo- 
gonisches Licht gerückt. Wollen wir aber in unserem 
barbarischen Vordringen gegen die breite Pseudo- 
gelehrtenfront des Westens keine Hauptfestung un- 
erobert hinter uns lassen, so hätten wir, die nötige 
Geduld der geehrten Redaktion immer noch voraus- 
gesetzt, zunächst noch die Probleme der Erdöl- und 
Asphalt-Entstehung, sowie der großen Steinsalzablage- 
rungen glacialkosmogonisch zu verarbeiten — Pro- 
bleme, die auf Lyell-Laplacescher Grundlage ebenso 
unlösbar bleiben müßten, wie das der eben abge- 
handelten Steinkohlen-Entstehung. 


Berichtigung: Die auf Seite 189-191 des Juli- 
heftes neunmal erscheinende verschriebene Bezeichnung: 
Nummiliten lies richtig: Nummuliten. 


Geschützdonner und Aerologie. 


Von Wilhelm Krebs. (Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen.) 


Meinen ersten Mitteilungen über Geschützdonner 
von ungewöhnlicher Hörweite im gegenwärtigen Kriege 
ist eine ganze Eigenliteratur kleinen Maßstabes über 
die einschlägigen Fragen gefolgt. 

In der Wochenschrift »Prometheus« ist der Versuch 
gemacht, die von mir bereits angezogene Erscheinun 
des Seedonners an der flandrischen Küste (mistproffers 
umgekehrt zur Erklärung gehörter Kanonaden zu ver- 
werten. Es sei diesem Versuche hier sogleich ent- 
gegengehalten, daß dieser Seedonner keineswegs so 
häufig ist, wie dort angegeben. Der letzte verbürgte 
Fall ging auf den 12. August 1910 zurück, nach viel- 
jähriger Pause. Auch hat noch immer die einfachste 
und natürlichste Erklärung als die beste gegolten. Das 
ist für die vorliegenden Beobachtungen das ferne 
Geschützfeuer, in diesem Falle an der britischen Küste. 

Das muß um so mehr gelten, als dieser Krieg 
auch bereits eine Gegenprobe gestattete. Die Be- 
schieBung Diinkirchens machte sich, nach einer Meldung 
vom 8. Mai 1915, in Dover an der englischen Kiiste 
mit dem Erfolge bemerkbar, daß sie nicht nur gehört, 
sondern auch an der Erschütterung von Baulichkeiten 
gefühlt wurde. Dover liegt 78 km von Dünkirchen, 
etwa 116 km von dem wahrscheinlichen Standorte 
der schweren deutschen Geschütze. 

Es muß dahingestellt bleiben, ob Dover noch in 
dem Bereiche der direkten Hörbarkeit lag. Jedenfalls 
ist diese bei Untersuchungen über die Kanonade auf 
Antwerpen vom 7. bis 9. Oktober 1914 bis auf 100 km 
hinausgerückt. Für diese Untersuchung sind nieder- 
ländische Beobachtungen von E. van Everdingen, 
nordwestdeutsche von W. Meinardus zusammen- 
gestellt. Eine umfassende Veröffentlichung von 
W. Meinardus ist im Maihefte 1915 der »Meteoro- 
logischen Zeitschrift erschienen. Die beigegebene 
Kartenskizze läßt erkennen, daß diese Ausdehnung der 
direkten Hörbarkeit des Geschützdonners im wesent- 
lichen mit der Richtung der Beschießung zusammenfiel. 
Gerade dasselbe Verhalten galt im Mai für Dover. 

Der hier behauptete Zusammenhang steht im Ein- 
klang mit neueren Ergebnissen des deutschen Physikers 
F. Auerbach. Übersteigt die Geschwindigkeit des 
Geschosses die des Schalls, dann erfährt dieser in der 


Schußrichtung auch eine entsprechende Steigerung 
seiner Geschwindigkeit. Dieses Verhalten würde der 
vermehrten Hörweite vollauf zur Erklärung dienen. 

Diese Vergrößerung ‘der Hörweite braucht darum 
noch nicht für das außerhalb der Zone des Schweigens 
liegende Gebiet der indirekten Hörbarkeit zu gelten, 
die in dem Februarbeitrage von mir auf eine Art Echo 
aus der Hochatmosphäre zurückgeführt ist. 

Dasselbe Maiheft 1915 der »Meteorologischen Zeit- 
schrift« bringt einen Beitrag von J. N. Dörr, der sich 
u. a. auf die Schallfolgen der Dynamitexplosion 
des 7. Juni 1912 bei Wr.-Neustadt bezieht. Die ab- 
gebildete Verteilung ihrer Meldungsorte läßt eine fast 
genau entgegengesetzte Lage des äußeren Gebietes 
indirekter Hörbarkeit zu dem inneren Gebiete direkter 
Hörbarkeit erkennen. Dieses erstreckte sich übrigens 
auch über 100 km hinaus. Es lag im Osten des Ex- 
plosionsortes. Das äußere Gebiet indirekter Hörbarkeit 
lag dagegen im Westen. Das Kartenbild erweckt den 
Eindruck, als ob die ganze Schallerscheinung in den 
Höhen der Atmosphäre von Osten nach Westen ver- 
weht worden wäre. Und tatsächlich liegt einiger Anhalt 
dafür vor, daß am 7. Juni 1912 über Österreich eine 
kräftige Hochströmung der Atmosphäre nach westlicher 
Richtung hin herrschte. 

In derselben Arbeit ist auf die überaus große 
Bedeutung hingewiesen, den die Hörbarkeit des 
Geschiitzdonners als Orientierungsmittel für strate- 
gische Zwecke besitzt. Ein Zusammenarbeiten der 
Kriegswissenschaften mit der Meteorologie und be- 
sonders mit der Aerologie auf diesem Gebiete liegt 
demnach im eigenen Interesse der Heeresleitung. 

An einem solchen Zusammenarbeiten besitzt das 
Geschützwesen noch ganz besondere weitere Inter- 
essen. Über diese unterrichtet ein Beitrag zu dem- 
selben Maiheft 1915 der »Meteorologischen Zeitschrift« 
über Artillerie und Meteorologie. Er hat den k. u. k. 
Hauptmann der Artillerie Herrn J. V. Berger zum 
Verfasser. Er verlangt vor allem eine genaue Kontrolle 
der atmosphärischen Verhältnisse, die die Flugbahn 
der Geschosse zu beeinflussen vermögen. 

Genannt sind Bewegung, Wärme, Druck und 
Feuchtigkeit der Luft. Verlangt ist vor allem ihre 


244 


Kontrolle durch selbstschreibende Apparate bei den 
den Versuchen dienenden Geschützstellungen. 

Es sei gestattet, zur Ergänzung einige besonders 
wichtige Punkte hier zu berühren. 

ie sehr äußere Nebenumstände eine GeschoB- 
bahn alterieren, wird wohl am besten dadurch be- 
wiesen, daß die wirklich beobachteten Bahnen im 
äußersten Falle kaum 1/0 der Länge, 1/29 der Höhe 
der reibungsfrei berechneten Bahnen erreichen. 

Ein wichtiges Verbesserungsmittel ist der Drall 
der gezogenen Geschütze, der auch Steilfeuergeschosse 
nicht als Querschläger, sondern bekanntlich mit der 
zündertragenden Spitze landen läßt. Doch kann er bei 
Fernschüssen seitliche Abweichungen von 12 und 


mehr Metern in seinem Drehungssinne veranlassen. 
Die italienischen Geschütze stellen den sonst zumeist 
üblichen Rechtsdrall den, entgegengesetzte Folgen 
bedingenden Linksdrall gegenüber. Da österreichische 
Artillerie wohl recht vielfache Gelegenheit finden wird, 
mit italienischen Kanonen zu schießen, wie die 
deutsche Artillerie mit belgischen, französischen, eng- 
lischen und russischen, ist darauf besonders zu achten. 

Da ferner die mehr und mehr in Aufnahme ge- 
langenden Steilfeuergeschütze über Höhen von vier 
und mehr Kilometern schießen, kommen auch hoch- 
atmosphärische Verhältnisse in Betracht. Hier eröffnet 
sich dem militärischen Flugwesen offenbar ein neues 
Feld der orientierenden Betätigung. 


Der See- und Luftkrieg im Nordseegebiet sowie im Nordmeer. 


Von Wilhelm Krebs (Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen). 


1915. 

Juli 16-24.: Mehrere feindliche, nach Archangel be- 

stimmte Dampfer werden in der Höhe 

der ea und Shetland-Inseln von 
deutschen Tauchbooten versenkt. 

Die Zahl der von deutschen Tauchbooten 

versenkten Schiffe wird von dem offiziel- 

len deutschen Wolffschen Telegraphen- 
bureau bis zu diesem Tage auf 292 be- 
ziffert; unter ihnen sind 229 britische, 

33 neutrale Schiffe, von denen 6 irrtiim- 

lich versenkt sind. Die dabei verlorenen 

Menschenleben bezifferte der britische 

Staatsmann Marnamara auf 1594. 

: Deutsche Flieger bombardieren Dünkirchen. 

28.: Deutsche Flieger bombardieren Calais 
und Gravelines. 

: Der Hamburger Fischdampfer »Senator 
von Barenberg-GoBlar« wird bei Horns- 
riff in der Nordsee von einem britischen 
Tauchboot torpediert. 


5 25.: 


Juli 28./29.: Zehn britische Fischdampfer werden 
innerhalb der letzten 24 Stunden von 
deutschen Tauchbooten versenkt. 

: Deutsche Tauchboote und deutsche Minen 
werden wiederholt im Weißen Meere 
festgestellt. 

: Brand der Ardee-Werke in Glasgow, ver- 
bunden mit großen Explosionen. 


R 8.: Der britische Hilfskreuzer »India« wird 
vor dem Westfjord von einem deutschen 
Tauchboot versenkt. 

$ 9.: Der Geestemünder Fischdampfer > Saturne 


Nr. 79 wird von einem britischen Kreuzer 
in der Nordsee vor der holländischen 
Küste bei Ymuiden versenkt. 

„ 9./10.: Deutsche Marineluftschiffe bombardieren 
nachts mit Erfolg militärische Anlagen 
am Humber, bei Harwich und an der 
Themsemündung, ferner britische Kriegs- 
schiffe in dieser und die Londoner Docks. 


Bücherbesprechungen.*) 


Fliegerschule. Was muß ich wissen, wenn ich Flieger 
werden will? Ein Lehr- und Handbuch für den Flug- 
techniker und Flugschüler. Von Heinz Erblich, 
Flugzeugführer, Leutnant im ottomanischen Flieger- 
korps. Mit 95 Abbildungen im Text. Zweite, durch- 
gesehene Auflage. Berlin W. 62, Verlag Richard 
Karl Schmidt. l 

Der vorliegende sechzigste Band der so unge- 
mein rasch populär und weltberühmt gewordenen 

Autotechnischen Bibliothek stellt ein wesentlich er- 

weitertes und auf Grund der neuesten Erfahrungen 

abgeändertes Kompendium für den Flugeleven dar, 
wie er es gerade braucht. Es war von vornherein 
ein begrüßenswerter und glücklicher Gedanke des 
rührigen Verlages, auch die Flugtechnik in allen ihren 

Details und Hilfsdisziplinen im Rahmen der Auto- 

technischen Bibliothek zu behandeln, zumal Ausstattung 

und Format dieser handlichen Taschenbücher dem 

Bedürfnisse der Praxis am meisten Rechnung trägt. 

Speziell das vorliegende sechzigste Bändchen bringt 

in diesem Belange sehr wertvolles Material, nicht 

bloß dem Flugschüler und jenem, der es werden will, 
sondern auch jedem Laien, der sich über das Fliegen 

selbst orientieren will. Sehr zweckmäßig sind die im 

Anhange gegebenen Vertragsbedingungen des Ver- 

bandes deutscher Motorfahrzeug-Industrieller für die 

Ausbildung von Flugzeugführern, ferner die Prüfungs- 


*) Sämtliche in dieser Rubrik besprochenen Bücher und 
Zeitschriften können durch die Administration unserer Zeit- 


schrift bezogen werden. 
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bedingungen etc. Hierauf folgt ein Verzeichnis der 
wichtigsten deutschen Flugplätze und Flugstützpunkte, 
ein Firmenverzeichnis und Bezugsquellennachweis. 
Den Schluß bilden die vom Verfasser in sehr drasti- 
scher Weise zusammengestellten -Zwölf Gebote für 
Flugzeugführer«, deren Beherzigung jedem, der ein 
solcher werden will, nur angeraten werden kann. 
Seinem vom Autor gedachten Zwecke vollauf ent- 
sprechend, kann dieses in seiner übersichtlichen Art 
wirklich sehr gut gelungene Büchlein jedem bestens zur 
Anschaffung anempfohlen werden, der sich auf kurzem 
Wege über die Vorgänge beim Fluge, aber auch über 
die Funktionen einer modernen Flugmaschine infor- 
mieren will. 


Sport und Spiel. Nach einem Entwurf des + Prof. 

Friedr. Wappenhans, bearbeitet von Freiherrn 

R. v. Fichard, kaiserl. Reg.-Rat. 89 Seiten. 

Preis €0 Pfg. 

Das frisch und lebendig geschriebene Büchlein 
gibt zunächst eine Erklärung des Begriffes von Sport 
und Spiel. Es folgt eine Übersicht über die ver- 
schiedenen Sportarten und Spiele, sowie eine Ver- 
deutschung sportlicher Fremdwörter. Berücksichtigt 
sind dabei alle bei uns bekannten und ausgeübten 
Arten von Sport, wie gymnastischer Sport, Waffen-, 
Wasser-, Winter-, Reit-, Fahr-, Luftsport; ferner Sport-, 
Brett- und Kartenspiele, sowie Unterhaltungs- und 
Gesellschaftsspiele. Das Biichlein ist allen Sport- 
freunden, die auf Sprachreinheit halten, bestens zu 


empfehlen. 
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Flugmotoren. Zu den 
der Welt brachte, gehört auch die relativ unbefriedi- 
gende Leistungsfähigkeit der Industrien der Entente- 
mächte gegenüber den jede Erwartung übertreffenden 
Leistungen der deutschen, österreichischen und 
ungarischen Industrie. Die relativ größte Mehrleistung 
egenüber der Friedensproduktion zeigte die ungarische 
ndustrie, und dies ist auch ganz natürlich, denn die 
ungarische Industrie war auch in Friedenszeiten her- 
vorragend leistungsfähig, nur fehlte ihr die Gelegenheit 
zur Betätigung; sie arbeitete sozusagen ständig ge- 
bremst. Jetzt, wo ihr durch große militärische Bestel- 
lungen Gelegenheit geboten wird, ihre volle Kraft zu 
entfalten, zeigt sie so recht, daß sie in ihren Leistungen 
die so oft als allein entsprechend gepriesenen aus- 
ländischen Fabrikate noch zu übertreffen vermag. 


Anlaß zu diesen Betrachtungen bietet uns eine aus 
Arad kommende Nachricht, derzufolge in der dortigen 
Automobilfabrik »Marta« die Dauer der bisher mit 
25 Stunden festgesetzten Aero- 
motorenproben auf 50 Stunden 
erhöht wurde und die »Marta«- 
Aeromotoren diese über zwei 
Tage und zwei Nächte dauern- 
den Proben glänzend bestanden. 
Zu bemerken ist, daß die zur 
Probe gelangten Motoren dem 
Hiero-Typ 145 PS angehören, 
für die der Dauerbetrieb be- 
sonders wichtig ist. Eine Serie 
dieser Motoren wurde von 
seiten der Fabrik erst jüngst der 
Heeresverwaltung übergeben. 


Ingenieur Hieronimus, 
der Konstrukteur der nach ihmbe- 
nannten »Hiero-Motoren«, 
die in den Marta-Werken er- 
zeugt werden, und der in einer 
Wiener Flugmotorenfabrik die 
Fabrikation von Flugmotoren 
seines Systems leitet, äußerte 
sich vor kurzem einem Fach- 
mann gegenüber dahin, daß 
die bei der Marta-Fabrik in 
Arad erzeugten Flugmotoren 
geradezumeisterhafthergestellt - 
werden. »Ich bin — sagte er — 
auf das angenehmste über- 
rascht, mit welcher Präzision 
und Exaktheit die »Marta« alle 
Teile der Motoren bis in die 
kleinsten Details fertigstellt. 
Die Fabrik hat keine Kosten 
gescheut, um die besten, mo- 
dernsten Werkzeugmaschinen 
für die Flugmotorenfabrikation 


Windmessungen am nördlichen Kriegsschauplatze. 


Chronik . 


Fünfzigstündige Erprobung der Hiero-Marta- | 
berraschungen, die der Krieg | 


anzuschaffen. Sie verwendet ferner das allerbeste, 
erprobteste Material, und die Erzeugung überwacht 
Generaldirektor Haltenberger, ein hervorragender 
Fachmann, dem Direktor Ingenieur Spitzer, der 
den Ruf eines äußerst tüchtigen Motoringenieurs ge- 
nießt, zur Seite steht. Dabei herrscht eine Ordnung 
in der »Bude«, wie sie eben sein muß, um solche 
schöne Erfolge erzielen zu können. Ich kann versichern, 
daß die Hiero-Motoren in keiner Fabrik der Welt 
besser erzeugt werden könnten, wie in der Marta- 
Fabrik, und daß die dort fabrizierten Motoren jedem 
bewährtesten in- und ausländischen Fabrikate zu-. 
mindest gleichgestellt werden können.« 


Die Flucht Gilberts. Der französische Flieger 
Gilbert ist trotz seines gegebenen Ehrenwortes aus 
der Schweizer Kriegsgefangenschaft geflohen. Über 
die Flucht werden jetzt folgende Details bekannt: 
Ein Freund Gilberts kaufte in Genf eine vollständige 
Touristenausrüstung, einen falschen Bart und 
Schnurrbart. Dann versicherte er sich der Mitwirkung 
eines Automobils, das sich in 
Luzern am Bahnhof befinden 
mußte. Einen Tag später waren 
alle Vorbereitungen getroffen. 
Der Freund reiste nach Luzern, 
wo er übernachtete und andern 
Tags friihzeitig nach Göschenen 
fuhr, wo sich Gilbert befand. 
Der Freund iiberreichte hier 
Gilbert die fiir ihn gekauften 
Kleider und traf mit ihm die 
letzten Vorbereitungen. Nun 
schlugen sie miteinander den 
Weg nach Göschenen ein. 
Unterwegs wurden sie von einer 
Wache angehalten, konnten 
aber ihren Weg trotzdem fort- 
setzen, in den Zug springen 
und nach Luzern fahren. Hier 
erwartete sie das Automobil 
auf dem Bahnhofplatz. Sie 
bestiegen es und gelangten 
nach einer tollen Fahrt nach 
Genf, wo sie ruhig iiber die 
Grenze gingen. 


Spione in Flugzeugen. 
Vom stellvertretenden General- 
kommando des 7. deutschen 
Armeekorps geht der »Köln. 
Ztg.< folgendes zu: Es ist 
festgestellt worden, daß feind- 
liche Flugzeuge in den be- 
setzten und den dem Feindes- 
land benachbarten Gebieten, 
und zwar vor allem in abge- 
legenen ländlichen Gegenden, 
Spione ausgesetzt 


246 


haben. Es muß daher als vaterländische Pflicht eines 
jeden Deutschen betrachtet werden, beim Nieder- 
gehen eines Flugzeuges sofort dem nächsten Polizei- 
beamten oder der nächsten Militärperson Anzeige zu 
erstatten oder, wenn dies mit Zeitverlust verbunden 
ist, selbst mit Unterstützung anderer die Insassen 
anzuhalten oder, wenn das Flugzeug wieder aufge- 
stiegen sein sollte, die Umgegend nach ausgesetzten 
verdächtigen Personen abzusuchen. Das Flugzeug darf 
nicht beschädigt werden; auch ist zu verhindern, daß 
die Insassen Papiere, Karten, photographische Platten 
vernichten. Achtet jeder in seinem Bereich auf all 
diese Dinge, dann werden auch die geriebensten 
Pläne unserer Feinde zuschanden werden. 


Italienische Flugzeuge und Lenkballons. Laut 
einer an das Ministerium des Innern gelangten Mit- 
teilung des Kriegsministeriums hat Italien eine meue 
Kennzeichnung seiner Flugapparate angeordnet. So- 
wohl Land- wie Wasserflugzeuge sind auf der unteren 
Seite des rechten Flügels gr ü n, auf dem linken Flügel 
rot gefärbt, die Mitte bleibt dagegen weiß. Das 
Vertikalsteuer trägt die italienischen Farben. Italienische 
Lenkballons zeigen bei Tag die nationale Fahne mit 
dem Wappen Savoyens und der Königskrone, bei 
Nacht drei Weglaternen in den Nationalfarben weiB- 
rot-grün; außerdem hängt ein rotes Licht unter der 
Gondel. 

Eine neue Welthöchstleistung. Aus Essen 
a.d. Ruhr wird telegraphiert: Ein »Kondor«-Flug- 
zeug mit vier Passagieren ist am 3. d. M. auf dem 
Flugplatz Rotthausen 3280 m hoch gestiegen. 
Die bisher ermittelte Welthöchstleistung betrug 3050 m. 


Einen neuen e von un- 
bedingt zuverlässiger Sicherheit soll der bekannte 
Mathematiker und Seismologe Pater Alfani der 
Schweizer Militärbehörde zur Verfügung gestellt haben. 
Leider sind genauere Mitteilungen aus militärischen 
Gründen nicht zur Veröffentlichung gelangt. Für die 
Militär-Aviatik wäre es selbstverständlich von außer- 
ordentlicher Bedeutung, wenn diese aktuelle Frage 
in einwandfreier Weise gelöst werden könnte, denn 
alle bisher versuchten Apparate haben sich als höchst 
unzuverlässig erwiesen, speziell wegen der Schwierig- 
keit, die absolute Fluggeschwindigkeit vom Aeroplan 
aus festzustellen. Bis jetzt zogen es die Piloten 
mangels eines zuverlässigen Lancierapparates vor, sich 
lediglich auf ihre Schätzung zu verlassen, wobei es 
ihnen tatsächlich gelang, wie ja die täglichen Zeitungs- 
berichte melden, unter Zugrundelegung ihrer reichen 
Erfahrungen eine ganz ansehnliche Treffsicherheit im 
freien Wurf zu erzielen. 


Lenkbare Kugelballons. Nach letzten Nach- 
richten scheinen die Franzosen in der Luftschiffahrt 
wieder von vorne anfangen zu wollen, da sie sich 
neuerdings damit beschäftigen, den Kugelballon durch 
zwei an der Gondel montierte Luftschrauben unab- 
hängig von den Windströmungen fortzubewegen und 
zu steuern. Man wollte speziell damit Notlandungen 
in ungeeignetem Terrain oder auf dem Wasser ver- 
hindern. Der Bericht verdient eine humorvolle Berück- 
sichtigung. 

Die Gründung eines Fliegerheimes hat der 
deutsche Luftflottenverein in letzter Zeit in den um- 
fangreichen Wirkungskreis seiner Tätigkeit einbezogen. 
Vielfachen Anregungen seiner Mitglieder folgend, wurde 
beschlossen, daß der Verein diesbezügliche Schritte 
zur Aufbringung der notwendigen Mittel unternehmen 
möge, um ein Erholungsheim für alle diejenigen 
Männer zu schaffen, die im Dienste der Luft- 
fahrt — als Flieger, Beobachter oder Besatzungen 
von Luftschiffen — zu Schaden gekommen sind oder 
infolge der Anstrengungen ihres schweren Berufes er- 
holungsbedürftig sind. In Anbetracht der besonders 
gefahrvollen und schwierigen Dienstleistung, die die 
Luftschiffer zu erfüllen haben, ist dieser Beschluß 
charitativer Fürsorge aufs wärmste zu begrüßen. Der 
Verein hat diese Aktion vorläufig durch einen umfang- 


reich angelegten Vertrieb von Marken mit den Bild- 
nissen der berühmtesten deutschen Staatsmänner und 
Heerführer eingeleitet und wird der gestellten Auf- 
gabe in absehbarer Zeit nochlin anderer Weise näher- 
reten. 


Tödlicher Unfall eines deutschen Fliegers. 
Der Erfinder des unsichtbaren Flugzeuges, über das 
wir in unserer letzten Nummer berichtet haben, ist 
bei Münster tödlich abgestürzt. Anton Knubel ist 
auf dem Flugplatze Loddenheide bei Münster mit 
seinem neuesten Eindecker zu einem Probefluge auf- 
gestiegen. Nach einigen Runden kippte der Apparat 
in m Höhe um und stürzte senkrecht zu Boden. 
Knubel, der sich durch einen Sprung aus dem Flug- 
zeug retten wollte, erlitt einen Schädelbruch und starb 
nach wenigen Minuten. Wie bekannt, ist es Knubel 
gelungen, durch Verwendung von Cellon bei der Trag- 
nun seine Flugzeuge in einer Höhe von 
1000 bis 1500 m fast vollständig unsichtbar zu machen, 
da durch das durchsichtige Cellon der Apparat sich 
= 1855 Höhe nur ganz unmerklich vom Himmel 
abhebt. 


Eine Gotha-Taube als Ehrendenkmal für Gotha. 
In Gotha wurde bei einer unter dem Vorsitze des 
Staatsministers v. Bassewitz stattgehabten Ver- 
sammlung beschlossen, in ähnlicher Weise wie andere 
Städte in Deutschland und Österreich ihren Wehrmann 
in Eisen aufgestellt haben, dort ein Erinnerungsdenk- 
mal von ganz besonderer Art aufzurichten, und zwar 
soll in Anbetracht der Bedeutung, die Gotha in den 
letzten Jahren auf dem Gebiete der Flugtechnik er- 
halten hat, eine Gotha-Taube von 45 m Spannweite 
auf einem granitenen Sockel aufgestellt werden. Die 
Seitenflächen des Sockels tragen Bilder der zu wieder- 
holten Malen aus der Luft bekämpften Städtefestungen 
Paris und Dover. Das ganz in Holz ausgeführte Flug- 
zeug soll durch Einschlagen von Nägeln einen Spenden- 
beitrag der Nationalstiftung für die Hinterbliebenen 
von im Felde gefallenen Kriegern zuführen und wird 
in der Nähe des Residenzschlosses aufgestellt werden. 


Bau von transatlantischen Riesenflugzeugen. 
Nach der »Newyork World« hat die britische Re- 
gierung bei Beach in Stratford 250 Doppel- 
decker und zehn riesige Dreidecker, die im- 
stande sein sollen, in ununterbrochenem Fluge 
über den Atlantischen Ozean zu fliegen, 
bestellt. Die Ablieferung des ersten transatlantischen 
Dreideckers ist für Ende Oktober vorgesehen. 
Die Erbauer haben die Wahl, einen Probeflug über 
den Ozean oder über eine gleich lange Strecke in 
Amerika zu unternehmen. Ein Erbauer erklärte, die 
Dreidecker würden riesige Flugboote mit Motoren im 
Schiffskörper sein, jedoch nicht vor Ablauf von drei 
Monaten fertiggestellt werden können. Da dann die 
kalte Jahreszeit eingesetzt haben würde, würde der 
Probeflug nicht über den Atlantischen Ozean gemacht 
werden können, sondern längs der atlantischen Küste 
Nordamerikas. 

Weitere Nachrichten wissen noch zu berichten, 
daß diese neuen Dreidecker, außer vier Maschinen- 

ewehren auf einer kleinen, als Panzerturm dienenden 
rhöhung, eine Revolverkanone tragen. Jeder Apparat 
soll acht Motoren besitzen, wobei zwei und zwei als 
Schwestermaschinen gekuppelt sind, die vier Propeller 
antreiben sollen. Die Seitensteuerung soll durch Pro- 
ellerschwenkung bewirkt werden. Von unten ist jedes 
ampfflugzeug in der Form eines umgekehrten Daches 
stark gepanzert. So viele Neuerungen auf einmal klingen 
selbst für amerikanische Begriffe märchenhaft. Wir 
können aber vorläufig noch ganz beruhigt schlafen, 
denn hier scheint der Wunsch der Vater des Gedankens 
zu sein. Die Bestellung allein genügt in diesem Falle 
noch nicht, daß sich diese erwünschten Ungetüme 
in absehbarer Zeit über einem deutschen Schützen- 
graben zeigen werden. Wenn überhaupt diese phan- 
tastische Nachricht auf Wahrheit beruht, was stark 
zu bezweifeln ist, so muß doch mit berechtigtem 


Zweifel in Frage gestellt werden, ob die amerikanische 
Flugzeugindustrie imstande ist, ganz neuartige Flug- 
zeuge von so eminent durchgreifenden Neuerungen 
leichsam im Handumdrehen herstellen zu können. 

enn auch die erste brauchbare Flugmaschine in 
Amerika von den Brüdern Wright gebaut wurde, so 
ist es doch erwiesen, daß von jener Zeit ab die 
amerikanische Flugzeugindustrie, sowohl was Neu- 
konstruktionen als auch Herstellungstechnik betrifft, 
weit hinter den europäischen Fabriken zurückgeblieben 
ist. Nun ist wohl anzunehmen, daß die Engländer und 
Franzosen ihre durch Jahre hindurch gesammelten 
und sorgsam gehüteten Erfahrungen den amerikanischen 
Fabriken zur Verfügung gestellt haben, damit diese 
bei ihren Lieferungen auf der Höhe der gestellten 
Ansprüche bleiben, dessenungeachtet wird aber aus 
diesem Bau eines transatlantischen Dreideckers voraus- 
sichtlich ein Luftschloß werden. Denn der Entwicklungs- 
gang im Flugzeugbau war bisher, wie in jedem anderen 
technischen Industriezweig, ein langsamer, in stetem 
Aufbau fortschreitender; es ist von vornherein klar, 
daß der Bau eines in dieser Art projektierten Luft- 
dreadnoughts an eine gewaltige Erfahrungsreihe ge- 
bunden ist, und bis diese von den amerikanischen 
Fabrikanten gemacht wird, dürften ihre Apparate kaum 
mehr Gelegenheit haben, den gewünschten Zwecken 
zu dienen. 

e e gegen England. Eine inter- 
essante Zusammenstellung der Zeppelinangriffe gegen 
England entnehmen wir den »Hamburger Nachrichten«. 
Darnach haben bis jetzt zwanzig Zeppelinfahrten nach 
England stattgefunden, die mit bemerkenswertem Er- 
folge dem scheinbar in Ruhe und Sicherheit geborgenen 
Inselland die blutigen und vernichtenden Schrecken 
des Krieges unmittelbar vor Augen rückten. Das 
erste Mal erfuhren wir am 20. Jänner 1915, daß die 
Zeppeline eine Reise nach England angetreten haben, 
um hier wichtige, dem Kriege dienende Gebiete mit 
Luftbomben zu belegen. Eine ungeheure Aufregung 
bemächtigte sich der Engländer, da sie erkannten, daß 
sie nicht mehr in strahlender Unnahbarkeit in dem 
Weltenmeere lagen, denn ihre starken Flotten, der 
wichtigste Schutz Englands, konnten gegen Luftwaffen 
nichts ausrichten. England war einem Feinde erreich- 
bar, auch ohne daß die Flotte besiegt worden war. 
Sieben Wochen konnten sich ungefähr die Engländer 
der Ruhe erfreuen. Aber am 12. März hörten sie wieder 
das Surren der Propeller der Riesenkreuzer bei Spurn 
Point. Nun ging es schneller und immer häufiger mit 
den Angriffen gegen das englische Inselland vorwärts. 
Am 14. April wurde wieder die Tyne-Mündung mit 
Bomben bedacht. In der Nacht vom 15. zum 16. April 
erfolgte ein neuer Angriff gegen Maldon, Essax, Lowe- 
stoft und Southwood. Vierzehn Tage später, am 
30. April, wurden die Dock- und Hafenanlagen von 
Ipswich und Whitton zum Teil zerstört. Am 3. Mai 
wurde ein englisches Unterseeboot von den Zeppelinen 
vernichtet. Eine Woche später, am 10. Mai, folgte der 
erste Angriff auf London selbst. Wiederum eine Woche 
später, am 17. Mai, wurde die Grafschaft Kent, be- 
sonders Ronsgate, mit Zeppelinbomben bedacht. Am 
31. Mai 1915 hörte London zum zweiten Male über 
sich die Zeppelinpropeller. Bei diesem Angriff wurden 
eine Reihe von Londoner Docks und Werften durch 
die Zeppeline zum Teil zerstört. Schon wenige Tage 
später, in der Nacht vom 4. zum 5. Juni, wurden die 
Gasbehälter und Öltanks von Harwich vernichtet. In 
der Nacht vom 6. zum 7. Juni machten Zeppeline einen 
neuen Besuch in der Gegend am Humber, und zwar 
zerstörten sie die Docks und Werften von Grimsby. 
In der Nacht vom 15. zum 16. Juni wurde die Nord- 
seeküste von England besucht und eine Reihe wichtiger 
Anlagen von Newcastle mit Bomben beworfen. Am 
4. Juli gab es eine seltsame Schlacht zwischen Zeppe- 
linen und englischen Kriegsschiffen (Kreuzern und 
Torpedobooten), in der die Luftschiffe den Sieg davon- 
trugen. In der Nacht vom 9. zum 10. August wurde 
cin Torpedostützpunkt und andere Kriegsanlagen von 


247 


Harwich zerstört. Drei Tage später erhielt der Kriegs- 
hafen von der englischen Ostküste einen erneuten 
Besuch der Zeppeline, dem mehrere militärische 
Anlagen zum Opfer fielen. Die Nacht vom 17. zum 
18. August ist darum bedeutsam, weil zum erstenmale 
die City von London von den Zeppelinen angegriffen 
worden ist. Dieser Besuch der Riesenluftkreuzer zeitigte 
in dem englischen König den Wunsch, das etwas un- 
sicher gewordene Gelände der englischen Hauptstadt 
zu verlassen. Nachdem in der Nacht vom 8. zum 9. 
September der vierte Angriff auf London und der 
zweite auf die City geschah, wurden auf dieser Reise 
große Fabriksanlagen von Norwich und Eisenwerke 
von Middiesborough mit gutem Erfolg angegriffen. In 
der Nacht vom 11. zum 12. September srioigle 
wiederum ein Angriff auf die Ostküste und in der 
Nacht vom 12. zum 13. September wurden die Be- 
festigungsanlagen von Southend durch Luftschiff- 
bomben teilweise zerstört. Zwanzig schwere Angriffe 
hat England bisher ausgehalten und noch mehr werden 
folgen. Berichte über den letzten Zeppelinangriff auf 
London geben einen Begriff von der vernichtenden 
Wirkung der verwendeten Brandexplosivbomben. 
Ganze Häuserreihen wurden zerstört und einige 
wichtige Verkehrsadern der Stadt in schwere Mit- 
leidenschaft gezogen. Unter den 106 Opfern, die dieser 
Angriff forderte, befanden sich vier Soldaten. Als — 
so lauten die Berichte — um 10 Uhr 55 Minuten die 
erste Bombe fiel und die Kanonen auf das Luftschiff 
zu feuern begannen, wurden die Theaterbesucher 
sofort ersucht, die Gebäude zu verlassen. Die Lichter 
wurden ausgelöscht, jedoch entstand nirgends eine 
Panik. Sobald einer von den an verschiedenen Stellen 
der Stadt aufgestellten Scheinwerfern das Luftschiff 
en hatte, vereinigten alle Scheinwerfer ihre 

ichtkegel auf den Zeppelin, der, in großer Höhe 
schwebend, deutlich sichtbar war und wie eine Alumi- 
niumzigarre aussah. Das ganze Schauspiel dauerte 
nur 10 bis 15 Minuten. Die getroffenen Straßen mußten 
abgesperrt werden. Die Furcht vor den Zeppelin- 
angriften ist wegen der häufigen Angriffe setg im 
Wachsen, zumal da man kein sicher wirkendes Hilfs- 
mittel dagegen kennt. Die deutsche Überlegenheit zur 
Luft hat die Sicherheit Englands vernichtet. Ob heute 
noch ein englisches Fachblatt fragen wird, warum 
Deutschland die Millionen für die nutzlosen Zeppeline 
ausgibt? 

Englands Luftschiffe sind bis jetzt im Gegen- 
satze zu den englischen Fliegern in keiner Weise 
hervorgetreten. Die Ursache davon liegt in erster - 
Linie darin, daß man in England in keiner Weise 
Wert auf die Ausgestaltung des einheimischen Luft- 
schiffbaues gelegt hat und sich lediglich darauf be- 
schränkte, geeignete und erprobte Lenkballons aus 
dem Ausland, speziell aus Frankreich, zu beziehen. 
Die Anzahl der in England vor dem Kriege in Ver- 
wendung gestandenen Lenkballons war aus diesem 
Grunde naturgemäß sehr gering, und ihre militärische 
Verwendungsmöglichkeit wurde wesentlich noch da- 
durch eingeschränkt, daß sie in ihrer konstruktiven 
Anlage nur für einen kleinen Aktionsradius berechnet 
waren, da sie in erster Linie nur als Küstenwacht- 
und Abwehrluftschiffe gedacht waren und nicht als 
Kampfluftschiffe im eigentlichen Sinne des Wortes. 
Es hat sich allerdings in England die bisnun ver- 
tretene Auffassung des Militärluftfahrwesens wesentlich 
geändert, und es hat sich, speziell auf Grund der 
häufigen Zeppelinbesuche, eine umfassende Organi- 
sation und Ausgestaltung der Luftschiffahrt als not- 
wendig erwiesen, und zwar besonders was die 
Marineluftschiffahrt betrifft, so daß nunmehr die 
englische Militärverwaltung anscheinend bedeutende 
Anstrengungen macht, das Versäumte nachzuholen. 

Bei Kriegsausbruch hatte die englische Heeres- 
verwaltung nur vier kleine, mit den griechischen 
Buchstaben Beta, Gamma, Delta und Eta bezeichnete 
Prall-Luftschiffe zur Verwendung, die durch eine lange 
Gondel versteift sind. Der Rauminhalt dieser Lenk- 


248 


7 


ballone beträgt 935, 2115 und 5090 m?. Die beiden 
ersteren kleineren haben nur einen Motor, die anderen 
zwei. Mit Ausnahme des kleinsten sind alle diese 
Luftschiffe mit zwei vierflügeligen Luftschrauben ver- 
sehen, die durch ihre drehbare Lagerung je nach 
ihrer Stellung als Vortriebs- oder Hubschrauben oder 
auch hebend und tragend wirken und dadurch das 
Aufsteigen und Landen selbst bei verhältnismäßig 
kleinem Raum ermöglichen lassen. Die Geschwindig- 
keit des größten dieser kleinen Luftschiffe soll 19˙5 m 
in der Sekunde betragen. 

Die Marineverwaltung besaß bei Kriegs- 
beginn nur zwei Lenkballone, gleichfalls Prallschiffe, 
und zwar ein Parseval-Luftschiff mit 8000 m? Raum- 
inhalt und 19 m/Sek. Geschwindigkeit, sowie ein fran- 
zösisches Astra-Torres-Luftschiff mit 8700 m? Fassungs- 
vermögen, das eine Geschwindigkeit von 22˙7 m / Sek. 
erreichte. Von diesen beiden Schiffsarten waren fünf 
in Auftrag gegeben, und zwar eines der letzteren 
Gattung in Frankreich und vier Parsevalschiffe. Ferner 
sind noch in Italien drei Luftschiffe zu je 15.000 m? 
Rauminhalt nach dem System Forlanini bestellt, das 
durch einen an den Tragkörper anschließenden Gitter- 
träger versteift ist; und endlich hat die englische 
Marine verwaltung vor kurzem in England selbst bei 
Vickers und Armstrong zwei Luftschiffe nach dem 
starren System von über 20.000 m? Inhalt in Auftrag 
gegeben, über deren Konstruktionseinzelheiten aber 
zurzeit Nachrichten noch fehlen. 


Historische Dokumente über militärische Luft- 
schiffahrtversuche. Nach der im Weltkriege zur 
Gentige klargelegten Notwendigkeit und Bedeutung 
der Luftschiffahrt im Kriege, ist es interessant zu er- 
fahren, wo und wann zum ersten Male militärische 
Luftschiffahrtversuche stattgefunden haben. In diesem 
Sinne sind verschiedene hochinteressante Schriftstiicke 
von Bedeutung, die vor einiger Zeit in Madrid vom 
»Memorial des Artilleria« entdeckt wurden und die 
auf die Verwendung der Luftschiffahrt zu 
militärischen Zwecken, soweit es die geschicht- 
liche Entwicklung anlangt, ein ganz neues Licht werfen. 
Wer danach etwa glaubt, daß unsere hochentwickelte 
Militärluftschiffahrt, auf deren Leistungen wir mit 
Recht stolz sind, erst ein Produkt unserer heutigen 
Zeit ist, wird sich jetzt eines Besseren belehren lassen 
müssen. Durch ein aufgefundenes bemerkenswertes 
Dokument erfahren wir mit unzweifelhafter Gewißheit, 
daß schon das 18. Jahrhundert Anspruch darauf er- 
heben kann, den ersten Anstoß zu der Entwicklung einer 
militärischen Luftschiffahrt gegeben zu haben. 

Am 15. November 1792 richtete der Chef des 
kgl. spanischen Artilleriekorps Grafv. Aranda an 
den Brigadegeneral der Artillerie Pedraz ein Schreiben 
— oder jenes oben erwähnte Dokument! — in dem 
er sich über Versuche, »einen Luftballon zu mili- 
tärischen Zwecken zu verwenden« äußerte. Diese 
Versuche haben auch tatsächlich stattgefunden, und 
zwar beteiligten sich daran ein Professor, drei Offi- 
ziere und zwei Kadetten des Colegio des Artilleria, 
der Artillerieschule. 

Die Versuche fanden in der ersten Hälfte des 
Novembermonates 1792 in der kgl. Residenz zu San 
Lorenzo de Escorial, in Gegenwart des Königs Don 
Carlos IV. statt. Sie fielen zur Zufriedenheit aller 


Beteiligten aus, mußten jedoch wegen der Ungunst 


VATENTE 


der Witterung abgebrochen werden. Der Versuchs- 
ballon war in der Artillerieschule hergestellt worden, 
und es ist nun besonders interessant, aus dem Schreiben 
des Grafen Aranda zu ersehen, daB damals schon die 
Luftschiffahrt zu den gleichen militärischen Zwecken 
in Betracht gezogen wurde, wie heute. Der Graf 
spricht ausdrücklich davon, daß das Luftschiff ent- 
weder im freien Aufstiege oder als Fesselballon in 
entsprechenden Höhen zur Erkundung des Geländes 
und etwaiger in diesem vorgenommener Bewegungen, 
bezw. Angriffsdispositionen eines feindlichen Heeres 
dienen sollte. 

Ferner beabsichtigte man, die Schüler der Artillerie- 
schule in der Führung des Luftschiffes theoretisch 
und praktisch vollkommen auszubilden. Dieser Luft- 
schiffversuch des Colegio des Artilleria im November 
1792 ist, wie nunmehr feststeht, tatsächlich der erste, der 
in Europa zu rein militärischen Zwecken unternommen 
wurde. Gewiß kannte man vorher schon in Frankreich 
und Spanien Luftballons, aber niema!s hatte man daran 
gedacht, sie über wissenschaftliche Forschungsgrenzen 
hinaus in den Dienst des Heeres zu stellen. 

Bisher war man der Ansicht, daß Frankreich als 
erster europäischer Staat die Luftfahrt im Kriege ver- 
wendet habe, und zwar in der Schlacht von Fleurus 
1794. Durch das aufgefundene Dokument ist nunmehr 
unwiderleglich festgestellt, daß dieser Ruhm Spanien 
gebührt. 

Ein schwerer Fliegerverlust unserer Feinde. 
Der durch seine aufsehenerregenden Looping-the loop- 
Flüge in der ganzen Welt bekannt gewordene fran- 
zösische Pilot Pegoud wurde vor kurzem bei Belfort 
von einem deutschen Kampfflugzeug nach einem vor- 
hergegangenen Gefecht in 2000 m Höhe abgeschossen, 
wobei Pégoud den Tod fand. Der edle Sieger ehrte 
seinen gefallenen hervorragenden Gegner dadurch, 
daß er einige Tage später auf das Grab Pégouds 
Blumen abwarf. 

Internierungsorte und Durchzugsstationen der 
Kriegsgefangenen im europäischen und asiatischen 
Rußland. Den vielfachen Wünschen nach Aufschluß 
über die Aufenthaltsorte jener unserer Truppen, die 
das Unglück hatten, in russische Kriegsgefangenschaft 
zu geraten, dienen am besten G. Freytags Karten 
der Internierungsorte und Durchzugsstationen 
der Kriegsgefangenen im europäischen und asiatischen 
Rußland. Zwei Karten im Maßstabe 1: 7,500.000, bezw. 
1 : 10,000.000, mit einem Verzeichnisse der Orte, in 
denen sich Kriegsgefangene im ständigen Aufenthalt 
oder zeitweilig (Durchzugsstationen) befinden. Preis 
K 1°50, mit Postzusendung K 1°60. Herausgegeben unter 
Mitwirkung der Zensur-Abteilung des gemeinsamen 
Zentral - Nachweisbureaus (Auskunftsstelle fiir Kriegs- 
gefangene). Ein Teildes Erträgnisses fließt 
Zwecken des Roten Kreuzes für Öster- 
reich und Ungarn zu. Sehr übersichtlich ge- 
arbeitete Karten der beiden großen Gebiete mit reich- 
haltiger Ortsangabe. Das Ortsverzeichnis erleichtert 
durch die Beifügung der mit Buchstabe und Ziffer ver- 
sehenen Feldangabe (E2, H 10 u.s. w.) das Auffinden 
der Namen auf der Karte. — Gegen Einsendung des 
Betrages (auch in Briefmarken) zu beziehen von jeder 
Buchhandlung sowie vom 4 der kartographischen 
Anstalt G. Freytag & Berndt G. m. b. H., Wien, VII. 
Schottenfeldgasse 62. 


Muster- und Markenschutz in allen Ländern 


erwirkt 


Ing. J. FISCHER, Patentanwalt 


Wien, I. Maximilianstrasse Nr. 5. 


Seit 1877 im Patentfache tätig. 


Herausgegeben vom: »K. k. Österreichischen Fiugtechnischen Verein«. — Verantw. Red.: in Vertretung Fritz Ellyson. 
Druck von Otto MaaB’ Söhne, Wien I. 


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S$ Manuskripte werden nicht zurückgestellt. Der Nachdruck 
> von Artikeln und Abbildungen ist nur mit Quellenangabe 

6) und Zustimmung der Redaktion gestattet. 
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Nr. 19/20 


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ÖSTERREICHISCHE 


FLUG-ZEITSCHRIFT 


Herausgegeben von dem unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Majestät des 
Kaisers und Königs stehenden k. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein. A 


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Angenommene Beiträge werden honoriert. Die Verfasser 


sind für Form und Inhalt der von ihnen eingesandten 
Artikel und Abbildungen verantwortlich. 
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ERSCHEINT ZWEIMAL IM MONAT. 
Oktober 1915 


IX. Jahrgang 


Inhalt: Kombinierte ee fir Flugzeuge, System Bordeaux. — Die Wasserstoffgewinnung im Kriege. — Sturm- 
turmk 0 


kalender. — 8 ender für Oktober und 


vember 1915, von Wilhelm Krebs (Holsteinsche Wetter- und 


onnen warte, 


Schnelsen). — Geschützdonner und Hochatmosphäre, von Wilhelm Krebs (Schnelsen). — Die Wichtigkeit der Flieger im Kriege. — 


Sonnentä 


keit und Witterung, von Wilhelm Krebs ( Amp nen). 
von Wilhe 


Krebs (Schnelsen). — Glacialkosmogonische Be 


— Der See- und Luftkrieg im . 80 
äge zur Erdbebenforschung, von H. H 


e im Nordmeer, 
rbiger, Maschineningenieur 


und Privatastronom. (Fortsetzung.) — Chronik 


Chefredakteur: Ing. A. Budau, o. ö. Professor der k. k. Technischen Hochschule in Wien 


Unter Mitwirkung von: 


PAUL BELLAK Dr. A. HILDEBRANDT 


Prokurist, Wien Luftschifferhau na.D., 
FELIX BRAUNEIS Berlin 
Ingenieur, Wien F. HINTERSTOISSER 


k. u. k. Oberstit., Wien 


Dr.Ing.WALTER FREIN. 
v. DOBLHOFF RAOUL HOFFMANN 


Konstrukteur an der k. k. 


RICHARD KNOLLER 
Ing., Professor a.d. k. k. 
Techn. Hochschule, Wien 
W. KREBS 
Leiter der Wetterwarte 
Schnelsen, Holstein 


GUSTAV E. MACHOLZ 


HANNS PITTNER 


* LUDWIG SCHMIDL 
ROBERT POLLAK 
RITTER v. RUDIN “ u. k. Rittmeister, Wiener 


Ingenieur, „Wien LEOPOLD SCHMIDT 
J. POPPER-LYNKEUS Ing., Prof., Wr.-Neustadt 


Dipl. Ing. C. SCHMID 
Lindenberg 


Techn. ne, Wien Ingenieur, Wien Johannis thal Ingenieur, Wien l KARE TINDI k.k 

EDUARD DOLEZAL ANTON JAROLIMEK ng., Konstrukteur à. G. K. K. 

k. k. Hofrat, o. ö. Prof., an k. k. 8 Kõnig- HUGO L. NIKEL R Techn. Hochschule, Wien 

der k.k. Technischen Hoch- grätz k. k. techn. Ob.-Offiz., Wien genleun WILHELM TRABERT 

FRITZ ELLYSON Dr. F. JUNG HANS F. v. ORELLI I 10 dere 1 Zentralanstalt für Meteoro- 

Flu inen- Professor a. d. k. k. Tech- Schriftsteller, Wien ne Wien k. logie u. Geodynamik, Wien 
Konstrukteur, München nischen Hochschule, Wien STEPHAN PETROCZY 


Dr. = WIESELS- 


100 ETRICH D. W. KAISER v. PETROCZ RUDOLF SCHIMEK GER 
Oroßindustrieller, Ober- Kapitänleutnant a. D., k. u. k. Luftschifferhaupt- k.u. k. Major d. R., Direktor Assistent an der Universität 
altstadt Charlottenburg mann, Wien der Autoplanwerke, Wien in Göttingen 


Kombinierte Pendelstabilisierung für Flugzeuge, System Bordeaux. 


Dem Fachblatte »La Technique Aéronautique« 
entnehmen wir die nachstehenden Ausführungen, die 
wir für heute kritiklos wiedergeben wollen : 

In seinen bekannten Studien zur Luftschiffahrt *) 
hatte J. Bordeaux den Einfluß schwingender Massen 
auf die Stabilität erschöpfend behandelt, aber seine 
Forschungen auf diesem Gebiete datieren weit zurück 
und seine neuerlichen Vorschläge fassen zugleich ältere 
Erkenntnisse und Beobachtungen zusammen, die zu 
den kürzlich durchgeführten Versuchen zur Ausnützun 
der Pendelbewegung Anlaß gaben, sowie sie auc 
gleichzeitig den experimentellen Nachweis der mangel- 
haften Fähigkeitsauswertung bei den vorhandenen 
Apparaten erbrachten. 

Um speziell die letzteren mit ihren immer wieder- 
kehrenden gleichen Konstruktionselementen ins Auge 
zu fassen, ist dabei zu bemerken, daß ihre einseitige 
konstruktive Vervollkommnung oft gerade das Gegen- 
teil bewirkt, als die Stabilität zu erhöhen. Wenn irgend 
eine Störung eine Tragflächenneigung hervorruft, so 
wird erstens die Geschwindigkeit um einen davon 
abhängigen Wert beeinflußt und außerdem noch 
die Massenträgheit, genau dem Richtungssinn dieser 


) Etude raisonnée de l’A&roplane et description critique 
des modéles actuels. 


Störung folgend, wirken — dieselbe also noch ver- 
ößern. Mit anderen Worten, jede äußere Störung 
ndet in der Trägheit der einzelnen Massenteile, aus 
denen sich der Apparat zusammensetzt, ein vergrößern- 
des Moment. | 

Einzig und allein der Apparat von Moreau läßt 
in der bekannten Art diese Trägheit auf bestimmte 
Steuerteile wirken, um allfällige unfreiwillige Verände- 
rungen der Lage des Apparates abzuschwächen ; aber 
durch die Verwendung von Hilfsstabilisierungsflächen 
von nur kleiner Flächengröße wird nur bei Schwan- 
kungen von großer Amplitude eine entsprechende 
Wirkung erzielt. 

Im Gegensatz hiezu glaubt Bordeaux vielmehr, 
daß es vorteilhafter wäre, auf die Verwindung der 
Haupttragfläche zu wirken, damit die automatische 
Stabilisierungswirkung sofort und in vollem Umfange der 
äußeren Störung zur Geltung komme. 

Weitergehend kann man sagen, daß, wenn man 
ein Mittel besitzt, die Schiefstellung und den Anstell- 
winkel der Tragfläche zu verändern, besondere Hilfs- 
flächen vollständig überflüssig werden, und Bordeaux 
weist in dieser Beziehung speziell auf all die Nach- 
teile hin, die sich durch den Einbau solcher Hilfs- 
flächen in ein Flugzeug ergeben und auf dic zahl- 


\| 


oo 


TN 


Wal 


Schwimmer 


reichen ihnen zuzuschreibenden Unfälle, die gerade 
dann geschahen, wenn der Pilot die normale Fluglage 
durch die Höhen- und Seitensteuer oder die Verwin- 
dung wiederherstellen wollte. 

»Die Anwendung dieser Hilfsflächen erfordert eine 
Ge ieee Entfernung von der Haupttragflache. Daraus 
olgen einerseits zerbrechliche Rumpfbauten, anderseits 
notwendige exponierte Steuerteile mit all den dabei 
auftretenden Hemmungen, Brüchen u. dgl. Endlich ist 
man bei Verwendung solcher Hilfsflächen gezwungen, 
ihnen eine beschränkte Flächengröße zu geben, woraus 
wieder eine ungenügende und nicht exakte Wirkung 
im Falle der höchsten Inanspruchnahme folgt. Alle 
Piloten sind sich nach ihren Erfahrungen darin einig, 
daß bei der Landung die Betätigung des Höhensteuers 
nur durch Überwindung eines dermaßen starken Wider- 
standes möglich ist, daß sie dabei fast eine physische 
Kraftleistung entfalten müssen. 

Wenn nun nach einem langen Flug, also nach 
einer ermüdenden Anstrengung des Piloten, dieser 
nun noch gezwungen wäre, energisch solche Hilfs- 
flächen zu betätigen, kann ihm kaum noch die Kraft- 
leistung zugemutet werden, sich derselben tatsächlich 
entsprechend zu bedienen.« 

Nun mögen dagegen die Direktiven der Bordeaux- 
schen Idee in Erwägung gezogen werden: 


1. Weglassung jeglicher Hilfsflächen ; 


2. Ausgestaltung eines Pendelsystems, derart, daß 
eine Störung in der Gleichgewichtslage selbsttätig eime 
für die Stabilisierung günstige Veränderung der 
Tragflächenwirkung erzeugt. 


Tragfliche | 


PEST 


Motorantried 


Fig. 2. Seitenansicht des kombinierten Pendelsystems bei einem Eindecker. Abmessungen: Tragflächenareal 24 mz; Gesamt- 
gewicht 870 kg; Fluggeschwindigkeit 26:95 m pro Sekunde; Motorstärke 55 PS; Anstellwinkel der Tragflächen 60. 


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Wir werden nachfolgend auseinandersetzen, wie 
dies durch ein kombiniertes Pendelsystem erreicht 
werden kann, bei welchem es außerdem möglich ist, 
eine gegenseitig unterstützende Wirkung bei der Ver- 
änderung der Flächenstellung zu erzielen. 

Prinzip. — Wenn (Fig. 1) zwei Massen M und M, 
sich vollständig frei und unabhängig voneinander um 
ein gemeinsames Rotationszentrum O, mit welchem 
sie unveränderlich verbunden sind, drehen können, 
so werden die beiden Massen, wenn man sie mit einer 
erteilten gleichen Geschwindigkeit sich selbst überläßt, 
unter dem Einfluß der Schwere um O Bogen beschreiben, 
die dem Abstande ihres Massenschwerpunktes vom 
Rotationszentrum umgekehrt proportional sind. 


251 


Die entferntere schwingende Masse M, wird aus 
dem kahnförmig verkleideten Führersitz und dem Piloten 
gebildet. Die näher liegende Schwingungsmasse M 
umfaßt den Motorantrieb. Beide sind mittels zwei 
konzentrischen Kardans an dem Schwingungszentrum O 
befestigt; die Schwerpunkte der beiden Massen sind vom 
Rotationszentrum 0°5 m, bezw. ungefähr 2 m entfernt. 

Es ist klar, daß diese durch die Schwere hervor- 
gerufenen Schwingungen ebensogut durch Einwirkungen 
auf die Fläche im Sinne der longitudinalen oder trans- 
versalen Symmetrieachse entstehen können, und daß, 
5 bemerkt, Störungen im ersteren Sinne 
offenbar auch Störungen in transversaler Richtung zur 
Folge haben werden. 


. Tragflache 


Fig. 3. Vorderan sicht. 


Es trifft dies genau zu, speziell fiir kleine, un- 
vermittelt einsetzende Schwankungen, wie solche im 
Fluge häufig einsetzen, sogar. wenn diese Schwan- 
kungen 10° erreichen oder etwas überschreiten. 

Wenn wir anderseits zwei auf ihren Durchmessern 
einander gegenüberliegende Punkte A und] betrachten, 
so durchlaufen diese Punkte, die zu den Massen M, 
bezw. M, gehören, Wegbahnen, die senkrecht über- 
einander liegen. Es wird endlich, zufolge des Prinzipes, 
das wir oben ausgedrückt haben, der von dem Punkt J 
durchlaufene Weg der Masse M, die dem Schwingungs- 
zentrum näher liegt, größer sein, als der von dem 
Punkt A durchlaufene Weg der Masse M,. 

Dies vorausgesetzt, wird die Verwirklichung des 
Systems verhältnismäßig leicht. 


Betrachten wir nun einmal die Richtlinien der 
Längsstabilität genauer. 

Nehmen wir an, daß am kürzeren Pendel M ein 
Hebel H angebracht ist, der bei J endigt, wo wir ein 
Kabel befestigen. Dieses Kabel lauft um ein Rolle I, 
die ihrerseits wieder unverrückbar an dem längeren 
Pendel M, befestigt ist, kehrt dann zurück und wird 
bei K an dem vorderen Flügellängsträger fixiert. 

Was geschieht nun, wenn ein Windstoß von vorne 
die Tragfläche trifft? 

Infolge der dadurch bewirkten Fluggeschwindig- 
keitsverzögerung werden nach dem Trägheitsprinzip 
die pendelnden Massen nach vorne durchschwingen. 
Die Schwingungsbahnen der Rolle I und des Punktes 
werden senkrecht übereinander liegen; dadurch da 


252 


der Punkt J hinaufschwingt und das Kabel mitnimmt, 
wird sich die Strecke. I J verlängern und natürlicher- 
weise die andere Strecke K I verkürzen, die Trag- 
fläche wird also dadurch vorne herabgezogen, d. h. 
wieder in ihren ursprünglichen Anstellwinkel gebracht. 
Es wäre damit tatsächlich eine stabilisierende Wirkung 
erzielt. 

Um einen Rückenwindstoß von unten auszu- 
gleichen, kann ein analoges System verwendet werden, 
wobei der Hebel H,, dem ersteren entgegengesetzt bei |’ 
ein Kabel trägt, das über eine zweite Rolle I lauft 
(die an derselben Achse wie die vorige montiert ist) 
und das wieder zur Tragfläche zurückgeführt bei K 
an dem rückwärtigen Längsträger (in ungefähr zwei 
Drittel der Flächentiefe) fixiert ist. Es ist leicht er- 


sichtlich, daß, wenn der Anstellwinkel durch den Wind- 


stoß verkleinert wird, der die Tragfläche hinten hebt, 
wobei eee die Fluggeschwindigkeit erhöht wird, 
nach dem Trägheitsprinzip die pendelnden Massen 
nach rückwärts schwingen werden, der Punkt J‘ wird 
höher wandern und das Kabel mitnehmen, wodurch 
der Hinterrand der Tragfläche herabgezogen, also die 
Wirkung des Windstoßes wieder ausgeglichen wird. 


Fig. 4. Kahnförmiges Rumpfvorderteil mit den Einzelheiten der Steuerung. 


Es erübrigt sich, die beiden ganz homogenen 
Stabilisierungsmethoden in transversaler Richtung zu 
beschreiben, wodurch ebenso leicht alle lateralen 
Störungen ausgeglichen werden können. 

Anwendung dieser Vorrichtung zur Len- 
mune aes Apparates — Da wir eingangs die bei 
der Lenkung des Apparates hinderliche Einwirkung 
von Hilfssteuerflächen anführten, so ist es selbst- 
verständlich notwendig, daß der Pilot durch freiwillige 
Betätigung jener Stabilisierungsorgane, die wir eben 
beschrieben haben, die Möglichkeit besitzen muß, auf 
diese Weise den Apparat auch in horizontaler und ver- 
tikaler Richtung steuern zu können. 

Zu diesem Zwecke sind die Rollen an einer Lauf- 
vorrichtung befestigt, die auf gebogenen Schienen 
rollt, deren Krümmungsmittelpunkt in O liegt, und die 
aus U-Eisen gebildet werden. Die Stellung der Lauf- 
vorrichtung wird mittels eines Verbindungshebels durch 
den Volant bestimmt. 

Anderseits kann dieses Doppelschienensystem nach 
links oder rechts verschoben werden, indem es auf 
zwei anderen, zu den ersten kreuzweise verlaufenden 
Schienen rollt, wodurch eine seitliche Flügelneigung 
(Schiefstellung des Apparates) bewirkt wird. 

Wir haben also damit ein Mittel, den Anstell- 
winkel und die Lage der Tragfläche in transversaler 


Richtung zu modifizieren, der Pilot kann also, wie 
wir gesehen haben, alle Steuerungskombinationen, die 
mit einem Apparat möglich sind, ausführen. 

Die Figuren 2 und 3 erläutern zur Genüge die 
Einzelheiten des Aufbaues eines Hydromonoplans, 
ohne auf die Montagedetails näher einzugehen. Wir 
sehen deutlich, wie die pendelnden Massen unabhängig 
voneinander in den zwei Schwingungsebenen, um ihre 
durch das Rotationszentrum gehenden beiden Achsen 
ausschlagen können. 

Die Punkte J und J‘, wo die Kabel angreifen, sind 
mit der Masse des Motorantriebes jeder durch zwei 
Hebelstangen verbunden. Bei einer bestimmten Lage 
des Apparates, z.B. bei der normalen Fluglage, liegen 
die vier Punkte ], K, |» K‘ in einer Geraden, die durch 
das Zentrum O des Hauptdrehlagers geht. Die Trag- 
fläche ist mit den Schwimmern durch vier Verbindungs- 
stützen fest und unverrückbar verbunden. — 

Etwas über einige Einwendungen. — Bei 
jedem neuen System tauchen natürlicherweise Ein- 
wendungen auf und Bordeaux hat Wert darauf gelegt, 
dieselben vorweg zu beantworten. 

a) Speziell der Kommandant Renaud hat in einer 
Studie über Pendelstabili- 
sierung konstatiert, daß die 
Erhaltung der normalen 
Fluglage durch ein Pendel- 
system gegenüber ein- 
tretenden Gleichgewichts- 
störungen ganz gut möglich 
wäre, außer in zwei 
Fällen, in denen eine 
gegenteilige ee Once 
vorgebracht wird. Diese 
beiden Fälle wären an der 
Hand der Gegenerklärun- 
gen Bordeaux’ folgende: 

1. Wenn bei Gegen- 
wind die relative Ge- 
schwindigkeit des Appa- 
rates (in bezug auf die 
Windströming) durch eine 
äußere Einwirkung, z. B. 
ein RiickenwindstoB von 
oben, verringert, die abso- 
lute Geschwindigkeit also 
dadurch erhöht wird, so 
wird das Pendel in seiner 
Gegenbewegung nachdem 
Tragheitsprinzip nach rück- 
wärts ausschwingen und 
der Anstellwinkel der 
Fläche dadurch vergrößert, in welchem Falle aber, 
nach Renaud, der Anstellwinkel verkleinert werden 
müßte, um die ursprüngliche relative Geschwindigkeit 
und dabei normale Fluglage wieder zu erlangen. 

Bordeaux erwidert darauf folgendermaßen : Das 
Wichtigste, das bei einer solchen Störung wieder- 
hergestellt werden muß, ist die Gleichgewichtslage im 
Fluge, überhaupt die Schwebemöglichkeit; wenn also 
die relative Geschwindigkeit verringert wird, muß der 
Anstellwinkel vergrößert werden, damit der Apparat 
sich in der Luft halten kann und es ist folglich ganz 
in Ordnung, wenn das Pendelsystem in der reflexiven 
Wirkung den Anstellwinkel der Tragfläche ver- 
größert. 

2. Wenn der Apparat eine Flugverzögerung durch 
einen niedergehenden Windstoß von vorne erleidet, 
so wird das Pendelsystem seinem Prinzip zufolge nach 
vorne ausschwingen und eine Verkleinerung des An- 
stellwinkels der Tragfläche hervorrufen. 

Bordeaux erwidert darauf, daß man der Ansicht 
des Kommandanten Renaud: hier müsse eine gegen- 
teilige Wirkung einsetzen, da ja der Anstellwinkel 
durch den Windstoß, der die Tragfläche vorne herab- 
drückt, ohnedies verkleinert wird, en 
könne, daß eben durch die Verkleinerung des Anstell- 
winkels infolge der Pendelwirkung auch die Flug- 


geschwindigkeit erhöht wird, und dadurch automatisch ! 


die Schwebemöglichkeit gewahrt bleibt. i 

b) Bordeaux prüft weiters noch die Einwendung, 
welche in folgender Form gegen sein System erhoben 
werden könnte : 

»Wenn der Aeroplan von einem Windstoß von 
vorne getroffen wird, so wird das Pendelsystem durch 
sein vorschwingendes Gewicht wie ein Beschleuni- 
gungsausgleicher wirken und in diesem Sinne noch 
die gleichzeitig eingeleitete stabilisierende Wirkung 
durch die Flügelverstellung unterstützen, also einen 
nützlichen Einfluß ausüben; wenn aber anderseits der 
Apparat in diesem Moment gerade steil niedergeht, 


253 


Es muß besonders hervorgehoben werden, führt 
Bordeaux weiters aus, daß, um die Wirkung des kom- 
binierten Pendels zu verstehen, man sich vergegen- 
wärtigen muß, daß die beiden Pendel immer wie ein 
Beschleunigungsausgleicher funktionieren werden, 
ausgenommen den Fall absolut konstanter 
Flug geschwindigkeit, wo sie durch das Pendel- 
Prinzip des tief liegenden Schwerpunktes lediglich die 

tabilität günstig beeinflussen. l 

c) Wäre aber in einer weitergehenden Einwendung 
nicht anzunehmen, daß das Pendelsystem nur dann 
wirkungsvoll einsetzt, wenn die Tragfläche von heftigen 
Erschütterungen getroffen wird? 


Fig. 5. Einstellung des Pendelsystems bei einem Gleitflug mit abgestelitem Motor. 


so würde das Vorschwingen der schweren Pendel- 
massen in gleicher Weise eine unterstützende Tendenz 
auslösen, die in diesem Moment unbedingt gefährlich 
wäre.« | 

Demgegenüber, meint Bordeaux, könnte man 
folgendes bemerken: 

»Wenn der Aeroplan mit dem kombinierten Pendel- 
system ausgestattet, nach abwärts fliegt und in dieser 
Lage von einer Bö getroffen wird, so wird dieselbe 
unmittelbar eine Flugbeschleunigung erzeugen und es 
wird in diesem Falle das Massenpendel nach rück- 
wärts und nicht nach vorne schwingen, also auch in 
diesem Falle in günstiger Weise durch die Schwer- 
gewichtswirkung als Beschleunigungsausgleicher fun- 
gieren. | 


Bordeaux weist diese Einwendung als ganz un- 
stichhaltig zurück. Das durch seine Lagerung empfind- 
liche Gewichtspendel wird bei jeder Geschwindigkeits- 
veränderung einsetzen, gleichgültig, ob diese klein oder 
groß ist. Diejenige Störung, welche den Grad einer 
heftigen Erschütterung erreicht, wird nicht unvermittelt 
momentan, sondern innerhalb einer gewissen, kurzen 
Zeit anwachsend erzeugt werden, und während der 
unendlich kleinen Zeitteilchen, in welche man die 
Dauer dieser Störungserscheinung zerlegen kann, wird 
das Gewichtspendel eine gleicherweise veränderliche 
und anwachsende Kraft ausüben, derart, daß in jedem 
Augenblick, handelt es sich nun um eine tausendstel 
Sekunde oder um einige Sekunden, das Pendelsystem 
korrespondierend mit den Veränderungen der äußeren 


254 


Störung, diesen eine gleich große und direkt entgegen- 
ke INS entgegensetzen wird. Ohne 
weifel werden die Pendelausschläge sehr schwach 
sein in bezug auf die Tragflächenneigungen, aber 
diesen und den Störungen, die die Tragflächenneigung 
hervorrufen, in gleicher Art proportioniert. 

d) Die letzte Einwendung endlich betrifft die Ver- 
änderungen im Schraubenzug. 

Wenn man annehmen würde, daß die Verände- 
rungen des Schraubenzuges nur einen Einfluß auf 
das Pendel, das der Motorantrieb bildet, äußern, so 
würde allerdings eine Veränderung des Anstell- 
winkels hervorgerufen werden, die dem Zweck- 
mäßigen in diesem Falle verkehrt pence wäre. Aber 
Bordeaux erläutert hier: »angepaBt an die Prinzipien 
der rationellen Mechanik, werden die Wirkungen der 
Schraubenzugsveränderungen gleichzeitig auf die ver- 
schiedenen Organe des Aeroplans übertragen, speziell 
auf die Tragflächen, wo diese Veränderungen einen 
großen Einfluß auf die Fluggeschwindigkeit ausüben 
werden. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, 
werden die solcherart einsetzenden Relativbewegungen 


der Massenpendel Anstellwinkelveränderungen hervor- 
rufen, welche den bei gleichartigen äußeren Störungen 
hervorgerufenen konform sind. Das erhellt übrigens 
auch aus den Gleichungen von d’Alembert, welche 
genau die Kräftebeziehungen, die bei der Übertragung 
des Schraubenzuges und seiner Veränderungen auf 
die einzelnen Massenteile des Aeroplans ausgelöst 
werden, enthalten«. 

Diese kurze Analyse erhebt absolut nicht den 
Anspruch einer erschöpfenden Behandlung der recht- 
fertigenden Studie, durch welche der Erfinder sich 
bemüht hat, der methodischen Berechnung alle jene 
verschiedenartigen Fälle zu unterbreiten, die sich 
bei der Vorführung des Apparates im horizontalen 
Flug, im ansteigenden Flug, im Gleit- oder im Sturz- 
flug bei abgestelltem Motor ergeben. 

Das Projekt selbst wurde nach der für zweck- 
mäßig anerkannten Baumethode des Kommandanten 
Dorand entworfen, bei Verwendung einer Blériot- 
Tragfläche, die genau nach Eiffelschen Daten 
et Laboratoriumsversuche bemessen — konstruiert 
wurde. — qt. 


Die Wasserstoffgewinnung im Kriege. 


Nach einem Vortrage, gehalten in der Vollversammlung des Österr. Ingenieur- und Architekten -Vereines am 
23. Jänner 1915 von Dr.-Ing. A. Sander, Darmstadt.“) 


Die Wasserstoffgewinnung im Kriege kann schon 
auf eine mehr als hundertjährige Entwicklung zurück- 
blicken, denn der Wert der Luftschiffahrt für die 
Kriegführung ist schon sehr frühzeitig erkannt worden. 
Im Jahre 1783 unternahm der Physiker Charles in 
Paris den ersten Aufstieg mit einem mit Wasserstoff 
gefüllten Ballon, und schon elf Jahre später, am 
2. April 1794, stellten die Franzosen eine Luftschiffer- 
kompagnie auf, die aus einem Feldwebel, 3 Unter- 
offizieren und 20 Mann bestand. Zum Hauptmann 
dieser Kompagnie wurde der Physiker Coutelle 
ernannt, der sich schon seit mehreren Jahren mit der 
Herstellung von Militärballons sowie mit der Aus- 
arbeitung eines neuen Verfahrens zur Wasserstoff- 
gewinnung mit gutem Erfolge beschäftigte. Bei den 
andauernden Kämpfen, die die französische Republik 
zu jener Zeit gegen Österreicher, Holländer und 
Engländer zu führen hatte, fanden die »Aérostiers«, 
wie die neue Luftschiffertruppe sich nannte, bald 
Gelegenheit, ihre Kunst zu zeigen. Bei der Belagerung 
der Städte Maubeuge und Charleroi leisteten sie 
gute Dienste, und ganz besonders in der Schlacht 
bei Fleurus am 26. Juni 1794, wo die Entscheidung 
nicht zuletzt durch die Mitwirkung des Ballons zu- 
gunsten der Franzosen ausfiel. Dieser Erfolg führte 
alsbald zur Errichtung einer zweiten Luftschiffer- 
kompagnie, sowie zu einer Erhöhung des Mannschafts- 
standes. Auch in den folgenden Jahren bei der 
Belagerung von Düsseldorf, Mainz, Worms und 
Mannheim hat sich die Luftschiffertruppe, trotzdem 
ihr manches Mißgeschick begegnete, gut bewährt, 
als aber die Österreicher unter Erzherzog Karl im 
Jahre 1796 den Franzosen bei Würzburg eine schwere 
Niederlage beibrachten, da gerieten auch die Luft- 
schiffer mit ihrem Ballon. in Gefangenschaft**). Auch 
Napoleon nahm auf seiner Expedition nach Ägypten 
eine Luftschifferkompagnie mit, doch wurde das Schiff, 
auf dem das Ballonmaterial sowie die Gaserzeugungs- 
apparate verladen waren, von der englischen Flotte 
vernichtet, so daß die Truppe nicht zur Verwendung 
gelangen konnte. Nach seiner Rückkehr nach Paris 
löste Napoleon, der der Luftschiffertruppe von Anfang 
an kein großes Interesse entgegenbrachte, im Jahre 1799 
die Aerostiers auf. 

*) Zeitschrift des Österr. Ingenieur- und Architekten- 
Vereines, 1915, Heft 37 und 38. 


**) Dieser Ballon ist heute noch im Heeresmuseum in Wien 
zu sehen. 


Erheblich später als in Frankreich begann man 
in anderen Ländern der Verwendung der Luftschiff- 
fahrt für militärische Zwecke Beachtung zu schenken, 
so in Österreich im Jahre 1866 und in Deutschland 
während des Krieges 1870. Die deutsche Luftschiffer- 
abteilung sollte während der Belagerung von Straßburg 
zum ersten Male in Tätigkeit treten, jedoch bereitete 
die Gasbeschaffung damals solche Schwierigkeiten, 
daß die Truppe, nachdem sie sich auch vor Paris 
nicht bewährt hatte, schon im Oktober des gleichen 
Jahres wieder aufgelöst wurde. Erst 1884 wurde sie 
neugebildet. Die Franzosen dagegen machten während 
des Krieges und namentlich während der Belagerung 
von Paris von den Luftballons ausgiebigen Gebrauch, 
weniger zur Beobachtung der Bewegungen des Gegners 
als zum Geben von Lichtsignalen sowie zur Beförde- 
rung von Personen und Briefen aus der von den 
deutschen Armeen eingeschlossenen Stadt. In der 
Zeit vom 23. September 18/0 bis zum 28. Jänner 1871 
stiegen in Paris nicht weniger als 66 Ballons mit 
161 Personen, etwa 3 Millionen Briefen und 364 Brief- 
tauben an Bord auf und nur fünf von diesen Ballons 
gerieten in die Hände der deutschen Armee. 

Hatte also schon damals die Luftschiffahrt im 
Kriege sehr wichtige Aufgaben zu erfüllen, um wieviel 
mehr ist dies heute der Fall, wo wir über eine ganze 
Reihe lenkbarer Luftschiffe verschiedenen Systems 
verfügen, die nicht nur zu Aufklärungszwecken, sondern 
auch als Angriffswaffe Verwendung finden und die im 
Laufe des gegenwärtigen Krieges schon ganz Hervor- 
ragendes geleistet haben. Auch die Frage der Gas- 
beschaffung hat mit der Verwendung der lenkbaren 
Luftschiffe bei Heer und Marine ganz außerordentlich 
an Bedeutung gewonnen und die Anforderungen, die 
an die Gaserzeugungsapparate gestellt werden, sind 
seitdem naturgemäß erheblich gestiegen, wie wir 
gleich sehen werden. Nachdem der Freiballon im 
Kriege heute kaum mehr Verwendung finden wird, 
zumal die Nachrichtenübermittlung aus belagerten 
Plätzen nach außen durch die Flieger heute viel 
schneller und zuverlässiger besorgt wird, handelt es 
sich für uns nur um den Fesselballon und die Motor- 
luftschiffe. Die Gasversorgung dieser beiden Ballon- 
typen ist ebenso wie ihre Verwendung recht ver- 
schieden. 

Als Fesselbailon verwenden heute fast sämt- 
liche Armeen den von Parseval und Sigsfeld 
in den Jahren 1893 bis 1897 konstruierten Drachen- 


ballon; das ist ein Ballon von zylindrischer Form, 
der wie ein Drachen schräg gegen den Wind gestellt 
ist und 600 bis 750 m3 Gas faßt. Er wird an einem 
Stahldrahtkabel hochgelassen und mit Hilfe einer fahr- 
baren, von Hand oder durch einen Motor betriebenen 
Winde eingeholt. Der Ballon erhebt sich bis zu einer 
Höhe von m, der Beobachter im Korbe ist durch 
ein Telephon mit der Erde verbunden. Hieraus ergibt 
sich, da der Drachenballon ein äußerst wertvolles 
Mittel zur Aufklärung ist, zumal ein geübter Beobachter 
bei klarem Wetter mit freiem Auge auf 20 km und 
unter Umständen noch weiter das Gelände überblicken 
kann. Aber nicht nur in dem weiten Gesichtsfeld, 
sondern vor allem in der Raschheit, mit der die 
ee des Ballonbeobachters durch das Telephon 
an die Rommandostelle gelangen, liegt der große Wert 
des Fesselballons im Kriege. Es ist bekannt, daß die 
Fesselballons im gegenwärtigen Kriege schon vor- 
zügliche Dienste geleistet haben, namentlich durch 
ihr Zusammenwirken mit der schweren Artillerie. Dem 
Fesselballon fällt hiebei die wichtige Aufgabe zu, 
einmal die versteckten Stellungen der feindlichen 
Batterien zu erkunden, die oft von der Erde aus gar 
nicht aufzufinden sind, und weiter die Schußwirkung 
der eigenen Artillerie zu beobachten und so das Ein- 
schießen zu leiten. Es versteht sich von 
selbst, daß der Fesselballon nur dann 
derart wichtige Aufgaben zu leisten ver- 
mag, wenn er in kürzester Frist gefüllt 
und zum Aufstieg fertiggemacht werden 
kann. Man ersieht hieraus, von welcher 
Bedeutung die Frage der Gasbeschaffun 
ist, die höchste Zuverlässigkeit un 
Schnelligkeit bei der Füllung gewähr- 
leisten muß. Schon Coutelle, der 
Kommandeur der ersten französischen 
Luftschifferkompagnie, beschäftigte sich 
mit dieser Frage. Zu jener Zeitkannte man 
nur ein einziges Verfahren zur Wasser- 
stoffgewinnung, und das war die Ein- 
wirkung von verdünnter Schwefelsäure 
auf Eisen. Die Gasgewinnung erfolgte 
in sehr primitiver Weise, zumeist in 
stehenden geschlossenen Holzfässern, die 
zum Teil mit Eisendrehspänen gefüllt 
waren. Durch ein bis zum Boden reichendes 
Rohr wurde die Schwefelsäure einge- 
gossen und durch ein zweites Rohr das 
entwickelte Gas abgeleitet. Um die Gas- 
entwicklung zu beschleunigen, wandte man 
stets mehrere derartige Fässer gleichzeitig an, weshalb 
diese Art der Gaserzeugung die Bezeichnung »Tonnen- 
verfahren« erhielt. Als Coutelle an die Spitze der 
neugebildeten Luftschifferkompagnie berufen wurde, 
erhielt er den Auftrag, ein neues Verfahren ausfindig 
zu machen, das den Wasserstoff ohne Verwendung 
von Schwefelsäure zu gewinnen gestattet. 
Der Grund für diese Maßnahme war folgender: Die 
Schwefelsäure wurde damals noch ausschließlich aus 
Schwefel gewonnen, da aber in jenen kriegerischen 
Zeiten aller verfügbare Schwefel zur Herstellung von 
SchieBpulver erforderlich war, so fehlte das Roh- 
material für die Fabrikation von Schwefelsäure und 
man mußte deshalb nach einem anderen Verfahren 
zur Gewinnung von Wasserstoff Umschau halten. Es 
traf sich günstig, daß wenige Jahre vorher Lavoisier 
die Beobachtung gemacht hatte, dab Wasserdampf 
beim Überleiten über rotglühendes Eisen in seine 
Bestandteile, Wasserstoff und Sauerstoff, zerfällt, und 
daß hiebei der Sauerstoff sich mit dem Eisen zu 
Eisenoxyd verbindet, während der Wasserstoff frei 
wird. Coutelle versuchte nun, diesen Laboratoriums- 
versuch in großem Maßstabe zu wiederholen. Zu 
diesem Zwecke errichtete er einen gemauerten Ofen, 
in dem sieben mit eisernen Drehspänen gefüllte Re- 
torten durch zwei Holzfeuer erhitzt wurden. Wenn 
die Retorten genügend heiß waren, wurde Wasser- 
dampf über das Eisen geleitet. Das am anderen Ende 


D A, 
, IJ 
K 


255 


des Ofens entweichende Gas wurde mit Wasser und 
Kalkmilch gewaschen und gelangte dann in den Ballon. 
Die Errichtung des Ofens dauerte natürlich mehrere 
Tage und die Heizung erforderte eine sehr sorgfältige 
Überwachung, da die Retorten leicht Risse bekamen, 
wodurch Wasserstoff verloren ging. Auch bei normalem 
Betriebe verlief die Gaserzeugung nur sehr langsam, 
denn die Füllung eines Ballons von 450 m3 Inhalt 
dauerte 36 bis 40 Stunden. Trotzdem also dieses Ver- 
fahren für den Gebrauch im Felde recht wenig geeignet 
war, fand es vor Maubeuge, Charleroi und bei Fleurus 
Anwendung, es geriet dann aber bald in Vegessenheit. 
In der Folge griff man wieder auf das Tonnenverfahren 
zurück und suchte dessen Leistungsfähigkeit auf ver- 
schiedene Weise zu steigern. So hat die deutsche 
Luftschifferabteilung im Jahre 1870 vor Straßburg eine 
umfangreiche Gaserzeugungsanlage errichtet, die aus 
75 mit vieler Mühe beschafften Weinfässern bestand. 
60 von diesen Fässern dienten zur Gaserzeugung, zwölf 
zum Waschen des heißen Gases mit Wasser und drei 
Fässer zum Trocknen. Auf diese Weise gelang es, 
den Beobachtungsballon in fünf Stunden zu füllen, aber 
auch diese höchst primitive und schwerfällige Anlage 
entsprach in keiner Weise, wie man sich leicht vor- 
stellen kann, den Anforderungen, die im Felde gestellt 


N —— — 0s ae Sena > 


Fig. 1. 


werden, und es ist durchaus erklärlich, daß die Luft- 
schifferabteilung so bald wieder aufgelðst wurde. 

In Frankreich wurde nach dem Kriege 1870 die 
Ausgestaltung der Militärluftschiffahrt und namentlich 
auch die Verbesserung der Gaserzeugung mit Eifer 
betrieben. In jenen Jahren wurden auch die ersten 
fahrbaren Gaserzeuger erbaut, bei denen der 
Wasserstoff ebenfalls aus Eisen und Schwefelsäure 
gewonnen wurde. Weitere Verbreitung erlangten 
besonders die Konstruktionen von Yon und L a- 
chambre sowie in neuerer Zeit die von Godard, 
die in Fig. 1 dargestellt ist. Ein solcher Wagen trägt 
zwei eiserne, innen verbleite Gasentwickler, einen 
Wäscher und einen Trockner, ferner eine kleine Pumpe, 
die zugleich die Gasentwickler mit Säure und den 
Wäscher mit kaltem Wasser speist. Die verdünnte 
Säure wird ständig durch die beiden mit Eisenspänen 
beschickten Entwickler gepumpt, die sie beide von 
unten nach oben durchströmt. Zur Erzeugung von 
Ums Wasserstoff sind etwa 4 kg Eisen und 8 kg 
Schwefelsäure erforderlich, ferner muß an dem be- 
treffenden Orte Wasser in ausreichender Menge vor- 
handen sein. Ein Wagen für eine stündliche Leistung 
von 150 m8 hat ein Gewicht von etwa 2100 kg; hiezu 
kommen noch 7200 kg Material zur Füllung eines 
Ballons von 600 m8 Inhalt. 

In Deutschland wurde in den Achtzigerjahren von 
Majert und Richter ein Verfahren ausgearbeitet 


256 


zur Erzeugung von Wasserstoff auf trockenem Wege. 
Sie fanden, daß ein Gemisch aus Zinkstaub und ge- 
löschtem Kalk beim Erhitzen auf Rotglut Wasserstoff 
entwickelt, und konstruierten auf Grund dieser Be- 
obachtung einen Wagen, der aus einem Kessel aus 
Eisenblech mit Holzfeuerung und einem umklappbaren 
Schornstein bestand. In den Kessel war eine größere 
Anzahl von Röhren eingelassen, die luftdicht ver- 
schlossen werden konnten und die von der Flamme von 
außen umspült wurden. Das Zinkstaub-Kalkgemisch 
war in fest verlöteten Blechbüchsen von etwa 40 cm 


Hinterwagen. 
Fig. 2 Deutscher Gaswagen. 


Vorderwagen. 


Höhe eingefüllt, die in die Röhren des Kessels ein- 
eschoben wurden. Beim Erhitzen schmolz dann die 
ötung und die Gasentwicklung begann. Der Apparat 

gestattete ein kontinuierliches Arbeiten und lieferte 

ein reineres Gas als die vorher beschriebenen Ver- 
fahren, aber dennoch war dieses Verfahren nur kurze 

Zeit bei der preußischen Luftschifferabteilung in Ge- 

brauch. Die Füllung des Ballons dauerte auch hier 

noch zwei bis drei Stunden, so daß also auch dieses 

Verfahren noch nicht allen Anforderungen in bezug 

auf Einfachheit und Schnelligkeit der Gaserzeugung 

entsprach. 

n militärischen Kreisen war man inzwischen mehr 
und mehr zu der Überzeugung gelangt, daß der Fessel- 
ballon im Ernstfalle nur dann seine Aufgabe voll und 
ganz zu erfüllen vermag, wenn er in weniger als 
einer halben Stunde gefüllt und aufgelassen werden 
kann. Da dieser Forderung keine der damals bekannten 
fahrbaren Anlagen entsprach, so entschloß man sich, 
von der Wasserstofferzeugung inı Felde 
ganz abzusehen und statt der schwer- 
fälligen Gaserzeuger fertigen, in Stahl- 
flaschen komprimierten Wasser- 
stoff auf Wagen oder Lasttieren 
mitzuführen. Diese Methode fand zuerst 
im Jahre 1885 bei der englischen Ex- 
pedition nach dem Sudan Anwendung; 
zum Transport der Stahlflaschen be- 
nützten die Engländer Kamele, und 
zwar war immer ein Tier mit zwei 
Gasflaschen beladen. Die neue Art der 
Gasversorgung hat sich hiebei recht 
gut bewährt, ja man kann wohl sagen, 
daß bei dieser Expedition die Erzeugung 
des Wasserstoffes an Ort und Stelle 
wegen des zweifellos vorhandenen 
Wassermangels die 
hätte. Auch die Italiener benützten das englische System 
bei ihrem Feldzug gegen Abessinien im Jahre 1887 und 
seitdem ist die Mitführung von Wasserstoff in Stahl- 
flaschen in fast allen Armeen zur Einführung gelangt. 
Die Luftschifferabteilungen haben auf diese Weise 
eine sehr große Beweglichkeit erlangt, die hinter der 
der Feldartillerie kaum mehr zurücksteht. Es ist ferner 
gelungen, was lange Zeit vergeblich erstrebt wurde, 
den Fesselballon in kürzester Frist zum Aufstieg fertig 


größten Schwierigkeiten bereitet | Mitführun 


zu machen. Die von den Engländern zuerst benützten 
Stahlflaschen waren 2°40 m lang und wogen etwa 30 kg. 
Ihr Inhalt betrug 32 l, so daß sie also bei einem Druck 
von 120 Atmosphären ungefähr 4 m3 Gas faßten. Die 
beim deutschen Heere heute gebräuchlichen Stahl- 
flaschen sind von stärkerer Bauart als die englischen 
und haben einen Inhalt von 361. Bei einem Druck 
von 150 Atmosphären fassen sie ungefähr 5 m3 Gas, 
so daß also zur Füllung eines Fesselballons von 600 m3 
Inhalt 120 Gasflaschen nötig sind. Zur Beförderung 
der.-Flaschen dienen nach dem Protzensystem gebaute 
Wagen, die mit vier Pferden bespannt sind und 
„je 20 Flaschen tragen (Fig. 2). Die Vorderprotze 
trägt fünf, die Hinterprotze 15 Flaschen; jeder 
Wagen wiegt 1145 kg. Zu einer Ballonfüllung 
ist also der Inhalt von sechs Wagen erforder- 
lich. Die deutschen Feldluftschiffer-Abteilungen 
führen auf zwölf Wagen den Bedarf für eine 
zweimalige Füllung eines Fesselballons mit sich. 
Die Abfuhr der leeren, sowie die Heran- 
schaffung frisch gefüllter Gasflaschen besorgen 
besondere Gaskolonnen in gleicher Weise, wie 
dies auch mit der Munition geschieht. Durch 
gründliche Ausbildung und Schulung der Luft- 
schiffermannschaften hat man es dahin gebracht, 
daß vom Moment des Absitzens der Mannschaft 
bis zum Auflassen des Ballons nur 15 bis 
höchstens 20 Minuten verstreichen. Die rasche 
Füllung des Ballons wird dadurch ermöglicht, 
daß sämtliche Flaschen aller sechs Wagen an ein 
gemeinschaftliches Rohr gleichzeiti panee onsen 
werden, worauf die Ventile der Flaschen, ohne 
daß diese von den Wagen heruntergenommen werden, 
nach Bedarf geöffnet werden. Es sei noch bemerkt, 
daß auch noch besondere Automobile und Eisenbahn- 
wagen für den Transport von Wasserstoff in Stahl- 
flaschen gebaut worden sind, die ebenfalls für den 
Nachschub von Gas recht gut verwendbar sind. Die 
Flaschenwagen der französischen Armee (Fig. 3) sind 
von den deutschen wesentlich verschieden; es sind 
keine Protzkästen, sondern vierrädrige Wagen mit 
sechs Flaschen von je 25 ms Inhalt. Die Flaschen 
fassen also fünfmal so viel als die deutschen Flaschen 
und sind dementsprechend auch beträchtlich länger. 
Ein solcher Wagen, der 150 m3 Gas mitführen kann, 
ist mit sechs Pferden bespannt, denn sein Gewicht 
beträgt 3000 kg. Man ersieht hieraus, daß die deut- 
schen Flaschenwagen infolge ihrer leichteren Bauart 
den französischen zweifellos überlegen sind. 
Wenn nun auch, wie 
wir soeben sahen, die 


Fig. 3. Französischer Gaswagen. 


g des komprimierten Wasserstoffes vom mili- 
tärischen Standpunkte aus allen Anforderungen genügt, 
so kann sich doch die Verwendung von Stahlflaschen 
unter bestimmten Verhältnissen recht schwierig gestalten, 
so z.B. bei gebirgigem Gelände mit schlechten Wegen 
oder bei weiter Entfernung des Aufstiegortes von einer 
Bahnlinie. Das mag auch der Grund sein, weshalb bei 
manchen Armeen die fahrbaren Gaserzeuger doch 
immer noch beibehalten werden. In Rußland z. B. 
waren die französischen Gaserzeuger nach dem Eisen- 


SE — Oat a> 


Fig. 4. Fahrbarer Wasserstoffgenerator Schuckert auf einem Automobil. 


Schwefelsäuresystem noch am Anfang dieses Jahr- 
hunderts in Gebrauch und erst während des Krieges 
mit Japan im Jahre 1904 gelangte ein anderes Gas- 
erzeugungsverfahren zur Einführung, das weniger 
schwerfällige Apparate erforderte. Es war dies die 
Einwirkung von Aluminium auf Natronlauge, ein Ver- 
fahren, das zwar schon lange bekannt war, das aber 
bis dahin noch nicht in größerem Maßstabe Ver- 
wendung gefunden hatte. Die Gasentwicklung verläuft 
bei diesem Verfahren sehr lebhaft und unter starker 
Wärmeentwicklung, so daß es nur dort Anwendung 
finden kann, wo Kühlwasser in ausreichender Menge 
beschafft werden kann. Zur Erzeugung von 1 ms 
Wasserstoff sind hiebei nur etwa 5'5 kg Material mit- 
zuführen, das ist nur eiwa halb so viel wie bei den 
älteren fahrbaren Gaserzeugern französischen Ursprungs. 
Das ostsibirische Feldluftschiffer - Bataillon, das 1904 
im Kriege mit Japan gebildet wurde, war mit zwei 
verschiedenen Arten von Gaserzeugern ausgerüstet; 
von diesen sollte der eine in der Ebene, der andere 


im Gebirge Verwendung finden. Der Apparat für die 


Ebene bestand aus zwei auf einen Karren montierten 
Gaserzeugern und einem diesen beiden gemeinsamen 
Wäscher, der ebenfalls auf einem zweirädrigen Karren 
aufgestellt war. Jar Kompagnie besaß acht solcher 
Gaserzeuger und vier Wäscher, die an eblich zu- 
sammen in einer halben Stunde einen Ballon von 
640 m3 füllen konnten. Der für den Ge- 
birgskrieg bestimmte Apparat war dagegen 
so leicht gebaut, daß ein Lastpferd zwei 
dieser Gaserzeugertragen konnte. Auch das 
zur Gaserzeugung erforderliche Material 
wurde auf Saumtieren befördert, und zwar 
trug ein Pferd das für 10 m3 Wasserstoff 
erforderliche Material. Diese Gaserzeuger 
waren Blechzylinder von etwa 2 m Höhe 
und 05m Durchmesser. Sie wurden im 
unteren Teil mit Natronlauge gefüllt, 
während das Aluminium in Form von 
Blechabfällen in einem Drahtkorb ruhte, 
der im oberen Teile des Entwicklers an 
einer Welle aufgehängt war und durch 
Drehung einer Kurbel in die Lauge herab- 
gelassen wurde. Das Gas gelangte aus 
dem Entwickler in den ständig von kaltem 
Wasser durchströmten Wäscher und von 
da in den Ballon. 

Wieder ein anderes Verfahren zur 
Gasgewinnung benützten die spanischen 
Luftschiffer bei dem Feldzug nach Marokko. 
Dieses von der Elektrizitäts-A.-G. vorm. 
Schuckert & Co. in Nürnberg ausge- 


Ir 
— 


257 


arbeitete Verfahren beruht auf der Ein- 
wirkung von Silizium auf Natronlauge; 
diese beiden Stoffe reagieren bei 80 bis 
900 C. sehr lebhaft miteinander. Diese 
Temperatur wird ohne äußere Wärme- 
zufuhr erzeugt, indem die bei der Be- 
reitung der Natronlauge auſtretende 
Lösungswärme in sehr zweckmäßiger 
Weise ausgenützt wird. Die Apparate 
bestehen aus dem Entwickler mit ein- 
gebautem Lösegefäß, dem Silizium- 
behälter und einer Einkurbelungsvor- 
richtung für das Silizium, sowie aus 
dem Kühler mit zugehöriger Pumpe zur 
Förderung des Kühlwassers. Die Gas- 
erzeuger werden in mehreren Größen 
für eine Stundenleistung von 60 bis 
300 ms gebaut. Bei dem kleinsten Typ 
sind alle Apparate auf einen Wagen 
montiert, während bei den größeren 
Typen der Wäscher mit der Pumpe 
einen besonderen Wagen erfordert. Die 
Apparate werden auch auf Automobile 
montiert (Fig. 4). Zur Erzeugung von 
1 m3 Wasserstoff sind hiebei nur 2 kg 
Material erforderlich. 1 m3 Gas stellt sich 
auf etwa 75 Pfg. Diese Apparate sind im deutschen, 
österreichischen, italienischen und türkischen Heere 
im Gebrauch. 

Ein ganz ähnliches Verfahren ist bei den fran- 
zösischen Luftschiffertruppen unter dem Namen 
Silikolverfahren in Anwendung. Dabei wird Ferro- 
silizium mit einer 35 bis 40 prozentigen Natronlauge 
behandelt; eine äußere Wärmezufuhr ist auch hier 
nicht erforderlich, da infolge der lebhaften Reaktion 
die Temperatur in dem Gasentwickler alsbald auf 
60 bis 800 C. steigt Die fahrbaren Gaserzeuger liefern 
400 m3 in einer Stunde; ihre Einrichtung ist von der 
des soeben erwähnten Verfahrens der Schuckert- 
Geselischaft nicht wesentlich verschieden. Die Aus- 
gangsmaterialien zur Gewinnung von 1m3 Wasser- 
stoff haben ein Gewicht von etwa 1°9 kg und der 
7 des Gases beträgt auch hier 70 bis 80 Pfg. 

r 1 m8. . 

Infolge der lebhaften Wärmeentwicklung sind die 
beiden letztgenannten Verfahren im Felde nur da zu 
gebrauchen, wo reichliche Wassermengen zur Kühlung 
des Gases vorhanden sind. Für wasserarme Gegenden 
ist das ebenfalls m Frankreich ausgebildete Hydro- 
genitverfahren von Bedeutung, weil hier die Wasser- 
stoffgewinnung unter Verwendung von sehr wenig 
Wasser möglich ist. Das Hydrogenit ist ein Gemisch 


Haus feinpulverisiertem Ferrosilizium und Natronkalk, 


Fig. 5. Hydrogenitpatronen. 


Fig. 6. Wasserstoffgenerator nach dem Hydrogenitverfahren. 


eine graue sandige Masse, die sich leicht entzünden 
läßt und selbst bei Luftabschluß rasch abbrennt, wo- 
bei Wasserstoff in großer Menge entweicht. Aus 
3 kg der Masse, die bei gewöhnlicher Temperatur 
unbegrenzt lange haltbar ist, erhält man etwa 1 m3 
Wasserstoff von sehr großer Reinheit und einem Auf- 
trieb von 1180 bis 1190 g’m3. Die Hydrogenitmasse 
läßt sich zu Blöcken pressen und kommt in luftdicht 
verschraubten Blechbüchsen (Fig. 5) von 25, bezw. 
50 kg Gewicht in den Handel. Der Inhalt einer solchen 
Büchse liefert beim Verbrennen 8, bezw. 16 m8 
Wasserstoff, und zwar geht die Verhrennung in der 
kurzen Zeit von nur 10 Minuten vor sich. Die Entzündung 
des Hydrogenitgemisches erfolgt mit Hilfe einer kleinen 
Menge Zündpulver, das durch ein gewöhnliches 
Streichholz in Brand gesetzt werden kann, worauf 
sich die Verbrennung durch die ganze Masse, je- 
doch ohne Flamme, fortpflanzt. Fig. 6 zeigt 
eine kleine stationäre Anlage nach diesem System. 
Die bei dem französischen Heere eingeführten 
fahrbaren Gaserzeuger nach diesem System sind 
mit je sechs paarweise angeordneten Generatoren 
versehen und liefern 150 m3 Wasserstoff in 1 Stunde. 
Der Vorgang bei der Gaserzeugung ist folgender: 
In den Generator wird eine Blechbüchse nach 
Entfernung des Deckels eingesetzt, dann wird der 
Generator durch einen schweren, mit Handgriffen 
versehenen Deckel luftdicht verschlossen und das 
Hydrogenitgemisch wird durch eine ebenfalls ver- 
schließbare Öffnung im Deckel entzündet. Die 
Generatoren sind mit einem Wassermantel um- 
geben, dessen Füllung durch die bei der Verbren- 
nung des Gemisches freiwerdende Wärme in 
Dampf verwandelt wird; der Dampf wird gegen 
Ende der Verbrennung in den Generator eingeleitet, 
wodurch die Gasausbeute vergrößert und die 
brennende Masse abgelöscht wird. Das Gas wird 
mit Wasser gewaschen und zur Trocknung über 
eine Schicht von Koks und Sägespänen geleitet. 
Die Gewinnungskosten für 1 m3 Wasserstoff be- 
tragen bei diesem Verfahren Mk. 1°30 bis Mk. 1°50. 

Auch das Kalziumhydrid findet in Frankreich 
seit einigen Jahren in größerem Umfange Anwendung 
zur Wasserstoffgewinnung für militärische Zwecke. 
Das Tan ang ist eine Verbindung von Kalzium- 
metall mit asserstoff, die durch Einleiten von 
Wasserstoff in geschmolzenes Kalzium hergestellt 


wird. Das Hydrid ist also gewissermaßen 
ein Wasserstoffakkumulator, denn man 
kann auf diese Weise den bei irgend 
einem chemischen Prozeß, wie z. B. bei 
der Elektrolyse der Chloralkalien, ge- 
wonnenen Wasserstoff leicht an metalli- 
sches Kalzium binden und so für irgend 
eine spätere Verwendung aufspeichern, 
denn der Wasserstoff wird aus dem 
Hydrid sofort wieder abgegeben, wenn 
man es mit Wasser zusammenbringt. 
Diese Eigenschaft macht das Kalzium- 
hydrid, wie leicht erklärlich, für militäri- 
sche Zwecke besonders wertvoll, wenn 
auch die Wasserstoffgewinnung nach 
diesem Verfahren recht kostspielig ist. 
Anfangs bereitete die außerordentlich 
starke Wärmeentwicklung, die bei der 
Zersetzung des Hydrids mit Wasser 
eintritt, grobe Schwierigkeiten, die aber 
durch einen sehr sinnreichen, von dem 
französischen Chemiker Jaubert kon- 
struierten Apparat behoben wurden. 
Ferner wurde in dem Laboratorium für 
Militärluftschiffahrt in Chalais-Meudon 
ein fahrbarer Gaserzeuger (Fig. 7) nach 
diesem Verfahren gebaut, der die außer- 
ordentlich hohe Stundenleistung von 
1600 ms aufweist. Diese Anlage nahm mit 
einem Vorrat von 20 t Kalziumhydrid, woraus 20.000 m3 
Wasserstoff gewonnen werden können, schon wieder- 
holt an den großen französischen Manövern teil und 
hat sich, wie man hört, hiebei gut bewährt. Aller- 
dings ist der Preis des Kalziumhydrids noch so hoch, 
daß 1 m3 Wasserstoff etwa Mk. 4°— kostet. 

Als ein für die militärische Wasserstoffgewinnung 
recht brauchbares Ausgangsmaterial sei schließlich 
noch das aktivierte Aluminium genannt, das 
schon vor mehreren Jahren von Maurichau- 
Beaupre für diesen Zweck empfohlen wurde. 
Während er aber zur Aktivierung des Aluminiums 
ra be aap und Sublimat, also zwei höchst giftige 
Stoffe verwendete, ist es der chemischen Fabrik 
Griesheim-Elektron gelungen, durch Zusatz von 


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Fig. 7. Wasserstoffgenerator nach dem Kalziumhydridv erfabren. 


etwa 1 Prozent Atznatron und 1 Prozent Quecksilber- 
oxyd zu dem Aluminium ein weniger giftiges 
Präparat von nahezu gleicher Leistungsfähigkeit 
herzustellen. 1 kg dieser beiden Präparate liefert bei 
bloßer Einwirkung von Wasser 1'0 bis 1'2 ms 
Wasserstoff, dessen Preis sich auf etwa Mk. 1°50 
bis Mk. 1°80 stellt. 


(Fortsetzung folgt.) 


Sturmkalender. 


Die Epochen gesteigerter Sonnentätigkeit vom 
24. bis 30. August und von da bis 6. September 1915 
hatten, nach Ausweis der Cirrus-Streifungen, wieder 
zur Sturmbildung in allen drei, durch ihre Störungs- 
folgen für Europa in Betracht kommenden Hauptherd- 
gebieten tropischer Wirbelstürme geführt. 

Atmosphärische Störungen waren demnach für 
Europa aus dem westatlantischen Hauptherdgebiete 
in der zweiten und vierten Septemberwoche fällig, 
aus dem westpazifischen Hauptherdgebiete gegen 
Ende der ersten und der zweiten Oktoberwoche, aus 
dem südöstlichen Hauptherdgebiete in der vierten 
September- und der ersten Oktoberwoche 1915. 

Auf dem italienischen Kriegsschauplatze kamen 


jene Epochen durch gewitterhafte Zustände zur Geltung, 


besonders am Abend des 30. August durch ein schweres 
Gewitter auf dem Karst und am 3. September durch eine 
Wolkenbruchkatastrophe über dem Adriahafen Bari. 


Der erwartete frühherbstliche Temperatursturz war am 
Südhange der Alpen, seit 2. September, eingetreten. 
Die Gewitterneigung anscheinend der ersten Sep- 
temberwoche kam noch auf einem anderen Nachbar- 
pebiere des großen Kriegsschauplatzes zum Eingreifen. 
ei Ekenaes, an der hochmagnetischen Südwestecke 
Finnlands, wurde eine unterminierte Eisenbahnbrücke 
vorzeitig durch Blitzschlag in die Luft gesprengt. 
Die Wiederkehr dieser starken Epochen, die auch 
durch lebhafte Fleckenänderungen auf beiden Halb- 
kugeln der Sonne ausgezeichnet waren, ließ magneti- 
sche Störungen in den beiden mittleren Wochen des 
September 1915 als besonders angezeigt erscheinen. 
Die sonst damit verbundene Gewitterneigung sollte 
aber durch die mehr und mehr zur Geltung ge- 
langende Kühle des diesjährigen Herbstes einiger- 
maBen niedergehalten werden. 
Wilhelm Krebs. 


Sturmkalender fiir Oktober und November 1915. 


Von Wilhelm Krebs (Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen). 


im Westatiantik 
bezw. mitti. Amerika 


Sept. 
13. bis 19. 


Sept. 
24. bis 30. 


S 
20. bls 26. 


Nov. 3 
15. bis 21. 


— 


im Westpazifik 


Sturmblidungsepochen 


August | Au Spt. Sept. Sept. | Sept. JAug./Spt.) Sep.. Sept. 
24.015 30. 31. is B. | 5. bis 15. 13. bis 19. 20. bis 28. 31-bis 6. 5. bis 15. 13. bls 19. 


mn — — — 4 —— • ͤ—6H—D—ä—k— ——— — 


Atmosphärische Störungsfolgen aus den Hauptherdgebisten der tropischen 
Sturmbiidung 


a im Indischen Ozean 
| (Westen) | 


| 

I 

Sept. | 
20. bis 30. 


Europa 


— — | OS fC • ͤ— ͤÿ— | mm nn 


1 


t Störungstermine, die durch Sturm- oder Unfall-Meldungen bereits Bestätigung erfuhren. 


Geschützdonner und Hoch atmosphäre. 
(Nachtrag.) 


Der Einwand des Herrn Fauth -Eine immer 
noch hypothetische Reflexion an einer imaginären 
Schichtgrenze der Atmosphäre wäre vielleicht ver- 
trauens würdiger, wenn die äußere Umhüllung nicht 
gerade der spezifisch leichte Wasserstoff wäre“ ist 
doch nur so zu verstehen, daß eine Reflexion an der 
Schichtgrenze gegen ein leichteres Medium bestritten 
wird. Er tritt, allgemein auf Reflexion angewendet, in 
Widerspruch zu einem so alten Besitz der physikali- 
schen Wissenschaft, wie die Erklärung des Regen- 


bogens aus innerer Spiegelung im Regentropfen, also 
aus Reflexion im Wasser gegen Luft. Wie von mir 
kurz noch im Jännerhefte 1915 der Meteorologischen 
Zeitschrift ausgeführt, ist der Teil der Regenbogen- 
theorie, zu dem diese Erklärung gehört, nicht bloß 
drei, sondern mehr als sechs Tahrhunderte alt, da 
schon vor Descartes der Freiburger Physiker 
Dietrich der Deutsche sie in aller Klarheit 
entwickelt hat, besonders zur Unterscheidung des 
Haupt- vom Neben-Regenbogen. Auf die Reflexion 


260 


des Schalles angewandt, tritt er in Gegensatz zu den 
schönen Versuchen J. Tyndalls zum Nachweis der 
Reflexion des Schalles an Gasen und Dämpfen, die 
in der siebenten Vorlesung seines Werkes über den 
Schall, und zwar der deutschen Ausgabe von A. von 
Helmholtz und Cl. Wiedemann, nach der sechsten 
englischen Auflage, mitgeteilt sind. Ich erwähne be- 
sonders den auf Seite 376 und 377 wiedergegebenen 
Versuch. Die erhitzte Luft über einer Fischschwanz- 
flamme und sogar der heiße Gaskörper selbst genügte, 
um die deutliche Abdeckung eines Schallstrahls 
und außerdem seine deutliche Ablenkung nach den 
Reflexionsgesetzen zu erreichen (a. a. O., Seite 376, 


Fig. 159*). Beide Nachweise wurden mit schall- 
empfindlichen Gasflammen geführt. Sie lassen nicht 
den ge:ingsten Zweifel daran, daß auch der Schall an 
der Schichtgrenze eines spezifisch leichteren Mediums 
(hier gewöhnliche Luft gegen erhitzte Luft, bezw. gegen 
das leichtere und noch durch Erhitzung besonders 
erleichterte Leuchtgas) Reflexion erfährt. 

Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen. 

Wilhelm Krebs. 


*) Bei dieser Gelegenheit sei nachgetragen, daß diese 
Untersuchungen Tyndalls erst in das Jahr 1873 entfielen 
und d Tyndall selbst auch Versuche von Stokes und 
Reynold bestätigt fand, die einen Teil der Mohnschen Er- 
gebnisse vorwegnahmen. 


Die Wichtigkeit der Flieger im Kriege. 


Eine ganz besonders wichtige Rolle im gegen- 
wärtigen großen Krieg — in dem Ringen um Sein 
oder Nichtsein — spielen unzweifelhaft die Luftfahr- 
zeuge. Sie tragen einen nicht zu unterschätzenden 
Teil zu unseren Siegen bei, und ohne sie ist für die 
heutige Auffassung ein Krieg fast undenkbar. Diese 
noch so junge Waffe hat sich innerhalb kürzester 
Zeit zur Vollendung entwickelt. Bevor auf die nähere 
Gliederung des Flugwesens der verschiedenen Länder 
einzugehen ist, seien hier erst die Aufgaben der 
eege! im Kriege angeführt. 

ie Aufgaben, welche den Kriegsfliegern unter- 
liegen, sind verschiedenster Natur. Eine der wichtigsten 
von ihnen ist die Aufklärung. Hier hat das Flugzeug 
die Stellung, Stärke u. s. w. des Feindes genau aus- 
zukundschaften und sie möglichst genau der eigenen 
Partei zu übermitteln. Ebenfalls unentbehrlich ist das 
Flugzeug als nee LT eee der Artillerie 
sowie der Unterseeboote. Auch als Angriffswaffe ist 
das Flugzeug sehr geeignet, da es durch Abwerfen 
von Sprenggeschossen erheblichen Schaden anrichten 
kann, was Taten bisher mehrmals bewiesen. Hier 
seien nur die mehrfach ausgeführten Bombardements 
auf Dünkirchen durch deutsche Flieger als Beispiel 
angeführt. 

Wenn man nun das heutige Flugwesen mit jenem 
vor eineinhalb bis zwei Jahren vergleicht, so findet 
sogar der Fernstehende, daß große Umwälzungen statt- 
gefunden haben. Es ist noch nicht allzu lange her, daß 
man das französische Flugwesen für das »Unbesiegbare« 
hielt. Jedoch hat sich diese Ansicht vollkommen ge- 
dreht. Zur rechten Zeit wußte das deutsche Volk, 
welchen Vorteil es aus einer starken deutschen Luft- 
flotte ziehe. Als dann zur Zeit der »Ala« in Berlin 1912 
Se. königl. Hoheit Prinz Heinrich von Preußen — der 
Senior unter den deutschen Fliegern — eine National- 


flugspende in die Wege leitete, trug jeder sein 
Scherflein zu diesem Werke bei, und nach kurzer Zeit 
kamen Summen zusammen, die sieben Millionen weit 
überschritten. Nach Schluß der Sammlungen wurden 
Prämien für Dauerflüge u.s.w. ausgeschrieben und 
neue Flugzeugführer ausgebildet. Rasch stiegen die 
Leistungen, Rekord um Rekord eroberten wir, so daß 
wir bis zu Kriegsbeginn im Besitz der wichtigsten 
Höchstleistungen waren. Es sei hier nur an die 
länzenden Flüge von Ingold, Stoeffler, Landmann, 
oehm, Oelerich u. a.m. erinnert, die in der Ent- 


- wicklungsgeschichte der Flugtechnik einzig dastehen. 


Nur selten kamen deutsche und ausländische Flieger 
auf Weitflügen zusammen, und da, wo sie sich trafen, 
zogen die Unseren auf Siegeslorbeeren gebettet heim. 
Neidisch blickte das Ausland auf unsere emporblühende 
Flugzeugindustrie herab, da brach — kurz vor Beginn 
des Wasserflugzeug-Wettbewerbes in Warnemünde — 
dieser größte aller Kriege aus. Marktschreierische 
Pläne schmiedeten unsere Feinde, wie sie sofort nach 
Mobilmachung unsere schönen deutschen Gaue zer- 
stören wollten. Jedoch alles nur Illusion! Bluff! Welcher 
Schrecken durchfuhr die sonst kühlen Pariser, als der 
erste deutsche Flieger über der Seine-Metropole er- 
schien. Von den französischen Fliegern waren keine 
zu sehen. Schliefen sie? Oder was trug die Schuld? 
Zerfahrene und verlotterte Organisation brachten das 
Flugwesen Frankreichs zum Sturz. jedoch das all 
Versäumte nachzuholen, war unseren westlichen Nach- 
barn bis heute unmöglich, wenn auch die Zeitungen 
gegenteilige Behauptungen aufstellen wollen. 

Unsere braven Flieger haben zur Genüge gezeigt, 
was sie zu leisten imstande sind, und werden wir 
weiter tagtäglich Heldenleistungen von ihnen erfahren, 
die zum sicheren Sieg unseres teuren Vaterlandes 
führen. W. 


Sonnentätigkeit und Witterung. 


VI. Sonnentätigkeit und Gewitter. 


Die Nachricht von dem St. Elmsfeuer in den öster- 
reichischen Bergstellungen beim Pustertale, das an 
mehreren Tagen der zweiten Oktoberwoche 1915 bemerkt 
zu sein scheint, wird ergänzt durch eine Gewittermeldung 
aus Lesina vom Morgentermin des 10. Oktober. Beide 
Nachrichten stehen in guter Übereinstimmung mit 
der Wiederkehr einer, auf Grund gesteigerter Sonnen- 
tätigkeit erwarteten Epoche vermehrier Gewitter- 
neigung. In den letzten der veröffentlichten Sturm- 
kalender war sie auf die vierte August- und die dritte 
Septemberwoche angesetzt. Im Oktober enttiel sie 
demnach auf die zweite Woche. Die beteiligte Epoche 
gesteigerter Sonnentätigkeit bekräftigte ihr Anhalten 
durch Neubildung eines Sonnenflecks, der, ungefähr 
beim Kreuzen des Mittelmeridians, am 9. Oktober 1915 
zur Beobachtung gelangte. 

Die große Übereinstimmung der irdischen Ge- 
witter mit der Sonnentätipkeit konnte an der Aus- 
breitung der Gewitter fast gleichzeitig in getrennten 


Klimagebieten und an ihrer Übereinstimmung unter 
sich und mit den Epochen gesteigerter Sonnentätig- 
keit gegenüber der Erde nachgewiesen werden. Ge- 
wählt wurden für diesen, nun über sieben Jahre 
ausgedehnten Nachweis als Klimagebiete Mitteleuropa, 
die nordamerikanische Union und Italien. 

Die Union ist durch den Ozean, Italien durch das 
Hochgebirge der Alpen klimatisch von Mitteleuropa 
getrennt. Trotzdem stimmt die Ausbreitung der Ge- 
witter, für die ein Zahlenausdruck durch Auszählung 
der betroffenen Landesteile in jedem Gebiete ge- 
wonnen wurde, in hohem Grade überein. Fig. 1 bringt 
in zeichnerischer Form einen Teil dieses Nachweises, 
für die fünf Monate April bis August 1909. 

In Anbetracht dieser Übereinstimmung durfte auf 
einen ursächlichen, gemeinsamen Zusammenhang der 
Sonnentätigkeit mit der Gewitterbildung in der irdischen 
Atmosphäre geschlossen werden. Die Gewitterelek- 
trizität entstammt also vornehmlich dem ladenden 
Einflusse der Sonnenstrahlung. Die Gewitterbildung 


darf anderseits als ein neues, irdisches Signal, als 
ein neues Signal neben den feinstreifigen Federwolken, 
angesehen werden. 

Für den aktuellen Fall, von dem diese Darlegung 
ausging, im Oktober 1915, erscheint von Bedeutung, 
daß, trotz der Spärlichkeit solcher Federwolken bisher 
im Oktober 1915, dieses Signal für die vorliegende 
Epoche der Sonnentätigkeit nicht ausgeblieben ist. 
Beobachtet wurden sie über meiner unterelbischen 
Sonnen- und Wetterwarte in den Morgenstunden des 
7. und 10. Oktober. Ihre Streifungsrichtungen wiesen 


261 


hier hauptsächlich nach Nordosten und Nordnordosten. 
Sie kennzeichneten das ungefähr antipodal gelegene 
westpazifische Hauptherdgebiet der tropischen Sturm- 
bildung als von der Sonne her besonders stark betätigt. 
Die atmosphärischen Störungsfolgen aus der 
dortigen Sturmbildung waren demnach für Ostasien oder, 
bei mehr östlicher, maritimer Lage der nach Norden 
führenden Sturmbahn, für den Nordpazifik in der 
dritten und vierten Oktoberwoche, für die mittleren 
Breiten Nordamerikas in der ersten und zweiten, für 
Europa in der dritten Novemberwoche 1915 fällig. 


Fig 1. 


Die Sonnentätigkeit und ihre Signale in der Erd- 
atmosphäre, Federwolken, Gewitter- und Sturmbildung, 
lieBen die fiir die dritte Septemberwoche 1915 erwartete 
besondere Neigung zu elektrischen und magnetischen 
Störungen um eine halbe Woche früher in Erscheinung 
treten. Solche Störungen — in dieser zunehmend kalten 
Jahreszeit für Mitteleuropa und seine Nachbarschaft 
allerdings weniger elektrische als erdmagnetische — 
erscheinen deshalb im Oktober und November be- 


sonders für die erste und zweite Woche angezeigt. 


Außerdem kommt ihre Wiederkehr für Oktober in der 
vierten, für November in der dritten Woche besonders 
in Betracht. Der gegenwärtige Kriegsschauplatz in 
Westrußland legt durch die in diesem Teile Europas 
besonders starken örtlichen Störungen solchen War- 
nungen einige Wichtigkeit bei. Denn jene zeitlichen 
und diese örtlichen Störungen pflegen einander gegen- 
un erheblich zu verstärken. 

aß Kompaßstörungen auch im Kriege sehr ver- 
hängnisvolle Folgen haben können, dafür bot, erst 
noch im Spätsommer 1915, der westliche Kriegsschau- 
platz ein Beispiel. Der deutsche Fliegeroffizier Moissi 
verirrte sich mit einem Kameraden, auf einem Fluge 
von Lille nach Ostende, über Wolken und Nebel nach 
Calais. Beide fielen infolgedessen in Gefangenschaft. 

In einem Briefe aus dieser ist jedenfalls einem 
fehlerhaften Kompaß die Schuld gegeben. Da das 
Datum nicht völlig feststeht, konnte allerdings noch 
nicht sichergestellt werden, ob diese Fehlweisung mit 
erdmagnetischen oder auch mit elektrischen Störungen 
in Zusammenhang stand. 

Alle eisernen und stählernen Gegenstände können die 
Kompaßnadel beeinflußen. Anzuempfehlen ist deshalb, 
bei solchen Kriegsflügen nach dem Kompaß über Nebel, 
vor allem etwaige Einflüsse der Bewaffnung, soweit sie 
aus Stahl hergestellt ist, also von Gewehr- und Geschütz- 
rohren, Seitengewehren u. dgl. zu berücksichtigen. 


10 
f 10. 20 10 


FH 4 


Verbreitung der in den Wetterbe- 
richten gemeldeten Gewitter von 
Tag zu Tag im April bis August 1909 


=e) 


— 6 
Landes- 
_ | teile Italiens 


Landes- 


teile { Deutschlands 


der nordamerika- 


teile nischen Union 


— 4) (Staaten) 
ej Sonnentätigkeit 


Landes- | 


Die Störungen der italienischen und neuestens 
auch der großen englisch-französischen Offensive durch 
»schlechtes Wetter« lassen die weitere meteorologische 
Auswertung der gegebenen Übersicht der atmosphäri- 
schen Störungsfolgen für Europa nicht ohne Interesse 
erscheinen. 

Die südöstlichen Störungen sind mit einem Vor- 
walten östlicher bis nördlicher Luftströmungen über den 
westlicheren Gebieten Europas verbunden. Besonders 
wenn sie mit den Kältewellen zusammentreffen, die 
den westpazifischen Störungen zu folgen pflegen, 
zeigen sie deshalb Frostneigungen an. Die west- 
atlantischen Störungen pflegen dagegen, besonders an 
ihren Vorderseiten, und hier noch etwas mehr als die 
westpazifischen Störungen, Wärme mitzubringen. Sie 
sind zugleich die hauptsächlichen Träger der Nieder- 
schlagsneigung, da sie noch viel unverbrauchte Tropen- 
feuchtigkeit mitzubringen pflegen. Doch stellt sich die 
stärkste Niederschlagsneigung gewöhnlich dann ein, 
wenn Tiefs aus allen drei Störungsgebieten, selbst 
oder durch die von ihnen ausstrahlenden Druckrinnen, 
über Mitteleuropa zum Zusammenwirken gelangen. Ein 
solches Zusammenwirken lag noch im August und 
Oktober 1915 den Hochwasserneigungen ihrer ersten 
Woche zugrunde, die im Oder- und Elbegebiete bis 
über die Mitte dieser Monate hin nachwirkten. | 

Jene Erfahrungsregeln, auf die vorliegende Über- 
sicht angewandt, liessen im Oktober 1915 besonders 
die mittlere Dekade als niederschlagsreich und die letzte 
Woche als geneigt zu Frösten erscheinen, vorausge- 
setzt, daB in dieser Woche Störungsfolgen aus west- 
atlantischer Sturmbildung auch weiterhin ausbleiben.*) 

*) Diese Erwartung eines Temperatursturzes fir Mue al 
ist inzwischen in vollem Umfange eingetroffen. Auf reichliche 
Niederschlage im ersten Teil der mittleren Oktoberdekade lief das 
unter dem 12. und 15. Oktober gemeldete erneute Hochwasser im 


Oder- und Elbegebiete schließen. Hochwasser führten in dieser De- 
kade auch Fliisse des serbisch-mazedonischen Kriegsschauplatzes. 


262 


Jene neue Art, das Wetter vorauszubestimmen, 
ist ohne Zweifel der weiteren Entwicklung und der 
genaueren Ausbildung im einzelnen zugänglich. Vor 
allem gestatten die ostasiatischen und die nordamerika- 
nischen Voretappen der von den westlichen Störungs- 
folgen eingeschlagenen Wege eine Kontrolle der ersten 
Voraussagen und vielfach ein Urteil über die zu er- 
wartende Intensität der Erscheinungen. Im ganzen 
erscheint die neue Art der Vorausbestimmung des 
Wetters auf diese so vorteilhaft langen Fristen auch 
geeignet, die Witterungsdienste Mitteleuropas von 
westeuropäischer Bevormundung zu befreien. 

Denn seit Leverriers Bearbeitung des Sturmes 
von Balaclava und seit seinen und Fitzroys Schritten 
zur praktischen Auswertung dieser Ergebnisse zu einem 
Tagesdienste der Witterung, ist diese französisch- 
britische Art des Witterungsdienstes die allein- 
herrschende gewesen. Auch den deutschen Witterungs- 
diensten hat sie ihren Stempel aufgedrückt. 

Dieser geschichtlichen Bevormundung tritt aber 
eine sehr tatsächliche zur Seite. In jener alten Form 
sind die mitteleuropdischen Witterungsdienste in 


außerordentlich hohem Grade von westeuropäischen 
Tagesmeldungen abhängig. Das tritt vor allem seit 
der Zeit zutage, da, infolge des Krieges, jene Tages- 
meldungen aus feindlichen Staaten fortgefallen sind. 
Sturmwarnungen für das Nordseegebiet, wo sie ganz 
besonders wichtig sind, gehören beispielsweise seitdem 
fast zu den Unmöglichkeiten. 

Bei dem Nordseesturm des 8. Juli 1915 lagen 
deshalb Warnungen der Deutschen Seewarte nicht 
vor, während von meiner Seite schon vier bis sechs 
Wochen vorher durch den Sturmkalender, und danach, 
auf Grund nordamerikanischer Etappen-Meldungen, 
um drei und nochmals um einen Tag im voraus durch 
Telegramme nach Helgoland gewarnt werden konnte. 

Gerade in dieser Kriegszeit, die die täglichen 
Wetterkarten der mitteleuropäischen Witterungsdienste 
so außerordentlich beschnitten hat, erscheint die neue, 
in Deutschland geschaffene Art der Wettervorhersage 
berufen, eine sehr erhebliche Lücke auszufüllen. 


Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen. 
Oktober 1915. Wilhelm Krebs. 


Der See- und Luftkrieg im Nordseegebiet sowie im Nordmeer. 
Von Wilhelm Krebs (Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen). 


1915. 


Ein britisches Geschwader beschieBt Zee- 
brügge und versenkt ein deutsches Vor- 
postenboot. 

: Französischer Doppeldecker über Nieuport 
von deutschem Flieger abgeschossen. 

: Deutscher Luftkreuzer hält über der Nord- 
see den schwedischen Dampfer » Morrick« 
an, entlaBt ihn nach Legitimierung. 

: Der amerikanische Dampfer »Munroe« 
ist durch das Eis bis in die Adventbai 
auf Spitzbergen vorgedrungen. Britische 
Kriegsschiffe folgen. 

: Alliierte Flieger bombardieren Ostende 

und Middelkerke. 

5 31.: Der norwegische Dampfer »Helga« erliegt 

einer Mine im Weißen Meere. 

Am Ebeltoftshafen in der Croßbai auf 


Aug. 22./23.: 


Sept. 1;: 


Spitzbergen wird das deutsche wissen- | 


schaftliche Observatorium von den Eng- 
ländern zerstört. 

.: Acht britische Fischdampfer werden in 
der Nordsee von zwei deutschen Tauch- 
booten versenkt. 

: Die britische Flotte bombardiert West- 
ende und Ostende. : 

: Nachts. Deutsche Luftkreuzer bombar- 
dieren Waffenplätze im Osten Englands. 

: Französische und britische Flieger bom- 
bardieren Ostende. 

: Deutsche Luftkreuzer bombardieren Lon- 
don und Norwich. 

e 11.: Alliierte Flieger bombardieren Ostende. 

„ 11./12.: Deutsche Luftkreuzer bombardieren die 
Docks von London. 

: Bomben auf Kent abgeworfen von einem 
deutschen Flugzeug. In der Nacht vorher 
soll Southend auch von einem Luftkreuzer 
angegriffen worden sein. 


Glacialkosmogonische Beiträge zur Erdbebenforschung. 
Die gebirgsbildenden Kräfte der geologischen Vergangenheit und — Zukunft. 
Von H. Hörbiger. 


VII. Fortsetzung. 


Die Entstehung der Erdöl- und Erdgas-Lager- 
stätten, sowie der Bitumen überhaupt. 


Was mag wohl die Flugtechnik mit der Entstehung 
der Bitumina zu schaffen haben? — Was mit Erdbeben 
und gebirgsbildenden Kräften — ja und was mit Geo- 
logie überhaupt? 

An dieser aa Sa Frage glauben wir 
unseren neugewonnenen Leser zu erkennen. Wir 
müssen ihn daher dringendst bitten, nebst den Schluß- 
zeilen des Septemberaufsatzes zunächst mindestens 
auch die Einleitungen zu unseren flugmeteorologischen 
und kosmogeogonischen Darbietungen der Jänner-, 
Februar- und Aprilhefte geneigtest nachholen zu wollen, 
um die zu erhoffende Nachsicht für die scheinbar so 
offenbare Zusammenhanglosigkeit unserer Rede auf- 
bringen zu können. — Im übrigen könnten wir uns 
aber auch darauf berufen, daß ja das Kraftmittel 


Seh’t Erdpech, Öl und Gas! — Es geht ins re 8 
Kaum meistern ließ sich das — Trotz Denkerschweiß und Säure 
Geheimst und sonnenklar! — Im Tiefsten wohlverwahret! 
Sei's d'rum endlich wahr — Den Schürfern offenbaret. 

Frei nach Faust II. 
Erdöl als auch aus Braun- und Steinkohlenteer ge- 
wonnen werden kann. Und nachdem wir in den zwei 
letzten Aufsätzen die Steinkohlensphinx zum Sprechen 
bringen durften, erübrigt jetzt eben noch, der Natur 
die Vorkehrungen und das Verfahren genauer ab- 
zulauschen, welches sie bei der Herstellung des Roh- 
öls in der geologischen Vergangenheit und — Zukunft 
zu beobachten pflegt. 

Doch die Berechtigung, in diesen Blättern über 
den glacialkosmogonischen Ursprung der gasigen, 
flüssigen und festen Bitumina (Erdgas, Erdöl, Erd- 
teer, Paraffin, Erdwachs, Erdpech, Asphalt), sowie 
auch des Steinsalzes und Gipses sprechen zu dürfen, 
liegt noch viel tiefer begründet, wie der vom Dezember- 
heft her aufmerksam mit uns gekommene geneigte 
Leser sehr wohl weiß. Wollen wir ja doch dem Flieger 
diekosmische Herkunft der ihn bedrohenden großen 
meteorologischen Vorgänge (Gewitter, Stürme, Wetter- 
stürze) und damit auch einen, den Fachastronomen 


unserer Flugniotoren, das Benzin, ebensowohl aus ı und Fachgeologen noch immer verborgenen zwiefachen 


kosmischen Wasserzufluß zur Erde glaubhaft zu 
machen suchen und ihm Wege abstecken, auf welchen 
er zu einer verläßlicheren Wetterprognose von größerer 
Zeitreichweite gelangen könnte, wenn er guten Willens 
ist! — Dieser Neuerkenntnis stehen nun aber gewisse, 
nicht nur meteorologische undastronomische, 
sondern auch sehr gewichtige geologische Grund- 
irrtümer im Wege. Diese letzteren zu beseitigen gilt 
es also noch immer, bevor wir ungehindert meteoro- 
logisch und astronomisch zur Sache sprechen können. 

Gleich dem Steinkohlenprobleme hat auch das 
Problem der Bitumina-Entstehung zunächst eine vor- 
nehmlich geologisch-dynamische und dann aber noch eine 
chemisch-physikalische Seite; doch ist gerade diese 
letztere im vorliegenden Falle noch viel wichtiger und im 
chemischen Laboratorium auch schon viel eingehender 
bearbeitet worden, als dies mangels einer zwanglos 
mitdenkbaren Kosmo-Geogonie auch in Dingen der 
Steinkohlenforschung bisher geschehen hätte können. 
Zwei weltbekannte Forscher Mitteleuropas sind es 
denn auch, ein Erdölgeologe und ein Erdölchemiker *), 
denen wir außer mehreren kleineren Arbeiten ein 
fünfbändiges Monumentalwerk über den Gegenstand 
verdanken; ihnen wollen wir auch vorzugsweise hier 
soweit folgen, als wir für die geogonische Seite des 
Problems nicht auch einige grundlegende glacial- 
kosmogonische Verbesserungen in Vorschlag zu bringen 
haben. Können wir als Nicht-Berufschemiker hinsicht- 
lich der physikalischen Seite dieses hohen Problems 
Herrn Prof. Englers Laboratoriumsresultate auch 
nur dankbarst als etwas unabänderlich Gegebenes 
aufgreifen, so glauben wir dennoch Herrn Professor 
Höfer in geologischer Hinsicht um so mehr will- 
kommene Ergänzungen bieten zu dürfen, als er in 
seiner Vorrede zum II. Band die Meinung ausspricht, 
daß die »spezielle Geologie des Erdöls« trotz der 
jahrelang mühsam aufgewendeten Arbeit nicht ganz 
befriedigen dürfte«. Die uns damit gegebene Freiheit, 
auch unaufgefordert mitarbeiten zu dürfen, begrüßen 
wir um so freudiger, als sich leider bisher noch kein 
Erdöl-Pupulärgeologe gefunden hat, der dem Probleme 
derart heitere Seiten abgewonnen hätte, wie dies 
Bölsche hinsichtlich des Steinkohlenproblems in 
seinem »Steinkohlenwald« gelungen ist. Und nachdem 
anderseits Viktor Scheffels »Asphalt< dennoch 
wieder zu wenig sachliche Anhaltspunkte bietet, wird 
der Leser diesmal auf kurzweilige Fassung unserseits 
verzichten müssen. 

Um unser diesmaliges Arbeitsprogramm im voraus 
kurz darzulegen: Hinsichtlich der letzten geologisch- 
dynamischen Ursachen der nine Rents bung glauben 
Höfer und Engler in altherkémmlicher Weise mit 
der Laplace-Lyellschen — also katastrophen- 
losen Erdkörperfortentwicklung ihr volles Auslangen 
finden zu können. Und nur diese pietätvolle Genüg- 
samkeit ist’s, die wir rügen müssen. Was wir hinsicht- 
lich derselben schon auf den letzten Seiten unserer 
vormonatlichen Steinkohlenabhandlung vorgebracht 
haben, müssen wir hier mit noch mehr Nachdruck 
betonen: Ohne Kataklysmus keine restlose 
Lösung des Bitumenproblems! Und natürlich 
abermals: OhneEiszeitkeinKataklysmus und 
umgekehrt — und ohne diese beiden Unzertrenn- 
lichen und ohne einander Unmöglichen überhaupt 
weder Bitumen, noch Steinkohle, noch Steinsalz, noch 
Gips, noch Kalkstein, noch Sandstein, noch irgend- 
welche neptunische Schichtbildung überhaupt. Höfer 
und Engler wollen aber ganz im Lyell-Potonie- 
schen Sinne aus dem heute beobachtbaren geo- 
logischen und biologischen Kleingeschehen heraus 

H. Höfer: Das Erdöl und seine Verwandten«. (1/1888, 
II 1906, III. 1912.) 

C. Engler: »Die neueren Ansichten über die Entstehung 
des Erdöls“ und »Die Bildung der Hauptbestandteile des Erd- 
öls.« Aus: »Petroleum.« (1907.) 

Engler und H. Höfer: »Das Erdöl, seine Physik, 
Chemie, Geologie, Technologie und Wirtschaftsbetrieb.« Fünf 
Bände (1909). 


H. Höfer: -Die Geologie, Gewinnung und Transport des 
Erdöls.« Band II von: »Das Erdöl etc.« (1909.) 


263 


auch ein Erdölvorkommen, wie das karpathische, 
kaukasische, transkaspische, pennsylvanische etc. er- 
klären ! Natürlich haben wir diesen wissenschaftlich- 
genügsamen Quietismus auch auf meteorologischem 
und astronomischem Gebiete vielfach zu rügen, wie 
a dies hinsichtlich des Hagelschlages, der Großen 

lut, des Wirbelsturmes, der Mondesherkunft, der 
Sternschnuppen u. dgl. teilweise auch bereits ge- 
schehen ist. Und so wollen wir die in der Vorzeit 
über die Erde gegangenen, die Erdgeschichtsepochen 
bestimmenden Mondauflösungskatastrophen auch aus 
den Erdgas- und Erdölfundstätten heraus zu er- 
weisen suchen, selbst auf die Gefahr hin, die ge- 
nannten beiden mitteleuropäischen Hauptfachleute hie 
und da ebenso ins Unrecht setzen zu müssen, wie 
ihren Verführer Ly ell und dessen bitumengeologischen 
Jünger Potonie.*) Halten wir uns also zunächst an 
diesen letzteren. 

Die großen Verdienste Potonies um die Phyto- 
paläontologie sind es eigentlich, die ihm auf dem Gebiete 
der Mineralkohlen- und Bitumen-Urmaterialien die aller- 
dings nur zaghafte Gefolgschaftsleistung Englers und 
Höfers eingebracht haben. Solche Fälle von verderb- 
licher Wirkung des »Autoritäts«-Glaubens hatten wir auf 
allen drei von uns liebhaberisch bearbeiteten Gebieten 
aufzuspüren vielfache Gelegenheit. Vom Italiener 
Schiaparelli war schon die Rede. Seine unsterb- 
lichen Verdienste auf Mars haben ihm auch den 
blinden Glauben aller heutigen Astronomen An seine 
gänzlich irrige, reinplutonische »Theorie der Stern- 
schnuppen« gesichert. Es genügte ihnen, diese Theorie 
in ein paar harmlose mathematische Formeln gekleidet 
zu sehen, um alles gesunde eigene Urteil an den 
Mailänder Marskanalentdecker zu verlieren. In ähnlicher 
Weise hatte es auch der Augenspiegelerfinder und 
gefeierte Physiker v. Helmholtz leicht, mit seiner 
ganz unhaltbaren, aber mathematisch reich armierten 
»Erhaltung der Sonnenenergie« die ganze 
astronomische Welt von heute zu hypnotisieren. Der 
Franzose H. Poincaré und der Engländer G. H. 
Darwin genießen wieder als Reinmathematiker den 
Ruf von derart großen Magiern, daß sie den Astronomen 
und Geologen das alte wissenschaftliche Märchen 
von der Erdenkindschaft des Mondes (und notwendig 
auch von der Sonnenkindschaft der Erde) neuerdings 
im blutigsten Ernste erzählen und »streng exakt 
mathematisch beweisen« durften. — Nur weil bisher 
noch kein wirklich anwendender, sich in seinen Werken 
also selbst kontrollierender und somit gewitzigter 
Mathematiker (Konstrukteur) die Zeit gefunden hat, 
sich ernstlicher mit diesen Problemen zu befassen, 
konnte alles dies und noch vieles andere unbelacht 
und ungestraft verbrochen werden. 

Und Potoniés »Sapropelite« (»faulschlamm- 
haltige, petroleumbildende (!!) Gesteine«) und sonstige 
»Kaustobiolithe« (z. B. »Humusgesteine« = Braun- 
und Steinkohle!) gehören in dieselbe Kategorie wissen- 
schaftlicher corpus delicta. Wie souverain wendet er 
sichdoch auch gegen uns alterprobte Kataklysmatiker, 
wenn er auf Seite 82 seines Steinkohlen- und Petroleum- 
buches sagt: 

»Zur Beschaffung des notwendigen Urmaterials (zur 
Bitumenbildung) glaubt man aber noch vielfach einer 
Katastrophentheorie zu bedürfen, nach der, 
durch besondere Umstände veranlaßt, Massengräber 
von Tieren entstanden sein sollen, als Urmaterialien 
der Petrolea. Berteles z.B. (1892) — um nur einen 
anzuführen — meint, Petroleum sei nur möglich: 
1. beim Vorhandensein größerer Massen von 
Meerestieren, insbesondere von Mollusken; 2. bei 
einem Festland mit steilen Uferrändern, von dem 
periodisch bei stärkeren Niederschlägen mit reiBen- 
der Gewalt große Schlammassen ins Meer 
geworfen werden konnten, wodurch die Lebenswelt 
begraben wurde.« 

*) Potonié: »Die Entstehung der Steinkohle und der 


Kaustobiolithe überhaupt (wie des Torfs, der Braunkohle, des 
Petroleums u. 8. w.« (1910.) 


264 


Hier hören wir also den einen Lyell- getreuen 
Erdöl- Geologen (Berteles) das quietistisch ge- 
waltsam verlangen, was wir kataklysmatisch 
spielend leicht, und zwar im natürlich - fabriksmäßi 
durchgebildeten Patentschnellverfahren bieten! Un 
ein anderer, noch extremerer Lyellianer (Potonié) 
lächelt auch noch überlegen über das bescheidene, 
doch so ganz quietistische Kataströphchen, welches 
sich Berteles in Vorschlag zu bringen erlaubt! 
Denn Potonie braucht nur ausgetrocknete Pfützen, 
Teiche und langsam verlandete Seegründe mit ihrem 
planktonhältigen »Faulschlamm«, um zu den ver- 
meintlichen Urmaterialien der Petrolea zu gelangen. 

Prinzipiell ist aber Berteles’ Gefühl in zweifacher 
Hinsicht richtig: Er verlangt zunächst größere 
Massen von lebend begrabenen Meerestieren und 
wünscht deren gewaltsam plötzliche, perio- 
dische Einbettung vermutlich bis zu einem Grade, 
daß eine Verwesung nicht mehr gut Platz greifen kann. 
Seine Detailerfüllung dieser beiden Bedingungen, 
speziell der zweiten, erscheint uns aber gänzlich 
unzureichend, ja unmöglich — in der Grundidee 
geradezu dilletantisch unbeholfen. Auf diese Weise 
lassen sich höchstens zerstreute, ortsfeste Organismen 
und Seepflanzen (Seeanemonen, Korallen, Schwämme, 
Muscheln, Algen, Tange etc.) fäulnissicher einbetten, 
aber auch nicht ein einziges behendes, frisches Fisch- 
lein oder gar die gewünschten größeren Massen 
von Meerestieren; noch weniger aber läßt sich solcherart 
(ohne Eiszeit) eine ausgedehnte periodische Schichten- 
bildung bewerkstelligen. 

Um beispielsweise dem Ölvorkommen Bakus 
gerecht zu werden, muß die Sache in viel größerem 
Maßstabe, in viel rationellerer Weise, gleichsam 
massenfabriksmäßig betrieben werden, etwa indem 
wir der ganzen Groß- und Klein bewohnerschaft 
(Sauriern, Walen, Fischen, Würmern, Medusen, Tinten- 
fischen und sonstigen Mollusken, potenzierte Billionen 
von Planktonorganismen etc.) den Aufenthalt in 
einem ganzen Weltmeer verleiden, sie in eine 
große Bucht mit sackartigen Hinterbuchten locken, um 
sie schließlich auch von da noch im Wege sanft zu- 
nehmender Meeresoszillationen allmählich in die ver- 
schiedenen vereisten Festlandbecken zu drängen, zu 
werfen, zu schöpfen, wo sie dann entweder im all- 
täglich erstarrenden Ebbeschlamme der einzelnen 
Tageslieferungen laut Fig. 11/12 kohlenflötzartig auf- 
einandergefrieren oder in solchen Tageslieferungs- 
Vereinigungen in großen Massen gieichzeitig den 
schmerzlosen Erfrierungstod erleiden und vom nach- 
kommendnächsten Revolutionsflutberg der Fig. 7 bis 9 
mit einer kompletten Schichtformation a la Fig. 12 — 
und später noch mit deren mehreren belastet und 
komprimiert werden mögen, um Bene die hieraus 
resultierende Druckwärme zur Destillation unter 
hohem Druck auszunützen, wie dies eben 
Engler im Laboratorium experimentell bereits er- 
forscht hat. 

Doch versuchen wir uns zunächst einmal ein 
dürftiges Gefühl für die notwendige Größe solcher 
Meerestiermassen an Hand der heute vorfindbaren 
und von Höfer gesammelten Tatsachen zu bilden: 

»In der erdgasreichen Umgebung Bakus wurden 
bisher mehrere hundert Ölspringquellen erbohrt. 
Beim (durch das Anbohren der ölführenden Schicht 
gegebenen) Ausbruch eines solchen Ölspringbrunnens 
und eine Weile nachher erzittert der Boden der Um- 
gebung heftig; manchmal treten in der Umgebung 
des Bohrloches Spalten auf, welchen Ol und Gas ent- 
strömen. Das Geräusch ist oft kilometerweit zu hören. 
Die Ausbrüche können auch so heftig sein, daß sie 
das Bohrloch teilweise oder ganz zerstören. — Der 
berühmte Lukasbrunnen in Jefferson County (Texas) 
warf am 10. Jänner 1901 und dann noch durch einige 
Zeit eine Säule schweren Erdöls aus 396 m Tiefe 
6l m hoch in die Luft und lieferte täglich 11.025 Ton- 
nen Öl aus dem achtzölligen Rohr. Die Gase, deren 
Druck dies bewirkten, entwickelten hier durch längere 


Zeit eine Energie (mindestens 1016 HP), welche den 
Lukasbrunnen geradezu zu einem Phänomen erhob. 
— Ein anderer sehr ergiebiger Olspringer Nord- 
amerikas war jener des Jannes Pools (Louisiana), 
der in vier Monaten 170.000 Tonnen Öl gab. In Mexiko 
warf ein Springer durch zwei Monate täglich 13.000 
bis 15.000 t aus, und jener bei Portrero del Liano 
gab anfänglich täglich 1450 t, später jedoch 23.200 t 
täglich, ein Erdreservoir war in 60 Tagen mit 435.000 t 
Erdöl gefüllt. Ein berühmter Springer war der Tagieff 
Well bei Baku, welcher am 5. Oktober 1886 in 70 nı 
Tiefe das Öl erschloß, das in einem mächtigen Strahle 
durch die Luft schoB und stündlich t Rohöl 
geliefert haben soll, das ist mehr als die Tages- 
produktion der gesamten pennsylvanischen Olbrunnen. 
— Nach Engler wurden aus dem Bohrbrunnen Bakus 
auch Schlamm, Sand und Steine, letztere in der Größe 
von „ bis zu 250 m Höhe in die Luft ge- 
schleudert. A. B. Thompson berichtet aus diesem 
Gebiete, daß in der Gegend des Romanysees wiederholt 
Olspringer mit vier Millionen, einer mit sechs Millionen 
Gallonen Tagesergiebigkeit erbohrt wurden; einer warf 
die Ölsäule 110 m in die Luft.« 


»Da die treibende Kraft derartiger Springbrunnen 
nicht der hydrostatische Überdruck ist, wie z.B. bei 
den artesischen Brunnen, sondern der Überdruck des 
absorbierten Gases, da sich dieses mit dem Ol ent- 
leert und durch letzteren Vorgang in der Lagerstätte 
selbst der Gasdruck sinken muß, so ist das Leben 
einer solchen Springquelle naung ein sehr kurzes, 
einige Stunden oder Tage, länger, talls sie geschlossen 
wird, dann fließt das Ol durch einige Zeit ruhig aus 
dem Bohrlochsmund, erreicht später diesen auch nicht 
mehr, und muß gepumpt werden. — Manchmal sind 
die Ölergüsse auch nur stoßweise, intermittierend, in 
Pausen von mehreren Minuten oder Stunden erfolgend, 
und bilden somit einen Olgneiser, welcher in manchen 
Gegenden Spritzer genannt wird. — Der Lady 
Hunter- Well in der unteren Olregion Pennsylvaniens 
warf in halbstündigen Pausen einen Olstrahl 30m hoch.« 


»Es können jedoch auch Gasausbrüche ohne 
oder mit nur wenig Erdöl erfolgen. Längst be- 
kannt sind die ewigen Feuer bei Baku; in Pennsyl- 
vanien wird das Erdgas im ausgedehntesten Maße 
als Beheizungs- und untergeordnet als Leuchtmaterial, 
insbesondere in den großen Fabriken und Haushaltungen 
von Pittsburg seit längerer Zeit verwendet. Da wie 
dort steht dieses Vorkommen in engster Verbindung 
mit dem des Erdöls. Auch hier ist ein porenreiches 
Gestein als Reservoir notwendig; auch hier haben die 
Antiklinen (die Scheitel der Gesteinsschichtfalten) auf 
die Gasführung einen sehr günstigen Einfluß, auch 
hier wird die Ergiebigkeit mit der Größe des Reservoirs 
und dem darin herrschenden Druck zunehmen; die 
Geologie des Erdöls ist mithin auch die des Erdgases.« 


»Das Erdgas ist häufig ein Begleiter des Stein- 
salzes; schon seit langem ist das Knistersalz von 
Wieliczka bekannt. Es wurde konstatiert, daß hier ein 
brennbares Gas vorliegt, welches im stark komprimier- 
ten Zustande in dem wolkigen Steinsalz eingeschlossen 
sein muß. Das Zusammenvorkommen derart brennbarer 
Gase und Steinsalzlagerstätten oder Solquellen wird 
mehrerenorts nachgewiesen, ohne daß hieraus Schlüsse 
auf genetische Beziehungen zwischen diesen beiden, 
noch weniger zwischen Steinsalz und Erdöl gezogen 
worden wären. — Das Gas des Knistersalzes besteht 
jedenfalls aus Wasserstoff und Kohlenoxyd, doch läßt 
die Rechnung nicht sicher entscheiden, ob überdies 
ölbildendes Gas oder Sumpfgas (Methan = CH4) oder 
ein ähnlicher Kohlenwasserstoff vorhanden ist. Man 
vermutet, daß das eingeschlossene Gas verdichtet, und 
zwar flüssig oder fest ist. — Im Salzbergbau zu Szlatina 
Ungarn) fuhr man 1783 Erdgas, einen sogenannten 
läser an, das jahrelang zur Beleuchtung der Grube 
diente. — In der Provinz Sztschwang (China) ent- 
strömen demselben Bohrloch Sole und Erdgas; letzteres 
dient zur Heizung der Sudpfannen.« 


„Das unter höherem Druck stehende Gas kann 
auch im feinen trockenen Sande vorkommen; wird es 
erbohrt, so wird der Sand mitgerissen; es bildet sich 
ein Sandspringer, der jedoch gewöhnlich keine lange 
Lebensdauer hat. — Der Gasdruck wurde im Findlay- 
distrikt bei geschlossenem Rohre mit durchschnittlich 
25˙5 Atmosphären, bei dem ersten Brunnen bis zu 
30˙2 Atmosphären gemessen. — Im Alleghany-County 
stieg der abgesperrte Druck auf 30°2 Atmosphären, bei 
Parisch auf 23°1 Atmosphären und im Monroebrunnen 
auf 103 Atmosphären (!!), ebenso im Gasbrunnen des 
Green County (Pennsylvanien). Im Indiana Gasfelde 
wurden zwischen 7°4 bis 59 Atmosphären gemessen. 
In der 400 m tiefen Bohrung bei Wels (Oberösterreich) 
wurde beim Erbohren eines Gaslagers die bis oben 
stehende Wassersäule herausgeschleudert, ebenso aus 
einer 199 m tiefen Bohrung bei Orów (Galizien), was 
Drucken von mindestens 40, bezw. 20 Atmosphären ent- 
spricht. — In Westvirginien zeigte der Morganbrunnen 
anfangs 54°4 Atmosphären; der Thomas Cunningham 
Nr. 1 wies selbst nach mehrmonatigem freien Gas- 
ausfluß noch 81°6 Atmosphären (!!) Druck auf, ebenso 
noch zwei andere Gasbrunnen.« 

>Wenn der Druck eine gewisse Grenze über- 
schreitet, so müssen die Gase, eine gewisse Maximal- 
temperatur vorausgesetzt, flüssi 7 werden. Es wurde 
deshalb wiederholt die Frage aufgeworfen, ob nicht 
etwa die Erdgase in diese m Zustande in ihren Lager- 
stätten angehäuft sind, im bejahenden Falle wäre es 
auch erklärlich, daß ein einziges, verhältnismäßig 
kleines, unterirdisches Gasreservoir durch viele Jahre 
immense Gasmengen abzugeben vermag. — Es kann 
bestimmt vorausgesetzt werden, daß das Athan (Ca He) 
nochmehr das Propan (Cs Hs), welches bei —250 ja 
schon bei gewöhnlichem Luftdruck flüssig wird, 
im flüssigen Zustand vorhanden ist. Äthan ist bis zu 
28:9 Prozent, Propan bis zu 2 Prozent im Erdgas ent- 
halten. — Dagegen lehren aber die Untersuchungen 
Olszewskis, daß das im Erdgas bis zu 60 und 80 Prozent 
enthaltene Methan oder Sumpfgas (CH4) erst bei 54°9 
Atmosphären und —81°'8° C. den kritischen Punkt er- 
reicht und unter 49 Atmosphären bei —85'40C., flüssig 
wird. Diese sehr tiefgelegenen Temperaturen sind in 
den Gasgebieten selbstredend ausgeschlossen, somit 
auch der flüssige Zustand des Methan. — Der Einwand 
gegen die Möglichkeit eines so hohen Druckes in 500 m 
Tiefe, daß die darüber gelegenen befindlichen Schichten 
gehoben werden müßten, da ihr Gewicht zu klein wäre, 
ist nicht stichhaltig, da es sich hier um ein Problem 
der Festigkeitsiehre und nicht um die Hebung einer 
isolierten Masse handelt. — Zweifelsohne wird uns 
in Bälde einer unserer Physiker die sichere Lösung 
dieses wissenschaftlich und technisch wichtigen 
Problems bieten. Bisher liegt nur ein Versuch vor; 
es hat nämlich Dabrovsky in einem Lindeschen 
Apparat das Erdgas von Boryslav unter Anwendung 
eines Druckes von 200 Atmosphären, der auf 20 Atmo- 
sphären reduziert wurde, verflüssigt. Das verflüssigte 

as fing bei 1060 C. zu sieden an.« 

»Im Jahre 1890 gaben 399 Gasbrunnen in Indiana 
täglich 22,068.353 m3 Erdgas, also durchschnittlich ein 
Brunnen stündlich 2304 m3. Drei ergiebigste Schächte 
Nordamerikas gaben anfangs 7600, 9300 und 11.300 m3 
Erdgas pro Stunde. Das 302 m tiefe Gasbohrloch Nr. 2 
bei Kisszärmäs (Siebenbürgen) gab 1909 bis 10:575 m3 
und 1910 bis 10'655 m3 Erdgas in der Sekunde, also 
3810 m3 in der Stunde. Es enthält 99°25 Prozent Methan 
und 0°75 Prozent Sauer- und Stickstoff. Die Temperatur 
des ausströmenden Gases ist + 40C., der Druck 30 Atmo- 
sphären. Dieser hochergiebige Gasbrunnen war durch 
einige Zeit geschlossen, als 1911 ein starker Gas- 
ausbruch erfolgte, dem leichte Erdbeben vorangingen. 
Die größte Eruption erfolgte 360 m östlich vom Gas- 
brunnen aus fünf Kratern, welche einen 120 m langen, 
20 m breiten und 15m hohen Wall von herausge- 
schleuderten Gesteinsstücken anschütteten und einer 
nach Norden gerichteten Spalte entsprachen. Die 
eckigen Mergelstiicke des Triimmerfeldes waren bis 


265 


100 kg schwer etc.« — (Höfer: »Das Erdöl u. s. V.« 
III/ 192 - 201 auszugsweise.) 

Soviel sei vorläufig zur Bequemlichkeit des Lesers 
zitiert, auf daß er sich zunächst selbst ein richtiges Ge- 
fühl für die Höhe dieses Problems und ein . 
Urteil über die chemisch- physikalische, geologisch- 
dynamische, sowie qualitative und quantitative Seite 
desselben bilden möge. Zu berichtigen hätten wir 
hier aber, daß es irrig ist, aus der Höhe einer aus 
dem Bohrloche herausgeschleuderten Wassersäule auf 
den unteren Gasdruck zu schließen. Wenn wir die an 
der sogenannten »Mammutpumpe« gemachten Er- 
fahrungen heranziehen, so wissen wir, daß die Wasser- 
säule zunächst sich mit aufsteigenden und sich unter- 
wegs ausdehnenden Gasblasen reich durchsetzen muß 
und somit immer leichter und leichter wird, bis endlich 
jene Reduktion des hydrostatischen Druckes eintritt, bei 
weicher letzterer vom unteren Gasdruck überwunden 
wird. Damit erklärt sich zum Teil auch die Ölgeiser- 
erscheinung. Es kann also eine 400 m hohe Wasser- 
säule auch durch einen wesentlich geringeren Gas- 
druck als 40 Atmosphären herausgeschleudert werden, 
wenn das Rohr auf das Gaslager trifft. Außerdem ist 
zu bedenken, daß das einem Bohrloche entweichende 
Gas kaum erst durch einen dem Lindeverfahren ähn- 
lichen Naturvorgang verflüssigt zu werden brauchte, 
sondern wohl größtenteils von jeher im flüssigen Zu- 
stand in den Tiefen angesammelt steht. Wir meinen 
also: Es könnte sein, daß selbst das schwer zu ver- 
flüssigende Methan dennoch eines nicht allzuhohen 
Druckes und einer nicht allzutiefen Temperatur be- 
darf, um in den Tiefen Jahrhunderttausende lang im 
flüssigen — andere Gase vielleicht sogar im festen Zu- 
stande verharren, wie ja ähnliches auch im Wieliczkaer 
Knistersalz vermutet wird. Erst durch Störung solchen 
flüssigen Zustandes, ähnlich dem Siedeverzugsvorgang 
beim Wasser, tritt die Gasentbindung und höhere Gas- 
druckentwicklung ein. Es ist also vielleicht nur mit 
großer Vorsicht aus Verflüssigungs- und Vergasungs- 
versuchen im Laboratorium auf die Ölzustände im 
Erdinnern zu schließen. 

Was wir nach obigen Tatsachenzitaten vom ge- 
neigten Leser jetzt erwarten dürfen, ist ungefähr der 
erstaunte Ausruf: Und zu einem solch massen- 
haften Ölvorkommen, wie etwa das im Baku-Gebiete 
oder im Lukasbrunnen von Texas, sollte ein von 
Berteles geschildertes Kataströphchen die nötigen 
Mengen frisch eingebetteter Meerestiere genügend 
hermetisch und verwesungsfrei eingebettet haben!? 
Oder gar Potoniés Faulschlammschichten ausge- 
trockneter Teiche und Pfützen sollen etwa hinreichen, 
um das nötige Urmaterial zu solchen Erdöl- und 
Energieanhäufungen zu liefern!? 

Ist es uns nun gelungen, dem geneigten Leser 
eine ähnliche Verblüffung und Fragestellung zu sug- 
gerieren, so lenken wir jetzt seine Aufmerksamkeit 
wieder zurück auf unsere Fig. 6, 7, 8 und 9 des 
Maiheftes, nebst dem dort und im juniheft hiezu Ge- 
sagten, um den bereits oben angedeuteten Riesen- 
fischzug in einer sackartigen Hinterbucht inszenieren 
zu können. Wenn wir beispielsweise das geschilderte 
karpathisch- kaukasische Erdölvorkommen im Lichte 
eines solchen kataklys matischen Riesenfischzuges ins 
Auge fassen, so ergibt sich für die verschiedenen 
tertiären Flutbergvorschliche sofort das Mittelmeer- 
becken mit der schön trichterförmigen Straße von 
Gibraltar als bestgeeignete Einfangsbucht. Der Vor- 
gang ließe sich etwa folgendermaßen ausmalen: In 
den Zeiten der vorschleichenden Flutberge der 
Fig. 6 bis 9 möge gelegentlich der Zenithflutberg das 
atlantische und der Nadirflutberg das westpazifische 
Weltmeerbecken durch seine Breitenoszillationen vom 
Grunde aus aufwühlen und durch Beunruhigung und 
Schlammschwängerung eine Zeitlang unbewohnbar 
machen. Noch bevor dieser Zustand eintritt, sieht 
sich die behendere Meeresfauna von den Plankton- 
organismen und Quallen bis zu den Robben, Walen 
und Haien des atlantischen Beckens nach Osten ge- 


266 


drängt. Die Mehrzahl der letzteren wird teils das 
sibirische Eismeer erreichen, soweit es nicht ent- 
wässert und ganz vereist sein solite, teils um Afrika 
herum den Weg ins südindische Becken finden, so- 
weit es nicht in den über beide Pole um die Erde 
gelegten Revolutions - E b b e gürtel einbezogen er- 
scheint. Ein Teil der flüchtigen Meeresfauna möge 
die Ostsee und den anschließenden Bottnischen und 
Finnischen Meeresbusen als Refugium wählen, falls 
es zur kritischen Zeit dort überhaupt Wasser gibt. 
Der größte Teil der so reich gegliederten Meeres- 
bewohnerschaft wird sich aber in dem Trichter der 
Gibraltarstraße verfangen und so in die Falle des 
Mittelmeerbeckens geraten, wo es sich noch längere 
Zeit unter stagnierenden, mäßigen Meeresoszillationen 
trügerisch ruhiger leben läßt, ‚als im Atlantik, direkt 
unterm oszillierend heranschleichenden Zenithflutberg. 

Damit ist aber das Schicksal dieser Faunascharen 
schon größtenteils besiegelt, und ein Entkommen 
wohl nur mehr einem geringen Prozentsatz möglich, 
wenn der oszillierende Zenithflutberg endlich im 
schleichenden Tempo den afrikanischen Kontinent- 
sockel besteigt und seine täglichen Breitenflutwellen 
über das Mittelmeerbecken und die pyrenäischen, 
apenninischen und alpinen Gebirgswälle hinweg 
nach Nordeuropa ins vereiste Gelände wirft. Ein 
Teil der abgesperrten Mittelmeer-Überbevölkerung 
wird schon bei dieser Gelegenheit in die nord- 
europäischen Oszillations- Ebbegebiete und deren 
Mulden geschwemmt und im Sinne der (allerdings in 
erster Linie für Steinkohlesedimentierung geltenden) 
Fig. 11'12 zur Frosteinbettung gebracht. Der größte 
Teil wird aber so lange nach Osten ausweichen und 
sich im Adriatischen, Ägäischen und Schwarzen Meere 
zusammendrängen, als es überhaupt geht. Schließlich 
werden aber auch diese letzten Refugien von den 
heftigeren »Tethys«-Oszillationen ergriffen und aus 
ihnen täglich ganze Flottenladungen der 
Meeresfauna in die nordöstlich davon liegenden 
vereisten Festlandsbuchten uns geworfen, 
geschöpft und in der von Fig. 11/12 her bekannten 
frosterstarrenden Weise fäulnissicher eingebettet. 
Dort, wo die Tageslieferungen täglich ganz nieder 
gefrieren, erfolgt die Einbettung im Schichtenwechsel; 
wo aber in tieferen Becken immer noch ein Teil der 
Füllung unter Salzausscheidung flüssig bleibt, ent- 
stehen schließlich buchstäbliche Massengräber 
von im Wege der bereits beschriebenen und teilweise 
auch hier anwendbaren Horizontalsortierung nach 
Arten und Größenklassen wohlsortierten Opfern des 
Kataklysmus. Es ist das »GroBe Sterben«, das schon 
manchem bedächtigen Paläontologen noch rätsel- 
hafter erschienen ist, als die Lebensentwicklung selbst. 
Der oszillierend näher rückende, kulminierende und 
abschleichende Zenithflutberg baut dann (im Sinne 
einer Formation der Fig. 12) den gut belastenden 
Grabhügel darüber, manchmal mit Kohlenflötzen, 
meist aber auch ohne solche, und es kommt dann 
nur zu einem Sand- und Tonsandstein-Schichtkomplex 
als Grabhügel, eventuell auch mit Salzflötzen, Anhy- 
drit- und Gipsbänken untermischt, wie später noch 
verständlicher gemacht werden soll. 

Wenn wir hier eine Karte der »alten Welt« zur 
Hand nehmen, so sehen wir, daß die heutigen europäi- 
schen, besonders aber diekarpathischen und kaukasisch- 
kaspischen Erdöllager samt den Erdpech-, Erdwachs- 
und Asphaltlagern (auch dem des Toten Meeres) sich 
AE a ganz befriedigend dem geschilderten 

organge eines solchen kataklysmatischen Riesen- 
fischzuges eingliedern lassen, bei welchen das Mittel- 
meerbecken als Einfangsbucht dient. Im nachstatio- 
nären Falle (Stationärzeit selbst entspricht Fig. 5, 6 
und 7 des Maiheftes) eines rückschleichenden Flut- 
berges (vergleiche Fig. 8.9) wird wieder das Arabische 
Meer mit dem Roten Meere und Persischen Golf als 
Hinterbuchten eine ausgiebige Einfangsgelegenheit 
bieten, von welcher wir auch den altbekannten Öl- 
und Asphaltreichtum Mesopotamiens herleiten, einen 


Teil der Beute aber auch an das kaukasisch-kaspische 
Ollager abgeben könnten. 

as aber für die (von Ost nach West) rück- 
schleichenden und bloß in geographischer Breiten- 
richtung heftig oszillierenden Flutberge auf der Nor d- 
hemisphäre am ersten Blick als bestgeeignete Einfangs- 
bucht größten Stils sich aufdrängt, das ist wohl der 
heutige Golf von Mexiko, mit den Halbinseln 
Yukatan und Florida als Fangwehren und dem 
vorgelagerten Cuba als Rückwehre. Wenngleich in 
kataklysmatischer Zeit gelegentlich eines dortigen 
Flutbergdurchschliches zufolge des täglichen Hebens 
und Senkens des Meeresniveaus der heutige Verlauf 
der Uferlinien nicht in Betracht kommt, so bleibt 
doch die Tatsache eines riesigen Einfangbeckens be- 
stehen, aus welchem heraus nicht nur die rück- 
schleichenden, sondern auch die pseudostationären 
Flutberge die ganze Mississippiniederung weit nach 
Norden und auch nach Osten und Westen hin mit 
Ölurmaterialien beschichten müssen. Als zweitbeste 
Einfangsbucht Nordamerikas, aber nur für vor- 
schleichende und schreitende bis eilende Flutberge 
in Betracht kommend, drängt sich uns der Golfvon 
Kalifornien auf. — Es würde natürlich zu weit 
führen, wollten wir die ganze Erdkarte nach gün- 
stigen Einfangsbuchten für Bitumenurmaterialien ab- 
suchen. Der Hauptsache nach genügt es wohl zu 
sehen, daß sich von den vier augenfälligsten Einfangs- 
buchten (Mittelmeer, Arabisches Meer, Mexikogolf 
und Kaliforniengolf) auch die vier ergiebigsten Ol- 
felder und reichsten Asphaltlager der Erde ganz unge- 
zwungen herleiten lassen, wie wir gleich zeigen wollen. 

m dies bequem einsehen zu können, ist es un- 
bedingt nötig, daß der geneigte Leser sowohl die 
Lehren unserer Fig. 7, 8 und 9, als auch die der 
Fig. 11/12 vollkommen innehabe und überzeugungs- 
treu annehme. Eine Rememorierung unserer Mai-, 
Juli- und September-Aufsätze, soweit dieselben die 
vorgenannten fünf Figuren betreffen, wird also für 
jene geneigten Leser sehr am Platze sein, die hier 
zu einer festen Meinung gelangen wollen. Das Wesen 
des Rück- und Vorschleichens, sowie der täglichen 
weitausgreifenden meridionalen Breitenoszillationen 
der beiden kataklysmatischen Zenith- und Nadir- 
flutberge dürfte ja an Hand von Fig. 8/9 nebst Begleit- 
text im Prinzipe wohl schon seinerzeit hinreichend 
klar geworden sein, so daß es hier nur mehr der 
Auffrischung der gewonnenen Grundvorstellungen be- 
darf. Für unser Problem kommen hier vornehmlich 
nur die stationärnahen Zeiten des Kataklysmus, 
also die zwischen den Stadien B und D der Fig. 8/9 
liegenden Zeitläufte in Betracht, die ja auch immer- 
hin so manches Jahrzehntausend umfassen mögen. 
Denn bei allzuschnellen Fiutrücklauf (Stadium 
A und A’ in Fig. 89) oder allzuschnellen Vorlauf 
(Stadium E! E in Fig. 89) fließen die beiden Flut- 
berge noch immer, bezw. schon wieder inein- 
ander und können demzufolge auch keine weitaus- 
greifenden Breitenoszillationen ausführen. Abgesehen 
davon, ist ja in diesen beiden Stadienreihen auch die 
tägliche Längsverschiebung der Flutberge per Breiten- 
oszillation zu groß, als daß da eine Bucht eine größere 
Anzahl von Tageslieferungen hintereinander auf eine 
und dieselbe Area schaffte. 

Also nur vollkommen isoliert ausgebildete 
schleichende Flutberge (Stadien B, B', C, D', D 
in Fig. 8/9) vermögen ihre Flutwellen jahrelang, ja 
Jahrzehnte und Jahrhunderte lang (je nach zeitlicher 
Nähe zum stationären Stadium Cy taglich beispiels- 
weise aus dem östlichen Mittelmeere tiber ganz Ost- 
europa — oder aus dem Arabischen Meere über 
Arabien, Persien, Turkestan, Afghanistan u. s. w. — 
oder aus dem Mexikogolf weit und breit über die 
ganze Mississippiniederung hinaus, aus dem Golf von 
Kalifornien bis in die Rocky Mountains, oder aus dem 
Bengalischen Meerbusen selbst über den Himalaja 
hinweg zu werfen. Und auch nur in dieser manches 
Jahrzehntausend umfassenden Kulminationszeit 


des Kataklysmus (Stadien B bis D in Fig. 8/9) 
kulminiert auch die ihm vergeschwisterte Eiszeit, 
um in den täglichen Oszillationsebbertickstanden die 
Meeresfaunamassen (und weiter draußen auch die 
täglich abgelagerten vegetabilischen Schwimmstoff- 
massen unserer Fig. 11/12) sofort schmerzlos (bezw. 
fäulnissicher) eingefroren und eingebettet wissen zu 
dürfen. Hieraus geht auch hervor, daß in den Tropen 
gelegene Buchten sich nicht besonders für Bitumen- 
zweckdienliche Meeresfaunaeinbettungen eignen, 
anders müßten wir beispielsweise im Hinterlande des 
Golfes von Guinea viel ausgiebigere Ölfelder finden, 
als dies bisher tatsächlich zutrifft. Bitumen-zweck- 
dienliche Einfangsbuchten müssen also vor allem eine 
gewisse höhere geographische Breite haben. Aber auch 
die in zu hohen + Breiten liegenden Buchten eignen 
sich auch dann nicht zum zweckdienlichen Einfang, 
wenn sie ihre Weltmeermündung den (geographischen) 
Breitenoszillationsfluten der stationären, sowie rück- 
und vorschleichenden — oder den (geogra- 
phischen) Längsrevolutionsfluten der rück- und vor- 
schreitenden Flutberge auch noch so schön 
trichterförmig entgegenhalten, weil sie im ersteren 
Falle von den Breitenoszillationswellennichtmehr — 
und im zweiten Falle von den Revolutionswellen 
überhaupt niemals wirksam erreicht werden 
können. Denn es bildet ja eine prinzipielle Kenn- 
zeichnung aller kataklysmatischen Stadien der Fig. 8 
bis 10, daß in ihnen die höchsten Breiten mehr und 
mehr entwässert werden, um die Tropen unter das 
»Große Wasser« der Inkaväter und die mittleren 
Breiten unter das Eis des »Großen Winters« zu 
bringen. (Vergleiche Seite 105 u. f. im Aprilhefte.) 
So wäre z. B. der Ohotskische Meerbusen eine 
günstige Einfangsbucht für (von Ost nach West) rück- 
schleichende Flutberge, wenn er um etwa 20 Breiten- 
grade südlicher läge. Abgesehen von einem Pechsee 
und spärlichen Erdölfunden auf Sachalin scheinen im 
weiteren nördlichen Hinterlande dieses Meerbusens 
bisher noch keine auffälligen Erdölspuren gefunden 
worden zu sein. Dagegen dürfte die für (von West 
nach Ost) vorschleichende und schreitende Flut- 
berge günstig liegende Alaskabucht trotz ihrer hohen 
geographischen Breite dadurch einigen Einfang er- 
möglicht haben, daß die kanadischen Küstengebirge 
eine Art von hinauflenkendem Wehrsporn dieser 
Bucht abgeben; denn aus Alaska (speziell Cook inlet) 
werden Ifunde gemeldet. Ihrer geographischen 
Breitenlage nach müßten im Norden und Nordwesten 
des Gelben Meeres und des Golfes von Tonking 
eigentlich mehr Ole zu finden sein als hierüber bis- 
her verlautet. Doch sind alle diese Buchten auch viel 
zu klein, um in den Olfunden Ostasiens und Alaskas 
besonders angedeutet zu erscheinen. Auch ist deren 
Form und Hauptrichtung dem sicheren Einfange nicht 
in dem Maße günstig, wie wir dies beim Arabischen 
Meer, Mtttelmeer, Golf von Mexiko und zum Teil auch 
im Kalifornischen Golf so zweckdienlich verwirklicht 
sehen. Denn eine zweckmäßige Einfangsbucht soll 
sich nicht so sehr den Breiten oszillationswellen der 
Flutberge entgegen öffnen, als vielmehr der geogra- 
phischen Längsbewegung der oszillierend heran- 
schleichenden oder auch schreitenden und eilenden 
Flutberge. Und das trifft eben im Arabischen 
Meer und im Golf von Mexiko für die vor- 
stationären also (von Ost nach West) rück- 
schleichenden Flutberge (Stadien B, B' in Fig. 8-9) 
vortrefflich zu. Ganz ausgezeichnet stimmt dies aber 
im Mittelmeer für die nachstationären, also (von 
West nach Ost) vorschleichenden Flutberge (Stadium 
D D in Fig. 8/9). Es stimmt daher auch vollkommen, 
daß sich die ergiebigsten Ölfelder Europas nördlich 
vom äußerst östlichen Ende des Mittelmeerbeckens 
und deren Hinterbuchten vorfinden. Und hinsichtlich 
dieser Bedingung bilden die auf rück schleichende 
Flutberge zugerichteten beiden anderen hauptsäch- 
lichsten Einfangsbuchten auch ganz richtig zutreffende 
Spiegelbilder des Mittelmeer-Ölvorkommens: Die 


267 


ergiebigsten Ölfelder finden sich nördlich vom 
westlichsten Ende des Arabischen Meeres und des 
Golfes von Mexiko. Es sei gestattet, hierauf etwas 
näher einzugehen, um die Sache auch unseren geehrten 
Skeptikern gegenüber glaubwürdig zu gestalten. 

Wir wollen des leichteren Verstandnisses halber 
nach Höfer (»Das Erdöl«, Seite 580) fünf Haupt- 
gebiete des nordamerikanischen Gas- und Olvor- 
kommens unterscheiden: l. Die Appalachische 
Area (New-York, Pennsylvanien, Ostohio, West- 
virginien, Kentuky und Tennessee), als die größte und 
älteste seit 1859 ausgebeutete Ölarea; 2. die Illinois- 
Area (Nordwestohio, Indiana, Illinois und Missouri); 
3. die Mittlere Kontinental-Area (Kansas, 
Indianerterritorium, Oklahoma, Texas und Louisiana); 

. de Rocky Mountain-Area (Süddakota, 
Wyoming, Utah und Colorado) und 5. die Kali- 
fornische Area mit den verschiedenen Ol- und 
Gasfeldern Kaliforniens. — Diese fünf Ölgebiete 
Nordamerikas wolle sich der wärmer interessierte 
Leser auf einer Karte übersichtlich umgrenzen und 
hervorheben, um uns in der Folge leichter zustimmen 
zu können. Dabei dürfen die beiden erstgenannten 
Gebiete in eines zusammengefaßt werden, so daß 
wir also zu beiden Seiten des oberen und unteren 
Mississippi eine nordöstliche (1. und 2.) und eine süd- 
westliche (3.) Olarea unterscheiden. 

Nun nehmen wir einmal an, die fast stationären 
Nadir- und Zenithflutberge wären in ihren letzten 
und vorletzten Rück- oder ersten und zweiten Vor- 
umschlichen eben im Begriffe, den Meridian von 90° 
Länge zu überschleichen, was ja auch Jahrhunderte 
und Jahrzehnte lang dauern kann. Zentralamerika 
steht da natürlich jedesmal ganz unter Wasser und 
jedesmal wird täglich eine alle unsere heutigen Be- 
griffe übersteigende Riesenflutwelle im Mittel über 
die heutige Guatemalagegend in das Becken des 
heutigen Mexikogolfes und weit darüber hinaus nach 
Norden geworfen. Die trägen Wassermassen bringen 
natürlich ihre äquatoriale Rotations - Peripherie- 
geschwindigkeits-Komponente mit und werden daher, 
nach Norden ausschwingend, auch passatartig 
nach Osten ausweichen! Und nachdem dabei 
das ebenfalls nach Nordosten streichende Appalachen- 
gebirge eine Art Leit- und Riickwehr bildet, so kommt 
es, daB wir das ganze Appalachische Olgebiet 
einschließlich der Illinois-Area (2.), also das ganze 
nordöstliche Gebiet in seinen hiezu geeigneten 
Niederungen von unserer mexikanischen Einfangs- 
bucht aus mit Meeresfaunamassen uns beschichtet 
denken dürfen. Dies gilt also nur für ganz langsam 
schleichende Flutberge (gleichgültig ob vor- oder 
rückschleichende), weil nur diese so gut isoliert 
und hoch ausgebildet sind, daß sie ihre Breiten- 
oszillationswellen weit genug nach Norden und Süden 
ausschwingen — und die Wasserpassatwirkung 
in Erscheinung treten lassen können. 

Schneller rück- und vorschreitende und eilende, 
also viel niedrigere Flutberge werden ihre Oszillations- 
wellen nicht in so hohe + Breiten hinaufschwingen 
lassen, und zwar in unserem speziellen Falle die vor- 
schreitenden noch weniger als die (von Ost nach 
West) rückschreitenden, weil für sie der Mexikogolf 
nicht mehr als zusammenfangender Trichter, nicht 
mehr so zweckdienlich als Einfangsbucht wirkt. Die 
nördlichen Oszillationsfluten eines den Golf nach 
vorwärts (von West nach Ost) durchschreitenden 
Flutberges werden daher über das heutige Florida 
hinweg südlich der Appalachen-Wehre hinaus- 
schwingen und ihren Meeresfaunagehalt jedesmal 
wieder zurück in den Atlantik schwemmen. Anders 
ist dies jedoch bei den schneller (von Ost nach 
West) rückschreitenden und eilenden Flutbergen der 
vom Stadium C der Fig. 8/9 entfernteren vorstatio- 
nären Zeiten (etwa Stadium B und B/); denn für diese 
erscheint die Form und Lage des Mexikogolfes ge- 
radezu wie auf reichen Fischfang vorausberechnet; 
da müssen bei jeder Flutbergkulmination viele beute- 


268 


reichen Breitenoszillationen täglich . ganze Flotten- 
ladungen von Meerestieren in die Mississippiniederung 
werfen und ihnen zugleich auch eine wirksame, nach 
Westen gerichtete Bewegungskomponente mitgeben. 

Es stimmt also vollkommen, wenn die westlich 
der Mississippiniederung gelegene »Mittlere Kon- 
tinental-Area« bedeutend südlicher liegende 
Gebiete umfaßt, als dienordöstliche Appalachische 
und Illinois-Area. Lage die. Sache umgekehrt, wäre 
eine glacialkosmogonische Erklärung dafür nicht zu 
finden, während sıe sich uns so von selbst aufdrängt! 
Es stimmt aber auch, wenn nach neueren Produktions- 
ausweisen (1890 bis 1910 bei Höfer) sich gerade 
das westlich des Mississippi liegende, also auch 
südlichere Ölgebiet, insbesondere Oklahoma, als das 
ölreichste zu erweisen scheint. Denn in den Jahren 
1907 bis 1910 erreicht die Produktion von Oklahoma 
bereits das vier- bis sechsfache der pennsylvanischen; 
allerdings geht die letztere seit den ersten Achtziger- 
jahren bis 1910 von 30,000.000 Barrels zuriick auf 
etwa 9,000.000 Barrels pro Jahr; aber wahrscheinlich 
nicht so sehr wegen beginnender Erschöpfung des 
nordwestlichen Lagers, als vielmehr wegen der Kon- 
kurrenz der seither zahlreich neu entdeckten Olfelder 
in der Mittleren Kontinental-Area. So lieferte Oklahoma 
1900 erst nur 6470 Barrels pro Jahr, 1910 aber schon 
52,028.718 Barrels. Pennsylvanien und New-York 
lieferten dagegen 1859/2000, 1882/30,053.500 und 1910 
wieder nur 9,848.500 Barrels. Für Pennsylvanien mit 
New-York und Virginien könnten schließlich auch 
rückschleichende Flutberge in Betracht kommen, die 
ihre Faunamassen direkt von Osten aus dem Atlantik 
hereingeschwemmt haben mußten; doch auch das 
nur aushilfsweise. Hauptlieferant für den größten 
Teil des nordöstlichen Gebietes bleibt der Mexikogolf. 

Daß die Kalifornische Area nur durch vor- 
schleichende, schreitende und eilende Flutberge von 
Westen her versorgt worden sein kann, ist selbst- 
verständlich. Für die Rocky Mountain-Area können 
schließlich auch nur vorschleichende und pseudo- 
stationäre Flutberge in Frage kommen, doch unter 
Zuhilfenahme der Einfangswirkung des Kalifornischen 
Golfes und der oben beschriebenen Wasser passat- 
wirkung der trägen Flutmassen. 

Wenn wir jetzt zu dem über die Einfangswirkung 
des Arabischen Meeres und des Mittelmeeres bereits 
weiter oben Gesagten die in Nordamerika soeben an- 
gestellten Studien verwerten, diirfte es wohl kaum 
nötig sein, beim geneigten Leser über die Herkunft 
der karpathischen, kaukasisch-transkaspischen, meso- 
potamischen, persischen u. s. w. Olgebiete noch 
weitere Überredungsmühe aufzuwenden. Und wenn 
wir aber das alles wieder auf die Süd hemisphäre 
anwenden, so versagt die Geographie ganz. Abge- 
sehen davon, daß eigentlich nur Afrika und Süd- 
amerika verhältnismäßig schmale Landzungen in 
mittlere und mäßig höhere Südbreiten hinauf recken, 
fehlen dort durchwegs größere Buchten mit, den 
südlichen Oszillationsfluten entgegengehaltenen Welt- 
meermündungen. Es fehlen daher auch auf der ganzen 
Südhemisphäre so ausgiebige Ölfunde, die mit den 
nordamerikanischen, asiatischen und europäischen Öl- 
feldern irgend einen Vergleich aushalten könnten. Der 
spärliche Ölgebietsstreifen, der sich nach Höfer am 
OstfuBe der Anden von Bolivia bis ins Feuerland 
hinauf erstreckt, ist auch ohne Einfangsbuchten leicht 
zu erklären. Rückschleichende und schreitende Flut- 
berge haben den ganzen flachen Teil Südamerikas 
beschwemnit und ihre Faunamassen notwendig längs 
des langgestreckten Andenfußes abgelagert. Solche 
im Verhältnis zur Nordhemisphäre kaum der Rede 


werten Öllagerchen können natürlich auf der ganzen, 


Erde vorkommen. Konzentrierte Meeresfauna- 
massen konnten aber nur die beschriebenen vier 
Haupteinfangsbuchten der Nordhemisphäre liefern. 
Buchten, die polwärts kein Hinterland haben, wie 
etwa die Hudsonbai oder das Carabische Meer, 
können natürlich als Einfangsbuchten nicht in Be- 


tracht kommen; die erstere übrigens auch wegen ihrer 
polaren und nur polwärts offenen, das letztere wegen 
seiner tropischen Lage nicht. Im übrigen glauben wir 
aber, daß geschäftssinnige Ölschürfer, die auf neue 
Ölfelder aus sind, aus unseren bisherigen Winken ganz 
im Sinne unseres diesmaligen Mottos reichen Gewinn 
ziehen und uns zur Deckung von Drucklegungskosten 
einige »Prozente Provision gutschreiben« könnten. 
ach dieser flüchtigen geographischen und speziell- 
geologischen Bitumen-Umschau wollen wir uns jetzt 
wieder mehr der physikalisch-chemischen und allge- 
mein-geologischen Seite unseres bitumengenetischen 
Problems zuwenden. In seinen zwei neuesten Erdöl- 
büchern*) bringt Höfer bezüglich der »Allgemeinen 
Geologie« des Erdöls und seiner Verwandten zunächst 
seine eigenen 20 Thesen und schließt daran weitere 
sieben Thesen Englers bezüglich des Chemismus der- 
seiben Stoffe, unter Vorbehalt etwa später notwendig 
werdender Modifikationen natürlich. Bei Abfassung 
des betreffenden Spezialkapitels unseres glacial- 
kosmogonischen Hauptwerkes**) (1910) waren uns 
diese 27 Thesen im Original völlig unbekannt. Zwar 
lag uns die erste (1888er) Auflage von Höfers 
»Erdöl« leihweise vor, doch schien uns dieselbe durch 
Potoniés Steinkohlen- und Bitumen-Entstehung um so 
mehr überholt, als sich Potonié in seinem Buche ***) 
durchaus als endgültigen Bringer der Wahrheit gibt 
und sich dabei nicht nur auf Höfer, sondern auch auf 
Experimente stützt, die Engler mit Faulschlamm 
und Seeschlick angestellt hat, also mit dem lang- 
jährigen Bodensatze seichter, stehender Gewässer, 
darinnen ja die Leichenreste von kleinen Wassertieren 
(dem sogenannten Plankton) und Wasserpflanzen 
(Algen u. dgl) perzentuell eine große Rolle 
spielen. Daß aber die in der Natur vorkommende 
Menge solchen Seeschlicks absolut genommen 
irgendwelche Rolle bei der Entstehung der 
heutigen oben auszugsweise geschilderten Lager von 
Erdöl, Erdgas, Erdpech und Asphalt gespielt 
haben sollten, ist ganz ausgeschlossen. Es ist auch 
nicht anzunehmen, daß Potonié irgend einen ernst- 
haften Geologen ganz überzeugt hätte, obwohl Engler 
nicht umhin kann, Potonies »Sapropel oder Faul- 
schlamm« als ausschließliche bergangs- 
stufe aus den »Tierischen und pflanzlichen Rest- 
stoffen« zu den »Bitumen verschiedener Phasen« 
aufzugreifen 1). Unsere damaligen Informationen über 
den augenblicklichen Stand der »Neuesten Ansichten« 
über dıe Entstehung der Steinkohle und der Bitumen 
glaubten wir (abgesehen von einigen älteren geologi- 
schen Zusammenfassungen) nur bei Potonie holen 
zu sollen und sind daher erst so zur Überzeugung 
nen daß hier hinsichtlich der »Allgemeinen 
eologie der Bitumen« ein noch vollständig 
ungelöstes Problem vorliegt! Gegenüber den 
Potonieschen Faulschlammhypothesen stellten daher 
auch wir 1910 die folgenden acht Thesen auf, an denen 
wir auch heute nicht viel zu modifizieren haben: 
1.Große Mengen von organogenen 
Fettstoffen müssen durch einen natürlichen Vorgang, 
eventuell in einem Becken lokal aufgehäuft werden, 
wobei es nichts verschlägt, wenn diese Anhäufung 
in Schichtenform erfolgt, ähnlich den Kohlenflötzen. 

2. Bis zur endgültigen Einbettung müssen diese 
Urstoffe vor Verwesung, Fäulnis und Zersetzung an 
der Luft bewahrt bleiben, am besten also wohl 
durch Frosterstarrung jeder einzelnen Schicht. 

3. Die Einbettung muß hermetisch sein, um 
auch weiterhin einen dauernden Verwesungsschutz 
zu bilden, am besten wohl wieder durch Frosterstar- 
rung des ganzen Schichtkomplexes. 


*) Höfer: -Das Erdöl und seine Verwandten- (1912) und 
rdöl« (1909) als II. Bd. des großen Werkes. 
osmogonie, eine neue Welt- 


»Das 
*) Fauth: »Horbigers Glacial 
bildungslehre etc.e (1913). 
) Potonié: -Die Entstehung der Steinkohle und der 
Kaustobiolithe überhaupt etc.- (1910). 
„ -Die neueren Ansichten über die Entstehung- 
und -Die Bildung der Hauptbestandteile des Erdols« (1907). 


4. Dieser von Fettstoff schwangere Schichtkomplex 
wird unter hohen Druck zu bringen sein, um u. a. 
auch eine Erhöhung des Siedepunktes der 
flüchtigen Teile zu erzielen, wie etwa in einem ge- 
schlossenen Kocher. 

5. Mit zunehmendem Druck ist für eine ent- 
sprechend hohe Temperatur zu sorgen, um die 
Fettstoffe einer Hochdruckdestillation unter- 
ziehen zu können; am einfachsten benützen wir die 
sich von selbst ergebenden Belastungs-Kompres- 
sionswärme nebst der inneren Erdwärme. 

6. Die unmittelbare Umhüllung des Rohproduktes 
muß nach Auftauung des Schichtgemenges dennoch 
soweit porös sein, daß sie den Destillations- 
produkten das Entweichen in das Base beine n gestatten. 

7. In diesem Nebengestein ist für die entsprechende 
Kondensations- und Ansammlungsgelegenheit 
zu sorgen, etwa durch die erhöhte Porösität, durch 

obes Korn oder durch Klüfte von durwegs niedriger 
emperatur. 

8. Nach oben sind diese Öldurchtränkungsschichten 
durch undurchlässige und gut belastete 
Tonschichten hermetisch abzuschließen, um die 
Destillationskondensate für beliebig lange Zeiten zu 
konservieren und die sich entwickelnden Gase am 
Entweichen nach oben zu hindern. 

Diese acht geologischen Grundbedingungen mögen 
zunächst unsere völlige chemische Harmlosigkeit ver- 
raten. Aber dennoch glauben wir, daß sie den von 
Engler im Laboratorium künstlich nachgeahmten, in 
der Erde hintereinander zu schaltenden chemischen 

bergangsprozessen besser entsprechen, als was 
Potonié hiefür in geologischer Hinsicht geboten hat 
und von Engler auch vorübergehend als geologische 
Grundlage angenommen wurde. Für die chemischen 
Ausfertigungsprozesse samt den vorausgehenden Bi- 
tumierungsphasen bietet uns Engler in den »Neueren 
Ansichten« das folgende Schema »als eine übersicht- 
liche Darstellung eines auf Experimente gestützten 
möglichen genetischen Zusammenhanges des Ur- 
materials — tierische und pflanzliche Reste — mit 
den Haupttypen (Methanöle, Naphtenöle, Schmieröle) 
des Erdöls: 


Tierische und pflanzliche Reststoffe 
pe verfaulen und verwesen, verlieren dabei Eiweiß-, 
ellstoffe u.s. w., hinterlassen die Dauerstoffe: Fett-, 
Wachsreste u. s. w.) 


Sapropel oder Faulschlamm. 


Bitumen verschiedener Phasen. 


L IIa. | IIb. III. IV. 
Ana- Poly- Kata- Ecgono- Oxy- 
bitumen bitumen | bitumen bitumen bitumen 
ta GaaS ee) ree Paraffine 
un ase n Ay n Flzp + 3 

(Cn Hm + 3) | i 
| fits Olefine a ere 
Yv Paraffine 
Polyolefine 
(Cn 8 x 
| 
flüss. Paraffine Naphtene Schmieröle 
und Gase) (Cn Hen) (Cn Hen — x) 
(Cn Hen + 3) | 


fl. Paraffine Naphtene Schmieröle 
(und Gase) (H — ärmer) 


Dieses Schema betrachten wir nur unterhalb 
der Bitumen verschiedener Phasen« mit 
der begreiflichen Scheu des Nichtberufschemikers, 
während wir oberhalb dieser Zeile uns wohl erlauben 
dürfen, Modifikationen in Vorschlag zu bringen, und 
zwar um so beherzter, als uns Engler ja auch selbst 
nur einen möglichen genetischen Zusammenhang 


269 


des Urmaterials mit den von ihm experimental nach- 
geahmten Haupttypen des Erdöls bieten will und sich 
in seiner geologischen Unsicherheit auch das Recht 
späterer Modifikationen seines Schemas vorbehalten hat. 

Wir schlagen also zunächst vor, die Zwischenstufe: 
»Sapropel oder Faulschlamm« einfach ganz 
wegzulassen. Aus einem Zusammenhalten von Potoniés 
»Faulschlamm«-Hypothesen mit Englers experimen- 
tellen Arbeiten ersieht man sofort, daß hier nur eine 
Gefälligkeit, ein kollegiales Entgegenkommen des 
Erdölchemikers dem sonst so verdienstvollen Phyto- 
paläontologen gegenüber vorliegt. 

Des weiteren möchten wir vorschlagen, im Haupt- 
titel des Schemas die tierischen Reststoffe mit 
erdrückendstem Übergewicht zu betonen und die 
pflanzlichen Reststoffe nur ausnahms- und zufalls- 
weise hin und wieder in geringen Mengen zuzulassen, 
wenigstens soweit Urstoffe des Erdöls in Betracht 
kommen. Hiefür möchten wir nicht so sehr chemische, 
als vielmehr mechanische Gründe vorbringen. 
Wenn der geneigte Leser jetzt nochmals überlesen 
wollte, was wir auf Seite 190—192 des Juliheftes über 
»Horizontalsortierung und Vertikal- 
sortierung« vorgebracht haben, könnten wir uns 
hier kurz fassen: Wir können nicht zugeben, daß 
phytogene (pflanzliche) Schwimmstoffe und zoogene 
(tierische) Sinkstoffe irgendwo untermengt abge- 
lagert werden, ansonsten müßte es auch Steinkohlen- 
flötze mit eingeschlossenen Muscheln geben. Und 
ebenso selten als wir in der Steinkohle eine verkohlte 
Muschelschale finden (wohl fast niemals?), ebenso 
unwahrscheinlich sind mit den Urmaterialien des Erdöls 
irgendwo phytogene Urstoffe zusammen eingebettet 
worden. Und wenn es auch ausnahmsweise irgendwo 
ein Erdöl geben sollte, das aus phytogenen Reststoffen 
herstammt, so waren es sicher nur Pflanzenstoffe 
ohne Untermischung tierischer Reste. Wir verwenden 
die im Kataklysmus durch die oszillierend um- 
schleichenden beiden Flutberge entwurzelten und auf- 
gehobenen Urwald- u. dgl. Pflanzenreste, und dazu 

ehören auch die Tange und Fettalgen des Meeres, 
in erster Linie zur Steinkohle n flötzbildung. Und 
wenn es höchst ausnahmsweise auch vorkommt, daß 
aus angefahrenen Kohlenflötzen Erdöl träufelt, wie 
Höfer (Erdöl u. s. V., 242) berichtet, so werden wir 
abermals ausnahmsweise eher zugeben, daß dieses 
spärliche Steinkohlenöl den pflanzlichen 
Fettstoffen (eventuell Fettalgen) des verwendeten, durch- 
wegs phytogenen Steinkohlenurmaterials entstammt 
und nicht etwa miteingeschlossenen Mollusken oder 
Fischen etc. Und wenn beispielsweise Unmassen von 
Fischleichen wirklich irgendwo genau denselben 
Gesetzen der Horizontalsortierung unterworfen wurden, 
wie die vegetabilischen Schwimmstoffe, und zusammen 
in einem und demselben Oszillations-Ebbegebiet zur 
Ablagerung kamen, so sorgt wieder die bei Fig. 11 
Be Vertikalsortierung dafür, daß diese 

ischleichen nicht in die obere Schwimmstoffschichte, 
sondern in die untere Sinkstoffschichte gelangen, da 
ja in dem zermürbenden Verschwemmungsvorgang ein 

aldiges Platzen oder Entlüften der Schwimmblasen 
eintreten muß. Es werden daher auch Fischversteine- 
rungen mie im Kohlenflötz selbst, sondern höchst 
ausnahmsweise nur im feinkörnigen »Liegenden« und 
»Hangenden« vorkommen. Daß nun solche, Fischreste 
führende Schiefertone etwas bituminös sein müssen, 
ist ja selbstverstandlich. Aber es wäre im Falle öl- 
haltiger Nachbarkohle wieder irrig, mit Höfer zu 
schließen, daß solches zoogenes Ol aus dem Schieferton 
in das anliegende Kohlenflötz gelangt sein könnte; 
denn die Kohle wird im Wege der auf Seite 241/42 des 
Septemberheftes beschriebenen Druckverkohlung 
zu einer ganz undurchlässigen pechartig-homogenen 
Masse, die ein Eindringen des Ols von außen nicht 
gestattet. Allerdings ist es chemisch schwer vorstell- 
bar, daß im Kohlenflötz enthaltenes phytogenes Öl 
den VerkohlungsprozeB überdauert haben und nicht 
durch Destillation entwichen sein sollte. Abgesehen 


270 


von der dichten Pechstruktur behelfen wir uns da 
aber mit Engler und anderen älteren Steinkohlen- 
chemikern noch damit, daß in diesem Prozesse die 
im Laboratorium als notwendig erprobten hohen 
Temperaturen durch die Länge der geologischen 
Verkohlungs z e it dauer gewissermaßen ersetzt werden 
können. 

Es ist ja möglich, daß wir den einen oder anderen 
dieser unserer Detailvorschläge später zurückziehen 
oder modifizieren müssen, aber im allgemeinen möchten 
wir doch bitten, bei weiteren Bitumenexperimenten 
hinsichtlich der natürlichen Erdölentstehung im 
großen vom »Sapropel« oder Faulschlamm einmal 
versuchsweise ganz absehen zu wollen. Man wird 
sehen: Es geht sicher bequemer ohne denselben. Um 
dem Bitumenchemiker diesen Verzicht zu erleichtern, 
wollen wir uns jetzt Potonies neues Nomenklatur- 
schema näher ansehen: 

Biolithe 
(von Organismen und deren Teilen gebildete Gesteine) 


Akaustobiolithe Kaustobiolithe 
(unbrennbare Biolithe) (brennbare Biolithe) 


Liptobiolithe 


(unverwesbare 


Sapropelite Humusgesteine 
(faulschwammhalt., (überwiegend pflanzen- 


etroleumbildende | resthaltige Gesteine Pflanzenriickstande 
esteine, z. B. Ol- z. B.. Steinkohle) z. B. Bernstein, 
schiefer) Wachsharz etc.) 


Um den Manen des verdienstvollen Phytopaläonto- 
logen auch hier gerecht zu werden, schlagen wir vor, 
die drei ersten Begriffe (Biolithe, Akaustobiolithe, 
Kaustobiolithe) als prägnante Bezeichnungen organo- 
gener »Gesteine« zwar beizubehalten, jedoch deren 
durchaus quietistisch (katastrophenlos und auto- 
chthon) gedachten Inhalt inderüberwiegenden Mehrzahl 
der Fälle in einen kataklysmatischen zu ver- 
wandein. Von den drei Unterabteilungen der Kausto- 
biolithe aber sind besonders die Begriffe der »>Sapro- 
pelite« und der »Humusgesteine« ihrem Wort- 
sinne nach schon zu irreführend, um ihnen glacialkos- 
mogonischen Inhalt geben zu können, und auch 
der quietistische Sinn der >Liptobiolithe« 
(liptos=zurückgelassen) würde eine arge Einschrän- 
kung erfahren müssen, wenn wir den Begriff bei- 
behalten sollen. Möglicherweise ist es nämlich gar 
nur der Bernstein, den man einen Liptobio- 
lithen im Potoniéschen Sinne nennen darf. Es besteht 
aber für uns auch da kein Zweifel, daß auch der Bernstein 
eine teilweise kataklysmatische Vorgeschichte hat. Und 
nach unserem eingangs betonten diesmaligen Arbeits- 
programm will ja auch unsere ganze Bitumen- 
betrachtung keinen anderen Endzweck verfolgen, als 
auch den Bitumenforschern die Notwendigkeit der 
geologischen Kataklysmen in der Erdgeschichte nahe- 
zulegen, wie wir es den Steinkohlenforschern gegen- 
über ja bereits so getan haben und den Salzforschern 
gegenüber noch tun wollen. Den Begritf »Wachsharz« 
ventilieren Engler und Höfer überhaupt nicht. Das 
Erdwachs aber ist ja gleich dem Asphalt als ein 
Rückstandsprodukt einer langwierig-kühlen, natürlichen 
Erdöldestillation anzusehen, weshalb ja auch aus- 
drücklich von elner »Verharzung des Erdöls« gesprochen 
wird. Also durchaus nicht alles, was in der heutigen 
bitumenchemischen Nomenklatur unter Wachs und 
Harz gefaßt erscheint, darf als Liptobiolith 
pflanzlichen Ursprungs und quietistischer Herkunft 
gelten. Wenn es Engler auch gelungen ist, aus frischen 
und verfaulten Wasserfettpflanzen auch »Fettwachse« 
herzustellen, so schließt das noch immer nicht den 
Kataklysmus in der Erdgeschichte aus. Und im Grunde 
bekämpfen wir ja auch Potonié vornehmlich nur 
deshalb, weil er sich über die Katastrophenbedürfnisse 
der bedächtigeren alten Geologen geradezu lustig 
macht, da von »Verlegenheitshypothesen« spricht und 
diese seine Anschauungen auch Engler und Höfer zu 
suggerieren wußte. 

Und nun gar die anderen beiden »Kaustobiolithe!« Es 
gibt weder wirkliche »Faulschlammgesteine« (»Sapro- 


muß! 


Geologie vorübergehend ernst zu nehmen 


pelite«, noch ausgesprochene »Humusgesteine« (Mine- 
ralkohlen) in einem solchen Maße, daß man dafür 
cine neue geologische Nomenklatur erfinden müßte ;und 
am allerwenigsten lassen sich die Olschiefer- und 
Steinkohlenvorkommen je in diesen Wortsinn 
zwängen. Wir haben ja die vermeintlichen »Humus- 
gesteine« schon auf unserem Gange durch Bölsches 
»Steinkohlenwald« im Juli- und Septemberheft als die 
oft in über hundert Etagen tibereinandergeschichteten 
Steinkohlenflötze kennen gelernt und in ihrer Lyell- 
Potonieschen Genesis ablehnen müssen. Wir sehen 
auch vollkommen klar, woher der Grundirrtum dieser 
Sapropelitengeologie stammt. Lyell hat den Geologen 
die Katastrophen ausgeredet, demzufolge müssen die 
Bitumina ebenso autochthon entstanden sein, wie 
Bölsche das für die Steinkohle so eifrig verfechtet. 
Es kann ja in unseren und höheren Breiten zwar 
fossilen »Faulschlamm« (versteinerten Seeschlick) und 
fossilen »Humus« (in Potonieschem Sinne eigentlich 
versteinerter Torf- und Moorgrund) autochthonen Ur- 
sprungs in verschwindenden Quantitäten 
geben, indem in kataklysmatischen Zeiten wohl mit- 
unter auch ein faulschlammhaltiger, verlandeter Teich- 
grund oder ein ebensolcher torfhaltiger Moorgrund 
im vereisten Zustande eingebettet worden sein muß. 
Wir glauben aber zugleich bestimmt behaupten zu 
dürfen, daß an einer Probe solcher wirklicher 
»Faulschlamm«- und »Humus<-Gesteine Potonié selbst 
die von ihm in seinem Buche gestellten Sapropelit- 
und Kaustobiolith- Bedingungen keineswegs erfüllt 
sehen würde, während dagegen jener Ölschiefer, den 
er schon als »Sapropelit« — oder jene Steinkohle, 
die er schon soweit als »Humusgesteine« gelten 
lassen möchte, um davon als von einem Kausto- 
biolithen in seinem Sinne sprechen zu können, in 
Wahrheit kein Faulschlammgestein, bezw. kein Humus- 
gestein in seinem Sinne sein kann, sondern die 
von uns geschilderte kataklysmatische Bitumen-, 
bezw. Kohlenentstehungsgeschichte hinter sich haben 
Faulschlamm- und Humus-Gesteine gibt 
es nicht! 

Demjenigen Erdöl- und Steinkohlen-Chemiker und 
Geologen, der etwa Potoniés autochthone Biolithen- 
eneigt war, 
möchten wir in unvermeidlich teilweiser Wiederholung 
das Folgende mit allenı Nachdruck zur gewissenhaften 
Erwägung anheimgeben: Alle geologischen Forma- 
tionen sind kataklysmatisch aufgebaut; nichts von den 
heutigen Alluvialbildungen kann jemals festes Gestein 
geben; also gibt es im quietistischen Sinne ab- 
gelagerte neptunische Gesteine überhaupt nicht, 
wie es auch wirkliche Faulschlammgesteine so gut 
wie gar nicht gibt; am allerwenigsten darf Potonie 
die Cannelkohlen, Bitumenschiefer und Stinkkalke als 
Sapropelgesteine in seinem Sinne ansprechen, denn 
alle diese Bitumina sind ebenfalls kataklysmatisch 
abgelagert worden und höchstens ein Tausendstel 
oder ein Hunderttausendstel des organogenen Fett- 
stoffes derselben mag vielleicht auf Faulschlamm 
zurückzuführen sein; vielleicht aber auch nicht einmal 
das, indem es trotz aller chemischen Experimente 
doch sehr fraglich bleibt, ob organogenes Material 
einem Jahrhunderte, ja Jahrtausende langen Fäulnis- 
prozeß, erst im Wasser und dann gelegentlich der Ver- 
landung in seichter Erde, unterworfen werden darf, 
wenn es abermals Jahrhunderttausende später tief 
unter der Erde sich noch zur Petroleumdestillation 
eignen soll — gesetzt: Diese Tiefuntererdesetzung 
wäre quietistisch (ohne Kataklysmus) überhaupt denk- 
bar. Niemals kann ein solcher Faulschlamm trotz 
Potonies Fig. 22 (»Profil durch ein kleines ehemaliges 
Wasserbecken, verlandet durch vollständige Ausfüllung 
mit Sapropelit, aufgeschlossen beim Bau des Teltov- 
kanals«) ohne kataklysmatische Frosteinbettung und 
sofortige tiefe Besedimentierung etwas anderes werden 
als eben »Boden«; die heutigen Sumpflachen mit 
ihrer Wasserblüte, ihren Olalgen, ihren Kleinorganismen, 
ihrem vorhandenen Faulschlamm, haben somit nur 


agrikulturelles Zukunftsinteresse und sind von gar 
keiner zukünftig geologischen Bedeutung; es reichten 
diese Stoffe auch in viel verhunderttausendfachter 
Quantität nicht hin, um ein Petroleumvorkommen wie 
das flüchtig geschilderte südosteuropäische oder süd- 
westasiatische oder das der Nordost- oder Mittleren 
Kontinental-Area Nordamerikas zu erklären, indem 
hiefür nach unserer Schilderung ganze Weltmeere 


teilweise »ausgefischt« werden müssen; die Meeres-. 


tierreste in den bituminösen Ablagerungen oder in 
deren Nähe können wieder nur die kataklysmatische 
Sedimentierung beweisen und nicht die altgemeinte 
Bildung in Meeresküstennähe; es ist auch in keiner 
Weise verständlich, wie heutige Faulschlammablage- 
rungen (gesetzt sie verhunderttausendfachten sich) 
ohne katastrophale Vorgänge in schön und breit ge- 
schichteter, eventuell geschieferter Form in die 
Tiefe der Erde unter hohem Druck und zur De- 
stillation gelangen sollten; schon die vielfachen 
Bemühungen älterer Geologen, katastrophale 
Hypothesen zu ersinnen, um die bloß äußere Form 
der Schichtung und Faltung so manchen Gebirgsprofils 
zu erklären und um so manches andere quietistisch 
niemals Erklärbare dennoch denkbar zu gestalten, 
verpflichteten eigentlich auch Potonie zu einer mehr 
umfassenden geologischen Erd- und kosmologischen 
Weltanschauung (anschauen, buchstäblich zu ver- 
stehen), anstatt einer so einseitigen Vertiefung in die 
vorgefaßte Idee der Urwaldmoore und Sapropel- 


sd 
s kann ja auch den beiden Autoren des ge- 
nannten mitteleuropäischen »Er d ö I«-Monumental- 
werkes nicht allzu schwer fallen, sich der Beein- 
flussung durch Lyell-Potonie zu entziehen, wie aus 
der Harmlosigkeit unserer Modifikationsvorschläge 
zu Englers Bitumenschema zu entnehmen ist. 
Natürlich können sie unsere glacialkosmogonischen 
Beiträge zur geogonischen Geheimniserschließung erst 
dann ernst nehmen, wenn es ihnen zugleich gelingt, 
die traditionelle Scheu vor stattgehabten geologischen 
Katastrophen abzulegen. Dann dürfte von selbst die 
Einsicht Platz greifen, daß auch Lyell schon zu den 
astronomisch irregeführten Geologen zählt und der 
älteste und erfolgreichste Geologenverführer eigentlich 
Laplace war, der somit indirekt auch Potoniés Sapropel- 
und Humusgesteine am Gewissen haben möge. Geo- 
logen und Meteorologen hätten gewiß schon längst 
jene Katastrophenerkenntnisse erlangt, deren sie zum 
larsehen so dringend bedürfen, ohne es zugeben zu 
wollen, wenn Laplace nicht der unbewußt vorgefaßten 
„ Meinung zuliebe gewisse un- 
haltbare Sätze seiner »Mecanique celeste« erfunden 
und -analytisch bewiesen« hätte. Laplace ist also 
der Hemmschuh frühzeitigerer geologischer und 
meteorologischer Neueinsichten in den Gang der 
Weltenuhr und Wettermaschine — ihn schalte man 
aus, wenn sich so manches rascher klären soll über 
und unter uns! — Doch nun zum Schlusse nochmals 
zurück zum Bitumenthema. 

Bezüglich der fünf Bitumenphasen l, Ila, IIb, III 
und IV (und dem daraus folgenden) in Englers Bi- 
tumenschema müssen wir den etwa wärmer inter- 
essierten Leser auf die zugehörige Originalarbeit ver- 
weisen. Denn obwohl Engler beispielsweise unter 
Anabitumen das noch im Werden begriffene Bi- 
tumen versteht und dazu u. a. auch »Sapropelwachs« 
und »Seeschlickbitumen« zählt, wollen wir dagegen 
hier noch keine dringendere spezielle Vorstellung 
erheben, solange er nicht in den oberen Zeilen des 
Schemas die zu erwartenden, mehr prinzipiellen 
Modifikationen vorzunehmen für gut findet. Und da 
möchten wir noch fragen, ob denn Engler irgend 
einen anderen (sachlichen) Grund dafür hat, die 
tierischen und pflanzlichen Reststoffe erst einer Fäulnis 
und Verwesung zu unterziehen, bevor er die unver- 
wesbaren Reste zur Druckdestillation bringt, wenn 
es nicht die bloße pietätvolle Rücksichtnahme auf 
Potoniés Faulschlammhypothese sein soll? 


271 


Wir glauben aber dem diesbezüglich immerhin 
noch sehr unsicheren Erdölchemiker ja gerade damit 
den größten Mitarbeiterdienst zu erweisen, daß wir 
durch unsere kosmogonischen eiszeitvergeschwisterten 
Mondannäherungen und Auflösungen eine sofort 
hermetische und vorerst absolut fäulnissichere 
Einbettung von vornehmlich ganz frischen, also meist 
lebend frost-begrabenen Meeresorganismen denkbar 
gestalten. Ohne Kataklysmus sieht der bloß quietistisch 
grübelnde Erdölchemiker sich natürlich genötigt, aus 
der Not eine Tugend zu machen und die Fäulnis und 
Verwesung der tierischen und pflanzlichen Reststoffe 
in sein Bitumenschema aufzunehmen, weil ohne eiszeit- 
1 Kataklysmus diese Zersetzungsprozesse unter 

uft- und Wasserzutritt eben unvermeidlich sind. Aber 
ebenso notgedrungen müßte sich der Chemiker die 
einmal begonnene Verwesung wegen der praktisch 
unbegrenzten Länge der Verwesungszeit doch auch so- 
weit fortgesetzt denken, daß nicht nur von den Eiweiß- 
und Zellstoffen, sondern auch von den Fettdauer- 
stoffen schließlich nichts anderes mehr übrig bleibt, als 
zur Erdöldestillation ganz unbrauchbarer Moder, wie 
ja dies die paläontologischen Tierfunde auch beweisen. 

Durch experimentelle Destillation größerer Mengen 
von frischen Fisch- und Muschelleichen erhielt 
Engler petroleumähnliche Destillate, welche sich 
vom Rohöl nur vornehmlich dadurch unterscheiden, 
»daß sie stets große Mengen von Stickstoff in Form 
von Pyridin- und Aminbasen enthalten, während die 
natürlichen Rohöle stickstoffarm bis stickstofffrei sind. 
Des weiteren haben ihm Untersuchungen von lange 
Zeit verscharrt gewesenen Leichen, ferner von Leichen- 
wachs und Tiefseeschlamm ergeben, daß die in der 
Leiche enthaltenen Stickstoffverbindungen (Muskel- 
substanz u. s. w.) sehr rasch durch Fäulnis zersetzt 
werden, während das Fett als sehr beständig zurück- 
bleibt. Aus diesen Beobachtungstatsachen erklärt nun 
Engler das relative Fehlen von Stickstoff 
im Rohöl folgendermaßen: In den Kadavern, die 
später Erdöl lieferten, tritt zunächst eine Zersetzung 
(Fäulnis) der stickstoffhaltigen Substanzen ein. Stick- 
stoff entweicht als solcher oder als Ammoniak oder 
als noch kompliziertere Verbindung, und nur Spuren 
davon bleiben zurück. Aus den Fettkörpern allein 
bildet sich das Erdöl.“ (Höfer; Das Erdöl u. s. V., 
270/71, auszugsweise.) 

Dieses relative Fehlen des Stickstoffes im natür- 
lichen Erdöl ist vielleicht der einzige sachliche Grund, 
der Engler dazu bestimmt haben mochte, der Fäulnis 
und Verwesung der tierischen und pflanzlichen Rest- 
stoffe eine so ausgesprochene Mitwirkung in seinem 
chemischen Rohölschema einzuräumen und auch der 
. Faulschlam m hypothese eine 

olle bei der Erdölbildung zuzuerkennen. Wir sagen 
ausdrücklich »quietistisch«, weil wir dem Tiefsee- 
schlamme eben nur ohne Kat aklys mus jede Mög- 
lichkeit der Gesteinsbildung absprechen, nicht aber in 
unserem großen Mondannäherungs- und Auflösungs- 
vorgange. In unseren Steinkohlenabhandlungen (ver- 
gleiche Seite 191 u.f. des Juliheftes) haben wir ge- 
zeigt, daß im heute beobachtbaren alluvialen Klein- 
geschehen, bezw. geologischen Nichts geschehen 
aus dem, notwendig auch einen hohen Prozentsatz 
von Kleinorganismen und deren Leichen enthaltenden 
kalkigen Tiefseeschlamm in allen historischen 
Ewigkeiten kein Kalkstein entstehen könnte, sondern 
alles immer nur Schlamm bleiben müßte. Denn nur 
dann, wenn in den heftigen Meeresoszillationen (ver- 

leiche Fig. 4 bis 9 nebst Text in den April- bis 
funiheften) der stationärnahen, eisigen Zeiten dieser mit 
Plankton- und sonstigen Kleintierleichen geschwängerte 
Tiefseeschlamm aufgewühlt und im Wege der ge- 
schilderten Horizontalsortierung über die Kontinente 
versedimentiert, verschichtet und belastet wird, ent- 
stehen daraus nachher die erhärteten Kalksteinbänke. 
Diese werden notwendig dort, wo die Horizontal- 
sortierung größere Prozentsätze von Kleintierleichen 
und deren Fettresten mit dem Kalkschlamm ablagert 


272 


und täglich zur vorläufig fäulnissicheren Frost- 
erhärtung bringt und bald auch weiter hoch hinauf be- 
lastet, die bitumindse Kreide, den Bitumenkalk, Stinkkalk 
u. dgl., also ein Kalkmuttergestein für Petroleum ab- 

eben. Gelegentlich solcher Horizontalsortierung werden 

eispielsweise auch die Muschelschalen nicht nur nach 
Größenklassen, sondern zum Teil auch nach leeren 
und vollen, letztere sogar nach lebendigen und toten 
Muschelkörpern sortiert. Daher gibt es auch bitumen- 
freie und bitumenreiche fossile Muschelbänke, 
also letztere auch als ergiebiges Muttergestein des 
Erdöls. Ob aber hier die tierischen Reste vor der 
natürlichen Druckdestillation eine Fäulnis durchmachen 
oder nicht, dürfte in bezug auf den Stickstoffgehalt 
des späteren Erdöls ziemlich gleichgültig sein. Bei 
der riesigen Zeitdauer der nachher unter Luftabschluß 
und mäßiger Druckwärme einsetzenden natürlichen 
Destillation kann der Stickstoff vielfach Gelegenheit 
finden, ihm genehmere Verbindungen einzugehen und 
zu entweichen, als sich dem Erdöl chemisch einzu- 
gliedern. Schließlich ist bei dem notwendigen Vor- 
handensein von Salzwasser und Fehlen von Luft eine 
Fäulnis ebensowohl erschwert als irgend eine ähn- 
liche Zersetzung vielleicht sogar erleichtert, bei 
welcher dem Stickstoffe abermals verschiedene Ab- 
gangsmöglichkeiten geboten sein können. Die primi- 
tivsten chemischen Erfahrungen genügen schon, um 
solche Möglichkeiten einzusehen. Das will besagen: 
Das relative Fehlen des Stickstoffes im Rohöl ist kein 
Beweis dafür, daß die Urmaterialien des Erdöls 
quietistischen Fäulnisprozessen im großen 
unterworfen sein mußten, wie wir solche jetzt, in der 
alluvialen Natur, im kleinen beobachten können, 
bezw. wie sie Potonié für den Faulschlamm voraus- 
setzen mußte. Oder kürzer zusammenfassend: Dieses 
Fehlen des Stickstoffes gibt kein wirksames Argu- 
ment gegen die von uns behaupteten großen, geo- 
logischen, eiszeitgepaarten Kataklysmen der Tertiär-, 
Sekundär- und Primärzeit etc., denen allein ja schließ- 
lich unsere lange Verteidigungsrede gegenüber La- 
place und Lyell gelten will. Hierüber wollen wir 
später auch noch dem Salzgeologen und Paläontologen 
eindringlicher ins Gewissen reden. 

Höfer vertritt in seinem Buche (Erdöl u. s. V.) 
auch die Anschauung, »daB das Bitumen und speziell 
das Erdöl in primären Lagerstätten auftritt«, d. h. 
also dort gebildet wurde, wo wir es heute finden. 
Diese Anschauung müssen wir dringendst einer Neu- 
erwägung empfehlen. Wir sind wirklich auch der 
Meinung, »daß in der Destillations-Retorte — im Ent- 
stehungsherd — keine Olanhäufung stattfinden kann, 
sondern nur in der abgekühlten Vorlage, nämlich in 


den aus den unter Druckwärme gesetzten Massen- 
gräbern emporführenden Spalten und daranschließenden 
5 Gesteinsschichten«. Ganz besonders gilt dies 
ür die unterirdischen Öllager, aus welchen unsere 
Ölspringer und Ölbrunnen gespeist werden. 
Näheres hierüber würde hier zu weit führen, doch 
wird jeder kataklysmusgläubige Leser dieses Gefühl 
teilen. Nur der Destillationsrückstand, gleichsam 


‚der Koks aller natürlichen Destillation, verbleibt an 


ursprünglicher Lagerstätte — die Destillations- 
produkte, ob nun pechartige, flüssige oder gar 
gasige, verlassen notwendig die Retorte, getrieben 
teils durch den Gesteinsschwerdruck, teils durch 
den so zu nennenden Destillations dam p f druck, auch 
durch hydrostatischen Druck und Kapillarwirkung, bei 
Gasen auch durch den Auftrieb im porösen wasser- 
durchtränkten Gestein. Ganz bestimmt an sekundärer 
und oft auch tertiärer Lagerstätte befinden sich die in 
den Antiklinaldomen und Sätteln angesammelten Öle 
und Gase. Der hiefür in der Ölgeologie bereits ein- 
eführte Begriff der regionalen und lateralen Migration 
(Wanderung aufwärts und seitwärts) wird also viel 
weiter zu fassen sein, als Höfer es vorläufig noch 
zuzugeben geneigt ist. Der Kataklysmus schließt die 
primären Ol- und Gaslagerstätten förmlich aus. 
Auch die Versuche Höfers, sich aus dem heute 
beobachtbaren geologischen Kleingeschehen heraus 
kleine Kataströphchen zu konstruieren, die zur An- 
häufung der Bitumenurmaterialien führen könnten, 
werden sich als unnötig erweisen, wenn der unserseits 
so bequem durchsichtig gemachte Große Kataklys- 
mus einmal auch wirklich durchschaut sein wird. 
Nun zum Schlusse noch eine kleine Hausaufgabe 
für den geneigten Leser zur Anregung. Es ist eine bei 
Höfer vielfach betonte Tatsache, daß sich Steinkohlen- 
lager und Öllager gegenseitig fast ganz ausschließen, 
während dagegen Salzlager und Sole meist mit Erdgas 
und Erdöl vergeschwistert vorkommen. Wie ist das 
zu erklären? Man sollte doch gerade das Gegenteil 
vermuten! Wo ist das Salz bei der Steinkohlenflötz- 
bildung geblieben, nachdem dort Meerwasser und 
Druckwärme eine so große Rolle gespielt haben? 
Und entspräche es nicht besser unserem Gefühle, 
wenn Erdöl und Erdgas gerade in der Nähe der 
Steinkohle oder im Flötze selbst am allerhäufigsten 
sich vorfände? Doch um in dieser Sache sofort klar 
zu sehen, bedürfen wir auch einer kataklysmati- 
schen Steinsalzgenese, die aber aus Platz- 
gründen unserer nächsten Enthüllung vorbehalten 
bleiben muß. Steinsalz, Steinöl und Steinkohle! Ohne 
Kataklysmus drei ewig unlösbare Detailprobleme der 
allgemeinen Geologie 


Chronik. 


Neue Weltrekords im Passagierflug. Der 
Flieger Franz Reiterer, ein gebürtiger Österreicher, 
der seit Jahren als Chefpilot in einer deutschen Flug- 
zeugfabrik tätig ist, stellte vor kurzem zwei neue 
Höhenweltrekords im Passagierflug auf. 
Er stieg zuerst mit vierPa 5 auf 5000 m 
und schlug damit den von dem Franzosen Garaix zu 
Chartres im Februar 1914 geschaffenen Weltrekord 
von 3300 m. Bei einem zweiten Aufstieg mit drei 
Passagieren überbot er den im Juni vorigen 


Jahres bei dem Asperner Flugmeeting von dem 
deutschen Piloten v. L681 aufgestellten Weltrekord 
von 4770 m mit einer Leistung von 5500 m. 

Reiterer war, wie erinnerlich sein diirfte, auch 
einer der Bewerber um den »Schicht-Preis«, hatte 
aber schon bald nach dem Start bei Stockerau 
das Pech, eine Notlandung vornehmen zu miissen, 
bei der sein Apparat, ein Etrich-Eindecker, derart 
beschädigt wurde, daß er aus dem Wettbewerb aus- 
scheiden mußte. 


VATENTE 


Muster- und Markenschutz in allen Ländern 


Wien, I. Maximilianstrasse Nr. 5. 


erwirkt 


Ing. J. FISCHER, Patentanwalt 


Seit 1877 im Patentfache tätig. 


Herausgegeben vom: »K. k. Österreichischen Fiugtechnischen Verein«. — Verantw. Red.: Prof. Ing. A. Budau. 
Druck von Otto Maaß’ Söhne, Wien I. 


Manuskripte werden nicht zurückgestellt. Der Nachdruck 


ÖSTERREICHISCHE 


FLUG-ZEITSCHRIFT 


Herausgegeben von dem unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Majestät des 
N Kaisers und Königs stehenden k. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein. 


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„„ 


Angenommene Beiträge werden honoriert. Die Verfasser 


/ von Artikeln und Abbildungen ist nur mit Quellenangabe 
und Zustimmung der Redaktion gestattet. 


sind für Form und Inhalt der von ihnen eingesandten j 
Artikel und Abbildungen verantwortlich. 
„ E E MN, > 
ERSCHEINT ZWEIMAL IM MONAT. 


Nr. 21/22 November 1915 IX. Jahrgang 


Inhalt: Österreichische Physiker, von Prof. Dr. Gustav Jäger. — Eine Erinnerung an den ersten Balkankrieg. — Über Benzol, 
von Dr. P. Martell. — Weltrekorde der Höhe, von Wilhelm Krebs. — Die Wasserstoffgewinnung im Kriege. (Schluß.) — Beitrag 
zur Theorie des Insektenfluges, von Hanns Pittner. — Sturmkalender für November und Dezember 1915, von Wilhelm Krebs 
(Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte, Schnelsen). — Neues vom deutschen Kriegsflugwesen. — Bücherbesprechungen. — Chronik. 


Chefredakteur: Ing. A. Budau, o. ö. Professor der k. k. Technischen Hochschule in Wien 


Unter Mitwirkung von: 


PAUL BELLAK F. HINTERSTOISSER RICHARD KNOLLER HANNS PITTNER Dipl. Ing. C SCHMID 
ndenberg 


Prokurist, AE k. u. k. Oberstit., Wien Jng., Professor a. d. k. k. Schriftsteller, Wien 
EN wien A. HÖRBIGER n. Hochschule, Wien ROBERT POLLAK „LUDWIG SCHMIDL 
L x Ingenieur, Mauer b. Wien W. KREBS RITTER v. RUDIN Neustadt 
Dr. Ing. WALTER FREIRA. Leiter der Wetter warte Ingenieur, Wien LEOPOLD SCHMIDT 
v. DOBLAOFF RAOUL HOFFMANN Schnelsen, Holstein 
Konstrukteur an der k. k. Ingenieur, Wien J. POPPER-LYNKEUS Ing., Prof., Wr.-Neustadt 
Techn. Hochschule, Wien GUSTAV E. MACHOLZ Ingenieur, Wien KARL TINDL 
EDUARD DOLEZAL ANTON JAROLIMEK Johannisthal Ing., Konstrukteur a.d.k.k. 
k. k. Hofrat, o. ö. Prof., an k. k. Oberinspektor, König- HUGO L. NIKEL STEPHAN POPPER Techn. Hochschule, Wien 
der k. k. Technischen Hoch- grätz k. k. techn. Ob.-Offiz., Wien Ingenieur, Wien WILRELM TRABERT 
SO ETRICR Dr. F. JUNG HANS F. v. ORELLI FRANZ REBERNIGG „Professor, Direktor der 
A Professor a. d. k. k. Tech- Schriftsteller, Wi Ing., Kommissär des k. k. 
Oroßindustrieller, Ober- nischen Hochschule, Wien 5 Patentamtes, Wien logie u. Oeodynamik, Wien 
altstadt : STEPHAN PETROCZY f Dr. C. WIESELS- 
Dr. A. HILDEBRANDT D. W. KAISER v. PETROCZ RUDOLF SCHIMEK BERGER 
Luftschifferhauptmann a. D., Kapitänleutnant a. D., k. u. k. Luftschifferhaupt- k. u. k. Major d. R., Direktor Assistent an der Universitit 
Berlin Charlottenburg mann, Wien der Autoplan werke, Wien in Oöttingen 


Österreichische Physiker. 


Antrittsrede des für das Studienjahr 1915/16 gewählten Rektor magnificus der k. k. Technischen Hochschule 
in Wien, Prof. Dr. Gustav jäger.“ 


Hochverehrte Versammlung! Alles, was wir gegen- 
wärtig denken und tun, geschieht im Zeichen der täg- 
lichen großen Ereignisse. Die patriotische Begeisterung 
hat eine nie geahnte Höhe erreicht. Es wäre außer- 
ordentlich verlockend, von dieser Stelle die bereits 
vorhandene Grundstimmung zu einem vollen por 
akkord zu entfalten. Jedes Höchstgefühl bedart aber 
der Erholungspausen, um immer neu in alter Stärke 
entstehen zu können. Machen wir eine solche Pause. 
Ziehen wir uns für eine kleine Weile zurück vor dem 
Sturmgebraus der gewaltigen Zeit und wandeln wir 
auch heute den stillen Weg der Pflicht. 

Gestatten Sie mir deshalb, hochverehrte An- 
wesende, altem Brauche gemäß mit Ihnen einen 
kleinen Ausflug in mein besonderes Fachgebiet zu 
machen. 

Ich führe Sie an einen See. Ein leichter Wind 
weht gegen das Ufer. Die ganze Wasserfläche ist 
dadurch in Bewegung geraten, und gleichförmig 
schlägt Welle um Welle gegen das Gestade. Wir 
können beobachten, daß mit gleichförmiger Ge- 


*) Gehalten am 6. November 1915. 


schwindigkeit die Wellen sich uns nähern, daß in 
einer bestimmten Zeit, etwa in einer Minute, immer 
dieselbe Wellenzahl anlangt. 

age fahren wir in einem Boote gegen die 
Wellen in den See hinaus. Da zeigt es sich, daB die 
Wellen häufiger an das Boot anschlagen als an das 
Ufer. Wir kehren um und finden, daß jetzt weniger 
Wellen das Boot treffen als früher. Alles dies läßt 
sich leicht zahlenmäßig ausdrücken, indem es in sehr 
einfacher mathematischer Beziehung zur relativen Ge- 
schwindigkeit zwischen Boot und Wellen steht. 

Sie wissen, daß jeder Ton durch Luftwellen ver- 
ursacht wird, die in regelmäßigen Zeitintervallen unser 
Ohr treffen. Durch die Zahl der in der Sekunde an- 
langenden Schallwellen ist die Tonhöhe bestimmt. 
Eilen wir den Schallwellen entgegen, so muß die 
Wellenzahl geradeso wie in dem früheren Beispiel 
die Zahl der Wasserwellen steigen. Entfernen wir uns 
von der Tonquelle, so muß die uns treffende Wellen- 
zahl sinken. Durch die Wellenzahl oder, wie man 
gewöhnlich sagt, durch die Schwingungszahl ist aber 
die Tonhöhe bestimmt. Je 1 die Schwingungs- 
zahl, desto höher der Ton. Wir werden also zu dem 


214 


Schlusse genötigt, daß der Ton einer sich uns 
nähernden Tonquelle höher, einer sich von uns ent- 
fernenden tiefer sein muß als jener Ton, den sie bei 
relativer Ruhe zu uns besitzt. Das Experiment hat 
diesen Schluß als richtig erwiesen. Jeder von uns ist 
in der Lage, dahingehende Beobachtungen zu machen. 
Begegnen wir einem rasch fahrenden Automobil, so 
merken wir ganz deutlich, daß die Huppe bei der 
Annäherung höher ertönt als bei der Entfernung. 

Auch die Natur des Lichtes haben wir als eine 
Wellenbewegung erkannt. Die verschiedenen einfachen 
Farben haben verschiedene Schwingungszahlen und 
verschiedene Brechungsexponenten. Durch die Schwin- 
gungszahlen ist die Lage der sogenannten Spektral- 
linien fixiert. Dies gilt jedoch nur für ruhende Licht- 
quellen. Nähert oder entfernt sich die Lichtquelle von 
uns, so müssen die a nene en der einzelnen 
Farben andere werden, die Spektrallinien mtissen sich 
verschieben. 

Dies läßt sich an den Spektren der Fixsterne 
tatsächlich beobachten, woraus folgt, daß die soge- 
nannten Fixsterne in Bewegung sind; ja wir können 
aus der Verschiebung der Spektrallinien berechnen, 
mit welcher Geschwindigkeit sich uns ein Fixstern 
nähert oder von uns entfernt. 

Daß die Fixsterne ihren Ort am Himmel ver- 
ändern, weiß man schon lange. Man war auch in der 
Lage, die Sehwinkelgeschwindigkeit für viele Sterne 
zu bestimmen. Durch Mittelwertsbildung der Seh- 
winkelgeschwindigkeit und der absoluten Geschwindig- 
keit in der Sehlinie sind wir aber in der Lage, einen 
Schluß auf die Entfernung der Fixsterne, ja auf die 
Größe des ganzen sichtbaren Weltalls zu machen. 
Aus eigenen Rechnungen fand ich z. B., daß die Ent- 
fernung der gerade noch wahrnehmbaren Fixsterne etwa 
.500,000.000 mal so groß ist als die Entfernung der 
Erde von der Sonne. 

Es würde zu weit führen, hier ausführlich mitzu- 
teilen, was die Astrophysik alles der Beobachtun 
der Verschiebung der Spektrallinien verdankt. Es sei 
nur erwähnt, daß wir imstande sind, die Rotations- 

eschwindigkeit der Sonne und der Planeten, die 

onstitution der Saturnringe, die Umlaufzeit, die 
gegenseitige Entfernung und die Masse der Doppel- 
sterne zu berechnen. 

Entsprechend der Größe der Lichtgeschwindigkeit 
von 300.000 km muß natürlich auch die Geschwindig- 
keit der Lichtquelle in der Sehlinie entsprechend groß 
sein, wenn eine deutliche Verschiebung der Spektral- 
linien wahrgenommen werden soll. Nichtsdestoweniger 
sind wir in der Lage, auch an irdischen Lichtquellen 
derartige Beobachtungen zu machen. Es eignen sich 
dazu besonders die leuchtenden Gase in Geißlerischen 
Röhren. So kann man z. B. an Wasserstoffzonen eine 
Verschiebung der Spektrallinien gut beobachten und 
daraus rückschließend ihre Geschwindigkeit berechnen. 

Aus dem wenigen Angeführten läßt sich wohl 
schon erkennen, von welch weittragender Bedeutung 
für die gesamte Physik dieser Schluß war, den wir 
eingangs auf die Erscheinungen bewegter Schall- und 
Lichtquellen machten. Es muß wohl ein ganz besonders 
hervorragender Denker gewesen sein, der zum ersten- 
mal diesen Schluß zog. Seine Wiege stand in Salz- 
burg, sein Name ist Christian Doppler. 

Er wurde im Jahre 1803 als der Sohn eines Stein- 
metzmeisters geboren. Er besuchte durch 3 Jahre unser 
Polytechnisches Institut. Er war Professor der Mathe- 
matik an verschiedenen Schulen, wurde schließlich 
1849 Professor der praktischen Geometrie an unserem 
Institut und 1850 Professor der Experimentalphysik 
an der Wiener Universität und Direktor des neu- 
gegründeten Physikalischen Instituts. Nur kurze Zeit 
war ihm an dieser Stelle gegönnt. Ein Brustleiden 
nötigte ihn, nach dem Süden zu gehen. Er starb in 
Venedig im Frühjahr 1853. 

Wir haben seine hervorragendste gedankliche 
Leistung kennen gelernt. Man faßt sie gewöhnlich 
unter dem Namen des Dopplerschen Prinzips 


zusammen. Dieses Prinzip lebt befruchtend fort in 
den, jüngsten physikalischen Forschungen und hat 
seinem Entdecker Unsterblichkeit gesichert. 

Nun möchte ich mit Ihnen, hochverehrte An- 
wesende, abermals rein physikalisches Gebiet betreten 
und einen Blick auf die Theorie der Materie werfen. 
Wiederum waren es bereits altgriechische Denker, 
welche sich die Materie aus den sogenannten Atomen 
aufgebaut dachten. Wir sind heute noch derselben 
Ansicht, und es ist uns gelungen, besonders die Er- 
scheinungen der Materie im gasförmigen Zustande 
auf Grund der Atomhypothese am einfachsten zu 
beschreiben. 

Wir stellen uns vor, daß die Molekeln der Gase 
verhältnismäßig weit voneinander entfernt und in 
lebhafter Bewegung begriffen sind. Dadurch müssen 
sie sowohl aufeinander als auch auf die Wände, die 
sie umschließen, beständig Stöße ausüben, woraus 
sich der Druck des Gases erklärt. Öffnen wir ein mit 
einem Gas gefülltes Gefäß, so muß das Gas infolge 
der Bewegung der Molekeln allmählich in die Luft 
entweichen, während unsere Luft in das Gefäß ein- 
dringt. Die Raschheit, mit welcher sich zwei Gase 
durchdringen, hängt zum Teil von der Größe der 
Gasteilchen ab, so daß wir aus Messungen des soge- 
nannten Diffusionskoeffizienten der Gase die Größe 
der Molekeln berechnen können. Die Zahlen, zu 
welchen wir so gelangen, sind außerordentlich klein, 
so daß es nicht leicht wird, sich davon eine Vor- 
stellung zu machen. Auch könnte man leicht Zweifel 
hegen an der Richtigkeit des Gedankenganges, 
obwohl er völlig klar zutage liegt. Was aber die 
Richtigkeit der Berechnung hauptsächlich verbürgt, 
sind die übereinstimmenden Resultate, welche ver- 
schiedene andere Methoden — es gelang mir selbst 
deren sechs zu finden — ergaben. 

So erhält man z. B. für den Durchmesser einer 
Wassermolekel die Hälfte von einem Milliontel Milli- 
meter. Könnten wir demnach die Molekeln Perlen- 
schnurartig aneinanderreihen, so würden zwei Millionen 
erst die Länge von einem Millimeter geben. Denken 
wir uns ein Metallkörnchen von der Größe eines 
Stecknadelkopfes zu einem Draht von der Dicke einer 
Molekel ausgezogen, so würde er so lange, daß wir 
ihn hundertmal um die Erde schlingen könnten. 

Wenn wir von verschiedenen Substanzen so viel 
Gramm nehmen, als ihr Molekulargewicht angibt, so 
erhalten wir Mengen, welche gleich viel Molekeln 
enthalten. Eine solche Menge pflegt man kurz ein 
Mol zu nennen. Die Zahl der Molekeln in einem 
Mol möglichst genau zu bestimmen, ist Gegenstand 
modernster Forschung. Sie ist wegen der Kleinheit der 
Molekeln natüriich über alle Vorstellung groß, nämlich 
ein Sechser mit 23 Nullen, also Sechshunderttausend ° 
Trillionen. Man nennt sie die Loschmidtsche 
Zahl; denn der erste, der in diese geheimnisvollen 
Tiefen der Forschung vordrang, der die Größe der 
Molekeln berechnete, war der Österreicher Josef 
Loschmidt. 

Loschmidt hatte ähnlich wie Doppler einen sehr 
wechselvollen Lebenslauf. Zu Putschirn bei Karlsbad 
in Böhmen im Jahre 1821 als Sohn armer Bauern 
geboren, gelang es ihm durch Vermittlung des Pfarrers 


‘und Lehrers seines Heimatsortes das Gymnasium, 


durch eigenen mühseligen Erwerb, sowie durch die 
Wohltaten einiger Gönner die Universität zu Prag, 
dann jene zu Wien, sowie unser Polytechnisches 
Institut zu besuchen. Er widmete sich dem Studium 
der Philosophie, Mathematik, Physik und Chemie. 
Nach Beendigung der Hochschulstudien war er in 
verschiedenen Fabriken tätig, ohne aber dabei 
materielle Vorteile zu erzielen. Im Alter von 35 Jahren 
nahm er eine Lehrstelle an einer Wiener Unterreal- 
schule an und widinete sich nebenbei ganz seinen 
wissenschaftlichen Forschungen. Diese erregten die 
Aufmerksamkeit der Fachleute, und es war haupt- 
sächlich Stefan, der damalige Leiter des physikali- 
schen Instituts, der ihn in jeder Weise förderte 


Loschmidt wurde schließlich Professor an der Wiener 
Universität. Er starb im Jahre 1895. 

Sein Hauptwerk, die Berechnung der Größe der 
Molekeln und der nach ihm benannten Zahl, ist aus 
den Anschauungen der sogenannten kinetischen Gas- 
theorie hervorgegangen. Diese wurde von Stefan 
ganz besonders gepflegt und wir verdanken diesem 
hervorragenden Physiker eine Reihe der schönsten 
Erfolge auf diesem Gebiet. Was ihn besonders mit 
Loschmidt in Freundschaft verband, war wohl sein 
ähnliches äußeres Schicksal. 

Auch Josef Stefan war der Sohn armer Leute, 
die weder lesen noch schreiben konnten. Er wurde 
1835 in St. Peter bei Klagenfurt geboren. Er besuchte 
in Klagenfurt die Volksschule und das Gymnasium 
und bezog sodann die Wiener Universität, wo er 
sich hauptsächlich dem Studium der Mathematik und 
Physik widmete. Er trat frühzeitig mit selbständigen 
wissenschaftlichen Arbeiten hervor, wurde 1863 ordent- 
licher Professor der höheren Mathematik und Physik 
an der Wiener Universität und wenige Jahre, später 
Direktor des Physikalischen Instituts. In diesem 
Wirkungskreis verblieb er bis zu seinem Lebensende. 
Er starb an den Folgen eines Schlaganfalles im 
Jahre 1893. 

Stefans Forschungen erstrecken sich über alle 
Gebiete der Physik. Jede seiner zahlreichen Arbeiten 
bedeutet eine dauernde Bereicherung der Wissen- 
schaft. Besonders befruchtend für die ganze Lehre 
von der Wärmestrahlung war die Entdeckung des 
nach ihm benannten Strahlungsgesetzes. Darunter 
versteht man die Beziehung, welche zwischen der von 
einem Körper ausgestrahlten Wärmemenge und seiner 
Temperatur besteht. 

aß die ursprüngliche Annahme, die ausgestrahlte 
Wärmemenge sei der Temperatur proportional, un- 
richtig ist, hatte man schon lange gewußt. Es ist 
jedoch erst Stefan gelungen, durch die Berechnung 
vieler Versuche nachzuweisen, daß die von einem 
Körper ausgestrahlte Wärme proportional der vierten 
Potenz seiner absoluten Temperatur ist. Messen wir 
demnach die von einem heißen Körper ausgestrahlte 
Wärme, so können wir seine Temperatur berechnen, 
auch wenn der Körper wie z.B. die Sonne nicht direkt 
zugänglich ist. Aus der von der Sonne uns zuge- 
strahlten Wärme findet man nach dem Stefanschen 
Strahlungsgesetz für ihre Temperatur etwa 6000° C., 
eine Temperatur, welche man mit irdischen Wärme- 
quellen noch nicht erzielt hat. . 

Die Erwärmung eines Körpers durch Strahlung 
ist eine sogenannte Energieumwandlung. Es geht 
strahlende Energie in Wärmeenergie über. Jede Um- 
wandlung der Wärme in eine andere Energieform, 
z. B. in Arbeit oder umgekehrt, erfolgt nach zwei 
großen Naturgesetzen, dem Satze von der Erhal- 
tung der Energie und dem sogenannten En- 
tropiesatze. 

Während der Energiesatz jedermann vertraut ist 
und in volkstümlichen Formulierungen, wie »Aus 
nichts wird nichts«e oder »Nichts auf der Welt geht 
verloren«, seinen trivialsten Ausdruck fand, ist der 
Entropiesatz eine Rarität, die sich im geistigen 
Besitz nur weniger vorfindet. Tatsächlich bedarf es 
der Beherrschung entsprechender Teile der höheren 
Mathematik, um diesen Satz seinem vollen Inhalt und 
Umfang nach begreifen zu können. Nichtsdestoweniger 
möchte ich darauf hinweisen, daß die Entropie eine 
Größe ist, welche durch die Wärme- und Temperatur- 
verhältnisse eines Systems von Körpern bestimmt 
wird. So oft eine Energieänderung von selbst vor 
sich geht, ist diese immer mit einer Vermehrung der 
Entropie verbunden. 

Der Entropiesatz lehrt uns also, in welcher 
Richtung Energieverwandlungen in der Natur ohne 
unser Zutun stattfinden. So erkennen wir bei jedem 
sich bewegenden Mechanismus, daß immer ein ge- 
wisser Arbeitsaufwand zur Überwindung der Reibungs- 
und anderer Widerstände notwendig ist, daß diese 


275 


verschwundene Arbeit aber ohneweiters als Wärme 
auftritt. Das Umgekehrte beobachten wir nicht. Es 
reiben sich nicht zwei Körper von selbst auf Kosten 
ihres Wärmeinhalts. Stecken wir ein Stück Eisen in 
eine Kupfervitriollösung, so überzieht es sich mit 
Kupfer; gleichzeitig entsteht in der Lösung Eisenvitriol. 
Umgekehrt findet das nicht statt, d. h. stecken wir 
in eine Eisenvitriollösung ein Stück Kupfer, so wird 
kein chemischer Prozeß eingeleitet. Bringen wir einen 
warmen und einen kalten Körper zusammen, so geht 
nie Wärme vom kälteren Körper zum wärmeren über, 
sondern immer vom wärmeren zum kälteren. Stellen 
wir für diese und analoge Fälle die Entropieformel 
auf, so zeigt sich immer, daß bei jeder derartigen 
Energieumwandlung die Entropie zunimmt. Wir 
können allgemein sagen: Alle Naturvorgänge sind mit 
einem Wachstum der Entropie verbunden. 


Betrachten wir noch ein Beispiel. Die Luft in 
einem Raume sei in Strömung begriffen und habe an 
verschiedenen Stellen verschiedene Temperatur. Wir 
überlassen sie sich selbst; sie kommt zur Ruhe; die 
Temperaturen gleichen sich aus. 
Zustand der Luft der vollkommenen Ruhe und 
Temperaturgleichheit in allen ihren Punkten zu. Es 
ist das also der wahrscheinlichste Zustand, in dem 
sich ohne äußere Einflüsse die Luft befinden wird. 
Für dieses Beispiel ist die kinetische Gastheorie im- 
stande, die mathematische Formulierung zu geben. 


Wenn wir uns einen Raum vorstellen, der mit 
einem Gas etwa mit Luft erfüllt ist, so müssen, falls 
die Bewegung der Gasmolekeln ganz dem Zufall 
überlassen wird, die Richtungen, nach welchen sie 
sich bewegen, alle gleich wahrscheinlich sein. Es 
werden also in dem Gas gleichzeitig ebensoviel Mo- 
lekeln nach der einen als nach der entgegengesetzten 
Richtung fliegen. Durch eine solche Verteilung der 
Bewegungen wird sich der Schwerpunkt des Gases 
nicht ändern, das Gas bleibt in Ruhe., 

Weniger wahrscheinlich wird ein Zustand sein, 
bei welchem sich die Molekeln eines Teiles des Gases 
vorzüglich in einer Richtung bewegen, die eines 
anderen Teiles wieder in einer anderen. Diese Teile 
werden dann in ihrer Gänze nach jener Richtung 
wandern, in welcher sich die meisten Molekeln be- 
wegen. Wir haben ein Gas in Bewegung. Wir müssen 
also diesen Zustand als einen unwahrscheinlicheren 
halten, der in der Tat im Laufe der Zeit in den 
wahrscheinlicheren, den Ruhezustand übergeht. 


Während durch die Verteilung der Bewegungs- 
richtungen der Gasmolekeln die Ruhe oder Bewegung 
des Gases bestimmt ist, ist durch die Bewegungs- 
energie der Molekeln die Temperatur gegeben. £ 
größer die Energie, desto höher die Temperatur. Es 
läßt sich nun nicht einsehen, warum durch die fort- 
währenden Zusammenstöße der Gasmolekeln der Fall 
eintreten sollte, daß in einem Teil des Gases die 
Molekeln beständig eine höhere Bewegungsenergie 
haben sollten als in einem anderen. Sondern alle 
Zustände sind in allen Teilen des Gases gleich wahr- 
scheinlich. Das heißt der wahrscheinlichste Zustand 
wird jener sein, bei welchem die Temperatur in allen 
Punkten dieselbe ist, während ein Zustand, bei welchem 
die verschiedenen Teile des Gases auf verschiedenen 
Temperaturen sind, ein unwahrscheinlicherer ist. 

Es ist Ihnen bekannt, daß die Wahrscheinlichkeit 
eines Ereignisses mathematisch durch einen echten 
Bruch dargestellt wird. In unserem Beispiel wächst 
demnach im Laufe der Zeit die Wahrscheinlichkeit 
des Zustandes, sie strebt dem Werte Eins zu. Ähn- 
liches tut die Entropie der Luft. Auch sie strebt im 
Lauf der Zeit einem Maximum zu. Wie für die Wahr- 
scheinlichkeit eines Zustandes ist es der kinetischen 
Gastheorie auch gelungen, mathematische Formeln 
für die Entropie eines Gases abzuleiten, und es ergab 
sich das überraschende Resultat, daß die Entropie 
proportional dem Logarithmus der Wahrscheinlichkeit 
ist. Der Entropiesatz sagt also aus, daß das ganze 


Immer strebt der . 


276 


Geschehen in der unorganischen Welt zu immer wahr- 
scheinlicheren Zuständen führt. 

Die Auffindung der Beziehung zwischen Entropie 
und Wahrscheinlichkeit eines Zustandes stellt eine 
eistige Leistung dar, wie sie nur ganz ausnahmsweise 
in der Geschichte der Naturwissenschaften zu finden 
ist. Sie lieferte N ein mathematisches Rüst- 
zeug, ohne welches viele neuere Forschungen, in 
erster Linie wieder jene über Wärmestrahlung, ganz 
undenkbar sind. Dieses Gebiet wurde erschlossen 
durch Anwendung der beiden Hauptsätze der mecha- 
nischen Wärmetheorie; und zwar war das erste 
wesentliche Resultat die direkte Ableitung des Stefan- 
schen Strahlungsgesetzes, so daß dies nicht nur em- 
pirisch gefunden, sondern auch theoretisch begründet 
wurde. Diese außerordentlichen Leistungen, von denen 
wir eben gesprochen haben, stammen von einem 
der bedeutendsten Physiker, welche die Menschheit 
hervorgebracht hat, von dem größten österreichischen 
Physiker Ludwig Boltzmann. 

Aus allen Richtungen des Reiches kamen unsere 
großen Physiker: Doppler von Westen, Loschmidt von 

orden, Stefan von Süden. Boltzmann kam in der 
Hauptstadt selbst zur Welt. In der Nacht vom Fasching- 
dienstag auf den Aschermittwoch des Jahres 1844 
wurde er geboren in dem Hause auf der Landstraße, 
wo gegenwärtig bereits seit mehr als einem Jahre 
täglich die männliche Bevölkerung auf ihre Kriegs- 
tauglichkeit geprüft wird. Oben kam ein Heros zur 
Welt, unten fand ein Maskenball statt. Boltzmann 
selbst äußerte einmal im Scherz, daß die Zufälligkeit 
der Zeit und des Ortes seiner Geburt auf sein ganzes 
Leben vonEinfluß war; denn, wie dem heitern Fasching- 
dienstag unmittelbar der ernste Aschermittwoch folgt, 
so schlage auch sein Gemüt häufig von der höchsten 
Freude in die tiefste Traurigkeit um. 

Nachdem er die Vorschulen in normaler Weise 
zurückgelegt hatte, studierte Boltzmann an der Wiener 
Universität Mathematik und Physik vorwiegend bei 
Stefan, dessen Assistent er auch wurde. Schon im 
Alter von 25 Jahren folgte er einem Rufe an die 
Grazer Universität als Professor der theoretischen 
Physik. Nach kurzer Zeit kam er als Professor der 
Mathematik an die Wiener Universität zurück. Von 
1876 bis 1889 wirkte er sodann als Professor der 
Experimentalphysik an der Grazer Universität. Nach 
Kirchhoffs Tod im Jahre 1887 erhielt Boltzmann einen 
Ruf nach Berlin, dem er jedoch trotz günstiger An- 
erbietungen nicht Folge leistete. Hingegen widerstand 
er nicht einem Ruf nach München, wo er an der 


Universität bis 1894 Vorlesungen über theoretische 
Physik hielt. In diesem Jahre kam er als Nachfolger 
Stefans nach Wien zurück. Er weilte auch hier nicht 
dauernd. Nach sechsjährigem Wirken übersiedelte er 
für zwei Jahre nach Leipzig, um sodann abermals 
seine Wiener Professur, die während dieser Zeit nicht 
besetzt war, zu übernehmen. Im Sommer 1906 ging 
er von uns. 

Das Dopplersche Prinzip, die Loschmidtsche Zahl, 
das Stefansche Strahlungsgesetz und die Boltzmannsche 
Formulierung des Entropieprinzips sind einzig da- 
stehende Errungenschaften, auf denen ein großer Teil 
der Resultate der modernen Physik basiert. Wenn die 
Wissenschaft selbst auch an keine Grenzen der Länder 
und Völker gebunden ist, so muß es uns doch mit 
Bes em Stolz erfüllen, wenn wir uns einer besonderen 

flege derselben im eigenen Vaterlande rühmen 
können. Leider haben wir Österreicher einen großen 
Fehler. Wir sind zu bescheiden. Boltzmann selbst hat 
dies in einem Nachruf auf Loschmidt einmal folgender- 
maßen zum Ausdruck gebracht: -Wir Österreicher 
sind ddch sonderbare Leute. Wenn einer von uns 
etwas recht Großes leistet, so genieren wir uns förm- 
lich, getrauen uns gar nicht recht, es Öffentlich zu 
sagen«. »Andere Menschen sind da ganz anders. Sie 
glauben sich selbst zu ehren, wenn sie ihre großen 
Männer verherrlichen, und es muß als rührend be- 
zeichnet werden, wenn sie im Eifer über das Ziel 
hinausschießen und vor Begeisterung daraus fast 
Halbgötter machen, während die Geschichte dann 
freilich lehrt, daß es Menschen waren«. Die Physiker 
Doppler, Loschmidt, Stefan und Boltzmann waren 
wohl auch nur Menschen, aber ich kann mir kein Lob 
denken, welches auch nur annähernd der Ehrung ent- 
spräche, die sie verdienen. 

Diese Ehrung und Anerkennung der eigenen be- 
deutenden Männer und ihrer Leistungen immer wieder 
zum Ausdruck zu bringen, ist unser aller Pflicht. Wie 
könnten wir erwarten, von anderen gerühmt zu werden, 
wenn wir uns selbst verkleinern? Und hat es sich 
nicht auf allen Gebieten gezeigt, wohin uns unsere 
eigene Bescheidenheit geführt hat? Hat man uns Öster- 
reicher anderswo verstanden, geschweige anerkannt? 
Hat man auswärts sich nicht die abenteuerlichsten 
Vorstellungen von unserem Staate, von unseren Völkern 

emacht? Freilich, die letzte Zeit hat die Welt eines 
esseren belehrt. Auf ein Feld geführt, wo alles 
Können sich sofort in Taten und Erfolg umsetzt, da 
wurde dem Gegner eine etwas andere Meinung von 
unserer Tüchtigkeit beigebracht. 


Eine Erinnerung an den ersten Balkankrieg. 


Deutsche Flieger an der Front. — Im Feuer an der Tschataldscha-Linie. 


Eine Stunde von Konstantinopel entfernt liegt am 
Marmara-Meer das Städtchen San Stefano, derselbe 
Ort, an dem im Jahre 1878 der denkwürdige Friede 
geschlossen wurde. Täglich bis in die späte Nacht 
hinein hallt jetzt der Artilleriekampf von der stark 
befestigten Catalza-Linie herüber, und die täglichen 
Übungen des kaiserlich ottomanischen X. Armeckorps, 
das in San Stefano in Reserve liegt, zeigen uns, daß 
wir in Kriegszeiten leben. Hier hat auch der kom- 
mandierende General, Generalleutnant Hurschid Pascha, 
mit seinem Generalstab, dessen Chef Oberstleutnant 
Enver Bey ist, sein Quartier und leitet umsichtig die 
taktische Verwendung der nahe gelegenen Flieger- 
abteilung des kaiserlich ottomanischen Heeres. 

Sechs Kilometer nördlich von San Stefano erblicken 
wir eine weite Ebene, die wegen der günstigen Start- 
und Landungsgelegenheiten für einen Flugplatz geradezu 


geschaffen erscheint. Dies hat wohl auch die kaiserlich 
ottomanische Regierung veranlaßt, ihren Militärflug- 
platz hieher zu verlegen. San Stefano ist landschaft- 
lich der schönste Flugplatz der Welt. Wir sehen weit 
auf das Marmara-Meer hinaus, an dessen jenseitigen 
Ufern sich die Vorgebirge Kleinasiens wie silberne 
Silhouetten abheben, im Vordergrund das idyllisch 
gelegene San Stefano und bei klarer Luft weit entfernt 
die Metropole Konstantinopel. 

Erheben wir uns nur wenige hundert Meter mit 
dem Flugapparat in die Lüfte, so kann man vor dem 
überwältigenden Eindruck der Landschaft fast das 
Steuern vergessen, um sich ungehindert dem wunder- 
vollen Genuß der Naturschönheit hinzugeben. Eine 
gänzlich unerwartet heftig einsetzende Bö bringt uns 
aber bald wieder in die Wirklichkeit zurück und nun 
bin ich dabei angelangt, was ich als den Tropfen 


20288 908 


7 Ur SIF 
909g 


Wache vor dem Quartier Enver Paschas in San Stefano. 


Wermut bezeichnen möchte, den das Schicksal nie | Husni Pascha steht. Wie bereits erwähnt, untersteht 
vergißt, in einen guten Trunk zu tun. Die geographi- | sie jetzt im Kriege dem X. Armeekorps und erhält die 
sche Lage des Flugplatzes zwischen dem Schwarzen | Befehle unmittelbar durch den Chef des Generalstabes 
und dem Marmara-Meer, die sehr nahe gelegenen | Oberstleutnant Enver Bey. Major Mehmed Ali Bey, 
Erhebungen und Hügelketten von Catalza und Strandza | ein erfahrener und vielgereister Offizier, der fließend 
und nicht zum wenigsten die schon morgens um acht | deutsch und französisch spricht, kommandiert die 
Uhr brennende liebe Sonne bewirkten, daß selbst an | Abteilung, die sich aus folgenden Flieger- und Be- 
den ruhigsten Tagen bereits wenige Meter über dem | obachtungsoffizieren zusammensetzt. Fliegeroffiziere: 
Erdboden ein mit Böen merkwürdigster Art durch- | Die Hauptleute Salim Bey und Kr. Effendi, Rittmeister 
setzter Wind sein Possenspiel mit uns Fliegern treibt, | Fessa Bey. Oberleutnants: Norri*) und Fethi*). Leutnants: 
das den Erfahrenen allerdings bald wenig stört, dem | Fasil Asis und Salim, ferner als Leiter der Flug- 
Schüler und Anfänger aber viel zu schaffen macht. | schule Herr Rentzel und als Zivilflieger Herr Scherff. 
Der Wind wechselt außerordentlich schnell und ist | Mechaniker: Zwei deutsche und zwei französische, 
sehr heftig, was ich besonders gut bei einem Gleit- | außerdem 34 Soldaten und türkische Monteure. Be- 
flug aus 1500 m Höhe spüren konnte. obachtungsoffizier: Generalstabshauptmann Kemal Bey. 
Die kaiserlich ottomanische Fliegerabteilung ist | An Flugapparaten sind vorhanden: Zwei Mars-Pfeil- 
der Verkehrsabteilung des Kriegsministeriums unter- | - 
stellt, an deren Spitze Seine Exzellenz Generalleutnant 


) + bei dem ersten Flug Konstantinopel— Jerusalem. 


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Stambul, im Vordergrund das Kriegsministerium. 


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Rittmeister Tessa Bey. Major Djémal. Hauptmann Kr. Effendi. 


Doppeldecker, vier Rep-, zwei Bristol- und zwei 
Deperdussin-Eindecker. 

Die türkischen Fliegeroffiziere fliegen mit Eifer 
und beherrschen ihre Maschinen gut, jeder kennt seinen 
Apparat genau und verwaltet ihn selbst. Die Flug- 
maschinen sind in drei geräumigen Schuppen unter- 
N die zugleich als Werkstätten dienen. Die 

annschaften schlafen in Zelten und kochen sich selbst 
ihr Essen, während die Offiziere ein kleines Bretter- 
häuschen bewohnen, das Schlaf-, Wohn- und Speise- 
raum zugleich ist. Die Abteilung hat zwei Automobile 
zur Verfügung, die den Verkehr mit Konstantinopel 
und San Stefano vermitteln, außerdem besteht eine 
telephonische Verbindung mit dem Kriegsministerium, 
dem Bahnhof San Stefano, dem General- Kommando 
des X. Armeekorps und dem Großen Hauptquartier. 


18:0 


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91019 
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(Seine Exzellenz Izzev Pascha, Generalissimus.) — Das 
große Interesse für die Verwendung von Flugapparaten 
im jetzigen 1 wurde hauptsächlich durch Oberst- 
leutnant Enver Bey geweckt. Er selbst unternahm mit 
mir einen Erkundigungsflug von 1 Stunde 35 Minuten 
nach den feindlichen Stellungen am Derkos-See. Leider 
war ich gezwungen, sehr früh umzukehren, da die 
Dunkelheit hereinbrach. Die Landung erfolgte aus 
1200 m Höhe im Gleitflug bei völliger Finsternis, so 
daß große Feuer auf dem Flugplatz angezündet wurden, 
um das Niedergehen ohne Gefahr zu ermöglichen. Der 
erstere größere Flug mit einem »Mars-Pfeil-Doppel- 
decker« erfolgte mit Generalstabshauptmann Kemal 
Bey als Beobachter und mir als Führer am 7. März 
von San Stefano aus über Konstantinopel (Stambul— 
Galata~ Péra), dem Bosporus und zurück in einer 


Stambul mit Marmara-Meer. 


ITS 
a ws 


Der bedeutendste Flug, der als Kriegs- und Welt- 


rekord einzig in seiner 
Art dasteht, wurde durch 
den Herrn Scherff von 
den deutschen Flugzeug- 
werken mit Generalstabs- 
hauptmann Kemal Bey am 
22. Marz ausgefiihrt. Der 
Flug, der um6 Uhr 20 Mi- 
nuten vormittags begann, 

ing zunächst am Ufer des 

armara-Meeres entlang 
über Kumburgas-Silivri— 
Degirmänköjnach Tschorlu, 
wo der Mars- Pfeil- 
Doppeldecker um 8 Uhr in 
2000 m Höhe eintraf. Von 
hier aus wendeten sich die 
Flieger nach TscherkeB- 
köj—Kabalscha—Bagalan 
und erreichten am Derkos- 
See das Schwarze Meer. 
Sie folgten nun dem Ufer 
und flogen über Büdera— 
Gögda-Daontpascha nach 
dem Flugplatz San Stefano 
zurück, wo die Landung 
um 10 Uhr 22 Minuten vor- 
mittags sehr glatt erfolgte. 
Hauptmann Kemal Bey 
hatte nicht nur die Haupt- 
kräfte der Bulgaren fest- 
gestellt, sondern auch 
alle rückwärtigen Staf- 
feln und Befestigungs- 
gruppen eingesehen, um 
sie seinem Hauptquartier 
unverzüglich zu melden. 
Der Flug dauerte vier 
Stunden zwei Minuten, 
eine Leistung, die Führer 


und Beobachter alle Ehre macht. Auch die tüchtigen 
Fliegeroffiziere Fessa und Fethi machten Erkundungs- 
flüge über den Feind, sie können diese aber nicht sehr 
weit ausdehnen, da der Aktionsradius ihrer Apparate 


Der jetzt torpedierte »Bouvet« vor Konstantinopel. 


durchschnittlichen Höhe von 1200 m. Diesem Flug 
verdanke ich den schönsten Tag meines Lebens. 
(Beschreibung folgt im nächsten Heft.) 


aufhörlich bedacht, am Feinde zu bleiben, um die 
Nahaufklärung zu ermöglichen. Er ist deshalb auch 


mit seinem »Deperdussin« unmittelbar hinter die vordere 


| 


Ibrahim, der Flugplatzwächter. 


sehr beschränkt ist. Vor allem Leutnant Fethi ist un- | lich frohes »Glück ab« zu. 


Wetter. Wir müssen uns 
hier alle unbedingt auf 
unseren Motor verlassen 
können, denn die Lan- 
dungsmöglichkeiten sind 
sehr selten, eine Not- 
landung, noch dazu im 
Gebiet der Komitadji, 
bedeutet wohl stets »Er- 
ledigung« von Insassen 
und Apparat. 

Über feindliche Ge- 
lände fliegen wir niemals 
unter 1200 m Höhe. Unser 
»Mars« erhielt neulich die 
Feuertaufe, indem er in 
800 m Höhe bei Kadiköj 
von mehreren Geschos- 
sen getroffen wurde. 
Die niedrige Höhe kam 
durch starken Rücken- 
wind, der plötzlich ein- 
setzte und den Apparat 
sofort mehrere hundert 
Meter herunterdrückte. 

Wie sehr ist seit jenem 
denkwiirdigen Krieg die 
Flugmaschlne vervoll- 
kommnet und was haben 
unsere tüchtigen Flieger 
unter der bewährten 
Leitung des deutschen 
Hauptmannes Serno in 
der Türkei geleistet! Aber 
nicht nur deutsche Flug- 
zeugführer waren in 
Gallipoli und am Suez- 
Kanal tätig, sondern auch 
türkische Flieger lernten 
gewissenhaft und mit 


Linie gegangen und fliegt bei jedem Wind und 


Eifer deutsche Flugzeuge meistern. Maschinengewehre 
bedienen nur erfolgreiche Bombenwerfer. 

Wir in der Heimat rufen ihnen, den Helden des 
Balkans und Wächtern der Dardanellen, ein zuversicht- 


Kr. Effendi. 


280 


Über Benzol. 


Die ungewöhnliche Aufwärtsentwicklung in der 
Anwendung der motorischen Kraft in den letzten Jahr- 
zehnten hat die moderne Technik gezwungen, nach 
immer neuen Betriebsstoffen Umschau zu halten, wobei 
oftmals die hohe Preislage eines bestimmten Brenn- 
stoffes das Aufsuchen eines billigeren Ersatzbrennstoffes 
zwingend bedingte. Einen solchen Fall zeigt uns die 
wirtschaftliche Entwicklung des Benzinverbrauches, da 
das ausgedehnte Anwendungsgebiet des Benzins eine 
Preissteigerung desselben herbeiführte, die die Schaf- 
fung eines Ersatzbrennstoffes, insbesondere mit Rück- 
sicht auf die Automobilindustrie, fast unerläßlich machte. 

Die Möglichkeit eines solchen Ersatzbrennstoffes 
bot hier Benzol, das übrigens in der Chemie schon 
lange bekannt ist, als Brennstoff für motorische Zwecke 
jedoch erst seit mehr als etwa einem Jahrzehnt in Be- 
tracht kommt. Das Benzol C6 H6 gehört der aroma- 
tischen Reihe der Kohlenwasserstoffe an; seine prak- 
tische Bedeutung trat erst durch die Erfindung der 
künstlichen Anilinfarbstoffe, vornehmlich mit der Schaf- 
fung des künstlichen Indigos in die Erscheinung. Noch 
jetzt nimmt das Benzol in der chemischen Großindustrie 

ei der Herstellung der künstlichen Anilinfarbstoffe 
eine Hauptstellung ein. Benzol ist eine wasserhelle, 
leicht bewegliche, stark lichtbrechende Flüssigkeit von 
eisentümlich ätherischem Geruch. Das spezifische Ge- 
wicht bei 20 Grad beträgt 0°88. Das Benzol erstarrt 
bei etwa 00 kristallinisch, schmilzt bei +88 und siedet 
bei 80°59. Die Benzole des Handels weisen oft einen 
nicht angenehmen teerartigen Geruch auf, der auf einen 
Gehalt von Thiophen zurückzuführen ist. Man kann 
Benzol von dem Thiophen dadurch befreien, daß man 
das Benzol mit konzentrierter Schwefelsäure schüttelt. 
Geschichtlich betrachtet wurde das Benzol im Jahre 1825 
von Faraday unter den Bestandteilen der trockenen 
Destillation der fetten Ole entdeckt; 1834 fand Mitscher- 
lich bei der Destillation der Benzolsäure mit Kalk eben- 
falls Benzol. Wichtig war die 1845 von Hofmann ge- 
machte Entdeckung, daß auch in den leichten Teerölen 
Benzol enthalten war. 

Vier Jahre später zeigte Mansfield eine Methode, 
welche die vorteilhafte Gewinnung des Benzols aus 
Steinkohlenteer gestattete. Benzol ist im Steinkohlenteer 
bis zu 2 Prozent enthalten. In der Gegenwart wird das 
für motorische Zwecke benötigte Benzol fast ausschließ- 
lich aus dem Koksofengas gewonnen, und zwar durch 
Waschung mit Teerölen, die sogenannte L.eichtöle sind, 
welche in der Regel zwischen 200% bis 300° destillieren. 
Die chemische Zusammensetzung der Handelsbenzole 
ist gewissen Schwankungen ausgesetzt. Nachfolgend 
geben wir eine mittlere Werte zeigende Zusammen- 
stellung von 90er Benzol: 


Schwefelkohlenstoff 0'6860/, Hylole 22'180 
Wasser 0:0600% Benzol 80:922 
Paraffine 0:1000 Toluol 14:850 
Brom u. Thiophen 02020,9 


Verunreinigungen sind also in diesem Handelsbenzol 
in größerer Zahl enthalten. 

In früheren Jahrzehnten erfolgte die Gewinnun 
des Benzols ausschließlich aus Steinkohlenteer, der sic 
als Nebenprodukt bei der Leuchtgasfabrikation ergab. 
Da jedoch Benzol im Leuchtgas derjenige Stoff ist, 
welcher dem Gas die Leuchtkraft verleiht, so ist es klar, 
daß man das Benzol dem Leuchtgas nur in geringem 
Umfange entziehen konnte, wollte man nicht das 
Leuchtgas als solches seines Charakters entkleiden. Die 
auf dieser Fabrikationsbasis gewonnene Benzolmenge 
war daher sehr unbedeutend. Erst als man dazu über- 
ring, die bei der Verkoksung der Steinkohle in der 

estillationskokerei gewonnenen Nebenprodukte im aus- 
al Maße wirtschaftlich zu verwerten, erhielt die 
enzolgewinnung für die technischen Industrien prak- 
tische Bedeutung, da sich bislang allein die chemische 
Industrie des Benzols bediente. Bei dem Koksofengas 
fiel die Forderung nach hoher Leuchtkraft fort, da man 


hier das Ziel hauptsächlich auf die Erreichung hoher 
Heizkraft richtete. Der ProduktionsprozeB in der 
Destillationskokerei erstrebte daher vornehmlich die 
tunlichst vollständige Gewinnung von Teer, Benzol 
und Ammoniak als Nebenprodukte. 

Das hat zur Folge gehabt, daß der Mittelpunkt 
der deutschen Benzolgewinnung in den Kokereien und 
Hüttenwerken des rheinisch-westfälischen, oberschlesi- 
schen und Saargebietes heute zu suchen ist. Die ständig 
wachsende Nachfrage nach Benzol hat bereits vielen 
Kokereien Veranlassung gegeben, an eine entsprechende 
Vergrößerung der Fabrikationsanlagen heranzutreten. 
Die Verbrennung des Benzols vollzieht sich nach fol- 
gender Formel, als mittlere Zusammensetzung an- 
Suen C6H und zwar: C6H6+4+ 150 —6cO02+4+3 

20. Setzt man die folgenden Verbindungsgewichte 
ein, und zwar für C- 12; O- 16; H — 1, so ergibt 
sich 784240 — CX 44+3 18. Hienach verbrennen 
78 Teile Benzol mit 240 Teilen Sauerstoff zu 264 g 
Kohlensäure und 54 g Wasser. Da jedoch in 1 kg Luft 
nur 0'235 kg Sauerstoff enthalten sind, so müssen wir 
zur Ermittlung des notwendigen Gewichtes der Luft den 


Sauerstoffbedarf mit 9235 multiplizieren. Zur Berech- 
nung des Luftbedarfes in Liter ist der Luftbedarf in 


Kilogramm mit 773 oder der Sauerstoffbedarf mit u 
zu multiplizieren, da 773 Liter ein Gewicht von 1 ke 
besitzen. Theoretisch würde sich hienach der Luftver- 
brauch zur vollständigen Verbrennung von 1 kg Benzol 
auf 10°12 m3 berechnen. In der Praxis arbeitet man jedoch 
mit einem Luftüberschuß von 20—50 Prozent, da es sich 
gezeigt hat, dal3 ein solcher Luftüberschuß erforderlich ist, 
wenn man eine vollständige Verbrennung des Gasge- 
misches erzielen will. Berechnet man auf der gleichen 
Grundlage die für Benzin notwendige Luftmenge, so er- 
geben sich 11:7 m3. Einen bemerkenswerten Vorzug besitzt 
das Benzol gegenüber dem Benzin insofern, als das 
spezifische Gewicht des Benzols fast konstant ist, 
während dasselbe beim Benzin sehr schwankend ist. 
Vorteilhaft für das Benzol ist auch das Fehlen eines 
hohen Wasserstoffgehaltes, der beim Benzin zu den so 
unerwünschten Kompressionszündungen führt. 


Von großer Bedeutung für den wirtschaftlichen 
Wert eines Brennstoffes ist natürlich sein Wärmeinhalt. 
Benzol enthält nun auf I kg ca. 10.000 W.-E., während 
auf 1 kg Benzin ca. 11.000 W.-E. kommen. Praktisch 
bedeutet das, daß in wärmetechnischer Hinsicht 11°6 kg 
Benzol etwa 10 kg Benzin entsprechen. Würden beide 
Brennstoffe gleiche Preise haben, so würde unter diesen 
Verhältnissen an einen Wettbewerb des Benzols mit Benzin 
natürlich nicht zu denken sein, da aber Benzol nicht un- 
wesentlich billiger ist, so tritt große Wirtschaftlichkeit 
klar zutage. Ein zweiter vorteilhafter Punkt des Benzols 
ist folgender: Das heute allgemein verbreitete Leicht- 
benzin besitzt ein spezifisches Gewicht von durchschnitt- 
lich 0°72, während das für Benzol auf 0°88 lautet. Das 
Verhältnis der spezifischen Gewichte ist hienach wie 
1:125. Das bedeutet, daß man in einem Behälter, 
welcher 70 kg Benzin faßt, 86:5 kg Benzol mitführen 
kann oder 95.000 W.-E. Diese Tatsache ist für die 
Praxis von erheblicher Bedeutung, besonders für das 
Automobil. Denn, da der Brennstoffbehälter eine wesent- 
lich größere Menge Benzol gegenüber Benzin auf- 
nehmen kann, so wächst beispielsweise der Aktions- 
radins bei einem Automobil nicht unbedeutend. Nach 
Jaenichen ist in einzelnen Fällen eine Steigerung des 
Aktionsradius um 10 Prozent beobachtet worden. Für 
die technische und wirtschaftliche Beurteilung des 
Benzols ist der Standpunkt der deutschen Heeresver- 
waltung nicht ohne Interesse. 

Die Militärverwaltung macht nämlich bei den Sub- 
ventionslastwagen zur Bedingung, daß sich diese mit 
Benzol betreiben lassen. Ein Hauptgrund dieser Be- 
dingung ist allerdings der, daß Benzol deutsches Fabrikat 


ist, während Benzin nur aus Rohprodukten gewonnen 
wird, die dem Auslande entstammen. Der militärische 
Standpunkt verlangt mit Recht vollständige Unabhängig- 
keit vom Auslande, die beim Benzin nicht gegeben ist. 
Eine steigende Verwendung des Benzols liegt daher 
auch im nationalen Interesse, käme daher ausschließlich 
der einheimischen Industrie zugute. 

Wie bei Benzin, ist auch bei Benzol eine gewisse 
Explosionsgefahr gegeben, da der Entflammungspunkt 
zwischen 120 bis 130 liegt. Bei dieser Temperatur kann 
es bereits zur Entwicklung brennbarer Dämpfe kommen, 
die in Verbindung mit der atmosphärischen Luft ein 
explosibles Gemisch bilden. Mittel, die Explosionsgefahr 
herabzumindern, gibt es nicht. Selbstverständlich Sali 
fiehlt sich die Aufbewahrung von Benzol unter Beo 
achtung jeglicher geeigneter Sicherheitsmaßregeln. Hier- 
hin gehören feuersichere Gefäße, bei welchen das Hin- 
einschlagen einer Flamme unmöglich ist. Auch das 
Fernhalten offenen Feuers oder Lichtes muß als eine 
selbstverständliche Forderung gelten. Uber die Lagerung 
von Benzol, was auch von ähnlichen feuergefährlichen 
Stoffen gilt, bestehen in Deutschland landesgesetzliche 
und ortspolizeiliche Bestimmungen, deren wesentlicher 
Inhalt folgender ist: Räume, die dem dauernden Ver- 
kehr von Personen dienen, dürfen zur Lagerung von 
nicht mehr als 15 kg Benzol in feuersicheren Gefäßen 
benützt werden. Für Verkaufsräume von Kleinhändlern 
ist eine Menge bis zu 30 kg zugelassen, unter der Vor- 
aussetzung, daß die Verkaufsräume nicht mit den Wohn- 
räumen in Verbindung stehen. Befreiung von dieser 
Bestimmung findet statt, wenn die Wohnräume rauch- 
und feuersicher abgeschlossen werden können. Wird 
Benzol in einer Menge von 30 bis 300 kg gelagert, so 
ist der Ortspolizei hievon Anzeige zu machen. Wird 
die Lagermenge von 300 kg Benzol überschritten, so 
ist vorher von der zuständigen Ortspolizeibehörde die Er- 
laubnis einzuholen. Im übrigen bestehen noch besondere 
Bestimmungen über die sachgemäße Anlage von Heiz- 
und Lichtanlagen in den Benzollagerräumen. 

Als einen großen Nachteil des Benzols hat man 
es bezeichnet, daß es schon bei geringen Kältetem- 
peraturen die Frostsicherheit einbüße. In der Tat beginnt 
das 90er Handelsbenzol bei — 50 bereits feste Kristalle 
abzuscheiden, so daß sich hiebei für den Motorbetrieb 
im Winter Schwierigkeiten ergeben. Es ist jedoch bereits 
gelungen, ein sogenanntes Winterbenzol herzustellen, 
welches gegenüber den bei uns üblichen Temperaturen 
als durchaus frostsicher gelten kann. 

Man hat ferner geglaubt, auf eine besondere Giftig- 
keit der Dämpfe des Benzols hinweisen zu müssen. Es 
ist richtig, daß Benzoldämpfe Schwindel, Ohrensausen, 
Brech- und Hustenreiz verursachen; in Fabriken, wo 
Zeugstoffe durch Benzol entfettet werden, hat man bei 
den Arbeitern durch Einatmen der Benzoldampfe Trunken- 
heit beobachtet. Geeignete Schutzmaßregeln heben diese 
Gefahren nahezu auf. Im Automobilbetrieb haben diese 
Benzoldämpfe gar keine praktische Bedeutung, da sie 
aus dem Auspuff das Benzol nur in Spuren ausstoßen 


281 


und so tatsächlich unwirksam sind. Für Motorzwecke, 
insbesondere für Automobile kommt hauptsächlich das 
sogenannte gereinigte 90er Handelsbenzol in Frage. 
Diese Bezeichnung rührt daher, daß 90 Prozent, bei 
der Destillation bis 1000 übergehen. Die Ursache, daß 
bei früheren Versuchen Benzol für schnellaufende 
Motoren schwer verwendbar war, lag darin, daß man 
der chemischen Eigenart des Benzols anfangs nicht 
genügend Rechnung ru, Nur darũber war man sich 
einig, daß der geringe Wasserstoffgehalt des Benzols 
eine erhebliche höhere Kompression, bis 8 Atmosphären 
und mehr zuließ, was beim Benzin nicht der Fall ist. 
Auch das 5 Gewicht des Benzols wurde zu 
wenig berücksichtigt. Man ging dazu über, bei den 
stationären Motoren die Kompression zu erhöhen, er- 
zielte aber unerwarteterweise keine befriedigenden 
Ergebnisse hiebei. Es stellte sich nämlich der starke 
Kohlenstoffgehalt des Benzols hindernd in den Weg, 
der zwar eine bessere thermische Ausnützung der 
Maschine erlaubte, aber anderseits zu einer zu starken, 
unzulässigen Verrußung führte. Man erkannte bald, daß 
die motorische Verwendbarkeit des Benzols von der 
Schaffung eines geeigneten Vergasers abhing und daß 
mit der Konstruktion eines solchen das Problem als gelöst 
zu betrachten war. Für die Technik ist die Vergaserfrage 
in bezug auf Benzol längst erledigt. Die anfänglichen 
Vergasungsschwierigkeiten mit Benzol waren ver- 
schiedener Art. Das oft zu gasarme Gemisch führte zu 
Fehlzündungen, die dann eine starke Verrußung der 
Zündorgane im Gefolge hatten. Einen nicht geringen 
Anteil an der Verrußung hatte anderseits ein zu gas- 
reiches Gemisch. Es ergab sich so in unerwünschter 
Weise ein zu starkes Rauchen des Auspuffs und ein 
vollständiges Verschmutzen der Zylinder, Kolben, ins- 
besondere der Ventile, sowie der Zündkerzen. Grund- 
bedingung war eine sachgemäße n also 
eine richtige Bemessung der Luft und gründliche Durch- 
un des Gemisches. Man erkannte bald, daß dem 
spezifischen Gewicht des Benzols dahin Rechnung zu 
tragen war, daß man den Schwimmer stärker belastete, 
auch machte sich eine Erweiterung der Düsen erforder- 
lich. Weiter war der Beheizung des Vergasers Auf- 
merksamkeit zu schenken. Auch hier schlug man ver- 
schiedene Wege mit Erfolg ein. Wenngleich der Luft- 
bedarf des Benzols geringer als der des Benzins ist, so 
waren doch für die Beschaffung eines größeren Luft- 
überschusses entsprechende Maßnahmen notwendig. 
Diese Aufgabe fiel den automatischen, in ihrem Durch- 
gang verstellbaren Zusatzluftventilen zu. So ist die Ver- 
ee für Benzol in einer vollkommen rl Sa 
eise gelöst worden und damit ist der deutschen Benzol- 
industrie ein unschätzbarer Dienst geleistet worden. 
Leider hat die große Nachfrage nach Benzol bereits ein 
Anziehen der Preise zur Folge gehabt, und fast hat es 
den Anschein, als ob es beim Benzol zu derselben 
unerwünschten Preisentwicklung kommt wie beim 
Benzin, was der Ausbreitung des Benzols natürlich nur 
hinderlich sein kann. Dr. P. Martell. 


Weltrekorde der Höhe. 


In der zweiten Septemberwoche 1915 waren 
deutsche Zeitungen voll von einem neuen Weltrekord 
der Flughöhe, der sich aber leider als angeblich 
herausstellte. Ein schweizerischer Flieger, Audemars, 
hatte am 8. September 1915 bei Paris einen Flug von 
Issy-les-Moulineaux nach Villacoublay. ausgeführt 
und dabei, wie aus dem »Excelsior« zu entnehmen, 
6600 m Höhe erreicht. Das braucht nicht bestritten 
zu werden. Entschieden muß aber dagegen Stellung 
genommen werden, daß, wie weiter behauptet ist, 
diese Flughöhe ein neuer Weltrekord ist, und daß 
den damit gebrochenen vorherigen Rekord der fran- 
zösische Flieger Legagneux geschaffen hätte. Dieser 
Wettbewerb ist vielmehr eine gänzlich französische 
oder vielmehr französisch-schweizerische Angelegen- 


heit. Denn Legagneux erreichte am 27. Dezember 
1913 zwar die damals höchste Flughöhe von 6120 m. 
Diese Flughöhe ist aber seitdem schon mehrmals er- 
heblich überstiegen worden. Am 10. Februar 1914 er- 
reichte der argentinische Flieger Newbury 6275 m, 
am 31. März 1914 der deutsche Flieger G. Linne- 
kogel 6300 m, am 9. Juli 1914 derselbe Deutsche 
6570 m, während inzwischen am 23. Juni 1914 der 
österreichisch-ungarische Flieger Oberleutnant Bier 
auf der Flugwoche zu Aspern sogar mit einem Passa- 
gier noch höher als Legagneux gestiegen war, bis 
6170 m. Am 14. Juli 1914 führte dann über Linden- 
thal bei Leipzig der deutsche Flieger Heinrich Ölerich 
einen Doppeldecker der Deutschen 5 
bis über 8000 m, wahrscheinlich bis 8100 m empor. 


282 


In Nr. 14 vom 25. Juli 1914 brachte die »Osterreichische 
Flug-Zeitschrift« auf Seite 283 einen kurzen Bericht 
dariiber. Er ist von mir sogleich, gegeniiber dem von 
Audemars erhobenen Anspruch, in der deutschen 
Tagespresse als Quelle zitiert worden. Der Weltrekord 
der Höhe von rid at Wh ake war demnach nicht allein 
schon vier- bis fünfmal gebrochen. Von deutscher Seite 
war vielmehr auch, schon fast 14 Monate vor dem Hoch- 
fluge Audemars’, ein neuer Weltrekord aufgestellt, 
unter dem dieser Pariser Hochflug noch um nicht 
weniger als anderthalb Kilometer zuriickblieb. 

ann die Pariser Meldung fast als ein Boykot- 
tierungsversuch der Flugtechnik »Made in Germany< 
aufgefaBt werden, so ist es schwer, die richtige Be- 
zeichnung für die willige Heeresfolge deutscher 
Zeitungen auf diesem Wege zu finden. Im folgenden 
bringe ich den Wortlaut einer solchen Meldung aus 
einer Hamburger Zeitung vom 11. September 1915: 


»Neuer Höhenrekord von einem Schweizer Flieger 
aufgestellt. 

Der Schweizer Flieger Audemars stieg am Mitt- 
woch von Issy-les-Moulineaux auf, um den Höhenrekord 
zu schlagen. Er landete eine Stunde später in Villa 
Coublay. Es wurde von den offiziellen Kommissären 
des Aeroklubs von Frankreich festgestellt, daß der 
Höhenmesser 6600 m verzeichnete. Audemars schlug 
demnach den von Legagneux mit 6210 m innegehabten 
Höhenweltrekord«. 

Erklärlich erscheint ein solches Versehen nur aus 
den trostlosen Gepflogenheiten des Korrespondenz- 
geschäftes für Zeitungen, außerordentlich vielen Stoff 
tür äußerst geringen Preis zu liefern. Die für ein 
solches Geschäft arbeitenden Schriftsteller sind unter 
diesen Umständen genötigt zu einer Massenerzeugung, 
die vor allem aus der gesetzlich weniger geschützten 
ausländischen Literatur schöpft. So tritt gelegentlich 
eine so unglaublich verkehrte Reklame für ausländische 
Interessen zutage, wie sie im obigen Zitat der Nach- 
welt aufbewahrt ist. 

Um ihr auf dem Felde der Weltrekorde der Höhe 
ein für allemal vorzubeugen, sei gestattet, zum Schlusse 
die geschichtliche Reihe der rekordtragenden Flieger 
und ferner die sonstigen, gegenwärtig geltenden Höhen- 
rekorde übersichtlich zusammenzustellen. 


l. Träger des Weltrekords im Höhenflug. 
1908 Dezember 8.: Wilbur Wright... 115m 
1909 1 1.: H. Latham 
1910 September 3.: Morane 


. e >% č ù% >œ 


1910 Oktober l: A. Wyn malen 2780 m 
5 5 31.: R. Johnstone 2961 „ 
„ November 23.: Drexel ....... 3050 „ 
» Dezember 9.: G. Legagneux 3100 „ 
» z 26.: Hoxs e, 3500 „ 

1911 September 4.: R. Garros...... 3910 „ 

1912 a 7.: R. Garros 5010 „ 
= 17.: G. Legagneux 5450 „ 
„ Dezember 11.: R. Garros 5610 „ 

1913 März 1l.: Perreyon 5880 „ 
„ Dezember 27.: G. Legagneux 6120 „ 

1914 Februar 10.: Newbury ...... 6275 „ 
» März 31.: G. Linnekogel . 6300 „ 
» Juli 9.: G. Linnekogel .. .6570, 
5 14.: H. Ölerich. . . 8100 „ 


II. Sonstige Weltrekorde der Höhe. 


1901 Juli 31.: Berson und Süring 
auf dem Luftballon 
»Preußen« 

Rubensohnu. Mon- 
rad Aas auf dem 
Kabru im Himalaya . 

Drachenaufstieg vom 
Mount Weather (Va.) 
unter Wm. R. Blair 

Sonde-Ballon-Aufstieg 
von Pavia unter 
Pericle Gamba . 35.030 „ 


An diesem höchsten Ballon-Aufstieg war Deutsch- 
land insofern mitbeteiligt, als seine Industrie die er- 
folgreiche Maschine, den Sonde-Ballon, geliefert hatte. 
Er war von der Kontinentalen Kautschuk- 
Kompagnie in Hannover hergestellt. Den Höhen- 
rekord mit bemanntem Ballon wollten anderseits den 
beiden obengenannten deutschen Luftschiffern zwei 
Italiener streitig machen. Die Herren Piacenza und 
Ranza behaupteten, am 9. August 1909, von Turin 
aufsteigend, die Höhe von 11.800 m erreicht zu haben. 
Doch erklärte eine, bei der römischen Zentralanstalt 
für Meteorologie von mir eingezogene Auskunft diese 
Höhe für nicht authentisch. »Der Ballon-Barograph 
war in Unordnung, die erreichte Maximalhöhe konnte 
also nicht bestimmt werden. Vielleicht kann man die- 
selbe nicht über 7000 m schätzen. Kein wissenschaft- 
licher Bericht dieses Aufstieges liegt vor.« 


Holsteinische Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen. 
Wilhelm Krebs. 


1907 Herbst: 


1910 Mai 


7265 „ 
1911 Dezember 7.: 


Die Wasserstoffgewinnung im Kriege. 
(Fortsetzung und Schluß.) 


Wir kommen nun zu der zweiten großen Gruppe 
von Verfahren, den stationären Anlagen, wie sie 
in Festungen, Lagerplätzen und Luftschiffhäfen zur 
Versorgung der lenkbaren Luftschiffe mit ihrem großen 
Wasserstoffbedarf in Gebrauch sind. Während bei 
den bisher besprochenen, für den Gebrauch im Felde 
bestimmten Anlagen das Gewicht der Apparate und 
der zur Gaserzeugung erforderlichen Materialien, 
sowie die schnelle Betriebsbereitschaft von ausschlag- 
gebender Bedeutung sind, kommt es bei den statio- 
nären Anlagen in erster Linie auf eine hohe Stunden- 
leistung an, damit die im normalen Betriebe eines 
Luftschiffes entstehenden Gasverluste in möglichst 
kurzer Zeit durch eine Nachfüllung ersetzt werden 
können. Um auch die völlige Frischfüllung eines 
Luftschiffes, die bei einem Zeppelin-Luftschiff 22.000 
bis 25.000 m3 Wasserstoff erfordert, in einem Tage 
durchführen zu können, sind diese Anlagen mit einem 
Gasbehälter oder einem großen Flaschenlager ver- 
sehen, so daß also stets Wasserstoff auf Vorrat er- 
zeugt werden kann. Zum Beispiel besitzt die Luft- 
schiffhalle in Hamburg eine aus 388 Flaschen be- 
stehende Abfüllanlage. Die Flaschen sind in zwei 


Gruppen geteilt und es liegen jeweils vier Flaschen 
übereinander. 

Auch für die Gewinnung des Wasserstoffes in 
großen stationären Anlagen stehen uns heute zahl- 
reiche verschiedene Verfahren zur Verfügung, die 
auch auf diesem Gebiete das früher allein gebräuch- 
liche Verfahren der Einwirkung von Eisen auf Schwefel- 
säure vollständig verdrängt haben. In den Neunziger- 
jahren des vorigen Jahrhunderts gelangten für statio- 
näre Wasserstoffanlagen die elektrolytischen 
Wasserzersetzer zur Einführung, die ein sehr 
reines Gas lieferten und fast ohne Bedienung ar- 
beiteten. Für die Zwecke der Militärluftschiffahrt 
fanden namentlich die Apparate der Elektrizitäts- A.-G. 
vormals Schuckert & Co., sowie die der Maschinen- 
fabrik Oerlikon in Oerlikon bei Zürich Anwendung, 
die beide mit alkalischen Elcktrolyten arbeiten und 
Eisenelektroden benützen. Bei den Schuckert- 
apparaten sind die Elektroden, um eine Vermischung 
des an der Anode abgeschiedenen Sauerstoffes mit 
dem an der Kathode abgeschiedenen Wasserstoff zu 
verhüten, mit metallischen Scheidewänden versehen. 
Zur Erzeugung größerer Gasmengen muß stets eine 


ganze Reihe solcher Zersetzungszellen hintereinander 
geschaltet werden, wobei die gebildeten Gase durch 
eine Sammelleitung abgeführt und in Behältern ge- 
trennt aufgespeichert werden. Nach diesem System 
wurden seinerzeit in Straß- 
burg und in Metz zwei 
Anlagen für eine stünd- 
liche Leistung von je 50 m3 
Wasserstoff errichtet. Der 
Elektrolyseur der Maschi- 
nenfabrik Oerlikon 
zeichnet sich vor den 
Schuck ert apparaten 
durch seinen viel gerin- 
geren Raumbedarfaus. Die 
einzelnen Zellen (Fig. 8) 


Fig. 8. Elektrolyseur der 
Maschinenfabrik Oerlikon 
(System Dr. Schmidt). 


sind hier nach Art einer Filterpresse zusammenge- 
schraubt und an Stelle der Metallglocken dienen Asbest- 
diaphragmen zur Trennung der eisernen Elektroden 
voneinander. Zur Erzeugung von 1 më Wasserstoff ist 
bei den elektrolytischen Wasserzersetzern ein Energie- 
aufwand von 6 kWh erforderlich; der Wasserstoff ist 
also ziemlich teuer, wenn die Strompreise nicht sehr 
niedrig sind. Die Oerlikonapparate sind bei der 
englischen Militärluftschifferstation in Farn- 
borough in Gebrauch, sowie bei den Ballon- 
schiffen der schwedischen und russischen Marne. 
Diese Ballonschiffe sind mit großen elektro- 
Iytischen Anlagen, Kompressoren und Stahl- 
flaschen ausgerüstet; sie dienen zur Küstenver- 
teidigung, da mit Hilfe des Drachenballons das 
Aufsuchen von Unterseebooten und Seeminen 
erheblich erleichtert wird. 

Auch das oben erwähnte, von Coutelle 
schon im Jahre 1794 benützte Verfahren, die 
Einwirkung von Wasserdampf auf glühendes 
Eisen, ist in den letzten Jahren wieder zur 
Einführung gelangt, natürlich in wesentlich 
verbesserter Form. Die Internationale 
Wasserstoff-A.-G. in Berlin stellt durch 
Reduktion von Kiesabbränden mittels Wasser- 
gases einen für die kontinuierliche Wasser- 
stoffgewinnung gut geeigneten porösen Eisen- 
schwamm her, der auf etwa 800° erhitzt und 
mit Wasserdampf behandelt wird. Hiebei tritt, 
wie schon oben erwähnt wurde, eine Zerlegung 
des Wasserdampfes ein, derart, daß der Sauer- 
stoff mit dem Eisen zu Eisenoxyduloxyd zusam- 
mentritt, während Wasserstoff frei wird. Das 
Eisenoxyd wird jeweils wieder mit Generatorgas 
oder Wassergas zu Eisen reduziert. Zur Aus- 
führung des Verfahrens wurden früher Öfen mit 
vertikalen Eisenretorten verwendet; da diese 
jedoch eine geringe Haltbarkeit zeigten, verwendet die 
Internationale Wasserstoff-A.-G. neuerdings 
hiezu gemauerte Schachtöfen. Um das Eisen stets auf 
der für die Umsetzung erforderlichen Temperatur zu 


283 


erhalten, wird in bestimmten Zeitabständen Wassergas 
in dem Schachtofen verbrannt, während bei den älteren 
Retortenöfen die Beheizung des Eisens von außen er- 
folgte. Es sind bei diesem Verfahren also drei Perioden 
zu unterscheiden: eine Heizperiode, eine Reduktions- 
periode und eine Gasperiode. Der Wasserstoff hat 
eine Reinheit von 98 bis 99 Prozent, 1 ms stellt sich 
auf etwa 12 Pfg. Dieses Verfahren war in der älteren 
Ausführungsform bis vor kurzem in der Festung Köln 
in Gebrauch, wo eine Anlage für eine Bes ung von 
160 m in einer Stunde vorhanden war. Ferner findet 
es bei der österreichischen Luftschifferstation in 
Fischamend bei Wien Anwendung; diese Anlage ist 
jedoch so eingerichtet, daß sie zugleich nach einem 
ähnlichen von Prof. Strache in Wien ausgearbeiteten 
Verfahren (Fig. 9) arbeiten kann, dessen Wirkungs- 
weise die folgende ist: 

Durch Einblasen von Luft wird zu- 
nächst im Generator Generatorgas ge- 
wonnen, welches durch die daneben auf- 
gestellte hohe Reduktionskammer geleitet 
und zunächst durch Zufuhr von Sekundär- 
luft vollständig verbrannt wird, damit das 
in der Reduktionskammer aufgespeicherte 
Eisenoxyd erhitzt wird. Die Abgase ent- 
weichen durch einen Dampfüberhitzer und 
das Abgasventil zum Schornstein. Dann 
wird die Sekundärluft, welche die Ver- 
brennung des Generatorgases bewirkt, 
abgestellt, das Kohlenoxyd reduziert nun 
das Eisenoxyd zu metallischem Eisen und 
der Rest des Kohlenoxyds wird oben vor 
dem Überhitzer verbrannt. Sobald die Re- 
duktion beendet ist, wird das hydraulische 
Zwischenventil, welches sich zwischen 
dem Generator und der Reduktionskammer 
befindet, geschlossen und Dampf in den 
oberen Teil der letzteren eingeblasen. Dieser überhitzt 
sich an den glühenden Schamottesteinen und gelangt 
sodann auf das frisch reduzierte metallischeEisen, indem 
er Wasserstoff und Eisenoxyd liefert. Der Wasserstoff 
entweicht unten in den Wäscher, während das Eisen- 
oxyd bei einer neuerlichen Warmblaseperiode wieder 
zu metallischem Eisen reduziert wird.. Als Brennstoff 


'Ausblas -Rohr | | 
LA, Abgasventil 


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landrad 72 


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Fig. 9. 
muß dabei Holzkohle verwendet werden, weil sonst 
eine Bildung von Schwefeleisen eintritt. Zur Er- 
zeugung von 1 mè Wasserstoff sind 2 kg Holzkohle 
erforderlich. 


284 


Eine sehr bemerkenswerte Verbesserung dieses 
Verfahrens stellt der von Dr. Messerschmitt 
konstruierte Generator dar. In einen aus Schamotte- 
steinen gemauerten Schacht ist ein Eisenzylinder 
hängend eingebaut, während ein zweiter kleinerer 
Eisenzylinder auf dem Boden des Generators steht. 
Der von diesen beiden Zylindern gebildete ringförmige 
Raum ist mit Eisenerzen angefüllt. Das Innere des 
Generators ist mit einem Gitterwerk aus Schamotte- 
steinen ausgemauert, das als Wärmespeicher dient. 
Zur Heizung des Generators sowie zur Heizung und 
Reduktion des Eisenoxyds wird in der Mitte des 
Schachtes von unten Wassergas und Verbrennungsluft 
eingeleitet, jedoch nur so viel Luft, daß ein Teil des 
Wassergases unverbrannt bleibt. Die Gase steigen in 
dem mittleren Teile des Schachtes hoch, streichen 
dann von oben nach unten durch das Eisenoxyd, das 
sie zu metallischem Eisen reduzieren und zugleich 
erwärmen, und strömen schließlich an dem äußeren 
Teile des Generators wieder nach oben. Die in den 
Gasen noch enthaltenen brennbaren Bestandteile 
werden in diesem äußeren Teile durch neuerdings 
zugeführte Verbrennungsluft verbrannt, wodurch auch 
das äußere Schamottegitterwerk auf die Reaktions- 
temperatur von 700 bis 8000 erhitzt wird. Diese sinn- 
reiche Konstruktion des Generators ermöglicht eine 
sehr gleichmäßige Beheizung des Eisenoxyds und eine 
sehr weitgehende Ausnützung der in den Reduktions- 
gasen enthaltenen Wärme. Nach etwa 20 Minuten ist 
die Heizung und Reduktion des Eisenoxyds beendet, 
hierauf werden die Verbrennungsgase durch Einleiten 
von Dampf während einiger Sekunden aus dem 
Generator ausgespült, worauf die Erzeugung von 
Wasserstoff beginnen kann. Hiebei wird Wasserdampf 
von oben in den äußeren Teil des Generators einge- 
führt, der nun das rotglühende Eisen von unten nach 
oben durchströmt und hiebei zersetzt wird. Der ge- 
bildete Wasserstoff entweicht durch eine Vorlage mit 
Wasserabschluß oben in der Mitte des Generators 


Fig. 10. Wasserstoffaniage, System Rincker und Wolter. 


Turdsgeblase. Ölbehäller 6. 
Olpumpe. 


{.Generator. 0. Generator. 


Gastrockener 


Trockenreiniger 


Kohleno 


Fig. 11. 


und wird in der üblichen Weise gekühlt und gereinigt. 
Die Gasperiode dauert etwa zehn Minuten, worauf das 
Eisenoxyd von neuem geheizt und reduziert werden 
muß. Die Anlage kann sowohl kontinuierlich wie mit 
Unterbrechung betrieben werden, da der Generator in 


Vorlage. i 


xydreiniger 


wenigen Stunden angeheizt werden kann. Die Bedienung 
der Anlage besteht lediglich in der Beobachtung der 
Temperatur an einem Pyrometer sowie in der Hebel- 
umstellung bei den einzelnen Arbeitsperioden. Alle 
Hebelstellungen werden selbsttätig verriegelt, so daß 
falsche Ventilstellungen nicht vorkommen können. Als 
Zusatzanlage zu dem Wasserstoffgenerator ist noch 
eine Wassergasanlage der bekannten Bauart erforder- 
lich. Anlagen nach dem System Messerschmitt, 
das von der Karl Franckes Wasserstoffgas- 
G.m.b.H. in Bremen verwertet wird, sind auf der 
Zeppelinwerft in Friedrichshafen, in den Festungen 
Köln und Königsberg sowie in den Kriegsluftschiff- 
häfen Mannheim, Düsseldorf und Dresden in Betrieb. 
Der Reinheitsgrad des nach diesem Verfahren erzeugten 
Gases ist 98˙5 Prozent, die Herstellungskosten sind 
ering. 

5 Ein anderes Verfahren, das von zwei Holländern, 
Rincker und Wolter, ausgearbeitet wurde, geht 
von dem Olgas aus, das beim Durchleiten durch einen 
mit glühendem Koks Bellen Generator eine weit- 
gehende Zersetzung erfährt, indem die Kohlenwasser- 
stoffe in Kohlenstoff und Wasserstoff zerfallen. Dieses 
Verfahren war bis vor kurzem in Königsberg in Be- 
trieb, ferner haben die russischen Luftschiffertruppen 
eine derartige Anlage in Benützung, die auf zwei 
Eisenbahnwagen montiert ist (Fig. 10). Der erste 
Wagen trägt zwei Generatoren, ein Gebläse, einen 
Ölbehälter sowie die dazugehörige Pumpe, während 
auf dem zweiten Wagen die Apparate zur Reinigung 
des Gases aufgestellt sind (Fig. 11). Die Generatoren 
werden zunächst mit Hilfe des Gebläses heißgeblasen, 
dann wird oben eine bestimmte Menge Ol eingespritzt, 
das vergast und zersetzt wird. Der gebildete Wasser- 
stoff wird unten aus den Generatoren abgesaugt, 
gekühlt, gereinigt und getrocknet. Das gereinigte Gas 
enthält noch zwei bis drei Prozent Kohlenoxyd, das 
durch eine besondere Nachreinigung, durch Uberleiten 
über erhitzten Natronkalk, entfernt wird. Die Anlage 
liefert 100 m3 Wasserstoff in einer Stunde; 
die 555 sind lediglich 
Koks und Ol, und zwar können die ver- 
schiedensten le, wie rohes Erdöl, 
Petroleumdestillations-Rückstände, Teer, 
Benzol oder Benzin hiezu Verwendung 
finden. Zur Bedienung der Anlage sind 
nur zwei Mann erforderlich, die Herstel- 
lungskosten betragen 10 bis 14 Pfg. für 
1 m. Die Anlage kann, da sie verhältnis- 
mäßig leicht beweglich ist, nicht nur in 
Festungen W finden, sondern 
auch einem Luftschiff folgen, um bei der 
Landung rasch das zur Nachfüllung er- 
forderliche Gas zu liefern. 

Auch von den oben besprochenen 
Verfahren für den Gebrauch im Felde sind 
einige zum Betriebe größerer stationärer 
Anlagen geeignet; so findet das Silizium- 
verfahren der Firma Schuckert in 
der Festung Mainz, bei den schweizeri- 
schen sowie bei den italienischen Luft- 
schiffern in Bracciano Anwendung, wo 
stationäre Anlagen für eine Leistung von 
300 m3 in einer Stunde vorhanden sind, 
während fast alle französischen Festun- 
gen der Ostgrenze mit leistungsfähigen 
Wasserstoffanlagen nach dem analogen 
Silikolverfahren von Jaubert ausge- 
rüstet sind. 

Schließlich sei noch darauf hinge- 
wiesen, daß heute auch zahlreiche in- 
dustrielle Betriebe im Besitz von großen 
Wasserstoffanlagen sind, wie z. B. viele 
chemische Werke, Ölfabriken, Schiffswerften und 
Glühlampenfabriken. Auch diese Anlagen können im 
Notfalle zur Beschaffung von Wasserstoff für das Heer 
herangezogen werden. Es sei hier nur die Chemische 
Fabrik Griesheim-Elektron in Griesheim bei 


Frankfurt a. M. genannt, die sich um die Entwicklung 
der Luftschiffahrt in Deutschland große Verdienste 
erworben hat. In dieser Fabrik werden täglich riesige 
Mengen Wasserstoff erzeugt, und zwar als Neben- 
produkt bei der Elektrolyse des Chlorkaliums und 
Chlornatriums. Aus meinen Ausführungen ist wohl 
ein Bild davon zu entnehmen, wie die wichtige Frage 


Beitrag zur Theorie 


Einen interessanten Beitrag zum Insektenflug hat 
ein französischer Naturforscher vor einiger Zeit in der 
Zeitschrift La Nature veröffentlicht. Jousset de 
Bellesme leitet seine Ausführungen mit dem Hin- 
weise auf die noch immer stattfindenden Abstürze 
von Flugzeugen ein, deren Ursache lediglich der 
hg nalen Stabilität der Flugzeuge zuzuschreiben 
ist. Tatsächlich sind ja auch Flugunfälle, die nur auf 
ein Versagen des Motors oder auf einen Schrauben- 
bruch zurückzuführen sind, außerordentlich selten. 
Wenn man aber, so führt Jousset aus, demgegen- 
über sämtliche Flugtiere beobachtet, so wird man 
nicht eines von ihnen finden, das das Opfer eines 
Absturzes geworden sei. Wenn auch die Flug- 
bedingungen bei den Flugtieren wesentlich anders 
liegen als bei den Flugzeugen, so wäre doch ein 
eingehendes, systematisches Studium der Flugtiere 
insofern von Bedeutung, als wir in demselben die 
absolut vollkommene organische Lösung des Stabili- 
tätsproblems besitzen, deren genaue Kenntnis auch in 
praktisch-flugtechnischer Hinsicht wertvolle und an- 
regende Ideen geben würde. 

Es scheint, sagt Dr. Jousset, daß bis jetzt alle, 
die sich ihre Pfade durch die Lüfte zu bahnen ver- 
suchten, so wie Ikarus, im DL Banne des 
Vogelfluges damit begannen, denselben nachzuahmen 
oder ihn als Basis ihren radikalen Forschungen zu- 
grunde zu legen. In Wahrheit aber seien die Vögel 
durch ganz spezielle Flugbedingungen und ihren ana- 
tomischen Flügelkomplex überhaupt die schlechtesten 
Vorbilder, die man habe wählen können. 

Es gibt andere Tiere, die viel bewundernswerter 
fliegen, und deren Flug auf Grund ähnlicher Flug- 
bedingungen dem maschinellen Fluge näher liegt, 
nämlich: die Insekten. 

Jousset hat ganz interessante Versuche mit 
Zweiflüglern (Stubenfliegen, Rosenfliegen, Stechfliegen, 
Wasserspinnen etc.) gemacht, die außer den beiden 
Flügeln noch einen kleinen, aber sehr wichtigen 
Apparat besitzen, welchen die Naturforscher Flügel- 
kölbchen (Schwingkölbchen) nennen, und welcher im 
wesentlichen aus einem dünnen Stiele besteht, der in 
einem runden Kölbchen endigt. Wenn man diese beiden 
Flügelkölbchen bei einer Rosenfliege abschneidet, so 
verliert das Insekt zwar nicht die Fähigkeit des Flie- 
gens, aber die Möglichkeit, seinen Flug zu lenken, 
also die Steuerfähigkeit ist fast gänzlich eingebüßt. 
Setzt man ein so verstümmeltes Insekt frei auf den 
Rand des Tisches, so reibt es wiederholte Male die 
verletzte Stelle, zögert dann einen Augenblick und 
versucht, sich endlich in schnellem Flug davon zu 
schwingen. Kaum aber hat es seinen Abflu sort ver- 
lassen, beschreibt es einen parabolischen Kreisbogen 
und fällt in ungefähr 1 m Entfernung kopfabwärts 
zu Boden, überpurzelt sich einige Male und bleibt 
dann auf dem Rücken liegen. Wenn es sich nach einiger 
Zeit erholt hat, unternimmt es einen neuen Versuch, aber 
diesmal ist schon sein Aufflug viel schwieriger. Es 
schwingt sich durch einen harten Aufschlag der Flügel 
vom Boden, erhebt sich 6 bis 7 em und macht aber 
dann, trotz der emsig schwirrenden Flügelschläge 
dieselbe Sturzbewegung und schlägt kopfabwärts in 
ungefähr 10cm von der Abflugstelle so heftig auf 
den Boden auf, daß es liegen bleibt. Die Fähigkeit 
zum horizontalen und aufsteigenden Flug ist unwieder- 
bringlich vernichtet. 


285 


der Wasserstoffgewinnung, die vor 20 Jahren noch 
fast unlösbar zu sein schien, heute in einer allen 
Anforderungen entsprechenden Weise ihre Lösun 
gefunden hat. Es ist weiter daraus zu erkennen, da 
an dem riesigen Aufschwung, den die Luftschiffahrt 
in den letzten Jahren genommen hat, auch die Chemie 
einen sehr wesentlichen Anteil hat. 


des Insektenfluges. 


Jousset betrachtet nun den Flug eines Insektes 
genauer, das oft an einer Stelle ruhig in der Luft 
wie über einem unsichtbaren Faden schwebt, welcher 
seine Flügel an zwei Punkten, den Auftriebszentren, 
kreuzt. Dieser angenommene Faden stellt das theore- 
tische Unterstiitzungslager des fliegenden Insektes 
dar und ist die Sustensions- oder Schwebeachse, und 
die differenzierten Beziehungen in der gegenseitigen 
Lage dieser Schwebeachse und des Schwergewichts- 
zentrums des Insektes bestimmen die axiale Körper- 
n und folglich auch die Flugrichtung des In- 
sektes. 

Das Schwergewichtszentrum befindet sich bei 
diesen Insekten ungefähr in der unteren Partie der 
Thoraxbasis. Seine Lage ist bei den Zweiflüglern 
wenig veränderlich, da deren Bauchteil (Abdomen) 
mit dem Brustkorb (Thorax) eng und fest verbunden 
ist; bei den Haut- oder Aderflüglern (Wespen, Bienen, 
Hornissen etc.) hingegen, deren Bauchteil sehr be- 
weglich ist, kann auch das Schwergewichtszentrum des 


Rosenfliege mit ihren Fiügelkölbchen (b). 
Links ein solches vergrößert. 


Insektes im Fluge nach vor- und nach rückwärts verlegt 
werden. Diese Insekten können also, um sich die Stabiliät 
während des Fluges zu sichern, das Schwergewichts- 
zentrum unmittelbar unter die Schwebeachse verlegen. 
indem sie den Bauchteil nach abwärts hängen lassen, 
und können dabei jederzeit durch eine höchst primi- 
tive Schwergewichtsverlegung die eventuell gestörte 
Stabilität beeinflussen. In der Tat wird jeder Natur- 
beobachter die genannten Insekten meistenteils mit 
dem scharf nach abwärts gebogenen Bauchteil fliegen 
sehen. 

Diese Art, durch Schwergewichtsverstellung den 
Flug zu stabilisieren, trifft im Prinzipe sowohl bei den 
Zweiflüglern als auch bei den Hautflüglern zu; bei 
beiden Gruppen geschieht dies aber durch einen ver- 
schiedenen Mechanismus. 

Bei den Zweiflüglern ist das Schwergewichts- 
zentrum zwar unverschiebbar, aber die Schwebeachse 
kann durch die vorher erwähnten, für den stabilen 
Flug hochwichtigen Flügelkölbchen nach vor- oder 
nach rückwärts verschoben werden, indem die Flügel- 
kölbchen die Flügelstellung und auch die Größe der 
Flügelschwingungen bestimmen können. 

Bei den Hautflüglern wird die Schwergewichts- 
verlegung auf Grund der Beweglichkeit des Bauch- 
teiles noch durch die Fußstellung des Insektes ver- 
stärkt. Bei ihnen ist wieder die Schwebeachse un- 


286 » 


veränderlich und die Flügel haben im Fluge immer 
dieselbe Vibrationsamplitude. 

Die Richtigkeit dieser Theorie hat Jousset 
durch mannigfache Experimente kontrollieren können. 
Und es war in der Tat auch möglich, einem Insekt, 
das man seiner Flügelkölbchen beraubt hat, die für 
seinen stabilen Flug unbedingt notwendige Fähigkeit 
wiederzugeben, sein Schwergewichtszentrum hinter die 
Schwebeachse verlegen zu können. Man hat zu diesem 
Zwecke einer Rosenfliege, der man die Flügelkölbchen 
weggeschnitten hatte, rückwärts auf den Bauchteil 
ein starkes, ganz gerades, ungefähr 10cm langes RoB- 
haar an Als man das damit ausgestattete Insekt 
losließ, fiel es vorerst zur Erde, und zwar mit dem 
rückwärtigen Teil nach abwärts. Nun kürzte man das 
Haar etwas, und nach einigen Versuchen dieser Art, 
um die notwendige Länge des Haares festzustellen, 
gelang es tatsächlich, die Rosenfliege wieder zu einem 
normalen Flug in horizontaler und aufsteigender Rich- 
tung zu bringen. 

Von diesen Erkenntnissen leitet nun Jousset, 
dem Insektenflug angepaßt, eine Reihe von kon- 
struktiven Veränderungen an den bestehenden Flug- 
zeugen ab, die in den angeführten Vorschlägen nicht 
sehr zweckdienlich und auch wenig aussichtsreich 
wären. 


Es ist im Gegensatze zu den Insekten besser, die 
Flugzeuge etwas kopfschwer zu bauen, einerseits um 
das Höhensteuer zu entlasten, anderseits auch um 
im Falle eines Motorschadens das Flugzeug leicht in 
einen Gleitflug bringen zu können. Das im allgemeinen 
für die Stabilität gewiß vorteilhafte Prinzip des flie- 
genden Schwerpunktes läßt sich bei Flugzeugen aus 
konstruktiven Gründen nicht überall durchführen, außer- 
dem erschwert der tiefliegende Schwerpunkt erheblich 
die leichte Steuerbarkeit und unter bestimmten Um- 
ständen sogar die Stabilität. Die von ihm vorgeschlagene 
Vertikalsteuerung durch eine Laufgewichtsverstellung 
wäre höchst mangelhaft und unpraktisch aus Gründen, 
die nicht näher erörtert zu werden brauchen. 

Im gesamten aber würde ein genaueres Studium 
der Insekten, speziell was die Flügelkonstruktion be- 
trifft, ganz wertvolle Daten liefern. Dieser rein kon- 
struktive Teil wurde von ihm aber leider gar nicht 
berührt. Der Insektenflügel bildet eine ideale Flügel- 
konstruktion, der für seine Verwendungsart eine voll- 
kommene Auflösung aller Spannungs- und Trag- 
momente bietet. Das scheinbar willkürlich den Flügel 
durchziehende Gittergerüst läßt sich relativ nach ganz 
einfachen und höchst sinnfälligen Prinzipien auflösen 
und gewährt Erkenntnisse wertvollster Art. 

Hanns Pittner. 


Sturmkalender für November und Dezember 1915. 
Von Wilhelm Krebs (Holsteinsche Wetter- und Sonnenwarte Schnelsen). 


— — — 


Atmosphärische Störungsfolgen aus den Hauptherdgebieten der tropischen 


Sturmbildung 


8. bis 14. 


+ Störungstermin, der unter dem 28. Oktober 1915 durch eine Taifun-Nachricht aus den Philippinen bestätigt ist. Hunderte 
von Menschenleben sollen im südlichen Luzon den Sturmverheerungen zum Opfer gefallen sein. Vielleicht handelte es 


1915, |- — — 
Im Westatlantik Im Indischen Ozean 
Wochen | bezw. mitti. * Im Westpazifik | (Westen) 
Sturmblidungsepochen | 
| k Br | 
Oktober | 11. bis 17. | 16. bis 22. 22. bis 30. | 2. bis 10. | 11. bis 17. | 22. bis 30. 11. bis | 16. bis 
| | Ä 
Oktober | | | 
15. bis 21. Ostasien | 
= (Nore Le | en _ 
azi j 
Oktober] Nord- s 72 | Indischer 
22. bis 28. amerika | 
bas J- i a2: = Ostasien i= S os, yes 
Oktober Nord- T | 
29. bis 31. amerika Indischer | 
— 4 — e | — — (Westen) — f 
esten 
Novemb. Europa | 
1. bis 7. 
Ostasien | 
BEN She et ²˙ wear tae et SE a. Nord- Nord- (Nord- S III Ao mn nm Be m rn Er fen u | 
amerika | amerika i ifi | 
Novemb | pazifik) Ost- 
8. bis 14. Europa Europa | 
| Nord- (Süden) | 
JV re ae j amerika Ze - d * Out Te eS | 
Novemb. st- 
15. bis 21. Europa Süden | 
— —— — | Europa | — — — U - „ —— -= - | 
Novemb. 
22. bis 28. Europa 
=e, ee te Nord- _ Ae Ai J K 
amerika 
Novemb. | 
29. bis 30. | 
=o = Coe a ĩ a ron 
| 
— - Europa — — oo. | 
i ! 


sich um das auch früher schon beobachtete Auftreten zweier Wirbelstürme, die einander in einem Zwischenraum weniger 


Tage folgten. 


287 


Neues vom deutschen Kriegsflugwesen. 


Anfang September 1915. 


Immer und immer wieder gelangen von allen 
Kriegsschauplätzen Mitteilungen über hervorragende 
Leistungen der deutschen Flieger ins Heimatland. Ja, 
unsere deutschen Flieger machen besonders den 
Herren Franzmännern viel zu schaffen. Wohl sorgen 
die maßgebenden französischen Kreise für allerlei 
Vorsichtsmaßregeln bei etwaigen Luftangriffen, dennoch 
läßt ihr Luftbewachungsdienst sehr zu wünschen übrig. 

Anfang August gab der Ausschuß des Kriegs- 
ministeriums für chemische Studien die Mittel bekannt, 
mit denen sich die Zivilbevölkerung im Falle eines 
deutschen Luftangriffes gegen die Wirkungen ersticken- 
der Gase schützen kann. Der Ausschuß schlägt der 
Zivilbevölkerung vor, sich im Falle eines Alarms in die 
mittleren Stockwerke zu flüchten, da die Keller und 
unteren Stockwerke von den schweren erstickenden 
Gasen überschwemmt würden, während die oberen 
Stockwerke von Geschossen durchschlagen werden 
könnten. Man solle Mund und Nase mit einem ange- 
feuchteten Tuch bedecken und sich möglichst schnell 
von der Stelle entfernen, die von den erstickenden 
Gasen erfüllt sei. Die Vorschläge der Behörden sind 
ja an und für sich nicht schlecht, doch werden sie 
nur in den seltensten Fällen befolgt, da bekanntlich 
gerade die französische Bevölkerung zu sehr von der 
Neugierde geplagt wird, die Operationen feindlicher 
Luftfahrzeuge zu beobachten. 

In letzter Zeit vollbrachten deutsche Flieger wieder 
poke ar Sal Angriffe auf feindliche Städte. So warf 
am 27. Juli ein deutscher Flieger auf Dünkirchen vier 
Bomben ab, die mehrfach in der Stadt Schaden ver- 
ursachten. Zwei Tage darauf wurden Calais, Gravelines 
und St. Omer ausgiebig mit deutschen Fliegerbomben 
belegt. Französischen Meldungen zufolge warf am 
30. Tui ein Aviatik-Doppeldecker aus sehr großer 
Höhe vier Bomben auf Gerardmer ab, die Sachschaden 
anrichteten und drei Soldaten schwer verletzten. Dem 
Aviatik-Flugzeug, das durch mehrere französische 
Maschinen verfolgt wurde, gelang es, unversehrt zu 
entkommen. Am 30. und 31. Juli war die friedliche, 
offene Stadt Freiburg im Breisgau wieder einmal das 
Ziel der ruchlosen französischen Fliegerangriffe. Am 
Morgen des ersten Tages erschienen von Südwesten 
her drei feindliche Flugzeuge über der Stadt, auf 
welche sie sieben Bomben abwarfen, wodurch eine 
Zivilperson getötet und sechs verletzt wurden. Am 
nächsten Tag besuchten sechs Flieger die Stadt und 
warfen — jedoch ohne Erfolg — mehrere Bomben 
auf den Bahnhof und die Fabriksanlagen der Automobil- 
und Aviatik-A.-G. Als Vergeltungsmaßregel bombar- 
dierten noch am selben Tage mehrere deutsche Flieger 
die Bahnhofsanlagen bei St. Die, den Flughafen von 
Nancy und Fabriksanlagen und Flugplatz bei Lunéville 
mit Erfolg. Besonders wirkungsvoll war der Angrift 
auf Nancy, wo mehrere Personen verletzt und drei 
große Brände verursacht wurden. 

Auch ist die Tätigkeit unserer Ballonabwehrkanonen 
— der sogenannten Baks — eine sehr rege und erfolg- 
reiche. So wurden am 6. August vier feindliche Flug- 
zeuge zum Landen gezwungen und gefangengenommen. 


Ebenfalls erfüllen unsere Kampfflugzeuge auf glänzende 
Weise ihre Aufgaben. Am 8. August wurden bei Ypern, 
Gondrexange, Schwarzensee, Dammerkirch und Har- 
bovey je ein feindliches Flugzeug durch deutsche 
Kampfflugzeuge zum Niedergang gezwungen. 

Außer Freiburg mußten noch Saarbrücken, Zwei- 
brücken, St. Ingbert, Kolmar, Saarlouis und Mülheim 
in letzter Zeit unter feindlichen Fliegerangriffen leiden. 
Doch gelang es hier, mehrere Flugzeuge des Feindes 
herunterzuschießen. 

Währenddem früher auffallend viel englische 
Flieger Angriffe auf deutsche Stellungen und Städte 
unternahmen, verschwinden die Engländer immer mehr 
bei solchen Luftunternehmungen. Aus Anlaß des letzten 
erfolgreichen Luftschiffangriffes auf England sind 
wieder neue Bestimmungen über die Verdunkelung 
Londons erlassen worden. Übrigens wird jetzt ge- 
meldet, daß der englische Fliegeroffizier Leutnant 
Reginald Lord beim letzten Zeppelinangriff den Tod 
fand. Der Flieger war zur Bekämpfung des Zeppelins 
aufgestiegen, mußte aber unverrichteter Dinge wieder 
zurückkehren. Infolge der Dunkelheit stürzte der 
Offizier bei der Landung tödlich ab. 

Besonderes Aufsehen erregte kürzlich die Flucht 
des bekannten französischen Fliegerleutnants Gilbert 
aus schweizerischer Internierung. Gilbert, der sein 
Ehrenwort abgegeben hatte, nicht zu fliehen, hat mit 
diesem seinem Wortbruch scheinbar seinem Vater- 
lande eine große Freude bereitet, denn seine »kühne 
Tat« (!) wird seitens der französischen Presse sehr 
gelobt. Nachdem die Auslandspresse zu diesem Vor- 
kommnis Stellung nahm und schärfste Kritik übte, 
sah sich die französische Regierung genötigt, Gilbert 
wieder nach der Schweiz zurückzuschicken. 

Für hervorragende und kühne Flugleistungen vor 
dem Feinde wurden in letzter Zeit eine Anzahl 
deutscher Flieger mit Auszeichnungen dekoriert. So 
erhielten das »Eiserne Kreuz« Il. Klasse: Major Hiller, 
Oberleutnant v. Klösterlein, die Leutnants Frank 
Seydler, Hch. Barth, Adolf Viktor v. Koerber, Offizier- 
stellvertreter F. E. Köhler- Haußen, Vizefeldwebel 
Schwarz und Kaskeline, die Unteroffiziere Lehmann, 
Buck, Bors, Beckmann, Jesse und Mellenthin, Fähn- 
rich zur See Scheid und Obermaschinistenmaat Dose. 
Denselben Orden I. Klasse erhielten: Hauptmann Graf 
Albrecht Berenger v. Westarp, Hauptmann Pretzell, die 
Oberleutnants Horn, Koslik, Kadelke und Huttig, die 
Leutnants Immelmann, Junker, Giegold, Morell, Hoefig, 
v. Detten, v. Grawert und Niemann, die Offiziers- 
stellvertreter Hörmann, Hopfgarten, Cipa, Menge und 
Heller, Vizefeldwebel Köneke, die Unteroffiziere Metz, 
Demke und Behr, ferner Dr. Kurt Wegener. 


Letzte Nachricht! Aus Essen wird gemeldet: 
Der Flugzeugführer Höhndorf hat am 4. September 
auf dem Flugplatz Johannisthal einen neuen Höhen- 
weltrekord im Fluge mit vier Passagieren aufgestellt. 
Er erreichte eine Höhe von 3280 m und hat somit 
die am 25. Februar 1914 von Garaix aufgestellte Höhe 
von 3059 m überboten. Der benützte Apparat war ein 
Doppeldecker, Konstruktion Westphal, der Kondor- 
Flugzeugwerke G. m. b. H. in Essen. —w— 


— il 


Bücherbesprechungen.*) 


Jahresbericht des Deutschen Luftfahrt-Vereines in 
Böhmen für das Vereinsjahr 1914. 
Wie alljährlich hat der Deutsche Luftfahrt-Verein 
auch für das verflossene Vereinsjahr 1914 ein Jahr- 
büchlein herausgegeben, das über die rege Tätigkeit des 


*) Sämtliche in dieser Rubrik besprochenen Bücher und 
Zeitschriften können durch die Administration unserer Zeit- 
schrift bezogen werden. 


Vereines Aufschluß gibt. In kurzer, aber übersichtlicher 
Darstellung ist der flugtechnischen Veranstaltungen 
dieses Jahres gedacht, die im Rundflug durch Öster- 
reich-Ungarn um den Schicht-Preis kulminieren, bei 
welchem Anlaß gleichzeitig der Deutsche Luftfahrt- 
Verein für Böhmen durch die Organisierung einer 
diesem eingegliederten Schleifenfahrt über Nord- 
westböhmen rühmlichst hervortrat. Die eigentliche 


288 


Sporttätigkeit des Deutschen Luftfahrt-Vereines für 
Böhmen, die auf dem Gebiete der Freiballonfahrten 
liegt, erfuhr durch den Ausbruch des Krieges eine 
jähe Unterbrechung, da der genannte Verein die in 
seinem Besitze befindlichen Ballone der Heeresver- 
waltung opferfreudig überließ. Aus dem reichhaltigen 
und in jeder Weise gelungen durchgeführten Programm 
der Vereinstätigkeit im Jahre 1914 kann mit voller Be- 
rechtigung auf eine ersprießliche Tätigkeit des Vereines 
in den kommenden Jahren geschlossen werden. 


Der Flugzeugkompaß und seine Handhabung. 
Kompaßkompensieren und Kursabsetzen. Ein Hand- 
buch für Flugzeugführer und Beobachter von 
Kapitän Fritz Gans ber g, z. Zt. Navigationslehrer 
beim Freiwilligen Marine-Fliegerkorps. Mit 43 Seiten 
Text und einer Tafel. Preis Mk. 1°50. Verlag von 
M. Krayn, Berlin W. 1915. 

Über die Wichtigkeit des Kompasses zur Orien- 
tierung der Flieger bei Nacht und bei unsichtigem 
Wetter viel Worte zu verlieren, wäre hier unange- 
bracht. Soll aber ein Kompaß seine Aufgabe als 
Orientierer erfüllen, so muß er auch in dem Flugzeug 
richtig eingebaut sein, was mit Rücksicht auf die 
Empfindlichkeit der Kompasse für in der Nähe 
befindliche Eisenmassen, die an einem Flugzeuge, 
namentlich in dem Motor, in reichem Maße vorhanden 
sind, sehr schwer ist. Beinahe immer wird infolge 
dieser magnetischen Einwirkungen der Kompaß eines 
Flugzeuges eine Abweichung vom magnetischen Me- 
ridian, die bei allen Ablesungen berücksichtigt werden 
muß, haben, welche dem Flugzeugführer immer be- 
kannt sein muß. Außerdem aber muß bei richtiger 
Steuerung nach bestimmter Richtung auch bei der 
Ablesung des Kompasses der Abtriftung durch 
den Wind Rechnung getragen werden, so daß sich 
beim Kurshalten zwei Einflüsse summieren, die 
bei der Ablesung des Kompasses zu berücksichtigen 
sind und dieselbe daher umständlicher gestalten, als 
dem ersten Eindruck nach gedacht werden sollte. Gar 
viele Flugzeugführer haben durch unrichtige Kompaß- 
ablesung ihren richtigen Kurs verloren und sind in 
Feindeshand gefallen, so kürzlich auch Alexander 
Moissi, der in einem Brief an seine Frau schrieb, 
infolge unrichtiger Einstellung seines Kompasses am 
Apparat ins Unglück geraten zu sein. 

Unter solchen Umständen kann man es heute nur 
begrüßen, wenn in einem Handbüchlein das Wesent- 
lichste über Flugzeugkompasse, deren Einbau und 
Kompensierung im Flugzeug gebracht wird, sowie auch 
jene Angaben sich vorfinden, welche auf Ablesung 
des Kompasses zwecks Einhaltung eines bestimmten 
Kurses wichtig sind. Diesem Zwecke entspricht das 
hier in Besprechung stehende Büchlein, das von einem 
Fachmann auf diesem Gebiete geschrieben ist, in 
vollstem Maße, so daß wir dasselbe bestens empfehlen 
können. Die Ausstattung ist gut. Wenn wir schon etwas 
auszusetzen haben, so ist dies das Fehlen einer oder 
einiger Zeichnungen der gebräuchlichsten Flugzeug- 
kompasse, bei deren Vorhandensein viel beschreibender 
Text erspart worden und dabei der Anschauung des 
Lesers zu Hilfe gekommen wäre. Wir sind überzeugt, daß 
in einer Neuauflage nach Friedensschluß das Büchlein 
mit guten Zeichnungen bereichert sein wird. A.B. 


Erlebnisse von Dardanellenfliegern schildert 
das neueste Heft des »Motor« (Verlag Gustav Braun- 
beck G. m. b. H., Berlin W. 35. August/September- 
Heft 1915. Preis Mk. 1—) in einem längeren Artikel, 
dessen Verfasser ein bekannter Fliegeroffizier ist. Dem 
Artikel ist eine Reihe hochinteressanter Bilder beige- 
geben, u. a. der Eingang in die Dardanellen und die 
Stadt Gallipoli, von einem feindlichen Flugzeug auf- 
genommen, nächtliche Angriffe auf die Dardanellen 
und estes false Aufnahmen des Landungsgebietes 
der Engländer auf der Halbinsel Gallipoli, das engli- 
sche Mutterschiff »Ark Royal« und das kieloben- 
treibende englische Schlachtschiff »Majestic«. Dazu 
prächtige landschaftliche Aufnahmen. Besonders wertvoll 


ist eine photographische Aufnahme, die die Beschießung 
eines englischen Doppeldeckers durch deutsche Ab- 
wehrgeschütze darstellt. Der bekannte Berliner Schrift- 
steller Erich Köhrer schildert allerlei Selbsterlebtes 
unter dem Titel: »Rings um den Dnjestr«, sommerliche 
Autofahrten durch das befreite Galizien. Eine ein- 
gehende authentische Würdigung finden unsere frei- 
willigen Motorboote in einem eo illustrierten 
Artikel: »Das F. M.K. im Kriege«. Panzerboote, Touren- 
boote, Schnellboote und Hafenbarkassen werden in 
ihrer mannigfaltigen Kriegstätigkeit geschildert. Ein 
bekanntes Mitglied des kaiserl. freiwilligen Automobil- 
Korps, das selbst den Krieg von gy lg Po mitgemacht 
hat, gibt einen »Jahres-Rückblick des Kriegs-Äutlers«. 
Ein leiser, feiner Humor weht aus den Zeilen dieses 
Riickblicks. Allerlei U-Boot-Abenteuer sind unter dem 
Titel: »Im Reiche des U-Boots« zusammengefaßt. 
Hans Karl Rehm entwirft als Augenzeuge eine Text- 
skizze einer Fliegerbeschießung. Dem Humor der 
Fliegerei ist eine reizende Studie gewidmet. Ganz 
hervorragend illustriert ist eine längere Darstellung des 
Anteils, den die Ssterreichisch-ungarische Automobil- 
Industrie am Kriege hat. Über die Zukunftsmöglich- 
keiten einer künftigen Raumfahrt plaudert Paul Bellak, 
Wien, in phantasieanregender Weise. Der Weg des 
militärischen Kraftfahreis wird von einem, der jan 
selbst gegangen ist, kurz geschildert. 


a lsh und Flugzeugindustrie der krieg- 

führenden Staaten. Von Roland Eisenlohr. 
65. Heft der von Ernst Jäckh herausgegebenen 
un EU En Anm Une »Der Deutsche Krieg«. Preis 
50 Pfg. Deutsche Verlagsanstalt in Stuttgart. 

Es ist eine Tatsache, die uns mit berechtigtem 
Stolz erfüllt, daß, je länger der Krieg dauert, desto 
unverkennbarer und für unsere Feinde empfindlicher 
sich die Überlegenheit geltend macht, die wir Deutsche 
uns auch im Luftkrieg errungen haben. Diese 
Überlegenheit ist nicht ein Geschenk des Zufalls, sie 
ist die Frucht unermüdlicher wohlorganisierter Arbeit, 
die schon vor dem Krieg am Werk war und Erfolge 
erzielt hat, die nicht so effektvoll sich den Augen des 
großen Publikums aufdrängten, wie die der fran- 
zösischen Parade- und Reklameflieger, dafür aber 
desto nachhaltiger und gründlicher waren. Darüber 
gibt uns die vorliegende kleine Schrift eines Fach- 
mannes allerlei interessante Aufschlüsse; zugleich unter- 
richtet sie uns aber auch über die Anstrengungen, die 
unsere Feinde machten und machen, den Vorsprung, 
den früher besonders die Franzosen vor uns hatten, 
beizubehalten, und dann, nachdem wir ihn eingeholt, 
zurückzugewinnen. Daß auch die Leistungen der 
Gegner durchaus objektiv und unbefangen gewürdigt 
werden, macht die Eisenlohrsche Schrift besonders 
sympathisch und erhöht ihren sachlichen Wert. Sie 
wird jedem, der sich als guter Patriot der deutschen 
Erfolge im Luftkrieg freut, sowohl wegen des reichen 
tatsächlichen Inhaltes willkommen sein, wie dadurch, 
daß sie unsere Zuversicht auf weitere, noch größere 
und durchschlagendere Erfolge der deutschen Luft- 
flotte stärkt und zur Gewißheit macht. 


Jahrbuch der technischen Zeitschriften-Literatur. 
Auskunft über Veröffentlichungen der technischen 
Fachpresse nach Sachgebieten, mit technischen 
Zeitschriftenführer. Ausgabe 1915 für die Literatur 
des Jahres 1914. Von Heinrich Rieser. Verlag tür 
Fachliteratur Ges. m. b. H., Wien l. und Berlin W 30. 
(Preis Mk. 4°—.) 

Die technischen Zeitschriften, die früher die Buch- 
literatur zu ergänzen bestimmt waren, bilden heute. 
bereits eine selbständige Quelle für den überwiegenden 
Teil des Fachstoffes. Der Einzelne kann den beständig 
zunehmenden Stoff in den vielen Fachblättern ohne 
Anwendung planmäßiger Vorkehrungen nicht mehr in 
Evidenz halten. Auf die rasche Ermittlungsmöglichkeit 
einschlägiger Literatur im Augenblicke des Bedarfes 
wird aber heutzutage großer Wert gelegt. Ein Behelf, 
der die Orientierung über die Veröffentlichungen der 


— m 


technischen Fachpresse wesentlich erleichtert, kann 
in dem vorliegenden »Jahrbuch der technischen Zeit- 
schriften-Literatur« erblickt werden, das eine nach 
Sachgebieten geordnete Zusammenstellung der be- 
achtenswerteren, im Jahre 1914 in den führenden 
technischen Zeitschriften des In- und Auslandes er- 
schienenen Fachaufsätze darstellt. Zweifellos wird durch 
diese Quellensammlung dem Einzelnen Gelegenheit 
gegeben, sich ohne Zeitverlust und auf bequeme Weise 
einen Überblick über die hauptsächlichste, richtung- 
gebende Literatur seines Faches zu verschaffen und 
mit den neueren Erfahrungen der Fachwelt auf dem 
laufenden zu bleiben sowie auf gegebene Anregungen 
bei später eintretendem Bedarfe rasch zurückzukommen. 
Insbesondere die in der ausführenden Technik Stehenden 
sowie die Baubehörden und Konstruktionsbureaus 
werden dieses Nachschlagebuches nicht entraten können, 
wenn sie anläßlich der Ausarbeitung von Projekten 
einschlägigen Literaturstoff suchen. Gewissermaßen als 
Gesamt Jahresindez der technischen Zeitschriften muß 
es auch den technischen Bibliotheken und den Fabriks- 
archivaren wertvolle Dienste leisten können. Das 
handliche und billige Buch, das alljährlich erscheint 
und sich stets erneuert, verdient die weiteste 
Verbreitung und kann den Fachgenossen nur wärmstens 
empfohlen werden, da es ein nützliches und brauch- 
bares Hilfsmittel bei der Quellenforschung darstellt, 
das viel Zeit und Arbeit erspart. 


Für die neuerlichen Kämpfe am Balkan ist zu 
den bereits erschienenen Karten der einzelnen Balkan- 
länder soeben auch die Übersichtskarte, die das 
ganze in Betracht kommende Kriegsgebiet auf einmal 
ersehen läßt, in zweiter Auflage erschienen. Die 


289 


Freytagsche Karte der Balkan-Halbinsel 1: 1,250.000, 
70: 82 cm, K 1'20 = Mk. 1, die schon während der 
beiden Balkankriege als eine der besten sich bewährt 
hat, ist in allen Angaben auf der Höhe der Zeit 
stehend — auch die Grenzberichtigung zwischen der 
Türkei und Bulgarien bei Adrianopel—Dimotika ist 
schon durchgeführt! — Ebenso kann eine Karte vom 
nördlichsten russischen Kriegsschauplatze und eine 
neue Karte von Rumänien bestens empfohlen werden. 
— Diese in fünf Farben sehr schön ausgeführten 
Karten können gegen Einsendung von K 130 = 
Mk. 1°10 (auch in Briefmarken) portofrei von jeder 
Buchhandlung, wie vom Verlage G. Freytag 
& = rndt, Wien, VII. Schottenfeldgasse 62, bezogen 
werden. 


Unter den vielen kleinen Zusendungen, die 
der Redaktion zwecks Besprechung regelmäßig zu- 
gehen, finden wir diesmal auch einige Ansichtspost- 
karten, die seitens der Firma J. F. Lehmanns Ver- 
lag, München SW. 2, Paul Heysestraße 26, uns zu- 
gesandt worden sind. In der vorgefaßten Überzeugung, 
solchen Kleinigkeiten in unseren Spalten keinen Raum 
zu gewähren, entschlossen wir uns doch, diese Karten 
einer Durchsicht zu unterziehen, und waren angenehm 
überrascht, in denselben ganz interessante und bisher 
noch nicht veröffentlichte Bilder über Flugzeuge zu 
Wasser und zu Lande in den verschiedensten Mo- 
menten ihrer Wirksamkeit vorzufinden, so daß wir 
nicht anstehen, diese Sammlung von Postkarten, 
welche unter dem Titel »Der Krieg 1914/15 in Post- 
karten« erscheint, unseren Lesern, welche an derlei 
Kriegserinnerungen Freude haben, ganz angelegentlichst 
zu empfehlen. 


N 


Chronik. 


Mitteilungen aus der deutschen Flugzeug- 
industrie. Die „Berl. Z. a. M.“ meldet, daß sich die 
Hansa Flugzeugwerke Karl Caspar, 
Hamburg, und die Brandenburgische Flug- 
zeugwerke in Brandenburg a. H. mit der 
Deutschen Aero- Gesellschaft A.-G. in 
Berlin fusioniert haben. Die neue Gesellschaft heißt 
Hansa- und Brandenburgische Flugzeug- 
werke A.-G., Brandenburg a. H.—Berlin— 
Hamburg; zum Generaldirektor des neuen Unter- 
nehmens wurde der in österreichischen flugtechnischen 
und automobilistischen Kreisen allbekannte und ge: 
schätzte Kommerzialrat Kamillo Castiglioni 
berufen. 


Auszeichnung des Fliegers Immelmann. Der 
bekannte deutsche Fliegerleutnant Immelmann, 
der bereits sechs feindliche Flugzeuge zum Absturz 
gebracht hat und sich das Eiserne Kreuz zweiter und 
erster Klasse erwarb, ist nun auch durch Verleihung 
des Militär-St. Heinrich-Kreuzes und des Hohenzollern- 
schen Hausordens ausgezeichnet worden. 


Eine Zeppelinfahrt des Herzogs von Mecklen- 
burg von Temesvar nach Sofia. ie die »Agence 
Telegraphique Bulgare« meldet, ist ein Zeppelin, der 
mit dem Herzog von Mecklenburg in Temesvar 
aufgestiegen war, in Sofia gelandet. Der König 
wohnte in Begleitung seines Gefolges der Landung 
im Aerodrom bei. Das Erscheinen des Zeppelin, der 
über der Stadt Evolutionen ausführte, rief Aufsehen 
hervor. 


Tödlicher Absturz Franz Reiterers. Der durch 
seine im September aufgestellten neuen Weltrekorde 
allbekannte Chefpilot der »Hansa- und Brandenburgi- 
schen Flugzeugwerke A.-G.«, Franz Reiterer, ist 
am 21. November auf dem Flugfelde in Johannisthal 
tödlich verunglückt. Franz Reiterer, ein gebürtiger 


Steiermärker, hat am 22. und 29. September 1. J. drei 
neue Höhenweltleistungen aufgestellt. Am 22. September 
vormittags gelang es ihm, mit einem Doppeldecker 
mit vier Fahrgästen in 58 Minuten eine Höhe von 
5000 m, am Abend desselben Tages mit drei Fahr- 
gästen in 68 Minuten eine Höhe von 5500 m und am 
29. September mit zwei Fahrgästen (bei schlechtem 
Wetter) eine Höhe von 6500 m zu erreichen. 


Slaworossow gefallen. Der russische Flieger 
Slaworossow, in Wien durch seine Teilnahme 
am Ersten internationalen Flugmeeting in Aspern be- 
kannt, ist Anfang Oktober in Frankreich bei einem 
Erkundungsfluge auf nicht näher bezeichnete Weise 
gefallen. Slaworossow war in den letzten Jahren in 
Warschau als Fluglehrer der »Aviata« tätig und trat 
Anfang 1914 als Freiwilliger in die französische Armee 
ou we er alsbald einer Fliegerabteilung zugeteilt 
wurde. 


Ein Fliegerdenkmal zur Erinnerung an den 
Weltkrieg. Die Schaffung eines monumentalen Erin- 
nerungszeichens, gewidmet »Dem österreichischen 
Flugwesenim Weltkrieg und seinen Helden« 
wurde auf Anregung des Vizepräsidenten des k. k. Öster- 
reichischen Aeroklubs, Herrn Alfred v. Straßer, in der 
letzten Ausschußsitzung des Klubs beschlossen. Für 
den zur Errichtung des Denkmals notwendigen Fonds 
widmete der Klub 1000 Kronen, den gleichen Betrag 
zeichneten Präsident Dr. Baron Economo und Herr 
v. Straßer. Das Denkmal soll im Weichbilde der 
Stadt Wien nach Beendigung des Krieges zur Auf- 
stellung gelangen. 


Heldenleistung eines deutschen Fliegers. Dem 
22jährigen bayerischen Flieger Böhme gelang es kürz- 
lich im Kampfe mit drei französischen Flugzeugen, die 
einen Angriff auf Freiburg ausführten, zwei von ihnen 
abzuschieBen, worauf das dritte die Flucht ergriff. Der 


290 


junge und ungemein kühne Flieger hat sich durch 
wiederholte Höchstleistungen außerordentlich rasch po- 
pulär gemacht und genießt beinahe den Ruf eines 
»Weddingen der Luft«. Böhme beschäftigte sich schon 
vor dem Kriege mit dem Flugwesen und erlernte auf 
einem Grade-Eindecker das Fliegen. Seine Vaterlandsliebe 
und seine Begeisterung für das Flugwesen bestimmten 
ihn, trotz seiner dauernden körperlichen Untauglichkeit, 
sich bei Beginn des Feldzuges sofort freiwillig zum 
Heeresdienst zu stellen. Bis Mai d.J. war er Abnahme- 
flieger für neue Flugzeuge in einer rheinischen Stadt, 
wobei er oft bis zu 10 Flüge an einem Tage aus- 
führte. Dabei wurde er ein so sicherer und ruhiger 
Flieger, daß er bis jetzt trotz seiner etwa 300 Flüge, 
die er seit Kriegsbeginn gemacht hat, noch keine Speiche 
verbogen hat. Seit Juni befand sich Böhme im Feld 
und was er dort und mehrere andere seiner Flieger- 
kameraden flugtechnisch geleistet haben, wird wohl erst 
nach dem Feldzuge allgemein gewürdigt werden. Erst 
wenige Wochen vor seinem großen Erfolg über Elzach 
hatte er auf ein Kampfflugzeug umgeschult. Böhme 
gehört zweifellos zu den besten deutschen Fliegern. 
Besonders bemerkenswert ist, so lesen wir in den 
»Münch. N. N.<, seine ungewöhnliche Beherrschung des 
Flugzeuges auch in den schwierigsten Lagen; so ist es 
ihm erst kürzlich gelungen, seinen Eindecker bei einem 
mehrmaligen Überschlagen wieder in die normale Lage 
zurückzubringen. 


Militärische Flugvorführungen in Hamburg. 
Am 17. Oktober fand auf der Rennbahn in Groß- 
Borstel ein militärisches Schaufliegen statt, das einen 
außerordentlich festlichen und eindrucksvollen Verlauf 
nahm. An demselben nahmen 20 Flugapparate teil, die 
in Einzel- und Geschwadermanövern den Zuschauern 
militärische Flugleistungen vorführten, die ein wirkungs- 
volles Bild von dem Können der Piloten und der 
Leistungsfähigkeit der Apparate boten. Die Veranstal- 
tung, die eigentlich ein Öffentliches Schulfliegen war, 
erweckte interessante Erinnerungen an das erste Schau- 
fliegen auf demselben Platze, wo von den 3 bis 4 Appa- 
raten, die überhaupt vom Boden abkamen, der einzige 
Grade eine nennenswerte Leistung vollbrachte. Wie 
hatten damals die alten Hamburger die Köpfe ge- 
schüttelt und wie erst recht bei dem diesjährigen Fliegen. 

Das überaus reiche Erträgnis der Flugveranstaltung 
wurde dem Roten Kreuze und der Hamburgischen Kriegs- 
hilfe übermittelt. 


Übergang der Wrightschen Flugzeugfabrik an 
den Schwabschen Kriegsmaterialtrust. Wir ent- 
nehinen den Zeitungsberichten, daßdie Wright-Aero- 
plan-Comp. an ein Syndikat verkauft wurde, das von 
Wiggin, dem Präsidenten des Chase National 
Bank, geführt wird. Wie Orville Wright aus- 
führt, ist er infolge Krankheit außerstande, die Inter- 
essen der Gesellschaft zu vertreten. Er wird tech- 
nischer Berater der Gesellschaft werden, die eine 
breitere Kapitalsanlage anstrebt, um die Herstellung 
von Flugzeugen in großem Umfangeauf- 
zunehmen. Beherrschenden Einfluß auf die neue 
Gesellschaft haben dieselben Interessenten, welche die 
Midvale Steel Com p. erworben haben, also der 
Schwabsche Kriegsmaterialtrust. 


Das Eiserne Kreuz auf den österreichischen 
Armeeflugzeugen. Bisher waren die österreichischen 
Armeeflugzeuge durch rot-weiß-rote Streifen an der 
unteren Seite der Tragflächen gekennzeichnet. Nunmehr 
hat das Armeeoberkominando angeordnet, daß sämtliche 
bei den Fliegerkompagnien im Felde in Verwendung 
stehenden Flugzeuge gleich denen der deutschen Armee 
durch das »Eiserne Kreuz« in schwarzer Farbe auf weibem 
Grunde, und zwar auf der Ober- und Unterseite jeder 
Tragfläche und beiderseits am Seitensteuer, zu kenn- 
zeichnen sind. Bei bereits rot-weiß-rot markierten Flug- 
zeugen ist außerdem die neue Kennzeichnung mit dem 
schwarzen Kreuze anzubringen. Ein rot-weiß-roter 
Wimpel am Schwanzende bezeichnet die Zugehörigkeit 
des Flugzeuges zur österreichischen Armee. 


Die neue Organisation des rumänischen 
Militärflugwesens. Das rumänische Militärflugwesen 
wird in seiner nunmehr geschaffenen Neuorganisation 
eine eigene Waffengattung bilden, die der Direktion 
der Militärschulen im Kriegsministerium untergestellt 
sein wird. Zum Kommandanten des Aviatikerkorps 
wurde Oberstleutnant Gavanescu vom Großen General- 
stab ernannt. Zu der in Cotroceni befindlichen Militär- 
Flugbahn werden zwei Kompagnien in vollständiger 
reglementmäßiger Formation detachiert werden. Die 
Militärflieger werden in Hinkunft zuerst die Piloten- 
schule und dann die Schule für Militäraviatik absolvieren. 
Zu diesem Zwecke werden sie zuerst den Kurs auf der 
Zivilflugbahn der »Nationalen Flugliga« in Baneasa 
mitmachen, wo sie das Diplom als Pilot erlangen 
werden und dann ihre spezielle Ausbildung als Militär- 
flieger in der Militärflugschule erhalten. Da die Flugbahn 
von Cotroceni auf einem für Flüge sehr ungeeigneten 
Terrain gelegen ist, so wird jetzt wegen Ankaufes oder 
Pachtung eines geeigneten Terrains für die Militärflug- 
bahn unterhandelt. 


Neue französische Geschützflugzeuge. Nach 
einer Meldung des »Temps« sind die seit einigen Tagen 
in den französischen: Generalstabsberichten erwähnten 
Geschützflugzeuge (Avions Canons) Zweidecker, die 
außer dem üblichen Maschinengewehre eine kleine 
Hotchkiß-Kanone auf der oberen Tragfläche tragen. 
Die ersten Versuche mit dem Geschützflugzeuge seien 
im Jänner von den Hauptleuten Remy und Faure 
angestellt worden, die infolge eines falschen Manövers 
abgestürzt und getötet worden sind. 


Amerikanische Flugzeuglieferungen. Dem 
»New York Herald« zufolge werden seit einigen Wochen 
durchschnittlich fünfzehn Flugzeuge Jeden Tag 
aus den Vereinigten Staaten nach England verschifft. 
Dieser tägliche Durchschnitt, bemerkt das Blatt, stellt 
just die Zahl der Flugzeuge dar, über welche die 
amerikanische Armee und die amerikanische Marine 
insgesamt verfügen. An den Lieferungen sind vier Firmen 
beteiligt: die Curtiß Company zu Buffalo, die Burgeß 
Company zu Marblehead, die Thomas Brothers Company 
zu Ithaca und die Glenn Martin Company zu Los Angeles. 
Die letztere Gesellschaft baute übrigens jüngst auch sechs 
Flugzeuge für die holländische Regierung. Die Apparate 
wurden nach ihrer Fertigstellung von zwei in Los Angeles 
eingetroffenen holländischen Militärfliegern, dem Haupt- 
mann Visscher und dem Leutnant Ter Poorten, geprüft 
und übernommen. Die beiden Offiziere überwiesen der 
Gesellschaft eine neue Bestellung der holländischen 
Regierung auf zwanzig Flugzeuge. 


Das französische Riesenluftschiff »Alsaces, 


“das durch das zielsichere Feuer der deutschen Artillerie 


bei Rethel heruntergeholt wurde, war eines der neuesten 
Luftschiffe der französischen Heeresverwaltung. Das Luft- 
schiff wurde schon vor Ausbruch des Krieges bei der 
bekannten Automobilfirma Clement Bayard ın Auftrag 
gegeben, aber erst während des Krieges fertiggestellt. 
Es hatte einen Gesamtinhalt von 23.000 m3. Seine Länge 
betrug 130m, der größte Durchmesser 19m, die Gesamt- 
höhe 23 m. Der Antrieb des Luftschiffes wurde durch 
vier Motoren von je 250 PS besorgt. Die »Alsace« hatte 
die bekannte Form der nach vorn verdickten Zigarre, 
die sich nach hinten verjüngt. Das Luftschiff war, wie 
alle französischen Militärluftschiffe, nach dem halbstarren 
System gebaut. Der Antrieb der vier Luftschrauben 
erfolgte durch je einen der parallel zueinander ge- 
lagerten Motoren. 

Die Stenerung des Ballons erfolgte durch ein am 
Ende des Kielgerüstes angebrachtes großes Seitensteuer, 
während die horizontale Steuerung durch drei vor dem 
Seitensteuer angeordnete große Flächen ausgeübt wurde, 
die auch zugleich die Stabilisation des Luftschiffes be- 
wirkten. Die Geschwindigkeit der »Alsace« soll angeblich 
70 km in der Stunde betragen haben. Die Tragfähigkeit 
an Nutzlast wurde auf 3000 kg berechnet. Die Be- 
dienungsmannschaft setzte sich aus 12 Personen zu- 
sammen, unter denen drei Offiziere waren. Die höchste 


Höhe, die das Luftschiff erreicht haben soll, wird auf 
3000 m EEE 

Die » Alsace« gehörte zu jenen »unstarren Zeppelinen«, 
von deren bevorstehendem Bau der Inspektor der fran- 
zösischen Luftschiffahrt, General Hirschauer, bereits 
Ende 1912 Mitteilung machte. Da es den Franzosen 
bisher nicht gelang, starre Riesenluftschiffe zu erbauen 
— die Zeppelinnachahmung »Spieß« war felddienst- 
untauglich so wollten sie ihre unstarren Luftschiffe 
ins Riesenmaß vergrößern, um auf diese Weise die 
Leistungen der deutschen gewaltigen Starrluftschiffe zu 
erreichen. 


Russische Riesenflugzeuge. Nach Berichten fran- 
zösischer Blätter soll die russische Heeresverwaltung 
bereits Versuche mit riesenhaften Flugzeugen vom Typ 
Sikorsky anstellen, die in ihren Dimensionen noc 
größer als die bisher bekannten sein sollen. Es ist merk- 
würdig. daß sich jetzt plötzlich bei unseren Gegnern 
das Bedürfnis nach Riesenflugzeugen bemerkbar macht, 
die wahrscheinlich durch Wunder an Leistungsfähigkeit 
ihre verlorene Sache retten sollen. Es ist mehr als fraglich, 
ob das bei starren Luftschiffen mit Erfolg aufgestellte 
Prinzip der großen Dimensionen in paralleler Anwendung 
auf Flugzeuge eine aussichtsreiche Verbesserung bietet. 


Denn nach dem heutigen Stande der Flugtechnik kann, 


als erwiesen angenommen werden, daß der Wirtschaft- 
lichkeitsgrad dieser großen Maschinen im Verhältnis zu 
ihrer Größe sinkt. Schon bei den normalen Sikorsky- 
Apparaten ist dieser ein sehr ungünstiger, wozu noch 
die große 'Manövrierungsunfähigkeit kommt, die ja 
eigentlich den größten Mangel eines Flugzeuges dar- 
stellt. Der derzeitige Stand der Flugzeugbautechnik 
bietet noch ein so reiches Arbeitsfeld in bezug auf die 
Ausgestaltung der inneren Konstruktion der Apparate, 
der Flugsicherheit und der rationellen Arbeitsweise, die 
zusammen erst die notwendige Grundlage für den Bau 
solcher Riesenflugzeuge bieten werden, daß so verfrühten 
und erzwungenen Anstrengungen heutzutage nur ein 
bedeutungsloser Wert beizumessen ist. Es ist ja gewiß 
anzunehmen, daß im künftigen Flugzeugbau auch auf 
die Schaffung von großdimensionierten Apparaten Be- 
dacht genommen wird, dann aber wird diese auf Grund 
der eingetretenen Vorbedingungen eine natürliche Ent- 
wicklung sein, die auch einen sicheren Erfolg garantiert. 
So viel dürfte aber schon heute feststehen, daß dann 
das ökonomische und leistungsfähige »Riesenflugzeug« 
nicht mit dem Typ des Sikorsky-Apparates überein- 
stimmen wird. 


Japans Luftflotte. Japans Interesse für die Luft- 
schiffahrt ist erst von recht geringer Dauer. Als in 
Europa die Fliegertechnik bereits einen weiten Ent- 
wicklungsgang hinter sich hatte, war man in Japan 
noch fast vollkommen tatlos. Im Jahre 1911 bequemte 
man sich, auch mehrere Offiziere nach Europa und 
Amerika zu entsenden, die die dortigen Fortschritte 
in Augenschein zu nehmen hatten und mit geringen 
Aufträgen von seiten ihrer Regierung ausgestattet 
waren. Von dieser Belehrungsreise wurden einige 
Farman-, Blériot- und Wright-Apparate sowie ein 
deutscher Eindecker und ein Parsevalballon nach Japan 
ebracht. 1911 betrug der ausgeworfene Etat fiir den 

usbau einer Luftflotte 3°8 Millionen Mark. Ein Flug- 
feld bei Tokorozawa wurde vorbereitet, sowie eine 
Halle für zwei Lenkluftschiffe bei Tokio errichtet. Im 
Jahre 1912 wurde von den Amerikanern Baldwin, Lec 
und Hammond in Japan eine Gesellschaft für die 
Fabrikation von Flugzeugen begründet. Doch wurde 
daraus nichts Besonderes. Erst Anfang 1914 wurden 
durch eine japanische Marinekommission in Deutsch- 
land große Abschlüsse gemacht. Daimler erhielt einen 
Auftrag von 400 Flugmotoren, ihre Anlieferung fand 
jedoch aus Mangel an Zeit nur in ganz geringem 
Maße statt. 

Zu Beginn des Krieges soll Japan, nach Mitteilung 
der »Flugwelt«, einen Flugzeugpark von 50 Aeroplanen 
und einen Parsevalballon besessen haben, mit einem 
Bestand von 100 bis 120 Offizieren. Vor Kiautschau 


291 


sollen mehrere Apparate in Tätigkeit getreten sein, 
jedoch nur eine geringe Leistungsfähigkeit bewiesen 
haben. Angesichts der ziemlich erheblichen Anzahl 
der angenommenen Flugzeuge sind die sonst bekannten 
Leistungen der japanischen Militärflieger um so mehr 
verwunderlich geringfügig. Die Glanzleistung japani- 
scher Fliegerkunst datiert vom März dieses Jahres, als 
vier Flieger die Strecke Tokorozawa— Osaka (80 km) 
zurücklegten. 


Neuerungen im französischen Kriegsflugwesen. 
Einem Bericht der »Times« sind interessante Aus- 
führungen über die jüngsten Neuerungen der französi- 
schen Flugtechnik zu entnehmen, besonders über die 
beiden mit so drohender Gebärde angekündigten neuen 
Kriegsflugzeugtypen. Danach ist das eine Kriegsflug- 
zeug, wie schon bekannt, ein Dreidecker mit 
einer Spannweite der Flügel von über 23 m und einer 
Höhe von 7 m. Der Rumpf des Flugzeuges trägt be- 
quem zwölf Mann, von denen sechs die ständige 
Mannschaft bilden. Zwei Fli eger sitzen eng bei- 
sammen in der Mitte; im Notfalle genügt einer, um 
die Maschine zu lenken. Zwei Beobachter und 
zwei Kanoniere für die Geschütze vervollständigen 
die Mannschaft. Die Bestückung besteht aus vier 
3'7 cm-Geschiitzen. Das Flugzeug soll etwa 130 km 
in der Stunde leisten können. Diesem Großkampf- 
flugzeug istein Zerstörerflu gz e ug zugeordnet, 
ein Doppeldecker von nur 7 m Flügelspannung und 
2m Höhe, den ein einziger Motor antreibt. Der Zwei- 
decker soll 160 km in der Stunde fliegen und ist mit 
einem Maschinengewehr ausgerüstet, das von dem 
Flieger selbst bedient wird, der gleichzeitig die Arbeit 
des Beobachters verrichten muß. Dieses neue Schnell- 
flugzeug soll als Luftjäger dienen und etwa dieselben 
Autgaben erfüllen wie die Zerstörer zur See. Bei den 
Versuchsflügen soll es nach den Angaben des Mit- 
arbeiters der »Times« innerhalb 40 Sekunden vom 
Erdboden aus eine Höhe von über 900 m erreicht 
haben. Um dem Flieger die Hände zur Bedienung des 
Maschinengewehres frei zu lassen, ist die Lenkung in 
neuartiger Weise so konstruiert, daß das Flugzeug 
ohne Benützung der Hände gesteuert werden kann. 
Nach den vom erwähnten Berichterstatter angefügten 
Betrachtungen und wiedergegebenen Außerungen 
französischer Fliegeroffiziere gehen die Bestrebungen 
Frankreichs nun dahin, eine möglichst große Zahl von 
Flugzeugen dieser neuen Arten zu erhalten, um mit 
ihnen dann Geschwaderangriffe gegen wichtige deutsche 
Punkte zu unternehmen. 


Frauen als Kriegsfliegerinnen. Französischen 
Blättern zufolge sollen nunmehr auch Frauen als 
Fliegerinnen in den Kriegsdienst gestellt werden. In 
Frankreich hat eine Anzahl Damen einen Bund ge- 

ündet, dessen Aufgabe es sein wird, Frauen für eine 

rt freiwilligen Fliegerkorps auszubilden. In Issy-les- 
Moulineaux, der Zentrale der französischen Aviatik, 
haben die Damen bereits etliche Schuppen gemietet, 
um sich daselbst in die Geheimnisse der Fliegerei 
einführen zu lassen. Hiezu bemerken die »Münchner 
Neuesten Nachrichten« : Vom Rechtsstandpunkt aus 
wird nun zu prüfen sein, ob die Frau als Fliegerin, 
wenn sie dem Gegner in die Hände fällt, als voll- 
wertige Kombattantin zu behandeln sei oder nicht. 


Maßnahmen zur Wiedererlangung der fran- 
zösischen »Vorherrschaft in der Luft« Einige 
Blätter aus dem neutralen Auslande berichten über 
angestrengte Bemühungen in Frankreich um den 
deutschen Vorsprung in der Beherrschung der Luft- 
waffe einzuholen. Wenn man diese Berichte liest, hat 
man die Empfindung, daß die Romantik in Frankreich 
doch noch nicht ausgestorben ist. Wir entnehmen 
diesen Ausführungen folgendes: Während man, wie 
berichtet, in England jüngst das Aerial Institute of 
Great Britain begründete, um die Flugtechnik zu 
fördern und vor allem die Herstellung von Flugzeugen 
für die englische Armee und die Marine zu mehren, 


292 


hat sich nun in Frankreich eine »Ligue Aérienne 
Francaise pour la Suprématie de l’Air« gebildet, die 
sich ähnliche Aufgaben stellt. 

Die »Petite Gironde«, ein in Bordeaux erscheinen- 
des großes französisches Provinzblatt, veröffentlicht 
eine erste Kundgebung dieser Liga, in der es unter 
anderem heißt: »Um im Luftkriege zu einem Ergebnis 
zu gelangen, das die Lage des Feindes schwer beein- 
trächtigen kann, um gut verteidigte feindliche Stütz- 
punkte zu erreichen und sie zu zerstören, müssen in 
rascher Aufeinanderfolge große Massen von Bomben 
und Torpedogeschosse tragenden Flugzeugen auf sie 
geworfen werden. Das ist die Ansicht unserer hervor- 
ragendsten Führer, und das ist auch die Formel, für 
die nun die Öffentlichkeit eintreten wird, um ihr zum 
Siege zu verhelfen. Die Liga ist der praktische Ausdruck 
dieser in allen Kreisen der Bevölkerung stets mehr 
um sich greifenden Meinung. Eine ergänzende, unab- 
hängige Flotte von 5000 Flugzeugen (in England hat 
man eine solche von 10.000 für notwendig befunden) 
wiirde unsere Flieger zweifellos zu den Herren der Luft 
machen. Eine derartige Vorherrschaft wiirde unmittel- 
bare, fiir alle Augen sichtbare Folgen nach sich ziehen. 
Sie würde es uns nicht nur ermöglichen, die Kraft 
des Feindes an ihren Wurzeln zu treffen, da wir seine 
Fabriken und Magazine zerstören könnten, sie würde 
uns vor allem gestatten, die »Tauben« und »Aviatik« 
zu vernichten. Sie würde das Geheimnis unserer Be- 
wegungen bewirken und uns die Sicherheit im Rücken 
gewährleisten. Sie würde uns dagegen erlauben, in 


das Spiel des Feindes zu blicken und dessen Ver- 
bindungen, Stützpunkte und Armeekorps zu gefährden. 
Sie würde für die deutschen Festungen, die deutschen 
Magazine und die deutschen Truppen eine fort- 
währende und furchtbare Bedrohung darstellen. Die 
Liga erstrebt daher das sofortige Studium und die 
Bildung dieser neuen Macht.« 

Unterzeichnet sind diese Phrasen unter anderen 
von Louis Barthou und Georges Clemenceau, zwei 
früheren Ministerpräsidenten, den Senatoren H. Beren- 
ger, Paul Doumer, Stephen Pichon, Gaston Menier 
und Touron, den Deputierten Clementel, Maurice 
Barrés, Paul Painlevé und Herzog v. Rohan, dem 
Akademiker Ernest Lavisse, dem Obmann der Pariser 
Anwaltskammer Henry Robert, dem Baron H. de Roth- 
schild, dem Vizepräsidenten des Französischen Auto- 
mobilklubs Grafen R. de Clermont-Tonnerre und auch 
von dem Possendichter und Chefredakteur des »Figaro« 
Alfred Capus. 

Man soll also in Frankreich noch 5000 Flugzeuge 
bauen, und damit ist die »Vorherrschaft in der Luft« 
errungen. Nun, fünftausend Flugzeuge lassen sich 
nicht, so »aus dem Ärmel herausbeuteln«, und schließ- 
lich: das, was Frankreich könnte, das könnte Deutsch- 
land auch. Wäre Frankreich imstande, weitere 5000 
Flugzeuge »aus dem Ärmel zu beuteln«, so würde 
auch der deutsche Michel seine Ärmel beuteln, und 
wenn er sich dann gar 10.000 Flugzeuge aus dem 
Ärmel beutelte — was dann, verehrte »Ligue Aérienne 
Francaise pour la Suprématie de !’Air«? ... 


Soeben erschienen: 


Motorenkunde für Flugtechniker. 


Unter diesem Titel ist im Verlage des k. k. Osterreichischen Fiugtechnischen Vereines 
eine ungemein reichhaltige, populär-anschaulich geschriebene Schrift erschienen, die, 
durch zahlreiche Textfiguren und Abbildungen illustriert, den Bau, die Funktion und 
den Betrieb der heute üblichen Flugmotorensysteme erläutert und nebstbei wertvolle 
Ratschläge für alle in Betracht kommenden Reparaturen etc. enthält. Im Hinblicke 
auf das wirklich mit besonderer Sorgfalt zusammengetragene Material, das in seiner 
geschickten Zusammenstellung eine reichhaltige Fundgrube praktischen Wissens 
darstellt, kann dieses Werk, welches von Ing. Stephan Popper, einem auf diesem 
Gebiete besonders versierten Fachmanne, verfaßt ist, allen Interessenten nur auf 
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dieses Buch ganz besonders anzusehen. Zu beziehen gegen Voreinsendung des 
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erwirkt 


ing. J. FISCHER, Patentanwalt 


Seit 1877 im Patentfache tätig. 


Herausgegeben vom: »K. k. Österreichischen Fiugtechnischen Verein«. — Für die Redaktion verantwortlich: Anton Klinger. 
Druck von Otto Maaß’ Söhne, Wien L 


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x: Manuskripte werden nicht zurückgestellt. Der Nachdruck 
> von Artikeln und Abbildungen ist nur mit Quellenangabe 
und Zustimmung der Redaktion gestattet. 


ÖSTERREICHISCHE 


+ FLUG-ZEITSCHRIFT 


Herausgegeben von dem unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Majestät des 
Kaisers und Königs stehenden k. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein. 


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Angenommene Beiträge werden honoriert. 


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sind für Form und Inhalt der von ihnen eingesandten © 


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Die Verfasser 


Artikel und Abbildungen verantwortlich. 


2 NIEREN ee ae ih linnan O-TON 
ERSCHEINT ZWEIMAL IM MONAT. 


Nr. 23/24 


Dezember 1915 


IX. Jahrgang 


Inhalt: Der Luftkrieg. — Oberleutnant-Feldpilot Hassan Riza Efendi Pieler }. — Oberleutnant Adolf Janousek +. — Graphostatik, 


mit besonderer Berücksichtigung der Fachwerke (Schluß). — Der Kampf gegen Luftfahrzeuge vom Erdboden aus, von 


des Druckes und der 


Paul Béjeuhr. ~ Die Bestimmun 
anns Pittner. — 


der Westfront. — Stambul, von 


ipL-Ing. 


eschwindigkeit von Luft und Gasen, von Prof. Ing. A. Budau. — Von 
Uber die vermutliche Ursache der Nebelschüsse oder Mistpoeffers, von 


H. Hörbiger. — Deutscher Brief. — Das Gemälde »Die große Zeite von Ludwig Koch. — Chronik. — Patenterteilungen. 


Chefredakteur: Ing. A. Budau, o. 5. Professor der k. k. Technischen Hochschule in Wien 


Unter Mitwirkung von: 


H. HÖRBIGER 
Ingenieur, Mauer b. Wien 


RAOUL HOFFMANN 


FELIX BRAUNEIS 
Ingenieur, Wien 


Dr.ing.WALTERFREIR. 
v. DOBLHOFF 


W. KREBS 
Leiter der Wetterwarte 
Schnelsen, Holstein 


HANNS PITTNER 
Schriftsteller, Wien 


ROBERT POLLAK 


Dipi. Ing. C. SCHMID 
Lindenberg 


LUDWIG SCHMIDL 
k. u.k. Rittmeister, Wiener- 


Ingenieur, Wien Hauptmann RITTER v. RUDIN 
Konstrukteur an der k. k. Neustadt 
Techn. Hochschule, Wien | ANTON JAROLIMEK  KREY,ERENDI ingenieur, Wien LEOPOLD SCHMIDT, 
EDUARD DOLEŽAL k. k. Oberinspektor, König- . POPPER-LYNKEUS Ing., Prof., Wr. 
b. d kee o f Mo OUSTAY E Apno aer, Wen yap KARE TINDE, |, 
. k. nischen Hoch- Dr. F. ng. , Konstrukteur a. d. k. k. 
ule, Wien an ar Tech- | HUGO L. NIKEL STEPHAN POPPER Techn. Hochschule, Wien 
nischen Hochschule, Wien k. k. techn. Ob.-Offiz., Wien Ingenieur, Wien WILHELM TRABERT 


IGO ETRICH 
Oroßindustrieller, Ober- 
altstadt 
Dr. A. HILDEBRANDT 
re tmanna.D., 


n 
P. HINTERSTOISSER 
k. u. k. Oberstit., Wien 


D. W. KAISER 
Kapitănleutnant a. D., 
Charlottenburg 
RICHARD KNOLLER 
Ing., Professor a. d. k. k. 
Techn. Hochschule, Wien 


RANS F. v. ORELLI 
Schriftsteller, Wien 
STEPHAN PETROCZY 
v. PETROCZ 
k. u. k. Luftschifferhaupt- 


mann, Wien der Autoplanwerke, Wien in 


Professor, Direktor der 
itralanstalt für Meteoro- 
Patentamtes, Wien logie u. Geodynamik, Wien 


. C. WIESELS- 
RUDOLF SCHIMEK Dr. GEROER 
k.u.k. Majord.R., Direktor Assistent an der Universität 
Gdttingen 


FRANZ REBERNIGG 
Ing., Kommissär des k. k. 


Der Luftkrieg. 


Im Rule 1915 hat der Luftkrieg eine Schärfe 
erreicht, die alle Mutmaßungen und Vorhersagungen, 
welche vor Kriegsausbruch über denselben hie und da 
geäußert wurden, weitaus übertroffen hat. 
Außerordentliche Anforderungen werden an die 
. Waffen des Luftkrieges ee Von neuen Apparaten, 
immer vollkommener und vollkommenerer Bauart, dringt 
die Kunde durch die Tagesblätter, sowohl bei Freund, 
als bei Feind. Immer verderblicher wird leider das durch 
dieselben verursachte Zerstörungswerk. Daß unter solchen 
Umständen die Anforderungen an die mit der Ver- 
teidigung unseres Vaterlandes durch die Luftwaffen 
betrauten Offiziere und Mannschaften überaus große 
sind, ist einleuchtend. 
Mit Beruhigung kann gesagt werden, daß sich unsere 
Fliegertruppen den höchsten Anforderungen gewachsen 
ezeigt haben. Ein Beweis hiefür sind die zahlreichen 
uszeichnungen, welche an Offiziere und Mannschaften 
der k. u. k. Luftschiffer-Abteilung im Laufe des zu Ende 
gehenden Jahres bisher erteilt wurden und die wir hier als 
ein jeden Patrioten erfreuendes Ruhmesblatt anführen. 
Es wurden ausgezeichnet: 


Offiziere: 
Mit dem Leopold-Orden: Oberst Emil Uzelac. 


Mit dem Eisernen Kronen-Orden III. Klasse: 
Oberstleutnant Hans Umlauff Ritter v. Frankwell, Major 


Ferdinand Deutelmoser, Oberleutnant Oskar Safar, 
Oberleutnant Bela v. Losonczy, Oberleutnant Johann 
Mandl, Oberleutnant Hassan Pieler, Hauptmann 
Adolf Heyrowsky, Oberleutnant Robert Cizinsky. 
Mit dem Militär-Verdienstkreuz Ill. Klasse: 
Major Ferdinand Deutelmoser, Hauptmann Stephan 
Petroczy v. Petrocz, Hauptmann Johann Bukowsky, 
Hauptmann Wilhelm Dvorak, Hauptmann Karl 
Stohansl, Hauptmann Karl Christian, Hauptmann 
Robert Eyb, Hauptmann Matthias Bernat, Rittmeister 
Stephan Freiherr v. Ankershofen, Hauptmann Franz 
Smioka, Hauptmann d.R. Karl Zuleger, Rittmeister 
Karl Führich, Hauptmann Erich Kahlen, Hauptmann 
N Kara, Hauptmann Eugen Czapari, Hauptmann 
ikolaus Wagner Edler v. Florheim, Hauptmann 
Eugen Steiner Edler v. Auring-Göltl, Hauptmann 
Aladar Tauszig, Hauptmann Ferdinand Cavallar 
Ritter v. Grabensprung, Hauptmann Rudolf Holeka, 
Hauptmann Heinrich Kostrba, Hauptmann Artur 
Schlett, Hauptmann Stanislaus Ritter v. Rozen, Haupt- 
mann Leo Libano, Hauptmann Eduard v. Trautenegg- 
Rzemenovsky, Hauptmann Raoul Stojsavljevic, 
Hauptmann Modestus Plank, Rittmeister Georg Edler 
v. Lehmann, Hauptmann Josef Bendik, Hauptmann 
Bruno Schonovsky, Hauptmann Otto Ji ndra, Haupt- 
mann Kamillo Perini, Hauptmann Viktor Schünzel 
Hauptmann Franz Rabitsch, Hauptmann Josef 


294 


Steiner, Oberleutnant Karl Sabeditsch, Ober- 
leutnant Karl Huppner, Oberleutnant Max Perini, 
Oberleutnant Bela v. bacon y, Oberleutnant Richard 
Hübner, Oberleutnant Max Macher, Oberleutnant 
Viktor Seebauer, Oberleutnant Alfons Veljacic, 
Oberleutnant Johann Wierzeisky, Oberleutnant Oskar 
Fekete, Oberleutnant Anton Venczel, Oberleutnant 
San Ventura, Oberleutnant Roman Florer, Ober- 
eutnant Julius Ludwig, Oberleutnant Artur Kol- 
litsch, Oberleutnant Josef v. Maier, Oberleutnant 
Rudolf Vanicek, Oberleutnant Johann Mandl, Ober- 
leutnant Hassan Pieler, Oberleutnant Emanuel Mainx, 
Oberleutnant d. R. Leopold Kann, Oberleutnant Franz 
Schorn, Oberleutnant Robert Ellner, Oberleutnant 
Alexander Hartzer, Oberleutnant Ernst Ritter von 
Pfiffer, Oberleutnant Johann Calogovic, Ober- 
leutnant Ludwig Dumbacher, Oberleutnant Leo 
Bisce, Oberleutnant Franz Cserich, Oberleutnant 
Adolf Rath, Oberleutnant Leopold Urban, Ober- 
leutnant Eduard Lewa k, Oberleutnant Otto Langl, 
Oberleutnant Anton Lanyi-Lanczendorfer, Ober- 
leutnant Eduard Fritsch, Oberleutnant Karl Banfield, 
Reserveleutnant Benno Fiala Ritter v. Fernbrugg, 
Leutnant Rudolf Stanger, Hauptmann Oskar Ros- 
mann, Hauptmann Heinrich Reisner, Hauptmann 
Hugo Brunar, Hauptmann August Freiherr von 
Mandelsloh, Hauptmann Anton Sieber, Haupt- 
mann Kurt Wilhelm Edler v. Helmfeld, Hauptmann 
Joser Kastranek, Hauptmann Oskar Lestin, Ober- 
eutnant aeann nn i hal, Oberleutnant Albert 

a erda, 


Sanchez de Oberleutnant Robert 


Cizinsky. 


Mit dem silbernen Signum laudis: Hauptmann 
Emil Kumstat, Hauptmann Ljubisa Kosanovic, 
Hauptmann Julius Mally, Hauptmann Josef Steiner, 
Oberleutnant Josef Cejnek, Oberleutnant Ernst Reischer, 
Oberleutnant Vinzenz Martinek, Oberleutnant Johann 
Murgu, Oberleutnant Franz Cik, Oberleutnant Julius 
Ludwig, Oberleutnant Artur Kollitsch, Oberleutnant 
Anton Größler, Reserveoberleutnant Max Hesse, 
Oberleutnant Ludwig Dumbacher, Oberleutnant 
Zoltan Hollosy, Recervclentnant Josef Glanz, Re- 
serveleutnant Ludwig Hautzmayer. 


Mit dem Signum laudis: Hauptmann Johann 
Bukowsky, Rittmeister Artur de Varbogya et Nagymad 
Bogyay, Hauptmann Wilhelm Dworak, Hauptmann 
Oskar Zeidner, Hauptmann Matthias Bernat, Ritt- 
meister Stephan Freiherr v. Ankershofen, Hauptmann 
Franz Smicka, Hauptmann i.d.R. Karl Zuleger, 
Rittmeister Karl Führich, Hauptmann Eugen Steiner- 
Gölt! Edler v. Auring, Hauptmann Aladar Tauszig, 
Hauptmann Ferdinand Cavallar Ritter v. Graben- 
sprung, Hauptmann Emil Kumstat, Hauptmann Gustav 
Studeny, Hauptmann Rudolf Holeka, Hauptmann 
Robert Oswald, Hauptmann Heinrich Kostrba, 
Hauptmann Artur Schlett, Hauptmann [Ljubisa 
Kosanovic, Hauptmann Stanislaus Ritter v. Rozen, 
Hauptmann Leo Libano, Hauptmann Oskar Lestin, 
Hauptmann Karl Sternischa, Hauptmann Arpad 
Gruber, Hauptmann Eduard v. Trautenegg-Rzeme- 
novsky, Hauptmann Raoul Stojsavljevic, Haupt- 
mann Modestus Plank, Rittmeister Waldemar Kenese, 
Rittmeister August Knirsch, Hauptmann Robert 
Schwarz, Hauptmann Bruno Schonovsky, Haupt- 
mann Otto Jindra, Hauptmann Kamillo Perini, 
Hauptmann Viktor Schünzel, Hauptmann Walter Lux, 
Oberleutnant Josef Smetana, Oberleutnant Heinrich 
Schartner, Oberleutnant Wedige v. Froreich, Ober- 
leutnant Alfred Schindler, Oberleutnant Oskar von 
Meczenzef-Schmoczer, Oberleutnant Oskar Safar, 
Oberleutnant Karl Sabeditsch, Oberleutnant Josef 
Cejnek, Oberleutnant Max Perini, Oberleutnant Oswald 
Ritter v. Neudorf-Nachodsky, Oberleutnant Bela 
v. Losonczy, Oberleutnant Richard Hübner, 
Oberleutnant Viktor Seebauer, Oberleutnant Alfons 
Veljacic, Oberleutnant Johann Wierzeisky, Ober- 
leutnant Viktor Novy Edler v. Wallersberg, Ober- 


leutnant Oskar Fekete, Oberleutnant Ernst Reischer, 
Oberleutnant Johann Ventura, Oberleutnant Roman 
Florer, Oberleutnant Vinzenz Martinek, Oberleutnant 
Franz Hellmann, Oberleutnant Kornelius Kiraly, 
Oberleutnant Franz Cik, Oberleutnant Julius Ludwig, 
Oberleutnant Stefan Horvath, Oberleutnant Rudolf 
Henke, Oberleutnant Alexander Schön, Oberleutnant 
Bruno Freiherr v. Lazan-Bechinie, Rerserveober- 
leutnant Max Hesse, Oberleutnant me Gehfink, 
Oberleutnant Robert Ellner, Oberleutnant Alexander 
Hartzer, Oberleutnant Emanuel Grycz, Oberleutnant 
Ignaz Kozma, Oberleutnant Ernst Ritter v. Pfiffer, 
Oberleutnant Ludwig Dumbacher, Oberleutnant Leo 
Bisce, Oberleutnant Gustav Rubritius, Oberleutnant 
Wladimir Klajic, Oberleutnant Emil Cioli, Ober- 
leutnant Albert Fix, Oberleutnant Julius Csicsery 
v. Csicser, Reserveoberleutnant Rudolf Schreiber, 
Oberleutnant Otto Seidl, Oberleutnant Karl Banfield, 
Reserveleutnant Josef Glanz, Leutnant Josef Brat- 
mann, Reserveleutnant Benno Fiala Ritter v. Fern- 
brugg, Reserveleutnant Ludwig Hautzmayer, Leut- 
nant Rudolf Stanger, Reserveleutnant Johann Zvacek, 
le Heinrich Reisner, Hauptmann Hugo 
Betka, Hauptmann Adolf Heyrowsky, Hauptmann 
Robert Baar, Hauptmann Johann Riedlinger Edler 
von Kastrenberg, Hauptmann Hugo Brunar, Haupt- 
mann Rudolf Kop pl, Oberleutnant Richard Baum- 
gartner, Oberleutnant Friedrich Rosenthal, Ober- 
leutnant Adalbert Feszl, Oberleutnant Artur Böhm, 
Oberleutnant Franz Weikert, Oberleutnant Bruno 
Moltini, Oberleutnant Albert Sanchez de laCerda, 
Oberleutnant Josef v. Sohar, Oberleutnant Johann 
Wagner, Oberleutnant Otto Stiaßny, Oberleutnant 
Robert Cizinsky, Oberleutnant Alexander Janku- 
lovic, Oberleutnant Johann Fischer, Reserveober- 
leutnant Ernst Freiherr v. Plener. 


Mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse: Oberst 
Emil Uzelac, Major Ferdinand Deutelmoser, Haupt- 
mann Stefan Petroczy v. Petrocz, Hauptmann Robert 
v. Kaiserfeld, Hauptmann Nikolaus Wagner Edler 
v. Florheim, Hauptmann Gustav Studeny, Hauptmann 
Heinrich Kostrba, Hauptmann Raoul ale c. 
Hauptmann Otto Jindra, Oberleutnant KarlHuppner, 
Oberleutnant Max Perini, Oberleutnant Max Macher, 
Reserveoberleutnant Max Hesse, Oberleutnant Ale- 
xander Hartzer, Oberleutnant Ludwig Dumbacher, 
Oberleutnant Oskar Schilz, Oberleutnant Otto Langl, 
Reserveleutnant Benno Fiala Ritter v. Fernbrugg, 
Leutnant Rudolf Stanger, Hauptmann Hugo Betka, 
Rittmeister Gustav v. Koczian, Oberleutnant Robert 
Cizinsky, Oberleutnant Otto Schartner. 


Mannschaft: 


Mit der goldenen Tapferkeitsmedaille: Die 
Offiziersstellvertreter: Johann Mattl, Josef Siegel; 
die Feldwebel: Robert Meltsch, Johann Varga; die 
Zugsführer: Ernst Till, Rudolf Stolba. 


Mit der silbernen Tapferkeitsmedaille I. Kl.: 
Die Fähnriche: Bogut Burian, Edmund Sparmann; 
die Offiziersstellvertreter: eu Mattl, Josef Siegel, 
Bruno Czernil, Max Libano; die Feldwebel: Fried- 
rich Würbel, Stefan Dobos, Franz Kuntner, Johann 
Varga, Emil Zebethy, Gottfried Ruß, Franz 
Schmidt, Ferdinand Konschel, Stefan Huzjan, 
Josef Mugrauer, Franz Juhacz, Julius Arigi; die 
Zugsführer: Franz Benda, Ferdinand Junker, Karl 
Barth, Andreas Borbely, Hubert Graf, Ernst Till, 
Elemer Szalkay, Ferdinand Knötig, Rudolf Stolba, 
Heinrich Eipert, Alexander Renner; die Korporäle: 
Stefan Szücs, Zeno Kovach, Adalbert Malagursky; 
der Gefreite: Max Bartl. 


Mit der silbernen Tapferkeitsmedaille Il. Kl.: 
Der Fähnrich: Max Brociner; der Offiziersstellvertreter: 
Max Libano, Johann Mattl; die Feldwebel: Johann 
Varga, EmilZebethy, Gottfried Ruß, Josef Mugrauer, 
Franz Juhacz, Rudolf Driemer;die Zugsführer: Viktor 
Knopp, Franz Malina, Otto Elstner, Karl Kulig, 


Waldemar Renner; die Korporäle: Franz Schmied, 
Aladar Liptak, Matthias Paulnits, Rudolf Forst, 


Andreas Kvas; der Gefreite: Gabriel Urban; der 
Luftschiffer: Franz Greiner. 
Mit der bronzenen Tapferkeitsmedaille: Der 


Offiziersstellvertreter: go iegel, Max Libano; 
die Zugsführer: Franz Benda, Andreas Borbely, Ernst 
Till, Oskar Elstner, Josef Mach; die Korporäle: 


* 


Josef f Gungel, 


295 


Stanislaus Pachuta, Kurt Gruber; der Gefreite: 
Franz Kostecki; die Luftschiffer: Leopold Bauer, 
Ludwig Soos, Johann Hafner, 
osef Hambach und Franz Prohaska. 


s % 
% 


Die Namen der Herren, welche Mitglieder unseres 
Vereines sind, sind fettgedruckt. 


— 


Oberleutnant-Feldpilot Hassan Riza Efendi Pieler t+ 


geboren am 31. Dezember 1889 in Pozsony, absol- 
vierte die Realschule, die Artillerie-Kadettenschule, 
im Jabre 1912 den Ballonkurs, im Jahre 1913 den 
Fliegerkurs, und wurde im Dezember 1913 zum 
Balionfiibrer, im März 1914 zum Feldpiloten er- 
nannt. Er stand im Felde seit 26. Juli 1914, war 
zuerst eingeteilt bei der Seeflugstation, später bei 
der Fliegerkompagnie Nr. 6 und Fliegerkompagnie 
Nr. 4. Er absolvierte zirka 200 Flüge mit mebr als 
60.000 km im schweren Karstterrain Montenegros 
mit schwierigen Notlandungen, darunter Landun- 


Oberleutnant Hassan Riza Efendi Pieler. 


gen auf Wasser mit Landflugzeugen, Nachtflüge 
mit Bombenangriffen, Seeaufklärung mit Land- 
flugzeugen, erfolgreiche Angriffe gegen Städte, 
Kriegs- und Handelsschiffe und feindliche Flieger. 
Wurde am 8. Juni 1915 mit dem Militär-Verdienst- 
kreuz III. Klasse, am 1. Dezember 1915 mit dem 
Orden der Eisernen Krone Ill. Klasse ausgezeichnet. 
Stürzte am 24. November 1915 bei der Erprobung 
eines neuen Kampfflugzeuges bei Görz ab und 
starb am 26. November an den biebei erlittenen 
Verletzungen. 


Oberleutnant Adolf Janousek. 


Oberleutnant Adolf Janousek + 


eboren am 25. November 18% in Hodolein bei 
Ölmütz, absolvierte die Realschule und die Militär- 
akademie in Wr.-Neustadt, stand als Flieger 
seit 23. September 1915 im Felde, nahm unter 
anderem auch an dem Geschwaderflug nach 


Verona am 14. November 1915 teil und wird seit 
19. November vermißt. Nach dem italienischen 
Generalstabsbericht vom 21. November d. J. wurde 
er von den Italienern bei einem Fluge berab- 
geschossen. | 


296 


Graphostatik, mit besonderer Berücksichtigung der Fachwerke. 


(Schluß.) 


Der durchlaufende Träger. 


Wie sich bereits bei der rechnerischen Behand- 
lung des durchlaufenden Trägers gezeigt hat, ist zur 
Bestimmung der Stützendrücke, der Momente und 
auch der Schwerkräfte die Kenntnis der auftretenden 
Durchbiegungen nötig. Die entstehenden Deformationen 
lassen sich aber auch zeichnerisch bestimmen und 
der ganze Verlauf der Linie, nach welcher sich die 
Schwerachse des Trägers einstellt, angeben. Diese 
Linie heißt die Elastische Linie und kann nach 
dem Verfahren von Mohr konstruiert werden, 
sobald man die Momentenfläche kennt. Auf die theore- 
tische Begründung der im folgenden anzugebenden 
Konstruktion sei nicht weiter eingegangen, da sie 
ohnehin in jedem Lehrbuch zu finden ist; es möge 
vielmehr gleich der Fall behandelt werden, daß auf 


Fig. 34. 


einen Träger von 10 m Spannweite in den aus der 
Zeichnung ersichtlichen Abständen Kräfte: 


P, = 3000 kg 


wirken. (Fig. 34.) Der Träger sei beispielsweise ein 
Walzeisen etwa von J-förmigem Querschnitt, und 
habe ein Trägheitsmoment: 


J = 7575 cm‘ 


bezogen auf die horizontale Achse, was einem Normal- 
profil Nr. 28 entspricht. Es ist klar, daß es nicht ge- 
nügt, die wirklich auftretenden Durchbiegungen auf- 
zutragen, da sich diese ja immer so klein ergeben 
werden, daß es bei dem für die Zeichnung nötigen 
Maßstab unmöglich wäre, sie zu konstruieren, bezw. 
enau abzulesen. Es ist also unbedingt nötig, die 
eformationen zu vergrößern, also einen praktisch 
brauchbaren Maßstab für ihre Auftragung zu benützen. 
Der Träger ist im Maßstab 1:200 gezeichnet und 
der Kräftemaßstab so gewählt, daß I mm = 200 kg 
entsprechen. Um nun den Verlauf der Momente zu 
bestimmen, muß zunächst ein Horizontalzug für das 
Seileck angenommen werden; dieser beträgt beispiels- 


weise 
H = 6000 kg, 


* KIEW N 
H- 5000 Rt 


was bei dem gewählten Kräftemaßstab einer Strecke 
von 30 mm entspricht. Nun kann man ohne weiteres 
die Momentenfläche M konstruieren, wobei nur zu 
berücksichtigen ist, daß die Schlußlinie durch die 
Auflagervertikalen hindurchgeht. 


Für die Konstruktion dieser Momentenfläche ist 
nichts weiter zu beachten, als daß sich die Seilstrahlen 
auf der Richtungslinie jener Kraft schneiden, zu der 
sie gehören; also beispielsweise auf der Richtungs- 
linie von P, die Parallelen zu den Seilstrahlen 2 und 3; 
durch den Schnitt der Seilstrahlen mit den Auflager- 
vertikalen (durch A und B) muß dann die Schlußlinie 
gehen (4), zu ihr die Parallele ins Seileck eingetragen, 
gibt auch die gesuchte Größe an. 


Nun ergibt sich die Linie der elastischen 
Durchbiegung, wenn man mit dieser Momenten- 
fläche M als Belastungsfläche ein 
zweites Seileck konstruiert, dessen 
Horizontalzug aber nicht mehr frei 
wählbar ist; er muß vielmehr nach 
den Sätzen der Festigkeitslehre der 
Gleichung 


em E 
aH 
entsprechen, wobei 


Peet 
E 
die Dehnungszahl, also em / kg ist. Setzt 
man in diese Gleichung ein, so sieht 
man, daß der absolute Wert 


| 
! 
| 


ist, also H“ eine Fläche darstellt. Das 
ist auch nötig, denn so wie für die 
Kräfte im Seileck der Horizontalzug 
eine Kraft war, so muß er hier für 
die Flächen eine Fläche sein. 
Die Flächen ergeben sich nun, wenn 
der mittlere Teil nochmals in zwei 
Flächen zerlegt wird, zu 


F, = 10000 em? 
F, = 25000 n 
F, = 25000 ” 
F, = 15000 1 


Damit kann nun wieder ein Seileck gezeichnet werden, 
das gleichzeitig die Tangenten an die elastische Linie 
darstellt, so daß auch diese genau genug eingetragen 
werden kann. Für die Wahl des Maßstabes, der zur 
Konstruktion des zweiten Seileckes verwendet wird, 
ist folgendes zu bedenken: Bei richtiger Dimensionie- 
rung fallen begreiflicherweise die auftretenden Durch- 
biegungen nur sehr klein aus und die Seilkurve würde 
von der Schlußlinie nur wenig abweichen. Um bequem 


ablesen zu können, hat man daher statt H’ nurn anzu- 


nehmen, denn dann wird die Durchbiegung f das 
n- fache; denn allgemein ist 


und mit pata 
= H. = 1/n H. 
wir 
H‘f 
11 = nf 
n 


also erscheint in der Zeichnung (fi) die elastische 

Durchbiegung f = n-mal vergrößert, wenn man den 

Horizontalzug zu H': wählt. Im gezeichneten Fall ist 
2. 100.000. 7575 


H‘ =< 60L0 ee 2,651.250 cm? 


Die Längen sind bereits 1:200 verzerrt, also stellt | 


1mm der Zeichnung bereits 40.000 mm? der Wirklich- 
keit dar oder 490 cm’, denn das Moment ist ja gegeben 
durch Kraft mal Hebelarm, und nun stellt die Längen- 
einheit sich 200 fach verkürzt dar, während die Kraft 
von 200 kg durch 1 mm dargestellt ist, so daß 1 mm? 
als Momentenmaßstab 200.200 = 40.000 mm” der Wirk- 
lichkeit entspricht. Bei einem Flächenmaßstab von 
1 mm = 2000 mm ergäbe sich ein 


H, = 1325 mm, 


was natürlich zu groß ist; um aber bequem zeichnen 
zu können, wählt man davon nur den n-ten Teil, also 
beispielsweise ½¼%o, so daß 

H‘, — 26:5 mm 
beträgt. Die Durchbiegungen des 
Trägers werden dadurch zunächst fünf- 
zigfach übertrieben; es ist aber zu be- 
denken, daß außerdem alle Längen nur 
den 200. Teil der Wirklichkeit dar- 
stellen, so daß endlich die tatsächlich 
auftretenden Durchbiegungen 4 mal so 
groß sind, als sie in der Zeichnung 
erscheinen; das heißt also: während 
die Maßstäbe für die 


Längen 1:200 i mm — 200 mm) 
Flächen 1: 40000 (1 mm — 40000 mm’) 


sind, erscheinen die 
Durchbiegungen 1:4 (1 mm — 4 mm) 


Im gezeichneten Fall ist die größte 
entstehende elastische Senkung der 
Schwerlinie des Trägers 


y = 2'8 mm 


gemessen von der Schlußlinie, also der 
Schnittlinie der Seilkurve mit den Verti- 
kalen durch die Auflager. 

Im Flugzeugbau trachtet man nun, 
die Querschnitte nie größer zu di- 
mensionieren, als den auftretenden 
Beanspruchungen bei dem verlangten 
Sicherheitsgrad entspricht. Das hat zur 
Folge, daß die Holme über die ganze 
Länge nicht mehr denselben Quer- 
schnitt, also auch nicht das gleiche 
Trägheitsmoment I haben, welche Vor- 
aussetzung aber bei der oben ange- 
gebenen Bestimmung der Durchbiegung 
gemacht wurde. In diesem Falle setzt 
sich die elastische Linie aus zwei oder 
mehreren Ästen zusammen, für deren Konstruktion 
nur zwei oder mehrere verschiedene Polentfernungen 
so zu wählen sind, daß für den einen Teil 


A, 


Z l 


— h 
H, = aH 

und fiir den anderen 
ı_ 2 
H: aH 


ist, wenn J, 
momente sind. 
Fiir die resultierende Beanspruchung eines Flug- 
zeuges darf nicht allein die Spannung maßgebend sein, 
welche in den Holmen infolge der vertikalen Belastung, 
also des Auftriebes, auftritt, sondern es muß diese 
erst mit jenen Spannungen kombiniert werden, welche 
in den Stäben der Stirnwiderstand hervorruft, und 
schließlich ist zu bedenken, daß über die Holme 
zwischen den einzelnen Knoten auch noch die Last 
ENDE verteilt ist, also zur Berechnung der 
imensionen, bezw. zur Kontrolle der auftretenden 
Beanspruchungen, die resultierende Beanspruchung 
aus Normalspannung (Zug oder Druck) und Biegungs- 
beanspruchung maßgebend ist. 


und Jo die betreffenden Trägheits- 


P A, 
—— E 9 ; 


297 


Als vertikal wirkende Kraft kommt der resul- 
tierende Druck in Betracht, welcher zunächst 
im Druckmittelpunkt D (Fig. 35), und zwar senkrecht. 
zur Sehne wirkt, die unter dem Anstellwinkel i zur 
Flugrichtung geneigt ist; die Holme H, und Hg ent- 
sprechen nun den Knotenpunkten I und II der Fig. 15 
im zweiten Teil dieser Arbeit (siehe Heft 7 und 8, 
Seite 93), die Verbindung der Schwerpunkte der Holm- 
querschnitte dem Stab I—II, und es ergibt die Be- 
stimmung der Stützendrücke in H, und H, jene Kräfte, 
welche in den Querschnitten, aber wieder unter dem 
Winkel i zur Senkrechten wirken. Es sind also noch 
die Auflagerdrücke A, und A, nach den Richtungen 


H 
: 
! 
i 
i 
! 
! 
i 
H 
: 
i 
i 
l 
! 
l 
! 
| 
! 
I 
j 
! 
H 
U 


~P, 


Fig. 35. 


H, Hs, bezw. Hz H, und H, He zu zerlegen. Man hat 
daher nur durch das Ende von A, (maßstabrichtig 
durchzuführen) Parallele zu Hi Ha, bezw H, He zu 
ziehen, um jenen Betrag zu finden, der als Belastung 
für das vertikale Fachwerk einzuführen ist, während 
die Verbindung von H, mit H, (entweder ein Rohr 
oder eine Kastenrippe) zunächst durch die Kraft W 
beansprucht wird. 


Fig. 36. 
Nun ändert sich aber die Lage des Druckmittel- 


punktes mit der Änderung des Anstellwinkels i und 
das hat zur Folge, daß auch die Stützdrücke in H, 
und Hg sich ändern, damit aber auch die ganze vertikale 
Belastung eine andere wird. Für die Dimensionierung 
ist nun jene Lage des Druckmittelpunktes zu wählen, 
welche die größte Beanspruchung ergibt, wenn der 
dazu gehörige Anstellwinkel überhaupt in den praktisch 
vorkommenden Bereich fällt. Es kann aber auch ein 


298 


anderer Winkel i die größte Holmbeanspruchung er- 


geben, und zwar ist das jener, bei dem das Verhältnis 


von Stirnwiderstand und Auftrieb, also Kr am größten 


ist. Zunächst sei nur der ersterwähnte Fall behandelt. 
Fig. 36 zeigt schematisch die Lastverteilung. Die 
Widerstände A und B sind dann aus der Beziehung 


eingeführt werden. Die in den einzelnen Stäben des 
Fachwerkes sich ergebenden Spannungen sind dann 
erst sinngemäß zu vereinigen und liefern die resul- 
tierenden Normalspannungen, während von den auf- 
tretenden Biegungsmomenten die zusätzliche Bean- 
spruchung sich herleitet. 

Zu den entwickelten Methoden der Untersuchung 
durchlaufender Träger sei noch das Folgende nachge- 


A= ps tragen: Sowohl fiir die rechnerische als auch fiir die 
l graphische Bestimmung der Momente ist es wichtig, 
und aß man die an der Einspannstelle und am anderen 
p= p= Auflager wirkenden Momente kennt. Aus der Flügel- 
l befestigung am Rumpf ergibt sich die Tangente an 
zu rechnen. den Verlauf der elastischen Linie, während das Moment 
des Druckes auf die Fläche, 
01 0 welche über den äußersten 
i 03 0.2 i Stiel vorragt, auch bekannt 
ay g6 05 85 30 ist, wodurch sich die Anzahl 
09 OF — der Unbekannten um zwei 
en 5 25 vermindert. 
| u Ist also die graphische 
„ 20 oder rechnerische Unter- 


Fig. 37. 


Wie bereits im zweiten Teil gezeigt wurde, ist 
der obere Hinterholm der am stärksten 
beanspruchte, also wird die ungünstigste Lage 
des Druckmittelpunktes jene sein, bei der Bam größten 
ausfällt. Das ist dann der Fall, wenn x =1 wird, was 
aber nur selten zutreffen wird. Da die Abhängigkeit 
von A und B von der Lage des Druckmittelpunktes 
eine lineare ist, so stellt ein Diagramm der Druck- 
mittelpunktswanderungen unmittelbar auch einen MaB- 
stab für die Auflagerdrücke dar. Das wird besonders 
übersichtlich, wenn man die einzelnen Lagen des 
Druckmittelpunktes über die Tragflächenspiere zeichnet, 
wobei sich sofort die Abstände x bezw. I x ablesen 
lassen. (Fig. 37.) 

Aus dem Diagramm, welches Stirndruck und Auf- 
trieb in Abhängigkeit vom Anstellwinkel i enthält, 
findet man den zum Winkel i gehörigen Stirnwider- 
stand und hat dann das ganze Flugzeug unter diesem 
Winkel angestellt zu untersuchen. Mit diesem Wert 
von x wird nun der Auftrieb P auf den vorderen, 
bezw. hinteren Holm nach den Verhältnissen 
4 _ 1x 

l l 
und 

V: l 
verteilt und diese Beträge als die gleichförmig verteilte 
Last des Vorder- bezw. Hinterholmes eines durch- 
laufenden Trägers über so viel Stützpunkte, als Stiele 
vorhanden sind, betrachtet; daraus werden dann die 
Stützdrücke bestimmt und mit diesen das Fachwerk 
untersucht, wie in Fig. 14 auf Seite 93 des Heftes 
Nr. 7 uhd 8 gezeigt wurde. 

Dann wirkt auf das horizontal liegende Fachwerk 
ebenfalls gleichförmig verteilt der Stirnwiderstand, so 
daß auch hier die in den Kastenrippen wirkenden 
Kräfte als Stützendrücke gefunden werden können und 
als Belastungen, genau so wie beim Auftrieb erwähnt, 


suchung der Fachwerksträger 
erfolgt, so erhält man die 
Axialkräfte,dieindenHolmen, 
Stielen und Kastenspieren 
wirken. 

Diese Axialkräfte sind 
nunmehr aber noch mit den 
Beanspruchungen, die sich 
aus den Biegungsmomenten 
ergeben, zu kombinieren, und 
das kann sowohl rechnerisch 
als auch zeichnerisch ge- 
4 schehen. 

Es sei also der Fall 
untersucht, daß auf einem 
Stab (Fig. 38) ein Biegungs- 


moment Mp wirkt. Dabei 
ist das größte Biegungsmoment in cm/kg 
_Ql 
Mb = 8 


wenn | die Spannweite in em und Q die Last in kg 


bedeutet. In diesem Falle rechnet man den nötigen 
Querschnitt in cm* aus der Beziehung 
21. 1 
war ke 


wobei k, die Biegungsfestigkeit in kg/cm? ist. Wirkt 
aber gleichzeitig in dem Stab eine Zug- oder Druck- 
kraft P, dann verteilt sich zunächst diese über den 


ee ̃ — 


Fig. 38. 


ganzen Querschnitt, wie man annimmt, gleichmäßig, 
also ist die spezifische Spannung infolge 
der Axialkraft 


ca = oe 
N F 


Von der Biegungsbeanspruchung herrührend ist 
aber in den von der sogenannten neutralen Faser am 
weitesten abstehenden Randfasern noch eine Druck-, 
bezw. Zugbeanspruchung vorhanden, die man aus der 
Beziehung 


9d = 1 
und 


findet, wenn dabei die gezogene Faser um e, cm und 
die gedrückte ume, cm von der Nullinie ab- 
steht. Wirkt also in dem Stab Zug und Biegung, dann 
wird die Zugbeanspruchung um cz vermehrt, wirkt 
Druck, dann wird dieser um ca vermehrt, in beiden 
Fällen aber auf der anderen Seite um cd, bezw. cz 
vermindert, und es ist die auftretende Druckbean- 
spruchung gegeben durch 


wenn P eine Druckkraft (KB), J das Trägheitsmoment 
(cmt) und F die Fläche (cm?) bedeutet; zeichnerisch 


Fig. 9 


stellen sich diese Verhältnisse noch einfacher dar 
(Fig. 39). Trägt man nämlich von einer Achse X—X, 
aus aufwärts Druck (—) und abwärts Zug (+) auf, 
dann ist die auf 1 cm? wirkende Zugbeanspruchun 

dargestellt durch die Linie AB, wobei XA ein Ma 

für die Kräfte darstellt. Von der Biegung herrührend 
findet man ehe eine Zugkraft von der Größe 
XC und eine Druckkraft X, D in der anderen Faser, 
dann ist das Diagramm der Spannungen im Quer- 
schnitt das schraffierte, das heißt, die Faser bei X 
erhält die Summe, die bei X, die Differenz dieser 
beiden Spannungen von der Größe XC bezw. X, D, 
während die bei N spannungslos ist (neutrale Faser). 
Sinngemäß gilt das gleiche von Druckbeanspruchungen. 
In allen Fällen fällt die Nullinie mit der Schwer- 
linie zusammen, falls das Moment in einer Trägheits- 
hauptsache wirkt. In jedem anderen Falle ist aber die 
Nullinie und ihre Lage erst zu bestimmen, wie dies 
im Heft 3 und 4 dieses Jahrganges, Seite 37 und 38, 
gezeigt wurde. 

Der Einfluß von Biegungs- und re nen 
ist beim Fachwerk folgender: Zufolge der Axialkraft 
(es sei dabei in erster Linie an Druckkräfte 
gedacht) ist der Querschnitt auf Druck, bezw. auf 


Fig. 40. 


Knickung beansprucht; letztere ist um so gefährlicher, 
je 1 die Länge des so beanspruchten Stabes ist, 
und besonders gefährlich, wenn der Lastangriff ex- 
zentrisch erfolgt. Dieser letztere Fall tritt aber in dem 
Fachwerk auf. Infolge der Biegungsmomente tritt 
nämlich im Stab eine Durchbiegung f auf und es er- 
gibt sich dann (Fig. 40), daß der bei Knickung am 
Stärksten beanspruchte Teil des Stabes, also der 
Querschnitt, bei C bereits um f durchgebogen ist, das 
heißt also, die Last P wirkt mit einer Exzentrizität f 
als Knicklast auf den Stab. Daher ist zunächst diese 
Federung f aus dem wirkenden Biegungsmoment zu 
berechnen und dann die Beanspruchung zu ermitteln, 
die zur reinen Axialkraft durch die Exzentrizität f 
hinzukommt. Diese Verhältnisse sind ja im heurigen 


299 


Jahrgang ohnehin schon an anderer Stelle behandelt 
und soll daher auch nur darauf verwiesen werden. 

Bisher wurden nur solche Fälle behandelt, bei 
denen es sich um die Zusammensetzung von Biegung 
und Axialkräften handelt. Es gibt aber auch Fälle, wo 
es nötig ist, Biegung und 9 zusammenzusetzen; 
diese Notwendigkeit ergibt sich dann, wenn man 
beispielsweise aus dem Rumpf, in dem ein oder 
mehrere Motoren sitzen, mit Zwischenschaltung einer 
Welle zur Luftschraube übersetzt, wobei dann diese 
Welle sowohl auf Drehung (Motordrehmoment), als 
auch auf Biegung infolge des Luftwiderstandes be- 
ansprucht ist. In einem solchen Falle wird aber die 
Zusammensetzung und die Ermittlung der sich er- 
gebenden Beanspruchungen nicht mehr so einfach. 
Wellen können rein auf Drehung beansprucht sein 
und werden dann einfach aus der Beziehung gerechnet, 
daß das Drehmoment Ma gleich sein muß der zu- 
lässigen Drehungsbeanspruchung multipliziert mit dem 
Widerstandsmoment. 

Setzt man kreisförmigen Querschnitt mit dem 
Durchmesser d voraus, so ist 


85 
Md = 16 d’ kp 
wobei kd die zulässige Drehungsbeanspruchung in 
kg/cm? ist. Für 15 kann genau genug 0˙2 gesetzt 


werden (statt 0'196). In der Regel kennt man aber 
nicht das Drehmoment, sondern die Leistung in PS 
und die zugehörige Umdrehungszahl pro Minute; nun 
ist aber p 

= 


15 
wenn P in kg die Umfangskraft, v die Umfangsge- 
schwindigkeit in m/Sek. am Radius Rm bedeutet, also 


ya FER 


Aus diesen beiden Gleichungen ist aber nach Um- 
formung und Zusammenziehung der Unveränderlichen 
das Drehmoment: Ñ 


Ma =P R = 71620 -> 


so daß man jederzeit bei gegebener Leistung in 
Pferdestärken und Umdrehungszahl das entsprechende 
Drehmoment findet. Der Fall der reinen Drehungs- 
beanspruchung läßt sich verwirklichen, wenn die 
Welle mit dem Motor und dem Propeller, bezw. 
dessen Vorgelege nicht starr, sondern verschiebbar 
verbunden ist. Wäre die Welle nur auf Biegung 
beansprucht, so wäre sie zu rechnen aus 


4 
Mo 32 d' kb, 


N= 


wobei 

Mo = das Biegungsmoment in cm/kg 

d = den Durchmesser in cm 

kb = die zulässige Biegungsbeanspruchung 
in kg/cm? | 

wt 


bedeutet, dabei kann man wieder fiir 32 genau genug 


O' setzen. 

Ist sowohl Biegungs- als auch Drehungs- 
beanspruchung vorhanden, so ermittelt man ein 
ideelles Biegungsmoment Mi und rechnet wie 


früher aus 
Mi O'! d? kp. 


Dieses ideelle Biegungsmoment ist nach den Sätzen 
der Festigkeitslehre zu rechnen aus 


Mi = 0°35 Mb + 0°65 V Mb? + (co Md) 
oder aus 


M 3 


i= 8 M 2 V Mb: + (ao Ma)‘, 


300 


dabei haben Mb und Ma die frühere Bedeutung, 
co stellt den Quotienten 


kb 
1˙3 Kd 

dar und beträgt für Stahl rund 1. Dieses ideelle 
Biegungsmoment kann man nun zeichnerisch er- 
mitteln, wenn Mo und Ma bekannt sind. (Fig. 41.) 
Das zwischen den Lagern A und B gelegene Wellen- 
stück sei durch eine Kraft P im Abstande a vom 
linken Lager auf Biegung und außerdem durch ein 
Drehmoment Ma 
auf Drehung bean- 
sprucht. Der Ver- 
lauf des Bicgungs- 
momentes stelltsich 
als ein Dreieck dar, 
das sehr leicht 
konstruierbar ist. 
Man wählt einen 
Pol C in der Ent- 
fernung H von der 
Kraft P, die in irgend 
einem Kräftemaß- 
stab aufgetragen ist 
und zieht die beiden 
Polstrahlen I und 2 
dann ebenso durch 
die Auflagersenk- 
rechten die Paral- 
lelen dazu und erhält 
damit das Dreieck 
DEF, das den Ver- 
lauf der Momente darstellt. Dann ist das y, an jeder 
Stelle ein Maß für das jeweilige Biegungsmoment. 
Wählt man den Pol C so, daß die Schlußlinie DF 
horizontal wird, so kann man unmittelbar darüber 
das Drehmoment Ma, das eine unveränderliche Größe 
darstellt, auftragen, wobei nur wieder der gleiche 
Momentmaßstab zu verwenden ist, der Betrag ye 
stellt dann das Drehmoment dar. Zieht man im Ab- 


stand 8 7 von DF eine Linie und bildet den Be- 


Qo 


> yı beispielsweise im Punkt G, so ist also 


trag 8 
GH=% Mb 
und die Strecke 
GK= > Ma. 
Macht man 
GK = G]. 


so ist JH gegeben durch 
5 a 5 a 
ö e) g Ma) 
5 EIERN 


= S V Mott Mar. 


An 
HL = g Mb 


das Stück HJ angefügt, gibt in der Strecke HM den 
gesuchten Betrag, denn es ist 


HM=HL+LM=HL+H], 


3 
8 


daher 


H M= 3 Mo + o V Me? - Ma’? 


Fig. 41. 


also das gesuchte ideelle Moment in demselben 
Momentenmaßstab wie die Biegungs- oder Dreh- 
momente aufgetragen sind. Das ist für jeden Punkt 
bestimmbar und von einer Horizontalen aus auftrag- 
bar, der Verlauf der ideellen Momentenlinie also 
konstruierbar. 

Ist der Faktor æo von Eins verschieden, so hätte 
man statt Ma eben æo Md aufzutragen und im übrigen 
genau so wie angegeben vorzugehen. Auch ist es 
vollständig gleichgiltig für den einzuschlagenden Weg, 
wenn beispielsweise die Biegung gleichmäßig über 
die ganze Länge verteilt ist, wie dies ja infolge des 
Luftwiderstandes der Fall ist. Nur stellt sich das 
Biegungsmoment dann statt als Dreieck als eine 
Parabel dar, deren Scheitelhöhe zu finden ist aus 


wenn q die Last pro I cm und | die Länge in cm dar- 
stellt. 


Zusammenfassung. 


Es wurden außer den Grundlagen der Grapho- 
statik die für den Flugzeugbau wichtigsten in Betracht 
kommenden Fälle zeichnerisch behandelt, bezw. der 
Weg dafür gewiesen. —a— 


Der Kampf gegen Luftfahrzeuge vom Erdboden aus. 
Von Dipl. Ing. Paul Béjeuhr, Stuttgart. 


Die Beschießung von Luftfahrzeugen bietet so 
große Schwierigkeiten, daß die bisherigen Mittel der 
Infanterie sowie der Feld- und Schiffsartillerie nicht 
ohne weiteres ausreichen, sondern der neuen Angriffs- 
waffe angepaßt werden müssen. Dem Gewehrfeuer 
und auch dem Maschinengewehrfeuer fehlt trotz der 
augenblicklich großen Massenwirkung die Reichweite, 
die Wirksamkeit und vor allen Dingen die Beob- 
achtungsfähigkeit der Geschosse und ihrer Bahnen. 
Ersterem Nachteil — der zu geringen Reichweite — 
ist natürlich nicht abzuhelfen; beherrscht daher der 
Luftgegner in überlegener Weise die Höhen über 
2000 m, so ist eigentlich jede Abwehr mit Gewehr- 


und Maschinengewehrfeuer unnütz und als Munitions- 
vergeudung zu unterlassen. Nehmen wir dagegen seine 
größte Flughöhe einmal zu 1500 m an (was ja durch 
entsprechende Höhenlage der betreffenden Orte sehr 
häufig der Fall sein wird), so lassen sich die beiden 
weiteren Nachteile — geringe Wirksamkeit und 
fehlende Beobachtungsfähigkeit der Geschosse — bis zu 
einem gewissen Grad beheben. Die geringe Wirksamkeit 
der Gewehr- und Maschinengewehrgeschosse liegt 
darin, daß sie gegen die Tragilächen, die Steuer, den 
Rumpf u.s.w. der Flugzeuge nichts ausrichten. Die 
Schußverletzung dieser Teile behindert das Flug- 
vermögen gar nicht. Selbst Treffer an Steuerbetätigungs- 


u =< 
es R 
— 

Je Ta 


- 
e AE 


$ N ~ 7") eae 2 7 
po die Kugel treffen werd 
rd Fae oe 


O 


ws 


Wie man schießen muß, um Flugzeuge und Luftschiffe zu treffen. (Nach einer englischen Zeitschrift.) 


einrichtungen sind nicht gefährlich, da sie vermöge 
ihrer Elastizität die Geschosse abprallen lassen. Ganz 
ähnlich ergeht es den Luftschiffen: bei Wasserstoff- 
füllung verliert das Schiff 1 m3 Gas in 32/3 Minuten, 
wenn das Schußloch I cm? groß ist, also ein ganz un- 
bedeutender Verlust, der selbst bei vielen Schuß- 
treffern an ein Herunterholen des Schiffes nicht denken 
läßt. Es ist daher nötig, die »edlen Teile« des Luft- 
fahrzeugs zu treffen, um es zu besiegen. Diese sind 
nun in erster Linie die Besatzung, weiters aber der 
Motor, die Luftschraube, der Kühler und die Betriebs- 
stoffvorräte. Alle diese Teile sind nun mit der Be- 
satzung zusammen vorn im Flugzeugrumpf, bezw. in 
den Gondeln der Luftschiffe vereinigt, was den Angriff 
sehr erleichtert. Bei der Maschinenanlage der Luft- 
schiffe muß allerdings beachtet werden, daß diese 
rößtenteils so unterteilt ist, daß auch ein Weiter- 
ahren noch möglich ist, wenn ein oder selbst zwei 
Motoren beschädigt sind. Daher wird sich ein wirk- 
samer Angriff in der Regel auf die Mittelkabine zu 
richten haben, welche die Beobachtungs- und Artillerie- 
offiziere aufnimmt. Günstiger für den Angreifer liegt 
der Fall beim Flugzeug. Ganz abgesehen von dem 
größeren Erle beim Treffen des Führers, weil im 
Gegensatz zum Luftschiff kein Ersatz einspringen kann, 
ist auch das Flugvermögen sofort behindert, wenn 
irgendwie der Vortrieb versagt. Treffer einzelner 
Steuerhebel sind nicht unbedingt erfolgreich, weil 
unsere Flieger es heute verstehen, mit der Verwindung 
Höhen- und Seitensteuer zu ersetzen und umgekehrt. 
Treffer auf den Propeller erreichen ebenfalls nicht 
viel, weil die Flügel zwar aussplittern, aber zur Not 
auch noch ihren Dienst tun, wenn sie wie Reisigbesen 
aussehen. 
Unbedingt wirkungsvoll sind dagegen Treffer 
auf Zylinder und Hilfsmaschinen (Wasserpumpe, Öl- 
umpe, Vergaser, Magnetapparate u.s.w.) sowie auf 
Kühler und Benzinbehälter. Läuft das Wasser aus, so 
muß der Motor über kurz oder lang heiß werden und 
sich festfressen, ist aber der Benzinbehälter an- 
eschossen, so verliert die Zuleitung momentan den 
Boebka, was ebenfalls zum Stillstehen des 
Motors führt. — Wird also das erste Drittel des 
Rumpfes mit Schüssen belegt, so steigt die Wahr- 
scheinlichkeit des Trefferfolges tedeutend. 


Die fehlende Beobachtungsfähigkeit der Geschosse 
muß durch eine genau einzuhaltende Vorgabe beim 
Abfeuern des Schusses ersetzt werden. Eine einfach 
zu merkende Regel heißt: etwa sechsmal die Länge 
des Flugzeugs vorhalten, bezw. auf die Spitze des 
Luftschiffes zielen, um einen wirksamen Schuß an- 
zubringen. Die Erklärung ist leicht verständlich. Flug- 
zeuge haben eine Durchschnittslange von 10 m, sie 
fliegen etwa 1500 m hoch und haben eine Geschwindig- 
keit von etwa 110 km/Std., also 305 m/Sek. Das 
Infanteriegeschoß verläßt mit 800 m/Sek. Anfangs- 
geschwindigkeit das Rohr, ist demnach in etwa 2 Se- 
kunden in der Flugachse des Flugzeugs. Dieses hat 
sich inzwischen (vom Augenblick des Abfeuerns an) 
um 2 30°5 = 60 m vorwärts bewegt; hält der Schütze 
also sechsmal Flugzeuglänge = 6 x 10 m = 60 m vor, 
so muß das Geschoß treffen. Ganz ähnlich beim Luft- 
schiff: es ist etwa 130 m lang, also vom Bug bis zur 
Mitte 65 m, fährt mit etwa 105 km / Std., das ist 289 m/Sek. 
Geschwindigkeit in 18060 m Höhe, so daß ein mit 
800 m/Sek. abgefeuertes Infanteriegeschoß in 2°25 Se- 
kunden in der Flugachse ist. Wird auf die Spitze 
gezielt, so ist diese in 2°25 Sekunden um 2°25 x 28:9 
= 65 m vorgerückt, inzwischen also gerade die Mittel- 
kabine an diese Stelle gekommen, in die dann das 
Geschoß einschlagen würde. 

Aber auch der gewöhnlichen Artillerie wird es 
schwer möglich sein, Luftfahrzeuge erfolgreich zu be- 
kämpfen. Den Kanonen fehlt die Möglichkeit der für 
diesen Kampf nötigen Erhöhung auf mindestens 
65—75°, den Haubitzen mangelt die Gestrecktheit der 
Flugbahn und auch die Feuergeschwindigkeit, beide 
besitzen außerdem nicht genügend großes Seiten- 
richtfeld (erforderlich sind volle 360°) und außerdem 
fehlt die Beobachtungsfähigkeit der Geschosse zur 
Anbringung der Schußkorrekturen. 

Es wurden deshalb Sondergeschütze gebaut, deren 
Einrichtungen alle obigen Mängel beseitigten. Der 
Einbau selbsttätiger Verschlüsse (sog. Keilverschlüsse) 
ermöglichte große Feuergeschwindigkeit, die Ziel- 
einrichtungen gestatteten ein dauerndes Verfolgen des 
sich schnell bewegenden Zieles, die große Reichweite 
und Treffgenauigkeit wird durch große Mündungs- 

eschwindigkeiten (450 bis 1000 m/Sek.) und lange 
Röhre (30 bis 70 mal Kaliber) erreicht. Die Geschosse 


302 


werden derart eingerichtet, daß eine stark rauchende 
Füllung die Geschoßbahn deutlich erkennbar macht, 
während die Zändvorrichtung entsprechend dem leichten 
Gefüge der Luftfahrzeuge schon beim leichtesten 
Aufschlag zündet. 

Trotzdem muß das Schießverfahren gegen das 
sonst übliche noch erheblich abgeändert werden, da 
die feindlichen Luftfahrzeuge meist nur kurze Zeit 
sichtbar bleiben und sich sehr schnell mit häufig 


wechselnder Richtung bewegen. Ein eigentliches »Ein- 
schießen« auf das Ziel ist auch mit Hilfe genau zu 
beobachtender Geschosse nicht möglich; vielmehr 
muß das Schießen darin bestehen, eine Art »Mäh- 
feuer«, das heißt Schnellfeuer nach Seite und Höhe, 
in der geschätzten oder gemessenen Entfernung unter 
Berücksichtigung der nötigen Korrekturen und auf 
Grund der Beobachtung der Geschosse anzuwenden. 
Dieses Schießverfahren erzielt die besten Erfolge. 


Die Bestimmung des Druckes und der Geschwindigkeit von Luft 


und Gasen. 
Mitgeteilt von Prof. Ing. A. Budau. 


Über Instrumente zur Messung von Luftströmungen 
hat Herr Ing. Leo Rott in dieser Zeitschrift vor über 
drei Jahren (1912) bereits eine Reihe von Aufsätzen ver- 
öffentlicht, in welchen sich ein großer Teil der da- 
mals in Verwendung gestandenen Vorrichtungen in 
Beschreibung und Bild angeführt vorfindet. Herr In- 
genieur E. Stach, Lehrer an der Bergschule in 
Bochum, veröffentlicht in einigen kürzlich erschienenen 
Nummern der Zeitschrift des V. d. I. das gleiche 
Thema behandelnde Aufsätze, die manches enthalten, 
was in der eingangs erwähnten Arbeit des Ing. Rott 
nicht enthalten ist. Im folgenden sollen einige der 
neueren Apparate aus letztgenannter Arbeit mitgeteilt 
werden, wobei, wo dies nützlich erschien, einige Er- 
gänzungen und Erläuterungen zugefügt wurden, um 
einem mit diesem Gegenstande weniger vertrauten 
„ das Verständnis dieser Apparate zu er- 
eichtern. 


I. Statische Druck- und Geschwindigkeitsmesser. 


Die einfachsten und häufigst angewandten hieher- 
gehörigen Apparate sind die Offenen Heber baro- 
meter, die sowohl zur Messung von Uber- und 


Fig. 1. Offenes Heber- Anemometer. 


Unterdrücken in Gefäßen eingeschlossener Gas- oder 
Luftmengen, als auch zur Messung der Geschwindig- 
keit von Luftströmungen, also als Anemometer 
(Fig. 1) Verwendung finden. Aus der leicht abmeB- 
baren Höhe Hi, auf die sich die im U-Schenkel be- 
findliche Sperrfliissigkeit, Wasser, Alkohol, einstellt 
und bei Kenntnis des spezifischen Gewichtes y, der- 
selben läßt sich die Luftgeschwindigkeit aus derselben 
ermitteln. 

Bei der Messung von Innendrücken, Fig. 2, pflegt 
man bei offenen Heberbarometern den fraglichen 
Druck px auch in der Weise zu bestimmen, daß man 
wie zuvor die Höhe H, mit dem spezifischen Gewicht 
der Sperrflüssigkeit multipliziert, dem zu ermittelnden 
Druck gleichsetzt, also mit 


px = yı H. 


rechnet, wenn nach dem Überdruck gefragt wird. 
Der absolute Druck ergibt sich ebenso aus 


px = pa +7: Hi. 


Man begeht dabei aber einen Fehler, da von dem 
so bestimmten Betrage noch das Gewicht jener Gas- 
säule von der Höhe H,, welche auf der Sperrflüssig- 
keit im linken Rohrschenkel lastet, abzuziehen ist. 
Bezeichnet yx das spezifische Gewicht des Gases im 
Gefäße, so ist richtig 


px = pa + yı H, — yx Hg. 
Bei dem geringen spezifischen Gewicht der Luft 
oder der Gase ist diese Vernachlässigung völlig be- 


Pa 


Fig. 2. Heber-Barometer. 


langlos. Ihre Berücksichtigung würde Werte ergeben, 
welche weit kleiner sind als die Fehler, die man mit 
Rücksicht auf die Meniskusbildung in den Flüssigkeits- 
spiegeln bei der Ablesung nicht vermeiden kann. 


Fig. 3. Heber-Barometer mit zwei Sperrflässigkeiten. 


Bei sehr kleinen Pressungsunterschieden ist dieser 
letztere Umstand auch bei Anwendung spezifisch sehr 
leichter Sperrflüssigkeiten so störend, die Höhen- 
unterschiede in den ee fallen so 
gering aus, daß diese Art und Weise der Druck- 
bestimmung versagt. Es ist aber leicht einzusehen, 
daß man weitaus größere Ausschläge zu erzielen in 


der Lage ist, wenn man zwei Sperrflüssigkeiten an- 
wendet, also eine Anordnung wählt, wie in Fig. 3 
dargestellt, wo das zu untersuchende Gas auf den 
Spiegel eines HilfsgefaBes M drückt, in das ein 
Schenkel der früher horizontal an das Gefäß ange- 
schlossenen Manometerröhre eintaucht. Dieses Hilfs- 
efäß, dessen Flüssigkeitsoberflächen gegenüber dem 
Querschnitt der Manometerröhre sehr groß zu denken 
sind, enthält nun eine zweite Sperrflüssigkeit, deren 
spezifisches Gewicht kleiner sein muß, als jenes der 
im U-Schenkel befindlichen Sperrflüssigkeit. Bei der 
Ablesung wird man also folgende Gleichung zu be- 
rücksichtigen haben: i | 


Hi yı = px + H: y2 


worin px den zu messenden spezifischen Gasdruck, 
das spezifische Gewicht der leichteren Sperrflüssig- 
keit, yı jenes der schwereren Sperrflüssigkeit bedeutet. 
Durch diese Anordnung wird die Spiegeldifferenz H, 
der Hauptsperrflüssigkeit ganz wesentlich vergrößert 
werden, und zwar um so mehr, je mehr das spezifische 
Gewicht der zweiten B jenem der ersten 
gleich wird. Dies soll im folgenden noch näher er- 
läutert werden: 

Denkt man sich den Zylinder von der Höhe H', 
in Fig. 2 plötzlich mit Flüssigkeit gefüllt, deren spezi- 
fisches Gewicht nur halb so groß, wie jenes der 
Sperrflüssigkeit ist, so wird sich der Spiegel von H, 
im rechten Rohrschenkel zunächst um einen Betrag 


heben müssen, der 2 H betragen muß, um der neuen 


Belastung im linken Spiegel auf der Niveaufläche EF 
das Gleichgewicht zu halten. Nun senkt sich aber der 
Spiegel von H: um jenen Betrag, um den sich jener 
von H, gehoben hat. Man wird also im linken Schenkel 
wieder einen Flüssigkeitszylinder, diesmal aber nur 


von der Höhe 2 nachzufüllen haben, was wieder 
eine Hebung des Spiegels im rechten Schenkel um 
den halben Betrag, also um qs zur Folge haben 


wird. Dies erfordert wieder ein Nachfiillen links und 
es folgt wieder eine kleinere Hebung rechts u. s. f., 
bis die Unterschiede nicht mehr merkbar werden. 
Das ursprüngliche H': = H, = yx px bei Anwendung 
von nur einer Sperrflüssigkeit hat sich aber durch 
dieses sukzessive Nachfiillen auf 


1•. (IA 2 T4 8 T1) 


vergrößert. Nennt man n = . das Verhältnis der 


2 

spezifischen Gewichte der ersten und der zweiten 
Sperrflüssigkeit, so war bei der zuvor behandelten 
Annahme n =2. Würde die neue Sperrflüssigkeit nur 
ein Drittel des Gewichtes der ersten haben, so wäre 
n = 3 und die obige Betrachtung wiederholt, würde 
die schließliche Spiegelerhebung im rechten Rohr- 
schenkel über das Niveau EF mit 


EDEN 
1 (+ 419 ) 
ergeben. Man hat also allgemein 

n 


K. (ILA TT MT ) -H 


n —1 
und wenn H', yx px und N eingeführt wird, 
2 
mit Bezug auf Fig. 3 
8 


H, = er 
i Zur: 71 — 72 
Die ohne zweite Sperrflüssigkeit (Fig. 2) sich cin- 
stellende Spiegeldifferenz H, = px yx wird also durch 
die Einfüllung der zweiten Sp:rrflüssigkeit in dem 


303 


früher vom Gas erfüllten zweimal abgebogenen linken 
Rohrteil (Fig. 3) im Verhältnisse -) - vergrößert. 


ı 72 

Wird als zweite Sperrflüssigkeit Alkonol mit y =08 
verwendet und als erste Wasser mit y, =I, so ver- 
größert sich die vom Innendrucke px 
abhängige Spiegeldifferenz um das Fünf- 
fache. Die Ablesungsfehler werden um 
das Fünffache verkleinert sein. Würde 
die zweite Sperrflüssigkeit ein spezifi- 
sches Gewicht y: =0°9 haben, so wäre 
die Spiegeldifferenz zehnmal größer, die 
Ablesung also noch mehr erleichtert. 

Auf diesem Prinzipe beruht der 
Zugmesser von Dr. Rabe, Fig. 4. Die 
Meßflüssigkeiten, die sich in der Färbung 
unterscheiden, lagern in einem (dem 
linken) Schenkel des U-Rohres über- 
einander. Ihre Trennfläche bildet den 
Nullpunkt. Beide Rohrschenkel sind am 
oberen Ende mit bedeutenden Erweite- 
rungen versehen. Die linke Erweiterung 
ist der Behälter für die leichtere Sperr- 
flüssigkeit (M in Fig. 3), während die 
rechte Erweiterung dazu dient, den 
Flüssigkeitsspiegel der schwereren Flüs- 
sigkeit auf nahezu konstantem Niveau 
zu erhalten, wodurch der Vorteil erzielt 
ist, daß der Nullpunkt der Skala unver- 
rückt bleibt. Der Nachteil, daß bei dieser 
Anordnung die Spiegelabstände kleiner 
sind als bei der in Fig. 3 dargestellten 
Anordnung, muß in Kauf genommen 
werden. Diese Erweiterungen werden 
durch Schläuche a und b mit den Räumen, 
deren Druck zu bestimmen ist, in Ver- 
bindung gesetzt, und zwar findet bei 
Überdruckmessungen Anschluß bei a, bei 
Unterdruckmessungen hingegen bei b 
statt. Die Abmessungen und Flüssigkeiten 
sind meist so gewählt, daß mindestens 
eine doppelte Vergrößerung des Aus- 
schlages im Vergleich zur Wassersäule 
stattfindet. Zur Abdrosselung der Flüssig- 


HER opem 


ka HI Ti l cE 


jee) 
RE 


FR AUT l PER AES Et ESE Se E 


keitsbewegungen und zur Verminderung 2 Fig. 4. 
der Neigung zum Mischen beider Flüssig- „on e Rabe: 


keiten bei starken Druckschwankungen 
ist an dem rechten Schenkel des Zugmessers eine Ein- 
schnürung mit eingelegter Glaskugel c angebracht. Die 
dargestellte Ausführung stammt von G. A. Schultze, 
Charlottenburg. 

Von dieser Firma wird ferner ein Feindruckmesser 
für Drücke von + 001 bis + 25 mm W.-S. herge- 


Fig. 5. Feindruckmesser von G. A. Schultze. 


stellt, der schematisch in Fig. 5 dargestellt ist. Das 
Gefäß zur Aufnahme der Meßflüssigkeit (destilliertes 
Wasser) ist durch einen Einbau in die luftdicht ge- 
trennten Kammern a und b geteilt. Bei Überdruck ist 
die Meßstelle mit d, bei Unterdruck mit c zu ver- 
binden. Durch eine im Deckel drehbare Millimeter- 
schraube mit 100teiligem MeBrade kann die an der 


304 


Schraube befestigte Spitze s soweit gedreht werden, 
bis die Nadel eines mit zwischengeschalteter Batterie e 
angeschlossenen Galvanoskops f ausschlägt. Die 
ganzen Millimeter sind an der Skala m, die Unterteile 
an dem Mikrometer ablesbar. 

Bedingung für eine einwandfreie Ablesung ist 
eine erschiitterungsfreie Aufstellung. 

Ein für Feinablesung und 
Abdrosselung schwankender 
Drücke eingerichtetes Mano- 
meter mit senkrechtem MeB- 
rohr für Füllung mit absolutem 


Fig. 6. Manometer nach 
ndtl. 


Fig. 7. Staugerät nach 
Dr. L. Pra Bra : 


bee und Prandtl. 


Alkohol ist in Fig.6 wiedergegeben. Das Manometer be- 
steht aus einem weiten gußeisernen Gefäß mit aufgebauten 
Schlauchanschlüssen und vorgebautem, senkrechtem 
Steigrohr. Zwischen Gefäß und Steigrohr ist ein in 
der Abbildung vorn sichtbarer Hahn angebracht, der 
jene unmittelbar oder unter Zwischenschaltung enger, 
verschieden langer era le N die unter dem 
Gefäß liegen, verbindet. Diese Röhrchen dämpfen 
schwankende Ausschläge je nach der durch ent- 
sprechende Hahnstellung zwischengeschalteten Länge. 


er 
i 


— — — => 


Fig. 8. Staukopf nach Prandti. 


Zunächst stellt man ohne Dämpfung roh ein und be- 
ruhigt dann durch allmähliches Einschalten von 
Röhrchen mittels Hahndrehung, wodurch man rasche 
und genaue Ablesungen erzielen kann. Zum Ablesen 
dient eine kleine, auf einem seitlich angebrachten 
Stabe verschiebbare Lupe; mit ihr verbunden befindet 
sich hinter dem Glasrohr ein kleiner Hohlspiegel, der 
ein umgekehrtes Bild des Meniskus gibt. An einer 
Feinschraube stellt man solange, bis, durch die Lupe 


gesehen, das Bild des Meniskus und dieser selbst 
einander zu berühren scheinen. Die Ablesung erfolgt 
mittels Nonius und an an einer Millimeterteilung. 

Dieses für genaue Messungen sehr zweckmäßige 
Manometer ist von Prof. Dr. L. Prandtl, Göttingen, 
u ote 

uch die in der eingangs erwähnten Arbeit vom 
Ing. Rott sehr eingehend behandelten sogenannten 
Mikromanometer haben in letzter Zeit einige 
Verbesserungen aufzuweisen. Neben dem im Heft 
Nr.7, Jahrgang 1912, Seite 157 beschriebenen Pneumo- 
meter mit Prandtischer Stauscheibe*), die 
der Strömung durch ihren Durchmesser ein Hindernis 
bereitet, findet als Rezeptor für dieselben neuerdings 
ein von Prof. Brabée angegebener und von Professor 
Prandtl abgeänderter Staukopf, Fig.7, in den Ver- 
suchslaboratorien, auch injenen für Hydrauiik, steigende 
Verwendung, da durch denselben infolge seines 
kleinen Durchmessers die Luftströmung weniger be- 
hindert wird. 

Der Staukopf K, Fig. 8, dessen vorderes der 
Strömung zugekehrtes Ende durch eine Rotations- 
fläche gebildet wird, deren Meridian eine theoretische 
Stromlinie ist, hat an der zylindrischen Seitenwand, 
wo das Vorhandensein eines Staues in der strömenden 
Flüssigkeit nicht melir anzunehmen ist, eine Anzahl 
kleiner Löcher o, durch welche sich der dort herr- 
schende Druck in den Innenraum fortpflanzen kann. 
Der Staudruck, der an der vordersten Spitze wohl 
am größten sein wird, wird durch ein dünnes Rohr r, 
bis zur Anschlußstelle a (Fig. 7) an das Manometer 
geleitet, der Druck des Innenraumes ebenso durch 
r, zur Anschlußstelle b. Um den Staukopf in ge- 
schlossene Räume, durch welche Luft oder Gase 
strömen, einzubringen, werden die beiden Rohr- 
leitungen r, und rs durch ein je nach Bedarf länger 


Fig. 9. Fest eingebautes Staurohr. 


oder kürzer genommenes Umhüllungsrohr U einge- 
schlossen, das durch eine Stopfbüchse s in das Gefäß 
eingebracht wird. Die Länge | des Staukopfes muß 
selbstredend kürzer sein, als der Durchmesser d des 
Umhüllungsrohres. Diese Anordnung hat den großen 
Vorteil, daß man durch Verschieben des Staugerätes 
in der Stopfbüchse den Staukopf an verschiedene 
Stellen des Strömungsquerschnittes bringen kann. 
Durch das mit dem Staugeräte verbundene Mikro- 
manometer erhält man die Druckdifferenz zwischen 
dem vordersten Ende und der Seitenfläche des Stau- 
kopfes, also den durch das Einbringen des Instru- 
mentes in die Strömung erzeugten Staudruck. 

Wo es von Vorteil sein kann, über die durch 
eine Rohrleitung ständig strömende Luftmenge jederzeit 
Aufschluß zu haben, wird eine Staukopfanordnung gut 
sein, wie die Fig. 9 darstellt. Diese von FueB in 
Steglitz angegebene Anordnung zeigt den Staukopf 
fest eingebaut in einen Zwischenflansch, der an 
passender Stelle der Rohrleitung angebracht werden 
kann. Die Anschlußstellen an das Manometer sind 
durch Hähne, bei höheren Drücken durch Schieber 
absperrbar. Das Manometer gibt stets den Staudruck 
an, aus welchem sich bei Kenntnis der Eichzahl des 
Staukopfes die dem Drucke entsprechende Luft- 
geschwindigkeit berechnen oder aus vorhandenen 


g *) Siehe auch Budau, Lehrbuch der Hydraulik, S. 321. 


Tabellen entnehmen läßt. Die Luftgeschwindigkeit 
wird nach neuerlicher Korrektur auf eine mittlere Ge- 
schwindigkeit mit dem Durchgangsquerschnitte multi- 
pliziert, die jederzeit die durch die Rohrleitung 
strömende Luft- oder Gasmenge angeben. 

Diese Anordnung läßt sich auch mit einen selbst- 
registrierenden Geschwindigkeits- oder auch Luft- 
volumen-Schreiber ausstatten. 

Die eigentlichen Mikromanometer, an welche die 
vorerwähnten Stahlköpfe angeschlossen werden, 


— 


Fig. 10. Mikromanometer mit festem Nullpunkt nach 
r. Berlowitz. 


namentlich jenes Manometer mit gebogenem MeBrohr 
nach Krell (Flugzeitschrift 1912, Seite 159, Fig. 12 
u. 13), haben in der Zwischenzeit keine Abänderungen 
aufzuweisen. Hingegen haben die Mikromanometer nach 
Recknagel mit schwenkbarem Meßrohr (Fig. 10) eine 
Verbesserung erfahren durch Anordnung eines festen 
Nullpunktes nach Dr.-Ing. Berlowitz (Ausführung von 
G. Rosenmüller, Dresden-N), Fig. 10. Sie bieten nach 
genauer Einstellung des Nullpunktes den Vorteil, daß 
bei wechselnder Neigung des Meßrohres eine Neu- 
ablesung des Nullpunktes nicht erforderlich ist. Diese 
Wirkung wird dadurch erreicht, daß der Nullpunkt 
der MeBréhre unter Berücksichtigung der Kapillar- 
erhebung der Sperrflüssigkeit durch die Drehachse des 
schwenkbaren Armes gelegt ist. 

Dieses Mikromanometer wird durch den Ablaßhahn 
mittels Schlauches und Glastrichters gefüllt. Der Null- 
punkt wird bei der geringsten Neigung des Meßrohres 


Fig. 11. 


(1:50) eingestellt. Durch Heben und Senken des Füll- 
trichters können leicht alle Luftbläschen aus dem 
Meßrohr und den Zuleitungen entfernt werden. 

Der in der letzten Zeit immer mehr und mehr 
zunehmende Gebrauch dieser Mikromanometer in 
den Versuchsanstalten für Aeromechanik haben einen 
Übelstand erkennen lassen, der darin besteht, daß 
Druckschwankungen in den zu messenden Luft- 
strömungen auch Schwankungen in den Meßröhren 
erzeugen, die die genauen Ablesungen erschweren. 
Trifft eine Druckschwankung auf die Seite des Auf- 
nahmegefäßes für die Sperrflüssigkeit, so ist der weite 
Raum ausreichend, um die Schwankung abzuschwächen; 
auf der Seite des Meßrohres dagegen kann eine solche 
Dämpfung nicht eintreten, da es hier an dem nötigen 
weiten Raume fehlt. Man kann sich hier dadurch 
helfen, daß man vor das MeBrohr eine Flasche schaltet, 


305 


welche etwa den gleichen Rauminhalt wie das Auf- 
nahmegefäß hat, oder man ordnet, wie in Fig. 11 
gezeigt, über dem Aufnahmegefäß einen zweiten Raum 
an, der mit dem Meßrohr durch einen Schlauch in 
Verbindung gebracht wird. Statt dieses zweiten 
Raumes kann auch ein mit einem entsprechenden 


Fig. 12. Umstellhahn mit Dämpfung. 


Hohlraume ausgestatteter Umstell-Hahnkörper (Fig. 12) 
auf dem Mikromanometer angebracht werden, wohei 
noch Druckdifferenzen von 0°01 mm mit 5 Prozent Ge- 
nauigkeit abzulesen sind und gleichzeitig das Mikro- 
manometer bequem ein- und abgestclit werden kann. 

Ist es erforderlich, schnell hintereinander und 
ohne Umstellung in zwei MeBbercichen zu untersuchen, 


Fig. 13. Mikromanometer nach Dr. Rosenmüller. 


so kommen Mikromanometer mit zwei festen Meß- 
röhren in Frage, die von Dr. Rosenmüller angegeben 
und in Fig. 13 schematisch dargestellt sind. 

Die beiden MeBrohre 
haben verschiedene Neigung 
und sind so angeordnet, daß 
ihre Meßbereiche einander 
etwas überdecken. Wird der 
Meßbereich des einen Rohres 
überschritten, so tritt ohne 
Umstellung der Meßbereich 
des anderen Rohres in Wirk- 
samkeit. 

Die Notwendigkeit, Druck- 
messer selbst registrierend 
zu bauen, ist auf den der 
technischen Gebiete schon 
sehr friih dagewesen und es 
bestehen zahlreiche Apparate 
und Konstruktionen, welche 
dieses Problem, je nach dem 
Bedarf in vollständiger oder 
unvollkommener Weise lösen 
und von denen sich einzelne 
in dem schon wiederholt er- 
wähnten Aufsatz von Ing. Rott 
vorfinden. Die bei Ballon- 
fahrten stets mitgeführten 
registrierenden Barometer 
dürften hier als bekannt vor- 
ausgesetzt werden. 

Die Leuchtgas- Technik 
benützt auch solche Apparate, 
um über den Gasdruck in 
ihren Leitungen eine genaue 
Aufzeichnung zu haben. Bei 
Laboratoriumsversuchen kann mitunter ein solcher 
Apparat auch von Nutzen werden, und zwar um einen 
Beobachter zu ersparen. Für größere Druckdifferenzen 


AUNT aa Val: 
UUU DON 
iT is) T LIT 
IN 
AC Ca 


14. Druckschreiber 


Fig. 
mit Tauchglocke, Bauart 
de Bruyn. 


306 


wird sich dader Druckmesser mit Tauchglocke 
nach de Bruyn empfehlen (Fig. 14), welcher sehr 
a gebaut ist und im Prinzip auf der Hebung 
und Senkung einer Tauchglocke durch den wechselnden 
Gasdruck beruht. 

Für kleinere Druckunterschiede eignen sich die 
Schwimmer-(Tauchglocken-) Apparate weniger gut, 


rt: Il, ZOLL LLA 


Fig. 15. Druckschreiber mit . Flüssigkeits- 
b ruyn. 


wenn auch durch Einschaltung von Hebeln die 
Schwimmerbewegung auf die Schreibtrommel be- 
deutend vergrößert werden kann. Die Reibung des 
Schreibstiftes und des denselben führenden Hebel- 
werkes läßt sich nicht so weit herunterdrücken, daß 


4 


22 


Fig. 16. Hydro-Geschwindigkeitsschreiber. 


sie die Bewegung der Gasglocke bezüglich ihrer 
Empfindlichkeit nicht merkbar beeinflussen würde. — 
Die großen Vorteile jedoch, welche die Schwimmer- 
apparate für stationäre Druckmesser besitzen, waren 
wohl ein Ansporn, über weitere Verbesserungen an 
demselben nachzusinnen, um den zuvor erwähnten 


Übelstand auszuschalten. Es gelang dies durch die 
Einführung von schwingenden Flüssigkeitsbehältern. 

In Fig. 15 ist ein Druckschreiber der 
Bauart von de Bruyn dargestellt, der folgende 
Wirkung hat: 

Es ist a der in Schneiden gelagerte Behälter, der 
die Flüssigkeit b aufnimmt. Durch Druckwirkung auf 
einen der Fliissigkeitspiegel wird der Schwerpunkt 
des Drehkörpers verlegt und damit dessen Drehung 
in den Schneiden hervorgerufen. An dem Ringkörper 
ist ein Stift c befestigt, der den in d drehbaren Hebel 
e mitnimmt, wodurch der zu messende Druck auf der 
seitlich aufgestellten Uhrtrommel f verzeichnet wird. 
Das beiderseits offene Rohr g dient zum Ausgleich 
bei Druckiiberschreitung. Durch das Gegengewicht 
h kann die Empfindlichkeit des Apparates eingestellt 
werden. Der Druck wird durch die hohle Achse über- 
tragen; das bedingt eine sehr sorgfältige Abdichtung, 
um einerseits Druckverluste zu vermeiden, anderseits 
den Widerstand an Reibung auf ein Mindestmaß herab- 
zusetzen. 

In jenen Fällen, wo die Aufzeichnung der Luft- 
oder Gasgeschwindigkeit erwünscht ist, gestaltet sich 
der Bau der registrierenden | | 
Apparate etwas verwickelter. 
Da es sich hiebei meistens um 
sehr geringe Druckunterschiede 
handelt, muß höchste Empfind- 
lichkeit angestrebt werden. Prin- 
zipiell unterscheiden sich die 
Geschwindigkeitsschreiber von 
den Druckschreibern dadurch, 
daß der Empfänger (Sperrglocke, 
schwingender Flüssigkeitsbe- 
hälter) in einem völlig geschlos- 
senen Raume untergebracht sein 
muß, in welchem der gleiche 
Druck herrschen muß, wie in der 
zu untersuchenden Luftströmung. 
Bei dem an Fig. 7 und 9 erläuter- 
ten Falle der durch eine Rohr- 
leitung strömenden Luft müßte 
also der Raum unter der Sperr- 
glocke an a und der Abschluß- 
raum mit b durch Rohrleitungen 
verbunden werden. Auch der 
Papierstreifen auf der Registrier- 
trommel muß eine andere Teilung 
haben als bei Druckmessung, da 
der Staudruck im Wurzelver- 
hältnisse mit der Geschwindig- 
keit steht. Die den regelmäßig 
steigenden Geschwindigkeiten 
entsprechenden Horizontallinien 
des Registrierpapieres werden 
also von der Nullinie in quadrati- 
schem Verhältnisse zunehmenden 
Abständen angeordnet sein 
müssen. 

Diese besonderen Einrichtun- 
genseien an einigen Ausführungen 
erörtert. In Fig. 16 ist ein Hydro- 
Geschwindigkeitsschreiber dargesstellt. Der zylindrische 
Behälter a ist durch ein eingesetztes Rohr b in zwei 
Räume getrennt, die mit einer Trag- und einer Sperr- 
flüssigkeit soweit gefüllt werden, daß noch genügend 
Spiel für Verschiebung der Flüssigkeit bei der höchsten 
Geschwindigkeit verbleibt. Die Tauchglocke d schwimmt 
mittels des Hohlzylinders t in der Flüssigkeit I, 
während der Mantel m in die Flüssigkeit II taucht. 
Durch die Rohre r und rı werden die Einzeldrücke 
vom Staugerät mittels der gleichzeitig stellbaren Hähne 
h und hi unter und über die Tauchglocke geleitet, 
wodurch diese der Geschwindigkeitshöhe entsprechend 
verschoben wird. Durch entsprechende Bemessung der 
Tauchglocke wird eine Übersetzung in der Glocken- 
verschiebung zu erreichen sein, um eine Vergrößerung 
der Geschwindigkeitsaufzeichnung zu erhalten. Zum 


ang 


Fig. 17. Hydro- 
Geschwindigkeits- 
schreiber für Drücke 
bis 15 At. 


Abschluß des Deckels dient der Wasserverschluß w, 
in den der am Deckel angebrachte Zylinder c taucht. 
Um die Schreibvorrichtung druckdicht und reibungsfrei 


Fig. 18. Geschwindigkeltsschreiber von Fueß mit gleicher 
Diagrammteilung und Z&hiwerk. 


aus dem Gerät herauszufiihren, geht die am Mantel m 
sitzende Schreibstange s durch ein in die Sperr- 
flüssigkeit tauchendes Rohr p. Zum Füllen oder Ent- 
leeren des Gerätes sind Außenrohre 
und Verschraubungen angebracht. Der 
Zwischenhahn he dient dazu, bei ab- 
gestellten Haupthähnen h und h; die 
Tauchglocke beiderseits mit atmo- 
sphärischer Luft zu füllen, also Druck- 
ausgleich herbeizuführen, um den Null- 
punkt festzulegen. 


Handelt es sich um die Messung der 
Geschwindigkeit bei hohen Drücken, 
so reicht die Fliissigkeitshéhe zum 
Abschluß des Durchführrohres für die 
Schreibstange nicht mehr aus. Bei den 
Hydro-Schreibern greift man dann zu 
dem Mittel, die Schreibtrommel durch 
eine übergestülpte dicht schlieBende 
Metallhaube mit Beobachtungsfenster 
in den Druckraum einzubeziehen, wie 
aus Fig. 17 ersichtlich. 


Durch Anordnung eines Magnet- 
9 vergl. Fig. 19 und 20, und 
Wahl einer besonderen Schwimmer- 
form hat Fueß einen Geschwindig- 
keitsmesser herausgebracht, der für alle 
Drücke verwendbar ist, wie sie bei Gas- 
oder Preßluftmessungen vorkommen, 
und der außerdem gleichgeteilte, also 
planimetrierbare Diagramme aufschreibt. 

Die Einrichtung des Meßgerätes ist aus Fig. 18 
zu ersehen. In dem starkwandigen, durch einen Deckel 
fest verschlossenen Gefäß k mit der Sperrflüssigkeit 


307 


befindet sich der oben kegelstumpfartig ausgebildete 
Schwimmkörper a mit der ihn umgebenden Glocke g. 
Die Ableitungen des Staurohres s, das durch die 
Stopfbüchse f geht, führen zwecks Beseitigung von 
Druckschwankungen durch die Windkessel I und |; 
nach den Hähnen d unde, die gleichzeitig gestellt 
werden, und damit unter und über die Glocke g. Der 
auf der Stange des Schwimmers sitzende Anker o 
bewegt sich entsprechend der Verschiebung der Tauch- 
glocke in dem mittels Stopfbüchse b luftdicht ab- 
553 Rohr r, das aus 1 oder Kupfer 

estehen muß. Um Rohr r greift der in w drehbare 
Hufeisenmagnet m, an dem der Schreibhebel c gelenkig 
befestigt ist. Die Aufzeichnung role auf der durch 
ein Uhrwerk getriebenen Trommel t. Die Flüssigkeits- 
verschiebung kann an dem Wasserstand h beobachtet 
werden. 

Aus dem in einer bestimmten Zeit (24 Stunden) 
von dem Geschwindigkeitsschreiber gelieferten Papier- 
streifen kann man die zu jeder Zeit dagewesene 
Geschwindigkeit ohneweiters ablesen. Von mehr Inter- 
esse wird aber wohl die Kenntnis der gesamten Luft- 
menge sein, die in dem erwähnten Zeitraum durch 
die Rohrleitung geströmt ist. Durch Ausrechnen für 
kleine Zeitabschnitte, innerhalb welcher die Luft- 
geschwindigkeit sich nur wenig änderte, läßt sich 
dieses Luftvolumen aus den Aufzeichnungen des 
Geschwindigkeitsschreibers ermitteln, doch ist dies 
eine mühselige und zeitraubende Arbeit. Es war 
daher naheliegend, auf Verfahren zu sinnen, um die- 
selbe abzukürzen. Das einfache Mittel der Plani- 
metrierung der Diagrammfläche mittels eines Plani- 
meters ist bei den Diagrammen, die diese Geschwindig- 
keitsschreiber liefern, nicht anwendbar, da 


V = Fle dt, 


worin F den Querschnitt der Rohrleitung bedeutet, 
eine lineare Teilung für die Ordinaten, d. i. die Ge- 
schwindigkeiten c voraussetzt, die hier, wo der 
Schwimmer zylindrisch ist, quadratisch oder nahezu 
sein wird. Eine von der zylindrischen abweichende 
Form des Schwimmers könnte wohl in Erwägung ge- 
zogen werden und würde es ermöglichen, die Teilung 
für die Geschwindigkeiten nach linearer Skala auf 
dem Registrierblatt zu erhalten. Fueß wählt aber, um 
durch diesen Apparat auch das ganze Volumen Luft 


Fig. 19. Integrierendes Zählwerk von Fueß. 


für beliebige Zeitabschnitte durch ein Zählwerk zu 
erhalten, noch eine andere recht geistreiche Anordnung, 
die schematisch in Fig. 19 dargestellt ist. Auf dem 


308 


in f drehbaren Schreibhebel befindet sich das Kurven- 
stück c, das den mit dem Taster e ausgestatteten 
Hebel h beim Herabfallen begrenzt. Angehoben wird 
der Hebel durch die von einem Uhrwerk getriebene 
Daumenscheibe g; die mit dem Hebel verbundene 
Klinke k betätigt das Zahnrad n, dieses treibt das 
Zählwerk z. Je nach der Stellung des Schreibhebels 
gibt das Kurvenstück dem Taster einen kleineren 
oder größeren Fallweg frei, wonach sich dann der 
von der Klinke abgewickelte Bogen des Zahnrades n 
richtet. Durch die Formgebung des Kurvenstückes 
von c hat man es in der Hand, die Abhängigkeit der 
Drehung des Zählwerkes von der „lu der Sperr- 
glocke beliebig zu machen. Würde dieses Kurvenstück 
nach einer archimedischen Spirale geformt sein, so 
wäre keine Besserung der Verhältnisse erzielt, denn 
die Drehung des Schaltrades würde dann in linearem 
Verhältnisse mit der Zunahme des Staudruckes stehen, 
während dieses Verhältnis für die Zunahme der Ge- 
schwindigkeit anzustreben ist. Das Kurvenstück müßte 
also bei zylindrischem Schwimmer steiler nach links 
abfallen, damit bei höheren Stellungen der Sperrglocke 
mehr Zähne des Schaltrades gefaßt werden, als dies 
die archimedische Spirale gestatten würde. Durch die 
von der zylindrischen abweichende Form des 
Schwimmers werden die Verhältnisse aber auch be- 
einflußt. 

Durch den beschriebenen Zwischenmechanismus 
ist das Zählwerk zu einem integrierenden Zähl- 
werk geworden, welches, sich auf anderem Prinzipe 
fußend, auch bei den schreibenden Venturi- 
Wassermessern vorfindet.*) Ein Übelstand, der 
sich jedoch bei der Anwendung solcher Geschwindig- 


8 ») Siehe Budau, Kurzgefaßtes Lehrbuch der Hydraulik, 
. 313. 


—— 8 


keitsschreiber auf Gasströmungen einstellt, besteht 
darin, daß sowohl die Diagrammteilung des Schreib- 
papiers als auch die Angaben des Zählwerkes, da von 
der Gasdichte abhängig, dieser entsprechend ange- 
ordnet sein müßten. Schwankt die Gasdichte, so sind 
an den Angaben Korrekturen nötig. 

Das Anwendungsgebiet für Druckmeßgeräte ist 
außerordentlich groß, es wird aber nicht immer eine 
Aufzeichnung der Druckänderungen und damit die Be- 
schaffung immerhin teurer Apparate geboten er- 
scheinen, namentlich dann nicht, wenn größere Druck- 
änderungen zu den Ausnahmen gehören; hier tut ein 
einfacher billiger Druckmesser für Ablesung oder An- 
zeige auch seine Schuldigkeit. Greifen aber mehrere 
Betriebe eines großen Werkes derart ineinander, daß 
z. B. eine Hochofen- oder Koksofenanlage einem 
Maschinenbetrieb Gas von bestimmtem Druck liefern 
muß, dann werden Druckschreiber zu unentbehrlichen 
und unparteiischen Arbeitshelfern, sofern ihre An- 
gaben zuverlässig sind und auf ihre Pflege einige 
Sorgfalt verwendet wird. 

Von wesentlicher Bedeutung für das Ergebnis 
der Druckmessung, besonders bei niedrigen Drücken, 
ist die Art und Stelle der Druckentnahme, und es darf 
wohl behauptet werden, daß in vielen Fällen Unklar- 
heit darüber herrschen wird, was nun eigentlich mit 
dem Druckmesser bestimmt wurde, ob statischer, 
dynamischer oder Gesamtdruck. 

Bei Untersuchungen mit hohen Anforderungen an 
Genauigkeit, wird sich immer nur die Anwendung von 
geeichten Druckmessern empfehlen, doch werden 
schreibende Druckmesser von Wert sein, um vor dem 
Versuch den Beharrungszustand zu bestimmen und 
während des Versuches etwa unvermeidliche Druck- 
schwankungen abwarten zu können. 


(Fortsetzung folgt.) 


Von der Westfront. 


Ende Oktober 1915. 


In der in den letzten Tagen stattgefundenen 
Champagneschlacht haben dic deutschenFlieger wieder 
große Heldentaten vollbracht. Eine Anzahl Luftkämpfe 
fanden statt, die stets zu unseren Gunsten ausfielen. 
Mehrmals hat der deutsche Generalstabsbericht die 
Erfolge der Fliegeroffiziere Leutnant Immelmann 
und Leutnant Boelcke gemeldet. 

Anscheinend sind die Franzosen mit der Leitung 
ihres Luftfahrwesens immer noch nicht zufrieden, denn 
einer »Havas«-Meldung zufolge hat die französische 
Regierung den Vorschlag des Kriegsministers Mille- 
rand für die Bildung eines neuen Unterstaats- 
sekretariates des Krieges, dem die Leitung des mili- 
tärıschen Luftfahrwesens übertragen werden soll, an- 
genommen. Als Mandanten dafür hat man nach der 
Absetzung Hirschauers den Deputierten Besnard 
gewählt, von dem man hofft, daß er Maßnahmen er- 
greifen werde, um Frankreich wieder an dic _erste 
Stelle im Flugwesen zu bringen. Die stetigen Ände- 
rungen in der Leitung und der Organisation des 
französischen Militärflugwesens beweisen offensicht- 
lich, daB unsere westlichen Nachbarn einsehen, wie 
weit sie uns Deutschen in der Fliegerei noch zurück- 
stehen. 

Blättermeldungen zufolge haben auch die Fran- 
zosen in den letzten Tagen bekannte Flieger verloren, 
die meist im Lande beim Ausprobieren neuer Flugzeug- 
typen ums Leben gekommen sind. Am 6. Scptember 
ist der nicht unbekannte Fliegerhauptmann Fequant 
durch deutsches Maschinengewchrfeuer bei Saarbrücken 
herabgeschossen worden. Der Beobachtungsoffizier 
Graf Laroche-Foucauld soll bei einem Luft- 
kampf, den sein Führer mit einem deutschen Flieger 
zu bestehen hatte, ebenfalls den Tod gefunden haben. 
Auf dem Flugfelde in Amberieu ist der französische 
Fliegerleutnant Pagis tödlich verunglückt. Weiter 


meldet die »Temps«, daß der Militärflieger Heiman 
bei einem Probeflug mit einem neuen Flugapparat ab- 
gestürzt ist. Das Unglück, wobei Heiman den Tod 
fand, trug sich bei Chartres zu. Als Beobachter ver- 
unglückte Leutnant Maudhuy, Sohn des bekannten 
Generals, tödlich auf dem Flugfeld Toul. Bei einem 
Zusammenstoß zweier Flugzeuge fanden der Sohn 
des bekannten Automobilfabrikanten Peugeot und 
ein Fliegersoldat den Tod, während bei Abbeville der 
Flugschüler Sergeant Thomas bei einem Alleinflug 
tödlich abgestürzt ist. Aus Pau wird auch der Tod 
des Fliegerleutnants Fournicr gemeldet. 


Auffallend wenig erfährt man zurzeit von engli- 
schen Fliegern. Scheinbar befindet sich eben das 
englische Militärflugwesen in einer schlimmen Ver- 
fassung, denn aus New-York wird der »Associated 
Press« berichtet, daß eine Anzahl französischer Flieger 
nach England geschickt worden sei, um die englischen 
Flieger bei der Abwehr deutscher Luftangriffe auf 
England zu unterstützen. Nach ausländischen Blatter- 
meldungen macht Frankreich erhebliche Anstrengungen, 
um sich wieder den seinerzeitigen ersten Platz im 
Flugwesen zu sichern. In letzter Zeit soll von Frank- 
reich ein Dardanellen-Fliegerkorps aus 400 Flugzeug- 
führern und Beobachtern gegründet worden sein. Ob 
diese Angaben der Wahrheit entsprechen, erscheint 
noch als sehr zweifelhaft. Nunmehr macht sich in 
Frankreich auch ein erheblicher Mangel an Arbeiter- 
personal bemerkbar, wodurch der Flugzeugbau eine 
große Stockung erlitten hat. Wie »Petit Journal« 
schreibt, beabsichtigt die französische Regierung, 
Arbeiter aus Indien kommen zu lassen und dieselben 
in den Flugzeug- und Munitionsfabriken zu beschäf- 
tiren. Einen erheblichen Verlust hat die französische 
Flugzeugindustrie durch die Vernichtung durch Feuer 
der Firmen VoisinundFarman erlitten. Während 
am 13. September bei Voisin in Blancourt bei Paris 


ein Brand ausbrach, wurde am 18. September die 
Fabrik von Farman zerstört. Der Sachschaden be- 
läuft sich auf mehrere hunderttausend Francs. 

Allgemein dürfte von Interesse. sein, daß ein 
japanischer Marineoffizier, Onakichi Isobe, sich nach 
Frankreich eingeschifft hat. Der Japaner hat im Jahre 
1913 bei den Rumpler-Werken fliegen gelernt und am 
21. November 1913 auf dem Flugplatz Johannisthal 
das deutsche Pilotenpatent Nr. 598 auf Rumpler-Taube 
erworben. — — 

Verschiedene neue pe von Kampfilugzeugen 
haben in letzter Zeit die. Franzosen herausgebracht. 
Besondere Beachtung verdienen die neuen Geschütz- 
flugzeuge, sogenannte »Avions canons«. Diese Ma- 
schinen sind große Zweidecker, die mit Maschinen- 
gewehren ausgestattet sind und außerdem auf der 
oberen Tragfläche eine kleine Hotchkiss-Kanone mit- 
führen. Die Versuche mit diesen Flugzeugen sind 
jedoch nicht zur Zufriedenheit unserer Feinde aus- 
gefallen. Eine andere Konstruktion zeigt der Caudron- 
Kampfdoppeldecker. Die Bauart dieses Kampfflug- 
zeuges gleicht im allgemeinen dem Caudron-Normal- 
typ, nur daß es größere Ausmaße als letzterer zeigt. 
Rechts und links vom Rumpf zwischen den Trag- 
flächen befinden sich je ein 100 PS Le Rhöne-Motor. 
Auf dem vordersten Rumpfteil ist ein Maschinen- 
gewehr angebracht. Infolge der leichten Bauart er- 
reicht die Maschine eine große Geschwindigkeit und 
hohe Steigfähigkeit. Kürzlich haben deutsche Truppen 
ein solches Caudron-Kampfflugzeug zum Landen ge- 
zwungen. 

ach wie vor vollbringen unsere deutschen Kampf- 
flieger hervorragende Leistungen, wofiir sie stets mit 
Orden ausgezeichnet werden. 

Das »Eiserne Kreuz« erhielten: Major v. Reit- 
meyer (1. Kl.), Hauptmann Strehle (I. Kl.), Ober- 
leutnant v. Pflugk-Hartung (1. Kl.), Marineflieger 
Oberleutnant zur See Edler (I. Kl.), Marineflieger 
Oberleutnant zur See Lorenz (1. Kl.), Oberleutnant 
Student (1. Kl.), Oberleutnant Pfeifer (I. Kl.), Ober- 
leutnant Götz (1. Kl.), Leutnant Graf Werner von 
Reischach (2. Kl.), Leutnant v. Bülow (1. Kl.), Leut- 
nant Homburg tt Kl.), Leutnant Rühmer (1. Kr 
Leutnant Soyter (I. Kl.), Leutnant Plausbeck (I. Kl.), 
Leutnant Des loch (I. Kl.), Beobachter Leutnant Hel- 
mut Meyer (1. Kl.), Leutnant Kehrer (1. Kl.), Leutnant 
Hahn (1. Kl.), Leutnant Lantzius (1. Kl.), Offiziers- 
stellvertreter Gries mann (l. Kl.), Offiziersstellvertreter 
Nüsse! (1. Kl.), Vizefeldwebel Span nhacke (1. Kl.), 
inzwischen gestorben, Vizefeldwebel Thomann (2. Kl.), 
Vizefeldwebel Hirschfeld (2. Kl.), die Unteroffiziere 
Seisser, Böhme, Metz und Stöcker (1. Kl.), 
v. Baur (2. Kl.), Marineflieger Dietz (2. Kl.) und 
Reihs (1. Kl.) und die in militärischen Diensten 
stehenden Zivilflieger Leutnant Oskar Roempler 
(1. Kl.), Leutnant Anslinger (1. Kl.), Vizefeldwebel 
Fritz Schiffers (1. KL), Vizefeuerwerker Walter 
Tille (1. Kl.), Unteroffizier Karl De nic ke (2. Kl.), 
Unteroffizier Georg Schöner (2. KL), Unteroffizier 
Hans Zahn (2. Kl.), Josef Kaspar (I. Kl.) und 
Oberbootsmaat Schönfelder (1. KL), Leutnant 
Lucke und Leutnant Leistner erhielten das Ritter- 
kreuz II. Klasse des Albrecht-Ordens mit Schwertern 
und Leutnant der Reserve Iwan denselben Orden 
l. Klasse. 

Leider haben wir auch den Verlust verschiedener 
bekannter Zivilflieger zu beklagen. Am 27. Juli ist 
Helmut Culin als Reserveleutnant einem Luftkampf 
zum Opfer gefallen. Culin war am 18. September 1895 
zu Hamburg geboren. Er wurde 1913 durch die National- 
flugspende bei den »Hansa«-Flugzeugwerken Karl 
Caspar, Hamburg, ausgebildet und bestand am 
28. Oktober 1913 seine Pilotenprüfung mit einer Hansa- 
Taube auf dem Flugplatz Fuhlsbüttel bei Hamburg. 


309 


Er war als Flieger nur wenig bekannt; doch leistete 
er im Felde Vorzügliches, weshalb er noch kurz vor 
seinem Tode zum »Eisernen Kreuz 1. Klasse« ein- 
gegeben worden war. Es war ihm jedoch nicht mehr 
vergönnt, sich dieser hohen Auszeichnung zu erfreuen. 
Henrique Stoldt gehörte einer Feldflieger-Abteilung 
im Osten an, woselbst er kürzlich tödlich abgestürzt 
ist. Er war ein Schüler des Fliegers Treitschke in 
Kiel und erwarb am 29. Mai 1912 das Pilotenpatent 
Nr. 219 für Grade-Eindecker auf dem Flugplatz Krons- 
hagen bei Kiel. Stoldt war seinerzeit Herrenflieger, 
und hat man von ihm nur wenig gehört. Noch kurz 
vor seinem Tode wurde er zum Leutnant d. L. be- 
fördert. Einen weiteren Verlust haben wir in dem 
Heldentod des früheren Fluglehrers der »Halberstädter 
Flugzeugwerke G. m. b. H.« Freiherrn Eberhard von 
Gienanth zu beklagen. Er war im Besitze des 
Flugmaschinenführer-Zeugnisses Nr. 400, das er am 
7. Mai 1912 auf Bristol-Zweidecker in Halberstadt 
erworben hat. Er steuerte zuletzt Wasserflugzeuge. 
In Münster i. W. ist vor einiger Zeit der Flugzeug- 
konstrukteur Knubel tödlich abgestürzt. Es ist wohl 
bekannt, daß Knubel schon seit Jahren Flugzeuge 
baut. Er verwandte als Bespannung eine vollständig 
durchsichtige Cellonmasse, wodurch das Flugzeug in 
großer Höhe fast unsichtbar war. Während er früher 
Maschinen nach dem Taubentyp baute, war die letzte, 
mit der er abstürzte, ein moderner Rumpfdoppeldecker. 

Allgemeine Trauer in Fliegerkreisen rief die 
Todesnachricht des bekannten Zivilfliegers Ing. Josef 
Suwelack hervor. Suwelack war einer der 
populärsten deutschen Flieger. Er erwarb am 30. August 
1911 auf Rumpler-Taube das Pilotenzeugnis Nr. 102. 
Danach war er eine Zeitlang bei den Rumpler-Werken 
als Fluglehrer und Chefpilot tätig und hatte er damals 
gute Erfolge. Am 8. Dezember 1911 flog er mit einem 
Fluggast ohne Unterbrechung 4 Stunden 34 Minuten, 
womit er einen Dauerweltrekord aufgestellt hat. In len 
Flugwochen in Johannisthal und Hannover plazierte 
er an zweiter Stelle. Nachdem er kurze Zeit den 
schnellen Aviatik-Eindecker, Typ Hanriot, gesteuert 
hat, gründete er in Essen die »Kondor-Flugzeugwerke 
G.m.b.H.«, die neben dem Bau der Kondor-Eindecker 
auf dem Flugplatz Gelsenkirchen- Essen-Rotthausen 
eine Fliegerschule betreibt. Seit Kriegsbeginn stand 
er im Dienste des Vaterlandes, bis er kürzlich auf 
dem westlichen Kriegsschauplatz infolge eines Luft- 
kampfes den Heldentod starb. 

in letzter Zeit wurden auch wieder einmal einige 
Rekordversuche unternommen. Am 9. September be- 
absichtigte der Schweizer Flieger Audemars den 
seinerzeit von Oelerich aufgestellten Höhenwelt- 
rekord mit 8150 m zu brechen. Auf dem Flugfelde 
Issy-les-Moulineaux stieg er auf und landete nach 
einstündigem Fluge in Villacoublay. Er hatte eine 
Höhe von 6600 m erreicht, so daß sein Versuch er- 
gebnislos verlief. Ebenfalls vergebens versuchte der 
englische Flieger Hawker auf einem Sopwith- 
F den Rekord des Deutschen zu über- 

ieten. . 

Hervorragende Flüge erzielte der Österreicher 
Franz Reiterer, Chefpilot der »Hansa- und Branden- 
burgische Flugzeugwerken A.-G.«. Er stieg am 11. Sep- 
tember mit einem neuen B. F. W.-Doppeldecker auf 
und erreichte mit vier Fluggästen eine Höhe von 

m, womit er einen neuen Weltrekord aufgestellt 
hat. Noch am selben Tage startete er mit der gleichen 
Maschine auf dem Flugplatz Briest und stellte auch im 
Fluge mit drei Passagieren einen neuen Weltrekord auf, 
indem er eine Höhe von 5600 m erklomm. Es zeigte 
sich bei den Flügen, daß der neue B.F. W.-Doppel- 
decker eine vorzügliche Steigfähigkeit besitzt. Trauriger- 
weise ist nunmehr Reiterer vor kurzem tödlich 
verunglückt. W. 


— ae 


310 


Stambul. 


Stambul. 


Von Hanns Pittner. 


Sicher und geborgen vor der Beutelust unserer 
Feinde liegt Konstantinopel, die Perle am Hellespont. 
Die türkische Armee hat in monatelangen helden- 
mütigen Kämpfen im Vorland der Dardanellen die 
zähesten Anstrengungen der Entente, den Bosporus 
einzunehmen, abgewehrt, und mit traditioneller Tapfer- 
keit die feindlichen Eroberungsgelüste auf jene Be 
Stätte zunichte gemacht, die einst ihre Vorfahren sich 
als Mittelpunkt ihrer Kultur erkoren hatten. Nach vielen 
durch Generationen währenden Kämpfen hat sich hier 
vor Jahrhunderten das junge, starke, aufstrebende 
osmanische Volk zu friedlichem und ruhigem Leben 
niedergelassen und das alte Byzanz des oströmischen 
Reiches zum Mittelpunkt des Orients gemacht. Aus den 
Trümmern der oströmischen Kaiserstadt erstand in 
morgenländischer Pracht eine neue Metropole, die sich 
bis in unsere Zeit das orientalische, fremdartig-schöne 
Gepräge bewahrte. — Stambul, die Pforte Europas, 
zählt zu den schönsten Städten der Erde. Stille Zauber 
umweben die ewigen Gärten, die alten Paläste, das 
goldig schimmernde Meer. Die Phantasie versunkener 
Jahrhunderte träumte hier Märchen von Schönheit und 
Glück und spann geheimnisvolle Schleier über Wirk- 
lichkeit, Wunder und Sagen, bis der eherne Weckruf 
unserer Zeit die Träume verscheuchte, die Schleier 
zerriß. — Die älteste Geschiclite greift in vielfachen 
Zusammenhängen auf dieses Land zurück, wo einst, in 
sagenhafter Vergangenheit, Trojas trotzige Mauern 
standen. Hier, im Lande des Ikarus, ward die Flieger- 
sehnsucht geboren und der erste Sonnenflug versucht. 
Der Gedanke des Menschenfluges fand Eingang in die 
ältesten türkischen Volksdichtungen, den Märchen von 
1001 Nacht, die reich an Schilderungen von fliegenden 


Menschen, Zauberern und Geistern sind, und die uns 
heute wie ein traumhaftes Ahnen einer kommenden 
Wirklichkeit erscheinen. Später in geschichtlicher Zeit 
soll schon um das Jahr 850 der Gelehrte und Philosoph 
Abul Kassem al Abbas ibn Firnas den Vogelflug nach- 
zuahmen versucht haben, wobei er aber den Tod fand. 
Später, im Jahre 1009,-unternahm der türkisch-arabische 
Sprachforscher Al Ijawhari abermals einen Versuch, mit 
einem von ihm gebauten Apparat zu fliegen, fand aber 
auch dabei den Tod. 

Und heute, tausend Jahre später, ziehen in sicherem 
Fluge die türkischen Flieger durch die Lüfte und halten 
treue Wacht gegen Englands beutegierige Flotte. Ver- 
schwunden sind Träume und Sagen, Märchen und Ver- 
gangenheit. Eine eiserne Wirklichkeit gab der Ikarus- 
sehnsucht Erfüllung und führt hier an der Geburtsstätte 
des Fluggedankens die mutigsten türkischen Söhne zum 
Sonnenflug höchsten Heldentums. Die sagenhafte Poesie 
des ersten Fluggedankens fand einen sieghaften Aus- 
druck in einer Maschine aus Holz und Stahl und schuf 
ein neues Ikarusgeschlecht, das hoch in sonndurch- 

lühten Himmelsweiten seine Kreise zieht über Ikarus’ 
euchtem Grab, während im azurnen Blau der Ferne 
Stambul, die Stadt der tausend Minaretts, in sicherer 
Hut geborgen liegt, Galatas geschäftiges Leben braust 
und Peras jahrhundertalte Gärten schlafen. — Menschen- 
geschichte! — — Und wieder eine Spanne Zeit, dann 
tritt das Flugzeug wieder in friedlichem Wettbewerb 
mit den Verkehrsmitteln unserer Zeit. Wüste und Od- 
land haben die Schrecken ihrer Wege verloren, denn 
wenn irgendwo, dann wird hier das Luftfahrzeug am 
ehesten dem praktischen Verkehre dienen. Tagelange 
Karawanenwege werden in Stunden überwunden und 


die weiten Länder des türkischen Reiches durch ein 
Verkehrsmittel schnellster Art verbunden. Der geistige 
Verkehr entfernter Städte wird durch Flugpostverbindung 
in ungeahnter Weise erleichtert werden und zu erhöhtem 
Schaffen vereinen, um die Wunden zu heilen, die der 
Weltkrieg schlug. Hier ist für die Flugtechnik das 


311 


Land der unbegrenzten poo a wo sie in fried- 
lichem Schaffen die ersten Erfolge zeitigen wird. Das 
Land wird vielleicht an Poesie verlieren, aber an Kraft 
gewinnen, vielleicht auch in wirklichem Sinne noch 
schöner sein, denn welch anderer Weg führt zu höheren 
Zielen als der nahe der Sonne und den Sternen. 


Über die vermutliche Ursache der Nebelschüsse oder Mistpoeffers. 


Eine vorausgreifende Untersuchung 
von H. Horbiger. 


Die lebhafte Erörterung der Reichweite und atmo- 
sphärischen Reflexion des Weltkrieg-Geschützdunners 
mit seiner »Zone des Schweigens« durch die 
Herren Wilh. Krebs und Phil. Fauth in den dies- 
jährigen Nummern 3/4, 11/12, 15/16, 17/18 und 19/20 
dieser Zeitschrift hat auch ein ebenso unheimliches als 
altes Rätsel der meteorologischen Akustik: die »Mist- 
poeffers« aufs Tapet gebracht und zur Diskussion 
gestellt. Indem nun Herr Krebs diese Diskussion in 
dem guten Glauben abgeschlossen hat, uns die Lösung 
des Problems in der einfachsten Selbstverständlich- 
keit geboten zu haben, wenn er die flandrischen Mist- 
poeffers nach landläufiger Meinung auf den Geschütz- 
donner seekriegerischer Artillerie zurückführt, so dürfte 
den aufmerksamen Leser nunmehr auch die glacial- 
kosmogonische Deutung des Phänomens inter- 
essieren. Wir greifen damit unseren geplanten meteorolo- 
gischen Entwicklungen um so lieber voraus, als Fauth 
die Frage zwar vorzeitig angeschnitten hat, die Lösung 
des Problems aber dem geneigten Leser aus Platz- 
gründen vorenthalten mußte. 

Da es sich um eine nur wenig bekannte und von 
den meisten Meteorologen absichtlich ignorierte oder 
meist nur ausweichend erwähnte atmosphärische 
Schallerscheinung handelt, wollen wir uns zur Bequem- 
lichkeit des geneigten Lesers zunächst »ums Phänomen 
näher erkundigen«. — Der unlängst verstorbene Heraus- 
geber des »Sirius«, der langjährige Astronom und 
Meteorologe der »Kölnischen Zeitung«, Dr. Her- 
mann J. Klein, sagt in seinem reichhaltigen Buche: 
»Die Wunder des Erdballes« diesbezüglich u. a. 
das Folgende: 

»Geräusche wie ferne Donnerschläge hat man häufig 
an der belgischen Küste vernommen und sie werden 
dort als Nebelschüsse (Mist-puffers) bezeichnet. Aus 
dem Miindungsgebiet des Ganges kennt man ähnliche 
Detonationen unter dem Namen »Barisal-Schüsse« ; sie 
klingen ähnlich dem Donner großer, aber sehr ferner 
Geschütze. Alle Versuche, die Ursache dieser 
Detonationen zu ergründen, sind bis jetzt 

escheitert. — Wir müssen noch einer merkwürdigen, 
okalen Flut des Meeres gedenken, die mit den Ge- 
zeiten indessen keinen Zusammenhang hat und deren 
Ursache überhaupt noch einigermaßen rätselhaft ist. 
Dieselbe tritt bei ruhigem Wetter und stiller See bis- 
weilen im westlichen Teile der Ostsee auf und zeigt 
sich als wiederholte Überflutung des schmalen Küsten- 
. saumes. Man bezeichnet die Erscheinung mit dem 
Namen Seebaer, ein Name, der wahrscheinlich mit 
dem alten Worte bahr (Woge) zusammenhängt. Bis- 
weilen geht dieser kurzen Überflutung ein von weither 
schallendes Getöse voraus. So bei dem Seebaeren, der 
zu Anfang des 19. Jahrhunderts zwischen Kolberg und 
Köslin eintrat, wo das Getöse so stark war, daß die 
Pferde vor den Pflügen scheu wurden. Bei dem See- 
baeren, der im Mai 1833 auftrat, vernahm man vor der 
Flut einen starken Knall oder auch ein Getöse, als 
wenn ein schwerer Sturm im Anzuge begriffen sei. — 
Was die Mistpuffers anbelangt, so ist besonders merk- 
würdig, daß noch niemand diese Detonationen in seiner 


Am Himmel tiefes Schweigen, stille steht 

Der Wolken one. — sprachlos die kecken Winde, 

Stumm wie der Tod der Erdball drunten — plötzlich 

Zerreißt ein grauser Donnerschlag die Wolken: — 

amlet II. 

unmittelbaren Nähe vernommen hat. Die See zwischen 
der belgischen und englischen Küste ist von Fahrzeugen 
sehr belebt, dennoch hat noch nie ein Fischer die 
Detonationen auf dem Meere stärker gehört, als sie auf 
der Küste erschallen, und stets kommen sie aus der 
Ferne. — So weit Klein. 

Hieraus geht zunächst deutlich hervor, daß man 
bei der Erforschung dieses luftakustischen Rätsels den 
Geschützdonner schon längst, vielleicht sogar noch 
lange vor Shakespeares Zeiten (vergl. Motto) in den 
Kreis der Vermutungen einbezogen hatte und diese 
Vermutung bestimmt nicht bestätigt fand. Mit 
Recht weıst also Fauth auch hier auf ein für die 
Forschung noch fruchtbar zu beackerndes Feld hin; 
und keineswegs kann die Sache mit billigen Hinweisen 
auf Schießübungen der britischen Marine so leichthin 
abgetan werden. 

Es wird übrigens berichtet, daß man an windstillen 
und sonnigen Sommermittagen solche Detonationen 
auch am Bodensee und dessen flachen Ufern ver- 
nehmen kann. Überhaupt geht aus allen Berichten, wie 
auch aus unserem Hamlet-Zitat hervor, daß diese 
dumpfe Schallerscheinung nur an sehr windstillen und 
klaren Sommertagen um die Mittagszeit herum, 
also bei Sonnenhöchststand unserer Breiten und 
auch immer nur auf stiller, ruhiger Meeres- und See- 
fläche oder deren flachen Ufern wahrzunehmen ist. 

Wer von den geneigten Lesern uns aufmerksam 
durch das Dezember- (1914), Februar- und Märzheft 
(1915) gefolgt ist, weiß bereits, daß wir nur den so- 

enannten Meteoren mineralische Natur — und 

eibungswärme-Eigenglut zuerkennen, unter Stern- 
schnuppen aber kosmische Eiskörper galaktischen 
Ursprungs verstehen, die, an der Erde vorbeihuschend, 
außerhalb Atmosphäre und Erdschatten im 
reflektierten Sonnenlichte leuchten; und daß gerade die 
sichtbaren unter ihnen die Atmosphäre mest gar 
nicht erreichen und meist dadurch »verlöschen«e, daß 
sie in den Erdschatten eindringen, oft auch dadurch 
sich plötzlich zu »entzünden« scheinen, daß sie aus 
dem Erdschatten heraushuschen, um in abnehmender 
Beleuchtungsphase und zunehmender Entfernung zu 
verblassen oder hinter dem Dunstkeilring des Horizontes 
zu verschwinden. 

Wer sich um Meteorstatistik gekümmert hat, weiß 
auch, daß wirklich beobachtete Meteorsteinfälle 
mit aufgelesenen Resten ihr Tagesmaximum um die 
Mittagszeit (mit einiger Verspätung in den Nach- 
mittag hinein) und ihr Jahresmaximum in unseren 
Breiten um die Hochsommerzeit haben. Es sei 
auch in Erinnerung gebracht, daß es bei uns nur im 
Sommer donnert und blitzt und vornehmlich auch nur 
im Sommer hagelt und gewittert und auch das wieder 
überwiegend nur um die Mittagszeit, mit einiger Ver- 
spätung in den Nachmittag hinein; ebenso, daß wir 
alle strichweise auftretenden meteorologischen Vorgänge 
(Hagelschläge, Wolkenbrüche, lokale e Wirbel- 
stürme etc.) auf die Wärmeausdehnungs Zersplitterung 
und Einschmelzung von mit kosmischer Geschwindigkeit 
in die Atmosphäre einschießenden Eissternschnuppen 


312 


- zurückführen. (Vergl. Seite 41 bis 46 des Februarheftes.) 
Die kräftigen Donner- und Blitzschläge bei den lokalen 
Gewittern, Wolkenbrüchen und Hagelschlägen ergeben 
sich aus der reibungselektrischen Ladung (Eiskörner- 
reibung in der Luft) der Zersplitterungs- und Schmelz- 
produkte des mit etwa 20 facher Kanonenkugelgeschwin- 
digkeit eingedrungenen Eiskörpers von selbst; ebenso 
der Sturm aus den in der Umgebung des Einschuß- 
kanals mit ungeheurer Gewalt in Bewegung gesetzten 
Luftmassen. Es haben also sowohl die tatsächlich be- 
obachteten Meteorsteinfälle als auch die unsichtbaren 
Roheiseinschüsse hei uns ihr Jahresmaximum im 
Sommer und ihr Tagesmaximum um die Mittagszeit, 
und ganz dasselbe gilt auch von den »Nebelschüssen«; 
ein Fingerzeig also für die Auffindung einer plausiblen 
Erklärung! 

Wir wissen schon aus dem Februarhefte (1915), 
daß ein mit kosmischer Geschwindigkeit in die Atmo- 
sphäre einschießender Eiskörper fast explosionsartig in 

örner zerstieben muß. Das gibt jedenfalls ein starkes, 
schußartiges oder auch knatterndes Geräusch, jedoch, 
bei mehr tangentialem Einschuß, in so großen 
Höhen und so dünner Luft, daß wir unter gewöhn- 
lichen Umständen am Grunde des Luftozeans davon 
kaum etwas hören dürften, am unwahrscheinlichsten in 
der Art eines Geschützschusses. Wohl aber können wir 
die viel weiter herab erfolgende Zerberstung eines er- 
hitzten Gesteinsmeteors hören, wie dies u. a. auch 
das berühmte Madrider Tagesmeteor vom 10. Februar 
1896 (9 Uhr vormittags) gezeigt hat. — Aber auch das 
ist vielleicht noch immer nicht die unmittelbare eigent- 
liche Ursache der Mistpoeffers, weil ja da jeder Be- 
obachter sofort gewahr werden müßte, daß der »Schuß« 
aus der Höhe kommt, während die dumpfen Knalle 
der Mistpoeffers nur ganz unbestimmt -aus großer 
Ferne« an das Ohr des Lauschers gelangen. Aber es 

ibt sowohl bei den Gesteinsmeteor- als auch bei den 

oheiseinschüssen noch eine weitere Notwendigkeit 
einer Schallerscheinung: das Hineinstürzen der 
Luft in das Vakuumrohr, welches jeder solche 
Eindringling hinter sich lassen muß. Bei den großen 
Mörserbomben unserer heutigen Artillerie hören wir 
dieses Luftzusammenprallen notwendig als ein konti- 
nuierliches Dröhnen, bei der mindest 20mal 
höheren kosmischen Geschwindigkeit eines Roheis- 
oder Meteoreinschusses muß daraus ein kürzerer Knall 
oder auch wohl eine Art von kurzem Donnerrollen 
werden. Aber damit dieser Schall bis zu uns dringe, 
muß der Einschuß ziemlich senkrecht erfolgen, da 
sich ansonsten (bei mehr tangentialem Eindringen) die 
Geschwindigkeitsaufzehrung in zu großen Höhen und 
zu dünnen Luftschichten und notwendig auch zu lang- 
sam vollzieht, als daß daraus ein Knall entstehen und 
dieser als solcher bis zu uns dringen könnte. Aber auch 
einen solchen kosmischen Luftknall des mehr senk- 
rechten Einschusses wird der aufmerksame Beobachter 
nur dann als aus der Höhe kommend hören, wenn der 
senkrechte Einschuß ziemlich genau in seinem Zenith 
11 wofür die Wahrscheinlichkeit so gut wie Null 
ist. Er wird aber auch von einem in größerer Ent- 
fernung von seinem Zenith fast senkrecht erfolgenden 
Einschuß nichts hören, wenn derselbe über dem 
Lande, oder gar über ausgedehnten Waldungen, oder 
bei windigem Wetter über stärker bewegter See, oder 
überhaupt bei bewölktem und windigem Himmel erfolgt, 
weil beispielsweise der Wald die von oben kommende 
dumpfe Schallwelle gleichsam aufsaugt, wie etwa 
schwarzer Samt den Lichtstrahl; ähnliches gilt ja auch 
von allen Landflächen überhaupt, sowie auch von der 
stürmischen See. 

Um also einen solchen kosmischen Projektil- 
einschuß in unsere Atmosphäre hier unten als dumpfen 
»Nebelschuß« vernehmen zu können, ist es notwendig, 
daß die ziemlich senkrecht von oben kommende Schall- 
welle oder dynamische Luftstoßwelle eine ruhige 
weite Wasserfläche trifft, auf welcher sie sich dann 
nach allen Seiten ausbreitet und so in einer Weise das 
Trommelfell des Horchers erreicht, daß ihm der Schall 


nicht von oben, sondern bloß ganz unbestimmt 
»aus weiter Ferne« zu kommen scheint. Daher ist das 
Schallphanomen der Mistpoeffers an die Nähe des 
Meeres oder großen Binnensees mit ruhiger Fläche 
und flachen Ufern und somit auch an windstilles, 
sonniges Wetter gebunden; Windstille allein bei Be- 
wölkung genügt nicht, weil das Gewölke das wirk- 
samere Herabgelangen der Schallwelle vereitelt; ebenso 
genügt klarer Himmel allein bei mäßigem Winde nicht, 
weil letzterer die schwache vertikale Schallwelle ver- 
weht und auch die Wasserfläche beunruhigt und zur 
hörbaren Ausbreitung der dumpfen Schallwelle un- 
geeignet macht. Wahrscheinlich wird es nur wenige 

ichter befahrene, buchtenartige und flachufrige Meeres- 
flächen geben, die zeitweilig eine ruhige Wasserfläche 
bieten — und wahrscheinlich sind auch diese Schiffahrts- 
straßen und Flachufer nicht überall entsprechend dicht 
mit intelligenten und aufmerksamen Beobachtern 
besetzt, so daß bisher solche Beobachtungen eben nur 
aus Flandern und Holstein, aus der N 
und vom Bodensee bekannt geworden sind. 

Damit wäre also vorläufig die Bedingung des 
ruhigen sonnigen Wetters, sowie die so rätselhafte und 
nicht überall erfüllbare örtliche Bedingung der Mist- 
poeffer-Hörbarkeit verständlich gemacht. Was aber nun 
die Gebundenheit des so merkwürdigen Schallphänomens 
an die Sommerszeit unserer Breiten und an die 
mittlere Tageszeit, also überhaupt an dieSonnen- 
hochstandsnähe anbelangt, so sollen uns das die 
beiden nangen Figuren durchsichtig machen helfen. 
Wir sehen da in Fig. ! die Resultierenden aus 
Sonnen- und Erdenschwere und aus diesen wieder in 
Fig. 2 die so zu nennenden Kraftlinien dieser beiden 
Schwerkräfte abgeleitet. Es handelt sich da um ganz 
selbstverständliche Kurven, die aber trotzdem für jeden 
heutigen Astronomen und Meteorologen ein absolutes 


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Fig. 1. Das Kraftfeld der Erden- und Sonnenschwere im Be- 
reiche der Erdmondbahn, versinnlicht durch die Resultierenden 
aus den (auf gleichmäßig verteilte Massenpunkte ausgeiibten) 
beiden Anziehungen. Die Schraffenlinien der Schwerediagramme 
stellen diese Anziehungen im richtigen gegenseitigen Maß- 
stabe und im zugehörigen Abstande von Sonne und Erde dar. 
N = neutraler Punkt des Radiusvektor, in welchem sich die 
beiden Anziehungen gegenseitig aufheben; S = in welchem sie 
gleich sind und sich summieren. 


Novum darstellen, weil der Astronom bei Berechnung 
von Kleinkörperbahnen keinen Mediumwider- 
stand berücksichtigt und jede solche Bewegung unter 
dem Gesichtspunkte der reinen Keplerschen Gesetze 
55 die ja auch einen Mediumwiderstand nicht 
ennen. | 

Diese Kraftfeldkurven der Fig. 2 sind also für unser 
Problem insofern äußerst lehrreich, als sie zeigen, 
warum die von der Erde eingefangenen, zum Einsturz 
sich anschickenden Kleinkörper (Meteore und Roheis- 
körper) den Sonnenhochstandsort als Einschußort 
zu gewinnen trachten, also in unseren Breiten vornehm- 
lich im Sommer und um den Mittag herum in die 
Atmosphäre schießen. Allerdings würden sich diese 
Kleinkörper nur dann in solchen zum Radiusvektor 
symmetrisch liegenden Kurven der Erde nähern, bezw. 
ausschließlich den Sonnenhochstandsort erreichen, wenn 
sie in einem dichten Medium (etwa gleich dem Wasser) 
schwämmen und sich ursprünglich relativ zur Erde in 
Ruhe befänden, also in zur Erdbahn parallelen und 
nahen Bahnen mit der Erde um die Sonne und mit 
dieser auch gegen den Sonnenapex (Zielpunkt der 
E translatorischen Sonnenbewegung) hin sich 
egten. Immerhin wird aber auch schon der ge- 
ringste Atherwiderstand im selben Sinne wirken, be- 
sonders wenn man auch noch die Kleinheit und ge- 
ringe Dichte der kosmischen Eiskörper in Betracht 
zieht. Diese Kraftlinien der Schwere (Fig. 2) lassen bei 
einigem Nachdenken aber auch darauf schließen, daß 
die eingefangenen und vorübergehend zu Kleinmonden 
gemachten Eiskörper und Meteore genötigt werden, 
die großen Achsen ihrer rasch einschrumpfenden 
spiralelliptischen Bahnen allmählich der Richtung SN 
es Radiusvektors der Erdbahn anzuschmiegen, und 
zwar mit sonnen ze n i th warts liegendem Perigäum und 
sonnennadirwärts liegendem K po gäum, so daß sie 


Fig. 2. Das Kraftfeld der Erden- und Sonnenschwere im Be- 


reiche der Erdmondbahn, versinnlicht durch die aus den 
Resultierenden der Fig. 1 ableitbaren IKraftlinien der Schwere. 
Man erhält dieselben, wenn man in Fig. 1 noch mehr Zwischen- 
massenpunkte mit den zugehörigen Kräfteparallelogrammen 
verzeichnet und die sich gegenseitig suchenden Resultierenden 
durch kontinuierliche Kurven verbindet. N und S sind Punkte des 
Radiusvektors, in welchen die beiden Anziehungen einander 
neu sieren (= N) bezw. sich summieren (= S). 


313 


bei fortschreitender Bahneinschrumpfung vornehmlich 
in Sonnenhochstandsnähe, also bei uns zur sommer- 
lichen Mittagszeit, mehr oder weniger tangential in die 
Erdatmosphäre einschießen müssen. 

Ob wir aber deren Einschußknall als »Mistpoeffer« 
hören können, hängt nun noch von den anderen, 
weiter oben besprochenen Nebenumständen ab. Zunächst 
ist der mehr oder weniger tangentiale Einschuß die 
Regel, der senkrechte Einschuß eine mehr zufällige 
Ausnahme, und nur in letzterem Falle können wir den 
Einschuß- oder Explosionsknall bei sonst günstigen 
Nebenumständen indstille, Wolkenlosigkeit, ruhiges 
Meer mit flachen Ufern etc.) hören. Obwohl wir also 
in unseren Breiten zur sommerlichen Tageszeit fast 
een oft sogar stündlich unbewußt Zeugen von inner- 
halb Hörweite erfolgenden Roheiseinschüssen sind, und 
das Gebiet des wahrscheinlichsten und dichtesten Eis- 
einschusses die Erde täglich mit dem Sonnenhöchststand 
umläuft und jährlich auch zwischen den Wendekreisen 
auf und nieder wandert, so ist es uns nun dennoch ver- 
ständlich geworden, warum die Meldungen von wirk- 
lich gehörten Nebelschüssen so spärlich einlaufen 
und bisher auch nur auf wenige enger begrenzte Ge- 
biete der Erdoberfläche beschränkt geblieben sind. 

Was nun den Seebaern betrifft, so ist es möglich, 
daß die beiden obzitierten Beispiele zwei prinzipiell 
verschiedene Erscheinungen darstellen. Denn der »See- 
baer« von Kolberg-Késlin mit dem vorangehenden 
starken Getöse trägt eigentlich alle Merkmale eines 
normalen Seebebens, eines Phänomens also, für welches 
die moderne Geologie zwar eine festgeglaubte Erklärung 
bietet, die aber auch wieder vollständig irrig ist. Wir 
werden davon hoffentlich bei Abschluß unserer Erd- 
bebenbetrachtungen noch eingehender sprechen können. 
Allgemeine Andeutungen hierüber findet der geneigte 
Leser auf Seite 20/21 und 47 bis 50 unserer Jänner- und 
Februar- Aufsätze. 

Der zitierte. 1888er Seebaer mit dem an einen 
»schweren Sturm< erinnernden Getöse vor der Flut 
stellt dagegen nach unserer vorläufigen Vermutung eine 
vom Mistpoeffer nurgraduellverschiedene Folge- 
erscheinung eines Roheiseinschusses dar. Als auch nur 

raduell abweichende Wirkungen derselben prinzipiellen 
Grindirsache haben wir ja auch schon im Dezember- 
(1914) und Februar- (1915) Aufsatze unter anderem auch 
die trockene und Regenbö kennen gelernt, auf 
deren Rechnung wir ja auch die Vernichtung der beiden 
Zeppeline bei Helgoland und über dem Teutoburger 
Walde zu setzen bemüßigt sind. 

Also: Mistpoeffer, Seebaer, Bö, Regenbö, Platz- 
regen, Lokalgewitter, Wolkenbruch, Hagelstrich, Tor- 
nado, Taifun, Hurrikan, Wasserhose, Sandhose, Wind- 
hose, Wüstensturm etc., alles prinzipiell einheitliche 


Folgeerscheinungen von nur nach Einschußrichtuug, 
Geschwindigkeit, Ort und Zeit, Körpergröße und 
Struktur graduell verschiedenen Roheisein- 


schüssen. Der hier ins Auge gefaßte Seebaer bildet also 
nur ein Ubergangszwischenglied zwischen dem schein- 
bar windstoßlosen Mistpoeffer und dem auch nur schein- 
bar lautlosen BoenwindstoB. Dem dumpfen Schall- 
phänomen eines nach Größe, Richtung und Geschwin- 
digkeit entsprechend bemessenen Roheiseinschusses folgt 
also eine lokale fast senkrecht herabstoßende Luft- 
kompressionswelle, welche die ruhige Wasserfläche auf 
einem beschränkten kreisförmigen oder wenig ovalem 
Gebiete etwas niederdrückt und so eine ringförmige 
Welle nach außen entsendet, der natürlich in größeren 
Zeitintervallen auch noch einige abnehmend schwächere 
folgen müssen, wie wir es im kleinen beim Steinwurf 
ins Wasser beobachten können. Diese notwendig lang- 
atmigen Ringwellen erreichen bei sonstiger Windstille 
endlich auch zu verschiedenen Zeiten verschiedene 
Stellen des flachen Ufers in verschiedener Intensität, um 
so dorten als Seebaer in Erscheinung zu treten. Der 
glacialkosmogonisch einigermaßen aufgescheuchte Beob- 
achter eines Seebaeren wird also in der Richtung des 
beiläufig vermutbaren Zentrums solcher scheinbar wind- 
loser Ringwellen, möglicherweise sogar nahe seinem 


314 


Horizonte, auch eine kleinere oder größere Haufen- 
wolkenbildung beobachten können, wenn sich die- 
selbe nicht etwa gar schon unterhalb seines Horizontes 
vollzieht, so daß dieser trotz des gehörten dumpfen 
Knalles und sanfter Flut auch weiterhin wolkenlos 
bleibt. Möglicherweise erreichen nur die allerschwächsten 
Ausläufer der Ringflutwellen unauffällig und stark ver- 
spätet das Ufer: Nun, dann war es eben ein »echter« 
Mistpoeffer. Dasselbe gilt auch für den Beobachter im 


Fischerboot, weil er die langatmigen Ringwellen, bezw. 


deren majestätisch langsame Schaukelung überhaupt 
nicht bemerkt, solange er über keine glacialkosmo- 
gonische Beobachterschulung verfügt. 

Steigern wir nun aber die Eiskörpergröße, Einschuß- 
geschwindigkeit und Neigung entsprechend, so wird 
aus Mistpoeffer, Seebaer und Bö schließlich der wirbel- 
artig dahinrasende Sturm mit Wolkenbruch, Hagelschlag, 
Donner und Blitz. Ist es doch schon öfters vorgekommen, 
daß oft bis ins sonnigste Nachmittagwetter hinein un- 
gestört verlaufene Sommerwiesenfeste durch »ein plötz- 
lich hereinbrechendes furchtbares Unge- 


witter ihren jähen Abschluß fanden und dennoch 
wieder hellster Abendsonnenschein auf die Stätte der 
naßkalten Verwüstung herablachte. Ganz dasselbe voll- 
zieht sich auch auf hoher See, wenn der Schiffer die 
perspektivisch unansehnlich kleine Sturmwolke über den 
sonst wolkenlosen Horizont heraufkommen sieht. 
Schleunigst rafft er die Segel, denn er weiß, daß binnen 
wenigen Minuten Sturm und Finsternis hereinbricht, 
um meist wieder dem klarsten Abendhimmel Platz zu 
machen. Nicht etwa daß unsere Land- und Seemeteoro- 
logen solchen atmosphärischen Paroxysmen einge- 
standener maßen ratlos gegenüberständen: Sie denken 
sich in der Regel überhaupt nichts Besonderes dabei. 

Shakespeare müssen wir dagegen eine entschieden 
viel bessere Note aus Mechanik geben; denn ihm fiel 
die Sache notwendig als etwas Unerklärliches auf, 
wenn er im Hamlet seinen ersten Schauspieler unser 
heutiges Motto deklamieren läßt. — Vom Mistpoeffer 
bis zum Tornado: Eine im vermeintlich 
defizitlosen, reinterrestrischen Wasserkreis- 
laufe ewig unlösbare Rätselreihe! 


Deutscher Brief. 


(Originalbericht unseres Frankfurter Mitarbeiters.) 


Ende November 1915. 


Nicht nur an der Front und bei den Flieger- 
abteilungen im Lande herrscht großer Flugbetrieb; 
nein, auch auf den Privatflugplätzen der einzelnen 
Flugzeugfabriken herrscht emsige Tätigkeit. Neben 
dem ständigen Bau neuer Flugzeuge sind die Flug- 
zeugfirmen noch mit der Ausbildung neuer Militär- 
flugschüler beschäftigt, und ist jetzt in Deutschland 
die Zeit gekommen, in der die deutsche Flugzeug- 
industrie ihre Triumphe feiert. Rastlos werden neue 
Maschinen herausgebracht, die heute schon sehr 
schwierigen Prüfungen unterworfen sind. Die Industrie 
ist mit Aufträgen versorgt, daß sie nur schwer in der 
Lage ist, allen Ansprüchen gerecht zu werden. Uber 
einzelne Konstruktionen näher einzugehen, ist die 
Zeit jetzt nicht geeignet, doch werden die weniger 
Eingeweihten einmal später nach dem Kriege über 
all das Geleistete erstaunt sein. Trotzdem sich schon 
jetzt überall die Unbill der gegenwärtigen Jahreszeit 
sehr bemerkbar macht, lassen sich unsere braven 
Flugzeugfiihrer weder an der Front noch im Lande 
vor nichts abschrecken und mit Begeisterung und er- 
folgreich trotzen sie allen Unannehmlichkeiten und 
Gefahren. 

Als besonders beachtenswert und der Nach- 
ahmung bedürfend, hat sich ein Schaufliegen gezeigt, 
das am 17. Oktober zugunsten der Kriegsfürsorge 
von der Militärfliegerschule Hamburg-Fuhlsbüttel auf 
der Borsteler Rennbahn abgehalten wurde. Selbst- 
redend brachte die Hamburger Bevölkerung der Ver- 
anstaltung — die einen sehr vielseitigen Charakter 
trug — ein sehr großes Interesse entgegen, so daß 
der Besuch ein überaus starker war. Besondere Be- 
wunderung riefen die Flüge von Hauptmann Renk 
(Kommandoführer der Fliegerschule), Leutnant Tiet- 
low, Leutnant Rambaldi, Unteroffizier Böhme 
und der Fluglehrer Petersen, Lückfeld, Daus 
und Kneeser hervor. Es standen im ganzen 13 Flug- 
zeuge zur Verfügung, und zwar: Albatros- und D.F.W.- 
Doppeldecker, Fokker-Eindecker und Hansa-Tauben. 
Die ganze Veranstaltung nahm einen schönen Verlauf 
und es konnte der Kriegsfürsorge ein Betrag von an- 
nähernd 20.000 Mark zugeführt werden. 

Diesem schönen Beispiele folgend, hat nun am 
Sonntag den 28. November die Leipziger Luftschiff- 
hafen- und Flugplatz-A.-G. auf dem Flugplatz Leipzig- 
Mockau ein Wohltätigkeitsfliegen abgehalten. Der 
Arbeitsausschuß hatte für alles Sorge getragen und 
sogar den bekannten Fliegerleutnant Immelmann 
für die Veranstaltung gewonnen. Zum Bedauern aller 
Anwesenden kam noch kurz vor Beginn des Fliegens 


| die Nachricht, daß allen Militärfliegern die Beteiligung 


an der Veranstaltung untersagt ist. Glücklicherweise 
waren gerade mehrere Zivilflieger auf dem Flugplatz 
anwesend, die sich sofort bereit erklärten, ihre Flug- 
kunst zu zeigen. So war es vor allem Fokker, der 
Konstrukteur des bekannten kleinen Fokker-Eindeckers, 
der die zahlreiche Zuschauermenge in Erstaunen und 
Bewunderung versetzte. Ebenfalls eine Reihe schöner 
Flüge zeigte der als Sturzflieger nicht unbekannte 
frühere Grade-Pilot Gustav Tweer. Außerdem ent- 
wickelten noch die Flieger der Aviatik-Fliegerschule 
und der neugegründeten VV G. m. 
b. H. eine rege Fliegertätigkeit. Zum Schlusse der 
Veranstaltung wurde noch dem Chefpiloten der letzt- 
genannten Firma, Gustav Flick, ein Lorbeerkranz 
überreicht für seine hervorragenden Flüge auf dem 
neuen Germania - Doppeldecker. Trotz des erstge- 
nannten unliebsamen Zwischenfalles ist die Veran- 
staltung ganz zur Zufriedenheit der Zuschauer und 
Veranstalter verlaufen, so daß auch diesmal eine ganz 
stattliche Summe guten Zwecken zugeführt werden 
konnte. Es ist empfehlenswert und steht auch hoffent- 
lich zu erwarten, daß derartige Schauflüge zugunsten 
wohltätiger Zwecke auch bald seitens anderer Städte 
Nachahmung finden. a 

Wie aus dem »Reichsanzeiger« hervorgeht, hat 
am 8. November in den Räumen der Treuhand- 
Gesellschaft die Generalversammlung der »Akademie 
für Aviatik« stattgefunden. Wie noch erinnerlich sein 
dürfte, betrieb seinerzeit die »Akademie für Aviatik« 
auf dem Flugplatz Puchheim bei München eine Flieger- 
schule, sowie besondere Sonderkurse für Flugschüler 
u.s.w. Wie jetzt verlautet, soll endgültig beschlossen 
worden sein, das Gelände des ehemaligen Flugfeldes 
Puchheim zu verkaufen. 

Von bekannten Persönlichkeiten aus der Industrie 
ist am 4. November in Berlin nach langem Kranksein 
Franz Reschke, der Inhaber der bekannten Propeller- 
fabrik, gestorben. Der Verstorbene hat es verstanden, 
seine Firma aus kleinen Anfängen heraus zu dem 
heutigen Weltunternehmen emporzuarbeiten. Unter 
der technischen Mitarbeit von Prof. Reißner werden 
in der Fabrik die bekannten Reschke-Propeller her- 
gestellt, die im gegenwärtigen großen Kriege schon 
eine nicht zu unterschätzende Stellung eingenommen 
haben. 

Von der Front hört man momentan weniger, 
doch leisten unsere Kriegsflieger nach wie vor Hervor- 
ragendes. Am 8. November war es wieder Leutnant 
Immelmann, dem es gelang, westlich von Douai 
einen mit drei Maschinengewehren ausgerüsteten eng- 


lischen Bristol-Doppeldecker im Luftkampf zu be- 
siegen. Eine Reihe von Ordensauszeichnungen zeugt 
ferner von der Unermüdlichkeit und den großen Er- 
folgen unserer wackeren Lufthelden. So wurden mit 
dem Eisernen Kreuze dekoriert: Hauptmann Kurt 
Müller (1. Kl.), inzwischen gefallen, Hauptmann Max 
Sorg (I. Kl.), Oberleutnant Werner Braune (1. Kl.), 
Oberleutnant Cranz (1. Kl.), Oberleutnant Hahn 
(1. Kl.), Oberleutnant Ohmke (1. Kl.), Oberleutnant 
Kögler (1. Kl.), Oberleutnant Krauser (1. Kl.), 
Oberleutnant Hempel! (1. Kl.), Oberleutnant zur See 
v. Roques (1. Kl.), Leutnant Ulmer (1. Kl.), Leutnant 
Stober (1. Kl.), Leutnant Greiner (1. Kl.), Vize- 
feldwebel Schramm (1. Kl.), Vizefeldwebel Ernst 
Dircks (2. Kl.), Vizefeldwebel Schumm (2. Kl.), 
Vizefeldwebel F. Weiß (1. Kl.), Unteroffizier Hammel- 
mann (2. Kl.), Unteroffizier Fritz God duhn (2. Kl.), 
Unteroffizier Johann Weiß (2. Kl.), Unteroffizier 
A. Huck (2. Kl. und österreichische Tapferkeits- 
medaille), Unteroffizier Schultz (2. Kl.), Unteroffizier 
Heiligenstedt (2. Kl.), Unteroffizier Kamphausen 
(2. Kl. und österreichische Tapferkeitsmedaille). Ge- 
freiter Tillmanns (2. Kl.), Gefreiter Thuy (2. Kl.), 
Gefreiter Besier (2. Kl.) und die Marinebeobachter 
Bruno Majewsky (1. Kl.) und Steuermannsmaat 
Karl Wendt (2. Ku). Weiters wurde verliehen dem 
Leutnant Boelcke das Ritterkreuz des Hausordens 
von Hohenzollern mit Schwertern, Oberleutnant 
Schneider von der Feldfliegerabteilung 69 das 
Ritterkreuz des Militär-St. Heinrich-Ordens, Leutnant 
Immelmann von der Feldfliegerabteilung 62 und 
Leutnant v. Gehe vom Armeeflugpark Gaede das 
Ritterkreuz Il. Klasse des Albrecht-Ordens mit 
Schwertern. 

Bei einem Rundflug durch Oberbayern stürzte bei 
Miesbach ein Doppeldecker aus bis jetzt noch un- 
bekannter Ursache ab. Die Insassen gehörten der 


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315 


bayerischen Flieger-Ersatzabteilung an. Der Fiihrer 
Leutnant Freiherr v. Seckendorf wurde verletzt, 
während der Beobachter Oberleutnant Freiherr von 
Crailsheim den Tod fand. Ein ähnliches Unglück er- 
eignete sich am 26. November auf dem Flugplatz in Gotha, 
wobei ebenfalls der Beobachter, ein Leutnant, tot war. 

Bekanntlich wurden seitens der deutschen Heeres- 
leitung für erbeutete feindliche Flugzeuge Eroberungs- 
gelder ausgeschrieben. Das erste derartige Eroberungs- 
geld für erbeutete Feindesflugzeuge wurde nun kürz- 
lich der III. bayerischen Fliegerabteilung zugesprochen. 
Leutnant Schlemmer mit Leutnant Baer als Be- 
obachter, beide von dieser Abteilung, haben vor einiger 
Zeit ein französisches Kampfflugzeug heruntergeholt. 

Verschiedene interessante Meldungen sind der 
Auslandspresse zu entnehmen. In Paris hat sich kürz- 
lich ein schweres Fliegerunglück ereignet, das leicht 
noch viel schwerere Folgen hätte nach sich ziehen 
können. Beim Überfliegen der Stadt stürzte ein mit 
zwei Militärfliegern besetztes Flugzeug ab und fiel 
in der Nähe des Trocaderos nieder. Während der 
eine tot war, blieb der andere schwer verletzt. Beim 
Landen sind auf dem Militärflugplatz Le Bourget zwei 
Flugzeuge zusammengestossen und alle vier Flieger 


verbrannt. age einer Motorexplosion stürzte ein 
Flugzeug des Marinefliegerparkes Dünkirchen aus 
ca. 1000 m Höhe auf die Befestigungen von Saint 


Pol-sur-mer und begrub die Insassen als Leichen. 
Bei einem Erkundungsfluge ist vor wenigen Tagen 
der Russe Slawarossow tödlich verunglückt. Wie 
verlautet, beabsichtigt der schwedische Forscher 
Dr. Erich Mjöborg eine Forschungsreise nach Neu- 
Guinea im Flugzeug zu unternehmen. Zu diesem 
Zwecke soll eine besonders große Maschine erbaut 
werden. Ich werde noch einmal in späteren Heften 
auf derartige Forschungsreisen im Flugzeug zurück- 
kommen. W. 


Das Gemälde »Die große Zeit« von Ludwig Koch. 


Die offizielle Vertriebsstelle des Invalidenfonds- 
Kriegsfürsorgeamt hat in jüngster Zeit, um für ihren 
humanitären Zweck eine neue Einnahmsquelle zu 
schaffen, eine Aktion eingeleitet, der nur voller Erfolg 
gewünscht werden kann. 

Der Maler Ludwig Koch hat auf Anregung einer 
für die Kriegsfürsorge verdienstvollen Persönlichkeit ein 
Gemälde »Die große Zeit« geschaffen, welches die 
Fürsten und Staatsmänner der Zentralmächte bildlich 
vereinigt, um so den durch die welthistorischen Ereig- 
nisse enger zusammengeschweißten Monarchien eine 
symbolische Darstellung zu geben. Das Gemälde, sich 
auf einem düsteren aber doch durch einzelne Strahlen 
der Friedenssonne erleuchteten Hintergrunde aufbauend, 
zeigt eine Kavalkade von Majestäten, Prinzen und Heer- 
führern zu Roß und zu Fuß, im Vordergrunde drei reichs- 
deutsche und drei österreichisch-ungarische Soldaten. Es 
macht in seiner Gesamtgruppierung einen überaus wohl- 
tuenden Eindruck, und war am 17. und 18. September 
in der Kunstsammlung des Invalidenfonds ausgestellt. 
Am 5. Juli wurde das Originalgemälde von Seiner Majestät 


besichtigt und war Seine Majestät sowohl über die ge- 
lungene Ausführung als auch darüber, daß dieses Ge- 
mälde zugunsten des Invalidenfonds geschaffen wurde, 
sichtlich erfreut. 

Seitens des Invalidenfonds wurde nun veranlaßt, 
daß Kopien und Reproduktionen in den Verkehr gesetzt 
werden, und diese Aktion kann nicht nur wegen der aus 
dem Erlös der Verkäufe dem Invalidenfonds zufliessenden 
Beträge, sondern auch deshalb gebilligt werden, daß 
dadurch zahlreiche Künstler mit der Anfertigung der 
Kopien und Reproduktionen Beschäftigung finden und 
die Not im Künstlerstande dadurch gelindert wird. 

Der Bürgermeister der Reichshaupt- und Residenz- 
stadt Wien, Se. Exzellenz Dr. Richard Weiskirchner, 
hat eine Kopie in der Größe des Originalgemäldes der 
Gemäldegalerie der Reichshaupt- und Residenzstadt 
Wien einverleibt. 

Die offizielle Vertriebsstelle des Invalidenfonds, 
III. Parazelsusgasse 11, und das Kriegsfürsorgeanit, 
IX. Berggasse 15, nehmen Subskriptionen für die Kopien 
und Reproduktionen entgegen. 


Chronik. 


Eine Flugzeug-Expedition zur Fr ors chung 
Neu-Guineas. In der letzten Versammlung der Gesell- 
schaft für Anthropologie und Geographie in Stockholm 
hielt der Forschungsreisende Dr. Erich Mjöberg einen 
Vortrag über seinen Plan, mit Flugmaschinen die bisher 
unentdeckten Gebiete der Insel Neu-Guinea zu er- 
forschen. Darüber liegen nun weitere Einzelheiten vor. 
Dr. Mjöberg ist der Meinung, daß die Hochebenen des 
Innern von Neu-Guinea besser mit einem Flugapparat 
zu erreichen sind, als durch andere Verkehrsmittel, für 
welche die dichten Urwälder und reißenden Ströme der 


Insel ein großes Hindernis bilden. Die Hauptsache ist, 
daß sich in dem unbekannten Innern geeignete Landungs- 
plätze für Aeroplane finden. Für die Fahrt sollen zwei 
Biplane vom Farman-Typ zur Anwendung kommen mit 
festen Motoren, ein kleiner, nur für eine Person gebaut, 
und ein großer mit Raum für fünf Personen und 500 kg 
Ballast. Der erstere würde nur für Fahrten zur Erkun- 
dung passender Landungsplätze dienen, während das 
große Flugzeug für die Mitglieder der Expedition be- 
stimmt wäre. Die Kosten des Unternelimens hat Doktor 
Mjöberg auf etwa 150.000 Kronen veranschlagt. 


316 


Die Sichtbarkeit des Unterseebootes vom Luft- 
schiff aus. Uber die Sichtbarkeit der Unterseeboote 
vom Luftfahrzeug aus liegen jetzt im Anschluß an be- 
sondere optische Untersuchungen über senkrecht reflek- 
tiertes Licht von Prof. Dr. Richarz (Marburg) in der 
»Deutschen optischen Wochenschrift« auch wissenschaft- 
liche Erfahrungen vor, die für die im gegenwärtigen 
Weltkriege tatsächlich erprobte Verwendung der Luft- 
fahrzeuge als Waffen gegen die Unterseeboote beachtens- 
werte physikalische Erklärungen geben. Erfahrungsgemäß 
können die U-Boote vom Luftschiff oder Flugzeug 
wesentlich besser unter der Wasseroberfläche, bei ruhiger 
See sogar bis zu 20 m Tiefe, gesehen werden, als vom 
Seeschiff. Im letzteren Falle handelt es sich um eine 
schräge, im ersteren um eine senkrechte Reflexion der 
Lichtstrahlen, wobei das Himmelslicht weniger stört und 
das Bild eines Gegenstandes unter dem Wasser kräftiger 
auf das Auge wirkt. 

Englische Flieger in Palästina. Am 11. Oktober 


mußte ein bei Gaza aufgestiegenes französisches Flug- 


zeug, wie dem »Flugsport« aus Jaffa berichtet wird, ın 
der Gegend von Berseba in der Wüste landen und 
wurden die Insassen gefangen genommen. Bei El Arisch, 
am Meer südlich von Gaza, soll ebenfalls ein feindliches 
Flugzeug heruntergeschossen worden sein, dessen Be- 
mannung auch gefangengenommen wurde. Das engli- 
sche Flugzeugmutterschiff fuhr am 13. Oktober mit 


nördlichem Kurs an Jaffa vorbei. Mit Eintritt der stürmi- 
schen Jahreszeit werden die Feinde ihre Fliegertätigkeit 
von See aus wohl sehr einschränken müssen. 

Eine hervorragende Fliegerleistung. Am 29. No- 
vember stiegen in Rogatica vier Flieger auf. Sie 
durchflogen eine Strecke von 300 km bis Castelnuovo 
bei 30 Grad Kälte, meist in einer Höhe von 2600 m! 
Sie stiegen um 10 Uhr vormittags auf, kamen um 1 Uhr, 
also in drei Stunden an. Nach dieser erstaunlichen 
Leistung kehrten sie heil mit wichtigem Aufklärungs- 
material zurück. 

Eine Fallschirmlandung aus 3000 m Höhe. 
Nach einer Meldung des Lokalanzeigers aus Rotterdam 
soll der englische Marineflieger Oberleutnant Mait- 
land eine gelungene Fallschirmlandung aus seinem 
Flugzeug ausgeführt haben. Er stieg in London mit 
seinem Apparat 3000 m hoch und sprang dann mit 
einem selbstgebauten Fallschirm aus dem Flugzeug. 
Trotz der enormen Höhe landete der Offizier wohl 
behalten. 

Schweizer Flieger in Deutschland. Der Schweizer 
Flieger Züst von Heiden (Appenzell außer Rhoden), 
der 1m deutschen Heere Dienst leistet und schon im 
September 1914 an der Westfront das Eiserne Kreuz 
zweiter Klasse erhalten hatte, ist während der großen 
Oktoberkämpfe in der Champagne mit dem Eisernen 
Kreuz erster Klasse ausgezeichnet worden. 


Patenterteilungen 
des k. k. österreichischen Patentamtes über Erfindungen auf dem Gebiete der Luftschiffahrt im Jahre 1915. 


Klasse 77d. 

Nr. 67.459. Ein durch Propeller angetriebe 
nes Luftfahrzeug mit Geschütz, das derart ange- 
ordnet ist, daß es möglich ist, ohne durch den Propeller 
behindert zu werden, in der Richtung der Propellerachse 
zu schießen. — Daimler-Motoren-Gesellschaft 
in Untertürkheim bei Stuttgart. — 15. Juni 1914. 

Nr. 67.460. Zusatzpatent zu obigem Luftfahrzeug. — 
Daimler-Motoren-Gesellschaft in Untertürk- 
heim bei Stuttgart. — 15. Juni 1914. 

Nr. 67.547. Einrichtung zur Höhen- und Schräg- 
steuerung von Luftfahrzeugen. — John Wesley 
Boughton in Philadelphia. — 1. Juh 1914. 

Nr. 67.548. Schraubenflieger, welcher mittels 
einer Anzahl von Flügeln, welche am Umfange eines 
Fallschirmes um radiale Achsen verstellbar angeordnet 
sind, getrieben wird. — Jacob Christian Hansen- 
Ellehammer in Kopenhagen und Niels Waltersen 
Aasen in Frederiksberg bei Kopenhagen. — 1. Juli 1914. 

Nr. 67.552. Stabilisierungseinrichtung an 
Luftfahrzeugen. — Josef Stadelmann in Buch bei 
Bregenz. — 1. Juli 1914. 

ä Nr. 67.651. Trag- oder Bremsflache. — August 
Redlin in Wien. — 1. Juni 1914. 
Nr. 67.896. Flugmaschine mit Stoffbalınen 


zusammen- und entfaltenden Segelradern. — Kurt 
Schultze in Berlin-Pankow. — 15. Juli 1914. 
Nr. 67.901. Ballonhülle — Dr. Max Mosz- 


kowski in Berlin-Grunewald und Alwin Loewenthal 
in Berlin-Charlottenburg. — 1. August 1914. 

Nr. 68.090. Propeller mit verstellbaren Flügeln. — 
Albert Hirth in Cannstatt-Stuttgart. — 1. August 1914. 


VATENTE 


Nr. 68.121. Flugzeug mit verstellbaren beider- 
seitigen Tragflügeln. — Wenzel Gisman in Prag. — 
1. August 1914. 

Nr. 68.702. Flugzeug mit auf- und abbewegten 
Flügeln. — Dr. Max Fabiani in Wien. — 15. No- 
vember 1914. 

Nr. 68.703. Lenkeinrichtung für Flugzeuge mit 
nebeneinander befindlichen Sitzen. — Glenn Hammond 
Curtiß in Hammondsport (V.St.A.). — 15. No- 
vember 1914. 

Nr. 69.041. Lenkbares Fahrgestell für Flug- 
zeuge. — Jacob Lohner & Comp. in Wien. — 
l. Dezember 1914. 

Nr. 69.183. Lenkballon. — Karl Königs- 
wieser in Wien. — 1. Dezember 1914. 

Nr. 69.184. Tragfläche für Flugzeuge. — Alois 
Wolfmüller in Pasing bei München. — 15. August 1914. 

Nr. 69.185. Flugzeug. — Josef Bércz in Köln- 
Ehrenfeld. — 15. Dezember 1914. 

Nr. 69.563. Flugzeug. — Käthe Mahr in Baden 
bei Wien. — 1. Februar 1915. 

Nr. 69.565. Schwimmer für Wasserflugzeuge. — . 
Oskar Ursinus in Frankfurt a. M. — 15. De 
zember 1914. 

Nr. 69.568. Quersteuerklappe für Flugzeuge. — 
Luft-Verkehrs-Gesellschaft, Aktiengesellschaft in 
Johannisthal bei Berlin. 

Nr. 69.569. Abfeuerungs vorrichtung für 
SchuBwaffen auf Luftfahrzeugen. — Franz Schneider 
in Johannisthal bei Berlin. — 15. Dezember 1914. 


Nähere Beschreibungen zu vorstehenden Patenten folgen in der 
nächsten Nummer: 1/2 1916. 


Muster- und Markenschutz in allen Ländern 


erwirkt 


Ing. J. FISCHER, Patentanwalt 


Wien, I. Maximilianstrasse Nr. 5. 


Seit 1877 im Patentfache tätig. 


Herausgegehen vom: »K. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein«. — Für die Redaktion verantwortlich‘ Anton Klinger. 
Druck von Otto Maaß’ Söhne, Wien l. 


[2] 


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des unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Majestät des Kaisers und Königs 
stehenden 


K. K. ÖSTERREICHISCHEN FLUG TECHNISCHEN VEREINES. 


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Nr. 1/2 Jänner 1915 7 IX. Jahrgang 


AUFRUF. 


Der gegenwärtige Weltkrieg bat der Flugtechnik und Luftschiffabrt eine Reibe 
unvergänglicher Erfolge gebracht. Eine unmittelbare Folge davon ist die erfreuliche 
Tatsache, daß der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein, welcher an der Ent: 
wicklung unserer nationalen Flugtechnik großen Anteil genommen bat, seit Beginn 
des Krieges eine nambafte Anzahl von Beitritten aufzuweisen hat. Das Präsidium 
des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines will diese Gelegenheit gerne er- 
greifen, um nochmals an die verehrten Mitglieder und Kompatrioten den dringenden 
Appell zur Werbung neuer Mitglieder zu richten. 

Großes haben wir geleistet, noch größere Aufgaben harren unser! 


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Mitteilung der Redaktion. 


Ich bringe hiemit den Lesern unserer Zeitschrift zur Kenntnis, daß Herr FRITZ ELLYSON die 
redaktionellen Agenden des im Felde weilenden Generalsekretärs Herrn Oberst WILHELM SUCHOMEL, 
sowie des ebenfalls einberufenen Redakteurs Herrn Ing. ADOLF JANISCH übernommen bat und in dieser 
Eigenschaft seit 15. August w „tätig, ist... 


verp HM hat, eye 


Der Chefredakteur: 
Ing. A. BUDAU, Professor an der k. k. Technischen Hochschule. 


2 
jAVISO! 


An die P. T. Mitglieder des k. k. Österreichischen 
Flugtechnischen Vereines. 


Gelegentlich der Durchsicht unserer Bibliothek hat die Vereins- 
leitung festgestellt, daß zahlreiche Bücher seit längerer Zeit 


an die Mitglieder des k. k. Osterreichischen Flugtechnischen 
Vereines verliehen worden sind, ohne bisher rückgestellt zu 
werden. Die P. T. Vereinsmitglieder werden daher höflichst 
ersucht, die entliehenen Bücher ehebaldigst der Vereins- 
leitung rückzuerstatten. Bis zur beendeten Revision ist die 
Verleihung von Büchern aus der Bibliothek nicht möglich. 


Das Sekretariat des k. k. Österreichischen Flugteehnisehen Vereines. 


II 


Ergebnis der Ill. Fluglotterie, veranstaltet vom k. k. Österreichischen 
Flugtechnischen Verein. 


Wie in den verflossenen Jahren, veranstaltete der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein auch im 
abgelaufenen Jahre 1914 eine, zahlreiche Werttreffer umfassende Lotterie, deren Ergebnis dank reger Beteiligung 
seitens der Mitglieder unseres Vereines, wie auch der weiteren Öffentlichkeit, ein recht günstiges genannt 
werden kann. 

Die Bilanz dieser vom k. k. Finanzministerium mit 50.000 Losen & 1 K bewilligten Lotterie ergab 
nämlich folgendes Resultat: 


Einnahmen für 13.708 verkaufte Lose ....... m m nn nern K 13.708 — 
Für Ziehüngslisten:. =i ] «] x ee ͤũòᷓTm G a „ 23195 

í E Zusammen K 13.939°95 
Die Ausgaben betrugen für Treffer, Provisionen, Postsparkassa und Portospes en K 3.539°32 
Für Reklame, Miete, Gehälter, Betriebserfordernisse ..... o „ 4.595°13 
Für Drucksorten und Divers „ 1.759927 


Zusammen K 9.89372 
Das Reinerträgnis beträgt somit K 4046'23, welches Vereinszwecken zugeführt wird. 


AVISO. 


Von den Jahrgängen 1912, 1913 und 1914 der Vereinszeitschrift wird eine größere | 
Zahl von Exemplaren, soweit ‘der Vorrat reicht, um den ermäßigten Betrag von je 
K 8°— abgegeben. Bestellungen sind an das Vereinssekretariat zu richten. 


Die Redaktion der Österreichischen Flug-Zeitschrift. 


Degener 


Unsere Zeitgenossen 


Neueste VII. völlig umgearbeitete Ausgabe 


Enthält ausserdem: die Biographien der deutschen und ausser- 
deutschen Staatsoberhäupter der europäischen regierenden _ 
Fürstenfamilien, wich®&e Angaben über Herkunft, Lebens- 
lauf, Familie, Werke, $chöpfungen, Lieblingsbeschäftigungen, 
Adresse etc., ein Pseufdonym-Lexikon ca. 3200 gegenwärtiger 
Schriftsteller und Küfistler; authentische Angaben über die 
hauptsächlichsten Bildungsstätten des Geistes, wie Universi- 
täten, Hochschulen, Lyceen, Bibliotheken, Archive, Akademien, 
gelehrte Gesellschaften, Museen, Sammlungen etc. etc. 


2149 Seiten mit rund 14 Millionen Buchstaben, Gr.-8° 


Vornehm gebunden Mk. 13°50 
Fast der ganze Inhalt beruht auf Selbstangaben 


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Rund 20000 Selbst. 


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des unter dem Allerhéchsten Protektorate Seiner Majestät des Kaisers und Königs 
stehenden 


K. K. ÖSTERREICHISCHEN FLUGTECHNISCHEN VEREINES. 


Nr. 3/4 Februar 1915 IX. Jahrgang 


Funktionäre des Vereines. 


Erster Ehrenpräsident: 
Se. Durchlaucht Fürst Hugo Dietrichstein zu Nikolsburg Graf Mensdorff-Pouilly, k. u. k. Geheimer 
Rat, Generalmajor a. D. etc. 
Ehrenpräsidenten: 


August Ritter v. Ritt, k.u.k. Geheimer Rat, Leopold Schleyer Edier von Pontemaighera, 
k. k. Minister a. D. etc. k. u. k. Feldmarschalleutnant und Sektionschef im k. u. k. Kriegs- 


sterium. 
Präsident: 
Alexander Cassinone, Generaldirektor der Maschinenfabriks A.-G. Körting in Wien. 


Vizepräsidenten: 
Franz HinterstoiBer, k. u. k. Major, Vizepräsident des Dr. Konstantin Freiherr v. Economo, Präsident 
k. k. Österreichischen Aeroklubs. des k. k. Österreichischen Aeroklubs etc. 
Richard Knolier, Professor an der k. k. Technischen Hochschule Wien. 


Bibliothekare: Revident Georg Eckardt, Ing. Franz Wels. Kassier: Dr. Arnold Hildesheimer. 
Kassier-Stellvertreter: James Worms, Bankbeamter. 

AusschuBmitgileder: Altmann Josef, k. k. Baurat: Angeli Robert v., k. k. Rechnungsdirektor; Ascher Moritz, Dr.; Austerlitz 
Leopold, Dr., k. u.k. Oberst; Bechtel Friedrich, Redakteur; Bellak Paul, Prokurist; Beschorner Alexander, kaiserl. Rat; 
Booms Wilhelm, k. u. k. Hauptmann; Budau Artur, k. k. Hochschulprof.: Castiglioni Camillo. k. k. Kommerzialrat; Doblhoft 
Walter, Freih. v., Dr.-Ing.; DoleZal Eduard, k. k. Hofrat; Eckardt Georg, Revident; pte T Artur, k. k. Kommerzial- 
rat; Etrich Igo, Großindustrieller; Flesch Josef, kaiserl. Rat; Foregger Richard v., Dr.; edmann Max, Reichsrats- 
abgeordneter; Gerstner Ferd., k. k. Oberbaurat; Hofmann Raoul, „; Hildesheimer Arnol Dr.; Jung Franz, Dr., k. k. 
Prof.; Kann Rudolf, techn. Beamter; Katzmayr Richard, Ing.; Kirsch B., k. k. Prof.; Kiticsän Koloman, k. u. k. Oberst - 
leutnant; Kolowrat-Krakovsky Alexander, Graf; Kövesdy Theodor, k. k. Inspektor; Neumann Josef, k. u. k. Oberst d. R.; 
Nikel Hugo L., k. u. k. techn. Oberoffizial; Orel Eduard, Ritter v., k. u. k. Hauptmann; Orelli Hans Friedrich v., Schrift- 
steller; Petröczy Stephan v., k. u. k. Hauptmann; Pittner Hans, Schriftsteller; Pflanzer Rupert, k. k. Rechnungsrevident; 
Pfungen Otto, Baron; Porsche Ferd., Direktor; Rädy-Maller Maximilian, Direktor; . Franz, Ing.; Riedmatten 
Roger de; Saltiel Wilh. v., k. k. Oberrevident; Schimek Rudolf, k. u. k. Major; Schmidl Ludwig, k. u. k. Rittmeister; Schmidt 
Leopold, Ing., Prof.; Schuster Anton, Revident; Stobanzl Karl, k. u. k. Hauptmann; Tauber Friedrich, k. u. k. Hauptmann; 
Tindi Kan .; Umlauff Hans Ritter v. Frankwell, k. u. k. Major; Uzelac Emil, k. u. k. Oberst; Warchalowski August, 
Direktor; Wechsler Norbert, Privatier; Wels Franz, Ing.; Worms James, Bankbeamter; Wurzel Georg Karl, Dr.; Zoller 
Johann, Ober-Ing. 

Im Sinne der 88 6 und 8 der Statuten wurden zu Mitgliedern des Ausschusses delegiert vom 


k. k. Handcisministerium: k. k. Baurat Josef Altmann; 


k. k. Ministerlum für Kultus und Unterricht: Ministerialrat Dr. Rudolf Ritter v. Pollak; als Vertreter der 
— » entralanstalt für Meteorologie . ynamik: Direktor Prof. Wilh. Trabert; 


K. k.eMiinisterium für öffentliche Arbejten: k. k. Oberbaurat Karl Goebl; 

ae: Y ROKriegsministerium: Emil Uzelac, k.\u. k. Oberst; 
` yt: k. Krlegsministerlum, 5 ilon: Wladimir Slawik, k. u. k. Linienschiffsleutnant. 
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Ilm Sinne des § 9 der Statuten: Georg Schic 
4 - Im Sinne des § 11 derStatuten wurden von den Zweigvereinen (Landesdelegierten) in den Ausschuß kooptiert, und zwar vom: 


n PI igtechnischen Verein in Mähren ı Justin Robert, Großindustrieller. 
Flugtechnlschen Verein in Schlesien 'ı Dr. Stephan Zwierzina, Troppau. 


Vereins-Sekretariat: k. u. k. Oberst d. R. Wilhelm Suchomel, Generalsekretär. 


Vereinsiokalitäten, Sekretariat und Redaktion: Wien, I. Uraniastraße (Uraniagebäude), 3. Stock. Bureaustunden an Wochen- 
tagen von l9 bis 12 und 1½3 bis 6 Uhr. Telephon Nr. 13.340. Postsparkassenkonto 88.760. 


Das Lesezimmer und die Vereinsbibliothek stehen den Mitgliedern des Vereines an Wochentagen, und zwar am Montag, 
Mittwoch und Samstag von 4 bis 6 Uhr zur Verfügung. 


AVISO. 


Von den Jahrgängen 1911, 1912, 1913 und 1914 der Vereinszeitschrift wird eine 
größere Zahl von Exemplaren, soweit der Vorrat reicht, um den ermäßigten Betrag 
von je K 8°— abgegeben. Bestellungen sind an das Vereinssekretariat zu richten. 


| Die Redaktion der Österreichischen Flug-Zeitschrift. 


Der gegenwärtige Weltkrieg hat der Flugtechnik und Luftschiffahrt eine Reibe 
unvergänglicher Erfolge gebracht. Eine unmittelbare Folge davon ist die erfreuliche 
Tatsache, daß der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein, welcher an der Ent- 
wicklung unserer nationalen Flugtechnik großen Anteil genommen bat, seit Beginn 
des Krieges eine nambafte Anzahl von Beitritten aufzuweisen bat. Das Präsidium 
des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines will diese Gelegenheit gerne er- 
greifen, um nochmals an die verehrten Mitglieder und Kompatrioten den dringenden 
Appell zur Werbung neuer Mitglieder zu richten. . 

Großes haben wir geleistet, noch größere Aufgaben harren unser! 


Neubeitritte seit November 1914. 

Stifter: Philipp Freiherr Haas v. Teichen, Wien; Dr. Karl Freiherr v. Skoda, Generaldirektor der Skoda- 
werke A.-G., Wien. 

Lebenslängliche Mitglieder: Anton Ritter v. Kerpely, Generaldirektor der Österr. Alpinen 
Montan-Gesellschaft, Wien; Baron Louis v. Rothschild, Wien; Karl Thonet, k. k. Kommerzialrat, Wien. 

Gründer: Albert Frankfurter, Hofrat, Generaldirektor des Österreichischen Lloyd, Triest; Anton von 
Harpke, k. k. Kommerzialrat und Fabriksbesitzer, Wien. 

Unterstützende Mitglieder: Ferdinand Graf Kinsky, S. M. Oberststallmeister, Wien; 
L. August Lohnstein, Generaldirektor der k. k. priv. österr. Länderbank, Wien; Poldihütte, Wien; Franz Ritter 
Regenhart v. Zapory, Wien. 

Ordentliche Mitglieder: Wilhelm v. Boschan, Wien; Leopold Baß, k. k. Kommerzialrat, Wien; 
August Denk, k. k. Kommerzialrat, Wien; Viktor Diemansberger, Techniker, Wien; Eduard Engel, Wien; 
Alfred Fluß, Fabrikant, Freiberg; Dr. Heinrich FrieB, Industrieller, Wien; Dr. Ignaz Gruber v. Menninger, 
Geheimer Rat, Wien; Dr. med. Karl Hochsinger, Universitätsdozent, Wien; Dr. Hermann Höfinger, Hof- und 
Gerichtsadvokat, Wien; Dr. Alfred Neumann, Generalsekretär der Ersten k. k. priv. Donau-Dampfschiffahrts- 
Gesellschaft, Wien; Michael Oblath, Wien; Otto Olbrich, Würbenthal; Egon L. on, Ingenieur, Olovo; 
Dr. Viktor Quittner, diplomierter Ingenieur, Fischamend; Karl Redlich, k. k. Oberbaurat, Wien; Franz Freiherr 
v. Ringhoffer, GroBindustrieller, Smichow; Dr. Hans Freiherr v. Ringhoffer, Großindustrieller, Smichow; Julian 
Romanczuk, Vizepräsident des Abgeordnetenhauses, Wien; M. Rotter, Direktor, Wien; Heinrich Schicht jun., 
Präsident der Georg Schicht A.-G., Aussig; Dr. Wilhelm v. Scheuchenstuel, k. k. Sektionschef und General- 
direktor, Wien; Heinrich Schnabel, k. k. Kommerzialrat, Wien; Dr. Franz Ritter von Schonka, Präsident der 
Ersten k. k. priv. Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft, Wien; Paul v. Seybel, Präsident der Allg. Verkehrs- 
bank, Wien; Karl Smekal, Südbahn-Inspektor, Wien; Leopold Spira, Wien; Theodor Theyer, kaiserl. Rat, 
Wien; Vianelli Giorgio, Präsident der Handels- und Gewerbekammer, Rovigno. 

Teilnehmer: Fritz Lichtenstern, Wien. 


Die P. T. Mitglieder werden ersucht, sich rege an der Werbung neuer Mitglieder 
zu beteiligen. 

Niemandem wird durch die Beitrittsaufforderung eine ernstliche Last zugemutet. 

Jeder, der beitritt Damen und Herren, vom Stifter bis zum Teilnehmer), stärkt 
die Organisation des Vereines. Jeder Neueintretende ist gleichmäßig willkommen. 

Werbeschreiben stehen über Anforderung zur Verfügung. Die Abhaltung von 
Propagandavortragen zur Erweckung des Allgemeininteresses für die Entwicklung 
der Flugtechnik wird erbeten. 


AVISO! 


An die P. T. Mitglieder des k. k. Österreichischen $ 
Flugtechnischen Vereines. 


Gelegentlich der Durchsicht unserer Bibliothek hat die Vereins- 
leitung festgestellt, daß zahlreiche Bücher seit längerer Zeit 
an die Mitglieder des k. k. Österreichischen Flug technischen 
Vereines verliehen worden sind, ohne bisher rückgestellt zu 
werden. Die P. T. Vereinsmitglieder werden daher höflichst 
ersucht, die entliehenen Bücher ehebaldigst der Vereins- 
leitung rückzuerstatten. Bis zur beendeten Revision ist die 
Verleihung von Büchern aus der Bibliothek nicht möglich. 


Das Sekretariat des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines. 


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; des unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Majestät des Kaisers und Königs ; 

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K. K. ÖSTERREICHISCHEN FLUGTECHNISCHEN VEREINES, 

Nr. 5/6 | März 1915 IX. Jahrgang 


Aufruf. 


Der gegenwärtige Weltkrieg hat der Flugtechnik und Luftschiffabrt eine Reihe 
unvergänglicher Erfolge gebracht. Eine unmittelbare Folge davon ist die erfreuliche 
Tatsache, daß der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein, welcher an der Ent- 
wicklung unserer nationalen Flugtechnik großen Anteil genommen hat, seit Beginn 
des Krieges eine namhafte Anzahl von Beitritten aufzuweisen hat. Das Präsidium 
des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines will diese Gelegenheit gerne er- 
greifen, um nochmals an die verehrten Mitglieder und Kompatrioten den dringenden 
Appell zur Werbung neuer Mitglieder zu richten. 


Großes haben wir geleistet, noch größere Aufgaben harren unser! 


Personalnachricht. 


Unser geschätztes Ausschußmitglied, Vizepräsident des Allgemeinen Automobilverbandes Herr Hans 
Friedrich v. Orelli, der seit Kriegsbeginn als Ordonnanzfahrer auf dem nördlichen Kriegsschauplatze in 
Verwendung stand und in dieser Eigenschaft bereits ausgezeichnet worden ist, wurde durch die Verleihung 
des Marianerkreuzes ausgezeichnet. 


Direktor Viktor Cassinone f. 


Die Vereinsleitung erfüllt hiemit die traurige Pflicht, allen Mitgliedern, Freunden und Förderern zur 
Kenntnis zu bringen, daß unser Präsident, Herr Generaldirektor Alexander Cassinone, wie auch der 
k. k. Österreichische Flugtechnische Verein, einen schweren Verlust zu beklagen haben. Unser hochgeschätztes 


Mitglied, Herr Viktor Cassinone, ein Bruder unseres Herrn Präsidenten und Direktor der Körting-Werke in 


Bärcelona, ist dortselbst am 24. Februar plötzlich verschieden. Der Verblichene hat während seines hiesigen 
Aufenthaltes als Sportkommissär die Bestrebungen unserer nationalen Aviatik stets aufs wärmste gefördert 
und sich um deren Organisation die größten Verdienste erworben. Der k. k. Österreichische Flugtechnische 
Verein, zu dessen geschätztesten und beliebtesten Mitgliedern Herr Direktor Viktor Cassinone gezählt hat, 
wird dessen Andenken stets hoch in Ehren halten. R. I. P. 


Der Inhaber des österreichischen Patentes Nr. 53.271 vom 1. Jänner 1912, betreffend: 


„Lenkbares Luftschiff“ 


wünscht behufs Fabrikation des patentierten Gegenstandes mit österreichischen Fabrikanten in Ver- 
bindung zu treten. Derselbe ist gerne bereit, das Patent zu verkaufen sowie Lizenzen zu erteilen oder 
andere Vorschläge zur Ausführung des Gegenstandes des in Frage stehenden Patentes entgegenzunehmen. 

Gefällige Anträge unter >H. B. 331« an die Expedition Rudolf Mosse, Wien, I. Seilerstätte Nr. 2. 


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Vortragszyklus über Luftfahrt im Wiener Volksbildungsverein. 


a Über Initiative unseres geschätzten Ausschuß mitgliedes, des Herrn Paul Bellak, veranstaltet der 
Wiener Volksbildungsverein, V. Stöbergasse 13—15, einen populär und ungemein belehrend 
gehaltenen Vortragszyklus über das Gesamtgebiet der modernen Luftfahrt und ihrer wissen- 
schaftlichen, wie auch rechtlichen Grundlagen. Mit Rücksicht darauf, daß das umfangreiche Gebiet 
in eine Reihe von untergeordneten Spezialgebieten zerlegt wurde, welche durch berufene Fachkräfte 
behandelt werden, ist den weitesten Kreisen dadurch die Möglichkeit gegeben, sich über die vielen Einzel- 
disziplinen der Luftfahrt in einer Weise zu orientieren, die bezüglich der Fülle des Gebotenen 
bisher noch nicht erreicht wurde. Den ersten Vortrag hielt Ausschußmitglied des k. k. Österreichischen 
Flugtechnischen Vereines, Schriftsteller Herr Hans Friedrich v. Orelli, welcher einleitend über das Thema: 
»Vom Kampfe um das Luftreich« sprach. Den zweiten Vortrag in dieser Reihe hielt Ausschußmitglied Herr 
Paul Bellak über »Einführung in die Aerostatik«, in welcher der Vortragende in ungemein anschaulicher 
Weise die Prinzipien des statischen Auftriebes an der Hand instruktiver Bilder und Vorführungen klarlegte. 


Das weitere Programm sieht noch die folgenden Vorträge vor: 


Dienstag den 16. März 1915. Der Fessel- und Freiballon in Theorie und Praxis. Ing. Paul Kürt, Ballonführer. 
R BER a „  Motorkunde. Ing. Hans Popper. 

30. „ „ Die Lenkballons. Ing. Karl Tindl. 

š „ 6. April „ Einführung in die Aerodynamik. Ing. Karl Tindl, Konstrukteur an der k. k. 

Technischen Hochschule. | 


5 „ 13. „ » Aeroplane I. Fritz Ellyson, Flugzeugkonstrukteur. 

> „ 20. , „ Aeroplane II. Fritz Ellyson, Flugzeugkonstrukteur. 

= 2.27: 25 „  Wasserflugzeuge. Fritz Ellyson, Flugzeugkonstrukteur. 

a „ 4 Mai „ Schrauben- und Schwingenflieger, sowie andere Konstruktionen. Paul Bellak, 


AusschuBmitglied des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines. 
= =: | rome „ Luftverkehrsrecht. Dr. O. Ritter v. Komorczynski-Osczynski. 
i = I8. „ = at und Flugwesen. Dr. Georg Stein, Demonstrator der Ersten Lehrkanzel 
i ür Anatomie. 


Eventuelle weitere Vorträge werden rechtzeitg noch bekanntgegeben werden. 


Das Sekretariat des Wiener Volksbildungsvereines hat sich in entgegenkommendster und dankens- 
wertester Weise bereit erklärt, Mitgliedern des k. k. Osterreichischen Flugtechnischen Vereines den Besuch 
aller dieser Vorträge, der gegen Lösung einer Kurskarte von K 4.— möglich ist, eine Begünstigung im 
Ausmaße von 25 Prozent zu gewähren. Es ergeht daher an alle Mitglieder des k. k. Österreichischen 
Flugtechnischen Vereines sowohl im Hinblick auf die Reichhaltigkeit des vorgetragenen Materiales, wie auch 
in Berücksichtigung der besonders günstigen Gelegenheit die höfliche Einladung zur Teilnahme an diesem 
Kurs. Anmeldungen hiezu nimmt das Sekretariat des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines, Wien, 
l. Uraniastraße 1 (Uraniagebäude), wie auch das Sekretariat des Wiener Volksbildungsvereines, Wien, V. 
Stöbergasse 13/15, entgegen. 


Einbanddecken für die Österreichische Flug-Zeitschrift. 


Im Sekretariate des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines, Wien, I. 
Aspernplatz (Uraniagebäude), sind, so lange der Vorrat noch reicht, mehrere Einband- 
decken zu den Jahrgängen 1911, 1912, 1913 und 1914 .der Österreichischen Flug: 
Zeitschrift in eleganter schwarzer Leinenpressung mit Aufdruck in Goldlettern zum 
Preise von K 2°50 pro Stück erhältlich. Versand erfolgt gegen Voreinsendung oder 
Nachnahme des Betrages. 


Aviso für Vereine, Bibliotheken, Buchhändler und Schulen. 


In der Administration der Österreichischen Flug-Zeitschrift, Wien, I. Aspernplatz 
(Uraniagebäude), ist noch eine größere Anzabl der Jahrgänge 1911 bis 1914 der 
Österreichischen Flug-Zeitschrift zu dem herabgesetzten Husnabmspreise von K 2°— 
pro Jahrgang erhältlich. Mit Rücksicht darauf, daß der Inhalt dieser Jahrgänge nicht 
bloß eine Fülle gediegenen wissenschaftlichen und auch popular-belebrenden Materiales 
enthält, dabei aber auch die ganze bistorische Entwicklung der Luftfahrt bis auf den 
heutigen Tag behandelt, ergeht an alle Interessenten, Vereine, Bibliotheken und 
Schulen die böfl. Einladung, durch baldige Subskription von diesem Sonderangebote 
freundlich Gebrauch machen zu wollen. Auf Wunsch werden die verlangten Jahrgänge 
innerhalb der Wiener Gemeindebezirke von der Administration aus zugestellt. Post- 
versand erfolgt nur per Nachnahme oder Voreinsendung des Betrages. 


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er Offizielle Mitteilungen ia 
8 des unter dem Allerhéchsten Protektorate Seiner Majestät des Kaisers und Königs : 
i 5 stehenden 

K. K. OSTERREICHISCHEN FLUGTECHNISCHEN VEREINES. 

Nr. 7/8 April 1915 IX. Jahrgang 


EINLADUNG 


I. ordentlichen Hauptversammlung 


Mitglieder des K. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines 


10. Mai 1915, präzise 7 Uhr abends 


im 


Festsaale der Wiener Handels-Akademie 


Wien, I. Akademiestraße 12. 


TAGESORDNUNG: 


1. Geschäftsbericht des Ausschusses für das Vereinsjahr 1914. 

2. Bericht der Revisoren für das Jahr 1914 und Antrag auf Erteilung des Absolutoriums für 
die finanzielle Gebarung des Ausschusses. 

3. Wahlen nach § 13 der Statuten. (Wahl von Ehrenmitgliedern, korrespondierenden Mit- 
gliedern, Verifizierung der im Laufe des Jahres 1914 vorgenommenen Kooptierungen in 
den Vereinsausschuß.) 

4. Allfallige Anträge aus dem Kreise der Vereinsmitglieder. (Solche Anträge müssen bis 
spätestens 3. Mai 1915, 12 Uhr mittags, im Sekretariat des k. k. Österreichischen Flug- 
technischen Vereines, Wien, I. Uraniastraße 1, einlangen. Später eingelangte Anträge 
können zur Verhandlung in der Hauptversammlung nicht mehr zugelassen werden. 


= Elend ieder Stifter, lebenslangliche Mitglieder, Gründer, unterstützende, korrespondierende 
und ordentliche Mitglieder haben aktives und passives Wahlrecht und sind stimmberechtigt. 
Zwecks eventuell notwendiger Legitimation wird die Mitnahme der Mitgliedskarte empfohlen. 


II 


Bericht des Vereins ausschusses über die Tätigkeit des Vereines 
im Jahre 1914. 


Schwere Gewitterwolken begannen sich bereits am 
politischen Horizont zu bilden, als das in jeder Be- 
ziehung so ungemein ereignisreiche Jahr 1914 anbrach, 
das im Hinblicke auf die Größe, Zahl und propa- 
andistische Bedeutung seiner aviatisch - sportlichen 
anifestationen vielleicht als die markanteste Epoche 
unserer nationalen Flugtechnik bezeichnet werden muß. 


Denn lange noch, bevor das definitive Programm 
der flugtechnischen Veranstaltungen für das verflossene 
Jahr festgelegt und abgeschlossen war, stand schon 
die Abhaltung zweier großer Wettbewerbe fest, 
nämlich jene des Schicht-Flug es und die der Wiener 
Flug woche. Besonders die erstgenannte Veranstaltung, 
der Flug um ‘den 100.000 Kronen-Preis der Aussiger 
Großindustrielen Georg und Heinrich Schicht, 
bildete die vortretendste Neuerscheinung im 
Programme unserer bisherigen Konkurrenzen, 
sie sollte aber auch gleichzeitig eine Kraftprobe unserer 
einheimischen Industrie sein, welche nun zum erstenmal 
vor die Aufgabe gestellt wurde, Apparate in einen 
über weite Strecken unserer Monarchie führenden 
Rundflug zu schicken. Wie gut diese, durch didamaligen 
schwierigen, industriellen Verhältnisse erschwerte Auf- 
gabe von unseren Konstrukteuren und Fliegern gelöst 
worden ist, darüber wurde bereits in dieser Zeitschrift 
gesprochen. Es sei nur hier die in sportlicher Beziehung 
bedeutsanıe Tatsache wiederholt, daß der Wettbewerb 
um den 100.000 Kronen-Schicht-Preis, der im Vorjahre 
eben zur Austragung gelangte, der erste 80 
Rundflug durch österreichischs- ungarisches 
Gebiet, die erste rein nationale berland- 
Konkurrenz in unserem Reiche überhaupt 
war. An dieser Stelle erachtet es die Vereinsleitung 
als ihre Pflicht, den Herren Georg und Heinrich 
Schicht für die so munifizente Förderung unseres 
Flugsportes den wärmsten Dank auszusprechen. 


Das zweite, in seiner Bedeutung nicht minder 
einzuschätzende sportliche Ereignis des verflossenen 
Jahres war die Ill. Internationale Flugwoche in Aspern, 
die dank der günstigeren wirtschaftlichen Verhältnisse 
zu der imposantesten Veranstaltung wurde, die in Aspern 
je arrangiert worden war. Mit besonderer Be- 
friedigung muß hiebei die diesmals stärkere Be- 
teiligung der deutschen Flugzeugindustrie und 
der deutschen Flieger selbst hervorgehoben werden, 
die ja sonst die Internationalen Wiener Flugwochen in 
recht bescheidener Zahl besuchten. Diesmal standen sich 
die berühmtesten Fliegerund Apparattypen Deutschlands, 
‚Österreichs und Frankreichs gegenüber, und diese 
Tatsache, im Vereine mit der großen Zahl der Teil- 
nehmer ist es, welche diesem Meeting den Stempel des 
Großartigen und Imposantesten aufdrückt. 


Aber auch an sensationellen, aus der Schablone 
des Alltäglichen fallenden Darbietungen hat es im 
verflossenen Jahre nicht gefehlt. Wir nennen an dieser 
Stelle nur kurz die Schauflüge des Pegoud-Schülers 
Baron v. Pasquier, der beiden Fallschirmkünstler 
Lemoine und Bourhis, der Fallschirmversuche des 
Barons v. Odkolek, die insgesamt einen sehr guten 
Besuch aufzuweisen hatten. 


In industrieller Hinsicht hat sich in unserem 
engeren Vaterlande im letzten Jahre ein Wandel 
vollzogen, der im Interesse unseres militärischen 
Flugwesens nur auf das lebhafteste begrüßt zu 
werden verdient: de Vermehrungderaviatischen 
Produktionsstätten. So errichteten die Johannis- 
thaler Albatros-Werke wie auch die Mühlhausener 
»Aviatik« A.-G. in Wien Filialfabriken, deren letztere 
unter der Leitung unseres Altmeisters [llner stel:t. 
Der Schluß des Jahres 1914 brachte noch die Gründung 
der »Osterreichischen Flugzeugfabrik A.-G.«, die durch 
die Persönlichkeit ihres »Spiritus rector«, des Freiherrn 
Karl v. Skoda, besonderes Interesse beansprucht. 


Die Reihe der in so glanzvoller Weise eingeleiteten 
sportlichen, in erster Linie der friedlichen Entwicklung 
unseres Flugwesens gewidmeten Aktionen wurde ganz 
unvermittelt und jah durch den so raschen Ausbruch 
des Weltkrieges unterbrochen, dem die ruchlose, 
schändliche Ermordung unseres erlauchten 
Thronfolgerpaares unmittelbar voranging. Seit 
dieser Zeit — Anfang August 1914 — steht die gesamte 
Aviatik Österreichs bereits unter dem Zeichen des 
Krieges und mit diesem Zeitpunkte beginnt 
auch die vollständige Sistierung des zivilen 
Flugsportes innerhalb der Monarchie. 


Diese unvorhergesehenen Verwicklungen haben aller- 
dings in gewisser Beziehung Anderungen im vor- 
gesehenen Programme bedingt, sie sind aber doch 
nicht so schwerer Natur, als dal sie propagandistische 
und sonstige Tätigkeit des Vereines und der übrigen 
flugsportlichen Organisationen erschweren oder gar 
lahmlegen hätten können. Ein kurzer Überblick über 
die Tätigkeit des Vereines möge dies illustrieren. 

Im Vordergrunde der Vereinstätigkeit stand natur- 
gemäß die Behandlung aller mit der wissenschaftlichen 
und praktischen Flugtechnik zusammenhangenden Fragen 
technischer und auch rein administrativ-propagandisti- 
scher Natur. Im ersteren Belange ee die 
Arbeitsabteilung für technische, Versuchs- 
und Demonstrations - Angelegenheiten im 
Laufe des letzten Jahres eine intensive Tätigkeit, die 
sich hauptsächlich auf die Uberprüfung und eventuelle 
Förderung von zur Begutachtung und Unterstützung 
eingereichten Erfindungen erstreckte. Besonders die 
zweite Hälfte des abgelaufenen jahres stellte die 
Arbeitsabteilung in dieser Beziehung vor immer neue 
„ da der ausgebrochene Krieg be- 
fruchtend und belebend auf die Erfindertätigkeit 
einzuwirken begann. Im ganzen wurden dieserart 
von der technischen Arbeitsabteilung des Vereines im 
verflossenen Jahre allein an 200 Gutachten abgegeben, 
doch muß an dieser Stelle mit Bedauern vermerkt 
werden, daß unter den während dieser Zeit ein- 
gereichten Projekten kein einziges derart genügend 
gekennzeichnet oder so restlos Befriedigend durch- 
geführt erschien, daß eine materielle Förderung einen 
tatsächlichen Erfolg hätte gewährleisten können. 

Im ganzen haben im Laufe des verflossenen Jahres 
stattgefunden: 


8 Sitzungen des Ausschusses; 

4 Sitzungen der Arbeitsabteilung für administrative, 
Werbe- und Propaganda-Angelegenheiten ; 

7 Sitzungen der Arbeitsabteilung für technische, 
Versuchs- und Demonstrationsangelegenheiten ; 


19 Sitzungen verschiedener Komitees, in welchen 
von den Vereinsfunktionären über jene Angelegenheiten 
verhandelt wurde, welche vom k. k. Österreichischen 
Flugtechnischen Vereine im Einvernehmen mit _dem 
k. k. Osterreichischen Aeroklub, bezw. dem Oster- 
reichischen Luftschifferverbande zur Durchführung ge- 
kommen sind. 


.. 


Uber die besonderen Veranstaltungen, die vom 
Kk. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein 
inauguriert wurden, wird das Nachstehende berichtet: 


1. Die bereits im Jahre 1913 eingeleitete Aktion 
zur Schaffung einer wissenschaftlichen Zentral-Prüt- 
und Untersuchungsstelle flugtechnischer Neuerungen, 
verschiedener Motoren - Schrauben- und Flugzeug- 
konstruktionen hat durch die am 12. Mai 1914 statt- 
gefundene Konstituierung des Vereines »Flug- 
technische Versuchsanstalt< den formellen 
Abschluß der vorbereitenden Arbeiten gefunden. Nach 
dem Ergebnis der in dieser Sitzung vorgenommenen 
Wahlen und Delegierungen wurden ernannt: 


zum Präsidenten des Vereines »Flugtechnische 
Versuchsanstalt“: Seine Exzellenz Geheimer Rat, 


Sektionschef Dr. Wilhelm Exner, Präsident des k.k. 
Technischen Versuchsamtes; 

zum Vizepräsidenten: Prof. Ing. Richard 
Knoller; 


zu Kuratoren wurden delegiert: 

seitens des k. u. k. Kriegsministeriums: Major 
Ludwig Leid]; 

seitens des k. k. Ministeriums für Kultus 
und Unterricht: Rudolf Ritter v. Pollak; 


seitens des k. k. Ministeriums für öffent- 
liche Arbeiten: Sektionschef Hugo Franz und 
Ministerialrat Friedrich Leonhard; 


seitensdesk. k. Technischen Versuchsamtes: 
Ministerialsekretär Dr. Alfred Christ; 

seitens der Gemeinde Wien: 
Dr. Anton Loderer; 


seitens der k.u. k. Luftschiffer-Abteilung: 
Oberst Emil Uzelac. ` 


seitens des k. k. Österreichischen Flug- 
technischen Vereines: Generaldirektor Alexander 
Cassinone und Dr. Arnold Hildesheimer. 


Weitere Delegierungen behielt sıch das k. k. 
Technische Versuchsamt vor. 


In den seither stattgefundenen Sitzungen der VoH- 
zugsausschüsse und’ der Aktionskomitees wurde der 
Arbeitsplan des neuen Vereines in großen Zügen 
skizziert. Die an dem Zustandekommen und der Durch- 
führung desselben interessierten Behörden, wie das 
k. u. k. Kriegsministerium, das k. k. Ministerium für 
öffentliche Arbeiten und die Gemeinde Wien haben 
in bereitwilligster Weise jede Unterstützung zugesagt, 
das k. u. k. Kriegsministerium hat sogar in munifizenter 
Weise dem Unternehmen bereits werktätige Hilfe zuteil 
werden lassen. Uber die besondere Organisation und 
Arbeitseinteilung des Institutes wurde an anderer Stelle 
ausführlich berichtet. Leider hat die unvorhergesehene 
Gestaltung der zweiten Hälfte des verflossenen Jahres 
die Durchführung des Arbeitsprogrammes zur Gänze 
und in dem geplanten Stile unmöglich gemacht, so 
daß dieses erst nach Eintritt normaler Zeiten völlig 
erledigt werden kann. Da aber seitens der k. u. k. 
Heeresverwaltung die Aktivität der bereits vorhandenen 
Laboratorien auch während des Krieges erwünscht 
erscheint, so trat einstweilen über Kriegsdauer ein 
Provisorium an die Stelle des geplanten Unternehmens, 
und zwar das aerodynamische Laboratorium an der 
k. k. Technischen Hochschule, welches unter der be- 
währten Leitung unseres Vizepräsidenten, des Professors 
Ing. Richard Knoller, steht und das dermalen eine 
rege Tätigkeit auf diesem Gebiete im Dienste der 
Heeresverwaltung entwickelt. Daß nicht bloß öffentliche 
Behörden, sondern auch private Interessenten die 
Zwecke des Vereines unterstützen und fördern, dies 
geht daraus hervor, daß neben den bereits Genannten 
noch als Mitglieder beigetreten sind: 


k. k. Osterreichischer Flugtechnischer 
Verein, | 

k. k. Österreichischer Aeroklub, 

Wiener Flugfeld-Gesellschaft, 

Dr. Konstantin Freiherr v. Economo, 

Gebrüder Böhler & Co., 

Poldihütte, 

Peter Thöne, Fabrikant, 

Dr. Arnold Hildesheimer, 

Motorluftfahrzeug-Gesellschaft m. b. H., 

Kamillo Castiglioni, Kommerzialrat, 

Lohner & Co., 

udwig Lohner, Gemeinderat. 


Der Eintritt normaler Zeiten wird aber zweifellos 
auch dem Vereine-Flugtechnische Versuchsanstalt« die 
endliche Perfektionierung aller vorbereitenden Arbeiten 
und damit auch die definitive Aufnahme des Arbeits- 
betriebes in dem vorgesehenen Maßsstabe bringen. Nach 
dem seitens der vorgenannten Behörden bekundeten 
Interesse, steht auch mit vollster Gewißheit zu erwarten, 


Magistratsrat 


III 


daß der Verein dann auch über jene materiellen Mittel 
verfügen wird, die ihm die Durchführung seines 
gesamten Programmes ermöglichen werden 


2. Dank der unermüdlich und zielbewußt durch- 
geführten Vorarbeiten des Flughafen-Komitees Porto- 
rose, dank des allseits bewiesenen Interesses aller 
ausschlaggebenden Faktoren hat die bereits im Jahre 
1913 begonnene Aktion des k. k. Österreichischen 
Flugtechnischen Vereines zur Errichtung eines Flughafens 
in Portorose im abgelaufenen Jahre zu der Gründung 
der »Marinesektion Portorose«, Zweigverein des 
k. k. Osterreichischen Flugtechnischen Vereines, geführt, 
womit die Erreichung des angestrebten Zieles gewähr- 
leistet erscheint. So wird man sich nun neben der 
Verwirklichung des Projektes auch mit den mit dem 
Wasserflugwesen im Zusanımenhange stehenden tech- 
nischen, offiziellen Fragen intensiver befassen können. 

In der am 18. Juli 1914 stattgehabten konstituierenden 
Versammlung dieses Vereines sind auf Grund des 
Referates des Proponenten, Herrn Ing. Adolf Steiner 
Edlenv. Eltenberg, Herr Hans v. Reininghaus 
für die Stelle des Präsidenten und die Herren 
Kontreadmiral v. Adamovitz und v. Sigmund . 
als Vizepräsidenten des in Bildung begriffenen 
Vereines designiert worden. Alle vorgenannten Herren 
erklärten, die auf sie gefallene Wahl annelımen zu 
wollen. Zwecks Übernahme des Ehrenpräsidiums über 
den Zweigverein wurden die nötigen Schritte veranlaßt, 
um Se. Durchlaucht Prinz v. Hohenlohe, k. k. 
Statthalter von Triest, zur Annahme dieser Ehrenfunktion 
zu bewegen. Die Statuten des Vereines haben vor- 
behaltlich der nachträglichen Genehmigung durch den 
Ausschuß des k. k. Österreichischen Flugtechnischen 
Vereines die Zustimmung der Vereinsleitung gefunden 
und sind bezüglich Form und Inhalt jenen des k. k. 
Österreichischen Flugtechnischen Vereines vollkommen 
angepaßt. Die Zeit zur Durchführung der in Aussicht 
genommenen Arbeiten zwecks Anlage eines Flughafens, 
wie Gebäudeadaptierungen etc. ist mit Rücksicht auf 
den bald darauf erfolgten Kriegsausbruch leider schon 
zu kurz geworden, um diesbezüglich irgendwelche 
Resultate zuzulassen. Bei dem grossen Interesse, welches 
aber dieses Projekt bei allen einschlägigen Stellen, wie 
aber auch unter der Zivilbevölkerung findet, steht mit 
allergrößter Sicherheit auch hier zu erwarten, daß der 
Eintritt friedlicher Zeiten die baldige Er- 
stehung und das rasche Aufblühen einer neuen 
aviatisch-sportlichen Zentralstelle unter der 
Patronanz des k. k. Österreichischen Flugtechnischen 
Vereines herbeiführen wird. 


3. Auch im verflossenen Jahre konnte sich die 
Veranstaltung der dritten österreichischen 
Fluglotterie einer regen Beteiligung seitens der 
Mitgliedschaft und eines weiteren Kreises von Förderern 
der flugtechnischen Bestrebungen erfreuen. Uber das 
ziffernmäßige Ergebnis der dritten Fluglotterie des 
k. k. Osterreichischen Flugtechnischen Vereines wurde 
bereits berichtet. Hier sei allen, die an dem Gelingen 
dieser Veranstaltung tätigen Anteil genommen, nochmals 
von der Vereinsleitung der wärmste Dank ausgesprochen. 


4. Die Aktion zur Schaffung einer Österreichischen 
Luftflotte, in deren Zentralkomitee der k. k. Oster- 
reichische Flugtechnische Verein durch das Präsidium 
vertreten war, gelangte im abgelaufenen Jahre durch 
die Überweisung des gesammelten Betrages von 
K 1,507.169°07 an das k. u. k. Kriegsministerium zum 
definitiven Abschluß. 


5. Die vom Ausschusse des k. k. Österreichischen 
Flugtechnischen Vereines geplante Aktion, betreffend 
einen Wettbewerb für Zeichenvorlagen aviatischer Natur 
zum Gebrauche in Schulen und Unterrichtsanstalten 
zwecks geeigneterer Verbreitung flugtechnischer Kennt— 
nisse und größerer Unterstützung der Anschaulichkeit, 
mußte leider unterbleiben, da das k. k. Ministerium für 
Kultus und Unterricht im Hinblicke darauf, daß die 
Verwendung von Vorlagen beim Zeichenunterrichte an 
Volks- und Bürgerschulen nicht statthaft ist, nicht in 


IV 


der Lage war, die Herausgabe derartiger Vorlagen zu 
a oder ihnen eine Empfehlung in Aussicht zu 
stellen. 

6. Die Vereinsleitung beabsichtigte für das 
kommende Jahr die Abhaltung einer zweiten Inter- 
nationalen Flugausstellung in der Wiener 
Rotunde und hat zu diesem Zwecke seitens des Aus- 
schusses auch die Bewilligung zur Vornahme der 
erforderlichen Vorarbeiten eingeholt. Im Sinne einer 
vom k. k. Ministerium für öffentliche Arbeiten an die 
Vereinsleitung gelangten Zuschrift, wurden aber die 
betreffenden Vorarbeiten eingestellt und der Plan zur 
Veranstaltung einer Flugausstellung für die nächste Zeit 
vorläufig vertagt. Nach der gegenwärtigen Gestaltun 
der politischen Verhältnisse wäre es ohnehin fraglıc 
gewesen, ob unsere Industrie wie auch jene des uns 
freundlichen Auslandes diesem Plane mit werktätiger 
Sympathie gegenübergestanden wäre. 

7. Unter den propagandistischen Veranstaltungen 
des Vereines sind in erster Linie zu nennen: Die Flug- 
lotterie, ferner Vorträge etc., deren Erträgnisse teils 
Vereinszwecken, teils den Zwecken der Förderung 
unserer heimischen Luftfahrt zugeführt wurden. So hielt 
Direktor Illner der österreichischen Flugzeugwerke 
»Aviatik« am 25. Februar 1914 in der »Kleinen 
Bühne« einen Vortrag »Aus meiner Fliegerpraxis«, 
dessen Reinerträgnis dem Fonds zur Errichtung eines 
Fliegerheims in Aspern zugeführt wurde. Über Ein- 
ladung des k. k. Österreichischen Aeroklubs, des Oster- 
reichischen Verbandes des Vereines Deutscher Ingenieure 
und des k. k. Osterreichischen Flugtechnischen Vereines 
sprach am 26. März des verflossenen jahres Professor 
johann Schütte, der bekannte Konstrukteur des 
Schütte-Lanz-Ballons, in der-Kleinen Bühne, über 
a »Gegenwärtigen Stand der Luftschiffahrt und deren 
Ziele«. 

Es folgte hierauf ein Vortrag des Luftschiffer- 
hauptmannes a. D. Dr. A. Hildebrandt über das 
Thema »Die Erde von oben und Luftfahrerkarten« mit 
vielen zum Teil farbigen Lichtbildern, schließlich ver- 
dient ein Vortrag des Herrn Präsidenten des Aeroklubs, 
Dr. Konstantin Freiherrn v. Economo: »Uber das 
Fliegen« besonders hervorgehoben zu werden. Einen 
ungemein interessanten und lehrreichen Vortrag über 
»Das Recht des Luftverkehrs« hielt Herr Privatdozent 
Dr. Otto Ritter v. Komorzynski-Os zezynski, 
der allseits mit dem größten Beifall aufgenommen 
wurde. | 

Wiealljährlich hatauch im verflossenen Jahre das Aus- 
schußmitglied des k. k. Osterreichischen Flugtechnischen 
Vereines, Herr Direktor Maximilian Rady-Maller, 
seine »Kleine Bühne« wiederholt in liebenswürdiger 
Weise unentgeltlich zu Vortragszwecken dem Vereine 
zur Verfügung gestellt. In dankbarer Anerkennung dieser 
tatkraftigen, selbstlosen Förderung der Vereinstätigkeit 
fühlt sich der Ausschuß verpflichtet, dem Herrn Direktor 
Rädy-Maller für dieses liebenswürdige Entgegenkom- 
men namens des Vereines den warmsten Dank an 
dieser Stelle auszusprechen. . 

8. Im verflossenen abe wurde der k. k. Oster- 
reichische Flugtechnische Verein seitens des Aero— 
Clubs d'Italia zum Ehrenmitgliede dieses Klubs 
ernannt. Das Vereinspräsidium wurde ermächtigt, dem 
Acro-Club d'Italia die Annahme der Ehrenmitglied- 
schaft des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Ver- 
eines dankend bestätigen zu können. 

9. Die Vereinsleitung hat es für zweckmäßig er- 
achtet, der Witwe des gelegentlich des Schicht-Fluges 
tödlich verunglückten Piloten Raimund Karl Pitsch- 
mann eine materielle Unterstützung zuzuwenden. In 
Ausführung dieses Gedankens wurde seitens der Vereins- 
leitung im Einvernehmen mit dem k. k. Österreichischen 
Aeroklub der Witwe des verunglückten Piloten der 
Betrag von K 1000°-- aus dem Fonds für die Ver- 
anstaltung des Schicht-Fluges als Spende übermittelt. 

10. Die Vereinsleitung hat des weiteren im ver- 
flossenen Jahre den Gedanken der Errichtung einer 
Fliegerversicherung in Erwägung gezogen und 


gedenkt nach Eintritt normaler Zeiten denselben seiner 
praktischen Lösung zuzuführen. 

11. In Angelegenheit der Vereinszeitschrift ist mit 
Befriedigung zu konstatieren, daß sich diese, dank der 
zielbewußten Initiative des Herrn Chefredakteurs 
Professor Ing. A. Budau, allmählich zu einem wissen- 
schaftlich gediegenen Fachblatte entwickelt hat, das sich 
in den Kreisen seiner Leser und Interessenten stetig 
steigernder Beliebtheit und Verbreitung erfreut. An dieser 
Stelle betrachtet es die Vereinsleitung als ihre Pflicht, 
Herrn Professor Budau für sein umsichtiges, 
selbstloses Wirken im Interesse der Entwick- 
lung des Vereinsorganes den wärmsten Dank 
namens des Vereines auszusprechen. Leider 
haben die Ereignisse des verflossenen Jahres — zu Be- 
ginn 1914 der Streik im Buchdruckergewerbe und später 
die kriegerischen Verwicklungen — technische Schwierig- 
keiten hervorgerufen, die sich in dem verminderten 
Umfange der einzelnen Nummern, wie auch in ihrem 
selteneren Erscheinen widerspiegeln. Aber auch hier 
sind die verursachenden Einflüsse vorüber- 
gehender Natur, so daß die Fortsetzung des ur- 
sprünglichen Programmes der Zeitschrift nach 
Beendigung des Krieges, der ja eine große Zahl 
unserer Mitarbeiter und Vereinsmitglieder in das Feld 
rief, vollkommen gewährleistet erscheint. 

12. Bezüglich der Mitgliederbewegung im Vereins- 
jahre 1914 kann im Hinblicke auf die wirtschaftliche, 
durch den Krieg bedingte Krise dennoch mit größter 
Befriedigung konstatiert werden, daß die Zahl der 
Mitglieder in dieser Zeit eher gestiegen ist. Dies 
ınuß wohl in erster Linie darauf zurückgeführt werden, 
daß die weiteste Offentlichkeit, im Hinblicke 
auf die hervorragenden Leistungen unserer 
Flieger im Kriege, nunmehr im Vertrauen auf die 
Bedeutung der Flugtechnik bestärkt und zur 
Förderung unseres nationalen Flugwesens ange- 
spornt, an dieser selbst interessiert wurde, in einem 
Maße, wie es sonst die wirksamste Propaganda in 
Friedenszeiten nicht zuwege gebracht hätte. 

Als ein besonders erfreuliches und ehrenvolles Mo- 
ment muß in diesem Belange vermerkt werden, daß 
Ihre k. u. k. Hoheiten, die durchlauchtigsten Herren 
Erzherzoge Leopold Salvator und Joseph Fer- 
dinand gnädigst die Ehrenmitgliedschaft des k. k. 
Osterreichischen Flugtechnischen Vereine anzunehmen 
geruht haben. Dieser neuerliche Beweis allerhöchster 
Anerkennung und Huld möge für alle Mitglieder, För- 
derer und Freunde des k. k. Österreichischen Flugtech- 
nischen Vereines nur ein erneuter Ansporn zu weiterer 
werktätiger Mitarbeit im Interesse der Stärkung unserer 
Organisation sein! 

13. An dieser Stelle erachtet es die Vereinsleitung 
als ihre traurige Pflicht, auch jener Funktionäre und 
Mitglieder zu gedenken, die ihr Leben auf dem Felde 
der Ehre lassen mußten. So beklagt der k. k. 
Österreichische Flugtechnische Verein den Heimgang 
seines hochgeschätzten, im Interesse des Vereines 
stets hervorragend tätig gewesenen Ausschußmit- 
gliedes, desk.u.k. Hauptmannes Franz Freiherrn 
v. Berlepsch, Generalsekretär des k. k. Osterreichi— 
schen Aeroklubs und der Wiener Flugfeld-Gesellschaft, 
dessen ungemein verdienstvolles Wirken in unserer 
Zeitschrift bereits gewürdigt wurde. Mit Freiherrn von 
Berlepsch verliert der k. k. Osterreichische Flug- 


technische Verein eines seiner wertvollsten und hervor- 


ragendsten Mitglieder, dem die Vereinsleitung stets das 
ehrenvollste Angedenken bewahren wird. 


Ferner beklagt der k. k. Österreichische Flugtech- 
nische Verein den Heimgang der auf dem Felde der 
Ehre gefallenen Mitglieder: 


k. u. k. Generalstabshauptmann Oskar Ros mann 
(t am 29. August 1914), 

k. u. k. Oberleutnant Josef Flassig (F anfangs Septem- 
ber 1014), 

k. u. k. Oberleutnant Engelbert Wolf ( anfangs Sep- 
tember 1914), 


(t 30. Oktober 1914), 
u. k. Oberleutnant Adalbert Fe BI (+25. Novemb. 1914), 
k. u. k. Oberleutnant Manfred Georgievics(f Oktober 
1914), 
k. u. k. Hauptmann Miecislaus Miller (t 29. juli 1914). 


Der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein 
und mit ihm die gesamte österreichische Luftfahrt 
werden diesen in treuester Pflichterfüllung auf 
dem Felde der Ehre gefallenen Fliegerhelden 
stets ein treues, hochehrendes Angedenken 
bewahren. 


Demgegenüber ist wieder mit freudiger Genug- 
tuung zu konstatieren, daß eine große Anzahl von 
Vereinsmitgliedern sich im Laufe des gegenwärtigen 
Krieges derart ausgezeichnet hat, daß ihre Leistungen 
die allerhöchste Anerkennung gefunden haben. So ist 
in erster Linie hervorzuheben, dal} unser hochgeschätztes 
Ausschußmitglied, der Kommandant der k. u. k. Luft- 
schifferabteilung Oberstleutnant Emil Uzelac, im 
Kriege außertourlich zum Obersten befördert wurde, 
nachdem ihm vorher durch Se. Majestät zu seinen vielen 
bisherigen Auszeichnungen noch der Orden der Eisernen 
Krone dritter Klasse verliehen worden war. Unter den 
übrigen ausgezeichneten Militärfliegern, die sich durch 
ıhre Tätigkeit vor dem Feinde rühmlichst hervorgetan 
haben, seien besonders die Herren Oberleutnants Karl 
Banfield, Ferdinand Ritter Cavallar v. Graben- 
sprung, Rudolf Holeka, Max Macher, Aladar 
Taussig, Johann Mandl, Kamillo Perini, Nikolaus 
Wagner v. Florheim und Heyrofsky genannt, 
deren Wirken als Flieger vor dem Feinde die vollste 
Bewunderung fordert. Als fahrender Ordonnanzoffizier 
vor dem Feinde hat sich auch unser geschätztes Aus- 
schußmitglied, Schriftsteller Herr Hans Friedrich von 
Orelli, in besonderer Weise hervorgetan, wofür er auch 
durch die Verleihung des Marianerkreuzes ausge- 
zeichnet wurde. 


14. Der Ausbruch des Krieges hat auch innerhalb 
des Vereinsbetriebes infolge der dadurch bedingten Ein- 
berufungen so manche Änderung zur unmittelbaren 
Folge gehabt. So stehen seit Kriegsbeginn bereits sämt— 
liche Herren des Sekretariats im Felde, und wurde mit 
der Leitung der laufenden Vereinsgeschäfte sowie der 
Redigierung der Österreichischen Flug-Zeitschrift seitens 
des Präsidiums ein Mitglied der technischen Arbeits- 
abteilung des Vereines betraut. 

15. Daß der Kriegsausbruch nur einen innigeren 
Zusammenschluß mit den verbrüderten deutschen flug- 
sportlichen Korporationen gebracht hat, davon zeugt 
die nachstehend reproduzierte Sympathiekundgebung, 
die dem Vereinspräsidium unter dem 19. September 1914 
telegraphisch zukam: 

»Die heute versammelten Mitglieder des Reichsflug- 
vereines entbieten dem Flugtechnischen Verein brüder- 
liche Grüße. — Der österreichische und der deutsche 
Aar werden selbst gegen eine Welt von Feinden auch 
in der Luft treue Wacht halten! 


k. u. k. Oberleutnant Albert Sanchez de la Cerda 
k. 


Reichsflugverein.« 


Das Präsidium des k. k. Österreichischen Flug- 
technischen Vereines hat dieses Telegramm wie folgt 
erwidert: ’ 

»Das Präsidium des k. k. Österreichischen Flug- 
technischen Vereines, der als erster Verein die Fahne 
der Propaganda für die Flugtechnik in Osterreich ent- 
faltet hat, dankt herzlichst für die vom Reichsflugverein 
übermittelten brüderlichen Grüße. Unsere Flieger, die 
deutschen und österreichisch-ungarischen, kämpfen wohl 
schon gegen eine Welt von Feinden. Aber der Sieg 
wird unser sein, weil der Kampf einer guten Sache 
gilt. Sieg muß im Osten und Westen werden! 

Das Präsidium des k. k. Österreichischen 
Flugtechnischen Vereines.“ 

Dieser von patriotischen Gefühlen diktierte 
Austausch gegenseitiger Sympathien muß auf das leb- 
hafteste begrüßt werden, bedeutet er doch die in diesen 


V 


Zeiten nicht genug einzuschätzende neuer- 
liche Versicherung und Festigung treuester Freundschaft 
mit unserem glorreichen Bundesgenossen. 


16. Bezüglich des Standes des Vereinsvermögens 
wird mitgeteilt, daß der Herr Vereinspräsident von dem 
im Buchhaltungsfache sachverständigen Herrn Hansl 
die Überprüfung der Buchhaltung vornehmen ließ und 
auf Grund des diesbezüglich erstatteten Referates die 
Buchhaltung in bester Ordnung befunden wurde. 


Die statutengemäß zur Überprüfung der Bilanz und 
der Vereinsbuchhaltung bestimmten Revisoren: Groß- 
industrieller Norbert Reicher und Adolf Igler haben 
statutengemäß die Bücher geprüft und über die Revision 
den nachstehenden Bericht verfaßt: 


»Die genannten Revisoren sind in der angenelimen 
Lage, der für den 10. Mai d.J. einberufenen VI. Haupt- 
versammlung des k. k. Österreichischen Flugtechnischen 
Vereines als Resultat der vorgenommenen Revision der 
Vereinsbuchhaltung die Konstatierung zur Kenntnis 
bringen zu können, daß ordentliche Buchungen vorge- 
funden wurden, welche in Summa das Bild einer pein- 
lich genau geführten Kassawirtschaft ergeben, und stellen 
dieselben daher den Antrag, die Hauptversammlung 
wolle dem Ausschusse für das Jahr 1914 im Sinne der 
Statuten das Absolutorium erteilen. 


Aus der nachfolgenden Vermögensaufstellung ist 
ersichtlich, daß auch das verflossene Jahr in finanzieller 
Hinsicht ein schwieriges war, was ja in erster Linie 
auf die durch den Kriegsausbruch bedingte 
Restringierung des wirtschaftlichen Etats und 
der Investitionslust selbst zurückzuführen ist. Trotz 
dieser Schwierigkeiten aber ist es dem Vereine dank 
einer großen Reihe neuer Beitritte, die seine Organisation 
wesentlich stärkten, sowie dank seiner hier bereits auf- 

ezählten, mit durchwegs gutem Erfolge arrangierten 
nternehmungen gelungen, die Vereinsausgaben und 
Einnahmen auch im vertlossenen Jahre im großen und 
ganzen im Gleichgewichte zu halten. 


Bilanzkonto 
für den 31. Dezember 1914. 
Aktiva: 
1. Bargeld) K 35116 


2. Guthaben bei der k. k. Post- 
sparkassa auf Konto: 


Nr. 88.760 . . . K4.570:48 

„ 131.039 . . . „ 24078 

„ 107.852... „ 45423 

„ 149.078 .n 7606:67 „ 6.032:16 
3. Guthaben bei der Verkehrs- 

Dank so a po ðͤ eae ee a » 5.947°83 
4, Guthaben beim Wiener Bank- 

vere˙inninin „ 5.000 — K 17.331°15 
5. Inventar laut Bilanz 

vom 31. Dezem— 

ber 10138. K 7.63258 

Neuanschaffun- 

gen 1914 ©. >o P 255° — 

K 7.887°58 


ab 15 Prozent Ab- 

nützunng .. „ 1.183°20 K 6.70438 
Wert der Biblio— 

thek laut Bilanz vom 

31. Dezember 1913 K 4.10242 
Sammlungen laut 

Bilanz vom 31. De— 


zember 1913. .. „ 50287 
K 4.09529 

Neuanschaffun- 

gen 1914 (Samm— 

lungen) . .... „ 10020 
K 4.795°49 


Fürtrag K 4.795-49 K 6.70438 K 17.331'15 


VI 


Übertrag K 4.79540 K 6. 704-38 K 17.331˙15 
ab 15 Prozent Ab- 


schreibung. . . . » 71925 „ 4.076°24 

photographischer 

Apparat 300°— 

ab 25 Prozent Ab- 

schreibung. . . „ 75.— » 225— „ 11.005°62 
6. Anteilscheine der Wiener Flugfeld- 

Gesellsehaft 2 eS „ 14.000 — 
7. Kriegsanleihe . . . 2.2 2 2 2000. „  5.000°— 


Fürtrag K 47°336°77 


— 


Übertrag K 47.330677 


8. Vorausbezahlte Bureaumiete . K 1.414°16 
Vorausbezahlte Miete für Lese- 


halle A nat, dak? esp S ” 627°48 7 2.041˙64 

9. Außenstände an Annoncen und Abonne— 
ments „ 3.18491 
K 52.563°32 

Passiva 

l. Fremde Gelder . . . . K 2.07393 
2. Saldo (Vereinsvermögen) „ 50.8939 
K 52.563°32 


Auszugsweise Berichte: 
Sitzung des Ausschusses des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines vom 4. Februar 1915. 


Vorsitzender: Präsident Generaldirektor 
A. Cassinone. 


Der Vereinspräsident eröffnet die Sitzung mit 
einer kurzen Gedenkrede, in welcher er der auf dem 
Felde der Ehre gefallenen Fliegerhelden und Vereins- 
mitglieder in warmen Worten der Anerkennung ge- 
denkt. Hernach gelangen die an der Tagesordnung 
stehenden Punkte zur Durchsprache: 

1. Der Vorsitzende weist auf die Notwendigkeit 
der statutarisch vorgesehenen Hauptversammlung hin 
und beantragt, die VI. ordentliche General versammlung 
der Vereinsmitglieder noch im Monate März abzu- 
halten. Mit Rücksicht aber auf die durch die kriege- 
rischen Ereignisse bedingten Einberufungen stände 
eine zu geringe Beteiligung seitens der Vereins- 
mitglieder zu erwarten, weshalb im Laufe der Sitzung 
der Beschluß gefaßt wurde, die Abhaltung der Haupt- 
versammlung auf den Monat Mai zu verschieben und 
zum Gegenstande der nächsten Ausschußsitzung zu 
machen. 

2. Seitens der k. k. niederösterreichischen Statt- 
halterei wurde der Vereinsleitung eröffnet, daß die 
für das Halbjahr 1914 fällige Subvention zu einem 
späteren Zeitpunkte erst zur Auszahlung gelangen 
wird. 

3. Ein Antrag des Herrn Fritz Ellyson, be- 
treffend Errichtung einer Fliegerstiftung oder, Ein- 
leitung einer Aktion im Rahmen des k. k. Öster- 
reichischen Flugtechnischen Vereines zugunsten der 
Hinterbliebenen von auf dem Felde der Ehre ge- 
fallenen Fliegern, wird mit dem Bemerken zur Kennt- 
nis genommen, daß Herr Ellyson diesbezüglich 
konkrete Vorschläge entwickeln möge. 

4. Der Herr Vereinspräsident bringt dem Aus- 
schusse zur Kenntnis, daß sich der k. k. Österreichische 
Flugtechnische Verein an der Zeichnung der Kriegs- 
anleihe mit einem höheren Betrage beteiligt hat. 


5. Seitens der Firmen SchieBl & Co., sowie 
Körting A.-G. wurde dem Vereine eine Geldspende 
von K 600 gewidmet. 


6. Hinsichtlich der Mitgliederbewegung im ab- 
gelaufenen Jahre teilt der Vorsitzende mit, daß in 
diesem Zeitraume ungefähr 100 Mitglieder teils aus- 
getreten, teils verstorben sind. Der hiedurch bedingte 
Entfall aber wird durch zahlreiche Neubeitritte, 
unter denen sich wieder mehrere Stifter, lebenslang- 
liche, gründende und ordentliche Mitglieder befinden, 
derart reichlich wettgemacht, daß das Niveau des 
Mitgliederstandes gegenüber jenem des Vorjahres 
eher gestiegen ist. 

7. In bezug auf die internen Angelegenheiten des 
Vereines werden seitens des Ausschusses die seitens 
der Vereinsleitung getroffenen Maßnahmen bezüglich 
Remunerationen etc. zur Kenntnis genommen und 
nachträglich genehmigt. 

8. Im Hinblicke auf die außerordentlich eifrige 
Organisationstätigkeit, die das ordentliche Vereins- 
mitglied, Herr Prokurist Paul Bella k, im Interesse 
des Vereines entfaltet hat, wird dieses Mitglied in 
den Ausschuß des Vereines kooptiert. Gleichzeitig 
wird dem Ausschusse das von Herrn Paul Bella k 
mit großer Mühe zusammengestellte, photographische 
Archiv vorgelegt, welches seine Entstehung der Initia- 
tive und tatkräftigen Förderung des genannten Herrn 
verdankt und in seiner Art eine wertvolle, viele 
tausend Bilder umfassende Sammlung darstellt, die 
der Mitgliedschaft des Vereines zur Benützung frei- 
gestellt werden soll. Seitens des Ausschusses wird 
beschlossen, Herrn Bellak den Dank des Vereines 
zum Ausdrucke zu bringen. 

Nach Erledigung der Tagesordnung gelangen 
einige Vereinsangelegenheiten zwischen dem Präsidium 
und dem Ausschusse zur vertraulichen Durchsprache, 
worauf die Sitzung geschlossen wird. 


Sitzung des Ausschusses des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines vom 16. April 1915. 


Vorsitzender: Präsident Generaldirektor 
A. Cassinone. 


Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung mit Worten 
des Gedenkens für das am 24. Februar d. J. ver- 
schiedene Mitglied, Herrn Direktor Viktor Cassinone, 
eines Bruders des Herrn Präsidenten, der inmitten 
seiner ausgedehnten Fürsorgeaktion zu Barcelona 
verstarb. Die Mitglieder des Ausschusses erheben 
sich zum Zeichen der Trauer von ihren Sitzen und 
sprechen dem Herrn Präsidenten ihre Teilnahme aus. 
Sodann kommt der Vorsitzende auf die zahlreichen 
Auszeichnungen zu sprechen, die Vereinsmitgliedern 
im Laufe der letzten Zeit zuteil geworden sind. Bei 
dieser Gelegenheit konnte der Vereinspräsident aber- 
mals mit großer Befriedigung konstatieren, daß zahl- 
reiche der ausgezeichneten Mitglieder auch dem 
Vereinsausschusse angehören. In weiterer Erledigung 
des Tagesprogrammes hebt der Präsident die großen 
Verdienste, die sich auch im abgelaufenen Jahre Herr 
Prof. Ing. A. Budau in seiner Eigenschaft als Chef- 


redakteur der Österreichischen Flug- Zeitschrifterworben 
hat, mit Worten der größten Anerkennung und des 
Dankes hervor, wobei er dem Herrn Prof. Budau 
auch den wärmsten Dank des Ausschusses namens 
des Vereines ausspricht. 


Hierauf bringt der Vereinspräsident mit Rücksicht 
auf den Umstand, daß einige Herren die Sitzung vor 
ihrem Schlusse verlassen zu müssen angaben, noch 
vor der Erledigung der auf dem Programme fest- 
gelegten Punkte einige wichtige, vertrauliche An- 
gelegenheiten dem Ausschusse zur Kenntnis, über die 
sich eine kleine Debatte entspinnt. 

Es gelangen nunmehr die einzelnen Punkte des 
Programmes zur Erledigung: 

1. So teilt der Präsident bezüglich der Haupt- 
versammlung mit, daß in der heutigen Sitzung gemäß 
der in der vorangegangenen Sitzung getroffenen Ver- 
einbarung Tag und Stunde derselben festzusetzen 
sei. Seitens des Ausschusses wurde hierauf der 
Beschluß gefaßt, als Tag den 10. Mai, als Stunde 


7 Uhr abends und als Örtlichkeit wie alljährlich den 
Festsaal der Wiener Handelsakademie, Wien, I. Aka- 
demiestraße 12, zu wählen. 

Der Ausschuß genehmigt die hier an anderer 
Stelle wiedergegebene Tagesordnung der Haupt- 
versammlung. Bezüglich der Kassengebarung wird 
der Antrag gestellt werden, der Vereinsleitung das 
Absolutorium zu erteilen. Es gelangen darauf noch 
einige Vorschläge bezüglich der Wahl von Ehren- 
mitgliedern und sonstigen Vereinsfunktionären zur 
Durchsprache und wird beschlossen, diese Angelegen- 
heiten ebenfalls zum Gegenstande der Verhandlungen 
bei der Hauptversammlung zu machen. 

2. Seitens des in Berlin lebenden Vereinsmitgliedes 
Herrn Josef Lechner langte im Sekretariate des 
Vereines eine namhafte Geldspende ein, die im Sinne 
des seitens des Spenders ausgedrückten Wunsches 
als Baustein zu einer durch den k.k. Österreichischen 
Flugtechnischen Verein ins Leben zu rufenden »Frei- 
willigen Luftflottensammlung« verwendet werden möge. 
Nach reiflicher Erwägung aber wurde seitens des 
Ausschusses beschlossen, diesen Betrag im Einver- 
nehmen mit dem Spender den Zwecken einer schon 
früher geplanten Errichtung einer Fliegerstiftung zu- 
zuführen und nach Einlangen des Einverständnisses 
seitens des Spenders eine diesbezügliche Ankündigung 
nebst Aufruf im offiziellen Teil des Vereinsorganes 
zu publizieren. Gleichzeitig wird dem Spender der 
Dank des Vereinsausschusses namens des Vereines 
bekanntgegeben. 

3. Aber Antrag des Mitgliedes der technischen 
Arbeitsabteilung, Herrn Fritz Ellyson, wird die 
Abhaltung von populär belehrenden Vortragskursen 
über das Gesamtgebiet der Luftfahrt in den Vereins- 


VII 


lokalitäten beschlossen. Dieser Veranstaltung liegt 
die Idee zugrunde, daß die gegenwärtige Zeit, die, 
wie die Erfindertätigkeit belehrt, die weitestgehende 
Promulgierung flugtechnischer Kenntnisse im Inter- 
esse gesünderer, geistiger Produktion auf diesem 
Gebiete wünschenswert erscheinen läßt, aus den 
Kreisen der Mittelschiiler, Handwerker etc. ein großes 
Interessentenkontingent zu stellen vermag, die diese 
Gelegenheit, sich rasch und kostenlos die Grund- 
begriffe der Flugtechnik und Luftfahrt nebst der ein- 
schlägigen Hilfswissenschaften anzueignen, nur be- 
grüßen werden. 

4. Die seitens der Firma Otto Maaß' Söhne 
eingelangte Verständigung bezüglich Verteuerung des 
Druckes wird seitens des Ausschusses zur Kenntnis 
genommen und die vom Präsidium in dieser An- 
gelegenheit getroffene Entscheidung nachträglich ge- 
nehmigt. 

5. Beziiglich eines von der hiesigen Antiquariats- 
buchhandlung Stern dem Sekretariate gemachten 
Angebotes, betreffs Ankaufes des literarischen Nach- 
lasses des verstorbenen Mitgliedes, Lehrers M illa, 
wird seitens des Ausschusses beschlossen, diesem 
Angebote im Hinblicke auf den Wert der einzelnen 
Objekte in konkretem Sinne näherzutreten. 

6. Mit bezug auf die soeben in Druck erschienene 
Broschüre »Motorenkunde für Flugtechniker<« wurde 
das Sekretariat angewiesen, sich mit einer Verlags- 
buchhandlung wegen kommissionsweisen Verkaufes 
dieser Broschüre ins Einvernehmen zu setzen. 

Es gelangen hierauf noch einige interne Angelegen- 
heiten des Vereines zwischen dem Präsidenten und 
dem Ausschusse zur Durchsprache, worauf die Sitzung 
geschlossen wird. 


Aviso an die P. T. Vereinsmitglieder und Interessenten der Luftfahrt! 
Populär-wissenschaftliche Vortragskurse über Luftfahrt im k.k. Österreichischen Flugtechnischen Verein. 


Von der unbestrittenen Erkenntnis geleitet, daß 
die weitestgehende Verbreitung flugtechnischer Kennt- 
nisse im gegenwärtigen Zeitpunkte, der der praktischen 
Luftfahrt die größten Triumphe, der wissenschaftlichen 
Pflege derselben aber eine Fülle neuer, mitunter 
recht wertvoller Anregungen brachte, nicht bloß im 
Interesse einer weiteren Öffentlichkeit, sondern auch 
in jenem der gesunden Erfindertätigkeit 
liegt, hat die Leitung des k.k. Österreichischen Flug- 
technischen Vereines die Abhaltung von populär 
vorgetragenen Lehrkursen über das 
Gesamtgebiet derLuftfahrtbeschlossen. 
Diese Kurse sollen alljährlich, und zwar im Winter, 
zur Wiederholung gelangen, wobei stets dieneuesten 
Erfahrungen auf den einzelnen Spezialgebieten 
berücksichtigt werden sollen. Als Vortragslokal wurde 
das Lesezimmer des k. k. Österreichischen Flug- 
technischen Vereines gewählt. Der Besuch dieser 
Kurse verpflichtet zu keinerlei Beitragsleistungen, er 
steht vielmehr denMitgliedern unseres 
Vereines vollkommen frei. Durch Mit- 
glieder eingeführte Gäste werden 
bestensbegrüßt. 

Die Vereinsleitung plant die Abhaltung des 
ersten kompletten Kurses dieser Art noch für das 
heurige Frühjahr, und zwar für die Zeit vom 
5. Mai bis 10. Juli. Nachdem aber die Abhaltung zu 


diesem, allerdings schon sehr vorgerückten Zeitpunkte 


nur von der Erreichung einer gewissen 
Teilnehmeranzahlabhängig ist, so ergeht 
an alle, die an dem Zustandekommen der Kurse 
interessiert sind, die freundliche Einladung, sich 
namentlich im Sekretariate des k. k. Österreichi- 
schen Flugtechnischen Vereines, I. Uraniastraße 1 
(Uraniagebäude), ehebaldigst vormerken 
zu lassen. Nachstehend geben wir die vorläufige 
Vortragsordnung wieder. Die Einzeltermine, sowie 
die Namen der Vortragenden werden rechtzeitig noch 


verlautbart werden. Um auch Mittelschülern 
den Besuch der Veranstaltung möglich zu machen, 
werden die einzelnen Vorträge stets auf Mittwoch 
und Samstag fallen. Beginn jedesmal 7 Uhr abends. 


Reihenfolge der Vorträge: 


Geschichte der Luftfahrt, ihre Sagen und Märchen. 
Geschichte der Luftfahrt II. Geschichte der Flug- 
zeuge »Schwerer als Luft«. 
Einführung in die Aerostatik. 
Freiballon und Fesselballon 
Praxis, Gasgewinnung. 

Die Lenkballons. 
Motorkunde I. 

Motorkunde II. 

Einführung in die Aerodynamik I. 

Einführung in die Aerodynamik II. (Flugtechnisches 
Versuchswesen.) 
Aeroplankonstruktion I. 

. Aeroplankonstruktion Il. 

. Aeroplankonstruktion III. 

. Wasserflugzeuge. 

. Schraubenflieger und reine Schwingenflieger. 

; aus Systeme. Die Überwindung der Schwer- 
rat. 

Die Praxis des Fliegens. 
meer. 

. Flugzeugfabrikation und Organisation des Flug- 
wesens. 

Acrophotogrammetrie, drahtlose Telegraphie samt 
Hilfswissenschaften. 

Luftverkehrsrecht. 

Medizin und Flugwesen. 


Bet Erreichung der entsprechenden Teilnehmer- 
zahl gelangt der erste Vortrag bereits Mittwoch den 
5. Mai d. J., um 7 Uhr abends, im Lesezimmer des 
k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines zur 
Abhaltung. 


in Theorie und 


Les PD. De 


Orientierung im Luft- 


19. 
20. 


Das Sekretariat des k. k. Osterreichischen Flugtechnischen Vereines. 


VIII 


Motor- Luftfahrzeug- Gosellsthafi 


Wien I. 


Herausgegeben vom: »K. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein«. — Verantw. Red.: in Vertretung Fritz Ellyson. 
Druck von Otto Maaß’ Söhne, Wien I. 


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Mitteilungen 


Seiner Majestät des Kaisers und Königs 


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stehenden 


K. K. ÖSTERREICHISCHEN FLUGTECHNISCHEN VEREINES. 


IX. Jahrgang 


Sitzung des Vereinsausschusses vom 10. Mai 1915, unmittelbar vor 
Stattfinden der Hauptversammlung. 


Vorsitzender: Präsident Generaldirektor 
A. Cassinone. 

Der Vereinspräsident eröffnet die zahlreich 
besuchte Sitzung mit dem Vortrage einer vertraulichen 
Angelegenheit, über welche sich unter den Mitgliedern 
des Ausschusses eine lebhafte Debatte entspinnt. 
Sodann gelangen die an der Tagesordnung stehenden 
Neuwahlen im Ausschusse selbst zur Durchführung. 
Im Sinne der Vereinsstatuten, welche ein alljährliches 
Ausscheiden eines Drittels der Ausschußmitglieder 
und einen entsprechenden Ersatz durch neuzuwählende 
fordern, wobei eine Wiederwahl der ausscheidenden 
Ausschußmitglieder statthaft ist, wurden durch das 
Los jene Angehörigen des Vereinsausschusses er- 
mittelt, die für die neue Berichtsperiode auszuscheiden 
haben. Im Hinblicke aber auf die dermaligen, äußeren 
Verhältnisse, sowie in Anbetracht des Umstandes, daß 
weitaus der größte Teil der Vereinsmitglieder im Felde 


steht, wurde schließlich beschlossen, für diesmal von 
Neuwahlen abzusehen und der Hauptversammlung den 
Vorschlag zu machen, die ausscheidenden Aus- 
schußmitglieder für die laufende Funktionsperiode 
wiederzuwählen. Gleichzeitig teilt der Vorsitzende mit, 
daß das AusschuBmitglied J. Worms sich veranlaßt 
sehe, auf sein Amt als Kassier-Stellvertreter des 
Vereines zu resignieren. Der Ausschuß nimmt dies 
mit Bedauern zur Kenntnis und pflichtet dem Vor- 
schlage des Herrn Präsidenten, an seine Stelle den 
mit der Revision der Vereinsbuchhaltung betrauten 
Herrn Anton ‘Hansel, welcher sich in der abge- 
laufenen Berichtsperiode dieser Aufgabe mit besonders 
anerkennenswertem Eifer unterzogen hat, als Ersatz- 
mann zu wählen, lebhaft bei, worauf beschlossen 
wurde, diese Wahl sowie jene des Herrn Paul 
Bellak durch die Hauptversammlung bestätigen zu 
lassen. Hierauf wurde die Sitzung geschlossen. 


Protokoll über die VI. ordentliche Hauptversammlung des k. k. Öster- 
reichischen Flugtechnischen Vereines, abgehalten am 10. Mai 1915. 


Vorsitzender: Präsident Generaldirektor 


A. Cassinone. 


Der Vereinspräsident eröffnet die VI. ordentliche 
Hauptversammlung mit folgender Ansprache: 

»Inmitten einer großen, bewegten Zeit, die unserer 
nationalen Flugtechnik und Luftfahrt die grandiosesten 
Triumphe beschieden hat, haben wir uns heute hier 
zusammengefunden, um das statutarische Erfordernis 
der diesjährigen ordentlichen Hauptversammlung der 
Mitglieder des k. k. Österreichischen Flugtechnischen 
Vereines zu erfüllen. 


Indem ich hiemit die Ehre habe, die heutige 
VI. ordentliche Hauptversammlung zu eröffnen, be- 
grüße ich die erschienenen Herren Vereinsmitglieder 
sowie die Herren Vertreter der hohen k.k. Ministerien, 
in deren Anwesenheit ich wie bisher die Gewähr des 
Bestehens eines hohen Interesses für die Tätigkeit 
unseres Vereines an diesen zentralen Stellen erblicke, 
auf das herzlichste. 


Ereignisse von allergrößter Tragweite für die 
weitere Gestaltung und Entwicklung unserer heimi- 
schen Luftfahrt, deren Interessen wir ja in erster 
Linie dienen und die sich seit dem Stattfinden 
unserer letzten Hauptversammlung als notwendige 
Folge damals noch ungeahnter kriegerischer Ver- 
wicklungen vollzogen haben, machen es mir zur 
angenehmen Pflicht, ihrer für uns so wichtigen Er- 
gebnisse wenigstens in aller Kürze noch vor dem 


Eingehen auf die einzelnen Punkte der heutigen 
Tagesordnung zu gedenken. 


Als das verflossene Vereinsjahr mit einem groß- 
zügig angelegten Arbeitsprogramme einsetzte und 
neben einer ganzen Reihe hervorragender sportlicher 
Wettbewerbe und Vorführungen eine nicht mindere 
Anzahl rein interner technischer Aufgaben 
brachte, da dachte noch niemand auch nur im ent- 
ferntesten daran, daß schon die allernächste Zeit, 
die zweite Hälfte des verflossenen Jahres, unsere 
vereinten, in systematischer Vervollkommnungsarbeit, 
in friedlichen Wettbewerben so oft gestählten Kräfte 
u a andere, wichtigere Aufgaben stellen 
werde. 


Noch hofften wir, als wir die Schreckenskunde 
von der verdammenswerten Tat ruchloser Mörderhände 
schon einigermaßen erfaßt, daß ganz Europa sich an 
unsere Seite stellen und Sühne für die schwere Tat 
fordern werde. Es sollte anders kommen! Erst als 
England, Rußland und Frankreich und ihre perfiden 
Staatslenker sich offen auf die Seite der Meuchel- 
mörder stellten, als alle Schlechtigkeit und Ver- 
worfenheit sich zusammentat zum Bunde gegen unser 
geliebtes Vaterland, da entschloß sich unser heiß- 
geliebter, ritterlicher alter Kaiser, unser erhabenster 
Allerhöchster Protektor, das lange sorglich gehütete 
Schwert zu ziehen, um all die Niedertracht und 
Meuchelsucht abzuwehren. 


Mit grenzenloser Begeisterung folgten die Völker 
Österreichs dem Rufe ihres greisen Kaisers und jenem 
des ihm in Nibelungentreue zugetanen deutschen 
Kaisers zu den Waffen, fühlten sie sich doch eins 
mit ihm in dem Vertrauen auf ihre Stärke, in der 
Liebe zum Vaterlande und in dem Bewußtsein, daß 
der Kampf einer nur zu gerechten Sache galt. 

Was jahrelange, systematische, mit großem Ver- 
ständnis geförderte Vervollkommnungsarbeit zu zei- 
tigen vermag, dies zeigten unsere braven Truppen 
gleich in den ersten Tagen dieses denkwürdigsten 
aller Kriege, in dem sie nun schon über neun Monate 
Schulter an Schulter mit ihren, ihnen durch Helden- 
geist, Zucht und Gesittung engverwandten deutschen 
Bundesgenossen, gegen böswillige Feinde kämpfen. 
Die beredteste Sprache aber vollends reden die 
hervorragenden Ruhmestaten unserer verbündeten 
Fliegerhelden, die nun zum erstenmal, 
seitdem die Flugtechnik und Luftfahrt einen inte- 
grierenden Bestandteil unserer modernen 
Heeresorganisation bildet, den Schauplatz 
friedlicher Wettkämpfe mitdem Kriegsschauplatze 
vertauschen mußten. Durch die zahllosen Berichte 
unserer gesamten Tagespresse ist es Ihnen, meine 
sehr geehrten Anwesenden, ja zur Genüge bewußt 
geworden, in welch entscheidender Weise unsere 
Flieger das gesamte moderne Schlachtenbild, 
ja de gesamte Gestaltung des gegenwärtigen 
Krieges zu beeinflussen vermocht haben. Ich begnüge 
mich daher hier nur mit der freudigen, auf die tat- 
sächlichen Ergebnisse gestützten Konstatierung, daß 
Deutschland und Osterreich-Ungarn den 
Franzosen und allen unseren Feinden, die sich auf 
diesem Gebiete am weitesten fortgeschritten wähnten, 
im heiligen Kampfe um Ehre und Ansehen des Vater- 
landes den Rang definitiv,endgiltig ab- 
gelaufen haben. Und dies ist bloß das Ergebnis 
strammster Zucht und Organisation, gepaart mit ver- 
ständnisvollster Förderung der Zwecke unserer mili- 
tärischen Luftfahrt. Sie werden, meine sehr geehrten 
Anwesenden, sehr leicht einsehen, daß es bedeutend 
schwerer fällt, eine so dominierende Position, 
wie wir sie dermalen gegenüber unseren 
verbündeten Feinden auf dem Gebiete der 
Luftfahrt einnehmen, dauernd zu behaupten, 
als eine solche nur zuerreichen. 

Sie werden, meine sehr geehrten Herren, es 
ebenso begreiflich finden, daß unsere Gegner, 
gewitzigt durch ihre sich täglich mehrenden 
MiBerfolge, alle erdenklichen Anstrengungen 
machen werden, uns diesen Rang streitig zu machen. 
Daß es daher des intensivsten Zusammen- 
schlusses aller Kräfte bedarf, um dieses 
wirkungsvoll zu vereiteln, brauche ich wohl nicht 
besonders hervorzuheben. Doch im Hinblicke darauf 
finde ich es unerläßlich, an Sie, meine sehr geehrten 
Herren, neuerlich den herzlichsten Appell zu richten, 
sich der Notwendigkeit des forcierten, ver- 
einigten Weiterarbeitens im Interesse der 
Stärkung unserer Organisation, die ja in erster 
Linie berufen ist, durch ihre weitausgreifende 
Tätigkeit die Voraussetzungen für eine gedeihliche 
Weiterentwicklung und Entfaltung unserer Luftfahrt 
zu Schaffen, nicht zu verschließen und nach 
Tunlichkeit diesen Gedanken propagandi- 
stisch und werktätig zu vertreten und zu fördern. 
Aus dem Rechenschaftsberichte des Vereinsausschusses 
ist es Ihnen ja bekannt, daß der k. k. Österreichische 
Flugtechnische Vereingerade im verflossenen 
Jahre eine Reihe von Arbeiten in Angriff genommen 
hat, die in diesem Belange von höchster Wichtigkeit 
sind, daß aber der Ausbruch des Krieges die Vereins- 
leitung vor ganz andere Aufgaben gestellt hat, vor 
denen die Durchführung seiner anderen, geplanten 
Aktionen einstweilen in den Hintergrund treten muß. 
Doch der Eintritt normaler Zeiten wird auch hier zu 
den bereits vorhandenen Aufgaben noch eine Reihe 
neuer, heute vielleicht in ihrem Umfange noch nicht 


ganz absehbarer Aufgaben bringen und da gilt es, 
schon heute die Bedingungen für deren klaglose Ab- 
wicklung schaffen. Und so hoffe ich mich eins mit 
den geehrten Herren Mitgliedern des k. k. Österreichi- 
schen Flugtechnischen Vereines, wenn ich Sie bitte, 
getreu dem Wahlspruch unseres Allerhöchsten Pro- 
tektors, unseres innigstgeliebten Kaisers, mit ver- 
einten Kräften mitzuarbeiten an der Stärkung 
unserer Organisation, an der Propagierung der flug- 
technischen Idee! | 

Mögen in dieser Beziehung jedem ein- 
zelnen von Ihnen die ganz hervorragenden 
Watfentaten unserer im Felde stehenden 
VereinskollegenalskleinerAnsporndienen, 
deren manch einer auch die verdiente Aller- 
höchste Auszeichnung und Würdigung ge- 
funden hat! 

Bei dieser Gelegenheit betrachte ich es als meine 
traurige Pflicht, auch jener Herren Mitglieder 
zu gedenken, die ihr teures Leben auf dem 
Felde der Ehrelassen mußten. (Die Anwesenden 
erheben sich zum Zeichen der Trauer von den Sitzen.) So 
beklagt der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein 
den Heimgang seineshochgeschätzten, im Inter- 
esse des Vereines stets hervorragend tätig 
B Ausschußmitglie des, des k. u. k. 

auptmannes Franz Freiherrn v. Berlepsch, General- 
sekretärs des k. k. Osterreichischen Aeroklubs und der 
Wiener Flugfeld-Gesellschaft, dessen ungemein ver- 
dienstvolles Wirken in unserer Vereins- Zeitschrift 
bereits gewürdigt wurde. Mit Freiherrn v. Berlepsch 
verliert der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein 
eines seiner wertvollsten und hervorragendsten Mit- 
pear dem die Vereinsleitung stets das ehrenvollste 

ngedenken bewahren wird. 

Ferner beklagt der k. k. Österreichische Flugtech- 
nische Verein den Heimgang seines im Vorjahre 
gelegentlich einer dienstlichen Autofahrt tödlich ver- 
unglückten Mitgliedes, des Herrn Hauptmann Miecis- 
laus Miller, sowie der auf dem Felde der Ehre ge- 
fallenen Fliegerhelden und Herren: 

Generalstabshauptmann Oskar Rosmann, Ober- 
leutnant Josef Flassig, Oberleutnant Engelbert W olf, 
Oberleutnant Albert Sanchez de la Cerda, Ober- 
leutnant Adalbert FeBl, Oberleutnant Manfred Geor- 
gievics, Max v. Stutterheim, Kurt Ritter Umlauf 
v. Frankwell, Generalmajor Wladimir Janiczek. 

Aber noch vor Kriegsausbruch wurden dem Ver- 
eine eine ganze Reihe lieber Mitglieder durch die 
erschütternde Ballonkatastrophe von Fischamend ent- 
rissen. Es sind die Herren: Hauptmann Hans Haus- 
wirth und Oberleutnant Ernst Hofstätter, die mit 
Ing. Kammerer und anderen Mitgliedern unserer 
Luftschiffer-Abteilung den Tod fanden. 

Der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein 
und mit ihm die gesamte Österreichische Luftfahrt 
werden diesen in treuester Pflichterfüllung auf dem 
Felde der Ehre gefallenen Fliegerhelden stets ein 
treues, hochehrendes Angedenken bewahren. Ich aber 
danke Ihnen für die durch das Erheben von den 
Sitzen bekundete Ehrung unserer teuren Toten. 

Indem ich nunmehr zur eigentlichen Tagesordnung 
der heutigen Hauptversammlung übergehe, erlaube ich 
mir zu bemerken, daß das Stattfinden dieser Ver- 
sammlung statutengemäß rechtzeitig durch das Vereins- 
organ, sowie durch Verlautbarungen in den hiesigen 
Tageszeitungen angekündigt wurde. Auch im heurigen 
Jahre war die Direktion der Wiener Handelsakademie 
so überaus liebenswürdig, uns den Festsaal zur Ab- 
haltung der Hauptversammlung zu überlassen, wofür 
ich mir erlaube, der verehrlichen Direktion namens 
der Versammlung den verbindlichsten Dank auszu- 
sprechen. 

Über die Tätigkeit des Vereines im abgelaufenen 
Jahre gibt Ihnen, meine sehr geehrten Herren, der in 
der letzten Nummer des Vereinsorganes publizierte 
Rechenschaftsbericht des Vereinsausschusses genauen 
Aufschluß. Nachdem diese Verlautbarung noch recht- 


zeitig vor dem Termine der Hauptversammlung er- 
schienen ist, glaube ich aus Gründen der Zeitersparnis 
von einer Verlesung desselben hier Abstand nehmen 
zu sollen und stelle daher den Antrag: 

»Die heute tagende VI. ordentliche Hauptver- 
sammlung der Mitglieder des k. k. Österreichischen 
Fiugtechnischen Vereines möge von einer Verlesung 
des Geschäftsberichtes des Ausschusses in der heutigen 
Versammlung absehen und mich ermächtigen, die Ab- 
stimmung über die Annahme des Geschäftsberichtes 
des Ausschusses durch die Hauptversammlung vorzu- 
nehmen. Ich bitte daher alle jene Herren, welche den 
Bericht des Ausschusses für das Vereinsjahr 1914 zur 
Kenntnis nehmen, ihr Einverständnis durch das Erheben 
der Hand zu bekunden.« (Allseitiges Erheben der Hände.) 

Zur Gegenprobe bitte ich jene Herren, welche den 
Bericht des Ausschusses nicht zur Kenntnis nehmen, 
die Hand zu erheben. (Es meldet sich niemand.) 

Auf Grund der vorgenommenen Abstimmung kon- 
statiere ich die zustimmende Kenntnisnahme des 
Geschäftsberichtes des Ausschusses, betreffend das 
Vereinsjahr 1914, durch die heute tagende Hauptver- 
sammlung des k. k. Österreichischen Flugtechnischen 
Vereines. 

Ich übergehe nunmehr zum Punkt 2 der Tages- 
ordnung: Bericht der Revisoren für das 
Vereinsjahr 1914 und Antrag auf Erteilung 
des Absolutoriums für die finanzielle Ge- 
barung des Ausschusses: 


Der Bericht der Revisoren hat folgenden Wortlaut: 


»Die gefertigten Revisoren sind in der ange- 
nehmen Lage, der für den 10. Mai 1915 einberufenen 
Hauptversammlung des k. k. Österreichischen Flug- 
technischen Vereines als Resultat der vorgenommenen 
Revision der Vereinsbuchhaltung die Konstatierung 
zur Kenntnis bringen zu können, daß ordentliche 
Buchungen vorgefunden wurden und stellen die- 
selben daher den Antrag, die Hauptversammlung 
wolle dem Ausschusse für das Jahr 1914 im Sinne 
der Statuten das Absolutorium erteilen. 


Adolf Igler m.p. Norbert Reichert m. p. 


Vorsitzender: Auf Grund der Verlautbarung 
des Berichtes der Revisoren stelle ich nun die Anfrage, 
ob einer der Herren zu diesem Punkte das Wort zu 
ergreifen wünscht? (Niemand meldet sich.) 


Vorsitzender: Ich bitte also jene Herren, die 
gegen die Kenntnisnahme dieses Berichtes stimmen, 
die Hand zu erheben. (Niemand meldet sich.) 


Vorsitzender: Da niemand gegen die Kenntnis- 
nahme des Berichtes der Revisoren stimmt, konstatiere 
ich hiemit die einstimmige Annahme dieses Berichtes 
durch die VI. ordentliche Hauptversammlung des Ver- 
eines. Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch den 
Herren Rechnungsrevisoren, sowie dem liqui- 
dierenden Kassier des Vereines, Herrn Dr. Arnold 
Hildesheimer, ferner seinem Stellvertreter Herrn 
J. Worms für ihre besondere Mühewaltung bei der 
Liquidierung und Prüfung der Vereinsausgaben bestens 
danken. (Bravo-Rufe.) 

Damit gelange ich nun zur Erledigung des Punk- 
tes 3 der Tagesordnung: Wahlen nach S 13 der 
Statuten. 

Im Sinne einer Beschlußfassung des Vereins- 
ausschusses bitte ich die heute tagende Haupt- 
versammlung, die Wahl des Herrn Öberinspektors 
Anton Jarolimek, Königgrätz, zum Ehrenmitgliede 
des Vereines vorzunehmen. Ich glaube, daß es zur 
Motivierung dieses Antrages wohl keines besonderen 
Hinweises auf die horvorragenden, wissenschaftlichen 
Leistungen Jarolimeks bedarf. Der Name dieses 
greisen Forschers, der noch heute, nach erreichtem 
achtzigsten Lebensjahre mit bewunderungswürdiger 
Geistesschärfe unermüdlich die zahllosen Probleme 
der theoretischen Flugtechnik ergründet, wird gleich 
jenen unserer berühmten Konnationalen Wellner, 
v. Lößl, Kreß u. a. für immer mit der Geschichte 


III 


aviatischer Forschung in Osterreich aufs engste ver- 
knüpft bleiben. (Bravo-Rufe.) Ich bitte daher die An- 
nahme dieser Wahl per Akklamation vornehmen zu 
wollen. 

Diesem Antrage wird seitens der Hauptversamm- 
lung mit lebhaftem Beifalle zugestimmt. 


Vorsitzender: Auf Grund der allseits be- 
kundeten Zustimmung erkläre ich die Wahl des Herrn 
Oberinspektors Jarolimek zum Ehrenmitgliede 
des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines 
als vollzogen und werde veranlassen, daß sein Name 
auf die Liste der Ehrenmitglieder des Vereines ge- 
setzt werde. 

Schließlich erlaube ich mir der Hauptversammlung 
zur Kenntnis zu bringen, daß im Laufe des ver- 
flossenen Jahres Herr Prokurist Paul Bellak in den 
Vereinsausschuß kooptiert wurde und ersuche ich 
namens des Ausschusses diese Wahl nachträglich 
bestätigen zu wollen. Wünscht jemand der Herren zu 
diesem Punkte der Tagesordnung noch das Wort zu 
ergreifen? (Niemand meldet sich.) 


Vorsitzender: Da niemand zu diesem Gegen- 
stande der heutigen Tagesordnung das Wort zu er- 
greifen wünscht, bringe ich den Antrag zur Ab- 
stimmung, und ersuche jene Herren, welche die Be- 
stätigung der Wahl des genannten Herrn zum Aus- 
schußmitgliede geben wollen, die Hand zu erheben. 

Mit der Annahme des letzten Antrages des Aus- 
schusses ist auch der Punkt 3 der heutigen Tages- 
ordnung erledigt. 

Im Anschlusse an diesen Punkt aber finde ich es 
gemäß der im Vorjahre gelegentlich der letzten Haupt- 
versammlung normierten Statutenänderung notwendig, 
Neuwahlen im Vereinsausschusse selbst vorzunehmen. 
Laut Beschluß der V. Hauptversammlung der Mit- 
glieder des Vereines hat nämlich heuer zum ersten- 
mal ein Drittel der Mitglieder des Ausschusses 
automatisch durch das Los auszuscheiden und der 
Hauptversammlung zur Neuwahl gestellt zu werden. 
Hiebei ist eine Wiederwahl der Ausscheidenden statt- 
haft. Ich schreite daher an die Durchführung dieser 
Bestimmung, indem ich gemäß dem Ergebnisse der 
heute hier stattgefundenen Sitzung des Ausschusses 
die tagende Hauptversammlung bitte, die Wieder- 
wahl der durch das Los heuer auszuscheidenden 
Ausschußmitglieder mit Rücksicht auf die dermaligen 
besonderen Verhältnisse genehmigen zu wollen. 

Zur Konstatierung, ob jemand zu diesem Punkte 
das Wort zu ergreifen wünscht, bitte ich jene Herren, 
die dies zu tun gedenken, die Hand zu erheben. 
(Niemand meldet sich.) 

Gegenprobe. (Niemand meldet sich.) 


Vorsitzender: Und nun bitte ich zur Kon- 
statierung der Genehmigung, die Anwesenden die 
Hand zu erheben. (Allseitiges Erheben der Hände.) 

Der Vizepräsident des k. k. Österreichischen 
Aeroklubs Herr Alfred v. Strasser erhebt sich, um 
unter Hinweis auf die besondere Mühewaltung und 
Sorgfalt, die das Präsidium auch im verflossenen 
Jahre bei der Leitung des k. k. Österreichischen 
Flugtechnischen Vereines entfaltet hat, besonders zu 
danken und dem Präsidium, insbesondere aber dem 
Herrn Generaldirektor Cassinone ein Vertrauens- 
votum auszusprechen. Diese spontane Kundgebung 
wurde seitens der versammelten Vereinsmitglieder 
mit dem größten Beifall aufgenommen, worauf der 
Vorsitzende den Anwesenden seinen wärmsten Dank 
im eigenen Namen, sowie im Namen des Präsidiums 
zum Ausdrucke brachte. 


Vorsitzender: Nachdem nun der letzte Punkt 
der heutigen Tagesordnung erledigt worden ist und 
heuer offenbar aus dem Umstande heraus, daß die 
meisten Herren unserer Vereinskollegen im Felde 
stehen, besondere Anträge aus den Kreisen unserer 
Vereinsmitglieder nicht eingelaufen sind, die Tages- 
ordnung der heutigen Hauptversammlung bereits er- 
ledigt ist, schließe ich hiemit die Sitzung. 


* 


IV 


Bevor ich dies jedoch tue, möchte ich die Ge- 
legenheit noch benützen, um im eigenen Namen, 
sowie im Namen des Vereinspräsidiums in erster 
Linie dem Ausschusse für den Eifer und die be- 
sondere Mühewaltung, mit der er die Vereins- 
angelegenheiten im Laufe des letzten Jahres erledigt 
und mit der er die Bestrebungen des Vereins- 
präsidiums unterstützt hat, den wärmsten Dank zu 
sagen. 

In gleicher Weise fühle ich mich auch ver- 
pflichtet, dem Herrn Prof. Budau in seiner Eigen- 
schaft als Chefredakteur der Vereinszeitschrift herzlichst 
für seine im Interesse der wissenschaft- 
lichen Hebung unseres Vereinsorganes 
entfaltete Tätigkeit, für seine großen Bemühungen, 
dieses Blatt nach allen Seiten hin immer mehr und 
mehr auszubauen, den verbindlichsten Dank aus- 
zusprechen. (Lebhafter Beifall.) Im übrigen danke ich 
im eigenen, wie auch im Namen des Vereinspräsidiums 
ohne Ausnahme allen jenen Herren, die in irgend 
einer Art an der Förderung der Ziele und Zwecke 
des Vereines mitgewirkt haben. 

In dem Momente, da ich die VI. ordentliche 
Hauptversammlung der Mitglieder des k. k. Österreichi- 
schen Flugtechnischen Vereines schließe, drängt es mich 
noch, zum Schlusse einen uns alle beseelenden Wunsch 
zum Ausdrucke zu bringen, der so recht alle herz- 
lichen, dermalen nur unserem geliebten Vaterlande, 
seinem so heißgeliebten, weisen Oberhaupte und seiner 
glänzenden Armee geltenden Gefühle innigster Dank- 
barkeit bekundet und der einer lichtvolleren, freudigen 
Zukunft gilt. Einem Wunsche, der in erster Linie 
unserem erhabensten, allerhöchsten Protektor zu- 
gedacht ist und in dem Satze gipfelt: (Die An- 
wesenden erheben sich von ihren Sitzen.) 


Möge es nach siegreicher Beendigung des uns 
von neidsüchtigen, hämischen Feinden aufgezwungenen 
Krieges Sr. Majestät, unserem allergnädigsten Kaiser 
und Herrn, noch lange vergönnt sein, seine gütige, 
väterliche Hand in so unendlicher Weisheit über uns 
walten zu lassen, möge seine glorreiche, herrliche 
Regierung ihm noch viele Tage reinsten Herrscher- 
glückes bescheren, das in dem Bewußtsein gipfelt, 
sich die Liebe und Verehrung seiner Untertanen durch 
unermüdliche, weise Fürsorge errungen und gefestigt 
zu haben. Und in diesem Sinne weiß ich mich mit 
Ihnen, meine sehr geehrten Anwesenden vollkommen 
eins, wenn ich die Zusammenfassung aller dieser 
Herzenswünsche in die wenigen, aber um so herz- 
licheren Worte kleide: Se. Majestät unser aller- 

nädigster Kaiser und Herr, unser allerhöchster 
rotektor, er lebe hoch, hoch, hoch! 

An dieser Stelle aber dürfen wir auch des treuesten 
Freundes und Bundesgenossen unseres geliebten 
Kaisers nicht vergessen und unsere Glück- und Segens- 
wünsche gelten in dieser Stunde auch Sr. Majestät 
dem Kaiser Wilhelm II, und ich bitte Sie mit mir 
einzustimmen in den Ruf: Se. Majestät Kaiser 
Wilhelm II. er lebe hoch, hoch, hoch! 

Ebenso drängt es mich, hier noch des neuesten Ver- 
bündeten unserer beiden Monarchen in gleicher Weise 
zu gedenken und ich bitte Sie noch im Hinblicke auf 
die teure Waffenbrüderschaft, die uns und Deutsch- 
land mit dem Osmanenreiche verbindet, ebenso herz- 
haft in den Ruf einzustimmen, Se. Majestät Sultan 
Mohammed V. er lebe hoch, hoch hoch! 

Nach dieser spontanen Huldigung, welche in den 
Herzen der Anwesenden den freudigsten Widerhall 
auslöste, schloß der Vorsitzende die diesjährige Haupt- 
versammlung. 


Sitzung des Vereinsausschusses vom 10. Mai 1915, unmittelbar nach 
Stattfinden der Hauptversammlung. 
Vorsitzender: Präsident Generaldirektor ! wesenden Herren als Alterspräsidenten übergibt, meldet 


A. Cassinone. 

Der Vereinspräsident spricht zunächst im Namen 
des Präsidiums sowie im eigenen Namen den Herren 
Dr. Arnold Hildesheimer, Norbert Reichert 
und Adolf Igler den wärmsten Dank für ihre so 
ungemein anerkennenswerten Bemühungen bei der 
Führung und Überprüfung der Kassageschäfte aus. 

Bevor noch der Präsident zwecks Vornahme der 
Neuwahl des Präsidiums den Vorsitz an einen der an- 


sich Herr Reichsratsabgeordneter Max Friedmann 
zum Worte und beantragt die Wiederwahl des 
bisherigen Präsidiums per Akklamation. Dieser Antrag 
wird auch seitens der versammelten Ausschußmitglieder 
mit Beifall aufgenommen, worauf der Vorsitzende für 
das ihm und dem ganzen Präsidium bei dieser 
Gelegenheit dargebrachte Vertrauensvotum sowie für 
die durch die Wiederwahl bekundete Anerkennung 
wärmstens dankt. Die Sitzung wird hierauf geschlossen. 


Soeben erschienen: 


Motorenkunde für Flugtechniker. 


Unter diesem Titel ist im Verlage des k. k. Osterreichischen Flugtechnischen Vereines 
eine ungemein reichhaltige, popular-anschaulich geschriebene Schrift erschienen, die, 
durch zahlreiche Textfiguren und Abbildungen illustriert, den Bau, die Funktion und 


den Betrieb der heute üblichen Flugmotorensysteme erläutert und nebstbei wertvolle 
Ratschläge für alle in Betracht kommenden Reparaturen etc. enthält. Im Hinblicke 
auf das wirklich mit besonderer Sorgfalt zusammengetragene Material, das in seiner 
geschickten Zusammenstellung eine reichhaltige Fundgrube praktischen Wissens 
darstellt, kann dieses Werk, welches von Ing. Stephan Popper, einem auf diesem 
Gebiete besonders versierten Fachmanne, verfaßt ist, allen Interessenten nur auf 
das wärmste empfohlen werden. Als wichtiger Behelf zum Selbstunterrichte ist 
dieses Buch ganz besonders anzusehen. Zu beziehen gegen Voreinsendung des 
Betrages von K 3’— oder per Nachnahme durch die Kommissions-Buchhandlung 
Lehmann & Wentzel, Wien, I. Kärntnerstraße 30, oder durch das 
Sekretariat des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines, 
Wien, Il. Uraniastraße i, Uraniagebäude. 


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8 des unter dem Allerhöchsten Protektorate Seiner Majestät des Kaisers und Königs ; 
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K. K. ÖSTERREICHISCHEN FLUGTECHNISCHEN VEREINES. 


Nr. 11/12 Juni 1915 IX. Jahrgang 


Funktionäre des Vereines. 


Erster Ehrenpräsident: 
Se. Durchlaucht Fürst Hugo Dietrichstein zu Nikoisburg Graf Mensdorff-Poullly, k. u. k. Geheimer 
Rat, Generalmajor a. D. etc. : 
Ehrenpräsidenten: 


August Ritter v. Ritt, k.u.k. Geheimer Rat, Leopold Schleyer Edler von Pontemaighera, 
k.k. Minister a. D. etc. k. u. k. Feldzeugmeister und Sektionschef im k. u. k. Kriegs- 
ministerium. 
Präsident: 


Alexander Cassinone, Generaldirektor der Maschinenfabriks A.-G. Körting in Wien. 


Vizepräsidenten: 


Franz Hinterstoißer, k. u. k. Major, Vizepräsident des Dr. Konstantin Freiherr v. Economo, Präsident 
k. k. Österreichischen Aeroklubs. des k. k. Österreichischen Aeroklubs etc. 


Richard Knoller, Professor an der k. k. Technischen Hochschule Wien. 


Bibliothekare: Revident Georg Eckardt, Ing. Franz Wels. Kassier: Dr. Arnold Hildesheimer. 
Kassier-Stellvertreter: James Worms, Bankbeamter. 

AusschuBmitglileder: Altmann Josef, k. k. Baurat; Angeli Robert v., k. k. Rechnungsdirektor; Ascher Moritz, Dr.; Austerlitz 
Leopold, Dr., k. u. k. Oberst; Bechtel Friedrich, Redakteur; Bellak Paul, Prokurist; Beschorner Alexander, kaiserl. Rat; 
Booms Wilhelm, k. u. k. Hauptmann; Budau Artur, k. k. Hochschulprof.: Castiglioni Camillo. k. k. Kommerzialrat; Doblhoff 
Walter, Freih. v., Dr.-Ing.; DoleZal Eduard, k. k. Hofrat; Eckardt Georg, Revident; Ehrenfest-Egger Artur, k. k. Kommerzial- 
rat; Etrich Igo, Großindustrieller; Flesch Josef, kaiserl. Rat; Foregger Richard v., Dr.; Friedmann Max, Reichsrats- 
abgeordneter; Gerstner Ferd., k. k. Oberbaurat; Hofmann Raoul, Ing.; Hildesheimer Arnold, Dr.; Jung Franz, Dr., k. k 
Prof.; Kann Rudolf, techn. Beamter; Katzmayr Richard, Ing.; Kirsch B., k. k. Prof.; Kiticsan Koloman, k. u. k. Oberst- 
leutnant; Kolowrat-Krakovsky Alexander, Graf; Neumann Josef, k. u. k. Oberst d. R.; Nikel Hugo L., k. u. k. techn. 
Oberoffizial; Orel Eduard, Ritter v., k. u. k. Hauptmann; Orelli Hans Friedrich v., Schriftsteller; Petröczy Stephan v., 
k. u. k. Hauptmann; Pittner Hans, Schriftsteller; Pflanzer Rupert, k. k. Rechnungsrevident; Pfungen Otto, Baron; 
Porsche Ferd., Direktor: Rädy-Maller Maximilian, Direktor, Rebernigg Franz, Ing.; Riedmatten Roger de; Saltiel Wilh. v., 
k. k. Oberrevident: Schimek Rudolf, k. u. k. Major; Schmidl Ludwig, k. u. k. Rittmeister; Schmidt Leopold, Ing., Prof.; 
Schuster Anton. Revident; Stohanzl Karl, k. u. k. Hauptmann; Tauber Friedrich, k. u. k. Hauptmann; Tindl Karl, Ing.; 
Umlauff Hans Ritter v. Frankwell, k. u.k. Major; Uzelac Emil, k. u. k. Oberst; Warchalowski August, Direktor; Wechsler 
Norbert, Privatier; Wels Franz, Ing.; Worms James, Bankbeamter; Wurzel Georg Karl, Dr.; Zoller Johann, Ober-Ing. 

Im Sinne der 8$ 6 und 8 der Statuten wurden zu Mitgliedern des Ausschusses delegiert vom 

k. k. Handelsministerium: k. k. Baurat Josef Altmann; 


k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht: Ministerialrat Dr. Rudolf Ritter v. Pollak; als Vertreter der 
k. k. Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik: Direktor Prof. Wilh. Trabert; 


k. k. Ministerium für öffentliche Arbeiten: k. k. Oberbaurat Karl Goebl; 
k. u. k. Kriegsministerium: Emil Uzelac, k. u. k. Oberst; 
k. u. k. Kriegsministerium, Marine-Sektion: Wladimir Slawik, k. u. k. Linienschiffsleutnant. 


Im Sinne des $ 9 der Statuten: Georg Schicht. 
Im Sinne des § 11 derStatuten wurden von den Zweigvereinen (Landesdelegierten) in den Ausschuß kooptiert, und zwar vom: 


Flugtechnischen Verein in Mähren: Justin Robert, Großindustrieller. 
Fiugtechnischen Verein In Schlesien: Dr. Stephan Zwierzina, Troppau. 


Vereins-Sekretariat: k. u. k. Oberst d. R. Wilhelm Suchomel, Generalsekretär, i. V. Fritz Ellyson. 


Vereinslokalitäten, Sekretariat und Redaktion: Wien, I. Uraniastraße (Uraniagebäude), 3. Stock. Bureaustunden an Wochen- 
tagen von !9 bis 12 und 1½3 bis 6 Uhr. Telephon Nr. 13.34. Postsparkassenkonto 88.760. 


Das Lesezimmer und die Vereinsbibliothek stehen den Mitgliedern des Vereines an Wochentagen, und zwar am Montag 
Mittwoch und Samstag von 4 bis 6 Uhr zur Verfügung. 


AVISO. 
Von den Jahrgängen 1912, 1913 und 1914 der Vereinszeitschrift wird eine 


größere Zahl von Exemplaren, soweit der Vorrat reicht, um den ermäßigten Betrag 
von je K 2°— abgegeben. Bestellungen sind an das Vereinssekretariat zu richten. 


Die Redaktion der Österreichischen Flug-Zeitschrift. 


Der gegenwärtige Weltkrieg bat der Flugtechnik und Luftschiffabrt eine Reihe 
unvergänglicher Erfolge gebracht. Eine unmittelbare Folge davon ist die erfreuliche 
Tatsache, daß der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein, welcher an der Ent- 
wicklung unserer nationalen Flugtechnik großen Anteil genommen bat, seit Beginn 
des Krieges eine nambafte Anzabl von Beitritten aufzuweisen bat. Das Präsidium 
des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines will diese Gelegenheit gerne er: 
greifen, um nochmals an die verehrten Mitglieder und Kompatrioten den dringenden 
Appell zur Werbung neuer Mitglieder zu richten. 

Großes haben wir geleistet, noch größere Aufgaben harren unser! 


Neubeitritte seit März 1915. 


Gründer: Mahla Jakob, k. k. Kommerzialrat, Gablonz. 

Unterstützende Mitglieder; Eisenwerke A.-G. Rothau-Neudek, Wien; Kirste Leo E., Flugzeug- 
konstrukteur, Wien ; Kohn Julius, Großindustrieller, Wien ; Mauthner Isidor, Kommerzialrat, Wien. 

Ordentliche Mitglieder: Bartelmuß Karl Moritz, Ing., Bielitz ; Finzi Albert, Kaufmann, Wien; 
Hansel Anton, Prokurist, Wien; Kolin Julius, Ing., Galgocz ; Popper Eduard Hans, Ing., Wien; Porak Ernst, 
Fabriksbesitzer, Kienberg ; Ranzinger Vinzenz, kgl. ung. Bergrat, Wien; Seklehner Viktor, Mechaniker, Pola ; 
Wlach Hans, Krönau. 

* 5 * 


i Wir bitten, unsere Bestrebungen durch eifrige Werbung neuer Mitglieder freundlichst unterstützen zu 
wollen. 
Das Sekretariat des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines. 


Die P. T. Mitglieder werden ersucht, sich rege an der Werbung neuer Mitglieder 
zu beteiligen. 

Niemandem wird durch die Beitrittsaufforderung eine ernstliche Last zugemutet. 

Jeder, der beitritt (Damen und Herren, vom Stifter bis zum Teilnehmer), stärkt 
die Organisation des Vereines. Jeder Neueintretende ist gleichmäßig willkommen. 

Werbeschreiben steben über Anforderung zur Verfügung. Die Abbaltung von 
Propagandavorträgen zur Erweckung des Allgemeininteresses für die Entwicklung 
der Flugtechnik wird erbeten. 


Soeben erschienen: 


Motorenkunde für Flugtechniker. 


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geschickten Zusammenstellung eine reichhaltige Fundgrube praktischen Wissens 
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Betrages von K 3 — oder per Nachnahme durch die Kommissions-Buchhandlung 
Lehmann & Wentzel, Wien, I. Kärntnerstraße 30, oder durch das 
Sekretariat des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines, 
Wien, I. Uraniastraße i, Uraniagebäude. 


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FLUG-ZEITSCHRIFT 


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©) Erscheint am 10. und 25. eines jeden Monats. ©) 

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- Offizielle &% Mitteilungen 


des unter dem Allerhéchsten Protektorate Seiner Majestät des Kaisers und Königs 
stehenden 


K. K. ÖSTERREICHISCHEN FLUGTECHNISCHEN VEREINES. 


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Nr. 13/14 Juli 1915 


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Funktionäre des Vereines. 


Erster Ehrenpräsident: 


Se. Durchlaucht Fürst Hugo Dietrichstein zu Nikoisburg Graf Mensdorff-Pouiliy, k. u. k. Geheimer 
Rat, Generalmajor s. D. etc. 


Ehrenpräsidenten: 
August Ritter v. Ritt, k.u.k. Geheimer Rat, Leopold Schleyer Edier von Pontemalghera, 
k.k. Minister a. D. etc. k. u. k. Feldzeugmeister und Sektionschef im k. u. k. Kriegs- 
ministerium. 
Präsident: 


Alexander Cassinone, Generaldirektor der Maschinenfabriks A.-G. Körting in Wien. 


Vizepräsidenten: 
Franz Hinterstolßer, k. u. k. Major, Vizepräsident des Dr. Konstantin Freiherr v. Economo, Präsident 
k. k. Österreichischen Aeroklubs. des k. k. Österreichischen Aeroklubs etc. 
Richard Knoller, Professor an der k. k. Technischen Hochschule Wien. 


Bibliothekare: Revident Georg Eckardt, Ing. Franz Wels. Kassier: Dr. Arnold Hildesheimer. 
Kassier-Stellvertreter: James Worms, Bankbeamter. 


AusschuBmitgileder: Altmann Josef, k. k. Baurat: Angeli Robert v., k. k. Rechnungsdirektor; Ascher Moritz, Dr.; Austerlitz 
Leopold, Dr., k. u.k. Oberst; Bechtel Friedrich, Redakteur; Bellak Paul, Prokurist; Beschorner Alexander, kaiserl. Rat; 
Booms Wilhelm, k. u. k. Hauptmann; Budau Artur, k. k. Hochschulprof.; Castiglioni Camillo. k.k. Kommerzialrat; Doblhoff 
Walter, Freih. v., Dr.-Ing.; DoleZal Eduard, k. k. Hofrat ; Eckardt Georg, Revident; Ehrenfest-Egger Artur, k. k. Kommerzial- 
rat; Etrich Igo, Großindustrieller; Flesch Josef, kaiserl. Rat; Foregger Richard v., Dr.; edmann Max, Reichsrats- 
abgeordneter; Gerstner Ferd., k. k. Oberbaurat; Hofmann Raoul, Ing.; Hildesheimer Arnold, Dr.; Jung Franz, Dr., k. k. 
Prof.; Kann Rudolf, techn. Beamter ; Katzmayr Richard, Ing.; Kirsc B., k. k. Prof.; Kiticsän Koloman, k. u. k. Oberst- 
leutnant; Kolowrat-Krakovsky Alexander, Graf; Neumann Josef, k. u. k. Oberst d. R.; Nikel Hugo L., k. u. k. techn. 
Oberoffizial; Orel Eduard, Ritter v., k. u. k. Hauptmann; Orelli Hans Friedrich v., Schriftsteller; Petröczy Stephan v., 
k. u. k. Hauptmann; Pittner Hans, Schriftsteller; Pflanzer Rupert, k. k. Rechnungsrevident; Pfungen Otto, Baron; 
Porsche Ferd., Direktor; Rädy-Maller Maximilian, Direktor; Rebernigg Franz, Ing.; Riedmatten Roger de; Saltiel Wilh. v., 
k. k. Oberrevident: Schimek Rudolf, k. u. k. Major; Schmidl Ludwig, k. u. k. Rittmeister; Schmidt Leopold, Ing., Prof.; 
Schuster Anton, Revident; Stohanzl Karl, k. u. k. Hauptmann; Tauber Friedrich, k.u.k. Hauptmann; Tindl Karl, Ing.; 
Umlauff Hans Ritter v. Frankwell, k. u. k. Major; Uzelac Emil, k. u. k. Oberst; Warchalowski August, Direktor; Wechsler 
Norbert, Privatier; Wels Franz, Ing.; Worms James, Bankbeamter; Wurzel Georg Karl, Dr.; Zoller Johann, Ober-Ing. 


Im Sinne der §§ 6 und 8 der Statuten wurden zu Mitgliedern des Ausschusses delegiert vom 


k. k. Handeisministerium: k. k. Baurat Josef Altmann; 


k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht: Ministerialrat Dr. Rudolf Ritter v. Pollak; als Vertreter der 
k. k. Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik: Direktor Prof, Wilh. Trabert; 


k. k. Ministerium für öffentliche Arbeiten: k. k. Oberbaurat Karl Goebl; 
k. u. k. Kriegsministerium: Emil Uzelac, k. u. k. Oberst; . 
K. u. k. Kriegsministerium, Marine-Sektion: Wladimir Slawik, k. u. k. Linienschiffsleutnant. 


Im Sinne des § 9 der Statuten: Georg Schicht. 
Im Sinne des § 11 der Statuten wurden von den Zweigvereinen (Landesdelegierten) in den Ausschuß kooptiert, und zwar vom: 


Flugtechnischen Verein in Mähren : Justin Robert, Großindustrieller. 
Flugtechnischen Verein in Schlesien: Dr. Stephan Zwierzina, Troppau. 


Vereins-Sekretariat: k. u. k. Oberst d. R. Wilhelm Suchomel, Generalsekretär, i. V. Fritz Ellyson. 
Vereinsiokalitäten, Sekretariat und Redaktion: Wien, I. Uraniastraße (Uraniagebäude), 3. Stock. Bureaustunden an Wochen- 
tagen von 1/9 bis 12 und 1,3 bis 6 Uhr. Telephon Nr. 13.340. Postsparkassenkonto 88.760. 
Das Lesezimmer und die Vereinsbibliothek stehen den Mitgliedern des Vereines an Wochentagen, und zwar am Montag 
Mittwoch und Samstag von 4 bis 6 Uhr zur Verfügung. l 


Von den Jabrgängen 1912, 1913 und 1914 der Vereinszeitschrift wird eine 
größere Zahl von Exemplaren, soweit der Vorrat reicht, um den ermäßigten Betrag 
von je K 2'°— abgegeben. Bestellungen sind an das Vereinssekretariat zu richten. 


Die Redaktion der Österreichischen Flug-Zeitschrift. 


Der gegenwärtige Weltkrieg bat der Flugtechnik und Luftschiffabrt eine Reihe 
unvergänglicher Erfolge gebracht. Eine unmittelbare Folge davon ist die erfreuliche 
Tatsache, daß der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein, welcher an der Ent- 
wicklung unserer nationalen Flugtechnik großen Anteil genommen bat, seit Beginn 
des Krieges eine namhafte Anzabl von Beitritten aufzuweisen hat. Das Präsidium 
des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines will diese Gelegenbeit gerne er: 
greifen, um nochmals an die verebrten Mitglieder und Kompatrioten den dringenden 
Appell zur Werbung neuer Mitglieder zu richten. 

Großes haben wir geleistet, noch größere Aufgaben harren unser! 


Die P. T. Mitglieder werden ersucht, sich rege an der Werbung neuer Mitglieder 
zu beteiligen. 

Niemandem wird durch die Beitrittsaufforderung eine ernstliche Last zugemutet. 

Jeder, der beitritt (Damen und Herren, vom Stifter bis zum Teilnehmer), stärkt 
die Organisation des Vereines. Jeder Neueintretende ist gleichmäßig willkommen. 

Werbeschreiben steben über Anforderung zur Verfügung. Die Abhaltung von 
Propagandavorträgen zur Erweckung des Allgemeininteresses für die Entwicklung 
der Flugtechnik wird erbeten. 


Na On Oaa ANAONA Anana ANAONA OSANA NNOO anaa AOAN DO a aana anaana AAAA na IU titiſſſſſſſüſſſſſſſanſſſſſſiſſſſſſſſſſſſſſſſſſſſſſſſſſſſſaſſſſſſſſſantſpſſſiiſſpſppſiſſ 


Einbanddecken für die Österreichische Flug-Zeitschrift. 


Jm Sekretariate des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines, Wien, I. 
Aspernplatz (Uraniagebäude), sind, so lange der Vorrat noch reicht, mebrere Einband: 
decken zu den Jahrgängen 1911, 1912, 1913 und 1914 der Österreichischen Flug: 
Zeitschrift in eleganter schwarzer Leinenpressung mit Aufdruck in Goldlettern zum 
Preise von K 2°50 pro Stück erhältlich. Versand erfolgt gegen Voreinsendung oder 
Nachnahme des Betrages. 


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AVISO! 


An die P. T. Mitglieder des k. k. Österreichischen 
Flugtechnischen Vereines. 


Gelegentlich der Durchsicht unserer Bibliothek hat die Vereinsleitung festgestellt, 

daß zahlreiche Bücher seit längerer Zeit an die Mitglieder des k. k. Osterreichi- 

schen Flugtechnischen Vereines verliehen worden sind, ohne bisher rückgestellt zu 

werden. Die P. T. Vereinsmitglieder werden daher höflichst ersucht, die entliehenen 

Bücher ehebaldigst der Vereinsleitung rückzuerstatten. Bis zur beendeten Revision 
ist die Verleihung von Büchern aus der Bibliothek nicht möglich. 


Das Sekretariat des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines. 


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des unter dem Allerhöchsten Protektorate 


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FLUG-ZEITSCHRIFT 


Erscheint am 10. und 25. eines jeden Monats. 
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K. K. ÖSTERREICHISCHEN FLUGTECHNISCHEN VEREINES. 


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Mitteilungen 


Seiner Majestät des Kaisers und Königs 


Nr. 15/16 


August 1915 


IX. Jahrgang 


Auszugsweiser Bericht. 
Sitzung des Ausschusses des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines vom 24. Juli 1915. 


Vorsitzender: Präsident Generaldirektor 
A. Cassinone. 


Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung mit einer 
kurzen Einleitung, in welcher er mit Stolz der Tatsache 
gedenkt, daß neuerdings, das ist seit Abhaltung der 
letzten Ausschußsitzung, eine ganze Anzahl von Vereins- 
angehörigen sowie Fliegeroffizieren durch Allerhöchste 
Auszeichnungen dekoriert worden sei. So wurde in 
erster Linie unser verdienstvoller Ehrenpräsident, Seine 
Exzellenz Feldmarschalleutnant Leopold Schleyer 
Edler v. Pontemalghera, von Seiner Majestät 
zum Feldzeugmeister ernannt. Das Präsidium des 
k.k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines nahm 
diesen Anlaß wahr, um Seiner Exzellenz die herzlich- 
sten Glückwünsche des Vereines zu entbieten, worauf 
seitens Seiner Exzellenz ein überaus warmes Dank- 
schreiben, gerichtet an das Präsidium des k. k. Öster- 
reichischen Flugtechnischen Vereines, einlangte, dessen 
Wortiaut der Vorsitzende auch zur Verlesung brachte. 
Des weiteren wurden von Seiner Majestät unser 
Ausschußmitglied Oberst Emil Uzelac in Anerkennung 
verdienstvollen Wirkens als Kommandant der k. u. k. 
Luftschiffer-Abteilung sowie als Flieger vor dem Feinde 
zum Kommandanten der Luftfahrertruppen ernannt 
und überdies noch durch die Verleihung des Ritter- 
kreuzes des Leopold-Ordens ausgezeichnet. Auch an 
Herrn Oberst Uzelac erging seitens des Präsidiums 
eine in warmen Worten gehaltene Glückwunschadresse, 
die ebenso herzlich erwidert wurde. Unter den weiter- 
hin ausgezeichneten Mitgliedern des Vereinsausschusses 
befindet sich noch Herr kaiserl. Rat Josef Flesch, 
dem in Anerkennung seines hervorragenden Wirkens 
auf dem nördlichen Kriegsschauplatze von Seiner 
Majestät das Signum Laudis verliehen wurde. Ferner er- 
hielt Vereinsmitglied Hauptmann Friedrich Boemches 
das Militär-Verdienstkreuz mit der Kriegsdekoration. 
Von den Angehörigen unserer k. u. k. Luftschiffer- 
abteilung und Marinefliegersektion wurden aus- 
gezeichnet: 


mitdem SignumLaudis: 


Leutnant Felix Edler v. Czizek-Schmidaich, 

Oberleutnant Dr. Friedrich Ritter KraBl von 
Traissenegg, 

Leutnant Franz Freiherr Mayr v. Melnhof, 

Oberleutnant Dr. Alfred Rapaport Edler von 
Porada, 

Oberleutnant Dr. Johann Rosenberg, 

Fregattenleutnant Alfred Freiherr v. Minarelli- 
Fizgerald, 

Linienschiffsleutnant Hugo Ochermüller; 


mit dem Orden der Eisernen Krone 
mitder Kriegsdekoration: 


Linienschiffsieutnant Wenzel Woseczek, 
Linienschiffsleutnant Gustav Klasing, 
Oberstleutnant Heinrich Tenner; 


mitdem Militär-Verdienstkreuz mit 
der Kriegs dekoration: 


Fregattenleutnant Alois Kaindl, 
Fregattenleutnant Konstantin Maglic, 
Fregattenleutnant Bela v. Losonczy, 
Linienschiffsleutnant Franz Mikule cz k y, 
Fregattenleutnant Glauko Prebanda. 


Bei dieser Gelegenkeit bringt der Vorsitzende dem 
Ausschusse zur Kenntnis, daß auch sein Sohn Ernst 
Alexander, welcher bei eee e freiwillig in die 
deutsche Armee eintrat und im Mai bei einem Sturm 
auf Ypern durch Schuß verletzungen schwer verwundet 
wurde und sich nunmehr auf dem Wege der Besse- 
rung befindet, durch r Eisernen Kreuzes 
ausgezeichnet wurde. Diese Mitteilung wurde vom 
versammelten Ausschusse mit großer Befriedigung zur 
Kenntnis genommen und der Vorsitzende aufs herz- 
lichste beglückwünscht. 

Anschließend an die Mitteilung dieser Auszeich- 
nungen knüpft der Vereinspräsident die Betrachtung, 
daß sich in der Auszeichnung die ganz besondere 
Aktivität unserer Fliegeroffiziere widerspiegle, welche 
in letzter Zeit zu ganz hervorragenden Erfolgen 
geführt hat. Es sei aber aus all dem ersichtlich, 
daß wir den Vorsprung, den unsere Feinde auf 
dem Gebiete der Luftfahrt einzunehmen geglaubt 
hatten, nicht nur erreicht, sondern definitiv die Hege- 
monie auf dem Gebiete der modernen Luftstrategie 
errungen haben. In diesem Belange erscheint es an- 
gezeigt, die unvergänglichen Ruhmestaten unserer 
verbündeten Fliegerhelden in würdiger Form dauernd 
festzuhalten und sie der Nachwelt zu überliefern. 

Einen diesbezüglichen konkreten Vorschlag bringt 
der Vorsitzende hierauf zur Verlesung, in welchem 
der Antragsteller, Vereinsmitglied Herr Hauptmann 
V.J. Berger, ausführt, daß es nicht nur aus prak- 
tischen, sondern auch aus Gründen der Pietät, ferner 
auch im Interesse der Geschichte der Luftfahrt im 
Kriege angezeigt erschiene, daß der Flugtechnische 
Verein im Einvernehmen mit dem Kriegsministerium 
und der Marinesektion sich das erforderliche bildliche 
und textliche Material zur Herausgabe eines Werkes 
beschaffe, welches die Leistungen unserer Flieger im 
Kriege festhalten soll. Nach kurzer Diskussion wurde 
der Antrag des Herrn Hauptmann Berger vom 


II 


Ausschusse angenommen und das Sekretariat er- 
mächtigt, die erforderlichen Schritte zwecks Be- 
schaffung des genannten Materiales einzuleiten. 

Auf die weiteren Punkte der Tagesordnung über- 
pence bringt der Vorsitzende dem Ausschusse zur 

enntnis, daß es der Vereinsleitung trotz der größten 

materiellen und anderen Opfer gelungen sei, auch 
heuer ein Vereinsjahrbuch herauszugeben, welches, 
wie die Presse-Rezensionen bekunden, sowohl be- 
züglich seines Inhaltes als auch seiner Ausstattung 
seine Vorgänger nicht nur erreicht, sondern auch in 
manchem übertroffen hat. 

Der Ausschuß nimmt diese Mitteilungen mit Be- 
friedigung zur Kenntnis, bei welcher Gelegenheit dem 
Verfasser des Jahrbuches, Herrn Fritz Ellyson, 
gleichzeitig auch der Dank und die Anerkennung des 
Ausschusses ausgesprochen wird. 


Nachdem noch einige interne Angelegenheiten des 
Vereinsbetriebes zur Sprache und Diskussion gelangt 
waren, macht der Vorsitzende Mitteilung von der neuen 
Sammlung, welche dem Verein dank der opferwilligst 
fördernden Initiative des Ausschußmitgliedes Herrn 
Prokuristen Paul Bellak einverleibt werden konnte. 
Es ist dies das »Photographische Archi ve, 
welches eine Sammlung von über 1600 Photographien 
aus dem Gebiete der Luftschiffahrt und Flugtechnik 
umfaßt und welche durch Herrn Bellak in über- 
sichtlicher handlicher Form für die Vereinsmitglied- 
schaft etc. zusammengestellt und geordnet wurde. Die 


äußerst geschmackvolle und ungemein praktische Art, 
in welcher die einzelnen Bilder auf steifen Papp- 
kartons angeordnet wurden, sowie die ganze Anlage 
der Sammlung, welche dem Organisationstalente und 
den Bemühungen des Herrn Bellak zu verdanken 
ist, macht diese reichhaltige Sammlung neben unseren 
anderen zu einer der wertvollsten für die Mitglied- 
schaft und für weitere Interessentenkreise bestimmten 
Einrichtungen. 

Der Ausschuß nimmt diese Mitteilungen des Vor- 
sitzenden mit großer Befriedigung zur Kenntnis und 
ermächtigt ihn, den ganz besonderen Dank der Vereins- 
leitung Herrn Paul Bellak für seine so außer- 
ordentlich liebenswürdigen und uneigennützigen Be- 
mühungen auszusprechen. Gleichzeitig wird das 
Sekretariat angewiesen, das vom Herrn Bellak vor- 
gelegte Exposee, betreffend die Einrichtung und Ein- 
teilung des Photographischen Archivs, zu veröffent- 
ichen. 

Es gelangen hierauf noch einige der Vereins- 
leitung seitens des Herrn Ing. Adolf Steiner von 
Eltenberg sowie von Herrn Fritz Ellyson be- 
züglich Kriegsfürsorgeaktionen etc. vorgelegte Projekte 
zur ausführlichen Durchsprache, und wird das Sekre- 
tariat angewiesen, bezüglich der Weiterverfolgung 
derselben die nötigen Schritte einzuleiten. 

Zum Schlusse trägt der Vorsitzende dem Aus- 
schusse noch einige interne Vereinsangelegenheiten vor, 
worauf die Sitzung geschlossen wird. 


Photographisches Archiv des k. k. Österreichischen Flugtechnischen 
Vereines. 


Dank der opferfreudigen Initiative und der werk- 
tätigen Förderung seitens eines unserer verehrten 
Ausschußmitglieder ist nunmehr, wie bereits kurz be- 
richtet, die Vereinsleitung in die angenehme Lage 
versetzt worden, die der Benützung seitens der ge- 
schätzten Mitgliedschaft und auch weiterer Inter- 
essenten dienenden Sammlungen und Institutionen 
des Vereines um eine neue, nicht minder wertvolle 
zu bereichern, und damit neben einer auserlesenen 
Bibliothek und Lichtbildersammlung eine übersichtlich 
geordnete, ungemein reichhaltige Bildersammlung als 
Illustrationsmaterial zu der Geschichte der Luft- 
schiffahrt und Flugtechnik in Form des neuen »Photo- 
graphischen Archivs« der Mitgliedschaft und auch 
einer weiteren Interessentengemeinde zur Verfügung 
zu stellen. 

Indem die Vereinsleitung an dieser Stelle noch- 
mals ihren aufrichtigsten Dank dem ungenannt sein 
wollenden Spender ausdrückt, übergibt sie die nun- 
mehr fertiggestellte Sammlung ihrer Bestimmung, 
indem sie an die verehrliche Mitgliedschaft die höf- 
liche Einladung ergehen läßt, sich in Bedarfsfällen 
des im Bibliothekszimmer unserer Vereinslokalitäten, 
Wien, I., Aspernplatz, Uraniagebäude, untergebrachten 
Photographischen Archivs freundlichst bedienen zu 
wollen. 

Im nachstehenden sei nun kurz die Einrichtung 
der Sammlung erläutert, sowie die Einteilung und 
Bezeichnung der einzelnen Bilderkarten etc. erklärt. 


1. Verwendung. 


Das Photographische Archiv des k. k. Oster- 
reichischen Flugtechnischen Vereines dient wissen- 
schaftlichen, technischen und geschichtlichen Studien- 
zwecken. Ferner bietet es bildliche Beiträge für 
literarische Arbeiten, Hlustrationsmaterial für Zeit- 
schriften und Bücher. Die Blätter des Archivs können 
als Unterlagen zur Herstellung von Lichtbildern und 
als hervorragendes Anschauungsmaterial für Kurse 
verwendet werden. Außerdem werden sich noch 
weitere Anwendungsgebiete ergeben. 


2. Ausstattung der Archivblätter. 


Die Blätter des photographischen Archivs haben 
vollkommen einheitliches Format (Quartformat). Jedes 
Blatt befindet sich in einer Umhülle, um die Bilder 
zu Schonen. Die Photographien werden auf die 
Kartonblätter an den vier Ecken angeklebt. 


3. Einteilung der Archivblätter. 


Sämtliche Archivblätter sind in 13 Gruppen unter- 
gebracht, die nach Spezialgebieten benannt sind. Die 
Zugehörigkeit der Einzelblätter zu ihrer Fach- 
gruppe wird durch einen großen Buchstaben 
des Alphabets gekennzeichnet. 


Die Unterteilung der einzelnen Gruppen ist ver- 
schieden gehandhabt und geht von folgenden Ge- 
sichtspunkten aus: 


l. Gruppen, deren Blätter zwar ein bestimmtes 
Gesamtgebiet umfassen, jedoch noch in Unter- 
abteilungen gebracht werden müssen, werden 
außerdem durch eine Zahl bezeichnet, die sich neben 
dem Großbuchstaben befindet. 


II. Gruppen, deren Blätter ein einheitliches Ge- 
biet umfassen, werden alphabetisch geordnet. Dies 
geschieht nach den Anfangsbuchstaben des 
Stichwortes der kurzen Titelbeschreibung, die 
jedes Bild trägt. Die Blätter dieser Gruppen werden 
dadurch kenntlich gemacht, daß der Anfangsbuch- 
stabe des Stichwortes mit roter Tinte unter- 
schrieben ist; außerdem ist der Anfangsbuchstabe 
in roter Schrift und kleinen Lettern neben dem 
Großbuchstaben der Gruppenbezeichnung gesetzt. 


III. Gruppen, deren Blätter in wenige, jedoch 
große Unterabteilungen geteilt werden müssen, er— 
halten als Kenntlichmachung eine Kombination der 
angeführten Erkennungszeichen, indem 1. die Unter- 
a bteilungen durch Zahlen nach I kenntlich ge- 
macht werden und außerdem die Unterabteilungen 
nach II durch rote Striche und kleine Buch- 
staben näher angegeben werden. 


III 


Praktische Durchführung dieser Einteilung. 
An Hand nachstehenden Beispieles sei die praktische Durchführung der Beschreibung erläutert: 


les eines Preiballons im Felde 
aittelst Masserstalfgesflaschen. 


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Fachgruppe A, Fach 


Unterabteilung 1. 


Das Archiv wird nach Art einer Vertikalregistratur 
untergebracht; die Gruppen werden durch Holzwände 
1 die Unterabteilungen und alphabetischen 

nerie ngen durch Kartonblätter, welche aus der 
Reihe der Archivblatter herausragen und zur schnellen 
Auffindung der verlangten Blätter deren jeweilige 
Erkennungsbezeichnungen tragen. 


Gruppeneinteilung des Archivs. 
A) Freiballons: 
1. Freiballonfüllung. 
2. Freiballon beim Aufstieg. 
3. Freiballon im Fluge. 
4. Freiballonbestandteile. 
5. Freiballonflugveranstaltungen. 
6. Verschiedenes. 
B) Fesselballons: 
1. Herstellung und Aufbewahrung von Wasser- 
stoffgas. 
2. Militärische Fesselballonabteilungen. 
3. Fesselballon im Dienst. 
4. Verschiedenes. 
C) Lenkballons: 
Alphabetisch geordnet. 
D) Eindecker: 
Alphabetisch geordnet. 
E) Doppeldecker: 
Alphabetisch geordnet. 
F) Sonstige Aeroplankonstruktionen: 
Alphabetisch geordnet. 
G) Wasserflugzeuge: 
Alphabetisch geordnet. 


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alphabetische Unterabteilung a. 


pe D, Fachgruppe N, Unterabteilung l, 


alphabetische Unterabteilung e. 


H) Motoren: 
Alphabetisch geordnet. 


I) Sonstige Flugzeugkonstruktionen: 
1. Schraubenflugzeuge. 
2. Schwingenflieger. 
3. Kombinierte Systeme. 
4. Sonstige Konstruktionen. 


K) Motorlose Drachenflieger, Drachen, Fall- 
schirme: 
1. Motorlose Drachenflieger und Gleitflieger. 
2. Drachen. 
3. Fallschirme. 


L) Aufnahmen aus der Vogelschau: 
Alphabetisch geordnet. 


M) Verschiedenes: 

1. Flugveranstaltungen. 

2. Ausstellungen. 

3. Flugplätze. 
4. Ballonhallen und paneer’ . 
5. Flugzeugfabriken und Werkstätten. 
6. Aeroplantransporte. 
7 
8 
9 


. Flugzeugbestandteile und Hilfsapparate. 
. Militärische Luftfahrt. 
. Flugwissenschaft und Versuchswesen. 
10. Kunstwerke und Denkmäler. 
11. Unfälle. 
12. Verschiedenes. 
N) Porträts: 
1. Einzelporträts (alphabetisch geordnet). 
2. Gruppenbilder (alphabetisch geordnet). 


Gesellschaft m. b. H. 


Wien, XIX. Muthgasse 36/38 


Telegramme: AVIATIK, WIEN 
Telephon: D. 98 und D. G. II/417 


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Iiotor-Luitfalrzeng-Weselstalt | 


Wien I. 


Herausgegeben vom: »K. k. Österreichischen Fiugtechnischen Verein«. — Verantw. Red.: in Vertretung Fritz Eliyson. 
Druck von Otto MaaB’ Söhne, Wien L 


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©) Erscheint am 10. und 25. eines jeden Monats. © 
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K. K. ÖSTERREICHISCHEN FLUG TECHNISCHEN VEREINES. 


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September 1915 IX. Jahrgang 


Personalnachricht. 


Dem k. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein gereicht es zur besonderen 
Freude, zwei seiner verehrten Herren Vize-Präsidenten zur wohlverdienten Aller- 
höchsten Beförderung, resp. Auszeichnung berzlichst beglückwünschen zu können. 

Major Franz Hinterstoißer wurde, wie wir dem letzterschienenen Ver- 
ordnungsblatt entnehmen, zum Oberstleutnant befördert. Oberstleutnant Hinter- 
stoißer, der seit der Gründung der Militär-aeronautischen Anstalt derselben zuerst 
als Lehrer, dann durch viele Jahre als Kommandant angehörte, darf mit Recht sich 
den Namen eines Pioniers der Luftschiffabrt beilegen. Als besonders wohlwollender 
Förderer hat sich Oberstleutnant Hinterstoißer stets dem Flugtechnischen Verein 
erwiesen, den er dank seiner bervorragenden Kenntnisse und seines reichen 
Wissens durch interessante Vorträge und Publikationen in der »Österreichischen 
Flug-Zeitschrift« tatkräftigst unterstützte. Die Beförderung Oberstleutnant Hinter- 
stoißers, der sich wegen seiner ausgezeichneten Eigenschaften überall der größten 
Beliebtheit erfreut, wird in allen Luftschifferkreisen die lebhafteste Befriedigung 
auslösen. 

Prof. Rich ard Knoller wurde in Anerkennung seiner erfolgreichen Tätigkeit 
auf dem militar-aviatischem Gebiete durch Verleihung des Ordens der Eisernen 
Krone III. Klasse ausgezeichnet. Prof. Richard Knoller hat als Lehrer der Flugtechnik 
und des Kraftfabrwesens, sowie als Leiter der Flugtechnischen Versuchsanstalt an 
der Wiener Technischen Hochschule eine verdienstvolle Tätigkeit entfaltet. Auch 
hat der Genannte Arbeiten von grundlegendem Werte geschaffen und sich auch auf 
konstruktivem Gebiete in bervorragender Weise verdient gemacht. Wir geben an- 
laBlich dieser besonderen Auszeichnung der Hoffnung Ausdruck, daß auch ferner- 
bin das erfolgreiche Wirken Prof. Knollers die verdiente Anerkennung finden möge. 


AVISO. 


Von den Jabrgängen 1912, 1913 und 1914 der Vereinszeitschrift wird eine 
größere Zabl von Exemplaren, soweit der Vorrat reicht, um den ermäßigten Betrag 
von je K 2°— abgegeben. Bestellungen sind an das Vereinssekretariat zu richten. 


Die Redaktion der Österreichischen Flug-Zeitschrift. 


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Neubeitritte seit Juli 1915. 


Gründer: Pfeifer Kalman, Baron, Gutsbesitzer, Edlach bei Reichenau. 

Ordentliche Mitglieder: Gligorin Karl, Neunkirchen; Kletecka Franz, Wien; Luft-Verkehrs- 
Gesellschaft, Berlin-Johannisthal; Nowotny Leopold, Wien; Plachy Alois, Wien; Popper von Podhragy 
Fritz, Baron, Wien; Pramhas Alois, Kapfenberg ; Urban, Dr. Karl, Prag; Wohlschlager Jakob, Architekt, Wien. 

Teilnehmer: Styrcea Alexander, Baron, Großgrundbesitzer, Wien. 


+ + 
+ 


Wir bitten, unsere Bestrebungen durch eifrige Werbung neuer Mitglieder freundlichst unterstützen zu 
wollen. 
Das Sekretariat des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines. 


Der gegenwärtige Weltkrieg bat der Flugtechnik und Luftschiffabrt eine Reibe 
unvergänglicher Erfolge gebracht. Eine unmittelbare Folge davon ist die erfreuliche 
Tatsache, daß der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein, welcher an der Ent- 
wicklung unserer nationalen Flugtechnik großen Anteil genommen bat, seit Beginn 
des Krieges eine namhafte Anzabl von Beitritten aufzuweisen hat. Das Präsidium 
des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines will diese Gelegenheit gerne er- 
greifen, um nochmals an die verehrten Mitglieder und Kompatrioten den dringenden 
Appell zur Werbung neuer Mitglieder zu richten. 

Großes haben wir geleistet, noch größere Aufgaben harren unser! 


Die P. T. Mitglieder werden ersucht, sich rege an der Werbung neuer Mitglieder 
zu beteiligen. | 

Niemandem wird durch die Beitrittsaufforderung eine ernstliche Last zugemutet. 

Jeder, der beitritt (Damen und Herren, vom Stifter bis zum Teilnebmer), stärkt 
die Organisation des Vereines. Jeder Neueintretende ist gleichmäßig willkommen. 

Werbeschreiben steben über Anforderung zur Verfügung. Die Abbaltung von 
Propagandavorträgen zur Erweckung des Allgemeininteresses für die Entwicklung 
der Flugtechnik wird erbeten. 


Soeben erschienen: 


Motorenkunde für Flugtechniker. 


Unter diesem Titel ist im Verlage des k. k. Osterreichischen Flugtechnischen Vereines 
eine ungemein reichhaltige, populär-anschaulich geschriebene Schrift erschienen, die, 
durch zahlreiche Textfiguren und Abbildungen illustriert, den Bau, die Funktion und 


den Betrieb der heute üblichen Flugmotorensysteme erläutert und nebstbei wertvolle 
Ratschläge für alle in Betracht kommenden Reparaturen etc. enthält. Im Hinblicke 
auf das wirklich mit besonderer Sorgfalt zusammengetragene Material, das in seiner 
geschickten Zusammenstellung eine reichhaltige Fundgrube praktischen Wissens 
darstellt, kann dieses Werk, welches von Ing. Stephan Popper, einem auf diesem 
Gebiete besonders versierten Fachmanne, verfaßt ist, allen Interessenten nur auf 
das wärmste empfohlen werden. Als wichtiger Behelf zum Selbstunterrichte ist 
dieses Buch ganz besonders anzusehen. Zu beziehen gegen Voreinsendung des 
Betrages von K 3°— oder per Nachnahme durch die Kommissions-Buchhandlung 
Lehmann & Wentzel, Wien, I. Kärntnerstraße 30, oder durch das 
Sekretariat desk.k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines, 
Wien, Il. Uraniastraße i, Uraniagebäude. 


FLUG-ZEITSCHRIFT 


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Erscheint am 10. und 25. eines jeden Monats. 
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Nr. 19,20 | Oktober 1915 IX. Jahrgang 


Kreß-Denkmal in Tullnerbach. 


Aus den Kreisen unserer Mitglieder sind uns in der letzten Zeit Mitteilungen 
zugekommen, welche uns darauf aufmerksam machten, daß die Pflege des Kreß- 
Denkmals am Tullnerbach zu wünschen übrig lasse. Das Präsidium hat sich dem- 
zufolge veranlaßt gesehen, in dieser Angelegenheit Schritte zu unternehmen, und 
ist nun in der angenehmen Lage, den P. T. Mitgliedern im nachfolgenden ein Schreiben 
des Bürgermeisteramtes in Tullnerbach zur Kenntnis zu bringen, und begt die 
sichere Überzeugung, daß dessen Inhalt von unseren Vereinsmitgliedern mit Be- 


friedigung aufgenommen wird. —— 
Das Präsidium. 


Z. 549/3. Bürgermeisteramt Tullnerbach, am 21. Oktober 1915. 
Kreß-Denkmalausgestaltung. 
An das 
Präsidium des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines 


in Wien. 
1 25 In höflicher Beantwortung Ihrer geschätzten Zuschrift vom 20. Oktober 1915 beehre ich mich folgendes 
mitzuteilen: 

Die Gemeinde vertretung von Tullnerbach hat in ihrer Sitzung am 8. Juli 1915 die Ausgestaltung des 
Kreß-Denkmals mit einem Kostenaufwande von K 300°— einstimmig genehmigt. — Da die Gemeinde Tullner- 
bach zur Durchführung ihres Projektes ein weiteres Stück Grund von ungefähr 110 m? benötigt, mußte sie 
sich an die Betriebsdirektion der Wientalwasserleitung wenden, welche uns auch diesen Grund unter den 
gleichen Bedingungen wie dem k. k. Österreichischen Flugtechnischen Verein (provisorisch bis auf weiteres) 
zur Verfügung gestellt hat. 

ie erforderlichen Erhebungen, der große Mangel an Fuhrwerk und geeigneten Arbeitskräften ge- 
statteten bedauerlicherweise die Ausführung des gut durchdachten Projektes nicht mehr, weshalb diese An- 
gelegenheit auf das Frühjahr 1916 verschoben werden mußte. 

Die hiezu erforderlichen Erdarbeiten werden noch im Laufe dieses Jahres besorgt werden, damit 
dann im Frühjahr 1916 der Ausgestaltung kein Hindernis mehr entgegensteht. l 

Indem ich das P. T. Präsidium bitte, hievon Kenntnis zu nehmen, und auch die P. T. Herren Vereins- 
mitglieder verständigen zu wollen, zeichne ich in 


vorzüglicher Hochachtung K. Bohdal m. p 


Bürgermeister. 


An unsere Mitglieder! 


Mit dem Ersten dieses Monats bat Herr Fritz Ellyson die Redaktion der »Öster- 
reichischen Flug-Zeitschrift« niedergelegt, da sich ihm Gelegenheit bot, in München 
in einer flugtechnischen Fabrik eine seinen Neigungen besser zusagende Stellung zu 
erlangen. Die Leitung der Redaktion liegt derzeit in Händen des unterzeichneten 
Chefredakteurs, und beabsichtigt das Präsidium des Vereines, den Redaktionsposten 
vorläufig nicht zu besetzen. Bei dieser Gelegenheit gestattet sich der Unterzeichnete, 
an die geschätzten Vereinsmitglieder und Herren Mitarbeiter der Zeitschrift mit der 


II 


Bitte heranzutreten, die Zeitschrift durch Beiträge zu unterstützen, wobei namentlich 
aktuelle Berichte über Episoden aus dem Flugzeugkrieg sehr erwünscht wären. 

In der sicheren Erwartung, mit diesen Zeilen keine Fehlbitte zu tun, und mit 
dem Wunsche, daß es dem eingangs erwähnten, verdienstvollen Exredakteur unserer 
Zeitschrift recht bald gelingen möge, auf dem harten Felde der Praxis Erfolge zu 
erringen, die schwerer wiegen als jene auf dem Gebiete der Feder, zeichnet 


der Chefredakteur: 
Arthur Budau 


Maschinen-Ingenieur, o. 8. Professor an der k. k. Technischen Hoch- 
schule in Wien, Ritter des Ordens der Eisernen Krone III. Klasse. 


Personalnachricht. 


Herr Oberst Wilhelm Suchomel, derzeit beim 7. Armee-Etappenkommando, 
früher Kommandant der 54. Feldartillerie-Brigade, erhielt für seine Verdienste vor 
dem Feinde das Militär-Verdienstkreuz IJI. Klasse mit der Kriegsdekoration. 

Diese Auszeichnung unseres Generalsekretärs wird gewiß in den Kreisen 
unserer Mitglieder freudigen Widerhall auslösen, und wir gestatten uns, im Namen des 
Präsidiums, des Ausschusses und der Redaktion Herrn Oberst Wilbelm Suchomel 
zu dieser Ehrung zu beglückwünschen. 


Der gegenwärtige Weltkrieg bat der Flugtechnik und Luftschiffahrt eine Reibe 
unvergänglicher Erfolge gebracht. Eine unmittelbare Folge davon ist die erfreuliche 
Tatsache, daß der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein, welcher an der Ent- 
wicklung unserer nationalen Flugtechnik großen Anteil genommen hat, seit Beginn 
des Krieges eine nambafte Anzahl von Beitritten aufzuweisen hat. Das Präsidium 
des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines will diese Gelegenbeit gerne er- 
greifen, um nochmals an die verehrten Mitglieder und Kompatrioten den dringenden 
Appell zur Werbung neuer Mitglieder zu richten. 

Großes haben wir geleistet, noch größere Aufgaben harren unser! 


Die P. T. Mitglieder werden ersucht, sich rege an der Werbung neuer Mitglieder 
zu beteiligen. | 

Niemandem wird durch die Beitrittsaufforderung eine ernstliche Last zugemutet. 

Jeder, der beitritt (Damen und Herren, vom Stifter bis zum Teilnehmer), stärkt 
die Organisation des Vereines. Jeder Neueintretende ist gleichmäßig willkommen. 

Werbeschreiben stehen über Anforderung zur Verfügung. Die Abhaltung von 
Propagandavorträgen zur Erweckung des Allgemeininteresses für die Entwicklung 
der Flugtechnik wird erbeten. 


AVISO. 
Von den Jahrgängen 1912, 1913 und 1914 der Vereinszeitschrift wird eine 


größere Zahl von Exemplaren, soweit der Vorrat reicht, um den ermäßigten Betrag 
von je K 2°— abgegeben. Bestellungen sind an das Vereinssekretariat zu richten. 


Die Redaktion der Österreichischen Flug-Zeitschrift. 


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k. k. handels- und landesgerichtlich beeideter Schätzmeister 
empfiehlt sein reichhaltiges Lager für Sportgeschenke. 
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des unter dem Allerhöchsten Protcktorate Seiner Majestät des Kaisers und Königs 
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K. K. ÖSTERREICHISCHEN FLUGTECHNISCHEN VEREINES, 


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November 1915 IX. Jahrgang 


An unsere Mitglieder! | 


Die außerordentlichen welthistorischen Ereignisse, die sich in rascher Auf: 
einanderfolge vor uns abspielen, sind auch auf unser Vereinsleben nicht obne Wirkung 
geblieben. Die wissenschaftlichen und sportlichen Bestrebungen des Vereines, die sich 
in Vorträgen, Konkurrenzen und sonstigen Veranstaltungen äußerten, haben infolge 
der jetzt dem Vaterlande gewidmeten Tätigkeit der Mehrheit unserer Mitglieder so 
gut wie aufgebört, so daß lediglich in unserer Zeitschrift die Vereinstätigkeit noch 
zum Ausdruck gelangt. 

Es wäre aber doch möglich, daß in den Kreisen der Mitglieder, und namentlich 
der Ausschbußmitglieder unseres Vereines, manche Anregungen auftauchen, die auf 
unser Vereinsleben von belebendem Einfluß sein könnten. Das unterzeichnete 
Präsidium bittet, ibm daher Anregungen nicht vorzuenthalten, und wird es sich sebr 
angelegen sein lassen, dieselben, wenn sie mündlich oder schriftlich vorgebracht 
werden, zu prüfen, und wenn gut befunden, ins Leben treten zu lassen. | 

An die Herren Mitglieder, insbesondere des Ausschusses, ergeht sonach 
hiermit die Bitte, solche Anregungen nicht unbeachtet zu lassen, und das unter- 
zeichnete Präsidium erklärt sich bereit, jederzeit eine Ausschußsitzung einzuberufen, 
wenn drei Herren Mitglieder des Ausschusses eine solche zur Besprechung vor- 
liegender Anregungen wünschen. 

Hat der Verein bisher trotz der ungünstigen Verhältnisse Zeugnis seiner 
Lebenskraft gegeben, so wird derselbe im Bewußtsein der großen Dienste, den seine 
verflossene Tätigkeit für die Entwicklung der Flugtechnik in Österreich unbestritten 
hatte, gewiß auch weiterhin auf die tatkräftige Unterstützung seiner Mitglieder, 
namentlich der Ausschußmitglieder, zählen dürfen. 


Eine Revision der Vereinsbibliothek hat gezeigt, daß derselben eine größere 
Anzahl von Bänden seit längerer Zeit fehlen und sich als entliehen in den Händen 
von Vereinsmitgliedern befinden. Wenn es auch einerseits erfreulich ist, daß unsere 
Bücherei, die wohl eine der vollständigsten der flugtechnischen Literatur ist und als 
solche einen Stolz unseres Vereines bildet, seitens der Mitglieder so rege in An- 
spruch genommen wird, so wäre doch zu wünschen, daß die Biicherentlebnungen 
nicht über ein ungebührliches Zeitmaß ausgedehnt werden, damit selbe allen Mit- 
gliedern gleichmäßig von Nutzen sein können. 

Das unterzeichnete Präsidium bittet daber jene Herren Vereinsmitglieder, 
welche Bücher aus unserer Vereinsbibliothek entliehen haben und welche derselben 
nicht mebr dringend benötigen, dieselben der Geschäftsstelle des Vereines zurück- 
stellen zu wollen. 

Gleichzeitig ergeht an sämtliche Vereinsmitglieder, welche mit ihrem Mitglieds- 
beitrag noch im Rückstand sind, die ſreundliche Bitte, den letztgenannten nach 
Möglichkeit, entweder im ganzen oder zumindest in einer Abschlagszahlung, noch 
im Monat Dezember der Geschäftsstelle des Vereines zumitteln zu wollen, damit 
über die Auflage der Zeitschrift für das nächste Jabr rechtzeitig ein guter Überblick 
erlangt werden könne. Das Präsidium. 


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Der gegenwärtige Weltkrieg hat der Flugtechnik und Luftschiffabrt eine Reihe 
unvergänglicher Erfolge gebracht. Eine unmittelbare Folge davon ist die erfreuliche 
Tatsache, daß der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein, welcher an der Ent: 
wicklung unserer nationalen Flugtechnik großen Anteil genommen bat, seit Beginn 
des Krieges eine namhafte Anzahl von Beitritten aufzuweisen hat. Das Präsidium 
des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines will diese Gelegenbeit gerne er- 
greifen, um nochmals an die verehrten Mitglieder und R den dringenden 


Appell zur Werbung neuer Mitglieder zu richten. 
Großes haben wir geleistet, noch größere Aufgaben harren unser! 


Die P. T. Mitglieder werden ersucht, sich rege an der Werbung neuer Mitglieder 


zu beteiligen. 


Niemandem wird durch die Beitrittsaufforderung eine ernstliche Last zugemutet. 
Jeder, der beitritt Damen und Herren, vom Stifter bis zum Teilnehmer), stärkt 
die Organisation des Vereines. Jeder Neueintretende ist gleichmäßig willkommen. 
Werbeschreiben stehen über Anforderung zur Verfügung. Die Hbhaltung von 
Propagandavorträgen zur Erweckung des Hllgemeininteresses für die Entwicklung 


der Flugtechnik wird erbeten. 


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AVISO. 


Von den Jahrgängen 1910, 1912, 1913 und 1914 der Vereinszeitschrift wird eine 
größere Zahl von Exemplaren, soweit der Vorrat reicht, um den ermäßigten Betrag 
von je K 2°— abgegeben. Bestellungen sind an das Vereinssekretariat zu richten. 


Die Redaktion der Österreichischen Flug-Zeitschrift. 


Aus anderen Vereinen. 
Mitteilungen des k. k. Österreichischen Aero-Clubs vom 5. November 1915. 


Es wurden nachfolgenden Herren des Österr. Aero- 
Clubs Allerhöchste Auszeichnungen verliehen: 


Dem Ehren-Präsidenten, Durchlaucht Max Egon Fürst 
zu Fürstenberg, k. u. k. Oberstleutnant, das 
Offizierskreuz des bayerischen Militärverdienst- 
ordens mit Schwertern; 

den Mitgliedern: Ferdinand Deutel moser, k. u. k. 
Major, das Eiserne Kreuz; 

Wilhelm Friedmann, k. u. k. Oberleutnant, das 
Eiserne Kreuz; 

Rudolf Ritter v. Wiener-We lten, k. u. k. Ordon- 
nanz-Offizier, das Eiserne Kreuz; 

Johann v. Kenyeres, k. u. k. Oberleutnant, neuerlich 
die Allerhöchste belobende Anerkennung; 

Camillo Moraitini, k. k. Landsturmleutnant, die 
Allerhöchste belobende Anerkennung; 

dem Sportkommissär Friedrich Boemches, k. u. k. 
Hauptmann, das Eiserne Kreuz; 

dem Flieger Rudolf Stanger, k. k. Leutnant, das 
Eiserne Kreuz. 

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Unserem Klub wurde wieder ein treues Mitglied 
durch den Tod entrissen. Herr Géza Baron Gutmann- 

Gelse, k. u. k. Husarenleutnant, fand den Heldentod 

für Kaiser und Reich. Der Verstorbene besaß für sein 

mutiges und tapferes Verhalten vor dem Feinde das 

Signum laudis am Bande der Tapferkeitsmedaille und 

das Militär-Verdienstkreuz mit der Kriegsdekoration. 


Der k. k. Österreichische Aero-Club wird seinem 
auf dem Felde der Ehre gefallenen Mitglied stets ein 
treues, ehrendes Angedenken bewahren und dessen 
Namen in der Tafel der gefallenen Heiden des Aero- 
Clubs verewigen. 

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Einen schweren Verlust hat das Flugwesen durch 
den Tod eines seiner e Flieger, des Chefpiloten 
der Hansa-Brandenburger Flugzeugwerke in Briest bei 
Brandenburg, Franz Reiterer, erlitten, der infolge 
eines Sturzes gemeinsam mit seinem Begleiter, Haupt- 
mann Bela Mogan, tödlich verunglückte. 

Franz Reiterer nat, wie wir in der letzten Nummer 
unserer „Mitteilungen berichteten, im September 
dieses jahres drei neue Höhenweltrekorde geschaffen, 
und zwar am 21. September die Höhenweltrekorde 
mit 5500 m mit drei Begleitern und 5C00 m mit vier 
Begleitern; am 29. September mit 1957 m mit zwei 
Begleitern. Reiterer, ein gebürtiger Osterreicher, hat 
viele bedeutende Flugleistungen vollführt und dureh 
die Aufstellung der drei Weltrekorde, wozu er einen 
Doppeldecker mit 160 PS Mercedes-Motor benützte, 
ganz Hervorragendes geleistet. 

Mit größter Betrübnis beklagt der Aero-Club den 
Verlust seines Flugzeugführers, den der Tod mitten 
in seinem besten Schaffen so jäh dahinraffte, und 
wird sein Name in der Geschichte des Aero-Clubs 
stets ehrenvoll in Erinnerung bleiben. 


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K. K. OSTERREICHISCHEN FLUG TECHNISCHEN VEREINES. 


Nr. 23/24 Dezember 1915 IX. Jahrgang 


Professor Ingenieur Arthur Budau. 
Zum 60. Geburtstage. 


Der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein 
wünscht Herrn Professor Ingenieur Arthur 
Budau im Namen seines Ausschusses und aller 
Mitglieder von Herzen Glück und Gottes Segen 
zum 4. Jänner 1916, dem hohen Geburtsfeste. 

Die Jahre fliehen pfeilgeschwind. 1907, als 
der alte Wiener Flugtechnische Verein unter dem 
Motto »Viribus unitise sich mit dem Verein 
»Flugmaschine« zur gemeinsamen Arbeit verband, 
lernten wir engeren Fachleute von damals Herrn 
Professor Budau kennen, und hatten. das Glück, 
mit dem so sympathischen Hochschulprofessor zu 
unterhandeln. Schon um diese Zeit war Budau 
bestrebt, immer dort zu sein, wo das Recht war, 
und er hat es immer verstanden, wenn die Wogen 
der Wechselrede noch so hoch giengen, durch 
wohlwollende Ruhe den Frieden zu suchen und 
zu finden. 

Schon im nächsten Jahre war es uns Flug- 
technikern und den k. u. k. Luftschiffer-Offizieren 
vergönnt, uns um die Lehrkanzel Budaus zu 
scharen und seinen Vorträgen über Flugtechnik 
zu lauschen. Er war also der erste, welcher dieses 
Fach auf der Hochschule einführte und nicht un- 
wesentlichen Anteil daran hatte, daß schon im 
Jahre 1910 eine eigene Lehrkanzel für Luftfahrt 
und Kraftfahrwesen errichtet wurde, auf die dann 
der bekannte und verdienstvolle Professor Richard 
Knoller berufen wurde. 

Folgen wir im Nachstehenden dem Lebenslauf 
unseres werktätigen Vorstandes und so umsichtigen 
Chefredakteurs der Vereinszeitschrift. Die Skizze ver- 
danken wir dem langjährigen Assistenten des Herrn 
Professors Budau, Herrn Ingenieur Karl Tindl. 

»Professor Arthur Budau wurde am 
4. Jänner 1856 in Podgörze bei Krakau als Sohn des 
Oberingenieurs Josef Budau geboren, der damals 
beim Bahnbau in Galizien beschäftigt war. Das Unter- 
gymnasium besuchte Budau in Görz, das Obergymnasium 
am Theresianum in Wien. Schon früh hatte er eine große 


Vorliebe für technische Dinge und eine durch manuelle 
Geschicklichkeit geförderte Beschäftieung mit den ver- 


schiedensten physikalischen Apparaten und Mechanismen 
ließ den Entschluß in ihm reifen, sich nach dem 
Gymnasium dem Studium des Maschinenbaues zu 
widmen. 

Er besuchte dann die Technische Hochschule in 
Wien, die er im Jahre 1879 absolvierte. Hierauf wandte 
sich Budau sofort der praktischen Ingenieurtätigkeit zu. 
Seine ersten Anstellungen nahm er in Maschinenfabriken, 
Eisengießereien und Eisenwerken; war als Hütten- 
ingenieur, dann als Konstrukteur und Betriebsingenieur 
im Bau von Transmissionen, Kranen und asser- 
turbinen tätig. 

So führten ihn seine Lehr- und Wanderjahre in 
die verschiedenartigsten Betriebe, ließen ihn verschiedene 
Länder und Menschen kennen lernen und verhalfen ihm 
zur Sammlung jenes reichen Schatzes an Erfahrungen, 
von dem er später so wertvollen Gebrauch machen 
konnte. Namentlich als Ingenieur der Maschinenfabrik 
von Tamagno und Musso in Biella in Oberitalien hatte 
Budau Gelegenheit, auf dem Gebiete der Wasserkraft- 
maschinen mit Erfolg tätig zu sein; war ja gerade 
damals die Ausnützung der Wasserkräfte in Oberitalien 
sehr energisch in Angriff genommen worden. Seine 
Tätigkeit in Italien brachte Ing. Budau auch mit dem 
später so berühmt gewordenen italienischen Flugtechniker 
Forlanini zusammen. Budau machte sich dann selb- 
ständig und arbeitete als Zivilingenieur in Biella. Während 
dieser Zeit widmete er eingehende Studien der Frage 
der Regulierung der Wasserkraftmaschinen, nahm selbst 
zahlreiche Patente über Regulatoren und sammelte das 
Material zu dem später in Wien veröffentlichten Werke: 
»Beiträge zur Frage der Regulierung hydraulischer 
Motoren« 1), in dem zum erstenmale Theorie und Ent- 
wicklung der Turbinenregulatoren erschöpfend behandelt 
sind. Budaus stets dem Neuesten auf seinem Fachgebiete 
zugewandtes Interesse ließ ihn sofort nach Bekannt- 
werden der Konstruktion des amerikanischen Pelton-Rades 
die Vorzüge dieses neuen Motors erkennen, und unbe- 
kümmert um die Gegnerschaft, die das Pelton-Rad damals 
namentlich in Deutschland fand, stellte Budau 1893 das 
erste Pelton-Rad am Kontinente auf?). Der Erfolg war 
so gut, daß eine große Anzahl von weiteren Bestellun- 
gen auf solche Motoren erfolgte. Auch den in Europa 
sehr zaghaft in Angriff genommenen Einbau der 
amerikanischen Francis-Turbinen förderte Budau in seinem 
Wirkungskreise, wo er nur konnte. 

Im Jahre 1899 trat er als Konstruktionsingenieur in 
die Leobersdorfer Maschinenfabrik ein, wo er unter 
anderem auch beim Entwurfe und der Inbetriebsetzung 
des Hohenturter Elektrizitätswerkes beschäftigt war. In 
jener Zeit begannen auch seine flugtechnischen Studien. 


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Während der langjährigen Beschäftigung mit den 
Wasserkraftmaschinen war Ing. Budau, da die damalige 
Literatur auf dem Gebiete der Hydraulik den Bedürf- 
nissen des praktischen Ingenieurs ganz und gar nicht 
entgegenkam, gezwungen gewesen, sich viel mit hydrauli- 
schen Problemen zu beschäftigen und die Ahnlichkeit 
der Strömungserscheinungen in Luft und Wasser hatten 
ihn angeregt, seine Studien auf dieses verwandte Gebiet 
auszudehnen. Es folgte der Vortrag »Die mechanischen 
Grundgesetze der Flugtechnik« 3) in der Fachgruppe der 
Maschineningenieure am 10. Februar 1903, in welchem 


auch alle Gegner des österreichischen Flugtechnikers 
Wilhelm Kreß Stellung nahmen; denn sie hatten nach 
ihren alten Anschauungen Kreß ja die Unmöglichkeit 
des freien Fluges stets vorgerechnet. Der Gedankengang 
Budaus hat sich aber als richtig durchgesetzt; daß ihm 
hiefür auch die Priorität zuerkannt wird, zeigen die 
Außerungen Wittenbauers in seiner Aufgabensammlung 
über technische Mechanik’). 

Im Herbste 1904 erfolgte die Berufung Ing. Budaus 
als außerordentlicher Professor des Maschinenbaues an 
die Technische Hochschule in Wien, wo er die Vor- 


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Professor Ingenieur Arthur Budau. 


die Flugkörper von dem Gesichtspunkte aus behandelt 
wurden, daB ein Schweben in der Luft nur dadurch 
zustande kommen kann, daß eine gewisse Luftmenge 
nach abwärts beschleunigt wird; die dabei entstehende 
Reaktion liefert eben jene nach aufwärts gerichtete Kraft, 
die der Schwere das Gleichgewicht halten kann. Dieser 
Gedankengang ist heute allgemein akzeptiert, führt aber 
auf eine Formel für die zum Schweben notwendige 
Leistung, welche gerade den halben Betrag an Schwebe- 
arbeit ergibt, mit dem damals allgemein gerechnet 
wurde. Budaus neue Formel wurde auf das heftigste 
angefochten und in der Zeitschrift des Osterr. Ingenieur- 
und Architektenvereines#) entspann sich darüber eine 
lebhafte Diskussion, in welcher gegen die neue Formel 


lesungen über Wasserkraftmaschinen und Pumpen sowie 
über Fiydraulik übernahm. Im selben und in den nächst- 
folgenden Jahren hielt Prof. Budau eine große Zahl 
von Vorträgen über sein Fachgebiet teils 1m Plenum, 
teils in den Fachgruppen des Österr. Ingenieur- und 
Architektenvereines6) und wurde in den Jahren 1907 bis 
1909 zum Obmann der Fachgruppe der Maschinen- 
ingenieure des genannten Vereines gewählt. Neben seinem 
engeren Fachgebiete pflegte Prof. Budau auch fort- 
laufend flugtechnische Studien, war Mitglied des Vereines 
»Flugmaschine« und gehört seit der Vereinigung dieses 
Vereines mit dem Wiener Flugtechnischen Verein zum 
Österreichischen Flugtechnischen Verein dem letzteren 
an. Er wurde bald in den Ausschuß gewählt und auch 


zum Mitglied des Direktionsrates bestellt, welcher eine 
Zeit lang bestand, um den damaligen Präsidenten Ex- 
zellenz v. Schleyer zu entlasten. In dieser Eigenschaft 
hat Prof. Budau wiederholt den Ausschußsitzungen 
präsidiert. 

Als die ersten großen Erfolge der Brüder Wright 
in Europa bekannt wurden und man sich auch in 
Frankreich intensiv mit Flugtechnik zu beschäftigen be- 
gann, entschloß sich Prof. Budau in Erkenntnis der 

oBen Zukunft dieses neuen technischen Gebietes zur 
nkündigung von Vorlesungen über Flugtechnik im 
Wintersemester 1908/09. Es waren die ersten Vorlesungen 
über Flugtechnik an der Wiener Hochschule, an denen 
350 bis 400 wissensdurstige Hörer teilnahmen. Die Vor- 
lesungen wurden dann im Sommer 1909 veröffentlicht”). 

Prof. Budau entfaltete auch weiterhin eine rege 
Tätigkeit auf flugtechnischem Gebiete und hat eine ganz 
Reihe junger Ingenieure zu Arbeiten in diesem Fache 
angeregt. Namentlich das im Jahre 1909 errichtete und 
in den nächsten Jahren ausgestaltete Hydromechanische 
Versuchslaboratorium 8), das nach den Plänen Professor 
Budaus im Neubaue der Technischen Hochschule unter- 
gebracht wurde, gab die Möglichkeit, ebenfalls flug- 
technische Arbeiten — wenn auch in kleinem Maß- 
stabe — durchzuführen. In diesem Laboratorium fand 
auch ein dem Flugtechnischen Verein gehörender Ver- 
a appara für Propellermodelle®) Aufstellung, der von 
Seite der Erfinder stark in Anspruch genommen wurde. 

Das Jahr 1910 brachte die ennung Prof. Budaus 
zum ordentlichen Professor, 1912 die zum Mitgliede des 
Patentgerichtshofes. Im Herbste 1912 vollendete Professor 
Budau sein »KurzgefaBtes Lehrbuch der Hydraulik- 10), 
welches in zahlreichen Kapiteln auch die Zusammen- 
hänge dieser Wissenschaft mit der Flugtechnik be- 
leuchtet. Daß dieses Werk den Bedürfnissen der prakti- 
schen Ingenieure in weitgehendem Maße gerecht wird, 
beweist am besten die Tatsache, daß gegenwärtig in 
Amerika eine Übertragung desselben ins Englische 
unternommen wird. Auch einige der zahlreichen früher 
erschienenen Aufsätze Budaus über Regulierung und 
Turbinenrohrleitungen wurden in die englische Sprache 
übersetzt. 

1913 wurde die verdienstvolle Tätigkeit 
Prof. Budaus durch Verleihung des Ordens 
der Eisernen Krone Ill. Klasse anerkannt. 

Seit 1913 versieht Prof. Budau auch in uneigen- 
nützigster Weise die Stelle eines Chefredakteurs der 
»Österreichischen Flug-Zeitschrifte und führt in den 
letzten Monaten, nachdem alle Hilfskräfte teils einge- 
rückt, teils abgegangen sind, neben seiner beruflichen 
Tätigkeit die gesamten Geschäfte der Redaktion. 

enn Prof. Budau an seinem 60. Geburtstage auf 


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zurūckblickt, so kann er wohl mit seiner Arbeitsleistung 
und mit den Erfolgen derselben voll zufrieden sein. 
Aber so eine richtige Jubiläumsstimmung dürfte doch 
erst gar nicht aufkommen können; dazu ist er noch 
viel zu sehr mitten drinnen in aller Arbeit, viel zu tätig 
in seinem Berufe, dem er seine besten Kräfte widmet, 
als daß er lange Rückschau halten würde über das Stück 
Lebensweg, das nun hinter ihm liegt. So werden wohl 
auch seine zahlreichen Schüler, die heute über die ganze 
Welt zerstreut in den verschiedensten Ingenieurberufen 
tätig sind, noch zehn Jahre warten müssen, damit sie 
dann zum 70. Geburtstage als Gratulanten vor ihn hin- 
treten und eine größere Liste seiner Arbeiten und Erfolge 
aufzählen können, als dies hier geschehen.« 


Glück ab! Gut Land! Ad multos annos. 


Hinterstoißer 


Oberstleutnant. 


* * 
& 


Fußnoten: 


1) »Beiträge zur Frage der Re ulerurg ly cereal: 
scher Motoren«. Verlag von Carl Fromme, Wien. 
Erstes Heft: »Die Berechnung der hydraulischen Turbinen- 
atoren«. Wien 1906. 

Zweites Heft: -Die Geschwindigkeitsregulierung der hydrauli- 
schen Motoren von ihren Anfängen bis in die Achtziger- 
jahre des vorigen Jahrhunderts«. Wien 1906. 

Drittes Heft: -Die Geschwindigkeitsregulierung der hydrauli- 
schen Motoren von den Achtzigerjahren des vorigen 
Jahrhunderts bis auf den heutigen Tag-. Wien 1909. 

»L’Industria«, Rivista Tecnica ed Economica Illustrata. 

Milano 1907. Band XXI. S. 741. 

Siehe auch: Die Entwicklung der Wasserkraft- 
maschinen und Wasserkraftanlagen« von Prof. Ing. 
Arthur Budau. Zeitschrift des Osterr. Ingenieur- und Archi- 
tektenvereines, 1914. Heft 16 und 17. 

„Die mechanischen Grundgesetze der Flugtech- 

nik unter der vereinfachenden Annahme konstanten spezifi- 

schen Volumens der atmosphärischen Luft« von Ing: ur 

Budau. Zeitschrift des Österr. Ingenieur- und Architekten- 

vereines, 1903. Heft 42 und 43. 

5 Heft 44, Jahrgang 1903. 


— 


2 


ude alte aus der technischen Mechanik« von 
Prof. Ferdinand Wittenbauer. IIL Band, Flüssigkeiten und 
Gase, Seite 284, Aufgabe 450: »Das Verdienst, die Schwebe- 
arbeit in dieser Form > =d Gv) richtig eingeschätzt zu 
haben, gebührt A. Budau. is ahin wurde gewöhnlich 
E = Gv angenommen«. 


6) Zum großen Teile veröffentlicht in der Zeitschrift des 
Österr. Ingeniear- und Architektenvereines. 

7) »Vorträge über Theorie und Bau der Flug- 
apparate. Wien 1909. 

8) Das Hydromechanische Versuchslaboratorium 
an der k. k. Technischen Hochschule in Wiene. 
Mitgeteilt von o. ö. Prof. A. Budau. Zeitschrift des Österr. 
Ingenieur- und Architektenvereines, 1913. Heft 22 und 23. 

9) Ing. Richard Katzmayr: »Die Prüfstelle für Modell- 
Luftschrauben des k. k. Österreichischen Flug- 
technischen Vereines. Österreichische Flug-Zeit- 
schrift, 1913. Seite 151. 

10) Verlag von C. Fromme, Wien. 


seine reiche Tätigkeit auf den verschiedensten Gebieten 


AVISO. 


Von den Jahrgängen 1910, 1912, 1913 und 1914 der Vereinszeitschrift wird eine 
größere Zahl von Exemplaren, soweit der Vorrat reicht, um den ermäßigten Betrag 
von je K 2°— abgegeben. Bestellungen sind an das Vereinssekretariat zu richten. 


Die Redaktion der Österreichischen Flug-Zeitschrift. 


Der gegenwärtige Weltkrieg hat der Flugtechnik und Luftschiffabrt eine Reibe 
unvergänglicher Erfolge gebracht. Eine unmittelbare Folge davon ist die erfreuliche 
Tatsache, daß der k. k. Österreichische Flugtechnische Verein, welcher an der Ent: 
wicklung unserer nationalen Flugtechnik großen Anteil genommen hat, seit Beginn 
des Krieges eine namhafte Anzahl von Beitritten aufzuweisen hat. Das Präsidium 
des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines will diese Gelegenbeit gerne er- 
greifen, um nochmals an die verehrten Mitglieder und Kompatrioten den dringenden 
Appell zur Werbung neuer Mitglieder zu richten. 

Großes haben wir geleistet, noch größere Aufgaben barren unser! 


IV 


Die P. T. Mitglieder werden ersucht, sich rege an der Werbung neuer Mitglieder 


zu beteiligen. 


Niemandem wird durch die Beitrittsaufforderung eine ernstliche Last zugemutet. 
Jeder, der beitritt (Damen und Herren, vom Stifter bis zum Teilnebmer), stärkt 
die Organisation des Vereines. Jeder Neueintretende ist gleichmäßig willkommen. 
Werbeschreiben stehen über Anforderung zur Verfügung. Die Abhaltung von 
Propagandavorträgen zur Erweckung des Allgemeininteresses für die Entwicklung 


der Flugtechnik wird erbeten. 


Aus anderen Vereinen. 
Mitteilungen des k. k. Österreichischen Aero-Clubs vom 5. Dezember 1915. 


Nachfolgenden Herren des Österr. Aero-Clubs 
wurden Allerhöchste Auszeichnungen verliehen: 


Dem Vorstandsmitgliede Hans Ritter Umlauff von 
Frankwell, k. u. k. Oberstleutnant, der Orden 
der Eisernen Krone mit der Kriegsdekoration; 

den Mitgliedern: Dem als Flieger vor dem Feinde ge- 
fallenen k. u. k. Oberleutnant Friedrich Rosenthal, 
das Militär-Verdienstkreuz mit der Kriegsdekoration; 

Leopold Grafen ne zu Glatz und im 
en k. u. Rittmeister, das Signum 
audis; 


Dr. 1 Richard Wolf, k. u. k. Leutnant, das Signum 
audis; 

den Fliegern: Gustav Klasing, k. u. k. Linienschiffs- 
leutnant, das Militär- Verdienstkreuz mit der Kriegs- 
dekoration; 

Rudolf Stanger, k. k. Leutnant, das Signum laudis: 

Alfred Freiherrn v. Minarelli- Fitzgerald, k. u. k. 
Linienschiffsleutnant, Glauko Prebanda, k. u. k. 
Fregattenleutnant, und Heinrich Fontaine von 
Felsenbrunn, k. u. k. Fregattenleutnant, erneut 
die Allerhöchste Belobung. 


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Unter diesem Titel ist im Verlage des k. k. Osterreichischen Flugtechnischen Vereines 
eine ungemein reichhaltige, populär-anschaulich geschriebene Schrift erschienen, die, 
durch zahlreiche Textfiguren und Abbildungen illustriert, den Bau, die Funktion und 
den Betrieb der heute üblichen Flugmotorensysteme erläutert und nebstbei wertvolle 
Ratschläge für alle in Betracht kommenden Reparaturen etc. enthält. Im Hinblicke 
auf das wirklich mit besonderer Sorgfalt zusammengetragene Material, das in seiner 
geschickten Zusammenstellung eine reichhaltige Fundgrube praktischen Wissens 
darstellt, kann dieses Werk, welches von Ing. Stephan Popper, einem auf diesem 
Gebiete besonders versierten Fachmanne, verfaßt ist, allen Interessenten nur auf 
das wärmste empfohlen werden. Als wichtiger Behelf zum Selbstunterrichte ist 
dieses Buch ganz besonders anzusehen. Zu beziehen gegen Voreinsendung des 
Betrages von K 3’— oder per Nachnahme durch die Kommissions-Buchhandlung 
Lehmann & Wentzel, Wien, |. Kärntnerstraße 30, oder durch das 
Sekretariat des k. k. Österreichischen Flugtechnischen Vereines, 
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Offizielles Organ seiner Zweigvereine: 


FLUGTECHNISCHER VEREIN IN MAHREN 
FLUGTECHNISCHER VEREIN JN SCHLESIEN 
FLUGTECHNISCHER VEREIN MARINE-SEKTION PORTOROSE 


Jahrg. 1915 


Stimmungsbild von der französischen Küste; 


| Vornehmster inländischer Champagner f 


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WIEN, J. ASPERNPLATZ 
(Uraniagebäude) 
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Redaktion: 
WIEN, I. ASPERNPLATZ 
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Offizielles Organ seiner Zweigvereine: 


FLUGTECHNISCHER VEREIN IN MÄHREN 
FLUGTECHNISCHER VEREIN IN SCHLESIEN 
FLUGTECHNISCHER VEREIN MARINE-SEKTION PORTOROSE 


Nr. 5 und 6 Jahrg. 1915 


Die Fliegerphotographie im Felde: Feldmäßige Befestigungen in Russisch-Polen, 


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erzeugt glatte und gespannte Flächen, erhöht ibt gegen Gas, Luft und Wasser undurch- 
die Zerreissfestigkeit und schützt die Be- ässige Flächen. 


spannung vor Witterungseinflüssen. 
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ist unempfindlich gegen Fett, Öl, Benzin etc. 3 fir gummierte Stoffe. i 


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Organ des 


k. K. Österreichischen Flugtechnischen Vereines in Wien 


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Redaktion: Administration: 
WIEN, I. ASPERNPLATZ WIEN, J. ASPERNPLATZ 
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Offizielles Organ seiner Zweigvereine: 


FLUGTECHNISCHER VEREIN IN MÄHREN 
FLUGTECHNISCHER VEREIN JN SCHLESIEN 
FLUGTECHNISCHER VEREIN MARINE-SEKTION PORTOROSE 


Nr. 7 und 8 Jahrg. 1915 


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Mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnete deutsche Flieger: 
Von links nach rechts: Oberleutnant Saenger, Leutnant Baas, Oberleutnant Halm, Ingold, Leutnant Hug, Oberleutnant Bremer, Vizefeldwebel Reichert. 


P | Vornehmster inländischer Champagne | | 


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Flug⸗Zeitschrift 


Österreichische 


Organ des 


k. K. Österreichischen Flugtechnischen Vereines in Wien 


WIEN, I. ASPERNPLATZ 
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Redaktion: 


Offizielles Organ seiner Zweigvereine: 


FLUGTECHNISCHER VEREIN IN MAHREN 


Nr. 9 u. 10 


FLUGTECHNISCHER VEREIN IN SCHLESIEN 


Administration: 
WIEN, J. ASPERNPLATZ 
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Telephon Nr. 13.340. 


FLUGTECHNISCHER VEREIN MARINE-SEKTION PORTOROSE 


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Vor dem Aufstieg zu einem Erkundungsflug. 


Jahrg. 1915 


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Administration: 
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Offizielles Organ seiner Zweigvereine: 


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FLUGTECHNISCHER VEREIN IN MÄHREN 
FLUGTECHNISCHER VEREIN IN SCHLESIEN 


FLUGTECHNISCHER VEREIN MARINE-SEKTION PORTOROSE 


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| Nr. 11 u. 12 


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| Deutscher Flieger fiberbringt eine Modung * österreichischen Fliegerstation. 
»Kilophot«. 


B | Vornehmster inländischer Champagner | 2 


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Administration: 
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FLUGTECHNISCHER VEREIN IN MÄHREN 
FLUGTECHNISCHER VEREIN IN SCHLESIEN 
FLUGTECHNISCHER VEREIN MARINE-SEKTION PORTOROSE 


Jahrg. 1915 


Fesselballonstation am nördlichen Kriegsschauplatz. 


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Organ des 
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Redaktion: Administration: 
WIEN, I. ASPERNPLATZ WIEN, J. ASPERNPLATZ 
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Offizielles Organ seiner Zweigvereine: 
FLUGTECHNISCHER VEREIN IN MÄHREN 
FLUGTECHNISCHER VEREIN IN SCHLESIEN 
FLUGTECHNISCHER VEREIN MARINE-SEKTION PORTOROSE 
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Nr. 15 u. 16 PAETA Jabrg. 1915 
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Das Wrack des von einem österreichischen Torpedoboot bei Poia erbeuteten 
italienischen Luftschiffes »Citta di Jesi« im Schleppta 


4 | Vornehmster inländischer Champagner | | 


Generalvertretung: M. DEUTSCH 
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Nr. 17 u. 18 


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Flug⸗Zeifschrift 


Organ des 


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Redaktion: 
WIEN, I. ASPERNPLATZ 
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Administration: 
WIEN, J. ASPERNPLATZ 
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Offizielles Organ seiner Zweigvereine: 


FLUGTECHNISCHER VEREIN IN MÄHREN 
FLUGTECHNISCHER VEREIN IN SCHLESIEN 
FLUGTECHNISCHER VEREIN MARINE-SEKTION PORTOROSE 


Jahrg. 1915 


»Citta di Jesi«, heruntergeschossen in der Nacht vom 5. auf den 6. ARENSE vor, Pota! 
Aufgenommen vor dem Hereinschleppen nach Pola 


4 | Vornehmster inländischer Champagner € 
2 


General vertretung: M. DEUTSCH 
Wien, I. Wollzeile 25. Tel. 22.935 


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| 
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Organ des 


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Administration: 
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Redaktion: 
WIEN, I. ASPERNPLATZ 
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Offizielles Organ seiner Zweigvereine: 


FLUGTECHNISCHER VEREIN IN MÄHREN 
FLUGTECHNISCHER VEREIN IN SCHLESIEN 
FLUGTECHNISCHER VEREIN MARINE-SEKTION PORTOROSE 


Nr.19 u. 20 Jahrg. 1915 


Tiirkisches Lager, aufgenommen von einem Flugzeuge. 


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Organ des 


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Administration: 
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WIEN, I. ASPERNPLATZ 
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| Offizielles Organ seiner Zweigvereine: 
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FLUGTECHNISCHER VEREIN JN SCHLESIEN 

| FLUGTECHNISCHER VEREIN MARINE-SEKTION PORTOROSE 
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| Nr. 21 u. 22 Jabrg. 1915 
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Die vollständig zertrümmerte Gondel des kürzlich bei Rethel in der dere n ‘ok 
zur Landung gezwungenen französischen Luftschiffes »Alsace: 


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| Flug-Zeitschritt 


Organ des 


k. K. Österreichischen Flugtechnischen Vereines In Wien 


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i Redaktion: Administration : 

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Eingang der Dardanellen, aufgenommen von Hauptmann Kr. Efendi. 


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JACOB LOHNER & Co. 


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„Lohner -· Armee - Fluazeume? 
„Lohner-Harine-Fluabootee 


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