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Full text of "Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur"

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AUSSERCANONISCHE  PARALLELTEXTE 
ZU  DEN  EVANGELIEN 

VON 
ALFRED   RESCH 

X 
I. 


TEXTE  UND  UNTERSUCHUNGEN 

ZUR  GESCHICHTE  DER 

ALTCHRISTLICHEN  LITERATUR 

HERAUSGEGEBEN  VON 

OSCAR  von  GEBHARDT  und  ADOLF  HAMACK 

ZEHNTER  BAND 
AU  SSE  RCANON ISCHE  PARALLELTEXTE 

ZU  DEN  EVANGELIEN 
GESAMMELT  UND  UNTERSUCHT 

VON 

ALFRED  RESCH 


LEIPZIG 

J.   C.  HINRICHS'SCHE  BUCHHANDLUNG 

1S97 


AUSSERCAXOXISCHE 

PARALLELTEXTE 

ZU  DEN 

EVANGELIEN 

GESAMMELT  UND   UNTERSUCHT 
VON 

ALFRED   RESCH 

ERSTER  THEIL 

TEXTKRITISCHE  UND  QÜELLENKEITISCHE  GRUNDLEGUNGEN 

PARALLELTEXTE  ZU  MATTHÄUS  UND  MARCUS 


LEIPZIG 

J    C.   EINRICHS'SCHK   BUCHHANDL1  NG 

1893     1894 


SEP    3  0    1957 


AUSSER  CANONISCHE 

PARALLELTEXTE 

ZU  DEN 

EVANGELIEN 

TEXTKRITISCHE  UND  QUELLENKRITISCHE 
GRUNDLEGUNGEN. 

VON 

ALFRED  RESCH. 


LEIPZIG 

J.  C.  HINRICHS'SCHE  BUCHHANDLUNG 

1893. 


Verlag  der  J.  C.  HINRTCHS'schen  Buchhandlung  in  Leipzig. 

Texte  und  Untersuchungen  zur  Geschichte  der 

Altchristlichen  Literatur 

von  Oscar  von  Grebhardt  uud  Adolf  Harnack. 

I.  II   III.  IV  1/2.  V.  VI.  VII.  VIII  3/4.  IX  1.  X  1.    M.  189  - 

I,  1/2.  Die  Ueberlieferung  der  griechischen  Apologeten  des  zweiten  Jahrhunderts 
•   in  der  alten  Kirche  und  im  Mittelalter.   Von  Adolf  Harnack.  VIII,  300  S.  1882. 

M.  9  — 

I,  3.  Die  Altercatio  Simonis  Iudaei  et  Theophili  Christian!  nebst  Untersuchungen 
über  die  antijüdische  Polemik  in  der  alten  Kirche.   Von  Adolf  Harnack. 

Die  Acta  Archelai  und  das  Diatessaron  Tatians.    Von  Adolf  Harnack. 

Zur  handschriftlichen  Ueberlieferung  der  griechischen  Apologeten.  I.  Der 
Arethascodex,  Paris.   Gr.  451.  Von  Oscar  v.  Gebhardt.  III,  196  S.  1883.  M.  6  — 

I,  4.     Die  Evangelien  des  Matthäus   und  des  Marcus  aus   dem  Codex  purpureus 

Rossanensis,  herausgegeben  von  Oscar  v.  Gebhardt. 
Der  angebliche  Evangeliencommentar  des  Theophilus  von  Antiochien,  von 
Adolf  Harnack.    LIV,  176  S.     1883.  M.  7.50 

II,  1/2.  Lehre   der   zwölf  Apostel,    nebst   Untersuchungen  zur  ältesten  Geschichte 

der  Kirchenverfassung  und  des  Kirehenrechts  von   Adolf  Harnack.    Nebst 

einem  Anhang:  Ein  übersehenes  Fragment  der  Ju)«xn  in  alter  lateinischer 

Uebersetzung.    Mitgetheilt  von  Oscar  v.  Gebhardt.  70  u.  294  S.  1884.   M.  10  — 

(II,  1/2.  nicht  mehr  einzeln  käuflich.) 

II,  3.    Die  Offenbarung   Johannis,    eine  jüdische  Apokalypse    in    christlicher  Be- 

arbeitung, von  Eberh.  Vischer.    Mit  Nachwort  von  Adolf  Harnack.  137  S.  1886. 

M.  5  — 

II,  4.  Des  heil.  Eustathius,  Erzbischofs  von  Antiochien,  Beurtheilung  des  Origenes 
betr.  die  Auffassung  der  Wahrsagerin  1.  Könige  [Sam  ]  28  und  die  dies- 
bezügliche Homilie  des  Origenes,  aus  der  Münchener  Hds.  331  ergänzt 
und  verbessert,  mit  kritischen  und  exegetischen  Anmerkungen  von  Alb. 
Jahn.    XXVII,  75  S.    1886.  (Einzelpreis  M.  4.50) ;  M.  3.50 

DI,  5.  Die  Quellen  der  sogenannten  apostolischen  Kirchenordnung,  nebst  einer 
Untersuchung  über  den  Ursnruug  des  Lectorats  und  der  anderen  niederen 
Weihen,  von  Adolf  Harnack.  ~106  S.    1886.  M.  4  — 

III,  1/2.  Leontius  v.  Byzanz  und  die  gleichnamigen  Schriftsteller  der  griechischen 
Kirche  v.  Prof.  Lic.  D.  Friedr.  Loofs.  1.  Buch:  Das  Leben  und  die  polem. 
Werke  des  Leontius  v.  Byzanz.    VIII,  317  S.    1887.  M.  10  — 

III,  3/4.  Aphrahat's  des  persischen  Weisen   Homilien,  aus  dem  Syrischen  übersetzt 

'       und  erläutert  von  Pfarrer  Dr.  Georg  Bert. 

Die  Akten  des  Karpus.  des  Papylus  und  der  Agathonike.  Eine  Urkunde  aus 
der  Zeit  Marc  Aureis,  von  Adolf  Harnack.    LH,  466  S.    1888.  M.  16  — 

IV.  Die  griechischen  Apologeten. 

1.  Tatiani  oratio  ad  Graecos.    Recens.  Ed.  Schwartz.    X,  105  S.    1888.        M.  2.40 

2.  Athenagorae  libellus  pro  Christianis.    Oratio  de  resurrectione  cadaverum. 

Recens.  Ed.  Schwartz.    XXX,  143  S.    1891.  M.  3.60 

3.  Theophili  libri  tres  ad  Autolycum  II,  III.    Recens.  Ed.  Schwartz.  ^  inVorbe- 

4.  Iustini  martyris   apologia   et   dialogus  cum  Tryphone  Iudaeo.  \  rM-t,1T,„ 

Recens.  0.  de  Gebhardt  et  A.  Harnack.  )   ielluu&- 

Diese  Ausgaben  der  Griechischen  Apologeten  sind  nur  mit  kurzem 
sprachlichen  Commentar  und  Registern  versehen  und  sollen  zum  Gebrauch 
bei  Vorlesungen  oder  in  Seminaren  dienen,  weshalb  auch  deren  Preise 
möglichst  niedrig  gestellt  wurden. 

Fortsetzung  auf  Seite  III  des  Umschlags. 


AUS8ERCAN0NISCHE 

PARALLELTEXTE 

ZU  DEN 

EVANGELIEN 

TEXTKRITISCHE  UND  QUELLENKRITISCHE 
GRUNDLEGUNGEN. 


VON 


ALFRED   RESCH. 


LEIPZIG 

J.  C.  HINItICHS'SCHE  BUCHHANDLUNG 

1893. 


Vorwort, 

zu  Tcävxa  xal  ev  näoiv  XQioxöq. 

Col.  3,  11. 
(fi/.c'ictig  6h  a  7ia(>t?.aßeg  naq1  avxov.  /x?'jxt 
nQOOTi&elq  in  avxoiq  (irjtt  uipuiQoJv  cm 
avriöv.  Const.  VII,  14.  Agrapha  p.  134. 
6  xaxa  ttjv  yQCi(pr\v  ovofia^onevoq  öoxi/uoq 
xQaniL^txrjq  xal  nötig  nüvxa  öoxifxc'Xeiv 
xal  ro  ßiv  xa/.bv  xart/tiv. 

Orig.  Opp.  III,  815.    Agrapha  p.  116. 

„Aussercanonische  Evangelienfragmente"  —  so 
lautet  der  wenig  beachtete  zweite  Titel  des  Werkes,  welches 
unter  dem  bekannter  gewordenen  Namen  *  Agrapha"  im  V. 
Bande  dieser  „Texte  und  Untersuchungen"  zu  veröffentlichen 
vor  drei  Jahren  mir  vergönnt  gewesen  ist.  Dasselbe  sollte  nur 
der  Vorläufer  eines  weit  grösseren  Werkes  sein,  von  welchem 
ich  hier  das  Einleitungsheft  darbiete.  Durch  den  oben  erwähnten 
Untertitel  und  durch  die  damit  gegebene  Bezeichnung  der  s.  g. 
Agrapha  als  „Aussercanonischer  Evangelienfragmente" 
einerseits  sowie  durch  den  Titel:  „Aussercanonische  Parallel- 
texte zu  den  Evangelien",  unter  welchem  ich  dieses  Haupt- 
werk einführe,  andrerseits,  kennzeichnen  sich  beide  Werke  nach 
ihrer  inneren  Znsammengehörigkeit. 

Der  Name  „Agrapha"  war  durch  die  literarische  Tradition 
gegeben  und  seiner  praegnanten  Kürze  wegen  mir  sehr  will- 
kommen, obwohl  ich  im  Übrigen  denselben  jedem  Tadel  gern 
Preis  gebe.  Denn  ich  lengne  es  nicht:  dieser  Name  „Agrapha" 
sagt  so  ziemlich  gerade  das  Gegentheil  von  dem,  was  ich  mit 
den  Worten:  „Aussercanonische  Evangelienfragmente" 
als  zweiten  Titel  darunter  gesetzt  hatte.  „Agrapha"  —  Ausflüsse 
einer  mündlichen,  ohne  Schrift  fortgepflanzte»,  evangelischen 
Überlieferung:   so  hatte  man  ursprünglich  den  Terminus  „Agra- 


IV 


Vorwort. 


pha"  gemünzt;  dagegen  aber  diese  „Agrapha"  der  Hauptsache 
nach  als  aussercanonisehe  Reste  einer  schriftlichen  Evangelien- 
tradition nachzuweisen,  das  war  der  Zweck  meines  Werkes,  ein 
Zweck,  dessen  Bezeichnung  durch  den  zweiten  Titel:  „Ausser- 
canonische Evangelienfragmente"  bereits  vorweg  genommen  war. 
Also  eine  contradictio  in  titulo! 

Aber  wer  hätte  nicht  schon  auf  dem  Gebiete  der  Evange- 
lienforschung  die  Weitschweifigkeit  und  Abgeblasstheit  der  ein- 
ander so  ähnlichen  Büchertitel  unangenehm  empfunden?  Und 
wer  sollte  mir  nicht  zustimmen,  wenn  ich  behaupte,  dass  die  der 
Praegnanz  und  der  charakteristischen  Kürze  entbehrenden  Titel, 
mit  denen  die  meisten  Werke  aus  dem  Gebiete  der  Evangelien- 
kritik ans  Tageslicht  getreten  sind,  wenig  geeignet  waren,  das 
Interesse  für  den  Inhalt  derselben  zu  wecken?  Wer  sollte  es 
mir  nun  verdenken,  wenn  ich  den  bekannten  und  doch  wenig 
gekannten,  mit  einem  gewissen  Reiz  des  Geheimnisses  umgebenen, 
Namen  der  „Agrapha"  benützte,  um  damit  eine  neue  Zugangs- 
pforte zu  dem  Gebiete  der  Evangelienforschung  aufzuschliessen? 

Diejenigen  aber,  welche  sich  der  Meinung  hingegeben  haben, 
als  ob  die  „Agrapha"  nur  vorgeschoben  worden  wären,  um  den 
Rückzug  auf  dem  Gebiete  der  Evangelienkritik  zu  decken  und 
die  Erfolglosigkeit  dieser  Arbeit  zu  verschleiern,  werden  aus  dem 
gegenwärtigen  grösseren  Werke  den  Irrthum  erkennen,  in  dem 
sie  befangen  gewesen  sind.  Sie  werden  wahrnehmen,  wie  viel 
bisher  unbenutztes  Material  noch  vorliegt,  welches  zu  sammeln 
und  zu  sichten  war,  dessen  evangelienkritische  Verwerthung  noch 
erforderlich  ist,  bevor  eine  endgiltige  Lösung  des  Evaugelien- 
problems  erfolgen  kann.  Sie  werden  ersehen,  dass  die  „Agrapha" 
nur  eine  leichte  Avantgarde  bildeten,  bestimmt,  für  die  „Ausser- 
canonischen Paralleltexte  zu  den  Evangelien"  als  neuen  Haupt- 
truppen das  Feld  zu  klären. 

Selbstverständlich  musste,  um  das  Wesen  des  „Aussercano- 
nischen" überhaupt  und  den  hohen  Werth  der  „Aussercano- 
nischen Paralleltexte  zu  den  Evangelien"  insbesondere  aufzu- 
zeigen, vor  allem  der  Begriff  und  die  Geschichte  des  Canons, 
nämlich  des  Canons  Neuen  Testamentes,  einer  orientierenden 
Erörterung  unterzogen  werden. 

Mit  diesen  an  die  Spitze  des  gegenwärtigen  Einleitungs- 
heftes gestellten  Erörterungen  über  den  Canon  habe  ich  zugleich 


Vorwort.  v 

—  um  dies  nebenbei  zu  bemerken  —  eine  Ergänzung  gegeben 
zu  meiner  früheren  Schrift:  Das  Formalprinzip  des  Pro- 
testantismus (1876).  Andrerseits  habe  ich  die  mit  dem  Be- 
griff des  Canons  vielfach  cohaerente,  aber  doch  davon  sorgfältig 
getrennt  zu  haltende,  Frage  nach  der  Inspiration  der  cano- 
nischen Schriften  hier  völlig  ausser  Ansatz  gelassen.  Bezüglich 
derselben  verweise  ich  auf  meine  in  §  5  jener  Schrift  über  die 
Inspiration  entwickelten  Anschauungen  und  namentlich  auf  die 
dort  erhobene  Forderung,  sowie  den  zugleich  angestellten  Ver- 
such, den  Begriff  der  Inspiration  so  zu  fassen,  dass 
er  der  protestantischen  Theologie  nicht  nur  kein  Hin- 
derniss,  sondern  vielmehr  eine  Quelle  und  ein  Antrieb 
der  wissenschaftlichen  Forschung  werde. 

Geleitet  von  derselben  Tendenz,  habe  ich  im  Nachfolgenden 
den  Begriff  des  neutestamentlichen  Canons,  in  Zusammenfassung 
der  darüber  bis  in  die  neueste  Zeit  herein  gepflogenen  Verhand- 
lungen, so  gestaltet,  das  durch  die  innigste  Vermählung  des 
traditionellen  und  des  kritischen  Prinzips  den  Forderungen 
der  Kirche  und  der  Wissenschaft  gleichzeitige  Genugthuung 
geschehe  und  dass  bei  der  Ehrfurcht  vor  der  Tradition, 
ohne  welche  keine  Kirche  bestehen  kann,  die  Verpflichtung  zur 
Kritik,  welche  doch  der  Odemzug  aller  Wissenschaft  ist,  zum 
vollen  Ausdruck  gelange. 

Bei  meinen  Untersuchungen  über  die  Evangelien  habe  ich 
mich  zunächst  vollständig  auf  die  literarische  Kritik  —  Text- 
kritik und  Quellenkritik  —  beschränken  zu  müssen  geglaubt. 
Gilt  es  doch  auf  dem  Gebiete  der  profanen  Geschichtsforschung 
als  ein  selbstverständliches  Axiom,  dass  erst  die  literarische 
Kritik  ihre  Arbeit  gethan,  die  literarischen  Hilfsmittel  in  voll- 
ständiger Weise  herbeigeschafft,  den  Werth  und  das  Alter  der 
Geschichtsquellen,  ihr  Verhältniss  zu  einander,  wie  auch  den 
Text  derselben  endgiltig  festgestellt  haben  müsse,  bevor  die 
historische  Kritik  an  ihre  Arbeit  gehen  und  sich  anschicken 
darf,  ihr  Urtheil  zu  sprechen.  Dem  gegenüber  finde  ich,  dass 
die  biblische  Kritik,  wie  sie  betrieben  wird,  —  auch  die  alt- 
testamentliche  — ,  historische  Verdikte  und  rein  literarische  In- 
stanzen meist  prinziplos  in  einander  zu  mischen  pflegt,  dass 
häufig  die  historische  Kritik  ihr  vorlautes  Urtheil  gibt,  bevor 
die  literarische  Forschung  ihre  Rede  zu  Ende  geführt  hat. 


Yi  Vorwort. 

Was  nun  insbesondere  die  Erforschung  der  den  geschicht- 
lichen Jesus  betreffenden  literarischen  Zeugnisse  anlangt,  so  ist 
bisher  weder  das  textkritische  Material  —  wie  die  nachfol- 
gende Sammlung  der  „Aussercanonischen  Paralleltexte  zu  den 
Evangelien"  zeigen  wird  —  vollständig  herbeigeschafft  gewesen, 
noch  ist  die  Quellenkritik  an  ihrem  Ziele  angelangt.  Wenn 
es  z.  B.,  um  nur  das  Eine  herauszuheben,  in  endgiltiger  Weise 
festzustellen  gelingen  sollte,  dass  die  vorcanonische  Evangelien- 
quelle bereits  von  Paulus  benutzt  worden  ist,  so  würden  sich 
wesentlich  neue  Gesichtspunkte  ergeben  für  die  Altersbestimmung 
bezüglich  des  vorcanonischen  Evangeliums  und  für  die  historische 
Werthschätzung  der  daraus  geflossenen  synoptischen  Evangelien- 
schriften. 

Ebendeshalb  wird  zur  Gewinnung  entscheidender  historischer 
Resultate  nicht  blos  die  Vollendung  des  gegenwärtigen  Werkes, 
der  „Aussercanonischen  Paralleltexte  zu  den  Evange- 
lien", sondern  auch  die  Veröffentlichung  der  „Canonischen 
Evangelienparallelen",  als  des  Abschlusses  dieser  evangelien- 
kritischeu  Materialiensammlung,  abzuwarten  sein. 

An  gegenwärtiges  Einleitungsheft  wird  sich  nun  für  dieses 
Werk  folgender  Inhalt  anschliessen: 

Texte  und  Untersuchungen  bezüglich  des  Kindheitsevange- 
liums, des  johauneischen  Evangeliums,  des  Matthaeus-  und  Mar- 
cusevangeliums,  des  Lucasevangeliums  und  der  Apostelgeschichte, 
Gesammtergebnisse  und  Register. 


Bemerkung.    Die  unter  einander  variierenden  Evangelientexte  sind  im  Druck 
durch  das  Zeichen :  ~  besonders  kenntlich  gemacht. 


Iiihalts-Übersiclit. 


Seite 
Text-  und  quellenkri  tische  Grundlegungen 

§    1.    Der  neutestamentlicke  Canon 1 

§   2.    Der  Evangeliencanon 8 

§   3.    „Canonische"  und  ..Aussercanonische"  Texte 16 

§   4.     Die   Quellen   der   aussercanonischen    bezw.    vorcanonischen 

Evaugelientexte 25 

§    5.     Die  quellenkritischen Grundsätze  der  Untersuchung  bezüglich 

der  aussercanonischen  Paralleltexte 59 

S    6.     Das  vorcanonische  Evangelium 64 

§    7.     Die  Ursprache  des  vorcanonischen  Evangeliums 83 

§    8.     Die  griechischen  Übersetzungen  des  vorcanonischen  Evan- 
geliums   L08 

§    9.     Die  Anwendung  der  quelleukritiscken  Grundsätze  ....  152 

§  10.    Nachträge 155 


§  1. 
Der  neiitestamentliche  Canon. 

Der  neutestarnentliche  Canon  ist  die  vorzugsweise  aus  der 
apostolischen  Tradition  der  Kirche  hervorgegangene,  durch  die 
sichtende  Kritik  der  Kirche  bereinigte,  mit  derRecension  der 
Texte  abgeschlossene  Auswahl  derjenigen  Bestandteile  der 
ur christlichen  Literatur,  welche  nach  dem  übereinstimmen- 
den Glaubens-Urtheile  der  ältesten  Kirche 

a)  die    treuesten   Urkunden    des    Urchristenthums    dar- 

stellen, 

b)  den  höchsten  Massstab  für  die  Glaubenslehre  der 

Kirche  bilden  und 

c)  zum  ausschliesslichen  Gebrauch  in  den  kirchlichen 

Gottesdiensten  dienen  sollten. 
Wie  der  alttestamentliche  Canon  ein  Werk  der  jüdischen 
Synagoge,  so  war  der  neutestamentliche  Canon  das  Werk  der 
christlichen  Kirche.  Aber  wie  der  Inhalt  der  alttestamentlichen 
Schriften  hoch  über  der  Synagoge  stand,  so  steht  auch  heute 
noch  der  Inhalt  des  neutestamentlichen  Schriftthums  hoch  über 
der  Kirche,  als  ihr  Leitstern,  der  sie  durch  die  Jahrhunderte 
sicher  führt.  Mit  dem  Inhalt  des  neutestamentlichen  Schrift- 
thums haben  wir  es  jedoch  hier,  wo  vom  Canon  die  Rede  ist, 
nicht  zu  thun.  Denn  der  Canon  stellt  einen  formalen  Be- 
griff dar,  bei  dem  es  sich  um  Sichtung  des  Gegebenen,  um 
Anordnung  der  getroffenen  Auswahl  und  zuletzt  um  endgiltige 
Feststellung  des  Wortlautes  handelt.  Zwar  greift  diese  sichtende, 
ordnende  und  recensierende  Thätigkeit,  welche  die  Kirche  bei  Fest- 
stellung des  Canons  an  dem  neutestamentlichen  Schrit'tthum  geübt 
hat,  an  vielen  Stellen  in  das  Material«'  hinüber.  Aber  das  tindet 
doch  nur  insoweit  statt,  als  man  überhaupt  Form  und  Inhalt 
Texte  u.  Untersuchungen  X.  1 


2  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

niemals  völlig  von  einander  scheiden  kann.  Thatsächlick  wiegt 
bei  der  Frage  nach  dem  Canon  die  formale  Betrachtungsweise 
bei  Weitem  vor.  Und  ebendeshalb  kann  das  neutestamentliche 
SGhriftthum,  welches  inhaltlich  hoch  über  der  Kirche  steht,, 
nach  seiner  formalen  Zusammenfassung,  Anordnung  und  Aus- 
gestaltung als  ein  Werk  der  Kirche  bezeichnet  werden. 

Der  Canon  als  Canon  ist  mithin  nach  seiner  Entstehung, 
Zusammensetzung  und  Textgestaltung  ein  Kirchenbuch.  Wie  der 
Kirche  das  Recht  und  die  Pflicht  zusteht,  durch  kirchliche  Be- 
kenntnisse, durch  Kirchenordnungen,  Liturgien,  Agenden,  Peri- 
kopen- Ordnungen  und  andere  Einrichtungen  die  Bedürfnisse  der 
Gemeinden  zu  befriedigen,  die  Einheit  des  kirchlichen  Lebens 
zu  wahren,  drohender  Unordnung  zu  steuern  und  so  dem  Selbst- 
erhaltungstriebe der  Kirche  zum  Siege  zu  verhelfen,  so  hat  die 
Kirche  dieses  Recht  und  solche  Pflicht  bei  der  Schöpfung  des 
Canons  in  höchster  Potenz  geübt.  Der  neutestamentliche  Canon 
ist  das  reife  Produkt  der  kirchlichen  Tradition,  zugleich  der 
früheste  Flügelschlag  der  historischen  Kritik,  die  im  Kampfe  mit 
der  Haeresie  geschmiedete  Waffenrüstung  der  Kirche  zu  ihrer 
Selbstvertheidigung,  die  in  den  innerkirchlichen  Kämpfen  be- 
währte Norm  der  Kirche  für  ihre  Selbstbesinnung,  das  unver- 
gängliche Zeugniss  von  der  Fürsorge  der  Kirche  für  ihre  Glieder, 
der  aus  der  Vergangenheit  herüberragenden  Fürsorge  für  die 
kommenden  Geschlechter  bis  an  das  Ende  der  Tage. 

Noch  heute  ist  daher  der  neutestamentliche  Canon  die  Haupt- 
grundlage der  kirchlichen  Wissenschaft,  der  Theologie,  nämlich 

a)  der  unverrückbare   Orientierungspunkt  für  die  histo- 

rische Theologie, 

b)  die  tiefste  Quelle  für  die  dogmatische  Theologie, 

c)  der   unversiegbare  Jungbrunnen    für    die    praktische 

Theologie. 
Zwar  ist  es  grundlegend  der  Inhalt,  welcher  den  Schriften 
des  neutestamentlichen  Canons  eine  so  hohe  und  einzigartige 
Bedeutung  verleiht.  Aber  dennoch  ist  es  abschliessend  erst  die 
Zusammenstellung  der  einzelnen  Bestandteile  zu  einem  harmo- 
nisch geordneten  Ganzen,  wodurch  Kirche  und  Theologie  einen 
so  festen  Mittelpunkt  gewonnen  hat.  Man  denke  sich  nur  den 
neutestamentlichen  Canon  als  solchen  hinweg  und  seine  einzelnen 
Bestandteile  zerstreut:  —  wie  zerfahren  würde  bei  einem  solchen 


§  1.   Der  neutestamentliche  Canon.  3 

Zustand  die  Theologie  sich  entwickelt  haben,  wie  unsicher  der 
Gaug  der  Kirche  geworden  sein.  Als  die  wichtigste  Schöp- 
fung der  Kirche  ist  daher  der  Canon  als  solcher  auch 
mit  der  höchsten  Würde  kirchlicher  Autorität  umgeben. 

Aber  trotz  dieser  hohen  Würde  bleibt  der  Canon  ein  Ob- 
jekt der  Kritik.  Denn  wie  er  als  ein  Werk  der  Kirche  aus 
der  Vermählung  ältester  Tradition  mit  den  ersten  Regungen 
wissenschaftlicher  Kritik  hervorgegangen  ist,  so  steht  auch  der 
Kirche  nicht  blos  das  unverjährbare  Recht,  sondern  auch  die 
mit  ihrem  innersten  Selbstbewusstsein  verknüpfte  Pflicht  zu,  durch 
die  kirchliche  Wissenschaft,  die  Theologie,  an  dieser  ihrer  eigen- 
sten Schöpfung  eine  fortgesetzte  Kritik  zu  üben. 

Die  erste  Epoche  canonischer  Kritik  fällt  mit  der  Canon- 
bildung selbst  zusammen.  Da  das  erste  geschichtliche  Motiv  zur 
Bildung  des  neutestamentlichen  Canons  in  dem  praktischen  Be- 
dürfniss  der  kirchlichen  Vorlesungen  gegeben  war  und  da  auf 
diesem  Gebiete  der  Zweck  kirchlicher  Erbauung  eine  strenge  Aus- 
scheidung minderwerthigen  Schriftgutes  nicht  nötig  machte  — 
wie  denn  auch  heute  noch  die  Apokryphen  des  Alten  Testaments 
von  dem  kirchlichen  Gebrauche  zum  Zwecke  der  Erbauung  nicht 
ausgeschlossen  sind  — ,  so  konnte  es  kommen,  dass  auch  solche 
Bestandteile  der  urchristlichen  Literatur,  welche  vor  einer  spä- 
teren reiferen  Beurtheilung  nicht  Stand  hielten,  längere  Zeit  als 
kirchliche  Vorlesebücher  benutzt  und  dem  in  Bildung  begriffenen 
Canon  einverleibt  wurden.  „Schriften,  welche  in  den  späteren 
Jahrhunderten  der  Verachtung  und  der  Vergessenheit  anheim 
fielen ,  haben  im  zweiten  und  dritten  Jahrhundert  eine  viel  all- 
gemeinere Anerkennung  als  heilige  Offenbarungsurkunden  und 
als  kirchliche  Vorlesebücher  genossen  und  einen  viel  grösseren 
Einfluss  auf  die  kirchliche  Denkweise  und  die  christliche  Sitte 
ausgeübt,  als  der  Hebräerbrief,  der  Brief  des  Jacobus  und  der 
zweite  Petrusbrief "  — ,  „so  dass  ihre  Geschichte  ein  in  ziemlich 
hellem  Lichte  stehendes  Stück  der  im  Übrigen  so  dunkelen  Ge- 
schichte des  Canons  bildet"  ]).  Selbstverständlich  konnte  in  dieser 
Periode  von  einem  fertigen  Canon  nicht  die  Rede  sein.  Denn 
zum  Abschluss  der  Canonbildung  gehörte  gerade  der 
definitive  Ausschluss  solcher  literarischen  Produkte,  welche 


1)  Zahn,  Geschichte  des  Kanons  I,  2.  S.  326 f. 


4  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

vor  dem  reiferen  Urtlieile  der  Kirche  nach  Ursprung  und  Inhalt 
nicht  zu  bestehen  vermochten.  Mithin  erst  die  ausscheidende 
Kritik  der  Kirche,  welche  solche  niinderwerthige  Produkte  der 
altchristlichen  Literatur  aus  dem  sich  bildenden  Canon,  in  den 
sie  eingedrungen  waren,  wieder  entfernte,  hat  die  neutestament- 
liche  Canonbildung  im  vierten  Jahrhunderte  zu  ihrer  Ruhe 
kommen  lassen. 

Eine  zweite  Epoche  canonisch-kirchlicher  Kritik  brach  mit 
dem  Reformationszeitalter  an,  als  das  mit  einer  seit  den  Tagen 
der  Apostel  nicht  gesehenen  Mächtigkeit  hervorbrechende  Selbst- 
bewusstsein  der  Kirche  eben  mit  Hilfe  des  Canons,  ohne  welchen 
die  Reformation  undenkbar,  unmöglich  gewesen  wäre,  aus  den 
tiefsten  Quellen  der  kirchlichen  Tradition  sich  verjüngte  und  er- 
neuerte. Insbesondere  legitimierte  sich  Luther  als  den  eigent- 
lichen Träger  des  kirchlichen  Selbstbewusstseins  dadurch,  dass 
er  Tradition  und  Kritik,  wie  in  Betreff  der  kirchlichen  Lebens- 
fragen überhaupt,  so  insbesondere  in  Bezug  auf  den  neutesta- 
mentlichen  Canon  in  einer  Weise  mit  einander  vermählte,  welche 
sich  als  echt  katholisch  und  zugleich  als  wahrhaft  reforma- 
torisch documentierte.  Allerdings  ist  dieses  Verhältniss  des 
lutherischen  Reformationswerkes  zur  Tradition  und  zur  Kritik 
nicht  zum  klaren  begrifflichen  Ausdruck  gelangt.  Aber  indem 
die  lutherische  Reformation  von  der  kirchlichen  Überlieferung 
und  von  den  historisch  gewordenen  Einrichtungen  der  Kirche 
nur  dasjenige  beseitigte,  was  dem  Canon  der  Schrift  direkt  wider- 
sprach, erkannte  sie  thatsächlich  die  Tradition,  aus  deren  Mutter- 
schoss  ja  auch  der  Canon  hervorgerufen  worden  war,  als  das 
Allgemeinere,  Höhere  an,  nur  selbstverständlich  mit  der  Bestim- 
mung, dass  die  ältere  Tradition  der  jüngeren  voranging,  sowie 
—  was  noch  wichtiger  war  — -,  dass  die  schriftliche,  zumal 
also  die  im  Canon  fixirte,  Tradition  der  flüssigen,  unsicheren 
mündlichen  Tradition  zum  Correktive  dienen  sollte.  Damit 
war  aber  zugleich  das  Prinzip  der  Kritik  gegeben,  einer  Kritik, 
welcher  auch  der  Canon  selbst,  als  Produkt  kirchlicher  Tra- 
dition und  kirchlicher  Kritik,  von  Neuem  unterworfen  werden 
musste.  Eben  die  Rückkehr  zur  altkirchlichen  Kritik  führte  im 
Verein  mit  seiner  dogmatischen  Feinfühligkeit  den  Reformator 
zu  einer  entscheidenden  Neugestaltung  des  neutestamentlichen 
Canons   durch  Ausschluss  des  Hebräerbriefes,  des  Jacobus-  und 


§  1.   Der  neutestanientliche  Canon.  5 

Judasbriefes.,  des  zweiten  Petrusbriefes  und  der  Apokalypse  von 
dem  Canon  im  engeren  Sinne  und  durch  eine  auch  in  der 
äusseren  Anordnung  sichtbare  Degradation  dieser  Schriften  zu 
deuterocanonischen  oder  —  wie  es  Chemnitz  auch  ausgedrückt 
hat  —  zu  apokryphischen  Schriften  des  Neuen  Testaments, 
in  der  Weise,  dass  dieselben  zwar  für  den  praktischen  Kirchen- 
gebrauch nach  wie  vor  fortbestanden,  aber  für  die  dogmatische 
Arbeit  der  Kirche  als  norma  normans  nicht  mehr  dienen  sollten. 
Es  war  ein  verhängnissvoller  Schritt,  dass  die  Kirche,  die  in 
Luthers  Bahnen  wandelte,  gerade  in  dieser  Position  von  ihm 
und  seinen   grössten   Nachfolgern  —  Chemnitz  und  Gerhard 

—  sich  lossagte  und  in  die  beengenden  Fesseln  des  radicalen 

—  von  praedestinatianischen  Grundgedanken  getragenen,  die 
geschichtliche  Entwickelung  ignorierenden  —  reformierten 
Canonbegriffes  sich  schlagen  liess.  Denn  dadurch  ist  die  lu- 
therische Kirche,  anstatt  die  von  Luther  gegebenen  Keime  bib- 
lischer Kritik  in  positiver  Weise  fortzubilden,  in  ihrer  genui- 
nen Entwickelung  aufgehalten  und  zur  Stagnation  verurtheilt, 
schliesslich  aber  in  den  Selbstauflösungsprocess  refor- 
mierten Kirchenthums  mit  hineingezogen  worden.  Denn 
der  unlebendige  Begriff  vom  Canon,  welcher  in  der  reformierten 
Kirche  zur  Herrschaft  gelangte,  der  einerseits  alle  Wurzeln  der 
Tradition,  aus  welcher  doch  der  Canon  hervorgewachsen  war,  aus- 
riss  und  nur  den  wurzellosen  Stamm  —  eben  den  Canon  —  übrig 
liess,  der  andererseits  alle  Kritik  unmöglich  machen  sollte,  musste 
mit  Notwendigkeit  den  Rückschlag  einer  zügellosen,  bis  ins  Fan- 
tastische ausartenden,  destruktiven  Bibelkritik  herbeiführen,  welche 
gerade  in  den  reformierten  Kirchengebieten  (Schweiz,  Holland, 
reformierte  Kreise  Frankreichs)  ihre  bedenklichen  Triumphe  feiert 
und  welche,  wie  irgend  etwas,  die  vom  Romanismus  erhoffte 
Selbstzersetzung  des  Protestantismus  als  greifbare  Gefahr  in 
drohende  Nähe  gerückt  hat. 

Dem  gegenüber  ist  es  die  deutsche  Theologie  gewesen,  welche 
langsam  zwar,  aber  doch  mit  fortschreitender  Selbstbesinnung, 
eine  positive  Lösung  der  kritischen  Fragen  in  die  Hand  ge- 
nommen und  dabei  besonders  denjenigen  Punkt  des  Canons  ins 
Auge  gefasst  hat,  an  welchem  die  lutherische  Reformation  das 
Meiste,  ja  Alles  noch  zu  thun  übrig  gelassen  hatte.  Dieser 
Punkt,    welcher  zugleich    der  Hauptpunkt  für   die  historische 


(}  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

Werthung  des  Canons  überhaupt  bildet,  ist  die  Erforschung 
der  Evangelien  sowohl  in  ihrem  Verhältniss  unter  einander  als 
in  ihrem  Verhältniss  zu  dem  übrigen  neutestamentlichen  Schrift- 
thum.  Die  Evangelien  repräsentieren  diejenige  schrift- 
liche Tradition,  welche  unmittelbar  auf  Jesum  zurück- 
zugehen beansprucht.  Sie  stellen  aber  zugleich  ein  so  com- 
pliciertes  Verhältniss  gegenseitiger  Verwandtschaft  und  unzähl- 
barer Verschiedenheiten  in  der  Überlieferung  der  historischen 
Stoffe  dar,  dass  Jeder,  welcher  in  das  damit  gegebene  Problem 
tiefer  hineinzuschauen  gelernt  hat,  wird  bekennen  müssen:  an 
der  Spitze  des  neutestamentlichen  Canons  steht  das 
interessanteste,  schwierigste,  grösste  Problem  jeglicher 
Kritik,  welches  ganz  geeignet  ist,  die  Kirche  vor  dem 
Versinken  in  den  Stand  der  Kritiklosigkeit  zu  bewahren. 

Bei  einem  reformierten  Theologen  der  Reformationszeit,  bei 
Theodor  von  Beza,  hätte  es  gelegen,  die  Evangelienfrage  schon 
damals  in  Fluss  zu  bringen,  als  ihm  aus  dem  Kloster  S.  Irenaei 
ein  Evangelien-Codex  in  die  Hände  gelegt  ward,  dessen  Inhalt 
an  vielen  Stellen  von  den  canonischen  Texten  weit  abweicht, 
dessen  Textgestalt  —  nach  ihren  Ursprüngen  aus  dem  zweiten 
Jahrhundert  stammend  —  uns  die  grossen  Veränderungen  ahnen 
lässt,  welche  mit  den  Evangelien  vorgegangen  sind,  bevor  der 
Abschluss  der  neutestamentlichen  Canonbildung  erfolgte.  Aber 
der  reformierte  Theologe  consignierte  das  in  seinen  Augen  ge- 
fährliche Document  in  der  Universitätsbibliothek  zu  Cambridge, 
wo  es  als  Codex  Bezae  oder  Codex  Cantabrigiensis  zwei  Jahr- 
hunderte lang  fast  völlig  unbenutzt  ruhte.  Die  Zeit  war  noch 
nicht  reif. 

Da  war  es  ein  deutscher  Theologe,  der  ehrwürdige  Storr, 
das  Haupt  der  älteren  Tübinger  Schule,  welcher  das  Ende  des 
Ariadnefadens  fand,  der  uns  in  das  Labyrinth  der  Evangelien- 
forschung führen  sollte.  Die  heute  fast  allgemein  anerkannte 
Priorität  des  Marcusevangeliums  unter  den  canonischen  Evan- 
gelien ist  Storrs  Entdeckung.  Und  wieder  war  es  ein  Tübinger 
Theologe,  welcher  die  Grösse  des  mit  der  Evangelienfrage  ver- 
knüpften Problems  erst  enthüllte  und  durch  die  von  ihm  ange- 
strebte Lösung  des  Problems  eine  geschichtliche  Betrachtung 
der  canonischen  Schriften  in  Fluss  brachte.  Ferd.  Chr.  Baur, 
das  Haupt  der  jüngeren  Tübinger  Schule,  hat  die  Verwandt- 


§.  1.   Der  neutestainentliche  Canon.  7 

schaft  der  canonischen  Evangelien  mit  den  neutesta- 
mentlichen  Lehrschriften  als  das  Hauptproblem  der  den 
Canon  betreffenden  Forschungen  herausgestellt  und  damit 
zum  ersten  Male  eine  historische  Betrachtimgsweise  der  Evan- 
gelien und  ihrer  Genesis  angebahnt,  —  ein  Verdienst,  welches 
ihm  bleibt,  obgleich  die  Lösung  des  Problems  als  einseitig  und 
seine  Geschichtsconstruktion  des  Urchristenthums  als  verfehlt  be- 
zeichnet werden  muss. 

Eine  intensive  Arbeit  auf  dem  Gebiete  der  canonischen  Kritik 
überhaupt  und  bezüglich  der  Evangelienkritik  insbesondere  ist 
in  dem  zu  Ende  gehenden  Jahrhundert  von  der  deutschen  Theo- 
logie gethan  worden,  —  eine  Arbeit,  die  schon  manches  positive 
Resultat  zu  Tage  gefördert  und  in  der  Entdeckung  einer  vor- 
canonischen  Evangelien-Quellenschrift  ihren  schönsten  Lohn  ge- 
funden hat.  Freilich  haben  sich  auch  viele  LTnberufene  in  diese 
Arbeit  eingedrängt  —  viele,  welche  die  Mahnung  nicht  beach- 
teten: Ziehe  deine  Schuhe  aus;  denn  hier  ist  ein  heiliges  Land. 
Viele  von  diesen  Kritikern  waren  von  dem  Selbstbe- 
wusstsein  der  Kirche  nicht  getragen  und  von  der  Grösse 
der  Verantwortlichkeit  nicht  durchdrungen.  Ja  manche 
Federn  dieser  Kritiker  waren  —  wie  einst  die  Feder  des  Heiden 
€elsus  —  in  die  ätzende  Tinte  des  Christushasses  und  des 
Kirchenhasses  tief  eingetaucht.  Aber  es  musste  auch  dieses  Arger- 
niss  kommen;  es  war  mit  der  dritten  grossen  Epoche  canoni- 
scher Kritik  unauflöslich  verknüpft.  Gemäss  dem  historischen 
Charakter  unserer  Zeit  musste  die  theologische  Forschung  an 
demjenigen  Punkte  anlangen,  welcher  bei  der  Canonbildung  der 
erste  massgebende  Gesichtspunkt  hätte  sein  sollen,  welcher  aber 
bei  dem  mehr  praktischen  Bedürfniss  der  Urkirche  nur  eine  un- 
bewusst  naive  Berücksichtigung  gefunden  hat,  nämlich  die  Fest- 
stellung und  Werthung  der  Evangelien  als  historischer  Ur- 
kunden, welche  uns  die  tiefsten  Ursprünge  des  Christentums 
enthüllen  sollen.  Wäre  ein  ausgeprägtes  historisches  Interesse 
in  der  Urkirche  bei  der  Bildung  des  Evangelicncanons  mass- 
gebend gewesen ,  so  würde  die  wichtigste  historische  Urkunde 
des  Urchristenthums,  jene  vorcanonische  Evangelien-Quellenschrift, 
nimmermehr  verloren  gegangen  sein. 

Unsrer  Zeit  sind  die  Mittel  gegeben,  manches  Dunkel  auf 
diesem  Gebiete  zu  lichten,  manches  Versäumte  nachzuholen.    Die 


8  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

Gesetze  der  literarischen  Kritik  sind  bekannt;  die  Handschriften 
der  Evangelien  sind  gesichtet;  die  patristische  und  apokryphische 
Literatur  ist  aufgeschlossen;  manche  wichtige  Funde  sind  ge- 
schehen; die  neutestamentliche  Zeitgeschichte  ist  erfolgreich  be- 
arbeitet. 

Aber  dennoch  haftet  an  einem  ganz  besonders  wichtigen 
Punkte  der  bisherigen  Evangelienforschung,  welche  sich  sonst 
so  kühn  über  die  canonischen  Grenzen  hinwegzuschwingen  Hebt, 
ein  verhängnissvoller  Mangel,  der  um  so  mehr  in  Erstaunen 
setzen  muss,  als  gerade  an  diesem  Punkte  das  letzte,  das  späteste 
Stadium  der  Canonbildung  sich  fixiert  und  dabei  zugleich  in  den 
materiellen  Inhalt  des  Canons  eingegriffen  hat.  Das  letzte  Sta- 
dium der  Canonbildung  ist  die  Fixierung  der  canonischen  Texte 
gewesen,  welche  gerade  bei  den  Evangelientexten  manches  Ori- 
ginale verwischt  hat.  Und  gerade  diese  einer  verhältniss- 
mässig  späten  Zeit  angehörigen  canonischen  Evange- 
lientexte hat  man  mit  wenigen  Ausnahmen  zum  Aus- 
gangspunkt und  zum  Objekt  der  Evangelienforschung 
gemacht,  während  man  die  aussercanonischen,  bezw. 
vorcanonischen  Evangelientexte  vorzugsweise  nur  als 
Curiositäten  hat  gelten  lassen. 

Dieser  Punkt  bildet  aber  ein  so  wichtiges  Capitel,  dass  dem- 
selben eine  besondere  Betrachtung  im  Folgenden  gewidmet  wer- 
den soll,  dessen  Vorbedingung  jedoch  ein  Rückblick  auf  die  Ent- 
stehungsgeschichte des  Evangeliencanons  ist. 


§  2. 

Der  Eyangelieiicanon. 

Entsprechend   der  Entwickelung  des  Gesammtcanons  Neuen 

Testamentes  zeigt   auch   der  älteste  Hauptbestandteil  desselben 

drei  Epochen: 

erste  Epoche:  Zusammenstellung  der  traditionellen  Evange- 
lienschriften zu  einem  viertheiligen  Evangelien- 
canon ; 

zweite  Epoche:  Durchdringen  dieses  viertheiligen  Evangelien-^ 
canons  zur  alleinigen  und  ausschliesslichen 
Geltung  in  der  Kirche; 


§  2.   Der  Evangeliencanon.  9 

dritte  Epoche:  Fixierung  und  endgiltige  Bereinigung  der  cano- 
nischen  Evangelientexte. 

Die  vier  nachmals  in  den  Canon  aufgenommenen  Evangelien- 
schriften haben  sicherlich  schon  längst  vor  Beginn  der  Canon- 
bildung neben  der  mündlichen  Evangelientradition  den  Haupt- 
inhalt der  schriftlichen  Evangelienüberlieferung,  sowie  auch  den 
wichtigsten  Bestandtheil  der  gottesdienstlichen  Vorlesungen  inner- 
halb der  Urkirche  gebildet.  Denn  nicht  nur  Justin  berichtet, 
dass  die  ajcoluv?/iuovtviuaTa  xcöv  anoöxölcov —  a  xaXsirai  tvayytha 
—  an  den  Sonntagen  in  den  christlichen  Gottesdiensten  verlesen 
wurden  (avaytvcoöxercu  vgl.  Apol.  I,  67.  66),  sondern  auch  aus 
den  Ausdrücken  der  J LÖayj]\  cog  ty&rs  Iv  reo  svayyeXiq)  (/liö. 
XV,  3.  4),  geht  mit  Bestimmtheit  hervor,  dass  man  sich  schon  viel 
früher  in  dem  kateclietiscben  Gemeindeunterricht  auf 
das  svayytXiov  als  eine  wohlbekannte  schriftliche  Autorität  be- 
rufen durfte,  welche  nicht  anders  als  eben  durch  kirchliche 
Vorlesung  den  Gemeinden  vertraut  geworden  sein  konnte  — , 
wobei  zu  beachten,  dass  weder  in  der  AiöayJi  noch  bei  Justin 
von  Vorlesung  apostolischer  Lehrschriften  die  Rede  ist.  (Wohl 
aber  erwähnt  Justin  neben  den  Evangelien  die  Schriften  der 
Propheten,  die  zur  Vorlesung  gelangten.)  Es  ist  nun  doch  so 
viel  klar,  dass,  wenn  eine  Sammlung,  ein  Canon  von  Evangelien, 
sich  bildete,  dieselbe  aus  denjenigen  Evangelienschriften  zu- 
sammengesetzt werden  musste,  welche  auf  Grund  der  kirchlichen 
Tradition  schon  längst  den  Gemeinden  bekannt  und  bei  den 
gottesdienstlichen  Vorlesungen  in  Gebrauch  waren. 

Für  diese  Voraussetzung  findet  man  dann  auch  volle  Be- 
stätigung, wenn  man  auf  die  einzelnen  vier  Schriften  hinblickt, 
welche  im  Evangeliencanon  zu  einer  geschlossenen  Einheit  ver- 
bunden worden  sind. 

Besonders  ist  es  das  johanneische  Evangelium,  dessen 
frühzeitiger  gottesdienstlicher  Gebrauch  in  überraschender  Weise 
nachgewiesen  werden  kann.  Kämlich  die  uralten  eucharistischen 
Gebete,  welche  uns  in  der  Jida'/j)  enthalten  sind,  setzen  für 
diejenigen  kirchlichen  Kreise,  aus  denen  der  Verfasser  dieser 
Schrift  sie  entnommen  hat,  durch  die  Fülle  von  Anklängen  an 
das  johanneische  Evangelium  dessen  Einfluss  auf  die  altkirch- 
liche Liturgie   in   einer  Zeit   voraus,   welche   noch   vor  der  Ab- 


10  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

fassung  der  Jcöay?)  gelegen  war1).  Ebenso  ergiebt  sich  der 
frühzeitige  kirchliche  Einfluss  des  johanneischen  Evangeliums 
aus  der  Thatsache,  dass  die  um  d.  J.  160  entstandene  älteste 
Evangelienharmonie,  welche  für  kirchliche  Vorlesungen  in  der 
syrischen  Kirche  bestimmt  war,  Tatians  Diatessaron,  dem 
johanneischen  Evangelium  einen  hervorragenden  Platz  einräumte, 
indem  sie  den  johanneischen  Prolog  sogar  an  die  Spitze  stellte, 
was  ohne  vorausgegaugene  längere  kirchliche  Geltung  dieses 
Evangeliums  undenkbar  gewesen  wäre. 

Sodann  das  erste  canonische  Evangelium  ist  in  juden- 
christlichen Kreisen  schon  zu  Anfang  des  zweiten  Jahrhunderts 
gottesdienstlich  benutzt  worden.  In  dieselbe  Zeit  weist  der  Ver- 
fasser der  Jiöayj),  wenn  er  mit  seiner  Formel:  coq  eysts  Iv  zm 
tvayytXLtp  —  auf  das  erste  Evangelium  dem  Zusammenhang 
nach  deutlich  mit  Bezug  nimmt. 

Was  ferner  das  dritte  canonische  Evangelium  anlangt, 
so  zeigt  die  Thatsache,  dass  Marcion  (140)  das  Lucasevangelium 
an  die  Spitze  seines  Schriftencanons  stellte  und  dasselbe  lediglich 
durch  Cassationen  für  seine  Zwecke  zustutzte,  welche  Autorität 
diese  Evangelienschrift  bereits  längst  vor  140  in  den  urchrist- 
lichen Gemeinden  besessen  haben  muss. 

Über  das  Marcusevangelium  endlich  gibt  Papias  (um 
1*25)  aus  den  noch  älteren  Mittheilungen  des  Presbyters  Jo- 
hannes solche  ausführliche  Nachrichten  und  so  eingehende  Ur- 
theile,  dass  man  an  der  Bekanntschaft  der  ältesten  Kirche  mit 
dieser  Evangelienschrift  nicht  von  ferne  zweifeln  kann.  Zwar 
fehlen  in  der  Zeit  vor  Irenäus  die  Spuren  von  einer  schrift- 
stellerischen oder  gottesdienstlichen  Verwerthung  des  Marcus- 
evangeliums fast  gänzlich,  aber,  abgesehen  von  den  schwerwie- 
genden Zeugnissen  des  Presbyters  Johannes  und  des  Papias, 
haben  wir  noch  zwei  viel  ältere  Zeugen,  nämlich  die  Re- 
daktoren des  ersten  und  dritten  Evangeliums,  welche 
durch  die  weitgehende  Benutzung  des  zweiten  Evangeliums  den 


1)  Darüber,  dass  nicht  blos  ein  s.  g.  „Johann eischer  Evangelientypus" 
in  der  Aiöcc/jt  vorausgesetzt,  sondern  eine  schriftstellerische  Benützung 
des  johanneischen  Evangeliums  in  den  eucharistischen  Gebeten  der  /liötc/t] 
zu  constatieren  ist,  -vergleiche  namentlich  die  nachfolgende  Bemerkung 
zu  Joh.  11,  51.  52  im  2.  Hefte  dieses  Werks. 


§  2.  Der  Evangeliencanon.  11 

frühzeitigen  mächtigen  Einfluss  desselben  auf  die  Urkirche  be- 
kunden. 

Es  geschah  also  nichts  Unvorbereitetes,  als  die  altkatholische 
Kirche,  wahrscheinlich  um  dieselbe  Zeit,  als  Marcion  seinen 
Canon  schuf,  die  vier  in  der  Tradition  der  Kirche  einflussreichsten 
Evangelienschriften  zu  einer  Einheit,  zu  einem  Evangeliencanon, 
zusammenfasste.  Zwar  sagt  Zahn  (Gesch.  des  Kanons  I,  1,  78): 
TDass  man  jemals  zwei  Evangelien  in  eine  einzige  Papyrusrolle 
eingeschrieben  habe,  ist  äusserst  unwahrscheinlich,  eine  Vereini- 
gung aller  vier  Evangelien  in  eine  einzige  Rolle  kaum  denkbar/' 
Irgendwie  aber  muss  doch  die  Einheit  des  viertheiligen  Evan- 
geliencanons und  die  Reihenfolge  seiner  vier  Theile  sich  re- 
präsentiert haben.  Dafür  zeugt  der  Umstand,  dass  sowohl  die 
nach  Cureton  benannte  altsyrische  Evangelienübersetzung,  die 
mit  ihren  Ursprüngen  bis  in  die  Mitte  des  dritten  Jahrhunderts 
zurückreicht,  als  auch  die  altlateinischen  Übersetzungen, 
deren  erste  Anfänge  noch  in  das  zweite  Jahrhundert  hingehören 
(vgl.  unten  §.  4),  einheitliche  Evangeliencodices  darstellen,  welche 
im  Verein  mit  dem  griechischen  Evangeliencodex  Bezae  auf 
einen  Archetypus  zurückweisen,  dessen  Entstehung  wahrschein- 
lich mit  der  Bildung  des  Evangeliencanons  selbst  zusammen- 
fiel und  dessen  Gestalt  die  Zusammengehörigkeit  der  vier  cano- 
nisch gewordenen  Evangelien  erkennen  Hess.  Dafür  spricht 
ferner  auch  der  Käme:  öiä  reöGaQwv,  welchen  Tatian  seiner 
Evangelienharmonie  gab.  Dafür  zeugt  endlich  auch  der  Mu- 
ratorische  Canon,  welcher  die  Evangelien  zählt  und  die 
jetzige  canonische  Reihenfolge  (tertio  evangelii  librum  secun- 
dum  Lucan  —  quarti  evangeliorum  Johannis)  erkennen  lässt. 
Wie  hätte  am  Ausgang  des  zweiten  Jahrhunderts  eine  solche 
Reihenfolge  der  Evangelien  feststehen  können,  wenn  nicht  der 
Evangeliencanon  als  solcher  auch  äusserlich  zu  erkennen  ge- 
wesen wäre? 

Alle  diese  Instanzen  aber  lassen  zugleich  den  Termin  140 
n.  Chr.  als  den  spätesten  Termin  für  die  Bildung  des  Evangelien- 
canons erscheinen.  Denn  wenn  in  der  zweiten  Hälfte  des  zweiten 
Jahrhunderts  der  Evangeliencanon  bereits  in  Übersetzungen  vor- 
lag und  zu  Evangelienharmonien  verarbeitet  werden  konnte  (zu 
dem  Diatessaron  Tatian s  kam  noch  die  gänzlich  verloren  gegan- 
gene Evangelienharmonie  desTheophilus  vonAntiochien),  und 


12  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

wenn  neben  älteren  vorcanonischen  Anordnungen  der  Evangelien  *), 
welche  wir  in  dem  Codex  Bezae,  dem  Syrer  Curetons  und  den  älte- 
sten lateinischen  Codices  repräsentiert  finden,  bereits  um  die  Wende 
des  zweiten  und  dritten  Jahrhunderts  nach  dem  Zeugniss  des 
Muratorischen  Fragments  die  jetzige  canonische  Reihenfolge 
der  Evangelien  entstanden  war,  der  Evangeliencanon  daher  als 
Ganzes  bereits  eine  Geschichte  seiner  Entwicklung  hinter  sich 
hatte,  so  muss  die  Entstehung  dieses  Evangeliencanons  not- 
wendiger Weise  in  die  erste  Hälfte  des  zweiten  Jahrhunderts  ge- 
fallen sein2). 


1)  Die  Ordnung  war  im  Cod.  Cantabr.,  in  den  lateinischen  Codd.  Brix., 
Veron.,  Vercell.,  in  dem  gothischen  Codex  argenteus  folgendermassen  ver- 
treten: Matthaeus,  Johannes,  Lucas,  Marcus.  Ahnlich  bei  Tertullian  (adv. 
Marc.  IV,  2),  nur  mit  der  Voranstellung  des  Johannes:  denique  nobis  fidem 
ex  apostolis  Ioannes  et  Matthaeus  insinuant,  ex  apostolicis  Lucas  et 
Marcus  instaurant,  und  mit  Tertullian  übereinstimmend  die  oberägyptische 
Version  nach  Woide. 

2)  Damit  würden  auch  die  Darlegungen  Taylors  übereinstimmen 
in  seiner  soeben  erschienenen  interessanten  Schrift:  The  Witness  of  Hermas 
to  the  four  Gospels  (London  1392),  für  deren  unmittelbar  nach  dem  Druck 
erfolgte  Übersendung  ich  dem  Autor  nicht  genug  dankbar  sein  kann. 
Hiernach  würde  die  berühmte  Ausführung  des  Irenäus  bezüglich  der 
Nothwendigkeit  eines  vierfältigen  Evangeliencanons  (zsz q&(ao gipov  zb 
eiayyü.iov),  wofür  Irenäus  die  vier  Weltgegenden  (ztooaQU  x/.lfxaza  zov 
xöofxov),  die  vier  Winde  {ztoouQa  za&okixa  Tivsvfxaza),  die  vier  Cheru- 
bim {zu  XtQOvßln  zsz(jc<7i()ÖGW7za)  geltend  macht,  indem  er  den  Evange- 
liencanon als  Ganzes  das  Fundament  der  Kirche  nennt  (aztjQtytict  ixxXrj- 
oii'.z  to  eiccyys?uov)  und  die  vier  einzelnen  Evangelien  als  die  vier  Säulen 
der  Kirche  (ztaoccQccq  ozvXovq)  bezeichnet  (Iren.  III,  11,  8),  der  Haupt- 
sache nach  aus  dem  Pastor  Hermae  entlehnt  sein,  welchen  nach  dem 
Zeugniss  des  Eusebius  (H.  E.  V,  8,  7)  Irenäus  mit  canonischer  Giftig- 
keit gebrauchte  (akXa  xal  anodcyezai  zr)v  zov  Tloifxsvoq  yQcuprjv)  und 
welcher  die  'ExxXijaia  darstellt  als  ein  Weib,  ruhend  auf  einem  (elfen- 
beinernen) Sitz  (tnl  avfiyjsXlov  xa^7j/jttrtjv,  super  scamnum  sedentem),  wel- 
cher Sitz  mit  vier  Füssen  versehen  war  (zsoocipaq  itööaq  tyet  zb  av/x- 
ipeXiov).  Vgl.  Herrn.  Vis.  III,  13,  3.  p.  58.  Zu  dieser  Auffassung,  nach 
welcher  das  ozrjQiyua  mit  den  zsaoagsq  azvkoi  bei  Irenäus  aus  dem 
oravAXiov  mit  den  ztaaaQsq  Tiodsq  bei  Hermas  zur  Bezeichnung  des 
vierfältigen  Evangeliencanons  als  des  die  'ExxXtjala  tragenden  Fundaments 
stammen  würde,  wobei  zugleich  die  ebenda  eingeflochtene  Bemerkung  des 
Hermas:  b  xoa/xoq  öia  zsogccqcdv  azoryet'cüv  xQazüzai  als  Quelle  der 
zLoouQa  xXlfJLaza  und  ziooccgu  nvsifxaza  bei  Irenäus  erscheinen 
würde:  —  zu  dieser  Auffassung  ist  Taylor  durch  eine  äusserst  gründliche 


§  2.   Der  Evangeliencanon.  13 

Dabei  hat  man  nur  festzuhalten,  dass  mit  der  Ent- 
stehung des  Evangelien canons  noch  keineswegs  dessen  Allein- 
herrschaft gesetzt  war.  Es  wäre  wenigstens  eine  sehr  irrige 
Anschauung,  wenn  man  annehmen  wollte,  dass  mit  diesem  ersten 


Vorarbeit  geführt  worden,  welche  er  über  das  Verhältniss  der  diöaxtf  zu 
dem  Hirten  des  Hermas  angestellt  hat.  (Man  vgl.  darüber  Näheres  unten 
in  §  4.  E.)  Hiernach  suchte  und  fand  Taylor  das  s vayytXiov  devJidayi'j 
in  der  uyyeXla  äya&t]  des  Hermas,  welche  Bezeichnung  ebenda  (Vis.  III, 
13,  1)  auftritt,  wo  Hermas  sich  anschickt,  die  Kirche  als  auf  den  vier 
Füssen  ihres  Thrones  ruhend  nach  Analogie  des  von  vier  Elementen  zu- 
sammengehaltenen xöofiog  darzustellen.  Und  allerdings  —  dies  möchte 
ich  zur  Bestätigung  der  von  Taylor  gemachten  Entdeckung  hinzufügen 
—  erklärt  sich  die  erste  Conception  dieser  Bilder  und  die  darin  enthal- 
tene ausschliessliche  Betonung  der  den  vier  Evangelien  einwohnenden 
fundamentalen  Bedeutung  mit  gleichzeitiger  vollständiger  Nichtberück- 
sichtigung der  übrigen  canonischen  Schriften  vortrefflich  aus  einer  Zeit, 
wie  der  des  Hermas,  in  welcher  von  den  Bestandtheilen  des  neutesta- 
mentlichen  Canons  erst  nur  der  Evangeliencanon  in  gottesdienstlichen  Ge- 
brauch getreten  war,  viel  weniger  aus  der  Zeit  des  Iren  aus,  wo  die 
einzigartige  Bedeutung  des  Evangeliencanons  durch  das  Hinzutreten  des 
o  dnöaxoXoq  bereits  eine  wesentliche  Einbusse  erlitten  hatte.  Freilich 
wenn  es  sich  ergeben  sollte,  dass  Hermas  um  das  Jahr  140  n.  Chr.  der- 
artige Beobachtungen  anstellen,  einen  vierfältigen  Evangeliencanon  als 
ein  Gegebenes  voraussetzen  und  diesem  Evangeliencanon  eine  so  grund- 
legende Bedeutung  beimessen  konnte,  so  müsste  die  Entstehung  des  Evan- 
geliencanons noch  ein  gutes  Stück  vor  das  Jahr  140  angesetzt  und  bis  in 
den  Anfang  des  zweiten  Jahrhunderts  zurückdatiert  werden.  Zahn, 
welcher  in  seiner  Geschichte  des  Kanons  1,1.  S.  161  sagt:  „Die  Kirche, 
die  Gottesdienst  feiernde  Gemeinde,  hatte  seit  unvordenklicher  Zeit  diese 
vier  Evangelien  und  nur  diese  im  Gebrauch",  welcher  ebenda  I,  2.  S.  915  f. 
gezeigt  zu  haben  glaubt,  dass  die  vier  canonischen  Evangelien  „aller- 
spätestens  um  125  zu  einer  allgemein  verbreiteten  Sammlung  vereinigt 
waren"  — ,  Zahn  hätte  m.  E.  am  wenigsten  Veranlassung  gehabt,  diese 
Position  des  Taylorschen  Werkes  in  der  Recension  desselben  (Theol.  Lite- 
raturblatt 1892.  No.  23.  S.  268  ff.)  für  „unbegründet"  und  „grundfalsch" 
zu  erklären.  War,  wie  Zahn  annimmt,  der  Evangeliencanon  bereits  um 
125  vorhanden,  so  ist  nicht  abzusehen,  warum  Hermas  dieses  Faktum 
nicht  in  seiner  Weise  verwerthet  haben  sollte.  —  In  einem  Nachtrage 
(veröffentlicht  in  dem  Journal  of  Philology)  macht  Taylor  noch  auf  eine 
Stelle  bei  0  r  igen  es  aufmerksam  (Prooem.  in  Ioan.),  wo  derselbe  mit  den 
Worten:  xbgguqwv  dvxcov  xätv  evayyeklwv,  olovsl  ox oi%eiü>v  xjjg 
Tiloxewq  xijg  txxfajoi'ccq,  ig  wv  oxory  :lv>r  n  nag  ovvnnrjxt  xöa/xoq —  die 
Vorstellung  aus  dem  Pastor  des  Hermas  unter  offener  Bezugnahme  auf 
den  Evangeliencanon  wiederholt. 


14  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

Stadium,  welches  für  die  Geschichte  des  Evangeliencanons 
erkennbar  ist,  und  mit  dem  Praeponderieren  der  vier  canonischen 
Evangelien  in  den  gottesdienstlichen  Vorlesungen,  sofort  der 
Gebrauch  anderer  Evangelien  ausgeschlossen  und  beseitigt  ge- 
wesen sei.  Vielmehr  weisen  fast  alle  Schriftsteller  vor  Irena us 
darauf  hin,  dass  neben  den  vier  Evangelien  Schriften,  welche  der 
Aufnahme  in  den  Canon  gewürdigt  wurden,  auch  noch  andere 
Evangelien  im  Gebrauche  blieben.  Denn  die  Erscheinung,  dass 
in  der  Zeit  vor  Irenäus  die  citierten  Evangelientexte  nur  selten 
mit  den  canonischen  Texten  übereinstimmen,  noch  mehr  aber  die 
Thatsache,  dass  von  denselben  Schriftstellern  aus  den  von  ihnen 
benutzten  Evangelienquellen  solche  Texte  mitgetheilt  werden, 
für  welche  es  in  den  canonischen  Evangelien  keine  direkten 
Parallelen  gibt  (Agrapha),  lässt  sich  nicht  blos  aus  der  Annahme 
vorcanonischer  Textgestalt  der  canonischen  Evangelien  erklären, 
sondern  fordert  mit  Nothwendigkeit,  dass  auch  noch  selbst- 
ständige aussercanonische  Evangelienschriften  nach  begonnener 
Bildung  des  Evangeliencanons  eine  Zeit  lang  im  Gebrauch  ge- 
blieben sind.  Aber  weit  entfernt  davon,  dass  dadurch  der  histo- 
rische Werth  unserer  canonischen  Evangelien  discreditiert  werden 
könnte,  dienen  jene  Reste  aussercanonischer  Evangelien,  so  weit 
man  sie  constatieren  kann,  durch  ihre  inhaltliche  Übereinstimmung 
und  überraschende  Congenialität  mit  unseren  canonischen  Evan- 
gelien zu  einer  durchschlagenden  Beglaubigung  derselben. 

Auch  eine  Vergleichung  der  Reste,  die  von  haeretischen 
Evangelien  (Evangelium  des  Marcion,  Hebräerevangelium,  Aegyp- 
terevangelium)  uns  erhalten  sind,  gereicht  nur  zur  Befestigung 
der  Überzeugung,  dass  von  Seiten  der  Kirche  bei  Bildung  des 
Evangeliencanons  —  mit  alleiniger  Ausnahme  der  leider  verloren 
gegangenen  vorcanonischen  Evangelien -Quellenschrift  —  die 
besten  Elemente  der  altkirchlichen  Evangelientra- 
dition erhalten  und  zusammengestellt  worden  sind.  Denn  wie 
das  Marcionevangelium  den  Charakter  derCastration,  so  tragen 
das  Hebräer-  und  Aegypterevangelium  in  den  Stoffen,  in  welchen 
sie  über  die  canonischen  Evangelien  hinausgehen,  den  Stempel 
der  Interpolation  an  der  Stirn.  Jedenfalls  war  zur  Zeit  des 
Irenäus  und  spätestens  des  Origenes  die  kritische  Ausschei- 
dung der  aussercauonischen  und  haeretischen  Evangelien  und 
die  Alleinherrschaft    der   vier    canonischen  Evangelien 


§  2.  Der  Evangeliencanon.  15 

innerhalb  der  Kirche  eine  Thatsache.  Während  der  Canon 
der  neutestamentlichen  Lehr  Schriften  noch  das  ganze  dritte 
Jahrhundert  hindurch  bis  in  den  Anfang  des  vierten  Jahr- 
hunderts hinein  zahlreiche  minderwerthige  literarische  Produkte 
(dida%}j,  Barnabas,  Hermas,  Clemens  Rom.  etc.)  mit  sich  fort- 
schleppte und  daher  erst  viel  später  zur  kritischen  Bereinigung 
gelangte;  war  der  Evangeliencanon  bereits  um  die  Wende  des 
zweiten  und  dritten  Jahrhunderts  bezüglich  seiner  canonischen 
Alleinherrschaft  zum  Abschluss  gelangt  und  nur  betreffs  seiner 
Textgestalt  im  Einzelnen  noch  manchen  Schwankungen  unter- 
worfen. 

Was  nun  die  Recension  der  canonischen  Evangelientexte 
anlangt,  so  ist  die  erste  Recension  jedenfalls  auf  den  Ver- 
fasser jenes  Archetypus  zurückzuführen,  aus  welchem  der 
Codex  Bezae,  der  Syrer  Curetons  und  die  altlateinischen  Versionen, 
ja  auch  ein  Theil  der  übrigen  orientalischen  Versionen  geflossen 
sind.     Vgl.  unten  §  4. 

Eine  zweite  Stufe  der  evangelischen  Textrecension  kann 
man  bei  Origenes  wahrnehmen,  dessen  Texte  die  nachfolgende 
alexandrinische  Schule  beherrschen. 

Die  dritte  und  letzte  Stufe  in  der  Entwickelung  der  Evan- 
gelientexte fällt  mit  dem  Abschluss  des  Canons  überhaupt  und 
mit  der  endgiltigen  Fixierung  der  canonischen  Texte  zusammen, 
wobei  gerade  in  den  evangelischen  Texten  manches  feinere  histo- 
rische Detail  verwischt  worden  sein  mag. 

Immerhin  aber,  so  werthvoll  auch  die  vorcanonischen 
Evangelientexte  für  die  historische  Evangelienforschung 
bleiben  werden,  ist  doch  jene  letzte  Textrecension  der  cano- 
nischen Evangelien  und  der  damit  erfolgte  endgiltige  Abschluss 
des  Evangeliencanons  derart,  dass  für  den  praktischen  Ge- 
brauch von  Seiten  der  Kirche  und  der  kirchlichen  Gemeinden 
etwas  Besseres  nicht  geboten  werden  kann. 

Hier,  wo  es  sich  lediglich  um  die  historische  Erforschung 
der  Evangelien  handelt,  ist  der  bis  jetzt  vielfach  verkannte  und 
meistens  nicht  beachtete  hohe  Werth  der  vorcanonischen, 
bezw.  aussercanonischen  Evangelientexte  einer  besonderen 
Betrachtung  zu  unterziehen. 


16  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

§  3. 

„Canonische"  und  .,AussercauoIlisclle',  Texte. 

Die  Idee  des  Canons  und  das  damit  eng  verwobene  Be- 
dürfniss  der  Kirche  bringt  es  mit  sich,  dass  die  Canon- 
bildung nach  den  beiden  ersten  Stufen  ihrer  Entwickelung 
—  Sammlung  der  traditionellen  Stoffe,  kritische  Ausscheidung 
der  minderwerthigen  Bestandteile  —  erst  in  ihrem  dritten 
Stadium  durch  textkritische  Bereinigung  des  Canons 
zu  ihrer  Ruhe  kommt.  Ohne  einen  einheitlich  revidierten  und 
recensierten  Text  würde  der  Canon  stets  unfertig  und  die  Auto- 
rität der  Kirche,  welche  den  Canon  darbietet,  immer  wieder  ge- 
fährdet bleiben.  Für  ihre  paedagogische  Aufgabe,  welche 
die  Kirche  an  den  Völkern  zu  lösen  hat,  kann  sie  eines 
einheitlich  normierten  Textes  in  demjenigen  Kirchen- 
buche, welches  alle  andern  Kirchenbücher  an  norma- 
tiver Geltung  bei  Weitem  übertrifft,  nimmermehr  ent- 
behren. 

Eine  ähnliche  Entwickelung  hat  ja  auch  der  Canon  des 
Alten  Testamentes  durchgemacht.  Erst  in  der  synagogalen 
Schlussredaktion  der  Texte  ist  der  alttestam entliche  Canon 
als  solcher  fertig  geworden.  Und  diejenigen  Forscher,  welche 
den  synagogalen  Text  des  Alten  Testaments  zur  Grundlage  ihrer 
quellenkritischen  Untersuchungen  machen,  sind  in  steter  Gefahr, 
die  textkritische  Arbeit  der  Schlussredaktoren  als  solche  nicht 
zu  erkennen  und  dieselbe  den  Autoren  der  Einzelschriften  zu 
imputieren1). 

Während  aber  bei  dem  Alten  Testamente  die  Wiederherstel- 
lung eines  vorsynagogalen  und  vorcanonischen  Textes  aus  Mangel 
an  handschriftlichem  Materiale  auf  die  grössten  Schwierigkeiten 
stösst,  liegt  die  Sache  bezüglich  der  neutestamentlichen  Schriften 
um  Vieles  günstiger.  Zwar  ist  auch  die  neutestamentliche  Text- 
geschichte und  besonders  der  mit  der  canonischen  Schlussredak- 
tion der  neutestamentlichen  Schriften  verknüpfte  Process  ins 
tiefste  Dunkel   gehüllt.     Die   darüber  vorhandenen  Äusserungen 


1)  Vgl.  Klostermann  in  der  Neuen  kirchlichen  Zeitschrift.  1890.  IX.  X 
„Beiträge  zur  Entstehungsgeschichte  des  Pentateuch."    Ebenso  1892.  VI. 


§  3.  ,, Canonische"  und  „Aussercanonische"  Texte.  17 

der  altkirchlicheu  Autoren  lassen  hauptsächlich  nur  Spielraum 
zu  unsicheren  Vermuthungen.  Auch  sänimtliche  griechische 
Handschriften  des  N.  T.  —  mit  einer  einzigen  Ausnahme  — 
setzen  bereits  den  recensierten  Text  voraus  und  stammen  aus  einer 
Zeit,  da  der  neutestanientliche  Canon  bereits  seine  abschliessende 
Textgestalt  empfangen  hatte.  Ja,  auch  diese  einzige  Ausnahme, 
der  oben  bereits  erwähnte  Codex  Bezae  oder  Codex  Cantabri- 
giensis,  welcher,  wie  er  jetzt  vorliegt,  dem  sechsten  oder  siebenten 
Jahrhundert  angehört,  repraesentiert  den  vorcanonischen  Text  der 
Evangelien  nicht  rein,  sondern  in  einer  vielfach  verderbten  und 
verwilderten,  auch  durch  den  späteren  recensierten  Text  beein- 
flussten  Gestalt.  Und  wenn  nicht  die  alten  Übersetzungen 
erhalten  wären,  welche  z.  Th.  längst  vor  der  Zeit  der  canonischen 
Schlussredaktion  entstanden  sind,  so  würde  der  einzigartige 
AVerth  des  Codex  Bezae  noch  viel  schwerer  zu  erkennen  und 
eine  Restitution  des  vorcanonischen  Textes  noch  viel  schwieriger 
zu  vollziehen  sein.  Die  uralten  Evangelien-Übersetzungen 
leisten  hier  für  eine  Wiederauffindung  der  vorcano- 
nischen Texte  Neuen  Testaments  ähnliche  Dienste,  wie 
die  Septuaginta-Version  für  die  Aufspürung  der  vor- 
synagogalen  Texte  Alten  Testaments.1) 

Gleichwohl  ruht  auf  den  Fragen  nach  Entstehung  und 
Fortpflanzung  jenes  vorcanonischen  Textes  sowie  nach  dem 
historisch -genetischen  Zusammenhang  des  griechischen  Codex 
Bezae  mit  den  altlateinischen  Versionen  einerseits  und  der  alt- 
syrischen Version  (welche  Cureton  entdeckt  hat)  anderer- 
seits das  Schweigen  der  Vergangenheit.  Wie  ungenügend  sind 
die  Äusserungen  des  Hieronymus,  wenn  er  von  den  dioQ&cö- 
ösiq  als  der  canonischen  Schlussredaktion  die  xoiv?/  txöoöiq, 
xoivi)  aväyvoiOiq,  ör/fiorix?)  exdooig  (auch  schlechtweg  xoivrj) 
unterscheidet  und   die  letztere  als  die  vorcanonische  Textgestalt 


1)  Vgl.  Buhl,  Kanon  und  Text  des  Alten  Testaments.  Leipzig  1891. 
S.  126:  „Ausser  der  in  den  vorhergehenden  §§  erwähnten  geschichtlichen 
Bedeutung  hat  die  LXX  den  unschätzbaren  Wert,  der  älteste  ausführliche 
Textzeuge  des  A.  T.  zu  sein.  Sie  eröffnet  uns  die  Möglichkeit,  auf  den 
jedem  einzelnen  griechischen  T'bersetzer  vorliegenden  hebräischen  Text 
zuiückschliessen  zu  können,  und  dadurch  eine  Textgestalt  kennen  zu 
lernen,  die  gegen  1200  Jahre  älter  ist  als  die  älteste  hebräische 
Bibelhandschrift." 

Texte  und  Untersuchungen.  X.  2 


lg  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

so  charakterisirt:  quod  xoivrj  pro  locis  et  temporibus  et  pro 
voluntate  scriptorurn  vetus  corrupta  editio  est.  (Hieron.  Ep.  CVI 
n.  2.  ad  Suniam  et  Fretellam).  Es  ist  wahr:  die  vorcanonische 
Textgestalt  des  neutestamentlichen  Canons  war  vielfach  ausein- 
ander gegangen  und  verwildert;  aber  dahinter  lag  doch  eine 
höhere  Einheit,  welche  aus  dem  Zusammenhalt  so  weit  aus  ein- 
ander stehender  Zweige,  wie  des  altsyrischen,  des  altlateinischen 
und  des  im  Codex  Bezae  repraesentierten  griechischen  Textes, 
wieder  erkannt  werden  kann.  Es  ist  klar:  die  altkirchlichen 
Autoren  tappten  in  Bezug  auf  die  Entstehung,  Weiterentwicke- 
lung und  Schlussredaktion  der  canonischen  Texte  Neuen  Testa- 
ments völlig  im  Dunkeln. 

Meine  Anschauungen  über  den  Ursprung,  die  Fortbildung 
und  endliche  Fixierung  der  neutestamentlichen  canonischen  Texte 
möchte  ich  kurz  wie  folgt  skizzieren,  indem  ich  drei  Epochen 
unterscheide. 

Die  erste  dieser  Epochen  fällt  in  die  erste  Hälfte  des 
zweiten  Jahrhunderts,  beschränkte  sich  auf  die  vier  Evangelien 
und  brachte  zugleich  mit  der  erstmaligen  Bildung  des  Evan- 
geliencanons die  erste  Revision  der  evangelischen  Texte.  Das 
Nähere  über  diese  Vorgänge  vergleiche  man  in  §.  4  A. 

Die  zweite  Textrevision  geschah  in  der  ersten  Hälfte  des 
dritten  Jahrhunderts  und  ist  auf  Origenes  als  den  eigentlichen 
Urheber  zurückzuführen.  Derselbe  Origenes,  dem  wir  in  der 
Hexapla  die  Sammlung  der  griechischen  Texte  Alten  Testa- 
ments verdanken,  hat  sich  auch  die  Reinigung  der  neutestament- 
lichen Texte  angelegen  sein  lassen.  (Auch  Zahn,  Geschichte 
des  Canons  I,  1.  S.  444  f.  erkennt  eine  im  dritten  Jahrhundert 
durch  Origenes  begonnene  Reinigung  und  Feststellung  der 
canonischen  Texte  an).  Doch  ist  diese  textkritische  Arbeit  des 
Origenes  nicht  sowohl  als  eine  Textrecension  ex  professo  zu 
betrachten,  als  vielmehr  hervorgegangen  aus  seiner  exegetischen 
und  homiletischen  Behandlung  des  Neuen  Testaments  als  bei- 
läufiges Produkt  in  der  Hand  eines  in  sorgfältiger  Beurtheilung 
und  Vergleichung  der  Handschriften  geübten  Mannes.  Vgl. 
Tischendorf-Gebhardt,  Bibeltext  des  N.  T.  Real-Encykl.2 
II,  409. 

Die  dritte  Textrevision  brachte  die  endgiltige  Fixierung  der 
canonischen  Texte  und  damit  den  Abschluss   der  Canonbildung 


§  3.  „Canonische"  und  „Aussercanonische"  Texte.  19 

überhaupt.  Sie  wird  nach  einer  dunkeln  Andeutung  des  Hiero- 
nymus  (in  der  Ep.  ad  Damasum)  an  die  Xamen  Leucius  und 
Hesychius  geknüpft.  Aber  dadurch,  dass  im  Gelasianischen 
Decrete  die  von  diesen  beiden  Männern  revidierten  Evangelien  als 
gefälschte  evangelia  apocrypha  verurtheilt  und  verworfen  werden 
(Decr.  Gelas.  VI,  1459:  Evangelia  quae  falsavit  Lucianus  [=  Leu- 
cius, Lucius]  apocrypha.  Evangelia  quae  falsavit  Isicius  [al. 
Hesychius]  apocrypha),  wird  der  Sachverhalt  noch  mehr  ver- 
dunkelt, weil  es  danach  scheinen  könnte,  als  ob  die  textkritische 
Arbeit  jener  beiden  Männer  von  Seiten  der  Kirche  zurückge- 
wiesen worden  sei.  Und  doch  muss  im  letzten  Viertel  des  dritten 
Jahrhunderts  und  am  Anfang  des  vierten  Jahrhunderts  eine  starke 
kirchliche  Macht  vorhanden  gewesen  sein,  welche  einer  haupt- 
sächlich von  Antiochien  ausgegangenen  Fixierung  der  neutesta- 
mentlichen  Texte  zur  canonischen  Geltung  in  der  Kirche  ver- 
liolfen  hat. 

Gegenüber  nämlich  dem  Codex  Bezae,  welcher  mit  seinen 
Trabanten,  den  alten  Übersetzungen,  in  die  vorcanonische  Zeit 
hinaufreicht,  repraesentieren  sämmtliche  griechische  Handschriften 
des  Neuen  Testamentes,  von  denen  die  beiden  ältesten,  Codex 
Vaticanus  (B)  und  Codex  Sinaiticus  (X)  dem  vierten  Jahrhundert 
angehören,  eine  einheitliche  Textfamilie,  deren  innere  Differenzen 
trotz  ihrer  grossen  Zahl  durchaus  unerheblich  sind  im  Vergleich 
zu  den  Textabweichungen  derjenigen  Textfamilie,  welche  unter 
den  griechischen  Codices  einzig  und  allein  durch  den  Codex 
Bezae  repraesentiert  wird.  Es  ist  in  der  That  so,  wie  de  La- 
garde  (Mittheilungen  IV,  21)  in  seiner  scharfen  Weise  es  aus- 
gesprochen hat:  „Ich  erkannte  weiter,  dass  zu  irgend  einer  Zeit 
eine  durchgreifende  Revision  des  Textes  vorgenommen  worden 
ist,  und  forderte,  die  nicht  recensierten  von  den  recensierten  Codices 
zu  scheiden:  die  einen  dürften,  so  lehrte  ich1),  gar  nicht  mit 
den  anderen  zusammengehalten  werden."  Es  ist  richtig,  wenn  er 
(Mitth.  IV,  308)  noch  drastischer  erklärt,  „dass  D  und  AB  dia- 
metral entgegengesetzte  L'rkunden  sind,  die  nur  ein  Dummkopf 
als    gleichberechtigt    behandeln    darf."      Auch    YVestcott    und 


1)  De  Lagarde  in  seinem  Programm :  „de  novo  testamento  ad  ver- 

sionum    orientalium   fidem   edendo"  (1859)  —  jetzt  in  den  „Gesammelten 

Abhandlungen"  S.  85  ff. 

o* 


2()  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

Hort  haben  das  richtige  Verhältniss   erkannt,   wenn  sie  in  der 
Introduction  zu  ihrem  N.   T.  sagen:    „The   Syrian  (d.  h.  der  in 
Antiochien   entstandene)   text    must    in    f'act    be  the  result  of  a 
„recension-'  in  the  propre  sense  of  the  word,  a  work  of  a  attempted 
criticism,  performed  deliberately  by  editors  and  not  merely  by 
scribes."     Denn  in   der  That  nicht  naive  Abschreiber,  sondern 
nach  bestimmten  Grundsätzen  verfahrende  Editoren,  Redaktoren, 
sind  jene  Männer  gewesen,  welche  dem  neutestamentlichen  Canon 
das  letzte  Kleid  anlegten,   das   er  jetzt  noch   trägt,   welche  die 
Schriften   des   X.  T.  in    den   canonischen  Text   einkleideten  und 
damit  die  Canonbildung  zum  endgiltigen  Abschluss  führten.  Wenn 
de  Lagarde  (Mittheilungen  IV,  22)   diese  „recensio"  der  cano- 
nischen Texte   eine   „contaminatio"    nennt,   wenn    er  anderwärts 
(Mitth.  IV,  307)  jene  Redaktoren,  jene  öiaöxevaoral  og&ödot-oi, 
als  „Fälscher"  brandmarkt,  so  geht  er  darin  viel  zu  weit.     Denn 
eine  einheitliche  Regelung  der  canonischen  Texte  war   bei   der 
vorausgegangenen  Verwilderung  der  Handschriften   im  Interesse 
der  Kirche  sowohl  für  den  praktischen  Zweck  der  gottesdienst- 
lichen Vorlesungen   als  für  den  dogmatischen  Gebrauch  in  den 
die   Lehre    der  Kirche    betreffenden   Kämpfen    durchaus   nöthig. 
Ein  streng  historisches  Interesse  wörtlicher  quellenmässiger  Text- 
überlieferung war  in  der  Kirche  überhaupt  noch  nicht  vorhanden 
gewesen.     Jene  Redaktoren  thaten  also  was  im  Einzelnen    Un- 
zählige vor  ihnen  gethan  hatten,  nur  dass  es  ihnen  gelang,  ihren 
recensierten  Text  zur  Alleinherrschaft  zu  bringen  und  die  grie- 
chischen Handschriften  der  xoivtj  Ixöoöic  (bis  auf  den  später  im 
Kloster  S.  Irenaei    in   Gallien    wieder   aufgefundenen   Codex  D) 
völlig  zu  verdrängen.     Einen    solchen  Erfolg  würde  ihr  Werk 
aber  nimmermehr   gefunden  haben,   wenn  nicht  das  Bedürfniss 
der  Kirche  zwingend  auf  den  Abschluss  des  Canons  durch  Fixie- 
rung  der  canonischen  Texte  hingedrängt  hätte  und  wenn  jene 
Redaktoren    als    wirkliche   Fälscher   ihre   Arbeit    gethan   hätten. 
Wir   können  ja  auch  ihre  Arbeit  durch  Vergleichung  des  revi- 
dierten Textes  mit  den  Zeugen  der  xoivrj  exdoöig  einigermassen 
controlieren ,   woraus  sich  ergibt,   dass  Textfälschungen  im  dog- 
matischen Interesse   nicht  stattgefunden   haben  1).     Wenn  daher 

1)  Harnack  bemerkt  hierzu:  „Dogmatische  Correkturen  haben  in 
einigen  Fällen  doch  stattgefunden,  wenn  sie  auch  nicht  in  alle  Hand- 
schriften übergegangen  sind". 


§  3.  „Canonische"  und  ,,A.ussercanonische"  Texte.  21 

in  unserer  Zeit  die  gelehrten  Herausgeber  des  neutestamentlichen 
Canons  auf  eine  bereinigte  Darstellung  des  canonischen,  d.  i.  eben 
des  revidierten,  Textes  ausgegangen  sind  und  dabei  die  ältesten 
griechischen  Zeugen  dieses  revidierten  Textes,  d.  h.  also  die  ältesten 
und  besten  griechischen  Codices,  zu  Grunde  gelegt,  die  Ab- 
weichungen des  vorcanonischen  Textes  aber,  also  der  xoivr  exöooig, 
die  Lesarten  des  Cod.  D  und  der  alten  Versionen,  in  die  An- 
merkungen verwiesen  haben,  so  ist  dies  eine  vollberechtigte 
und  in  sich  consequente  Handlungsweise,  auch  keineswegs  so 
nutzlos,  wie  es  de  Lagarde  darstellt,  da  man  ja  die  Textge- 
schichte in  den  Anmerkungen,  das  Resultat  dieser  Textge- 
schichte aber  in  der  Gestalt  des  bereinigten  canonischen  Textes 
vor  Augen  hat. 

Ganz  anders  gestaltet  sich  freilich  das  Urtheil,  wenn  es  sich 
um  neutestamentliche  Quellenforschung,  zumal  auf  dem  Gebiete 
der  Evangelienkritik,  handelt,  da  gerade  für  die  Evangelien  die 
Quellen  der  vorcanonischen  Texte  besonders  reichlich  fliessen. 
Die  evangelische  Quellenkritik  auf  den  recensierten  cano- 
nischen Text  gründen  wollen,  das  ist  die  Beschränktheit,  welche 
de  Lagarde  geissein  will,  wenn  er  (Mitth.  IV,  307)  sagt,  „dass 
alle  Untersuchungen  über  das  N.  T.  und  über  die  vor  jener 
öioqO-coOiq  liegende  Zeit  der  Kirche  nutzlos  sind,  wenn  sie  auf 
dem  bei  Lachmann,  Tregelles,  Tischendorf,  Westcott-Hort  vor- 
gelegten, die  in  Antiochien  gemachte  öiOQfrmöiq  wiedergebenden 
Texte  fussen."  Denn  bei  dieser  diOQ&coöiq  und  bei  der  hierbei 
vorgenommenen  Nivellierung  der  Texte  sind  allerdings  zahlreiche 
historische  Details  verwischt,  charakteristische  Züge  unkenntlich 
gemacht,  quellenmässige  Reste  des  Urtextes  beseitigt  und  somit 
vielfach  gerade  diejenigen  Elemente  vernichtet  worden,  welche 
für  die  historische  Quellenforschung  die  wichtigsten  Anhalts- 
punkte zu  bieten  vermögen.  In  diesem  Sinne  ist  de  Lagarde 
vollkommen  zuzustimmen,  wenn  er  die  xoivfj  sxöoOig  (d.  i.  die 
Summe  der  vorcanonischen  Texte)  zwar  „nicht  für  identisch  mit 
der  Hand  der  heiligen  Schriftsteller,  aber  für  viel  werthvoller 
als  dieRecension  der  diaoxsvaöral  oq&oöo^oi"  bezeichnet.  (Mitth. 
IV,  307).  Es  ist  erstaunlich,  dass  de  Lagardes  Stimme  zumal 
bei  den  auf  dem  Gebiet  der  evangelischen  Quellenkritik  thätigen 
Forschern  nicht  grössere  Beachtung  gefunden  hat.  Ich  selbst 
bin  nicht  durch  de  Lagarde,   sondern  durch  den  Gang  meiner 


22  Text-  und  quellenkritiscke  Grundlegungen. 

eigenen  Forschungen  zu  der  Erkenntniss  von  dem  historischen 
Werthe  der  vorcanonischen  Texte  gekommen. 

Bis  zum  Jahre  1876,  als  ich  meine  Schrift:  „Das  Formal- 
princip  des  Protestantismus ,!  veröffentlichte  und  darin  die 
bis  dahin  von  mir  gewonnenen  Resultate  registrierte,  hatte  ich 
mich  gleich  den  meisten  Forschern,  welche  die  Evangelienfrage 
behandeln,  auf  die  innercanonischen  Untersuchungen  beschränkt 
und  die  canonische  Textgestalt  der  Evangelien  (nach  Tischen- 
dorfs Ed.  octava  crit.  major)  zu  Grunde  gelegt.  Ich  glaubte 
damals  am  Ende  meiner  Forschungen  angelangt  zu  sein,  und 
kündigte  in  der  Einleitung  zu  jener  Schrift  (S.  VII)  eine 
..Historisch -kritische  Synopse  der  canonischen  Evangelien"  an, 
zu  welcher  die  Vorarbeiten  bereits  vorlagen.  Und  in  der  That 
am  Ende  der  innercanonischen  Forschungen  bezüglich  der 
Evangelien  war  ich  auch  angekommen.  Auch  bereue  ich  heute 
diese  anfängliche  Beschränkung  meiner  Forschungen  in  keiner 
Weise.  Denn  wie  der  Canon  als  solcher  der  unverrückbare 
Orientierungspunkt  ist  für  die  historische  Theologie  überhaupt, 
so  bildet  er  speciell  auch  den  Ausgangspunkt  für  die  historische 
Evangelienkritik.  Die  „Canonischen  Evangelien-Parallelen 
in  den  neutestamentlichen  Lehrschriften "  welche  diesen 
gegenwärtigen  „Aussercanonischen  Paralleltexten  zu  den 
Evangelien"  unverzüglich  folgen  sollen,  werden  Zeugniss  ab- 
legen von  der  hohen  Bedeutung,  welche  der  eindringenden 
innercanonischen  Vergleichung  der  neutestamentlichen  Lehr- 
schriften mit  den  Evangelien  innewohnt. 

Aber  einerseits  noch  nicht  voll  befriedigt  von  den  damals 
gewonnenen  Erkenntnissen,  andrerseits  angeregt  durch  Credners 
Aufsatz  über  den  Codex  Cantabrigiensis  und  durch  die  patristi- 
schen  Parallelte"Xte  in  Angers  Synopsis  Evangeliorum  begann 
ich  eine  zweite  Epoche  meiner  Forschungen,  von  der  ich  frei- 
lich damals  noch  nicht  ahnte,  wie  weit  sie  mich  führen  würde. 
Eine  mehrmalige  eingehende  Collation  des  Codex  Bezae  so- 
wohl nach  der  Kiplingschen  als  nach  der  Scriven ersehen 
Ausgabe  und  eine  unausgesetzte  Forschung  in  der  patristischen 
(wie  auch  apokryphischen)  Literatur  überzeugte  mich  von  dem 
hohen  historischen  Werthe  der  vorcanonischen  Textgestalt,  in 
welcher  die  Evangelien  vor  der  letzten  Fixierung  der  canoni- 
schen Texte  verbreitet  gewesen  sind.     Es  wurde  mir  klar,  dass 


§  3.  „Canonische"  und  „Aussercanonische"  Texte.  23 

die  canonische  Textrevision  ein  viel  ..zu  schmaler  Rücken"  ist, 
um  eine  Evangelienkritik  zu  tragen,  welche  alle  Instanzen  zu- 
sammenfassen soll.  Ich  sah,  dass  der  kritische  Apparat  bei 
Tischendorf  bezüglich  der  Evangelien  und  ihrer  Verbreitung 
in  der  patristischen  Literatur,  wie  es  auch  nicht  anders  sein  kann, 
noch  sehr  unvollständig  ist,  ebenso  wie  ja  auch  in  Angers 
Synopsis  nur  ein  bestimmter  Ausschnitt  aus  der  patristischen 
Literatur  Berücksichtigung  gefunden  hat.  Und  so  beschloss  ich, 
vorerst  einmal  die  Materialien,  insbesondere  auch  die  aussercano- 
nischen,  in  möglichster  Vollständigkeit  zusammenzustellen,  da- 
bei zugleich  den  ersten  Theil  der  Tischendorfschen  Editio  octava 
critica  major,  welcher  die  Evangelien  umfasst,  bezüglich  der 
patristischen  Literatur  planmässig  zu  ergänzen. 

Zur  Vollständigkeit  des  einschlagenden  Materials  gehörten 
selbstverständlich  auch  die  ..Agrapha",  d.  h.  diejenigen  ausser- 
canonischen  Evang elienfragmente ,  zu  denen  es  in  den  canoni- 
sehen  Evangelien  direkte  Parallelen  nicht  gibt.  Diese  fielen  mir 
bei  der  Durchforschung  der  patristischen  Literatur  nach  direkten 
Evangelienparallelen  ganz  von  selbst  mit  in  die  Hände,  — 
etwa  wie  die  Zimmerspäne  niederfallen,  wenn  man 
Balken  behaut.  Es  wäre  doch  gewiss  ganz  unverzeihlich  ge- 
wesen, wenn  ich  diese  Späne  nicht  gesammelt  hätte.  So  entstand 
ganz  von  selbst,  ohne  Ahnung  meinerseits,  dass  daraus  später 
ein  selbstständiges  Buch  hervorgehen  würde,  ganz  allmählich 
wachsend,  die  Sammlung  der  Agrapha.  Und  ich  glaube,  schon 
jetzt  ist  es  vielfach  erkannt,  wie  befruchtend  und  anregend  dieses 
aussercanonische  Material  auf  die  Evangelienforschung  zu  wirken 
vermag.  In  viel  höherem  Masse  dürfte  dies  von  einer  möglichst 
vollständigen  Sammlung  „Aussercanonischer  Paralleltexte 
zu  den  Evangelien"  gelten,  einmal  weil  hier  direkte  Parallelen 
zu  den  canonischen  Evangelientexten  vorgelegt  werden,  sodann 
weil  diese  „Aussercanonischen  Paralleltexte"'  unvergleichlich  zahl- 
reicher als  die  Agrapha  sind  und  endlich  weil  hier  unmittelbar 
das  gesammte  Gebiet  der  Evangelienforschung  in  Mitleidenschaft 
gezogen  wird  durch  vollständige  Zusammenstellung  der  älteren 
vorcanomschen  Textgestalt,  welche  der  canonischen  öioq&cooiq 
und  unseren  sämmtlichen  griechischen  Codices  vorangegangen  ist. 

Wenn  ich  gleichwohl  nicht  den  Titel:  „Vor canonische  Pa- 
ralleltexte'', sondern  die  Überschrift:  „Aussercanonische Parallel- 


24  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

texte  zu  den  Evangelien ••  gewählt  habe,  so  ist  hierfür  ein  for- 
meller Gesichtspunkt  massgebend  gewesen.  Nämlich  durch  den 
Titel  „Vorcanonische  Paralleltexte"  würde  entweder  die  Voll- 
ständigkeit beeinträchtigt  oder  das  Werthurtheil  über  die  ein- 
zelnen Texte  in  Bausch  und  Bogen  praejudiciert  worden  sein. 
Hätte  ich  nur  diejenigen  Texte  in  die  Sammlung  aufnehmen 
wollen,  welche  nach  meinem  Urtheile  einen  guten  vorcanonischen 
i  handschriftlich  begründeten)  Text  repraesentieren,  so  hätten  viele 
Citate  in  Wegfall  kommen  müssen,  darunter  auch  solche,  welche 
nach  dem  Urtheil  Anderer  vielleicht  höchst  werthvoll  sind.  Da- 
gegen wird  bei  der  Überschrift:  ..Aussercanonische  Paralleltexte " 
weder  die  Vollständigkeit  gefährdet  noch  irgend  ein  quellen- 
kritisches oder  textkritisches  Werthurtheil  über  die  Texte  ge- 
fällt. „Aussercanon  isclr'  ist  ein  indifferentes  Wort;  es  con- 
statiert  bei  den  Texten  lediglich  eine  erhebliche  Abweichung 
von  der  canonischen  Textgestalt,  wobei  die  Frage,  woher 
solche  Abweichung  stamme  und  welchen  Werth  sie  besitze,  voll- 
ständig offen  gehalten  und  der  Einzeluntersuchung  in  jedem 
einzelnen  Falle  überlassen  wird. 

Wenn  ich  mich  aber  auf  die  „Aussercanonischen  Parallel- 
texte zu  den  Evangelien"  beschränkt  und  die  übrigen  Schriften 
des  N.  T.  nicht  berücksichtigt  habe,  so  ist  dies  einmal  das  natur- 
gemässe  Ergebniss  meiner  von  Haus  aus  auf  die  Evangelien 
gerichteten  Studien,  zum  Andern  aber  auch  der  Thatsache  ent- 
sprechend, dass  sowohl  die  Zahl  als  namentlich  auch  die  Er- 
heblichkeit der  aussercanonischen  (bzw.  vorcanonischen)  Texte 
in  den  neutestamentlichen  Lehrschriften  weit  geringer  ist,  als 
in  den  Evangelien.  Ein  Ergänzungsband  zu  dem  zweiten  Theile 
der  Editio  octava  critica  major  von  Tischendorf,  welcher  die 
neutestamentlichen  Lehrschriften  umfasst,  würde  höchst  kümmer- 
lich ausfallen.  Dass  dies  bei  den  Evangelien  —  und  besonders  bei 
den  synoptischen  —  sich  ganz  anders  verhält,  das  hängt  mit  dem 
Ursprung  und  mit  der  Geschichte  der  Evangelien  auf  das  Alier- 
engste  zusammen  und  soll,  was  zunächst  den  Canon  und  die 
Textgeschichte  der  Evangelien  anlangt,  im  nächsten  Paragraphen 
näher  erläutert  werden. 


§  4.  Die  Quellen  der  aussercanonischen  Evangelientexte.  25 

§   4. 

Die  Quellen  der  aussercaiionisclien  bzw.  vorcano- 
nisclien  Evangelientexte. 

Es  entsteht  nun  die  Frage:  Welches  sind  die  Quellen,  aus 
denen  eine  möglichst  vollständige  Sammlung  der  aussercano- 
nischen, d.  h.  nicht  recensierten.  Evangelientexte  gewonnen  werden 
kann?  Diese  im  Vorhergehenden  bereits  mehrfach  gestreifte 
Frage  bedarf  einer  selbstständigen  und  übersichtlichen  Beant- 
wortung. Und  zwar  handelt  es  sich  hier  noch  nicht  um  die 
Frage  nach  der  möglichen  letzten  Quelle,  sondern  um  eine 
übersichtliche  Darstellung  der  nächsten  literarischen  Quellen, 
aus  denen  die  vorcanonischen,  bzw.  aussercanonischen  Evangelien- 
texte zu  gewinnen  sind.    Es  kommen  dabei  folgende  in  Betracht: 

A.  Der  griechische  Codex  Bezae. 

B.  Die  altitalischen  Evangelien- Versionen. 

C.  Die   altorientalischen,    besonders    syrischen 
Evangelien- Versionen. 

D.  Das  Diatessaron  Tatians. 

E.  Die  patristischen  Evangeliencitate. 

F.  Die  neutestamentlichen  Apokryphen  und 
Pseudepigraphen. 

G.  Die  altkirchlichen  Liturgien. 

An  der  Spitze  dieser  Quellen  steht,  als  der  einzige  grie- 
chische Codex  derart. 

A.  Der  Codex  Cantabrigiensis. 

Die  instruktivste  Untersuchung  über  diese  einzigartige  Evan- 
gelienquelle verdanken  wir  Credner.  Und  da  dessen  Darlegung 
in  der  jüngsten  —  von  Cambridge  ausgegangenen  —  Studie 
über  den  Codex  Bezae  nicht  einmal  Erwähnung,  geschweige 
denn  eingehende  Berücksichtigung,  gefunden  hat  und  auch  sonst 
nicht  nach  Gebühr  gewürdigt  worden  zu  sein  scheint,  so  sei  es 
mir  gestattet,  die  Crednersche  Anschauung  über  diesen  Codex 
(nach  den  Beiträgen  zur  Einleitung  in  die  biblischen  Schriften 
I.  S.  452 — 518)  in  ihren  Grundzügen  zu  reproducieren. 

Credner  unterscheidet  drei  Entwickelungsstufen  in  der  Ge- 
schichte dieses  merkwürdigen  Codex. 


26  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

Die  erste  Stufe,  die  Entstehung  dieses  Codex,  verlegt 
Credner  in  das  zweite  Jahrhundert,  ohne  jedoch  eine  nähere 
Zeitbestimmung  zu  geben.  Der  Codex  entstand  nach  ihm  in  den 
Händen  ebionitischer  (antichiliastischer)  Judenchristen }  wahr- 
scheinlich in  Palaestina,  umfasste  die  vier  Evangelien,  die  Apostel- 
geschichte, die  katholischen  Briefe  und  war  lediglich  in  griechi- 
scher Sprache  verfasst.  Dabei  nimmt  Credner  zwei  Hand- 
schriften, welche  er  A.  und  B.  nennt,  als  Quellen  an  und  be- 
zeichnet die  eine  Quelle  bald  als  eine  „unbekannte  Autorität", 
bald  als  ein  „apokryphes  Evangelium".  Schon  diese  älteste  Text- 
gestalt des  Codex  Bezae  zeichnete  sich  durch  viele  Freiheiten 
in  der  Behandlung  der  Texte  (namentlich  des  Lucasevangeliums 
und  der  Apostelgeschichte)  und  durch  zahlreiche  Glossen  aus. 

Das  zweite  erkennbare  Stadium  in  der  Entwickelung  der 
Cambridger  Handschrift  verlegt  Credner  in  die  Zeit  um  das 
Jahr  500.  Noch  sind  es  nach  seiner  Anschauimg  ebenfalls  die- 
selben judenchristlichen  Kreise,  in  denen  die  Handschrift  als 
Kirchenbuch  conserviert  worden  ist.  Dieselben  hatten  sich  aber 
inzwischen  den  katholischen  Anschauungen  genähert  und  hielten 
es  für  zweckmässig,  ihrem  Kirchenexemplare  eine  ähnliche  Ein- 
richtung zu  geben,  wie  die  von  Euthalius  (um  480)  ausge- 
gangene war.  Für  möglich  hält  es  Credner,  dass  zwischen  der 
Entstehung  der  Handschrift  im  zweiten  Jahrhundert  und  dieser 
Neugestaltung  derselben  am  Ende  des  fünften  Jahrhunderts  noch 
eine  Zwischenstufe  der  Entwickelung  stattgefunden  habe,  die  sich 
jedoch  nicht  mehr  ermitteln  lasse.  Auch  schliesst  er  die  An- 
nahme, dass  bereits  bei  der  Umarbeitung  des  Codex  ums  Jahr 
500  die  lateinische  Übersetzung  dem  griechischen  Urtexte  bei- 
gefügt worden  sei,  nicht  gänzlich  aus,  ohne  sich  jedoch  für  diese 
Annahme  zu  entscheiden.  Dagegen  seien  die  kirchlichen  dva- 
yvcoöfiaza  damals  durch  Randbemerkungen  kenntlich  gemacht 
worden,  darunter  26  Lesestücke  am  Sabbath  (jieqi  tov  öaßßärov), 
welche  den  fortgesetzt  judenchristlichen  Charakter  der  Hand- 
schrift deutlich  bekunden  und,  da  diese  liturgischen  Randbe- 
merkungen nur  zur  Seite  des  griechischen  Textes  sich  befinden 
und  in  griechischer  Sprache  abgefasst  sind,  es  nicht  wahrschein- 
lich machen,  dass  schon  damals  der  lateinische  Text  beigefügt 
worden  sei.  Wohl  aber  erhielt  die  Handschrift  damals  ihre  sticho- 
metrische  Anordnung,  in  welcher  sie  noch  jetzt  erhalten  ist. 


H 


4.  Die  Quellen  der  aussercanonischen  Evangelientexte.  27 

Die  jetzige  Gestalt  empfing  der  Codex  Bezae  im  dritten 
und  letzten  Stadium  seiner  Entwicklung,  wie  Credner  annimmt, 
am  Ausgang  des  sechsten  oder  am  Anfang  des  siebenten  Jahr- 
hunderts, und  zwar  im  südlichen  Gallien,  wohin  ein  orienta- 
lischer Judenchrist  die  Handschrift  gebracht  habe.  Einem  im 
Schönschreiben  geübten  Schreiber  wurde  hier  der  griechische 
stichometrische  Text  diktiert  und  von  demselben  mit  vielen  sinn- 
entstellenden Fehlern  nachgeschrieben.  Die  liturgischen  Rand- 
bemerkungen, welche  durch  den  fortgesetzten  Gebrauch  des 
früheren  Kirchenexemplars  defekt  geworden  waren,  wurden  in 
ihrer  verstümmelten  Gestalt 1)  der  neuen  Handschrift  von  einer 
andern  Hand  einverleibt.  Eine  lateinische  Übersetzung,  eine 
ängstliche,  fast  wörtliche,  Nachbildung  des  griechischen  Textes, 
die  sich  aber  von  den  sinnentstellenden  Fehlern  der  griechischen 
Nachschrift  frei  hält,  wurde  beigefügt.  So  entstand  die  Hand- 
schrift D  (griechisch)  und  d  (lateinisch),  während  die  Textgestalt 
aus  der  Zeit  um  5u0  von  Credner  mit  C  bezeichnet  wird. 

So  in  allgemeinen  Umrissen  die  von  Credner  vorgenom- 
mene Construktion  der  Textgeschichte,  welche  der  Codex  Bezae 
voraussetzt.  Die  lehrreiche  Begründung  im  Einzelnen  mag  man 
bei  Credner  selbst  nachlesen. 

Der  Hauptmangel  der  Crednerschen  Untersuchung  aber  ist 
in  der  Nichtberücksichtigung  der  Trabanten  des  Codex  Bezae 
zn  erkennen,  durch  deren  Vergleichung  man  zu  dem  Ergebniss 
gelangt,  dass  in  dem  griechischen  Codex  Cantabrigiensis,  den  alt- 
lateinischen Versionen  und  den  altorientalischen  Übersetzungen, 
voran  der  altsyrischen,  eine  einheitliche  Text familie  vorliegt, 
welche  als  solche  ebenso  sehr  durch  Abweichung  von  den  recen- 
sierten  canonischen  Texten,  als  durch  vielfache  Übereinstimmung 
mit  den  patristischen  Textcitaten  aus  dem  zweiten  und  dritten 
Jahrhundert  sich  kennzeichnet.  Diese  von  Credner  nicht  ge- 
würdigte Thatsache  ist  von  Westcott  und  Hort  in  ihren 
Untersuchungen  über  die  neutestamentlichen  Texte  ans  Licht  ge- 


1)  Z.  B.  rNOZMA  [Ava]yvootia  ,  Lesestück  für  den  Sabbath 

PITOYZA  =      [tcb\qi  zov  occ\  deg  gonntags  nach  üstern, 

T&TH2  [ßßa}xov  zVg  welcher  dt(^ol./oiuoc  ge- 

AKOYNI  [A]«*or«  „t  wai, 

MOY  [a}ßov             ) 


2§  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

stellt  worden.  Diese  Kritiker  haben  die  Vermuthung  ausge- 
sprochen, dass  die  von  ihnen  mit  der  Bezeichnung  „Western 
text"  belegte  Textfaniilie  in  Nordwestsyrien  oder  Kleinasien  ihren 
Ursprung  habe  und  frühzeitig  nach  Rom  gebracht  worden  sei, 
von  wo  aus  dieselbe  nach  den  verschiedenen  europäischen  Ländern 
sowie  nach  Nordafrika  sich  verbreitet  habe.  Von  Nordwest- 
pyrien  aus  sei  dieselbe  durch  Palästina  und  Ägypten  bis  nach 
Äthiopien  vorgedrungen. 

Einen  anderen  Weg  sucht  die  neueste  Studie  der  Cambridger 
Schriftforschung  zu  bahnen.  J.  Rendel  Harris  (A  Study  of 
Codex  Bezae  —  Texts  and  Studies  ed.  Robinson.  II,  1.  Cam- 
bridge 1891)  nimmt  an,  dass  der  Codex  Bezae,  welcher  bereits 
vor  Tatian,  ja  vor  Marcion  entstanden  sei,  von  Haus  aus  den 
Evangelientext  in  beiden  Sprachen,  der  griechischen  und  lateini- 
schen, dargeboten  habe,  und  dass  der  lateinische  Text  die 
eigentliche  Quelle  für  den  griechischen  Text  des  Codex 
sei,  dass  man  also  dem  letzteren  nur  eine  secundäre  Bedeutung 
beizumessen  habe.  Die  bilinguale  Handschrift,  welche  dem  Codex 
in  seiner  jetzigen  Gestalt  zu  Grunde  liege,  sei  in  Rom  entstan- 
den. Dabei  habe  man  jedoch  nicht  Ursache  anzunehmen,  dass 
die  lateinische  Übersetzung  der  Evangelien,  welche  jedenfalls 
früher  entstanden  sei,  dieselbe  Geburtsstätte  mit  der  Übersetzung 
der  Apostelgeschichte  gehabt  habe.  Diese  Untersuchungen 
von  Harris,  welche  allerdings  noch  nicht  vollständig  veröffent- 
licht sind,  gründen  sich  auf  eine  minutiöse  Textvergleichung, 
wodurch  die  Abhängigkeit  des  griechischen  Textes  und  zahl- 
reiche Latinismen  des  letzteren  in  Folge  seiner  Abhängigkeit 
von  dem  lateinischen  Texte  dargethan  sind.  Sollten  die  Unter- 
suchungsresultate, welche  Harris  gewonnen  zu  haben  glaubt, 
sich  bewahrheiten,  so  würde  die  mit  dem  Codex  Bezae  ver- 
wandte Textfamilie  ihren  Ursprung  im  westlichen  Rom  genom- 
men haben  und  in  der  That  den  Namen  „Western  text"  voll- 
kommen verdienen. 

Aber  so  interessant  und  so  anregend  diese  von  Harris  an- 
gestellten Untersuchungen  sind,  so  sehr  scheinen  sie  mir  an 
einer  grossen  Einseitigkeit  zu  leiden,  insofern  der  (in  seiner  Be- 
deutung überschätzte)  lateinische  Text  des  Codex  zum  einzigen 
Ausgangspunkt  der  Untersuchung  gemacht  ist  und  insofern  alle 
anderen  Instanzen  lediglich  von    diesem  Gesichtswinkel   aus   be- 


S  4.  Die  Quellen  der  aussercanonischen  Evangelientexte.  29 

trachtet  oder  auch  völlig  ignoriert  werden,  wie  letzteres  den 
scharfsichtigen  Darlegungen  Credners  ergangen  ist.  Nichts  ist 
natürlicher,  als  dass  der  lateinische  Text  auf  den  nebenstehenden 
griechischen  Text  zurückgewirkt  hat.  Aber  wenn  man  die  zahl- 
reichen Beispiele  derart,  welche  Harris  beibringt,  genauer 
prüft,  so  zeigt  sich  dieser  Einfluss  des  lateinischen  Textes  doch 
vorzugsweise  nur  in  untergeordneten  linguistischen  und 
grammatikalischen  Punkten  und  erweist  sich  durch- 
aus nicht  als  ausreichend,  um  die  tiefer  greifenden 
Eigentümlichkeiten  des  griechischen  Textes  zu  er- 
klären. Aber  selbst  in  untergeordneten  Varianten  kann  die 
Unabhängigkeit  des  griechischen  Textes  von  der  lateinischen 
Version  in  vielen  Fällen  überzeugend  nachgewiesen  werden. 
Wenn  z.  B.  im  griechischen  Texte  des  Codex  D  folgende  Vari- 
anten uns  entgegentreten: 

Lc.    5,  1 1 :  xartksixpav  für  das  canonische  ayivTzq, 

Lc.  10,  6:  ijtiOTQstpsi  ..  .                       ävaxafnpei, 

Lc.  11,  6:  jtaQSOtiv  ..  -  „           jtaQsytvsro, 

Lc.  10,  31:  xaxa  rvya  ..                       xaxä  CvyxvQiav 

Mt.  25.  17:  oiioicoq  ..  -  „           cooavtcoq 

Lc.  15,  29:  jtaQtß?]v  .  ..  „           jiagTß&ov 

Lc.  9,  29:  tp.Xoim&i]  -  ..  „           trsgov  eytvero 

Mc.  14,64:  öoxet  ..  -                       gxxivsrai 

Mt.  19, 28:  ötxaövo  ..  ..  ••           6coÖ£xa 

Lc.   6,  14:  IxaXeöEV  ..  ..                        covöfiaosv 

Mt.  10,  6:  vjtaysrs  ..  ..  „           xoQSveO&e 

Lc.  13,  8:  rovrov  top  enavröv  ..  ..                       tovto  to  Itoc 

Lc.  24,  3:  tXsvüig  ..  ..  „           jtagovöta 

Mt.  26,  8:  öiajioveio&ai  „  „                       ayavaxretv, 

so  kann  der  lateinische  Text,  welcher  sich  solchen  Varianten 
gegenüber  völlig  indifferent  verhält,  nimmermehr  die  Quelle  der- 
selben sein.  Dass  der  griechische  Text  vielmehr  in  solchen  Fällen 
unabhängig  von  dem  lateinischen  ist,  ersieht  man  z.  B.  aus  Lc. 
11,  6,  wo  die  lateinische  Übersetzung  in  d:  supervenit  —  die 
Variante:  jcägtötiv  in  D  auf  keine  Weise  erklärt.  Dass  der 
griechische  Text  mit  seinen  Eigentümlichkeiten  vielfach  auf 
ältere  griechische  Quellen  zurückgeht,  zeigt  ein  eclatanter  Fall, 
der  in  Lc.  9,  57  vorliegt.     Wie  in  Mt.   25.    L0  Cod.  D.  yxäyeir 


30  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

an  Stelle  des  canonischen  äji£Qxe6&at  einsetzt,  so  liest  derselbe 
anch  Lc  9,  57:  axolov&rjoco  aoi  ojiov  av  vjtäyeiq  anstatt  des 
canonischen  äjcsQXfl-  Denselben  Text  und  dieselbe  Lesart  vxäyeiv 
muss  aber  auch  bereits  der  Apokalyptiker  vor  sich  gehabt 
haben,  wie  man  aus  Apoc.  14,  4:  ovtoi  ol  dxoXov&ovvrsg  reo 
agvirn  ojtov  av  vjiäyt]  —  deutlich  ersehen  kann.  Wenn  nun 
alle  Itala-Hand Schriften  mit  der  Vulgata:  ieris  lesen  und  also 
vxayuq  (oder  besser  vjcäytjq)  voraussetzen,  so  kann  nicht  die  alt- 
lateinische Version  die  Quelle  dieser  Variante  sein,  sondern  nur 
der  schon  vom  Apokalyptiker  in  dieser  Form  gekannte  griechische 
Text.  Überhaupt  müssten  doch,  wenn  die  durch  Harris  auf- 
gestellte Behauptung  von  dem  massgebenden  Einfluss  des  dem 
Codex  Bezae  angehörigen  lateinischen  Textes  zu  Recht  bestünde, 
alle  altlateinischen  Versionen  den  Stempel  direkter  Abhängigkeit 
von  dem  lateinischen  Texte  des  Codex  d  an  sich  tragen,  und  es  wäre 
dann  eine  solche  Mannigfaltigkeit  der  altlateinischen  Texte,  wie 
sie  vorhanden  ist,  eine  Unmöglichkeit  geworden.  Aber  gerade 
die  reiche  Fülle  der  lateinischen  Texte,  ihre  Selbstständigkeit 
gegenüber  Cod.  d,  ihr  häufiges  direktes  Zurückgehen  auf  den 
griechischen  Urtext  D  beweisen  es,  dass  Harris  einer  einseitigen 
Vorstellung  bezüglich  der  Entstehung  des  Western  text  gefolgt 
ist.  Auch  die  Thatsache,  dass  die  altsyrische  Version  nicht 
selten  mit  dem  griechischen  Cod.  D,  aber  dabei  nicht  mit  der 
lateinischen  Übersetzung  (d)  zusammentrifft,  erweist  es,  dass  nicht 
der  lateinische  Text,  wie  Harris  anzunehmen  geneigt  ist,  son- 
dern direkt  der  griechische  Text  die  Quelle  für  den  Syrer  Cure- 
tons gewesen  ist.  Aus  alledem  ist  zu  erkennen,  dass  die  von 
Harris  gemachten  Einzelbeobachtungen  noch  eine  andere  Lösung 
fordern,  als  die  von  ihm  gegebene. 

Diese  Lösung  dürfte  mit  Berücksichtigung  aller  einschlagen- 
den Instanzen  eine  Entwickeluug  der  mit  dem  Codex  Bezae  zu- 
sammenhängenden Textfamilie  in  folgenden  vier  Stadien  an  die 
Hand  geben. 

Der  erste  Archetypus  des  Codex  Cantabrigiensis  war  ein 
griechischer  Evangeliencanon,  die  erste  Zusammenfassung 
der  vier  canonischen  Evangelien.  Dafür  zeugt  die  älteste  syrische 
Übersetzung,  welche  nur  die  vier  Evangelien  umfasst,  dafür 
zeugen  ebenso  die  alten  lateinischen  Übersetzungen,  von  denen 
Zahn  (Geschichte  des  Canons  I,  1.  S.  62)  sagt:   „Die  ihrem  In- 


§  4.  Die  Quellen  der  aussercanonischen  Evangelientexte.  31 

halt  und  z.  Th.  auch  der  Zeit  nach  vorhieronyinianischen  latei- 
nischen Evangeliencodices  enthielten,  soweit  man  darüber  urtheilen 
kann,  alle  nur  die  Evangelien,  diese  aber  sämmtlich".  S.  die 
Übersicht  bei  Scrivener  p.  342—345.  Die  Entstehung  dieses 
Evangeliencanons  fällt  spätestens  in  die  Zeit  um  d.  J.  140,  weil 
Tatian  sicher,  wahrscheinlich  auch  schon  Justin,  ihn  voraus- 
setzt. Dass  dieser  Evangelien canon  die  älteste  und  erstmalige 
Zusammenfassung  der  vier  canonischen  Evangelien  war,  wird  durch 
die  Thatsache  bewiesen,  dass  derselbe  nicht  nur  den  alten  occiden- 
talischen  und  orientalischen  Versionen  zu  Grund  liegt,  sondern  auch 
die  patristische  Literatur  am  Ausgang  des  zweiten  und  am  Anfang 
des  dritten  Jahrhunderts  beherrscht.  Der  Verfasser  dieses  ältesten 
Evangeliencanons  beschränkte  sich  nicht  auf  eine  Copisten- Arbeit, 
sondern  entwickelte  dabei  eine  redaktionelle  Thätigkeit.  Denn  wenn 
er  z.  B.  den  bekannten  (von  mir  in  den  Agrapha  S.  70  ff.  mit- 
getheilten)  aussercanonischen  Paralleltext,  eine  archaistische  Paral- 
lelversion zu  Lc.  14,  8—11,  in  seinen  Evangeliencanon  nach  Mt, 
20,  28  einschaltete,  so  that  er  das  abweichend  von  dem  canoni- 
schen Matthäustexte  kraft  redaktioneller  Freiheit,  obgleich  in 
■diesem  Falle  nicht  wie  sonst  oft  gestützt  auf  die  älteste  vorcano- 
nische  Evangelienquelle,  das  Urevangelium.  Und  wenn  diese 
dem  Contexte  von  Mt.  20,  28  ursprünglich  fremde  Einschaltung 
in  die  lateinischen  Versionen,  in  den  Syrer  Curetons,  in  die  Phi- 
loxenianische  und  andere  alte  Übersetzungen  übergegangen  ist, 
so  erkennt  man  deutlich  den  massgebenden  Einfluss,  den  jener 
älteste  Evangeliencanon  mit  seinen  redaktionellen  Eigenthümlich- 
keiten  gewonnen  und  behauptet  hat,  bis  sein  griechischer  Text 
durch  die  canonische  Recension  der  Evangelien  verdrängt  wurde, 
während  er  in  den  Versionen  noch  länger  fortlebte. 

Die  selbstständige  Arbeit  des  Redaktors  tritt  aber  weniger 
im  ersten  Evangelium  hervor,  als  vielmehr  in  ganz  auffälliger 
Weise  im  Lucasevangelium.  Das  Marcion-Evangelium,  welches 
ungefähr  um  dieselbe  Zeit  entstanden  sein  wird,  wie  dieses 
Lucasevangelium  nach  der  Bearbeitung  des  Archetypus  von 
Codex  D,  zeigt  in  dem  uns  erhaltenen  marcionitischen  Texte 
viel  weniger  tief  einschneidende  Varianten  als  Codex  D.  Dabei 
folgte  der  Verfasser  des  Archetypus  von  Codex  D,  der  Redak- 
tor jenes  ältesten  griechischen  Evangeliencanons,  sichtlich  einer 
älteren    Handschrift,    welche   Credner    bald    eine   „unbekannte 


32  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

Autorität",  bald  ein  „apokryphiscb.es"  —  wir  sagen  lieber  ein 
aussercanonisches  —  „Evangelium"  nennt.  Jedenfalls  lag  dieser 
unbekannten  Autorität  nach  meiner  wohlbegründeten  Über- 
zeugung eine  griechische  Version  des  hebräischen  Urtextes,  ver- 
wandt demjenigen  Typus  zu  Grunde,  welchem  auch  der  erste 
Evangelist  gefolgt  ist.  Nur  so  sind  im  Lucasevangelium  des 
Codex  D  die  zahlreichen  Textänderungen  zu  erklären,  welche  so 
oft  wie  nach  dem  Matthäustexte  vorgenommene  Conformationen 
aussehen  und  von  vielen  Textkritikern  (namentlich  von  Tischen- 
dorf] als  solche  betrachtet  worden  sind.  Nichts  ist  unwahr- 
scheinlicher als  die  Annahme,  dass  ein  Redaktor,  wie  derjenige, 
der  den  Archetypus  des  Codex  D  verfasste.  welcher  der  Haupt- 
sache  nach  den  Lucastext  mit  so  grosser  Selbstständigkeit  be- 
handelte, welcher  zahlreiche  Änderungen,  einschneidende  Kürzun- 
gen, wichtige  Einschaltungen  vornahm  und  von  allen  canonischen 
Texten  kühnlich  abwich,  an  anderen  Stellen  wieder  zugleich  ängst- 
lich bemüht  gewesen  sein  sollte,  seinen  Lucastext  dem  ersten  cano- 
uischen  Evangelium  zu  conformieren.  Solche  Conformierungs- 
versuche,  welche  ohnehin  erst  einer  viel  späteren  Zeit  angehören, 
widersprechen  dem  Gesammtcbarakter  des  dem  Codex  Bezae  zu 
Grunde  liegenden  Archetypus.  Diese  scheinbaren  Conformierun- 
gen  nach  dem  Matthäustexte,  welche  mitten  in  dem  aussercano- 
nischen  Lucastexte  des  Codex  Bezae  uns  begegnen,  etwa  auf 
Rechnung  eines  späteren  Abschreibers  setzen  zu  wollen,  wäre 
ebenfalls  völlig  unmotiviert.  Dann  hätte  doch  der  Abschreiber 
einfach  eine  Radicalcur  vornehmen  und  die  ganze  Handschrift 
nach  den  recensierten  canonischen  Texten  conformieren  müssen. 
Ein  Abschreiber  oder  späterer  Redaktor,  der  das  nicht  gethan, 
sondern  die  aussercanonische  Textgestalt  des  Codex  der  Haupt- 
sache nach  intakt  gelassen  hat.  konnte  unmöglich  an  kleinen 
Conformierungsversuchen  Interesse  haben.  Nein,  nur  der  Einfluss 
einer  Version  des  hebräischen  Urtextes,  welche  mit  der  vom 
ersten  Evangelisten  gebrauchten  nahe  verwandt  war,  erklärt  die 
kühne,  selbstständige,  bald  von  sämmtlichen  canonischen  Evan- 
gelien abweichende,  bald  mit  dem  Matthäustexte  sich  in  über- 
raschender Weise  berührende  Redaktion,  welche  das  Lucasevan- 
gelium im  Codex  Bezae   erlitten  hat. 

Jedenfalls  noch  vor  dem  Ende  des  zweiten  Jahrhunderts  er- 
folgte   das    zweite    Stadium   in    der    Entwickelung   des    Codex 


§  4.  Die  Quellen  der  aussercanonischen  Evangelientexte.  33 

Bezae.  Jener  Evaugelieucanou  wurde  vermehrt  durch  die 
Apostelgeschichte  und  die  katholischen  Briefe.  Dabei  fanden 
sowohl  in  den  Evangelien  als  in  dem  Texte  der  Apostelgeschichte 
manche  glossatorische  Erweiterungen  statt.  Eine  solche  freie 
Textbehandlung  war  nur  möglich  in  der  Zeit  vor  Or  igen  es 
und  der  durch  ihn  eingeleiteten  Textrecension.  Hatte  der  Re- 
daktor jenes  Archetypus,  jenes  ältesten  Evangeliencanons,  ohne 
selbst    Judenchrist    zu    sein,    die   —    auch  von  Justin    geth eilte 

—  vermittelnde  Stellung  dem  gemässigten  Judenchristenthum 
gegenüber  zum  Ausdruck  gebracht,  sofern  er  das  judenchrist- 
liche Evangelium  an  die  Spitze  dieses  im  Übrigen  echt  katho- 
lischen Evangeliencanons  gestellt  hatte,  so  verdanken  wir  speciell 
die  weitere  Ausbildung  der  Handschrift,  die  uns  jetzt  im  Codex 
Bezae  vorliegt,  ausschliesslich  judenchristlichen  Kreisen,  welche 
die  Apostelgeschichte  und  die  katholischen  Briefe,  nicht  aber 
das  paulinische  Schriftthum,  der  Handschrift  einverleibten.  Auch 
die  weitere  Conservierung  der  Handschrift  im  Laufe  der  näch- 
sten Jahrhunderte  wird,  wie  Credner  ganz  richtig  gesehen  hat, 
auf  dieselben  judenchristlichen  Kreise  zurückzuführen  sein.  Denn 
während  in  der  orthodoxen  Kirche  in  Folge  der  canonischen 
Textrecension  die  Exemplare  jener  vorcanonischen  Evangelien- 
sammlung längst  verdrängt  und  verschwunden  und  nur  in  Über- 
setzungen erhalten  waren,  blieben  diese  judenchristlichen  Kreise 
von  der  Textrecension  der  Grosskirche  unberührt  und  konnten 
so  ein  griechisches  Exemplar  jener  vorcanonischen  Evangelien- 
sammlung für  ihren  gottesdienstlichen  Gebrauch  bewahren  und 
in  jene  spätere  Zeit  hinüberretten. 

Das  dritte  wahrnehmbare  Stadium  in  der  Entwickelungs- 
geschichte  unseres  Codex  hat  Credner  jedenfalls  richtig  be- 
zeichnet, indem  er  es  —  nach  seiner  Auffassung  als   das  zweite 

—  in  die  Zeit  bald  nach  Euthalius  verlegte.  Nur  dürfte  die 
auch  von  ihm  zugegebene,  dann  aber  nicht  weiter  verfolgte 
Möglichkeit,  dass  bei  der  Neueinrichtung  der  Handschrift  bereits 
der  lateinische  Text  um  500  zur  Seite  gestellt  wurde,  zur 
Gewissheit  zu  erheben  sein.  Denn  nur  so  erklärt  sich  der  von 
Harris  durch  zahlreiche  Beispiele  bewiesene  Einfluss  des  latei- 
nischen Textes  auf  den  griechischen  Text,  während,  wenn  die 
lateinische  Übersetzung  erst  bei  der  letzten  Redaktion  dem  Codex 
beigegeben  worden  wäre,   ein  solcher  Einfluss   nicht  wohl  hätte 

Texte  und  Untersuchungen.  X.  3 


34  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

stattfinden  können.  In  dem  von  Alters  her  überlieferten  griechi- 
schen Text  waren  gewiss  schon  manche  Randbemerkungen  (so 
die  Bezeichnungen  der  Ammonischen  Sektionen  oder  xsyxx- 
Xaia,  wahrscheinlich  auch  die  Perikopen  für  die  Sabbathe)  bei- 
gegeben, welche  nun  bei  der  Redaktion  um  500  durch  die  Lese- 
stücke des  Euthalius  vervollständigt  wurden.  Gleichzeitig  er- 
folgte die  stichometrische  Anordnung  des  Textes.  Denn  wir 
wissen  bestimmt,  dass  die  stichometrische  Texteintheilung  der 
Apostelgeschichte  und  der  Briefe  erst  durch  Euthalius  besorgt 
worden  ist.  Wenn  nun  auch  jetzt  zum  ersten  Male  eine  latei- 
nische —  ebenfalls  stichometrisch  abgetheilte  —  Übersetzung 
beigegeben  wurde,  so  war  es  natürlich,  dass  diese  von  den 
liturgischen  Randbemerkungen  des  griechischen  Textes  frei  blieb. 
Diese  liturgischen  Randbemerkungen  mit  ihren  Sabbath-Perikopen 
beweisen  mehr  als  alles  Andere,  dass  die  Fortpflanzung  und 
der  gottesdienstliche  Gebrauch  unserer  Handschrift  ausschliess- 
lich judenchristlichen  Kreisen  zuzuschreiben  ist.  Und  da  das 
Judenchristenthum  hauptsächlich  nur  in  Syrien,  Palästina,  Arabien 
sich  erhalten  hatte,  so  ist  es  sehr  wahrscheinlich,  wie  auch 
schon  Credner  angenommen  hat,  dass  bei  dem  lebhaften  Handels- 
verkehr zwischen  Syrien  und  Südgallien  es  ein  syrischer  Juden- 
christ gewesen  ist,  der  die  Übertragung  des  Codex  in  dieser 
seiner  späteren  Gestalt  nach  Südgallien  vermittelt  hat.  Es  ist 
dabei  anzunehmen,  dass  der  Codex,  der  in  seinem  ersten  Stadium 
als  einfacher  Evangeliencanon  einen  gut  katholischen  Unions- 
typus und  daher  auch  bei  den  altkirchlichen  Schriftstellern  und 
durch  frühzeitige  Übersetzungen  einen  so  weit  reichenden  Ein- 
fluss  sich  errang,  in  seiner  späteren  Gestaltung,  vermehrt  durch 
die  Apostelgeschichte  und  die  katholischen  Briefe,  nur  in  juden- 
christlichen Kreisen  sich  fortpflanzte  und  in  der  Grosskirche  — 
zumal  nach  der  grossen  canonischen  Textrecension  oder  dioQ&ooöiq 
—  niemals  recipiert  gewesen  ist. 

Das  vierte  und  letzte  Stadium  erreichte  die  Cambridger 
Handschrift  im  sechsten  Jahrhundert,  indem  der  Text  einem  Ab- 
schreiber diktiert  wurde,  welcher  des  Griechischen  nur  in  sehr 
unvollkommener  Weise  mächtig  war  und  daher  viele  sinnlose 
Fehler  in  den  griechischen  Text  eintrug,  Fehler,  welche  sich 
lediglich  aus  einem  gedankenlosen  und  allen  Verständnisses 
baaren    Nachschreiben    der    diktierten    Wörter    erklären.      Das 


§  4.    Die  Quellen  der  aussercanonischen  Evangelientexte.  35 

Lateinische,  dessen  der  Schreiber  besser  kundig  war,  weist  nach 
seiner  Aussprache  auf  Südgallien  hin,  wo  auch  der  Codex  (in 
dem  Kloster  St.  Irenaei  bei  Lugdunum)  aufbewahrt  und  im  16. 
Jahrhundert  wieder  aufgefunden  wurde,  wo  also  auch  jedenfalls 
die  letzte  Redaktion  der  Handschrift  stattgefunden  hatte. 

Aus  dieser  Textgeschichte  geht  Beides  hervor,  einestheils  der 
einzigartige  Werth  des  Codex  Cantabrigiensis ,  dessen  Arche- 
typus die  Urgestalt  unseres  Evangeliencanons  reprae- 
sentiert,  andrerseits  die  Notwendigkeit,  mit  vorsichtiger 
Kritik  den  Text  des  Archetypus  von  den  späteren 
Änderungen  und  Entstellungen  des  Textes  zu  unter- 
scheiden. 

Die  Möglichkeit  hierfür  ist  dadurch  gegeben,  dass  der  Codex 
Bezae,  wenn  auch  unter  den  griechischen  Handschriften  völlig 
isoliert  stehend,  doch  bezüglich  der  Evangelien  durch  zahlreiche 
Versionen  als  Trabanten  begleitet  ist,  welche  älter  sind  als  seine 
jetzige  Textgestalt.  Das  Verwandtschaftsverhältniss  der  zu  dem 
Codex  D  gehörigen  Textfamilie  lässt  sich  graphisch  darstellen 
wie  folgt. 


A.  Archetypus. 
Griechischer  Evangeliencanoii  si 


ens  um  140. 


Altsyrische  Version 

Curetons 

ca.  250. 

Andere  orientalische 
Versionen. 


Altlateinische  Versio- 
nen vor  dem  Ende  des 
2.  Jahrhunderts. 

J 

Die  lateinischenEvan- 

gelienübersetzungen 

aus  späterer  Zeit. 


B.  Evangeliencanon 

mit  Apostelgesch.  u.  kathol. 

Briefen  vor  200. 

C.  Neue  Redaktion  von  B. 

Beifügung  des  lateinischen 

Textes  um  500. 

I 

D.  Letzte  Abschrift  des 

bilingualen  Codex  —  gegen 

Ende  des  6.  Jahrhunderts. 

Um  den  reinen  Text  des  Archetypus  des  ältesten  Evange- 
liencanons wieder  herzustellen,  sind  daher  folgende  textkritische 
Normen  im  Auge  zu  behalten: 


3ß  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

1.  Übereinstimmung  des  griechischen  Codex  D,  der  altlatei- 
nischen Versionen  und  des  Syrers  Curetons  ergiebt  un- 
zweifelhaft den  Text  des  Archetypus,  auch  wenn  derselbe 
nur  durch  ein  einziges  lateinisches  Exemplar  vertreten  sein 
sollte. 

2.  Übereinstimmung  zwischen  dem  Syrer  Curetons  und  den 
altlateinischen  Versionen  führt  zu  demselben  Resultat,  auch 
wenn  der  griechische  Text  von  D  nicht  mit  dabei  sein 
sollte.  Denn  da  bei  der  Unabhängigkeit  der  altsyrischen 
und  altlateinischen  Übersetzung  von  einander  ein  Zusam- 
mentreffen beider  mit  Nothwendigkeit  auf  die  gemeinsame 
Quelle  zurückweist,  so  muss,  wenn  die  Zustimmung  des 
jetzigen  griechischen  Textes  fehlt,  angenommen  werden, 
dass  derselbe  in  solchen  Fällen  durch  die  Abschreiber 
alteriert  und  seiner  Urgestalt  entfremdet,  dagegen  in  den  bei- 
den Seitenlinien,  der  lateinischen  und  altsyrischen,  conser- 
viert  worden  ist. 

3.  Übereinstimmung  des  griechischen  Textes  von  D  mit  dem 
Syrer  Curetons  führt  bei  dem  hohen  Alter  des  letzteren 
mit  Wahrscheinlichkeit  ebenfalls  auf  denselben  Quellentext 
zurück. 

4.  Dasselbe  gilt  von  der  Übereinstimmung  des  griechischen 
Textes  mit  der  altlateinischen  Version,  namentlich  wenn 
dieselbe  durch  die  meisten  Exemplare  der  Itala  vertreten 
ist,  auch  wenn  im  Syrer  der  Urtext  verloren  sein  sollte. 

5.  Wenn  der  griechische  Codex  D  mit  seinem  lateinischen 
Trabanten  d  für  sich  allein  einen  aussercanonischen  Evan- 
gelientext vertritt,  ohne  von  den  übrigen  lateinischen  Ver- 
sionen und  vom  Syrer  Curetons  gestützt  zu  sein,  so  kann 
sein  Zusammentreffen  mit  anderen  alten  Versionen,  nament- 
lich den  orientalischen,  sowie  mit  patristischen  Evangelien- 
citaten  ein  Indicium  für  die  Quellenmässigkeit  seines  Textes 
werden. 

6.  Auch  wenn  er  völlig  isoliert  steht,  wie  z.  B.  in  dem  ausser- 
canonischen Texte  zu  Lc.  6,  4,  welcher  in  den  Agrapha 
S.  108.  191  mitgetheilt  ist,  kann  er  die  echte  Tradition 
des  Archetypus  vertreten,  wenn  quellenkritische  —  also 
nicht  mehr  textkritische  —  Instanzen  dafür  sprechen. 


§  4.  Die  Quellen  der  aussercanonischen  Evangelientexte.  37 

Es  würde  ein  verdienstliches  Unternehmen  sein,  wenn  nach 
diesen  —  vielleicht  noch  zu  ergänzenden  —  textkritischen  Normen 
eine  Wiederherstellung  jenes  Archetypus,  jenes  ältesten  Evange- 
liencanons, versucht  würde,  insofern  hier  mit  Ausschluss  sämmt- 
licher  übrigen  griechischen  Codices,  mit  Absehen  also  von  dem 
recensierten  canonischen  Evaugelieutexte ,  diejenige  vorcano- 
nische  Textgestalt  sichtbar  werden  würde,  welche  lange  Zeit 
hindurch  den  grössten  Einfluss  in  der  alten  Kirche  behauptet 
hat.  Was  Hug  (Einleitung  I,  ISO)  nicht  ganz  zutreffend  von 
der  Cambridger  Handschrift  in  ihrer  jetzigen  Gestalt  sagt,  das 
würde  von  dem  recoustruierten  Archetypus  des  Codex  D  in 
vollem  Sinne  gelten:  wir  würden  in  demselben  „ein  Abbild  der 
xoivrj  exöootg  der  Evangelien",  d.  h.  den  vor  der  canonischen 
Textrecension  am  meisten  im  Gebrauch  gewesenen  Evangelien- 
text, besitzen. 

Es  geht  aus  alledem  hervor,  welcher  hoher  Werth  immer- 
hin dem  Codex  Bezae  in  seiner  jetzigen  verderbten  Gestalt  eignet, 
aber  auch  wie  seine  beiden  Seitentrabanten,  die  altsyrische 
Version  Curetons  und  die  lateinischen  Evangelientexte  vor  Hie- 
ronymus,  an  Bedeutung  ihm  nahe  stehen. 

B.  Die  altitalischen  Versionen. 

Obwohl  der  hohe  Werth  der  altlateinischen  Evangelienüber- 
setzungen aus  dem  Vorhergehenden  allenthalben  hervorleuchtet, 
so  ist  doch  ein  besonderes  Wort  über  dieselben  erforderlich, 
namentlich  auch  deshalb,  weil  die  Frage  nach  ihrer  Entstehungs- 
zeit neuerdings  in  Fluss  gerathen  ist. 

Insbesondere  ist  es  Zahn  gewesen,  der  dieser  Frage  in 
seiner  lebhaften  Weise  sich  angenommen  hat.  Seine  wichtigsten 
Urtheile  hierüber  lauten  folgendermassen:  „Zur  Zeit  von  Cypri- 
ans  Episcopat  (24S — 258)  war  die  afrikanische  Kirche  an  eine 
lateinische  Bibel  gebunden.  Der  chaotische  Zustand  ist  vorüber. 
Es  giebt  einen  festen  lateinischen  Bibeltext,  welcher  in  den  ver- 
schiedensten Zusammenhängen  wesentlich  gleichmässig  citiert 
wird.  Wir  besitzen  noch  Bruchstücke  von  Evangelienhand- 
schriften, welche  dem  Texte  Cyprians  sehr  nahe  stehen.  Der 
griechische  Text  wird  von  Cyprian  nicht  mehr  ausdrücklich  be- 
riAcksichtigt.  Hieraus  ergiebt  sich,  dass  die  lateinische  Bibel  der 
afrikanischen  Kirche  in  der  Zwischenzeit  zwischen  210  und  21" 


38  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

entstanden  und  in  den  kirchlichen  Gebrauch   eingeführt   worden 
ist".     (Gesch.  des  Kanons  I,  1,  59). 

Anders  stand  es  nach  Zahn  zur  Zeit  Tertullians.  „Vor 
210 — 240  hat  es  noch  keine  lateinische  Bibel  gegeben".  (S.  60). 
„Hiermit  ist  behauptet,  dass  es  in  Afrika  zur  Zeit  Tertullians 
ebenso  wenig  eine  lateinische  Bibel  gegeben  hat,  als  zur  Zeit 
Augustins  eine  punische".  (S.  51).  „Einen  lateinischen  Bibel- 
text aus  denselben  (sc.  den  Schriften  Tertullians)  herzustellen, 
ist  ein  vergebliches  Unternehmen,  weil  Tertullian  einen  solchen 
nicht  gehabt,  sondern  stets  aus  dem  Stegreif  und  daher  in  der 
mannigfaltigsten  Weise  aus  seiner  griechischen  Bibel  beider 
Testamente  seine  Citate  excerpiert  und  zugleich  tibersetzt  hat". 
(S.  53).  „Wenn  die  Beweise  für  die  Nichtexistenz  einer  latei- 
nischen Bibel  im  Gesichtskreis  Tertullians  sich  durch  alle 
seine  Schriften  bis  zu  den  jüngsten  hindurchziehen,  so  folgt  dar- 
aus mindestens,  dass  vor  seinem  Übertritt  zur  montanistischen 
Partei,  vor  der  förmlichen  Separation  der  Montanisten  in  Car- 
thago,  d.  h.  vor  den  Jahren  203 — 206,  in  Afrika  keine  lateinische 
Bibel  existiert  hat,  und  dass,  wenn  unmittelbar  darnach  unter 
den  katholischen  Christen  Afrikas  eine  solche  entstand,  die 
montanistische  Gemeinde  davon  keine  Notiz  nahm.    (S.  59). 

Auch  gegenüber  den  von  Harn  ack  ausgesprochenen  Zweifeln J) 
hat  Zahn  erst  neuerdings2)  die  Behauptung  wiederholt,  „dass 
es  heute  doch  noch  erst  zu  beweisen  gilt,  dass  es  um  203  in 
Afrika  eine  lateinische  Bibelübersetzung  gegeben  hat". 

Aber  diese  von  Zahn  bestrittene  Thatsache  ist  bereits  end- 
giltig  erwiesen.  Schon  Hug  (Einleitung  I,  140)  hat  auf  die 
Stelle  de  monogamia  c.  11  aufmerksam  gemacht,  wo  Tertul- 
lian im  Unterschied  von  der  gebräuchlichen  Übersetzung 
auf  den  griechischen  Urtext  recurriert  und  damit  das  Vorhanden- 
sein und  den  Gebrauch  einer  lateinischen  Version  constatiert. 
Die  fragliche  Stelle  lautet  folgendermassen  (1.  Cor.  7,  24  be- 
treffend) : 

Sciamus  plane  non  sie  esse  in  Graeco  authentico,  quo- 


1)  Harnack,  Das  Neue  Testament  um  das  Jahr  200.  S.  33:  „Doch 
kann  ich  nicht  sagen,  dass  er  (sc.  Zahn)  mich  überzeugt  hat,  indem  er 
die  lateinische  Bibelübersetzung  erst  zwischen  220 — 240  ansetzt". 

2)  Theol.  Literaturblatt.  1892.  No.  4.  S.  43. 


§.  4.   Die  Quellen  der  aussercanonischen  Evangelientexte.  39 

modo  in  usum  exiit  per  duarum  syllabarum  aut  cal- 

lidani  aut  simplicem  eversionem. 
Hier  ist  es  doch  evident,  dass  der  „Montanist"  Tertullian  auf 
einen  lateinischen  Text,  dem  er  eine  aus  böslicher  Absicht  oder 
aus  einfältiger  Unwissenheit  entstandene  Verkümmerung  des 
ursprünglichen  Sinnes  vorwirft,  Rücksicht  nimmt.  Folglich  wird 
er  es  auch  sonst  noch  oft  genug  gethan  haben,  wenngleich  er 
seine  griechische  Bibel,  wie  es  auch  diese  Stelle  zeigt,  immer 
zur  Hand  hatte.  Es  wäre  doch  auch  an  sich  höchst  unwahr- 
scheinlich, wenn  zur  Zeit  Tertullians  noch  keine  Spur  eines 
lateinischen  Bibeltextes  zu  finden  sein  sollte,  und  unmittelbar 
darauf  unter  Cyprian  eine  solche  nicht  nur  wie  ein  deus  ex 
machina  hervorgetreten,  sondern  auch  sofort  in  allgemein  kirch- 
lichen Gebrauch  eingeführt  worden  wäre.  Solche  Dinge  machen 
sich  doch  nur  allmählich  und  wollen  ihre  Entwicklungsstufen 
durchlaufen  1). 

Neuerdings  sucht  sich  nun  auch  eine  ganz  andere  Beurthei- 
lung  des  Sachverhaltes  Bahn  zu  brechen,  indem  die  Cambridger 
Theologen  den  Ursprung  des  lateinischen  Bibeltextes  tief  in 
das  zweite  Jahrhundert  hinein  zurückverlegen.  Es  ist  zunächst 
Robinson,  welcher  die  Cambridger  „Texte  und  Untersuchungen" 
mit  einer  interessanten  Abhandlung  über  die  alten  Märtyrer- 
Akten  (The  Passion  of  S.  Perpetua,  Texts  and  Studies  I,  1)  er- 
öffnet und  dabei  auch  einschaltungsweise  den  Bericht  der  süd- 
gallischen Gemeinden  von  Lugdunum  und  Vienne  über  die  dasigen 
Martyrien  (Eus.  H.  E.  V,  1.  2)  in  der  Weise  behandelt  hat,  dass 
er  die  eingestreuten  Citate  und  Anspielungen  an  neutestament- 
liche  Schriftstellen  auf  Rückübersetzungen  aus  dem  Latei- 
nischen ins  Griechische  zurückzuführen  versucht  hat.  Hier- 
nach würde,  da  dieser  Bericht  aus  d.  J.  177  stammt,  bereits  um 
die  Mitte  des  zweiten  Jahrhunderts  ein  lateinisches  Neues  Testa- 
ment bei  den  südgallischen  Gemeinden  im  Gebrauch  gewesen 
sein.  Noch  weiter  geht,  wie  oben  erwähnt,  J.  Rendel  Harris, 
welcher  die  älteste  lateinische  Evangelienversion  bis  in  die 
marcionitische  Zeit,  mithin  bis  in  die  erste  Hälfte    des   zweiten 


1)  Harnack  bemerkt  hierzu:  „Es  giebt  noch  eine  Reihe  schöner 
Beweise  für  die  Existenz  einer  lateinischen  Bibel  zur  Zeit  Tertullians; 
aber  der  hier  angeführte  genügt  m.  E.  vollkommen". 


40  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

Jahrhunderts,  zurückdatiert.  Ich  selbst  habe  bei  deu  zahlreichen 
Allusionen  an  die  Evangelientexte,  welche  der  Pastor  Herinae 
darbietet,  schon  längst  wiederholt  der  Vermuthung  Raum  ge- 
geben, dass  hier  vielfach  Rückübersetzungen  aus  einem  lateinischen 
Evangelientexte  vorliegen  möchten  und  dass  eben  in  Folge  dieses 
Umstandes  jene  zahlreichen  Allusionen  weniger  leicht  zu  er- 
kennen seien,  weil  in  diesen  Rückübersetzungen  mehrfach  von 
dem  griechischen  Urtext  abweichende  Ausdrücke  gewählt  seien. 

Doch  bedürfen  diese  Vermuthungen  allesammt  noch  weiterer 
und  eingehender  Prüfung.  Nur  ist  es  von  vornherein  wahr- 
scheinlich, dass,  sobald  im  Orient,  oder  etwa  in  Rom  als  dem 
oecumenischen  Mittel-  und  Ausgangspunkte,  ein  Evangeliencanon 
(um  140)  im  griechischen  Texte  entstanden  war,  im  ersten  Falle, 
sofort  dessen  Übertragung  nach  Rom  stattgefunden  und  jeden- 
falls alsbald  eine  Popularisierung  desselben  für  den  occidenta- 
lischen  Gottesdienst  durch  Darbietung  eines  lateinischen  Textes 
sich  vollzogen  haben  Avird.  Ebenso  war  bei  der  regen  Verbin- 
dung zwischen  den  kleinasiatischen  Christengemeinden  und  den 
südgallischen  Tochtergemeinden  der  Weg  für  die  Verbreitung 
jenes  Evangeliencanons  nach  Südgallien  und  für  seine  Über- 
tragung in  das  dort  übliche  lateinische  Idiom  geebnet.  Endlich 
auch  in  Nordafrika  war,  wie  Tertullian  deutlich  zeigt,  neben 
der  griechischen  Bibel  frühzeitig  ein  lateinischer  Text  des  Neuen 
Testaments  gebräuchlich  (in  usuin  exiit).  Und  wenn  Tertullian 
schon  bezüglich  der  apostolischen  Briefe  einen  solchen  lateini- 
schen Text  in  Nordafrika  gekannt  hat,  so  ist  die  Übertragung 
des  Evangeliencanons  in  das  nordafrikanische  Latein  sicher- 
lich noch  viel  früher  geschehen. 

So  erklärt  sich  auch  die  Thatsache,  dass  die  altlateinischen 
Evangelien-Übersetzungen  eine  so  grosse  Varietät  der  Über- 
setzungstypen aufweisen.  Tot  sunt  paene  (exemplaria),  quot  Co- 
dices. In  den  verschiedenen  occidentalischen  Kirchengebieten 
sind  sehr  frühzeitig  lateinische  Versionen  des  Evangeliencanons 
unabhängig  von  einander  entstanden,  sicherlich  noch  vor  dem 
Ende  des  zweiten  Jahrhunderts. 

C.  Die  altorientalischen  Versionen. 
In  der  bereits  erwähnten  Abhandlung:   De  novo  testamento 
ad  versionum  orientalium  fidem  edendo  hatte  de  Lasar  de  i.  J. 


§  4.    Die  Quellen  der  aussercanonischen  Evangelientexte.  41 

1857  auf  die  Wichtigkeit  der  orientalischen  Übersetzungen 
zur  Herstellung  eines  möglichst  authentischen  Textes  für  das 
Neue  Testament  aufmerksam  gemacht.  Eine  Einseitigkeit  lag 
dabei  vor  in  der  geringen  Berücksichtigung,  welche  de  Lagarde 
den  mindestens  gleichwertigen  altlateinischen  Versionen  ge- 
gönnt hatte.  Aber  die  Abhandlung  war  gleichsam  ein  prophe- 
tischer Weckruf,  welcher  auf  eine  im  nächsten  Jahre,  im  J.  1858, 
hervorgetretene  wichtige  wissenschaftliche  Entdeckung  vorbe- 
reiten sollte.  Denn  wenn  de  Lagarde  (p.  88  in  den  Gesam- 
melten Abhandlungen,  wo  er  jene  Jugendarbeit  wieder  abdrucken 
Hess)  als  die  wichtigsten  orientalischen  Versionen  folgende 
fünf  namhaft  macht:  armenica,  aethiopica,  syriaca  prima  et 
tertia,  coptica  — ,  so  veröffentlichte  Cureton  im  Jahr  darnach 
aus  den  i.  J.  1842  ins  Britische  Museum  gekommenen  Hand- 
schriften des  Syrerklosters  der  nitrischen  Wüste  einen  fragmen- 
tarisch erhaltenen  syrischen  Evangeliencanon,  welcher  an 
Wichtigkeit  alle  übrigen  orientalischen  Versionen  bei  Weitem 
übertrifft  und  von  de  Lagarde  als  klassischer  Zeuge  für  die 
von  ihm  vermuthete  Vorgeschichte  der  syrischen  Übersetzungen 
erkannt  worden  ist.  Durch  Friedrich  Bae tilgen  (Evangelien- 
fragmente. Der  griechische  Text  des  Curetonischen  Syrers  1885) 
ist  jene  Entdeckung  weiteren  Kreisen  zugänglich  gemacht,  zu- 
gleich aber  auch  die  nahe  Verwandtschaft  jenes  syrischen  Evan- 
geliencanons mit  dem  Codex  Bezae  ins  hellste  Licht  gestellt 
worden.  Über  die  dadurch  gegebene  Möglichkeit,  mittels  Ver- 
gleichung  des  Syrers  Curetons  mit  den  altlateinischen  Ver- 
sionen auf  den  Archetypus  des  Codex  Bezae  und  seiner  Trabanten 
sichere  Rückschlüsse  zu  machen,  auch  da,  wo  der  jetzige  Text 
des  Codex  Bezae  uns  im  Stiche  lässt,  habe  ich  mich  bereits  im 
vorhergehenden  Abschnitt  ausgelassen.  Hier  ist  noch  darauf 
hinzuweisen,  dass  die  altsyrische  Version  Curetons  die  Grund- 
lage des  in  der  Peschittha  enthaltenen  syrischen  Evangelien- 
textes bildet,  in  welchem  manche  Reste  jener  ältesten  Übersetzung 
sich  finden. 

Aber  auch  mit  dem  Diatessaron  Tatians  stand  jener 
uralte  syrische  Evangeliencanon,  dessen  Fragmente  Cureton 
wieder  entdeckt,  in  engster  Verbindung.  Baethgen  (S.  95) 
spricht  darüber  seine  Meinung  folgendermassen  aus:  „Der  erste, 
der  den  Syrern   das  Evangelium    in  ihrer  Sprache    brachte,   war 


42  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

Tatian,  welcher  seine  Harmonie  niederschrieb.  Fast  ein  Jahr- 
hundert lang  war  diese  Harmonie  das  einzige  Evangelium  der 
syrischen  Kirche.  Um  250  entstand  daneben  die  erste  Über- 
setzung der  getrennten  Evangelien,  welche  unter  Zugrundelegung 
eines  griechischen  Exemplars,  aber  so  weit  es  thunlich  war,  im 
engsten  Anschluss  an  den  Text  des  Diatessaron  von  einem  Un- 
bekannten  angefertigt  wurde".  In  dieser  Auffassung  ist  der 
letzte  Satz  jedenfalls  dahin  zu  berichtigen,  dass  der  unbekannte 
Verfasser  des  altsyrischen  Evangeliencanons  sicherlich  direkt  aus 
derselben  Quelle  schöpft  wie  Tatian  bei  Verabfassung  seiner 
Evangelienharmonie,  nämlich  aus  dem  Archetypus  des  Codex 
Bezae  und  der  altlateinischen  Versionen,  und  dass  die  Über- 
einstimmung zwischen  dem  Syrer  Curetons  und  Tatians 
Diatessaron  auf  die  gemeinsame  Abhängigkeit  von  die- 
ser Quelle  zurückzuführen  ist. 

Jedenfalls  überragt  eben  deshalb  die  altsyrische  Evangelien- 
Übersetzung  Curetons  alle  übrigen  orientalischen  Versionen  an 
Ursprünglichkeit  und  Bedeutsamkeit  für  die  Reconstruktion  des 
vorcanonischen  Evangelientextes. 

Noch  ein  späterer  Ausläufer  dieser  auf  den  Archetypus  des 
Codex  D  zurückweisenden  Wurzel  ist  Thomas  von  Charkel 
(616)  gewesen,  Mönch,  später  Bischof  von  Mabug  (=  Hierapolis) 
in  Syrien,  Revisor  der  508  von  Polycarp,  einem  Chorbischof 
des  Philoxenus,  Bischofs  von  Mabug,  verfertigten  und  dem  Phi- 
loxenus  gewidmeten  syrischen  Version,  Philoxeniana,  in  welcher 
manche  werthvolle  Reste   vorcanonischer  Texte  conserviert  sind. 

In  subsidiärer  Weise  sind  sämmtliche  orientalische  Versionen, 
wenn  auch  erst  lange  nach  dem  zweiten  Jahrhundert  entstanden, 
für  die  Textgeschichte  der  Evangelien  von  hohem  Werthe. 

D.  Das  Diatessaron  Tatians. 
Eine  ganz  besonders  wichtige  Quelle  aussercanonischer,  bzw. 
vorcanonischer,  Evangelientexte  würde  für  uns  Tatians  Dia- 
tessaron sein,  wenn  dasselbe  nicht  seit  dem  5.  Jahrhundert, 
nachdem  die  canonische  Textrecension  zur  Alleinherrschaft  durch- 
gedrungen war,  einen  gründlichen  Ausrottungsprocess  erlitten 
hätte.  In  Folge  dessen  gehört  das  Diatessaron  zu  den  gänzlich 
verlorenen  Schriften.  Weder  griechische  noch  syrische  Exem- 
plare   dieser    ältesten    Evangelienharmonie    haben    sich  erhalten. 


§  4.    Die  Quellen  der  aussercanonischen  Evangelientexte.  43 

Doch   lässt  sich   eine   th eilweise    Reconstruktion    derselben   aus 
folgenden  vier  Quellen  bewirken: 

1.  Ephraem   Syr.   Evangelii   concordantis  expositio.  (Ed. 
Mösinger). 

2.  Aphraates.    Homilien.    (Übersetzt  von  Bert  1888). 

3.  Victor   Capuanus.    Harmonia  Evangeliorum.    (Codex 
Fuldensis  ed.  E.  Ranke  1868). 

4.  Tatiani   Evangeliorum  Harmonia  Arabice.    (Ed. 
Ciasca,  Romae  1888.) 

1.  Ephraem  Syrus.  (f  378.) 
Die  Hauptquelle  für  unsere  Kenntniss  des  Diatessaron  bildet 
ein  Commentar  über  die  Evangelien,  welcher  von  Ephraem 
Syrus  in  der  Weise  gegeben  worden  ist,  dass  Tatians  Dia- 
tessaron die  eigentliche  Vorlage  bildete,  neben  welcher  aber 
auch  die  vier  canonischen  Evangelien  Berücksichtigung  fanden, 
und  zwar  in  der  Regel  nach  dem  Texte  der  Peschittha,  jedoch 
auch  mit  Einmischung  des  griechischen  Textes.  Schon  hieraus 
ergab  sich  eine  Buntheit  von  Lesarten  und  eine  unerschöpfliche 
Fülle  von  Differenzen,  welche  ein  sicheres  Urtheil  erschwert.  Da 
aber  ferner  dieser  Evangelien-Commentar  auf  mündlichen  Vor- 
trägen Ephraems  ruht  und  aus  schriftlichen  Aufzeichnungen  eines 
seiner  Schüler  auf  uns  gekommen  ist,  und  da  überdem  gegen 
das  Ende  Diktat  und  Aufzeichnung  überaus  flüchtig  gerathen 
sind,  so  ist  ein  vollständiges  Bild  des  Diatessaron  aus  diesem 
Commentare  nicht  zu  gewinnen. 

2.  Aphraates.  (336—345.) 
In  noch  geringerem  Maasse  ist  dieses  bei  Aphraates  der 
Fall,  welcher  in  seinen  Homilien  überaus  zahlreiche  Evangelien- 
Citate  einwebt,  ohne  dass  er  seine  Quellen  namhaft  macht.  In 
manchen  Fällen  kann  man  durch  den  Nachweis  der  Übereinstim- 
mung zwischen  Aphraates  und  Ephraem  den  Gebrauch  des 
Diatessaron  auch  von  Seiten  des  Erstgenannten  verificieren.  Aber 
noch  viel  häufiger  misslingt  dieser  Beweis.  Der  Text  des 
Aphraates  zeigt  deutliche  Spuren,  dass  ihm  die  vier  getrennten 
Evangelien  nicht  unbekannt  waren.  Nicht  selten  steht  er  auch 
mit  seinen  Citaten  völlig  isoliert.  Bei  der  Freiheit  seiner  Citations- 
weise  ist  er  überhaupt  keine  sichere  Quelle  für  Evangelientexte. 


44  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

3.  Victor  Capuanus  (541 — 554). 
Dieser  gelehrte  Bischof  fand  eine  lateinische  Evangelien- 
harmonie, welche  er  für  Tatians  Diatessaron  hielt  und  statt  der 
vier  Evangelien  an  die  Spitze  des  von  ihm  herausgegebenen 
Neuen  Testamentes  (Cod.  Fuldensis)  stellte  (546).  Diese  lateinische 
Evangelienharmonie,  welche  in  der  That  auf  dem  Diatessaron 
ruht,  ist  gleichwohl  für  die  Reconstruktion  des  letzteren  fast 
werthlos,  da  der  Urtext  Tatians  nach  dem  Texte  der  Vulgata 
conformiert,  auch  die  Anordnung  des  Stoffs  in  wichtigen  Punkten 
alteriert  ist. 

4.  Das  arabische  Diatessaron  (1043). 
Durch  den  Ausrottungsprocess  hindurch,  welchem  Tatians 
Diatessaron  unterlegen  war,  hatte  sich  bis  in  den  Anfang  des 
11.  Jahrhunderts  ein  schriftliches  Exemplar  gerettet.  Es  war 
dies  ein  syrisches  Manuscript,  welches  auf  Grund  einer  älteren 
Vorlage  von  Isa  ben  Ali  Almottabbeb,  einem  Schüler  des  i.  J. 
873  verstorbenen  Abu  Zaid  Honain  ben  Ishaq.  im  Anfang 
des  10.  Jahrhunderts  angefertigt  worden  war.  Im  J.  1043  über- 
setzte Abul-faraj  Abdullah  Ben-at-tib  diese  syrische  Hand- 
schrift ins  Arabische.  Und  dieses  arabische  Diatessaron  ist  es, 
welches  Ciasca  i.  J.  1888  mit  lateinischer  Version  herausgegeben 
und  der  theologischen  Welt  zugänglich  gemacht  hat.  Schon  die 
Geschichte  dieses  Werkes  weckt  die  Vermuthung,  dass  wir  hier 
nicht  das  ursprüngliche  Diatessaron,  sondern  eine  Überarbeitung 
nach  den  Grundsätzen  der  canonischen  Textrecension  vor  uns 
haben,  welche  Vermuthung  durch  die  vielfache  Übereinstimmung 
mit  der  vorher  erwähnten  lateinischen  Evangelienharmonie  ihre 
Bestätigung  findet.  Beide  Werke  gehen  höchst  wahrscheinlich 
auf  dieselbe  Quelle  zurück. *)  Wenn  man  auch  in  Bezug  auf  die 
Anordnung  des  Stoffes  in  Tatians  Diatessaron  aus  diesen  späteren 
Bearbeitungen  desselben  wichtige  Schlüsse  ziehen  darf,  so  ist 
doch  gerade  für  die  Texte,  und  zwar  für  die  vorcanonischen 
Texte  der  Evangelien,  die  Ausbeute  nur  eine  geringe.  Im  Ganzen 
sagt  Harnack  das  Richtige:  „Überall,  wo  ich  die  arabische 
Harmonie  aufgeschlagen  habe,  d.  h.  an  den  für  den  wirklichen 
Tatian     charakteristischen     Stellen,    war     das    Charakteristische 

1)  Vgl.  Harnack,  Das  Neue  Testament  um  das  Jahr  200.  S.  101. 


§.  4.   Die  Quellen  der  aussercanonischen  Evangelientexte.  45 

entfernt  und  durch  das  Vulgäre  ersetzt."  Mir  ist  es  bei  der 
ersten  Vergleichung  dieses  Werkes  ebenso  ergangen.  Doch  habe 
ich  bei  einer  zweiten  gründlicheren  Collation  auf  Grund  der 
Ton  mir  bereits  angesammelten  aussercanonischen  Texte  noch 
manche  interessante  Singularitäten  wahrgenommen,  welche  als 
unabsichtlich  stehen  gebliebene  Reste  vorcanonischer  Texte  zu 
recognoscieren  sind,  welche  ich  daher  der  nachstehenden  Samm- 
lung einzuverleiben  nicht  unterlassen  habe. 

Gleichwohl  scheint  mir  es  ein  verfrühtes  Unternehmen,  den 
Urtext  von  Tatians  Diatessaron  zu  reconstruieren  und  als  solchen 
zu  citieren.  Ich  habe  es  vorgezogen,  jede  einzelne  der  hier  be- 
sprochenen Quellen  für  sich  namhaft  zu  machen. 

Das  Gesammtbild  aber,  welches  wir  für  das  Tatianische  Dia- 
tessaron daraus  gewinnen,  ist  für  die  Geschichte  des  Evangelien- 
canons ein  höchst  bedeutsames. 

Bereits  in  der  Zeit  von  160  bis  170  konnte  Tatian  den 
Gedanken  ausführen,  eine  Evangelienharmonie  zu  schaffen,  und 
zwar  auf  Grund  unserer  vier  canonischen  Evangelien.  Denn  dies 
letztere  giebt  nicht  nur  der  Name  diu  tsogccqcov  an  die  Hand, 
welcher  Jsame,  so  absolut  gesetzt,  nicht  auf  beliebige  vier 
Evangelien,  vielmehr  nur  auf  die  vier  in  der  Kirche  bekannten 
und  anerkannten  Evangelienschriften  sich  beziehen  kann,  sondern 
es  weisen  auch  alle  Zeugen  von  Aphraates  und  Ephraem  bis 
auf  die  arabische  Evangeüenharmonie  mit  Bestimmtheit  darauf 
hin,  dass  Tatian  die  vier  canonischen  Evangelien  zusammen- 
gearbeitet und  dabei  namentlich  auch  dem  Johanneischen  Evan- 
gelium den  grössten  Einfluss  eingeräumt  hat. 

Voraussetzung  für  die  Unternehmung  einer  Evangelien- 
harmonie war  das  Vorhandensein  eines  Evangeliencanons,  jenes 
Archetypus  des  Codex  Bezae,  dessen  Entstehung  spätestens  um 
das  Jahr  140  anzusetzen  ist.  Auf  Grund  dieses  griechischen 
Evangeliencanons  schuf  Tatian  sein  syrisches  Evangelium, 
d.  h.  seine  höchst  wahrscheinlich  in  syrischer  —  vielleicht  zu- 
gleich auch  in  griechischer  —  Sprache  verfasste  Evangelien- 
harmonie. Diese  Evangelienharmonie  wurde  für  die  um  d.  J.  170 
entstandene  syrisch-edessenische  Kirche  durch  einige  Jahrhunderte 
hindurch  das  massgebende  Evangelium  und  bildete  längere  Zeit 
für  diese  Kirche  die  einzige  neutestamentliche  Vorlage  in  den 
gottesdienstlichen  Vorlesungen.    Auch  als  um  die  Mitte  des  dritten 


4g  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

Jahrhunderts  die  Quellenschrift  des  Diatessaron,  jener  älteste  vier- 
fältige  Evangeliencanon,  in  das  Syrische  übersetzt  worden  war 
und  die  syrische  Kirche  in  dieser  Version  —  dem  jetzt  so- 
genannten Syrus  Curetonianus  —  auch  die  getrennten  vier 
canonischen  Evangelien  besass,  behauptete  Tatians  Evangelien- 
harmonie noch  längere  Zeit  den  Vorrang. 

Erst  als  am  Anfang  des  vierten  Jahrhunderts  die  canonische 
Textrecension  des  Neuen  Testamentes  durchgedrungen  war,machten 
sich  auch  für  die  syrische  Kirche,  welche  bis  dahin  ihre  eigenen 
Wege  gegangen  war,  die  Nachwirkungen  davon  geltend.  Es  be- 
gann allmählich  ein  Vernichtungskampf  gegen  das  Diatessaron. 
So  verordnete  Bischof  Rabbula  von  Edessa  (412  —  435),  dass  in 
allen  Kirchen  „ein  Evangelium  der  Getrennten"  vorhanden  sein 
und  gelesen  werden  müsse.  Und  Bischof  Theodoret  vonCyrrhus 
(420 — 457)  erzählt  selbst,  dass  er  in  seiner  —  zwischen  Edessa 
und  Antiochien  gelegenen  —  Diöcese  mehr  als  200  Exemplare 
von  Tatians  Diatessaron  beseitigt  und  durch  Exemplare  der 
Evangelien  ersetzt  habe.  Er  sagt:  Evqop  6s  xdyco  JcXeiovq  rj 
öiaxooiaq  ßißXovq  xoiavxaq  lv  xalq  tcüq  rjfilv  axxÄqöiaiq 
rsrifirjfievaq'  xal  Jtdoaq  övvayayoyv  djte&sfirjv  xal  xd  xcöv  xsx- 
xüqcov  evayyeXiöxcöv  dvxtiGi)yayov  evayytha.  (Theodoret,  Haer. 
Fab.  I,  20).  Wir  wissen,  wie  dieser  Vernichtungskampf  nur  all- 
zugut gelungen  ist  und  wie  nicht  ein  einziges  Exemplar  des  ur- 
sprünglichen Diatessaron  sich  erhalten  hat. 

Um  diese  selbe  Zeit  müssen  die  Versuche  begonnen  haben, 
das  Diatessaron  den  canonischen  Texten  zu  conformieren.  Denn 
der  Kampf  gegen  dasselbe  galt  nicht  der  Evangelienharmonie  als 
solcher,  sondern  dem  aussercanonischen  Textcharakter  derselben. 
Es  war  derselbe  Vernichtungskampf,  der  in  der  Grosskirche  alle 
griechischen  Handschriften  zerstört  und  beseitigt  hat,  welche  nicht 
aus  der  canonischen  Textrecension  hervorgegangen  waren.  (Die 
Erhaltung  und  Fortpflanzung  des  Cod.  Bezae,  der  einzigen  vor- 
canonischen  Handschrift,  verdanken  wir  nicht  der  Grosskirche, 
sondern  judenchristlichen  Kreisen).  Nur  um  den  Preis  der  Con- 
formierung  nach  den  canonischen  Texten  waren  Liebhaber  des 
Diatessaron  im  Stande,  dasselbe  zu  conservieren. 

So  bedauerlich  nun  diese  Vorgänge  für  die  Texte  und  Quellen- 
erforschung auf  neutestamentlichem  Gebiete  gewesen  sind,  ebenso 
werthvoll  sind  alle  aussercanonischen  Reste  des  Diatessaron,  deren 


§  4.    Die  Quellen  der  aussercanonischen  Evangelientexte.  47 

man  mit  Hilfe  der  oben  bezeichneten  Quellen  habhaft  werden 
kann.  Zunächst  bieten  sie  ein  wichtiges  Hilfsmittel  zur  Ergänzung 
und  Feststellung  desjenigen  Textes,  welcher  für  den  Archetypus 
des  Codex  Bezae,  des  Syrers  Curetons  und  der  altlateinischen 
Evangelien -Versionen  vorauszusetzen  ist,  da  dieser  Archetypus 
auch  für  das  Diatessaron  Quelle  und  Voraussetzung  war  und  die 
Textverwandtschaft  desselben  mit  den  genannten  alten  vorcano- 
nischen  Zeugen  vollständig  erklärt,  ja  die  Reconstruktion  des  für 
jenen  Archetypus  vorauszusetzenden  Quellentextes  unterstützt, 
auch  da,  wo  der  Codex  Cantabrigiensis  in  seiner  jetzigen  Text- 
gestalt uns  im  Stiche  lässt.  Man  kann  daher  das  oben  gegebene 
Quellen-Schema  in  folgender  Weise  vervollständigen. 


Archetypus  140. 


Griechischer  Evangeliencanon. 


Diatessaron  Ta- 
tians  160—170. 


Ephraeins  Coni- 
mentar  360—370. 

Lateinische  Be- 
arbeitung des 
Diatessaron  546. 


Syrisch-cano- 
nische Bearbei- 
tung 900—940. 
Arabische  Über- 
setzung des  Dia- 
tessaron 1043. 


Syrer  Curetons 
250. 


Peschittha 


Philoxeniana 
508—616. 


Griech.  Canon 

Cod.D.  Evv.,Apg., 

kath.  Briefe 

Vor  200. 


Neue  Redaktion 
des  Codex  D  Bei- 
fügung des  latei- 
nischen Textes 
ca.  500. 


Letzte  Redaktion 

des  bilingualen 

CodexDdumöOO. 


Lateinische  Evan- 
gelien-Versionen 
Vor  200. 


Cod.  Vercellensis 

vor  400. 

Vulgata. 
Cod.  Veronensis 

vor  500. 


Andere  lat.  Codi- 
ces. 


Cod.  Colbertinus 
vor  1000. 


Hiermit  sind  wir  an  der  Grenze  des  handschriftlichen  Quellen- 
materials für  aussercanonische,  bezw.  vorcanonische ,  Texte  an- 
gelangt. Wir  müssen  aber  die  Retraktation  hinzufügen:  soweit 
dieses    handschriftliche  Material   bekannt  ist.     So  gross 


48  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

und  weitreichend  derEinfluss  der  mit  dem  Codex  Bezae  zusammen- 
hängenden und  auf  den  ältesten  Evangeliencanon  als  Archetypus 
zurückreichenden  Textfamilie  erkannt  werden  muss,  so  nahe  liegt 
die  Wahrscheinlichkeit,  dass  es  auch  noch  andere  handschrift- 
liche Überlieferungen  von  Bedeutung  gegeben  hat.  Diese  Ver- 
muthung  stützt  sich  auf  die  Thatsache,  dass  der  Archetypus 
des  Codex  Bezae  keineswegs  hinreicht,  um  alle  die  Varietäten 
der  xoivrj  txöooiq,  d.  i.  der  vorcanonischen  Textüberlieferung, 
und  das  bunte  Bild  der  patristischen  Evangeliencitate  zu  erklären. 
Wenn  Hug,  wie  oben  erwähnt,  den  Codex  D  „ein  Abbild  der 
xoivr}  exöoöiq  der  Evangelien"  nennt,  so  ist  es  wahrscheinlich, 
dass  es  auch  noch  andere  —  davon  differierende  —  Abbilder  gab, 
welche  aber  verloren  gegangen,  bezw.  nach  dem  Siege  der  späteren 
canonischen  Textrecension  ausgerottet  worden  sind.  Es  ist  nicht 
unmöglich,  dass  noch  irgendwo  Handschriften  verborgen  liegen, 
welche  eine  vorcanonische  Textgestalt  der  Evangelien  repraesen- 
tieren  und  noch  auf  ihre  Veröffentlichung  warten.  Hug  erweckt 
selbst  (Einl.  I,  146)  dahin  gehende  Hoffnungen,  indem  er  sagt: 
„Wir  werden  uns  aus  diesen  Bemerkungen  —  nämlich  über  den 
ZAveisprachigen  Codex  Cantabrigiensis  —  auch  noch  die  weitere 
Prognose  machen  können,  was  wir  von  den  verschiedenen  griechisch- 
lateinischen Manuscripten  zu  erwarten  haben,  die  noch  vorhanden 
sind,  und  von  denen  mir  noch  ein  merkwürdiger  Codex 
der  vier  Evangelien  bekannt  ist,  welcher  sich  zur  Zeit 
in  eine  tiefe  Verborgenheit  zurückgezogen  hat,  bis  es 
ibm  einst  gefallen  wird,  in  einem  Lande  an  das  Tageslicht  zu 
treten,  dem  ein  minder  fürchterliches  Loos  beschieden  war.  Ich 
dachte,  aus  ihm  dieser  Geschichte  des  Textes  einen  besonderen 
Schmuck  zu  ertheilen;  allein  die  Begebenheiten  der  letzten  Jahre 
haben  mir  mehr  als  eine  Hoffnung  dieser  Art  vernichtet". 

Dunkel  sind  diese  Andeutungen.  Allein  der  zweifache  Um- 
stand, dass  jener  merkwürdige  Codex,  auf  welchen  Hug  hinweist, 
lediglich  die  Evangelien  und  diese  in  bilingualer  Gestalt  dar- 
bietet, lässt  das  hohe  Alter,  wenn  nicht  der  Handschrift  selbst, 
so  doch  ihres  Archetypus  erkennen  und  seine  Verborgenheit  auf 
das  lebhafteste  bedauern.  Nach  ihrem  Charakter  und  ihren  Schick- 
salen scheint  diese  Evangelien-Handschrift  mit  dem  Codex  Bezae 
grosse  Ähnlichkeit  zu  besitzen. 

Wie  leicht  aber  noch  weitere  Aufschlüsse  in  unserer  an  der- 


§  4.    Die  Quellen  der  aussercanonischen  Evangelientexte.  49 

artigen  Entdeckungen  reichen  Zeit  erfolgen  können,  zeigt  das 
unter  zahlreichen  anderen  Handschriftresten  in  Fajjum  aufge- 
fundene Evangelien fragment,  der  Rest  einer  Evangelienhand- 
schrift aus  der  Mitte  des  3.  Jahrhunderts,  dessen  Text  trotz  seines 
geringen  Umfangs  durch  seinen  aussercanonischen  Charakter  die 
höchste  Beachtung  verdient.  (Das  Nähere  vgl.  man  in  den  Er- 
läuterungen zu  Mt.  26,  30—34.) 

Mit  der  Erwähnung  dieses  „Evangelienfragnientes  von 
Fajjum"  sind  die  handschriftlichen  Quellen  aussercanonischer 
Evangelientexte  vollständig  aufgeführt. 

Es  folgt  daher  die  patristische  Literatur,  in  welche  zahl- 
reiche Fragmente  vorcanonischer  Evangelienhandschriften  ein- 
gebettet sind,  als  nächste  Quelle. 

E.   Die  patristischen  Evangeliencitate. 

Wir  betreten  hiermit  ein  sehr  schwieriges  und  ausgedehntes 
Forschungsgebiet,  von  welchem  einzelne  Theile  bereits  sorgfältig 
untersucht  worden  sind.  Man  denke  nur  an  die  von  verschiedenen 
Seiten  wiederholt  unternommenen  Untersuchungen  bezüglich  der 
Justinschen  Evangeliencitate.  Auch  die  grossen  textkritischen 
Ausgaben  des  N.  T.  von  Mill,  Wetstein,  Griesbach, Tischen- 
dorf, Tregelles  haben  der  patristischen  Literatur  eine  vielfache 
Berücksichtigung  gewidmet.  Gleichwohl  fehlt  eine  möglichst 
vollständige,  übersichtliche  und  von  bestimmten  Gesichtspunkten 
der  Quellenkritik  geregelte  Sammlung  der  in  der  patristischen 
Literatur  enthaltenen  Evangeliencitate,  wie  ich  sie  versuche  in 
dem  gegenwärtigen  Werke  darzubieten,  wobei  zugleich  die  bis 
in  die  neueste  Zeit  hinein  erfolgten  Entdeckungen  verloren  ge- 
glaubter Bestandtheile  der  patristischen  Literatur  sorgfältige  Ver- 
wendung gefunden  haben. 

Die  patristischen  Schriftsteller,  welche  mir  für  diese  Samm- 
lung als  Quellen  gedient  haben,  theile  ich  in  solche,  deren 
Evangelientexte  vollständig  ausgenützt  worden  sind,  und  in 
solche,  deren  Evangeliencitate  nur  insoweit  berücksichtigt  sind, 
als  sie  in  relevanter  Weise  von  den  canonischen  recen- 
sierten  Texten  abweichen. 

Zur  ersteren  Gruppe  gehören  sämmtliche  Schriftsteller  vor 
lrenaeus  und  Clemens  AI.  Hier  finden  sich  fast  nirgends 
solche  Evangelientexte,  welche  vollständig   mit   der  canonischen 

Texte  u.  Untersuchungen  X.  4 


50  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

Textrecension  übereinstimmen.  Die  wenigen  Ausnahmen,  in  denen 
dies  doch  der  Fall  ist,  wegzulassen,  würde  an  sich  nicht  empfehlens- 
werth  gewesen  sein,  noch  weniger  aber  im  Hinblick  auf  einen 
leicht  erreichbaren  Nebenzweck,  nämlich  den  Gebrauch  der  cano- 
nischen Evangelien  von  Seiten  der  betreffenden  Schriftsteller  in 
solchen  Fällen  sicher  zu  constatieren.  Auf  Grund  wiederholter 
eingehender  Vergleichungen  hoffe  ich  von  dem  Verhältniss  dieser 
ältesten  Gruppe  der  patristischen  Autoren  zu  der  Evangelien- 
literatur ein  so  vollständiges  Bild  geben  zu  können,  dass  die  mit 
diesem  Forschungsgebiete  Vertrauten  neben  vielem  Bekannten 
auch  manches  Neue  finden  werden.  Es  kommen  hier  namentlich 
folgende  Schriftsteller  in  Betracht: 

1.  Clemens  Romanns. 

2.  Die  Homilie,    welche    der    zweite   Clemens b rief  ge- 
nannt wird.  • 

3.  Die  Ignatianen. 

4.  Der  Brief  des  Polycarp. 

5.  Das  Martyrium  Polycarpi. 

6.  Der  Brief  des  Barnabas. 

7.  Die  Epistola  ad  Dognetum. 

8.  Der  Pastor  des  Hermas. 

9.  Die  Apologie  des  Aristides. 

10.  Die  Jiday/'/  rcöv  öoidexa  ajcoozoZcov. 

11.  Justin. 

12.  Tatian. 

13.  Theophilus. 

14.  Athenagoras. 

15.  Die  Clementinischen  Homilien. 

16.  De  aleatoribus. 

Die  Gesammtergebnisse,  welche  die  Einzeluntersuchungen  für 
jeden  dieser  Schriftsteller  zeitigen  werden,  gedenke  ich  erst  am 
Schlüsse  des  ganzen  Werkes  zu  kurz  zusammenfassenden  Dar- 
stellungen zu  bringen.  Hier  sei  nur  noch  besonders  auf  den 
Pastor  des  Hermas  hingewiesen,  welchem  ich  eine  besondere 
Aufmerksamkeit  gewidmet  und  in  welchem  ich  viel  zahlreichere 
Allusionen  an  die  evangelischen  Stoffe  wahrgenommen  habe,  als 
man  bisher  anzunehmen  geneigt  war.  Auf  diesem  Wege  der 
Untersuchung  habe  ich  mich  mehrfach  mit  Prof.  Taylor  in 
Cambridge  begegnet.     Derselbe   hat   schon   in  The  Journal  of 


§  4.  Die  Quellen  der  aussercanoniscken  Evangelientexte.  51 

Philology  (Vol.  XVIII.  No.  36.  S.  297—325)  in  einer  Abhandlung 
über  das  Verhältniss  des  Hirten  zur  d löayjj  (The  Didache  com- 
pared  with  the  Shepherd)  die  Methode  vorgezeichnet,  nach  welcher 
er  seine  Untersuchungen  über  das  Verhältniss  des  Hermas  zu 
den  Evangelien  angestellt  hat.  Er  ist  dabei  zu  derselben  An- 
schauung gelangt,  von  welcher  aus  nach  meiner  Überzeugung  die 
Anspielungen  des  Hermas  an  die  evangelischen  Texte  beurtheilt 
werden  müssen.  Ein  apokalyptisch  -  prophetisches  Werk,  als 
welches  der  Pastor  des  Hermas  beurtheilt  sein  will,  konnte  in 
keinem  Falle  mit  declarierten  Evangeliencitaten  operieren.  Ganz 
so  urtheilt  Prof.  Taylor  (1.  c.  p.  324),  indem  er  von  dem  Hirten 
sagt:  „He  handles  the  canonical  Scriptures  in  like  fashion,  the 
form  of  his  work,  which  claims  to  be  the  embodiment  of  a 
revelation,  not  allowing  him  to  cite  them  openlv.  He  disguises, 
and  we  know  how  he  disguises."  Soweit  also  der  Hirte  auf 
evangelischen  Texten  fusst,  kann  es  sich  nur  um  verdeckte,  ab- 
sichtlich verdeckte,  in  die  Form  der  Allegorie  und  der  apo- 
kalyptischen Vision  eingekleidete,  Allusionen  an  die  Evangelien 
handeln.  „He  allegorises,"  —  sagt  Taylor  weiter  —  „he  des- 
integrates,  he  amalgamates.  He  plays  upon  the  sense  or  varies 
the  form  of  saying,  he  repeats  its  words  in  fresh  combinations 
or  replaces  them  by  synonyms,  but  he  will  not  cite  a  passage 
simply  and  in  its  entirity."  Diese  Abhandlung  Taylors  war  nur 
der  Vorläufer  der  oben  erwähnten,  inzwischen  im  Druck  er- 
schienenen Veröffentlichung:  The  Witness  of  Hermas  to  the  four 
Gospels.  In  derselben  behandelt  Taylor  seinen  Gegenstand  in 
drei  Abschnitten: 

I.  Hermas  und  der  vierfältige  Evangeliencanon  S.  1 — 21. 
II.  Hermas  und  die  synoptischen  Evangelien  S.  22 — 68. 

III.  Hermas  und  das  vierte  Evangelium  S.  69 — 148. 

Man  ersieht  hieraus,  dass  der  Schwerpunkt  der  Taylorschen 
Untersuchungen  auf  dem  vierten  Evangelium  ruht.  Das  letztere 
hat  zwar  meinerseits  ebenfalls  Berücksichtigung  gefunden,  soweit 
textliche  Berührungen  zwischen  Hermas  und  dem  johanneischen 
Evangelium  vorhanden  sind.  Aber  noch  wichtiger  für  die  gegen- 
wärtigen Untersuchungen  ist  das  Verhältniss  des  Hermas  zu 
dem  synoptischen  Evangelientypus  und  zu  den  auf  diesem  Gebiete 
so  zahlreichen  aussercanonischen  Paralleltexten,  worauf  Taylor, 
welchem    ich    mein    Verzeichniss    der    bei  Hermas  zu    findenden 

4* 


52  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

Evangelienparallelen  übersandt  hatte,  am  Schlüsse  seines  Werkes 
(S.  148)  auch  andeutend  hinweist.  Selbstverständlich  musste  ich 
mich  auf  diejenigen  Allusionen  an  die  Evangelien  von  Seiten 
des  Hermas  beschränken,  in  denen  ein  wenn  auch  noch  so  ge- 
ringer textlicher  Rest  erhalten  ist,  während  Taylor  auch 
diejenigen  Partien  herbeigezogen  hat,  in  denen  die  evangelischen 
Stoffe  nach  seiner  Auffassung  eine  völlig  veränderte  Einkleidung 
von  Seiten  des  Autors  erfahren  haben.  Vom  Eifer  fortgerissen, 
ist  Taylor  auf  diesem  Gebiete  allerdings  vielfach  zu  weit  ge- 
gangen. 

Unerwähnt  kann  ich  nicht  lassen  eine  im  vorigen  Jahre 
erschienene,  frisch  und  anregend  geschriebene  Schrift:  DieEvan- 
geliencitate  Justins  des  Märtyrers  in  ihrem  Werth  für 
die  Evangelienkritik  von  Bousset,  die  allerdings  die  Evan- 
geliencitate  Justins  nicht  ganz  vollständig  wiedergibt,  aber  das 
grössere  Ziel  der  „  Untersuchung  sämmtlicher  Evangeliencitate 
derjenigen  Schriften,  deren  Übereinstimmung  mit  den  Evange- 
liencitaten  Justins  wir  so  oft  constatieren  konnten"  (S.  115) 
richtig  bezeichnet  und  den  Weg  zu  diesem  Ziele  in  zahlreichen 
Einzeluntersuchungen  muthig  bahnt.    (Vgl.  §  5). 

An  der  Spitze  der  zweiten  Gruppe  patristischer  Autoren 
stehen  Clemens  AI.  mit  seinem  grossen  Schüler  Origenes  und 
Irenaeus  mit  seinem  Schüler  Hippolyt.  Das  Charakteristische 
bei  diesen  Schriftstellern  ist  das  Auftreten  zahlreicher  canonischer 
Texte,  d.  h.  also  solcher  Texte,  welche  mit  der  späteren  cano- 
nischen Textrecension  im  Wesentlichen  übereinstimmen,  und 
daneben  ein  Fortleben  aussercanonischer,  bzw.  vorca- 
nonischer  Textgestalten.  Eine  Wendung,  eine  Recension 
der  Texte,  ist  eingetreten.  Die  Textmischung  aber  erklärt  sich 
aus  dem  Einfluss  der  neuen,  recensierten  Handschriften  und  dem 
gleichzeitigen  Fortgebrauch  der  älteren  Evangelienexemplare. 
Aber  auch  nach  der  grossen  letzten  Textrecension  um  die  Wende 
des  dritten  und  vierten  Jahrhunderts  wiederholt  sich  dieselbe 
Erscheinung.  Namentlich  sind  es  die  ausserhalb  der  Grosskirche 
stehenden  Richtungen,  in  welchen  die  recensierten  Texte  nicht 
sofort  Aufnahme  fanden,  in  welchen  daher  die  älteren  Evan- 
gelienexemplare noch  längere  Zeit  in  Geltung  blieben.  Wie  im 
zweiten  Jahrhundert  Marcion  bei  Herstellung  seines  marcioni- 
tischen    Evangeliums    gute    ältere   Lucashandschriften   benützte, 


§  4.    Die  Quellen  der  aussercanonischen  Evangelientexte.  53 

wie  im  dritten  Jahrhundert  die  gnostischen  Kreise,  aus  denen 
die  Pistis  Sophia  hervorgegangen  ist,  werth volle,  mit  archaisti- 
schen Elementen  durchsetzte,  Evangelienhandschriften  verwen- 
deten, so  finden  sich  im  vierten  Jahrhunderte  bei  den  Mani- 
en äern  beachtenswerthe  Reste  aussercanonischer  Textgestalten, 
so  wurde  in  judenchristlichen  Kreisen  der  Codex  D  bis  ins  fünfte 
und  sechste  Jahrhundert  hinein  fortgepflanzt.  Aus  diesem  Um- 
stände, dass  die  ausserkirchlichen  Richtungen  von  der  in  der 
Grosskirche  durchgedrungenen  Textrecension  weniger  berührt 
worden  waren,  erklärt  sich  die  Erscheinung,  dass  in  den  alt- 
kirchlichen Haeresiologien,  die  aus  haeretischen  Quellen 
schöpften,  aussercanonische  Texte  in  grosser  Zahl  hervortreten. 
Namentlich  ist  dies  bei  Epiphanius  der  Fall,  welcher  je  nach 
den  Haeresien,  die  er  behandelt,  auf  Grund  seiner  Quellen  Evan- 
gelientexte ganz  verschiedenen  Charakters  mittheilt.  Die  Haere- 
siologie  des  Epiphanius  ist  daher  eine  —  vielfach  noch  nicht  be- 
nutzt gewesene  —  Quelle  aussercanonischer  Evangelientexte,  deren 
gründliche  Ausbeutung  ich  mir  habe  besonders  angelegen  sein 
lassen.  Auch  in  der  Apostol.  Kirchenordnung  (Judicium  Petri), 
in  der  syrischen  Didascalia,  in  den  Excerptis  Theodoti  finden 
sich  neben  canonischen  zahlreiche  aussercanonische  Evangelien- 
texte, welche  letztere  sämmtlich  von  mir  einregistriert  sind. 

In  der  Grosskirche  waren  es  namentlich  die  Klöster,  in 
deren  verschwiegenen  Bibliotheken  die  alten  vorcanonischen  Hand- 
schriften conserviert,  wohl  auch  abgeschrieben,  und  somit  in 
eine  spätere  Zeit  hinein  gerettet  wurden.  Sprechende  Zeugen 
hierfür  sind  namentlich  Macarius,  Schüler  des  Antonius,  ge- 
storben •  i.  J.  391  als  Vorsteher  einer  Mönchsgenossenschaft  in 
der  sketischen  Wüste,  und  Anastasius  Sinaita,  im  7.  Jahr- 
hundert in  den  Sinaiklöstern  lebend,  deren  archaistische  Evan- 
gelientexte, womit  sie  ihre  Schriften  schmückten,  auf  gute  alte 
Handschriften  hinweisen,  die  ihnen  zu  Gebote  standen.  Und  ist 
nicht  der  Codex  Bezae  in  dem  Kloster  S.  Irenaei  bei  Lyon  bis 
in  das  Reformationsjahrhundert  hinein  wohl  verwahrt  gewesen? 
Ist  nicht  der  Codex  Sinaiticus  in  einem  jener  Klöster  aufgefunden 
worden,  denen  einst  Anastasius  Sinaita  angehörte? 

So  erklärt  es  sich,  dass  noch  in  späten  Jahrhunderten  ein- 
zelne Schriftsteller  werthvolle  Reste  aussercanonischer  Texte  zu 
producieren  im  Stande  waren,  dass  die  einst  so  reichlich  fliessende. 


54    •  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

aber  nach    der  canonischen  Recension    verschüttete   Quelle    hier 
und  da  noch  tröpfelte  und  ihr  früheres  Dasein  erkennen  lässt. 

Für  die  Fortpflanzung  alter  Handschriften  war  ferner  die 
Bibliothek  von  Caesarea  ganz  besonders  wichtig.  Wie  die 
von  Bischof  Alexander  begründete  Bibliothek  zu  Jerusalem 
zu  den  Zeiten  des  Eusebius  noch  vorhanden  war,  wie  Julius 
Africanus  das  kirchliche  Archiv  zu  Edessa  benützte,  so  waren 
es  namentlich  drei  patristische  Autoren:  Eusebius,  der  Re- 
daktor der  Constitutionen  und  Pseudo-Ignatianen,  Hie- 
ronymus,  deren  wissenschaftliche  Thätigkeit  aus  der  Bibliothek 
von  Caesarea  befruchtet  worden  ist.  Die  Begründung  derselben 
war  von  Or  igen  es  während  seines  Aufenthaltes  in  Caesarea 
angeregt  und  von  Pamphilus,  seinem  Schüler,  in  grösserem 
Stile  durchgeführt.  Weit  und  breit  sammelte  Pamphilus  darin 
alles  zusammen,  was  die  christliche  Literatur  hervorgebracht  und 
er  aufzutreiben  im  Stande  war.  Hier  lagerten  wichtige  alttesta- 
mentliche  Handschriften,  darunter  die  Hexapla  und  Tetrapia  des 
Ori genes.  Dass  auch  werth volle  neutestamentliche  Handschriften 
nicht  gefehlt  haben  werden,  lässt  sich  von  vornherein  vermuthen 
und  wird  durch  das  Zeugniss  des  Hieronymus  ausdrücklich 
bestätigt.  Nach  ihm  befanden  sich  in  der  Bibliothek  zu  Cae- 
sarea zwei  werthvolle  Evangelienhandschriften:  erstlich  das  in 
hebräischer  Sprache  (Hebraicis  litteris  verbisque)  verfasste  Ur- 
evangelium  des  Matthäus,  und  zweitens  das  in  aramäischer  oder 
syrochaldäischer  Sprache  (Chaldaico  Syroque  Sermone,  sed  Hebrai- 
cis litteris  scriptum)  geschriebene  Hebräerevangelium.  Während 
Hieronymus  aus  letzterem,  dem  Evangelium  secundum  Hebraeos, 
zahlreiche  Excerpte  —  jedoch  nicht  nach  dem  caesareensischen, 
sondern  nach  einem  von  den  Nazaräern  ihm  überlassenen  Exem- 
plar —  darbietet,  scheint  der  des  Hebräischen  gleichfalls  kundige 
Redaktor  der  Constitutionen  und  Pseudo-Ignatianen 
bei  einer  neuen  Redaktion  der  ebendort  aufbewahrten  alten 
Kirchenordnungen  direkt  aus  dem  hebräischen  Urevangelium 
geschöpft  zu  haben.  Nur  so  lässt  sich  die  Erscheinung  erklären, 
dass  derselbe  —  wohl  um  350  schreibend  —  neben  zahlreichen 
Evangelientexten,  welche  auf  der  canonischen  Recension  des  N. 
T.  basieren  und  mit  den  besten  recensierten  Codices  überein- 
stimmen, auch  eine  reiche  Fülle  aussercanonischer  Evangelien- 
fragmente —  darunter  nicht  wenige  Agrapha  —  einstreut,  welche 


§  4.    Die  Quellen  der  aussercanoniscken  Evangelientexte.  55 

seiner  Neubearbeitung  der  Kirchenordnungen  einen  archaistischen 
Anstrich  und  für  die  Quellenforschung  einen  so  hohen  Werth 
geben.  Ebensowohl  wie  der  Codex  Cantabrigiensis  neun  Jahr- 
hunderte lang  in  dem  Kloster  St.  Irenaei  bei  Lyon  verborgen 
war  und  auch  nach  seiner  Wiederentdeckung  auf  Theodor  von 
Bezas  Wunsch  in  der  Bibliothek  zu  Cambridge  wieder  einge- 
sargt wurde,  weil  man  wegen  seiner  zahlreichen  aussercanoni- 
schen  Bestandtheile  für  das  reformierte  Schriftprinzip  Befürch- 
tungen liegte,  ebensogut  und  noch  leichter  konnte  das  Urevan- 
gelium,  welches  dem  Gesichtskreis  der  Kirche  entschwunden  war, 
welches  gewiss  in  vielen  Punkten  dem  katholisch  gewordenen 
Bewusstsein  der  Kirche  widerstrebte,  in  jener  Bibliothek  einen 
sicheren  Bergungsort  gefunden  haben.  Dass  man  diesen  Schatz 
vor  fremden  Augen  sorgfältig  hütete,  kann  man  bei  dem  da- 
maligen Zustand  der  Kirche  von  Haus  aus  schliessen;  es  wird 
dies  aber  auch  durch  den  Umstand  bestätigt,  dass  Hieronymus, 
der  doch,  wie  er  wiederholt  bezeugt,  oftmals  in  den  Hand- 
schriften der  caesareensischen  Bibliothek  geforscht  hat,  weder 
das  hebräische  Urevangelium  noch  das  aramäische  Hebräerevan- 
gelium aus  Autopsie  kannte,  vielmehr  letzteres,  wie  eben  erwähnt, 
nur  aus  einem  von  den  Nazaräern  ihm  überlassenen  Exemplare 
übersetzt  und  durch  zahlreiche  Excerpte  der  Mit-  und  Nachwelt 
bekannt  gemacht  hat.  Auch  Eusebius,  bei  welchem  sich  nicht 
wenige  aussercanonische  Evangelientexte  finden,  zeigt  sich  über 
seine  handschriftlichen  Quellen  sehr  reserviert.  Der  Hinweis 
aber  auf  die  caesareensische  Bibliothek  und  auf  die  daraus  ge- 
speisten patristischen  Autoren,  womit  ich  diesen  Abschnitt  schliesse, 
war  bei  der  Frage  nach  den  Quellen  der  aussercanonischen  Texte 
unerlässlich. 

F.  Die  apokryphe  und  pseudepigraphische  Literatur. 
Eng  mit  der  patristischen  ist  die  apokryphe  und  pseudepi- 
graphische Literatur  verwandt.  Wir  besitzen  in  den  Ausgaben  von 
Tischendorf  u.  A.  neutestamentliche  apokryphe  Evangelien, 
Apostelgeschichten  und  Apokalypsen,  wozu  neuerdings  die  werth- 
vollen  Untersuchungen  von  Lipsius  namentlich  auf  dem  Gebiete 
der  Apostelgeschichten  wichtige  Commentare  und  Ergänzungen 
geliefert  haben.  Besonders  fruchtbar  war  das  Judenchristenthum 
nach  seinen  verschiedensten  Küancen  in  Hervorbringung  pseud- 


56  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

epigraphischer  Apokalypsen,  in  welchen  die  Schriftsteller  unter 
der  oft  sehr  durchsichtigen  Maske  alttestamentlicher  Patriarchen 
und  Propheten  ihre  meist  nur  sehr  oberflächlich  vorn  Geiste  des 
Christenthums  tingierten  Anschauungen  schmackhaft  zu  machen 
suchten.  Aber  auch  von  fast  allen  anderen  haeretischen  Rich- 
tungen der  alten  Kirche  sind  zahlreiche  Beiträge  zur  apokry- 
phischen  und  pseudepigraphischen  Literatur  geliefert  worden. 
Selbst  solche  Elaborate  im  Sinne  katholischer  Legendenbildung 
reichen  mit  ihren  Ursprüngen  bis  in  sehr  frühe  Zeiten  der  Kirche 
hinauf.  Es  ist  aber  verhältnissmässig  ein  sehr  geringer  Rest 
dieser  Literatur,  welcher  auf  uns  gekommen  ist.  Ihr  Werth 
wird  dadurch  noch  zweifelhafter,  dass  gerade  die  Apokryphen 
und  Pseudepigraphen  zu  fortgehenden  Weiterbildungen  und  Um- 
arbeitungen reizten  und  dass  in  Folge  dessen  nur  wenige  Schriften 
dieser  Art  in  ihrer  Urgestalt  uns  erhalten  sind. 

Was  insbesondere  die  apokryphen  Evangelien  anlangt, 
welche  uns  hier  am  meisten  interessieren  und  welche  naturgemäss 
die  grösste  Ausbeute  bieten  sollten,  so  stehen  dieselben  tief  unter 
den  canonischen  Evangelien.  Namentlich  für  dasjenige  Gebiet, 
welches  den  Hauptinhalt  der  canonischen  Evangelien  ausmacht, 
die  Jahre  des  Wirkens  und  Lehrens  Jesu,  lassen  uns  die  apo- 
kryphen Evangelien  fast  völlig  im  Stich.  Selbst  das  verhältniss- 
mässig älteste,  das  Hebräerevangelium,  welches  mit  dem  Täufer 
Johannes  und  mit  der  Taufe  Jesu  im  Jordan  begann  und  bis 
zu  den  Erscheinungen  des  Auferstandenen  reichte,  weiss  im 
Grunde  nichts  Neues  zu  berichten.  Das  Wenige,  was  beim  ersten 
Anblick  als  neu  erscheinen  könnte,  löst  sich  bei  näherer  Be- 
trachtung fast  vollständig  in  Nebel  auf  und  erweist  sich  als 
tendenziöse  Interpolation  oder  als  werthlose  Ausschmückung  der 
canonischen  Texte.  Um  dieses  Verhältniss  recht  zu  würdigen, 
stelle  man  sich  vor,  die  Kirche  hätte  nur  die  drei  synoptischen 
Evangelien  als  canonisch  überliefert,  und  das  johanneische  Evan- 
gelium wäre  als  apokryph  später  dazu  gekommen.  Wie  würde 
man  gestaunt  haben:  Alles  aus  Einem  Guss!  Nirgends  Flick- 
und  Stückwerk!  Und  dabei  welche  Fülle  von  neuen  historischen 
Details,  welcher  Reichthum  von  überraschenden  Zügen,  von  be- 
richtigenden oder  ergänzenden  Bemerkungen!  Und  bei  aller 
Neuheit,  bei  aller  Originalität,  welche  Congenialität  mit  dem 
synoptischen  Erzählungstypus!    Von  alle  dem  findet  sich  bei  den 


§  4.    Die  Quellen  der  aussercanonischen  Evangelientexte.  57 

apokryphen  Evangelien  keine  Spur.  Dagegen  namentlich  bei 
der  Geburts-  und  Kindheitsgeschichte  Jesu  krankhafte,  üppige 
Wucherungen,  die  den  Stempel  innerer  Unwahrheit  an  der  Stirn 
tragen.  Gleichwohl  ist  auch  diese  Spreu  nach  echten  Körnern 
zu  untersuchen.  Zum  ersten  Male  in  dieser  Weise  dürfte  eine 
quellenkritische  Vergleich ung  der  apokryphen  Kindheits- 
evangelien mit  den  canonischen  Geburts-  und  Kindheitsge- 
schichten des  Lucas  und  Matthäus  sowie  mit  den  patristischen 
Berichten  bei  Justin  unter  Herbeiziehung  des  johanneischen 
Prologs  vollzogen  worden  sein,  wie  solche  im  ersten  Hauptab- 
schnitte der  nachfolgenden  Sammlung  dargeboten  wird.  Auf 
diese  Untersuchung,  durch  welche  ein  —  schon  vom  johannei- 
schen Prologe  vorausgesetztes  —  vorcanonisches  Kindheitsevan- 
gelium als  gemeinsame  ältere,  aus  den  Jahren  64 — 69  v.  Chr. 
stammende,  Quelle  wahrscheinlich  gemacht  wird,  möchte  ich 
hier  besonders  hingewiesen  haben. 

Ausserdem  sind  die  Acta  Pilati,  welche  schon  Justin 
benutzt  hat,  von  einiger  Wichtigkeit  für  Gewinnung  ausser- 
canonischer  Texte,  obwohl  diese  Schrift  ebenfalls  nicht  in  ihrer 
Urgestalt,  sondern  nur  in  secundären  Bearbeitungen  uns  er- 
halten ist. 

Von  den  apokalyptischen  Pseudepigraphen  sind  nament- 
lich die  Apokalypse  des  Esra  (=das  vierte  Esrabuch)  sowohl 
in  ihrem  Urbestandtheile  als  in  ihren  späteren  Zusätzen  sowie 
dieTestamentaXII  patriarcharum  auf  das  Sorgfaltigste  unter- 
sucht und  in  Bezug  auf  die  darin  enthaltenen  evangelischen 
Stoffe  vollständig  ausgenützt  worden.  Wie  beide  —  sowohl  die 
um  das  Ende  des  ersten  Jahrhunderts  entstandene  jüdische,  aber 
von  dem  Geiste  des  Christenthums  nicht  unberührt  gebliebene, 
Apokalypse  des  Esra,  als  namentlich  auch  die  judenchristliche 
ebionitische,  der  Mitte  des  zweiten  Jahrhunderts  angehörige 
Schrift  der  Testamenta  XII  patr.  —  zahlreiche  synoptische  und 
johanneische  Evangelienparallelen  darbieten,  wie  also  auch  die 
pseudepigraphische  Literatur  für  die  Sammlung  aussercanonischer 
Paralleltexte  zu  den  Evangelien  von  hohem  Werthe  ist,  darauf 
sei  hier  im  Voraus  hingewiesen.  (Die  Evangeliencitate  der 
pseudoclementinischen  Homilien,  nicht  aber  die  meistens  canonisch 
conformierten  Evangelientexte  der  Recognitionen,  sind  vollständig 
in   meine  Sammlung   aufgenommen.     Vgl.    S.  50.     Sie    gehören 


58  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

zum  grössten  Theile  dem  synoptischen  Typus  an,  weichen  aber 
Schritt  für  Schritt  sprachlich  von  den  canonischen  Texten  ab 
und  sind  daher,  wahrscheinlich  auf  eine  aussercanonische  Version 
des  Urevangeliurns  zurückgehend,  von  höchster  Bedeutung). 


G.  Die  altkirchlichen  Liturgien. 

Dass  in  den  altkirchlichen  Liturgien  wichtige  Reste  der 
ältesten  Tradition  fortlebten,  ist  schon  längst  erkannt.  Die 
älteste  Liturgie  ist  uns  in  den  eucharistischen  Abendmahls- 
gebeten der  dtdax?]  erhalten,  welche  in  den  Apostolischen 
Constitutionen  und  bei  Pseudo- Athanasius  fortgepflanzt 
sind1).  Auch  die  übrigen  Abendmahlsliturgien  im  VIII.  Buche 
der  Constitutionen,  sowie  die  von  Bunsen  in  den  Actis  Anteni- 
caenis 2)  und  die  von  Neale 3)  herausgegebenen  Liturgien  bieten 
manche  Evangelienparallelen  von  Bedeutung  Unter  den  Tauf- 
liturgien sind  die  durch  vorcanonische  Bestandteile  hervor- 
ragendsten einerseits  die  syrische  Taufliturgie  des  Severus 
(de  ritibus  baptismi) 4) ,  andererseits  der  Bericht  über  die  Tauf- 
einsetzung in  dem  V.  Buche  der  Apostolischen  Constitutionen5). 


Wie  man  aus  vorstehender  Übersicht  erkennt,  ist  es  ein 
weit  ausgedehntes  Quellengebiet,  aus  welchem  die  Bäche  zu  dem 
Reservoir  zusammengeflossen  sind,  mit  welchem  ich  meine  Samm- 
lung aussercanonischer  Evangelientexte  vergleichen  möchte. 
Dabei  bin  ich  weit  entfernt,  an  eine  Vollständigkeit  meiner 
Sammlung  zu  glauben.  Fast  jedes  Jahr  bringt  neue  Veröffent- 
lichungen und  neue  Entdeckungen,  welche  unsre  Kenntniss  der 
altchristlichen  Literatur  bereichern.  Wie  Manches  mag  noch 
verborgen  sein  in  Handschriften,  die  der  Auferstehung  aus  ihrer 
Verborgenheit  entgegensehen;  wie  Manches  mag  auch  schon 
gedruckt    sein,    ohne    dass    wir    seinen  archaistischen   Charakter 


1)  Alö.  IX.  X  =  Const.  XII,  25.  26  =  Pseudo-Athan.  de  virgin.  13. 

2)  Bunsen.    Analecta  Ante-Nicaena.  1850. 

.  3)  The  Liturgies  of  S.  Mark,   S.  James,   S.  Clement,  S.  Chrysostom, 
Basil,  ed.  Neale,  with  pref'ace  by  Dr.  Littledale.   London  1875. 

4)  Vgl.  Agrapha  S.  361—372. 

5)  Vrd.  nachstehend  die  Erläuterungen  zu  Mt.  28,  18—20. 


§.  5.  Die  quellenkritiscken  Grundsätze  der  Untersuchung  etc.       59 

erkennen.  Wer  hätte  z.  B.  geglaubt,  dass  die  spätkirchliche 
Historia  Barlaam  et  Josaphat  thatsächlich  eine  der  ältesten 
Apologien,  nämlich  diejenige  des  Aristides,  enthalte!  Dennoch 
hoffe  ich,  nach  dem  gegenwärtigen  Stand  der  historischen 
Forschungen  das  Wichtigste  an  aussercanonischen  Evangelien- 
texten in  möglichster  Vollständigkeit  zusammengestellt  zu  haben. 

Wenn  somit  ein  reiches  Quellengebiet  aussercanonischer 
Evangelientexte  aufgeschlossen  ist,  so  sind  es  gleichwohl  nur 
die  nächsten  literarischen  Quellen,  um  welche  sich  es  hier 
handelt.  Es  entsteht  nun  die  Frage  nach  dem  Ursprung  der 
so  zahlreichen  aussercanonischen  Evangelientexte.  Und  da  die 
Mannigfaltigkeit  aussercanonischer  Textgestalten  nicht  sowohl 
bei  dem  johanneischen  Evangelium,  als  vielmehr  bei  den  Evan- 
gelientexten synoptischen  Charakters  uns  hauptsächlich  entgegen- 
tritt, so  kommen  nunmehr  die  quellenkritischen  Untersuchungen 
in  Betracht  mit  der  Hauptfrage:  Welches  ist  die  letzte  Quelle 
der  so  zahlreichen  und  so  überaus  mannigfaltigen  und  in  ihrem 
Gesammtcharakter  doch  so  einheitlichen  Evangelientexte  nach 
synoptischem  Typus? 

Um  zu  dieser  letzten  Quelle  zu  gelangen,  gilt  es  den  rich- 
tigen Weg  der  Untersuchung  einzuschlagen. 


9  &• 

Die  quelleiikritischeii  Grundsätze  der  Untersuchung 
bezüglich  der  aussercanonischen  Paralleltexte. 

Das  Material  der  aussercanonischen  Paralleltexte  zu  den 
canonischen  Evangelien  würde  unvollständig  und  vielfach  un- 
geniessbar  bleiben,  wenn  nicht  auch  ergänzende  Einzelunter- 
suchungen hinzukommen  und  darin  orientierende  Grundsätze  der 
Evangelienkritik  zur  Geltung  gelangen  würden.  Muss  es  doch 
ohnehin  als  ein  empfindlicher  —  freilich  in  der  Sache  selbst  be- 
gründeter —  Mangel  bezeichnet  werden,  dass  in  den  grossen 
textkritischen  Ausgaben  des  Neuen  Testaments  die  ungesichtete 
Masse  des  kritischen  Materials  von  Unzähligen  nicht  benützt 
wird,   weil  der   orientierende  Führer  fehlt,   der   durch  die  laby- 


60  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

rinthischen  Irrgänge  der  Textkritik  sicher  hindurch  leiten  könnte, 
weil  die  Worfschaufel  fehlt,  welche  die  Spreu  der  Lesarten  von 
den  echten  Weizenkörnern  scheidet.  Die  in  dieser  Sammlung 
dargebotenen  Paralleltexte  zu  den  Evangelien  mit  fortlaufenden 
Anmerkungen  und  Erläuterungen  zu  versehen  und  dieselben 
unter  die  höheren  Gesichtspunkte  nicht  blos  der  Textkritik, 
sondern  namentlich  auch  der  Quellenkritik  zu  stellen,  ist  mir 
um  so  mehr  Bedürfniss,  als  meine  Studien  in  der  patristischen, 
apokryphischen  und  Handschriften-Literatur  gerade  im  Interesse 
der  evangelischen  Quellenforschung  geschehen  sind  und  als  mir 
hier  Gelegenheit  wird,  einen  Theil  des  im  Laufe  der  Jahre  an- 
gesammelten reichen  Materials  zur  Mittheilung  zu  bringen. 

Die  Veröffentlichung  der  „Agrapha"  bildete  den  ersten 
Schritt  auf  dem  betretenen  Wege.  Dort  habe  ich  in  S.  5  „Zur 
Quellenkritik  der  canonischen  Evangelien"  in  kurzen 
Umrissen  meine  evangelienkritischen  Grundsätze  skizziert  und 
einer  vorläufigen  „hypothetischen  Beachtung"  empfohlen.  In 
dem  gegenwärtigen  Werke  kann  ich  einen  wichtigen  Schritt 
weiter  gehen  und  jene  Grundsätze  in  viel  ausgedehnterem  Masse 
zur  Anwendung  bringen.  Selbstverständlich  ruht  die  Haupt- 
tendenz in  der  Untersuchung  der  synoptischen  Paralleltexte, 
da  die  Entscheidung  für  die  gesammte  neutestamentliche  Lite- 
ratur in  der  Klärung  der  den  synoptischen  Evangelien  zu 
Grunde  liegenden  Quellen  zu  suchen  ist. 

Das  johanneische  Evangelium, bei  welchem  quellenkritische 
Fragen  nur  in  untergeordneter  Weise  mit  hereinspielen,  habe 
ich  nicht  blos  der  Vollständigkeit  wegen,  sondern  namentlich  auch 
deshalb  in  den  Kreis  der  Untersuchung  gezogen,  weil  dadurch 
der  tiefgreifende  Unterschied  zwischen  der  johanneischen  und 
der  synoptischen  Evangelientradition  bezüglich  der  Textge- 
schichte ins  hellste  Licht  gestellt  wird. 

Nach  wie  vor  bin  ich  in  Betreff  der  synoptischen  Frage 
von  der  Überzeugung  durchdrungen,  dass  der  Höhepunkt  der 
bisherigen  Evangelienforschung  in  den  Werken  von  B.  Weiss: 
Das  Marcusevangelium  und  seine  synoptischen  Parallelen  1S72  — 
das  Matthäusevangelium  und  seine  Lucas-Parallelen  1876,  nament- 
lich aber  in  dem  erstgenannten  dieser  beiden  Werke,  erreicht 
gewesen  ist.  Die  später  erschienenen  Werke  (Wen dt.  Der  Inhalt 
der  Lehre  Christi  I.    Kritische  Untersuchungen  1884.  —  Ewald. 


§  5.   Die  quellenkritischen  Grundsätze  der  Untersuchung  etc.        gl 

Das  Hauptproblem  der  Evangelienfrage  und  der  "Weg  zu  seiner 
Lösung  1S90  —  Feine.  Eine  vorcanonische  Überlieferung  des 
Lucas  iu  Evangelium  und  Apostelgeschichte.  1891.  —  Mandel. 
Die  Vorgeschichte  der  öffentlichen  Wirksamkeit  Jesu,  nach  den 
evangelischen  Quellen  entworfen  1892)  bedeuten  in  meinen  Augen 
trotz  mancher  "werthvollen  Einzelheiten  nicht  einen  Fortschritt 
über  Weiss  hinaus,  sondern  einen  Rückschritt,  wenn  man  das 
Ganze  des  evangelienkritischen  Gebietes  im  Auge  behält. 

Auch  Prof.  Marshall  (in  dem  Baptist  College  zu  Manchester^, 
dessen  Forschungen  (Did  St.  Paul  use  a  Semitic  Gospel?  im  Ex- 
positor  1890.  VII.  S.  69—80  —  The  Aramaic  Gospel  im  Expo- 
sitor  Jahrgang  1891)  weiter  unten  in  §  7  des  Näheren  gewürdigt 
werden  sollen,  leidet  an  dem  Mangel,  dass  er  bei  seinen  Einzel- 
untersuchungen, die  er  zur  Wiederherstellung,  bzw.  Wiederauf- 
findung  des  —  nach  seiner  Meinung  im  Aramäischen  zu  suchen- 
den —  Urtextes  nicht  Schritt  für  Schritt  an  den  Weissschen 
Forschungsresultaten  sich  orientiert.  Bousset  (Die  Evangelien- 
citate  Justins  des  Märtyrers  in  ihrem  Werthe  für  die  Evangelien- 
kritik) hatte  keine  direkte  Veranlassung,  auf  Weiss  zurückzu- 
gehen, da  er  trotz  mancher  Aussetzungen  im  Einzelnen  wesent- 
lich den  von  mir  aufgestellten  evangelienkritischen  Grundsätzen 
folgt,  welche  die  Weissschen  Positionen  voraussetzen  und  in  sich 
schliessen.  Bousset  geht  auch  darin  —  was  von  ganz  beson- 
derer Bedeutung  ist  —  über  Weiss  hinaus,  dass  er  nicht  die 
canonische  Textgestalt  der  Evangelien  zur  Grundlage  seiner  For- 
schungen macht,  sondern  vielmehr  auch  die  aussercanonischen 
Varianten  reichlich  und  zielbewusst  in  den  Kreis  seiner  Unter- 
suchungen zieht. 

Ich  bin  der  Meinung,  dass  ein  Jeder,  der  nicht  die  Motive 
der  Weissschen  Evangelienforschung  in  sich  verarbeitet  hat,  ein 
Jeder,  der  nicht  im  Stande  ist,  auch  mit  den  allerdings  oft  schwer- 
verständlichen Weissschen  Einzeluntersuchungen  sich  auseinander- 
zusetzen, ein  Jeder,  der  diese  grossartige  Gedankenarbeit  ignoriert 
oder  nur  ganz  im  Allgemeinen  streift,  anstatt  sie  mit  Gründen 
zu  widerlegen  oder  von  ihren  Schwächen  durch  innere  selbst- 
ständige Weiterbildung  zu  befreien,  seiner  eigenen  Forschungs- 
arbeit den  grössten  Schaden  zufügt.  So  selbstständig  ich  den 
Weissschen  Forschungsergebnissen  gegenüber  zu  stehen  glaube 
und  so  wenig  ich  mich  scheue,  ihre  schwachen  Punkte  blos  zu 


i(32  Text-  und  quell  enklitische  Grundlegungen. 

legen,  so  gerne  kehre  ich  doch  immer  wieder  zu  Weiss,  be- 
sonders  zu  seinem  Marcusevangelium,  zurück,  so  sorgfaltig  prüfe 
ich  immer  wieder  meine  Anschauungen  an  seinen  Darlegungen. 
Ich  habe  es  daher  auch  nicht  unterlassen,  in  den  Erläuterungen 
zu  den  aussercanonischen  Paralleltexten  häufig  auf  B.  Weiss 
und  seine  Untersuchungen  Bezug  zu  nehmen,  in  der  Hoffnung, 
seine  beiden  Werke,  die  einzigen  Bearbeitungen  der  drei  synop- 
tischen Evangelien  in  methodischer  Weise  und  von  einheitlichen 
quellenkritischen  Gesichtspunkten  aus,  dem  Verständniss  der 
theologischen  Mitwelt  etwas  näher  zu  rücken. 

Nach  diesem  Rückblick  auf  die  jüngste  evangelienkritische 
Literatur  wiederhole  ich  nun  im  Wesentlichen  aus  §  5  der 
Agrapha  die  Zusammenstellung  der  evangelienkritischen  Grund- 
sätze, nach  denen  die  Untersuchungen  über  die  aussercanonischen, 
bzw.  vorcanonischen  Evangelientexte  bei  Vergleichung  mit  den 
canonischen  Evangelien  im  Nachstehenden  zu  vollziehen  sind. 

Evangelienkritische  Grundsätze. 

1.  Die  Priorität  des  Marcusevangeliums.  Unter  den 
drei  s.  g.  synoptischen  Evangelien  ist  das  Marcusevangelium  am 
frühesten  entstanden. 

2.  DieExistenz  einer  vorcanonischenQuellenschrift. 
»Schon  vor  dem  Marcusevangelium  existierte  eine,  ursprünglich 
hebräisch  (bezw.  aramäisch)  geschriebene,  frühzeitig  verlorene, 
aber  noch  von  sämmtlichen  drei  Synoptikern  benützte  vorcanonische 
Evangelienschrift,  deren  praeponderierender  Inhalt  in  den  Reden 
Jesu  bestand. 

3.  Die  Zweiquellentheorie.  Diese  beiden  Schriften,  das 
Marcusevangelium  und  jenes  vorcanonische  Evangelium,  sind  die 
beiden  Hauptquellen,  aus  denen  der  Inhalt  sowohl  des  ersten  als 
des  dritten  canonischen  Evangeliums  geflossen  ist. 

4.  Der  secundäre  Charakter  des  ersten  canonischen 
Evangeliums.  Das  erste  canonische  Evangelium  ist  in  keinem 
Falle  eine  originale  Quelle,  auch  nicht  eine  Übersetzung  der  dem 
Apostel  Matthäus  zugeschriebenen  hebräischen  Grundschrift, 
sondern  eine  Zusammenarbeitung  des  Marcusevangeliums,  welches 
den  historischen  Rahmen  darbot,  und  des  vorcanonischen  Evan- 
geliums, welches  hauptsächlich  die  —  von  dem  ersten  Evangelisten 
neugruppierten  —  Redestoffe  lieferte. 


§  5.    Die  quellenkritischen  Grundsätze  der  Untersuchung  etc.        (33 

5.  Der  secundäre  Charakter  des  dritten  canonischeu 
Evangeliums.  Auch  das  dritte  canonische  Evangelium  ist  eine 
secundäre  Verarbeitung  des  Marcusevangeliums  und  der  vor- 
canonischen  Grundschrift,  deren  Redestoffe  jedoch  Lucas  nicht  wie 
der  erste  Evangelist  umgestaltet  und  neu  gruppiert,  sondern 
möglichst  in  ihrer  ursprünglichen  Lagerung  wiedergegeben  hat. 

6.  Der  secundäre  Charakter  des  zweiten  canonischen 
Evangeliums.  Aber  auch  schon  das  Marcusevangelium  ist  nicht 
eine  durchaus  originale  Evangelienquelle,  sondern  die  älteste  Be- 
arbeitung der  vorcanonischen  Grundschrift,  welche  einerseits  durch 
die  Hand  des  Marcus  viele  Kürzungen,  namentlich  bezüglich  der 
Redestoffe,  erlitten,  andererseits  durch  Einfügung  zahlreicher 
historischer  Details  auch  nicht  wenige  Erweiterungen  erfahren  hat. 

7.  Die  verschiedenen  Übersetzungen  des  vorcano- 
nischen Evangeliums.  Schon  frühzeitig  ist  die  vorcanonische 
Quellenschrift  aus  dem  semitischen  Grundtext  ins  griechische  Idiom 
verschieden  übertragen  worden,  sodass  man  einen  judenchristlichen, 
einen  lucanisch  -  paulmischen  und  einen  alexandrinischen  Über- 
setzungstypus unterscheiden  kann. 

8.  Die  früheste  Benützung  des  vorcanonischenEvan- 
geliums.  Die  älteste  urchristliche  Literatur,  sowohl  die  inner- 
canonische  als  die  aussercanonische,  ist  aus  einer  reichen  Be- 
nützung des  vorcanonischen  Evangeliums  hervorgegangen.  An 
der  Spitze  der  durch  das  vorcanonische  Evangelium  beeinflussten 
Autoren  steht  Paulus. 

9.  Die  späteren  Nachwirkungen  des  vorcanonischen 
Evangeliums.  Sowohl  in  zahlreichen  patristischen  Citaten  als 
in  vielen  Lesarten  des  Codex  Bezae  und  in  den  mit  ihm  ver- 
wandten ältesten  Evangelien -Übersetzungen  wirkt  die  vorcano- 
nische Quellenschrift  mit  ihren  verschiedenen  griechischen  Über- 
setzungstypen nach,  auch  nachdem  die  direkte  Benutzung  des 
vorcanonischen  Evangeliums  schon  längst  aufgehört  hatte. 

Mit  Absichtlichkeit  ist  diese  übersichtliche  Darstellung  der 
quellenkritischen  Grundsätze  für  die  Erforschung  der  synoptischen 
Evangelien  im  knappsten  Rahmen  gegeben,  um  sie  von  allem 
nicht  dringend  erforderlichen  Ballaste  frei  und  dadurch  dem  Ver- 
ständnisse auch  Fernstehender  offen  zu  halten.  Indem  ich  auf  die 
nähere  Charakterisierung  jedes  einzelnen  der  drei  synoptischen 
Evangelien  an  der  Spitze  der  jedem  Evangelium  besonders  eigen- 


64  Text-  und  quellenbritische  Grundlegungen. 

thümlichen  Texte  und  Untersuchungen  hinweise,  halte  ich  es  jedoch 
für  nöthig,  in  den  nächsten  Paragraphen  die  Forschungsergebnisse 
bezüglich  des  Urevangeliums,  seine  Ursprache,  seine  griechischen 
Übersetzungen  und  seine  literarischen  Nachwirkungen  etwas  ein- 
gehender zu  detaillieren,  weil  hiervon  das  Verstandniss  für 
zahlreiche  Einzeluntersuchungen,  welche  bezüglich  der  ausser- 
canonischen  Evangelientexte  angestellt  werden  müssen,  ab- 
hängig ist. 


§  6. 

Das  vorcanonische  Evangelium. 

Zu  der  von  der  Evangelienkritik  ermittelten  Thatsache,  dass 
die  drei  synoptischen  Evangelien  Bearbeitungen  einer  älteren 
Quellenschrift  sind,  bietet  die  altchristliche  und  vorchristliche 
Literatur  noch  manche  Analogien.  Allgemein  anerkannt  ist  es, 
dass  das  apokryphische  Buch  Henoch  mehrere  Bearbeitungen 
unter  den  Händen  verschiedener  Redaktoren  erlitten  hat.  Dass 
die  Apostolischen  Constitutionen  aus  der  Bearbeitung  älterer 
Schriften  entstanden  seien,  wusste  man,  bevor  die  Didascalia, 
die  Grundschrift  der  sechs  ersten  Bücher,  und  die  Jidayi],  die 
Quellenschrift  für  die  erste  Hälfte  des  siebenten  Buches,  unserer 
Kenntniss  zurückgegeben  war.  Dass  die  Clementinischen 
Homilien  und  die  Recognitionen  auf  älteren  Quellenschriften 
beruhen,  ist  auf  Grund  alter  Überlieferung  ein  bis  in  die  neueste 
Zeit  herein  immer  wieder  festgestelltes  Forschungsergebniss.  Auch 
die  Sibyllinischen  Orakel  lassen  Ablagerungen  aus  ver- 
schiedenen Zeiten  und  Redaktionen,  welche  von  verschiedenen 
Händen  unternommen  worden  sind,  deutlich  erkennen.  Von  den 
Actis  Pilati,  die  dem  synoptischen  Evangelien typus  so  nahe 
stehen,  besitzen  wir  noch  heute  zwei  Hauptrecensionen,  welche 
in  erheblicher  Weise  von  einander  abweichen  und  doch  aus  einer 
gemeinsamen  Wurzel  hervorgewachsen  sind.  Dass  auch  die  alt- 
testamentlichen  Geschichtsbücher  ältere  Quellen  verarbeitet 
haben,  deuten  sie  zum  Theil  selbst  an,  zum  noch  grösseren  Theil 
ist  es  ein  mühsam  errungenes,  wenngleich  im  Einzelnen  noch 
lange  nicht  abgeschlossenes  und  namentlich  auch  in  Betreff  der 


§  6.   Das  vorcanonische  Evangelium.  (55 

Altersbestimmung  bezüglich  der  Quellenschriften  noch  sehr  un- 
sicheres, Erkenntnissresultat  alttestamentlichen  Forscherfleisses. 

Von  den  Gesichtspunkten  der  literarischen  Kritik  aus, 
für  welche  namentlich  bei  Geschichtswerken  die  Frage  nach 
den  schriftlichen  Quellen  die  entscheidende  Hauptfrage  zu 
sein  pflegt,  ist  es  an  sich  nicht  nur  nichts  Befremdliches,  sondern 
vielmehr  etwas  in  der  Sache  selbst  Gegebenes,  auch  für  die  Ge- 
schichtsbücher des  neutestamentlichen  Canons  ältere 
Quellenschriften  vorauszusetzen. 

Die  Gegner  solcher  literarischen  Quellenkritik  machen  ge- 
wöhnlich geltend,  dass  zwischen  den  betheiligten  Quellenforschem 
in  der  Regel  ein  übereinstimmendes  Urtheil  bezüglich  des 
Charakters  und  der  Abgrenzung  der  vorausgesetzten  Grund- 
schriften nicht  zu  erzielen  sei.  Aber  solche  Einwendung  beweist 
nur,  dass  die  Urheber  derselben  mit  dem  Wesen  und  der  Art 
der  Quellenforschung  nicht  vertraut  sind.  Wie  weit  gehen  z.  B. 
die  Ansichten  der  Forscher  über  die  nähere  Bestimmung  des 
Quellen  Verhältnisses  auseinander,  welches  dem  Schriftencomplex 
der  clementinischen  Homilien  und  Recognitionen  den  Reiz  eines 
interessanten  Problems  verleiht,  und  doch  ist  nichts  gewisser  als 
die  allgemein  zugestandene  Thatsache  von  dem  Vorhandengewesen- 
sein älterer  Quellen.  Dadurch  also,  dass  eine  Quellenschrift  nicht 
allenthalben  mit  absoluter  Sicherheit  reconstruiert  werden  kann 
und  dass  man  den  Quellentext  nicht  überall  aus  der  späteren  Be- 
arbeitung reinlich  herauszuschälen  vermag,  wird  der  Quellen- 
forscher in  seiner  Überzeugung  ebenso  wenig  erschüttert,  wie  etwa 
der  Architekt,  welcher  einen  früheren  Grundbau  in  einem  späteren 
Überbau  erkennt,  auch  wenn  die  Linien  des  ursprünglichen  Baues 
an  vielen  Stellen  für  immer  verwischt  und  die  Merkmale  des 
Umbaues  einem  Laienauge  weniger  erkennbar  sind.  Durch  fort- 
gesetzte Vertiefung  in  die  Probleme,  welche  die  Quellenforschung 
darbietet,  entsteht  nach  und  nach  zwischen  den  Sachkennern 
ein  sicheres  Einverständniss  bezüglich  der  Hauptpunkte  und  eine 
zuverlässige  Basis  für  weitere  Detailforschungen. 

Ähnlich  liegt  der  Sachverhalt  bezüglich  der  Quellenschrift, 
welche  als  letzte  Instanz  der  synoptischen  Evangelienforschung 
sich  herausgestellt  hat.  Der  Gesammteindruck  der  drei  ersten 
canonischen  Evangelien,  welchen  man  ihren  „synoptischen" 
Charakter  nennt,  ist  derart,  dass  er  die  Annahme  einer  gemein- 

Texte  und  Untersuchungen.  X.  ■» 


6(5  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

sanien  älteren  Quelle  mit  Nothwendigkeit  fordert,  einer  Quelle, 
welche  (im  Unterschied  von  dem  johanneisch'en  Evangelientypus) 
die  trotz  zahlreicher  Differenzen  vorhandene  stoffliche  und  sprach- 
liche Verwandtschaft  der  drei  synoptischen  Evangelien  erklärt. 
Ist  das  Bild,  welches  die  verschiedenen  Forscher  von  dieser 
Quellenschrift  entwerfen,  ein  vielfach  schwankendes,  so  scheint 
es  um  so  nöthiger  —  was  nur  allzusehr  versäumt  worden  ist  — , 
die  Instanzen,  welche  zur  Reconstruktion  jener  Quellenschrift 
hinleiten,  in  einer  so  übersichtlichen  Darstellung  vorzuführen, 
dass  jedem  denkenden  Leser  eine  Nachprüfung  der  ein- 
schlagenden Probleme  ermöglicht  werde. 

Die  Instanzen  für  die  Reconstruktion  der  vorcano- 
nischen  Evangelienquelle. 

1.  Sämmtliche    im    Marcusevangelium    fehlende    Parallelen 

zwischen  Lucas  und  Matthäus. 

2.  Die   Redestoffe    (und   namentlich   auch    die   Gleichnisse), 

welche  Matthäus  allein  hat. 

3.  Die  Redestoffe,  welche  sich  allein   bei  Lucas  finden, 

darunter  ebenfalls  sämmtliche  Gleichnissreden. 

4.  Zahlreiche  Erzählungs-  und  Redestoffe,  welche  allen 

drei  Synoptikern  gemeinsam  sind,  besonders  die  von 
B.  Weiss  ausgezeichneten. 

5.  Eine  Anzahl  echter  Agrapha,  d.  h.  aussercanonische  Reste 

der  vorcanonischen  Urschrift. 

6.  Die    synoptischen    Parallelen     in    den    canonischen 

Lehrschriften  einschliesslich  der  Apokalypse. 

Dazu  kommen  noch  als  subsidiäre  Indicien: 

7.  Alle  hebraisierenden  Texte,  welche  auf  einen  hebräischen 

Urtext  zurückweisen. 

8.  Solche  variierenden  Ausdrucksweisen  in  den  drei  synoptischen 

Bearbeitungen  der  Urschrift,  welche  als  verschiedene 
Übersetzungen  eines  gemeinsamen  hebräischen 
Urtextes  sich  erklären  lassen. 

9.  Diejenigen  aussercanonischen  Lesarten  im  Cod.  Bezae,  in  den 

alten  Versionen,  in  den  patristischen  Evangeliencitaten, 
welche  auf  dieselbe  Weise  als  Übersetzungsvarianten 
sich  erklären. 


§  6.  Das  vorcanonische  Evangelium.  67 

Zur  Erläuterung  dieses  Instanzen- Verzeichnisses  mögen  fol- 
gende Bemerkungen  dienen. 

1.  Nicht  die  den  drei  Synoptikern  gemeinsamen  Evangelien- 
stoffe haben  Veranlassung  zur  Entdeckung  der  vorcanonischen 
Grundschrift  gegeben,  sondern  diejenigen  Parallelen,  in  welchen 
der  erste  und  der  dritte  Evangelist  zusammentreffen,  ohne  dass 
Marcus  dabei  ist.  Nämlich  in  denjenigen  Parallelen,  in  welchen 
alle  drei  Synoptiker  zusammenstimmen,  ist  zunächst  Marcus  als 
Quelle  für  die  beiden  anderen  Evangelisten  erkennbar.  Ob  da- 
hinter noch  eine  ältere  Quelle  steckt,  aus  welcher  schon  Marcus 
schöpfte,  konnte  auf  der  ersten  Entwicklungsstufe  dieser  evan- 
gelischen Quellenkritik  noch  nicht  entdeckt  werden.  Wenn  aber 
erst  einmal  festgestellt  war,  dass  unser  Marcusevangelium  eine 
Hauptquelle  für  die  beiden  anderen  Evangelisten  und  eine  Haupt- 
ursache für  die  Entstehung  des  synoptischen  Evangelium-Sche- 
mas l)  gewesen  ist,  so  ergab  sich  mit  Notwendigkeit  für  die- 
jenigen synoptischen  Evangelienstoffe,  in  denen  Lucas  und 
Matthäus  zusammentreffen,  ohne  von  Marcus  abhängig  zu  sein, 
die  Annahme  einer  zweiten  Hauptquelle.  Damit  war  die  s.  g. 
Zweiquellentheorie,  und,  da  die  im  Marcusevangelium  fehlenden 
Parallelen  zwischen  Lucas  und  Matthäus  hauptsächlich  Redestoffe 
enthalten,  die  Charakterisierung  jener  zweiten  Quelle  als  einer 
Redesammlung  oder  doch  einer  solchen  Evangelienschrift, 
welche  die  Reden  Jesu  zum  Hauptinhalt  hatte,  gegeben.  Einem 
jeden,  welcher  ein  selbstständiges  Urtheil  auf  dem  Gebiete  der 
evangelischen  Quellenforschung  gewinnen  will,  ist  zu  rathen, 
dass  er  sich  selbst  an  der  Hand  des  Marcus  ein  genaues  Ver- 
zeichniss  derjenigen  Parallelen  anlege,  in  denen  alle  drei  Syn- 
optiker übereinstimmen,  und  dann  ein  zweites  Verzeichniss,  in 
welchem  an  der  Hand  des  Lucas  alle  diejenigen  Parallelen 
einzutragen  sind,  welche  Lucas  mit  dem  ersten  Evangelisten, 
aber  nicht  mit  Marcus  gemeinsam  hat.  Dieses  zweite  Ver- 
zeichniss versetzt  uns  in  den  Moment,  in  welchem  die  Entdeckung 
der  vorcanonischen  Quellenschrift  stattfand.  Denn  da  für 
die  Lukas-  und  Matthäusparallelen,  welche  mit  Marcus  Hand  in 


1)  Nicht  des  synoptischen  Evangeliencharakters,  der  von  Marcus 
vielmehr  alteriert,  durch  Lucas  und  den  ersten  Evangelisten,  wo  sie  von 
Marcus  unabhängig  sind,  viel  besser  conserviert  ist. 

5* 


ßg  Text-  und   quellenkritische  Grundlegungen. 

Hand  gehen,  eben  das  Marcus evangelium  als  canonische  Quelle 
festgestellt  war,  musste  die  zweite  Quelle,  aus  welcher  der  erste 
und  dritte  Evangelist  neben  der  Marcusquelle  geschöpft  hatten, 
unausweichlich  als  eine  vorcanonische  Evangelienschrift  er- 
kannt werden.  Wie  nun  diese  bei  Marcus  fehlenden  Lucas-  und 
Matthäus-Parallelen  den  ersten  Anstoss  zur  Entdeckung  des  vor- 
canonischen Evangeliums  gegeben  haben,  so  bilden  sie  heute 
noch  den  Grundstock  für  die  Reconstruktion  des  Urtextes  jener 
Quellenschrift  und  zur  Erkenntniss  ihres  schriftstellerischen 
Charakters.  (Chr.  Herrn.  Weisse  und  Holtzmann  repraesen- 
tieren  im  Wesentlichen  dieses  erste  Stadium  der  evangelischen 
Quellenforschung.) 

2.  Es  ist  von  vornherein  nicht  wahrscheinlich,  dass  im 
ersten  und  im  dritten  Evangelium  genau  nur  diejenigen  Stoffe, 
in  welchen  beide  Evangelisten  zusammentreffen,  aus  jener  vor- 
canonischen  Quelle  stammen  sollten;  vielmehr  ist  anzunehmen, 
dass  jeder  der  beiden  Evangelisten  ausserdem  noch  manche  an- 
dere urevangelische  Elemente  aus  jener  vorcanonischen  Quelle 
in  seine  Schrift  aufgenommen  haben  wird,  und  da  jene  vor- 
canonische Quelle  hauptsächlich  in  der  Wiedergabe  der  Herren- 
reden sich  bewegte,  so  sind  von  vornherein  alle  diejenigen  Reden 
und  namentlich  auch  Parabeln  Jesu,  welche  jeder  der  beiden 
Evangelisten  für  sich  allein  hat,  daraufhin  anzusehen,  ob  sie 
ebenfalls  als  Bestandtheile  der  vorcanonischen  Quelle  zu  reco- 
gnoscieren  sind,  wobei  als  selbstverständlich  vorauszusetzen  ist, 
dass  jeder  der  beiden  Evangelisten  solche  Elemente  aus  jener 
Quelle  herübergenommen  haben  wird,  welche  dem  Plane,  den  er 
bei  Abfassung  seiner  Schrift  verfolgte,  am  besten  sich  einfügten. 
Was  nun  zunächst  den  ersten  Evangelisten  anlangt,  so  geht 
meine  Überzeugung  dahin,  dass  mit  wenigen  Ausnahmen  sämmt- 
liche  Jesusreden  des  ersten  Evangeliums,  zu  welchen  bei  Lucas 
und  Marcus  sich  keine  Parallelen  finden,  gleichfalls  aus  der  vor- 
canonischen Grundschrift  geflossen  und  in  einer  dem  Plane  des 
ersten  Evangelisten  entsprechenden  Neu  gruppier ung  seiner  Schrift 
einverleibt  worden  sind.  Im  Wesentlichen  ist  dies  auch  die 
Meinung  von  B.  Weiss,  dessen  Buch:  Das  Matthäus  evangelium 
und  seine  Lucas-Parallelen  über  die  sub  1  und  2  benannten  Instan- 
zen verhältnissmässig  am  besten  orientiert. 

3.  Im  Lucasevangelium  finden  sich  ebenfalls  zahlreiche  Par- 


§  6.   Das  vorcanonische  Evangelium.  69 

tien,  welche  diesem  Evangelium  ausschliesslich  angehören.  Über 
manche  derselben  hat  Weiss  in  der  ebenerwähnten  Schrift  nebenbei 
sich  ausgesprochen.  (Man  vgl.  z.  B.  S.  4S0,  wo  das  Gleichniss 
vom  barmherzigen  Samariter,  Lc.  10,  29—37,  ebenfalls  auf  die 
vorcanonische  Quelle  zurückgeführt  wird.)  Aber  in  den  meisten 
Punkten  lässt  dieses  Buch  von  Weiss  bezüglich  eines  sichern 
Urtheils  über  die  Herkunft  der  ausschliesslich  bei  Lucas  zu  fin- 
denden Evangelienstoffe  uns  im  Stich.  Um  Vieles  besser  orien- 
tiert in  dieser  Hinsicht  durch  seine  Schrift:  Der  Inhalt  der  Lehre 
Jesu.  I.  Theil.  Kritische  Untersuchungen  —  Wen  dt,  welcher 
zwar  nicht  die  ins  Detail  eindringende  Akribrie  eines  B.  Weiss 
an  den  Tag  legt,  dagegen  in  übersichtlichen  Paragraphen  den 
Context  der  Logia  oder  des  Urevangeliums  nach  den  unter  1 — 3 
aufgeführten  Gesichtspunkten  reconstruiert.  Und  wenn  auch 
diese  Reconstruktion,  namentlich  wegen-  Nichtberücksichtigung 
der  Weiss'schen  Forschungsergebnisse  bezüglich  des  Marcusevan- 
geliums, eine  unvollständige  bleibt,  so  ist  sie  doch  für  jeden, 
der  in  den  Gang  der  evangelischen  Quellenforschung  einzudringen 
sucht,  äusserst  instructiv.  Namentlich  aber  stimme  ich  darin 
mit  Wen  dt  überein,  dass  er  fast  sämmtliche  Redestoffe,  welche 
ausschliesslich  im  dritten  Evangelium  sich  finden,  ebenfalls  zum 
Context  der  Logia  gezogen  und  als  Bestandteile  der  vorcano- 
nischen  Quelle  anerkannt  hat. 

4.  Ein  viel  vollständigeres,  wenn  auch  m.  E.  immer  noch 
nicht  abschliessendes,  Bild  der  vorcanonischen  Grundschrift  würde 
Wendt  entworfen  haben,  wenn  er  seinem  Wiederaufbau  der 
Quellenschrift  auch  diejenigen  Texte  eingefügt  hätte,  welche  B. 
Weiss  in  seiner  Schrift:  „Das  Marcusevangelium  und  seine 
synoptischen  Parallelen"  —  als  Ausflüsse  der  vorcanonischen 
Quelle  —  auch  durch  besonderen  Druck  —  gekennzeichnet  hat. 
Diese  Schrift  ist  nach  meinem  Urtheile  eine  der  bedeutendsten 
auf  dem  ganzen  weiten  Gebiete  der  Evangelienforschung.  Durch 
diese  Schrift  ist  der  entscheidende  Schritt  vorwärts  gethan,  welcher 
nöthig  war,  um  die  Räthsel  der  synoptischen  Frage  vollends  der 
Lösung  entgegenzuführen.  Auf  Grund  einer  wohl  ausgebildeten 
Gesammtanschauung  von  Stil  und  Charakter  der  „aposto- 
lischen Quelle",  welchen  Ausdruck  er  am  liebsten  gebraucht, 
einerseits,  und  mit  Hilfe  einer  bis  ins  Einzelnste  eindringenden 
Quellenaualvse  andrerseits  ist  AVeiss  zu  der  bahnbrechenden  Er- 


7Q  Test-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

kenntniss  durchgedrungen,  dass  auch  zahlreichen  Partien,  zu 
welchen  bei  allen  drei  Synoptikern  Parallelen  mitgetheilt  sind, 
die  vorcanonische  Quellenschrift  zu  Grunde  liegt,  dass  also  schon 
Marcus  diese  Quelle  benutzt  hat,  dass  folglich  die  anderen  beiden 
Evangelisten  an  vielen  Stellen  zu  gleicher  Zeit  von  ihren 
beiden  Quellen,  der  Marcusquelle  und  der  noch  älteren  Logia- 
quelle,  beeinflusst  sind,  dass  beide  nicht  selten  den  einfachen 
älteren  Quellentext  der  complicierteren  und  mit  manchen  Details 
ausgeschmückten  Darstellung  des  Marcus  vorgezogen,  ja  manche 
Dicta  Jesu  auch  aus  beiden  Quellen,  einmal  aus  dem  ursprüng- 
lichen Contexte,  das  andere  Mal  aus  dem  neugeschaffenem  Con- 
texte  des  Marcus,  wiedergegeben  und  so  die  bekannten  „Doublet- 
ten"  erzeugt  haben,  wie  denn  überhaupt  Marcus  seiner  Pragmatik 
zu  lieb  manche  Umstellungen  oder  Umschaltungen  der  urevange- 
lischen Stoffe  vorgenommen  und  durch  diese  seine  Pragmatik 
namentlich  den  ersten  Evangelisten  beeinflusst  habe. 

In  allen  diesen  Forschungsergebnissen  hat  Weiss  im  Wesent- 
lichen das  Richtige  gefunden,  nur  dass  er  in  der  Anwendung 
seines  Prinzips  noch  nicht  weit  genug  gegangen  ist.  Der  secun- 
däre  Charakter  des  Marcusevangeliums  ist  immer  noch 
nicht  genügend  herausgestellt.  Noch  gibt  es  zahlreiche  — 
allen  drei  Synoptikern  —  gemeinsame  Partien,  von  denen  Weiss 
nicht  erkannt  hat,  dass  das  vorcanonische  Evangelium  dazu  die 
letzte  Quelle  bildet.  Auch  hat  Marcus  seiner  Pragmatik  zu 
liebe  mehr  Umschaltungen  der  urevangelischen  Stoffe  vorge- 
nommen, als  Weiss  solche  gekennzeichnet  hat.  (Man  vgl.  dar- 
über die  Vorbemerkungen  zu  den  Paralleltexten  des  Marcusevan- 
geliums.) 

5.  Wenn  man  das  vorcanonische  Evangelium  mit  einem 
Steinbruch  vergleicht,  welcher  das  Material  zu  den  wohnlichen 
Gebäuden  der  drei  canonischen  Evangelien  geliefert  hat,  so  ist 
anzunehmen,  dass  bei  dieser  Bauarbeit  auch  einzelne  Bruch- 
steine übrig  geblieben  sind,  welche  von  fremden  Händen 
aufgelesen  und  weiter  gegeben  worden  sind.  Solche  Bruchsteine, 
solche  vereinzelte  Reste  des  vorcanonischen  Evangeliums,  sind 
die  Agrapha,  welche  ich  in  meiner  vorigen  Schrift  zu  sammeln 
versucht  habe.  Nicht  wenige  der  in  diese  Sammlung  aufge- 
nommenen Herrensprüche  erweisen  sich  durch  ihren  ausgeprägt 
synoptischen  Charakter,  durch  ihre  Congenialität  mit  den  übrigen 


§  6.   Das  vorcanonische  Evangelium.  71 

Herrenreden,  durch  ihre  oft  den  Wortlaut  streifende  Verwandt- 
schaft mit  apostolischen  Aussprüchen  mit  Bestimmtheit  als  Aus- 
flüsse derselben  Quelle,  aus  welcher  die  synoptischen  Evangelien 
stammen,  und  bilden  daher  einen  werthvollen  Ergänzungsstoff, 
wenn  es  gilt,  die  vorcanonische  Evangelienschrift  möglichst  voll- 
ständig zu  reconstruieren  1). 

6.  Wenn  nachgewiesen  werden  kann,  dass  nicht  blos  die 
canonischen  Evangelien,  sondern  auch  die  übrige  canonische 
Literatur  eine  reiche  Benutzung  der  vorcanonischen  Evangelien- 
schrift voraussetzt,  so  wird  vice  versa  das  Zusammentreffen 
evangelisch-synoptischer  Texte  mit  apostolischen  Aussprüchen 
eine  Instanz,  welche  auf  die  gemeinsame  ältere  Quelle  zurück- 
weist. Und  wenn  bezüglich  der  aussercanonischen  Evangelien- 
fragmente, der  sogenannten  Agrapha,  dieselbe  Wahrnehmung 
einer  engen  Verwandtschaft  mit  den  apostolischen  Lehrschriften 
uns  entgegentritt,  wenn  endlich  auch  die  aussercanonischen,  bzw. 
vorcanonischen  Paralleltexte  zu  den  Evangelien  in  einer  ganzen 
Anzahl  von  Fällen  viel  tiefer  in  diese  Verwandtschaft  mit  den 
apostolischen  Schriften  hineinblicken  lassen,  als  die  späteren 
recensierten  Evangelientexte,  so  wird  diese  Übereinstimmung 
mit  den  canonischen  Lehrschriften  ein  weiteres  —  und  dabei  be- 
sonders wichtiges  und  zuverlässiges  —  Indicium,  um  die  ge- 
sammte  canonische  und  aussercanonische  Evangelien -Überlieferung 
darauf  hin  zu  prüfen,  ob  und  wie  weit  dieselbe  aus  einer  Urquelle 
stammt,  die  älter  ist  als  die  apostolischen  Lehrschriften  und  älter 
als  die  synoptischen  Evangelien- Bearbeitungen.  Um  zu  zeigen, 
dass  wir  hier  keinem  Phantom  nachjagen,  sondern  festen  Boden 
unter  den  Füssen  haben,  will  ich  mit  Rücksicht  darauf,  dass 
mein  Werk:  „Die  canonischen  Evangelienparallelen",  welches 
dieses  Gebiet  der  Evangelienforschung  ex  professo  behandelt, 
erst  nach  vollständiger  Veröffentlichung  der  „Aussercanonischen 
Paralleltexte"  wird  erscheinen  können,  eine  Anzahl  von  Beispielen 
vorführen. 


1)  Als  solche  bezeichne  ich  besonders  die  Logia  2.  '■).  4.  7.  9.  12.  13. 
14  IG.  17.  21.  22.  23.  27.  28.  29.  30.  31.  33.  34.  36a.  39—43.  45.  47—51. 
58.  66.  67.  70.  Für  die  übrigen  Agrapha.  für  welche  ich  nur  eine  mehr 
oder  minder  grosse  Wahrscheinlichkeit  der  Echtheit  in  Anspruch  nehme, 
habe  ich  die  Untersuchung  anzuregen  gewünscht. 


72  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

Rom.  2,  19. 

Mt.  15,  14.     atphxa  avxovq'  odqyoi  eiöiv  rvpZoi  xv<pAö)V. 
Rom.  2,  19.     jiexoi&aq  xs  oeavrov  oöi]yov  eivcu  xvcplmv. 

Rom.  3,  8. 

Hom.  Clem.  XII,  29.  pag.  130.  o  öh  alrftdaq  jiQopijXtjq  eg>Tj' 
xa  dya&d  tX&zlv  Ö£l,  [laxägioq  Ö£,  tyrjoiv,  öi  ov  hoyjExac 
ouoioiq  xai  xa  xaxa  äväyx?]  el&Elv,  oval  öh  öi  ov  hoyexai. 

Rom.  3,  8.  xad-oyq  cpaolv  xweq  ?jfiäq  At'ysiv  oxt  jcoi?/Oo)fi£V  xa 
xaxa,  Iva  ekd-i]  xa.  aya&ä. 

Agrapha  S.  101.  152.  179  f. 

Rom.  6,  3. 

Const.  V,  7.  p.  137.   Xaßovxtq  svvoXfjv  iiaQ  avxov  .  .  .  ßajtxiöai 

£iq  xov  avxov  frdvaxov. 
Rom.  6,  3.    rj  äyi'oslxe  oxi  oooi  eßajixio&tjfisv  dq  Xqiöxov  V/y- 

öovv,  slq  xov  frdvaxov  avxov  eßajcxio&f] fiev; 
Agrapha  S.  101.  152  f. 

Rom.  8,  14. 

Ephraem  Syr.  Ev.  conc.  expos.  ed.  Mösinger  p.  63.  sicut  et  dicit: 

Qui  spiritu  ambulant,  hi  sunt  filii  Dei. 
Rom.  8,  14.     0601   yaq   jtvsvfiaxi  freov   ayovxai.   ovxoi  vlol 

#£Ov  sioiv. 

Agrapha  S.  2981 

Rom.  8,  15. 

Mc.  14,  36.    xai  tXtytv'  aßßä  6  jiaxr'jQ. 
Rom.  8,  15.    Iv  q?  xna^ofitv  aßßä  o  jiaxiJQ. 

Rom.  8,  26. 

Mt.  20,  22  (==  Mc.  10,  38).     djioxoi&äq  öh  6  'Irfiovq  rijisv  ovx 

o\öax£  xi  alxelo&e. 
Rom.  8,  26.    xo  yäo  xi  jtQooevgcofis&a  xa&6  öh  ovx  olöafiEV. 

Rom.  11,  25.  26. 
Euseb.  in  Lc.  7,  29.  30.    ol  xtXwvai  xai  al  jiöovai  xai  jtäv  xo~>v 

djthxojv  e&vcjv  xdyfia  xgoayovGiv  vfiäq  (=  Mt.  21,  31.). 
Lc.  21,  24.     dyoi  ov  jilijocod  äoir  xaiQoi  iüvcöv. 


§  6.  Das  vorcanonische  Evangelium.  73 

Rom.  11.  25.  26.  jicöomGig  ajto  fiEQOvq  rm  'iGoatjX  yiyovsv 
ayQig  ov  ro  jtX?jQcofirc  rcör  i&vcöv  HGeZfry  xal  ovratg 
nag  'iGoai/X  God-)]  Gerat. 

Rom.  13,  7. 

Ephraem  S.  Ev.  concord.  expos.  ed.  Mos.  p.  193.  dicit:  date  Caesari, 
quod  est  Caesaris,  sed  Deo,  quod  debetis,  reddite  ei. 

Rom.  13,  7.  ajtoÖore  Jtäöiv  rag  örpetXäg,  reo  rov  <pooov  rov 
tpooov  xrX. 

Rom.  14,  10. 

Mt.  25,  31.     röre  xa&ioet  hei  üoövov  öosqg  avrov.  xal  Gvvay- 

{r?jGezai  eitjtooGd-ev  avrov  jtävra  ra  ed-vr/. 
Rom.  14,  10.    jtavreg  yäo  Jtaoa6r7j<j6lu6&a  ßtjfian  rov  XotGrov. 

Rom.  16,  19. 

Mt.  10,  16.    ytveGfre  ovv  (poövtfiot  mg  ol  b(petg  xal  axeoatot  a>g 

al  jiEQiGrsQai. 
Rom.  16,  19.    freXm  de  vtuäg  Go<povg  eivat  dg  ro  äyaftov,  axe- 

Qalovg  6h  eig  ro  xaxöv. 

1.  Cor.  1,  22. 

Lc.  11,  29.    r)  yevea  avrrj  yevea  jtovr/Qa  eortv   Grjfietov  C,rjrel. 
Marcion  ad  Lc.  11,  29.     i)  yevea  avrrj  G?jtuelov  airsl. 
1.  Cor.  1,  22.     ejtetdr)  xal  'Iovdaloi  Gisela  airovGtv. 
Mt.  12,  39  =  Mt.  16,  4. 

1.  Cor.  4,  1.  2. 
Cod.  Colbert.  ad  Lc.  12,  42.    Quisnam  est  servus  fidelis,  dis- 

pensator  sapiens  et  bonus? 
1.  Cor.  4,  1.  2.    ovtcog  rjfiag  XoytCeO\)oj  av&oojjcog  ojg  vjtijQerag 
XyiGrov  xal  oixovofiovg  (ivGrr]oiojv  &eov'   aide  XotJtov 
ty/retrat  ev  rolg  oixovoyioig,  tva  jciGrog  rtg  evoe&>~- 
Lc.  12.  42  =  Mt.  24.  45. 

1.  Cor.  4,  12. 
Ep.  ad  Diogn.  V,  15.  p.  158.    Xoidooovrrat  xal  evXoyovGtv. 
Hom.  Clem.  XII,  32.  p.  132.    xal  Xoidooovrrai  evXoyeiv. 
1.  Cor.  4,  12.     Xo(öooovtuevot  evXoyoviiev. 
Lc  6,  2S.     evXoyelre  rovg  xaraooi/Jt'voug  \\uäg. 
1.  Petr.  2.  2Ü:  :!.  9. 


74  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

1.  Cor.  7,  10. 

Clem.  AI.  Strom.  II,  23,  144.  p.  506.  t]  YQcap?)  —  vofio&exel'  ovx 
ajcoXvGsig  yvvalxa  üiXrp  d  p)  ejcl  Xöyco  TiOQvtiag. 

1.  Cor.  7,  U>.     xolg  de  yeya^xoGiv  xaQayyiXXco,   ovx  eyco  dXXo 
6  xvQiog,  yvvalxa  djio  dvÖQog  fif]  ycooiGfrf/vai. 
Lc.  16,  18  =  Mt.  5,  32;  19,  9  =  Mc.  lü,  11. 

1.  Cor.  10,  27. 

Lc.  10,  8.    Ig  &  lere  xd  jcaQaxi&efieva  vfilv. 

l.Cor.  10,  27.     Jtäv  xo  xaQaxi&efievov  vy.lv  eG&iexe. 

1.  Cor.  11,  IS.  19. 

Didasc.  VI,  5.  p.  323.     cug  xal  o  xvqioq  xal  gcoxt)q   i][icov  £<pf], 

ort  sGovxai  aloeGeig  xal  G%iGfiaxa. 
1.  Cor.  11,  18.  19.  dxovco  oyiGfiaxa  kv  vfilv  vnaoyuv,  xal  fitQog 

xi  jiigxsvco'  del  yäo  xal  algeGsig  sv  vfüv  sivai. 
Agrapha  S.  105.  173  ff.  2S4. 

1.  Cor.  11,  23-25. 

1.  Cor.  11,  23 — 25.  lyco  yao  jcaQtXaßov  djco  xov  xvq'lov,  o  xal 
Tcaotöojxa  vfilv,  oxi  o  xvQiog  'h/Govg  iv  xy  wxxl  t)  jiag- 
tdiöoxo  eXaßsv  agxov  xal  tvyaQiGxr/Gag  sxXaGsv  xal 
eijtsv  xovxo  fiov  hoxlv  xo  Gcöfia  xo  vjisq  vficov  [xXco- 
f/svov  =  &QVJix6[ievov\'  xovxo  jtoislxs  sig  xrjv  t[u)v 
avdfivr]Giv.  coGavxcog  xal  xo  tcoxtjqlov  (iexä  xo  öei- 
xvTjGai  Xiycov  xovxo  xo  jzox?]qlov  r)  xaivrj  öia&?'jxi] 
iGxlv  kv  xcß  eficö  al'fiaxL'  xovxo  Jtotelxe,  oGaxig  av 
jiivqxs,  elg  xrjv  sfitjv  avdkuvt]Giv. 

Lc.  22,  19.  20  =  Mt.  26,  26—28  =  Mc.  14,  22-24. 

1.  Cor.  11,  26. 
Const.  VIII,  12.  p.  255. 

oGaxig  yaQ  av  söd-lrixe  xov  agxov  xovxov  xal  xo 
jtox7]Qcov  xovxo  jc'lv7jxs,  xov  ftdvaxov  xov  ifiov  xa- 
xayytXXsxs. 
1.  Cor.  11,  26.  oGaxig  ydg  av  ko&hjxs  xov  agxov  xovxov 
xal  xo  üioxt\qlov  jcivrjXB,  xov  ftdvaxov  xov  xvq'lov 
xaxayytXXexs,  ayjgi  ov  eXd-q. 

Agrapha  S.  105  f.  178  f.  284. 


§  6.  Das  vorcanonische  Evangelium.  75 

1.  Cor.  12,  28. 

Lc.  11,  49.     djcoOxeXco  eig  avzovg  JiQocptjxag  xal  djcooxoXovg. 
Mt.  23,  34.     djioöxeXXa>  noög  vfiäg  üiQoq>i)xag  xal  öocpovg  xal 

ygafifiaxelg. 
1.  Cor.  12,  28.     ovg  y.ev  e&exo  o  &eog  ev  xr\  exxXrjöla  üiqwxov 

djtooxoXovg,  öevxegov  jcgo(prjxag,  xq'lxov  öiöaoxdXovg. 
Eph.  4,  11.    xal  avxog  [sc.  o  Xoiöxog]  eöooxev  xovg  [ihv  djiooxo- 

Xovg,  xovg  öe  jcooyfjxag,   xovg  öe  evayyeXiGxdg,   xovg  de 

jcoifievag  xal  ÖiöaoxdXovg. 

1.  Cor.  13,  13. 

Macarius  Hom.  XXXVII,  initio. 

xov  xvqiov  Xeyovxog'  ejcifieXelö&e  jtioxeoog  xal  eXjtlöog, 
6i  mv  yevväxai  ?]  (piXo&eog  xal  <piXdvfroa)jcog  dydjttj  rj 
xrjv  alcoviov  tjcorp  Jiaoexovöa. 

1.  Cor.  13,  13.     vvvl  öe  fievei  jtlöxig,  kXjclg,  aydjtt],  xä  xgia 

xavxa'  [lel^cov  öe  xovxcov  //  dydjt?]. 

AgraphaS.  106  f.  179  ff.  284  ff. 

2.  Cor.  1,  17. 

Just.  Apol.  I,  16.  p.  63 D.    eöxca  öe  vfimv  xo  val  val,  xal  xo 
ov  ov. 

2.  Cor.  1,  17.     iv a  \]  üiag   tfiol  xo  val  val,  xal  xo  ov  ov. 

Mt.  5,  37. 

2.  Cor.  10,  1. 

Ephr.  Syr.   Opp.  I,  149  C. 

oxt  7]6v%6g  elfii,   üigavg  xal  ejtieixt)c  xal  xajteivog  x[] 

xagöia. 
2.  Cor.  10,  1.    jraoaxaXäJ  vfidg  öid   xrjg  jtoavxrjxog  xal  em- 

eixelag  xov  Xqioxov,  og  xaxd  jiqoöoojcov  [ihv  xajteivog. 
Mt.  11,29. 

Gal   1,  16. 

Mt.  16,  17.    oxl  ödog  xal  aifia  ovx  djtexdXvxpev  öot  aXX'  o 

ütaxi]Q  fiov  o  ev  xolg  ovoavotg. 
Gal.  1,  16.    ajtoxaXvipai  xov  vlöv  avxov  iv  e/iol ev&emg 

ov  jrQOöaved^t'fitjv  oaoxl  xal  ai'fiaxi. 


76  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

Gal.  4,  6. 

Mc.  14,  36.    xal  sXsysv'  aßßä  6  jtax/jo. 
Gal.  4,  6.    xoätov  aßßä  6  jraxr/Q. 

Gal.  4,  14. 
Mt.  10,  40.     o  öeyofisvoq  vfiäg  Efih  dtysrai. 
Gal.  4,  14.    edsgao&e  [ie  cog  Xqiöxov  'ItjOovv. 

Gal.  5,  14. 

Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  93.  p.  321  A.  xal  xbv  jtXtjoLov  öov  oog 
öEavxbv  .  .  .  ev  övoiv  kvxoXalg  Jtäoav  öixaioövvtjv  xal 
EvoißEiav  jtXrjgovo&at. 

Gal.  5,  14.   o  yäg  jtäg  vofiog  ev  evI  Xbyop  TCEjtXtjQooxai  ev  xop' 
ayajtr/OEig  tov  jiX?/6iov  oov  cog  ösavxov. 
Mt.  22,  39.  40.  Rom.  13,  8. 

Eph.  3,  15. 

Clem.  AI.  Fragm.  §  20.  p.  994.  <p?]olv  6  xvQiog  . .  . .  hv  de  ovga- 
volg  o  jiaztjg,  e£-  ov  jiäöa  jiaxota  ev  xe  ovgavolg 
xal  etcI  xfjg  yijg. 

Eph.  3,  14.  15.  JtQog  xbv  jiaxEQa,  !§  ov  jtäöa  jiaxoiä  ev 
ovoavoic  xal  sjcl  ytjg  bvofiä^Exai. 

AgraphaS.  109  f.  207  ff. 

Eph.  4,  26. 
Dial.  de  recta  fide  Sect.  I.  pag.  813  C. 

ev  xop  EvayysXiq)  sivai  xb'  rjXiog  (i?)  ejiiÖvexco  snl   xcp 
JcaooQyiöfKp  vftcöv. 
Eph.  4,  26.    6  rjXiog  /itj  eüilövexoo  sxl  naoogyiöfiop  vfioov. 
AgraphaS.  110.  210 ff. 

Eph.  4,  27. 
Hom.  Clem.  XIX,  2.  p.  178.    xal  aXXo&i  Icprf  .  .  .  fii]  öoxe  Jtgb- 

<paöiv  xop  6 ia ßb Xop. 
Eph.  4,  27.    [17]Öe  öIöoxe  xbnov  xop  öiaßoXop. 
AgraphaS.  110.  211  f. 


§  (x  Das  vorcanonische  Evangelium.  77 

Eph.  4,  30. 

Pseudo-Cypr.  de  aleat.  c.  3.  monet  dominus  et  dicit:  nolite  con- 

tristare   spiritum   sanctum,    qui  in  vobis  est,   et  nolite 

exstinguere  lumen,  quod  in  vobis  effulsit. 

Eph.  4,  30.    xal  [irj  Xvjcelzs  xo  jcvsvfia  xo  ayiov  xov  &£Ov, 

AgraphaS.  111.  215  ff. 

Eph.  4,  32. 
Just.  Apol.  I,  15.  p.  62  E.  yiv£ö&£  öh  xgrjoxol  xal  olxxlQfiOVsg, 

coq  xal  6  jrari]Q  \;;rcv  xgrjOxöq  loxi  xal  oixx'iQ[iaiv. 
Eph.  4,  32.     yivEG&E  ös  äq  äZfojZovq  xq^ötol,   £vöjtZayxvoi. 

Lc.  6,  36. 

Phil.  2,  8,  9. 

Lc.  14,  11.     6  rajceivwv  tavxov  vipco&rj Ostac 

Phil.  2,  8.  9.    kxajc£lva)G£V  tavrov  .  .  .  öiö  xal  6  &£oq  avxov 

VJlEQVtyQOOeV. 

Lc.  18,  14  =  Mt.  23,  12. 

Phil.  2,  15. 

Mt.  5,  14.     vfisig  ioxh  xo  g>65q  rov  xoOfiov. 

Phil.  2,  15.     <f;aiv£0&£  wq  <pa>Gxrjgtq  xov  xoOfzov. 

Phil.  3,  20. 
Just,  de  resurr.  c.  9.  p.  594  E.     xafrcoq  EiQtpcev  ev  vvgavcö  xt)v 

XaXolxtjGlV    1]{IG)V    VJCCCQXSIV. 

Phil.  3,  20.     rjfidiv  yag  jtokixevfia  ev  ovgavolq  vjtag%£t. 
Agrapha  S.  114.  229  f. 

Phil.  4,  4. 

Macar.  Hom.  V,  6.  ex  codice  mscr.  Graeco  No.  16.  Bibl.  Bero- 
lin.  Migne  p.  502.  et  xtq  ti-dlu  omOco  f/ov  eXd-elv ,  auiag- 
vt]GaG&co  eavxov  xal  ägäxco  xov  oxavgov  avxov  xaft  tjftdgav 
Xaigmv  xal  axoZovfrdxco  fioi. 

Phil.  4.  4.     %aiQ8X£  Iv  xvgiro  jtävxox£. 

Phil.  4,  6. 

Lc.  12,  22.     öta  xovxo  Xdya  vfiiv,  (ivj  fiegifiväxs. 
Phil.  4,  6.     {i?/ötv  iiegifiväxe. 

Mt.  6,  25. 


78  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

Col.  4,  6. 

Lc.  14,  34.     xalov  xo  aXag'  sav  de  xal  xo  alag  ftcoQav&y,  sv 

rlvi  ccQrv&ijöSTai; 
Col.  4,  6.     o  Xoyog  vfioov  üiavxoxs  sv  yaoixi,  aXaxi  tJQXvfisvog. 
Mt.  5,  13.  Mc.  9,  50. 

1.  Thess.  5,  2. 

Epipli.  Haer.  LXIX,  44.  p.  767  A.  xo  vjc  avxov  xov  xvqiov  si- 
qijuevov  .  .  .  cog  yaQ  Xyöxrjg  sv  vvxxi,  ovxcog  jiaoayivs- 
xai  i]  TJiisQa. 

1.  Thess.  5,  2.  avxol  yaQ  axQißcog  oiöaxs  oxi  ?jiisQa  xvqiov  cog 
xXtJtxtjg  sv  vvxxl  ovxcog  SQXsxai. 

1.  Thess.  5,  3. 

Lc.  21,  34.  35.    xal  sjtiöxfi  scp*  vfiag  alcpviÖiog  fj  t/fisga  sxsivt] 

cog  Jtayig. 
1.  Thess.  5,2.     xoxs   aicpviöiog   avxolg   scploxaxai    oXs&Qog 

COOülSQ    ?j  coöiv. 

1.  Thess.  5,  13. 

Mc.  9,  50.     xal  eigrjvsvexs  sv  dXXyXoig. 
1.  Thess.  5,  13.     sIqi]vsvsxs  sv  tavxolg. 

1.  Thess.  5,  17. 

Ephraem  Syr.    Opp.  II,  227 D.     öid  xovxo  scpi]  rj/ilv   6  xvgiog- 

yQijyoQsixs,  ösöfisvoi  aötalsijcxcog. 
1.  Thess.  5,  17.     dÖiaXsljrxcog  jioooevysö&s. 

Vgl.  Lc.  21,  36. 

1.  Thess.  5,  21.  22. 
Orig.  in  Matth.  Tract.  27.  Num.  33.     Opp.  III,  852.     Vere  enim, 
qui  implet   illud  mandatum,  quod  ait  [sc.  Christus]:   Estote 
prudeutes  nummularii,  et  illud  quod  ait:  Omnia  probate, 
quod  bonum  est,  tenete,  ab  omni  specie  mala  absti- 
nete  vos. 
1.  Thess.  5,  21.  22.    jiavxa  6s  doxi{iaC,sxs,  xc   xaXbv  xaxs- 
%sxs,  ajto  jtavxög  tlöovg  jiovrjQov  djtsxsö&e. 
Vgl.  Agrapha  S.  116  ff.  233  ff. 


§  6.  Das  vorcanonisehe  Evangelium.  79 

l.Tim.  1,  15. 
Lc  19,  10.     r/X&sv   ydg    6   vlog   xov   avÖQcojiov   £r/x?]6at   xal 

öcoöai  xo  duioXmXog. 
1.  Tim.  1,  15.     jciöxog   6  Xoyog  xal   jzäö?]g   djcodoyfjg  afyog  oxi 

Xgiöxög    3lr]Oovg     i]Xd-tv     sig    rov    xoOfiov    dfiagxojXovg 

Gcäoai. 

1.  Tim.  2,  5.  6. 

Mt.  20,  28.  6  vlog  rov  äv&gcojiov  ovx  i/Xfrev  diaxovrftH)vai,  dXXd 
öiaxovTJöai  xal  dovvai  xr\v  tyvyjjv  avxov  Xvxgov  dvxl 
jtoXXcöv. 

1.  Tim.  2,  5.  6.  avd-Qconog  Xgiöxog  'ifjöovg  6  öovg  tavxov  dvxl- 
XVXQOV  VJtSQ  jtävxow. 

1.  Tim.  5;  18. 

Mt,  10,  10.     a^iog  ydg  6  lgydxr\g  xr\g  XQO<p?jg  avxov. 
Lc.  10,  7.     dt-iog  ydg  6  egydxtjg  xov  [iiöftov  avxov. 

1.  Tim.  5,sli.     Xiyu  ydg  i]  ygag)?}  ....  a£,iog  6  igydxtjg  xov 

[iiöfrov  avxov. 

2.  Tim.  2,  12. 

Mt.  10,  33.  oöxig  tf  av  dgv?]Otjxai  fce  efijigoöfrsv  xcöv  dv&goi- 
jcodv,  aQVfjöofiai  xayco  avxov. 

2.  Tim.  2,  12.     et  dgv7)6o[ie&a,  xdxeivog  dgvr/Oexai  r)(iag. 

Vgl.  Lc.  12,  9. 

2.  Tim.  2,  19. 

Const.  II,  54.  p.  81.     xad-mg  yiyganxai'  xolg  iyyvg  xal  xolg  fia- 

xgdv,  ovg  eyva)  xvgiog  ovxag  avxov. 
2,  Tim.  2,  19.     o   fievxoi   oxegsdg  ftefieXiog   xov   &sov  eux?jx£v, 

eyoiv  xt)v  öygayiöa   xavxijv   syvm  xvgiog  xovg  ovxag 

avxov. 

Vgl.  Agrapha  S.  109.  204  ff.  288. 

1.  Petr.  1,  8. 
Eus.  H.  E.  I,  13,  10.     yayganxai   yäg   jisgl  eftov,   xovg  ta>ga- 
xoxag   (ie  fit/   jciOx evösiv  ftoi,  xal  iva  ol  fif)  hwgaxoxsg 
avxol  JiiOxsvöcoOi  xal  Cqöovxat. 


gO  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

1.  Petr.  1,  8.     ov  ovx  Idövxeg  ayandxe,  dg  ov  aqxi  fi?}  oqcövtsq 
7iiox£vovxeg  de  ayalZiäo&e  xaQV  dv£xXaXi\xco. 
Vgl.  Agrapha  S.  462  f. 

1.  Petr.  4,  14. 

Mi  5,  11.  fiaxagioi  eoxe  oxav  oveidiccooiv  vfiag  .  .  .  evsxsv 

tiiov  —  Syr.  Cur.  dia  xo  ovofic't  [iov. 
1.  Petr.  4,  14.     ei  öv£tdi  C.£0&£  Iv  ovdfiaxi  XqiOxov,    fiaxd- 

qlol. 

Vgl.  Lc.  6,  22. 

1.  Petr.  3,  14. 
Mt.  5,  10.    fiaxdgiot  ol  deöuoyfuvoi  tvexev  dixaioovvtjg. 
Const.  V,  2.  p.  126.     xal  vfiäg  xaiQ£XS  *<*vxa  jcdöxovxeg,   öxi 

fiaxctQtoi  ysvrjGeo&s  iv  ixeivi]  xfj  r/fiega. 
1.  Petr.  3,  14.     äAZ*  ei  xal  oiäoxoixe  did  dixaioOvvijv,  fia- 

XCtQlOl. 

Jac.  2,  13. 

Ephraem  Syr.  Opp.  1,  30  E.  xai  ftaxdgioi  ol  £X£?}öavx£g,  ort 
ixet  eterftt'jöovTai,  xai'  oval  xoig  (irj  eX£?]öaöiv,  oxi  ovx 
hX£ri^/jOovrai- 

Jac.  2,  13.     rj  ydg  xgiöiq  dviXeog  reo  fi?)  jcoirjöavxi  IXmg. 

Jac.  4,  17. 

Lc.  12,  47.  ixüvog  6  dovXog  o  yvovg  xo  &£Xt][ia  xov  xvgiov 
avxov  xal  fii)  txoifidoag  i]  üioif\6ag  Jtgog  xo  &£h](ia  av- 
xov, 6aQTjO£xai  jcoXXäg. 

Orig.  in  Jerem.  Hom.  XVI,  7.  dovXog  6  adrig  xo  &eXrj(ia  xov 
xvgiov  xal  fi?)  xoirjOag  xaxd  xo  9-tXt/fia  avxov  dagrjö£xai 
.  .  JtoXXdg. 

Jac.  4,  17.  ddoxi  ovv  xo  xaXov  xoielv  xal  [irj  jtoiovvxi 
afiagxia  avxcp  iöxiv. 

Jac.  5,  12. 

Mt.  5,  34.  35.  37.  eya)  de  Xiyco  vylv  fi?)  ofioöai  oXcog'  {u?jxe 
iv  xcß  ovgavcö  .  .  .  (irjx£  iv  xij  y(]  .  .  .  eotco  de  6  Xo- 
yog  vficöv  val  val,  ov  ov. 


§  6.    Das  vorcanoniscke  Evangelium.  gl 

Jac.  5,  12.  xgo  Jtdvxcov  6s,  dösZyoi  (iov,  /irj  ofivvsze,  tu?/xs 
xov  ovgavov  (i?]xe  xi\v  y?jv  (irjxs  aXXov  xivd  oqxov  ?/xco 
ös  vfimv  xo  val  voll,  xal  xo  ov  ov. 

Apoc.  1,  3. 

Lc.  11,  28.     fiaxägioi  ol   dxovovxsg  xöv  Xoyov  xov  &eov 

xal  g)vXdd6ovxsg  [avxov]. 
Herrn.  Sim.  V,  3,  9.  p.  148.     xr/Qt]6ag    6s  avxä  fiaxcQiog  saij' 

xal    6col    av    dxovöavxsg    avxä    xr/Q?]6coöi,    [taxagioi 

sOovxai. 
Apoc.  1,  3.   [iaxaQiog  l  dvayivcGöxmv  xal  ol  dxovovxsg  xov 

Xoyov  x?/g  jcgoyitjxsiag  xal  x?]QOvvzsg. 

Apoc.  3,  3. 
Mt,  24,  43.  44.     et  yösi  6  oixo6söji6x?]g,   jioia   (pvXaxij  6  xXs- 
Jtxrjg  sgysxai,  syQ?jyoQ?jOsv  äv  .  .  .  6id  xovxo  xal  vtueig 
ylvsö&s  tzoifioi,  oxl  fi  ov  öoxslxs  qjqo,  o  vlög  xov  dvfrooj- 
jtov  EQysxai. 
Apoc.  3,  3.     eäv  ovv  (i?]  yQtjyoQtjöyg,  rj^w  cog  xXsotxrjg,  xal 
ov  fi?)  yvcoöy,  jtoiav  mgav  rj^co  sjcl  os. 
Vgl.  Lc.  12,  39.  40. 

Apoc.  3,  5. 

Mt.  10,  32.  jcäg  ovv  oöxig  ofioXoyrjösi  ev  sfiol  sjujtqoö&sv 
xcäv  äv&Qcajicov,  ofioXoytjöoj  xdyco  iv  avxcß  1[ijiqoo\)sv 
xov  jiaxgög  fiov  xov  ev  ovgavotg  [Lc.  12,  8:  xcov  dy- 
yslmv  xov  dsov]. 

Apoc.  3,  5.  o (ioXoyt'jöco  xo  ovo;ia  avxov  svojjclov  xov 
jcaxQog  fiov  xal  evcojciov  xcöv  ayysXaiv  avxov. 

Apoc.  3,  20  a. 

Mt.  24,  33.     yivcoöxsxs  oxl  lyyvg  loxtv  sjiI  frvoaLg. 
Apoc.  3,  20  a.     löov  l'öx?]xa  sjiI  xt)r  d-vgav. 

Apoc.  3,  2l)  h.  21  a. 
Lc.  22,  30.     Iva   sodh/xs  xal  jrii't/xs  [Syr.  Cur.  add.  [xsx'  stuov] 
sjcI  xi/g  xQajitC,tjg  [iov  iv  xfj  ßaöiXtia  fiov  xal  xa&?)ö£6&s 
sjtl  d-QOvatv. 

Texte  und  Untersuchungen  X.  Q 


£2  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

Epiph.  Haer.  LXVI,  38.  39.  p.  652  D. 

xal  avxov  xov  xvqiov  7]  vjioGyßGig  6xi  sGeO&s  xa&i']{ievot 
ejcI  xr\g  xoajttCflg  zov  Jtazgog  fiov  iofriovxeg  xal  jcivovxeg. 

Apoc.  3,  20  b.  21  a.  xal  dsutvtjGco  fier'  avxov  xal  avxog  fiex* 
8(iov.  o  vixojv,   öojGoj  avxcß  xa&iGai  tusx}  tfiov  sv  xm 

&QÖV03    flOV. 

Apoc.  11,  2. 

Lc.  21,  24.     xal   hgovGaXrjfi  sGzai  jcazov[itV7]  vjto  e&vc5v. 
Apoc.  11,  2.    ort  adofrt]  zolg  e&vsoiv,  xal  zi]v  jtoXiv  xrjr  äy'iav 
TiaxT/Gorow. 

Apoc.  12,  9. 

Lc.  10,  18.  sfrscooovv  zov  Gazavav  mg  aGzgajttjv  Ix  zov 
ovoavov  üttGÖvxa. 

Const.  VIII,  7.  p.  241.  6  gn^aq  avzov  wg  aGzoaxrjv  sB,  ov- 
gavov  slg  yrjv. 

Apoc.  12,9.     xal  6  Gazavag  .  .   .  eßfaj&i]  slg  z?)v  yi]v. 

Apoc.  13,  10. 
Mt.  26,  52.     jtävzsg  yäo  ol  Xaßovxeg  fiayaioav  sv  {layaiQii 

anolovvxaf 
Apoc.  13.  10.    el  xtg  iv  ftayaig?]  ajtoxxevü,  ösl  avzov  sv  fia- 

Xa'iQi]  äjioxxavfrtjvai. 

Apoc.  14,  4. 
Lc.  9,  57.     sljcev  zig  Jioog  avxov  äxoZov&ijow   Goi  ojtov  av 

axloyi).    [Cod.  D.:  vxdysig]. 
Apoc.  14,4.     ovxol   ol   axoZovfrovvzeg  xm   agvico   oxov  av 

vnäyij. 

Ein  vergleichender  Überblick  über  diese  Proben  der  Ver- 
wandtschaft zwischen  den  apostolischen  Schriften  und  der  evan- 
gelischen Überlieferung  zeigt  deutlich,  dass  diese  Verwandtschaft 
gleichrnässig  auf  die  canonischen  wie  die  aussercanonischen 
Evangelientexte  sich  erstreckt  und  ebenso  in  alle  drei  syno- 
ptischen Evangelien  hineinragt.  Wer  diese  Beispiele  aber  im 
Einzelnen  einer  näheren  Untersuchung  theils  an  der  Hand  der 
in  den  „Agrapha"  gegebenen  Nachweise,  theils  mit  Hilfe  der  in 
diesem  Werke  nachfolgenden  Erläuterungen  zu  den  „Aussercano- 


§  7.  Die  Sprache  des  vorcanonischen  Evangeliums.  83 

nischen  Paralleltexten" ,  theils  im  Anschluss  au  die  späteren 
Untersuchungen  über  die  „Canonischen  Evangelienparallelen" 
unterwerfen  wird,  dem  wird  durch  die  Erkenntniss,  dass  die 
meisten  Differenzen  zwischen  den  apostolischen  und  evangelischen 
Parallelen  wesentlich  aus  der  Verschiedenheit  der  Übersetzung 
des  gemeinsamen  hebräischen  Urtextes  sich  erklären,  es  zur  vollen 
Gewissheit  werden,  dass  eine  vorcanonische  hebräische 
Evangelienquelle  der  gesammten  neutestamentlichen 
Literatur  vorausgegangen  ist. 

Die  Symptome  der  Verwandtschaft  zwischen  den  aposto- 
lischen Lehrschriften  und  den  synoptischen  Evangelien  werden 
hierdurch  in  noch  viel  grösserer  Ausdehnung,  als  dies  von  der 
Tübinger  Tendenzkritik  geschehen,  zur  Anerkennung  gebracht. 
Aber  eben  auf  Grund  einer  Vervollständigung  der  Symptome 
ist  auch  eine  völlig  neue  Diagnose  des  Sachverhaltes  ermöglicht. 
Die  Erklärungsgründe,  welche  die  Tübinger  Schule  anwendete, 
um  das  Verwandtschaftsverhältniss  der  synoptischen  Evangelien 
und  der  apostolischen  Lehrschriften  historisch-genetisch  zu  er- 
läutern, werden  gewissermassen  ins  Gegentheil  verkehrt.  Nicht 
die  Evangelien  sind  von  den  apostolischen  Lehrschrif- 
ten abhängig,  sondern  die  apostolischen  Lehrschriften 
sind  von  dem  Evangelium  abhängig,  allerdings  von  einem 
vorcanonischen,  aber  eben  von  demjenigen  vorcanonischen 
Evangelium,  aus  welchem  die  Verfasser  der  aposto- 
lischen Lehrschriften  ebenso  wie  die  Redaktoren  der 
drei  synoptischen  Evangelien  geschöpft  haben.  Durch 
diese  Erkenntniss  wird  das  von  der  Tendenzkritik  entworfene 
Zerrbild  endgiltig  beseitigt  und  zugleich  eine  viel  genauere 
literarische  Erklärung  jener  zahlreichen  Verwandtschafts-Sym- 
ptome angebahnt. 


§  7- 

Die  Ursprache  des  vorcanonischen  Evangeliums. 

In  den  Agrapha  S.  42  —  45.  271  habe  ich  die  patristischen 
Zeugnisse  mitgetheilt,  denen  zu  Folge  Matthäus  ein  hebräisches 
Evangelium   geschrieben   hat.     Die  dort  gegebenen  Citate,   auf 

6* 


§4  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

Grund  deren  Papias,  Pantaenus,  Irenäus,  Origenes,  Eusebius, 
Cyrillus  von  Jerusalem,  Epiphanius,  Chrysostornus ,  Ephraeni 
Syrus,  Hieronymus,  Augustinus,  Pseudo-Athanasius,  Pseudo-Hip- 
polytus,  Theopbylaktus,  Euthymius  Zigabenus,  sowie  eine  Anzabl 
Codices,  ferner  die  Syrische  Version  von  White  und  ein  altes 
Scholion  die  Überlief eruug  von  einem  hebräischen  Matthäus-Evan- 
gelium vertreten  haben,  vervollständige  ich  zunächst  durch  einige 
weitere  Angaben. 

August,  de  consensu  evang.  I,  66. 

Matthaeus   Hebraea   lingua    perhibetur    evangelium    con- 
scripsisse. 
Hieron.  Ep.  ad  Hedibiam.  Ed.  Bened.  IVa.  p.  174. 

Evangelistam   Matthaeum,   qui   evangelium   Hebraico  ser- 
mone  conscripsit. 
Eutychius.    Tom.  I.  p.  328. 

Ejusdem   Claudii  tempore    scripsit  Matthaeus   evangelium 
suum  Hierosolymis  lingua  Hebraica. 
Ebed  Jesu.    Carmen  continens    Catalogum   Librorum   omnium 
Ecclesiasticorum.  Assemani  Bibl.  Or.  Tom.  111.  p.  3. 
Nunc  absoluto  Veteri 
Aggrediamur  jam  Novum  Test.: 
Cujus  caput  est  Matthaeus,  qui  Hebraice 
In  Palaestina  scripsit. 
Anast.  Sin.  In  Hexaemeron  Lib.  VIII. 

Matthaeus  scripserit  evangelium  suum  sermone  Hebraico. 
Cod.  ap.  Blanchini  in  Evangeliarium  quadriplex.    Tom.  I.  Vol. 
IL  p.  516. 

ey^acp?]  xo  xaxa  Maxdalov  Evayyeliov  ißgcüörl  dg  r?)v 
IIalai6xivi]V. 
Wenn  nun  auch  viele  von  diesen  patristischen  Nachrichten 
auf  Abhäugigkeit  des  einen  Autors  von  dem  anderen  beruhen 
werden,  so  zeigen  einzelne  Angaben  manche  selbstständige  Ele- 
mente. Dahin  gehört  die  Betonung  des  Sprachcharakters  bei 
Epiphanius  und  Hieronymus,  wonach  jenes  Evangelium  nicht 
blos  in  hebräischen  Lettern  (Eßgcüxotg  ygccfifiaöiv,  Hebraicis 
literis),  sondern  auch  in  hebräischer  Sprache  (Eßgcüöri,  Hebrai- 
cis verbis)  geschrieben  gewesen  sei.  Dahin  gehört  ferner  die 
Angabe  von  der  Entstehung  dieses  Evangeliums  in  Jerusalem 
nach  Pseudo-Athanasius,  Pseudo-Hippolytus,  dem  Chro- 


§   ..    Die  Sprache  des  voicanonischen  Evangeliums.  g5 

nicon  Pascliale  und  mehreren  Codices.  Dahin  gehört  endlich 
auch  die  von  Theophylakt,  Euthynrius,  Nicephorus,  einem 
alten  Scholion  und  mehreren  Codices  vertretene  genaue  Zeitbe- 
stimmung, wonach  die  Entstehung  des  Evangeliums  in  das 
achte  Jahr  nach  Christi  äväl?]tyiq  zu  setzen  sei,  womit 
sich  auch  Eutychius  berührt,  wenn  er  das  Evangelium  Claudii 
tempore  (d.  i.  41 — 54)  entstanden  sein  lässt.  Diese  Angaben 
können  irrig  sein,  jedenfalls  aber  stammen  sie  nicht  aus  Pa- 
pias,  sondern  aus  einer  anderweiten  selbstständigen  Tradition. 
Mit  alleiniger  Ausnahme  des  Papias  bezogen  wohl  sämmtliche 
Autoren,  insbesondere  auch  die  Verfasser  jener  Codices,  diese 
Tradition  von  einer  hebräischen  Urschrift  auf  das  canonische 
Matthäusevangelium.  Dass  in  dieser  Auffassung  ein  historischer 
Irrthum  vorliegt,  ergibt  sich  mit  Bestimmtheit  aus  folgenden 
Umständen: 

erstlich:   der    Verfasser    des    ersten   canonischen  Evangeliums 
schrieb   in  den   Partien,   die   von   ihm   selbst   herrühren, 
ein    an    bestimmten    Ausdrücken    erkennbares    und    von 
seinen  Quellen  deutlich   zu  unterscheidendes   Griechisch: 
zweitens:   die   Schrift    des    Apostels    Matthäus    muss    ein    auf 
Augenzeugenschaft  beruhendes  originales  Werk  aus  Einem 
Guss  gewesen  sein,  während  im  ersten  canonischen  Evan- 
gelium auf  das  Deutlichste  verschiedene  Quellenschriften 
zu  erkennen  sind; 
drittens:  eine  von  den  beiden   Hauptquellen,   welche   der  Re- 
daktor des  ersten  canonischen  Evangeliums  benützte  und 
verarbeitete,    war    das    griechisch    geschriebene   Marcus- 
evangelium,   dessen    sprachlicher   Einfluss    auf  das   Grie- 
chische des  canonischen  Matthäus  an  zahlreichen  Stellen 
zu  recognoscieren  ist; 
viertens:  nur  die  zweite  Hauptquelle,  in  deren  Benützung  der 
erste  und  dritte  Evangelist  in  breiten  Partien  zusammen- 
treffen, ohne  von  Marcus  abhängig   zu   sein,  trägt  einen 
ausgesprochenen  hebraisierenden  Charakter,  welcher  von 
der  Quellenkritik  in  selbstständiger  Weise  —  ganz  ab- 
gesehen von   der  patristischen  Tradition   —    als  solcher 
festgestellt  worden  ist. 
Also    nicht    dem    canonischeu    ersten    Evangelium,    sondern 
dieser  zweiten,  oder  wenn  man  will,  ersten.  Hauptquelle  desselben 


gß  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

hat  eine  hebräische  Urschrift  zu  Grunde  gelegen.  Nur  auf  diese 
hebräische  Quellenschrift  des  ersten  Evangeliums  kann  die  patri- 
stische  Tradition  von  einem  hebräischen  Matthäusevangelium 
ursprünglich  sich  bezogen  haben.  Und  da  in  dieser  vorcano- 
nischen  Quellenschrift  die  Reden  Jesu  bei  Weitem  praeponde- 
rierten,  so  ist  es  nach  dem  Grundsatz:  a  potiori  fit  denominatio 
—  höchst  wahrscheinlich,  dass  die  Aoyia,  welche  nach  Papias 
der  Apostel  Matthäus  in  hebräischer  Sprache  verfasste  (Eßgäidi 
öialtXTcp  övveyydipazo),  mit  jener  von  der  Quellenkritik  ent- 
deckten vorcanonischen  Grundschrift  identisch  sind. 

Ein  unausgeglichener  Gegensatz  herrscht  aber  unter  den  be- 
theiligten Forschern  über  die  Frage,  ob  unter  EßQaiöxi,  'Eßgäig 
cpcovfj,  EßQaiq  yXcöxra,  Eßgalq  ökxXextoq  die  hebräische  oder 
die  aramäische  Sprache  zu  verstehen  sei.  Für  das  Aramäische 
erklärten  sich  De  Rossi  (Della  Lingua  propria  di  Cristo  e  degli 
Ebrai  nationali  della  Palestina  da'  tempi  de'  Maccabei.  Parma 
1772),  ferner  Pfannkuche  (Über  die  palaestinensische  Landes- 
sprache in  dem  Zeitalter  Christi.  In  Eichhorns  Allgem.  Bibl. 
VIII,  365 — 480),  ebenso  Neubauer  (On  the  dialects  spoken  in 
Palestine  in  the  time  of  Christ.  In  Studia  Biblica  p.  I.  Oxford 
1885.  S.  39 — 74).  Für  ein  (modernisiertes)  Hebräisch  gaben 
ihre  Stimmen  ab  De  Sacy  (Litterature  Orientale.  In  Magazin 
encyclopedique.  Paris  1805.  I,  125 — 147),  Renan  (Histoire 
generale  et  Systeme  compare  des  Langues  semitiques.  Paris  1863. 
p.  224  ff.),  Seh  egg  (Evangelium  nach  Matthäus  1856.  I.  S.  13.  14.), 
Bohl  (Forschungen  nach  einer  Volksbibel  zur  Zeit  Jesu  und 
deren  Zusammenhang  mit  der  Septuaginta-Übersetzung.  Wien 
1873),  Delitzsch  (The  Hebrew  New  Testament  of  the  British 
and  Foreign  Bible  Society.  A  contribution  to  Hebrew  philology. 
Leipzig  1883.  Saat  auf  Hoffnung  XI,  4.  p.  195  ff.).  Alle  diese 
Untersuchungen  sind  aber  für  die  vorliegende  Frage,  in  welchem 
semitischen  Idiom  das  vorcanonische  Evangelium  geschrieben 
gewesen  sei,  deshalb  nicht  entscheidend,  weil  das  Urtheil  vor- 
zugsweise von  allgemein  historischen  Gesichtspunkten  be- 
stimmt ist  und  weil  nach  der  allgemeinen  historischen  Zeitlage 
in  Palaestina  in  der  fraglichen  Periode  beide  Sprachen,  die  ara- 
mäische wie  die  hebräische,  in  Betracht  kommen  können.  Denn 
wenn  irgend  Etwas  gewiss  ist,  so  ist  es  die  doppelte  Thatsache, 
dass    —   abgesehen   von    der    griechischen    Sprache,   welche   in 


§.  7.    Die  Sprache  des  vorcanonischen  Evangeliums.  g7 

Palaestina  ebenfalls  verbreitet  war  —  einerseits  das  Aramäische 
(oder  Syro-Chaldäiscbe)  namentlich  in  Nordpalaestina,  aber  auch 
z.  Th.  in  Judäa,  die  Volkssprache  bildete  und  dass  andererseits 
das  Hebräische,  theilweise  modernisiert,  als  die  Sprache  der 
Literatur,  vielfach  auch  in  den  gottesdienstlichen  Vorlesungen 
und  Vorträgen,  namentlich  aber  als  Schriftsprache  in  Südpalaestina 
und  besonders  in  Jerusalem  fortlebte.  Hiernach  ist  es  im  hohen 
Grade  wahrscheinlich,  dass  Jesus  je  nach  Bedürfniss  in  allen 
drei  Sprachen,  welche  in  Palaestina  herrschend  waren,  geredet 
bat:  im  Verkehr  mit  griechisch  redenden  Juden  (Job.  12,  20  ff.) 
und  beim  Aufenthalte  in  den  griechisch  redenden  Städten  der 
Dekapolis  griechisch,  im  Verkehr  mit  dem  niederen  Volke,  zumal 
in  Galiläa,  aramäisch,  und  beim  Gebrauch  des  Alten  Testamentes 
sowie  in  den  an  das  Alte  Testament  sich  anschliessenden  gottes- 
dienstlichen Lehrvorträgen  sicher  auch  hebräisch.  Hiervon  ist 
also  die  vorliegende  Frage  wohl  zu  unterscheiden:  Welche  von 
diesen  drei  Sprachen  wählte  der  Jünger  Jesu,  welcher 
als  der  Erste  sich  anschickte,  die  Thaten  und  Reden  des 
Meisters  schriftlich  zu  fixieren?  Die  Entscheidung  dieser 
Frage  hing  wesentlich  von  dem  Zweck  ab,  welchen  der  Schreiber 
sich  vorsetzte.  Wählte  er  das  gelehrte  hebräische  Idiom,  so  ge- 
wann seine  Schrift  im  Voraus  einen  esoterischen  Charakter, 
der  das  frühzeitige  Verschwinden  derselben  aus  dem 
Gesichtskreise  der  altkatholischen  Kirche  am  Besten 
erklären  würde. 

Für  die  Annahme  des  Hebräischen  als  des  ursprünglichen 
Idioms  bezüglich  des  vorcanonischen  Evangeliums  spricht  ohne 
Zweifel  die  patristische  Tradition.  Wenn  Marshall  (im  Ex- 
positor.  1891.  IL  S.  122)  sagt:  Papias  and  Pantaenus  and 
others  teil  of  a  Gospel  written  in  Aramaic  — ,  so  ist  dies  eine 
petitio  principii.  Denn  da  unter  der  Eßgaiöi  öialtxrcp  des 
Papias  und  den  ^Eßgalojv  y^dfifiaoiv  des  Pantaenus  nach  neu- 
testamentlichem  wie  patristischem  Sprachgebrauche  beide  Idiome, 
sowohl  das  hebräische  als  das  aramäische,  gemeint  sein  können, 
so  trägt  Mars  hall  mit  seinem  „Aramaic"  in  die  betreffenden 
patristischen  Nachrichten  das  ein,  was  er  erst  beweisen  will.  Ihm 
gegenüber  ist  vielmehr  auf  einen  Umstand  aufmerksam  zu  machen, 
durch  den  man  geneigt  sein  könnte,  das  Gegentheil  von  dem  an- 
zunehmen, was  Marshall   in  die  patristischen  Nachrichten  ein- 


gg  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

trägt.  Denn  während  von  dem  in  der  aramäischen  (oder  syro- 
chaldäischen)  Sprache  verfasst  gewesenen  Hebräerevangelium 
zwar  auch  der  Ausdruck:  Hebraeus  sermo,  daneben  aber  auch 
die  bestimmte  Angabe  des  Hieronymus  vorhanden  ist:  quod 
Chaldaico  quidem  Syroque  sermone  sed  Hebraicis  litteris 
scriptum  est  — :  bewegen  sich  die  patristischen  Nachrichten  be- 
züglich des  vorcanonischen  Matthäusevangeliums  constant  in  den 
Ausdrücken:  EßgaCöri,  Eßocdöt  öialzxro? ,  Eßgatöi  (pcvvy, 
EßQäiöi  ylcoxxi],  ohne  dass  auch  nur  ein  einziges  Mal  eine 
Andeutung  des  aramäischen  (oder  syrochaldäischen) 
Idioms  vorkäme.  Ja  Epiphanius  und  Hieronymus  bezeugen 
sogar  ausdrücklich,  dass  es  nicht  blos  Hebraicis  litteris,  'EßQCü'xolq 
YQGfjfiaoiv,  sondern  auch  Hebraicis  verbis,  EßgaCöri  geschrieben 
gewesen  sei.  Hiermit  wäre  eigentlich  schon  die  Frage  zu  Gunsten 
des  Hebräischen  entschieden.  Indess,  da  diese  Nachrichten  nicht 
aus  Autopsie  der  Autoren  hervorgegangen  sind,  so  wäre  immer- 
hin ein  Irrthum  möglich. 

Die  endgiltige  Entscheidung  kann,  wie  auch  sonst,  nicht  aus- 
schliesslich in  der  äusseren  Bezeugung,  sondern  muss  vorzugs- 
weise durch  die  inneren  Kriterien  gefunden  werden.  Die  zahl- 
reichen griechischen  Texte,  welche  aus  jener  vorcanonischen 
Quellenschrift  semitischen  Charakters  geflossen  sind,  bieten  ein 
weites,  reiches  Forschungsgebiet.  Die  drei  synoptischen  Evan- 
gelien, die  Parallelen  in  den  apostolischen  Lehrschriften,  die 
aussercanonischen  Paralleltexte,  die  Agrapha,  als  aussercanonische 
Fragmente  jener  verlorenen  vorcanonischen  Quellenschrift,  ge- 
währen ein  Bild  buntester  Mannigfaltigkeit,  sehr  häufig  dieselben 
Texte  in  verschiedenster  Gestalt  und  in  mehrfachen  Variationen. 
Da  aber  hinter  dieser  bunten  Mannigfaltigkeit  canonischer  und 
aussercanonischer  Evangelienparallelen  ganz  deutlich  eine  höhere 
Einheit  zu  erkennen  ist,  so  entsteht  das  Praejudiz,  dass  die 
Einheit  in  dem  semitischen  Quellentext  zu  suchen  ist 
und  dass  die  Variationen  der  griechischen  abgeleiteten  Texte 
Versionen  des  semitischen  Grundtextes  in  sich  schliessen.  Unter 
der  Annahme  nun,  dass  derjenige  semitische  Dialekt, 
welcher  die  Wortverschiedenheiten  der  evangelischen 
Paralleltexte  am  besten  erklärt,  als  die  Ursprache  der 
vorcanonischen  Quellenschrift  erkannt  werden  müsse, 
entsteht    die    Aufgabe,    sämmtliche    evangelischen    Paralleltexte 


§  7.    Die  Sprache  des  vorcanonischen  Evangeliums.  §9 

synoptischen  Charakters  —  canonische  wie  aussercanonische  — ■ 
daraufhin  zu  untersuchen,  aus  welchem  semitischen  Dialekt 
die  in  den  Parallelsätzen  hervortretenden  Wortver- 
schiedenheiten der  griechischen  Texte  sich  am  besten 
erläutern  lassen. 

Diese  Untersuchung  wird  allerdings  durch  verschiedene  Um- 
stände erschwert.  Zunächst  durch  das  nahe  Verhältniss  des 
Hebräischen  und  Aramäischen  zu  einander,  sofern  diese  beiden 
Idiome  nicht  blos  wurzelverwandt  sind,  sondern  auch  durch  die 
Aufnahme  vieler  Aramaismen  in  das  spätere  Hebräisch  und  durch 
das  Eindringen  zahlreicher  hebräischer  Elemente  in  das  Ara- 
mäische, also  durch  fortgehende  gegenseitige  Beeinflussung,  im 
Laufe  der  Jahrhunderte  sich  einander  in  der  Weise  genähert 
haben,  dass  Aramaismen  und  Hebraismen  innerhalb  der  grie- 
chischen Version  in  vielen  Fällen  nur  sehr  schwer  zu  unterschei- 
den sind. 

Man  könnte  nun  dieser  Schwierigkeit  gegenüber  geneigt  sein, 
auf  einige  semitische  Elemente,  welche  mitten  in  den  griechischen 
Evangelientexten  sich  finden,  besonderen  Werth  zu  legen  und, 
da  diese  vorzugsweise  dem  aramäischen  Idiom  angehören, 
letzteres  als  die  Ursprache  des  vorcanonischen  Evangeliums  be- 
zeichnen. Und  ohne  Zweifel  sind  manche  Forscher  durch  diesen 
Umstand  zu  solcher  Annahme  geführt  worden.  Indess  eine  nähere 
Analyse  dieser  aramäischen  Bestandteile  in  Verbindung  mit  der 
Quellenkritik  liefert  keineswegs  ein  sicheres  Resultat.  Dieselben 
zerfallen  in  folgende  drei  Gruppen  innerhalb  der  synoptischen 
Evangelien. 

A.  Aramäische  Nomina  propria. 

1.  BaQaßßäq  =  «SK  -^  —  Mt,  27,  16—26=  Mc.  15,  7—15. 

Lc.  23,  28. 

2.  BaQ&oZoftcüog  =  Tof»5  TS  —  Mt.  10,  3.  Mc.  3,  18.  Lc.  6,  14. 
[3.  BaQioDvä  =  fiShi  IS  —  Mt.   16,  17]. 

4.  BagzifialOQ  =  vn^a  13  —  Mc,  10,  46. 

5.  BoavrjQytq  (fyy\  W)  —  Mc.  3,  17;  Lc.  6,  14  D. 
[6.  refroiinavTi  =  s«ttti   na  —  Mt,  26,  36;  Mc.  14,  32]. 
7.  roXyoß-ä  =  KFDäbä  '-     .Mt.  27,  33.  Mc.  15,  22. 

s.    MÜQl>a  =  »rnü  _  Lc.  10,  38. 


9Q  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

B.  Aramäische  Nomina  appellativa. 
9.  dßßä  =  K3S?  —  Mc.  14,  36. 

10.  ßeek&ßovZT=  bttT  b?Z  —  Mt.  10,  25;  12,  24.  27;  Mc.  3,  22; 

Lc.  11,  15.  18.  19. 

11.  fiaficoväg  =  feWitta   —  Mc.  6,  24;  Lc.  16,  13;  16,9.  11. 

12.  Jtdöya  =  xnpE  —  Mt.  26,  2;  Mc.  14,  1;  Lc.  2,  41  u.  ö. 

13.  Qaßßovvl  —  Vsisn  —  Mc.  10,  51. 

14.  (,axa  =  Sj^-i  —  Mt.  5,  22. 

15.  oatavag  —  V&Bft  —  Mt.  4,  10;  Mc.  1,   13;  Lc.  22,  31  u.  ö. 

16.  OixsQa  =  vhaiö  —  Lc.  1,  15. 

C.  Aramäische  Sätze. 

17.  icpyafrd  =  nnsns  —  Mc.  7,  34. 

18.  zaXidd  xovfi  —  Clp  8tt^!?tt  —  Mc.  5,  41. 

19.  slcot,  slcot,  ?.eiud  aaßayßavsi  =  ^Wf)M5    tfttb  '»ilbl*  "»rfb«  — 

Mt.  27,  46;  Mc    15,  34  nach  den  canonischen  Texten. 

D.  Hebräische  Sätze. 

20.  ?]Xel  rjXu  laua  ^acp&avsi  =   ^POJ$  fifcb   ib»  ibx  —   Mt. 

27,  46  =  Mc.  15,  34  nach  den  vorcanonischen  Texten. 

21.  coöavvd  fJSfißQOfir/'  ßaQOvyannä  döovät  —  [Dj'ü'i'TEQ  &W~yiÖin 

ip«  «an  tpna  —  Acta  Pil.  zu  Mt.  21,  9. 

Die  kleine  Anzahl  dieser  aramäischen  Elemente  ist  gewiss 
nicht  darnach  angethan,  dass  man  daraus  mit  Sicherheit  auf 
einen  aramäischen  Gesarnintcharakter  des  vorcanonischen  Evan- 
geliums schliessen  könnte.  Die  aramäischen  Nomina  propria, 
die  noch  dazu  theil weise  in  graecisierter  Form  gebraucht  werden, 
haben,  wie  alle  Nomina  propria,  für  die  Frage  nach  dem  Sprach- 
charakter einer  Schrift  keine  Beweiskraft;  in  dem  von  Haus  aus 
griechisch  geschriebenen  johanneischen  Evangelium  haben  wir 
noch  Bfjd-sod-a  =  mcn  niä  (Joh.  5,  2),  Faßßa&ä  =  an^  (Joh. 
19,  13),  Kr](pdq  =  »fiis  (Joh.  1,  43).  Aber  auch  die  Nomina 
appellativa  gehen  über  den  Charakter  von  Aramaismen,  wie  sie 
auch  sonst  als  gebräuchliche  termini  in  das  Hebräische  einge- 
drungen sind,  nicht  hinaus.  Man  denke  an  das  aramäische  "Ö 
in  dem  hebräischen  Ps.  2,  12;  man  vgl.  den  nur  im  johannei- 
schen Evangelium  vorkommenden  aramäischen  terminus  fJEOoiag 


§  7.    Die  Sprache  des  vorcanonischen  Evangeliunis.  91 

=  srPirh?  Joh.  1,  42;  4,  25.  Aber  selbst  solche  kleine  Sätzclien 
wie  ralifra  xovfi  Mc.  5,  41  und  iyya&ä  Mc.  7,  34,  wenn  die 
Zugehörigkeit  dieser  beiden  aramäischen  Sprachbestandtheile  zum 
Context  des  Urevaugeliums  erwiesen  werden  könnte,  würden  nicht 
von  ferne  ausreichen,  um  einen  aramäischen  Gesammtcharakter 
desselben  zu  constatieren.  Denn  haben  wir  nicht  mitten  im 
hebräischen  Contexte  des  Alten  Testamentes  aramä- 
ische Sprachbestandtheile,  wie  Gen.  31,  47  zwei  aramäische 
Wörter  und  Jer.  10,  11  einen  ganzen  aramäischen  Satz?  Aber 
nach  der  in  diesen  Fällen  sicherlich  wohlbegründeten  Quellen- 
kritik von  B.  Weiss  gehören  die  zwei  kleinen  aramäischen  Sätze 
Mc.  5,  41  und  Mc.  7,  34  lediglich  zu  den  Zuthaten  des  Marcus, 
nicht  zum  Quellentexte  des  vorcanonischen  Matthäus.  Dagegen 
von  grösster  Bedeutung  würde  es  sein,  wenn  sich  ergeben  sollte, 
dass  Jesus  am  Kreuze  in  aramäischer  Sprache  gebetet  und  dabei 
sogar  ein  hebräisches  Psalmenwort  wie  Ps.  22,  2  im  aramäischen 
Idiom  wiedergegeben  hätte.  Denn  damit  wäre  das  Aramäische 
als  das  ureigenste  Idiom  Jesu  erwiesen,  als  das  Idiom,  in  welchem 
er  seine  tiefsten  Gedanken,  seine  innersten  Empfindungen,  sein 
ganzes  Sein  auszudrücken  gewohnt  gewesen  wäre.  Und  diese 
Thatsache,  sicher  beglaubigt,  würde  den  ersten  Niederschlag  der 
Reden  Jesu  in  einem  anderen  als  in  dem  ihm  eigenthümlichen 
aramäischen  Sprachidiom  und  eine  Fixierung  derselben  in  einem 
hebräischen  Evangelium  als  unwahrscheinlich  bezeugen.  Nichts 
weniger  aber  ist  gewiss  als  diese  Voraussetzung.  Zwar  vertreten 
die  canonischen  Parallelen  Mt.  27,  46  und  Mc.  15,  34  den 
aramäischen  Wortlaut.  Aber  die  Thatsache,  dass  Codex  D  und 
eine  Anzahl  altlateinischer  Versionen,  höchstwahrscheinlich  auch 
das  Diatessaron  Tatians  (Ephraem  citiert  ausdrücklich  Eli,  Eli) 
den  hebräischen  Wortlaut,  wenn  auch  zum  Theil  in  mancherlei 
Verstümmelungen  darbieten,  lassen  mit  Bestimmtheit  er- 
kennen, dass  der  Archetypus,  aus  dem  diese  Zeugen 
geschöpft  haben  (der  älteste  Evangeliencanon),  das  Ge- 
bet Jesu  am  Kreuz  nicht  in  aramäischer,  sondern  in 
hebräischer  Sprache  überliefert  hat,  dass  mithin  die  ara- 
mäische Fassung  erst  der  späteren  Fixierung  der  jetzigen  cano- 
nischen Texte  angehört,  wovon  auch  noch  im  Cod.  Vaticanus 
die  Nachwirkung  zu  verspüren  ist.  Und  gerade  die  hierbei  ein- 
geschlichenen   Verstümmelungen     des    hebräischen    Wortlautes, 


{)2  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

welche  durch  die  späteren  des  Hebräischen  unkundigen  Ab- 
schreiber verschuldet  sind  —  Cod.  Vat.  t,aßa<pdavü,  Cod.  Can- 
tabr.  Lat.,  Cod.  Ciarom.:  zapthani,  Vulg.  Cod.  for.2:  zeptani,  Cod. 
Veron.:  zaptani,  Cod.  Vercell.:  zahtani.  Cod.  Vindobon:  zapap- 
thani,  Cod.  Bobb.:  zaphani  etc.  —  beweisen  das  hohe  Alter  des 
ursprünglich  hebräischen  Textes.  Eine  ähnliche  Verstümmelung 
liegt  in  dem  hebräisch  überlieferten,  in  griechischen  Lettern  ge- 
schriebenen Texte  vor,  mit  welchem  in  den  Actis  Pilati  der 
Zuruf  der  Jünger  uud  des  Volkes  bei  dem  Einzüge  Jesu  in 
Jerusalem  wiedergegeben  ist.  Und  auch  die  hier  vorliegende 
Verstümmelung  bezeugt  es.  dass  dieser  hebräische  Text  aus  alter 
Tradition  hervorgegangen  ist.  Nach  der  Quellenkritik  von  B. 
Weiss,  welcher  das  vorcanonische  Evangelium  mit  der  Salbung 
in  Bethanien  abgeschlossen  sein  lässt,  gehört  nun  zwar  weder 
der  Bericht  über  den  Einzug  Jesu  in  Jerusalem  noch  das  Gebet 
Jesu  am  Kreuze  zur  Grundschrift.  Aber  dass  gerade  auf  diesem 
Gebiete  die  Weissschen  Untersuchungen  fortgesetzt  und  ergänzt 
werden  müssen,  dafür  wird  dieses  Werk,  wie  ich  hoffe,  zahl- 
reiche Belege  bringen.  Die  hier  aus  der  vorcanonischen  Text- 
gestalt von  Mc.  15,  34  =  Mt.  27,  46  sowie  in  der  aussercano- 
nischen  Tradition  der  Acta  Pilati  zu  Mc.  11,  10  =  Mt.  21,  9  = 
Lc.  19,  38  vorliegenden  inneren  Zeugnisse  weisen  auf  einen 
semitischen,  und  zwar  hebräischen  —  nicht  aramäischen 
—  Urtext  hin. 

Immerhin  ist  die  geringe  Zahl  von  aramäischen  und  hebräi- 
schen Resten  in  den  Evangelientexten  synoptischen  Charakters 
nicht  genügend,  um  nach  der  einen  oder  der  anderen  Seite  ein 
endgiltiges  Urtheil  über  die  Ursprache  des  vorcanonischen  Evan- 
geliums zu  motivieren.  Die  Untersuchung  muss  vielmehr  das 
weitausgebreitete  und  bunte  Feld  der  griechischen  Parallel- 
texte zum  eigentlichen  Ausgangspunkt  der  fraglichen 
Forschungen  erheben.  Und  nach  dieser  Seite  lagen  bis  vor 
Kurzem  nur  vereinzelte  und  sporadische  Ansätze,  nirgends  aber 
methodische  Untersuchungen  vor.  Sofern  man  diese  letzteren  auf 
die  synoptischen  Evangelien  concentriert,  entsteht  sofort  die 
grosse  Schwierigkeit,  dass,  da  hier  nicht  einfache  Übersetzungen, 
sondern  freie  Bearbeitungen  des  vorcanonischen  Evangeliums 
vorliegen,  die  Untersuchung  leicht  in  Gefahr  ist,  die  Grenze 
zwischen    dem  in   die    synoptischen   Evangelien    einge- 


§  7.    Die  Sprache  des  vorcanonischen  Evangelium?.  93 

betteten  Urtexte  und  den  redaktionellen  Zutliaten  der 
späteren  Bearbeiter  zu  verwischen.  Mit  anderen  Worten: 
es  muss  die  Forschung  nach  dem  hinter  den  Varianten 
liegenden  semitischen  Grundtexte  mit  einer  sehr  ein- 
dringenden Quellenanalyse  der  griechischen  Parallel- 
texte Hand  in  Hand  gehen. 

Dieser  Anforderung  scheint  mir  derjenige  Forscher  nicht 
gerecht  geworden  zu  sein,  welcher  —  abgesehen  von  den  probe- 
weisen Darlegungen,  welche  ich  in  §  6  der  „Agrapha"  S.  40 — 75 
auf  Grund  längerer  Studien  über  die  „hebräische  Grundschrift 
und  ihre  griechischen  Übersetzungen"  dargeboten  habe  —  zum 
ersten  Male  begonnen  hat,  ex  professo  mit  dieser  schwierigen 
Frage  sich  zu  beschäftigen  und  derselben  ausgedehnte  Unter- 
suchungen zu  widmen.  Damals  mit  meinen  Agrapha  noch  un- 
bekannt, hatte  Marshall  im  Juli-Heft  des  Expositor  1S90  (VII. 
69 — 80)  die  Frage  behandelt:  Did  Saint  Paul  use  a  Semitic 
Gospel?  Und  in  der  Beantwortung  dieser  Frage  war  er  mit 
meinen  Forschungen  nicht  blos  darin  zusammengetroffen,  dass 
er  aus  den  Varianten  der  griechischen  Paralleltexte  auf  den  semi- 
tischen Urtext  zurückgegangen  war,  sondern  auch  darin,  dass  er, 
wie  ich  es  thue,  die  Benützung  des  ..Semitischen  Evange- 
liums" durcb  Paulus  constatierte  und  an  verschiedenen  Bei- 
spielen nachwies.  Erst  durch  die  Besprechung  der  Agrapha  von 
Seiten  des  Dr.  Sanday  in  dem  ..Expositor"  war  er  auf  meine 
Agrapha  im  Laufe  des  Jahres  1S91  aufmerksam  und  durch  die 
Berührung  mit  meinen  Forschungsergebnissen  überrascht  worden. 

Inzwischen  aber  hatte  er  bereits  begonnen,  im  Expositor 
vom  Januarhefte  an  eine  längere  Serie  von  Artikeln:  ..The 
Aramaic  Gospel"  zu  veröffentlichen,  in  welchen  er,  was.  wie 
schon  der  Name  „Semitic  Gospel"  zeigt,  anfänglich  nicht  in 
der  Weise  geschehen  war,  mit  Entschiedenheit  für  das  „Ara- 
mäische" als  dasjenige  semitische  Idiom  eintritt,  in  welchem  das 
vurcanonische  Evangelium  geschrieben  sei.  Mit  höchstem  Interesse 
bin  ich  diesen  Veröffentlichungen  gefolgt,  indem  ich  jedes  einzelne 
Beispiel  der  Untersuchung  sorgfältig  nachprüfte.  Hatte  ich  doch 
gerade  nach  dieser  Seite  in  vollständiger  Isolierung  nieine  For- 
schungen bisher  unternehmen  müssen,  ebenso  wie  Marshall 
(Expositor  May  1891.  p.  375,  von  sich  sagt,  dass  er  seine  Theorie 
..in  absolute  Isolation"  sich  gebildet  habe.    Und  wird  doch  —  wie 


94  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

ich  sicher  glaube  —  ins  Künftige  das  Zurückgehen  auf  den 
semitischenUrtext  einHaupt-Kriterion  sein  bei  quellen- 
kritischer und  textkritischer  Untersuchung  der  Evan- 
gelienparallelen synoptischen  Charakters.  Insofern  ist 
es  von  hoher  Bedeutung,  dasjenige  Sprachidiom  festzustellen,  in 
welchem  die  Grundschrift  verfasst  war  und  aus  welchem  die 
Parallelen  und  Varianten  der  Evangelientexte  synoptischen 
Charakters  zu  erklären  sind.  Mit  Prof.  Mars  hall  stimme  ich 
nun  vollständig  in  dem  Grundsatz  überein,  dass  derjenige 
semitische  Dialekt,  welcher  am  besten  die  Verschieden- 
heiten der  Evangelienparallelen  synoptischen  Charak- 
ters zu  erklären  vermag,  als  der  Urtext  der  vorcano- 
nischen  Evangelienquelle  erkannt  werden  müsse.  Vgl. 
Expositor  1890.  VII,  p.  80: 

that  dialect  which  best  explains   the  verbal  discrepancies 
in  the  synoptists  must  be  voted  the  original  oue  in  which 
the  gospel  was  first  written. 
Bei  dieser  allgemeinen  Übereinstimmung  mit  Prof.  Marshall 
hege  ich  im  Einzelnen  nicht  wenige  Bedenken,  sowohl  was  den 
Ausgangspunkt  als  was  die  Methode  seiner  sprachlichen  Unter- 
suchungen anlangt. 

In  der  langen  Serie  von  Artikeln  über  „The  Aramaic  Gospel" 
geht  Marshall  lediglich  von  den  synoptischen  Evangelien  aus. 
Die  in  der  ersten  Veröffentlichung  über  die  Frage:  Did  St.  Paul 
use  a  Semitic  Gospel?  gegebene  Anregung  wird  nicht  weiter 
verfolgt.  Aber  auch  die  aussercanonischen  Texte  werden  nicht 
herbeigezogen;  weder  die  patristischen  Citate  mit  ihren  merk- 
würdigen Abweichungen  noch  die  Codices  mit  ihren  ältesten 
Varianten  finden  Berücksichtigung.  Kurz,  es  ist  im  Wesent- 
lichen der  recensierte  canonische  Text  der  synoptischen 
Evangelien,  also  eine  ziemlich  späte  Textgestalt,  von 
welcher  Marshall  seinen  Ausgang  nimmt.  Und  hier  sind 
es  auffallender  Weise  nicht  sowohl  die  Reden  Jesu,  in  denen 
doch  die  Urschrift  am  stärksten  sich  spiegelt,  sondern  die  er- 
zählenden Partien  des  Marcusevangeliums  und  seine  Parallelen, 
von  welchen  Marshall  vorzugsweise  seine  Übersetzungs-Proben 
hergenommen  hat,  also  gerade  diejenigen  Partien,  in  welchen  die 
Scheidung  zwischen  Grundtext  und  redaktioneller  Bearbeitung 
am    schwierigsten   zu  vollziehen   ist.     Wenn  wenigstens    hierbei 


§  7.    Die  Sprache  des  vorcanonischen  Evangeliums.  95 

Marshall  an  die  eindringenden  Untersuchungen  von  B.  Weiss 
sich  gehalten  hätte,  würde  er  m.  E.  vor  manchen  Missgriffen  be- 
wahrt worden  sein.  An  einigen  Beispielen  möge  das  Gesagte 
klar  gemacht  werden. 

Nach  der  an  dieser  Stelle  wohlbegründeten  Weissschen 
Quellenkritik  ist  in  Mt.  17,  14 — 18  im  Wesentlichen  der  kürzere, 
einfachere  Quellentext  enthalten,  während  Mc.  9,  14 — 27  den  in 
der  Quelle  nur  „skizzenhaft"  berichteten  Vorgang  mit  weiterem 
Detail  ausstattete  und  „lebensvoll  nach  der  Überlieferung  seines 
Augenzeugen  schilderte."  (Vgl.  Weiss,  Marcusevangelium  S.  303 ff. 
307,  Anm.  1.).  Und  während  der  Redaktor  des  ersten  canonischen 
Evangeliums  diese  Detaiimalerei  des  Marcus  weggelassen  und 
auf  den  einfacheren  Text  der  Urrelation  zurückgegriffen  hat,  ist 
Lucas,  welcher  ebenfalls  der  Quelle  folgt,  doch  zugleich  von 
Marcus  stärker  beeinflusst  worden.  Man  vgl.  namentlich  Lc.  9,  39 
mit  Mc.  9,  18.  Ohne  Rücksicht  auf  dieses  Verhältniss  sucht 
Mars  hall  zwei  so  weit  auseinander  liegende  Texte  wie 

Mc.  9,  18:  TQi^ei  tovg  oöövxaq  —  Lc  9,  39  [idyig  ajtoycogel 
auf  einen  gemeinsamen  aramäischen  Quellentext  zurückzuführen, 
indem  er  aoioyoiQüv  mit  pl".  tqiCeiv  mit  p^H,  ferner  fioyig  mit 
pyD,  rovg  oöovrag  mit  piTOa  wiedergibt  und  ausserdem  p"in 
mit  p12  durch  Verwechselung  von  n  und  2?,  sowie  p5EQ  und 
'piM  durch  Vertauschung  des  W  mit  2  identifiziert x).  Ganz  ab- 
gesehen von  der  Frage,  ob  Aramäisch  oder  Hebräisch,  auch  ab- 
gesehen von  den  bedenklichen  Vertauschungen  von  Consonanten. 
auf  welche  ich  noch  zurückzukommen  gedenke,  kann  ich  schon 
aus  quellenkritischen  Grundsätzen  mich  nicht  mit  dem  Gedanken 
vertraut  machen,  dass  man  von  so  heterogenen  griechischen  Texten 
ausgehend  einen  semitischen  Quellentext  zu  reconstruieren  habe. 
Ebenso  wenn  Marshall  die  Texte 

Mc.  9,  34:  jcqoq  uXh)lovg  yag  SiEltyßrjoav  —  Lc.  9,  40:  eio- 
ffiftev  ös  öiaZoytGfioq 
in  der  Weise  aus  einem  gemeinsamen  Quellentext  herzuleiten  ver- 
sucht, dass  er 

yctQ  =  *ns$  und  dörjXd-sv  =  Ti8 
identifiziert 2)  —  dabei  ebenfalls  eine  Consonanten -Vertauschung 
annehmend   — ,    so   ist   meines   Erachtens    auch    hier    schon   der 


1     Kxpositor  1891.  IX,  211.  214.      2)  Expositor  1891.  VI,  459  f. 


96  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

Ausgangspunkt  der  Untersuchung  verfehlt,  da  die  Partikeln  yäg, 
de  etc.  von  vornherein  auf  Rechnung  des  Redaktors  zu  setzen 
sind  und  höchstens  als  Ersatz  des  Vaw  consecutivum  sich  dar- 
stellen. —  Ahnlich  liegt  der  Sachverhalt,  wenn  Mars  hall 

Mc.  5,  6:  ajco  iiaxgo&ev  =  ü^ljü  und  Lc.  8,  28:  ava- 
xgat-ag  =  tfbptt 
identificiert J),  während  man  doch  bei  Weiss   (Marcusevangelinm 
S.  174)  deutlich  sehen  kann,  dass 

avaxQagaq  (Lc.  8,  28)  =  xQa&g  (Mc.  5,  7)  =  exQafrv  (Mt.  8,  29) 
den  gemeinsamen  Quellentext  repraesentieren ,  sodass  man  an- 
nehmen müsste,  was  Marshall  allerdings  auch  wirklich  thut, 
dass  der  zweite  Evangelist  zwei  Übersetzungen  desselben  Wortes, 
nämlich  djiö  f/axQo&Ei'  (Mc.  5,  6)  und  ocga^aq  (Mc.  5,  7)  wieder- 
gibt. Aber  welche  Voraussetzung,  dass  Marcus,  der  doch  des 
Aramäischen  kundig  war,  dasselbe  Wort,  einmal  richtig,  das 
andere  Mal  ganz  irrthümlich  wiedergegeben  habe,  ohne  diesen 
Irrthum  selbst  zu  merken! 

Es  würde  zu  weit  führen,  die  zahlreichen  Beispiele  zu  re- 
producieren,  bei  denen  man  ohne  Schwierigkeit  nachweisen  kann, 
dass  Mars  hall  bei  Aufspürung  des  semitischen  Quellentextes 
einen  falschen  Start  genommen  hat.  Die  mitgetheilten  Proben 
dürften  auch  genügen,  und  wem  sie  nicht  genügen  sollten,  der 
dürfte  nur  die  Darlegungen  Marshalls  im  Expositor  selbst 
nachlesen,  um  zu  erkennen,  dass  die  Art,  wie  derselbe  sich  das 
aramäische  Evangelium  in  den  synoptischen  Evangelien  einge- 
bettet denkt  (an  Aramaic  Gospel  embedded  in  our  present  Gospels -), 
in  quellenkritischer  Hinsicht  nicht  genügend  durchdacht,  dass 
der  Unterschied  zwischen  wörtlicher  Übersetzung  (Version),  freier 
Übersetzung  (Recension)  und  schriftstellerischer  Bearbeitung 
(Redaktion)  des  vorauszusetzenden  semitischen  Quellentextes  nicht 
hinlänglich  geklärt  und  daher  in  zahlreichen  Fällen  der  Aus- 
gangspunkt der  Untersuchung  verfehlt  ist. 

Was  nun  weiter  die  sprachliche  Methode  betrifft,  nach 
welcher  Marshall  seinen  aramäischen  Urtext  zu  ermitteln  sucht, 
so  hat  er  auch  hier  Wege  eingeschlagen,  denen  ich  nicht  allent- 
halben zu  folgen  vermag.     Sich  gründend  auf  ähnliche  Erschei- 


1)  Expositor  1891.  XII,  445.  44ß.      2)  Expositor  1891.  I,  1. 


§  7.     Die  Sprache  des  vorcanonischen  Evangeliums.  97 

nungen  in  der  Septuaginta  und  den  anderen  griechischen  Über- 
setzungen des  A.  T.  nimmt  er  an,  dass 

1,  durch  verschiedene  -  Vokalisation  der  Consonanten, 

2,  darch  Austausch   und   Verwechselung   ähnlich   ge- 

formter Consonanten, 

3,  durch  Auslassung   von   einem   oder   mehreren    Buch- 

staben, 

4,  durch  Transposition    von    zwei   einander  unmittelbar 

folgenden  Buchstaben 
der  vorauszusetzende  aramäische  Urtext  in  den  griechischen  Ver- 
sionen,  die   unseren  synoptischen  Evangelien   zu  Grunde  liegen, 
sehr  verschiedene  Gestalt  angenommen  habe. 

Ich  habe  meinerseits  den  „Agrapha"  auf  S.  58  f.  Hexapla- 
Proben  aus  den  griechischen  Übersetzungen  des  A.  Testamentes 
einverleibt,  um  zu  zeigen,  welche  Discrepanzen  bei  der  Über- 
tragung des  hebräischen  Textes  in  das  griechische  Idiom  ent- 
stehen können.  Obwohl  ich  dort  mich  wesentlich  auf  solche 
Beispiele  beschränkt  habe,  in  denen  eine  Veränderung  oder 
Vertauschung  der  hebräischen  Consonanten  nicht  vorlag,  so  war 
mir  doch  wohl  bewusst,  wie  viel  Missverstand  durch  falsche 
Vocalisation  nicht  nur,  sondern  auch  durch  Vertauschung,  Um- 
stellung und  Ausfall  von  Consonanten  aus  dem  hebräischen 
Text  des  A.  T.  in  die  griechischen  Versionen  eingedrungen  ist. 
Im  Interesse  des  Folgenden  gebe  ich  nachstehend  eine  Anzahl 
der  von  Marshall  mitgetheilten  alttestamentlichen  Proben, 
welche  deshalb  besonders  lehrreich  sind,  weil  dieselben  in  das 
N.  T.  hineinragen. 

1.  Veränderte  Vocalisation. 
Ps.  2. 9.   ny-\F\=övv{)l(xG£ig  avrovg—LXX.  Apoc.  2,  27.   DS^IF!— 

jtoificcvtlg  avzovq. 
Ps.  51,6.  ^-Qia  =  £*>  xcö  Xsyeiv  oe  — LXX.  Rom.  3,  4.   Tp-i:na  = 

Iv  xolq  löyoiq  öov. 
Gen.  47,  31.     ni3T2n  =  ?;   xUvrj   -      LXX.  Ebr.  11,  21.     nDl?n  = 

o  (xxßöoq. 
Prov.  3,  12.   nXD1  =  ?«u  coq  jtarrjQ  —  LXX.  Ebr.  12,  6.   2XD*  = 

fiaorr/ol  64. 

2.  Consonanten-Verwechselung. 
Jes.  42,  4.     Qi«»  =  vfjaoi  —  LXX.  Mt.  12,  21.     Z^y  =  lih-,l. 

Texte  u.  Untersuchungen  X.  7 


gg  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

Am.  9,    12.     tmyi*  =  x/Lf]Qovo(iJjomüiv    —    LXX.    Act.    15.  17. 

■jEf-n1!  =  exty]T?'/6cooiv. 
Am.  9,  12.      ni-tf  =  !Etfo?>   —    LXX.    Act.  15,  17.     m$  =  av- 

Jes.  28,  16.    t5TP  =  ysv&rcu  —  (LXX).  Rom.  9,  33.     ü'^  = 

X<XTCCl6XVV{)?]GETCU. 

Habak.  1,  5.  D?i]Ö  =  e*>  rofg  efrvsöiv  —  LXX.  Act.  13,  41. 
D'HIJQ  =  xaza<pQoi>?]Tai. 

3.  Consonanten-Weglassungen. 

Joel  3,  2.     CH^fi  =  rovg  öovXovg  —  LXX.  Act.  2,  18.     ''13?  = 

TOV?    ÖovXovg   flOV. 

Ps.  16,  11.    SO'tS  =  yögraGfia,   jiX?]Qcofia  —  LXX.   Act.  2,  28. 

?3Tön  =  jtXrjQcoosig. 
Ex.  9,  16.  T]nknn  =  df/go?  tfo*  —  LXX.  Rom.  9,  17.  qs  ninn  = 

IvösiB.mnai  sv  6oi. 

4.  Consonanten-Umstellungen. 

Hos.  13,  14.    *rx&  =  l<Soßai  —  LXX.  1.  Cor.  15,  55.     rr«  —  jcov. 
Habak.  2,4.     iS  ^E£3  rntfjpft  HbE?  n:ri  =  idot;  sjraiQsrai,   ov 

öixaia  söriv  r]  tyvxi]  avrov  sv  avrS. 
LXX.  Ebr.  10,  38.     iS  itftt  räTlTKb  :ib2  ]n  =  £a?'  vjcoOrsiXrjrac, 

ovx  svöoxsl  r/  xpvyjt)  fiov  sv  avTcö. 

5.  Nicht  reconstruierbare  Übersetzungen. 

Gen.  15,  14.  biia  TÖD"13  sisep»=Act.  7,  7.  sBsXsvoovrai  xcä  Xa- 
rgsvoovoiv  fioi  sv  rop  rojim  Tovrcp  [LXX:  sgsXsvöovrai 
cbde  fisra  djrooxsvrjg  jroXXfjg]. 

Jes.  io,  23.    -b2  rnpa  nir'y  rrians  rrin*  ^i«  ftsirrF  nbD  ^ 

LXX.  ort  Xöyov  ovvTsnttjfisvov   xvgiog  jroirjösi  iv  rfi  oixov- 

\isvxi  öXt]. 
Rom.  9,  28.     Xöyov  yäg  ovvxsXmv  xal  ovvrifivcov  jtoirjosL  xvgiog 

sm  rr/g  yrjg. 

Um  das  weite  Verbreitungsgebiet  solcher  Übersetzungsver- 
schiedenheiten,  die  nur  aus  den  unvocalisierten  und  bei  der  Ähn- 
lichkeit gewisser  Consonanten  leicht  missverstandenen  hebräischen 
Texten   sich   erklären,   noch  etwas  gründlicher  zu  kennzeichnen, 


§  7.     Die  Sprache  des  vorcanonischen  Evangeliums.  99 

füge  ich  obigen  von  Mars  hall  gegebenen  Proben  einige  andere 
signifikante  Beispiele  hinzu. 

1.  Verschiedene  Vocalisation. 

Jes.  33, 18.  öiVwarrn»==Tovs  jtvQyovg  —  LXX.  ET:^rrnx= 

rovg  TQStyopErovg. 
Nah.  2,  4.     tiftiSn  —  xvQQOs  —  LXX.  D"Ti«3  =  ££  dvd-Qcöjiov. 
Nah.  3,  3.     rp'ab  =  toÖ    Jcrc6tuaTi  —  LXX.  TTtffob  =  rolg  t&veöiv 

avrrjg. 
Nah.  3,  S.     "'Ziprn  =  aga  d  äya&ij;   —  LXX.   illtpWl  =  srol- 

fiaocu. 

2.  Verwechselung  von  Consonanten. 

Jerem.  10,20.     C'1P'a  =  ävaöTrjöcov  —  LXX.  S^ptt  =  rojiog. 
Ezech.  8,  5.     n2T72n  =  6   ßcotu6g  —  LXX.  rn?T2n  =  al  avaxolai. 
Nah.  2,  12.     srnb  ==  Uaiva  —  LXX.  xinb  =  TOÜ  eiöeA&elv. 
Sacharj.  13,  1.     Tiptt  —xtjYij  —  LXX.  ffiptt  =  rostog. 

3.  Auslassung  von  Consonanten. 

Hiob  39,  30.     "ltt'»S  =  LXX.  ov  av  =  Symni.  -f»3  =  oaQxsg. 

4.  Umstellung  von  Consonanten. 
Prov.  27,  13.     212  =  iyyv asrai  =  LXX   -Q?  —  jtctQrjlfre. 

Diese  Beispiele,  die  ins  Unzählige  vermehrt  werden  könnten J), 
zeigen  Jedem,  der  es  nicht  schon  weiss,  die  Dehnbarkeit  und 
Unsicherheit  der  unvocalisierten  hebräischen  Texte,  bei  deren 
Deutung  und  Übersetzung  in  andere  Idiome  durch  verschiedene 
Vocalisation  oder  durch  Verwechselung,  Umstellung,  Auslassung 
auch  nur  eines  einzigen  Consonanten  das  Wortbild  voll- 
ständig verändert  und  die  stärkste  Discrepanz  der  Übersetzung 
erzeugt  wird.  Dass  ähnliche  Umstände  auch  bei  der  Über- 
tragung der  hebräischen  oder  aramäischen  Evangelien-Quellen- 


1)  Man  vgl.  weitere  Nachweise  hei  Buhl,  Kanon  und  Text  des  Alten 
Testaments.  Leipzig  1S01  in  dem  Abschnitt  Textübevlieferung,  wo  S.  239ff. 
Beispiele  verschiedener  Vocalisation  gegeben,  S.  242.  255  Vertauschungen 
der  Consonanten,  S.  257  Umstellungen  von  Consonanten  besprochen  und 
namentlich  die  Verwechselungen  von  n  mit  s,  z  mit  2,  i  mit  s,  n  mit  ">, 
T,  mit  n,  i  mit  ■*,  t  mit  :,  r  mit  t,  a  mit  c  erwähnt  sind. 

7* 


100  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

schritt  ins  Griechische  mitgewirkt  haben  mögen,  ist  ausser 
Zweifel.  Namentlich  was  die  Verschiedenheit  in  der  Vocalisation 
der  Consonanten  sowie  auch  in  der  Auffassung  der  Tempora 
anlangt,  so  bieten  sich  in  den  Evangelientexten  synoptischen 
Charakters  nicht  wenige  Beispiele,  bei  denen  ein  Zurückgehen 
auf  den  Urtext  manche  Schwierigkeiten  löst.  (Vgl.  z.  B.  Agrapha 
S.  142.  260.)  Auch  Vertauschungen,  Umstellungen,  Auslassungen 
von  Consonanten  mögen  in  die  Abschriften  des  vorcanonischen 
Evangeliums  eingedrungen  sein  und  Dunkelheiten  des  Sinns  er- 
zeugt haben.  Auf  einen  solchen  Fall  habe  ich  Agrapha  S.  256 
hingewiesen,  wonach  das  dunkele  cp&ovog  in  Jac.  4,  5  sicher  auf 
eine  Verstümmelung  eines  hebräischen  Quellentextes  zurück- 
zuführen ist.  Einen  andern  Fall  vergleiche  man  zu  Lc.  10,  27  = 
Mt.  22,  40,  wo  die  Verwechselung  von  n  nnd  D  höchstwahr- 
scheinlich die  Lesarten  xQefiaö&cu  (Mt.)  und  jiätjqovö&ccl  (Paulus, 
Justin)  verursacht  hat.  Auch  Lc.  10,  7=Mt.  10,  10  ist  vielleicht 
durch  Verwechselung  von  f\  und  1  die  Übersetzungsverschieden- 
heit:  rov  (ito&ov  avzov  =  ^^Ti)2  und  z?]q  TQCxprjg  avToü  =  irPn£ 
entstanden.  Aber  bei  den  Versuchen  zur  Reconstruction  eines 
vorcanonischen,  hebräischen  oder  aramäischen,  Evangelientextes 
sehr  häufig  mit  derartigen  Voraussetzungen  zu  operieren,  halte 
ich  für  ein  sehr  bedenkliches  Experiment,  welches  leicht  ins 
Bodenlose  hinabführen  kann.  Im  A.  T.  haben  wir  den  hebrä- 
ischen Text  als  Erläuterungsmittel  und  Correktiv  für  die  Über- 
setzungs Varianten  und  Übersetzungsfehler  der  griechischen  Ver- 
sionen. Für  die  neutestamentliche  Gestalt  der  hebräischen 
Grundschrift  fehlt  ein  solches  Correktiv;  den  einzigen  Halt  bieten 
die  griechischen  Texte,  von  denen  wir  uns  nicht  so  leicht  ent- 
fernen dürfen,  wenn  wir  mit  dem  Lichte,  das  von  ihnen  ausstrahlt, 
das  Dunkel,  in  welchem  der  hebräische  Grundtext  liegt,  auf- 
zuhellen versuchen  wollen. 

Ist  es  wahrscheinlich,  dass  die  vorcanonische  (hebräische 
oder  aramäische)  Grundschrift  in  der  kurzen  Zeit  von  höchstens 
einigen  Jahrzehnten  zwischen  ihrem  ersten  Erscheinen  und  der 
Entstehung  unsrer  synoptischen  Evangelien  ähnliche  Textver- 
änderungen durchgemacht  haben  sollte,  wie  die  Bücher  des 
Alten  Testaments,  deren  Textgeschichte  nach  Jahrhunderten 
zählt?  Und  ist  es  glaublich,  dass  die  Übersetzer  und  Bearbeiter 
der  neutestamentlichen  Evangelien-Grundschrift,  unter  ihnen  der 


§   7.     Die  Sprache  des  vorcanonischen  Evangeliums.  101 

des  Aramäischen  und  Hebräischen  sicherlich  kundige  Marcus,  in 
einer  Zeit,  wo  die  Übertragung  der  biblischen  Ideen  ins  grie- 
chische Idiom  theils  eben  durch  die  Septuaginta,  theils  durch 
den  Yölkerverkehr  und  die  Völkermischung,  sowie  Sprachen- 
mischung innerhalb  des  römischen  Reiches  so  weit  verbreitet 
war,  und  da  ausserdem  die  frischen  Erinnerungen  innerhalb  der 
jungen  Kirche  noch  so  lebendig  waren,  in  ähnliche  Übersetzungs- 
fehler verfallen  sein  sollten,  wie  jene  Männer  der  LXX,  die  zum 
ersten  Male  versucht  hatten,  hebräische  Texte  ins  Griechische 
zu  übertragen  und  die  Denkweise  der  alttestamentlichen  Autoren 
mit  dem  Sprachgut  der  griechischen  Bildungswelt  zu  vermählen? 
Nein,  sicherlich  standen  die  neutestamentlichen  Übertragungen 
der  urevangelischen  Grundschrift,  eben  namentlich  weil  sie  sich 
in  den  schon  gebahnten  Wegen  des  griechischen  Alten  Testa- 
mentes bewegen  konnten,  viel  höher  als  die  ungelenken  Über- 
setzungen der  Septuaginta,  welche  von  Übersetzungsfehlern 
wimmeln.  Ebenso  wäre  es  ein  Fehler,  wenn  man  jener  hebrä- 
ischen (oder  aramäischen)  Evangelien-Quellenschrift  so  viele 
Textverstümmelungen  und  Textänderungen  imputieren  wollte, 
wie  solche  in  die  Handschriften  des  A.  T.  so  zahlreich  ein- 
gedrungen waren. 

Nach  diesen  Betrachtungen  ist  es  begreiflich,  dass  ich  mich 
nicht  entschliessen  kann,  bei  dem  Versuch  nach  einer  Recon- 
struierung  des  hebräischen  (oder  aramäischen)  Quellentextes  mit 
so  vielen  Consonanten- Verwechselungen,  Umstellungen  und  Aus- 
lassungen, mit  so  zahlreichen  Übersetzungsirrthümern  zu  operieren, 
wie  Prof.  Mars  hall  es  thut. 

Bereits  in  den  oben  mitgetheilten  Proben  ist  es  ersichtlich 
geworden,  dass  Marshall  z.  B.  ptP  und  pin,  "pryn  und  pMÖ, 
"nx  und  Titf,  XaHE  und  xbrE  ausgetauscht  sein  lässt.  Ich  füge 
hier  noch  weitere  Proben  derart  bei. 

Ußn[Q  =  öojgov  rjfiäq  Mt.  8,  25  =  »aitt  =  sjciörara  Lc.  8,  24. 
ninr'x  =  rorips  =  evQtdrj  Lc.  9,  36  =  *DFIDÄ  =  elöov  Mc.  9,8; 

'  Mt.  17,  8.'  ' 
"^nm  üb  =  ovx  eZa&s  Lc.  8,  47  =  Tnnn  Tib  =  ytyovev  avti] 

Mc.  5,  33. 
K*Vip  =  noliq   Lc.    8,   27  =  Wü%  =  (iV7j(i£lov    Mc.    5,    2;    Mt. 

8,28. 


102  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

arm  =  tfrQI  =  avifiov  Lc.  8,  23  =  SFQn  =  j.ieyaX?j,  [isyag  Mc. 

4,  37 ;  Mt.  8,  24. 
jcnin1!  =  xov   Xoyov   Lg.  8,  12  =  t&)mHft  =  xo   aojtaQfisvov  Mt. 

13,  19. 
rnsnx  =  djiiZ&sv  Lc.  5,  13  =  Fi]5:n«  =  sxa&aQiod-rj  Mt.  8,  3. 
■pbü'1  =  ixßaXcooiv  Lc.  6,  22  =  "p  üb"1  =  sijmüGiv  ücav  üiovijqov 

Mt.  5,  11. 
■pnns  =  xegaftoi  Lc.  5,  19  =  Tnipn  =  st-OQvi-avxeg  Mc.  2,  4. 
an~«i3  =  süil   xo   avxö   Lc.   17,  35  =  tf^sa  =  hv  xm  (ivXcovt 

r  Mt.  24,  41. 
nDttJ  =  evoiöxco  Lc.  8,  35  =  iCO  =  d-emgelv  Mc.  5,  15. 
i3bnb  =  xolq  Xouiolq  Lc.  8,  10  =  "pbfD  =  exslvoig  Mt.  13,  11. 
ibrnx  =  EJiXtjOd-ipav  Lc.  6,  11  =  "nÄhK  =  si-sX&ovveQ  Mc.  3,  6; 

'  Mt.  8,  3. 
"jlbittriK  =  dieXäXovv  Lc.  6,  11  =  "pobEns  =  OvfißovXiov  eXccßov 

'  Mc.  3,  6. 
HS9  =  jcoulv  Lc.  6,  U  =  -l$X  =  äjtoXXvvai  Mc.  3,  6;  Mt.  12,  14. 
n«>2  =  TcQOOevgaod-aL  Lc.  9,  28  =  Tltib?  =  v V^o*'  Mc-  9>  2?  Mt- 

'  17,  1. 

Auch  hier  sind  viele  von  diesen  —  noch  leicht  zu  vermeh- 
renden —  Beispielen  als  Übersetzungs-Parallelen  aufgefasst,  wo 
gar  nicht  daran  zu  denken  ist,  wo  vielmehr  die  Arbeit  des  Re- 
daktors die  Differenzen  der  Darstellung  erklärt.  Aber  abgesehen 
hiervon,  was  müssten  das  für  Abschriften  des  vorcanonischen 
Evangeliums  gewesen  sein,  in  welche  sich  binnen  kürzester  Frist 
derartige  Textverstümmelungen  eingeschlichen  hätten!  Nein, 
wenn  nur  auf  diese  Weise  das  Aramäische  als  Sprache  des  vor- 
canonischen Evangeliums  dargethan  werden  soll,  so  wird  dies 
ein  Beweis  für  das  Gegentheil.  Wie  der  Ausgangspunkt  der 
Marshallschen  Untersuchungen,  so  führt  auch  die  dabei  ange- 
wandte sprachliche  Methode  nicht  zum  Ziel. 

Wo  aber  das  aramäische  Wort,  welches  Mars  hall  als 
Quellwort  divergierender  griechischer  Parallelen  bezeichnet,  eine 
gute  Lösung  bietet,  da  ist  in  der  Regel  auch  ein  hebräisches 
Wort  vorhanden,  welches  dieselben  Dienste  leistet.  Einige  Bei- 
spiele mögen  hier  folgen. 


§  7.    Die  Sprache  des  vorcanonischen  Evangeliums. 


103 


cd  t^         -*         d  ai         cö  fö 

■^    t^           CS                                         oo 

a 

a> 

Ol    O            «O            <M    t—            OO    *- 

1—4 

*-t     ^H                                  H     t-H              t-h     r-H 

1—1 

CD 

-+i     -lö              -1^              -tJ    .+3               -M      d 

OS 

g^    s    g^     ^^ 

i— < 

hOOCC^aiHfflH(NlOo,J' 

m 

H    rl    N    W    ^                      ^i    t    CO    pq 

03 

oOinooocoffitOiQOoitN 

■         r^ 

•^H    ^H                       r-l 

o 

düoüdüd-iJüdcici 

O) 

^SgS^S^^SS^g 

bß 
p 

oÖcSCÖt^OCCCDfÖsN^j^ijj 

c3 

> 

w    t^    ^*    M    <*             COt-h            gs|    .^    ,_i 

oo  ao  od  •*?  oö"  co'  oT  ^  i^"  oT  oT  »ß 

,— 1     t— 1                ^H     t-<                                     r-| 

&t3&V&<OZ3Z2&Z30Z} 

^^^►J-^l-^r^r-^l-^r-^l-^r^ 

rC 

55    5V  £;  "t  55*  £,=  55    JT  H    C"  £-  £h 

o 

:cö 

s-c 

r          fr         |i 

Q3 

56                    £.' 

tu 

»r                         n 

,0 

o 

CO 

:c3 

a 

?  E                    r  ja 

< 

55 

Ä 

«a 

UJ 

X                    Oi 

Ol 

-2                    ?                                   Ä 

CO 

~      «     3     ä     S_           ä^w     Q, 

ä     A    ui    ,«»     s-         »55»    Ä     Ä  v^ 

1— 1 

«Ö      ö  »Ö\S      5*    ö      «"•      S      ©      ^55» 

J-l 

cä 

H   »«     H    51    X   ««CO  "S51U)^     © 

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2k                                                                     w 
»ö                                    i.       »■>      J;                ^ 

S    ä    Ä    Ä    „,  o    ö    S    a  -§' 

w    <N    <■©     ö     S    UftSÖ  "C^O     t=J   'O 

Vorstehende  lediglich  aus  Marshalls  Untersuchungen  ent- 
nommene Beispiele  könnten  durch  zahlreiche  weitere  Belege 
vermehrt  werden,  aus  denen  sich  ergeben  würde,  was  auch  jedem 


104  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

Kenner  ohnehin  schon  feststeht,  dass  im  Aramäischen  und 
Hebräischen  viele  Wörter  theils  durch  Stammverwandtschaft, 
theils  durch  die  verschiedenen  im  Sprachgebrauch  festgestellten 
Bedeutungen  einander  parallel  gehen.  Hierbei  möchte  ich  nament- 
lich zweier  Fälle  Erwähnung  thun,  in  denen  das  Aramäische  vor 
dem  Hebräischen  zu  praeponderieren  scheint. 

Der  erste  Fall  betrifft  die  Varianten:  6<p£ih]{ia  (Mt.  6,  12)  = 
oqufa'i  {AlÖ.)  =  aiiaQtia  (Lc.  11,  4)  im  Herrengebet,  wofür  ge- 
wöhnlich ^n  (hebräisch)  =  tfSin  (aramäisch)  als  Quell  wort  in 
Anspruch  genommen  wird.  Dieses  Wort  ist  ursprünglich  ara- 
mäisch, aber  in  das  spätere  Hebräisch  (Ezech.  18,  7)  in  der  Be- 
deutung „Schuld"  eingedrungen.  Die  Bedeutung  „Sünde"  kann 
im  biblischen  Hebräisch  nicht  nachgewiesen  werden.  Dass 
den  erwähnten  Varianten  ein  semitisches  Qu  eil  wort  zu  Grunde 
liegt,  ist  ausser  Zweifel.  Muss  es  nun  das  aramäische  fctoin  sein, 
welches  beide  Bedeutungen  „Sünde"  und  „Schuld"  in  sich  ver- 
einigt? Ist  es  ausgeschlossen,  dass  das  hebräische  lin,  welches 
das  A.  T.  nur  in  der  Bedeutung  „Schuld"  darbietet,  nicht  auch 
in  der  anderen  Bedeutung  „Sünde"  gebraucht  worden  sei? 
Delitzsch  übersetzt  wenigstens  unbedenklich  rag  a^aQTiaq 
i]ficöv  mit  Wpitt  (Lc.  11,  4).  Oder  kann  den  drei  griechischen 
Varianten  nicht  auch  ÜftttJX  zu  Grunde  liegen,  welches  in  der 
Regel  ScpeiX?'/.  6q>eiXi]fia  bedeutet,  aber  von  den  Septuaginta 
(1.  Chron.  21,  3)  auch  mit  afiagrla  wiedergegeben  wird  und 
welches  Salkinson  sowohl  Lc.  11,  4  als  Mt.  6,  12  bei  seiner 
Rückübersetzung  anwendet? 

Ahnlich  verhält  es  sich  mit  den  Varianten  öexeodcu  (Mt.  10, 40) 
und  axovsiv  (Lc.  10,  16),  für  welche  Marshall  das  aramäische 
Quellenwort  b3j?  anführt.  Aber  dieser  Stamm  ist  als  hebräisches 
Piel  bäp  ebenfalls  in  das  spätere  Hebräisch  aufgenommen  worden, 
allerdings  nachweisbar  nur  in  der  Bedeutung  von  ttjpb.  Und  im 
Aramäischen  hat  baj?  die  übertragene  Bedeutung  axovsiv  auch 
nur  in  der  Verbindung  mit  )"Q,  und  dagegen  wie  fij?b  Hiob  4,  12; 
22,  22  in  die  Bedeutung  von  axovsiv  übergeht,  wird  sicherlich 
auch  das  aus  dem  Aramäischen  aufgenommene  bap  dieselbe 
Bedeutung  im  Hebräischen  mit  eingeschlossen  zu  haben,  ohne 
dass  wir  solches  aus  den  knappen  Resten  der  alttestamentlichen 
Literatur  ausdrücklich  nachweisen  können.  Gerade  aus  diesen 
Beispielen  ersieht  man   recht  deutlich  das  Ineinanderfliessen  des 


§  7.    Die  Sprache  des  vorcanonischen  Evangeliums.  [05 

Aramäischen  und  Späthebräischen,  den  Misch charakter  des  Idioms 
oder  der  Idiome,  welche  zu  den  Zeiten  Jesu  gesprochen  worden 
sind,  wie  Marshall  (Expositor  1890.  VII.  S.  SO)  selbst  sagt: 
a  study  of  the  literature  nearest  to  times  of  Christ  convinces 
one  that  the  language  spoken  was  a  sort  of  amalgam  —  very 
composit  in  its  character. 

Hatte  sich  Marshall  damals  in  seinem  ersten  Artikel:  Did 
St.  Paul  use  a  Semitic  Gospel?  noch  nicht  endgiltig  nach  der 
einen  oder  der  anderen  Seite  entschieden,  ja  seine  interessanteste 
Entdeckung,  bezüglich  der  Identität  von  jcayig  =  bSfi  in  Lc.  21.  35 
und  coölv  —  bsri  in  Thess.  5,  3  mit  Hilfe  des  Hebräischen  vor- 
geführt, so  tritt  er  in  der  späteren  Artikelreihe:  The  Aramaic 
Gospel  entschieden  für  das  in  Galiläa  gesprochene  Aramäisch  ein. 
Dazu  war  er  sichtlich  durch  den  Vorgang  von  Neubauer, 
Lehrer  des  rabbinischen  Hebräisch  an  der  Universität  zu  Oxford, 
bewogen  worden,  welcher  in  der  bereits  oben  erwähnten  Ab- 
handlung: On  the  dialects  spoken  in  Palestine  in  the  tirne  of 
Christ  (Studia  Biblica  I.  p.  61)  sich  folgendermassen  geäussert 
hatte:  ;.The  language  of  the  Palestinian  Talmud  (or,  as  it  is 
commonly  called,  the  Talmud  of  Jerusalem),  which  consists  of 
discussions  by  natives  of  Galilee,  and  which  is  really  a  Galilean 
courposition ,  represents,  according  to  our  opinion,  the  language 
which  the  disciples  of  Jesus  spoke  and  wrote."'  Aber  wenn  auch 
dieses  auf  allgemein  sprachhistorischen  Momenten  fassende 
Urtheil  bezüglich  des  nordpalaestinensischen  Idioms  als  der  U  m- 
g'angssprache  der  Jesusjünger  als  begründet  zu  erachten  wäre, 
so  kann  daraus  noch  nicht  mit  Bestimmtheit  gefolgert  werden, 
dass  die  Jünger  Jesu  auch  in  dieser  Sprache  ihre  schriftlichen 
Aufzeichnungen  gemacht  haben  sollten.  Die  aus  Galiläa  stam- 
menden Apostel  Johannes  und  Petrus  haben  griechisch  ge- 
schrieben. Und  wenn  die  Nachrichten,  dass  Matthäus  sein  hebrä- 
isches Evangelium  in  Jerusalem  verfasst  habe,  irgendwie  be- 
gründet sein  sollten,  so  würde  ohne  Weiteres  in  Kraft  treten, 
was  Neubauer  (Studia  Biblica  p.  45 ff.)  selbst  ausführlich  dar- 
gelegt hat,  dass  Südpalaestina  und  besonders  Jerusalem 
nicht  in  der  Weise  wie  Galiläa  dem  Aramaisierungs- 
process  erlegen  und  dass  namentlich  in  den  Kreisen  der 
Gelehrten  das  (modernisierte)  Hebräisch  die  Schriftsprache 
geblieben  sei.    Es  kommt  dazu,  dass  die  Zeit  und  die  Art  der 


IQQ  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen 

Entstehung  für  die  fraglichen  jüdischen  Targumim  keineswegs 
feststeht.  „Zu  den  älteren  Targumen  (Onkelos,  Jonathan)  mag 
der  Grund  noch  im  letzten  vorchristlichen  Jahrhundert  ge- 
legt worden  sein,  indem  man  bei  der  Schriftvorlesung  in  den 
Synagogen  einzelne  nicht  mehr  verstandene  Wörter  und  Wen- 
dungen durch  s.  g.  d'OttJPlftü  oder  Dolmetscher  mündlich  inter- 
pretieren Hess.  Doch  hat  der  Process  der  schriftlichen  Fixie- 
rung und  der  immer  weiteren  Ausdehnung  dieser  Interpretationen 
auf  ganze  Bücher  Jahrhunderte  hindurch  gedauert  und  ist  wohl 
erst  im  4.  Jahrhundert  n.  Chr.  in  den  babylonischen  Juden- 
schulen zu  einem  relativen  Abschluss  gelangt.  Dagegen  fällt  die 
Schlussredaktion  des  Pseudo-Jonathan  frühestens  in  das  7.  Jahrh.. 
andere  Targume  noch  später."  (Kautzsch.  Grammatik  des  Biblisch- 
Aramäischen.  S.  12).  Ob  daher  die  Gestalt  jenes  nordpalaesti- 
nensischen  Dialektes  zu  den  Zeiten  Jesu  dieselbe  war,  in  welcher 
diese  Targumim  uns  überliefert  sind,  und  ob  die  schriftliche 
Fixierung  jenes  Dialektes  bereits  so  weit  vorgeschritten  war,  dass 
Matthäus,  als  er  sein  Evangelium  schrieb,  gerade  dieses  Dialektes 
sich  hätte  bedienen  müssen,  das  sind  Fragen,  welche  mit  all- 
gemein historischen,  bezw.  sprachhistorischen  Urtheilssprüchen 
nicht  entschieden  werden  können.  Immer  wieder  wird  man  dahin 
zurückgeworfen,  dass  das  entscheidende  Kriterium  in  der  Unter- 
suchung darüber  zu  suchen  ist,  welcher  semitische  Dialekt 
am  besten  sich  eignet,  um  die  in  den  Paralleltexten 
synoptischen  Charakters  vorhandenen  Differenzen 
sprachlich  zu  erklären.  Hierfür  aber  ist  es  sehr  bezeichnend, 
dass  Prof.  Marshall  in  seinem  ersten  Artikel  aus  dem  J.  189ü 
durch  die  dort  mit  Hilfe  des  Hebräischen  vorgenommenen  Unter- 
suchungen viel  fruchtbarere  Resultate  erzielt  hat,  als  in  der 
ganzen  Artikelreihe  des  Jahres  1891,  in  welcher  er  das  Aramäische 
der  Targumim  herbeigezogen  hat,  um  den  semitischen  Quellen- 
text zu  reconstruieren.  Es  ist  ferner  sehr  merkwürdig  und  für 
die  Position  des  Aramäischen  sehr  wenig  empfehlend,  dass  nach 
Marshalls  eigenem  Geständniss  die  judäischen  Stoffe  der 
synoptischen  Evangelien  fast  vollständig  die  Anwen- 
dung seiner  Hypothese  verweigert  haben.  Er  sagt  darüber 
in  dem  V.  Artikel  von  The  Aramaic  Gospel  (Expositor  1891. 
V.  p.  381):  In  fact,  we  fail  to  find  in  any  part  of  the  Judaean 
ministry,    except  the    great    eschatological  discourse,    any  satis- 


§  7.    Die  Sprache  des  vorcanoniscben  Evangeliums.  \{)1 

factory  evidence  that  the  narratives  were  trauslated  from  tlie 
same  Aramaic  docuinent.  After  most  laborious  efforts,  the 
divergences  which  occurr  in  the  Judaean  narratives 
obstinately  refuse  to  yield  to  our  hypothesis. 

Hiernach  wird  es  wohl  nicht  zu  viel  behauptet  sein,  wenn 
ich  von  den  MarshaUschen  Untersuchungen  auf  Grund  eingehender 
und  sorgfältiger  Nachprüfung  meine  Meinung  dahin  ausspreche, 
dass  dieselben  sowohl  nach  dem  Ausgangspunkt  als  nach  der 
sprachlichen  Methode  als  nach  ihren  vorläufigen  Resultaten  zu 
einer  befriedigenden  Lösung  der  Frage  noch  nicht  geführt  haben. 
Gleichwohl  behalten  diese  Untersuchungen  insofern  einen  höheren 
Werfch,  als  Marshall  das  wichtige  Problem  nicht  blos  mit  Energie 
aufgestellt,  sondern  auch  dessen  praktische  Lösung  mit  mühe- 
vollem Fleiss  angestrebt  hat.  Es  sind  ja  durchweg  zunächst  nur 
Proben,  die  angestellt  werden  können.  Auch  die  von  mir  an- 
gestrebte Lösung  bezeichne  ich  als  einen  Versuch,  dem  wirk- 
lichen Sachverhalt  näher  zu  kommen.  Davon  aber  bin  ich  über- 
zeugt, dass  jeder,  welcher  an  der  Erforschung  der  synoptischen 
Evangelien  mit  arbeiten  will,  zunächst  allen  Fleiss  darauf  wird 
wenden  müssen,  um  die  Ursprache  festzustellen,  in  welcher  die 
Grundschrift  der  drei  synoptischen  Evangelien  geschrieben  ge- 
wesen ist  und,  soweit  möglich  den  semitischen  Quellentext  auf- 
zusuchen, der  den  synoptischen  Parallelen  zu  Grunde  liegt.  Denn 
wenn  ich  auch  nicht  soweit  gehe,  mit  Marshall  zu  hoffen,  dass 
mit  der  Feststellung  des  den  synoptischen  Evangelien  zu  Grunde 
liegenden  semitischen  Urtextes  „alle"  Phänomene,  die  bei  der 
Evangelienforschung  in  Frage  kommen,  in  vollständig  befriedigen- 
der Weise  erklärt  werden  könnten  (a  satisfactory  explanation  of 
all  the  phenomena  in  question  —  Expositor  1891.  11.  p.  12  1  . 
sofern  wir  es  ja  nicht  mit  reinen  Übersetzungen  der  Urschrift, 
sondern  mit  selbsständigen  Bearbeitungen  zu  thun  haben:  so  viel 
ist  doch  gewiss,  dass  da,  wo  man  in  den  synoptischen 
Texten  mit  Sicherheit  die  Spuren  eines  semitischen  Ur- 
textes nachzuweisen  vermag,  auch  der  Einfluss  des  vor- 
canoniscben Evangeliums  zu  constatieren  ist. 

Meinerseits  habe  ich  bis  jetzt  keine  Veranlassung,  von  der 
bereits  in  den  Agrapha  S.  50  ff.  vertretenen  Voraussetzung  einer 
hebräischen  Grundschrift  abzugehen.  Dasselbe  Idiom,  welches 
Delitzsch.    Dalman,   S alkin son   bei  den  Rückübersetzungen 


108  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

des  Neuen  Testamentes  ins  Hebräische  angewendet  haben  —  ob 
etwas  mehr  dem  biblischen  Hebräisch  genähert  oder  ob  etwas 
mehr  modernisiert,  ist  dabei  eine  untergeordnete  Frage  —  bietet 
sich  ohne  Zweifel  als  das  bequemste  Mittel  dar,  um  den  semitischen 
Grundcharakter  der  den  synoptischen  Evangelien  zu  Grunde  ge- 
legenen Quellenschrift  zur  Darstellung  zu  bringen,  zumal  da  das 
die  synoptischen  Evangelien  beherrschende  Griechisch  dem  Septua- 
ginta- Griechisch  sehr  congenial  ist  und  mithin  der  Sprachge- 
brauch der  Septuaginta  bei  Wiedergabe  des  alttestamentlichen 
hebräischen  Textes  zahlreiche  und  instruktive  Analogien  dar- 
bietet zur  Reconstruktion  des  neutestamentlichen  hebräischen 
Urtextes. 

Erwähnen  möchte  ich  noch  den  von  Prof.  Harnack  gegen 
mich  ausgesprochenen  Gedanken,  dass  das  Urevangelium  sowohl 
hebräisch  als  aramäisch  existiert  habe.  Harnack  stützt  sich 
dabei  auf  die  bekannte  aber  dunkele  Mittheilung  des  Eusebius 
über  Hegesipp  (Eus.  H.  E.  IV,  22,  8.),  welche  er  so  auffasst. 
dass  Hegesipp  neben  dem  Hebräerevangelium  ein  syrisches 
Evangelium  gebraucht  habe  (tov  xad-'  'Eßoalovg  evajysliov  xal 
tov  JZvQiaxov)  und  letzteres,  xo  JZvgiaxov  (worunter  Andere 
freilich  das  syrische  Diatessaron  Tatians,  das  ursprünglich 
einzige  Evangelium  der  syrischen  Kirche,  verstehen)  auf  das  Ur- 
evangelium in  aramäischer  =  syrochaldäischer  Sprache  bezieht. 
Er  bemerkt  dazu:  „Ist  es  andrerseits  wahrscheinlich  zu  machen, 
dass  das  Urevangelium  hebräisch  war,  so  hätten  wir  zwei  Redak- 
tionen, und  diese  Annahme  scheint  dem  sprachlichen  Befunde  in 
unseren  Evangelien  und  aussercanonischen  Parallelen  zu  ent- 
sprechen." Immerhin  würde  damit  die  letzte  Frage  nicht  abge- 
wiesen sein:  in  welchem  Idiom  ist  das  vorcanonische  Evangelium 
zuerst  und  ursprünglich  geschrieben  gewesen? 


§  8. 

Die  griechischen  Übersetzungen  des  yorcanonischen 
Evangeliums. 

Es  ist  ein  Umstand  von  folgenschwerer  —  in  ihren  Con- 
sequenzen  noch  lange  nicht  genug  gewürdigter  —  Bedeutung, 
dass  die  ältesten  Urkunden  des  Christenthums,   die  wir  besitzen, 


§  8.  Die  griechischen  Übersetzungen  des  vorcanonischen  Evangeliums.  |Q9 

in  einer  anderen  Sprache  verfasst  sind,  als  derjenigen,  in  welcher 
der  Stifter  der  christlichen  Religion  seine  Lehren  rnitgetheilt,  als 
derjenigen  auch,  in  welcher  die  älteste  —  aber  verloren  ge- 
gangene —  Quellenschrift  des  Christenthunis  verfasst  gewesen 
ist.  Es  spiegelt  sich  auch  hierin  die  einzigartige  Stellung  des 
Christenthums.  sein  universaler  Charakter  und  die  geistige  Frei- 
heit, mit  der  es  in  die  Welt  herangetreten  ist.  Es  ist  ein  Siegel 
auf  das  apostolische  Wort:  xo  yQafitua  ajtoxTÜVEi,  zo  ob  jtvsv/ict 
^coojcoiel  (2.  Cor.  3,  G).  Das  älteste  und  ursprüngliche  ygäfifia 
des  Christenthums  ist  uns  verloren  gegangen.  Was  wir  davon 
besitzen,  das  besitzen  wir  nur  aus  zweiter  Hand,  nämlich  auf 
dem  Wege  der  Übersetzung,  und  zwar  der  Übersetzung  aus  dem 
Semitischen  ins  Indogermanische,  aus  dem  Hebräischen  (oder 
Aramäischen)  ins  Griechische.  Was  das  besagen  will,  das  können 
wir  ohngefähr  ermessen  bei  dem  Gedanken  an  die  Möglichkeit, 
dass  die  Schriften  des  Alten  Testamentes  lediglich  durch  die 
Übersetzung  der  Septuaginta  uns  erhalten  wären  und  dass  wir 
uns  von  dem  verloren  gegangenen  hebräischen  Urtext  vorzugs- 
weise nur  mit  Hilfe  dieser  griechischen  Version  ein  annäherndes 
Bild  reconstruieren  könnten.  In  diesem  Falle  würden  die  Über- 
setzungsvarianten  der  Septuaginta  und  der  anderen  griechischen 
Versionen,  welche  jetzt  schon  interessant  genug  sind,  einen  noch 
viel  höheren  Werth  besitzen  als  ein  bei  Vorhandensein  von  Über- 
setzungsvarianten ziemlich  sicheres,  jedenfalls  als  das  einzige 
Mittel,  um  von  da  aus  den  verlorenen  hebräischen  Urtext  zu 
reconstruieren.  Dabei  würde  es  unerlässlich  sein,  von  dem 
Charakter  und  der  Methode  der  verschiedenen  Übersetzungen 
klare  Vorstellungen  sich  zu  bilden,  um  durch  die  in  verschiedener 
Weise  gebrochenen  Lichtstrahlen  das  Urbild  annähernd  zu  er- 
kennen. 

Es  gibt  hauptsächlich    eine    dreifache  Art  der  Übertragung 
eines  Textes  aus  dem  ursprünglichen  Sprachidiom  in  ein  anderes: 

a)  eine  buchstäblich-wörtliche,  gesetzlich  ängstliche, 

b)  eine  den  Urtext  möglichst   treu,    aber  in  geistiger  Frei- 
heit reproducierende, 

c)  eine  vom  Urtext  sich  loslösende,  paraphrasierende. 

Für  alle  drei  Arten  haben  wir  auf  dem  Gebiete  der  biblischen 
Übersetzungen  charakteristische  Beispiele.  Die  buchstabisierende 
Übersetzungsmethode    hat   bekanntlich  Aquila   bis   zum  Excess 


HO  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

ausgebildet,  indem  er  dem  griechischen  Sprachgeist  zum  Trotz 
z.  B.  das  hebräische  Accusativzeichen  durch  övv  oder  "Vaxb  durch 
T(ß  Xiystv  oder  das  n  locale  durch  das  enklitische  ös  wiedergab 
und  so  die  Hebraismen  dem  griechischen  Sprachidiom  in  ver- 
letzender Weise  aufdrängte.  Gilt  von  dieser  Methode:  to  yQdfifta 
axoxxEivsi,  so  bietet  doch  eine  darauf  erbaute  Übersetzung  die 
meisten  Handhaben,  um  den  Wortlaut,  das  ygäf/fia,  des  Urtextes 
zu  verificieren,  bezw.  zu  reconstruieren.  —  Diejenige  biblische 
Übersetzung,  welche  dem  Ideal  einer  den  Urtext  in  geistiger 
Freiheit  und  zugleich  in  möglichster  Treue  reproducierenden 
Version  am  nächsten  kommt,  ist  ohne  Zweifel  die  deutsche  Bibel 
Luthers.  Dieselbe  lässt  trotz  allen  Durchdrungenseins  vom 
deutschen  Sprachgeiste  den  Urtext  in  den  meisten  Fällen  der 
Hauptsache  nach  wohl  erkennen.  Wer  mit  der  Art  der  luthe- 
rischen Bibelübersetzung  vertraut  ist,  dem  fällt  es  z.  B.  nicht 
schwer,  mit  Hilfe  der  deutschen  Psalmen  den  hebräischen  Ur- 
text annähernd  zu  reconstruieren.  —  Paraphrastische  Bibelüber- 
setzungen liegen  in  den  jüdischen  Targums  vor.  Dieselben  sind 
Übertragungen  der  hebräischen  Texte  in  das  aramäische  Idiom, 
doch  so,  dass  sie  zuweilen  den  Charakter  „auslegender  Um- 
schreibung" angenommen  haben  und  den  Übergang  bilden  zu  den 
haggadischen  Bearbeitungen  alttestamentlicher  Bücher.  Es  ist 
klar,  dass  dieselben  „wegen  ihrer  freien  Behandlung  des  Textes 
eine  mehr  begrenzt  textkritische  Bedeutung  haben"  (Vgl.  Buhl. 
Kanon  und  Text  des  A.  T.  S.  170.  171)  und  dass,  wenn  der 
hebräische  Urtext  verloren  wäre,  sie  zur  Reconstruktion  des- 
selben das  am  wenigsten  sichere  Material  liefern  würden. 

Aber  auch  die  beste  Übersetzung,  die  dem  Ideale  einer  solchen 
am  meisten  nahe  kommt,  wird  einen  Hiatus  zwischen  Version 
und  Urtext  übrig  lassen,  eine  Kluft,  die  niemals  völlig  überbrückt 
werden  kann,  als  höchstens  innerlich  nur  von  dem,  welcher 
beider  Sprachen  mächtig  und  von  ihrem  Geist  durchdrungen  ist. 
Jeder  Übersetzung  haftet  ausserdem  eine  unvermeidliche  Be- 
schränktheit an,  da  es  von  jeder  Übersetzung  gilt,  „dass  sie  eine 
bestimmte  Exegese  des  betreffenden  Textes  voraussetzt",  mithin 
eine  Verengerung  des  Ursinnes  involviert.  Dies  ist  besonders 
bei  Übersetzungen  aus  dem  vieldeutigen  hebräischen  Idiom  der 
Fall,  wie  man  aus  der  Mannigfaltigkeit  der  Septuaginta -  Texte 
und  der  späteren  griechischen  Tochterversionen  so  recht  deutlich 


§  S.  Die  griechischen  Übersetzungen  des  vorcanoniscben  Evangeliums.  \\\ 

ersehen  kann.  Eine  Fülle  von  Varietäten  in  der  Wahl  synonymer 
Worte  und  in  der  grammatischen  Deutung  der  unvocalisierten 
Verbalformen  sowie  in  der  Gestaltung  des  Satzbaues  ergibt  sich 
von  selbst,  wenn  die  Aufgabe  gestellt  wird,  das  semitische  Idiom 
in  das  griechische  zu  übertragen.  Der  erste  Wurf  ist  hier  ganz 
besonders  schwierig;  die  späteren  Übersetzer  können  dann  leicht 
verbessern  und  das  begonnene  Werk  vervollkommnen. 

Diese  Analogien  muss  man  sich  gegenwärtig  halten,  um  den 
Weg  zu  verstehen,  den  die  junge  Kirche  gegangen  sein  wird,  als 
an  sie  die  Notwendigkeit  herantrat,  ihre  in  hebräischer  oder 
aramäischer  Sprache,  jedenfalls  in  einem  semitischen  Idiom,  ver- 
fässte  älteste  und  wichtigste  Quellenschrift  durch  eine  Über- 
setzung ins  Griechische  weiteren  Kreisen  zugänglich  zu  machen. 
Die  Thatsache,  dass  sämmtliche  neutestamentliche  Schriften,  unter 
ihnen  auch  die  judenchristlichen,  wie  das  erste  canonische  Evan- 
gelium, der  Jakobusbrief  und  die  Apokalypse,  originaliter  grie- 
chisch geschrieben  sind,  ja  dass  auch  das  judenchristliche  tvayythoi' 
xa&  'Eß(>aiovg  zuerst  in  griechischer  Sprache  vorhanden  gewesen 
ist  und  erst  später  eine  Version  ins  Aramäische  erlitten  hat,  be- 
zeugt unleugbar  die  frühzeitige  und  allgemeine  Vorherrschaft  des 
griechischen  Idioms  in  den  ältesten  christlichen  —  auch  den 
judenchristlichen  —  Gemeinden.  Insbesondere  erweisen  die  drei 
ersten  canonischen  Evangelien  das  frühzeitige  Bedürfniss  der 
jungen  Kirche,  die  evangelischen  Stoffe,  die  originaliter  in 
hebräischer  Sprache  und  Schrift  niedergelegt  waren,  alsbald  auch 
in  griechischer  schriftlicher  Hermeneuse  zu  besitzen. 

Hierbei  entstehen  nun  verschiedene  wichtige  Vorfragen:  Ist 
den  drei  synoptischen  Bearbeitungen  des  vorcanonischen  Evan- 
geliums eiue  schriftliche  Übersetzung  desselben  in  griechischer 
Sprache  vorausgegangen?  Oder  haben  die  drei  synoptischen 
Evangelisten  und  ebenso  die  anderen  neutestamentlichen  Schrift- 
steller, welche  jene  vorcanonische  Evangelienschrift  benützten, 
direkt  aus  dem  hebräischen  Urtext  geschöpft?  Lassen  sich,  wenn 
eine  schriftliche  Übertragung  des  hebräischen  Urevangeliums  ins 
Griechische  frühzeitig  stattgefunden  hat,  etwa  verschiedene  Über- 
setzungstypen nachweisen?  Vielleicht  in  der  Weise,  da^s  ähnlich 
wie  bei  den  alttestamentlichen  Übersetzungen  eine  erste  noch  an 
starken  Hebraismen  leidende  Version  spätere  Revisionen  erfahren 
hat?     Hat  etwa  hierbei  die  noch  lebendige  mündliche  Evangelien- 


H>2  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

tradition  ebenfalls  mitgewirkt?  Haben  die  altchristlichen  Schrift- 
steller, welche  des  Hebräischen  noch  kundig  waren,  zwar  eine 
griechische  Version  des  Urevangeliums  benützt,  aber  vielleicht 
gleichzeitig  ex  suis  gelegentliche  Veränderungen,  bezw.  Ver- 
besserungen, der  griechischen  Texte  vorgenommen?  Haben  viel- 
leicht Abschreiber,  welche  ebenfalls  mit  dem  hebräischen  Sprach- 
idiom vertraut  waren,  bei  Vervielfältigung  der  griechischen 
Handschriften  jenes  vorcanonischen  Evangeliums  ein  ähnliches 
Verfahren  eingeschlagen?  Ist  der  Zustand  des  Urevangeliums, 
wie  ihn  Papias  schildert:  Max&aloq  fihv  ovv  Eßgatöi  dialhtxcp 
rä  Xoyia  ovvEygdtpaxo,  ?}Qfi?jvsvos  d'avxä  coq  i]v  dvvaxoq 
txaöxog  —  sowohl  auf  die  mündliche  Übertragung  durch 
Hermeneuten  (=  Methurgemanim)  als  auf  schriftliche  zusammen- 
hängende Übersetzungen  des  Ganzen  als  endlich  auch  auf  ge- 
legentliche Verbesserungen  und  Textänderungen  zu  beziehen, 
welche  von  Seiten  der  das  Urevangelium  benützenden  Schrift- 
steller ganz  nach  Bedürfniss  vorgenommen  werden  konnten? 

Wenn  einer  der  auf  dem  Gebiete  der  altchristlichen  Literatur 
thätigen  Forscher  die  Frage  aufgeworfen  hat:  Wo  sind  sie,  die 
mannigfaltigen  Übersetzungen  des  Urevangeliums?  so  antworte 
ich:  Hier  sind  sie,  in  der  nachfolgenden  Sammlung  ausser- 
canonischer  und  canonischer  Parallel  texte!  Und  wenn  auch  nur 
in  zahlreichen  grösseren  und  kleineren  Fragmenten  erhalten, 
bieten  diese  Paralleltexte  doch  ein  so  reiches  und  buntes  Bild 
von  Übersetzungsvarianten,  ganz  ähnlich  der  fragmentarisch  über- 
lieferten Hexapla  (bezw.  Tetrapia,  oder  auch  bisweilen  Oktapla) 
des  Origenes,  ganz  übereinstimmend  mit  der  bezüglich  des 
hebräischen  Matthäusevangeliums  gegebenen  Schilderung  des 
Papias,  so  dass  man  geneigt  sein  muss,  die  sämmtlichen  oben 
bezeichneten  Faktoren  als  mitwirkend  bei  der  Genesis  einer  solchen 
literarischen  Erscheinung  anzunehmen  und  diesen  einzelnen 
Faktoren  in  weiteren  Untersuchungen  nachzugehen. 

Dies  geschieht  am  besten  so,  dass  zuerst  die  wichtigsten 
canonischen  Schriftsteller,  welche  hierbei  in  Betracht  kommen, 
befragt  werden  und  dass  man  dann  auch  die  interessantesten  Er- 
scheinungen aus  der  Buntheit  der  aussercanonischen  Parallel- 
texte hervorhebt. 

An  der  Spitze  der  canonischen  Schriftsteller  steht  in  dieser 
Hinsicht  Marcus  als  der  uns  bekannte  erste  Bearbeiter  des  vor- 


§  S.  Die  griechischen  Übersetzungen  des  vorcanonischen  Evangeliums,  -j  j_3 

canonischen  Evangeliums.  Man  kann  seine  Methode  in  Behand- 
lung der  hebräischen  Quellentexte  auf  der  einen  Seite  als  eine 
eklektische,  auf  der  anderen  Seite  als  eine  paraphrastische 
bezeichnen.  Marcus  nahm  eine  genau  begrenzte  Auswahl  der 
in  der  vorcanonischen  Quelle  enthaltenen  Evangelienstoffe  vor, 
und  diese  letzteren  erweiterte  er  durch  Detailmalerei  (namentlich 
in  der  ersten  Hälfte  seines  Buchs)  in  paraphrastischer  Weise 
nach  Art  der  jüdischen  Targumim.  Als  Jerusalemit  sowohl  des 
aramäischen  Volksdialektes  als  der  hebräischen  Grelehrtensprache 
kundig,  hat  er  vielleicht  schon  als  ]ftä"ir)'0,  als  Dolmetscher, 
einzelne  Partien  des  vorcanonischen  Evangeliums,  wenn  solches 
in  der  hebräischen  Gelehrtensprache  verfasst  war,  dem  aramäi- 
schen Volksidiom  zugänglich  gemacht,  woher  dann  auch  die 
nur  in  seiner  Schrift  zu  findenden  aramäischen  Reste  (Mc.  5,  41; 
7,  34)  auf  natürliche  Weise  sich  erklären  würden.  Später  als 
Reisebegleiter  zuerst  des  Paulus  und  dann  des  Petrus  hat  er 
innerhalb  der  griechisch  redenden  Welt  als  hQfiqvsvTt'jg  (vgl. 
Papias:  N6.qx.oc,  [ikv  tQfiqvevzrjg  JltrQOv  ytvo^Evoq)  oder,  was 
dasselbe  ist,  als  l^änrfß  ähnliche  Dienste  geleistet.  Es  waren 
vielleicht  vorzugsweise  dieselben  Stoffe,  die  er  als  tQfi^vsvr/jg, 
als  )fo-ntyn  mündlich  behandelt  hatte,  die  er  in  seinem  Evan- 
gelium schriftlich  fixierte;  es  war  jedenfalls  dieselbe  Methode, 
die  er  dort  wie  hier  übte.  Man  kann  den  Charakter  des  Marcus- 
evangeliums nicht  besser  bezeichnen,  als  dadurch  dass  man  es 
einen  —  durch  selbstständige  und  werthvolle  evangelische  Er- 
innerungen bereicherten  —  Targum  zu  ausgewählten  Partien 
des  hebräischen  Urevangeliums  nennt.  Wie  nun  oben 
gezeigt  worden  ist,  dass  die  jüdischen  —  in  aramäischer  Sprache 
verfassten  —  Targumim,  d.  h.  paraphrastischen  Übersetzungen 
alttestamentlicher  Schriften,  zur  Feststellung  des  hebräischen  Ur- 
textes jener  alttestamentlichen  Bücher  nur  wenig  beitragen,  so 
verhält  es  sich  ähnlich  mit  dem  neutestamentlichen  griechischen 
Targum,  worin  Marcus  gewisse  Partien  des  Urevangeliums  be- 
handelt hat.  Zur  Reconstruierung  des  zu  dem  Urevangelium 
gehörigen  hebräischen  Quellentextes  bietet  Marcus  uuter  den 
drei  synoptischen  Evangelisten  am  wenigsten  sicheren  Anhalt. 
In  seiner  Paraphrase  sind  einzelne  urtextliche  Bestandteile  zwar 
noch  zahlreich  vorhanden,  aber  nur  mit  Schwierigkeit  sicher  zu 

Texte  u.  Untersuchungen     X.  8 


•JU  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

erkennen.    Namentlich  gilt  dies  von  den  bei  Marcus  überwiegen- 
den erzählenden  Partien. 

"Wenn  nun  liier  noch  die  Frage  übrig  bleibt,  ob  Marcus  als 
tQfi9]V£vr^g  oder  "'crrr'C  des  hebräischen  Urevangeliiims  ledig- 
lich direkt  aus  dem  Urtext  geschöpft  oder  zugleich  eine  oder 
mehrere  etwa  schon  vor  Abfassung  seiner  Schrift  vorhanden 
gewesene  Übersetzungen  des  ürevangeliums  mit  benutzt  habe, 
so  kommt  uns  hier  die  Annahme  des  Prof.  Marshall  entgegen, 
welcher  an  einer  Anzahl  von  Stellen  eine  zweifache  Übersetzung 
des  Quellentextes  bei  Marcus  gefunden  zu  haben  glaubt.  (Vgl. 
Expositor  Dec.  1891.  S.  441.  445.  446).  Soweit  jedoch  die  von 
Marshall  beobachteten  Erscheinungen  auf  Verderbniss  des 
hebräischen  Textes  und  auf  daraus  hervorgegangenen  Missver- 
stand des  Hermeneuten  zurückgeführt  werden  sollen,  ist  eine 
solche  Annahme  gerade  bei  Marcus,  wie  oben  bemerkt,  von  vorn- 
herein völlig  auszuschliessen.  Auch  sind  Pleonasmen,  wie  Mc. 
1.  32:  otplac  dh  ysvofiivrjg,  ort  löv  o  rjZiog,  von  denen  der 
eine  Theil  Mt.  8,  16:  oiplag  de  yevofitvrjq,  der  andere  Theil  Lc. 
4,  40:  övvovrog  dh  tov  fj/.lov  aufgenommen  ist  (vgl.  Weiss 
Marcusevangelium  S.  67),  oder  Mc.  7.  21:  eöco&sv  ex  xyg  xag- 
öiag,  von  denen  Mt.  15,  19  nur  ex  rrjg  xagdiac,  in  dem  Text  bei 
Epiphanius  (p.  490  B  C)  nur  sOcod-sv  sich  wiederfindet,  auf 
den  paraphrastischen  Charakter  der  von  Marcus  geübten  Text- 
behandlung zurückzuführen.  Gleichwohl  steht  der  Annahme, 
dass  Marcus  bereits  zwei  Versionen  des  ürevangeliums  gekannt 
und  benutzt  habe,  kein  Bedenken  entgegen.  Wenn  Paulus  schon 
einen  bestimmten  Übersetzungstypus  erkennen  lässt,  so  war  die 
betreffende  paulinisch-lucanische  Version  des  Ürevangeliums  selbst- 
verständlich schon  vor  Abfassung  des  Marcusevangeliums  vor- 
handen. Noch  älter  dürfte  die  hebraisierende  Version  gewesen 
sein,  welche  der  erste  Evangelist  benutzte  und  deren  Spuren  im 
Marcusevangelium  nicht  selten  sich  verfolgen  lassen.  Immerhin 
aber  besitzt  das  paraphrastische  Marcusevangelium  für  die  Frage 
nach  den  verschiedenen  Ubersetzungstypen  des  Ürevangeliums 
nur  eine  secundäre  Bedeutung. 

Ganz  andere  und  viel  wesentlichere  Dienste  leistet  in  dieser 
Hinsicht  der  erste  Evangelist,  zumal  durch  die  Vergleichung  mit 
Lucas.  Dass  der  Verfasser  des  ersten  canonischen  Evangeliums, 
obwohl    griechisch    schreibend,    des    Hebräischen    kundig    war 


§8.    Die  griechischen  Übersetzungen  des  vorcanonischen  Evangeliums.  U5 

zeigen  jene  alttestainentlichen  Citate,  die  er  ex  suis  dem  Tenor 
der  Erzählung  eingeflochten  hat  und  in  denen  er  sich  gegen- 
über der  alexandrinischen  "Übersetzung  der  LXX  als  selbststän- 
digen Kenner  des  hebräischen  Textes  erweist.  An  und  für  sich 
wäre  es  also  wohl  möglich,  dass  der  erste  Evangelist  zugleich 
der  Urheber  der  von  ihm  benutzten  Version  des  Urevangeliums 
gewesen  wäre.  Dass  sowohl  ihm  als  Lucas  ein  griechischer 
Text  der  Quellenschrift  vorgelegen  hat,  erkennt  man  an  der 
in  gewissen  Partien  überraschenden  und  auch  in  den  Differenzen 
niemals  ganz  aufhörenden  Übereinstimmung  beider  Redaktoren. 
Durch  die  Hebraismen  aber,  welche  in  der  Version  des  ersten 
Evangelisten  vorwalten,  wird  es  wahrscheinlich,  dass  dieselbe 
noch  älter  war  als  der  in  den  Briefen  Pauli  erkennbare  Über- 
setzungstypus und  folglich  von  dem  ersten  Evangelisten  bereits 
vorgefunden  sein  dürfte. 

Von  den  Hebraismen  der  von  dem  ersten  Evangelisten  be- 
nützten Version  seien  im  Folgenden  einige  charakteristische  Bei- 
spiele mitgetheilt. 

Sowohl  Mi  16,  26  als  Mt.  20,  28  ist  *tit:  wörtlich  mit  ztjv 
ipvyjjV  avzov  wiedergegeben,  wo  der  paulinisch-lucanische  Über- 
setzungstypus Lc.  9, 25  (=  Mt.  16, 26)  und  1.  Tim.  2,  6  (=  Mt.  20,  28) 
den  Hebraismus  vermieden  und  ittls:  mit  tccvzov  übersetzt  hat. 
Ahnlich  verhält  es  sich  mit  Mt.  12,  40:  ev  ty  xagdig  tfjg  yrjq  = 
n^~xn  2ba,  wo  Cod.  D.  zu  Lc.  11,  30  mit  Beseitigung  des 
Hebraismus  den  Text  mit  der  Lesart:  hv  zy  yf]  darbietet.  Auch 
der  Hebraismus  raxsivog  zfj  xagölq  =  !"P"i  5  Et?  ist  in  den  ältesten 
Kirchenschriftstellern,  wie  Clemens  Born.,  Herrn.,  Barn.  u.  A.  durch 
das  gut  griechische  xaüiEivocpQCOV  ersetzt.  (Vgl.  Agrapha  S.  276). 
Ebenso  (Mt.  15, 19)  dürfte  der  Ausdruck  ex  tfjg  xagöiaq  =  lbn~'pü 
auf  einer  wörtlich  hebraisierenden  Version  beruhen,  da  die  bei 
Epiphanius  (p.  490  B  C)  citierte  Textgestalt  sCcod-sv  dem  Con- 
texte,  in  welchem  es  sich  um  den  Gegensatz  von  innen  und 
aussen  handelt,  besser  entspricht.  Hebraisierend  ist  die  Über- 
setzung des  "HN  mit  eh  Mt.  8,  19  (==  xig  Lc.  9,  57),  ebenso 
Mt.  22,  35  (=rig  Lc.  Kl.  2.".'.  nicht  minder  Mt.  19,  16  (=  rig 
Lc.  IS,  IS),  desgleichen  des  "insn  mit  6  eh  Mt.  24,  40  (=  o  ere- 
Qog  Lc.  17,  36),  und  des  nni*  mit  ?)  pia  Mt.  24,41  (=  /)  Izega 
Lc.  17,  35).  Besonders  interessant  ist  die  bei  dem  ersten  Evan- 
gelisten   (niemals    bei   Lucas)    zu   findende   hebraisierende   Über- 

S* 


116  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

Setzung  von  !n*FjPniJn  mit  jtqoöxvveTv,  nicht  in  der  auch  dem 
Griechischen  eigentümlichen  Bedeutung  „anbeten",  sondern  in 
der  dem  griechischen  jcqooxvvsTv  (von  xvvslv  küssen)  fremden 
Bedeutung  „sich  beugen,  niederfallen".  Vgl.  Mt.  8,  2:  jcqoosxvvsi 
=  Lc.  5,  12:  jcsomv  hm  jcgöooijcov  =  Mc.  1,  40:  yovvjcsrojv, 
Mt.  9,  18:  jcqoösxvvsi  =  Lc.  8,  41:  jcsOcop  naget  zovg  jcoöac. 
Mc.  5,  22:  jcijctsi  jegog  rovg  jcoöaq,  Mt.  15,  25:  jcqoösxvvsi  == 
Mc.  7,  25:  jcqoosjcsosv  jcqoc,  xovq  jcööag,  auch  Mt.  18,  26:  jcqoö- 
sxvvsi =  inPE^,  wo  zwar  controlierende  Parallel -Varianten 
fehlen,  aber,  da  es  sich  um  einen  Mitknecht  handelt,  der  Begriff 
des  „Anbetens"  ebenfalls  ausgeschlossen  ist.  Marcus  hat  jcqoOxv- 
vslv  =  ninFiTön  in  der  Bedeutung  „niederfallen"  nur  einmal  (vgl. 
Mc.  5,  6:  JCQOOsxvvrjösv  =  Lc.  8,  28:  jcqoosjcsosv),  Lucas  dagegen 
in  seiner  Übersetzung  niemals.  Weitere  Hebraismen  zeigen  sich 
im  ersten  Evangelium  z.  B.  noch  an  folgenden  Stellen:  Mt.  11,  8: 
oIxol  xeov  ßaöiZsmv  —  D^Vb^  ^fia  oder  tPZhlän  rrhsn  = 
Lc.  7,  25:  ßaolksia,  ferner  Mt.  6,  1:  öixawövvrj  =  !"J]3~3?  =  Clem. 
AI.  p.  427:  slsi)noovv7],  in  besonders  charakteristischer  Weise 
Mt.  18,  3,  wo  das  dem  griechischen  ozQacpr/rs  zu  Grunde  liegende 
ÜW'lj,  wie  S^iü  nach  hebräischem  Sprachgebrauch  auch  sonst 
häufig,  die  Wiederholung  der  im  folgenden  Verbum  ausgedrückten 
Handlung  bezeichnen  sollte  und  wo  daher  die  alexandrinische 
Version  (siehe  unten)  den  Mt.  18,  3  festgehaltenen  Hebraismus: 
sav  [ii]  OTQCtcp?]TE  xal  ysvrjOds  mit  vollem  Bewusstsein  ver- 
mieden hat  durch  die  griechisch  richtige  Übersetzung:  sav  (irj 
avfrig  ysvr/ods.  Zu  den  Hebraismen  des  ersten  canonischen 
Evangeliums,  bezw.  der  ihm  zu  Grunde  liegenden  griechischen 
Version  der  vorcanonischen  Quellenschrift,  gehört  namentlich 
auch  der  Ausdruck:  ■//  ßaoilsia  rmv  ovgavmv  =  r\  ßaotXsla  rov 
&eov  =  Q^BJfl  TCQb'ü,  sofern  Ü^ÜDSil  jüdischer  Ersatz  des  Gottes- 
namens geworden  war.  Es  wird  dabei  nicht  ausgeschlossen, 
dass  auch  in  der  lucanischen  Version  des  Urtextes  bisweilen  ein 
Hebraismus  stehen  geblieben  ist,  wie  z.  B.  Luc.  21,  19:  rag 
ipvvaq  vficöv  =  ÖDTÜS3  —  Marcion:  vosmet  ipsos,  savrovg,  an 
welcher  Stelle  mit  Hilfe  der  aussercanoniseben  Paralleltexte  die 
Identität  des  lucanischen  Textes  mit  Mt.  24,  13  =  Mc.  13,  13  = 
Mt.  10,  22  quellenmässig  festgestellt  werden  kann.  Trotz  solcher 
Ausnahmen  liegt  der  hebraisierende  Charakter  auf  Seite  der  von 
dem  ersten  Evangelisten  benützten  Version,  welcher  Umstand  es 


§  8.  Die  griechischen  Übersetzungen  des  vorcanonischen  Evangeliums.  \\7 

wahrscheinlich  macht,  dass  dies  die  älteste  Version  des  Ur- 
evangeliunis  gewesen  ist.  Der  Unterschied  derselben  im  Vergleich 
zu  der  lucanisch-paulinischen  Version  zeigt  sich  hie  und  da  auch 
in  kleinen  Feinheiten,  z.  B.  in  dem  tJtr/ivcoozscv  Mt.  11,  27,  wo 
La  10,  22  und  1.  Cor.  S,  2  yivcoGxstv  steht,  in  dem  sjuQqzeZv 
Mt.  12,  39  =  Mt.  16,  4,  wo  Lucas  und  Paulus  (Lc.  11,  29;  1.  Cor. 
1,  22)  CflTElv  vertreten,  in  dem  xcctccxvqisvelv  Mt.  20,  25 
(=  Mc.  10,  42;  1.  Petr.  5,  3),  wo  die  paulinisch-lucanische  Version 
Lc.  22,  25;  2.  Cor.  1,  24  xvqieveiv  bevorzugt  —  Feinheiten,  in 
welchen  von  paulinischer  oder  antipaulinischer  Tendenz  oder 
sonstiger  Absichtlichkeit  nicht  die  Rede  sein  kann.  Diese  und 
ähnliche  Beispiele,  wo  Lucas  und  Paulus  in  der  Version  zusammen- 
treffen, sind  in  nachstehenden  Verzeichnissen  durch  den  Asteriskus 
markiert. 


tbersetziiiigsvariauten  bei  Lucas  gegenüber  Matthäus. 


Lucas 


Matthäus 


Hebräisch 


3, 

3 

EQXEO&at 

8 

CCQXEG&ai 

4, 

9 

aysiv 

13 

*ajioGx7li'Lu 

39 

avaGxtjvai 

6. 

23 

GxiQzav 

38 

UVXlftEXQElV 

29 

XVJIX8LV 

29 

jiagtytLV 

7, 

O 

EQooxav 

32 

xXmelv 

8, 

16 

ajixEiv 

20 

dtlttv 

9, 

2 

lÜG&ai 

10, 

3 

aQVEg 

6 

ävaxafijtzEtv 

22 

*yiVO)GX£lV 

24 

fttZeiv 

11, 

29 

%7JXElV 

4ü.  52 

vofiixog 

3,  1 
9 

4,  5 
11 

8,  15 

5,  12 

7,  2 
5.  39 

39 

8,  5 

11,  17 
5,  15 

12,  46 
L0,8;  14,14 

10,  16 
13 

11,  27 

13,  17 

12,  39 
23,  13.  14 


jiaQayiv£G&ciL 

N;2 

ÖOXELV 

—   ? 

xccQaZafißdvEiv 

arnn 

arfitvai 

nEi,  :in 

lytLQEG&at 

=?P 

cr/aXkucG&ai 

b^a 

HbXQElV 

Tpa 

QCCJciC,ElV 

r\-r\ 

GXQbfpELV 

man 

jtagaxaXElv 

bxizJ 

XOJlXEG&ai 

~EC 

XaiELV 

pib-rn 

C,TjXElV 

■173 

&EQOJCEVSIV 

SEI 

jiQoßaxa 

O'itfbü 

IjlLGXQÜftlV 

rp.iö 

EJtiytVmGXELV 

?-p 

Ltili  cuii)' 

*>*'  v^n 

hüiiCflxslv 

tffcs 

yQafifiaxsvg 

nc-o 

iis 


Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 


Lucas 

Matthäus 

11. 

47.4S 

*<XJCOy.TEi)'£tV 

23, 

31 

(pOVEVElV 

49 

i:'lx.öi<öy.zir 

34 

Öicoxeiv 

12. 

33 

dicupttiigeiv 

6, 

20 

aq>aviC,8iv 

33 

eltTjfioövvt] 

6; 

1 

öty.atoövrrj 

39 

aqpievat 

24, 

43 

eäv 

IT) 

*/iedvox£Gfrai 

49 

[i£&VUV 

51 

boxtfr 

10. 

34 

roidZtir 

52 

öiaiaQLCttv 

35 

öiyayeiv 

56 

öoxifid&iv 

10, 

3 

diaXQlVELV 

58 

c.nycov 

5. 

25 

y.QiT/jJ: 

14, 

16 

ÖeZjcvov 

22. 

2 

yatuoi 

15, 

4 

ajtöXXvoihca 

L8, 

12.  13 

jiZcurco&ai 

4 

y.araXdjceiv 

12 

arpitvai 

17, 

3 

tJtniUi'r 

15 

llbjyjiir 

24 

Xafijtscv 

24. 

27 

cfcdvEOftcu 

27 

EGÜU-W 

38 

TQcoyuv 

37 

GOJfJO. 

28 

jtTOjua 

19. 

21.22 

avGzt/Qoq 

25, 

24 

gxZtjqoq 

21. 

23 

*äväyy.?j 

24, 

21 

d-XityiQ 

22. 

ls 

ajto  rov  vvv 

26, 

2'.i 

ajcugri 

69 

ajio  rov  vvv 

64 

<  rrc.QTL 

Hebräisch 


rpsn 
mrjfj 

■na 

-ins 

zrj 


UbersetzungsTarianten  bei  Lucas  seseiiüber  Marcus. 


Lucas 


Marcus 


Hebräisch 


6,  9 

ajioXXvvcu 

3,  4 

cuioxteiveiv 

r-'cn 

8,  28 

jIQOGji'mTUV 

5,  6 

JTQOGXVVÜV 

jrnprn 

8,  39 

dirjyelGflcu 

5,  19 

djiayysXXeiv 

■jian 

10,  4 

ßaGrdC,£iv 

6,  8 

CLLQEIV 

KTÖ3 

13,  19 

av^avur 

4,  32 

dvaßaivEiv 

rb$ 

L8,  22 

XeImeiv 

10,  21 

VGZEQtlV 

-ion 

21,  4 

*VGT£Qt]lia 

12,  44 

VGZtQ?jGll 

■Yiorna 

§  8.  Die  griechischen  Übersetzungen  des  vorcanonischen  Evangelium?.   {  {9 


Übersetzungsvarianten  bei  Lucas  gegenüber  Marcus 
und  Matthäus. 


Lc. 

Mc. 

Mt. 

5.  27 

deäofrai 

2,  14 

9,  9 

lÖslV 

rvsn 

31 

vyicävcov 

17 

12 

loyvcov 

pin 

6,  13 

.-rQoGcpmveiv 

3,  13 

10,  1 

jiQoöxalaioficu 

^  *npT 

8,  13 

*öex£G&cu 

4,  16 

13,  20 

lafißccvsiv 

'-? 

13 

d<ploraoßca 

17 

21 

0xavda).L£sG&cu 

büb? 

28 

ävaxQaCsiv 

5,  7 

8,  29 

xgäCeiv 

"P'JZ 

37 

tQcoxav 

17 

34 

jtagaxaXeii' 

bau 

9,  1 

övyxaZsiöd-ai 

6,  7 

10,  1 

jiQOGxaXslGd-ai 

sng 

10 

ötrjytTöd-cu 

30 

14,  12 

ajtayyilXEiv 

-\)n 

10,  11 

('.rrour.GüeGd-ca 

11 

10,  14 

sxrivdöösiv 

-;;: 

!1.  22 

vixav 

3,  27 

12,  29 

öeeiv 

m 

22 

*jcavoüt)da 

27 

21) 

GXEVTj 

ü^übü 

12.    11 

*jcz>'/  f 

13,  9 

10,  IS 

rjyefimv 

tivh 

11 

*k§ovaia 

9 

18 

ßaCiZsvq 

wbw 

14,  27 

tQ/eö&ai 

ojtioco 

8,  34 

16,  24 

c.y.oAovthlv 

-ins  *jbn 

18,  39 

Giyar 

10,  4S 

20,  31 

oiwjtäp 

nun 

20,  22 

*g)OQO? 

12.  14 

22,  17 

XTJVÖOQ 

c^ 

22.    L9 

*£vyaQi6Teiv 

14,  22 

26,  2«; 

EvXoyslv 

ra 

20,11.12 

*1^c.jtogtD- 

Xuv 

12,5.0 

21,  36    djtoorsXXecv 

nbra 

22.  25 

*XVQISVSCV 

10,  42 

20,  25    y.ataxvQisv£iv 

br'-q 

25 

tsovaiaCtiv 

42 

25 

xare^ovGiaCsip 

ttbä 

47 

(pilelv 

1  1,  45 

26,  49 

xc.Tcapi/islv 

?fy 

23,  10.22 

jiaiösvsii' 

15.    15 

27,  26 

qpQayeZZovv 

13? 

39 

ßkaog)Tjfielv 

32 

39 

övscöl^siv 

r^n 

53 

/Lageveiv 

4G 

60 

XazofiEiv 

yböä  21— 

26 

<pig£iv 

21 

32 

aiQElV 

S1Ö3 

120 


Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 


Übersetzuiigsvariauten  zwischen  Lucas,  Marcus, 
Matthäus. 


Lc. 

Mc. 

Mt. 

5,   12 

ütiüixuv  sjiI      1,  10  yovvjitxstv 

8,  2    'xqooxvveTv 

ninryafti 

XOÖOCOJIOV 

21 

xliviöiov 

%  11 

xgaßaxxoq 

9,  6 

xZlvj] 

V~}% 

26 

cpoßov 

12 

t^ioxaoilai 

8 

(poßeio&ai 

rr-nzjn 

8,  24 

tjrioxäxt]q 

4,  38 

öiödoxakog 

8,  25 

XVQIOQ 

ian 

-12 

aütod-vfjöxeiv 

5,  23  loyärcoQ  v/uv 

9,  18 

xeXevxäv 

in*na 

49 

jialc, 

1 1  jt  cudiov 

25 

XOQ('(ÜlOl> 

rn*3 

17,  2 

AVOiXilÜ 

9,  42  xaXov  iöriv 

L8,  6 

OVflCßtQSl 

rrin 

18,  2:. 

TQVJfia 

in,  2:. 

TQV(iaXid 

19,  24 

xQVjcrjfta 

aßa 

20,  2:! 

*jtarovayia     12.  15  vjiÖxqlöiq 

22;  18 

jrovrjQia 

nw 

23 

xaxavosli' 

15 

siÖsvai 

18 

yivooöxELV 

iij 

Aus  vorstehenden  Proben  von  Übersetzungsvarianten  ersieht 
man,  wie  der  von  Lucas  befolgte  Übersetzungstypus  von  den 
Matthäus-  und  bzw.  Marcusparallelen  abweicht,  doch  so,  dass 
die  Varianten  eine  Abstammung  aus  gemeinsamer  hebräischer 
Wurzel  erkennen  lassen.  Durch  die  beigefügten  Asterisci  ist 
die  Verwandtschaft  des  lucanischen  und  paulinischen  Über- 
setzungstypus angedeutet.  Indem  hierfür  auf  die  späteren  Ein- 
zeluntersuchungen  —  namentlich  in  den  „Canonischen  Evan- 
gelienparallelen" —  verwiesen  wird,  möge  doch  das  nachfolgende 
Verzeichniss  von  „paulinisch  -  lucanischen  Evangelien- 
parallelen"  einen  vorläufigen  Einblick  in  das  betreffende  Ver- 
wandtschaftsgebiet darstellen  und  zeigen,  dass  hier  in  der  That 
eine  gemeinsame  Version,  bzw.  Recension,  des  ursprünglich 
hebräischen  Evangeliums  die  Quelle  dieses  besonderen  Verwandt- 
schaftsverhältnisses sein  muss. 


§  8.  Die  griechischen  Übersetzungen  des  vorcanonischen  Evangeliums.   121 


Pauliniseh-lucanische  Evangelienparallelen. 

Lucas.  Paulus.  Hebräisch. 

Lc.  3,  7.    tyvyelv  djio  i  Rom.  5,  9.  Oco&rjoo-     rr^n  ^"C  t:*"2n': 


(ie{ha    öl      avxov 
äjiö  xf/q  oQytjg. 


r7j2  (leXXovörjg  oq 
yfjgy.10.  12.  14.  D. 

xi  jiou'jom^av,  Ire. 

0  O)  0  CO  n  E  V. 

Lc.  3.  14.  öxoax  evo-  1.  Cor.  9,  7.  xigoxoa- 

(lEPOl  —   dgXElOß-E  XEVEXCCl      lÖloig 

xolq        otycovioiq  otycovioig  jcoxe ; 

vtucöv. 

Lc.  4,  1.     /J'/eto   Iv  Rörn.  S,  14.     xvev- 

xcö  jiVEiiiaxL.  fiart  &-EOV  ayovxai. 
Gal.  5,  15.  JtvEV- 
fiaxL  ayEO&E. 

Lc.  4,13.    6  öidßoXog  2.   Cor.    12,    S.      Iva 

ujitoxri    üji    av-  äxooxfj  ajt Sfiov. 

xov. 

Lc.  4,  14.    iv  x]}  Öv-  1.  Cor.  2,  4.     sv  ctjto- 

VCCflEl    XOV  31VEV-  ÖELQSL  JCVEV [ICCTOQ 

fiaxog.  xal  övvdfiswg. 

Lc.  6,  21.  [taxccQLOL  ol  1.  Cor.  7,  30.  olx/.al- 

xlaiovzsg      vir.  ovreg  a>g  fi?}  xXal- 

OXl    '/E/MOiXE.  OVTEg. 

Lc.  6,  35.    oxl  avxog  Rom.  2,  4.     xo  yo?]- 


yorjGxog  töxiv. 
Just.:  yiveö&s  öl 
XQrjOxol  xal  olx- 
VLQfiovsg  cog  xal  6 
xazij{>  vficov  XQV" 
Gzoq  toxi. 


OXOV    XOV  &EOV    — 

xov  üiXovxov  x^q 
ZQt]6x6xr]xogav- 
xov.  Epb.  4,  )!2. 
yivEO&E  öe  tlg  aX- 
/.ijXovg  XQTjOToi. 


Lc.  6,  48.     avd-QmncQ  l.Cor.  3, 10.  cog  oocpog 

olxoöofiovvxi      —  dnyixtxxcov  &£(ie- 

ed-ijxsv        d-Efit-  Xlov  S&Tjxa. 
Xiov. 

Lc.  7,  S.      uvdoojjtög  Rom.  13,  1.  2.   iZov- 

sifiLVJco  e^ovöiav  olaiz    vjieqexqv- 

raooö/iEvog.  ötug      vstoraoot- 


szn 


n*na  kw 


>i-ß)2  bin 


nwi  trvate 


:^rzn  tun«» 


sin  aita  "»s 


ffoitt  ^n 

wo  n?3  n:2  »"»« 
Tiota 


■jsina    w^x    "r:s; 

1'j':t;n  rnr 


122 


Text-  und  quellenkritiscke  Grundlegungen. 


Lc.  7,  42.  auqoxiooiq 
lyaoloaxo. 

Lc  1,  48.  50.  dgtcj)'- 
xal  oov  al  afiaQrlai 
—  i]    jtloxiq  oov 

OEOCOXEV  ö£.  JTOQEV- 
OV   EIC    ElQ?jV?]V. 

Lc.S,  l'2.xiox£voar- 
xeq  öoi&cooiv. 


Lc.  8, 1 3.  ü  £  xa  y  a  g  a  g 
ÖEyorrai     Tor 
löyov. 


Lc.  9,  26.  oq  ydg  ap 
sjcaiOyvvfrfj  (is 
xal  xovg  tftovg  2.6- 

yovq.   xovxop   6 
vlöq  rov  avd-Qomov 
s  üta  loyvv  9-t'jo  s- 

TCCl. 

Lc.  9,  51.  zo  jtqoOw- 
jiov  eorr/Qiosv  rov 
xogEVEO&ai  siq 
IeoovOa)J]{i. 

Lc.  10,  1.  ävsdsigev 
[Cod.  D:  djtsöst- 
§ev]  o  xvgioq  xal 
iztQovg  Ißöofirjxop- 
xa  xal  djteOxsi- 
Iev  avxovq. 


ü&co  —  o  avxi- 
xaöOo^ievoq  xij 
etiovoi  a. 

Col.  2.  13.  yagioä- 
(isvoq  rjfitv  jtavxa. 

Rom.  5. 1.  öixaicod  ir- 
rig Ix  ütiöxsojiq 
eIqtjvtjv  tycojtsv 
jiooq  xor  &e6p. 
Vgl.  Eph.  2.  8. 

1.  Cor.  1,  21.  Gcöoai 
rovg  jcioxevov- 
xaq. 

Rom.  1.  10.  elq  Oco- 
xrjgiav  xavxl  xm 
jcioxevovxi. 

l.Th.  1,6.    ös^dits- 
roi  rov  Xöyov — - 
ffsxd  yagäq. 
l.Th. 2, 13.  £ÖE~a- 
od-E  —  Xoyovdsov. 

Rom.  1.  16.  ov  ydg 
£  x  a  loyv  v  o  fiaixo 
EvayyElior.  2. Tim. 
1,  12.  ovx  hüiai- 
oyyroiiai.  2. Tim. 
1,  8:  ,«/}  ovv  £jtai- 
oyvvd-fjg  xo  ftag- 

XVQLOV  rov  XVQLOV. 

Rom.  15,  25.   vvvl  öh 

7t0Q£V0{iai  Elq 
iEQOVOalyfi. 

1.  Cor.  4,  9.     6  d£Öq 
rjfiag    astoöxo- 
Xovq     Eöydxovq 

CCJt£Ö£l§£V. 


'nibtft  iab  ?fb 


vtjim  5i:^«i 


nira'ra  isti 


TAX     WIT53  ^2 

töirp  tn«?jrjs  qx 


nabb  1150-tiK  du 


D^inx    o^at; 
anbaf*- 


§  8.  Die  griechischen  Übersetzungen  des  vorcanonischen  Evangeliums.    123 


Lc.  10,  7..  a^iog  ydo 
o  eoydx?]g  xov 
fiiOd-ov  avxo  v. 


Lc.  10,  S.  tofriexe 
tu  jtaoaxi&tue- 
va  vfiZv. 

Lc.  10,  16.  xai  o  dd-e- 

T(OV         VflCtQ       lue 

dfrexef  6  de  sfiE 
('.frexcöv  dd-exel 
xov   djtoöxei/.arxä 

(l£. 

Lc.  10,  21.     Marcion 
ap.Epiph.  p.  329  B. 
evyaoioxcö  öoi, 

XVQISZOV  OVQCCVOV. 

Epiph.  Haer.  XL,  7. 
p.  29SB.  evyaoi- 
gxoj  ool,  ütaxsQ, 
xvQts  ovgavcöv  xai 

im- 

Lc.    11,    7.       ff//     HOL 

xojcovq  üiägeye. 
Syr.Cur.Mt.  20,  13. 

fl ))     [10  L     xojcovq 

st  co  eye. 
Lc.  11,  22.    xi]v  uz a- 

rojtXiav      avxov 

aioei. 
Lc.  11,  29.     ?]   yeveci 

avrrj    —     Gt]ueiov 

£t]xeZ. 
Lc.  11,  35.     öxojtei 

ovv ,    in)    xo    gx5q 

xo  ev  ool   oxbxoq 

ioxiv. 


1.  Tim.  5,  IS.  Xsysi 
ydg  ?/  yoacp/]-  — 
o.c,i0  2  o  egyaxtjq 
xov  [UGftov  av- 
xov. 

1.  Cor.  10,  27.  jcäv  xo 
jiaoaxi&efiei'oi' 
vuiv  iod-lexe. 

1.  Thess.  4.  S.  xoi- 
yaoovv  o  a&excöv 
ovx  av&Qcojtov  d- 
frexeZ    aZld    xov 

&EOV. 

Rom.  1,  S.  evyaoi- 
oxo~j  xro  d-ecö  uov 
&«'ZÄ>.Epü.5.2i>. 
evyccQiOxovvxeq 
—  xcö  &eq3  xai 
jtccxQi.  Vgl.  1.  Cor. 
1,4.  Phil.  1,3.  Col. 
1,3.12;  3,17.  l.Thess. 
1,2;  2,  13  u.  ö. 

Gal.  6,  17.  xojtovq 
{toi  (irjdelq  jtage- 
ytrco. 


Eph.6,11.  u'övöaod-e 
xi)v  jtavoüilia v 
xov  deoi. 

1.  Cor.  1,  22.  %v- 
öaloi  OfjiieTa  —  £77  - 

TOVÜLV. 

Gal.  G,  1.  oxojiöjv 
ösavzov,  in)  xai 
öv  jniQCtodfjq. 


vnrra  = 


EDlna      riT-z-' 

ann  inix   nrzn- 
"iiösrna    nria 

■^nbr 


*:;-\vp-rx 


"^rrs  sr^ 


124 


Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 


Lc  11,  41.     xal  löov 
jtdvxa      xa&aqd 

VfllV   £ÖXIV. 


Lc.  11,  49.  öid  xolxo 
xal  )j  öo(pia  xov 
freov  eijrev. 

Lc.  11.  49.  ajtooze Xcö 
dg  avxovg  jiqo- 
(f  i]raq  xal  ccjco- 
OxoXovq. 


Lc.  1 1 ,  49.  xal  st) 
avxoöv  axox.x£- 
vovoiv  xal  lx- 
öicoBovöiv. 


Lc.  1 ! .  52.     xal  xovg 

HOtr>ZO(ltVOVQ  s x oo- 

Zvöaxs.  [Mt.23,32. 
xal  vfielg  jcZijqco- 
oart     xo     (isxgov 

xeov  ziaxioaiv 
Vficov]. 

Lc  11,  53.  7/Qsavxo 
ol  ygafifiazeig  xal 
ot  (paoiöaZoi  deivajg 
Ivtyjtiv  xal  dxo- 
oxofii^siv  avxöv. 

Lc.  12,  11.  oxav  ös 
dötybQGJöiv  vfiüg 
tJil  rag  ovvaycoydg 
xal  rag  äo%ag  xal 
rag  £c,ovoiag. 


Rom.  14,  20.  Jiavxa 
fiev  xad-aQa. 

Tit.  1,  15.  üiavxa 
xa&aoa  xolg  xa- 
daooig. 

l.Cor.  2.  7.  Xalovfiev 
&sot  ooty'iav  Iv 
fivörrjQicp. 

1.  Cor.  12,  28.  Idtxo 
o  &sog  iv  xf]  ix- 
xXrjöla  jiqo'jxov 
djcooxöXovg}Ö£v- 
xzqov  JiQo<pyxag. 
Vgl.  Eph.  2,20;  3,5. 

1.  Thess.  2,  15.  xojv 
xal  xov  xvqiov 
d  üi  oxx  t  iv  äv x  o)  v 
'frjöovv  xal  xovg 
jtQO<p?/xag  xal  ?/tuäg 
ixöico$ü.vx  cor , 
v.16.  xojAvovxojv 
tjfiäg  xolg  sd-vsoiv 
lalyöai  'iva  öco- 
&ä>6iv,  ug  xo  dva- 
üilfiQcooai  avxcöv 
xo.g  dfiagziag  jeav- 
xoxs. 

Tit.  1,  10.  11.  ol  ix 
xijg  ji£Qixo[Ujg,  ovg 

Ö£l  £JllOXOUl££lV. 


Rom.  13,  1.  i$ov- 
oiaig.  v.  3.  ol  yaQ 
aoyovx £g.  Tit. 3,1. 
d(>  %aig[xal]  £  $o  v- 
Oiaig  vjioxdoö£- 
o&ai. 


niJTü  bin   nsm 
öS 


a^n/bsn  nüpn 


Wi  ^aini  :nri 


rny:E  csarrnKi 


-n»  DTaao  uns1] 


ro»J»B 


SOr«  W^  "IE8D1 

n^Msrnpa-b» 
d*n»inn    ^sb* 


§  S.  Die  griechischen  Übersetzungen  des  vorcanonischen  Evangeliums.   125 


Lc.  12,  11.  [ii]  tu£Qi- 
l(r/jG?/XE.  Jicoq  t]  xl 
an  o  Xoyt'jGrjGd-  e. 

Lc.  12,  20.  depo  cor, 
zavT)j  Tij  vvxxl. 

Lc.  12. 14.  av&Qcoxs, 
xlq  {*£  xxX. 

Cod.  D.  p.  205b.    av- 
d-gcojte .    d    fiev 
oiöaq  zr/.. 

Lc.  12.  35.  egxommv 
varöv  ai  oöqpveq 
jcsQie^ooOfisvoi. 

Lc.  12.  42.  xlq  dga 
euTir  o  7i igt 6g 
oixovoiioq. 

Lc.  12.  45.  ag§tjxai  — 
eöd-Luv  tb  xal  jtl- 
velv   xal   fis&v- 
öxEOd-at. 

Lc.  12.  46.  xo  iit'gog 
ai-Tov  fisra  xcov 
äjCLÖTCOV    d-TJGei. 

Lc  13,  24.  dycov't- 
^egü-e  eIgeX&eiv 
öta  xr\q  GxEvtjq 
ß-vgaq. 


Lc.  13,  27.  ajtoGxrjTE 
aüt  tuov  jtdvxEq 
igyäxcu  ddixiaq. 


Lc.  14.  27.     oGxtq  ov 
ßaoxa^si      xbv 
özavodv  tavxov. 


Phil.  1,  IG.  sig  aiio- 
Xoylav  xov  evay- 
ysXlov  xelfiat. 

1. Cor.  15,36.  acpgcov, 

OV    O    GjtEtgELq. 

Körn.  2,   1.      co    av- 

d  QCOJIE  ,  Jtäq  o  XQl- 

vcov.  v.  3.     co  av- 
&gcojt£  xxX. 

Eph.  6, 14.   öTTJxe  ovv 

JtEQtZfO  6  ä  HSV  OL 

r  ))r  6  Offvvvfi  co  v. 
1.  Cor.  4,  2.  C^xslzai 
ev  xoiq  oixovo- 
uo  i  q  .  iva  jciGxoq 
TIC,  svQsd-y. 

1.  Thess.  5,  7.    ol  fit- 

&VGXOUEVOL  VVX- 

xoq  [t£&vovGiv. 

2.  Cor.  6, 15.  xlq  fiEolq 
jiiGxcö  fiExa  auzi- 
Gx  ov; 

1.  Tim.  6,12.  dym- 
viC,ov  xov  xaXov 
dycöi-a  xijq  jx'l- 
GXEcaq.  Vgl.  2.  Tim. 
4,  7.  tfycovi6fiai 
xxX. 

2.  Tim.  2,  19.  doxo- 
ox/jxco  ccjco  äöi- 
xl aq  jtäq  o  ovo- 
LiaCfiov    xo     ovoiia 

XVQLOV. 

Gal.  6,  17.  xd  Gxiy- 
iiaxa  xov  '///Gov  iv 
xcß  Gcofiaxi  f(ov 
ßaoxd^co. 


iTffitö",  ;:c 


r-r™--  :2X;  bnn 


z-  ipbn  irn 


iaibs~r>8 


126 


Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 


Lc.  14.  34.  xaXbv  xb 
äXam  eäv  öh  xal  xo 
aXa  ficooavdij,  tv 

TlVl        CiQT  V&7J08- 

ti'.i: 
Lc.  15,  32.   ovroc  vs- 
xQog     >[V    xal 

£  ZljOEV. 

Lc.  16,  2.  cmodog  xov 
Xoyov  xi]g  oixo- 
v  oft  lag  oov. 


Lc.  IS.  1.  sXeysv  de 
jtaoaßoXijv  avxofg 
jiodq  ro  ötlv  jiäv- 
rors  xqoO£v~/£- 
oOai  avxovg 


xai  fitj  syxaxslv. 


Lc.  18,  9.  sijtsv  6h 
tiqÖq  xivag  xovg 
Jisjcoid-oxag  Iq? 
havzolg. 

Lc,  20,  11.  13.    ega- 
jitoxsiXav    — 
x£firpco   xov  vlöv 
H  o  v. 

Lc.  20, 22.  25.  l&oxiv 
r  [tag  Kaiöaoi  <po- 


Col.  4, 6.  o  Xbyog  vftcöv 
jtavxoxe  kv  yaQlTl' 
aXaxt    tjoxvut- 
vog. 

Köm.  6,  13.  jcagaoxt)- 
oaxs  savxovg  xcö 
deop  030el  ex  Va- 
xom v  L^mvxaz. 

1.  Cor.  9,  17.  olxo- 
voftiav  Jiixiöxsv- 
[mu.  Col.  1,  25. 
xctxo.  xrjv  olxo- 
vofiiav  xov  &sov 
x))v  öod-uoav  hol. 

Rom.  1, 10.  üiävxoxs 

tJTL       XCOV       JIQOÖ- 

£vy<ür  (iov  Ssöfis- 
vog.  Col.  1,3.  Jtäv- 
xoxs  jiQoosvyo- 
ft£voi.      2.  Thess. 

1,  11.     JIQOO£VXO- 

[i£&a  jcdvxoxe. 

2.  Cor.  4,  16.  öio  ovx 
lyy.axovf.iEv. 

Gal.  6,  9.     [ir]  lyxa- 

xöjfiev.  Epli.  3,  13. 

öio     aixovftai    fit) 

eyxax£lv. 
2.  Cor.  1 , 9.  iva  fir)  ot  £  - 

jioi&6x£g      cofiev 

h(p    kavxoig. 

Gal. 4, 4.  £$aüi£Ox£i- 
Xev  o  &£og  xov 
vibv  avxov. 

Rom.  13,7.  äji6öox£ 
Jiöoiv  xag  6<f>£iXag, 


bsn    rnn   rbrtir\ 


tt*  na  rrn  nr 


-n^ps  pawn  jrg 


"PEn  b'zzrn't 


nimms  vb*- 


-^r;3  D'intaa 


isa-rx  nnsc» 


§  S.  Die  griechischen  Übersetzungen  des  voreanonischen  Evangeliums.    [27 


qov  öovvai  Tj  ov; 

—      CCJtÖÖOXE       XIX 

Kcdoagog  Kcdoctoi. 
Lc.20,23.  xaxaro?'/üag 
öl   avxcov   xt)v 
ütavovQyiav. 

Lc.  20,  35.    ol  öh  xa- 

Ta$lCO&£VT£G 

xov    cdcövog    ixel- 
vov. 
Lc.  20,  38.     &eog  öh 

OVX     %ÖTIV    VEXQCOV 

dXXa     ^covxcov 
jiävxEQ  yäo  avxcp 

Zcööl  V. 

Lc.  21,  4.  ajtccvxegyccQ 

OVXOl    EX    XOV     3CE- 

Qcooevovxog  av- 
xolg  eftalov  — , 
avrt/  öh  ix  xov 
vöTEQijfiarogav- 

*%■ 
Lc.  21,  22.  ort  rjfieocu 

Ixöcx/jöEwg    av- 

xai  üöiv. 


Lc.  2 1 ,  23.  töxtu  yäo 
—  oq'/i)  xcö  Xacö 
xovxco. 

Lc.  21,  23.  toxai  yaQ 
dvc'cyx//  iteyähj  Ijcl 
T7jc  yrJQ. 

Lc.  21,  24.     ciXQt  ov 
x).nQa)l>d)6iv 
xatool  tdvcov. 


xco     rov     (fooov 

XOV    tpOQOV. 

Eph.  4,  14.  ev  ütav- 
ovgyla  jiQog  xt)i> 
fiE&odiav  x>jg  jc?m- 
vrjg. 

2.  Thess.  1,  5.    dg  xo 
xarat-ico&rjvai 
i\uäg  xf/g  ßaCilsiag. 

Rom.  6,  11.  Ccövxag 
xcö  d-scp.  14,  S.  iär 
xe  yäo  ^cöiiev ,  xcö 

XVQICO  L,cöfl£V.  Gal. 

2.  19.      Iva   Vecö 
z?j6co. 
2.  Cor.  S.  14.    iva  xcä 

XO  EXeLvOOV  jttQlö- 

Osvfia  yivrjxac  eiq 
VC  VflOÖV  voxt- 
QTjfia. 


2. Thess.  1,8.  öiöovxog 
exöixijoiv    xolg 
(i/)  siöoöiv  xdl  xolg 

(19]      VJtaXOVOl'OLV 

xcö  svayyt/Jrp. 

1.  Thess.  2,  16.  EcpVa- 
oev  öh  ex  avxovg 
[sc.  rovg  'Iovöaiovg] 
/}  orr/i]   eig  xtXog. 

1.  Cor.  7,  2G.  öia  xt)v 
hvtGxiöoav    dvccy- 

X7]V. 

Rörn  11,25.  ayoigov 
xo  jtZ//Q(0(ia  xcöv 
e&vwv  eiödlfry. 


CT2 


zr-c—j-ra  y-p 


z^n'bsn 


•r  z^n  zu 


rr'zr.'ü'c  arrr 


n-zn  öj?$-^  *> 


rns    ny-    ^ 
TT^sz  nbi-p 

mrr  >it-'c~  ^--r 
D*nan 


128 


Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 


Lc.  21,  28.    ölötl  sy- 
yiC,£t   rj   dxoXv- 

XQCOGlC    VflCOV. 


Lc.  22,  7.  ?]Z&ev  6h  i) 
7jfi£Qa  xcov  a^v- 
ficov  [Syr.  Cur.  xov 
jiäöya},   ev   fj    Iöel 

d-vsG&cu  XO 
jiaoya. 

Lc.  22,  19.  xalXaßcov 

CCQTOV      £V%CtQl- 

GxrjGaq   exXaöev 
xal  eöcoxev  avxolq 

Xiycov   rovro 
loxiv    xo    ocöfia 

flOV       XO       VJCEQ 
V tU  CO  V     ÖlÖÖßEVOV ' 

rovro    jcoiEirs 
slqtfitjv  ävcctuv?]- 

GlV. 

Lc.  22,  20.     xal   xo 

JCOXTjQlOV  cooav- 
xcog  fiexa  xo  ösi- 
jcvr\Gai  Xtycov 
rovxo  xo  jcorrj- 
qlov  ?]  xaivi]  öia- 
&rjxr]  ev  reo  aifia- 

XI     flOVj     xo     VJCEQ 

v[icov  EX.yvvö[iEvov. 


Lc.  22,  25.  ol  ßaöiXüq 
xcöv  efrpäiv  xvqi- 
evovgiv  avxcöv. 

Lc.  22,  37.  xal  yag  xo 
jceqI    Etuov    riXoq 

SXEL. 


Rom.  8, 23.  sv  hccvrolc 

GXEvd^OjiEV    VIO&S- 

oiav     djiExÖE'/6tuE- 
voi,   rrjv  djcoXv- 

XQC061V. 

1.  Cor.  5,  7.  xal  yao 
xo  Jtdoya  7/ficöv 
Exv&t]  XqiGxoq. 


1.  Cor.  11, 23.  24.  eXcc- 
ßsv     aoxov     xcd 

£v%ctQiGx?]öaq 
txXaöEvxal  eljcev  ' 

XOVXO  (10 V  8  ÖTC  V 
XO  GiOfia  XO  VJCEQ 
V[iä)V    \xXü){l£VOV, 

d-QVjlxÖ[i£VOV\' 
XOVXO      ÜIOIEIXE 

slq     xi)v     E[irjv 
dvdiuv?]Giv. 
1. Cor.  11,25.  ojoav- 
xcoq  xal   xo    jco- 

Xf'jQlOV    flEtd    xo 

ÖEijcvr/Gai  Xe- 
yrnv  rovxo  xo 
jcoxi'iQLOV  ?}  xai- 
vi) diaih?']x?j  EGxXv 
ev  xrö  k[icp  aiftaxi' 
xovxo  jcoieixe,  oGa- 
xiq  käv  jcivi]X£,  slq 
rrji'Enrivdväjiv7]GLV. 

2.  Cor.    1,   24.      ovy 

Ort  XVQlEVOflEV 
VjlCOV. 

Rom.  10,  4.      rEXoq 
yag  vöuovXoiGxoq. 


öDinns  ;-QipT  13 


la-ns-r    nttx 
nosn 


DIE] 


oisrrnsröa  ig\ 


ans  sfttJir 

i2tp — 15?  X3 


§  8.    Die  griechischen  Übersetzungen  des  vorcanonischen  Evangeliums.     129 


Lc.  22, 53.  avxrj  soxlv  I  Col.  1,  13.  bq  sgvOaxo 
vficöv  r\  coga  xal  ?)  ?][iäqsx  xr/q  sgov- 
oiaq  xov  0x6- 
rovq. 
2.  Tun.  2,  9.  xaxo- 
jiad-cö  {isygi  öso- 
jioov  coq  xaxovg- 
yoq. 


s§ovoia  xov  oxo- 
xovq. 
Lc.  23, 33.  sxslloxav- 
goiöav    avxov   xal 

xovq     xaxovg- 
yovq. 


sjcnn  fobtS 


Lc.  23,  43.     o?jtuegov  2.  Cor.  12,  4.  ort   ?}g- 

(«£t'    stuov   so?]    sv  jcäy?]  slq  rov  jca- 

xco  jiaoadeioq).  gaösioov. 

Lc.  24,25.    o?  avoi}-  Gal.  3,  1.  co  ävo?/xoi 

toi  xxX.  ralarai. 

Act.  1,  7.     ovy  vfioöv  1.  Thess.  5,  1.    Jtsgl 

soxlv  yvcövai  ygo-  ös    xcöv   ygövcov 


11125?  rrrw  ö'i*n 
wn  "non  iin 

n?lb  DD5  so 


vovq  i]  xaigovq, 
ovq  6  3taxt)g  sfrsxo 
ev  xrj  iöia  sgovoiq. 


xai  xov  xaigoov 
—  ov  yjgsiav  sysxs 
vfilv  ygäysoü-ai. 


Wie  die  Verwandtschaft  der  paulinischen  Evangelien- 
parallelen  mit  der  vorcanonischen  Quellenschrift  auch  in  die 
anderen  beiden  synoptischen  Evangelien  hineinreicht,  wo  luca- 
nische  Paralleltexte  fehlen,  ersehe  man  aus  folgenden  Proben. 


Lbersetzungsparallelen  zwischen  Paulus 

Mt.  5,  14.  vfislq  sOxh  j  Phil.  2,  16.   <palvsofrs 

xo  (pcäq  rov  xoo- 

fiov.  v.   16,  ovxwq 

Xafixpäxco  xo  cpcöq 

vfimv. 
Mt.  5,  14.  ov  övva- 

xat  JiöXtq  xgvßrj- 

vai    xxX.     v.    16. 

OTioctq  lömöiv  vfioov 

xa  xaXä  sgya. 
Mt,  5,  37.    soxco  öh  6 

Xoyoq   vftcov    vat  j 

val,  ov  ov. 

Texte  u.  Untersuchungen  X 


coq    (poDöxrjgsq    sv 
xoOftcp. 


1.  Tim.  5,  25.  ojoav- 
xcoq  xal  xä  sgya 
xa  xaXa  —  xgv- 
ßijvai  ov  övvav- 
xai. 

2.  Cor.  1,  17.  Iva  fl 
nag'  sfiol  xö  val 
val  xal  xo  ov  ov. 


und  Matthäus. 

öVüm  nix  ans 

n31;X  "ISO   ]2 


inrrb?  nyoa  -p* 
-insnb  b?lh  xb 

in  aDini  w  tfs? 
sb  xb  p 


130 


Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 


Mi  10,   16.    yiveo&s 

ovv  (fQOVii.ioi  cog 
ol  oqpsig  xal  axi- 
gaioi  wg  al  xeoi- 
Gxsoai. 
Mt.  11,29.  oxi  XQctvg 
elfii  xal  xajteivog 
rfj  xaoöia. 


Mt.  13,44.  ofioiaiorlv 
?)     {MOi/.eia     xcov 

OVQCWCQV     &?}GaV- 

Qfö  xsxQVfifievqj. 

Mt.  18,  3.  iav  //>} 
Gxoacfijxe  xal  yi- 
vr/G&scog  ra  jcai- 
öla. 

Mt.  18,  20.     ov    yäo 

slOlV    OVO    >}     TQ£lc 
ÖVVffYfiSVOl    HQ    XO 

Eftov  ovo/ia. 

Mt.  20,  4.    xal   o  lav 
Ölxaiov     ö co 0(0 
Vp.lv.  v.   12.   iöovg. 

Mt.  20,  15.  /}  ovx 
si-söriv  [iOL  ö  d-tXoo 
jtoirjöai  ev  xotg 
sfioZg; 

Mt.  20,  22.  ovx  ot- 
öaxe    xl  aixelG&e. 

Mt.  20,28.  xal  öov- 
vai  xt)v  ipvyfjv 
avxov  Zvtqov 
dvxl  jtoXXcöv. 


Rom.  16,  19.  &eXco  de 
v/nag  oocpovg  eivai 
dg  rö  äya&ov, 
axegalovg  öe  sie 
ro  xaxöv. 

2.  Cor.  10,  1.  öiä  xi]g 

jioavTt]Tog    xal 

ijiieixelag       xov 

XqiGxov,  og   xaxa 

jiqogcojiov  fihv  xa- 

JtELVOg. 

Col.  2,  3.  ev  co  elolv 
üiävxeg  oi  &r/Gau- 
Qol  xfjg  oocplag  xal 
yvojüsmg    äjioxnv- 

CfiOl. 

1.  Cor.  14,  20.  Jtai- 
öla  ylveo&e  xfj 
xaxia. 

1.  Cor.  5,  4.  ev  xcö 
ovofiaxi  xov  xv- 
q'iov  'Jtjoov  Gvv- 
ay&e'vxcov. 

Col.  4,  1.  xo  ölxaiov 
xal  x))v  iGoxrjxa 
xoig  ÖovXoig  Jiaoe- 
yeöfre. 

Rom.  9,  21.  y  ovx 
eyei  sgovölav  6  xe- 
oa/ievg  —  xoir/- 
oai; 

Rom.  8,  26.  xl  jtoog- 
tv^coiieOa  xafro 
öel  ovx  oiÖafiev. 

1.  Tim.  2,  6.  6  öovq 
eavxov  avxlX  v  xoov 
vji'eo  jtdvxcov. 


nrrtsen   is»  13 


v5    rtth    'pfcf-ä« 
^ü"a  rrir-b 


itf»  nx  Bwrrj  x'b 

■pxn?p, 

ibs    i©öa    nnbi 

=^an  rnn 


§  8.    Die  griechischen  Übersetzungen  des  vorcanonischen  Erangeliums.  131 


Mt.  22,  40.  iv  xav-  |  Gal.  5, 14.  6  yao  jtäg 
rccig  xaig  övolv  1  voftog  iv  evl  Xo- 
ivxoXalg     olog     6  ycp    jcejcX/jqojtgi. 

votuog  xQEfiaxai.  Rom.  13,  8. 

Mt.  23,32.  y.cä  vuüg  [  1.  Thess.  2,  IG.  eiq  xo 
xXrjocooaxe      xo  avajcX?jQcöoac 

xcöv    Jia- 


tltXQOV 
XtQCOV. 

Mt.  24.  12.  61a  xo 
jt h)d  vpfrijvai  xijV 
dvouiav. 


avxcov  xag  auao- 
xiag. 
2.  Thess.  2,7.   xo  yäo 
uvoxt/oiov   i)6i] 
ivEQyelxai     x?jg 
av  oft  lag. 
Rom,  14,  10.   Jtavxsg 
yao    Jtaga Gxrjoo- 
(iE&a    xcö   ßt'/iiaxt 
xov    Xqloxov.     2. 
Cor.  5.  in. 
Mi  25,  34.    öevts  01    Eph.  1,  3.   Jtax?}o  — 
EvXoyqpsvoi  6   EvXoyj'/oag    >)- 


Mt.  25,  31.   xoxe  xa 

d-lO£l     IjCL     &QOVOV 

döl^j.  avxov.  v.  33 

XOI    6X1]  GEL   XxX. 


xov  jraxgog  uov, 
xh/oovof/r/GaxE 
xi/v    )jxotiiaG[it- 
v  ?]  v  vfiiv  ßaoiXtiav 
ajio    xaxaßoXyg 

XOÖflOV. 

Mt.  25,  40.  icf  öoov 
etcoi  1]  öazssvi  xov- 
xeov  xoJv  cötXcpcöv 
tuov     xcöv     iXayi- 

GXCOV,  E[X0\  tJtOt/j- 

oeexe. 


(lag  —  v.  4.  jcqo 
xaxaßoXfjq  xoo- 
fiov.  2,  10.  ijcl 
toyoig  äyafroig  01g 
rroofjxoltua0£2>  o 
0-eog. 
Col.  3,  23.  0  luv  3101- 
i}x£,  ix  ipv/J/g 
inyc'c^Eoßs,  mg  xcö 
xv  q  Leo  xdi  ovx 
avß-QCOjtoig. 


rjsspjir^rpnca 
Benins  rna 


nan?  n©»  <nns7 


SE2   by  atth   ts 
iTiaa 


-;nsr  irTr^nt 
B,,"r:rsn  TST2 
rr^r- *b  n'sxn 


1)  Der  Übersetzer,  dem  der  erste  Evangelist  folgte,  las  irrthümlich 
unvocalisirt  ihr  (--=•'--  =  xq^iuvi  tu)  anstatt   *"-r   (=  As  =  nt7i'/.i\oojvxai). 


132 


Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 


Übersetzungsparallelen  zwischen  Paulus  und  Marcus. 

mYüä 


Mc.     1,    14.      X?]QV6- 

öcov  xo   svayys- 
Xiov  xtjq  ßaoiXsiag 
rov  dsov. 
Mc.  1,  15.   xal  Xsyon> 
oxi  jiejrAr/Qcorai 

0  xaiooq.      Cod. 
Q.jisjiZy  q  cor  rat 

01  XCUQOl. 

Mc.  7,  18.    xal  Xejei 
avxolq'     ovxcoq 
xal  v(islq  aovvExoi 
eoxe; 

Mc.  9,  50.  xccl  eIq?]- 

vevexe    £V    dVj'j- 
Xolq. 


1.  Thess.  2,  9.  Ixi]- 
Qvgafiev  dg  v\uäq 
xo  EvayyiXiov 
xov  &eov. 

Eph.  1,  10.  dq  oixo- 
voiäav  rov  JtXt]- 
qc6  fiaxoq  xcöv 
xaiQcöv.  Gal.  4,  4. 

Gal.  3;  3.  ovxcoq 
avoijxo'i  eOxe; 


1.  Thess.  5,13.  elqv 
vevexe  ev  eavxoiq. 


D^n  i»bö  tq^i 


^non 


öd^3  Dib»  im 


An  einer  Anzahl  dieser  Beispiele  kann  man  deutlich  ersehen, 
wie  die  Übersetzung  des  bezüglichen  hebräischen  Stammwortes 
lauten  würde,  wenn  im  lucanischen  Evangelium  der  betreffende 
Paralleltext  erhalten  wäre.     Man  vergleiche 


Hebräisches 

Matthäusversion. 

Paulinisch-lucanische 

Stammwort. 

Version. 

■V*W3 

cpaivsöd-ai 

XäftJVElP 

■ptttt 

XEXQVflftEVOq 

anöxQvepoq 

*W  "^A 

övvrjyfievoi 

övvax&EVXEq 

■jüS«  "pK 

ovx  e^eöxlv 

ovx  £%£i  bBovoiav 

Tb»tf 

alxElö&ai 

JlQ06£VX£6&ai 

iiüip: 

xrjv  ipvyi)v  avxov 

ECCVXOV 

n&3 

Xvxqov 

avx'ilvxQov 

(nbn)  nbD 

XQEftaö&ai 

jtfo]Qovod-ai 

*&a 

jcXtjqovv 

avajih]Qovv 

rann 

jzfaj&vv&fjvcu 

£V£QY£löd-CU 

X55 

ftoovog 

ßfjfia 

§  8.   Die  griechischen  Übersetzungen  des  vorcanonischen  Evangeliums.  133 


■pDH 

T  dw»3 


töxavai 

tzoifiäCEiv 

ajto  xaraßoZijg  x.  x. 

£(jD     OOOP 

dovrszog 
hv  aZZrjZoig 


jiaotöxavai 

jcQoeroifiä^siv 

jigo  xaxaßoZfjq  x.  x. 

o  edv 

avötjxoq 

Iv  kavxolg. 


Bezüglich  der  Varianten  äjioxQvcpog  =  xsxQVfif/svog  ist  nach 
Lc.  8,  17==Mc.  4,  22  =  Lc.  12,  2  =  Mt.  10,  26  derselbe  Va- 
rianten-Wechsel zu  beobachten.  Dass  die  lucanische  Version  die 
Wendung  sgovöiav  v/bw  bevorzugt,  ersieht  man  aus  Lc.  12,  5, 
wo  für  die  Matthäus-Parallele  övvcif/svov  (Mt.  10,  25)  sgovoiav 
lyovxa  zu  lesen  ist.  Zu  iavxöv  =  xrjv  tyvyrjv  ccvxov  =  "t;D2  ist 
schon  auf  die  Parallele  Lc.  9,  25  (lavxov)  =  Mt,  16,  26  Ijrjv 
tpv/rjv  avxov)  hingewiesen  worden.  Dass  die  Composition  mit 
avri  in  ävxiZvxoov  (1.  Tim.  2,  6)  dem  paulinisch-lucanischen 
Übersetzungstypus  entspricht,  zeigt  avxituexQ£iv  Lc  6,  38  = 
[isxQSlv  Mt.  7,  2.  Dass  jrZ/jQovod-ai  wirklich  zum  paulinisch- 
lucanischen  Text  zu  Mt.  22,  40  gehört  hat,  dafür  bürgt  die  Pa- 
rallele bei  Justin.  (Vgl.  die  Erläuterung  zu  Lc.  10,  27.)  Auch 
das  paulinische  avajrZ?]govi'  ist  handschriftlich  beglaubigt.  (Vgl. 
Tischendorf  S.  154  und  die  Erläuterung  zu  Mt.  23,  32.)  Sodann 
findet  sich  ßf]tua  =fro6vog  zu  Mt.  25,  31  bei  Chrysostomus. 
Dieses  und  Anderes  beweist,  dass  die  paulinischen  Varianten  von 
Uranfang  wohl  begründet,  mithin  einem  bestimmten  Übersetzungs- 
typus angehörig  sind,  dessen  Spuren  einerseits  in  den  pauli- 
nischen Briefen,  andererseits  im  lucanischen  Evangelium  sich 
weithin  verfolgen  lassen. 

Dabei  ist  es  bezüglich  des  letztern  von  höchster  Wichtig- 
keit constatieren  zu  können,  dass  abgesehen  von  der  im  Marcus- 
evangelium enthaltenen  Dolmetschung  des  Urevangeliums  Lucas 
wenigstens  zwei  verschiedene  Versionen  des  letzteren  gekannt 
haben  muss.  Wahrscheinlich  wird  solches  schon  in  den  Pa- 
rallelen Lc.  9,  5  =  Lc.  10,  11,  wo  "122  das  erste  Mal  mit  djio- 
xiväoouv,  das  andere  Mal  mit  djio^doOEGfrat  wiedergegeben  ist, 
während  wir  Mc.  6,  11  =  Mt.  10,  14  Lxxivüoouv  lesen.  Werth- 
voller  sind  die  Parallelen  zu  Lc.  9.  24,  wo  der  dritte  Evangelist 
mit  dem  ersten  Mt.  16,  25  aus  der  Marcusversion  öcöocu  herüber- 
genommen hat,  während  Mt.  10,  39  dieselbe  Gnome  mit  svQioxtiv 


1 34  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

und  Lc.  17,  33  mit  jnQijtoirjOaoßai  (wie  Ebr.  10,  39)  und  mit 
C,cooyovBtv  wiedergegeben  ist,  welche  Varianten  sämmtlich  auf  i~pn 
zurückgehen.  Noch  instruktiver  aber  sind  diejenigen  lucanischen 
Stellen,  wo  der  dritte  Evangelist  selbst  zwei  verschiedene  Ver- 
sionen desselben  Quellenwortes  durch  ?}  verbunden  zur  Auswahl 
neben  einander  stellt.  So  liest  Lucas  in  dem  Logion  Lc.  9,  25 
:^uiovo&aL  mit  Mt.  16,  26;  Mc.  8,  36;  Phil.  3,  7.  8,  stellt  aber 
axoXioac,  ?/  vor  £>;// ico&eiq  ein.  Diese  Version  djioXtoai,  welche 
zugleich  mit  ^?]fuovoßai  auf  r^ftWTl  zurückzuführen  ist,  findet 
sich  in  der  Form  ajtoltot}  und  ohne  Verknüpfung  mit  ^uico&fj 
oder  C?jfiia>&sic  —  also  abweichend  und  unabhängig  von  dem 
canonischen  Lucastexte  —  bei  Justin,  Clemens  AI.  u.  Pseudo- 
Ignatius  wieder.  (Vgl.  die  Erläuterung  zu  Lc.  9,  25.)  Ent- 
scheidend für  den  Gebrauch  einer  zweifachen  Version  des  vor- 
canonischen  Evangeliums  von  Seiten  des  Lucas  ist  Lc.  12,  47, 
eine  Stelle,  wo  weder  Matthäus  noch  Marcus  secundiert,  wo 
Lucas  vielmehr  direkt  aus  seinen  Quellen  schöpft  und  ebenfalls 
durch  ?j  verknüpft  üioalv  und  iTOituut,eiv  als  Varianten  von  fitt^ 
zur  Auswahl  darbietet.  Vgl.  Agrapha  S.  68  f.,  wo  die  ausser- 
canonischen  Paralleltexte  des  Origenes  und  des  Ephraem  Syrus 
mit  der  Beschränkung  auf  die  Version  jioistv  (unter  Weglassung 
des  Ixoifiä^sLv)  mitgetheilt  und  erläutert  sind. 

Dabei  ist  es  keineswegs  nöthig,  anzunehmen,  dass  diese 
doppelten  Varianten  aus  Übersetzungen  stammen,  welche  das 
ganze  Urevangelium  umfassten;  es  konnten  sehr  wohl  ganz  par- 
tielle Ubersetzungsverschiedenheiten  vorgelegen  haben,  auf  welche 
Lucas  sich  berief.  Aber  soviel  ergiebt  sich  aus  der  bisherigen 
Entwickelung  mit  Bestimmtheit,  dass  Lucas  sowohl  die  von  dem 
ersten  Evangelisten  als  die  andere  von  Paulus  befolgte  Version 
des  vorcanonischen  Evangeliums  gekannt  und  mithin  auch  be- 
nutzt haben  wird.  Hiermit  ist  aber  auch  der  hinreichende  Er- 
klärungsgrund gegeben  für  die  allseitig  beobachtete  Erscheinung, 
dass  Lucas  bald  wörtlich  mit  dem  ersten  Evangelisten  überein- 
stimmt, bald  in  seiner  Textgestalt  wieder  auffällig  von  dem 
ersten  Evangelium  abweicht,  doch  so,  dass  die  differierenden  Texte 
häufig  noch  die  gemeinsame  hebräische  Quelle  erkennen  lassen  — 
eine  Erscheinung,  durch  welche  nicht  wenige  Kritiker  sich  ver- 
anlasst gesehen  haben,  eine  Benutzung  des  ersten  canonischen 
Evangeliums    neben    seinen    anderen    Quellen    durch    Lucas    zu 


§  8.   Die  griechischen  Übersetzungen  des  vorcanonischen  Evangeliums.  135 

statuieren.  Diese  Annahme  wird  unnöthig  und  überflüssig  durch 
die  Erkenntniss,  dass  dem  Lucas  das  Urevangelium  in 
den  beiden  griechischen  Hauptversionen  vorlag.  Folgte 
er  der  paulinischen  Version,  so  entstanden  die  Differenzen  des 
Ausdrucks  zwischen  ihm  und  dem  canonischen  Matthäus;  folgte 
er  der  von  letzterem  benutzten  Übersetzung,  so  enstand  der 
Schein  der  Abhängigkeit  von  dem  ersten  canonischen  Evangelium. 

Es  giebt  aber  auch  Fälle,  wo  sämmtliche  drei  synoptische 
Evangelisten  in  der  Wiedergabe  des  hebräischen  Urtextes  über- 
einstimmen und  dennoch  die  gemeinsame  Übersetzung  nicht  zu- 
treffend ist.  Der  interessanteste  Fall  derart  liegt  Lc.  18,  19  = 
Mc.  10,  18  =  Mt.  19,  17  vor,  wo  trotz  der  verschiedenen  Text- 
fassungen alle  drei  Evangelisten  darin  zusammentreffen,  dass  sie 
ein  Masculinum  äyafrog  voraussetzen,  während  es  sich  nach  dem 
bei  Matthäus  am  besten  erhaltenen  Urtexte  um  das  Neutrum 
xo  dya&öv  gehandelt  hat.  Dies  erkennt  man  aus  der  Frage 
Mt.  19,  16:  xi  äya&ov  noirfim;  und  aus  der  Gegenfrage  Mt.  19, 17a: 
xi  tus  eomxäg  xsqI  xov  dyado v;  wozu  der  Satz  gehörte  iSiain  ~nX, 
welcher  wie  Mt.  19,  17b  allerdings  mit  slq  sOxlv  0  äya&ög  über- 
setzt werden  konnte,  aber  nach  hebräischem  Sprachgebrauch  auch 
die  Übersetzung:  tv  xo  aya&öv  —  zuliess,  —  eine  Übersetzung, 
welche  nach  dem  Zusammenhang  allein  und  ausschliesslich  der 
ursprünglichen  Intention  Jesu  entsprach.  Dieses«'  xo  aya&ov  — 
renkt  alle  Glieder  des  Contextes  ein  und  bereitet  das  Folgende 
vor,  sofern  das  tv  xo  dya&ov  für  Israel  in  den  mosaischen  Ge- 
boten (Mt.  19,  18  f.)  seinen  massgebenden  Ausdruck  gefunden  hat. 
(Vgl.  das  Nähere  in  der  Erläuterung  zu  Lc  18,  19.)  Dabei  ist 
hier  nur  noch  zu  bemerken,  dass  alle  dem  eiq  eöxlv  0  ayafrög 
angefügten  Zusätze  targumartige  Erweiterungen  des  Urtextes 
sind,  welcher  sich,  wie  Mt,  19,  17  erkennen  lässt,  auf  liEH  inx 
=  ev  xo  aya&öv  —  beschränkte. 

Entsteht  schon  bei  Beschränkung  auf  die  canonischen  Texte 
und  die  innercanonischen  Evangelienparallelen  eine  Fülle  von 
Beobachtungen,  sobald  man  das  Prinzip  der  Übersetzungsvarianten 
anerkennt  und  zur  Anwendung  bringt,  so  ist  dies  in  nicht  minder 
hohem  Grade  der  Fall  bei  Hereinziehung  der  aussercanoui- 
schen  Paralleltexte.  Von  denselben  gilt  im  Allgemeinen  Fol- 
gendes: sie  weichen  unter  einander  und  von  den  Evan- 
gelienparallelen genau  in  derselben  Weise  ab,   wie  die 


136  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

synoptischen  (und  ev.  apostolischen)  Paralleltexte  von 
einander.  Mit  anderen  Worten:  trotz  der  gesteigerten  Buntheit 
und  Vielgestaltigkeit  des  Bildes,  welches  man  durch  Herbeiziehung 
der  aussercanonischen  Texte  von  den  synoptischen  Evangelien- 
parallelen gewinnt,  bleibt  eine  höhere  Einheit  und  durchsichtige 
Einfachheit  bestehen,  sobald  man  hinter  der  Mannigfaltigkeit 
der  Varianten  den  einheitlichen  hebräischen  Quellentext  sucht 
und  dabei  erkennt,  dass  dieser  den  verschiedenen  Versionen, 
Recensionen,  Redaktionen  der  griechischen  Parallelen  allenthalben 
zu  Grunde  liegt.  Nachstehende  Proben  aussercanonischer  Über- 
set  zungsvarianten  mögen  das  Gesagte  illustrieren. 


§  8.   Die  griechischen  Übersetzungen  des  vorcanonischen  Evangeliums.  137 


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>?  8.  Die  griechischen  Übersetzungen  des  vorcanonischen  Evangeliums.  145 

Handschrift  in  §  4.  A  habe  ich  bereits  darauf  hingewiesen,  dass 
die  aussercanonische  Textrecension,  mit  welcher  speciell  das  Lucas- 
evangelium in  diesem  Codex  auftritt,  zu  erklären  sei  aus  dem 
Einfluss  einer  Übersetzung  des  Urevangeliums,  verwandt  der- 
jenigen, welche  von  dem  ersten  Evangelium  benützt  worden  ist 
und  dass  eben  hierin  die  von  Credner  gesuchte  „unbekannte 
Autorität"  zu  finden  sei,  auf  welche  die  kühne  Textrecension  des 
Lucasevangeliums  nach  dem  Codex  D  sich  stütze,  indem  hieraus 
auch  die  zahlreichen  scheinbaren  Conformierungen  des  Lucastextes 
nach  dem  Matthäustexte  sich  erklären. 

Einige  Beispiele  solcher  scheinbaren  Conformierungen  seien 
hier  mitgetheilt.     Cod.  D  liest 

Lc.    4,    5  anstatt  x?jq  olxov[itvi?g  mit  Mi  4,  8  xov  xoöfiov 

Lc.  11,  51   anstatt  xov  djcolof/svov  ähnlich   wie  Mt.  23,  35    ov 

iyovsvöav  (Mt.:  ov  ttyovsvöaxe) 
Lc.  13,  24  anstatt  iöyvoovöiv  mit  Mt.  7,  14  evqijgovgiv 
Lc.  15,    4   anstatt    xaxaXsijtsi    ähnlich    wie   Mt.    18,     12    dcpbjöi 

(Mi:  ä(peiq) 
Lc.  20,  31  anstatt  xaxiliTtov  ähnlich  wie  Mc.  12,  20  a(fif\xav  (Mo.: 

aytjxev) 
Lc.  20,  23  anstatt  jcavovoyta  mit  Mt.  22,  18  jtov?jQia. 

Es  ist  ja  gewiss  möglich,  dass  einer  der  späteren  Abschreiber 
des  Codex  diese  und  ähnliche  Varianten,  wie  Tischendorf  an- 
nimmt, „e  Matthaeo"  herübergenommen  habe;  aber  wahrschein- 
lich ist  es,  wie  ich  oben  gezeigt,  deshalb  nicht,  weil  dann  ein 
Abschreiber  viel  radicaler  mit  den  zahlreichen  aussercanonischen 
Varianten  aufgeräumt  und  viel  erfolgreichere  Conformierungen 
vorgenommen  haben  würde.  Wahrscheinlich  ist  diese  Annahme 
aber  auch  deshalb  nicht,  weil  diese  scheinbaren  Conformierungen 
nach  Matthäus  thatsächlich  meistens  solche  Wörter  betreffen, 
in  denen  Übersetzungsvarianten  vorliegen:  oixovfiivrj  =•  xoöfiog 
=  V"iS$n,  ajtoXXvvac  =  cfovsveiv  =  rP72n.  loyvtn'  =  svgloxsiv 
=  KStt,  xaxaXsijtsiv  =  dq>itvcu  =  3Ty,  xavovoyia  =  jron^it: 
=  »1Ä"iy,  und  ferner  weil  die  angeblichen  Conformierungen  nicht 
einmal  vollständig  durchgeführt  sind:  k<povEvCav  =  eg>ovsvoate, 
ag>irjOi  =  aqpa'c,  so  dass  trotz  der  Übereinstimmung  in  der  Wahl 
der  Worte  durch  die  Verschiedenheit  der  grammatischen  Formen 
die    Unabhängigkeit     dieser     von     Codex    D    dem    Lucastexte 

Texte  und  ['ntersuchungen  X.  1" 


146  Text-  und  quellenklitische  Grundlegungen. 

angethanen    Änderungen     gegenüber     dem   Matthäustexte    sich 
offenbart. 

Aber  die  Verwandtschaft  des  in  Codex  D  enthaltenen  Lucas- 
textes mit  dem  im  ersten  canonischen  Evangelium  zu  Grunde 
liegenden  Übersetzungstypus  geht  Aveiter  und  ist  auch  in  solchen 
Partien  zu  verspüren,  wo  der  Urtext  allein  durch  Lucas  uns  er- 
halten ist.  So  schreibt  Cod.  D  in  Lc.  9,  51  anstatt  des  lucani- 
schen  ov[XjiX?/govö&ai  das  Simplex  xXrjgovöftai,  ähnlich  wie  wir 
Mt.  10,  26  das  Simplex  xaXvjcTEiv  finden  gegenüber  dem  ovy- 
xaXvjcTsiVj  welches  Lucas  (Lc.  12,  2)  gebraucht.  Für  das  luca- 
nische  ftt'Xsiv,  welches  sich  auch  Lc.  8,  20  gegenüber  dem  tflrelv 
Mt.  12,  46  vorfindet,  setzt  Codex  D  Lc.  13,  31  ebenfalls  tyrsiv, 
wie  er  es  Lc.  8,  20  anstatt  des  frsÄsiv  eingefügt  hat.  Könnte 
es  dort  (Lc.  8,  20  =  Mt.  12,  46)  als  Conformierung  nach 
Matthäus  betrachtet  werden,  hier  (Lc.  13,  31),  wo  die  Matthäus- 
Parallele  fehlt,  kann  nur  in  der  Übersetzung  des  ttJjja  =  tflreiv 
=  fttXuv  die  Veranlassung  zur  Textänderung  gesucht  werden. 
Man  vergleiche  ferner  Lc.  15,  29,  wo  das  lucanische  jzagtjXdov 
von  Cod.  D  durch  jtagtßtjv  ersetzt  ist  und  erwäge  dabei,  dass 
jtagaßaivEiv  in  sämtlichen  canonischen  Evangelien  nur  bei 
Matthäus,  nämlich  Mt.  15,  2.  3,  vorkommt.  Auch  die  Correktur, 
womit  Cod.  D  das  dscogelrt  Lc.  24,  39  durch  ßXtjtsre  ersetzt, 
congruiert  mit  der  von  dem  ersten  Evangelisten  Mt.  24,  2  an- 
gewendeten Version  ßXtJisTs,  wo  Lc.  21,  6  frecogelre  zu  lesen  ist. 
Ferner  vergleiche  man  das  jtägtoziv  des  Cod.  D  in  Lc.  11,  6 
(anstatt  des  lucanischen  jcagEyweTO)  mit  dem  ixalgs,  h<p  o  Trägst 
Mt.  26,  50.  Zugleich  kann  man  aber  auch  bemerken,  dass  die 
von  Cod.  D  befolgte  Version  des  Urtextes  an  manchen  Stellen 
in  selbstständiger  Weise  von  allen  canonischen  Texten  abweicht. 
Vgl.  Lc.  21,  7  tXevoig  =  Jtagovoia  Mt.  24,  3,  wo  deutlich  das 
hebräische  813  zu  Grunde  liegt,  und  dieselbe  Version  eXsvOiq  in 
Lc.  23,  42.  Die  Variante  Mc.  14,  25,  wo  Cod.  D  völlig  isoliert 
jigoo&w  liest,  führt  auf  yppitf  und  mithin  auf  eine  hebraisierende 
Übersetzung  des  Urtextes  zurück.  (Vgl.  die  Erläuterung  zu 
Lc.  22,  18.)  Auch  die  aussercanonische  Lesart  äXZoiovöfrcu  zu 
Lc.  9.  29  ist  nur  eine  Übersetzungs Variante  von  TiStWtl  und  wird 
von  Cod.  D  mit  Hermas,  Origenes  getheilt.  Dass  wir  also 
in  der  Grundlage,  nach  welcher  in  dem  Archetypus  des 
Cod.    D.    der    Lucastext    vielfach    durch  corrigiert    war, 


§  8.   Die  griechischen  Übersetzungen  des  vorcanonischen  Evangeliums.  147 

eine  selbstständige,  aber  mit  der  Matthäusversion  ver- 
wandte, Übersetzung  des  Urevangeliunis  zu  erkennen 
haben,  dürfte  als  wahrscheinlich  gelten  müssen.  Und  wenn 
wir  uns  vorstellen,  dass  in  den  ältesten  Zeiten  ähnlich  wie  die 
Lucasrecension  des  Codex  Cantabrigiensis  auch  andere  Evange- 
lienhandschriften, Abschriften  und  Recensionen  der  canonischen 
Evangelien  durch  aussercanonische  Versionen  des  Urevangeliums 
beeinflusst  worden  sein  mögen,  so  ist  die  Entstehung  und  Fort- 
pflanzung der  zahlreichen  aussercanonischen  Übersetzungsvarianten 
und  ihr  Auftauchen  in  den  Evangeliencitaten  der  ältesten  patri- 
stischen  Autoren  vollständig  erklärt,  auch  für  solche  Zeiten,  in 
denen  das  Urevangelium  selbst  nicht  mehr  im  Gebrauch  war. 

Es  erübrigt  nun  noch  —  und  das  ist  das  Zweite,  das  oben 
von  mir  "angedeutet  wurde  —  darauf  hinzuweisen,  dass  unter 
der  Menge  der  aussercanonischen  Übersetzungsvarianten  noch 
ein  bestimmter  Übersetzungstypus  zu  unterscheiden  ist, 
welcher  als  der  alexandrinische  bezeichnet  werden  muss,  da 
er  sowohl  durch  die  Schriftsteller,  bei  welchen  die  Spuren  dieser 
alexandrinischen  Version  des  Urevangeliums  sich  finden, 
als  durch  die  gewählte  Diktion,  welche  alle  Hebraismen  zu 
meiden  sucht,  nach  Alexandrien  hinweist. 


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148 


Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 


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§  8.    Die  griechischen  Übersetzungen  des  vorcanonischen  Evangeliums.  149 

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150  Text-  und   quellenkritische  Grundlegungen. 

Wie  man  aus  diesem  Verzeich niss  ersieht,  ist  es  vorzugs- 
weise Clemens  AI.,  welcher  in  seinen  Evangeliencitaten  diesen 
alexandrinischen  Typus  repraesentiert.  Und  da  derselbe  vielfach 
in  freier,  gedächtnissmässiger  Weise  citiert,  so  könnte  man  ge- 
neigt sein,  den  grössten  Theil  dieser  Varianten  lediglich  auf 
seine  Rechnung  zu  setzen,  als  sponte  sua  vorgenommene  Ab- 
glättungen des  doch  mehr  oder  minder  dem  Hebräischen  nach- 
gebildeten Griechisch  der  Evangelien.  Indess  folgende  Umstände 
sprechen  dafür,  dass  wirklich  eine  in  alexandrinischem  Griechisch 
verfasste  Übersetzung  des  Urevangeliums  vorgelegen  und  zur 
Zeit  des  Clemens  AI.  wenigstens  noch  in  Bruchstücken  oder 
Bearbeitungen  (wie  z.  B.  dem  Aegypterevangeliurn)  nachge- 
wirkt hat: 

a,  das  Vorkommen  alexandrinischer  Übersetzungsvarianten 
auch  bei  andern  aegyptischen  Theologen:  Origenes,  Macarius; 

b,  der  Sprachcharakter  der  von  Celsus  aufbewahrten  Evange- 
lienparallelen ; 

c,  grössere,  zusammenhängende  Übersetzungsfragmente  in 
alexandrinischem  Griechisch,  wie  das  in  den  Agrapha  S.  67 
mitgeth eilte  und  besprochene: 

d,  der  Charakter  der  aus  dem  Aegypterevangelium  erhaltenen 
Evangelienfragmente,  sofern  sie  an  echte  Evangelienstoffe 
anklingen; 

e,  der  Sprachcharakter  des  Evangelienfragments  von  Fajjum 
nach  dem  Papyrus  Rainer  (vgl.  die  Erläuterungen  zu  Mt- 
26,  30—34); 

f,  die  Beobachtung,  dass  unter  den  Übersetzungs- 
varianten auch  solche  sich  finden,  die  nur  aus 
einer  bewussten  Übersetzung  des  hebräischen 
Urtextes  entstanden  sein  können. 

Nur  dieser  letztere  Umstand  erfordert  hier  noch  eine  kurze  Be- 
sprechung und  Erläuterung  durch  Beispiele.  Die  Beseitigung 
des  bereits  oben  erwähnten  Hebraismus  OTQCKprjTS  in  Mt.  18,  3 
durch  das  eingefügte  av&ig  setzt  mit  Bestimmtheit  einen  des 
Hebräischen  kundigen  Übersetzer  voraus,  der  mit  sicherer  Hand 
den  Text  von  Mt.  18,  3  in  gutem  Griechisch  wiederzugeben  ver- 
stand. Ebenso  vermied  der  alexandrinische  Übersetzer  den  Lc. 
12,  19  erhaltenen  Hebraismus  ry  ipvxjfi  [iov  =  ''ÜB??,  indem  er 


§  8.  Die  griechischen  Übersetzungen  des  vorcanonischen  Evangeliums.  151 

iüJB?b  mit  jiqoc  lavxöv  übersetzte.  Endlich  kannte  der  Urheber 
der  alexandrinischen  Version  auch  die  hebräische  Redensart: 
TUSwTiN  npb  in  der  Bedeutung:  das  Leben  nehmen,  welche  Be- 
deutung in  der  lucanischen  Version  ajiairelv  xr\v  ipvyjqv  nicht 
so  deutlich  zu  Tage  tritt,  als  in  der  alexandrinischen  Übersetzung: 
jiaQakufjßdveiv  zi]v  ipvyj'jv  (vgl.  die  Erläuterung  zu  Lc.  12,  19). 

Es  sind  nur  drei  Belege  derart,  aber  sie  sind  beweisend  für 
die  gute  Kenntniss  des  Hebräischen  auf  Seiten  des  Urhebers  der 
alexandrinischen  Version  und  erwecken  für  die  übrigen  alexan- 
drinischen Übersetzungsvarianten  das  gute  Vorurtheil,  dass  auch 
sie  direkt  aus  dem  hebräischen  Urtexte  geflossen  seien.  Über- 
dies ist  das  Evangelienfragment  von  Fajjum  ein  hand- 
greiflicher, weil  handschriftlicher  Beweis,  dass  es 
in  Aegypten  wirklich  eine  aussercanonische  Text- 
recension  der  synoptischen  Evangelienstoffe  gegeben 
hat,  deren  Charakter  mit  den  alexandrinisch  gefärbten 
Evangeliencitaten  bei  Clemens  von  Alexandrien  völlig 
auf  gleicher  Linie  steht. 

Hiermit  bin  ich  zum  vorläufigen  Ende  meiner  Darlegungen 
über  die  verschiedenen  Übersetzungen  des  Urevangeliums  ange- 
langt, Ich  hoffe,  dass  man  daraus  ersehen  wird,  wie  viel  auf 
diesem  Gebiete  noch  zu  forschen  und  zu  arbeiten  ist.  Die  kräf- 
tigsten Mitarbeiter  aber  auf  diesem  Felde  sollten  diejenigen  sein, 
denen  die  Aufgabe  zugefallen  ist,  die  synoptischen  Evangelien 
ins  Hebräische  zu  retrovertieren.  Bis  jetzt  ist  diese  Arbeit 
von  einer  quellenkritischen  Grundanschauung  und  von 
der  Erkenntniss  eines  den  drei  synoptischen  Evangelien 
zu  Grunde  liegenden  einheitlichen  hebräischen  Quellen- 
textes nicht  getragen  gewesen.  Wenn  man  aber  ins  Künf- 
tige mit  Bewusstsein  darnach  streben  wird,  namentlich  die  Reden 
Jesu,  soweit  es  die  canonischen  Texte  ohne  Zwang  ge- 
statten, auf  einen  gemeinsamen  hebräischen  Grundtext  zurück- 
zuführen, und  in  den  Evangelienparallelen  nach  diesem  einheitlich 
geformten  Text  wiederzugeben,  so  wird  der  Werth  der  synop- 
tischen Retroversion  auch  für  die  evangelische  Quellenforschung 
wachsen  und  die  Rückübersetzung  ins  Hebräische  an  Interesse 
gewinnen. 

Im  Übrigen,  hoffe  ich,  wird  die  Menge  der  bereits  mitge- 
theilten  Übersetzungsvarianten   und    der  Einblick   in    die   nach- 


152  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

folgenden  Einzeluntersuchungen  zeigen,  wie  ungezwungen  die 
meisten  Varianten  derart  gerade  durch  das  hebräische  Idiom 
sich  erläutern  lassen,  dass  mithin  wirklich  das  vorcanonische 
Evangelium  in  hebräischer  Sprache,  wie  es  die  Überlieferung 
einstimmig  behauptet,  ursprünglich  abgefasst  gewesen  ist. 


§  9. 

Die  Anwendung  der  quellenkritischen  Grundsätze. 

Weit  entfernt  von  einer  blinden  Durchfuhrung  der  in  den 
vorigen  Paragraphen  entwickelten  quellenkritischen  Grundsätze 
und  schon  durch  den  Umfang  und  die  Menge  des  zu  Grunde 
liegenden  Materials  vor  Einseitigkeit  bewahrt,  halte  ich  es 
doch  für  eine  mir  vorgezeichnete  Aufgabe,  die  aufgestellten 
Prinzipien  der  Quellenkritik  in  den  Einzeluntersuchungen  mög- 
lichst allseitig  zu  erproben  und  in  Anwendung  zu  bringen.  Dabei 
hoffe  ich,  dass  die  oft  gehörten  Behauptungen,  als  ob  die  —  so 
wenig  fassbare  —  mündliche  Tradition  und  das  —  etwa  durch 
Abschreiben  verschuldete  —  Eindringen  „werthloser  Synonyme" 
hinreichende  Faktoren  seien,  um  die  einzigartigen  phänomenalen 
Differenzen  der  synoptischen  Evangelienparallelen  zu  erklären, 
vor  der  Menge  und  Bedeutung  des  zusammengebrachten  Materials 
immer  mehr  verstummen  werden.  Auch  die  Aufstellung  hebrä- 
ischer, ev.  auch  griechischer  Nebenquellen  neben  dem  vorcano- 
nischen  Matthäusevangelium,  wenn  man  diese  Nebenquellen  zu 
Schriften  von  einschneidender  Bedeutung  aufbauschen  wollte, 
halte  ich  nicht  für  geeignet,  den  Gang  der  Evangelien forschung 
zu  fördern.  Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  dem  Kindheits- 
evangelium eine  besondere  Quellenschrift  zu  Grunde  gelegen  hat, 
und  dass  dieselbe  ebenfalls  in  einem  semitischen  Idiom  abgefasst 
gewesen  sei,  glaube  ich  in  dem  Abschnitte  B:  ,  Texte  und  Unter- 
suchungen bezüglich  des  Kindheitsevangeliums "  wahrscheinlich 
gemacht  zu  haben.  Es  ist  ferner  anerkannt,  dass  der  erste 
Evangelist  neben  seinen  beiden  Hauptquellen  —  dem  vorcano- 
nischen  Matthäusevangelium  und  dem  (canonischen)  Marcus- 
evangelium —  einige  der  jerusalemischen  Tradition  ange- 
hörige  Erzählungsstoffe  (namentlich  Mi  27,  3—10;  27,  52.  53. 
62  —  66;    28,    11  — 15)     seinem    Evangelium     eingewoben     hat. 


§  9.     Die  Anwendung  der  quellenkritischen  Grundsätze.         \  53 

Es  liegt  weiter  auf  der  Hand,  dass  Lucas  in  der  Apostel- 
geschichte wie  für  die  zweite  Hälfte  derselben  pauliuische,  so  für 
die  erste  Hälfte  jerusalemische  Quellen  benützt  hat,  und  es  ist 
möglich,  dass  einzelne  Partien  seines  Evangeliums  ebenfalls  auf 
eine  jerusalemische  Quelle  neben  dem  hebräischen  Matthäus- 
evangelium hinweisen,  dessen  Entstehung  nach  den  Spuren  der 
altkirchlichen  Überlieferung  man  ja  nicht  minder  in  Jerusalem 
zu  suchen  haben  würde.  Aber  von  einer  Erheblichkeit  für  den 
Gang  der  quellenkritischen  Evangelienforschung  scheinen  mir 
diese  Nebenquellen  nicht  zu  sein.  Jedenfalls  ist  es,  bevor  man 
diese  Nebenwege  zu  betreten  und  weiter  zu  verfolgen  sich  ver- 
leiten lässt,  die  Pflicht  der  Forschung,  den  Hauptgang  der  Un- 
tersuchung festzuhalten  und  zu  versuchen,  ob  derselbe  nicht 
vollends  zum  erwünschten  Ziele  führt.  Durch  die  Annahme 
von  verschiedenen  griechischen  Übersetzungen  der 
hebräischen  Hauptquelle  werden  viele  bisher  noch  un- 
gelöste Einzelfragen  der  Klärung  entgegengeführt.  Ins- 
besondere die  Symptome,  auf  Grund  deren  Feine  in  der  oben 
erwähnten  Schrift:  Eine  vorcanonische  Überlieferung  des  Lucas 
etc.  seine  lucanische  Nebenquelle  construiert  hat,  finden  durch 
den  Nachweis,  dass  Lucas  zwei  griechische  Versionen,  bezw.  Re- 
censionen,  der  vorcanonischen  Hauptquelle  benützt  hat,  in  den 
meisten  Fällen  ihre  befriedigende  Erklärung. 

Habe  ich  also  in  den  nachstehenden  Untersuchungen  als 
meine  Hauptaufgabe  betrachtet,  die  Differenzen  der  canonischen 
und  aussercanonischen  Paralleltexte  daraufhin  anzusehen,  ob  hin- 
ter ihnen  (als  Übersetzungsvarianten)  ein  gemeinsamer  hebräischer 
Quellentext  zu  finden  sei,  so  ist  dabei  die  Aufspürung  von  He- 
braismen  innerhalb  der  griechischen  Texte  und  die  Herbeiführung 
von  Analogien  aus  der  griechischen  Übersetzung  der  LXX  sowie 
ihrer  Tochterversionen  im  Verhältniss  zu  dem  hebräischen  Texte 
des  Alten  Testaments  ein  Hauptförderungsmittel  der  Unter- 
suchung gewesen.  Dieses  Forschungsprinzip  hat  sich 
auch  insofern  als  fruchtbar  erwiesen,  als  es  namentlich 
bei  den  ältesten  Schriftstellern  der  Kirche,  wie  z.  ß. 
bei  Hermas.  zur  Entdeckung  von  Evangelienparalleleu 
und  Allusionen  an  die  evangelischen  Texte  in  weit 
grösserer  Zahl  geführt  hat,  als  man  solche  bisher  an- 
zunehmen gewohnt  war. 


154  Text-  und  quell  enklitische  Grundlegungen. 

Was  die  patristischen  Citate  überhaupt  betrifft,  so  wird  man 
aus  den  nachstehenden  Untersuchungen  sich  überzeugen  können, 
dass  meinerseits  die  unsichere  Überlieferung  der  patristischen 
Texte  und  insbesondere  Citate,  die  häufig  nur  auf  das  Gedächt- 
niss  der  Schriftsteller  zurückzuführende  Art  der  Citierung,  die 
Entstehung  und  Fortpflanzung  von  freien  Mischtexten,  sowie 
die  im  Anschluss  an  Holtzmann  in  den  Agrapha  S.  16  ff.  auf- 
gestellten Kriterien  für  Zuverlässigkeit  der  patristischen  Citate 
keineswegs  ausser  Acht  gelassen  worden  sind. 

Von  grosser  Wichtigkeit  war  es,  für  die  Menge  und  Viel- 
fältigkeit des  zusammengebrachten  Materials  ein  sichtendes 
und  ordnendes  Prinzip  zu  finden.  Ich  habe  mich  dafür  ent- 
schieden, in  der  Regel  den  „Vers",  bisweilen  auch  den  „Theil- 
vers"  zur  Grundlage  der  Paralleltexte  zu  machen,  sodass  grössere 
zusammenhängende  patristische  Citate  nach  den  biblischen  Versen 
getheilt  und  in  dieser  Theilung  vorgeführt  worden  sind.  Für 
den  Umfang  eines  Verses  oder  eines  Theilverses  sind  die  be- 
treffenden Paralleltexte  in  Vollständigkeit  (nicht  blos  mit  Her- 
ausnahme der  wichtigsten  Varianten  wiedergegeben),  sodass  man 
jedesmal  ein  vollständiges  Schriftbild  des  bezüglichen  Textes  vor 
sich  hat.  Dadurch  kommen  namentlich  die  Varianten  des  Codex 
D  und  des  Syrers  Curetons  ganz  anders  zur  Geltung,  als  dies  in 
den  textkritischen  Ausgaben  des  Neuen  Testaments,  wo  diese 
Texte  immer  nur  in  ganz  zerpflücktem  Zustand  zur  Erscheinung 
gelangen,  möglich  ist. 

Auch  in  Bezug  auf  die  Anordnung  der  Paralleltexte  ist 
ein  Ubelstand  umgangen,  welcher  in  den  textkritischen  Ausgaben 
der  synoptischen  Evangelien  unvermeidlich  ist.  Innerhalb  der 
synoptischen  Evangelien  ist  derselbe  Text  vielfach  in  zweifacher, 
häufig  in  dreifacher,  ja  bei  manchen  Herrensprüchen  in  vier- 
und  fünffacher  Gestalt  vorhanden,  sodass  in  den  Ausgaben  des 
Neuen  Testaments  das  cpaellenkritisch  zusammengehörige  Material 
an  verschiedenen  Stellen  zerstreut  vorliegt  und  oft  erst  mühsam 
zusammengesucht  werden  muss.  Im  Unterschied  hiervon  konnte 
in  der  nachstehenden  Sammlung  eine  Vereinigung  des  ffesammten 
Materials  dadurch  bewerkstelligt  werden,  dass  sämmtliche  synop- 
tisch-canonische Parallelen  aus  ihrer  Trennung  erlöst  und  je  an 
einer  gemeinschaftlichen  Hauptstelle  zugleich  mit  den  ausser- 
canonischen  Parallelstellen  vorgeführt  wurden.  Als  Hauptleitfaden 


§  9.     Die  Anwendung  der  quellenkritischen  Grundsätze.  155 

habe  ich  hierfür  das  Lucasevangelium  erwählt,  welches  die  synop- 
tischen Stoffe  am  besten  in  ihrer  ursprünglichen  Anordnung  er- 
halten hat.  Nur  wozu  sich  Lucas-Parallelen  nicht  finden,  das 
ist  bei  Matthäus,  ev.  Marcus,  aufgeführt. 

Auch  die  den  Texten  beigegebenen  Erläuterungen  und  Unter- 
suchungen möchte  ich  zunächst  nur  als  Materialien  zur  Evan- 
gelienforschung betrachtet  und  somit  ihnen  einen  abschliessenden 
Charakter  nicht  beigelegt  wissen.  Wie  ich  in  den  „Agrapha" 
die  Grade  der  mehr  oder  minder  grossen  Bestimmtheit  des  Ur- 
theils  durch  die  —  von  den  Kritikern  allerdings  oft  nicht  be- 
achteten —  Nüancierungen  im  Ausdruck  gekennzeichnet  habe, 
so  wünsche  ich  auch  für  die  nachfolgenden  Untersuchungen 
billige  Rücksicht  der  Leser,  obwohl  der  hier  vorliegende  Stoff 
ein  leichter  zu  bearbeitendes  Forschungsgebiet  betrifft,  als  es 
das  noch  völlig  unangebaute  Feld  der  „Agrapha"  war.  Sollte 
selbst  die  Hälfte  der  von  mir  in  Anspruch  genommenen  „Uber- 
setzungsvarianten"  als  „werthlose  Synonyma"  sich  erweisen,  so 
bleibt  noch  genug  Stoff  übrig,  an  welchem  andere  Forscher  sich 
bemühen  können,  bessere  Lösungsversuche  als  die  meinigen  zu 
Stande  zu  bringen. 


§  10. 
Nachträge. 


Von  den  Herren  Herausgebern  der  „Texte  und  Untersuchun- 
gen'1 ist  zu  S.  48  die  Vermuthung  ausgesprochen  worden,  dass 
unter  dem  dort  von  Hug  beschriebenen  „merkwürdigen  Co- 
dex der  vier  Evangelien"  ein  bilingualer  Codex  Sangallen- 
sis  gemeint  sei,  welcher,  als  Codex  A  notiert,  von  Rettig  i.  J. 
1836  unter  dem  Titel: 

Codex  Sangallensis  cum  versione  interlineari  (d).     Quattuor 
evangelia  integra  exceptis  Joh.  19,  17 — 35 
herausgegeben  worden  ist. 

Sollte  diese  Vermuthung  zutreffen,  so  würden  allerdings  die 
von  Hug  erweckten  Erwartungen  in  keiner  Weise  sich  erfüllt 
haben.  Denn  dieser  Codex  J,  welcher  aus  dem  0.  Jahrhundert 
stammt,  vertritt  im  Wesentlichen  nur  den  canonischen  recensierten 


[56  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

Text,  ragt  durch  selbstständige,  ihm  eigentümliche ,  Lesarten 
nicht  hervor  und  zeigt  nur  durch  seinen  bilingualen  Charakter, 
sowie  durch  seine  Beschränkung  auf  die  vier  Evangelien,  dass 
er  auf  eine  viel  ältere  —  vielleicht  mit  vorcanonischen  Texten 
ausgestattet  gewesene  —  Vorlage  zurückgeht,  deren  Charakter 
aber  jedenfalls  durch  den  dem  9.  Jahrh.  angehörigen  Abschreiber 
mittels  Conformierung  nach  den  recensiert- canonischen  Texten 
verwischt  worden  ist.  Ich  bin  daher  nicht  geneigt,  der  oben 
ausgesprochenen  Vermuthung  zuzustimmen. 

Die  Sache  verhält  sich  aber  vielleicht  so,  dass  dieser  Codex 
Sangallensis  doch  irgendwie  mit  der  auf  S.  48  mitgetheilten  Be- 
merkung Hugs  zusammenhängt.  Hug  redet  ja  nämlich  dort 
„von  den  verschiedenen  griechisch-lateinischen  Manu- 
scripten",  „die  noch  vorhanden  sind".  Zu  dieser  Gruppe  mag 
der  Codex  Sangallensis  A  ö  gehören.  Dagegen  der  „eine  merk- 
würdige Codex  der  vier  Evangelien",  von  welchem  Hug  sagt, 
dass  er  sich  zur  Zeit  in  eine  tiefe  Verborgenheit  zurückgezogen 
habe,  nachdem  ihm  oder  dem  Lande,  in  welchem  er  sich  befand, 
ein  „fürchterliches  Loos"  beschieden  gewesen  sei,  welchen  Codex 
Hug  an  Werth  und  Bedeutung  mit  dem  Codex  Bezae  auf  eine 
Linie  zu  stellen  scheint,  dürfte  doch  wohl  mit  dem  verhältniss- 
mässig  jungen  und  unbedeutenden  Codex  Sangallensis  nicht  zu 
identificieren  sein.  Auch  der  deshalb  von  mir  befragte  Prof. 
D.  Gregory  ist  derselben  Meinung,  indem  er  namentlich  darauf 
hinweist,  dass  das  „fürchterliche  Loos"  auf  Codex  J  wenig  passe. 
Es  dürfte  also  jenem  „merkwürdigen  Codex  der  vier  Evangelien", 
welchen  Hug  besonders  im  Auge  hatte,  bis  jetzt  immer  noch 
nicht  gefallen  haben,  aus  seiner  tiefen  Verborgenheit,  in  die  er 
sich  zurückgezogen,  ans  Tageslicht  zu  treten. 

Möge  der -Wiederabdruck  jener  Hugschen  Mittheilungen  auf 
S.  48,  sowie  vorstehende  nachträgliche  Erörterung  Anregung 
geben,  der  Sache  weiter  nachzuforschen  und  den  Thatbestand, 
wenn  möglich,  zu  klären! 

Ein  weiterer  Nachtrag  bezieht  sich  auf  den  vorstehend 
S.  93 — 107  besprochen  Versuch  Marshalls,  ein  aramäisches 
Urevangelium  textlich  wieder  herzustellen.  Zu  dem  früher  im 
Expositor  mitgetheilten  Untersuchungen  des  genannten  Forschers 
ist  nämlich  inzwischen  neuerdings,  während  dieses  Heft  bereits 
im  Druck  war,  eine  Schlussabhandlung  gekommen:  The  Aramaic 


§  10.     Nachträge. 


157 


Gospel:  its  Contents.  Expositor.  Augustheft  1892.  Hier  recon- 
struiert  Mars  hall  den  Inhalt  seines  aramäischen  Evangeliums 
in  folgender  Weise. 


*Die  Taufwirksamkeit  des  Jo- 
hannes 

Das    Zeugniss     des    Täufers 
von  Christo 

Die  Taufe  Jesu 

Die  Versuchung 
*Die  Rückkehr  nach  Galiläa 
*Der  Dämonische    zu   Kaper- 

naum 
*Sirnons  Schwiegermutter 
*Der  Aufenthalt  in  der  Wüste 

Die  Heilung  des  Aussätzigen 

Die  Heilung  des  Paralytischen 
*Die  Berufung  des  Matthäus 
*Die  vertrocknete  Hand 
*Die  Berufung  der  Zwölfe 

Die  Bergpredigt 

Die  Parabel  vom  Säemann 
Vom    Leuchter    unter    dem 

Scheffel 
Die  Parabel  vom  Senfkorn 
Der  Seesturm 

Der  gadarenische  Besessene 
Das  Töchterlein  des  Jairus  ] 
Das  blutflüssige  Weib  | 

Die  Aussendung  der  Zwölfe 
Hütet  euch  vor  den  Menschen 
Der  Schüler  ist  nicht  grösser 
Fürchtet  euch  nicht 
Nicht  den  Frieden,  sondern 

das  Schwert 
\  i  im  Kreuztragen  I 

l! 


Mt, 


3,  1-6 


11 

16. 

17. 

4,1- 

-11 

12. 

17. 

8,  14- 

-16 

2- 

-4 

9,2 

-8 

9- 

-13 

12,  9- 

-14 

10,  2 

-4 

5 

-7 

13,  1—23 


31.  32. 

8,18.23—27 

28—34 


9 

18- 

-26 

10, 

1.  5- 

-15 

17- 

-20 

24 

25 

26- 

-33 

34- 

-36 

37. 

38 

16, 

24- 

27 

Mc. 

1,  1—6 

7.  8 
9—11 
12.  13. 
14.  15. 

21—28 
29-34 
35-39 
40—44 
2,1-12 
14—17 
3,  1—6 
13-19 


4,  1—20 

21—25 
30—32 
35—41 

5,  1—20 

22—43 


Lc. 


16 

21.  22 

4,  1—13 

14.  15. 

31—  37 
38-41 
42—44 
5,  12—14 
17—26 
27—32 

6,6—11 
12—16 
17—49 
et  passim 

8,  4—15 

16— IS 
13,  18.  19. 
8,  22-25 

26-39 

41—56 


6,7—11  '.i,  1—6 

13,9—13       21,12-17 

6,40 

12.  2—9 


8,  34—38 


51-53 

14,  25-27 

9,  23-2U 


158 


Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 


10,  40. 

10,  16 

14,  13-21 

6,  30—44 

9,  10-17 

16,  13—20 

17,  1-8 

9,  2—8 

28—36 

14—21 

14—29 

38—42 

18,6-9 

42—50 

17,  1.  2. 

19,  3-6 

10,2-9 

16—22 

17—22 

18,  18—23 

20,  29—34 

46—52 

35—43 

22,  15—22 

12,  13—17 

20,  20—26 

24. 

13. 

21. 

Wer  mich  aufnimmt 

Die  fünf  Tausend 

Petri  Bekenntniss 

Die  Verklärung 

Der  dämonische  Knabe 

Einer  von  diesen  Kleinen 
*Von  der  Ehescheidung 
*Der  reiche  Jüngling 
*Der  Blinde  zu  Jericho 
*Der  Zinsgroschen 

Die  letzten  Dinge 


Marshall  fühlt  und  bekennt  es  selbst,  dass  mit  vorstehen- 
der Liste  der  Inhalt  des  Urevangeliums  noch  nicht  erschöpft  ist. 
Er  behauptet,  vorzugsweise  mit  Weiss  zusammenzutreffen,  geht 
jedoch  in  den  mit  *  bezeichneten  Perikopen  —  und  zwar,  wie 
ich  glaube,  mit  gutem  Grund  —  über  Weiss  hinaus.  Nament- 
lich aber  hat  Mars  hall  die  Motive  der  von  Weiss  geübten 
Quellenscheidung  in  dem  Punkte  sich  nicht  angeeignet,  dass  er 
die  „längste"  Form  der  Erzählungen,  also  die  Detailmalerei 
des  Marcus,  für  die  ursprüngliche  hält.  „The  result  of  our  in- 
vestigations  leads  us  inhesitatingly  to  the  conclusion,  that  the 
longer  form  of  the  narratives  is  the  original".  Exposi- 
tor.  Aug.  1892.  p.  94.  Wenn  aber  irgend  etwas  sicher  ist,  so 
ist  es  die  von  Weiss  herausgestellte  gegentheilige  Erkenntniss. 
nämlich  dass  die  in  der  vorcanonischen  Quellenschrift  enthalten 
gewesenen  Erzählungsstoffe  in  einfachster  —  namentlich  von 
der  Detailmalerei  des  Marcus  freier  —  Darstellungsweise  über- 
liefert waren.  Von  dieser  Erkenntniss  hätte  Marshall  niemals 
abweichen  sollen,  anstatt  zu  behaupten:  The  must  wonderful  of 
the  miracles  are  there  (sc.  in  the  Aramaic  Gospel)  narrated  — 
and  not  in  an  abridged  form,  but  usually  in  the  füll  form  of 
the  Gospel  ofMark."  Man  vgl.  mit  diesem  Selbstbekenntniss 
meine  auf  S.  94  gegebene  Darstellung  des  Marshallschen  Stand- 
punktes, um  die  Richtigkeit  meiner  Darstellung,  also  auch  von 
Neuem  den  falschen  Ausgangspunkt  zu  erkennen,  den  Marshall 
bei  seinen  Untersuchungen  genommen  hat.  Denn  wenn  auch 
keineswegs  in  Abrede  zu  stellen  ist,  dass  durch  ein  Zurückgehen 
auf  den   semitischen  Urtext    im  Einzelnen    nicht    selten    eine 


§  10.     Nachträge.  159 

Correktur  der  Weisssehen  Quellenscheidung  erfolgen  und  hier  und 
da  eine  grössere  Ausdehnung  des  Urtextes  in  den  canonischen 
Evangelien  nachgewiesen  werden  kann,  als  Weiss  annimmt:  so 
viel  ist  doch  sicher,  dass,  prinzipiell  genommen,  die  kürzere  Form 
der  Erzählung  die  urevangelische,  die  Detailmalerei  des  zweiten 
Evangelisten  dessen  secundäre  Zuthat  ist.  Das  umgekehrte  Ver- 
hältniss  findet  in  den  synoptischen  Herrenreden  statt,  welche 
den  Hauptinhalt  des  Urevangeliums  bildeten.  Obwohl  auch  hier 
einzelne  Logia  unter  der  Feder  des  zweiten  Evangelisten  ihre 
einfache  Urform  verloren  und  eine  wortreichere  Gestalt  ange- 
nommen haben,  so  ist  doch  gewöhnlich  in  den  Reden  Marcus 
der  kürzende,  und  der  vollere  Context  der  Herrenreden  in  der 
Regel  bei  Lucas  und  Matthäus  zu  suchen.  Bezüglich  aller  dieser 
Punkte  scheint  Marshall  sich  noch  nicht  genügend  in  das 
Detail  der  evangelischen  Quellenkritik  vertieft  zu  haben. 

Auch  von  Seiten  seiner  englischen  Freunde  sind  —  wie 
Mars  hall  selbst  andeutet  —  manche  Bedenken  gegen  die  von 
ihm  angestrebte  Reconstruktion  des  „Aramaic  Gospel"  ausge- 
sprochen worden,  so  namentlich  gegen  die  von  ihm  vorausge- 
setzte weitgreifende  Textverderbniss  des  aramäischen  Urevange- 
liums, welche  in  wenig  Jahrzehnten  eingetreten  sein  soll,  —  eine 
Voraussetzung,  die  auch  von  mir  (s.  oben  S.  100.  101)  als  ganz 
unglaublich  bezeichnet  worden  ist. 

Dagegen  hat  Marshall  —  allerdings  nur  in  ganz  subsidi- 
ärer Weise  —  in  seinem  letzten  Artikel  noch  auf  die  ausser- 
canonischen,  bezw.  vorcanonischen,  Lesarten  in  den  Evangelien 
hingewiesen.  Nämlich  für  die  Fälle,  in  denen  eine  synoptische 
Perikope  ohne  Parallelen,  mithin  nur  einmal,  vorhanden  sei,  wo 
demgemäss  seine  Methode  der  Vergleichung  der  synoptischen 
Paralleltexte  im  Stiche  lasse,  könne  man  aushilfsweise  auf  ausser- 
canonische  Lesarten  recurrieren:  „if  there  be  any  various  readings, 
which  are  so  ancient  as  to  go  back  to  the  very  days  when  the 
Aramaic  Gospel  might  well  be  supposed  to  be  still  in  use,  and 
which  can  be  shown  to  be  explainable  as  translations  of  the 
same  or  a  slightly  different  Aramaic  text".  Expositor.  August- 
heft 1892.  p.  87.  Marshall  bält  also  die  Nachwirkung  des 
vorcanonischen  Evangeliums  in  den  ältesten  Lesarten  der  synop- 
tischen Evangelien  für  möglich.  Er  befindet  sich  liier  im 
'uinzHii  aufrichtiger  Fährte.     Aber  er  scheint  gesonnen  zu  sein. 


1(30  Text-  und  quellenkritische  Grundlegungen. 

von  dem  Hilfsmittel  der  vorcanonischen  Lesarten  nur  einen  sub- 
sidiären, also  sehr  beschränkten,  Gebrauch  machen  zu  wollen, 
und  gibt  keine  Andeutung  davon,  dass  er  auch  die  patristischen 
Evangeliencitate  mit  ihren  interessanten  Varianten  herbeizuziehen 
beabsichtige. 

Wenn  nun  Marshall  ankündigt,  dass  er  die  Ergebnisse 
seiner  fortgesetzten  Forschungen  bezüglich  des  „Aramaic  Gospel" 
in  einem  besonderen  Werke  zu  veröffentlichen  gedenke,  so  ist 
diese  Absicht  um  so  freudiger  zu  begrüssen,  je  weniger  Forscher 
vorhanden  sind,  welche  zugleich  mit  einer  eingehenden  Kenntniss 
des  Hebräischen  und  Aramäischen  ein  ausdauerndes  Interesse  für 
die  evangelische  Quellenforschung  verbinden,  und  je  umfänglicher 
und  je  schwieriger  das  zu  erforschende  Gebiet  ist. 

Auf  das  Angelegentlichste  ist  aber  hierbei  zu  wünschen, 
dass  Marshall  das  Material  seiner  Untersuchungen  recht  eigent- 
lich auch  auf  die  aussercanonischen  Paralleltexte  zu  den 
Evangelien  ausdehne,  anstatt  es  vorzugsweise  auf  die  canoni- 
schen Textgestalten  zu  beschränken,  dass  er  ferner  überhaupt  noch 
tiefer  in  die  Probleme  der  evangelischen  Quellenkritik  und 
Quellenscheidung  eindringe  und  dass  er  endlich  seine  Veröffent- 
lichung nicht  überhaste  noch  übereile.  Wenn  irgendwo,  so  ist 
auf  diesem  Gebiete  ein  ruhiges  Ausreifenlassen  der  Forschungs- 
ergebnisse und  eine  immer  wieder  erneuerte  Selbstkritik  bezüg- 
lich dessen,  was  man  gewonnen  zu  haben  meint,  von  nöthen. 
In  unsrer  hastigen  Zeit  wird  das:  Nonum  prematur  in  annum! 
nur  allzuoft  ins  Gegentheil  verkehrt.  Hierbei  möchte  noch  zu 
erwähnen  sein,  dass  von  Seiten  des  Dr.  Dal  man,  welcher  die 
Correkturbogen  dieses  Werkes  mit  einzusehen  begonnen  hat,  auch 
bezüglich  der  Art,  wie  Mars  hall  die  Elemente  des  aramäischen 
Idioms  verwendet,  nicht  geringe  Bedenken  geäussert  worden  sind, 
sodass  mithin  auch  die  sprachliche  Seite  der  Untersuchung 
künftighin  von  Marshall  mit  grösserer  Vorsicht  behandelt 
werden  möchte. 


Druck  von  August  Pries  in  Leipzig 


Verlag  der  J.  C.  HINRICHS'schen  Buchhandlung  in  Leipzig. 

Texte  und  Untersuchungen  znr  Geschichte  der 

Altchristlichen  Literatur 

von  Oscar  yoii  Gebhardt  und  Adolf  Harnack. 

Baud  I— IV  auf  Seite  II  des  Umschlags. 

V,  1.  Der  pseudocyprianische  Tractat  de  aleatoribus,  die  älteste  lateinische  christ- 
liche Schrift,  ein  Werk  des  römischen  Bischofs  Victor  I.  (saec.  II.),  von 
Adolf  Harnack.    V,  135  S.    1888.  M.  4.50 

-    V,  2.    Die  Abfassungszeit  der  Schriften  Tertullians  von  Ernst  Noeldechen. 

Neue  Fragmente  d.  Papias,  Hegesippus  u.  Pierius  in  bisher  unbekannten 
Excerpten  aus  der  Kirchengeschichte  der  Philippus  Sidetes  von  C.  de  Boor. 
184  S.    1888.  M.  6  — 

V,  3.  Das  Hebräerevangelium,  ein  Beitrag  zur  Geschichte  und  Kritik  des  hebräischen 
Matthäus  von  Lic.  Rud.  Handmann.    III.  142  S.    1888.  M.  4.50 

V,  4.  Agrapha.  Aussercanonische  Evangelienfragmente,  gesammelt  u.  untersucht 
von  Kirchenrath  Alfred  Resch.  —  Anhang:  Das  Evangelienfragment  von 
Fajjum  von  Adolf  Harnack.    XII,  520  S.    1889.  M.  17  — 

VI,  1.  Die  Text  Überlieferung  der  Bücher  des  Origenes  gegen  Celsus  in  den  Hand- 
schriften dieses  Werkes  und  der  Philokalia.  Prolegomena  zu  einer 
kritischen  Ausgabe  von  Dr.  phil.  Paul  Kötschau.  VII,  157  S.  u.  1  Tafel.  1889. 

M.  5.50 

VI,  2.  D er  Paulinismus  des  Irenaeus.  Eine  kirchen- und  dogmengeschichtliche  Unter- 
suchung über  das  Verhältnis  des  Irenaeus  zu  der  Paulinischen  Briefsammlung 
und  Theologie  von  Privatdoc.  Lic.  Dr.  Johs.  Werner.    V,  218  S.  1889.    M.  7  — 

VI,  3.    Die  gnostischen  Quellen  Hippolyts  in  seiner  Hauptschrift  gegen  die  Häretiker 

von    Hans  Staehelin. 

Sieben  neue  Bruchstücke  der  Syllogismen  des  Apelles.  —  Die  Gwynn'schen 

Caius-  und  Hippolytus-Fragmente.    Zwei  Abhandlungen  von  Adolf  Harnack. 

III,  133  S.     1890.  31.  4.5Q 

VI,  4.    Die  ältesten  Quellen  des  orientalischen  Kirchenrechts.    1.  Buch: 

Die  Canones  Hippolyti  von  Dr.  Hans  Achelis.    VUI,  295  S.     1891.      M.  9.50 

VH,  l.  Die  Johannes-Apokalypse.  Textkritische  Untersuchungen  u.  Textherstellung 
von  D.  Bernh.  Weiss.    VI,  225  S.    1891.  M.  7  — 

VII,  2.  UeberdasgnostischeBuchPistis-Sophia.— Brod u. Wasser:  die  eucharistischen 
Elemente  bei  Justin.    2  Untersuchungen  von  Adolf  Harnack.  IV,  144  S.  1890. 

M.  4.50 

VII,  3/4.  Apollinarios  von  Laodicea.  Sein  Leben  u.  seine  Schriften.  Nebst  e.  An- 
hang: Apollinarii  Laodiceni  quae  supersunt  dogmatica.  Von  Oberlehrer  Dr. 
Johs.  Dräseke.    XIV,  494  S.     1892*  M.  16  — 

VIII,  1/2.  Gnostische  Texte  in  koptischer  Sprache  von  Dr.  Carl  Schmidt. 
Erscheint  im  November. 

VIII,  3.  Die  katholischen  Briefe.  Textkritische  Untersuchungen  und  Textherstellung 
von  D.  Bernh.  Weiss.    VI,  i':;o  S.     1892.  M.  7.50 

VIII,  4.  Die  griechische  Übersetzung  des  Apologeticus  Tertullians.  —  Medicinisches 
aiw  der  ältesten  Kirchengeschichte.  —  Zwei  Abhandlungen  von  Adolf 
Harnack.     III,  152  S.    1892.  M.  5  — 

IX,  1.    Untersuchungen   über   die  Edessenische  Chronik.    Mit  dem  syrischen  Text 
und  einer  Übersetzung  herausgegeben  von  Ludwig  Halber.    VI,  170  S. 
Die  Apologie  des  Aristides.    Aus  dem  Syrischen  übersetzt  und  mit  Beitragen 
zur  Textvergleichung  und  Anmerkungen   herausgegeben  von  Dr.  Richard 
Raabe.    IV,  97  S.  1892.  M.  8.50 

X.  Aussercanonische  Paraileltexte  zu  den  Kvangelien  gesammelt  u.  untersucht 
von  Alfred  Resch.  1.  Heft.  Textkritische  u.  quellenklitische  Grundlegungen 
VII,  160  S.    1893.  M.  5  — 


TEXTE  UND  UNTERSUCHUNGEN 

ZUR  GESCHICHTE  DER 

ALTCHRISTLICHEN  LITERATUR 

HERAUSGEGEBEN  VON 

OSCAE  von  GEBHARDT  und  ADOLF  HABMCK 


X.  BAND.    HEFT  1. 

AUSSERCANOXISCHE  PAßALLELTEXTE 

GESAMMELT  UND  UNTERSUCHT 

VON 

ALFRED  RESCH. 

I. 

TEXTKRITISCHE  UND  QUELLENKßlTISCHE 

GRUNDLEGUNGEN. 


ffSEP 


LEIPZIG 

J.  C.  HINRICHS'SCHE  BUCHHANDLUNG 
1893. 


AUSSERCANONISCHE 

PARALLELTEXTE 

ZU  DEN 

EVANGELIEN 

ZWEITES  HEFT 

PARALLELTEXTE  ZU  MATTHAEUS  UND  MARCUS 

GESAMMELT  UND  UNTER  SUCHT 
VON 

ALFRED   RESCH 


i 


LEIPZIG 

J.  C.  HINRICHS'SCHE  BUCH  H  AX]M,].'Xii 
1S94 


Verlag  der  J.  C.  HINRICHS'schen  Buchhandlung  in  Leipzig. 

Texte  nnd  Untersuchungen  znr  Geschichte  der 

Altchristlichen  Literatur 

herausgegeben  von  Oscar  von  Grebhardt  und  Adolf  Harnack. 

I— III.  IV  1/3.  V— IX.  X  1/2.  XI  XII  1.    M.  261.50 

I,  1/2.  Die  Überlieferung  der  griechischen  Apologeten  des  zweiten  Jahrhunderts  in 
der  alten  Kirche  und  im  Mittelalter,  von  Adolf  Harnack.    VIII,  300  S.  1882. 

M.  9  — 

I,  3.     Die  Altercatio  Simonis  Iudaei  et  Theophili  Christian]  nebst  Untersuchungen 

über  die  antijüdische  Polemik  in  der  alten  Kirche,  von  Adolf  Harnack. 

Die  Acta  Archelai  und  das  Diatessaron  Tatians,  von  Adolf  Harnack. 

Zur  handschriftlichen  Überlieferung   der  griechischen   Apologeten.    I.    Der 

Arethascodex,  Paris.  Gr.  451,  von  Oscar  v.  Gebhardt.  III,  196  S.  1883.  M.  6  — 

I,  4.    Die  Evangelien  des  Matthäus   und  des  Marcus  aus    dem  Codex  purpureus 

Rossanensis,  herausgegeben  von  Oscar  v.  Gebhardt. 
Der  angebliche  Evangeliencommentar  des  Theophilus  von  Antiochien,  von 
Adolf  Harnack.    LIV,  176  S.    1883.  M.  7.50 

II,  1/2.  Lehre   der  zwölf  Apostel,    nebst   Untersuchungen  zur  ältesten  Geschichte 

der  Kirchenverfassung  und  des  Kirehenrechts  von  Adolf  Harnack.  Nebst 
einem  Anhang:  Ein  übersehenes  Fragment  der  JtSazn  in  alter  lateinischer 
Übersetzung.  Mitgetheilt  von  Oscar  v.  Gebhardt.  70  u.  294  S.  1884.  M.  10  — 
(11,1/2.  einzeln  nur  in  anastatischem  Druck  (1893)  käuflich.) 
II,  3.  Die  Offenbarung  Johannis,  eine  jüdische  Apokalypse  in  christlicher  Be- 
arbeitung, von  Eberh.  Vischer.   Mit  Nachwort  von  Adolf  Harnack.  137  S.  1886. 

M.  5  — 
Nicht  mehr  einzeln. 

II,  4.  Des  heil.  Eustathius,  Erzbischofs  von  Antiochien,  Beurtheilung  des  Origenes 
betr.  die  Auffassung  der  Wahrsagerin  1.  Könige  [Sam.]  28  und  die  dies- 
bezügliche Homilie  des  Origenes,  aus  der  Münchener  Hds.  331  ergänzt 
und  verbessert,  mit  kritischen  und  exegetischen  Anmerkungen  von  Alb. 
Jahn.    XXVII,  75  S.    1886.  (Einzelpreis  M.  4.50) ;  M.  3.50 

U,  5.  Die  Quellen  der  sogenannten  apostolischen  Kirchenordnung,  nebst  einer 
Untersuchung  über  den  Ursprung  des  Lectorats  und  der  anderen  niederen 
Weihen,  von  Adolf  Harnack.  *  106  S.    1886.  M.  4  — 

Nicht  mehr  einzeln. 
III,  1/2.  Leontius  v.  Byzanz  und  die  gleichnamigen  Schriftsteller  der  griechischen 
Kirche  von  Friedr.  Loofs.    l.  Buch:    Das  Leben  und  die  polem.  Werke  des 
Leontius  v.  Byzanz.    VIII,  317  S.    1887.  M.  10  — 

III,  3|4.  Aphrahat's  des  persischen  Weisen  Homilien,  aus  dem  Syrischen  übersetzt 

und  erläutert  von  Georg  Bert. 
Die  Akten  des  Karpus,  des  Papylus  und  der  Agathonike.    Eine  Urkunde  aus 
der  Zeit  Marc  Aureis,  von  Adolf  Harnack.    LH,  466  S.    1888.  M.  16  — 

IV.  Die  griechischen  Apologeten. 

1.  Tatiani  oratio  ad  Graecos.    Recens.  Ed.  Schwartz.   X,  105  S.    1888.       M.  2.40 

2.  Athenagorae  libellus  pro  Christianis.    Oratio  de  resurrectione  cadaverum. 

Recens.  Ed.  Schwartz.    XXX,  143  S.    1891.  M.  3.60 

3.  Die  Apologie  des  Aristides.    Keeension    und  Reconstruction  des  Textes  von 

Lic.  Edgar  Hennecke.    XX,  64  S.    1893.  M.  3  — 

Partiepreis  M.  2  — 

4.  Theophili  libri  tres  ad  Autolycum.    Recens.  Ed.  Schwartz.  |  jn  yorDe. 

5.  Iustini  martyris    apologia  et  dialogus  cum  Tryphone  Iudaeo.  }  reitune 

Recens.  0.  de  Gebhardt  et  A.  Harnack. 

Diese  Ausgaben  der  Griechischen  Apologeten  sind  nur  mit  kurzem 
sprachlichen  Commentar  und  Registern  versehen  nnd  sollen  zum  Gebrauch 
bei  Vorlesungen  oder  in  Seminaren  dienen,  weshalb  auch  deren  Preise 
möglichst  niedrig  gestellt  wurden. 

Fortsetzung  auf  Seite  III  des  Umschlags. 


AUSSERCANONISCHE 

PARALLELTEXTE 

ZU  DEN 

EVANGELIEN 

ZWEITES  HEFT 

PARALLELTEXTE  ZU  MATTHAEUS  UND  MARCUS 

GESAMMELT  UND  UNTERSUCHT 
VON* 

ALFRED   RESCH 


LEIPZIG 

J.  C.  HINRTCHS'SCHE  BUCHHANDLUNG 

1894 


Inhalts-Übersicht  zu  Heft  2. 

Seite 

Register  der  abgedruckten  Texte V — VIII 

Einleitung 1  —  54 

§  1.     Die  älteste  Bezeugung  des  evayyeXiov  xuxa  Mux&ulov  1  —   7 

§  2.    Die  älteste  Bezeugung  des  eiayyekiov  xuxa  Müqxov  7  —  12 

§  3.     Die  Compo8ition  des  stayyikiov  xaxcc  Müqxov  .    .    .  12  —  29 

§  4.     Die  Composition  des  svayythov  xuxa  MaxÜtüov  .     .  20  —  28 

§  5.     Das  Evangelienfragment  von  Fajjum 28  —  34 

§  6.     Das  pseudopetrinische  Evangelienfragnient     ....  34  —  48 

§  7.     Überleitende  Bemerkungen 48  —  53 

Tabelle  des  pseudopetrinischen  Evangelienfragments  .  54 

Texte  und  Untersuchungen 55-434 

Nachträge 435—456 


REGISTER 

DER 

IM  ZWEITEN  HEFTE  ABGEDRÜCKTEN  EVANGELIENTEXTE. 


I.  Begister  der  Matthaeus -Texte. 

(Die  Matthaeus-Texte  sind  nach  den  laufenden  Capiteln  und  Versen  des  ersten 

canonischen  Evangeliums  geordnet  und  daher  ohne  Schwierigkeit  zu  finden. 

Auf  folgende  Nachträge  sei  noch  besonders  hingewiesen.] 


11 

3, 

4 

14 

5. 

17 

??, 

36 

37  a 

0, 

23 

4:? 

13,  39 438 

42.  43 .    .    .    .    438 


Seite  I  Mt.  Seite 

436  I  15,  13 440 

437  i         19 440 

437  '        22.  27 ...    .  440 

437    IG,  18 441 

437  17,  21 441 

438  18,  15 442 

438    19,  12 442 

438    22,  11—13     ...  442 

24,  11 442 

24 443 


Mt.  Seite 

25,  10 443 

40 443 

26,  34 443 


27,  16.  17. 
46  .  . 
62-66 

28,  2-4  . 
19a.  . 
19>>.     . 


II.  Begister  der  Marcus-Texte. 


Mc. 

1,    6  . 

15  . 

4,  26  . 

27  . 

28  . 
33.  34  a 
34b      . 

6,  21—23 
24.  25 


55. 

436 

60 

153. 

439 

154. 

439 

155. 

439 

156 

157 

161 

162 

7, 


Mc. 

6,  26-28 
52  .    . 

6  .    . 

7  .     . 
9  . 

10  .    . 
11.  12 
13  .    . 
18a      . 


163 
164 
169 
170 
164 
166 
167 
168 
171 


Mc. 

7,  18b 
19  . 


20  .    . 
21.  22 
24a      . 
25.  26 
27  .    . 
28.  29 
31-37 


444 
444 
445 
445 
446 
447 


.  .  172 
.  .  172 
.  .  174 
175.  440 
.  .  178 
179.  440 
.  .  181 
183.  440 
.     .    440 


VI        Register  der  im  zweiten  Hefte  abgedruckten  Evangelientexte. 


Mc. 

8,  10  .  . 
17  .    . 

9,  11.  12 
13  .  . 
28.  29 
41  .  . 
43.  45 

47  .    . 

48  .     . 

49  .     . 
50b      . 

2-4  . 

5  .    . 

6  .    . 

7  .    . 


10, 


9 
11 


eite 

Mc. 

184 

10,  12  .     . 

164 

15   .     . 

203 

35—37 

208 

38—40 

441 

11,  24  .     . 

128 

25  .    . 

214 

12,  24   .    . 

215 

13,  10  .     . 

217 

20  .     . 

218 

22a      . 

219 

22b      . 

235 

27   .     . 

241 

14,    3.  4    . 

237 

7 

239 

9  . 

238 

20  .     . 

240 

26  .    . 

243 

27   .     . 

Seite 
244 
212 
254 
257 
262 
263 
269 
287 
288 
283 
290 
298 
319 
320 
321 
321 
322 
324 


Mc. 

Seite 

14,  29  .     . 

.    .    .    325 

30  .     . 

.     327.  443 

41   .    . 

.     .    .    328 

58  .    . 

.    .    .    331 

15,    4.  5  . 

.    .    .    337 

9  .    . 

.    .    .    338 

16  .    . 

.     .    .    344 

17a      . 

.    .     .    348 

17b      . 

.    .    .    349 

18  .     . 

.     .    .    350 

19  .     . 

.    .    .    353 

29a     . 

.    .    .    354 

34  .     . 

.     355.  444 

16,    9.  10. 

.     380.  446 

15   .     . 

.     393.  446 

16   .     . 

.    .    .    428 

20  .    . 

.     .    .    432 

9-20 


449-456 


Lc 

16,  18 

17,  3 


m.  Register  der  Lucas-Texte. 


.     .     243 
223.  442 


Lc. 

18,  17 212 

22,  34 327 


Lc. 

22,  39 


322 


TV.  Register  der  johanneisohen  Texte. 


Joh. 

2,  19 331 

12,  8 320 

14b.  15.  .    .     .  259 

13,  38 326 


Joh. 

16,  32 324 

19,    2a     ....  349 

2I>     ....  348 


Joh. 

19,     3a 

.    .    350 

3b      .     . 

.    .    353 

20,  23  .    .    . 

.    .    199 

V.  Texte  aus  dem  Diatessaron. 

a)  nach  Ephraemi  Syri  Evangelii  concordantis  erpositio  ed.  Mösinger. 


Mt. 

3,  14  .  . 
15  .  . 

4,  17   .  . 

5,  27.  28 
7,    6  .  . 

10,  23  a  . 

23b  . 


Mt. 

11,  28 131 

12,  5 139 

13,  41 151 

...  166 

...  167 


57 

59 

60 

87    15,    4 
108!  5  . 

125    15,  27.  28 


183 


126  I  16,  18 188 


Mt. 

18,  20  . 

19,  3.  7 


20,  15  . 

21,  22  . 
28,  19  a 


233 
235 
241 
254 
261 
394 


Register  der  im  zweiten  Hefte  abgedruckten  Evangelientexte.        VII 


b)  nach  Tatiani  Evangeliorum  Harmonia  Arabice  ed.  Ciaaca. 


Mt. 

Seite 

Mt. 

Seite 

Mt. 

Seite 

5,  14 

69 

15,  4  ...  . 

166 

25,  35.  36 .  .  .  .  310 

22  ...  . 

83 

5  .  .  .  . 

167 

41  .  . 

316 

33  ...  . 

91 

28  ...  . 

184 

26,  13  .  . 

321 

37  ...  . 

96 

18,  14  .  .  .  . 

222 

45  .  . 

328 

6,  5  ...  . 

104 

19,  9»   .  .  . 

242 

52  .  . 

329 

8  .  .  .  . 

105 

9b  .  .  . 

244 

27,  19  .  . 

340 

10.  5  ...  . 

118 

21,  22  .  .  .  . 

262 

46  .  . 

356 

23a  ... 

125 

25,  1  ...  . 

299 

c)  nach  Jesudad,  bzw.  Ebed  Jesu. 
Mt.    3,  4 Seite  56 


VI.  Texte  aus  dem  Hebraeerevangelium. 


Mt.  I  Mt. 

3,    4 55  I    3,  14 


I  Mt. 

57  I    3,  15 


59 


VII.  Texte  des  Evangelienfragments  von  Fajjum. 


Mt. 

26,  30 322 


Mt. 

26,  31 324 

34 326 


Mt. 

26.  33 325 


VIII.   Texte  aus  dem  pseudopetrinischen  Evangelienfragment. 


1  . 

.  ...  342 

v.  9  .  . 

.  .  .  353 

v.  28-34.  . 

.  .  366 

6  . 

.  ...  344 

17  .  . 

.  278.  344 

35-44.  . 

.  .  369 

7  . 

.  .  348.  350 

.  .  .  356 

46  .  .  . 

.  .  342 

8  . 

.  ...  349 

21.  22  . 

.  .  .  361 

45—49.  . 

.  .  379 

[In   den   Texten    bedeutet    gesperrter  Satz    die   identischen   Texte, 

_~v~-^ ^  gleichwerthige   Textvarianten.  '  aussercanonische 

Mehrbestandtheile.l 


Einleitung. 

§  i. 

Die  älteste  Bezeugung  des  tvayytXiov  xaxa  Max&alov. 

Die  äussere  Bezeugung  desjenigen  Evangeliums,  welches  im 
neutestamentlichen  Canon  die  erste  Stelle  einnimmt,  führt  uns 
in  eine  sehr  frühe,  aber  auch  noch  wenig  aufgehellte  Periode 
der  christlichen  Kirchengeschichte.  Es  ist  nämlich  das  tvayyi- 
Xiov  xaxa  Max&alov  mit  der  ältesten  Gestaltung  des  Juden- 
christeuthums  auf  das  Engste  verflochten. 

1.  Das  Zeugniss  durch  Cerinth  und  Karpokrates. 

Der  Haeresiologe  Epiphanins,  welcher  bezüglich  der  juden- 
christlichen Haeresie  aus  den  ältesten  und  besten  Quellen 
schöpfte,  schrieb  folgendermassen: 

Epiph.  Haer.  XXX,  U  p.  133  D. 
d  ftev  yaQ  h't/Qivihoq  xal   KaojtoxQag  xrö  avxro  XQ<ü~ 
fitvoi  dtj&ev  7ra{f  avxolg  tvayyaXlfo  ajto  x/jg  i'QX^g  tov 
xara   Maxttalov    tvayysXiov    6iä    x?jg    ysieaXoyiag 
ßnvXovxai   xaQtoräp   ix   oxtQftaxog  '/coöij^p   xal  Mayiag 
etvai  xov  Xqicxov. 
Epiphanius  —  oder  sein  Gewährsmann  —  redet  im  Zu- 
sammenhang von  dem  bei  den  Ebiouiten  gebräuchlichen  Evange- 
lium  und    bezeugt    kurz  vorher  (§  13)  die  wesentliche  Identität 
des  Ebionitenevangeliums  mit   dem   scayytXiov  xara  Maxfralov. 
nur  dass  letzteres  nicht  mehr  vollständig  (ov'/  oXcp  de  JcX7jQi0xt'i- 
xrp),  sondern  unter  den  Händen  der  Ebioniten  verfälscht  {vsro- 
d-svfiivm)  und  verstümmelt  (ijxQioxtjQiaüfitvq-))   worden  sei.     Er 
gibt  dann  aus  dem  Contexte  des  Ebionitenevangeliums  Beispiele, 
aus  denen  man  ersehen  könne,  wie  hinkend  (jiwg  Jtavxa  ftoaXu), 

Texte  u.  Untersuchungen  X,  2.  1 


2  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Sic. 

wie  schief  (loga)  und  wie  unrichtig  (xal  ovösfilav  oo&oxf/xa 
Ixovxct)  Alles  geworden  sei  (§  14  initio).  Und  indem  er  nun 
fortfährt  zu  bezeugen,  dass  schon  die  ältesten  Häupter  des  Ebio- 
nitismus,  Cerinth  (in  Kleinasien)  und  Karpokrates  (in 
Aegypten)  dasselbe  Evangelium  gebraucht  haben  {ttp  ctvx(~>  xqcj- 
f/evoi  örj&ev  jicto*  ctvxolg  evctyytXim),  constatiert  er  einen  tief 
eingreifenden  Unterschied  zwischen  jenen  Häuptern  des  Ebioni- 
tismus  und  ihren  Nachfolgern  bezüglich  des  Gebrauchs  jener 
Evangelienschrift. 

Jene  Häupter  (o  ftev  yctQ  Kfouviroq  xal  KaQitoxQäg)  be- 
sassen  noch  das  Matthäusevangelium  mit  der  Genealogie  und 
suchten  gerade  mittels  dieser  Genealogie  ihre  ebionitische  Lehre 
von  der  Geburt  Jesu  aus  Joseph  und  Maria  zu  erweisen  (ctüio 
Tf/g  GQx^jg  xov  xard  Max&alov  EvetyysXtov  öiä  zrjg  yeveaXoyiaq 
ßovXovxai  xccqigtuv  ix  üjtkQfuxtoq  'icoöijtp  xal  Naoiaq  elvcu  xov 
Xqiötov).  Also  war  ihr  Matthäusevangelium  wenigstens  am  Anfang 
bezüglich  der  Genealogie  noch  nicht  verstümmelt.  Diese  aber, 
ihre  Nachfolger,  die  Ebioniten  (ovxoi  6i  —  so  fährt  der  Be- 
richt fort)  halfen  sich  auf  andere  Weise,  indem  sie  zur  Be- 
gründung ihrer  judenchristlichen  Christologie  einfach  die  Ge- 
nealogie abschnitten  und  den  Anfang  ihres  Evangeliums  mit 
Mt.  3,  1  geschehen  Hessen:  ovroi  öe  aXXa  xivlt  öiavoovvxai. 
nctQCtxoipavTeg  ydg  zag  jcapet  riß  Meixftairp  ytveaXoyiag  t((>%ov- 
xai  xijv  tl(r/J/v  jcouiv&m  toc  jtQorfxoftev.  Die  ursprüngliche 
Identität  zwischen  unserem  Matthäusevangelium  und  dem  Hebräer- 
evangelium (EßQCtixbv  6h  tovto  xaXövoiv)  scheint  hier  bezeugt 
zu  sein. 

Für  dieses  Identitätsverhäitniss  und  für  die  Thatsache,  dass 
die  bei  den  ältesten  Judenchristen  im  Gebrauch  gewesene  Evan- 
gelienschrift promiscue  mit  zwei  verschiedenen  Namen: 
svayyeXiov  xctxa  Matiratov  und  svayytXtoi-'  xati*  Eßgaiovg  (oder 
xo  EßQctixov)  bezeichnet  zu  werden  pflegte,  besitzen  wir  noch 
folgende  patnstische  Zeugnisse: 

Iren.  111,  11,  7.  Ebionaei  etenim  eo  evangelio,  quod  est  se- 
eundum  Matthaeum,  solo  utentes,  ex  illo  ipso  convin- 
cuutur,  non  recte  praesumentes  de  Domino. 
Iren.  1,  26,  2.  Solo  autem  eo,  quod  est  seeundum  Mat- 
thaeum, evangelio  utuntur  (sc.  Ebionaei)  et  apostolum 
Paulum  recusant,  apostatam  eum  legis  dicentes. 


§  1.    Die  älteste  Bezeugung  des  evayyeZiov  xaxu  Maz&alov.         3 

Eus.  H.  E.  III,  27,  4.     (Eßicoraloi)  evayyeXico  öe  fiovcp  xq> 

xa&]  'Eßoalovg  Xeyofit'vqj  yoc6tuevoi  xcöv  Xoinöiv  Ofiixobv 

ejtoiovvxo  Xoyov. 
Theodoret.  Haer.  Fab.  II,  1.    f/6vov  öe  xo  xaxa  Eßiovaiov; 

evayyeXiov    ötyovxai.    ibid.    evayyeXico    öe    xco    xaxa 

Max&aiov  xtyotjvxai  fiovo). 
Epiph.  Epitome  Haer.  XXX.  Tom.  I.  p.  359  ed.  Dindorf.   ötyovxai 

öe  xo  xara  Maxd^atov  evayysXtov  xaxu  'Eßoaiovg 

cuxo  xaXovvxeg. 
Epiph.  Haer.  XXX,  3.  p.  127  C.    xal  ötyovxai  fiep  xal  avxol  xo 

xaxa   Max&alov    evayyt'Xiov.     xovxco    yao  xal  avxui, 

coq  01  xaxa  KtjQtrtiov  xal  M/jqiv&ov  yoiüvxai  fiovco.   xa- 

Xovoi  öe  avxo  xaxa   Eßoalovg. 

Sichtlich  gehen  alle  diese  Nachrichten  —  wie  schon  ihr  fast 
gleicher  Wortlaut  an  die  Hand  gibt  —  auf  eine  gemeinsame 
ältere  Quelle  zurück.  Dies  ergibt  sich  auch  aus  folgender  Er- 
wägung. Da  zu  den  Zeiten  des  Irenaeus  und  vollends  zu  denen 
des  Eusebius,  Epiphanius  und  Theodoretus  die  Identität 
zwischen  dem  Matthäusevangelium  und  Hebräerevangelium  schon 
längst  nicht  mehr  bestand,  so  wiederholen  diese  Schriftsteller 
den  Wortlaut  einer  älteren  Nachricht,  die  sie  —  wie  aus  ihren 
sonstigen  unklaren  Zuthaten  erkennbar  ist  —  selbst  nicht  mehr 
verstanden. 

Aber  es  wird  Manche  geben,  die  diese  Beweisführung  nicht 
zugestehen  und  die  ursprüngliche  Identität  unseres  Matthäus- 
evangeliums und  des  Hebräerevangeliums  nicht  anerkennen 
wollen  —  obwohl  dann  das  Dilemma  entsteht,  dass  die  Ebioniten 
ausschliesslich  (ftovm,  solo)  das  Matthäusevangelium  und  zu- 
gleich ausschliesslich  (fidvqy,  solo)  das  Hebräerevangelium 
gebraucht  haben  sollen.  Indess  ist  diese  Frage  auch  nicht  der 
Hauptpunkt,  auf  den  es  hier  ankommt.  Was  hier  bewiesen 
werden  sollte,  ist  die  unzweifelhafte  Existenz  des  tvayytXiov 
xaxa  yfaxiialov  schon  vor  Cerinth  und  vor  Karpokrates.  sowie 
der  massgebende  Einfluss  dieses  evayyt'Xiov  auf  die  früheste 
Entwicklung  des  Judenchristeutlmms.  Abgesehen  also  von  der 
frage,  in  welchem  Verhältniss  das  tvayytXiov  xara  Max&aTov 
zu  dem  tvayytXiov  xatt*  'Eßoaiovg  gestanden  habe,  sind  Kar- 
pokrates (in  den  ersten  Jahrzehnten  des  zweiten  Jahrhunderts) 

1* 


4  Aussereanor.ische  Paralleltexte  zu  Mt.  unrl  Mc. 

und  Ceriuth  ')  (Zeitgenosse  des  Apostels  Johannes)  die  ältesten 
Zeugen  für  das  Vorhandensein  des  tvayytMov  xaxa  Maxfralor 
und  für  dessen  enges  Verhältnis  zum  ältesten  Judenchristenthmn. 
In  wie  weit  die  iunere  Kritik  und  die  textliche  Analyse 
dieser  Evangelienschrift  etwa  zu  der  Anschauung  berechtige,  in 
derselben  die  älteste  Urkunde  des  Judenchristenthunis  zu  er- 
blicken, das  soll  im  Schlusshefte  dieses  Werkes  einer  zusammen- 
fassenden Erörterung  unterzogen  werden. 

2.  Der  Evangeliencanon  als  Zeuge. 
Nach  dieser  mit  der  Entwicklung  des  ältesten  Judenchristen- 
thunis eng  verknüpften  Vorgeschichte  des  evccyytXiov  xaxa  Max- 
Halov  wirkt  die  Thatsache  um  so  überraschender,  diese  Schrift 
nicht  nur  in  den  um  140  n.  Chr.  entstandenen  Evangeliencanon-) 
aufgenommen,  sondern  auch  an  dessen  Spitze  gestellt  zu  sehen 
—  eine  Thatsache,  welche  im  Zusammenhang  mit  den  patristischen 
Zeugnissen  für  die  ursprüngliche  Identität  des  tvayytkiov  xaxa 
Max&aloi'  und  xaO'  KßQctiovg  nach  ihrer  Tragweite  von  der 
wissenschaftlichen  Forschung  bisher  noch  nicht  genügend  ge- 
würdigt sein  dürfte.  Auch  da,  wo  die  Stellung  der  drei  anderen 
Evangelisten  wechselt,  behauptet  das  evayytXiov  xata  Max&alov 
den  ersten  Platz.  Namentlich  die  altsyrische  Version  Curetons, 
die  altlateinischen  Evaugeliencodices  und  der  griechische  Codex 
Bezae  vertreten  einheitlich  die  Voranstellung  unserer  Evangelien- 
schrift. Es  geht  daraus  klar  hervor,  dass  auch  der  Archetypus  dieser 
drei  unter  einander  so  eng  verwandten  Evangelienrecensionen,  der 
ursprüngliche  E  v  a  n  g  e  1  i  e  n  c  a  n  o  n ,  das  t  vayyiXiov  xaxa  Max- 
&aiov  an  seiner  Spitze  gehabt  hat. 

3.  Tatians  Diatessaron. 
Der  nächste  Zeuge  für  das  tvayytXiov  xaxa  MaxftaZov  ist 
Tatian,  welcher  in  seinem  um  die  Jahre  160 — 170  n.  Chr.  ver- 
fassten  Diatessaron  den  vierfältigen  Evangeliencanon  voraussetzt 
und  in  seinen  Texten,  soweit  sie  uns  erkennbar  sind,  ganz  deut- 
lich die  dem  ersten  canonischen  Evangelium  entnommenen  Stoffe 
reproduciert. 


1)  Man  vgl.    noch  Philastr.  c.  36.  (Cerinthus)   evangelium   secunduoi 
Matthaeum  soluni  acciyit,  tria  evangelia  spernit. 

2)  Vgl.  Heft  I,  11. 


§  1.    Die  älteste  Bezeugung  des  nvayyrktov  xaxa  Maxttulov.  5 

4.  Irenaeus. 
Der  erste  kirchliche  Schriftsteller,  welcher  den  vierfältigen 
Evangeliencanon  expressis  verbis  erwähnt,  dessen  anerkannte 
kirchliche  Giltigkeit  bespricht  und  die  einzelnen  Evangelisten 
der  Reihe  nach  nennt,  ist  bekanntlich  Irenaeus*  am  Ausgang  des 
zweiten  Jahrhunderts.  Und  obwohl  man  derjenigen  Stelle,  an 
welcher  er  die  vier  Evangelisten  der  Reihe  nach  vorführt  (Iren. 
III,  1,  1),  den  vorcanonischen  hebräischen  Matthäus  mit 
dem  canonischen  griechischen  Matthäus  inrthtimlicher  Weise 
identifiziert  (o  (isv  öt)  Maxfralog  iv  xotg  Eßnaioig  xrj  iöia  öta- 
Xixxcp  ttvrcöv  xal  yoa<pi)v  igrjveyxsv  tvayyeXlov ,  xov  JlixQov 
xal  xoi  IJavXov  Iv  Poj(4?j  tvayysXi^ofitvmv  xal  d-e/isXtovvxcor 
xfjv  lxxXt]Qiav),  .-»o  ersieht  man  doch  um  so  gewisser  aus  diesen 
Worten  die  feste  Stellung  des  svayyiXtov  xaxa  Max-ftaZov  an 
der  Spitze  des  Evangeliencanons. 

5.  Symmachus. 
Von  der  fortdauernden  Wichtigkeit  des  evayyiXiov  xaxa 
Max&aiov  für  das  Judenchristenthum  geben  Zeugniss  die  Nach- 
richten, denen  zufolge  Symmachus,  einer  der  ersten  Führer  des 
Judenchristenthums,  sich  eingehend  mit  diesem  Evangelium  be- 
schäftigt hat.     Man  vgl. 

a)  Eus.  H.  E.  VI,  17.     xöjv  ys  ftt)v  kQUiyvtvxiov  avxoZv  öt) 

xovxcov  loxiov,  'Eßtatvatov  xov  2v{tfiayov  yeyovi- 
vat.  —  xal  vjiofivrjfiaxa  öh  xov  2cii/.iäyov  flotxc 
vvv  yigexai,  Iv  olg  ö(txti  jioog  xo  xaxa  Max&aiov 
ajcoxeivof/evog   evayyiXiov   x?)v   öeötjXojftevtjv    ai- 

QiölV   XQUXVVtlV. 

b)  Hieron.  de  vir.  ill.  c.  54  (sub  voce  Origenes). 

(Symmachi)  —  qui  in  evangelium  quoque  xaxa 
Max&aiov  scripsit  commentarios,  de  quo  et  suum 
dogtna  confirmare  conatur. 

c)  Niceph.  Call.  H.  E.  V,  12.     i&öoxo  61  o  ^vfifiaxog 

vjrofivyfiara  xal  elg  xo  xaxa.  Maxi)  alov  Isqov 

evayyiXiov. 

Hieronymus  und  Nicephorus  haben  also  die  Nachricht 

des  Eusebius  in  der  Weise  gedeutet,  dass  die  vjiofivt'jfiaxa  des 

Symmachus  einen  Commentar  des  evayye'Xcov  xaxa  Maxfralov 

enthalten    hätten.     Die   eusebianische    Notiz  kann  aber  auch  in 


(}  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc, 

dem  Sinne  aufgefasst  wei'den,  als  ob  die  vjco/.iv?](jaxa  des 
Sy  mm  ach us  der  Bekämpfung  des  tvayyiXtov  xaxa  Max&aiov 

—  anoxüvuv  Jtgog  xiva  =  gegen  jemand  losziehen  —  gewid- 
met gewesen  seien.  Es  ist  jedoch  auch  noch  eine  dritte  Deutung 
der  ohnehin  etwas  unbestimmt  gehaltenen  Worte  des  Eusebius 
(vgl.  das  öoxel)  möglich,  nämlich  in  der  Richtung,  dass  Sym- 
machus  durch  Zusätze,  Änderungen,  Interpolationen  eine  Um- 
arbeitung des  tvayyeZtov  xaxa.  Maxd-alov  und  dadurch  die  Aus- 
gestaltung des  späteren  Hebräerevangeliums  vorgenommen  habe 
und  dass  dieses  sein  schriftstellerisches  Vorgehen  von  Eusebius 
oder  seinem  Gewährsmann  als  ein  äjcoxeiveöfrai  xQoq  xo  xaxa 
Matfralov  evayyiZiov  aufgefasst  worden  sei.  «Jedenfalls  war 
Symmachus  —  der  bekannte  Übersetzer  des  Alten  Testaments 

—  ein  Zeitgenosse  des  Irenaeus,  eine  der  bedeutendsten  Per- 
sönlichkeiten des  gesammten  Judenchristenthums ,  ja  dessen 
literarischer  Hauptvertreter  1),  und  seine  eingehende  Beschäftigung 
gerade  mit  dem  Matthäusevangelium  unter  Ausschluss  der  übrigen 
Evangelien  legt  in  jedem  Falle  Zeugniss  ab  für  die  fortgehende 
Bedeutung,  welche  das  svayyiXiov  xaxa  Maxftalov 
auch  nach  seiner  erfolgten  Canonisierung  in  juden- 
christlichen Kreisen  behauptete. 

6.  Clemens  Alexandrinus. 
Nächst  Irenaeus  ist  es  weiter  Clemens  AI.,  welcher  den 
aus  der  kirchlichen  Tradition  hervorgegangenen  Evangeliencanon 
erwähnt.  Vgl.  Strom.  III,  13,  93  p.  553:  hv  xoiq  xayaösöofit- 
voig  i)[ilv  xexxaQGiv  EvayyeXloig.  Das  evayyiXiov  xaxa 
Max&alov  macht  Clemens  zweimal  durch  folgende  Citations- 
formeln  besonders  namhaft:  kv  6h  x<x>  xaxa  Max&alov  bv- 
ayyeXlm  —  Strom.  I,  21,  147  p.  409  —  öib  xal  nQooe&rjxev  6 
Maxfraloq  —  Quis  div.  salv.  c.  17  p.  945. 

7.   Origenes. 
Ori genes   endlich,   in  dessen  Commentar  zu  Matthäus  be- 


1)  Die  Judenchriaten  wurden  sogar  vielfach  als  „Symniachianer" 
bezeichnet.  Vgl.  Augustin.  contra  Cresconium  Donatistam  1,31:  sunt  qui- 
dam  haeretici,  qui  se  Nazarenos  vocant,  a  nonnullis  autem  Symmachiani 
appellantur.  Ferner  c.  Faust.  XIX,  17.  Ambros.  in  Prolog,  in  epist.  ad 
Galatas.  Ebenso  Faustus  Manichaeus:  (Nazaraei)  quos  alii  Symniachianos 
appellant.    Vgl.  August,  c.  Faust.  XIX,  4. 


§  1.    Die  älteste  Bezeugung  des  tvayy&.iov  y.axu  Mard-ulov.         7 

reits  der  mit  den  revidierten  l)  Codices  im  Wesentlichen  überein- 
stimmende und  wahrscheinlich  von  ihm  selbst  bereinigte  cano- 
nische Text  vorliegt,  ein  Text,  welcher  in  dieser  Weise  bei  Cle- 
mens noch  nicht  zu  finden  ist,  hat  sich  über  den  vierfältigen 
Evangeliencanon  und  dabei  an  erster  Stelle  über  das  svayyD.iov 
xaxa  Max&alov  folgendermassen  geäussert:  ojq  sv  xaoaöoöti 
fia&cßv  JtSQi  xmv  t egouqcov  svayyeXlajp,  a  xal  f/6va  avav- 
TiQQijta  eöxip  kv  rfj  vxb  xov  ovqavbv  exxXijola  xov  &eov,  oxi 
xqcöxov  [t£P  ytygaitxai  xo  xaxa  xov  jcoxe  xsXoJvrjv,  vöxtoov 
de  anöoxolov  'Jqoov  XqiGxov  MaxftaZov,  txötöcoxoxa  avxb 
xolg  djco  'lovöatöfiov  jtiöxevöaöi  —  Eus.  H.  E.  VI,  25,  4. 

Man  sieht:  der  eine  Name  tvayytXtov  xaxa  Max&aZov  hat 
die  Alleinherrschaft  errungen;  der  andere  Name  svayyiXiov 
xafr*  'Eßoaiovq  ist  inzwischen  auf  eine  andere  Schrift,  das  haere- 
tische  Hebräerevangelium,  das  auch  Origenes  kannte  (vgl. 
Agrapha  S.  323 ff.),  übergegangen;  aber  die  Erinnerung,  dass 
dieses  tvayytXtov  xaxa  Max&alov  nicht  für  Heidenchristen,  son- 
dern für  Judenchristen  \xoZq  djtb  lovda'CGfiov  jttGxevöaai)  ge- 
schrieben war,  ist  geblieben. 

Bezüglich  der  indirekten  Bezeugung  dieses  wie  der  anderen 
Evangelien  durch  patristische  und  andere  namenlose  Citate 
aus  dem  zweiten  Jahrhundert,  wovon  im  Vorstehenden  vollstän- 
dig abgesehen  ist,  wird  eine  zusammenfassende  Übersicht  erst 
im  Schlusshefte  dieses  Werkes  gegeben  werden. 

Ebenso  kann  erst  nach  Abschluss  der  Detailuntersuchüngen 
die  Frage  nach  der  Textgeschichte,  welche  das  evayyeXiov  xaxa 
Max&aZov  durchlaufen  haben  mag,  bevor  sein  revidierter  cano- 
nischer Text  fixiert  ward,  eine  sachentsprechende  Beantwortung 
finden. 

§  2. 
Die  älteste  Bezeugung  des  evayyeXiov  xaxa  Mäoxov. 

Die  älteste  Bezeugung  des  Marcusevangeliums  geht  in  noch 
frühere  Zeiten  zurück,  als  diejenige  des  evayysXiov  xaxa.  Max- 
ftalov  Denn  es  sind  zwei  canonische  Autoritäten,  welche 
nicht  sowohl  durch  einzelne  Citate,  als  vielmehr  durch  den  Tenor 


1)  Vgl.  Heft  I,  18  ff. 


g  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mo. 

ihrer  Schriften  die  frühzeitige  Existenz   und  den  tiefgreifenden 
Einfluss  des  Marcusevangeliums  bekunden. 

1.  Der  erste  Evangelist  als  Zeuge. 
In  Folge  eindringender  analytischer  Vergleichung  des  ersten 
canonischen  Evangeliums  mit  dem  Marcusevangelium  hat  es  sich 
ergeben,  dass  das  letztere  für  das  erstere  von  entscheidender  Be- 
deutung gewesen  ist,  nicht  nur  für  dessen  stofflichen  Gehalt, 
sondern  auch  für  seine  formale  Gestaltung.  Bezüglich  des  ersteren 
Punktes  sagt  B.  Weiss  (Leben  Jesu  I,  53),  „dass  der  gesammte 
Inhalt  des  zweiten  Evangeliums  mit  der  völlig  verschwindenden 
Ausnahme  einiger  ganz  unerheblicher  kleiner  Stücke,  deren  Aus- 
fall sich  leicht  und  in  einleuchtendster  Weise  erklären  lässt,  in 
unser  erstes  Evangelium  übergegangen  ist".  Und  über  den  an- 
deren Punkt  äussert  derselbe  Forscher  sich  folgendermassen: 
„Die  ganze  Anlage  unsers  ersten  Evangeliums  erweist  sich  le- 
diglich als  eine  weitere  Ausführung  des  von  Marcus  gegebenen 
Grundrisses  einer  Darstellung  der  Geschichte  Jesu"  (Vgl.  Weiss, 
Matthäusevangelium  S.  10).  Auf  Grund  dieses  Forschungsergeb- 
nisses, von  dessen  Richtigkeit  sich  ein  Jeder  durch  längeres  und 
tieferes  Eindringen  in  die  Weiss'schen  Untersuchungen  über- 
zeugen kann,  muss  der  erste  Evangelist  als  der  älteste  Zeuge 
für  die  Existenz  und  den  frühzeitigen  Einfluss  des  Marcusevan- 
geliums bezeichnet  werden. 

2.  Lucas  als  Zeuge. 
Der  Verfasser  des  dritten  canonischen  Evangeliums  und  der 
Apostelgeschichte,  welcher  über  ein  reiches  Quellenmaterial  ver- 
fügte, erscheint  als  der  zweite  Zeuge,  sofern  auch  er,  wenngleich 
mit  grösserer  Unabhängigkeit  als  der  erste  Evangelist,  das  Mar- 
cusevangelium benutzte.  „Marcus  hat  vor  dem  Lucas  geschrie- 
ben. Denn  dieser  hatte  jenen  vor  Augen."  So  hat  schon  Storr 
(Über  den  Zweck  der  evangelischen  Geschichte  etc.  Tübingen 
1786)  das  Verhältnis«  festgestellt.  Und  Weiss  hat  des  Näheren 
gezeigt,  „wie  sich  Lucas  von  Marcus  durch  grosse  Partien  hin 
in  Anordnung  und  Darstellung  abhängig  zeigt,  wie  oft  in  diesen 
Partien  sein  Text  formell  und  sachlich  sich  einfach  als  eine  Er- 
läuterung und  Erweiterung,  Zurechtstellung  und  Erleichterung 
des  Marcustextes  darstellt,  wie  die  Erzählung  des  dritten  Evan- 
geliums  oft   Detailzüge    aus  Marcus   voraussetzt,    die  an  ihrem 


i;  2.     Die  älteste  Bezeugung  des  evayyeXiov  xuxti  Mäoxov.  9 

Orte  von  dem  Bearbeiter  übergangen  sind,  wie  selbst  die  Sprach- 
eigenthürnlichkeiten  des  zweiten  Evangeliums  vielfältig  mit  auf- 
genommen sind  und  sich  der  andersartigen  Ausdrucksweise  des 
Lucas  gegenüber  noch  deutlich  als  ein  ihm  ursprünglich  fremd- 
artiges Element  erweisen"  (Weiss,  Leben  Jesu  I,  69).  Marcus 
war  also  unter  den  „  Vielen ",  von  welchen  Lucas  in  der  Einlei- 
tung seines  Evangeliums  sagt:  jtoXXol  istsysio^oav  avazä$ao$ca 
ötrjyrjoiv  Jitgl  tcov  JTtJtX?jQocpoQ7]iutvcov  Iv  i)[ilv  jcgay^iäxav. 
Lc.  1,  1.  2. 

3.  Das  Zeugniss  des  Presbyters  Johannes. 
Ein  einzigartiges  Zeugniss  über  die  Abfassung  des  Marcus- 
evangeliums besitzen  wir  durch  den  Presbyter  Johannes,  einen 
Schüler  der  Apostel.  Papias  (um  120  n.  Chr.)  hat  in  seinem 
fünftheiligen  Werke:  Xoyicov  xvgiaxcöv  i£,r/y>>Gtq  —  die  Worte 
des  Presbyters  aufbewahrt.  Dieselben  lauten  (Eus.  HI,  39,  15) 
folgendermassen : 

xal  zovzo  o  ngeößvzegog  tXsye'  Mctgxog  fiev  egfif]- 
vevztjg  ützgov  yev6[i£voq,  oöa  iftvrjfiovEvosv ,  dxgi- 
ß(5g  tygaipEV,  ov  fievzoi  taget,  zä  vjco  zov  Xgiozov 
/}  Xeyßevza  >/  jigax&t'vza.  ovzt  yag  I'/xovoe  zov  xvgiov 
ovze  jiagt/xoXov&tjöev  avzcö,  vözsgov  öi,  coq  tg>i]v,  IIi- 
zgco,  og  JtQOg  zag  XQb^a?  exoielzo  zug  öiöaOxaXiag,  aXX* 
ovy  coöxeq  övvza^iv  zcöv  xvgiaxöiv  xoiovtuevog  Xoycov, 
(oozs  ovöiv  t/^agzs  MctQxog,  ovzrog  tvia  ygätpag 
cog  tijtt}/V7jtu6vevO€V.  tvog  yag  ijioi//Cazo  Jtgovoiai', 
zov  fi?]öev  cov  r/xovGE  JtagaXtxeZv ,  >/  rptvaao&ai  zc  iv 
avzolg. 
Viererlei  bezeugt  hier  der  Presbyter  Johannes: 

1.  den  Einfluss  der  petrinischen  Erinnerungen  auf  Marcus, 

2.  die  Auswahl  aus  den  evangelischen  Stoffen,  die  Marcus 

vorgenommen  (tvia  ygäipag), 

3.  den  Charakter  der  detaillierten  Darstellung,  deren  sich 

Marcus  befleissigte  (dxgißcog  tygaxpev), 

4.  die  Durchbrechung  der  in  der  evangelischen  Geschichte 

ursprünglich  gegebenen  Ordnung  (ov  fitvzot  zägei). 
Die  kritische  Analyse,   wie  sie  namentlich  von  B.  Weiss 
(Das  Marcusevangelium  und  seine  synoptischen  Parallelen,  1872) 
gegeben  worden   ist,    hat   das  Zeugniss  des  Presbyters  in  allen 


IQ  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Punkten  (wegen  des  letzten  Punktes  s.  den  folgenden  §)    voll- 
kommen bestätigt. 

4.  Der  Evangeliencanon  als  Zeuge. 
Dass  bei  dem  hohen  Alter  des  Marcusevangeliums  und  bei 
seinem  massgebenden  Einfluss  auf  die  älteste  Evangelienliteratur 
diese  Schrift  in  dem  sich  bildenden  Evangeliencanon  Aufnahme 
finden  musste,  liegt  auf  der  Hand.  Doch  war  die  Stellung, 
welche  dieser  Schrift  innerhalb  des  Evangeliencanons  angewiesen 
wurde ,  anfänglich  eine  schwankende.  In  der  altsyrischen 
Version  Curetons,  in  welcher  das  johanneische  Evangelium 
an  dritter,  das  des  Lucas  an  vierter  Stelle  steht,  nahm  doch  das 
Marcusevangelium  bereits  die  zweite  Stelle  ein.  Dagegen  in 
der  oberaegyptischen  Version  der  Evangelien,  in  welcher 
Johannes  die  Spitze  behauptet,  ist  dem  Marcus  der  dritte  Platz 
zugewiesen.  (Vgl.  Woide,  Append.  Cod.  Alex.  Dissert.  de  Vers, 
Aeg.  c.  II.  p.  19.)  Und  im  Cod.  Cantabr.  sowie  in  den  latei- 
nischen Codd.  Brix.,  Veron.,  Vercell.  (Vindobon.)  folgt  das 
Marcusevangelium  den  anderen  drei  als  letztes  nach.  Auch 
Tertullian  (adv.  Marc.  IV,  2)  nennt  den  Marcus  zuletzt,  indem 
er  sagt:  Denique  nobis  fidem  ex  apostolis  Joannes  et  Mat- 
thaeus  insinuant,  ex  apostolicis  Lucas  et  Marcus  instaurant. 
Aber  mochte  die  Stellung  des  Marcusevangeliums  immerhin 
wechseln,  an  seiner  Zugehörigkeit  zu  dem  Evangeliencanon  war 
von  Anfang  an  —  also  von  140  —  150  an1)  —  kein  Zweifel. 

5.  Tatians  Diatessaron. 
Dies  wird  auch  bestätigt  durch  die  Evangelienharmonie,  mit 
welcher  Tatian  auf  Grund  des  vierfältigen  Evangeliencanons 
die  syrische  Kirche  beschenkt  hat.  Wenn  auch  nicht  mehr  in 
seiner  ursprünglichen  Textgestalt,  so  doch  in  seinen  Stoffen  und 
in  deren  harmonisierender  Anordnung  durch  das  von  Ciasca 
herausgegebene  arabische  Diatessaron  uns  erhalten,  zeigt  es  uns, 
dass  darin  auch  Perikopen,  die  ausschliesslich  dem  Marcusevan- 
gelium angehörten,  nicht  gefehlt  haben. 

6.   lrenaeus. 
Irena eus,  welcher  bereits  die  jetzt  noch  gütige  canonische 
Anordnung  der  Evangelien  vertritt,  sagt  in  der  oben  bei  Mat- 
1)  Vgl.  Heft  I,  11. 


§  2.    Die  älteste  Bezeugung  des  svayyehov  xaxa  Muqxov.         \\ 

thäus  citierten  Stelle  (Iren.  III,  1,1)  bezüglich  des  zweiten  Evan- 
gelisten das  Folgende:  Mäoxog,  6  (jafrqxijc  xal  tQ(i7jvsvxf)q 
IlixQov,  xal  avxbq  xa  vjto  Wxqov  x?jQvoo6fieva  t-yyoaqojq 
■t]{ilv  jiagaöeöcoxe.  Der  Einfluss  der  durch  den  Presbyter  Jo- 
hannes und  durch  Papias  vertretenen  Tradition  ist  hier  un- 
verkennbar. 

7.  Clemens  Alexandrinus. 
Eine  ganz  eigenthümliche  Reihenfolge  der  Evangelien  ver- 
tritt Clemens  AI.,  sofern  er  an  die  beiden  ersten  Stellen  die 
mit  Genealogien  versehenen  Evangelien  (Mi,  Lc.)  rückt,  dann 
den  Marcus  folgen  lässt  und  den  Johannes  als  toyaxov  erwähnt. 
In  der  aus  den  verloren  gegangenen  Hypotyposen  (wahrschein- 
lich aus  dem  5.  Buche)  durch  Eusebius  erhaltenen  Stelle  giebt 
dabei  Clemens  folgendes  Referat  über  die  Entstehung  des  Mar- 
cusevangeliums (Eus.  H.  E.  VI,  14,  6): 

xo    de  xaxa   Maoxov  xavxi]v    loyjyxivai   xfjv   olxovo- 
H'iav.    xov  IlixQov   öijfiooia,    hv  'Pm/ffi*  xijQv^avxoq   xov 
Xoyov,    xal   jrvsvfiaxi    xo   evayyeXiov   ht-suiovxoq,    xovq 
ütagovxaq    jioXXovq    ovxaq    naoaxaXböai    xov    Maoxov, 
möav  axvXovfr/jöavxa  avxrö  jröoyaifrev  xal  f/efivtjfitvov 
xwv  Xex&tvxwv ,  avayoärpat  xä  eiQtjfitva'  Jtoirjöavxa  de 
xo  evayyeXiov  (lexaöovvai  xolq  öeofitvoiq  avxov. 
Eine  ähnliche  Relation  findet  sich  Eus.  II,  15,  1  aus  dem  — 
hierbei   ausdrücklich   genannten  —  sechsten   Buche   der  Hypo- 
typosen. 

8.  Origenes. 
In  seiner  canonischen  Reihenfolge  der  Evangelien  erwähnt 
Origenes  das  des  Marcus  mit  folgenden  Worten:  öevxeoov 
de  xo  xaxa  Muqxov,  coq  JJexgoq  vcptjy/jöaxo  avxco,  Jtoirjoavxa, 
ov  xal  vlov  hv  xy  xa&oXixrj  exiöxoXy  öta  xovxow  cofioXoyt/oe. 
Aus  diesem  Überblick  ersieht  man  die  ganz  vorzügliche  Be- 
zeugung des  Marcusevangeliunis,  eine  Bezeugung,  die  bis  in  die 
Urzeit  der  Kirche  zurückreicht.  Und  dennoch  finden  sich  bei 
den  kirchlichen  Schriftstellern  vor  Irenaeus  und  Clemens 
nur  wenige,  und  dazu  meist  unsichere,  Spuren  von  der  Benützung 
dieses  Evangeliums  — :  ein  lautredendes  Symptom  für  die  Wert- 
losigkeit der  allgemeinen  Beweisführung  e  silentio  l). 

1)  Nur  dann    hat   das    argumentum  e  silentio  Beweiskraft,    wenn  in 


12  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Unter  diesen  Umständen  liegt  auch  die  auf  das  Marcusevange- 
lium bezügliche  vorcanonische  Textgeschichte  völlig  im  Dunkeln. 
Nur  einige  Varianten  im  Diatessaron  und  die  frühzeitigen  Spuren 
von  Mc.  16,  9 — 20  geben  wenige  Lichtblicke.  Man  kann  in  Folge 
dessen  auch  kein  Urtheil  gewinnen  über  diejenige  Textgestalt, 
nach  welcher  das  Marcusevangelium  dem  ersten  und  dem  dritten 
Evangelisten  vorgelegen  haben  mag.  Man  kann  verrnuthen,  dass 
vielleicht  manche  Erscheinungen,  welche  zur  Annahme  eines  Ur- 
marcus  geführt  haben,  ihre  Erklärung  in  der  Entwickelung  des 
Marcustextes  finden  würden,  wenn  solche  uns  bekannt  wären. 
Andere  haben  angenommen,  dass  der  von  Lucas  weggelassene 
Abschnitt  Mc.  6,  45 — 8,  26  in  dem  von  dem  dritten  Evangelisten 
gebrauchten  Marcusexemplare  gefehlt  habe.  Aber  ein  irgendwie 
objektives  Urtheil  lässt  sich  über  diese  Fragen  in  Ermangelung 
aller  Unterlagen  nicht  gewinnen. 


§  3. 
Die  Composition  des  EvayytÄiov  xaxä  Mägxov. 

Es  ist  das  in  seiner  Begründung  und  nach  seiner  Tragweite 
noch  lange  nicht  genug  gewürdigte  Verdienst  von  B.  Weiss, 
die  Zweiquellentheorie  in  bahnbrechender  Weise  weiter  geführt 
zu  haben.  Die  strenge  Zweiquellentheorie  nahm  für  die  beiden 
Hauptquellen  —  das  Urevangelium  und  das  MarGusevangelium 
—  eine  gleich  grosse  Originalität  an  und  leitete  nur  aus  der 
verschiedenen  Behandlung  dieser  beiden  Quellen  durch  den  ersten 
und  den  dritten  Evangelisten  sowohl  die  Verwandtschaftsver- 
hältnisse als  die  Verschiedenheiten  der  synoptischen  Parallelen 
bei  Mt.  und  Lc.  her.  Weiss  beschränkte  die  Originalität  des 
Marcus,  indem  er  dessen  Abhängigkeit  von  dem  Urevangelium, 
der  apostolischen  Quelle,  wie  er  sie  nannte,  nachwies.  Aber  er 
stellte  damit  zugleich  erst  recht  ans  Tageslicht  den  tiefgreifenden 
Einfluss,  welchen  das  Marcusevangelium  auf  seine  beiden  synop- 
tischen Nachfolger  ausgeübt  hat. 

Es  wird  sich  empfehlen,  eine  Übersicht  derjenigen  Partien 


einzelnen  bestimmten  Fällen  die  Bezugnahme  auf  eine  Schrift  nicht  hätte 
fehlen  dürfen  und  können,    falls   dieselbe  .«chon  vorhanden  gewesen  wäre. 


§  3.    Die  Couiposition  des  evayyt/aov  xavc  Mägxov.  13 

zu    geben,   in  welchen   Marcus   nach    den   Untersuchungen  von 
Weiss  auf  die  vorcanonische  Quelle  sich  stützt. 

Das  Auftreten  des  Täufers. 

Die  Wirksamkeit  des  Täufers. 

Die  Taufe  und  Versuchung  Jesu. 

Die  Heilung  des  Aussätzigen. 

Der  erste  Conflikt. 

Der  Sabbathconflikt. 

Jesu  wahre  Verwandte. 

Das  Gleichniss  vom  vierfachen  Acker. 

Verschiedene  Sprüche. 

Das  Gleichniss  vom  Senfkorn. 

Die  Überfahrt  über  das  Meer. 

Die  Dämonenaustreibung  jenseits  des  Meers. 

Jairi  Töchterlein  und  das  blutflüssige  Weib. 

Die  Aussendung  der  Zwölfe. 

Die  erste  Speisung. 

Das  cananäische  Weib. 

Die  Zeichenforderung. 

Verschiedene  Sprüche. 

Die  Verklärimg  Jesu. 

Die  Heilung  des  mondsüchtigen  Knaben. 

Verschiedene  Sprüche. 

Von  der  Ehescheidung. 

Von  dem  Recht  der  Kinder  auf  Gottes  Reich. 

Von  dem  Lohn  der  Nachfolger  Jesu. 

Von  der  dienenden  Armuth. 

Die  Blindenheilung  bei  Jericho. 

Vom  Gebet  und  von  der  Versöhnlichkeit. 

Die  Weinbergsparabel. 

Das  vornehmste  Gebot. 

Warnung  vor  denPharisäernundSchriftgelehrten. 

Parusierede. 

Die  Salbung  in  Bethanien. 
Das  Marcusevangelium  und  seine  synoptischen 

Weg  einer  ausserordentlich  mühsamen  und 
schwierigen  Detailuntersuchung,  auf  welchem  WTeiss  zu  diesen 
wichtigen  Resultaten  gekommen  ist.     Aber  der  neue  Weg  war 


Mc.     1, 

1- 

-4. 

7. 

8. 

9- 

-13. 

40- 

-45. 

% 

,    1- 

-12. 

23- 

-28. 

3, 

22- 

-35. 

4, 

1- 

-9. 

21- 

-25. 

30- 

-32. 

35- 

-41. 

5, 

1- 

-20. 

21- 

-43. 

6, 

6- 

-13. 

30- 

-44. 

7, 

24- 

-30. 

8, 

11 

12. 

34- 

-38. 

9, 

2- 

-8. 

14- 

-27. 

34- 

-50. 

10, 

11. 
15. 

12. 

29- 

-31. 

42- 

-45. 

46- 

-52. 

11, 

25. 

(20). 

12, 

1- 

-5. 

28- 

-31. 

38. 

■M). 

13, 

6- 

-37. 

H, 

3- 

-11. 

Vgl.  W 

eiss. 

Parallel 

en. 

Es 

war    der 

14  Ausseicanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

nur  theilweise  gebahnt.  Durch  Herbeiziehung  der  Parallelen 
aus  den  canonischen  Lehrschriften,  durch  Vergleichung  der  ausser- 
canonischen  Paralleltexte  und  durch  das  spürende  Zurückgehen 
auf  den  vorauszusetzenden  hebräischen  Quellentext  lassen  sich 
noch  zahlreiche  andere  Spuren  nachweisen,  auf  Grund  deren 
man  —  namentlich  in  allen  Herrenreden  —  eine  noch  viel  aus- 
gedehntere Benützung  der  vorcanonischen  Quelle  zu  erkennen 
vermag,  als  dies  durch  die  Untersuchungen  von  Weiss  heraus- 
gestellt ist.  Und  es  gehört  recht  eigentlich  mit  zur  Aufgabe 
dieses  Werkes,  die  Ausdehnung  der  von  Marcus  aus  dem  Ur- 
evangelium  geschöpften  und  durch  ihn  in  die  anderen  beiden 
synoptischen  Evangelien  übergegangenen  Texte  in  möglichster 
Vollständigkeit  ans  Tageslicht  zu  stellen.  Im  Schlusshefte  des 
ganzen  Werkes  soll  dann  für  das  Marcusevangelium  das  Facit 
gezogen  und  obige  Tabelle  der  von  Weiss  dem  Urevangeliuni 
zugewiesenen  Perikopen  vervollständigt  werden. 

Man  wendet  aber  ein,  dass  durch  eine  solche  Quellen- Ana- 
lyse die  Zweiquellentheorie  illusorisch  und  die  Originalität  des 
Marcusevangeliums  hinfällig  werde.  Und  gewiss,  was  zunächst 
die  bereits  von  Weiss  stark  beschnittene  Originalität  des  Mar- 
cus anlangt,  so  wird  dieselbe  immer  mehr  auf  ein  bescheidenes 
Mass  beschränkt  werden,  je  tiefer  man  in  den  Sachverhalt  ein- 
dringen wird.  Die  Bedeutung  des  Marcusevangeliums  aber  als 
einer  von  den  beiden  anderen  Synoptikern  neben  dem  Urevan- 
geliuni benützten  zweiten  Hauptquelle  würde  nur  dann  verschwin- 
den, wenn  die  redaktionelle  Behandlung,  welche  Marcus  dem 
vorcanonischen  Evangelium  hat  angedeihen  lassen,  bedeutungs- 
los und  sein  Einfluss  auf  die  beiden  anderen  Synoptiker  ein 
untergeordneter  geblieben  wäre.  Welchen  Einfluss  aber  Marcus 
auf  die  synoptische  Darstellung  der  evangelischen  Geschichte, 
und  ganz  besonders  auf  den  ersten  Evangelisten,  ausgeübt  hat, 
wird  bereits  im  folgenden  Paragraphen  deutlich  hervortreten  und 
in  mancher  der  nachfolgenden  Einzeluntersuehungen  immer  besser 
zum  Ausdruck  kommen.  Hier,  wo  es  sich  zunächst  um  das  Mar- 
cusevangelium selbst  handelt,  ist  darauf  hinzuweisen,  dass 

a)  durch  Weglassung  zahlreicher  und  grosser  Partien  — 

namentlich  von  Herrenreden  —  aus  dem  Urevangeliuni, 

b)  durch  Ausschmückung  der  aus  dem  Urevangeliuni  mit- 

getheilten  Perikopen  mit  historischen  Details, 


§  3.     Die  Composition  des  evayyehov  xcau  Müqxov.  15 

c)  durch  sprachliche  Umgestaltung  nicht  weniger  Herren- 

sprüche, und  ganz  besonders 

d)  durch  Umstellung  und  Umschaltungen  urevangelischer 

Stoffe 
Marcus    trotz    seiner    geringen   Originalität    einen    ganz    neuen 
Rahmen  für   die  Darstellung  der  evangelischen  Geschichte  ge- 
schaffen hat. 

Von  den  Weglassungen  seien  genannt  als  wichtigste 
Beispiele  die  Beseitigung,  ja  vollständige  Nichterwähnung  der 
Bergpredigt  bei  Mc.  3,  13—19  und  die  Übergehung  zahlreicher 
Gleichnisse.  Als  hervorragendes  JExempel  detaillierter  Aus- 
schmückung einer  urevangelischen  Perikope  sei  erwähnt  die 
Perikope  Mc.  9,  14—27  (==  Lc.  9,  37—43  =  Mt,  17,  14— 18.  Vgl. 
Weiss,  Marcusevangelium  S.  303—310).  Bezüglich  der  Um- 
gestaltung von  Herrensprüchen  sei  verwiesen  auf  Mc.  8,  35 
(==  Lc.  9,  24  =  Mt.  16,  25  =  Lc.  17,  33  =  Mt.  10,  39)  und  dazu 
Weiss,  ■  Marcusevangelium  S.  287  ff.,  ferner  auf  Mc.  10,  12  (= 
Mt.  19,  9b)  und  dazu  Weiss  1.  c.  S.  334,  sowie  auf  Mc.  13,  32 
(=  Mt.  24,  36=^  Act.  1,  7)  und  dazu  meine  späteren  Erläuterungen 
zu  Act.  1,  7.  Auf  einem  Gebiete,  wo  jedes  Wort  eine  unabseh- 
bare Tragweite  besitzt,  sind  derartige  Textänderungen  von  grösster 
Wichtigkeit,  und  diese  Textänderungen  als  solche,  als  redaktionelle 
Modifikationen  des  Quellentextes,  zu  erkennen,  ist  für  die  Quellen- 
kritik von  höchster  Bedeutung. 

In  fast  noch  höherem  Grade  ist  dies  der  Fall,  wenn  .ein 
Redaktor  den  ursprünglichen  Context  hie  und  da  aufgehoben 
und  durch  Umschaltungen  der  einzelnen  Quellenstoffe  einen 
neuen  Context  und  seine  eigene  —  von  der  Quellenschrift  ab- 
weichende —  Pragmatik  hergestellt  hat,  wie  es  bei  Marcus  der 
Fall  ist.  Auch  in  dieser  Richtung  eine  orientierende  Erkenntniss 
angebahnt  und  gezeigt  zu  haben,  dass  Marcus  eine  ganze  An- 
zahl von  Herrensprüchen  ihrem  ursprünglichen  Standort  ent- 
fremdet und  in  eine  neue  Umgebung  verpflanzt  hat,  dass  über- 
haupt durch  die  redaktionelle  Behandlung  der  vorcanonischen 
Evangelienquellen  von  Seiten  des  zweiten  Evangelisten  ein  völlig 
neuer  —  später  von  dem  ersten  Evangelisten  adoptierter  — 
Rahmen  für  die  evangelische  Geschichtsdarstellung  entstanden  ist, 
muss  ebenfalls  als  eine  ausserordentlich  wichtige,  freilich  von 
den    Mitforschern    noch    nicht   genügend    erkannte,    Seite    der 


16 


Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 


Weiss'schen  Untersuchungen  bezeichnet  werden.  Im  Unterschied 
von  dem  ersten  Evangelisten,  welcher  sich  bezüglich  seiner  Prag- 
matik vollständig  von  Marcus  abhängig  gemacht  hat,  war  es 
Lucas,  welcher  sich  nach  dieser  Seite  von  dem  Einfluss  des 
zweiten  Evangelisten  möglichst  emancipierte  und  der  weniger 
pragmatisch  componierenden  als  äusserlich  der  Reihe  nach  re- 
ferierenden Darstellung  der  vorcanonischen  Quelle  den  Vorzug 
gab.  Ihm,  dem  Lucas,  verdanken  wir  daher  auch  hauptsächlich 
die  Möglichkeit,  die  von  seinem  Vorgänger  vorgenommenen  Um- 
schaltungen der  Quellentexte  als  solche  zu  constatieren.  Es 
kommen  noch  einige  aussercanonische  Instanzen  sowie  die  vom 
johanneischen  Evangelium  an  die  Hand  gegebenen  pragmatischen 
Gesichtspunkte  hinzu,  um  die  von  Marcus  vorgenommenen  Um- 
schaltungen der  Quellenstoffe  in  möglichster  Vollständigkeit  zu 
erkennen.  Da  es  an  dieser  Stelle  viel  zu  weit  führen  würde, 
überall  die  nöthigen  Motivierungen  zu  geben,  so  sei  in  der  nach- 
folgenden Tabelle  auf  die  bei  Weiss  (Marcusevangelinm)  zu 
findenden  Untersuchungen  verwiesen  und  nur  da,  wo  Weiss 
nicht  ausreicht,  in  Fussnoten  eine  begründende  Andeutung  bei- 
gefügt. 

Verzeichniss  der  von  Marcus  vorgenommenen  Um- 
schaltunsen. 


Marcusstelle. 

Standort  der  Quelle. 

Weiss,  Mareus- 
evangelium. 

1,    2 

Lc.      7,  27 

S.     37  ff. 

7.  S 

Job.     1,  26.  27 

-1) 

2,  28 

Lc.      G,  1 0  und  1 1 

-■) 

3,  1Ö—19 

Act.     1,  13 

-3) 

22-27 

Lc.     11,  15—21 

S.  124  ff. 

2S.    29 

(Lc     12,10) 

(S.  125  ff.) 

1)  Die  johanneische  Darstellung  ist  vorzuziehen.  Erst  nachdem  Jesus 
selbst  mit  dem  nvtvfxo.  und  dem  tiiq  (vgl.  Agrapha  S.  357  ff.)  getauft  war, 
sagt  der  Zeuge  dieser  Vorgänge:  avzoq ßtmzlüu  tv  nvti(xati  äyiw  xai  niQi. 

2)  Aus  dem  Cod.  D  wird  diese  Stellung  von  Mc.  2,  28  zwischen  Lc. 
6,  10  und  11  als  die  ursprüngliche  deutlich  erkannt. 

3)  Vgl.  meine  späteren  Erläuterungen  zu  Act.  1,  13,.  sowie  meine  Ab- 
handlung über  die  dväXtppiq  in  der  Ztschr.  f.  kirchl.  Wissensch.  u.  kirchl. 
Leben.     1889.     Heft  T.  S.  30.  31. 


§  3.    Die  Composition  des  evayyihov  xazä  MÜqxov. 


17 


Marcusstelle. 

Staudort  der  Quelle. 

Weiss,  Marcus- 

evangelium. 

4,21 

Lc. 

11,  33 

S.  153.  156  f. 

22 

Lc. 

12,    2 

S.  153.  156  t. 

23 

Lc. 

8,    Sb 

S.  153 

24b 

Lc. 

G.  3Sb 

S.  153.  156 

25 

Lc. 

19,  20 

S.   156 

so- 

-32 

Lc. 

13.  1S. 

19 

S.  160  ff. 

ft,   1- 

-6 

Lc. 

4.  16- 

-3i» 

_i, 

(8- 

-13) 

(Lc. 

10.    1- 

-11) 

-2) 

8,12 

Lc. 

11.29 

S.  269 

15 

Lc. 

12.    1 

~3i 

34 

Lc. 

14.  27 

S.  2S7  ff. 

35 

Lc. 

17,  33 

iS.  2S7ff. 

9,  35 

Lc. 

22.  20 

8.  314.  354 

37b 

Lc. 

10.  10 

S.  31 S 

41 

Mt. 

10,  42 

S.  322.  Anm.  1 

42 

Lc 

17.    2 

S.  323 

43. 

45.  47 

p 

S.  326 

50 

Lc. 

14,  31 

S.  324 

10,  11. 

12 

Lc. 

10,  IS 

-4) 

31 

Mt. 

20,  10 

(Lc.  13,  30) 

S.  348 

35- 

-41 

Lc. 

22,  24 

-5) 

38b 

39b 

Lc. 

12,  5t» 

S.  352  f. 

42 

Lc. 

22,  25 

(S.  354) 

43. 

44 

Lc. 

22,26 

S.  314.  354 

45 

Lc. 

22,  27 

-fi) 

11,  15- 

-17 

Joh 

2,  14- 

-10 

-'') 

23 

Lc. 

17,    0 

S.  374  ff. 

1)  Vgl.  die  späteren  Erläuterungen  zu  Lc.  4,  16— 30. 

2)  Das  Urevangeliuiu  enthielt  zwei  Abonlnungsreden,  die  eine  an  die 
Zwölfe  (Lc.  Ü,  1—5)  und  die  andere  an  die  Sieben/.ig  (Lc.  10,  1—16).  Mar- 
cus (und  nach  ihm  der  erste  Evangelist)  liess  beide  Texte  in  einander  fliessen. 

3)  Vgl.  meine  späteren  Erläuterungen  zu  Lc.  12,  1. 

4)  Vgl.  die  nachfolgenden  Erläuterungen  zu  Mt.  19,  9. 

5)  Vgl.  die  nachfolgenden  Erläuterungen  zu  Mt.  20.  20 ff.  und  Lc.  22.  2-4. 

6)  Vgl.  die  späteren  Erläuterungen  zu  Lc.  22.  27  und  die  dort  ge- 
gebenen aussercanonischen  Paralleltexte. 

7    Vgl.  Weiss,  Leben  Jesu  I.  3*6  ff. 
Texte  ii.  l'ntcrsuclnmgen  X,  2.  2 


18 


Aussereanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 


Marcusstelle. 

Standort  der  Quelle. 

Weiss,  Marcus- 

evangelium. 

11,25.  26 

y 

S.  374.    377  Anm.  1 

27—33 

Joh. 

2,  18 

-') 

12,  28—34 

Lc. 

10,  25- 

-28 

S.  400 

38—40 

Lc. 

11,43 

S.  403  ff. 

13,    9—13 

Lc. 

12,  11. 

12 

S.  415  ff. 

15.  16 

Lc. 

17,31 

S.  420 

21 

Lc. 

17,  23 

S.  425 

30 

Lc. 

19,  44 

-2) 

32 

Act. 

1,    7 

_8) 

34-37 

Lc. 

12,  36- 

-42 

S.  431  ff. 

14,    3—9 

Joh. 

12,    1- 

-8 

-4) 

25 

Lc. 

22,  18 

-5) 

28 

? 

-6) 

01b— 64 

Lc. 

22,  66- 

-77 

~:) 

65 

Lc. 

22,  63- 

-65 

-'') 

15,  16—20 

Joh 

19,    l- 

—5 

__s} 

Ausser  diesen  vorstehend  verzeichneten  Unischaltungen  hat 
Marcus  vielleicht  noch  manche  andere  vorgenommen,  die  wir  zu 
controlieren  nicht  mehr  im  Stande  sind.  Vielleicht  hat  der 
Evangelist  manche  in  eine  frühere  Zeit  gehörenden  Ereignisse  in 
den  letzten  Aufenthalt  Jesu  zu  Jerusalem  verlegt,  der  ja  bei  ihm 
als  der  einzige  jerusalemische  Aufenthalt  erscheint.  Wenigstens 
macht  der  Abschnitt  Mc.  11,  12 — 13,  37  den  Eindruck  einer  re- 
daktionellen Gruppierung.     Auch  haben  vielleicht  in  den  beiden 


1)  Vgl.  Weiss,  Leben  Jesu  1,390 f. 

2)  Vgl.  Hom.  Clem.  III,  15  p.  40,  12  und  die  späteren  Erläuterungen 
zu  Lc.  21,  32. 

3)  Vgl.  die  späteren  Erläuterungen  zu  Act.  1,  7.  —  Auch  der  zu  dieser 
(iruppe  gehörige  Vers  Mc.  13,  31  (=  Mt.  24,  35  —  Lc.  21,  33)  beruht  wahr- 
scheinlich ebenfalls  auf  einer  Einschaltung.     Vgl.  Tert.  adv.  Marc.  IV,  33. 

4)  Vgl.  Weiss,  Leben  Jesu  II,  441  f. 

5)  Vgl.  die  späteren  Erläuterungen  zu  Lc.  22,  IS. 

0)  Die  Weglassung  dieses  Verses  im  Tenor  des  Evangelienfragments 
von  Fajjum  zeigt  deutlich,  dass  derselbe  ursprünglich  nicht  hierher  ge- 
hörte. 

7)  Vgl.  die  späteren  Erläuterungen  zu  Lc.  22,  03 — 77. 

8)  Vgl.  die  nachfolgenden  Erläuterungen  zu  Mt.  27,  27 — 30. 


§  3.    Die  Composition  des  evayyiktov  xutu  Müyxov.  19 

Theilen  der  eschatologischen  Rede  Mc.  13  noch  einige  Um- 
stellungen stattgefunden  im  Sinne  einer  für  die  nächste  Nähe 
erwarteten  Parusie.  Wahrscheinlich  aber  waren  die  Motive  für 
diese  Umschaltungen  meist  sehr  einfacher  Natur,  nämlich  ge- 
geben durch  die  Art  der  Abfassung,  nach  welcher  das  Marcus- 
evangelium entstanden  sein  dürfte.  Den  Hauptperikopen,  welche 
als  Grundlage  für  die  mündlichen  Vorträge  des  kQfifjvevTtig 
Marcus  dienen  sollten,  fügte  er  aus  anderen  Stellen  des  vorcano- 
nischen  Evangeliums  erläuternde  und  ergänzende  Sprüche  und 
nöthigenfalls  auch  Erzählungen  bei.  So  entstand  ganz  von  selbst 
das  Gruppensystem,  welches  er  angebahnt  und  welches  dann 
der  erste  Evangelist  weiter  ausgebaut  hat. 

Daher  war  das  Marcusevangelium  nach  seiner  Anlage  eine 
Sammlung  ausgewählter  Texte,  aus  dem  Urevangelium  ent- 
nommen, durch  umgeschaltete  Sprüche  aus  derselben  Quelle  er- 
läutert und  durch  petrinische  Erinnerungen  ergänzt. 

Man   kann  in  demselben  vier  Hauptgruppen  unterscheiden: 

1.  Die  galiläische  Wirksamkeit:  Mc.  1,9—7,23: 

2.  die   Zeit  der   Wanderungen  in    Galiläa   und    den   an- 

grenzenden Ländern:  Mc.  7,  24 — 9,  50; 

3.  die  Wirksamkeit  in  Judäa  und  besonders  Jerusalem: 

Mc.  10,2—13,37; 

4.  die  Leidens-  und  Auferstehungsgeschichte:  Mc.  14,  1  — 

16,  S. 
Dem  Ganzen  war   der  kurze  Bericht  über  den  Täufer  (Mc. 
1,  1 — 8)  als  Einleitung  vorangesetzt.     Die  beiden  Haupthälften 
aber: 

Mc.  1,  9 — 9,  50  Wirksamkeit  in  Nordpalaestina, 

10,  2 — 16,  8  Wirksamkeit  und  Ereignisse  im  Süden 
Palaestinas 
waren  wie  durch  eine  Klammer  verknüpft  durch  die  compendiöse 
Nachricht  Mc.  10,  Ia:  xdxüd-tv  äraöTag  iQXezai  E*S  r"  OQiatqq 
lovöaiaz  xcu  jii<tav  xov  'Ioqöuvov,  an  deren  Stelle  Lucas  seine 
grosse  Einschaltung  Lc.  9,  51 — 18,  14  eingefügt  hat. 

Aus  dieser  Analyse  des  Marcusevangeliums  ergibt  sich  die 
zutreffende  Richtigkeit  der  durch  den  Presbyter  Johannes  über 
diese  Schrift  abgegebenen  und  durch  Papias  uns  erhaltenen 
Urtheile.  Marcus  gab  nur  Ausschnitte  aus  der  evangelischeu 
Geschichte  [tvia  yyccxpac);  was  er  gab,  führte  er  im  Detail  aus 

2* 


2()  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

(äxoißojg  tyoaiptv);   in   diesen   Detailausführungen   und   in  den 
sonstigen  Zuthaten  theilte  er  petrinische  Erinnerungen  mit  (t(>- 
fir]vtvT?}g    IJtTQOv    ytvöfterog)',    durch    seine    zahlreichen    Um- 
schaltungen einerseits  und  umfangreiche  Weglassungen  anderer- 
seits  führte   er   eine  solche  Darstellung  der  evangelischen   Ge- 
schichte herbei,  welche  keineswegs  der  ursprünglichen  Ordnung 
der  Ereignisse  (ov  ftevroi  tä$ei)  entsprach.     Dieses  strenge  Ur- 
theil  des  Presbyters:  ov  ftevroi  rd^ei  —  beweist,  dass  er  einen 
zuverlässigen  Massstab    für    die  ursprüngliche  Ordnung  (ra^tg) 
der  evangelischen  Stoffe  besessen  haben  muss.     Diesen  Massstab 
in  der  von  dem  Presbyter  erwähnten  Matthäus-Schrift:  NaTilalog 
fikv   ovr   'üßnalöt    ötaXixxto    ra   Xoyia   ovi'tynatpaTO  (Eus.  111, 
39,  16)  zu  suchen,  liegt  sehr  nahe.    In  diesem  Falle  konnte  je- 
doch der  Presbytei  den  canonischen  Matthäus  nicht  gemeint 
haben,    da  derselbe,  in  der  Anordnung  der  evangelischen  Stoffe 
von  Marcus  abhängig,  von  dem  Urtheil:  ov  tuh>roi  räZtt  —  mit 
betroffen   wird.     Besass  dagegen   der  Presbyter  Johannes  die 
Kenntniss  des  vorcanonischen  Matthäus,  so  konnte  er  an  der 
Vergleichung  des  Marcus  mit  dem  vorcanonischen  Matthäus  noch 
deutlicher,   als  es    uns  möglich  ist,  feststellen,  wie  oft   und  in 
welcher  Weise  Marcus  von  der  ursprünglichen  Ordnung  (ragte) 
der  ältesten  Evangelienquelle  abgewichen  war. 

Jedenfalls  musste  es  für  die  Weiterentwickelnng  der 
evangelischen  Literatur  von  einschneidender  Bedeutung  werden, 
dass  der  neue  Rahmen  der  evangelischen  Geschichtsdarstellung, 
welchen  Marcus  durch  seine  umfangreichen  Weglassungen  und 
durch  seine  zahlreichen  Umschaltungen  geschaffen  hatte,  für  das 
tvayytXwv  v.axu  Marfrafor  massgebend  wurde,  also  gerade  für 
dasjenige  Evangelium,  welches,  an  die  Spitze  des  neutestament- 
lichen  Canons  tretend,  die  Auffassung  der  evangelischeu  Ge- 
schichte von  Seiten  der  Kirche  durch  die  Jahrhunderte  hindurch 
bisher  in  erster  Linie  beeinflusst.  hat. 


§4. 
Die  Composition  des  tvayyiliov  xarä  Marfralov. 

Unbeschadet  der  auf  die  beiden  Hauptquellen   bezüglichen 
Zweiquellentheorie    haben  wir,    um  vollständig  den  Sachverhalt 


§  4.    Die  Compositum  des  eiuyyehov  xuiu  Maz&uiov.  21 

zur  Darstellung  zu  bringen,  fünf  Elemente  zu  unterscheiden, 
aus  denen  das  tvayyiltov  xcitc.  Mard-alov  sich  auferbaut. 
N  ä  in  lieh 

1.  eine  voreanomsche  Quelle  für  Mt.  1.  2; 

2.  das  Marcusevangelium         ,    T,       ,       „ 

n     ,      TT  ,.  als  Hauptquellen; 

3.  das  u  revangehuni  r  * 

4.  Stücke  einer  petrinisch-jerusalemischen  Tradition; 

5.  die  vom  Redaktor  eingefügten  alttestamentlichen  Citate. 
Dass  für  Mt.  1.  2  dem  Evangelisten  eine  schriftliche  Quelle 

vorlag,  ergibt  sich  aus  drei  Beobachtungen:  erstlich  aus  dem 
Umstände,  dass  die  vom  Redaktor  hier  eingefügten  alttestament- 
lichen Citate  (Mt.  1,22;  2,  15;  2,  17;  2,23)  ganz  in  derselben 
Weise  wie  die  übrigen  Citate  derart  als  redaktionelle  Zuthaten 
zu  einem  schriftlichen  Quelleutexte  sich  geben;  zweitens  aus 
einer  genauen  sprachlichen  Analyse,  welche  Schritt  für  Schritt 
einen  hebräischen  Urtext  erkennen  lässt;  drittens  aus  der  Über- 
schrift: ßißkog  yevtotcog  'Iijgov  Xqiotov  (=rpEl2n  jibi  fTnbin), 
welche  Überschrift  nicht  auf  Mt.  c.  1 — 28,  sondern  nur  auf  c.  1.  2 
anwendbar  ist  und  die  Quellenschrift  anzuzeigen  scheint,  aus 
welcher  der  Evangelist  seine  Nachrichten  über  die  Geburt  und 
die  Kindheit  Jesu  schöpfte.  Das  Nähere  bezüglich  Mt.  1.  2 
bleibt  demjenigen  Hefte,  welches  „das  Kindheitsevangelium  * 
(Mt.  1.  2.  Lc.  1.  2)  behandelt,  vorbehalten. 

Bezüglich  der  ersten  Hauptquelle,  welche  von  Mt.  3,  1  ff.  an 
messt,  kann  ich  mich  auf  Weiss  beziehen,  welcher  einerseits 
in  seinem  „Marcusevangeliurn"  (1872)  durch  mühsame  Detail- 
untersuchung die  Abhängigkeit  des  ersten  Evangeliums  von  der 
Marcusquelle  nachgewiesen,  andrerseits  in  seinem  „Matthäus- 
evangelium" (1876)  in  zusammenfassender  Weise  festgestellt  hat, 
dass  mit  Ausnahme  einiger  ganz  kleiner  Stücke  —  diese  sind 
namentlich  in  Mc.  1,23-28;  1,35—39;  3,19—21;  4,26—29; 
8,22—26;  12,41-44;  13,36.  37  zu  erkennen  —  „der  ganze 
Inhalt  des  Marcus  in  unser  Evangelium  übergegangen"  ist,  „und 
zwar  in  derselben  Anordnung  und  Gruppierung,  obwohl  dieselbe 
bei  Marcus  keineswegs  immer  eine  chronologische,  sondern  meist 
von  schriftstellerischen  Motiven  geleitet  ist"  (Weiss,  Matthäus- 
evangelium S.  13  f.).  Dies  zeigt  sich  auch  besonders  darin,  dass 
die  von  Marcus  vorgenommenen  Umschaltungen  im  ersten  Evan- 
gelium meist  ebenfalls  dieselbe  Stelle  wie  im  Contexte  des  Marcus 


90 


Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 


einnehmen.  Gänzlich  weggelassen  sind  von  den  Umschaltungen 
des  Marcus  nur  zwei,  nämlich  Mc.  10,  38b.  39b  (verglichen  mit 
Mt.  20,  22.  23)  und  Mc.  11,  25.  26  (wozu  in  Mt.  6,  14.  15  eine 
Parallele,  aber  nicht  der  identische  Text).  In  sechs  Fällen  hat 
der  Redaktor  des  ersten  Evangeliums  die  Umschaltung  des  Marcus 
wieder  aufgehoben  und  die  betreffenden  Texte  an  der  ursprting- 
lichenStelle  (nach  dem  Urevangelium)  eingefügt,  nämlich  Mc.  1, 2= 
Mt,  11,  10;  Mc.  3,  22— 27=  Mt,  12,  24-29;  Mc.  3,  28.  29  =  Mt, 
12,  31  32;  Mc.  4,  23  =  Mt.  13, 9;  Mc.  4, 24b  =  Mt.  7,  2;  Mc.  9, 41= 
Mt.  10,  42,  wie  man  sich  durch  eigene  Forschung  sowie  durch 
die  Untersuchungen  im  Marcusevangelium  von  Weiss  leicht 
überzeugen  kann.  In  weiteren  fünf  Fällen  hat  der  Redaktor  des 
ersten  Evangeliums  die  von  Marcus  umgeschalteten  Textbestand- 
theile  anderweit  umgeschaltet  und  ihnen  einen  neuen  Platz  — 
wenn  auch  nicht  den  ursprünglichen  —  angewiesen.  Man  vgl. 
Mc.  3,  16—19  =  Mt,  10,  2.  3;  Mc.  4,21  =  Mt,  5,  15;  Mc.  4,  22= 
Mt,  10,  26;  Mc.  9,  35  =  Mt.  23.  11;  Mc.  9,  50a  =  Mt.  5,  13.  Die 
übrigen  36  Umschaltungen  nehmen  im  tvayytXiov  xarä  Mar- 
ftalov  die  analoge  Stellung  ein ,  welche  ihnen  Marcus  in  seinem 
Contexte  gegeben  hatte.     Man  vgl. 


M 

c. 

Mt. 

Mc.            Mt. 

Mc 

Mt. 

1,  7. 

8 

3,11 

9,43  ff.       18,   S.  9 

13,   9- 

-13  24,  9- 

-14 

2. 28 

12,  s 

10,11.  12    19,'  9 

15. 

16      17. 

18 

4,25 

13,12 

31                30 

21 

23 

30- 

32 

31. 

32 

35—41  20,20—24 

30 

34 

6,   1- 

-6 

53- 

58 

42                25 

32 

36 

8- 

-13 

10,    3  ff 

43.    44        26.    27 

34- 

-37       42 

8,12 

16,    4 

45               28 

14,   3- 

-9   26,  6- 

-13 

15 

6 

11,15—17  21,12.    13 

25 

29 

34 

16,24 

23                21 

28 

32 

35 

25 

27—33        23—27 

61- 

-64      63- 

-66 

9,37b 

17,  5 

12,28-34  22,34—40 

65 

67. 

68 

42 

18,  6 

38—40  23,   5-7 

15.16- 

-20  27,27- 

-31 

Die  in  den  ursprünglichen  Pragmatismus  der  evangelischen 
Geschichte  am  tiefsten  eingreifende  Umschaltung,  welche  Marcus 
vorgenommen  hat,  war  ohne  Zweifel  die  Verlegung  der  Tempel- 
reinigung   in    den  letzten  Aufenthalt  Jesu  zu  Jerusalem,    wie 


§  4.     Die  Composition  des  tvayyt/.iov  xara  Mux&cäov.  23 

überhaupt  eine  solche  Gruppierung  der  Stoffe,  dass  der  Schein 
einer  nur  einmaligen  Anwesenheit  Jesu  in  Jerusalem  von  selbst 
entstand.  Der  vierte  Evangelist  berichtigt  diese  ungeschichtliche 
Anordnung  des  Marcus,  indem  er  zeigt,  dass  die  Tempelreinigung 
(wie  auch  die  Frage  der  Hierarchen  nach  Jesu  Vollmacht)  in 
die  Zeit  seines  ersten  öffentlichen  Auftretens  zu  Jerusalem  ge- 
hört, wovon  selbst  bei  Marcus  ein  Symptom  in  dem  xsQißAeipä- 
usvog  navxa  (Mc.  11,  11)  erhalten  ist.  Der  erste  Evangelist 
Hess  diese  Bemerkung,  mit  welcher  er  Nichts  anzufangen  wusste, 
weg  und  gab  dafür  Mt.  21,  15  eine  Notiz:  löovreq,  rä  &av(/c«jia 
a  ejtolrjos,  zu  welcher  Joh.  2,  23:  itswQOvvxtq  avrov  rä  ot^itla 
a  sjtoisc  —  eine  Parallele  vorliegt,  welche  die  ursprüngliche 
Identität  der  Vorgänge  bezeugt.  Gleichwohl  folgt  der  erste 
Evangelist  auch  hier  der  ihn  gänzlich  beherrschenden  Pragmatik 
des  Marcus.  (Vgl.  dazu  Mandel,  Die  Vorgeschichte  der  öffent- 
lichen Wirksamkeit  Jesu.  Berlin  1S92.  S.  181.  308.  Weiss, 
Leben  Jesu.  I,  390  f.).  Auch  die  compendiöse  Notiz  Mc.  10,  la, 
für  welche  Lucas  die  grosse  Einschaltung  Lc.  9,  51 — IS,  14  ge- 
geben hat  (vgl.  §  3),  ist  in  das  erste  canonische  Evangelium 
(Mt.  19,  1)  übergegangen.  Aus  alledem  ersieht  man,  dass  die 
Marcusquelle  von  entscheidender  Bedeutung  für  die  Pragmatik 
des  svayytXwv  xara  Mar&alov  geworden  ist. 

Die  zweite  Hauptquelle,  welche  der  erste  Evangelist  benutzte, 
war  die  „Apostolische  Quelle",  wie  Weiss  sie  am  liebsten 
nennt,  oder  die  „Synoptische  Grundschrift"  (Feine)  oder  die 
„Logia"  (Holtzmann,  Wendt)  oder  das  „Vorcanonische 
Evangelium"  oder  das  „Urevangelium"  oder  wie  man  sie 
sonst  bezeichnen  mag.  Für  die  Pragmatik  des  ersten  Evange- 
liums ist  diese  Quelle  gänzlich  bedeutungslos  geblieben.  In  der- 
selben praeponderierten  jedenfalls  die  Redestoffe  über  die  rein 
geschichtlichen  Elemente.  Diese  Redestoffe,  mit  kurzen,  skizzie- 
renden Erzählungen  lose  verknüpft,  waren  zwar  —  wie  man  aus 
Lucas  ersehen  kann  —  chronologisch  geordnet,  aber  doch  so, 
dass  nicht  ein  concinner  Pragmatismus,  sondern  nur  eine  äusser- 
lich  referierende  Aneinanderreihung  der  Erzählungs-  und  Rede- 
stoffe  vorlag.  Dabei  waren  die  Erzählungsstoffe  viel  kürzer  ge- 
fasst  als  in  der  detaillierenden,  ausschmückenden  Darstellung  des 
Marcus.  Nach  dieser  Richtung  hat  B.  Weiss  gleichfalls  Wesent- 
liches zur  Aufhellung  des  Sachverhaltes  beigetragen,  indem  er 


24 


Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 


zeigt,  wie  in  verschiedenen  Perikopen  der  erste  Evangelist  an 
Stelle  der  ausschmückenden  Erzählung  des  Marcus  die  kürzere 
und  einfachere  Relation  des  Urevangeliums  wieder  hergestellt 
hat.  Man  beachte  namentlich  folgende  Perikopen,  bei  denen 
schon  die  Vergleichung  der  Verszahl  einen  deutlichen  Fingerzeig 
gibt: 


Mc. 

Mt. 

Weiss,  Marcus- 
evangelium. 

t,  40-45 

8,    2-4 

S.     71  ff. 

2,     1-7 

9,    1-3 

S.     77  ff. 

5,     1—20 

8,  28—34 

S.  170  ff. 

21—43 

9,  IS— 26 

S.  183  ff. 

9,  14—27 

17,  14—18 

S.  303  ff. 

Hat  in  solchen  vereinzelten  Fällen  der  erste  Evangelist  dem 
kürzeren  und  einfacheren  Quellentext  des  vorcanonischen  Evan- 
geliums den  Vorzug  gegeben  vor  der  ausgeschmückten  Marcus- 
Relation,  so  kann  man  doch  noch  viel  häufiger  den  gleichzeitigen 
Eintluss  beider  Quellentexte  auf  die  Gestaltung  des  ersten 
Evangeliums  beobachten.    Vgl.  das  Einzelne  bei  Weiss. 

Da  aber  Marcus  den  Reden  Jesu  ein  nur  untergeordnetes 
Interesse  entgegengebracht  und  den  grössten  Theil  derselben  in 
sein  Evangelium  nicht  mit  aufgenommen  hat,  so  tritt  der  vor- 
wiegende Einfluss  der  vorcanonischen  Quelle  gerade  auf  diesem 
Gebiete  besonders  hervor.  Und  dennoch  hat  auch  nach  dieser 
Seite  Marcus  auf  den  ersten  Evangelisten  vielfach  bestimmend 
eingewirkt.  Namentlich  das  von  Marcus  eingeführte  Gruppen- 
system und  die  von  ihm  angewendete  Methode  der  Umschaltungen 
hat  der  canonische  Matthäus  nicht  nur  acceptiert  —  so  Mt.  16, 
24—28  =  Mc.  8,  34—9,  1  — ,  sondern  auch  seinerseits  durch 
grössere  Redecompositionen  weiter  ausgebildet.  Vgl.  Mt.  13,  l — 
52  =  Mc.  4,  1—34;  Mt.  10,  1—41  =  Mc.  6,  6—11;  Mt.  24,  1—25, 
40  —  Mc.  13,  1—37,  auch  Mt.  23,  1—39  =  Mc.  12,  38—40.  Eine 
neue  Gruppierung  von  Redestoffen  hat  der  erste  Evangelist  mit 
der  grossen  Redecomposition  Mt.  5,  3 — 7,  27  hergestellt.  Der 
Grundstock  dazu  war  allerdings  in  der  vorcanonischen  Quelle 
gegeben,  wie  sich  aus  Lc.  6,  20—49  deutlich  erkennen  lässi 
Und  dieser  Grundstock  war  etwas  umfänglicher  als  die  Bergrede 
bei  Lucas.     Aber  dass  der  ursprüngliche  Context  der  Bergpredigt 


vj  4.     Die  Compositum  des  svayyt?.iov  xaxa  MaxÜulov. 


25 


von  dem  ersten  Evangelisten  durch  zahlreiche  Unischaltuugen 
und  Einschaltungen  von  Redestoffen  erweitert  worden  ist,  die  in 
der  Quellenschrift  ganz  andere  Stellen  eingenommen  haben,  wird 
durch  die  analytische  Vergleichung  mit  Lucas  evident.  Hierin 
hat  Weiss  vollkommen  richtig  gesehen,  wenn  er  (Matthäus- 
evangelium S.  20)  sagt,  dass  die  von  dem  ersten  Evangelisten 
neben  Marcus  benützte  vorcanonische  Quellenschrift  „hauptsäch- 
lich Redestoffe  enthielt,  deren  ursprünglicher  Zusammenhang  sich 
noch  überwiegend  bei  Lucas  erhalten  hat,  während  sie  bei 
Matthäus  theils  zu  grösseren  Redecompositioneu  zusammengefügt, 
theils  an  die  aus  Marcus  entlehnte  Geschichtserzählung  ange- 
knüpft oder  sonst  aus  sachlichen  Gründen  frei  verwandt  er- 
scheinen." 

Durch  diese  schriftstellerische  Methode  einer  gleichzeitigen 
Abhängigkeit  von  zwei  Quellen  sind  auch  die  s.  g.  „Doubletten" 
entstanden,  d.  h.  solche  Redetheile,  welche  zwar  sämmtlich  aus 
dem  Urevaugelium  stammen,  aber  das  eine  Mal  aus  dem  Context 
des  Marcus  und  meist  auch  nach  dessen  Fassung,  das  andere 
Mal  direkt  aus  der  vorcanonischen  Quellenschrift  in  das  evayyt- 
Xiov  xaxa  Max&aiov  übergegangen  sind.  Man  vergleiche  fol- 
gende Parallelen 


aus  der  Marcusquelle 

bei  Marcus 

dh 

ekt  aus 

den 

Logia. 

Mi  13,  12 

Mc.    4,  25 

Mt. 

25,  29 

16,    4 

8,12 

12,  39 

24 

•  34 

10,  38 

25 

35 

39 

17,    5 

9,  37b 

40 

18,    8. 

9 

43.  45.  47 

5,  29. 

30 

19,    9 

10,  11.  12 

32 

30 

31 

20,  16 

20,  26. 

27 

43.  44 

23,  11 

21,  21 

11,23 

17,  20 

24,    9. 

10. 

13. 

14 

13.    9—13 

.10,  17- 

-22 

23 

21 

24,  26 

42 

34—37 

25,  13- 

-15. 

Diese  Doubletten  sind  die  sichersten  Symptome  für  die  Rich- 
tigkeit der  Zweiquellentheorie,  die  untrüglichen  Wegweiser  der 


26  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Quelleuscheidung,  gewisserniassen  das  ABC  der  synoptischen 
Evangelienkritik.  Und  wer  etwa  an  der  Hand  von  Weiss  (Mar- 
cusevangelium)  der  Untersuchung  dieser  Doubletten  seine  Auf- 
merksamkeit widmet,  wird  daraus  am  besten  angeleitet  werden, 
die  schriftstellerische  Art  des  ersten  Evangelisten  zu  verstehen 
und  zu  erkennen,  wie  derselbe  das  eine  Mal  von  dem  vorcano- 
nischen  Evangelium  direkt,  das  andere  Mal  indirekt,  nämlich 
durch  die  Vermittelung  des  Marcus  abhängig  ist. 

Neben  diesen  beiden  Hauptquellen  —  der  vorcanonischen 
und  der  Marcusquelle  —  sind  die  aus  petrinisch -jerusa- 
lemischer Tradition  stammenden  Stoffe  des  svayyiXcov  xara 
Mar&aiov  von  untergeordneter  Bedeutung.  Petrinisch  ist  die 
Einschaltung  Mt.  14,  28—31  und  die  Perikope  Mt.  17,  24—27. 
Jerusalemische  Stoffe  sind  enthalten  in  Mt.  27,  3—10;  27,  52.  53; 
27,  62-66;  28,  2—4.  9—15.  Ausserdem  ist  noch  in  Mt.  19, 10—12 
ein  Textbestandtheil,  welcher  essenische  Färbung  an  sich  trägt, 
zu  recognoscieren.  Diese  Stoffe,  sowohl  von  Marcus  als  von  dem 
Urevangelium  unabhängig,  zeigen  eine  gewisse  Analogie  zu  der 
jerusalemisch-petrinischen  Tradition,  welche  im  ersten  Theile  der 
Apostelgeschichte  (Apg.  1—12)  fliesst. 

Sämmtliche  Quellenstoffe,  welche  der  erste  Evangelist  ver- 
wendet hat,  sind  durch  die  Compositionskunst  desselben  zu  einem 
wohlgeordneten  Ganzen  vereinigt  und  werden  durch  eine  Anzahl 
alttestamentlicher  Citate  zusammengehalten,  in  welchen 
man  die  ureigensten  Zuthaten  und  die  leitenden  Gesichtspunkte 
des  Evangelisten  zu  erkennen  hat.  Es  sind  im  Ganzen  12  Ci- 
tate, nämlich  fünf  aus  Jesaias  (Jes.  7,  14  =  Mt.  1,  22.  23;  Jes.  6, 
9.  10  =  Mt.  13,  14;  Jes. .9,  1.  2  =  Mt.  4,  14;  Jes.  42,  1—4  =  Mt. 
12,  17;  Jes.  53,  4  =  Mt.  8,  17),  eines  aus  Jeremias  (Jerem.  31,  15 
=  Mt.  2, 17),  eines  aus  Hosea  (Hos.  11,  1  =  Mt.  2,  15),  eines  aus 
Sacharja  (Sach.  9,  9  —  Mt.  21,  4),  zwei  aus  den  Psalmen  (Ps.  21, 
19  =  Mt.  27,  35;  Ps.  78,  2  =  Mt.  13,  35),  zwei  aus  alttestament- 
lichen  Apokryphen  (Mt.  2,  23;  27,  9),  wodurch  der  Redaktor  des 
exayysXiov  xara  Marfraiov  seine  Auffassung  der  evangelischen 
Geschichte  nachdrücklich  zu  erkennen  gegeben  hat.  Die  Hand  des 
Redaktors  zeigt  sich  in  diesen  Citaten  erstlich  an  der  Thatsache, 
dass  in  der  Marcusquelle  (wie  in  den  Lucasparallelen)  von  diesen 
Citaten  keine  Spur  sich  findet,  sodann  zweitens  an  der  Selbst- 
ständigkeit, mit  welcher  der  Evangelist  den  hebräischen  Urtext 


§  4.     Die  Composition  des  svayythov  xaxa  Maz&aiov.  27 

dabei  bebandelt,  und  drittens  an  der  Form  der  Citation.  welche 
sich  gleich  bleibt,  mögen  die  Citate  der  Quelle  des  Kindheits- 
evangeliums oder  der  Marcusquelle  oder  der  synoptischen  Grund- 
schrift eingefügt  sein.     Man  vgl. 

Mt.     I,  22:  t'va  jtXijoojfrjj   xb   Q?]&tv   vjtb    xvqIov  Öia   xoi 

jtoog)?'jxov  Xtyovxog 
„      2,  15:  Iva   jtX?)oa>frf]   xb   QTjd-iv   vxo   xvniov  öia  xov 

jtQo<pixov  Xt'yovxoc 
„      4,  14:  iva  xXtjoaj&y   xb  (njß-ev  öia  Hoätov  xov   üzqo- 

iprjxov  Xiyovxoq 
,.    12,  17:  i'va  jtXqnotöf)  xb  Qi]&hv  öia  'Hoa'iov  xov  jkqo- 

(pyxov  Xtyovxog 
„    21,    4:  iva  jtXrjoeod-f]  xb  qw&ev  öia  xov  7iQO<prjxov  Xi- 

yovxog 
„  [27,  35:  Iva  jiXqocofrf]  xb  Qt/d-ev  vjtb  xov  jtgoipSjxov] 
„      2,  23:  ojtcog  xXijqoj&j}  xb  Qtjfrev  öia  xov  jioo(pi)xov 
„      8,  17:  ojcoiq  jtXi/Qco&ij  xb  oifö-sv  öia.  Hoa'iov  xov  jtqo- 

<p}jxov  Xt'yovxoc 
„    13,  35:  ojimc   jtXijQcofrf,    xb  Qij&ev  diu.  xov  JtQocp/jxov 

Hoa'iov  Xiyovxog 
„      2,  17:  xbxs  IjiXrjQcofrij  xb  Q7]frhv  öta'hoEfiiov  xov  jiqo- 

qptjxov  Xtyovxoc 
„    27,    9:  xbxs  £üiXi]Qcc>d->]  xb  qtj&Iv  öia  legsf/iov  xov  jtqo- 

cpfjxov  Xiyovxoq 
„    13,  14:  xal  ävaxXrj'novxai  avxolg  >/  jrootpijxeia  Hoa'iov 

ij  Xt'yovoa. 

Dabei  ist  es  beachtenswerth,  dass  das  aus  dem  bei  den  Na- 
zaräern  gebräuchlichen  apokryphischen  Jeremias -Buche  stam- 
mende Citat  Mt.  27,  9  (vgl.  die  Erläuterung  zu  dieser  Stelle)  und 
das  anonyme  Citat  Mt.  2,  23:  bxt  Na^moatog  xX?p^//Oexat, 
welches  auf  dieselbe  oder  eine  verwandte  apokryphische  Quelle 
hinweist,  von  dem  Redaktor  des  evayys'Xiov  xaxa,  uMax&alov  mit 
derselben  Formel  und  mit  derselben  Autorität  eingeführt  wird, 
wie  die  canonischen  Texte  des  Alten  Testaments,  —  ein  Hin- 
weis auf  die  altjudenchristlichen  Nazaräer,  aus  deren  Mitte  und 
für  deren  Benützung  der  erste  Evangelist  seine  Schrift  vornehm- 
lich verfasst  zu  haben  scheint.  So  wenig  als  möglich  sollte  das 
Neue  in  Jesu  Erscheinung  und  Lehre  als  Neues  den  Lesern  ent- 


28  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mo; 

aegentreten;  vielmehr  sollte  Alles,  was  Jesus  gethau,  gelehrt 
und  erlebt,  als  Erfüllung  von  Gesetz  nnd  Propheten,  als  Voll- 
endung der  alttestanientlichen  Heilsökonomie  erseheinen. 

Von  dieser  Absicht  geleitet,  hat  der  Evangelist  auch  den 
Spruch  Mt.  5,  17  aus  seinem  ursprünglichen  Zusammenhang 
herausgenommen  und  ihm  durch  seine  thematische  Stellung  an 
der  Spitze  der  Bergpredigt  und  damit  auch  an  der  Spitze  seiner 
ganzen  Schrift  eine  solche  Bedeutung  gegeben,  dass  Jesus  ledig- 
lich als  Erfüller  von  Gesetz  und  Propheten  erscheinen  musste. 
Welche  entscheidenden  Folgen  für  die  ganze  Auffassung  der 
Lehre  und  der  Person  Jesu  die  Zerschlagung  seiner  Reden  und 
die  Neugruppierung  der  einzelnen  Redebestandtheile  nach  sich 
ziehen  musste  und  wie  wichtig  es  daher  ist,  nicht  blos  den  ur- 
sprünglichen Text,  sondern  auch  den  originalen  Context  der 
einzelnen  Redebestandtheile  wieder  herzustellen,  wird  sich  bei 
der  Untersuchung  von  Mt.  5,  17  ganz  besonders  deutlich  zeigen. 
Von  diesem  thematisch  zugespitzten  Spruch  aus  lässt  sich  im 
Zusammenhang  mit  den  alttestanientlichen  Citaten,  wodurch  der 
Redaktor  seine  Schrift  pointiert  hat  (vgl.  auch  Mt.  5,  17:  jiZrj- 
QioOai  xov  voftov  xal  xovq  JiQo<pt]rag  mit  der  Citationsformel: 
'i'va  x?.7/ija>d->i  xtL),  erst  voll  und  ganz  die  Absicht  und  die 
Oompositionskunst  begreifen,  durch  welche  die  verschiedenen 
Quellenstoffe  unter  der  Hand  des  Evangelisten  zu  einer  —  der 
judenchristlicheu  Auffassung  besonders  congenialen  —  einheit- 
lichen Darstellung  der  evangelischen  Geschichte  zusammenge- 
wachsen sind. 


§5. 

Das  Evaiigelieiifragiueiit  von  Fajjuin. 

In  diesen  Einleitungsparagraphen  können  einige  allgemeine 
Vorbemerkungen  über  das  Evangelienfragment  von  Fajjum 
nicht  wohl  gemisst  werden.  Dasselbe  gehört  ja  recht  eigentlich 
unter  die  aussercanonischen  Paralleltexte.  Freilich  besitzt  das- 
selbe nach  seinem  Gehalt  nicht  diejenige  Bedeutung,  welche 
manchen  Paralleltexten  dieser  Sammlung,  wie  z.  B.  dem  ausser- 
canonischen Taufbefehl  Const.  V.  7,  beiwohnt.  Und  vollends  mit 
dem  pseudopetrinischeu  Evangelienfragment  kann  sich  das  kleine 


§  5.     Das  Evangeüenfraguient  von  Fajjum.  -        29 

Fragment  von  Fajjum  weder  au  Unifang  noch  an  Wichtigkeit 
messen. 

Einzigartig  aber  ist  seine  Bedeutung  dadurch,  dass  es  das 
Fragment  einer   Handschrift   ist,   welche   aus   dem  Anfang  des 
dritten  Jahrhunderts  zu  stammen  scheint,  einer  Handschrift  also, 
welche  durch  ihr  Alter  alle  unsre  Evangelienhaudschriften  bei 
Weitem  überragt.     Man    bedenke  nur,   dass  die  beiden  ältesten 
Codices,  Sinaiticus  und  Vaticanus,  höchstens  aus  der  Mitte  des 
vierten  Jahrhunderts  auf  uns  gekommen  sind.   Man  erwäge  ferner, 
dass  die  auf  jener  Papvrusrolle  zu  lesende  Evangelienschrift,  ob- 
wohl sie  einen  Paralleltext  zu  Mt.  20,  30—34  =  Mc.  14,  26—30 
(=  Lc.  22,  33.  34)  darstellt,  doch  aus  keinem  der  drei  synopti- 
schen Evangelien  unseres  Canons  geflossen  ist,   dass  sie  mithin 
sofort  das  Praejudiz  erweckt,  direkt  oder  indirekt  jener  vor- 
canonischen  Quellenschrift  entsprungen  zu  sein,  welche  den  sog. 
synoptischen   Evangelientypus   begründet   hat.     Man    halte  sich 
endlich   dabei   vor  Augen,  dass,   wenn  diese  Voraussetzung  zu- 
treffen  sollte,   unser  Fragment  eine  factische  Widerlegung  der 
Ansicht    von  13.  Weiss   werden   würde,    wonach  jene  Urschrift 
mit  der  Salbung  in  Bethanien  abgebrochen  haben  sollte,  da  dieser 
aussercanonische  Evaugelientext  gerade  in  die  Endgeschichte  des 
LebensJesu  hineingebort,  —  zugleich  ein  Erklärungsgrund  für  die 
befremdliche   Erscheinung,   dass  Weiss  jenen   ältesten   und   so 
interessanten  Rest  einer  verloren  gegangenen  aussercanonischen 
Evangelienschrift  —  vielleicht  als  für  seine  Anschauung  unbe- 
quem —  ignorierte   und    in   seiner  Einleitung  zum  N.  T.  nicht 
erwähnte. 

Freilich  gegen  die  etwaige  Annahme,  dass  in  dem  Evan- 
gelienfragment von  Fajjum  ein  direkter  liest  des  Urevange- 
liums  in  griechischer  Übersetzung  vorliege,  sprechen  von  vorn- 
herein gewichtige  äussere  Umstände.  Unser  Papyrus  gehörte 
einem  Convolut  verschiedenartigster  Schriftstücke  an,  welche  aus 
dem  Provinzialarchive  des  arsinoitischen  Verwaltungsbezirkes 
stammten.  Dieser  arsinoitische  Nomos,  jetzt  Fajjum,  d.  i. 
aegyptisch  ,.Seeland"  genannt,  war  unter  Amenemha,  dem 
Möris  der  Griechen,  dem  Schöpfer  des  Möris-Sees,  (12.  Dyna- 
stie 2304—2104)  der  Wüste  abgewonnen  worden  und  stand  mit 
Aegypten  in  engster  Verbindung.  Da  nun  sowohl  bei  Ori- 
genes  als  auch   bei   allen   aus  seiner  Schule  hervorgegangenen 


30  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

aegyptischen  Theologen  die  Kenutuiss  des  Urevangeliums  ver- 
schwunden war,  so  ist  es  höchst  unwahrscheinlich,  dass  in  einem 
Theile  Aegyptens  eine  Originalhandschrift  des  vorcanonischen 
Evangeliums  sich  erhalten  haben  sollte.  Vielmehr  leitet  eine 
Notiz  bei  Epiphanius  auf  die  richtige  Fährte,  indem  er  über 
die  Valentinianer  schreibt: 

xal  xavxa  fiev  axb  (itQOvg  xojv  ßißXitop  avxöiv  xaga- 
xs&tvxa  ecog  oiöt  poi  slQt'jOd-co.  ejtoitjoaxo  ös  ovxoq  (sc. 
o  OvaXevxivog)  xo  xt'iQvyjia  xal  sv  Atyvjixco,  öfrsv  örj 
xal    cjq    Xeitpava    t'iiövrjq    ooxicov    txi   iv    Alyvjtxcp 

XEQllslxETCCl     XOVXOV     Tj    6JlO(>ä,     tV     XS     XO)    A&QcßlXJJ 

xal  IlQOOcojcixij  xal  Aqolvoixi]  xal  (jrjßäidi  xal  xote 
xäxco  f/tgeoi  xtjg  jtagaXiac  xal  AXesavÖQEioxoXixt].  Haer. 
XXXI,  7.  p.  171  B. 

Hiernach  hatten  sich  Reste  der  Valentin ianischen  Gnosis  und 
ihrer  Literatur  in  Aegypten  bis  auf  die  Zeiten  des  Epiphanius 
erhalten,  und  zwar  nicht  blos  in  den  aegyptischen  Hauptstädten, 
sondern  speciell  auch  in  dem  von  Epiphanius  neben  anderen 
Provinzen  ausdrücklich  namhaft  gemachten  Seitendistrikt  von 
Arsinoe  (Agoivoixij) ,  von  wo  auf  der  Synode  von  Chalcedon 
(451)  der  Bischof  Kalosirios  (KaXooiQiog  ejiloxojtog  Aitoivo'i- 
rov)  mit  seinem  Diakonus  Julius  als  Dolmetscher  (tgtut/rtvov~ 
xog  avxov  'fovXLov  diaxövov)  erschien  (vgl.  Hug,  Einleitung  I, 
357)  —  zum  Beweis,  dass  zu  den  Zeiten  des  Epiphanius 
(f  403)  bei  dem  Verkehr  mit  Arsinoe  die  Kunde  über  die  dasigen 
kirchlichen  Zustände  keineswegs  abgeschnitten  war.  Mit  dieser 
Nachricht  des  Epiphanius,  wonach  in  Arsinoe  ein  Hauptsitz 
der  Valentin  ianischen  Gnosis  gewesen  ist,  harmoniert  auf  das 
Beste  eine  Stelle  des  Muratorischen  Canons.  Am  Schlus.se 
desselben,  nämlich  dort,  wo  die  vom  kirchlichen  Gebrauch  aus- 
zuschliessende  haeretische  Literatur  aufgeführt  wird,  lesen  wir 
lin.  Sl.  82: 

arsinoi  autem  seu  valentini.  vel  mitiadeis  nihil  in  totum 
recipemus. 

Es  war  eine  vollständige  Verkennung  des  Sachverhalts, 
wenn  Jacobus  Schuurmans  Stekhoven  in  seiner  „Acade- 
misch  Proefschrift:  Het  Fragment  van  Muratori"  (Utrecht  1877) 
das   dunkle    „arsinoi"    in  „Marcionis"'   umwandeln  wollte:.     Viel 


§  5.    Das  Evangelienfmgiiient  von  Fajjuui.  31 

besser  hat  bezüglich  dieses  Punktes  Zahn  in  seiner  griechischen 
Reconstruktion  das  Richtige  getroffen,  wenn  er  obigen  lateini- 
schen Text  folgendermassen  wiedergibt: 

rov   de    Aqöivöltov    OvaXevxivov  xal   tvjv   fitz    avrov 

ovöev  xuvTcoq  axoör/öntfra  — , 
nur  dass  diese  Zahnsche  Retroversion  dem  Namen  „ruitiadeis"1 
nicht  gerecht  wird,  hinter  welchem  zweifellos  der  kleinasiatische 
Montanist  Miltiades,  der  eigentliche  Schöpfer  der  montanistischen 
Literatur,  zu  suchen  ist,  nach  welchem  die  von  Eusebius  (H.  E. 
V,  16)  erwähnte  und  excerpierte  anonyme  antimontanistische 
Schrift  ad  Avirciura  Marcellum  den  Montanismus  als  rt/if 
xfov  xarä  MiXridö/jv  Xeyofttvcov  aigeOiv  bezeichnet  und  auf 
welchen  sich  höchstwahrscheinlich  im  Muratorischen  Fragment 
lin.  84.  85  auch  die  Worte:  assianom  [1.  Asianumj  catafrycum 
[1.  eataphrygum]  constitutorem  (d.  i.  den  kleinasiatischen  Begrün- 
der des  kataphrygischen  Montanismus)  beziehen.  Jedenfalls  ist 
abgesehen  hiervon  die  valentinianische  Literatur  in  dem  Canon 
Muratori  mit  dem  Namen  „arsinoi"  aufs  Engste  verknüpft. 
Nach  alle  dem  liegt  die  Vermuthung  nahe,  dass  das  in  dem 
Provinzialarchiv  des  arsinoitischen  Verwaltungsbezirkes  aufge- 
fundene Fragment  zu  den  Xdyava  der  valentinianischen  ßißJLot 
gehört  habe,  welche  noch  zu  des  Epiphanius  Zeiten  dort  auf- 
bewahrt wurden.  Und  da  der  Papyrusstreifen  von  Fajjum, 
selbst  wenn  er  aus  einer  Homilie  stammen  sollte,  das  Fragment 
eines  aussercanonischen  Evaugelientextes  enthält,  so  liegt  die 
weitere  Vermuthung  auf  demselben  Wege,  dass  es  sich  um  ein 
Bruchstück  desjenigen  Evangeliums  handele,  welches  bei  den 
Valentinianern  in  Gebrauch  war.  Dieses  war  aber,  wie  wir  aus 
den  Excerpten  des  Valentinianers  Theodotus  (Exe.  Theod.  §  G7. 
ap.  Clem.  AI.  p.  985  vgl.  Agrapha  S.  385)  wissen,  das  sog.  ev- 
ayyiXiov  ymt  Alyvjtriovc.  Sollte  diese  Vermuthung  zutreffen, 
so  würde  sich  unsere  Kenntniss  des  Aegypterevangeliums 
um  ein  Bedeutendes  erweitern.  Es  würde  sich  ergeben,  dass 
diese  haeretische  Evaugelienschrift  neben  den  tendenziös  ent- 
stellten Partien,  welche  wir  aus  Clemens  AI.,  Hippolyt  und 
Epiphanius  kennen,  auch  solche  Abschnitte  enthalten  habe, 
welche  tendenzlos  den  canonischen  Evangelien  parallel  liefen. 
Diese  Annahme  aber  liegt  ja  ohnehin  in  der  Linie  der  Wahr- 
scheinlichkeit, sofern  die  patristischen  Schriftsteller  von  den  hae- 


32  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

retisclien  Evangelienschriften  nur  diejenigen  Abschnitte  heraus- 
hoben, welche  durch  ihre  haeretische  Tendenz  und  durch  ten- 
denziöse Umgestaltung  der  Evangelienstoffe  sich  auszeichneten, 
dagegen  die  den  canonischeu  Evangelien  harmlos  parallel  laufen- 
den Partien  ignorierten.  Dass  es  solche  Partien  in  den  haere- 
tischen  Evangelien  gab,  ersehen  wir  aus  dem  Hebräerevangelium, 
welches  uns  durch  zahlreiche  Reste  verhältnissmässig  am  besten 
bekannt  ist.  Aus  diesen  Resten  ersieht  man,  dass  das  Hebräer- 
evangelium —  parallel  dem  ersten  canonischen  Evangelium  — 
eine  fortlaufende  Darstellung  des  Wirkens  Jesu  von  seiner  Taufe 
im  Jordan  bis  zu  seiner  Auferstehung  enthalten  hat.  In  Betreff 
des  Aegypterevangeliums  bietet  das  von  Epiphanius  (Haer. 
LXI1,  2.  p.514  A)  erhaltene  Fragment  (abgedruckt  in  den  Agrapha 
S.  391  f.)  eine  Parallele  zu  Mt.  28,  19  und  lässt  mithin  vermuthen, 
dass  dieses  Evangelium  auch  eine  Passions-  und  Auferstehungs- 
geschichte enthalten  habe,  —  wie  solches  ja  auch  nach  dem 
jüngst  entdeckten  Fragment  bei  dem  Petrusevangelium  zu  con- 
statieren  ist.  Da  mm  das  Fragment  von  Fajjum  ein  Bruchstück 
aus  der  Passionsgeschichte  darstellt,  so  läge  nach  dieser  Seite 
kein  Bedenken  vor,  dasselbe  der  Passionsgeschichte  des  Aegyp- 
terevangeliums zuzuschreiben,  wobei  nur  (wie  bei  dem  Petrus- 
evangelium) die  Frage  entsteht,  aus  welcher  letzten  Quelle  es 
entnommen  ist. 

Vorerst  aber  kommt  die  endgiltige  Feststellung  des  Textes 
in  Betracht,  wobei  auf  die  Harnacksche  Untersuchung  (Agra- 
pha S.  483 — 497)  und  auf  die  dort  vollständig  verzeichnete  Li- 
teratur zu  verweisen  ist,  an  deren  Spitze  Bickells  Aufsatz  in 
der  Innsbrucker  Zeitschrift  für  katholische  Theologie  (1885.  111. 
S.  498 — 504)  durch  erstmalige  Bekanntmachung  des  Fragmentes 
die  erste  Stelle  einnimmt.  So  kommt  aus  neuester  Zeit  nament- 
lich in  Betracht  Bickells  „Ein  letztes  Wort  über  das  Papyrus- 
Evangelium".  Mittheilungen  aus  der  Sammlung  des  Papyrus 
Erzherzog  Rainer.     1892.     Letztes  Heft. 

Aus  der  Vergleichung  dieser  beiden  Aufsätze  Bickells  er- 
kennt man  die  Schwierigkeiten,  mit  welchen  die  endgiltige 
Wiederherstellung  des  Textes  verknüpft  ist,  da  das  Fragment  in 
sehr  beschädigtem  Zustand  auf  uns  gekommen  ist.  Aber  ob- 
wohl namentlich  die  Anfangsbuchstaben  sehr  undeutlich  und  die 
Seitenränder  stark  verletzt  sind,  so  ist  doch  mit  Hilfe  der  cano- 


§  5.  Das  Evangelienfragment  von  Faüuui.  33 

nischen  Parallelen  in  den  meisten  Punkten  die  Reconstruction  des 
Textes  möglich  geworden.  Im  Nachstehenden  gebe  ich  nun  drei 
verschiedene  Textgestalten,  aus  deren  Vergleichung  man  ersehen 
kann,  wo  die  Schwierigkeiten  liegen.  Die  in  Klammern  gesetzten 
Partien  sind  die  durch  Conjektur  ergänzten  Textbestandtheile. 

A.  Bickells  früherer  Text  (1885). 

[fiExa  xo] 

(paytiv  mg  s§  eftovc  jra\vxsg  sv  xavxtjj] 
xr,  vvxxi  GxavftaAio[fr?]üt6fte  xaxa] 
xo  YQcupev  xaxa^m  xov  [jtoqisva  xai  xa) 
jtgoßaxa  6iaöxoQJUG&r]G[oi>xcu.    Eiotovxog] 
[xo]v  jtex'  xai  ei  jeavxEg  o[vx  sym    7tnoG&Eig\ 
o  aXexxQvaiv  diq  xox[xv§ei  xai  av  jtnmxov\ 
[xqic,  d\nctQv[r)6ri  (ie] 

B.  Bickells  jetziger  Text  (1892). 

[jcqo  xov  fie  fisxaX-] 

XayEtv  mGavxmg-  Jia[vx£g  ev  xavxy] 

xtj  vvxxi  GxavdaXio\&vtGhG$£  xaxa] 

xo  yqatpEV  Jtaxat-m  xov  [jioifisva,  xai  xa\ 

jtooßaxa  diaGxoojiiG&qo[ovxai'  tixovxog] 

[xo\v  jiexqov  xai  st  jtavxeg  o[vx  sym"  txt  av-] 

[xq>'\  o  aXsxxovcov  öig  xox[xvB.ei,  xai  Gv) 

\jiqcoxov  xqic  a\jtaQv[j]G7j  fit] 

C.  Der  von  mir  reconstruierte  Text. 

.  ♦  .  .  .  \xai  eijcev  ev  xca  ajtaX-] 
Xaysiv  moavxmg'  jia\vxsg  sv  xavxtj] 
xn  vvxxi  oxavdaXiG\frt]OEG&E  xaxa] 
xo  yQatfEV'  jtaxagw  xov  [noiftsva,  xai  xa\ 
jtgoßaxa  6iaGxoQJiiGQ-7)G\ovxai.    sutovxog] 
[xo]v  JtEx'  xai  ei  jtavxEc  o[\ix  sym,  eijiev  o\ 
[x'g']  o  üXexxqvojv  öiq  xox[xv§ei,  xai  gv] 
\jtgmXOV  xqig  a]jtagv[?]G?]  (iE) 

Aul'  Grund  dieses  letzten  Textes  erfolgt  nun  die  Analyse 
des  Einzelnen  in  den  nachfolgenden  Erläuterungen  zu  Mt.  26, 
30—34. 

Texte  u.  Untersuchungen  X.  2.  3 


34  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Alt.  and  Mc. 

Ein  Gesain  mturtheil  über  die  letzte  Quelle  des  Fragmentes 
wie  diejenige  des  pseudopetrinischen  Evangelienfragnientes  soll 
erst  im  Schlusshefte  dieses  Werkes  auf  Grund  der  Einzelunter- 
suchungen zum  Ausdruck  kommen. 


§6. 

Das  pseudopetrinisclie  Evangelienfragment. 

Zu  den  Bruchstücken  des  nazaräischen  und  ebioni- 
tischen  svayyikiov  xati*  ^Eßgaiovq  sowie  des  enkratitischen 
evayyiXiov  xar*  Alyvjttlovg  ist  neuerdings  durch  die  Ent- 
deckung von  Akhmim  ein  Fragment  des  doketischen  evayyi- 
Xiov  xara  IIixqov  gekommen,  welches  an  Ausdehnung  und  Be- 
deutung alle  anderen  aussercanonischen  Evangelienfragmente  bei 
Weitem  übertrifft.  Die  Bedeutung  dieses  pseudopetrinischen 
Evangelienfragmentes  liegt  zunächst  auf  kirchengeschicht- 
lichem Gebiete  durch  Aufhellung  des  vielfach  in  Dunkel  ge- 
hüllten und  doch  bis  in  die  apostolische  Zeit  hinaufreichenden 
Doketismus,  sodann  aber  auch  auf  dem  Gebiete  der  Evange- 
lienforschung, sofern  man  zum  ersten  Male  an  einem  zu- 
sammenhängenden grösseren  Fragment  ersehen  kann,  welche 
evangelischen  Stoffe  die  haeretischen  Schriftsteller  benützten 
und  in  welcher  Weise  sie  dieselben  redigierten,  und  da  das 
pseudopetrinische  Fragment  gerade  die  Passions-  und  Auf- 
eretehungsgeschichte  betrifft,  so  wird  die  Wichtigkeit  dieses 
Fundes  dadurch  um  Vieles  grösser.  Denn  gerade  auf  dem  Ge- 
biete der  Passions-  und  Auferstehungsgeschichte  tappt  die  bis- 
herige Evangelienkritik  bezüglich  der  vorcanonischen  Quellen 
völlig  im  Dunkeln,  so  sehr,  dass,  wie  wir  sahen,  B.  Weiss,  in 
welchem  die  Evangelienforschung  zu  einem  gewissen  Abschluss 
gekommen  war,  die  Quelle  des  Urevangeliums  nur  bis  zur  Salbung 
in  Bethanien  fliessen,  dagegen  für  die  Passions-  und  Aufer- 
stehungsgeschichte vollständig  versiegen  Hess.  Mehr  noch  als 
das  Fragment  von  Fajjum  regt  der  Fund  von  Akhmim  die  Frage 
an,  ob  nicht  auch  die  synoptischen  Relationen  über  Jesu  Passion 
und  Auferstehung  auf  der  vorcanonischen  Urschrift  fussen.  Die 
bisherige  —  so  aussergewöhnlich  schnell  angewachsene  — 
Literatur  über  unser  Fragment  legt  lautes  Zeugniss  ab  von  dem 


§  ü.    Das  pseudopetrinische  Evangelienfragment.  35 

hohen  evangelienkritischen  Interesse,  welches  durch  diese  epoche- 
machende Entdeckung  allenthalben  geweckt  worden  ist. 

A.    Die  Bezeugung  des  evayyeZiov  xaxa  JJtxQov. 

Im  Vergleich  zu  den  canonischen  Schriften,  deren  patristische 
Bezeugung  bis  in  den  Anfang  des  zweiten  Jahrhunderts  hinauf- 
reicht, beginnen  die  patristischen  Nachrichten  über  das  doketische 
Evangelium  erst  mit  dem  Ende  des  zweiten  Jahrhunderts,  nämlich 
mit  Serapion,  der  um  200  n.  Chr.  lebte. 

1.  Serapion. 

Serapion  war  der  achte  Inhaber  des  zuerst  vonEvodius 
(vgl.  Agrapha  S.  427 f.)  und  sodann  von  Ignatius  verwalteten 
antiochenischen  Bischofsstuhles.  Und  wie  Ignatius  —  nach  dem 
Zeugniss  seiner  Briefe  —  in  der  ersten  Hälfte  des  zweiten  «Jahr- 
hunderts bereits  gegen  den  Doketismus  den  Kampf  zu  führen  hatte, 
so  erhielt  auch  Serapion  an  der  Wende  des  zweiten  und  dritten 
Jahrhunderts  Veranlassung,  sich  gegen  den  Doketismus  zu 
wenden.  Und  zwar  war  es  das  inzwischen  entstandene  doke- 
tische Evangelium,  welches  in  der  Parochie  von  Rhossus  (iv  xtj 
xaxa  *Pa>GC>6v  jtaQoixiix)  eingedrungen  und  durch  einige  An- 
hänger des  Doketismus  verbreitet,  von  Serapion  aber  anfäng- 
lich im  Vertrauen  auf  die  Rechtgläubigkeit  der  Gemeinde  und 
vor  näherer  Kennt niss  der  Schrift  als  harmlos  geduldet  und 
erst  später  bei  sorgfältiger  Einsicht  dieser  doketischen  Evange- 
lienschrift als  haeretisch  bedenklich  verpönt  worden  war.  Die 
Nachricht  über  diese  Vorgänge  verdanken  wir  dem  Eusebius 
(H.  E.  VI,  12),  welcher  aus  einem  darauf  bezüglichen  Briefe  des 
Serapion  an  die  Gemeinde  zu  Rhossus  einen  Passus  wortlich 
mittheilt.  Eusebius  nennt  dabei  diesen  Brief  einen  Xoyogxeglxov 
Xeyo/iivov  xaxa  IHxqov  evayysXlov,  während  Serapion 
selbst  das  Evangelium  dieser  Haeretiker,  ovg  Joxijxäg  xaXovpev, 
mit  den  Worten:  xo  vx  avxöiv  JtQoysyofitvov  ovofiaxt 
DexQov  EvayyiXiov  bezeichnet  und  damit  zugleich  die  Pseud- 
onymität  dieser  Schrift  kenntlich  macht. 

2.  Origenes. 

Der  nächste  Zeuge  ist  Origenes,  welcher  Comm.  in  Mt. 
X,  17  das  Petrusevangelium  in  folgender  Weise  erwähnt:  xovg 


36  Aussercanonische  Paralleitexte  zu  Mt.  und  Mc. 

de  aöeX<povq  '/tjöov  tpaöl  xivsq  etvai,  ix  xagadoOEoiq  oq(k6(isvol 
xov  s3tiyByQa(i(jiivov  xaxä  IHxgov  evayysXLov,  r}  xr\q 
ßißXov  Iaxcoßov,  v'iovq  Voö^gD  ix  jtQoxBQaq  yvvaixbq  avvcp- 
xrpcviaq  avxm  xqo  xr\q  Magiaq.  Man  sieht,  ein  Vertrauen  bringt 
Origenes  dieser  jtagaöooiq  nicht  entgegen.  Er  stellt  das  im- 
ysyQafifievov  xaxa  W:xqov  svayyiXiov  mit  dem  apokryphischen 
ßlßXoq  'Iaxcoßov  auf  eine  Stufe. 

3.  Eusebius. 
Erst  hundert  Jahre  später  findet  sich  wieder  eine  literarische 
Erwähnung  des  Doketen-Evangeliums,  und  zwar  durch  Euse- 
bius, welcher  bei  der  Aufzählung  der  pseudopetrinischen  Lite- 
ratur (xmv  ijtixexXrjfiivfov  avxov  jtgägson'  —  xo  xe  Xeyofievov 
avxov  xtfQvy/ia  xal  xr^v  xaXovy.ivrp>  axoxäXvipiv)  auch  xo 
xax'  avxov  (6vo(ia0(i£vov  svayyiXtov  nennt  und  dabei 
ausdrücklich  sagt,  dass  ein  kirchlicher  Schriftsteller  der  Zeugnisse 
dieser  Schriften  sich  nicht  bediene  (oxc  ftqxe  dgxaiatv  (itjxs  xg>v 
xa&  ijfiäq  xig  ixxXrjCiaoxixoq  Gvyygatpavq  xalq  i%  avxcäv  ovv- 
exQ^oaxo  fiagxvglaiq  —  Eus.  H.  E.  III,  3,  2).  An  diese  euse- 
bianische  Notiz  wird  man  noch  in  besonderer  Weise  durch  den 
Umstand  erinnert,  dass  in  dem  Mönchsgrab  von  Akhmim  zu- 
gleich zwei  Fragmente  der  pseudopetrinischen  Literatur,  des 
Evangeliums  und  der  Apokalypse,  aufgefunden  worden  sind. 
Noch  einmal  in  dem  grossen  Verzeichnisse  der  canonischen  und 
apokryphischen  Literatur  (H.  E.  III,  25)  thut  Eusebius  des  Pe- 
trusevangeliums als  zu  den  von  den  Haeretikern  aufgebrachten 
pseudapostolischen  Schriften  gehörig  (xaq  ovofiaxi  xmv  ajcoöxo- 
Xcov  3tq6c  xmv  algsxixdiv  xgotpegofievag)  Erwähnung. 

4.   Hieronymus. 

In  der  Schrift  de  vir.  illustr.  c.  1  (sub  voce  Simon  Petrus) 
notiert  Hieronymus  im  Anschluss  an  Eus.  H.  E.  III,  3,  2  die 
pseudopetrinische  Literatur,  zu  welcher  er  seinerseits  noch  das 
Judicium  Petri  hinzufugt.  Ebenso  erwähnt  er  das  Petrusevange- 
lium s.  v.  Serapion  mit  folgenden  Worten:  composuit  et  alium 
de  Evangelio,  quod  sub  nomine  Petri  fertur,  librum  ad 
Rhosensem  Ciliciae  ecclesiam,  quae  in  haeresin  ejus  lectione  di- 
verterat.  Sophronius  hat  die  Worte  des  Hieronymus  in  folgen- 
der Weise  wiedergegeben:  övvtxatzt  xal  aXXo  ztsgl  xov  svay- 


§  6.    Das  pseudopetrinische  Evangelienfragment.  37 

ytXiov,  ojisq  ijr'  ovofiaxi  üsxqov  (päyerai,  jiQoq  xt]v  Iv 
Pooco  xcäv  KiXUtov  exxXrjalav  ßißXiov,  r\xtq  elq  xr\v  cugeaiv 
avxov  s£,EöxQaq)7]  xai  xtvaq  elq  apdyvcoötv  xrjq  xovxov  alneoeojq 
(it-xtfi'syxep. 

5.  Theodoretus. 
Theodoret  (Haer.  Fab.  II,  2)  überrascht  uns  mit  der  Nachr 
rieht,  dass  das  pseudopetrinische  Evangelium  auch  bei  den  Na- 
zaräern  im  Gebrauch  gewesen  sei:  ol  de  Na^cogaloi  'lovöatot 
hol  xov  Xqcöxov  xifKDvxBq  (oq  avd-Qcojtov  ölxaiov,  xal  x<p 
xaXovfiivm  xaxa  JUxqov  svayyeXiq)  xsxQyftevoi,  wobei  es 
auffällt,  dass  Theodoret  diese  Nazaräer  nicht  als  Christen,  son- 
dern als  Iovöaloi  charakterisiert. 

7.  Decretum  Gelasii. 

Das  gelasianische  Decret  de  libris  reeipiendis  führt  in  be- 
merkenswerter Berührung  mit  Origenes  „evangelium  nomine 
Petri  apostoli  apoeryphum,  evangelium  nomine  Jacobi  mino- 
ris  apoeryphum"  unmittelbar  nebeneinander  auf. 

Es  sind  —  abgesehen  von  dem  Fragment  Serapions  — 
ausserordentlich  dürftige  Nachrichten,  welche  wir  über  das  pseu- 
dopetrinische Evangelium  bisher  besassen.  Seine  Verbreitung 
scheint  hauptsächlich  in  einigen  syrischen  und  klein  asiatischen 
Gebieten  und  in  Aegypten,  dieser  Brutstätte  für  die  Haeresen, 
aber  auch  dieser  Fundstätte  alter  Urkunden,  stattgefunden  zu 
haben.  Sein  doketisch-haeretischer  Charakter  steht  von  vorn 
herein  ausser  Zweifel  und  berechtigt  uns  in  diesem  Falle  auf  das 
Beste,  von  einem  Tendenz-Evangelium  zu  reden  und  an  demselben 
Tendenzkritik  zu  üben,  d.  h.  in  dem  uns  wieder  geschenkten 
Fragmente  Alles  aufzusuchen,  was  der  doketischen  Tendenz  ent- 
spricht. 

B.   Der  Doketismus. 
Die  Geschichte  des  Doketismus,  über  welchen  eine  einzige 
und    noch    dazu    kleine  Monographie,   eine  Erstlingsschrift  des 
jüngeren   Niemeyer,   vorhanden    zu   sein  scheint1),   ist  ausser- 

1)  De  Docetir.  Commentatio  historico  -  theologica.  Scripsit  Her- 
niannus  Agutho  Niemeyerus.  Halae,  in  Libraria  Orpbanotrophei,  1823. 
Gr.  8.  49  Seiten.  Serapions  Fragment  bei  Eusebius  hat  Niemeyer 
wie  einiges  Andere  merkwürdiger  Weise  übersehen,  auch  die  Nennung  der 


38  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

ordentlich  fragmentarisch.  Der  Doketisnius  ist  vielfach  eine 
Begleiterscheinung  anderer  Haeresen  gewesen.  Seine  frühen 
Anfänge  kann  man  ersehen  aus  dem  Umstände,  dass  der  bereits 
von  Papias  (120)  beglaubigte  erste  Johannesbrief  den  Doketismus 
voraussetzt  und  bekämpft.  Der  Name  der  Doketen  aber  tritt 
uns  erst  gegen  das  Ende  des  zweiten  Jahrhunderts  entgegen. 
Weder  die  apostolischen  Väter  —  und  unter  ihnen  nicht  einmal 
Ignatius  —  noch  Justin  und  Irenaeus  nennen  die  Doketen. 
Die  erste  Erwähnung  dieses  Namens  findet  man  bei  Clemens  AI. 
—  Strom.  VII,  17, 108  p.  900:  al  de  anb  öoyfiarmv  iöia^ovxmv,  cag 
i)  xmv  Aoxltwv  (sc.  cuqsöu:)  —  und  in  dem  oben  erwähnten  Frag- 
ment Serapi  ons:  ovg  .i oxrjrag  xaXotfisv.  Selbst  Epiphanius 
hat  kein  besonderes  Capitel  über  die  Doketen,  deren  Namen  er 
nirgends  zu  erwähnen  scheint.  Am  meisten  bietet  noch  Hip- 
polvt.  Refut.  haer.  VIII.  10,  und  doch  wenig  genug. 

Als  Begleiterscheinung  zahlreicher  anderer  Haeresen  war 
der  Doketismus  weit  verbreitet  und  die  Sache  wohl  bekannt. 
Niemeyer  führt  im  3.  Capitel  seiner  Schrift  unter  den  Docetis 
singulis  auf:  Dositheus,  Kleobios,  Saturninus,  Valentinus, 
Ptolemäus,  Isidorus,  Bardesanes,  Marinus,  Harmonius, 
Tatianus,  die  Enkratiten,  Cerdo,  Marcion  u.  A.  Und 
Credner  hat  (Beiträge  zur  Einl.  in  die  bibl.  Schritten  I,  440, 
sowie  in  seiner  Abhandlung  „Über  Eesäer  und  Ebioniten"  S. 
253 f.)  darauf  hingewiesen,  dass  Enkratiten  und  Ebioniten  mit 
ihrer  Christologie  den  Doketen  sich  angeschlossen  haben,  wodurch 
die  von  Theodor  et  gegebene  Nachricht  bezüglich  des  Gebrauches 
des  doketischen  Petrusevangeliums  bei  den  Nazaräern  ihren  be- 
fremdenden Eindruck  verliert. 

Die  Sache  freilich,  die  der  Doketismus  vertrat,  ist  als  eine 
selbstständige  Erscheinung  bereits  von  Ignatius  in  solcher 
Weise  gekennzeichnet  und  als  eine  der  grössten  Gefahren  der 
Kirche  so  energisch  bekämpft  worden,  dass  man  daraus  auch  die 
allmähliche  Genesis  des  Namens,  womit  später  der  Doketismus 
(?}  öoxtjOig)  und  seine  Anhänger  (Joxtjtai)  bezeichnet  wurden, 
erkennen  kann. 

Im  Nachstehenden   gebe  ich  (vollständiger  als  Niemeyer) 


Doketen  bei   Clemens  AI.     Gleichwohl  habe  ich  Wichtiges,   wie  das 
Folgende  zeigt,  von  ihm  entnehmen  können. 


§  6.    Das  pseudopetrinische  Evangelienfragment.  39 

die  bei  Iguatius   auf  den  Doketismus  bezüglichen  und  gegen 
denselben  gerichteten  Aussagen. 

TralL  c.  10.  p.  52,  3.  xiveg  ad-eoi  ovxeg,  xovxeoxtv  ojiiöxol, 
ZtyoxxHv,  xo  öoxelv  jtsxov&e'vai  avxov,  avxol  ovxeg 
xo  öoxslv. 
Smyrn.  c.  2.  p.  84,  5.  aXij&mg  ejia&ev,  mg  xal  dZi]&<5g  dpi' 
OXTjösp  eavxov,  ovx  coojcsq  ajtcaxoi  xipeg  Xiyovöiv,  xo  öo- 
xslv avxbp  jcsjiopfrivcu,  avxol  xo  öoxelv  ovxeg. 
Smyrn.  c.  4.  p.  86,  11.    ei  yao  xo  öoxelv  xavxa  hxodx&i}  vjtb 

xov  xvqiov  tffiäip,  xdycb  xo  öoxslv  öeöefiat. 
Smyrn.  c.  l.p.  82, 10.  xejtXrjQo<poQr][ievovg  eig  xbv  xvqiop  ificap, 
aXt/d-cög  opxa  ex  yivovg  Jaßlö  xaxa  oaoxa  — ,  yeyevvr/- 
fievov   dXq&cög  kx  jtag&evov,  —  dXrj&cüg  ixl  Uovxiov 
HiXdxov  xal  *Hoa>öov  xexgaoxov  xa&ijXwfie'vov  vriko  fjficöv 
hv  oaoxi. 
Trall.  c.  9.  p.  50,  15.    og  dXq&cäg  kytvvrjd-ij,  l<payep  xe  xai 
sjttsv,  ä/Lii&wg  höia>x&ri  hjil  Uovxiov  üiXäxov,  aXrj&cög 
höxavQcbd-))  xal  dmO-avev  — ,  og  xal  äXrj&öig  tfyeod~r]  ajtb 
vexQcöv. 
Magn.  c.  11.  p.  40,  3.    jiexXTjQotpoorö&ai  ev  xjj  yevvi)oei  xal 
reo  jtd&et  xal  xfj  dvaoxddei  xfj  yevofievy  kv  xaigm  xtjg 
/)y£fiopiag  Uovxiov  UiXäxov  jioaxd-epxa  dXrt&wg  xal  ße- 
ßaia>g  vjto  'irpov  Xqiöxov,   xrjg  kXjiiÖog  ^f/o5v,  fjg  hxxga- 
jcijvai  fir/öevl  rjfimp  yevotxo. 

Man  erkennt  aus  der  Vergleichung  dieser  Stellen,  dass  es 
gegenüber  der  doketischen  Verflüchtigung  der  evangelischen 
Thatsachen  dem  Ignatius  darauf  ankam,  deren  Geschichtlich- 
keit zu  betonen,  ferner  dass  der  Doketismus  nicht  etwa  blos  an 
dem  jtd&og  und  der  dpccöxaaig  sich  vergriff,  sondern  ebenso 
sehr  an  der  yivvtjoig  und  an  den  übrigen  xoaxfrt'vxa,  ja  auch 
an  dem  q>ayslv  und  melp  Jesu,  endlich,  dass  Ignatius  bei  der 
Bekämpfung  des  Doketismus  an  die  Aussagen  des  schon  zu 
seiner  Zeit  sich  bildenden  apostolischen  Symbols  sich  gehalten  hat *). 

1)  über  diesen  Punkt  vgl.  den  Excurs  über  das  altorientalische  Sym- 
bol, sowie  die  Erläuterung  zu  Mt.  5, 10  und  den  dort  begründeten  Hinweis, 
dass  äXiföctiQ  töttoxfrij  —  dXrj^diq  ena&ev  identisch  sind.  Die  Nichterwähnung 
der  dvakriyie,  die  im  Symbol  des  Aristides  und  des  Justin  nicht  fehlt, 
motiviert  sich  durch  die  Betonung  der  dvd?.tppiQ  von  Seiten  der  Doketen. 
Als  ein  besonderer  Zug  ist  noch  zu  erwähnen  die  Verwerfung  der  Eucha- 


40  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mo. 

Zweckentsprechend  seh  Hessen  sich  hieran  die  Aussagen  des 
mit    dem  Redaktor  der  Constitutionen  identischen  Verfassers 
der  Pseudo-Ignatianen. 
Trall.  c.  10.  p.  190,  24.     xiveq  d&eoi  ovxeq,  rovxiöriv  djtioxoi, 

Xeyovöi,  xo  dox/jösi  yeyevvfjö&ai  avxov  dvd-oamov ,  ovx 

aXrj&mg  dveiXqyevai  ocöfia,  xal  xm  öoxelv  xe$vr}xevai7 

jtejtov&tvai  ov  rot  ovri. 
Tars.  c.  2,  p.  208,  18. 

ol  (liv,  oxi'ltjöovq  öoxijoei  eyevvq&rj  xal  öoxijoei  iorav- 

qco&7]  xal  öox7)ö£i  dxe&avev. 
Philipp,  c.  4.  p.  218,  24. 

öib  xal  tv  rtoiv  evegyel  dovelo&ai  xov  oxavoov.  xo  Jia- 

#oq  sjtaioxvvsöftai,  xov  ftdvaxov  öoxtjolv  xaXelv,   xtjv 

ix  jcag&evov  yivvrjöiv  jtegixonxeiv. 
Philad.  c.  6.  p.  236,  30. 

edv  xiq  Jtaxtoa  xal  vlov  xal  dyiov  Jtvevpa  ofioXoyfj  xal 

xrv  xxloiv   ixaivfi ,    öoxrjöiv  öe  Xeyy  xr)v  kvom/idxmoiv 

xal   to    na&OQ   ejtaioxvvexai ,    6   xowvxoq   r]gvr\xai    xr)v 

jiioxiv. 
Trall.  c.  6.  p.  186.  19.     xi)v  Ix  xao&evov  yevvrjOtv  öiaßdXXov- 

ötv   knatöxvv6(isvoi  xov  oxavoov,  xb  xd&oq  agvovvxat 

xal  xtjv  dvdoxaoiv  ov  jtioxevovöiv. 
Trall.  c.  9.  p.  188,  32.     oq  aXrjfrmq  iyevvrftr]  xal  ex  freov  xal 

Ix  jtag&evov  —  dXrjfrmq  dveXaße  oojfia. 
Smyrn.  c.  1.  p.  242,  30.     xa&qXmfitvov  vjteg    ij/imv   iv   oagxl 

dXrjfrmq. 
c.  3.  p.  244,  25.      oxi   dXrjfrmq  xal    ov    xm    öoxelv 

eyqyegxai. 
c.  4.  p.  246,     1.     ei  ydg  xm  öoxelv  kv  ocofiarc  yeyo- 
vev  o  xvQioq,  xal  xm  öoxelv  eoxav- 
omd-rj,  xdym  xm  Öoxelv  öeöefiai. 
Const.  VI,  26.  p.  189,  7.     dgvovvxai  ydg  xal  xr)v  xaxd  odgxa 

avxov  yevvTjGiv,  xov  oxavgbv  kjtaiöxvvovxai,  xo  jcd&oq 

xal  xov  frdvaxov  döotiovöi,  xr)v  dvdöxaocv  dyvoovöi. 


ristie  von  Seiten  der  Doketen.  Vgl.  Smyrn.  c.  7.  p.  88,  18:  evxaQiorlaq  xal 
nQOOfvxfJG  dnexovtai  Sia  xo  ftrj  bf-ioXoyetv,  tyv  ev/agiotlav  OaQxct  eivtti 
xov  ocoxrjooq  Tjfidiv  'Irjoov  Xqioxov ,  xr\v  vnho  T(Sv  afiagxidiv  rjfxwv  na- 
&ovoav.  Es  war  nur  folgerichtig,  dass  mit  der  Leugnung  des  wirklichen 
Leidens  und  des  wirklichen  Todes  Jesu  auch  das  Todesmahl  hinfallig  wurde. 


§  ö.    Das  paeudopetrinische  Evangelienfragment.  4j[ 

Letztere  Stelle,  welche  in  der  Urschrift  der  Didascalia 
fehlt,  ist  ein  neuer  Beweis  für  die  Identität  des  Pseudo- 
Ignatius  mit  dem  Redaktor  der  Constitutionen.  Übrigens 
kann  man  bemerken,  wie  die  66xrj6ig  —  an  Stelle  des  in  den 
echten  Ignatianen  herrschenden  xo  öoxetv  —  der  technische 
Ausdruck  für  den  Doketismus  geworden  ist. 

Bezüglich  des  von  Jesus  geübten  Essens  und  Trinkens  ge- 
staltete sich  der  Doketismus,  wie  das  von  Clemens  AI.  aus  dem 
Briefe  des  Valentinus  nobg  'Aya&ojtoöa  gebrachte  Excerpt 
deutlich  zeigt,  folgendermassen:  „jtdvxa* ,  (prjöiv,  „vjtofiEivag 
kyxgaxijg  i]v,  d-E0X7jxa  Irjcovg  EiQyäC.sxo,  tjö&iEv  xal  ejiivev 
lölcoQ  ovx  djto6i6ovg  xä  ßgoofiaxa.  xooavxrj  ijv  avxqZ  syxna- 
xsiag  övvctfiiq,  cooxe  xal  firj  <p&aor)vai  xr\v  xqo<p?)v  kv  avxcn, 
ejtel  xo  p&EiQEö&ac  avxbg  ovx  eIxev.*     Strom.  III,  17,  59.  p.  538. 

Auch  was  Epiphanius  (Haer.  XXIII,  1  p.  63  B)  von  dem 
Doketismus  des  Satornilus  berichtet,  kann  gewiss  verallgemeinert 
und  auf  alle  Doketen  ohne  Unterschied  angewendet  werden. 
Er  sagt:  Xoioxbv  6s  xal  avxov  g>doxsi  o  yorjg  kv  öyjifiaxt  av- 
&Qcojiov  kXr)Xv&£vai  xal  I6sa  (ibvij ,  xä  jcdvxa  6h  kv  reo  6o~ 
xeIv  JiEJioiTjxEvai,  xovxtoxi  xo  ysyEvvfjö&ai  6oxeIv,  aXXd 
xo  fit)  ysyEvvfjO&ai ,  xb  JtEQiJc^xslv ,  ojixävso&ai,  to  xe~ 
jtov&svai. 

Wie  man  sich  aber  das  doketische  Wandeln  und  die  doke- 
tischen  Erscheinungen  Jesu  des  Näheren  ausmalte,  darüber 
geben  zwei  wichtige  Notizen  Auskunft,  welche  Niemeyer  bei- 
gebracht hat. 

Die  erste  Notiz  stammt  aus  den  Akten  des  zweiten  nicae- 
nischen  Concils  (a.  787)  und  findet  sich  in  Mansii  Collectione 
conciliorum  Tom.  XIII  p.  169  (Act.  conc.  Nicaeni  II  act.  V),  wo 
der  Diakonus  Epiphanius  kx  xcöv  ipEvösjiiyodyicov  jieqioöcov 
xeov  ayimv  djioöxoXwv  Folgendes  referiert:  jtoxh  ßovXb- 
fiEvog  xbv  Iqöovv  xnaxfjoai,  kv  vXmösi  xal  xaysi  oco/iaxi  jcqoo- 
ißaXXov.     uXXoxe  6h   JidXiv  xprjXaqxövxbg  fiov  avxbv  dvXov  r\v 

xal   doat/iaxov   xb   vstoxEifiEvov,   xal   a>g   (i/j6h   oXa)g  6v 

kßovX6[ir)v  6h  ütoXXäxig  ovv  avxm  ßa6i£a>v  16eIv,  eI  i%vog 
avxov  kjtl  xrjg  yfjg  <paivsxaf  tojoayv  avxbv  ajto  xrjg  yr)g 
e avxbv   ijtaioovxa1).    Als  dies  verlesen   worden  war,   erhob 


1)  Der  griechische  Text  abgedruckt  bei   Zahn,  Acta  Joannis  S.  219. 


42  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

sich   nach    dein  Concilbericht  der  Bischof  Tarasius,   indem  er 
ergänzend  bemerkte:  iv  xalg  jtsQioöoic  xavxaig  kyoaqti],  oxi 

OVXE    tjO&lEV    OVXE    EJtlVEP    OVXE   JCOölv    X  ?j  V    ytjv   EJCÜXtl, 

xä  jtaQOfioia  xätv  (pavxaoiaoxmv. 

Wie  diese  Nachricht,  so  ist  auch  die  andere  für  das  Ver- 
ständniss  des  pseudopetrinischen  Doketenevangeliums  von  grossem 
Werthe.  Bei  Photius  nämlich  (Cod.  114)  findet  sich  über  den 
Doketismus  des  Leucius  Charinus  folgende  Mittheilung:  Xiysi 
6e  (ifjö*  £vav&(>Gmi}<jai  aXi/d-äic,  aXXa  öogai  xal  xoXXa  JtoX- 
Xdxic  (pavyvai  xolc  (/a&ijxalg  veov  xal  jiQEößvxrjv  xal  Jtalöa, 
xal  (/EiC,ova  xal  iXdxxova  xal  fttyiöxov  cüOxe  xi(V  xoovqptv 
EO&  oxe  fit'xQtg  ovQavov.  Vgl.  Zahn,  Acta  Joannis  S.  215f. 
Von  der  allergrössten  Wichtigkeit  ist  endlich  noch  ein  wei- 
teres und  grösseres  Bruchstück,  welches  Niemeyer  (p.  7)  aus 
den  Akten  des  nicaenischen  Concils,  bezw.  aus  den  während  des 
Concils  auszugsweise  verlesenen  jieq'ioöoi  xcöv  aylmv  ajto- 
axoXoiv  (bei  Mansi  XIII,  171)  beibringt.  Nach  dem  Berichte 
dieses  apokryphischen  Buches  hatte  Jesus  vor  seiner  Gefangen- 
nahme mit  seinen  Jüngern  zum  Vater  gebetet,  und  war  dann 
seinen  Feinden  entgegengegangen,  gefangen,  verurtheilt  und  ans 
Kreuz  geheftet  worden.  Johannes  war,  durch  diesen  Anblick  in 
tiefste  Traurigkeit  versetzt,  in  eine  Höhle  am  Oelberg  geflohen. 
Dort  erschien  ihm  der  erhöhte  Jesus  mit  folgenden  Worten: 

'icoavvrj,  xcö  xaxoj  oxX<p  Ev'hQoooXvjioig  oxavQOVfiai, 
xal  Xoyxatc  vEroooftai  xal  xaXdfioig  o£og  xe  xal  x°" 
Xijv  jtoxiCoftaf  ool  6h  XaXöj,  xal  6  XaXäi,  axovoov 
ky<6  ooi  vjtt'ßaXov  ixveX&eIv  eIq  xovxo  xo  ogog,  onotg 
axovoqc  a  6eI  (ja&?/xi}v  naoä  öiöaoxaXov  ftav&ävEtv  xal 
av&Qcnjtop  jtaoa  ß-Eov.  xal  eIjiwv  xaixa  —  so  fährt  nun 
Johannes  fort  —  lÖEigt  fiot  oxavQov  g>a)x6g  jtEJcijy- 
fiivov,  xal  xeqi  xov  OxavQov  o%Xov  jtoXvv,  tuiav 
fioppr/v  fit)  Ixovxa,  xal  ev  avxm  i\v  (ioo<p>)  (ila  xal  löia 
Of/oia  avxov  öe  xov  xvqiov  ejiccvo)  xov  oxavgov 
hmomv  6x*jua  ///}  sxovxa,  aXXa  xiva  <pmviv  (io- 
vov  (pmvtjv  öh  ov  xavxqv  xi/v  ijfilv  ovprjfhj,  dXXd  xiva 
tjÖElav  xal  XQVaT,lv  xai  aXrj  frmg  &eov  Xiyovoav  jiqoq  E[iEm 


Die  deutsche  Übersetzung  bei  Lipsius,  Die  apokryphen  Apostelgeschichten 
und  Apostellegenden.    I.  Bd.  S.  451. 


§  6.    Das  pseudopetrinische  Evangelienfragment.  43 

lomvvtj,   tva    ötl   3i<xq    etuov  roxxa  äxovöac   tvbi   yäg 
XQt'i^o}  xov  (itXXovroi  äxovtiv   o  öTavQog  6  rov  <jdg>- 
toc,  jtots  (ikv  Xoyog  xaXelrai  vjt   sfiov  61   Vfiäg,  Jtors 
6h   vovq,    Jtori    öi   XQiorog.   jroth    &VQa.    jtot\    föoq, 
jtori  aoroq,  jcots  GxoQog.  jrort  aväaraoig,  jrorh  'bjoovq, 
siorh   jtcct//q,  Jiorh   Jtpevfia,   jtotI    ^cotj,    norh  aXtj&sia, 
3iOT£  jriOTig,  Jtorh  yjUQiq '). 
Nach  diesen  patristischen  Nachrichten  über  den  Doketisinus 
wird    es  nun  nicht  schwer  fallen,  die  doketischen  Elemente  des 
pseudopetrinischen  Evangelienfragmentes   in    grösserer  Vollstän- 
digkeit als  bisher  zu  erkennen 2).    Es  handelte  sich  dabei  durch- 
weg um  eine  fantastische  Verflüchtigung  der  evangelischen  That- 
sachen. 

C.    Die   doketischen  Elemente   des   pseudopetrinischen 
Evangelien  fragments. 

Es  ist  nicht  blos  ein  Recht,  sondern  auch  eine  —  im  kir- 
chengeschichtlichen wie  evangelienkritischen  Interesse  zu  übende 
—  Pflicht  des  Forschers,  in  diesem  Falle  nachzuspüren,  ob  und 
in  wie  weit  die  kirchengeschichtlich  überlieferten  Einzelzüge  des 
Doketismus  in  dem  svayytXiov  xaxa  IleTQOv,  welches  sein  erster 
Gewährsmann,  Serapion,  als  das  Evangelium  der  Doketen  be- 
zeichnete, sich  wiederfinden.  Bei  solcher  Untersuchung  ergeben 
sich  folgende  doketische  Parallelen. 

v.  10.   avroc  ös  koicojta  coq  fj?)ötva  jrovov  eycov. 

Fast  einstimmig  ist  das  Urtheil  der  Kritiker  darüber,  dass 
in  dieser  dem  Contexte  eingefügten  Bemerkung  ein  doketischer 
Zug  zu  erkennen  sei.  Es  liegt  ja  auch  zu  sehr  auf  der  Hand, 
dass  durch  die  angebliche  Schmerzlosigkeit  das  Kreuzesleiden 
Jesu  wieder  aufgehoben  werden  soll,  ganz  im  Sinne  der  Doketen, 
welche  Xeyowiv,  xo  öoxelv  Jtexov&tvai  avtov.  Vgl.  Ign. 
Trall.  c.  10. 


1)  Bei  Zahn,  Acta  Joannis  S.  222  f.  Die  deutsche  Übersetzung  bei 
Lipsius  S.  452 f. 

2)  Die  Stelle  aus  Photius  ist  von  einigen  Erklärern  des  Petrusevange- 
liums benutzt,  die  wichtigen  Partien  aber  aus  den  Acta  conc.  Nie.  II.,  soviel 
ich  sehe,  von  Niemandem,  auch  von  Zahn  nicht. 


44  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

v.  16.  Jtoxlaaxs  avxov  %oX>iv  fisxd  6§ovq. 
Hier  liegt  zwar  auch  mit  Mt  27,  34  ein  Verwandtschafts- 
verhältniss  vor,  aber  in  dieser  canonischen  Stelle  fehlt  nicht  mir 
das  charakteristische  jtoxiC,eiv,  sondern  es  ist  auch  olvoq  und  nicht 
ogoq  neben  der  x°tf  genannt.  Dagegen  bilden  die  Worte  Jesu: 
oS.oq^  xe  xal  x°^Vv  JioxiC,Ofiai  in  der  doketischen  Schrift: 
jieq'ioöoi  xcöv  ayicjv  djtooxöXcov  (Mansi  XIII,  171)  eine  voll- 
ständig zutreffende  Parallele. 

v.  18.   JzsQir'iQ%ovTo  de  JtoXXoi. 
Ganz  ähnlich  in  den  xsoioöoiq  xcöv  dyimv  cutoöxoXoov  an 
der   eben    erwähnten   Stelle:    xal   neol    top    OxavQov    oxXov 
jioXvv 

v.  19».   /j  övvafiiq  fiov,  //  övvafiiq,  xaxeXeitpdq  fis. 

Hier  ist  es  zunächst  ausser  Zweifel,  dass  övvafiiq  eine  Über- 
setzungsvariante des  hebräischen  bs  ist  und  dass  ein  ara- 
mäisches Grundwort  für  övvafiiq  nicht  in  Betracht  kommen 
kann.  Von  den  LXX  wird  bt&  nicht  blos  mit  9-soq,  Icyvoöq, 
ioxvq,  sondern  auch  mit  övvafiiq  wiedergegeben.  Vgl.  Neh.  5,  5: 
!QTP  bsb  'psi  =  LXX:  xal  ovx  eoxi  övvafiiq  xziQwv  tjficov. 
Die  Wahl  aber  gerade  dieser  Übersetzung  von  bS5  ist  ganz  deut- 
lich aus  der  doketischen  Tendenz  des  Petrusevangeliums  zu  er- 
klären. Unter  der  övvafiiq  ist  die  unsichtbare  Persönlichkeit 
Jesu  zu  verstehen,  die  den  am  Kreuze  Hängenden  schon  während 
der  Kreuzigung  verlassen  hat  (dveXi}q)&ij).  Und  die  Weglassung 
der  Fragepartikel  ivaxi  hat  offenbar  den  Zweck,  diese  Voraus- 
setzung des  Doketismus  ausser  Frage  zu  stellen.  Das  Nähere 
vgl.  zu  Mt.  27,  46. 

v.  19b.  xal  eljtcov  dveX^pd-tj. 
Wenn  in  den  jteoioöoiq  der  Erzähler  berichtet,  dass  er  oft- 
mals neben  Jesu  wandelnd  geforscht  habe,  ob  dieser  eine  Fuss- 
spur  auf  der  Erde  hinterlasse  und  dass  er  dann  ihn  jedesmal 
von  der  Erde  aufwärts  sehwebend  geschaut  habe  (koSomv  av- 
xov coro  xT\q  ytjq  tavxov  hxaioovxa),  so  liegt  ein  &7tai- 
QEö&ai  (==  dvaX?j<p&fjvai)  während  der  Kreuzigung,  wie 
schon  v.  19 il  zeigt,  erst  recht  im  Sinne  des  Doketismus.  Eben 
durch  dieses  dvaXrjqpd-rjvai  wurde  das  jia&oq  zu  einem  blosen 
öoxslv. 


§  6.    Das  pseudopetrinische  Evangelienfragment.  45 

v.  26.  exQvßofie&a. 
Die  jcsqIoöoi  erzählen,  dass  Johannes  nach  dem  Anblick  des 
Kreuzestodes  Jesu  auf  den  Oelberg  geflohen  sei  (tristem  fugisse, 
vgl  v.  26:  hym  6h  f/exct  xcöv  txaiocov  (iov  iXvjtovftrjv)  und  in 
einer  Höhle  sich  verborgen  habe,  vgl.  v.  26:  xai  t£tq<o(i6voi 
xaxa  öiavoiav  ixQvß6(t£&a. 

v.  35.   ftsydXt)  qxovij  kyevsxo  Iv  xcö  ovgavcp. 
Hierzu  vgl.  in  den  Jtegio6oiq:  aXXd  xiva  <pmvi)v. 

v.  39.  Oxavgbv  äxoXov&ovvxa. 
In  den  Schlussworten,  die  der  während  der  Kreuzigung  vom 
öxavgoq  losgelöste  Jesus  an  Johannes  richtet,  wird  in  den  jcs- 
gioöoic  eine  Identification  von  oxavgbq  —  Xoyoq  =  vovq  = 
XQiGxoq  vollzogen:  6  Oxavgbq  o  xov  qxaxbq,  xoxh  fihv  Xo- 
yoq xaXslxai  vjt  sftov  61  vtuäq,  ytoxh  6h  vovq,  xoxh  6h  XQl~ 
Cxoq.  Das  ist  eine  gnostisch-doketische  Verflüchtigung  des 
oxavgbq,  dieses  Inbegriffs  des  historischen  Jesusleidens.  Ähnlich 
geschieht  es  im  Petrusfragment:  das  Kreuz  wird  in  die  Aufer- 
stehung mit  hineingezogen  und  verliert  somit  seine  historische 
Bedeutung. 

v.  40.  xcöv  fihv  6vo  xi]v  xt<paXi]v  x<*>govoav  (i&XQ1  r°v  °v- 
gavov,  xov  6h  xf:lQa7(O70Vtl^v<)V  V3C>  avxcöv  vnegßaivovöav 
zovq  ovgavovq. 
Nach  dem  Fragment  bei  Photius  lässt  der  Doket  Leucius 
Charinus  Jesum  bald  als  einen  Greis,  bald  als  einen  Jüngling, 
bald  als  gross,  bald  als  klein  erscheinen,  bisweilen  als  so  gross, 
dass  er  mit  seinem  Scheitel  bis  an  den  Himmel  reicht:  fieyioxov 
coöxs  xi)v  xoqv<p?)V  toi)  6x6  fiexgtq  ovgavbv.  Das  letzte  fast 
wörtlich  so  im  dnketischen  Petrusevangelium. 

v.  41.  (pmvijq  t/xovov  Ix  xcöv  ovgavcöv  — 
v.  42.  xcu  vjiaxoij  yxovtxo  djtb  xov  oxavgov  — 
Das  doketisch  personifi eierte  Kreuz  kann  sogar  sprechen. 
Ganz  so  in  den  doketischen  jteglo6oi.  Da  sieht  Johannes  Je- 
sum oberhalb  des  Kreuzes  {hjtävco  xov  oxavgov),  aber  ohne  Ge- 
stalt {pxijlia  fli  Exovxa)i  auf  eme  Mose  Stimme  reduciert  (aXXd 
xiva  <pcovrv  (ibvov).     Ist  Oxavgbq  =  Xöyoq  =  voiq  =  XgiOxbc 


46  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

identisch,  so  ist  die  Stimme  vom  Kreuz  selbstverständlich  Christi 
Stimme,  und  er,  Christus,  ist  schliesslich  selbst  zu  einer  blosen 
Stimme  geworden. 

v.  56.  aveort]  yctQ  xal  cbtrß&ev  txel  öfrtv  djteotaXtj. 

Wie  die  Himmelfahrt  bereits  mit  der  Kreuzigung  zusammen- 
fiel (v.  19).  so  ist  dies  selbstverständlich  mit  der  Auferstehung 
der  Fall.  Das  exaiQeöftai  ccjto  t//$  y//c  wiederholt  sich  nach 
doketischer  Vorstellung  fort  und  fort. 

Die  öoxtjoig  ist  vollständig:  das  xa&og  ist  zu  einem  schmerz- 
losen Scheinleiden  geworden;  der  oracoöq  ist  seiner  historischen 
Wirklichkeit  entkleidet;  Jesus,  seiner  övvafiig  beraubt,  erhebt 
sich  vom  Kreuz  (cwsZij<p&r/\  wie  man  schon  bei  seinem  irdischen 
Wandeln  ihn,  den  Körperlosen,  oft  sich  hat  von  der  Erde  em- 
porheben sehen  (äjtd  tfjg  yf/g  tavtbv  tJtcdyopza),  und  er  reicht 
als  der  Auferstandene  bis  über  die  Himmel  (vjtSQßalveiv  rovg 
ovqclvovq),  wie  man  schon  früher  ihn  oft  gesehen  hat  bis  an 
den  Himmel  reichen  (wots  xr\v  xoQvrptjv  ta&'  oxe  fi^XQ1?  °v~ 
(tavov). 

Den  doketischen  Tendenzcharakter  des  pseudopetrinischen 
Evangelienfragments  leugnen  zu  wollen,  wie  es  in  radicaler  Weise 
von  Manchot  (Prot.  Kirchenzeitung  1893.  6 — 9)  und  von  Meu- 
nier  (L'Evangile  selon  St.  Pierre,  Paris  1893)  geschehen  ist,  kann 
doch  nur  aus  ungenügender  Orientierung  über  den  geschicht- 
lichen Charakter  des  Doketismus  und  der  ihm  verwandten  hae- 
retischen  Richtungen  erklärt  werden. 

D.   Die  Composition  des  tvayytkiov  xatä  UtxQov. 

Man  kann  in  dem  Fragmente  dreierlei  Elemente  unter- 
scheiden: 

1.  Stoffe  mit  doketischer  Tendenz,  zum  grössten  Theil 

ganz  legendenhaft, 

2.  canonische  und  von  den  canonischen  Parallelen  nur 

sprachlich  unterschiedene  Stoffe, 

3.  aussercanonische  Stoffe,  anscheinend  rein  histori- 

scher Natur,  ohne  erkennbare  Tendenz. 
Der  Faden,  an  welchem  diese  verschiedenen  Erzählungsstoffe 
aufgereiht  sind,  ist  sichtlich  derselbe  Faden,  welcher  auch  das 
canonische  Matthäusevangelium  zusammenhält.     Und  namentlich 


§  (3.    Das  pseuclopetrinische  Evangelienfragment.  47 

sind  es  die  secundären  Partien  Mt.  27,  52.  53.  62 — 66;  28,  2—4. 
11 — 15,  an  welche  die  apokryphen  Ausmalungen  des  Petrusevan- 
geliums sich  angeschlossen  haben.  Wie  das  spätere  judenchristliche 
svayytXiov  xafr*  'EßQctlovq  aus  dem  svayytXiov  xaza  Maz&alov 
entstanden  ist  und  wie  die  Fragmente  des  enkratitischen  tvayyi- 
Xiov  xax  Aiyvjtziovg  die  Abhängigkeit  des  letzteren  von  dem 
canonischen  Matthäus  verrathen,  so  besteht  auch  zwischen  dem 
doketischen  svayyiXiov  xaza  ützoov  und  dem  ersten  Evangelium 
des  Canons  ein  besonders  nahes  Verwandtschaftsverhältniss.  Die 
anderen  evangelischen  Reminiscenzen ,  welche  bezüglich  keines 
der  drei  übrigen  canonischen  Evangelien  fehlen,  ebenso  die  ausser- 
canonischen  historischen,  sowie  die  doketisch-legendenhaften  Par- 
tien sind  dem  Tenor  des  ersten  Evangeliums  eingefügt.  Man 
hat  demnach  —  wenn  man  aus  dem  Fragmente  auf  das  Ganze 
schliessen  will  —  das  doketische  Petrusevangelium  sich 
vorzustellen  als  eine  von  der  Geburtsgeschichte  ab- 
sehende, mit  Mt.  3,  1  beginnende,  dem  Leitfaden  des 
ersten  Evangeliums  folgende,  von  Reminiscenzen  aus 
den  übrigen  drei  canonischen  Evangelien  sowie  von 
aussercanonischen  Stoffen  besserer  und  geringer  Qua- 
lität und  namentlich  von  doketisch-legendenhaft  aus- 
geartetenElementen  durchsetzte, in  schriftstellerischer 
Hinsicht  ziemlicn  nachlässige,  in  Folge  der  Heteroge- 
neität  der  Stoffe  von  inneren  Widersprüchen  nicht 
freie  Darstellung  der  evangelischen  Geschichte,  deren 
Ursprung  —  nach  der  Diktion  zu  urtheilen  —  wie  der  Ursprung 
des  Fajjumfragments  inAegypten  zu  suchen  sein  dürfte.  Spe- 
ciell  dafür,  dass  das  doketische  Evangelium  mit  Mt.  3,  1  seinen 
Anfang  nahm,  spricht  die  notorische  Verwerfung  der  Geburt 
Jesu  von  Maria,  wie  sie  bei  den  Doketen  üblich  war,  sowie  das 
Beispiel  der  doketisch  gerichteten  Evangelienredaktoren,  Mar- 
cion und  Tatian.  Man  erinnere  sich  bezüglich  des  Doketis- 
mus  Tatians  an  Hieron.  ad  cap.  6.  ep.  ad  Gal.,  sowie  an  Theo- 
dor et,  Haer.  Fab.  I,  20:  rag  re  ysveaXoytag  Jieoixoipag  xal  zu 
aXXa    00a  ix  GjtiQfiazog  Aaßid  xaza  o/xQxa  y£ytvv?j{ut'voj>  zbv 

XVQIOV   Öf-'lXVVOlV. 

Alles  in  Allem  stand  das  doketische  Petrusevangelium  tief 
unter  den  canonischen  Evangelien  und  verdankte  diesen  das  Beste, 
was  es  bieten  konnte,   wodurch  auch  anfänglich  ein  Mann  wie 


48  Aussercanoniscbe  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Serapion  hatte  getäuscht  werben  können.  Was  wirklich  werth- 
voll  an  dem  Petrusfragmente  ist,  wird  die  Analyse  des  Einzelnen 
lehren.  Und  über  das  Verhältnis  des  Petrusfragmentes  zu  der 
canonischen  wie  zu  der  apokryphischen  Evangelienliteratur  (Di- 
dascalia- Evangelium,  Aegypterevangelium  '),  Fajjum- Fragment, 
Pilatusakten)2),  ferner  zu  den  apokryphen  Apostelgeschichten, 
sowie  endlich  zu  verwandten  patristischen  Evangeliencitaten 
(Barnabas,  Justin)  wird  erst  im  Schlusshefte  ein  zusammen- 
fassendes Urtheil  gegeben  werden. 


§7. 
Überleitende  Bemerkungen* 

Gegenüber  den  vorstehend  in  §§  5.  6  besprochenen  äusser- 
est ionischen  Evangelienfragmenten  bleiben  immer  die  canonischen 
Evangelieu  das  Hauptobjekt  der  Untersuchung.  Und  ich  bin 
der  Meinung,  dass  ein  Jeder,  welcher  in  der  innercanonischen 
Evangelienkritik  nicht  vollständig  zu  Hause  ist,  stets  Gefahr 
läuft,  das  apokryphische  Material  zu  überschätzen. 

Beim  Rückblick  aber  auf  §§  3.  4  möchte  ich  an  dieser  Stelle 
nochmals  hervorheben,  wie  wichtig  und  immer  erneuter  Be- 
achtung werth  die  von  B.  Weiss  über  die  synoptischen  Evan- 
gelien gewonnenen  Forschungsergebnisse  für  den  weiteren  Gang 
der  Untersuchung  sein  und  bleiben  müssen.  Es  ist  nicht  das 
Zeichen  eindringender  Wissenschaftlichkeit,  an  solchen  Er- 
scheinungen wie  den  Werken  von  B.  Weiss,  denen  eine  Lebens- 
arbeit gewidmet  gewesen  ist,  achselzuckend  vorüber  zu  gehen 
und  dann  auf  eigene  Faust  von  vorn  anzufangen,  oder,  wenn 
sich  nach  wenigen  Jahren  „vergeblicher  Arbeit"  das  Problem 
nicht  sofort  erschliesst,  sich  ganz  auf  einen  unfertigen  Stand- 
punkt „zurückwerfen  zu  lassen*.  Das  „Problem"  der  Evangelien- 
forschung ist  ein  so  weit  und  vielverzweigtes  und  ein  so  ausser- 
ordentlich schwieriges,  dass  die  Arbeit  an  der  Lösung  desselben 
nicht  Jahre,  sondern  Jahrzehnte  beansprucht. 

1)  Vgl.  Volt  er,  Petrusevangeliuni  oder  Aegypterevangelium?    1893. 

2)  Vgl.  namentlich  H.  v.  Schubert,  Die  Compositum  des  pseudo- 
petrinischen  Evangelienfragments.    189H. 


§  7.     Überleitende  Bemerkungen.  49 

Ich  gebe  mich  aber  der  Hoffnung  hin,  dass  es  mir  schon 
in  §§  3.  4  gelungen  sein  wird,  neue  Seiten  des  Verständnisses 
für  die  Weiss'schen  Untersuchungen  erschlossen  zu  haben.  Nach 
derselben  Richtung  habe  ich  mich  bemüht,  in  den  nachfolgenden 
Erläuterungen  auf  die  Weiss'schen  Arbeiten  recht  häufig  hin- 
zuweisen, sowohl  da,  wo  ich  mit  Weiss  zusammenstimme,  als 
auch  da,   wo  ich  von  ihm  abweiche  oder  über  ihn  hinausgehe. 

Diejenigen  Seiten,  nach  denen  ich  die  Weiss'sche  Evangelien- 
forschung einer  Weiterbildung  für  dringend  bedürftig  erachte, 
sind  von  mir  bereits  in  den  Agrapha  S.  28  f.  gekennzeichnet 
worden.  Und  wenn  ich  wahrnehme,  wie  gering  immer  noch 
die  Zustimmung  und  die  vertraute  Bekanntschaft  ist  bezüglich  der 
wichtigsten  und  auch  der  sichersten  Resultate,  welche  Weiss 
ans  Tageslicht  gestellt  hat,  so  kann  es  nicht  befremden,  wenn 
die  neuen  quellenkritischen  Gesichtspunkte,  welche  von  mir 
grösstentheils  vor  meiner  Bekanntschaft  mit  Weiss,  theils 
auch  nach  dem  Zusammentreffen  mit  seinen  Untersuchungen 
herausgearbeitet  worden  sind,  neben  mancher  lebhaften  Zustim- 
mung auch  vielfach  auf  Widerspruch  stossen,  zurnal  da  das  Be- 
weismaterial im  Einzelnen  bis  jetzt  noch  nicht  veröffentlicht  war. 

Der  erste  Gesichtspunkt  für  die  Weiterbildung  der  Evan- 
geüenkritik  ist  die  Zurückführung  der  synoptischen  Parallelen 
auf  den  vorcanonischen  semitischen  Quellentext.  Eigent- 
lich ist  dieser  Punkt  gar  nicht  neu.  Schon  Marsh  und  Credner 
haben  früher  Wege  in  dieser  Richtung  gebahnt.  Und  die 
Existenz  einer  hebräischen  Quellenschrift  für  die  synoptischen 
Evangelien  ist,  wenn  auch  das  Bild  noch  vielfach  schwankt, 
doch  in  vielen  wissenschaftlichen  Kreisen  anerkannt.  Neu  ist 
nur  der  Versuch,  die  Ermittelung  des  vorcanonischen  hebräischen 
Quellentextes  ex  pröfesso  zu  einer  Hauptaufgabe  der  Quellen- 
forschung und  zu  einem  Kriterium  der  Quellenscheidung  zu  er- 
heben. Dabei  ist  es  namentlich  die  Annahme  eines  (nicht  ara- 
mäischen, sondern)  hebräischen  Quellentextes,  welcher  auf 
mehrfachen  Widerstand  zu  stossen  scheint.  Jedoch  ist  diese 
Frage,  wenn  man  überhaupt  nur  einen  semitischen  Quellentexfc 
anerkennt,  von  untergeordneter  Bedeutung.  Und  sollte  daher 
durch  weitere  Forschungen  das  Aramäische  den  Sieg  davon 
tragen  über  das  von  mir  vertretene  Hebräisch,  so  würde  ich  mit 
dem  Bewusstsein,  diese  Frage  in  Fluss  und  der  Entscheidung 

Texte  u.  Untersuchungen  X,  2.  4 


50  Aussercanoniscbe  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

näher  gebracht  zu  haben,  vollkommen  zufrieden  sein.  Bisher 
haben  die  Vertreter  des  Aramäischen  Nichts  gethan,  um  ihre 
Position  ex  professo  im  Zusammenhang  mit  der  Quellenkritik  zu 
vertreten.  Der  einzige  Versuch  derart,  welcher  von  Marshall 
unternommen  worden  ist  (vgl.  Heft  I,  93  ff.),  ist  aus  ungenügender 
Bekanntschaft  mit  den  Voraussetzungen  der  Quellenkritik,  sowie 
aus  nicht  correcter  Anwendung  des  Aramäischen  (vgl.  W.  C. 
Allen  im  Expositor  1893.  May.  S.  386  ff.:  The  Aramaic  Gospel) 
inissiungen.  Und  was  mir  sonst  in  dieser  Hinsicht  theils  pri- 
vatim theils  publice  entgegengetreten  ist,  hat  mich  bisher  nicht 
für  das  Aramäische  als  den  Quellentext  des  Urevangeliums  zu 
gewinnen  vermocht.  So  kühl  ich  daher  der  endgiltigen  Ent- 
scheidung dieser  Frage  entgegen  sehe,  so  wenig  vermag  ich  es 
für  angezeigt  zu  halten,  um  des  Widerspruchs  mancher  Recen- 
senten  willen  meinen  Versuch,  das  Hebräische  als  vorcanonischen 
Quellentext  nachzuweisen,  von  vorn  herein  aufzugeben,  zumal 
jetzt,  wo  durch  das  Petrusfragment  und  durch  die  Unmöglich- 
keit, den  darin  enthaltenen  Ausdruck:  6vvay.iq  ftov  (=  ^btf)  auf 
das  Aramäische  zurückzuführen,  meine  Auffassung  eine  neue 
gewichtige  Stütze  empfangen  hat.  Ein  Zurückweichen  meiner- 
seits würde  vielleicht  bald  die  ganze  Frage  wieder  einschlafen 
lassen.  Wie  ich  bezüglich  Marshalls  wünsche,  dass  er  seine 
Forschungen  nicht  liegen  lasse,  sondern  in  neuer  Weise  wieder 
aufnehme,  so  würde  ich  es  auch  nur  mit  Freuden  begrüssen, 
wenn  deutsche  Forscher  dieser  wichtigen  Frage  sich  widmen 
wollten. 

Freilich  wenn  dieses  mit  Erfolg  und  in  wirklich  frucht- 
bringender Weise  geschehen  soll,  so  ist  eine  Vertiefung  in  die 
Probleme  der  evangelischen  Quellenkritik  die  unerlässliche  Vor- 
bedingung hierfür.  Dass  ohne  genaue  Kenhtniss  der  detaillierten 
Quellen-Analyse,  ohne  Unterscheidung  des  Quellentextes  und 
seiner  redaktionellen  Einkleidung,  das  Semitische  für  sich  allein 
nicht  zum  Ziele  führt,  habe  ich  bei  der  an  Marshalls  Ver- 
suchen geübten  Kritik  (Heft  I,  95  ff.)  gezeigt. 

Zu  einer  fruchtbringenden  Erforschung  des  semitischen 
Quellentextes  gehört  ferner  eine  solche  Kenntniss  der  Septua- 
ginta  und  ihrer  Tochterversionen,  durch  welche  man  einen 
Einblick  in  die  zahlreichen  Übersetzungsvarianten  bezüglich  der 
alttestamentlichen  Texte,  in  die  bunte  Varietät  des  griechischen 


§  7.     Überleitende  Bemerkungen.  51 

Idioms  gegenüber  den  hebräischen  Quellen  gewonnen  hat.  Es 
kann  Jemand  nach  der  kritischen  Seite  ein  genauer  Kenner  der 
Septuaginta  sein,  ohne  den  Sachverhalt  in  Bezug  auf  die  Über- 
setzungsvarianten der  griechischen  Versionen  Alten  Testamentes 
in  ihrem  Verhältniss  zum  hebräischen  Urtext  genügend  erforscht 
zu  haben.  Nur  so  kann  ich  mir  es  erklären,  dass  die  Forderung 
aufgestellt  worden  ist,  bei  der  Rückübersetzung  der  neutestament- 
lichen  Paralleltexte  stets  nur  auf  die  genaue  etymologische 
Bedeutung  des  vorauszusetzenden  hebräischen  Stammwortes  zu 
reflektieren.  Die  nachfolgenden  Einzeluntersuchungen  werden 
durch  Nachweise  aus  den  LXX  und  ihren  Tochterversionen  in 
vielen  Fällen  zeigen,  wie  verschiedene  Übersetzungen  ein  und 
dasselbe  hebräische  Stammwort  im  Griechischen  haben  konnte. 
Wenn  aber  dabei  immer  wieder  die  Meinung  zum  Ausdruck 
kommt,  dass  es  sich  namentlich  bei  den  patristischen  und  hand- 
schriftlichen Varianten  nur  um  Synonyme  handele,  die  für  die 
Quellenkritik  werthlos  seien,  also  um  eine  vom  Urtexte  un- 
beeinflusste  Weiterbildung  des  Juden -Griechisch  in  ein  dem 
Klassischen  besser  angenähertes  Griechisch,  so  erlaube  ich  mir 
darauf  hinzuweisen,  dass  von  mir  im  Hinblick  auf  diese  Möglich- 
keit bereits  (Heft  I,  155)  „die  Hälfte  der  von  mir  in  Anspruch 
genommenen  Übersetzungsvarianten  als  wertnlose  Synonyma" 
von  vorn  herein  preisgegeben  worden  sind,  dass  aber  trotzdem 
auch  nach  Abzug  dieser  Hälfte  für  die  synoptischen 
Evangelien  und  ihre  inner-  und  aussercanonischen 
Paralleltexte  eine  erheblich  grössere  Menge  von  tief- 
greifenden Varianten  übrig  bleibt,  als  bei  dem  johan- 
neischen  Evangelium,  der  Apostelgeschichte  und  den 
apostolischen  Briefen  zusammengenommen.  Derjenige 
also,  welcher  bezüglich  dieser  innerhalb  des  Neuen  Testamentes 
einzigartigen,  nur  bei  den  synoptischen  Evangelien  hervortreten- 
den, literarischen  Erscheinung  die  von  mir  angestrebte  Erklärung 
(durch  das  Zurückgehen  auf  den  gemeinsamen  hebräischen 
Quellentext)  verwirft,  wird  sich  unmöglich  der  Verpflichtung 
entziehen  können,  einen  anderen  und  besseren  Erklärungsgrund 
darzubieten.  Ich  meinerseits  kenne  —  abgesehen  von  den  t  ber- 
setzungsvarianten  der  Septuaginta  und  ihrer  Tochterversionen  — 
nur   noch  Eine   Analogie,   nämlich    die   mannigfaltige   Buntheit 

der    lateinischen   Übersetzungsvarianten,    wie    solche  namentlich 

4* 


52  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

von  Ron  seh  der  theologischen  Welt  vor  die  Augen  geführt 
worden  ist.  Wie  diese  lateinischen  Übersetzungsvarianten  aus 
dem  Griechischen,  so  stammen  die  synoptischen  Übersetzungs- 
varianten aus  dem  Hebräischen.  Dass  wir  es  bei  dem  ältesten 
Stadium  der  lateinischen  Bibel  wirklich  mit  Übersetzungsvarianten 
zu  thun  haben,  zeigt  am  besten  Tertullian,  welcher  in  der 
Regel  den  griechischen  Text  gebrauchend,  denselben  —  oft  kurz 
nach  einander  —  verschiedentlich  übersetzt  und  ausserdem  die 
Versuche  und  Anfänge  schon  vorhandener  lateinischer  Über- 
setzungen kennt  und  erwähnt.  Vgl.  adv.  Marc.  II,  9:  Quidam 
enim  de  Graeco  interpretantes  —  adv.  Marc.  V,  4:  haec 
sunt  enim  duo  testamenta,  sive  duo  ostensiones,  sicut  in- 
venimus  interpretatum  —  adv.  Prax.  c.  5:  Ideoque  jam  in 
usu  est  nostrorumpersimplicitatem  interpretationissermonem 
dicere  — .  Ich  meine,  diese  Beispiele  müssten  genügen,  um  von 
den  Anfängen  einer  lateinischen  Bibel  zu  Tei'tullians  Zeiten  end- 
giltig  auch  diejenigen  zu  überzeugen,  welchen  der  von  mir  Heft 
I,  38  f.  gegebene  Nachweis  nicht  genug  gewesen  ist,  und  müssten 
aus  den  lateinischen  Übersetzungsvarianten,  welche  schon  Ter- 
tullian kannte,  Rückschlüsse  auf  die  Genesis  der  griechischen 
Parallel- Varianten  ziehen  lassen  '). 

Nur  noch  einige  Bemerkungen  über  meine  quellenkritischen 
Grundsätze  seien  an  dieser  Stelle  gestattet. 

Bezüglich  der  Abhängigkeit  der  apostolischen  Lehrschrift- 
steller, namentlich  des  Paulus,  von  dem  vorcanonischen  Evange- 
lium   bemerke   ich,   dass   dieser  Punkt  erst  im  Lucasevangelium 


1)  Selbstverständlich  finden  sich  unter  den  Varianten  der  Septuaginta 
und  der  Itala  auch  zahlreiche  Synonyma,  welche  nicht  durch  direktes  Zu- 
rückgehen auf  den  hebräischen  oder  griechischen  Text  entstanden,  sondern 
als  sprachliche  Verbesserungen  der  Abschreiber  zu  erklären  sind.  Nach 
dieser  Seite  gebe  ich  für  die  Übersetzungen  und  Redaktionen  des  Ur- 
evangeliums  die  Hälfte  der  Synonyma  preis.  Aber  dass  man  überhaupt 
in  den  Handschriften  und  Tocbterversionen  der  Septuaginta  sowie  in  den 
altlateinischen  Versionen  der  Evangelien  so  massenhaften  Varianten  und 
Synonymen  begegnet,  ist  nur  aus  der  Freiheit  zu  erklären,  mit  weicher 
man  Übersetzungen  zu  verbessern  und  fortzubilden  wagte.  An  urschrift- 
lichen Werken  hätte  man  sich  niemals  getraut  in  dieser  Weise  sich  zu 
vergreifen.  Man  vergleiche  das  johanneische  Evangelium,  welches  nur 
einen  sehr  geringen  Procentsatz  solcher  synonymen  Varianten  —  und  noch 
dazu  sehr  untergeordneter  Art  —  aufweist. 


§  7.    Überleitende  Bemerkungen.  53 

stärker  hervortreten  und  hauptsächlich  in  dem  späteren  Werke 
„Canonische  Parallelen"  seine  ausführliche  Darstellung  finden 
wird. 

Ebenso  kann  ich  von  einer  Verteidigung  meiner  Anschauung 
über  den  Codex  Bezae  bei  der  gegenwärtigen  Veranlassung 
füglich  absehen  und  mich  an  der  Freude  begnügen,  die  Unter- 
suchungen über  diesen  einzigartigen  Codex  wieder  kräftig  ange- 
regt zu  haben.  Im  Matthäusevangelium  treten  seine  Varianten 
wenig  hervor;  noch  viel  geringer  sind  sie  im  Marcus  und  im 
johanneischen  Evangelium;  dasselbe  gilt  mit  einzelnen  —  aller- 
dings sehr  interessanten  Ausnahmen,  wo  es  aber  weniger  sich 
um  Varianten,  als  um  einige  aussercanonische  Zusätze  handelt  — 
von  der  Apostelgeschichte.  Nur  für  den  Lucastext  fliesst 
in  D  ein  aussergewöhnlicher  Reichthum  wichtiger 
Varianten  und  interessanter  Zusätze,  bezw.  ausser- 
canonischer  Textbestandtheile.  Und  nur  für  Lucas 
nehme  ich  mit  Credner  den  fortgehenden  Einfluss  einer 
aussercanonischen  Quelle  an,  —  ein  Punkt,  welcher  weniger 
als  bisher  geschehen,  übersehen  werden  darf. 

Mögen  die  Kenner  aus  diesen  Bemerkungen  wahrnehmen, 
dass  die  meinen  Werken  zu  Theil  gewordene  Kritik  nicht  un- 
berücksichtigt gelassen  ist.  Zu  weiterer  Berücksichtigung  im 
Einzelnen  findet  sich  Gelegenheit  genug. 

Schliesslich  ist  noch  zu  bemerken,  dass  alle  Matthäus-  und 
Marcus-Stellen,  zu  denen  Lucas-Parallelen  vorhanden  sind,  und 
somit  alle  synoptischen  Paralleltexte,  welche  wir  in  dreifacher 
canonischer  Textgestalt  besitzen,  ihre  Ergänzung  durch  ausser- 
canonische Paralleltexte  und  ihre  evangelienkritische  Behandlung 
im  nächsten  Hefte  finden  werden. 


54 


Auasercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 


Das  pseudopetrioische  Evangelienfragment  und  seine  canonischen 

Parallelen. 

Der  Asteriscus   bezeichnet  diejenigen  Stellen,   bei    welchen    der  be- 
treffende Text  zur  Untersuchung  gelangt. 


Ps.-Petr. 

Mt. 

Mc. 

Lc. 

Joh. 

v.  1 

27,  24a* 

2 

26b 

15,  15b 

23,  25b  * 

19, 16a 

3— 5a 

57.  58 

43 

50-52* 

38 

5b 

26b 

15b 

25b* 

16a 

6 

27  * 

16 

16b 

7a 

28  * 

17a 

2b 

7b 

29b* 

18- 

3a 

8 

29a* 

17b 

2a 

9 

30  * 

19 

3b 

10a 

38 

27 

33b* 

18 

10b 

(26,  63a) 

(14,  6la) 

33b* 

11 

27,  37 

15,26 

38  * 

19 

12 

35 

24 

34b* 

23.  24 

13.  14 

39—41* 

(33) 

15 

45 

33 

44  * 

16 

48.  34 

36.  23 

36  * 

29 

17 

25  * 

18 

45 

33 

44  * 

19a 

46  * 

34 

19b 

50 

37 

46  * 

30b 

20 

51a 

38 

45b* 

21.  22 

51b* 

23.  24 

59.  60 

46 

53  * 

40 

25 

48  * 

26.  27 

49  * 

(16,  20) 

28 

48  * 

29—34 

62—66  * 

35—44 

28,  2-4* 

45.  47-49 

11—15* 

46 

27,  24b  * 

50—54 

28,  1 

16,  1-4 

24,  1.  2* 

55.  56 

5—7 

5-7 

3-8* 

57 

8 

8 

9 

58—60 

21,1.2* 

Texte  und  Untersuchungen. 

Mt.  3,  4  =  Me.  1,  6. 

a.  Ev.  sec.  Hebr.  ap.  Epiph.  Haer.  XXX,  13.  p.  138  A. 

xal  el%ev  6  'icoävvrjq  evövfia  ajto  rgix^v  xafir)Zov  xal 
^mvrjv  ÖEQfiarivrjv  jtegl  rrjv  6og>vv  avrov  xal  rb 
ßornfia  avrov,  cprjGi,  fieXi  aygiov,  ov  ?]  yevoiq  rjv  rov 
fiävva,  (oq  eyxglq  ev  eXalop. 

b.  Mt  3,  4. 

avrbq  6h,  o  'icoavvrjq  eixsv  ro  evövfia  avrov  [Syr.  Cur.: 
r\v  evöeövfievoq  tvövfia]  ajto  roix<öv  xafir  Xov  xal  ^covrjv 
öegfiar ivr\v  jcsgl  rr)v  oGiyvv  avrov'  r)  de  rgocpr  rjv 
avrov  dxgiöeq  xal  fieXt  aygiov. 

c.  Mc.  1,  6. 

xal  rjv  6  'icodvvrjq  evöeövfievoq  rgix&q  xafirjXov  xal 
Ccovrjv  öegfiarivrjv  xegl  rrjv  oöq>vv  avrov,  xal 
eo&wv  dxglöaq  xal  fieXi  aygiov. 

d.  Cod.  CantabfrMc.  1,  6. 

rjv  öe  'imccvvvq  evöeövfievoq  öegg??v  xafir} Zov  xal  eö&i&v 

dxglöaq  xal  fieXi  ayoiov. 

Obwohl  B.  Weiss  (Marcusevangelium  S.  43)  Mt.  3,  4—6  = 
Mc.  1,  5.  6  nicht  aus  der  vorcanonischen  Quelle  geschöpft  sein 
lässt,  so  sprechen  doch  die  äusseres nonischen  Varianten  für  das 
Gegentheil,  sofern  Öe'ggiq  —  evövfia  =  2n"HK  (vgl.  Sach.  13,  4: 
"Orö  n-HN  =  LXX:  öeggtq  rgixivrj,  Jos.  7.  21:  tVftü  =  Vari- 
ante: tvövfia)  und  ebenso  ßgcöfia  =  rgo<pr)  =  büfc  (vgl.  z.  B. 
Hiob  20,  21:  boi*  =  LXX:  ßgmuara  =  Symmachus:  ^QOfJj)  die 
Spuren  des  hebräischen  Quellentextes  erkennen  lassen.    Dass  da- 


56  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

gegen  die  Variante  des  Hebräerevangeliums:  eyxQiq  sv  iXa'icp 
(syxQig  =  "Wb  oder  nrpBX  vgl.  Nuro.  11,  8:  D?üp"ilGyi2  Tl^Tl* 
■JÜTÖJI  TBJ5  =  LXX:  xal  ijv  i]  i}öovt)  avrov  wotl  yev/ia  lyxgiq 
t$  eXalov  —  ferner  Ex.  16,  31:  ü'niS  nrp&rs  toül  ==  LXXTro 
ös  yevua  avrov  coq  lyxglq  Iv  fis'Xiri)  neben  dem  quellenmässigen 
axqiq  (=-  25n,  essbare  Heuschrecke)  eine  im  vegetarianischen 
Interesse  unternommene  judenchristliche  Fälschung  des  grie- 
chischen Textes  und  ein  schlagender  Beweis  für  die  von  Haus 
aus  griechische  Conception  des  Hebräerevangeliums  ist,  darüber 
vgl.  man  Agrapha  S.  344.  Eine  ähnliche  Textänderung  im  en- 
kratitischen  Interesse  scheint  Tatian  vorgenommen  zu  haben, 
worauf  mich  Prof.  Nestle  aufmerksam  macht.  In  dem  Jour- 
nal of  Biblical  Literature  1891.  X.  p.  153—155  theilt  Isaac- 
H.  Hall  zwei  Citate  mit,  wornach  es  wahrscheinlich  wird,  dass 
Tatians  Diatessaron  die  „Heuschrecken"  (ebenso  wie  es  das 
Hebräerevangelium  thut)  beseitigt  und  an  ihrer  Statt  nicht  „Oel- 
kuchen",  sondern  „Bergmilch"  eingesetzt  hat,  eine  Lesart,  welche 
sich  bei  Ciasca  nicht  findet.  Das  eine  der  von  Hall  mitge- 
teilten Citate  geht  durch  Vermittelung  von  Ebed  Jesu  (1300) 
zurück  auf  einen  von  Jesudad  (um  852)  verfassten  Commentar 
zum  N.  T.  Den  auf  Mt.  3,  4  bezüglichen  Text  gibt  HaH  in  fol- 
gender Weise  wieder: 

„And  bis  food  was  locusts  and  wild  honey."  —  But  the 
Diatessaron  says,  His  food  indeed  was  honey  and  milk  of 
the  mountains. 

Das  andere  Citat  stammt  von  Barhebraeus,  dem  älteren  Zeit- 
genossen von  Ebed  Jesu,  und  zwar  aus  dessen  Commentar  zu 
Matthäus,  wo  es  nach  Hall  heisst: 

but  in  the  Diatessaron  „milk  and  honey"  is  written. 
Hiernach  scheint  es  ausser  Zweifel  zu  sein,  dass  anstatt  der 
canonischen  Fassung  Tatian  geschrieben  hatte:  //  de  roocpfj 
avrov  ijv  yaXa  xal  fieXi  aygiov  —  und  dass  diese  aus  enkra- 
titischem  Interesse  vorgenommene  Te^tfälschung  bei  der  Über- 
arbeitung des  Diatessaron  nach  den  Grundsätzen  der  canonischen 
Textrecension  (vgl.  Heft  I,  44),  wie  sie  in  dem  arabischen  Dia- 
tessaron Ciasca's  vorliegt,  beseitigt  und  der  ursprüngliche  Text 
wieder  hergestellt  worden  ist.  Die  Kenntniss  der  erwähnten 
Textfälschung   ist   um    so    wichtiger,   als  man  aus   den   übrigen 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  3,  4  =  Mc.  1,  6.    Mt.  3,  14.         57 

Resten  des  Diatessaron,  die  uns  erhalten  sind,  auf  derartige  offen- 
bar haeretisch-tendenziöse  Textänderungen  bisher  nicht  gestossen 
sein  dürfte  i). 

Mt,  3,  14. 

a.  Just.  Dial.  g.  Tryph.  c.  88.  p.  315  D. 

xal  ovx  coq  evösä  avxbv  rov  ßajiTiG&fivcu. 

b.  Eclog.  proph.  §  7TClem.  AI.  p.  991. 

Xal    ÖlCC    TOVTO    6    OCOTTjQ    £ ß CCXT lC>  (ZTO    (lt]    XQV^><av    GVtÖq. 

c.  Epiph.  Anaceph.  p.  153  C. 

ßccjtr i6$e\q  vjto  'icoavvov,  ovx  ijriöeofievoq  Zovtqov. 

d.  Ev.  sec.  Hebr.  Epiph.  Haer.  XX^l3TpTl38  C. 

xal  zqts,  q>rjöiv,  o  *looavvi]q  jtgoojteömy  avrm  eXsye'   6to- 
ftai  6ov,  xvqcs,  ov  fie  ßcuixioov. 

e.  EphrTSyr.  Ev.  concord.  expos.  ed.  Mösinger  p.  99. 

in    baptismo   nullarn    sibi    gloriam    attribuit,    quia    dicebat: 
Me  oportet  a  te  baptizari. 

f.  MOTliT^ 

6   6\   duxmlvev  avrov  Xtyrov    eycb  XQeiav  ^X03  v3t0  ö°v 
ßajtriö&fjvai,  xal  ov  tQXV  XQo?  /"£/ 

g.  Hilarius  Coinment.  in  Matth.  III.  5. 

ipse  quidem  lavacri  egens  non  erat. 

Früher  geneigt,  Mt.  3,  14.  15  für  eine  secundäre  Einschal- 
tung des  Redaktors  zu  halten,  bin  ich  durch  die  patristischen 
und  aussercanonischen  Parallelen  zu  der  Überzeugung  gelangt, 
dass  schon  in  der  vorcanonischen  Evangelienqueile  ein  Taufge- 
spräch zwischen  Jesu  und  Johannes  dem  Taufakt  vorangegangen 
ist.  Die  Veranlassung  zu  demselben  wird  erst  verständlich  durch 
die  aufs  Beste  beglaubigte  Licht-  und  Feuererscheinung,  welche 
vor  der  Taufe  von  Jesu  ausging.  Vgl.  die  Belege  dazu  aus  Ju- 
stin, Epiphanius,  Ephraem  Syr.,  Pseudo-Cyprian,  Cod. 
Vercellensis  und  Sangermanensis,  wozu  auch  die  Sibylli- 
nischen  Orakel  sich  gesellen,  namentlich  aber  die  Darstellung 
der  severianischenTaufliturgie  (indenAgrapha  S.  357 — 361). 
Durch  diese  Licht-  und  Feuererscheinung  war  der  Täufer  so  er- 

1)  Bei  dieser  Veranlassung  bemerke  ich  mit  dem  Ausdruck  der  Dank- 
barkeit für  manche  weithvolle  Notiz  wie  die  obige,  die  ich  von  Prof. 
Nestle  erhalten  habe,  dass  derselbe  sich  auch  bereit  erklärt  hat,  eine 
Correktur  meines  Werkes  mit  zu  lesen. 


58  Aussercanonische  Pavalleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

schlittert,  dass  er  der  Taufe  Jesu  sich  weigerte.  Die  ursprüng- 
liche Form  dieser  Weigerung  scheint  in  der  severianischen 
Taufliturgie  erhalten  zu  sein,  nämlich  in  den  Worten  des 
Täufers:  Fieri  non  potest,  ut  rapinam  assumaro.  Im  Talmud 
handelt  ein  ganzer  Tractat  von  der  nb^Jflo,  d.  i.  Raub  am 
Heiligen,  während  bTS  vom  Raub  am  profanen  Eigenthum  ge- 
braucht wird.  In  diesem  Sinn  ausgelegt,  passt  das  Wort  des 
Täufers  von  der  rapina  =  agjcayfiog  vorzüglich  zur  Situation. 
Nachdem  Johannes  nach  der  Licht-  und  Feuererscheinung  in 
Jesu  den  Heiligen  Gottes  ahnend  erkannt  hat,  hält  er  es  für 
einen  Raub  an  diesem  Heiligen,  ihn  unter  die  Taufe  zur  Busse 
zu  beugen  und  auf  eine  und  dieselbe  Linie  mit  den  profanen 
Sündern  zu  stellen.  Auf  die  damit  ausgesprochene  Weigerung 
folgte  dann  im  engsten  Zusammenhang  das  Bekenntniss  des 
Täufers:  eyco  xqe'kxv  sxco  vjtö  oov  ßccjtxio&fjvai.  Auf  Grund 
dieses  Wortes  wird  Jesus  genannt:  ovx  cog  evöetjg  xov  ßaxxi- 
o$r]vai  (Just.)  =  ovx  sjciöeofjsvog  Xovxqov  (Epiph.)  =  lavacri 
non  egens  (Hilar.)  =  /irj  XQrfecov  (Eclog.).  Jedenfalls  reprä- 
sentieren die  synoptischen^fauf'berichte  eine  wahrscheinlich  durch 
Marcus  gekürzte  und  von  den  beiden  anderen  Evangelisten  im 
Wesentlichen  adoptierte  Relation,  welche  der  erste  Evangelist 
aus  der  Quelle  zum  Theil  (in  Mt.  3,  14.  15),  aber  immer  noch 
nicht  in  ihrer  ursprünglichen  Vollständigkeit  ergänzte.  —  Dunkel 
wird  das  Wort  von  der  rapina  immer  bleiben,  aber  um  so  mehr 
auch  fortgesetzter  Beachtung  werth. 

Mt.  3,  15. 

a.  Ign.  ad  Smyrn.  I,  1.  p.  82,  13. 

ßsßajiriOftevov  vjco  'icoävvov,  iva  jtXrjQcofrji  jtäoa  öixai- 
oövvt}  vjc    avxov. 

b.  Pseudo-Ign.  ad  Smyrn.  I.  p.  242,  28. 

ßsßajitiöfiepov  vjco  'Icodvvov,  l'va  jcXrjQco&fj  naoa  dixai- 
oovvrj  vjc*  avxov. 

c.  Epiph.  Anaceph.  p.  153  C. 

ßajtxio&cig  vno  'lcoävvov  .  .  .  .,  ojccog  jcXtjqcoS-^j,  wg  avxog 
£<pi]i  jcäöa  öixaioövvT]. 

d.  Epiph.  Haer.  LXII,  5.  p.  516  D. 

xcu  xov  OcoxrJQog  Xtyovxog'  a<peg  äoxi,  ojiojq  jtXrjQco&f] 
jtäoa  öixaioovvrj. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  3,  15.  59 

e.  Ephr.  Syr.  Ev.  concord.  expos.  ed.  Mösinger  c.  4.  p.  41. 

et  dicit:  Perrnitte  nunc,  ut  omnem  justitiam  implearous. 

f.  Ev.  sec.  Hebr.  Epiph.  Haer.  XXX,  13.  p.  138  C. 

6  de  kxcoXvoev  avrov  Xiycov  a<peq,  ort  ovzojqjOTijtQtJtov 
jcX?jQco9-rjvai  jcdvra. 

g.  Mt,  3,  15. 

anoxQL&eiq  öh   6  'irjöovq  sijtsv  Jtgoq  avrov    acpeq  aorf 
ovtcoq  yag  jigexov  koriv  rjftlv  nli]g<x>oai  jiäoav  öixai- 

OOVVTjV. 

In  diesem  Theile  des  Taufgesprächs,  der  Antwort  Jesu, 
dürfte  die  Relation  der  severianischen  Taufliturgie  nicht 
so  quellenmässig  sein,  als  in  der  voraufgegangenen  Rede  des 
Täufers.  Die  Antwort  Jesu  hätte  nach  jener  Quelle  p.  25  ge- 
lautet: Dexteram  tuam  tantum  impone  capiti  meo:  et  ego  in 
meipso  baptizor  apud  te.  Vgl.  Agrapha  S.  364.  Freilich  kehrt 
p.  11  in  einem  Gebete  derselbe  Wortlaut  wieder:  Deus,  qui  di- 
xisti  ipsi  Iohanni:  Manum  tuam  tantum  impone  capiti  meo:  et 
ego  in  meipso  baptizor  apud  te.  Ferner  wird  p.  24  ausdrücklich 
erzählt:  Accessit  Iohannes  tamquam  sacerdos  benedictus,  et  im- 
posuit  dexteram  suam  capiti  Domini  sui.  Und  noch  zweimal 
wird  die  Handauflegung  als  das  eigentliche  Mittel  der  Taufe, 
die  Jesus  empfing,  erwähnt,  nämlich  p.  36:  per  impositionem 
manus  Iohannis  und  p.  71:  Iohannes  manum  suam  imponebat. 
Jedenfalls  ist  daher  diese  aussercanonische  Relation  sehr  beach- 
tenswerth.  Aber  der  canonische  Text  von  Mt.  3,  15,  wenn  auch 
vielleicht  nicht  wörtlich  genau  mit  der  Quelle  übereinstimmend, 
steht  jedenfalls  der  ursprünglichen  Fassung  näher.  Die  durch 
Ignatius,  Epiphanius  (zweimal)  und  Ephraem  beglaubigte 
Lesart:  l'va  jzfojga>&?]  jzäöa  öixaioovvrj  repräsentiert  sichtlich  einen 
guten,  alten  aussercanonischen  Paralleltext,  vielleicht  den  Wort- 
laut der  vorcanonischen  Quelle.  Das  in  der  canonischen  Evan- 
gelienliteratur als  ajtaB,  Xeyofievov  erscheinende  jtgexov  koriv 
ist  jedenfalls  ein  redaktioneller  Ausdruck  des  ersten  Evange- 
listen. Und  da  dieses  ngtJtov  koriv  auch  in  das  Hebräerevan- 
gelium übergegangen  ist,  so  dient  dieser  Umstand  als  spezielles 
Jndicium  für  die  Richtigkeit  der  in  den  Agrapha  S.  330  ff.  ent- 
wickelten Ansicht,  dass  das  Hebräerevangelium,  wie  es  in  seinen 
Resten  vorliegt,  eine  Fortbildung  des  ersten  canonischen  Evan- 
geliums gewesen  ist. 


60  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Mt.  4,  17  =  Mc.  I,  15. 

a.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  51.  p.  271  A. 

xal  ewjyytZi&ro  xal  avxog  Xiymv  öxi  kyyvg  eGxiv  ij  ßa- 
GiXsla  xmv  ovgavmv. 

b.  Mt.  4,  17.  ^ 

äno  xoxe  fjQ^aro  o  'IrjGovg  xtjqvGGeiv  xal  Xtyav  fisxa- 
voeIxe'  tjyyixEv  yao  i]  ßaGiXsla  xmv  ovQavmv. 

c.  Syr.  Curet.  aTMt  4,  17. 

ajio  xoxe  i'jQ^axo  o  'hjöovq  xtjqvggelv  xal  Itysiv  ijyyixsv 
r\  ßaCuXsia  xmv  ovgavmv. 

d.  Mc.  1.  15. 

v.  14.  ifi&EV  6  'Irjöovc  slg  xijv  raXiXalav  x?]QVGGmv  xo  ev- 
ayyiXtov  xov  öeov,  v.  15.  öxi  jiExXrjomxaL  o  xaiQÖq  xal 
tjyyixEv  ?)  ßaoiXsia  xov  &eov'  (isxavoElxe  xal  jiigxevexs 
ev  xrß  EvayyEXim. 

e.  Cod.  Cantabr.  Mc.  1,  15. 

Xiymv  öxi  üiE3iXi]Qmvxai  01  xainol,  xal  r/yyixsv  i]  ßaGi- 
Xsla xov  &EOV'  [isxavoEixE  xal  jiiGxevexe  ev  xca  Evay- 
ysXim. 

f.  Ephraem  Syr.  Ev.  concord.  expos.  ed.  Mösinger  p.  57. 

Ideo:  impleta  sunt  tempora,  quia  postea,  ut  ait  evangelista, 
regnum  coelorum  evangelizabitur. 

g.  Aphraates  Hom.  XII,  6.  p.  192  ed.  Bert. 

Denn  so  lange  er  mit  seinen  Jüngern  umherwandelte,  waren 
sie  nur  mit  der  Taufe  des  Priestergesetzes  getauft,  mit  der 
Taufe,  bei  der  Johannes  sprach:  Bekehret  euch  von  euren 
Sünden. 

Dieser  von  Lc.  weggelassene,   bei  Mc.  und  Mt.  programm- 
artig auftretende  Predigtruf  Jesu  zerfällt  bei  Zusammenfassung 
aller  Parallelen  in  drei  Theile: 
a)  jtEJiX))omxai  6  xaiQÖg  (Mc.)  =  jiE3iXr)omvxai  01  xaiooi  (Cod. 
Cant.,  Ephr.,  ltalae,  auch  Pistis  Sophia  p.  15:  impleta  sunt 
tempora),   wobei  zu  vergleichen  Eph.  1,  10:    eIc  olxovofiiav 
xov  3iXrjQ<a(iaxoc  xmv  xaiQmv,  Test.  XII  patr.  Rüben  c.  6: 
fiEXQi  XEXEimosmg  XQOvmv  aQXi£QEmg  XgiGxov  —  der  Plural 
xaigoi  auch  Lc.  21,  24.     Setzt  man  als  Quellentext  voraus: 
O^n    ISbtt,    so    erklärt   sich    ebenso    wohl  die  pluralische 
Fassung  als  die  Doppelvariante  XQ<>vog  und  xaigög.     Vgl. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  4,  17  =  Mc.  1,  15.     Mt.  4,  23.       61 

Jes.  38,  1:  DHn  D'TOja  =  LXX:  hv  top  xoiqS  sxeivqy  — 
ferner  Deut.  12,19:  7pr^-b2  =  LXX:  jiävra  xbv  /qovov 
ogov  av  Cfiq.  Nestle  erinnert  noch  an  eine  Sachparallele 
Dan.  7,  22:  TUD^i?  lapnn  Kr^sfil  fiSE  »apn  =  LXX:  xal 
6  xaiQog  scp&aoe,  xal  x?)v  ßaoiXeiav  xacioyov  ol  ayioi. 
Vgl.  Nestle  Marginalien  und  Materialien  S.  41.  Der  Cod. 
Vaticanus  hat  das  aramäische  RüT?  richtig  mit  <p&dv£iv 
übersetzt,  während  die  von  Nestle  nach  Cod.  Chis.  wiederge- 
gebene Lesart  sooft?]  auf  einer  Verwechselung  beruht.  Erae 
Sprachparailele  aber  zu  Mc.  1,  15  wird  in  Dan.  7.  22  deshalb 
nicht  zu  finden  sein,  weil  weder  der  Plural  ol  xaiQoi  noch 
das  jisnXrjQOJVxai  (jtsjcXrjocoxai)  aus  Rl3"£  sich  erklärt,  man 
müsste  denn,  was  Nestle  anregt,  eine  Verwechselung  von 
tf-Jü  und  sbft  annehmen,  wozu  aber  eine  Nöthigung  nicht 
vorliegt.  Das  $b°Q  verbunden  mit  S^?  ist  gut  hebräisch. 
Vgl.  Jes.  65,  20:  l^-n«  «Istt"1"«^  "iiB8  =  LXX:  og  ovx  ifi- 
jcXyoti  xbv  XQbvov  avxov. 

b)  rjyyixev  t)  ßaoiXtia  xov  &tov  (Mc.)  =  qyyixsv  rj  ßaoiXsla 
xoZv  ovqclvcöv  (Mt.)  =  iyyvg  ioxiv  /}  ßaöiXsia  xcöv  ovoai^cöv 
(Just).  Auch  hier  ergibt  sich  der  Quellentext  aus  den 
Varianten  yyytxsv  =  iyyvg  ioxiv  =  M2i"ip>  oder  n^j?»  ?} 
ßaOiXüa  xmv  ovoavojv  =  r\  ßaötXeia  xov  &eov  =  rfiS^'ö 
uyatiTl.  Vgl.  hierzu  Schür  er,  Geschichte  des  jüdischen 
Volkes  II,  453  ff.  Derselbe,  Jahrbb.  für  pror.  Theol.  1876 
S.  166 — 187.  Dort  findet  man  die  näheren  Belege  für  den 
metonymischen  Gebrauch  von  D?ÜTÖ  =  &eoq.  Die  Über- 
setzung Tj  ßaoiXsia  xcöv  ovoavcöv,  welche  der  erste  Evangelist 
bevorzugt  (doch  vgl.  Mt.  6,  33;  12,  28:  rj  ßaoiXda  xov  dsov), 
ist  eine  von  der  metonymischen  Bedeutung  absehende,  wörtlich 
hebraisierende  Übersetzung  des  Quellen  wortes  Vgl.  Heft  1, 1 16. 

c)  f/sxavoeixt  (Mt.)  =  [lexavosixe  xal  jiioxevtxe  hv  xop  evayys- 
Xim  (Mc).  Ganz  isoliert  steht  Ephraem  mit  dem  Zusatz: 
quia  postea,  ut  ait  evangelista,  regnum  coelorum  evangeii- 
zabitur.  Vgl.  Mc.  1,  14.  Was  Quellentext  ist,  lässt  sich 
hier  schwer  entscheiden. 

Mt.  4,  23  =  Mt.  9,  35  =  Mt.  10, 1. 

a.  Just.  Apoll,  31.  p.  73  A. 

xal  V  eoajtevovxa  näoav  vööov  xal  Jiäöav  fiaXaxlav. 


62  Aussercanonische  Pavalleltexte  zu  Mi  und  Mc. 

b.  Just.  Apoll,  48.  p.  84  C. 

ort  de  xal  d-EQaxstOEiv  jtaoag  vooovc. 

c.  Just.  Apol.  I,  54.  p.  90  A. 

ort  de  jiäliv  tf/a&ov  jTQog)tjrevOti'ra  d-EQajtsvOEiv  avrcv 
jtäoav  vöcov. 

d.  Mt.  4,  23. 

xal  freoaxtvcov  jtäoav  vooov  xal  Jtäoav  f/aXaxiav 
er  tot  Xa<p. 

e.  Mt.  9,  35. 

xal   &£()ajt£va>v  Jtäoav  vooov  xal  jtäoav  fiaXaxiav. 

f.  Mt.  10,  1. 

xal  &tpajteveiv  Jtäoav  vöoov  xal  jtäoav  fiaXaxiav. 

Hier  liegt  ein  zwingender  Beweis  vor  für  die  Bekanntschaft 
Justins  mit  dem  ersten  canonischen  Evangelium.  Denn  diese 
Redeweise:  &EoajtEveiv  jtäoav  vooov  xal  jtäoav  [laXaxiav  (Mt. 
4,  23  =Mt.  9,  35  =  Mt.  10,  1)  gehört  zu  den  signifikanten  schrift- 
stellerischen Eigenthümlichkeiten  des  ersten  Evangelisten  (vgl. 
Weiss,  Matthäusevangelium  S.  46),  und  stammt  weder  aus  dem 
Sprachgut  des  Urevangeliums  noch  aus  dem  Stil  des  Marcus. 
Die  dreimalige  Benützung  dieser  sprachlichen  Eigentümlichkeit 
bei  Justin,  namentlich  aber  auch  die  wörtliche  Übereinstimmung 
des  ersten  Citates  in  der  grossen  Apologie  mit  dem  Matthäus- 
texte, erweist  unwiderleglich  die  Benützung  des  ersten  Evange- 
liums durch  Justin  ums  Jahr  140.  Aber  trotz  dieses  und  ähn- 
licher Indicien  kann  man  nicht  sagen,  dass  Justin  dem  ersten 
Evangelium  einen  besonders  häufigen  Gebrauch  zugewendet  habe. 
Wie  sich  weiter  zeigen  wird,  repräsentieren  die  synoptischen 
Evangeliencitate  bei  Justin  nur  selten  einen  Text,  der  mit  dem 
ersten  canonischen  Evangelium  vollständig  übereinstimmt.  — 
Ein  Zeichen  für  die  Benützung  unsrer  Stelle  und  mithin  ein 
Beweis  für  den  Gebrauch  des  ersten  canonischen  Evangeliums 
findet  sich  auch  Test.  XII  patr.  Joseph  c.  17:  f]  ipv){?}  avrSv 
tyvyfi  (tov,  xal  Jtäv  ccXyrjfia  avrcöv  aXyrjfia  tuov,  xal  jtäoa  fia- 
Xaxia  avzmv  aG&eveia  fiov.  Denn  f/aXaxia  findet  sich  zwar 
auch  Jes.  53  3  LXX,  nicht  aber  jcäoa  fiaXaxia. 

Mt.  5,  5. 

a.  Aiö.  III,  7. 

'iofri  ÖEjtgavq,  ejttl  ol  jtoaElq  xX?]Qovofi?)Oovoi  Trjvyfjv. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  5,  5.  63 

b.  Judic.  Petri  (Ap.  KO).  c.  11. 

'ioß-i    6e  jtoavq,    exeiöi)    Jtnaelq  xX?]Qovoit?} öovö i   x'tjv 
ßaoiXeiav  xcov  oigavcöv. 

c.  Const.  VII,  7.  p.  202,  10," 

lafri   de   Jtgäoq    a>q   McovoTjq   xcu  Aaßiö,    eitel    ol    stgaelq 
xXrjgovo^rjOovcu  xrjp  yrjv. 

d.  Mt,  5,  5  (4). 

fiaxägioi   ol    xgaeiq,    oxi    avxol    x2.7]QOvoiur}covotv 
xi)v  yrjv 

e.  Didasc.  IlTl.  p-  236  =  Const.  II,  1.  p.  14,  23. 

xal   ev   xq5  evayyeXim  ovxcoq    (laxagioi  ol  jcgaeiq,   ort 
avrol  xXr^govofirjoovoi  x>)v  y^v 

f.  Aphraates  Hom.  IX.  p.  145  ed.  Bert. 

Die  Schrift  nämlich  sagt:  Die  üernüthigen  werden  die  Erde 

besitzen  und  in  Ewigkeit  auf  ihr  wohnen. 

Nach  der  Quellen- Analyse  von  B.  Weiss  (Matthäusevange- 
lium S.  136  f.)  ist  der  Makarismus  Mt.  5,  5  im  Unterschied  von 
den  in  v.  3.  4  vorausgegangenen  nicht  ursprünglich,  vielmehr 
von  dem  ersten  Evangelisten  seiner  besonderen  Tendenz  ent- 
sprechend aus  Ps.  37,  11:  fix  w'-ni  O'HDTl  =  LXX:  ol  de  ngaelq 
xX?/govo/xr]Oovot  yi]V.  Da  wir  aber  im  Judicium  Petri  der 
Variante:  TtgaeJq  xXrjgovofirjöovöi  xrjv  ßaöiXeiav  x<5v  ovgavmv 
begegnen  und  da  zu  Mt.  5,  3  =  Lc.  6.20^  bei  Clemens  AI. 
(Quis  div.  salv.  §  16  p.  944)  der  aussercanonische  Paralleltext: 
xxoTfoq  xXrjgovofioq  ovgavov  ßaoiXeiaq  erscheint,  welcher  in 
Jac.  2,  5:  xxcoxovq  xX?]oov6luovq  xrjq  ßaOiZsiaq  eine  canonische 
Parallele  hat,  so  liegt  die  Vermuthung  nahe,  dass  ursprünglich 
Mt.  5,  3  und  Mt.  5,  5  identisch  und  nur  durch  verschiedene 
Übersetzung  des  ^35?  in  Doubletten  auseinander  gegangen  sind1), 
in  denen  selbstverständlich  die  Fassung  von  Mt.  5,  5  mit  der  Les- 
art: xrjv  yrjv  den  Rückfall  in  die  alttestamentliche  Vorstellung 
bedeutet.  (Man  vgl.  das  Nähere  zu  Lc.  6,  20b  und  die  Varianten 
Ttxmyöq,  jcgavq,  Jtgäoq  =  "»:3?  zu  Sach.  9,  9.)  Der  Gleichlaut 
mit  Mt.  5,5  in  den  Citaten  der  Jida^r  und  der  Didascalia 
sind  mithin  sichere  Indicien  für  die  Benützung  des  ersten  Evan- 
geliums. 


1)  Vgl.   einen  ähnlichen  Fall  von  zwei  kurz  nach  einander  folgenden 
Doubletten  Mt.  23.  8.  10. 


64  Aussercanonische  Paral  leitexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Mt.  5,  7. 

a.  Ciem.  Rom.  I,  13,  2.  p.  28,  1. 

eXeüxe,  iva  eAer/frrJTS. 

b.  Polyc,  Ep.  ad  Phil.  TIHTp.  114,  3. 

et  säte,  Iva  eXetjÖ-tjxe. 

c.  Clem.  AlTStrom  II,  18,  91.  p.  476. 

eXeclxe^,  <prjölv  6  xvgioq,  h>a  eXetjO-^xb. 

d.  Prochorus.  Acta  Joannis  ed.  Zahn  p.  73- 

xai    bXseixe,  iv a  EXsrj&fjxs. 

e.  Ephr.  Syr.  OpJTOo  E. 

xai'  ftaxaQtoi  ol  sXEtiGavxEg,  oxi  exeI  EXEtjßSjGovxai,  xai' 
oval  xolg  fifj  sXsrjöaöiv,  oxi  ovx  EX£?]&rjoovxai. 

f.  Mt  5,  7. 

[laxä&ioi  ol  eXei](Jovec,  oxi  avxol  sXE?]&?]Govxai. 

g.  Didasc.  II,  1   p.  236  =  Const,  II,  1.  p.  14,  25.  (Const  "VlI,  8. 

p.  202,  13.) 

oxi  jtäXtv  ELQTjxaL'  (iaxaQioi  ol  EXsrjfiovEg,  oxi  avxol 

kXEt]d-i']Govxai. 
h.  Cod.  Colbert.  Mt.  5,  7.  p.  5.  ed.  Beisheim. 

Beati  misericordes,   quoniam  ipsis  miserabicur  deus. 

Die  in  den  ersten  Citaten  mitgetheilten  Parallelen  gehören 
zu  einem  grossen  Contexte,  welcher  von  Clemens  Rom.  aufbe- 
wahrt, von  Clemens  AI.  wiederholt,  aber  auch  von  Polycarp 
theilweise  verwendet  und  in  meinen  Agrapha  S.  96  f.  abgedruckt, 
S.  136  f.  besprochen  ist.  In  diesem  Contexte  erscheinen  un- 
mittelbar nebeneinander  zwei  inhaltlich  gleichwerthige  Text- 
bestandtheile: 

iXsäxE,  iva  hXs7}9-7JTB'  apiexs,  iva  dcps&f]  v^lv. 

Der  zweite  Satz  ist  jedenfalls  ursprünglich  identisch  mit 
dem  lucanischen :  anoXvsxE,  xai  ajtoXv&r)0£G&£  und  wird  mit  seinen 
patristischen  Paralleltexten  zu  Lc.  6,  37  näher  erläutert  werden. 
Der  erste  Satz,  welcher  sich  mit  der  Variante:  eXeeixs  —  in 
den  Actis  Joannis  wiederfindet,  hat  offenbar  in  Mt.  5,7  seine 
canonische  Parallele,  und  zwar  in  Gestalt  einer  Seligpreisung, 
zu  welcher  sich  bei  Ephraem  ein  entsprechender  Weheruf  er- 
halten hat.  Das  hohe  Alter  dieses  Weherufes:  oval  xolg  firj 
iXErjoaoiv,  oxi  ovx  sXErj&qoovxai  leuchtet  aus  der  canonischen 
Parallele  hervor:  t)  yao  xQtoig  dvl?.emg  xm  [ii]  xoir/oavvi  iXeog 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  5,  7.  8.  10.  65 

Jac.  2,  13a.  Weiss  (Matthäusevangelium  S.  197)  scheint  die 
Grnome  Mt.  5,  7  für  ein  ursprüngliches  Herrenwort  zu  halten 
und  verweist  dabei  auf  Jac.  2,  1 3b :  xaxaxavrfäxai  eXsog  xoioewg, 

—  anscheinend  ohne  den  Weheruf  bei  Ephraem  zu  kennen. 

Mt.  5,  8. 

a.  Clem.  Hom.  XVII,  7.  p.  161,  33. 

tva  ol  xaß-aool  xij  xanöia  avxov  loslv  övvtj&dööiv. 

b.  Clem.  AI.  Strom.  IV,  6,  39.  p.  581. 

fUxxitQiovq  sbcev  xovg  xa&aoovg   xtjv  xapdiav,    6xi 
avxol  xov  &e6v  oipovxai. 

c.  Didasc.  II,  1.  p.  236  =  Const.  II,  1.  p.  15,  3. 

oxi  jiäXiv   eiQfjtar   (xuxccqloi   ol   xa&aool  xfj  xaoöia, 
ort  avxol  [xov]  &sdv  oipovxai. 

d.  Acta  Pauli  et  Theclae  (Tischendorf,  Acta  ap.  apocr.  p.  42). 

{laxaQiot    ol    xafraooX    xrj    xagöia.    bxi   avxol   xov 
freov  otpovxcu. 

e.  Mt.  5,  8. 

fiaxüoioi    ol    xad-aool    xij   xaQÖia,    6xt   avxol   xov 

&eov  oipovxai. 

Bei  Vergleichung  der  Parallelen  unter  einander  und  bei 
Abwesenheit  aller  sprachlichen  Varianten  ist  man  geneigt,  in 
diesem  Logion  nicht  einen  Bestandtheil  des  Urevangeiiums  zu 
erblicken,  sondern  ein  Eigenthum  des  ersten  Evangelisten.  Aber 
die  Parallelen  ex  xattaoäg  xaoöiag  (1  Petri  1,  22)  —  Öicoxexe  ^ 
xov  ayiaöfi'v,  ov  %coqIq  ovöelg  onpexac  xov  xvqiov  (Ebr.  12,  14) 

—  otpdfied-a  avxov  xa&eog  söxiv  (1.  Joh.  3,  2)  bezeugen  das 
hohe  Alter  des  Logion.  Zu  diesen  Zeugen  gesellen  sich  auch 
die  clementinischen  Homilien,  doch  so,  dass  man  bei  letz- 
teren in  diesem  Fall  wie  auch  sonst  öfters  ein  Schöpfen  aus 
dem  ersten  canonischen  Evangelium  zu  statuieren  hat.  Bei 
Clemens  AI.,  in  der  Didaacaiia  und  in  den  Actis  Pauli  et 
Theclae  ist  ohnehin  diese  Annahme  unausweichlich. 

Mt.  5, 10. 

a.  Herrn.  Vis.  IH,  1,  9.  p.  32,  3. 

o  elg  xä  6e§iä  (ieqyj  xoszoq  aXXoov  eöxiv,  xojv  fjörj  evaos- 
oxTjxi'xcov  xq>  &£Ö>  xal  xafrövxoov  sivexa  xov  ovofiaxog. 

Texte  u.  Untersuchungen  X,  2.  5 


gg  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

b.  Herrn.  Vis.  III,  2,  1.  p.  32,  9. 

x'i,  (firjfil,  vjtrjvsyxav;  axove,  <prjGiv  fiaGxiyag,  (pvXaxdg, 
&Xiipsig  {isydXag,  Gxavgovg,  &r]Qia  eivexev  xov  ovofiaxog' 
did  xovxo  exe'ivodv  EGxlv  xa  6e§ia  fiEQij  xov  dyiaGfiaxog, 
xal  6g  lav  Jid&y  öia  xo  ovofia. 

c.  HermrViVIIlTöriT^bTTÖr^ 

ovxoi  elöiv  ol  Jta&ovxeg  evexev  xov  ovofiaxog  xov  xvq'iov. 

d.  Herrn.  Sim.  IX,  28,  2.  p.  250,  21. .  ' 

ol  xa&ovxeg  vjieq  xov  ovofiaxog  xov  vloi  xov  &eov,  ol 
xal  xoo&vfMDg  sjca&ov. 

e.  Herrn.  Sim.  IX,  28,  3.  p.  250,  25. 

booc  ütoxl  sjrad-ov  öia  xo  ovofia,  evöo^oi  sIgi  jiccqcc  xä> 
d-ecö,  xal  jtdvxatv  xovxcov  ai  dfiaQxiai  a<p^QE&T]Gav,  oxi 
ixad-ov  öia  xo  ovofia  xov  vlov  xov  &eov. 

f.  Herrn.  Sim.  IX,  28,  5.  6.  p.  252,  11. 

vfielg  öe  ol  Jidoxovxsg  evexev  xov  ovofiaxog  öoS,dC,£iv  ocpsi- 

Xexe  xov  &e6v —  ovxovv  fiaxagi^EXE  iavxovg'  .  .  . 

eI  fii)  jtEJiov&axE  evexev  xov  ovofiaxog  xvq'iov. 

g.  Const.  V;  2.  p.  126,  4- 

xal  vfiElg  ya'iQEXE  xavxa  üiaGyovxEg,  oxi  fiaxdgioi  ysv?}- 

GEG&E    EV    EXElVfl   X?j    IJflEQa. 

h.   l.Petr.  3,  14. 

all3  eI  xal  jidofOixE  6ia  öixaioGxvrjv,  uaxdoioi. 

i.  Clem.  AI.  StronLirTMlTp.  581. 

ftaxdgtoi,  girjoiv,    ol  ÖEÖiooyfiEvoi  evexev  öixaioGvvtj  g, 

oxi  avxol  vlol  &eov  xXr\$r\Govxai. 
k.  Clem.  AI.  Strom.  IV,  6,  41.  p.  582. 

fiaxdgioi,  (ptjGiv,  ol  ÖEÖimyfiEVOi  vjco  xr\g  öixaioGtvr/g, 

oxi  avxol  EOovxai  xeXeioi. 
1.  Clem.  AI.  Strom.  IV,  6,  41.  p.  582. 

fiaxdgioi  ol  ötöicoyfiEvoi  EVExa  Efiov,  oxi  e^ovöl  xojtov, 

Öjcov  ov  öiojx&rjoovxai. 
m.  Polyc.  ad  Phil  II,  3.  p.  114,  4. 

xal  6xi  fiaxdgioi  ol  nxcoypi  xal  ol  öimxöfiEVoi  evexev  öi- 

xaioGvvrjg,  oxi  avxwv  EGxlv  rj  ßaGilsia  xov  Q-eov. 
n.  Mt.  5,  10. 

fiaxdgioi  ol  ÖEÖiayyfiivoi  evexev  6ixaioGvvr\g,   oxi  av- 

xcöv  Eöxlv  ?]  ßaoiXda  xcöv  ovoavoZv. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  5,  10.  67 

o.   Tertull.  de  fuga  in  persecutione  c.  7. 

Felices  qui  persecutionem  passi  fuerint  caussa  nominis  mei. 

Es  muss  eigentlich  befremden,  dass  man  nicht  schon  längst 
die  Varianten:  ÖEÖicoyfisvoi  =  öicoxofiEVOi  —  ütaöyovxEg  =  jca- 
&6vrsg  als  Ausflüsse  einer  und  derselben  Quelle  erkannt  hat.Denndie 
Übereinstimmung  zwischen  l.Petr.3,14  und  dem  Constitutionen- 
Citate  unter  g  einerseits  und  die  frappante  Berührung  dieser 
beiden  Citate  mit  Mt.  5,  10  andererseits  hätte  auf  die  gemein- 
same Quelle  eines  vorcanonischen  Textes  hinleiten  sollen.  Aber 
freilich  erst  die  Annahme  eines  in  verschiedenen  griechischen 
Übersetzungstypen  vorgelegenen  hebräischen  Textes  gibt  die 
Lösung  der  Frage  auch  in  diesem  Falle  an  die  Hand.  Dass 
auch  Herrn  as  das  Logion  mit  der  Variante  Jta&ovzeq  =  Jtaoxovreg 
anstatt  öeöcwyfie'voi  gekannt  hat,  zeigen  seine  mehrlachen 
Wiederholungen  desselben  Textes  und  das  ^ccxccqICste  in  dem 
Citat  f,  sowie  die  sachliche  Übereinstimmung:  öia  ro  ovofia  rov 
vlov  rov  &eov  mit  der  Lesart  bei  Clemens  Alexandrin us:  tVExa 
sfiov  und  die  fast  wörtliche  mit  dem  Citat  Tertullians:  caussa 
nominis  mei  =  evexev  rov  ovöfiarog  xvgiov.  Clem.  AI.  bezeugt 
ausdrücklich,  dass  dieses  Logion  in  mannigfacher  Weise  variiert 
worden  ist.  Er  redet  bei  Einführung  der  drei  variierenden  Texte 
(i  k  1)  von  den  ripeg  rcav  [/ezari&tvrcov  ra  svayyeXia.  Strom. 
IV,  6,  41.  p.  582.  Und  allerdings  hat  in  diesen  Texten  unser 
Logion  namentlich  nach  seiner  zweiten  Hälfte  starke  Umbildungen 
erlitten.  Der  canonischen  Fassung  kommt  das  Citat  bei  Polycarp 
am  nächsten.  Aber  die  auch  hier  ersichtlichen  Abweichungen 
lassen  es  fraglich  bleiben,  ob  in  diesem  Falle  eine  Abhängigkeit 
von  dem  ersten  canonischen  Evangelium  vorliegt,  oder  ob  nicht 
vielmehr  an  die  Benützung  des  Urevangeliums,  aus  welchem 
das  Logion  zweifellos  stammt,  zu  denken  ist.  Bei  Hermas  und 
dem  Redaktor  der  Constitutionen  ist  letzteres  sicherlich  der 
Fall.  Die  Variante  üiäö%Eiv  (=  öicöxso&ac),  in  welcher  Herrn  as 
und  der  Redaktor  der  Constitutionen  mit  dem  ersten  Petrus- 
briefe sich  begegnen,  klingt  auch  vielleicht  in  dem  paulinischen: 
xQivcovöi  t(üv  xcc&rjftaTQJV  (2.  Cor.  1,  7)  an,  während  in  2.  Tim. 
3,  12:  Jtavreg  ol  fttXovTtq  C,/)v  eiöeßcöq  kv  Xqiotöj  'itjöov 
ÖLco^rjöovzat  die  Übersetzung  öicoxeö&ai  erkennbar  ist.  Andrer- 
seits finden  wir  an  Stelle  des   jta&ovta  ijtl  Ilovxiov  üiXärov 

5* 


(Jg  Äussercanoniache  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

in  der  Regula  fidei  bei  Ignatius:  köiooyßt}  ejc\  IIovxlov  HiXdxov. 
TralL  IX,  1.  p.  50,  16. 

Der  Nachweis  des  hinter  xad^uv  und  öioixEöd-ai  liegenden 
hebräischen  Quellenwortes  ist  insofern  etwas  schwierig  als  jcd 
qjeiv  im  Septuaginta-Griechisch  sehr  selten  ist.  Indess  sowohl 
Delitzsch  als  Salkinson  geben  Mt.  16,  21  =  Mc.  8,  31  = 
Lc.  9,  22  das  dem  N.  T.  eigentümliche  jtaoyjEiv  mit  Hp[  wieder 
und  übersetzen  1.  P.  3.  14:  si  xal  xdöxoixe  übereinstimmend  mit 
^S^PTEX  33.  Die  alttestamentliche  Mutterstelle  für  das  jraö^ety 
des  Messias  ist  ohne  Zweifel  Msyp  Jes.  53,  4,  welches  zwar  von 
den  LXX  mit  Iv  xaxcoöei,  von  Justin  aber  mit  xa&rjxög  über- 
setzt wird.  Vgl.  Just.  Dial.  c.  Tr.  c.  126:  xal  Jia&rjxög  .  .  .  öid 
lHüä'iov  .  .  .  xexXr/xai,  welches  jta&rjxög  neben  na&cov  in  dem 
Symbol  Justins  sehr  häufig  vorkommt  und  welches  auch  Act. 
26,  23,  sichtlich  auf  Jes.  53  zurückgehend,  von  Delitzsch  wie 
Salkinson  mit  HS?  wiedergegeben  wird,  überdem  mit  dem  **ys 
(Sach.  9,  9  vom  Messias,  Mt.  5,  3  =  Lc.  6,  20  von  seinen  Jüngern 
und  Nachfolgern  ausgesagt)  wurzelverwandt  ist.  Klar  ist  der 
Ersatz  dieses  na&r\xbg  oder  xa&wv  km  IIovxlov  UiXdxov  in 
dem  Symbol  des  Ignatius  durch  die  Worte:  sÖiojx&V  srii  IIov- 
xlov UiXdxov.  Und  wie  dieses  eötcox&r)  eine  wenig  zutreffende 
Wiedergabe  von  nrTQ  ist,  so  wird  man  dasselbe  auch  von  dem 
ötötojyfievoc  Mt.  5,  10  und  dem  dtoJX&rjGovxai  2.  Tim.  3,  12 
zu  urth eilen  haben.  Viel  tiefer,  viel  allgemeiner  wird  der  Sinn 
des  Makarismus,  wenn  wir  übersetzen:  „Selig  sind,  die  um  Ge- 
rechtigkeit willen  leiden",  als  wenn  es  heisst:  n verfolgt  werden". 
Man  vgl.  noch  dazu  1.  Reg.  2,26,  wo  «ISlPnn  von  den  LXX 
zweimal  mit  xaxovxtiöd-ai  wiedergegeben  ist  —  xaxovx^co  nach 
den  Lexicis:  schlecht  halten,  beleidigen,  verfolgen,  misshandeln, 
martern,  quälen.  Auch  sonst  wird  TtZ$  und  H3?  vielfach  mit 
griechischen  Ausdrücken  übersetzt,  welche  Synonyma  von  öioSxeiv 
und  öiwxto&ai  sind.  Die  D*^1)?  in  v.  10  sind  also  eine  Expli- 
cation  der  D^D?  in  Mt.  5,  3. 

Mt.  5,<14. 

a.  Hom.  Clem.  III,  67.  p.  54,  24  ed.  Lagarde. 

XQfj  ovv  xyjv  ixxXr)oiav  wg  jtoXiv  iv  vtpei  (pxoöo(irj(iivqv 
(piXo&sov  Bxsiv  xd^iv  v.al  öioixrjöiv  xaXr\v. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  5,  14.  16.  69 

b.  Tatiani  Ew.  Harm.  Arabice  ed.  Ciasca  p.  1 5a. 

Non  potest  civitas  abscondi  supra  montem  aedificata. 

c.  Mt.  5,  14. 

ov  övvaxai  JtoXiq  xovßrjvai  sjtdvco  bgovq  xsifievij. 

Durch  den  Text  bei  Tatian  wird  erwiesen,  dass  in  den 
Clementinen  Hora.  III,  67  wirklich  auf  Mt.  5,  14  angespielt 
ist;  andererseits  wird  es  durch  den  Clementinen-Text  offenbar, 
dass  die  Variante  aedificata  =  qpxoöofit]fiEV/]  einen  vorcanonischen 
Textrest  conserviert  hat  und  dass  diese  Variante  auf  das  he- 
bräische rtfä%  (vgl.  Ps.  122,  3:  -iv?3  rP^Sfi  D^CIT  =  LXX: 
qjxoöofirjfievrj  coq  xoZiq)  zurückweist.  Auch  vipoq  und  booq 
sind  wahrscheinlich  Übersetzungsvarianten,  nämlich  von  Di"YQ 
(=  vipoq,  selbstverständlich  sehr  häufig  bei  den  LXX,  aber  auch) 
=  OQoq  —  vgl.  Jerem.  31,  12:  "p^-Hi-itta  =  LXX:  kv  xm  ogec 
JEimv.  Man  ersieht  an  letzterem  Beispiele  deutlich,  wie  ver- 
schiedenartig und  wie  frei  die  griechischen  Übersetzer  mit  den 
hebräischen  Texten  umgingen  und  wie  wenig  genau  sie  an  den 
etymologischen  Wortsinn  der  Quellenwörter  —  je  nach  Gelegen- 
heit —  sich  banden. 

Die  ursprüngliche  Verknüpfung  dieses  Logion  Mt,  5,  14  mit 
Mt.  5,  16  wird  aus  folgenden  Parallelen  erkannt.  Test.  XII  patr. 
Juda  c.  20:  ovx  hoxc  xaigoq,  kv  o)  övvi] Gerat  Xaß-elv  ccv&qco- 
jcmv  eoya,  —  ferner  1.  Tim.  5,  25:  codavzcoq  xal  xa  xala  eoya 
jiooörjXd  hör iv,  xal  xa  aXXcoq  zyovxa  xQvßijvat  ov  dvvaxai. 

Prof.  Nestle  weist  noch  darauf  hin,  dass  auch  die  Pe- 
schittha  —  welche  wie  Tatian  im  Diatessaron  auf  die  alt- 
syrische Version  (Curetons)  sich  stützt  und  manches  Archaistische 
daraus  erhalten  hat  —  ebenfalls  J"P3a  liest. 

Mt.  5;  16. 

a.  Just.  Apol.  I,  16.  p.  63  B. 

Xa/uipdxco  ös  vfi<ßv  xd  xaXa  eoya  efutgood-ev  xcöv 
av&Qcöjrwv,  iva  ßXejtovxeq  fravfid^oiGi  xov  jt axega 
vfidüv  xov  ev  xolq  ovgavolq. 

b.  Clem.  AI.  Strom.  III,  4,  36.  p.  527. 

xal  o  (ikv  xioioq,  xa  dya&d  vficöv  eoya  lafitydx co,  e<prj 

c.  Clem.  AI.  Strom.  IV,  2g7 TtTTp-  641. 

Za[iipdxa>  ydq  öov  xa  egya. 


70  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

d.  Exe.  Theod.  §  3.  ap.  Clem.  AI.  p.  966. 

öta  xovxo  elgrjxev  Xafiipdxco  xb  cpaög  Sjficöv  h\ujtgoöfrev 
xcöv  dvfrgco  jccov. 

e.  Euseb.  in  Psalm.  28,  1.  2.    Migne  V,  253. 

jtagaivel  Xeycov  avxolg'  Xafiipdxa)  xd  egya  vficöv  e/ijtgo- 
oß-ev  xcöv  dv&gmjicov,  ojtcoq  ßXejtovxeg  xa  xaXd  vficöv 
egyaöo^docooi  xbv  naxega  vficöv  xov  hv  xolg  ovgavolg. 

f.  Mt.  5,  l£~ 

ovxcog  Xafiipdxco  xo  tpcog  Vficöv  £{iJzgo6&ev  xcöv  dv- 
d-gcöjtcov ,  oxmg  IlÖcoOcv  vficöv  xd  xaXd  egya  xal  do§d- 
ocooiv  xbv  xaxega  vficöv  xov  sv  xolg  otgavolg. 

g.  Orig.   Exhort.   ad  niartyr.    XVIII,   6.     Opp.   ed.   Lommatzsch 

XX,  258. 
Xafirpdvxcov    avxcöv    xcöv    xdXoöv    egycov    efixgoö&ev 
xcöv  dvd-gco3ia>v. 
h.  Orig.  in  Joan.  II,  1.    Lommatzsch  I,  90. 

xb    Xdfijceiv    avxov    xd    egya    efijtgooß-ev    xcöv    dv- 

d-QCOJlCOV. 

i.    Orig.  in  Joan.  II,  28.    Lommatzsch  I,  154. 

cbv  XdfiTtsi  xd  egya  hfiJigoG&ev  xcöv  dvd-gmxcov. 
k.  Tertull.  de  idololatria  c.  15. 

Sed  luceant,  inquit,  opera  vestra. 
1.   Tertull.  de  eultu  fem.  c.  13. 

Aut  quid  est:  Luceant  operae  vestrae. 

Auch  dieses  Logion  stammt  sicher  aus  dem  Urevangelium. 
Schon  Weiss  hat  (Mt.  145)  die  Berührung  mit  1.  P.  2,  12:  Iva 
oo  ex  xcöv  xaXcöv  egycov  exojcxevovxeg  öo^döcoGiv  xov  &eov  — 
erkannt.  Dazu  vergleiche  man  Jac.  3,  13:  öeigdxco  Ix  xr\g  xaXijq 
dvaöxgog)rjg  xd  egya  —  1.  Tim.  5,  25:  xd  egya  xd  xaXa  -^ 
xgvßrjvai  ov  dvvavxai  (letzteres  zugleich .  Anspielung  an  Mt. 
5,  14)  —  Tit.  3,  8:  iva  cpgovxitfooiv  xaXcöv  egycov.  Auch  2.  P. 
1,  10  ist  der  Zusatz:  öid  xaXcöv  egycov  als  Ausfluss  eines  Herren- 
wortes nicht  ohne  Weiteres  als"  unecht  abzulehnen.  In  allen 
diesen  Varianten  erscheint  dieselbe  Lesart  xaXd  egya,  welche 
auch  Justin  in  Übereinstimmung  mit  dem  ersten  canonischen 
Evangelium  vertritt.  Clemens  AI.  hat  für  xaXd  die  Lesart 
ayad-d,    welches    Übersetzungsvariante    von    Sita    sein    kann l). 

1)  An  dieser  Stelle  möchte  ich  ein  für  allemal  Folgendes  bemerken. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  5,  16.  17.  71 

Allen  patristischen  Citaten  mit  Ausnahme  der  Excerpta 
Theodoti,  mithin  den  Anführungen  bei  Clemens  AI.,  Ori- 
genes,  Eusebius,  Tertullian,  wozu  Sanday  (The  Gospels  in 
the  second  Century  p.  134.  331)  Hilar.,  Ambr.,  Coelestin.  nam- 
haft macht,  ist  hinter  Xappäxco  (=  luceant)  die  Abwesenheit 
von  ro  cpdoq  und  der  Ersatz  desselben  durch  xa  tgya  gemeinsam, 
und  zwar  gegen  alle  uns  erhaltenen  Handschriften  und 
Versionen.  Während  ferner  die  Varianten  idcoöiv  (Mt.)  = 
ßXexovreg  (Just.,  Eus.)  =  ejtoxxevovxeq  (1.  Petr.  2,  12)  auf  iiao 
zurückzuführen  sind,  steht  Justin  mit  seiner  Variante  d-avjiä- 
£co6i  (für  das  canonische  öosäowoiv)  völlig  isoliert.  Ein  Ana- 
logon  bietet  der  Septuaginta-Text  zu  Lev.  19,  15:  13Ö  Tinin  xVl 
bi"i5  =  ovös  firj  &avfiaGi]Q  jzqSowjcov  övvdoxov  (dagegen  Lev. 
19.  32:  ]£T  ipB  Pil^ni  —  LXX:  xal  rt/irjaeiq  xqoCcojcov  nQsoßv- 
x£qov).  Auch  die  Übersetzung  der  Phrase  D^S  NÜ3  mit  ftav- 
fia^scv  x6  jiqoöcoxov  (Gen.  19,21;  Deut.  10,  17;  28,50)  ge- 
hört hierher. 

Mt.  5, 17. 

a.  Hom.  Clem.  III,  51.  p.  50,  21. 

xo   de   xal    eijtüv   avxov    ovx    tjX&ov   xaxaXvöai  xbv 

VOflOV. 

b.  Tert,  adv.  Marc.  IV,  9. 

Non  veni  legem  dissolvere,  sed  adimplere. 

c.  Tert.  adv.  Marc.  IV,  12. 

Non  veni  dissolvere  legem,  sed  adimplere. 

d.  Tert.  adv.  Marc.  V,  14. 

Ego  non  veni  legem  dissolvere,  sed  implere. 

e.  Didasc.  VI,  19.  p.  332. 

ov    ydg  rjX&ov,    (prjöl,    xaxaXvöai    xbv    v6tuov,   aXXa 
jtX7]Q(Zoai. 


Selbstverständlich  sind  dya&ä  und  xa).ä  nicht  noth wendig  Über- 
setzungsvarianten, sondern  vielleicht  nur  „wertblose  Synonyma".  Aber  der 
Vollständigkeit  halber  notiere  ich  auch  solche  Varianten,  die  möglicher 
Weise  Ausflüsse  verschiedener  Übersetzung  des  hebr.  Urtextes  nicht  sind. 
Hinterdrein  oder  vielmehr  von  vornherein  (vgl.  oben  S.  51  und  Heft  I,  155) 
gebe  ich  ja  die  Hälfte  der  Übersetzungsvarianten  preis.  Es  bleibt  m.  E. 
noch  genug  Beweismaterial  übrig. 


72  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

f.  Const.  VI,  19.  p.  181,  3. 

ov  yäg  rjXO-ov,  (prjöt,  xaxaXvöai  xbv  v6(iov,  aXXa 
jiXrjQmöai. 

g.  Eus.  Dem.  evang.  I,  7,  1. 

ovx  tjX&ov  xaxaXvöai  xbv  vofiov,  aXXd  jiXrjocööai. 

h.  Eus.  in  Ps.  2,  2. 

avxog  öiödöxei  Xiymv  ovx  rjXd-ov  xaraXvöai  xbv  vo- 
fiov, aXXa  jtXrjgcoöai. 

i.  Macar.  Hom.  XXXVII,  3. 

ovx  i]Xd-ov  yao,  <pr}öl,  xaxaXvöai  xov  vbfiov,  aXXa 
jtXrjQmöai. 

k.  Clem.  AI.  Strom.  III,  6,  46.  p.  532. 

o  6e  xvqioq  ov  xaxaXvf.iv  xbv  vofiov  dg>ixv£lxai, 
aXXa  jiXr}Qo~)Gai. 

L  Epiph.  Haer.  XXI,  5.  p.  59  C.  Vgl.  Haer.  XXXIII,  5.  Ep.  Ptole- 
maei  ad  Floram. 

o  xvqioc  djtev  ovx  iqXftov  xaxaXvöai  xov  vofiov, 
aXXd  jtXrjocööai. 

m.  Hilar.  de  trinit.  11.  p.  284  F. 

secundum  quod  ait:  Non  veni  legem  solvere,  sed  adim- 

plere. 
n.  Hilar.  Enarratio  in  Ps.  118.  p.  863  B. 

ipso  dicente:  Non  veni  legem  solvere,   sed  adimplere. 
o.  Hilar.  Enarratio  in  Ps.  119.  p.  971  B. 

ipse   dominus   nobis    in    evangelio   auctor  est  dicens:  Non 

veni  solvere  legem,  sed  adimplere. 

p.  Test.  XII  patr.    Levi  c.  16. 

xal  avöoa  dvaxaivojtoiovvxa  xov  vbfiov  ev  övvdfiei  vtyl- 
oxov  xXävov  jtQoöayoQevoexe. 

q.  Dial.  de  recta  fide.   Opp.  Orig.  63. 

xovxo  ol  Vovda'iöxol  lyoatpav  xo'  ovx  r}Xftov  xaxaXvöai 
xbv  vö/uov,  aXXa  xXrjocoöai  ovx  ovxmq  6s  djcev  o 
Xgiöxbq'  Xiysi  ycto'  ovx  fjXd-ov  JtXtjocööai  xbv  vbfiov, 
dXXä  xaxaXvöai. 

r.  Traet.  Schabbath  e.  XVI  fol.  116;  ap.  Hilgenfeld.  N.T.  extra 
canonem  rec.  p.  15. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  5, 17.  73 

«n^Ti»  b?  ■'fioiab  x^1)  "^n«  noüi  «B^ni«  p  nns^b  «b 

:Wnsi  mb'tti 
non  ut   tollerem    quidquam  de  lege  Mosis  veni,  sed  ut 

adderem  legi  Mosis  veni. 
s.  Koran.  Sure  3.    Übers,  v,  Ullmann  S.  39.  (Worte  Jesu:) 

Ich  bestätige  die  Thora,  die  ihr  vorlängst  erhalten,  erlaube 

aber  einiges,  was  euch  sonst  verboten, 
t.  Koran.  Sure  61.    Übers,  v.  Ulimann  S.  484.  (Worte  Jesu:) 

0  ihr  Kinder  Israel,  wahrlich,  ich  bin  euch  ein  Gesandter 

Gottes,  bestätigend  die  Thora,  welche  bereits  vor  mir  euch 

geworden. 


u.  Tert.  adv.  Marc.  IV,  7. 

ostendentem  in  primo  ingressu  venisse  se,  non  ut  legem 
et  prophetas  dissolveret,  sed  ut  potius  adimpleret. 

v.  Tert.  adv.  Marc.  IV,  36. 

Salvum  est  igitur  et  hoc  in  evangelio:  Non  veni  dissolvere 
legem  et  prophetas,  sed  potius  adimplere. 

w.  Praedestinat.  c.  24.    Corpus  Haeresiologicum  p.  240. 

Putatis,  inquit,  quia  veni  legem  destruere  aut  prophetas? 
Non  veni  legem  solvere  sed  adimplere. 

x.  Isidor.  Peius.  Epistulae.  Lib.  I.  ep.  371.  Migne  LXXVIII,  394. 
öoxslre  ort  i]l&ov  jiZtjqwocu  top  vofiov  r\  rovq  jcqo- 
(pijtac;  f)Xd-ov  xaralvoai,  dkl'  ov  jtXrjQcoöai. 

y.  Mt.  5,  17. 

(ir)  voftiorjTE,  ort  ?]l&ov  xaxalvGai  xbv  vöfiov  f] 
rovq  JtQotprjrag;  ovx  ?]Xftov  xaxaXvdav,  aXXd  jcXrj- 
Qcöoai. 

z.  Aphraates  Hom.  II,  5.  p.  23  ed.  Bert. 

Und  der  Herr  spricht:  Ich  bin  nicht  gekommen,  das  Gesetz 
und  die  Propheten  zu  verwerfen,  sondern  sie  zu  erfüllen. 

a.  Cod.  Colbert.  Mt.  5,  1 JTjTl Ted.  Belsheim. 

Nolite  putare  quia  veni  solvere  legem  aut  prophe- 
tas: non  veni  solvere  legem  aut  prophetas,  sed  adim- 
plere. 

1)  Ursprünglich    kVn  =  ak\d,    vb\   ist   Hilgenfelds    Conjektur.     Siehe 
unten. 


74  Aussercanonische  Parallelteste  zu  Mt.  und  Me. 

Anm.  1.   non  veni  solvere  -\-  legem  D  corr  vet  (non  marg)  cum 

patribus  aliquot  latt.  et  vett.  c  h  g  (nach  Wordsworth- 

White  ad  locum). 

Anm.  2.   Den  unter  r  aus  dem  Tractat  Schabbath  mitgetheilten 

Text   gibt   Laible  (Jesus  Christus   im  Thalmud  1891. 

S.  62  ff.)  im  Zusammenhang  und  in  deutscher  Übersetzung 

wie  folgt:  „Da  sagte  der  Philosoph  zu  ihnen:  „Ich  habe 

den  Schluss    des  Evangeliums   nachgesehen;    da  heisst 

es:  Ich.  Evangelium,  bin  nicht  gekommen,  wegzuthun 

vom  Gesetz  Mosis,    sondern   hinzuzufügen    zum   Gesetz 

Mosis  bin  ich  gekommen."     Den  vollständigen  Context 

und  die  Erläuterung  dazu  wolle  man  bei  Laible  selbst 

nachsehen. 

Die  Textgeschichte  dieses  Logion  ist  äusserst  lehrreich  für 

das  gesammte  Gebiet  der  Evangelienforschung. 

Zum  ersten  ist  es  ausser  Zweifel,  dass  wir  es  hier  mit  einem 
Wort  des  Herrn  aus  dem  Urevangelium  zu  thun  haben,  obgleich 
es  nur  von  dem  ersten  Evangelisten  erhalten  ist.  Denn  Mt.  5,  17 
bildet  mit  Mt.  5,  18  ein  unlösbares  Ganzes.  Da  nun  der  dritte 
Evangelist  eine  Variante  von  Mt.  5,  18  selbständig  aus  der  ihm 
und  dem  ersten  Evangelisten  gemeinsamen  vorcanonischen  Quelle 
in  Lc.  16,  17  wiedergegeben  hat,  so  kann  der  ganze  Context 
Mt.  5,  17.  18  =  Lc.  16,  17  auch  nur  aus  jener  vorcanonischen 
Quelle  stammen.  Vgl.  Weiss,  Matthäusevangelium  S.  150.  151. 
Zweitens  ist  festzustellen,  dass  im  ursprünglichen  Contexte 
das  Logion  Mt.  5,  i7  nimmermehr  an  der  Spitze  der  Bergpredigt 
gestanden  haben  kann.  Diese  Annahme  würde  vielleicht  dann 
Stand  halten,  wenn  die  Lesart,  wie  sie  in  den  Paralleltexten  a — t 
wiederkehrt,  die  ursprüngliche  wäre.  Denn  wenn  Jesus  nur  von 
der  Erfüllung  des  Gesetzes  geredet  hätte,  so  würde  Mt.  5,  17  in 
concinner  Weise  als  programmatische  Erklärung  mit  der  Mt.  5, 
20 — 48  gegebenen  Gesetzesauslegung  harmonieren.  Jesus  hat 
aber  nach  dem  Urtexte  zweifellos  auch  von  der  Erfüllung  der 
Propheten  gesprochen,  und  hiervon  findet  sich  im  Contexte  der 
Bergpredigt  auch  nicht  eine  Spur.  Es  muss  vielmehr  das  Logion 
Mt.  5,  17  (18)  ursprünglich  in  einem  Contexte  gestanden  haben, 
in  welchem  von  dem  Gesetz  und  den  Propheten  die  Rede 
war.  Es  ist  hiernach  drittens  unschwer,  den  ursprünglichen  Stand- 
ort des  Logion  Mt.  5,  17.  18  nachzuweisen,  weil  der  dritte  Evan- 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  5,  17.  75 

gelist  in  Lc.  16,  17  den  nöthigeu  Anhalt  bietet.  Denn  der  ganze 
Context  bei  Lucas  handelt  dort  von  der  Bedeutung  des  Gesetzes 
und  der  Propheten.  Vgl.  Lc.  16,  16:  6  vöfiog  xal  ol  jzqo- 
(pTJrai  (==  Mt.  11,  13:  jtdvtsg  yao  ol  TcnocpfjTai  xal  6  vo- 
fiog),  ferner  Lc.  16,  28:  e%ovgiv  Mcovüta  xal  rovg  jtnog)//- 
rag  und  Lc.  16,  31:  et  Moivöecog  xal  zcöv  JtQo<prjzcöv  ovx 
axovovöiv  —  ein  Thatbestand,  den  Weiss  (Matthäusevangelium 
S.  151)  nicht  genügend  gewürdigt  hat.  Es  kommt  weiter  hinzu, 
dass  nicht  blos  Mt.  5,  17,  sondern  nach  der  jedenfalls  ursprüng- 
lichen Lesart,  wie  sie  lrenaeus  und  Aphraates  übereinstim- 
mend bieten  (Vgl.  zu  Lc.  16,  17.  18),  auch  sowohl  in  Mt.  5,  18 
(nach  lrenaeus)  als  in  Lc.  16,  17  (nach  Aphraates)  dem  ganzen 
Contexte  entsprechend  ebenfalls  beides:  das  Gesetz  und  die  Pro- 
pheten genannt  gewesen  ist1).  Aus  diesem  Zusammenhange  wird 
es  also  evident,  dass  der  Ausspruch,  welcher  jetzt  Mt.  5,  17  zu 
finden  ist,  ursprünglich  nicht  programmatisch  die  Spitze  der 
Bergpredigt  gebildet,  sondern  zwischen  Lc.  16,  16  und  Lc.  16,  17 
seinen  Standort  gehabt  hat,  wo  er  unter  der  so  häufig  text- 
kürzenden Hand  des  dritten  Evangelisten  in  Wegfall  gekommen 
ist.  Daraus  geht  weiter  hervor,  dass  die  Erklärung  Jesu,  nicht, 
wie  es  nach  Mt.  5,  17  ff.  scheint,  ausschliesslich  ihren  Schwer- 
punkt im  Gesetz  und  in  der  Auslegung  des  Gesetzes  gehabt 
hat,  sondern  vielmehr  in  der  Bedeutung  der  ganzen  alttestament- 
lichen  Heilsökonomie  (vofiog  xal  JiQOtyrjrai),  ja  dass  somit  auch 
der  vouog  nach  seiner  prophetischen  Seite  gemeint  war  und  dass 
es  sich  um  die  Erfüllung  der  Gültigkeit  der  alttestam entlichen 
Heilsökonomie  nach  ihrer  ganzen  geschichtlichen  Bedeutung 
handelte.  Daraus  resultiert  endlich  weiter  mit  Bestimmtheit, 
dass  der  von  lrenaeus  und  Aphraates  zu  Mt.  5,  18  =  Lc.  16, 17 
aufbewahrte,  in  den  canonischen  Parallelen  aber  getilgte  Text- 
bestandtheil  „et  prophetis"  in  der  That  ein  notwendiges  und 
wesentliches  Glied  des  Urtextes  gebildet  hat. 

Der  exegetische  Zusammenhang  der  Stelle  gestaltet  sich  auf 
Grund  dieses  Contextes  folgendermassen :  Die  alttestamentliche 
Heilsökonomie    —    Gesetz    und    Propheten   —    erreichen  in  Jo- 


1)  Der  Text  von  Mt.  5,  IS  lautet  nach  Iren.  IV,  34,  2  folgendermassen: 
Amen  enim  dico  vobis,  donec  pertranseat  caelum  et  terra,  iota  unum  aut 
unus  apex  non  transiet  a  lege  et  prophetis,  quoadusque  omnia  fiant. 


76  Aussercajaonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

hannes  dem  Täufer  ihr  Ende  (Lc.  16,  16*  =  Mt.  11,  13).  In  ihm, 
dem  Vorläufer  des  Messias,  ist  aber  auch  schon  die  neue  Zeit 
des  Reiches  Gottes  angebrochen  (Lc.  16,  16b  =  Mt.  11,  12).  Was 
nun  die  Stellung  Jesu  selbst  zu  der  alttestamentlichen  Heilsöko- 
nomie anlangt,  so  geht  dieselbe  nicht  auf  eine  Destruktion  von 
Gesetz  und  Propheten  aus  (destruere,  Praedest.),  sondern  in  ihm 
vollendet  sich  die  alttestamentliche  Heilsökonomie;  Gesetz  und 
Propheten  finden  in  ihm  ihr  letztes  Ziel,  ihre  geschichtliche  Er- 
füllung (Mt.  5,  17).  Die  entscheidende  Erfüllung  aber  geschieht, 
wie  man  aus  Lc.  22,  37:  Itym  yäg  vfilv,  oxi  btl  xovxo  x6  ye- 
yQafifitvov  Sei  xsteöß-f/vai  (=  ozlrjQCO&rivai  vgl.  zu  Lc.  22,  37) 
tv  tfiol,  xo'  xal  fisza  avöyiaiv  hXoyio&r}'  xal  xa  jteQt  efjov  zt- 
Xoc,  tx£t  —  einem  unzweifelhaft  echten  Herrenworte  —  deutlich 
ersehen  kann,  durch  Jesu  Kreuzestod.  Bis  dahin,  wie  überhaupt 
bis  zum  Momente  seiner  Erfüllung,  ecoq  xävxa  yh'7]xai,  aber 
auch  nicht  länger,  behält  jeder  Buchstabe  von  Gesetz  und 
Propheten  seine  Verbindlichkeit  (Lc.  16,  17  =  Mt.  5,  18).  Die 
alttestamentliche  Heilsökonomie  —  Gesetz  und  Propheten  —  fin- 
det in  Jesu  ihr  xiXoc  (Rom.  10,  4  vgl.  Lc.  22,  37),  d.  h.  ihr  Ziel 
und  zugleich  ihr  Ende.  Jeder  Buchstabe  fällt  von  dem  Mo- 
mente der  Erfüllung  an  dabin:  jtsoslv  (Lc.  16,  17).  Es  war  also 
ein  Räthselwort,  durch  welches  Jesus  das,  was  seine  Jünger  in 
voller  Klarheit  noch  nicht  tragen  konnten,  enthüllte  und  ver- 
hüllte, ganz  entsprechend  der  sonstigen  Freiheit,  welche  durch 
ihn  Schritt  für  Schritt  in  die  jüdische  Welt  hereintrat  und  durch 
welche  eine  Fessel  der  alten  Knechtschaft  nach  der  andern  von 
selbst  fiel.     (Vgl.  Rom.  8,  4.) 

Diese  exegetische  Erläuterung  war  nöthig,  um  zu  zeigen, 
welch  ein  verhängnissvoller  Schritt  es  gewesen  ist,  als  der  ju- 
denchristliche Verfasser  des  ersten  canonischen  Evangeliums  das 
von  dem  dritten  Evangelisten  zwar  an  richtiger  Stelle,  aber  nur 
torsoartig  erhaltene  Logion  (Lc.  16,  17)  aus  seinem  ursprüng- 
lichen Zusammenhang  herausnahm  und  es  Mt.  5,  17.  18  an  die 
Spitze  der  Bergpredigt  stellte.  In  diesem  Zusammenhang  musste 
das  jtZrjQcööca  xov  vöfiov  lediglich  als  eine  vertiefende  Auslegung 
des  mosaischen  Gesetzes  erscheinen,  mussten  die  Worte  r\ 
xovq  jtQOfprjxag,  deren  Wiederholung  in  Mt.  5,  18  ohnehin 
vom  Evangelisten  gestrichen  war,  alle  Bedeutung  verlie- 
ren, musste  der  in  den  Worten  tax;  av  jiävxa  yewqxai  liegende 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  5,  17.  77 

Gedanke  an  die  heiisgeschichtliche  Erfüllung  von  Gesetz  und 
Propheten,  welcher  Gedanke  allein  dem  originalen  Context  ent- 
sprach, ferne  gehalten  werden,  musste  das  Logion  Mt.  5,  18  an- 
scheinend eine  Giltigkeit  des  ganzen  mosaischen  Gesetzes  bis 
ans  Ende  der  Welt  proklamieren.  In  diesem  neuen  Zusammen- 
hang, in  weichem  die  Worte  ?}  rovq  nQocprjtaq  jeden  VVerth 
verloren  hatten,  war  es  nur  ein  Schritt  weiter  in  der  Textge- 
schichte, dass  diese  Worte,  welche  schon  in  Mt.  5,  18  gestrichen 
worden  waren,  auch  in  Mt.  5,  17  völlig  in  Wegfall  kamen,  wie 
die  zahlreichen  Citate  a — t  uns  zeigen.  An  der  Spitze  dieser 
Textgestalt  stehen  naturgemäss  die  judenchristlichen  Clementi- 
nen. Nirgends  ist  die  vom  judenchristlichen  ersten  Evangelisten 
gerade  in  der  Bergpredigt  angebahnte,  auch  von  den  juden- 
christlichen Testamentis  XII  patriarcharum  vertretene  {avdga  ava- 
xaivonoiovvxa  xbv  vofiov)  Anschauung  von  Jesu  als  einer  neuen 
Auflage  des  alttestamentlichen  Moses,  als  eines  vertiefenden  Aus- 
legers des  Gesetzes,  so  consequent  durchgeführt,  als  in  den  ju- 
denchristlichen Homilien,  in  denen  von  dem  heilsgeschichtlichen 
Thun  und  Leiden  Jesu,  obwohl  es  den  Verfassern  nicht  unbe- 
kannt war,  nur  wenige  Spuren  sich  zeigen,  während  alle  Evan- 
geliencitate  von  derjenigen  Seite  aufgefasst  sind,  nach  welcher 
Jesus  als  ein  Erneuerer  des  Sittengesetzes  erschien.  So  auch  in 
der  Fassung  von  Mt.  5,  17.  Diese  judenchristliche  Auffassung 
von  Mt.  5,  17  ist  bezeichnender  Weise  sogar  bis  in  den  Koran 
und  den  Talmud  eingedrungen.  Während  nun  der  Koran  Jesus 
die  Thora  zwar  bestätigen,  aber  Manches,  was  darin  verboten 
ist,  als  erlaubt  hinstellen  lässt,  zielt  das  Wort  Mt.  ö,  17  in  seiner 
talmudischen  Gestalt  auf  eine  Vermehrung  des  mosaischen 
Gesetzes  ab:  «Ffi'n'i«  bv  iSüitfb»  X5S5  =  sed  ut  adderem  legi  (die 
Lesart  sb"i  mit  dem  Sinn  neve,  so  dass  eine  einfache  Bestätigung 
der  Thora  ohne  Wegthun  und  ohne  Zuthun  gemeint  wäre,  ist 
lediglich  Conjektur)1)  — ,  ganz  in  Übereinstimmung  mit  der  That- 
sache.,  dass  ein  Anhang  des  Talmud  „Tosiphtha"  =  additio, 
addidamenta  genannt  ist.  Dass  die  betreffende  Stelle  im  Trak- 
tat Schabbath,  deren  Textüberlieferung  übrigens  im  Einzelnen 

1)  Holsten  (Prot.  Kirchenzeitung  1880.  No.  16.  S.  320)  sagt  hierüber: 
Wenn  Hi  Igen  fei  d  an  dieser  Stelle  jetzt  kVi  statt  »h«  liest,  so  ist  nach 
der  Aussage  meines  Collegen  Merx  unter  Zustimmung  von  Delitzsch»^ 
Conjektur,  k!s»  =  nisi  =  äXXd  alte  Lesart. 


7g  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Alt.  und  Mc. 

sehr  schwankend  ist,  nicht  aus  der  Benutzung  des  Urevange- 
liums,  sondern  aus  einer  späteren  Textgestalt  von  Mt.  5,  17 
stammt,  zeigt  deutlich  schon  die  Weglassung  der  „Propheten" 
und  die  Beschränkung  des  Logion  auf  die  Thora.  Aber  auch 
weder  das  nnB^E  =  tollere  noch  das  "'SCiS  =  addere  lassen 
sich  als  Reste  des  Urtextes  zu  dem  canonischen  xaxaXvöai  und 
jtX?]Q(3Gai  erklären.  Sie  repräsentieren  vielmehr  nur  eine  talmu- 
dische Verschlechterung  des  Textes.  Endlich  auch  die  Weg- 
las sung  der  Formel:  firj  vo^iorjxe  setzt  eine  spätere  abge- 
griffene Textgestalt,  nicht  den  Urtext,  nicht  einmal  den  canoni- 
schen Text  Mt.  5,  17  voraus.  Denn  dieses  Einleitungswort  firj 
vofiiOTjtE  mit  seinen  aussercanonischen  Parallelen  öoxelrs  = 
putatis?  weist  mit  Bestimmtheit  auf  einen  echten  Bestandtheil 
des  hebräischen  Urtextes  hin.  Die  Übersetzung  des  Urevange- 
liums,  welcher  der  erste  Evangelist  folgte,  hat  noch  einmal  die 
Formel:  [ir/  vofiiorjxE,  nämlich  Mt.  10,  34.  Dort  haben  wir  dazu 
eine  canonische  Parallele  in  der  lukanischen  Übersetzung,  in 
dem  öoxelxe  Lc.  12,  51.  Es  ist  hier  klar,  dass  vo[iiC,eiv  und  öo- 
xüv  wie  öfters  Übersetzungsvarianten  des  hebräischen  STD'n  sind. 
Während  aber  nach  Mt.  5,  17  und  Mt.  10,  34  zu  dem  fi?]  vofii- 
or/xs  als  Urtext:  'OiönFrbx  vorauszusetzen  wäre,  wie  auch  sämmt- 
liche  hebräische  Rückübersetzungen  darbieten,  zeigt  die  inter- 
rogative Fassung  in  der  lukanischen  Version  doxetxs,  dass  viel- 
mehr als  Urtext  12ipnz?  OPSn  zu  reconstruieren  ist,  da  bekannt- 
lich solche  Fragesätze  im  Hebräischen  zugleich  als  Verneinungen 
gefasst  zu  werden  pflegten1).  Vgl.  ähnliche  Fälle  zu  Lc.  6,  32; 
18,  19.  Während  nun  für  das  zweimalige  fir)  vofiiö?]xs  des  ersten 
Evangeliums  nur  zu  Mt.  10,  34  eine  canonische  Parallele  mit  der 
Übersetzungsvariante  öoxsixe  in  Lc.  12,  51  vorliegt,  bieten  zu 
Mt.  5,  17,  wo  die  canonische  Parallele  bei  Lucas  fehlt,  die  ausser- 
canonischen Parallelen  bei  den  Marcioniten  nach  Isidorus  Pe- 
lusiota  sowie  im  Texte  des  Praedestinatus  dieselbe  aus  Lc. 
12,  51   uns  schon  bekannte  Form  öoxtlxs  =  putatis?   als  Über- 


1)  Vgl.  Hiob  14,  14:  rrn*~  =  Vulg.  putasne  rursum  vivat?  —  Prov. 
24,  28:  Tp5|«a  »""MtB  =  LXX:  firjdh  nXaxvvov  oolg  yslksai  —  2.  Sani.  7,  5: 
rra  "»V-nsari  nnsn  =  LXX:  ov  ov  olxodofir/ostq  fioi  oixov  =  1.  Par.  17.  4: 
n-an  ■»V-ruan  r.px  »h.  Aus  diesen  Beispielen  ist  es  klar,  dass  man  den 
Fragesatz  in  einen  einfach  verneinenden  umwandeln  konnte. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  5,  17.  79 

Setzungsvariante.  Ist  dies  nicht  ein  Beweis,  dass  diese  Ein- 
leitungsworte  [irj  vofitOTjze  =  öoxslts  =  putatis  zum  Urtexte 
gehören  und  dass  ihnen  ganz  wie  Mt.  10,  34  =  Lc.  12,  51  die 
hebräischen  Worte  laffinri  DPSH  zu  Grunde  liegen?  Wenn  nun 
gleichwohl  die  talniudische  Textgestalt  diese  Worte  nicht  bietet, 
sondern  an  die  später  gebräuchliche  kürzere  Form  ovx  i]Xi)-ov  = 
Ti^nÄ  xb  sich  anschliesst,  so  ist  auch  dieser  Umstand  ein  Be- 
weis dafür,  dass  der  Tractat  Schabbath  seine  Kenntniss  des 
fraglichen  Jesuswortes  nicht  aus  dem  Urevangelium,  nicht  aus 
den  Logia,  wie  Güdemann  angenommen  hat,  sondern  aus  einer 
schriftlichen  secundären  Quelle,  welche  auch  nicht  das  erste  ca- 
nonische Evangelium  gewesen  sein  kann  (auch  schon  deshalb 
nicht,  weil  unser  Logion  am  „Schlüsse"  dieser  Schrift  stand), 
geschöpft  hat. 

Wer  sich  über  die  für  die  Quellenforschung  zwar  werthlose, 
dagegen  für  die  Textgeschichte  sehr  instruktive  Benützung  unseres 
Logion  durch  den  Tractat  Schabbath  noch  näher  unterrichten 
will,  der  ist  auf  folgende  Litteratur  zu  verweisen: 

Rabbi    Raphael    Rabinowicz,    Variae    Lectiones    in 

Mischnam  et  in  Talmud  Babyionicum. 
Delitzsch,  Neue  Untersuchungen  über  Entstehung  und 
Anlage  der  canonischen  Evangelien.  (Leipzig  1853.) 
I,  22  f. 
J.  M.  Jost,   Geschichte   des  Judenthums  und  seiner  Sek- 
ten.   (Leipzig  1858.)  I,  38  ff. 
Dr.    M.     Güdemann,     Religionsgeschichtliche    Studien: 
Die  Logia   des  Matthäus   als  Gegenstand    einer   tal- 
mudischen Sage.     (Leipzig  1876.) 
W.  H.  Lowe,  The  Fragments  of  Talmud  Babli  Pesachim. 

(Cambridge  1879).  p.  67.  68. 
E.  B.  Nicholson,  The  Gospel  according  to  the  Hebrews. 

(London  1879.)  p.  146  ff. 
Hilgenfeld,    Novum   Testamentum    extra    canonem   re- 

ceptum  IV.    (Lipsiae  1884).  p.  15.  21. 

Holsten,    Protestant.    Kirchenzeitung.       1889.      No.    16. 

S.  370. 

Die   interessante  Textgeschichte    unseres  Logion  zeigt  also 

einerseits  dessen  ursprünglichen  Standort  im  Urevangelium  und 

seine  die  höchste  Gesetzesfreiheit  athmende  Bedeutung,  andrer- 


gO  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

seits  dessen  allmähliche  Umgestaltung  unter  judenchristlichen 
Händen  bis  zu  seiner  völligen  Verkehrung  ins  Gegentheil  durch 
den  Talmud.  Hätten  die  Marcioniten  das  Urevangelium  und 
den  Ursinn  des  Logion  gekannt,  so  wäre  die  Umkehrung,  deren 
auch  sie,  aber  in  andrer  Weise  sich  schuldig  gemacht  haben, 
indem  sie  schrieben:  ovx  t)X&ov  jiXtjqcöOüc  xbv  vojxov  ,  aXXa 
xaxaXvoai  —  für  sie  nicht  von  nöthen  gewesen. 

Güdemann,  um  seine  verfehlte  Ableitung  des  Talmud-Ci- 
tates  aus  der  unmittelbaren  Benützung  der  hebräischen  Logia  zu 
rechtfertigen,  ist  genöthigt,  die  Worte  rj  xovq  jtoocprjzaq  zugleich 
mit  dem  jvX?jQ(X)öai  für  redaktionelle  Zuthat  des  ersten  Evange- 
listen zu  erklären! 

Harnack  schreibt  mir:  „Das  im  Talmud  sich  findende 
Wort,  dass  Jesus  zum  Gesetz  Zusätze  gemacht  habe,  ist  bei  den 
Apologeten,  namentlich  bei  Tertullian  (Montanistische  Contro- 
verse)  oft  variiert  worden."  Er  verweist  dabei  auf  Tert.  de 
orat.  c.  1. 

Mt.  5,  19. 

a.  Ign.  ad  Eph.  XV,  1.  p.  20,  6. 

xaXbv  xb  dtdäöxeiv,  kav  o  Xeya>v  noiy. 

b.  Testam.  XII.  patr.  Levi  c.  13. 

oq  kav  öidäoxy  xavxa  xal  jcqcooij,  övv&oovoq  löxai 
ßaoiXecoq. 

c.  Clem.  AI.  Strom.  H,  19.  97.  p.  480. 

ovxoq  fieyioxoq,  <pr/ölv,  ev  xy  ßaOiXeia,  oq  av  xoifj 
xal  öiÖäöxy. 

d.  Pseudo-Ign.  ad  Eph.  XV.  p.  284,  17. 

xaXbv  xb  öiöaoxecv,  eäv  o  Xeyojv  xoty.  oq  yäg  av 
jcocr'jOt]  xal  dtdäs*],  ovxoq  fieyaq  ev  xy  ßaOiXeia. 

e.  Ephr.  Syr.  Paraen.  XIV.    Opp.  IL  88  A. 

xov  xvqiov  xal  ocoxfjQoq  r/(£Ö5v  Irjöov  XqlOxov  eijcovxoq' 
6  xoirjöaq  xal  öiöägaq,  ovxoq  fieyaq  xXij&rjötxai  ev  xjj 
ßaotXeia  xoöv  ovqavwv. 

f.  Mt.  2,  19b. ' 

oq  tf  av  xoirj07t]  xal  öiöagy,  ovxoq  (liyaq  xXrjd-röezai 
ev  xy  ßaotXeia  xcöv  ovgavwv. 

Ob  auch  Mt.  5,  19,  wie  Weiss  (Mt.  S.  151)  zu  meinen  ge- 
neigt ist,  noch  zu  dem  ursprünglichen  Context  von  Mt.  5, 17. 18  = 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  5,  19.  20.  81 

Lc.  6,  17  gehört  habe,  ist  mehr  als  fraglich.  Denn  es  hängt 
dieses  Logion  Mt.  5,  19  mit  jenem  ganzen  auf  die  Geltung  von 
Gesetz  und  Propheten  bezüglichen  Contexte  gar  nicht  mehr 
zusammen.  Gleichwohl  wird  das  Logion  dem  Urevangelium  an- 
gehört haben,  aber  in  einem  Zusammenhang,  in  welchem  der 
Nachdruck  darauf  ruhte,  dass  ein  Lehrer  im  Reiche  Gottes 
auch  ein  Thäter  sein  müsse,  ähnlich  wie  Jesus  Lc.  8,  21  be- 
tont, dass  ol  xov  Xoyov  xov  &eoi>  dxovovxsg  auch  jtotovv- 
xsg  sein  sollen.  Folglich  wird  auch  der  Sinn  von  Mt.  5,  19a, 
dessen  jetziger  Wortlaut  weder  im  Zusammenhang  noch  in  der 
Bedeutung  an  sich  noch  im  Ganzen  der  Lehre  Jesu  Klarheit 
besitzt,  ursprünglich  dahin  gegangen  sein,  zu  zeigen,  dass,  wer 
das  Wort  Gottes  lehrt,  aber  durch  sein  Thun  seine  Lehre  wieder 
auflöst,  seine  Bedeutung  im  Reiche  Gottes  selbst  zerstört  (v.  19a), 
dass  dagegen  die  wahre  Grösse  im  Reiche  Gottes  auf  der  Über- 
einstimmung der  Lehre  und  des  Lebens  sich  erbaue  (v.  19b). 
Nach  den  patristischen  Citaten,  unter  welchen  dasjenige  in  den 
Test.  XII  patr.  durch  die  Variante  ovv&oovog  soxai  ßaoiXeoac 
(vgl.  Lc.  22,  30)  =  fityag  ev  xf]  ßaoiXeia  sich  auszeichnet,  könnte 
vielleicht  auch  nur  v.  19b  ursprünglich  und  quellenmässig  sein. 

Mt.  5,  20. 

a.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  105.  p.  333  B. 

xavxa  elorjxevcu  ev  xolg  djtofivtjfiovevfiaöi  yeygajixai'  käv 
firj  jtBQioOEVOXi  vfiäJv  rj  dixaioovvr)  jcXelov  xäiv  yoctfi- 
fiaxeov  xai  (paoiöaicov,  ov  [ir\  eloeXfrqxe  elq  x?}v  ßa- 
oiXeiav  xmv  ovqccvojv. 

b.  Clem.  AI.  Strom.  III,  4,  33.  p.  526. 

ovzcoq  yao  cqc  o  xvgioq  t(pq'  kav  (trj  xegiöOevo?,]  rj  öixaio- 
ovvrj  vfiojv  oiXeioo  xaiv  ygafifiaxeatv  xai  pagioalmv, 
ovx  eiüeXevoeod-e  eig  xt)v  ßaoiXelav  xov  &eov. 

c.  Clem.  AI.  Strom.  VI,  18,  164.  p.  825. 

tot£  dxovöovxat  xijg  yoa<pijg'  eäv  [iij  nteovaov  vficöv  ?/ 
öixaioovv?]  jcXsIov  xoZv  yoafifiaxeojv  xai  pccoi- 
oalojv. 

d.  Macar.  Hom.  XIII,  1. 

Xeyet  ytto  o  xvoiog'  edv  (ir/  jiepiöötvoy  v{ucov  //  öixaio- 

Texte  n.  Untersuchungen  X,  2.  6 


g2  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc, 

CVV7]  nliov  xmv  yoaf/fiaxtcov  xal  pagioalojv,  ov  dv- 
vao&E  eIöeX&eIv  elg  xtjv  ßaöiXiiav  xSv  ovoaväiv. 

e.  Mt.  5,  20. 

Itycn  yao  VftTv  oxi  eclv  (ir}  xeqiööev67]  vfiwv  i\  öixaio- 
övvtj  xXeIov  x(öv  YQafifiaTEcov  xal  (paoioaimv ,  ov  fttj 
eIöeZ&t]xe  eIq  xi]v  ßaöiXeiav  xojv  ovgavcäv. 
Hier  haben  wir  ohne  Zweifel  das  ursprüngliche  Thema  der 
nachfolgenden  Gesetzesauslegung,  während  die  sämtlichen  Logia 
Mt.  5,  13 — 19,  wie  man  aus  Lc.  mit  Bestimmtheit  ersehen  kann, 
Einschaltungen  des  Redaktors  aus  anderen  Stellen  der  Herren- 
reden sind.  Von  Mt.  5,  20  —  48  an  bewegen  wir  uns  (ab- 
gesehen von  einigen  ähnlichen  Einschaltungen  (Mt.  5,  25.  26  = 
Lc.  12,  58.  59;  Mt.  5,  29.  30  =  Mt.  18,  8.  9  =  Mc.  9,  43.  45.  47; 
Mt.  5,  31.  32  =  Lc.  16,  18  =  Mt.  19, 9  =  Mc.  10,  11.  12,  vielleicht 
auch  Mt.  5,  23.  24.  35b.  36)  in  Cap.  5  auf  dem  originalen  Gebiete 
der  Bergpredigt.  Dass  auch  Lc.  in  seiner  Quelle  den  ganzen 
Context,  wie  ihn  Mt.  (abgesehen  von  den  obenerwähnten  Ein- 
schaltungen) hier  bietet,  gelesen  hat,  zeigt  das  Zusammenmünden 
der  beiderseitigen  Parallelen  von  Mt.  5,  39—48  und  Lc.  6,  27 — 
36.  Die  Varianten  xZsovaoi/  =  tceqksöevöi]  beruhen  vielleicht 
auf  einer  Nachwirkung  des  hebräischen  Urtextes,  sei  es,  dass 
man  PQT,  na*iri,  welches  Delitzsch  anwendet,  um  xeqiöceveiv 
wiederzugeben  und  welches  von  den  LXX  häufig  mit  xIeovoC,eiv 
übersetzt  wird,  oder  dass  man  "UrT1,  "VfliiT,  "irfi3,  die  gewöhnlichen 
Grundwörter  für  das  griechische  üieqigoeveiv  voraussetzt. 

Mt.  5,  22. 

a.  Just.  Apol.  1,  16.  p.  63  B. 

oq  6*  av  oQyco&ij,  Evo%6q  toxiv  slq  xo  jcvq. 

b.  OrTg.  Philocal.  XXlT 

bq  av  onyio&ij   xm   aÖEltpw,  EVo%oq  eöxcci  x(]  xq'ioei^ 

c.  Iren.  11,  32,  1. 

et  non  solum  qui  occidit,  reus  erit  occisionis  ad  dam- 
nationem,  sed  et  qui  irascitur  sine  caussa  fratri  suo. 

d.  Iren.  IV,  13,  1  =  IV,  16,  5. 

Et  iterum:  Dictum  est:  Non  occides.  Ego  autem  dico 
vobis:  omnis  qui  irascitur  fratri  suo  sine  caussa,  reus 
erit  judicio. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  5,  22.  83 

e.  Cassian.  Instit.  VIII,  21.  p.  164. 

in  quibusdam  exeniplaribus  invenitur:  qui  irascitur  fratri 
suo  sipe  caussa,  reus  erit  judicio. 

f.  Philastr.  c.  131.    Corpus  haeresiol.  p.  144. 

et  dominus:   qui   irascitur   fratri   suo   sine  caussa,   reus 
erit  judicii. 

g.  Didasc.  II,  53.  p.  275. 

o   ogyi^ofiEVOg  xrß   aöeXrpoy   avxov   eixtj    lvo%og    töxai 

xij  XQiöee. 
h.  Const.  II,  53.  p.  79,  21. 

o    ooyi^öfievog  'yag    xw    a6iX<pm    avxov    slxrj    Ivoyog 

toxat  x ij  xQioei. 
i.  Cod.  Colbert.  Mt.  5,  22.  p.  5  ed.  Belsheim. 

Ego  autem  dico  vobis,  quia  omnis  qui  irascitur  fra- 
tri suo  sine  causa,  reus  erit  in  judicio. 
k.  Diatessaron  ed.  Ciasca  p.  15b. 

Ego  autem  dico  vobis:  Quia  omnis,  qui  sine  causa  irasci- 
tur fratri  suo,  reus  erit  judicio. 
1.  Cod.  Cantabr.  =  Syr.  GurTSt.  5,  22. 

tycb  6h  Xtym  vfilv  oxi  jcäg  6  oQyiC,6fisvog  xcö  a6tX<pcp 

avxov  eixij  Ivoyog  toxai  xij  xqiosi. 
m.  Eus.  Dem.  ev.  IX,  11,  25. 

t/xovöaxe  oxi   sQQtfhi  xolg  äoyaiotg,   ov  povsvosig' 

eycb  6h  Xtym  vfilv  fiijöh  doyi&od-ai  eixtj. 
n.  Eus.  Dem.  ev.  I.  7,  12. 

eXey&tj  xolg   aoxaioiq,    ov  (povevoeig'   iycb   6e  Xeyat 

vfilv  fjijöe  ooyi^eo&ai. 
o.  Eus.  in  Ps.  70,  8  sqq.     Migne  V,  781. 

ttQQt&Tj   xolg    a(>x«totg,  ov  (povevoeig'    eyco  6h  Xe'yta 

/ti]6t  ooyiCeofrai. 
p.  Nicet.  Byzant.  adv.  Moham.  Confut.  IX,  64.   Mai  IV,  374. 

xal   6tjXop   öxi   ev  xo?  ixeivoig  fiev  Xe'yto&ai,   fit/  tpovev- 

Gai,  r/fiiv  6e  fit)  oQyiö&ijvai. 
q.  Epiph.  Haer.  XXXIII,  6Tp722ü  D. 

xo  yag  ov  (povevoeig,  ov  fioiftevoeig,  ovx  ejiiOQXtjöeig  ev 

tw  l*ljöj^Qyi0®*ival  fty6e  ejrifhvfttjoai  fit/6e  ofidöai  xegtei- 

Xrjxxai. 

6* 


84  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

r.  Hom.  Clem.  XI,  32.  p.  118,  30. 

kav  ol  Iv  xfj  ütlavxi  H?}  povevmöiv,  tjfislq  firjöh  ogyjr- 
C.ojf/tfra.  —  XIII,  18.  p.  139,  21.  ov  Xvjcei,  ovx  eixi]  (ictye- 
xat,  tavxov  nioiyxov  ov  jcolbi.  —  X,  12.  p.  103,  30.  soxiv 
evoxog  xij  xq'igei. 

Cassian  schreibt  über  fragliche  Stelle  Jnst.  lib.  VIII  cap. 
XXI  p.  164,  19—165,  6: 

Sciendum  tarnen  in  eo,  quod  in  quibusdam  exemplaribus 
invenitur:  qui  irascitur  fratri  suo  sine  causa  reus  erit  iudicio, 
superfluum  esse  sine  causa  et  adiectum  esse  ab  his.  qui  ampu- 
tandam  irarn  pro  iustis  causis  minime  putaverunt,  cum  utique 
nullus  quamlibet  absque  ratione  coramotus  sine  causa  se  dicat 
irasci.  quam  ob  rem  apparet  ab  eis  adiectum,  qui  propositum 
non  intellexerunt  scripturae  volentis  fomitem  iracundiae  omni- 
modis  amputare  nullamque  indignationis  occasionem  penitus  re- 
servare,  ne,  dum  iubemur  irasci  cum  causa,  etiam  sine  causa  ira- 
scendi  nobis  intromittatur  occasio.  finis  enim  patientiae  non  in 
irascendo  iuste  sed  in  penitus  non  irascendo  consistit.  licet  a 
quibusdam  hoc  ipsum  quod  dicitur  sine  causa  ita  interpretari 
sciam,  quod  scilicet  sine  causa  irascatur  is,  cui  expetere  ultionem 
irato  non  liceat.  melius  tarnen  est  ita  tenere,  ut  et  novella  exem- 
plaria  multa  et  antiqua   omnia  inveniuntur  esse  perscripta. 

Obwohl  also  Cassian  behauptet,  dass  in  allen  alten  Hand- 
schriften die  Lesart  rixij  =  sine  causa  fehle,  so  zeugen  doch  die 
Clem  e n tinen,Irenaeus,  die  Didascalia, die  Constitutionen, 
Eusebius,  vor  allen  Dingen  aber  der  Syr.  Cur.,  der  Cod. 
Cantabr.,  Tatians  Diatessaron  und  die  alten  lateinischen 
Versionen,  sowie  viele  andere  Instanzen  für  das  Gegentheil.  Na- 
mentlich ist  das  Zusammentreffen  der  ältesten  syrischen  Version 
mit  dem  Diatessaron,  sowie  mit  der  altitalischen  Tradition  und 
der  griechischen  Handschrift  D  ein  Beweis  dafür,  dass  der  Arche- 
typus, aus  welchem  diese  vier  Ströme  geflossen  sind1),  diese 
Lesart  schon  vertrat  und  dass  sie  mithin  vor  der  Mitte  des 
zweiten  Jahrhunderts  bereits  vorhanden  gewesen  sein  wird. 
Allerdings    fehlt    der  Zusatz    tixrj   bei  Justin,   sonach  in  dem 


1)  Vgl.  Heft  I,  47. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  5,  22.  g5 

ältesten  Citat,  welches  wir  von  dieser  Stelle  besitzen,  und  zwar 
bei  einem  Schriftsteller,  der  sich  mehrfach  mit  der  Tradition  des 
Syr.  Cur.  und  des  Cod.  D  berührt,  während  in  der  pseudojusti- 
nischen  Schrift  Ep.  ad  Zenam  et  Serenum  c.  11,  p.  511  D  der 
Zusatz  in  einem  sonst  mit  dem  canonischen  Texte  übereinstim- 
menden Citate  sich  findet.  Die  Varianten,  in  denen  der  Ein- 
gang des  Logion  sich  repräsentiert  (de  av  oQyio&y}  =  jcäg  6 
oQyiC,o(i£Vog  =  o  ogyi^ofisvog),  entsprechen  ganz  ähnlichen  Ver- 
schiedenheiten in  der  Construktion,  wie  sie  häufig  auch  sonst  in 
den  canonischen  Recensionen  desselben  Urtextes  auftreten.  Z.  B. 
jtäg  o  axolvcov  Mt.  5,  32  =  Lc.  16,  18  =  dg  av  äjioZvo?]  Mc. 
10,  ll  =  Mt.  19,  9=  n^Tö^rrbS.  Wahrscheinlich  ist  im  he- 
bräischen Urtext  in  allen  ähnlichen  gnomenartigen  Aussprüchen 
die  Participialconstruktion  mit  bb  gebräuchlich  gewesen,  und  ist 
die  ungriechische  Wendung:  xäg  6  axolvcov  —  nag  6  aixmv  — 
jtäg  o  ßXtJimv  —  xäg  o  ooyiCofisvog  u.  s.  w.  als  hebraisierende 
Version  zu  betrachten  gegenüber  der  besseren  griechischen  Con- 
struktion durch  Auflösung  des  Partizipialsatzes  in  einen  mit  og 
av  oder  og  hav  oder  oöxig  eingeleiteten  Relativsatz.  Dabei  ist 
es  wichtig  wahrzunehmen,  dass  diese  Übersetzungsverschieden- 
heiten nicht  blos  in  den  canonischen  Parallelen  der  Synoptiker, 
sondern  auch  in  aussercanonischen  Texten  vorkommen, 
namentlich  auch  da,  wo  solche  Logia  nur  durch  einen  Synop- 
tiker —  wie  hier  Mt.  5,  22  —  uns  erhalten  sind.  Man  vgl.  z.  B. 
noch  die  Varianten  zu  Mt.  5,  28:  Jtäg  6  ßlejtcov  —  jtäg  6  idoiv 
=  jcäg  o  jrnooßltjia)v  =  Jiäg  oGxig  efißsJif)?]  =  og  av  i/ußXty)?,^ 
Diese  Bemerkungen  werden  genügen,  um  in  ähnlichen  Fällen 
als  Erläuterung  zu  dienen,  auf  welche  Bezugnahme  stattfinden 
kann. 

Eigenthümlich  sind  noch  die  gleichmässig  wiederkehrenden 
Infinitive:  (iTjöh  öoyi&G&ai  (Eus.)  =?=  ftr/ÖE  ooyio&rjvai  (Epiph.) 
=  (i7j  ooyio&rjvai  (Nicetas).  Man  vgl.  dazu  das  (tr/de  Imd-vtitlv 
zu  Mt.  5,  28. 

Endlich  sind  noch  folgende  unter  einander  verwandte  An- 
klänge an  unser  Logion  zu  notieren.  Hom.  Clem.  XIX,  21 
p.  187,  12:  Jtlt}v  a(iicgcp  avxtj  (sc.  rfj  ooyij)  ng  XQ7}Ga(ievog  aöi- 
xzl,  xax  a^iav  de  xQ^ptvog  xd  öixatov  ixxsXsl.  •  Hom.  Clem. 
XX, 4  p.  191,12:  ovxco  ör)  xal  am  x/jg  ooyyg  toxi  loyioao&at,  ort 
öixaimg  (i\v  avxf/  xig  yQr}oä(jfvog  cog  eZsGxiv,  evGeßsi,  jtaoa  de 


86  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

xo  (iexqov  EgsXfrojv  xal  £avx<p  xtjv  xqlolv  Xaßcov  äoeßsl.    Ju- 
dicium Petri  c.  8.   6  &vj/6q  vjiäv  (iexqov  tytrco. 

Mt.  5,  23.  24. 

a.  Aphraates  Hom.  II,  14.  p.  31  =  Hom.  IV,  7.  p.  63  ed.  Bert. 

Und  wiederum  spricht  er:  Wenn  du  ein  Opfer  opfern  willst, 
und  erinnerst  dich,  dass  du  von  einer  Feindschaft  ergriffen 
bist  gegen  deinen  Bruder,  so  lass  dein  Opfer  vor  dem  Altar 
und  gehe  und  versöhne  dich  mit  deinem  Bruder,  und  als- 
dann komm  und  opfere  dein  Opfer. 

b.  Mt.  5,  23.  24. 

idv  ovv  jcQOG<ptQi]q  xo  öojqov  Oov  tjil  xo  &vGiaGxt'jQiov 
xdxel  ftvrjöfrijgi  öxi  6  aÖEX<poq  oov  e\el  TL  xa?a  oov,  cupEc 
exeI  xo  öcöqov  oov  EfutQoo&ev  xov  &voiaoxTjQiov  xal  vjcayt 
jiootzov ,  öiaXXäy?]&i  xm  aÖEXcpcö  oov,  xal  xoxe  eX&ojv 
7iQÖ0(peoe  xb  öcöqöv  oov. 

Es  ist  gewiss  merkwürdig,  dass,  während  zu  den  verwandten 
Herrensprüchen  Mc.  11,  25;  Mc.  6,  14  sich  canonische  und  ausser- 
canonische  Parallelen  finden,  das  Logion  Mt.  5,  23.  24  weder  ca- 
nonische noch  patristische  Anklänge  in  der  Zeit  vor  Irenaeus 
(Iren.  IV,  18,  1)  aufzuweisen  hat.  Die  Textgestalt  desselben  bei 
Aphraates  beruht  wohl  nur  auf  einer  freien  Wiedergabe  des 
canonischen  Matthäustextes.  Eine  noch  weitergehende  Umge- 
staltung bei  Aphraates  ist  wiedergegeben  Agrapha  S.  441. 

Mt.  5,  27.  28. 

a.  Theophil,  ad  Autol.  III,  13. 

r\  öe  EvayytXioq  <pcov?j  sjuxaxixcoxEQOv  öiöäöxEi  jieqI  ay- 
vnaq  Xeyovöa'  Jiäq  o  löcov  yvvalxa  dXXoxQiav  TiQoq  xo 
£jii&v(i?JGai  avzTjv  t^ötj  iftoix^vOev  avxtjv  ev  tjj  xao- 
öla  avxov. 

b.  Clem.  AI.  Strom.  II,  11,  50.  p.  455. 

o^d»v^rgo£  exifrvfiiap  sfioixsvoev. 

c.  Athenag.  Legat,  c.  32.  p.^OT  ed.  Schwarte. 

o^yag  ßXejcmv ,  (prjoi,  yvvalxa  Jtobq  xo  £jiid-viui}oai  av  - 
xijq  ?}öt]  (isfioixsvxev  sv'xrj  xaoöia.  axxov. 

d.  Macar.  de  patientia  et  discr.  c.  8. 

mq  yao  o  ßXijimv  yvvalxa  Jtgoq  xo  Ejttd^vfiijoai  xayxtjv 
ev  xfi  xaQÖla  fiEfioixsvxE. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  5,  23.  24.  27.  28.  87 

e.  Mt.  5,  27.  28. 

tfxovöaxs  oxi  sggs&t]  [Syr.  Cur.,  Iren.  IV,  13,  1  add:  xolg 
agxaioig]'  ov  fiotxtvösig'  syo)  6h  Xsyco  vfilv  oxi  üiäg 
6  ßXsjicov  yvvaixa  ngog  xo  tjtiß-vfirjoat  ?]6t]  sftoix^vösv 
avxrjv  sv  xtj  xag6ia  avxov. 

f.  Clem.  AI.  Strom.  III,  2,  8.  p.  513. 

6  fiev  yag  (sc.  o  vSfioc)  <pr]0iv  ov  fioixsvosig,  xö  6h 
(sc.  xb  svayyt'Xiov)  „Jiäg  ojtgoOßXsjtcov  y.ax  exid-vfiiav 
?j6rj  £[ioix£vGEv"  Xsysi. 

g.  Clem.  AI.  Strom7TV7l8,  116.  p.  615. 

sycö  6h  Xsyco'  o  sfißXsrpag  xy  yvvaixl  jcgög  sjci&vfiiav 
r}6t]  fisfioixsvxsv. 

h.  Didasc.  I,  1.  p.  226  =  Const.  1,  1.  p.  2,  9. 

sv  xcß  voficp  ysygajtxai'  ov  fioixsvosig'  [sycö  6h  Xsyco 
vfilv  —  Didasc.  om.j,  xovx'  soxiv  sv  xco  v6(iq>  xcß  6ia 
McovOscog  sycö  sXaXrjöa,  vvv  6s  o  avxög  vtiiv  Xsyco'  nag 
öoxig  sfißXstpsi  sig  xi)v  yvvalxa  xov  jiXtjO'tov  Jtgög  xo  fnT- 
&vfifjoai  avxfjv ,  i]6r\  sfioiy^svosv  avxijv  iv  xf]  xag6ia 
avxov. 

i.   Just.  Apol.  I,  15.  p.  61 E. 

tcsqI  iisv  ovv  oco<pQoovvr)g  xooovxov  sijisv  og  av  sfißXsrpt] 
yvvcuxl  nobg  xo  sjti&vft?}oai  avxijg  ij6/]  sfiolxsvos  xrj 
xagöia  jiagä  xcß  freco. 

k.  Just.  Apol.  1,  15.  p.  62  \. 

xcu  ol  vöficp  avfrgcomvcp  öiyafiiag  jioiovfisvoi,  afiagxcoXol 
xagä  xm  r/fisxsgcp  6i6aoxcxXco  sioi,  xal  ol  jrgoößXsjtovxsg 
yvvaixl  Jigög  xö  sjiifrvfirjöai  avxrjg. 

1.   Ephr.  Syr.  Ev.  concord.  expos.  ed.  Mösinger  c.  6.  p.  66. 

Audistis  quia  dictum  est:  Non  adulterabis.  Sed  ego  dico 
vobis:    Quicumque  aspicit  et  concupiscit,  adulterat. 

m.  Clem.  AI.  Strom.  ^71371*27^?  882. 

firj  sfißXttprj  6h  Jigög  EJtiftvfiiav.  aXXoxgia  yvvaixl. 

n.  Clem.  AI.  Strom.  III,  4,  30.  p.  525. 

xov  xvgiov  cpt)oavxog'  sycö  6s  Xsyco,  fii]  EJii&vfiTJGijg. 

o.  Clem.  AI.  Strom.  II,  14,  61.  p.  461. 

xät  6  EfißXstyag  jtgog  sjti&vftlav  xgivtzai.  6iö  „fit] 6s 
sxi&vfirfoyg"  Xtysi. 

p.  Clem.  AI.  Strom.  III,  11,  71.  p.  543. 


g8  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

r'jXovGate  xov  vofjov  xaxayyeXZovxoq'  ov  fioiyevoeiq.  eyco 
öe  Xeyco'  ovx  ejti&vfirjGetq. 
q.  Clem.  AI.  Protrept.  X,  108.  p.  85. 

xai'   ovx  e.xi&vurjGetg,  erti&vfiia   ydg  uovr/   Lietioiyev- 
xaq. 

r.  Hohl  Clem.  XI,  32.  p.  118,  31. 

edv   o   ev  xlavq  ui\  itoiyevrj,   7juetq  x?)v  agy/jV   urt6t   ev- 

&VfI7j&0Ö[J£V. 

s.   Clem.  ArStrom.  II.   15,  66.  p.  463. 

6  yag  ixifrvpTMfaq  ij6rj  ueuoiyev/.e.  uprfiiv. 
t.  Eus.  Dem.  ev.  I.  6,  17. 

egge'frr/  xolq  agyaloiq'  ov  /uoiyevGetg,  eyvj  61  Äeyco  vulv 

(tnfik    Tf,V    KQ'/Jl1'    tXl&VfltlV. 

u.  Eus.  Dem.  ev.  I,  7,  12. 

lliyßrj  xolq  dgyaioiq'  ov  fioiyevGeiq,  lyco  6e  Xeyco  vulv 

tirjöh  ercid  vuelv. 
v.  Eus.  in  Psalm.  70,  S  sqq. 

egge'&Tj  xolq  agyaloiq'  ov  itoiyevoeiq,  lyco  6s  Xeyco  fujde 

e.~ri&  vuelv. 
w.  Herrn.  Bland.  IV.  1.  p.  76,  19. 

xai  ur)  dvaßaivixco  oov  Im  xt)v  xagöiav  xegl  yvvaixoq 

dXXoxgiaq  rj  negl  xogveiaq  xivöq   //  jrepi    xoiovxcov  xivcöv 

Ofioccouäxcov  ütovr/gcöv. 

Auch  hier  haben  wir  zu  dem  canonisch  gewordenen  Text 
von  Mt.  5,  27.  28  zwar  keine  canonischen  Parallelen,  aber  eine 
desto  reichere  Auswahl  aussercanonischer  Paralleltexte  mit  den 
mannigfaltigsten  Varianten,  welche  fast  sämtlich  auf  einen  ge- 
meinsamen Quellentext  hinweisen  und  m.  E.  nur  als  verschiedene 
Versionen  des  Logion  zu  erklären  sind,  wie  solches  in  der  he- 
bräischen Quellenschrift  vorgelegen  haben  mag.  Die  Varianten: 
ev  xcp  voiico  yeygaitxai  i  Didasc,  Constj  —  rjxovoaxe  tov  vouov 
xaxayyeXXovxoq  (Clem.  AI.)  =  o  vöuoq  fprjcip  iClem.  AD  = 
lxoioaxe  oxi  enge&r}  [xolq  dgyaioiq  =  eXeyd-}/  xolq  dgyaioiq 
(Eus.)  =  ab  antiquis  Cod.  Colb.i  können  zwar  nicht  als  Über- 
setzungsvarianten angesprochen  werden.  Aber  möglicher  Weise 
ist  die  aussercanonische  Lesart  ev  xcp  vöiicp  die  älteste  und  ur- 
sprüngliche.     Dahin   weist    auch    der   folgende    Text    in   Jobii 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  5,  27.  28.  89 

Mon.  Comm.  lib.  III,  12.  ap.  Phot.  cod.  222  p.  584:  coojieq  6 
öcqxtjq'  eQQi'i&r],  liycov ,  xcu  voficp  raÖB'  kycb  öh  Xeyco  vfilv 
taÖE'  zumal,  da  in  diesem  Texte  gerade  die  beiden  Gegensätze 
zwischen  dem  vofioq  und  dem  ocoxr/Q  als  solche  —  also  ohne 
jegliche  Bezugnahme  auf  den  (nicht  citierten)  durch  xctöe  nur 
angedeuteten  Inhalt  —  pointiert  sind.  Auch  schon  Celsus 
scheint  denselben  Text  vorauszusetzen.  Vgl.  Orig.  c.  Cels.  VII, 
18,  wo  Celsus  sagt:  o  ö*  vloq  ctoa  avxov  6  NaC,wQaloq  av&oco- 
jcoq  ävxivofiod-sxel  (sc.  adv.  Moysen).  Möglicher  Weise  ist 
also  die  ursprüngliche  scharfe  Antithese  zwischen  dem  vöfioq 
und  dem  kycb  öh  Xeyco  vy.lv  in  dem  Munde  Jesu  bei  der  früh- 
zeitig eingetretenen  Überschätzung  des  A.  T.  in  der  altkatho- 
lischen Kirche  anstössig  geworden  und  sollte  durch  den  Ersatz: 
tQQt&r]  [rolq  ctQxaioiq],  jedenfalls  durch  Weglassung  des  kv  reo 
voficp  gemildert  und  verwischt  werden.  Auf  diese  Möglichkeit 
weist  der  in  der  Didascalia  und  den  Constitutionen  ent- 
haltene epexegetische  Zusatz  hin,  wenn  zu  dem  Citat  kv  reo  vo- 
fiep yt'ygajixai  bemerkt  wird:  xovx  höxiv  kv  xeo  v 6 fiep  xeo  öta 
McovGEeoq  kyeo  kXäXrjöa,  vvv  öh  6  avxoq  vfilv  liyeo.  Sicher 
geht  aus  dieser  Epexegese  hervor,  dass  die  Didascalia  und  der 
Redaktor  der  Constitutionen  wirklich  anstatt  des  kooed-7]  [xolq 
aQxaloiq]  gelesen  haben:  kv  xep  vouep  yeygajtxcu.  Indem  aber 
durch  die  beigefügte  Epexegese  auch  schon  im  Gesetz  Jesus  als 
der  Redende  gedacht  und  als  identisch  (o  avxoq)  bezeichnet  wurde 
mit  dem,  der  im  Evangelium  redet,  wurde  die  Antithese  aus  den 
Subjekten  verbannt  und  lediglich  zu  einer  Verschiedenheit  der 
Offenbarung  in  der  Entwickelung  der  Zeiten  (vgl.  vvv  6t)  herab- 
gemindert. Hierbei  ist  übrigens  zu  bemerken,  dass  die  Auffassung, 
Jesus  habe  sich  schon  im  Gesetz  geoffenbart,  auf  ein  Agraphon 
hinzuweisen  scheint,  welches,  obwohl  es  bei  Epiphanius  als 
Herrenwort  fünf  mal  wiederkehrt,  in  meiner  Sammlung  der 
Agrapha  leider  übersehen  worden  ist.  Dasselbe  findet  sich  gleich- 
lautend bei  Epiphanius  an  folgenden  Stellen:  Ancor.  53. p.  56  C; 
Haer.  XXIII,  5.  p.  66 C;  Haer.  XLI,  3.  p.  301  BC;  Haer.  LXVI;  42. 
p.  655  B.;  Haer.  LXVII;  3.  p.  712  A.  (vgl.  auch  Haer.  XLI,  1.  p. 
300 B.)  und  lautet:  o  laXeov  kv  xolq  JiQoeprjxctiq,  iöov  jiclq- 
ttfii.  Wer  den  vofioq  von  der  prophetischen  Seite  auffasste 
und  zu  den  jiQocprjxai  rechnete,  konnte  aus  jenem  aussercano- 
nischen  Herrenwort  die  Anschauung  ableiten,  welche  durch  die 


gO  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Didascalia  und  die  Constitutionen  Jesu  in  den  Mund  gelegt 
ist:  kv  tg)  votucp  öia  Mcovotcog  tyco  kXäX?]öa. 

Soviel  über  die  einleitenden  Worte  von  Mt.  5,  27.  Wenden 
wir  uns  nun  zu  dem  Herrenspruch  in  Mt.  5,  28.  Hierzu  ver- 
gegenwärtige man  sich  folgende  Varianten: 

jtäg  6  lö(ov  yvvalxa  (Theoph.),  o  iöcov  (Clem.  AI.) 

6  ßXt'jtcov  yvvalxa  (Athen.,  Mac.) 
jtag  6  ßXsxcov  yvvalxa  jMt.) 
jiäg  6  JiQOOßXijiow  yvvalxa  (Clem.  AI.,  Eus.) 

o  ttußXtipag  xTj  yvvaixl  (Clem.  AI.) 
jiäg  öaxig  1/jßXitpi]  eig  xrjv  yvvalxa  (Did.,  Const.) 
6g  av  kfißXtiptj  yvvaixl  (Just.). 
Erinnert  man  sich   an   das  zu  Mt.  5,  22  über  Jiag  6  ooyi- 
Cofisvog  und  über  die  dortigen  aussercanonischen  Varianten  Ge- 
sagte, so  wird  man  keine  Ursache  haben,   die  Erklärung  dieser 
Varianten  als  verschiedener  Übersetzungsvarianten  des  hebräischen 
Urtextes:   ni&yrbx   'ü^S'EJl-bS   zu   beanstanden,   wobei   besonders 
das  n©X"bX  in   den  Versionen  slg  xfjv  yvvalxa  und  xij  yvvaixl 
sich  wiederspiegelt.    Ebenso  variiert  der  folgende  hebräische  Satz- 
theil:  nnk  "rtanb  in  den  Parallelen: 

jTQog  xo  sjiifrvfiTJöai  (Clem.  AI.,  Mt.) 
Jigbg  ijii&vfiiav  (Clem.  AI.) 
xax    sjtiß-vfiiav  (Clem.  AI.) 

jtgbg  tc   £Jti&v(it~ioai  avxrjv  (Theoph.,  Didasc.  Const.) 
jiQog  xb  kjti&vfif/öai  avxijg  (Athen.,  Just.) 
jcQog  ro  ejtifrvptjöai  xavx?jv  (Mac.) 

Endlich  das  hebräiscbe  isba  nriK  C]i?3  lebt  fort  in  den  grie- 
chischen Parallelen: 
tfioixtvöev  avxrjv  kv    xy  xagöia  avxov  (Theoph.,  Mt.,  Didasc. 

Const.,  Just.  u.  s.  w.) 
fis/xoixtvxev  kv  xij  xagöia  avxov  (Athen.,  Mac.) 

Es  ergibt  sich  mithin  für  sämratliche  Varianten  folgender 
hebräischer  Quellentext: 

:i3ba  anä  ?|«3  nnx  -rärjb  [rnnsj]  nf»-b«  MErrbs 

Der  aussercanonische  Zusatz  aXXoxoiav  (bei  Theophilus),  aX- 
Xoxgia  (bei  Clemens  AI.),  dXXoxQiag  (bei  Hermas)  muss  in  An- 
betracht des  Zusammentreffens  dieser  verschiedenen  Schriftsteller 
für  sehr  alt  erachtet  werden  und  war  jedenfalls  in  nicht  wenige 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  5,  27.  28.  33.  91 

Handschriften  frühzeitig  eingedrungen.  Dagegen  der  Zusatz 
jiaoä  xcö  9-ecö  in  dem  Citate  Justins  ist  nur  als  eine  schrift- 
stellerische Epexegese  zu  betrachten. 

Mt.  5,  33. 

a.  Aphraates  Hom.  XXUI.  p.  412  ed.  Bert. 

Darüber  hinaus  gebietet  unser  Erlöser:  Du  sollst  keinen 
falschen  Eid  schwören.  Und  wer  da  schwört,  soll  des  Ge- 
richts schuldig  sein. 

b.  Aphraates  Hom.  XXIII.  p.  415. 

Deshalb  ermahnt  unser  Erlöser:  Ihr  sollt  bei  euch  selbst 
nicht  schwören;  denn  der  Herr  wird  den  nichT^mgestraft 
lassen,  der  bei  seinem  Namen  falsch  schwört. 

c.  Mt.  5,  33. 

jiäXiv  t/xovoaxe  oxi  eootd-?]  xolq  ctQ^aloiq'  ovx  tJtiooxf'/Oeig. 
ajtoöcöouq  öe  xcö  xvq'ico  zovq  öoxovq  oov. 

d.  ExodTio/T^ 

ov  Xf'jtptj  xo  ovofia  xvqiov  xov  &eov  oov  sjtl  [taxaiqi'  ov 
yuo  n?j  xa&agioy  xvoioq  6  &sog  oov  xov  Zccfißävovxa  xo 
ovo[ia  avxov  kjuuaxaicp  {sie,  elxü,   Cod.  AI.) 

e.  Levit.  19,  12. 

xal  ovx  ofielofre  xcö  ovöpazi  ftov  hx  aölxqj,  xal  ov  ßeß?j- 
Xcooexe  xo  ovo^ia  xo  dyiov  xov  dsov  vficov'  iyco  elui  xv- 
Qioq  O   &£Oq  VfJLCÖV. 

f.  Deut.  23,  21.  (22). 

täv  6h  evt-T]  £v%r\v  xvoiep  xcö  itscö  oov,  ov  XQovisZq  axoöovvai 
avxi)v  ox.i  sxQrjxcöv  ex^rjxrjoei  xvqioq  6  &eoq  oov  naget 
oov,  xal  hoxai  iv  ool  afiaoxia. 

g.  Diatessaron  ed.  Ciasca  p.  16a. 

Iterum  audistis,  quia  dictum  est  antiquis:  Non  perjurabis, 
sed  clama  ad  Deum  in  fide  tua. 

Bei  der  Auslegung  des  Gesetzes,  in  welcher  Jesus  wesent- 
lich nur  auf  die  zweite  Tafel  Bezug  nimmt,  ist  zweierlei  sehr 
merkwürdig,  erstlich  die  Anordnung  der  Gebote,  und  zweitens 
der  Wortlaut  von  Mt.  5,  33.  43.  Die  Anordnung  der  Gebote  ist 
folgende : 

Mt.  5,  21:  ov  cpovtvouq 
27:  ov  fioixsvOsiq 


92  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Mt.  5,  33:  ovx  EJtioQxrjGEiq 

43:  äyaxrjGsiq  xov  jiXtjöIov  öov  xal  fic- 
o/jösig  xov  ex&Qov  oov. 
Diese  Anordnung,  in  welcher  der  Meineid  als  eine  zur 
zweiten  Tafel  gehörige  Sünde  wider  den  Nächsten  erscheint,  ent- 
spricht in  keiner  Weise  der  Reihenfolge  der  Gebote  in  Ex.  20. 
Man  vergleiche 
LXX.  Ex.  20,  13.   ov  (/oixtvöeig 

14.  ov  xkerpeiq 

15.  ov  <povevö£iq 

16.  ov   tytvöofiaoxvQrjöeiq  xaxa  xov  jiXrjöiov  oov 

(laoxvQiav  ipsvörj. 

Auch  Lev.  19  ist  eine  abweichende  Reihenfolge  der  Gebote 
zu  beobachten,  aber  insofern  ist  eine  Ähnlichkeit  mit  der  An- 
ordnung in  Mt.  5  vorhanden,  als  Lev.  19,  12  das  Verbot  des  Mein- 
eids unmittelbar  mit  den  Geboten  der  zweiten  Tafel  zusammen- 
hängt. 

Noch  merkwürdiger  ist  aber  in  Mt.  5,  33  und  43  der  Wort- 
laut. Vergleiche,  was  Mt.  5,  43  anlangt,  die  zu  Lc.  6,  27  zu 
gebenden  Erläuterungen.  Hier,  bei  Mt.  5,  33,  ist  zu  constatieren, 
dass  der  Wortlaut 

ovx  ejcioQxrjGeiq 
im  ganzen  A.T.  sich  nicht  wiederfindet,  dass  aber  am  nächsten 
kommt  Lev.  19,  12:  IjjttÜS  ittfln  WS©n  xVr=LXX:  xal  ovx 
6(i€lo&e  xcö  ovofiaxl  (iov  ex  aölxco  oder  wie  es  besser  griechisch 
wiedergegeben  werden  könnte:  xal  sv  xm  ovofiaxi  (iov  ovx 
IjuoQx/jOexs.  Denn  "(püb  ?2ttb  ist  gleich  sjcioqxbIv.  Wenn  man 
nun  sich  gegenwärtig  hält,  dass  nach  der  in  diesem  Fall  sicher- 
lich begründeten  Quellenkritik  Wellhausens  und  Anderer  in 
Lev.  19  gewiss  öfter  als  sich  genau  nachweisen  lässt,  der  Wort- 
laut älterer  Quellen  beibehalten  ist,  sowie,  dass  der  in  Lev.  19 
benutzte  Urtext  in  der  Anrede  das  „Du"  erhalten  habe,  während 
das  „Ihr",  welches  mehr  als  einmal  in  Collision  mit  dem  Con- 
text  komme,  der  Hand  des  Bearbeiters  angehöre,  so  ergibt  sich 
als  Urtext  von  Lev.  19,  12  für  das  Verbot  des  Meineids  die 
Fassung:  "iJ5T©b  ^EÜS  JPDt&ri  X'b,  also  fast  wörtlich:  ovx  sjiioq- 
xfjoEiQt  mithin  der  sonst  im  A.  T.  nirgends  nachgewiesene  Wort- 
laut, welcher  Mt.  5,  33  in  der  Bergpredigt  enthalten  ist.  Gewiss 
sehr  merkwürdig!     Und  merkwürdig  ist  es  nicht  minder,  dass 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  5,  33.  34.  35a.  93 

seiner  Zeit  von  dem  so  unglücklich  geendeten  Schapira  genau 
dieser  Text:  "ij?tBb  ■'"COa  ttVST}  xVl  —  produziert  worden  ist. 

Der  Zusatz  in  Mt.  5,  33:  ajtoöojosig  ös  xcp  xvglco  xovg  ög- 
xovq  oov  klingt  an  Deut.  23,  22  an  (hebräischer  Text),  ist  aber 
auch  weder  an  dieser  Stelle  noch  sonst  wo  im  mosaischen  Gesetz 
wörtlich  wieder  zu  finden.  Für  diesen  Zusatz  bietet  Aphraates 
unter  a)  den  anderen:  „Und  wer  da  (falsch)  schwört,  soll  des 
Gerichts  schuldig  sein",  offenbar  aus  Mt.  5,  21  herübergenommen. 
Ganz  abweichend  hat  das  arabische  Diatessaron:  sed  clama  ad 
Deum  in  fide  tua.  Das  zweite  Aphraates-Citat  gibt  mit  der 
auffälligen  Variante  „bei  euch  selbst"  im  wesentlichen  den  Text 
von  Ex.  20,  7  wieder.  Der  Cod.  Colbertinus  hat  auch  hier  (wie 
Mt.  5,  27):  dictum  est  ab  antiquis. 

Mt  5,  34.  35» 

a.  Just.  Apol.  I,  16.  p.  63  D. 

xegl  de  xov  firj  of/vvvai  oXojg,  xaXrfri]  öh  Xeysiv  äei,  ov- 
xcog  jcagexeXsvoaxo    (ii)  oiiöorjxe  oXatg. 

b.  Const.  VII,  3.  p.  200,  11. 

ovx  ijtiOQxrjOEiq-  iggi&rj  yag  (irj  ofiooai  oXcog. 

c.  Epiph.  XIX,  6.  p.  44  C. 

xal  jcäXiv  ev  xop  svayyeXlqp  Xsyovxog'  fir)  dfivvvai  (irjxe 
xbv  ovgavov  [ir'xe  xr\v  yrjv  (ir/xs  exegov  xiva  ogxov. 

d.  Jac.  5,  12. 

jigo  jcccvxcov  öt,  äöeXcpoi  [iov,  firj  ofivvExe  fir'jxe  xov  ov- 
gavov (irjxe  xi)v  yr\v  fit'jxe  aXXov  xiva  ogxov. 

e.  Hom.  Cl.  III,  56.  pTöl,^. 

xolg  öh  avxov  öiaßsßaiovfievoig  kv  vaco  slvai  styl]'  fiV 
ofioOTjxs  xov  ovgavov,  6x1  &gövog  &sov  söxiv,  firxe 
xr/v  yijv,   oxi  vjcoxoötov  xcöv  jioöojv  avxov  köxiv. 

f.  Iren.lv,  275. 

Ne,  inquit,  juraveritis  in  totum,  neque  in  caelum,  quo- 
niam  thronus  est  Dei,  neque  in  terram,  quoniam 
scabellum  est  pedum  ejus. 

g.  Mt.  5,  34.  35a. 

eyco  öh  Xeyco  vfilv  fir/  ofioöai  oXcog'  (ir'xe  ^v^jtm  ov- 
gavop,  ort  frgövog  soxlv  xov  &eov  fir'xs  ^JJj  yfh 
oxi  vjiojioÖlov  eaxiv  xcöv  jcoöcöv  avxov. 


94  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

h.  Const.  V,  12.  p.  140,  16. 

öio  XQV   x**v  frsov  avi^QODstöv  coc  xqioxkxvw  fitjxs  ?)Xtov 

oftvvvcu  fiyrs  fi/jv  otXr\vqv  [iqxs  aöxoa  (iijxs  p)v  ovga- 

vov  y  yyv  tj  xi  xc5v  oxoixtloyv  (iixobv  i)  fis'ya. 
[i.  Didasc.  V,  12.  p.  311. 

•5:6  XQV  XQl(ixlavnv  phx*  rjXiov  6(ivvvai  [ifjxe  xwv  CTOiytimv 

iuxqov  i)  fitya.] 

Hier  tritt  in  der  Construktion  dieselbe  Verschiedenheit, 
nämlich  der  auch  sonst  in  neucestamentlichen  Texten  bemerkte 
Wechsel  zwischen  Imperativ  und  Infinitiv,  hervor  wie  zu  Mt. 
5,  27.  28  in  den  Formen:  turj  sjti&vfiTJöyq  —  ovx  sjti&vfit'/öeig  — 
////ds  ejii&v[j£lv.  Denn  während  Justin  und  die  Homilien  [irj 
oftoorjxs,  Jacobus  fir/  ofivvsxs,  Irenaeus  ne  juraveritis  lasen, 
vertreten  Epiphanius  in  fir)  ofivvvai,  die  Constitutionen 
(und  die  Didascalia)  in  ofiooat  mit  dem  canonischen  Texte 
den  Infinitiv.  Dabei  sind  oXmq  (Just.,  Mi,  Const.)  =  in  totum 
(Iren.)  =  jiqo  jcävxmv  (Jac.)  jedenfalls  Übersetzungsvarianten 
eines  semitischen  Quellen  Wortes.     Welches? 

Die  jakobeische  Fassung  des  Logion  kehrt  bei  Epiphanius 
wieder,  aber  nicht  als  Citat  aus  dem  Jacobusbriefe,  sondern  mit 
der  Citationsformel :  xai  jtaXiv  ev  x<p  svayyeXlm  Xtyovxoq.  Da- 
bei machen  die  Abweichungen  von  dem  jacobeischen  Texte 
(ofivvvat  statt  o[ivvex£,  %xeqov  statt  aXXov)  die  Annahme  un- 
wahrscheinlich, dass  Epiphanius  beabsichtigt  habe,  Jac.  5, 12 
zu  citieren  und  dass  er  nur  durch  einen  Gedächtnissfehler  dazu 
gekommen  sei,  von  einem  evayyiXiov  zu  reden.  Die  accusati- 
vische  Fassung:  xov  ovoavov,  xi)v  yr/v,  worin  Epiphanius 
mit  Jacobus  übereinstimmt,  sowie  mit  Irenaeus  und  den 
Const.  sich  berührt,  war  auch  in  der  von  den  Clementinen 
benützten  Evangelienquelle  vorhanden,  obwohl  im  Übrigen  das 
Homiliencitat  dem  canonischen  Texte  nahe  steht. 

Mt.  5,  35".  36*. 

a.  Const.  V,  12.  p.  140,  21. 

(iTjxe  [trjv  xov  ovquvov  avxov  (hXXrjVLxov  yao  xo  övooeßr/fia), 
(itjxe  (itjv  JEQOvöaXrjfi  //  xa  xov  &eov  ayta. 

b.  Iren.  IV,  36,  5. 

de    quo   et   antea   dixit:    Neque   in   Hierosolyma  jures, 
quoniam  civitas  est  magni  regis. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  5,  35.  3G.  95 

c.  Iren.  IV,  4,  1. 

Adhuc  et  de  Hierusalem  et  de  Domino  audent  dieere,  quo- 
niam  si  esset  magni   regis  civitas,  non   derelinqueretur. 

d.  Mt.  5,  35b.  36a. 

fif'jzs  dq  IsQoöoZvfia,  ort  xoXiq  soxlv  xov  (iejaXov 
ßaöiXtcoq,  [ttjre  tv  xrj  xe<paX?]  oov  ofiooyq. 
In  fast  allen  alten  patristischen  Citaten  werden  die  in  Mt. 
5,  35b.  36  enthaltenen  Worte  übergangen,  indem  der  Context  von 
Mi  5,  34.  35a  sofort  auf  v.  37  überspringt.  Dieselbe  Wahr- 
nehmung macht  man  bei  den  canonischen  Parallelen  2.  Cor. 
1,  17 — 20  und  Jac.  5,  12.  Daraus  muss  man  die  Folgerung 
ziehen,  dass  in  der  vorcanonischen  Quelle  der  Context  von  Mt. 
5,  35b.  36  hier  nicht  enthalten  gewesen  ist.  Gehörten  vielleicht 
diese  Worte  ursprünglich  in  einen  anderen  Zusammenhang  der 
Herrenreden?  Bei  Mt.  5,  36  ist  dies  wahrscheinlich.  S.  das 
Folgende.  Dagegen  v.  35b  bildet  für  sich  keinen  selbstständigen 
Gedanken  und  steht  überdies  mit  der  —  Juden  christlich  gedach- 
ten —  Praedicierung  Jerusalems  als  der  jtoXiq  xov  fteyaXov  ßa- 
oiXicoq  innerhalb  der  evangelischen  Texte,  sowie  des  neutesta- 
mentlichen  Canons  überhaupt  völlig  isoliert  so  dass  diese  Worte 
aus  dem  Urevangelium  nicht  abzuleiten  sein  dürften. 

Mt.  5,  36b. 

a.  Clem.  AI.  Paed.  III,  3,  16.  p.  262. 

ovdtlq  de  aXXoq.  qprjolv  o  xvoioq,  övvaxai  xoirjoat  xQi%a 
Xevxtjv  rj  fisXcuvav. 

b.  Tertull.  de  cultu  feminarum  Lib.  II.  c.  6 

Sed  enim  Deus  ait:  Quis  vestrum  potest  capillum  album 
atrum  facere  aut  album  ex  atro? 

c.  Mt.  5,  36b. 

oxt   ov   övvaaai  ftiav    T(>(xa    Xtvxijv    jtoitjöcu  1}    fis- 

Xaivav. 

Der  ursprüngliche  Wortlaut  dieses  Logion  dürfte  bei  Ter- 
tullian  erhalten  sein.  DennderText  T  er  tulli  ans  ist  vollständiger 
und  verständlicher;  dabei  erinnert  er  durch  die  Frage:  quis  vestrum 
ganz  an  rlq  et-  vficäv  Mt.  6,  27  =  Lc.  12,  25.  Mit  letzterem  Herren- 
wort ist  überhaupt  unser  Logion  sinnverwandt.  Dabei  ist  auch 
hier  die  Verwandlung  des  Fragesatzes:  quis  vestrum  potest  in  den 
verneinenden  Satz:  ovdelq  6h  aXXoq  övvaxai  —  zu  bemerken. 


96 


Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 


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3 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  5,  37.  97 

Der  bessere  Vergleiehung  halber  sind  die  Parallelen  zu 
den  beiden  Vershäiften  von  Mt.  5,  37  gesondert  gegeben.  Man 
sieht,  die  canonische  Fassung  von  Mt.  5,  37a  kehrt  in  diesen  Ci- 
taten  nur  bei  Ephraem,  sonst  nirgends  wieder.  Am  nächsten 
steht  dann  dem  canonischen  Texte  Gregorius  Nyssenus. 
Aber  auch  er  hat  neben  dem  o  Xoyoq  des  canonischen  Textes 
das  xo,  welches  in  den  aussercanonischen  Paralleltexten  das 
eigenthümliche  Kennzeichen  und  welches  jedenfalls  älter  ist,  als 
alie  uns  erhaltenen  Evangelienhandschriften,  da  in  keiner  der 
letzteren  dieses  charakteristische  xo  sich  findet  Epiphanius 
stimmt  auch  hier  speciell  mit  Jac.  5,  12  überein  in  dem  //to, 
wofür  sonst  durchgängig  eoxco  gelesen  wird. 

Paulus  hat  ebenfalls  das  xo  val  val  in  seiner  Evangelien- 
quelle gelesen,  vgl.  2.  Cor.  1,  17—20,  vielleicht  aber  auch  6  7.1- 
yoq  vficöv  vgl.  6  Aoyoq  rjficöv  2.  Cor.  \}  18.  Sollte  diese  letztere 
Annahme  zu  Recht  bestehen,  so  würde  sein  Text  mit  demjenigen 
des  Gregor  von  Nyssa  sich  gedeckt  haben.  Ein  Anklang  an 
das  xo  val  val  und  xo  ov  ov  findet  sich  übrigens  noch  bei  Clem. 
AI.  Strom.  VII,  8,  50.  p.  861:  ijtl  (isv  xTjq  ovyxaxafrtoecoq  fio- 
vov  xo  val,  em  de  xrjq  d.QV7)otcoq  xo  ov.  Bousset  (die  Evan- 
geiiencitate  Justins  des  Märtyrers  S.  72)  erwähnt  noch  Didymus 
Fragm.  ad  2.  Cor.  2,  23  (Migne  B.  XXXIX,  1688):  xsqi  tov  (irj 
öslv  ofivvvai  all'  syeiv  Xöyov  axaxayvwoxov  jceni  xov  val  ojg 
ovxozq  val  xal  xov  ov  caq  ovxmg  lyovxoq.  Also  ähnlich  wie 
im  Diatessaron  val,  ov  nur  einmal. 

Das  griechische  val  setzt  übrigens  im  Hebräischen  wahr- 
scheinlich yüüi  voraus.  Vgl.  z.  B.  Lc.  11,  51:  val  Xtyo) 
v(ilv  =  Mt.  23,36:  dfirv  liy<o  vtuiv  =  B3b  ^ä«  TöS  1£)K,  ferner 
Apoc.  1,7:  val,  dfi?]v  — Apoc.  3,  14:  xdöe  Xtyet  o  äfitjv,  sowie 
das  mit  Mt.  5,  37b  übereinstimmende  zweimalige  "j^K  "jEtf  in  den 
Betheuerungen  der  johanneischen  Reden.  Zu  dem  ganzen  Con- 
texte  vgl.  meine  Abhandlung  in  der  Ztschr.  f.  kirchl.  Wissensch. 
und  kirchl.  Leben  1888.  VI.  283—288  über  Mt.  5,34.  35.  37. 
Auch  beachte  man  noch  die  Parallele  zwischen  dem  val  in  Ps.- 
Petr.  v.  42  und  dem  dfitjv  der  üsqIoöoi  xcov  ayicav  djtooxoXmv 
in  den  Untersuchungen  zu  Mt.  28,  2 — 4. 


Texte  u.  Untersuchungen  X,  2. 


9g  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.   und  Mc. 

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Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  5,  37.  39.  99 

Übersetzungsvarianten,  deren  Vorkommen  in  canonischen  und 
aussercanonischen  Evangelienparallelen  häufiger  zu  beobachten 
ist.     Man  vgl.  Lc.  8,  12:  öiäßoXoq  =  Mc.  4,  15:  oaxaväq  =  Mt. 

13,  19:   o  xovrjooq  — ,  Lc.  10,  18:    oaxaväq  =  Hom.  Cl.  XVII, 

14.  p.  165,  23:  6  jiovrjQog  =  Hom.  Cl.  XIX,  2.  p.  178,  7:  o  jto- 
v?]ooq  —,  Lc.  4,  2.  3:  öiäßoXoq  =  Mt.  4,  3:  o  jiuoä^cov  — ,  Eph. 
4,  27:  fi/jXE  öiöore  xöjiov  reo  öiaßoXco  =  Hom.  Cl.  XIX,  2.  p. 
178,  9:  (irj  öoxe  xgöcpaoiv  xcö  JiovtjQcf)  (Agrapha  S.  211)  — 
Mt.  25,  41:  öiäßoXoq  =  Just.  Dial.  c.  Tr.  c.  76.  p.  301  D:  oaxaväq = 
Aphraat.  p.  318:  der  Böse  — ,  Hiob  1,  6  LXX:  öiäßoXoq  =  Aquila: 
oaxäv  — ,  Sach.  3,  1  LXX:  öiäßoXoq  —  Codd.  oaxäv  u.  s.  w.  Die 
Deutungsvarianten  sind  also  wirklich  —  promiscue  gebrauchte  — 
Ubersetzungsvarianten  geworden. 

Hierbei  notiere  ich  noch  aus  Act.  Phil.  B.  II,  4.  p.  292  ed. 
Tischendorf  das  Zeugniss  der  Anhänger  Jesu  i&aooeßeiq  'lovöcüoi) 
vor  Pilatus:  äjcsxoi&rjöav  ovxoi'  6  votuoq  rjficnv  6giC,ei,  i'va  [47]öev 
ofivvwfiev  =  Gest.  Pil.  III,  5.  p.  346:  Legem  habemus  non  ju- 
rare,  quia  peccatum  est  =  Cod.  C:  In  lege  nos  jurare  ex  toto 
peccatum  est.  Das  ex  toto  erinnert  an  Mt.  5,  34:  ,<///  ofiooai 
oXwq  =  Iren.  IV,  2,  5:  ne  juraveritis  in  totum  =  Jac.  5,  12:  Jigb 
xävxfav  fit)  ofivvf.xs. 

Mt.  5,  39». 

a.  Epiph.  Haer.  XXXIII,  6.  p.  221  A. 

eyob  ya.Q  Xiyco  i\uiv,  tui)  avxiox7jvai  oXcoq  xro  scov/jo<Z. 

b.  Mt.  5,  39a. 

eyw  öl  Xt'yo)  vfitv,  fit)  ävxi(ixr\vai  xrö  jiovtjnoy. 

Die  aussercanonische  Variante  oXcoq  aus  Epiphanius  habe 
ich  nur  der  Vollständigkeit  wegen  nicht  übergehen  wollen. 
Wichtigkeit  ist  ihr  nicht  beizulegen.  Der  Mangel  aller  Parallel- 
citate  in  der  ältesten  christlichen  Literatur  zeigt  vielmehr  deut- 
lich, dass  wir  es  hier  mit  einer  späteren  Textgestalt  zu  thun 
haben,  welche  in  dieser  Form  dem  letzten  Redaktor  des  ersten 
canonischen  Evangeliums  angehören  wird.  Mit  Bestimmtheit 
halte  ich  die  in  den  Agrapha  S.  247  ausgesprochene  Vermuthung 
aufrecht,  dass  der  ursprüngliche  vorcanonische  Text  hier  die 
Worte:  //>)  äjtoötöovxeq  /.cc/.bv  ävxi  xaxov  xxX.  enthalten  habe, 
wie  es  aus   1.  Petr.  3,  9:    1.  Tri.  5,  15;  Polyc.  ad  Phil.  II,  2,  in 


100  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

den  Actis  Philippi  c.  3  ersichtlich  wird.     Im  übrigen  vergleiche 
Agrapha  S.  129.  244—248.  291. 

Mt.  5,  41. 

a.  Just.  Ap.  I,  16.  p.  63  B. 

jtavrl  6h  dyyaQEvovrL  oe  fiiXiov  axoXov&/]öov  ovo. 

b.  Hom.  Clem.  XV,  5.  p?147,  29. 

dyyaoEvovrt  6h  fiiXiov  ev  övvajceQxeöfrcu  6vo. 

c.  Jiö.  1,  4. 

edv  dyyaQEvOi]  Os  ng  fiiXiov  ev,  vjtaye  {ist  avrov  ovo. 

d.  Const.  VII,  1.  p.  198,  17. 

hav  dyyaosvO?]  oe  rig  fiiXtov  ev,  vjtaye  fier'  avrov  ovo. 

e.  Iren.  IV,  13,  3. 

Et  si  quis  te,  inquit,  angariaverit  mille  passus,  vade  cum 
eo  alia  duo. 

f.  Cod.  Cantabr.  Mt.  5,  41. 

xal  öoriq  Os  ayyaoevEL   fisiXiov  ev,   vjiayE  (ist*  avrov 
sri  aXXa  ovo.     [Lat.:  adhuc  alia  duo.] 

g.  Syr.  Cur.  Mt.  5,41. 

oönq  os  ayyaQEVEL  fiiXiov,  vxays  (isr*  avrov  ovo  aXXa. 
h.  Mt.  5,  41. 

xal  oonq  Oe  dyyagEvOEi  fiiXiov  ev,  vjtaye  (isr   avrov 

ovo. 
i.  Cod.  Colbert.  Mt.  5,  41.  p.  6  ed.  Belsheim. 

Et  quicunque  te  angariaverit  mille  passus,  vade  cum  illo 

adhuc  alia  duo. 

Dass  diesem  (von  Lc.  in  seiner  Redaktion  der  Bergpredigt 
weggelassenen)  Logion  ein  hebräischer  Quellentext  zu  Grunde 
gelegen  hat,  erweisen  die  mehrfachen  Übersetzungsvarianten, 
deren  Zahl  bei  der  Kürze  des  Wortes  um  so  mehr  überrascht: 
jtavrl  ayyaQEvovri  Oe  =  Eav  dyyagEvo?]  Os  riq  (auch  Bas.  und 
Chrys.  haben  wie  die  AiöayJ)  die  Construktion  mit  kdv)  =  oong 
OE  ayyaQEVEL  =  oönq  oe  dyyagEvOEt  =  7\T\$  ttftsrrbs  (im  Betreff 
dieser  verallgemeinernden  Participialform  und  ihrer  verschiedenen 
Übersetzungen  in  den  gnomenartigen  Herrensprüchen  vergleiche 
das  zu  Mt.  5,  22  Gesagte,  wonach  in  diesem  Fall  Justin  mit 
seinem  jtavrl  ayyaQEvovri  Oe  die  am  meisten  hebraisirende  Ver- 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  5,41.  47.  101 

sion  erhalten  hat)  — ,  ferner  dxokov&eiv  =  OvvaxiQxtG&ai  = 
vjtdyeiv  (isra  rivog,  welche  Varianten  als  Urtext  ins:  -jbH 
voraussetzen.  — Prof.  Nestle  notiert  noch  aus  Wordsworth- 
White,  dass  auch  Hieronyrnus  mit  vielen  Handschriften  et 
vor  alia  liest.  —  Die  Retroversion  von  dyyaoeteiv,  welches  im 
Septuaginta-Griechisch  fehlt,  ist  schwierig.  Das  Londoner  N.  T. 
gibt  pi»  (vgl.  Jud.  16,  16:  WSbKWl  =  LXX:  xal  naosvwilrjöEv 
[Cod.  Vat.  £özsvoxcüqt]6£v]  avrov),  Delitzsch  DDK,  Salkinson  iDM. 
Letzteres  scheint  mir  für  den  Sinn  des  dyyaosvEiv  in  Mt.  27,  32  = 
Mc.  15,  21  sich  am  besten  zu  eignen.  — Der  Erwähnung  werth 
ist  noch  das  jüdische  Citat  unseres  Logion  in  dem  Liber  Toldos 
Jeschu  p.  22  ed.  Wagenseil:  HOID  W  Tb  "HttSb  "Him  -|ESO  Dtfl 
:rnKO"lB  ^StD  *323?  Tb"1  i-  e.  Si  dicat  Judaeus  Nazareno:  vade  me- 
cum  milliare  unum,  eum  is  per  milliaria  duo  prosequi  debet. 

Mt.  5,  47. 

a.  Hom.  Clem.  XII,  32.  p.  132,  6. 

[6  öixatog]  —  fit)  dojcaC,ofisvoig  döjid^erat. 

b.  Syr.  Cur.  ad  Mt.  5,  47. 

lav  yag  dojcdorjod-E  rovg  aösZqpovg  vfioJv  f/ovov,  ütola 
vfiiv  yäoig  eotlv;  ovyl  xal  ol  e&vixol  ovtco  jiolovöiv. 

c.  Mt.  5,  47. 

xal   eav   dojiaG?)6&s   rovg    aöeX(povg  vtuo5v  [lövov,  xl 

xsQioobv   jcoisite;   ov%l   xal  ol  e&vixol  rb.  avrb  jcoi- 

ovot. 

Auch  dieses  Logion  hat  die  kürzende  Hand  des  Lucas  weg- 
gelassen. Dass  es  aber  im  Urevangelium  gestanden  hat  und 
von  da  in  die  Redaktion  des  ersten  Evangeliums  übergegangen 
ist,  erweist,  abgesehen  von  dem  Parallelismus  membrorum,  der 
die  Vierzahl  fordert  (vgl.  Agrapha  S.  24),  die  aussercanonische 
Parallele  in  den  Clementinen,  deren  Text  allerdings  nicht 
vollständig  erhalten  ist,  aber  doch  hinreicht,  um  seine  Unab- 
hängigkeit von  der  canonischen  Fassung  des  Logion  darzuthun. 
Denn  sichtlich  hat  der  volle  Text  der  von  den  Clementinen  be- 
nützten Quelle  gelautet:  idv  dojcäörjo^e  rovg  a6xaCotutvovg  vfjäg. 
was  an  sich  besser  ist,  als  das  canonische  rovg  ddeXyovq  vf/cöv, 
aber  auch  dem  Parallelismus  von  Mt.  5,  46  ==  Lc.  6,  32:  hav  dya- 
jtf]Otjr£  rovg  dyajrävrag  vtuag  xrX.,  Lc.  6,  33:  tav  ayad-ojroirjre 


102  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

xovq  dya&ojroiovvxaq  vfiäq  in  viel  schärferer  Weise  entspricht.  — 
Über  die  Varianten  xl  xeqiggov  =  xoia  x<XQlS  vgl-  Lc.  6,  32. 

Mt.  6,  1. 

a.  Clem.  AI.  IV,  22,  140.  p.  627. 

lav  xonjoi/g,  (prjoiv,  eX£?)[ioGvv?]i>,  fujösig  yivmox£xaj. 

b.  Just.  Apol.  I,  15.  p.  63  AB. 

xai   (Jt)    Ttoirjte    xavxa    jrQoq    xb  &eafrf]vai  vjtb   xcöv 
dv&Q(6ji(ov  ei  de  fir/ye,  [uod-ov  ovx  eyexe  Jtaoa  xov 
xaxQoq  v(((5v  xov  kv  xolq  ovoavolq. 
c  Mt.  6,  1. 

jcQootxtxE  öh  xt]i>  öixaioGvvtjv  [Syr.  Cur.:  öoGiv]  vficov  (i?) 
xoielv  efijtnoöd-ev  xcö  v  dvd-Qcojtmv  jtqoq  xb  &ea&?}vcu 
avxolq  sl  öh  fit'jys,  {iiofrov  ovx  1%£X£  Jiccpa  xm  jtaxoi 
vf/mv  x q~j  ev  ovoavolq. 

Die  Varianten  öixaioGvvi]  (Mt.)  und  iXEtjfioOvvrj  (Clem.  AI.), 
in  welche  sich  auch  die  Codices  und  alten  Versionen  theilen, 
wie  auch  die  dritte  Variante  öoGiq  im  Syr.  Cur.  und  in  Cod.  tf 
weisen  sämtlich  auf  das  hebräische  Quellenwort  nj2*J2i  zurück, 
welches  z.  B.  Jes.  1,  27  von  der  LXX  ebenfalls  mit  iXErjfioovvTj 
wiedergegeben  ist,  wie  denn  auch  np"T2,  XPpli?  im  Aramäischen 
ganz  gewöhnlich  die  Bedeutung  von  Almosen  hat.  In  Mt.  6,  3 
geht  ja  auch  der  canonische  Matthäustext  selbst  in  den  Aus- 
druck eXet] f/oGvvt]  über.  Sichtlich  liegt  also  hier  ein  hebräischer 
Qnellentext  zu  Grande.  Die  gleichzeitige  Hinweisung  auf  die 
evydq  und  eXEtitioGvvaq  in  Aiö.  XV,  4:  xaq  Öh  £vyaq  vfiojv  xai 
xäq  £X£7]fioGvvaq  xai  jiaGaq  xaq  jtoa£,£ig  ovxa>  jcouJGaxe,  coq 
tXexe  ev  xcö  EvayyfXio)  xov  xvqiov  ij/ioZv  —  dürfte  ein  Anzeichen 
von  dem  Gebrauch  des  ersten  canonischen  Evangeliums  sein  (vgl. 
Wohlenberg,  Die  Lehre  der  zwölf  Apostel  in  ihrem  Verhält- 
nis zum  neutestamentlichen  Schriftthum  S.  6.  7.  32),  da  es  frag- 
lich ist,  ob  die  in  Mt.  6,  1  — 15  vorliegende  Verbindung  von  Al- 
mosen und  Gebet  auch  im  Urevangelium  stattgefunden  hat.  — 
Im  Übrigen  vgl.  man  noch  Marshall  im  Expositor  1892.  August. 
S.  SS.  89,  wo  der  Umstand  notiert  ist,  dass  die  Rabbinen  Prov. 
10,2;  11,4  nj?"2  =  LXX:  öixaioGvvtj  mit  „Almosen"  wieder- 
geben. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  C,  1,  2.  3.  103 

Mt.  6,  2. 

a.  Aristidis  Apologia  c.  XVI.  ed.  Robinson  and  Harris,  p.  50. 

But  the  good  deeds  which  they  do,  they  do  not  proclaim 
in  the  ears  of  the  inultitude,  and  thev  take  care  that  no 
one  shall  perceive  them. 

b.  Mt.  6,  2. 

oxav  ovv  Jtoiijg  £?.£?]iuoövi>?]v,  (ir/  öaAjtiöiig  £[HiQOG'&ei> 
Oov,  cÖojcsq  ol  vxoxQirai  jtoiovoiv  ev  xcüg  Ovvaycoyalg  v.ax 
sv  xaig  gvfiaiq,  ojtcog  6o$,aO&cöoiv  vjto  xwv  av&Qwjtcov. 
Es  ist  freilich  nur  der  syrische  Text  (in  englischer  Über- 
setzung), welcher  in  der  von  Aristides  gegebenen  Schilderung 
der  Christen  und  ihres  Lebens  obigen  Anklang  an  Mt.  6,  2  er- 
tönen lässt.  Die  Zugehörigkeit  des  Abschnittes  Mt.  ö,  1  ff.  zur 
Urschrift  nnd  speciell  zur  ursprünglichen  Bergrede  steht  für 
"Weiss  (Matthäusevangeliuni  S.  177  Anm.)  ausser  Zweifel.  An 
die  Worte:  that  no  one  shall  perceive  them  (dass  Niemand  sie, 
sc.  die  guten  Thaten,  die  Wohlthaten,  wahrnehme)  —  erinnert 
fast  wörtlich  der  aussercanonische  Text  bei  Clem.  AI.  Strom.  IV, 
22,  140.  p.  627:  lav  Jtoiyoyg,  <p?]6iv,  eXstjfioövvrjv,  firjöe)g  yi- 
vmOxhxm.  Hennecke  (Die  Apologie  des  Aristides  1893  T.  u.  U. 
IV,  3  S.  39)  reconstruiert  den  betreffenden  Aristides-Text  fol- 
gendermassen:  xd  de  dyafrd,  a  jroiovöiv,  ov  xtjqvxxovoiv  Im 
xcöv  o%Za)v  (poßoviievoi  (jtj  zig  aio&dvtjxai. 

Mt.  6,  3. 

a.  Theophil   ad  Autol.  III,  14. 

[ii]  yvoixco  yä{>,  (pr\oiv,  ?/  x£LQ  Gov  V  UQioxEod,  xl 
jtoitl  rj  xElQ  oov  V  degid. 

b.  Iren.  IV,  30.  3. 

Et:  Quum  facis  misericordiam,  non  sciat  sinistra  tua, 
quid  faciat  dextra  tua. 

c.  Mt.  6,  3. 

oov  6h  Jtoiovvxog  £ls?jfioovpf]v,  fit)  yvcoxoj  rj  aQiöxEQa 

oov,  xi  jtoiel  >i  de§iä  oov. 

Die  Übereinstimmung  mit  dem  canonischen  Texte  lässt 
voraussetzen,  dass  nicht  nurlrenaeus,  sondern  auch  Theophilus 
von  Antiochien  auf  Mt.  6,  3,  und  nicht  auf  der  vorcanonischen 
Quelle  fusst,  aus  welcher  das  Logion  zweifellos  stammt. 


104  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Mt.  6,  5. 

a.  Aiö.  VIII,  2. 

fiTjöh  jcQOOsvx^Od-s  cog  ol  vjioxqix  ai. 

b.  Syr.  Cur.  =  Cod.  Cantabr.  Mt.  6,  5. 

xai  oxav  tcqogevthji,  ovx  eör/  cog  ol  vüioxoixai. 

c.  Const.  VII,  24.  p  207,^23^ 

oxav  6h  jiqoGevx'tjG&e,  fir  yivsG&E  oogxeq^  ol  vxoxql- 
xai. 

d.  Mt.  6,  5. 

xal  orav  JtQoosvxrjGfre,  ovx  egeg&e  cog  ol  vjtoxoixat. 

e.  Diatessaron  ed.  Ciasca  p.  16b. 

et  cum  oraveris,  ne  sis  sicut  hypocritae. 

Das  Zusammentreffen  der  alten  syrischen  und  fast  sämtlicher 
altlateinischer  Übersetzungen  mit  dem  griechischen  Cod.  Cantabr., 
sowie  mit  Tatians  Diatessaron  in  der  singularischen  Fassung 
bezeugt  die  Abhängigkeit  dieser  vier  Zweige  von  dem  gemein- 
samen Urstamm  auch  an  dieser  Stelle.  Und  in  der  That  ist  der 
Singular  dem  vorausgegangenen  und  nachfolgenden  Context, 
welcher  m  Mt.  6,  3.  4  und  v.  6  einen  charakteristischen  Singular 
darbietet,  durchaus  entsprechend,  der  Plural  des  canonischen 
Textes  dagegen  wie  ein  Durchbrechen  des  im  Singular  sich  be- 
wegenden Tenors  der  ganzen  Stelle.  (Doch  siehe  das  im  Fol- 
genden Bemerkte.)  Die  Variante  yivEGfrai  =  eoeg&ui  ist  auch 
sonst  sehr  häufig. 

Mt.  6,  6. 

a.  Hom.  Clem.  III,  55.  p.  51,  24. 

xolg  6h  üiiGxevovGiv  (cog  al  yoa<pal  HyovGiv)  öxi  (ii)  jcavxa 
ßXsjtEii  kv  xm  xQvxxop  svx^o&E,  eIjiojv,  xal  6  jeaxi/Q 
vficov  6  ßXEJiwv  xa  xgvxxtt  ajioöcböEi  VfllV. 

b.  Clem.  AI.  Strom.  I,  6,  34.  p.  336. 

eI  Öe  ev  xop   xafiEiqp  £VXV>  cog  o  xvgiog  hölöa^E. 

c.  Test.  XII  patr.  Joseph,  c  3 

xal  EiöEQxöfievog  eIc  xo  xafiLElov  xQoOEvxofirjv  xvq'lco. 

d.  Mt.  6,  6. 

Gv  öe  oxav  üiqoGevxVk  etö£^#£  sig  xo  xafiEtöv  Gov 
xal  xXsiGag  xr\v  &voav  Gov  xgoGEvt-ai  xcö  Jtaxgi  Gov 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  6,  5.  6.  8.  jq5 

tv  reo  xovjirop,   xai   o   jiar7jQ  aov   o  plsütcov  tv  reo 

XQVjtrcö  ctTcoöcoöst  öot. 

Das  Simplex  tvxsofrai,  welches  die  Homilien  und  Clemens 
AI.  übereinstimmend  für  das  gebräuchlichere  Compositum  jtqoo- 
svxsö&ai  einsetzen,  findet  sich  noch  in  anderen  aussercano- 
nischen  Paralleltexten.  Vgl.  die  Texte  zu  Lc.  6,  27.  Die  plu- 
ralische Fassung  svxsoß-s  (Hom.)  vertritt  auch  noch  Cod.  Bobb. 
Taur. :  vos  autem,  cum  adoraveritis,  iotroite  etc  ,  einmal  auch 
Augustinus.  Vgl.  Tischendorf  S.  25.  Beachtenswerth  ist 
die  Benützung  des  Logion  in  den  Test.  XII  patr. 

Mt.  6,  8. 

a.  Hom.  Clem.  III,  55.  p.  51,  22. 

rolg  ös  vjtoXa^ißavovöiv,  ort  o  &£og  ov  jtQoyivcoöxei,  t<pt] ' 
olösv  yän  b  narr/n  vftcov  o  ovnavioq  ort  yQV&TS 
Tovrcov  ajtavrcov,  xqIv  avrov  ätZicoörjrs. 

b.  Cod.  Cantabr.  Mt.  6,  8. 

olösv  yäg  o  narrJQ  vf/mv,  a)v  XQsiav  txBT£>  ^P0  T°v 
vfiaq  avolgai  rb  Orbfia. 

c.  MmCS 

olösv  yao  o  jtazr/Q  vficov  cov  ygsiav  sxsrs,  tcqo  xov 
vfiäg  ahrjoai  avrov  [Ephr.  Syr.  Öpp.  I.  91  D:  airrjbao&ai 
avrov]. 

d.  Diatessaron  ed.  Ciasca  p.  17a. 

seit  enim  Pater  vester  petitionem  vestram,  antequam 
rogatis  eum. 

Die  Variante  xqJ]C,hv  für  das  canonische  yQ£iav  %X£IV  naDen 
wir  bereits  zu  Mt.  3,  14.  15  gefunden.  Für  bKO  =  bitten  haben 
wir  drei  Varianten:  ai-iovv  (Homilien,  ganz  aussercanonisch)  = 
ahrjoai  (Mt.)  =  alrrjoao{fai  (Ephraem).  Letztere  Lesart  ver- 
tritt auch  Paulus:  jtoirjoai  vjisqsxjisqiooov  cov  ahovfisfta.  Eph. 
3,  20.  Die  Lesart  des  Cod.  D:  xqo  rov  vfiag  ävolgai  rb  orbfia 
wird  nur  noch  durch  den  Codex  Claromontanus  h  (nunc  Vaticanus) 
vertreten,  steht  sonst  völlig  isolirt. 

Zu  bemerken  ist  ferner,  dass  der  Eingang  von  Mt.  6,  8:  fir) 
ovv  b/joioo&rjrs  avrolq  in  den  späteren  (aus  dem  Anfang  des 
zweiten  Jahrhunderts  stammenden)  Zusätzen  der  Esra-Apoca- 
lypse  durch  die  Worte  4.  Esr.  16,  52:  propterea  nolite  similari 


j()ß  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt,  und  Mc. 

ei  —  Verwendung  gefunden  hat.  Nach  Weiss  (Matthäus  S.  181) 
ist  Mt.  6,  8  „nur  eine  Reminiscenz  aus  Mt,  6,  32  (=  Lc.  12,  30)% 
eine  Auffassung,  welcher  ich  nach  Obigem,  namentlich  auf  Grund 
der  frühzeitigen  Benützung  des  Logion  durch  Paulus,  nicht  zu- 
stimmen kann. 

Mt.  r>,  14. 

a.  Clem.  AI.  Quis  div.  salv.  c.  39.  p.  957. 

fttm  yctQ  fiovm  övvarov  atpsotv  af/aoricöv  jiaQaGxtodai  xal 
[o)  XoyioaoOai  jcaQajrTc6tuata,  öxov  ye  xal  i]/Jli>  xaoaxz- 
Xevtxai  rrjg  ?)tut'Qag  txaörrjg  o  xvqioc  drpttrat  toic  aöeXcpoiq 
[teravoovOi. 

b.  Epiph.  Haer.  LIX,  5.  p.  497  C. 

TtäXiv  6\  o  xvniog  prjGiv  äcptrt  uXXt'/Xoic  rä  jraQu^TO^iara, 
Iva  xal  o  jrarijQ  vftcöv  o   ejiovQavioc  acptjasi  vfilv. 

c.  Mt.  6,  14. 

lav  yan  aqifjTS  rolg  dvO-Qcojtoig  ra  jiaQanTo^uaTa  avrpiv, 
äiptföei  xal  v}äv  o  JtarrjQ  vfidöv  o  ovQaviog. 

d.  Ephraem.  Syr.  Opp.  I,  106  A. 

oi'yywQ7]6ov  rä  adtX.cpqj  Oov,  idv  ijfiaQrtv  tlc  Ot,  xal  o 
xvqioc  övyxcoorjGfi  öol  rä  JiccoaxTcoftaTa  Oov. 

e.  Cod.  Colbert.  Mt.  6,  14.  p.  7.  ed.  ßelsheim. 

Si  enim  dimiseritis  hominibus  peccata  eorum,  dimittet  et 
vobis  pater  ve9ter  qui  in  caelis  est  delicta  vestra. 

Während  Clemens  AI.  hier  ganz  an  den  canonischen  Mat- 
thäustext sich  anschliesst,  bietet  Epiphanius  ein  Evangelien- 
citat,  welches  mit  dieser  Fassung  in  keinem  canonischen  Evan- 
gilium  sich  findet,  und  welches  von  Mt.  6,  14  durch  die 
imperativische  Ausdrucksweise  und  durch  das  entsprechende 
dXXtjXotg  abweicht,  sodass  es  dem  Sinn  nach  ganz  mit  Eph. 
4,  32b  yccQiQofisvoi  lavroTg,  xafrcog  xal  o  fteoc  tv  Xyiorrn  tya- 
QtOaro  vfiTv  übereinkommt.  Nimmt  man  nun  zu  lavrolg  = 
aXXrjXoig  als  hebräischen  Urtext  TTlKb  tthtf,  wie  Salkinson  in 
Eph.  4,  32  das  tavroic  wiedergegeben  hat,  so  haben  wir  hier 
die  grammatische  Erklärung  für  das  rolg  ävfrQcöjcoig  Mt,  6,  14 
und  für  das  rm  aöeXrpco  bei  Ephraem.  Der  Text  des  Letzteren 
weicht  anscheinend  noch  weiter  von  der  canonischen  Fassung 
Mt.  G,  14  ab.     Aber  auch  er  hat  die  imperativische  Fassung,  wie 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  6,  14.  10 — 18.  34.  ]Q7 

das  Epiphanius-Citat.  Die  Variante  ovyyojQtlv  =  atpuvai  =  ya- 
Qt^eofrai  (xccQiC,£6&ai  im  Sinn  von  äcpitvcu  als  lukauisch-pauli- 
nlscher  Übersetzungstypus  von  nbo  Lc.  7,  42.  43)  findet  sich 
aber  auch  sonst  noch.  Vgl.  zu  Lc.  23,  34 :  OvyymQr/Oov  avxolq 
bei  Ephraem  und  Epiphanius.  Der  Zusatz  xa  jianajixa){iaxa 
ist  noch  von  dem  guten  Cod.  L,  Cod.  Colbertinus  und  einer  An- 
zahl anderer  Zeugen  vertreten.  Die  Variante  tjtovQcwtoq  in  dem 
Epiphaniuscitat  findet  sich  auch  als  von  zahlreichen  Zeugen  ver- 
tretene Lesart  in  der  verwandten  Stelle  Mt.  18,  35.  Also  gerade 
durch  alle  Varianten  der  aussercanonischen  Paralleltexte  sieht 
man  auf  einen  gemeinsamen  Quellentext  hindurch,  der  Mt.  5,  14 
zu  Grunde  liegt.  —  Für  Hb!?  bringt  Nestle  noch  das  aramäische 
pytD,  auch  im  Syrischen  gebräuchlich,  in  Vorschlag. 

Mt.  6, 16-18. 

a.  Aid.  VIII,  1. 

al  öl  vijoxtiai  vfimv  fit)  loxcooav  [texct  xvtv  vjtoxqi- 
xcöv. 

b.  Clem.  AI.  Strom.  IV,  22,  140.  p.  627. 

xal  lav  vfjOxsvoijq.   aXtiipai,   tva  6  #c6c  tuovoq  yivoiöxy. 

c.  Mt.  6,  16. 

oxav  de  vrjoxevijxe,  ///}  yivEö&B  otq  ol  vjtoxQixai 
Oxvß  Qcojioi'  acpavi^ovOi  yan  xa  ütQoOcojia  avxcöv,  ojtcoq 
(pavmöLV  xolq  avfrQcbxoic,  vrjGxevovxeq'  «io)v  Xtyco  vfilp, 
ajctyovoiv  xbv  luofrov  avxcöv. 

d.  Mt.  6,  17.  18. 

oi)  öl  vrjoxevcov  aXtiipai  oov  x?)v  xatpaXi/v  xal  xo  jcqo- 
Oojjtov  oov  vlxpai,  ojto)c  (irj  (favyq  xotqdv&QO)jtoiqvr/OxEva)v, 
aXXa  xcä  jzaxoi  oov  xä>  Iv  xm  xQvtpalop. 

Die  Parallelen  in  der  diöayt'j  und  bei  Clemens  AI.  sind 
doch  wohl  nur  freie  Bezugnahmen  auf  den  canonischen  Text 
von  Mt.  6,  16 — 18,  so  dass  keine  ältere  Quelle  für  diese  Citate 
vorauszusetzen  ist. 

Ml.  6,  34. 

a.  Clem.  AI.  Paedag.  1.  12,  98.  p.  157. 

öiöäoxoiv  in)  ycto  [lEQifiväxE,   g»/oL  Jtenl  xt}~  avittov. 


108  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

b.  dem.  AI.  Paedag.  I,  5,  17.  p.  108. 

öio  xav  xolg  exofievoig  Xtyer  fit]  uegifiväxs  jtsgl  zfjg 
avgiov'  agxaxbv  yag  xf/  tjfitga,  ?/  xaxia  avxrjg. 

c.  Ephraem  Syr.  ed.  Twaites  p.  73. 

fit)  fisgifivt'joaxe  xtgi  xov  avgiov. 

d.  Mt.  6,  34. 

firj  ovv  fisgifivtjotjxe  elq  xt)v  avgiov  tj  jag  avgiov 
(isgifivyöei  tavxijg'  dgxexov  xr\  i]fiiga.  t)  xaxia 
avrrjg. 

Die  Varianten  sind  hier  untergeordneter  Art.  Sie  nöthigen 
in  keiner  Weise,  an  einen  hebräischen  Quellentext  zu  denken. 
Das  Logion,  obwohl  aus  guter  Überlieferung  stammend,  hat  doch 
wohl  kaum  in  den  ursprünglichen  Context  von  Mt.  6,  19—33  = 
Lc  12,  22—34  gehört.     Vgl.  Weiss,  Matthäus  202. 

Mt.  7,  6. 

a.  Ji6.  IX,  5. 

ugtjxev  o  xvgiog'  fit}  öcoxs  xb  dyiov  xolg  xvoi. 

b.  Clem.  AI.  Strom.  II,  2,  7.  p.  4327 

xcöv  de  ayicov  (itxaöiöövai  xolg  xvolv  djtayogevsxai. 

c.  Ephr.  Syr.  Ev.  concord.  expos.  ed.  Mösinger  c.  6.  p.  73. 

Nolite  dare  sancta  canibus. 

d.  Theodoret.  in  Ps.  65,  16.  p.  1049. 

fit)  ötöxs  yag,  tpifti,  xä  ayia  xolg  xvoi,  fit]öe  gixprjxs 
xovg  fiagyagixag  vficÖv  e/ijcgoö&sv  xcöv  %oigcov. 

e.  Mt.  7,  6. 

fit)  öcöxs  xb  äyiov  xolg  xvolv,  fir/öh  ßcthjxe  xovg  fiag- 
yagixag vficöv  tfuigoö&ev  xcöv  %oigcov,  fit'jjtoxs  xa- 
xaxaxrjöovöiv  avxovg  Iv  xolg  jtoölv  avxcöv  xal 
Oxgacpivxtg  gtj^coöiv  vfiäg. 

f.  Tertull.  ad  uxorem  II,  5. 

Nolite,  inquit,  margaritas  vestras  porcis  jactare,  ne 
conculcent  eas  et  conversi  vos  quoque  evertant. 

Obwohl  nach  seiner  Zugehörigkeit  zu  dem  Context  der 
Bergpredigt  zweifelhaft,  ist  dieses  Logion  doch  sicherlich  ein 
echtes  Herrenwort.  (Vgl.  Mt.  15,  26,  ferner  Weiss,  Matthäus 
S.  207  Anm.)     Gehört  doch  auch  zu  den  Varianten  gijtxeiv  und 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  7,  6.  15.  10Q 

ßäXXsiv  das  hebräische  'Tf^b'CJn  als  gemeinsamer  Queiientext. 
Die  Verwendung  des  Logion  in  der  Abendmahlsunterweisung 
Jiö.  IX,  5:  fiijötiq  öh  <payexco  [ir/de  jcuxco  ano  xrjg  EvxaoiGxiag 
vficöv,  uXX'  oi  ßajitioß-evTSQ  elg  ovofia  xvglov  xai  yäg  jtsnl 
xovxov  BiQ-rjxsv  oxvQiog"  fii]  öqjxe  xb  ayiov  xolg  xvoi —  ist  jeden- 
falls die  Quelle  geworden  für  den  bekannten  Ruf  in  der  späteren 
Abendmahisliturgie:  xä  ayia  xolg  ayioig.  (Vgl.  z.  B.  Const. 
VIII,  12.  p.  259,  13.)  Die  darin  liegende  Bezugnahme  auf  unser 
Logion  tritt  nach  der  pluralischen  Fassung  desselben:  xä  ayia 
(Theodoret)  =  sancta  (Ephraem)  noch  deutlicher  hervor.  Vgl. 
noch  Test.  XII  patr.  Levi  c.  8:  xal  i^pcoftioe  agxov  xai  olvov, 
ayia,  ay'icov.  —  Wahrscheinlich  sind  auch  grjyvvvai  und  ever- 
tere  (Tert.)  ==  onn  (vgl.  Ezech.  38,  20  Qrjyvvvcu^  Thren.  %Jl 
xa&aiQelv)  Ubersetzungsvarianten.  Das  Verbum  DHU  wurde  ur- 
sprünglich von  reissenden  Thieren  gebraucht.  —  Wie  ich  mir 
übrigens  die  Fortpflanzung  der  aussercanonischen  Übersetzungs- 
varianten auf  Schriftsteller  späterer  Jahrhunderte,  zu  deren  Zeiten 
das  Urevangelium  schon  längst  verschwunden  war,  vorstelle, 
habe  ich  in  Heft  I,  147  dargelegt. 

Mt.  7, 15. 

a.  Hom.  Cl.  XI,  35.  p.  120,  11. 

ov  x<zqiv  o  ajzooxEiXag  ?](täc  s<prj-  jcoXXol  kXEVöovxai  jcoog 
^fi^Jv  evövfiart  jiooßaxcov,  eocq&ev  ds  slöi'Xvxoi  c  q- 
Jtayeg. 

b.  Const.  IV,  13.  p.  173,  3  =  Didasc.  IV,  13.  p.  330. 

jieqI  mv  aG<paXi£6[i£VOg  rfiag  6  xvgiog  JzagrjyyEiXeV  eXev- 
aovxai,  Xeycov,  jtgog  Vfiäg  av&gwjtoi  kv  evdvfiaot  Jtgo ßä- 
zcov,  egcoB-sv  de  siat  Xvxoi  ägjtayeg. 

c.  Mt.  7,  15. 

jtQoöi%£xs  ajib  xcöv  y;Ev6ojtgoq>T)X(ov ,  oixivsg  tgxopxai 
ngog  vfiaq  ev  evövfiaoiv  Jigoßäxcov,  eöwfrsv  öt  eioiv 
Xvxoi  agjiayEg. 

d.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  35.  p.  253  B. 

JCQOOEXEXf  ajto  xcöv  ipEVÖojiQo<pi]xc5v,  oixiVEg  sXevGovxai 
xgog  v/xäg  tgoj&Ev  epöeöv/ievoi  ÖEQ/uaxa  jzgoßaxwv , 
Eomd-sv  öe  eIgi  Xvxoi  agjtaysg. 


HO  Ausseicanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

e.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  35.  p.  253  ß. 

eIjie  yaQ'  jtoXXol^XEvoovxai  sjtl  xm  ov6f/axi  (iov,  s^cofrev 
evöeövjjevoi  ötQftaxa  XQoßäxcov,   toco&sv  öe  eIol  Xvxoi 

aQjtayeq. 

f.  Just.  Apol.  I,  16.  p.  64  B. 

jioXXol  yccQ  qgovöiv  ejcl  xq>  6v6tuaxi  fiov,  E$,coft£v  {iev 
evöeöv{ievoi  ÖEQfiara  jtQoßaxcov ,  EGoifrsv  öh  övxEq  Xvxoi 
aQjcaysq. 

g.  Iren,  praef.  2.  =  Epiph.  Haer.  XXXI,  9.  p.  173  D. 

Iva    ovv    ,w/y    jiccqcc   xtjv   ijftsxeQav    alxiav    GvvaQjtaCwvxal 
xiVEq  cog  jcgoßaxa  vjco    Xvxcov   ayvoovvxEq   avxovq  öia 
xi)v  Et-co&EV   rrjq  JiQoßaxEiov  öoQaq  sjrißovXtjv,   ovq  <pv- 
JmöOeiv  jiaQtjyyEXxEV  tjfiiv  xvQioq. 
h.  PseudcPfgn.  ad  Heron.  II.  p.  266,  22. 

jtäq  o  XEycov  jtaoa  xa  öiaxsxayfitva,  xav  ägioJtiGxoq  y,  xav 

V1]GX£V)J,    Xav  JICCQ&EVEVI],    XCtV  GTjf/Eia  JIOITJ,    Xav  JtQOCpiJXEV?], 

Xvxoq  ooi  (paivEOftco  hv  JtQoßäxov  öoqü,  xgoßäxcov  <pfho- 

gav  xaxEoyaC,ötUEVoq. 
i.  Const.  VI,  13.  p.  172,  22. 

(pEvyEiv  avxovq  xovq  ejc    ovofiaxi  Itjgov  xal  MwGEcoq  Jto- 

ÄEfiOvOi  Xqioxcö  xal  MwöeI,  xal   kv  öoqcJ  JtQoßäxov  xov 

Xvxov  xaxaxovjtxo  voiv. 
k.  Chrysost.  in  Genes.  Serm.  7.  p.  680  B  ed.  Bened. 

xal  yccQ  ol  Maviyaloi  .  .  .  xo  Gxfjfia  ftsv  ExiÖEixvvvxai  ejci- 

tixiaq,   .  .  .  xal  xaxaxQVJtxovöi    x>/    öooa   xov  JtQoßäxov 

xov  Xvxov. 
1.  Clem.  AI.  Protrept.  I,  4.  p.  4. 

Xvxovq  6h  aXXovq  aXXtjyoQEi  jtQoßaxcov  ^^Si^Vf^Z 

EöflEVOVq. 

m.  PseüdVIgn.  ad  Philad.  IL  p.  230,  18. 

jtoXXol  yaQ  Xvxoi  xcoöioiq  ?}(i(pi£Gtu£voi  tföovjj  xaxij  aix~ 
fiaXcoxi^ovGL  xovq  &£OÖQÖ{tovq. 

n.  Epiph.  Haer.  XL,  1.  p.  291  BC. 

Et-at&EV  fihv  yaQ  dXrj&wq  xodÖlov  jtQoßäxov  i]tu(pi£Gxo, 
r\yvoElxo  ob  IvöoBev  Xvxoq  vjmxqxcov  aQjiat-. 

o.  Epiph.  Haer.  LXXVI,  5.  p.  941  X~ 

XCO  ElVai  flEV  OE  Jl£QlßEßXr/{ltV'0V  JtQoßäxov  xcoöiov^egoo&ev 
öe  Eivtu  äoxaya  xal  Xvxm  jiaQaߣßX?][ttvov. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  7,  15.  \\\ 

p.  Jiö.  XII,  5.  XVI,  3. 

JtQ00£XST6    CCJtO     TCÖV    XOIOIXGW.      XVI,   3.     OXQaffTjOOVXaL 

xa  JiQoßarct  elq  Xvxovq. 
q.  Const.  VII,  32.  p.  211.  30. 

xal  6TQa<f>7)<jovTcu  xa  jcQÖßaxa  elg  Xvxovq. 

Auch  dieses  Logion,  dessen  Erhaltung  im  Canon  wir  dem 
ersten  Evangelisten  verdanken,  gehört  ursprünglich  nicht  in  die 
Bergpredigt.  Aus  Aid.  XVI,  3  =  Const.  VII,  32  kann  man  den 
originalen  eschatologischen  Context  deutlich  erkennen  und  mit 
Sicherheit  schliessen,  dass  das  Logion  mit  dem  Mt.  24,  11.  12 
erhaltenen  Texte  organisch  zusammengehangen  hat.  Vgl.  Aiö. 
XVI,  3:  SP  yä(>  xalq  sGxäxaiq  fjf/SQaiq  jtfojfrvvfrfjoovxcu  oi 
y)tvöojiQo<p7)xai  xal  ol  <p$OQEiq  xal  OXQacp/]Oovxai  xa  jiqo- 
ßaxa  siq  Xvxovq.  Bei  Justin  Dial.  c.  35  findet  man  diese 
Wahrnehmung  bestätigt.  An  dieser  Stelle  nämlich  citiert  Justin 
das  Logion  unmittelbar  nacheinander  aus  zwei  verschiedenen 
Quellen,  das  eine  Mal  (d)  mit  derselben  Einleitung:  jtQoöex£T£ 
ax6  xcöv  xpsvöojtQOfpr/xwv ,  welche  wir  im  ersten  canonischen 
Evangelium  finden  und  welche  wahrscheinlich  der  erste  Evan- 
gelist dem  Logion  erst  hinzugefügt  hat,  das  andere  Mal  (e) 
ohne  diese  Einleitung,  dafür  aber  in  unmittelbarer  Verknüpfung 
mit  dem  Agraphon:  toovxai  oxiofiaxa  xal  aigioeiq,  dessen  ur- 
sprünglich eschatologischen  Zusammenhang  in  enger  Verbindung 
mit  Mt.  24,  11.  12  ich  Agrapha  S.  177  (vgl.  S.  282.  283)  nach- 
gewiesen zu  haben  glaube.  An  diesem  Punkte  wird  es  ganz 
evident,  dass  Justin  für  die  Herrenreden  auch  ein  ausser- 
canonisches  Evangelium  gebraucht  hat.  Denn  wenn  man 
in  dem  Citate  d  (trotz  mehrfacher  Varianten)  den  Einfluss  des 
ersten  canonischen  Evangeliums  zu  erkennen  hat,  so  ist  die  an- 
dere Quelle,  aus  welcher  Justin  das  Citat  e  und  das  Agraphon 
bezüglich  der  oxiöftaxa  xal  aiQtoeiq  schöpfte,  sicherlich  eine 
aussercanonische  Evangelienschrift  gewesen.  Diese  andere  ausser- 
canonische  Quelle  hat  Justin  auch  in  der  Apologie  benützt, 
wenn  er  c.  I,  16  (vgl.  Citat  f)  unser  Logion  unter  Weglassung 
des  canonischen  Exordium:  üiqoöe'/exe  ajto  xöjv  ipEvöox(>o(ß?]XGJi> 
mit  den  Worten:  xoXXol  rfeovGiv  beginnen  lässt.  Der  in  diesem 
zweimaligen  Citat  Justins  aus  seiner  aussercanonischen  Evan- 
gelienquelle hervortretende  Zusatz:  hd  xcü  ovö^iaxi  tuov  findet 
sich  in  der  grossen  eschatologischen  Kede  Jesu  Mt.  24,  5:  xoXXol 


\12  Aussercanonische  Paraileltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

yccQ  eXevoovxai  im  xcp  ovöfiaxi  ftou  fast  wörtlich  wieder,  ist  aber 
auch  in  dem  Constitutionen-Citate  (i)  zu  erkennen.  Mit  dem 
aussercanonischen  Zusätze  £§mfrev,  welches  ohnehin  durch  die  Anti- 
these des  eoco&ev  gegeben  ist,  steht  Justin  ebenfalls  nicht  allein, 
sondern  deckt  sich  hierin  mit  Irenaeus  und  dem  einen  Citat  (n) 
bei  Epiphanius.  Die  Einleitung  jtQootxexe  xxL  fehlt,  wie  zwei- 
mal bei  Justin,  so  auch  in  den  Clementinen  und  den  Con- 
stitutionen, und  hat,  wie  man  aus  dem  Citat  m  ersehen  kann, 
auch  bei  Pseudo-Ignatius  gefehlt.  Dagegen  klingt  sie  Aid. 
XII,  5  m  den  Worten:  jiqooiibxe  ujio  xoäv  xotovxcov  deutlich 
an,  so  dass  mit  Bestimmtheit  zu  schiiessen  ist,  was  sich  auch 
durch  sonstige  Beobachtungen  ergiebt,  dass  der  Redaktor  der 
Aidax?'j  neben  einer  aussercanonischen  Quelle,  die  er  wie  sonst 
so  auch  c.  XVI  in  Bezug  auf  unser  Logion  benützte,  das  erste 
Evangelium  gekannt  hat,  dessen  Spur  XII,  5  unverkennbar  ist. 
Das  Logion  hat  aber  auüh  schon  in  den  älteren  Häresiologien, 
aus  deren  Quelle  Irenaeus  und  Epiphanius  geschöpft  haben, 
Verwendung  gefunden,  und  zwar  nach  Texten,  welche  von  dem 
canonischen  Texte  noch  weiter  abliegen.  Wir  sehen  nämlich, 
dass  der  Ausdruck:  ei>övtuaxa  jiQoßaxcov  (Mt.,  Hom.,  Const.)  = 
ötQuaxa  jiQoßäxmv  (Just.)  in  jenen  alten  Quellen  mit  jiQoßaxsia 
öoQct  (Iren.)  =  xcööiov  jiQoßdxoy  (Epiph.)  variiert,  wie  auch  das 
svöeövfievog  des  Justin  mit  rj^pieontvoq  (Clem.  AI,  Pseudo-Ign., 
Epiph.  sub  n)  und  xEQißtßkriiibvoq  Epiph.  unter  0)=©^  —  mehr- 
fach wechselt.  Die  jrQoßaxsia  öoqcc  hat  sich  fortgepflanzt  als 
öoqcc  ngoßäxov  in  den  Constitutionen,  bei  Pseudo-Ignatius 
und  wirysostomus.  Das  xmöiov  XQoßäxov ,  weiches  Epi- 
phanius aus  seinen  häresioiogischen  Quellen  geschöpft  hat, 
vertritt  ebenfalls  Pseudo-Ignatius  sowie  vor  ihm  Clemens 
Aiexandrinus.  Vgl.  noch  Epiph.  Haer.  XLVI,  2.  p.  392  A:  a>g 
Zvxoq  Üqjzccz-  bvövofievog  jcgoßäxov  xcoöiov. 
Es  ergeben  sich  demnach  folgende  Varianten: 

n^toas  (i?te)  rvrr«  ^irhnb  pnio  ^arr  o^an  *>s 

jioXXoi  yao  e/.evüovxcu  hgw&ev  evöeövfit'voi  öeoftaxa  xooßaxcov 

rj^ovotp         tgtod-ev  tffKpuOfievot  xmöioig  üiQoßaxcov 

„  jtE{nßtßX^(iivot  OOOÖ.  XQoßaxov 

hv  tvdvnaoiv  jiooßäxmv 

Das  Logion   klingt  auch   an   in  der  paulinischen  Rede  Act. 

20,   welche  von  Anspielungen  auf  Herrenworte  durchtränkt  ist. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  7,  13.  16.  20.  \\% 

VgL  Act  20,  29:  oxi  eXevGovxül  —  Xvxoi  ßagslg.  In  dem 
vorausgegangenen  3sqoge%exe  ovv  kavxolg  Act.  20,  28  mochte 
man  sogar  eine  Parallele  zu  dem  jiqooexexe  in  Mt.  7,  i5B  er- 
kennen').  Auch  in  Apoc.  13,  11  kann  die  Schilderung  des  {h]~ 
giov  in  der  Ähnlichkeit  mit  xco  agviep  ein  Nachklang  unsers 
Logion  sein,  und  aas  um  so  mehr,  als  nach  dem  (Jrevangelium 
die  Mehrheit  der  y>Ev6o3tgo<pfjxai  (Mt  24,  11)  zuletzt  in  dem 
Antichrist  als  der  einheitlichen  Zusammenfassung  aller  Bosheit, 
als  dem  yyEfxcov  xr\g  xaxiag,  dem  6  sXsvGofiEvog  (vgl.  Orig.  zu 
Mt.  24,  24)  gipfeln  sollte,  mithin  die  Schilderung  des  Antichrists 
unter  demselben  Bilde,  in  welchem  Jesus  vor  den  Vorläufern 
des  Antichrists  gewarnt  hatte,  nahe  lag.  Vergleiche  noch  zu 
diesem  Logion  Bousset,  Die  Evangeliencitate  Justins  des  Mär- 
tyrers S.  93  f. 

Schliesslich  sei  noch  darauf  hingewiesen,  dass  der  Gegensatz 
von  xo  exxog,  xö  sgco,  xo  egco&sv  einerseits  und  xo  hvxog,  ev- 
öo&ev,  eGco&ev  andrerseits  in  den  Paralleitexten  zu  Lc  11,  39  = 
Mt.  23,  25,  die  Schilderung  der  Pharisäer  betreffend,  wiederkehrt. 

Mt.  7, 16».  >0. 

a.  Herrn.  Mand.  XI,  7.  p.  114,  5. 

ovxco  öoxifiäoeiq  xov  Jtgocprjxrjv  xai  xov  tp evö o 3t g o  <p i)  xrjv' 
axo  xr\g  C,cotjg  6oxl(iaC,e  xov  dv&gcojtov. 

b.  Herrn.  Mand.  XI,  16.  p.  120,  18. 

tXEig  ctfMpoxeooov  xcöv  xgoty/jxcöv  xtjv  C,corjv.  6oxifiaC,t  ovv 
und  xcöv  sgycov  xal  x/jg  ^cot/g  xov  av&gcoxov  xov  Xeyovxa 
tavxbv  jtvsvfiaxotpooov  slvai. 

c.  Aid.  XI,  9. 

cutb  ovv  xcöv  xgojccov  yvcoG&rjGExai  o  ipEvöoscgocprjx}}  g 
xal  o  xoo<pr\xr\g. 

d.  Just.  Apol.  1,  16.  p.  64  B. 

ix  xcöv  egycov  avxcov  kjiiyvcooEG&E  avxovg. 

e.  Mt.  7,  16». 

djio  xcöv  xagncöv  avxcov  EJiiyvcoGEG&E  avxovg. 

f.  MtT772a~ 

agaye  ctjtö  xcöv  xagjicöv  avxcov  EJiiyvcoGEG&e  avxovg. 


1)  Diese  Bezugnahme  würde  auf  ein  Beeinflusstsein  des  Lucas  durch 
das  erste  canonische  Evangelium  zurückzuführen  sein. 

Texte  u.  Untersuchungen  X,  2.  8 


114  Aussercanonische  Parallel  texte  zu  Mt.  und  Mc. 

Dass  Hermas  das  bezügliche  Logion,  und  zwar  nach  einem 
aussercanonischen  Texte  mit  der  Variante  sgycov  anstatt  xaouzmv 
vor  Augen  gehabt,  lehrt  die  Vergleichung  mit  Justin,  welcher 
ähnlich  wie  Hermas  ex  (äjto)  xoöv  tgymv  las.  Die  Lesart  ujib 
xä>v  xaoxwv  in  dem  canonischen  Matthäus-Text  hängt  mit  dem 
Mt.  7, 16b  —19  behandelten  Bild  von  den  Früchten  zusammen.  Auch 
die  Lesart  der  z/tda/??:  and  xmv  xqÖjicüv  weicht  von  dem  ca- 
nonischen Text  in  charakteristischer  Weise  ab  und  lässt  sich 
wie  äjio  xcov  eoywv  auf  das  hebräische  Stammwort  TWT12  zu- 
rückführen, da  TWT"ü  nicht  selten  auch  die  Art  und  Weise  des 
Handelns,  das  Thun  und  Treiben  des  Menschen  im  Allgemeinen 
(vgl.  Fürst  I,  770a)  ausdrückt.  Vergleiche  auch  die  Version 
tjiiztjdevfia  in  dem  Logion  Mt.  16,  27.  Ausserdem  besteht 
zwischen  Hermas  und  der  Aiöaxy  eme  Verwandtschaft  in  dem 
doxi(iaC,siv  vgl.  Alö.  XI,  11 :  jtäg  de  jtQO<p?'/x?]g  öeöoxifiaofievog  = 
Hermas  1.  1.  ovxco  öoxifiäoeig  xbv  jiQO<pr}xi]v.  Jedenfalls  stand 
das  Logion  ursprünglich  in  einem  andern  Zusammenhang  als  der 
canonische  Text  Mt.  7,  16 — 20  darbietet.  Die  verwandten  Paral- 
lelen bei  Hermas,  in  der  Jiöaxv  und  bei  Justin  gehen  mit 
ihren  Varianten  in  diesem  Falle  wahrscheinlich  nicht  auf  das 
erste  canonische  Evangelium,  sondern  auf  die  vorcanonische 
Quellenschrift  zurück.  Vgl.  ausserdem  die  Erläuterungen  zu  dem 
verwandten  Logion  Lc.  6,  44a. 

Mt.  8, 17. 

a.  Ign.  ad  Polyc.  1,  3.  p.  98,  1. 

jiavxcov  rag  vooovg  ßäoxa^e,  vog  xiXuog  ä&Xijxrjg. 

b.  Pseudo-Ign.  ad  Polyc.  1.  p.  254.  5. 

jiavxcov  xäg  vooovg  ßäöxa^e,  <ng  xiXuog  ad-Xrjx/jg,  coc  xal 
6  xvQLog  xävxmv  avxog  yag,  (prjoi,  xäg  äoftevelag  ?](Jic5v 
sXaßev  xal  xäg  vooovg  rj/icöv  tßäoxaösv. 

c.  MtsTn. 

ojitog  xXrjQoid-fi  xb  qtj&ev  öiä  Hod'iov  xov  3iQO(pi)xov  Xe- 
yovxog'  avxog  xäg  äö&Evelag  r^imv  aXaßev  xal  xäg  vböovg 
kßäoxaosv. 

d.  1.  PetrTSTSi. 

og  xäg  ä/iagzlag  ?](xäJv  avxog  ävr/veyxsv. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  8,  17.  9,  13.  115 

e.  Jes.  53,  4a.  LXX. 

ovxoq  xäq  afiaoxiaq  ijfiäJv  cpegst  xal  jcsqI  ?}ficöv  oövväxai. 

Die  Anordnung  und  die  Fassung  des  alttestain entlichen  Ci- 
tates  Jes.  53,  4  ist  vollständiges  Eigenthum  des  ersten  Evange- 
listen. Schon  die  einleitende  Citationsformel  ist  das  sichere 
Kennzeichen  des  Redaktors,  der  gerade  in  den  nicht  aus  dem 
Urevangelium  stammenden  alttestamentlichen  Citaten  stets  diese 
Citationsformel  anwendet  und  in  der  Wiedergabe  des  alttestament- 
lichen hebräischen  Textes  sich  unabhängig  von  den  LXX  erweist. 
Die  Anspielung  an  das  voOovq  ßadxa^eiv  bei  Ignatius  ist  also  ein 
sicheres  Kennzeichen  von  der  Benützung  des  ersten  canonischen 
Evangeliums.  Der  Redaktor  der  Pseudo-Ignatianen  hat  das 
wohl  erkannt  und  an  der  bezeichneten  Stelle  den  ganzen  Text 
nach  der  Fassung  des  ersten  Evangelisten  eingefügt.  Da  in 
1.  Petr.  2,  24  eine  Abhängigkeit  von  Jes.  53,  12  LXX  zu  statuieren 
ist,  so  haben  wir  für  das  hebräische  XTD3  ßacxä^uv  (Mt.)  =  yiouv 
(LXX) = ävcupsQeiv  (Jes.  53, 1 2)  als  synonyme  Ü  bersetzungs Varianten. 
Vgl.  dieselben  und  weitere  Übersetzungsvarianten  (nicht,  wie  hier 
aus  dem  A.T.,  sondern  in  ähnlicher  Weise  aus  dem  hebräischen 
Texte  des  Urevangeliums)   zu  Lc.  23,  26  und  Mt.  11,  29. 

Mt.  9, 13  =  Mt.  12,  7. 

a.  Hos.  6,  6,  LXX. 

öiori  tleoq  d-eXco  r]  d-voiav,  xal  ijiiyvcoöiv  &sov  ?} 
oloxavxco  fiaxa. 

b.  Hom.  Clem.  III,  5G.  p.  51,  34. 

xolq  de  jcQoXaßovOiv,  oxi  &voicöv  ooeyexat  u  freöq,  ig>rj' 
o  d-ebq  eXeoq  &elei  xal  ov  frvolaq,  kotiy vcoGiv  avxov 
xal  ov%  oloxavxco tuaxa 

c.  Mt.  9,  13. 

jiogevfrevxeq  de  tuäd-exe,  xi  eoxiv  eleoq  d-ela  xal  ov 
&voiav. 

d.  Mt.  12,  7. 

tl  de  eyvcöxeixe,  xi  koviV  tleoq  ü-elco  xal  ov  &vöiav,  ovx 
-,,  ,  ,      ,  — ~~ 

av  xaxtöixaoaxe  xovq  avaixiovq. 

Weiss  statuiert  mit  überzeugenden  Gründen,  dass  in  Mt. 
9,  13  das  Hosea-Citat  ein  Einschiebsel  des  Redaktors  ist,  wodurch 
der   zusammengehörige  Text  Mt.  9,  12.    13b  =  Mc.  2,   17  =  Lc. 

8* 


116  Aussercanomsche  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

5,  31.  32  bei  Mt.  auseinandergerissen  werde,  dass  dagegen  das- 
selbe Hosea-Citat  Mt.  12,  7  der  vorcanonischen  apostolischen 
Quelle  eigenthümlich  gewesen  sei.  Allerdings  habe  der  Ab- 
schnitt Mt.  12,  5 — 7  in  der  vorcanonischen  Quelle  einen  anderen 
Standort  eingenommen  und  einem  Zusammenhang  angehört,  wo 
das  eXeoq  &eXa>  einen  prägnanten  Sinn  gehabt  habe,  etwa  im 
Zusammenhang  mit  Krankenheilungen,  welche  die  Jünger  am 
Sabbath  im  Dienste  und  Auftrage  Jesu  vollzogen  hätten,  während 
die  Beziehung  des  eXeog  &eXa)  auf  das  Ahrenausraufen  von 
Seiten  der  Jünger  etwas  Missliches  und  Gezwungenes  habe. 
Vgl.  Weiss,  Matthäusevangelium  S.  246.  247.  312.  Für  diese 
Annahme  spricht  auch  der  Umstand,  dass  die  dem  Redaktor  bei 
seinen  eigenen  alttestamentlichen  Einfügungen  übliche  Citations- 
formel  Mt.  12,  7,  in  Folge  dess  auch  Mt.  9,  13,  wohin  das  Citat 
aus  Mt.  12,  7  übertragen  worden  ist,  fehlt.  Der  Paralleltext  der 
Cleraentinischen  Homilien  ist  unter  diesen  Umständen  kein 
Beweis  für  die  Abhängigkeit  von  dem  ersten  canonischen  Evange- 
lium an  dieser  Stelle,  zumal  da  der  Hoseatext  in  den  Clemen- 
tinen vollständiger  als  in  den  beiden  canonischen  Matthäus- 
Parallelen  wiedergegeben  ist.  Es  könnte  also  sehr  wohl  möglich 
sein,  dass  das  von  den  Clementinen  citierte  Herrenwort 
direkt  aus  der  Quelle  und  nicht  aus  dem  ersten  Evangelium  ge- 
schöpft worden  ist. 

Mt.  9,  28. 

a.  Aphraates  Hom.  I,  13.  p.  14  ed.  Bert. 

Und  da  ein  Blinder  zu  ihm  kam,  sprach  er  zu  ihm:  Glaubst 
du,  dass  ich  dich  heilen  kann?  Und  es  spracli~der  Blinde 
zu  ihm:  Ja,  JlerrTlch^ glaube. 

b.  Mt  9,  28? 

kX&ovzi  de  tlq  zi]v  olxiav  JtQOötjX&ov  avzm  ol  rv<pXoi,  xal 
Xtyei  avrolg  o  'irjöovQ'  Jiiozsveze,  ort  övvafiai  rovzo  jtoitj- 
öai;  XiyovöLV  avzm'  vai,  tcvqis. 

Die  Vorliebe  des  ersten  Evangelisten  für  Verdoppelungen 
ist  bekannt  und  als  Zeichen  einer  secundären  Redaktion  der 
Quellenstoffe  allgemein  anerkannt.  Vgl.  die  ovo  daifiovi^öijevoi 
Mt.  8,  28  gegenüber  dem  ccv&qcojtoq  iv  jtvevfiazi  axa^ägtcp  Mc. 
5,  2  =  Lc.  8,  27,  ferner  die  ovo  rv<pXoi  Mt.  20,  30  gegenüber  dem 
rv<pX6g  rig  Lc.  18,  35  =  BaQTifialoa  Mc.  10,  46,  ebenso  die  Ver- 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  9,  28.  29.  117 

doppelung  der  Esel  Mt.  21,  2  gegenüber  Mt.  11,  2  =  Lc.  19,  30. 
Es  ist  nun  sehr  bezeichnend,  dass  zu  der  canonischen  Lesart  xa- 
xa xrjv  xioxiv  v^imv  yEvr)&if]xa)  vfiiv  die  singularische  Fassung 
in  der  alten  Kirche  die  vorherrschende  war.  (Vgl.  das  nächste 
Logion.)  Auf  Grund  dieser  Wahrnehmung  fahndete  ich  schon 
laugst  nach  einem  aussercanonischen  Paralleltext,  in  welchem 
abweichend  von  der  späteren  Redaktion  des  ersten  Evangelisten 
Mt.  9,  28  die  Heilung  nur  eines  Blinden  berichtet  sein  musste. 
In  dem  obigen  Aphraates-Text  fand  ich  das  Gesuchte.  Denn 
hier  ist  die  bei  dem  ersten  Evangelisten  beliebt  gewesene  Ver- 
doppelung auf  die  sicherlich  quellenmässige  Einheit  redressiert, 
bei  einer  im  Übrigen  ziemlichen  Übereinstimmung  der  Texte. 
Dabei  dürfte  auch  die  Lesart:  Glaubst  du,  dass  ich  dich  heilen  kann? 
bei  Aphraates  ursprünglicher  sein,  als  das  durch  den  Context 
nicht  genügend  motivierte:  xioxevexe.  övi  övvafiai  xovxo  xoitjoai. 

Mt.  9,  29. 

a.  Iren.  IV,  37,  5. 

Dominus  dicens:  Secundum  fidem  tuam  fiat  tibi. 

b.  Clem.  AI.  Paedag.  I,  6,  29.  p.  115. 

öxcoq  x    av  IxeIvo  jtfajQcofrij  xo  ley&tv  y  e.v  r/ &  ■// x  o)  xaxa 
xr\v  xlöxiv  oov. 

c.  Clem.  AI.  StromTlI,  11,  49.  p.  454. 

xal  xaliv'  xaxa  ri)v  x'iOxiv  Oov  yevrjdijxco  ooi. 

d.  Exe.  Theod.  cap.  9.  ap.  Clem.  AI.  p.  969. 

u  yovv  omxtfg  <pr)Oi~  yevr}&7)xco  oov  xaxa  xi)v  xloxiv. 

e.  Orig.  in  Joann.  XXXII,  9.   Opp.  II,  421T 

xaxa  xtjv  xloxiv  Oov  yEvrjd-rjxco  ooi. 

f.  Clementina  Epitome  c.  141.  p.  796  ed.  Cotelerius. 

xal'  xaxa  xi]v  xloxiv  oov  yEvrj&jjxco  ooi  coq  dsZEig. 

g.  Cassian.  Collat.  XIII,  15,  5.  p.  390. 

ut  huic  quidem  dicat:  secundum  fidem  tuam  fiat  tibi. 
h.  Aphraates  Hom.  I,  13.  p.  14  ed.  Bert. 

Unser  Erlöser  sprach  zu  jedem,  der  zu  ihm  kam,  um  geheilt 

zu  werden,  also:  Nach  deinem  Glauben  geschehe  dir. 
i.  Mt.  9,  29. 

xÖxe   t/ipaxo    xmv    ocpfraXfimv    avxmv   Xiymv    xaxa    xi]v 

xioxiv  vfimv  yEV?/&rjxa>  vfiiv. 


Hg  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Das  Wesentliche  ist  bereits  zu  dem  vorausgehenden  Logion 
besprochen.  Hier  ist  nur  noch  auf  den  Umstand  aufmerksam 
zu  machen,  dass  die  aussercanonische  Lesart:  xaxd  xr)v  ütioxiv 
oov  yevrj&rjTco  ooi  nicht  blos  in  den  Excerptis  Theodoti, 
mithin  aus  der  zweiten  Hälfte  des  zweiten  Jahrhunderts,  auch 
nicht  blos  von  Clemens  AI.  und  Irenaeus  an  der  Wende  des 
zweiten  und  dritten  Jahrhunderts  und  von  Origenes  beglaubigt, 
sondern  auch  noch  zu  den  Zeiten  des  Aphraates  und  Cassian  — 
im  Anfang  des  fünften  Jahrhunderts  —  in  den  Handschriften  vor- 
handen gewesen  ist,  sodass  man  auf  die  Vermuthung  kommen 
möchte,  dass  die  in  dem  jetzigen  canonischen  Text  des  ersten 
Evangeliums  beliebten  Verdoppelungen  einer  sehr  späten  Re- 
daktion dieser  Evangelienschrift  angehören. 

Mt.  10,  5.  6. 

a.  Jerem.  10,  2a.  LXX. 

xdÖE  Xeyei  xvQiog'  xaxd  xdg  böovg  xmv  kdvcov  fi?}  fiav- 
d-dvsTE  (Cod.  A:  jioqeveg&e). 

b.  ciemTXl.  Strom.  III,  4,  33.  p.  526. 

6   xe   feQSftiag  (prjoi   xdös  Xtyei  xvQiog'  xard  rag  oöovg 

XODV    E&VCQV   (11/    XOQEVOTjO&E. 

c.  Mt.  10,  5.  6. 

eig  oöov  eftvoJv  fit)  ajtEZfrrjxE  xal  sig  jtokiv  JZafiayi- 
xo5v  (tr)  EiötZd-rjTe'  jcoqeveo&e  öe  [täZJLov  XQoq  xa 
jcgoßaxa  xd  djioXoolöxa  olxov  'iOQayX. 

d.  Cod.  Cantabr.  Mt.  10,  5b.  6. 

sig  oöov  ifrvojv  fit)  djiEk&rjxE  xal  Eig  xöliv  2a{iaQi- 
xavojv  fir)  EiöEZ&TjxE'  vjtdyEXE  (idk/ov  jtQoq  xd  jiqo- 
ßaxa  djtolcoXoxa  olxov  ^IogarjX. 

e.  Diatessaron  ed.  Ciasca  p.  22b. 

attendite  potissimum  ad  oves,  quae  perierunt  de  filiis 
Israel. 

Früher  geneigt,  dieses  Logion  gleichwie  Mt.  10,  23  als  einen 
Ausfluss  der  dem  ersten  Evangelium  einwohnenden  judenchrist- 
lichen Tendenz  zu  betrachten  *),  habe  ich  später  durch  die  zu 


1)  Vgl.    meine  Recension    von  Weiss,    Matthäusevangelium    in   den 
Jahrbb.  f.  deutsche  Theol.  1877.  I,  167  ff. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  10,  5.  6.  119 

Mt.  10,  23  mir  zur  Kenntniss  gekommenen  aussercanonischen  Pa- 
rallelen und  durch  die  daraus  resultierende  Erkenntniss  der  ur- 
evangelischen Originalität  von  Mt.  10,  23  (vgl.  unten)  auch  in  Be- 
treff von  Mt.  10,  5.  6  meine  frühere  Meinung  aufgegeben.  Denn 
es  ist  mir  evident  geworden,  dass  Mt.  10,  5.  6  als  Anfang  der 
ursprünglichen  Aussendungsrede  und  Mt.  10,  23  als  Schluss 
derselben  sich  gegenseitig  decken  und  ergänzen,  dass  also  die 
Quellenmässigkeit  von  Mt.  10,  23  auch  die  von  Mt.  10,  5.  6  nach 
sich  zieht.  Was  Mt.  10,  24 — 42  folgt,  gehört  der  Hauptsache 
nach  nicht  zu  derjenigen  Rede,  welche  sich  auf  die  Aussendung 
der  Apostel  bezog,  sondern  ist,  wie  man  aus  der  Vergleichung 
mit  Lucas  deutlich  ersehen  kann,  theils  aus  der  auf  die  Sama- 
riter-Mission bezüglichen  Rede  Lc.  10,  1  ff.,  theils  aus  anderen 
Herrenreden  herübergenommen,  von  dem  ersten  Evangelisten  an 
dieser  Stelle  eingeschaltet  und  mit  dem  Grundstock  der  Rede 
Mt.  10,  5 — 23  zu  einer  grösseren  Redecomposition  vereinigt  wor- 
den. Freilich  auch  schon  der  Grundstock  der  an  die  Zwölfe  ge- 
richteten Aussendungsrede,  welcher  Mc.  6,  7 — 13  =  Lc.  9.  1 — 6 
zu  erkennen  ist,  hat  durch  den  ersten  Evangelisten  mancherlei 
Bereicherungen  erfahren.  Vgl.  namentlich  Mt.  10, 16  =  Lc.  10, 3, 
ferner  Mt.  10,  17.  18  =  Mt.  24,  9.  10  =  Mc.  13,9  =  Lc.  21, 12.  13, 
sowie  Mt.  10,  19— 22  =  Lc.  12,  11.  12  =  Lc.  21,  14—19=  Mc.  13, 
11— 13  =  Mt.  24,  13.  14.  Andrerseits  haben  Mc.  und  Lc,  wenn 
Mt.  10,  5.  6  und  Mt.  10,  23  originale  Bestandteile  des  Urevan- 
geliums  waren,  gerade  den  Anfang  und  das  Schlusswort  der  an 
die  Zwölfe  gerichteten  Aussendungsrede  gestrichen.  Wahrschein- 
lich hat  schon  Mc.  den  Tenor  der  beiden  an  die  Zwölfe  und  an 
die  Siebenzig  gerichteten  Reden  (Mc.  6,  7 — 13  =  Lc.  9,  1—6  = 
Mt.  10,  5 — 15.  23  einerseits  und  Lc.  10,  1 — 16  andrerseits),  indem 
er  sie  kürzend  in  Eine  einzige  kleine  Rede  zusammenzog,  mit 
einander  vermischt,  sodass  eine  exakte  Analyse  und  Auseinander- 
haltung des  Tenors  beider  Reden,  der  Abordnungsrede  bei  Aus- 
sendung der  Zwölfe  und  derjenigen  bei  Aussendung  der  Sie- 
benzig, nicht  mehr  vollständig  herzustellen  sein  dürfte.  Gehört 
aber  Mt.  10,  5.  6  und  Mt.  10,  23  zu  dem  ursprünglichen  Tenor 
der  ersten  Rede,  so  ergiebt  sich  folgende  Klimax: 

1.  Mission  (durch  die  Zwölfe)  in  Israel  Mt,  10,5—15.  23  = 
Mc.  6,  7—13  =  Lc.  9,  1—6. 


120  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

2.  Samariter-Mission  (durch  die  Siebenzig)  Lc.  10,  1 — 16. 

3.  Heidenmission  Mt.  28,  19  =  Mc.  16,  15. 

Dabei  ist  es  beachtenswerth,  dass  diese  Klimax  dem  in  Act. 
1,  8  enthaltenen  Schema  entspricht: 

E6E0&E   flOV   fläoTVQEg 

a)  sv  ts  IsQovöalrm  xai  sv  jiaoy  ry  'iovöaia 

b)  xai  Sauaoia 

c)  xai  tcoq  soxäzov  zijg  yijg. 

In  diesem  Sinne  erscheint  die  Beschränkung  der  den  Zwölfen 
übertragenen  Mission  auf  die  verlorenen  Schafe  aus  dem  Hause 
Israel  (v.  6)  und  auf  die  Städte  Israels  (v.  23),  sowie  der  vor- 
läufige Ausschluss  des  samaritischen  Gebietes  (v.  5)  nicht  als 
Ausfiuss  judenchristl^her  Auffassung,  sondern  als  das  Resultat 
eines  schrittweise  zur  Ausführung  gelangenden  Planes,  währer.d 
im  Contexte  des  ersten  Evangeliums,  wo  die  Samaritermission 
gefallen  ist  und  die  Mission  in  Israel  unmittelbar  mit  der  Parusie 
Jesu  (Mt.  10,  23)  verbunden  scheint,  das  Ganze  einen  judenchrist- 
lichen Charakter  empfangen  hat.  Soviel  über  die  Quellenkritik 
zu  dieser  Stelle.     Das  Weitere  siehe  zu  Mt  10,  23. 

Was  nun  den  Text  von  Mt.  10,  5.  6  selbst  anlangt,  so  ist 
er  ein  auffallender  Nachklang  von  Jer.  10,  2a,  aber  nicht  nach 
der  dem  Urtext  entsprechenden  Version  der  LXX,  nach  welcher 
Jer.  10,  2  auch  in  der  Didascalia  V,  12.  p.  311  citiert  ist:  x&i 
6s  IsQEtilov  xaza  zag  oöovg  zmv  s&vcov  ^r\  fiav&avszs  xai  ajto 
to5"  otjuslmv  zov  ovgavov  (irj  <poßsio&s,  sondern  nach  der  von 
Clemens  AI.  —  in  Übereinstimmung  mit  dem  Cod.  Alexan- 
drinus  —  gegebenen  Version:  xata  rag  oöovg  zmv  s&vcöv  fit} 
xoosvöwa&s,  bei  welcher  Version  es  unklar  bleibt,  wie  das  ITöbft 
des  Urtextes  mit  jiOQSvCrja&s  wiedergegeben  werden  konnte. 
Klar  ist  es  dagegen,  dass  im  neutestamentlichen  Herrenwort  ur- 
textlich: -isb  =  xoqsveö&s  (Mt.)  =  vxayszs  (D)  zu  lesen  ge- 
wesen ist.  Auch  die  Variante  im  Diatessaron:  de  filiis  Israel 
(=  olxov  'looawX)  weist  auf  den  hebräischen  Quellentext  hin.  Vgl. 
Gen. 45, 11:  ?jrv^  =  LXX:  xai  olyioloov  —  Ex.  16,  31:  bsntoTma 
=  LXX:  ol  vf.ol  'Iogar/Z  —  und  noch  öfter.  Dagegen  ist  das 
attendite  des  Diatessaron  nur  eine  freie  Wiedergabe  des  Ur- 
textes. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  10,  8.  121 

Mt.  10,  8». 

a.  Hoin.  Clem.  III.  30.  p.  44,  24. 

örngsüv  6  cumöxeiXag  rjfiaq,  xov  sv  vjteoofäj  avfiqtsQOVxog 
äipevdrjQ  v3iaQX<nv  jcQocpr/xrjg. 

b.  Bora.  Clem.  III,  71.  p.  55,  34. 

xal  fit)  Xsysxco  xig'  ovxovv  o  öa>QE<xv  ütaQaöXEfrslg  Xoyog 
ücmXelrai; 

c.  Clem.  AI.  Strom.  I,  1,  9.  p.  321. 

ovxog   6     uv  Bit)  6  xco  ^eXrjfiaxi  xov  &eov  egvjtrjnexcör, 
öcoQsav  Xaßoiv,  öcogedv  didovg. 

d.  Iren.  II,  32,  4. 

coq   yao   Öcoqeciv   eiXTjipe   jcagä  &eov,    öcoQsav  xal   öia- 
xovsl. 

e.  Mt.  10:  8b. 

öcooeav  sXdßsxs.  ömosav  66xe. 

f.  Aphraates  Hom.  I,  1.  p.  3  ed.  Bert. 

Es   gilt   das    Wort:    Umsonst   gegeben,   umsonst   em- 
pfangen. 

Obwohl  dieses  Logion  nur  durch  den  ersten  Evangelisten 
vertreten  und  bei  seiner  Kürze  ohne  wesentliche  Übersetzungs- 
varianten überliefert  worden  ist,  so  kann  an  seiner  Originalität 
und  Abstammung  von  dem  Urevaugelium  nicht  gezweifelt  werden. 
Dies  bestätigt  namentlich  auch  das  erste  Clementinen-Citat. 
Denn  wenn  man  den  Zusammenhang  betrachtet,  in  welchem  das- 
selbe steht,  so  findet  man  einen  Context,  der  mit  keiner  cano- 
nischen Parallele  sich  deckt,  aber  in  der  Variante  elQ?)v?]g  xix- 
vov  (Hom.  III,  30.  p.  44,  26.  27)  dem  lucanischen  Text  vlog  el- 
Qi}vt]g  (Lc.  10,  6)  =  Qib©~ia.  am  nächsten  kommt,  und  (zugleich 
mit  den  canonischen  Parallelen)  auf  einen  vorcanonischen  Quellen- 
text zurückzuführen  ist.  (Vgl.  Lc.  10,  6)  Der  Redaktor  der  Cle- 
mentinen hatte  also  die  Kenntniss  des  Logion  Mt.  10,  8b  nicht 
aus  dem  ersten  canonischen  Evangelium,  sondern  aus  einem  an- 
deren Context,  mithin  aus  einer  anderen  Quelle,  geschöpft.  Ob 
der  in  den  beiden  Homilien-Citaten  nur  angedeutete  Text  mit 
dem  canonischen  Wortlaut  vollständig  sich  gedeckt  bat,  ist 
immerhin  fraglich.  Aphraates  hat  neben  dem  aus  seiner  ersten 
Homilie  mitgeteilten  Citat,  dessen  textliche  Fassung  von  Mt. 
10,  16  etwas  abweicht,  in  Hom.  XXIII.  p.  377  und  Hom  X,  6. 
p.  164  dasselbe  Citat  zweimal  in  canoniscber  Gestalt. 


122  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Mt.  10, 16b. 

a.  Ign.  ad  Polyc.  II,  2.  p.  98,  5. 

(pgövifiog  ylvov   cog  otpig   hv  ctJtaoiv   xal  axsgatog    slg 
asl  cog  i]  jcsQiöreQa. 

b.  Clem.  Al.~Strorn.  VII,  13,  82.  p.  882. 

ftl^ag   OVV   T7J   JZSQlOTEQä   rbv   ö<piv. 

c.  Orig.  Comm.  in  Prov.  Sal.  Opp.  III,  2. 

y'iVEöd-E  cpgovifioi  cog  o  oepig. 

d.  Pseudo-Ign.  ad  Polyc.  II.  p.  254,  10. 

cpgovifiog   ylvov  cog  oepig   sv   xäöiv  xal   dxsgaiog   eig 
asl  cog  r)  xegioxegä. 

e.  Antiochus.  Homil.  III. 

söxco    <po6vi[/og   sv    jiäöiv    cog    ol    ocpEig   xal    axsgaioi 

COOsl    JlEQlöTEQaL 

f.  Ephraera  Syr.  OppTT,  207  E. 

ylvov  roiyagovv  cpgovifiog  coösl  ocptg  xal  axsgatog  cog 
jisgiorsgä,  öibxi  ftsöov  Ivxcov  öiaxgißsig. 

g.  Epiph.  HaeiTxXXVII,  7.  p.  274  B. 

xal  öiä  xovxo  xal  iv  alle?  xöüico,  cpaol  [sc.  Ocpixai],  Xsysi 
oxi  ylvEO&s  <pgbvi(ioi  cog  o  bepig  xal  axsgaioi  cog  jis- 
qiöte  gu. 
h.  Epiph.  Haer.  XXXVII,  8.  p.  274  BC. 

sav  6h  ELJtiy  ylvEO&s  cpgövifioi  cog  6  oepig  xal  axsgaioi 
cog  ?/  jisgiöTEgä. 

i.  Mt,  10,  16b. 

ylvsö&s  ovv  (pgovifioi  cog  ol  ocpsig  xal  axsgaioi  cog  al 

jtsg  igt  sgal. 
k.  Clem.  Rom.  I,  2,  5.  p.  8,  3. 

sllixgivsig  xal  axsgaioi    i/xe   xal    a{uvi]ölxaxot  slg   alltj- 

lovg. 

1.  Test.  XII  patr.  Nepkthalim  c.  8. 

ylvso&E  ovv  ooepol  sv  &£cp~  xal  (pgovif/oi. 

m.  Rom.  16,  19. 

frslco  öh  vfiäg  Oocpovg  eIvül  dg  xo  aya&ov,  dxsgaiovg  öe 
slg  xb  xaxöv. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  10,  16.  123 

n.  Gem.  AI.  Paedag.  I,  5,  14.  p.  106. 

i][iäg  naXiv  aXXijyoQEi,  xal  mg  jceqioxeqccv  axaxov  xal  ayo- 

Xov  TtaX/v  rj^äq. 
o.  Cod.  Cantabr.  ad  Mt.  10,  16b. 

yivEOfrs    ovv    cpQovif/oi    cog    ol    6(psig  xal   ajtXovoxaxoi 

co g  al  ji-EQidrBQal. 
p.  Hilar.  de  Synodo  adv.  Arianos  p.  364  C. 

Dictum    ad   apostolos    Domini   est:    Estote    prudentes    ut 

(sunt)  serpentes  et  simplices  ut  columbae. 
q.  Caelestinus.     Acta  oecumenicae  tertiae  Synodi  Ephesi  habitae 
p.  90,  11  ed.  Sylburg. 

Exsivcp   ovx  tXutye  xal  ajtXoxrjg  ütEQiöxEQag  xal  övvEOig 

EQXEXOV. 

Dass  Mt.  10,  16b  gleichfalls  ein  urevangelisches  Herrenwort 
ist,  erkennt  man  schon  an  dem  bei  aller  gnomenartigen  Kürze 
reichen  Inhalt  und  an  der  tiefen  Bedeutsamkeit  der  Bilderrede. 
Man  erkennt  es  ferner  an  der  Zusammengehörigkeit  von  Mt.  10. 
15b  mit  Mt.  10,  16a  =  Lc  10,  3,  welcher  letztere  Redetheil  mit 
seinen  Varianten  und  aussercanonischen  Paralleltexten  zweifellos 
aus  der  vorcanonischen  Quelle  stammt,  aus  welcher  der  erste 
und  dritte  Evangelist  gleichmässig  schöpften.  Man  erkennt  es 
drittens  aus  den  Varianten  und  Paralleltexten,  welche  zu  diesem 
Logion  Mt.  10,  16b  vorhanden  sind  und  die  bis  auf  Paulus  zu- 
rückreichen. Dem  axEQalovg  slg  zo  xaxör  Rom.  16,  19  entspricht 
das  dxEQaioi  Phil.  2,  15,  an  welcher  Stelle  sogar  das  kv  fieocp 
Xvxcov  Mt.  10,  16a  =  Lc.  10,  3  anklingt  in  dem  Iv  tutocp  jEVtäg 
oxoXtag  xzX.  Zu  dem  axEQaiog  gesellt  sich  bei  Paulus  Rom. 
16,  19  das  öocpog,  welches  vielleicht  Eph.  5,  15,  sicherlich  aber 
in  dem  Testamentum  XII  patriarcharum  1.  c.  neben  (pgö- 
vifiog  wiederklingt.  Als  dritte  Variante  hierzu  bietet  der  Papst 
Caelestinus  1.  c.  OvvEOig  eqjietov  =  (pQOvi^og  cog  o  oyig. 
Wenn  derselbe  aber  zugleich  von  der  ajiX6rr]g  jcEQiOXEQäg  redet, 
so  entspricht  das  nicht  blos  dem  Sprachgebrauch  der  altitalischen 
Versionen,  welche  simplices  bieten,  sondern  es  ist  diese  Lesart 
auch  in  die  Vulgata  übergegangen  und  ebenso  von  Hilarius  be- 
glaubigt. Die  Version  simplices  aber  hat  ihre  Quelle  in  dem 
griechischen  ajcXovöxaxoi,  welches  aus  seinem  Archetypus  der 
Codex    Cantabrigiensis  erhalten    hat,    und    diesem    ajcXovöxaxoi 


124  Au88ercanoni8che  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

entspricht  die  ajtXoxrjg  jteQioxegäg  bei  Caelestinus.  Als  he- 
bräischer Quellentext  liegt  offenbar  dem  (pQovi/iog  WF\9  und 
dem  dxegcuog  =  ajcXovoxaxog  =  simplex  =  dxaxog  das  D^lGPl 
zu  Grunde. 

Charakteristisch  sind  die  Zusätze  ev  djtaoiv  und  eig  dei  in 
den  Ignatianen;  dass  sie  handschriftlich  begründet  sind  und 
nicht  auf  der  Willkür  des  Schriftstellers  beruhen,  zeigt  das  ev 
xäoiv  bei  Antiochus.  Ferner  scheint  in  der  vorcanonischen 
Textgestalt  der  Singular  <6g  [6]  dcpig  und  o)q  [tj]  jtegiöxegd,  wie 
die  Übereinstimmung  von  Ignatius,  Origenes,  Clem.  AI., 
Ephraem.  Syr.,  Epiphanius,  Caelestinus  zeigt,  verbreiteter 
gewesen  zu  sein  als  der  Plural  cog  ol  oqpeig  und  cog  al  jcegiöxe- 
gai  des  jetzigen  canonischen  Textes.  Das  (pgovifioi  coq  6  ocpig  = 
TDn|3  D^IS?  lässt  in  der  singularischen  Fassung  die  Bezug- 
nahme auf  Gen.  3,  1  LXX:  o  de  o<piq  tjv  cpgovijicoraxog  = 
2^"iy  «TTI  ©H2fT"  noch  deutlicher  durchblicken  als  der  canonische 
Text.  Man  vgl.  dazu  Clem.  AI.  Strom.  VI,  17,  155.  p.  820.  Zu 
axt'gaiog  Additam.  Esther  XVI,  4.  Wie  6  ocpig  eine  Bezugnahme 
auf  Gen.  3,  1,  so  ist  t]  jtegiöxegd  wahrscheinlich  eine  Anspielung 
an  Gen.  8,  11:  rj  jtegiaxegd  —  ei^e  cpvXXov  eXaiag.  —  Nestle 
notiert  hierzu,  dass  das  Ev.  Hierosolymitanum  ebenfalls  ö*Hy 
(für  das  hebr.  Biny)  bietet  und  dass  sich  noch  Cant.  5,  2;  6,  9 
eine  treffende  Parallele  findet:  ^tVßn  ^roi*1  =  LXX:  jtegiöxegd 
f/ov,  xeXeia  tuov,  Symmachus:  /;  dxegala  fiov. 

Mt.  10,  23». 

a.  Cod.  Cantabr.  ad  Mt.  10,  23. 

orav  de  dicöxovoiv  vtuäg  ev  xij  jtoXei  xavxy,  (pevyexe 
elg  xr/v  aXX?]V  edv  de  ev  xi]  aXXij  dioixovöiv  vfitcg,  (pevyexe 
eig  xr)v  dXXr\v. 

b.  Orig.  c.  Cels.  I,  65.  Opp.  I,  380. 

edv  dicoxcooiv  vfidg  ev  xf]  xbXei  xavxij,  cpevyexe  eig 
xi]v  exegav  xdv  ev  tjj  exega  dunxcaoiv,  ütdXiv  (pevyexe  eig 

xi\v  aXXrjv. 

c.  Orig.  Exhortatio  ad  martyrium.  Opp.  I,  295. 

oxav  de  dimxmöiv  vfiäg  ev  xy  JtoXei  xavxy,   (pevyexe 

eig  x?}v  exegav  xdv  ex  xavxt/g  diatxooöi,  (pevyexe  eig  xt/v 

„  — - — . —    .,.,  — .„.. .  _„______=_____ 

aXXrjv. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  10,23.  125 

d.  Ephraem  Syr.  Ev.  concord.  expos.  ed.  Mösinger  c.  8.  p.  94. 

In  quam  civitateni  intraveritis  et  non  susceperint  vos, 
fugite  inde  in  aliain  civitatem;  et  si  ab  hac  perse- 
quentur  vos,  fugite  denuo  in  aliam  civitateni. 

e.  Diatessaron  ed.  Ciasca  p.  23a. 

Cum  ejicient  vos  de  civitate  ista,  fugite  in  aliam. 

f.  xMtrioTSST" 

orav  öicoxtoaiv  vfiäg  hv  rij  ycoXsi  ravti],  <ptvysrs  lig 
tyv  treQav. 

g.  Tert.  de  fuga  in  persecutione  c.  6. 

Cum  coeperint,  inquit,  persequi  vos,  fugite  de  civitate  in 

civitatem. 

Unter  Vergleichung  dessen,  was  zu  Mt.  10,. 5b.  6  gesagt  ist, 
beachte  man,  dass  der  aussercanonische  Paralleltext,  wie  ihn 
Ephraem  (et  non  susceperint  vos)  und  ähnlich  das  Diatessaron 
nach  Ciasca  (cum  ejicient  vos  de  civitate)  anstatt  des  cano- 
nischen orav  ökdxcooiv  vfiag  darbieten,  an  Mt.  10,  11  — 15  und 
noch  mehr  an  Lc.  10,  10  viel  prägnanter  sich  anschliesst,  als  es 
nach  der  canonischen  Fassung  der  Fall  ist.     Man  vgl. 

Ciasca  Mt.  10,  23a         cum  ejicient  vos  de  civitate  ista 

Ephraem  Mt.  10,  23a   in  quam  civitatem  intraveritis  et  non 

susceperint  vos 

Lc.  10,  10  elg  tjv  d'  av  JioXtv  elötZ&rjTe  xcu  ptrj 

öixwpzai  Vfiäg. 

Das  dimxetp  des  canonischen  Textes  von  Mt.  10,  23a  ist  also 
nicht  im  Sinn  der  späteren  Christenverfolgungen,  sondern  als 
gleichbedeutend  mit  ejicere  =  non  susc}vS^^Ji!L^jXi0^al  zu 
nehmen.  Unter  dieser  Voraussetzung  wird  nun  erst  auch  die 
sicherlich  ursprüngliche  Wiederholung  derselben  Vorschrift,  wie 
sie  Cod.  Cantabr.,  Origenes  und  Ephraem  Syr.  überein- 
stimmend erhalten  haben,  recht  verständlich.  Der  Sinn  der  Vor- 
schrift war  dieser:  Wenn  ihr  für  eure  Predigt  in  einer  Stadt 
keine  Aufnahme  findet,  wenn  sie  euch  vielmehr  aus  der  Stadt 
hinausstossen,  so  eilt  in  die  nächste  Stadt  und  wenn  es  euch  in 
dieser  ähnlich  ergeht,  so  eilt  in  die  dritte  u.  s.  w.  Denn  dem 
(ptvysiv  lag  im  Urtexte  wahrscheinlich  ein  p*n  =  currere,  pro- 
perare  (vgl.  1.  Sam.  14,  12  "pl,  welches  von  einem  Codex 
der   LXX   mit    rptvyeiv    gegeben    ist),    vielleicht    auch    Di:    zu 


126  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Grunde,  welches  ursprünglich  properare  bedeutet.  Dieser  Sinn 
entspricht  genau  dem  Contexte  und  namentlich  auch  dem  ur- 
sprünglichen Verständniss  von  Mt.  10,  23b.  (Vgl.  das  Folgende.) 
Es  handelte  sich  um  eine  rasche  Missionierung  der  israelitischen 
Städte  bis  zu  dem  Zeitpunkte,  da  die  Jünger  mit  dem  Meister 
wieder  zusammentreffen  würden,  wobei  von  einer  eigentlichen 
Verfolgung  und  Flucht  der  Jünger  nicht  wohl  die  Rede  sein 
konnte.  Die  jetzige  canonische  Textgestalt  (dicoxcoöiv  —  cpsv- 
ytre)  ist  vielleicht  erst  in  der  Zeit  der  grossen  Christenver- 
folgungen entstanden. 

Mt.  10,  23». 

a.  Ephraem  Syr.  Ev.  concord.  expos.  ed.  Mösinger  c.  8.  p.  95. 

Amen  dico  vobis,  non  poteritis  consummare  has  urbes, 
donec  venero  ad  vos. 

b.  Agathangelus  ed.  Lagarde  p.  33,  49. 

äfirjv  Xsyco   vfilv,  ov   yy)  jtXrjgcÖGTjre  rag   jtöXsig  rov 
'logaf/X  tcog  rtjg  efir/g  Jtagovoiag. 

c.  Mt  10,  23b. 

dfijjv  yäg  Xiyco  vy.lv ,  ov  firj  rsXeOrjre  rag  jtoXeig  rov 
'iögarjX,  tcog  sX&y  o  vug  rov  av&gaijtov. 

Die  sollenne  Formel  des  canonischen  Textes:  tcog  eXfry  6 
vlog  rov  avd-ga>jtov  konnte  und  sollte  nach  der  Tendenz  des 
ersten  Evangelisten  nicht  anders  als  von  der  letzten  Parusie 
verstanden  werden.  Die  Fassung  bei  Agathangelus  dagegen 
lässt  trotz  des  Ausdruckes  Jtagovoiag  den  persönlich-historischen 
Sinn  zu:  bis  zu  meiner  Ankunft  =  ecog  rr/g  eyrjg  jtagovoiag,  d.  h. 
bis  zu  meinem  Wiederzusammentreffen  mit  euch  bei  eurer  Rück- 
kehr von  der  Aussendung  in  die  israelitischen  Städte.  Zu  dieser 
rein  historischen,  von  allen  eschatologischen  Erwartungen  freien 
Auffassung  des  Wortes  werden  wir  aber  ermächtigt  durch  den 
Text  Ephraem s:  Ihr  werdet  eure  Mission  in  den  israelitischen 
Städten  bis  zu  meinem  Wiederzusammentreffen  mit  euch  (donec 
venero  ad  vos)  nicht  vollenden.  Dabei  sind  ecog  zT)g  tfirg  jtag- 
ovoiag und  donec  venero  Übersetzungsvarianten ,  welche  das 
hebräische  ifcpin?  noth wendiger  Weise  voraussetzen.  Die  Um- 
bildung des  originalen  persönlichen  Textes  eyco  in  die  dog- 
matische Fassung  vlog  äp&gcojtov  finden  wir  im  ersten  Evange- 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  10,  23.  41.  127 

liuin  öfters,  z.  B.  Mt.  16,  13,  eine  Textänderung,  durch  welche 
der  ursprünglich  historische  Sinn  leicht  verdunkelt  werden  konnte. 
Die  Variante  jcZjjqovv  =  xeXaiv  =  PlIsS  weist  ebenfalls  auf  einen 
hebräischen  Urtext  zurück.  In  dem  dargelegten  Sinn,  wie  ihn 
die  Texte  von  Ephraem  und  Agathangelus  als  Reste  der  ur- 
sprünglichen Fassung  ermöglichen,  ist  Mt.  10,  23  ein  vortrefflicher 
Abschluss  gewesen  zu  der  Aussendungsrede,  mit  welcher  Jesus 
die  Zwölf  bei  ihrer  ersten  auf  Israel  bezüglichen  Mission  entlassen 
hatte,  ein  Abschluss,  welcher  mit  der  einleitenden  Beschränkung 
der  ersten  Jüngermission  auf  die  israelitischen  Städte  und  Ortschaften 
mit  Ausschluss  Samarias  (Mt.  10,  5.  6)  aufs  Beste  correspondiert. 
Vergleiche  über  das  Logion  Agrapha  S.  270.  —  Zu  notieren  ist 
noch  in  Ephraems  Text  die  Lesart:  has  urbes,  mit  Weglassung 
der  Worte:  xov  'Igqü^X.  Übrigens  werden  sowohl  Ephraem 
als  Agathangelus  ihren  überlieferten  Text  ebenfalls  escha- 
tologisch  verstanden  haben. 

Mt.  10,  41. 

a.  Pistis  Sophia  p.  147,  15  ed.  Schwartze  et  Petermann. 

Propter  hoc  dixi  vobis  oliin,  xiöxsvöag  JtQo<pr]x?j  accipiet 
mercedem  jtQocpijxov,  et  otiöxsvoag  öixaico  accipiet 
mercedem  öixaiov. 

b.  Pseudo-Ign.  ad  Smyrn.  IX.  p.  250,  12. 

6  rificöv  yäg  jiQoyrjxrjv  elg  ovofia  jtQO<pt)xov,  (iioftov 
jtQo<prjTov  Xy'ipsxai. 

c.  Clem.  AI.  Strom.  IV,  6,  36.  p.  579. 

og  yaQ  av  öet-r/xai,  <prj<ji,  jiQocpr}z7]v  elg  ovofia  jiQo<ptj- 
xov,  (iiG&öv  jiQO<pr}Tov  X?)ty£xai,  xal  og  av  ös^rjxai 
öixaiov  slg  ovofia  öixaiov,  (iio&ov  Ihxaiov  X?j- 
rpsxai. 

d.  Mt,  10,  41. 

6  öexofisvog  jtQo<prjxr]V  ilg  övofia  noo<prjxov  [iiö&ov 
XQO<pr']xov  Irjßtyexai,  xal  o  ösxofitvog  öixaiov  elg 
ovofia  öixaiov,  fiiöfrov  Öixaiov  X?'  fityexai. 

Die  Verbindung:  jtQoqrjxai  xal  öixaioi  findet  sich  im  ersten 
canonischen  Evangelium  auch  Mt.  13,  17.  Ausserdem  entspricht 
hier  die  vorausgesetzte  Thätigkeit  neutestamentlicher  Propheten 
dem   Herrenwort   Mt.  23,  34  =  Lc.  11,  49,    welches    Herrenwort, 


128  Auesercanonische  Faraheitexte  zu  Mt.  und  Mc. 

wie  zu  Lc.  11,  49  gezeigt  werden  soll,  nicht  bios  in  der  pauii- 
niscnen  Amterlehre,  sondern  auch  in  den  Amtern  der  Ji6a%^ 
fortwirkt.  Hier  kommt  als  besondere  Parallele  zu  Mt.  10,  41* 
noch  Jiö.  XI,  1:  öegao&e  avxov  und  Äiö.  XII,  1:  ev  ovoftaxt 
xvqLov  öex&tjxat  in  Betracht.  Vgl.  o  öexoftevog  JcootptfxrjV — 
og  av  6t§7jtai  jtQo<pr]xi]v ,  und  das  Lc.  10,  16  Gesagte.  Auch 
Apoc.  11,  18,  wo  von  dem  ftio&og  für  xoiq  Jiuo<pr]xatg  xal  xolg 
aylotg  die  Rede  ist,  kann  als  Parallele  herbeigezogen  werden. 
Vgl.  Agrapha  S.  170  in  Betreif  der  Synonyma  öixaiog  und 
aytog.  Die  Synonyma  xiöxevetv  =  xipäv  =  öexeo&ai  sind  wohl 
nur  Sinnvarianten.  Das^Juelfenwort  war  jedenfalls  Öexsofrai  — 
b2J?.  Zu  dem  o  xificöv  jiQOtpqxrjv  vergleiche  man  noch  Aiö.YV,  1, 
wovon  dem,  der  das  Wort  Gottes  verkündigt,  gesagt  wird:  xiprjosig 
de  avxov  coc  xvoiov. 

Mt.  10,  42  =  Mc.  9,  41. 

a.  Clem.  AI.  Strom.  IV,  6,  36.  p.  579. 

xal  og  av  öegtjxai  eva  xd>v  fia&rjxoiv  xovxojv  xa>v 
fitxuwv,   cov  fiia&ov  ovx  axoXedei. 

b.  Clem.  AI.  Quis  div.  salv.  §31.  p.  953. 

o^e^juad^ir^v  xoxioag  elg  ovofia  fiafrijxov  noxt]Qiov 
rpvxQOv  vöaxog,  xov  fiio&dv  ovx  änoXicei. 

c.  Syr.  Cur.  ad  Mt.  10,  42. 

xal  og  edv  noxioy  %va  xoov  fiixomv  xovxojv  Ttoxt)- 
qiov  ipvxQOv  elg  ovopa  f^^o^  aprjv  Xeyoj  vfilv,  ov 
fifj  aicoXrjxai  6  (iio&og  avxov. 

d.  Cod.  Cantabr.  ad  Mt.  10,  42. 

xal  og  av  jroxloy  eva  xd>v  eXaxiöxojv  xovxojv  jsoxtj- 
qiov  vöaxog  yvxQov  elg  ovofia  (iad-rjxov,  dfii]V  Xeyoj 
vy.lv,  ov  fit)  äftoXr/xai  6  fiiofrog  avxov. 

e.  Mt.  10,  42. 

xal  og  eov  jcoxiötj  eva  xojv  fiixgojv  xovxojv  ütoxrjQtov 
tyvxQov  fiovov  elg  ovofia  fiad-rjxov,  afiqv  Xeyoj  vfilv, 
ov  fit}  ajtoXeöy  xov  fiiö&öv  avxov. 

f.  Mc.  9,  41. 

og  yäo  av  jcoxiotj  vfiag  xoxtjgiov  vöaxog  ev  ovofiaxi 
fiov,  oxi  Xqloxov  eöxe,  äfirjv  Xeyoj  vfilv,  oxi  ov  fit] 
ajcoXeot]  xov  fitö&ov  avxov. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  10,  42.  11,  14.  15.  129 

Dieser  Spruch  gehörte  mit  Mt  10,  40  =  Lc.  10,  16  und  Mt. 
10,  41  ursprünglich  in  die  Iustruktionsrede,  welche  Jesus  bei 
der  Aussendung  an  die  Siebenzig  richtete,  wobei  die  Spendung  des 
Wassertrunkes  als  der  geringste  Anfang  des  öeyeofrai  bezeichnet 
war.  Marcus  hat  das  Logion  umgeschaltet  und  zum  Theil  auch 
umgestaltet  (Vgl.  Weiss,  Marcusevangelium  S.  319  ff.  Matthaus- 
evaugelium  S.  284  ff.).  Der  erste  Evangelist  hat  den  einfacheren 
Text  wiederhergestellt  und  auch  dem  Logion  seinen  ursprüng- 
lichen Standort  zurückgegeben,  als  er  es  in  die  apostolische  In- 
struktionsrede aufgenommen  hat.  Der  Zusatz  vöarog,  in  welchem 
Cod.  Cantabr.  und  Clemens  AI.  mit  den  meisten  Italae  und 
der  Vulgata  zusammentreffen,  sowie  die  intransitive  Fassung:  ov 
[itj  djtolT]T<xi  (==  peribit)  o  (uofroc  avrov,  worin  die  drei  Haupt- 
linien: Cod.  Cantabr.,  Svr.  Cur.  und  die  altlateiuischen  Über- 
setzungen ihren  gemeinsamen  Typus  erkennen  lassen,  repräsen- 
tieren ohne  Zweifel  Bestandtheile  des  vorcanonischen  Textes. 
Zu  der  Bezeichnung  der  Jünger  als  (ilxqo'i  =  elaytöroi  =  S^Süp 
vgl.  man  die  Erläuterungen  zu  Lc.  17,  2.  Ausserdem  zu  diesem 
Logion  überhaupt  Hug  Einl.  3,  345. 

Mt.  11, 14  15. 

a.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  51.  p.  271BC. 

xai  ei  freiere  öe^aofrai,  avröc  eonv  Hliaq  6  fiellcov 
iQ%eöfrai.   o  eycov  cbra  äxoveiv  dxove'rco. 

b.  Mt,  11,  14.  15.  " 

xai  el  freiere  öe^aofrai,  avrog  eöriv  Hleiag  o  fiil- 
Imv  ey/tofrai.  o  l'^oav  wra  [Syr.  Cur.  add.  äxoveiv] 
äxoverio. 

c.  Cod.  Colbert  Mt.  11,  14.  15.  p.  13  ed.  Belsheim. 

et  si  vultis  audire,  ipse  est  Elias  qui  venturus  est. 
et  qui  habet  aures  audiendi  audiat. 

d.  Pistis  Sophia  p.  10,  3  ed.  Schwartze  et  Petermann. 

respondi  vobis  in  sermone  in  jta(tQr/Oia,  e  facie  in  faciem: 
si  vultis  capere,  Johannes  baptista  {ßaxnönig),  iste  est 
Elias,  quem  dlxi  venire. 

Die  Erklärung,  dass  in  Johannes  dem  Täufer  der  verheissene 

Elias    erschienen    sei,    findet    sich    in    dem   ersten    canonischen 

Evangelium  zweimal,  das  eine  Mal  in  Übereinstimmung  mit  der 
Texte  u.  Untersuchungen  X,  2.  9 


130  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Marcusquelle  Mt.  17,  10— 13  =  Mc.  9,11 — 13,  das  andere  Mal  hier 
Mt.  11,  14  aus  einer  anderen  Quelle.  Es  ist  daher  kein  Zweifel, 
dass  eine  bezügliche  Erklärung  Jesu  über  den  Elias-Johannes 
im  Urevangelium  enthalten  gewesen  ist.  Aber  weder  in  Mt.  17, 
10—13  (=Mc.  9,  11—13)  noch  in  Mt.  11,  14  dürfte  der  ur- 
sprüngliche Standort  dieses  Logion  zu  finden  sein.  Denn  in  Mc. 
9,  11 — 13  =  Mt.  17,  10—13  besteht  mit  dem  Vorausgegangenen 
nur  ein  äusserlicher  Zusammenhang,  nämlich  durch  die  voraus- 
gegangene Erwähnung  des  Elias  in  der  Verklärungsgeschichte 
Mc.  9,  4.  5  =  Mt.  17,  3.  4.  Denn  weder  ist  die  Frage  nach  der 
künftigen  Erscheinung  des  Elias  auf  Seiten  der  Jünger  in  diesem 
Augenblick,  wo  ihnen  eben  die  Erscheinung  des  Elias  zu  Theil 
geworden  ist,  motiviert,  noch  hat  die  Antwort  Jesu,  dass  der 
Elias  in  Johannes  dem  Täufer  bereits  erschienen  sei,  irgendwie 
mit  der  Verklärungsgeschichte  einen  innerlichen  Zusammenhang. 
Folglich  wird  das  ganze  Gespräch  durch  Marcus  von  anderswoher 
hier  eingeschaltet  und  von  Marcus  aus  in  das  erste  Evangelium 
an  dieser  Stelle  (Mt.  17,  10  ff.)  übergegangen  sein,  während  Lc. 
diese  Marcus-Einschaltung  an  bezüglicher  Stelle  weggelassen 
und  damit  sicherlich  den  ursprünglichen  Context  wiederherge- 
stellt hat.  Vgl.  Lc.  9,  36.  37  ff.  Derselbe  Lc.  lässt  uns  aber 
weiter  erkennen,  dass  auch  Mt.  11,  14  nicht  der  originale  Standort 
jenes  Ausspruchs  gewesen  sei,  in  welchem  Jesus  den  Täufer  für  den 
verheissenen  Elias  erklärt.  Zwar  würde  diese  Erklärung  an  die  Rede 
Jesu  über  Johannes  Mt.  11,  7 — 11  =  Lc.  7,  24 — 28  weit  besser  sich 
anschliessen  als  an  die  Verklärungsgeschichte.  Aber  dies  würde 
doch  nur  dann  von  Beweiskraft  sein,  wenn  Mt.  11, 14  unmittelbar  auf 
Mt.  11,  11  =Lc.  7,  28  folgen  würde,  und  wenn  nicht  Mt.  11, 12.  13 
dazwischen  stünde,  welche  Einschaltung,  wie  man  aus  Lc.  16,  16 
ersehen  kann,  ganz  wo  andershin  gehört  hat,  und  ferner,  wenn 
nicht  vielmehr  Lc.  7,  29.  30  das  ursprüngliche,  echte  Zwischen- 
glied zwischen  Mt.  11, 11  =  Lc.  7, 28  einerseits  und  Mt.  11, 16  ff.  = 
Lc.  7,  31  ff.  andrerseits  gebildet  hätte.  Es  ergibt  sich  sonach,  dass 
die  Erklärung  Jesu  über  den  Johannes-Elias  auch  hier  an  einer 
fremden  Stelle  steht,  dass  sie  ursprünglich  vielmehr  in  den  Context 
gehört  hat,  welcher  durch  Lc.  16,  16  markiert  und  zu  Mt.  5,  17 
bereits  näher  besprochen  ist.  Dann  wird  aber  auch  klar,  woher 
Mc.  seine  Einschaltung  Mc.  9,  11—13  (=  Mt.  17,  10—13)  ent- 
nommen hatte,  nämlich  eben  aus  dem  originalen  Zusammenhang, 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  11,  14.  15.  28.  \$\ 

von  welchem  in  Lc.  16,  16  =  Mt.  11,  12.  13  undLc.  16,  17  =  Mt. 
5,  17.  18  noch  die  Trümmer  vorhanden  sind.  Es  legt  sich  die 
Vermuthung  nahe,  dass  die  Frage  nach  dem  kommenden  Elias 
vielleicht  nicht  von  den  Jüngern,  sondern  von  den  Mc.  9,  11  = 
Mt.  17,  10  erwähnten  Pharisäern  und  Schriftgelehrten  ausge- 
gangen ist,  mit  welchen  nach  Lc.  16,  14  ff.  Jesus  in  einer  Streit- 
unterredung begriffen  war.  Es  leuchtet  endlich  auch  ein,  dass 
zwar  der  ursprüngliche  Standort  von  Mc.  9, 11 — 13  =  Mt.  17, 10 — 
13  verrückt  ist,  aber  der  dort  erhaltene  Wortlaut  dem  Context 
von  Lc.  16,  14  ff.  vollkommen  und  namentlich  besser  entspricht 
als  die  Parallele  Mt.  11,  14.  Gleichwohl  ist  auch  dieses  Logion 
wahrscheinlich  quellenmässig.  Für  die  Annahme,  dass  der  Wort- 
laut von  Mt.  11,  14  aus  dem  Urevangeliura  selbst  stammt,  spricht 
die  Variante  audire,  welche  Cod.  Colbert.  an  Stelle  des  cano_ 
nischen  ötsaofrai  bietet,  wie  denn  auch  zu  Lc.  10,  16  dxovuv 
und  öexto&ai  als  Übersetzungsvarianten  von  bap  vorkommen. 
(Vgl.  Lc.  10,  16.)  Jedenfalls  aber,  wenn  das  Citat  Justins  in 
diesem  Falle  ausnahmsweise  mit  dem  canonischen  Text  wesent- 
lich übereinstimmt,  so  ist  die  Citierung  dieses  Logion  bei  Justin 
in  der  Fassung  von  Mt.  11,  14  ein  neues  sicheres  Kennzeichen, 
dass  dieser  Schriftsteller  neben  seinen  aussercanonischen  Evan- 
gelienquellen wiederholt  auch  dasjenige  Evangelium  benützt  hat, 
welches  jetzt  die  erste  Stelle  im  Canon  einnimmt.  Dabei  beruht 
die  Variante,  bezw.  der  Zusatz:  dxovuv  nach  mxa  auf  hand- 
schriftlicher Überlieferung  und  zeigt  von  neuem  eine  Überein- 
stimmung der  von  Justin  benützten  Handschriften  mit  der- 
jenigen Textgestalt,  welche  die  älteste  syrische  Tradition  reprä- 
sentiert. 

Mt.  11,  28. 

a.  Ephr.  Syr.  Ev.  concord.  expos.  c.  10.  ed.  Mösinger  p.  117. 

Venite  ad  me,  qui  laboratis  et  onerati  estis  et  qui 
habetis  graves  afflictiones,  et  ego  reficiam  vos. 

b.  Pistis  Sophia  ed.  Petermann  p.  138. 

stavxeg  ol  vjco  ßtoipivöJv  xal  xojiiajvxeg  vjcb  xov  (poQxiov 
vficov,  ösvxe  jiooq  fit,  dvajiavoco  vfiäg. 

c.  Agathangelus  c.  144.  ed.  Lagarde  p.  73,  37. 

iva  xal  jianaxaltGij  xovg  xsx/irjxöxag  ev  xtj  iöia  ßaoileia 
xal  dvajcaüOrj  xovg  jmrpoQxiOfiivovg. 

9* 


132  Aussercanoniscbe  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

d.  Hom.  Cl.  III,  52.  p.  50,  32. 

öio  xcu  ißoa  Xiyow'  dsvre  jiQoq  fit  jtdvrsq  ol  xojti- 
(Zvxsq. 

e.  Mt7TTT28. 

Öevte  JiQoq  (ih  jtdvxeQ  ol  xomojvtsq  xal  jit<poQtio- 
[iivoi  xuyco  dvajcavoo)  Vficcq. 

f.  Aphraates  ed.  Anton,  p.  355. 

venite  ad  me  qui  laboratis  et  fatigati  estis  et  qui 
habetis  onera  gravia. 

g.  Pistis  Sophia  p.  138,  1  ed.  Schwartze  et  Petermann. 

Propter  hoc  igitur  dixi  vobis  olira:  unusquisque,  qui  sub 
curis,  et  laborans  sub  earurn  onere,  venite  ad  me,  et  dabo 
requiem  vobis. 

Das  Logion  Mt.  11,  28 — 30,  welches  sich  in  der  Quelle  un- 
mittelbar an  Lc.  10,  21— 24  =  Mt.  11,25—27;  13,16.  17  an- 
schloss  (vgl.  Weiss,  Matthäusevangelium  S.  307),  ist  zwar  von 
der  so  häufig  kürzenden  Hand  des  Lucas  weggelassen,  kann  aber 
mit  Hilfe  des  Lucas- Contextes  in  seinem  ursprünglichen  Sinn 
noch  erfasst  werden.  Danach  war  es  gerichtet,  nicht,  wie  Weiss 
annimmt,  an  die  Volksmenge,  sondern  an  die  von  der  Samariter- 
mission (Lc.  10,  1  —  16)  zurückkehrenden  Jünger  (Lc  10,  17—24). 
Daher  ist  das  xojiuövreq  =  xexfujxöreq  zunächst  auf  die  Mühen 
der  apostolischen  Missionsarbeit  zu  beziehen  und  ebenso  das 
dvajtavoco  auf  das  Ausruhen  von  gethaner  Arbeit,  ganz  ähnlich, 
wie  der  Herr  den  von  der  Mission  in  Israel  zurückgekehrten 
Zwölfen  zuruft:  ävajtaviGfrt  oXlyov.  Vgl.  Mc.  6,31,  wo  auch 
sogar  das  parallele  ötvrs  nicht  fehlt.  Die  Ubersetzungsvarianten 
xojiioiv  und  xexfiqxcüq  gehen  daher  wohl  nicht  auf  b'ay  zurück, 
welches  die  sämtlichen  hebräischen  Rückübersetzungen  an  dieser 
Stelle  anwenden,  sondern  auf  J?;p,  welches  dem  Zusammenhang 
besser  entspricht  und  den  Zustand  der  Ermüdung,  in  welchem  die 
Jünger  zurückgekehrt  waren,  genau  bezeichnet,  überdem  nicht 
blos  durch  xoxiäv  (vgl.  LXX.  Deut.  25,  18;  2.  Sam.  17,  2),  sondern 
ebenso,  ja  noch  treffender,  durch  xdfivetv  wiedergegeben  werden 
konnte.  In  der  Übersetzung  des  Aphraates  ist  es  durch  einen 
doppelten  Ausdruck  ersetzt:  qui  laboratis  et  fatigati  estis.  Sasse 
(Prolegg.  in  Aphraatis  serm.  p.  28)  sagt  von  dem  armenischen 
Übersetzer:  solet  enim  verbum  archetypi  simplex  duobus  verbis 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  11,  28.  29.  133 

synonymis  reddere.  Vgl.  Zahn,  Forschungen  I,  150.  Mit  dem 
zweiten  Ausdruck  „fatigati"  hat  nun  der  armenische  Übersetzer 
den  Sinn  des  Urworts  ?1P  aufs  Beste  getroffen.  Die  Varianten 
ji£<pogxtö(i£Vog  ==  oneratus  =  qui  habet  gravia  onera  gehen 
wahrscheinlich  auf  bap"p  zurück.  Vgl.  bDC  =  Mühe,  Beschwer- 
lichkeit, Last  =  <pogxiov  in  v.  30. 

Mt.  11,  29*. 

a.  Ephr.  Syr.  Opp.  I,  149  C.  [ed.  Twaites  p.  103]. 

XaßtTE  xbv  C,vybv  fiov  £<p*  vfiäg  xal  (lä&tre. 

b.  ClemTAl.  Strom.  II,  5,  22.  p.  440. 

agaxE,  (fj/öiv,  ä<p'  vitcöv  xbv  ßagvv  C,vybv  xal  XaߣX£  xbv 
jcgäov,  /]  yga<pi)  (p?/Gl. 

c.  Acta  Thomae  §  28.  Act.  app.  apocr.  ed.  Tischendorf  p.  215. 

Ö£§aol^e  £vybv  ngabxtjxog  xal  (poQxiov  iXacpgbv. 

d.  dem.  Rom.  I,  16,  17.  p.  32,  27. 

ijfistg  ol  vjco  xbv  £vybv  xf\g  %ägixog  avxov  öi  avxov  IX- 
ftbvxsg. 

e.  Herrn.  Sim.  IX,  2,  4.  p.  200,  18. 

xovg  (ofiovq  B/pvoai  xovg  öegiovg  mg  (itXXovoai  fpogxiov 
xl  ßaoxäC,£iv. 

f.  Jiö.Yli. 

el  fiev  yäg  Övvaaai  ßaoxäöai  oXov  xbv  £vybv  xov  xvglov, 
xiXuog  eay. 

g.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  53.  p.  272  D. 

o  XgiCxbg  ovxoq  eXO-ojv  öu   xojv  fia&?]xcbv  avxov  jtifitpag 

6fia&?'/x6vö£v   avxovg,   xal   xbv    C,vybv   toi    Xbyov  avxov 

ßaoxuöavxeq  xxX. 
h.  Eus.  in  Psalm.  2,  4. 

agaxe  xbv  £vybv  (iov  xal  'töexe,  oxi  XQVGt(><?  koxt. 
i.  Clem.  AI.  Strom.  V,  5,  30.  p.  G63. 

öia  xovxo  b  xvgiog'  agaxE  xbv  C,vybv  (iov,  (ptjoiv. 

k.  Mt.  11,  29a. 

agaxe  xbv  Cvybv  (iov  £<p*  v(iäg  xal  (iü&£X£  ajc   Ifiov. 

Das  Aufnehmen  des  C,vybg  war  im  Hebräischen  mit  STD:  be- 
zeichnet, ganz  so  wie  das  Aufnehmen  des  öxavgbg  in  den  Va- 
rianten  zu    dem  Logion   Lc.  14, 27   und    seinen   Parallelen.      In 


134  Au8sercanoni8cbe  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

beiden  auch  dem  Sinne  nach  eng  verwandten  Fällen  gehen  die 
griechischen  Versionen  des  Stte3  auseinander  in  ßaGxd&iv,  cciqeiv, 
Za/jßdvsiv,  wozu  hier  noch  als  viertes  Synonymon  öixeöfrcu  hin- 
zukommt. Die  Übersetzungsvariante  ßaGxa&iv,  welche"  von 
Hermas,  Justin  und  der  Jiöa%ij  vertreten  ist,  gehört  dem 
lucanisch-paulinischen  Übersetzungstypus  an.  Vgl.  Gal.  6,  2.  5. 
Act.  15,  10.  Zu  dem  (id&exe  an  s/jov  ist  Eph.  4,  20:  vfteTq  61 
ox>x  ovxcoq  kfid&exe  xov  XgiGxov  als  paulinische  Parallele  zu 
notieren.  —  Wegen  der  Übersetzungsvarianten  von  K1D3  vgl. 
z.  B.  Ps.  55,  13,  wo  Symmachu8  das  von  den  LXX  mit  vno- 
<p£oEiv  übersetzte  81D3  durch  ßaotd^eiv  wiedergiebt,  oder~Jud. 
3,  18,  wo  die  LXX-Codices  zwischen  <p£oovxaq  und  algovxaq 
schwanken,  Deut.  33,  3:  Kfet'  =  LXX:  tä&xo,  Esr.  5,  15:  K'V  = 
LXX: lafa 

Mt.  11,  29\ 

a.  Ephr.  Syr.    Opp.  I,  149  C. 

ort  rjovvoQ  slfii,  ngavq  xal  enteixijq  xal  xaneivoq  xjj 
xagöia. 

b.  Clem.  Rom.  I,  21,7.  p.  40,9. 

xo  dxsgaiov  xijq  ngavxtjxoq  avxmv  ßovhjfta  dnodei^a- 
rmoav,  xo  iniEixhq  xrjq  yXcooorjq  avxmv. 

c   Ep.  ad  Diogn.  VII,  4.  p,  159,  19. 

aXÜ  ev  kniEixEia  xal  ngavxtjx i  mq  ßaöiXevc  nEfincov 
vlov  ßaoiXia  EJtsfixpev. 

d.  Clem.  Rom.  I,  30,  8.  p.  50,  9. 

eniEixEta  xal  xansivo<pgoGvvr)  xal  ngavxrjq  nagd  xoiq 

tvXoyrjfidvoiq  vnb  xov  &eov. 

e.  Clem.  Rom.  I,  56,  1.  p.  90,  13. 

oncoq  öoßt]  avxotq  EJtieixeia  xal  xanEivofpgoGvvrj. 

f.  Clem.  Rom.  I,  58,  2.  p.  H&~IA. 

o  noir/Gac  ev  xanEivorpgoGvvn  fiex'  exxEvovq  kniEixelaq 
dtu£xatu£Xr}xcog  rd  vno  xov  &eov  öeöofiEva  öixaiatfiaxa  xal 
jcQOGxdyfiaxa. 

g.  Barn.  XIX,  3.  4.  p.  74,  11.  16. 

tGfl  6h  xan£iv6<pgcov  xaxd  ndvxa'  —  tG\)  ngavq,  egvj 
rjGvyioq. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  11,  29.  135 

h.  Herrn.  Mand.  XI,  8.  p.  114,  7. 

jcgmxov  (ikv  6  sx<xtv  xo  Jtvsvfia  xo  &eTov  xo  avco&ev  jtgavg 

eöxi  xal  rjövxioq  xal  xajc£iv6g>Qa>v. 
i.  Herrn.  MandTV^,  3.  p.  88,  22. ~~ 

jtaQafttvovoa  öia  jcavxog  jrgasTa  xal  V^vxiog^ 
k.  Herrn.  Mand.  V,  2.  6.  p.  90,  4. 

Crjxet  xaxoLxelv  fiExä  ngaoxrjxog  xai  rjßvxlag. 
1.  Herrn.  Mand.  VI,  2,  3.  p.  92,  12. 

6  ftev  xijg  öixatoovvTjg  ayysXog  xovtpEQog  toxi  xal  tdojyv- 

X7]qoq  xal  scgavg  xal  rjövxiog.     [Latine:  tenerrimus  et  vere- 

cundus  est  et  modestus  et  quietus.] 
ra.  Tertull.  de  spect.  c.  15. 

Deus  praecepit  spiritum  sanctum,  utpote  pro  naturae  suae 

bono  tenerum  et  delicatum,  tranquillitate  et  lenitate  et  quiete 

et  pace  tractare. 
n.  Test.  XII  patr.  Dan.  c  6. 

soxat    ydg    alrjd-rjg    xal    (laxQoftvfiog,     ngäog    xal    xa- 

neivoc. 
o.  Test.  XII  patr.  Benj.  c.  9. 

syvcov  de  oiog  eoxai  xajcstvog  im  xrjg  yrjg. 
p.  Mt.  11,  29b. 

6xi  jtQavg  slfit  xal  xajcEivog  xij  xagöia. 

Durch  die  Vergleichung  des  Hermastextes  mit  derjenigen 
aussercanonischen  Fassung,  in  welcher  Ephraem  das  canonische 
Herrenwort  Mt.  11,  29  citiert  (Ephraem  p.  103,  27.  28:  Xaßexe 
xbv  Cvyov  fiov  iy  vficcg  xal  fta&exe,  oxi  rfivxog  sifii,  xoavg 
xal  sjtiEixrjg,  xal  evqtjGexe  dvdjtavoiv  xalg  ipvxalg  v/icöv),  sowie 
durch  die  Herbeiziehung  der  paulinischen  Benützung  dieses  Lo- 
gion (2.  Cor.  10,1:  de ä  xtjg  xoaoxrjxog  xal  emsixsiag  xov  Xqi- 

oxov,  og xanuvög)  wird  es  evident,  dass  dem  Hermastext 

Mand.  XI,  8    das    Herrenwort   Mt.  11,  29   in    aussercanonischer 
Version  zu  Grunde  liegt.     Von  da  aus  aber  fällt  auch  ein  Licht- 
strahl auf  die  jacobeische  Parallele  Jac.  3,  17.    Man  vergleiche 
die  Parallelen: 
Mt.  11,  29.  üiqavg  slfii  xal  xaxavog  xy  xagöia 

Hermas.       xoavg  eoxi  xal  t/ovxiog     xal  xajt£iv6<pQon< 
2  Cor.  10,1.  jtgavxrjxog  xal  emeixsiac  og  —  xaxeivoq 
Ephraem.     TjOvxog  elfu,        Jiga'vg        xal  ijtiEixi)g 
Jac.  3,  17.    slorjvix/j,  ImEixr'ig,  EVjrEtdrjg 


J36  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Aus  dieser  Vergleichung  ist  zunächst  mit  Bestimmtheit  zu 
sehen,  dass  in  der  Quelle  es  drei  Prädikate  waren,  welche  der 
Herr  sich  selbst  beilegt  und  dass  der  Redaktor  des  ersten  ca- 
nonischen Evangeliums  das  von  Paulus,  Jacobus  und  Ephraem 
an  zweiter  (eventuell  dritter)  Stelle  beigebrachte  Adjektivum 
/'jövxog  oder  tjtieix//c  hat  in  Wegfall  kommen  lassen.  Ferner 
wird  der  hebräische  Grundcharakter  des  Textes  erkannt  durch 
die  Parallelen:  raxeivog  rr\  xagöia  (Mt.)  =  raji£iv6<pgmv  (Herrn.). 
Denn  das  hierfür  vorauszusetzende  hebräische  Grundwort  ailb  b&Ü 
ist  durch  raneivag  trj  xagöia  wörtlich  hebraisierend  übersetzt, 
während  rajteivocpgmv  denselben  Grundtext,  aber  in  gut  grie- 
chischer Sprachform  wiedergiebt.  Man  kann  in  diesem  Fall 
also  mit  Evidenz  die  Benützung  der  hebräischen  Evangelienquelle 
bei  Hermas  nach  einer  aussercanonischen  Version  nachweisen. 
Dabei  muss  man  sich  daran  erinnern,  dass  bei  Hermas  o 
viog  xov  &tov  mit  dem  jivEVfia  ro  ftelov  xo  avco&sv  identi- 
fiziert wird,  dass  also  nach  dieser  Auffassung  6  lywv  ro  jtvevfta 
ro  ftelov  ro  avcofriv  den  Sohn  Gottes  in  sich  hat  und  ihm 
ähnlich  werden  soll,  der  da  gesagt  hat:  Jtgavg  elfii  xal  7]6v%ioq 
xal  ramLvöqQcov  —  entsprechend  seinem  gleichzeitigen  Worte: 
fia&ere  äx  sftov.  Von  hier  aus  erschliesst  sich  nun  auch  das 
tiefere  Verständniss  für  den  Zusammenhang  der  jakobeischen 
Parallele  Jac.  3,  17,  wo  unter  der  1)  arm&ev  Coffia  ebenfalls  der 
viog  rov  frtov  gemeint  ist.  Ferner  ersehen  wir  aus  Lc.  10,  17  — 
20,  dass  Jesus  (bemüht  gewesen  ist,  die  Freude  der  über  ihre 
Missionserfolge  in  hoher  Aufregung  zurückgekehrten  Jünger  zu 
dämpfen,  indem  er  sie  von  ihren  äusseren  Erfolgen  hinweg  auf  ihr 
inneres  eigenes  Seelenheil  hingewiesen  hat  (Lc.  10,  20).  In  diesen 
Zusammenhang  gehörte  recht  eigentlich  das  t'jovxog  slfit  des 
Ephraem,  welches  dem  tjgvxioc  bei  Hermas  und  Barnabas, 
sowie  dem  spiritus  tranquillitatis  bei  Tertullian  entspricht. 
Die  Jünger  sollten  die  dem  Meister  einwohnende  Seelenruhe 
von  ihm  lernen  (f/a&trs  an  ifiov),  dann  würden  sie  auch  Ruhe 
finden  für  ihre  eigenen  Seelen.  Der  erste  Evangelist  hat  dieses 
1/Ovxog  =  EJiiEiX7]g,  weil  es  für  den  neuen  Zusammenhang,  in 
welchen  er  das  Logion  versetzte,  seine  Bedeutung  verloren 
hatte,  weggelassen.  Im  Urtexte  dürften  die  drei  Prädikate:  lb©= 
ijövxoq,  tjOvxioq,  tranquillus,  ijrietxrjc,  slgijvixog,  ferner  132;  = 
ngavq,   ngäog,  endlich  sab  b£0  =  rajtEivorpgcov ,  rantirog  rfi 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  11,  29.  137 

xagöia.  (xajteivorpQwv  =  xajteivbq  xalq  cpQeoiv)  zu  Grunde  ge- 
legen haben.  Als  canonische  Anspielungen  vergleiche  man  ausser 
2.  Cor.  10,  1  und  Jac.  3,  17  noch  Col.  3,  12,  auch  Phil.  4,  5  und 
namentlich  Phil.  2,  2  ff.,  an  welcher  letzteren  Stelle  die  Mahnung, 
demüthige  Gesinnung  von  dem  demüthigen  Jesus  zu  lernen,  aus 
diesem  Herrenwort  entstanden  zu  sein  scheint.  Übrigens,  wenn 
in  den  Test.  XII  patr.  Benj.  9  von  Christo  gesagt  wird:  tyvcov 
öe  oioq  'iöxai  xajtsivbq  exl  xtjq  yi)q,  so  ist  auch  da  an  unser 
Logion  angespielt.     Überdem  vgl.  man  Agrapha  S.  275  ff. 

Mt.  11,  29c. 

a.  Clem.  Rom.  II,  6,  7.  p.  118,  23. 

jioiovvxeq    yao    xo    d-tkr/fta    xov    &sov    evQi'jGotuei>   avä- 
jcavoiv. 

b.  Theophü.  ad  Autol.  111,  12. 

xal  svqi'/Gexs  dvdjiavoiv  xalq  ipv%alq  vficöv. 

c.  Ephr.  Syr.  Opp.  I,  149  C. 

xal  evQfjOsxe  dväjtavdiv  xalq  tpvxcclq  vficov. 

d.  Mt.  11,  29c. 

xal  evQ?j0sx6  dväjtavoiv  xalq  i}>vxalq  vfimv. 

Die  unter  b  aufgeführte  Parallele  aus  Theophil us  gehört 
nicht  unserem  Logion,  sondern  einem  alttestamentlichen  Citat 
aus  Jerem.  6,  16  an.  Der  Context  lautet  bei  Theophilus  (p.  218 
ed.  Otto)  folgendermassen:  'üftoicoq  xal  Ieoefiiaq'  2xi]xe,  q>?j- 
oiv,  ejtl  xalq  oöolq  xal  iöext,  xal  ejienwxrjöaxe  jioia  koxlv  tj 
odbq  xvoiov  xov  &eov  r/fiojp.  7)  aya&t) ,  xal  ßaöiCsxs  h>  avxij, 
xal  evQ7joext  avajiavoiv  xalq  tyv%alq  vtumv.  Hier  ist  zu 
bemerken,  wie  dieses  alttestanientliche  Citat,  mit  dem  Septua- 
gintatext  im  übrigen  wörtlich  übereinstimmend,  doch  die  irr- 
thümliche  Übersetzung  der  LXX:  ayviOfioq  vermeidet  und 
dafür  das  richtige  dväjravöiq  einsetzt.  In  dieser  Fassung:  xal 
evQijötxE  avajiavoiv  xalq  <pv%alq  Vficöv  D2TBB3b  ?^"""E  ^XSttl 
berührt  sich  der  Schluss  von  Jerem.  6,  16  wörtlich  mit  dem 
Herrenwort  Mt.  11,  29c.  Und  doch,  wer  das  Herrenwort  Mt.  11, 29 
mit  der  alttestamentlichen  Stelle  Jerem.  6,  16  vergleicht,  findet 
im  Übrigen  zwischen  beiden  Stellen  nicht  die  geringste  Ver- 
wandtschaft. Wird  also  hier  nicht  beides  evident,  dass  die  An- 
lehnung des  Herrenworts  Mt.  11,  29  an  Jerem.  6,  16  eine  rein 


138  Aussercanonische  Faralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

sprachliche  ist,  dass  aber  das  Sprachgut  dem  biblischen  Hebräisch 
entstammt?  Und  wie  vorzüglich  fügt  sich  dieser  alttestamentliche 
Satztheil :  D5t?t?b  yilHö  1K2E1  der  Rede  Jesu  ein,  durch  welche 
er  eine  Beruhigung  der  durch  ihre  Erfolge  ausser  sich  gerathen 
gewesenen  Jünger  bewirken  will! 

Die  Übersetzung  der  LXX:  dyviGfioq  xcuq  tpvxalq  vfimv 
klingt  vielleicht  1.  Petr.  i,  22:  xalq  xpvxalq  vfioiv  qyvixoxeq  an. 

Mt.  11,  30. 

a.  Acta  Thomae  §  28.  Acta  app.  apoer.  ed.  Tischendorf  p.  215. 

xal  g>ogxiov  hXaapgov,  Yva  Ojorjxe  xal  fi?)  äjto&avelxe. 

b.  Agathangelus  c.  1 44.  ed.  Lagarde  p.  74,  39. 

o   yäg    £vyoq   fiov   XP^ötoc,    xal    xo    (pogxiov   fiov 
evßdoraxrov. 

c.  ClemTATstrom.  V,  5,  30.  p.  663 

oxi  xQyotog  köxi  xal  aßagrfq. 

d.  Mt.  11,  30. 

6  ydg  £vyoq  fiov  XQVÖT^?  xai  Tn  (pogxiov  fiov  iXa- 
q>gov  koxtv. 

e.  Pistis  Sophia  p.  138,  4.  ed.  Schwartze  et  Petermann. 

quod  leve  est  meum  onus  et  mite  est  meum  jugum. 

In  diesem  letzten  Theile  des  Logion  erweitert  und  verallge- 
meinert sich  der  Begriff  des  C,vyoq  und  des  (pogxiov.  Wenn  Paulus 
Gal.  6,2  (vgl. mit  v.  5)  den  Cvyoq  Christi  als  einen  vofioq  xov  Xgi- 
oxov  umschreibt,  so  hat  er  dabei  stillschweigend  den  mosaischen 
vofioq  als  Gegensatz  vor  Augen.  Und  wenn  in  Lc.  11,  46  von  Jesu 
selbst  die  Gesetzesvorschriften  der  Pharisäer  als  <poQxia  övö- 
ßdoxaxxa  (=  ßagia  Mt.  23,  4  =  D'HSS)  bezeichnet  werden,  so  ist 
der  Gegensatz  in  dem  xo  (pogxiov  fiov  gegeben.  Dieses  <pooxiov, 
welches  Jesus  auflegt,  ist  im  Gegensatz  zu  dem  mosaischen  Ge- 
setz und  den  pharisäischen  Satzungen  svßdoxaxxov  (Agathange- 
lus) =  dßagiq  (Clem.  AI.)  =  eXaygov  (MiTA^taPThomae)  =  bj3. 
Darum  preist  er  nun  auch  im  weiteren  Fortgang  des  Urtextes 
(Lc.  10,  23.  24  =  Mt.  13,  16.  17)  seine  Jünger  im  Unterschied  von 
den  alttestamentlichen  Königen  und  Propheten  selig,  weil  sie, 
die  Jünger,  in  der  Person  ihres  Meisters  das  verwirklicht  sehen, 
was  jene,  die  unter  dem  Gesetz  waren,  so  inbrünstig  ersehnt 
hatten. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  11,  30.  12,  5.  139 

Mt.  12,  5. 

a.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  27.  p.  245  A. 

eixaxe  fioi%  xovg  doxiegelg  dfiaoxdveiv  xolg  odßßaoi 
3tQ0G<pe,Q0vxag  rag  jtQoG<poodg  eßovXexo  6  &eog; 

b.  Ev.  Thoruae  Graece  B  p.  159.   Ew.  apocr.  ed.  Tischendorf  III,  2. 

Ivaxi  xavxa  oioielg  ßeßijXcooag  xo  odßßaxov; 

c.  Epiph.  Haer.  XIX,  5.  p.  43  C. 

xnv  xvgiov  GaqHJög  Xt'yovxog  öxt  ol  legeTg  kv  xw  hoc» 
ßeßrjXovoi  xo  odßßaxov. 

d.  Epiph.  Haer.  LXVI,  85.  p.  705  A. 

xa&wc  Xeyei  o  xvotog  kv  xco  evayyeXiw'  ol  legeTg  viiwv 
ßeßrjXovoi  xo  odßßaxov  ev  xw  vacö,  xal  eiolv  dvai- 

XLOl. 

e.  Mt.  12,  5. 

rj  ovx  dveyvwxe  kv  xw  vofiw  oxi  xolg  odßßaoiv  ol 
legelg  kv  xw  leoäi  xo  odßßaxov  ßeßrjXovOiv  xal 
dvaixiol  eloiv; 

f.  Ephraem  Syr.  Ev.  concord.  expos.  ed.  Mösinger  p.  62. 

Sacerdotes  eorum  intra  templa  solvunt  sabbatum  et 
sine  peccato  sunt. 

Weiss  nimmt  (Marcusevangelium  S.  104.  Matthäusevange- 
lium S.  312)  wohl  mit  Recht  an,  dass  Mt.  12,  5 — 7  aus  der  vor- 
canonischen  Evangelienquelle  stamme  und  von  dem  zweiten 
Evangelisten  deshalb  weggelassen  werden  konnte,  weil  er  dafür 
aus  petrinischer  Erinnerung  Mc.  2,  27  substituierte.  Er  weist 
ferner  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  nach,  dass  der  ursprüng- 
liche Zusammenhang  dieser  Spruchreihe  ein  ganz  anderer  ge- 
wesen sei,  da  diese  Herrensprüche  auf  das  Ahrenausraufen  und 
Essen  der  Ähren  durch  die  Jünger  keine  Beziehung  aufzeigten. 
(Vgl.  das  zu  Mt.  9,  13  Gesagte.)  Ist  dem  so,  dann  braucht  der 
Anklang  an  Mt.  12,  5  bei  Justin  in  diesem  Falle  nicht  auf  das 
erste  Evangelium  zu  weisen,  sondern  kann,  wenn  auch  indirekt, 
die  vorcanonische  Quelle  zur  Voraussetzung  haben.  Die  Va- 
rianten in  dem  zweiten  Epiphanius-Citate,  namentlich  das  an 
johanneischen  Sprachgebrauch  erinnernde  vfiwv  hinter  legete. 
von  welcher  Variante  wie  von  vaw  (=  legw)  in  den  Hand- 
schriften keine  Spur  sich  findet,  könnten  ebenfalls  Nachwirkungen 
der    vorcanonischen    Evangelienquelle    sein.     Es   wird  demnach 


140  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

auch  das  eorum  in  dem  Texte  Ephraems  als  ein  Reflex  jenes 
vficov  zu  betrachten  sein,  von  welchem  Worte  eorura  (in  der 
3.  Pers.)  Zahn  (Forschungen  I,  131)  allerdings  mit  Recht  sagt, 
dass  es  nicht  zum  Text  gehöre,  weil  die  Pharisäer  angeredet 
seien.  Dem  griechischen:  xal  ävaixioi  sioiv  entsprach  im  He- 
bräischen wahrscheinlich:  ain  CH2  "pai.  Vgl.  3in  als  Grund- 
wort von  dfiaQxia,  ocpEih'},  ocpEiXi/fiaxa  Lc.  11,4  =  Mt.  6,  12,  so- 
wie hier  sine  peccato  (Ephraem)  =  sine  peccatis  (Syr.  Cur.)  = 
sine  culpa  (Pesch.). 

Mt.  12,  6. 
a.  Iren.  IV,  9,  2. 

Plus  est  enim,  inquit,  templo  hie. 

V».  Mt7l2,  6. 

Xtyco  öe  vtiiv,  ort  tov  ieqov  fist^öv  eötiv  coöe. 

c.  Cod.  Colbert,  Mt.  12.  (i.  p.  14.  ed.  Belsheim. 

dico  autem  vobis  quia  templo  major  est  hie 

Einer  der  Gründe,  um  deren  willen  Weiss  die  Verse  5 — 7 
zur  Quelle  rechnet,  ist  die  Verwandtschaft  des  tov  ieqov  fiElC,ov 
tOtLv  coöe  mit  Mt.  12,  41.  42:  löov  jcXeIov  'leovä  coöe  =  löov 
xXeiov  JZaXoficövoq  coöe.  (Vgl.  Weiss,  Matthäus  312.)  Diese 
Verwandtschaft  ist  noch  stärker  nach  der  Lesart  des  Irenaeus: 
Plus  est  enim  templo  hie  =  jiXeIov  tov  isqov  coöe. 

Mt.  12, 17—21. 

a.  Mt.  12,  17—21. 

i'va  Jil?]Qco{hi~j  ro  (tr/ütv  öid  Höatov  tov  JtQoeptjTOV  Xiyov- 
Toq'  löov  6  Jraiq  fiov,  ov  \\QETioa,  o  ayajcrjToq  fiov,  slq  ov 
evöoxtjOev  ?]  ipvx/j  fiov  &t]6co  xo  jiVEVfid  fiov  ex  avxov, 
xal  xq'iqiv  xoig  I&veOiv  djtayysXer  ovx  eqiöei  ovöh  xgav- 
yetoec,  ovöh  dxovosi  Tic.  iv  Tale  jtXaxsiaiq  xrjv  cpcovijv  av- 
xov' xdXafiov  ovvxEXQififiivov  oi  xaxed^Ei  xal  Xlvov  xv- 
rpoiiEVov  ov  oßtOEi,  %coq  dv  IxßdXtj  Eiq  vlxoq  xt)v  XQiOiV 
xal  tco  ovöfiaxi  avxov  i&vr)  eXjiiovöiv. 

b.  Dial.  c.  Tryph.  c.  123.  p.  353  A. 

ovxeo  XiyEf  'laxeoß  6  italq  fiov,  dvxiX?']tf)o(iai  avxov,  Ioga/)X 
ixXexxoq  fiov  ■9-ijOca  xo  jivEvfiä  fiov  ex  avxov,  xal  xqioiv 

TOlq    E&VEÖIV    E%o'l6EC    OVX    f-QlOEl    OVXE    XQa^El,    OVXE   dxOV- 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  12,6.  17—21.  141 

oetai  tig  sv  talg  JcXatsiaig  trtv  tpwvfjv  avtov'  xdXafWV 
ovvttTQifffJivov  ov  xat£a$£i  xai  Xivov  tv<p6{isvov  ov  fifj 
oßtGu.  aXXä  dg  dXij&tiav  i^oioei  xq'igiv  dvaX/jipsi  xai  ov 
fty  {hoavGfrfjoetai,  tatq  av  &ij  im  rf/c  //yc  xq'iöiV  xai  im 
tm  ovoftatt  avtov  eXmovoiv  t&vr). 
e    Diai.  c.  Tryph.  c.  135.  p.  365  AB. 

//  YQäffi}  .  .  .  ovtcog  t<p?j'  'laxcoß  o  jralg  fiov,  dvtiX/jynijui 
avtov,  xai  'looa/jX  o  ixXextög  fiov,  xpoodt^trai  avtov  i] 
ifvyj'i  fiov  ÖEÖmxa  to  xvevftä  (iov  ijc  avtov,  xai  xoioiv 
tolg  eVvtoiv  it-oioei'  ov  xtxQa^stai  ovöh  dxovo&rjöstai 
fc'go?  ?}  qxovtj  avtov  xc'cXa/iov  tsfrgavGfitvov  ov  Gvvtoitl'tt 
xai  Xivov  tv(p6tt£vov  ov  oßtoei,  tcoq  ov  vlxog  igoiGei  xq'igiv 
dvaXtjipsi ,  xai  ov  #Qavod?'jGEtai,  tag  av  #i/  im  tfjg  yijg 
xq'igiv  xai  im  tn  ovöftati  avtov  iXmovGiv  td-vr}. 
d.  Jes.  42,  1—5.  LXX. 

'iaxcoß  o  Jialg  (iov,  avtiX/jtpoftai  avtov'  logat/X  o  ixXextög 
f/ov,  ücgoosöh^ato  avtov  t)  tyvy?j  fiov  löoixa  to  jtvsvfid 
fiov  hjt  avtov,  xq'igiv  tolg  t&veGiv  esoiosi'  ov  xexods£tai 
ovöh  dvrjoEi  ovöh  axovoOtjöetai  e^m  t)  (pmvi]  avtov'  xdXa- 
fiov  ttftXaGfitvov  ov  owtoiipei,  xai  Xivov  xajcviC,6fievov  ox 
oßtGti,  aXXd  dg  aXrj&eiav  kgoiöti  xoiGiV  dvaXdfiipei  xai  ov 
ftnavGfri'jGttai,  uug  av  H-fi  im  tfjg  y7\g  xq'igiv,  xa\  im  tcö 
ovofiati  avtoi  t&v/j  iXmovGiv. 

Obiges  Citat  aus  Jes.  42,  1 — 5  ist  nach  der  Form  der  Cita- 
tion  unzweifelhaft  eine  Zuthat  des  ersten  Evangelisten,  und  die 
wiederholte  Verwerthung  desselben  durch  Justin  würde  sonach 
sicher  auf  das  erste  Evangelium  hinweisen,  wenn  nur  der  Text, 
iu  welchem  das  Citat  bei  Justin  auftritt,  irgendwelche  constante 
Abhängigkeit  von  dem  Übersetzungstypus  des  ersten  Evangeliums 
an  sich  trüge.  Unter  diesen  Umständen  ist  im  vorliegenden 
Fall  ein  sicherer  Rückschluss  auf  eine  neutestamentliche  Quelle 
nicht  angänglich.  Wohl  aber  ist  für  diejenigen,  welche  das 
Wesen  der  griechischen  Übersetzungstypen  und  ihr  Verhalten 
zu  dem  hebräischen  Urtext  nicht  erkannt  haben,  die  Vergleiclmng 
der  Justinischen  Übersetzung  mit  den  LXX,  sowie  mit  dem  in 
Mt.  12,  17 — 21  vorliegenden  alttestatnent liehen  Citate  sehr  lehr- 
reich,  weil   wir  hier  nicht  nötig  haben,  den  hebräischen  Urtext 


142  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

zu  reconstruieren,  da  derselbe  quellenmässig  vor  uns  liegt.     Man 

vergleiche 

"HS?  in  =  löov  6  Jtalg  (iov  (Mt.)  =  'laxwß  o  jcalg  /iov  (LXX, 

Just.). 
ia-!jiar)fc$  =  ov  rjoExioa  (Mt.)  =  dvxiXr'ttf)oftai  alxov  (LXX,  Just.). 
"HTia  =  6  dyajtJjxög  [iov  (Mt.)  =  [xal]  'looaTjX  6  IxXExxbg  (iov 

(LXX,  Jusi). 
"'©t?  nnST  =  slg  ov  evöoxi]Gev  rj  tpvxy  (iov  (Mt.)  =  jcqoGeÖe^oxo 

"}  VVXJ}  (l0V  (LXX,  Just.). 
Tb*  Till  ifina  ==  #r/öe»  to  xvEV/id  (iov  kx  avxov  (Mi,  Jusi)  = 

löarxa  xo  jtvsvfid  fiov  kjc    avxov  (LXX). 
Bröli  D^iäb  BBttjtt  =  xal  xqLoiv  xolg  e&vegiv  EJtayyEXEl  (Mt.)  = 

[xal]  xqIgiv  xolg  e&veoiv  e^oLgel  (LXX,  Just.). 
«'©?    xb")    y>y_¥]    Vib  =  ovx   eqIgei   ovöh  xQavydoEi    (Mt.)  =  ovx 

EQlOEL     OVXE     XQüi-El     (Just.)  =   OV    XEXQagEXai    (Just.)  =  OV 

xExoagExai  ovöh  ävfjOEi  (LXX). 
ibip  pina  Iptttth  fcÖ"!  =  ovöh  dxovGEi  xig  hv  xalg  JtXaxslaig  xi/v 

<jpa>vrjv  avxov  (Mi,  Just,  b  mit  der  Variante  ovxe)  =  ovöh 

axovö&rjOExai  e§<d  ij  (pcovrj  avxov  (Just,  sub  c,  LXX). 
"liatth    fct'b   y ^S*    n:j3  =  xdXapov   gvvxexqi(1(ievov   o\.    xaxEat-Ei 

(Mi,  Just,  sub  b.)  =  xdXafiov  xE&QavO(i£vov  [xE&XaO(iivov 

LXX]  ov  GvvxgiipEi  (Jusi  sub  c,  LXX). 
nsaD*1  s'b  nnp  nntpci  =  *«)  a/pgj;  xv<p6(iEvov  ov  GßiGEi  (Mi, 

Just.)  xal  Xivov  xaxviCbfiEvov  ov  GßsOEt  (LXX). 
"JBtDE  »itfr  rYDÄJj  =  £a>g  a*>  ExßaXy  Elg  vlxog  xijv  xqIgiv  (Mt.)  = 

t'og  ov  vlxog  e^oIgei  xq'iglv  (Just,  sub  c)  ■=  aXXd  slg  aXf- 

&Etav  E^oloEi  xqIgiv  (Just,  sub  b.,  LXX). 

Diese  Vergleichung  der  Übersetzungsvarianten  des  alt- 
testamentlichen  Textes  von  Jes.  42,  1 — 5  lassen  für  den  Nicht- 
kenner  der  Septuaginta  und  ihrer  Tochterversionen  die  Art  der 
verschiedenen  Übersetzungstypen  um  so  besser  erkennen,  als 
jener  alttestamentliche  hebräische  Text  durch  Mt.  12,  17 — 21  eng 
mit  der  neutestamentlichen  Evangelienliteratur  verwachsen  ist. 
Weiteres  vergleiche  man  bei  Bousset,  Die  Evangeliencitate 
Justins  des  Märtyrers,  S.  39.  40. 

Mt.  12,  36. 

a.  Aiö.   II,  5. 

ovx  EGxai  o  Xöyog  gov  \pEVÖt)g,  ov  xevoq. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  12,  36.  143 

b.  Const.  VII,  4.  p.  200,  19. 

ovx  egtcci  6  Xoyoq  oov  XEvbq'  jceqi  jtavxöq  ydg  Xoyov 
ömoere  Xoyov. 

c.  Epiph.  Haer.  LXXV11I,  21.  p.  1053  B. 

jtsgl  yag  Jtavxoq  dgyov  Xoyov  Xoyov  öatöOfiEV,  xaxa 
xo  ysygaftfievov. 

d.  Didasc.  II,  1.  p.  235  =  Const.  II,  1.  p.  14,  4. 

iptvöaötX<pa>v  dg  jcoXXovq  ejugtegofttvac  ßXaog)T]fxlaq  ov  yivo- 
oxovxcov  [to]  gfjfia  [8eov\  Iv  reo  tvayyhXico  elgr/fitrov  oq  av 
du?]  gfj/ia  dgyov,  ajioöoSoei  Jtegl  avxov  Xoyov  rot 
xvgiqj  ev  rjfiiga.  xgioeaiq. 

e.  Ephraem  Syr.  Opp.  II,  162  D. 

axovs  xov  Xt'yovxoq'  ßXaöcpt/ftovvxsq,  oi  djioöcoöovoi 
Xoyov  xqZ  dem  [itXXovxi  xglvai  C,mvxaq  xcu  vcxgovq. 

f.  Cleru.  AI.  Paedag.  II,  6,  50.  p.  198. 

t)  xal  jcegl  xovxov  ytygajtxar  oq  av  XaXrJGij  Xoyov  dgyöv, 
djtoöcboEi  Xoyov  xvgico  iv  Tj/iega  xgLoeoiq. 

g.  Mt.  12,  36. 

Xeyoj  de  vy.lv,    oxi  jtäv  gyya  dgyov,  b  XaXrjGovGiv  ol 

av&gcoxoi,  djtoöatoovGiv  jcsgl  avxov  Xoyov  iv  rjftEga 

xgioewq. 

Dieses  Logion,  obwohl  nur  von  Matthäus  erhalten,  gehört 
doch  der  vorcanonischen  Quelle  an.  Weiss  macht  auf  das  aus 
derselben  Quelle  stammende  Xoyov  djcoöiöovai  Lc.  16,  2  auf- 
merksam ("Weiss,  Matthäusevangelium  S.  325).  Aus  der  Ver- 
gleichung  des  canonischen  Textes  mit  dem  Ephraem-Texte  wird 
es  klar,  dass 

XaXelv  Xoyov  dgyov  (Clem.  AI.) 
XaXetv  gfjfia  dgyov  (Mt.) 
tlneiv  gfjfta  dgyov  (Const.) 
im   hebräischen  Urtext  so  viel  bedeutete  wie  ßXaog)ij[ielv.   Vgl. 
eine  ähnliche  Umschreibung  des  ßXaG<pr\y.Elv  in  Mt.  5,  11  =  Lc. 
6,  22  zu  Lc.  6,  22.    Von  jeder  Lästerung  werden  die  Menschen 
Rechenschaft  geben  müssen,   dieser  Gedanke  schliesst  sich  un- 
mittelbar  an  Mt.  12,  31.  32  an,  während  das  Einschiebsel,   wie 
Lc.  6,  43 — 45  zeigt,  ursprünglich  an  einen  anderen  Ort  gehört. 
Auch  Mt.  12,  33  ist   die  Phrase   eImeIv  Xoyov  xaxd  xivoq  eine 
Umschreibung  des  ßXao<pt](iEtv.     Vgl.  Erläuterung  zu  Lc.  12,  10. 


144  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Die  Parallele  Const.  VII,  4  zeigt,  dass  der  Redaktor  der  Consti- 
tutionen, als  er  Aid.  II,  5  verarbeitete,  bei  dem  Xoyog  xevdg  au 
den  Xoyog  ccQyog  aus  Mt.  12,  36  gedacht  hat;  ob  mit  Recht,  ist 
nach  dem  Vorstehenden  mehr  als  zweifelhaft.  Bezüglich  Qfjfia 
uQyöv  vgl.  Nestle,  Marginalien  und  Materialien  (1893)  S.  50 
und  die  dort  bezeugte  Identität  von  (if^ua  aQyov  und  Xoyog 
ovtiöiGftov  Sir.  23,  15. 

Mt.  12,  37. 

a.  Clem.  AI.  Paedag.  II,  6,  50.  p.  198. 

avdlg  xv  hx  xov  Xoyov  oov  dixatcofrijotj,  cpt/olv,  xal  ex 
xov  Xoyov  oov  xaxaöixaofrrjoij. 

b.  Tertull.  adv.  Marc.  II,  25. 

et  jam   tunc   initiaretur   evangelica   doctrina:   Ex   ore   tuo 
justificaberis  et  ex  ore  tuo  damnaberis. 

c.  Tertull.  de  idololatria  c.  20. 

Ex  ore  tuo  justificaberis. 

d.  Cod.  Colbert.  Mt.  12,  37.  p.  15.  ed.  Belsheim. 

Unusquisque  enim  verbis  suis  justificabitur,  aut  verbis  suis 
condemnabitur. 

e.  Mt,  12,  37. 

sx  yaQ  xcöv  Xoycov  oov  ötxaimS '//ö/y,  xal  Ix  xcöv  Xo- 
ycov oov  xaxaöixao&i'jotj. 

Mit  Mt.  12,  30  ist  auch  v.  37  als  urevangelisch  anzusehen. 
Die  Varianten  ex  ore  tuo  (Tert.)  =  ix  xov  Xoyov  oov  (Clem. 
AI.)  =  ex  xcöv  Xöycov  oov  weisen  auf  TpBtt  als  hebräischen 
Quellentext  zurück;  Vgl.  1.  Sani.  15,  24:  nin^  ^D  HK  iRW  = 
LXX:  xaQeßr/v  xov  Xoyov  xvqiov,  ferner  1.  Chron.  12,23:  »Tirp  ^E? 
=  LXX:  xaxd  xiv  Xoyov  xvqiov.  Ebenso  übersetzt  Symmachus 
Ps.  48,  14  (=  49,  13)  HB  mit  Xöyog.  Zu  der  ersten  Hälfte  des 
Logion:  ex  ore  tuo  iustificaberis  =  ex  xov  oxofiaxog  Oov  dixcum- 
tiSjOrj  vgl.  Rom.  10,  10:  xaodia  yaQ  jnoxevexai  elq  Öixaioovvrjv, 
oxofiaxt  öh  ofioXoyeixai  eig  ocoxtjQiav.  Man  vergleiche  auch 
das  aus  derselben  vorcanonischen  Quelle  stammende:  ex  xov  oxo- 
fiaxog oov  xqivcö  oe  =  TjüBTöS  »PB"*?  La  19,  22.  Die  Lesart  ex 
ore  tuo  ist  mithin  ursprünglicher  als  ex  xcöv  Xoycov  oov  Mt. 
12,  37  und  das  Ganze  ein  Beweis  von  der  nicht  selten  freieren 
U  bersetzungsweise  der  LXX  sowie  der  Logia  -Versionen. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  12,  37.  13,  24.  25.  145 

Mt.  13,  24. 

a.  Iren.  IV,  40,  3. 

o  fJ.lv  xvoioq  ev  zm  löim  djQw  xaXov  eajif-tQS  öJitQ(ia. 

b.  Epiph.  LXVI,  65.  p.  679  A. 

zo  öfioiov  de  jtdXtv  ejiiXaußdverai  o  avzöq  Mdvtjq  «jro 
zov  zov  ocozfjoa  ÜQrf/Ckvai'  ofiola  eOzlv  /}  ßaoiXeia  tcov 
ovnavajv  äv&Qcojzqy  olxodeöjiözi],  oq  eojtetoe  zov  dygov 
avzov  xaXov  öjitofta. 

c.  MtTlir^. 

couoico&rj  7]  ßaöiZeia  zcöv  ovQavmv  av&gcojico  ojtei- 
Qavrt  xaXov  ojzeQfia  ev  zw  ayQcö  avzox. 

In  dem  wichtigen  Abschnitt  seiner  Haeresiologie,  in  weichem 
Epiphanias  von  dem  Manichäismns  handelt,  bringt  derselbe 
eine  ganze  Anzahl  aussercanonischer  Paralleltexte,  offenbar  ans 
manichäischer  Tradition.  So  enthält  auch  §  65  in  Haer.  LXVI 
eine  von  dem  canonischen  Text  unabhängige  Relation  des  Gleich- 
nisses, welches  Mt.  13,  24 — 30  gelesen  und  dessen  Deutung  Mt. 
13,  36 — 43  gegeben  wird.  Dieser  manichäische  Paralleltext  ist 
im  Folgenden  S.  145 — 151  Schritt  für  Schritt  wiedergegeben.  Die 
Abweichungen  sind  derart,  dass  sie  nur  als  Verschiedenheiten 
der  Version  und  der  Redaktion  erscheinen  und  mithin  für  die 
Quellenmässigkeit  des  Gleichnisses  und  seiner  Deutung  Zeugnis 
ablegen.  So  wird  der  Zusatz  olxoötojtözi]  beglaubigt  durch  Mt. 
13,  27,  wo  dies  Wort  im  canonischen  Text  unvermittelt  und  un- 
vorbereitet auftritt.  Den  Zusatz  löicp  hat  Irenaeus  mit  Cod.  D 
und  Eusebius  gemeinsam. 

Mt,  13,  25. 

a.  Clem.  AI.  Strom.  III,  4,  34.  p.  526. 

eiq  de  ztq  zcöv  vjc  avrov  yeyovözcov  eJteoxeiQev  zd  £i- 
Cavcu. 

b.  Exe.  Theod.  §  53.  p.  982. 

toüto  C,iCdviov  Qvofid^ezai  ovf/tpveq  t//  ipv%f]  zm  XQV0TfP 
OJteofiazi. 

c.  Iren.  IV,  40,  3. 

ev  de  zm  xat) evöeiv  zovq  avftocojiovq  fjXftev  6  ex^{>oq 

xal  eöJisiQS  C,iC,dvia  fjeoor  zov  oizov  xal  djirjXihev. 
Texte  n.  Untersuchungen  X,  2.  10 


146  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

d.  Epiph.  Haer.  LXVI,  65.  p.  679  B. 

xal  xa&Evöovxcov  xo3v  av&QG>ji(DV  syO-goq  dvfrgcojcoq 
i]Xds  xal  eöJtsiQS  $tC,dvia. 

e.  Mt.  13,  25. 

ev  öh   xq3    xü&evÖeiv    xovq    dv&gcöjcovq  ijl&sv  avxov 

ky&göq  xal  exeGjieiQev  C.i^dvia  dvd  {uegov  xov  Gixov 

xal  ajtrjlfrsv. 

Der  in  der  manichäiscken  Relation  hervortretende  ausser- 
canonische  Zusatz  dv&gcojioq  zu  ix&göq  wird  durch  dieselbe 
Ausdrucksweise  6  sx&goq  dv&gcojtoq  in  v.  28  des  canonischen 
Textes  legitimiert.  In  dem  Gebrauch  des  Simplex  Igjcuqev  und 
des  Compositum  EJtsGJisigEV  gehen  sowohl  die  Handschriften 
wie  auch  die  Väter  auseinander.  Das  xgi/Gxdv  Gjt£gtua  in  den 
Exe.  Theod.  ist  ebenso  eine  aussercanonische  Übersetzungsvariante 
zu  dem  canonischen  xaXov  Gjcig/ja  =  3112  3HT,  wie  xo  xaxov 
ojitQfia  in  den  Homilien  zu  Mt.  13,  39  als  aussercanonische  Über- 
setzungsvariante  zu  CtC,dvia  auftritt.  Mt.  13,  26,  in  der  kürzeren 
manichäischeu  Relation  nicht  vorhanden,  ist  für  das  Verständnis 
auch  nicht  notwendig,  mithin  wahrscheinlich  Zuthat  de»  ersten 
Evangelisten. 

Mt.  13,  27.  28. 

a.  Epiph.  Haer.  LXVI,  65.  p.  679  B. 

eixa  XiyovGiv  avxm  ol  öovXoi  avroi'  ovyl  xaXbv 
Gjcegf/a  EGJCEtgaq  ev  reo  dygqo;  6  öh  eepr]'  vai  jto&ev 
ovv  xd  C,iC,dvia,  o  öh  djcoxgivdfiEVoq  eIjiev  ix&gog  av- 
&ga>jcoq  xovxo  ejcoit]OEv.  ol  öh  ÖovXoi  Jtgoq  avxov 
eijcov  &eXeiq  ovv  ajtEld-ovxEq  EXQiC,mGa)(iEv  xä  C,iC,dvia; 

b.  Mt.  13,  27.  28. 

^GGtXO^ovxEq  öh  ol  öovXoi  xov  oIxoÖegjcoxov  eijcov  avxm' 
xvqie,  ovyl  xakbv  GJtEQfta  EGjcEigaq  ev  xm  oeö  dygcp; 
jcofrsv  ovv  tysi  £i£dvia;  o  öh  £q>r\  avxolq'  hy^gbq  av- 
&ga>jioq  xovxo  ExoirjGEV .  ol  öh  öovXoi  Xiyov'Giv  av- 
xm' ^EXsiq  ovv  djtEX&ovxsq  GvXXst-mfisv  avxd; 

Auch  in  vorstehender  Text-Partie  hat  die  manichäische  Re- 
lation bei  Epiphanius  Manches  für  sich.  Dahin  gehört  nament- 
lich das  an  dieser  Stelle  viel  kräftigere  und  charakteristischere 
ExgiC,ovv    für   GvXXiysiv.     Aber   auch   der  Satztheil:   o  öh   \qyq. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  13,  27.  28.  29.  30.  147 

vai  —  könnte  sehr  wohl  ursprünglich  sein.  Es  wird  dadurch 
der  Umstand,  dass  der  olxodtojc6x7]g  nur  guten  Samen  (xaXbv  = 
XQtjOrov  OjctQfia)  ausgesäet  hat,  nachdrücklicher  als  im  canonischen 
Texte  hervorgehoben.  Die  Lesart  bei  Ephraem:  nonne  tu  semen 
sementis  sancti  seminasti  in  agro  tuo  (Mos.  p.  126)  erscheint  un- 
verständlich und  werthlos. 

Mt.  13,  29.  30. 

a.  Hippolyt.  Philosoph,  p.  460. 

aXXä  xal  xaoaßoX))v  xcöv  C,iC,avlcov  Jinog  xovxo  Eq>rj  Xt- 
ysod-ar  u<ptx£  xa  C^iCdvia  ovvav§eiv  reo  oixm,  xovxioxiv 
Iv  x/j  hxxXrfiia  xovg  afxagxdvovxag. 

b.  Epiph.  Haer.  LXVI,  65.  p.  679  BC. 

o  öe  JtQog  avxovg  £<ptj'  ov,  (ifjjccog  exgi^ovvxec  xa  C,i£d- 
via  exQiC.coG/ixa  xcux ov  Glxov  aXX'  g<pexe  tcog  xatgov 
x ov  D-egiGfiov,  xal  sqco  xolg  fteoioxalg'  ovXXs§axs 
xa  CiC,ävia  xal  6/jGaxe  Ö£G(idg  ösG/iag,  xbv  öh  Glxov 
äjtod-EG&e  ev  xy  ajiofyfjxy,  xal  txoif/aGaxt  xa  CiCavia  dg 
xo  xaxaxaijvai  jivqI  aGßtGxro. 

c.  Mt.  13,  29.  30.  ~~ 

6  öi  <ptjGiv  ov,  tu?]Jtox£  GvXXeyovxeg  xa  £i£uvia  exni- 
t,a>Gi)XE  ä/ia  avxolg  xov  Glxov'  [aXX  add.  Syr.  Cur.] 
a<pexe  GvvavgavsG&ai  d[ig)6x£Qa  fiexQ1  T°v  &£QiG[iov, 
xal  ev  xaigcö  xo\  ftegiGfiov  kgc)  xolg  &£QiGxatg'  GvX- 
X£t-ax£  üiqmxov  xa  CiCdvia  xal  ör\Gax£  avxä  dg  öeg- 
fiag  jtgog  xo  xaxaxavGai  avxd,  xov  öe  Glxov  Gvvayd- 
y£X£  dg  xi]v  ajto&?]xrjv  [tov. 

Auch  in  dieser  Partie  des  Gleichnisses  bietet  die  mani- 
chäische  Relation  manches  Beachtenswerthe.  Das  aXX'  vor  d<p£X£ 
gehört,  was  von  Tischendorf  nicht  notiert,  aber  nach  Baeth- 
gens  Wiederherstellung  des  Syr.  Cur.  evident  ist,  nicht  blos 
der  manichäischen,  sondern  auch  der  altsyrischen  Tradition  an. 
Das  [irjjtmg  exgi^ovvxeg  IxQi^mGrßt  (vgl.  oben)  erscheint  ur- 
sprünglicher als  das  gewähltere  ft?'jtoxE  GvXXeyovxeg  exniCaiorjxe. 
Das  wiederholte  öeGfzdg  öeGfidg  ist  ganz  hebraisierend  gedacht; 
vergleiche  jtoaGial  zgaGiai  Mc.  6,  40.  Dem  djro&eo&ai  =  gvv- 
ayayslv  liegt  wahrscheinlich  ein  gemeinsamer  Quellentext,  etwa 
msfi  zu  Grunde.     Vgl.  Ez.  22,  20:   T.nsni  =  LXX:  xal  ovvd^m 

10* 


148  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

—  Ex.  16,  34:  inrpr"  =  LXX:  xal  djtifrTjxsv.  Unecht,  weil 
aus  dem  Gleichniss  fallend  und  schon  in  die  Deutung  desselben 
übergehend,  ist  doßtoxop,  dagegen  ist  das  jivqI  auch  bei  0 ri- 
eben es  vertreten.  Vgl.  Orig.  in  Jerem.  Hom.  1,  15:  öqöaxs  öeofiäq 
xal  xd  C,t^ä)Ha  jcagäöoTs  avrcc  jivqL.  Opp.  ed.  Lomuiatzsch  X V,  125. 

Mt.  13,  35. 

a.  Psalm.  78,  2.  LXX. 

dvoi^co  ev  jiaoaßoXaiq  xo  öxö(ia  fiov,  (p&ty^ofiai  jtqo- 
ßXr/fiaxa  djc'  dg^F/c. 

1>.  HouT^cie^nTxVniTlS.  p.  174,  16. 

rrö  xal  xov  Hoa'iav  ujieiv  dvoi^co  xo  oxofia  fiov  ev 
xagaßoXalq  xal  t^Egev^ouai  xexgvfifiiva  cuto  xaxaßoXfjq 
XOOflOV. 

c.  Mt.  13,  35. 

ojccoq  jrh]Qa>frf/  xo  g?]&ev  öid  Hoatov  xov  jcgo<pt'jxov  Xe- 
yovxoq'  dvoi^co  tv  JtagaßoXalq  xo  oxofia  fiov,  tgev- 
gofiai  xexgvfifieva  djto  xaxaßoXrjq. 

d.  Cod.  Colbert.  Mt.  13,  35.  p.TT  ed.  Belsheim. 

ut    impleretur   quod    dictum    erat    per  prophetam  dicentem: 

Aperiam  in  parabolis  os  meum. 

Für  die  Annahme,  dass  die  von  Epiphanius  erhaltene  ma- 
nichäische  Relation  des  Gleichnisses  vom  Unkraut  unter  dem 
Weizen  nicht  aus  dem  ersten  canonischen  Evangelium,  sondern 
aus  einer  guten  aussercanonischen  Quelle  stamme,  spricht  sehr 
wesentlich  auch  der  Umstand,  dass  bei  Epiphanius  Gleichniss 
und  Deutung  unmittelbar  auf  einander  folgt,  und  dass  die  sicht- 
lich von  der  Hand  des  Evangelisten  stammende  Zwischenbe- 
merkung v.  34.  35  fehlt.  Die  Form  der  Citation,  mit  welcher 
im  ersten  Evangelium  Ps.  78,  2  eingeleitet  ist,  lässt  an  sich  schon 
mit  Bestimmtheit  die  Hand  des  Redaktors  erkennen.  Um  so 
eclatanter  ist  in  diesem  Fall  die  Benützung  des  ersten  cano- 
nischen Evangeliums  durch  den  Redaktor  der  Clementinen, 
da  in  den  Homilien  nicht  nur  der  von  den  LXX  abweichende 
Text  wesentlich  gleichlautend  mit  Mt.  13,  35  wiedergegeben, 
sondern  auch  der  dort  vorhandene  Irrtum,  wonach  das  aus  Ps. 
78,  2  stammende  Citat  auf  Jesaias  zurückgeführt  wird,  in  den 
Clementmen   wiederholt  ist.  —  Cod.  Colbertinus   hat  diesen  Irr- 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  13,  35.  36.  37.  38.  149 

tum  durch  Weglassung  des  Namens  „Jesaias"  ausgeglichen. 
Die  Varianten:  dx  dgyJig  =  djtb  xaxaßoXrjg  =  djcb  xaraßoX-fjg 
xböfiov  sind  verschiedene,  z.  Th.  freie  Übersetzungen  von  D~Tj?~',i72 
im  hebräischen  Urtexte. 

Mt.  13,  36.  37. 

a.  Epiph.  Haer.  LXVI,  65.  p.  679  C. 

rcöv  de  fiad-?jX(5v  avxov  ejti  xfjg  oixiag  Xeybvxtov 
Hjrhijfilv  ti\v  jtagaßoXrjv  rcöv  t^iC.avimv,  o  de  emXvei 
xai  ov  xglvei,  iva  tur)  6vy%a)Q7Jöy  reo  djiaxecövi  xaxd  xijg 
aXrj&eiag  Xaßtjv  eyeiv.  djioxgivexai  ovv  Oacpmg  o  xvgtog 
xai   Xeyec   6   xb   xaXbv  ojtegtua  OJtelgag  eöxlv  o  &ebg. 

b.  MiT3T36T37. 

xbxe  d<pe\g  xovg  b^fXovg  tjX&ev  dg  xi]v  oixiav  xai  Jtgoo- 
r/XO-ov  avxqj  01  fia&Tjzal  avxov  Xeyovxeg'  (pgdöov  ijfilv 
xt)i>  üiaoaßoXr)v  xcöv  L,i£avicov  xov  dygov.  6  de  djto- 
XQi&tiq  tiJtev  o  ojteiowv  ro  xaXbv  ojte'gita  korlv  0 
vibg  xov  äv&gcojtov. 

Auch  hier  bewährt  die  manichäische  Relation  ihre  Selbst- 
ständigkeit mit  beachtenswerten  Varianten.  Nur  die  Verwand- 
lung des  0  vlog  xov  dvftgoijiov  in  o  &ebg  wird  als  tendenziös 
einer  späteren  Zeit  angehören.  Dagegen  die  Variante  eijti  (Epiph.) 
=  <pgdoov  (Mt.)  =  öiaoa<pi]6ov  (X*B,  Orig.,  mehrere  Italae)  = 
XD~~:jn  ist  gut;  ebenso  ist  b  ojeeigag  mit  Rücksicht  auf  ojtei- 
gavxi  in  v.  24  besser  als  6  GJieigaiv. 

Mt.  13,  38. 

a.  Herrn.  Sim.  V,  5,  2.  p.  150,  12. 

o  aygbg  0  xbotuog  ovxbg  eoxiv'  o  de  xvgiog  xov  dygov 
o  xxiöag  xa  Ttavxa. 

b.  Iren.  IV,  40,  3. 

aygbg  de  eoxiv  o  xoofiog. 

c   Epiph.  Haer.  LXVI,  65.  p.  679  C. 

o  de  aygbg  eoxiv  b  xböfiog,  xa.  C,iCdvid  eloiv  01  no- 
VTjgol  dvBgamoi b  olxbg  tOxiv  01  xaXol  cv&gojxoi. 

d.  MtTllir38r~ 

o  de  aygbg  eoxiv  0  xbüfiog'  xb  de  xaXbv  Gjn'gtua,  ovxoi 
elotv  ol  vloi  xfjg  ßaoiXeiag'  xa  de  C,itdvid  eloiv  01 
viol  xov  jcovfjgov. 


150  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

e.  Cod.  Colbert.  Mt.  13,  38.  p.  17.  ed.  ßelsheim. 

ager  est  autem  hie  mundus,  bonum  vero  semen  hi  sunt 
filii  regni;  zizania  autetn  filii  sunt  nequiciae. 
In  der  Deutung  des  Gleichnisses  zeigt  sich  der  verflachende 
und  entchristlichende  Einfluss  des  Manichäismus.  Die  xovrjQOi 
avd-QCOjtoi  und  die  xaXol  äv&Q(OJioi  sind  sichtlich  eine  Ver- 
schlechterung des  Textes,  bestimmt,  um  die  manichäische  Grund- 
anschauung einzuschmuggeln.  Dagegen  ist  der  Zusatz  ovxoq  zu 
o  xoOfiog  bei  Hermas  sehr  alt  und  sehr  beachtenswerth,  auch 
handschriftlich  durch  Cod.  Colbert.  und  nach  Wordsworth- 
White  auch  durch  verschiedene  Vulgata-Handschriften  beglau- 
bigt, obwohl  bei  Tischendorf  nicht  erwähnt.  Auch  der  la- 
teinische Evangeliencommeutar,  welchen  Zahn  auf  Theophilus 
zurückführen  wollte,  welcher  aber  schon  durch  seine  canonischen 
Evangelientexte  den  späteren  Ursprung  dokumentiert,  liest  I,  11: 
Ager  autem  hie  mundus  (vgl.  Zahn,  Forschungen  II,  44)  und 
hat  damit  ausnahmsweise  eine  alte  aussercanonische  Lesart  con- 

serviert. 

Mt.  13,  39. 

a.  Epiph.  Haer.  LXVI,  65.  p.  679  C. 

o  sx&Qog  avd-QWjtog  töxtv  o  öiaßoXog,  ol  -Q-egioxal 
tlöiv  ol  ayyeXoi,  o  O-egiöfioq  toxiv  y  OvvxeXtia 
xov  a'i ä> v o c. 

b.  Hom.  Clem.  XIX,  2.  p.  178,  8. 

xal  aXXotti  £(pt)'  o  6h  xaxov  tiitgua  ojteigag  ttöxlv  6 
öiaßoXog. 

c.  Mt.  13,  39. 

6  öh  tz&Qoc  o  Ojceigag  avxä  soxiv  6  öiaßoXog'  o  6e 

ftegiöfidg    ovvxtXeia   [xov]   alcovog   eöxiv  ol  öe  &e- 

QiOxal  ayyeXoi  elöiv. 

Die  Hinzufügung  av&gcojtog  zu  ex&Qog  in  der  manichäiseben 
Textgestalt  ist  jedenfalls  quellenmässig,  vgl.  Mt.  13,  28.  Das 
Homilien-  Citat  stammt  sicher  aus  der  Deutung  dieses  Gleichnisses 
und  ist  mit  der  Übersetzungsvariante  xaxbv  OJtigfia  =  C,iC,ävta 
nur  ein  aussercanonischer  Paralleltext  zu  Mt.  13,  39a.  (Vgl-  den 
Gegensatz:  %gr)6xov  =  xaXov  öjteofia  oben  Mt.  13,  24.  25.) 
Dieser  Thatbestand  kann  nur  so  lange  verkannt  werden,  als  man 
sich  nicht  bequemt,  die  gleichwertigen  Evangelientexte  auf  die 
gemeinsame  hebräische  Quelle  zurückzuführen.. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  13,  39.  41.  42.  43.  151 

Mt.  13,  41. 

a.  Ephraera  Syr.  Ev.  coucord.  expos.  ed.  Mösinger  p.  211. 

Quod  autem  dicit:  Mundabit  domutn  regni  sui  ab  omni 
scandalo,  intellige  de  terra  et  rebus  creatis,  quas  reno- 
vabit,  ibique  justos  suos  collocabit. 

b.  Liturgy  of  St.  Clement  p.  92. 

QvGrjxai  tjiiäq  xov  jiov}]qov  xal  jiccvxojv  xcäv  Gxavdd- 
Xcov  xcov  tQjaC,ofitv(DV  xijv  dvofiiav. 

c.  Const.  VIII,  10TpT246T23. 

QlörjTCCl     /},M«C    XOV     JtOVTjQOV     xal    JldvXOJV    T  (ö  V    GxavÖÜ- 

Xmv  xcöv  sgya^ofitvcov  xrjv  avoftiav. 

d.  Epiph.  Haer.  LXyi765TpT  679  D. 

ort  jiagayysXXei  o  xvgiog  xovg  ayyiXovg  avxov,  xal 
Gvvdyovoi  rovg  dfiagxojXovg  ano  xfjg  avxov  ßaoiXelag 
xal  jcagaÖLÖoaGiv  avxovg  dg  xo  xatjvai. 

e.  Mt.  13,  41. 

äjtoöxeXel  o  vlog  xov  dvfrgcojiov  xovg  ayyiXovg  avxov, 
xal  GvXXi^ovOiv  ix  xijg  ßaoiXelag  avxov  itävxa  xa 
GxdvöaXa  xal  xovg  xoiovvxag  xrjv  avofiiav. 

Übersetzungsvarianten  sind  hier  GvXXiyuv  =  ovväyeiv  = 
^CK,  ferner  ol  xoiovvxsg  =  igya^ofievoi  xrjv  avofiiav  —  )*i$  ^b^B, 
bekannt  aus  PsToT^  VglTTiierzu  Lc.  13,  27.  Zu  der  Gleichung 
äftaoxmXoi  =  oxävöaXa  vergleiche  die  Erläuterung  zu  Mt.  18,  17. 
Der  Schluss  der  manichäischen  Relation  mit  jiagaöi öoaoiv  elg 
xo  xa7]vai  erinnert  an  den  oben  zu  Mt.  13,  30  mitgeteilten  Ori- 
genestext:  jtagaölöoxs  avxd  jivgi.  Ob  das  Ephraem-Citat 
als  ein  wirkliches  Agraphon  oder  nur  als  ein  frei  wiederge- 
gebener aussercanonischer  Paralleltext  zu  Mt.  13,  41  zu  betrach- 
ten ist,  lässt  sich  schwer  entscheiden.     Vgl.  Agrapha  S.  295. 

Mt  13,  42.  43. 

a.  Herrn.  Sim.  IV,  2.  p.  138,  28. 

ol  öixaiol  sioiv  oi  fieXXovxeg  xaxoixüv  dg  xov  aimva 
xov  sQxofisvov  o  ydg  ala)v  o  egxofievog  &egog  sGxl  xolg 
dixaioig,   xolg  6s  afiagxcoXolg  x£i{t<&V- 

b.  Eclog.  proph.  §  56.  ap.  Clem.  AI.  p.  1003. 

Xäntyaxt  mg  o  fjXiog. 


152  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

c.  Hippol.  de  Chr.  et  Antichrist.  Galland.  II,  441. 

xal  jtdXiv  n  xvgiog  Xsysf  xoxe  01  öixaioi  txXdfitpovOt 
cog  o  yjXiog  sv  xf]  öösl]  avxov. 

d.  Epiph.  Haer.  XL VIII,  10.  p.  411  C. 

Xdurpei  ydo,  q>r\oiv,  o  öixaiog  vjteq  xov  t/Xiov  hxaxovxa- 
jcXaoiova. 
e    Just.  Apol.  I,  16.  p.  64  B. 

xoxe  xXav&iidg  eoxai  xal  ßovyfiog  xoZv  oöövxmv . 
öxav  ol  fiev  öixaioi  Xdfiipmöiv  cog  6  r'/Xiog,  oi  öe 
döixoi  jitfjjtcovrai  elg  xo  aiooviov  jcvq. 

f.  MriiriTiir^ 

xal    ßaXotöiv    avxovg    eig    xi]v  xatuivov  xov   JiVQog'    exel 

eüxai    6    xXav&ubg    xal    6    ßovyfiog   xoZv    oöovxmv. 

xöce  ol  öixaioi  exXdfitpovöiv  mg  o  ijXiog  ev  xrj  ßaoi- 

Xeia  xov  JtaxQog  avxojr. 
g.  Iren.  II,  32,  1. 

Justi  autem  fulgebunt  sicut  sol  in  regno  patris  eorura; 

injustos  autem  et  qui  non  faciunt  opera  justitiae,  mittet  in 

ignem  aeternum. 
h.  EplplirrTa^XL\niI,  10.  p.  411  D.  412  A. 

aXXd  <f?jOi'  Xduipei  vficöv  xd  JiQOOayjta  mg  o  ?']Xwg.    ei  xoi- 

rvv  o   eycov  x?)v  sgovoiav  xal  ccXrjd-dg  vjtdgyojv  öe6%oxr\g 

xal   xvgiog  i)fio3v  'hjOovg   XoiGxog  wg  o  ijXiog  Xtyei  xd 

jiQoocoxa  xo~)v  ötxaiwv  Xdfitpeiv. 

An  dieser  Stelle  gehen  die  Paralleltexte  vielfach  weit  aus- 
einander und  lassen  ein  sicheres  Urteil  nicht  aufkommen.  Nur 
in  dem  Citat  aus  Justins  Apologie  lässt  sich  ein  bestimmter 
Charakter  seiner  Quelle  wieder  erkennen.  Vergleiche  jtefijteiv  = 
ßdXXeiv  =  nbej,  wie  bei  Irenaeus  so  Apol.I,  15  =  Mt.  18,  9, 
ferner  anstatt  slg  xrjv  xdiiivov  xov  xvgog  wie  ebenda  tig  xo 
aioDViov  jivq.  Auch  das  Simplex  Xdtuxeiv  bei  Justin  steht 
nicht  isoliert,  sondern  zeigt  sich  ebenso  bei  Epiphanius,  Ori- 
genes,  Cyrillus,  und  namentlich  im  Cod.  Cantabr.  Tiefsinnig 
wäre  der  Text  des  Hippolyt,  wenn  man  so  übersetzt,  dass  die 
Gerechten  ihren  ewigen  Glanz  ev  xrj  öo§7]  avxov,  in  der  Herr- 
lichkeit des  Menschensohnes,  empfangen  sollen.  Für  diese  Über- 
setzung —  also  nicht  für  die  Beziehnung  des  avxov  auf  6 
t'/Xiog  —  spricht   die   Matthäus-Parallele:    ev   xf/    ßaöiXeia   xxX. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  13,  42.  43.  Mc.  4,  20.  153 

Allerdings  ist  das  Hauptsubjekt:  o  vlog  xov  civ&qcqjiov  (v.  41) 
etwas  weit  entfernt.  Doch  vergleiche  man  dieselben  Parallel- 
varianten kv  z(j  6oB,Xi  ctvzov  =  Iv  xij  ßaoiXsia  avxov  zu  Lc. 
9,  27  =  Mt.  16,  28  =  Mc.  9,  1. 

Mc.  4,  26. 

a.  Mc.  4,  26. 

ovrcog  löx\v  rj  ßaoiXsia  xov  &eov,  mg  avdQoiTzog  ßäXi]  xov 
ojioqov  sjtl  xijc  ytjg. 

b.  Clem.  Rom.  I,  24,  5.  p.  44,  1. 

hBflX&tv  o  Gxsiotov  xcu  tßaXtv  sig  xr/v  yrjv  txaoxov  x(ü>' 
önegfiäxcöv. 

c.  Theophil,  ad  Autol.  1,  13. 

si  yäg  xvjp1  dxelv,   xöxxog  oixov  q  xcöv  Xoixcöv  OjtSQ- 
fiaxmv,  kjiav  ßX?]&jj  dg  xr)v  yrjv  — 

d.  Iren?  VT5,  3. 

xal  o  xöxxog  xov  oixov  jteOcov  elg  xrjv  y/jv  — 

e.  Aphraates  ed.  Bert,  ad  1.  Cor.  15,  37. 

„ein  nacktes  Korn  von  Weizen   oder  von  Gerste  oder  den 
übrigen  Samenarten"  — 

f.  Job.  12,  24.~ 

—  6  xöxxog  xov  oixov  jcsöojv  sig  xr)v  yrjv  — 

g.  1.  CorTTö,  37^ 

aXXd   yvtwöv   xöxxov   si  xvxoi  oixov  t\   xlvoq  xojv  Xoi- 

JICÖV. 

Das  Gleichniss  Mc.  4,  26  —  29  ist  das  einzige  grössere  Rede- 
stück, welches  dem  zweiten  Evangelium  ausschliesslich  angehört. 
Gleichwohl  soll  nach  der  Weiss'schen  Quellenkritik  (Marcusevan- 
gelium S.  157ff.)  auch  diese  Perikope  nicht  original,  sondern  eine  Um- 
arbeitung der  Mt.  13,24 — 30  noch  vollständiger  und  treuer  erhaltenen 
Parabel  aus  der  vorcanonischen  Quellenschrift  sein.  Durch  die 
aussercanonischen  und  zum  Theil  auch  canonischen  Parallelen 
aber  wird  die  Unhaltbarkeit  dieser  Anschauung  und  die  quellen- 
mässige  Selbstständigkeit  des  Marcus-Gleichnisses  neben  der  Pa- 
rabel Mt.  13,  24 — 30  evident.  Es  wird  aber  auch  zugleich  evi- 
dent, dass  das  Gleichniss  bei  Mc  in  einer  Bearbeitung  vorliegt, 
welche  dem  hebräischen  Urtext  und  dem  ursprünglichen  Sinn 
nicht  völlig  entspricht.     Die  Pointe  des  Gleichnisses  nämlich  lag 


154  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

ursprünglich  in  der  Nothwendigkeit  des  Sterbens,  damit  das 
Samenkorn  auferstehe  und  Frucht  bringen  könne  —  ganz  wie 
es  Joh.  12,  24  ausgedrückt  ist.  Die  wurzelhafte  Verwandtschaft 
zwischen  Joh.  12,  24  und  Mc.  4,  26  ff.  zeigt  sich  schon  in  der 
verschiedenen  Benennung  des  Samens:  ojtoQoq  (Mc.  4,  26)  = 
ojttQfia  (Gern.  Rom.)  =  xoxxoq  oixov  (Theophil.,  Iren.,  Joh., 
Paulus,  auch  Aphraates)  =  1313,  welches  in  Targum  und  Mischna 
in  der  Bedeutung  granum  gebraucht  wird  (Fürst  I,  27 \\  Die 
Variante  tl/.t/\)7ji>ai  =  Jitosiv  =  tfbtDn  erklärt  sich  namentlich 
dann  vortrefflich,  wenn  im  Urtext  nicht  av&QCOjcoq  (wie  bei  Mc), 
sondern  xoxxog  =  ojioqoc  =  OJtepjia  Subjekt  war.  Vgl.  das 
Folgende. 

Mc.  4,  27. 

a.  Mc.  4,  27. 

xal  xaif-svötj  xai  sytiQt/tai  [Cod.  Cantabr.:  iiytQ&rj)  vvxxa 
xal  q/itgav,  xal  o  GJtoyoq  ßXaorä  xal  fiqxvvqzai. 

b.  Theophil,  ad  Autol.  I,  13. 

jcqcötov  äjtofrvr'/Oxet  xal  Xverai,  stra  tysioerai  — 

c.  Iren.  V,  2,  3. 

xal  öialvfrtlq  jtoX/.ooroq  tjytod-r]. 

d.  Clem.  Rom.  I,  24,  5.  p.  44,  2. 

arLva  jteoovza  dq  xt)v  yijv  ^qcc  xal  yv^vä  öiaXverai, 
dt  Ix  xr\q  öiaXvöEwq  //  fisyaXeiort/q  rrjq  jiQOVoiaq  rov. 
öegjiÖtov  avior/jOiv  avxä  — 

e.  Joh.  12,  24.  " 

kav  fit)  o  xoxxoq  rov  oiiov  jteowv  slq  rt)v  yijv  äjto&avtj, 

avxoq  fiovoq  ^tivw  — 
r.  1.  Cor.  15,  36. 

o  OJtÜQBiq,  ov  tpoüioizlxai,  eäv  (iij  äjto&av)]. 
g.  Minucius  Felix.  cT&L^pTVlL 

Semina  nonnisi  corrupta  revirescunt. 
h.  Cod.  Colbert,  Mc.  4.  27.  p.  45.  ed.  Belsheim. 

et  dormiat  et  semen  surgat  diem  et  noctem  et  germinet  et 

crescat,  dum  nescit  ille. 

Aus  den  Parallelen  wird  zunächst  in  exakter  Weise  erkannt, 
dass  zu  eysiQ?]tai  (Mc.)  =  tyeioezai  (Theophil.)  =  tfyeo&rj 
(Iren.,  Cod.  D.)  nicht  av&ocojroq  (wie  es  im  canonischen  Text 
des   Mc.   der  Fall   ist),   sondern   xoxxoq  =  OJiogoq   als   das  ur- 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mc.  4,  27.  28.  155 

.sprüngliche  Subjekt  betrachtet  werden  inuss.  Auch  Clemens 
Rom.,  der  anfanglich  mit  der  Construktion  des  Mc.  überein- 
stimmt, bestätigt  den  dadurch  gewonnenen  Sinn,  indem  er  sagt, 
dass  die  göttliche  Majestät  den  Samen  aus  der  Verwesung  {tx 
öiaXiotcog)  wieder  auferweckt  (dviöxr/öiv  avxa).  Ist  dies  fest- 
gestellt, so  ergiebt  sich,  dass  das  bei  Mc.  dem  eyeigrjxat  voraus- 
gegangene xa&tvdi]  ursprünglich  den  Zustand  des  ojtoQog  vor 
seiner  Auferstehung  aus  dem  Todesschlaf  (äjio&vfjoxtt  Theoph.  = 
ajio&ävi]  Joh.  und  Paulus)  ausdrückt,  also  ebenfalls  nicht  den 
av&QCOJtoq,  sondern  den  GJiOQog  zum  Subjekt  gehabt  hat.  Ein 
völlig  aussercanonisches  Text-Element  erscheint  das  Xvtxai  = 
öicdv&eig  =  öiakvexai,  in  welchem  drei  so  wichtig e^2eugen 
wie  Clemens  Rom.,  Theophilus  und  Irenaeus  zusammen- 
stimmen, womit  der  Zustand  der  Verwesung  (semina  corrupta 
bei  Minucius  Felix)  bezeichnet  wird.  Durch  diese  Text-Ana- 
lyse mit  Hilfe  der  canonischen  und  aussercanonischen  Parallelen 
wird  also  die  ursprüngliche  Pointe  des  Gleichnisses,  nämlich  die 
Auferweckung  des  Samenkorns  aus  dem  vorherigen  Todesschlaf', 
in  zweifelloser  Weise  festgestellt.  Handschriftlich  wird  dieses 
Ergebniss  bestätigt  durch  die  (von  Tischendorf  nicht  notierte) 
Lesart  des  Cod.  Colbertinus:  semen  vor  surgat.  Während  in 
dem  canonischen  Texte  6  öJtOQog  erst  später  folgt  und  vor 
ßXaoxä  gesetzt  ist,  gehört  es  hier  schon  zu  surgat  als  Subjekt, 
folglich  nach  dem  Ursinn  auch  zu  dormiat.  Denn  was  aufsteht, 
muss  auch  das  Schlafende  gewesen  sein. 

Mc.  4,  28. 

a.  Mc.  4,  27b.  28. 

mg  ovx  oIöbv  avxog,  avxofidxt]  t]  y?j  xagjtocpoQtl, 
jiqcöxov  yoQxov,  tixev  oxdyvv,  tlxtv  jt?.r)Q?]g  olxog  kv  xcß 
o"T«pi'. 

b.  Ephraem  Syr.  Ev.  concord.  expos.  ed.  Mösinger  c.  11.  p.  126. 

Et  quod  dicit:  Ipse  nescit,  quod  terra  ex  se  ipsa  fert 
fructum. 

c.  Joh.  12,  24b. 

iav  6h  ajto&dv)],  jroXvv  xüqjiov  <ptQti. 

d.  Clem.  RomA^^r^l^TT 

xal  tx  xoi  evog  nltiova  av^ti  xal  sxcpegei  xccqjcov. 


156  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

e.  Theophil,  ad  Autol.  I,  13. 
xcu  yivexca  oxa%vq. 

Das  ßXaoxä  xcti  firjx  vexca  des  Mc,  das  jiXticova  avt-ei  des 
Clemens  Rom.  und  jioXvv  vor  xaojtbv  (peoei  des  Johannes 
ist  bei  Irenaeus  durch  JtoXXoöxbq  vor  tfyeg&t]  ausgedrückt. 
Man  sieht,  die  redaktionellen  Darstellungen  des  Gleichnisswortes 
gehen  so  mannigfach  auseinander,  dass  die  genaue  Wiederher- 
stellung des  einfachen  Urtextes  nicht  möglich  sein  dürfte.  Aber 
die  Verwandtschaft  von  Mc.  4,  26  ff.  mit  1.  Cor.  15,  37  und  Joh. 
12,  24,  welche  in  den  aussercanonischen  Parallelen  hervortritt, 
kann  nur  durch  einen  vorcanonischen  Quellentext  erklärt  werden, 
in  welchem  der  Todesschlaf  des  in  die  Erde  geworfenen  Saat- 
korns als  Voraussetzung  für  das  Erwachen  und  die  Befruchtung 
desselben  bezeichnet  war.  Die  von  Mc.  befolgte  Übersetzung 
muss  danach  besonders  in  v.  27  berichtigt  werden. 

31t.  13,  34"  =  Mc.  4,  33.  34». 

a.  Clem.  AI.  Strom.  VI,  15, 125.  p.  803. 

Xeyovoi   yovv   ol  ajibaxoXoi  jcegl   xov   xvqLov   oxl   jiavxa 

ev  jiaoaßoXaiq  eXaXrjoev  xcu  ovöev  avev  jiccQaßoXfjq  eXaXst 

avxolq. 
b    Mt.  13,  34. 

xavxa  xavxa  kXaXrjöev  o  Jrjoovq  ev  JiaoaßoXaiq  xolq  o%Xoiq 

xcu  #g>(hs  jcaoaßoXijq  ovöev  eXäXei  avxolq. 
c.  Mc.  4,  33.  34» 

xcu  xoiavxcug  jictQCtßoXalq  D.aXei  avxolq  xov  Xoyov,  xaß-mq 

t]övvavxo  axoveiv  xcoQiq  öe,  jictQaßoXr/q  ovx  eXciXei  avxolc. 

In  Anbetracht  der  vielen  Freiheiten,  die  Clemens  AI.  in 
seinen  Citationen  neben  seiner  ausgebreiteten  Kenntnis  der  hand- 
schriftlichen Varianten  sich  gern  gestattet,  sind  in  diesem  Fall 
seine  Varianten,  wodurch  er  sich  von  den  canonischen  Texten 
unterscheidet,  nicht  hinreichend,  um  aussercanonische  Lesarten 
dieses  Textes  zu  statuieren.  Ohnehin  gehört  Mc.  4,  33.  34  nicht 
den  vorcanonischen  Quellen,  sondern  (auch  dem  Stile  nach)  dem 
zweiten  Evangelisten  an,  aus  dessen  Hand  der  Satz  auch  in  das 
erste  Evangelium  übergegangen  ist.  Vgl.  Weiss,  Marcus  S.  164. 
165,  sowie  das  nachstehend  zu  v.  35  Bemerkte. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  13,  34.  Mc.  4,  35.  157 

Mc.  4,  35". 

a.  Hoin.  Clem.  XIX,  20.  p.  186,  15. 

öio  xal  xolq  avxov  (tafrt/xalq  xax'  löiav  sjcsXvs  xrjq 
xwv  ovoavätv  ßaoiXüaq  xa  (ivox-rjnia. 

b.  Iren.  I,  25,  5  =  Theodoret.  Haer.  Fab.  I,  5. 

iv  öh  xolq  OvyyQccfifiaoiv  avxmv  ovxwq  avaytyoajtxai,  xal 
avxol  ovxcoq  e§rjyovvTai,  xov  bpovv  Xs'yovxeq  sv  JMft/}Qi<p 
xolq  fiafrrjxalq  avxoi  xal  ajtoöxoXoiq  xax'  löiav  Xe- 
XaXrjxevai. 

c.  Mc.  4,  34b. 

xax'  löiav  öh  xolq  iöioiq  fiaO  rjxalq  ejte'Xvsv  Jtävxa. 

d.  Epist.  ad  Diogn.  XI,  2.  p.  163,  6. 

jiaQQtjöia  XaXmv,  vjth  ajtioxmv  fir)  voovfievoq,  (lattrjzaig 
öh  öitjyov/iEVoq. 

De  Lagarde  hat  in  seiner  Homilien -Ausgabe  die  Worte 
r//c  xcöv  ovoavcöv  ßaoiXtiaq  xa  (ivox/jQia  nicht  zu  dem  Citate 
gerechnet.  Er  lässt  es  vielmehr  mit  ejitXvs  zu  Ende  gehen. 
Aber  die  Parallele  bei  Irenaeus  zeigt,  dass  das  von  Mc.  im 
canonischen  Text  gebrauchte  verallgemeinernde  jidvxa  nur  dessen 
redaktioneller  Ersatz  für  das  ursprüngliche  xa  fivoxi'jQia  gewesen 
ist,  dass  also  das  Objekt  x/jq  x(öv  ovgavcöv  ßaoünaq  xa.  tuvox/]- 
oia  noch  zu  dem  Citate  der  Homilien  gehört.  Die  Ep.  ad 
Diogn.  hat  für  tjtiXctiv  die  Lbersetzungsvariante  öi?]ytlOüai  = 
disserere  (Cod.  ci  =  nnB  vgl.  Gen.  40,  5.  12.  16.  18.  22;  41,  8.  12. 
13.  Der  Wechsel  zwischen  löioq  {xolq  iöioiq  fia&rjxalq  Mc.) 
und  avxol  (xoTq  avxov  [taüf/xalq  Hom.)  ist  auch  sonst  häufig. 
Vgl.  die  Erläuterungen  Lc.  21,  33.  Es  ist  daher  bezüglich  dieses 
Verses  Mc.  4,  34,  den  der  zweite  Evangelist  allein  hat,  gegen 
Weiss  (Marcusevangeiium  163)  auf  Grund  der  aussercanonischen 
Paralleltexte  dessen  Zugehörigkeit  zu  dem  Urtext  festzuhalten 
und  anzunehmen,  dass  Mc,  wie  bereits  erwähnt,  das  originale 
HVGxr'jQia  durch  sein  jcävxa  verallgemeinert,  der  Redaktor  der 
Homilien  aber  den  Urtext  erhalten  hat.  Damit  stimmt  auch 
der  ursprüngliche  Context  Mc.  4,  1 1  =  Mt.  13,  11  =  Lc.  8,  10: 
ay.lv  ötöoxai  yvvJvai  xa  (tvöxrjQia  xtjq  ßaoiXeiaq  xüv  ovoavcöv 
ebenso  vortrefflich  wie  der  weitere  Context  in  den  Homilien, 
wonach  ein  als  Herren  wort  citiertes  Logion:  xa  (ivOTtJQia  tfwl 


158  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

xal  xolg  vloiq  rov  oixov  fiov  cpvZagexE  —  unmittelbar  voraus- 
geht, mithin  der  Schwerpunkt  der  Beweisführung  gerade  auf 
den  fivotfjQia  liegt.  Folglich  dürfte  das  Homiliencitat  bis 
fivotf'jfua  reichen  und  anstatt  etwa  auf  das  Marcusevangelium, 
auf  das  vorcanonische  Urevangelium  (nach  dem  im  ersten  Evan- 
gelium   aufbewahrten   Übersetzungstypus)   zurückzuführen   sein. 

Mt.  13,  44. 

a.  Tatian.  Or.  ad  Graec.  c.  30.  p.  30  ed.  Schwartz. 

Öid  rcvog  yäo  axoxQvcpov  d-tjöavQOV  rcov  7i[iErEQCov  sjt- 
ExnärtjGtv,  ov  oQvrrovrEg  xovioorcö  tuiv  fyelg  EVEjrZyGftijuEr, 
rovra>  öe  rov  GWEGrdvai  xr\v  d<pootut)v  jiaoiGyoyLEV. 

b.  Mt.  13,  44. 

otuoia  hoxiv  //  ßaöiXda  rcov  ovQavcövi>rjGavQco  XEXQVfjfitvcp 
tv  reo  ayQcß ,  ov  evqcov  dvfrQcojiog  EXQvrpsv,  xal  ajco  rfjg 
Xa(>äg  avrov  vjcäysi  xal  jicoXsl  Jtdvra,  ooa  hx£l>  xaL  ^yo- 
QaCsi  rov  dygov  exeIvov. 

Sehr  interessant  ist  Tatians  Anspielung  an  das  Gleichniss 
von  dem  verborgenen  Schatz  im  Acker,  weil  der  Ausdruck  des 
&7/oavQog  anöxQvcpog  (anstatt  xsxovjifiEvog  Mt.  13,  44)  bei  Paulus 
Col.  2,  3  als  &7]oavQol  djtoxovcpoi  in  christologischer  Verwerthung, 
wie  Paulus  die  Verwendung  der  Herrenworte  liebt,  vorhanden 
ist  —  ein  Beweis,  dass  Paulus  in  seiner  Evangelienquelle  auch 
dieses  Gleichniss,  und  zwar  mit  der  von  Tatian  gekannten  Va- 
riaute ax6xQv<poq  vorgefunden  hat.  Die  Synonyma  von  ccjto- 
xnvcpog  =  "pTau  oder  ]1B2  vergleiche  zu  Lc.  12,  2.  Zu  oovrrovrsg 
(Tatian)  =  ExovipEV  (Mt.)  vergleiche  Mt.  25,  18:  äjteXd-mv  coqv^ev 
tv  Tt]  y[j  xal  ajcEXQvtpev  rb  dgyvQiov.  Nach  dem  syrischen 
Texte  ist  auch  in  der  Apologie  des  Aristides  (p.  50  ed.  Robinson 
and  Harris)  auf  dieses  Gleichniss  angespielt,  nämlich  mit  den 
auf  das  Almosen  (gift)  bezüglichen  Worten,  in  welchen  die 
Christen  geschildert  werden:  „and  hide  their  gift,  as  he  who 
has  found  a  treasure  and  hides  it."     Nestle  verweist  noch 

auf  Jes.  45,  3:  D"nfoDtt  isttütti  tfü'n  rrhsis  r;b  ^nnsi  =  LXX: 

xal  öcoGa)  Got  &r)Gavoovg  GxmrEivovg,  dxoxgvcpovg  xrl.  Epiph. 
de  mens,  et  pond.  c.  11:  &rjGavoov  xExovfifitvov  xal  jirjyijg 
EG(pQayiG{iEVT]g  rig  cocp&XEia  ev  dfi<porEQoig;  =  Sir.  20,  30:  Gocpia 
XEXQVfifitvt]  xal  d-rjGavQog  dcpavi'/g,  rig  cdcpEXEia  ev  aficporEQOig; 
=  Sir?4l7T4. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  13,  44.  45.  46.  47—50.  159 

Mt.  13,  45.  46. 

a.  Hom.  Clem.  IX,  8.  p.  95,  7. 

xägsöftev  (pigovxtg  vy.lv,  61  aya&ol  eftjtöQoi,  ex  jtgoyo- 
vcov  tjftlv  xagado&eior/c  xal  rpvXax&eiör/g  &g/]Gxeiag  cöojteg 
(iagyagixrjv. 

b.  Mt.  13,  45.  46. 

jtäXiv  ofioia  eGxlv  tj  ßaoiXeia  xmv  ovqccvcov  av&gauio) 
h(iüC0Q€p  Ojtovvti  xaXovg  yagyagixag'  evgcov  6e  eva 
jioXvrifiov  yagyagixrjv  äxeXfraiv  Jtengaxev  Jtävxa,  ooa 
eixsv,  xal  t)yogaoev  avxov. 

c.  Cod.  Cantab.  Mt.  13,  45.  46. 

jiäXiv  ofioia  eoxlv  >/  ßaoiXeia  xcüv  ovgavmv  av&goöjtq) 
eftJtögqy  fyjxovvxi  xaXovg  tuagyagixag'  evgcov  dl  JtoXvxifiov 
yagyagixrjv  ajieXdoov  ejto)X?]Oev  a  elxev,  xal  tfyogaoev 
avxov. 

Der  Ausdruck:  aya&ol  h\ujcogoi,  mit  welchem  eine  Anspie- 
lung an  das  Gleichniss  von  der  Perle  in  den  Clementinen  erscheint, 
erinnert  an  das  Agraphon:  yiveo&e  öoxifioi  xgajteCfixai  (vgl. 
Agrapha  S.  116  ff.  233  ff.),  ebenso  an  das  Herrenwort  Lc.  12,42, 
wo  Irenaeus  in  Übereinstimmung  mit  dem  Cod.  Cantabr.  eben- 
falls las:  fidelis  actor,  bonus  et  sapiens  =  6  jciöxog  olxovöfiog  o 
<pg6vi(iog,  6  ayad-og.  Vgl.  zu  Lc.  12,42.  Die  vielleicht  nur  inner- 
griechischen Varianten  ejccöXrjoev  (Cod.  D)  =  jrejcgaxev  (cano- 
nisch) gehen  jedenfalls  auf  den  gemeinsamen  Quellentext  "DE 
zurück.  Der  Singular  fiagyagixr/v  in  dem  Clementinen-Citat 
findet  seine  Bestätigung  in  der  Lesart  des  Cod.  Colbert.:  quae- 
renti  bonam  margaritam  —  eine  Variante,  welche  von  Tischen- 
dorf  nicht  notiert  ist.  Auch  Cod.  D  corp.  ox*  bieten  nach 
Wordsworth-White  den  Singular. 

Mt.  13,  47-50. 

a.  Clem.  AI.  Strom.  VI,  11,  95.  p.  787. 

Gtwjicö  xä  vvv  xt)v  iv  xop  evayyeXicp  jtagaßoXi)v  Xeyovoav. 
ofioia  eoxlv  1)  ßaoiXeia  xojv  oigavcöv  äv&gojjtco  Oa- 
yrjvrjv  elg  fraXaööav  ßeßXtjxoxi  xdx  xov  xXrföovg  xoov 
eaXmxöxoov  ly&taiv  ri/v  kxXoyijv  xojv  afieivoov  Jtotovuevco. 


IfiO  Aussercanonische  Paralleitexte  zu  Mt.  und  Mc. 

b.  Mt.  13,  47.  48. 

jtäXiv  ofjoia  toxlv  ?}  ßaoiXela  xcöv  ovoavcöv  oayrjvy 
ßXq&eloy  elq  xtjv  fräXaooav  xal  ex  jravxöq  yevovq  övv- 
ayayovoy  [Ens.  in  Js.  19,  7.  8:  xal  OvXXaßovoy  djib  nav- 
xoq  ytvovq  iyßvcov)'  ?jv  oxe  EJtXyQcöft?]  ävaßißaöavxeq  exl 
rbv  aiyiaXbv  xal  xaO-ioavxeq  övveXegav  xa  xaXd  elq  xa 
ayyrji  xa  öe  oa.rtQa  e£,co  eßaXov. 

Die  Einleitung  des  Gleichnisses  nach  Clemens  AI.   macht 
ganz  den  Eindruck  der   Ursprünglichkeit  wegen  der  Ähnlichkeit 
mit  dem  vorausgegangenen  Gleichnis.     Vgl. 
Clem.  AI.      <\uoia  eoxlv  ?j  ß.  x.  ovo.  avfroojjicp  oayyvyv  dq  frä- 

Xaooav  ßeßXrpcöxi 
Mt.  13,  45.     ouoia  loxlv  //  ß.  x.  ovo.  cvfhocoxm  efutöocp  O/xovvxi 

xaXovq  uaoyaoixaq. 

Dass  das  Gleichniss  vom  Netze  der  vorcanonischen  Quelle 
angehört  habe,  und  zwar  als  Pendant  zu  dem  Gleichniss  von 
dem  Unkraut  unter  dem  Weizen,  zeigt  Weiss  (Matthäus  S.  357). 
Die  aussercanonische  Form  der  Einleitung  des  Gleichnisses  bei 
Clemens  AI.  findet  sich  auch  sonst  in  canonischeu  Texten 
wieder.     Man  vgl. 

Mt.  20,    1:   o/ioia  loxlv  r\  ßaoiXda  xcov  ovgavcov  avfrocojrcp  oi- 

xodsojröxf],  (oxiq  £$fjX.&EV 
Mt.  22,    2:  cufioioj&T]  ?j  ßaoiXtia  xcöv  ovgavcov  ävfrocojim  ßaot- 

XeT,  ooxiq  ejcoiyoev 
Mt.  18,  23:  wfioiojür]  tj  ßaoiXela  xcöv  ovoavcöv  ävdocQJicp  ßaoi- 

Xel,  oq  el)eX?/oev 
Mt.  13,  24:  cüftoiütä?]  y  ßaoiXela  xcöv  ovgavcov  av&gcöjtcp  oyiei- 

oavxi. 

Mithin  ist  es  vielleicht  ein  vor  canonischer  Text,  welcher 
hinter  der  freien  Citation  des  Clemens  AI.  sich  spiegelt.  Da- 
für spricht  auch  die  Erwähnung  der  l%ftvcov,  welche  bei  Euse- 
bius  und  im  Cod.  Colbertinus  (ex  omni  genere  piscium) 
wiederkehrt.  Daraus  ergibt  sich,  dass  auch  Eusebius  einen 
bestimmten  handschriftlichen  Text  vor  sich  hatte,  dem  auch 
jedenfalls  die  Variante  ovXXatußdveiv _(==  öwflj^w  =  J)CS)  an- 
gehört haben  wird. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  13,  47—50.  52.  14,  6.  7.         \Q\ 

Mt.  13,  52. 

a.  Hom.  Clem.  VIII,  7.  p.  87,  34. 

ovxog  avrjQ  hv  &E<p  xXovöwg  xaxqni&Mxai,  xd  xe  dgxata 
via  xcö  XQÖvcp  xal  xa  xaiva  jcaXaid  ovxa  vevorjxcog. 

b.  Ep.  ad  Diogn.  XI,  4.  p.  163,  9. 

ovxog  6  an  aQX?}g  o  xaivog  <pave\q  xal  naXaibg  evqe- 
&elg  xal  navxoxE  viog  h  dyimv  xagöiaig  yevvoofievog. 

c.  Iren.  IV,  9,  l. 

et  dominus  ait  diseipulis:  Propterea  omnis  scriba  doc- 
tus  in  regno  coelorum  similis  est  homini  patri  fa- 
milias,  qui  Drofert  de  thesauro  suo  nova  et  vetera. 

d.  Mt,  13,  52. 

6  öh  bIjcev  avxolg  öiä  xovxo  nag  yoafifiaxsvg  ua- 
ti-rjxevfrelg  xfj  ßadiZeici  xäiv  ovoavmv  Öfioiog  soxiv 
av&Qmnm  olxoÖEG3i6x\i,  oöxig  ixßdXXEi  ex  xov  #//- 
oavQOv  avxov  xatvd  xal  naXaid. 

Weiss  nimmt  (Matthäus  S.  359.  360)  mit  Recht   an,   dass 
auch  dieser  Spruch  aus  der  vorcanonischen  Quelle  stammt.    Er 
weist  treffend  darauf  hin,  dass  zu  dem  yoafifiaxEvg  in  Mt.  23,  34 
sich  eine  belehrende  Parallele  findet,  sofern  der  Herr  dort  seine 
Jünger  als  ynafifiaxElg  des  Neuen  Testaments  senden  will. 
Vgl.   die   Ausführung   zu  Lc.  11,  49  =  Mt.  23,34.    Als   Über- 
setzungsvarianten treten  hier  entgegen: 
viog  —  xaivog  =  ttJin 
xaX^uog^^doxalog  =  ]t^r 
hxßüXXEiv==  proferre  {—nQo^pEQEiv)  =  irrin 
Vergleiche  dieselbe  Übersetzungsvariante  kxßdXXEiv  =  ngo^EQEiv 
zu  Lc.  6,  45»  (=  Mt,  12,  35). 

Die  Anspielungen  in  den  Clementinen  und  der  Ep.  ad 
Diogn.  lassen  die  Annahme  einer  Abhängigkeit  von  einer  ausser- 
canonischen  Textgestalt  offen. 

Mt.  14,  6.  7  =  Mc.  6,  21—23. 

a.  Just,  Dial.  c.  Tryph.  c.  49.  p.  268  D. 

xal  yEVEöioav  ?/fiigag  XEXovfdivqg,  ogxovfiivrjg  xrjg 
kgaÖEXtprjg  avxov  tvagioxcog  avxqi,  elnsv  avxy  alxtj- 
oaü&ai,  o  Eav  ßovXijxai. 

Texte  u.  Untersuchungen  X,  2.  11 


1(52  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

b.  Mt.  14,  6.  7. 

ytveoloig  de  yevofievotg  xov  Hoatdov  ojqx*  dato  tj  &v- 
yaxrjQ  xr/g  'Hgcodiaöog  kv  xm  [isöm  xal  Tjoeoev  tot  Hqcoöh, 
o&ev  f/e&'  oqxov  ODftoXöyijotv  avxjj  öovvcu,  o  iav  alxi]- 
07]xai.  • 

c.  Mc.  6,  21—23. 

xal  yevofievrjg  rjfieoag  evxaigov,  oxs  <HQco6rjg  xolg  yevt- 
öloig  avxov  öelJtvov  knolyoev  xolg  fieyioxäoiv  avxov  xal 
xolg  xlfo<*QXOig  xal  xolg  xomxoig  xi)g  raXtXaiag,  xal  elösX- 
dovorjq  xi)g  {hiyaxobg  avxrjg  xrjc  Homöiäöog  xal  oQxqoa- 
fitvrjg,  rjoeoev  xm'Homdrj  xal  xolg  ovvavaxsifievotg.  6  de 
ßaotXevg  slnev  xm  xooaolcp'  alxr\oov  fie  o  iäv  &eXijg, 
xal  ödtam  oof  xal  coftoöev  avxfj  6xi  6  iav  fie  aixqöyg, 
6(6oo)  oot  %mg  tjptloovg  xijg  ßaöiZdag  (tov. 

Der  in  Mc.  6,  21—29  dem  zweiten  Evangelium  inserierte  Be- 
richt über  des  Täufers  Ende,  welcher  Bericht  von  da  aus  in  das 
erste  Evangelium  (Mt.  14,  6 — 12)  übergegangen  ist,  stammt  nicht 
aus  dem  Urevangelium.  Justin  giebt  noch  einen  dritten  kürzeren 
Bericht.  Ob  derselbe  aber  aus  einem  der  beiden  genannten  ca- 
nonischen Evangelien  zusammengearbeitet  ist,  bleibt  trotz  der 
Identität  des  Stoffes  immerhin  fraglich.  Der  Ausdruck  £ga6eX<py 
findet  sich  nicht  in  den  canonischen  Evangelien,  und  &£Xsiv 
(Mc.)  =  ßovXto&ai  (Just.)  könnten  als  Übersetzungsvarianten 
eines  älteren  hebräischen  Berichtes  gelten.  Weitere  derartige 
Varianten  siehe  im  Folgenden. 

Mt.  14,  8  «k  Mc.  6,  24.  25. 

a.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  49.  p.  268  D. 

xal  r\  fi?)xrjQ  xrjg  jtaiöög  vmßaXev  avxij  alxrjoao&at 
xr)v  xeg)aXijv  Iwavvov  xov  kv  xfj  yvXaxfi. 

b.  Mt.  14,  8. 

r)  de  xQoßißao&elOa   vjco    xrjg  fiijXQog   avxijg'    66g  fioi, 

g>r/ölv,  code  kjcl  nlvaxi  xr)v  xt<paXr)v  'Icoavvov  xov 
ßajcxioxov. 

c.  Mc.  6,  24.  25. 

xal  igeZ&ovaa  efaev  xij  (itjxqI  avxrjg'  xl  alxrjOa>(iai; 
r)  de  eine»'  xr]v  xeqpaXr/v  'Imavvov  xov  ßanxl^ovxog. 
xal   elötZ&ovoa   ev&vg   tuexä   ojiov6fjg  jtQog   xov    ßaOiXea 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  14,  8.  Ö — IL  Mc.  (i,  52.         163 

(jxi)oaro   Xiyovoa-   &tXa>   iva   igavxijq  Öcßq  ftoi  litl  jti- 

vaxt  xt/v  xs<paX^v  Icouvvov  rot  ßanxioxov. 

Gleichwertige  Varianten  sind  hier  ?}  jtalq  (Just.)  =  xooäoiov 

(Mc.  6,  22)  =  !T$5,   vielleicht  auch   jiQoßißd&iv  (Mt.  14^8)^== 

vnoßaXXtiv   (Jiist.),   obwohl   hierfür   ein    einfaches    hebräisches 

Grundwort  nicht  vorhanden  ist. 

Mt.  U,  9-11  —  Mc.  6,  26—28. 

a.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  49.  p.  268  D. 

xal  alxrjodöijq  Uns/iipe  xal  kxl  Jiivaxi  Ivsxft-rjpai^  t?)v 
xetpaXrjv  'Icodvvov  ixiXevoe. 

b.  Mt.  14,9—11. 

xal  Xvjtq&elq  6  ßaoiXsvq  öiä  xovq  ooxovq  xal  xovq  ovv- 
avaxtifiivovq  ix^Xevoev  öo&rjvai  [avxfj],  xal  jiefityaq  djt- 
sxtg)äXioev  'loavvtjv  tv  xij  g>vXax%.  xal  ^viyj^rj  q  xe- 
<paXr\  avxov  Ijtl  jrivaxi  xal  iöo&r)  xtp  xooaoiqy. 

c.  Mc.  6,  26—27. 

xal  jisoiXvnoq  ysv  \uevoq  o  ßaoiXsvq  dtä  xovq  OQXOvq  xal 
xovq  dvaxu(iivovq  ovx  ^9-iXtjOsv  ädexrjoai  avxi)v.  xal 
sv&vq  djcooxtiXaq  6  ßaoiXtvq  OjtexovXdxooa  ijcdxa§sv 
kviyxai  [Cod.  Cantabr.:-  ivex&TJvat}  xi/v  xs^paXrjv  avxov. 

Gleichwertige  Varianten  sind  hier  das  in  dem  Justinischen 
Evangelientypus  beliebte  jiifixe iv  (Just,  Mt.  14, 10)=--  djioGxiXXuv 
(Mc.  6,  27),  ferner  das  ebenfalls  in  Justins  Evangelientypus  be- 
vorzugte xeXeveiv  (Just.,  Mt.  14,  9)  =  hjtixäoouv  (Mc.  6,  27). 
Endlich  mit  Cod.  Cantabr.  und  anderen  wichtigen  Handschriften 
las  Justin  tvex&tjvai  zu  Mc.  6,  27  anstatt  hvtyxai,  welches  der 
canonische  Text  aufweist.  Wegen  xsXevsiv  vergleiche  man  die 
aussercanonischen  Texte  im  Kindheitsevangelium  und  das  Petrus- 
evangelium. Wenn  alle  diese  charakteristischen  Varianten  nicht 
wären,  könnte  man  sagen,  die  (ohnehin  freiere)  Justinische  Rela- 
tion sei  ein  compilierendes  Excerpt  aus  Mt.  und  Mc. 

Mc.  6,  52  =  Mc.  8, 17. 

a.  Herrn.  Mand.  IV,  2,  1.  p.  80,  9. 
tj  xayöla  tuov  xejrcoowrat. 

11  * 


164  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

b.  Herrn.  Mand.  XII,  4,  4.  p.  126,  27. 

ol  öe  ijil  Tolq  xdXiöiv  exovreg  xbv  xvgtov,  xr\v  de  xag- 
diav  avrcöv  jtsjrcoQco//£P?]V. 

c.  Mc.  6,  52. 

aXX'  r\v  avtmv  ?j  xagöia  JcejicogcDfitv/j. 

d.  Mc.  8,  17. 

eri  xsxcoQtof/evTjv  e^fre  ryv  xagölav  vfioiv; 

Die  Übereinstimmung  des  Hermas  mit  einem  nur  im 
zweiten  Evangelium  vorkommenden  Ausdruck  ist  bemerkenswerth 
und  lässt  sich  nur  so  erklären,  dass  entweder  Hermas  das  Mar- 
cusevangelium kannte,  oder  dass  in  der  xagöia  jiEJicogwfievT)  von 
Mc.  ein  Rest  des  Urtextes  erhalten  ist  Für  letztere  Annahme 
spricht  die  paulinische  Parallele  Rom.  11,  7.  25. 

Mt  15,  3  =  Mc.  7,  9. 

a.  Iren.  IV,  9,  3- 

quemadmodum  ipse  ait  ad  eos,  qui  accusabant  ejus  discipulos, 
quasi  non  servarent  traditionem  seniorum:  Quare  vos  frustra- 
mini  praeceptum  domini  propter  traditionem  vestram? 

b.  Mc?779. 

xal  tXeytv  avtolg'  xaXätg  ä&sxelTE  xf/v  evxoXrjv  xov 
&eov,  i'va  xtjv  üiagadoöiv  v/icöv  xijgtjofjxt. 

e.  Mt.  15,  3.  ^ 

6  de  ajtoxQidkiQ  djtev  avxolg'  öiaxi  *«*  v fislg  JtagaßaivexE 
TT/v  evxoXi)v  xov  &eov  öia  xtjv  jtagädoöiv  v/idop; 

d.  Cod.  Colbert.  Mc.  7,  9.  p.  49.  ed.  Belsheim. 

Et  dicebat  illis:  ßene  irritum  facitis  testamentum^dei. 
ut  tradicionem  vestram  statuatis. 

Der  Abschnitt  Mt.  15,  1—20  =  Mc.  7,  1—23  gehört  zu  dem 
Wichtigsten,  was  die  Entwickelung  der  ursprünglichen  Jesus- 
lehre in  ihrem  Gegensatz  zum  Pharisäismus  bezw.  Mosaismus 
aufzuhellen  vermag.  Zuerst  hält  sich  Jesus  in  der  Defensive 
(Mt.  15,  1—9  =  Mc.  7,  1 — 13),  indem  er  in  heiliger  Ironie  den 
Pharisäismus  und  das  Schriftgelehrtenthum  am  Mosaismus  misst. 
Dann  geht  er  zur  Aggressive  gegen  den  Mosaismus  selbst  über, 
indem  er  mit  einer  an  das  Volk  gerichteten  Gleichnissrede  (Mt. 
15,  10.  11  =  Mc.  7,  14.  15),  welche  er  den  Jüngern  privatim  aus- 
legt (Mt,  15,  15—20  =  Mc.  7,  17—23),    sämmtliche   mosaischen 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  15,  3.  165 

Reinigungsgesetze  über  den  Haufen  wirft  durch  den  einfachsten 
Grundsatz,  der  in  seinen  Consequenzen  nach  vielen  Seiten  hin 
Befreiung  bringt,  Consequenzen,  deren  Nachwirkungen  nament- 
lich in  den  paulinischen  Briefen  wahrzunehmen  sind  und  die 
bis  zu  wörtlichen  Anklängen  an  die  flerrenreden  Mc.  7, 1 — 23  — 
Mt.  15,  1—20  sich  steigern.  Vgl.  besonders  Col.  2,  21.  22.  Schon 
dieser  Umstand  macht  es  wahrscheinlich,  dass  die  betreffenden 
Herrenreden  in  letzter  Instanz  aus  dem  Urevangelium  stammen. 
Sie  stehen  dem  Agraphon,  welches  mit  seiner  Verkündigung 
absoluter  Sabbathsfreiheit  aus  derselben  Quelle  geflossen  ist 
(vgl.  Agrapha  S.  108.  188  ff.)  in  principieller  Durchbrechung  des 
Mosaismus  ebenbürtig  an  der  Seite.  Stammte  Mc.  7,  1 — 23  nicht 
aus  dem  Urevangelium,  so  wäre  es  die  einzige  längere  Jesusrede, 
welche  Marcus  nicht  aus  dieser  Quelle  geschöpft  hätte.  Mit 
Holtzmann  und  Weiss  ist  zuzugeben,  dass  der  erste  Evangelist 
den  Wortlaut  umgestellt  und  v.  13  u.  14  echte  Herrenworte  aus 
anderem  Standort  hierher  verpflanzt  hat.  Aber  mit  der  Annahme, 
dass  übrigens  der  erste  Evangelist  lediglich  von  Marcus  ab- 
hängig sei,  sind  diese  beiden  Forscher  dem  Quellenverhältniss 
noch  nicht  gerecht  geworden.  Sowohl  Mc.  7,  1 — 23  als  Mt. 
15,  1 — 20  sind  Bearbeitungen  eines  älteren  ursprünglich  he- 
bräischen Quellentextes.  Dieser  Thatbestand  wird  namentlich  in 
den  aussercanonischen  Varianten  ersichtlich,  welche  gerade  zu 
diesem  Evangelienabschnitt  in  grosser  Zahl  vorhanden  sind. 

Als  Übersetzungsvarianten  erweisen  sich  hier  zunächst 
a^£T£rv==  frustrari  =jtaq>aßalvsiv  =  b?».  Vgl.  1.  Chron.  2,  7. 
b>»  ^Vtf^ofq&ETr/oev  LXX.  Lev.  26,  40:  Db?£S  =  ort  jhxqs- 
ßrjoav  LXX.  Beachtenswerth  ist  dabei,  dass  Irenaeus,  obwohl 
er  den  Matthäustext  wiedergiebt,  doch  nicht  mit  Mt.  15,  3 
transgredimini  =  jcagaßatvexe,  sondern  mit  Marcus  frustramini 
s^nrelbTr^alT^o^r^er^Tn  seinem  Matthäustext  aderelte  gelesen 
hätte.  Die  Variante  statuatis  hat  Cod.  Colbertinus  mit  sieben 
Itala-Handschriften,  sowie  mit  Cyprian  undHieronymus,  vor 
allen  aber  mit  Cod.  D  (özrjorjTt)  gemeinsam.  Diese  Lesart  wird 
als  vorcanonisch  schon  durch  Rom.  3,  31;  10,  3  beglaubigt.  Es 
zeigt  sich  hier  wie  auch  sonst  öfters  die  Verwandtschaft  der 
paulinischen  Texte  mit  den  aussercanonischen  Varianten  des 
Cod.  Bezae,  zugleich  aber  auch  hierin  ein  neues  Symptom  für 
die  Zugehörigkeit  von  Mc.  7, 1  ff.  =  Mt.  15, 1  ff.  zur  vorcanonischen 


166  Aussercanonisctae  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

—  schon  von  Paulus  benutzten  —  Quelle.  Endlich  wird  auch  in 
den  Varianten  loxavai  —  xfjQeli'  =  S^pfl  der  hebräische  Charakter 
der  Quelle  von  Neuem  sichtbar.  Vgl.  namentlich  l.  Sam.  15,  11: 
Z^pn  ab  "nnTTiO,  wo  die  Septuaginta-Codices  bei  der  Wieder- 
gabe von  D^pi"!  in  die  Varianten  exrJQrjöe  und  eoxijoe  auseinander 
gehen.  Gegen  Harris  ist  hier  auf  die  originale  Unabhängigkeit 
des  griechischen  Cod.  D  von  der  lateinischen  Version  (tradatis 
hat  d)  aufmerksam  zu  machen. 

Mt  15,  4  =  Mc.  7, 10. 

a.  Ephr.  Syr.  Ev.  concord.  expos.  ed.  Mösingev  c.  12.  p.  138. 

Quod  dominus  confirmat  dicens:  Honora  patrem  tuum  et 
matrem  tuam. 

b.  Ptolem.  ep.  ad  Flor.  Epiph.  Haer.  XXXUI,  4.  p.  218  D. 

drjXol  xal  xovxo  o  owxijQ'  6  yao  &soq.  (prjOtv,  eljte,  xlfia 
x 6v  jtax^Qa  oov  xalxtjv  (irjxioa  oov,  i'ra  ev  Goiyevqxai. 

c.  Tatiani  evv.  harmonia  arabice  ed.  Ciasca  c.  20.  p.  36. 

Deus  dixit:  Honora  patrem  et  matrem,  et:  qui  niale- 
dixerit  patri  suo  et  matri  suae,  morte  moriatur. 

d.  Iren.  IV,  9,  3. 

Deus  enim  dixit:  Honora  patrem  et  matrem;  et  qui 
maledixerit  patri  aut  matri,  morte  moriatur. 

e.  Mc.  7,  10. 

Mcovöfjq  yag  einer'  xi(ia  xov  naxiga  oov  xal  xtjv 
firjxtga  oov,  xai  o  xaxoXoycov  jtaxtga  rj  firjxega 
fravüxro  xsXevxaxa). 

f.  Mt.  15,  4. 

o  yaQ  &eog  evtxeiXaxo  Xeycov  [Syr.  Cur.:  elnev)'  xifia  xov 
xaxeoa  [oov]  xal  xfjv  firjxtga  [oov],  xai'  o  xaxoXo- 
yä>v  Jtaxiga  tj  firjxega  ßavaxcp  xeXevxaxat. 

Die  Formel:  Maivoije  eixev  ist  sicherlich  in  des  Herren 
Mund  die  originale  gewesen;  gerade  hier,  wo  er  in  entscheidender 
Weise  den  Mosaismus  zu  antiquieren  sich  anschickt,  wäre  die 
Formel  6  d-ebq  ebrev  nicht  angebracht  gewesen.  Diese  Form 
stammt  augenscheinlich  aus  einer  späteren  Zeit  der  Urkirche,  wo 
man  die  Autorität  des  Mosaismus  wieder  höher  emporhob.  Die 
in   wesentlicher  Übereinstimmung  mit  der   LXX  Mc.  7,  10   ge- 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt  15,  4.  5.  167 

gebenen  alttestam entlichen  Citate  aus  Ex.20,12  und  Ex.  21,16  tragen 
eben  damit  den  Charakter  der  vorcanonischen  Quelle  an  sich. 

Mt.  15,  5  =  Mc.  7, 11. 12. 

a.  Ptolem.  ad  Flor.  Epiph.  Haer.  XXXIII,  4.  p.  218  D. 

vfislg  öt,  <prjoiv,  eiQijxaxs,  xolq  jtoeoßvxEQOiq  Xiyoov,  öoo- 
qov  xop  #£<»,  o  iäv  ootpeXrjd-fjq  &§  efiov. 

b.  Ephr.  Syr.  Ev.  concord.  expos.  ed.  Mosinger  c.  12.  p.  138. 

et  vos  dicitis  unicuique  patrum  vestrorum  et  matrum  ve- 
strarum:  Agedum,  munus  est  quodcunque  a  nie  utili- 
tatem  capies. 

c.  Tatiani  Ew.  harmonia  ed.  Ciasca  c.  20  p.  36. 

Vos  autem  dicitis:  Si  dixerit  homo  de  patre  aut  matre: 
donum  est  quodcunque  a  me  acceperint 
\  d.  Epiph.  Haer.  XVI,  4.  p.  36  C. 

xal  oxi  Xiyixt'  &vj™SJ**y  xazQl  xcu  (itjxql'  xogßäv, 
o  toxi  Öooqov  o  av  l|  &[tov  cog>eXr)&qq,  ovxixi  (irj  xi- 

(17)0X1   xov   JtaZEQCt. 

e.  Mc.  7,  11.  12. 

vpelq  6h  Xeyexe'  iav  eijtg  av&Qcojtoq  xop  staxQt  ^  x[j 
[1?)tqI'  xoQßäv,  o  koxiv  öoüqov,  o  kav  ig  eftov  c6g>e- 
X7)&rjq,  ovxixi  ätpisxe  avxov  ovöhv  stoiijoai  xop  Jtaxgi  q 
xrj  [trjxQi. 

f.  Epiph.  Haer.  XXXIII,  9.  p.  224  C. 

oqkgel  xop  xaxol  avxov'  xooßav,  o  eöxi  6cqqov,  ovx 
wg)6Xrj9-7]Oexai  xi  i§  avxov. 

g.  Mi  15,  5. 

vfislq  6h  Xeyexe'  oq  iävdjty  xop  xaxol  rj  xfj  (iijxQr 

öwoov  o  käv  ££  kpov  o)g)eXrj&^q,  ovjify  xifirjoet  xov 

naxioa  avxov  t}  xr\v  firjxiQa  avxov. 

Welche  von  den  vorstehend  mitgetheilten  Textstellen  der 
Fassung  des  Urtextes  am  nächsten  gekommen  sein  mag,  wird 
sich  schwerlich  mehr  feststellen  lassen.  Am  deutlichsten  ist  der 
Text  des  Ptolemäus  in  der  Epistel  an  die  Flora,  insofern  das 
semitische  "janj?  nicht  blos  durch  öcöqov  wiedergegeben,  sondern 
auch  durch  das  hinzugefügte  xm  &eop  erläutert  ist.  „Ein  Ge- 
schenk Gotte  geweiht  soll  fortan  sein,  was  du  (der  Vater)  sonst 


168  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

für  Nutzen  von  mir  ziehen  könntest".  Die  Folgerung  von  dieser 
Rede  ist  in  dem  Epiphanius-Texte  (f)  gezogen:  Wenn  jemand 
zu  seinem  Vater  sagt:  xooßav,  so  wird  er  (der  Vater)  fortan 
keinen  Nutzen,  keine  Unterstützung  mehr  von  seinem  Sohne  (££ 
avxov)  empfangen  — ,  folglich  wird,  wie  der  Matthäustext  lautet, 
der  Sohn  den  Vater  nicht  mehr  ehren,  oder  wie  es  bei  Marcus 
heisst:  ihr.  die  Pharisäer,  die  ihr  diese  Satzung  vom  xoQßäv  auf- 
gebracht habt,  hindert  die  Kinder,  ihren  Eltern  Wohlthaten  zu 
erweisen  und  macht  so  mit  eurer  Satzung  thatsächlich  das  vierte 
Gebot  hinfallig. 

Mt.  15,  6  —  Mc.  7, 13. 

a.  Iren.  IV,  9,  3. 

Et  iterum  ait  eis:  Et  frustrati  estis  sermonem  Dei  propter 
traditionem  vestram. 

b.  Epiph.  Haer.  XVI,  4.  p.  36  C. 

xal  tJ&extjgoxe  ttjv  ivxoXi/v  xov  O-eov  öia  xrjg  xwv  xqeo- 
ßvxEQcov  vfimv  Jtagaöooseog. 

c.  Ptolem.  ep.  ad  Flor.  Epiph.  Haer.  XXXIII,  4.  p.  218  D. 

xal  rxvQwöaxE   xbv  votuov  xov   &eoZ  öia  xrjv   oiaoa- 
ÖoOlV  VflOJV  XiüV  xQsoßvxeQcov. 

d.  Mt.  15,  6. 

xal  ?}xvQcoöaxe  xbv  vofiov  [Cod.  Cantabr.,  Syr.  Cur.  Xöyov) 
xov  #£ot   öia  xr\v  Jtaoaöooiv  Vficöv. 

e.  Mc.  7,  13. 

dxvQovvtsg  xov  Xoyov  xov  d-sov  xf]  jtaoaöooEi  vfimv 
11  üiaQEÖmxaxe.  xal  jiaoofwta  xoiavxa  aoXXä  jcoieIxe. 
Hier  tritt  der  Urtext  deutlich  hervor  durch  die  sich  deckenden 
Varianten  äfrsxslv  =  frustrari  =  dxvoovv  =  fi^n  vgl.  Ps.  32,  10 
LXX  oder  issi  vgl.^SumT30,  13  AquüaTferner:  vbjtoq^=X&yoq 
=  ivxoXtj  =  senno  —  T\)TQ.  Zu  äfrExslv  —  dxvgovv  kommt 
noch  eine  dritte  Übersetzungsvariante  bei  Hippol.  Comm.  in 
Dan.  IV.  p.  17  ed.  Bratke:  xov  (liv  xov  &eov  v6(tov  igovfrE- 
vovvxsg  xaoEyQaipavxo,  xalq  dl  xmv  JtQEößvxEQcov  JutgaSoCEOiv 
EvaQioxovvxEg  vjtExdooavxo,  Cod.  Cantabr.  hat  zu  xjj  jtaoaöoöEi 
v(io3v  Mc.  7,  13  den  Zusatz  xy  [tcona.  Mit  ihm  gehen  die  meisten 
ltala- Handschriften:  per  traditionem  vestram  stultam. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  15,  6.  7.  8.  169 

Mt.  15,  7.  8  =  Mc.  7,  6. 

a.  Jes.  29,  13.   LXX. 

e'yyiC.ei  fioi  6  Xaoq  ovxoq  kv  xcß  axofiaxi  avxov,  xal  iv 
xolq  %elXe6i,v  avxcov  xiftcool  tue,  i)  öe  xagöla  avxcov 
noggco  djtixei .an    efiov. 

b.  Just.  DiaL  cTTryph.  c.  78.  p.  305  AB. 

coq  'Hoaiaq  tprjöiv  elncov  ovxoq'  iyyi^ei  fioi  6  Xaoq  ov- 
xoq' tolq  öe  yelXeoiv  avxcov  xiftcöoi  (ie,  q  öe  xagö'i 
avxcov  noggco  antyei  an   efiov. 

c.  Ptolem.  ep.  ad  Flor.  Epiph.  Haer.  XXX11I,  4.  p.  218  D. 

xovxo  öe  Hö ata q  ige<pcovi]Cev  elncov  6  Xaoq  ovxoq  xolq 
yelXeol  fte  xifia,  q  öe  xagöla  avxcov  noggco  äneyji 
an   ifiov. 

d.  Mt.  15,  7.  8. 

vnoxgixal,  xaXcöq  engo^xevöev  negl  vficov  *IIoataq  Xeycov 
6  Xaoq  ovxoq  xolq  ^ctJUö/i;  fie  xifia,  ?/  öe  xagöla 
avxcov  ^Q(^Jxj™1(M  an    ifiov. 

e.  Mc.  7,  6.  7. 

coq  yiyQanxai  oxi  ovxoq  o  Xaoq  xolq  yelXeoiv  fie  xiftä, 
fj  de  xagöla  avxcov  noggco  dneyei  an    efiov. 

f.  Clem.  Rom.  I,  15, 2.  p.  28,  25. 

Xeyet  yäg  nov'  ovxoq  6  Xaoq  xolq  £££jUa/i>  fte  xifia, 
t)  öe  xaoöla  avxcov  noggco  aneoxiv  an  efiov. 

g.  Clem.  Rom.  11,  3,  5.  p.  114,  21. 

Xeyei  öe  xal  iv  xcß  Hoata'  o  Xaoq  ovxoq  xolq  xelXe- 
oiv  fie  xifia,  r\  öe  xaoöla  avxcöv  noggco  aneoxiv  an 

iflOV. 

h.  Herrn.  Mand.  XII,  4,  4.  p.  126,  27. 

ol  öe  inl  xolq  y.elXeOiv  tyovxeq  xbv  xvgiov,  xi)v  öe  xag- 
öla v  avxcov  nencogcoftevi^v^  xal  fiaxgäv  ovxeq  dno  xov 
xvglov. 

I  Cod.  Cantabr.  Mt.  15,  7.  8. 

t^o^tj^jw^ojgj^o^rtt^^^epl  vf1**™  Hoaiag  Xeycov 
o  Xaoq  ovxoq  xolq  %elXeolv  fte  xiftä,  q  öe  xagöla 
avxcöv  noggco  eaxtv  an   ifiov. 


170  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Das  Citat  aus  Jes.  29,  13  ist  bei  Mc.  und  Mt.  wesentlich  nach 
den  LXX  gegeben.  Die  Lesart  nÖQQCo  hoxlv  tut  ifiov  liegt  auch 
bei  Herrn as:  fiaxQav  ovxeq  äjto  xov  xvq'iov  zu  Grunde.  Am 
nächsten  kommt  dann  die  Lesart  jioqqco  ajtzoxiv  in  den  beiden 
Clemensbriefen.  Die  übrigen  aussercanonischen  Citate  gehen 
in  diesem  Punkt  mit  den  canonischen  Texten  und  den  LXX.  Am 
vollständigsten  findet  sich  der  Septuaginta-Text  bei  Matthäus. 
Jedenfalls  gehörte  das  Citat  zum  Urevangeliura.  —  Wenn  Harris 
(a  Study  of  Codex  ßezae  p.  97)  das  ioxiv  des  Cod.  D  aus  dem 
lateinischen  est  ableiten  möchte,  so  zeugt  Herrn  as  mit  seinem 
fiaxQav  ovxeq  für  das  Gegentheil,  nämlich  für  die  Priorität  des 
griechischen  Textes. 

Mt.  15,  9  =  Mc.  7,  7. 

a.  Jes.  29,  13  LXX. 

fidtrjv  de  oißovxai  //e,  öiödoxovxeq  tvxaXftaxa  dv- 
&Qcbjicov  xai  öiöaoxaXiaq. 

b.  Just.  Diai.  c.  Tryph.  c.  78.  p.  305  B. 

fiaxTjv  de    oißovxai  //e,   svxdXfiaxa  av&oconmv  xai 
öiöaoxaXiaq  öiödoxovxsq. 

c.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  140.  p.  369  C. 

ol   ötödoxaXoi  tucov  avxmv,    coq  xai  i)   yoa<pr}  öia$Qrjör]v 
Xiyei,  öiödoxovxsq  öiöaoxaXiaq,  svxdXfiaxa  ävd-Qat- 

TtCOV. 

d.  Ptolem.  ep.  ad  Flor.  Epiph.  Haer.  XXXIII,  4.  p.  218  D. 

f/axr/v   de   oißovxai  /ze,  öiödoxovxsq  ÖiöaoxaXiaq, 
kvxaXfiaxa  dv&Q<6x<oi\ 

e.  Mc.  7,  7. 

(idxqp    de    oißovxai   fie    öiödoxovxsq    öiöaoxaXiaq, 
svxdXfiaxa  uv&Qobncov. 

f.  Mt.  t5,  9. 

(idxrjv  de   oißo'vxai  fis,   öiödoxovxsq   öiöaoxaXiaq, 

kvxdXfiaxa  dv&QOjjimv. 

Hier  tritt  der  Septuaginta-Text  völlig  dominierend  auf,  sogar 
in  dem  fidxrjv,  welches  im  hebräischen  Grundtexte  fehlt.  Die 
svxdXfiaxa  xai  ötöaoxaXiai  x<ov  dv&omjtoDv  hat  Paulus  Col.2, 22 
ganz  in  demselben  gegen  die  Reinigungsgebräuche  gerichteten 
Zusammenhang  verwerthet  —  ein  Beweis,  dass  das  Citat  in  der 
vorcanonischen  Evangelienquelle  vorhanden  war. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  15,  9.  13.  IG.  171 

Mt.  15, 13. 

a.  4.  Esra  9,  22. 

ajiöXoixo  ovv  xo  jcXij&oq  xo  elxrj  yevbpievov  xal  xf]Q>]&eif) 
r)  pag  (iov  xal  ij  (pvxeia  (iov  oxi  ev  noXXm  (löy&co  xaxrjQ- 
xioa  xavxa. 

b.  Ign.  ad  Philad.  III,  I.  p.  72,  4. 

äjtexeö&e  xcöv  xaxcöv  ßoxavdiv,  aoxtvaq  ov  yecoyyel  frjoovq 
Xpioxoq  öia  xo  fit)  elvai  avxovq  (pvxeiav  naxyoq. 
e.  Ign.  ad  Trall.  XI,  1.  p.  52,8. 

ovxoi  yao  ovx  eioiv  (pvxeia  jtaxQoq. 

d.  Pseudo-Ign.  ad  Trall.  XI.  p.  192,  30. 

ovxoi  ovx  elöl  (pvxeia  jtaxooq,  äXX* eyyova  xax/joafieva. 
jtaoa  öt,  (ptjolf  o  xvgtoq,  (pvxeia,  r\v  ovx  k(pvxevoev 
6  jiaxrjQ  (iov  o  enovoävcoc,  exoit,a)d-i)xa>. 

e.  Hom.  Clem.  III,  52.  p.  50,  28. 

ev&ev  yovv  Xeyet'  jtäoa  (pvxeia,  r/v  ovx  k(pvxevoev  o 
jtaxrjo  o  ovgavioq,  exQi^co&r/oexai. 

f.  Mt.  15,  13. 

jiäoa  (pvxtia,  T/v  ovx  etpvxevoev  o  jcaxr/Q  (iov  o  ov- 
odvioq,  exQi^coO- f/oexai. 

Der  Redaktor  der  Pseudo-Ignatianen  hat  zu  Trall.  XI,  1  die 
in  den  echten  Ignatianen  enthaltene  Anspielung  an  Mt.  15,  13 
wohl  erkannt,  und  daher  in  seiner  Bearbeitung  des  Textes  die 
ganze  Stelle  beigefügt.  Seine  Variante  exQi£G>&?jxco  (anstatt 
txQiC,a>&TJoexai)  findet  sich  in  keiner  Handschrift.  Das  Logion 
selbst  gehört  nicht  in  den  Zusammenhang  dieser  Rede,  wird  aber 
als  echtes  Herrenwort  aus  einer  anderen  Stelle  des  Urevangeliums 
entlehnt  sein. 

Mt.  15, 16  -=  Mc.  7, 18*. 

a.  Pistis  Sophia  p.  156,  7  ed.  Schwartze  et  Petermann. 

nvev(ia  ocoxr/ooq  motum  est  in  eo,   exclamans  dixit: 

eixe  ax(ir/y  quoque  haud  voeixe  et  estis  ignorantes? 

b.  Mt.  15,  16 

o  6e  ehcev  äx(ir)v  xal  v(ielq  aovvexoi  eoxe;  ov  voeixe; 
c  Mc.  7,  18a. 

xal  Xiyei  avxolq  ovxoyq  xal  vfielq  aovvexoi  köre;  ov 
voeixe; 


172  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Hier  weisen  die  gleichwertigen  canonischen  Varianten  axfirjv 
(=  Irt)  =  ovroog  —  adhuc  (Cod.  Colbert)  auf  eine  ältere  Quelle 
hin.  Denn  wenn  Mt.  hier  lediglich  dem  zweiten  Evangelisten 
gefolgt  wäre,  so  könnte  man  das  Motiv  für  die  Umwandelung 
des  deutlicheren  ovxmq  in  das  weniger  deutliche  äxfit'/v  nicht 
ersehen.  Auch  die  Pistis  Sophia  vertritt  die  Lesart  axfirjv. 
In  der  Anordnung  der  beiden  Glieder  weicht  das  Citat  der 
Pistis  Sophia  von  den  canonischen  Texten  ab. 

Mt  15, 17»  —  Mc.  7, 18*. 

a.  Clem.  AI.  Paedag.  II,  1,  8.  p.  169. 

ovöe  xä  eloibvxa  xoivol  xbv  av&oa>jiov. 

b.  Mc.  7,  iS 

jtav  xb  egcod-ev  eloxooevbfievov  elq  xbv  äv&Qcoxov  ov 
övvaxai  avxov  xoivcöoai. 

c   Mt  15,  17». 

jcäv  xb  elojtoQevbfievor  elq  xb  oxbfia  xxX. 

d.  Clem.  AI.  Paed.  II,  CloVp.  175. 

ov   yao   xa  eloeQxbfieva  elq  xo  oxbfia  xoivol  xbv  av- 

&Q<DJ10V. 

e.  Clem.  AI.  Strom.  II,  11,  50.  p.  455. 

ov  xä  eloegxbfieva  elq  xo  oxbfia  xoivol  xbv  av&omjtov. 

f.  Const.  VII,  20.^205,  21. 

ov  yao   xä  eloegxbfieva  elq  xb  oxbfia  xoivol  xbv  ar- 

&QCOJIOV. 

g.  Orig.  c.  Cels.  VIII,  29.   Opp.  1,  762. 

•     äjtetptjvaxo  oxi  ov  xä  eloeQxbfieva  elq  xb  oxbfia  xoivol  xbv 

avd-oamov. 

Die  gleichwerthigen  Varianten  elöiivai  =  elojtoneveöfrai  = 
döEQXEO&cu  gehen  auf  bat  813  zurück,  und  zwar  ist  bei  den 
Alexandrinern  elaioxsö&ai  gebräuchlicher  gewesen  als  das  eloxo- 
oeveo&ai  im  canonischen  Text. 

Mt.  15, 17«»  =  Mc.  7, 19. 

a.  Mc.  7,  19. 

oxi  ovx  elojiooevexai  avxov  elq  xrjv  xagöiav  aXX  elq  xijv 
xoiXiav,  xal  elq  xbv  äpedgcöva  exjiogevexai,  xa&agi- 
^cov  Jiävxa  xä  ßgcofiaxa. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  15, 17.  18,  173 

b.  Cod.  Cantabr.  Mc.  7,  19. 
ov  ydg   doigx^xai   dg  xr\v  xagöiav  avxov  dXX*   elc  xi]v 
xotXlav,  xai  elg  xbv  o%ex6v  it-eQxezaf  xa&agi&t  jcdv- 
xa  xd  ßgcofiaxa. 

c.  Mt  15,  17b. 
elg  xrjv  xoiXiav  xcogsl  xai  elg  dtpeögäjva  IxßdXXetai. 

d.  Orig.  c.  Cels.  VIII,  297  Öpp.  I,  762.  7637~ 
xd  (ibv   ydg   eloegx6(teva   elg   xo    ox6,ua   dg    xrjv  xoiXiav, 
<p?]öi,  xwQtt  xcu  &1?  d<peögo5va  exßdXXexai. 

e.  Iren.  Fragm.  XIV  ed.  Stieren  p.  835. 
ndv    ydg    xo    dg    xo    oxo/ia   eloegxduevov   elg  d<peögalva 
Xcogsl. 

Hier  kehrt  eloegxeod-ac  anstatt  des  canonischen  elöJtogeveö&ai 
bei  Or  igen  es,  Irenaeus,  und  auch  im  Cod.  D  wieder,  während 
der  erste  Evangelist  als  weitere  Variante  x^Q^v  verwendet,  bei 
Irenaeus  aber  das  xmQ^v  ak  Synonymon  von  exßdXXeo&ai  = 
exjtogtveo&ai  erscheint.  Letztere  Synonyma  gehen  auf  X2?  zu- 
rück (tfisin  bei  den  LXX  oft  exßdXXecv).  Übersetzungsvariante 
ist  wohl  auch  im  Cod.  D  die  Lesart  ox^xog  —  dtpeögmv  =  "pTOS 
(Salkinson)  oder  rrisnrjtt  von  n«fn^(LoE^oner  frt  T.)  oder 
nixria  (Delitzsch).  —  Nestle  hat  in  den  Theo].  Studien  aus 
Württemberg  (1889.  1.  Heft.  S.  79  f.)  unter  Anlehnung  an  Field, 
sowie  Westcott-Hort  die  Erklärung  von  Origenes,  Grego- 
rius  Thaumaturgus  und  Chrysostomus  wieder  hervor  ge- 
holt, wonach  die  Worte  xa&agi£cov  jtdvxa  xd  ßgajpaxa  nicht 
als  Herrenworte,  sondern  als  ein  Zusatz  des  Marcus  zu  betrachten 
sind:  xaxd  Mdgxov  eXeye  xavxa  6  Ocoxtjg  xad-agiCpiv  Jtdvxa  xd 
ßgoSfiaxa  (Origenes).  Dann  würde  es  sich  auch  erklären,  weshalb 
dieser  Zusatz  Mt.  15,  17b  fehlt.     Der  Urtext  enthielt  ihn  nicht. 

Mt.  15, 18  =  Mc.  7,  20. 

a.  Macar.  Hom.  XLII,  2. 
xo   ydg    ßXdjcxov   xai   (itatvov   xov   dv&g&jiov  evöo&tv 
eoxiv. 

b.  Clem.  AI.  Paedag.  II,  1,  8.  p.  169. 
aXXa  xa  e^iövxa,  fß/joi,  xov  oxofiaxog  [sc.  xoivol  xbv 
avfrgcojtov.] 


174  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

c.  Clem.  AI.  Paedag.  II,  6,  49.  p.  198. 

xa  ycto  i§wvxa,  (ptjoiv,  ix  xov  oxdfiaxoq  xoivol  xov 
av&Qcoxov. 

d.  Clem.  AI.  Strom.  II,  11,  5ü.  p.  455. 

dXXa  xa  £t-£Qx6(i£va  öiä  xov  oxofiaxoq,  ixelva  xoivol 
xov  av&Q<DJtov. 

e.  Mt.  15,  18. 

xa  öe  e  x  xooevofieva  ex  xoi    oxöfiaxoq  ex  xrjq   xaQÖiaq 
ege'oxexai,  xaxeXva  xoivol  xov  av&Qcojtov. 

f.  Mc.  I^O.^ 

xo  ex  xov  av&Qconov  exjtoQevöfievov,  exelvo  xoivol  xov 
av&Qcojtov. 

g.  Orig.  c.  Cels.  VIII,  29.   Opp.  I,  762.  763. 

aXXct   xa  it-EQXOfieva  ex  xov  oxdfiaxoq  [sc.  xoivol  xov  av- 

&Q0)J10V]. 

Auch  hier  bieten  die  aussercanonischen  Texte  im  Verein 
mit  den  canonischen  Parallelen  ein  buntes  Bild  von  Varianten, 
hinter  denen  doch  sichtlich  ein  einfacher  Text  sich  birgt. 
Die  Wiedergabe  des  hebräischen  XS^  durch  igievai  —  igeQxeö&ai 
—  ixjtoqevEO&ai  ist  schon  bekannt.  Dazu  kommt  noch  xoivovv  = 
/uaiveiv  =  KTS12.  Als  canonische  Parallele  ist  zu  vergleichen: 
Tit.  1,  15:  nävxa  xafragä  xolc  xaOaoolq'  xolq  de  fiefiiaofievoiq 
xal  djtloxoiq  ovöev  xa&aoov,  dXXa  (lefiiavxai  avxmv  xal  o  vovq 
xai  r)  ovveiöijoiq  — ,  wo  klar  die  Variante  fiialvov  (Macar.)  und 
vovq  (=  xagöia)  vorausgesetzt  ist.  Vgl.  zu  Lc.  12,  34,  wo  vovq 
als  Übersetzungsvariante  von  ab  erscheint. 

Mt.  15, 19  —  Mc.  7,  21.  22, 

a.  Clem.  AI.  Strom.  II,  11,  50.  p.  455. 

ix  yän  xfjq  xagöiaq  i^egxovxai  öiaXoyiö/ioi. 

b.  Macar.  Hörn!  XV,  21. 

ix  ycto  JVß^^Q^l^J^^QXP^J^i  diaXoyiöpiol  JtovtjQoL 

c.  Macar.  Hora.  XV,  13. 

eiol  yao  XoyiOfiol  e^egxofievoi  ex  xrjq  xagölaq  xaxa  xo  ev- 
ayyiXiov. 

d.  Epiph.  Haer.  LVIII,  2.  p.  490  BC. 

eowfrev  yao,  (prjoiv,  ixjcogevovxai  jtoQvelai,  poixelai,  doeX- 
yetai  xal  xa  xovxoiq  bfioia. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  15,  19.  1 75 

e.  Orig.  Opp.  11,317. 

de^corde  procedunt^  cogitationes  malae,  homicidia,  adulteria, 
furta,  falsa  testimonia,  blaspheniiae. 

f.  Orig.  c.  Cels.  VIII,  29.  Opp.  I,  762. 

xa  de  *&ovxa  ex  *ov  öxo/iaxog  6iaXoytotuoi  eioi  novijQol 
XaXovtuevoi  xal  <povoi  xal  tuoiX€lcu  xal  jtoovelai,lxXoncu 
xe  xal  ipevöofiaQxvQlai  xal  ßXao^rju'iai. 

g.  Mt.  15,  19. 

Ix  yccQ  xqg  xagölag  k^ioxovxai  ötaXoyiOfiol  JtovrjQol,  <p6voi. 
fiotyelai,  jcoQvelai,  xXojtai,  tyevöofiaoxvQlai.  ßXao^prjfiiat. 

h.  Mc.  7,  21.  22. 

eöcofrev  yag  tx  xf/g  xagöiag  xöiv  ävfrQcojtaw  01  öiaXoyiöfiol 
01  xaxol  exjiooevovxai,  Jtogvelai,  xXojiai  [Cod.  Cantabr. :  xXtft- 
f/axa],  (povoi,  fioixttai,  nXeovegiai ,  jiovrjoiai.  öoXog,  dotX- 
yeia,  og>&aXtu(g  jtovtjQog,  ßXao<pr]/jia,  vjieorjtpavia,  atpQo- 
övvrj. 

i.   Herrn.  Mand.  VIII,  5.  p.  98,  11. 

xXtfifia,  tyevdoc,  djtoOxeQ^oig,  tytvdoftaQxvQia ,  JtXeovet-ia, 
hmd-vfila  jrovrjga,  dxdx?],  xevoöo^la.  äXaCoveia,  xal  00a 
xovxoig  of/otd  slöiv. 

k.  Pseudo-Cypr.  de  al.  c.  5.  p.  19  ed.  Harnack. 

niultae  enim  sunt  temptationes  ejus,  quaruui  primordia  sunt: 
idolatria,  moechiae,  furta,  rapinae,  avaritia,  fraus,  ebrietas, 
inpatientia,  adulteria,  homicidia,  zelus,  perfidia,  falsa  testi- 
inonia,  eloquium  falsum,  invidia,  extollentia,  maledictum,  error, 
et  si  qua  sunt  similia,  quae  his  cor» gr mint. 

1.   Aid.  V,  1.  2.  ~~~ 

t/  öe  xov  ßavdxov  oöog  ioxiv  avxty  jiqwxop  jcclvxojv  jco- 
vrjoä  loxi  xal  xaxaoag  fjieGxr}'  tpovoi,  iioiyzlai,  tjcid-vpiai, 
jioQvelai,  xXoüiai,  etöooXoXavQelai,  (iayelai,  (paofiaxelac,  dg- 
jtayai,  tpevöo/xaQxvglai,  vnoxoioug,  ötJiXoxaoöia,  ÖoXog, 
vji£Qrj(pavia,  xaxia,  avddötia.  jtXeovsgia,  aloxoXoyia,  CflXo- 
xvn'ia,  frQaovx?jg,  vxpog,  dXa^oveia. 

Unter  den  während  der  Correktur  der  Agrapha  von  Prof. 
Harnack  mir  zugegangenen  Beiträgen  haben  diejenigen,  welche 
sich  auf  die  Agrapha  selbst  bezogen,  dort  an  geeigneter  Stelle 
mit  Angabe  ihres  Harnackschen  Ursprungs  Verwendung  gefunden, 
während  die  übrigen  wenigen  Beiträge  derart  für  die  „  Ausser- 


176  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

canonischen  Paralleltexte"  zurückgestellt  wurden.  Zu  ihnen  ge- 
hört folgende  Mittheilung  Harnacks.  welche  ich  nachstehend 
wörtlich  wiedergebe. 

„Ich  komme  nun"  —  schreibt  Haraack  —  „zu  dem  Laster- 
katalog. Diese  Lasterkataloge  gehen  —  ich  habe  über  sie  in 
meiner  Abhandlung  de  aleatoribus  S.  85  kurz  gehandelt,  s.  auch 
Taylor,  Didache  1886  und  Rendel  Harris,  Facsimile- Ausgabe 
der  Didache  p.  82  sq.  — ,  wie  ja  auch  Mc.  7,  21  beweist,  auf  ein 
Herrenwort  zurück.  Aber  Mc.  7,  21  ist  nicht  die  letzte  Quelle. 
Das  geht  schon  daraus  hervor,  dass  die  letzte  Quelle  mit  „xal 
tä  ofioia  xovxoig*  geschlossen  haben  muss.  Dieser  Schluss, 
der  sich  auch  in  der  Jiöaxtj  nicht  findet  —  daher  ist  auch  sie 
nicht  die  letzte  Quelle  —  steht  nämlich  in  den  Katalogen  Qal. 
5.  20,  de  aleat.  c.  5,  Herrn.  Mand.  VIII,  Pseudo-Clemens  de  virg. 
1,  8,  die  unter  sich  gar  nicht  zusammenhängen.     Vgl. 

de  aleat.  c.  5:  „et  si  qua  sunt  similia,  quae  his  con- 

gruunt*. 
Galat.  5,  20:  „xal  xä  oftoia  xovxoig', 
Herrn.  Mand.  VIII,  5:  xal  oöa  xovxoig  öfioid  eioiv* 
Pseudo-Clem.  I,  8:  „haec  aut  his  similia". 

Im  Einzelnen  hat  man  natürlich  in  diesen  Katalogen  sehr 
willkührlich  geschaltet.  Die  wichtigsten  sind:  Mt.  15,  19;  Mc. 
7,21;  Rom.  1,29 f.;  Gal.  5,20f.;  Ephes.  5,  3 f.;  1.  Cor.  6,9.  10;  de 
aleat.  c.  5;  Pseudo-Clem.  de  virg.  I,  8;  Didache  c.  5;  Barn.  c.  20; 
Herrn.  Mand.  VIII,  5;  Altercatio  Simonis  et  Theophili  c.  21. 
Immerhin  sind  von  den  18  in  de  aleatoribus  genannten  Lastern 
14  mit  den  in  der  Atöairj  genannten  identisch.  Dass  es  sich 
aber  hier  um  ein  Herrenwort  handelt,  geht  auch  aus  dem  Satze 
Gal.  5,  21  hervor:  jiqoeIjiop  oxt  ol  r«  xoiavxa  Jtgäööovxeg 
ßaoileiav  &eov  ov  xZrjoovofi/jOovoiv.  Dieser  Spruch  ist 
synoptisch  gefärbt.  Dazu  kommt,  dass  es  auch  Rom.  1,  32  am 
Schlüsse  des  Lasterkatalogs  heisst:  axiyvovxeg  .  .  ort  ol 
xoiavxa  jtoaööovxsg  ägioi  &avaxov  slolv,  und  Eph.  5,  5  am 
Schluss  des  Laster katalogs:  xovxo  yäo  luxe  ytvcoOxoptsg,  ort 
nag  noovog  xrX.  ...  ovx  sx*1  xk/jQovoftiav  kv  vy  ßaöi- 
Xkia  zov  ^peöTOv  xal  &eov,  und  endlich  1.  Cor.  6,  9  am 
Anfang  des  Lasterkatalogs:  //  ovx  olöaxe,  ort  aöixoi  ßeov 
ßaoiZslap   ov    xXi)Qovo(irj<3ovGiv;    nun    folgt    unmittelbar 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  15,  19.  Mc.  7,  21.  22.  177 

darauf  (irj  xXaväö&E  ovxe  Jiogvot  ovxe  eiöcoXoXaxQai  xxX.  .  .  . 
ßaöiXsiav  &eov  'ycXr/Qovoß  rfoovoiv.  —  Hiernach  scheint 
mir  jeder  Zweifel  ausgeschlossen;  es  gab  entweder  ein  Herren- 
wort oder  es  gab  —  was  wahrscheinlicher  ist  —  zwei  Herrenworte, 
welche  Aufzählungen  von  Lastern  enthielten.  In  dem  einen 
waren  die  Laster  neutrisch  genannt  (wie  Mc.  7,  21),  und  es 
schloss  mit  „xal  xa  ofiota  xovxotq11.  In  dem  anderen  waren  die 
Lasterhaften  (personal)  genannt,  und  es  schloss:  ol  xa  xotavxa 
jtoäoöovxEq  ßaotXdav  &eov  ov  xfa]Q0V0{iiJG0v6tv*. 

Soweit  Harnack,  mit  dessen  Ausführungen  im  Wesentlichen 
übereinzustimmen  ist.  Namentlich  wird  seine  Vermuthung,  dass 
der  in  Mc.  7, 2 1,  22  =  Mt.  15, 19  enthaltene  Lasterkatalog  ursprüng- 
lich mit  der  Formel:  xal  xa  öfiota  xovxotq  abgeschlossen 
habe,  auf  überraschende  Weise  durch  das  unter  d  mitgetheilte 
Citat  aus  Epiphanius  (Haer.  LVIII,  2)  bestätigt.  Es  dürfte 
diese  Textgestalt:  eocofrev  kxxoQEVOVxat  jioovEtat,  [iot^Eiat,  aoeX- 
yuai  xal  xa  xovxotq  opota  dem  Urtexte  am  nächsten  kommen, 
nur  dass  die  ursprünglich  an  der  Spitze  gestandenen  öiaXoytGitol 
ütovi]Qol  (=  xaxot)  =  n1^  rfSTDriÄ  —  in  Wegfall  gekommen 
sind.  Denn  das  egoo&ev  dieses  Epiphanius-Citates  ist  neben  dem 
ix  trjg  xagölaq  des  Örig.,  Clem.  AI.,  Macar.,  Mt.  Übersetzungs- 
variante  von  abtt,  daher  egcoQ-ev  ex  xrjq  xagdiaq,  wie  Mc.  hat, 
ein  Pleonasmus.  Sodann  muss  die  Zahl  der  Laster  im  ur- 
sprünglichen Herrenwort  gewiss  eine  sehr  beschränkte  gewesen 
sein,  da  sonst  der  Schluss:  xal  xa  xovxotq  otuota  überflüssig  ge- 
wesen wäre.  Erst  die  Folgezeit  hat  je  länger  je  mehr  die  Laster 
vermehrt  und  erst  eigentliche  Lasterkataloge  aus  jenem  einfachen 
Herren worte  geschaffen. 

Der  Vollständigkeit  halber  sei  noch  auf  folgende,  von  Har- 
nack oben  nicht  erwähnte  Lasterkataloge  hingewiesen:  1.  Tim.  1, 
9 f.;  2.  Tim.  3,  2  f.;  Theophil,  ad  Autol.  I,  2;  II,  34;  Hippol.  arab. 
p.  283  f.  ed.  Achelis,  Pistis  Sophia  p.  254  f. 

Nachträglich  sei  noch  folgende  anderweite  Notiz  Harnacks 
hier  angeführt:  „Die  uns  bei  Eusebius  (hist.  eccl.)  in  einigen 
Fragmenten  erhaltene  alte  griechische  Übersetzung  des  Apolo- 
geticums  Tertullians  gibt  (Euseb.  III,  33,  4)  Tertullians 
Worte  „homicidium,  adulterium,  fraudem,  perfidiam  et  cetera 
scelera  prohibentur"  also  wieder:  xcoXvEöfrat  (povtvEtv,  {iofj(EVEiv, 
Texte  u.  Untersuchungen  X,  2.  12 


178  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

jiIeovexxeIv,  djiooxEQElv  xai  xa  xovxoiq  ofioia.     S.  Texte  u. 
Unters.  VIII,  4.  S.  18.  22.« 

Mt.  15,  21  =  Mc.  7,  24». 

a.  Orig.  c  Cels.  I,  65.  Opp.  I,  380. 

xovxo  ndliv  xaxovgySv  o  KiXooq  diaßdllsi,  xai  q>rjöL  Jtgoq 
top  'irjöovv  o  nag'  avxcp  'iovöaloq'  „ort  fiExd.xcov  nad-tjxcöv 
rf/öe  xdxslOE  ajzodiÖQaoxEic". 

b.  Mt.  15^  21. 

xai  £g£JL&a>v  exeI&ev  o  'Iqöovq  dvex<x>Qi]ötv  slq  xa  fiEQ^ 
Tvqov  xai  2iö(5voq. 

c.  Mc.  7,  24a. 

exeI&ev  6h  dvaoxaq  djtfjZd-sv  slq  xa  oQia  Tvqox 

Eine  der  feinsten  Untersuchungen  in  der  von  B.  Weiss  an 
den  Evangelien  geübten  Quellenkritik  führte  ihn  zu  der  Er- 
kenntnis, dass  der  Perikope  von  der  Kananäerin  Mt.  15,  21 — 28 
=  Mc.  7,  24 — 30  eine  vorcanonische  Evangelienquelle  zu  Grunde 
liege,  und  zwar,  dass  der  Urtext  bei  dem  ersten  Evangelisten 
besser  als  bei  dem  zweiten  erhalten  sei.  Vgl.  Weiss,  Marcus 
S.  254  ff.  Was  dazu  im  Betreff  der  Quellenkritik  noch  nachzu- 
tragen ist,  wird  das  folgende  zeigen.  Hier  ist  zu  erwähnen, 
dass  sicher  auch  schon  die  Einleitung,  welche  nach  Weiss  von 
der  Quelle  auszuschliessen  wäre,  in  der  Urrelation  gestanden  hat. 
Denn  xai  e£sI&c6v  exeI&ev  =  exeI&ev  6e  dvaoxaq  sind  nur  ver- 
schiedene Übersetzungstypen  von  D12ÖQ  Qj?*!S  und  ebenso  sind  die 
Synonyma  xd  ogia  =  xa  (ieqtj,  welche  auch  Mc.  8,  10  =  Mt.  15, 39 
wiederkehren,  auf  ein  gemeinsames  hebräisches  Quellenwort  zu- 
rückzuführen. Denn  dass  rviisp»  nicht  blos  mit  ogia,  sondern 
auch  mit  (ieq?/  übersetzt  werden  kann,  beweisen  die  LXX,  welche 
Jes.  37,24:  13??  "iäp  mit  fiigovq  xov  ögvfiov  und  Dan.  11,  45: 
"isp"!?  mit  %<x>q  ftEQOvq  avxov  wiedergeben.  Ebenso  liegt  den 
Varianten  djitQXEO&ai  —  dvaycoQE Iv  das  hebräische  TID  zu  Grunde. 

Ob  die  Parallele  aus  Celsus  gerade  auf  diese  Stelle  Bezug 
hat,  ist  fraglich;  doch  beginnt  ja  gerade  mit  Mc.  7,24  =  Mt.l5,21 
das  fluchtartige  Umherwandern  Jesu  in  den  verschiedensten  Län- 
dergebieten; auch  erinnert  das  xdxElos  des  Celsus  an  das  exst&sv 
der  Evangelien. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  15,  21.  22.  Mc.  7,  24.  25.  20.     179 

Mt.15,  22  =  Mc.  7,  25«.  26. 

a.  Hom.  Clem.  II.  19.  p.  26,  30. 

'lovöxä  Tis,  tv  ?J£iiv  löxlv  SvQOfpocvixiooa,  xb  ytvog 
Xavavixig,  t}g  xb  frvyaxQiov  vjco  xaX£jc?]g  vooov  Oweixsto,. 

Tj    Xal  X(D    XVQIO)  fl(i<DV    7lQO0r}Xd-BV   ß0(Ö0a   XCU  LXEXEVOVOa, 

ojtmq  avxrjg  xb  ftvyäxoiov   d-EQajtEVOr]. 

b.  Mc.  7,  25».  26. 

ev&vq  dxovoaöa  yvvr  jieqI  avxov,  /)g  EtyEv  xb  &vya  xqlov 
avxijg  jcvsvfta  axdd-agxov  —  t]  de  yvvr)  rv  EXXrjviq,  2v- 
QO(poivixiöoa  xcö  yivEL'  xal  rjocoxa  avxov,  i'va  xo  öai- 
fioviov  sxßdXr]  ex  xrjq  frvyaxQog  avxrjg. 

c.  Mt  15.  22. 

xal  löov  yvvr)  Xavavaia  ajto  xmv  ogimv  exeivov  e^eX- 
d-ovöa  exQa^sv  Xtyovoa'  sXetjöov  [ie,  xvqie  vlbg davsiö,  r)  &v- 
yäxTjQ  (iov  xaxcög.  öaifiovi^Exai. 

d.  Hom.  Clem.  xSCi^l^dO. 

yvvr)  öt  xig  'iovöaioig  JtQOOr'jXvxoc,  d^iöXoyog  Jtävv,  övdfiaxi 
'lovoxa. 

Zu  den  beiden  Bearbeitungen  des  Quellenberichtes  durch  den 
ersten  und  zweiten  Evangelisten  kommt  in  den  Homilien  noch 
eine  dritte  Relation,  welche  allerdings  starke  Spuren  von  der 
Hand  des  Redaktors  aufweist  und  den  ursprünglichen  Wortlaut 
nur  erkennen  lässt,  wie  das  in  Erz  eingesprengte  edle  Metall. 
Gleichwohl  ergiebt  sich  bei  näherer  Untersuchung  die  Unab- 
hängigkeit der  clementinischen  Relation  von  den  beiden  ersten 
canonischen  Evangelien.  Schon  der  Name  der  Kananäerin  geht 
über  die  canonischen  Berichte  hinaus.  Er  kann  möglicher  Weise 
der  Quelle  angehört  haben.  Vgl.  z.  B.  Lc.  18,  35,  wo  der  dritte 
Evangelist  den  in  seiner  Marcusquelle  (Mc.  10,  46)  präcise  ange- 
gebenen Namen  o  vlbq  Tituatov  Bagxifialog  durch  eine  verall- 
gemeinernde Ausdrucksweise  xvcpXög  xig  verwischt  hat.  Die  Aus- 
drücke 2vQO<poivixi66a  und  tyvyaxgiov  in  dem  Clementinen- 
Bericht  können  auf  einen  Einfluss  des  zweiten  Evangeliums  zu- 
rückgehen; dagegen  ist  Xavavixig,  welche  Benennung  Hom. 
Clem.  111,  73  p.  56,  24:  naoä  xr\  Xavavlxidt  BeqvIxt]  7ouöt>/-:  <H-- 
yaxQi  — ,  IV,  I  p.  56, 33:  xayä  Beovixij  d-vyaxQi  xrjg  Xavavixiöog 


IgQ  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

^lovoxr\g  in  constanter  Weise  wiederkehrt,  unabhängig  von  der 
Xavavaia  des  ersten  Evangelisten  gebildet.  (Das  arabische  Dia- 
tessaron,  welches  Ciasca  herausgegeben  hat,  liest  für  SvQotpoivL- 
xiooa:  ex  Hemesen  Syriae.)  Die  Verflechtung  dieser  zwei  aus 
der  evangelischen  Geschichte  bekannten  Personen,  der  Kananäerin 
und  ihrer  Tochter,  in  den  pseudoclementinischen  Petrus -Roman 
hat  ihr  Seitenstück  in  der  Verwendung  des  Oberzöllners  Zacchäus, 
mit  welchem  Hom.  II,  21.  p.  27,  13  ff.  die  Erzählung  von  der  Ka- 
nanäerin in  Verbindung  gesetzt  wird.  Die  Bezeichnung  der 
Krankheit:  vjiÖ  xaXEjtrjc,  vboov  Ovvdfßxo  erinnert  an  Lc.  4,  38: 
övvexofievT]  jlvqexS  sowie  Mt.  4,  24:  ßaödvoiq  ovvexofiivovq  und 
weicht  jedenfalls  von  den  Krankheitsbezeichnungen  durch  den 
ersten  und  zweiten  Evangelisten  in  selbstständiger  Weise  ab. 
Vergleiche  auch  noch:  ovo  öaifiovi^ofievoi  —  xccXejcoI  Xlav  Mt. 
8,  28.  Die  Ausdrücke  ßocöoa  (Hom.)  und  exgccgev  (Mt.)  weisen 
auf  p?S,  die  Synonyma  lxexevelv  (Clem.)  =  eqojxclv  (Mc,  in  der 
Bedeutung  „bitten")  auf  "jrnrifl  als  Quellenwörter  hin. 

Mt .  15,  23.  24. 

a.  Epiph.  Haer.  XLV1,  4.  p.  394  A. 

xov  xvq'lov  aXrjd-eiaq  xal  dvvdfiEcoq  avrov  Xiyovxoq  öxc 
ovx  ?]X&ov  el  fit]  dg  xo  jtoößaxov  xo  jtEJtXavi]ßEvov 
otxov  'logatjX. 

b.  Epiph.  Haer.  LXVI,  35.  p.  650  A. 

OvXXrjßörjv  OWEiXrj(pcoq  öid  xov  aivlyfiaxoq  E(pr\'  ovx  rjXfrov, 
el  fiij  öiä  xo  JtQÖßaxov  xo  djtoXmXöq. 

c.  Mt.  15,  23.  24. 

6  6e  ovx  ajcexQid-J]  avxrj  Xbyov  xal  jiooöEXfrövxEq  ol  fia- 
d-Tjxai  ctvxov  i)q(üxovv  avxbv  XtyovxEq  dxoXvoov  avxtjv, 
öxi  xqccCei  oJiiodEv  tjfioiv.  o  6h  ajtoxQt&Eiq  eItcev  ovx 
djcEOxdXrjv  el  ,«/)  dq  xd  jcgoßaxa  xd  djtoXooXbxa  olxov 
*lGQarjX. 

In  der  Quellenkritik,  welche  Weiss  an  dieser  Perikope  geübt 
hat,  fehlt  noch  die  Erkenntnis,  dass  Mc.  7,  24b.  25a  eine  kurze 
Zusammenfassung  dessen  ist,  was  Mt.  15,  22—24  nach  der  Quelle 
ausführlicher  berichtet  wird.  Diese  Vorgänge  nämlich  gehören 
noch  auf  die  Strasse,  während  das  folgende  von  Mt.  15,25== 
Mc.  7,  25b  an  in  dem  Hause  vor  sich  ging.     Mc.  fasst  also  die 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  15,  23.  24.  25.  26.  181 

Thatsache,  dass  Jesus  auf  öffentlicher  Strasse  angeschrieen  wurde, 
und  trotz  des  Bemühens  der  Jünger  von  der  Schreierin  (nj??S, 
ßomoa)  nicht  befreit  werden  konnte,  mit  den  Worten  zusammen: 
xal  ovx  y}övväöd-rj  Xa&elv.  Wer  die  Urheberin  davon  war,  dass 
Jesu  Wunsch  nach  Verborgenheit  vereitelt  wurde,  bringt  er  v.  25a, 
während  erst  mit  Mc.  7,  25b  =  Mt.  15,  25  der  Eintritt  des 
Weibes  in  das  Haus,  das  Jesus  zur  Herberge  and  zum  Ort 
der  Verborgenheit  erwählt  hatte,  erzählt  wird. 

In  jenes  auf  der  Strasse  vor  dem  Eintritt  in  das  Haus  er- 
folgte Gespräch  gehört  nun  das  Wort  Mt.  15,  24,  zu  welchem  bei 
Epiphanius  zwei  so  interessante  Parallelen  sich  finden.  Nach 
denselben  hätte  Jesus  das  ganze  Israel  (obcog  'IögarjX)  als 
tTpi?  fKS  bezeichnet.  Aber  offenbar  haben  wir  in  dem  Singular 
xo  xooßaxov  nur  eine  ungeschickte  Version  von  "J&2  zu  er- 
kennen, durch  welche  Übersetzung  der  Collektivbegriff  ]S2  im 
Griechischen  nicht  so  zum  adäquaten  Ausdruck  gelangte  wie  in 
der  canonischen  Version  xd  jtoößaxa.  Die  Varianten  a7c6XXvod-at= 
jiXavao&ai  als  Übersetzungsvarianten  von  "DS  wechseln  auch 
sonst  sowohl  in  den  alttestamentlichen  als  in  den  evangelischen 
Texten.  Vgl.  zu  Lc.  19,  10  und  Lc.  15,  4.  Ebenso  erklärt 
sich  die  zweimal  bei  Epiphanius  vorkommende  Variante: 
ytöovj=  djteöxdXijv  durch  das  hebräische  Quellen  wort:  Tifita. 
Vgl.  Lc.  4,  43:  ZjiI  xovxo  ajteöxdXrjv  ==  Mc.  1,  38:  dg  xovxo 
k^Xd-ov  =  ">nX3  ntfrb  Dazu  Ezech.  30,  11:  Di«nia  =  djieöxaX- 
fisvoL  LXX. 

Mt.15,  25.  26  =  Mc.  7,  27. 

a.  Hom.  Clem.  II,  19.  p.  26,  33. 

o  öh  vcp  tjficöv  d§,icoi)tig  ebcsv  ovx  egeöxiv  läofrai  xd 
t&vrj ,  eotxoxa  xvolv  ötd  xd  öiarpögoig  xoäo&ai  xoo<palg 
xal  jioa^eöiv,  djioÖ£Öotutvr]g  xijg  xaxd  vtjv  ßaoiXtiov  xga- 
jtSL,i]g  xolg  vlolg  'loga/jX. 

b.  Mt.  15,  25,  26. 

tj  öt  [jcQOG}eXfrovoa  xgootxvvtt  avxcö  Xtyovocf  xvgie,  ßo- 
rj&u  jioi.  o  de  ajtoxQi&elg  tinev  ovx  i§£Gxiv  Xaßelv  xov 
aoxov  xmv  xtxvcov  xal  ßaXtlv  xolg  xvvagioig. 

c.  Mc.  7,  27.  ~ 

xal  eXsyev  avxft'  dcpeg  xooixov  yogxaofryvai  xd  xixva'  ov 


182  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

yag  eoxiv  xalbv  Xaßslv  xov  agxov  xcöv  xexvcov  xal   xolg 
xvvaQioLz  ßaXelv. 

d.  Tertull.  de  oratione  c.  6. 

Ita  et  exemplis    inculcat  et   parabolis  retractat,   cum  dicit 
Numquid  panem  filiis  pater  aufert  et  canibus  tradit? 

Den  hebräischen  Quellentext  kann  man  weiter  in  folgenden 
synonymen  Varianten  verfolgen:  ägwvv  (Hom.)  =  egcoxäv  (Mt. 
15,  23)  von  den  Jüngern  =  TD£2l,  (vgl.  jcq)v  avxöv  d^KÖorjxs 
Hom.  III,  55  p.  51,  24  =  jiqo  xov  vfiäg  aixrjöai  avxöv  Mt.  6,  8), 
ferner  jiqooxvveIv  (Mt.  15,  25)  =  JtQOOjtljtxeiv  jtQÖg  xovg  Jiööag 
(Mc.  5,  25b)  =  H^nritpn,  (Weiss,  welcher  auf  keine  verschiedenen 
Übersetzungstypen  der  vorcanonischen  Quelle  reflektiert,  weist 
Marcus  S.  257  Anm.  1  auf  die  Umschreibungen  des  3iQ06-xvve.lv 
hier,  wie  Mc.  1,  40;  5,  22  hin;  aber  gerade  aus  diesen  Beispielen 
wird  es  evident,  dass  der  Übersetzungstypus,  welchem  der  erste 
Evangelist  folgte,  das  nifinü'n  hebraisierend  mit  jcqoöxvveiv 
wiedergiebt,  während  die  andern  beiden  Evangelisten  Lc.  5,  12 
jcijixeiv  ejcl  jcQoöcojtov  =  Mc.  1,  40  yovvjicxi.lv  [=  Mt.  8,  2  jiqoo- 
xvveIv], ebenso  Lc.  8,  41  jcHxelv  jcagä  xovg  Jtoöag  =  Mc.  5,  22 
jcLjcxeiv  jcQog  xovg  Jtoöag  [==  Mt.  9,  18  jiqooxvveIv]  das  iTinFittiPt 
nicht  mit  der  wörtlichen  orientalisierenden  Version,  sondern  mit 
gräcisierender  Umschreibung  wiedergeben  ä  dass  also  an  dieser 
Stelle  wie  hier  ein  hebräischer  Quellentext  zu  Grunde  liegt), 
ebenso  ovx  egtoxiv  (Hom.,  Mt.)  =  ov  yag  eöxiv  xalbv  (Mc.)  = 
aiü  t&\  auch  xvvägia  (Mt.,  Mc.)  =  xvveg  (Hom.)  =  D^bsn,  end- 
lich xexva  (Mt.,  Mc.)  =  vloi  (Hom.)  =  D^S.  Weiss  hält  nun 
die  Worte  Mc.  7,  27a:  cupeg  jcqojxov  xoQxaotirjvai  xä  xsxva  für 
eine  refiektionsmässige  Änderung,  welche  der  zweite  Evangelist 
ex  suis  angebracht  habe  und  verweist  dabei  auf  Rom.  1,  16  xq> 
'Iovdalcp  jcqojxov.  Holst en  und  Andere  erkennen  in  denselben 
Parallelen  einen  Beweis  von  dem  Einfluss  des  Paulinismus  auf 
die  Gestaltung  der  canonischen  Evangelien.  Wer  aber  den  in 
diesen  Untersuchungen  beobachteten  quellenkritischen  Grund- 
sätzen gefolgt  ist,  der  wird  nichts  anderes  erwarten,  als  dass  das 
Quellenverhältnis  umgekehrt  dargestellt  werde  und  dass  gemäss 
der  Abhängigkeit  des  Paulinismus  von  der  vorcanonischen  Evan- 
gelienquelle auch  das  paulinische  jcqgöxov  (vergleiche  nicht  nur 
Rom.  1,  16,  sondern  auch  Act.  13,  46),  welches  die  ganze  Missions- 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  15,  25.  26.  27.  28.  1S3 

weise  des  Paulus  beherrscht  hat,  von  dem  jrgcäxov  in  Me.  7,  27 
abzuleiten  sei,  dass  mithin  der  im  ersten  Evangelium  weggelas- 
sene Satz:  dcpsg  jcgöjxov  %ogxao{hijvat  xa  xtxva  aus  der  vor- 
canonischen  —  schon  von  Paulus  benutzten  —  Quelle  stamme, 
wonach  Jesus  die  Mission  unter  Israel  als  das  zeitliche  jtgojxov 
aller  Mission  hingestellt,  damit  aber  auch  indirekt  auf  die  Heiden- 
mission hingewiesen  habe.  (Vergleiche  das  über  die  drei  Stufen 
der  von  Jesus  befohlenen  Mission  Gesagte  auf  S.  119).  In  den 
Juden  christlichen  Homilien  ist  —  was  nicht  befremden  kann  — 
dieser  ursprüngliche  Sachverhalt  noch  mehr  verwischt  als  in  dem 
judenchristlichen  ersten  Evangelium.  —  Ganz  abweichend  ist  der 
Text  bei  Tertullian. 

Mt.  15,  27.  28  =  Mc.  7,  28.  29. 

a.  Ephr.  Syr.  Ev.  concord.  expos.  ed.  Mösinger  p.  59. 

matre  Chananitide  dicente:  Et  canes  satiantur. 

b.  Hom.  Clem.  II,  19.  p.  26,  36. 

fj  ös  xovxo  axovoaoa  xal  xijg  avxijg  xgajckC,7jg  cog  xvcov 
tyil'icov  ajtojiutxovxoov  ovvfisxaXaijßdvsiv  ßovXousvrj,  {/s- 
xa&efievr]  ojtsg  i]v,  xco  o/ioloog  öiaixäo&ai  xoig  xrjg  ßa- 
OiXeiag  vlolg  xf/g  slg  xrjv  d-vyaxtga,  cog  tjt-icooev,  sxvxsv 
Idosoog. 

c.  Mt.  15,  27.  28 

r\  ös  sijcsv   vai,   xvgis'   xal  ydg  xa  xvvdgia  so&isi   djcb 

xoov  IpLl'lCOV  XOOV  JCIJCXOVXOOV  djib  xijg  XQajtsC,Tjg  XOOV 
xvgloov  avxcov.  xoxs  djcoxgi&slg  6  'ifjOovg  sijcsv  avxq"  ob 
yvvai,  fj.syaXrj  oov  rj  Jtloxig'  ysvrj&ijxoo  ooi  cog  d-tX.stg.  xal 
läd-rj  tj  B-vyaxrjQ  avxijg  djcb  xijg  oogag  sxtivrjg. 

d.  Mc.  7,  28.  29. 

i)  ös  djisxgi&rj  xal  Xtysi  avxo?'  vai,  xvgis'  xal  xa  xvvdgia 
vjioxäxoo  xijg  xgajisC,?]g  söfriovoiv  djib  xoov  xpi%loov 
xmv  üiaiöloov.  xal  sijcsv  avxrj'  öid  xovxov  xbv  Xbyov  vjcays, 
sgsXrjXvfrsv  sx  xi}g  frvyaxgbg  oov  xb  öai/uöviov.  xal  dx- 
sXd-ovoa  sig  xbv  olxov  avxijg  svgsv  xb  jcaiöiov  ßsßXrjfisvov 
sütl  xi/v  xXivrjv  xal  xb  öaifioviov  sgsXrjXv&og. 

Auch  hier  bleibt  die  Relation  der  Clementinen,  die  übri- 
gens am  Schluss  völlig  auseinander  fliesst  und  vom  Urtext  nur 
einige  Reste  beibehält,  der  Version  xvcov  (=  xvvdgiov)  treu.    Im 


Ig4  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

übrigen  benützt  sie  das  Compositum  djcojtijcxeiv  für  das  cano- 
nische Simplex  jcljcxeiv  =  bö2  und  nähert  sich  schliesslich  mit 
dem  Ausdruck  &vydxr]Q  (=  jraidiov  Mc.)  und  IdöEcog  (=  lä&rjMt.) 
dem  Typus  des  ersten  Evangelisten.  (Vgl.  auch  Hom.  III,  20 
p.  27,  6:  zfjg  ia&siGrjc,  ftvyaxQog)  Der  Text  des  Ephraem:  Et 
canes  satiantur  knüpft  in  noch  bemerkbarerer  Weise  als  der  ca- 
nonische Text  durch  das  satiantur  an  das  a<psg  jiqqjxov  %ogxa- 
ö&rjvai  xa  xs'xva  Mc.  7,  27a  an  und  bringt  das  vai,  xvqie  erst 
recht  zum  Verständnis:  Du  hast  Recht,  Herr,  denn  erst  werden 
die  Kinder  gesättigt,  dann  werden  auch  (xal  xa  xvvaQia)  die 
Hündlein  unter  dem  Tische  satt.  Aber  abgesehen  davon,  so  ist 
auch  der  canonische  Matthäustext  mit  seinem  vai,  xvqie,  xal  yao 
in  präciser  Weise  erst  begründet,  wenn  der  von  dem  ersten 
Evangelisten  weggelassene  Satz  acpsg  jtqcoxov  xxX.  im  Urtext 
nicht  gefehlt  und  man  nicht  zu  übersetzen  nöthig  hat:  „aber 
doch",  wenn  man  also  nicht  mit  dem  Cod.  Cantabr.  und  etlichen 
Italae  in  Mc.  7,  28  ein  aXXa  hinein  corrigiert.  —  Mit  sämmt- 
lichen  syrischen  Übersetzungen,  voran  dem  Syrer  Curetons,  hat 
das  arabische  Diatessaron  nach  Ciasca  zu  den  Worten:  canes  etiam 
edunt  de  micis,  quae  cadunt  de  mensa  dominorum  suorum  —  den 
Zusatz:  et  vivunt. 

Mt.  15,  39  =  Mc.  8,  10. 

a.  Mt.  15,  39. 

xal  djcoXvoag  xovg  oxXovg  h'iß?]  eig  xb  jtXolov  xal  tjX&ev 
eig  xa  ogta  Mayaödv. 

b.  Cod.  Cantabr.  Ma^To. 

xal  djceXvofp  avxovg,  xal  avxog  avißr)  slg  xb  jiXMov  uexo. 
xmv  [lafrijxcov  avxov  xal  tjX&ev  slg  xa  ÖQia  MeXsyaöa 
[^l^tajaöä]. 

c.  Mc.  8,  10. 

xal  ev&vg  kfißäg  eig  xb  xXolov  fiexd  xcöv  [ladrjxcäv  avxov 
7]Xd-sv  slg  xä  fiEQtj  AaX[iavov&a. 

Es  herrscht  ein  eigentümliches  Dunkel  über  diesen  Orts- 
bestimmungen, sowie  eine  Unsicherheit  in  den  Handschriften. 
Nach  Eusebius  und  Hieronymus  las  man  auch  an  der  Marcus- 
Stelle  nicht  wie  die  jetzigen  besten  Codices  haben:  AaXuavov&a, 
sondern  Magedan  =  Mayaidav.     Vergleiche  Eus.  Onom.  p.  270, 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  15,  39.  16,  17.  185 

13 — 272,2:  Maysöäv,  sig  xcc  ögia  Mayeöäv  o  Xqiöxoc  tJTSÖ7](irjOev, 
cog  o  Max&aiog'  xal  o  Mägxog  de  x?~]g  Mayaiöav  fivrjf/ovevsi. 
xal  köxi  vvv  tj  Mayaiöav?]  jcsgl  xr)v  regäoav,  und  Hieronyrai 
de  situ  et  nominibus  locorum  hebraic.  ]iber  p.  141,  19 — 22:  Ma- 
gedan, ad  cuius  fines  Matthaeus  evangelista  scribit  dominum  per- 
venisse.  sed  et  Marcus  eiusdem  nominis  recordatur.  nunc  autem 
regio  dicitur  Magedena  circa  Gerasam.  Ebenso  las  der  Correktor 
des  Cod.  Cantabr.  &  Mayaöä,  auch  Cod.  Colbertinus,  während 
die  ältere  Niederschrift  des  Codex  D  das  sicherlich  falsche  Me- 
Xsyaöä  angab.  Vielleicht  lichtet  sich  das  Dunkel  in  der  Weise, 
dass  JaZfiavovfrä  der  Name  der  Ortlichkeit  war,  um  die  es  sich 
handelte,  eine  Ortlichkeit,  welche  in  der  Landschaft  Magada  ge- 
legen war.  Zu  ögia  =  fitgrj  =  rTilSp  vgl.  das  zu  Mt.  15,  21  Be- 
merkte. Nestle  macht  noch  aufmerksam,  dass  laut  ZDPV  14,82 
Gildemeister  einen  Fascikel  über  Dalmanutha  hinterlassen  und 
dass  in  demselben  Bande  Röhricht  (Karten  und  Pläne)  darüber 
zu  vergleichen  ist. 

Mt.  16, 17. 

a.  Hom.  Clem.  Ep.  Clem.  ad  Jac.  1.  p.  6,  11. 

co  Jigcoxm  o  Jtaxi]Q  xov  vlov  djtsxdXvipsv,  ov  o  Xgtöxog 
evXoycog  efiaxdgiosv. 

b.  Hom.  Clem.  XVI,  15.  p.  156,  14. 

vlov  ös  &eov  xov  xd  Jtdvxa  öiaxoötut}oavxog  xov  dnövxa 
avxov  tvXoywg  tfiaxdgiotv. 

c.  Hom.  Clem.  XVII,  18.  p.  167,  8—13. 

ovxoog  ydg  xdfiol  dno  xov  xaxgog  ajiexalvy&ri  o  vlog. 
öib  oiöa,  xlg  övvafiig  ajc ox alvty eoog,  aq>  tavxov  tua&o')v. 
—  xov  öe  fiaxagioavxd  kue  ^.rjvvoai  fioi  xov  djioxaXv- 
ipavxa  jtaxega  elvai. 

d.  Hom.  Clem.  XVII,  19.  p.  168,  1. 

r)  si  xaxeyva>6fiivov  fis  'liysig,  &tov  xov  djioxalvipavxög 
fjoi  xov  Xgioxov  xaxrjyoQslg  xal  xov  sm  dnoxalvtyki 
fiaxagioavxög  ,us  xaxagiroeig. 

e.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  100.  p.  327  B. 

xal  ydg  vlov  fteov,  Xqloxov,  xaxct  xt)v  xov  Jtaxgög  avxov 
djtoxä?.vrpiv  ejiiyvövxa  avxov,  eva  xcöv  {/afrrjxojv  avxov. 
2L{iö)va  jcooxeoov  xaZov^ievov,  ejrcovöftaoe  Iltxgov. 


186  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

f.  Cassian.  c.  Nest.  III,  13,  1.  p.  278. 

beatus  es,  inquit,  Simon  Bar  Jona,  quia  caro  et  san- 
guis  non  revelavit  tibi,  sed  Spiritus  patris  mei,  qui 
in  caelis  est. 

g.  Mt.  16,  17. 

fiaxagiog  si,    JSlficov  Bagicovä,    ort  Oag§   xal   aifia 

ovx  djtexalvrpev  aoi,   aXX*  o  jcccz/jq   fiov  o  sv  roiq 

ovqccvoIq. 

Die  Quellenkritik  in  Bezug  auf  Mt.  16,  17 — 19  ist  mit  nicht 
geringen  Schwierigkeiten  verknüpft  und  wird  mit  den  Mitteln 
einer  lediglich  innercanonischen  und  deshalb  vorzugsweise  sub- 
jektiven Kritik  zu  sicheren  Resultaten  nicht  führen.  Es  ist,  wenn 
irgendwo,  so  hier  die  Anwendung  der  Grundsätze  einer  objek- 
tiven Quellenkritik  und  daher  die  Herbeiziehung  der  aussercano- 
nischen  Parallelen  und  deren  Abwägung  erforderlich. 

B.  Weiss  erklärt  v.  19  mit  Bestimmtheit  für  einen  Zusatz 
des  ersten  Evangelisten,  der  auch  sonst  den  Petrus  besonders 
gern  hervorbebe,  und  der  das  Mt.  18,  18  an  seiner  originalen 
Stelle  befindliche,  auf  die  gesammte  Jüngerschaft  bezügliche 
Herrenwort  auf  den  von  ihm  bevorzugten  Petrus  in  prägnanter 
Weise  übertragen  habe.  (Weiss,  Matthäus  394.  Amn.  1.)  Die 
Möglichkeit,  dass  dies  mitMt.  16, 18  ebenso,  ja  noch  in  viel  höherem 
Maasse  der  Fall  sein  könne,  dass  auch  hier  echte  Herrenworte 
aus  ihrem  ursprünglichen  Zusammenhang  entfernt  und  in  neue 
Verknüpfung  gebracht  sein  möchten,  um  dem  Petrus  eine  der 
Tendenz  des  ersten  Evangelisten  entsprechende  Praeponderanz 
vor  den  andern  Jüngern  zu  verleihen,  scheint  Weiss  nicht  in 
Betracht  gezogen  zu  haben.  Er  erklärt  vielmehr,  dass,  wie  v.  17, 
so  auch  v.  18  aus  der  vorcanonischen  Quelle  entlehnt  sei. 

Was  nun  v.  17  anlangt,  so  bestätigen  alle  objektiven  In- 
dicien  die  Annahme  von  Weiss  vollauf.  Sowohl  Justin  als  der 
Redaktor  der  Clementinen  haben  die  Worte  gekannt  und 
verwendet.  Auch  wird  es  in  Citat  e  klar,  dass  Justin  die  Selig- 
preisung des  Petrus  im  Zusammenhang  mit  dem  Petrusbekennt- 
nisse gelesen  hat.  Dasselbe  gilt  von  den  Citaten  in  den  Cle- 
m entinen.  Vergleiche  namentlich  das  Citat  b.  Und  vor  diesen 
beiden  Schriftstellern  ist  es  bereits  Paulus  gewesen,  welcher 
GaL  1,  15.  16  das  betreffende  Herrenwort  benützt  hat-  Zwar 
klingt  (vgl.  namentlich  evöoxrjöev  mit  svöoxla  eyevero)  auch  das 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  16,  17.  18,  187 

verwandte  Herrenwort  Lc.  10,  21.  22  =  Mt.  11,  25 — 27  gleichzeitig 
mit  an,  aber  dass  das  axoxaXvipai  xbv  vibv  avrov  ev  epioi  nicht 
blos  auf  das  cp  luv  ßovXr/xai  6  vlbg  axoxaXvipai  in  Mt.  11,  27 
--=  Lc.  10,  22,  sondern  auch  und  noch  präciser  auf  das  Herren- 
wort Mt.  16,  17  sich  bezieht,  wird  aus  der  Vergleichung  von 
gccq§  xal  aipa  ovx  äxexaXvtyev  Goi  mit  Gal.  1,  17:  ev&eoag  ov 
jtQOOavs&tfirjv  occqxi  xal  aifiaxi  evident.  Zu  GagS,  xal  alfia 
kann  noch  Joh.  1,  13  verglichen  werden.  Bei  der  völlig  isoliert 
dastehenden  Lesart  Cassians:  sed  Spiritus  patris  mei  sc.  reve- 
lavit  tibi  —  wird  man  doch  an  1.  Cor.  2,  10:  rjplv  de  dxexd- 
Xvtyev  6  #£og  dia  xov  xvevfiaxog  avrov  —  erinnert. 

Mt.  16, 18. 

a.  Carthaginiense  Concilium  sub  Cypriano  septimum,  a.  256.  ha- 
bitum.     Sententia  XVII.     Routh  III,  120. 

Fortunatus  a  Tuchabori  dixit:  Jesus  Christus  Dominus  et 
Deus  noster,  Dei  patris  et  creatoris  filius,  super  petram 
aedificavit  ecclesiam  suam  non  super  haeresim. 

b.  Epiph.  Haer.  XXX,  24.  p.  148D. 

'layavvrjg  de   evfrvg xal  xvXai  Aidov  firj  xaxi- 

OxvovGai  xqg  xexoag  xal  -rjg  ex  avrrjg  oixodofiijO-eiG^g 
ayiag  freov  exxXrjotag  xxX. 

c.  Const.  VIII,  10.  p.  245. 

öiarr]Qi]Gi]  [sc.  x?)v  exxXrjGiav}  fiexQi  xrjg  GvvxeXelag  xov 
almvog  xe&efteXiayfievqv  exl  xr)v  xeroav. 

d.  Epiph.  HaeTTv^7p?479B.' 

ovde  yao  xaxiGxvoet  xgbg  xr]v  xrjg  aXr/9-siag  xioxiv,  exei- 
drjxeg  exl  xr)v  xexqav  coxod' urjzai,  xal  xvXai  Aidov 
ov  xaxiGxvGovoiv  avxr)g.  a)g  exrjyyeiXaxo  avxij  o  ayiog 
&eog  Xoyog. 

e.  Epiph.  Haer.  LXXX,  11.  p.  1077  C. 

xoXig  de  äyia  &eov  xal  xiGxig  xal  edgalco/ia  xrjg  aXrjB-eiag 
xal  xexoa  Gxepeä,  e<py  rjg  xvXai  'Aidov   ov   xaxiüxv- 

GOVGlV. 

f.  Eus.  Praep.  ev.  I,  3,  11. 

dia  n'iav  exeivrjv,  rjv  avxog  dxt(pr)vaxo  Xt§iv  eixmv  exl 
xr)v  xtxoav  oixodo(irJGa>  fiov  xr)v  exxXrjGiav,  xal  xv- 
Xai Aidov  ov  xaxiGxvGovoiv  avxrjg. 


188  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

g.  Eus.  in  Psalm.  17,  15.  16. 

&e/ueXiov  de  avrrjg  jtgcörov  (tsv  rr)v  dggayrj  xal  orsgeäv  l) 
jtergav ,  ecp  co  cpxodofirjrai  [sc.  r)  exxXiyöia]  xarä  rö'  sxl 
rrjv  jtergav  oixoSofirjoco  fiov  rr)v  exxXrjölav ,  xalütv- 
Xat  Aiöov  ov  xariöyvöovöiv  avrrjg.  ?]  Jterga  öe  rjv 
o  Xgiorog. 

h.  Eus.  Laus  Const.  XVII,  8. 

xegl  öe  rrjg  avrov  exxXrjoiag'  ejtl  xr\v  otergav  oixoöofirjoa) 
'  fiov  rrjv  exxXrjolav,   xal  jtvXai  Aiöov  ov  xarioyv- 
OovOiv  avrrjg. 

i.  Eus.  in  Psalm.  59,  11;  in  Psalm.  67,  34—36;  in  Js.  28,  16;  49, 
16;  33,  20  u.  ö.  Dieselbe  Lesart  ohne  ravrrjv  und  ohne  Be- 
zugnahme auf  Petrus  den  Apostel. 

k.  Ephraem  Syr.  Ev.  concord.  expos.  ed.  Mösinger  c.  14.  p.  153. 

Et  respondit:  Beatus  es  Simon.    Et  portae  inferi  te  non 

vincent,  i.  e.  quod  non  destruetur  fides. 
1.   Ephraem  Syr.  Comm.  in  Jsaiam  c.  54,  17.     Hymni  et  Sermo- 
nes  II,  156  ed.  Lamy. 

vectes  inferni  non  praevalebunt  ad  versus  te. 
m.  Hom.  Clem.  Ep.  Clem.  ad  Jac.  1.  p.  6,  8. 

Sipcov,   o  öia    rrjv  aXrförj  jiionv  xal  rrjv  aocpaXeorartjv 

avrov  rrjg  öiÖaoxaXiag  vjiofreoiv  rrjg  ExxXrjaiag  ftefreXiog 

elvai  ogiofreiq. 
n.  Hom.  XVII,  19.  p.  167,  36. 

oregeav  jtirgav  ovra  fie,  S-efieXiov  exxXqolag. 
o.  Pseudo-Cypr.  de  aleatoribus.  c.  1.  p.  13.  ed.  Harnack. 

originem  authentici  apostolatus,  super  quem  Christus  fun- 

davit  ecclesiam  in  superiore  nostro  portamus. 
p.  Tertull.  de  pudicitia  c.  21. 

Si  quia  dixerit  Petro  dominus:  Super  hanc  petram   aedi- 

ficabo  ecclesiam  meani. 
q.  Orig.  ap.  Eus.  H.  E.  VI,  25,  8.  p.  226,  1. 

üergog  öe,  Icp    co  oixoöofielrai  r]  Xgiotov  sxxXrjOia,   r)g 

üivXai  Aiöov  ov  xarioyvöovoi. 


1)  Hierzu  vgl.    2.  Tim.  2,  19:   6  fxsvrot  ortgsög  9e[i£faoQ  tov  &sov 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  16,  18.  Ig9 

r.   Eus.  de  resurr.  2.  (Migne  VI,  1111). 

Dicit  Petro:  Tu  es  Petrus,   et  super  istam  petram  aedi- 

ficabo  eeclesiam  meam,   et   portae    inferi  non  prae- 

valebunt  adversus  eam.     [Griechisch  Dem.  ev.  VII,  5,  87 

u.  öfter  ebenfalls  der  canonische  Text.] 
s.  Ephr.  Syr.  Ev.  concord.  expos.  ed.  Mosinger  p.  154. 

Tu  es  petra,  illa  petra,  quam  erexit,  ut  Satanas  in  eam  of- 

fenderet. 
t.  Mt,  16,  18. 

xäyai  de  ooi  Xeya),  6t i  öv  ei  TTerpog,  xal  ejtl  ravrrj  tf] 

jcixga    olxoÖofiyöm    fiov    xi\v    exxXi]öiav    xal   jtvXai 

"Aidov  ov  xarioxvöovoiv  avrfjq. 

Wenn  in  Bezug  auf  v.  17  der  Weiss 'sehen  Quellenkritik 
zugestimmt  werden  muss,  so  liegt  die  Sache  in  v.  18  umgekehrt, 
Man  erwäge  folgende  Instanzen: 

Erstlich  müsste  für  jeden,  welcher  Paulus  von  den  Worten 
und  der  Lehre  Jesu  auch  nur  auf  dem  Wege  mündlicher  Tra- 
dition abhängig  sein  lässt,  das  Verhalten  des  Paulus  gegen 
Simon  Petrus,  wie  es  authentisch  von  Paulus  selbst  Gal.  2  ge- 
schildert ist,  geradezu  unbegreiflich  sein,  falls  in  der  aposto- 
lischen Urkirche  ein  Wort  des  Herrn  bekannt  gewesen  wäre, 
welches  dem  Simon  einen  solchen  Vorrang  vor  den  Aposteln 
einräumt  und  eine  solche  einzigartige  grundlegende  Bedeutung  für 
den  Bestand  der  Kirche  zuerkennt,  als  es  in  Mt.  16,  18  geschieht. 
Ein  solches  Wort,  wenn  es  einmal  gesprochen  gewesen  wäre, 
hätte  in  der  Urkirche  niemals  vergessen  werden  können,  sondern 
hätte  in  entscheidender  Weise  die  Entwickelung  der  apostolischen 
Zeit  bestimmen  und  die  übrigen  Apostel  von  Petrus,  als  dem 
eingesetzten  Testamentsvollstrecker  Jesu,  abhängig  machen 
müssen.  Nun  nennt  Paulus  zwar  Gal.  2,  9  'Iäxcoßoq  xal  Krjcpäq 
xal  'latavvrjq  als  ol  doxovvreq  OtvXoi  üvai.  Aber  gerade  die 
Weise,  wie  er  dies  thut,  indem  er  nur  von  einem  öoxslv  redet 
und  noch  mehr  dadurch,  dass  er  den  Kephas  auf  Eine  Linie 
mit  Jakobus  an  erster  Stelle  hervorhebt,  beweist  seine  völlige 
Unbekanntschaft  mit  einer  angeblichen  Praerogative  des  Petrus, 
welche  gerade  diesem  Apostel  eine  einzigartige  und  dominierende 
Stellung  unter  der  Apostelschar  kraft  eines  Herrenwortes  zu- 
gewiesen hätte. 

Vollends  aber  zweitens,  wenn  man  eine  schriftliche  Quelle 


190  Aussercanonische  Paialleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

für  die  Kenntniss  der  Herrenworte  von  Seiten  des  Apostels  an- 
erkennt, so  würde  es  ganz  unbegreiflich  sein,  dass  Paulus  eine 
zeitweilige  offene  Opposition  gegen  Petrus  hätte  durchführen 
und  seinen  Feinden  gegenüber  hätte  rechtfertigen  können,  wie 
er  es  Gal.  2,  10 ff.  gethan,  ohne  in  irgend  einer  Weise  mit 
dem  bezüglichen  Herrenworte  sich  auseinanderzusetzen. 
Und  solches  wäre  um  so  auffallender,  als  Paulus,  der  gerade  im 
Galaterbrief  Gal.  1,  15.  16  seine  Bekehrung  im  Anschluss  an  das 
dem  Petrus  gesagt  gewesene  Herrenwort  Mt.  16,  17  in  so  er- 
greifender Weise  schildert,  das  unmittelbar  darauf  gefolgte 
Herrenwort  Mt.  16,  18  unterschlagen  und  den  angeblichen  Primat 
des  Petrus  in  offener  Opposition  gegen  den  Herrn  selbst  ignoriert 
haben  müssce. 

Es  kommt  drittens  dazu,  dass  in  der  gesammten  Literatur 
des  zweiten  Jahrhunderts,  also  gerade  in  einer  Zeit,  wo  die 
Kämpfe  zwischen  dem  Paulinismus  und  dem  Judenchristenthum 
einen  so  breiten  Raum  einnahmen,  das  betreffende  Herren  wort, 
welches  wir  jetzt  Mt.  16,  18  lesen,  nirgends  citiert  ist,  auch  von 
den  judenchristlichen  Clementinen,  auch  von  Justin  nicht, 
obwohl  in  beiden  Schriftencomplexen  die  Bekanntschaft  mit  Mt. 
16,  17  vorhanden  ist.  (Wie  die  zweifache  scheinbare  Anspielung 
auf  Mt.  16,  18  in  den  Clementinen  (sub  litera  m)  zu  beurtheilen 
ist  als  ein  Zeugniss  gegen  das  Vorhandengewesensein  jenes 
Wortes,  darüber  siehe  das  Folgende.)  Jedenfalls  ein  wörtliches 
Citat  von  Mt.  16,  18,  welches  für  die  Tendenz  der  Clementinen 
doch  so  wichtig  gewesen  wäre,  liegt  in  dieser  Schrift  nicht  vor. 
Wenn  somit  wichtige  und  entscheidende  Instanzen  die 
Worte  Mt.  16,  18  in  der  Gestalt,  wie  sie  in  dem  jetzigen  Texte 
des  ersten  Evangeliums  zu  lesen  sind,  als  nicht  aus  dem  Ur- 
evangeiium  oder  den  Logia  stammend  documentieren,  so  ist  aber  mit 
ziemlicher  Sicherheit  anzunehmen,  dass  dieselben  auch  dem  Texte 
des  ersten  canonischen  Evangeliums,  wie  derselbe  im  zweiten 
Jahrhundert  überliefert  wurde,  fremd  gewesen  seien.  Denn 
wenn  der  Redaktor  der  Clementinen  und  Justin,  die  doch 
nachweisbar  das  erste  canonische  Evangelium  kannten,  den  Text 
des  Herrenwortes  Mt.  16,  18  nicht  anführen,  obwohl  sie  den 
vorangehenden  Vers  17  kennen  und  verwenden,  so  ist  in  diesem 
Falle  das  argumentum  e  silentio  entscheidend  gegen  das  Vor- 
handensein  jenes  Wortes   wie   in    der  Evangelientradition  über- 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  16,18.  191 

haupt,  so  im  jetzigen  ersten  canonischen  Evangelium  besonders. 
Vgl.  noch  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  113.  p.  341  A:  jttxga  6  XqiOxoc. 
Bei  Justin  kommt  dabei  namentlich  der  Umstand  noch  in  Be- 
tracht, dass  er  da,  wo  er  auf  das  Petrusbekermtniss  und  die 
daraufgefoigte  Seligpreisung  des  Petrus  Mt.  16,  16.  17  reflektiert, 
diesen  Apostel  lediglich  als  tva  xaiv  fia&rixmp  einführt  und 
dabei  deutlich  auf  das  Apostelverzeiehniss  Lc.  6, 14  =  Mc.  3, 16  = 
Mt.  10,  1  Bezug  nimmt,  während  eine  solche  Redeweise  in  Be- 
treff des  Simon  Petrus  gerade  an  dieser  Stelle  wie  überhaupt  die 
nur  zweimalige  Erwähnung  des  Petrus  in  den  Justinschen 
Schriften  durchaus  unerklärlich  wäre,  falls  er  den  Primat  des 
Petrus  und  das  darauf  bezügliche  Herrenwort  Mt  16,  18  gekannt 
hätte.  Es  ist  mit  Bestimmtheit  also  anzunehmen,  dass  in  dem 
von  Justin  benützten  Exemplar  des  ersten  canonischen  Evan- 
geliums Mt.  16,  18  gefehlt  hat. 

Dasselbe  muss  aber  auch  in  demjenigen  Exemplare  des 
ersten  canonischen  Evangeliums  der  Fall  gewesen  sein,  welches 
den  bezüglichen  Citaten  in  den  Clementinen  zu  Grunde  lag. 
Denn  wie  hätte  derjenige  Schriftencomplex ,  welcher  vorzugs- 
weise den  Namen  des  Petrus  als  sein  Schibboleth  betrachtet, 
und  in  welchem  der  Person  des  Petrus  gerade  eine  solche  domi- 
nierende Stellung  zugewiesen  ist,  wie  sie  in  dem  jetzigen  Texte 
Mt.  16,  18  ausgesprochen  vorliegt,  diesen  Wortlaut  verschweigen 
können,  wenn  er  damals  schon  vorhanden  gewesen  wäre?  Zwei 
scheinbare  Anklänge  an  Mt.  16,  18  sind  da  (lit.  m),  auch  Mt. 
16,  19  ist,  wenngleich  noch  nicht  in  der  jetzigen  canonischen 
Gestalt,  vorhanden  (vgl.  die  Erläuterung  zu  16,  19),  aber  der 
Wortlaut  von  Mt.  16,  18  fehlt.  Und  die  beiden  er- 
wähnten Anklänge  beweisen,  dass  er  wirklich  gefehlt 
hat.  Denn  in  der  Epist.  Clem.  ad  Jac.  ist  Petrus  als  xrjg  ex- 
xXrjolag  ftefiiXcog,  also  nicht,  wie  es  Mt.  16,  i 8  lautet:  q  jci- 
t(>a  (xrjg  exxXrjöiag),  bezeichnet  und  ebenso  nennt  sich  Petrus 
selbst  Hom.  XVII,  19  xrjg  kxxXrjotag  &s(itXiog.  Wenn  aber 
davor  die  Worte  stehen:  öx  eqsccv  jcexquv  ovxa  ^ue,  so  ist  das 
Prädikat  oxeqeol  wiederum  nicht  Mt.  16,  18  zu  lesen,  vielmehr 
entstammt  dieser  Ausdruck  dem  A.T.  Vgl.  Dt.  32,  13 f.:  ffi^bTO 
"VIS  =  ix  oxeQsäg  jcexgccg  LXX;  namentlich  Jes.  50,  7:  ffi^in? 
=  ax;  oxegeav  jtixQav.  Man  erblickt  also  hier  den  späteren 
Text  von  Mt.  16,  1.8  in   den  ersten   Stadien  seiner  Entstehung; 


192  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Alt.  und  Mc. 

die  judenchristlichen  Clementinen  sind  vielleicht  seine  erste 
Geburtsstätte,  aber  gekannt  in  seiner  jetzigen  Gestalt  war  er 
von  den  Redaktoren  derselben  noch  nicht. 

Aber  auch  lrenaeus  scheint  ihn  nicht  gekannt  zu  haben. 
Dieser  bedeutendste  Repräsentant  des  katholischen  Christenthums 
am  Ausgang  des  zweiten  Jahrhunderts,  citiert  III,  18,  4  den  Text 
von  Mt.  16.  13  ff.  Er  erwähnt  daselbst  die  Frage  des  Herrn 
v.  13,  das  Bekenntniss  des  Petrus  v.  16,  Petri  Seligpreisung  aus 
des  Herrn  Munde  v.  17,  um  von  da  sofort  auf  v.  21  mit  den 
Worten:  Ex  eo  enim,  inquit,  coepit  demonstrare  etc.  über- 
zuspringen. Wäre  des  lrenaeus  Schweigen  über  Mt.  16,  18  an 
sich  schon  im  höchsten  Grade  auffallend,  wenn  der  jetzige  ca- 
nonische Text  ihm  bekannt  gewesen  wäre,  so  wird  dieses 
Schweigen  gerade  hier  ein  sicheres  Indicium  für  die  Entstehung 
der  Textgestalt  von  Mt.  16,  18  erst  in  der  nach-irenäischen  Zeit. 

Ferner  auch  sein  alexandrinischer  Zeitgenosse,  der  citaten- 
reiche  Clemens,  der  so  viel  aussercanonische  bzw.  apokryphische 
Tradition  über  die  Person  des  Petrus  zu  berichten  weiss,  dem 
wir  werthvolle  Excerpte  aus  der  Praedicatio  Petri  und  aus  der 
Apocalypsis  Petri  verdanken,  hat  in  seinen  uns  erhaltenen 
Schriften  nicht  ein  einziges  Mal  Gelegenheit  genommen,  Mt. 
16,  18  zu  erwähnen. 

Und  selbst  die  pseudocyprianische  Schrift  de  aleatoribus 
welche  in  cap.  1  unter  anscheinender  Bezugnahme  auf  Mt.  16, 18 
die  Ansprüche  des  römischen  Bischofs  so  frühzeitig  formuliert 
hat,  giebt  bei  näherem  Zusehen  wohl  den  Text  von  Mt.  16,  19, 
nicht  aber  von  v.  18.  Es  verhält  sich  mit  dieser  Schrift  ganz 
ähnlich  wie  mit  den  Clementinen.  Nur  dass  die  potestas  sol- 
vendi  ac  ligandi  nicht  blos  Petro,  sondern  in  Petro  (in  supe- 
riore  nostro)  bereits  der  vicaria  domini  sedes  in  Rom 
übertragen  ist.  Wenn  nun  aber  der  Verfasser  dabei  hinweist 
auf  „originem  authentici  apostolatus,  super  quem  Christus  fun- 
davit  ecclesiam",  so  weicht  der  Ausdruck  fundav e  =  &e(ieliovv 
ebenso  wie  der  {^s^ieXcog  rfjg  exxÄTjölag  in  den  Clementinen 
von  dem  canonischen  jistqo.  und  dem  olxoöofit'joo}  ab.  Die 
Textgestalt  von  Mt.  16,  18  ist  also  auch  hier  am  Anfang  des 
3.  Jahrhunderts  noch  nicht  zu  ihrer  endgiltigen  canonischen 
Fixation  gelangt  gewesen.  Wenn  nun  gleichwohl  um  ohngefähr 
dieselbe  Zeit  bei  Tertullian  und  Origenes  zum  ersten  Male 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  16, 18.  193 

der  canonische  Text  mit  dem  jisxga  und  dem  aedificare  =  oi- 
xoöofislv  zu  Tage  tritt,  so  weisen  uns  gerade  diese  Varianten 
auf  die  eigentliche  Quelle  von  Mt.  16,  18  hin. 

Es  verhält  sich  nämlich  mit  v.  18  ebenso  wie  mit  Mt.  16,  19. 
Es  sind  an  sich  nicht  unechte  Herren worte,  sondern  sie  sind 
nur  von  ihrer  ursprünglichen  Stelle  hinweggerückt  und  in  einen 
neuen  Zusammenhang  gebracht,  welcher  der  judenchristlicheu 
Tendenz  des  ersten  Evangeliums  entspricht. 

Die  Varianten  d-tfitXioq.  d-tneliovv  =  oixoöo/iBlP  weisen 
nämlich  hin  auf  den  Schluss  der  Bergpredigt,  wo  von  dem  av- 
&Qcojioq  die  Rede  ist,  welcher  sein  Haus  auf  den  Fels  (Im  xi]v 
jittQav)  baut  (wxodöfiqotv  Mt.  7,  24)  und  guten  Grund  legt 
(sihjxev  ftefishov  kjcl  xrjv  jiixgav  Lc.  6,  48)  —  eine  Stelle,  welche 
auch  Paulus  und  zwar  nach  dem  lukanisch-paulinischen  Über- 
setzungstypus  {ß-eftiXtov  xtfrtixa  1.  Cor.  3,  10  —  frefitAiov  aZ/.oi> 
ovöetq  övvaxai  frtlvcu  1.  Cor.  3,  11)  im  christologischen  Sinne 
verwerthet  hat,  gleichsam  zur  Verwahrung  im  Voraus  gegen  die 
Meinung,  dass  je  ein  Mensch  als  freftsAiog  xfjq  exxZqoiag  be- 
zeichnet werden  könnte,  und  zum  weiteren  Zeugniss  dafür,  dass 
Paulus  in  der  That  kein  Herrenwort  gekannt  hat,  welches  seinen 
Mitapostel  als  die  xtxQa  oder  den  ß-SfieXiog  xrjg  sxxkrjoiag  nannte. 
Man  vgl.  hierzu  das  Citat  aus  den  Constitutionen,  wo  die 
Kirche  schlechtweg  als  xed-EfisAicofiev?]  em  xt{V  jttxQav  ohne 
jegliche  Bezugnahme  auf  Petrus  bezeichnet  wird.  Ebenso  ist 
zu  vergleichen  die  Verwendung  des  &etutliog  in  dem  Pastor  des 
Hermas,  wie  sich  dieselbe  durch  Sim.  IX,  4,  2;  5,  3:  12,  1 ;  14,6; 
15,  4  hindurchzieht.  Hier  wird  der  Sohn  Gottes  als  die  jttxga 
bezeichnet.  Vgl.  Sim.  IX,  12,  1:  //  JttXQa,  (prjölv,  avxtj  xal  r) 
jtvfoj  6  vi 6g  xov  tteov  toxi. 

Wenn  man  in  denjenigen  judenchristlichen  Kreisen,  welche 
nicht  den  Namen  des  Jakobus  des  Gerechten,  sondern  des  Simon 
Petrus  zu  ihrem  Schibboleth  erhoben  hatten,  die  diesem  Apostel 
beigelegte  Praerogative  auf  ein  Herren  wort  gründen  wollte,  so 
lag  der  erwähnte  Schluss  der  Bergpredigt  mit  seiner  Bezug- 
nahme auf  die  jisxqcc  als  den  ftsfieAtog  xfjg  exxXijoiag  um  so 
näher,  als  ja  der  Herr  selbst  es  gewesen  war,  welcher  seinem 
Apostel  unter  Bezugnahme  auf  die  mxQa  den  Beinamen  JCEpS  — 
lltxQoq  gegeben  hätte.  Vgl.  Lc.  6,  14.  Mc.  3,  16.  Joh.  1,  43.  So 
waren    die  Elemente,   aus    denen   sich   die  Textgestalt   von  Mt. 

Texte  u.  Untersuchungen  X,  2.  13 


194  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

16,  18  allmählich  ausgebildet  hat,  durchaus  echten  Herrenreden 
entnommen.  Die  Übertragung  derselben  aber  speziell  auf  die 
Persönlichkeit  des  Petrus  an  dieser  Stelle  ist  in  v.  18  ebenso 
das  Werk  eines  späteren  Redaktors  gewesen,  wie  dieser  selbe 
Vorgang  in  v.  19  unter  Vergleichung  von  Mt.  IS,  18  zu  beobachten 
ist.  Doch  mu8s  auch  noch  die  Möglichkeit  statuiert  werden, 
dass  der  wesentliche  Text  von  Mt.  16,  18,  nur  ohne  jegliche  Be- 
zugnahme auf  Petrus,  also  in  der  Fassung,  wie  sie  bei  Eusebius 
sehr  häufig  hervortritt  (vgl.  die  Citate  unter  f,  g,  h.  i),  sowie 
die  Epiphanius- Citate  (b.  d,  e)  und  nicht  minder  das  Votum 
des  Bischofs  Fortunatus  (a),  d.  h.  mit  Weglassung  der  Worte: 
öv  ei  IliTQOQ,  und  mit  Weglassung  des  xavxij  vor  jttxga  — 
als  ein  altes  urevangelisches  Herrenwort  vorhanden  gewesen 
ist,  als  ein  Wort,  in  welchem  Jesus  —  analog  dem  am  Schlüsse 
der  Bergpredigt  gebrauchten  Bilde  —  von  der  Auferbauung 
seiner  Kirche  auf  Felsengrund  und  von  ihrem  siegreichen  Be- 
stand gegenüber  den  Hadespforten  geredet  hatte.  Es  wäre  dann 
anzunehmen,  dass  dieses  Wort  ganz  so  wie  Mt.  16,  19  aus  seinem 
ursprünglichen  Zusammenhang  herausgenommen,  an  dieser  Stelle 
Mt.  16,  18  auf  Petrus  angewendet  und  dem  jetzigen  Contexte 
des  ersten  canonischen  Evangeliums  von  einem  späteren  Redak- 
tor einverleibt  worden  sei.  Doch  s.  dagegen  das  Folgende  und 
die  völlig  abweichende  Citation  bei  Ephraem  Syrus.  Dass 
nämlich  die  Textgestalt  von  Mt.  16,  IS  auch  nach  ihrer  cano- 
nischen Fixierung  noch  lange  geschwankt  hat,  zeigen  nicht  nur 
die  Varianten  bei  Eusebius,  welcher,  wie  bereits  erwähnt,  sehr 
oft  das  pointierende  xavxr\v  weglässt  und  nur  die  allgemeine 
Fassung  von  der  Felsengründung  festhält,  sondern  noch  mehr 
der  gänzlich  abweichende  Text  des  Ephraem  Syrus,  woraus 
hervorgeht,  dass  bis  in  die  2.  Hälfte  des  4.  Jahrhunderts  hinein 
die  Textschwankungen  von  Mt.  16,  18  noch  nicht  abgeschlossen 
gewesen  sind  und  dass  erst  nach  dieser  Zeit  in  den  canonisch- 
revidierten  Texten  der  uns  erhaltenen  griechischen  Codices  die 
jetzige  Textgestalt  zu  ihrer  Ruhe  gekommen  ist. 

Recapitulierend  hat  man  folgende  Punkte  festzustellen: 

1.  Während  Mt.  16,  17  im  Urevangelium  vorhanden  war, 

fehlte  v.  18. 

2.  Aber  Mt.  16,  18  fehlte  auch  in  der  ältesten  Textgestalt 

des  ersten  canonischen  Evangeliums. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  16,  18.  195 

3.  Wie  der  Text  von  Mt.  16,  18  jetzt  vorliegt,  war  er  im 

ganzen  zweiten  Jahrhundert  —  auch  noch  bei  Ire- 
naeus  und  Clemens  Alexandrinus  —  unbekannt. 

4.  Die  ersten  Spuren  seiner  allmählichen  Bildung  begegnen 

uns  in  den  judenchristlichen  Clementinen  und  in 
der  mit  römisch-hierarchischen  Aspirationen  auftreten- 
den Schrift  de  aleatoribus  —  also  im  historischen 
Gleichschritt  mit  den  judenchristlichen  Petrus-Ro- 
manen und  der  Entwickelung  der  römischen 
Petrastradition. 

5.  Die   ältesten  Zeugen   für   die  fertige  canonische  Text- 

gestalt von  Mt.  16,  IS  sind  Tertullian  und  Ori- 
genes. 

6.  Aber  noch  bis  ins  vierte  Jahrhundert  hinein  blieb 

der  Text  von  Mt.  16,  18  schwankend. 
Wendt  (Lehre  Jesu  I,  180.  181)  hält  nach  dem  Vorgang 
von  Harnack  (Zeitschr.  f.  Kirchengeschichte  IV,  484 f.,  Texte 
und  Untersuchungen  I,  3.  p.  149  f.)  den  unter  k  mitgetheilten 
Ephraem-Text  für  original  und  reconstruiert  denselben,  indem 
er  Tu  es  Petrus  einfügt,  folgendermassen:  [taxayioq  sl  Siftcov 
Bagicovä'  ov  et  Uixgoq,  xal  xvAai  uöov  ov  xaxio'/voovoiv  oov. 
Aber  diese  Reconstruktion  ist  keine  glückliche  zu  nennen.  Denn 
erstlich  wird  man  Zahn  (Forschungen  I.  163  f.)  darin  zustimmen 
müssen,  dass  bei  Ephraem  ein  gekürzter  Text  vorliegt.  Es 
fehlt  nach  den  Worten  aus  Mt.  16,  17a:  Beatus  es  Simon  —  der 
sicherlich  ursprüngliche  (schon  allein  durch  Gal.  1,  16  beglaubigte) 
Textbestandtheil  aus  Mt.  16,  17b:  oxi  oäoB.  xal  aitua  ovx  djis- 
xakvtptv  ooi,  älA*  6  jiüxi'iq  fiov  o  Iv  xolq  ovQavoiq.  Und  so- 
dann fügt  Wendt  aus  Mt.  16,  18  den  Satz:  ov  sl  ütxooq  ein, 
welcher  zwar  an  sich  echt,  aber  an  dieser  Stelle  gewiss  nicht 
ursprünglich  ist.  Denn  wenn  es  sich  —  wie  Wendt  richtig  er- 
kannt hat  und  wie  es  nach  dem  Wortlaut  gar  nicht  anders  sein 
kann  —  ursprünglich  um  die  Verleihung  des  Petrusnamens  an 
Simon  handelt  und  wenn  dabei  Wendt  auf  Mc.  3,  16:  xal  hxt- 
&tjx£v  xm  JSlftaivi  ovopa  IlixQov  als  eine  ganz  treffende  Pa- 
rallele verweist,  so  genügt  —  abgesehen  von  der  Unwahrschein- 
lichkeit,  dass  diese  Namengebung  dem  letzten  halben  Jahre  des 
Zusammenseins  Jesu  mit  seinen  Jüngern  angehört  haben  sollte 
—  die  Erinnerung  an  Joh.  1,  43:  ov  d  Siftwv  6  vl(  q  'icorä'  oi' 

13* 


196  Aussercanonische  Parallel  texte  zu  Mt.  und  Mc. 

xXr]d-fjöij  Kr)<päg,  o  iQ[ti)P£vszai  IlixQog  — ,  uni  erkennen  zu 
lassen,  dass  diese  Namengebung  in  eine  viel  frühere  Zeit  gefallen 
ist,  dass  mithin  diese  Worte:  öv  et  IltxQog  aus  einer  anderen 
Stelle  des  Urevangeliums  von  dem  ersten  Evangelisten  nach 
Mt.  16,  18  umgeschaltet  worden  sind.  Nach  Ausscheidung  dieser 
Worte  wird  es  sich  bei  der  Reconstruktion  von  Mt.  16,  18  um 
die  Frage  handeln,  ob  nach  xaxiöyvöovöiv  mit  dem  cauonischen 
Texte  avxfjg  oder  mit  Ephraem  öov  zu  lesen  ist.  Im  letzteren 
Falle  hatte  Mt.  16,  18  nur  einen  persönlichen  Sinn,  wobei  die 
Worte:  xal  ejcl  xavxrjv  xr\v  jttxgav  olxodo(ii?öa>  /iov  xi]v  ex- 
xXrjöiav  ebenfalls  als  eine  Umschaltung  des  ersten  Evangelisten 
aus  Mt  7,  24  =  Lc.  6,  48  zu  erkennen  sind.  Der  ursprüngliche 
Context  lautete  dann  folgender massen :  (laxdgiog  sl,  2ikucov  Ba- 
(iimvä,  oxi  öap£  xal  aipa  ovx  äxexäXviptv  öol,  aXX'  6  Jtax/jQ 
[iov  o  Iv  xolg  ovoavolg'  xayco  öol  Xiyco,  6xi  JcvXai  aöov  ov 
xaxioxvöovolv  aov *).  In  diesem  rein  persönlichen  Zusammen- 
hang wird  dann  der  Urtext  von  Mt.  16,  18  zu  einer  Parallele 
von  Lc.  22,31.  32a:  2i(icov,  Slftcov,  iöov  6  oaxaväg  &§ijxSj6axo 
vfiäq  xov  öiviäöai  cog  xbv  ölxov  tya)  öh  löstj&fjv  Jtsol  öov,  Iva 
(atj  ixXljitj  t]  möxig  oov.  Im  anderen  Falle  würde  das  Logion  ur- 
sprünglich von  aller  persönlichen  Beziehung  frei  lediglich  von 
der  Gründung  der  Kirche  gehandelt  und  folgend ermassen  ge- 
lautet haben:  ixl  xijv  xixoav  olxoöo{u?'jöo)  (iov  xtjv  exxXrjöiav, 
xal  xvXai  aöov  ov  xaxiöfvöovoiv  avxfjg.  In  dieser  Textgestalt 
erscheint  das  Logion  bei  Eusebius  sehr  häufig.  Der  Standort 
dieses  Logion  würde  dann  ursprünglich  nicht  in  Mt.  16,  18  zu 
suchen  sein,  wohin  es  nur  durch  die  Umschaltung  des  ersten 
Evangelisten  gerathen  wäre.  Mag  dem  sein,  wie  ihm  wolle, 
gewiss  ist,  dass  eine  Praedicierung  des  Petrus  als  per- 
sönlichen Felsengrundes  der  Kirche  im  Urevangelium 
nicht  zu  lesen  gewesen  ist,  sowie  dass  man  in  Mt.  16,  18 
eine  besonders  brüchige  Stelle  auch  des  canonischen  Textes  vor 
sich  hat. 


1)  Mit  diesem  Satztheil  stimmt  —  abgesehen  von  den  Varianten 
der  lateinischen  Obersetzung  —  wörtlich  überein  das  unter  1  erst  später 
von  mir  eingefügte  Citat  aus  Ephraerns  Jesaias-Commentar,  welchen 
neuerdings  Lamy  herausgegeben  hat. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  16,  ly.  197 

Mt.  16,  19». 

a.  Pistis  Sophia  p.  232,  26.  ed.  Schwartze  et  Petermann. 

Recordainini,  me  jani  dixisse  vobis,  antequam  eOTavQmosr  nie, 
me  daturuin  esse  vobis  claves  regni  caelorura.  Nunc 
iterum  dico  vobis,  me  daturum  esse  eas  vobis. 

b.  Tertull.  de  pudicitia  c.  21. 

tibi  dedi  claves  regni  caelestis. 

c.  SyrrCur.  Mt.  16,  19*. 

ool  öcooco  rag  xXslg  rcov  jtvZojv  rrjg  ßaoiXsiag  xmv 
ovoavcüv. 

d.  Ephraem  Syr.  Serm.  de  Dom.  nostr.  c.  52.  I.  268.  ed.  Lamy. 

dixit  Siraoni:  Tibi  dabo  claves  portarum. 

e.  Clementina  Epitome  c.  157.  p.  801.  ed.  Cotelerius. 

xvQie  'IrjOoi  Xq(öt£,  Xiycov,  6  rag  roZv  ovQavcöv  xXslg 
deömxcog  to5  ajtooröXfp  oov  IHtqco,  xvcl  ajtSQ  dvoi§sig, 
avscoxtac,  dxcöv,  xal  ajtzg  av  xXsioyg,  xixXuoxai. 

f.  Mt.  16,  19». 

öcööco   ool  Tag  xXeiöag  xrjg  ßaOiXsiag  rcöv  ovqccvo'jv. 

Wie  bereits  erwähnt,  erklärt  Weiss  v.  19  für  einen  Zusatz 
des  ersten  Evangelisten.  Aber  gleichwohl  nimmt  er  zu  v.  19  an, 
dass  das  Bild  von  den  Schlüsseln  des  Himmelreichs  nicht  von 
dem  Redaktor  des  ersten  Evangeliums  erfunden,  sondern  in 
einem  echten  Herrenwort  ihm  gegeben  gewesen  sei.  Beiden  An- 
nahmen ist  vollkommen  zuzustimmen.  Wenn  aber  Weiss  das 
vorauszusetzende  Herren  wort  in  Mt.  23,  13  finden  zu  können 
meint,  so  ist  zwar  die  Congenialität  von  Mt.  16,  19  mit  der  an 
die  Pharisäer  gerichteten  Rede:  xZsiere  rt/v  ßaoiXsiav  t<ni>  ov- 
Qavcöv  und  noch  mehr  mit  der  Parallele  Lc.  11,  52,  wo  der 
Evangelist  ausdrücklich  xr\v  xXslöa  oder  nach  aussercanonischen 
Texten  rag  xXsldag  nennt  (vgl.  die  Texte  dazu),  evident;  aber 
die  eigentliche  Quelle  und  ursprüngliche  Fassung  von  Mt.  16,  19a 
ist  damit  nicht  gegeben.  Diese  ist  vielmehr  von  der  Ilioxig 
Sotpia  aufbewahrt.  Die  mit  „dixi  vobis  olim"  oder  „me  iam  dixisse 
vobis"  oder  ähnlichen  Formeln  eingeleiteten  Evangeliencitate 
dieser  Schrift  haben  3tets  vorzüglichen  Werth  und  verdienen 
die   höchste  Beachtung.     So    wird   es   auch  hier  aus  dem  Citat 


196  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

sub  a  offenbar,  dass  das  Wort  von  den  Schlüsseln  des 
Himmelreichs  ursprünglich  an  sämmtliche  Apostel  ge- 
richtet gewesen  ist.  Die  Beschränkung  dieses  Logion  auf 
die  Person  des  Petrus  ist  das  Werk  des  ersten  Evangelisten, 
ganz  ähnlich,  wie  es  in  v.  19b  der  Fall  ist.  Der  Zusatz  to5*> 
nvXmv  im  Syr.  Cur.  und  bei  Ephraem  ist  vielleicht  entstanden 
unter  Bezugnahme  auf  die  jivXai  'Aiöov  in  v.  18,  war  aber  jedenfalls 
in  der  syrischen  Kirche  handschriftlich  verbreitet.  Vgl.  dazu  Apoc. 
3,  8.  Der  Wechsel  der  Tempora:  dedi,  daturum,  doyöco  stammt 
aus  der  Unbestimmtheit  der  Tempora  im  hebräischen  Urtext. 
Das  Schwanken  der  Lesart  in  Mt.  16,  18.  19  zeigt  sich  auch 
noch  in  einem  Citat  bei  Optatus,  auf  welches  mich  Harnack 
hingewiesen  hat.  Optatus  de  schism.  11,  4  citiert:  Tibi  dabo 
claves  regni  coelorum,  et  portae  inferorum  non  vincent  eas.  Der 
völlig  aussercanonische  Schlusssatz  in  der  Clementina  Epitome 
ist  sichtlich  Mt.  16,  19b  nachgebildet. 

Mt.  16, 19"  =  Mt.  18, 18. 

a.  Hom.  Clem.  Ep.  Clem.  ad  Jac.  c.  2.  p.  6,  32. 

öio  avxcß  f/sxaöiöcofti  xr/v  i%ovoiav  xov  öeOfievsiv  xal 
Xvsiv,  iva  7C£ql  üiayxoq  ov  av  ~fi.iooxovr\or[  exl  "/fjg,  soxai 
öeöoy^iaxiOfitvov  Iv  ovoavolg. 

b.  Clementina  Epitome  c.  145.  p.  797  ed.  Cotelerius. 

öio  avxoj  (isTadiöcofii  x?jg  e^ovoiag  rov  ösöfislv  xs  xal 
Xveiv  Ör\ou  yag  o  ösl  öe&Tjvcu,  xal  Xvoei  üiavxotg  o  ösl 
Xvd-tjvai. 

c.  Hom.  Clem.  111,  72.  p.  56,  15. 

ov  öog  k^ovoiav  xcö  xQoxa&e^Ofitvcp  Xveiv  a  öel  Xveiv 
xal  Ö£6fieii>  «  ötl  öeopeZv. 

d.  Pseudo-Cypr.  de  aleatoribus  c.  1.  p.  14.  ed.  Harnack. 

et  originem  authentici  apostolatus  .  .  .  portamus,  aeeepta 
simul  potestate  solvendi  ac  ligandi  et  cum  ratione  pec- 
cata  dimittendi. 

e.  Const.  VIH,  5.  p.  238,  22. 

fooxe  €x£lv  ejovoiav  a<pitvai  ajuaQxiag  xaxä  xi)v  kvxoXi'jV 
Gov,  diöovai  xXljQovq  xaxa  xo  Jiouöxayfia  öov,  Xveiv  öe  jiävxa 
ovvdeöfiov  xaxa  xi/v  e<-ovoiav}  i)v  eöcoxag  xolg  äjcoöxöXoiq. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  16,  19.  199 

f.  Pistis  Sophia,  p.  234,  4.  ed.  Schwartze  et  Petermarm. 

Jesus  de  dixit  iis:  d/jrjv  dico  vobis  ov  fiovov  me  xa&agi£eiv 
vestra  peccata,  aXXa  redditurum  esse  vos  dignos  reguo  mei 
patris  et  me  daturum  esse  vobis  (ivoxi]giov  remissionis 
peccatorum  in  terra,  ut  cui  remiseritis  in  terra,  remittant 
ei  in  caelis,  et  quem  ligaveritis  in  terra,  ligandus  sit  in 
caelis. 

g.  Hom.  Clem.  Ep.  Gem.  ad  Jac.  c.  6.  p.  8,  10. 

xal  ovxcog  ixaxovexwodv  oov,  elöoxeg  oxi  o  x7jq  aXrj&elag 
jtgeößevxrjg  o  iäv  ötjOq  ijtl  yrjq,  öe'öexai  xal  iv  ov- 
gavm,  o  tf  av  Xvoy.  XeXvxai. 

h   Tertull.  de  pudicitia  c  21. 

Quaecunque  alligaveris  vel  solveris  in  terra,  enmt^alli- 
gata  vel  soTuta  in  caelis. 

i.    Mt.  16Tl9b. 

xal  o  idv  dfjQyiq  enl  xrjg  yfjg,  eöxai  öeöe^evov  iv  xolg 
ovgavolg,  xal  o  edv  Xvöijg  estl  xrjg  yrjg,  eoxai  XeXv- 
fievov  ev  xolg  ovgavolg. 

k.  Mt.  18,  18. 

dfifjv  Xiyco  vfilv,  6oa   iäv  drjGtjxe  exl  xrjg   yfjg,    eöxai 

öeöefieva   ev  ovgavw,   xal   6oa   eav   Xvorjxe  ijcl  xrjg 
yrjg,  ecxai  XeXvfieva  ev  ovgavm. 
1.  Joh.  20,  23. 

av  xivcov  ä<f>rjxe  xäg  dfiagxiag,  äipemvxai  avxolg'  av  xivarv 
xgaxfjxe,  xexgdxrjvxai. 

m.  Cod.  Colbert.  Mt.  16,  19b.  p.  21.  ed.  Belsheim. 

et  quaecunque  ligaveritis  super  terram,  erunt  ligata  et 
in  caelis,  et  quaecunque  solveritis  super  terram,  erunt 
soluta  et  in  caelis. 

Unter  specieller  Anwendung  auf  die  Persönlichkeit  des  Pe- 
trus erscheint  das  Logion  Mt.  18,  18  =  Mt.  16,  19  in  den  Hö- 
rn ilien  (nicht  wie  Mt.  16.  18  mit  unbestimmten  Anklängen, 
sondern)  als  bestimmtes  Herren  wort  (vgl.  d),  und  zwar  an  dieser 
Stelle  auch  schon  mit  den  canonischen  Ausdrücken  öteiv  und 
Xveiv,  während  in  den  Citaten  a  und  c  auch  die  aussercanoni- 
schen  Varianten  öeo/ielv  und  öeoftevetv  auftreten,  wobei  voraus- 
zusetzen ist,   dass  die   verschiedenen  Varianten  von  den  Händen 


200  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

verschiedener  Redaktoren  der  Pseudo-Cleinentinen  stammen 
dürften.  Auch  Tertullian  citiert  Mt.  16,  19b  (wie  oben  Mt.  16, 
19a)  unter  specieller  Anwendung  auf  die  exemte  Stellung  des 
Petrus,  obgleich  die  Satzglieder  anders  als  im  canonischen  Text 
geordnet  sind. 

Dass  diese  petrinische  Wendung  des  Logion  Mt.  16,  19b  dem 
ersten  Evangelisten  angehört,  während  Mt.  18,  18  die  ursprüng- 
liche Gestalt  derselben  (wie  im  Cod.  Colb.  auch  zu  Mt.  16,  19) 
erhalten  ist,  geht  aus  dem  bisherigen  Gang  der  Untersuchung 
mit  Deutlichkeit  hervor.  Fraglich  ist  dabei,  ob  der  Ausdruck 
t$,ovöia,  welcher  in  den  Clementinen,  den  Constitutionen 
und  in  der  Schrift  de  aleatoribus  uns  entgegentritt,  irgendwie 
urtextlich  begründet  sein  dürfte.  Man  beachte,  dass  auch  schon 
Paulus  2.  Cor.  10,  8  von  einer  durch  den  Herrn  den  Aposteln 
übergebenen  tz-ovoia  tig  olxoöofiijv  xal  ovx  stg  xa&aioeGiv  redet. 
In  der  Pistis  Sophia,  in  welcher  diese  egovoia  als  nvöxrjQiov 
remissionis  peccatorum  umschrieben  ist,  findet  sich  p.  60  noch 
folgende  Bezugnahme:  dfitjv,  df/rjv,  dico  vobis,  dabo  vobis  ftvoxrj- 
i>ia  omnia  xojtcov  omnium  mei  patris  atque  omnium  tojtcov  primi 
{iV6T7}Qiov,  ut  quod  reeeperitis  in  terra  adsumetur  in  lumen  al- 
titudinis,  et  quod  rejeeeritis  in  terra,  rejicietur  in  regno  patris 
mei  qui  in  caelis.  —  Einen  Anklang  an  unser  Logion  hat  Ro- 
binson (The  Passion  of  S.  Perpetua,  Texts  and  Studies  1,  2  p.  99) 
in  dem  Briefe  der  gallischen  Gemeinde  bei  Eus.  V,  2,  5  in  den 
Worten  gefunden:  eXvov  [ihr  djravxag,  eötöfisvov  de  ovötva. 
Hier  tritt  uns  das  aus  den  Clementinen  bekannte  deo/ievttp 
wieder  entgegen. 

Mt.  16,  27. 

a.  Hegesippus  ap.  Eus.  H.  E.  III,  20,  4.  p.  93,  6. 

tXfra/v  sv  do§11  XQivtl  Zßvxag  xal  vsxgovq  xal  äxoöwOei 
kxäöT(p  xaxd  xd  ejtixrjöevfiaxa  avxov. 

1).  Hom.  Clem.  IV,  5.  p.  142,  25. 

txaöxog  Jigbq  a  jtgdxxei  xifiT/c  ?)  xoZdoscoc  xevt-exai. 

c.  Epiph.  Anaceph.  p.  156  CD. 

EQXOfisvov  xQlvai  Crovxaq  xal  vsxQovg,  cog  (f>i]Giv, civa 

txaoxog  ujtoldßirj  jtgog  a  ejtna§,ei>. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  16,  27.  201 

d.  Acta  Thomae  §  28.  p.  215.  ed.  Tischendorf. 

gvtoq  yccQ  Böxiv  o  xQixrjg  Ccovrcov  xal  vtXQmv  xdi  avxog , 
djtoöidmoiv  evl  txdoxm  JtQÖg  rag  jtQa&ic  avxov. 

e.  Const.  VII,  32.  p.  212,  13. 

[xal  xoxe  r)ssi]  —  xaraxQlvai  xov  xoötuojcXdvov  didßoXov 
xal  djioöovvai  exdoxcp  xaxa  xi)v  JiQägiv  avxov. 

f.  Mt.  16,  27. 

fieXXei  yaQ  o  vlog  xov  av&Qcojtov  tQxeo&ai  sv  x(j  öogi] 
xov  naxQoq  avxov  (iexd  xwv  dyyeXojv  avxov,  xal  xoxe 
ajtodcooei  exaGxm  xaxa  xrjv  jtQaS.iv  avxov. 

g.  Const.  V,  19.  p.  152,  11. 

og  xal  eXevoexai  hcl  GvvxeXeia  xov  aiojvog  fiexd  öwäfieoK 
xal  öo%r)q  jroXXijg,  xQlvai  Ccävxag  xal  vexnovg  xal  dxo- 
öovvai  exaGxcn  xaxa  xä  eoya  avxov. 
h.  Const.  VIII,  12.  p.  256,  5. 

tQXtxai  [(isxd  do§fjg  xal  övvdftecog]  xolvai  Ccovxag  xal 
vsxQovg  xal  ajtoöovvai  txaoxw   xaxa  xd  tgya  avxov. 

i.  Ephr.  Syr.  Opp.  I,  216™ 

utXlsL  yaQ  6  vlog  xov  dv&Qmxov  eX&elv  tv  zjj  öo£-?j  av- 
xov, xal  xoxe  djioöojoei  Ixdoxq)  xaxa  xd  tQya  avxov. 

k.  Clem."  Rom.  II,  1,  1.  p.  lTo72.  II,  11,  ö.^TiSm. 

ovxwg  öel  f/fidg  fpQovelv  jtsqI  ^Jtjöov  Xqigxov,  ojg  jtsqI 
&eov,  mg  jisqI  xqlxov  C,a)vxa)v  xal  vexQOjy  ....  jtioxog  yaQ 
ioxiv  6  ejtayyeiXdftevog  xdg  dvxifiiG&iag  djcoöiöovai  txdoxm 
xo3v  EQyatv  avxov. 

I.  SyrTCur7MtTl6,  27. 

f/tXXei   yaQ  6  vlog  xov  dv&QoJxov  tQxeod-ai  sv   xfj  öo£tj 

xov  jtaxQog   avxov  fiexd  xmv    ayyeXmv  avxov,   xal  xoxe 

dnoömoei  ixdoxo?  xaxa.  xd  eQya  avxov. 
m.  Polyc.  adTphil.  II,  1.  p.TlJ  14. 

ö§  £Q%£xai  xQixTJg  t,covxmv  xal  vexqcov. 
n.  Barn.  VII,  2.  p.  30,  16. 

o  vlog  xov   fteov,  o)v  xvQtog  xal  fit'XXa>v  xq'ivuv  C,mvxag 

xal  vexQovg. 

Die  Vergleichung  der  Parallelen  des  Hegesippus,  der  Acta 
Thomae,  der  Constitutionen,  des  Epiphanius  wie  auch  des 

II.  Clemensbriefes  zeigt  deutlich,  dass  zu  Mt.  16,  27  ein  älterer 


202  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

und  vollständigerer  Quellentext  vorhanden  gewesen  sein  muss, 
welchem  die  Worte:  XQivat  ^ojvxag  xal  vexoovg  als  organischer 
Bestandteil  nicht  fehlten.  War  dem  so,  dann  sind  die  christo- 
logischen  Aussagen  der  altrömischen  regula  fidei  —  also  selbst- 
verständlich mit  Ausschluss  der  später  eingeführten  Höllenfahrt 
—  allesammt  evangelischen  Quellen  entflossen  und  sind  beson- 
ders auch  die  Worte:  Igy^xai  xoivai  C,wvxag  xal  vtxgovg  auf 
das  Urevangelium  zurückzuführen.  Dasselbe  gilt  dann  aber  von 
den  Parallelen  in  den  canonischen  Lehrschriften:  2.  Tim.  4,  1: 
'bjöov  Xqioxov  tßv  [lü.Xovxog  xqLvelv  Cmvxag  xal  vsxoovg.  — 
Act.  10,  42:  avxog  ioxiv  o  cogiOfievog  vjco  xov  &sov  xQixr/g 
Ccovxmv  xal  vexqcöv.  —  1.  Petr.  4,  5:  xco  txoifieag  tyovxi  xQivai 
tßvxag  xal  vtxoovg.  Die  Worte:  xolvat  C.wvxag  xal  vtxgovg 
gingen,  wie  namentlich  Hegesippus  zeigt,  den  canonischen 
Worten:  xal  xoxe  ajtodmoei  bxäoxco  xaxa  xr\v  jiq<x§iv  avxov 
unmittelbar  und  sinngemäss  voraus.  Das  Zeugniss  des  Hege- 
sippus ist  bei  seiner  vollständigen  Unabhängigkeit  von  dem  ca- 
nonischen Text  Mt.  16,  27  besonders  deshalb  so  bedeutungsvoll, 
weil  es  mit  seiner  aussercanonischen  Variante  xaxa  xa  emxrj- 
öevftaxa  avxov  mit  Bestimmtheit  auf  einen  vorcanonischen  he- 
bräischen ^Jext,  der  in  verschiedenen  Versionen  überliefert  war, 
zurückweist.  Gehen  schon  Mc.  16,  27  die  handschriftlich  über- 
lieferten Texte  in  die  beiden  Varianten  xaxa  xi]v  jiga^iv  und 
xaxa  xa  toya  auseinander,  so  ergiebt  die  Vergleichungliiler  wei- 
teren (der  canonischen  und  aussercanonischen)  Parallelen  ein 
ganzes  Register  von  gleichwertigen  Übersetzungsvarianten.  Man 
vergleiche: 

xaxa  xa  toya  avxov  —  Mt.  16,  27  nach  Sin.,  Sahidische, 
Koptische,  Syrische  Versionen,  Rom.  2,  6;  Apoc.  2,  23. 
20,  12;  Const.,  Ephr.  Syr. 

xaxajtJjj^jiQä^iv  avxov  —  Mt.  16,  27«CBCD,  Orig.,  Const. 

xaxa  xäg  jtoä$£ig  avxov  —  Mart.  Petri  c.  7  p.  90.  ed.  Lipsins 

XQog  xag  xoä&ig  avxov  —  Acta  Thomae 

jtQog  a  jtoaxxei  —  Hom.  Clem. 

jtgog  a  tjiQassv  —  2.  Cor.  5,  10;  Epiph. 

xaxa  xa  emxridevfiaxa  avxov  —  Hegesipp. 

Es  ist  nun  klar,  dass  allen  diesen  Varianten  das  hebräische 
Quellenwort  iniryES  oder  auch  *b3fl§S  zu  Grunde  liegt.    Nament- 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  17, 10 — 11.  203 

lieh  auch  xä  Ejiixriösvfiaxa  wird  in  den  griechischen  Über- 
setzungen des  Ä.T.  als  Synonymon  von  sgya  gebraucht.  Vgl.  z.  ß. 
Lev.  18, 3:  nte?723  =  LXX:  xaxä  xä  EjtixrjÖEVftaxa  —  Jerem.  17, 10: 
Y,bb?'a  "HB3  =  LXX:  xaxä  xovg  xagnovg  xmv  smxqösvfiäxcov 
avxmv  — .  Wir  befinden  uns  also  in  dem  Citate  des  Hegesippus 
auf  dem  Boden  der  vorcanonischen  Quelle,  welcher  mithin  auch 
der  —  das  Logion  Mt.  16,  27  ohnehin  sehr  gut  ergänzende,  über- 
dem  durch  canonische  und  aussercanonische  Parallelen  bestätigte 
—  Satztheil:  xglvai  ^mvxag  xal  vsxgovg  angehört  haben  wird. 
Im  ganzen  A.  T.  ist  diese  Wortverbindung  unerhört. 

Mt.  17, 10-11  =  Mc.  9, 12*. 

a.  Pistis  Sophia,  p.  9,  26.  ed.  Schwartze  et  Petermann. 

Atque  dixistis  mihi:  scriptum  est  in  yga<prj,  si  Christus  ve- 
nerit  adgressus,  venit  ßfelias  ante  eum,  et  parabit  ejus 
viam.  Ego  vero  {6s)  quum  dixissetis  mihi  haec,  dixi  vobis: 
venit  quidem  (fisv)  Helias  et  paravit  res  omnes  seeun- 
dum  (xaxa)  modum  scriptum,  et  fecerunt  ei,  sicut 
voluerunt. 

b.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  49.  p.  268  BC. 

xal  o  rjfisxsgog  ovv  xvgiog,  \{pr\v ,  xovxo  avxo  sv  xolg  öi- 
dayfiaoiv  avxov  juxqi-öcoxe  ysvrjGOjiEVOv,  eljicov  xal  'HXlav 
sXsvGEG&ai,  xal  tjftelg  xovxo  EJtiGxafisfra  yEvrjGOfiEvov,  Öxav 
fisXXrj  kv  dogt]  ig  ovgavmv  jcagayivsG&ai  6  ij^sxEgog  xvgiog 
'frjGovg  XpiGxog. 

c.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  49.  p.  269  A. 

öio  xal  o  TjfitxEQog  XgiGxög  sig?]xsi  sjtl  yijg  xoxs  xolg  Xs- 
yovGi  jtgo  xov  XgiGxov  'HXiav  öslv  sX&slv  'HXiag 
(isv  sXsvGszai  xal  axoxaxaGrt]Osi  jcavxa. 

d.  Mt.  17,To— TTT~ 

xal  £7zi]gcoxr]Gav  avxov  ol  fia&rjxal  Xsyovxsg'  xi  oiv  oi 
ygafiLiarElg  Xsyovoiv,  oxi  'HXiuv  ösl  sX&slv  jcgcöxov; 
o  Öe  äjtoxgi&slg  sijcsv  'llXiag  (iev  tgxExat  xal  ajioxaxa- 
Gx/'/GEi  jcävxa. 

e.  Mc.  9,  11.  12a. 

xal  kjtrjgmxayv  avxov  Xsyovxsg'  oxi  XsyovGiv  ol  <fa- 
gioaloi  xal  ol  ygaf/fiaxslg  oxi  'llX'iav  6 El  sX&slv  xgdi- 
xov.,  o  ös  s<prt  avxolg'  HXiag  sX&cov  Jtgmxov  axoxa&iGxävsi 
jcavxa. 


204  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Hier  ist  es  an  sich  klar,  dass  der  griechische  Text  zunächst 
von  Mi  17,  10  =  Mc.  9,  11  auf  hebräische  Quellen worte  zurück- 
geht, nämlich  auf  Mal.  3,  23.  24,  wo  das  Kommen  des  Elias  ver- 
kündigt wird  zu  dem  Zwecke:  S^TD'rn  u.  s.  w.  =  LXX  og  djto- 
xaraOTr\ou  xrX.  Während  die  canonischen  Texte  an  die  Ver- 
sion der  LXX  sich  anschliessen  und  S^on  durch  äxoxa&iozavai 
wiedergeben,  bietet  das  Citat  der  Pistis  Sophia  die  Version 
parabit  In  der  Antwort  Jesu  ist  nun  die  Veränderung  der 
Tempora: 

Fut.      änoxaraöryosi  (Justin,  Mt.), 
Praes.  ajtoxa&ioravst  (Mc), 
Perf.     paravit  (Pistis  Sophia) 

von  entscheidender  Bedeutung,  die  auch  verschiedene  Erklärungen 
der  Worte  involvieren.  Die  futurische  Fassung,  welche  am 
stärksten  bei  Justin  ausgeprägt  ist  (eXsvosrai  —  catoxaxaoxr]Qu\ 
entspricht  der  jüdischen  Theologie,  wonach  die  Wiederkunft  des 
Elias  eschatologisch  gedeutet  wurde  und  sie  unmittelbar  der 
Parusie  des  Messias  vorausgehen  sollte.  Dass  diese  jüdische 
Auffassung  vom  Judenchristenthum  adoptiert  wurde,  beweist 
das  judenchristliche  Evangelium  mit  seinem  Futurum  Mt.  17,  11 
und  ebenso  Capitel  11  der  Apocalypse.  Denn  dass  der  eine  der 
beiden  Zeugen,  die  nach  Apoc.  11,  3  ff.  in  der  Endzeit  auftreten 
sollen,  mit  Zügen  aus  der  Geschichte  des  Elias  ausgestattet  ist, 
wird  allgemein  anerkannt 1).  (Unklar  ist  man  nur  über  den 
zweiten  Zeugen  des  Apocalyptikers.)  Aber  gerade  dieser  ju- 
daistischen  Auffassung  von  Mal.  3,  23.  24  ist  der  Herr  entgegen- 
getreten, wenn  man  seine  Antwort  nach  dem  Citat  der  Pistis 
Sophia  perfectisch  nimmt:  Elias  ist  schon  gekommen  und  hat 
bereits  Alles  für  die  Erscheinung  des  Messias  zurechtgebracht 
und  vorbereitet.  Nicht  eschatologisch,  sondern  historisch 
ist  die  Erfüllung  der  Mal.  3,  23.  24  gegebenen  Weissagung  zu 
fassen.  Dass  dieses  der  Sinn  Jesu  auch  hier  gewesen  ist,  zeigen 
viele  Parallelen  in  seinen  Reden,  namentlich  auch  die  hier  fol- 
genden  Verse   v.  12.  13.     Die  letzte  in  Maleachi  geschriebene 

1)  Vgl.  auch  Orac.  Sibyll.  II,  187—189: 

Kai  xo&'  6  BeaßitTjq  ye,  an   oigavov  ap/ua  xixalvwv, 
Ovqüviov,  yaiq  <f  imßäq,  xöxe  arj/xaxa  xqioou. 
KöofHp  ok(p  öelSei  xs  dnoXXvfitvov  ßiöxoio. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  17,  10 — 11.  205 

Weissagung  der  alttestamentlichen  Prophetie  geht  auf  Johannes 
den  Täufer,  in  welchem  der  von  Maleachi  geweissagte  Elias 
wiedererschienen  ist.  Mt.  11,  13.  14:  Ilavxtq  yaQ  ol  JtQO<pfJTai 
xai  u  vofiog  tmq  'Icouvvov  jiQottprjtevGav.  Kai  tl  ß-iXtxs  öe- 
gaö&ai,  avxoq  kativ  'Hllaq  6  fiiXXmv  sqxsg&cu.  Er  ist  der 
Engel  (Mt,  11,  10),  welcher  Mal.  3,  1  verheissen  ist.  Während 
das  jüdische  Schriftgelehrtenthum  alle  messianischen  Züge  der 
alttestamentlichen  Weissagung  eschatologisch  fasste  und  nur 
eine  einzige  Parusie  des  Messias  anerkannte,  hat  Jesus  einen 
grossen  Theil  det  messianischen  Prophetie  der  herkömmlichen 
eschatologisch en  Deutung  entrissen  und  ihre  historische  Erfüllung 
in  den  Umständen  seines  Wirkens  und  seines  Leidens  aufgezeigt. 
So  ist  es  auch  hier  geschehen  bei  der  Weissagung  des  Maleachi. 
Dass  aber  trotzdem  die  jüdisch-eschatologische  Deutung  in  der 
Auslegung  der  Herrenreden  wieder  Herr  wurde,  zeigt  Justin 
und  das  erste  canonische  Evangelium,  im  Grunde  auch  der  Mar- 
custext. Denn  die  Worte  Mc.  9,  12a:  *HZtag  sX&cov  jiqcötov 
ujtoxa&iGTavsi  nävxa  —  wollen  und  können  doch  nicht  anders  als 
futurisch  aufgefasst  werden,  wie  auch  der  Cod.  Colbertinus  über- 
setzt: Helias  veniens  primum  restituet  omnia.  Ebenso  ist  das 
Praesens  eQ%erai  in  Mt.  17,  11  futurisch  zu  fassen,  wie  auch 
zwei  Itala-Codices  (Cod.  Brix.,  Corbej.2)  dieses  Praesens  mit  ven- 
turus  est  =  veniet  wiedergeben.  Dass  daneben  die  perfektische 
Fassung  paravit  (in  der  Pistis  Sophia)  sich  erhalten  hatte,  be- 
weist: der  hebräische  Urtext  war  so  gestaltet,  dass  bei  der 
Mehrdeutigkeit  der  hebräischen  Temporalformen  alle  drei  Tem- 
pora (Praeteritum,  Praesens,  Futurum)  in  den  Text  hineingetragen 
werden  konnten.  Denn  das  sollte  doch  Niemand  leugnen,  dass 
allen  diesen  Variationen  ein  gemeinsamer  Text  zu  Grunde  lag. 
Und  bei  den  hebräischen  Rückübersetzungen  hätte  man  niemals 
die  Pflicht,  beide  Texte  in  Mc.  9,  12a  und  Mt.  17,  11  identisch 
zu  gestalten,  ausser  Aaht  lassen  sollen.  Es  folge  hier  eine 
kleine  Blumenlese  hebräischer  Rückübersetzungen. 


206 


Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 


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Text«  und  Untersuchungen  zu  Mt.  17,  10—11.  207 

züglich  seines  Wiederzusammentreffens  mit  seinen  Jüngern  bei 
ihrer  Rückkehr  von  der  Mission  in  den  israelitischen  Städten 
ebenfalls  eine  eschatologische  Wendung  gegeben  hat. 

Wenn  manche  Ausleger  zu  Mt.  17,  11  es  haben  leugnen 
wollen,  dass  hier  eine  eschatologische  Wiedererscheinung  des 
Elias  unmittelbar  vor  der  Parusie  Jesu  in  den  Mund  gelegt  sei, 
so  schwindet  diese  Ausflucht  bei  Justin  vollständig.  Denn  Dial. 
c.  Tr.  c.  49.  p.  268  BC  sagt  Justin  ausdrücklich:  xal  6  i/fistsgog 
ovv  xvqioq,  tfprjv,  xovro  avxo  sv  rolc,  öi6aytuaoiv  avrov 
xagsdmxs  ysvt]ö6{uevov,  sljccov  xal  'HZlav  sZstosofrai'  xal 
tjfiElg  xovro  ejiiOxccfte&a  ysvrjoo/isvov  orav  fisXZi]  sv  <5o§?/ 
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Xqigxoc,  ov  xal  xr/g  jcQoSxrjg  <pav£QcoGsa>q  x?iqv%  jiQO^Xd-e  xo 
sv  Hllq.  ysvofievov  Tcvevfiu  xov  &sov,  sv  'ltoävvr^  sodass  mithin 
Elias,  wie  er  bei  der  Parusie  des  historischen  Jesus  in  der  Person 
des  Täufers  dem  Messias  vorangegangen  sei,  so  bei  der  eschato- 
logischen  Parusie  Jesu  in  Herrlichkeit  ebenfalls  vorhergehen 
werde.  Und  zwar  führt  Justin  diese  Erwartung  auf  die  öiöccy- 
fiaxa  Jesu  zurück,  der  gesagt  habe:  sIjkov  xal  'HXiav  sZsv.oeo&ai. 
Von  hier  aus  fällt  deutliches  Licht  auf  Mt.  17,  10  ff.,  wo  eben 
diese  Erwartung  einer  eschatologischen  Eliaserscheinung  neben 
dem  schon  in  Johannes  dem  Täufer  verwirklichten  Kommen  des 
Elias  ausgesprochen  wird.  Und  wenn  Jemand  fragen  wollte: 
Konnte  Jesus  so  allgemein  sagen  xaxsoxifisv  üiavxa  im  Blick 
auf  den  Täufer?  —  so  ist  selbstverständlich  das  jiavra  dahin  zu 
limitieren:  Alles,  was  zur  Vorbereitung  auf  das  Kommen  des 
Messias  gehört.  Dieselbe  Beschränkung  des  jidvxa  ist  ja  auch 
bei  der  eschatologischen  Auffassung  nicht  zu  vermeiden.  Eine 
ajioxaraöraoig  jrävxoov  im  universellen  Sinne  konnte  nur  von 
dem  Messias  selbst,  nicht  aber  von  Elias  als  seinem  Vorläufer 
erwartet  werden.  Hier  also  wollte  Jesus  sagen:  Alles,  was  zur 
Vorbereitung  meines  Kommens  erforderlich  war,  das  hat  Johannes 
der  Täufer  als  der  wegbereitende  Elias  gethan;  er  ist  gekommen 
und  hat  seine  Mission  erfüllt.  Diese  Deutung  des  Herrenwortes 
entspricht  der  vorauszusetzenden  Lesart:  31EP1  83.  Nur  ein  ten- 
denziöser Interpret  konnte  das  defective  Imperf.  historicum  3tn 
als  Futurum  fassen.  Der  Urheber  des  hebräischen  Textes,  der 
in  einer  Zeit  schrieb,  in  welcher  die  scriptio  plena  üblich  war, 
würde,  wenn  er  hätte  der  eschatologisch-futurischen  Auffassung 


208  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mfc.  und  Mc. 

Vorschub  leisten  wollen,  sicherlich  3">iöV]  geschrieben,  damit 
aber  auch  —  wie  bereits  erwähnt  —  die  Übersetzung  paravit 
(—xaxEOxi/GEV)  unmöglich  gemacht  haben. 

Mt.  17, 12. 13  =  Mc.  9, 13. 

a.  Fistis  Sophia  p.  10,  L.  ed.  Schwartze  et  Petermann. 

Et  quum  cognossem,  vos  non  intellexisse  (vö'i),  quae  dixerim 
vobis  de  ipvxy  Heliae,  ligata  in  Johanne  Baptista  (ßajixtöxt]), 
respondi  vobis  in  serraone  in  jcaQQijoia,  e  facie  in  faciem: 
si  vultis  capere,  Johannes  Baptistajßßjrjrtür^),  iste  est 
Elias,  quem  dixi  venire. 

b.  Just.  Dial.  c.  Troph.  c.  49.  p.  269  A. 

leyco  öe  vplv  oxc  HXiaq  i/öt/  ijX&E  xal  ovx  kji&yvco- 
aav  avxov,  aXX*  Ejtoitjoav  avxcö  ooa  rj&tXtjöav.  xal 
yiyQanxai  oxi  xoxe  ovvrjxav  ol  fia&ijxai,  oxi  jieüI 
'Imävvov  xov  ßaxxioxov  eIjiev  avxolc. 

c.  Cod.  Cantabr.  Mt.  17,  12.  13. 

Xiyca  61  vfilv  oxi  'HXiaq  ijöq  rjX&ev  xal  ovx  ejteyvco- 
oav  avxov,  aXXa  tnoit/oav  avxqj  ooa  fjO-iXtjoav' 
tote  ovvtjxav  ol  fiad-qxai,  otl  üieqI  'Icoävvov  xov 
ßajcxioxov  eIjcev  avtotg. 

d.  Mc.  9,  13. 

aXXcc  XEyco  v/ilv  oxi  xal  'HXiaq  tXrjXvftEv.  xal  Ejcoitj- 
oav  avxq}  ooa  ij&eXov,  xa&atg  yiyQajcxai  eji*  avxov. 

Weiss  nimmt  an,  dass  dem  Abschnitt  Mc.  9,  9—13  =  Mt. 
17,9—13  eine  vorcanonische  Quelle  nicht  zu  Grunde  liege,  und 
dass  der  erste  Evangelist  an  dieser  Stelle  lediglich  eine  Bear- 
beitung der  Marcusperikope  gegeben  habe.  Das  Letztere  ist  im 
Wesentlichen  zuzugeben,  denn  die  Erwähnung  dieser  Perikope 
zwischen  dem  Verklärungsbericht  und  der  Erzählung  von  der 
Heilung  des  besessenen  Knaben  ist  sicherlich  das  Werk  des 
zweiten  Evangelisten  und  ist  nur  durch  diese  Vermittelung  auch 
in  das  erste  Evangelium  übergegangen.  Dass  aber  diese  Prag- 
matik, nach  welcher  das  Gespräch  über  Elias  in  sehr  loser  Weise 
an  die  vorausgegangene  Erscheinung  des  Elias  auf  dem  Berge 
der  Verklärung  angeknüpft  erscheint,  nicht  ursprünglich  ist, 
dafür  sprechen  drei  Instanzen:  erstlich  das  Schweigen  des  Lukas, 
zweitens  die  Schwierigkeiten  und  weit  auseinandergehenden  Ver- 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mi.  17,  12.  13.  209 

schiedenheiten  in  der  Auslegung,  welche  nötig  ist,  um  eine  einiger- 
massen  befriedigende  Pragmatik  nachzuweisen,  und  drittens  das 
ausdrückliche  Zeugnis  der  Pistis  Sophia.  Denn  nach  der  Dar- 
stellung dieser  in  ihren  echten  Evangeliencitaten  so  vorzüglichen 
Quelle  (vgl.  die  Erläuterung  zu  Mi  16,  19a)  haben  die  Jünger 
die  Rede  Jesu,  wonach  Elias  schon  gekommen  sei  und  Alles  für 
den  Messias  vorbereitet  habe,  nicht  eher  verstanden,  bis  er  es 
ihnen  frei  heraussagte:  si  vultis  capere  Johannes  Baptista,  iste 
est  Elias,  quem  dixi  venire  (richtiger  venisse).  Dieses  Wort, 
welches  im  ersten  canonischen  Evangelium  nicht  hier,  sondern 
Mt.  11,14  sich  findet:  xal  si  fttkers  dsgao&ai,  avrog  koxiv  'HZiaq 
6  (ziXXmv  tQieö&ai  —  aber  dort  ganz  unvermittelt  erscheint  (vgl. 
oben),  hat  also  nach  der  Darstellung  der  Pistis  Sophia  un- 
mittelbar nach  Mt.  17,  12  =  Mc.  9,  12a  seinen  ursprünglichen 
Standort  gehabt.  Als  Jesus  sich  von  seinen  Jüngern  nicht  ver- 
standen sah,  so  gab  er  der  für  sie  rätselhaften  Rede  von  der 
schon  geschehenen  Erscheinung  des  Elias  die  Deutung  dadurch, 
dass  er  offen  und  mit  Namennennung  auf  den  Täufer  hinwies. 
Das  Citat  der  Pistis  Sophia  setzt  mithin  einen  ursprünglicheren 
Bericht  voraus,  als  Justin,  der  sich  in  diesem  Fall  von  dem 
ersten  Evangelisten  abhängig  zeigt  und  mit  dem  Text  von  Mt. 
17,  12.  13,  besonders  wie  ihn  der  Cod.  Cantabr.  bietet,  diploma- 
tisch genau  übereinstimmt  (vgl.  Credner  I,  237),  sodass  man  in 
diesem  eclatanten  Fall,  wo  sowohl  bei  Justin  als  im  Cod.  D  der 
Text  von  Mt.  17,  12b  weggelassen,  bzw.  im  Cod.  D  erst  nach- 
träglich angeschrieben  ist,  mit  Bestimmtheit  die  Benützung  des 
ersten  Evangeliums  durch  Justin  constatieren  kann.  Man  er- 
kennt aus  alledem,  dass  die  beiden  ersten  Evangelisten  in  diesem 
Fall  zwar  aus  dem  Urevangelium  schöpften,  aber  den  originalen 
Context  desselben  nicht  bewahrt  haben,  dass  vielmehr  das  Ge- 
spräch über  Elias  und  über  dessen  Erscheinung  in  der  Person  des 
Täufers  ursprünglich  mit  denjenigen  Worten  zusammengehangen 
hat,  welche  der  erste  Evangelist  Mt.  11,  12 — 15  einfügt.  Der 
originale  Standort  dieser  Worte  ist,  wie  Lc.  zeigt,  nicht  in  Mt. 
11,  2—19  =  Lc.  7,  18—35,  sondern  Lc.  16,  14 — 31  zu  suchen,  wo 
es  sich  um  Gesetz  und  Propheten  und  deren  geschichtliche  Er- 
füllung handelte.     (Vgl.  die  Erläuterung  zu  Mt.  11,  14.) 

Die   Bemerkung  Mt.  17,  13  ist  sonach  das  ausschliessliche 
Eigenthum  des  ersten  Evangelisten  und  die  Reproduktion  dieser 

Texte  u.  Untersuchungen  X,  2.  14 


210  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Bemerkung  durch  Justin,  wie  erwähnt,  wiederum  ein  ganz 
sicheres  Kennzeichen  der  Benützung  des  ersten  Evangeliums 
Interessant  ist  es,  zu  beobachten,  wie  die  Pistis  Sophia  den 
Ausspruch  des  Herrn  zur  Begründung  einer  Seelenwanderungs- 
lehre verwerthet.  Vgl.  Pistis  Sophia  p.  12:  Inveni  ipvy?]v  He- 
liae  prophetae  (jioofprjxov)  in  aicooi  ö<paiQaq  et  sumsi  eam  et  ac- 
cepi  eius  ipvyrjv  quoque,  duxi  eam  in  jiaofrevov  lucis,  et  (haec) 
dedit  eam  suis  jtafjaXqfuixoQGtv,  (qui)  duxerunt  eam  in  o<paigav 
agyovxcov  et  intulerunt  eam  in  uterum  Elisabetae.  Vis  autem  (de) 
parvi  law,  huius  qui  in  [ieow,  et  rpvyjj  Eliae  prophetae  (xgo<pT]xov) 
ligatae  sunt  in  owiiaxi  Johannis  baptistae  (ßajtTiorov).  Ebenda 
p.  355:  Heliam  vertens  misi  in  owfia  Johannis  ßajtxiöxov. 

Mt.  17,  20b. 

a.  Hom.  Clem.  I,  6.  p.  15,  5. 

xal   ovöäv  koxiv,  o  aövvaxü  jioiüv. 

b.  Mt.  1 7,  20c. 

xal  ovöev  aövvaxrfiu  vfilv. 

Weiss  nimmt  (Marcus  S.  311 )  an,  dass,  während  der  Spruch 
Mt.  17,  20a  von  dem  Berge  versetzenden  Glauben  selbstverständ- 
lich aus  der  vorcanonischen  Evangelienquelle  stamme,  die  Worte 
in  Mt.  17,  20b:  xal  ovöev  dövvaxr'jOei  vfilv  aus  Mc.  9,  23:  navxa 
övvaxd  reo  xioxcvovxi  gebildet,  also  nicht  dem  Urevangelium 
entflossen  seien.  Jedenfalls  bieten  die  Pseudo-Clementinen 
in  dem  oben  mitgetheilten  Citate  eine  Parallele  zu  Mt.  17,  20b, 
wenn  auch  nicht  in  wörtlicher  Übereinstimmung. 

Mt.  17,  21  =  Mc.  9,  28.  29. 

a.  Eclog.  proph.  c.  15.  Clem.  AI.  p.  993. 

xrjq  Jiioxtwq  r?}v  Bvyrjv  iöyygoxtgav  ajttg>r]V£V  o  öwxrjg 
xolq  Jtioxolq  djtooxöXoiq  ejci  rivoq  öaifioviwvxoq,  ov  ovx 
ioyvoav  xa&agioai,  ujiwv  xd  xoiavxa  svyy  xaxog&ovxai. 

b    Äthan.  Virg.  c.87. 

hysi?  ftagxvgiav  Iv  xolq  tvayysXioiq  jeagä  xov  owxrjgoq  el- 
grjfttvTjv  tfgwxrjoav  avxov  ol  fia&rjxal  avxov  Xeyovxsq' 
xvgis ,  ötigov  rjftlv ,  Jioio)  xgojtw  xd  dxd&agxa  xvevfiaxa 

^T^^ovxar  eine  6h  6  xvgioq'  xovxo  xb  yevoq  ovx 
exßdXXexai  ei  ftrj  ev  Jtgooevyalq  xal  vi]Oxeiaiq. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  17,  20.  21.  211 

c.  Anast.  Sin.  Viae  Dux  c.  8. 

xa&a  (pr/oiv  6  Xgioxog  Jtsgl  avxäiv,  oxi  xo  yivog  xovxo 
ovx  i^eQxexai  ei  [iy  sv  jiqooevxV  xal  vf/oxeia. 

d.  Mc.  9,  28.^9.^ 

ol  fia&Tjxal  avxov  xax    löiav  £jit)qcqxcüv  avxov'    6xi 

rjfislg  ovx^dvvi]ftTjuEV  exßaXeivjxvxo;  xal  eljzev  avxolg' 
zovxo   xo  yivog  sv  ovötvl  övvaxai  egeZ&eiv  ei  turj  sv 

JCQOOtVXV- 

e.  Cod.  Cantabr.  Mt.  17,  21. 

xovxo  6s  xo  yivog   ovx   sxjcoQsvsxai  sl   turj   sv  jiqoö- 
evxfl  xcu  vtjöxtia. 

f.  Cod.  Colbert.  Mt.  17,  21.  p.  22.  ed.  Belsheim. 

Hoc  auteni  genus  daemonii  non  ejicietur  nisi  per  ora- 
tio nem  et  jejunium. 

g.  Cod.  Colbert.  Mc.  9,  29.  p.  53.  ed.  Belsheim. 

Quibus  ipse  dixit:   Hoc   genus  in    nullo   potest  exire  nisi 
in  oratione  et  jejunio. 

Nach  der  Quellenkritik  von  B.  Weiss  liegt  zu  der  Erzäh- 
lung Mc.  9,  14 — 27  =  Lc.  9,  37 — 43  die  Urrelation  in  der  kürzeren 
Parallele  Mt.  17,  14 — 18  vor,  wonach  der  zu  heilende  Knabe  von 
epileptischer  Krankheit   befallen,    mithin    von    der  Austreibung 
eines    öaif/öviov   nicht    die   Rede    war.      Mit   dieser    Darstellung 
würde  das  Citat  in   den   prophetischen  Eklogen   des  Clem.  AI.: 
r«  xoiavxa  svxij  xaxoo&ovxai  mit  der  allgemeinen  Ausdrucks- 
weise xä  xoiavxa  sehr  wohl  zu  vereinbaren  sein.     Die  anderen 
Parallelen  aber  setzen  die  Austreibung  eines  Dämons,  mithin  die 
Relation  des  Marcus,  voraus.     Es  könnte    aber    sehr   wohl   sein, 
dass  Marcus  seinen  Spruch  Mc.  9,  29  ebenso  wie  der  erste  Evan- 
gelist den  seinen  Mt  17,  20  aus   einem  andern  Standort  des  Ur- 
evangeliums    hierher   verpflanzt    habe.      Die    Frage    der  Jünger 
lautet  bei  Athanasius  ganz  allgemein:  xvqis,  6slB.ov  ijulv,  jioicp 
xqÖjico  xd  uxäüaoxa  Jtrti\uaxa  <pvya6svovxai;  und  zeigt  keine 
bestimmte    Bezugnahme   auf   die  Perikope    Mc.  9,  14 — 27.    Die 
Varianten    sxßälXsofrai  —  s£,ixQsofrai  =  sxjionsvsö&ai  =  X2T , 
ferner    jiqoösvx>'i  —  tx>Xf'l  =  «"fiEP    könnten    einen    hebräischen 
Quellentext  vermuthen  lassen.    Der  Zusatz  xäi  vijoxsia  ist  wahr- 
scheinlich  späteren  Ursprungs.     Ein  Anklang  an   dieses   Logion 
zeigt  sich  noch  bei  Pseudo-Clemens   de  virginitate  I,  12,  3: 

14* 


212  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

hoc  genus  non  erit  (exit?)  nisi  in  jejunio  ac  precibus  firmis 
et  continuis  atque  intenta  mente. 

Ein  sicheres  Urtheil  über  die  ursprünglichen  Quellenverhält- 
nisse  wird  sich  in  diesem  Falle  nicht  gewinnen  lassen. 

Mt.  18,  3  =  Lc.  18, 17  =  Mc.  10, 15. 

a.  Herrn.  Mand.  II,  1.  p.  72,  6. 

EGT]  coq  rä  vfjnia. 

b.  EermTsimTix^d,  3.  p.  254,  12. 

öooi  ovv  öiafievelte,  cprjGi,  xal  egeg&e  coq  rä  ßQ&'qpi]  xaxiav 
[iq  exovtsg,  Jiävrcov  rcöv  xqoeiqtjuevcov  Evdo£-6rEQOiEGEG&£' 
jtävra  yaQ  rä  ßgsqpT)  svöo^ä  eon  naga  reo  &ecö  xal  jiQcöra 
jtao'  avrcö. 

c.  Herrn.  Sim.IX,  29,  1.  p.  254,  7. 

coq  vr\nia  ßQt'<prj  eIgLv,  oiq  ovösfiia  xaxia  ävaßalvEL  ejtl  rrjv 
xccQÖiav. 

d.  1.  Cor.  14,  20. 

fit)  jcacöla  yivEG&E  rolq  cpQEGiv ,  aXXä  cij  xaxia  vrjxia^Exe. 

e.  ClemrAL~St™m7  v]  1,  13.  p.  652. 

xäv  (irj  YEVt/o&E  coq  rä  xaiöia  ravra,  ovx  eIoeXevgeg&e, 
<pr)öiv,  slq  r?)v  ßaoiXtiav  rcöv  ovgavcöv. 

f.  Clem.  AI.  Paed.  I,  5,  16.  p.  107. 

rjv   fit}    ytvijo&E    coq   rä   jtaiöia  ravra,   ovx  eIgeIevgeg&e 

slq  rrjv  ßaGilEiav  rov  &eov. 

g.  Clem.  AI.  Protrept.  IX,  82.  p.  69. 

r/v  yaQ  (irj  av&ig  coq  rä  jcaiöia  y£vr)0&E  xal  ävayEVvr/frfjre 
coq  cprjGiv  rj  yoa<pr},  rov  ovrcoq  ovr.a  xariga  ov  fit/  äxo- 
Aäßyjrs  ovö°  ov  firj  eIgeXevgijö&e  3torE  slq  rt]v  ßaGiXsiav 
rcöv  ovQavcöv. 

h.  Clem.  AI.  Strom.  IV,  25,  162.  p.  636. 

rovro  yaQ  i]v  rb  eIqtj(ievov  ^J^U^£5$i^33^J^l^ 
coq  rä  jtaidla. 

i.  Clem.  ÄTPaedTl,  5,  12.  p.  104. 

avtbq  öiaoacpfjGEi  6  xvQioq  Xiycov  ßj^^ji^Gjgaipjir^jM 
y£vrjG&E  coq  rä  naiöia  ravra,  ^J^J^^VJ^  £h  TVV 
ßaGikeiav  rcöv  ovQavcöv. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  18,  3.  213 

k.  Mt  18,  3. 

xal  eIjcev  a/ir/v  Xiyco  vfilv,  eäv  ftrj  oxga<pt}xt  xal  ytvrjöd-E 
cog  xajnaiöia,  ov  firj  eIöeZ&tjxe  Eig  xr/v  ßaOiZslav  xcov 

QVQCCVdäv. 

Weiss  (Marcusevangelium  S.  336)  hat  jedenfalls  vollkommen 
recht  gesehen,  wenn  er  den  Spruch  Mt.  18,  3  als  in  der  ursprüng- 
lichen Gestalt  wesentlich  erhalten  betrachtet.  Was  aber  die 
sprachliche  Erläuterung  desselben  anlangt,  so  scheint  mir  der 
darin  verborgene  Hebraismus  bisher  noch  nicht  erkannt  zu  sein. 
Hinter  dem  oxoa<pr}x£  nämlich  liegt  das  hebräische  3W,  nicht  in 
der  originalen  Bedeutung  „umkehren",  sondern  in  dem  abgelei- 
teten Gebrauch,  wonach  dieses  Verbum  im  Hebräischen  benutzt 
wird,  um  in  Verbindung  mit  einem  anderen  Verbum  die  Wieder- 
holung einer  Handlung  auszudrücken.  Obwohl  die  Sache  jedem 
Kenner  des  Hebräischen  vertraut  ist,  wird  doch  die  Anführung 
einiger  Beispiele  aus  der  Septuaginta- Übersetzung  forderlich 
sein,  um  den  Unterschied  zwischen  dem  hebräischen  und  dem 
griechischen  Sprachgebrauch  in  diesem  Falle  zu  zeigen.  Vgl. 
Gen.  26,  18:  "IBH**  pW  aip"«n  =  LXX:  xal  orahv  'ioaax  coqvq,e. 
Jerem.  18,  4:  inte??}  3T01  =  LXX:  xal  jzäkiv  avxbq  ejioItjoev 
avxo.  Deut.  30,  3:  ^£3p1  atEh=LXX:  xal  jcaXtv  ovpd§ei  oe. 
Gen.  30,  31:  7J3X2  nSHK  nailBK  =  LXX:  Jtaliv  xoifiavco  xa 
jtooßaxa  oov.  Jerem.  36,  28:  nnnx  fjbtfQ  Tjb"njP  310  =  LXX 
xäXiv  laßt  ov  xaQxiov  exeqov.  Freilich  vielleicht  noch  häufiger 
haben  die  LXX  den  Hebraismus  beibehalten  und  das  31TÖ  wört- 
lich übersetzt.  Vgl.  1.  Reg.  19,  6:  3310*1  31Ö?1  =  LXX:  xal 
EJUöxQEtpag  Exoiprjfrt]  =  Vulg.:  et  rursum  obdormivit.    Deut.  24, 

4:  ntfab  ib  n'^nb  fifinpb  3irc'b  bgsn-a'b  =  LXX:  ov  öwrfosxai 

ejcavaoxQtipaq  laßslv  avxqvtavxm  yvvalxa  =  Vulg.:  non  poterit 
reüipere  eam  in  uxorem.  Jerem.  12,  15:  DiFfsnTi  31©K  =  Luther: 
will  ich  mich  wiederum  über  sie  erbarmen  =  LXX:  sjtLOXQtxpoo 
xal  &/Lsr)6a)  avxwg.Mich.l,  19:  WaTJJ  31©'?  =  LXX:  IjuoxQSfu 
xal  oixxEiofjOEi  rjfiäg.  Eccl.  1,  7:  fpbb  Ö'OlÖ  DH  =  Luther:  fliessen 
sie  wieder  hin  =  LXX:  avxol  ejciöxoeipovoi  xov  jcopevfrrjvai. 
Diesem  hebraisirenden  Übersetzungstypus  folgt  nun  auch  der 
erste  Evangelist,  indem  er  den  vorauszusetzenden  Urtext: 
D^jbTS  (n^i-6  oder)  l^rtni  WlttJn  »VDK  —  wörtlich  wieder- 
giebt:  eav  ftrj  oxoagiTJxE  xal  yEvrjG&E  cog  xa  naiöia  — ,  während 


214 


Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 


die  alexandrinische  Version:  eäv  (it)  av&iq  oaq  xa  jtaidia  ye- 
vrjo&e  —  ein  besseres  Griechisch  dargeboten  hat.  —  Der  zweite 
Evangelist  hat  das  ursprüngliche  Logion  stark  umgearbeitet,  und 
der  dritte  Evangelist  hat  es  in  dieser  veränderten  Gestalt  Lc. 
18,  17  aufgenommen.  —  Im  Übrigen  vgl.  man  die  Erläuterungen 
zu  dem  verwandten  Logion  Joh.  3,  5. 


Mt.  18,  8  =  Mc.  %  43.  45*=  Mt.  5,  30. 

a.  Mt.  5,  30 

xal  ei  t)  öetiia  oov  %s\q  öxavöaXi^si  oe,  exxotpov  av- 

xrjv  xal  ßaXe  ajco  oov'  Ov^cpegei  ydg  ^^jJ^_^oXrjxac 
tv    Tr^vj*^x>vj*^^  £k  yeevvav 

b.  Mt.  18,  8. 

tl  öe  ))  X£*Q  Qov  V  o  Jtovq  Oov  OxavöaXiC,ei  Oe,  ex- 
xotpov avxov  xal  ßäXe  ajto  oov'  xaXöv  ooi  eOxiv  eio- 
eXfrelv  eiq  xr)v  ^ooijv  xvXXov  rj  xm^öv,  rj  ovo  XetQaG  V  öv° 
jtoöaq  i^X^JSL^S^V^S11  s^T°J™Qr°  almviov  [Syr.  Cur.:  xrjv 
yeevvav  xov  Jtvgbq}. 

c.  Mc.  9,  43.  45. 

xal  eäv  oxavöaXioy  oe  r]  x£lQ  oov,  äjcoxoipov  avxrjv 
xaXöv  eoxiv  oe  xvXXov  elöeX&elv  eiq  xrjv  C,<orjv,  rj  xäq  ovo 
Xelgaq  hxovxa  ajceX&eiv  eiq  xrjv  yeevvav,  £fe_^_j?™£j™ 
aoßeoxov.  xaleäv  o  xovq  oov  oxavöaXiC,?]  oe,  ajioxotyov 
avxov  xaXöv  eoxiv  oe  eioeX&elv  eiq  xrjv  C,a>rjv  x^öv,  w 
xovq  ovo  jcoöaq  \\ovxa  ßXrj&rjvai  eiq  xrjv  yeevvav. 

d.  Cod.  Cantabr.  Mc.  9,  43—46. 

xal  eäv  OxavöaA.iC,r]  oe  f]  X£LQ  °ov,  ajwxotyov  avxrjv' 
xaXöv  eöxiv  ooi  xvXXov  eioeX&elv  eiq  xrjv  t^wrjv  rj  ovo 
velQccq  exovxa  ßXrjfrrjvai  eiq  xr)v  yeevvav,  ojiov  eOxlv jxo 
jivq  xb  aoßeoxov,  ojiov  o  oxooXtjS,  avtcov  ov  xeXevxä  xal 
xb  jivq  ov  oßevvvxai.  xav  6  jtovg  öov  oxavöaXLC,?]  oe, 
äjioxotyov  avxov  xaXov  ooi  eoxiv  xoXov  eioeX&elv  eiq 
x-rjv  C,a>r}v  alatvtov,  tj  xovq  ovo  jtoöaq  exovxa  ßXrjfrfjvat  eiq 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  18,  8.  9.  215 

xr)v  yssvvav,  siqjto^tvQ  xb  dqßsoxov,  ojcov  o  oxcbXrjS,  av- 
xoov  ov  xsXsvxa  xal  xb  jcvq  ov  oßsvwxat. 

Mt.  18,  9  =  Mt.  5,  29  =  Mc.  9,  47. 

a.  Clem.  AI.  Paedag.  III,  11,  70.  p.  294. 

b  yovv  xvgioq  Gvvxofiwzaxa  läxai  xö  xd&oq  xovxo ,  sl 
oxavöaXlC,si  os  6  bw&aXpbq  oov,  sxxotyov  avxbv  Xs- 
ycov. 

b.  Mc.  9,  47. 

xal  eäv  6  b<pd-aX[ibq  oov  oxavöaXl^tj  Oe,  exßaXe  av- 
xbv xaXbv  oe  eoxtv  [tovbg)d-aXtuov  eloeX&eiv  elq  xi)v 
ßaoiXelav  xov  &eov  rj  ovo  bcp&aXfiovq  s%ovxa  ßXrj&rjvai 
slq  x?)v  ysevvav. 

c.  Mt.  18,  9. 

xal  et  o  6<pd-aX/ioq  oov  oxavöaXlC,ei  os,  ef-eXe  avxbv 
xal  ßaXe  ajib  oov'  xaXöv  ool  eoxtv  piovog)&aX(iov  elq 
xtjv  C,co?)v  slosX&slv  i]  ovo  6(p&aXfiovq  e^ovxa  ßXrj- 
&rjvai  [Syr.  Cur.:  axeX&eiv]  siq  xrjv  yeevvav  xov  jcvgbq 

d.  MtTöT^. 

el  öe  o  o<p&aX[ioq  oov  6  öet-ibq  oxavöaXi^ei  oe,  egeXe 
avxbv  xal  ßaXs  djcb  oov'  ovfupsQsi  yaQ  ooi  i'va  djtoXrjxai 
ev  xcöv  (tsXcöv  oov  xal  pr}  öXov  xb  Ocöfid  oov  ßXrj&ij  [Syr. 
Cur.:  djisX&r]}  elq  yeevvav. 

e.  Just.  Apol.  I,  15.  p  61  E. 

xal'  el  o  o<p&aX(ibq  oov  o  öet-tbq  oxavdaXlC,ei  os, 
sxxotpov  avxbv  ov{i<peQei  yag  ool  [iovb<p&aX[iov  slosX- 
&slv  elq  xrjv  ßaOiXslav  xcöv  ovQavcöv,  rj  fisxd  xcöv  ovo 
jcsfity&rjvai  slq  xb  alcoviov  jcvq. 

f.  Clem.  AI.  Quis  div.  salv.  c.  24.  p.  949. 

xav  o  ös£ibq  oov  6<p&aXfibq  oxavöaXl^rj  Os,  xaxscuq 
sxxorpov  avxbv  algsxwxsQOv  sxsQorp&dXficp  ßaOiXsia 
&sov  r)  0^oxXriQmjTO^MVQ ,  xav  X£lQ  x^v  kovq  xav  r)  tyvxy, 
fiior/oov  avxrjv. 

g.  Epiph.  Haer.  LVI1I,  2.  p.  490  A. 

sl  ftev  yäg  xb  ev  xcö  svayysXlcp  ßovXovxat  jiXijqovv  xb' 
eav  oxavöaXltyj  oe  ev  xcöv  fisXcöv   oov,   ajibxotyov  djtb 


216  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

oov'  övfiwtgsi  yuQ  ooi  elösXd-slv  sie  ßaöiXdav  ovgavdiv 
77  ymXhv  77  xvfpXov  77  xvXXov. 

Die  beiden  zusammengehörigen  Herrensprüche,  Mt.  18,  9  = 
5,  29  =  Mc.  9,  47  und  Mt.  18,  8  =  5,  30  =  Mc.  9,  43.  45,  sollen 
nach  Weiss  (Matthäus  S.  415,  Marcus  327 ff.)  von  dem  ersten 
Evangelisten  Mt.  5,  29.  30  in  der  Urform  gegeben,  von  dem 
zweiten  Evangelisten  Mc.  9,  43  ff.  redaktionell  bearbeitet,  und  von 
da  mit  theilweiser  Berücksichtigung  des  Marcustextes  von  dem 
ersten  Evangelisten  Mt.  18,  8.  9  zum  zweiten  Male  aufgenommen 
sein.  Sicher  ist  es,  dass  diese  Herrensprüche  aus  dem  Urevan- 
gelium  stammen,  und  dass  der  erste  Evangelist  sie  das  erste 
Mal  direkt  aus  der  vorcanonischen  Quelle,  das  andere  Mal  durch 
Mc.  veranlasst  herübergenommen  hat.  Aber  wenn  Weiss  die 
Textverschiedenheiten  zwischen  den  beiden  Recensionen  lediglich 
aus  der  umgestaltenden  Thätigkeit  des  Mc.  ableitet,  so  hat  er 
dabei  nicht  erkannt,  dass  überhaupt  verschiedene  Versionen  des 
hebräischen  Urtextes  zu  Grunde  lagen,  welche  allerdings  dann 
zu  stark  von  einander  abweichenden  und  auch  über  den  Urtext 
hinausgehenden  Redaktionen  sich  erweitert  haben.  Die  Spuren 
der  verschiedenen  Versionen  lassen  sich  unschwer  nachweisen. 
Weiss  behauptet  (Marcus  324.  325),  dass  Mc.  das  ov^ytoei  der 
Quelle  durch  sein  xaXov  eonv  —  wie  auch  Mc.  9,  42  =  Mt.  17,  0 
=  Lc.  17,  2  —  seinerseits  ersetzt  habe.  Aber  der  Sachverhalt 
ist  vielmehr  dieser,  dass  das  zu  Grunde  liegende  Quellenwort 
a^B  in  dem  einen  Fall  hebraisierend  mit  xaXov  eotiv,  in  dem 
anderen  Falle  gräcisierend  und  in  besserer  Übersetzung  mit 
ovfMptgei  wiedergegeben  wurde.  Es  ist  nun  im  höchsten  Grad 
unwahrscheinlich,  dass  Mc.  die  bessere  Übersetzung  mit  der 
schlechteren  vertauscht  habe,  wenn  die  bessere  ihm  schon  vor- 
gelegen hätte.  Vielmehr  folgt  er  seiner  Quelle,  entweder  nach 
dem  hebräischen  Text  und  übersetzte  3iy  wörtlich  mit  xaXov 
soriv,  oder  er  richtete  sich  nach  seiner  griechischen  Übersetzung, 
wenn  ihm  das  Urevangelium  bereits  in  der  Übersetzung  vorlag. 
Eine  dritte  Übersetzung  des  3"iü  bietet  mit  algsrcoregov  der 
Text  des  Clemens  AI.  Ähnliche  Übersetzungsvarianten  des  3ia 
vgl.  zu  Lc.  17,  2  =  Mt.  18,  6  =  Mc.  9,  42. 

Aber  hiermit  sind  die  Übersetzungsvarianten  dieser  Sprüche 
nicht  erschöpft.     Wenigstens  .  das    kxxöjixuv  =  cuzoxoxtsiv  — 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  18,  9.  Mc.  9,  48.  217 

egaiQE Iv  =  kxßaXXeiv  in  der  ersten  Satzhälfte  dürfte  mit  Be- 
stimmtheit auf  nj??  zurückzuführen  sein,  welches  im  A.  T.  gerade 
bezüglich  der  „  Augen"  gebraucht  wird.  Vgl.  Num.  16,  14: 
"i)?3R  Bnn  B^tDD&fi  ^2  =  LXX:  xovg  6(p&aX(/ovg  xmv  av&Qco- 
%cav  exslvcov  av  igtbcmpag  oder  nach  anderen  Septuaginta-Codices : 
ajtexorpag.  Ferner  vgl.  Prov.  30,  17,  wo  in  Bezug  auf  das  Auge, 
das  den  Vater  verspottet,  im  Urtext  "jp3  gebraucht  und  dies  von 
den  LXX  mit  Zxxojithp,  von  der  Vulgäta  mit  effodire,  von 
Luther  mit  „aushacken8  wiedergegeben  wird.  Vgl.  auch  Jes. 
51,  1,  wo  die  LXX  1J5D  mit  ogvootiv  (Vulg.  praecidere),  Aquila, 
Symmachus  und  Theodotion  aber  mit  ixxbzixuv  übersetzen 
und  namentlich  Jud.  Iß,  21,  wo  die  LXX  den  TexfPnr^'nx  ^P*. 
übersetzen  xal  s^ixoVmv  xovg  o<p&aX(iovg  avxov ,  während 
Cod.  AI.  sgcoQvi-av  bietet.  Die  redaktionellen  Abänderungen 
haben  sichtlich  den  Schluss  der  Sprüche  besonders  stark  ge- 
troffen. Die  Anschauung  von  Weiss  dass  die  älteste  Form  der 
Herrensprüche  in  Mt.  5,  29.  30  erhalten  sei  —  also  auch  gerade 
in  Bezug  auf  die  Schlussworte  — ,  wird  bestätigt  durch  die  An- 
klänge in  Jac.  3,  3 — 6.  4.  1:  oXov  xo  ocöua  —  jueXog  —  (liXrj  — 
jcvq  —  yssvva  —  und  Clem.  Rom.  I,  37,  5:  pt'X?/  —  oXcp  xm 
ocofiari  —  GmCsG&ai  oXov  xo  ocö/m. 

Wegen  Mc.  9,  44.  46.  48  vgl.  das  Folgende. 

Mc.  9,  48. 

a.  Just.  Apol.  I,  52.  p.  87  C. 

toxi    de   xavxa'   o  6xcbXr)§   avxoöv  ov  xav&r[6£xai,  xal 
xo  jivq  avxcov  ov  oßeo&rjGsxai. 

b.  Jes.  66,  24.  LXX. 

o  yccQ  oxwXrjg  aixmv  ov  xsXevxtjOei,  xal  xo  Jtvoav- 
xcäv  ov  oßeo&?]Gexai. 

c.  Mc.  9,  48, 

oxov   o    oxmXr)^   avxwv   ov  xsXevxcc,   xal  xo   jcvq  ov 
oßivwxai. 

Diesen  Vers  haben  Codex  DA,  die  meisten  Italae,  die  beiden 
syrischen  Versionen,  auch  noch  eine  Anzahl  griechischer  Uncial- 
codices  dreimal,  nämlich  nicht  blos  v.  48,  wo  er  sich  in  allen 
Codices  findet,  sondern  auch  v.  44  und  v.  46.  Augustin  be- 
zeugt  ausdrücklich    seine   dreimalige    Wiederholung.     Von   den 


218  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Versionen  der  Septuaginta  weicht  Mc.  nur  durch  die  präsentische 
Form  ab.  Justin  schliesst  sich  an  die  Übersetzung  der  Sep- 
tuaginta an,  giebt  aber  zu  xeltvxrjoec  die  Variante  jtav&rjöexai, 
mithin  zu  dem  Quellenwort  nittD  eine  aussercanonische  Über- 
setzungsvariante. Ob  Justin  in  diesem  Fall  das  Marcusevange- 
lium benützt,  ist  daher  mehr  als  zweifelhaft.  Weiss  rechnet 
Mc.  9,  48  nicht  zum  Urtext  (vgl.  Weiss,  Marcusevangelium 
S.  324  f.),  und  da  abgesehen  von  dem  Justin-Citat,  welches 
direkt  auf  Jes.  66, 24  zurückzugehen  scheint,  alte,  aussercanonische 
Paralleltexte  hierzu  sich  nicht  finden,  so  wird  man  Weiss  nur 
zuzustimmen  haben. 

Mc.  9,  49. 

a.  Macar.  Hom.  XV,  10. 

6la  dq  cpmq  xal  jivy  ßajcxi^ovxai. 

b.  Codd.  46.  52.   Mc.  9,  49.  ~ 

.Trag  yaQ  jcvqi  öoxifiaad-rjöexai. 

c.  I.Cor.  3,  13. 

xal   txäoxov   xo  loyov  ojioIov  toxiv  xo  jivq  avxo  Öoxi- 
[ictoei. 

d.  Mc.  9,  49. 

jtäq  yao  jivqI  alio&T]0£xai 

e.  Cod.  Cantabr.    Mc.  9,  49. 

jtäoa  yäo  &vola  all  aliGfrrjötxai. 

f.  Lev.  2,  13. 

xal  xäv  öwqov  &voiaq  vfimv  all  aliOd-rjOexai. 

g.  Cod.  Colbert.   Mc.  9,  48.  p.  54.  ed.  Belsheim. 

Omnis  enim  victima  salietur. 

Weiss  (Marcusevangelium  S.  324)  hält  Mc.  9,49  ebenfalls  für 
das  Eigenthum  des  zweiten  Evangelisten;  aber  die  Parallele 
1.  Cor.  3,  13,  welche  mit  der  Lesart  zweier  Minuskel-Codices 
(46.  52),  sowie  dem  Codex  Saugerm.  1  (examinantur)  zu  Mc.  9,  49 
sich  in  frappanter  Weise  berührt,  lässt  vermuthen,  dass  Mc.  wie 
Paulus  hier  aus  der  vorcanonischen  Evangelienquelle  schöpfte. 
Zu  aliofr?']6exai  —  doxifiaö&rjöexai  bietet  Macarius  ßajtxl^ovxai 
als  dritte  Variante.  Aber  nicht  nur  in  1.  Cor.  3,  13  liegt  eine 
Parallele  zu  Mc.  9,  49  vor,  auch  der  Text  von  1.  Cor.  3,  15:  oco- 
&r)6£xai  ovxüiq  de  wq  öia  jcvQoq  erinnert  lebhaft  an  den  Con- 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mc.  9,  49.  50.  219 

text  von  Mc.  9,  49.  Der  Sinn  ist  doch  dieser:  Der  ewigen  Strafe 
wird  entgehen,  wer  im  Feuer  geprüft  und  durch  das  Feuer  ge- 
läutert wird.  Die  Lesart  des  Codex  D  schliesst  sich  eng  an 
Lev.  2,  13  an.  Vgl.  Weiss,  Marcusevangelium  S. 324.  Die  Prüfung 
durchs  Feuer  ist  noch  erwähnt  Jerevn.  9,  6;  Sir.  2,  5;  1.  Petr.  1,  7; 
4.  Esr.  16,  74  u.  ö.  —  Bezüglich  des  ßajtzi^ovzai  bei  Macarius 
macht  Nestle  auf  Sir.  34,  26:  xdfiivog  öoxi/id^si  Or6fia>fia  sv 
ßacpfj  aufmerksam.  Es  ist  $a<pr\  namentlich  das  Eintauchen 
des  glühenden  Eisens  in  kaltes  Wasser  zur  Härtung  des  Eisens  — -, 
mithin  ein  sehr  treffendes  Bild. 

Mc.  9,  50b. 

a.  1.  Thess.  5,  13. 

£iQ?jvev£ze  sv  havzolg  [avrolg]. 

b.  Herrn.  Vis.  III,  &3Tj>^2^19~ 

slg^vsvovzsg  sv  havzolg. 

c.  Herrn.  Vis.  III,  9,  2.  p.  50,  12. 

£IQ?]V£V£Z£   £V   kcCVZOlq. 

d.  Herrn.  Vis.  III,  971oTpT525  12. 

sIqTjVSVSZS  sv  avxolg. 

e.  Herrn.  Vis.  III,  12,  3.  p.  58,  5. 

£IQT)V£V£ZS  SV  iavxolg. 

f.  Herrn.  Sim.  VIII,  7,  2.  p.  188,  11. 

slorjvsvovzsg  sv  savzolg 

g.  Iren.  Fragm.  III.   ed.  Stieren  p.  825.   ap.  Bus.  H.  E.  V,  24.  13. 

p.  194,  5. 

£lQ?ji'£vo(i£v  Jtgog  äXXqXovg. 
h.  Mc.  9,  50b. 

xal  sigrivsvszs  sv  d.XXr\Xoig. 
i.   Cod.  Colbert.   Mc.  9,  50b.  p.  54.  ed    Belsheim. 

et  pacem  habete  in  vobis. 

Auch  hier  wie  zu  Mc.  8,  17  begegnet  sich  Hermas  mit  dem 
zweiten  Evangelisten.  Hier  aber  ist  es  evident,  dass  wir  ein 
Logion  aus  dem  Urevangelium  vor  uns  haben.  Denn  Paulus 
hat  es  schon  benützt.  Der  paulinischen  Fassung  sv  savzolg 
folgt  auch  Hermas,  ebenso  der  Cod.  Colbert.  (in  vobis).  Die 
Fassung  bei  Mc.  sv  dXXrjXoig  und  bei  Irenaeus  jzgbg  dXXrjXovg 


220  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

geht  zugleich  mit  ev  kavxotg  auf  D3,,2,,3  oder  W^roy  CS  zu- 
rück. Nach  Vorstehendem  ist  zu  berichtigen,  was  Weiss  (Mar- 
cusevangelium 328)  sagt,  indem  er  den  Vers  Mc.  9,  50  nicht 
aus  der  Quelle  geschöpft  sein  lässt. 

Mt.  18, 10. 

a.  Eus.  in  Psalm.  63,  4  ff. 

o  öa>x?)g  iöiöaöxE  Xiyoav  fitj  xaxa<pgovijörjXE  trog  xmv 
fiixgmv  xmv  ev  xfj  kxxXrjola  (iov. 

b.  Orig.  in  Luc.  hom.  IV.   Öpp.  III,  936. 

illud  quod  in  evangelio  dicitur:  Nolite  contemnere  unum 
de  minimis  istis,  qui  in  ecclesia  sunt. 

c.  Orig.  in  Ezech.  hom.  I,  7.   Opp.  III,  358. 

Nolite,  inquit  dominus,  contemnere  unum  de  minimis 
istis,  qui  sunt  in  ecclesia. 

d.  Hom?  Cleri  TV^I/M^l'  24. 

&eov  de  (poßelofrai  exeIvov  tijtev,  ov  ol  ayysXoi,  ol  rcöv 
ev  tjf/.lv  eXaxiorcov  xiöxmv  ev  xä>  ovgavm  köxrjxaGiv 
&£0)Qovvx£g  xö  jtQOGcojtov  xov  jtaxgog  öiaxavxog. 

e.  Exe.  Theod.  §  23.  ap.  Clem.  AI.  p.  975. 

löicog  yag  txaöxog  yvcogi&i  xov  xvgiov  xal  ovx  ofioimg 
jtavxeg  xo  jiqoöcojcov  xov  xaxgbg  ogmoiv  ol  ayyeXoi 
xovxcov  xojv  ftixQoZv  xo3v  exXexxcov. 

f.  Clem.  Al.^trom7vrr47927pT7oT" 

xoZv  fiixQfäv  6t  xaxa  xrjv  yga<prjv  xal  iXaxioxmv  xovg 
ayytXovg  xovg  ogcävxaq  xov  d-söv. 

g.  Epiph.  Haer.  LXX,  7.  p.  818  A. 

xal  avxoq  o  xvgioq  ev  xm  svayysXico  oxi  ol  ayysXot  xov- 
xatv  ogwöi  xo  3ioo6G)jiov  xov  Jtaxgog  [IOV  xov  EV 
ovgavcp. 

h.  Iren.  I,  14,  2  =  Hippol.  Philos.  VI,  42.  [Marcosii.] 

xal  Eivai  xoixovq  [ioo<pag,  ag  o  xvgiog  ayyeXovg  EigrpcE, 
xäg  öiTjVExcög  ßXsstovöag  xo  JtgoöatJtov  xov  Jtaxgoq. 

i.   Exe.  Theod.  §  11.  ap.  Clem.  AI.  p.  970  =  Quis  div.  salv.  c.  31. 
p.  952. 
oxav  ovv  EiJtij  6  xvgiog'  f/y  xaxa<pgovrj6rjxE  tvog  xöiv 
(iixgcöv  xovxmv,  dfiijv  Xiya)  vy.lv  xoyxmv,  ol  ayysXoi 
xo  jtgoömjtov  xov  jtaxgog  öiajtavxog  ßXijtovöiv. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  18,  10.  221 

k.   Mt.  18,  10. 

onäxe  (ifj  xaxa<p(JOpr}or/xe  epog  xcäp  (iixqcop  xovxojp 
[Syr.  Cur.,  Cod.  D.  add.:  J^^ox£vovxmv  ^£j§"*0'  Xiym 
yao  vfilv,  oxt  ol  ayyeXoi  avxcöp  ep  o\  oapolg  öiajtap- 
xog  ßXexovocp  xo  Jtgoöcoxov  xov  jzaxooq  fiov^tov  ev 
ovgavolg. 

I.    Iren.  I,  13,  3. 

(c  xarijQ  rcöv  öXcov  xöv  ayyeX/)V  aov  öuxnavxoq  ßXejtei 

JIQO   JIQOÖCOJCOV   avxov. 

m.  Orig.  Selecta  in  Psalm.  23.   Opp.  II,  627. 

fir]  xazagjQOprjoqxe  yäg,  <p/]ölv  o  Gmxr'jQ,  tpog  xovxmv 
xwp  fiixowv  X(ov  ep  xjj  ixxXr/oia'  äfiqv  yag  Xeyosj  vfilv, 
oxi  ol  ayyeXoi  avxcöp  öiaxavxoq  ßXejtovoi  xo  jcqoow- 
jtov  xov  jcaxooq  fiov  xov  ev  ovoavolq. 

Dass  wir  in  diesem  Herrenspruch  einen  Theil  der  echten 
Logia  vor  uns  haben,  zeigen  —  abgesehen  von  allem  Anderen  — 
die  Übersetzungsvarianten  ti-ecogelv  =  oqölp  =  ßXejceip  =  ns*1, 
öiajtavxog  =  diTjvexmg  =  "P-QP,  (iixQog  =  eXd/ioxog  =  "JDJ?  — 
deutlich.  Schwierig  sind  nur  die  aussercanonischen  Zusätze  zu 
beurteilen:  xcov  exXexxwv  (Exe.  Theod.)  =  xioxcöv  (Hom.  Clem.j 
=  xcov  jtiOxevovxoiv  elg  s/ns  (Syr.  Cur.)  =  xcöv  ev  xy  exxXrjoia. 
fiov  (JEus^TOrig.).  Liegt  hinter  diesen  Zusätzen  ein  urevange- 
lischer Rest,  oder  sind  es  nur  epexegetische  Zusätze  aus  sehr 
früher  Zeit?  Die  fiixQoi  kommen  noch  zweimal  mit  ähnlichen 
Zusätzen  vor,  nämlich  Mt.  10,  42  =  Mc.  9,  41  und  Mt.  18,  7  = 
Mc.  9,  42  =  Lc.  17,  2.  An  letzterer  Stelle  bietet  Clemens  Rom. 
und  Clemens  AI.  xcöv  exXexxcöv  fiov.  Mt.  und  Ephraem  xmv 
jtioxevopxcop  elg  efie,  Cod.  CoTbert.  qui  credunt  in  me,  Sic. 
x^v^uoxevovxcov ,^Fert.  diseipulis.  Dieser  letzte  Zusatz  findet 
sich  bei  Clemens  AI.  zu  Mt.  10,  42  =  Mc.  9,  41,  wo  Clemens 
AI.  für  iva  xcöv  fiixotöv  (Mt.  10,  42)  vielmehr  eva  xäiv  fia&tj- 
xcöp  xovxcop  xcöp  fitxocöv,  ein  anderes  Mal  einfach  pa&ijxtjP 
liest.  Vgl.  die  Erläuterungen  zu  Lc.  17,  2.  Die  Zusätze  reichen 
bis  auf  Clemens  Rom.  zurück,  ja  durch  die  eben  erwähnten 
Parallelen  bis  in  die  canonischen  Texte  hinein  und  lassen,  selbst 
wenn  sie  nicht  aus  der  hebräischen  Quelle  geflossen  sein  sollten, 
was  bei  den  starken  Abweichungen  wohl  kaum  anzunehmen  ist, 


222  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

keinen  Zweifel  daran,  dass  unter  den  fiixQol  nach  der  ältesten 
Deutung  in  all  diesen  Parallelstellen  die  von  den  Pharisäern 
verachteten,  aus  dem  geringen  Stand  der  Zöllner  und  Sünder 
bekehrten  Jünger  Jesu  gemeint  waren,  dass  also  der  Zusammen- 
hang, in  welchen  der  erste  Evangelist  die  engverwandten  Sprüche 
Mt.  18,  6.  7  gebracht  hat,  und  die  daraus  sich  ergebende  Deutung, 
wonach  unter  den  fiixgoi  die  Kinder  zu  verstehen  waren  (vgl. 
Mt.  18,  2 — 5),  dem  ursprünglichen  Context  nicht  ent- 
spricht. Auch  Act.  12,  15,  wo  der  Spruch  anklingt  (o  ayytXoq 
avxov),  fehlt  alle  Beziehung  auf  die  Kinder,  vielmehr  ein  Jünger 
ist's,  dessen  Engel  ihn  bewahrt.  In  der  Darstellung  der  valen- 
tinianischen  Gnosis  ist  das  Wort  ebenfalls  verwendet:  öicuiav- 
xoq  ßXf'jtovxa  xö  jiqoöcojiov  xov  jtaxgoq  Iren.  I,  13,  6. 

Mt.  18, 14. 

a.  Diatessaron  ed.  Ciasca  p.  46a. 

Sic  non  vult  Pater  vester,  qui  in  caelis  est,  ut  pereat 
unus  de  pusillis  istis,  quos  post  culpam  vocat  ad  poeni- 
tentiam. 

b.  Macar.  Hom.  IV,  21. 

xal  jiüXiv'  ovx  sozi  &tXr/[Ja  xov  jtaxoöq  fiov,  tva  djtö- 
Xijxai  elq  xcöv  fiixgcöv  xovxcov  xcöv  eXaxioxcov. 

c.  Const.  II,  14.  p.  27,  8. 

ovx  eoxi  deZy/ia  £(hiqog&ev  xov  jtaxgoq,  iva  djtolrj- 
xai  elq  xcöv  uixQmv. 

d.  Mt.  IS,  14.     ovxcog  ovx  soxiv  &£Xr][ia  efiTiQoo&Ev  xov  jca- 

xooq  vficov  xov  iv  ovoavotq,  iva  cuiöXrjxai  ev  xcöv 
fllXQOJV  xovxcov. 

Auch  bei  diesem  Logion  wird  es  durch  die  aussercanonische 
Lesart  slq,  welche  das  Diatessaron,  die  Constitutionen  und 
Macarius  darbieten,  bestätigt,  dass  die  Beziehung  auf  die 
Kinder,  welche  der  erste  Evangelist  durch  die  Stellung  des 
Logion  (vgl.  Mt.  18,  3.  4)  und  durch  die  Variante  tv  (=  ins, 
masc.  und  zugleich  neutr.,  vgl.  einen  ähnlichen  Fall  zu  Lc.  18, 19, 
Heft  I.  135)  dem  Spruch  gegeben  hat,  nicht  die  ursprüng- 
liche gewesen  ist.  Auch  hier  sind  es  die  Geringen  von  der 
Welt,  die  der  Wille  Gottes  erwählt  hat.  Vgl.  1.  Cor.  1,  26  ff. 
In  den  Zusammenhang  mit  dem  hier  aus  der  Quelle  eingerückten 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  18,  14.  15  =  Lc.  17,  3.  223 

Gleichnisse  Mt.  18,  12.  13  =  Lc.  15,  3 — 7,  an  welches  sich  im 
Urtexte  die  beiden  anderen  Gleichnisse  Lc.  15,  8 — 10;  15,  11 — 32 
anschlössen,  gehört  diese  Deutung  des  Logion  um  so  mehr 
hinein,  als  nach  Lc.  15,  1.  2  die  Veranlassung  zu  jenen  drei 
Gleichnissen  in  dem  Spott  der  Pharisäer  über  die  aus  dem  Stand 
der  „Geringen",  der  Zöllner  und  Sünder,  zu  Jesu  kommenden 
Anhänger  gegeben  gewesen  war.  Von  diesen  Geringen  will 
Gottes  Eath  nicht  Einen  verloren  gehen  lassen  (Mt.  18,  14);  diese 
Geringen  soll  man  nicht  verachten  (Mt.  18,  10a);  diese  Geringen 
soll  man  nicht  ärgern  (Mt.  18,  6  =  Mt.  9,  42  =  Lc  17,  2);  die 
Engel  dieser  Geringen  stehen  vor  Gottes  Angesicht  (Mt.  18,  10b) 
und  freuen  sich  über  deren  Bekehrung  (Lc.  15,  10).  In  diesem 
urtextlichen  Zusammenhang  bewegt  sich  auch  der  aussercanoni- 
sche  Textbestandtheil  des  Diatessaron:  quos  post  culpam  vocat 
ad  poenitentiam.  Für  die  Quellenmässigkeit  dieses  Textbestand- 
theils  sprechen  folgende  Parallelen:  Lc.  5,  32:  ovx  eXijXvd-a  xa- 
Xioai  öixalovq  aXXa  afiaozmXovg  slg  fitzdvoiav —  2.P.3,  9: 
fi?)  ßovXöfitvda  ztvag  ajioXtG&ai,  aXXa  jzävzag  elg  (lezdvoiav 
Xcogt/aai  —  das  Agraphon  Just.  Apol.  I,  15:  &tXei  yag  o  Jtazrjg 
o  ovQCcviog  zt)v  fiezävotav  zov  afiagzcoXov  r\  zt)v  xoXaöiv 
avzov  — ,  wozu  ich  jetzt  noch  die  in  den  Agrapha  S.  252  nicht 
citierte  Parallele  füge  bei  Clemens  AI.  Strom.  II,  15,  65.  p.  463: 
o  rrjv  (leravoiav  fiäXXov  zov  afiagzcoXov  ?\  zov  &avazov 
aiQOv/ievoq.  Endlich  vgl.  man  noch  den  Ausdruck:  kjcl  (iszd- 
voiav  xagaxaXeiv  Pseudo-Ign.  Philad.  c.  3.  p.  232,  11.  Die 
Wendung:  post  culpam  im  Texte  des  Diatessaron  ist  jedoch 
völlig  original,  nichts  desto  weniger  ganz  in  Jesu  Sinn  und  Geist. 

Mt.  18, 15  —  Lc  17,  3. 

a.  Didasc.  VI,  18.  p.  330. 

zovg  (lezavoovvzaq  djco  zfjg  jtXdvijg  eäze  sv  zy  kxxXrjoia. 

b.  co^sTvi7iirprnvi6r~ 

zovg  fiezavoovvzag  jtgooöexs g&s  ,   zovzo   yäo  ^eXrjfia  zov 
&£OV  ev  Xqlozcö. 
c.  Hieron.  adv.  Pelag.  111,  2. 

Et  in  eodem  volumine  (sc.  evangelio  Nazaraeorum):  Si  pec- 
caverit,  inquit,  frater  tuus  in  verbo  et  satis  tibi  fecerit, 
septies  in  die  suscipe  eum. 


224  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

d.  Lc.  17,  3. 

eav  a/idgxy  o  aöeX(p6q  oov,  sjcirifiTjoov  avxm,  xal 
idv  [i£Tavor)6y,  dtpeg  avxm. 

e.  Aiö.  XV,  3.  ' 

tXiyxsxe  6s  alXr)Xovq  firj  iv  doyy,  dXX*  ev  elgr/vy,  mg  e%tt£ 
ev  T(ß  evayyeXim. 

f.  Didasc'  II,  37.  p.  266. 

xard  xrjv  xov  xvgiov  öiöaxtjv  3ioii]Gov  xal  /uovov  xaga- 
Xaßmv  eXeyßov  avxov,  oxmg  fiexayym. 

g.  Const.  11,37.  p.  65,  10. 

xaxd  xtjv  xov  xvq'iov  öiöax^v  jioItjgov  xal  fiovov  Jtaoa- 
Xaßmvxov  xaxrjyoQ?]frtvxa  eXeygov  avxov,  dxmg  fiexayvm, 
(itjÖEVoq  ooi  ovtiuca(>6vxog. 

h.  Mt.  18,  15. 

eav  öe  afiaoxtfoi]  o  döeXtpög  oov,  vjzaye,  eXeyf-ov  av- 
xov ftexagv  oov  xal  avxov  fiovov  edv  öov  axovoy,  exeg- 
drjoaq  xov  döeX<pov  oov. 

i.  Pistis  Sophia  p.  168,  28.  ed.  Schwartze  et  Petermann. 

dixi  vobis  olim  in  jcagaßoXrj  dicens:  si  tuus  frater  pec- 
caverit  in  te,  corripe  eum  inter  temet  ipsum  eumque;  si 
audiverit  te,  lucratus  fueris  tuum  fratrem. 

k.  Aphraites' HomTxiV^S.  p.  253.  ed.  Bert. 

Unser  Herr  lehrt:  Wenn  an  dir  dein  Bruder  übel  thut, 
so  stelle  ihn  zur  Rede  zwischen  dir  und  ihm,  und  wenn 
er  sieh  bekehrt,  so  vergib  ihm. 

1.  Coa.  Colbert.  Mt.  18,  löTpTS  ed.  Belsheim. 

Quod  si  peccaverit  in  te  frater  tuus,   vade  et  corripe 

illum  inter  te  et  ipsum  solum:  si  te  audierit,  lucratus  eris 

fratrem  tuum. 
m.  Test.  XII  patr.  Gad  c.  6. 

xal  eav  dfidoxy  xcg  eig  ob,   eine  avxm  tv  eiotfvfl  —  xal 

eav  OfioXoyr'jöag  fiexavotfoy ,  aq>eg  avxm. 

Die  Quellenkritik  in  Betreff  des  ^Abschnittes  Mt.  18,  15—17 
ist  mit  grossen  Schwierigkeiten  verknüpft.  Darin  wird  man 
Weiss  zustimmen  müssen,  dass  ein  echtes  Herrenwort  aus  den 
Logia  zu  Grunde  liegt.  Wenn  er  aber  (vgl.  Weiss,  Matthäus 
S.  421)  die  ganze  Spruchreihe,  wie  sie  im  ersten  canonischen 
Evangelium  jetzt  enthalten  ist,   aus  der  Quelle  geschöpft  sein 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  18,  15  =  Lc.  17,  3.  225 

lässt,  so  hat  er  eine  Anzahl  wichtiger  Instanzen,  die  dagegen 
sprechen,  nicht  erwogen.  Vielmehr  wird  bei  Berücksichtigung 
aller  einschlagenden  —  auch  der  aussercanonischen  —  Parallelen 
das  Endurtheil  dahin  führen,  dass  man  die  umgestaltende  und 
ergänzende  Hand  des  ersten  Evangelisten  auch  hier  nicht  ver- 
kennen darf.  Namentlich  dürfte  Mt.  18,  17  eine  spätere  Text- 
gestalt repraesentieren.     Die  Gründe  dafür  sind  folgende: 

t.  Das  Schweigen  des  Lucas,  welcher  Lc.  17,  3  den  Kern 
der  Unterweisung  gibt,  aber  von  den  drei  Graden  der  vov&aoia 
keine  Spur  zeigt. 

2.  Die  Beobachtung,  dass  in  der  Apostelgeschichte  wie  über- 
haupt in  den  ältesten  canonischen  Zeugnissen  über  das  kirchliche 
Gemeindeleben,  sich  nirgends  eine  Anwendung  dieser  Vorschrift 
von  drei  Graden  der  Kirchenzncht  findet. 

3.  Das  Verhalten  des  Paulus,  welcher  so  viele  Regeln  für 
das  christliche  Gemeindeleben  aufstellt,  auch  selbst  Kirchen- 
zucht (vgl.  1.  Cor.  5)  geübt  hat,  aber  nirgends  die  Kenntniss  von 
einem  Herrenwort  zeigt,  wonach  eine  dreifache  vovfteoia  an- 
geordnet gewesen  wäre. 

4.  In  den  Pastoralbriefen  treten  zwar  Anspielungen  an  die 
betreffenden  Worte  auf.    Vgl.  1.  Tim.  5,  19.  20.  Tit.  3,  10:  cIqe- 

XIXOV    UV&QCDJTOV   /JEXCt   (IIÜV   XCU    6eVXSQ<XV    VOV&eOlCCV   JtCCQatXOV. 

Aber  gerade  an  letzterer  Stelle  ist  ausdrücklich  nur  von  einer 
zweifachen  vov&eoia  die  Rede,  ein  dritter  Grad  der  Kir- 
chenzucht nicht  vorgesehen. 

5.  Dasselbe  gilt   von   der   Ai6ayi\.     Man  vgl.  Aid.  XV,  3: 

Erste  vovfheoia.  eXeyysxe  6e  äXXf/Xovg  fit)  ev  i>Qy>i .  aXX*  sv 
slf>rjvy],  mg  Zxsts  ev  xm  evayyeX'irn. 

Zweite  vovlitöla.  xai  jravrl  doxnyovvxi  xaxd  toü  tttQov  tnj- 
6elg  XaXeixm  fujös  jrap'  vftmv  dxovsxm,  t'mg 
ov  (texavotjoy. 

Eine  dritte  rovftsoia  ist  der  Ai6äyt)  unbekannt.  Die  Berufung 
auf  eine  evangelische  Quelle  (mg  e^exs  ev  toi  evayyeXim)  hat 
also  in  diesem  Falle  entweder  das  erste  canonische  Evan- 
gelium nicht  oder  noch  nicht  in  seiner  jetzigen  Gestalt 
gemeint.  Jedenfalls  war  der  Redaktor  der  Ji6axV  bei  seinen 
Kirchenzuchts -Vorschriften  von  Mt.  IS,  17  unabhängig. 

Texte  u.  Untersuchungen  X,  2.  15 


226  Aussercanouische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

6.  In  sprachlicher  Hinsicht  sind  in  Mt.  18, 17  mehrere  Elemente 
als  Eigenthum  des  Evangelisten  zu  recognoscieren.  Mit  dem  Aus- 
druck eoza>  ooi  coöxeq  6  e&vixoq  xal  o  re2.cov?]g  steht  der  Re- 
daktor des  ersten  Evangeliums  völlig  isoliert.  (Vgl.  Mt.  5.  46.  47.) 
In  Jesu  Munde  haben  nach  der  vorcanonischen  Quelle  die  rsXSvat 
und  die  e&vtj  keinen  verächtlichen  Beigeschmack,  am  aller- 
wenigsten in  dem  Sinne,  den  doch  die  Worte  Mt.  18,  17  haben, 
als  sollte  man  den  Umgang  mit  Zöllnern  und  Heiden  meiden. 
Die  Lesart  in  der  Pistis  Sophia:  eorco  vfilv  oog  nagaßaryg 
xal  coq  oxavöaXov  —  hat  viel  mehr  Wahrscheinlichkeit  für  sich. 
(Siehe  unten  zu  v.  17.)  Auch  mit  der  lxxh)Ola  steht  der  erste 
Evangelist  sprachlich  isoliert.  In  keinem  canonischen  Evan- 
gelium, aber  auch  nicht  in  den  uns  erhaltenen  Resten  des  He- 
bräerevangeliums, ist  dieser  Ausdruck  in  Jesu  Mund  zu  finden. 
Dass  auch  Mt.  16,  18,  wo  noch  einmal  die  exxXyoia  erwähnt 
wird,  vielleicht  eine  spätere  Textgestalt  repräsentiert,  haben  wir 
oben  gesehen. 

7.  Aber  auch  dem  Inhalte  nach  stehen  diese  detaillierten 
Kirchenzuchts-Vorschriften,  wie  sie  Mt.  18,  15—17  in  dreifachem 
Aufbau  erscheinen,  als  ein  Unicum  in  den  Reden  Jesu.  Die  an 
sich  richtige  Bemerkung  von  Weiss,  dass  es  sich  in  diesen 
Sprüchen  nicht  um  Busszucht,  nicht  um  gesetzliche  Anordnungen 
über  Kirchendisciplin,  handle,  dass  vielmehr  der  suchenden  Liebe, 
die  den  irrenden  Bruder  zur  Umkehr  bringen  will,  hier  der  Weg 
gewiesen  werden  solle  (vgl.  Weiss,  Matthäus  S.  418),  lässt  sich 
nur  dann  aufrecht  erhalten,  wenn  v.  17.  nicht  zu  dem  ursprüng- 
lichen Text  gehört  hat.  Denn  mit  v.  17  spitzt  sich  die  ganze 
Anweisung  schliesslich  eben  doch  ganz  unleugbar  in  eine  Ge- 
meindedisciplin  oder  Kirchendisciplin  zu. 

Aus  allen  diesen  inneren  und  äusseren  Gründen  ist  es  wahr- 
scheinlich, dass  der  Urtext  nur  eine  zweifache  vovd-toia, 
wie  sie  Tit.  3,  10  und  diö.  XV,  5  vorgeschrieben  ist,  enthalten 
hat,  eine  vovfreola,  welche  lediglich  auf  der  Basis  eines  brüder- 
lichen Verhältnisses  sich  auferbaut.  In  diesem  Falle  konnte  auch 
Lucas  die  zweite  vov&eola  leichter  in  Wegfall  kommen  lassen. 

Was  nun  zunächst  v.  15  anlangt,  so  tritt  der  hebräische  Ur- 
text in  folgenden  Varianten  hervor: 
jUtooöexeG&cu  (Const.)  =  xaQalafißavziv  (Didasc,  Const.)  —  sus- 

cipere  (Ev.  Naz.)  =  bap 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  18,  15.  16.  227 

initLftäv  (Lc.)  =  iXeyxuv  (Mt,  Did.,  Didasc.,  Const)  =  corripere 

(/Z£,  Cod.  Colb.)  =  rpsiri 
ftttavoelv  (Lc,  Didasc,  Const)  —  fisxayipwoxsiv  (Didasc,  Const.) 

=  sich  bekehren  (Aphr.)  =  ans  oder  aitti. 
Der  Zusatz  slg  oe  (Cod.  D.,  Syr.  Cur.,  Text,  rec)  =  in  te  (US, 
Cod.  Colb.)  =  an  dir  (Aphr.)  ist  wohl  nicht  ursprünglich ,  noch 
weniger  die  Beschränkung  des  Hebräerevangeliums:  in  verbo. 
(Vgl.  Agrapha  S.  402  f.)  Dagegen  dürfte  in  dem  exsQÖtjOag  xbv 
äöeXrpov  aov  des  ersten  Evangelisten  mit  Rücksicht  auf  das 
wiederholte  xtgöaivstv  1.  Cor.  9,  20 — 22  und  das  öcooei  Jac  5,20 
ein  echter  Rest  erhalten  sein.  Dabei  erinnert  das  sjtiGXQSipn  und 
sjciövQetpaq  Jac.  5,  19.  20  lebhaft  an  den  Aphraates-Text:  „wenn 
er  sich  bekehrt". 

Dass  die  Aiöa-fi)  einem  bestimmten  vorcanonischen  Text  folgt, 
zeigt  das  Zusammentreffen  mit  den  Testamentis  XII  patr.  in 
den  Worten:  hv  elgrjvy  als  einem  aussercanonischen  Textbe- 
standtheil. 

Mt.  18, 16*. 

a.  Didasc  II,  37.  p.  266. 

sl  Öh  ov  xeiofrsi?/,  ovo  r^xQEiq  ovfijcagaXaßmv  tXsy$ov. 

b.  Const.  II,  37.  p.  65,  12. 

sl  6h  2^^3^^k    7£VOfisvog  öevxegog   ?]  xgixog,  ovxcoq 
avxrp  vjiööei£.ov   xo  jcXimutXrjfia,   vov&ex?']<jccq  avxov  tv 
jiQc.6xr\xi  xai  jiaiÖeia. 
c  fflöxtg  2o<pia.  Anger  Synopsis  p.  130.  131. 

eav  ös  [iij  äxovöy,  nagaXaßs  fiexa  oov  hxegov.  — 

d.  Pistis  Sophia  p.  168,  31.  ed.  Schwartze  et  Petermann. 

Si  haud  audiverit  te,  snme  tecum  alium. 

e.  Mt.  18,  16a. 

.  eäv   6e   ftrj   äxovöfl,   jcagäXaße  fiexa    oeavxov    txc    Iva 
w  ovo. 

f.  Aphraates  Hom.  XIV,  28.  p.  253. 

Und  wenn  er  dich  nicht  hören  wird,  so  bringe  einen  oder 
zwei. 

g.  Cod.  Colbert  Mt  18,  16a.  p.  23.  ed.  Belsheim. 

si  autem  te  non  audierit,  adhibe  tecum  adhuc  unum  vel  duos. 

15*~ 


228  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

h.  Aid.  XV,  3. 

xal  Jiavxl  äöxoxovvxi  xaxä  xov  Ix£qov  fit/öelq  laltixm  pjös 

jrao*  vpdöv  axovixai,  %coq  oi  iiBxavo7prj. 

Auch  hier  sind  die  Spuren  des  hebräischen  Urtextes  weiter 
zu  verfolgen  in  den  Varianten  jisl&eo&ai  =  axovsiv  =  £)2tD,  so- 
wie eltyx&iv  =  vov&exstv  =  rpDin.  Was  nämlich  xsid-eö&ai  = 
axovsiv  anlangt,  so  ist  zu  vergleichen  Gen.  3,  17:  bipb  rCP?ttj  "^ 
Tino»,  sowie  Lc.  16,  31.  Das  Synonymon  vovftsxtlv,  welches  die 
Constitutionen  bieten,  ist  Tit.  3,  10:  (lexä  (liav  xal  öevxinav 
vov&toiav  vorausgesetzt. 

Die  Constitutionen  und  vor  ihnen  schon  ihre  Quellen- 
schrift, die  Didascalia,  nennen  ovo  rj  xQSlq,  welche  Lesart  mit 
dem  folgenden  alttestamentlichen  Wort  von  den  zwei  oder  drei 
Zeugen  besser  zusammenstimmt,  als  die  canonische  Lesart  %va 
tj  ovo  Mt  18,  16a.  Der  txsQoq  in  der  Pistis  Sophia  findet  sich 
bezeichnender  Weise  auch  in  der  Ai6ax>\-  Nach  der  Anweisung 
der  didaxr]  ist  mit  dieser  zweiten  Vermahnung  das  Verfahren 
abgeschlossen  und  der  auch  bei  Zuziehung  des  txsQoq  wider- 
spenstig verbleibende  ausgeschlossen,  bis  er  noch  Busse  thue. 
Der  Ausdruck  der  Aiüap)\  .vavxl  «gto'/ovvti  berührt  sich  auf- 
fällig mit  2.  Thess.  3,  6 :  JcaQayyt'XXotuev  xxA.,  wo  Paulus  mit  aus- 
drucklicher Berufung  auf  ein  Herrengebot  die  Anweisung  giebt 
cLto  jravxoq  «dtlcpov  dxäxxcoq  jtejuxaxovvxoq  sich  zurückzu- 
ziehen (ottAXeod-ai).  Von  einer  dreifachen  Admonition  ist  aber 
auch  hier  in  keiner  Weise  die  Rede. 

Mt.  18,  U\ 

a.  Const.  II,  38.  p.  65,  16. 

lav   ovv  xeiO&jj  kxl  6xotuaxoq  xöiv  xqiöjv  vficov,  sv 
av  8X0i. 

b.  Const.  III,  20.  p.  113,  19. 

//  yäo  rctjv  ovo  [rj]  xal  xq\io~>v  (laoxvoia  ßeßatoxtQa  xal 
dog>aJLi]g. 

c.  Eus.  Dem.  ev.  III,  5,  68. 

kjtl  Oxofiaxoq  (f  oiv  ovo  xal  xqiojv  (laoxvQWV  Qvv- 
iaxaxai  xäv  (>i}(ia. 

d.  EciogTproph.  Clem.  AI.  §  13.  p.  992. 

näv  Q^ifta  toraxai  ejcl  ovo  xal  xqiojv  {iagxvQOJV. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  18, 16.  229 

e.  Anast.  Sin.  Viae  Dux  c.  24. 

vofiog  &tlog  naXaiög  rt  xal  viog  öiaxeXsverai,  sjtl  aro- 
fiarog  ovo  xal  rgicöv  fiagrvgcov  iöraO&ai  xäv  gijfta. 

f.  Orig.  in  Jerem.  Hom.  I,  7.  Opp.  III,  129. 

kütl  oroftart  ovo  rj  rgicöv  fiagrvgcov  ara&rjöerai  Jtäv 
gijfta. 

g.  Judicium  Petri  (Ap.  KO).  c.  20.  p.  117,  24.  ed.  Hilgenfeld. 

yiygajtrar  ixt  rgicöv  öra&rjosrai  jcäv  grjfia  xvgiov. 
h.  2.  Cor.  13,  1. 

hsil  oroftarog  ovo   fiagrvgcov  xal  rgicöv  oramfosrai 

Tcav  grjfia. 
i.  Deut.  19,  15LXX. 

sxl  orofiarog  ovo  fiagrvgcovxal  sjtl  oro/iatog  rgicöv 

fiagrvgcov  ornöerai  jtäv  gijfia. 

k.  Mt.  18,  16b. 

iva  ssil  Grdftarog  ovo  fiagrvgcov  tj  rgicöv  öra&rj  näv 
gijfia. 

1.  Aphraates  Hom.  XIV,  28.  p.  253. 

damit  auf  eines  oder  zweier  Zeugen  Augen  alle  Sache  be- 
stehe. 

Bildete  die  Vermahnung  des  Schuldigen  vor  zwei  oder  drei 
Zeugen  die  letzte  Stufe  des  brüderlichen  Zuchtverfahrens,  so 
schloss  sich  als  Bestätigung  dieser  Vorschrift  in  geeigneter  Weise 
das  Wort  aus  Deut.  19,  15  an.  Der  hebräische  Text  lautet: 
-m  Enp?  D^-nübü'  ^'bf  i«  CH?  13«'  ^'by.  DieÜbersetzungen 
desselben  bieten  nur  wenige  untergeordnete  Varianten:  ovviöra- 
■r^==JWßT<cM  =  öra&rjoerat  =  ar?josrai  =  öra&ij  =  Dlp?;  auch 
wechselt  r)  und  xal  =  IX  willkürlich  mit  einander  ab.  Ganz 
aussercanonisch  sind  die  „Augen",  weiche  Aphraates  hinzufügt. 
Zu  vergleichen  ist  noch  I.Tim.  5,  19:  xara  jcgeoßvrtgov  xartj- 
yogiav  fir)  jtagaöixov,  Ixrog  el  fit)  IjiI  ovo  rj  rgicöv  fiagrv- 
gcov. Tertullian  adv.  Marc.  IV.  22  liest:  In  tribus,  inquit,- te- 
stibus  stabit  omne  verbum.  Diese  Weglassung  von  ovo  würde 
noch  besser  für  die  trinitarische  Verwendung  des  Logion  sich 
eignen,  die  wir  finden  bei  Clem.  AI.  Eclog.  §  13.  p.  992:  Jtäv 
gijfia  forarai  int  ovo  xal  rgicöv  fiagrvgcov,  sjtl  Jiargog  xal 
vlov  xal  ayiov  xvevfiarog,  scp  cov  fiagrvgcov  xal  ßorj&cöv  ai 
ivroXal  Xeyofievai  <fv/.äo6Eö&ai  ocpüXovOiv. 


230  Aussercanonische  Psiralleltexte  zu  ML  und  Mc. 

Mt.  18, 17. 

a.  Jiö.  XV,  3. 

xal  jcavxl  aoxofovvxi  xaxd  xov  txtoov,  fi?j6elq  XaXüxco 
fi?]6s  xan  vficöv  dxovexco*),  tcoq  ov  fiexai>onoi]. 

b.  niöriQ  2o<pla.    Anger  Synopsis  p.  131. 

eävdhxaQaxovoy  Govxalexeoov,  dyeavxov elqxrjv  exxXij- 
Giav  iäv  6h  xal  xcov  ixtocov  naQaxovöy,  eGxco  vpiv 
coq  xanaßdxrjq  xal  coq  Oxävöalov.  — 

c.  Pistis  Sophia  p.  168,  32.  ed.  Schwartze  et  Petermann. 

Si  haud  audiverit  te  et  alium,  duc  eum  in  exxXrjGiav.  Si 
haud  audiverit  alios,  esto  coram  vobis  coq  xaoaßaxrjq  et  coq 
oxav6aXov. 

d.  DidSc.Tir38.  p.  266. 

el  6e  xiq  oxXrjQvvoixo,  elxh  xjj  kxxXrjoia'  edv  6h  xal 
xijq  exxXfjöiaq  jtaoaxovGyi,  eGxco  Goi  coq  o  ed-vixdq  xal 
o  xeXcovrjq. 

e.  ConstIl738.  p.  65,  17. 

edv  6e  xi  gxXtjqvvoixo,  elxh  xjj  hxxXrjola'  Idv  6s  xal 
xavxijq  xaQaxovGij,  eGxa  ooi  coq  o  t&vixbq  xal  6  xe- 
Xcovrjq. 

f.  Aphraates  Hom.  XIV,  28.  p.  253. 

Und  wenn  er  nicht  auf  diese  hören  wird,  so  sage  es  der 
Gemeinde;  und  wenn  er  die  Gemeinde  nicht  hören  wird, 
alsdann  werde  er  von  dir  wie  ein  Heide  gehalten  und  wie 
ein  Zöllner,  weü^eTdieErmahnung  nicht  angenommen  hat. 

g.  MtriirrT^ 

edv  6h  xaoaxovGij  avxcöv,  elxov  x%  exxXr\Gia'  edv  6h 
xal  J5£&**^2£[££  jcaoaxovörj,  eGxco  Goi  coOxeq  o 
ed-vixoq  xal  6  xeXcövnq. 

Es  ist  schon  im  Vorhergehenden  nachgewiesen,  dass  nach 
den  ältesten  Zeugen  der  dritte  Grad  des  Verfahrens,  wodurch 
die  brüderliche  Zucht  in  eine  Gemeindedisciplin  und  Kirchen- 
zucht umgewandelt  wird,  im  Urevangelium  höchstwahrscheinlich 
gefehlt  hat.  Für  eine  gegenteilige  Annahme  könnte  vielleicht 
Folgendes  angeführt  werden.    Der  neuentdeckte  Codex  Rossa- 

1)  Funck  corrigiert:  dxovso&ut. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  18,  17.  231 

nensis  (2J)  hat  zu  den  Worten:  eav  de  Jiaoaxovot]  anstatt  xa- 
gaxovotj  die  Lesart  xaxa^>Qovi)Oei^  und  diese  Lesart  erinnert  leb- 
haft an  das  paulinische  }}  rrjg  exxXrjOiac,  rov  &eov  xaracppoveire; 

I.  Cor.  11,  22,  und  diese  Übereinstimmung  könnte  auf  die  Be- 
nützung des  Logion  nach  der  vorcanonischen  Quelle  durch  Paulus 
schliessen  lassen.  Auch  könnte  man  sagen,  dass  der  Begriff  der 
ixxXrjota  (hier  als  exxXrjOta  rov  &eov,  aber  auch  sonst  in  den 
paulinischen  Briefen  sowohl  im  Sinn  der  Einzelgemeinde  als  in 
der  Bedeutung  der  Gesamtgemeinde=Kirche,  wie  letzterer  Begriff 
namentlich  im  Epheserbrief  ausgebildet  ist)  auf  die  Lehrunter- 
weisung des  Herrn  selbst  zurückgehen  müsse.  Aber  wenn  dem 
wirklich  so  wäre  (zwingend  ist  der  Beweis  nicht,  da  in  der 
ersten  geschichtlichen  Entwickelung  des  jungen  Christenthums 
die  Sache  von  selbst  und  damit  der  Name  aus  dem  bfij?  —  hx- 
xXijoia  des  Hebräischen  hinübergenommen  werden  musste,  auch 
ein  bestimmtes  Herrenwort  in  Betreff  der  sxxXrjoia  bei  Paulus 
nirgends  anklingt),  so  fehlt  doch  im  Zusammenhang  von  1.  Cor. 

II,  22  ff.  jegliche  Bezugnahme  auf  den  Sinn  und  Context  von 
Mt.  18,  15—17.  Es  wird  also  bei  der  Annahme  bleiben,  dass  die 
eine  dritte  Stufe  einführenden  Worte:  eine  oder  elnov  rfj  ex- 
xXrjöia,  wodurch  die  brüderliche  Zurechtweisung  zur  Kirchen- 
zucht fortgeführt  werden  würde,  in  der  vorcanonischen  Quelle 
gefehlt  haben.  An  Mt.  18,  16  schlössen  sich  daher  unmittelbar 
die  Worte  Mt.  18,  19.  20  an,  welche  von  der  IxxXrfila  als  solcher 
nichts  sagen,  sondern  nur  auf  die  ovo  rj  rgelg  in  v.  16  sich  zu- 
rückbeziehen. Der  Text  von  Mt.  18,  17  dürfte  daher  ursprüng- 
lich so  gelautet  haben,  wie  er  im  Schlüsse  des  Citats  aus  der 
Pistis  Sophia  enthalten  ist:  eav  de  xal  rcöv  etsqcov  xaoaxovörj, 
eorco  vfiTv  wq  xagaßariyg  xal  coc  oxavöaXov.  Denn  da  oben  (zu 
v.  15)  bereits  nachgewiesen  ist,  dass  die  Worte:  cooxeo  6  e&vixog 
xal  6  reXaSvr\g  Eigenthum  des  ersten  Evangelisten  und  nicht  Aus- 
fluss  der  Logia  sein  dürften,  so  ist  hier  noch  zu  zeigen,  dass  der 
Ausdruck,  den  die  Pistis  Sophia  in  ihrem  Citat  erhalten  hat, 
xaQaßärrjg  xal  oxavöaXov,  der  ursprünglichere  ist.  Zu  Jtaga- 
ßärrjg  vergleiche  man  das  echte  Herrenwort  aus  dem  Codex 
Cantabr.:  xagaßarqg  et  rov  vofiov  vgl.  Agrapha  S.  108.  189, 
ebenso  Jac.  2, 9.  11;  Gal.  2, 18;  Rom.  2, 25.  27.  Zu  oxavöaXov  aber 
haben  wir  ebenfalls  eine  schlagende  Parallele  aus  des  Herren  Mund, 
nämlich:  oxavöaXov  et  tfio'  Mt.  16,  23.     Auch  ist  zu  beachten, 


232  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

dass  dieser  Ausdruck  wieder  in  den  Anfang  der  Unterweisung 
einmündet,  wie  derselbe  Mt.  18,  6.  7  enthalten  ist,  wo  von  der 
Nothwendigkeit  der  öxävöaXa  geredet  und  vor  dem  oxavdaXiC,Ecv 
der  [iixQoi  gewarnt  wird.  Es  ist  daher  ausser  Zweifel,  dass  der 
Schluss  des  Citates  aus  der  Pistis  Sophia  eine  werthvolle  lle- 
miniscenz  an  den  Urtext  enthält.  Mit  diesem  Ausdruck  der 
Pistis  Sophia  ist  wesentlich  dasselbe  gesagt,  wie  mit  dem 
eoxco  ooi  wöjct(>  o  i&vixog  xal  o  xsXmvrjg,  nur  dass  der  letztere 
Ausdruck  einen  jadenchristlichen,  bezw.  jüdischen  Beigeschmack 
hat,  der  zwar  dem  ganzen  Charakter  des  ersten  canonischen 
Evangeliums  entspricht,  aber  den  urevangelischen  Herrenreden 
nicht  congenial  ist.  Die  Sache  selbst,  nämlich  die  Entziehung 
brüderlicher  Gemeinschaft  bis  zur  erfolgten  Busse,  hat  auch  die 
Aiöax')  und  ebenso  Paulus  mit  seinem  oxeXXEO&at  (2.  Thess. 
3,  6)  und  dem  wiederholt  auftretenden  ovvavafiiyvvo&ai  (1.  Cor. 
5,  9.  11;  2.  Thess.  3,  14),  wie  auch  das  ^apa^flöfm  (fit  3,  10) 
hierher  gehört. 

Mt.  18, 19. 

a.  lgn.  ad  Eph.  V,  2.  p.  8,  17. 

tl  yao  tvog  xal  öevxeqov  xqoosv//)  xooavxyv  loyvv  tyei, 
xoo<p  (iäXXov  r)  re  xov  ijtioxojtov  xal  jcdörjg  xijg  ix- 
xXqoiag. 

b.  Pseudo-Epiph.  Hom.  111.     Eig  xi)v  xov  XqlGxov  dvaoxaöiv. 

p.  281  A.  (Vol.  IV.  Pars.  II.  p.  35  ed.  Dindorf.) 
axovöa)HEV  Xqloxov  Xiyovxog  oxt  iav  ovo  ?}  XQElg  ovfi- 
(pcov^öovoiv  üg  svxrjv*  Jtsnl  Jtavxog  alxrjfiaxoc  ?}  ai- 
xtfoovxai,  yevt'/osxai  avxolg. 

c.  Anast.  Sin.  Quaest.  109. 

iav  ovo  7)  xQelg  kg  ij[ioZv  ovfMpmvrjömöi  xeqI  Jtavxog 
alxrjuaxog  ov  iav  alxrjocovxai,  yevTJoexai  avxolg. 

d.  MtTl8,  19. 

jtaXiv  [a(ii)v  add.  Syr.  Cur.]  Xiyco  vfilv  oxi  iav  ovo  övfi- 
rpo)v?JGa)6cv  f|  v/icöv  ijtl  xtjg  yijg  jteol  [jtavxog  Jioay- 
(laxog  om.  Syr.  Cur.]  ov  iav  alzSjümvTai,  ysvtjoexat 
avxolg  naoä  xov  xaxoog  fiov  xov  iv  ovgavolg. 
Da  Mt.  18,  18  in  einen  anderen  Zusammenhang  der  Logia 
gehört  haben  wird  (vgl.  oben  zu  Mt.  16,  19),  so  schloss  sich  un- 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  18, 19.  20.  233 

mittelbar  und  sachgemäss  an  die  brüderliche  Zurechtweisung 
vor  zwei  oder  drei  Zeugen  v.  16.  17  das  Logion  Mt.  18,  19  an. 
So  lange  ich  dieses  Wort  lediglich  nach  seiner  canonischen 
Textgestalt  kannte  und  betrachtete,  war  ich  mit  Rücksieht  auf 
den  in  keiner  Version  des  Urevangeliums  und  in  keinem  cano- 
mschen  Herrenworte  sonst  vorkommenden  Ausdruck  jiQÖmia  = 
res  geneigt,  diesen  Spruch  nicht  auf  die  vorcanonische  Quelle 
zurückzuführen.  Aber  die  mir  später  bekannt  gewordenen 
aussercanonischen  Paralleltexte  aus  Pseudo-Epiphanius  und 
Anastasius  Sinaita  haben  mir  jeden  Zweifel  darüber  be- 
nommen, dass  diesem  Logion  ein  hebräischer  Urtext  zu  Grunde 
liegt.  Denn  für  das  bedenkliche  jcQayftazoq  haben  die  beiden 
genannten  Schriftsteller  unabhängig  voneinander,  der  eine  evx^ 
der  andere  aizima,  welche  beiden  synonymen  Varianten,  zu 
denen  sich  bei  Ignatius  noch  stQOOevxf)  gesellt,  auf  nbSTp  (vgl. 
LXX  zu  1.  Sam.  I,  17.  27.  Esth~X  7.  Ps.  106,  15)  zurückgehen. 
Auch  der  in  beiden  Citaten  vorhandene  Zusatz  rj  ZQelq  scheint 
mir  mit  Rücksicht  auf  die  ovo  ?/  zoetq  in  Mt.  18,  16  ursprüng- 
lich zu  sein. 

Mt.  18,  20. 

a.  Pseudo-lgn.  ad  Eph.  V.  p.  274,  34. 

ei  yctQ  evbq  xal  öevzeQov  JCQoGevxi)  zoöavzijv  loxvv  exei, 
cöoze  zov  Xqiözov  ev  avzolq  eozävai,  ocooco  ftäXXov  rj  ze 
zov  EJtioxoJtov  xal  jiäorjq  zijq  exxXijoiaq  jtQOOevxi,- 

b.  Ephraem  Syr.  Ev.  concord.  expos.  ed.  Mösinger.  c.  14.  p.  165. 

Christus  .  .  est  dicens:  Ubi  unus  est,  ibi  et  ego  sum.  .  .  . 
Et  ubi  duo  sunt,  ibi  et  ego  ero  ....  Et  quando  tres 
sumus,  quasi  in  ecclesiam  coimus. 

c.  Const.  VIII,  33.  p.  27 1,1 1. 

OJtov  yctQ  av  cboi,  cprfölv  6  xvQioq,  ovo  i]  zgslq  Ovv?jy(ie- 
voi  Iv  zw  ovo/iazi  fiov,  kxsl  elfil  ev  fieöcp  avzcov. 

d.  Cod.  Cantabr.  Mt.  18~  20. 

ovx  elalv  yctQ  ovo  i\  zoeZq  ovvtjyfievoi  elq  zo  ifibv 
övofia,  Jta(S  oiq  ovx  elfil  iv  fieoco  avzcov. 

e.  Clem.  AI.  Strom.  HI,  10,  68.  p.  541. 

ziveq  de  ol  ovo  xal  zQetq  vjcoqxovoiv  ev  ovofiazi  Xqcözov 
ovvayofievoi,  jrap*  olq  fiiooq  koxlv  o  xvQioq; 


234  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

f.  Cod.  Sangerman.  (g1.)  ad  Mt.  18,  20. 

non  enira  sunt  congregati  in  nomine  meo,  inter  quos 
sgo  non  sum. 

g.  Caelestinus.  Acta  oecum.  tert.  Synodi  Ephesi  habitae  p.  192,  16. 

ed.  Sylburg. 
bxi  örj  kv  evayyeXlcp  xoiavxrj  eyxeixai  <patvtj,  ojcov  ovo  t) 
xgelg  elol  ovvrjyfievoi  kxl  xw  kfi<Z  ovbfiaxi,  kxel  elfil 
kv  fiioca  avxmv. 

h.  Ephraem  Syr.  Opp.  1.  299  F  =  II,  89  A  =  I,  90  B. 

avxbg  yag  elgrpcev  oxov  elol   ovo  r\  xgelg  ovvrjyfievoi 
elg  xb  kfibv  bvofia,  exet  elfil  kv  fidoco  avxcäv. 

i.   Mt.  18,  20. 

ov  yag  eioiv  ovo  r\  xgelg  ovvnyjiivoi  elg  xb  kfibv  ovo- 
fia, kxel  elfil  kv  fiiocp  avxmv. 

In  v.  20  kehren,  und  zwar  auch  nach  dem  canonischen  Text,  die 
ovo  tj  xgelg  wieder,  welche  sich  durch  v.  16.  17.  19  durchziehen. 
DieVarianten  kv  xa>  ovbfiaxi  fiov—elg  xb  kfibv  bvofia=kjtl  xm  kfiqZ 
ovbfiaxi  =  "»TDTÜ'3  finden  sich  Mt.  28,  19  und  öfter  wieder.  Ferner 
ovvqyfievoi  cboi  —  ovvayöfievoi  (=  Ovvax&kvxeg  1.  Cor.  5,  4)  = 
?,bnj?">,  ebenso  ftioog  ==  Tv  fitom  avtcöv  =  DDifÖ  weisen  auf  den 
hebräischen  Urtext  zurück.  Dass  auch  Paulus  dieses  Logion, 
und  zwar  in  Verbindung  mit  apostolischer  Zuchtübung,  gekannt 
hat,  zeigen  seine  Worte  1.  Cor.  5,  4:  kv  xm  ovbfiaxi  xox  xvglov 
'Jtjoov  Gvvax&evxeov  deutlich.  Dabei  entsteht  ditTVermuthung, 
dass  die  pauhnischen  Worte:  nagaöovvai  xbv  xoiovxov  x<5  oa- 
xavet  elg  oXe&gov,  wenn  man  die  enge  Verbindung  von  Oa- 
xava  und  Oxävöalov  Mt.  16,  23  in  Erwägung  zieht,  auch 
1.  Cor.  5,  5  in  Anlehnung  an  das  Herrenwort  eOxco  vfilv  cog 
oxdvöaXov  geschrieben  sein  könnten.  Das  ovvax&evxatv  (die 
Form  owax&tvx&g  in  Bezug  auf  den  Gottesdienst  findet  sich 
auch  in  der  diöayrf.  xaxa  xvoiaxijv  de  xvglov  ovvax&evxeq 
xXaoaxe  agxov)  =  ovvrjyfievot  elol  deutet  Ephraem  mit  der 
Umschreibung  „in  ecclesiam  coimus".  Ob  das  andere  von  ihm 
als  Herren  wort  eingeführte  Dictum:  Ubi  unus  est,  ibi  et  ego 
sum  —  hierher  gehört,  ist  zu  erwägen.  Dafür  spricht  die 
Ignatiu 3 -Parallele:  et  yag  tvbg  xal  öevxigov  jigooevxt]  xxX. 
Vgl.  Agrapha  S.  295. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  18,  20.  19,  3.  7  =  Mc.  10.  2—4.  235 

Mt.  19,  3.  7  =  Mc.  10,  2-4. 

a.  Clem.  AI.  Strom.  III,  6,  47.  p.  532. 

zi  de  koztv  ojieq  6  xvgiog  elxev  xgog  zovg  jcegl  zov  djco- 
otaoiov  jtvv&avofievovg,  el  egsoziv  dstoXvaai  yvvaixa 
Mcovaemg  emzgetyavzog. 

b.  Epiph.  Haer.  LXVI,  56rp7668  AB. 

eXeyxei  °*e  zovzov  .  .  .  xal  avzog  o  xvgiog  iv  zco  tvayyeXlco, 
oze  ol  ipagioaioi  jcqoc  avzov  Ecprjoav  ozi  ov  xaXov  elvai 
zov   avd-gojstov   fiovatzazov,   xal'    Mavor/g   ejjte  Öiöovai 
ßißXiov  djcoozaoiov  xal  exßdXXeiv  zi)v  yvvaixa. 
e.  Mt.  19,  3.  7. 

xal  jtQoörjX&ov  avzrp  ol  ipagiGaloi  JieigdC,ovzeg  avzov  xal 
Xeyovzeg'  ei.  egeöziv  djtoXvöai  ztjv  yvvaixa  avzov  xaza 
jtäoav  aiziav;  v.  7.  Xtyovoiv  avzco'  z'i  ovv  Meovöyg  eve^ 
zeiXazo  öovvat  ßißXiov  dxoözaoiov  xal   dxoXvoai; 

d.  McTlöTJ^iT 

xal  jtgooeX&ovzeg  ol  ^agiöaioi  exrjgmzwv  avzov'  el  tgeöziv 
dvögl  yvvaixa  djcoXvaai,  JieigäC,ovzeg  avzov.  o  öe  dxo- 
xgifhelg  eljiev  avzoig'  z'i  vfilv  evezeiXazo  Movörjg;  ol  de 
ebtav  ejtezoetyev  Mcovorjg  ßißXiov  ajioozaolov  ygdxpai 
xal  anoXvoai. 

e.  Ptolem.  EpTad  Flor.  ap.  Epiph.  Haer.  XXXIII,  4.  p.  217  D. 

öiaXeyofievog  xov  6  oa>zr)g  Jtgög  zovg  xegl  zov  ajioozaolov 
ovC,rjzovvzag  avzco,  p  6?}  djtoozdoiov  e^elvai  vevotuo&ezr)zo. 

f.  Ephraem  Syr.  Ev.  concord.  expos.  ed.  Mösinger  p.  162. 

Venerunt  et  accesserunt,  ut  eum  interrogarent:  licetne 
alicui  dimittere  uxorem  suam?  Respondit  eis  et  dixit: 
non  licet.  Dieunt  ei:  Moyses  pertnisit  nobis;  cur  ergo 
non  licet? 

Für  die  Perikope  von  der  Ehescheidung  Mt.  19,  2 — 9  =  Mc 
10,  2 — 12  lässt  Weiss  den  nach  seiner  Meinung  lediglich  aus  pe- 
trinischen Erinnerungen  geflossenen  Bericht  des  Marcus  die  letzte 
Quelle  sein.  Nur  für  Mt.  19,  9  =  Mc.  10,  11.  12  —  Lc.  16,  18  = 
Mt.  5,  23  statuiert  er  die  Abstammung  aus  dem  Urevangelium. 
Meine  Überzeugung  geht  dahin,  dass  nicht  nur  die  Schluss- 
gnome,  sondern  das  ganze  Gespräch  aus  den  Logia  stammt  und 


236  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

dass  Lc.  16,  18  als  Rest  der  urevangelischen  Perikope  auch  den 
ursprünglichen  Standort  ei'kennen  lässt,  wo  der  originale  Con- 
text  zu  suchen  war.  Für  diese  Auffassung  spricht  die  organische 
Zusammengehörigkeit  des  Ganzen,  ferner  die  Gewohnheit  des 
Lucas  zu  kürzen  und  von  längeren  Gesprächen  öfters  nur  die 
Spitzen  wiederzugeben,  sodann  der  gute  synoptische  Charakter 
des  Dialogs  und  endlich  das  Vorhandensein  zahlreicher  ausser- 
canonischer  Varianten  nicht  blos  Mt.  19,  9  =  Mc.  10,  11.  12  = 
Lc.  16,  18  =  Mt.  5,  32,  sondern  auch  für  das  vorausgegangene 
gesammte  Gespräch.  Namentlich  scheint  mir  in  der  von 
Ephraem  erhaltenen  Relation  ein  vollerer  Urtext  vorzuliegen, 
welcher  den  Eingang  des  Gesprächs  in  seiner  Ursprünglichkeit 
und  Lebendigkeit  besser  erkennen  lässt,  als  die  canonische  Dar- 
stellung der  beiden  ersten  Evangelien,  während  der  aus  Gen.  2,  18 
(LXX:  ov  xaXov  Eivai  xbv  av&Qonov  fiövov)  entnommene  Zu- 
satz: ort  ov  xalbv  eivai  xbv  av&Qoanov  novmxaxov ,  welchen 
Epiphanius  in  dem  Capitel  über  den  Manichäismus  als  Be- 
standtheil  der  dort  gegebenen  Relation  mittheilt,  den  Context 
stört  und  deshalb  nicht  als  ursprünglich  zu  erachten  ist.  Da- 
gegen repraesentiert  der  in  dieser  Relation  enthaltene  Ausdruck: 
ixßaXletv  xtjv  yvvalxa,  dem  wir  auch  im  Kindheitsevangelium 
(vgl.  die  Erläuterungen  zn  Mt.  1,  19)  als  Übersetzungs Variante 
von  ntr'sn~nx  nit?  neben  dem  canonischen  anoXvoai  xtjv  yv- 
valxa begegnen,  ein  werthvolles  Indicium  für  das  Vorhanden- 
gewesensein einer  hebräischen  Quelle  als  Grundlage  unserer  Pe- 
rikope. Dabei  ist  aber  in  Mt.  19,  3  der  Zusatz:  xaxa  näoav  ai- 
xiav  (=  Vulg.  quacumque  ex  caussa)  als  dem  Sprachgebrauch 
des  ersten  Evangelisten  angehörig  (vgl.  die  Erläuterung  zu  Mt. 
19,  10)  von  dem  Quellentexte  auszuscheiden,  wie  er  denn  auch 
in  den  aussercanonischen  Parallelen  zu  Mt.  19,  3  sich  nirgends 
findet. 

Mt.  19,  8".  4  =  Mc.  10,  6. 

a.  Cod.  Cantabr.  Mt.  19,  18b.  Mc.  10,  6. 

an  ctQXV*  d*s  °^x  sytvexo  ovxcog'  —  anb  6h  agxfjc  agösv 
xal  ti-rjXv  knoirjaev  6  &s6g  xal  einer. 

b.  Hom.  Clem.  111,  54.  p.  bl^Tb. 

an    aQXVQ  7^0  ovxwq  ovx  lyivexo'  6   yäg  xxtoac   an 
aQXVQ  *ov  av&Qconov  agoev  xal  &rjXv  enoitjoev  avxov. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  19,  8.  4  =  Mc.  10,  6.  237 

c.  Mc.  10,  6. 

äjtb   ös    ccqxtJQ    xxiöscoq-   agosv    xal     d-ijXv   sjtöiqosv 
avxovq. 

d.  Epiph.  Haer.  LXVI,  56.  p.  668  B. 

an    dgx?]q  ös  ov  ysyovsv  ovxcoq,  aXX  o  jrott]Oaq  agosv 
xal  d-ijXv  sjtohjösv  xal  sijcsv. 

e.  Mt.  19,  8b.  4. 

an'  aQziJQ   ös   ov   ysyovsv  ovxojq'    ovx  avsyvons  oxc  < 

jtoirjoaq  ax    dgxfjq  agosv  xal  O-rjXv  S3toh]0sv  [avxovq 
Syr.  Cur.  om.]  xal  slnsv. 

f.  Athenag.  Leg.  33.  p.  44  ed.  Schwartz. 

oxi   sv  oQxfj  o  &soq  sva  avöga  sjcXaOsv  xal  fiiav  ywalxa. 

Aus  der  Vergleichung  der  aussercanonischen  Parallelen  er- 
sieht man,  dass  der  erste  Evangelist  den  Urtext  vollständiger 
erhalten,  aber  auch  die  Trennung  der  beiden  Textbestandtheile 
vollzogen  hat,  die  Mc.  10,  6  als  Einheit  erscheinen,  dass  dagegen 
Marcus  den  bei  ihm  einheitlich  erhaltenen  Text  gekürzt  und 
zusammengezogen  hat.    Der  Urtext  lautete: 

dx    ccgx^q    ovrcog  ov   yiyovsv  =  lyivsxo   (Hom.    Clem., 

Cod.  Cant.) 
[aXX*]   6  Jtoirjoaq  =  xxioaq  (Hom.  Clem.)  xov  dvd-goonov 

agosv  xal  d-rjXv  sJtoirjOsv  avxov. 

Bei  Wiederherstellung  dieses  Urtextes,  wie  ihn  die  Vergleichung 
der  clementinischen  Homilien,  des  Epiphanius  und  des  Cod. 
D  an  die  Hand  giebt,  schwinden  alle  Schwierigkeiten  des  Textes, 
und  man  erkennt  ysyovsv  (Mt.,  Epiph.)  =  iytvsxo  (Cod.  D,  Hom. 
Clem.)  =  fin"1!"},  sowie^oT^öa«;  (Mt.,  Epiph.^xtTöac  (Hom.  Clem.) 
=  ntT«?  unschwer  als  Übersetzungsvarianten,  xxiösooq  aber  Mc. 
10,  6  als  Rest  der  Lesart  6  xxioaq  bei  der  durch  Marcus  vor- 
genommenen Textkürzung.  Athenagoras  hat  noch  die  Va- 
rianten iv  doxij  (=  djt  dox^q  =  Dbi2?ft),  sjiXaös  (=  sjtoirjOs  — 
Sn2),  avöoa  (  agosv  =  IDT),  ywalxa  (=  d-rjXv  =  !"Dp3),  ab- 
weichend von  dem  mit  der  Septuaginta-Übersetzung  von  Gen. 
1,27  übereinstimmenden  neutestamentlich- canonischen  Text.  — 
Mars  hall  (Expositor  1891.  November  p.  380  f.)  will  die  Ver- 
schiedenheiten zwischen  dem  Matthäus-  und  Marcustext  folgender- 
massen  lösen: 


238  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Mt.  19,  4.   6  Jtoifjoaq  an    dg%7Jq      =  «IST  j6l*  yo 
Mc.  10,  6.  djco  de  dgxfjq  xrioeooq  =  «"nm  *6l«  ftt. 

Mt.  19,  5*.  6*  =  Mc.  10,  8. 

a.  Clem.  AI.  Strom.  III,  6,  47.  p.  532. 

vfielg  de  ovx  dveyvmre.  ort  rc}  Jiga>rojiXdorca  o  deog  einer'' 
eoeo&e  ol  ovo  eiq  odgxa  fiiav; 

b.  GenX24b.  LXX. 

xal  eoovrai  ol  ovo  eiq  odgxa  fiiav. 

c.  Epiph.  HaerTLXVI,  56..  p.  668  B. 

xal  eoovrai  ol  ovo  sie,  odgxa  fiiav. 

d.  Mc.  10,  8~ 

xal  eoovrai  ol  ovo  eiq  odgxa  fiiav,  wäre  ovxeri 
elolv  ovo  aXXd  fiia  odgg. 

e.  Mt.  19,  5b.  6». 

xal   eoovrai   ol   ovo    eiq   oagxa   (liav,    a>öre    ovxe'ri 

elolv  ovo  aXXd  odg§  ftia. 

Ebenso  wie  in  dem  vorhergegangenen  Satztheile  sind  hier 
Übersetzungsvarianten  zu  dem  hebräischen  Quellentexte:  1*>!Ti 
ins  "NDHb  kaum  möglich.  Der  Zusatz':  ooore  ovxin  elolv  ovo 
aXXä  ftia  odg$,  —  dürfte  eine  Zugabe  des  Mc.  und  vom  zweiten 
in  das  erste  Evangelium  übergegangen  sein.  Auf  völlig  freier 
Citation  beruht  das  —  auf  beiden  Seiten  von  anderen  Evange- 
lienworten unseres  Abschnittes  umgebene  —  Citat  des  Clemens 
AI.  mit  den  Jesu  in  den  Mund  gelegten  Worten:  vfielq  de  ovx 
dveyvmre  xrX.  (vgl.  ovx  dviyvcare  Mt.  19,  4)  und  der  Anrede 
eoeo&e. 

Mt.  19,  5*  =  Mc.  10,  7. 

a.  Gen.  2,  24a.  LXX. 

evexev,  rovrov  xaraXeiipei  av&gmscoq  xov  jearega 
avrov  xal  ri/v  firjrega,  xal  jcgoöxoXXrjd-rj o erat  xgoq 
ri]v  yvvalxa  avrov. 

b.  Cod.  Cantabr.  Mc.  10,  7. 

evexev  rovrov  xaraXeiipei  dvfrgmjzoq  rbv  Jtarega 
xal  rt]v  firjrega  tavrov  xal  jtgooxc  X  Xiy  fr  r'j  Gerat  ütgoq 
rtjv  yvvalxa  avrov. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  19,  5.  6  =  Mc.  10,  8.  7.  9.       239 

c.  Eph.  5,  31. 

dvxl  xoixov  xazaXelipsi  dv&QOJjtoq  xov  xaxiga  xal 
xrjv  (ii)XEQa,  xal  jiQooxoZlrj&TjOErai  t#  yvvaixl. 

d.  Epiph.  Haer.  XXXIII,  9.  p.  225  B. 

Elxd  cprjöiv  dvxl  xovxov  xaxalsityei  avftoojjtoq  xov 
jiaxdoa  avxov  xal  x?)v  (irjzEoa  avxov  xal  xoXXrj- 
&qösxai  xi]  yvvacxl  avxov. 

e.  Epiph.  Haer.  LXVI,  56.  p.  668  B. 

dvxl  xovxov  xaxaXEiipEi  dvd omxoq  xov  jtaxiga  av- 
xov xal  xtjv  (iTjxtQa  avxov  xal  xoXXij&rfösxai  xf] 
yvvaixl  avxov. 

f.  Mt,  19,  5a. 

tvsxa  xovxov  xaxaXeitysi  av&oatjioq  xov  jtaxiga  xal 
xi]v  (it]Xboa  xal  xoXXrj&t  osxai  x%  yvvaixl  avxov. 

g.  Mc.  10,  7. 

e'xexev  xovxov  xaxaXsiipEi  av&gwjtoq  xov  Jtaxiga 
avxov  xal  xrjv  fitjxiga  avxov. 

Der  alttestamentliche  Text  von  Gen.  2,  24:  »,'»-nr^  13-5? 
"iflttJSO  pD/tt  iTE»-riN';  ^n»-DK  ist  in  den  neutestamentlichen  Pa- 
rallelen wesentlich  nach  der  Übersetzung  derLXX  wiedergegeben 
Die  vorhandenen  Übersetzungsvarianten:  %vexev  xovxov  —  dvxl 
xovxov  =  13"b?,  ferner  ^Qoq^x^v^  yvvalxa^  avxoi  =  xfj  yvvaixl 
avxov  =  irupsa  —  sind  untergeordneter  Art. 

Mt,  19,  6b  =  Mc.  10,  9. 

a.  Clem.  AI.  Strom.  III,  6,  46.  p.  532. 

firj  jtstgäö&ai  öiaXvEiv  o  övviC.svt-Ev  o  &eoq. 

b.  Clem.  AI.  Strom.Tn7l2T83.  p.  549. 

ov  ydg  dv  6  övviC.Evgsv  6  d-soq,  ötaXvOEiiv  jioxe  dv- 

&QG)JlOq. 

c.  Cod.  Cantabr.  Mt.  19,  6b. 

o  ovv  6  &Eoq  OvveCev^ev  Elq  iv,  av&gatjtoq  (tr}  djto- 
X<oqiC,exod. 

d.  EpipLÜaer.  LXVI,  56.  p.  668  B. 

xal  Ev&vq  EJtt(peQEi  Xiywv  eI  ovv  o  &Eoq  övviC,EV§EV. 
dv&QQ)jioq  (tri  xconiCtxo). 


240  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

e.  Const.  VI,  14.  p.  174,  10. 

(pdoxei  yäo  xal  o  xvyioq  oxi  a  o  fteoq  ovviCt vgev.  av- 
&Qmjioq  ku?)  x^QtCsra). 

f.  Clera.  AI.  Strom.  III,  6,  49.  p.  533. 

avxoq  de  ovxoq  6  xvgioq  Xiysi'  o   6   &s6q  ovvsCtvssv, 
av&na)jtoq  (irj  x<^QiC,ixa). 

g.  Epiph.  Haer.  XXXIII,  4.  p.  218.   Ptolem.  ep.  ad  Flor. 

&eoq  ydp,   <prjoi,   GvveCsvZs    xavxrjv   xijv  övCvyiav,   xal  6 
övve^Evgev  oxvgivq.  dvd-Qoxoq,  \<pr\^  ft/j  ^coptCfTö?. 

h.  Mc.  10,  9. 

o  ovv  o  0-eoq  6vvtC,evsev,  av&gcojioq  fiy  xoiqiCitco. 

i.  Mt.  19,  6b. 

o  ovv  6  &toq  ovve'C,sv§sv,  apfroa)xoq  fit)  xeopt^iTco. 

Hier  tritt  nun  der  die  Scheidung  erleichternden  mosaischen 
Gesetzgebung  das  neutestamentliche  Herrengebot  gegenüber,  so 
dass  die  Antithese,  ähnlich  wie  in  der  Bergpredigt,  hätte  lauten 
können:  Mmvoi/q  /ihv  enexoeipsv  cbtoXvoai  xtjv  yvvalxa'  syoj 
de  Xtyca  vfilv  xxX.  Als  auf  ein  neutestamentliches  Herrengebot 
beruft  sich  auch  Paulus  auf  unser  Logion  1.  Cor.  7,  10:  xolq  61 
yeyafiTjxoöiv  jiayayyeXXm,  ovx  sy<6  dXX'  6  xvQioq,  yvvalxa  axo 
dvöobq  fi/}  x°>Qio&ijvai  —  zugleich  ein  Beweis,  dass  der  Apostel 
den  ganzen  Abschnitt  in  seiner  Evangelienquelle  las.  Denn 
das  Stichwort  xconi^siv  findet  sich  in  dem  Logion  Mt.  19,  9  = 
Mc.  10,  11.  12  =  Lc.  16,  18  =  Mt.  5,  32,  welches  Logion  einzig 
und  allein  nach  Weiss  aus  der  vorcanonischen  Quelle  stammen 
soll,  nicht  vor.  Also  bezieht  sich  Paulus  auf  Mt.  19.  6^  —  Mc 
10,  9,  indem  er  für  das  vorauszusetzende  Quellenwort  THS?7  mit 
Mc.  und  Mt.  dieselbe  Übersetzung  ymoitsiv  verwendet,  wofür 
sich  im  Cod.  D  axoxcool&iv,  bei  Clemens  AI.  öiaXveiv  findet. 
Die  Varianten  d  und  o  gehen  wie  so  oft  auf  das  hebräische 
-HDS  zurück.  Der  Zusatz  des  Ptolemäus  in  der  Epistola  ad 
Floram:  &eoq  ovveCsv^s  xavxtjv  x?)v  övCvyiav  ist  selbstverständ- 
lich als  eine  aus  haeretischer  Tendenz  entstandene  Umgestaltung 
des  Textes  zu  erkennen. 


Text«  und  Untersuchungen  zu  Mt  19,  6.  8  =  Mc.  10,  9.  5.         241 

Mt.  19,  8»  =  Mc.  10,  5. 

a.  Mc.  10,  5. 

6  de  'irjöovg  dx&v  avxolg'  ngog  xrjv  GxXTjQoxaoÖiav 
Vficöv  IfQcapsv  vfilv  tw  kvxoXrjv  xavxrjv. 

b.  Clem.  AI.  Strom.  III,  6,  47.  p.  532. 

JiQog  xrjv  GxXr}Qoxao6iav  v/iZv,  g>t)oip,  o  Aloiofjc 
xavxa  eyoatyev. 

c  Epiph?  Haer!  XXXIII,  9.  p.  224  D. 

g)äoxsi  yao  o  xvoiog  Iv  x<p  evayyeXiq?  oxi  Moovoije  trocctpt 
xaxa  xfjv  6xXi]QOxagdiav  vfimv. 

d.  Epiph.  Haer.  LXVI,  56.  p.  668  B. 

xal  o  xvQtoq  JtQog  xovg  qxxotoaiovg  xov  hXtyyov  inupt- 
qcov  eXeye  Mcovoijc,  xaxa  xrjv  öxXqooxandiav  v/icöv 
syQatyGV. 

e.  Honi.  Clem.  III,  54.  p.  51,  13. 

jcXijv  xaXiftrj  xov  vofiov  siöotg  Saööovxaioig  xvv&avo- 
fjt'poic,  xa&'  ov  Xoyov  Mwvofjg  zjtxa  owexojgrjoev  yaftstv, 
ttprj'  Ma>vöi}gxazäzi}v  oxXrjQoxaQÖiavvfjmv  ^jtixQSipsv 

VfllV. 

f.  Epiph.  Haer.  XXXIII,  4.  p.  217  D.  Ptolem.  ep.  ad  Flor. 

£<pt]  avxolg  ort  Mcovör/g  xobg  x^v  axXrjQoxaQÖiar 
vfimv  ijrt'TQeipe  xo  ajioXvuv  xi)v  yvvalxa  avxov. 

g.  Mt.  19,  8»T~ 

Xt'yci   avxolg'   oxi  Movarjg   jcoog   xrjv  oxXrjQoxaoölav 
vficöv  hoiEXQEtysv  vfilv  djtoXvoai  xag  ywalxag  vfiwv. 
h.  Ephraem  Syr.  Ev.  concord.  expos.  ed.  Mösinger  p.  162. 

Moyses,  ait,  propter  duritiam  cordis  vestri  permisit 
vobis,  sed  ab  initio  creationis  hoc  non  fuit. 

Auf  eine  aussercanonische  Quelle  weisen  im  Weiteren  die 
clementinischen  Homilien  hin,  wenn  sie  das  Gespräch  über 
die  Ehescheidung  (Hom.  III,  54)  in  engste  Verbindung  setzen 
mit  der  Streitrede,  welche  die  Sadducäer  angeregt  hatten  durch 
das  Beispiel  von  dem  Weibe,  welches  nach  einander  von  sieben 
Brüdern  geehelicht  ward.  Es  ist  in  der  That  nicht  unwahr- 
scheinlich, dass  der  betreffende  Abschnitt  (Mc.  12,  18—27  =  Mt 
22.  23—33  =  Lc.  20,  27—40),  welcher  (trotz  Weiss)  sicherlich 
aus   den   Logia  stammt,   erst  durch   Marcus  umgeschaltet 

Texte  u.  Untersuchungen  X,  2.  16 


242  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

und  in  den  letzten  Aufenthalt  Jesu  zu  Jerusalem  verlegt  und 
nach  diesem  Vorgang  des  Marcus  auch  von  den  beiden  anderen 
Evangelisten  in  diesem  nicht  ursprünglichen  Zusammenhang 
wiedergegeben  worden  ist,  während  der  ursprüngliche  Standort 
durch  Lc.  16,  18  markiert  sein  könnte,  wo  in  der  Frage  nach 
der  Ehescheidung  und  durch  das  Gleichniss  von  dem  reichen 
Mann  und  seinen  fünf  Brüdern,  sowie  überhaupt  in  den  Er- 
läuteiungen  über  die  Giltigkeit  von  Gesetz  und  Propheten  ver- 
wandte Stoffe  zu  finden  sind.  Man  vgl.  die  Erläuterungen  zu 
Mt.  5,  17.  Einem  Anklang  an  unsere  Stelle  begegnen  wir  noch 
bei  Justin  Dial.  c  Tryph.  c.  46.  p.  265 AB:  öia  xo  öxXrjoo- 
xdoöiov  xov  Xaov  vfi<av  ndvxa  xa  xoiavxa  evxäXfiaxa  voslxe 
xov  &eov  öiä  Mcovöitoq  kvxuXdfisvov  v/Jlv. 

Mt.  19,  9»  —  Mc.  10, 11  —  Lc.  16, 18»  =  Mc.  5,  32». 

a.  Clem.  AI.  Strom.  II,  23,  144.  p.  506. 

t)  YQcupi}   —  vo(io&txsr   ovx    djioXvoscg   yvvalxa   xXrjv 
et  fit)  Ijtt  Xoyco  noovsiag. 

b.  Mt.  5,"  32». 

xag  o  djtoXvcov  [Syr.  Cur.,  Cod.  Cantabr.  oe  av  djzoXvorjl 
rrjv   yvvalxa  avxov    xaosxxog    Xoyov  xooveiaq,    jcoul 

c.  Theophil,  ad  Autol.  III,  13. 

xäi    oq  dxoXvei    yvvalxa    xaQsxxog  Xoyov  xoQVsiaq, 
jcoul  avx))v  (loixw&TJvat. 

d.  Clem.  AI.  Strom.  III,  6,  47.  p.  532. 

o)Gxs  6  äjtoXvov  xtjv  yvvalxa  xmolg  Xoyov  jtonvziag 
xoieI  avxrjv  ftotX£vd-^vai.. 

e.  Mt.  19,  9*. 

öc  av  djcoXvot]  xfjv  yvvalxa  avxov  [irj  Im  jtoovsia 
xa\  ya[/?]6%  aXXrjv,  fioixäxai. 

f.  Diatessaron  ed.  Ciasca  p.  46*. 

quicunque  dimiserit  uxorem  suam,  sine  fornicatione, 
et  aliam  duxerit,  exponit  eam  adulterio. 

g.  Athenag.  Legat.  33.  p.  44  ed.  Schwartz. 

og  yag  av  djcoXvOr],  (prjoi,  xr/v  yvvalxa  avxov  xal  ya- 
(it'jOfj  aXXtjv,  (lot.xäxai. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  19,  9.  243 

h.  Mc.  10,  11. 

oq  av  dxoXvOq  xrjv  yvvalxa  avxov  xal  ya/i^o?t]  aXXrjv, 

yLOLXÖLTai  kx   avtrjv. 
i    Herrn,  Mand.  IV,  1,  6.  p.  78,  10. 

kav  6h  djtoXvoaq  xqv  yvvalxa  exe'qov  yafitjöt],  xal  av- 

xoq  poiyaxai.. 
k.  Clera.  AI.  Strom.  II,  23,  145.  p.  506. 

kav  yaQ  xiq  djtoXvoq  yvvalxa,  fiotxäxai  avxrjv. 
1.  LcTl6,  18». 

näq  o  ajtoXvov  xtjv  yvvalxa  avxov  xal  yaficov  Exsoav 

ftoix&vei. 

Hier  liegt  wieder  einmal  das  Zwei-Quellen- Verhältniss  für 
das  erste  Evangelium  offen  zu  Tage;  denn  der  Text  zu  Mt.  5,  32 
=  Lc.  16,  18  ist,  wie  von  Lucas,  so  von  dem  ersten  Evangelisten 
direkt  aus  den  Logia  entnommen;  dagegen  stammt  Mt.  1.9,  9 
direkt  aus  Mc.  10,  11,  indirekt  freilich  auch  aus  der  letzten 
Evangelienqaelle,  den  Logia.  Die  Übersetzungsverschiedenheiten 
in  der  Construktion:  jcaq  o  cmoXvtov  =  oq  av  äjtoXvo%  =  ~b3 
nishsn  (erstere  Version  hebraisierend,  letztere  gracisierend)  ist 
bereits  oben  zu  Mt.  5,  22  erläutert  worden.  Übersetzungs- 
varianten sind  ferner  jtXfjV  ti  firj  kxl  Xoyco  —  xaQExxoq  Xoyov  = 
'/cogiq  Xoyov  ==  firj  im  =  "liaT'Sy  *l$iki  ebenso  aXXrjv  —  exeqov, 
in  welcKer  letzteren^*  ariante  auf  bemerkenswerthe  Weise  Her- 
mas mit  Lucas  übereinstimmt.  Aber  auch  uolxevei  =  fiotxäxai 
=  jtoul  [ioiyEv9-T]vai  sind  jedenfalls  verschiedene  Ausflüsse  des- 
selben Urtextes. 

Mt.  19,  9*  —  Mc.  10, 12  =  Lc.  16, 18b  =  Mt.  5,  32b. 

a.  Clem.  AI.  Strom.  II,  23,  145.  p.  506. 

o  6e  anoXEXvfiivriv  Xa(/ßava>v  yvvalxa  fiotxäxai,  ptjöiv. 

b.  Cod.  Ephraemi  (C)  Mt.  19,  9*. 

xal  o  djtoXsXvutvtjV  yajirjöaq  fiotxäxai. 

c.  Mt.  5,  32b. 

xal  oq  kav  ajtoXEXvfiEVtjv  yafii'iöy,  fiotxäxai. 

d.  Just.  ApoTl,  15.  p.  62  A. 

xal  oqyafiEldxoXeXvftEVi/v  d <p  exeqov dvöoo q,  fiotxäxai. 

10* 


244  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

e.  Theopml  ad  Autol.  DJ,  13. 

xal  oYafimv^rjoiv^äjtoZelviibvyi'  dsto  dvögbg  fioixevei. 

f.  Lc.  16, 18b. 

xal  6  dxoXeXv(isvi]v  dsto  dvdgog  yafimv  /loiyevei. 

g.  Diatessaron  ed.  Ciasca  p.  46a. 

et  qui  dimissam  duxerit,  moechatur. 
h.  Mt.  19,  9b. 

xal  6  djtolEXvfiivijv  yafirjoag  (joixcctai. 
i.  Cod.  Cantabr.  Mc.  10,  12.  "~v 

xal  kav  yvvrj  t^eldy]  djto  rov  jxvÖQog xal  aXXov  yatu7j0rj, 

[ioixaxai. 
k.  Cod.  Coloert  Mc.  10,  12.  p.  54.  ed.  Belsheini. 

et  mulier  si  reliquerit  virum  et  alii  nupserit,  moechatur 

super  iflum. 

1.  CodrCantabr!  Lat.  Mc.  10,  12. 

et  si  mulier  exiet  a  viro  et  alium  duxerit,  moechatur. 

m.  Mo.  10,  12. 

xal  hdv  avrf)  djioXvöaoa  xbv  dvöga  avvig  ya^rjO^i  aXXov, 

HOiyäxai. 

In  dem  aussercauonischen  Texte  des  Clemens  AI.  6  Xapi- 
ßdvcov  jyvvalxa  =  fiE'Bk  Ü  fiü'T^rrrS!  njJ'jn  ==  o  yagjw  liegt 
dWHebräische  offen  zu  Tage,  und  zwar  im  Unterschied  von  dem 
Aramäischen,  welches  3p3  wie  das  Spät-Hebräische  8tD2  in  diesem 
Falle  gebraucht.  Die  gut  griechische  Version  des  hebräischen 
HB»  nj55,  welches  die  übrigen  Parallelen  in  yajieTv  bieten,  findet 
sich  in  dem  ganzen  Sprachgebiet  der  LXX  nicht  vor.  Vielmehr 
übersetzen  die  LXX  z.  ß.  Gen.  6,2:  DTOJ  Dr6  Wp*1  =  eXaßov 
iavxoJg  yvvalxag.  Die  Construktion  in  den  verschiedenen  Über» 
Setzungen  von  HEK  T10T}  =  o  Xafißdvov  yvvalxa  =  ojmimv  = 
o  yafirjoag  =  oq  yaftel  —  og  kav  yafit'joj}  wechselt  wie  öfters. 
Ebenso  wechselt  hier  fiotxao&ai  mit  (ioix^vbiv  wie  in  der  ersten 
Hälfte  des  Logion.  Wenn  in  vielen  Handschriften  zu  Mt.  19.  9b 
die  zweite  Hälfte  fehlt,  so  wird  wohl  anzunehmen  sein,  dass  der 
Redaktor  des  ersten  canonischen  Evangeliums  sie  weggelassen 
hat,  dagegen  werden  die  ältesten  Abschreiber  nach  der  Über- 
lieferung aus  dem  Urevangelium  sie  wieder  ergänzt  haben.  Wenn 
wir  mit  Delitzsch  rückübersetzen  imö^näJl  =  ajioXtXvfiivtjv, 
so  ergibt  sich  mit   Rücksicht  auf  die  erste  Hälfte  des  Logion, 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  19,  10.  11.  245 

in  welcher  das  niDT  "QT"by  "'P^  durch  die  verschiedenen  grie- 
chischen Versionen  als  ursprünglich  erwiesen  ist,  für  die  zweite 
Hälfte  in  bestimmter  Weise  der  Sinn,  dass  der,  welcher  die  um 
Ehebruchs  willen  Geschiedene  heirathet,  selbst  die  Ehe  bricht. 
Die  Abwandelung  dieser  zweiten  Hälfte  des  Diktum,  wie  sie  bei 
Mc.  vorliegt,  ist  sicherlich  nicht  die  ursprüngliche  Textgestalt 
und  von  Weiss  (Marcusev.  S.  334)  jedenfalls  richtig  beurtheilt. 

Mt.  19, 10. 

a.  Clem.  AI.  Strom.  III,  6,  50.  p.  534. 

$av  ovrcog  y  /}  alz  La  zijg  yvvavx.bg,   ov  6v(ig>£oei  zw 
dvd-QooTKO  yafirjoat. 

b.  MtiSTioT" 

el  ovzmq  hozlv  r\  alzia  zov  avd-owjtov  [Syr.  Cur.,   Cod. 

Cantabr.:  avÖQog]^  fieza  zijj^yvvaixog,  ov  ov[np£oei  ya- 

UTJoai. 
c.  Epiph.  Haer.  XXI.  5.  p.  59  C. 

sl  ovzmg    i)   alzia  zov    dvöqoc   xal    zf\g   yvvaixoq,   ov 

öVfiwtQsi  ya/irjöai. 

Dass  wir  mit  Mt.  19,  10—12  ein  Gebiet  betreten,  welches 
nicht  aus  dem  Urevangelium  stammt,  sondern  dem  ersten  Evan- 
gelisten eigen thümlich  ist,  beweist  schon  der  Sprachgebrauch. 
Denn  der  Latinismus  alzia  =  caussa  =  res  gehört  nicht  zu  dem 
Sprachgebiete  der  den  synoptischen  Evangelien  zu  Grunde  lie- 
genden alten  Versionen  des  Urevangeliums,  ist  uns  dagegen  schon 
Mt.  1 9,  3  in  einem  Zusatz  von  der  Hand  des  ersten  Evangelisten 
begegnet.  Hier  aber  handelt  es  sich  nicht  blos  um  einen  Zu- 
satz; vielmehr  ist  der  Sinn  des  ganzen  Satzes  von  alzia  bestimmt 
und  abhängig.  Folglich  stammt  der  ganze  v.  10  von  der  Hand 
des  Redaktors.  Diese  Thatsache  aber  gibt  einen  Fingerzeig  zur 
Beurtheilung  auch  der  folgenden  Verse  v.  11.  12,  welche  auf  v.  10 
sich  gründen. 

Mt.  19, 11. 

a.  Epiph.  Haer   LXVI,  77,  p.  697  C. 

jiArjoovzai  zo'  ov  jtdvzeg  "^coqovoiv. 

b.  Epiph.  Haer.  XXI,  5.  p.  59  D. 

6  öh  Jtoog  avzovg  l<piy  ov  Jtdvzeg  %Q)Qovöi,  zovzo. 


246  Aussercanonische  Paralleltexfce  zu  Mt.  und  Mc. 

c.  Just.  Apol.  I,  15.  p.  62  A. 

jtXfjV  ov  jtavxeq  xovxo  xcoQOVOtv. 

d.  Clem.  AL  Strom.  III,  i,  1.  p.  509. 

OV  JCUVXBC  XCOQOVCt  xov  Xoyov  xovxov. 

e.  Clem.  AL  Strom.  III,  6,  50.  p.  534. 

TOTS    O    XVQLOQ    £(f>T]'    OV  31<XVX£C  XCOQOVOl    TOP  XbyOV  XOV' 

xov,  dXX'  oiq  öeöoxai. 

f.  Mt.  19,  11. 

o   de   elstev    avxolg'    ov   jiäixeg  xwqovöiv    xov   Xöyov 
xovxov,  dXX>  olg  öidoxcu  [Syr.  Cur.  add.:  vno  d-eov). 

g.  Aphraates  Hom.  XVIII,  9.  p.  297.  ed.  Bert. 

wie  unser  Herr  sagt:  Es  kann  es  nicht  jedermann  be- 
greifen, sondern  wem  es  gegeben  ist. 
In  den  griechischen  Übersetzungen  der  Logia  sind  wir  dem 
Verbum  %coQ£lv  in  der  Bedeutung  IgtQxeo&ai  =  &r>  begegnet. 
Vgl.  die  Paralleltexte  und  Erläuterungen  zu  Mt  15,  17b.  Hier 
aber  tritt  dasselbe  Verbum  in  der  metaphorischen  Bedeutung: 
capere,  intelligere  auf.  Diesem  unserm  Verse  steht  das  johan- 
neische  Logion  Joh.  16,  12  am  nächsten:  exi  jtoXXa  %x<n  Xiyeiv 
vftlv,  aXX'  ov  övvaode  ßaoxaöcu  anxi.  Aber  gleichwohl  ist  der 
Unterschied  gross,  er  ist  in  dem  agxt  gegeben,  wodurch  eine 
Geheimlehre  ausgeschlossen  ist.  Dagegen  ist  in  Mt.  19,  11  eine 
bleibende  Geheinilehre  angedeutet,  in  einer  Weise,  durch  welche 
man  an  die  Fortpflanzung  gnostischer  Geheimlehren  erinnert 
wird,  für  welche  es  aber  im  ganzen  Umkreis  der  canonischen 
Evangelientradition  kein  weiteres  Beispiel  gibt.  —  Die  Citierung 
unsers  Verses  in  einer  dem  canonischen  Texte  nahe  kommenden 
Form  ist  ein  neuer  Beweis  dafür,  dass  Justin  mit  dem  ersten 
Evangelium  wohl  bekannt  war,  wenn  auch  der  Text  desselben 
noch  nicht  allenthalben  fixiert  sein  mochte. 

Mt  19, 12. 

A.   Allgemein, 
a.  Julius  Cassianus  neui  lyxoaxuaq  y  Jttol  evvovxiccg  ap.  Clem. 
AI.  Strom  III,  13,  91.  p.  552.  553. 
ei  yao  i)v  jcaga  &eov,  dg  öv  07cev6o(iev,   t\  xoiavxr/  öia- 
oxevrj  [sc.  i)  oftiXla  xov  aQQtvog  xccl  xijg  &qXeiac\,  ovx  av 
efiaxaniöev  rovc  evvovyovg. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mi  19,  12.  247 

B.  Die  Verschneidong  um  des  Himmelreichs  willen. 

b.  Tertull.  de  monogamia  c.  3. 

ipse  domino  spadonibus  aperiente  regna  caelorum,  ut  et 
ipso  jspadone. 

g.  Pseudo-Clem.  de  virginitate  Ep.  I,  1.  p.  5.  ed.  Beelen. 

(fratribus)  virginibus  beatis,  qui  dedunt  se  servandae  vir- 
ginitatein  propter  regnum  caelorum,  et  sororibus  vir- 
ginibus sacris  (sit  vobis)  ea  quae  in  Deo  est  pax. 

d.  Pseudo-Clem.  de  virgin.  Ep.  I,  2.  p.  5. 

Unicuique  virginum  (fratrum  aut  sororum),  qui  vere  statue- 
nmt  servare  virginitatem  propter  regnum  caelorum, 
necessarium  est  caelorum  regno  usquequaque  dignum  esse. 

e.  Eus.  H.  E.  VI,  8, 2.  p.  208, 8.  ed.  Schwegler. 

xo  yaQ'  elolv  evvovxoi  olxiveq  evvovxLOav  savxovq 
öiä  tt}v  ßaöiXeiav  xmv  ovQavwv,  axXovoxegov  xal 
veavtxcoxegov  kxXaßmv  Ofiov  fiev  omxr/Qiov  (pcovijv  ajto- 
jcXzjqovv  olofievoq  [sc.  3Q,Qiyivrjq]  .  .  .  xrjv  öcoxtjqiov  <p<D~ 
vifv  SQyoiq  emxeXioai  coQfirj&q. 
£  Epiph.  Haer.  XXI,  5.  p.  59  D. 

elol  yaQ  evvovyoi,  olxiveq  evpov%ioav  savxovq  öia 
xrjv  ßaöiXeiav  xmv  ovQavmv. 

C.  Zwei  Arten  von  Eunuchen. 

g.  Clem.  AI.  Strom.  III,  1,  1.  p.  509.  Basilides. 

elol  y<xg  evvovxoi,  oi  fiev  ex  yevexr\q,  ol  de  e|  av ayxr\q. 

D.  Drei  Arten  von  Eunuchen. 

h.  Epiphanes  ap.  Epiph.  Haer.  XXXII,  4.  p.  21  ICD. 

[o  EmgxxvTjq]  Xeycov,  coq  ev  x<p  evayyeXlq)  en<pioexai  xov 
ocQxr/Qoq  tpaoxovxoq  xgelq  fiev  evvovyovq  elvai,  xov  6h 
Ig  av&Qamcov  evvovxt^ofsevov,  xal  xov  exyevexrjq,  xal 
xov  6id  xTJv  ßaöiXeiav  xcöv  ovoavmv  lavxov  txovoicoq 
evvovx'ioavxa. 

i.  Epiph.  Haer.  XXV,  6.  p.  81 A. 

xo  vjio  xov  owxiJQOq  UQ7jfitvov  oxi  elolv  evvovxoi, 
oixiyeq  evvovxlo&rjoav  vjio  xöjv  äv&Qcoxwv'  xal 
elolv  evvovxoi,  oi  ex  yevexijq  e'ytvvrjfrTjoav    xal  elolv 


248  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

evvovxoi,  otxtveg  evvovxioav  tavxovg  öiä  xrjv  ßa- 
oiXslav  xojv  ovoavojv. 

k.  Just.  Apol.  I,  15.  jr.  62  A. 

xar  elol  xiveg  ol'xiveg  evvovxio&tfOav  vjid  xojv  äv- 
üqojjiojv,  elol  öe  oi  eyevvi}&rjoav  evvovxoi,  elol  öe 
oi  evvovxioav  tavrovg  öiä  xijv  ßaoi Xeiav  xojv 
ovoavojv. 

1.  Epiph.  Haer.  LVIII,  3.  4.  p.  491  ABD. 

elol  yäo,  (pijoivy  evvovxoi,  oi  ex  xotXiag  firjxQÖg  avxojv 
hyevvrj&>]Gav  -*-  eiolv  öe  evvovxoi  vjio  xcöv  äv- 
froojjtojv  evvovxtö&evxsg,  <pr)ölv  6  oojx/'jq'  —  xal  elölv 
evvovxoi,  ol'xiveg  evvovxioav  eavxovg  öiä  xr\v  ßa- 
oiXeiav  xojv  ovoavojv. 

m.  Mt.  19,  12. 

elolv  yäg  evvoixol>  ol'xiveg  ex  xoiXlag  (trjxQog  iytvvq- 
&Tjöav  ovxcog,  xal  elolv  evvovxoi,  oixtveg  evvovxio&rj- 
öav  vjto  xojv  äv&oojnojv,  xal  elolv  evvovxoi,  ol'xiveg 
evvovxioav  eavxovg  öiä  xijv  ßaoiXelav  xojv  ov- 
govojv. 

Auch  mit  den  Ausdrücken  evvovxi&iv  —  castrare,  ev- 
vovxog  =  BTp&do  steht  der  erste  Evangelist  innerhalb  der  ge- 
sammten  Evangelienliteratur  völlig  isoliert,  und  unter  allen 
canonischen  Lehrschriften  ist  es  allein  die  judenchristlich  ge- 
richtete chiliastische  Apokalypse,  welche  eine  Parallele  bietet. 
Vgl.  Apoc.  14,  4:  ovxoi  eloiv  oi  (iexä  yvvaixojv  ovx  ifioXvvd-7jOav. 
Der  Apokalyptiker  geht  aber  insofern  noch  über  den  ersten 
Evangelisten  hinaus,  als  er  auch  die  eheliche  Geschlechtsgemein- 
schaft an  sich  als  eine  Befleckung  (iioXvvec>&ai)  bezeichnet.  Doch 
darin  sind  beide  Parallelen  sich  gleich,  dass  den  evvovxoi 
des  ersten  Evangelisten  und  den  xaa&evoi  des  Apokalyptikers 
im  Reiche  Gottes  eine  bevorzugte  und  erhabene  Stellung  zuge- 
wiesen wird.  Dass  auch  sprachlich  die  Ausdrücke  evvovxoi  und 
jcag&evoi  als  durchaus  gleichbedeutend  sich  erweisen,  geht  aus 
der  pseudo-clementinischenSchrift  de  virginitate  hervor. 
Denn  die  virgines,  welche  ihre  virginitas  wegen  des  Himmel- 
reichs bewahrten,  sind  doch,  wie  der  Ausdruck  propter  regnum 
coelorum  bezeugt,  abgeleitet  von  den  evvovxoi  Mt.  19,  12.    Man 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  19,  12.  249 

vgl.  dazu  die  Bemerkung  des  Herausgebers  Beelen  (Pseudo- 
Clementis  epistolae  binae  de  virginitate  ed.  Beelen  1856),  welcher 
zu  dem  Ausdrucke  virginibus  beatis  =  virginibus  sacris  bemerkt: 
Graece :  *xolg  ftaxagioig  jtccQfrevoig,  xalg  hgatg  jiaQ&tvoig.  Ni- 
mirum  in  seriore  Graecitate  vox  jcccQ&ivog  usurpari  solebat  etiam 
de  maribus,  qui  caelebem  vitam  viverent.  Cf.AetniliumPortnm  ad 
Suidam,  sub  voce  "AßeX. 

Aus  der  Äusserung  des  Enkratitenhauptes  Julius  Cassi- 
anus:  kfiaxaQiosv  xovg  svvov%ovg  und  der  Bezeichnung  virghes 
beatae  (=  (laxagioi  jtaQ&ivoi)  bei  Pseudo- Clemens  könnte  man 
vermuthen,  dass  der  Spruch  Mt.  19,  12  frühzeitig  schon  in  der 
Form  eines  Makarismus  verbreitet  war.  Solche  apokryphische 
Makarismen- Bildungen  nach  Art  der  echten  Makarisinen  waren 
häufig.  Vgl.  die  enkratitische  Makarismen -Reihe  in  den  Actis 
Pauli  et  Theclae  Agrapha  S.  433.  Und  in  der  That  mundet 
diese  Serie  von  Makarismen  zuletzt  als  ihren  Abschluss  in  eine 
Seligpreisung  der-  jtaQd-tvoi  aus:  [taxaQia  xä  oolfiaxa  xa>v 
jtctQ&evoDv  xai  rä  jcvevfiaxa,  oxi  avxol  evaQeoti'jöovoi  xcp 
&£<p  xal  ovx  äjtoXiöovoiv  xbv  ftio&ov  avrcäv  x^g  ayveiag.  Vgl. 
Agrapha  S.  434.  Aus  allen  diesen  ParalMen,  zu  welchen  noch 
dasCitat  des  Häretikers  Epiphanes  (h)und  des  Montanisten  Ter- 
tullian  kommt  (b),  ersieht  man,  wie  frühzeitig  in  den  verschie- 
denen häretischen  und  namentlich  enkratitischen  Richtungen  das 
Wort  Mt.  19,  12  ausgenutzt  worden  ist.  Dass  es  aber  nicht, 
wie  Mt.  16,  18,  erst  später  in  den  Text  des  ersten  Evangeliums 
eingedrungen  ist,  sondern  von  der  Hand  des  ersten  Evangelisten 
selbst  herrührt,  dafür  spricht  ausser  der  sprachlichen  Analyse 
(s.  oben)  namentlich  auch  das  Citat  bei  Justin,  welches  mit 
dem  canonischen  Texte  in  einer  Weise  zusammentrifft,  wie  es  in 
den  Justin  sehen  Evangeliencitaten  höchst  selten  ist.  In  dem 
einen  Eipphanius-Citate  (i)  sind  mehrere  Abweichungen  wahr- 
nehmbar, darunter  für  die  Phrase  Ix  xoikiag  fir/xQog  die  Lesart 
Ix  yevexTJg,  welche  sich  auch  bei  Clemens  Alexandrinus  und 
bei  Epiphanes  finden. 

Dass  dieses  Wort  von  den  Eunuchen  (=  jtaQ&tvoi)  nicht 
iui  Urevangelium  gestanden  hat,  dafür  bürgt  in  entscheidender 
Weise  Paulus.  Hätte  er  es  in  demselben  gelesen  oder  hätte  er 
auch  nur  auf  dem  Wege  mündlicher  Überlieferung  davon  Kunde 
gehabt,  nimmermehr  hätte  er  geschrieben:  xeqI  öe  xeov  jtaQ&tvmv 


250  Ausaercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

ijritayrjv  xvqiov  ovx  ex03'  1.  Cor.  7,  25.  Seine  persönliche  Mei- 
nung berührt  sich  so  nahe  mit  der  Rede  der  Jünger  nach  Mt.  19, 
10:  ov  ov(i<peQ£i  yau/jöac.  Vgl.  1.  Cor.  7,  36b:  6  öe  fiij  yapiCwv 
xoeftwov  Jtoul.  Aber  ein  Wort  des  Herrn,  das  er  für  s%ine  per- 
sönliche Meinung  hätte  anführen  können,  besass  er  nicht. 

Der  judaistische  Untergrund  für  das  Wort  bezüglich  der  drei 
Klassen  von  Verschnittenen  ist  übrigens  unverkennbar  und  dem 
judenchristlichen  Charakter  des  ersten  Evangeliums  entsprechend. 
Die  Rabbinen  unterscheiden  seris  (C^IO,  evvovxoq)  chamah  (i.  e. 
eunuchus  solis  ==  naturae,  ex  yeverijq),  seris  adam  (per  homines) 
und  seris  bide  schamaim  (eunuchus  dei).  Vgl.  Keim,  Jesus  von 
Nazara  VII,  28,  1. 

Über  die  Identität  von  virgo  =  jtaodevoq  =  spado  =  ev- 
vovxog  vgl.  man  Pistis  Sophia  p.  67:  tvye  Johannes,  jtaQ- 
&evoq,  qui  aogetq  in  regno  lucis.  Tertull.  de  monog.  c  17: 
Johannes  aliqui  Christi  spado.  Pseudo-Clemens,  de  virgin. 
1,  6,  3:  Deinde  Johannes,  qui  super  pectus  domini  nostri  recu- 
bavit,  quem  valde  diligebat,  is  quoque  virgo  fuit.  neque  enim 
sine  caussa  dominus  noster  illum  diligebat.  Darnach  sind  die 
jrag&evoi  des  Apokalyptikers  und  die  evvovx01  des  ersten  Evan- 
gelisten zu  beurtheilen.  Auch  ein  Passus  aus  der  Schrift  de 
resurrectione  c.  3  p.  589  D  gehört  hierher:  aXXa  xal  /itJ  (Steigal 
(iev  ig  ccQXV^i  Jiagd-evevovoai  öe,  xarr/gyr/öav  xal  rrjv  Cvvov- 
oiav  exegai  öe  xal  ajto  xqovov.  xal  rovq  aggevaq  öe  rovq  fiev 
an  agX^q  nag&evevovraq  ogcöfiev,  rovq  de  ajcb  xqovov,  (öore 
öi    avrcöv  xaraXveo&ai  rbv  öi   em&vfiiaq  avofiov  yä(iov. 

Schliesslich  sei  noch  darauf  hingewiesen,  dass  auch  der  Apo- 
kalyptiker  für  die  Nichtzugehörigkeit  von  Mt.  19,  12  zur  vor- 
canonischen  Quelle  Zeugniss  ablegt.  Denn  da  er  die  letztere  in 
ausgiebiger  Weise  benützt  hat,  so  würde  der  Einfluss  von  Mt.  19, 
12  in  sprachlicher  Hinsicht  irgendwie  hervortreten  müssen.  Dies 
ist  aber  Apoc.  14,  4  trotz  aller  sachlichen  Verwandtschaft  nicht 
der  Fall.  Es  sind  also  Mt.  19,  12  und  Apoc.  14,  4  zwei  selbst- 
ständig erwachsene  Reiser  nicht  aus  ur  evangelisch  er,  sondern 
aus  judenchristlicher  Wurzel. 

Mt  19,  12c. 

a.  lgn.  ad  Smyrn.  VI,  1.  p.  88,  11. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  19,  12.  20, 1,  3.  5.  0.  251 

b.  Pseudo-Ign.  ad  Smyrn.  VI.  p.  246,  20. 

6  xmQ^v  Xa)QB^'t(X)i  <>  dxovcov  dxovixa. 

c.  Mt.  19,  12°. 

6  övvdfisvog  xtaQ^v  X^Q8^03- 

Es  sind  zwei  freie  Abwandelungen  von  Mt.  19,  1*2°,  welche 
die  Ignatianen  und  Pseudo-Ignatianen  hier  bieten. 

Mt.  20, 1. 

a.  Epiph.  Haer.  XLV,  4.  p.  390  B. 

dXX-a  xal  jcdXiV  dvrjg  xtg  olxoösOjrox7jg  sycov  afisit X(o- 
va  egrjlfre  C?]xd>v  soydxag  slg  xov  djijisXcöva. 

b.  Mt.  20,  1. 

Oftola  ydg  söxcv  i)  ßaoiXsia  xwv  ovoavdiv  dvihgcojtco 
olxoÖEOxoxy,  ooxig  s$f}X&ev  afia  üiqoh juö&ajoao&cu 
soydxag  slg  xov  dfucsXcöva  avxo~ 

Das  Gleichnis  Mt.  20,  1 — 16  trägt  vollständig  den  Charakter 
der  vorcanonischen  Quelle.  Siehe  den  guten  Nachweis  nament- 
lich in  sprachlicher  Hinsicht  bei  Weiss,  Matthäus  S.  442.  443 
in  den  Anmerkungen.  Epiphanius  führt  in  dem  Capitel,  wel- 
ches von  den  Severianern  handelt,  in  aphoristischer  Weise  den 
Anfang  der  beiden  Gleichnisse  Mt.  21,  33—41  und  Mt.  22,  1—16 
kurz  nach  einander  an.  Beide  Male  hat  er  dvrjQ  rig  oixoösojroxt/c. 
Ob  diese  Variante  sowie  das  C,rjxojv  und  die  Weglassung  der 
einleitenden  Worte  6/iola  ydg  söxiv  rj  ßaoiXsia  xmv  ovgavdiv  auf 
einer  aussercanonischen  Recension  des  Gleichnisses  beruht,  oder 
aus  der  aphoristischen  Citations weise  entstanden  ist,  lässt  sich 
nicht  entscheiden. 

Mt.  20,  3.  5.  6. 
a.  Iren.  I,  1,  3. 

dXXa  xal  km  xrjg  jiagaßoXijc  xojv  sie  xov  dfixsXcäva 
jtstujto[isvojv  sgyaxcöv  <paol  (sc.  oi  OvaXsvnviavol)  <pavs- 
Qcoxaxu  xovg  xgidxovxa  xovxovg  almvag  f/sftf/vvoOai.  xtfi- 
jcovxat  ydg  oi  (isv  Jttpl  jiqcoxtjv  ojoav,  oi  ös  Jteol  xq'i- 
xtjv,  oi  ös  ücsqI  s'xxt]v,  oi  ös  jieq!  svvdx?]v.  aXXoi  ös 
jteQi  svösxdxrjv.  avvxid-ifisvai  ovv  ai  jtQoeint/ph>ai  cbocti 
elg  savxdg  xov  xo3v  xoidxovxa  dgi&fjov  dvaxXijQOVoi. 


252  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

b   Epiph.  XLV,  4.  p.  390  B. 

xal  jisqI    TQiztjv   cQQav  xal    txxfjv  xctl    £vax7jv    xäl 

kvöexärrjv. 
c.  Mt.  20,  3.  5.  6. 

xal  t$,eZ&cbv  jieqI  xoixrjv  cooav  —  TcaXiv  öh  h&Zd-mv 

xeol   ixxtjv  xal  kvaxqv  moav  —  jcsqI  6b  xijv  tv6e- 

xäxrjv  [cooav]  tgeZ&cov. 

Nach  der  Nennung  der  verschiedenen  Stunden,  wie  sie  aus 
Citat  b  ersichtlich  ist,  lässt  Epiphanius  das  Gleichniss  wieder 
fallen,  und  macht  es  uns  damit  unmöglich,  ein  Urteil  über  seine 
Quelle  zu  gewinnen.  Auch  die  Verwerthung  des  Gleichnisses 
durch  die  Valentinianer,  von  welcher  uns  Irenaeus  berichtet, 
bietet  keine  Ausbeute.  Bei  ihnen  spielen  lediglich  die  Zahlen 
eine  bedeutungsvolle  Rolle.  Und  damit  hing  wahrscheinlich  zu- 
sammen, dass  man  XQCot  durch  jiqcoxt)  mga  ersetzte,  um  die 
praecise  Summe  von  dreissig  zu  gewinnen,  mit  welcher  Zahl  die 
Valentinianer  ihre  Aeonenlehre  verknüpften.  Auch  der  Austausch 
von  jitfineiv  (Valentin)  =  äjtooxtZXetv  (Mt.  20,  2)  lässt  bei  der 
Trivialität  dieser  Synonyma  keinen  Rückschluss  zu  auf  ernstliche 
Übersetzungs Varianten,  obwohl  selbstverständlich  ftblD  in  jedem 
Fall  zu  Grunde  lag.  Erwähnenswerth  ist  aber  noch  die  Variante 
£ioev,  welche  Cod.  D.,  Orig.  und  eine  Anzahl  Itala- Handschriften 
vertreten  anstatt  elösv  Mt.  20,  3.  Vgl.  Deut.  23,  15,  wo  die  Sep- 
tuaginta  Codices  nsn  mit  oqüv  übersetzen,  während  es  Cod.  Oxon. 
mit  bvqLgxelv  wiedergiebt.  Ebenso  wechselt  evQtGxetv  und  löslv 
als  Übersetzung  von  HiO  in  Jud.  18,  9. 

Mt.  20, 10. 

a.  Mt.  20,  10. 

e?.&6vxe$   6s   ol  Jtocoxoi    svofiiöav   oxi   tnXsiova  Xrjfi- 
ipovxai. 

b.  Orig.  in  1.  Reg.  de  engastrimytho  ed.  Jahn  1886.  p.  18. 

ol  6s  jiqcöxoi  cpovxo  oxi  xXslov  xi  Xtjipovxai. 

c.  Orig.  in  libr.  Regg.  hom.  2.  Opp.  II,  498. 

ol  6h  jiqwxol  q,ovxo  oxi  nXslov  Xyipovxai. 

Wenn  Weiss  (Matthäus  S.  443  Anm.  2)  zu  ivofuoav  auf  das 
(ti]  vo/ilotjxe  in  Mt.  5,  17;  10,  34  verweist,  als  zum  Sprachgut  der 
vorcanonischen  Quelle  gehörig,  so  hat  er  nur  insofern  Recht,  als 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  20, 10.  13.  253 

der  Sprachcharakter  derjenigen  Version  des  Urevangeliums,  wel- 
cher der  erste  Evangelist  folgte,  vofiiCeiv  bevorzugt.  Dagegen 
bietet  Lc.  12,  51  (=  Mt.  10,  34)  und  ebenso  Isidorus  Pelusiota 
zu  Mt.  5,  17  anstatt  vofiiorjxe  die  Übersetzungsvariante  öoxslxt, 
welche  sicherlich  auf  iQipnp  zurückzuführen  ist  Vgl.  oben  S.  78. 
Ähnlich  verhält  es  sich  auch  hier  mit  der  von  Origenes  ver- 
tretenen aussercanonischen  Variante  cpovxo  (—  kvöftioav).  Denn 
wenn  man  2ttjn  mit  dem  folg.  Infinitiv  und  1s  als  Quell  wort  vor- 
aussetzt, so  gewinnt  man  einen  dem  Sinn  der  Stelle  vorzüglich 
entsprechenden  Urtext:  rinpb  !Dt?rP5  =  movxo  ==  evofuoav  öxi 
Xrjtyovxat.  Vgl.  z.  B.  1.  Sam.18,  25:  b^Bfi^arin  "=  LXX:  IXoyi- 
oaxo  kfißalelv.  Weder  Delitzsch  noch  Salkinson  noch  das 
Londoner  N.  T.  haben  diese  naheliegende  Rückübersetzung  be- 
nützt, obwohl  es  gerade  um  ein  Berechnen  (aon)  sich  handelt. 

Mt.  20, 13. 

a.  Syr.  Cur.  Mt.  20,  13. 

o   de    axoxQi&slq   stjtev  evl   avxmv  kxalos,  fifj  f/oi 
xbnovq  jtaqsx8'  ovyi  ör/vaglov  övvsrpojvqoäq  fioi; 

b.  Mt.  20,  13. 

6  6h  astoxgid-t-lq  tvl  avxcov  elizev  ovx  aöixm  osm  ovy) 

örjvanlov  owBfpmvrjodq  (toi; 

Die  von  Tischendorf  nicht  erwähnte,  erst  von  Baethgen 
in  seiner  Ausgabe  des  Syrers  Curetons  ans  Licht  gestellte  Va- 
riante zu  Mt  20,  13:  (irf  fioi  xoxovq  nageye  —  trägt  den  ausge- 
prägten Stempel  des  Urevangeliums  an  sich.  Nur  so  erklärt  es 
sich,  dass  diese  Redeweise,  welche  Lc.  1 1,  7  wörtlich  so  wie  hier 
vorhanden  ist,  auch  im  ersten  canonischen  Evangelium 
uns  überrascht.  Beide  Evangelisten  haben  an  den  bezüglichen 
Stellen  aus  urevangelischen  Abschnitten  geschöpft.  Auch  die 
weiteren  Parallelen:  xi  avxfj  xoxovq  jraoeyext;  Mc.  14,  6  =  Mt 
26,  10,  sowie  öiä  ye  xb  xageyetv  fioi  xoxovq  Lc.  18,  5  stammen 
aus  derselben  Quelle.  Aus  dieser  Quelle  hat  auch  Paulus  sein: 
xojtovq  fioi  fttjöelq  Jiageytxco  Gal.  6,  17.  Es  rauss  daher  die 
frühere  Tendenzkritik,  welche  aus  der  Identität  von  Gal.  6,  17 
und  Lc.  11,  7  die  Abhängigkeit  des  dritten  Evangelisten  demon- 
strierte, hier  vor  der  Thatsache  verstummen,  dass  dieselbe  Rede- 
weise durch  die  älteste  syrische  Übersetzung  im  ersten  canoni- 
schen Evangelium  —  und  zwar  sehr  sinngemäss  —  vertreten  ist. 


254  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Ale. 

Mt.  20, 15. 

a.  Ephraeui  Syr.  Ev.  concord.  expos.  ed.  Mösinger  p.  177. 

Aut  non  habeo  potestatem  in  domo  mea  faciendi  quae 
volo? 

b.  Mt.  20,  15. 

tj  ovx  egeönv  fioi  o  freXm  xoitjoai  ev  xolq  eftoiq; 

In  dem  aussercanonischen  Texte  Ephraems  ist  das  Haus- 
recht des  Hausherrn  noch  schärfer  ausgedrückt  als  in  der  ca- 
nonischen Relation.  Gleichwohl  sind  potestatem  habeo  =  Igov- 
oiav  %xeiv  asssa  &&1vai  xivi  (=  övvaod-ai),  und  ebenso  ev  xolq 
ku.olq  —  in  domo  mea  lediglich  Übersetzungsvarianten.  Zu  po- 
testatem habere  =  övvao&at  vgl  die  Erläuterungen  zu  Lc.  12,  5 
und  zu  den  Synonymen  xd  tu-d  =  olxoq  (iov  das  Logion  17  in 
den  Agrapha  S.  103,  wo  ebenfalls  ol  efioi  —  ol  vlol  xov  olxov 
uov  =  in'O  "^a  als  Übersetzungsvariante  auftreten.  Dieselben 
Varianten  finden  wir  zu  Lc.  2,  49. 

Mt.  30,  20.  21  =  Mc.  10,  35.  36.  37. 

a   Marcosii  ap.  Iren.  I,  21,  2. 

aXXd  xal  xolq  vlolq  Zeßeöaiov,  xrjq  pjxQoq  avxiov  aixov- 
(itvrjq  xo  xad-ioai  avxovq  ex  ötgtmv  xal  dgiöxeomv  u.ex' 
avxov  eiq  X7jv  ßaotXeiav,  xavxijv  jtooo&elvai  xi\v  dxoXv- 
XQOOGIV  xov  xvqiov  XeyovCiv. 

b.  Mt.  20,  20.  21. 

xoxe  3iQOOT]X&ev  avxm  rj  (irjxrjQ  xmv  vlmv  Zeßeöaiov  fiexa 
xmv  vlmv  avxrjq,  jtQOGxvvovda  xal  aixovod  xi  Jtag  avxov. 
6  de  eljtev  avxiy  xi  &eXeiq;  Xeyei  avxm'  eine  %va  xa&i- 
Omoiv  ovxoi  ol  ovo  vioi  fiov  elq  ex  öegimv  xal  elq  e$ 
evmvvfimv  oov  ev  xy  ßaoiXeia  oov  [Syr.  Cur.,  Diatessaron 
add.:  xal  ev  xij  öoj&i  Oov]. 

c.  Mt.  10,  35—37. 

xal  XQOGnooevovxai  avxm  'idxmßoq  xal  'imdvvqq  ol  vlol 
Zeßeöaiov  Xeyovxeq  avxm'  öiödoxaXe,  ß-eXofiev  iva  o  eav 
aixr(Om(iev  öe  oioifjöyc  qfilv  o  de  eBtev  avxolq  xi  friXexe 
(te  jcoitjom  vu.lv;  ol  öe  eljtav  avxm  öbq  r^ilv  iva  eiq  Gov  ex 
öefymv  xal  elq  oov  eg  dgiöxeomv  xa&iGm/iev  ev  xy  öo§y  Gov. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt  20,  15.  20.  21.  255 

Wenn  Weiss  den  Abschnitt  Mt.  20.  20— 28  =  Mc.  10, 35—45 
mit  Ausnahme  der  Verse  Mt  20,  25.  26  =  Mc.  10,  42.  43  =  Lc. 
22,  25.  26  nicht  auf  die  vorcanonische  Quelle  zurückfuhrt,  so 
spricht  schon  der  unlösliche  Zusammenhang  der  ganzen  Perikope 
mit  den  zwei  von  Weiss  ausgenommenen  Versen  dafür,  dass 
Weiss  an  dieser  Stelle  nicht  bis  zur  letzten  Quelle  vorgedrungen 
ist.  Es  ist  vielmehr  mit  Bestimmtheit  anzunehmen,  dass  der 
ganze  Abschnitt  aus  dem  Urevangelium  stammt.  Und  zwar  er- 
giebt  sich,  wenn  wir  den  Andeutungen  des  Lucas  folgen,  mit 
grösster  Wahrscheinlichkeit,  dass  es  die  laut  Lc.  22,  24  unmittel- 
bar nach  der  Abendmahlseinsetzung  unter  den  Jüngern  ausge- 
brochene, von  Lucas  nur  kurz  geschilderte  <piXovuxia  war,  welche 
in  dem  aus  dem  Urevangelium  geschöpften  Abschnitte  Mt. 
20,  20—28  ==  Mc.  10,  35—45  (=  Lc.  22, 25—27)  ihre  ausgeführte 
Darstellung  gefunden  hatte.  Wenu  man  erkannt  hat,  dass  die 
den  Jüngern  gegebenen  Verheissungen  von  dem  Essen  und 
Trinken  an  des  Herrn  Tisch,  in  seiner  ßaoiXeia  (Lc.  22,  28 — 30), 
naturgemäss  unmittelbar  an  den  eschatologischen  Schluss  der 
Abendmahlseinsetzungsworte  sich  anschlössen  und  mithin  vor 
Lc.  22,  24 — 27  gestanden  haben  werden,  so  war  die  Frage  nahe- 
liegend, wer  dann  von  den  Zwölfen  die  beiden  Ehrenplätze  zu 
Jesu  Seite  an  seinem  Tische  einnehmen  werde,  und  die  Bitte 
der  Zebedäussöhne,  dereu  einer  an  Jesu  Seite  beim  Abendmahl 
gelegen  hatte  (Joh.  13,  23:  r)v  öe  ävaxeiftevoc  Iv  reo  xoXjico  tov 
'JtjGov)  war  dann  psychologisch  durchaus  motiviert.  Lucas  fasste 
diese  Bitte,  wie  wir  sie  Mt.  10,  37  lesen,  sowie  den  Unwillen 
der  Jünger  {axov6avT.eg  ol  öixa  TjQ^avro  ayavaxxelv  Tteol  la- 
x<6ßov  xxX.  Mc.  10,  41  =  Mt.  20,  24)  in  die  Worte  zusammen: 
iyivEzo  öh  xal  qptXoveixia  kv  avxolq,  xo  xlq  avxcov  öoxel  slvat 
fiei^oav  (Lc.  22,  24)  und  gab  aus  der  quellenmässigen  Antwort 
Jesu  nach  seiner  sparsamen  und  oft  kürzenden  Weise  nur  die 
Worte  Lc.  22,  25.  27  =  Mc.  10,  42—44,  deren  quellenmässige 
Znsammengehörigkeit  mit  Mc.  10,  45  =  Mt.  20,  28  zu  Lc.  22,  27 
näher  erläutert  werden  wird.  Marcus  seinerseits  gab  zwar  den 
ganzen  Zusammenhang  des  Gesprächs,  aber  nicht  an  der  ur- 
sprünglichen Stelle.  Das  Motiv  zu  dieser  Umschaltung  der  Pe- 
rikope Mc.  10,  35 — 45  dürfte  in  dem  Wunsch  zu  suchen  sein, 
die  <piXoveixia  der  Jünger  aus  der  Nähe  der  Abendmahlsein- 
setzung zu  entfernen.     Rückt  man  sie  aber  wieder  an  die  Stelle. 


256  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

an  welche  sie  nach  den  Andeutungen  des  Lucas  gehört,  dann 
wird  man  erst  erkennen,  wie  das  grosse  Logion  Mc.  10,45  = 
Mt.  20, 28,  in  welchem  Jesus  seine  Selbsthingabe  als  Xvxqov 
avrl  JtoXXmv  ausspricht,  als  Schluss-  und  Höhepunkt  der  Abend- 
mahlsreden zu  fassen  ist,  ja  wie  dieses  Logion  die  Einsetzungs- 
worte erst  vollständig  erklärt.  Darüber,  dass  dieser  Herrenspruch 
Mc.  10,  45  =  Mt.  20,  28  mit  Lc.  22,  27  wesentlich  zusammenge- 
hört, vgl.  die  interessanten  aussercanonischen  Paralleltexte  und 
die  Erläuterungen  zu  Lc.  22,  27.  Während  nun  Lucas  den  Urtext 
zwar  kürzte,  aber  an  der  originalen  Stelle  stehen  Hess,  folgte 
der  erste  Evangelist,  wie  sonst  fast  immer,  der  Pragmatik  des 
Marcus  und  behielt  die  Stellung  der  Perikope  bei,  welche  die- 
selbe durch  die  Umschaltung  des  zweiten  Evangelisten  erhalten 
hatte.  Der  Redaktor  des  ersten  Evangeliums  geht  aber  in  der 
Umgestaltung  des  Urtextes  noch  einen  Schritt  weiter,  indem  er 
die  Person  der  Salome  einfügt,  welche  dem  originalen  Zusammen- 
hang bei  der  Abendmahlsstiftung  völlig  fremd  war.  Das  Motiv 
hat  Weiss  richtig  angegeben.  Es  galt,  den  Vorwurf  des  Ehr- 
geizes von  den  beiden  Lieblingsjüngern  abzulenken.  Dass  die 
Antwort  Jesu  auch  im  ersten  Evangelium  (ovx  o'töare,  ti 
alrslo&e  Mt.  20,  22)  nicht  auf  Salome,  sondern  auf  die  beiden 
Jünger  direkt  sich  bezieht,  beweist  die  fortgesetzte  Einwirkung 
des  Marcustextes  auf  den  Redaktor  des  ersten  Evangeliums. 
(Vgl.  Weiss,  Marcusevangelium  S.  354).  Die  Rolle  übrigens, 
die  letzterer  der  Salome  anweist,  hat  ihre  Weiterbildung  erfahren 
in  späteren  Gestaltungen  der  evangelischen  Geschichte,  so  im 
Ägypterevangelium  (vgL  Clem.  AI.  Strom.  HI,  6,  45.  p.  532, 
Agrapha  S.  385),  so  im  Protevangelium  Jacobi  (Protev.  Jac. 
XX,  4.  p.  39.).  Auch  in  der  üiöric  2o<pia  tritt  neben  der 
Maria  die  Persönlichkeit  der  JZaZoo/it]  als  Führerin  des  Gesprächs 
mehrfach  hervor.  An  unsrer  Stelle  vertreten  die  Marcosier  (bei 
Irenaeus)  dieselbe  Tradition  wie  der  erste  Evangelist. 

Man  sieht:  erstlich  die  primäre  Quelle  der  ganzen  Perikope 
liegt  hinter  den  drei  canonischen  Parallelen  Mt.  20,  20—28  = 
Mt.  10,  35 — 45  =  Lc.  22,  24 — 30  zurück,  sie  floss  aus  dem  vor- 
canonischen  Urevangelium;  zweitens  sekundäre  Bearbeitungen 
liegen  vor  einerseits  in  dem  gekürzten  Bericht  des  Lucas,  andrer- 
seits in  der  zwar  vollständigeren,  aber  auch  noch  gekürzten  und 
überdem   umgeschalteten  Darstellung   des  Marcus;   drittens   ein 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  20,  22.  23  =  Mc.  10,  38—40.    257 

tertiärer  Zug  zeigt  sich  im  ersten  Evangelium  durch  Einmischung 
der  Salome  in  den  übrigens  ziemlich  unverändert  beibehaltenen 
Bericht  des  Marcusevangeliums. 

Mt.  20,  22.  23  =  Mc.  10,  38-40. 

a.  Epiph.  Haer.  LXIX,  19.  p.  742  CD. 

xal  e<pr\  avxolg'  ovx  oiöaxe  xl  alxelöd-e .  övvao&e 
jiielv  xb  xorrJQLov,  o  fieXXco  xiveiv;  avxcov  öe  <pr}öäv- 
xcov  vai,  l(pr]  jigbg  avxovg'  xo  fiev  Jioxqgiov  fiov  Jti- 
eod-e'  xb  öe  xad-iöai  ex  öe^icov  fiov  xal  aoioxegcöv 
ovx  eöxiv  efibv  öovvai,  aXX*  oig  yxoifiaoxai  jcagä 
xov  JiaxQoq. 

b.  Mt.  20,  22.  23. 

ajioxQL&elq  öe  o  'Irjöovg  eljiev  ovx  oiöaxe  xl  alxelod-e. 
övvaod-e  jtielv  xo  siorr/giov,  o  eyco  fieXXco  jtlveiv;  Xe- 
yovötv  avxoj'  övvafiefra;  Xeyei  avxolg'  xb  fiev  xoxr\Qibv 
fiov  jtieofre  xo  de  xad-ioai  ex  ötsicöv  fiov  xal  eg 
evcovvficov,  ovx  haxiv  efibv  xovxo  öovvai,  aXX"  oig 
r/xolfiaoxüi  vjco  xov  jtaxoöq  (iov. 

c.  Mc.  10,  38—^0. 

6  de  Ifjoovg  elxev  avxolg'  ovx  oiöaxe  xl  alxelo&e .  öv- 
vao&e  jiielv  xo  noxtfoiov,  6  eyco  Jiivoo,  ?}  xb  ßäjtxiöfia, 
o  eyco  ßajcxlC,ofiai,  ßajrxiG&rjvai;  ol  öe  elotav  avxcß'  övva- 
fte&a.    o   öe    Irjöovg  elnev  avxolg-  xb  jzoxSjqiov,   6  eyco 
jcivco,  jtieo&e,  xal  xb  ßajtxiOfia,  o  eyco  ßajtxtC,ofiai,  ßajixi- 
ofhjöeofre'  xb  öe  xaO-ioai  ex  öegioov  fiov  r\  sg  evcovvficov 
ovx  eöxiv  efibv  öovvai,  aXXy  oig  ?)xoifiaoxcu. 
In  der  Antwort  Jesu  hat  der  erste  Evangelist  durch  Weg- 
lassung der  Worte  r)  xo  ßajtxiöfia,  o  eyco  ßajtxiCofiai,  ßajtxio^vai 
d  en  Urtext  wiederhergestellt.  Weiss  (Marcusevang.  S.  3  5  3,  Matthäus- 
evang.  S.  447)  hat  nämlich  richtig  erkannt,  dass  Marcus  den  Zu- 
satz, welcher  die  Leidenstaufe  Jesu  betrifft,  aus  einer  andern  Stelle 
des  Urevangeliums,  die  durch  den  dritten  Evangelisten  Lc.  12,  50 
im  Original  erhalten  ist,  herübergenommen,  also  auch  in  diesem 
Falle   eine  Umschaltung,    wenngleich    von   geringem   Umfange, 
vorgenommen   hat.     Dass   aber    die   Wiederausscheidung   dieses 
Zusatzes,  welcher  auch  in  dem  sub  a  mitgetheilten  Epiphanius- 
Citate  fehlt,  ein  Beweis  für  die  gleichzeitige  Benützung  des 

Texte  u.  -Untersuchungen  X,  2.  17 


258  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Urtextes  neben  dem  Marcustext,  also  auch  für  die  Abstammung 
der  ganzen  Perikope  aus  dem  Urevangelium  ist,  zu  dieser  An- 
erkennung hat  sich  Weiss  nicht  entschlossen.  Ein  alter  An- 
klang an  unsere  Stelle  findet  sich  Mart.  Polyc.  XIV,  2  p.  154,  11. 
Wenn  es  daselbst  heisst:  Xaßelv  fiEQoq  iv  ttp  Jtoxr}oicp  xov 
Xqigxov  —  so  ist  das  ein  Nachhall  aus  Mc.  10,  38  =  Mt.  20,  22. 
Die  --  übrigens  von  Tischendorf  nicht  notierte  —  Lesart  des 
Cod.  Colbert.:  baptismo,  quem  ego  baptizari  habeo  (anstatt  o 
kyco  ßajtxi^opai  Mt.  10,  39),  zeigt  noch  deutlich  die  Nachwirkung 
des  in  Lc.  12,  50  erhaltenen  Urtextes:  ßdjtttOfia  de  Eyot  ßax- 
TtGdfjvai.  Für  oiq  rjxolftaoxai  vjto  tov  jratoöq  fiov  hat  das 
Diatessaron  nach  Ciasca:  quibus  paravit  Pater  meus.  Vgl.  die 
aussercanonischen  Parallelen  ähnlich  zu  Mt.  25,  41. 

Mt.  21,  5. 

a.  Just.  Apol.  I,  35.  p.76C. 

xal  ort  y?/xcö^  xatiEGihjüoifevoQ  tnl  üttoXov  ovov  xal  eIge- 
XtvGofitvoq  tiq  xä  hoooöXh\ua  jtooE(pt']X£vxo,  exeqov  jtqo- 
cptjxov  xov  2o(fovlov  tag  xrfq-  JtgocprjXEiaq  Xt$,Eiq  ioovfiEV. 
eiol  ös  avxat  yalQE  otpödga,  frvyaxEQ  2ia>v,  x/]qvgge, 
d-vyaxsQ  lEQovGaltJif  Löov  o  ßaotXsvq  gov  iQxsxai 
Got  stoäoq,  tJiißtßrjxtoq  kril  ovov  xal  jttZXov  vlov  vjto^vyiov. 

b.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  53.  p.  273  A. 

jtQoaq-rjXtvi)-?]  öh  vjio  Zayaniov,  tvoq  xcöv  öcoÖExa,  xovxo 
fitXXtiv  ylvEGfrat  ovxmq'  yatoe  G(pödqa,  &vyax£Q  Sio'jv. 
aXaXagov,  xf/civoGe,  VvyaxEQ  (IeQ0VGaXr'jtw  iöov  6  ßa- 
GiXsvq  Gov  7]§£i  ooi  dixatoq  xal  Gco^cov  avxoq  xal  jioavg 
xal  xxcoybq,   EjnßEßr/xo)q  ejtI  vjtoCvyiov  xal  jto'jXov  ovov. 

c.  Sach,  9.  9.  LXX. 

X^oe  Gfpööna,  tyvyaxtn  2ti6v,  xqnvGGt,  &vyax£Q  7s- 
govGaXri fi-  Idol  6  ßaGtXEVqEQX^tai  ooi  öixaioq  xal  ow- 
C,a>v,  avxoq  XQavq,  xal  tmßEßf/xcbq  im  vjto^vyiov  xal 
jicöXov  veov. 

d.  Mt.  21.  4.  5. 

xovxo  öh  yiyovev ,  ira  JiXqowdf]  xo  qij&ev  dtd  xov  jcqo- 
(pt)xov  Xiyovxoq  ujtaxe  tfj  dvyaxol  Xio'yv  iöov  6  ßa- 
GtXsvq  oov  £Q%£xai  gol  JtQavq  xal  tJTißsßrjxcoq  ejcI  ovov 
xal  sjtl  x co Xov  vlov  vjto^vylov. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  21,  5.  259 

e.  Joh.  12,  14b.  15. 

xad-ojc  eoxiv  yeyoafif/Evov  fii]  (poßov,  &vyax?/Q  JEicöv 
löov  o  ßaoiXevq  oov  EQyExai  xa^rjfiEvoq  sjiI  JtmXov 
bvov. 

Im  Dialog  schliesst  sich  Justin  mit  seinem  Citat  wesent- 
lich an  den  Septuaginta-Text  von  Sach.  9,  9  an.  In  der  Apo- 
logie, wo  der  wahrscheinlich  durch  die  Abschreiber  entstandene 
Irrthum  vorliegt,  dass  Eocpoviaq  für  Zayagiaq  gelesen  wird,  ist 
der  Schluss  des  Citates  nach  dem  canonischen  Matthäus-Texte 
conformiert,  und  zwar,  wie  Bousset  (Die  Evangeliencitate  Justins 
des  Märtyrers  S.  35)  annimmt,  nicht  durch  Justin  selbst,  son- 
dern durch  spätere  Textüberarbeitung  — ,  eine  Erscheinung, 
welche  sehr  oft  die  Ursache  davon  sein  wird,  dass  die  vorcano- 
nische  Textgestalt  der  patristischen  Citate  uns  verloren  gegangen, 
ohne  dass  wir  den  Sachverhalt  wie  hier,  wo  in  der  Citations- 
formel  die  Worte:  Im  jiojXov  ovov  eine  andere  Übersetzung  als 
die  in  der  jetzigen  Textgestalt  des  Citates  nachfolgende  voraus- 
gesetzt ist,  so  genau  constatieien  können. 

Wie  variierend  die  Übersetzungen  von  Sach  9,  9  gewesen 
sind,  das  hat  schon  Origenes  hervorgehoben  im  Comm.  in 
Mt.  Tom.  XVI,  c.  16.  Opp.  III,  742:  %QV  ^£  yat  tovto  elöevcu, 
öxi  aevxe  JtEoixvyovxsg  exÖooeoi  xov  Zayaniov  jtaQa  itEV  rote. 
0'  xai  reo  Axvla  evqo^ev  x6' 
<LXX:)    avxoq  xoavq   xai  tjttßtß/jxcoq  tjrl  vjro^vyior  xai   jrcö- 

Xov   VEOV 
(Aquila:)  ?/  liti  ovov  xai  jtci)Xov  vlov  ovädouv. 
uiaoa  de  SeoÖoxlcovi'  avxoq  inaxovcov  xai  ejt(ßeßfjxa)q  tjti  ovov 

xai  jcojXov  vlov  ovov. 
jtapa  öe  ~vtituäyrp'  avxoq  Jixmydq  xai  EJTißEßf)xo)q  Exi  ovov  xai 

no~)).ov  vlov  ovaöoq. 
ev  öl  t?7  jtt\ujtT?]  exöÖoel'  avxoq  Jtxojyoc   xai  EjrißEß/jxatc  Irri 
vjcoC,vyiov  xai  jcojXov  vlov  ovov. 

Besonders  interessant  und  lehrreich  sind  dabei  die  Über- 
setzungen, mit  denen  das  hebräische  "»DJ?  des  Urtextes  wieder- 
gegeben wird.  Theodotion  steht  mit  der  Version  Ejraxovojv 
zu  Sach.  9,  9  zwar  ganz  allein;  aber  zu  Jes.  10,  30  geben  auch 
die  LXX  das  n^D?  mit  EJiaxovOExat  wieder.  Diese  Erscheinung 
hängt  damit  zusammen,   dass  die  LXX  auch   sonst  das  Verbuni 

17* 


260  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

H32  in  der  Bedeutung  respondere  mit  kjcaxoveiv  übersetzt  haben. 
Vgl  z.  B.  Hos.  2,  24:  H32n  f1Kffi=LXX:  xcu  r\  yrj  exaxovGsrcu. 
Neben  dieser  in  Sach.  9,  9  völlig  verfehlten  Version  kxaxovcov 
theilen  sich  die  übrigen  Übersetzer  in  die  Bedeutung  von  jtgavg 
und  jtrmyöq.  Diese  beiden  Übersetzungen  hat  Justin  in  seinem 
Dialogus-Citate  nebeneinander  aufgenommen.  Nach  diesem  Vor- 
gang ist  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  dass  die  beiden 
Makarismen:  fiaxagioi  ol.  Jtrmxoi  (Mt.  5,  3)  und  (iaxdgioi  61 
xgaelg  (Mt.  5,  4)  ursprünglich  nur  zwei  verschiedene  Versionen 
eines  und  desselben  Logion  (0^3571  "^TSi?)  gewesen  sind.  Vgl. 
die  Erläuterungen  zu  Mt.  5,  4. 

Die  wurzelverwandten  Adjektiva  ^32  und  132  unterscheidet 
Lagarde  in  der  Weise,  dass  er  (Mittheilungen  I,  81)  sagt:  132 
wäre  zunächst  ein  sich  duckender,  ^32  ein  geduckter.  (Vgl. 
auch  Gott.  Gel.  Nachr.  1881  S.  15.)  In  der  eingehenden  Unter- 
suchung über  ,^32  und  133?  in  den  Psalmen"  (Göttingen  1892), 
welche  Rahlfs,  durch  Lagarde  angeregt,  zum  Gegenstand  seiner 
Inaugural-Dissertation  gemacht  hat,  definiert  er  (S.  73)  so,  „dass 
132  in  Knechtsstellung  befindlich,  132  sich  in  Knechts- 
stellung versetzend  bedeutet".  Wenn  er  (S.  58)  sagt,  dass 
die  LXX  ^32  nie  durch  jcgavg  übersetzen,  so  beschränkt  sich 
diese  Behauptung  selbstverständlich  nur  auf  die  Psalmen-Über- 
setzung. Ausserhalb  des  Psalters  kommt  jigavg  bei  den  LXX 
nicht  blos  Sach.  9,  9.  sondern  auch  sonst  noch  öfters  vor.  (Vgl. 
Jes.  26,  6:  i?2  "»bSl  =  LXX:  jtoöeg  jzgatcov  — ,  Zeph.  3,  12:  Q2 
^32  =  LXX:  Xabv  ngävv.  Und  selbst  in  der  Psalmenstelle  Ps.  18, 
28,  wenn  man  die  Parallele  2.  Sam.  22,  28  mit  einbezieht,  ergeben 
sich  für  *i}5>  folgende  Übersetzungsvarianten:  rajceivog  (LXX)  = 
Jtivrjg  (Aquila)  =  Jtgäoq  (Symm.)  zu  Ps.  18,  28,  ferner:  Jtzcoyög 
(tXX  Vat.)  =  jcgavg  (andere  LXX-Codd.)  =  Jigäoq  (LXX  Lucian) 
zu  2.  Sam.  22,  28.  Wie  die  Begriffe  ^32  und^32~Tm  Kethib  und 
im  Kere  der  Masora  durch  einander  gehen  und  auch  in  den 
griechischen  Versionen  nicht  bestimmt  geschieden  sind,  darüber 
vgl.  man  Häring,  „die  Di*32  und  D^ISS.  im  Alten  Testament" 
(Theol.  Studien  aus  Württemberg  1884.'  S.  157—161.)  Ich  ver- 
misse darin  nur  die  Stelle  Prov.  22,  21:  i?2  iCir-bai  =  LXX: 
xal  (irj  <XTif/aGT]g  äo&svTJ  —  und  die  Übersetzungsvariante  xe- 
vcxpog  Ex.  22,  25.  Im  Übrigen  bestätigen  diese  Untersuchungen 
nur  die  Freiheiten  der  verschiedenen  griechischen  Übersetzer. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  21,  22  =  Mc.  11,  24.  261 

Zum  Schlüsse   sei   hier  als    eine   interessante  Parallele  an- 
gefügt: 

Orac.  Sibyll.  VIII,  324—328. 

XalQ,  ayvr\  &vyaxEQ  Hicov  xal  JcoXXa  jiafrovGa" 
Avxoq  Gov  ßaGiXevq  EJtißaq  sjiI  TimXov  eGayei, 
ügäoq  Jtäoi  cpaveiq,  iva  xoi  C,vyov,  ovjceq  vxJjfiev, 
AovXov,  övGßaGxaxrov,  eüi   avyEVi  xelfievov  «()#, 
Kai  fteOfiovq  äfreovq  XvGfl,  öeGfiovq  xe  ßialovq. 

Man  beachte  hierbei  die  schöne  Verschmelzung  der  Stellen  Sach. 
9,  9  =  Mt.  21,  5;  Mt.  11,  29;  Lc.  11,  46  =  Mt,  23,  4,  sowie  die 
Doppelsinnigkeit  des  xgaoq  =  *>29  aus  Sach.  9.  9  und  =  13r3>  aus 
Mt.  11,  29;  dabei  erinnere  man  sich  auch,  wie  diese  ganze  Dar- 
stellung der  Sibyllinen  mit  der  oben  zu  Mt.  11,  29.  30  (nament- 
lich S.  138)  gegebenen  Erläuterung  zusammentrifft.  In  der  letzten 
Verszeile  scheint  ein  (von  mir  bis  jetzt  noch  nicht  behandeltes) 
Agranhon  anzuklingen,  welches  sich  findet  Clem.  AI.  Strom. 
VI,  6,  44.  p.  762:  et  yag  öeöfiiot  tusv  'iovdaioi,  e<p  atv  xal  6  xv- 
gioq'  „st-s  X&exs,  eljiev ,  ex  rcöv  öeöficöv  oi  fteXovxEq* , 
xovq  exovGia>c  6eöe(j.evovq,  xal  ,tö  övGßaGxaxxa  (pogxia" 
fprjoiv. 

Mt.  21,  22  =  Mc.  11,  24. 

a.  Hom.  Clem.  IX,  11.  p.  96,8. 

jtdvxa  yaQ  x<p  jilgxevövxi  yivExai,  ämGxovvxi  de  ovöev. 

b.  Clem.  AI.  Strom.  VI,  9,  78.  p.  m~ 

xovxov  (pwvijv  xaxd  xi]v  Evjfjv  ovx  ävapepei  xvgioq'  ai- 
xTjöai,  Xeycav,  xal  tcoltjöco'  evvorj&iyxc,  xal  6coGa>. 

c.  Macar.  de  pat.  et  discr.  c.  8. 

atyevöfiq   yag   6    eixcop    oxi   Jtav    o   säv    alxr\Gr\xE  //£   kv 
JtQOÖEVXJj,   JCLÖXEVOVXSq   XrjipEG&E. 

d.  Ephr.  Syr.  Ev.  concord.  expos.  ed.  Mösinger  c.  16.  p.  189. 

Et  rursus:  Quodcunque  in  orationibus  vestris  in  fide  pe- 
tieritis  a  Deo,  dabo  vobis. 

e   Mt.  21,  22. 

xal  jtävxa  ooa  av  alxrJGrjTE  sv  x%  JtQOGEvxfh  jilGxev 
ovxEq  Xr)tyEG&E. 


262  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

f.  Mc.  11,  24. 

jiävxa  6oa  jcqo6svx£6&£  xai  alrslod-E,  niöTEveze  ozt 
tXdßexs,  xai  iozai  v/ulv. 

g.  Cassian.  Coli.  IX,  32.  p.  277. 

inretractabilis  namque  est  domini  nostri  illa  sententia:  quae- 

cunque  orantes  petitis,  credite  quia  accipietis,   et  ve- 

niet  vobis. 
h.  0£g.  in  Matth.  Tom.  XV,  25.   Opp.  III,  650. 

lav    Gxrjx?]TE    JiQOOevxöfiEVOL,    jtiöz£V£Z£   ozi    Xccfißa- 

v£Z£,  xai  /Lrjipso&s. 
i.   Aphraates  Hom.  I,  13.  p.  14.  ed.  Bert. 

Wiederum  spricht  er  zu  seinen  Aposteln:  Wenn  ihr  glaubet 

und   nicht  zweifelt,    so   gibt  es   nichts,   das  ihr  nicht   thun 

könnt. 

k.  Aphraates  Hom.  XXIII.  p.  4U3. 

und  er  spricht:   Es  gibt  nichts,    das    ihr  in  eurem  Gebete 

Gott  bitten  werdet,  das  er  euch  nicht  geben  wird. 
1.    Diatessaron  ed.  Ciasca  p.  58a. 

et  omnia  quae  petieritis  a  Deo  in  oratione  creden- 

tes,  dabit  vobis. 
m.  Cleraentina  Epitome  c.  157.  p.  801  ed.  Cotelerius. 

ort  Oqv  xai  zovzo   zö  Qrßta,  zo'  äjctQ  av  alzy6i]Z£  ju- 

6ZSVOVZ6C,    fo]tp£G&£. 

Nach  Weiss  (Marcusevangelium  S.  376.  377.  Matthäusevan- 
gelium S.  458)  ist  der  Spruch  Mc.  11,. 24  auf  Grund  von  Mt.  7, 
7  =  Lc.  11,9  aizüzE  xai  do&f/6£zai  v/xtv)  von  Marcus  selbst- 
ständig gebildet,  und  der  erste  Evangelist  soll  diese  freie  Um- 
schreibung einer  von  ihm  (eben  Mt.  7,  7)  bereits  gebrauchten 
Gnome  aus  Marcus  an  dieser  Stelle  noch  einmal  herübergenommen 
haben.  Angesichts  der  vorstehend  verzeichneten  zahlreichen  Pa- 
rallelen, welche  von  den  canonischen  Texten  z.  Th.  völlig  unab- 
hängig sind,  wird  man  nicht  umhin  können,  ein  selbstständiges 
Logion  neben  Lc.  11,  9  =  Mt.  7,  7  anzuerkennen,  ohne  dass  es 
freilich  gelingen  wird,  aus  -den  verschiedenen  Fassungen  die  Ur- 
gestalt  herauszuschälen.  Besonders  auffallend  ist  das  alzt'/07]Z£ 
fi£  bei  Macarius  sowie  das  dabo  bei  Ephraem  und  öwiöa)  bei 
Clem.  AI.,  bei  letzterem  das  sonst  völlig  unbekannte  Evvotföqzi 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mc.  11,  25.  Mt.  21,  43.  263 

freilich  noch  auffälliger.    Nestle  vermuthet  einen  Schreibfehler, 
etwa  für  östj&tjxi  oder  sonst  ein  ähnliches  Wort. 

Mc.  11,  25. 

a.  ign.  ad  Trall.  VIII,  2.  p.  50,  10. 

ftTjöeig  vficov  xaxä  xov  jtXrjoiov  lyixco. 

b.  Pseudo-Ign.  ad  Trall.  VIIL  p.  188,  25. 

(i?]<fcig  ovv  vficöv  xi  xarä  rov  nX?]Giov  hyExco'  äcpsrs 
ydg,  y>7]Giv  6  xvgiog  tjficöv,  xal  äqteti-rjöErcu  v {üv. 

c.  Mc.  11,25. 

xal   oxav   öxtjxexe   JcQoöevyofisvoi,    ä(pisre,    sc  xi  syexs 

xarä   rivog,   Iva  xal   6  xaxqg  vficöv  o  tv  xolg  ovgavolg 

ä(pii  vfilp  xd  jiagajtxcö^taxa  i>tic5v. 

Weiss  sieht  auch  in  Mc.  11,  25.  26  eine  selbstständige  Ge- 
dankenbildung des  zweiten  Evangelisten,  wenngleich,  auf  Grund 
echter  Herrensprüche.  Zu  den  echten  Ausdrücken  rechnet  er 
ei  xl  eyjxs  xaxd  xtvog  unter  Beziehung  auf  Mt.  5,  23  (eav  ovv 
jtgoorpEgyg  xo  Öojqov  oov  im  ro  {hvGiaGxf'jgiov  xdxsT  fiv?]0^7Jg, 
oxi  o  äöe/L(p6g  oov  eyei  xi  xaxä  oov).  Zu  Eysiv  xaxd  rivog 
(Mc.)  =  tysiv  xard  oov  (Mt.  5,  23)  hat  Ignatius  noch  als  dritte 
Parallele  lyeiv  xaxä  rov  jiXtjgIov.  Im  Hinblick  auf  1.  Tim 
2,  8,  wo  Zorn  und  Zweifel  (ogyn  xal  diaXoyiGpog)  vom  Gebet 
ausgeschlossen  sein  sollen,  möchte  ich  annehmen,  dass  den 
Sprüchen  Mt.  21,  21a  und  Mc.  11,  25,  welche  eng  verbunden  sind, 
ein  Logion  zu  Grunde  liegt,  welches  eben  beides,  den  Zweifel 
(jit)  öiaxQi&r/xe  Mt.  21,  21)  und  den  Zorn  {^rjöslg  Vfio5v  xaxä 
xov  JtX/joiov  kyixco  (Ign.,  Mc.  11,  25)  als  Gesinnungen  nannte, 
von  deren  Ausschluss  die  Erhörung  des  Gebetes  abhängig  ge- 
macht war.  Zu  Eystv  xaxd  xivog  vergleiche  man  noch  Col.  3,  13, 
wo  ganz  und  gar  der  Gedanke  von  Mc.  11,  25  vorliegt  und  der 
Ausdruck  Eysiv  Jtgog  xiva  vorkommt. 

Mt.  31,  43. 

a.  Anast.  Sin.  Quaest.  139.  p.  594. 

xal    jcdXiv    <pr\ol    jtgög    Iovöaiovg     dxt    dg&rjosxai  dy 
vftcövo  afiJiElojv,  xovxiOxL  r\  vopuxi{  yEwgyia  xal  XaxQEia, 
xal  öoft/jOExai  I&vei  Jtoiovvxc  xov  xagjzoi*  avxov. 


264  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

b.  Mt.  21,  43. 

öia  xovxo  Xiyco  vfilv,  oxi  do&ijöExai  dy  vficov  ?}  ßa- 
oiXsia  xov  &eov  xal  doft/jösxai  t&vsi  xoiovvxi  xovg 
xagjcovg  avxrjg  [Orig.  Opp.  III,  705:    avxov.]. 

Das  Gleichniss  Lc.  20,  9—18  =  Mt.  21,  33— 44  =Mc.  12, 1— 
11  lasst  Weiss  nach  seiner  ersten  Hälfte  Lc.  20,  9 — 13  =  Mt.  21, 
33 — 37  =  Mc.  21, 1 — 6  aus  der  vorcanonischen  Quelle  entnommen 
sein,  während  Lc.  20,  14— 17  =  Mc.  12,  7—11  =  Mt.  21,  38—42 
aus  einer  Bearbeitung  des  Mc.  entstanden  und  von  da  in  die 
beiden  anderen  Synoptiker  übergegangen  sein  soll.  Endlich  Mt. 
21,  44  =  Lc.  20,  18,  sowie  den  nur  bei  dem  ersten  Evangelisten 
zu  findenden  Spruch  Mt.  21,  43  weist  er  der  Quelle  zu  und  be- 
trachtet letzteren  als  den  ursprünglichen  Schluss  des  Gleichnisses. 
Ich  habe  Gründe,  auch  den  zweiten  Hauptteil  des  Gleichnisses 
für  quellenmässig  zu  halten.  Vergleiche  die  Erläuterungen  zu 
Lc.  20,  9  ff.  Die  Annahme,  dass  Mt.  21,  43  den  originalen 
Schluss  des  Gleichnisses  darstelle,  wird  durch  den  aussercano- 
nischen  Paralleltext,  den  Anastasius  Sin.  bietet,  nur  bestätigt. 
Dass  derselbe  dfijteXcöv  an  Stelle  des  canonischen  r\  ßaotXsla 
xov  &£ov  wirklich  gelesen  hat,  beweist  die  eingeschobene  Ep- 
exegese  von  seiner  Hand.  Vergleiche  das  Holtzmannsche  Krite- 
rium 3.  Agrapha  S.  16.  Auch  wird  dann  das  Jioislv  xov  xaojiöv 
oder  xovg  xagjtovg  sc.  xov  dfiJteXmvog  und  daher  auch  die  Les- 
art avxov  bei  Origenes  erst  genügend  motiviert.  Oder  sollte 
trotz  der  beigegebenen  Epexegese  die  Anastasius -Variante  du- 
jieXcov  durch  Mt.  21,  41  beeinfiusst  sein? 

Mt.  22, 11-13. 

a.  Herrn.  Sim.  IX,  13,  2.  p.  222,  19. 

aXXoig  av&Qcojioc,  ov  övvaxai  evgefrijvai  dg  xrjv  ßaöiXeiav 
xov  d-sov,  kdv  turj  avxai  avxov  evövowot  xb  evövua  av- 
xcöv. 

b.  Hom.  Clem.  VIII,  22.  p.  92,  24. 

exeXtvösv  rj[ilv  dg  xdg  öis^ööovg  xcöv  oömv  iXfrovöiv,  o 
Igxlv  xgog  vfiäg,  xa&agov  svdvfia  ydfiov  jcsgißaXslv^  ojieq 
lox\v  ßdxxiöfia. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  22, 11—13.  265 

c.  Clem.  AI.  Fragm.  ex  Macario  Chrysoceph.  p.  1018. 

o  de  dxaXXrjg  xal  övösiörjg  dxovGsrat  sralgs,  Jt<5c  cböe 
sloijX&Eg  yr\  E%<av  kvövfiarä  uov. 

d.  Herrn.  Mand.  XI,  2.  p.  122,  19. 

öaxava  6k  rovg  roiovrovg  rovg  firj  E%ovrag  svövfia  rr/g 
kütid-vfiiag  rrig  dya&rjg,  aXXd  B(iJteq>VQ(iivovg  reo  almvi 
rovrco'  rovrovg  ovv  jtapadlöcoöiv  elg  %-dvarov. 

e.  Mt.  22,  11— 13. 

Eiösl&cbv  de  o  ßaoiXevg  &£<xGao&cu  rovg  dvaxsifievovg  slösv 
exet  dvd-Qcostov  ovx  svdsöv/usvov  Evövtia  ydfiov,  xal  Xiysi 
avrcö'  kratQE,  jicög  slorßdsg  cbös  ui  \\cdv  h'övua  ydfiov; 
o  Sh  sfpificod-Tj.  xore  o  ßaGiXEvg  EiJiEV  xolg  öiaxovoig' 
öf]Oavz£g  avrov  jcoöag  xal  %£lQag  [Syr.  Cur.  =  Cod.  Colb. 

dgars  avrov  jtoöaov  xal  x£lQ<x>v  xa"1]  txßälEZE  avrov  Eig 
ro  Gxorog  ro  E^mrEgov, 

Hinsichtlich  der  beiden  Bearbeitungen  der  Parabelrede  Mt. 
22,  1—14  =  Lc.  14,  16— 24  hat  Weiss  (Matthäusevangelium 
S.  468 — 473)  mit  überzeugenden  Gründen  dargethan,  dass  die 
Urrelation  in  ihrem  einfacheren  Tenor  bei  Lucas  viel  besser  er- 
halten ist  als  in  der  Bearbeitung  des  ersten  Evangelisten,  in 
dessen  Darstellung  namentlich  Mt.  22,  6.  7  den  Rahmen  des  ur- 
sprünglichen Gleichnisses  vollständig  zersprengt.  Was  aber  von 
Weiss  bei  seiner  Voraussetzung  von  nur  Einer  griechischen 
Übersetzung  der  hebräischen  Quellenschrift  nicht  hervorgehoben 
wird,  das  ist  das  Auseinandergehen  des  hebräischen  Quellen- 
wortes iTOTD'a  in  die  beiden  griechischen  Wörter  ydfiog,  ydßoc 
einerseits  und  öeijivov  andrerseits  als  Übersetzungsvarianten. 
Auch  Lc,  14,  8  —  also  ganz  in  der  Nähe  unseres  Gleichnisses  — 
finden  wir  neben  dem  canonischen  Eig  ydfiovg  die  aussercano- 
nische  Variante  öeuivrjoai  in  dem  Cod.  D,  und  bei  Besprechung 
der  betreffenden  aussercanonischen  Parallele  (Agrapha  S.  70  ff.) 
habe  ich  bereits  die  Nachweise  gegeben,  dass  das  hebräische 
51Pn?J'?3  von  den  alten  Übersetzern  promiscue  mit  ydfiog,  jtorog, 
convivium.  epulae,  convivium  magnificum  wieder  gegeben  worden 
ist.  Also  ist  anzunehmen,  dass  der  erste  Evangelist  nicht  etwa 
die  Umwandlung  des  öeIjcvov  in  ydfiog  selbst  vollzogen  (wie 
Weiss,  Matthäusevang.  S.  468  meint),  sondern  dass  er  die  Va- 
riante ydfiog  bereits  in  der  ihm  vorgelegenen  griechischen  Ver- 


266  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

sion  der  hebräischen  Quellenschrift  vorgefunden  hat.  Weiss 
ist  selbst  nahe  an  dieser  Erkenntniss,  wenn  er  (Matthäusevang. 
S.  471)  auf  Esth.  9,  22  hinweist.     Vgl.  Agrapha  S.  72. 

Eine  weitere  Frage  ist  es  nun,  ob  die  Verse  Mt.  22,  11 — 13, 
welche  bei  Lucas  fehlen,  als  Eigenthum  des  ersten  Evangelisten 
oder  als  Theil  der  Quellenschrift  zu  betrachten  sind.  Weiss 
entscheidet  sich  mit  Nachdruck  für  die  letztere  Annahme.  Vgl. 
Weiss,  Matthäusevang.  S.  471.  Und  in  der  That  für  diese 
Annahme  sprechen  die  aussercanonischen  Varianten  in  den  Ho- 
milien,  welche  anstatt  avdvsoüai  die  aussercanonische  Variante 
jtEQißdXXeo&ai  bieten,  wie  auch  bei  Clemens  Alexandrinus, 
welcher  svövfiara  fiov  las.  Man  vergleiche  ferner  eine  ausserca- 
nonische Parallele  bei  Ephraem  Opp.  I,  38  B:  dxi  Qvjtaivei  OxoXr)v 
vvtug)ixr/v  xov  ßaoiXixov  ydfiov,  ferner  das  Ivövfia  vvfupixov 
in  dem  Briefe  der  gallischen  Gemeinden  bei-Eus.  B.  E.  V,  1,  48, 
also  die  Varianten  oxoX?)  vvficpixrj  =  evövfta  vv[i(pix6v  =  Irdv- 
fia  yduov  =  <"l|rinn  133  oder  tthab.  Hermas  hat  sichtlich 
schon  im  Wesentlichen  den  canonischen  Text  von  Mt.  22,  11 — 13 
vor  Augen  gehabt.  Vgl.  die  EftjtecpvQfihrovg  rrä  alcövi  xovxqy 
mit  Mt.  22,  5  =  Lc  14,  18 — 20  und  ferner:  xovxovg  ovv  jraoa- 
öiöoiöiv  tlg  ftdvaxov  mit  Mt.  22,  13. 

Was  die  Verwerthung  unseres  Gleichnisses  in  den  clemen- 
tinischen  Homilien  anlangt,  so  lautet  der  Context  Hom.  VIII, 
22.  p.  92,  21 — 27  folgen dermassen:  tneixa  coöjieq  tjcl  öeljtvov 
vjio  jtaxQog  vlcö  xsXovvxog  ydfiovg  xXrj&tvxeg  ov%  vjitjxov- 
Oav.  avxl  6h  xcöv  djrei&rjOavxoDV  öid  xyv  jiooXrjipiv  o  xovg 
yäfiovg  xm  vlm  xeXcöv  jrax?/Q  öid  xov  JiQOcprjxov  xrjg  aXr\- 
&£iag  exeXevOev  rjßtv  sie  xäg  öissööovg  xmv  oöätv  eX- 
&ovoiv  (o  eöxiv  JiQog  vfiag)  xa&agov  evövfia  ydfiov  xeqi- 
ßalslv  (ojisQ  toxlv  ßäxxiOfja,  o  dg  d(peoiv  yivexcu  x<Zv  jce- 
jTQayftt'vcov  vy.lv  xaxcöv)  xal  xovg  aya&ovg  elg  xo  &sov 
ötljtvov  Eiodyeiv  Über  die  canonische  Relation  geht  es 
hinaus,  und  somit  wahrscheinlich  auf  die  vorcanonische  Quelle 
zurück,  wenn  die  Knechte  durch  Jesum  (öid  xov  jcgoqprßov  xrjg 
aXrjd'Eiag)  Befehl  erhalten,  den  Geladenen  ein  Hochzeits- 
kleid anzulegen  (jiEQißaXElv).  Hierdurch  ist  das  vom 
ersten  Evangelisten  berichtete,  wahrscheinlich  quellenmässige,  Ver- 
stummen des  ohne  Hochzeitskleid  Erschienenen  im  urtextlichen 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  22,  14  =  Mt,  20.  16.  267 

Zusammenhang  aufs  Beste  motiviert.     Ebenso  das  [irj  eymv  xct 
evövfiaxä  fiov  des  Clemens  Alexandrinus. 

Wegen  des  Weiteren  bezüglich  des  Gleichnisses  vgl.  die 
Texte  und  Erläuterungen  zu  Lc.  14,  16  ff. 

Mt.  22,  U  =  Mt.  20,  IG. 

a.  4.  Esra  8,  1. 

xovxov  xov  almva  ejtoir]öev  o  vipioxog  öicc  jtoXXovc,  rbv 
öh  (itXXovxa  öi    oXiyovg. 

b.  4.  Esra  8,  3. 

JtoXXol  fiep  txrlo&Tjöav,  oXiyoi  öh  ocofrijoovTcci. 

c.  4.  Esra  10,  57. 

6v    yäo   fiaxaoiog    si  vjthg   xoXXovq  xal  szX))d-r]q  jtccQci 
to>  mpidTcp  xad-mq  xal  oXiyoi. 

d.  Barn.  IV.  14.  p.  20,  2. 

ojg  yiyQUxxai'  jtoXXol  xXtjroi,  oXiyoi  öh  hxXexxol. 

e.  Hom.  Clein.  Ep.  Clem.  ad  Jac.  c.  1.  p.  6,  12. 

ov  o  Xqiotoq  svXoycog  efiaxänioti'.  6  xXt/Toq  xal  IxXsx- 
xöc. 

f.  Hom.  Clem.  VIII,  4.  p.  86,  34. 

aX.Xa.  xal  jtoXXoi,  (prjoiv,  xXtjtoi,  oXiyoi  öh  IxXsxroi. 

g.  Clem.  AI.  Strom.  V,  3,  17.  p.  655. 

jtoXXol  yag  xXtjtoL  oXiyot  öh  txXexxoi. 
h.  Cod.  Cantabr.  =  Syr.  Cur.  Mt.  20,  16.  =  Text.  rec. 

jtoXXol  yaQ  sioiv  xXijxol,  oXiyoi  öh  sxXexxoi. 
i.    Mt.  22,  14. 

jtoXXol  yaQ  sloiv  xXtjxoi,  oXiyot  öh  txXsxxoi. 

Für  die  Zugehörigkeit  von  Mt.  22,  11  —  13  zur  Quellenschrift 
spricht  auch  die  Schlussgnome  Mt.  22,  14,  welche  die  beiden 
Theile  der  Parabel  nach  ihren  Grundgedanken  zusammenfasst 
(vgl.  Weiss,  Matthäus  S.  472).  Da  diese  Gnome  zweifellos  aus 
den  Logia  stammt,  so  ist  nicht  mit  Sicherheit  zu  bestimmen,  ob 
Barnabas  sie  aus  dem  ersten  canonischen  Evangelium  geschöpft 
hat.  Jedenfalls  ist  sie  schon  in  der  Esra-Apocal}'pse,  und 
zwar  nicht  in  den  späteren  Znsätzen,  sondern  in  dem  Grundstock 
c.  3 — 14,  welcher  in  das  erste  Jahrhundert  gehört,  benützt  worden. 
Am  wenigsten  beweisend  wäre  in  dieser  Hinsicht  das  Citat  b; 
weiter  führt  schon  a,  wenn  es  heisst,  dass  um  der  Vielen  willen 
die  gegenwärtige,  um  der  Wenigen   willen  die  zukünftige  Welt 


268  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

geschaffen  sei.  Aber  entscheidend  ist  c,  wo  der  lateinische  Text: 
Tu  enim  beatus  es  prae  multis  et  vocatus  es  apud  Altissimum 
sicut  et  pauci  —  in  Bezug  auf  das  vocatus  es  vonHilgenfeld 
in  der  griechischen  Rückübersetzung  mit  mvofiäö&rjq  nicht  richtig 
wiedergegeben  ist.  Die  Übersetzung  kxArj&rjq,  die  von  mir  ein- 
gefügt worden  ist,  weist  mit  Bestimmtheit  auf  die  xXrjxoi  Mt. 
22,  14  =  Mt.  20,  16  hin.  In  dem  von  Bensley  herausgegebenen 
Fragment1):  IV  Esra  VII,  36—105  lautet  v.  51.  52  der  Text  fol- 
gendermassen:  „Tu  enim,  quia  dixisti  non  esse  multos  justos, 
sed  p  au  cos.  impios  vero  multiplicari,  audi  et  haec:  Lapides 
electos,  si  habueris  paucos  valde,  ad  numerum  eorum  compones 
eos  tibi,  plumbum  autem  et  ficti  te  abundat.u  Dass  die  Esra- 
Apokalypse  bereits  christlich  beeinflusst  ist,  dafür  werden  sich 
noch  mehr  Belege  finden. 

Mt.  22, 29  =  Mc.  12,  24. 

a.  Hom.  III,  50.  p.  50,  18. 

xal  xm  eImeIV  öiaxl  ov  voeIxe  xo  EvXoyov  xmv  yoa<pmv; 

b.  Epiph.  LXXVI,  3.  p.  915  A. 

xrjq  yoa<pfjg  .  .  .  tyrjoccörjg  pagioaloig'  ovx  oidaxs  tag  yga- 
<päg  ovöh  xi]v  övvajxiv  xov  &sov. 

c.  Hom.  II,  51.  p.  36,  3. 

xal  xolg  äjtb  xmv  ipsvömv  yga(pmv  JiXavm[iivoig  olxtlmg 
XTjq  jtXävrjg  s^Efpavs  xrjv  alxiav  Xsymv  öiä  xovxo  JtXa- 
väo&e,  (ir)  slöoxsg  xä  aXr}&r)  xmv  yoaqxxtv,  ov  eivexev 
ayvoElxe  xal  xrjv  övvafiiv  xov  &eov. 

d.  Hom.  III,  50.  p.  50,  13. 

Hi(ivvjiai  xov  avxov  aiximfiEvov  xovg  Saööovxaiovg  eIxeIV 
öiä  xovxo  JtXaväo&s,  (ir)  slöoxsg  xä  äXrj&ij  xmv  yga- 
(pcöv,  ov  sVvsxsv  ayvoElxE  xrjv  övvafiiv  xov  &sov. 

e.  HonT^Vin^O^priTS,  33. 

aXXä  xal  aXXa/fj  xov  Xiysi,  d-sXmv  GacpsöxsQov  avxolg  xr)v 
alxiav  xrjq  jcXavrjg  avxmv  vjioösl^ai'  öiä  xovxo  xXa- 
väoß-s,  fir)  slöoxsg  xä  aXrj&r)  xmv  yoaymv,  ov  sivsxsv 
ayvoElxE  xal  xr)v  övvafiiv  xov  d-sov. 


1)  Bensley,    The  missing   fragment   of  the  Latin  trauslation  of  the 
fourth  Book  of  Esra.    Cambridge  1875. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  22,  29  =  Mc.  12,  24.  269 

f.  Phüastr.  c.  59. 

cum  dominus  in  evangelio  Judaeis  quibusdam  hoc  suspi- 
cantibus,  Nescitis,  inquit,  scripturas  et  virtutem  earum 
ignoratis. 

g.  Epiph.  Ancor.  c.  26.  p.  31  D. 

sXsyev  ovx  olöaxe  rag  ygacpag  ovös  xrjv  övvafitv  avxoZv. 
h.  Mc.  12,  247  ~ 

ov  öiä  xovxo  xXaväöd-s,  //?}  eiöoxeg  xag  yoag>äg  fi?]6e 

xi]v  övvafiiv  xov  d-sov. 
i.  Mt.  22,  29. 

jzXäväö&s,  [17]  slöoxeg  rag  yoacpäg  firjöe  xr\v  övvafitv 

XOV    &SOV. 

Für  den  ganzen  Abschnitt  Mt.  22,  23—33  =  Mc.  12,  18—27 
=  Lc.  20,  27 — 38  lässt  Weiss  den  Bericht  des  Mc.  die  letzte 
Quelle  sein.  Dass  aber  auch  für  diesen  Abschnitt  die  hebräische 
Quelle  fioss,  darüber  vergleiche  man  die  Erläuterungen  zu  Lc. 
20,  27 — 38.  Hier  handelt  es  sich  um  den  von  Lc.  weggelassenen 
Textbestandtheil  Mt.  22,  29  =  Mc.  12,  24.  Die  dazu  vorhandenen 
aussercanonischen  Paralleltexte  lassen  auch  an  dieser  Stelle  einen 
vorcanonischen  Grundtext  erkennen.  Man  vgl.  ov  voelv  —  ovx 
(ß?])  elöevat  =  ayvostv  =  nescire  =  ignorare  =  2?T>  tö  oder 
y*2n  8'5,  ferner  xb  evXoyov  =  xä  äXrj&rj  =  D"niöiE  oder  1Eh? 
Vgl.  Jes.  45,  19:  D'HBptt  'TÜia ^  = LXX: avayyeXXmv  aXrj&stav. 
Jes.  26,  7:  D*'"l1ö",TD  =  LXX:  ev&eia.  Dabei  erwäge  man,  dass  die 
verschiedenen  aussercanonischen  Redaktionen  des  Logion  von 
den  canonischen  Texten  völlig  unabhängig  sind.  Besonders  in- 
teressant ist  die  bei  Epiphanius  und  Philastrius  hervor- 
tretende Variante:  xr\v  6vvay.Lv  avxcöv  =  virtutem  earum  sc. 
scripturarum.  —  Der  Redaktor  der  clementinischen  fiomi- 
lien  führt  kurz  nach  einander,  nämlich  III,  50.  p.  50,  13  und 
p.  50,  18,  dasselbe  Logion  in  zwei  verschiedenen  Übersetzungen 
vor  (Vgl.  die  Citate  a  und  d).  Er  hatte  also  —  so  muss  man 
annehmen  —  das  Logion  aus  zwei  verschiedenen  Quellen,  welche 
beide  von  den  canonischen  Texten  unabhängig  waren.  Ahnliche 
Fälle  zweifacher  Citation  desselben  Logion  kurz  nach  einander 
in  zwei  verschiedenen  Redaktionen  finden  sich  bei  Justin  zu 
Mt.  7,  15,  in  den  Constitutionen  zu  Joh.  7,  24  in  den  Agra- 
pha  S.  119. 


270  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Mt.  23,  2.  3. 

a.  Hom.  Clern.  111,°  70.  p.  55,  22. 

&q6vov  ovv  Xqlgxov  rip'iosxs'  öxi  xal  Ma>vGta>g  xai)- 
tögav  xtfiäv  kxsXsvGd-rjTE ,  xav  ol  JiQoxafrs^ofisvot  a^ao- 
rcoXol   VOiiL^WVTai. 

b.  Mt.  23,  2.  3. 

tjcl  t//c  M(ovöta>q  xa&t'önag  txcifriGav  ol  ygafttsaxtic 
xal  ol  (paoioaloL'  stavxa  ovv  oöa  eav  eljtwGiv  v^ilv, 
jToii'ioaxz  xal  xtjQtixt,  xaxa  ös  xa  sgya  avxcöv  //?)  jioc- 
6ixe'  ZtyovGtv  yag  xal  o\)  jcoiovGiv. 

c.  Hom.  Clera.  111,  18.  p.  41,  7. 

avxov  tavxöv  (ir/vvovxog  tot  Xtyeiv  sxl  x?"jg  xafrtögag 
McavGtcog  exccfrioav  ol  ygafiftazeig  xal  ol  cpagiGaloi' 
jtävxa  öoa  liycoGiv  vfiiv,  axovsxe  avxcöv. 

d.  Orig.  in  Ezech.  hom.  Vll,  3.   Opp.Tjf  382. 

doctrinam  veram  suscipiet  secundum  praeceptum  domini, 
qui  ait:  Super  cathedram  Moysi  sederunt  scribae  et 
pharisaei.  Omnia  quaecunque  vobis  dicunt,  audite  et 
facite;  juxta  opera  autem  illorum  nolite  facere:  di- 
cunt quippe,  et  non  faciunt. 

e.  Syr.  Cur.  Mt.  23,  2.  3. 

ijtl  xrjg  McovGtcog  xafrtögag  exäfriGav  ol  ygafiixaxslg 
xal  ol  cpaniGaloL"  jrävxa  oöa  iav  eixojoiv  Vftlv, 
axovsxs  xal  xoitlxe,  xaxa  6e  xa  eoya  avxcöv  fiij  xoi- 
slts'  Xtyovoiv  yag  xal  ov  jcoiovgiv. 

In  der  aussercänonischen  Lesart  axovExs  xal  jcouixs  trifft 
zunächst  der  von  Tisch  endo  rf  nicht  erwähnte  Syr.  Cur.  mit 
dem  einen  Citate  des  Origenes:  audite  et  facite  —  zusammen, 
während  Origenes  an  anderer  Stelle  (iu  Matth.  ser.  9.  T.  111. 
p.  835  D)  nur  facite  bietet.  Die  Homilien  berühren  sich  mit 
dem  Syr.  Cur.  durch  die  Lesart:  dxovsxe  avxcöv.  Neben  den 
beiden  Citaten  a  und  c  findet  sich  noch  eine  dritte  Parallele 
Hom.  XI,  29.  p.  118,  2  ff.:  grjxri  ovv  xavxi]  <fO)V)j  tyg'joaxo  xa 
aZrjfri}  Jtgoq  xovg  vüioxgixaq  avxcöv,  ov  jiqoq  Jiävxaq.  ivimv 
yag  xal  ejcaxoveiv  eZtyev,  öxt  x/jv  Mwvotooq  tjciGztv&?]Gav 
xai)  tögav.  Das  Diatessaron  nach  Ciasca  p.  71a  liest:  Om- 
nia ergo,  quaecunque  dixerint  vobis,  ut  observetis,  servate  et  facite. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  23,  2.  3.  5.  7.  271 

Mt.  23,  5. 

a.  Epiph.  Haer.  XV.  p.  33  A. 

<p7]0i  yäg  nxi  xXaxvvexs  xa  (pvXaxx?']Qia,  xal  xaxQtx- 
oxsöa   xcöv  qiaxicov  vfiäv  fteyaXvvExs. 

b.  Mt.  23,  5b. 

jtXaxvvovaiv  yaQ  xa  cpvXaxxt'iQia  avxcöv  xal  (isya- 
Xvvovötv  xa  xQaojtsöa  [Syr.  Cur.  add.:  xcöv  liiaxiatv 
avx<öv\. 

Dass  die  antipharisäische  Rede  Jesu  Mt.  23,  1 — 39  =  Lc. 
11,  37—52  ihren  wesentlichen  Bestandteilen  nach  aus  dem  Ur- 
evangelium  geflossen  ist,  liegt  auf  der  Hand.  Mc.  hat  nur  ein 
sehr  kleines  Excerpt  daraus  Mc.  12,  38 — 40  gegeben.  Die 
Stellung,  welche  dieser  Rest  der  antipharisäischen  Rede  in  dem 
zweiten  Evangelium  gefunden  hat,  ist  auch  für  das  erste  Evan- 
gelium bezüglich  der  ganzen  Rede  massgebend  geworden,  während 
bei  Lc.  ein  anderer  Standort  und  Zusammenhang  überliefert  ist. 
Nach  Lc.  ist  diese  Rede  bei  einem  Pharisäergastmahl  an  die 
Pharisäer  selbst  gerichtet;  nach  dem  ersten  Evangelisten  sind 
die  Jünger  die  Hörenden.  Der  letzteren  Wendung  gibt  Weiss, 
der  deshalb  auch  Mt.  23,  2.  3  zum  ursprünglichen  Contexte  rech- 
net, den  Vorzug.  Aber  die  von  Epiphanius  aufbewahrte 
aussercanonische  Parallele  zu  Mt.  23,  5  zeigt  ebenfalls  (wie  bei 
Lc.)  die  Pharisäer  als  die  Angeredeten:  xXaxvvexe  —  usyaXvvsxs. 
Und  dies  ist  jedenfalls  das  Ursprüngliche. 

Mt.  23,  7. 

a.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  112.  p.  339  D. 

iav  ovv  ,«//  xcöv  öiöayfiäxcov  xcöv  iavxovq  vtpovvxcov  xal 
fteXovxcov  (taßßi,  Qaßßi  xaXsloO-at  xaxacpQovrfOrjxe. 

b.  Mt.  23,  7. 

[cpiXovöiv]  xovg  aojtao/iovg  kv  xalq  dyoQaic  xal  xaXtiofrai 

vjtb  xccv  äv&Qcoxcov  Qaßßi. 

Obiges  Justin -Citat  ist  nach  seiner  zweiten  Hälfte  eine 
aussercanonische  Parallele  zu  Mt.  23,  7.  Denn  cpiXelv  =  &eXeiv 
=  yt>n  sind  Übersetzungsvarianten,  und  die  zweimalige  Anrede 
Qaßßi,  gaßßi  hat  Justin  mit  Cod.  D,  dem  Syr.  Cur.,  auch  Syr. 
Hier.  u.  A.  gemeinsam.     Die  im  ersten  Theile   des  Citates  ent- 


272  Äussercanonische  r'araliel texte  zu  Mt.  und  Mc. 

haltenen  Worte  xcov  tavrovg  vrpovvxoav ,  welche  sich  so  in 
keinem  Evangelium  wiederfinden,  könnten  eine  freie  Anspielung 
an  Mt.  23,  12:  o<Sxiq  de  vipmöei  eavxov  xxX.  und  in  diesem 
Falle  eine  Benützung  des  ersten  Evangeliums  darstellen.  Aber 
wie  Jesus  nach  Lc.  16,  15  zu  den  Pharisäern  gesagt  hat:  Vfieig 
eoxh  oi  öixaLOvvxeg  tavrovg,  so  könnte  auch  der  ursprüngliche 
Context  der  grossen  antipharisäischen  Rede  sehr  wohl  ein  ana- 
loges: vfielg  eoxh  ol  vipovvxeq  eavxovg  enthalten  haben.  In 
diesem  Falle  würde  es  auch  erklärlich  sein,  wie  der  erste  Evan- 
gelist dazu  kommen  konnte,  statt  dieses  kurzen  Wortes  das 
Logion  Mt.  23,  12  aus  einem  ganz  anderen  Zusammenhange  (Lc. 
14,  11  vgl.  Weiss,  Matthäus  S.  487)  hierher  zu  verpflanzen. 

Mt  23,  8.  10. 

a.  Ign.  ad  Eph.  XV,  1.  p.  20,  6. 

eig  ovv  öiöäöxaXog. 

b.  Ign.  ad  Magn.  IX,  2.  p.  38,  2. 

(iva  £VQ£fr(ütUEv  fia&rjxai  }Jrjoov  Xqlöxov,  xov  fiovov  6i- 
öaoxäXov  rniatv. 

c.  Gern.  AI.  Paedag.  I,  5,  17.  p.  i08. 

sl  de  eig  ÖiöäöxaXog  ev  ovoavolg,  mg  (prjOLV  i]  yQa<ptf,  ofio- 
Xovyo/ievwg  ol  tjd  xr/g  yr\q  eixoxcoq  av  xavxeg  xexXi)öovxai 

[MX&TjTCCL. 

d.  Euseb.  in  Psalm.  118,  97  sqq. 

xovx  eiQ7]xcu  xcp  ocoxrjQi.-  —  fit]  xaXeörjxe  diöaöxaXov 
hm  xfjg  ytjg'  eig  yag  eöxlv  vfimv  6  öiöäöxaXog  6  ev  xolg 
ovoavolg. 

e.  Gern.  AI.  Strom.  II,  4,  14.  p.  435. 

öio  xai  (prjöLV  o  Xoyog'  firj  eijttjxe  tavxolg  öiöäöxaXov 
ejil  x?jg  yrjg. 

f.  Clem.  AI.  Strom.  VI,  7,  58.  p.  769. 

o&ev  eixoxajg  eiQTjxai'  (irj  elxtjxe  eavxolg  öiöäoxaXov  exl 
ryg  yfjg. 

g.  Mt.  23,  8. 

vfielg  öe  (irj  xXrß-rße  gaßßi"  eig  yäo  vpwv  6  öiöäoxa- 
Xog  [Syr.  Cur.  add.:  Xoiöxog],  xävxeq  öe  vpelg  aöeXtpoi 
eöxe. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  23, 8.  9.  10.  273 

h.  Mt  23,  10. 

firjöe  x?.r}&?]T€  xa&rjyrjxcd,  oxi   xa&ijyijxqg   vfioiv   korlv 

eIq  o  Xgiöxoq. 

Darin  ist  Weiss  (Matthäusevang.  S.  487)  beizustimmen,  dass 
v.  8  und  v.  10  nur  Doubletten  desselben  Logion  sind  und  dass  der 
beiden  Doubletten  zu  Grunde  liegende  Spruch  aus  der  vorcano- 
nischen  Quelle  stammt.1)  Nach  den  aussercanonischen  Parallel- 
texten aber  scheint  der  Nachdruck  auf  dem  Gegensatz  §jrl  xf/q 
yrjq  und  b>  rote  ovgavolq  gelegen  zu  haben,  gerade  so  wie  in 
v.  9  die  dtoxoxai  auf  Erden  dem  xaxijg  iv  xolq  ovgavolq  ent- 
gegengesetzt sind.  Vgl.  hierzu  Agrapha  S.  109.  207ff.  Es  sind 
also  xaXstv  =  elxetv  =  "rtttf  sowie  xa&qyqxrjq  —  öiöaoxaXoq  = 
gaßßl  =  *2n  Übersetzungsvarianten.  Sicherlich  aber  haben 
v.  8.  10  mit  dem  ganzen  Abschnitt  Mt.  23,  8 — 12  ursprüng- 
lich einem  ganz  andern  Zusammenhang  angehört  als  dem  der 
grossen  antipharisaeischen  Rede.  Freilich  ein  Gegensatz  gegen 
den  hierarchischen  Ehrgeiz  des  Pharisaeismus  war  selbstverständ- 
lich auch  in  v.  8— 10  gegeben,  und  insofern  konnten  diese  Sprüche 
sehr  wohl  der  antipharisaeischen  Rede  einverleibt  werden. 

Mt,  23,  9. 

a.  Clem.  AI.  Quis  div.  salv.  c.  23.  p.  948. 

txtgoj&tv  öt  axove  xov  öcoxrjgoq' fiy  xaXei  osavxro 

jcaxsga  tjcl  y?)q. 

b.  Iren.  IV,  1,  1. 

Dominum  nostrum,  qui  et  nobis  praeeepit  neminem  Pa- 
trem  confiteri,  nisi  eum,  qui  est  in  caelis.  qui  est  unus 
Deus  et  unus  Pater. 

c.  Clem.  AI.  Strom.  III,  12,  87.  p.  551. 

elq  fihv  ovv  6  Jtaxijg  qpmv  6  Iv  rolq  ovgavolq,  aXXa 
xcu  ajiavxatv  Jtaxt)g  xaxa  xr)v  ötjfiiovgyiav  avxoq.  fti) 
xaXeoi/TE  ovv  v//tr  tjti  xrjq  y/jq  naxiga. 

d.  Mt  23,9. 

xal  xaxlga  fit)  xaXtoqxe  vfiäiv  kjtl  xfjq  yrjq'  siq  yag 
ioxiv  vfidjp  o  jcaxt'jg  o  ovgavioq  [Syr.  Cur.  v(i<Zv  «  kv 
xotq  ovgavolq}. 


1)  Einen  ähnlichen  Fall  haben  wir  wahrscheinlich  Mt.  5,  3.  5. 
Texte  u.  Untersuchungen  X,  2.  IS 


274  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

e.  Clem.  AI.  Eclog.  proph.  §  20.  p.  994.    (Heracleon.)     . 

fiTj  xaXtö//xe  ovv  tavxolg  Jtaxeoa  ixl  xijg  yr/g'  ötöJtöxai 
yaQ  tjtl  xijq  yr\q,  iv  de  ovoavolq  o  jcaxrjQ,  gg  ov  näöa 
jtaxQiä  ev  xe  ovoavolg  xal  em  xi)q  yrjq. 

f.  Tertull.  de  orat.  c.  2. 

immo  et  praecepit,  ne  quem  in  terris  patrem  vocemus, 
nisi  quem  habemus  in  caelis. 

Wie  in  den  aussercanonischen  Paralleltexten  zu  Mt.  23,  8  = 
10,  so  spielt  auch  hier  in  v.  9  der  Gegensatz  zwischen  Ijtl  xyq 
yrjq  und  Iv  xolq  ovoavolg  eine  Hauptrolle.  Auf  Erden  gibt  es 
viele  Herren,  im  Himmel  Einen  Vater,  durch  den  die  Jünger  Jesu 
allesammt  Brüder  (äöeXyoi  v.  8)  unter  einander  sind.  Vgl  Weiss, 
Matthäusevangelium  S.  486.  Darüber  dass  der  vollständigere 
Text  Heracleons,  den  uns  Clemens  in  den  prophetischen 
Eklogen  erhalten  hat,  im  Hinblick  auf  die  paulmische  Bezeu- 
gung Eph.  3,  15  als  der  ursprüngliche  zu  erachten  sein  dürfte, 
siehe  Agrapha  S.  207 ff.  Die  Lesart  6  Iv  xolq  ovoavolg  (==  qui 
in  caelis  est)  hat  der  von  Tischendorf  nicht  notierte  Syr.  Cur. 
mit  Cod.  D.,  Syr.  Hier,  und  fast  sämmtlichen  lateinischen  Ver- 
sionen gemeinsam.  Dieselbe  lässt  den  Gegensatz  zwischen  Iv 
xoTg  ovoavolq  und  tjtl  xtjq  ytjg  besser  hervortreten  als  das  ad- 
jektivische ovodviog  und  entspricht  überdem  genauer  dem  ur- 
textlichen EP'öDJa  no«. 

Mt.  23, 15. 

a.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  122.  p.  350  C. 

?l  yaQ  av  xdxeivoig  efiaoxvQSi  o  Xoioxoq'  vvv  6e  öutXo- 
xeqov  vlol  yesvvTjg,  cog  avxog  eine,  yiveö&e. 

b.  Epiph.  Haer.  XVI,  4.  p.  36  C. 

xal  xvxXevexe  ftaXaöaav  xal  ^tjoav  jioiijöai  tva  jcqoo- 
r\Xvxov,  xal  oxav  y£vi]xai,  noielxe  avxov  vlov  ye~ 
evvr\q  öixXox tqov  vfiäiv. 

c.  Mt.  23,  15. 

jieQtayexe  xi\v  fraXaöoav  xalxijv  £,r)Qav  jcoiijoai  %va 
jiqog/jXvxov,  xal  oxav  ytvfjxai,  jtotslxe  avxov  vlov 
yeivvi]g  öuiXoxeoov  vficöv. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Sit  23,  15.  18.  275 

d.  Aphraates  Hoin.  XIV,  16.  p.  232.  ed.  Bert. 

da  unser  Herr  spricht:  Ihr  umsegelt  Meer  und  Land,  dass 
ihr  einen  Proselyten  macht,  und  wenn  er  es  ge- 
worden ist,  so  macht  ihr  aus  ihm  einen  Sohn  der 
Hölle. 

Vorstehender  Vers  Mt.  23,  15  ist  sicherlich  ein  —  von  Lc. 
weggelassener  —  alter  Bestandtheil  der  autipharisaeischen  Rede. 
Weiss  macht  auf*  mehrere  Hebraismen  aufmerksam,  als  r)  |ryo« 
=  nt5a?rf  (vgl.  Gen.  1,  9.  10.  LXX),  JtyoGyXvxog  =  TS,  vlog  ys- 
evvtjq  =  rntt-ja  (vgl.  2.  Sam.  12,  5)  —  DrrP3-}3  in  den  hebräi- 
schen Rücktibersetzungen.  Auf  Grund  der  aussercanouischen 
Übersetzungsvarianten  bei  Epiphanius  und  Aphraates  ist 
noch  hinzuzufügen  xvxXbvuv  =  JCEgtayeip  =  umsegeln  =  aaio. 
Ausserdem  könnte  man  bei  Vergleichung  der  Citate  aus  Justin 
und  Aphraates  sich  versucht  fühlen,  den  ursprünglichen  Schluss 
des  Logion  also  zu  reconstruieren :  jtocslxe  avxov  viöv  ye£vi>r]q, 
xal  ovxoog  v/istg  avrol  ÖijiXoxsqop  vlol  ysevvrjq  ylveö&i 

Mt.  23, 18. 

a.  Epiph.  Haer.  XVI,  4.  p.  36  B. 

xal  doxifia^ere  dlxaiov  eivcu  ofivvvcu  ev  x <x>  kxävco  xov 
&vGia6TT]Qiov,  xb  6h  ev  avxm  xa.  d-vGiaoxijQiq)  nag 
vfilv  x<p  oQxtp  XeXvxat. 

b.  Mt.  23,  187 

xal'   og  av   6/ioGjj   kv   xtp    frvdiaoxTjQlq),   ovdtv  ioxiv 
oq  6°  av  oiioori   iv   xcö  öo)oa>  xoy  knapm  avxov  (Svr. 
ur.  xov  &vGtaGX7j()lov)  ocpdXei. 

Eine  dem  ersten  Evangelisten  eigenthümliche  und  wahr- 
scheinlich aus  der  vorcanonischen  Quelle  stammende  (vgl. Weiss, 
Matthäus  S.  491),  vielleicht  aber  ursprünglich  nicht  zum  Context 
der  antipharisaeischen  Rede  gehörige  Partie  ist  in  Mt.  23,  16 — 23 
enthalten,  welche  gegen  die  jüdische  Eidescasuistik  gerichtet  ist. 
Epiphanius  bietet  dazu  mit  Weglassung  von  v.  16.  17,  sowie 
unter  Reproduktion  zahlreicher  Varianten  und  einem  ganz  eigen- 
tümlichen Zusammenhang  einen  höchst  interessanten  ausser- 
cauonischen  Paralleltext  Da  derselbe  sowohl  hier  und  im  Fol- 
genden als  zu  Lc.  11,  39.  42  zur  Besprechung  gelangt,  so  sei  er 

18* 


276  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

hier  in  extenso  wiedergegeben  (Haer.  XVI,  4):  xd  öia  xov  öa>% 
xfjQoq  JtQog  avxovg  slQTjpiva  „oval  vplv,  rgafi^iaxetg  xal  4><xqi- 
öaloi  vjtoxQitai,  oxc  xaxaXsXoljtaxe  xd  ßapta  xov  vbfiov,  xtiv 
xgiotp  xal   xov  iXsop,   xal   djtodexaxovxs   xo   aPTj&op  xal  xö 
7jövoGitov  xal  xo  jtqyapop,  xal  xa&aoi&xe  xb  ixxbg   xov  jio~ 
xrjftiov  xal  rov  xivaxog.  xo  de  kvxoq  eoxi  fitaxov  dxa&aooiag 
xal  dxQaoiaq.     xal    öoxifiaCexs    öixatov    elvai   oftpvpai   iv   xq> 
ixdpco  xov  &vGiaoxT}Qtov,  xo  öh.  hv  avxm  xa~i  d-vGiaoxtjoim  Jtap* 
vfttv  xm  bqxm  XeXvxai,  xal  xb  iv  xm  ovoavm  ofivvpai  ovöev 
dvai  rpaxi,  iav  ös  xtg  ofiooy  kv  xm  hndvm  avxov,  xovxo  Ös- 
(hxaimxai.    ox>xi  xo  ftvotgöxr/otov  ßaöxd^u  xo  £xixElfi.evov,  xal 
b  ovoapbg  frpbpog  loxl  xov  tx    avxm  ijiixa&t.£o(itPov ;  xal  oxi 
Xiyexe,  käv  xtg  Eijcij  xaxol  xal  ftijxol  xooßdp,  o  Icxt  ömoov,  o 
dp  £§  ifiov  m^tXrr&yg,  ovxixi  pi)  xifirjot]  xov  naxioa,  xal  ■//#•«- 
xfjüaxe  xijv  evxoXfjv  xov  &tov  öid  xfjq  xmp  xQLoßvxiQmv  vftmp 
jtaoaöboimg.    xal  xvxXsvexe  frdXaoöav  xal  fyjoäv  xoojoat  tva 
ji{>oo/'jXvxov.  xal  oxav  yt'pijxat,  xoitlxe  avxov  vibv  ysivvrjg  dV- 
.xXoxsQOP  vfio'/p."  Mittheilenswerth  ist  auch  eine  kurze  Zusammen- 
fassung von  Mt.  5,  34.  35;  23,  16 — 23,  wie  sie  der  Redaktor  der 
Constitutionen  (nicht  aus  der  Quellenschrift  der  Didaskalia, 
sondern   ex  suis)   seiner  Darstellung  in  V,  12   einverleibt  hat. 
Const.  p.  140,  IG  — 141,  1:    Ötb   XQV  X')V   &iov   dp&pmjtov   mg 
/Qioxiavov  in'jxs  t'/Xiop  o/tpvpai  fiqxe  (ti(v  CeXrjpyv  ftfjts  döxQa 
(trjxe  uifi    ovpapop  rj  yTfP  tj  xi  xmp  oxoixümp  (iixqov  t>  jitya. 
el  ydo  o  ötöäöxaXoq  xtol  xov  bpxog  &eov  jraQ/jyysiXsv  i)plp  (irj 
ofipvtiv,   oxmg  o   Xoyoq  tjpaiv  xiGxöxeoog  j]  xov  oqxov,  (ivjxt 
fit)p  xov  ovqüpop  avxop  (tXXrjVtxop  ydo  xo  övooeßrjfja),  fitjxe 
[itjv  hoovoaXfin  )}  xd  xov  fteov  dyta   tj  xb  d-voiaoxqotop  xal 
xb  ömoov  rj  xtjp  xov  vaov  xQv0C0<ilv  V  r,)v  olxelav  xsfpaXrjv 
(lovöa'ixijg  yao  oiaoafpooä'q  i]  ovpr)fteia,    öib  xal  dxayoQevxta) 
tlvai   6e  xb  val  val  xal  xb  ov  ov  xolg  maxoig  Jtaotyyva  xal 
xb  xovxgjp  TctQiöobv  xov  noprjoov  ripai  Xiyet. 

Was  nun  insbesondere  Mt.  23, 18  betrifft,  so  sind,  abgesehen 
von  der  Umstellung  der  beiden  Satztheile  und  der  verschiedenen 
Construktiou  derselben,  mehrere  gleichwertige  Varianten  wahr- 
zunehmen: dlxaiop  dvai  —  bptlXerp  —  3"in,  ferner  ovösp  koxi  — 
xm  oqxgj  XiXvxai  —  im  letzteren  Fall  repraeseutiert  eine   der 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt  23, 19.  22.  277 

beiden  Varianten  (es  ist  schwer  zu  entscheiden,  welche,  doch 
wahrscheinlicher  die  erste)  eine  freiere  Wiedergabe  des  Urtextes. 
Auch  das  doxifict&xe,  womit  das  Epiphanius-Citat  eröffnet 
wird,  dürfte  ebenfalls  aus  der  hebräischen  Quelle  stammen  als 
ungeschickte  Version  etwa  von  2X6ri  (—  chald.  "Dö)  in  der  Be- 
deutung „meinen,  urtheilen".  Der  aussercanonische  Paralleltext 
des  Epiphanius  lässt  ausserdem  sowohl  Mi.  23,  18  als  zu  v.  19 
das  canonische  öwqov  wegfallen     wie  es  auch  Mt.  23,  20  fehlt. 

Mt.  23, 19. 

a,  Epiph.  Haer.XVI,4.  p.  36  C. 

ovyi  to  &v6iaoxrJQiov  ßaöxaCßi^xo  kjrixdfitvov  ; 

b.  Mt.  23, 19.  20. 

xv<pXoi,  xi  yaQ  //£?£or,  xo  öwqov  0}  xo  {hvöiaöxijoiov  to 
aytatjov  xo  ö&qov;  6  ovv  Ofiooag  kv  xcfi  frvoiaoxqQicp  6tu- 
vvu  kv  avxqZ  xai  kv  Jiäoiv  xotg  kjtdvco  avxov. 

Wenn  man  den  unter  a  mitgetheilten  Textbestandtheil  der 
Epiphani üs-Relation,  welcher  in  den  canonisGhen  Parallelen 
sich  nicht  wiederfindet,  zwischen  Mt.  23,  19  und  20  einfügt,  so 
entsteht  ein  vorzüglicher  Context:  xvtpXoi,  xl  yao  fiei^ov,  xo 
ticoQov  tj  xo  &vöiaoxtjQiov  xo  ayidC,ov  xb  öwqov;  ov%i  xo  ß-v- 
CiaoxTjQiov  ßaöxa^si  xo  kxixeifiEvov ;  o  ovv  Sftooag  kv  xrh 
&vGiaoxr)Qi(o,  oftvvsi  kv  avxqj  xai  kv  jiaQiv  xolg  kndvca  avxov. 

Mt.  23,  22. 

a.  Epiph.  Haer.  XVI,  4.  p.  36  BC. 

xai  xo  kv  x(5  ovQttvw  ofivvvai  ovöhv  eivai  rpaxe,  kav 
6i  xiq  O[iöo\i  &v  T<?  kxävo)  avxov,  xovxo  ötöixaiatxai. 
.  .  .  xai  o  ovoavog  d-Qovog  koxl  xov  kjt  avxm  kjtixa- 
&e£o/ikvov. 

b.  Mi  23,  22. 

xai  o  6(ioöag  kv  xco  ovgavcfi  6[ivvu  kv  xcp  d-Qovo  xov 
&eov  xai  kv  xqj  xaihfiiivoy  kitdva)  avxov. 

Auch  an  dieser  Stelle  bietet  die  Epiphanius -Relation  einen 
vollständigeren,  jedenfalls  den  ursprünglichen,  Context,  wodurch 
der  fragmentarische  Vers  Mt.  23,  22  erst  verständlich  wird.   Jesus 


278  Aussercanouische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

hält  den  Pharisaeern  vor  (man  bemerke  auch  hier  die  dem  Ur- 
texte entsprechende  direkte  Anrede  gpare),  dass  nach  der  jüdi- 
schen Casuistik  das  Schwören  bei  dem  ovqavog  Nichts  sei  (ovÖev 
slvai  (faxt,  man  beachte  den  analogen  Ausdruck  in  Mt.  23,  16ar 
oc,  uv  o/xoorj  ev  rrp  &v6La6Tt]Qicp,  ovdiv  eöxiv),  nur  das  Schwören 
bei  dem  über  den  Himmel  Erhabenen  (iv  xm  kjcavat  avxov)  solle 
gelten  und  bindend  sein  (toüto  ÖEÖixaicoxai,  wie  zu  v.  16  öixaiov 
£/va«j==^yaA£t].  Dem  gegenüber  weist  Jesus  darauf  hin,  dass 
der  Himmel  Gottes  &o6vog,  folglich  das  Schwören  beim  Himmel 
ebenfalls  bindend,  bezw.  strafbar  sei.  Man  vgl.  Mt.  5,  34b:  oxt 
ftnovog  eöxiv  xoi  &eov,  welcher  Zusatz  in  der  Jacobus-Parallele 
Jac.  5,  12  dort  fehlt,  also  vielleicht  von  diesem  Context  dorthin 
versetzt  ist. 

Mt.  23,  32. 

a.  4.  Esr.  12,  25. 

exeIvoi    yao   icovxai,    oi   avaxscpaXaiojoovOc  tag  aosßsiag 

avxov  xal  oi  ixixeXiaovoi  xa  \oyaxa  avxov. 

b.  l.Thess.  2,  16. 

eiq  xo  avajtXrjQcööai  avxcov  xäg  afiagxiag  Jtavxoxe. 

c.  Barn.  V,  11.  p.  22,  14. 

ovxovv  6  vibg  xov  freov  sie  xovxo  hv  oagxl  rjXdev,  Vva 
xo  xeXelov  xcov  ctfiaQxicov  avaxE(f>aXaia\oy  xolg  öiw^aotv 
kv  üavdxm  xovq  xQOtytjxag  avxov. 

d.  Mt.  23,  32. 

xal  v/iElg  jtXrjQcoöaxE  xo  fiixQov  xäiv  jtaxEqcav  vfimv. 

e.  Ep.  ad  Diogn.  IX,  2.  p.  161,  7. 

jiEJiXriQcoxo  [iev  i)  ijiiEXEQa  aöixia  xat  xeXsiog  XEgxxvEQcoxo. 

f.  Ps.-Petr.  t  17. 

xal  EJtXr/oo3öav  xavxa  xat   hxEXEkoöav  xaxa  xtjc  xtfpaXtjg 

avxmv  xä  aftaQxr)tuaxa. 

Obiger  Vers  ist  ein  Gegenstand  höchst  interessanter  Unter- 
suchung und  ein  besonders  schlagender  Beweis  für  die  Abhängig- 
keit der  paulinischen  Briefe  von  der  vorcanonischen  Evaugelien- 
quelle.  Die  Verwandtschaft  nämlich  zwischen  l.Thess.  2,  15.  16 
und  Lc.  11,  48 — 50.  52  ist  bereits  von  verschiedenen  Seiten  wohl 
bemerkt  worden.  Die  damit  gegebene  gleichzeitige  Verwandt- 
schaft von    1.  Thess.  2,  15.  16  mit  Mt.  23,  34.  13  erstreckt  sich 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  23,  32.  279 

mm  ganz  besonders  auch  auf  den  von  Lucas  nicht  gegebenen 
Text  Mt.  23,  32.  Damit  ist  zu  erweisen,  dass  die  Verwandtschaft 
nicht  auf  einer  Abhängigkeit  des  Lucas  von  Paulus  be- 
ruhen kann,  sondern  dass  hinter  den  drei  Parallelen  1.  Thess. 
2,  15.  16  =  Lc.  11,  48.  49.  52  =  Mt.  23,  32.  34.  13  ein  älterer  ge- 
meinsamer Quellentext  verborgen  gewesen  ist.  Dazu  entspricht 
das  jcXriQ(DOats  in  Mt.  23,  32  dem  paulinischen  dvajrXrjQcoocu, 
und  dieses  Compositum  findet  sich  —  womit  der  Beweis  sich 
vollendet  —  auch  zu  Mt.  23,  32  bei  Cyrillus  Alexandrinus 
nach  Tischendorf  zweimal,  nämlich  Zachar.  p.  697,  wo  er 
aveTcXyiQcoöaxE  liest,  und  Glaph.  32,  wo  dvajihjocooart  steht. 
Während  nun  in  der  Epistula  ad  Diognetum  ebenfalls  ein 
Anklang  an  unsere  Stelle  mit  der  Lesart  jrsjrXrjQ03TO  zu  erkennen 
ist,  finden  sich  noch  weitere  Varianten,  nänifichbei  Barnabas 
und  in  der  Esra-Apokalypse  mit  dem  Gebrauch  des  Verbums 
ävaxsgxxXcuovv  (recapitulare)  sowie  bei  Hermas  jiXt]0&7Jvcu.  Vgl. 
xal  ovxcoq  exXtjö&rjoav  al  dvofilai  avrcöv.  Herrn.  Vis.  H,  2,  2. 
p.  18,  17.  Verwandt  lsY  auch  4.  Esr.  11,  45:  et  scelera  ejus  com- 
pleta  sunt.  Dass  allen  den  Varianten  jtXrjgovv,  avcuthjQovv, 
jiXtj&eiv,  jciftjcXdvai-  =  complere,  sowie  auch  dem  scheinbar 
ferner  stehenden  dvaxetpaXatovv  =  recapitulare  das  gemeinsame 
Quellenwort  r&3  zugrunde  hegt,  ergiebt  sich  theils  von  selbst, 
theils  wird  es  bezüglich  dvaxegxxXaiovv  evident  durch  Theo- 
dotion,  welcher  Ps.  72,  20  1^3  mit  dvexewaXcuco&rjOav  wieder- 
gegeben  hat.  Die  Variante  dvajtXrjgovv ,  in  welcher  Paulus 
1.  Thess.  2,  16  und  Cyrillus  Äl.  "zu  Mt.  23,  32  zusammentreffen, 
gehört  jedenfalls  dem  paulinisch-lucanischen  Übersetzungstypus 
an  und  würde  sicherlich  im  dritten  Evangelium  zu  finden  sein, 
wenn  Lucas  nicht  an  dieser  Stelle  den  Text  gekürzt  und  die  Pa- 
rallele von  Mt.  23,  32  weggelassen  hätte.  Das  pseudo-petri- 
nische  Evangelien fragment,  welches  v.  17  wesentlich  auf  Mt. 
27,  25  sich  stützt,  spielt  doch  zugleich  durch  die  Ausdrücke 
ejtX^Qcoaav^JreXdooqav  an  Mt.  23,  32  an.  Wenn  Rahlfs  (Theol. 
Lit.-Zeitung  1893  No.  15.  Sp.  377)  behauptet:  „rtes  heisst  wohl 
.,  „zu  Ende  gebracht  werden"  a,  aber  nicht  jtX7jQovo&aiu  — .  so 
genügt  der  Hinweis  auf  2.  Chron.  24,  10:  "plKS  Wbflft  WiW 
n's3b"iy=  LXX:  xal  elotipeQov  xal  kveßaXov  sig  xo  yXcooooxo- 
Hov,  £coc  ov  IxXrjQcöOr}  —,  sowie  2.  Chron.  36,  22:  rr;n"»"13^  tVlteb 


280  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

=  LXX:  f/stä  xo  jiX7jQco^t/vai  Q/jfia  xvqiov  —,  um  zu  zeigen, 
dass  trotz  des  Widerspruchs  von  Rahlfs  gerade  das  spätere  He- 
bräisch den  Gebrauch  von  nbD  iu  der  Bedeutung  von  xXijqovv, 
jtXrjQovo&ai,  gekannt  hat  und  dass  auch  für  Septuaginta-Forscher, 
wie  für  diesen  Schüler  Lagarde's,  das  Gebiet  der  griechischen 
Übersetzungsvarianten  noch  nicht  allseitig  geklärt  ist.  Einige 
alttestamentliche  Parallelen,  nämlich  Gen.  15,  16:  DbtT'&S'b  ">3 
"n'EKn  ■py  =  LXX:  ovxw  yaQ  avaxEjtXr}Qa>vxai  al  äfiaQxiai 
x<äv  'AftoQQaicop,  ferner  Am.  4,  4:  ?ÖBb  lünn  =  LXX:  txXrj&v- 
vaxe  xov  aoeßrjoai  —  erweisen  auch  hier  den  Zusammenhang 
derTteden  Jesu  mit  dem  A.  T.,  zugleich  aber  auch  die  Abhängig- 
keit der  Esra-Apokalypse  von  den  Reden  Jesu,  da  der  bezügliche 
Text  4.  Esr.  12,  25:  isti  enim  erunt,  qui  recapitulabunt  impie- 
tates  ejus  et  qui  perficient  novissima  ejus  —  mit  denTrecapitu- 
lare  (=  ävaxs<paXaiovv),  ebenso  wie  das  ävaxegxxXaicooy  Barn. 
V,  12,  weder  von  Dbt)  noch  von  n3"in,  sondern  nur  von  dem 
Mt.  23,  32  vorauszusetzenden  rf&3  abzuleiten  ist.  Bei  Barna- 
bas  ist  noch  zu  vergleichen:  to  zeXeiov  dxavöaXov  tjyyixev  — 
Barn.  IV,  3. 

Mt.  24, 10*. 

a.  Aid.  XVI,  5. 

xa\  oxavdaXiad-i'jöovzai  xoXXol  xal  axoXovpxai. 

b.  Const.  VII,  32.  p.  212,  7. 

xal    jioXXoi   oxavöaXiofrqöovxai    kn    avx<p    [sc.   xm 
xoO(iojtXav<p]. 

c.  Mt,  24,  10a. 

xal  xox£  cxavöaXio&rjöovxai  xoXXo't. 

Die  letzte  grosse  eschatologische  Rede  Mt.  24  =  Mc.  13  = 
Lc.  21,  welche  ohne  Widerspruch  in  allen  ihren  Theilen  aus  dem 
Urevangelium  stammt,  wird  der  Hauptsache  nach  bei  Lc.  21, 
ausserdem  bei  Lc.  17,  22 ff.,  Act.  1,  7  zur  Erörterung  kommen. 
Denn,  wenn  auch  ganz  aus  dem  Urevangelium  entstanden,  hat 
diese  Rede  doch  durch  die  Umschaltungen  des  Marcus,  welchen 
der  erste  Evangelist  noch  einige  andere  Umschaltungen  seiner- 
seits beifügte,  auch  Stoffe  in  sich  aufgenommen,  die  in  der  Quelle 
an  anderen  Standorten  vertheilt  waren.  Hier  und  im  folgenden 
handelt  es  sich  um  solche  Stoffe,  welche  ausschliesslich  durch 
den  ersten  Evangelisten  und  ev.  durch  Mc.  uns   erhalten,   von 


Texte  und  Ur^ersuchugen  zu  Mt.  24,  10.  11.  281 

Lucas  aber  weggelassen  sind.    Sie  sind  alle  Urbestandtheile  der 
grossen  eschatologiscben  Rede. 

Was  zunächst  Mt.  24,  10a  anlangt,  so  findet  sich  in  der  es- 
chatologiscben Schilderung,  in  welche  die  Jidaxtf  c.  XVI  aus- 
mündet, ein  Zug,  zu  welchem  unter  den  canonischen  Evangelisten 
nur  der  erste  eine  Parallele,  eben  Mt.  24.  10a:  xal  xoxs  oxav- 
6aXiC&-7Joovtai  xoZZol,  erhalten  hat.  Aber  während  dieser  Zug 
bei  dem  ersten  Evangelisten  in  die  Schilderung  der  Weben  ge- 
hört, die  der  Zerstörung  Jerusalems  vorangehen  sollten,  bildete 
derselbe  nach  der  Jidax?}  eine  Ergänzung  für  das  Bild  der 
antichristischen  Endzeit.  Darnach  sollten  während  der  grossen 
&Zliptq,  die  durch  das  Auftreten  des  Antichrists,  des  xoüfio- 
jtZavoq,  über  die  Welt  hereinbrechen  wird,  viele  zu  Falle  kommer 
und  zu  Grunde  gehen:  xal  GxavöaZio&ijaovrai  noZZol  xal  ano- 
Zovvrat.  Die  Annahme,  dass  hier  die  ursprüngliche  Stelle  dieses 
Redetheils  erhalten  ist,  wird  verstärkt  durch  die  Wahrnehmung, 
dass  der  Redaktor  der  Constitutionen,  welcher  aus  guten 
Evangelienquellen  zu  schöpfen  pflegt  und  namentlich  auch  die 
eschatologische  Partie  der  /liöax1*)  durch  selbständige  Züge 
vermehrt  hat,  die  Beziehung  auf  den  Antichrist  noch  stärker 
hervortreten  lässt.  Denn  er  schreibt:  xal  öxavöaZiöfr/jOovTai 
jtoZZol  In  avTco  — ,  also:  an  ihm,  dem  xoöfiojtZdvog,  dem 
Antichristen,  werden  viele  zu  Falle  kommen,  zu  Grunde  gehen. 
Dies  ist  ja  auch  die  Auffassung  des  Apokalyptikers,  weicher  in 
verschiedenen  Schilderungen  —  vgl.  namentlich  Apok.  13 ,  8. 
16 ff.;  14,  9;  20,  4  —  zeigt,  wie  in  der  antichristischen  Krisis 
viele  zu  Falle  kommen  und  zu  Schanden  werden  —  eine  Be- 
ziehung, welche  von  Wohlenberg  (Die  Lehre  der  12  Apostel  etc. 
S.  40)  richtig  erkannt  und  hervorgehoben  worden  ist. 

Mt.  24, 11  —  Mt.  24,  24»  —  Mc.  13,  22». 

a.  Hom.  Cl.  Ep.  Clem.  ad  Jac.  14.  p.  10,  25. 

tä  <pvori(iara  ralq  xmv  üiZavcnv  xal  xä>v  tysvöojTQorpijTGtv 
OfiiZLaiq. 

b.  Didasc.  VI,  13.  p.  330. 

(psvyeip  avxovq  rovq  tpsvödtg  In  ovofiari  röiv  axoöroJ 
eZ&övxaq. 


282  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

c.  Pseudo-Ign.  ad  Magn.  III.  p.  196,  30. 

xal   xovg    ipsvdiegstg   .  .  0)g    av  g>&ogeaq  xal   äjcaxsmvag 

dvB-QCOJCCDV. 

d.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  51.  p.  271 A. 

xal  kv  xcß  (isxaiv  xrjg  Ttagovolag  avxov  xqovco,  mg  stgo- 
t(f/Tjv,  yevrjoeod-ai  tegtlg  \<p&ogslg]  xal  xptvöojigogiijxag  eitl 
x<p  ovofiari  avxov  Jtgoefit'jvvas. 

e.  äiö.  XVI,  3. 

sv  ydg  xalg  iöx^xaig  fyegatg  nXr)&vvd-r)oovxai  ol  tyevöo- 
xgocpr/xai  xal  ol  (p&ogslg. 

f.  Const.  VII,  32.  p.  211,  28. 

kv  yäg  ralg  ioxdxatg  r]fiigaig  jtXrjfrvv&rjöovxai  ol  ipevöo- 
üiQO<pr\xai  xal  ol  (pfrogelg  Xoyov. 

g.  Const.  VI,  13.  p.  172,24. 

ovroi  yäg  sloi  xpevöoxgiGxoi  [xal]  ty£vöoxgog>r}xai  xal  iptvö- 
ajtöoxoXoi,  jtXctvoi  xal  qpfrogtlg. 

h.  Vincent.  Lerin.  Commonit.  37.  38. 

pseudapostoli,  pseudoprophetae,  pseudodoctores. 

i.   Hegesipp.  ap.  Eus.  H.  E.  IV,  22,  6.  p.  146,  4. 

äjtb   xovxmv  [sc.  xmv  algioemv]  ipevöoxgiO"zoi,  tpevöojrgo- 

(prjxai,  xptvöajcoGxoXoi,    oi'xiVEg    tfiigiGav  xi)v  tvmoiv  xrjg 

ixxXrjoiag. 
k.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  35.  p.  253  B. 

xai  iGovxai  öxiOftaxa  xal  algioeig  .  .  .  xal'  dvaGxf\Govxai 

xoXXol  ipevdoxgiGxoi  xal  ipevöoaxÖGxoXot,  xal  xoXXovq  xmv 

jcioxmv  üzXavfjOovoiv. 
L  Hom.  Clem.  XVI,  21.  p.  158,  26. 

ioovxai  ydg,  mg  o  xvgiog  elxev,  tpsvöaxoGxoXot,  tysvöelg 

jigocprjxai,  algeoeiq,  (piXagxiai. 

m.  Pseudo-Ign.  ad  Philad.  V.  p.  236,  2. 

mg  yag  ol  ipevdojtgo<pijxai  xal  ol  rpsvöajtoGxoXoi  tv  xal  xo 
avxo  ei'XxvGav  jtovrjgbv  xal  djcaxrßov  xal  XaonXavov 
jcvevfia. 

n.  Acta  Archelai  ap.  Routh  V,  131.  134. 

exsurgent  enim  et  falsi  apostoli  et  falsi  prophetae. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  24,  11.  283 

o.  2.  Petr.  2,  1. 

iyivovro  6h  xal  ipsvdojtQO<p?JTai  kv  r<p   Xacö,    mg   xal   iv 
vfitveoovtai  ip£v6o6i6daxaXoi,  oiriveg  xagnoägo  votv  algeoug. 
p.  Const.  VI,  18rpri78, X    ' 

ovxol  slöi  xegl  cov  o  xvgiog  jttxgmg  xal  djiorotucog  djtttp)]- 
vazo  Xiymv  ort  slol  tpsvöoxQtoroi  xal  xpsvöoötöaoxaXoi.. 
q.  Just.  Dial.  c.  TryphT  c.  82.  p.  308C. 

xal  nag*  t)tuZv  vvv  jtoXXoi  elot  xal  tyev6odi6äoxaXoi.,  oig  <pv- 
Xäöoeo&ai  jcgosljcsv  r^ilv  6  tjftirsgog  xvgiog  .  .  .  Ujie  yäg  ort 
. . .  tykvdoJCQo<pr}Tai  xal  tpevöoxQtäTOi  jioXXol  sm  reo  ovöfiari 
avTOv  ptagsXsvOovrai  xal  jcoXXovg  JtXavfjöovöiv. 
r.  Didasc.  VT,~T8Tp. ""33lT 

öiotc  eotXrjQoad-rj   xa   jtgoEigrjfieva  vq>    ?](id)p  xal  tjX&ov  ol 
xgvtptoi  Xvxoi,  tptvöoxQiGTOi  xal  \p£vöojtgo<pi}rai  axp&rjoav. 
s.  Const.  VI,  18.  p.  179,  16™  ~~ 

xal  sXsvoovvai  ipevöoxQiGTOi  xal  fpev6o7tgo<p^tai. 
t,   DidascTvi,  13.  p.  330  =  Const.  VI,  13.  p.  173,  7. 

dvaörnoovtat  yäg   psvöoxQiOrot  xal   tp£v6ojtgo<pfjTai  xal 
jtXavrjoovoi  stoXXovg. 
u.  Mc.  13,  22». 

sysg&voovrai  6h  tysv6oxgi6zoi  xal  rpsv6ojigo<fitizai. 
v.  Mt.  24,  24a." 

eyeQ&r'jGovrai  ydg  tysvööxgiozoi  xal  tpiv6ojcgo(prjzai. 
w.  Mt.  24,  11. 

xal  otoXXol  ip£v6ojiQO<p7JTai  tysg&rjöovzai  xal  jtXavfjOovoiv 
noXXovg. 

Dieses  Logion  ist  von  mir  bereits  in  Verbindung  mit  dem 
Agraphon  von  den  algeosic  xal  öxldfiaza  behandelt  worden. 
Vgl.  Agrapha  S.  105.  173—178.  282—284.  Ferner  habe  ich 
dort  auch  (Agrapha  S.  240)  auf  den  ursprünglichen  Unterschied 
hingewiesen,  welcher  in  den  Quellentexten  zwischen  Mt.  24,  11 
und  Mt.  24,  24  bestanden  haben  inuss,  der  aber  in  den  jetzigen 
canonischen  Texten  fast  vollständig  verwischt  ist.  Denn  während 
man  in  der  jetzigen  canonischen  Fassung  beide  Verse  für  Dou- 
bletten,  für  zwei  verschiedene  Redaktionen  eines  und  desselben 
Quellentextes,  halten  möchte,  handelte,  wenn  wir  denjenigen  In- 
dicien  folgen,  welche  die  aussercanonischen  Paralleltexte  an  die 
Hand  geben,  v.  24  im  Singular  von  dem  Antichrist  als  einer 


284  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Persönlichkeit,  in  welcher  das  christusfeindliche  Princip  sich 
verwirklichen  soll,  v.  11  aber  yon  seinen  Vorläufern,  den  ipev- 
öojiQOcpfixat  und  ipevöajiüözoJLoi,  in  der  Mehrzahl.  Die  weiter 
unten  zu  v.  24  gegebenen  Texte  und  Erläuterungen  dürften  diesen 
Sachverhalt,  was  v.  24  anlangt,  ausser  Zweifel  stellen.  Auch  zu 
v.  11  sind  vorstehend  zahlreiche  Parallelen  beigebracht,  darunter 
einige,  welche  in  den  Agrapha  a.  a.  0.  nicht  erwähnt  sind.  Unter 
ihnen  ist  besonders  beachtenswerth  das  Citat  aus  Pseudo-Ig- 
natius,  welcher  ja  mit  dem  Redaktor  der  Constitutionen 
jedenfalls  identisch  ist.  Wie  in  den  Constitutionen  die  <jpi>o- 
(ttlq  [Xoyov]  zweimal  (f,  g)  erwähnt  sind,  so  kehren  sie  auch 
bei  Pseudo-Ignatius  wieder,  wobei  der  Verfasser  in  demselben 
Athem  ajtaxe äivag  und  vorher  ipsvötspelg  namhaft  macht.  Diese 
letztere  Parallele  könnte  ein  Licht  werfen  auf  das  Citat  aus 
Justin  (d),  wo  das  dunkle  ItQslg  von  Sylburg  als  ipevötsgetg 
erklärt,  von  mir  aber  (Agrapha  S.  176)  als  verderbte  Lesart  Tür 
(pfroQtlq  aufgefasst  worden  ist.  l)  Es  sind  damit  die  Vorläufer 
des  Antichrists  gemeint,  den  die  Clementinen  %va  xT\g  xaxlag 
fyefiova  nennen.  Diese  seine  Vorläufer,  diese  zrjg  nXavrjg  xi]- 
Qvxsq,  wie  ebenfalls  die  clementinischen  Homilieu  sagen,  treten 
nun  nach  obigen  Paralleltexten  unter  den  mannigfachsten  Be- 
nennungen auf.     Vgl.  folgendes  Verzeichniss : 

nXävoL  [a  g,  vgl   auch  m  XaojtXävov  xvsvfia],  ajiaTsmvbg 
|C,  vgl.  auch  m  äjtart/Xöv  sc.  Jtvsvfia],  <p&0QEtg  [c   bzw.   d. 


1)  Wenn  Planck  in  seinem  Aufsatz :  „Lucian  und  das  Christen- 
fchum"  (Studien  und  Kritiken  1851)  zu  der  Stelle  aus  Lucians  Peregrinus 
c.  11:  öxs  ntQ  xal  vtjv  &ai\uactTjv  aocplav  tolr  XpiotiavtSv  e^tfia&e,  negl 
T7jv  naXaiarlvTjv  tolq  itytvot  xal  yganftattva  iv  avxdiv  Jzvvytvofisvog 
—  seinerseits  p.  SGü  bemerkt:  „Es  wird  wohl  keine  Stelle  geben,  wo 
christliche  Gemeinde  Vorsteher  klslsoetq  bezeichnet  werden":  so  ist  seitdem 
dieser  Ausspruch  durch  die  diöayji  widerlegt.  Denn  diö.  XIII,  3  heisst  es 
von  den  ncutestamentlichen  Propheten:  avrol  yÜQ  tlatv  oi  d^xteottg 
vfiwv.  Dasselbe  Wert  findet  öich  in  der  1850  durch  de  Lagard  es  Rück- 
übersetzung ins  Griechische  zugänglich  gemachten  Didascalia,  wo  es 
auf  die  Bischöfe  angewendet  ist.  Vgl.  Didasc.  II,  25.  p.  260:  oi/coi  yt'.Q 
v/jUöv  ttalv  oi  dpyiepeig.  Aber  auch  schon  als  Planck  schrieb,  war 
dasselbe  Wort  in  den  Constitutionen  11,25  (p.  54)  zu  lesen.  Es  konnte 
auch  nicht  anders  sein,  als  dass  der  von  Pseudo-Ignatius  gebrauchten 
Benennung  rpevöieotig  entsprechend  der  Titel  ieofig  und  dQyjeotiq  für 
christliche  Amtsträger  fehlte. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  24,  12.  285 

eT  f»  gl»  ipevöiEQStq  [c  bezw.  d],  ipEvöoöidaoxaXoi  [h,  o, 
p J,  ipEvöaxoOxoXoi  \  g,  h,  i,  k,  1.  m,  n,  bzw.  ipEvöäq  ejc  ovo- 
(laxi  ajtooxoXcov  iX&ovxsq  b),  rpevöoxQtOrot  [g,  i,  k,  p,  q,  r, 
s,  t,  u,  v],  ipevdojtQotpiJTai  [a,  e,  f,  g,  b,  i,  m,  n,  o,  q,  r, 
s,  t,  u,  v,  w  bzw.  ipEvöetq  JiQotprjxai  1]. 
Aus  der  Menge  dieser  Varianten  wird  sich  das  Ursprüngliche 
ebenso  wenig  herausfinden  lassen,  als  in  der  von  dem  Herrn 
verheissenen  Sendung  der  echten  jigoyrjxat  xal  axooxoXot  (Lc. 
11,  49  =  Mt.  23,  34),  wo  sich  auch  noch  andere  Benennungen, 
wie  öiöaoxaXoi,  ygafiftaxElq,  oo<pol  (Eph.  4,  1 1  auch  evayysZtOtai, 
jtoifttveq)  angeknüpft  haben.  (Vgl.  zu  Lc.  1  i,  49 ).  Jedenfalls 
bildete  das  Mt.  24,  11  ==  Mc.  13,  23  geweissagte  Auftreten  der 
falschen  Propheten  und  Apostel  das  Gegenstück  zu  der  von  Jesu 
Lc.  11,  49  =  Mt.  23,  24  verheissenen  Sendung  seiner  echten 
Apostel  und  Propheten.  Was  Justin  anlangt,  so  ist  er  an- 
scheinend verschiedenen  Quellen  gefolgt.  Vgl.  die  Citate  d,  k, 
q.  Die  Varianten  avaozrjöovxat  —  EyeQ&rjoovracj  wohl  auch 
staQEXEVüovtai,  gehen  auf  TO'ip'j  zurück.  2u  ipsvöaxnoxoXoi  ist 
noch  auf~2TCor.  11,  13  hinzuweisen,  wo  zugleich  Mt.  7,  15,  mit- 
hin ein  Logion  anzuklingen  scheint,  welches  ursprünglich  in 
denselben  eschatologischen  Zusammenhang  gehört  hat.  Vgl. 
oben  Mt.  7,  15.  Auch  die  tpsvÖElq  sc.  ajcoöxoXoi  Apoc.  2,  2  sind 
als  Seitenstück  zu  den  ipsvÖElq  jrQOiprjxai  derHomilien  hieher 
zu  ziehen.  Zu  dem  Ausdruck  <p&0QElg  verweist  Bousset  (die 
Evangeliencitate  Justins  S.  97)  noch  auf  2.  Petr.  2,  12:  £v  xi/ 
<püoQti  avxcöv  xal  g)9-aQr/oovxai.  Jedenfalls  setzt  die  Schilderung 
des  berühmten  zweiten  Capitels  des  zweiten  Petrusbriefes  das 
Herrenwort  von  den  rp£vdojtQO<pfjxai  (vgl.  2.  Petr.  2,  1  mit  Jud. 
4:  jtQoyEyQafjfitpoi)  voraus. 

Mt.  24,  12. 

a.  4.  Esr.  5,  10. 

xal  jcXij&vv&fjöETCu  fj  äöixia  xal  t)  atpQOömwj  tjrl  xtjq  yfjq. 

b.  Jiö.  XVI,  3.  4. 

xal  n  ayant]  oxgayqotxai  elq  fitooq'  av$avovo?)q  yäg  xyq 
ävo/iiaq  xxX. 

c.  ConstTviI,  32.  p.  212,  1.  [=  Aiö.  XVI,  4J. 

xal  q  ayajtrj  jilöoq  [sc.   oxga(p7JOExai\'  3tXrji)vvtiEiorjq  yag 
zrjg  avo/iiaq  xxX. 


286  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

d.  Didasc.  VI,  13.  p.  330. 

xal    öia   xo   xXTj&vv&rjvai   xi)V   dvo(iiav   ipvx&t/oerat    i\ 
xcov  xoXXalv  dydzirj. 

e.  Const.  VI,  13.  p.  113,  1  [=  Didasc.  VI,  13]. 

dt*    ovg    [sc.    xovg    ipevöoJiQOtyi'izag  xal   ipsvöaTrooxoXovg} 
tpvx^oezai  rj  xwv  jcoXXäv  dydjcrj. 

f.  Hippol.  Fragm.  ed.  Lagarde  p.  158. 

xafra)g  xal   6  öeOJtoxtjg  Xeysf    öia    xo  xXjj&vv&ijvat  xr)v 
dvofiiav  ipvxrf osxai  rj  dycuir)  xo3v  JtoXXoiv. 

g.  ML  24,1 2. 

xal  diu  to  jcl7)frvv&i}vai  xr\v  dvoftiav  ipvx?'j6£xai  rj  dyd~ 
jctj  xmv  jcoXXmv. 
h.  2.  Tbess.  2,  7. 

xo  ydo  (ivözTjQiov  rjötj  kvtoyslxai  xtjg  dvofiiag. 

In  engster  Verbindung  mit  der  Weissagung  von  den  durch 
grosse  Irrlehren  innerhalb  der  Christenheit  zu  erwartenden  Spal- 
tungen und  Zersetzungen  —  soovxat  öxioftaxa  xal  aloeoug  — 
stand  im  Urevangelium  die  andere  Weissagung  von  der  überhand- 
nehmenden dvofiia  (==  döixta)  und  von  dem  Erkalten  der  dydjtT] 
unter  seinen  Jüngern.  Vgl.  Agrapha  S.  177.  178.  Auch  in  der 
Apocalypsis  Baruch  XXVII,  12  wird  das  Überhandnehmen  der 
iniquitas  in  die  Endzeit  verlegt:  et  in  parte  undecima  injo1ujtas 
et  incontinentia.  Dass  Paulus  das  in  Mt.  24,  12  erhaltene  Lo- 
gion 2.  Thess.  2,  4  ff.  im  Zusammenhang  mit  der  Weissagung 
von  dem  Antichrist  gelesen  hat,  liegt  auf  der  Hand.  Die  pau- 
linische  dvofiia  und  des  ersten  Evangelisten  döixia  sind  nicht 
tendenziöse  Parolen  —  wie  die  Tendenzkritik  glauben  machen 
wollte  — ,  sondern  harmlose  Übersetzungsvarianten  von  }"SC. 
VgL  dieselben  Varianten  zu  Lc.  13,  27  =  Mt.  7,  23,  wo  der  erste 
Evangelist  die  dvofiia,  Lc.  aber  die  döixia  vertritt.  Zu  xXrjfrvv- 
&7jvai  (Mt.)  =  avZßveiv  (did.)  =  eveqyslö&ai  (Paulus )  =  rQ"n  vgl. 
(Jen.  1,  22.  23  LXX  und  Symmachus  Izu  Ps.  17,  36,  ferner 
1.  Chron.  23,  17  LXX. 

Mt.  24, 14  =Mc.  13,  10. 

a.  Hippol.  Comm.  in  Dan.  Lib.  IV.  p,  15.  ed.  Bratke. 

jtQwxov  ydq  Sei  xrjQvx&fjvai  xo  evayyiXiov  xov  xvolov 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  24, 14.  22.  287 

slg  ftaorvgiov  Jtäoi  rolg  Id-vsöL,  xal  ovrcog  ijgsi  rb 
reXog,  orav  6  Qvf/Jtag  xbo/iog  jifojQwfrr}. 

b.  Mt.  24,  14. 

xal  XT]Qvy$n6srai  rovro  rb  svayyiXiov  rr\g  ßaciXsiag 
sv  oXy  xxi  oixovfievij  slg  fiaqxvQiov  jtaotv  xoIqs&vsgiv, 
xal  xbxs  rjs£l  T^  x^Xo^ 

c.  Mc.  13,  10. 

xal  slq  xävra  xa  $&vri  jiqcöxov  ösl  xtjQvx^fjvai  to  er- 
ayysXiov. 

d.  Orig.  c.  Cels.  II,  13. 

xriQvx&f}G£x:cu  xo  svayysXiov  rovro  sv  öXcp  xqp  xoofiq) 

slg  fiaorvQioV  avxolg  xal  rolg  s&vsöiv. 

Aus  dem  rolg  s&vsoiv  der  Quelle,  die  in  Mt.  10,  18  am 
reinsten  erhalten  ist,  lässt  Weiss  (vgl.  Marcusevangelium  S.417 
Anm.)  durch  freie  Bildung  des  zweiten  Evangelisten  das  Logion 
Mc.  13,  10  und  daraus  die  Parallele  Mt.  24,  14  entstehen.  Die 
aussercanonischen  Parallelen  aber  lassen  uns  in  Mt.  24,  14  ein 
selbstständiges  Logion  erkennen,  dessen  Abstammung  aus  der 
vorcanonischen  Quelle  durch  die  Varianten  sv  oXm  reo  xooji<g== 
sv  oXy  rf,  olxovfitvj]  =  jn»n~b23  und  dem  verwandten  Zusatz: 
brav  6  ovfijiag  xbo/iog  xXrjQafrrj  in  dem  neuentdeckten  Hippo- 
lytus-Texte  offenbar  wird. 

Mt.  24,  22  =  Mc.  13,  ?0. 

a.  Barn.  IV,  3.  p.  14,  6. 

slg  rovro  yäo  b  dsojtbxrjg  övvxsxfjtypcsv  xovg  xaiQovc  xal 
rag  rjutoag. 

b.  Ulörig  2o(pia.  Anger  Synopsis  p.  198. 

sxoXbßa>oa  rovg  xaioovq  öiä  rovg  txXsxrovg  pov  ei  ,f/?}, 
ovx  av  söatd-r)  netoa  V^X*?-  sxoXößmoa  öh  rovg  xaiQOvg 
xal  rovg  yoovovg  öiä  rbv  ägi&fibv  rov  reXsiov  rmv  rpvxcöv. 
dt  Xtppovrai  rb  fivort'jQiov  avral  slöiv  ol  sxXsxxoi  sl  (/>} 
sxoXoßwoa  rovg  XQovov$i  ovx  av  toiofrt)  jtaoa  tyvyj 
vXixr)  = 

c.  Pistis  Sophia  p.  28,  17.  ed.  Schwartze  et  Petermann. 

Propter  hoc  igitur  dixi  vobi.s  tempore:   Abbreviavi  tempora 


288  Aussercanonische  Faralleltexte  au  Mt.  und  Mc. 

propter  meos  electos.  Alioquin  nulla  tyvx1?  potuisset 
servari.  Abbreviavi  öe  tempora  et  XQOvovg  propter  aoi&fjov 
reXscov  rpvxcov,  quae  suscipient  fWötTjoiov,  quae  eaedem 
sunt  electi,  et,  ni  abbreviassem  eorum  xgovovq,  nulla 
vXixr]  potuisset  servari. 

d.  Mt.  24,  22. 

xal  el  fir)  kxoXoßm&ijaav  al  fjnioai  ixstvai,  ovx  av  ic>oj&r) 
xäöa  GaQg-  öia  61  rovg  ixXExxovg  xoXoßco&rjdovTai  ai 
tjftt'gcu  exelvai. 

e.  Mc.  13,  20. 

xal  el  (ii)  ixoXoßmOBV  xvQiog  rag  t/fitoag,  ovx  av  eoat&ij 
jcäoa  Occq§-  aXXä  diu  rovg  exXexrovg,  ovg  e^eXt§aro, 
kxoXoßcaOEV  rag  yfikoag. 

f.  Ephraem  Syr.  Serm.  de  Autichristo  c.  10.  Hymni  et  Sermones 

III,  208.  ed.  Lamy. 
Dominus  in  evangelio  dicens:  Abbreviabuntur  dies  ilii  pro- 
pter electos  et  sanctos. 

Dieses  Logion,  welches  Weiss  (Marcusevangelium  S.  420 f., 
Matthäusevangelium  S.  510)  mit  Recht  zur  Quelle  rechnet,  ge- 
hört zu  der  Schilderung  der  ftsydXij  &Xlipiq.  Obwohl  Lucas  die 
Weissagung  von  dieser  Trübsalszeit  als  f/eydXij  dvdyxy  ebenfalls 
aus  den  Logia  geschöpft  hat  (vgl.  Lc.  21,  23),  so  ist  bei  ihm  doch 
der  Nachsatz  (Mt.  24,  22  =  Mc.  13,  20)  in  Wegfall  gekommen. 
Nach  der  Stellung,  welche  diese  Weissagung  von  der  fisydXfj 
&tity'^fadyxil=  «ins)  bei  allen  drei  Synoptikern  in  dem  ersten 
Theile  der  eschatologischen  Rede  einnimmt,  gehört  sie  in  die 
israelitische  Zeit  und  fällt  zusammen  mit  der  Zerstörung  Jeru- 
salems. Nach  den  aussercanonischen  Parallelen  (vgl.  Mt.  24,  24) 
möchte  man  vermuthen,  die  fieydXr]  frXltpig  umfasse  die  Zeit  vor 
dem  Auftreten  des  Antichrists  bis  zu  seiner  Vernichtung.  Je- 
denfalls ist  der  hebräische  Quellentext  an  den  Varianten  öeöJtozijg 
—jcvQtog  —  filS,  ovvTSfivsiv  —  xoXoßovv  —  -Ä]?,   XQ0V0?  — 

^$!?!Ls=zJw*Qai  ~  ^^ »  vielleicbi  auch  tfapg  =  ipvx*j  vXtxtj 
=  ÜB3  —  wieder  zu  erkennen.  Die  Lesart  der  Pistis  Sophia: 
ötd  rovg  exXexrovg  fiov  findet  sich  auch,  was  bei  Tischeudo rf 
nicht  notiert  ist,  im  Codex  Colbertinus:  propter  electos  meos. 
Vgl.  Exe.  Theod.  c.  9  zu  Mt.  24,  24.  Zu  dieser  Lesart  gehört  aber 
auch  das  ixoXoßcoOa  als  nothwendige  Ergänzung. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  24,  24.  289 

Mt.  24,  24. 

a.  Petr.  Sic.  Hist.  Manich.  c.  22. 

jcoifjOEi  yäg*  <pr]Oiv,  6  vjto  rov  jtov?]gov  svEgyovftsvoq 
ävriygtöxoq  GT](i£ia,  coq  JcXavrjaai  si  övvaxov  xal  rovq 
sxXsxrovq. 

b.  Exe.  Theod.  §  9.  ap.  Clem.  AI.  p.  969. 

6&ev  Etgrjrai  rovq  fisv  rrjq  y.Xrjöscoq  avfrgoijtovq  xaxd  xijv 
xagovöiav  rov  avri%gi6rov  jcXavtj&TJOEO&ar  dövvarov 
öh  rovq  sxXsxrovq'  öiö  <prjGi"  xal  ei  övvarov  rovq 
sxXsxrovq  fiov. 

c.  Orig.  Opp.  ed.  de  la  Rue  III,  .143.  in  Jerem    Hom  IV,  3. 

xal  xouyoei  Orjfisia  xal  rtgara  6  sXEVoofisvoq,  mors 
djcojtXavao&ai  eI  övvaxov  xal  xovq  sxXsxxovg. 

d.  Orig.  Opp.  ed.  de  la  Rue  III,  765. 

6xi  [sc.  o  av&omjioq  xtjq  apcagx'iaq)  ev  ry  rov  öiaßöXov 
ki-ovoia.  jioieI  Jtäoav  övvafiiv  xal  öijfiela  xal  zegaxa, 
ev  olq  xaraxXrjOOErai  xal  äjcojiXavijOsi  si  övvaxov  xal 
xovq  kxXsxrovq. 

e.  Celsus  ap.  Orig.  c.  Cels.  VI,  42.   Opp.  I,  663. 

öiöaoxsi  [sc.  o  'Irjoovq]  xal  fjfiäq  ....  jtgoayogEvoyv ,  a\q 
dga  o  JEaxaväq  xal  avxoq  ofxoiojq  <pavtlq  ixiösiiiExai  fit- 
yäXa  sgya 

f.  Apocalypsis  Esrae  p.  27. 

avxoq  dvaß?]0£xai.  ydg  o  dvxixEifiEvoq  xoiq  avftgoiJtotq 
djeb  xmv  xagxägmv  xal  svösit-srai  jcoXXa  xoiq  av&gmjtoiq. 

g..  Aiö.  XVI,  4.  5. 

xal  tote  (pavr\QExai  o  xoOfJOJtXavoq  a)q  vloq  &eov  xal 
noirjGEi  Orjfisia  xal  xs'gaza  .  .  .  xal  oxavöaXiofrrjöovxai 
jcoXXoi. 

h.  Const.  VII,  32.  p.212,  4. 

xal  tote  <pav7]0Exai  o  xoöfJOxXavoq,  6  rfjq  äX?]&£iag  sy- 
&goq,  o  xov  ipEvöobq  jtgooxäxrjq,  ov  o  xvgioq  ccveXei  reo 
jtvEv^iaxL  rov  Ozöfiaxoq  avxoy,  o  öid  ytiXtayv  draigojv 
aöEßtj-  xal  jtoXXol  oxavöaXiod-tjOovxat  sjc   avxcö. 

i.   Dionys.  Alex.  ap.  Eus.  H.E.  VI,  41,  10.  p.  237,  9. 

xal  öij  xal  jiagijv  xo  srgooxayfia,  avxo  oyzöov  hxsivo,  o'iov 

Texte  u.  Untersuchungen  X,  2.  19 


290  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mo. 

xb  jiQOQQrj^ev  vxb  xov  xvgiov  ajtoqxxivov  xb  cpoßsQcora- 

xov,  coq,  sl  övvaxbv ,  oxavöaXioai  xal  xovq  sxXexxovq. 

k.  BißXiov   KX^fiEvxoq  jiqojxov   xb    xaXovfiEvov    öia&?'jxrj  rov 

xvq'lov  3h]aov  XgiOxov.    Cap.  IX.    IIsqI  xr)q  jiagovoiaq  xov 

öiaßbXov.    Reliquiae  jur.  eccles.  p.  82.  ed.  Lagarde.    Agrapha 

S.  240. 

xoxe  elevösxcu   o  vlbq  xrjq  axcoXdaq  o  dvxixaXoq  vtyov- 

{tEVOqxal  EjiaigbfiEvoq,  jioicov  örjfiEla  xal  övväfiEiq  jtoXXäq 
jcgbq  xb  jcXavrjoai  oXrjv  xr\v  yrjv. 

1.  2.  Th.  2,  3b.  4a.  8.  9.  10a. 

djtoxaXvcp&fj  6  avd-QCOjioq  xrjq  dvofiiaq,  6  vlbq  xrjq  ajtcoXuaq, 
6  avxixeifiEVoq,  ....  xal  xoxe  dxoxaXvcp&rjoExai  6  avo- 
fxoq,  bv  6  xvgioq  Irjöovq  dvsXel  xcö  JiVEVfiaxi  xov  Oxbfiaxoq 
avxov  xal  xaxagyrjöEi  x)j  knupavEia  xrjq  ütagovoiaq  avxov, 
ov  soxlv  7]  jcaQovoia  xax*  svEgysiav  xov  oaxava  kv  jcäor] 
övvdfiEi  xal  07/fieioiq  xal  XEgaOi  ipsvöovq,  xal  kv  ndoi] 
djtax?]  aöixiaq  xolq  djcoXXvfiEvoiq. 

m.  Eus.  H.E.  IX,  7,  15.  p.  345,  24. 

coq,  xax"  avxb  örj  xb  üeIov  kxElvo  Xbyiov ,  ei  övvaxbv, 
ejcl  xovxoiq  xal  xovq  ixXsxxovq  avxovq  oxavöaXLC,E6&ai. 

n.  Nicetas  Byz.  adv.  Moham.  Confut.  III,  48. 

xal  xcov  xov  xvqiov  Öe  grjfidxcov  vvv  Evxaigov  fivr]fiovrjoai, 
Öxl  ei  övvaxbv  xal  xovq  Jiiöxovq  djtaxrjoai. 

o.  Const.  VI,  18.  p.  179,  17. 

xal  öcöoovöL  orjfiEla  kv  ovgavcp,  ojöxe,  eI  övvaxbv,  xal 
xovq  ExXsxxovq  djtaxTJoai. 

p.  Mc.  13,  22b. 

xal  jiou'joovoi  o?jtusla  xal  xEQaxa  agbq  xb  djtojtXaväv, 
eI  övvaxbv,  xovq  kxXsxxovq. 

q.  Mt.  24,  24b. 

xal  ömöovoiv  öijfiela  (isyccXa  xal  xigaxa,  atöxs  jiXavrj- 
d-rjvat,  el  övvaxbv,  xal  xovq  kxXsxxovq.  (Cod.  Colb.: 
etiam  electos  raeos.) 

Dieser  in  der  Quelle  ursprünglich  auf  den  kXevobfiEvoq 
(Orig.)  =  dvxiygiGxoq  (Petr.  Sic.)  bezüglich  gewesene  Vers  ist, 
wie  bereits  oben  zu  Mt.  24,  11  bemerkt  wurde,  in  dem  ersten 
Evangelium  hauptsächlich  schon  durch  Verwandlung  des  Singu- 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  24,  24.  291 

lars  in  den  Plural  verallgemeinert  (eysQ&rjoovTat  tpevöoxQtoxot 
xai  tyEvöojiQocpiircci),  ausserdem  aber  in  den  ersten  Theil  der 
eschatologischen  Rede  verlegt,  also  in  denjenigen  Theil,  welcher 
die  Zeit  bis  zur  Zerstörung  Jerusalems  umfasst.  Nach  den  In- 
dicien  jedoch,  welche  die  diöaxrf  an  die  Hand  giebt,  gehörten 
die  Weissagungen  von  den  Vorläufern  des  Antichrists  (=  Mt. 
24,  11),  von  dem  Überhandnehmen  der  avofiia  und  dem  Erkalten 
der  ayanrj  (=>  Mt.  24,  12),  von  dem  Hass  und  dem  Verrath  der 
Nächsten  gegen  einander  (=  Mt.  24,  10b),  von  der  fieydXr]  &Xl\piq 
(Mt.  24,  21)  sowie  von  dem  Antichrist,  dem  xootuojiXäi>oq  (Mt. 
24,  24)  in  den  zweiten,  die  Endzeit  betreffenden  Theil  der 
eschatologischen  Belehrung  Jesu.  Der  bezügliche  Abschnitt  der 
Jiöaxv  (XVI,  3 — 8)  wird  eröffnet  mit  den  Worten:  ev  jag  xalq 
töxätcci?  V^Qai^  a^s0  m^  ^em  Hinweis  auf  die  grosse  Endzeit. 
In  dieselbe  Zeit  (iv  yag  xalq  hoxaxaiq  ijntQaiq)  verlegt  der  in  den 
urevangelischen  Stoffen  so  wohl  bewanderte  Redaktor  der  Con- 
stitutionen diese  selben  Weissagungen ,  welche  er  noch  durch 
manche  wichtige  Züge  ergänzt,  so  z.  B.  durch  die  Beziehung  auf 
die  Xvxoi  ctQjtayeq  (Mt.  7, 15),  von  welcher  Weissagung  wir  schon 
oben,  namentlich  aus  Justin,  erkannt  haben,  dass  sie  ursprüng- 
lich einem  eschatologischen  ZusammenhaDg  angehört,  so  ferner 
durch  die  feine  Nüancierung  des  Wortes:  xai  xoxe  öxavöaXc- 
o&rjöovxai  otoXXoL  (Alö.  XVI,  5  =  Mt.  24,  10a),  welches  er  noch 
viel  deutlicher  als  die  J  idax>)  durch  den  Zusatz:  sx  avxcb  (sc. 
xm  xoofiojcXavcp)  auf  den  Antichrist  und  auf  die  unter  ihm  her- 
einbrechende &Xltycq  (isyäXrj  bezieht.  Auch  der  Redaktor  der 
johanneischen  Apokalypse  giebt  Zeugniss  für  diesen  Zusam- 
menhang der  eschatologischen  Weissagungen.  Denn  während 
nach  der  Einleitung  c.  1 — 3  in  dem  ersten  Haupttheil  der  Apo- 
kalypse, welcher  dem  ersten  Theil  der  grossen  eschatologischen 
Rede  Jesu  (Mt.  24,  4—28  =  Mc.  13,  5—23  =  Lc.  21,  8—24)  ent- 
spricht und  bis  zur  Zerstörung  Jerusalems  reicht  (Apoc.  4,  1  — 
1 1,2),  von  dem  antichristischen  Thier  noch  keine  Spur  zu  entdecken 
ist,  wird  in  dem  zweiten  Haupttheile  der  Apokalypse  (Apoc.  11, 
3 — 22,  21),  welcher  der  zweiten  Hälfte  der  eschatologischen  Rede 
Jesu  (Mt.  24,  29— 36  =Mc.  13,  24—37  =  Lc.  21,  25—36)  parallel 
läuft  und  von  der  Endzeit  handelt,  sofort  (Apoc.  11,  7)  das  Auf- 
treten des  Antichrists  angekündigt  und  dann  im  folgenden  der 
Antichrist  und   die   antichristische  frXtiptq  zum  Hauptthema  der 

19* 


292  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

apokalyptischen  Darstellung  erhoben.  Bei  dem  Apokalyptiker  er- 
scheint der  oaxaväg  selbst  auf  der  Erde  als  6  jtXavcöv  xr\v  ol- 
xovfitvrjv  ohf\v  (Apoc.  12,  9),  und  diese  Thätigkeit:  jtXaväv  xa 
eO-vtj  ist  das  Kennzeichen  der  antichristischen  Zeit  (Apoc.  13,  14; 
19,  20;  20,  3.  8.  10),  ganz  wie  der  Antichrist  bei  Celsus  als  der 
verkörperte  Saxaväg  aufgefasst  und  demgemäss  in  der  Jidaxij 
sowie  in  den  Constitutionen  als  xoGfiojcXüvog  bezeichnet  ist. 
Auch  in  der  Apokalypse  thut  das  antichristische  Thier  wie  nach 
den  andern  Quellen  grosse  Zeichen:  jioleI  örj/iEia  fiEyäXa  (Apoc. 
13,  13  =  Mt.  24,  24).  Wenn  nun  nach  dem  höchst  bedeutsamen 
Citate  des  Petrus  Siculus  der  Antichrist  (o  avxlxQioxog)  von 
dem  Satan  inspiriert  (vjto  xov  .icovtjQov  EVEoyov/isrog)  seine 
Wundertbaten  vollbringt,  so  stimmt  dieser  Evangelientext  des 
Petrus  Siculus  gänzlich  überein  mit 'der  paulinischen  Schilde- 
rung: ov  köxlv  rj  JcaQovoia  xax'  EvioyEiav  xov  oaxavä  ev 
jcäorj  övvafiEi  xal  orj/jeloig  xal  xtgaötv  ipsvdovg  (2.  Thess.  2, 9), 
aber  auch  mit  dem  Text  bei  Origenes,  wo  es  von  dem  Anti- 
christ heisst:  öxi  ev  xf)  öiaßöXov  h^ovola  jioieI  jcäöav  övvafiiv 
xal  otjfitla  xal  xt'oaxa.  Andernfalls-  wiederholt  sich  in  dem  Evan- 
gelientext des  Origenes  fast  wörtlich  2.  Thess.  2,  9b:  Man  ver- 
gleiche: 

Orig.  2.  Thess.  2,  9. 

jiäoav  dvva/iiv  xal  oijfiEta  xal     Iv  jtaoy  övpafisi  xal  orjfisioig 

xioaxa.  xal  xEQaöiv. 

So  wird  hier  ein  vorcanonischer  Evangelientext  sichtbar,  welchen 
schon  Paulus  benützt  haben  muss,  und  zwar  zeigen  sich  ver- 
wandte Zusammenhänge  in  der  Jiöay^  mit  2.  Thess.  2,  7  =  Mt. 
24,  12.  Vgl.  ferner  die  ajiäxr)  und  jtXävr)  2.  Thess.  2,  10.  11.  Ein 
hebräischer  Urtext  liegt  jedenfalls  den  Sinn-Parallelen  jrXavrjOai 
=  axojilavrjoai  =  oxavöaXioai  =  ajiaxijöai  =  fallere  (Augustin ) 
zu  Grunde.  Bemerkenswert!!  ist  dabei  noch  die  Variante  jtiöxovg 
für  ExXExxovg  wie  exXexxoL  =  jcioxevovxeq  zu  Mt.  18,  10,  sowie 
das  IxlExxovq  fiov  (Exe.  Theod.)  und  electos  meos  (Cod.  Colb.j. 
Vgl.  zu  Mt.  24,~2T 

Aus  dieser  ganzen  Untersuchung  geht  hervor,  dass  den  Aus- 
sagen der  Jiöaxrj,  des  Paulus  2.  Thess.  2  und  des  Apoka- 
lyptiker s  in  der  zweiten  Hälfte  seiner  eschatologischen  Visionen 
ein  echter  Evangelientext  zu  Grunde  gelegen  hat,  dessen  Spuren 
als   eines   evangelischen  Herrenwortes  namentlich   noch   in   den 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  24,  30.  31.  293 

aussercanonischen  Paralleltexten  wiederzufinden  sind,  welche 
uns  Origenes  und  Petrus  Siculus  zu  Mt.  24,  24  erhalten 
haben.  Dass  auch  die  clementinischen  Homilien  in  den- 
selben Voraussetzungen  sich  bewegen,   zeigen  folgende  Stellen. 

Hom.  III,  16.  p.  40,  18.  JioXXoi  elöiv  xrjq  jiXdvrjq  xrjgvxeq 
tva  xov  xijq  xaxiaq  ?jyefi6va  h%ovxeq.  Hom.  II,  17.  p.  26,  16.  ooq 
o  dZrj&ijq  rjfilv  jigo<pr}xt]q  eigrjxev,  Jtgmxov  xpevöeq  öel  eX&elv 
evayyeXiov  vxo  JcXävov  xivbq  xal  el&  ovxcoq  fiexd  xa&aigeöiv 
xov  äyiov  xbnov  evayyeXiov  dXr]ß-eq  xgvtpa  öiajtefiyiftijvai  eiq 
ijtavog&oiöiv  xo5v  eöofievmv  algeöeov  xal  fiexd  xavxa  jzgöq 
x<5  xeXei  jcdXiv  jigSxov  dvxi%gi6xov  eX&elv  öel  xal  xoxe 
xov  bvxmq  Xgioxov  tj/icov  'Itjöovv  dvaq>rjvai.  Hom.  VIII,  22. 
p.  92,  21.    vxb  xov  xrjq  xax'iaq  rjyefiovoq  JtgoXrjcpd-evxeq. 

Hier  ist  es  doch  klar,  dass  die  Lehre  vom  Antichrist  (ngwxov 
dvxixQiöxov  eX&elv  öel)  auf  ein  ausdrückliches  Herrenwort  (o 
aXtj&rjq  t)[ilv  Jigoy>/jX?/q  elgrjxev)  zurückgeführt  wird. 

Es  sei  zu  Vorstehendem  noch  bemerkt,  dass  auch  Wohle  n- 
berg  (Die  Lehre  der  12  Apostel  in  ihrem  Verhältniss  zum  neu- 
testamentlichen  Schriftthum  S.  39)  die  Verwandtschaft  des  in  der 
Aiöaxtj  geschilderten  xoöfioxXdvoq  mit  Apoc.  12,  9;  13,  3.  7.  13- 
14;  19,  20;  2.  Thess.  2,  4.  9;  Mt.  24,  24  wohl  erkannt  hat.  Eine 
merkwürdige  Annahme  ist  dagegen  seine  Identifizierung  des 
xoöfiojcXdvoq  mit  dem  ßöeXvyfia  Mt.  24,  15  =  Mc.  13,  14  (S.38). 
Zum  Ganzen  vgl.  man  noch  Logion  44  in  den  Agrapha  S.  127. 
239.  240. 

Mt.  24,  30».  31. 

a.  Jiö.  XVI,  6. 

xal  xoxe  (pavt/öexai  xd  arjfiela  xrjq  aXrj&eiaq' 
tiqcöxov  Of]fislov  exjiExäöscoq  ev  ovgavm, 
üxa  otjfielov  (patvrjq  ödXjciyyoq, 
xal  xb  xgixov  dvdoxaoiq  vexgmv. 

b.  Const.  VII,  32.  p.  212,  8. 

xal  xoxe  (pavi)6exai  6  vloq  xov  dv&gaijtov  ev  xm  ov- 
gaveö, 
elxa  (poDvrj  öaljciyyoq  eöxai  6i  dgyayyeXov, 
xal  (iexa!-v  dvaßicoöiq  xo3v  xexoifiijf/e'vwv. 

c.  1.  Thess.  4,  16. 

xal  avxbq  6  xvgtoq  ev  xeXevOfiaxt  xaxaßrjöexai  an  ovgavov 


294  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

sv  (pcovTJ  dgyccyysXov  xal  sv  odXjciyyi  frsov, 
xal  ol  vsxqoI  sv  Xgioxm  avaoxt)oovxai  jcgmxov. 

d.  Mt.  24,  30a.  31a. 

xal  xoxs  cpavrjosxai  xo  örjfielov  xov  vlov  xov  av&gco- 
ütov  sv  ovgavm, 
xal  djtooxsXsl  xovg  ayysXovg  avxov  [tsxä  öäX- 

jriyyog  fisyaXrjg, 
(1.  Cor.  15,  52:  oaXmost  yäg,  xal  ol  vsxqoI  sysg- 
d-rjOovraC). 

Durch  die  Vergleichung  der  in  der  Aiöayi]  und  den  Con- 
stitutionen enthaltenen  apokalyptischen  Aussagen  mit  1.  Th. 
4,  16;  1.  Cor.  15,  52  und  Mt.  24,  30.  31  wird  es  ersichtlich,  dass 
die  Reihenfolge  der  letzten  Ereignisse,  wie  sie  Paulus  im  1 .  Thes- 
salonicherbriefe  schildert,  durch  einen  vorcanonischen  Text  ge- 
geben war,  wovon  die  Reste  in  Mt.  24,  30.  31  übrig  geblieben 
sind.  Die  Aiöay?]  und  die  Con  stitutionen  geben  sogar  diese 
Reihenfolge  in  Zahlenbestimmungen  an,  woraus  hervorgehen 
dürfte,  dass  in  Mt.  24,  30a  die  Worte:  xal  xoxs  (gegen  Weiss) 
zur  Quelle  zu  rechnen  sind.  Die  drei  OJjf/sla  xü]g  aXrj&siag  sind 
folgende: 

Erstes  Zeichen. 

AlÖ.  jcqcöxov  Orjftslov  sxxsxdosmg  sv  ovgavm 

Mt.  24,  30a.         xal  xoxs  <pavi)osxai  orjfisiov  xov  vlov  xov  av- 

&qc6jiov  sv  ovgavm 
Const.  xal  xöxs  (pavr/osxai  o  vlog  xov  avfrgo'jjtov  sv 

xm  ovgavm 
1.  Thess.  4,  16.     xal  avxög  6  xvgiog  sv  xsXsvotuaxi  xaxaßt)osxai 

aji    ovgavov. 

Zweites  Zeichen. 

Jiö.  slxa  orjf/slov  g>mvrjg  odXjttyyog 

Const.  slxa  y>mv?]  öaXjtiyyog  sOxai  Öi    agyayysXov 

1.  Thess.  4,  16.  sv  <pmvf/  agyayysXov  xal  sv  odXjiiyyt  &sov 

Mt.  24,  31a.  xal  axooxsXsl  xovg  ayysXovg  avxov  fisxa  oaX- 

jtiyyog  fisyaX?)g. 
l.Cor.  15,  52.  oaXjciosi  yäg 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  24,  30.  31.  295 

Drittes  Zeichen. 

Jiö.  xal  xo  xgixov  aväoxaotq  vsxgo5v 

Const.  xal  fiera^v  avaßiojGiq  xwv  xExoifiqfitvoDv 

l.Thess.  4,  16.  xal  ol  vExgol  ev  Xgioxm  avaoxi)oovxai 

1.  Cor.  15,  52.  xal  ol  vexqoI  EyEgßr/oovrai. 

Einige  Bemerkungen  dazu  werden  den  Sachverhalt  in  besseres 
Licht  rücken.  Secundär  ist  in  der  Jiöayjj  sicherlich  die  Zäh- 
lung: Jtgcöxov  —  Eiza  —  xal  xo  xqixov,  ebenso  der  Ausdruck 
orjftEla  xrjq  dXrjd-Eiaq  *)  und  die  Wiederholung  des  crjfiEiov  an 
zweiter  Stelle.  Dagegen  die  erstmalige  Nennung  des  or/f/Elov, 
welches  auch  Mt.  24,  30  vorhanden  ist,  dürfte  um  so  mehr  echt 
sein,  als  sie  mit  der  (die  ganze  eschatologische  Rede  Jesu  ein- 
leitenden) Frage  der  Jünger:  xi  xo  O/jfCElov  xijq  orjq  jtagovoiaq 
xal  GvvxEXEiaq  xov  almvoq  Mt.  24,  3  =  Mc.  13,  4  =  Lc.  21,  7 
correspondiert.  Secundär  ist  aber  auch  der  Ausdruck  xfjq  kx- 
jcExäöEcoq.  Wohlenberg  (S.  42)  hat  die  von  Taylor  (The 
teaching  of  the  ap.  and  the  Sibyll.  books  S.  33  ff.)  gegebene 
Beziehung  auf  das  Händeausbreiten  am  Kreuz,  wonach  das 
CrjfiEiov  xijq  EXJttxaOEODq  das  Kreuzeszeichen  bedeuten  soll,  wohl 
zu  kurz  abgewiesen.  Vgl.  das  Citat  bei  Clemens  AI.  von  dem 
xo  Or/fiElov  ßaöxä^ELV2)  =  xov  oxavgov  ßaoxd^Eiv.  Ferner  Just. 
Apol.  1,  35  p.  76  B:  E^Exet&rj  xaq  yEigaq  Gxavomd-Etq  und  dazu 
das  Citat  Iren.  V,  17.  Agrapha  S.  199.  Besonders  beweisend  für 
diese  Auffassung  isL  Ephraem  in  einer  Äusserung,  Serm.  de 
Magis  c.  4  (Hynini  et  Sermones  II,  408  ed.  Lamy):  Ab  Oriente 
venturus  est,  ut  significavit  in  Evangelio,  et  apparebit  crux  ante 
eum,  sicut  vexillum  ante  regem.  Vgl.  auch  die  Rolle,  welche 
der  öxavooq  bei  der  Hadesfahrt  und  der  Auferstehung  spielt  in 
den  Erläuterungen  zu  Mt.  28,  2 — 4.  Aus  dem  Urevangelium 
stammt  die  (von  dem  Redaktor  der  Constitutionen  weggelassene) 
ixjiExaoiq  der  AidayJ]  keinesfalls.  Sehr  ansprechend  ist 
diese  EXjtExaoiq  von  Wohlenberg  erläutert  worden  durch 
den  Hinweis  auf  Lc.  17,  24  =  Mt.  24,  27:  mojcEQ  jag  1) 
aöxgajiij  rj  doxgajcxovoa  ex  xrjq  vx    ovgavov  slq  xi]v  vjc    ov- 


1)  Doch  vgl.    man  das  iv  ä).T}&sia  in  den  Test.  XII  patr.  und  iv  ty 
ä?.T]&£U(  bei  Origenes  zu  Lc.  22,  30 

2)  Vgl.  die  Texte  zu  Lc.  14,  27. 


296  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Qavov  ZäfiJtei.  ovrcoq  eöxai  6  vioq  rov  avd-Qoctjiov  kv  rij  r^iga 
avxov. 

Was  nun  das  zweite  orjfielov  anlangt,  so  sieht  man,  dass 
Paulus  es  zweimal  (1.  Cor.  15,  52  und  1.  Thess.  4,  16)  erwähnt, 
und  zwar  als  unmittelbar  der  Todtenerweckung  vorangehend. 
In  den  drei  Parallelen  von  Aiö  XVI,  6  =  Const.  VII,  32  =  1.  Thess. 
4, 16  ist  neben  der  oaXütiyS,  ausdrücklich  die  <pcowr}  genannt.  Wenn 
dieselbe  in  unserem  jetzigen  canonischen  Texte  von  Mt.  24,  30 
fehlt,  so  zeigt  der  davon  abweichende  Text  des  Cod.  Colbert.: 
..cum  tuba  et  voce  magna",  welchen  Tischendorf  nicht  be- 
sonders erwähnt,  sowie  eine  grosse  Menge  von  ihm  namhaft 
gemachter  Zeugen  (unter  ihnen  Cod.  D:  fieta  oaXxiyyoq  xal 
(pcorrjq  fieyaXrjq),  dass  in  der  That  die  cpcovrj  zu  dem  schon 
von  Paulus  gekannten  Urtexte  gehört  hat.  Die  Über- 
einstimmung von  Paulus  mit  den  Constitutionen  in  dem 
Singular:  aQxayyeZov  markiert  also  ebenfalls  den  Urtext.  Der 
Plural  des  ersten  Evangelisten  rovq  ayytXovq  leitet  zur  Ver- 
wendung dieser  Stelle  durch  den  Apökalyptiker  hin,  welcher 
Apoc.  8,  6  sieben  ayyeXoi  (ol  kjcra  ayytZoi  ol  sxovrsq  rag  Ijcxa 
GaZxiyyaq)  auftreten  lässt  und  das  einmalige  oaXjii^et  (vgl. 
1.  Cor.  15,  52)  siebenmal  (Apoc.  8,  7.  8.  10.  12.  9,  1.  13.  11,  15) 
wiederholt  —  ein  neuer  Beleg  für  die  enge  Verwandtschaft  der 
Apokalypse  mit  den  Anschauungen  des  ersten  Evangelisten. 

Das  dritte  Grjfitlov  hat  der  erste  Evangelist  wegfallen  lassen; 
die  Übereinstimmung  aber  zwischen  Paulus,  der  Jidax?)  und 
den  Constitutionen  zeigt  mit  Bestimmtheit,  dass  es  im  Ur- 
evangelium  vorhanden  gewesen  ist.  Das  fierat-v  der  Jiöa%7] 
bedeutet  im  späteren  Griechisch:  „hinterdrein,  hernach".  Die 
Ausdrücke :  avaßimöiq  =  aväöraöiq,  vexqol  =  x£xoifi7]fitvoi  sind 
ebenso  wie  avaort/OovTai  =  iyeQ&rjoovzat  gleichbedeutend. 

Zu  erwähnen  ist  endlich  auch  noch  die  Parallele  4.  Esr. 
7,  26—28:  „Ecce  tempus  veniet,  et  erit  quando  venient  signa, 
quae  praedixi  tibi,  et  apparebit  sponsa  et  apparescens  ostendetur, 
quae  nunc  subducitur  terra,  et  omnis,  qui  liberatus  est  de  prae- 
dictis  malis,  ipse  videbit  mirabilia  mea.  Revelabitur  enim  filius 
meus  [Jesus]  cum  his,  qui  cum  eo  sunt."  Auch  hier  sind  die 
otjfitia  (=  signa)  in  der  Mehrzahl  erwähnt,  und  die  Erscheinung 
des  Sohnes  Gottes  ist  als  das  wichtigste  Zeichen  genannt,  wobei 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  24,  30.  297 

selbstverständlich    der    Name    „Jesus"    eine    spätere    Interpola- 
tion ist. 

Interessant  ist  es  noch  zu  sehen,  wie  die  Sibyllinen  die 
drei  eschatologischen  Zeichen  dargestellt  und  dabei  ebenfalls  den 
oxavgoq  =  xo  gvZov  als  das  erste  Zeichen  des  Menschensohnes 
aufgefasst  haben. 

a.  Orac.  Sibyll.  VIII,  244—246. 

J£f/ (ia  de  xoi  xoxe  jtäoi  ßooxoiq  ocpotjylq  ist iorj \ioq, 

To  t-vXov  ev  Jiioxolq,  xo  xigaq1)  xo  Jto&ovfisvov  Eüxat, 

'Avöqojv  evoeßtcov  £><m'h  JtQ(6xo[i}ia  fit-  xöofwv. 

b.  Orac.  Sibyll.  VIII,  239. 
SdkjtiyZ,  ö'  ovoavo&sv  cpcovf  v  jioIv&qtjvov  ä<prj6SL 

c.  Orac.  Sibyll.  VIII,  227. 
JScofiax*  ejciy&ovicov  n'iav  r/fitoav  avaözrjoovrai. 

Mt.  24,  30»». 

a.  Aiö.  XVI,  8. 

xoxe  brpsxai   o  xöofioq  xov  xvqlov  eqx6(ievov  EJidvco  xwv 
ve^eXwv  xov  OVQCLVOV. 

b.  Const.  V,  19.  p.  152,  14. 

xal  xoxs  btpovxai  xov  dyajcrjxbv  [vlov]  xov  &sov. 

c.  Mt.  24,  30b. 

xal  bipovxai  xov  vlov  xov  dv&Qwxov  EQXofiEVOV  ejiI  xwv 
VEcpsXwv  xov  ovoavov  ftExd  övvd/xswq  xal  öö&]q  jcoXXfjq. 
Mit  obigen  Worten  schliesst  die  Aiöaxv  ab,  als  ein  Torso. 
Der  vollständige  und  jedenfalls  ursprüngliche  Schluss  ist  Const. 
VII,  32.  p.  212,  15—20  erhalten.  Vgl.  Agrapha  S.  162.  Freilich 
sind  aber  dabei  gerade  die  letzten  Worte  der  diöaxv,  welche 
mit  Mt.  24,  30b  wesentlich,  wenn  auch  nicht  wörtlich  überein- 
stimmen, durch  den  Redaktor  der  Constitutionen  in  Wegfall 
gekommen.  Einen  ähnlichen  Zusammenhang  bieten  die  Con- 
stitutionen V,  19.  p.  152,  14,  wo   der  in  Rede  stehende  Text- 


1)  rtgaq}  Vgl.  arjfxetu  xal  rtpara  Mt.24,24  =  Mc.  13,  22.  2.Thess.2,9. 


298  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

bestandtheil,  wie  er  oben  unter  b  mitgetheilt,  nicht  weggelassen 
ist,  sondern  in  engster  Verbindung  mit  dem  Logion  Joh.  19,  37 
erscheint.  Vgl.  Apok.  1,7.—  Die  Parallelen  Mt.  24,  30b  =  Jiö. 
XVI,  8  gründen  sich  auf  Dau.  7,  13.  Vgl.  dazu  Nestle,  Mar- 
ginalien S.  40.  Eine  Parallele  zu  Mt.  24,  30b  findet  sich  noch 
bei  Hippol.  Comm.  in  Dan.  Lib.  IV.  p.  16  ed.  Bratke:  oijftaivcov 
tavrov  evdrjXcoq  xal  jigocpavcäq  (zsrd  övvdfisojq  xal  do£,i]g 
jtargixyq  djtb  ovgavoöv  fieXXeiv  Jtagayiveöfrai. 

Mt.  24,  31b  =  Mc.  13,  27. 

a.  Aid.  IX,  4. 

ovrco  6vvax&?jra)  oov  tj  exxXrjoia  ajco  rcöv  jcsgdratv 
TJjg  yfjq. 

b.  Aid.  X,  5. 

xal  ovva^ov  avrrjv  ajco  rmv  rsöödgcov  avEficov. 

c.  Mc.  13,  27. 

xal  Eiiiovvdgsi  rovq  ExXsxrovq  Ix  rmv  reöödgojv  dvE- 
ficov  djt    axgov  yijq  ecoq  dxgov  ovgavov. 

d.  Ephr.  Syr.  Opp.  II,  193  A. 

xa&coq  yiygajirai'  rors  ol  ayysXoi  djiooreXXofievoi  Jttgi- 
TQexovOiv,  EjciOvvdyovrsq  rovq  sxXexrovq  ex  rcöv 
XEöoägcov  ävtfUDV,  coq  ecpt]  6  xvgioq  djt"  ccxgcov  ovgavcöv 
Ecoq  ccxgcov  avrcöv. 

e.  Mt.  24,  31b. 

xal  Ejciövvdt-ovöiv  rovq  hxXexrovq  avrov  ix  rätv  zsOöct- 
gcov  dvsficov  düt    axgmv  ovgavcöv  eatq  axgwv  avrcöv. 

Mit  Recht  lässt  Weiss  (Marcusevangeüum  S,  428,  Matthäus- 
evangelium  S.  516)  Mt.  24,  31b  =  Mc.  13,  27b  aus  der  vorcano- 
nischen  Quelle  entnommen  sein.  Er  erinnert  dabei  an  die  Er- 
wähnung der  vier  Weltgegenden  in  der  ebenfalls  urevangelischen 
Stelle  Mt.  8,  11  =  La  13,  29,  sowie  an  den  alttestam entlichen 
Ausdruck:  Q^tttB'n  tVZ^'lT)  B^Btt'n  fiSpttbl  =  LXX:  xal  ejil  ro 
dxgov  rov  ovgavov  Icoq  rov  dxgov  rov  ovgavov.  In  den  eu- 
charistischen  Gebeten  der  Aiöax^j,  weiche  wesentlich  aus  jo- 
hanneischen  Elementen  aufgebaut  sind,  gehören  die  oben  mit- 
getheilten  Citate  zu  den  wenigen  synoptischen  Anklängen  in 
jener  uralten  Abendmahlsliturgie.     Dabei  entspricht  die  rj  exxXtj- 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  24,  31.  25,  1.  2.  299 

o'ia  den  exXexxoi  der  synoptischen  Texte,  —  eiDe  Gleichung, 
welche  sich  auch  —  worauf  Nestle  aufmerksam  macht  —  in 
den  Parallelen  zu  Mt.  18,  10  vorfindet.  Die  Sibyllinen  nehmen 
entsprechend  den  vier  Winden  vier  Engel  an.     Vgl. 

Orac.  Sibyll.  II,  214—218, 

'Hvixa  d'  dfravdxov  &eov  cupfrtrot  dyyeXxrjoeg 
Ht-ovoi  Mi'/ar\X,  raßgirjX,  PacpaijX  x    OvqitjX, 
Avxol  kjcLOxänsvoL,  öoa  xig  xaxd  jtQÖofrev  egegsv 
'Av&qojjcoov,  tyvyjxg  xe  djid  £,6<pov  rjeoöevxog 
Eig  xq'ioiv  at-ovoi  Jidoag  ejtl  ßfjfia  ß-eoio. 

Mt.  25, 1.  2. 

a.  Epiph.  Haer.  LXVII,  2.  p.  711  A. 

xal  cofioico&rj  //  ßaoiXeia  xoöv  ovgavoöv  öixa  nag- 
d-evoig,  Jtevxe  {tcogaTg  xal  Jtevxe  (pgovifioig. 

b.  Mt.  25,  1.  2. 

xbxe  o{ioicod-T}(j£xai  t)  ßaoiXeia  xoöv  ovgavoöv  öixa 
jtagd- evoig,  aixiveg  Xaßovoai  xdg  XafiJtdöag  avxoöv 
sBxjXd-ov  elg  vjtävxrjoiv  xov  vv{i(piov.  nevxe  ös  et- 
avxcöv  t'jöav  ficogal  xal  Jtevxe  cpgovifioi. 

c.  Cod.  Cantabr.  ad  Mt.  25,  1.  2. 

xoxe  ofioiay&rjösxai  t]  ßaoiXeia  xcöv  ovgavoöv  dexa 
jcag&evoiq,  aixiveg  Xaßovoai  xdg  XafiJtäöag  tavxoöv 
E^tjXd-ov  eiq  ajtdvxrjoiv  xov  vvfupiov  xal  xrjg  i>vfi<f)r}q. 
jtevxe  ös  es  avxcöv  ?]Oav  <pgovi{ioi,  xal  jtevxs  fim- 
oai. 

d.  Cod.  Colbert.  ad  Mt.  25,  1.  2.  p.  33.  ed.  Belsheim. 

Tunc  simile  aestimabitur  regnum  caelorum  decem  vir- 
ginibus,  quae  acceperunt  lampadas  suas  et  venerunt 
obviam  sponso  et  sponsae.  Quinque  autem  ex  iis 
erant  fatuae,  et  quinque  prudentes. 

e.  Diatessaron  ed.  Ciasca  p.  76a.   Mt.  25,  1. 

Tunc  simile  erit  regnum  coelorum  decem  virginibus, 
quae,  accipientes  lampadas  suas,  exieruut  obviam 
sponso  et  sponsae. 


300  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Mit  vollem  Recht  erkennt  Weiss  (Matthäus  S.  529)  auch 
in  diesem  Gleichnisse  eine  Perikope  des  Urevangeliums.  Aber 
lediglich  auf  den  canonisch-revidierten  Text  gestützt,  hat  er  die 
Situation  des  Gleichnisses  nicht  voll  erfasst.  Erst  durch  den 
aussercanonischen  Zusatz:  xal  x?jg  vvfiqirjg,  welchen  Cod.  Cantabr. 
mit  dem  Cod.  Rossanensis,  mit  dem  Diatessaron,  mit  den 
altlateinischen  und  anderen  Versionen,  sowie  in  Übereinstimmung 
mit  Or  igen  es  und  Hilarius  vertritt,  wird  das  Verständniss  für 
die  im  Gleichniss  vorausgesetzte  Situation  erschlossen.  Das 
Hochzeitsmahl  ist  im  elterlichen  Hause  der  Braut  abgehalten 
worden.  Die  Nacht  ist  angebrochen,  und  das  Brautpaar  schickt 
sich  an  zum  Hochzeitszug  in  das  Haus  des  Bräutigams.  Die 
Brautjungfrauen  gehen  —  der  Weisung  des  Bräutigams  gemäss  — 
auf  die  Strassen  voraus,  um  das  Brautpaar,  wenn  es  in  festlichem 
Zuge  kommen  wird,  mit  ihren  brennenden  Packeln  zu  begrüssen 
und  in  das  Hochzeitsgemach  (wfupmv  —  vgl.  die  aussercano- 
nischen Parallelen  zu  v.  10b)  zu  geleiten.  Für  diese  Situation, 
wie  sie  dem  heutigen  Gebrauch  noch  entspricht,  ist  die  Weg- 
lassung der  Worte:  xal  xfjg  vvfMptjq  —  eine  störende  Kürzung. 
Die  Spuren  dieser  Worte  reichen  bis  in  die  älteste  Literatur 
hinauf.  Schon  der  Verfasser  der  johanneischen  Apokalypse 
hat  dieselben  verwendet.  Er  schaute  in  der  Parusie  (Apoc.  21,  2) 
vvfupijv  xsxoofirjfitvrjv  xcö  avögl  avxrjg.  Er  hörte  die  Stimme 
(Apoc.  21,  9):  ösvqo,  öti^a)  ooi  xr\v  vv[i(p)}v  xov  agviov  xi\v 
yvvalxa.-  Aber  auch  auf  die  jüdische  Esra-Apokalypse  hat  das 
Gleichniss  bereits  eingewirkt.  Auch  dieser  Apokalyptiker  fasst 
die  Parusie  so,  dass  der  Sohn  Gottes  nicht  allein  erscheint, 
sondern  die  sponsa  mit  ihm.  Vgl.  4.  Esr.  7,  26:  et  apparebit 
sponsa.  Vgl.  den  ganzen  Coutext  zu  Mt.  24,  30a.  Auch  die 
Clementinen  kennen  die  Kirche  als  die  Braut  Christi,  des 
königlichen  Bräutigams.  Vgl.  Hom.  Cleru.  Ep.  Clem.  ad  Jac. 
c.  7  p.  8,  22:  öio  vfislg  mg  sxxXrjöiag  jiQEößvxsQOi  egaoxrjöaxs 
xijv  XgiOxov  vvftcprjv  slg  oaxpQoovvrjV  vv/tyr/v  öh  Xeyoo  xrjg 
kxxkrjoiag  xb  övoxrjfia  eäv  yccg  ococpQmv  xaxaZqcpdjj  vjtb  vv/t- 
<piov  ßaoiXeojg,  xififjg  (/eyiöxrjg  xevgexcu.  Endlich  dürfte  als 
die  älteste  Spur  des  vorcanonischen  Textes  2.  Cor.  11,  2,  wenn 
auch  hier  der  Ausdruck  vvfiepr]  durch  jiaQ&evog  ersetzt  ist, 
nicht  unerwähnt  gelassen  werden. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  25,  3.  4.  301 

Mc.  25,  3.  4. 

a.  Mt.  25,  3.  4. 

al  ydg  (icogai  Xaßovoai  xäq  XafiJidöaq  ovx  sXaßov  (itfr 
tavxwv  sXaiov  al  de  g)govituoi  sXaßov  sXaiov  sv 
xolq  dyysioiq  fisxd  xcöv  Xafjjcdömv  lavxmv. 

b.  Const.  II,  13.  p.  24,  10. 

cogjieq  xal  xalq  jttvxs  sv  xa>  svayysXico  Jtag&svoiq  Ötu 
xi]v  [icogiav  ejttXsucsv  xo  xrjq  svosßsiaq  sXaiov. 

c.  Macar.  Hom.  IV,  6. 

iöov  ydg  al  nivxs  naoftsroi  al  cpgovifioi  vi)\paöai  .  .  . 
Xaßovoai  xo  sXaiov  sv  xolq  ayysioiq. 

d.  Orig.  c.  Cels.  VI,  5.   Opp.  I,  633. 

nag"  olq   x-gscpsxai    xovxo    xo    <pä>q   xm    sv   xivi  Jtagaßo?,fi 

slgrjfievq)   sXaio?  xrjgovvxi  xo3v  6aöa>v   xo  (pmq,  sv  xalq 

(pgovifjoiq  nsvxs  jiag&tvoiq. 

Aus  dem  Texte  des  Origenes  wird  es  klar,  dass  man  die 
Xafinaöaq  des  canonischen  Textes  als  öaöaq  (Fackeln)  =  D^TEb 
sich  zu  denken  hat.  Übersetzen  doch  auch  die  Septuaginta  TE5 
häufig  mit  Xapjcaq.  Vgl.  Gen  15,  17;  Ex.  20,  18;  Jud.  7,  16. 
Vielleicht  ist  -ps9  (phoen.  IDlpb)  mit  Xafjjtäq  sogar  stammver- 
wandt. Also  nicht  Lampen,  sondern  Fackeln  trugen  die  Jung- 
frauen, wie  noch  heute.  Das  Nähere  ersieht  man  aus  Schneller, 
Evangelienfahrten.  Leipzig  1892.  S.  460.  .Diese  (Fackeln)  be- 
stehen aus  langen  Stangen,  um  deren  oberes  Ende  grosse,  mit 
Olivenöl  gesättigte  Lappen  gewickelt  und  gebunden  sind.  Sollen 
diese  Fackeln  längere  Zeit  brennen,  so  müssen  die  Lappen  öfters 
von  neuem  mit  Oel  getränkt  werden.  Sonst  brennen  sie  kaum 
*/4  Stunde.  Aus  diesem  Grunde  muss  jede  dieser  Jungfrauen 
im  Gleichniss  einen  kleinen  Krug  mit  Oel  bei  sich  haben,  um 
die  Flamme  immer  Avieder  mit  neuem  Oel  zu  nähren."  (Man 
lese  die  schöne  Erklärung  des  Gleichnisses  bei  Schneller  weiter 
nach.)  Von  hier  aus  versteht  man  den  Ausdruck  bei  Origenes: 
sXatqj  xijQOVvxi  xojv  ödöcov  xo  wcjq  erst  vollständig.  Origenes 
war  ja  durch  seinen  Aufenthalt  in  Palaestina  mit  den  dortigen 
Sitten  des  Landes  wohl  bekannt.  Eine  Parallele  in  freier  An- 
wendung des  Gleichnisses  s.  Clem.  AI.  Str.  VII,  12,  72  p.  875. 


302  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Mt.  25,  5. 

a.  Barn.  IV,  13.  p.  18,  12. 

Iva  (irjjioxs  ejtavajiavofievot  coq  xXi)xo\  exixa&vjtvcoömutv 
xaiq  afiaQxiacg  rjficöv. 

b.  Macar.  de  elev.  nient.  c.  4. 

al  aXXai  6h  al  [mdqcu  ....  äg>vxvo3öav. 

c.  Mt.  25,  5. 

XQovi^optGg  de   xov    vvfi<piov   evvoxa^av  jcäoai  xal   exd- 
d-svöov. 

d.  Cod.  Corbejensis  (ff1)  Mt.  25,  5. 

Tardante  autem  sponso  fatuae  obdormierunt. 

e.  Macar.  Hom.  IV,  6. 

al  de  aXXai  al  iiojquX  . .  .  äjtexoi{ir'jd-t]6av. 

Die  handschriftlich  allein  durch  Cod.  Corbej.  vertretene 
Lesart:  fatuae  obdormierunt  wird,  was  bisher  nicht  beachtet 
worden  zu  sein  scheint,  durch  Macarius  secundiert,  welcher 
zweimal  al  de  aXXai  al  f/cogal  liest.  Vielleicht  bezog  sich  ur- 
sprünglich das  vvOxaC,eiv  (=  0^3)  auf  sämmtliche  Jungfrauen, 
das  wirkliche  Entschlafen  aber  (xa&evdetv  —  äjioxoifiäö&ai  — 
tupvjivovv  =  ETtixafrvjivovv  =  "JlEh)  nur  auf  die  thörichten. 

Mt.  25,  10». 

a.  Cod.  Cantabr.  Mt.  25,  10a. 

ecoq  vxayovGiv  äyoQCtOai,  ijX&ev  6  pvfKploq. 

b.  Cod.  Colbert.    Mt.  25,  10a.  p.  33.  ed.  Belsheim. 

dum  autem  eunt  emere,  venit  sponsus. 

c.  Mt.  25,  10a. 

aji£QXO[ibva)v  de  avxwv  ayogaoai  7]X&ev  o  wn<ploc. 

Die  Variante  des  Cod.  D:  sog  vxdyovoiv  und  das  cano- 
nische ajteQXOfievovv  avxcöv  sind  sichtlich  zwei  verschiedene 
Übersetzungen  von  "JFDba  als  des  gemeinsamen  Urtextes.  Die 
Annahme  von  Harris  (A  Study  of  Codex  Bezae  p.  99),  dass 
ecoq  vjtdyovöiv  in  Cod.  D  eine  Rückübersetzung  aus  dem  latei- 
nischen dum  vadunt  =  dum  eunt  sei,  trägt  keine  Notwendig- 
keit in  sich. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  25,  5.  10.  303 

31t.  25, 10b. 

a.  Macar.  de  elev.  mentis  cap.  4. 

al  vr/ipaöai  jisvxs  jictQ&evoi  sxslvat  —  —  sdvprj&ijoap  siq 
xbv  vviiKpmva  owsiGsXd-stv  xcß  vv{i<pt<p. 

b.  Macar.  Hom.  IV,  8. 

idov  yccQ  al  Jtivxs  Jiggd-spoi  al  ygovipoi  vifyaocu  —  — 
tjdvvrj&rjGav  ovpsiösXd-slP  xcp  vvfig)iq>  siq  xbv  snovoäpiop 
vvfMpäiva. 

c.  Exe.  Theod.  ap.  Clem.  AI.  §  86.  p.  989. 

xal  al  ütaQ&svoi  al  (pQQVifioi,  alq  al  Xoucäl  al  fisXXovoai 
ov  övveiöfjX&ov  siq  xd  ?]xoi[iaö[tspa  dya&d,  siq  dszti- 
frvftovOLP  dyysXoi  jtaQaxvtyai. 

d.  Epiph.  Haer.  LXXV,  7.  p.  911  C. 

xal  ovvsiösXd-ovxmv  sv  xSjvvft^wvi. 

e.  Ephr.^yr.   Op^XSdT^ 

6  dyajtwv  elceX&elv  eig  xbv  vv(i<pwva  xal  dyaXXiao&rjpai, 
Xafijcada  cpaiögäv  xal  sXaioP  siq  dyysiov  aodxa). 

f.  Mt.  25,  10b. 

xal  al  exoifioi  siöTjX&op  [isx'  <x^tov  siq  wvqjyä^ovq. 

Auch  hier  erweisen  sich  die  Varianten  als  Ubersetzungs- 
verschiedenheiten  des  hebräischen  Urtextes.  Das  gvpeX&eip  bei 
Macarius,  Epiphanius  und  in  den  Excerptis  Theodoti  ist 
mit  dem  canonischen  siGsX&slP  fisx^  avzov  =  iftS  XiS  —  gleich- 
bedeutend. Vgl.  die  Varianten  GvpantQX£(}&al  —  vjtäyeiv  (isxd 
xipoq  zu  Mt.  5,  41.  Ebenso  sind  siq  xovq  ydfiovq  (Mt.)  =  siq 
xbv  pvficpcöpa  (Macar.,  Ephr.)  =  ep  xm  px>y.(pmvi  (Epiph.)  gleich- 
wertig. Denn  das  canonische  ydfioi  bedeutet  hier  nicht  wie 
ydfioq  Mt.  22,  2  ff.  „  Hochzeitsmahl  r  =  nniö'a  —  das  Hochzeits- 
mahl ist  ja  nach  Mt.  25,  1.2  bereits  vorausgegangen  — ,  sondern 
,,  Beilager ",  zu  welchem  das  Brautpaar  bis  ins  Brautgemach,  den 
pvf/q)cop,  begleitet  wurde.  Die  hebräische  Rückübersetzung  von  yd- 
fioi lautet  hier  nach  dem  Londoner  N.  T.  vom  J.  1866:  nrnniT"^:;, 
welches  durch  pvfitpwp  aufs  Beste  wiedergegeben  wird.  Die  Si- 
tuation, welche  im  Gleichniss  vorausgesetzt  ist,  würde  viel  deut- 
licher erkannt  worden  sein,  wenn  der  Ausdruck  vvy.q.mv,  den 
die  aussercanonischen  Parallelen  übereinstimmend  nennen,  in  den 


304  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

canonischen  Text  aufgenommen  gewesen  wäre.  Wahrscheinlich 
aber  ist  (wie  die  Erwähnung  der  vv(i<prj  in  v.  1)  gerade  dieser 
Ausdruck  iwfi<pcov,  das  Symbol  des  ehelichen  Geheimnisses  — 
vgl.  Eph.  5,  32:  xo  (ivorrjQiov  zovto  (itya  korlv  kyo)  de  Xiyoj 
sie  Xqiotov  xal  slq  n)v  sxxX?joiav ,  Mt.  25,  2 :  slq  djcävrrjoiv 
rov  vi\u<piov  xal  rrjg  vv[i<p?]q,  Epiph.  de  fide  p.  1078  D:  ri]v 
jiag&ivov  Xqhjtov  xal  vvficprjv  — ,  von  dem  ersten  Evangelisten, 
der  nach  Mt.  19,  12  die  Eunuchen  so  hoch  stellte,  mit  Absicht 
vermieden  und  durch  das  weniger  praegnante  ydfioc  ersetzt 
worden.  Lber  das  hierher  bezügliche  Citat  aus  den  Exe.  Theo- 
doti  vgl.  Agrapha  S.  301. 

Mt.  25,  10c. 

a.  Mt.  25,  10c. 

xal  kxleio&r)  ?/  ftvoa. 

b.  Herrn.  Vis.  III,  9,1>.  pT52,  2, 

xal  txxXEiö&rjoeo&e    ftsrd    rojv   ayafrwv    vfimv   t§a>  rr/q 
&V(iag. 

c.  Macar.  de  custod.  cord.  c.  9. 

(icoQal  covofiaöfojöav  xal   rov  jcvsvfiarixoi)   rtjq  ßaoiXeiaq 
WfMpmvoq  äjisxXsiö&TjGav. 

d.  Macar.  de  elev.  ment.  c.  4. 

o  vv{t(pa)v  avralc  äjiBxXsio&T]  rijq  ßaoiXeiaq. 

e.  Macar.  Hom.  IV,  6. 

öio  xal  rov  wfig)cövoq  r?jq  ßaoiXeiaq  axBxXsio&rjOcw 

f.  Const.  II,  137p.  24,  12. 

xal   [djcooßeoaoai  xaq  Xafixaöag  rtjq  &eoyvoDOiaq]  djisßX'q- 
fttjöav  rov  vvfig)(5voq. 

Die  canonische  Fassung:  xal  exXsio&?]  r\  &vQa  —  findet 
sich  in  keiner  der  vorstehend  verzeichneten  Parallelen  wieder. 
Nur  Hermas  erinnert  daran  mit  seinem:  kxxXeio&rj<Je6&e  tgo) 
xTtc  dvgaq.  Im  Übrigen  tritt  auch  hier  vielmehr  wieder  der 
2'i\u(pojv  hervor  als  das  Ziel,  nach  welchem  hin  die  Handlung 
des  Gleichnisses  sich  bewegt. 

Eine  wichtige  Ergänzung  wird  das  Gleichniss  durch  die 
Erläuterungen  zu  Lc  13,  25— 27a  erfahren. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt  25, 10.  31.  305 

Mt.  25,  31. 

a.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  14.  p.  232  D. 

£v  öogtj  xal  hjtavoi  xcöv  petpsXcöv  xagtozai. 

b.  Just.  Apol.  I,  52.  p.  87  B. 

fittä  öogqs  ig  ovoavwv  (isxa  xtjg  ayyEÄixilg  avxov  GxQaxiug 
xaQayEvtJGeo&at  XEXtjQvxxat. 

c.  Chrysost.  hom.  de  resurr.  c.  1.    Opp.  II,  501.  ed.  Montfaucou. 

oxav  o  fiovoysvtjq  vlog  xov  d-sov  xaQayivqxat  ftExd  xcöv 
dyyt'Xcov  xmv  tavxov  xal  knl  xov  ß/j/iaxog  exeLvov  xad-iorj. 

d.  Polycarp.  ad  Phil  vT2.  p.  120,  8. 

xal  xävxag  ötl  jtaQaoxfjvai  reo  ßrjftaxi  xov  Xqigxov. 

e.  Rom.  14,  10. 

xävxEg  yäo  xaQaoxijoofie&a  xn  ßtjptaxi  xov  &sov  [S*CC2L: 
xov  Xqigxov}. 

f.  2.  Cor.  5,  10. 

xovg  yaQ  Jtdvxag  fj/iäg  (pavtQco&ijvat  öel  tfixooofrev  xov 
ßyßaxog  xov  Xqigxov. 

g.  Apoc.  20,  11.  12. 

xal  eIöov   &q6vov   fiiyav   jlevxov  xal  xov  xafrt'/ttEvov  ht 
avxov  .  .  .  xal  tlöov  xovg  VEXQovq  xovg  fieydXovg  xal  xoig 
(iixQOvg  iGxöixag  tvatxiov  xov  üqovov. 
h.  Mt.  25,  31.  32tt. 

öxav  öe  eZ&(]  o  vlog  xov  av&Qoixov  Iv  xjj  dof-t]  avxov  xal 
navxEG;  ol  ayye/.oi  //fr'  avxov,  xoxe  xad-loei  ejiI  d-Qovov 
66grjq  avxov,  xal  ovvax^oovxai  ejixqog&ev  avxov  Jtdvxa 

Xu   Ed-PTj. 

Das  Gleichniss  Mt.  25,  31—46  sieht  Weiss  (Matthäusevang. 
S.  540)  als  eine  durch  den  ersten  Evangelisten  vorgenommene 
Bearbeitung  einer  Perikope  aus  dem  Urevangelium  an,  welche 
in  ihrer  Urgestalt  keine  Gerichtsschilderung,  sondern  nur  einen 
Hinweis  auf  die  endliche  Sichtung  unter  den  Jüngern  Jesu  ent- 
halten habe.  Aber  sowohl  die  canonischen  als  die  aussercanoni- 
schen  Parallelen  lassen  den  ursprünglichen  Context  einer  Ge- 
richtsscheidung deutlich  hervortreten.  Der  Apokalyptiker  hat 
mit  dem  ersten  Evangelisten  ÜQovog  als  Version  von  KB3,  wäh- 
rend Paulus,  Polycarp  (dieser  allerdings  wohl  im  Anschluss 

Texte  u.  Untersuchungen  X,  8.  20 


3()ß  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

an  Rom.  14,  10),  aber  auch  Chrysostomus,  wo  er  in  bestimmter 
Weise  den  Text  von  Mt.  25,  31  anzieht,  für  &Qovoq  die  Über- 
Setzungsvariante  ßjjua  bieten.  Beachtenswerth  lst^class  in  diesem 
Citate  bei  Chrysostomus  das  3taQayivE0&ai  des  Justinschen 
Citates  sich  wiederholt,  welche  Variante  neben  'eQxtö&ai  =  Sia 
mehrfach  in  den  evangelischen  Texten  zu  beobaclifcenist. 

Das  JtaQaot?}oEC&ai  in  Rom.  14,  10  stimmt  mit  dem 
oxtjOei  Mt.  25,  33  tiberein.  Man  hat  nun  wahrscheinlich  TE^H 
=  loxavai  oder  ~ns9  =  jtaQaoxrjoEO&ai  als  Quellenwörter  anzu- 
nehmen. Wegen  der  Bezugnahme  auf  unser  Gleichniss  ist  in 
Rom.  14,  10  die  Lesart  xov  Xqioxov  (anstatt  xov  &eov,  welche 
Tisch endorf  aufgenommen  hat)  vorzuziehen. 

Die  Sibyllinen  gebrauchen  übrigens  ebenfalls  die  Variante 
ßr/fia  in  den  nachfolgenden  Stellen,  welche  deutlich  (vgl.  tj^ei  — 
kv  ööt-y  —  xafr'iOEi)  Mt.  25,  31  voraussetzen. 

Orac.  Sibyll.  II,  242—245. 

°H§et  tf  ev  ve^eXt)  jtQoq  x    aq>&ixov  drpfrixoq  avxbq 
yEv  do§7j  XQioxbq  ovv  afivftooiv  dyyeXxiQöi, 
Kai  xafriOEi  ^EyaXcp  sxiÖEgta  ßtjfxaxi,  xqivwv 
EvotßEcov  ßioxov  xai  övooEßEmv  xqojiov  avdQcöv. 

Orac.  Sibyll.  VIII,  222. 
2aQXO<poQO)V  ö*  avÖQwv  ipvxaq  hcl  ßt'/fiaxi  xqivei. 
Auch  vgl.  man  noch  die  Varianten  ßrj/ia  (Mt.  27,  19;  Joh. 
19,  13)  =  xa&tÖQa  (Ps.-Petr.  v.  7)  —  #(>6j>oJ~(Acta  Pil.  B.  c.IX, 
5  p.  301). 

Mt  25,  32\ 

a.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  120.  p.  349 B. 

fivax7]Qtov  xal  avxb  xov  Xqioxov,  xov  xe(iveiv  vficöv  xo 
yivoq  diyJl  fieZXovxoq  xal  xovq  (ikv  a§iovq  ovv  xolq  ayioiq 
xaxQiaQXCuq  xal  XQO<pr\xaiq  xrjq  alcoviov  ßaOiXsiaq  xax- 
agtovv  [lEXXovxoq,  xovq  6h  im  xr/v  xaxaöixijv  xov  doßi- 
oxov  JtvQoq  ovv  xolq  ofioiwq  äx£i&EGi  xal  ajiExa&ixoiq 
ajto  Jidvxmv  xcöv  kfrvmv  jrtfitpEiv  yöt)  <pr\oavxoq. 

b.  Macar.  de  elev.  ment.  cap.  2. 

IüieI  xal  ovoavb&Ev  hXEVGEO&ai  xov  Xqioxov  otöafiEv  ava- 
oxrjoal  xe  xovq  ex  xov   jiavxbq  XExoifirjfih'Ovq,  xa&coq  al 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  25,  32.  33.  34.  307 

&elai  ygcupal  [öidäoxovotv],  xal  elg  ovo  xovxovg  öteXovxa 
ftegt],  xal  rä  ei-rjg. 

c.  Mt25,  32b. 

xal  a<pogiöei  avxovg  ajc  äXX?]Xa)v,  ayojteg  6  jtoi(tr)v  ä<pogiCei 
xä  jtgößaxa  cutb  x<dv  egi<pa>v. 

In  den  —  allerdings  wenig  exakten  —  Anspielungen  bei 
Justin  und  Macarius  erscheinen  die  Ausdrücke  xtfivsivöivrj 
(Just.)  —  elg  ovo  öieXelv  fiigt)  (Macar.)  neben  ä<pogi£eiv  an 
aXXrjXmv  als  Übersetzungsvarianten  des  hebräischen  DJT^a  THSH. 

Mt.  25,  33. 

a.  Clem.  AI.  Paed.  I,  5,  14.  p.  105. 

xal  xä  agvia  64  fiov,  öxav  Xiytj,  oxr/xa>  ex  öetZicov. 

b.  Clem.  Al.TSed.  I,  8,  71.  p.  140. 

o  yäg  löxäg  xovg  ftev  ex  öei-itöv,  xovg  de  t|  evmvvfKov. 

c.  Mi  25,  33. 

xal   oxijOei   xä   (ihi>   xooßaxa   ex   de§uav  avxov,  xä  de 
kgicpia  e%  svmvviiojv. 

Die  Variante  agvla,  welche  Clemens  AI.  bietet,  wäre  ernst- 
licher als  IJbersetzungsvariante  neben  jtgößaxa  ins  Auge  zu 
fassen,  wenn  hier  nicht  ganz  offenbar  eine  sehr  freie  Citations- 
weise  vorläge. 

Im  Übrigen  vgl.  man  Joh.2 1,15,  die  einzige  Stelle,  wo  im  neu- 
testamentlichen  Canon  dieses  ägvla  sich  findet  —  in  den  LXX  kommt 
ägvlov  viermal  vor  — ,  ferner  Mt.  10,  16:  jtgößaxa  —  Lc.  10,  3: 
ägvag  =  2.  Clem.  V,  2.  p.  116,  16  ägvia  =  D^üSf  Zu  ig  evmvv- 
fiCDP  findet  sich  bei  Iren.  IV,  40,  1  die  Variante  elg  ägtoxega  = 

rafätoü». 

Mt.  25,  34. 

a.  4.  Esr.  2,  13. 

Ite  et  accipietis  .  .  .  Jam  paratum  est  vobis  regnum. 

b.  äii  X,  5. 

elg  xi)v  orjv  ßaoi Xeiav,  rv  rjxoifiaoag   avxfj    [sc.  xfi  ix- 
xXrjoia). 

c.  Barn.  III,  6.  p.  12,  14. 

jiiöxevoei  o  Xaog,  ov  ?)xoi[iaoev  ev  xm  ?jyajt7j(ievm  avxov. 

20* 


308  Aussercanonisclie  Paralleltexte  zu  Mt  und  Mc. 

d.  Ep.  ad  Diogn.  VIII,  11.  p.  160,  21. 

ijtEi  Öh  cutExaXvtpE  öiä  xov  äyajtijzov  xaiöog  xai  k<pavt- 
qcoös  xa  l|  aQxijsJj{TOi(iaö(ttva. 

e.  Hom.  III,  5.  p.  37,  34. 

xa  i]TOi[iaö(i£va  xolg  vlolg  xtjg  ßaoiZelag  aya&a. 

f.  Hom.  VII,  6.  p.  83724. 

fia&cov  xovg  JtQOCDQiöfiEVOvg  xov  &eov  jcqo  xaxaßoZ^gxoG- 
f/ov  oQiOf/ovg. 

g.  Epiph.  Haer.  LXI,  4.  p.  508  C. 

xZTjQco&rjGSTai  xb  eIq^lepov  öevxe  ix  ötgicov  fiov  ol 
Evkoyrjfiepoi,  o'lg  o  JtaxrjQ  fiov  o  ijtovgäviog  Söexo  xi)v 
ßaoijLetav  jiqo  jcaxaßoXfjg  xoo/iov. 

h.  Iren.  IV,  18,  6. 

sicut  dominus  noster  ait:  venite,  benedicti  patris  mei, 
percipite  praeparatum  vobis  regnum. 

i.  Iren.  IV,  40, 2. 

et  aliis  quidem  dicet:  venite,  benedicti  patris  mei,  perci- 
pite regnum,  quod  paratum^est  vobis. 

k.  IrenTlV,  28,  2. 

et   quibuscunque   dixerit:   venite,  benedicti  patris  mei, 
percipite  hereditatem  regni,  quod  praeparatum  est  vobis 
in  sempiternum. 
1.   Mt.25,  34. 

rote  LqeI   6   ßaoiZtvg   rolg  ix  öe£icöi>  avxov'  Öevxe   ol 
EV/LoyrjuEvoi    xov    JtaxQog   fiov,    xZijQovofifjoaxE    xi]v 
yxotfiaofiivriv  vfilv  ßaoiZelav  axb  xaxaßoZrjg  xoöfiov. 
Das  Citat  aus  der  Apokalypse  des  Esra,  welches   eine 
deutliche  Abhängigkeit  von  Mt.  25,  34  erweist,  gehört  den  spä- 
teren (aus  dem  Anfang  des   3.  Jahrhunderts   stammenden)  Zu- 
sätzen jenes  pseudepigraphischen  Buches  an.    Eigentümlich  ist 
die  von  dem  canonischen  Text  stark   abweichende  Parallele  bei 
Epiphanius,   weil  dieselbe  mit  der  aussercanonischen,   bezw. 
vorcanonischen  Fassung  von  Mt.  25,  41  in  frappanter  Weise  corre- 
spondiert.    Man  vgl. 

Epiph.  Mt.  25,  34:  Cod.  Cant.  Mt.  25,  41: 

oigo  jtaxriQ  fiov  6  kJtovodviog  o  rjxoiftaOEV  o  naxrjo  fiov  xm 
e&exo  xt)v  ßaotZelav  jcqo  xa-  ötaßbXoi  xal  xolg  ayytZoig 
xaßoZfjg  xoöfiov.  avxov. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  25,  35.  36  309 

Die  Fassung  des  Epiphanius  mit  dem  Subj.  6  ytarfjQ  ist 
auch  vorausgesetzt  in  den  eucharistischen  Gebeten  der  diöaxf/: 
yv  fjToifiaoaQ  und  in  der  Parallele  bei  Barnabas:  ov  rjxoi[taöEV. 
—  Übersetzungsvarianten  sind:  ite  =  venite  =  öevxe  =  1D5,  ferner 
üggovogTJimTB  (Mt.)  =  percipite  (Iren.)  =  acdpjetis^  (Esr.)  =  pos- 
sidetis  (Cod.  Colbert.)  =  *rn&  (vgl.  THX  in  den  Versionen  xXrjgo- 
vofielv  =  sxsiv  =  ijtiXafißdvEO&ai  zu  Lc.  18,  IS),  endlich  cbto 
xaxaßoXijg  xoOfiov  (Mt.)  =  jcqo  xaxaßoX^g  (Epiph.;  Hom.;  Epk 
f,  4;  1.  £etr.  1,  20)  =  ab  origine  hujus  mundi  (Cod.  Colbert.)  = 
^agjgs(Diogn.)«*DbTÄö.  Vgl.  zu  Bit.  13,  35.  Ausserdem  vgl. 
zu  dieser  Stelle  Nestle,  Marginalien  zu  Dan.  7,  22.  S.  41. 

Mt.  25,  35.  36. 

a.  Hom.  Clem.  Ep.  Clera.  ad  Jac,  c.  9.  p.  9,  8. 

jioXXm  [iäXXov  JtEivmvxag  XQE'tptxE,  xal  öitpojoi  xaot'xEXE 
xoxov,  yvpvolg  Evöv/ia,  xovg  voGovvxag  knioxinxEGd-E, 
xolg  kv  yvXaxalg  kjti<paev6(ievoi  mg  Svpccü.'fs  ßoiftetzE, 
Tou§^a^ov§  (isrä  xaoijg  xQofrvfilag  eig  rovg  tavxmv  ol- 
xovg  Xa/ißdvEXE. 

b.  Hom.  III,  69.  p.  55,  6. 

XEivmvxag  ydo  #pt'tp£T€,  öivpmoiv  xoxov  jiaQtgtxE,  yv- 
fivovg  kvövGEXE,  voaovvxag  kxiaxttpEG&E,  xolg  kv  eiq- 
xxalg  mg  övvaxov  ßor^?]GEXE,  §ivovg  slg  xd  tavxmv  Gxi]vm- 
fiaxa  jtQO&vfimg  dxoöigEG&E. 

c.  Hom.  XI,  4.  p.  109,  11. 

££«^i^ejr^o^v,  öiipmvxi  ütoxbv,  yvftVTjxEvovriEvövfia, 
vooovvxi  xQovoiav,  B,ivm  oxiyriv,  xal  xm  Iv  eIqxx(j  ovxi 
ExupaivofiEVoi  ßorjd-Etv  mg  övvaxov  koxiv. 

d.  Hom.  XII,  32.  p~  132,  20. 

ojtEQ  koxiv  Jtsivmvxa  ftgtipai,  xal  otoxov  öitpmvxt  xaga- 
oxElv  xal  yvfivov  ivfivoai,  xal  vooovvxa  kxioxEipaod-aT, 

xc^  ^J^31L^^^ai>  X<P  ^v  6ty**V  xäta  t0  övvaxov  EJtt- 
(paiVOfiEVOV  ßoq&Elv. 

e.  Judicium  Petri  (Ap.  KO.)  c.  22.  p.  118,  16.  ed.  Hilgenfeld. 

jiQOoomvxag  xovg  Xoyovg  xov  öiöaoxdXov  fjfjmv  EtÖExi 
ue  itEivoZvxa  xal  ovx  k&QEipaxE  /je. 


310  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

f.  Clem.  AI.  Quis  div.  salv.  c.  13.  p.  942. 

xc5q  av  xiq  stEivcüvxa  TQsyoi  xal  öitpcövta  xox'iCpi  xal 
yvfivov  oxExd^oi  xal  aoxeyov  Cvvdyoi. 

g.  Clem.  AL  Strom,  m,  6,  54.  p.  536. 

xi  tf  oxav  6  xvQiog  <p7j'  kxslvaöa  xal  exogxdoaxi  (iE  xxX. 

h.  Clem.  AI.  Strom.  II,  16,  73.  p.  467. 

xa&äxeQ  iv  xcö  Evayy'EXicp  (piXav&Qoijtmq  Xtycov'  ixtlvaoa 
xal  kömxaxe  (tot  <paysiv,  Idiiprjoa  xal  EÖmxaxi  fioi  jcislv. 

i.    Clem.  AI.  Quis  div.  salv.  c.  1 3.  p.  942. 

xoxiC,tLV  xbv  ötipSvxa,  üqxov  öidovai  xcp  xeivmvxi,  vjio- 
öix^0^ai  xov  aoxeyov,  d(i<piEvv\vai  xov  yvfivov. 

k.  Clem.  AI.  Paed.  ^t%wTy!wi~ 
ao&evtjg  xal  kjisöxiipaG&t  (iE. 

1.   Polyc.  ad  Phil.  VI,  1.  p.  120,  1. 

tjcioxsxxofievot  oidvxaq  do&EVElq. 

m.  Mt.  25,  35.  36. 

ixsivaoa  yaQ  xal  köaixaxt  (toi  yayelv,  söiipqoa  xal  £jio- 
xlaaxe  (iE,  gsvoc  r\(ir\v  xal  ovv?]ydyexe  (iE,  yvfivoq  xal 
xEQießäZexe  fts,  Tjod-Evtjoa  xal  sji*EOxEipaö&i  [iE,  iv  gpv- 
Xaxrj  r\(ii]v  xal  yX&axs  jtQoq  (iE.  ,,, 

n.  Test.  XII  patr.  Joseph  c.  1. 

ilq  alxfiCcXooiav  EXr}g>9-rjv,  xal  7)  xgaxaiä  x^Q  ccvxov  kßo- 
rjd-rjöE   (ioi'  kv  Xificö   OvvEXt&iJv,   xal  ovxoq  6  xvQioq  öti- 

&QE1pE  (IE'   kv   äö&EVEia   7](17]V,   XOl  6 -VtylOXOq   EJtEÖXEtyaXO 

fis'  iv  cpvXaxyi  Tjfitjv,  xal  6  aoaxrjQ  sxaQixa>6E  (iE'  j&jfa^, 
fiolq,  xal  eXvoe  fte. 

o.  Aristidis  Apologia  c.  15.  p.  38.  ed.  Hennecke. 

B,evov  kav  löooaip,  vjto  oxdyrjv  slöäyovoi,  xal  xa^QOvOiv  ijt 

avxäi  a\q  im  aÖEXgxp  aXrj&tvcä. 
p.  Diatessaron  ed.  Ciasca  p.  77b. 

nudus  fui  et  cooperuistis  nie,   infirmus  fui,  et  visitastis 

mei  in  carcere  eram  et  mei  curam  habuistis. 

q.  Ephraem  Syr.  Serm.  de  Magis  c.  7.    (Hymni  et  Sermones  II, 
4 16  sq.  ed.  Lamy.) 
Esurivi  enim  et  dedistis  mihi  manducare,  sitivi  et  dedistis 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  25,  35    3G. 


311 


mihi  bibere,  infirmus  et  visitastis  me,  nudus  et  vestivistis 
me,  inclusus  cum  captivis   et  venistis  solvere  vincula  mea. 

r.  Orac.  SibyiTvmrSl  405. 

xal  öbg  TCBivmvxi  xov  agxov 

xal  öixpwvxi  xoxbv  xal  eVfiava  oaifiaxL  yvfivw. 

Unter  der  Rubrik:  „Proben  von  aussercanonischen  Über- 
setzungen des  Urevangeliums"  habe  ich  bereits  in  den  Agrapha 
S.  66  den  Homilientext  zu  Mt.  25,  35.  36  neben  den  canonischen 
Text  und  dazwischen  den  reconstruirten  hebräischen  Quellentext 
gestellt.    Diese  Nebeneinanderstellung  ist  folgende: 


Hebr. 

Text  der  clementinischen 

Canonischer  Text. 

Quellentext. 

Homilien. 

knüvaöa 

tw  asn 

ejrsivaoa 

xal  kdmxaxe  uoi  cpayelv 

iröisrQ 

xal  h&Qttyaxe  (iE 

editprjöa 

nwi  «T22 

tölrpqoa 

xal  ejtoxiöaxe  fie 

■»MptfCT 

xal  jcoxov  xaQtoxsxi  fioi 

%£voq  rjfirjv 

■»n^nna 

§£VOQ    7]flTjV 

xal  ovvrjyayexe  (iE 

■»anöMwgr, 

xal  töegao&e  (iE 

■yvfivoQ 

OTT* 

yvfivoq 

xal  xeQießaZexi  fie 

"Wfä&fä 

xal  evsdioaxE  (iE 

rjöd-ivrjoa 

^tpyi  ruh 

hvöor\oa 

xal  ex£Gxsipaöd-£  (te 

■wij&Fn 

xal   EJt£ÖX£1paO&£   (IE 

ev  (pvAaxjj  rj(i?]v 

■»n^n  toitoa 

kv  EiQxxfi  tjfirjv 

xal  ijZ&axe  xgoq  (iE 

'ix  '«'iäw] 

xal  EßoTj&rjoaxE  fioi. 

Zu  dem  aussercanonischen  Texte,  welcher  aus  der  viermaligen 
—  ziemlich  constanten  —  Wiederholung  der  Clementinen  sich 
ergiebt,  finden  sich  auch  bei  anderen  Schriftstellern  (Clemens 
AI.,  Test.  XII  patr.,  Judicium  Petri)  Parallelen,  welche  als 
Ubersetzungsvarianten  erscheinen.     Man  vgl. 

T££9>«^  (Hom.,  Clem.  AI.)  =  öiaxgiipEiv  (Test.  XII  patr.)  — 

agxovjöiöovai  (Clem.  AI.)  =  ypgxä&iv  (Clem.  AI.)  = 

öiöovaijpayElt^  (Mt.,  auch  Pesch.,  SyrTHier.)  «==  ^Dfctn 

^o^oV^apt^v  (Hom.)  =  xoxi^Eiv  (Clem.  AI.,  Mt.)  =  diöo- 

vai  m£lv  (Clem.  AI.)  =  njsippr 
yvjivov  eIvoi  (Hom.,  Mt.)  =  yvfivrjxEVEiv  (Hom.)  =  Oh-tf 
h'vdvfia  jcapix£tv  (Hom.)  =  evöveiv  (Hom.)  =  afi<ptEvvvvai 


312  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

(Clem.  AL)  =  oxexa&tv  (Clem.  AI.)  =  xs^ißaXXeip  (Mt.) 
=  cooperire  (I)iatess.)  =  tpabn 

vogsIv  (Hoin.)  =  atösw^dvai  (Clem.  AI.,  Polyc.)  =  i*»  aa&e- 
vsla^  dvai^  (Test^XlI  patr.)  —  do&epelv  (Mt)  =Tr6n 

slpXTrj  (Hom.)  =  yvZaxr^  (Mt.,  Test.  XII  patr.)  —  T*jt?'tt 

ßorj&Eli'  (Hom.,  Test  XII  patr.)  =  t^lvjtQoq^iva  (Mt.)  = 
bs  K'ia  (vielleicht  ist  das  ifiqxxivso&ai  im  ersten  und 
dritten  Citate  der  Homilieu  dem  eZ&elv  entsprechend). 

&vo?  (Hom.,  Mt.)  =  aoxsyoq  (Clem.  AL)  =  13 

elg  oixovc  Za/ißdveiv  (Hom.)  =  äjtoö£xso&al  (Hom.)  = 
öexto&ai  (rlfom.j  =  vxoötx*°&ai  (Clem.  AI.)  —  vxo 
oxTytjv  elaayeiv  (Ariat)  =  ovvayuv  (Clem.  AI.,  Mt.)  — 
SP»  odertra  (bx)  «"^an. 

Der  hebräische  Text  von  Jes.  58,  7  ist  jedenfalls  in  den 
Herren worten  angezogen.  Man  vgl.  die  Septuaginta-Übersetzung: 
öid&Qvjtre  xuvatvxi  xbv  uqxov  oov,  xa\  ytxwxovg  aoxsyovg 
eloaye  tig  rbv  oixov  üov  (n'ja  fifari)'  sav  töyg  yvftvov,  xeglßake 
xxX.  Wahrscheinlich  hat  daher  auch  die  Septuaginta-Übersetzung 
auf  die  Übersetzungs Varianten  von  Mt.  25,  35. 36  eingewirkt.  In 
dem  Texte  des  Aristides  klingt  das  kav  td'ftc  aus  Jes.  58,  7 
in  dem  hav  löcooiv  an;  aber  in  dem  vjtb  oxtytjv  doayovaiv 
berührt  sich  der  Text  seiner  Apologie  mit  dem  &vm  oxiyyv 
der  Homilieu.  Zu  bemerken  ist  noch,  dass  nur  der  griechische 
Text  des  Aristides  die  obige  Parallele  (bei  der  Schilderung  der 
XQiCxtavol)  darbietet.  —  Zu  den  Varianten  ßoiföslv  =  £Z&£lv 
Jtgog  xtva  bemerkt  Nestle  noch,  dass  von  Einigen  ßotjfrtTv 
etymologisiert  wird:  „aufs  Geschrei  herbeilaufen,  kommen  zu." 

Mt.  85,  40. 

a.  Hom.  Clem.  XVII,  7.  p.  162,  5. 

6, xi  av  ovv  xig  jtoitfoy  av&Qcbjtq>,  elxs  äyccd-ov  elxs  xaxov, 
elg  hxslvov  [sc.  xbv  Xqioxov]  avcuptQsxai. 

b.  Clem.  AI.  Paed.  III,  12,  93.  p.  307. 

Xiycov  kg)'  oöov  ixoirjöaxe  xolq   ptixQolg  xovxotq,   ifiol 
ijtoirjaaxe. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  25,  40.  41.  313 

c.  Clem.  AI.  Paed.  III,  4,  30.  p.  271. 

xal  xo-  i<py  oöov  6s,  g>T)öiv,  svl  xovxojv  istoitjöaxe  xmv 
iXaxlöxmv,  ipol  ixoirjöaxs. 

d.  Clem.  AI.  Strom.  II,  16,  73.  p.  467. 

o  ydo  tv^xovrmv^xm^Xa^löTmy^xsxoifixaxe,  Zpoi  m- 
jioti'jxaxe. 
e    Clem.  AlTstrom.  III,  6,  54.  p.  536. 

elxa  Inupiow  k<p*  oöov  snoifjöaxe  tvl  xovxmv  xmv  iXa- 
Xiöxmv,  Ifiol  kxoitjöaxs, 

f.  Orig.  Opp.  ed.  de  la  Rue  III,  830. 

Quamdiu  uni  ex  minimis  istis  fecistis,  mihi  fecistis. 

g.  Mi  2574a 

xal  äxoxQifrelg  6  ßaöiXevg  kotl  avxolq'  äfirjv  Xiym  v/ilv, 
|0>'  oöov  istoir/oaxe  kvl  xovxmv  xmv  ädsX<pmv^  f/ov  xmv 
iXaxloxcov,  kfiol  knoifjöaxe. 
h.  Ephraem  Syr.  Serm.  de  Magis  c.  7.    (Hymni  et.  Sermones  II, 
488.  ed.  Lamy.) 
Quod  fecistis  egenti,  mihi  revera  fecistis. 

Auch  in  Mt.  25,  40  setzen  sich  —  wie  im  Folgenden  —  die 
aussercanonischen  Varianten  fort.  So  sind  o,  xi  av  ovv  (a)  = 
k(p  oöov  (b  c  e  g)  =  quamdiu  (f)  =  o  (d)  =  itDiC  oder  besser 
(mit  Rücksicht  auf  die  paulinische  Parallele  o  idv  Col.  3,  23)  — 
"Iflj»rb3,  ferner  fiixgog  (b)  =  kXdxiöxog  (c  d  e  g)  —  "jiaj?  oder 
TÄ    Setzt  man  "TOS  als  Stammwort  voraus,  so  erklärt  dasselbe 

•     T  T 

mit  seiner  Nebenbedeutung:,  „schwach,  kraftlos"  (vgl.  Fürst  II, 
281)  auch  die  Variante:  egens  bei  Ephraem.  Merkwürdig  ist, 
dass  die  Homilien  in  der  Variante  äv&omxm  mit  Col.  3,  23:  ovx 
av&Qoonoiq  sich  berühren. 

Mt  25,  4L 

a.  Ep.  ad  Diogn.  X,  7.  p.  162,  22. 

[&dvaxog],  og  (pvXaöötxai  xotg  xaxaxQi&7)öo[iivoiG  elg  xo 
xvq  xo  almviov,  o  xovg  xuqado&e'vxag  avxm  (itXQ1  TtXovg 
xoXäoei. 

b.  Hom.  Clem.  IX,  9.  p.  95,  23. 

xo  6h  xdvxmv  xaXexmxaxov,  kxdv  iv  xfj  xmv  oXmv  ovvxe- 
Xela  6  öalftcov  xd  xomxa  elg  xo  xa&alqov  xvq  äxoöo&fj. 


314  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Ale. 

c.  Just.  Ap.  I,  52.  p.  87  B. 

tcqv  <f  döixov  kv  alod-rjost  alcovia  fisxd  xmv  <pavXa>v  öai- 
fiovcov  slq  xo  alooViov  xvg  jiifiipsi. 

d.  JustTMalTa  Tryph.  cÜoTp.  34957 

xovq  ös  kjcl  T7Jv  xaxadixtjv  xov  doßsoxov  nvgoq  Ovv  xolq 
Ofioloig  djtsi&eoi  xal  dfisxa&exotq  djto  Jtdvxcov  xmv  k&vo5v 
ycs/itpsiv  T)6r\  tpr/oavxoq. 

e.  BoraTcTem.  XX,  9.  p.  193,  38. 

xovxov  vöxsgov  ptsxa  xd>v  avxoi  dyyeXmv  ovv  xolq  dfiag- 
xoXolq  slq  xo  oxoxoq  xo  xaxmxsgov  3tS(iJtsod-at. 

f.  Just.  Apol.  I,  28.  p.7iB. 

ov  [sc.  oaxavav  xal  ötdßoXov]  slq  xo  xvg  jts/iqp&rjosOfrat 
fitxd  xtjq  avxov  Oxgaxiaq  xal  xdöv  tjtoftsvcov  dv&gcojimv 
xoXaö&TjOOfievovg  xov  dnigavxov  aloZva,  jtgos(ii)vvOsv  o 
Xgtoxoq. 

g.  Iren.  IV,  40,  1. 

xm  de  dgxqym  xfjq  dxooxaöiaq  öiaßöXco  xal  xolq  ovvaiio- 
öxaoiv  avxm  xo  almviov  Jivg  tfxoifiaxmq,  elq  o  Jtsfup&rj- 
oso&ai  t<prj  6  xvgcoq  xovq  elq  xd  dgiOxsga  öiaxgid-ivxaq* 
h.  Iren.  V,  27,  1. 

haedos  autem  in  aeternuin  ignem  mittere^j^ui  praeparatus 
est  a  patre  ejus  diabolo  et  angelis  ejus. 

i.  Just.  Fragm.  ap.  Joannem  patriarch.  Antioch.    Otto  II,  248. 
kv  olq  ös  xov  xvgiov  stagaysvoftsvov  xm  öiaßöXco  Oa<pc5q 
ajtoxslo&ai  xal  ixoipao&fjvai   xo  alatviov  jcvg  xaljcolq 
dyysXoiq. 

k.  Just.  Fragm.  ap.  Andream  comm.  in  Apoc.  c.  60.  Otto  II,  248.. 
xal  o  (isyaq  de  lovoxlvbq  (ptjGiv,  kv  xjj  xov  XgiOxov  xag- 
ovola  jtgooxmq  yvcävai  xov  ÖtdßoXov ,  oxt  xaxaösölxaoxat 
elq  xov  aßvoöov  xal  slq  xrjv  xov  jtvgoq  yisvvav. 

1.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  116.  p.  344  A. 

xal  xfjq  sivgatOsaiq,  rjv  jtvgovoiv  rjfiaq  o  xe  öidßoXoq  xal 
ol  avxov  vjcijgtxat  jtdvxsq. 

m.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  76.  p.  30 ID. 

xal  kv  aXXoiq  Xoyoiq,  oiq  xaxaöixaCpiv  xovq  dvai-iovq  fti] 
öo)C,eodM  [isXXst,   %<prj   kgslv   vxdysxs  slq  xo    Oxoxoq  xo 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  25,  41.  315 

1£,(dteqov,  o  i?rotfia6EP  o  jtarrJQ  rqZ  oaxava  xal  xolg  dy- 
yiXoig  avxov. 
n.  HomTciem.  XIX,  2.  p.  178,  12. 

xal  aXlr)  jtov  ujieIv  vjtEO%Ero  rolg  dosßovaiv  vjtdysre  sig 

ßoXcp  xal  xolg  dyyiXoig  avrov. 

o.  Cod.  Cantabr.  Mt.  25,  41. 

rozs  eqeI  xal  xolg  l£  evcovv(ia)v'  jioqeveö&e  djc*  e/iov  ol 
xatrjQafiivoi  slg  xo  jivq  xo  aldtviov,  o  i)xoi(iaöEV  6 
jiaxtJQ^fwv  xco  6iaßoXq>  xal  xolgjzyjEXoig  avxov. 

p.  Hippol.  de  Christo  et  Antichr.    Galland.  II,  441. 

vjtdyEXE  an  ifiov  ol  xaxrjQafiEVOi  Big  xo  jivq  xo  cdm- 
vlov  xo  ^xoLfiaOfiivov  xtp  ötaßoXcp  xal  xolg  dyyiXoig 
avxov,  o  rfxolfiaöEV  ö^ar^p^oy. 

q.  Clem.  AI.  Quis  div.  salv.  c.  13.  p.  942. 

a  xolg  {LT]  jcoujoaocp  djcsiXsl  jivq  xal  oxoxog  xo  k^mxEQOv. 
r.  Clem.  AI.  Protr.  IX,  83.  p.  69 

vfiElg   öe  xi]v  xoXaoiv  äva/iivEXE  xal  xo  jivq  öe  jiqoöxo- 

jzeIxe,  o  rfzolfiaOEV  6  xvgtog  xcö  öiaßoXqj  xal  xolg  äyyi- 

Xoig  avxov. 
s.  Iren.  II,  7,  3. 

Et  ignis  au t ein  aeternus,  quem  praeparavit  pater  diabolo 

et  angelis  ejus. 

t.  Iren.  III,  23,  3  —  IV,  33.  11  =  Hilar.  in  Psalm.  144. 

Abite  maledicti  in  ignem  aeternum,  quem  praeparavit 
pater  meus  diabolo  et  angelis  ejus. 

u.  Iren.  IV,  40,  2  =  Hilar.  de  trinit.  c  11.==  in  Psalm  118. 

Discedite  a  me,  maledicti,  in  ignem  aeternum,  quem 
praeparavit  pater  meus  diabolo  et  angelis  ejus. 

v.  Cod.  Colbert.  Mt.  25,  41.  p.  34.  ed.  Belsheim. 

Discedite  a  me,  maledicti,  ite  in  ignem  aeternum,  quem 
paravit  pater  meus  diabolo  et  angelis  ejus. 

w.  Mt.  25741 

jioqeveo&e  an  tfiov  xaxrjQa{iEvoi  slg  xo  jivq  xo  aLmviov 
xo  rjxoi{ia6nivov  xa>  öiaßoXm  xal  xolg  ayyiXoig  avrov. 


316  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

x.  Aphr.  Honi.  XX.  p.  318.  ed.  Bert. 

Gehet  von  mir,  ihr  Verfluchten,  in  das  Feuer,  das  be- 
reitet ist  dem  Bösen  und  seinen  Engeln7~ 
y.  Diatessaron  ed.  Ciasca  p.  77b. 

Discedite  a  nie,  maledicti,  in  igoein  aeternum,  qui  para- 

tus  est  diabolo  et  ministris  ejus, 
z.  Tertull.  adv.  Hermog.  c.  11. 

diabolus  abierit  in  ignem,  quem  praeparavit  illi  deus  et 

angelis  ejus. 

Die  zahlreichen  Versionen  und  Redaktionen  zu  Mt.  25,  41 
gehen  vielfach  so  weit  auseinander,  dass  man  nicht  mehr  allent- 
halben die  Quellenwörter  nachweisen  kann.  Selbst  Justin  ge- 
stattet sich  in  den  sieben  Paralleltexten  dieses  Logion  die  man- 
nigfaltigsten Abweichungen.  Dass  aber  dabei  keineswegs  nur 
Willkürlichkeiten  obwalten,  zeigen  die  Paralleltexte  bei  anderen 
Schriftstellern.  So  findet  sich  das  justinische  xtfijtsiv,  Jtifuis- 
ö&ai,  jce(jq>&i]6eoftai  (c  d  f)  bei  Irenaeus  (g)  und  in  den  Clemen- 
tinen (e^ wieder.  Die  pavloi  öal/ioveg  Justins  (c)  klingen  in  dem 
6  öalficov  (b)  der  Homilien  wieder  an.  In  der  Variante  oaxapag  (m) 
für  das  canonische  und  auch  sonst  in  den  Citaten  häufige  öiaßoXog 
steht  Justin  allerdings  allein,  ebenso  Aphraates  mit  seinem 
„Bösen".  Sehr  mannigfaltig  sind  die  Bezeichnungen  des  ewigen 
Feuers:  xo  üivq  xo  alojvtov  (acghiopstuv),  xo  aoßeöxov 
xvQ  (d),  xo  xafralQoy  Jtvo  (b),  xo  xvq  (fr),  tj  xovjxvoog  yi- 
Evva  (k),  i]  jivQGDOiq  (1).  Ausserdem  begegnet  sich  Justin  (m)  in 
der  Variante  xo  oxoxog  xo  it-mxsoov  mit  dem  zweimaligen  Citat 
(e  n)  in  den  Homilien,  und  Clemens  verbindet  einmal  (q)  beide 
Varianten,  indem  er  xvq  xdjlxoxog  xo  kgtüxsQov  neben  einander 
setzt.  Ahnliche  Varianten  zwischen  xvq,  yitvva,  oxoxog  finden  sich 
auch  sonst  in  den  canonischen  und  aussercanonischen  Parallel- 
texten. Die  participiale  Fassung  des  Zusatzes,  wie  ihn  der  erste 
Evangelist  mit  xo  qxotfjaOfitvop  eingeleitet  hat,  ist  in  den  ausser- 
canonischen Parallelen  nur  selten  wieder  zu  finden.  Vielmehr  ist 
die  relativische  Construktion  mit  ausdrücklicher  Erwähnung  des 
xaxtfg  in  den  ältesten  Evangelienhandschriften,  wie  auch  der 
Öodex  Cantabr  mit  einem  Theil  seiner  lateinischen  Trabanten 
bezeugt,  allgemein  und  gewiss  ursprünglich  gewesen.  Bei  Cle- 
mens AI.  (r)  findet  sich  für  6  xaxtjQ  die  Variante  o  xvgiog, 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  25,  46.  317 

sicherlich  nicht  original.  Dagegen  weist  die  Variante  vxdyexe, 
in  welcher  Hippolyt  (p)  mit  den  Homilien  (n)  und  Justin  (m) 
zusammentrifft,  neben  dem  canonischen  xoQevea&e  auf  13b  zu- 
rück. Endlich  ist  es  sehr  beachtenswerth ,  dass  Justin  in  der 
Lesart  ^^QJ^o}  (1)  secundiert  wird  von  dem  Diatessaron:  et 
ministris  ejus.  Da  nun  nach  den  Septuaginta  122  auch  durch 
<xY££log  übersetzt  werden  kann  (vgl.  Jes.  37,  24:  *pia?  *P3  = 
LXX:  öi  dyyeXcov),  so  wird  es  wahrscheinlich,  dass  D"H3?  = 
vjtrjQtxai  —  ministri  ==  dyyeXoi  in  diesem  Fall  den  Urtext  re- 
praesentiert.  —  Die  Fassung:  quem  paravit  pater  meus  (anstatt 
xb  TjtoifiaOfttvov)  haben  wir  bereits  ebenso  gefunden  zu  Mt. 
2ü,  23  =  Mc.  10,  40:  quibus  paravit  pater  meus  nach  dem  Dia- 
tessaron. 

Mt.  25,  46. 

a.  Epiph.  Haer.  LXVI,  39.  p.  653  A. 

av&Qcojtot  ftev  ydg  xZ7]Qoi>oluohOi  ßaotXelav  ovqcivcqv  xal 
av&Qcojtoi  xQivovxat.  dxeXevaovxai  ydo  ovxoi  elg  xqIoiv 
cdtöviov,  xal  ovxoi  elg  ^(orjv  almviov,  q>i]olv  6  po- 
voyevi)g. 

b.  Epiph.  Haer.  LVI,  2.  p  478  B. 

avxog  6h  o  xvQiog  Xeycop  oxi  xal  eyegd^oovxai  (iep  ovxoi 
eig  ^oar)v  altoviov,  xal  ovxot  elg  xoXaoiv  aloaviov. 

c.  Clem.  AI.  Paed.  111,  12,  93.  p.  307. 

xal  axeXevoovxai  ol  xoiovxot  elg  C,co7jv  alcovtov. 

d.  Herrn.  Sim.  IX,  14,  2.  p.  226,  6. 

xoxe  aXXoi  elaeXevoovxai,  xal  ovxoi  elg  xeXog  ixßXif- 
ftrJGovxai. 

e.  Gennad.  c.  9.  p.  338. 

qui  dixit:  Ibunt  impii  in  Judicium  aeternum,  justi  autem 
in  vitam  aeternam,  utpercipiant  fructum  operum  suorum. 

f.  Const.  VII,  32.  p.  212,  15. 

xoxe  djreXevcovxai  ol  fthv  piovrjool  elg  almvlav  xoXaoiv, 
ol  de  öi'xaioi  stooevoovxai  elg  £<dtjv  alcoviov,  xXijqqvo- 
(iovvxeg  ixelva,  a  Q(p&aXfibg  ovx  eiöev  xal  ovg  ovx  rjxovoev 
xal    im    xaQÖiav   av&yojjtov  ovx  dvißtj,   a   Tjxol/jaoevc 


318  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

#60g  xolg  aygjtcÖGiv  avxbv  xal  %ap;/tforTat  sv  r%  ßaoiXda 

XOV    &£0V. 

g.  Ephraeni  Syr.   Opp.  II,  189E. 

xal  xoQBVöovxai  ovxol  slq  xoXaoiv  aicoviov,  ol  6h  61- 

xcuoi  sie  ^corjv  atmviov. 
h.  Mt.  25,  46. 

xal  djrsXtvoovxai  ovxoi  elq  xoXaoiv  aicoviov,  ol  6b  öi- 

xatot  tlg  ^mrjv  aicoviov. 

Der  hebräische  Urtext  ist  hier  ebenfalls  in  mancherlei  Va- 
riationen aus  einander  gegangen:  djteXsvoovtai  (a  f  h)  =  ibunt 
(e)  =  jtOQevcovtat  (g)  =  1DV?>  ferner  xoioiq  aleavioq  (a)  = 
iudicium  aeternum  (e)  =  xbXaoiq  aiatvioq  (b  f  g  h)  —  Dbiy  )^ 
(vg)  "pi  ==  Strafe  Esr.  7,  26),  niclit  minder  tyBQ&rjOovxai  (b)  = 
axEXevöovrai  (c)  =  bIöbXbvoovxüi  (d)  =  jiOQEvöovxai  (f)  =  ISÖa"1 
im  zweiten  Satztheil. 

Darüber,  dass  der  erste  Evangelist  höchstwahrscheinlich  die 
ursprünglichen  Schlussworte  der  Parabel  gekürzt,  der  Redaktor 
der  Constitutionen  aber  sie  uns  erhalten  hat,  und  dass  gerade 
diese  Schlussworte  es  gewesen  sind,  welche  Paulus  1.  Cor.  2,  9 
citiert,  ferner  (nach  Hieronymus)  die  Ascensio  Jesaiae  und 
(nach  demselben  Hieronymus,  aber  auch  nach  Origenes)  die 
Apocalypsis  Eliae,  sowie  zahlreiche  andere  altkirchliche 
Schriftsteller  benützt  haben,  endlich,  dass  die  von  1.  Cor.  2,  9 
abweichende  Fassung  dieser  Schlussworte,  wie  sie  in  der  Apo- 
calypsis Eliae  enthalten  gewesen  ist,  höchstwahrscheinlich  von 
Hegesippus  (durch  Vermittelung  des  Stephanus  Gobarus  bei 
Photius)  der  Nachwelt  überliefert  worden  ist,  darüber  vergleiche 
man  das  Nähere  Agrapha  S.  102f.,  154 — 167. 

Mt.  26,  7  =  Mc.  14,  3. 

a.  Ign.  ad  Eph.  XVU,  1.  p.  22,  4  =  Pseudo-Ign.  ad  Eph.  XVIL 

p.  286,  4. 
6id  xovxo  fivQOv  tXaßev  exl  xtjq  xtcpaXTJq  avxov  o  xv- 

Qioq,  tva  Jtvtij  xi]  BxxXrjoia  a(p&anö'iav. 

b.  Mt.  26,  7. 

jtQOöfjXfrEV  avxcß  yvvrj  B%ovoa  uXäßaoxQOv  ftvgov 
jcoXvxiuov  xal  xazexsev  exl  xijq  xB<paXyq  avxov 
dvaxeifiivov. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  26,  7.  8  319 

c.  Mc.  14,  3. 

xataxeifiepov  avrov  i/X&ev  yvvt)  l%ovoa  aXaßaoroov 
fiVQOV  vagöov  Jtiörixfjg  noXvrEXovg'  övvroiipaoa  rov 
aXdßaorgov  xars^EEV  avrov  rtjg  xE<paXijg. 

d.  Cod.  Cantabr.  Mc.  14,  3. 

xazaxeifisvov  avrov  i] X&ev  yvvt]  t%ovGa  aXaßaorgov 
fivgov  xal  &oav6aoa  aXäßaöroov  xarE^EEv  ejii  rijg 
XE<paXr\g  avroi. 

Nach  Weiss  (Matthäus  S.  542  Anm.)  bildete  die  Perikope 
von  der  Salbung  in  Bethanien  „mit  ihrer  bedeutungsvollen  Hin- 
weisung auf  das  Begräbniss  Jesu  den  Schluss  der  apostolischen 
Quelle".  Vgl.  auch  Weiss,  Marcus  S.  435 ff.  Es  wird  sich  im 
folgenden  an  den  aussercanonischen  Paralleltexten  und  anderen 
Symptomen  erweisen,  dass  das  Urevangelium  nicht  wie  ein  Torso 
unmittelbar  vor  der  Hauptentscheidung  im  Leben  Jesu  abbrach, 
sondern  weiter  reichte.  Aber  darin,  dass  diese  Perikope  in  der 
vorcanonischen  Quellenschrift  zu  lesen  war,  hat  Weiss  Recht. 
Man  vgl.  im  Vorstehenden  die  Ubersetzungsvarianten  jcoXvrifiog 
—^jtoXvrEXrjg  =  "jfcö  "ij?*,  ferner  GvvrotßEiv  =  dvavuv  ^T-q^ . 
Vgl.  dieselben  Varianten  ovvrnißEiv  —  {foavEiv  Mt.  12,  20  = 
Jes.  42,  Iff. 

Mt.  26,  8  =  Mc.  14,  4. 

a.  Cod.  Cantabr.  Mc.  14,  4. 

ol  dh  fia&ijral  avrov  öiEJiovovvro  xal  eXsyov  elg  zl  rj 
anmXEia  avnj  rov  fivoov; 

b.  Mt.  26,  8. 

löovrtg  öe  ol  fia&r/ral  yyaväxrrjoav  XiyovrEg'  eIq  ri  i) 
ajtcoXEia  avr/j; 

c.  Mc.  14,  4. 

ijoav  öe  riVEq  ayavaxrovyrEQ  Jioog  havroig'  slg  ri  r\  djcoj- 
Xeiü  avrrj  rov  (ivqov  yiyovEV ; 

d.  Cod.  Colbert.  Mc.  14,  4.  p.  60.  ed.  Belsheim. 

Quo  viso  quidam  indigne  tulerunt  dicentes:  Ut  quid  haec 
perditio  gratuita  facta  est? 

Auch  hier  (wie  zum  vorausgegangenen  Verse)  bringt  Cod.  D 
eine  werthvolle  aussercanonische  Übersetzungs Variante.   Während 


320  Aussercanoniscke  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

das  dyavaxxelv  der  canonischen  Texte  in  den  hebräischen  Rück- 
übersetzungen, wie  schon  die  Mannigfaltigkeit  der  Übersetzungs- 
versuche zeigt  (Lond.  N.T.  Mc:  lajiOTin,  Mi:  nnb  jrn,  Delitzsch 
Mc:  DiTMnno,  Mt.:  rasnrn,  Salkinson  Mc:  "»pJO  TO  TV* 
D^TDaK,  Mt. :  on'3  nrp})  dunkel  bleibt,  leitet  die  Variante  diaxovatö&ai 
in  Cod.  D  auf  das  richtige  Quellenwort,  nämlich  3S?nn~i(vgl 
Aquila  zu  Gen.  6,  6;  34,  7;  1.  Sam.  30,  7,  wo  die  LXX  h»v(iet- 
o&aij  xaxawyrjvat,  ivfrvfiovöfrai  bieten)  oder  3S23  (vgl.  Eccles. 
10,  9:  33p£  =  LXX:  öiaxovii&fjCtxai). 

Mt  26, 11  =  Mc.  14,  7. 

a.  Barn.  XXI,  2.  p.  80,  10. 

tx^re  (£€&'  lavxcjv  elg  ovq  tQyaQrjo&E  xo  xaXov  (ii)  e/L- 

XÜJCTJXE. 

b.  Mt.  26,  11. 

xdvxoxe  yaQ  xovg  jtxa>xovg  fixere  fteH-'  havxmv. 
c  Mc.  14,  7. 

jtuvxoxe  yaQ  xovg  jtxa>xovg  ex^xe  fied-'  tavx<op,  xaX 

oxav  #fc'x//re,  övvaöfre  sv  Jtotijoai. 
d.  Joh.  12,  8. 

xovg  jtxcoxovg  yaQ  jtdvxoxs  tx8T£  ltE&*  eavxoiv. 

Zu  dem  tv  jtoiF/oai  des  Marcus  finden  wir  in  der  Barna- 
bas- Parallele  die  aussercauonische  Variante:  iQyä&ofrai  xb  xa- 
Aov. Beide  Ausdrücke  setzen  im  Hebräischen  mit  Nothwendig- 
keit  3'1t3',n  voraus  und  sind  somit  als  Übersetzungsvarianten 
dieses  hebräischen  Quellenwortes  zu  erachten.  Vgl.  die  ver- 
wandten Übersetzungen  dieses  a^üH  in  La  6,  9:  dya&ojtoiijoai  — 
Mc  3,  4:  dya&ov  xoiijöai  ==»  Mt.  12,  12:  xalmq  jcoulv  —  Ep.  ad 
Diogn.:  xaXov  xi  jtotelv. 

Mt.  26, 13  =  Mc.  14,  9. 

a.  Ephraem  Syr.  Sermo  de  Domino  nostro  c.  47.   (Hymni  et  Serm. 
I,  258.  ed.  Lamy.) 
Maria  illud  effudit  in   caput  et  a  labiis   collegit  fructum: 
„Hoc  quippe  erit  ei  nomen  et  memoria,  ubicunque  an- 
nunciatum  fuerit  meum  Evangelium. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  26, 11.  13.  23.  321 

b.  Diatessaron  ed.  Ciasca.  p.  69. 

Amen  dico  vobis:  Ubicunque  praedicatum  fuerit  hoc 
Evangelium  meum  in  universo  mundo,  quod  fecit 
liaec,  narrabitur  in  memoriam  ejus. 

c.  Mt.  26,  13. 

afirjv  Xiym  vfilv,  ojtov  av  xi/Qvy&rj  xo  evayyiXiov 
xovxo  iv  o/o?  x<p  xoöfim,  Xa Xt]&i]oexai  xal  o  ijtoi- 
rjGsv  avrfjf  elg  pvrjuoGvvov  avxijg. 

d.  Mc.  14,  9. 

afii/v  öh  Xiyco  vfilv,  ojcov  av  xijQvy&ij  ro  evayyt- 
Xiov  dg  oXov  xov  xoofiov,  xal  6  iyiohjoev  avxi], 
XaXrj&rJGexai  elg  fivrjfioGvvov  avxtjg. 

Merkwürdiger  Weise  rechnet  Weiss  Mc.  14,  9  =  Mt.  26,  13 
nicht  mehr  zur  Quellenschrift,  welche  er  mit  Mt.  26,  12  =  Mc. 
14,  8  zu  Ende  gehen  lässt.  Unsere  Stelle,  die  Weissagung  von 
der  Predigt  des  Evangeliums  in  aller  Welt,  würde  wenigstens 
einen  einigermassen  erträglichen  Schluss  des  Urevangeliums  ent- 
halten haben.  Aber  das  Zusammentreffen  Ephraems  mit  dem 
arabischen  Diatessaron,  sowie  mit  der  Peschittha  und  der 
persischen  Version  lässt  keinen  Zweifel  daran  übrig,  dass 
Tatian  die  Lesart:  evangelium  meum  in  seine  Evangelien- 
harmonie aufgenommen  hatte.  Ori genes  hat  zu  Mi  26,  13  noch 
den  Zusatz:  iv  Jtäoi  rotg  s&v&oi.   Opp.  I,  27. 

Mt.  26,  23  —  Mc.  14,  20. 

a.  Clem.  AI.  Paed.  II,  8.  62.  p.  206. 

diöäoxet  de  fjfjäg  avxog  6  xi'Qiog,  öxi  diöoXcofttvog  o  'lov- 
öag  iaxiv  ogjgp  iftßäv)yxai  (lex*  ttuov.  Xsyatv.  eig  xo 
xovßXtov,  ovxog  ue  jiaoaöoJüsi. 

b.  Mt.  26,  23. 

o  öh  axoxgi freie  dxev  o  itißdtpag  /tat'  iiiov  xijv  yjloa 
iv  xrp  xovßXicp,  ovxog  ps  xanaöoJGii. 

c.  Mc.  14,  20. 

o  61  djtev  avxolg'  tlg  xcäv  Öojöexa,  6  ifißanxouavoß  jitr' 
i(tov  dgjto  XQvßXiov. 

Neben  der  participialen  Construktion:  6  ipßaipag  (Mt.)  und 
o  tfißaxxofisvog  (Mc.)  findet  sich  bei  Clemens  AI.  die  Variante: 

Texte  u.  Untersuchungen  X,  2.  21 


322  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

bq  dv  sfißdiprjtai,  welcher  Wechsel  auch  sonst  sowohl  in  cano- 
nischen als  in  aussercanonischen  Paralleltexten  sehr  häufig  ist. 
Vgl.  namentlich  die  Bemerkungen  zu  Mt.  5,  22. 

Mt,  26,  30  =  Mc.  14,  26. 

a.  Papyrus  Kainer.    Vgl.  oben  S.  33. 

[xal  sixsv  iv  xm  ajtaX}Xay£iv  cooavxmc. 

b.  Mt.  26,  30. 

xal  vfivrjoavxeq  £grjl#ov  dg  xb  b(jog  xoZv  eXaicöv. 

c.  Mc.  14,  26. 

xal  vjtvrioavxtg  e^f/Xfrov  dg  xb  oyog  xSv  IXaubv. 

d.  Lc.  22,  39. 

xal    t^tXVcov    tjtOQEvOtj   xarix    xb    tVog   dg  xb  ooog  xöjv 
iXaic?>r. 

e.  Epiph.  Haer.  LI.  27.  p.  440  ß. 

6#£v  xal  avxbq  o  ooaxqQ  to  xäöya  xeXeuboag  l£,?)X&£v  dg 
ro  oqog  fttxd  xo  ßfßncoxtvat. 

f.  Consi  V,  14.  p.  142,  23. 

l£rjX&£V  eig   TO   in>ng   xatv  IXaudv  jtXr/öiov  xov  y^ifiaggov 

xcöv  xtöocoi\  ov  i)v  xtpog'  ovvrjfiev  öt  xal  r/fitfc  xal  vf/vrj- 

octfitv  xaxa  xb  t&og. 

Diejenigen  Worte  des  Fajj um- Fragments,  welche  dem  syn- 
optischen Texte  vonMt.  26,  31a:  xbxe  Xiyu  avxoig  o  lr)6ovg  —  Mc. 
14,  27a:  xal  Xtyei  avxoig  o  IfjOovg  entsprechen,  setzen  zweifellos 
ein  iljttv  oder  tfpt]  oder  tXtysv  voraus.  Und  dazu  gehörte  das 
ojoavxcog,  welches  neuerdings  als  richtige  Lesart  anstatt  des 
früheren  dunkelen  mg  tg  e&ovg  herausgestellt  zu  haben,  jeden- 
falls als  ein  Fortschritt  in  den  B  ick  eil  sehen  Untersuchungen 
zu  bezeichnen  ist.  (Man  vergleiche  z.  B.  das  tijtsv  möavxcog  in 
Mt.  21,  30.)  Als  nähere  Bestimmung  dazu  würde  nun  entweder 
nach  der  früheren  Lesart  [fiexd  xb]  (payslv  oder  nach  dem  S.  33 
unter  C  mitgetheilten  Texte  \lv  xm  d.3caX]Xayelv  zu  gelten 
haben,  je  nachdem  der  erste  der  auf  dem  Fragmente  erhaltenen 
Buchstaben  als  <p  oder  X  gelesen  wird.  Die  frühere  Lesart  <pa- 
ytlv  hatte  viel  für  sich.  Man  vergleiche  das  Epiph  an  ius-Citat 
unter  e,  wo  (itxa  xb  ßtßQmxivai  ganz  in  demselben  Zusammen- 
hang zu  finden  ist,  ebenso  Jon.  13,  2:  öujivov  ysvofievov.     Liest 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  26,  30.  31.  323 

man  aber  den  ersten  Worttheil  als  Xaytlv,  so  bleibt  ra.  E.  keine 
andere  Ergänzung  als  ev  xco  djtaXXayelv  übrig.  Denn  die 
B  ick  eil  sehe  Ergänzung:  jcoo  xov  fts  fiexaXXayelv  halte  ich  für 
unmöglich.  Diese  Worte  müssten  dann  den  Schluss  einer  Rede 
Jesu  gebildet  haben,  und  ojoavxcog  sollte  dann,  wie  Bickell 
annimmt,  absolut  stehen  und  in  dieser  absoluten  Stellung  eine 
neue  Rede  Jesu  einleiten.  Dafür  gibt  es  aber  in  der  gesammten 
Evangelien-Literatur  keine  Analogie;  soweit  konnte  die  Kürzung 
nicht  gehen.  Wenn  also  am  Anfang  Xaysiv  zu  lesen  ist,  so  kann 
die  Ergänzung  nur  in  einem  hv  xco  djtaXXayelv  zu  suchen  sein. 
Der  Sinn  des  Satzes:  xäi  einev  ev  xco  djtaXXayelv  ojoavxcog  ist 
einfach:  „und  im  Weggehen  (oder  beim  Aufbruch)  sprach  er 
gleichermaßen."  Dieser  Sinn  deckt  sich  dann  mit  den  synop- 
tischen Parallelen  der  beiden  ersten  Evangelisten  vollkommen, 
sofern  dem  igtjX&ov  in  Mt.  26,  30  =  Mc.  14,  26,  ja  auch  dem 
lucanischen  e£eX&cov  ejcoQevB-rj  in  Lc.  22,  39,  das  djtaXXayelv  als 
Ubersetzuugs Variante  zur  Seite  tritt.  Denn  diese  Übersetzuugs- 
variante  findet  sich  bereits  in  den  Versionen  des  A.  Testaments. 
Nicht  blos  dass  Symmachus  Hiob  7,  9  das  hebräische  l(zri  mit 
djtaXXdzxea&ai  wiedergiebt  und  dass  Hiob  10,  19  bniN  in  die 
Varianten  djtrjXXdyrtv  =  djtfjX&ov  auseinandergeht,  sondern,  was 
noch  wichtiger  ist~'  1.  Sam.22,i,  wo  das  'sfs^  von  den  LXX 
mit  xal  äxrjX&ev  übersetzt  ist,  bietet  der  Cod.  Alexandrinus: 
y.cil  ajttjXXäyrj.  ~Es  ist  also  klar,  dass  dieses  djtaXXdxxeo&at  zu 
den  Eigentümlichkeiten  des  gewählteren  alexandrinischen  Sprach- 
gebrauchs gehörte.  Wir  finden  es  aber  auch  wiederholt  in 
aussercanonischen  neutestamentlichen  Paralleltexten,  z.  B.  Just. 
Dial.  c.  Tr.  c.  78:  öi  dXXtjg  oöov  elg  xijv  yjcooav  avxcov  djtaX- 
Xayevxmv  —  Mt  2,  12:  öi*  aXXrjg  oöov  dveycoqTnGav  eig  xtjv 
Xcooav  avxcöv.  Ferner  im  pseudopetrinischen  Evangelienfrag- 
ment v.  59:  xal  txaoxog  Xvjtovfievog'öid  xo  GVfißdv  djtrjXlayt/ 
eig  xov  oixov  avxov. 

Mt.  26,  31»  =  Mc.  14,  27*. 

a.  Didasc.  V,  14.  p.  312. 

xal  xoxe  r)iilv  ehtev  o  xvQiog'  dii/jv  Xt'yco  vulv  //fr'  oXi- 
yov  xcttoov  djroXehpexe  (je. 

21* 


324  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

b.  Joh.  16,  32. 

löov  tQxtTCil  ^Qa  xcti  t?JJXv9-tv,  \'va  oxoQjtio&tjxe  txaoxog 
sig  xa  idia  xdfih  fiovov  a<ptjxe. 

c.  Mc.  14,  27a. 

xal  Xtyei  avxolg  o  'l/joovg  oxt  Jtavxeg  oxavdaXiö&r'jösGdf.. 

d.  Papyr.  Rain. 

stavxtg  iv  xavxij  xfj  vvxti  oxavdaXiü^oea^e. 

e.  Mt.  26,3ta. 

tore  Xtyei  avxolg  6  'Iijcovg'    Jtavxsg   vfislc   oxavdaXio&Tj- 

ÜE6&6  SV  ijWL  SV  X%   VVXxl   TCtVTtJ. 

Bezüglich  dieses  Textbestandtheils  steht  das  Fajjum-Frag- 
ment  in  der  Mitte  zwischen  dem  Text  des  ersten  Evangelisten, 
dessen  iv  ifiol  dort  fehlt,  und  dem  Marcustexte,  bei  welchem 
das  iv  xavxtj  xij  vvxrl  des  Fragmentes  weggelassen  ist  Die 
johanneische  Parallele  Joh.  16,  32  ist  nur  als  Sinnparallele  in- 
teressant. Der  Text  der  Didascalia  berührt  sich  mit  Joh.  16,  32 
dem  Sinne  nach  sehr  eng,  lautet  aber  fast  synoptisch  uud  geht 
dann  (s.  das  Folgende)  ganz  in  die  synoptische  Relation  über. 

Mt.  26,  31b  —  Mc.  14,  27b. 

a.  Barn.  V,  12.  p.  24,  1. 

otav  xaxagcooiv  xov  noifttva  lavxcijv,   Tora  ajtoXslxat 
xa  jtnoßaxa  xrjg  xoifivtjc. 

b.  Papyr.  Rain.  Vgl  oben  S.  33. 

xaxa  xo  YQCupiv  naxäs™  tov  noiftsva,  xal  xa  jiqo- 
ßaxa  diaöxoQJuo&qöovxai. 

c.  Mc.  14,  27b. 

oxt  ytyQajtxcu'  xaxä§m  xov  jtoifitva,  xal  xa  jcQÖßaxa 
olxtGxoQxiofr//6ovxai. 

yiyQaxxai  yaq'  naxaigco  xov  jtoifitva,  xal  öiaoxoQjti- 
o&rjoovxai  xa  jtgoßaxa  xrjc  xolftvtjg. 

e.  Didasc.  VI,  14.  p.  312. 

öioxi  ytyoajtxai'  jcaxa^m  xov  jtoiitsva,  xal  diaoxoojtt- 
öö^öoinm  t«  jiQoßaxa  xrjg  xoifivrjg  avxov. 

f.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  53.  p.  273  BC. 

aXXcc  xal  öia  xov  jtootpi'txov  Zayaolov,  dxi  itaxayßj^asxai 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt  26,  31.  33.  325 

avxog  ovtog  6  XoiGxog  xal  diaoxogjtio&qGovxai  ol  fiaftt]- 

xdi   aVTOÜ,   JlQO£<pT}TbV&T). 

g.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  53.  p.  273  D. 

soxi  6h  xä  lex&tVTa  vsto  xov  Xa^aglov  xavxw  go{i<paia, 
kskf8Q&r]Ti  ext  xov  noi^tva  (tov,  xal  tüi  av6oa  xov  Xaov 
fiov,  Xiysi  xvgiog  xcov  6vvä(iecov  näxa^ov  xov  jcoi/isva, 
xal  öiaöxoQxioB-riGovxai  xä  jtgoßaxa  avxov. 

h.  Sach.  13,  7.  LXX.  Cod.  «B. 

jtaxägaze  xovg  jtoifiivag  xal  Ixöjiaaaxs  xä  jtgoßaxa. 

i.   SacnTlvTTLXX.  Cod.  K«A. 

jtäxagov  xov  Jtoifieva,  xal  6iaGxogjttGfr/jGovxai  [Kc:  6ta- 
GxogjtiG&rjxmGav]  xä  jtgoßaxa  [x?)g  jtoifjvr/g  om.  8C]. 

Auch  in  diesem  Falle  vertritt  das  Fajjum-Fragment  mit  der 
Citationsforniel:  xaxä    xb  ygaqpt'v   eine   gewähltere  Ausdrucks- 
weise.   Der   hebräische^TfrtexlPvon   Sach.  13,  7:    H]?'*i!TTl8   -fn 
T[82B1  »"pSIBni  hat  mehrfach  Übersetzungsvarianten  erfahren: 
•f!!  —  xäxat-ov  (LXX  K«A,  Just.)  =  Jtaxä{-axa  (LXX  Cod.  s*B)  = 

jtaxägco  (Mt.,  Mc,  Cod.  Rain.,  Didasc). 
rtjprrnx  —  xovg  jtoiptvag  (LXX  kB)  =  xov  jtoifitva  (LXX 

K«A,  Mt.,  Mc,  Cod.  Rain.,  Just.,  Didasc). 
'"pS^Eni  —  äjtoXelxai  (Barn.)  =  ixöxäaaxs  (LXX  »B)  =  öia~ 

oxoQmo&ijvcooav  (LXX  t&c)  —  ötaoxoQjtiofrtjGovxai  (LXX  XCA, 

ME,,  Mc,  Cod.  Rain.,  Just.,  Didasc). 
•{»srn  —  xä  jtgoßaxa  (LXX  K»CB,  Pap.  Rain.,  Mc.)  —  xä  jtgo- 

ßaxa  avxov   (Just.)  =  xä  Jtgoßaxa  xtjg  jtoivfiqg  (LXX  A, 

Mt,  Barn,,  Didasc.  add.  avxov). 

Man  sieht:  das  Fajjum-Evangelienfragnient  des  Cod.  Rainer 
geht  in  der  Wiedergabe  des  alttestamentlichen  Citates  ganz  mit 
dem  zweiten  Evangelium. 

Mt.  26,  33  —  Mc.  14,  29. 

a.  Papyr.  Rainer.  Vgl.  oben  S.  33. 

sljtovxog  xov  Iltxgov'  xal  el  jtävxeg,  ovx  iyco. 

b.  Mc  14,  29. 

o  6h  UixQog  ttpt]  avxor  el  xal  jtävxeg  GxavöaXiG&ijoovxai. 
äXX'  ovx  ey co. 


326  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

c.  Mt.  26,  33. 

uxoxQi&eig  6h  6  IHtqoc  eIjiev  avtcö'  si  Jtävreg  oxav- 

"öciXig&i'igovtcu  sv  Ooi,  lyto  ovÖtjiors  Gxav6aXiG&t]oo(iai. 
d    Epipli.  Ancor.  c.  9.  p  14  C. 

öiioyvQiCo^Evog   iXtysv'    si   xal    xavtEg   aQv^oovtai    os. 

iyco  ovx  ccQv/jGofiai. 

In  dem  Fajjum-Fragiuente  weist  die  Abkürzung  ksr "  (—  jtt- 
zqov)  und  das  vor  diesem  Namen  erhaltene  v,  welches  nothwendiger 
Weise  durch  den  Genetiv  rov  ergänzt  werden  muss,  auf  die 
Construktion  des  Gen.  abs.  und  folglich  auf  ein  verloren  ge- 
gangenes eijiovrog  hin,  dessen  Buchstaben  gerade  den  Platz 
ausfüllen.  Auch  diese  —  in  den  canonischen  Evangelien  seltene 
—  Construktion  gehört  zu  der  gewählteren  griechischen  Aus- 
drucksweise des  Fragments.  Die  Gegenrede  des  Petrus  ist  am 
kürzesten  in  dem  Fragment,  dagegen  bereits  dutch  Einfügung 
des  GxavöaXiGfr/'jOovTCu  erweitert  bei  Mc,  mit  noch  grösseren 
Erweiterungen  (Gxavda).io{yr)oovrat  sv  Goi  —  ovötjtors  Gxavda- 
Xioth/jGOfiai)  bei  Mt.  wiedergegeben.  Das  kurze  ovx  lym  des  Frag- 
ments entspricht  dem  hebräischen  Sprachgeiste  als  Übersetzung  von 
■^S  X"b  am  besten  und  trägt  den  Stempel  der  Originalität.  Das 
sicherste  Zeichen  aber  für  die  Unabhängigkeit  des 
Fragments  von  M  c.  und  Mt.  ist  die  Weglassung  von 
Mc.  14,  28  =  Mt.  26,  32.  Denn  dass  die  Worte:  dXXa  fizra  zo 
iyey&fjvai  [iE  7tQoä£.(o  vfiag  sig  rrjv  raXiXaiav  an  dieser  Stelle 
nicht  ursprünglich  sind,  vielmehr  den  Context  stören,  liegt  auf 
der  Hand.  Wahrscheinlich  beruhen  sie  auf  einer  von  dem  ersten 
Evangelisten  übernommenen  Umschaltung  des  Mc.  Die  Weg- 
las>suug  dieser  Worte  spricht  für  ein  direktes  oder  indirektes 
Schöpfen  aus  dem  Urevangelium. 

Mt.  26,  U  =  Mc.  14,  30. 

a.  Papyr.  Rainer.   Vgl.  oben  S.  33. 

[eljctv  o  xvQiog']  o  ccXextqvcov  ölg  xox[xv§st,  xal  Ov  JtQcöror 
rglg  ä]jiaov[i]Oy  fis.] 

b.  Joh.  13,  38. 

afirjv  dku/)v  Xtyco  goi,  ov  (irj  dXtxrcoQ  <poivr\Gr\,  tcog  ov  äo- 
vr/oy  //£  TQig. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  26,  34.  45 .  327 

c.  Lc.  22,  34. 

6  6h  tljie»'  Xtyco  ooi.  IItX(je,  ov  q>covrjosi  OypsQOV  dXtxtcoo. 
%(Oc  roic  ajia(>vr}<j7]  fii)  elötvai.  (is. 

d.  Const.  V,  14.  p.  142,  20. 

djiev  dfiyv  Xtyco  ooi,  jtQiv  dXixxoQa  <pcov?]Oai,  xq'ig 
djtaQv?]67]  (ir)  elÖEvai  fte. 

e.  Mt.  26,  34. 

i<pi]  avxm  o  'irjoovg'  d^r)v  Xeyoj  ooi,  ort  h)  xavzrj  xrj  vvxxl 
jiqIv  dXtxxooa  gxovrjoai  xglg  ajcayi'qöq  pi. 

f.  Mc.  14,  3oT~ 

xal  Xtyei  avxco  6  'hjooog'  dftrjr  Xtyco  ooi,  ort  ov  orjfieqov 
xavxq  xq  vvxxl  jcqiv  tj  ö)g  dXexxoya  (pcovTJoai,  xyig  (ie 
dxaQvqorj. 

Da  im  Fajjum-Fragrnente  bereits  für  den  Namen  des  Petrus 
eine  Abbreviatur  {ksz)  hervortritt,  so  liegt  es  nahe,  auch  für 
den  Namen  Jesu  eine  Abbreviatur  anzunehmen,  nämlich  die  in 
den  Codices,  besonders  auch  im  Cod.  Cantabr.,  gebräuchliche: 
6  xg  (=  6  xvgioq),  und  dies  um  so  mehr,  als  diese  Abbreviatur 
in  Verbindung  mit  einem  eljttv  oder  tcp?j  in  vorzüglicher  Weise 
sich  eignet,  die  im  Fragmente  an  dieser  Stelle  vorhandene  Lücke 
genau  auszufüllen.  Jedenfalls  kann  zwischen  der  Rede  des  Pe- 
trus und  der  Antwort  Jesu  ein  überleitender  Satz  nicht  entbehrt 
werden.  Die  von  Bickell  vorgeschlagenen  Ergänzungen,  früher: 
jiQOG&eiQ,  jetzt:  sxi  avrm  —  reichen  ebenso  wenig  wie  das  ab- 
solute cooavxcog  hin,  um  nach  einer  vorausgegangenen  Rede 
eine  neue  Rede  einzuführen  und  sind  in  der  gesammten  Evan- 
gelienliteratur meines  Wissens  ohne  Beispiel.  Was  aber  das 
Wort  dXsxxgvcov  anlangt,  welches  als  Variante  für  dXtxxcoy 
sich  z.  B.  bei  Epiphanius  Ancor.  c.  9.  p.  14 C:  ovxog  ioxiv  o 
xXavOag  exl  xfj  tpcovr}  xov  dXtxxgvovog ,  —  also  ebenfalls  wie 
hier  gerade  im  Bezug  auf  Petrus  sieh  findet,  so  gehört  es  der 
gut  griechischen  Prosa  an,  während  dXtxxcoq  den  poetischen 
Sprachgebrauch  vertritt. 

Mt.  26,  45  =  Mc.  14,  41. 

a.  Mt.  26,  45. 

löov  r/yyixev  r)  cöqa. 


328  Aussercanomsche  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

b.  Cod.  Cantabr.  Mc.  14,  41. 

cbrt'x«  To  rtXoc  xal  ij  coQa. 

c.  Mc.  14,  41. 

cutixw  ififtsv  )}  (OQCt. 

d.  Versiones  Syriacae.   Mc.  14,  41. 

appropinquavit  finis  et  venit  hora. 

e.  Codi.  Colbert.   Mc.  14,  41.  p.^1  ed.  Belsheim. 

adest  enim  consummacio  et  hora. 
f    Diatessaron  ed.  Ciasca  p.  85b. 

appropinquavit  finis  et  venit  hora. 

MitteD  in  den  sonst  mit  Lc.  22,  46  im  Wesentlichen  con- 
formen  Parallelen  findet  sich  bei  Mt.  der  Satz:  yyyixev  i)  Sga, 
bei  Mc.  T)Z&ev  1)  Sqü,  verstärkt  durch  ein  vorgesetztes  aüt(%Bi. 
Dieses  ajt^xec  hat  der  Auslegung  je  und  je  grosse  Schwierig- 
keiten bereitet  Delitzsch  tibersetzt  dasselbe  ^b"^,  Salkinson 
rD*3-:n,  das  Londoner  Neue  Testament  Mb2,  die  Vulgata  mit 
sufficit. ')  Im  Codex  D  aber  steht  dieses  cutexu  nicht  absolut, 
sondern  als  Prädikat  zu  einem  beigefügten  to  TtXoq  xal  i)  wqcc, 
und  diesen  Satz  geben  die  Versionen  in  mehrfachen  Varianten, 
dem  Sinn  nach  aber  Übereinstimmend,  folgendermassen  wieder: 

Vers.  Syr.  appropinquavit  finis  et  venit  hora 

Cod.  Monac.  sufficit  finis  et  hora 

Cod.  Brix.  adest  finis,  venit  hora 

Cod.  Vercell.  consummatus  est  finis,  advenit  hora 

Cod.  Colbert.  adest  enim  consummacio  et  hora. 

Es  ist  wahrscheinlich,  dass  diesen  aussercanonischen  Va- 
rianten ein  vollständiger  und  richtiger  Quellentext  irgendwie  zu 
Grunde  liegt.  Man  denkt  dabei  an  das  TEtiXBOtai  Joh.  19,  30, 
um  das  xbXoq  (=  consummacio)  zu  begreifen.  Jedenfalls  weist 
die  Übereinstimmung  der  vier  Zweige  (Syr.  Cur.,  Diatessaron, 
Cod.  D.,  Italae)  darauf  hin,  dass  schon  in  ihrem  Archetypus,  der 
vorcanonischen  Wurzel,  der  entsprechende  Text  vorhanden  ge- 
wesen ist. 


1)  Vgl.  darüber  Field,  Otium  Norvicense  Pars  111.  S.  29. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  26,  52.  329 

Mt.  26, 52. 

a.  Äicta  Thoraae  p.  56,  19.  ed.  Bounet. 

SiSIBV     yUQ     IltTÖCp     TO)     OVVCUtOÖToXfp    ?jfl(OV     äjtOOTQStpOV 

n)v  ftaxaiQav  öov  alq  rd  ojciöco  xal  djroxaTäorrjOov 
stg  r?)v  frrjxrjv  avrrjg. 

b.  Mt.  26752^ 

rote  Xiysi  üvtoj  o  Ir^oovg'  äjtoorptyov  xi}v  ftaxaiQav 
öov  eiq  xbv  xojiov  avxrjg'  jcdvxsg  ydg  ol  Xaßovxeg 
(idxcctQav  Iv  fiaxctiQi}  djroXovvxai. 

c.  Diatessaron  ed.  Ciasca  p.  86*. 

Mitte  gladiuui  in  vaginam  suam:  oraues  enini,  qui 
aggressi  fuerint  gladio,  gladio  peribunt. 

Gemäss  seiner  Voraussetzung,  wonach  die  vorcanonische 
Evangelienquelle  mit  dem  Bericht  über  die  Salbung  in  Betha- 
nien zu  fliessen  aufhöre,  erkennt  Weiss  (Matthaeus  S.  554)  in 
dem  Text  von  Mt.  26,  52.  53,  der  doch  so  vortrefflich  den  Zu- 
sammenhang ergänzt  und  auch  sprachlich  wie  sachlich  dem 
Charakter  der  Quelle  congenial  ist,  nicht  ein  Hervortreten  des 
Urtextes,  sondern  eine  Einschaltung  des  Evangelisten  ex  suis. 
Zwar  lehnt  er  dabei  eine  Abhängigkeit  desselben  von  Apoc. 
1 3,  10,  welche  Stelle  manche  Erklärer  als  Quelle  von  Mt.  26,  52b 
betrachten  wollten,  mit  Recht  ab.  Aber  die  Verwandtschaft 
bleibt.  Man  vgl. 
Apoc.  13,  10:  d  xig  iv  fiaxaiQT]  äxoxxsvel,  ötl  avxbv  tv  tua- 

Xa^QV  äjtoxxav&rjva 
Mt.  26,  52b:     jruvxsg  ydn  ob  Xaßovxeg  fid/aioav,  sv  fiayaiofj 
äjtoXovvxai. 

Eine  solche  Verwandtschaft  lässt  sich,  wenn  nicht  aus  der 
Abhängigkeit  des  einen  Textes  von  dem  andern,  nur  durch  die 
gern  einsame  Abstammung  aus  einer  und  derselben  Wurzel  er- 
klären. Die  Wurzel  beider  Textparallelen  ist  in  diesem  Falle 
das  —  ja  auch  von  dem  Apokalyptiker  so  häufig  benützte  — 
Urevangelium.  Dabei  sind  djcoxzav&ijvai  und  dnoXelö&at.  L/ber- 
setzungs Varianten  von  rtt^n  im  ÜrtexteT~ Zu  v.  52a  kommt  noch 
die  Variante  aus  den  Actis  Thomae  in  Betracht.  Die  Fassung: 
vjcoxaxdoxrfiov  [xtjv  näyaioav  oov)  dg  x?jv  &t}xrjv  avxf/g  berührt 


330  Aussercanoniscke  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

sieh  mit  «loh.  18.  U:  ßdZs  ttjv  n&xpuQav  eiq  rrjv  0-tjxrjv.  So 
übersetzt  auch  DelitzsclTin  seiner  Ausgabe  von  1885  sowie  in 
der  Daimanschen  Ausgabe  1892:  nWTS»  SpfffTTttJ  MJn  Mt. 
26,  52a.  Durch  die  Lesart  des  Diatessaron:  mitte  gladium  in 
vaginam  suarn  wird  die  d-t)xrj  in  den  Actis  Thomae  hand- 
schriftlich beglaubigt.  Ob  hinter  den  Varianten  aggressi  fuerint  == 
ZaßovTsg  ein  hebräischer  Quellentext  liegt  —  etwa  ©SR,  welches 
SaYkTnson  hier  gebraucht  und  welches  die  LXX  mit  Zafißavsiv, 
ovZ/Mtußavtiv,  xarax^arslv,  ßiäoao&ai  wiedergeben  —  wird  sich 
schwerer  entscheiden  lassen.  Zu  den  Übersetz ungsvarianten 
äjioxzai>&-7p>cu  =  ccjtoZsiodai  ist  Lc.  11,  öl  mit  seinen  Texten 
und  Erläuterungen  zu  vergleichen.  Bezüglich  der  Varianten 
äx6öTQ£U)ot>  (welches  die  hebräischen  Rückübersetzungen  mit 
aon  wiedergeben)  =  «£££z«raö7V£joi>  ge,,ügt  es  auf  Mal.  4,  6 
(==  3}  24)  ^tD'rn  =  LXX:  uc;  djtoxaraör/jOEL  und  Ps.  132,  10: 
SttJP.~58  =  LXX:  (ifj  axoGTQ&pnq  als  naheliegende  Beispiele  hin- 
zuweisen. 

Nach  alledem  ist  an  der  Zugehörigkeit  von  Mt.  26,  52  zu 
der  schon  von  dem  Apokalyptiker  gebrauchten  vorcanonischen 
hebräischen  Quelle  nicht  zu  zweifeln. 

Mt.  2G,  53. 

a.  Acta  Thomae  p.  56,  19.  ed.  Bonnet. 

ü  yctQ  föeZov  rovxo  Jtoifjoai,  ijövvd/itjp  jtXsiovag  tcov 
ö(oötxa  Ztyemvcov  ayyiXmv  exrov  efiov  xarqog. 

b.  Pseudo-Linus.  Martyrium    Beati  Petri  Apost.   c.  9.  p.  11.  ed. 

Lipsius. 
magistri  .  .  dicentis:    Possuin    mihi   nunc,    si   volo ,    plus 
quam  duodecim  legiones  angelorum  exhibere. 

c.  Pseudo-Abdias.  Hist.  Apost.  VII,  4. 

Et  dixit  Petro  tum  dominus:  N  um  quid,  si  vellem,  non 
mihi  exhiberet  pater  mens  plus  quam  duodecim  mille 
legiones  angelorum? 

d.  TertulL  adv.  Prax.  c.  26. 

habens  potestatem  legiones  angelorum  postulandi  ad 
auxilium  a  patre,  si  vellet. 

e.  Aphraates  Hom.  XX.  p.  321.  ed.  Bert. 

Und    er    sprach   zu   seinem  Jünger   Simon:    Meinest    du 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  26.  53.  61.  331 

etwa,  dass,  wenn  ich  meinen  Vater  um  ein  Heer  von 
Eng  ein  des  Himmels  bitten  würde,  er  es  mir  nicht  geben 
würde? 

f.   Mt26,  53. 

?}   öoxelq,   oxi   ov   dvvajiai    xaqaxaXioai    xov   xaxtoa 

tuov  xal  Jtaqaöxrjoti  (tot  ccqxi  jiXsioj  dojdsxa  Xtyiwvcor 
ayysXmv; 

Die  Congeuialität  auch  dieses  Satzes  mit  dem  Tenor  des 
vorcanonischen  Evangeliums  liegt,  meine  ich,  zu  Tage.  Zu  dem 
?]  öoxelq  vgl.  La  12,  51:  öoxslxs,  ebenso  La  13,  2.  4,  sowie  den 
anssercanonischen  Text:  öoxeixe  (Isid.  Pel. )  =  putatis  (Praedest.) 
zu  Mt.  5,  17.  Zu  dem  hier  ans  Tageslicht  tretenden  aussercano- 
nischen  Zusatz:  d  i)d-sXov  (Act.  Thom.)  —  si  volo  (Ps.-Lin.)  = 
si  vellem  (Ps.-Abd.,  Tertull.)  vergleiche  man:  ov  xi  syoj  d-tXox 
Mc.  14,  36.  Die  Varianten:  bitten,  postulare,  jragaxaXelv  erklären 
sich  aus  bso  ganz  ungezwungen.  —  m  diesem  Textbestandtheil 
Mt.  26,  52.  53  fliesst  sicher  die  vorcanonische  Quelle. 

Mt.  26,  Gl  =  Mc.  14,  58  (=  Joh.  2, 19). 

a.  Mc.  14,  58. 

ntiElc  fixovöauEV  avxov  Xtyovxoq  oxi  tyo)  xaxaXvöoj  xov 
vaoi>  xovxov  xov  yziQ03toh]xov  xal  ota  xqicöv  r/fisocov 
aXXov  ayeiQOJiobjxov  ~olxoöolurjGO)  [Cod.  Cantabr.:  cnm- 
oxrjocoj. 

b.  Acta  KL  IV,  1.  A.  p.  231. 

ovxog  sijcsv  övvatiai  xov  vaov  xoZxov  xaraXvOai.  xal 
öia  xqlcüv  rj/tsooiv  olxoöoftTjoai  avxov. 

c.  Lactant.  Inst.  div.  IV,  18. 

Si  solveritis  hoctemplum,  quod  aedificatum  est  annis XLVI 
ego  illud  in  triduo  sine  mambus  resuscitabo. 

d.  Joh.  2,  19. 

Xvöaxt  xov  vaov  xovxov.  xal  w  xniolv  q(ie\>aic  tytqfö 
avxov. 

e.  Pseudo-Ign.  ad  Srnyrn.  II.  p.  244,  6.u 

Xvoaxe  xov  vaov  xovxov,  xal  öta  xqicöv  ?jfieqoZv^ 
lyzoäi  avxov. 


332  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

f.  Cod.  Cantabr.  ad  Mc  13,  2. 

xal    öia  xqicöv  tjfiEQcöv  aXXoq  ävaGrfjoerat  avtv  x^Q^v. 

g.  Cyprian.  Test.  adv.  Jud.  I,  15. 

In  evangelio  dominus  dicit:  non  relinquetur  in  templo  lapis 
super  lapidein,  qui  non  dissolvatur,  et  post  triduum  aliud 
excitabitur  sine  manibus. 

h.  Cod.  Vercell.  ad  Mc.  13,  2. 

et  post  triduum  alius  excitabitur  sine  manibus. 

i.   Cod.  Colbert  ad~McTl3,  2. 

et  in  triduo  resuscitabo  illud  sine  manibus. 

k.  Aphraates  Hom.  XII,  6.  p.  190.  ed.  Bert. 

Und  wiederum  sprach  er  zu  den  Juden:   Diesen  Tempel, 
den  ihr  sehet,  werde  ich,   wenn  ihr  ihn  abbrecht,   in 
drei  Tagen  wieder  aufrichten. 
1.   Mt.  2(3,  61. 

ebtov  ovroq  l(pr)'  övvafiat  xatalvaai  top  vaov  rov 
fteov  xal  diu  xqicov  fjfieowv  avrov  olxoöofirjöat. 
Cod.  Cantabr.  bietet  das  Logion  nicht  nur  zu  Mt.  26,  61  und 
Mc.  14,  58  in  wesentlicher  Übereinstimmung  mit  den  canonischen 
Texten,  sondern  noch  einmal  am  Anfang  der  grossen  eschato- 
logi«chen  Rede  Mc.  13.  2.  Aber  obwohl  es  in  diesen  Zusammen- 
hang keinenfalls  gehört,  gehen  doch  mit  Cod.  D  wie  gewöhnlich 
die  altlateinischen  Versionen,  zum  Erweis,  dass  auch  schon  ihr 
gemeinsamer  Archetypus  das  Wort  an  dieser  Stelle  gehabt  hat. 
Das  Logion,  dessen  ursprünglicher  geschichtlicher  Standort  aus 
Job.  2,  19  zu  erkennen  ist,  lässt,  trotz  der  Verschiedenheiten 
seiner  Überlieferung,  in  dem  olxoöo,ur/oco  —  avaax'qGoy  —  iys- 
gc,  =  resuscitabo  =  irvitt^rn,  vielleicht  auch  in  dem  öiä  tQitav 
rj(itQ<Dv  —  Iv  TQtoiv  fffu'Qccic  =  H"^  nEJbtJ2  den  hebräischen 
Urtext  erkennen. 

Mt.  27,  3.  4. 

a.  Epiph.  Haer.  XXXVIII,  7.  p.  282  CD. 

jtcog  yäg  6  vofilGag  aya&ov  ImreXeocu  votsqov  Zeysi  ort 
fierctfisiiiXriftai  jtaQadeöcoxcog  a'ifja  ä&cßop,  xal  äjci- 
6TQ£tp£  rä  aQyvQia. 

b.  Mt.  27,  3.  4a. 

tot£  löwv  'lovöaq  6  jtaQaöiöovc,    avrbv    ort    xazexgl&i], 


Teste  und  Unterauebungen  zu  Mt.  27,  3.  4.  5.  333 

(lexafitlrj&slq  eaxQttyev  xa  xgiäxovxa  aQyvQia  xolq 
aQXUQEvötv  xal  3iQtGßvT£Q0ic  Xiymv  j'jficcQTOV  jtaQadovq 
alfia  ä&wop. 

Die  Abweichungen  der  von  Epiphanius  gegebenen  Re- 
lation sind  wahrscheinlich  aus  einer  gedächtnissmässigen  Repro- 
duktion des  canonischen  Matthaeus -Textes  abzuleiten.  Über  den 
Quellen  werth  des  ganzen  Abschnittes  Mt.  27,  3— 10  vgl.  das  Fol- 
gende, was  zu  Mt.  27,  5  erläutert  ist. 

Mt»  279  5. 

a.  Mt.  27,  5. 

xal  (uipac  xa  aqyvgia  ilg  xop  pabpjaptxcoQtjotP  xal  axtX- 

&wv  amjy&axo. 

b.  Act.  1,  18. 

ovxog  fikp  ovv  sxxrioaxo  x<oqiop  kx  [iio&ov  xrjg  äötxiag,  xal 

jiQtjvrjg  yspofispoq  tXaxijoev  fieoog,  xal  k&xv&r}  xavxa  xa 
ojikäyxva  avxov. 

c.  Papias  ap.  Oecum.  in  Acta  c.  2. 

[lexä  noXläq  de  ßaoccpovq  xal  xiiia>(iiag  ev.iöic)  <paol  y,oj{tio) 
xeXevxyoapxa,  xal  xolc  tJtl  xijc  odov  eQTjftov  xal  äoixqxov 

xo  xcoQl0V  (ttXQ1  T'i'ts  v^v  yBviod-ai. 

Der  Abschnitt  Mt.  27,  3 — 10  hebt  sich  sowohl  durch  den 
Inhalt  als  durch  die  dem  Redaktor  des  ersten  Evangeliums  eigen- 
tümliche Sprachfärbung  von  jenen  Partien  des  ersten  Evange- 
liums, welche  entweder  aus  dem  Marcusevangelium  oder  aus  dem 
Urevangelium  stammen,  deutlich  ab.  Der  Verfasser  schöpft  hier 
aus  der  Tradition.  Und  wie  vielgestaltig  hatte  sich  dieselbe  iu 
Bezug  auf  das  Ende  des  Verräthers  entwickelt!  Nach  der  von 
dem  ersten  Evangelisten  adoptierten  Tradition  endete  Judas 
Ischarioth  durch  Selbsterhenkung  (Cod.  Colb.  =  Diatessaron: 
laqueo  se  suspendit);  nach  der  von  Lc.  (Act.  1,  18)  erhaltenen 
Überlieferung  büsste  er  sein  Leben  durch  einen  Sturz  und  durch 
Zerberstung  des  Leibes  ein  und  zwar  auf  einem  von  dem  Blut- 
gelde  erworbenen  Grundstück  (Landgut);  endlich  nach  der  Er- 
zählung des  Papias,  welche  Agrapha  8.  436 f.  im  ausführlichen 
Zusammenhang  mitgetheilt  ist,  starb  er  ebenfalls  auf  einem  ihm 
gehörigen  Grundstücke   in   Folge    Zerquetschuug   mittels   eines 


334  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Wagens.  Wenn  bereits  das  Urevangelium  eine  Notiz  über  das 
Ende  des  Verräthers  enthalten  hätte,  würde  ein  derartiges  Aus- 
einandergehen der  Tradition  nicht  möglich  gewesen  sein.  — 
Die  Handschrift  C  der  Acta  Pilati  gibt  eine  apokryphe  Aus- 
malung der  vom  ersten  Evangelisten  gebrachten  Relation.  (Vgl. 
Acta  Pil.  p.  290.  ed.  Tischeudorf.)  Darin  spielt  die.  Frau  des 
Judas  lscharioth  eine  Rolle  und  ebenso  der  Strick. '  Es  heisst 
dann  zum  Schluss:  xal  evd-vc  ijcolrjotv  xr)v  ayxov7)v  öid  oxoiviov 
xal  sxQEfdaCd-T],  xal  ovxojq  dnrjy^axo  xy  ipvxj}  [ol  de  „x<p 
ocSfiazi*.  aXXoxt  ..iXäxiötv  [sie],  ijtüioOrj  xal  ißQtfisoev"].  Die 
Parenthese  ist  ursprüngliche  Marginal- Anmerkung. 

Mt.  27,  9. 10. 

a.  Mt.  27,  9. 

xoxe  ixZrjQcofhr]  xo  qrj&tv  öiä  'hgeftiov  xov  Jtgocp^xov  Xi- 
yorxoq'  xal  eXaßov  xd  .xniuxovxa  doyvnia,  xr\v  xi- 
H>r}v  xov  xex ifirjittvov,  ov  ixi^rjGavxo  CCJtO  vlcöv  'lo- 
QaqX,  xal  töcoxav  avxd  de  xov  dynov  xov  xtoafit'mq,  xafrä 
ovvexa%(v  (ioi  xvqiog. 

b.  Sach.  11,  13LXX. 

xal  iLjrt  xvqioc  JtQoq  fit'  xd&eq  avxovq  stq  xo  yo)v£v- 
xi]Qiov,  xal  oxstyofiat,  d  öoxifiov  ioxtv,  ov  xqoxov  idoxi- 
(jäö&rjv  vjtio  avxöJv  xal  iXaßov  xovq  zoiäxovxa  do- 
ycoovq,  xal  iveßaXov  avxovq  etq  xov  obeov  xvgiov  dq  xo 
XojvevxtJqiov. 

c.  Epiph.  Haer.  XXXV11I,  7.  p.  282  D. 

xadaig   tjv    xeqI   avxov    yeyQafifit'vov  Iv   xotq  JiQo<p//xaiq' 

xal  ajtiüxQStys  xovq  xoidxovxa  doyvnovq,    xijv  xiftijv 

xov  xexi^rjfievov  nana  xojv  vloiv  lOQarjX.    xal  jtäXiv 

iv  aXXco  Jtno<frx>]'  el  öixaiov  koxiv  vfilv,  doxe  xov  fiiGttov 

piov  i)  dxäxao&e.   xal  xaXiv  iv  aXXro  jtoo<prjxr]'  xal  töcoxav 

xo    aoyvoiov   xrjv    xiftrjv   xov   xexifi7]/iivov   xal  eiste' 

xd&eq  avxb  dq  xo  x<ovevx/JQiov,  xal  'iös,  sl  öoxifiov  ioxiv, 

coq  iöoxifido&tjv  dno  xoov  vlcov  'Joga/jX. 

In  dem  Abschnitt  über  die  Kainiten,    in  welchem   Epi- 

phanius  viel  über  Judas  lscharioth  als  ihren  Gewährsmann 

zu  berichten  hat,  indem   er  dabei   auch  des  unter  den  Kainiten 

gebräuchlichen  evayytXiov  xov'lovöa  Erwähnung  thut,  bringt 


Texte  and  Untersuchungen  zu  Mt.  27,  9.  10.  335 

er  Haer.  XXXVIII,  7  auch  den  Verrath  und  die  Keue  des  Judas 
zur  Sprache  und  führt  dabei  drei  prophetische  Citate  ein.  Das 
zweite  dieser  Citate  deckt  sich  mit  Sach.  11,  12:  DM'tfS  aitTD» 
?b~n  sb"2S"  ^")yo  ?3n  ==  LXX:  d  xaXov  evcdjiiov  ificöv  toxi, 
öoxe  top  tuio&6v  [/ov  i]  äjceixaode  =  Epiph.:  ei  öixaiov  ioxir 
üfilv,  ööxs  xov  iuö&ov  (lov  q  djttijtaG&E.  Das  dritte  Öitat  be- 
rührt sich  in  seiner  zweiten  Hälfte  mit  Sach.  11,  13a:  HJST  TCS*] 
an*»!??*]  ^nn^  ntj's  -i^'iri  -n«  -is'^rrbx  Wiä*bl$n  *>b«  =  LXX: 
xai  eijce  xvqioc  Jioög  fts'  xäfrsg  avxovg  dg  xo  yGiV*v'lM,l0v-> 
xai  öxirpofiaL  (die  LXX  lasen  für  "HS  vielmehr  S"15?  =  J1X1X),  il 
ööxif/öv  ioxiv,  ov  xqojcov  löoxifiuo&?]v  vjceq  avxojv  =  Epiph.: 
xai  eIjce'  xä&sg  avxo  slg  xo  xwvevt/jqiov,  xai  /'de,  ei  öoxqiov 
ioxiv ,  mg  tdoxiffdö&rjv  ajco  xöiv  vlo5v  'löoarjX.  Diese  Über- 
setzung setzt  mit:  xai  iöe  den  hebräischen  Text  Hin  (für  TIS) 
voraus  und  hat  zum  Schluss  anstatt  vjceq  avxcöv  die  namentliche 
Bezeichnung:  ajtb  xojv  vlcöv  'loocrrjX.  Dieselbe  Bezeichnung 
kehrt  wieder  in  dem  ersten  Citate,  welches  im  Übrigen  mit  der 
ersten  Hälfte  des  dritten  Citates  sich  ziemlich  deckt,  aber  noch 
mehr  mit  Mt.  27,  9  sich  berührt  und  auf  Sach.  11,  12b.  13b  zu- 
rückzugehen scheint.     Man  vgl. 

Sach.  11,  12b:  7tZ2  D^btj  ■HS©"!"!»  sftJS«?^. 

Sach.  11,  12b  LXX:  xai  eoxrjoav  xov  (iio&ov  (iov  XQidxovxa 
doyvQOvg. 

Sach.  11,  I3b:         rcsn  D^töbtt?  nnp:s\ 

Sach.  11,  13b  LXX:  xai  sXaßov  xovg  XQidxovxa  dgyvQOvg. 

Epiph. a:  xai  dxEöxQEipE  xovg  XQidxovxa  duyvuovg. 

Epiph.0:  xai  zöroxav  xo  dgyvQiov. 

Mt.  27,  9:  xai  eXaßov  xä  xQidxovxa  dgyvQia. 

Es  bleibt  noch  bei  Epiphanius  übrig:  xrjv  xifirjv  xov  xeti- 
[irjfitvov  xxX.,  welches  aber  ebenfalls  aus  Sach.  11,  13  sich  er- 
klärt.    Man  vgl. 

Sach.  11, 13:  xsrthvq  ^rnp?  -ic«  nj^n  -rm 

Epiph.c:  x//v  xi/trjv  xov  XEXifiJ/fisvov. 

Epiph.*:  xi)v  xitirjv  xov  xsxifirjfitvov  jtagd  xojv  vioov 

'löQa?]X. 
Mt.  27,  9:         xi]v  ziftTjv  xov  x£xitui]fitvov,   ov  Exifirioavxo 

ano  vlcöv  'JoQaqX. 
Hier  ist  "HS  nicht  mit  !T)8  (=  HS*!K)  oder  PISTI  verwechselt, 
sondern  annähernd  richtig  mit  ri(trj,  ifpn  mit  TEZifiTjfievog  (LXX: 


336  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

öoxipov)  wiedergegeben  und  das  ErPblFD  durch  jtagä  xcöv  vltov 
'iGQar'jsL  ersetzt.  Ganz  dieser  Version  folgt  Mt.  27,  9  nur  mit  der 
Ergänzung:  ov  kxifirjoavxo,  was  Übersetzung  von  ^PH&1  "Wut 
sein  soll  (LXX:  ov  xqojcov  iöoxifiäod-rjv).  Aquila  (nach  Eus. 
Dem.  ev.  p.  479)  übersetzte  ebenfalls  richtig:  vxEQfisytihjc;  tj  n/itj, 
tjv  kxiiifjdrjv  vjchg  avxcöv. 

Was  nun  die  Quellen  der  Epiphanius-Cüate  anlangt,  so 
ist  es  im  Voraus  klar,  dass  unmöglich  die  drei  Citationen: 
iv  xolq  jiQog)Tjxcug  —  xcu  xaXiv  iv  aXX<x>  xooptjxy  —  xal  staXiv 
iv  aXXco  jr(to<pi]T7j  —  auf  einen  und  denselben  Propheten, 
und  noch  viel  weniger  auf  eine  und  dieselbe  Stelle,  sich  beziehen 
können.  Wenn  man  nun  das  zweite  Epiphanius-Citat  als  Über- 
setzung von  Sach.  11,  12  recognosciert,  so  müssen  die  anderen 
beiden  Citate  um  so  gewisser  auf  andere  Quellen  als  Sach.  11, 
12.  13  zurückgeführt  werden,  da  die  Texte  von  Sach.  11,  12.  13 
in  erheblicher  Weise  abweichen,  dagegen  mit  dem  Citate  in  Mt. 
27,  9  merkwürdig  zusammentreffen,  also  mit  einem  Citate,  welches 
der  erste  Evangelist  auch  gar  nicht  auf  Sacharja,  sondern  auf 
Jeremia  zurückführt.  Da  nun  ferner  in  dem  canonischen  Je- 
remia-Buche  des  A.  T.  das  fragliche  Citat  sich  nicht  findet,  so 
entsteht  die  Vermuthung,  dass  der  erste  Evangelist  ein  ausser- 
canonisches,  ein  apokryphisches  Jeremia-Buch  benutzt  hat, 
welches  dann  auch  die  Quelle  für  das  erste  Epiphanius-Citat 
gewesen  sein  wird.  Und  da  endlich  in  der  That  ein  apokryphes 
Jeremia-Buch  bei  den  Nazarenern  im  Schwange  war,  welches 
Hieronymus  sogar  eingesehen  und  in  welchem  er  das  Citat 
Mt.  27,  9  wörtlich  (ad  verbum)  wiedergefunden  hat,  so  ergibt 
sich,  dass  die  Citationsformel:  xoxt  ijiXijQto&ri  xo  yijfrhv  Öiä 
'leQtfiiov  xov  ütQO<pi)xov  Xtyovxog  —  nicht  auf  einem  Irr- 
thum  beruht,  sondern  dass  der  judenchristlichß  (nazarenische) 
Verfasser  des  ersten  Evangeliums,  welcher  bereits  im  Eingang 
seiner  Schrift  Mt.  2,  23  ein  apokryphes  prophetisches  Buch  citiert 
und  aus  demselben  das  Motto  genommen  hat:  ort  Na^copalog 
xX?j&i']0£xai  (vgl.  die  Erläuterungen  zu  Mt.  2,  23),  hier  eine  ähn- 
liche oder  vielleicht  dieselbe  prophetische  Schrift  benutzt  hat, 
deren  Text  an  fraglicher  Stelle  auf  Sach.  11,  12.  13  ruhte.  Die 
Nachricht  bei  Hieronymus  lautet  in  der  Erklärung  von  Mt. 
27,  9  folgendermassen :  Legi  nuper  in  quodam  Hebraico  volumine, 
quod   Nazarenae  sectae    mihi  Hebraeus   obtulit,    Jeremiae 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  27, 12—14.  337 

apocryphum,  in  quo  haec  ad  verbum  scripta  reperi.  Es 
dürfte  mithin  unser  Citat  Mt.  27,  9  ein  Judicium  sein  für  die  Ent- 
stehung des  judenchristlichen  ersten  Evangeliums  speciell  auf 
nazarenischern  Grund  und  Boden,  genau  ebenso  wie  das 
Cilat  Mt.  2,  23:  ort  Natcooaloc;  xXrj&qösxai  —  auf  denselben  Ur- 
sprang hinweist. 

Schliesslich  sei  noch  derjenige  Text  mitgetheilt,  nach  wel- 
chem das  Citat  Mt.  27,  9  bei  Tatian  im  Diatessaron  (nach 
Ciasca  p.  91a)  zu  lesen  ist:  Tunc  impletum  est  quod  dictum  est 
per  prophetam,  dicentem:  Accepi  triginta  argenteos  in  pretium 
inclyti,  statutum  a  filiis  Israel:  et  erogavi  eos  in  agrum  figuli, 
sicut  praecepit  mihi  Dominus.  Hier  ist  der  Name  des  Jeremias 
weggelassen,  im  Übrigen  der  Text  wesentlich  nach  Mt.  27,  9  und 
10  gegeben,  welcher  letztere  Vers  weder  im  Sacharja-Buche  noch 
sonstwo  im  alttestamentlichen  Canon  sich  findet,  also  wohl  eben- 
falls aus  Pseudo-Jeremias  stammt.  In  der  oben  erwähnten  Hand- 
schrift C  der  Acta  Pilati  dagegen  ist  der  Name  des  Jeremia- 
Buches  (mit  dem  canonischen  Texte)  beibehalten.  (Vgl.  Acta  Pil. 
p.  290.  291.) 

Mt  27, 12-14  =  Mc.  15,  4.  o. 

a.  Just,  Dial.  c.  Tryph.  c.  102.  p.  329  C. 

öi^öa^TOg  avxov  xal  (irjxe'xi  im  UtXaxov  ajtoxoivaG&ai 
firjöhv  (/tjö*ev\  JjovXofiivov,  coq  lv  xolg  djtofivt/fiopevftaot  xcöv 
cuiooxoXmv  avrov  öeötjXmxai. 

b.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  103.  p.  332  A. 

iv  fiTjdevl  (irjöev  astoxQLVÖfisvoc  o  navxaq  kXtyxmv  aoö- 
(povq  xovg  jmxq'  v(4lv  öiöaoxccXovc. 

c.  Mc.  15,  4.  5. 

o  de  rfliXäxog  ütäXiv  kxriQoixa  avxov  ovx  anoxQivyi  ov- 
öt'v;.  tös  xoöa  oov  xaxrjyooovoiv.  6  6h  'hjoovg  ovxixi 
ovöiv  cijcexQt&t),  rnöxe  &av(/ä£siv  xbv  UiXaxov. 

d.  Mt.  27,  12—14. 

xal  hv  xm  acar^^* e ?ö^ct«  avxov  vjio  xcöv  äoxitQtoyv  xal 
JiQtoßvxiomv  ovötv  äjrsxoivaxo.  xoxs  Xiysi  avxco  o  IIi- 
Xäxog'  ovx  axoveig,  jtöoa  oov  xaxafiaqxvQovöiv :  xal  ovx 
ajtexoi&t]  avxm  xooq  ovöe  tv  QJ),ua,  ooöxe  &avfzäC>Eiv  xhv 
ifftfiova  Xiav. 

Texte  n.  Untersuchungen  X,  2.  22 


338  Aussercanoaische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Welches  Evangelium  Justin  unter  den  djtofivrjfiovevfiaxa 
x<öv  äjtoöxoXmv  an  dieser  Stelle  gemeint  habe,  lässt  sich  nicht 
mehr  ermitteln.  Wenn  Weiss  Recht  hätte,  dass  für  die  syn- 
optische Passionsgeschichte  Marcus  die  einzige  schriftliche  Quelle 
gewesen  sei,  so  inüsste  nothwendiger  Weise  eines  der  beiden 
ersten  synoptischen  Evangelien  von  Justin  als  seine  Autorität 
an  dieser  Stelle  gemeint  sein.  Aber  es  bleibt  die  Möglichkeit 
offen,  dass  dem  Justin  ausser  den  beiden  ersten  synoptischen 
Evangelien  auch  in  Betreff  dieser  der  Leidensgeschichte  ange- 
hangen Notiz  noch  eine  dritte  Quelle  zur  Verfügung  stand, 
welche  er  zu  den  djtouvrjftovevuaxa  xojv  dxoaxoXov  rechnen 
konnte.  Jedenfalls  findet  sich  sein  zweimal  ähnlich  lautender 
Text  weder  im  ersten  noch  im  zweiten  Evangelium  wörtlich 
wieder.  Und  die  bei  Marcus  und  Matthäus  hervortretenden  Syno- 
nvma  xaxauaoxvQe.lv  und  xaxnyooelv ,  welche  auf  das  Quellen- 
wort  ~PVT\  zurückgehen,  sind  der  Annahme  eines  gemeinsamen 
älteren  hebräischen  Quellentextes  auch  in  diesem  Falle  günstig. 
Das  pseudopetrinische  Evangelienfragment  hat  den  aus  Mc.  14, 
Gl  =  Mt.  26,  03  —  also  aus  den  Verhandlungen  vor  dem  Syn- 
edrium  entlehnten  Satz  v.  10:  avxog  de  eoicojta  allen  canonischen 
Nachrichten  entgegen  und  auch  von  Justin  abweichend  in  die 
Kreuzigungsscene  verlegt. 

Mt.  27, 17  =  Mc.  15,  9. 

a.  Mc.  15,  9. 

c  de  IJiXäxoq  djiexQt&r)  avxoiq  Xeymv  freXexe  djcoXvoa) 
Vfilv  xov  ßaöüea  xcov  Iovöaicov; 

b.  Scholion  lAvaoxaoiov  emöx.  Uvxiox-  ap.  Tischendorf.   Ed.  oct. 

crit.  maj.  N.T.  p.  198. 
jtaXaiolq  Jtävv  dvxiyQacpoiq  evxvxobv  evQov  xal  avxov  xov 
BaQaßßäv  'frjoovv  Xeyotuevov.  ovxcog  yovv  elxev  r\  xov  IIi- 
Xäxov  nevöiq  exei'  xlva  d-eXexe  äjto  xwv  ovo  äxoXvdco 
vftlv,  'hjOovv  xov  BaQaßßäv  rj  7?jöovv  xov  Xeyo/ievov 
Xqigxov;  ojq  yaq  eoixev  JtaxQcovvfiia  xov  X?]6xov  r\v  o 
BaqaßßaQ,  ojteQ  eQu?)vtvexai  ötöaoxdXov  xnoq. 

c.  Mt.  27,  17. 

ovvJiyfievcov  ovv  avxcov  eijtev  axxolq  o  IliXccxog'  xiva 
freXsxe  djtoXvda>  vftlv,  BaQaßßäv  ?}  'Itjöovv  xov  Xe- 
yousvov  Xqigxov; 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mi  27,  17  =  Mc.  15,  9.  339 

Ganz  unabhängig  vom  Hebräerevangelium  und  richtiger  als 
dasselbe  erklärt  das  nach  Anastasius  benannte  Scholion  des 
Cod.  Vat.  Rom.  (5)  den  Namen  Barabbas.  Denn  das  Hebräer- 
evangelium hat  irrigerWeise  den  Accusativ  BccQaßßäv,  in  welcher 
Form  der  Name  bei  dem  ersten  Evangelisten  ausschliesslich  (Mt. 
27,  16.  17.  20.  21.  26)  vorkommt,  als  die  eigentliche  Urform  des 
Namens  aufgefasst  und  diese  Namensform  so  ungeändert  p"i  "Q 
ins  Aramäische  übertragen,  sodass  dieses  Wort  in  dem  aramäi- 
schen Idiom  die  Bedeutung:  filius  magistri  nostri  geAvann  — 
eine  Übersetzung,  die  nur  möglich  war,  wenn  die  griechische 
Accusativ-Endung  äv  als  Urbestandtheil  des  Namens  behandelt 
wurde  und  sonach  im  Aramäischen  als  Suffix  der  1.  Pers.  Plur. 
"}—  erschien.  Diesen  Irrthum,  welcher  lediglich  bei  der  Abhängig- 
keit des  Hebräerevangeliums  von  dem  ersten  canonischen  Evan- 
gelium entstehen  konnte  und  der  bei  dem  Referate  des  Hiero- 
nymus  (vgl.  Agrapha  S.  334.  340)  die  Umwandlung  des  filius 
magistri  nostri  in  filius  magistri  eorum  nach  sich  zog,  ver- 
meidet das  erwähnte  Scholion  des  Anastasius  vollständig.  Denn 
dieses  Scholion  setzt  bei  seiner  Deutung:  öidaoxaXov  vloq  nicht 
die  Form  Bagaßßäv  =  ]m  "O,  sondern  Baqaßßäc  =  X2X  na 
voraus.  Vgl.  Credner,  Beiträge  1,  405.  Nach  diesem  Scholion 
erscheint  aber  BccQaßßäq  lediglich  als  Patronymicutn  des  Mörders, 
welcher  mit  seinem  Person-Namen  „Jesus"  genannt  ward.  Und 
mit  dieser  Angabe  steht  besagtes  Scholion  Anastasii  keines- 
wegs isoliert.  Vielmehr  bieten  nicht  nur  die  armenische  und  die 
syrische  Version  nach  dem  Cod.  Hierosol.  sowie  fünf  Minuskel- 
Codices  zu  Mt.  27,  17  vor  Xsyofisvov  Baqaßßav  den  Eigennamen 
'bjöovp,  sondern  auch  Origenes  (vgl.  Opp.  ed.  de  la  Rue  111, 
9 IS)  hat  in  einer  Anzahl  Codices  dieselbe  Lesart  vorgefunden. 
Es  ist  nun  doch  viel  wahrscheinlicher,  dass  wegen  des  Gleich  - 
lautes  dieses  Namens  mit  dem  Herren -Namen  frühzeitig  eine 
Weglassung  desselben  (wahrscheinlich  schon  durch  die  Redak- 
toren des  zweiten  und  in  Folge  dess  auch  des  ersten  Evangeliums) 
stattgefunden  hat,  als  dass  man  ohne  genügenden  Grund  eine 
Eintragung  desselben  vorgenommen  haben  sollte.  Es  wird  dem- 
nach hier  die  Nachwirkung  einer  guten  Tradition  oder  die  — 
auch  an  anderen  Stellen  so  oft  wahrnehmbare  —  Einwirkung 
des  Urevangeliums ,  ein  echter  vorcanonischer  Evangelientext, 
vorliegen. 

22* 


340  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Schliesslich  sei  noch  auf  den  bemerkenswerthen  Umstand 
hingewiesen,  dass  Hieronymus  in  seinem  Onomasticon  (Liber 
interpretationis  hebraicorum  nominum)  p.  66  ed.  La  gar  de  (Ono 
mastiGa)  den  Namen  Barabbas  als  „filius  patris"  —  also  ab- 
weichend von  dem  Citat  aus  dem  Hebräerevangelium  — 
interpretiert.  Übrigens  konnte,  wieCredner  unter  Bezugnahme  auf 
Buxtorf  Lexic.  chald.  et  talm.  p.  10  hervorhebt,  ttäM  13  auch 
vlbq  StöaoxäXov  übersetzt  werden,  da  aas*  nicht  blos  Name  des 
Vaters,  sondern  auch  Titel  der  Gesetzeskundigen  und  Lehrer 
war.  Und  so  finden  wir  auch  Onomast.  sacr.  p.  175,  9:  Baoaßßäv 
vibv   öiöaoxäXov  t)  vibv  xaxgoq.  —  Vgl.  noch  die  Nachträge 

Mt.  27, 19. 

a.  Acta  Pil.  A.  II,  1.  p.  223.  ed.  Tischendorf. 

b  6h  üiXäxoq  löcov  E[t<poßoq  yevöfievoq  kC,7Jxi]0£V  avaöxyvai 
caib  xov  ßrifiaxoq.  txi  6h  avxov  hvd-vjxovfiivov  avaöxi/vai, 
q  yvvij  avxov  sjisfityev  Jtooq  avxov  Xeyovoa'  {Mjöhv 
ool  xal  xcö  av&QC07icp  xrö  öixaim  xovxco'  jtoXXa  yäy 
tjtaftov  di    avxov  vvxxoq. 

b.  Mt.  27,  19. 

xad-rjfitvov  öh  avxov  km  xov  ßyfiaxoq  azct'oxsiXev  xnoq 
avxov  ri  yvv?)  avxov  XiyovOa'  (inöhv  ool  xal  xoZ  öi- 
xaim  sxsivor  xoXXa  yaq  tJta&ov  ötjfieoov  xax  ovao 
öV  avxov. 

c.  Cod.  Colbert.  Mt.  27,  19. 

Sedente  autem  illo  pro  tribunali  misit  ad  illüm  uxor 
ejus  dicens:  Nihil  tibi  sit  et  justo  illi:  multa  enim 
hodie  per  somnium  passa  sum  propter  eum. 

d.  Diatessaron  ed.  Ciasca.  p.  89a. 

Sedente  autem  praeside  pro  tribunali,  misit  ad  eum 
uxor  ejus,  dicens  ei:  Cave,^ne^laedas  justum  illum! 
multa  enim   passa  sum  hodie  in  somnio  propter  eum. 

Die  Relation  der  Acta  Pilati  hat  nicht  wenig  für  sich. 
Die  Lesart:  xo3  av&QQixm  xc»  öixaim  xovxop  ist  handschriftlich 
beglaubigt  durch  Origenes  (Opp.  I,  415:  xm  ävfrocoxcp  xovxm 
xcö  öixaicp).  Die  Variante  vvxxoq  ist  jedenfalls  ursprünglicher 
als  das  dem  Sprachgebrauch"  des  ersten  Evangelisten  (vgL  Mt.  t, 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  27,  19.  24.  34 1 

20;  2, 12.  13.  19.  22)  ausschliesslich  angehörige  xax'  ov<xq.  Und 
wenn  die  weitere  Nachricht  der  Acta  Pilati,  dass  das  Weib 
des  Landpflegers  eine  d-sooeß^g  und  lovöat^ovoa  gewesen  sei, 
richtig  ist,  was  viel  Wahrscheinlichkeit  für  sich  hat  (vgl.  Ti- 
schendorf, de  Pilati  circa  Christum  judicio  etc.  Lips.  1855.  p.  16f., 
ferner  Gesta  Pil.  II,  1.  p.  343 sq.:  mulier  mea  cultrix  dei  est  et  in 
judaismo  magis  vobiscum  sentit),  so  bedurfte  es  des  ausserge- 
wöhnlichen  Hilfsmittels  eines  Traumes  gar  nicht.  Die  Proselyten 
haben  sich  ja  für  die  Erscheinung  des  Neuen  in  Jesu  stets  be- 
sonders empfänglich  gezeigt.  Und  sollte  dann  nicht  diese  Prose- 
lytin  in  derselben  Nacht,  in  welcher  Jesus  gefangen  gehalten 
und  verurtheilt  wurde,  in  besonderer  Sympathie  (jtoXXd  ejta- 
ß-ov  öi  avxov)  für  diesen  Jesus  und  in  Sorge  für  ihren  Gatten, 
dass  er  sich  in  der  Behandlung  des  Verklagten  eines  Unrechts 
schuldig  machen  könne,  (vvxxog)  auch  ohne  Traum  Seelenängste 
haben  ausstehen  können?  Zumal  wenn  etwa  Joseph  von  Ari- 
niathia,  nach  dem  Petrusevangelium  v.  3  ein  cplXog  UeiXdxov, 
nach  Mc  15,  43;  Lc.  23,  50  zugleich  Synedrist,  die  am  Spätabend 
erfolgte  Verhaftung  Jesu  im  Hause  des  Pilatus  gemeldet  hatte. 
So  weist  Alles  darauf  hin,  dass  die  in  den  Actis  Pilati  ent- 
haltene aussercanonische  Relation  auf  guter  Quelle  ruht.  Dieses 
spricht  aber  auch  für  den  historischen  Quellenwerth  des  in  Mt. 
27, 19  enthaltenen  canonischen  Textes,  wodurch  der  erste  Evangelist 
über  die  Marcusquelle  hinausgeht.  .Dabei  möchte  man  geneigt  sein, 
in  der  aussercanonischen  Lesart  des  Diatessaron:  cave,  ne  laedas 
—  einen  echten  Rest  des  Quellentextes  wieder  zu  er£enneih 

Mt.  27,  24. 

a.  Testam.  XII  patr.  Levi  c.  10. 

afrcöoq  sifti  axo  Jidötjg  doeßeiag  vficöv  xal  jiaoaßd6t(oq,  yv 
jtoirjösxe  im  GvpxeXeta  xäv  alcovcov  elg  top  6a>xr)oa  xov 
xoOfiov  doeßovvxeg. 

b.  Didasc.  H,  52.  p.  274  —  Const.  II,  52.  p.  79,  6. 

xeXsvxalov  oqov  xal  ipijg>ov  &avdxov  6  fiiXXcw  lxg)io£iv 
xar  avxov,  Jigog  xbv  ovoav^v  [Const.:  rjXiov)  £jtdoac 
xdg  X£iQaS>  öca(iaQxvQ€xai  aftmog  virdoveiv  xov  al'fta- 
xog  xov  dvd-Qcojtov. 

c.  Acta  Pil.  A.  III,  1.  p.  229.  ed.  Tischendorf. 

xal  &v[iov  jiXrjG&üg  6  üiXäxog  t^Xd-ev  e^co  xov  jtQat- 


342  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc, 

xwoiov  xal  Xcysi  avxolg'  ^doxy^^j^co^tov^Xiov,  °xi  ov- 
öen'iav  aix'iav  evoiöxa)  kv  xcß  avtiQeöjtcp  xovxm. 

d.  Acta  Pil.  A.  IX,  4.  p.  244.  ed.  TischendorT 

xal  Xafitov  vöcoq  o  üiXäxog  ajztviipaxo  xdg  xaloag 
avxov  dxivavxi  xov  i]Xiov  Xiycov  dß-oZog  dpi  djto  xov 
aiftaxog  xov  öixaiov  xovxov  vfieig  oipeoOs 

e.  Mt.  27,  24.  ~~~  ~~ 

tdfov  öe  o  IliXaxog  6xi  ovösv  axpeXsl,  dXlä  [täXX.ov  #o- 
ovßog  ylvexai,  Xaßcov  tdmo  chcsvhpaxo  rag  %eTQag 
dmvavxi  xov  oxXov  Xeycov'  ad  wog  elfa  djco  xov  ai/jct- 
xog  xovxov  vftstg  otyeofre. 

f.  DidascT  vTYiTp-  320  =  Const.  V,  19.  p.  150,  21. 

oxi  o  [iiv  aXX6<jpvXoq  xoixijg  viipdfisvog  xag  xtlgaq  eijtsv 
a&Sog  diu  djco  xov  al'fiaxog  xov  öixaiov  xovxov  vfislg 

OtySÖ&E. 

g.  Ev.  Pseudo-Petri  v.  1.  46. 

v.  1.  x[o)v]  6s  'lovdaicov  ovöelg  lvlij)axo  xag  %6lQag  ovdk 
'I1o(6örjg  ovöt  xig  xtuv  xqixcöv  avrov  x[al  /irj]  ßovXrj&ev- 
xojp  vixpaG&at  dvio\x\r\  UsiXäxog. 

v.  40.  djtoxQi&ug  o  ThiXäxog  %q>r\'  iya)  xaiyaocvoj  xov 
a'ifiax og  xov  vlov  xov  &sov,  vfiiv  6e  xovxo  eöotßiK 
Wir  befinden  uns  hier  auf  alttestarnentlichem  Boden,  sofern 
das  Händewaschen  als  Zeichen  der  Unschuld  bereits  Deut.  21,  6; 
Ps.  26,  6:  ■'ES  "p^aa  fTnjl  =  LXX:  viipofiat  h  ä&oootc  xag 
Xtlqäg  fiov  —  Ps.  73,  13  erwähnt  wird.  Nach  den  Actis  Pilati. 
mit  welchen  die  Didascalia  und  die  Constitutionen  in  diesem 
Punkte  übereinstimmen,  hätte  Pilatus  dieser  symbolischen  Hand- 
lung eine  ethnisierende  Wendung  gegeben  durch  Anrufung  des 
Sonnengottes.  In  diesem  Falle  würde  die  Weigerung  der  Juden 
(und  auch  des  Herodes),  dem  Beispiele  des  Landpflegers  nach- 
zufolgen —  wovon  das  Petrusfragment  berichtet  und  wozu  Swete 
eine  Parallele  aus  Origenes  (ad  Matth.  124)  mittheilt:  et  ipse 
quidem  se  lavit,  illi  autem  non  solum  se  mundare  noluerunt  a 
sanguine  Christi,  sed  etiam  super  se  susceperunt J)  — ,  noch  in 
besonderer  Weise  motiviert.    Übrigens  findet  sich  in  den  Actis 


1)  Swete,  The  Akhmini  Fragment  of  the  Apocryphal  Gospel  of  St. 
Peter,  London  1893  p.  1. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  27,  24.  25.  343 

Pilati  nach  der  Recension  A  sowie  in  den  lateinischen  Gestis 
Pilati  die  Erwähnung  der  Sonne  zweimal,  das  eine  Mal  am 
Anfang  der  Gerichtsverhandlung  ({idoxvoa  t^eo  xov  rjXtov  = 
testem  habeo  solein),  das  andere  Mal  am  Schluss  {anivavxi  xov 
tjXiov  =  ante  solem),  wo  diese  Worte  in  Recension  B  fehlen. 
Man  vgl.  dazu  Const.  V,  12  p.  140:  fit)  Ofivvsiv  —  ftijxs  firjr 
xov  ovoavov  avxov  tXXrjvixöv  yao  xo  dvooeßtjfja.  Wie 
das  Händewaschen  so  hat  auch  die  Rede  des  Landpflegers  ein 
alttestamentliches  Vorbild.  Man  vgl.  2.  Sam.  3,  28:  ^D':»  *>?: 
"MX  ^ttte  =  LXX:  ati-ötög  eijut  iycb  ajto  alfiaxcov  'Aßevvrjo. 
Der  synoptische  Text  wie  auch  das  in  den  Test.  XII  patr.  dem 
Levi  in  den  Mund  gelegte  Wort  folgt  dem  Sprachgebrauch  der 
Septuaginta.  In  der  letztgenannten  Schrift  sind  die  Worte: 
ad  wog  slfii  xxX.  um  so  gewisser  ein  Reflex  vop  Mt.  27,  24,  als 
kurz  darnach  der  Ruf  des  Volkes  nach  Mt.  27,  25  angezogen 
wird  und  als  Levis  Nachkommen  als  äoeßovvzeg  eIq  xov  ocoxijoa 
xov  xoofjov  bezeichnet  werden.  Eine  andere  Übersetzung  findet 
sich  Act.  20,  26:  'xixa&aobghyd  and  xov  aiuatoa  jtccvzcov,  womit 
die  Variante  des  Petrusfragmentes  nahe  verwandt  ist:  eyoj  xa^ 
ftccosvco  xov  aiuaxog.  Das  hier  gebrauchte  xa&aotveiv,  welches 
im  Septuaginta-Griechisch  fehlt,  gehört  der  gewählteren  alexan- 
drinischen  Diktion  an  und  wurde  besonders  auf  solche  ange- 
wendet, welche  von  einer  Schuld  den  Göttern  gegenüber  rein 
waren.  Man  begegnet  diesem  Verbum  in  den  Actis  Joannis 
p.  175,  18.  ed.  Zahn:  hjtuörj  oi  xafraoEvofiev  xä  itoog  avxovg. 
Der  Redaktor  des  pseudopetrinis^KerTFragmentes  hat  ausserdem 
das  Logion  umgeschaltet,  indem  er  es  aus  der  Passionsgeschichte 
in  den  Auferstehungsbericht  verpflanzt  hat.  —  Auf  die  Ver- 
wandtschaft zwischen  Didasc.  V,  19  und  Ps.-Petr.  v.  1  haben 
Harnack  und  Andere  hingewiesen.  Vgl.  xmv  xqixcov  mit  aX- 
XöfpvXog  xQix/jg,  sowie  das  Simplex  vitpäfievog  mit  £i>ityaxo,  wo 
der  canonische  Text  axovixpaö&ai  bietet. 

Mt.  27,  25. 

a.  Testam.  XII.  patr.  Levi  c.  16. 

xo  ad-cöov  alfia  tv  xaxia  tjrX  xtcpaXTjc  vficöv  avaÖByopttvot. 

b.  Tertull.  adv.  Marc.  II,  15.    ' 

hanc    ultro    sibi    sententiam   fuerant   irrogaturi:    Sanguis 
illius  super  capita  nostra  et  filiorum  nostrorum. 


344  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

c.  Ev.  Pseudo-Petri  v.  17. 

xal  inXr\Qcooav  jtavxa  xal  ixeXsicooav  xaxä  xtjg  xegiaXfjq 
avxcöv  xa  afiaoxrjfiaxa. 

d.  Acta  Pil.  A.  IX,  4.  p.  244.  ed.  Tischendorf. 

jtdXiv  xoä^ovöiv  ol  'Iovöaloi  ort  xo  aifta  avxov  hrp* 
t)y.ag  xal  xa  xixva  yficov. 

e.  Mt,  27,  25. 

xal  ajioxgifrelg  jtäg  o  Xaog  sljiev  xo  alfia  aixov  eg>y 
>1(ictq  xal  kjcl  xa  xixva  7jfimv. 

Das  Zusammentreffen  dreier  soweit  auseinanderliegender 
Zeugen  wie  Tertullian,  Ps.-Petrus  und  Test.  XII  patr.  in 
der  aussercanonischen  Lesart:  super  capita  nostra  =  ijil  xt<pa- 
X/jg  vfidiv  =  xaxa  xijq  xtyaXijg  avxcöv  —  bezeugt  deren  hohes 
Alter.  Überdem  ist  es  eine  echt  hebräische  Ausarucksweise. 
Vgl.  Jos.  2,  19:  laosha  TQ'n  =  Vulg.:  sanguis  in  caput  nostrum 
—  Act.  18,  6:  xo  alfia  vfimv  im  xijv  xsyaXijv  vfidiv.  Wie  viel 
besser  hebräisch  lautet  nun  die  Rückübersetzung  von  Mt.  27,  25: 
irsa  Wlhy»  'Ottjan?  TP$,  als  die  bisherigen  Übersetzungen  "im 
12^3a"byi  Wb$.  Zugleich  wird  es  bestätigt,  was  v.  Schubert 
(Die  Composition  des  pseudopetrinischen  Evangelienfragments 
1893  S.  2.  3)  vermuthet,  dass  in  v.  17  des  Fragments  eine  Re- 
miniscenz  an  Mt.  27,  25  enthalten  sei.  Bezüglich  der  Worte: 
xal  ejtX/jQmoav  xavxa  xal  ixeXelwöav  xa  aftaQxrjftaxa  sind  die 
Erläuterungen  zu  Mt.  23,  32  zu  vergleichen. 

Mt.  27,  27  —  Mc.  15, 16. 

a.  Mt.  27,  27. 

xoxe  ol  öxoaxiaixai.  xov  t/yefiovog  JtaQaXaßovxeg  xov 
'Itjüovv  slq  xo  xoaixayQiov  övvtjyayov  in  avxov  oXrjv 
xrjv  oxelgav. 

b.  Mc.  15,  16. 

ol   öl   oxQaxtmxai   dji?jyayov  avxov  eöco   xrjg  avXrjg,   6 

ioxiv  jtgaixajQiov,  xal  ovvxaXovöiv  oXrjv  xr)v  öJtsl- 
gav. 

c.  Ev.  Pseudo-Petri  v.  6. 

ol  de  Xaßovxsg  xov  xvgiov  m&ovv  avxov  xgi%ovxeg  xal 
sXeyov  ovgmfiev  xov  vlbv  xov  &£ov  if-ovolav  avxov  Joy/}- 
xoxeg. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  27,  27  =  Mc.  15, 16.  345 

d.  Acta  Pil.  A.  X,  1.  p.  246.  ed.  Tischeudorf. 

xal  £§r}X&£V  o  Jqoovg  ix  xov  JtQaizcoQiov,  xal  ol  ovo 
xaxovoyoi  övv  avxcfi.  xal  oxe  äxfjX&av  ijcl  xov  xojtov, 
igeövoav  avxov  xä  ltuaxia  avxov. 

e.  Gesta  Pil.  X,  1.  p.  361. 

Et  flagellatum  tradidit  Judaeis  Jesutn  ad  crucifigendum,  et 
duos  latrones  cum  ipso:  unus  nomine  Dismas  et  alius  no- 
mine Gestas.  Et  quando  venerunt  ad  locum,  exspoliaverunt 
eum  vestimentis  suis. 

f.  Acta  Pil.  B.  IX,  5.  p.  301. 

xoxe  ixa&iosv  o  UiXäxoQ  elg  xov  &q6vov  avxov.  tva  üiol- 
yjoei  anoapaoiv.  atoiosv  ovv,  xal  t)X&Ev  sfijtooo&ev  avxov 
6  IfjOovg  ....  sixa  ejioItjoev  aüioq>aoiv  xal  Xiyst  xqoc  av- 
xov q  yevea  öov  Xtysi  xal  [taoxvQEl  oe,  6x1  &eXeic  Iva 
ßaöiXevsig'  öiä  xovxo  6oi£a>  iva  oe  xvtpooi  jzqcöxov  fiExä 
Qctßdov  xXrjyag  xEGGaodxovxa,  xa&cog  oglCpvoiv  ol  vofioi 
xmv  ßaüiXimv,  xal  Xva  oe  ifiitai^woi,  xtd  xeXevxoIov  Iva  oe 
oxavomöojöiv. 

Wenn  irgend  etwas  feststehen  muss,  so  ist  es  die  Identität 
der  Perikopen  Mt.  27,  27—30  =  Mc.  15,  16—19  =  Joh.  19,  1—3 
=  Ev.  Ps.-Petr.  v.  6 — 9.  "Während  aber  der  erste  Evangelist  nach 
dem  Vorgang  des  Marcus  diese  Verspottung  Jesu  erst  nach 
dessen  Geisselung  und  VerurtheiluDg  (vgl.  Mt.  27,  26  =  Mc. 
15,  15)  eintreten  lässt,  ist  in  der  johanneischen  Darstellung  die 
Verspottung  mit  der  Geisselung  Jesu  eng  verbunden  und  er- 
scheint als  der  letzte  Versuch  des  Landpflegers,  Jesum  vor  dem 
Tod  zu  bewahren.  Mit  dieser  johanneischen  Darstellung  har- 
moniert auch  der  lucanische  Bericht,  sofern  hier  ebenfalls  die 
Geisselung  als  Mittel  zur  Rettung  Jesu  am  Schluss  der  Ver- 
handlungen, aber  noch  vor  dem  Urtheilsspruch ,  erwähnt  wird, 
nämlich  Lc.  23, 16,  wo  das  xaiÖEvOaq  (=  <poayEXXaiCaq)  futurische 
Bedeutung  hat  (ich  will  ihn  geisseTn  fassen  und  losgeben),  und 
v.  22,  an  welcher  Stelle  die  inzwischen  vollzogene  Geisselung 
vorauszusetzen  und  das  naiötvcag  als  Praeteritum  aufzufassen 
ist  (nachdem  ich  ihn  habe  geissein  lassen,  will  ich  ihn  losgeben). 
Das  Petrusfragment  stimmt  in  Bezug  auf  die  Sache  mit  der  jo- 
hanneisch-lucanischen  Darstellung  überein,  sofern  die  Verspottung 
mit  der  Geisselung  zusammenfällt.     (Vgl.  v.  9:  xal  xiveg  avxov 


346  Aussereanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

tfiäöTiCov,  sodass  hiernach  für  den  Akt  der  Geisselung  fol- 
gende^ Bezeichnungen  zu  recognoscieren  sind:  ygayEXXovv  Mt. 
Mc,  ^aiöeveiv  La,  fiaöxiyovv  Joh.,  fiaOxiC,£U^  Ps^Fetr.).  In  der 
Zeitfolge  aber  geht  das  Petrusevangelium  wie  fast  immer  mit 
Mt.  und  Mc,  indem  die  Geisselung  und  Verspottung  erst  nach 
der  Verurtheilung  Jesu  stattfindet.  Es  ist  keine  Frage,  dass  nach 
der  johanneischen  Darstellung  der  Vorgang  viel  besser  motiviert 
ist  und  dass  wir  in  Mc.  15,  16—19  eine  der  Umschaltungen  des 
Marcus  zu  erkennen  haben,  welche  von  dem  ersten  Evangelisten 
sowie  von  dem  Redaktor  des  Petrusevangeliums  acceptiert 
worden  ist.  Was  die  Ortlichkeit  anlangt,  so  stimmen  die 
canonischen  Relationen  darin  überein,  dass  die  Verspottung 
Jesu  innerhalb  des  Praetoriums  stattgefunden  habe  —  vgl. 
Mt.  27,  27:  dg  xo  nqaixcögiov  =  Mc.  15,  16:  töco  xrjg  avXrjg,  6 
Igt iv  xQaixtÖQiov  =  Joh.  19,  5:  kgqX&EV  ovv  o  'Irjöovg  e£a>, 
<poQÖ)v  xhv  axav&ivov  oxtcpavov  xal  xo  jioocpvnovv  tftäxiov. 
Dem  Petrusevangelium  fehlt  in  Bezug  auf  die  Lokalitäten  jede 
Praecision  und  alle  Anschaulichkeit  der  Darstellung.  Gleich- 
wohl wird  man  aus  der  Erwähnung  der  xa&idga  =  ßrjfia  (v.  7b) 
zu  der  Schlussfolgerung  genöthigt,  dass^eT^erfa^ser^en  Vor- 
gang als  ausserhalb  des  Praetoriums,  wo  das  ßrjfia  aufgerichtet 
war,  geschehen  sich  vorgestellt  habe.  So  bleibt  es  auch  ganz 
im  Dunkeln,  wohin  die  Soldaten,  bezw.  nach  Ps.-Petrus  die  Juden, 
bei  der  Verspottung  und  Geisselung  Jesu  gelaufen  seien  (xot- 
Xovrtc)  und  wohin  sie  ihn  geschleppt  haben  (ovqco/iev).  Dass 
dies  die  richtige  Lesart  sei,  ist  jetzt  endgiltig  festgestellt.  Man 
vgl.  dazu  2.  Sam.  17,  13:  bnsrri?  in»  Vnzq)  =  LXX:  xal  ov- 
Qovfiev  avxiv  %mq  dg  xhv  y£ma.QQ0vv ,  ferner  —  woran 
v.  Schubert  erinnert  —  Act.  Andr.  et  Matth.  c.  25 — 28,  in 
welchen  Capiteln  ovqeiv  und  öiaovQEtv  im  Sinne  Von  Schleifen 
völlig  promiscue  gebraucht  wird.  Freilich  öiaovQHV,  welches 
in  der  Parallele  bei  Justin  auftritt  (vgl.  Mt.  27,  29b)  hat,  wie 
auch  Hesychius  angibt  (öiaövgu,  diajtai&i,  xX£vat,£i),  im 
Griechischen  der  alttestamentlichen  Übersetzungen  die  Bedeutung 
des  Verspottens.  Vgl.  1.  Sam.  2,  17:  y«3  =  LXX:  ad-Exovv, 
Aquila:  öiocvquv,  2.  Sam.  12, 14:  f«D  =  LXX:  jrapogyge^Aqmla: 
öiaovQEiv,  Prov.  1,30:  y«?  =  LXX:  fivxxrjQiC.siv,  Aquila:  öcaövQstv, 
JesTTTTV^S  =  LXX:  jiaooQYi&iv,  Symmachus:  öiaövgsivTVs. 
10,  3:  Y&1  =LXX:  xago^vveiv,  Aquila:  diaovosiv,  Deut.  31,  20: 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  27,  27  =  Mc.  15,  16.  347 

pJM  =  LXX:  ütctQotivvHv ',  Aquila:  öiaöv^eiv,  Jes.  52,  5:  fs:  = 
LXX:  ßXaö<pr)HElv,  Aquila:  diaovouv  — ,  ausserdem  Jerem.  50,  45: 
n3D  =  LXX:  Öia<p&£iQeiv ,  Symm.:  öiaovgsiv.  Für  den  Fall, 
dass  es  gestattet  sein  sollte,  das  ovqwfisv  des  Petrusfragmentes 
im  Sinne  von  diaovQeiv  =  pX3  =  (ivxxijqLCsiv  zu  nehmen ,  wie 
es  das  öiaovgovxsg  bei  Justin  an  die  Hand  gibt,  so  würde  der 
Sinn  klar  sein.  Nachdem  Jesus  den  Soldaten  zur  Geisselung 
übergeben  war,  beschlossen  sie  ihrerseits  ohne  besonderen  Auf- 
trag mit  der  Geisselung  eine  höhnende  Verspottung  zu  ver- 
knüpfen und  riefen  einander  zu:  Lasst  uns  den  Sohn  Gottes 
verspotten,  nachdem  wir  einmal  Gewalt  über  ihn  bekommen 
haben.  Der  Verfasser  des  Petrusevangeliums  hätte  sonach,  frei- 
lich ohne  pragmatisches  Verständniss  seinerseits,  einen  guten 
Textrest  an  dieser  Stelle  erhalten,  nämlich  eine  drastische  Aus- 
führung der  synoptischen  Notiz:  ovvrjyayov  sji  avxov  oXtjv  xi)v 
omlqav  Mt.  27,  27  (=  Mc.  15,  16).  Aber  in  der  Bedeutung: 
„ misshandeln u,  welche  die  Lexica  für  das  Simplex  ovgeip  an- 
geben, wird  die  Lesart  des  Fragmentes:  6vqo)(iei>  verständlich, 
wenn  man  festhält,  dass  der  Befehl  zur  Geisselung  den  Soldaten 
vorher  von  dem  Landpfleger  ertheilt  gewesen  ist.  Wahrschein- 
lich auch  hat  der  Redaktor  des  Petrusevangeliums  seinerseits  övyeiv 
in  der  Bedeutung  „schleppen"  verstanden  und  dem  entsprechend  die 
ganze  Scene  nach  der  Stätte  der  Kreuzigung  verlegt,  in  welchem 
Fall  auch  das  xqexovxsg  verständlicher  wird,  bezüglich  dessen 
Swete  auf  Martyr.Polyc  c.  7  p.  142,  2:  coc  em  AyGxrjv  xgsxov- 
xeg  —  verweist.  Die  Acta  Pil.  nach  Rec.  A  und  der  latei- 
nischen Übersetzung  uehmen  bestimmt  an,  dass  diese  Verspottung 
auf  Golgatha  geschehen  sei.  Die  Recension  B  der  Pilatusakten 
lässt  die  Verspottung  nicht  sua  sponte  von  den  Soldaten 
ausgehen,  sondern  in  Folge  eines  ausdrücklichen  Befehls  des 
Landpflegers  geschehen  (iva  ös  ifiJtalticoGi)  und  macht  dann  ganz 
wie  das  Petrusevangelium  nicht  die  Soldaten,  sondern  die  Juden 
(X,  1)  zu  den  "Werkzeugen  der  Verspottung.  So  irren  die  apo- 
kryphischen  Darstellungen  immer  weiter  von  dem  ursprünglichen 
Sachverhalt  ab. 

Cod  C  der  Acta  Pilati  (p.  305.  ed.  Tischendorf)  verwende! 
das  ovQtiv  da,  wo  er  die  Kreuzigung  schildert:  oxt  aveßißaoav 
avxov  tv  reo  OravQO)  xal  kxäqcpmoav  xavvöavxzg  xäß  jca- 
Qa/QCtVTOix;   avxov   xetyn£>    cog   rjp    övvaxöv,    xal    xoig    Jtööag 


348  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

avtov   övQavrsg  xärw&ev  — :   die  Ftisse  von  unten  her  auf- 
schleppend. 

ftt.  27,  28  =  Mc.  15, 17». 

a.  Barn.  VII,  9.  p.  36,  3. 

oipoptat   avxov   tote   t\\   tjfiEoa  xbv  jzoörjgr)  e'/ovto  tcv 

XOXXIVOV   JtEül    T7)V    GaQXa. 

b.  Mt.  27,  28. 

xal  ixdvoavTsg  avTOv  %Xa(iv6a  xoxxlvtjv  Jtegiddijxav  avxq. 

c.  Celsus  ap.  Orig.  c.  Cels.  II,  34.   Opp.  I,  415. 

jiagaTi&siiEVOQ  Tovg  ifutaigavTag  avTcp  xal  g>otvixtöa  jts- 
Qi&evTtxc  xtX. 

d.  Mc7l5,  17»       . 

xal  evöiövGxovüiv  üvtov  xoqcpvQav. 

e.  Joh.  1972™ 

xal  Ifictxiov  7ioQ(pv(jovv  jtsQießaXov  avTov. 

f.  Cod.  Cantabr.  Mt.  27~  28. 

xal  Ivövöavxeq  avTov  iftaTiov  jiooqpvQovv  xal  xXapvöav 
xoxxlvrjv  jiEQiid-rptav  avT<p. 

g.  Cod.  Colberi  Mt.  27,  28.  p.  38.  ed.  Belsheim. 

et  induerunt  eum  tunicam  purpuream  et  chlamidem  coccy- 

neam  circumdederunt  ei. 
h.  Ev.  Pseudo-Petri  v.  7». 

xal  7ioQ<pvqav  uvtov  JtEQiißaXov. 
i.   Acta  PiL  A.  X,  1.  p.  246. 

xal  jtEQtE^cooav  avTov  Xevtiop. 

Hier  zeigen  sich  eine  Anzahl  Varianten,  welche  ohne  Mühe 
auf  einen  hebräischen  Text  zurückgeführt  werden  können.  Denn 
kvövEiv  (Cod.  D)  =  evÖiövöxeiv  (Mc.)  =  jcEQtßaXXsiv  (Joh.,  Ps.- 
Petr.)  =  jiEQiTi&Evai  (Mt.)  =  jtEQiTl&EO&ai  (Cels.)  führen  auf 
tthabn  zurück.  Für  evöveiv  und  evöiövöxeiv  sind  keine  Belege 
erforderlich.  Für  xEQiTi&svai  vgl.  Gen.  27,  16:  HlEhSbn  =  LXX: 
^Q^P^  für  JiEQißaXXEiv  vgl.  Gen.  28,  20:  ID&i  153  =  LXX: 
IfiaTiov  jtsQißaXEO&ac.  Ausserdem  vgl.  man  in  dem  Logion  Mt. 
7,  15  die  Ubersetzungsvarianten  evöeöv[ievoi  (Just.)  =  ^(HfiEOfi4voi 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mi  27,  28.  29.  349 

(Clem.  AI.,  Ps.-lgn.,  Epiph.)  =  jtsoißsßXr/fitvoi  (Epiph.).  Die  he- 
bräische Quelle  aber  der  Varianten  jto^pvQa  (Mc.,  Ps.-Petr.)  = 
g>oivtxig  (Cels.)  =  lnaxiovjtOQq>vQovv  (Jon.)  =  x^a^Q  xoxxiv?/ 
(Mi)  =  üioör'jQrjq  xoxxivog  (vgl.  Barn,  mit  Apoc^X  13:  höedv- 
fisvov  JtoÖTJQT])  ist  in  "JttinK  zu  erkennen.  Vgl.  Esth.  1,6:  "JEfiiT 
=  LXX?  xal  jtOQ<pygolg,  Esth.  8,  15:  fttiniS  =  LXX:  xoo<pvQovv 
—  Jud.  8,  26  LXX:  jtoqq>vqig  — .  Ganz  abweichend  ist  das 
Xivxiov  (=  Xlvxeov,  lat.  linteum)  in  den  Pilatusakten.  Dieses 
Wort  findet  sich  im  Septuaginta-Griechisch  überhaupt  nicht  und 
im  N.  T.  als  dscag  Xeyofisvov  Joh.  13,  4.  5,  dabei  auch  öteCmötv 
(=  Act.  Pil. :  jcsQts^coöav). 

Mt.  27, 29*  —  Mc.  15,  17*. 

a.  Celsus  ap.  Orig.  c.  Cels.  II,  34.    Opp.  I,  415. 

xal  xov  kS,  axavd-cöv  tfr sgxzvov  xal  xhv  sv  xfi  X£lQL  x^' 
Xa/iov. 

b.  Mi  27,  29a. 

xal  xXigavxeg  oxscpavov   f|   axav&cöv   ejitd-tjxav  txl 
xrjq  xetpaXrjg   avxov  xal  xaXafiov  ev  xjj  öegia  avxov. 

c.  Mc.  15,  17b. 

xal    xeQixi&eaöiv    avxqZ    jtXegavxeg    äxavfrivov    öxe- 
<pavov. 

d.  Joh.  19,  2a. 

xal   01  öxgaximxai  TiXe^avxeg   oxe<pavov   ig   äxav&o5v 
ene&rjxav  avxov  xf/  xetyaXj}. 

e.  Ev.  Pseudo-Petri  v.  8. 

xal  xic  avxwv  eveyxwv  Qxe<pavov  axäv&ivov  ed-rjxev 
€jcl  xrjg  xey>aXi]g  xov  xvqiov. 

f.  Acta  Pil.  B.  IX,  5.  p.  302.  ed.  Tischendorf. 

xal  e<peoov   oxe<pavov   i§    axav&oiv    xal    e&ijxav    em 
xtjv  xeqpaXijv  avxov  xal  xäXatuov  ejtl  xt)v  Öegiav  avxov 

g.  Acta  Pü.  A.  X,  1.  p.  246. 

xal  öxi<pavov  i£  äxav&cöv  jteoie'&  qxav  avxm  jcsql  xqv 
xsg>aX7jv. 

Der  Origenes-Text  über  Celsus  lautet  an  der  bezüglichen 
Stelle:  o  KeXoog  oveiöl^ei  ex  xwv  yeyoafifiev&v  ev  xm  evayye- 


350  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Xico  Jteul  xov  Irjoov,  xaoaxifrtfievog  xovq  tpucai^avtag  avxcp 
xal  (poivixiöa  jtEQi&tvxag  xal  xov  e§  dxavd-<äv^  oxt<pavov 
xal  rov  ev  xrj  xBlQL  xäXafiov.  Dass  die  Variante  iv  xfj  %eiQl 
(anstatt  des  caiionischen  ev  öe§i$  avxov)  zu  der  schriftlichen 
Vorlage  gehörte,  welche  Celsus  benutzte,  zeigt  die  Über- 
einstimmung mit  Eusebius,  welcher  in  der  Demonstratio  ev. 
mach  Tischendorf  p.  19S)  ebenfalls  ev  xrj  x£LQL  avxov  überliefert 
hat.  Der  Ausdruck  oxt'cpavog  eg  dxav&öiv  (Mt.,  Joh.,  Cels.)  = 
Z^S'-p  rni2?  ist  hebraisierender  als  oxi<pavog  axävftivog  (Mc, 
Ps.-Petr.).  Anschaulich  wirkt  im  Petrusevangelium  die  in  xai 
xig  avxojv  gegebene  Individualisierung.  Dabei  trifft  letzteres  in 
dem  eveyxojv  mit  dem  etpeoov  der  Acta  Pil.  B.  zusammen. 

Mt.27,29*  =  Mc.  15,18. 

a.  Mt.  27,  29b. 

xal    yovvsrexyoavxeg    ifutgooftev   avxov    evexaigav    avxcp 
Xijovxeg'  XalQ£  °  ß^CiiXtvg  xcov   lovöaicov. 

b.  Mc.  15,  18. 

xal  r\o%avxo  aojca^toihai  avxöv  Xa*Qe  ßaoiXev  xcov  'lov- 
öaicov. 

c.  Joh.  19,  3». 

Xal   rjfjxovxo  Jioog  avxov  xal    iXtyov  xaIQ£   o  ßaoiXevg 
xcov  lovöaicov. 

d.  Ev.  Pseudo-Petri  v.  7b. 

xal  txattioav  avxov  exl  xa&töoav  XQioecog  Xeyvvxeg'   öi- 
xaiojq  xotve,  JaoiXev  xov  'looa/jX. 

e.  Just,  Apol.  I,  35.  p.  76B. 

xal  yao,   cog   eljiev  o   Jtqocpfjxrjg,   öiaovoovxeg  avxöv  exd- 
frioav  ejtl  ßr'jtiaxog  xal  tijtov  xolvov  rjfilv. 

An  sich  ist  es  durchaus  nicht  unwahrscheinlich,  dass  da, 
wo  zur  Verhöhnung  des  Judenkönigs  die  königliche  Krone,  das 
königliche  Kleid  und  das  königliche  Scepter  karrikiert  wurde, 
auch  der  königliche  Stuhl  {xa&£ö^a^  Ps.-Petr.  =  ^£^?5  Acta  Pil. 
B.  IX,  5.  p.  301  = /%a^  Mt.  27,  19;  Joh.  19,  13  iffnlcnt  gefehlt 
haben  werde.     Gerade  das  ßfjficc   des  die  kaiserliche  Gewalt  re- 


11  Vgl.  hierzu  die  Erläuterungen  zu  Mt.  25.  31. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  27,  29  =  Mc.  15,  18.  351 

praesentierenden  römischen  Beamten  war  zur  Vervollständigung 
dieser  Spottscene  besonders  geeignet,  da  man  ja  auch  auf  heid- 
nischer Seite  wusste,  dass  die  Juden  von  ihrem  Messiaskönig  die 
Abschüttelung  des  römischen  Regimentes  erwarteten.  Um  die 
Darstellung  des  pseudopetrinischen  Evangeliums  mit  der  den  ur- 
sprünglichen Sachverhalt  vertretenden  johanneischen  Relation  zu 
vereinbaren,  müsste  man  annehmen,  dass  nach  der  im  Inneren  des 
Praetorium  vollzogenen  Geisselung  und  Verspottung  Jesus  von 
den  Soldaten  herausgeführt,  in  seiner  Spottkleidung  auf  das  ßrjfta 
(==  d-Qovoq  =  xad-tÖQCt)  gesetzt  und  in  dieser  Situation  von  den 
Spöttern  unter  Erweisung  königlicher  Ehren  (yo vvji st r'/oap xtq 
Mt.  27,  29b  =  JtQOösxvvov v  Mc.  15,  19)  verhöhnt  worden  sei. 
Dieser  Vorgang  müsste  zusammengefallen  sein  mit  Joh.  19,  4.  5,  wo 
berichtet  wird,  dass,  nachdem  soeben  die  Geisselung  (v.  1)  und 
die  Verspottung  (v.  2.  3)  stattgefunden  hatte,  Pilatus  Jesum  heraus- 
führt und  dem  Volke  zuruft:  lös  o  avd-gojjcoq.  Möglich  wäre 
auch  die  Identificierung  der  Nachricht:  sxä&iöav  avtov  ext 
xaftiÖQäv  (Ps.-Petr.)  =  avrov  exa&ioav  sjtl  ßqf/aroq  (Just.)  mit 
Joh.  19,  13.  14.  Dann  müsste  man  annehmen,  Pilatus  habe  nach 
den  Verhandlungen  mit  den  Juden  (Joh.  19,4 — 8)  Jesum  in  das 
Praetorium  zurückgeführt  (v.  9)  und  dann  erst  bei  der  zweiten 
Herausführung  (v.  13)  das  Sitzen  Jesu  auf  dem  ßrjfia  geschehen 
lassen,  ja  selbst  angeordnet,  indem  ixdßtoev  Joh.  19,  13  trans- 
itiv zu  fassen  wäre.  Indess  wahrscheinlich  ist  diese  Annahme 
nicht.  Denn  wenn  auch  der  kaiserliche  Beamte  den  Übermuth 
der  Soldaten  an  einem  ihrer  Gewalt  preisgegebenen  duldete,  ja 
für  seine  Zwecke  benützte,  um  den  Angeklagten  durch  Erweckung 
des  Mitleids  und  der  Gunst  des  Volkes  zu  retten,  so  ist  doch 
kaum  zu  glauben,  dass  er  selbst  das  ßrjfia,  auf  dem  er  wenige 
Augenblicke  darnach  das  Urtheil  sprechen  müsste,  zu  einer  sol- 
chen Spottscene  seinen  Soldaten  überantwortet  haben  sollte.  Je- 
denfalls deckt  sich  das  öiaöv^ovtsq  des  Justin  mit  dem  Ivh- 
xai^av  in  Mt.  27,  29b.  Vgl.  oben  zu  Mt.  27,  27.  Was  aber  die 
Worte  anlangt,  womit  die  Spottenden  den  Judenkönig  verhöhnten, 
so  enthalten  die  unter  sich  übereinstimmenden  canonischen  Re- 
lationen jedenfalls  das  Ursprüngliche.  In  dem  Munde  heidnischer 
Soldaten  war  der  Titel:  ßaöiltvq  xmv  'Iovöaiwv  allein  am 
Platze.  Freilich,  sobald  es  Juden  sind,  denen  diese  Worte  in 
den  Mund  gelegt  werden,  wie  es  im  Petrusevangelium  geschieht, 


352  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

so  war  die  Abänderung  des  Titels  in  den  Ruf:  ßaotXev  xov 
'löQaijX  unumgänglich.  Vollends  aber  der  Ruf:  xqIvov  t}filv 
(Just.)  =  öixalcoq  xqIve  (Ps.-Petr.)  ist  in  der  von  beiden  Schrift- 
stellern benützten  gemeinsamen  Quelle  dem  alttestamentlichen 
Worte  Jes.  58,  2:  pir-iüfifljtt  ^lb»tt?'i  =  LXX:  alxovai  fie  vvv 
xgioiv  öixaiav,  auf  welches  Justin  sich  ausdrücklich  beruft,  nach- 
gebildet. Harnack  erinnert  noch  an  die  johanneische  Parallele: 
T/)r  Öixaiav  xn'ioiv  xQlvaxs  —  Joh.  7,  24  —  und  1.  Petr.  2,  23: 
rä)  xqivovxi  öixalmq. 

Die  Annahme  von  Lundberg  (Det  s.  k.  Petrusevangeliet 
ett  nyfunnet  fragment  ur  en  fornkristlig  apokryf,  Lund  1893), 
wonach  Justin  Apol.  I,  35  unter  dem  ßtjfta  das  Kreuz,  als  den 
königlichen  Thron,  verstanden  habe,  hat  insofern  viel  für  sich, 
als  Justin  gerade  Apol.  I,  35  auf  die  Acta  Pilati  sich  beruft 
(xal  xavxa  öxi  yeyovs  övvao&e  fta&elv  ex  x<x>v  im  üovxiov  Ilt- 
Xaxov  yevo(iivcov  axxmv)  und  als  die  Acta  Pilati  die  Ver- 
spottungsscene  nach  Golgatha  verlegen.  Vgl.  zu  Mt.  27,  27. 
Dazu  kommen  die  übereinstimmenden  Lesarten  des  Cod.  Can- 
tabr.,  des  Syr.  Cur.  und  des  Cod.  Colbertinus  zu  Lc.  23,  37, 
wo  von  den  Soldaten,  die  den  am  Kreuze  hangenden  Jesus  ver- 
spotteten, gesagt  wird:  Xiyovxsq"  xalQ£ >  o  ßaoiXevg  xtav  *lov- 
öaicov,  jtEQixe&tvxeq  (sie)  avxcöxal  axuv&ivop  oxt<pavov  (Cod.  D) 
—  X<*iQ£'  d  ov  6  ßaoiXtvg  xcäv  'lovöaimv,  omoov  oeavxor,  xal 
jiEQU&?]xav  im  xi)v  xe<paXrjv  avxov  exitpavov  it-  axav&cüv 
(Syr.  Cur.)  =  ave,  rex  Judaeorum,  salva  temet  ipsum!  imposu- 
erunt  autem  et  de  spinis  coronam  (Cod.  Colbert.).  Dieser  apo- 
kryphe Zug,  wodurch  die  höhnende  Bekleidung  Jesu  mit  den 
königlichen  Insignien  nach  Golgatha  verlegt  worden  ist,  findet 
sich ,  wie  man'  aus  dem  Zusammentreffen  des  altsyrischen ,  des 
altlateinischen  und  des  in  Cod.  D  erhaltenen  griechischen  Textes 
ersehen  kann,  bereits  in  dem  —  zu  den  Zeiten  Justins  ent- 
standenen —  Archetypus  des  Evangeliencanons. 


Mt.  27,  30  —  Mc.  15, 19. 

a.  Mt.  27,  30. 

xal   ifixxvoavxeg   dg   avxov   tXaßov  xbv  xc  /.afiov  xa'i 
txvjtxov  elg  xr]v  xepaXrjv  avxov. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt  27,  30  =  Mc.  15, 19.  353 

b.  Mc.  15,  19. 

xal  trvxrov  avrov  xr\v  xe<paXr)v  xaXau.ro  xal  ive- 
xxvov  avzcö,  xal  r&evreg  rd  jovara^xgooexvvovv  avrm. 

c.  Joh.  19,  3b. 

xal  höiäoöav  avrm  gaxiofiara. 

d.  Ev.  Pseudo-Petri  v.  9. 

xal  Sregoi  kör  cor  eg  evexrv'ov  avrov  ralg  btpeoi,  xal 
aXXoi  rag  öiaybvag  avrov  egdjtiOav  e'regoi  xaXdftca 
evvooov  avrov  xal  nveg  avrov  ipäori^ov  Xeyovreg'  ravry} 
rüj  rifij}  ri(ir]öa>fiev  rbv  vlbv  rov  freov. 

e.  Acta  PiL  A.  XVI,  7.  p.  282.  ed.  Tischendorf. 

xal  ort  slöafiev  avrov  gaxio/iara  Xaßovra  xal  ifijtrvö- 
ftara  elg  rb  jcqoCgojcov  avrov,  xal  ort  ol  Orgarimrai 
ari<pavov  ££  äxav&wv  jcegtid-rjxav  avrm,  xal  ort  kcpgayeX- 
Xm&rj  xal  axbtpaöiv  eXaßev  dxb  ÜiXärov. 

f.  Acta  Pil.  B.  X,  1.  p.  302. 

rjjq  rotavrijg  ovv  dxo<pa6emg  yevofievrjg  xagä  ÜiXärov 
rjo£,avro  ol  'Iovöaloi  rvxrew  rbv  'Itjöovv,  ol  fiev  gäßöoig, 
ol  6e  yegolv,  ol  de  xo'clv  ol  de  xal  elg  rb  xgoömjtov  av- 
rov Inrvov. 

Das  yovvxerrjöavreg  (Mt.  27,  29)  und  das  ri&eyregjrd  yb- 
vaxa  xgb^^vvbvv(M.c.  15,  19  =  rnnntDn)  deckt  sich  gegen- 
seitigr  Der  Text  des  pseudopetrinischen  Fragmentes  lässt  eine 
geflissentliche  Conformation  nach  Jes.  50,  6  erkennen.  Vgl.  Jes. 
50,  6  LXX:  rbv  vmrbv  fiov  re&etxa  elg  (taörtyag^  xal  rag  ota- 
ybvag  fiov  elg  gcuziöfiara,  rb  de  xgoOcoxov  (iov  ovx  axeorgeqw 
ajcb  alöxvviyg  efixrvOfidrmv,  nur  dass  ralg  brpeöi  im  Petrus- 
fragment das  hebräische  O^DB  des  Urtextes  noch  wörtlicher 
wiedergiebt,  als  das  ngbomxov  der  Septuaginta.  Der  Hohnruf 
der  Häscher:  ravri]  rf]  rifiy  rifi^omftev  rbv  vlbv  rov  &eov 
bildet  eine  Reminiscenz  an  das  Citat  aus  dem  apokryphen  Jere- 
miasbuche  Mt.  27,  9:  rr\v  riprjv  rov  rerifitjuevov  ov  irtpirjöavro 
cutb  vlmv  yIöga?]X,  welches  Citat  mit  dem  ganzen  Abschnitt  Mt. 
27,3—10  im  Petrusevangelium  weggelassen  ist.  Zu  dem  sprach- 
lichen Ausdruck  bietet  Act.  28,  10:  jcoXXalg  riftalg  hiftrjOav  — 
eine  Parallele.  Zu  dem  fiaöriC,etv  des  Petrusfragmeuts  wie  zur 
ganzen  Stelle  vgl.  man  noch  Const.  V,  6.  p.  130,  16  ff.,  wo  zu  dem 

Texte  u.  Untersuchungen  X,  8.  23 


354  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Quellentexte  der  Didascalia  V,  6.  p.  304:  tvExxvo&t),  ExoXa<piö&rj, 
£QQajiio&T),  öxavgcp  xqootjXoj&tj  —  der  Redaktor  der  Consti- 
tutionen nach  oxavoqj  die  Worte  (lExa  xb  itmörix^/wM  einfügt. 
Ausserdem  erinnert  Swete  (p.  XXIX)  an  einen  verwandten  Text, 
der  Orae.  Sibyll.  VIII,  288 sqq.  zu  Grunde  liegt  und  folgenden 
Wortlaut  hat: 

öcooovöiv  de  &t<p  Qajciofiaza  xeqöIv  avayvoig 

xal  Ctofiaoiv  [iiaoolg  tftjcxvöfiaxa  <pao[iax6Evxa. 

öcoöSL  tf  eg  (läoxiyag  ajiXmg  ayvbv  xjoxe  vojxov, 

xal  xoXa(piC,6fiEvog  oiyrjöEi,  fi?)  xig  Imyvcö, 

zig  xlvog  rj  nölhv  tjX&ev,  iva  (p&ifisvolöi  XaXrjöy. 

xal  oxicpavov  cpoQEGEi  xbv  axav&ivov  kx  yao  äxavfrdtv 

xb  oxetpog  exZexxäiv  aytatv  alooviog  ij£,ei. 

xZevQag  vvgovoiv  xaXdfiq)  öia  xov  vofiov  avxcöv. 

ig  de  xb  ßoajfta  xoXrjv  xal  jriefiev  ogog  EÖmxav. 

vi)$  loxai  oxoxoeööa  xeX&qiog  Iv  xqlöIv  cogatg' 

i'jgei  d'  slg  Aiöqv  dyyiXXmv  tXjtlda  jcäoiv 

xolg  ayloig  .  .  . 

Mt.  27,  39*  =  Mc.  15,  29*. 

a.  Cod.  Cantabr.  Mc.  15,  29*. 

xal  ol  jtaoayovxEq  tßXa6<pr)f/ovv  avxöv. 

b.  Mc.  15,  29». 

xal  ol  JiaoajtoQEvöfiEVoi  ißXaoq>r'i(iovv  avxöv. 

c.  Mt.  27,  39a. 

ol  de  xaoaxoQEVofiEVOi  sßXaaq>?)(iovv  avxöv. 

Die  aussercanonische  Variante:  jianayovxsg,  welche  Cod.  D 
für  das  canonische  oiaoajioQEvönEvoi  darbietet,  weist  mit  letz- 
terem vielleicht  auf  die  gemeinsame  Quelle  D'H^yn  zurück  und 
hat  in  anderen  evangelischen  Texten  (Mt.  9,  9  =  Mc.  2,  14:  xagä- 
ycov  6  'Iqoovg  —  Mt.  9,  27:  xaoäyovxi  exeI&ev,  ferner  Mt.  20, 
30;  Mc.  1,  16;  15,21)  gute  canonische  Parallelen.  Zu  Mc.  15,29 
vertritt  dieselbe  Lesart  mit  Codex  D  auch  Eusebius.  Vorl. 
Tischendorf  p.  395. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  27,  39.  46.  355 

Mt  27,  46  =  Mc.  15,  34. 

a.  Epiph.  Haer.  LXIX,  68.  p.  792  B. 

<pr]6aq  xaxd  xrjv  lEßoaixr}v  diaXsxxov  rjXi  r/Xi,  Xrjfiä  ciaßa- 
X&avi. 

b.  EpiphTHaer.  LXIX,  19.  p.  743  A. 

xäXiv  kv  xm  öxavow,  <pqoiv,  sXsyev  tfXl  i]Xi,  Xtjfict.  ojaßar 
X&avi'  xovxioxi,  &ee  fiov,  &ee  fiov,  ivaxi  (iE  EyxaxeZixsg; 

c.  McTsT^. 

kßoijOEV  ö  'ItjCovq  (pcovfj  fiEyaXrj'  eXcot,  kXmi\^Ejiaj>aßa- 
X&avei,  6  ioxiv  fiE&EQfir}VEv6(i£vov'  o  d-sog  fiov,  o  &£Ög 
fiov,  elgjdjeyxaxeXijceqjiE ; 

d.  MT27746. 

dvEßotjöEV  6  'hjöovg  <pcovij  fieyaXy  Xiywv  rjXel  tfXsi,  Xe/ic 
öaßax&avei;  xovx  ioxiv '  Ited  fiov,  d-es  fiov,  ivaxi  fis  iyxa- 
xiXtJieq; 

e.  Cod.  Cantabr.   Mt.  27,  46. 

dvsßoTjoev  o  'irjoovg  gxnvfj  fieyäXy  Xiycov  yXsl  rjXsi,  Xafiä 
£a<p&avsi'  xovx*  toxiv,  &et  fiov,  &ee  fiov,  ivaxiuE  iyxa- 
xeXuteq; 

f.  CodTCantabr.  Mc.  15,  34. 

kqxovvjöEV  <p(DV>i  fieyäXy'  ?/ Xsl  yXsi,  Xafiä  £a<p&avsi;  6  koxiv 
fis&EQfiTjvevöfievop'  o  &EÖg  fiov,   o  #eog  fiov,   slg  xi  mvsi- 

g.  Just.  DiaL  c.  Tryph.  c.  99.  p.  326  A. 

öxavomfreiq    yäg    eIjcev    o    &Eog,    o   &£og,   Ivaxi   kyxaxi- 

Xixig  ue; 
h.  Const.  V,  14.  P-  145,  1. 

ävaßotjöag  eIxe  xm  üiaxoi'    &EE   fiov,    &ee  fiov,   ivaxi   fiE 

kyxaxiXiTCEg ; 
i.   Iren.  I,  8,  2  (Valentiniani). 

xa\  iv  fihv  x<p  eIjieIV  o  &s6g  fiov,  Eig  xi  ^7xaT^^§f^ji 
k.  Tertull.  adv.  Prax.  c  25. 

Sed  et  si  in  isto  evangelio  non  est  revelatum:  Deu9  meus, 

ad  quid  me  dereliquisti? 
1.    Tertull.  adv.  Prax.  c.  30. 

Habes   ipsum  exclamantem  in  passione:    Deus  meus,   Deus 

meus,  ut  quid  me  dereliquisti? 

23* 


356  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

m.  Just  Dial.  c.  Tryph.  c  98.  p.  324  D.  325  A. 

xal  xov  xavxa  öe  ipaXfiov  sljcoifii  av  ....  eOxi  6h  ovxoq' 
6  &£og,  6  &eoq  (iov,  xqoöxss1)  l*ol>  ivctxl  eyxaxeXutiq  /m«; 

n.  Psläm22Tl^£xX.^ 

6  &soq,  6  9-eoq  (iov,  xQooysq*)  (toi,  tvaxl  hyxaxiXuziq  (is; 

o.  Ephraem  Syr.  Ev.  concord.  expos.  p.  247  ed.  Mösinger. 

Deus,  Deus  meus  (Eli,  Eli),  quare  dereliquisfci  me? 
p.  Clem.  AI.  Fragm.  §  57.  p.  1004. 

coq  kv  x<p  evayysXlq)'   i]Xl,    ijXl'  avxl  xov'  &si  f^»^£5 

(IOV. 

q.  Diatessaron  ed.  Ciasca  p.  92b. 

Et  hora  nona  exclamavit  Jesus   voce  magna  dicens:  Jaul, 

Jaiill,  cur  me  dereliquisti?  id  est:  Deus,  Deus  meus,  ut  quid 

dereliquisti  me? 
r.  Ev.  Pseudo-Petri  v.  19a. 

xal  6  xvgioq  avsßorj/os  Xtycov  i)  övvafiiq  (iov,  v\  övvafiiq, 

xaxtXsiipäq  fie. 

Die  ursprüngliche  Fassung  dieses  Kreuzeswortes,  über  welches 
bereits  Agrapha  S.  53  und  Einleitungsheft  S.  91  f.  von  mir 
gehandelt  worden  ist,  besitzt  eine  entscheidende  Wichtigkeit  für 
iie  Frage,  in  welcher  Sprache  das  Urevangelium  abgefasst  ge- 
wesen sei.  Wenn  Jesus  sogar  am  Kreuz  in  seinem  tiefsten 
Schmerz  ein  hebräisches  Psalmenwort  ins  Aramäische  umgewan- 
delt hätte,  so  würde  für  ihn  persönlich  das  Aramäische  als 
Sprache  nicht  blos  des  Umgangs  mit  den  Menschen,  sondern 
auch  des  Verkehrs  mit  seinem  himmlischen  Vater,  als  die  Aus- 
drucksweise seiner  innersten  Gedanken  und  seiner  tiefsten 
Empfindungen,  erwiesen  und  damit  zugleich  eine  wichtige  Instanz 
für  die  Sprache  des  Urevangeliums  gegeben  sein. 

Innerhalb  des  Canons  nun  ist  das  bezügliche  Kreuzeswort 
nur  durch  die  beiden  ersten  Evangelisten  überliefert,  und  zwar 
sowohl  im  semitischen  Idiom  als  in  griechischer  Übersetzung. 
Zunächst  Mc.  15,  34  ist  die  canonische  Fassung  halb  hebräisch: 
eXcoi,   sXcoi'i  =  Tl^K  (aramäisch   müsste  es  lauten    ^nbS  =  kXat. 


1)  Nestle  bemerkt  hierzu:  „mit  Lagarde  (Psaltern  graeci  quin- 
quagena  prima)  und  schon  früher  im  Specimen  zu  \p.  5,  3  wird  statt  tiqo- 
a%(q  (was  von  7ipo-e%<0  kommen  würde)  71qoo-ox£Q  zu  schreiben  sein." 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt  27, 46.  357 

(vgl.  Kautzsch,  Grammatik  des  Biblisch-Aramäischen  S.  11) J), 
hebraisierend  auch  Xs/iä  =  Xttb  (dem  hebräischen  nttb  nach- 
gebildet, während  es  im  Aramäischen  X2£b  lauten  müsste,  vgl 
Nestle  bei  Harnack,  Bruchstücke  des  Evangeliums  und  der 
Apokalypse  des  Petrus,  2.  Aufl.  S.  66)  — ,  halb  aramäisch:  öa- 
ßax&avei  (=  ^anpatp").  Wenn  dieser  Mischtext,  wie  er  in  der 
jetzigen  canonischen  Fassung  vorliegt,  von  der  Hand  des  Hiero- 
solymiten  —  also  des  Aramäischen  vollkommen  mächtigen  — 
Marcus  stammte,  so  wäre  dies  ebenso  befremdlich  als  die  un- 
mittelbar nachfolgende  Erzählung,  dass  Einige  der  Umstehenden 
gesagt  haben:  lös  HXlav  <pcovsl  (Mt.  15,  35),  —  ein  Missver- 
ständniss,  welches  bei  der  aramäischen  Aussprache  des  Rufes 
inbÄ  =  8/Läi,  wie  bei  der  hebräischen  Vokalisierung  ^tibit  =  kXcot 
kaum  begreiflich  erscheint.  Dieser  letzte  Anstoss  ist  bei  dem 
ersten  Evangelisten  nach  dem  jetzigen  Text  beseitigt,  sofern  Mt. 
27, 46  zwar  den  aramäischen  Schluss  des  Kreuzesrufes  beibehalten, 
aber  das  iXcot  in  das  dem  hebräischen  Text  von  Ps.  22,  1  ent- 
sprechende r\Xü  =  ibs  umgewandelt  ist.  Diesen  Mischtext  re- 
praesentiert  Epiphanius  in  den  beiden  oben  mitgetheilten  Ci- 
taten  ganz  genau2);  wahrscheinlich  setzt  ihn  auchEphraem,  viel- 
leicht auch  Clemens  AI.,  voraus.  Dagegen  lassen  die  übrigen 
Citate  aus  dem  zweiten  und  Anfang  des  dritten  Jahrhunderts 
bei  Justin,  Irenaeus  und  Tertullian  den  semitischen  Grund- 


1)  Hierzu  macht  Nestle  auf  Folgendes  aufmerksam:  „Gegen 
Kautzsch's  Bemerkung,  dass  s Xwi  hebräisches  ifi'W  sei  —  statt  dessen 
man  doch  *rt%*  erwarten  würde  —  hat  Schreiner  in  Stades  Zeitschrift 
für  alttestamentliche  Wissenschaft  6,  215  erinnert,  das9  <w  jakobi tische 
(westliche)  Aussprache  von  aramäischem  — ,  —  sein  könne." 

2)  Epiphanius  gibt  diesem  Misch  texte  eine  interessante  Deutung 
im  universalistischen  Sinne,  insofern  der  in  zwei  Sprachen  gegebene 
Krenzesruf  Jesu  nicht  blos  für  Israel,  sondern  auch  für  die  Heidenwelt 
bestimmt  gewesen  sei.  Er  sagt  Haer.  LX1X,  68  p.  792  BC :  xal  ydg  iiegl 
zovzov  nooHpyzs vos  <pr\oag  x azu  ZTjv"Eß(>aixT]v  SidXexz  ov  yXl  tjXi, 
XrjfÄÜ  octßax&avl'  o  xaz  dxoXov&lav  inXrjoov  6  xvQtog'inl  zov  azai<' 
gov  zd  sig  axrtovnengotprjtevßha  Xtytov  r\Xl  t}Xl  'Eßgaixg  zy  Xegei, 
dtg  tjv  nQoysygaftfiivov,  —  xal  ovxezi  Eßpacxfi,  dXXa  Svgta'xg  öia- 
Xexz(p  zb  ovCyyovv  gfjpa  dnozeXiSv  tXeys'  Xrjfxä  oaßax&uvl,  'Iva  zig 
doxy  l&v  XQ^aifcai,  wg  r\v  nzol  avzov  yeyga/Afiivov,  eig  kzipav  äh 
yXdiooav  zo  Xünov  z<ji  gr/zip  zr\v  ii^yrjaiv  fxezaßdXXoi,  xal  avzo  7toi<5v 
6i'  dyad-ijv  olxovofxiav,  dg  zo  b/uoXoyeiv  zo  qtjzov  nepl  avzov  sIqtjo&oi 
vno    zov   7tQO<pijzov   öid   zov  ijXl   yXl  Xeyeiv,  zo  öh  vnoXoaiov  ovxizt 


358  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

text  leider  unberücksichtigt.  Wohl  aber  lehrt  die  Vergleichung 
der  Handschriften,  dass  der  vorcanonische  Text  um  die 
Mitte  des  zweiten  Jahrhunderts1),  uns  erhalten  durch  Cod. 
Bezae  und  durch  altlateinische  Versionen,  sowohl  Mc.  15,  34  als 
Mt.  27,  46  von  dem  aramäischen  Wortlaut  Nichts  gewusst 
hat,  sondern  die  hebräische  Fassung  vertrat.  Vgl.  Agrapha 
S.  53.  Und  wenn  diese  hebräische  Fassung:  rXel,  fasi,  Xafid 
C,a<p&avEt  =  "^rQTJ  rittb  ^b«  ib«  in  den  Italae  vielfach  ver- 
stümmelt und  ohne  Verständniss  fortgepflanzt  ist,  so  liegt  darin 
um  so  mehr  ein  Beweis  für  ihr  hohes  Alter.  Sonach  erscheint 
der  Text  des  Cod.  Bezae  in  seiner  hebräischen  Fassung  als  das 
Ursprüngliche,  der  hebräisch-aramäische  Mischtext  in  der  cano- 
nischen Gestalt  sowohl  bei  Mc.  als  bei  Mt.  als  das  Spätere. 

Lagard e  hat  gewiss  recht,  wenn  er  diese  Frage  mit  der 
canonischen  Textrecension ,£),  der  Arbeit  der  öioq&cotcu  oQ&oöogoi 
(im  Gegensatz  zu  den  aöioQ&coroig  dvTiyQaqioiq,  den  älteren 
nicht  recensierten  Handschriften,  vgl.  Epiph.  Ancor.  c.  31. 
p.  36  BC),  in  Verbindung  setzt  und  die  Frage  so  formuliert: 
»wollte  man  vielleicht  so  freundlich  sein  zu  erklären,  welcher 
Zufall  etwa  bei  Matthaeus  27,  46  und  Marcus  15,  34  Hebräisches 
in  Aramäisches  oder  umgekehrt  Aramäisches  in  Hebräisches  ge- 
ändert hat:  ^DrQty  in  i3np3tJ,  JLctfia  in  Xtfia  und  Xefia,  iftbü  in 
"|bx?"3)  Ganz  gewiss  liegt  irgendwo  eine  absichtliche  Correktur 
vor.  Soll  man  nun  glauben,  dass  die  hebräische  Fassung  die 
spätere  Correktur  sei,  entstanden  zu  einer  Zeit,  da  man  das 
Hebräische  nicht  mehr  verstand?  Gibt  nicht  vielmehr  das 
Evangeliarium  Hierosolymitanum  den  richtigen  Fingerzeig 
zur  Beurtheilung  des  Sachverhaltes,  wenn  dasselbe,  nachdem  es 
bereits  p.  381  den  Matthäustext  gebracht,  den  Kreuzesruf  p.  398 
in  derselben  Fassung:  TV  npSTÖ  Stttb  ">bS5  ibtf  wiederholt  und  an 


'EßQaixq  Xegei,  aXXä  SvQiaxg,  oncaq  xa&sXo  i  x<äv  ai>xovvxa>v  xtjv 
''EßgatSa,  xal  xaxa£talo%  xal  hxspaq  yXciooaq  siq  nXrJQataiv  xulv 
neQl  avxalv  Qrpcätv.  HfieXXe  yäg  %ör>  anXovv  xr\v  avxov  yvaloiv  inl  nävxa 
xa  $&vrj,  xal  ovx  inl  xovq'EßQaiovq  fiovov,  a>q  fyei  r\  näaa  avxr\ 
dxoXov&la  iv  eixoaxul  ngtöxio  yaX/uäi."  Vgl.  Ps.  22,  28  LXX:  xal  avxoq 
öeojto&i  xaiv  i&v<5v. 

1)  Vgl.  Einleitungsheft  S.  12. 

2)  Vgl.  Einleitungsheft  S.  IG. 

3)  Vgl.  de  Lagarde,  Mittheilungen  I,  116. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  27,  46.  359 

dieser  Stelle  es  noch  für  nöthig  hält,  eine  aramäische  Interpre- 
tation beizufügen:  im  npnfc  ittab  irfcK  "»nbs  TPVn  na,  eine  In- 
terpretation, bei  welcher  es  noch  dazu  lediglich  um  die  Über- 
tragung des  hebräischen  ">btt  in  das  aramäische  ^nbx  sich  han- 
delt. Hier  wird  es  zugleich  ganz  evident,  dass,  wie  Lagard e 
anderwärts  (z.  B.  Orientalia  II,  7)  bemerkt,  „die  Aramäer  bü 
Gott  nicht  kennen."  Wie  nun  das  —  auf  den  revidierten 
canonischen  Texten  beruhende  —  Evangeliarium  Hierosoly- 
mitanum  selbst  thatsächliches  Zeugniss  ablegt  für  das  Bedürf- 
niss  der  späteren  Jahrhunderte,  die  Evangelientexte  auch  in 
aramäischer  Übersetzung  zu  besitzen,  so  werden  die  ebenfalls 
schon  einer  späteren  Zeit  angehörigen  öioo&töxal  og&odogoi, 
die  Urheber  der  canonischen  Textrecension,  bereits  demselben 
Bedürfniss  Rechnung  getragen  und  sowohl  Mt.  27,  46  als  Mc. 
15,  34  die  ursprünglichen  hebräischen  Texte  —  als  archaistisch 
und  unverständlich  geworden  —  beseitigt  haben. 

Zu  diesem  selbstständig  gewonnenen  Untersuchungsresultate 
tritt  unsnochim  pseudopetrinischen  Evangelienfragmente 
eine  überraschende  Übersetzungsvariante  entgegen,  nämlich  an- 
statt ibS  =  &e6q  fiov  der  Ausdruck  övva/icg,  ein  Ausdruck, 
welcher  keinenfalls  aus  dem  Aramäischen,  sondern  lediglich  aus 
dem  Hebräischen  sich  erklären  lässt.  Robinson  (The  Gospel 
according  to  Peter  etc.  S.  21)  hat  daran  erinnert,  dass  nach 
Eusebius  (Dem.  ev.  X,  8)  der  buchstabisierende  Übersetzer  des 
A.  T.,  Aquila,  den  Anfang  von  Ps.  22,  1  mit  den  Worten:  lowai 
fiov,  loxvgi  fiov  wiedergegeben  hat,  und  dass  Eusebius  selbst 
loxvg  fiov,  loxvg  fiov  übersetzt  hat,  sowie  dass  bei  Justin 
(Bial  c.  Tryph.  c.  125.  p.  354  C)  folgende  Erklärung  von  'Iönafjl 
sich  findet:  xal  xo  ovv  'looarjl  ovofia  xovxo  OTjfiaiver  av&om- 
xog  vixo3v  övpafiw  xo  yaq  löga  avd-Qcojtoq  vvkSv  ioxi,  xo  de 
rfijSvvafiLi;. *)  Meinerseits  habe  ich  bereits  oben  darauf  hinge- 
wiesen, dass  auch  die  LXX  Neh.  5,  5  b«  mit  övvafiiq  wieder- 
gegeben    haben.2)      Alle    diese    Übersetzungsvarianten:     üeog, 


1)  De  Lagarde  (Orientalia  II,  5)  in  der  „Erklärung  hebräischer 
Wörter",  und  speziell  von  h*,  erinnert  an  Eus.  Praepar.  XI,  6,  20:  hkwel/x 
napa  to  fj)..  xovxo  de  kgfirjvfvovaiv  loyvv  xal  övra/iiv. 

2)  Die  in  Neh.  5,  5  gebrauchte  Redensart  -■*  V  »'*  findet  sich  im  A. 
T.  fünfmal.     Vgl.  Gen.  31,  29:  17;  &tfVn£  —  LXX:  xal  vvv  loyvH  7  va> 


360  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

loxvQog,  ioxvg,  övvayiq,  als  Übertragungen  des  hebräischen 
bs,  sind  gleichberechtigt,  wären  aber  im  Aramäischen  un- 
möglich. Möglich  wäre  es  nur,  dass  der  Bedaktor  des  pseudo- 
petrinischen  Fragmentes,  des  Hebräischen  kundig,  das  rjXei  des 
Matthaeustextes,  ohne  den  hebräischen  Quellentext  besessen  zu 
haben,  mit  övvafiiq  fiov  tibersetzt  hätte.  Aber  wahrscheinlich 
ist  dieser  Umweg  nicht.  Viel  wahrscheinlicher  ist  es,  dass  diese 
Übersetzungsvariante  direkt  aus  einer  aussercanonischen  Version 
des  Urevangeliums  stammte  und  dem  Verfasser  des  pseudo- 
petrinischen  Evangeliums  auf  irgend  einem  handschriftlichen 
Wege  zur  Kenntniss  gekommen  war.  Für  diese  letztere  An- 
nahme sprechen  so  manche  andere  archaistische  Elemente 
besserer  Qualität,  welche  im  Petrus-Fragmente,  und  zwar  in 
dessen  Passionsgeschichte,  sich  finden. 

Wie  die  Wahl  gerade  der  Übersetzungsvariante  övvafiig 
und  die  Beseitigung  des  Fragwortes  in  unserem  Logion  mit  der 
doketischen  Tendenz  des  Petrusevangeliums  zusammenhängt, 
darauf  ist  oben  schon  hingewiesen  worden.  Vgl.  §  6.  Die  öv- 
va/itg  repraesentiert  in  den  gnostisch-doketischen  Lehrsystemen 
die  göttliche  Persönlichkeit  Jesu,  die  sich  (bei  der  Taufe)  auf 
den  Menschen  Jesus  niedergelassen  hat,  bzw.  die  sich  in  mensch- 
licher Erscheinungsweise  sichtbar  macht.  Diese  dvvafiiq  verlässt 
das  am  Kreuze  hängende  sichtbare  Theil,  ohne  gelitten  zu  haben. 
Nicht  in  einer  Frage,  sondern  in  einer  Affirmation  sollte 
diese  Grundvoraussetzung  des  Doketismus  hier  zum  Ausdruck 
kommen.    Daher  die  Weglassung  der  Fragepartikel. 

Einen  völlig  abweichenden  Text  bietet  —  nicht  zu  Mt.  27,  46, 
wohl  aber  —  zu  Mc.  15,  34  Cod.  D2  in  der  Lesart:  mvelöiöaq 
(iE  anstatt  des  canonischen:  kyxartXucig  pe,  und  mit  Cod.  D2 
geht  der  Cod.  Colbertinus:  exprobrasti  me,  sowie  der  Cod.  Vin- 
dobonensis:   me   in   opprobrium  dedisti  — ,   Lesarten,  die  doch 


uov  —  Deut  28,  32:  sjt;  hvk  fs?  =  LXX:  ovx  loxvoei  fj  xeig  aov  — ,  Mich. 
2,  1 :  on;  VkVtJ?  "'s  =  LXX :  diori  ovx  tjoav  noog  xov  &eov  zü(?aG  «wrtSv 
—  hier  las  der  Übersetzer:  onj  hyb  üksp  kV>  •£  — ,  Prov.  3,  27:  htb  rri-»nt 
HösV  *p7;  =  LXX:  yjvlxa  äv  l#j?  i\  itio  aov  ßotj&eiv  — ,  Neh.  5,  5:  'p»;i 
*V£  hyb  •=  LXX:  xal  ovx  %axi  6vva.pt.iq  yjiociiv  rjfiwv:  —  das  Alles  zugleich 
ein  neuer  handgreiflicher  Beweis  fürdie  Freiheiten  und  Verschiedenheiten 
der  LXX -Version. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  27,  51.  361 

wohl  Nichts  weiter  als  eine  freie  Wiedergabe  des  urtextlichen 
''DrQT?  darstellen  dürften,  da  6vei6iC,uv  auch  in  der  Bedeutung 
deprimere,  in  deteriorem  conditionem  dejicere  gebraucht  wurde. 

Mt.  27,  51». 

a.  Mt.  27,  51b. 

xal  tj  yrj  icsLa&rj,  xal  al  Jtexoai  hcxiod^rjoav. 

b.  Acta  Pil.  B.  XI,  1.  p  309. 

xaljcagavxixa  i]v  löstv  xäg  Ttixgag  oxt^ofisvag'  öEiöfiog 
ydo  syivexo  etg  xrjv  yr\v  äjcaoav,  xal  xov  oeiOfiov 
Gipoögov  xal  (teydXov  yevofievov  iaxl^ovxo  xal  al  jte- 
TQai. 

c.  Melito,  Fragni.  XIII.  ed.  Otto  p.  419. 

Terra  tremuit,  et  fundamenta  ejus  conversa  sunt. 

d.  Ev.  Ps.-Petr.  v.  21.  22. 

v.  21.  xal  xoxe  axtGJtaöav  xovg  r/Xovg  axb  xmv  yßiQ&v 
xov  xvgiov  xal  e&rjxav  avxov  ejil  xijg  yrjg,  xal  fj  yrj  jiäoa 
sCeiO&i?,  xal  <poßog  fieyag  kyivexo.  v.  22.  xöxs  r]Xiog 
sXapups,  xal  svq£&t]  coga  evdxrj. 

e.  Cyrill.  Hieros.  Catech.  XIII,  24. 

/isxd  xi]v  ivdxrjv  eXa/itipep  6  rjXtog. 

Während  Mt.  27,  51 a  (=  Mc.  15,  38  =  Lc.  23,  45b)  mit  der 
Marcusquelle  correspondiert,  gehört  Mt.  27,  51b  —  zugleich 
mit  v.  52.  53  —  zu  den  secundären  Partien  des  ersten  Evange- 
liums, also  zu  denjenigen  Partien,  an  welche  die  apokryphe 
Evangeliendichtuug  in  besonderer  Weise  sich  angeschlossen  hat. 
So  ist  auch  in  den  Actis  Pil.  B  der  betreffende  Passus  Nichts 
weiter  als  eine  Ausmalung  der  kurzen  Notiz  Mt.  27,  51a.  Wei- 
tere Ausmalungen  aus  Arn  obius,  aus  pseudo-cyprianischen 
Schriften,  aus  den  Testamentis  XII  patr.,  aus  Ephraem  vgl. 
Agrapha  S.  468  ff.  Eine  neue  Ausmalung  von  Mt.  27,  51b  ist 
jetzt  im  pseudopetrinischen  Evangelienfragment  gegeben.  Ein 
neues  Moment  tritt  dabei  namentlich  hervor  in  der  Abhängig- 
keit des  Erdbebens  von  der  Berührung  des  Erdbodens  mit  Jesu 
Leichnam.  Zu  dem  äxeojtaöav  xovg  ijXovg  vgl.  man  bei  Justin: 
a<f)7)Xa)frtlg  curo  xov  oxavoov  =  Dial.  c.  Tr.  c.  108.  Das  Wie- 
derhervorbrechen der  Sonne  zugleich  mit  dem  Erdbeben  ist 
aussercanonisch ,  findet  sich  aber  ausser  bei  Cyrillus  Hieros. 


362  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

auch   bei    Ephraem   (nach   Mösinger   p.  257):    tres   horas  sol 
obtenebratus  est  et  postea  denuo  Iuxit. 

Mt.  27,  52. 

a.  Epiph.  Haer.  LXXV,  7.  p.  911  C. 

oog   (pr\öi  xb  ayiov  evayyeXtov  jtoXXä  6h   coöfiaxa  xoov 
ayioov  aviöxrjoav. 

b.  Epiph.  Haer.  XL  VI,  5.  p.  395  B. 

äveox?]  yäg,  (prjoi,  xoXXä  aoofjaxa  xoov  ayioov,  oog  &xu 
xo  evayyiXiov. 

c.  Eus.  Dem.  ev.  IV,  12,  4. 

xal   jcoXXa   öoofiaxa    xcöv  xexoi(ir)(iEVoov  ayioov  dvi- 
oxavxo. 

d.  Pseudo-Ign.  ad  Trall.  IX.  p.  190,  7. 

jtoXXa.  ya.Q,  g>t}6lv,  öoofiaxa  xcöv  xsxoifirjfievoov  ayioov 
yyeQ&T],  xcöv  (jvrjfielcov  avecpx&ivxcov. 

e.  Mt.  27,  52. 

xal  xä  fivjjfiEla  avEopy&rjGav  xal  xoXXä  öco/iaxa  xcöv 
xsxoifi7]fi£voov  ayioov  ijyeQd-rjOav. 

f.  Pseudo-Cypr.  de  montibus  Sina  et  Sion  c.  8. 

patefacta  sunt  sepulcra,  et  corpora  foras  a  se  misit. 

g.  Acta  PiL  B.  XI,  L  p.  309. 

rjvoiyovxo  xal  xä  fivtjfiela  xoov  vbxqoöv. 

Auf  Mt.  27,  52.  53  hat  man  von  jeher  hingewiesen,  wenn 
es  galt,  apokryphische  Elemente  innerhalb  der  canonischen 
Evangelien  namhaft  zu  machen.  Und  zwar  ist  es  der  erste 
Evangelist,  welcher  derartige  Stoffe  bietet.  An  Mt.  27,  52.  53 
knüpft  sich  in  der  altchristlichen  Zeit  eine  ganze  Literatur,  vor- 
nehmlich der  früher  mit  den  Actis  Pilati  (=  Ev.  Nicodemi) 
verbunden  gewesene,  in  dramatischer  Schilderung  verlaufende, 
Descensus  Christi  ad  inferos  (Ew.  apocr.  ed.  Tischendorf. 
Ed.  II.  p.  380  sqq.),  aus  welchem  man  ersehen  kann,  wie  die  vom 
ersten  Evangelisten  berichtete  Gräberöffnung  und  Auferstehung 
der  Heiligen  (Gerechten,  Patriarchen  und  Propheten)  gemeint 
war.  Denn  es  erleidet  wohl  keinen  Zweifel,  dass  auch  der  Ver- 
fasser des  ersten  Evangeliums  einer  ähnlichen  Auffassung  ge- 
huldigt und  dem  entsprechend  den  Kreuzestod  Jesu  behufs 
haggadischer  Ausschmückung    wie   mit   den  Naturwundern   des 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  27,  52.  53.  363 

Erdbebens  und  der  Felsenspaltung  (v.  51b),  so  auch  mit  der 
Gräberöffnung  und  mit  der  Auf  er  weckung  der  (alttestamentlichen) 
ayioi  in  Verbindung  gesetzt  hat.  Gleichwohl  ist  die  Nachricht, 
wie  sie  in  v.  52.  53  enthalten  ist,  nicht  so  werthlos,  wie  sie 
vielleicht  scheinen  mag.  Der  historische  Kern,  welcher  ihr  ein- 
wohnt, dürfte  sich  aus  dem  Folgenden  ergeben. 

Mt.  27,  53. 

a.  Mt.  27,  53. 

xai  kgeX&ovxeq  ex  xojv  (ivi]fielcov  fiexä  xrjv  eyegöiv 
avxov  elorjX&ov  elq  xrjv  aylav  xoXiv  xai  £ve<pavlG&i?Gav 
jtoXXolq. 

b.  Quadratus  ap.  Eus.  H.  E.  IV,  3,  2.  p.  118,  26. 

o  tf  avxoq  [sc.  o  Koögäxoq]  xr\v  xa$  eavxbv  dgxaioxtjxa 
jtaoacpalveL,  oV  cov  loxogel  xavxa  lölaiq  cpcovalq'  %xov  6e 
GcoxrjQoq  i)(icov  xa  eoya  del  jtaofjv,  aXrj&ri  ydg  i]v,  ol  &e- 
gaxevfrevxeq,  ol  avaGxdvxeq  ex  vexgcäv,  ot  ovx  cocp&rjGav 

fiovov  d-eganevofievoi  xai  dvioxdfievoi ,  aXXa  xai  del  xag- 
ovxeq. 

c.  Epiph.  Haer.  LXXV,  7.  p.  911  C. 

xai  GvveiGrjX&ov  avxcö  eiq  xi]v  aylav  nöXiv. 

d.  Epiph.  Haer.  XL  VI,  5.  p.  395  B. 

xai  elotjXd-ov  ovv  avxcö  elq  xtjv  aylav  jtoXiv. 

e.  Eus.  Dem.  ev.  IV,  12,  4. 

[jcoXXd  Gcofiaxa  xcöv  xexof,fit](ievcov  dylcov  dvloxavxo), 
GvveXavvovxa  avxcö  elq  xrjv  aylav  xai  coq  aXrjd-coq  ov- 
gavoxoXiv. 

f.  Cod.  Bobbiensis  ad  Mc.  16,  4. 

et  descenderunt  de  caelis  angeli,  et  surgent  [1.  surgentes]  in 
claritate  vivi  dei  simul  ascenderunt  cum  eo. 

g.  Exe.  Theodoti  §  18.  ap.  Clem.  AI.  p.  973. 

o  OcoxtjQ  cocp&T}  xaxicöv  xolq  dyye'Xoiq,  öio  xai  emjyyeXloav- 
xo  avxov,  aXXa  xai  xcö  'Jßgad/j,  xai  xolq  Xoinolq  öixaioiq 
xolq  ev  xxi  dvajtavöei  ovoiv  ev  xolq  öegiolq  cocp&r).  .  .  . 
o&ev  avaoxdq  6  xvgioq  evqyyeXloaxo  xovq  öixalovq  xovq 
ev  xfj  dvajtavöei. 


364  Aussercanoniscbe  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

h.  Ign.  ad  Magn.  IX,  3.  p.  38,  4. 

ov  [sc.  xov  Xqioxov]  xal  ol  3CQ0<prjxai  fia&Tjxäl  ovxeq  xm 
xvsvfiaxi  mq  öiöaöxakov  avxov  jiqoöeöoxcov  xal  öia 
xovxo,   ov   dixtzlcoQ  dvifisvov,   yragcbv   tjysigsv  avxovq  ix 

VEXQOJV. 

i.   Anaphora  Pilati  A.  c.  8.  p.  440  ed.  Tischendorf.1) 

axp&tjOav  öe  kv  avxm  xm  g>6ßq>  vexqoI  dvaöxavxsq,  a>q  av~ 
xoV)  otlovöaloi  ifiagxvQiiö'av*),  xal  A)-ebt6v  üvai  bfÄßQad(i  xal 
*Iöaax  xal  'iaxmß  xal  xovq  öatöexa  xaxQiaQxaq  [xal  Mmörjv 
xal  7co/9]6),  xovq  JtQoxexeXevxrjxoxaq,  [cöq  (paoiv  kxelvoil1) 
jtQO  xQiöxiliaiv®)  xal  jtevxaxoola>v  kxmv  [xal  xXelöxot 
jcoXXol,  ovq  xdya)  eldov  kv  oat/iaxi  (pavkvxaq}9). 

k.  Ephraem  Syr.  Cann.  Nisib.  Cann.  39,  4.  Syr.  Text  p.  70  nach 
Zahn,  Forschungen  I,  216. 
Siehe,  es  wurden  lebendig  die  Gerechten  und  gingen  hervor. 

Dass  Mt.  27,  53  eines  historischen  Hintergrundes  nicht  entr 
behre,  beweist  die  interessante  Parallele  bei  dem  altchristlichen 
Apologeten  Quadratus,  welche  uns  durch  Eusebius  erhalten 
ist.  Quadratus  versichert  in  der  dem  Kaiser  Hadrian  i.  J.  125 
übergebenen  Apologie,  dass  von  den  durch  Jesum  geheilten  und 
aus  dem  Tode  wieder  auferweckten  Personen  manche  nicht  nur 
vorübergehend  gesehen  worden  {mq>d-7jöav)^  sondern  auch  zu 
seiner  Zeit  noch  immer  in  der  Gemeinschaft  der  Christen  gegen- 
wärtig seien  (dsl  jtaoovxeq)2).  Es  ist  dies  eine  ganz  nüchtern 
gehaltene  historische  Nachricht,  welche  in  erster  Linie  zur  ge- 
schichtlichen Beglaubigung  der  in  den  Evangelien  berichteten 
Wunderthaten  Jesu  dient,  aber  auch  für  unsern  Text  von 
grossem  Werthe  ist.  Denn  speciell  die  Erwähnung  der  durch 
Jesum  vom  Tod  Erweckten  geschieht  mit  Worten,  welche  in 
mehrfacher  Hinsicht  an  Mt.  27,  53  erinnern.    Vgl.  dvaöxavxsq 


1)  Recension  B.  hat  folg.  Varianten.  2)  add.  kwQCixörsQ.  3)  deest. 
4)  deest.  5)  oxi  eföoftev.  6)  deest.  7)  deest.  8)  SioxMtov.  9)  xal  Note 
si'öofiev  kv  acä/xaxi  <pavs(j(Dg. 

2)  Vgl.  auch  C.  de  Boor,  Neue  Fragmente  des  Papias,  Hegesippus 
und  Pieriu8  in  bisher  unbekannten  Excerpten  aus  der  Kirchengeschichte 
des  Philippus  Sidetes:  üaniaq  kv  öevxkow  Xoyio  . .  .  laxogel  .  .  .  neol 
xwv  vnb  xov  Xqiotov  kx  vsxqcSv  dvaaxdvxatv,  öxi  eo>q  köoiavov  !£a>v. 
Texte  und  Untersuchungen  V,  2.  S.  170. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  27,  53.  365 

(Quadr.)  =  ijyeQ&TjOav  (Mt.  27,  52),  ebenso  mg>9-rjöav  (Quadr.)  = 
evstpavtö&TjOav  (Mt.  27,  53).  Nach  dem  rectificierten  Texte  sagt 
jnT  Grunde  Mt.  27,  53  ganz  dasselbe,  was  in  der  Nachricht  des 
Quadratus  enthalten  ist.  Denn  nicht  die  Lesart  des  Textus 
recepfcus:  fisra  rrjv  eysQöiv  avxmv  ist  die  richtige,  sondern 
fiera  r?]V  sysQOiv  avxov  nach  allen  guten  Zeugen  (auch  Cod. 
Colbert,  sowie  Ciasca  im  Arabischen  Diatessaron  lesen:  post  re- 
surrectionem  ejus).  Also  gehörten  nach  dem  ursprünglichen 
Texte  von  Mt.  27,  53  selbst  die  Erscheinungen  der  aus  dem  Grabe 
Erweckten  gar  nicht  zur  Schilderung  des  Todes  Jesu,  sondern 
vielmehr  in  eine  spätere  Zeit,  und  zwar  in  eine  ganz  unabgegrenzte 
Zeit,  in  die  Zeit  nach  seiner  Auf  erweckung.  Es  scheint  also 
v.  53  ein  historisch  echter  Nachklang  der  Todtenerweckungen 
zu  sein,  welche  Jesus  vollbracht  hat  und  von  denen  unsre 
Evangelien  nur  einige  Beispiele  erzählt  haben.  Nur  der  erste 
Evangelist  ist  es  gewesen,  welcher  diese  irgendwoher  entlehnte 
historische  Notiz  mit  der  Schilderung  des  Kreuzestodes  Jesu 
verknüpft  hat.  Der  Cod.  Bobbiensis  dagegen  verbindet,  wenn 
auch  in  undeutlicher  Darstellung,  dieselbe  Sache  (vgl.  surgentes 
mit  dvaotavreg  bei  Quadratus)  mit  Mc.  16,  4,  also  nicht  mit 
dem  Tode,  sondern  mit  der  Auf  erweckung  Jesu.  Für  diese  Auf- 
fassung finden  wir  bei  Zahn  (Forschungen  I,  216)  noch 
mehrere  Beispiele  zusammengetragen.  Vgl.  Aphraates  ed. 
Wright  p.  422,  4:  „Als  der  Tod  in  Verwirrung  (also)  schrie, 
da  er  sah,  dass  die  Finsterniss  anfing  für  ihn  vertilgt  zu  werden, 
und  dass  (Etliche)  von  den  Gerechten,  welche  schliefen,  auf- 
standen, um  mit  ihm  hinaufzusteigen."  Doctrina  Addaei  ed. 
Phillips  p.  27  des  syrischen  Textes:  „Und  es  geschah  nicht 
durch  ein  Menschenkind,  dass  die  Rechtschaffenen  und  Gerechten 
auferweckt  wurden,  sondern  durch  den,  der  von  Anfang  an  die 
Gewalt  des  Teufels  verlieh."  Ebenda  p.  8:  „Er  machte  Todte 
lebendig  durch  seine  Tödtung,  und  er  stieg  hinab  allein  und 
stieg  hinauf  mit  Vielen  zu  seinem  gepriesenen  Vater."  Ebenda 
p.  19:  »Und  als  er  ins  Grab  gegangen  war,  stand  er  auf  und 
ging  hervor  aus  dem  Grabe  mit  Vielen."  Wesentlich  eine  ver- 
wandte Anschauung  muss  den  Texten  des  Epiphanius  (övveio- 
i)X&ov  avtcp  =  eiorjX&ov  ovv  avtcp)  und  des  Eusebius  (ovv- 
sXavvovta  avtcp)  zu  Grunde  liegen,  da  unter  dem  avtoq  nur 
der  Auferstandene  gemeint  ist,  überdem  bei  Eusebius  die  ayia 


366  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Ale. 

xoXig  als  das  himmlische  Jerusalem  (ovoavonoXig)  erscheint. 
Aus  den  oben  mitgetheilten  Citaten  bei  Ignatius,  aus  den  Ex- 
cerptis  Theodoti  und  aus  der  Anaphora  Pilati  ist  zu  er- 
sehen, dass  die  dem  canonischen  Texte  von  Mt.  27,  52.  53  zu 
Grunde  liegende  Notiz  immer  mehr  im  Sinne  des  Descensus 
Christi  ad  inferos  auf  die  alttestamentlichen  Patriarchen  und 
Propheten  bezogen  und  dadurch  immer  weiter  ihrem  ursprüng- 
lichen historischen  Sinn  entfremdet  wurde.  Dabei  ist  noch  auf 
den  schon  von  Zahn  bemerkten  Umstand  hinzuweisen,  dass  die 
ayioi  des  canonischen  Textes  in  den  aussercanonischen  Parallelen 
vielfach  als  öixatoi  (Gerechte)  bezeichnet  sind.  Man  vgl.  dazu  noch 
Ephraem,  Ev.  concord.  expos.  ed.  Mosinger  p.  250  cf.  p.  257. 
258:  „Petris  praeeepit  et  fissae  sunt,  et  morti  mandavit  et  justos 
non  impedivit,  ad  vocem  illius  ex  sepulcris  exire.  .'  .  Multi  justi 
ad  vocem  domini  ex  inferis  venerunt,  pro  uno  multi  ascenderunt." 
Über  die  auch  sonst  vorkommende  Gleichung  von  ölxaiog  und 
ayiog  vgl.  Aprapha  S.  62. 

Vorstehende  Darstellung  kann  auch  nach  Entdeckung  des 
pseudo-petrinischen  Evangelienfragmentes  ungeändert  zum  Ab- 
druck gelangen.  Letzteres  ist  in  seiner  legendenhaften  Auf- 
erstehungsgeschichte sichtlich  von  Mt.  27,  51.  52  (welcher 
Abschnitt  bei  dem  Tode  Jesu  durch  Pseudo-Petrus  nicht 
Erwähnung  findet)  beeinflusst.  Die  desfallsigen  weiteren  Er- 
läuterungen sehe  man  daher  bei  Mt.  28,  2 — 4  nach,  wohin  der 
ganze  Stoff  ursprünglich  gehört. 

Mt.  27,  62-66. 

a.  Ev.  Pseudo-Petri  v.  28—34. 

v.  28.  övvaxfrivxeq  de  oi  yoafifiaxelg  xal  (paoiöaloi  xäi 
jtQSOßvTSQOi  jtQog  aXXrjXovg  — ,  v.  29.  tyoßrj&qoav  xal 
i/X&ov  xobg  üeiXäxov  öeofisvoi  avxov  xal  Xiyovxeg' 
v.  30.  xaoadog  r/filv  oxoaximxag,  iva  g)vXä§a>(iep  xo 
/ivrjfia  avxov  tjtl  xotig  rj(i[ioag],  fifjjcoxe  iX&ovxeg  ol  (ia- 
&?)xal  avxov  xXtipatöiv  avxov,  xal  vjtoXaßy  o  Xabg 
oxi  ex  vEXQciv  dvsoxi],  xal  noitjoaioiv  yfilv  xaxd.  v.  31.  o  de 
IJeiXäxog  Jtaoadtdoixsv  avxolg  üexqcoviov  xbv  xsv- 
xvo'ioova  (i£xd  OTQaxtmxcäv  (pvXdoouv  xov  xäpov,  xal 
cvv   avxolg    tjX&ov    JiQeoßvxsQoi  xa)    ypa(j[iaxelg    snl    tb 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  27,  62—66.  367 

/ivfjfia,  v.  32.  xal  xvXioavxsg  Xifrov  fiiyav  xaxa  xov  xsv- 
xvQioavog  xal  xo3v  GxQaxtmxmv  6fiov  xavxeq  ol  ovxeq 
exet  e&tjxav  ejiI  xf]  &vqg  xov  {ivrj/iaxog  v.  33.  xal  ejcexqi- 
Gav  tjtxd  o<poaylöag  xal  Gxrjvrjv  exet  jcrj§avx£g  £<pvXa£,av. 
v.  34.  JtQcoiag  de  lni<pa>Gxovxog  xov  oaßßdxov  r)X&£v  oxXog 
cuio  IegovoaXrjfi  xal  xrjg  jzeqixcoqov,  iva  löcooi  xo  (ivrjfiElov 
eöpgayiOfievov. 

b.  Acta  Pil.  B.  XII,  2.  p.  315. 

ovxco  xolvvv  xrjg  jiaoaöxEvrjg  xsXEGd-EiGrjg,  xm  öaßßäxcp 
xqcoi  dxrjX&ov  ol  'Iovöaloi  JtQog  xov  UiXäxov  xal  el- 
nov  avxqj'  xvqie,  6  JtXdvoq  kxslvog  eIjcev  oxi  fiBxd 
xQElg  tjfitQag  dvaGxrJGtxar  (irJTtaig  ovv  ol  fia&rjxal 
avxov  vvxxog  xXtipmGiv  avxov  xal  jtXavrjocoGi  xov 
Xaov  ixl  xm  xoiovxw  ipsvöei,  xeXevoov  xrjQEZG&ai  xov 
xdcpov  avxov.  6  üiXaxog  ovv  etil  xovxm  jiaosöcoxEV 
avxolq  öxoaximxag  jtevxaxooiovg,  oi  xal  hxd&iGav  xeqI 
xov  xdcpov,  mOxE  xtjqeIv  avxov,  d-Efisvoc  xal  Gtpoaylöag 
etu  xov  Xi&ov  xov  fiVTjfiaxog. 

c.  Mt.  27,  62—66. 

xfi  ös  EjcavQiov,  Tjxig  koxlv  ytExd  xrjv  xaoa6XEvr)v,  ovv- 
r\x&r\<iav  ol  aQxisQEtg  xal  ol  cpaQiGalot  ütQog  ÜEiXäxov 
XiyovxEg'  xvqie,  ifivrjo&rjfiEV  oxi  sxstvog  6  xXdvog 
eIxev  Ixt  £c5v  fiExd  xQElg  r)ne,Qag  kyEiQOfiai.  xeXevoov 
ovv  aGfpaXiöfrijvai  xov  xdcpov  seng  xrjg  XQixrjg  rjfisQag, 
(ir)jtoxE  kXfrovxEg  ol  fiad-r/xal  xXirpmGiv  avxov  xal 
EiJtoyöcv  xqj  Xacö'  *}y£Q&r]  dno  xcöv  vexqo5v,  xal  loxai  r) 
koyäxr)  jiXdvrj  x^QMV  xT]g  jtQmxrjg.  Ecpr]  avxotg  6  IIei- 
Xaxog'  Eytxe  xovoxcoöiav  vjtdyexs,  aG<paXioao&E  a>g  otöaxe. 
oi  ös  xoQEv&tvxEc  rjötpaXioavxo  xov  xdcpov,  GcpQay'iGavxsg 
xov  Xi&ov  fiExd  xrjg  xovoxmöiag. 

d.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  108.  p.  335  C. 

xrjQVGOovxag  (sc.  xovg  'iovöaiovg)  oxi  aiQEOig  xig  d&sog  xal 
avo/iog  syryyEQxai  djto  'Jrjoov  xivog  raXiXaiov  jtXdvov. 

e.  Test.  XII  patr.  Levi  c.  16. 

xal  avÖQa  avaxaivonoiovvxa  xov  vofiov  ev  övvdfjEt  vtpioxov 

JtXaVOV    JtQOöayOQEVOEXE. 

f.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  69.  p.  296  A. 

xal  yaQ  fidyov  slvtxi  avxov  IxoXfjarv  Xsyscv  xal  XaojiXdvov. 


368  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Die  Perikope  Mt.  27,  62 — 66  gehört  ebenfalls  zu  den  sekun- 
dären Stoffen  jerusalemischer  Tradition,  welche  der  erste  Evan- 
gelist weder  aus  dem  Marcusevangelium  noch  aus  dem  Urevan- 
gelium  geschöpft  hat,  wie  solches  schon  aus  dem  Sprachcharakter 
dieses  Abschnittes  hervorgeht.  Dass  im  Petrus  fr  agmente 
„dieselbe  Geschichte  nicht  nur  im  Umriss,  sondern  auch  in  allen 
einzelnen  Th eilen  bis  auf  Satz  und  Wort,  nur  hie  und  da  er- 
weitert und  umgestaltet,  vor  uns  liegt,  ergiebt  sich  auf  den  ersten 
Blick".  In  diesem  Urtheil  stimme  ich  mit  v.  Schubert  (S.  83) 
vollständig  überein,  sodass  ich  mich  auf  dessen  nähere  Aus- 
führung dieses  Urtheils  (S.  83  ff.)  beziehen  kann. 

Die  Erwähnung  des  nlavoq,  dieses  nur  dem  ersten  Evan- 
gelium in  seinen  secundären  Partien  eigenthümlichen  Ausdrucks, 
bei  Justin  und  in  den  Testamentis  XII  patr.  ist  ein  sicheres 
Kennzeichen  der  Bekanntschaft  mit  dem  evayyiXiov  xatd  Max- 
&alov.  Ebendaher  stammt  derselbe  Ausdruck  jtXdvoq  in  der 
Pilatus-Literatur.  Dagegen  die  in  dieser  Literatur  noch  häufigere 
Bezeichnung  Jesu  als  [tdyoq  (vgl.  Gesta  Pil.  11,  1.  p.  344:  Num- 
quid  non  diximus  tibi  quia  magus  est?  —  Act.  Pil.  B.  II,  3. 
p.  292:  6  Xaoq  oXoq  fiagrvgel  on  (layoq  kcxlv  —  Ibid.  III,  1. 
p.  293:  d  ovx  ijv  ovroq  yorjq  xal  fidyoq  xal  ßXaö<pr]tuoq  xxX. 
Ibid.  I,  1.  p.  288:  fiaysiaig  6h  xQm(isvoq  xoiel  xavxaq  sc.  laxQslaq), 
worin  Justin  mit  der  Pilatus -Literatur  zusammentrifft,  findet 
sich  im  ganzen  N.  T.  nicht.  Folglich  wird  das  fiayoq  bei  Justin 
(Dial.  c.  69)  aus  den  von  ihm  benützten  Pilatus-Akten  stammen, 
während  ebenda  XaojtXavoq  eine  johanneische  Reminiscenz  ist 
Vgl.  Joh.  7,  12:  jcXava  top  oxXov.  —  Die  von  der  Tradition  der 
Pilatusakten,  welche  (vgl.  Act.  Pil.  B.  XI,  1.  p.  309)  den  Namen 
Aoyylvoq  bieten,  in  dem  Petrusfragmente  abweichende  Benennung 
des  Centurio  „Petronius"  ist,  wie  der  apokryphe  Name  der  „Pe- 
tronella",  einer  angeblichen  Tochter  des  „Petrus",  dem  Namen 
des  Apostels  nachgebildet.  Vgl.  Swete,  The  Akhmim  Fragment 
p.  15  und  den  daselbst  gegebenen  Hinweis  auf  Lightfoot;  Cle- 
ment I,  37  bezüglich  der  Petronella.  Auch  die  Notiz  aus  den 
Actis  Sanctorum  (Hermione,  4.  Sept.),  welche  Robinson  p. 24 
citiert,  wonach  es  einen  Petrusschüler  Namens  „Petronius"  gab, 
gehört  hierher.  Bezüglich  der  tJträ  otpQayldsq  denkt  man  an 
Apoc.  5,  1  ff.  und  an  den  Xi&oq  mit  den  Inxa  6g>&aX[ioi  Sach.  3, 9. 
Wegen  der  Versiegelung  des  Steins  überhaupt  vergleicht  Nestle 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  28,  2—4.  369 

(Ev.  K.-  u.  Schulblatt  für  Württemberg  1892  No.  32)  Dan.  6, 17 
LXX:  xal  fjvtyxav  XLfrov,  xal  ext&rpcav  tJtl  xo  Gx6tua  xov 
Xdxxov,  xal  eG<pQayiGaxo  o  ßaGiXevg  iv  xcö  ÖaxxvXico  avxov 
xxX.  Nestle  glaubt,  dass  diese  alttestaraentliche  Stelle  für  Mt. 
27,  66  in  ähnlicher  Weise  wie  Dan.  12,  2  für  Mt.  27,  53  mass- 
gebend geworden  sei. 

Mt  28,  2-4. 

a.  Mt.  28,  2—4. 

xal  löov  oeiG/iog  eyevexo  fteyag'  ayyeXog  yan  xvqIov 
xaxaßdg  e§  ovoavov  xal  jioooeXfrcov  dxsxvXiGev  xov 
Xi&op  xal  ixad-ijxo  Inavco  avxov.  ijv  de  ?/  tlöea  av- 
xov coq  aGxQajcij,  xal  xo  evövpa  avxov  Xevxbv  mg  ^wv. 
äjto  de  xov  g>6ßov  avxov  eoeio&?]Gav  ol  xrjQovvxeg  xal 
kysvrj&rjGav  mg  vexQoi. 

b.  Acta  Pil.  A.  XIII,  1.  p.  254  sq. 

xal  djt/jyyeiXav  Xiyovxeg  xolg  doxiGvraycayoig  xal  xolg 
leoevGt  xal  xolg  Xevixaig  xd  yeyovoxa'  xo  ncog  eyevexo 
GstGfiog  (iiyag,  xal  eiöo^ev  dyyeXov  xaxaßävxa  e§. 
ovoavov,  xal  dxexvXiGev  cor  Xi&ov  dito  xov  Gxofiaxog 
xov  GJi7]Xaiov  xal  ixdfriGev  hnavm  avxov'  xaleXatutyev 
coGel  zta\v  xal  mg  aGxoajttj.  xal  tjiueig  jioXXä  cpoßtj- 
&tvxeg  exeifiefra  cooel  vsxqoL 

c.  Acta  Pil.  B.  XIII,  1.  p.  316. 

GsiGfiog  kyevexo  nomxov'  eha  ayyeXog  xvgiov  aGxga- 
jirjcpöoog  eX&a\v  e§  ovgavov  kxvXtGe  xov  Xid-ov  Ix 
xov  {tvtjfieiov  xal  ixdfriGev  endvco  avxov'  xal  djcb  xov 
(foßov  avxov  sytvöfis9-a  jidvxeg  ol  Gxgaxicoxai  atg  ve- 
xQoi,  xal  ovxe  cpvyelv  löwd^ieda  ovxe  XaXijoai. 

d.  Cod.  Bobbiensis  ad  Mc.  16,  4. 

subito  autem  ad  horam  tertiam  tenebrae  diei  factae  sunt  per 
totum  orbem  terrae,  et  descenderunt  de  caelis  angeli, 
et  surgent  in  claritate  vivi  dei  simul  ascenderunt  cum  eo, 
et  continuo  lux  facta  est. 

e.  Ev.  Pseudo-Petri  v.  35—44. 

v.  35.  r#  öe  vvxxi,  ?/  ejte'ipcoGxev  rj  xvoiaxr) ,  cpvXaGGov- 
xcov  xo3v  Gxoaxtojxojv  dvä  ovo  ovo  xaxä  cpnovoav  tue- 
ydXr/  cpcovt)  iytvtxo  ev  xcö  ovnavcö,  v.  36.  xal  elöov  avoi- 
X&evxag  xovg   ovoavovg  xal  ovo  dvögag   xaxeX&ovzag 

Texte  u.  Untersuchungen  X,  2.  24 


370  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

ixslfrev  stoXv  <ptyyoq  exovxaq  xal  iyyloavxaq  xcö  xdgxp. 
v.  37.  6  de  Xi&oq  ixelvoq  o  ßeßXfjfitvoq  im  xfj  &voa  d<p 
havxov  xvXio&elq  djt£XG>Qr)öe  naod  (tt'ooq,  xal  6  xdq)oq 
rjvoiyr/,  xal  dfnpoxeQot  ol  veaviaxoi  döijX&ov.  v.  38. 
löovxsq  ovv  ol  oxQaxiwzai  kxelvoi  igvxiuoav  xov  xsv- 
xuqlcovo  xal  xovq  jtgeößvxsQOvg'  jtaorjoav  ydo  xal  avxol 
<pvXdöoovxeq'  v.  30.  xal  i£?]yoi\utva)v  avxaiv  a  siöov  Jta- 
Xiv  ooäioiv  igsXfrovzaq  djro  xov  xcapov  cnelq  avögaq,  xal 
xovq  ovo  xov  tva  vjtogdovvxaq  xal  oxavQov  axoXovftovvza 
avxolq,  v.  40.  xal  zcov  (tkv  ovo  xijv  xtrpaXijv  x°>Q0V6av 
ftiXQi  xov  ovoavov,  xov  öh  yuoayoiyovfttvov  vx  avxaiv 
vjregßaivovoav  xovq  ovoayovq,  v.  41.  xal  (pcoyt/q  tjxovov 
ix  xdJv  ovQav(ov  Xeyovörjq'  ixi'jQvgaq  xolq  xoi{ta>fit'voiq; 
v.  42.  xal  vjiaxof}  /jxovexo  djto  xov  oxavpov.  öxi  vai.  v.  43. 
ovvtGxtxxovxo  ovv  aXXrfioiq  ixelvoi  djceXOslv  xal  ifi<pa- 
vlöai  xavxa  xcö  IluXdxm.  v.  44.  xal  ext  öiavoov/JbvoDV 
avxäv  fpaivovxai  jtaXiv  dvocjfeevxeq  ol  ovoavol  xal  dv- 
frgcojioc  xiq  xaxeX&wv  xal  eloeX&oiv  slq  xo  iivtjfia. 

f.  Ephraetui  Syr.  Serra.  VI  in  hebd.  sanct.  c.  21.  ed.  Lamy  1,514. 

Jesus  ipse  solus  portans  signum  crucis,  baculuni  quo  crea- 
turas  regitr  in  inferos  .  .  .  perrexit.  Qu  um  autern  resurrec- 
tione  exivit,  mortui  cum  eo  e  pulvere  surrexerunt,  et  qui 
in  sepulcro  inde  ab  antiquo  obdormierant,  a  somno  ex- 
citati  sunt. 

g.  Dict.  Christ.  Antiqu.    Vol.  I.  p.  497.    (Robinson    and   James, 

The  Gospel  according  to  Peter  p.  27.) 
our  Lord  in  glory  Stands  by  et  Supports  a  large  cross,  hav- 
ing  the  angels  Michael  and  Gabriel  on  either  hand. 
h.  Anaphora  Pil.  A.  c.  9.  p.  440  sq. 

xal  (oGiiEQ  ös  doxgajtal  a<pva>  %ti{id5voq  ijrtQyovxai, 
ovxojq  dvögeq  itpaivovxo  vtprjXol  Iv  öxoXy  xal  ö6§y 
vJtdgyovxsq,  jtXrj&oq  dvaglfrfi7]xov*  xgd^ovxtq,  a)v  ij  <pa>vr) 
rfxovi.ro  mojctg  ßgovxtjq  xafifieyt&ovq'  o  Oxavgat&eig  dv- 
eöxt]  I))öovq'  aveX&axE  it-  äöov  ol  öeöovXay/ievot  iv  xolq 
xaxax&ovloiq  xov  aöov.  xal  rjv  xo  #a<74tfa  xTjq  yrjq  toq  fit/  ov- 
xcav  ldgaöfidza>v  aXX  ovxoq  rjv  coq  avxd  xd  ftsfieXia  xfjq 
yrjq    fpavfjvai   (iexo.   xcöv  ßomvxcov   iv   xolq   ovgavolq  xal 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mi  28,  2—4.  371 

jcegixaxovvxwv  ev  öcofiaxt  ev  fteO(ptxo)v  dvaöxdvxmv 
vsxqcov.  6  de  dvaoxrjöag  jcdvxag  xovg  vexgovg  xal  ovv- 
örjöag  xbv  dörjv  eXeyev  xxX. 

i.   Anaphora  Pil.  B.  c.  8.  p.  447  sq. 

xal  mg  doxgajtal  yu^imvog  ejtegxovxai,  ovxcog  dvögtg 
vtyqXoi  xiveg  xoOfit'jOecog  öxoXJjg  xal  öö^Tjg  dvexöiyyrjxov 
vjuxQXorxsg  eqpaivovxo  ev  xm  aegi,  xal  JtXrjfrog  dvagl&fiT}- 
xov  dyyeX.cov  xga^ovxov  xal  Xeyovxmv  66§a  ev  vtpioxotg 
&e(»  xal  €Jtl  yijg  elgtjvi],  ev  avfrgmjcoig  evöoxia'  dveX&axe 
Ig  aöov,  ol  öeöovXcofte'voi  ev  xolg  xaxay&ovioig  xov  aöov. 
ex  de  xijg  cpmvrjg  avxojv  jtdvxa  xa  ogrj  xal  oi  ßovvol 
eöaXevovxo  xal  jiexgai  öieggrjywvxo ,  xal  yäofiaxa  eyi- 
vovxo  fieydXa  ev  xij  yij ,  ojöxe  xal  xa  x?]g  dßvooov  <pa- 
vfjvai. 

k.  Ibid.  c.  9.  p.  448. 

xal  Tceotenaxei  Jtäv  xXijfrog  xal  dvvfivsi  xbv  &eov  fiexä 
<fjCov7}g  [ieyäXrjg  Xiycov  o  cvaöxdg  ex  xoZv  vexgcöv  xvgiog 

o  &eog  q(io5v  jcdvxag  xovg  vexgovg  e£a>ojtoif)Oev ,  xal  xov 
aörjv  övX/jöag  ivexgmoe. 

1.   Narratio  Josephi  IV,  3.  p.  468.  ed.  Tischendorf. 

tfxovöafiev  yag  xov  jioirjxr/v  ovgavov  xal  yijg  xal  xaorjg 
xxiöea>g  djcb  vipovg  evÖTjftijOavxa  eig  xa  xaxatxega  ntgr) 
xrjg  yrjg  ötd  xov  xgwxojiXaöxov  'Aödfi.  xov  oxavgov  yag 
&eaod[ievot  xbv  dxgavxov  öid  xov  Xrjöxov  doxgdxxovxa, 
ejixaxXdoiov  xb  <peyyog  xov  i]Xiov  djtoöxiXßovxog,  xgöfiog 
eyivexo  £<py  i)[iäg,  xaxax&ovia>v  ßgaapcv  eöxqxöxag,  xal 
<pa)viij  fieydX?]  ol  Xeixovgyol  xov  aöov  dpa  ijftlv  Xeyovxeg' 
dyiog,  dytog  xxX. 

Der  Abschnitt  Mt.  28,  2—4  gehört  in  Verbindung  mit  Mi  27, 
52.  53  zu  denjenigen  secundären  Partien  des  ersten  Evangeliums, 
an  welche  eine  besonders  reiche  apokryphe  Legendenbildung  sich 
angesetzt  hat.  Der  enge  Zusammenhang  zwischen  Mt.  28,  2 — 4 
und  Mt.  27,  52.  53  wird  nicht  blos  durch  den  apokryphen  Zusatz 
des  Cod.  Bobbiensis  zu  Mc.  16,  4  (vgl.  Agrapha  S.  454)  und  durch 
die  oben  zu  Mt.  27,  52.  53  gegebenen  Erläuterungen,  sondern 
weiterhin    durch    die   vorstehend  zu  Mt.  28,  2 — 4    abgedruckten 

24* 


372  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

aussercanouischen  Texte  offenbar,  in  welchen  der  Descensus  Christi 
ad  inferos,  die  Hadespredigt  und  die  mit  Christi  Auferstehung  ver- 
bundene Auferweckung  der  x€xotftt]tuivoi,  die  Hauptrolle  spielt. 
Man  vgl. 

Mt.  27,  52:  jioXXa  o<6(iaxa  xatv    xexoifirjiievcov 

aylcov  i]ytQ&9}Gav. 

Ev.  Ps.-Petr.  v.  41:  tycovfjc   ?jxovov   ix   xcov   ovQavmv   Xs- 

yovöijg'    exrjQv^aq    xotg    xoificu- 
fitvoiq; 
Anaph.  Pil.:  //   qxovrj  ?)xovexo'   avtX&axe  &j  äöov. 

Cod.  Bobb.:  surgentes  in  claritate  vivi  dei  simul 

ascenderunt  cum  eo. 
Ephraem:  mortui  cum  eo  e  pulvere  surrexerunt 

et  qui  in  sepulcro  .  . .  obdormie- 
rant. 
AphraatesS. 351  ed. Bert:  einige    schlafende    Gerechte   erheben 

sich,  um  mit  ihm  aufzufahren. 
Diese  Vorstellung  von  der  Hadespredigt  scheint  ihre  älteste 
Stütze  gehabt  zu  haben  in  dem  bereits  zu  Mt.  27,  9.  10  bespro- 
chenen apokryphen  Jeremiabuche,  aus  welchem  wir  das 
hierauf  bezügliche  Citat  bei  Justin  einmal  im  —  etwas  ver- 
derbten —  griechischen  Texte,  bei  Irenaeus  fünfmal  in  vari- 
ierender lateinischer  Übersetzung  besitzen.  Die  bei  Irenaeus 
hierfür  in  Betracht  kommenden  Citationsformeln  sind  folgende: 
Iren.  IV,  22,    1:  Sicut  Hieremias  ait  — 

V,  31,    1:  Quemadmodum  propheta  ait  de  eo  — 
IV,  33,  12:  Alii  autem  dicentes  — 
IV,  33,    1:  fehlt  die  Citationsformel  — 
III,  20,    4:  Esaias  ait  — 
Dass   in   der   zuletzt  erwähnten  Citation   ein   Irrthum   des 
Irenaeus  vorliegt,  kann  aus  Justin  mit  Bestimmtheit  constatiert 
werden.     Denn   dieser   leitet   den    griechischen  Text   des  Citats 
(Dial.  c.  72.  p.  298 B)  mit  den  Worten  ein:  xal  ajtb  xmv  Xoyotv 
xov  avxov  (IeQ£filov  ofiolmz  xavxct  necHtxoipav  sc.  ol  Iov- 
öaloi,  indem  er  also  damit  feststellt,  dass  in  dem  bei  den  Juden 
gebräuchlichen  canonischen  Jeremiabuche  das  bezügliche  Citat 
nicht  nachzuweisen  sei.     Der  Wortlaut  dieses  die  Hadespredigt 
betreffenden  Apokryphon  ist  aber  folgender: 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  28,  2 — L  373 

Just.  Dial.  c.  72.    kfivrjöd-i]   de   xvgiog   6   d-sog    cbiö    [1.   aytog] 
'löQarjZ   xcov  vsxqcöp   avxov,   xmv  x£xoi(/7][ieva>p   elg  yijv 
X<o(iaxoq,  xal  xaxt'ßf]  jcQog  avxovg  evayyeZioao&at  avxolg 
xo  GcoxfjQiov  avxov. 
Iren.  III,  20,  4.   et   commeraoratus   est  Dominus   sanctus  Israel 
mortuorum  suorum,   qui  dormierant  in  terra  sepultionis,  et 
descendit  ad  eos  evangelizare  salutem  quae  est  ab  eo,  ut 
salvaret  eos. 
Iren.  IV,  22,  1.  recommemoratus  est  Dominus  sanctus  Israel  mor- 
tuorum suorum,  qui  praedormierunt  in  terra  defossionis  [aL 
depositionis] ,  et  descendit  ad  eos,  uti  evangelizaret  eis  sa- 
lutare  suum,  ad  salvandum  eos. 
Iren.  IV,  33,  1.   et  recommemoratus  mortuorum  suorum,  qui  ante 
dormierant,  et  descendens  ad  eos,  uti  erueret  eos  et  salva- 
ret eos. 
Iren.  IV,  33,  12.   rememoratus  est  Dominus  sanctus  mortuorum 
suorum,  qui  praedormierunt  in  terra  limi,  et  descendit  ad 
eos,  uti  erigeret,  ad  salvandum  illos.* 
Iren.  V,  31,  1.   commemoratus  est  Dominus  sanctorum  mortuorum 
suorum,  eorum  qui  ante  dormierunt  in  terra  sepelitionis,  et 
descendit  ad  eos,  extrahere  eos  et  salvare  eos. 
Abgesehen  von  der  Verschiedenheit  der  Übersetzungsvarian- 
ten  und  der  mehrfachen  Textkürzungen  in  den  lateinischen  Ci- 
taten,   scheinen  doch  auch  im  griechischen  Texte  verschiedene 
Lesarten   vorgelegen   zu   haben.     So  fehlt   in  den   drei   letzten 
Irenaeus-Citaten  das  in  den  ersten  Citaten  zu  lesende  evangelizare, 
welches  dem  svayyeZiöaö&ai  Justins  entspricht.    Ferner  scheint 
Irenaeus  anstatt  des  xexotft7jfiiva)v  Justins  jtQoxexoitu!j(ieva>v 
gelesen  zu   haben,   wie   auch   Hermas,   welcher   allerdings  die 
Hadespredigt  und  sogar  eine  Taufe  im  Hades  durch  die  Apostel 
geschehen  lässt.  Vgl.  Herrn.  Sim.  IX,  16,  5  p.  232:  ovxoi  01  aoiö- 
0x0X01   xal  01  öiödöxaZoi  ol  xrjQv^avxeg  xo  ovofia  xov  viov 
xov  &eov,  xoiurjfrtvxeg  hv  6vvaf/si  xal  jtioxst  xov  viov  xov 
&eov,   txi'iQv£,av   xal    xolg    JiQoxexoifirjfAivoic,    xal    avxol 
söooxav  avxolg  x/]v  öcpoaylda  xov  x/jovy^axog.    Die  Lesart,  äno 
ist,  wie  die  lateinische  Version  sanctus  zeigt,  aus  aytog  (AFIO  — 
AHO)  verderbt.    Sehr  merkwürdig  ist  dagegegen  bei  Irenaeus 
(V  31,  1)  die  Variante  sanctorum  mortuorum  suorum,  nicht  blos 


374 


Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 


weil  sie  von  sämintlichen  übrigen  Citaten  abweicht,  an  dieser 
Stelle  aber  von  allen  Codices  vertreten  wird,  sondern  namentlich 
auch  deshalb,  weil  diese  Textgestalt  völlig  mit  den  xexoi/Jtjjjevov 
dyloov  in  Mt.  27,  52  zusammentrifft,  also  den  Einfluss  des  Jere- 
miasbuches  auf  den  ersten  Evangelisten,  wie  solcher  schon 
Mt.  27,  9  zu  constatieren  war,  auch  an  dieser  Stelle  noch  stärker 
hervortreten  lässt.  War  dieses  aussercanonische  Jeremiabuch 
älter  als  das  erste  canonische  Evangelium,  so  wird  seine  Ein- 
wirkung wohl  auch  1.  Petr.  4,  6  in  den  Worten:  xal  vexgoic 
evrjyyeXlöB-rj  (vgl.  xäv  vexgwv  —  evayyeXloao&at  im  obigen  Ci- 
tate)  und  1.  Petr.  3,  19  (vgl.  oben  xaxtßq  jigog  avxovg)  zu  er- 
kennen sein. 

"Wenn  die  Existenz  dieser  Schrift  bis  ins  erste  Jahrhundert 
zurückverfolgt  werden  kann,  so  zeigen  sich  Spuren  der  Bekannt- 
schaft mit  diesem  Buche  auch  noch  am  Ende  des  vierten  und 
am  Anfang  des  fünften  Jahrhunderts.  Nicht  nur  dass,  wie  wir 
zu  Mt.  27,  9  sahen,  Hieron  vmus  davon  Kunde  besass  und 
Epiphanius  es  als  jtgotprjxtjq  citierte,  auch  Gregorius  von 
Nyssa  ist  es,  der  es  kennt  und  gebraucht.  In  seiner  Schrift 
Testim.  adv.  Jud.  p.  309  ed.  Zacagni  citiert  er  unter  dem  Namen 
'lege  ft  lag  folgendes  Apocryphon:  xal  jtdXtv  xal  xoxe  xavxa 
ovvxeXeo&rjöexat ,  Xtyei  xvgioq,  oxav  £vXov  gvXcov  (1.  £vXa>) 
xXi&ij  xal  dvaoxfj,  [xal]  oxav  ex  gvXov  aif/a  oxä&i — ,  eine 
Stelle,  welche  für  das  gegenwärtige  Untersuchungsobjekt,  na- 
mentlich im  Hinblick  auf  den  oxavgov  dxoXov&ovvxa  im  Petrus- 
evangelium, von  Wichtigkeit  ist,  eine  Stelle,  deren  Benutzung 
aber  auch  bereits  durch  Barnabas  (96— 125)  und  den  Redaktor 
der  Esra-Apokalypse  (95)  constatirt  werden  kann.  Wir  lesen 
bei  Barn.  XII,  1.  p.  52:  o/ioicoq  xctXtv  Jtegl  xov  oxavgov  ogi^ei 
kv  aXXq>  xQorprjxy  Xtyovxf  xal  nöxt  xavxa  ovvxeXeo&ijöexai  ; 
Xeyei  xvgwg'  oxav  t-vXov  xXi&ij  xal  avaöxi],  xal  oxav 
ex  £vXov  a'ifia  oxäget,  und  4.  Esr.  5,  5:  et  de  ligno  san- 
guis  stillabit  =  xal  ex  gvXov  alfia  Gxaget.  Wir  können 
demnach  den  Gebrauch  des  aussercanonischen  Jeremia  in  fol- 
gender Weise  constatieren :  Mt.  24,  9.  52  (vielleicht  auch  2,  23); 
1.  Petr.  4,  8;  4.  Esr.  5,  5;  Barn.  XII,  1;  Herrn.  Sim.  IX,  16,  5,  Just. 
Dial.  c.  72;  Iren.  HL  20,  4;  IV,  22,  1;  IV,  33,  1.  12.  V,  31,  1;  Ev. 
Ps.-Petr.  v.  39—42;  Gregor.  Nyss.  Test.  adv.  Jud.  p.  309.  313.  314; 
Epiph.  Haer.  XXXVIII,  7;  Hieron.  ad  Mt.  27,  9;  Anaph.  Pil.  c.8.9 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  28,  2—4  375 

(wahrscheinlich    auch   Didasc.  VI,  14    vgl.    nachstehende   Fuss- 
note). 

Diese  aas  der  Urzeit  der  Kirche  herüberragende  Schrift  be- 
sass,  obwohl  in  das  Gewand  alttestamentlicher  Prophetie  einge- 
kleidet, bereits  einen  entschieden  christlichen  Charakter  und 
ist  eine  thatsächliche  Widerlegung  der  Ansicht,  welche  sich  die 
ältesten  Christen  ausschliesslich  als  „illiterati"  denkt  und  des- 
halb die  vorpaulinische  Existenz  des  Urevangeliums  für  eine 
Unmöglichkeit  erklärt.  Denn  wenn  man  bereits  vor  dem  Jahre 
70  im  Stande  gewesen  war,  christliche  Gedanken  im  Gewände 
alttestamentlicher  Prophetie  auftreten  zu  lassen,  so  muss  man 
schliessen,  dass  noch  viel  früher  diese  neuen  Gedanken  in 
historischer  Darstellung  fixiert  gewesen  sein  müssen.  Durch- 
aus christlich-paulinisch ,  obwohl  schon  im  Deuteronomium  an- 
klingend, ist  folgendes  Fragment  aus  dem  Jeremiabuche, 
welches  uns  ebenfalls  Gregor  von  Nyssa  mittheilt  (p.  313  ed. 
Zacagni):  xal  näliv  n£(.nx£[iv£ö&£  xrjv  xagdiav  Vficöv  xal 
fit}  xi)v  Gagxa  xrjq  dxgoßvoxiaq  vftwv  —  und  bald  darnach 
(p.  314):  leQe/iiag'  xal  jc£qlx£(iveö&£  xcö  d-tcö  xi)v  axoo- 
ßvoxlav  xrjq  xaQÖiaq  vficov1)  —  wozu  man  vgl.  Col.  2,  13: 
dxooßvaxla  xrjq  oaoxoq  und  Rom.  2,  29:  jceqizo(it}  xap- 
öiaq  kv  jcv£v(iaxt.  Aber  namentlich  auch  das  von  Gregor 
und  vor  ihm  3chon  von  Barnabas  citierte  Fragment  redet  vom 
Kreuze,  jceqI  xov  oxavoov,  wie  Barnabas  sagt,  mit  einer  Be- 
stimmtheit, welche  in  vorchristlicher  Zeit  nicht  denkbar  gewesen 
wäre.  Nur  ist  bei  Barnabas  gerade  dasjenige  Wort,  welches 
das  Bild  des  Kreuzes  vervollständigt,  in  Wegfall  gekommen. 
Der  Ausdruck  oxav  gvlov  xlc&jj  ist  unverständilch,  ebenso  wie 
mehrere  Codices  bei  Gregor  Nyss.  lesen:  oxav  t-vZov  gvZ&v 

1)  Man  vgl.  dazu  Didasc.  VI,  14  p.  327:  neQtxfi^&tjrf  yäp,  <ptjoiv. 
xw  &£<p  vfitäv  xai'  ntQixifivtu&e  xt/p  äxQoßvaxiav  xTjq  xaQÖiaq  vfuöv. 
Das  erste  Citat  ist  wörtlich  aus  Jerem.  4,  4:  njmb  !&sn  =  LXX:  itiQafi^Q^jxe 
raJ  &£<p  vfjiäiv  entnommen.  Das  zweite  findet  sich  bei  dem  canonischen  Jere- 
mia  nicht.  De  Lagarde  vergleicht  dazu  Deut.  10, 16:  nsaal;  nV-?  r»  arV»*, 
wo  aber  die  LXX  übersetzen:  xal  nsgusfzeia&e  xr\v  axkrjQoxaQÖiav  vfxüiv. 
Der  Redaktor  der  Constitutionen  hat  (p.  175,  1)  beide  Citate  (jedoch 
fehlt  das  <pr]oiv  in  verschiedenen  Handschriften)  herübergenommen  und 
das  erste  Citat  so  gestaltet:  nsQiXfAi'j^rjxe  yaQ  rr)v  xagöiav  v/uaiv  xü>  9eä>. 
Wahrscheinlich  hat  der  Verfasser  der  Didascalia  das  zweite  Citat  aus 
dem  griechischen  apokryphen  Jeremiabuche. 


376  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

xXi&tj.  Erst  durch  den  Cod.  C  in  der  Bibl.  Anibros.  wird  der 
richtige  Text  gewonnen:  orai>  §vXov  §vlco  xfafry  =  «wenn  ein 
(Kreuzes-) Holz  in  das  andre  sich  fügt",  so  stellen  beide  Hölzer, 
in  einander  geneigt,  das  Kreuz  in  seiner  Vollständigkeit  dar,  und 
wenn  von  diesem  Kreuze  das  Blut  tropft  (oxav  ex  §vXov  aifta 
Gxdt-ei),  so  ist  die  Vollendung  {xavxa  GvvxeXeG&t} Gerat)  vor- 
handen. Aber  mit  diesem  Kreuze  wird  in  dem  Jeremiabuche 
—  und  das  ist  für  unser  Untersuchungsobjekt  an  dieser  Stelle 
von  grösster  Wichtigkeit  —  nicht  blos  das  Leiden  (alfiä)  Jesu, 
sondern  auch  die  Aufersteh ung  verknüpft:  xal  ävaGxrj.  Das  ist 
ja  auch  im  Evangelium  Pseudo-Petri  der  Fall.  Die  Zeugen 
schauen  dort,  wie  dem  ans  dem  Hades  Auferstehenden  das  Kreuz 
nachfolgt  (oqcögiv  gxovqov  äxoÄovfrovvxa) ,  wie  das  Kreuz 
also  selbst  mit  aus  dem  Hades  aufersteht.  Denn  dass 
das  Kreuz  mit  Jesu  im  Hades  gewesen  sei,  wird  von  Pseudo- 
Petrus  deutlich  vorausgesetzt,  da  auf  die  Frage:  txrjQv^aq  xolq 
xoificofjevoig:  von  dem  lebendig  gewordenen  Kreuze  die  be- 
jahende Antwort  Cöxi  vai)  ausgeht.1)  Sowie  der  Schacher,  der 
begnadigte,  mit  dem  Kreuze  im  Hades  erscheint  (Acta  Pil.  Pars  IL 
c.  10:  ßaoxäC.cov  ejtl  xwv  a>[icov  Gxavnov),  ja  in  das  Kreuz  ge- 
kleidet ist  (Narr.  Josephi  c.  3.  p.  470:  xov  öxavQov  i}fi<pieö[ievo<;\ 
so  pflanzt  Jesus  das  Kreuz,  welches  er  bei  seiner  Hadesfahrt 
trägt  (Ephraem:  portans  signum  crucis),  in  der  Mitte  des  Hades 
auf  (Descensus  Christi  ad  inf.  c.  10  p.  430:  posuit  crucem  suam 
in  medio  inferni),  um  durch  das  Holz  des  Kreuzes  alle  Todten 
zu  erwecken  (Desc.  Christi  ad  inf.  c.  8.  p.  330:  öia  gvlov  xov 
oxavQov  Jtdvxac,  .  .  .  dviGxcöv).     Dem   entsprechend  hat,  als 


1)  Es  ist  zu  beachten,  dass  zu  dem  Texte  des  pseudopetrinischen 
Fragmentes  v.  42:  xal  vnaxoij  t]xovexo  and  xov  axavoov,  oxi  vai  —  und 
zu  der  Bedeutung  „Antwort"  =  vnaxor\  in  den  üsoiödoiq  xäv  ayitav  dno- 
oxo'kwv  (nach  Mansi  XIII,  1G9  =  Zahn,  Acta  Joannis  p.  220,  siehe  oben 
S.  41  ff'.)  sich  eine  Parallele  findet  in  dem  Gebrauch  des  vnaxoifiv  zur 
Bezeichnung  des  liturgischen  Antwortens.  Jesus  versammelt  dort  im  Kreise 
um  sich  seine  Jünger,  um  mit  ihnen  zu  beten.  Dabei  fordert  er  sie  auf, 
die  einzelnen  Gebetsworte  mit  ihrem  ufir,v  zu  „beantworten":  Zv  ftiooj  6h 
avxoq  ytvöfievoq  h'J.eye  xo  d/urjv  vTtaxoiexe  fioi.  i}ol;aro  ovv  v/xvelv 
xal  ?Jyeiv  öö£a  aot,  näxeo.  xal  tjfisig  xvxXivovxeq  vntjxovofiev  avxtö 
xo  afxriv.  Das  vai  des  Petrusevangeliums  in  der  vnaxotj  dnb  xov  axavoov 
ist  mit  diesem  dyii\v  in  den  vnaxovuv,  den  Antworten  der  Jünger,  sprach- 
lich identisch.    Vgl.  dazu  oben  S.  97. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  28,  2—4.  377 

die  Zeugen  der  Auferstehung  das  Kreuz  schauen  wie  es  Christo 
bei  seiner  Auffahrt  aus  dem  Hades  nachfolgt  {oqgkjiv  oxavgbv 
äxoXovfrovvxa),  sich  erfüllt,  was  das  aitchristliche  Jeremiabuch 
verkündet:  oxav  B,vXov  avaoxy. 

In  der  Anaphora  Pil.  wird  die  Hadesfahrt  vermittelt  ge- 
dacht durch  eine  ungeheure  Kluft  (ydöfia  vgl.  Lc.  16,  26),  welche 
in  der  Erde  sich  aufthut,  und  durch  welche  Christus  mit  den 
aus  dem  Hadesschlaf  Erweckten  auffährt,  —  eine  Kluft,  welche 
andrerseits  die  ungläubigen  Juden  in  derselben  Nacht  verschlingt. 
Vgl.  Anaph.  Pil.  A.  c.  10:  xcöv  de  'Iovöaicov  jtoXXol  sfravov 
sv  xcp  ydokuaxi  xfjg  yrjg  xaxajroß-svxsg  —  B.  c.  10:  xwv  6s 
'iovöaiwv  xoXXol  äjctfravov  xal  xax£Jcovxi6&?]6av  xccl  xaxs- 
xofrijoav  xolg  yäöfiaoiv  hv  xy  vvxxl  ixs'tvy.  Das  Petrus- 
evangelium hat  diesen  Vorgang  in  die  Nacht  des  Kreuzigungs- 
tages verlegt,  als  die  Sonne  nicht  schien  und  die  Juden,  in  der 
Meinung,  es  sei  Nacht,  mit  Fackeln  umhergingen.  Vgl.  v.  18: 
jcSQtygyovxo  ös  jcoXXol  (Jsrd  Xvyvcov  vofil^ovxsg  6x1  vvg 
söxiv  xal  loisoavxo.  Dass  dies  derselbe  Vorgang  ist  wie  der 
in  der  Anaphora  Pil.  geschilderte,  zeigt  sich  auch  darin,  dass 
dort  gleichfalls  die  Lampen  augezündet  werden  (Anaph.  Pil.  B. 
c.  7:  rjipav  Xvyv'ovg  an  6  txxyg  atoac  tcog  oiplag)  und  dass 
dort  der  Untergang  der  Juden  ausdrücklich  eine  Jtxcoöig  ge- 
nannt wird  (Anaph.  Pil.  A.  c.  7:  xy  xovxcov  jcxcqgei  —  c.  10: 
xy  jcxcoösi  txeivy  sc.  jtaoai  al  ovvayoyal  xwv  'fovöaimv  al 
ysvofisvat  xaxä  xov  'IrjOov  xaxsjtovxio&yoav  vgl.  B.  c.  10),  wo- 
durch das  tJtiöavxo  des  Petrusfragmentes  seine  Erklärung 
findet.  (Ahnliche  Umschaltungen  hat  ja  der  Redaktor  des  Petrus- 
evangeliums sogar  mit  canonischen  Stoffen  vorgenommen,  z.  B. 
Mt.  27,  24b  —  Ps.-Petr.  v.  46,  Mt.  27,  25  ==  Ps.-Petr.  v,  17,  Mt. 
27,  57.  58  =  Mc.  15,  43  =  Lc.  23,  50—52  =  Ps.-Petr.  v.  3—5» 
wie  viel  mehr  konnte  das  in  den  legendenhaft-apokryphen  Stoffen 
der  Fall  sein!) 

Legendenhaft  ist  auch  die  Gestalt  des  Auferstandenen  dar- 
gestellt: xyv  xscpaXyv  vjisoßaivovöav  xovq  ovgavovg  (vgl. 
vtyqXoi  — Anaph.  Pil.  c. 9  und  fityioxov  Soxs  xyv  xoQV<pr}v  fW 
oxs  fityQig  ovgavov  —  in  den  IJtQioöoi  xSv  äylmv  djtoöxoXmv 
vgl.  oben  S.  42),  man  möchte  sagen  apokalyptisch  (vgl.  Apoc. 
10,  5:  soxojxa  exl  xtjg  &aXdööyg  xal  im  xyg  yijg,  t)osv  xt)v 
X£?(>a   avxov   xyv    öegidv    slg    ovgavov   —    Herrn.    Sim.    IX, 


378  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

6.  1.  p.  206,  29:  xäl  dq  xo  fitoov  äv/jQ  xiq  vtpijXbg  xcö  ueye&ei. 
Sors  xov  Jtvgyov  vjtegtxnv  —  4.  Esr.  2,  43:  et  in  medio  eorura 
erat  juvenis  statura  celsus,  eminentior  omnibus  illis). 

Legendenhaft,  fantastisch,  schemenhaft  ist  dann  auch  das 
Auftreten  dieser  Riesengestalt.  Sie  kann  nicht  selbstständig 
gehen,  sie  wird  gestützt  und  au  der  Hand  geführt  von  zwei  an- 
deren Riesengestalten,  unter  welchen  nach  Citat  g  die  dgxcry- 
yeXoi  Michael  und  Gabriel  zu  verstehen  sind,  die  ihm  das  nach- 
folgende Kreuz  aus  dem  Hades  herauf  tragen  helfen  —  vielleicht 
eine  fantastische  Nachbildung  von  Mt.  27,  32  =  Mc.  15,  21  =  Lc. 
23,  26.  H.  v.  Schubert  erinnert  (S.  99)  hierbei  an  die  Dar- 
stellung des  Auferstandenen,  wie  sie  Ephraem  Syr.  gibt:  Do- 
minus noster  Jesus,  qunm  mansisset  tribus  diebus  in  sepulchro 
exinde  velut  e  summo  evigilavit  diluculo. .  .  Evigilavit Domi- 
nus velut  qui  dormit  et  velut  vir  a  vino  excussus.  Ephr.  Syr. 
Serm.  ad  noct.  dominicae  resurrectionis  c.  4.  p.  540  ed.  Lamy 
Tom.  I.  Oder  an  einen  Blinden  muss  man  denken,  wenn  der 
Auferstandene  als  ein  xtiQaycQ'/ovfievoq  geschildert  wird.  Vgl. 
den  aussercanonischen  Text,  zu  Lc.  6,  39  =  Mt.  15,  14:  xa&a 
(prjoiv  q  ygatprj'  xvrpXovq  siq  xä  ßagadga  xeigaycoycov  (ca- 
nonisch: oöqytlv  =  XEiQaymyEli>)  Clera.  AI.  Paed.  I,  3,  9.  p.  103. 
Dsgl.  Epiph.  Haer.  XLV1,  l.p.  39lB:  xv<pX.6q  xeigayoyyovfievoq 
vxo  xov  xilQa7C070^  — 

Man  sieht,  zu  welchen  Verirrungen  der  Fantasie  die  apo- 
kryphe Legendenbildung  fortgeschritten  ist  und  wie  dieselbe  im 
pseudopetrinischen  Evangelium,  der  Tendenz  des  Doketismus 
dienend,  das  historische  Faktum  der  avaoxaoiq  in  ein  ungeheuer- 
liches (pävxaofia  aufgelöst  hat. 

Bezüglich  der  Auferstehung  und  Himmelfahrt  des  personi- 
ficierten  Kreuzes  (j-vXov)  vgl.  man  noch: 

Orac.  Sibyll.  VI,  26—28. 

'Sl  %v)mv  cb  [iaxaoioxov,  kq>    co  Oeöq  ^sxatwO&r], 
Ox>x  Hm  oe  %#cöi>,  aXX*  ovgavov  olxov  kootpei, 
lHvixa  äoxQCxip)]  xo  viov  Oeov  B^tJivgov  bfifia. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  28,  11 — 15.  379 

Mt.  28,  11-15. 

a.  Mt.  28,  11  —  15. 

jioqevo^ievojv  6h  avxojv,  löov  xivhg  xijg  xovGxwöiag  IX&ov- 
rsg  Eig  xr\v  jcoXiv  dvrjyyEiXav  xolg  doxiEQEvGtv  dnavxa  xd 
ysvofiEva.  xal  Gvvax&£vx£g  ftexd  xcöv  jtQeoßvxsgov  ovtu- 
ßovXiov  xs  Xaßovxsg  dgyvQia  Ixavd  iöaxav  xolg  Gxoa- 
xiojxaig  Xtyovxsg'  eiüiüxe  oxi  ol  [ia&?]xal  avxov  vv- 
xxog  kX&bvxEg  ExXsipav  avxov  rjficöv  xoificofiEvojv.  xal 
hav  äxovG&f]  xovxo  ejcI  xov  r/ysfiövog,  ij,u£lg  xEiGOfisv  xal 
v/iäg  äfieolfivovg  JtouJGofisv.  ol  6h  XaßbvxEg  [xd]  doyvoia 
Inolrjoav  a>g  eöiödx&rjöav  xal  Etyijiüofrr)  o  Xbyog  ovxog 
jcaod  'lovöaioig  (i£XQl  x?jg  Gt'jfiEQov. 

b.  Ev.  Pseudo-Petri  v.  45—49. 

v.  .45.  xavxa  löovxsg  ol  jieqI  xov  xEvxvoimva  vvxxbg 
lojcevoav  jtgog  JJeiXclxov  d<p£vx£g  xov  xdtpov  ov  lyvXaGGov 
xal  £§i]yijoavxo  Jidvxa  djtEQ  slöov  dymvioyvxeg  (leydXwg 
xal  Xtyovxeg'  aXrjd-mg  vlog  fjv  &eov.  [v.  46.  djtoxQi&elg  o 
UeiXäxog  eg>rj'  tyco  xa&aQ£va>  xov  aifiaxog  xov  vlov  xov 
&eov,  vfilv  6h  xovxo  e6o%ev.]  v.  47.  eixa  jigoGeX&ovxEg 
jtdvxsg  idtovxo  avxov  xal  xaoExäXovv  xeXevoac  xcß  xev- 
xvqiojvi  xal  xolg  öxoaxtaixaig  /iijöev  eIjieIv  a  elöov 
v.  48.  Gvtu<ptQu  ydg,  (paolv.  i^lv  oq>Xt]Gai  (ieyiox?]v  d/jaQ- 
xiav  E(MiQoG&ev  xov  &eov  xal  fiij  I^jcegeIv  elg  xelgag  xov 
Xaov  xo3v  'lovöaiajv  xal  Xt&ao&ijvai.  v.  49.  exeXevgev  ovv 
o  UeiXäxog  xm  xevxvqlowi  xal  xolg  Gxnaxiayxaig  fitjöhp 
eIjieIv. 

c.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  17.  p.  234  E. 

ov  fiövOv  ov  (zex6vo?/Gaxe  Etp*  olg  £jtod<-ax£  xaxmg,  aXX 
avögag  IxXExxovg  djto  'lEQpvGaXftfi  ExXsgdfiEVoi  xoxe  e%e- 
Ji£(iipax£  Elg  näoav  xr\v  ytjv,  XEyovxsg  oiqegiv  a&sov  Xqi- 
Gxiavmv  x£<pr\v£vai. 

d.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  108.  p.  335  C. 

xal  ov  fiovov  ov  (lEXEvorjoaxs,  fia&ovxEg  avxov  dvaoxdvxa 
kx  vexqSv,  aXX\  a>g  jiqoeIjiov,  dvögag  xEiooxovyGavxEg 
ExXExxovg  EJg  jtaGav  xr\v  olxov}iEvrjv  Ijit'fiipaxt,  xtjgvGGov- 
xag  öxi  aiQEolg  xig  d&Eog  xal  dvoftog  iyijyEQxai  djio  Jrjoov 
xivog  raXiXaiov  nXdvov,  ov  oxavomGdvxcw  i\[iä>v  ol  ,««- 


3g0  Aussercanonische  Parallel  texte  zu  Mt.  und  Mc. 

d-t/TCcl  avzov  xXs\pavxsg  avrov  ttjtb  rov  /jr^uarog 
vvxrog,  oxod-tv  xarsTi&r)  d<pT]Xcods\g  djco  rov  aravQov, 
jtXav&Gi  rovg  dvfrQconovg. 

Der  Abschnitt  Mt.  28,  11 — 15  hebt  sich  durch  sein  Colorit 
und  durch  seine  Verwandtschaft  mit  Mt,  27,  3—10;  62—66  in 
deutlich  erkennbarer  Weise  von  dem  übrigen  Contexte  des  ersten 
Evangeliums  ab  und  stammt  aus  einer  secundären  Quelle  jeru- 
salemischer Tradition.  Wie  man  zu  Mt.  27,  3  ff.  eine  dreifache 
Relation  über  das  Ende  des  Verräthers  unterscheiden  kann:  die 
Matthäus-Relation,  die  Lucas-Relation  (Act.  1,  19)  und  die  Papias- 
Relation  (s.  Agrapha  S.  436  f.),  so  tritt  hier  ein  dreifach  variieren- 
der Bericht  bei  Mt.,  Justin  und  Pseudo-Petrus  uns  entgegen, 
ein  deutliches  Anzeichen  der  flüssigen  Tradition  im  Unterschied 
von  den  festen  Bestandteilen  der  evangelischen  Überlieferung, 
die  aus  den  schriftlichen  Hauptquellen  —  dem  Marcusevangelium 
und  dem  Urevangelium  —  stammen.  Beachtenswerth  ist  es,  dass 
Justin  hierbei  einen  Text  vertritt,  der  zwar  mit  Mt.  28,  Uff. 
verwandt,  aber  doch  von  dieser  canonischen  Stelle  unabhängig 
ist.  Im  pseudopetrinischen  Evangelienfragment  ist  die  umge- 
staltende und  umschaltende  (vgl.  v.  46  =  Mt.  27,  24*>)  Hand  des 
Redaktors  deutlich  zu  erkennen.  Zu  v.  45:  k^yrioavxo  vgl.  Act. 
Pil.  B.  XI,  2:  öir/ytjoazo,  zu:  dbj&cog  vi  dg  r\v  &sov  ebenda  vgL 
Ephraem  Syr.  p.  410  ed.  Mösinger:  Vae  ftrit,  vae  fuit  nobis, 
filius  dei  erat  hie  — ,  zu  v.  48:  (ir)  e/uisoslv  etg  xe*QaS  T0^ 
Xaov  rcöv  'Iovöalcov  xal  Xi&ao&r/vai  vgl.  Act.  5,  26:  e<po- 
ßovvro  yaQ  rov  Xaov,  'Iva  fir]  Xifraöfriöoiv  —  Lc.  20,  6:  nag 
6  Xabg  xaraXid-doei  t]ficcg. 

3Ie.  IG,  9. 

a.  Cels.  ap.  Orig.  c.  Cels.  II,  70. 

°rs  6s  jtiotLV  av  Io)(_vq6.v  jiaQsVftv  tx  vsxqgjv  dvaördg, 
evl  (idveo  yvvalco  ....  nagepaivsTO. 

b.  Mc.  16,  9. 

dvaördg  6s  rroeol'  jcqcot?]  oaßßdzov  s<pdvr\  jigärov 
Mccgicc  rfj  MaydaXt/vt],  d<p*  ?)g  ixßsßX?}xsi  hcza  6ai- 
fiovia. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  16,  9.  28,  16.  381 

c.  Evangelien-Codex  von  Etschmiadzin  ad  Mc.  16,  9. 

dvaoxdq  ös  jroco'i  jigroxy  oaßßdxov  eqidvtj  Maoia. 
MayöaZrjvjj,  dcp'  i/q  sxßsßXi]xsi  xo  sßöofiov  öaifio- 
viov. 

Die  hier  aus  Celsus  mitgeth  eilte  Parallele,  für  sich  allein 
genommen,  vermöchte  man  allenfalls  aus  Joh.  20,  11— IS  und 
nicht  aus  Mc.  16,  9  zu  erklären.  Wenn  aber  Celsus  anderwärts 
(c.  Cels.  11,  55.  59)  die  Maria  Magdalena  unter  der  Benennung 
einer  yvvf)  Jiäootoxooq  einführt,  so  kann  diese  Bezeichnung  der 
„Besessenheit"  nur  entweder  auf  Lc.  8,  2:  dcp  rjq  öaifiövia  tJtxd 
sgsXqXv&si  oder  Mc  16,  9  sich  beziehen,  also  in  diesem  Falle, 
wo  es  um  eine  Erscheinung  des  Auferstandenen  sich  handelt 
(vgl.  dvaoxdq  bei  Celsus  wie  bei  Mc),  nur  auf  Mc.  16,  9.  Die 
Lesart:  xo  sßöofiov  öaifioviov,  welche  Conybeare  (Aristion, 
the  Author  of  thTTasT^twelve  verses  of  Mark,  Expositor  Oct 
1893,  241 — 254)  aus  dem  armenischen  Texte  extrahiert  hat,  ist 
von  demselben  sehr  gut  erläutert  worden  durch  den  Hinweis 
auf  Testam.  XII  patr.  Rüben,  c  2,  wo  die  sjtxä  jtvsvfiaxa 
aufgezählt  sind  und  es  zum  Schlüsse  von  dem  sßöofiov  öatfioviov 
heisst:  sßöofiov  jrvsvfia  CJiooäq  xal  ovvovoiaq,  fisfr'  ?)q  ovvsioio- 
Xexai  öiä  xrjq  cpiXr]öoviaq  i  dfiaoxia  — ,  beiläufig  bemerkt,  ein 
Beleg  für  die  Identität  der  Maria  Magdalena  mit  der  ctfiaoxco- 
Xoq  Lc.  7,  37. 

Über  die  Entdeckung  Conybeare's  bezüglich  des  Marcus- 
schlusses und  seiner  Autorschaft  sowie  über  den  Zusammenhang 
dieser  Frage  mit  der  Entstehung  des  Evangeliencanons  vgl  die 
Nachträge. 

Mt.  28, 16. 

a.  Mt.  28,  16. 

ot  Öl  tvösxa  fia&ijxai  tjtoosv&yoav  slq  xrjv  raXtXaiav, 
slq  xo  oooq  ov  sxäiaxo  avxoiq  o  Irjoovq. 

b.  Acta  Pil.  B.  XI V,  1.  p.  31 S. 

xov  'itjöovv,  ov  vfislg  toxavgoSoaxe,  slöofisv  sv  xij  Fa- 
XtXala  ftexd  xcov  tvösxa  fia&i]xcov  avxov  slq  xo  onoq 
xcov  sXaicov,  ötödoxovxa  Jigoq  avxovq  xal  Xtyovxa'  710- 
Qsvso&s  slq  jtdvxa  xov  xoOfiov  xal  xijgvt-axs  xo  evayytXiov. 

c.  Gesta  Pil.  XIV,  1.  p.  372., 

viderunt  Jesum  sedentem  et  discipulos  ejus  cum  eo  in 


g§2  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

monte  oliveti,  qui  vocatur  Mambre  sive  Malech,  et  dicebat 

discipulis   suis:   Euntes    in    mundum   Universum  annuntiate 

universae  creaturae  evangelium  regni  dei. 

Der  letzte  Abschnitt  des  ersten  Evangeliums  (Mt.  28,  16-20) 
steht  hoch  über  den  secundären  Partien  dieser  Schrift.  Er  un- 
terscheidet sich  sprachlich  ebenso  von  dem  Marcusevangelium, 
wie  sachlich  von  den  Perikopen  Mt.  27,  51b— 53.  62—66.  28,  2—4. 
11 — 15  und  zeigt  vielmehr  eine  unverkennbare  Congenialität  mit 
den  sichersten  Partien  des  Urevangeliums.  (Vgl.  die  Erläu- 
terungen zu  v.  18—20.)  In  v.  16.  17  kann  man  vielleicht  Spuren 
einer  Überarbeitung  finden,  nämlich  in  dem  ol  de  eöiCxaoav 
(verglichen  mit  Mt.  14,  31:  xl  töiöxaoag,  einer  Stelle,  welche 
im  Unterschied  von  der  Marcusquelle  nur  dem  ersten  Evange- 
listen angehört  und  das  innerhalb  des  gesaramten  neutestament- 
lichen  Sprachgebrauchs  nur  Mt.  28,  17;  14,  31  vorkommende  öt- 
0xdC,eiv  darbietet,  vgl.  Weiss,  Matthäusevangelium  S.  46),  sodann 
ferner  in  der  Erwähnung  des  ungenannten  und  unbekannten 
bgog  von  Fa7.iXaia.  Denn  sowohl  aus  dem  Tenor  der  Erzählung 
selbst  wie  aus  der  Vergleichung  mit  Mc.  16,  15 — 19  ist  es  doch 
klar,  dass  hier  der  Vorgang  der  dvdXrjtpig  vorausgesetzt  wirdf 
der  nach  allen  Zeugen  nicht  als  in  Galiläa,  sondern  in  Judäa, 
bei  Jerusalem  auf  dem  Oelberge,  geschehen  zu  denken  ist.  Nicht 
nur  Act.  1,  12,  sondern  auch  durch  aussercanonische  Angaben 
wird  dies  bezeugt.  Namentlich  kommen  hierbei  die  Acta  Pi- 
lati  in  Betracht.  Denn  wiederholt  wird  ausdrücklich  der  Oel- 
berg  als  die  Stätte  der  dvaXrppig  darin  bezeichnet.  Vgl.  oben 
Act.  Pil.  B.  XIV,  1.  p.  318:  elg  xb  boog  xcöv  iXaicbv,  ferner 
XVI,  2.  p.  322:  eiöofiev  xbv  'Iijoovv  elg  xb  bgog  xmv  eXaicbv 
tfivxa  xal  elg  xbv  ovqavbv  dvaßaivovxa,  desgleichen  Gest.  Pil. 
XIV,  1.  p.  372:  in  monte  oliveti.  Allerdings  wird  noch  häufiger 
ein  andrer  Name  genannt.  Vgl.  Act.  Pil.  A.  XIV,  1.  p.  259:  elg 
xo  ogoq  xb  xaXovftevov  MafiiXx  — ,  XV,  1.  p.  264:  elg  xb  boog 
xb  MafiiXx  — ,  XVI,  5.  p.  279:  elg  xb  boog  MafiiXx  — ,  XVI,  6. 

p.  280?  elg  xb  boog  MafiiXx  ~ »  Gest-  Pü-  XV,  1.  p.  375: 
in  monte  Mambre  — ,  XVI,  2.  p.  385:  in  monte  Mambre  — , 
XVI,  4.  p.  386:  in  monte  Mambre.  Und  in  den  Handschriften 
der  Pilatus-Literatur  kommen  noch  weitere  Abwandelungen  dieses 
Namens  vor :  B  Mafißr/x,  E  MaXrjx,  G  Moq>i]xy  C  Mofifßffi  Vat.  a 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  28,  16.  383 

Mambre  sive  Malech,  Vat.b  Mambre  sive  Amalech.  Ven.  Mambre, 
Copt?  (ex  cap.  XVI,  2)  MabrechT'Aus  den  GestTPil.  XiVTTTin 
monte  oliveti,  qui  vocatur  Mambre  sive  Malech  wird  es  evident, 
dass  unter  diesen  verschiedenen  Benennungen  lediglich  der 
Oelberg  bezeichnet  werden  sollte,  wie  denn  auch  die  ganze 
Situation,  welche  in  den  Actis  Pilati  vorausgesetzt  ist,  un- 
weigerlich einen  Berg  in  unmittelbarer  Nähe  von  Jeru- 
salem fordert.  Tischendorf  (p.  259)  verweist  auf  das  Götzen- 
bild D3b£  oder  CSba,  von  dessen  Cult  auf  dem  Oelberg  in  den 
Büchern  der  Könige  berichtet  ist.  Vgl.  1.  Reg.  11,7:  -jbip^  = 
LXX:  xal  rm  ßaoiXtl—,  2.  Reg.  23,  13:  tiAfdfii  ==  LXX:  xal  z<p 
MoXox.  -Und  jedenfalls  erklären  sich  aus  der  Form  *jbtt  die 
Tarianten  MoXox,  MaXqx,  ßaoiXsvg  [=  -jb-fl)  vollständig,  also 
auch  wahrscheinlich  aus  D3$tt  der  Name  MafiiX%.  Möge  es  mit  der 
weiter  abliegenden  Variante  Mambre  auf  sich  beruhen,  so  viel  ist 
sicher,  dass  nach  den  Actis  Pilati  kein  andrer  Berg  als  der  Oel- 
berg gemeint  war,  auf  welchem  der  Vorgang  der  äpdXiytyig  stattfand. 
Nun  ist  es  dabei  das  Merkwürdige,  dass  —  ganz  wie  Mt.  28,  16 
—  dieser  Berg  der  avaXr/tytg  nach  Galiläa  verlegt  erscheint. 
Vgl.  Act.  Pil.  B.  XIII,  1.  p.  317:  Tiogtvtodoooav  Iv  ry  raXi- 
Xaia  — ,  XIII,  2.  p.  317:  äjitXfrate  xal  vfjstg  ug  x?jv  raXi- 
Xaiav  — ,  XIV,  1.  p.  318:  xov  'Irjoovv  .  .  .  döofttv  Iv  rfj  r<x- 
XiXaicc  .  .  .  sig  ro  oQog  rcov  eXaiSv  — ,  Act.  Pil.  A.  XVI,  3.  p.  277: 
slq  xrjv  FaXiXalav  — ,  XVI,  4.  p.  278:  elg  ri\v  raXiXaiav  — , 
Act.  Pil.  B.  XV,  1.  p;  319:  dg  a)v  FaXiXaiav  — ,  Gest.  Pil. 
XVI,  2.  p.  384:  in  Galilaeam  — ,  p.  385:  in  Galilaeam  — , 
Narr.  Jos.  IV,  2.  p.  468:  kv  rj}  raXiXaia  — ,  V,  1.  p.  469:  elg 
ttjv  raXiXaiav. 

Dass  die  Urschrift,  aus  welcher  die  verschiedenen  Recensionen 
der  Acta  Pil.  hervorgegangen  sind,  in  allen  diesen  Stellen 
nicht  die  palaestinensische  Nordprovinz  „Galiläa"  gemeint 
haben  kann,  geht  aus  folgenden  Umständen  hervor: 

a)  in  dem  Galiläa,  in  welchem  der  Auferstandene  zunächst 

erschien,  lag  der  Oelberg  (vgl.  oben); 

b)  der  Verkehr    des   Synedriums    mit   den   nach    diesem 

Galiläa  Gehenden  und  von  dort  Zurückkehrenden  er- 
fordert nicht  Tagereisen,  sondern  setzt  nur  Stunden 
als  Zwischenzeit  voraus; 

c)  das  Wandern  nach  diesem  Galiläa  ist  ein  Steigen  (vgl. 


384  Ausseroanonische  Paralleltexfce  zu  Mt  uud  Mc. 

Gest>  Pil.  XIV,  3.  p.  374:  cum  ascenderent  illi  in 
Galilaearu),  das  Kommen  von  da  ein  Herabsteigen 
(vgl.   Acta   Pil.  A.  XIV,  1.   p.  259:    xaxeX^ovTeg 
djto  rrjq  raXiXaiag  —  XV,  1.  p. 263:  xazeX&ovzag 
djto  tTJg  raXiXaiag  — ,  Gest.  Pil.  XIV,  1.  p.  372: 
descendentes  de  Galilaea  in  Jerusalem  — ,  XV,  1. 
p.  375:  viri   descendentes  de  Galilaea);    es  liegt 
also  höher  als  Jerusalem; 
d)  in   diesem  Galiläa   hält    sich  Jesus  bereits  am   frühen 
Ostermorgen   auf;    der  Engel   am   leeren   Grabe  ruft 
den  Frauen  zu:  rjyiQ&t]  djto  tojv  vtXQcäv,  xal  eorcv 
iv  zf/  raXiXaia  vgl.  Act.  Pil.  A.XIII,  1.  p.  255;  ebenso 
p.  257 :  xal  6  'Irjoovg  dviortj,  xafrojg  ijxovoapev  tov 
äyyiXov,  xal  eortv  iv  ri]  FaXiXaia  — ,  ferner  XIV, 
3.  p.  262:  xal  dtazoißti   kv  ttj  raXtXaia  — ,  auch 
Gest.  Pil.  XIII,  2.  p.  371:    Et    Jesus,   quemadniodum 
audivimus  ab  angelo,  in  Galilaea  est. 
Die  Lösung  dieser  anscheinenden  Widersprüche  dürfte  darin 
zu  suchen  sein,  dass  es  bei  Jerusalem  einen  Bezirk,  jtenixwQoq, 
gab,   welcher  den  Oelberg  in  sich  einschloss,  einen  Bezirk,  der 
also  höher  lag  als  die  Stadt.     Von   einem  solchen  Bezirk  redet 
das  Petrusevangelium  v.  34:   ijXdtv  oxXog  djto  hoovöaXijfi  xal 
t/Jq   jtSQixcoQov.     Dem   jtsgixcoQog   aber   entspricht   im  He- 
bräischen  sowohl   122   als  nb"<b3.     Vgl.  Gen.  13,11:  I22"b2  n» 
TrH!,«"7  ==  nüöuv  ttjv  JtSQixcoQov  tov  'Joqöccvov  — ,  Jos.  22,  10: 
Tri*}  nibibrbx  =  Ezech.  47,  8:  ruitt"^»  rreibarrbK  —  LXX: 
dg  T7)v  FaXiXaiav  rijv  jtoog  dvaToXdg.     Aus  diesen  Belegen 
ergiebt  sich,  dass  122  und  Jlb'VJa  von  der  jisoix&Qog  tov  Ioq- 
öctvov   promiscue   gebraucht   wurden   und  dass  im  Septuagiuta- 
Griechisch   der  Name  raXiXaia   nicht   blos    von  Nordpalaestina 
üblich  war,  sondern  auch  als  wörtliche  Übertragung  von  nb^b^ 
(=122)   bezüglich  der  jieoix<x>Qoq   tov  'Iooöävov  (Mt.  3,  5)  sich 
findet.     Ein  ähnliches  Verhältniss    wird   für  die  jt£(uxa>Qog  bei 
Jerusalem  vorausgesetzt  werden  müssen.    Die  erste  Erwähnung 
davon   findet  sich  Nehem.  12,  28:   0?bOVV)    rvi2/30    -12271-]^  — 
LXX:  djtt  Tfjg  jteotxwQov  xvxXöd-ev  sig  hQovoaXt'm,  die  andre 
in    der    bereits   erwähnten   Stelle   des   Petrusevangeliums.     Das 
raXiXaia  der  Pilatus-Literatur  hat  offenbar  nichts  Anderes  als 
diese  jrf.QixoiQog  bei  Jerusalem  zur  Voraussetzung.     Und  höchst- 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  28,  16.  3g5 

wahrscheinlich  huldigt  der  erste  Evangelist  Mt.  28 ,  16  diesem 
Sprachgebrauch,  vielleicht  nur  seiner  Übersetzung  der  hebräischen 
Quelle  folgend,  ohne  den  ursprünglichen  Sachverhalt  zu  kennen, 
vielleicht  auch  selbst  so  das  Quellen  wort  übersetzend,  ohne  mit 
der  Topographie  Jerusalems  persönlich  bekannt  gewesen  zu  sein 
Man  kann  von  hier  aus  noch  einen  Schritt  weiter  gehen  und 
annehmen,  dass  auch  schon  Mt.  26,-32:  (iexa  6h  xb  £teQ&r]vaL 
(iE  jtQoaga)  vfiäg  elq  xtjv  TaliXalav  — ,  Mt.  28,  7:  l6ov  jcqo- 
dyei  vfiäg  elq  xr\v  raXiXaiav ,  exel  avxbv  bipecfre  — ,  Mt.  28, 
10:  vjtdyexe,  djtayyeiXaxe  xolq  döeXcpolq  (iov,  %va  düteX&cooiv 
siq  xi]v  raliXaiav  xdxel  fie  brpovxai  —  ursprünglich  nicht 
das  nordpalaestinensische  raXiXala,  sondern  das  raXiXaia  = 
nb*1^  =  jreQixcoQoq  bei  Jerusalem  gemeint  gewesen  ist.  Das 
einzige  Bedenken  liegt  hierbei  in  der  Erwägung:  sollte  Marcus 
der  Hierosolymit  Mc.  14,  28  (=  Mt.  26,  32)  und  Mc.  16,  7  (=  Mt. 
28,  7)  dieses  jerusalemische  raXiXaia  (=  jteQtxcoQoq)  eingeführt 
haben,  ohne  es  irgendwie  von  dem  zuvor  oftmals  erwähnten 
nordpalaestinensischen  raXiXaia  durch  kenntlich  machende  nähere 
Bezeichnung  zu  unterscheiden?  Doch  würde  dieses  •  Bedenken 
weniger  ins  Gewicht  fallen,  wenn  man  annehmen  dürfte,  dass 
beide  Evangelisten  einer  Übersetzung  des  hebräischen  Textes 
folgten,  in  welcher  der  ursprüngliche  Sachverhalt  bereits  ver- 
wischt war.  Jedenfalls  würde  die  Erfüllung  der  Worte:  ütqodyei 
vfiäq  elq  xrjv  raXtXaiav ,  wenn  man  unter  diesem  raXiXaia  die 
jerusalemische  jceQlxoiQoq  einschliesslich  des  Oelbergs  versteht, 
in  Lc.  24,  50:  e^tjyayev  6h  avxovq  e^co  ta>q  elq  Brj&aviav  — 
gegeben  sein.  So  viel  ist  gewiss,  dass  die  Rückübersetzung  der 
Worte:  jtgodyei  vfiäq  elq  x?]v  raXiXaiav  (Mt.  28,  7  =  Mc.  16,7), 
wie  sie  in  allen  hebräischen  Neuen  Testamenten  sich  findet,  näm- 
lich: nb^ban  ß^DBb  NT!  tyb"1^  —  man  bedenke  in  Jerusalem  ge- 
sprochen! —  ebenso  gut  mit:  vxdyei  Jtpb  jiqoöcojiov  vficöv  elq 
xtjv  jtegixcoQOv  —  übersetzt  und  auf  die  jteQixcoQoq  Jerusalems 
bezogen  werden  konnte.  Auch  dieselben  Worte  in  Jesu  eigenem 
Munde  Mc.  14,  28  =  Mt.  26,  32  sind  in  Jerusalem  geredet  worden 
und  zwar  auf  dem  Weg  nach  dem  Oelberg,  welcher  zu  dieser 
jceQixcogoq  gehörte.  Doch  ist  es  fraglich,  ob  an  dieser  letzten 
Stelle  die  Worte  ursprünglich  sind,  da  sie  sowohl  bei  Lucas  als 
im  Fajjum-Fragmente,  welches  im  Übrigen  genau  an  den  Mat- 
thäus- und  Marcus-Text  sich  anschliesst,  fehlen.    Vgl.  oben  S.  18. 

Texte  u.  Untersuchungen  X,  2.  25 


386  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Nachdem  vorstehende  Untersuchung  abgeschlossen  war, 
wurde  ich  von  Prof.  Nestle,  der  das  Manuscript  einsah,  auf 
die  alten  Itinerarien  aufmerksam  gemacht.  Und  Prof.  R. 
Röhricht  in  Berlin,  an  welchen  ich  mich  deshalb  wandte,  stellte 
mir  in  liebenswürdigster  Weise  soviel  Material  zur  Verfügung, 
dass  ich  nun  im  Stande  bin,  nachstehende  topographische  Er- 
gänzung hier  anzufügen. 

Das  Erste  und  Wichtigste  war  mir  die  Notiz,  dass  bereits 
Tertullian  ein  judäisches  Galiläa  gekannt  hat.  Vgl.  Apolog. 
c.  21:  Cum  discipulis  autem  quibusdam  apud  Galilaearn,  Ju- 
daeae  regionem,  ad  quadraginta  dies  egit  docens  eos  quae  do- 
cereut.  Hier  ist  ganz  deutlich  von  einem  judäischen  Galiläa 
die  Rede,  welches  mit  der  palaestinensischen  Nordprovinz  nicht 
identifi eiert  werden  kann.  Denn  apud  Galilaearn  kann  von 
einer  so  ausgedehnten  Landschaft  wie  Nordpalaestina,  um  den 
Aufenthaltsort  zu  bezeichnen,  nicht  gesagt  werden,  und  der  Aus- 
druck: Judaeae  regio,  kann  eben  deswegen  nicht  etwa  von 
Judaea  nach  dem  römischen  Sprachgebrauch  als  gleichbedeutend 
mit  Palaestina,  sondern  nur  in  dem  engeren  Sinne  von  der  pa- 
laestinensischen Südprovinz  Judaea  verstanden  werden.  In  dieser 
Südprovinz  gab  es  nach  Tertullian  eine  regio  (=  xsqIxwqoq, 
vgl.  Lc.  7,  17;  ev  ütaoi]  ttj  jtsQixmQcp  =  Vulg.:  in  omnem 
circa  regionem,  Mt.  3,  5:  jtäoa  r\  jttQtxcoQoq  xov  'ioQÖdvov 
=  Vulg.:  omnis  regio  circa  Jordanem,  ebenso  Mc.  1,  28;  Lc.  3,  3; 
4,  14;  4,  37;  8,  37:  regio  =  xeqLxwqoq)  mit  Namen  „Galilaea"  = 
nbibä  — ,  ganz  so  wie  dies  in  der  Pilatus -Literatur  vorausge- 
setzt ist. 

Bei  der  näheren  Bestimmung  dieser  Ortlichkeit  ist  nun  vor 
allen  Dingen  der  Berg  festzustellen,  welcher  den  Mittelpunkt 
dieser  regio  (=  oieQlxcoQoq  =  nb^ba)  bildete.  In  dieser  Hinsicht 
leisten  uns  die  Itinerarien  wichtige  Dienste.  Antonius  de 
Cremona,  Itinerarium  ad  Sepulcrum  Domini  (a.  1327,  1330)  ed. 
Reinhold  Röhricht  (Zeitschrift  des  deutschen  Palaestina -Vereins. 
Bd.  XIII.  1890.  S.  158)  schreibt:  Prope  montem  Oliveti  est  mons 
collateralis,  qui  olim  dictus  est  mons  offensionis,  eo  scilicet  quod 
rex  Salomon  quondam  posuit  ibi  ydoluin  Moloch  adorans  illud. 
In  eodem  monte  offensionis  est  locus,  qui  vocatur  Galilaea, 
ubi  apparuit  Christus  discipulis  suis.  Und  inOdorici  deForo 
Julii  Liber  de  terra  saneta,  cap.  48  (Peregrinatores  medii  aevi 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  28.  16.  3§7 

quatuor  ed.  Laurent.  Ed.  2.  1873.  p.  154)  lesen  wir:  Et  dicitur 
rnons  offensionis  eo  quod  rex  Salomon  posuit  in  eo  ydolum 
Moloch,  adorans  illud.  Et  quibusdam  vocatur  Galila ea.  Titus 
Tob ler  (Die  Siloahquelle  und  der  Oelberg.  S.  77 ff.)  sagt  bezüg- 
lich der  Namen  dieses  Bergs:  „Der  Berg,  den  man  gemeiniglich 
als  die  dritte  Spitze  des  Oelbergs  bezeichnet,  hat  bei  den  Arabern 
verschiedene  Namen, — ,  bei  den  Christen  Berg  der  Be- 
leidigung (mons  offensionis,  bgoq  jrgooox^iOfiaxog)  oder  des 
Ärgernisses  (mons  scandali,  ö'poc  oxavdälov),  bei  den  Juden  Berg 
des  Verderbens."  Tob  ler  führt  dann  für  die  verschiedenen 
Namen  dieses  Berges  des  Verderbens  oder  Mashith  noch  fol- 
gende Gewährsmänner  an.  Reisner  p.  552:  Mashith.  "Ogog  öia- 
q>&ogäg.  Ziegler:  Mons  Hamashita  inter  meridiem  et  orientem 
in  urbis  conspectu  est  positus,  humilior  olivarum  monce,  et  in- 
terveniente  discretus  valle.  Cotov  p.  289:  Valle  (Gehenon)  supe- 
rata,  rectä  ad  montem  Mashith,  id  est  offensionis,  sive  exterminii, 
perreximus.  Ayia  rrj  p.  89:  6vofiaC,of/tvrjv  Moöxä&.  iTTiön.  23- 
Ich  bemerke  nun,  dass  alle  diese  Namen:  Mons  Mashith  =  Mons 
Hamashita  =  bgog  Mogto&  =  bgog  öiaqfrogäg  =  bgog  xgoo- 
ox^iOfiaroQ  =  ogog  oxavöäXov —  auf  2.  Reg.  23,  13  zurückgehen: 

rr^a  nri$  rprtteii  nnb  fr^V-icx  ttfg&rti  ^E_b?  n©x  tfmssrr«} 
abbEbi  nx'Ta  F£ti  BTODVj  DWS  ypw  rnri»?b  bsr.ir-!fbtt  rrtabtp" 
liTS?~",D3  i"02in  =  LXX:  xal  xbv  olxop  xbv  txl  Jigboomov  h- 
govoaXijfi  xbv  ex  öegiaiv  xov  bgovg  xov  Moo&afr,  bv  tpxoöofujöe 
^LaXm^cov  ßaoiXtvg  'Jogar/X  x?/  Aoxagxtj  jtgooox^iof/aTi  ^iÖoj- 
vlcov ,  xal  xcö  Xctficbg  JigoGox&io,uaxL  Mcoctß,  xal  xcö  MoXbx 
ßöeXvyfiaxi  vlcöv  Afificov  — .  Hierzu  ist  mons  Mashith  oder 
mons  Hamashita  wörtliche  Wiedergabe  von  rPniIJT2n~in,  bgog 
Moaxad-  —  Moo&ä&  aber  daraus  corrumpiert.  Wie  weit  solche 
Corruption  hebräischer  Namen  gehen  kann,  zeigt  das  Glossarium 
in  Lib.  IV.  Reg.,  wo  für  xov  Moo&ä&  gelesen  wird:  xov  vooaoäx 
(oder  nach  Cod.  Barocc:  xov  ocoodx\  obwohl  die  richtige  Über- 
setzung von  nTjüTSn,  nämlich  xov  diacpfrsigavTog,  beigefügt 
wird.  Zu  der  Übersetzung  ögog  öiacpfrogäg  vgl.  man  noch  Ezech. 
21,36:  mntp'B  itthn==LXX  (2l,Y\)l  x^raivbvxcovöia^dogäg-  , 
Dan.  10,  8:  rVTHtfob  =  LXX:  dg  dtacfüogav.  Ferner  jtgoö- 
oyßioija,  welches  Theodotion  zu  Ezech.  5,  11  zur  Übersetzung 
von  PQSHfl  anwendet,   geht   an    unserer  Stelle  auf  ypr    zurück. 

25* 


ggg  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

welches  auch  zweifellos  die  Quelle  von  ogoq  Oxavöäloy  ist,  ob- 
wohl sich  diese  Übersetzung  aus  den  LXX  nicht  nachweisen 
lässt.  Aus  rnntth?  (HCC6XI&  baben  manche  LXX-Codices  anstatt 
der  corrumpierten  Form  (ioo&ä&-)  ist  wahrscheinlich  auch  die 
Missform  Mazi  (Matzi)  entstanden.1)  Vgl.  Theodosius  de  situ 
terrae  sanctae  §  63:  De  monte  Oliveti  ascendit  dominus  in  caelis, 
et  prope  est  spelunca,  quae  dicitur  Mazi  (Matzi),  quod  interpre- 
tatur  discipulorum.  ubi  dominus  quando  praedicabat  in  Hieru- 
salem,  requiescebat.  Es  ist  nun  hiernach  klar,  dass  die  zahl- 
reichen Varianten,  welche  in  den  Codices  der  Pilatus  -  Literatur 
für  den  Berg  der  ävaXtjxpiQ  sich  finden,  als  MccfiiZx,  MaXrjx, 
Malech,  Amalech,  —  und  wahrscheinlich  auch  die  weiter  ab- 
liegenden: Mabrech.  Matußrjx,  Motyqx,  MofKpij ,  Mambre  —  als 
Corruptionen  aus  dem  asbE  =  LXX  MoXöx  in  2.  Reg.  23,  13  zu 
erklären  sind.  Sie  stehen  wenigstens  dem  Quellwort  immer  noch 
näher,  als  die  oben  erwähnten  Corruptionen  vooaöar  und  öcooax 
dem  rPHIDE  an  derselben  Stelle.  Der  Berg,  welcher  also  ur- 
sprünglich n^nTöian  "ifi  hiess,  hat  die  übrigen  Beinamen  von  den 
Idolen  erhalten,  die  auf  ihm  gestanden  haben.  Und  dieser  Berg 
soll  nach  dem  einen  Zweig  der  Überlieferung  auch  den  Namen 
Galilaea  getragen  haben:  et  quibusdam  vocatur  Galilaea  (nach 
Odoricus  de  Foro  Julii)  oder  auf  ihm  soll  eine  Ortlichkeit  dieses 
Namens  zu  finden  gewesen  sein:  in  eodem  monte  offensionis  est 
locus,  qui  vocatur  Galilaea  (nach  Antonius  de  Cremona). 

Ein  anderer  Zweig  der  Tradition  aber  legt  den  Namen 
Galiläa  der  nördlichen  Nebenkuppe  des  Oelbergs  bei.  Titus 
Tob ler  (Die  Siloahquelle  und  der  Oelberg  S.  72 f.)  sagt  über 
diese  nördliche  Kuppe  Folgendes:  „Sie  heisst  Karem  es-Seräd 
oder  Karem  Abu  el  Hau  ä  bei  den  Arabern,  denen  auch  der 
Name  Kalilea  nicht  unbekannt  ist,  bei  den  Christen  früher  Ga- 
lilaea, später  Viri  Galilaei  oder  Ihr  Männer  von  Galiläa.  Man 
unterschied  wohl  auch  die  Viri  Galilaei  vom  benachbarten  Dorfe 
Galilaea.  Diese  Kuppe,  etwas  niedriger  als  der  Hauptgipfel,  liegt 
fünfhundert  Schritt  nördlich  von  Ka'fer  et-Tur/  Tobler  führt 
hierzu  unter  vielen  Anderen  folgende  Gewährsmänner  an.  Po- 
cocke  H,  §  39:  „Als  ich  (vom  Josaphatsthal  auf  den  Ölberg) 
halbes  Weges   war,   zeigte  man  mir  ein  Feld,  das  die  Araber 

1)  Weitere  Varianten:  fuooa&,  fxoooa&,  [xooo&ujv,  afieo0O&  etc. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  28,  18.  389 

Calilee  heissen."  Scholz  p.  177:  Die  Ruinen  Ghalilee.  Ano- 
nymus bei  Allatius:  xal  Xtyzrai  (iixQtj  raXuXaia,  jtQoq  öia- 
öroXrjv  xr\q  lölcoq  raXtXaiaq.  Frescobaldi  p.  145:  Monte  di 
Galilea.  Sigoli  p.  159:  Luogo  chiamato  Galilea.  Man  vgl.  ferner 
Ludolphi,  rectoris  ecclesiae  parochialis  in  Suchern,  de  itinere 
terrae  sanctae  liber.  Ed.  Deycks  (in  der  Bibliothek  des  litte- 
rarischen Vereins  in  Stuttgart  Bd.  25.  S.  86):  Ceterum  in  eodem 
monte  est  parva  villa,  Galilaea  vocata.  Desgleichen  erwähnt 
Robinson (Palaestina  1841.  'S.  740),  dass  Rauwolf  i.  J.1573  hier 
Ruinen  antraf,  von  denen  es  hiess,  sie  wären  die  eines  alten 
Khan  oder  Wirthshauses,  wo  die  Galiläer  in  alter  Zeit  ein- 
kehrten, wenn  sie  nach  Jerusalem  hinaufzogen. 

Diese  Verschiedenheiten  der  Tradition,  weit  entfernt,  deren 
Glaubwürdigkeit  zu  erschüttern,  dienen  vielmehr  dazu,  uns  auf 
das  ursprüngliche  Verhältniss  hinzuleiten.  Denn  nicht  nur  dass 
im  weiteren  Sinne  der  Name  des  Oelbergs  auch  die  beiden  Neben- 
kuppen mit  umfasste  (vgl. Tobler  S.  72),  sondern  auch  das  ganze 
Gebiet  des  Oelbergs  mit  den  darauf  liegenden  Feldern,  Wirths- 
häusern,  Dörfern  gehörte  zu  der  regio  (Tertullian) ,  zu  der  jce- 
QiXcoQoq  (Ev.  Ps.-Petri),  welche  den  Namen  Galiläa  =  ilb^ba  trug. 
Von  diesem  Sachverhalt  geben  ebenso  die  auseinandergehenden 
Relationen  der  einheimischen  Überlieferung  Kunde  wie  der  Name 
nb^ba  selbst,  welcher  —  ursprünglich  und  so  lange  der  semitische 
Sprachgeist  lebendig  gewesen  war  —  einer  einzelnen  Bergkuppe 
oder  einem  Dorfe  oder  einem  Felde  oder  gar  einem  einzelnen 
Gebäude  unmöglich  hätte  beigelegt  werden  können.  Wohl  aber 
lag  in  der  Mitte  dieser  regio,  dieser  jteQixwQoq,  der  Berg,  wohin 
die  Jünger  sich  begaben,  als  sie  zum  letzten  Male  mit  ihrem 
Herrn  zusammentreffen  sollten:  ejroQsv^?]Oav  siq  xr\v  raXiXatav, 
siq  t6  oQoq  ov  eragaro  avxolq  o  'b]öovq. 

Mt.  28, 18. 

a.  Barn.  V,  5.  p.  20,  16. 
o  xvgioq  vxtfieivsv  jta&elv  Jtegl  zrjg  ipvxyq  rjficov,  cov  jcar- 
roq  rov  xoöfiov  xvQioq. 

b.  Herrn.  Sim.  LK,  28,  8.  p.  254,  3. 
xi  öoxeirs  jtoitjOsi  o  xvQioq  vy.lv,    oq   [sxsi]    üiävxcov   r/)v 
igovölav; 


390  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

c.  Herrn.  Mand.  IV,  1,  11.  p.  80,  6. 

avxoq  yag  kcxiv  6  tya>v  Jtavxwv  xrjv  s§ovoiav. 

d.  Herrn.  Sim.  V,  6,  4.  p.  154,  15. 

avrog  xvgwq  eöxi  xov  Xaov,  e^ovoiav  xäoav  Xaßcov  scagä 
xov  xaxgbq  avxov. 

e.  Herrn.  Sim.  V,  6,  1.  p.  154,  6. 

o   vloq  xov   &eov  .  .  eiq  esovöiav  fjeydXtjv  xslxai  xal   xv- 
gioxrjxa. 

f.  Herrn.  Sim.  IX,  14,  5    p.  226,  17. 

xo  ovofia  xov  vlov  xov  &eov  (liya  toxi  xai  ayatgrjxov  xal 
xov  xbö/iov  oXov  ßaoxä&i. 

g.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  76.  p.  302  A. 

jia&rjxoq  yevt]ü6tU€vog  o  Xgioxoq  xal  f/exa  xavxa  Jtdvxmv 
xvgievocov. 

h.  Polyc' ad Phil.  II,  1.  p.  112,  13. 

oj  vjtexäy?}  xä  jiävxa  ejcovgdvia  xal  sjciyeia. 

i.   Hilar.  in  Psalm.  131.  p.  1045  D. 

Oinnia  enim  mihi  data  sunt  in  coelo  et  in  terra. 

k.  Hilar.  in  Psalm.  144.  p.  1155A. 

Omnia  data  sunt  mihi  in  coelo  et  in  terra. 

1.   Priscill.  Tractat.  I.  p.  25.  ed.  Schepss. 

Nobis  autem  deus  Christus  Jesus  est,  qui  dixit:  omne  meum 

est,  quod  est  sub  caelo. 
m.  Tlioxiq  2o(pia.    Anger  Synops.  p.  261.  Woide  p.  40. 

edo&T}  /ioc  Jtäöa  st-ovöia  — 

n.  Pistis  Sophia  p.  9.  ed.  Petermann. 

Data  enim  (yag)  egovoia  mihi  ab  Ineffabili. 
o.  Orig.  in  Joann.  XIII,  60. 

eöo&r/  fioi  jcäoa  e^ovoia  oq  ev  ovgavö)  xal  sjcl  yrjq. 

p.  Mt.  28,  18. 

eöod-rj  [toi  jcaoa  i^ovoia  ev  ovgavm  xal  Im  ytjc. 

Dass  hier  die  vorcanonische  Quellenschrift  hervortritt,  zeigen 
sowohl  alttestamentliche  Parallelen  als  urevangelische  Texte  von 
überraschender  Verwandtschaft.  Die  Phrase:  e^ovoia  edoftr] 
findet  sich  schon  Dan.  7,  6:  nb  n^H"1  Ittbtth  =  LXX:  xal  e^ovoia 
EÖ6&7]  avx(j.     Ganz  besonders  aber  hat  Nestle   die  bereits  von 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  28,  18.  391 

Ephraem,  Starcke  (Synopsis),  Kuinöl,  Stier  hervorgehobene 
Verwandtschaft  mit  der  messianischen  Stelle  Dan.  7,  14  in  Er- 
innerung gebracht.  Vgl.  Evang.  Kirchen-  und  Schulblatt  für 
Württemberg  1892.  No.  3.  S.  21.  De  Lagard e  hat  freilich  (in 
den  Göttinger  Gel.  Anz.  1891  No.  14  vom  1.  Juli)  das  ganze  Ca- 
pitel  Dan.  7  nach  seiner  Entstehung  in  das  J.  69  nach  Christo 
verlegt!  Wer  aber  diese  seine  Ausführung  gelesen  hat,  wird  von 
ihrer  Beweiskraft  nicht  überzeugt  sein,  falls  er  alle  hierbei  in 
Betracht  kommenden  Instanzen  in  Erwägung  zieht,  und  wird  in 
dieser  Annahme  de  Lagardes  eine  seiner  kühnen  Extravaganzen 
erblicken.  Wie  die  ureigenste  Selbstbenennung  Jesu  als  vloq 
xov  äv&gcojrov  aus  dem  Sprachgut  von  Dan.  7,  13:  ©38!  13  = 
LXX:  vloq  dv&gcojiov  adoptiert  ist,  eine  Benennung,  die  recht 
eigentlich  den  Jesus-Reden  im  Urevangelium  angehört,  so  ist  es 
auch  hier  mit  der  Phrase:  eöo&rj  fioi  jcäoa  egovöia  der  Fall. 
Vgl.  Dan.  7,  14:  föb©  3W  tk)  =  LXX:  xal  köod-ij  avxcö 
et-ovöla  =  Theodotion:  xal^avxm  eöo&rj  t]  dgyf\.  Diese  Ver- 
wandtschaft mit  Dan.  7,  14  spricht  also  nicht  gegen,  sondern 
für  die  Echtheit  von  Mt.  28,  18  und  für  die  Zugehörigkeit  dieses 
Wortes  zu  den  mit  alttestamentlichem  Sprachgut  getränkten 
echten  Jesusreden.  Der  urevangelische  Charakter  von  Mt.  28,  18 
zeigt  sich  auch  in  dem  Zusatz:  ev  ovgavoZ  xal  ejtl  yfjq,  mit 
welchem  Zusatz  Mt.  28,  18  über  Dan.  7,  14  hinausgeht,  dafür 
aber  mit  anderen  evangelischen  Worten  zusammentrifft.  Vgl.  Mt. 
6,  10  (=  Lc  11,  2):  yev7]{r?]T(D  xo  &eZr][iä  öov  coq  ev  ovgavcö 
xal  exl  yfjq  — ,  Mt.  6,  19.  20  (=  Lc.  12,  33):  ft?)  ^rjGavgiCexe 
vfilv  &7]GavQovq  ejtl  xfjq  yfjq  — ,  &r]GavgiCexe  de  vfnv  &t]Gav- 
govq  ev  ovgavcÖ  - — ,  Mt.  18,  18:  oöa  eäv  öfjGqxe  ijrl  xfjq  yfjq 
eGxai  deöefieva  ev  ovgavcß ,  xal  öoa  eäv  Xvorjxe  exl  xfjq  yfjq, 
eoxat  XeXv[ievaev  ovgavm — ,  Mt.  23,  8  nachEusebius  (s.  oben): 
fij}  xaXeGijxe  ötöaGxaXov  ejcl  rijq  yfjq'  elq  yäg  eGxiv  vficöv  o 
ÖiöäoxaXoq  o  ev  xolq  ovgavolq — ,  Mt.  23,  9:  xal  jr.axega  fjtj 
xaXeGrjxe  v/möv  ejcl  xyq  yfjq'  elq  yäg  eGxiv  6  jcaxvg  o  ovgä- 
vioq  (Syr.  Cur.  o  ev  xolq  ovgavolq),  und  dazu  den  ausser- 
canonischen  Zusatz  nach  Heracleon  (s.  oben  zu  Mt.  23,  9):  £g 
ov  jiäoa  naxgiä  ev  xe  ovgavolq  xal  ejtl  xfjq  yijq  — ,  end- 
lich Mt.  11,  25  =  Lc.  10,  21:  xvgie  xov  ovgavov  xal  xfjq  yfjg. 
Diese  letztere  Stelle  spricht  aber  weiter  nachdrücklich  für  die 
Abstammung  von  Mt.  28,  18  aus  dem  Urevangelium.    Vgl. 


392  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Mt.  11,  27a.  Lc.  10,  22a.  Mt.  28,  18. 

xävxa  fioi  JtaQEÖofr?]  Jtdvxa  f/oi  JtaQsööfrt)    eöö&r]  fioi   jiäöa  ig- 
vjto  xov  ütaxQoq  fiov.  vjco  xov  Jtaxgöq  fiov.  ovöia  ev  ovQavcp  xal 

km  xtjq  yrjq. 

Wenn  bei  irgend  einem  Herrenwort,  so  kann  bei  Mt.  11,  25 — 
27  =  Lc.  10,  21.  22  an  der  Zugehörigkeit  zur  vorcanonischen 
Quelle  nicht  gezweifelt  werden.  Dasselbe  gilt  von  der  Relation 
über  die  Versuchung  Jesu  Mt.  4,  1  — 11  =  Lc.  4,  1 — 13,  welche 
nicht  aus  Marcus,  sondern  aus  dem  Urevangelium  stammt  und 
es  unzweideutig  bezeugt,  dass  die  vorcanonische  Quelle  nicht 
eine  blose  Redensammlung,  sondern  wirklich  eine  evangelische 
Erzählung  gewesen  ist.  In  dieser  Relation  über  die  Versuchung 
Jesu  sagt  der  jtsiQaCwv  Lc.  4,  6:  Ool  Scböat  xr)v  ti-ovöiav  xav- 
trjv  =  Mt.  4,  9:  xavxd  Ool  jtdvxa  dato  ca.  Damit  vgl.  man  Mt. 
28,  18:  e66&r)  fioi  jtäoa  e^ovoia  —  oder  nach  der  Hilarius- Re- 
lation: Omnia  data  sunt  mihi  —  also  in  beiden  Stellen  dieselben 
Varianten.  Dabei  erwäge  man  die  innere  Correspondenz,  welche 
zwischen  Mt.  28,  18  einerseits  und  Mt.  4,  9  =  Lc.  4,  6  andrerseits 
besteht.  Bei  der  Versuchung  ist  es  der  Satanas  (vgl.  Lc.  10,  18: 
ji£0(dv  ix  xov  ovgavov  slq  xi)v  yt}v)x),  welcher  die  egovöia 
(nicht  über  den  ovQavöa,  sondern)  über  die  yr\  (vgl.  Mt.  4,  7: 
jrdoag  ßaOtZtiac  xov  xoOfiov  =  Lc.  4,  5:  xrjq  otxovfitvrjq)  Jesu 
verspricht;  hier  Mt.  28,  18  ist  es  der  Vater,  welcher  dem  durch 
Leiden  des  Todes  gekrönten  Sohne  die  egovola  nicht  nur  über 
die  yrj,  sondern  an  erster  Stelle  über  den  ovgavoq  übergibt,  so 
dass  nun  Apoc.  12,  10  ev  xcp  ovQaväJ  die  cpmvrj  ertönen  kann: 
ciqxi  lytvtxo  tj  GcoxqQia  xai  ?)  övvafiiq  xal  ?]  ßaoiZsia  xov  freov 
Tjficov  xal  ?]  l^ovoia  xov  XqlOxov  avxov,  öxi  sßhför]  o  xa- 
xrjycog  xxX.  Gegenüber  der  Anschauung  von  Weiss,  welcher 
mit  der  Salbung  in  Bethanien  das  Urevangelium  endigen  lässt, 
erkennt  man  in  dieser  Correspondenz  zwischen  Mt.  28,  18  und 
Mt.  4,  1  ff.  =  Lc.  4,  1  ff.  in  überraschender  Weise,  wie  Anfang  und 
Ende  sich  ineinander  schliesst.  Eine  ähnliche  Beobachtung  er- 
gibt sich  für  Mt.  28,  19  in -Betreff  der  Taufe. 

An  der  Zugehörigkeit  von  Mt.  28,  18  zu  der  vorcanonischen 
Quelle  besteht  nach  alledem  für  mich  nicht  der  geringste  Zweifel, 

1)  Bezüglich  dieses  aussercanonischen  Zusatzes  vgl.  die  Paralleltexte 
zu  Lc.  10,  18. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  28,  19  =  Mc.  16,  15.  393 

zumal  da  auch  der  Apokalyptiker  Apoc.  12,  10  dafür  Zeugniss 
ablegt.  Dagegen  ist  der  an  Mt.  28,  18  zum  Schluss  nach  eju 
yijq  angefügte  Zusatz:  xal  xa&a)q  djiioxalxi  //£  o  jtaxrjg  fiov, 
xdyca  djtooxiXXa)  vfiäq,  welchen  diePeschittha  (vgl.  Hug,Einl.  1,138) 
und  ebenso  die  armenische  Version  (vgl.  Hug,  Einl.  I,  354)  vertritt, 
aus  Joh.  20,  21b  herübergenommen,  wie  wir  solchen  frühzeitigen 
Einschaltungen  johanneischer  Stoffe  in  den  synoptischen  Texten 
noch  einige  Male  begegnen.  Vgl.  den  aussercanonischen  Zusatz 
zu  Mt.  27,  49  aus  Joh.  19,  34,  ferner  die  Vermischung  von  Joh.  3, 5 
und  Mt.  28,  19b  in  Hom.  Clem.  XI,  26.  p.  117,  2,  ebenso  die  Über- 
tragung  von  Joh.  2,  19  nach  Mc.  14,  58.     (S.  oben  S.  331  f.) 

Mt.  28, 19»  =  Mc.  16, 15. 

a.  Agathangelus  c.  171.  p.  86,  6.  ed.  Lagarde. 

e£,eX&exe,    Xiycov,   de   jtdvxa  xd  e&vt]  xal  xrjgv^axE  xb 
EvayysXwv  xovxo  vjtoxdxco  xov  ovgavov. 

b.  Exe.  Theodr§  76.  ap^  ä^rATpT987T 

jtEouovxsq   xtjqvööexe    xal  xovq  Jtiöxsvovxaq    ßajtxl^EXE. 

c.  Epiph.  An  cor.  c.  74.  p.  80  A. 

avxbq  o  xvgioq  rjftcöv  ev  reo  svayyeXia)  avxov  <pr\öaq  xolq 
tavxov  (ia&r)xaZq'  ajtsX&ovxEq  ßajtxiöaxE  Jtävxa  xd  e&vtj. 

d.  Epiph.  Ancor.  c.  81.  p.  87  A. 

(prjolv  sv  evayyeZiq)'   dxsZftovxeq  ßajtxiöaxE  Jtdvxa  xd 
i&vrj. 

e.  Epiph.  Haer.  LXXIV,  5.  p.  892  D. 

mq  av  EiJtoi  Xgiöxoq'  djtsX&ovxEq  ßajtx iöaxe  siq  jtdvxa 
xd  Bd-vrj. 

f.  Cod.  Cantabr.  Mt.  28,  19a. 

xogeveöfre  vvv,  fia&rjxsvoaxe  jtdvxa  xd  e&vrj. 

g.  Orig.  IV,  262.  ed.  de  la  Rue.  in  Joann.  XIII,  49. 

jioqeveg&e,  [la&ijxEvöaxs  jtdvxa  xd  e&vtj. 
h.  ActarRirB7xiVri7ir318.  ed.  Tischendorf. 

xov    'fyöovv   .   .   .   öiödöxovxa   jtgbq   avxovq   xal    Xiyovxa' 

jroQEvfri/xt  sie  Jtdvxa  xov  xöof/ov  xal   xrjgv^axE  xb  svay- 

yt'Xiov. 
i.   Euseb.  in  Psalm.  65.  5.  6. 

jtogevovxEg  fia&rjXEvoaxE  jtdvxa  xd  e&vt]  ev  xm  ovouaxi 

(IOV. 


394  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

k.  Mc.  16,  15. 

jiogsv&EvxEg  dg  xbv  xoOfiov  änavxa  x7]ov$,ax£  xo  svayys- 

Xiov  Jtaoy  xf]  xxLoel. 
1.   AcraPil.ArXIvTl.rr 259. 

jtOQEV&£VTEQ   slg  top   xoO/iov    äjcavxa   xrjQvt-axE  Jtaöy   x%] 
xxioet  [Cod.  E.  add.:  xö  evayyePuöv  fiov]. 

m.  Ut2S,  19a. 

jroQEV&t'vxeg   (ia&7]xevoaxe    jrccvxa    xä    e&vi]  ßajtxi^ov- 

T£_-    XX?.. 

n.Epiph.   Kaxa  aloeötcov  A.  p.  50 A. 

xolg  /ua&rjxaig  xal  Xiymv  fjta&i]xevGaxe  xä  E&vt}  .  .  .  ßa- 
jcxioaxs  avxovg  xxX. 

o.  Ephraem  Syr.  Ev.  concord.  expos.  ed.  Mösinger  p.  226. 
Quum  dixit:  Ite  in  universam  terram  et  baptizate. 

p.  Hilar.  de  trinit.  c.  2.  p.  21  F. 

cum  dicit  dominus:  Euntes   nunc  et  docete  omnes  gentes, 

baptizantes  eos  etc. 
q.  Hilar.  in  Psalm  65.  p.  791  E.  =  adv.  Arian.  p.  352  E. 

Euntes  nunc   docete   omnes  gentes. 

r.  Hilar.  de  Synod.  adv.  Arian.  p.  358  D. 

sicut  legimus  in  evangelio:  Ite  et  baptizate  omnes  gen- 
tes. 

s.  Hilar.  de  Synod.  adv.  Ariau.  p.  367  F. 

Dominus  Jesus  Christus  ordinavit  discipulis  dicens:  Pergite 
et  docete  universas  gentes  baptizantes  eas. 

t.   Vulgata  Mt.  28,  19a. 

Euntes  ergo   docete    omnes  gentes  baptizantes  eos  etc. 

u.  Tertull.  de  baptismo  c.  13. 

Ite,  inquit,  docete  nationes  tinguentes  eas  etc. 

v.  Tert.  de  praescr.  haer.  c.  8. 

Siquidem  in  fine  praecipit  vaderent  ad  docendas^et  tinguen- 
das  nationes. 

w.  Tert.  de  praescr.  haer.  c.  20. 

digrediens  ad  patreni  post  resurrectionem  jussit  ire  et  do- 
cere  nationes  tinguendas. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  28,  19  =  Mc.  16,  15.  395 

x.  Aphraates  Hom.  I,  7.  p.  7.  ed.  Bert. 

Und  wiederum  zu  seineu  Jüngern:  Gehet  aus  und  lehret 
alle  Völker,  und  sie  werden  an  mich  glauben.'^' 

y.  Const.  V,  7.  p.  137,  23. 

Xaßovxeg  IvxoXrjv  nag'  avxov  xrjpv^ai  xb  svayyeXiov  sie 
o^o^jro^jcoö^oi'  xal  fia&?jxevoai  jtdvxa  xd  sd-vt]  xcä 
ßaxx  icai. 

z.  Agathangelus  c.  42.  p.  24,  18.  ed.  Lagarde. 

0  xeXevoag  xrjovyßrjvai  rd  tvayyeX.ia  sv  Jtdorj  xjj  olxov- 
fi£V7J. 

a.  Herrn.  Sim.  VI1L  3,  2.  p.  178,  17. 

voyiog  &eov  loxlv  6  öo&slg  slg  oXov  xbv  xöopov  6  öe  vo- 
fioc    ovxog   vlbg  &eov  eoxl  xrjQvy&elg  slg  xd   Jtegaxa  xijg 

ß.  Herrn.  Sim.  IX,  15,  4.  p.  230,  1. 

01  öe   (i    ajtooxoXoi  xal  öiödoxaXoi   xov  xrjovyfiaxog  xov 

VWV    XOV   &£OV. 

y.  Herrn.  Sim.  IX,  16,  4.  p.  232,  2. 

xdxeivoig  ovv  Ixtjqvx&V  V  otpgaylg  avxi]  [sc.  xb  ßdnziöf/a]. 

ö.  Herrn.  Sim.  IX,  16.  5.  p.  232,  5. 

ovxoi  oi  axboxoXoi  xal  oi  öiödoxaXoi  01  xr/Qv^avxeg  xo 
ovo/ja  xov  viov  xov  &eov. 

e.  Herrn.  Sim.  IX.  17,  1.  2.  4.  p.  234,  5. 

[öooöexa]  (pvXai  eloiv  al  xaxoixovoat  oXov  xbv  xoofiov. 
txTjQvy&T)  ovv  aig  xavxag  o  vlbg  xov  &sov  öid  xcöv  dno- 
oxbX.oov.  ...  ai  öoSöexa  <pvXal  avxai  al  xaxoixovoat  oXov 

xbv   xoofiov   öoiöexa  s&vr]  eiolv jtdvxa  xd  efrvtj 

xd  vjco  xbv  ovnavbv  xaxoixovvxa,  dxovoavxa  xal  jtioxev- 
oavxa  LjcI  xco  bvbf/axi  exXrj&rjGav  [xov  viov]  xov  {heov. 
Xaßovxeg  ovv  rijv  otpoayiöa  [sc.  xb  ßdxxiOf/a}. 

g.   Herrn.  Sim.  IX,  25,  2.  p.  246,  16. 

djcböxoXoi  xal  öiödoxaXoi  ol  xtjQv^avxeg  slg  oXov  xbv 
xoOf/ov  xal  ol  öiöd^avxeg  oef/voZg  xal  dyvcbg  xbv  Xbyov 
xov  xvg'iov. 

£.   Hom.  Clem.  XVII,  7.  p.  161,  20. 

elöiog  ovv  r^iäg  eiöbxag  Jtdvxa  xd  vji  avxov  Qrj&t'vxa  xal 
xdg  ujioÖel^etg  nagaoxelv  övva/jt'vovg,  slg  xd  df/ad-fj  td-vr] 


396  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

cbtooxiXXcov  t](iäq  ßajixi^siv  avxovq  slq  drpeoiv  afiag- 
xiojv,  svexsiXaxo  ?)(iii>  Jigoxegov  öiödt-at  avxovq. 

?j.  Clem.  Rom.  I,  5,  7.  p.  14,  4. 

[6  UavXoq]  öixaioövvr/v  öiödgaq  oXov  xov  xoOfiov. 

&.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  53.  p.  273  C. 

xal  ovxco  xstö&evxeq  xal  eiq  Ttäoav  oixovfiivrjv  k§eX&6vxsq 
xavxa  eöiöa£av. 

i.  Just.  Apol.  I,  39.  p.  78  AB. 

djcb  ydg  cIegovoaXt)fi  dvögsq  öexaövo  xov  dgcd-fiov  iS^X&ov 
eiq  xov  xoöfiov  ....  coq  dxtOxdXrjOav  vjtb  xov  XgiOxov 
öiöd^ai  jcdvxaq  xov  xov  &eov  Xoyov. 

x.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  53.  p.  272  D. 

6  Xgiöxoq  ovxoq  eX&cbv  öid  x65v  (ict&qxcöv  avxov  Jtefitpaq 
s(ia&r}X£Vö£v  avxovq. 

X.  Didasc.  111,  6.  p.  288. 

xal  yag  avxöq  o  öiödöxaXoq  ?][uav  xal  xvgioq  Irjöovq  t]fiäq 
xovq  öcööexa  Jtefixpaq  [lafrrjXEvöai  xov  Xaov  xal  xa  ed-vrj. 

//.  Const.  III,  6.  p.  100,  24. 

xal   ydg  xal  avxoq  o  ÖiödöxaXoq  tjftäiv  xal  xvgioq  'hjöovq 

6  Xgioxoq  fj[iäq  xovq  ömöexa  xe/iipaq  fia&ijxevöai  xov  Xaov 

xal  xd  t&VTj. 
v.  Just.  Apol.  I,  31.  p.  73  A. 

xal  xivaq  jtefiJtOfisvovq  vn    avxov  eiq  jcäv  yevoq  dvd-gm- 

jioov  xqgvt-ovxaq   xavxa  xal   xovq  e£,  £&vcjv  dv&goijiovq 

fiäXXov  avxcö  xiöxeveiv. 
g.  Just.  Apol.  I,  50   p.  86  B. 

xal    eiq    jtav    yevoq  dvfrgatütaiv  eX&ovxeq   xavxa  eöiöa^av 

xal  djcÖGxoXoi  jigoorjyogsv&rjöav. 

Auch  hier  stehen  wir  auf  urevangelischem  Boden.  Das  be- 
weisen zunächst  die  zahlreichen  Varianten,  welche  man  bei  einem 
so  wichtigen  Herren worte,  wie  der  Taufbefehl  ist,  sich  gewiss 
nicht  gestattet  haben  würde,  wenn  nicht  von  Alters  her  ver- 
schiedene Übersetzungen  des  hebräischen  Urtextes  nachgewirkt 
hätten.  Als  solche  Übersetzungsvarianten  recognoscieren  wir: 
jrogev&svxeq  (Mt.,  Mc,  Acta  Pil.  A),  jtogsvovxeg  (Eus.),  jiogsvsö&e 
(Cod.  D,  Orig.),  jtogsv&ijxe  (Acta  Pil.  B),  xe giiovxeq  (Exe.  Theod.), 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  28, 19  =  Mc.  16,  15.  397 

igsl&STS  (Agathang.,  Aphraat),  äjislfrovreg  (Epiph.),  euntes 
|Hilar.,  Vulg.),  ite  (Epkr.,  Tert),  per^ite  (Hilar.)  =  %b  und  vei> 
gleichen  dazu  aus  urevangelischen  Stellen  jroQSV&tvrsg  (Mt.  11, 4  = 
La  7,22;  Lc.  13,  22  u.  o.),  jcoqsv6(ievol  (Mt.  10,  7),  nogeveöfre  (Mt. 
10,  6;  25,  9.  41),  jcoQEvd-rjxe  (Mt.  21,  2)  =  vjtaysrs  (Mt.  11,  2  = 
Lc.  19,  30),  äjrsX&ovreg  (Mt.  14,.  15),  —  Parallelen,  welche  noch 
durch  zahlreiche  Stellen  vermehrt  werden  könnten,  ferner:  eig 
xov  xoOfiov  ajtavra  (Acta  Pil.  A,  Mc.  16,  15),  sig  ölov  rov  xoo- 
fiov  (Herrn.,  Clern.  Rom.,  Const.),  Iv  jiaoit]  rfj  oixovfiev?]  (Agath- 
ang.), eig  jtäöav  oixovftevrjv  (Justin),  in  universam  terram 
(Ephraem)  =  p^n^bia,  wie  Salkinson  in  richtigem  Sprachge- 
fühl Mc.  16,  15  rückübersetzt  — ,  sod&nn:  ßa&rjrsvtiv  (Mt.,  Justin, 
Const.,  Didasc.)  =  öiöägcu  (Hom.  Clem.,  Herrn.,  Clem.  Rom.,  Just.) 
=  TDb  =  docere  in  den  lateinischen  Texten1)  — ,  endlich  viel- 
leicht auch  xijqvöOeiv  ro  svayyiXiov  (Mc,  Const.,  Agath.)  = 
xrjQvöösiv  absoluF^ExX^heoa\7  Herrn.,  Acta  Pil.  A)  =  11B3  = 
LXX:  tvayysXl^soO-ai.  Das  fast  allen  Texten  gemeinsame  jtavra 
ra  t&vr]  und  die  Aussendung  eig  rov  xoOfiov  ccjravra  zeigt,  dass 
nach  der  Judenmission  (Mc.  6,  7—13.  Mt.  10,  23)  und  der 
Samaritermission2)  (Lc.  10,  1 — 16)  der  Missionsbefehl  Jesu, 
früheren .  Andeutungen  entsprechend  (Mt.  21,  43;  24,  14  =  Mc. 
13,  10;  Mt.  26,  13  =  Mc.  14,  9),  nun  am  Abschluss  seines  Erden- 
lebens alle  Völker  der  Erde  umfasst,  um  kraft  der  e^ovoia, 
die  ihm  über  die  Erde  gegeben  ist,  die  td-vrj  für  die  ßaöiXeia 
tojv  ovgavoZv  zu  gewinnen.  Und  wie  er  am  Anfang  seines 
Wirkens,  obwohl  lavacri  non  egens  =  ovx  exiöeofievog  Xovtqov 
=  ovx  evöeijg  rov  ßcutziö&yvai,  doch  der  Taufe  sich  unter- 
worfen hat,  so  setzt  er  in  der  Vollendung  seines  Werkes  das 
ßajrri^etv  als  Mittel  ein,  um  sich  und  seiner  freiwirkenden  egov- 
oia  die  Völker  der  Erde  zu  unterwerfen.  So  erweist  sich  nach 
allen   Seiten    Mt.  28,  19a  =  Mc.  16,  15    als    ein    urevangelischer 


1)  Wahrscheinlich  gehörte  fxa&rjtevetv  dem  Typus  der  vom  ersten 
Evangelisten  gebrauchten  Übersetzung  an.  Vgl.  Mt.  13,  52:  yQa/ifiarsiq 
fjiad-TjzevS-elq,  wo  im  Urtext  nichts  Anderes  als  •"s^s  (=  Siöaxxöq)  gestanden 
haben  kann.  Zu  der  dritten  Stelle,  an  welcher  überhaupt  noch  in  den 
Evangelien  fxa^teveiv  vorkommt,  Mt.  27,  57:  ifictd-rJTevoev  rü  7?/<ro€',  vgl. 
man  Jes.  54,  13:  rrrr  *3M^  =  SiSaxrovq  9fov. 

2)  Vgl.  oben's!  119  f. 


398  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Textbestandtheil,    welchen   der   erste   Evangelist  und   der  Autor 
des  Marcusschlusses  jeder  in  seiner  Weise  verwerthet  hat. 

Mt  28,  19b. 

A.  Canonische  Fassung. 

1.  Mt.  28,  19b. 

ßajixitpvxEq  avxovq  Elq  xb  bvofia  xov  jtaxooq  xal  xov 
viov  xai  xov  aylov  Jtvsvfiaxoq. 

B.   Aussercanonische  Fassung: 

2.  Const.  V,  7.  p.  137,  25. 

[Zaßovxeq  svxoXrjv  Jtao'  avxov  xrjgvgai  xo  Evayyiliov  elq 
oXov  xov  xooftov  xal  (ladrjxEvöai  jcavxa  xa  e&vtj  xal]  ßa- 
jc  xl  ocu 

elq  xov  avxov  fravaxov 

ejcI  av&evxia   xov   &sov   xo3v   oXcov,   oq  hoxiv  avxov 

TcaxrjQ, 
xal  fiaoxvQla  Jtvevfiaxoq,  oq  eoxi  jcaQäxXrjxoq. 

C.   Abbreviaturen. 

3.  Eus.  H.  E.  III,  5,  2. 

xov  Xqigxov  g)?]oavxoq  avxolq  Jtooevdivxeq  fia&tjxEvöaxE 
jcavxa  xa  Efrvrj  ev  xm  ovofiaxl  fiov. 

4.  Eus.  Dem.  ev.  III,  6^32. 

<pr}6aq  Jtobq  xovq  eavxov  fia&rjxäq'  Jtonev&evxsq  fia&rjxsv- 
oaxs  jcavxa  xa  e&vtj  iv  xcp  ovofiaxl  /tov. 

5.  Eus.  in  Psalm.  65,  5.  6. 

köo&T]  (iot  jcäoa  sgovola  ev  ovgavcp  xac  ejcc  xr/q  yrjq'  jco- 
Qsvovxsq  fia&r)X£v6axe  jtdvxa  xä  £&vr]  ev  xcö  ovofiaxl 
fiov. 

6.  Eus.  Laus  Constant.  XVI,  8. 

jcoqev&evxec  yovv  fia&TjXEvöaxE  jcavxa  xa  e&vij  ev  xm 
ovofiaxl  fiov,  cp/jdaq  avxolq. 

7.  Herrn.  Vis.  VIII,  7,  3.  p.  46,  1. 

&Elovx£q  ßajtxio&TJvai   Elq  xb  bvofia  xov  xvq'iov. 

8.  Jiö.  IX,  5. 

oi  ßajcxiG&t'vxEg  Elq  bvoua  xvq'iov. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  28,  19.  399 

9.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  39.  p.  258  A. 

xivdq  {la&r/xsvofisvovq  slq  xo  ovofia  xov  Xqioxov  avxov. 

10.  Euchologion    Goar   p.  356   cf.   Cyrill.  Mvstag.  III,  1.  p.  315. 

(Migne  XXXIII,  1088). 
slq  Xqioxov  ßsßanxiO^ivoi  xal  Xqioxov  svövodtusvot. 

11.  Const.  V.  16.  p.  148,  7. 

ßaxxiG&svxsq  yctQ  slq  xov  xov  xvq'iov  ftdvaxov. 

12.  Const.  VI,  15.  p.  175,  3. 

ßajixiOftaxi  hvl  ccqxsIO&s  fiövro  xw  slq  xov  &avaxov  xov 
xvq'iov  ösdofisvai. 

13.  Const.  VI,  23.  p.  187,  9. 

sv  fiövov  Öovq  ßäjcx iGfia  xo  slq  xov  avxov  ftdvaxov. 

14.  Const.  VII,  22.  p.  207,  4. 

o  de  slq  xov  avxov  fravaxov  fivovfisvoq. 

15.  Const.  VII,  25.  p.  209,  2.  {Aiö.  IX,  5.) 

oi  ßsßajcxiOfiivoi  slq  xov  xov  Xqioxov  ddvaxov. 

16.  Const.  VIII,  7.  p.  242,  16. 

[iv?]&svxaq  slq  xov  xov  Xqioxov  &dvaxov. 

17.  Ps.-Ignat.  ad  TraU.  II,  p.  184.  4. 

xioxsvovxsq  slq   xov  ftdvaxov  avxov  öid  xov  ßajiiG[iaxoq. 

18.  Ps.-Ign.  ad  Philipp.  I.  p.  216,  14. 

sv  öh  xal  xo  ßdjix löfia  xo  slq  xov  tidvaxov  xov  xvqIov 
öiaötöofisvov. 

D.   Liturgische  Formulierungen. 
I.   Bei  der  Taufe. 

19.  Jiö.  VII,  3. 

sxysov  slq  xr\v  xscpaX/jv  XQiq  vÖcoq  slq  ovofia  jcaxQoq 
xai  viov  xai  ayiov  jtvsvytaxoq. 

20.  Just.  Apol.  I,  61.  p.  93  A.  94  A. 

sjisixa  dyovxai  vtp  Tjficöv  svfra  vöwq  loxl,  xal  xqojiov 
dvaysvvrjoscoq,  ov  xal  ?](/siq  avxol  dvsysvv//ft?if/sv,  dva- 
ysvväjvxai'  sji  ovöf/axoq  yaQ  xov  jtaxQoq  xwv  oXmv 
xal  ösojcoxov  &sov  xal  xov  ocoxrjQoq  rjtumv  Irjoov  Xqi- 
oxov xal  jcvsvfiaxoq  ayiov  x<)  sv  xm  vöaxi  xoxs  Xov- 
xqov  xoiovvxai. 

21.  Just.  Apol.  I,  61.  p.  94  D.  E. 

sv  xcö  vöaxL  sjtovo[idC,sxai  xco  s1o[isvcq  dvaysvvrj&iji'ai  xal 


400  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

fisravoy'jöavTi    ejcl    xolq    f<jluaQT?]fJtvoic    xo    xov    jcaxgoq 

xcöv  öXcov  xal  öeGJtoTov  &eov  ovofia xai  an   ovo- 

fiaxoq  deo  Irjoov  XgiGxov  xov  Gxavgco&evxoq  em  IIov- 
xiov  tliXäxov,  xal  eji  ovöfiaxoq  nvevfiaxoq  dyiov,  o 
öia  xcöv  ngotprjxcöv  XQnexrjQv^E  xd  xaxct  rov  yJt]Govv  Jtdvxa, 
o  g)G>TiC,6/j£i>oq  Xovexai. 

22.  Orig.  de  princ.  I,  1. 

salutaris  baptismus  non  aliter  nisi  excellentissimae  omnium 
trinitatis  auctoritaie,  id  est  patris  et  filii  et  Spiritus 
sancti  cognominatione  compleatur. 

23.  Hom.  Clem.  IX,  23.  p.  100,  13. 

xai  xgiGftaxagia    tJtovof/aola  slq  dcptGiv  dftagxicöv  ßa- 

JlTlöäflEVOl. 

24.  Doctr.  Addai  ed.  Philipps,  p.  20. 

Denn  so  ist  uns  von  ihm  befohlen,  dass  wir  taufen  und 
absolvieren  diejenigen,  welche  glauben  an  den  Namen  des 
Vaters  und  des  Sohnes  und  des  heiligen  Geistes. 

25.  Const.  VII,  43.  p.  226,  12. 

tvyagiGxcöv  axxcö  xqö  dvadt'£,aG&ai  avxov  xov  vjtsg  xdvxcov 
frdvaxov  öia  rov  oxavgov,  ov  xvjiov  eöcoxz  xo  ßdjtxiGfia 
xrjq  jiaXiyyeveGiaq,  dogdC.ei  xe  ort  kv  xcö  ovofiaxi  xov 
XgiGxov  1) eöq  o  xcöv  ÖXcov  xvgioq  kv  dyico  jcvevfiaxi 
ovx  dntggitye  xo  xcöv  dv&gwjccov  yevoq. 

II.   Bei  der  Eucharistie. 

26.  Just.  ApoL  I,  65.  p.  97  D. 

ejteixa  ngoGcptgexai  xcö  jrgoeGxcöxi  xcöv  ddeXcpcöv  dgxoq 
xal  jioxi'iqiov  vöaxoq  xai  xgdfiaxoq,  xal  oxoq  Xaßcbv  aivov 
xal  öö^av  xcö  jtaxgl  xcöv  ÖXcov  öia.  xov  ovofiaxoq  xov 
vlov  xal  xov  jtvevftaxoq  xov  ay'iov  dvajtäfixei  xal 
svxctQiGxiav. 

III.   Bei  den  täglichen  Gebeten. 

27.  Just.  Apol.  I,  67.  p.  98  C. 
km  üiolGi  xs  oiq  jrgoG<p£g6(ie&a  evXoyovfisv 

xov  jcoirjxrjv  xcöv  Jidvxcov 

ötä  xov  vlov  avxov  iIr\Gov  XgiGxov 

xal  öid  jtvevfiaxoq  dyiov. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  28,  19.  401 

28.  Hymnus  vespertinus  Graecorurn  vel  saeculo  secundo  vel  certe 

tertio   compositus.    Usserius.    Diatribae   de   synibolis   ap. 
Routh.  III,  515—520. 

Y^ivog  sOjcsqivoc. 
<Pwg  iZagov  ayiag  öo^rjg  dd-avdxov  Jtaxoög,  ovgaviov,  ayiov, 
fiäxagog,  'irjöov   Xqioxe'    sZ&ovtsq  im    xov    ?ßiov    övoiv, 
iöövxsg  <pä>g  egjieqivov,  vfivovfisv 
jiaxEoa 
xal  vlov 

xal  ayiov  xvevfia  &sov. 
"Agiog  ei  kv  jtäoL  xaigolg  vfivElo&ai  ycovaig  ooiaig,  vll  #£ou, 
C(o?)v  o  öiöovg'  616  o  xoöfiog  oe  Öo^d^ei. 

29.  Basilius  M.    De  spiritu  saneto  c.  29. 

eöogs  rolg  xaxQaGiv  ?j{icöv  (i?)  oicojitj  xt)v  yäoiv  r°v  ^gjte- 
qlvov  ö£xEG&cu,  alX  evfrvg  <pavevxoq  EvxaQiGxelv.  xal  ooxig 
f/ev  o  ütaxrjQ  xdiv  Qijfiaxcov  exdvcov  xtjg  kxiXvyviov  Evya- 
QLöxiag  djtslv  ovx  Eyofi-ev '  o  (iev  xot  o  laog  doyaiav  acpbjöi 
x?)v  cpmvTjv,  xal  ovöevI  jccojtoxs  aGEßslv  svofiiG&tjGav  ol 
Xtyovxeg'  alvovtUEV 

jtaxEQa 

xäi  vlov 

xal  ayiov  JtVEVfia  fttov. 

E.   Patristische  Parallelen. 

30.  Clem.  Rom.  I,  46,  6.  p.  76,  8. 

tva  &e6v  iyofiEV  xal  Eva  Xqigxov  xa)  ev  JtvEvua  zrjg 
ydoixog  xo  ixyy&EV  sep'  tjfiäg. 

31.  Clem.  Rom.  I,  42,  3.  p.  68,  1. 

jiaoayyEllag  ovv  Zaßovxsg  xal  jiZriQo<poQT}&EVXEg  6id  xtjg 
avaöxaöEcog  xov  xvqlov  'Itjgov  Xqigxov  xal  jriGxm^EV- 
xeg  kv  xcö  löym  xov  &eov,  fisxd  jiZrjQog)ogiag  jtvtvtua- 
xog  ayiov  st-r/Zfrov  EvayyEh^öfiEvoi  xt)v  ßaOiZsiav  xov 
frtov. 

32.  Clem.  Rom.  I,  58,  2.  p.  96,  12. 

C>/  yaQ  6  &Eog  xal  Crj  6  xvQiog  'IijGovj.  Xoioxog  xal 
xo  jcvEvua  xb  ayiov. 

33.  Ign.  ad  Eph.  IX,  1.  p.  14,  6. 

yxotfiaofiEvoi  dg  olxoöotrrjv  Q-sov  xaroog,   avacpeQOfiEVOi 

Texte  u.  Untersuchungen  X,  8.  26 


402  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

elg  xd  vipt]  Öid  xr\g  (irjxavfjg  'iqöov  Xgioxov,  6g  eoxiv 
oxavgog,  öxoivlcp  XQ<®{*ei;OL  xm  jcvevfiaxi  xm  dylco. 

34.  Ign.  ad  Magn.  XIII,  1.  p.  40,  14. 

ev  vicp  xal  jtaxgl  xal  ev  jcvevfiaxi. 

35.  Ign.  ad  Magn.  XIII,  2.  p.  40,  7. 

vjioxdyrjxe  xm  emoxcjim  xal  aXXr/Xoig,  mg  o  Xgiöxbg  xm 
jiaxgl  xaxd  odgxa,  xal  ol  anboxoXoi  xm  Xgioxm  xal  xm 
jtaxgl  xal  xm  Jivev  fiaxi. 

36.  Ign.  ad  Philad.  p.  70,  2. 

'Iyvdxiog  o  xal  0eo<p6gog,  IxxXrjOia  &eov  naxgbg  xal  xv- 
giov  'ItjGov  Xgioxov  .  .  .  ev  ofiovoia  &eov  .  .  .  ev  ai'fiaxi 
'ItjGov  Xgioxov  ...  ev  ßeßaimövvy  xm  aylm  avxov 
xvevy.axi. 

37.  Aiö.  VII,  1. 

jtegl  de  xov  ßajtxiOfiaxog  ovxm  ßajtxioaxe  xavxa  nävxa 
xgoetxovxeg  ßajtxioaxe  elg  xo  bvo.(ia  xov  Jiaxgoq  xal 
xov  vlov  xal  xov  dy'iov  xvevfiaxog  ev  vöaxi  C,mvxi. 

38.  Aristid.  Apol.  c.  2.  p.  9.  ed.  Hennecke 

ol  öe  Xgtoxiavol  yeveaXoyovvxai  äjcb  [xov  xvgiov]  Irj- 
öov  Xgioxov'  ovxog  de  [6]  vibg  xov  &eov  xov  vtyiöxov 
ofioXoyelxai  ev  jivevfiaxi  aylm. 

39.  Just.  Apol.  I,  13.  p.  60  CDE. 

xov  6r\pLiovgybv  xovöe  xov  navxbg  oeßofievoi xov 

öiödoxaXov  xe  xovxmv  yevbfievov  tjfüp  xal  eig  xovxo  yev- 
vTj&tvxa  yJrjOovv  Xgioxov,  xov  oxavgmfrevxa  ejtl  IIov- 
xiov  üiXdxov,  xov  yevo^evov  ev  'lovöaia.  ejil  xQOvoig  Ti- 
ßegiov  Kaloagog  ejtixgojtov,  vlov  avxov  xov  ovxog  &eov 
fiad-ovxeg  xal  ev  öevxega  x™QV  sxovxeg,  nvevpid  xe 
jigo(pt)xixbv  ev  xgixrj  xd§u  oxi  pexä  Xoyov  xifimfiev  ano- 
Öei^ofiev. 

40.  Just.  Apol.  I,  6.  p.  56  BC. 

xal  ofioXoyovf/ev  xoäv  xoiovxmv  vofii^oftevmv  &emv  a&eoi 
elvai,  aXX    ovxi 

xov   aXrj&eoxdxov  xal  Jiaxgbg  öixaioovvrjg  xal  öcocpgo- 
övvTjg  xal  xmv  aXXmv  dgexmv,  dvejcifiixxov  xe  xaxlag 
&eov, 
aXX*  exelvbv  xe  xal  xov  nag    avxov  vlov   eX&ovxa  xal 

diddt-avxa  t/fiäg  xavxa,  .  .  . 
xvevfid  xe  xo  xgo(p7]xixdv  oeßöf/e&a  xal  jtgoöxvvovf/ev. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  28,  19.  403 

41.  Just.  Apol.  I,  63.  p.  96  C. 

Jovöcüot  ovv  tfy?]Gatu£voi 

ad  rov  jtartQa  roZv  oXcov  XtXaXtjxtvai  reo  Mcqvöei, 

rov  XaXrjoavroq  avrm  ovroq  vlov  rov  fteov 

öixaiatq  hXiyfovrai  xal  öid  rov  jrQog)?/rixov  xvzvfiaroq 

xai    öid    avrov    rov  XocGrov    ooq    ovre  rov  jtartga   ovrs 

rov  vlov  tyvcooav. 

42.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  32.  p.  249  E. 

Iqcö  vfiiv  xal  aXXovq  Xoyovq  .  .  .,  Ig  cov 
xal  xvqiov  rov  Xoioröv 
vjtb    rov    äylov    jtQog>?]rixov    jtvsvfiaroq    Xtyoftevov 

votjösre, 
xal  rov  xvqiov  jrdvrojv  jeartga. 

43-  Mart.  Polyc.  c.  14.  p.  154,  6. 

xvqie  o  frEoq,   o   jtavroxcjarcoQ,   o  rov  äyajirjrov  xal  sv- 

Xoytjrov  jtaiöoq  Oov  I?]Oov  Xoiörov  jcart'jQ, 

tv  cKpfraoGia.  jrvEVfiaroq  aylov. 

44.  Martyr.  Polyc.  c.  22.  p.  166,  3. 

xm  xarä  xb  evayytXiov  Xoym  'bjöov  Xqigxcq,  (ie&}  ov  tj 
öo£a  xm  d-ecb  xal  jcarQl  iv  aylcp  Jiveviiari. 

45.  Athenag.  Leg.  c.  10.  p.  11,  5.  ed.  Scliwartz. 

bvroq  öe  rov  vlov  iv  jcaxQl  xal  jtaxQoq  evvlcö  tvbx?]xi 
xal  övvdfiei  Jivti  iiaroq. 

46.  Athenag.  Leg.  c.  10.  p.  11,  19. 

&e6v  jtartQa  xal  vlov  &tbv  xal  xvevfia  dyiov. 

47.  Athenag.  Leg.  c.  12.  p.  13,  20. 

äötvai,  riq  tj  rov  jtaiöoq  jiQoq  rov  jearepa  \vorr\q,  riq 
tj  rov  jxargoq  jtQoq  rov  vlov  xoivcovia,  rl  rb  Jtvevfta, 
riq  Tj  rcöv  rooovrov  tvoiGiq. 

48.  Athenag.  Leg.  c.  12.  p.  13,22. 

xal  diaigsöiq  Ivovfit'vcov ,  rov  Jivtvfiaroq,  rov  jtaiöoq, 
rov  jeargoq. 

49.  Athenag.  Leg.  c.  24.  p.  31,  19. 

frebv  (patuev  xal  vlov  rov  Xöyov  avrov  xal  jtveifta 
äyiov. 

50.  Athenag.  Leg.  c  24.  p.  31,  2(1. 

roi'  jcari{ta,  rov  vlov,  rb  jivsüua. 

26* 


404  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

51.  Clem.  AL  Paed.  I,  6,  42.  p.  123. 

co  &avfiaxoq  fivoxtxov'  siq  fisv  o  xcöv  oXcov  JtaxrjQ,  siq 
6h  xal  6  xcöv  oXoov  Xöyoq,  xal  xo  jtvsvtua  xo  äyiov  sv  xal 
xb  avxo  jcavxaxov. 

52.  Clem,  AI.  Eclog.  proph.  §  13.  p.  992. 

jiccv  gr/fta  Xaxaxai  km  ovo  xal  xqicöv  (iccqxvqcov,  kxl 
jiaxgoq  xal  vlov  xal  aylov  jcvsvfiaxoq,  kcp'  cor  ftag- 
xvqcop    xal    ßoTjfrcov    al    kvxoXal    Xeyoftsvai    cpvXdoosö&ai 

OCpSlXovOlV. 

53.  Clem.  AL  Eclog.  proph.  §  29.  p.  998. 

xcöv  yctQ  svxQt)Oxa)v  xal  avayxalcov  slg  OcaxrjQiav,  olov  Jia- 
XQoq  xal  vlov  xal  aylov  jivsvfiaxoq. 

54.  Pseudo-Clem.  de  Virginitate  I,  4. 

vitam  vivat  divinam  coelestemque  in  pura  sanctaque  opera- 
tione  et  in  sanctificatione  Spiritus  Dei  atque  ut  Deo  om- 
nipotenti  serviat  per  Jesu  in  Christum  propter  regnum 
coelorum. 

55.  Didasc.  II,  26.  p.  260  ed.  Lagarde. 

o  yao  sjtiöxojtoq  JiQoxa&st^tG&a)  vficöv  kv  &sov  xojcop, 

o  6s  öiäxovoq  jiaoioxao&a)  avxcö  coq  o  Xoiöxoq, 

rj   6h  6idxovoq  siq  xvjcov  aylov  Jtvsvftaxoq  xsxifirjö&co 

VfltV. 

56.  Didasc.  IV,  5.  p.  298. 

6taxovlav  ayiav  xal  6sxxr\v  6sl  JtQOötpsQSiv  svcomov  xov 
jiavxoxQäxoQoq  &sov  6id  xov  ryajirjfisvov  vlov  xal  jivsv- 
(taxoq  ayiov,  ob  r)  66%a  siq  xovq  aicövaq. 

57.  Didasc.  V,  6.  p.  305. 

moxsvsiv  siq  xov  xvqlov  rj ficöv  Xqiöxov  xal  siq  &sov 
xov  TiaxsQa  avxov,  xov  xvqlov  xov  üiavxoxoäxoga,  xal 
siq  xo  ayiov  avxov  Jtvsvfia,  olq  r\  66§a  siq  xovq  aicövaq. 

58.  Didasc.  VI,  14.  p.  326. 

xavxr/v  x?)v  xa&oXixrjv  6i6aoxaXlav  siq  kjtiöxrjQiyfiov 
v/jcöv,  kv  ?]  6>jXov(isv  vfilv  d-sov  jiavxoxgaxoga  ösßsiv  xal 
l?]öovv  Xqioxov  xal  xd  ayiov  Jivsvfia,  xal  xalq  isgalq 
ygacpalq  iQr\o^ai. 

59.  Didasc.  VI,  30.  p.  338. 

xqo    sQxofisvcp   kv   6vvätust    xal  66&]    xglvai    vsxgovq    xal 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  28,  19.  405 

Ccovxaq  avxco  xal  xcö  jiaxgl  avxov  xal  xcö  ay'ico  jtvsv- 
fiaxi,  oq  i]v  xal  köxl  xal  söxai,  xo  ösßaq  xal  ?]  fisyaXa)- 
övvrj  xal  tj  6ÖB,a,  xal  vvv  xal  slq  xovq  alcövaq. 

60.  Const.  VI,  15.  p.  175,8. 

coq  ydg  slq  6  d-soq 

xai  siq  o  XQiöxbq 

xal  slq  o  jiagdxXrjxoq, 
siq  ös   xal   o  xov  xvglov   sv  öcojtaxi  frdvaxoq,  ovxcoq  sv 
toxco  xal  xo  slq  avxov  ösöofisvov  ßdütxiöfia. 

61.  Const.  VI,  15.  p.  175,  21. 

aösßovöiv  slq  xov  djroöxsiXavxa, 
slq  xov  Jtaftovxa, 
slq  xov  (lagxvgrjöavxa. 

62.  Const.  VI,  18.  p.  178,  7. 

ol  xal  'lovöalcov  övöösßsöxsgoi  xal   EXXr/vcov  dd-scoxsgot, 
ol  frsöv  xov  ejtl  jcdvxcov  ßXaöcpmiovvxsq 
xal  xov  viov  avxov  xaxaxaxovvxsq 
xal  xrjv  öiöaöxaXiav  jcvsvfiaxoq  öiajtxvovxsq. 

63.  Const.  VII,  22.  p.  206,  11. 

xov  axoöxsiXavxoq  jtaxgöq, 

xov  sX&ovxoq  Xgiöxov , 

xov  fiagxvgtjöavxoq  jcagaxXrjxov. 

64.  Const.  VIII,  5.  p.  237,  25. 

o  &soq  xal  jtaxfjg o  örjfiiovgydq  xcöv  oXatv 


öid  xrjq  svödgxov  jtagovöiaq  xov  Xgiöxov  öov 
vjto  fiägxvgi  xqö  jtagaxXr\xcp. 

65.  Const.  VIII,  6.  p.  240,  27. 

o  frsoq  xal  xaxrjg  xov  Xgiöxov  ....  xal  xcöv  oXcov  xvgioq, 

o  xov  üiagaxXrjxov  jcgoßoXsvq,  .  .  . 

0  öiä  Xgiöxov  ÖiöaöxdXovq  xovq  (la&tjxdq  sjciöx/joaq. 

66.  Pseudo-Ign.  ad  Philipp.  I.  p.  216,  11. 

siq  söxlv  o  xcöv  oXcov  &s6q  6   Jtaxtjg  xov  Xgiöxov,  ig 

ov  xd  jcdvxa, 
siq  6s  xal  o  xvgioq  tjficöv  Itjöovq,  o  xcöv  oXcov  xvgioq, 

6t'  ov  xd  jidvra, 


406  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

ev  de  xal  jtvevfia  ayiov,  xb  eveoyrjoav  ev  Mcoofj  xal 

jigo<pr}xaiq  xal  ajiooxoXotq, 
ev  6s  xal  xb  ßajtxiöf/a. 

67.  Pseudo-Ign.  ad  Philad.  IV.  p.  232,  26. 

elq  dyevvrjxoq,  o  &ebq  xal  jtaxrjQ, 
xal  eiq  [iovoyevrjq  vlbq,  &ebq  Xbyoq  xal  dvfrQconoq, 
xal  siq  o  jiaoäxXtjxoq,  xb  Jtvevfia  xrjq  aXiföeiaq, 
.  .  xal  xb  ßäjcxtOfia  %v. 

68.  Pseudo-Ign.  ad  Philad.  V   p.  236,  6. 

eiq  yag  o  d-ebq  jiaXaiäq  xal  xaivf\q  dia&/]xi]q, 
elq  o  iieöix?]q  &eov  xal  av&Qoojiojv,  .... 
eiq  de  xal  o  JiaodxXrjXoq,  6  kveoyrjOaq  ev  Mcooij  xal  jiqo- 
<pr\xaiq  xal  djtoöxbXoiq. 

69.  Pseudo-Ign.  ad  Philad.  IX.  p.  240,  11. 
dyioq  o  xagdxXrjxoq, 

xal  ayioq  o  Xbyoq,  b  xov  Jtaxgbq  vloq,  öl    ov 

b  JcaxJ]Q  xd  jidvxa  jcejtoirjxev  xal  xcöv  oXcov  itoovoel. 

70.  Pseudo-Ign.  ad  Heronem  VII.  p.  270,  5. 

otagayyeXXo  ooi  ejcl  xov  &eov  xcöv  öXoav 

xal  ejcl  xov  Xqlöxov  jcaobvxoq 
xal  xov  ayiov  jivevfiaxoq. 

71.  Pseudo-Ign.  ad  Eph.  XX.  p.  288,  1.  3. 
oxfjxexe  .  .  .  .  ev  fiia  nioxei 

&eov  Jtaxobq 

xal    'Irjöov    Xqiöxov,     zov    fiovoyevovq    avxov 

vlov,  .  .  . 
t<poöijyov(j,evoi  vjtb  xov  jtaQaxXrjxov. 

72.  Agathangelus  c.  148.  p.  15.  ed.  de  Lagarde. 

xal  eßdjcxiöe  Jtdvxaq  bfiov  ev  ovbfiaxi  JtaxQoq  xalvlov 
xal  ayiov  Jivevfiaxoq. 

73.  Apoc.  Mosis  c.  43.  p.  23  ed.  Tischendorf. 

dytoq,  dyioq,  dyioq  xvgioq  elq  dbgav  &eoi  ütaxQoq.  oxi 
avxcö  Jigexei  66§a,  Xi/irj  xal  jiQoßxvvrjöiq  6vv  xcp  avagxco 
xal  C,a>ojiotop  avxov  jtvevfiaxi  vvv  xal  del  elq  xovq 
aloövaq  xcöv  aloövoov.    dfirjv. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  28,  19.  407 

F.   Haeretische  Parallelen. 

I.   Im    wesentlichen   Gleichlaute   mit  dem   canonischen 

Texte. 

Ebioniten. 

74.  Hom.  dem.  XI,  26.  p.  117,  2. 

ovtcoq  yag  rjfilv  wfioOev  o  jrQ0<p?'jxt/q  eljrwv  aftrjv  vfilv 
Xtyco,  eäv  f/rj  ävayevvrj&ijxe  vöaxi  C,c5vxi  elq  ovofia  jta- 
xgoq,  vlov,  aylov  xvevfiaxoq,  ov  (irj  eloeX&rjxe  eiq  xr/v 
ßaoiXelav  xwv  ovoavcöv. 

75.  Recogn.  Clem.  I,  63. 

Aliter  enim  nullo  modo  eos  ostendi  posse  salvari,  nisi  per 
sancti  Spiritus  gratiam  trinae  invocationis  dilui  baptismate 
properarent. 

76.  Recogn.  Clem.  III,  67. 

Baptizabitur  autem  unusquisque  vestrum  in  aquis  perenni- 
bus  nomine  trinae  beatitudinis  invocato  super  se. 

77.  Recogn  Clem.  IV,  32. 

ut  in  praesenti  quidem  tempore  diluantur  peccata  vestra 
per  aquam  fontis  aut  fluminis  aut  etiam  maris,  invocato 
super  vos  trino  beatitudinis  nomine. 

Montanisten. 
78".  Epiph.  Haer.  XLVIII,  1.  p.  402  D. 

jtsgl  6h  jiaxooq  xal  vlov  xal  aylov  jcvevfiaxoq  opoloq 
(pQovovöi  rfj  ayla  xa&ohxf]  txxXrjola. 

79.  Philastr.  c.  49.    Corpus  haereseolog.  ed.  Ohler  p.  51. 

Alii  autem  post  istos  surrexerunt,  Cataphryges,  in  Phrygia 
provincia  habitantes.  Isti  prophetas  et  legem  accipiunt, 
patrem  et  filium  et  spiritum  confitentur,  carnis  resur- 
rectionem  exspectant. 

Valentinianer. 
{fj  avaxolixi]  öiöaöxalla) 

80.  Exe.  Theod.  §  76.  ap.  Clem.  AI.  p.  987. 

xal  xolq  anoOxbloiq  kvtiXXsraf  jreoiiövxsq  xtjQVOOexe  xal 


408 


Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Alt.  und  Mc. 


xovq  jruöxsvovxaq  ßajtxiC,Exs  slq  ovo [ta  jiaxooq  xal  viov 
xal  ayiov  nvsvpiaxoq'  slqovq  dvaysvvmfiE&a  xcöv  Xoincöv 
övväusmi'  ajtaocov  vjiEoäva)  ytvbf/Evoi. 

81.  Exe.  Theod.  §  80.  ap.  Clem.  AI.  p.  987. 

öia  ydg  xaxgoq  xal  viov  xal  ayiov  jtvevparoQ  6<pga- 
yiofrelg  avEJiiXrjjixöq  egxi  jidor]  xfj  aXXrj  övväfisi  xa\  öia 
xgimv  ovofidxatv  jtdoijq  xr\q  iv  (pdogä  xgidöoq  djtrjXXdyr). 

Kolarbasier. 

82.  Epiph.  Haer.  XXXV,  1.  3.  p.  262  A. 

xijv  xEXeiav  ex  &eov  XaßEiv  idgiv  xal  yvcöoiv  jiag'  avxov 
xov  OcoxrJQoq  öia.  jcvEVfiaxoq  ayiov. 

Enkratiten. 

83.  Acta   Pauli   et   Theclae   ed.   Tischendorf.    Acta  apostolorum 

apoerypha  p.  42. 
fiaxdgioi  ol  xb  ßänxiöfia  xaßagbv  xrjgi)oavxEq,  oxi  avxol 
dvanavOovxai   jegoq    xov    jtaxEga  xal  xov  viov  xal   xb 
dytov  jcvEv/ta. 

Priscillianisten. 

84.  Priscill.  Tractat.  II.  p.  37.  ed.  Schepss. 

baptizantes  sicut  scriptum  est:  in  nomine  patris  et  filii 
et  spiritus  saneti. 

IL    Unitarisch-monarchianische  Umdeutungen 
von  Mt.  28,  19. 

Noetianer. 

85.  Epiph.  Haer.  LVII,  3.  p.  481 D. 

ovxoq  de  [sc.  6  Norjxoq]  jidXiv  aXXt/v  axoöxqxa  f/ovozvjtcoq 
xov  avxov  jtaxtga  &eov  xal  viov  xal  ayiov  jcvev/ia  iv 
oagxl  Tcejtovfroxa  xal  yevvrjfrtvxa  rjyrjodfievoq. 

Paulus  von  Samosata. 
86    Epiph.  Haer.  LXV,  1.  p.  608  A. 

rpäöxEi  ös  ovxoq  &eov  jtaxtga  xal  vlbv  xal  ayiov 
jtvsvfia  Iva  &sov,  iv  &£tfi  öh  dsl  bvxa  xov  avxov  Xöyov 
xal  xb  jcvsvfia  avxov,  wöjceq  ev  dv&go)xov  xagöia  b  löioq 
Xoyoq. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  28,  19.  409 

Sabellianer. 

87.  Epiph.  Haer.  LXII,  2.  p.  51 4 AB. 

xr\v  de  Jtäoav  avxwv  xlävi]v  xal  x?)v  xrjq  JtZdvrjq  avxcov 
övvctfiiv  exovoiv  eg  äjtoxovtycov  xivcöv,  /xdXiOxa  djto  xov 
xalovy.ivov  Alyvnxiov  evayysZiov,  co  xivsq  xo  ovofia ijtt- 
&£vro  xovxo.  ev  avrcp  yao  jioXXa  xoiavxa  coq  tv  Jtaoaßvoxcp 
fivöxrjQicoöcög  ex  jiqogcojiov  xov  6<ox?jQoq  dvacpegexai,  coq 
avxov  örjXovvxoq  xolq  (la&rjxalq  xov  avxov  tivcu  jraxsoa, 
xov  avxov  eivai   viöv,   xov  avxov   eivai  dyiov  jcvtvfia. 

Ungenannte  Unitarier. 

88.  Pseudo-lgn.  ad  Trall.  c.  VI.  p.  186,  23. 

xcviq  ös  avxmv  .  .  .  Xe'yovöi"  xavxov  öh  etvai  oiaxtna. 
xal  vlov  xal  ayiov  Jtvevfia. 

Priscillianisten. 

89.  Augustini  liber  de  haeres.  c.  70.   Corpus  haereseolog.  ed.  Öhler 

I.  p.  218. 
De  Christo  Sabellianam  sectam  tenent,  eundem  ipsum  esse 
dicentes  non  solum  filium,  sed  etiam  patrera  et  spiritum 
sanctum. 

90.  Praedestinati  liber  1    qui  est  de  haeresibus.   c.  70.     Corpus 

haereseolog.  p.  259. 
Trinitatem     autem    sicut    Sabelliani    ipsum    sibi    patrem, 
ipsum   sibi  filium,   ipsum  sibi    sanctum    spiritum    con- 
fitentur. x) 

III.   Haeretische  Abwandlungen. 

Ungenannte  Haeretiker. 

91.  Celsus  ap.  Orig.  c.  Cels.  VII,  9. 

xqÖx^iqov  l.xdoxcp  xal  ovvrj&eq  stycelv  syco  o  &eoq  ri,ui  rj 
&£ov  jtalq  t]  jcvevfia  &elov. 

Simon  Magus. 

92.  Hieron.  in  Mt.  24. 

Simon:  Ego  sum  sermo  Dei,  ego  speciosus, 

1)  Vgl.  hierzu  Agrapha  S.  467  f,  wozu  man  bemerken  wolle,  wie  durch 
obige  Citate  87.  89.  90  der  Gebrauch  des  Aegypterevangeliuins  bei  den 
Priscillianisten  ausser  Zweifel  gesetzt  ist. 


410  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

ego  Paracletus, 
ego  omnipotens, 
ego  omnia  Dei. 

93.  Iren.  I,  23,  1. 

Hie  igitur  a  multis   quasi   Deus  glorificatus   est,   et  doeuit 

semetipsuin  esse, 

qui  inter  Judaeos  quidem  quasi  Filius  apparuent, 
in  Samaria  autem  quasi  Pater  descenderit, 
in  reliquis  vero  gentibus  quasi  Spiritus  sanetus  adven- 
taverit. 

Montanus. 

94.  Didym.  AI.  de  trin.  III,  41.  p.  445. 

Movxavog  yäg,  cptjoiv,  eixsv  kya>  sifii  o  naxqg  xal  6 
vi  6  g  xal  6  jtagdxX?jxog. 

Valentinus. 

95.  Iren.  I,  2,  5. 

jtäXiv  ixigav  jtgoßaXeod-ai  6vC,vylav,  xaxä  jtgofirj&etav  xov 
jcaxgog,  l'va  fi?j  ofiolcog 

xavx?]   jta&r]    xig  xcöv  Almvoov   XgiOxov  xal   Jtvsvfia 
dyiov, 
slg  xfjfyv  xal  oxrjgiy/iov  xov  UXrjgmfiaxog. 

96   Iren.  I,  3,  1. 

e£  dycövoq  Ovf/jii]S,ig  xal  r\  xov  Jigmxov  XgiOxov  övv  xq~> 
jcvevfiazi  xm  aylcp  ex  fiexavolag  vjto  xov  xaxgog  avxmv 
fisxaysveoxega  xcöv  alcovatv  yevsoig. 

97.  Ir.  I.  21,  3  =  Epiph.  Haer.  XXXIV,  20.  p.  255  D. 

aXXoi  6h  'Eßga'ixa  xiva  ovofiaxa  exiXtyovoi,  xgog  xo  [iäX- 
Xov  xaxanXrfcai  xovg  xeXeiovfievovg,  ovxcog' 

ßaCsfiä  xttftoOöi} 

ßaaiavovgä 

fiiOxaöia  govaöä  xovOxd 
ßa<poybg  [ßaßo<pog]  xaXay&d. 

98.  Iren.  I,  21,  3  =  Epiph.  Haer.  XXXIV,  20,  p.  255  D. 

xovxcav  d'  rj  tgfirjvsia  eoxl  xoiavxy 

xo  vjthg  jtaoav  övvafiiv  xov  xaxgbq 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  28,  19.  411 

sjtixaXovfiat  <pcög  ovofiaC,6fisvov 
xal  Jivsvfia  aya&ov  xal  £cor}, 
oxt  sv  Gwfiaxi  sßaölXsvöag. 

99.  Iren.  I,  21,  3  =  Epiph.  Haer,  XXXIV,  20.  p.  255 D.  256A. 
aXXoi  xdXiv  xr\v  Xvxqodöiv  sjciXsyovöiv  ovroag' 

xo  ovofia  xo  ajtoxsxQVfifisvov  djto  Jtdörjg  frsoxrjxog 
xal  xvQiöxtjxog  xal  dXrj&siag,  o  svsdvöaxo  'Ifjöovg  o  Na- 

C,aQrjvog 
sv  xalg  C,coalg  xov  gxoxog  xov  Xqiöxov,  Xqiöxov  £cövxoq 
öiä  scvsvfiaxog  aylov 
sie  Xvxqvoöiv  dyysXixr/v,  ovofia  xb  xfjg  dxoxaxaöxäösmg. 

10.0.  Iren.  I,  2,  6  =  Epiph.  Haer.  XXXI,  13.  p.  179  A. 

xo  xäv  ÜXijQWfia  xwv  Alcbvmv  övvsvöoxovvxog  xov  Xqi- 
öxov xal  xov  3ivsvy.axog,  xov  6s  Jtaxobg  avxöiv  övv- 
sjciowQayc^Ofisvov. 

Kolarbasier. 

101.  Iren.  I,  12,  4  =  Epiph.  Haer.  XXXV,  1.  p.  259  C. 

ol  6s  vjio  xov  Xqiöxov  xal  xov  aylov  jtvsvfiaxog  sig 
öx)'/Qiy(/a  xov  jiXrjQWfiaxog  ysyovt'vai  Xtyovöiv  avxov   xal 
öid  xovxo  Xqiöxov  ?Jysö&ai  avxov,  xr\v  xov  xaxQog, 
dg>'  ov  jtQosßXy&t),  6iaöcöC,ovxa  jtQoörjyoQiav. 

Marcosier. 

102.  Iren.  I,  21,  3  =  Epiph.  Haer.  XXXIV,  20.  p.  255  D. 

ol  öh  dyovöiv  sg>'  vÖooq  xal  ßajcxiCovzsg  ovxmg  sjiiXs- 
yovöiv 

sig  ovo(xa  dyvcoöxov  JtaxQog  xwv  oXmv 

sig  dXrjftstav  firjxsQa  yidi'xwv, 

sig  xov  xaxsX&ovxa  sig  'Itjöovv, 
sig  svmöiv  xal  djtoXvxQcoöiv  xal  xoivcovlav  xwv  övvcfismv 

Manie  häer. 

103.  Actus  apost.  apoer.  ap.  Fabricium,  Cod.  Apocr.  N.T.  p.  823. 
sXfrs  xo  dyiov  jzvsvfia  xal  xafraQiöov  xovg  vsg>QOvg  avxmv 
xal  xtjv  xaQÖiav,  xal  sjiiörpQayiöov  avxovg  sig  ovojia  na- 
xQog  xal  vlov  xal  dyiov  jivsv{iaxog. 


4|2  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

G.   Heidnische  Zeugnisse. 

104.  Lucian  Philop.   T.  IL  p.  770  in. 
Kai  xiva  ejtofxmoofiai  ye  — 

Tri.  'Fxpifitöovta  &s6v,  {ityap,  a/ißgoxop,  ovgapimva, 
vlov  jtarQoq,  xpev^ia  ex  naxobg  exjcooevof/epop, 
tp  ex  xqicöv,  xal  et-  evbq  xgia.     Tavxa  vofJiCe 
Zr/ra,  xop  (f  rjyov  d-eov. 

H.   Das  älteste  kirchliche  Bekenntniss. 

105.  Marcellus  ap.  Epiph.  Haer.  LXXII,  3.  p.  836B.   [Die  älteste 

Form  der  römischen  regula  fidei.] 
juöxevo)  ovv 

eig  fteov  Tiapxoxoäxoga 

xal  eig  Xqiöxop'Itjöovp,  top  vlop  auxov  top  fiopo- 
yep?j,  top  xvqcop  tj/ump,  top  yeppijfrepxa  ex  jtpevfia- 
Tog  dyiov  xal  Maoiag  xyg  xao&epov,  top  enl  JJopt'lov 
Ilüdxov  öTavocoftePTa  xal  Ta<pePTa  xal  t%  tqiti]  7]{itoa 
dpaöTaPTa  ex  tojp  pexQcöp,  apaßaPTa  eig  Tovg  ovoa- 
povg  xal  xadrjpepop  ep  öe^ia  tov  JtaTQog,  o&ep  eQX^Tai 
xqIvelv  C,ODPtag  xal  pexQOvg' 

xal  eig  to  äyiop  xvevfia,  ayiap  exxXrjöiap,  a<peöiv 
af/aQTio5p,  oagxog  dpdoxaoiv,  ^cotjp  aiowiop. 

106.  Aphraates  Hom.  I.  15.  p.  16—18  ed.  Bert.  (Ostsyrisches  Glau- 

bensbekenntniss.) 
Denn  das  ist  der  Glaube,  dass  man  glaubt 

an  Gott  den  Herrn  über  Alles,  welcher  geschaffen  hat 

Himmel,  Erde  und  die  Meere  und  Alles,  was  darinnen 

ist,  welcher  den  Menschen  geschaffen  hat  nach  seinem 

Bilde,  und  welcher  das  Gesetz  dem  Mose  gegeben  hat, 

und  welcher  wiederum  seinen  Gesalbten  in  die  Welt 

gesandt  hat, 

und  von   seinem   Geist  in    die  Propheten  gesandt  hat, 

und  dass  man   glaubt   an  die  Auferstehung  der  Todten 

und  wiederum  glaubt  auch  an  das  Geheimniss  der  Taufe. 

Das  ist  der  Glaube  der  Kirche  Gottes. 

An  dem  Anfang  des  TJrevangeliums  (Mt.  3,  lff.  =  Le.  3,  lff.= 

Mc.  1,  4  ff.)  steht  der  Täufer  Johannes  und  weist  auf  das  zukünftige 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  28,  19.  413 

ßajtri&iv  des  Messias  hin  mit  prophetischen  Worten,  welche 
nicht  nur  die  Erweckung  eines  neuen  Abrahams  -  Samens ,  wie 
solche  nachmals  durch  die  Heidentaufe  geschehen  ist  (vgl.  Mt. 
3,  9  =  Lc.  3,  8),  sondern  dabei  auch  schon  eine  trinitarische 
Gliederung  der  Gedanken  erkennen  lassen.     Vgl. 

a)  6xi  övvaxai  o  d-sbq  ex  xcöv  li&cav  xovxcov  syslQai  xexva 

x(ö  'Aßgaäfi  (Mt.  3,  9  =  Lc.  3,  8  —  man  vgl.  dazu  Gal.  3, 7. 
26—29); 

b)  o  de  ojtlooo  fiov  sQXOfisvog  ioyygoxsQoq  fiov  köxiv  (Mt. 3, 

ll»  =  Lc.  3,  16a  =  Mc.  1,  7); 

c)  avxoq  vfiäq  ßajtxlosi  ev  jtvevuaxi  ayiqi  (Mc.  1,  8  =  Lc. 

3,  16b  =  Mt.  3,  llb). 

Eng  mit  der  urevangelischen  Relation  bezüglich  des  Täufers 
ist  der  Bericht  über  Jesu  eigene  Taufe  (Mc.  1,  9.  10  =  Mt.  3, 
13 — 17  =  Lc.  3,  21.  22)  verknüpft,  über  dessen  Zugehörigkeit  zum 
Urevangelium  man  Weiss  (Marcusevangelium  S.  4 7 ff.,  Matthäus- 
evangelium S.  108  ff.)  vergleichen  wolle.  Nach  der  vorausge- 
gangenen Einleitung,  welche  in  der  Wirksamkeit  des  Täufers 
gegeben  war,  erscheint  die  Taufe  Jesu  mit  ihrer  unverkenn- 
baren trinitarischen  Conception  als  das  grundlegende  Thema 
Jesu,  welches  am  Schlüsse  des  Urevangeliums  in  der  Stiftung 
der  trinitarischen  Völkertaufe  sich  vollendet.  So  entsteht 
zwischen  diesen  beiden  Höhenpunkten  eine  ähnliche  Correspon- 
denz  wie  zwischen  der  egovöia,  die  der  Versucher  dem  von  der 
Taufe  kommenden  Jesus  anbot  (Lc.  4,  6  =  Mt.  4,9),  und  der 
egovöla,  welche  der  Vater  dem  im  frctvaxoq  vollendeten  Sohne 
übergab  (Mt.  28,  19). 

Wohl  ist  neuerdings  eine  Anschauung  gäng  und  gebe  ge- 
worden, wonach  der  trinitarische  Taufbefehl,  weit  entfernt  davon, 
als  der  originale  Schlusspunkt  des  Urevangeliums  betrachtet  zu 
werden,  als  ein  verhältnissmässig  spätes  Produkt  der  kirchlich- 
dogmatischen Ent Wickelung  gilt.  Aber  die  Begründung  dieses 
Urtheils  lässt  ausserordentlich  viel  zu  wünschen  übrig,  sofern 
dieselbe  weder  nach  der  evangelien kritischen  Seite  noch  bezüg- 
lich der  aussercanonischen  Literatur  auf  Vollständigkeit  der  In- 
stanzen auch  nur  von  ferne  Anspruch  erheben  kann.  Ist  doch 
einerseits  die  Untersuchung  über  den  ursprünglichen  Schluss  der 
vorcanonischen  Quellenschrift  noch  völlig  im  Unklaren  und 
andrerseits  die  wichtige  aussercanonische  Relation  über  die  Ein- 


414  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

setzung  der  Völkertaufe  Const.  V,  7  bei  der  Untersuchung  von 
Mt.  28,  19  meines  Wissens  noch  niemals  herbeigezogen  worden1), 
obwohl  anerkannter  Massen  die  aussercanonischen  Evangelien- 
texte der  Constitutionen  der  höchsten  Beachtung  werth  sind. 
Um  so  mehr  habe  ich  es  für  meine  Pflicht  gehalten,  diesen 
wichtigen  Punkt  der  evangelischen  Überlieferung,  die  Taufein- 
setzung betreffend,  einer  sorgfältigen  und  immer  wieder  erneuten 
Untersuchung  zu  unterziehen.  Daraus  sind  seit  Jahren  mir  eine 
Reihe  selbstständiger  Vorarbeiten  entstanden: 

a)  eine  Vergleichung  von  Mt.  28,  18 — 20  mit  den  synoptischen 
(also  urevangelischen)  sowie  mit  den  johanneischen 
Herrenreden; 

b)  eine  Untersuchung  der  trinitarischen  Parallelen  in  den 
apostolischen  Lehrschriften; 

c)  eine  Sammlung  der  trinitarischen  Stellen  in  der  älte- 
sten aussercanonischen  Literatur,  s.  die  Texte  vor- 
stehend No.  2—106; 

d)  eine  zusammenfassende  Untersuchung  dieser  aussercanoni- 
schen Parallelen,  namentlich  an  der  Hand  von  Const. 
V,  7: 

e)  eineUntersuchung  über  das  trinitarischeGlaubenssynibol 
der  altorientalischen  Kirchen. 

Das  Wichtigste  aus  diesen  Vorarbeiten  kann  nun  hier  zur 
Verwendung  gelangen,  indem  ich  nur  die  sub  b)  erwähnte 
Untersuchung  für  mein  späteres  Werk:  „Canonische  Evan- 
gelienparallelen in  den  apostolischen  Lehrschriften" 
reserviere. 

Die  älteste  patristische  Literatur  führt  uns  mit  Clemens 
Rom.  nach  Rom,  mithin  auf  denjenigen  Boden,  auf  welchem  das 
trinitarische  Glaubensbekenntniss  als  Symbolum  Romanum 
(um  140)  als  am  frühesten  ausgeprägt  gilt.  Dem  entsprechend 
zeigen  sich  bereits  bei  Clemens  (93—95)  drei  trinitarische 
Stellen,  unter  denen  die  eine  sogar  einen  gewissen  Zusammen- 
hang mit  dem  Taufbefehl  (Clem  Rom.  I,  42,  3:  s^r/X&ov  tvajytli- 
C,6fievoi  rr)t>  ßaaileiav  xov  Dtov)  erkennen  lässt.  Wenn  bei 
dem  ebenfalls  zur  römischen  Gemeinde  gehörigen  Hermas  (130 


1)  Auch  Cotelerius  geht  in  seiner  Ausgabe  der  Constitutionen 
stillschweigend  an  dieser  merkwürdigen  Stelle  vorüber. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  28,  19.  415 

bis  160)  nur  die  christologische  Abbreviatur:  ßajtxio&fjvcu 
uq  xo  ovoy,a  xov  xvqiov  zu  derselben  Zeit  sich  rindet,  in  welcher 
das  trinitarische  Symbol  um  Romanum  bereits  ausgebildet  war, 
so  hat  diese  Abbreviatur  bei  Hermas  denselben  Werth  wie  in 
der  Jida%?j,  wo  die  christologische  Fassung:  ol  ßctjtxio&svxsg 
siq  ovojia  xvqiov  —  neben  der  trinitarischen  Formel  völlig 
naiv  einhergeht.  Die  trinitarische  Taufformel  —  zweimal  wie- 
derholt —  erscheint  bereits  in  der  Jcöaxv  (HO — 140)  als  ein 
unantastbares  Gut  der  kirchlichen  Überlieferung.  Der  Verfasser 
der  Jiöaxrj,  welcher  für  seine  Person  von  trinitarischen  und 
christologischen  Gedanken  so  weit  entfernt  ist,  dass  man  einen 
Haupttheil  seiner  Schrift  aus  jüdischer  Quelle  hat  herleiten 
wollen,  theilt  gleichwohl  da,  wo  er  zu  den  überlieferten  liturgi- 
schen Stoffen  kommt  —  das  Herrengebet,  die  eucharistischen 
Gebete  — ,  an  der  Spitze  dieser  Überlieferungsstoffe  die  trinita- 
rische Taufformel  mit  als  ein  Gegebenes  und  Feststehendes.  Und 
wenn  die  vorausgegangene  katechetische  Belehrung  und  Tauf- 
vorbereitung (vgl.  Jid.  Vll,  1:  xavxa  jtQoetjcovxsg  ßaxxiöaxe — ) 
mit  der  trinitarischen  Formel  der  Taufe  selbst  inhaltlich  nicht 
die  geringste  Berührung  zeigt,  so  ist  dies  eben  ein  Beweis  für 
das  hohe  Alter  der  überlieferten  Taufformel,  ein  Beweis  dafür, 
dass  auch  da,  wo  man  für  den  trinitarischen  Gottesbegriff  nicht 
das  geringste  Interesse  und  Verständniss  besass,  die  Taufformel 
als  eine  feststehende  Tradition  fortgepflanzt  wurde.  Wie 
daneben  in  der  Jida^i]  die  christologische  Abbreviatur  ßaxxi^siv 
dg  ovofia  xvqiov  bestand,  so  war  es  auch  bei  Justin  der  Fall 
(Dial.  c.  Tryph.  c.  39.  p.  258  A).  Seine  Theologie  ist  voll  von 
Bestandteilen  des  altkirchlichen  Glaubenssymbols,  die  wie  dis- 
jecta  membra  in  allen  Theilen  seiner  Schriften  zerstreut  vorliegen. 
Seine  Theologie  ist  der  erste  Versuch,  den  trinitarischen  Gemein- 
glauben der  Kirche  speculativ  zu  begreifen,  ein  Versuch,  welcher 
jedoch  bezüglich  des  jivtvfta  ayiov  durchaus  unvollständig  ge- 
blieben ist.  Aber  diesen  trinitarischen  Gemeinglauben  theilt  er 
mit  der  Kirche,  die  er  in  allen  ihren  Hauptprovinzen  durch- 
wandert und  kennen  gelernt  hat;  er  vertritt  diesen  trinitarischen 
Glauben  der  Kirche  auf  Grund  des  altkirchlichen  Glaubenssym- 
bols (vgl.  Bornemann,  das  Taufsymbol  Justins  des  Märtyrers  in 
der  Ztschr.  f.  Kirchengesch.  1879.  III.  S.  1—27),  namentlich  aber 
bei  der  Taufformel  selbst,  ferner  bei  dem  Abendmahl  sowie  bei 


416  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

den  täglichen  Gebeten.1)  Von  Irenaeus  und  Tertullian  ab 
die  trinitarischen  Stellen  zu  excerpieren,  würde  viel  zu  weit 
fuhren.  Nur  die  trinitarischen  Parallelen  der  Didascalia  und 
der  Constitutionen  zum  ersten  Male  zu  registrieren,  schien 
mir  von  Wichtigkeit.  In  der  Didascalia  ist  namentlich  die 
streng  subordinatianische  Stelle  Didasc.  II,  26.  p.  260  von  Inter- 
esse, in  welcher  das  jcvtvfia  (=  H11  fem.)  —  ähnlich  wie  auch 
bei  manchen  Haeretikern  —  weiblich  gedacht  ist.  Die  aus  den 
Constitutionen  mitgetheilten  trinitarischen  Parallelen  stammen 
nicht  aus  der  Didascalia,  sondern  rühren  insgesammt  von  der 
Hand  des  Redaktors  her  und  zeigen  fast  durchweg  Verwandt- 
schaft mit  der  aussercanonischen  Relation  des  Taufbefehls  Const. 
V,  72),  welche  einzigartig  innerhalb  der  patristischen  Literatur  da- 
steht. Einzigartig  ist  diese  Relation  des  Taufbefehls  durch  die 
Reihenfolge  der  drei  trinitarischen  Namen;  einzigartig  durch  das 
erste  Glied:  dg  xov  avxov  $avaxov  — ;  einzigartig  durch  die  Ein- 
leitung des  zweiten  Gliedes:  kxl  avfrtvxia  — ;  einzigartig  durch 
den  Inhalt  des  zweiten  Gliedes:  xov  &eov  xöjv  ÖXojv,  og  höxiv 
avxov  üiaxriQ  — ;  einzigartig  durch  die  Einleitung  des  dritten 
Gliedes:  fiagxvQia  und  durch  den  Zusatz:  oq  toxi  jtaoäxfojxog. 
Diese  von  der  canonischen  Fassung  Mt.  28,  19  so  weit  abweichende 
Relation  theilt  der  Redaktor  der  Constitutionen  mit  um  die 
Mitte  des  4.  Jahrhunderts,  also  zu  einer  Zeit  der  heissesten  trini- 
tarischen Kämpfe,  obwohl  diese  Relation  mit  den  dogmatischen 
Schlagwörtern  jener  Zeit  in  keiner  Weise  sich  berührt,  in  einer 
Zeit,  in  welcher  die  canonische  Textrevision  zum  Abschluss  ge- 
kommen war  und  eine  solche  Abweichung  ohne  die  stärkste 
Autorität  gar  nicht  denkbar  war.    Eine  sorgfältige  Analyse  dieses 


1)  Justins  trinitarisches  Symbol  stimmt  namentlich  in  seinen  christo- 
logischen  Aussagen  überein  mit  Ignatius  und  Aristides  (vgl.  bezüglich 
des  letzteren  Harris  in  seiner  Aristides-Ausgabe)  und  repraesentiert  im 
Vergleich  zum  Symbolum  Romanum  noch  eine  frühere  Stufe  der  Ent- 
wickelung,  sofern  in  der  altorientalischen  Kirche,  welcher  Justin  (von 
Geburt  Palaestinenser) ,  Aristides  (Athenienser)  und  Ignatius  (Bischof 
von  Antiochien)  angehörten,  die  christologischen  Aussagen  auf  die  histo- 
rischen Momente  von  der  ykvvr\aiq  ix  nap&tvov  bis  zur  uvükrjxpiq  sich 
beschränkten  und  die  beiden  letzten  Sätze  das  Symbolum  Romanum:  xa- 
&ri[xevov  iv  ös^iä  xov  TtaxQÖq,  "&sv  SQXtxat  xglvsiv  £\<5vx<xq  xal  vexQovq  — 
als  feste  Bestandteile  noch  nicht  enthielten.     2)  Vgl.  oben  S.  398  No.  2. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  28, 19.  417 

merkwürdigen  aussercanonischen  Taufbefehls  ist  um  so  mehr  am 
Platze,  als  sein  Inhalt  mit  canonischen  und  aussercanonischen 
Parallelen  sich  vielfach  berührt  und  die  bisher  ungelöste  Frage 
bezüglich  der  quellenmässigen  Identität  zwischen  der  trinitarischen 
Taufe  und  dem  ßajixiC,siv  slg  Xgioxov  erklärt. 

Nur  nach  einer  Seite  berührt  der  aussercanonische  Tauf- 
befehl der  Constitutionen  ein  bestimmtes  Schlagwort  der  trini- 
tarischen Kämpfe  im  vierten  Jahrhundert.  Der  fortgeschrittene 
Arianer  Eunomius  hatte  anstatt  der  trinitarischen  Taufe  ein 
ßajtxiC.siv  slg  xov  dävaxov  xov  xvgiov  eingeführt.  Vgl.  (nach 
Usener,  Reügionsgeschichtliche  Untersuchungen  I.  Theil  S.  184) 
Philostorgius  X,  4:  sßdjtxiC,ov  6s  ol  Jisgl  Evvofiiov  ovx 
slg  xgslg  xaxa6vGstg,  älZ'  slg  fiiav,  dg  xov  fravarov ,  <oq 
s<paoxov ,  xov  xvgiov  ßajtxi^ovxsg,  ov  ajtaS,  (isv,  dXX  ov%l  Ölg 
7]  xglg  vjtsg  rjficöv  dvs6sB,axo.  So  erat  es  V,  24:  ov  ydg  slg 
xrjv  xgtaöa,  all!  slg  xov  xov  Xgioxov  ßaxxiCovGi  ftdvaxov. 
Sozomenos  VI,  26:  sv  fiiä  xaxaövou  xgi]vai  kmxsXslv  xrjv 
&siav  ßäjcxioiv.  Theodoret.  Haer.  Fab.  IV,  3:  Evvofiiavovg 
xovg  slg  fiiav  xaxdövoiv  ßajtxi^Ofisvovg.  Bas  iL  de  spir.  saneto 
c.  12.  Tom.  HI  p.  23.  ed.  Ben.  So  könnte  man  geneigt  werden, 
in  dem  Redaktor  der  Constitutionen,  dessen  Identität  übrigens 
mit  dem  Verfasser  der  Pseudo-Ignatianen  hierbei  von  Neuem 
hervortritt,  einen  geheimen  Anhänger  des  Eunomius  zu  ver- 
inuthen,  zumal  auch  er  wiederholt  das  sv  ßajcxiOfia  hervorhebt. 

Aber  nichts  wäre  verkehrter  als  dies.  In  den  Pseudo- 
Ignatianen  (ad  Phiiipp.  c.  1)  steht  das  sv  ßdjtxiöfia,  xo  slg  xov 
ftävaxov  xov  xvgiov  öiaöiöl ftsvov,  im  Anschluss  an  Eph.  4,  4 — 6 
auf  gleicher  Stufe  mit  slg  &sog  o  Jtaxr/g,  slg  xvgiog,  sv  Jtvsvfta, 
(iia  jtioxig.  Und  Const.  VI,  15  stammen  die  Anfangsworte: 
Ofiolcog  xai  ßajtxiöfiaxi  svl  dgxslo&s  fcövco  aus  der  Didascalia, 
mithin  aus  einer  Zeit,  in  der  von  einem  Eunomius  noch  nicht 
die  Rede  war.  Was  an  diese  Anfangsworte  Const.  VI,  15  sich 
anschliesst,  ist  eine  weit  ausgedehnte  Expektoration  des  Redak- 
tors. Aber  gerade  hier  wird  es  offenbar,  dass  er  nicht  von  fern 
die  trinitarische  Taufe  bekämpfen  will,  die  er  ja  auch  sonst  oft 
betont,  dass  es  vielmehr  die  Wiedertaufe  ist,  gegen  die  er 
sich  wendet,  dass  es  die  Wiedertäufer  sind  (ol  xovg  fisfivov- 
fiivovg  kx  ösvxsgov  ßajtxi^siv  Jistgwiisvoi),  von  denen  er  sagt: 

Texte  u.  Untersuchungen  X,  2.  27 


418  Aussercanonische  Parallel  texte  zu  Mt.  und  Mc. 

dvaöxavQOVGi  xbv  xvqiov,  (ivxxrjQiC,ov6i  xd  ayia,  dosßovöiv  sig 
xbv  anoöxsilavxa,  sig  xbv  jca&bvxa,  sig  xbv  fiaoTvor}- 
oavxa.  Und  indem  er  zu  den  Worten  der  Quelle:  ßajcxiofiaxc 
bvl  ccQxelod-e  (Didasc.:  aQxelo&ai)  (ibvcp  seinerseits  hinzufügt: 
xcö  sig  xbv  &dvaxov  xov  xvqiov  ösöofisvq),  lehnt  er  fortfahrend: 
ov  xm  jtaod  xä>v  övdcovvpLcov  aioexixcöv  —  alle  Gemeinschaft 
mit  den  Eunomianeru  und  ihrer  antitrinitarischen  Taufe  ab 
und  stellt  seine  Übereinstimmung  mit  der  trinitarischen  Taufe 
der  Kirche  (aXla  x<p  jtagä  xqjv  afisfucxcov  Isqswv  bsöo^svco 
dg  xb  ovofia  xov  naxQog  xal  xov  vlov  xal  xov  ayiov  jcvsv- 
(iaxog)  ausser  Zweifel.  Er  fährt  dann  weiter  fort:  (irjxe  de  xb 
jiaQa  xcöv  aosßSv  dsxxbv  v{ulv  soxo),  fi?]xs  xb  Jtaoä  xöjv 
bö'uav  äxvgovo&co  öid  ösvxsqov.  cog  y<XQ  sig  o  &sbg  xal  sig 
6  Xoiöxbg  xal  sig  o  jiaQaxZi/xog,  sig  ös  xal  o  xov  xvqiov  ev 
oojfiaxi  ftdvaxog,  ovxcog  tv  soxco  xal  xb  sig  avxbv  ösöofisvov 
ßdjcxiöf/a'  ol  de  jcaQvc  [xcov]  dosßmv  ös^b^isvoi  fibZvöfia  xoi- 
vwvol  x/]g  yvojfiijg  avxmv  ysvr/oovxai.  Auch  mit  diesen  Worten 
verwahrt  er  sich  gegen  die  Befleckung  mit  der  Lehre  jener 
dösßslg,  der  Eunomianer,  und  bekräftigt  den  trinitarischen  Cha- 
rakter der  Taufe,  deren  Wiederholung  (öiä  ösvxsqov),  vielleicht 
durch  eine  antitrinitarische  Wiedertaufe,  er  aufs  Strengste  ver- 
wirft. l)  Es  kann  daher  die  Möglichkeit,  dass  durch  die 
aussercanonische  Relation  über  die  Einsetzung  der  Taufe  sig  xbv 
xov  xvqiov  ftdvaxov  dem  Eunomianismus  eine  Stütze  ge- 
geben werden  soll,  nicht  von  ferne  in  Betracht  kommen.  Über- 
dem  ist  der  Bericht  Const.  V,  7  nicht  antitrini tarisch,  sondern 
wie  Mt.  28,  19  trinitarisch  und  in  diesem  Hauptpunkt  mit  dem 
canonischen  Texte  congruent.  Ausdrücklich  führt  der  Redaktor 
der  Constitutionen  die  Einsetzung  der  Taufe  sig  xbv  xov  xvqiov 
&dvaxov  auf  eine  Stiftung  Jesu  selbst  zurück.  So  sagt  er  Const. 
VI,  23  p.  187,  9,  wo  er  in  einer  interessanten  Gegenüberstellung 
die  Gegensätze  zwischen  dem  alttestamentlichen  vbfiog  und  der 
Lehre  Jesu  darlegt,  dass  Jesus  anstatt  der  früheren  täglichen 
Waschungen     [avxl     [isv     xadrjfisQivov)     eine     einmalige 

1)  Aus  Epiphanius  (IIeqI  marewg  c.  13  p.  1095  AB)  ersieht  man, 
dass  auch  manche  Priester  der  orthodoxen  Kirche  auf  eigene  Faust  die 
Wiedertaufe  an  solchen  vollzogen,  welche  vom  Arianismus  sich  lossagten 
und  zur  Kirche  zurückkehrten.  Epiphanius  will  die  Regelung  dieser 
Wirren  kirchlichen  Synodalbeschlüssen  vorbehalten  sehen. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  28,  19.  419 

Waschung,  nämlich  die  Taufe  auf  seinen  Tod,  eingesetzt  habe: 
tv  fiövov  öovg  ßajexiOfia  xo  eig  xov  avxov  ftdvaxov.  Ganz 
ebenso  führt  der  Redaktor  der  Constitutionen  Const.  V,  7 
p.  137,  23  das  ßajcxi^ecv  slg  xov  avxov  d-dvaxov  auf  eine  aus- 
drückliche evxoXtj  Jesu  {XaßovxEg  ivxoXrjv  Jtao  avxov)  zurück. 
Sollte  nun  nicht  auch  das  paulinische  Wort:  iq  dyvoEixs,  oxi 
ooot  ißajixioßtjfiev  slg  Xqioxov  'liyoovv,  slg  xov  d-dvaxov 
avxov  sßajcxio&?]{icv;  (Rom.  6,  3)  auf  dieselbe  evxoXtj  Bezug 
nehmen,  geschöpft  aus  der  —  von  Paulus  so  oft  benützten  — 
vorcanonischen  Evangelienquelle?  Man  vgl.  dazu  die  enge  Ver- 
bindung zwischen  dem  Tod  Jesu  und  der  Taufe  Eph.  5,  25.  26:  iav- 
xov  jiaoeöcoxsv  vxeq  avxrjg  (sc.  xijg  ixxXrjöiag),  Iva  avxrjv  dyidöfl 
xaftaoioag  x m  Xovxqcq  xov  vöaxog  sv  Qrjfiaxi.  Ign.  ad  Eph. 
XVIII,  2.  p.  22,25:  ißajtxio&t],  Iva  tot  xä&ei  xo  vömn  xafra- 
oiot].  Barn.  IX,  1  p.  48,  14:  CrjttjOojfisv  .  .  .  jteol  xov  vöaxog 
xal  jzeqI  xov  öxavgoi  .  .  .  Jidög  xo  ßdjtxiOfia  xxX.  XI,  8 
p.  50,  17:  alöfhav£6&£,  jtwg  xo  vöcno  xal  xov  Oxavgov  ejcI  xo 
avro  coqioev.  xovxo  yäo  Xsysi'  (laxdoioi,  ot  sjcl  xov  öxavgov 
eXütioavxeg  xaxtßrjoav  dg  xb  vöodq.  Just.  Apol.  I,  61.  p.  94  D: 
.  .  xal  In  ovo/iiaxog  de  'hjöov  Xgtoxov  xov  oxavQOJd tvxog 
tjtl  üovxiov  üildxov  .  .  .  o  (pojxi^öfisvog  Xovsxai.  Vgl.  auch 
in  der  trinitarischen  Stelle  Apoc.  1,  5:  Xovoavxi  (nicht  Xvöavxi) 
rifiäg  kx  xmv  a^iaQXimv  fm&v  sv  x<f>  aifiaxi  avxov.  In  allen 
diesen  Stellen  erscheint  der  ftavaxog  Jesu,  oder  sein  jta&oq  = 
öxavoog  =  ai(ia,  mit  dem  ßdjixiOfia  verbunden ').  Und  es  ist 
zu  vermuthen,  dass  dieses  ursprüngliche  Moment,  bei  der  Aus- 
gestaltung der  altkirchlichen  Taufformel  als  attributive  Aussage: 
oxavQcofrivxog  ejiI  üovxiov  üiXdxov  (wie  wir  es  bei  Justin 
sehen)  eingefügt,  der  erste  Anlass  zur  Beifügung  der  anderen 
christologischen  Aussagen  des  Taufsymbols  geworden  ist. 

Zeigen  die  Worte  des  ersten  Gliedes:  dg  xov  avxov  &ava- 
xov  entschieden  paulinische  Züge,  so  ist  dies  nicht  minder  im 
zweiten  Gliede  der  Fall  bezüglich  der  Worte:  xov  ftsov  xmv 
öXcov,  6g  eoxiv  avxov  xaxr'jQ.  Nicht  blos  dass  die  Formel:  6 
&eog  xal  jtaxrjQ  xov  xvoiov  rjfiwv  'lrjöov   Xqiöxov   bei  Paulus 

1)  Nestle  erinnert  mich  noch  an  das  Herrenwort,  in  welchem  Jesus 
seinen  eigenen  üdvaroq  ein  ßänno/ua  nennt:  Lc.  12,  50  =  Mc.  10.38.  39 
(—  Mt.  20,  22.  23).    Vgl.  oben  S.  257  f. 

27* 


420  Ausseicanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

häutig  wiederkehrt  (vgl.  2.  Cor.  1,  3;  11,  31;  Eph.  1,  3;  Col.  1,  3 
u.  ö.) ,  auch  der  Name  d-eog  xwv  oXwv  xal  jtaxrjg  findet  sich 
mit  einer  geringen  sprachlichen  Änderung  wieder,  und  zwar  an 
einer  trinitarischen  Stelle,  nämlich  Eph.  4,  4 — 6:  tv  jcvsvfia  — 
eiq  xvgtog  —  dg  &eoq  xal  jcaxtjQ  jiävxa>v.  Mit  der  Variante 
c'Xojv  (=  jtävxcov)  begegnet  uns  dieselbe  Gottesbezeichnung 
wieder  nicht  nur  in  der  justinischen  Taufformel  Apol.  I,  61:  Ijc 
ovofiaxog  xov  Jtaxgög  xcöv  oXcov  xal  öeojcoxov  dsov,  sondern 
auch  sonst  noch  öfter  bei  Justin  (Dial.  c.  63.  74.  114.  133.  76. 
108.  56.  61.  75.  95.  105.  114.  115.  Apol.  1,  44.  63.  65),  aber  auch 
mit  der  Variante  Jtavxcov  für  oXmv  Apol.  I,  12.  32.  36.  40.  46 
u.  ö.  Ausserdem  ergibt  das  vorstehende  Parallelenverzeichniss, 
dass  auch  derselbe  Name  jeax?}o  rcöv  oXcov  bei  Clemens  AI. 
in  einer  trinitarischen  Stelle,  wie  in  den  Constitutionen  und 
Pseudo-Ignatianen,  wiederkehrt.  Es  würde  hier  zu  weit 
führen,  das  Verbreitungsgebiet  dieses  Gottesnamens  mit  seinen 
Varianten  deojtoxrjg  rcöv  oXcov  =  xvgiog  xcöv  jcävxcov  =  jcav- 
xoxoäxojQ  vorzuführen.  Das  Zusammentreffen  zwischen  Paulus, 
Justin,  dem  Redaktor  der  Constitutionen  und  Pseudo- 
Ignatianen,  sowie  mit  den  alten  regulae  fidei  bezeugt  es,  dass 
man  hier  auf  einen  wichtigen  Punkt  stösst  und  dass  dieser  Theil 
des  in  Const.  V,  7  enthaltenen  aussercanonischen  Taufbefehls 
nicht  aus  der  Luft  gegriffen  ist. ])  Ahnlich  verhält  es  sich  mit 
der  in  den  Worten  sjcI  av&svzla  gegebenen  Einleitung  des  Got- 
tesnamens. Zwar  findet  sich  hierzu  in  dem  gesammten  neutesta- 
mentlichen  Schriftthum  sowie  in  den  griechischen  Übersetzungen 
des  A.  T.  keine  Parallele.  Dagegen  bietet  die  patristische  Lite- 
ratur wichtige  Analogien.  Wir  lesen  Epiph.  Haer.  LXXVI,  1. 
p.  968  C:  AatßQov  öe  avd-evxia  iöia  xaXcov  —  Epiph.  Haer. 
XXXVIII,  1.  p.  276  B:  ovxoi  <paoi  xov  Kaiv  ex  xijg  loxvQoxeoaq 
öwcc/iemg  vnaoyeiv  xal  xijq  avoj&ev  av&evxiag.  Ferner 
Hippolyt  Refut.  Haer.  VII,  23:  xov  avfrpamov  öe  dyyeXav 
eivai  jioiijpa,  avw&ev  ajcb  xrjg  avd-evxlag  (paeivrjg  eixovog 
£jug>aveioT}q.     VgL  noch  Hippol.  p.  404.  526  ed.  Duncker.     An 


1)  Erinnert  sei  nur  noch  an  das  Testam.  Abrahams,  wo  die  Engel 
das  xyiodyiov  dem  öe anöxTjq z<5v  okwv singen.  Vgl.  James,  the  Testam. 
of  Abraham  c.  20  p.  103:  ol  ayyeXoi  .  .  .  ydXXovzeq  xov  XQiaäyiov 
vfivov  xv)  öeonöxy  rcöv  okwv  &ew. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  28, 19.  421 

letzter  Stelle  wird  berichtet,  Cerinth  habe  von  Jesu  gelehrt: 
fiera  xb  ßajtxiOfia  xaxElrjlvfrivai  slq  avxbv  ex  xijq  vjceq  xa 
oka  av&EVxiaq  xov  Xgioxbv  ev  eIöei  jiEQLOXEoäq  — ,  eine 
Stelle,  welche  wegen  der  Verknüpfung  von  av&Evxia  und  xa  oXa 
und  wegen  der  Congenialität  zwischen  der  trinitarischen  Taufe 
Jesu  am  Anfang  seines  Wirkens  und  der  von  ihm  am  Ende 
seiner  Wirksamkeit  eingesetzten  trinitarischen  Völkertaufe  von 
ganz  besonderer  Wichtigkeit  ist. J)  Denn  hinter  der  haeretischen 
Entstellung  der  Taufe  Jesu  leuchtet  in  dem  Ausdruck:  ?/  vjtEQ 
xa  oXa  av&Evxia  ein  Text  hervor,  welcher  mit  dem  dogmatisch 
correkten  Taufbefehl:  eju  av&Evxla  xov  &eov  xcöv  olcov,  folg- 
lich  auch  mit  Eph.  4,  6,  mit  der  Taufformel  Justins  und  mit 
Clemens  AI.  sich  berührt.  Da  nun  in  der  Parallele  zu  der 
Hippolytus-Nachricht  bezüglich  Cerinths  bei  Epiphanius 
(Haer.  XXVIII,  1  p.  110  D):  r\  avco&sv  övva^uq  steht,  folglich 
av&Evxia  und  övvaf/iq  für  identisch  galten,  so  wird  man  auch 
Gonst.  V,  7  für  den  dort  gegebenen  Taufbefehl:  ev  övväfJEc  xov 
&EOV  xöiv  oXmv  einsetzen  können.  Jedenfalls  zeigt  obige  Un- 
tersuchung, dass  bezüglich  dieses  Punktes  noch  Manches  zu  er- 
forschen sein  wird.  Man  vgl.  den  jraxr/Q  xcöv  oXmv  bei  den 
Marcosiern  —  Epiph.  Haer.  XXXIV  p.  234  B.  p.  243  D,  auch 
daselbst  p.  243  D:  xrjq  fiijxgbq  xcöv  olcov  (=  fi?]XEoa  jzccvxodv, 
vom  jcvEVfia  ayiov  gesagt,  in  der  trinitarischen  Taufformel  der 
Marcosier,  oben  aus  Iren.  I,  21,  3  mitgetheilt)  und  man  erkenne 
daraus,  dass  auch  in  diesem  Theil  der  aussercanonische  Taufbe- 
fehl der  Constitutionen  auf  sehr  alten  Quellen  ruht. 

Bei  dem  dritten  Theile:  xal  [laQxvgia  jtvEVfiaxoq,  6q  löxi 
jtaQäxXrjxoq  scheint  auf  den  ersten  Blick  ausschliesslich  johan- 
neis eher  Einfiuss  obzuwalten.  Vgl.  namentlich  Joh.  15,  26: 
oxav  de.  eX&tj  o  JtagäxXrjxoq,  ov  iya)  ütEfiipco  vfiiv  Jtana  xov 
jraxobq,  xb  jtvEVfta  xf/q  ccXr/ßsiaq,  6  jiaga  xov  Jiaxgbq  txno- 
QEVExai,  IxElvoq  {1(xqxvq?']6ei  jieqX  Efiov.  1.  Joh.  5,  6:  xal  xo 
jiVEVfiä  loxiv  xb  imxqxvqovv  —  1.  Joh.  5,  9:  avxij  eöxh'  // 
[laQxvgia  xov  d-EOv.  Indess  ist  das  (ictQXVQElv,  vom  jivsvfia 
äyiov  ausgesagt,  keineswegs  nur  johanneisch.  Vgl.  Rom.  8,  16: 
avxb  xo  jtvEVfta  övfificcQTVQEl  —  1.  Petr.  1,  11:  xo  tv  avxoiq 


1)  Vgl.  auch  Orac.  Sibyll.  VIII.  309:  aiiStvzov  xaxaßvvxoq  tnl  x#o- 
voc  usväoio. 


422  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

nvsvfia  Xgiorov  jtgofiagrvgofisvov  —  Hebr.  11,  15:  fiagrv- 
gel  de  t)(ilv  xal  ro  jtvsvf/a  rö  aywv  —  Apoc.  19,  10:  rj  jag 
fiagrvgia  rov  Irjoov  sorlv  ro  xvevfia  rrjq  üigoq>r)rdaq. *) 
Alle  diese  Parallelen  weisen  doch  sichtlich  auf  eine  gemeinsame 
ältere  —  vorcanonische  —  Quelle  zurück.  Von  besonderer 
Wichtigkeit  ist  dabei  das  Zeugniss  von  Apoc.  19,  10,  nicht  blos 
weil  diese  Stelle  im  Zusammenhang  als  trinitarisch  sich  darstellt, 
sondern  namentlich  deshalb,  weil  das  jtvzvpta  rr)q  jtgog)rjrelaq 
des  Apokalyptikers  mit  dem  xvevfia  xgo<pr)rixöv  in  Justins 
Glaubenssymbol  sich  deckt.  Vgl.  ausser  den  oben  mitgetheilten 
Belegen  aus  Just.  Apol.  I,  6.  13.  63.  Dial.  c.  32  noch  Apol.  I,  31. 
32.  33.  38.  39.  40.  41.  42.  44.  47.  48.  51.  53.  59.  60.  Dial. 
c.  38.  43.  49.  53.  55.  77.  84.  91.  139,  und  dazu  Bornemann, 
Das  Taufsymbol  Justin's  des  Märtyrers  S.  23.  Die  gemeinsame 
Wurzel  aber  von  xvevfia  rrjq  jcgog>ijrslaq  und  jivevfia  jcgcxpr]- 
nxov  ist  in  nb^Üih  irh  zu  erkennen.  Und  da  nun  dem  jtvsvfia 
3cgo(prjrix6v  Justins  das  Jtvevfta  JtagdxXrjrov  =  jiagäxXtjroq 
in  den  Constitutionen  und  Pseudo-lgnatianen  genau  ent- 
spricht, so  wird  auch  hierfür  in  nx^ÜS»!  rp'n  die  Quelle  zu  suchen 
sein.  Allerdings  dient  in  den  alttestam entlichen  Übersetzungen 
jtagaxXrjöiq,  jragaxXf)ro)g,  xagäxX?]roq  zur  Wiedergabe  von  ÖHD 
(vgl.  namentlich  Hiob  16  2:  an?E  =  LXX:  nagaxXrjrmg  =  Aqu., 
Theod.:  ütagäxXrjroq)',  aber  dass  auch  nsiS?  durch  jcagäxXrjöiq 
übersetzt  werden  konnte,  dafür  haben  wir  ein  eclatantes  Bei- 
spiel in  dem  Namen  Bagvdßaq.  Vgl.  Act.  4,  36:  o  eöriv  (is&eg- 
firjvevoiievov  vloq  jiagaxXr)o£<x>q  =  nx!Q3  "ö.  Wie  nun  jtvsvfia 
rrjq  xgotprjreiaq  =  jcvsvfia  jigoyrjrixov,  so  konnte  auch  jtvsvfia 
jtagaxXyoscog  =  jcvtvfia  otagaxXrjrov  als  Übersetzung  von 
STÄiaäl  JTn  in  Übung  kommen.  Zu  jcvsvf/a  jtagaxh^rov^  vgl. 
Hippol.  Ref.  Haer.  VIII,  19:  ro  jcagaxXrjrov^  jtvev(ia  — ,  Macar. 
Hom.  XII,  18:    ro    jcvsvfia   ro  xagäxXrjrov   — ,   Epiph.   Haer. 


1)  Vgl.  auch  Herrn.  Sim.  V,  7,  1.  p.  158, 10:  "va  rb  nvev^a  rb  xarot- 
xovv  iv  avzitl  naQTvorioq  avxy.  Const.  III,  17.  p.  111,  7:  rov  nvtvuazoq 
.  .  o)Q  nÜQrvQoq  — ,  Const.  VIII,  5.  p.  237,  31:  naQZVQi  ru>  naQaxXr>no 
— ,  Const.  VIII,  12.  p.  256,  13:  ro  uyiov  oov  nvev/ia  .  .  .  rov  /xä(jrvoa 
rüv  nu&Tj/Ltäcwv  rov  xvqlov  '"Itjoov.  Vgl.  auch  Epiph.  JJe qI  nioreojq  c.  16. 
p.  1098 C:  "va  [sc.  b  Xgiorbq]  o<pd-y  b  fiaQrvQOvfiievoq,  "va  oagi-  »/  ayia 
(pikt]  ovocc  xal  evdoxovfjtivr]  vnb  rov  nurobq  xal  rov  nvevfuxroq  [xaQrv- 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt,  28,  19.  423 

XL VIII,  11  p  412  C:  Xgiörog  yäg  ?](iag  söida^e  Xiycov  ort  xo 
xvtvfia  ro  üiagäxXrjrov  ajtooreXXco  vfilv  — ,  ferner  Hahn, 
Bibliothek  der  Symbole  und  Glaubensregeln  der  alten  Kirche 
§  66  im  Symbol  der  alexandrinischen  Kirche  nach  Pseudo- 
Athanasius:  jziorevofiev  .  .  .  sig  zb  jtvevfia  ro  ayiov  .... 
ro  JtagaxXrjzov  u.  s.  w.  Aus  diesen  Belegen  wird  es  unzweifel- 
haft dargethan,  dass  o  JtagäxXqzog  gleichbedeutend  mit  Jtvevfia 
jtagdxX?]zov  =  xvEVfia  jiagaxXfiöemg,  also  auch  mit  xvsvpa 
jcgo<pr/zixov  =  jivsvfia  zrjg  noocprjreiag  ist  und  mithin  auf  nil 
nSM32n  zurückgeht. J)  TTiese  Ableitung  harmoniert  auch  aufs 
Beste  mit  der  Thatsache,  dass  Jesus  neutestamentliche  B^a?  = 
3iQoqr)rag  zu  senden  verheissen  hat.  Vgl.  die  späteren  Erläu- 
terungen zu  Lc.  11,  49  =  Mt.  23,  34.  Und  wenn  von  diesem 
jrvEVfia  rrjg  jzgo<pr}zeiag  (=  jcvev(ia  rb  JtagaxXrjzov)  nach  Apoc. 
19,  10  (verglichen  mit  Rom.  8,  16)  die  fiagzvgia  zov  'Itjöov 
ausging,  so  scheint  der  dritte  Theil  des  aussercanonischen 
Taufbefehls:  xal  fiagrvgla  Jtvev/jarog,  ög  sdzi  xagaxXrjzog  nicht 
nur  johanneisch  zu  sein,  sondern  mit  den  anderen  cauonischen 
und  aussercanonischen  Parallelen  auf  eine  noch  ältere,  auf  eine 
vorcanonische  Quelle    hinzuweisen.     Und   wenn   man    „die  Ver- 


1)  Man  vgl.  noch  Herrn.  Mand.  XI,  9.  p.  116,  2:  ö  äyytXoq  zov  npo- 
<prjzixov  nvevuaroq  — ,  Iren..  I,  7,4:  rb  nvsvfia  ro  iiQO(pi]zsvov  — ,  Const. 
VIII,  22.  p.  264,  1(3:  nvevfia  ayiov,  nvsvua  7tQ0<pr)zixöv,  — ,  ferner  die  Pa- 
raphrase davon  in  Justins  Taufsymbol,  Apol.  I,  61.  p.  94 E:  £n  ovöfiaroq 
nvsvuazoq  ayiov,  b  Sia  z<5v  nQocprjzüiv  7tQO£xrJQVi-£ — ,  ähnliche  Para- 
phrasen in  dem  trinitarischen  Bekenntniss  Iren.  1,  10,  1 :  xal  slq  nvevjua 
ayiov,  zb  Sta  rwv  noocpTjzüiv  xextjQvxöq,  im  Taufbekenntniss  der  arme- 
nischen Kirche  (bei  Hahn,  Bibliothek  der  Symbole  §  70):  mozsvofiev  eiq 
ro  Tivtvfia  ro  ayiov,  axnarov,  rt-Xsiov,  ro  XaXfjoav  £v  zip  vößio,  rolq 
nQO<p7]zaiq  xal  rolq  evayysXlotq,  im  Taufbekenntniss  der  alexandrinischen 
Kirche  (nach  Pseudo-Athanasius  bei  Hahn  §66):  elq  rb  nvev/xa  rb 
ayiov,  .  .  .  .  ro  naQaxXqzov,  rb  XaXrjaav  iv  vöpua  xal  iv  nooip^zaiq  xal 
iv  evayyeXloiq,  sowie  im  Tauf-  und  Glaubensbekenntniss  des  Epiphanius 
im  Ancoratus  (c.  119  p.  124  B):  xal  elq  zb  ayiov  nvevua  niazevofzev,  zb 
XaXijaav  iv  vouio  xal  xrjpvc-av  iv  zoiq  7iQO<pijzaiq.  Die  kürzere  Form, 
wie  sie  auch  in  der  palaestinensischen  Kirche  üblich  war  (nach  Cyrill  von 
Jerusalem):  elq  £V  ayiov  nvevpea,  zbv  naQaxXr\xov,  zb  XaXTjOav  iv  zoiq 
nQO<pr\raiq  — ,  ist  endlich  in  das  Constantinopolitanum  übergegangen:  rb 
XaXrjoav  Site  riöv  TtQoyrjziöv — ,  eine  bleibende  Erinnerung  an  das  ur- 
sprüngliche nvevfia^  rijq  TiQopTjzet'aq  -=  rowasn  rni. 


424  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

selbständigung  des  hl.  Geistes  als  nachapostolisch"  hat  kenn- 
zeichnen wollen,  so  bezeugt  nicht  nur  die  dem  jtvsvfia  ayiov 
beigelegte  Thätigkeit  der  (laQxvoia  dessen  Selbstständigkeit, 
sondern  es  weist  auch  in  Übereinstimmung  damit  das  urevange- 
lische Wort  von  der  ßlaocprmia  xov  jtvevfictxog  (Lc.  12,  10  = 
Mt.  12,  32  =  Mc.  3,  28.  29)  auf  die  persönliche  Selbstständigkeit 
des  jtvsvfia  aytov  neben  dem  Vater  und  dem  Sohne  hin,  sodass 
die  trinitarischen  Namen  Mt.  28,  19  im  Hinblick  auf  Lc.  12,  10 
par.  keineswegs  unvorbereitet  auftreten.  Vielmehr  wird  es  wahr- 
scheinlich, dass  der  Urtext  von  Mt.  28,  19b  vollständiger  lautete 
und  dass  die  canonische  Textgestalt  als  eine  —  vielleicht  früh- 
zeitig im  liturgischen  Interesse  geschehene  —  Abbreviatur  des 
ursprünglichen  Taufbefehls  zu  beurtheilen  sein  wird. 

Eine  andere  als  diese  trinitarische  Abbreviatur  ist  dann 
die  christologische  sig  ovofia  =  kji  ovoiiaxog  —  exl  xm 
ovöyiaxi  =  sv  xm  ovoftaxi  xov  Xqioxov  oder  noch  kürzer  üg 
Xqlöxov,  wie  sie  in  der  Apostelgeschichte  und  in  den  pauli- 
nischen  Briefen  üblich  ist,  wie  sie  in  der  Aidaxi],  bei  Justin, 
in  den  Constitutionen,  bei  Eusebius  neben  der  trinitarischen 
Fassung  fortlebt.  Vgl.  auch  bezüglich  Marcions  und  seiner 
Anhänger  Cypr.  Ep.  73,  4  p.  781,  4  ed.  Hartel:  praetereundum 
hunc  locum  non  putavi,  maxime  cum  in  eadem  epistola  animad- 
verterim,  etiam  Marcionis  fieri  mentionem,  ut  nee  ab  ipso 
venientes  dicat  baptizari  oportere,  quod  jam  in  nomine 
Jesu  Christi  baptizati  videantur.  Ausserdem  erinnere  man 
sich  der  urevangelischen  Wendungen  Mt.  18,  20:  eig  xb  eubv 
bvoiia  — ,  Mc.  9,  39:  hm  xm  ovofiaxl  uov  — ,  Lc.  21,  8  =  Mc. 
13,  6  =  Mt.  24,  5:  exl  x<p  6i>6fiaxi  fiov  u.  s.  w.  Stand  das  sv 
xcp  ovöfiaxi  iiov  oder  eig  xo  ovofia  fiov  =  ^ÄtJa  an  der  Spitze 
des  trinitarischen  Taufbefehls,  so  war  die  christologische  Auf- 
fassung und  die  christologische  Abbreviatur  ganz  von  selbst  ge- 
geben —  nach  der  analogen  Anordnung  der  drei  trinitarischen 
Namen  2.  Cor.  13,  13. 

Wie  tief  das  trinitarische  Glaubensbewusstsein  mit  dem  Ur- 
christenthum  verwachsen  war,  das  tritt  bei  den  haeretischen 
Richtungen  der  Urkirche  am  aller  frappantesten  hervor.  Nicht 
eine  einzige  der  zahlreichen  Haeresen  steuerte  auf  die  Trinität 
zu.  Und  dennoch  finden  wir  fast  bei  allen  haeretischen 
Richtungen    trinitarische    Taufformeln    im    Gebrauch, 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt,  28,  19.  425 

Formeln,  welche  mit  den  bezüglichen  haeretischen  Tendenzen 
ausser  allem  Zusammenhang,  ja  oft  im  Widerspruch  stehen. 

Dies  gilt  in  erster  Linie  von  den  judenchristlichen 
Richtungen,  welche  an  Stelle  des  trinitarischen  vielmehr  einen 
unitarischen  Gottesbegriff  vertraten.  Am  auffallendsten  zeigt 
sich  dieses  Verhältniss  in  den  pseudo-clementinischen  Homi- 
lien.  Anerkanntermassen  vertreten  dieselben  einen  streng 
unitarischen,  einen  antitrinitarischen  Gottesbegriff.  Und  dennoch 
haben  auch  die  Homilien  eine  mit  Mt.  28,  19  nahe  verwandte 
trinitarische  Taufformel  — ,  ein  Widerspruch,  welchen  man 
dadurch  auszugleichen  suchte,  dass  man  die  trinitarische  Tauf- 
formel zu  einer  blossen  Cerimonie:  TQiöuaxaQia  ejiovofiaoia 
(=  trina  invocatio,  nomen  trinae  beatitudinis  in  den  Recog- 
nitionen)  degradierte,  zu  einer  Cerimonie,  die  man  doch  nicht 
zu  beseitigen  wagte.  Hier  war  die  trinitarische  Taufformel  nicht 
etwa  erst  .im  Anzüge",  eher  könnte  man  sagen:  sie  war  bereits 
im  „Ab sterben"  begriffen.  Die  Lehrtendenz  stand  in  diesen 
judenchristlichen  Kreisen  dem  trinitarischen  Gottesbegriffe  fremd, 
kalt,  ja  feindlich  gegenüber,  und  dennoch  hielt  man  dem  Ge- 
meindebewusstsein  zu  liebe  die  trinitarische  Taufformel  als  ur- 
christliche Überlieferung  aufrecht. 

Ahnlich  verhielt  es  sich  mit  den  gn ostischen  Lehrsystemen. 
In  denselben  spielten  ganz  andere  Zahlensysteme  als  die  Trias 
von  Mt.  28,  19  die  Hauptrolle.  Da  galten  die  Monaden,  die 
Dyaden,  die  Syzygien,  die  Ogdoadeu,  die  Dekaden,  die  Dodekaden, 
und  wenn  Triaden  dazu  kamen ,  so  war  es  nicht  die  kirchliche 
Trias  oder  sie  war  nur  an  einer  untergeordneten  Stelle  neben- 
sächlich mit  eingefügt.  Gleichwohl  erscheinen  für  das  Sacra- 
ment  der  Initiation  auch  bei  den  Gnostikern  trinitarische 
Tauf  formein,  sei  es  in  wörtlicher  Übereinstimmung  mit  Mt. 
28,  19,  sei  es  in  mystischen  TJrndeutungen  <  in  chaldäisch-kabba- 
listischen  Abwandelungen  und  in  nur  dunkelen  Anklängen  an  die 
Trinität.  Wozu?  Offenbar  nur,  um  den  Zusammenhang  mit 
dem  kirchlichen  Gemeindebewusstsein  und  das  Recht  des  christ- 
lichen Namens  nicht  gänzlich  einzubüssen!  Offenbar  nur,  um 
die  gnostischen  Geheimlehren  der  kirchlich-trinitarischen  Tauf- 
tradition scheinbar  anzupassen !  Auch  hier  war  die  trinitarische 
Taufformel  nicht  „im  Anzüge",  sondern  im  Process  der  „Ent- 
artung" begriffen. 


426  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Und  warum  haben  die  inonarchianischen  Haeresen  bei 
ihrer  ausgesprochenen  Feindschaft  gegen  den  trinitarischen 
Gottesbegriff  niemals  die  trinitarische  Überlieferung  selbst 
angegriffen,  anstatt  mit  künstlichen  Umdeutungen  der  kirchlich- 
trinitarischen  Tradition  vergeblich  sich  abzumühen?  Weil  in 
der  kirchlichen  Entwickelung  auch  nicht  ein  Moment 
nachweisbar  war,  in  welchem  diese  Tradition  nicht  be- 
standen hätte.  Wie  alt  dieselbe  gewesen  ist,  das  zeigen  die 
aus  früheren  Quellen  geschöpften  Nachrichten  bei  Irenaeus 
und  Hieronymus  bezüglich  desjenigen  Haeretikers,  welcher  in 
den  altchristlichen  Haeresiologien  an  der  Spitze  stand,  weil  er 
in  das  apostolische  Zeitalter  hineingehörte.  Schon  Simon 
Magns  soll  seine  Geheimlehren  in  geistreicher  Weise  an  die 
drei  trinitarischen  Namen  angeknüpft  haben.  Aber  auch  die 
Montanisten,  die  Enkratiten  und  selbst  die  Manichaeer  be- 
wahrten als  ein  Band,  welches  sie  mit  der  Grosskirche  verknüpft 
hielt,  trinitarische  Taufformeln.  Nirgends  findet  sich  jemals  eine 
Bestreitung  der  kirchlich-trinitarischen  Überlieferung  als  solcher, 
nirgends  die  Behauptung,  dass  die  trinitarische  Taufformel  erst 
später  eingeschmuggelt  worden  sei.  Auch  bei  den  AI o gern, 
welche  die  johanneische  Logoslehre  bekämpften,  auch  bei 
Marcion,  welcher  aus  Vorliebe  für  den  Paulinismus  die  Taufe 
eIq  to  ovofia  xov  Xqioxov  einführte,  sucht  man  eine  solche 
Behauptung  vergebens.  Selbst  in  der  gnostisch-fantastischen 
Pistis  Sophia,  von  welcher  Harnack  in  seiner  Abhandlung  über 
dieses  Buch  (T.  u.  U.  VII,  2.  S.  63)  richtig  sagt,  dass  eine  Trini- 
tätslehre  in  diesem  Buche  sich  nicht  finde,  kann  doch  —  was 
Harnack  übersehen  zu  haben  scheint,  —  die  Übung  der  tri- 
nitarischen Taufe  nachgewiesen  werden.  Vgl.  p.  311  f.  ed. 
Schwartze  et  Petermann:  Post  haec  Jesus  ridens  mulierem,  quae 
venit  usravoeiv  eßaxrtoev  eam  tribus  vicibus,  quamquam  non 
fecerat  dignum  ßajcriOfiaoiv.  Vgl.  dazu  Jiö.  VII,  3:  Ixjmv  dg 
xr\v  xeg)cc/Lrjv  tQig  ro  vöcoq  eig  ovofia  jtatQog  xal  vlov  xal 
aylov  jcvevfiarog.  *)  Die  trinitarische  Taufe  war  wie  in  der  äl- 
testen Kirche,  so  bei  den  ältesten  Haeresen  allgemein.  —  Die 
Verbreitung    des    trinitarischen    Grundgedankens   innerhalb    der 

1)  Auch  auf  Jesu  Taufe  wurde  die  Dreizahl  angewendet.  Vgl.  Ephr. 
Syr.  Ev.  concord.  expos,  ed.  Mösinger  p.  47:  Ad  similitudinem  trium 
immersionum  (baptismatum),  quibus  Salvator  baptizabatur,  tentatus  est. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mt.  28,  20.  427 

neutestamentlichen   Lehrschriften   wird   in   den    „Canonischen 
Evangelienparallelen"  behandelt  werden. 

Mt.  28,  20\ 

a.  Just.  Apol.  I,  39.  p.  78  AB. 

djto  yctg  'isoovöaXrj (i  dvögeq  ösxaövo  rov  dgi&fiov  i^rjX- 
frov  slq  rov  xÖGfiov,  xal  ovroi  iöimrai,  XaXslv  firj  6v- 
vdfisvot,  ötd  6s  &eov  övvaßecoq  hfirjWGav  üiavrl  ytvsi  av- 
&q(6jicov  tag  ajcBOtaXrjOav  vjio  rov  XgiGrov  öiöd^ai 
ütdvraq  rov  rov  d-sov  Xöyov. 

b.  Just.  DiaL  c.  Tryph.  c.  48.  p.  267  D. 

ovx  dvd-Qoaxsioiq  öiödyfiaGi  xexsXEVGfie&a  vjc  avrov  rot 
Xgiorov  jceid-EO&aL ,  aXXa  rolq  öia  rmv  fiaxaoiwv  jtoo<pr/- 
rcöv  xtjqvx&siGi  xal  6i    avrov  dtöax&£iGi. 

c.  Polyc.  ad  Phil.  VI,  3.  p.  120,  10. 

xa&roq  avrbq  lvtrtiX.aro  xal  ol  evayyeXiGafievoi  f]fiaq  djtö- 
oroXoi. 

d.  Ephraem  Syr.  Ev.  concord.  expos.  ed.  Mösinger  c.  9.  p.  106. 

Facient  hoc  et  observabunt  omnia,  quae  praecepi 
vobis. 

e.  Epiph.  Ancor.  c.  74.  p.  80  A. 

öiödoxovrsq  avrovq  rrjgelv  räq  evroXdq,  dg  evsrsiXdfirjv 
vfilv. 

f.  Mt.  28,  20. 

ötödoxovrsq  avrovq  rrjoelv  jcdvra,  öoa  eversiXdfirjv 
vy.lv. 

g.  Const  V,  7.  p.  137,  27. 

öiödoxofiev  vudq  äjtavra  ravra,  a  öiara^dfievoq  rjfitv 
dveXrjtpß-r}. 

Das  alttestamentliche  Vorbild  für  die  in  Mt.  28,  20a  enthal- 
tene Ausdrucksweise  besitzen  wir  in  2.  Reg.  21,  8:  IlttCJ^CS  pi 
Q^n^SITB»  bbS  rviteyb  =  LXX:  oiriveq  <pvXä§ov6i  jtävra  ooa 
evereiXduijv  =  2.  Paralip.  33,  8:  l©'S-b5  n«  nÜD*^  ftfflj^O»  pH 
Qin^S  =  IiXX:  xXi]v  sav  tyvXaoocovrai  rov  jcoirjaai  Jtdvra 
d  6vtreiXd[i7)v  avrolq.  Selbstverständlich  konnte  Totti  sowohl 
mit  (pvXdööuv  als  mit  rrjoelv  tibersetzt  werden.  Vgl.  Lc.  11,28, 
wo  die  lucanisch-paulinische  Version  cpvXaGGuv,  Hermas  aber 


428  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

und  der  Apocalyptiker  xtjosZv  haben.  Vgl.  ferner  Mt.  19,  17: 
rr/Qfjoov  xdg  svxolag,  aber  auch  1.  Tim.  6,  13.  14:  naoayysXXaj 
ooT svcojtiov  .  .  'l?]Oov  Xqiöxov  .  .  .  xrjQrjOal  os  xrjv  svxoh)v. 
Ebenso  ist  das  bei  Paulus  fehlende  svxslZso&ai  =  WS  bei 
Mt.  und  Mc.  häufig,  wogegen  man  bei  Lucas  öiaxdoösiv,  öia- 
xäoosofrai  findet.  Vgl.  Lc.  3,  13:  xd  öiaxsxayfisva  vylv  und  Lc. 
17^9  10:  öiaxax&svxa.  Die  Constitutionen,  welche  die 
Übersetzungsvariante  öiaxdöösö&ai  vertreten,  bestätigen  übrigens 
das  zu  Mt.  28,  16  Bemerkte^dass  nämlich  in  der  Perikope  Mt. 
28,  16—20  die  dvdXrfipig  vorausgesetzt  ist.  Darüber  das  Nähere 
am  Schluss  des  nächsten  Heftes  zu  Act.  1,  11. 

Mc.  16, 16. 

a.  Pseudc-Ign.  ad  Magn.  XI.  p.  204,  29. 

xavxa  6  yvovg  sv  jc?.f]Qog)OQia  xal  jtioxsvöag  [laxagiog. 

b.  Herrn.  Sim.  VIII,  3,  2.  p.  178,  18. 

ol  ös  vxo  xrjv  oxsjctjv  Xaol  ovxsg  ol  dxovöavxsg  xov  xrj- 
Qvyuaxog  xal  jcioxsvoavxsg  slg  avxov.1) 

c.  Herrn.  Vis.  IV,  2,  4.  p.  64,  1. 

jtioxsvöag,  oxi  öS  ovösvbg  övvr]  öco&rjvai  sl  (irj  öid  xov 
fieyaXov  xal  svöot-ov  dvo/mxog. 

d.  Herrn.  Vis.  111,  3,  5.  p.  36,  15. 

dxovs'  6xi  i\  C,€orj  vucov  öid  vöaxog  söw&r]  xal  öcofrrjösxai. 

e.  Hom.  Clem.  VII,  8.  p.  84,  9. 

rj  ös  vjt  avxov  ogio&sioa  ftgrjöxsia  toxlv  avxrj'  xo  fiövov 
avxov  ösßsiv  xal  xcä  xyg  alrj&eiag  fiovqy  jciOxsvsiv  jigo- 
<pr)xrj  xal  sig  dcpsoiv  df/agxicöv  ßajtxio&rjvai  xal  ovxoog 
öid  xrjg  dyvoxdxrjg  ßa<pijg  dvaysvv?]&rjvai  &scö  öia  xov 
öm^ovxog  vöaxog. 

f.  Herrn.  Sim.  VIII,  6,  3.  p.  186,  5. 

oi  jciöxsvöavxsg  xal  siXr/cpöxsg  xr/v  o<pgaylöa. 

g.  Herrn.  Sim.  IX?!^-  p.  224^~ 

ovxcn  xal  ol  jciöxsvöavxsg  xqi  xvglqi  öia  xov  vlov  avxov. 
h.  Clem.  Rom.  II,  6,  9.  p.  120,7? 

sl  ös  xal  oi  xoiovxoi  ölxaioi  ov  övvavxai  xalq  iavxwv  öi- 


1)  Unmittelbar  voraus  geht  eine  Bezugnahme  auf  Mc.  16,  15  in  den 
Worten:  elq  xov  okov  xoouov  —  xrjQvx&eiq. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mc.  16,  16.  429 

xaioövvatq  gvoao&ai  xd  xixva  avxmv,  r/fiEiq  kdv  (z?)   xr\- 

Qtjö(0(i8v  xo  ßdjcxiOfia   dyvov  xal  afilavxov,  xoia  jcejcoi- 

&r]6£i  elosZevoo/iE&a  äq  xb  ßaOiXeiov  xov  &eov; 
i.   Hom.  CleE^Tmr21?lpri40^6r^ 

vofioq  t\v  nrjÖE  öixatov  äßdjtxiöxov  slq  xr\v  ßaöiXtiav  xov 

&eov  eIöeX&eiv. 
k.  Hom.  Clem?  XIII,  21.  p.  140,  30. 

öib  ov  OmCflvxai,  cxi  döyfia  &eoi  xslxai  äßajzx toxov  Eiq 

xijv  avxov  ßaöiXeiav  firj  eIoeX&eZv. 

1.   Hom.  Clem.  XI,  26.  p.  117,  5. 

eoxiv  yäg  xi  exel  dii  äoxfjq  eXsrifiov  £jci<jp£Q6fi£voi  xm  vöaxi 

xovq  ßajcxiCpfiivovq  sjcl  xf]  xoiöfiaxaQia  Ejcovofia- 

oia  xal  qvexül  ^rjq^Eöo[i£vrjq  xoXaoscoq. 

m.  Hom.  Clem.  IX,  23.  p.  100,  13. 

xal  xoiöfiaxaQia  sjtovofiaola  siq  a<peoir  afiaQxicov  ßajtxi- 

öäfiEVOi  ....  övvao&E  xoXdöEcoq  d'Cdlov  QVöd-tvxEq  aimviwv 

dya&cov  xXrjQovSfiot  xaxaoxrjvai. 
n.  Hom.  Clem.  VIII,  23.  p.  92,  38. 

ev  öe  xcö  EöofiEvcp  aimvi  diöico  xoXaG&rjOEOd-E  xvqi. 

o.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  35.  p.  254  C. 

jtiöxEvöavxEq  Eiq  avxov  ev  x%  jtaXiv  y£vr/60[i£V?j  £vö6£,o? 

avxov  jtaoovoia  GotöijxE  xal  fit}  xaxaöixaa&rjxE  Eiq  xo  jcvq 

vjc   avxov. 
p.  Hom.  Clem.  XI,  25.  p.  116,  26. 

eI  6h  xal  fiExä  xov  xXq&rjvai  ov  d-iXEiq  7]  ßgaövvEiq,  öcxaia 

&eov  ajcoXij  xqlöei,  ....  dßdjcxiOxoq  ob  fiq  .  .  .  .  JcXdova 

v<pst~£iq  xoXaoiv. 

q.  Ep.  ad  Diogn.  X,  7.  p.  162,  22. 

oq  (pvXäööExai   xolq  xaxaxgi&ijöoi/EVOiq  slq  xo  jcvq  xb  al- 
aiviov,   o  xovq  jcaoaÖo&Evxaq  avxm  HtXQi  xiXovq  xoXdosi. 

r.  Acta  Pil.  B.   XIV,  1.  p.  318.  ed.  Tischendorf. 

xal  ooxiq  jcloxevoel  xal  ßajcxiö&rj,  GmfrrjOExat,  öoxiq  öh 

ov  jcioxsvüEi,  xaxaxQifrrjOExai. 
s.  Mc.  16,  16. 

o  jcioxsvoaq  xal  ßajcxiödElq  6a>&rj6£xai,  6  öl  djciöxrföaq 

xaxaxgi&rjöExai. 


430  Ausseicanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc, 

t.   Pseudo-Ign.  ad  Philipp.  III.  p.  218,  10. 

o  xaZxa  jciöxsvoaq,  toq  t'x«,  coq  ytyevtjTCu,  fiaxagioq'  o 
xavxa  firj  xigxsvow  tvayrjq. 

u.  Const.  V,  7.  p.  138,  2. 

xcujav  (ihv  xtOTSvöTjTE,  fiaxdgioi  yevqösofrs'  sl  öh  ajti- 
ox  tjoste,  äfrcöoi  ijftelq  EVQe&rjGOfitfra  xcu  xa&ccQoi  xrjq  vfis- 
xiyaq  dvöxioxiaq. 

v.  Aphraates  Hom.  I,  13.  p.  14. 

Und  wiederum,  da  der  Herr  seinen  Aposteln  das  Geheirnniss 
der  Taufe  übergab,  sprach  er  so  zu  ihnen:  Wer  da  glaubt 
und  getauft  wird,  wird  leben,  und  wer  nicht  glaubt, 
wird  verdammt  werden. 

Durch  den  Text  des  Aphraates  wird  es  bezeugt,  dass  Mc. 
16,  16  zum  Taufbefehl  gehört  hat.  (Darüber,  dass  Aphraates 
Mc.  16,  16  in  Verbindung  mit  Mt.  28,  19  las,  vergleiche  Bert, 
S.  14.  Anm.  8.  Zahn,  Forschungen  I,  219)  Dasselbe  Verhält- 
nis« ergiebt  sich  aus  der  aussercanonischen  Textgestalt,  in  wel- 
cher uns  der  Taufbefehl  durch  den  Redaktor  der  Constitutionen 
(Const.  V,  7.  p.  137.  138)  aufbewahrt  ist.  Denn  jener  ausser- 
canonische  Taufbefehl,  welcher  zu  Mt.  28,  19  f  seine  eingehende 
Würdigung  gefunden  hat,  geht  im  ununterbrochenen  Zusammen- 
hang zum  Schluss  in  den  Text  von  Mc.  16,  16  über,  nachdem 
Mc.  16,  15  bereits  am  Anfang  als  Parallele  von  Mt.  28,  19a  an- 
geklungen war,  sodass  also  in  jener  wichtigen  Stelle  der  Con- 
stitutionen der  Taufbefehl  im  engeren  Sinn  einerseits  von  Mc. 
16,  15,  andrerseits  von  Mc.  16,  16  eingerahmt  erscheint.  Die  ur- 
sprüngliche Beziehung  auf  die  Taufe  liegt  wie  in  dem  cano- 
nischen ßajtxcöfreig,  so  in  dem  ßajtxiGd-yvcu,  dem  aßäjcxioxov 
und  dem  ßajzxiC,o(it'vovq,  ßajtxioäfievoi  der  Homilien,  ferner 
in  dem  ßaxxiGfrfi  der  Acta  Pilati,  in  dem  ßdjtxiofia  des 
Clemens  Rom.,  aber  auch  in  dem  silrj<p6xeq  xrjv  G<pQaylda  (als 
Umschreibung  von  ßajixiGfrivxsq)  bei  Hermas  deutlich  zu  Tage. 
In  den  beiden  Citaten  aus  Pseudo-Ignatius  fehlt  zwar  die 
Erwähnung  der  Taufe.  Aber  die  bereits  in  Betracht  gezogene 
Parallele  aus  den  Constitutionen,  wo  sich  Mc.  16,  16  unmittel- 
bar an  den  Taufbefehl  anschliesst,  zeigt,  dass  der  Redaktor 
beider  Schriften,  der  Pseudo-Ignatianen  und  der  Consti- 
tutionen, auch  in  den  ersteren  (mithin  Magn.  c.  11  und  Philipp. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mc.  16,  16.  431 

c.  3)    das  Logion  Mc.  16,  16a  mit  der  Beziehung  auf  den  Tauf- 
befehl vor  Augen  gehabt  hat.     Man  vergleiche: 

Const.  V,  7:  xal  sdv  fisv  xiöxsvötjxs,  fiaxagioi    yevt/öeo&e 
Philipp.  3:  6  xavxa  jciöxsvOag  —  [laxdoiog 

Magn.  11:  jtiöxevoag  fiaxagiog.1) 

Das  charakteristische  Einigungsband  aller  drei  Citate  ist 
(iaxäoiog  —  ein  neues  Indicium  für  die  Abstammung  beider 
Schriften  von  einem  und  demselben  Redaktor.  Dass  derselbe 
aber  mit  der  Lesart  fiaxagiog  nicht  einsam  stand,  beweist  die 
Vergleichung  von  BarnT  XI,  8.  p.  50,  18:  fiaxägtoi,  dt  sjtl  xbv 
Oxavgov  klnioavxtg  xaxeßrjöav  im  xovöcog.  Weiterverbreitet 
als  die  Lesart  fiaxagiog  war  ohne  Zweifel  coid-rjöexai  (Mc.  16,  16 
=  Act.  Pil.  XlVrOT^Man  vergleiche  dazulTPetrTsT^O.  21:  öis- 
Owd-Tjöav  oV  vöaxog,  o  xal  fyäg  avxixvjiov  vvv  öoiC,ei  ßdjtxi- 
Ofia,  ferner  Hom.  Clem.  VII,  8:  ßaxxiöß-fjvai  xal  ovxcog  — 
avayevvrj&rjvai  frecö  öid  xov  oa>C,ovxog  vöaxog,  sodann  bei 
Herrn as  die  Ausdrücke:  6G}&r\vai,  iöm&t],  Goi&rjOsxai,  endlich 
öm&rjxs  bei  Justin.  Für  dieses  GmC,£6&ai  tritt  als  weitere  Va- 
riante gvsodai  auf.  Vgl.  gvoaod-ai  in  dem  zweiten  Clemens- 
brief, gvexat,  gvöfrivxeg  in  den  Homilien,  sowie  gvösxai  ex 
xf/g  almviov  xoXaöeajg  im  ersten  Clemensbrief  (VI,  7.  p.  118, 
24).  Eine  weitere  Variante,  welche  auch  sonst  in  den  synoptischen 
Evangelientexten  mit  öd>C,E6frai  öfters  ausgetauscht  wird  (vgl. 
die  Erläuterungen  zu  Lc.  17,  33),  ist  „leben"  bei  Aphraates: 
„Wer  da  glaubt  und  getauft  wird,  wirdleben."  Endlich  kommt 
noch  als  Umschreibung  von  fiaxagtov  yiveö&at  =  öm&ö&ai  der 
Ausdruck  £losgx£0&ai  £h  typ  ßaöiZsiav  xov  &eov  in  Betracht. 
Vgl.  Clem.  Rom.  II,  6,  9:  eioeXsvoofie^a  slg  xr\v  ßaöiXeiav  xov 
fteov  =  Hom.  Clem.  XIV,  21 :  dg  xtjv  ßaoiläav  xov  &eov  elöel- 
&slv.  Wir  können  also  folgende  Varianten  von  Mc.  16,  16a  con- 
statieren: 


1)  Dass  Magn.  c.  11  auch  Joh.  20,  29  mit  anklingen  kann,  ist 
selbstverständlich;  aber  Phil.  c.  3  weist  der  unmittelbare  Gegensatz: 
xavxa  fit]  Ttiaxevcav  ivayrjq,  welcher  Gegensatz  Joh.  20,  29  fehlt,  un- 
verkennbar auf  Mc.  16,  16,  ein  Logion,  für  welches  ja  auch  ohnehin 
hoch  weitere  jobanneische  Anklänge  (Joh.  3,  5;  3,  18;  1.  Joh.  5,  10)  vor- 
handen sind. 


432  Ausaercanouische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 


Mc.  16,  16:  6  jtiozEvoag 
xai  ßajiTio&äg 

Act. Pil. :  öazig  jcigzevoei 
xai  ßcuiTiö&fi 


fiaxagioq  ysvTjOsrai 

GW&T)G£Zai 

Qvo&rjösrai 

CflGEtai 

elgtfjv  ßaGiZdavzov&Eov  eIgeXevGezül. 

Über  das  Verhältnis  der  Participiaiconstruktion  6  tciGzev- 
Cag  xai  ßaxxio&tig  zu  der  Construktion  im  Relativsatz:  oGziq 
jtigzevGec  xai  ßajirio&fi  als  verschiedene  Übersetzungstypen 
desselben  hebräischen  Urtextes  (hier:  baUD"!  "pESOSn)  vergleiche 
die  Bemerkungen  zu  Mt.  5,  22.  S.  85.  Wie  die  erste  Hälfte  des 
Logion  (Mc.  16,  16a),  so  liegt  auch  die  zweite  Hälfte  (Mc.  16,  16b) 
in  mehrfachen  Varianten  vor.     Man  vergleiche  zunächst: 

Mc.  16,  16:  6  de  äjtiGzrJGag,  Const.  V,  7:  eI  6h  ccjcigz^gsze, 
Act.  Pil.  XIV,  1:  oGzig  ov  jcigxevgei,  Ps.-Ign.  Philipp,  c.  3:  6  ftrj 
jcigzevouv,  1.  Petr.  3,  20:  djcEid^'jöaolv  jioze. 

Zu  fit}  jtiözevcov  hat  der  Redaktor  der  Pseudo-Ignatianen 
Philipp,  c.  3  evayrjg  als  Prädicat,  während  derselbe  Autor  am 
Schluss  von  Const  V,  7  den  Text  von  Mc.  16,  16b  fallen  und  in 
eine  völlig  freie  Umschreibung  auseinanderfliessen  lässt.  Jenes 
Evayr'jg  aber  erinnert  nicht  nur  an  das  evoxoq  in  Verbindung 
mit  xQifia  in  1.  Cor.  11,  27.  29,  sondern  auch  an  das  Evoyog  eotai 
zfj  xqIgel  in  Mt.  5,  22,  deckt  sich  aber  ausserdem  genau  mit  dem 
nüS^,  womit  Delitzsch  Mc.  16,  16  das  canonische  xazaxyt&fj- 
gezüi  retrovertiert  hat.  Umschreibungen  dieses  xaraxQidrj- 
geg&üi  finden  sich  bei  Justin:  xaxadixaoftrjzE  tlg  zö  jivq,  in 
den  Homilien:  xoXaG&r)G£G&£  jcvqi,  in  der  Ep.  ad  Diogn.: 
xazaxQi&r}6oiiEvovg  Elg  zb  jcvq  zb  aiwviov.  An  dem  Vorhan- 
dengewesensein des  Logion  Mc.  16,  16  im  Urevangeliurn ,  und 
zwar  iD  engster  Verbindung  mit  dem  Taufbefehl,  dessen  ur- 
sprünglicher Standort  zwischen  Mc.  16,  15  und  Mc.  16,  16  voraus- 
zusetzen ist,  darf  nach  alledem  nicht  gezweifelt  werden. 

Mc.  16,  20. 

a.  Clem.  Rom.  I,  42,  3.  4.  p.  68,  4. 

e^tjX&ov  Evayj£XiC,6,u£voi  ztjv  ßaoiXEiav  zov  &eov  (ieXXelv 
£Q%£6dai'  xaza  x°?QaG  °^v  xaL  nbleig  xrjgvGGovxEg. 


Texte  und  Untersuchungen  zu  Mc.  16,  20.  433 

b.  Aristid.  Apol.  c.  2.  p.  10  ed.  Hennecke. 

ovxog  öcoösxa  eOxe  fiafrrjxäg,  <n  fiexd  xr/v  ev  ovgavolg  dvo- 
öov  avxov  sgrjX&ov  dg  xag  ejtagxiag  xr\g  oixovfitvrjg  xal 
eöiöagav  xi\v  sxeivov  fisyaXcoovvrjv. 

c.  Just.  Dial.  c.  Tryph.  c.  53.  p.  273  C. 

xal  ovzo)  Jteiod-Evreg  xal  dg  xr\v  jtaöav  oixovfisvtjv  t^sX- 
9- 6 weg  xavxa  eölöa^av. 

d.  Just.  Apol.  1,  45.  p.  83  A. 

djid  'hoovöaXrju  ot  dstöoxoXoi  avxov  s^sX&övxeg  jiavxa- 
%ov  exrjovtiav. 

e.  Cod.  Askew.  Anger  Synops.  p.  264. 

sc,rjX9ov  xQslg  xQSlg  dg  xd  ztGoaQa  xklfiaxa  xov  ovoavov' 
IxrjQv^av  xo  svayys'Xiov  xijg  ßadXdag  kv  oXcp  xcö  x6<j(i<p, 
xov  Xqigxov  oweoyovvxog  avxolqev  Xöyqy  ßeßauoöecog 
xal  xotq  sJtaxoXov&ovoi  örj^ieioig  xal  xtoaöi. 

f.  Cyrill.  AI.  adv.  Nestorian.  Opp.  VI,  46  B. 

igeX&ovxeq  ydg,  <prjoi,  öiexfjQVGdov  xov  Xöyov  uiavxaypv, 
xov  xvoiov  6vvtoyovvxog  xal  xov  Xöyov  ßeßaiovvxog 
öid  xmv  BJtaxoXovdrjoävxow  orjueimv. 

g.  Mc  16,  20. 

exeivoi  de  e^eX&ovxeg  exrjgvsav  3iavxa%-ov,  xov  xvoiov 
ovvegyovvxoq    xal    xov    Xöyov    ßeßaiovvxog    öid    xcöv 

EJtaXoXovd-OVVXOlV    67]{l£lC0V. 

Die  ersten  Worte  von  Mc.  16,  20  klingen  schon  sehr  früh- 
zeitig an.  Der  —  von  Burgon,  The  Last  Twelve  Verses  of 
the  Gospel  according  to  S.  Mark,  1871,  trotz  der  eindringenden 
Allseitigkeit  dieser  seiner  Untersuchung,  nicht  berücksichtigte  — 
Text  des  Clemens  Rom.  deckt  sich  im  Wesentlichen  mit  der 
Parallele  des  inzwischen  erst  entdeckten  Aristides  fast  voll- 
ständig. Dass  bei  letzterem  in  der  Relation  nach  der  Historia 
Barlaam  et  Josaphat  der  ursprüngliche  Text  erhalten  ist, 
zeigt  die  Übereinstimmung  mit  dem  Syrer,  nach  der  englischen 
Version  von  Harris:  and  then  these  twelve  disciples  went  forth 
into  the  known  parts  of  the  world,  nach  Hennecke:  „und  dann 
sind  diese  zwölf  Jünger  ausgegangen  in  die  bekannten  Theile 
der  Welt  und  lehrten  von  seiner  Grösse".  Mau  sieht:  .^entjorth 
=■  e^Xfrov"  (Arist.,  Clem.  Rom.)   ist   identisch   mit  dem  Jßi X- 

Texte  u.  Untersuchungen  X,  2.  28 


434  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

&6vxeg"  (Just.,  Mc.  16,  20).  Aber  auch:  „into  the  known  parts 
of^the  world"  ==  sig  rag  htccQxiag  xrjg  olxov/ievrjg  (Arist.)  deckt 
sich  im  "Wesentlichen  mit  xaxä  x<x>Q<xg  xal  xoXtig  (Clem.  Rom.) 
=  sv  olm  x<p  xöoficp  (CodTAsSew.)  =  in  tota  terra  (Cod.  von 
Etzschiniadzin  nach  Conybeare  p.  253)  =  tlg  xi]v  jcäöav  oixov- 
(tivrjv  Justins  im  Dialoge,  sowie  mit  dem  xavxayov  in  Justins 
Apologie  und  in  dem  späteren  Marcus:Schlusse.  Aber  auch  in 
den  Ausdrücken,  womit  die  Thätigkeit  der  Apostel  ausgedrückt 
wird,  berühren  sich  die  Texte  mehrfach :  evayyeXi^ofisvoi  —  xtj- 
Qvooovteg  (Clem.  Rom.)  =  £xr]Qv£,av  (Just.  Apol.,  Cod.  Äskew, 
Mc.  16,  20)  =  duxt'iQVOöov  (Cyrill.  AI.)  =  köiöa^av  (Arist.,  Just. 
Dial.),  wozu  man  die  Erläuterungen  von  Mt.  28,  19  vergleichen 
wolle,  wo  dieselben  gleichwertigen  Varianten  auftreten.  Das 
Objekt  des  £vayyeXiC,to{)cu  =  xi/qvoguv  =  ötdaoxeiv  war  im 
Urtexte  jedenfalls  tj  ßaoiXtia  xov  &wv  (Clem.  Rom.),  wozu  im 
Cod.  Askew  xo  tvayyiXcov  rrjg  ßaoiXüag  als  Variante  erscheint, 
und  wovon  auch  vielleicht  die  iityaXcoovvr)  (sc.  xov  Xniöxov) 
eine  freie  Variante  (vgl.  Esth.  5,  1:  msb'a  =  LXX:  öoB,a)  reprae- 
sentiert.  Hinter  allen  diesen  Varianten  ist  also  ein  älterer  Quellen- 
text zu  erkennen,  welcher  Mc.  16,  20a  zu  Grunde  liegt.  Und 
sollte  die  bereits  früher  von  mir  ausgesprochene  Ansicht  zu 
Recht  bestehen,  dass  das  Apostelverzeichniss  nach  Erwähnung 
der  uvuXrjtpig  (=  avoöog  bei  Aristides)  den  ursprünglichen  Schluss 
des  Urevangeliums  gebildet  habe  (vgl.  Ztschr.  f.  kirchl.  Wissensch. 
u.  kirchl.  Leben  1889  1.  S.  30.  31),  so  könnte  sehr  wohl  der 
Quellentext  von  Mc.  16,  20a  der  ursprüngliche  Abschluss  des 
Apostelverzeichnisses  und  somit  des  Urevangeliums  gewesen  sein. 
Darüber  Weiteres  am  Schluss  des  nächsten  Heftes  zu  Act.  1,  13. 


Nachträge. 

Von  dem  i.  J.  1842  entworfenen  Programm  Tischendorfs 
für  die  neutestamentliche  Textkritik,  nämlich 

1.  alle  griechischen  Uncialcodices  des  N.  T.  in  ent- 

sprechender Weise  zu  veröffentlichen; 

2.  die  alten  Versionen  von  Neuem  zu  bearbeiteu; 

3.  die  wichtigsten  Kirchenväter  zu  neuer  Ergründung 

und  Benützung  zu  bringen: 
wird  der  letzte  Theil  —  die  Ergründung  und  Benützung  der 
patristischen  Literatur  —  durch  das  gegenwärtige  Werk  in  einer 
bisher  noch  nicht  vorhandenen  Vollständigkeit,  unter  Einbeziehung 
der  zahlreichen  seitdem  auf  diesem  Gebiete  gemachten  Ent- 
deckungen, seiner  Verwirklichung  entgegengeführt,  soweit 
nämlich  die  Evangelien  in  Betracht  kommen,  mithin  für 
die  interessanteste,  wichtigste  und  ausgiebigste  Seite  der  For- 
schung. 

Nicht  berücksichtigt  hat  Tisch endorf  bei  diesem  Plane 
die  textkritische  Verwerthung  der  altkirchlichen  Evangeliarien 
und  Lektionarien,  auf  deren  Bedeutung  für  die  Textkritik 
namentlich  de  Lagarde  wiederholt  hingewiesen  hat.  Auch  in 
Tischendorfs  Apparatus  criticus  findet  sich  bezüglich  der 
Evangeliarien  nur  eine  sehr  geringe  Ausbeute.  So  hat  auch  das 
zuerst  von  dem  Grafen  Miniscalchi-Erizzo  i.  J.  1861  ver- 
öffentlichte Evangeliarium  Hierosolymitanum  (von  welchem 
man  übrigens,  nach  einer  Mittheilung  Nestles,  in  England  eine 
neue  Ausgabe  vorbereitet J),  weniger  Beachtung  gefunden  als  es 

1)  Die  Ausgabe  de  Lagarde's  (Bibliothecae  Syriacae  a  Paulo  de 
Lagarde  collectae  quae  ad  philologiani  sacram  peitinent.  Gottingae, 
1892  4°)  ist  mir  nicht  zur  Hand.  Von  ihr  sagt  Sohwally,  ldioticon  des 
christlich  palaestinischen  Aramaeisch,  1893,  S.  VIII,  dass  sie  „vielleicht 
das  glänzendste  Denkmal  scrupulösester  Genauigkeit  ist,  das  sich  jener 
bewundernswerte  Mann  gesetzt  hat." 

28* 


436  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

verdient.  Und  ich  selbst  muss  meinerseits  das  lebhafteste  Be- 
dauern darüber  aussprechen,  dass  ich  erst,  als  der  Druck  dieses 
Heftes  seinem  Ende  sich  näherte,  von  dem  gedachten  Evange- 
liarium  Kenntniss  genommen  habe.  Allerdings  für  diejenige 
Seite  der  Untersuchung,  von  welcher  ich  bei  meinen  Forschungen 
ausgegangen  bin,  für  die  evangelische  Quellenkritik,  besitzt  das 
Evangeliarium  Hierosolymita'num  höchstens  einen  indirek- 
ten Werth.  Denn  diese  in  syrischer  Schrift,  einer  Abart  desEstran- 
gelo,  in  aramäischer  Sprache  mit  zahlreich  eingemischten  Graecis- 
nien  hier  vorliegenden  Evaugelien-Perikopen  ruhen  auf  einer 
Rückübersetzung  aus  unseren  canonisch-revidierten  Evangelientex- 
ten und  sind  weit  davon  entfernt,  irgendwie  mit  dem  Urevangelium 
zusammenzuhängen.  Gleichwohl  sind  sie  —  abgesehen  von  ihrer 
Wichtigkeit  für  die  sprachliche  Erforschung  des  Aramäischen  — 
in  textkritischer  Hinsicht  von  hohem  Werthe,  sofern  es  sicher 
sehr  gute,  alte  Handschriften  gewesen  sind,  aus  denen  die  Ver- 
fasser des  Evangeliariums  geschöpft  haben,  sodass  manche  Ar- 
chaismen und  manche  wichtige  Lesarten  sich  zeigen,  durch  welche 
nicht  wenige  singulare  anderweite  Textvarianten  ihre  Bestätigung 
erhalten  und  in  welchen  mehrfach  eine  Verwandtschaft  sogar  mit 
Tatians  Diatessaron  hervortritt.  Während  nun  diese  dem 
Evangeliarium  Hierosolymitanum  eigentümlichen  Text- 
gestalten in  den  nächsten  Heften  je  den  bezüglichen  Parallelen 
einverleibt  werden  sollen,  kann  für  diejenigen  Partieen,  welche 
auf  da9  gegenwärtige  Heft  sich  beziehen,  d.  h.  dem  ersten  und 
zweiten  Evangelium  ausschliesslich  angehören,  die  Verwerthung 
des  Evangeliarium  Hierosolymitanum  —  abgesehen  von 
den  durch  Prof.  Nestle  daraus  bereits  gelieferten  Notizen  — 
nur  in  der  Form  von  Nachträgen  erfolgen. 

Gleichzeitig  kann  in  diesen  Nachträgen  dasjenige  notiert 
werden,  was  sonst  noch  während  des  Druckes  als  mittheilens- 
werth  sich  gefunden  hat,  so  namentlich  auch  die  Entdeckung 
Conybeares  bezüglich  des  Marcus-Schlusses. 

Mt.  3,  4  =  Mc.  1,  6. 

Zu  der  Variante  honey  of  the  mountains  =  fieXi  aygiov  ist  zu 
vergleichen  mel  montanum  ("laX..!    r^ao.*?)  auf  S.  499  des  Evan- 


Nachträge.  437 

geliarium  Hierosolymitanum,  welches  auch  sonst  noch  für 
a?Qog  r&e\  =  mons  gebraucht.     Vgl.  oben  S.  56. 

Mt.  3, 14. 

Bei  Epiph.  lh<u  Ilioxscoq  c.  15  p.  1097  D  lesen  wir:  ilfrcor 
km  xov  'logöävijv .  ßajiTio&eiq  vjto  ^Icoavvov,  ovx  ejtideo/nsvoq 
Zovtqcöv.  Vgl.  hierzu  oben  S.  57  die  unter  a  bis  d  gegebenen 
Citate. 

Mt.  5,  17. 

Hierzu  noch  ein  Nachtrag  aus  Orac.  Sibyll.  I,  330 — 333. 
ov  63  kvl  (pgeai  ofjöi  vorjöov 
A&avaxoio  &sov  Xgtoxov  jzcüö'  vxpioxoio. 
Avxoq  JcXr/Qcoosi  öe  Otov  vofiov,  ov  xaxaÄvoec, 
Avxixvjtov  fiiftt/fia  (pegcov,  xdi  jiärxa  öiöagtt. 

Der  oben  S.  75  besprochene  aussercanonische  Paralleltext 
zu  Mt.  5,  18,  welchen  lrenaeus  und  Aphraates  erhalten  haben, 
findet  sich  auch  im  Evangeliariuin  Hierosolymitanum 
S.  520:  Amen  enini  dico  vobis,  quia  donec  transeant  coelum  et 
terra,  jota  unum  aut  unus  apex  non  praeteribit  a  lege  aut  a 
prophetis,  donec  omnia  fiant.  Die  zu  Mt.  5,  18  =  Lc.  16,  17  ge- 
hörigen  aussercanonischen  Paralleltexte  werden  übrigens  voll- 
ständig im  nächsten  Hefte  bei  Lc.  16,  17  zur  Mittheiluner  se- 
langen. 

Mt.  5,  22. 

Das  Evangeliariuin  Hierosolymitanum  vertritt  zu  Mt. 
5,22  ebenfalls  die  aussercanonische  Lesart  alxTJ.     Vgl.  S.  116. 

Mt.  5,  3tt. 

Einen  aussercanonischen  Text  bietet  hierzu  Methodius  de 
lepra  XVII,  6  p.  328  ed.  Bonwetsch:  „Niemand  vermag  ein 
einziges  Haar  sich^hinzuzufügen".  Hier^irdTdie^S?  95~mitge- 
theilte  Fassung  bei  Clemens  AI.:  ovöelg  övvaxcti  bestätigt. 
Andrerseits  geht  der  Text  des  Methodius  zum  Schluss  in  das 
Jtgoo&elvat  von  Mt.  6,  27  über,  jenes  Logion,  dessen  Verwandt- 
schaft mit  Mt.  5,  36  von  mir  bereits  oben  hervorgehoben 
worden  ist, 


438  Aussercanonische  Pavalleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Mt.  5,  37\ 

Zu  den  Citaten  auf  S.  96  vgl.  mau  noch  Eus.  Dem.  ev.  III,  3. 
Migne  IV,  188:  sota)  ya.Q  vficöv  xo  val  vai,  xo  ov  ov.  Praepar. 
ev.  XIII,  13.  Migne  III,  1112:  JtaXiv  av  xm  xov  xvqiov  qtjxod, 
rö)'  sörco  vficöv  ro  val  val,  xal  xo  ov  ov.  Also  constante 
Weglassung  des  o  Xöyoq  aus  dem  canonischen  Texte. 

Mt.  10,  23. 

Zu  Mt.  10,  23a  finden  sich  noch  folgende  Anspielungen,  erst- 
lich Const.  V,  3.  p.  126,  5:  xal  xovq  öicoxoiievovq  de  ötä  xr\v 
jcioxtv  xal  [zig]  nöXtv  Ix  jcoXewq  (psvyovxaq  ötä  xr\v  evxo- 
Xr\v  xov  xvqiov,  siQOoXaftßävEö&s  avxovq,  sodann  Hippol.  de 
Christo  et  Antichristo  c.  61  p.  32  ed.  Lagarde:  ötcoxcov  xrjv 
exxXqölav  cptvyovoav  djib  jtoXeayq  elq  xo Xiv.  Zugleich  klingt 
hier  der  Schluss  von  Mt.  23,  34:  xal  ötoS^exe  äjco  xoXecoq  eig 
xöXtv  ganz  deutlich  an,  welche  Worte  wegen  ihrer  Congenia- 
lität  mit  Mt.  10,  23a  ohnehin  erwähnenswerth  sind.  In  der  Pa- 
rallele Lc.  11,  49  lesen  wir  nur  kxötoj^oVGiv  ohne  den  Zusatz 
axb  JcbXeoyq  elq  xoXtv. 

Mt.  10,  42  =  Mc.  9,  41. 

Die  Varianten:  ov  //?)  ajtoXrjxat  o  (iid&bq  avxov  und  ov 
//?/  ajtoXiorj  xov  fiiöfrov  avxov  erklären  sich  aus  dem  unvocali- 
sierten  Grundtexte:  TQlB  "SSO  xb.  Je  nachdem  man  "DK*1  oder 
~38p  vocalisierte,  war  äjioXrjxat  oder  ajioXtOy  zu  tibersetzen 
(Nachtrag  zu  S.  128.) 

Mt.  13,  3«. 

Die  Septuaginta  bieten  zu  dem  xaxov  ojctQfia  der  Clemen- 
tinen (vgl.  S.  150)  noch  eine  schöne  Parallele  Jes.  1,4:  OJteQfta 
jrovTjQov  =  cisniq  jnt. 

Mt  13,  42.  43. 

Das  avxov  in  dem  Citat  aus  Hippol.  de  Christo  et  Anti- 
christo (vgl.  oben  S.  152),  bei  de  Lagarde  c.  65  p.  35,  6,  ist 
doch  wohl  nur  auf  r(Xtoq  zu  beziehen. 


Nachträge.  439 

Mc.  4,  26-28. 

Zu  dem  Gleichniss  Mc.  4,  26 — 28  (S.  153 — 150)  ist  noch  zu 
bemerken,  dass  die  gleichwertigen  Wortparallelen  xa&Evö*Eiv  = 
axo&vijöxstv  ohne  Schwierigkeit  aus  dem  hebräischen  asiö  zu 
erklären  sein  dürften,  welches  neben  der  Hauptbedeutung  „sich 
niederlegen,  liegen,  schlafen"  auch  zur  Bezeichnung  „des  Sterbens" 
gebraucht  wird.  Vgl.  2.  Chron.  12,  16;  14,  1:  astD'!>1  —  LXX: 
xal  ajze&avE.  Diesem  SDffi  entsprach  dann  sinngemäss  aip  = 
eyeiQ€G&ai  =  avaarTjvai.  Vgl.  Prov.  6,  9:  23»n  bv$  ^ntt-!? 
^riDtJÜ  QIpPi  ^ntt  =  LXX:  scog  xivog  oxvrjQs  xaxdxEiOai;  jcoxs 
öh  e§  vjtvov  iyeQ&rjoij ;  (Aquila,  Symm.,  Theodot.:  dvaox^öij). 
Die  Verwandtschaft  des  Gleichnisses  mit  1.  Cor.  15,  37,  welche 
oben  (S.  153)  hervorgehoben  worden  ist,  erstreckt  sich  auch  durch 
das  viermal  wiederkehrende  öjteioExai.  —  EyEtoexai  auf  1.  Cor. 
15,  42 — 44.  Eine  geistreiche  Verwendung  dieses  Gleichnissge- 
dankens habe  ich  noch  gefunden  bei  Methodius  de  resurr. 
Uli,  3.  4.  p.  166.  Bonwetsch:  cog  yaQ  Ix  toi  xa&svÖEiv  xb 
eyQijyoQEvai  yiyvExai,  xal  ov  jtdvxoq  o  xaO svöoiv  iv  tw 
avxm  öta/itvei  oxrfftaxt  xa&Evd<av  aei,  aXX'  av&ig  dviöxaxai, 
ovxcag  xal  xb  C,ijv  ix  xov  dsiofravElv  ov(iß^6exai,  xal  ov  Jidv- 
tojq  o  ajio&avwv,  ineiödv  djio&dvoi,  iv  xq>  avxm  [ievei. 
ei  yaQ  Ix  xov  xoifiäoß  ai  ro  iyQt/yoQEvai  xal  ix  xov  jctösiv 
xo  äveyeoß  fjvai  xal  ix  xov  xaxaßX?]ßrjvai  xb  avoixoöoturj- 
&rjvai,  xiq  ^irffavi}  xal  ix  xov  xXi&ivxog  (iq  ovyl  JiQoööoxdv 
xo  dvaOxrjOEO&at  xal  ix  xov  ftavbvxog  xo  dvaßioioxs- 
(t&ai;  xal  yag  rjfietq  xovxo  ovx  i$ajcaxa)//eroi  bfioXoyoüfiEv, 
ix  xcov  xe&veojxojv  Ooficcxotv  xo  dv a ßim ox eö& ai  övftßai- 
vtiv.  xal  fiij  fiövov  xovxo,  eI  ßovXsi,  ajto  xov  xa&svÖEiv 
OxÖjkei  xal  dvioxao&ai,  dXXd  xal  äxo  xcov  OJiEQfidxmv  xal 
<j>vxo~iv,  coq  iv  jtäoiv  avxolg  ?)  dvdoxaoig  xaxayysXXexat.  xa- 
xafiairExs  yaQ  xd  ojtEQfiaxa.  Jtcog  yvfivd,  <pr]öl,  xal  ctöaoxa 
ßdXXsxai  slg  xrjv  yrjv,  xal  xEXEGrpoQovfiEva  jidXiv  {xd 
avxd)  ajtodiöoxai.  ejcei  eI  &vt']oxoi  fdv  xal  otjjtoixo  xd 
ojtEQfiaxa,  ix  öe  xäv  ojtEQfidxov  lirjxExi  xb  dvaCrjv  xal 
rpvstv  ysvoixo,  xiq  r\  avajiXt'iocoOig  [irj  ov'/l  xdvxa  xaxavaXco- 
ürfvai  Eig  xo  x  E&vdvai; 


440  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Mt.  15,  13. 

Die  Varianten  cxQt^cofrrjGbTai  und  txQiC.co&r/Tco  (S.  171) 
sind  doch  jedenfalls  aus  dem  Hebräischen  geflossen,  je  nachdem 
man  den  Grundtext  ■^py■,  oder  EhC"*  als  Futurum  fasste  oder 
als  Jussiv  betrachtete.  Vgl.  Zeph.  2,  4:  1J5yf)  =  LXX:  hxqiCco- 
V/jOtzai  —  Hiob  31,  8:  Itthi&'i  =  LXX:  aQQi&q  ysvoipr/v.  Sym- 
machus  gebraucht  an  letzterer  Stelle  für  ccqqi^ov  yivsotiai  das 
Yerbum  IxqiCovv. 

Mt.  15,  19  —  Mc.  7,  21.  22. 

Zu  der  oben  S.  176  f.  mitgeth eilten  Abhandlung  weist  Prof. 
Harnack  noch  darauf  hin,  dass  neuerdings  Dieterich  (Nekyia 
1893)  S.  163 ff.  über  die  antiken  und  die  christlichen  Laster- 
kataloge gehandelt  hat. 

Mt.  15,  22.  27  =  Mc.  7,  26.  28. 

Die  yvvt)  ^EXXrjvic,  HvQo<poivixi6Ga  =  Xavavaia  =  Xava- 
vlxiq  (vgl.  S.  179)  wirTlmTTvangeliarium  Hierosolymitanum 
als  Äramea   bezeichnet.     Vgl.   S.  254:   Et   mulier   erat  Aramea 

(Ktooif^) '),  ex  Syria  Phoeniciae  genus  ejus.  Ebenda  findet  sich 
zu  Mc  7,  28  die  oben  (S.  1S4)  notierte  Lesart:  et  vivunt  —  ein 
Zusatz,  den  die  syrischen  Versionen  mit  Tatian  gemeinsam 
haben.  Auf  S.  577—580  ist  die  Parallel-Perikope  aus  Mt.  mit- 
getheilt.  Man  vgl. 
S.  580  Mt.  15.  27:  lila  autem  dixit:  Etiam,  Domine  mi,  etiam 

catelli  edunt  de  micis,  quae  cadunt  de  mensa  dominorum 

suorum,  et  vivunt. 
S.  254  Mc.  7,  28:  Et  illa  respondit  dicens:   Utique,  Domine  mi, 

et  etiam  canes  sub  mensis  comedunt  de  micis  puerorum, 

(et  vivunt.) 

Mc.  7,  »4-37. 

Zu  der  nur  dem  Marcusevangelium  angehörigen  —  von 
Weiss  nicht  von  der  vorcanonischen  Quelle  abgeleiteten  — 
Perikope  Mc.  7,  31— 37   habe  ich  aussercanonische  Paralleltexte 


1)   Bezeichnet    nach   Nestle   auch    im    Edessenischen    Syrisch    „die 
Heidin".     Man  vgl.  dazu  Kautzsch,  Gramm,  des  Bibl.-Aram.  S.  20. 


Nachträge.  441 

nicht  gefunden.  Nur  das  Evangeliarium  Hierosolymitanum 
bietet  zu  Mc.  7,  37  (S.  256)  einen  etwas  abweichenden  Text:  „Et 
magis  admirabantur,  et  dicentes':  Bene  omnia  ipse  fecit:  etiam 
omnia,  [quaej  ipse  fecit,  etiam  surdos  ille  facit,  ut  audiant,  et 
illi  qui  non  loquuntur.  ut  loquantur."  Den  aramäischen  Aus- 
druck des  Marcus:  agxpa&a  in  v.  34  giebt  das  Evangeliarium 
ohne  die  canonische  Hermeneuse:  6  toxiv  öiavoiy&rjxi,  dagegen 
in  einer  von  dem  canonischen  Texte  abweichenden  Form:  &b\S±&\rd 
=  nPEns,  mithin  genau  in  der  Form,  welche  grammatisch  (den 
Singular  vorausgesetzt)  gefordert  werden  muss.  Vgl.  Kautzsch, 
Grammatik  des  Biblisch-Aramäischen  S.  10. 

Mt.  16, 18. 

Zu  der  Untersuchung  S.  1S7 — 196  ist  noch  ein  Hinweis  auf 
die  Auseinandersetzung  Zahns,  Forschungen  11,  290 ff.:  „Petrus 
das  Felsenfundament  der  Kirche"  nachzutragen.  Den  dort  ge- 
gebenen Bemerkungen  über  Mt.  16,  18  bei  Origenes  (Tom.  XII. 
§  10  Opp.  111,  523  sqq.  ed.  Delarue)  ist  im  Wesentlichen  bei- 
zustimmen. Vgl.  oben  S.  192  am  Schluss.  Dagegen  sind  Zahns 
Anschauungen  über  den  bezüglichen  Text  Tatians  im  Dia- 
tessaron  weniger  sicher.  Aber  selbst  wenn  in  diesem  Falle 
Zahn  Recht  behielte,  würden  die  oben  gegebenen  übrigen  Aus- 
führungen davon  nicht  berührt  werden.  Auch  bei  Eusebius 
(Dem.  ev.  II,  3.  Migne  IV,  216)  findet  sich  von  Mt.  16,  16—19 
mit  wenigen  untergeordneten  Varianten  der  canonische  Text. 
Dass  aber  Paulus  das  Logion  Mt.  16,  18  nicht  gekannt  hat, 
zeigt  nicht  blos  Gal.  2,  10  ff.,  sondern  auch  Eph.  2,  20,  wo  nicht 
ein  Apostel,  sondern  die  Apostel  in  der  Pluralität  (Ijti  xcö  &s- 
(JtZic)  x<äv  ajioöxoXcov  —  vgl.  die  frefieZiovg  öcööexa  Apoc. 
21,  14.  19,  xovg  ß-s/JtXiovg  Hebr.  11,  10)  als  Grund  der  Kirche 
bezeichnet  werden,  Christus  aber  als  deren  axQoycovialog.  Vgl. 
ferner  1.  Cor.  3,  11:  ftefieZiov  aXlov  ovödg  övvaxai  fttlvai  naget 
xov  xeifisvov,  6g  toxiv  'irjöovg  6  Xqiöxoq  —  endlich  1.  Cor.  10.  4: 
rj  öi  xixQa  i\v  o  Xgcoxog. 

Mt.  17,  21  =  Mc.  9,  29. 

Zu  S.  210  f.  ist  noch  folgende  Parallele  aus  dem  Evange 
liarium  Hierosolymitanum  (S.  258)  nachzutragen:  Hoc  genus 
omnino  nequrt  exire,  nisi  in  jejunio  et  oratione. 


442  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Mt.  18,  15  =  Lc.  17,  3. 

Einen  aussercanonischen  Paralleltext  zu  Lc.  17,  3  =  Mt.  18, 
15  habe  ich  noch  gefunden  bei  Methodius  de  lepra  XVIII,  S 
p.  329  ed.  Bonwetsch:  (sagte  er:)  „Wenn  sündiget  dein  Bruder, 
tadele  ihn.  Den  Busse  thuenden  befiehlt  er  anzunehmen  und 
für  einen  Bruder  zu  halten".  Hier  zeigt  sich  das  jrQoodsxeofrai 
der  Constitutionen.     Vgl.  oben  S.  223. 

Mt.  19, 12. 

Zu  den  S.  249  erwähnten  und  iu  den  Agrapha  S.  433  ab- 
gedruckten enkratitiscken  Makarismen,  wie  sie  in  den 
Actis  Pauli  et  Theclae  enthalten  sind,  finden  sich  bei 
Ephraem  Syr.  (Opp.  I,  36 D)  folgende  Parallelen:  o  öe  tjfiEXEQoq 
vöiioq  eöx\v  ovxoq'  [laxaQioi  oi  jitcö%oI  xm  jivEVfiaxi.  {taxäoioi 
ol  xevfrovvTEQ.  (laxäoioi  oi  hXtrjuoveq.  [taxäoioi  oj.  dedtmyfiE- 
voi.  naxciQtot  oi  ov£i(hCötutroi.  fiaxdoioi  oi  xa&aooi  xfj  x<xq- 
ö'ia.  fiaxdoioi  ol  eyxQar evofievot.  fiaxdoioi  ol  xb  ßd- 
jcxiOfia  ayvbv  (pvXd^ovxEq.  fiaxdoioi  oi  öid  xbv  Xqiöxov 
ajtoxa^dfiEvoi  rrö  xoöficp  xovxqy.  fiaxdoia  xd  ocofiaxa 
tcöv  JtctQ&tvcov.  fiaxdgioi  oi  sxovreg  yvvalxag  a>q  fit} 
tyoi'TEg.  (/axccQim  oi  yoTjyoQovvxsq  xal  jigoosv/bfisvoi.  fia- 
xdoioi ol  xooßXEJtovTEg  xbv  EQxbfiEVov  xQlvai  C,o3vxaq  xal 
vExoovq.  fiaxdoioi  oi  öaxgvovxEq  Iv  jtqooevx(j-  Tavxa  xtjq 
ftsiaq  yoa<f>r\q  x<nv  6q&oöo£,cov\  Echtes  und  unechtes  Material 
geht  in  diesen  Makarismen  durch  einander. 

Mt.  22, 11-13. 

Zu  den  Parallelvarianten :  OxoXt)  vvfifpixtf  =  Evövfia  vv/ipi- 
xbv  =  Evövfia  ydfiov  (vgl.  S.  266)  findet  sich  noch  eine  weitere 
Parallele  bei  Ephraem  Syr.  Opp.  I,  44 D:  6  jrooGÖoxcöv  slq 
xovq  ydf/ovq  EXEtvovq  xaxaxXiOtjvai,  sG&rjxa  XaftJigdv  xxq- 
oaG&a>. 

Mt.  24, 11  =  Mc.  13,  22. 

Das  Parailelenverzeichniss  S.  281 — 283  kann  noch  vermehrt 
werden  durch  folgendes  Citat  aus  der  Disputatio  Archelai 
et  Manetis  p.  61  ed.  Zacagni:    „Exsurgent  enim  falsi  Christi 


Nachtrage.  443 

et  falsi  Apostoli  et  falsi  Prophetae,  et  dabunt  signa  magna  et 
prodigia,  ita  ut  in  errorem  inducant,  si  potest  fieri,  etiani  electos." 

Mt,  24,  24. 

Als  eine  Ergänzung  zu  der  Untersuchung  über  den  Anti- 
christ (S.  289 — 293),  zugleich  als  ein  Beweis  für  den  ursprüng- 
lich eschatologischen  Charakter  des  Logion  Mt.  7,  15  (vgl. 
S.  109 — 113.  291),  ist  noch  zu  erwähnen  eine  Äusserung  Hip- 
polyts,  in  welcher  er  den  Antichrist  unter  deutlicher  Bezug- 
nahme auf  Mt.  1,  15  auswendig  als  Lamm,  inwendig  als  Wolf 
darstellt,  wenn  er  sagt:  eöeix&r]  o  og>xt)q  coq  agviov,  xcu  avxbq 
[sc.  o  avTLXQiGxoq]  ofioimg  (pctvrjGsxcu  coq  aqviov ,  svöo&ev  Xv- 
xoq  cov.  Hippol.  de  Christo  et  Antichristo  c.  6.  p.  5  ed.  La- 
garde. 

Mt.  25, 10. 

Die  S.  303  zusammengestellten  Texte,  den  vv/upcov  betreffend, 
können  noch  durch  folgende  Parallele  bereichert  werden  aus 
Ephraem  Syr.  Opp.  I,  44  D:  o  äyancov  elösZ&tiv  siq  xov  vv(i- 
(pcävcc  xcu  ayaXXiao^r/vai,  Xaftjrctöa  xpaiögav  xccl  sXcuov  eiq  ay- 
yelov  agaxco. 

Mt.  25,  40. 

Die  Variante:  quamdiu  — ,  welche  Origenes  vertritt  (vgl. 
S.  313),  zeigt  sich  auch  im  Evangeliarium  Hierosolymita- 
num  (S.  232):  „quamdiu  omnia  quae  fecistis  uni  ex  his  fratribus 
meis  minimis,  mihi  fecistis."  Derselbe  Text  gleichlautend  noch- 
mals S.  306. 

Mt.  26,  M  =  Me.  14,  30. 

Zu  der  von  mir  (S.  33.  326)  adoptierten  Abbreviatur  xq  (= 
xvgioq)  im  Fajjum-Fragment  bemerkt  Nestle:  „Steht  Rainer 
dem  Urevangelium  nahe,  so  wird  er  6  xvgioq  (anstatt  'iqoovq) 
nicht  gebraucht  haben."  Die  Richtigkeit  der  Bemerkung  an  sich 
wird  von  mir  zugestanden.  Da  ich  aber  das  Fajjum-Fragment 
(S.  28ff.)  zunächst  dem  Aegypterevangelium  zuweise  und  daher 
nur  eine  indirekte  Verwandtschaft  mit  dem  Urevangelium  für 
möglich  halte,  so  ist  darauf  hinzuweisen,  dass  das  Aegypter- 
evangelium gerade  den  Ausdruck  (  xvgioq  bevorzugt.  Vgl. 
Agrapha  S.  385.  429. 


444  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Mt.  27, 16.  17. 

Die  S.  338  ff.  besprochene  Tradition,  wonach  der  Name  des 
Barabbas  „Jesus"  gewesen  sei,  wird  auch  durch  das  Evange- 
liarium  Hierosolymitanuni  (S.  392  ff.)  bestätigt,  und  zwar 
in  der  Weise,  dass  schon  zu  v.  16  der  Name  „Jesu"  auftritt  und 
in  v.  17  wiederkehrt:  ,.Erat  autem  eis  tunc  unus  vinctus  famosus, 
qui  vocabatur  Jesu  Bar  Rabban.  Et  quum  essent  illi  congre- 
gati,  dixit  eis  Pilatos:  Quem  vos  postulatis  ex  duobus,  ut  dimit- 
tam  vobis?  Jesu  Bar  Rabban,  an  Jesum  qui  dicitur  Christus? 
Und  zwar  ist  hierbei  der  Name  des  Mörders  beide  Male  nur 
„Jesu"  (cujq*),  der  Name  des  Erlösers  aber  „Jesus"  (cocurn*)  ge- 
schrieben, obwohl  v.  17  beide  Namen  in  einem  und  demselben 
Casus  stehen.  Der  Charakter  der  Rückübersetzung  aber  aus  dem 
Griechischen  zeigt  sich  auch  darin,  dass  v.  16,  wo  „Jesu"  im  No- 
minativ steht  icu».  r^Smfosa.i),  doch  wie  im  Hebräerevangelium 
der  Accusativ  des  griechischen  Originals  {Bagaßßäv)  beibehalten 
und  in  Folge  dess  •.raus  =  pl  "D  geschrieben  ist.  Wesentlich 
dieselbe  Textgestalt,  namentlich  auch  die  Verschiedenheit  der 
Namen  „Jesu"  und  „Jesus1*,  sowie  auch  der  Zusatz:  ex  duobus 
(=  asro  xcöv  ovo  in  dem  Scholiou  des  Anastasius  vgl.  oben 
S.  33S)  findet  sich  S.  375.  376  des  Evangeliarium. 

Mt.  27,  46  =  Mc  15,  34. 

Eusebius  bringt  den  Kreuzesruf  Mt.  27,  -16  in  mehrfachen  Va- 
rianten. Vgl.  Dem.  ev.  X.  Migne  IV,  753 :  ävsßörjOsv  o  'Irjoovg  (pwvfi 
(isyäXrj  Xiyow  'HXsi,  'HXei,  Xafjfiä  oaßayßavi;  Gleichlautend  Dem. 
ev.  X.  Migne  IV,  777.  Dagegen  Comm.  in  Js.  49,  7.  8.  Migne 
VI,  433:  ävsß&rjosv  6  ocoxr/Q  sIjkov  'HXsi,  'HXsi,  Xi/ia  oaßax&a- 
vsi.  Ferner  Dem  ev.  X.  Migne  IV,  760:  sß6t]Gsv  Irjoovg  (poivrj 
fieydXy  'EXcosifi.  'EXcosifi,  Xafi^ä  occßax&avi ,  o  söxt  fisd-syttt]- 
vtvo^svov  o  &80Q,  6  d-sog  fiov,  i'va  xi  syxaxsXutsg  fis;  elXrj- 
jrrai  ös  t]  Eßoai'x?]  Xsgig  äjiu  xijg  sv  %sqg\  JtQO(prjxsiag.  Avxaig 
yovv  ovXXaßalq  xo'  'HXsi,  'HXsi,  Xafi/m  oaßax&ccvL  r\  xov  tpaX- 
f/ov  xaxagxtj  jisqüxsi,  Öjtsq  o  'AxvXag  xovxov  SQfi-rjvsvot  xov 
xqoüioV  'Ioxvqs  [iov,  icxvQs  fiov,  iva  xi  syxaxsXijisq  f/s;  Vgl. 
endlich  die  Marcus-Parallele  Eclog.  proph.  II,  13  in  Ps.  21  (=22): 


Nachträge.  445 

xal  t   eJtl  xov  oxavoov  gxDvrj  r/'  EXodei,  EXcoü,  Xafiä  Gaßax&a- 
vni  MignelV,  1107B. 

Für  die  Übersetzung  övvatuig  =  3X  liegt  ein  sehr  altes  Zeug- 
niss  vor  in  dem  Namen  Elksai  =  103  bs  =  övvafug  djtoxexa- 
Xvfifitvfj.  Vgl.  Epiph.  Haer.  XIX,  2  p.  41  A:  cfavxdCovxai  6h  öij- 
dev  xaXslv  xovxov  ,.övva[iiv  djiox£xaXv[ilutvrjvli  öiä  zb  tjX 
xaXüodai  övvafiiv,  g«t  dt  xtxaXvftfiEVov.  Und  ferner  Haer.  XIX, 
4  p.  42  C:  sira  de  ötayadyti  Xqiöxov  xtva  elvat  övvctfiiv,  ov 
xal  xd  f/exQCc  Ofjftairsi,  uxooixtöGaQmv  f/ev  oyoivmv  xo  tui]xog. 
mg  tuiXiojv  ev£v?]xovxae$ ,  xb  dt  jtXdxog  Gfpivcov  t£,  iiiXlcov  d- 
xooixtooaQmv ,  xal  xb  jcdyog  ofiolooq  zsQazevöfisvog,  xal  xovg 
jroöag,  xal  xd  aXXa  {/vftoXoy/jftaxa.  Dies  Alles  schlagende  Be- 
lege zu  den  Bemerkungen  auf  S.  360  und  zugleich  auf  S.  37S, 
die  Riesengestalt  betreffend,  vielleicht  auch  ein  Hinweis  auf  die 
Richtung,  in  welcher  der  Ursprung  der  von  dem  doketischen 
Petrusevangelium  adoptierten  Ubersetzungsvariante  dvvafiig  zu 
suchen  sein  könnte. 

Mt.  27,  62-6«. 

Zu  den  sieben  Siegeln  des  Fetrusevangeliums  weist  Nestle 
noch   hin   auf  xd  jtaQaXsutofteva  Jegsfilov  xov  Jiootprjxov  III.  8 
(Rest  of  the  Words  of  Baruch  ed.  Harris  p.  49):  dxovs  yi}  . 
o  6<pQayioag  öt  sv  kjtxd  6<poayl6iv.     Vgl.  dazu  oben  S.  367  ff. 

Bezüglich  des  Centurio  Petronius  im  pseudopetrinischen 
Evangelienfragmente  kann  noch  erinnert  werden  an  den  römi- 
schen Eparchen  Petronius,  von  welchem  berichtet  wird  bei 
Eus.  Chron.  IL  p.  539  ed.  Migne:  Cajus  Petronio,  praefecto 
Syriae,  praecipit,  ut  in  Hierosolymis  statuam  suam  sub  nomine 
Jovis  optimi  maximi  poneret  =  rd'i'og  avöoidvxa  Jibg  Ejrifpa- 
vnvg  xaXov/Jtvov  tv  xolg  IsQOOokvflOig  dva&eivai  Flexa atvicp . 
xcö  2vgiaq  ejidoyco,  jiQOöexa§ev.     Syncell.  p.  331. 

Mt.  28,  2-4. 

Zu  dem  gvXov  giUo>  xXiO-fi  (vgl.  S.  374 ff.)  macht  Nestle 
aufmerksam  auf  die  eben  zu  Mt.  27,  62—66  erwähnte  Schrift 
IX,  15  p.  63  ed.  Harris:  jcoirjoei  avxa  [sc.  xd  öevdoa  xd  ße- 
ßXaoxTjxnxa   xal    (lEyaXavyovvxa]    xXifttji'at    xo    ötvöoov   xn 


446  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

ortjQix&tv   mit   den   Erörterungen   von    Harris    und   Le   Hire 
(Etudes  Bibliques)  ibid.  p.  42—46. 

Zu  dem  oben  S.  375  erwähnten  Citate  Gregors  von  Ny  ssa  ist 
doch  vielleicht  der  canonische  Jeremia  die  einzige  Quelle.  Vgl. 
Jer.  4,  4:  aDnnb  ni-ny  snoiti  rnrp?  i5Tsn  =  LXX:  jtsQitfuförjTt 
ras  decö  vfjtov,  xal  jteQitefxveöfre  r/)p  öxXrjQOxaQÖiav  v/jcop. 

Zu  Gabriel  und  Michael  (vgl.  S.  370)  notiert  Nestle  die 
Thatsache,  dass  viele  christliche  Inschriften  Palaestinas  mit  den 
Buchstaben  XMF  beginnen,  was  nichts  anderes  als  Christus, 
Michael,  Gabriel  sein  könne.  S.  van  Kasteren  in  Zeitschrift 
des  Deutschen  Palaestina -Vereins  16,  3.  S.  177.  187  und  die 
dort  citierte  Literatur.  —  Die  Alten,  bemerkt  Nestle  weiter, 
fanden  Jes.  6,  2  nur  zwei  Seraphim  angedeutet.  S.  Redepen- 
ning,  Origenes  1,  255  und  xa(>aZ£iji6jttva  'ItQtf/lov  9,  3:  jt£(>} 
rr/g  <pojvi)g  xi}g  yXvxeiag  xöjv  ovo  ^sQa(pi(t. 

Zu  S.  378,  die  Himmelfahrt  des  Kreuzes  betreffend,  notiert 
Prof.  Harnack  noch  Acta  Pionii  c.  13  (aus  dem  J.  250):  „di- 
cunt  dominum  Jesum  Christum  cum  cruce  ad  superos,  facta 
umbrarum  excitatione,  remeasse".  Zu  der  pseudopetrinischen 
Riesengestalt,  welche  dem  Auferstandenen  angedichtet  ist,  erinnere 
man  sich  der  oben  auf  S.  42  abgedruckten,  doketischen  Schil- 
derung des  Leucius  Charinus  bei  Photius,  sowie  der  vor- 
stehend zu  Mt.  27,  46  mitgetheilten  fantastischen  Grössenmessung 
des  XQiGtog  als  der  övva//ig  bei  den  Elkesaiten  nach  Epi- 
phanius.  Der  dabei  von  Epiphanius  gebrauchte  Ausdruck 
oxotvog  bezeichnet  ein  in  Aegypten  gebräuchlich  gewesenes 
Landmass,  das  man  gewöhnlich  zu  60  Stadien  annimmt.  Vgl. 
Herod.  II,  6.  Mit  welchen  Riesenverhältnissen  also  operierte  jene 
Fantasie ! 

Mc.  16,  9.  10. 

Evangeliarium  Hier.  p.  408:  „Surrexit  autem  mane,  prima 
die  in  hebdomada,  et  apparuit  Mariam  Magdalaitha,  de  qua  eje- 
cit  Septem  daemonia.  Et  illa  ivit,  nuntiavit  illis,  qui  lugebant, 
et  fiebant  cum  ea. 

Mt.  28,  19*  =  Mc.  16,  15. 

Ganz  eigentümlich  sind  die  Lesarten  des  Evangeliarium 
Hierosolymitanum    zu    Mt.   28,  19a  =  Mc.  16,  15.      Erstere 


Nachträge.  447 

Stelle  findet  sich  S.  406  in  folgender  Fassung:  „Ite  et  docete  me 
(Jl  »o.TÄai^yl  omnes  gentes.  Dieses  »me'1,  welches  sich  sonst 
nirgends  wiederzufinden  scheint,  klingt  doch  an  S.  410,  wo  das- 
selbe Logion  nach  der  Marcus-Relation  erscheint:  Ite  in  mundum, 
et  praedicafce  evangelium  meuin  omni  creaturae.  Ahnlich  sind 
nur  noch  die  oben  mitgetheilten- Varianten:  fia&r/TEvoaze  axl 
r<p  6vb\iaxi  (iov  bei  Eusebius.  Das  ^  des  syrischen  Textes 
fasst  Nestle  als  dativus  commodi:  und  macht  mir  zu  Jüngern 
alle  Völker. 

Mt.  28,  19b. 

Bei  der  Erklärung  der  auf  S.  410  unter  No.  97  mitgetheilten 
Taufformel,  wie  sie  nach  Irena eus  bei  den  Valentinianern  in 
Gebrauch  war,  ist  das  aramäische  Idiom,  jedoch  mit  Hebraismen 
vermischt,  vorauszusetzen,  wie  solche  aramäisch-hebraisierende 
Mischtexte  in  den  canonischen  Fassungen  des  Kreuzesrufes  zu 
Mt.  27,  46  =  Mc.  15,  34  (vgl.  oben  S.  356  f.)  vorliegen,  wie  auch 
der  auf  S.  444  besprochene  Name  ^HX^d'i  ('Hl  =  btf  rein  he- 
bräisch, "'öS  aramäisch)  einen  solchen  Mischtext  repraesentiert, 
und  wie  auch  das  aramäische  Idiom  des  Evangeliarium  Hie- 
rosolymitanum  mit  Hebraismen  (und  Graecismen)  vielfach  durch- 
setzt ist.  Ein  solcher  Mischtext  eignete  sich  ja  auch  besonders 
dazu,  um  mystische  Formeln  herzugeben,  welche  die  Hörenden 
in  stummes  Erstaunen  versetzen  sollten  (vgl.  oben  S.  410:  xata- 
Jtlrjgcu  rovg  rü.Biovfiivovg).  So  war  nun  auch  die  aramäische 
Taufformel  der  Valentinianer  eine  mystische  Verschleierung  der 
Trinität,  wie  solches  aus  der  (unter  No.  98)  beigefügten  tQ/itjvua 
des  Irenaeus  zu  erkennen  ist.  Für  das  Einzelne  aber  dürfte 
diese  EQftijvsla  nur  irreleitend  sein.  Man  muss  zur  Erklärung 
der  einzelnen  Worte  vielmehr  an  die  griechischen  Taufformeln 
der  Valentinianer  und  der  Marcosier  sich  halten,  Avelche  bei 
ihnen  neben  der  kabbalistischen  aramäischen  Formel  in  Ge- 
brauch waren.  Hiernach  wird  es  evident,  dass  nach  SüHD  = 
ßaosfia  =  de  ovofia  der  tmxti'iq  als  ajtoxexQVjLtfttvog  (No.  99)  = 
ayvcoörog  (No.  102)  bezeichnet  werden  sollte.  Hierzu  weiss  ich 
aber  bis  jetzt  keine  bessere  Erklärung  als  das  hebräische  T135, 
den  sollennen  Ausdruck  für  djtoxyvgiog.  Nestle  notiert  mir 
dazu  aus  Payne-Smith,  Thesaurus  Syriacus  p.  751  die  ara- 
mäische Übersetzung  »n»  xnbs  =  ayvoiörog  tieog  Act.  17,  23. 


448  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Anstatt  des  für  das  Aramäische  zu  erwartenden  HVft  wäre 
also  eine  hebraisierende  Form  xavoöGrl  vorauszusetzen  und 
ausserdem  die  Verwechselung  von  tu  und  v  zu  statuieren  — , 
das  letztere  eine  Annahme,  welche  im  Hinblick  auf  die  alte  grie- 
chische Minuskel-Schrift,  wie  sie  z.  B.  Tischendorf  in  seinen 
Evangelia  apocrypha  repristiniert  hat,  mit  Schwierigkeiten  nicht 
verknüpft  ist,  da  in  dieser  Schreibweise  fi  und  y,  (=  v)  einander 
zum  Verwechseln  ähnlich  sind. 

Zur  Erklärung  des  zweiten  Bestandtheils  ßaaiavovya  in  No. 
97  dienen  in  der  Formel  No.  99  die  Worte:  kv  ralq  Renate  xov 
yeöTo?  =  X"nn:  "^ro  =  ßa-cua  vovqcc,  wie  denn  K'ioooi  =  smr»3 
im  Evangeliarium  Hierosolyniitanum  für  IIS  =  <pä>q  regelmässig 
gebraucht  wird.  Wir  haben  hier  also  eine  johanneische  Bezeich- 
nung des  Sohnes.  Vgl.  Joh.  1,  4:  iv  avvcö  I^odtj  rjv,  xal  r]  C,coi} 
r\v  xo  <pcöq,  wie  auch  der  ayvcootoq  jtav/jQ  in  Joh.  1,  18a  seine 
Parallele  besitzt. 

Auch  der  dritte,  auf  das  xvevfia  ayiov  bezügliche,  Textbe- 
standtheil  bewegt  sich  in  johanneischen  Ausdrücken.  Das  an- 
scheinend dunkele  (iioraöia  ist  zu  recognoscieren  als  Part.  Hith- 
paal  von  dem  aramäischen  "in©  =  {Mxqtvqeiv,  von  welchem  auch 
das  Gen.  31,  47  in  den  hebräischen  Text  eingesprengte  ara- 
mäische jtrfi~nto  (=  LXX  f/aQTvgia)  abstammt.  Das  Part.  Hith- 
paal :  X^~nPiipTQ  entspricht  genau  der  griechischen  Formel  fuorec- 
öia,  zugleich  aber  auch  dem  johanneischen:  Ixelvoq  fiaQrvQ?/0€i 
Joh.  15,  26.  An  derselben  johanneischen  Stelle  (ebenso  Joh. 
16,  13)  findet  sich  in  dem  jtvavfta  Ttjq  dlr]{)äaq  =  XVti}'\'p~\  SJTli 
(=  k£Lx.cldi  rduoi  im  Hierosolyniitanum)  die  richtige  kQfit]- 
vi  ia  von  Qova  öaxovöxa  vor.  Man  vgl.  dazu  Const.  V,  7:  xal 
(iccQTVQia  jtvivfiarog  (oben  S.  398),  ferner  die  dbj&eta  sowohl 
in  der  Formel  der  Valentinianer  No.  99  als  in  derjenigen  der 
Marcosier  No.  102. 

Von  den  Schlussworten  ßaq>oyoQ  xaXayftti  hat  die  Effi/yvsia 
des  Irenaeus  den  ersten  Theil  ßacpoyoQ  —  iv  reo  Oo'iftaxi  richtig 
gedeutet.  Denn  cpoyoQ  entspricht  dem  hebräischen  ">3E  —  öcö/za, 
dem  jüdisch-aramäischen  "IIB,  SH^llD,  dem  "l3rt£>,  XlVfi  =  l^AÄ 
des  Evangeliarium  Hierosolyniitanum.  Dagegen  gänzlich  ver- 
fehlt ist  die  Deutung  des  xaXax&ei  durch  ißaoiXevöaq,  gleich 
als  ob  ein  Stamm  "\bl2  vorgelegen  hätte.     Dieser  Ausdruck  ßaoi- 


Nachträge.  449 

Xevtiv  hat  mit  der  Taufe  Nichts  zu  thun.  Mit  Rücksicht  darauf, 
dass  hier  eine  Taufformel  vorliegt,  und  dass  dieselbe  dem  Tau- 
fenden in  den  Mund  gelegt  wird  (vgl.  hxiXtyovoiv  in  No.  97), 
bin  ich  geneigt  —  obwohl  hierin  Nestle  (wie  theil weise  bezüg- 
lich yanoodri)  nicht  zustimmt  — ,  in  xalay&u  die  (hebraisierende) 
1.  Pers.  Sing.  Pail  von  nbp  =  giessen  (im  Talmud)  zu  vermuthen. 
Es  ergäbe  sich  dann  folgender,  vortrefflich  sich  eignender,  Ge- 
sammtsinn : 

ßaösfia  xavoöGt]  =  ST135  X32EQ  =  slq  ovofia  ayvmöxov 
ßa-ata  vovga  =  ST1JT3  ^rQ  =  kv  xalq  C,<acüq  xov  cpwxdq 
(iiozaöta  Qova  öaxovoxa  =  fctülölpl   SJTn  ifHnmDE  =  xb  [iccq- 

xvQovfiBvov  jcvEVfia  xijq  dlrjfreiaq 
ßacpoyoQ  xaZax&ei  =  Tinbp  151SD  =  etq  xb  ocöfia  ex%to).     Vgl. 
Aiö.  VII,  3:  zxytov  slq  xt)v  xt<paZ?}v  xglq  vöodq. 

Mc.  16,  9-20. 

Über  den  canonischen  Marcus-Schluss  existiert  eine  323 
Seiten  in  Gross-Oktav  umfassende  Untersuchung,  näinlich  das 
bereits  oben  zu  Mc.  16,  20  erwähnte  Werk  von  Burgon:  The 
Last  Twelve  Verses  of  the  Gospel  according  to  S.  Mark,  vin- 
dicated  against  recent  critical  objecto'rs  and  established  by  John 
W.  Burgon,  Oxford  and  LondoD  1871,  „eine  —  wie  de  La- 
gard e  (Mittheilungen  I,  113)  sich  ausdrückt  —  unbeschreiblich 
ansprechende,  von  klarer  und  warmer  Liebe  zur  Kirche  und  zur 
Wissenschaft  förmlich  überfliessende,  in  Deutschland  selbstver- 
ständlich unbekannte  Abhandlung". 

Burgon  vertheidigt  mit  Nachdruck  und  mit  Überzeugung 
die  Echtheit  des  Marcus-Schlusses  und  seine  ursprüngliche  Zu- 
gehörigkeit zum  zweiten  canonischen  Evangelium.  Von  dem 
hohen  und  ehrwürdigen  Alter  dieses  in  Mc.  16,  9 — 20  enthaltenen 
Textabschnittes  bin  auch  ich  meinerseits  je  und  je  überzeugt 
gewesen.  Meine  patristischen  Forschungen  haben  mich  in  dieser 
Überzeugung  nur  noch  bestärkt. 

Trotzdem  halten  Burgons  Behauptungen  sowohl  der  Text- 
kritik als  der  Quellenkritik  gegenüber  nicht  Stich.  So  ehrwür- 
dig das  Alter  dieses  Abschnittes  Mc.  16,  9 — 20  ist,  so  gewiss 
rührt  derselbe  von  einem  anderen  Autor  her  als  demjenigen,  dem 
mit  Mc.  16,  8  die  Feder  entfallen  war.    Nicht  nur  dass  die  beiden 

Texte  u    Untersuchungen  X,  2.  29 


450  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

ältesten  Uncial- Codices,  der  Vaticanus  und  der  Sinaiticus 
(vgl.  Heft  I,  19),  im  Verein  mit  vielen  anderen  gewichtigen 
Zeugen  (vgl.  Tischendorf,  Ed.  oct.  crit.  maj.  N.  T.  p.  403—407) 
die  ursprüngliche  Nichtzugehörigkeit  von  Mc  16,  9 — 20  zu  dem 
zweiten  Evangelium  bekunden,  —  wir  haben  zwei  noch  viel 
altera  Zeugen:  den  ersten  und  den  dritten  Evangelisten. 
Beide  lassen  es  deutlich  erkennen,  dass  mit  Mc.  16,  8  (=  Lc. 
24,  S  =  Mt.  28,  8)  ihre  Marcus-Quelle  versiegte.  Jeder  von  diesen 
beiden  bietet  von  da  ab  andere  Stoffe,  deren  verschiedenartiger 
Charakter  an  sich  es  zeigt,  dass  der  bestimmende  Einfluss  des 
Marcusevangeliums  mit  Lc.  24,  8  =  Mt.  28,  8  sein  Ende  gefunden 
hat.  Die  ganze  schriftstellerische  Art  der  Schlusspartien  Mt. 
28,  9—20  und  Lc.  24,  9 — 53  bekundet  es,  dass  hier  Quellen 
fliessen,  die  von  der  Hand  des  zweiten  Evangelisten  nicht  er- 
schlossen waren.  Aber  auch  der  Abschnitt  Mc.  16,  9 — 20  selbst 
erweist  sich  bei  eingehender  textlicher  Analyse  als  ein  nicht 
zum  Marcusevangeh'nm  ursprünglich  zugehöriger  Bestandtheil. 
So  legen  alle  drei  synoptischen  Evangelien  für  Mc.  16,  9 — 20 
das  Zeugniss  ab:  hier  redet  ein  anderer  Verfasser  als  Marcus. 

Aber  wer  war  es,  dem  wir  diesen  Marcus-Schluss  verdanken? 
Die  Antwort  liegt  nahe:  derjenige,  welcher  den  ersten  Evange- 
liencanon zusammenfügte  und  redigierte!  Aber  wer  war  dieser 
Redaktor  der  ältesten  canonischen  Evangeliensammiung?  Un- 
durchdringliches Dunkel  lag  bisher  über  diesen  Fragen.  Da 
hat  unsere  an  wichtigen  literarischen  Entdeckungen  so  reiche 
Zeit  auch  bezüglich  unsers  Marcus-Schlusses  eine  Entdeckung 
gebracht,  welche  geeignet  ist,  dieses  Dunkel  zu  lichten. 

Unter  der  Überschrift:  „Aristion,  the  author  of  the  last 
twelve  verses  of  Mark"  veröffentlichte  im  Expositor  (Oktober- 
Heft  1893  S.  241 — 254)  Conybeare  eine  kurze,  aber  wichtige 
Abhandlung,  in  welcher  er  seine  auf  unsere  Frage  bezügliche, 
in  einer  armenischen  Evangelienhandschrift  gemachte,  Entdeckung 
der  theologischen  Welt  zur  Kenntniss  brachte. 

Im  Unterschied  nämlich  von  allen  übrigen  armenischen 
Evangelien-Übersetzungen,  welche  sämmtlich  den  Marcus-Schluss 
weglassen,  bringt  der  i.  J.  989  geschriebene,  in  der  Patriarchal- 
bibliothek  von  Etzschmiadzin  befindliche  armenische  Evange- 
lien-Codex den  Abschnitt  Mc.  16,  9 — 20  von  derselben  Schreiber- 
Hand,  doch  so  dass  zwischen  Mc  16,8  und  9  ein  Zwischenraum 


Nachträge.  451 

von  zwei  Linien  gelassen  und  in  demselben,  roth    geschrieben, 
die  Bemerkung: 

Ariston  Eritzu  (=  Agiorcovoq  jtQSößvrsQOV) 
eingefügt  ist.  Diese  Bemerkung,  welche  ohne  Zweifel  auf  einer 
sehr  alten  Tradition  beruht  und  durch  die  Abschreiber  von  Jahr- 
hundert zu  Jahrhundert  getreulich  fortgepflanzt  worden  ist, 
nimmt  eine  ganze  Linie  ein  (während  der  Codex  in  zwei  Colum- 
nen  geschrieben  ist)  und  bildet  somit  die  Überschrift  des  Ab- 
schnittes Mc.  16,  9 — 20.  In  einer  Zeit,  da  von  Textkritik  in 
unsrem  Sinne  und  vollends  von  Quellenkritik  nicht  die  Rede  war, 
legt  diese  Überschrift:  'Agiorcovog  jiQsoßvreQov  ein  zwei- 
faches Zeugniss  ab,  einmal  für  die  ursprüngliche  Nichtzugehörig- 
keit des  canonischen  Marcus-Schlusses  zum  zweiten  Evangelium, 
sodann  für  die  Autorschaft  dieses  sehr  frühzeitig  an  Mc.  16.  S 
angefügten  Abschnittes. 

Freilich  eine  volle  Lichtung  des  Dunkels  in  letzterer  Hinsicht 
ist  bei  der  Kürze  dieser  Notiz  noch  nicht  gegeben.  Nimmt 
man  den  Namen  AqIoxcov  streng  und  genau  in  der  überlieferten 
Form,  so  kann  allerdings  keine  andere  Persönlichkeit  als  Ariston 
von  Pella  in  Betracht  kommen.  Doch  ist  die  Austauschung 
der  Namen  Aq'iöxwv  und  Agiöricov  in  alter  Zeit  sehr  häufig 
gewesen  und  vielfach  nachgewiesen.  Adoptiert  man  die  Form: 
AqlotIcov  — ,  so  liegt  es  nahe,  dem  Vorschlag  Conybeares  zu 
folgen,  welcher,  angeregt  durch  seinen  Freund  Archer,  in  dem 
Verfn  .er  des  Marcus-Schlusses  den  von  Papias  (bei  Eus.  H.  E. 
III,  39)  neben  dem  Presbyter  Johannes  als  seinen  Gewährsmann 
genannten  Aristion  wieder  zu  erkennen  meint.  Der  Inhalt  und 
der  Charakter  des  Abschnittes  Mc.  16,  9 — 20  würde  mit  dieser 
Annahme  sich  wohl  vertragen.  Dieser  Abschnitt  ist  frei  von 
aller  Effekthascherei,  frei  von  aller  legendenhaften  Ausmalung, 
wie  sie  z.  B<  im  pseudopetrinischen  Evangelium  sich  findet,  er 
zeichnet  sich  vielmehr  aus  durch  corapendiöse  Knappheit,  welcher 
man  es  anmerkt,  dass  der  Verfasser  weniger  sagt,  als  er  weiss. 
Und  so  hat  denn  sowohl  Zahn  (Theol.  Literaturblatt  1893  No. 
51)  dem  Vorschlag  Conybeares  im  Wesentlichen  zugestimmt, 
als  auch  Harnack.  von  welchem  (Theol.  Literaturzeitung  1893 
No.  23)  die  Äusserung  vorliegt:  ,,M.'  E.  ist  der  Thatbestand  ein 
solcher,  dass  prinzipielle  Skepsis  hier  nicht  am  Platze  wäre"  — 
sich  nicht  ablehnend  verhalten  hat. 

29* 


452  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

Gleichwohl  sind  auch  die  dagegen  geltend  zu  machender | 
Bedenken  sorgfaltig  zu  erwägen. 

Erstlich  handelt  es  sich  bei  der  Berufung  des  Papias  aui| 
seine  beiden  Gewährsmänner,  Johannes  und  Aristion,  umj 
mündliche  oiagadööei q ,  nicht  um  schriftliche  Aufzeichnungen. 
Die  Überschrift  des  Marcus-Schlusses  aber:  'AQiörcovoq  jtQ86-\  i' 
ßvreQOV,  welche  sich  in  jenem  armenischen  Evangelien-Crdex  I  i 
findet,  ist  —  gerade  wegen  ihrer  Kürze  —  derart,  dass  hier  nicht 
ein  Gewährsmann  mündlicher  Tradition,  sondern  der  schrift- 
stellerische Urheber  des  Abschnittes  genannt  sein  muss. 

Zweitens:  es  ist  durchaus  unwahrscheinlich,  dass  Aristion, 
wenn  er  der  Verfasser  des  Marcus-Schlusses  gewesen  wäre,  dieses 
nicht  auch  dem  Papias  überliefert  oder  dass  Papias  eben  da, 
wo  er  auf  Grund  der  ihm  gewordenen  mündlichen  JiaQadoGEiq 
über  Entstehung  und  Charakter  des  Marcusevangeliums  so  Tref- 
fendes zur  Mittheilung  bringt,  über  den  Ursprung  des  Marcus- 
Schlusses  sollte  geschwiegen  haben,  wenn  er  von  einem  seiner 
Gewährsmänner  darüber  irgend  Etwas  in  Erfahrung  gebracht 
hätte. 

Drittens:  es  ist  unwahrscheinlich,  dass,  nachdem  der  erste 
und  der  dritte  Evangelist  das  Marcusevangelium  nur  in  dem 
mit  Mc.  16,  8  abgegrenzten  Umfang  gebraucht  haben,  und  nach- 
dem diese  ursprüngliche  Gestalt  desselben  noch  in  den  beiden 
ältesten  Codices  erhalten  und  noch  Jahrhunderte  hindurch  in 
der  Kirche  bekannt  gewesen  ist,  die  schriftstellerische  Abrundung 
des  zweiten  Evangeliums  durch  Anfügung  des  jetzigen  canoni- 
schen Schlusses  früher  als  die  Entstehung  unsers  Evangelien- 
canons geschehen  sei.  Es  ist  aber  licht  angänglich,  die  Abfassung 
unsers  vierfältigen  Evangeliencanons  in  die  Zeit  des  Aristion 
zu  verlegen,  in  welcher  die  mündliche  jcagadoöiq  noch  so  grossen 
Einfluss  und  so  hohe  Bedeutung  besass. 

Dass  aber  der  Ursprung  des  canonischen  Marcus- 
Schlusses  mit  der  Entstehung  des  Evangeliencanons 
zusammenfällt,  darauf  weisen  entscheidende  Indicien  hin. 
Was  bisher  bei  der  textkritischen  Untersuchung  des  Marcus- 
schlusses noch  von  keiner  Seite  hervorgehoben  worden  zu  sein 
scheint,  auch  nicht  wohl  erkannt  werden  konnte,  weil  der  Zu- 
sammenhang zwischen  den  Textfamilien  der  Evangelien  und  der 
ältesten  Gestalt  des  Evangeliencanons  noch  nicht  ans  Tageslicht 


Nachträge.  453 

gezogen  war,  das  sei  auf  Grund  der  in  Heft  I,  30 — 47  gegebenen 
Darlegung  zum  ersten  Male  constatiert.  Gemäss  der  auf  S.  36 
des  Einleitungsheftes  aufgestellten  textkritischen  Norm:  „ Über- 
einstimmung des  griechischen  Codex  D,  der  altlatei- 
nischen Versionen  und  des  Syrers  Curetons  ergibt  un- 
zweifelhaft den  Text  des  Archetypus",  d.  h.  des  um  140 
n.  Chr.  entstandenen  ältesten  E  van  gehen  canons,  muss  der  Mar- 
cus-Schluss,  welcher  vom  Codex  Cantabr.,  von  der  syrischen 
Übersetzung  Curetons  und  sieben  Italae-Handschriften ,  darunter 
dem  wichtigen  Codex  Colbertinus,  vertreten,  ausserdem  aber  auch 
in  dem  von  derselben  Quelle  abhängigen  Diatessaron  (um  160 — 
170)  enthalten  gewesen  ist,  jenem  ältesten  Evangeliencanon, 
dem  Archetypus  der  genannten  Handschriften,  angehört  haben. 
Dieser  Evangeliencanon,  welchen  bereits  Justin  kannte,  aber 
noch  nicht  ausschliesslich  benutzte,  eroberte  sich  in  wenigen 
Jahrzehnten  —  abgesehen  von  der  syrischen  Kirche  —  die 
Alleinherrschaft  und  brachte  daher  zugleich  den  Marcus-Scbluss 
zu  der  frühzeitigen  —  von  Irenaeus  bereits  ausdrücklich  er- 
wähnten —  Anerkennung  und  weiten  handschriftlichen  Ver- 
breitung. 

War  nun  ein  Ariston  der  Verfasser  des  canonischen  Mar- 
cus-Schlusses, so  wird  derselbe  Ariston  auch  der  Redaktor  des 
ältesten  Evangeliencanons  gewesen  sein.  Dieselbe  Hand,  welche 
die  vier  Evangelien  zu  einem  wohlgegliederten  Ganzen  zusammen- 
fügte, fügte  auch  dem  zweiten  Evangelium  zu  dessen  schrift- 
stellerischer Abrundung  den  Abschnitt  Mc.  16,  9 — 20  hinzu.  Da 
nun  diese  doppelte,  im  Grunde  einheitliche,  redaktionelle  Thätig- 
keit  in  keinem  Fall  auf  den  Apostelschüler  Aristion,  den  Ge- 
währsmann der  von  Papias  gesammelten  mündlichen  jiaQado- 
6£iq,  zurückgeführt  werden  kann,  so  wird  die  armenische  Über- 
schrift: „Ariston  Eritzu"  (d.  i.  ^Aglorcovog  JtQsoßvvsQov),  wie 
schon  Sanday  vermuthet  hat  (vgl.  Conybeare  S.  243),  keine 
andere  Persönlichkeit  im  Sinne  haben  als  den  wohlbekannten 
Ariston  von  Pella.  Damit  harmoniert  die  Zeit,  in  welcher 
Ariston  lebte,  die  Örtlichkeit,  in  welcher  er  wirkte,  und  sein 
kirchlicher  Charakter,  soweit  er  uns  bekannt  ist. 

Für  die  Wirkungszeit  Aristons  ist  das  Jahr  135  der  ter- 
minus  a  quo,  ein  terminus,  welcher  mit  der  Entstehung  des 
Evangeliencanons  um  140  (vgl.  Heft  I,  12)  aufs  Beste  zusammen- 


454  Aussercanonische  Parall eltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

trifft.  Aristons  Wirkungsort  war  Pella  im  Ostjordanland, 
nach  der  Zerstörung  Jerusalems  der  Sitz  des  jerusalemischen 
Bischofs,  der  Mittelpunkt  des  ältesten,  so  ehrwürdigen  Juden- 
christenthums.  In  der  Nähe  von  Pella  lagen  auch  die  Sitze 
des  haeretischen  Judenchristenthums.  Vgl.  Epiph.  Haer.  XXX, 
18  p.  142  A  bezüglich  der  Ebioniten:  axo  xe  xfjg  Baxa:>eag  xal 
üaveädog  xo  nXelöxov,  Mmaßixtöög  xe  xal  Ka>x<xßcöv  xrjg  ev 
rfi  Baoavixiöi  yy,  ejtixeiva  Aögawv.  Haer.  XL,  1  p.  291 D: 
ev  xij  'Agaßia  ev  Kco%äßr)  '),  ev&a  ol  xcöv  'Eßuovaicov  xe  xal 
NaCfCogaimv  giCai  evr)g<-avxo.  Euseb.  Onom.  p.  372,  9 — 13  ed. 
Lagarde:  Xcoßd,  ?']  eöxir  ev  dgioxegä  Aafiaoxov.  eöxi  öe  xal 
Xcoßd  xcoy.7]  ev  xolg  avxolq  fiegeöiv,  ev  ?]  eiölv  'Eßgaloi  ol  elq 
Xgioxov  jtioxevoavxeg  'Eßtcovaloi  xaXovfievoi.  Die  in  diesen 
Gegenden  ansässig  gewesenen  Ebioniten  und  Nazaräer  sind  es, 
von  denen  der  früheste  Gebrauch  des  ersten  Evangeliums  be- 
zeugt ist.  Vgl.  oben  S.  2.  3.  Nach  Pella  aber  sind  wir  auch 
gewiesen,  wenn  wir  nach  dem  Geburtsort  des  ersten  Evange- 
liums forschen,  da  die  jerusalemischen  Traditionen,  welche  in 
den  eigentümlichen  Stücken  des  evajyeXiov  xaxd  Max&alov 
(Mt.  27,  3—10;  27,  52.  53.  62-66;  28,  2-4.  9-15)  ihren  Nie- 
derschlag gefunden  haben,  bei  der  Übersiedelung  der  jeru- 
salemischen Gemeinde  (Eus.  H.  E.  I,  7)  nach  Pella  mit  ver- 
pflanzt worden  waren.  Nach  derselben  Örtlichkeit  endlich 
weist  uns  die  Frage  bezüglich  der  Entstehung  des  ältesten  Evan- 
geliencanons, dem  gerade  durch  das  an  die  Spitze  gestellte 
judenchristliche  evajyeXiov  sein  charaktervoller  Stempel  aufge- 
prägt worden  ist. 

Wie    Zeit    und    Ort,    so    eignet    sich    auch   der   Charakter 
Aristons,    um    in   ihm   den   Redaktor  des    ersten  Evangelien- 


1)  Nestle  macht  hierzu  auf  den  merkwürdigen  Umstand  aufmerksam, 
dass  der  Schreiber  der  vaticanischen  Handschrift,  durch  welche  uns  das 
Evangeliarium  Hierosolymitanum  erhalten  ist,  Elias  aus  A 
Abt  in  einem  „Sternkloster"  war  (asis  itoi),  und  sagt  dazu:  „Vielleicht 
hängt,  was  wir  an  christlich  palästinischer  Literatur  haben,  mit  diesem 
ältesten  transjordanischen  Judenchristenthum  zusammen.  Lagarde  hat 
bekanntlich  schon  längst  auf  die  Bedeutung  hingewiesen,  welche  diese 
Gegenden  für  die  Urgeschichte  der  Kirche  haben;  vielleicht  hat  er  mit 
solchen  Gedanken  einen  Theil  seiner  letzten  Kraft  an  die  Ausgabe  des 
Evangeliarium  Hierosolymitanum  gewandt." 


Nachträge.  455 

canons  und  zugleich  den  Verfasser  des  Marcus- Schlusses  zu 
erkennen.  Als  „  Presbyter"  wird  jener  Autor  von  Mc.  16, 
9—20  durch  die  armenische  Evangelienhandschrift  bezeichnet. 
Dass  Ariston  nicht  Bischof  von  Pella  gewesen  ist,  kann  man 
aus  dem  Verzeichnisse  der  jerusalemischen  Bischöfe  ersehen, 
welche?-  Epiphanius  Haer.  LXVI,  20  zur  Mittheilung  bringt.1) 
Die  ersten  15  Bischöfe,  sämmtlich  Judenchristen  (Epiph.  p.  637  A: 
ovtoi  de  aozo  TteQtrofifjg  sxEOxojtEvoav  trjq  leQOVoaArjju), 
tragen  Namen,  welche  mit  dem  Namen  Aristons  Nichts  ge- 
mein haben.  Und  wollte  man  diese  Bischofsliste  als  historisch 
unbegründet  nicht  voll  gelten  lassen,  so  ist  doch  gewiss,  dass 
ein  Name  wie  der  Aristons,  wenn  dieser  Bischof  von  Pella- 
Jerusalem  gewesen  wäre,  nicht  hätte  in  Vergessenheit  gerathen 
können.  War  er  aber  nicht  Bischof,  so  war  er  höchst  wahr- 
scheinlich Presbyter  in  Pella.  Und  waren  die  Bischöfe  ge- 
borene Judenchristen,  so  werden  es  die  Presbyter  in  Pella  nicht 
minder  gewesen  sein.  Dass  aber  Ariston  ein  Judenchrist  ge- 
wesen ist,  geht  aus  den  über  ihn  uns  erhaltenen  Nachrichten, 
so  karg  sie  sind,  doch  mit  Bestimmtheit  hervor.  Denn  in  dem 
von  ihm  in  griechischer  Sprache  verfassten  Dialog  zwischen 
Jason  und  Papiscus  war  gegenüber  dem  alexandrinischen  Juden 
Papiscus  der  Judenchrist  Jason  als  der  Vertreter  und  Re- 
praesentant  des  Christenthums  überhaupt  dargestellt. 
Vgl.  Orig.  Praef.  in  libr.  c.  Cels.  Ein  Judenchrist  muss  aber  auch 
der  Redaktor  des  ältesten  Evangeliencanons  gewesen  sein.  Denn 
sonst  würde  es  unbegreiflich  bleiben,  wie  das  judenchristliche 
evayytliov  y.axä  Max&aiov  an  die  Spitze  dieses  Canons  kommen 
konnte.  Derjenige,  welcher  die  vier  canonischen  Evangelien  zum 
ersten  Male  in  ein  Ganzes  zusammenfügte,  hat  zweifellos  das  sv- 
ayyiltov  xaxa  Maz&alov  höher  geschätzt  als  alle  anderen  Evan- 
gelien. Das  Alles  passt  vorzüglich  auf  den  jud  ^christlichen 
Presbyter  Ariston  von  Pella. 

Ist  dieser  Zeitgenosse  Justins  der  Urheber  des  Evangelien- 
canons gewesen,  ist  diese  für  die  Weiterentwickelung  der  Kirche 
so  entscheidend  gewordene  That,  die  Herstellung  des  Evange- 
liencanons,   von  Pella   ausgegangen,    dann    begreift   sich  auch, 

1)  Dieses  Bischofs  -Verzeicbniss  stimmt  im  Wesentlichen  mit  den 
Listen  des  Eusebius  (Hist.  Eccl.  1 V,  5.  V,  12;  Chronicon  VI  bei  Migne 
I.  536  ff.)  überein. 


456  Aussercanonische  Paralleltexte  zu  Mt.  und  Mc. 

dass  Justin,  der  aus  dem  benachbarten  Samaria  stammte,  früh- 
zeitig davon  Kenntniss  nehmen,  dass  Justin,  der  zweifellos  von 
einem  Nazaräer  für  das  Christenthum  gewonnen  worden  ist  und 
der  sein  Lebenlang  seine  Sympathie  für  das  altkirchliche,  ehr- 
würdige Judenchristenthum  bewahrt  hat,  der  Neuschöpfung  des 
Evangeliencanons  durch  alsbaldigen  Gebrauch  seine  Sanktion  er- 
theilen,  dass  sein  Schüler  Tatian  diesen  Evangeliencanon  in  seinem 
öid  Tsooägwv  für  die  syrische  Kirche  bearbeiten  und  dass  in 
wenigen  Jahrzehnten  die  kirchliche  Anerkennung  des  Evange- 
liencanons sich  vollenden  konnte. 

So  wäre  es  denn  möglich,  dass  die  Entdeckung  Conybeares 
und  jene  wichtige  Nachricht  in  der  armenischen  Handschrift  von 
Etzschmiadzin  nicht  blos  das  Dunkel  lichtete,  welches  bisher 
auf  dem  canonischen  Marcus-Schlüsse  lastete,  sondern  zugleich 
die  noch  viel  wichtigere  Frage  nach  der  Autorschaft  des  Evan- 
geliencanons ihrer  Klärung  entgegenführte. 


pt)otO'©fffet&rurf  t>on  Höfd?  &  Winitt,  Seipjig. 


Verlag  der  J.  C.  HINRICHS'schen  Buchhandlung  in  Leipzig. 

Band  I— IV  auf  Seite  II  des  Umschlags. 

V,  l.  Der  pseudocyprianische  Tractat  de  aleatoribus,  die  älteste  lateinische  christ- 
liche Schrift,  ein  Werk  des  römischen  Bischofs  Victor  I.  (saec.  II.),  von 
Adolf  Harnack.    V,  135  S.    1888.  M.  4.50 

V,  2.    Die  Abfassungszeit  der  Schriften  Tertullians  von  Ernst  Noeldechen. 

Neue  Fragmente  des  Papias,  Hegesippus  u.  Pierius  in  bisher  unbekannten 
Excerpten  aus  der  Kirchengeschichte  des  Philippus  Sidetes  von  C.  de  Boor. 
184  S.    1888.  M.  6  — 

V,  3.  Das  Hebräerevangelium,  ein  Beitrag  zur  Geschichte  und  Kritik  des  hebräischen 
Matthäus  von  Rud.  Handmann.    III.  142  S.     1888.  M.  4.50 

V,  4.  Agrapha.  Aussercanonische  Evangelienfragmente,  gesammelt  u.  untersucht 
von  Alfred  Resch.  —  Anhang:  Das  Evangelienfragment  von  Fajjum  von 
Adolf  Harnack.    XII,  520  S.    1889.  M.  17  — 

VI,  l.  Die  Textüberlieferung;  der  Bücher  des  Origenes  gegen  Celsus  in  den  Hand- 
schriften dieses  Werkes  und  der  Philokalia.  Prolegomona  zu  einer 
kritischen  Ausgabe  von  Paul  Kötschau.  VII,  157  S.  u.  1  Tafel.  1889.  M.  5.50 
VI,  2.  Der  Paulinismus  des  Irenaeus.  Eine  kirchen- und  dogmengeschichtliche  Unter- 
suchung über  das  Verhältnis  des  Irenaeus  zu  der  Paulinischen  Briefsammlung 
und  Theologie  von  Jons.  Werner.    V,  218  S.    1889.  M.  7  — 

VI,  3.    Die  gnostischen  Quellen  Hippolyts  in  seiner  Hauptschrift  gegen  die  Häretiker 
von    Hans  Staehelin. 
Sieben  neue  Bruchstücke  der  Syllogismen  des  Apelles.  —  Die  Gwynn'schen 
Caius-  und  Hippolytus-Fragmente.    Zwei  Abhandlungen  von  Adolf  Harnack. 

III,  133  S.     1890.  M.  4.50 
VI,  4.    Die  ältesten  Quellen  des  orientalischen  Kirchenrechts.    1.  Buch: 

Die  Canones  Hippolyti  von  Hans  Achelis.    VIII,  295  S.    1891.  M.  9.50 

VII,  l.  Die  Johannes-Apokalypse.  Textkritische  Untersuchungen  u.  Textherstellung 
von  Bernh.  Weiss.    VI,  225  S.    1891.  M.  7  — 

VII,  2.  Ueber das gnostische  Buch Pistis-Sophia. — Brodu. Wasser:  die eucharistischen 
Elemente  bei  Justin.  2Untersuchgn  von  Adolf  Harnack.  IV,  144S.  1890.  M.  4.50 
VII,  3/4.  Apollinarios  von  Laodicea.  Sein  Leben  u.  seine  Schriften.  Nebst  e.  An- 
hang: Apollinarii  Laodiceni  quae  supersunt  dogmatica.  Von  Johs.  Dräseke. 
XIV,  494  S.     1892.  M.  16  — 

VIII,  1/2.  Gnostische  Schriften  in  koptischer  Sprache  aus  dem  Codex  Brucianus  heraus- 
gegeben, übersetzt  u.  bearbeitet  von  Carl  Schmidt.  XII,  692  S.  1893.    M.  22  — 

VHI,  3.  Die  katholischen  Briefe.  Textkritische  Untersuchungen  und  Textherstellung 
von  Bernh.  Weiss.    VI,  230  S.    1892.  M.  7.50 

VIII,  4.  Die  griechische  Übersetzung  des  Apologeticus  Tertullians.  —  Medicinisches 
aus  der  ältesten  Kirchengeschichte.  —  Zwei  Abhandlungen  von  Adolf 
Harnack.    III,  152  S.    1892.  M.  5  — 

IX,  l.    Untersuchungen   über   die  Edessenische  Chronik.    Mit  dem  syrischen  Text 

und  einer  Übersetzung  herausgegeben  von  Ludwig  Hallier.    VI,  170  S. 
Die  Apologie  des  Aristides.    Aus  dem  Syrischen  übersetzt  und  mit  Beiträgen 
zur  Textvergleichung  und  Anmerkungen  herausgegeben  von  Richard  Raabe. 

IV,  97  S.  1892.  M.  8.50 
IX,  2.    Bruchstücke  des  Evangeliums  und  der  Apokalypse  des  Petrus    von  Adolf 

Harnack.    Zweite  verbesserte  u.  erweiterte  Aufl.  VHI  u.  98  S.  1893.  M.  2  — 

IX,  3/4.  Die  Apostelgeschichte.    Textkritische  Untersuchungen  und  Textherstellung 

von  Bernh.  Weiss.    313  S.    1893.  M.  10  — 

X.  Aussercanonische   Paralleltexte  zu  den  Evangelien  gesammelt  u.  untersucht 

von  Alfred  Resch. 

1.  Textkritische  u.  quellenkritische  Grundlegungen.  VII,  160  S.  1893.  M.5  — 

2.  Paralleltexte  zu  Matthäus  und  Marcus.    VIII,  456  S.    1894.      M.  14.50 
XI,  l.    Das  Kerygma  Petri.    Kritisch  untersucht  von  Ernst  von  Dobschütz.   HL  162  S. 

1893.  M.  5  — 

XI,  2.    Acta  SS.  Nerei  et  Achillei.    Text  u.  Untersuchung  von  Hans  Achelis.  IV.  70  S. 

1893.  M.  3  — 

XI,  3.    Das  Indulgenz-Edict  des  römischen  Bischofs  Kailist  kritisch  untersucht  und 

reconstruiert  von  Ernst  Rolffs.    VIII,  139  S.    1893.  M.  4.f><> 

XI,  4.    Textkritische  Studien    zum   Neuen  Testament   von  Wilhelm  Bousset.    VIII, 

144  S.     1894.  M.  4.60 

XII,  1.    Der  Chronograph  aus  dem    zehnten  Jahre  Antonins.     Von  Adolf  Schlaffer. 

IV,  94  S. 
Zur    Überlieferungsgeschichte   der   altchristlichen   Litteratur.      Von  Adolf 

Harnack.    32  S.    1894.  M.  4  — 


TEXTE  UND  UNTEBSürHUNCEN 

ZUR  GESCHICHTE  DER 

ALTCHRISTLICTIEN  LITERATUR 

HERAUSGEGEBEN  VON 

OSCAR  von  &EBHARDT  und  ADOLF  HAMACK 

x.  nxm   HEFT  2 
AUSSERCANONISCHE 

PARALLELTEXTE 

ZU  DKN 

EVANGELIEN 

ZWEITES  HEFT 

T*A1LULELTEXTE  ZU  MATTHAEUS  MD  MARCUS 

GESAMMELT  UND  UNTERSUCHT 
VON 

ALFRED  RESCH 


fr 


LEIPZIG 

J.  C.  HINRICHS'SCHE  BUCHHANDLUNG 
1894 


THE  INSTITUTE  OF  MEOIAEVAL  STUDIES 

59  QUEEN'S  PARK  CRESCENT 

TORONTO  -  5,    CANADA 


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