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AUSSERCANONISCHE PARALLELTEXTE
ZU DEN EVANGELIEN
VON
ALFRED RESCH
X
I.
TEXTE UND UNTERSUCHUNGEN
ZUR GESCHICHTE DER
ALTCHRISTLICHEN LITERATUR
HERAUSGEGEBEN VON
OSCAR von GEBHARDT und ADOLF HAMACK
ZEHNTER BAND
AU SSE RCANON ISCHE PARALLELTEXTE
ZU DEN EVANGELIEN
GESAMMELT UND UNTERSUCHT
VON
ALFRED RESCH
LEIPZIG
J. C. HINRICHS'SCHE BUCHHANDLUNG
1S97
AUSSERCAXOXISCHE
PARALLELTEXTE
ZU DEN
EVANGELIEN
GESAMMELT UND UNTERSUCHT
VON
ALFRED RESCH
ERSTER THEIL
TEXTKRITISCHE UND QÜELLENKEITISCHE GRUNDLEGUNGEN
PARALLELTEXTE ZU MATTHÄUS UND MARCUS
LEIPZIG
J C. EINRICHS'SCHK BUCHHANDL1 NG
1893 1894
SEP 3 0 1957
AUSSER CANONISCHE
PARALLELTEXTE
ZU DEN
EVANGELIEN
TEXTKRITISCHE UND QUELLENKRITISCHE
GRUNDLEGUNGEN.
VON
ALFRED RESCH.
LEIPZIG
J. C. HINRICHS'SCHE BUCHHANDLUNG
1893.
Verlag der J. C. HINRTCHS'schen Buchhandlung in Leipzig.
Texte und Untersuchungen zur Geschichte der
Altchristlichen Literatur
von Oscar von Grebhardt uud Adolf Harnack.
I. II III. IV 1/2. V. VI. VII. VIII 3/4. IX 1. X 1. M. 189 -
I, 1/2. Die Ueberlieferung der griechischen Apologeten des zweiten Jahrhunderts
• in der alten Kirche und im Mittelalter. Von Adolf Harnack. VIII, 300 S. 1882.
M. 9 —
I, 3. Die Altercatio Simonis Iudaei et Theophili Christian! nebst Untersuchungen
über die antijüdische Polemik in der alten Kirche. Von Adolf Harnack.
Die Acta Archelai und das Diatessaron Tatians. Von Adolf Harnack.
Zur handschriftlichen Ueberlieferung der griechischen Apologeten. I. Der
Arethascodex, Paris. Gr. 451. Von Oscar v. Gebhardt. III, 196 S. 1883. M. 6 —
I, 4. Die Evangelien des Matthäus und des Marcus aus dem Codex purpureus
Rossanensis, herausgegeben von Oscar v. Gebhardt.
Der angebliche Evangeliencommentar des Theophilus von Antiochien, von
Adolf Harnack. LIV, 176 S. 1883. M. 7.50
II, 1/2. Lehre der zwölf Apostel, nebst Untersuchungen zur ältesten Geschichte
der Kirchenverfassung und des Kirehenrechts von Adolf Harnack. Nebst
einem Anhang: Ein übersehenes Fragment der Ju)«xn in alter lateinischer
Uebersetzung. Mitgetheilt von Oscar v. Gebhardt. 70 u. 294 S. 1884. M. 10 —
(II, 1/2. nicht mehr einzeln käuflich.)
II, 3. Die Offenbarung Johannis, eine jüdische Apokalypse in christlicher Be-
arbeitung, von Eberh. Vischer. Mit Nachwort von Adolf Harnack. 137 S. 1886.
M. 5 —
II, 4. Des heil. Eustathius, Erzbischofs von Antiochien, Beurtheilung des Origenes
betr. die Auffassung der Wahrsagerin 1. Könige [Sam ] 28 und die dies-
bezügliche Homilie des Origenes, aus der Münchener Hds. 331 ergänzt
und verbessert, mit kritischen und exegetischen Anmerkungen von Alb.
Jahn. XXVII, 75 S. 1886. (Einzelpreis M. 4.50) ; M. 3.50
DI, 5. Die Quellen der sogenannten apostolischen Kirchenordnung, nebst einer
Untersuchung über den Ursnruug des Lectorats und der anderen niederen
Weihen, von Adolf Harnack. ~106 S. 1886. M. 4 —
III, 1/2. Leontius v. Byzanz und die gleichnamigen Schriftsteller der griechischen
Kirche v. Prof. Lic. D. Friedr. Loofs. 1. Buch: Das Leben und die polem.
Werke des Leontius v. Byzanz. VIII, 317 S. 1887. M. 10 —
III, 3/4. Aphrahat's des persischen Weisen Homilien, aus dem Syrischen übersetzt
' und erläutert von Pfarrer Dr. Georg Bert.
Die Akten des Karpus. des Papylus und der Agathonike. Eine Urkunde aus
der Zeit Marc Aureis, von Adolf Harnack. LH, 466 S. 1888. M. 16 —
IV. Die griechischen Apologeten.
1. Tatiani oratio ad Graecos. Recens. Ed. Schwartz. X, 105 S. 1888. M. 2.40
2. Athenagorae libellus pro Christianis. Oratio de resurrectione cadaverum.
Recens. Ed. Schwartz. XXX, 143 S. 1891. M. 3.60
3. Theophili libri tres ad Autolycum II, III. Recens. Ed. Schwartz. ^ inVorbe-
4. Iustini martyris apologia et dialogus cum Tryphone Iudaeo. \ rM-t,1T,„
Recens. 0. de Gebhardt et A. Harnack. ) ielluu&-
Diese Ausgaben der Griechischen Apologeten sind nur mit kurzem
sprachlichen Commentar und Registern versehen und sollen zum Gebrauch
bei Vorlesungen oder in Seminaren dienen, weshalb auch deren Preise
möglichst niedrig gestellt wurden.
Fortsetzung auf Seite III des Umschlags.
AUS8ERCAN0NISCHE
PARALLELTEXTE
ZU DEN
EVANGELIEN
TEXTKRITISCHE UND QUELLENKRITISCHE
GRUNDLEGUNGEN.
VON
ALFRED RESCH.
LEIPZIG
J. C. HINItICHS'SCHE BUCHHANDLUNG
1893.
Vorwort,
zu Tcävxa xal ev näoiv XQioxöq.
Col. 3, 11.
(fi/.c'ictig 6h a 7ia(>t?.aßeg naq1 avxov. /x?'jxt
nQOOTi&elq in avxoiq (irjtt uipuiQoJv cm
avriöv. Const. VII, 14. Agrapha p. 134.
6 xaxa ttjv yQCi(pr\v ovofia^onevoq öoxi/uoq
xQaniL^txrjq xal nötig nüvxa öoxifxc'Xeiv
xal ro ßiv xa/.bv xart/tiv.
Orig. Opp. III, 815. Agrapha p. 116.
„Aussercanonische Evangelienfragmente" — so
lautet der wenig beachtete zweite Titel des Werkes, welches
unter dem bekannter gewordenen Namen * Agrapha" im V.
Bande dieser „Texte und Untersuchungen" zu veröffentlichen
vor drei Jahren mir vergönnt gewesen ist. Dasselbe sollte nur
der Vorläufer eines weit grösseren Werkes sein, von welchem
ich hier das Einleitungsheft darbiete. Durch den oben erwähnten
Untertitel und durch die damit gegebene Bezeichnung der s. g.
Agrapha als „Aussercanonischer Evangelienfragmente"
einerseits sowie durch den Titel: „Aussercanonische Parallel-
texte zu den Evangelien", unter welchem ich dieses Haupt-
werk einführe, andrerseits, kennzeichnen sich beide Werke nach
ihrer inneren Znsammengehörigkeit.
Der Name „Agrapha" war durch die literarische Tradition
gegeben und seiner praegnanten Kürze wegen mir sehr will-
kommen, obwohl ich im Übrigen denselben jedem Tadel gern
Preis gebe. Denn ich lengne es nicht: dieser Name „Agrapha"
sagt so ziemlich gerade das Gegentheil von dem, was ich mit
den Worten: „Aussercanonische Evangelienfragmente"
als zweiten Titel darunter gesetzt hatte. „Agrapha" — Ausflüsse
einer mündlichen, ohne Schrift fortgepflanzte», evangelischen
Überlieferung: so hatte man ursprünglich den Terminus „Agra-
IV
Vorwort.
pha" gemünzt; dagegen aber diese „Agrapha" der Hauptsache
nach als aussercanonisehe Reste einer schriftlichen Evangelien-
tradition nachzuweisen, das war der Zweck meines Werkes, ein
Zweck, dessen Bezeichnung durch den zweiten Titel: „Ausser-
canonische Evangelienfragmente" bereits vorweg genommen war.
Also eine contradictio in titulo!
Aber wer hätte nicht schon auf dem Gebiete der Evange-
lienforschung die Weitschweifigkeit und Abgeblasstheit der ein-
ander so ähnlichen Büchertitel unangenehm empfunden? Und
wer sollte mir nicht zustimmen, wenn ich behaupte, dass die der
Praegnanz und der charakteristischen Kürze entbehrenden Titel,
mit denen die meisten Werke aus dem Gebiete der Evangelien-
kritik ans Tageslicht getreten sind, wenig geeignet waren, das
Interesse für den Inhalt derselben zu wecken? Wer sollte es
mir nun verdenken, wenn ich den bekannten und doch wenig
gekannten, mit einem gewissen Reiz des Geheimnisses umgebenen,
Namen der „Agrapha" benützte, um damit eine neue Zugangs-
pforte zu dem Gebiete der Evangelienforschung aufzuschliessen?
Diejenigen aber, welche sich der Meinung hingegeben haben,
als ob die „Agrapha" nur vorgeschoben worden wären, um den
Rückzug auf dem Gebiete der Evangelienkritik zu decken und
die Erfolglosigkeit dieser Arbeit zu verschleiern, werden aus dem
gegenwärtigen grösseren Werke den Irrthum erkennen, in dem
sie befangen gewesen sind. Sie werden wahrnehmen, wie viel
bisher unbenutztes Material noch vorliegt, welches zu sammeln
und zu sichten war, dessen evangelienkritische Verwerthung noch
erforderlich ist, bevor eine endgiltige Lösung des Evaugelien-
problems erfolgen kann. Sie werden ersehen, dass die „Agrapha"
nur eine leichte Avantgarde bildeten, bestimmt, für die „Ausser-
canonischen Paralleltexte zu den Evangelien" als neuen Haupt-
truppen das Feld zu klären.
Selbstverständlich musste, um das Wesen des „Aussercano-
nischen" überhaupt und den hohen Werth der „Aussercano-
nischen Paralleltexte zu den Evangelien" insbesondere aufzu-
zeigen, vor allem der Begriff und die Geschichte des Canons,
nämlich des Canons Neuen Testamentes, einer orientierenden
Erörterung unterzogen werden.
Mit diesen an die Spitze des gegenwärtigen Einleitungs-
heftes gestellten Erörterungen über den Canon habe ich zugleich
Vorwort. v
— um dies nebenbei zu bemerken — eine Ergänzung gegeben
zu meiner früheren Schrift: Das Formalprinzip des Pro-
testantismus (1876). Andrerseits habe ich die mit dem Be-
griff des Canons vielfach cohaerente, aber doch davon sorgfältig
getrennt zu haltende, Frage nach der Inspiration der cano-
nischen Schriften hier völlig ausser Ansatz gelassen. Bezüglich
derselben verweise ich auf meine in § 5 jener Schrift über die
Inspiration entwickelten Anschauungen und namentlich auf die
dort erhobene Forderung, sowie den zugleich angestellten Ver-
such, den Begriff der Inspiration so zu fassen, dass
er der protestantischen Theologie nicht nur kein Hin-
derniss, sondern vielmehr eine Quelle und ein Antrieb
der wissenschaftlichen Forschung werde.
Geleitet von derselben Tendenz, habe ich im Nachfolgenden
den Begriff des neutestamentlichen Canons, in Zusammenfassung
der darüber bis in die neueste Zeit herein gepflogenen Verhand-
lungen, so gestaltet, das durch die innigste Vermählung des
traditionellen und des kritischen Prinzips den Forderungen
der Kirche und der Wissenschaft gleichzeitige Genugthuung
geschehe und dass bei der Ehrfurcht vor der Tradition,
ohne welche keine Kirche bestehen kann, die Verpflichtung zur
Kritik, welche doch der Odemzug aller Wissenschaft ist, zum
vollen Ausdruck gelange.
Bei meinen Untersuchungen über die Evangelien habe ich
mich zunächst vollständig auf die literarische Kritik — Text-
kritik und Quellenkritik — beschränken zu müssen geglaubt.
Gilt es doch auf dem Gebiete der profanen Geschichtsforschung
als ein selbstverständliches Axiom, dass erst die literarische
Kritik ihre Arbeit gethan, die literarischen Hilfsmittel in voll-
ständiger Weise herbeigeschafft, den Werth und das Alter der
Geschichtsquellen, ihr Verhältniss zu einander, wie auch den
Text derselben endgiltig festgestellt haben müsse, bevor die
historische Kritik an ihre Arbeit gehen und sich anschicken
darf, ihr Urtheil zu sprechen. Dem gegenüber finde ich, dass
die biblische Kritik, wie sie betrieben wird, — auch die alt-
testamentliche — , historische Verdikte und rein literarische In-
stanzen meist prinziplos in einander zu mischen pflegt, dass
häufig die historische Kritik ihr vorlautes Urtheil gibt, bevor
die literarische Forschung ihre Rede zu Ende geführt hat.
Yi Vorwort.
Was nun insbesondere die Erforschung der den geschicht-
lichen Jesus betreffenden literarischen Zeugnisse anlangt, so ist
bisher weder das textkritische Material — wie die nachfol-
gende Sammlung der „Aussercanonischen Paralleltexte zu den
Evangelien" zeigen wird — vollständig herbeigeschafft gewesen,
noch ist die Quellenkritik an ihrem Ziele angelangt. Wenn
es z. B., um nur das Eine herauszuheben, in endgiltiger Weise
festzustellen gelingen sollte, dass die vorcanonische Evangelien-
quelle bereits von Paulus benutzt worden ist, so würden sich
wesentlich neue Gesichtspunkte ergeben für die Altersbestimmung
bezüglich des vorcanonischen Evangeliums und für die historische
Werthschätzung der daraus geflossenen synoptischen Evangelien-
schriften.
Ebendeshalb wird zur Gewinnung entscheidender historischer
Resultate nicht blos die Vollendung des gegenwärtigen Werkes,
der „Aussercanonischen Paralleltexte zu den Evange-
lien", sondern auch die Veröffentlichung der „Canonischen
Evangelienparallelen", als des Abschlusses dieser evangelien-
kritischeu Materialiensammlung, abzuwarten sein.
An gegenwärtiges Einleitungsheft wird sich nun für dieses
Werk folgender Inhalt anschliessen:
Texte und Untersuchungen bezüglich des Kindheitsevange-
liums, des johauneischen Evangeliums, des Matthaeus- und Mar-
cusevangeliums, des Lucasevangeliums und der Apostelgeschichte,
Gesammtergebnisse und Register.
Bemerkung. Die unter einander variierenden Evangelientexte sind im Druck
durch das Zeichen : ~ besonders kenntlich gemacht.
Iiihalts-Übersiclit.
Seite
Text- und quellenkri tische Grundlegungen
§ 1. Der neutestamentlicke Canon 1
§ 2. Der Evangeliencanon 8
§ 3. „Canonische" und ..Aussercanonische" Texte 16
§ 4. Die Quellen der aussercanonischen bezw. vorcanonischen
Evaugelientexte 25
§ 5. Die quellenkritischen Grundsätze der Untersuchung bezüglich
der aussercanonischen Paralleltexte 59
S 6. Das vorcanonische Evangelium 64
§ 7. Die Ursprache des vorcanonischen Evangeliums 83
§ 8. Die griechischen Übersetzungen des vorcanonischen Evan-
geliums L08
§ 9. Die Anwendung der quelleukritiscken Grundsätze .... 152
§ 10. Nachträge 155
§ 1.
Der neiitestamentliche Canon.
Der neutestarnentliche Canon ist die vorzugsweise aus der
apostolischen Tradition der Kirche hervorgegangene, durch die
sichtende Kritik der Kirche bereinigte, mit derRecension der
Texte abgeschlossene Auswahl derjenigen Bestandteile der
ur christlichen Literatur, welche nach dem übereinstimmen-
den Glaubens-Urtheile der ältesten Kirche
a) die treuesten Urkunden des Urchristenthums dar-
stellen,
b) den höchsten Massstab für die Glaubenslehre der
Kirche bilden und
c) zum ausschliesslichen Gebrauch in den kirchlichen
Gottesdiensten dienen sollten.
Wie der alttestamentliche Canon ein Werk der jüdischen
Synagoge, so war der neutestamentliche Canon das Werk der
christlichen Kirche. Aber wie der Inhalt der alttestamentlichen
Schriften hoch über der Synagoge stand, so steht auch heute
noch der Inhalt des neutestamentlichen Schriftthums hoch über
der Kirche, als ihr Leitstern, der sie durch die Jahrhunderte
sicher führt. Mit dem Inhalt des neutestamentlichen Schrift-
thums haben wir es jedoch hier, wo vom Canon die Rede ist,
nicht zu thun. Denn der Canon stellt einen formalen Be-
griff dar, bei dem es sich um Sichtung des Gegebenen, um
Anordnung der getroffenen Auswahl und zuletzt um endgiltige
Feststellung des Wortlautes handelt. Zwar greift diese sichtende,
ordnende und recensierende Thätigkeit, welche die Kirche bei Fest-
stellung des Canons an dem neutestamentlichen Schrit'tthum geübt
hat, an vielen Stellen in das Material«' hinüber. Aber das tindet
doch nur insoweit statt, als man überhaupt Form und Inhalt
Texte u. Untersuchungen X. 1
2 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
niemals völlig von einander scheiden kann. Thatsächlick wiegt
bei der Frage nach dem Canon die formale Betrachtungsweise
bei Weitem vor. Und ebendeshalb kann das neutestamentliche
SGhriftthum, welches inhaltlich hoch über der Kirche steht,,
nach seiner formalen Zusammenfassung, Anordnung und Aus-
gestaltung als ein Werk der Kirche bezeichnet werden.
Der Canon als Canon ist mithin nach seiner Entstehung,
Zusammensetzung und Textgestaltung ein Kirchenbuch. Wie der
Kirche das Recht und die Pflicht zusteht, durch kirchliche Be-
kenntnisse, durch Kirchenordnungen, Liturgien, Agenden, Peri-
kopen- Ordnungen und andere Einrichtungen die Bedürfnisse der
Gemeinden zu befriedigen, die Einheit des kirchlichen Lebens
zu wahren, drohender Unordnung zu steuern und so dem Selbst-
erhaltungstriebe der Kirche zum Siege zu verhelfen, so hat die
Kirche dieses Recht und solche Pflicht bei der Schöpfung des
Canons in höchster Potenz geübt. Der neutestamentliche Canon
ist das reife Produkt der kirchlichen Tradition, zugleich der
früheste Flügelschlag der historischen Kritik, die im Kampfe mit
der Haeresie geschmiedete Waffenrüstung der Kirche zu ihrer
Selbstvertheidigung, die in den innerkirchlichen Kämpfen be-
währte Norm der Kirche für ihre Selbstbesinnung, das unver-
gängliche Zeugniss von der Fürsorge der Kirche für ihre Glieder,
der aus der Vergangenheit herüberragenden Fürsorge für die
kommenden Geschlechter bis an das Ende der Tage.
Noch heute ist daher der neutestamentliche Canon die Haupt-
grundlage der kirchlichen Wissenschaft, der Theologie, nämlich
a) der unverrückbare Orientierungspunkt für die histo-
rische Theologie,
b) die tiefste Quelle für die dogmatische Theologie,
c) der unversiegbare Jungbrunnen für die praktische
Theologie.
Zwar ist es grundlegend der Inhalt, welcher den Schriften
des neutestamentlichen Canons eine so hohe und einzigartige
Bedeutung verleiht. Aber dennoch ist es abschliessend erst die
Zusammenstellung der einzelnen Bestandteile zu einem harmo-
nisch geordneten Ganzen, wodurch Kirche und Theologie einen
so festen Mittelpunkt gewonnen hat. Man denke sich nur den
neutestamentlichen Canon als solchen hinweg und seine einzelnen
Bestandteile zerstreut: — wie zerfahren würde bei einem solchen
§ 1. Der neutestamentliche Canon. 3
Zustand die Theologie sich entwickelt haben, wie unsicher der
Gaug der Kirche geworden sein. Als die wichtigste Schöp-
fung der Kirche ist daher der Canon als solcher auch
mit der höchsten Würde kirchlicher Autorität umgeben.
Aber trotz dieser hohen Würde bleibt der Canon ein Ob-
jekt der Kritik. Denn wie er als ein Werk der Kirche aus
der Vermählung ältester Tradition mit den ersten Regungen
wissenschaftlicher Kritik hervorgegangen ist, so steht auch der
Kirche nicht blos das unverjährbare Recht, sondern auch die
mit ihrem innersten Selbstbewusstsein verknüpfte Pflicht zu, durch
die kirchliche Wissenschaft, die Theologie, an dieser ihrer eigen-
sten Schöpfung eine fortgesetzte Kritik zu üben.
Die erste Epoche canonischer Kritik fällt mit der Canon-
bildung selbst zusammen. Da das erste geschichtliche Motiv zur
Bildung des neutestamentlichen Canons in dem praktischen Be-
dürfniss der kirchlichen Vorlesungen gegeben war und da auf
diesem Gebiete der Zweck kirchlicher Erbauung eine strenge Aus-
scheidung minderwerthigen Schriftgutes nicht nötig machte —
wie denn auch heute noch die Apokryphen des Alten Testaments
von dem kirchlichen Gebrauche zum Zwecke der Erbauung nicht
ausgeschlossen sind — , so konnte es kommen, dass auch solche
Bestandteile der urchristlichen Literatur, welche vor einer spä-
teren reiferen Beurtheilung nicht Stand hielten, längere Zeit als
kirchliche Vorlesebücher benutzt und dem in Bildung begriffenen
Canon einverleibt wurden. „Schriften, welche in den späteren
Jahrhunderten der Verachtung und der Vergessenheit anheim
fielen , haben im zweiten und dritten Jahrhundert eine viel all-
gemeinere Anerkennung als heilige Offenbarungsurkunden und
als kirchliche Vorlesebücher genossen und einen viel grösseren
Einfluss auf die kirchliche Denkweise und die christliche Sitte
ausgeübt, als der Hebräerbrief, der Brief des Jacobus und der
zweite Petrusbrief " — , „so dass ihre Geschichte ein in ziemlich
hellem Lichte stehendes Stück der im Übrigen so dunkelen Ge-
schichte des Canons bildet" ]). Selbstverständlich konnte in dieser
Periode von einem fertigen Canon nicht die Rede sein. Denn
zum Abschluss der Canonbildung gehörte gerade der
definitive Ausschluss solcher literarischen Produkte, welche
1) Zahn, Geschichte des Kanons I, 2. S. 326 f.
4 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
vor dem reiferen Urtlieile der Kirche nach Ursprung und Inhalt
nicht zu bestehen vermochten. Mithin erst die ausscheidende
Kritik der Kirche, welche solche niinderwerthige Produkte der
altchristlichen Literatur aus dem sich bildenden Canon, in den
sie eingedrungen waren, wieder entfernte, hat die neutestament-
liche Canonbildung im vierten Jahrhunderte zu ihrer Ruhe
kommen lassen.
Eine zweite Epoche canonisch-kirchlicher Kritik brach mit
dem Reformationszeitalter an, als das mit einer seit den Tagen
der Apostel nicht gesehenen Mächtigkeit hervorbrechende Selbst-
bewusstsein der Kirche eben mit Hilfe des Canons, ohne welchen
die Reformation undenkbar, unmöglich gewesen wäre, aus den
tiefsten Quellen der kirchlichen Tradition sich verjüngte und er-
neuerte. Insbesondere legitimierte sich Luther als den eigent-
lichen Träger des kirchlichen Selbstbewusstseins dadurch, dass
er Tradition und Kritik, wie in Betreff der kirchlichen Lebens-
fragen überhaupt, so insbesondere in Bezug auf den neutesta-
mentlichen Canon in einer Weise mit einander vermählte, welche
sich als echt katholisch und zugleich als wahrhaft reforma-
torisch documentierte. Allerdings ist dieses Verhältniss des
lutherischen Reformationswerkes zur Tradition und zur Kritik
nicht zum klaren begrifflichen Ausdruck gelangt. Aber indem
die lutherische Reformation von der kirchlichen Überlieferung
und von den historisch gewordenen Einrichtungen der Kirche
nur dasjenige beseitigte, was dem Canon der Schrift direkt wider-
sprach, erkannte sie thatsächlich die Tradition, aus deren Mutter-
schoss ja auch der Canon hervorgerufen worden war, als das
Allgemeinere, Höhere an, nur selbstverständlich mit der Bestim-
mung, dass die ältere Tradition der jüngeren voranging, sowie
— was noch wichtiger war — -, dass die schriftliche, zumal
also die im Canon fixirte, Tradition der flüssigen, unsicheren
mündlichen Tradition zum Correktive dienen sollte. Damit
war aber zugleich das Prinzip der Kritik gegeben, einer Kritik,
welcher auch der Canon selbst, als Produkt kirchlicher Tra-
dition und kirchlicher Kritik, von Neuem unterworfen werden
musste. Eben die Rückkehr zur altkirchlichen Kritik führte im
Verein mit seiner dogmatischen Feinfühligkeit den Reformator
zu einer entscheidenden Neugestaltung des neutestamentlichen
Canons durch Ausschluss des Hebräerbriefes, des Jacobus- und
§ 1. Der neutestanientliche Canon. 5
Judasbriefes., des zweiten Petrusbriefes und der Apokalypse von
dem Canon im engeren Sinne und durch eine auch in der
äusseren Anordnung sichtbare Degradation dieser Schriften zu
deuterocanonischen oder — wie es Chemnitz auch ausgedrückt
hat — zu apokryphischen Schriften des Neuen Testaments,
in der Weise, dass dieselben zwar für den praktischen Kirchen-
gebrauch nach wie vor fortbestanden, aber für die dogmatische
Arbeit der Kirche als norma normans nicht mehr dienen sollten.
Es war ein verhängnissvoller Schritt, dass die Kirche, die in
Luthers Bahnen wandelte, gerade in dieser Position von ihm
und seinen grössten Nachfolgern — Chemnitz und Gerhard
— sich lossagte und in die beengenden Fesseln des radicalen
— von praedestinatianischen Grundgedanken getragenen, die
geschichtliche Entwickelung ignorierenden — reformierten
Canonbegriffes sich schlagen liess. Denn dadurch ist die lu-
therische Kirche, anstatt die von Luther gegebenen Keime bib-
lischer Kritik in positiver Weise fortzubilden, in ihrer genui-
nen Entwickelung aufgehalten und zur Stagnation verurtheilt,
schliesslich aber in den Selbstauflösungsprocess refor-
mierten Kirchenthums mit hineingezogen worden. Denn
der unlebendige Begriff vom Canon, welcher in der reformierten
Kirche zur Herrschaft gelangte, der einerseits alle Wurzeln der
Tradition, aus welcher doch der Canon hervorgewachsen war, aus-
riss und nur den wurzellosen Stamm — eben den Canon — übrig
liess, der andererseits alle Kritik unmöglich machen sollte, musste
mit Notwendigkeit den Rückschlag einer zügellosen, bis ins Fan-
tastische ausartenden, destruktiven Bibelkritik herbeiführen, welche
gerade in den reformierten Kirchengebieten (Schweiz, Holland,
reformierte Kreise Frankreichs) ihre bedenklichen Triumphe feiert
und welche, wie irgend etwas, die vom Romanismus erhoffte
Selbstzersetzung des Protestantismus als greifbare Gefahr in
drohende Nähe gerückt hat.
Dem gegenüber ist es die deutsche Theologie gewesen, welche
langsam zwar, aber doch mit fortschreitender Selbstbesinnung,
eine positive Lösung der kritischen Fragen in die Hand ge-
nommen und dabei besonders denjenigen Punkt des Canons ins
Auge gefasst hat, an welchem die lutherische Reformation das
Meiste, ja Alles noch zu thun übrig gelassen hatte. Dieser
Punkt, welcher zugleich der Hauptpunkt für die historische
(} Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Werthung des Canons überhaupt bildet, ist die Erforschung
der Evangelien sowohl in ihrem Verhältniss unter einander als
in ihrem Verhältniss zu dem übrigen neutestamentlichen Schrift-
thum. Die Evangelien repräsentieren diejenige schrift-
liche Tradition, welche unmittelbar auf Jesum zurück-
zugehen beansprucht. Sie stellen aber zugleich ein so com-
pliciertes Verhältniss gegenseitiger Verwandtschaft und unzähl-
barer Verschiedenheiten in der Überlieferung der historischen
Stoffe dar, dass Jeder, welcher in das damit gegebene Problem
tiefer hineinzuschauen gelernt hat, wird bekennen müssen: an
der Spitze des neutestamentlichen Canons steht das
interessanteste, schwierigste, grösste Problem jeglicher
Kritik, welches ganz geeignet ist, die Kirche vor dem
Versinken in den Stand der Kritiklosigkeit zu bewahren.
Bei einem reformierten Theologen der Reformationszeit, bei
Theodor von Beza, hätte es gelegen, die Evangelienfrage schon
damals in Fluss zu bringen, als ihm aus dem Kloster S. Irenaei
ein Evangelien-Codex in die Hände gelegt ward, dessen Inhalt
an vielen Stellen von den canonischen Texten weit abweicht,
dessen Textgestalt — nach ihren Ursprüngen aus dem zweiten
Jahrhundert stammend — uns die grossen Veränderungen ahnen
lässt, welche mit den Evangelien vorgegangen sind, bevor der
Abschluss der neutestamentlichen Canonbildung erfolgte. Aber
der reformierte Theologe consignierte das in seinen Augen ge-
fährliche Document in der Universitätsbibliothek zu Cambridge,
wo es als Codex Bezae oder Codex Cantabrigiensis zwei Jahr-
hunderte lang fast völlig unbenutzt ruhte. Die Zeit war noch
nicht reif.
Da war es ein deutscher Theologe, der ehrwürdige Storr,
das Haupt der älteren Tübinger Schule, welcher das Ende des
Ariadnefadens fand, der uns in das Labyrinth der Evangelien-
forschung führen sollte. Die heute fast allgemein anerkannte
Priorität des Marcusevangeliums unter den canonischen Evan-
gelien ist Storrs Entdeckung. Und wieder war es ein Tübinger
Theologe, welcher die Grösse des mit der Evangelienfrage ver-
knüpften Problems erst enthüllte und durch die von ihm ange-
strebte Lösung des Problems eine geschichtliche Betrachtung
der canonischen Schriften in Fluss brachte. Ferd. Chr. Baur,
das Haupt der jüngeren Tübinger Schule, hat die Verwandt-
§. 1. Der neutestainentliche Canon. 7
schaft der canonischen Evangelien mit den neutesta-
mentlichen Lehrschriften als das Hauptproblem der den
Canon betreffenden Forschungen herausgestellt und damit
zum ersten Male eine historische Betrachtimgsweise der Evan-
gelien und ihrer Genesis angebahnt, — ein Verdienst, welches
ihm bleibt, obgleich die Lösung des Problems als einseitig und
seine Geschichtsconstruktion des Urchristenthums als verfehlt be-
zeichnet werden muss.
Eine intensive Arbeit auf dem Gebiete der canonischen Kritik
überhaupt und bezüglich der Evangelienkritik insbesondere ist
in dem zu Ende gehenden Jahrhundert von der deutschen Theo-
logie gethan worden, — eine Arbeit, die schon manches positive
Resultat zu Tage gefördert und in der Entdeckung einer vor-
canonischen Evangelien-Quellenschrift ihren schönsten Lohn ge-
funden hat. Freilich haben sich auch viele LTnberufene in diese
Arbeit eingedrängt — viele, welche die Mahnung nicht beach-
teten: Ziehe deine Schuhe aus; denn hier ist ein heiliges Land.
Viele von diesen Kritikern waren von dem Selbstbe-
wusstsein der Kirche nicht getragen und von der Grösse
der Verantwortlichkeit nicht durchdrungen. Ja manche
Federn dieser Kritiker waren — wie einst die Feder des Heiden
€elsus — in die ätzende Tinte des Christushasses und des
Kirchenhasses tief eingetaucht. Aber es musste auch dieses Arger-
niss kommen; es war mit der dritten grossen Epoche canoni-
scher Kritik unauflöslich verknüpft. Gemäss dem historischen
Charakter unserer Zeit musste die theologische Forschung an
demjenigen Punkte anlangen, welcher bei der Canonbildung der
erste massgebende Gesichtspunkt hätte sein sollen, welcher aber
bei dem mehr praktischen Bedürfniss der Urkirche nur eine un-
bewusst naive Berücksichtigung gefunden hat, nämlich die Fest-
stellung und Werthung der Evangelien als historischer Ur-
kunden, welche uns die tiefsten Ursprünge des Christentums
enthüllen sollen. Wäre ein ausgeprägtes historisches Interesse
in der Urkirche bei der Bildung des Evangelicncanons mass-
gebend gewesen , so würde die wichtigste historische Urkunde
des Urchristenthums, jene vorcanonische Evangelien-Quellenschrift,
nimmermehr verloren gegangen sein.
Unsrer Zeit sind die Mittel gegeben, manches Dunkel auf
diesem Gebiete zu lichten, manches Versäumte nachzuholen. Die
8 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Gesetze der literarischen Kritik sind bekannt; die Handschriften
der Evangelien sind gesichtet; die patristische und apokryphische
Literatur ist aufgeschlossen; manche wichtige Funde sind ge-
schehen; die neutestamentliche Zeitgeschichte ist erfolgreich be-
arbeitet.
Aber dennoch haftet an einem ganz besonders wichtigen
Punkte der bisherigen Evangelienforschung, welche sich sonst
so kühn über die canonischen Grenzen hinwegzuschwingen Hebt,
ein verhängnissvoller Mangel, der um so mehr in Erstaunen
setzen muss, als gerade an diesem Punkte das letzte, das späteste
Stadium der Canonbildung sich fixiert und dabei zugleich in den
materiellen Inhalt des Canons eingegriffen hat. Das letzte Sta-
dium der Canonbildung ist die Fixierung der canonischen Texte
gewesen, welche gerade bei den Evangelientexten manches Ori-
ginale verwischt hat. Und gerade diese einer verhältniss-
mässig späten Zeit angehörigen canonischen Evange-
lientexte hat man mit wenigen Ausnahmen zum Aus-
gangspunkt und zum Objekt der Evangelienforschung
gemacht, während man die aussercanonischen, bezw.
vorcanonischen Evangelientexte vorzugsweise nur als
Curiositäten hat gelten lassen.
Dieser Punkt bildet aber ein so wichtiges Capitel, dass dem-
selben eine besondere Betrachtung im Folgenden gewidmet wer-
den soll, dessen Vorbedingung jedoch ein Rückblick auf die Ent-
stehungsgeschichte des Evangeliencanons ist.
§ 2.
Der Eyangelieiicanon.
Entsprechend der Entwickelung des Gesammtcanons Neuen
Testamentes zeigt auch der älteste Hauptbestandteil desselben
drei Epochen:
erste Epoche: Zusammenstellung der traditionellen Evange-
lienschriften zu einem viertheiligen Evangelien-
canon ;
zweite Epoche: Durchdringen dieses viertheiligen Evangelien-^
canons zur alleinigen und ausschliesslichen
Geltung in der Kirche;
§ 2. Der Evangeliencanon. 9
dritte Epoche: Fixierung und endgiltige Bereinigung der cano-
nischen Evangelientexte.
Die vier nachmals in den Canon aufgenommenen Evangelien-
schriften haben sicherlich schon längst vor Beginn der Canon-
bildung neben der mündlichen Evangelientradition den Haupt-
inhalt der schriftlichen Evangelienüberlieferung, sowie auch den
wichtigsten Bestandtheil der gottesdienstlichen Vorlesungen inner-
halb der Urkirche gebildet. Denn nicht nur Justin berichtet,
dass die ajcoluv?/iuovtviuaTa xcöv anoöxölcov — a xaXsirai tvayytha
— an den Sonntagen in den christlichen Gottesdiensten verlesen
wurden (avaytvcoöxercu vgl. Apol. I, 67. 66), sondern auch aus
den Ausdrücken der J LÖayj]\ cog ty&rs Iv reo svayyeXiq) (/liö.
XV, 3. 4), geht mit Bestimmtheit hervor, dass man sich schon viel
früher in dem kateclietiscben Gemeindeunterricht auf
das svayytXiov als eine wohlbekannte schriftliche Autorität be-
rufen durfte, welche nicht anders als eben durch kirchliche
Vorlesung den Gemeinden vertraut geworden sein konnte — ,
wobei zu beachten, dass weder in der AiöayJi noch bei Justin
von Vorlesung apostolischer Lehrschriften die Rede ist. (Wohl
aber erwähnt Justin neben den Evangelien die Schriften der
Propheten, die zur Vorlesung gelangten.) Es ist nun doch so
viel klar, dass, wenn eine Sammlung, ein Canon von Evangelien,
sich bildete, dieselbe aus denjenigen Evangelienschriften zu-
sammengesetzt werden musste, welche auf Grund der kirchlichen
Tradition schon längst den Gemeinden bekannt und bei den
gottesdienstlichen Vorlesungen in Gebrauch waren.
Für diese Voraussetzung findet man dann auch volle Be-
stätigung, wenn man auf die einzelnen vier Schriften hinblickt,
welche im Evangeliencanon zu einer geschlossenen Einheit ver-
bunden worden sind.
Besonders ist es das johanneische Evangelium, dessen
frühzeitiger gottesdienstlicher Gebrauch in überraschender Weise
nachgewiesen werden kann. Kämlich die uralten eucharistischen
Gebete, welche uns in der Jida'/j) enthalten sind, setzen für
diejenigen kirchlichen Kreise, aus denen der Verfasser dieser
Schrift sie entnommen hat, durch die Fülle von Anklängen an
das johanneische Evangelium dessen Einfluss auf die altkirch-
liche Liturgie in einer Zeit voraus, welche noch vor der Ab-
10 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
fassung der Jcöay?) gelegen war1). Ebenso ergiebt sich der
frühzeitige kirchliche Einfluss des johanneischen Evangeliums
aus der Thatsache, dass die um d. J. 160 entstandene älteste
Evangelienharmonie, welche für kirchliche Vorlesungen in der
syrischen Kirche bestimmt war, Tatians Diatessaron, dem
johanneischen Evangelium einen hervorragenden Platz einräumte,
indem sie den johanneischen Prolog sogar an die Spitze stellte,
was ohne vorausgegaugene längere kirchliche Geltung dieses
Evangeliums undenkbar gewesen wäre.
Sodann das erste canonische Evangelium ist in juden-
christlichen Kreisen schon zu Anfang des zweiten Jahrhunderts
gottesdienstlich benutzt worden. In dieselbe Zeit weist der Ver-
fasser der Jiöayj), wenn er mit seiner Formel: coq eysts Iv zm
tvayytXLtp — auf das erste Evangelium dem Zusammenhang
nach deutlich mit Bezug nimmt.
Was ferner das dritte canonische Evangelium anlangt,
so zeigt die Thatsache, dass Marcion (140) das Lucasevangelium
an die Spitze seines Schriftencanons stellte und dasselbe lediglich
durch Cassationen für seine Zwecke zustutzte, welche Autorität
diese Evangelienschrift bereits längst vor 140 in den urchrist-
lichen Gemeinden besessen haben muss.
Über das Marcusevangelium endlich gibt Papias (um
1*25) aus den noch älteren Mittheilungen des Presbyters Jo-
hannes solche ausführliche Nachrichten und so eingehende Ur-
theile, dass man an der Bekanntschaft der ältesten Kirche mit
dieser Evangelienschrift nicht von ferne zweifeln kann. Zwar
fehlen in der Zeit vor Irenäus die Spuren von einer schrift-
stellerischen oder gottesdienstlichen Verwerthung des Marcus-
evangeliums fast gänzlich, aber, abgesehen von den schwerwie-
genden Zeugnissen des Presbyters Johannes und des Papias,
haben wir noch zwei viel ältere Zeugen, nämlich die Re-
daktoren des ersten und dritten Evangeliums, welche
durch die weitgehende Benutzung des zweiten Evangeliums den
1) Darüber, dass nicht blos ein s. g. „Johann eischer Evangelientypus"
in der Aiöcc/jt vorausgesetzt, sondern eine schriftstellerische Benützung
des johanneischen Evangeliums in den eucharistischen Gebeten der /liötc/t]
zu constatieren ist, -vergleiche namentlich die nachfolgende Bemerkung
zu Joh. 11, 51. 52 im 2. Hefte dieses Werks.
§ 2. Der Evangeliencanon. 11
frühzeitigen mächtigen Einfluss desselben auf die Urkirche be-
kunden.
Es geschah also nichts Unvorbereitetes, als die altkatholische
Kirche, wahrscheinlich um dieselbe Zeit, als Marcion seinen
Canon schuf, die vier in der Tradition der Kirche einflussreichsten
Evangelienschriften zu einer Einheit, zu einem Evangeliencanon,
zusammenfasste. Zwar sagt Zahn (Gesch. des Kanons I, 1, 78):
TDass man jemals zwei Evangelien in eine einzige Papyrusrolle
eingeschrieben habe, ist äusserst unwahrscheinlich, eine Vereini-
gung aller vier Evangelien in eine einzige Rolle kaum denkbar/'
Irgendwie aber muss doch die Einheit des viertheiligen Evan-
geliencanons und die Reihenfolge seiner vier Theile sich re-
präsentiert haben. Dafür zeugt der Umstand, dass sowohl die
nach Cureton benannte altsyrische Evangelienübersetzung, die
mit ihren Ursprüngen bis in die Mitte des dritten Jahrhunderts
zurückreicht, als auch die altlateinischen Übersetzungen,
deren erste Anfänge noch in das zweite Jahrhundert hingehören
(vgl. unten §. 4), einheitliche Evangeliencodices darstellen, welche
im Verein mit dem griechischen Evangeliencodex Bezae auf
einen Archetypus zurückweisen, dessen Entstehung wahrschein-
lich mit der Bildung des Evangeliencanons selbst zusammen-
fiel und dessen Gestalt die Zusammengehörigkeit der vier cano-
nisch gewordenen Evangelien erkennen Hess. Dafür spricht
ferner auch der Käme: öiä reöGaQwv, welchen Tatian seiner
Evangelienharmonie gab. Dafür zeugt endlich auch der Mu-
ratorische Canon, welcher die Evangelien zählt und die
jetzige canonische Reihenfolge (tertio evangelii librum secun-
dum Lucan — quarti evangeliorum Johannis) erkennen lässt.
Wie hätte am Ausgang des zweiten Jahrhunderts eine solche
Reihenfolge der Evangelien feststehen können, wenn nicht der
Evangeliencanon als solcher auch äusserlich zu erkennen ge-
wesen wäre?
Alle diese Instanzen aber lassen zugleich den Termin 140
n. Chr. als den spätesten Termin für die Bildung des Evangelien-
canons erscheinen. Denn wenn in der zweiten Hälfte des zweiten
Jahrhunderts der Evangeliencanon bereits in Übersetzungen vor-
lag und zu Evangelienharmonien verarbeitet werden konnte (zu
dem Diatessaron Tatian s kam noch die gänzlich verloren gegan-
gene Evangelienharmonie desTheophilus vonAntiochien), und
12 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
wenn neben älteren vorcanonischen Anordnungen der Evangelien *),
welche wir in dem Codex Bezae, dem Syrer Curetons und den älte-
sten lateinischen Codices repräsentiert finden, bereits um die Wende
des zweiten und dritten Jahrhunderts nach dem Zeugniss des
Muratorischen Fragments die jetzige canonische Reihenfolge
der Evangelien entstanden war, der Evangeliencanon daher als
Ganzes bereits eine Geschichte seiner Entwicklung hinter sich
hatte, so muss die Entstehung dieses Evangeliencanons not-
wendiger Weise in die erste Hälfte des zweiten Jahrhunderts ge-
fallen sein2).
1) Die Ordnung war im Cod. Cantabr., in den lateinischen Codd. Brix.,
Veron., Vercell., in dem gothischen Codex argenteus folgendermassen ver-
treten: Matthaeus, Johannes, Lucas, Marcus. Ahnlich bei Tertullian (adv.
Marc. IV, 2), nur mit der Voranstellung des Johannes: denique nobis fidem
ex apostolis Ioannes et Matthaeus insinuant, ex apostolicis Lucas et
Marcus instaurant, und mit Tertullian übereinstimmend die oberägyptische
Version nach Woide.
2) Damit würden auch die Darlegungen Taylors übereinstimmen
in seiner soeben erschienenen interessanten Schrift: The Witness of Hermas
to the four Gospels (London 1392), für deren unmittelbar nach dem Druck
erfolgte Übersendung ich dem Autor nicht genug dankbar sein kann.
Hiernach würde die berühmte Ausführung des Irenäus bezüglich der
Nothwendigkeit eines vierfältigen Evangeliencanons (zsz q&(ao gipov zb
eiayyü.iov), wofür Irenäus die vier Weltgegenden (ztooaQU x/.lfxaza zov
xöofxov), die vier Winde {ztoouQa za&okixa Tivsvfxaza), die vier Cheru-
bim {zu XtQOvßln zsz(jc<7i()ÖGW7za) geltend macht, indem er den Evange-
liencanon als Ganzes das Fundament der Kirche nennt (aztjQtytict ixxXrj-
oii'.z to eiccyys?uov) und die vier einzelnen Evangelien als die vier Säulen
der Kirche (ztaoccQccq ozvXovq) bezeichnet (Iren. III, 11, 8), der Haupt-
sache nach aus dem Pastor Hermae entlehnt sein, welchen nach dem
Zeugniss des Eusebius (H. E. V, 8, 7) Irenäus mit canonischer Giftig-
keit gebrauchte (akXa xal anodcyezai zr)v zov Tloifxsvoq yQcuprjv) und
welcher die 'ExxXijaia darstellt als ein Weib, ruhend auf einem (elfen-
beinernen) Sitz (tnl avfiyjsXlov xa^7j/jttrtjv, super scamnum sedentem), wel-
cher Sitz mit vier Füssen versehen war (zsoocipaq itööaq tyet zb av/x-
ipeXiov). Vgl. Herrn. Vis. III, 13, 3. p. 58. Zu dieser Auffassung, nach
welcher das ozrjQiyua mit den zsaoagsq azvkoi bei Irenäus aus dem
oravAXiov mit den ztaaaQsq Tiodsq bei Hermas zur Bezeichnung des
vierfältigen Evangeliencanons als des die 'ExxXtjala tragenden Fundaments
stammen würde, wobei zugleich die ebenda eingeflochtene Bemerkung des
Hermas: b xoa/xoq öia zsogccqcdv azoryet'cüv xQazüzai als Quelle der
zLoouQa xXlfJLaza und ziooccgu nvsifxaza bei Irenäus erscheinen
würde: — zu dieser Auffassung ist Taylor durch eine äusserst gründliche
§ 2. Der Evangeliencanon. 13
Dabei hat man nur festzuhalten, dass mit der Ent-
stehung des Evangelien canons noch keineswegs dessen Allein-
herrschaft gesetzt war. Es wäre wenigstens eine sehr irrige
Anschauung, wenn man annehmen wollte, dass mit diesem ersten
Vorarbeit geführt worden, welche er über das Verhältniss der diöaxtf zu
dem Hirten des Hermas angestellt hat. (Man vgl. darüber Näheres unten
in § 4. E.) Hiernach suchte und fand Taylor das s vayytXiov devJidayi'j
in der uyyeXla äya&t] des Hermas, welche Bezeichnung ebenda (Vis. III,
13, 1) auftritt, wo Hermas sich anschickt, die Kirche als auf den vier
Füssen ihres Thrones ruhend nach Analogie des von vier Elementen zu-
sammengehaltenen xöofiog darzustellen. Und allerdings — dies möchte
ich zur Bestätigung der von Taylor gemachten Entdeckung hinzufügen
— erklärt sich die erste Conception dieser Bilder und die darin enthal-
tene ausschliessliche Betonung der den vier Evangelien einwohnenden
fundamentalen Bedeutung mit gleichzeitiger vollständiger Nichtberück-
sichtigung der übrigen canonischen Schriften vortrefflich aus einer Zeit,
wie der des Hermas, in welcher von den Bestandtheilen des neutesta-
mentlichen Canons erst nur der Evangeliencanon in gottesdienstlichen Ge-
brauch getreten war, viel weniger aus der Zeit des Iren aus, wo die
einzigartige Bedeutung des Evangeliencanons durch das Hinzutreten des
o dnöaxoXoq bereits eine wesentliche Einbusse erlitten hatte. Freilich
wenn es sich ergeben sollte, dass Hermas um das Jahr 140 n. Chr. der-
artige Beobachtungen anstellen, einen vierfältigen Evangeliencanon als
ein Gegebenes voraussetzen und diesem Evangeliencanon eine so grund-
legende Bedeutung beimessen konnte, so müsste die Entstehung des Evan-
geliencanons noch ein gutes Stück vor das Jahr 140 angesetzt und bis in
den Anfang des zweiten Jahrhunderts zurückdatiert werden. Zahn,
welcher in seiner Geschichte des Kanons 1,1. S. 161 sagt: „Die Kirche,
die Gottesdienst feiernde Gemeinde, hatte seit unvordenklicher Zeit diese
vier Evangelien und nur diese im Gebrauch", welcher ebenda I, 2. S. 915 f.
gezeigt zu haben glaubt, dass die vier canonischen Evangelien „aller-
spätestens um 125 zu einer allgemein verbreiteten Sammlung vereinigt
waren" — , Zahn hätte m. E. am wenigsten Veranlassung gehabt, diese
Position des Taylorschen Werkes in der Recension desselben (Theol. Lite-
raturblatt 1892. No. 23. S. 268 ff.) für „unbegründet" und „grundfalsch"
zu erklären. War, wie Zahn annimmt, der Evangeliencanon bereits um
125 vorhanden, so ist nicht abzusehen, warum Hermas dieses Faktum
nicht in seiner Weise verwerthet haben sollte. — In einem Nachtrage
(veröffentlicht in dem Journal of Philology) macht Taylor noch auf eine
Stelle bei 0 r igen es aufmerksam (Prooem. in Ioan.), wo derselbe mit den
Worten: xbgguqwv dvxcov xätv evayyeklwv, olovsl ox oi%eiü>v xjjg
Tiloxewq xijg txxfajoi'ccq, ig wv oxory :lv>r n nag ovvnnrjxt xöa/xoq — die
Vorstellung aus dem Pastor des Hermas unter offener Bezugnahme auf
den Evangeliencanon wiederholt.
14 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Stadium, welches für die Geschichte des Evangeliencanons
erkennbar ist, und mit dem Praeponderieren der vier canonischen
Evangelien in den gottesdienstlichen Vorlesungen, sofort der
Gebrauch anderer Evangelien ausgeschlossen und beseitigt ge-
wesen sei. Vielmehr weisen fast alle Schriftsteller vor Irena us
darauf hin, dass neben den vier Evangelien Schriften, welche der
Aufnahme in den Canon gewürdigt wurden, auch noch andere
Evangelien im Gebrauche blieben. Denn die Erscheinung, dass
in der Zeit vor Irenäus die citierten Evangelientexte nur selten
mit den canonischen Texten übereinstimmen, noch mehr aber die
Thatsache, dass von denselben Schriftstellern aus den von ihnen
benutzten Evangelienquellen solche Texte mitgetheilt werden,
für welche es in den canonischen Evangelien keine direkten
Parallelen gibt (Agrapha), lässt sich nicht blos aus der Annahme
vorcanonischer Textgestalt der canonischen Evangelien erklären,
sondern fordert mit Nothwendigkeit, dass auch noch selbst-
ständige aussercanonische Evangelienschriften nach begonnener
Bildung des Evangeliencanons eine Zeit lang im Gebrauch ge-
blieben sind. Aber weit entfernt davon, dass dadurch der histo-
rische Werth unserer canonischen Evangelien discreditiert werden
könnte, dienen jene Reste aussercanonischer Evangelien, so weit
man sie constatieren kann, durch ihre inhaltliche Übereinstimmung
und überraschende Congenialität mit unseren canonischen Evan-
gelien zu einer durchschlagenden Beglaubigung derselben.
Auch eine Vergleichung der Reste, die von haeretischen
Evangelien (Evangelium des Marcion, Hebräerevangelium, Aegyp-
terevangelium) uns erhalten sind, gereicht nur zur Befestigung
der Überzeugung, dass von Seiten der Kirche bei Bildung des
Evangeliencanons — mit alleiniger Ausnahme der leider verloren
gegangenen vorcanonischen Evangelien -Quellenschrift — die
besten Elemente der altkirchlichen Evangelientra-
dition erhalten und zusammengestellt worden sind. Denn wie
das Marcionevangelium den Charakter derCastration, so tragen
das Hebräer- und Aegypterevangelium in den Stoffen, in welchen
sie über die canonischen Evangelien hinausgehen, den Stempel
der Interpolation an der Stirn. Jedenfalls war zur Zeit des
Irenäus und spätestens des Origenes die kritische Ausschei-
dung der aussercauonischen und haeretischen Evangelien und
die Alleinherrschaft der vier canonischen Evangelien
§ 2. Der Evangeliencanon. 15
innerhalb der Kirche eine Thatsache. Während der Canon
der neutestamentlichen Lehr Schriften noch das ganze dritte
Jahrhundert hindurch bis in den Anfang des vierten Jahr-
hunderts hinein zahlreiche minderwerthige literarische Produkte
(dida%}j, Barnabas, Hermas, Clemens Rom. etc.) mit sich fort-
schleppte und daher erst viel später zur kritischen Bereinigung
gelangte; war der Evangeliencanon bereits um die Wende des
zweiten und dritten Jahrhunderts bezüglich seiner canonischen
Alleinherrschaft zum Abschluss gelangt und nur betreffs seiner
Textgestalt im Einzelnen noch manchen Schwankungen unter-
worfen.
Was nun die Recension der canonischen Evangelientexte
anlangt, so ist die erste Recension jedenfalls auf den Ver-
fasser jenes Archetypus zurückzuführen, aus welchem der
Codex Bezae, der Syrer Curetons und die altlateinischen Versionen,
ja auch ein Theil der übrigen orientalischen Versionen geflossen
sind. Vgl. unten § 4.
Eine zweite Stufe der evangelischen Textrecension kann
man bei Origenes wahrnehmen, dessen Texte die nachfolgende
alexandrinische Schule beherrschen.
Die dritte und letzte Stufe in der Entwickelung der Evan-
gelientexte fällt mit dem Abschluss des Canons überhaupt und
mit der endgiltigen Fixierung der canonischen Texte zusammen,
wobei gerade in den evangelischen Texten manches feinere histo-
rische Detail verwischt worden sein mag.
Immerhin aber, so werthvoll auch die vorcanonischen
Evangelientexte für die historische Evangelienforschung
bleiben werden, ist doch jene letzte Textrecension der cano-
nischen Evangelien und der damit erfolgte endgiltige Abschluss
des Evangeliencanons derart, dass für den praktischen Ge-
brauch von Seiten der Kirche und der kirchlichen Gemeinden
etwas Besseres nicht geboten werden kann.
Hier, wo es sich lediglich um die historische Erforschung
der Evangelien handelt, ist der bis jetzt vielfach verkannte und
meistens nicht beachtete hohe Werth der vorcanonischen,
bezw. aussercanonischen Evangelientexte einer besonderen
Betrachtung zu unterziehen.
16 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
§ 3.
„Canonische" und .,AussercauoIlisclle', Texte.
Die Idee des Canons und das damit eng verwobene Be-
dürfniss der Kirche bringt es mit sich, dass die Canon-
bildung nach den beiden ersten Stufen ihrer Entwickelung
— Sammlung der traditionellen Stoffe, kritische Ausscheidung
der minderwerthigen Bestandteile — erst in ihrem dritten
Stadium durch textkritische Bereinigung des Canons
zu ihrer Ruhe kommt. Ohne einen einheitlich revidierten und
recensierten Text würde der Canon stets unfertig und die Auto-
rität der Kirche, welche den Canon darbietet, immer wieder ge-
fährdet bleiben. Für ihre paedagogische Aufgabe, welche
die Kirche an den Völkern zu lösen hat, kann sie eines
einheitlich normierten Textes in demjenigen Kirchen-
buche, welches alle andern Kirchenbücher an norma-
tiver Geltung bei Weitem übertrifft, nimmermehr ent-
behren.
Eine ähnliche Entwickelung hat ja auch der Canon des
Alten Testamentes durchgemacht. Erst in der synagogalen
Schlussredaktion der Texte ist der alttestam entliche Canon
als solcher fertig geworden. Und diejenigen Forscher, welche
den synagogalen Text des Alten Testaments zur Grundlage ihrer
quellenkritischen Untersuchungen machen, sind in steter Gefahr,
die textkritische Arbeit der Schlussredaktoren als solche nicht
zu erkennen und dieselbe den Autoren der Einzelschriften zu
imputieren1).
Während aber bei dem Alten Testamente die Wiederherstel-
lung eines vorsynagogalen und vorcanonischen Textes aus Mangel
an handschriftlichem Materiale auf die grössten Schwierigkeiten
stösst, liegt die Sache bezüglich der neutestamentlichen Schriften
um Vieles günstiger. Zwar ist auch die neutestamentliche Text-
geschichte und besonders der mit der canonischen Schlussredak-
tion der neutestamentlichen Schriften verknüpfte Process ins
tiefste Dunkel gehüllt. Die darüber vorhandenen Äusserungen
1) Vgl. Klostermann in der Neuen kirchlichen Zeitschrift. 1890. IX. X
„Beiträge zur Entstehungsgeschichte des Pentateuch." Ebenso 1892. VI.
§ 3. ,, Canonische" und „Aussercanonische" Texte. 17
der altkirchlicheu Autoren lassen hauptsächlich nur Spielraum
zu unsicheren Vermuthungen. Auch sänimtliche griechische
Handschriften des N. T. — mit einer einzigen Ausnahme —
setzen bereits den recensierten Text voraus und stammen aus einer
Zeit, da der neutestanientliche Canon bereits seine abschliessende
Textgestalt empfangen hatte. Ja, auch diese einzige Ausnahme,
der oben bereits erwähnte Codex Bezae oder Codex Cantabri-
giensis, welcher, wie er jetzt vorliegt, dem sechsten oder siebenten
Jahrhundert angehört, repraesentiert den vorcanonischen Text der
Evangelien nicht rein, sondern in einer vielfach verderbten und
verwilderten, auch durch den späteren recensierten Text beein-
flussten Gestalt. Und wenn nicht die alten Übersetzungen
erhalten wären, welche z. Th. längst vor der Zeit der canonischen
Schlussredaktion entstanden sind, so würde der einzigartige
AVerth des Codex Bezae noch viel schwerer zu erkennen und
eine Restitution des vorcanonischen Textes noch viel schwieriger
zu vollziehen sein. Die uralten Evangelien-Übersetzungen
leisten hier für eine Wiederauffindung der vorcano-
nischen Texte Neuen Testaments ähnliche Dienste, wie
die Septuaginta-Version für die Aufspürung der vor-
synagogalen Texte Alten Testaments.1)
Gleichwohl ruht auf den Fragen nach Entstehung und
Fortpflanzung jenes vorcanonischen Textes sowie nach dem
historisch -genetischen Zusammenhang des griechischen Codex
Bezae mit den altlateinischen Versionen einerseits und der alt-
syrischen Version (welche Cureton entdeckt hat) anderer-
seits das Schweigen der Vergangenheit. Wie ungenügend sind
die Äusserungen des Hieronymus, wenn er von den dioQ&cö-
ösiq als der canonischen Schlussredaktion die xoiv?/ txöoöiq,
xoivi) aväyvoiOiq, ör/fiorix?) exdooig (auch schlechtweg xoivrj)
unterscheidet und die letztere als die vorcanonische Textgestalt
1) Vgl. Buhl, Kanon und Text des Alten Testaments. Leipzig 1891.
S. 126: „Ausser der in den vorhergehenden §§ erwähnten geschichtlichen
Bedeutung hat die LXX den unschätzbaren Wert, der älteste ausführliche
Textzeuge des A. T. zu sein. Sie eröffnet uns die Möglichkeit, auf den
jedem einzelnen griechischen T'bersetzer vorliegenden hebräischen Text
zuiückschliessen zu können, und dadurch eine Textgestalt kennen zu
lernen, die gegen 1200 Jahre älter ist als die älteste hebräische
Bibelhandschrift."
Texte und Untersuchungen. X. 2
lg Text- und quellenkritische Grundlegungen.
so charakterisirt: quod xoivrj pro locis et temporibus et pro
voluntate scriptorurn vetus corrupta editio est. (Hieron. Ep. CVI
n. 2. ad Suniam et Fretellam). Es ist wahr: die vorcanonische
Textgestalt des neutestamentlichen Canons war vielfach ausein-
ander gegangen und verwildert; aber dahinter lag doch eine
höhere Einheit, welche aus dem Zusammenhalt so weit aus ein-
ander stehender Zweige, wie des altsyrischen, des altlateinischen
und des im Codex Bezae repraesentierten griechischen Textes,
wieder erkannt werden kann. Es ist klar: die altkirchlichen
Autoren tappten in Bezug auf die Entstehung, Weiterentwicke-
lung und Schlussredaktion der canonischen Texte Neuen Testa-
ments völlig im Dunkeln.
Meine Anschauungen über den Ursprung, die Fortbildung
und endliche Fixierung der neutestamentlichen canonischen Texte
möchte ich kurz wie folgt skizzieren, indem ich drei Epochen
unterscheide.
Die erste dieser Epochen fällt in die erste Hälfte des
zweiten Jahrhunderts, beschränkte sich auf die vier Evangelien
und brachte zugleich mit der erstmaligen Bildung des Evan-
geliencanons die erste Revision der evangelischen Texte. Das
Nähere über diese Vorgänge vergleiche man in §. 4 A.
Die zweite Textrevision geschah in der ersten Hälfte des
dritten Jahrhunderts und ist auf Origenes als den eigentlichen
Urheber zurückzuführen. Derselbe Origenes, dem wir in der
Hexapla die Sammlung der griechischen Texte Alten Testa-
ments verdanken, hat sich auch die Reinigung der neutestament-
lichen Texte angelegen sein lassen. (Auch Zahn, Geschichte
des Canons I, 1. S. 444 f. erkennt eine im dritten Jahrhundert
durch Origenes begonnene Reinigung und Feststellung der
canonischen Texte an). Doch ist diese textkritische Arbeit des
Origenes nicht sowohl als eine Textrecension ex professo zu
betrachten, als vielmehr hervorgegangen aus seiner exegetischen
und homiletischen Behandlung des Neuen Testaments als bei-
läufiges Produkt in der Hand eines in sorgfältiger Beurtheilung
und Vergleichung der Handschriften geübten Mannes. Vgl.
Tischendorf-Gebhardt, Bibeltext des N. T. Real-Encykl.2
II, 409.
Die dritte Textrevision brachte die endgiltige Fixierung der
canonischen Texte und damit den Abschluss der Canonbildung
§ 3. „Canonische" und „Aussercanonische" Texte. 19
überhaupt. Sie wird nach einer dunkeln Andeutung des Hiero-
nymus (in der Ep. ad Damasum) an die Xamen Leucius und
Hesychius geknüpft. Aber dadurch, dass im Gelasianischen
Decrete die von diesen beiden Männern revidierten Evangelien als
gefälschte evangelia apocrypha verurtheilt und verworfen werden
(Decr. Gelas. VI, 1459: Evangelia quae falsavit Lucianus [= Leu-
cius, Lucius] apocrypha. Evangelia quae falsavit Isicius [al.
Hesychius] apocrypha), wird der Sachverhalt noch mehr ver-
dunkelt, weil es danach scheinen könnte, als ob die textkritische
Arbeit jener beiden Männer von Seiten der Kirche zurückge-
wiesen worden sei. Und doch muss im letzten Viertel des dritten
Jahrhunderts und am Anfang des vierten Jahrhunderts eine starke
kirchliche Macht vorhanden gewesen sein, welche einer haupt-
sächlich von Antiochien ausgegangenen Fixierung der neutesta-
mentlichen Texte zur canonischen Geltung in der Kirche ver-
liolfen hat.
Gegenüber nämlich dem Codex Bezae, welcher mit seinen
Trabanten, den alten Übersetzungen, in die vorcanonische Zeit
hinaufreicht, repraesentieren sämmtliche griechische Handschriften
des Neuen Testamentes, von denen die beiden ältesten, Codex
Vaticanus (B) und Codex Sinaiticus (X) dem vierten Jahrhundert
angehören, eine einheitliche Textfamilie, deren innere Differenzen
trotz ihrer grossen Zahl durchaus unerheblich sind im Vergleich
zu den Textabweichungen derjenigen Textfamilie, welche unter
den griechischen Codices einzig und allein durch den Codex
Bezae repraesentiert wird. Es ist in der That so, wie de La-
garde (Mittheilungen IV, 21) in seiner scharfen Weise es aus-
gesprochen hat: „Ich erkannte weiter, dass zu irgend einer Zeit
eine durchgreifende Revision des Textes vorgenommen worden
ist, und forderte, die nicht recensierten von den recensierten Codices
zu scheiden: die einen dürften, so lehrte ich1), gar nicht mit
den anderen zusammengehalten werden." Es ist richtig, wenn er
(Mitth. IV, 308) noch drastischer erklärt, „dass D und AB dia-
metral entgegengesetzte L'rkunden sind, die nur ein Dummkopf
als gleichberechtigt behandeln darf." Auch YVestcott und
1) De Lagarde in seinem Programm : „de novo testamento ad ver-
sionum orientalium fidem edendo" (1859) — jetzt in den „Gesammelten
Abhandlungen" S. 85 ff.
o*
2() Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Hort haben das richtige Verhältniss erkannt, wenn sie in der
Introduction zu ihrem N. T. sagen: „The Syrian (d. h. der in
Antiochien entstandene) text must in f'act be the result of a
„recension-' in the propre sense of the word, a work of a attempted
criticism, performed deliberately by editors and not merely by
scribes." Denn in der That nicht naive Abschreiber, sondern
nach bestimmten Grundsätzen verfahrende Editoren, Redaktoren,
sind jene Männer gewesen, welche dem neutestamentlichen Canon
das letzte Kleid anlegten, das er jetzt noch trägt, welche die
Schriften des X. T. in den canonischen Text einkleideten und
damit die Canonbildung zum endgiltigen Abschluss führten. Wenn
de Lagarde (Mittheilungen IV, 22) diese „recensio" der cano-
nischen Texte eine „contaminatio" nennt, wenn er anderwärts
(Mitth. IV, 307) jene Redaktoren, jene öiaöxevaoral og&ödot-oi,
als „Fälscher" brandmarkt, so geht er darin viel zu weit. Denn
eine einheitliche Regelung der canonischen Texte war bei der
vorausgegangenen Verwilderung der Handschriften im Interesse
der Kirche sowohl für den praktischen Zweck der gottesdienst-
lichen Vorlesungen als für den dogmatischen Gebrauch in den
die Lehre der Kirche betreffenden Kämpfen durchaus nöthig.
Ein streng historisches Interesse wörtlicher quellenmässiger Text-
überlieferung war in der Kirche überhaupt noch nicht vorhanden
gewesen. Jene Redaktoren thaten also was im Einzelnen Un-
zählige vor ihnen gethan hatten, nur dass es ihnen gelang, ihren
recensierten Text zur Alleinherrschaft zu bringen und die grie-
chischen Handschriften der xoivtj Ixöoöic (bis auf den später im
Kloster S. Irenaei in Gallien wieder aufgefundenen Codex D)
völlig zu verdrängen. Einen solchen Erfolg würde ihr Werk
aber nimmermehr gefunden haben, wenn nicht das Bedürfniss
der Kirche zwingend auf den Abschluss des Canons durch Fixie-
rung der canonischen Texte hingedrängt hätte und wenn jene
Redaktoren als wirkliche Fälscher ihre Arbeit gethan hätten.
Wir können ja auch ihre Arbeit durch Vergleichung des revi-
dierten Textes mit den Zeugen der xoivrj exdoöig einigermassen
controlieren , woraus sich ergibt, dass Textfälschungen im dog-
matischen Interesse nicht stattgefunden haben 1). Wenn daher
1) Harnack bemerkt hierzu: „Dogmatische Correkturen haben in
einigen Fällen doch stattgefunden, wenn sie auch nicht in alle Hand-
schriften übergegangen sind".
§ 3. „Canonische" und ,,A.ussercanonische" Texte. 21
in unserer Zeit die gelehrten Herausgeber des neutestamentlichen
Canons auf eine bereinigte Darstellung des canonischen, d. i. eben
des revidierten, Textes ausgegangen sind und dabei die ältesten
griechischen Zeugen dieses revidierten Textes, d. h. also die ältesten
und besten griechischen Codices, zu Grunde gelegt, die Ab-
weichungen des vorcanonischen Textes aber, also der xoivr exöooig,
die Lesarten des Cod. D und der alten Versionen, in die An-
merkungen verwiesen haben, so ist dies eine vollberechtigte
und in sich consequente Handlungsweise, auch keineswegs so
nutzlos, wie es de Lagarde darstellt, da man ja die Textge-
schichte in den Anmerkungen, das Resultat dieser Textge-
schichte aber in der Gestalt des bereinigten canonischen Textes
vor Augen hat.
Ganz anders gestaltet sich freilich das Urtheil, wenn es sich
um neutestamentliche Quellenforschung, zumal auf dem Gebiete
der Evangelienkritik, handelt, da gerade für die Evangelien die
Quellen der vorcanonischen Texte besonders reichlich fliessen.
Die evangelische Quellenkritik auf den recensierten cano-
nischen Text gründen wollen, das ist die Beschränktheit, welche
de Lagarde geissein will, wenn er (Mitth. IV, 307) sagt, „dass
alle Untersuchungen über das N. T. und über die vor jener
öioqO-coOiq liegende Zeit der Kirche nutzlos sind, wenn sie auf
dem bei Lachmann, Tregelles, Tischendorf, Westcott-Hort vor-
gelegten, die in Antiochien gemachte öiOQfrmöiq wiedergebenden
Texte fussen." Denn bei dieser diOQ&coöiq und bei der hierbei
vorgenommenen Nivellierung der Texte sind allerdings zahlreiche
historische Details verwischt, charakteristische Züge unkenntlich
gemacht, quellenmässige Reste des Urtextes beseitigt und somit
vielfach gerade diejenigen Elemente vernichtet worden, welche
für die historische Quellenforschung die wichtigsten Anhalts-
punkte zu bieten vermögen. In diesem Sinne ist de Lagarde
vollkommen zuzustimmen, wenn er die xoivfj sxöoOig (d. i. die
Summe der vorcanonischen Texte) zwar „nicht für identisch mit
der Hand der heiligen Schriftsteller, aber für viel werthvoller
als dieRecension der diaoxsvaöral oq&oöo^oi" bezeichnet. (Mitth.
IV, 307). Es ist erstaunlich, dass de Lagardes Stimme zumal
bei den auf dem Gebiet der evangelischen Quellenkritik thätigen
Forschern nicht grössere Beachtung gefunden hat. Ich selbst
bin nicht durch de Lagarde, sondern durch den Gang meiner
22 Text- und quellenkritiscke Grundlegungen.
eigenen Forschungen zu der Erkenntniss von dem historischen
Werthe der vorcanonischen Texte gekommen.
Bis zum Jahre 1876, als ich meine Schrift: „Das Formal-
princip des Protestantismus ,! veröffentlichte und darin die
bis dahin von mir gewonnenen Resultate registrierte, hatte ich
mich gleich den meisten Forschern, welche die Evangelienfrage
behandeln, auf die innercanonischen Untersuchungen beschränkt
und die canonische Textgestalt der Evangelien (nach Tischen-
dorfs Ed. octava crit. major) zu Grunde gelegt. Ich glaubte
damals am Ende meiner Forschungen angelangt zu sein, und
kündigte in der Einleitung zu jener Schrift (S. VII) eine
..Historisch -kritische Synopse der canonischen Evangelien" an,
zu welcher die Vorarbeiten bereits vorlagen. Und in der That
am Ende der innercanonischen Forschungen bezüglich der
Evangelien war ich auch angekommen. Auch bereue ich heute
diese anfängliche Beschränkung meiner Forschungen in keiner
Weise. Denn wie der Canon als solcher der unverrückbare
Orientierungspunkt ist für die historische Theologie überhaupt,
so bildet er speciell auch den Ausgangspunkt für die historische
Evangelienkritik. Die „Canonischen Evangelien-Parallelen
in den neutestamentlichen Lehrschriften " welche diesen
gegenwärtigen „Aussercanonischen Paralleltexten zu den
Evangelien" unverzüglich folgen sollen, werden Zeugniss ab-
legen von der hohen Bedeutung, welche der eindringenden
innercanonischen Vergleichung der neutestamentlichen Lehr-
schriften mit den Evangelien innewohnt.
Aber einerseits noch nicht voll befriedigt von den damals
gewonnenen Erkenntnissen, andrerseits angeregt durch Credners
Aufsatz über den Codex Cantabrigiensis und durch die patristi-
schen Parallelte"Xte in Angers Synopsis Evangeliorum begann
ich eine zweite Epoche meiner Forschungen, von der ich frei-
lich damals noch nicht ahnte, wie weit sie mich führen würde.
Eine mehrmalige eingehende Collation des Codex Bezae so-
wohl nach der Kiplingschen als nach der Scriven ersehen
Ausgabe und eine unausgesetzte Forschung in der patristischen
(wie auch apokryphischen) Literatur überzeugte mich von dem
hohen historischen Werthe der vorcanonischen Textgestalt, in
welcher die Evangelien vor der letzten Fixierung der canoni-
schen Texte verbreitet gewesen sind. Es wurde mir klar, dass
§ 3. „Canonische" und „Aussercanonische" Texte. 23
die canonische Textrevision ein viel ..zu schmaler Rücken" ist,
um eine Evangelienkritik zu tragen, welche alle Instanzen zu-
sammenfassen soll. Ich sah, dass der kritische Apparat bei
Tischendorf bezüglich der Evangelien und ihrer Verbreitung
in der patristischen Literatur, wie es auch nicht anders sein kann,
noch sehr unvollständig ist, ebenso wie ja auch in Angers
Synopsis nur ein bestimmter Ausschnitt aus der patristischen
Literatur Berücksichtigung gefunden hat. Und so beschloss ich,
vorerst einmal die Materialien, insbesondere auch die aussercano-
nischen, in möglichster Vollständigkeit zusammenzustellen, da-
bei zugleich den ersten Theil der Tischendorfschen Editio octava
critica major, welcher die Evangelien umfasst, bezüglich der
patristischen Literatur planmässig zu ergänzen.
Zur Vollständigkeit des einschlagenden Materials gehörten
selbstverständlich auch die ..Agrapha", d. h. diejenigen ausser-
canonischen Evang elienfragmente , zu denen es in den canoni-
sehen Evangelien direkte Parallelen nicht gibt. Diese fielen mir
bei der Durchforschung der patristischen Literatur nach direkten
Evangelienparallelen ganz von selbst mit in die Hände, —
etwa wie die Zimmerspäne niederfallen, wenn man
Balken behaut. Es wäre doch gewiss ganz unverzeihlich ge-
wesen, wenn ich diese Späne nicht gesammelt hätte. So entstand
ganz von selbst, ohne Ahnung meinerseits, dass daraus später
ein selbstständiges Buch hervorgehen würde, ganz allmählich
wachsend, die Sammlung der Agrapha. Und ich glaube, schon
jetzt ist es vielfach erkannt, wie befruchtend und anregend dieses
aussercanonische Material auf die Evangelienforschung zu wirken
vermag. In viel höherem Masse dürfte dies von einer möglichst
vollständigen Sammlung „Aussercanonischer Paralleltexte
zu den Evangelien" gelten, einmal weil hier direkte Parallelen
zu den canonischen Evangelientexten vorgelegt werden, sodann
weil diese „Aussercanonischen Paralleltexte"' unvergleichlich zahl-
reicher als die Agrapha sind und endlich weil hier unmittelbar
das gesammte Gebiet der Evangelienforschung in Mitleidenschaft
gezogen wird durch vollständige Zusammenstellung der älteren
vorcanomschen Textgestalt, welche der canonischen öioq&cooiq
und unseren sämmtlichen griechischen Codices vorangegangen ist.
Wenn ich gleichwohl nicht den Titel: „Vor canonische Pa-
ralleltexte'', sondern die Überschrift: „Aussercanonische Parallel-
24 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
texte zu den Evangelien •• gewählt habe, so ist hierfür ein for-
meller Gesichtspunkt massgebend gewesen. Nämlich durch den
Titel „Vorcanonische Paralleltexte" würde entweder die Voll-
ständigkeit beeinträchtigt oder das Werthurtheil über die ein-
zelnen Texte in Bausch und Bogen praejudiciert worden sein.
Hätte ich nur diejenigen Texte in die Sammlung aufnehmen
wollen, welche nach meinem Urtheile einen guten vorcanonischen
i handschriftlich begründeten) Text repraesentieren, so hätten viele
Citate in Wegfall kommen müssen, darunter auch solche, welche
nach dem Urtheil Anderer vielleicht höchst werthvoll sind. Da-
gegen wird bei der Überschrift: ..Aussercanonische Paralleltexte "
weder die Vollständigkeit gefährdet noch irgend ein quellen-
kritisches oder textkritisches Werthurtheil über die Texte ge-
fällt. „Aussercanon isclr' ist ein indifferentes Wort; es con-
statiert bei den Texten lediglich eine erhebliche Abweichung
von der canonischen Textgestalt, wobei die Frage, woher
solche Abweichung stamme und welchen Werth sie besitze, voll-
ständig offen gehalten und der Einzeluntersuchung in jedem
einzelnen Falle überlassen wird.
Wenn ich mich aber auf die „Aussercanonischen Parallel-
texte zu den Evangelien" beschränkt und die übrigen Schriften
des N. T. nicht berücksichtigt habe, so ist dies einmal das natur-
gemässe Ergebniss meiner von Haus aus auf die Evangelien
gerichteten Studien, zum Andern aber auch der Thatsache ent-
sprechend, dass sowohl die Zahl als namentlich auch die Er-
heblichkeit der aussercanonischen (bzw. vorcanonischen) Texte
in den neutestamentlichen Lehrschriften weit geringer ist, als
in den Evangelien. Ein Ergänzungsband zu dem zweiten Theile
der Editio octava critica major von Tischendorf, welcher die
neutestamentlichen Lehrschriften umfasst, würde höchst kümmer-
lich ausfallen. Dass dies bei den Evangelien — und besonders bei
den synoptischen — sich ganz anders verhält, das hängt mit dem
Ursprung und mit der Geschichte der Evangelien auf das Alier-
engste zusammen und soll, was zunächst den Canon und die
Textgeschichte der Evangelien anlangt, im nächsten Paragraphen
näher erläutert werden.
§ 4. Die Quellen der aussercanonischen Evangelientexte. 25
§ 4.
Die Quellen der aussercaiionisclien bzw. vorcano-
nisclien Evangelientexte.
Es entsteht nun die Frage: Welches sind die Quellen, aus
denen eine möglichst vollständige Sammlung der aussercano-
nischen, d. h. nicht recensierten. Evangelientexte gewonnen werden
kann? Diese im Vorhergehenden bereits mehrfach gestreifte
Frage bedarf einer selbstständigen und übersichtlichen Beant-
wortung. Und zwar handelt es sich hier noch nicht um die
Frage nach der möglichen letzten Quelle, sondern um eine
übersichtliche Darstellung der nächsten literarischen Quellen,
aus denen die vorcanonischen, bzw. aussercanonischen Evangelien-
texte zu gewinnen sind. Es kommen dabei folgende in Betracht:
A. Der griechische Codex Bezae.
B. Die altitalischen Evangelien- Versionen.
C. Die altorientalischen, besonders syrischen
Evangelien- Versionen.
D. Das Diatessaron Tatians.
E. Die patristischen Evangeliencitate.
F. Die neutestamentlichen Apokryphen und
Pseudepigraphen.
G. Die altkirchlichen Liturgien.
An der Spitze dieser Quellen steht, als der einzige grie-
chische Codex derart.
A. Der Codex Cantabrigiensis.
Die instruktivste Untersuchung über diese einzigartige Evan-
gelienquelle verdanken wir Credner. Und da dessen Darlegung
in der jüngsten — von Cambridge ausgegangenen — Studie
über den Codex Bezae nicht einmal Erwähnung, geschweige
denn eingehende Berücksichtigung, gefunden hat und auch sonst
nicht nach Gebühr gewürdigt worden zu sein scheint, so sei es
mir gestattet, die Crednersche Anschauung über diesen Codex
(nach den Beiträgen zur Einleitung in die biblischen Schriften
I. S. 452 — 518) in ihren Grundzügen zu reproducieren.
Credner unterscheidet drei Entwickelungsstufen in der Ge-
schichte dieses merkwürdigen Codex.
26 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Die erste Stufe, die Entstehung dieses Codex, verlegt
Credner in das zweite Jahrhundert, ohne jedoch eine nähere
Zeitbestimmung zu geben. Der Codex entstand nach ihm in den
Händen ebionitischer (antichiliastischer) Judenchristen } wahr-
scheinlich in Palaestina, umfasste die vier Evangelien, die Apostel-
geschichte, die katholischen Briefe und war lediglich in griechi-
scher Sprache verfasst. Dabei nimmt Credner zwei Hand-
schriften, welche er A. und B. nennt, als Quellen an und be-
zeichnet die eine Quelle bald als eine „unbekannte Autorität",
bald als ein „apokryphes Evangelium". Schon diese älteste Text-
gestalt des Codex Bezae zeichnete sich durch viele Freiheiten
in der Behandlung der Texte (namentlich des Lucasevangeliums
und der Apostelgeschichte) und durch zahlreiche Glossen aus.
Das zweite erkennbare Stadium in der Entwickelung der
Cambridger Handschrift verlegt Credner in die Zeit um das
Jahr 500. Noch sind es nach seiner Anschauimg ebenfalls die-
selben judenchristlichen Kreise, in denen die Handschrift als
Kirchenbuch conserviert worden ist. Dieselben hatten sich aber
inzwischen den katholischen Anschauungen genähert und hielten
es für zweckmässig, ihrem Kirchenexemplare eine ähnliche Ein-
richtung zu geben, wie die von Euthalius (um 480) ausge-
gangene war. Für möglich hält es Credner, dass zwischen der
Entstehung der Handschrift im zweiten Jahrhundert und dieser
Neugestaltung derselben am Ende des fünften Jahrhunderts noch
eine Zwischenstufe der Entwickelung stattgefunden habe, die sich
jedoch nicht mehr ermitteln lasse. Auch schliesst er die An-
nahme, dass bereits bei der Umarbeitung des Codex ums Jahr
500 die lateinische Übersetzung dem griechischen Urtexte bei-
gefügt worden sei, nicht gänzlich aus, ohne sich jedoch für diese
Annahme zu entscheiden. Dagegen seien die kirchlichen dva-
yvcoöfiaza damals durch Randbemerkungen kenntlich gemacht
worden, darunter 26 Lesestücke am Sabbath (jieqi tov öaßßärov),
welche den fortgesetzt judenchristlichen Charakter der Hand-
schrift deutlich bekunden und, da diese liturgischen Randbe-
merkungen nur zur Seite des griechischen Textes sich befinden
und in griechischer Sprache abgefasst sind, es nicht wahrschein-
lich machen, dass schon damals der lateinische Text beigefügt
worden sei. Wohl aber erhielt die Handschrift damals ihre sticho-
metrische Anordnung, in welcher sie noch jetzt erhalten ist.
H
4. Die Quellen der aussercanonischen Evangelientexte. 27
Die jetzige Gestalt empfing der Codex Bezae im dritten
und letzten Stadium seiner Entwicklung, wie Credner annimmt,
am Ausgang des sechsten oder am Anfang des siebenten Jahr-
hunderts, und zwar im südlichen Gallien, wohin ein orienta-
lischer Judenchrist die Handschrift gebracht habe. Einem im
Schönschreiben geübten Schreiber wurde hier der griechische
stichometrische Text diktiert und von demselben mit vielen sinn-
entstellenden Fehlern nachgeschrieben. Die liturgischen Rand-
bemerkungen, welche durch den fortgesetzten Gebrauch des
früheren Kirchenexemplars defekt geworden waren, wurden in
ihrer verstümmelten Gestalt 1) der neuen Handschrift von einer
andern Hand einverleibt. Eine lateinische Übersetzung, eine
ängstliche, fast wörtliche, Nachbildung des griechischen Textes,
die sich aber von den sinnentstellenden Fehlern der griechischen
Nachschrift frei hält, wurde beigefügt. So entstand die Hand-
schrift D (griechisch) und d (lateinisch), während die Textgestalt
aus der Zeit um 5u0 von Credner mit C bezeichnet wird.
So in allgemeinen Umrissen die von Credner vorgenom-
mene Construktion der Textgeschichte, welche der Codex Bezae
voraussetzt. Die lehrreiche Begründung im Einzelnen mag man
bei Credner selbst nachlesen.
Der Hauptmangel der Crednerschen Untersuchung aber ist
in der Nichtberücksichtigung der Trabanten des Codex Bezae
zn erkennen, durch deren Vergleichung man zu dem Ergebniss
gelangt, dass in dem griechischen Codex Cantabrigiensis, den alt-
lateinischen Versionen und den altorientalischen Übersetzungen,
voran der altsyrischen, eine einheitliche Text familie vorliegt,
welche als solche ebenso sehr durch Abweichung von den recen-
sierten canonischen Texten, als durch vielfache Übereinstimmung
mit den patristischen Textcitaten aus dem zweiten und dritten
Jahrhundert sich kennzeichnet. Diese von Credner nicht ge-
würdigte Thatsache ist von Westcott und Hort in ihren
Untersuchungen über die neutestamentlichen Texte ans Licht ge-
1) Z. B. rNOZMA [Ava]yvootia , Lesestück für den Sabbath
PITOYZA = [tcb\qi zov occ\ deg gonntags nach üstern,
T&TH2 [ßßa}xov zVg welcher dt(^ol./oiuoc ge-
AKOYNI [A]«*or« „t wai,
MOY [a}ßov )
2§ Text- und quellenkritische Grundlegungen.
stellt worden. Diese Kritiker haben die Vermuthung ausge-
sprochen, dass die von ihnen mit der Bezeichnung „Western
text" belegte Textfaniilie in Nordwestsyrien oder Kleinasien ihren
Ursprung habe und frühzeitig nach Rom gebracht worden sei,
von wo aus dieselbe nach den verschiedenen europäischen Ländern
sowie nach Nordafrika sich verbreitet habe. Von Nordwest-
pyrien aus sei dieselbe durch Palästina und Ägypten bis nach
Äthiopien vorgedrungen.
Einen anderen Weg sucht die neueste Studie der Cambridger
Schriftforschung zu bahnen. J. Rendel Harris (A Study of
Codex Bezae — Texts and Studies ed. Robinson. II, 1. Cam-
bridge 1891) nimmt an, dass der Codex Bezae, welcher bereits
vor Tatian, ja vor Marcion entstanden sei, von Haus aus den
Evangelientext in beiden Sprachen, der griechischen und lateini-
schen, dargeboten habe, und dass der lateinische Text die
eigentliche Quelle für den griechischen Text des Codex
sei, dass man also dem letzteren nur eine secundäre Bedeutung
beizumessen habe. Die bilinguale Handschrift, welche dem Codex
in seiner jetzigen Gestalt zu Grunde liege, sei in Rom entstan-
den. Dabei habe man jedoch nicht Ursache anzunehmen, dass
die lateinische Übersetzung der Evangelien, welche jedenfalls
früher entstanden sei, dieselbe Geburtsstätte mit der Übersetzung
der Apostelgeschichte gehabt habe. Diese Untersuchungen
von Harris, welche allerdings noch nicht vollständig veröffent-
licht sind, gründen sich auf eine minutiöse Textvergleichung,
wodurch die Abhängigkeit des griechischen Textes und zahl-
reiche Latinismen des letzteren in Folge seiner Abhängigkeit
von dem lateinischen Texte dargethan sind. Sollten die Unter-
suchungsresultate, welche Harris gewonnen zu haben glaubt,
sich bewahrheiten, so würde die mit dem Codex Bezae ver-
wandte Textfamilie ihren Ursprung im westlichen Rom genom-
men haben und in der That den Namen „Western text" voll-
kommen verdienen.
Aber so interessant und so anregend diese von Harris an-
gestellten Untersuchungen sind, so sehr scheinen sie mir an
einer grossen Einseitigkeit zu leiden, insofern der (in seiner Be-
deutung überschätzte) lateinische Text des Codex zum einzigen
Ausgangspunkt der Untersuchung gemacht ist und insofern alle
anderen Instanzen lediglich von diesem Gesichtswinkel aus be-
S 4. Die Quellen der aussercanonischen Evangelientexte. 29
trachtet oder auch völlig ignoriert werden, wie letzteres den
scharfsichtigen Darlegungen Credners ergangen ist. Nichts ist
natürlicher, als dass der lateinische Text auf den nebenstehenden
griechischen Text zurückgewirkt hat. Aber wenn man die zahl-
reichen Beispiele derart, welche Harris beibringt, genauer
prüft, so zeigt sich dieser Einfluss des lateinischen Textes doch
vorzugsweise nur in untergeordneten linguistischen und
grammatikalischen Punkten und erweist sich durch-
aus nicht als ausreichend, um die tiefer greifenden
Eigentümlichkeiten des griechischen Textes zu er-
klären. Aber selbst in untergeordneten Varianten kann die
Unabhängigkeit des griechischen Textes von der lateinischen
Version in vielen Fällen überzeugend nachgewiesen werden.
Wenn z. B. im griechischen Texte des Codex D folgende Vari-
anten uns entgegentreten:
Lc. 5, 1 1 : xartksixpav für das canonische ayivTzq,
Lc. 10, 6: ijtiOTQstpsi .. . ävaxafnpei,
Lc. 11, 6: jtaQSOtiv .. - „ jtaQsytvsro,
Lc. 10, 31: xaxa rvya .. xaxä CvyxvQiav
Mt. 25. 17: oiioicoq .. - „ cooavtcoq
Lc. 15, 29: jtaQtß?]v . .. „ jiagTß&ov
Lc. 9, 29: tp.Xoim&i] - .. „ trsgov eytvero
Mc. 14,64: öoxet .. - gxxivsrai
Mt. 19, 28: ötxaövo .. .. •• 6coÖ£xa
Lc. 6, 14: IxaXeöEV .. .. covöfiaosv
Mt. 10, 6: vjtaysrs .. .. „ xoQSveO&e
Lc. 13, 8: rovrov top enavröv .. .. tovto to Itoc
Lc. 24, 3: tXsvüig .. .. „ jtagovöta
Mt. 26, 8: öiajioveio&ai „ „ ayavaxretv,
so kann der lateinische Text, welcher sich solchen Varianten
gegenüber völlig indifferent verhält, nimmermehr die Quelle der-
selben sein. Dass der griechische Text vielmehr in solchen Fällen
unabhängig von dem lateinischen ist, ersieht man z. B. aus Lc.
11, 6, wo die lateinische Übersetzung in d: supervenit — die
Variante: jcägtötiv in D auf keine Weise erklärt. Dass der
griechische Text mit seinen Eigentümlichkeiten vielfach auf
ältere griechische Quellen zurückgeht, zeigt ein eclatanter Fall,
der in Lc. 9, 57 vorliegt. Wie in Mt. 25. L0 Cod. D. yxäyeir
30 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
an Stelle des canonischen äji£Qxe6&at einsetzt, so liest derselbe
anch Lc 9, 57: axolov&rjoco aoi ojiov av vjtäyeiq anstatt des
canonischen äjcsQXfl- Denselben Text und dieselbe Lesart vxäyeiv
muss aber auch bereits der Apokalyptiker vor sich gehabt
haben, wie man aus Apoc. 14, 4: ovtoi ol dxoXov&ovvrsg reo
agvirn ojtov av vjiäyt] — deutlich ersehen kann. Wenn nun
alle Itala-Hand Schriften mit der Vulgata: ieris lesen und also
vxayuq (oder besser vjcäytjq) voraussetzen, so kann nicht die alt-
lateinische Version die Quelle dieser Variante sein, sondern nur
der schon vom Apokalyptiker in dieser Form gekannte griechische
Text. Überhaupt müssten doch, wenn die durch Harris auf-
gestellte Behauptung von dem massgebenden Einfluss des dem
Codex Bezae angehörigen lateinischen Textes zu Recht bestünde,
alle altlateinischen Versionen den Stempel direkter Abhängigkeit
von dem lateinischen Texte des Codex d an sich tragen, und es wäre
dann eine solche Mannigfaltigkeit der altlateinischen Texte, wie
sie vorhanden ist, eine Unmöglichkeit geworden. Aber gerade
die reiche Fülle der lateinischen Texte, ihre Selbstständigkeit
gegenüber Cod. d, ihr häufiges direktes Zurückgehen auf den
griechischen Urtext D beweisen es, dass Harris einer einseitigen
Vorstellung bezüglich der Entstehung des Western text gefolgt
ist. Auch die Thatsache, dass die altsyrische Version nicht
selten mit dem griechischen Cod. D, aber dabei nicht mit der
lateinischen Übersetzung (d) zusammentrifft, erweist es, dass nicht
der lateinische Text, wie Harris anzunehmen geneigt ist, son-
dern direkt der griechische Text die Quelle für den Syrer Cure-
tons gewesen ist. Aus alledem ist zu erkennen, dass die von
Harris gemachten Einzelbeobachtungen noch eine andere Lösung
fordern, als die von ihm gegebene.
Diese Lösung dürfte mit Berücksichtigung aller einschlagen-
den Instanzen eine Entwickeluug der mit dem Codex Bezae zu-
sammenhängenden Textfamilie in folgenden vier Stadien an die
Hand geben.
Der erste Archetypus des Codex Cantabrigiensis war ein
griechischer Evangeliencanon, die erste Zusammenfassung
der vier canonischen Evangelien. Dafür zeugt die älteste syrische
Übersetzung, welche nur die vier Evangelien umfasst, dafür
zeugen ebenso die alten lateinischen Übersetzungen, von denen
Zahn (Geschichte des Canons I, 1. S. 62) sagt: „Die ihrem In-
§ 4. Die Quellen der aussercanonischen Evangelientexte. 31
halt und z. Th. auch der Zeit nach vorhieronyinianischen latei-
nischen Evangeliencodices enthielten, soweit man darüber urtheilen
kann, alle nur die Evangelien, diese aber sämmtlich". S. die
Übersicht bei Scrivener p. 342—345. Die Entstehung dieses
Evangeliencanons fällt spätestens in die Zeit um d. J. 140, weil
Tatian sicher, wahrscheinlich auch schon Justin, ihn voraus-
setzt. Dass dieser Evangelien canon die älteste und erstmalige
Zusammenfassung der vier canonischen Evangelien war, wird durch
die Thatsache bewiesen, dass derselbe nicht nur den alten occiden-
talischen und orientalischen Versionen zu Grund liegt, sondern auch
die patristische Literatur am Ausgang des zweiten und am Anfang
des dritten Jahrhunderts beherrscht. Der Verfasser dieses ältesten
Evangeliencanons beschränkte sich nicht auf eine Copisten- Arbeit,
sondern entwickelte dabei eine redaktionelle Thätigkeit. Denn wenn
er z. B. den bekannten (von mir in den Agrapha S. 70 ff. mit-
getheilten) aussercanonischen Paralleltext, eine archaistische Paral-
lelversion zu Lc. 14, 8—11, in seinen Evangeliencanon nach Mt,
20, 28 einschaltete, so that er das abweichend von dem canoni-
schen Matthäustexte kraft redaktioneller Freiheit, obgleich in
■diesem Falle nicht wie sonst oft gestützt auf die älteste vorcano-
nische Evangelienquelle, das Urevangelium. Und wenn diese
dem Contexte von Mt. 20, 28 ursprünglich fremde Einschaltung
in die lateinischen Versionen, in den Syrer Curetons, in die Phi-
loxenianische und andere alte Übersetzungen übergegangen ist,
so erkennt man deutlich den massgebenden Einfluss, den jener
älteste Evangeliencanon mit seinen redaktionellen Eigenthümlich-
keiten gewonnen und behauptet hat, bis sein griechischer Text
durch die canonische Recension der Evangelien verdrängt wurde,
während er in den Versionen noch länger fortlebte.
Die selbstständige Arbeit des Redaktors tritt aber weniger
im ersten Evangelium hervor, als vielmehr in ganz auffälliger
Weise im Lucasevangelium. Das Marcion-Evangelium, welches
ungefähr um dieselbe Zeit entstanden sein wird, wie dieses
Lucasevangelium nach der Bearbeitung des Archetypus von
Codex D, zeigt in dem uns erhaltenen marcionitischen Texte
viel weniger tief einschneidende Varianten als Codex D. Dabei
folgte der Verfasser des Archetypus von Codex D, der Redak-
tor jenes ältesten griechischen Evangeliencanons, sichtlich einer
älteren Handschrift, welche Credner bald eine „unbekannte
32 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Autorität", bald ein „apokryphiscb.es" — wir sagen lieber ein
aussercanonisches — „Evangelium" nennt. Jedenfalls lag dieser
unbekannten Autorität nach meiner wohlbegründeten Über-
zeugung eine griechische Version des hebräischen Urtextes, ver-
wandt demjenigen Typus zu Grunde, welchem auch der erste
Evangelist gefolgt ist. Nur so sind im Lucasevangelium des
Codex D die zahlreichen Textänderungen zu erklären, welche so
oft wie nach dem Matthäustexte vorgenommene Conformationen
aussehen und von vielen Textkritikern (namentlich von Tischen-
dorf] als solche betrachtet worden sind. Nichts ist unwahr-
scheinlicher als die Annahme, dass ein Redaktor, wie derjenige,
der den Archetypus des Codex D verfasste. welcher der Haupt-
sache nach den Lucastext mit so grosser Selbstständigkeit be-
handelte, welcher zahlreiche Änderungen, einschneidende Kürzun-
gen, wichtige Einschaltungen vornahm und von allen canonischen
Texten kühnlich abwich, an anderen Stellen wieder zugleich ängst-
lich bemüht gewesen sein sollte, seinen Lucastext dem ersten cano-
uischen Evangelium zu conformieren. Solche Conformierungs-
versuche, welche ohnehin erst einer viel späteren Zeit angehören,
widersprechen dem Gesammtcbarakter des dem Codex Bezae zu
Grunde liegenden Archetypus. Diese scheinbaren Conformierun-
gen nach dem Matthäustexte, welche mitten in dem aussercano-
nischen Lucastexte des Codex Bezae uns begegnen, etwa auf
Rechnung eines späteren Abschreibers setzen zu wollen, wäre
ebenfalls völlig unmotiviert. Dann hätte doch der Abschreiber
einfach eine Radicalcur vornehmen und die ganze Handschrift
nach den recensierten canonischen Texten conformieren müssen.
Ein Abschreiber oder späterer Redaktor, der das nicht gethan,
sondern die aussercanonische Textgestalt des Codex der Haupt-
sache nach intakt gelassen hat. konnte unmöglich an kleinen
Conformierungsversuchen Interesse haben. Nein, nur der Einfluss
einer Version des hebräischen Urtextes, welche mit der vom
ersten Evangelisten gebrauchten nahe verwandt war, erklärt die
kühne, selbstständige, bald von sämmtlichen canonischen Evan-
gelien abweichende, bald mit dem Matthäustexte sich in über-
raschender Weise berührende Redaktion, welche das Lucasevan-
gelium im Codex Bezae erlitten hat.
Jedenfalls noch vor dem Ende des zweiten Jahrhunderts er-
folgte das zweite Stadium in der Entwickelung des Codex
§ 4. Die Quellen der aussercanonischen Evangelientexte. 33
Bezae. Jener Evaugelieucanou wurde vermehrt durch die
Apostelgeschichte und die katholischen Briefe. Dabei fanden
sowohl in den Evangelien als in dem Texte der Apostelgeschichte
manche glossatorische Erweiterungen statt. Eine solche freie
Textbehandlung war nur möglich in der Zeit vor Or igen es
und der durch ihn eingeleiteten Textrecension. Hatte der Re-
daktor jenes Archetypus, jenes ältesten Evangeliencanons, ohne
selbst Judenchrist zu sein, die — auch von Justin geth eilte
— vermittelnde Stellung dem gemässigten Judenchristenthum
gegenüber zum Ausdruck gebracht, sofern er das judenchrist-
liche Evangelium an die Spitze dieses im Übrigen echt katho-
lischen Evangeliencanons gestellt hatte, so verdanken wir speciell
die weitere Ausbildung der Handschrift, die uns jetzt im Codex
Bezae vorliegt, ausschliesslich judenchristlichen Kreisen, welche
die Apostelgeschichte und die katholischen Briefe, nicht aber
das paulinische Schriftthum, der Handschrift einverleibten. Auch
die weitere Conservierung der Handschrift im Laufe der näch-
sten Jahrhunderte wird, wie Credner ganz richtig gesehen hat,
auf dieselben judenchristlichen Kreise zurückzuführen sein. Denn
während in der orthodoxen Kirche in Folge der canonischen
Textrecension die Exemplare jener vorcanonischen Evangelien-
sammlung längst verdrängt und verschwunden und nur in Über-
setzungen erhalten waren, blieben diese judenchristlichen Kreise
von der Textrecension der Grosskirche unberührt und konnten
so ein griechisches Exemplar jener vorcanonischen Evangelien-
sammlung für ihren gottesdienstlichen Gebrauch bewahren und
in jene spätere Zeit hinüberretten.
Das dritte wahrnehmbare Stadium in der Entwickelungs-
geschichte unseres Codex hat Credner jedenfalls richtig be-
zeichnet, indem er es — nach seiner Auffassung als das zweite
— in die Zeit bald nach Euthalius verlegte. Nur dürfte die
auch von ihm zugegebene, dann aber nicht weiter verfolgte
Möglichkeit, dass bei der Neueinrichtung der Handschrift bereits
der lateinische Text um 500 zur Seite gestellt wurde, zur
Gewissheit zu erheben sein. Denn nur so erklärt sich der von
Harris durch zahlreiche Beispiele bewiesene Einfluss des latei-
nischen Textes auf den griechischen Text, während, wenn die
lateinische Übersetzung erst bei der letzten Redaktion dem Codex
beigegeben worden wäre, ein solcher Einfluss nicht wohl hätte
Texte und Untersuchungen. X. 3
34 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
stattfinden können. In dem von Alters her überlieferten griechi-
schen Text waren gewiss schon manche Randbemerkungen (so
die Bezeichnungen der Ammonischen Sektionen oder xsyxx-
Xaia, wahrscheinlich auch die Perikopen für die Sabbathe) bei-
gegeben, welche nun bei der Redaktion um 500 durch die Lese-
stücke des Euthalius vervollständigt wurden. Gleichzeitig er-
folgte die stichometrische Anordnung des Textes. Denn wir
wissen bestimmt, dass die stichometrische Texteintheilung der
Apostelgeschichte und der Briefe erst durch Euthalius besorgt
worden ist. Wenn nun auch jetzt zum ersten Male eine latei-
nische — ebenfalls stichometrisch abgetheilte — Übersetzung
beigegeben wurde, so war es natürlich, dass diese von den
liturgischen Randbemerkungen des griechischen Textes frei blieb.
Diese liturgischen Randbemerkungen mit ihren Sabbath-Perikopen
beweisen mehr als alles Andere, dass die Fortpflanzung und
der gottesdienstliche Gebrauch unserer Handschrift ausschliess-
lich judenchristlichen Kreisen zuzuschreiben ist. Und da das
Judenchristenthum hauptsächlich nur in Syrien, Palästina, Arabien
sich erhalten hatte, so ist es sehr wahrscheinlich, wie auch
schon Credner angenommen hat, dass bei dem lebhaften Handels-
verkehr zwischen Syrien und Südgallien es ein syrischer Juden-
christ gewesen ist, der die Übertragung des Codex in dieser
seiner späteren Gestalt nach Südgallien vermittelt hat. Es ist
dabei anzunehmen, dass der Codex, der in seinem ersten Stadium
als einfacher Evangeliencanon einen gut katholischen Unions-
typus und daher auch bei den altkirchlichen Schriftstellern und
durch frühzeitige Übersetzungen einen so weit reichenden Ein-
fluss sich errang, in seiner späteren Gestaltung, vermehrt durch
die Apostelgeschichte und die katholischen Briefe, nur in juden-
christlichen Kreisen sich fortpflanzte und in der Grosskirche —
zumal nach der grossen canonischen Textrecension oder dioQ&ooöiq
— niemals recipiert gewesen ist.
Das vierte und letzte Stadium erreichte die Cambridger
Handschrift im sechsten Jahrhundert, indem der Text einem Ab-
schreiber diktiert wurde, welcher des Griechischen nur in sehr
unvollkommener Weise mächtig war und daher viele sinnlose
Fehler in den griechischen Text eintrug, Fehler, welche sich
lediglich aus einem gedankenlosen und allen Verständnisses
baaren Nachschreiben der diktierten Wörter erklären. Das
§ 4. Die Quellen der aussercanonischen Evangelientexte. 35
Lateinische, dessen der Schreiber besser kundig war, weist nach
seiner Aussprache auf Südgallien hin, wo auch der Codex (in
dem Kloster St. Irenaei bei Lugdunum) aufbewahrt und im 16.
Jahrhundert wieder aufgefunden wurde, wo also auch jedenfalls
die letzte Redaktion der Handschrift stattgefunden hatte.
Aus dieser Textgeschichte geht Beides hervor, einestheils der
einzigartige Werth des Codex Cantabrigiensis , dessen Arche-
typus die Urgestalt unseres Evangeliencanons reprae-
sentiert, andrerseits die Notwendigkeit, mit vorsichtiger
Kritik den Text des Archetypus von den späteren
Änderungen und Entstellungen des Textes zu unter-
scheiden.
Die Möglichkeit hierfür ist dadurch gegeben, dass der Codex
Bezae, wenn auch unter den griechischen Handschriften völlig
isoliert stehend, doch bezüglich der Evangelien durch zahlreiche
Versionen als Trabanten begleitet ist, welche älter sind als seine
jetzige Textgestalt. Das Verwandtschaftsverhältniss der zu dem
Codex D gehörigen Textfamilie lässt sich graphisch darstellen
wie folgt.
A. Archetypus.
Griechischer Evangeliencanoii si
ens um 140.
Altsyrische Version
Curetons
ca. 250.
Andere orientalische
Versionen.
Altlateinische Versio-
nen vor dem Ende des
2. Jahrhunderts.
J
Die lateinischenEvan-
gelienübersetzungen
aus späterer Zeit.
B. Evangeliencanon
mit Apostelgesch. u. kathol.
Briefen vor 200.
C. Neue Redaktion von B.
Beifügung des lateinischen
Textes um 500.
I
D. Letzte Abschrift des
bilingualen Codex — gegen
Ende des 6. Jahrhunderts.
Um den reinen Text des Archetypus des ältesten Evange-
liencanons wieder herzustellen, sind daher folgende textkritische
Normen im Auge zu behalten:
3ß Text- und quellenkritische Grundlegungen.
1. Übereinstimmung des griechischen Codex D, der altlatei-
nischen Versionen und des Syrers Curetons ergiebt un-
zweifelhaft den Text des Archetypus, auch wenn derselbe
nur durch ein einziges lateinisches Exemplar vertreten sein
sollte.
2. Übereinstimmung zwischen dem Syrer Curetons und den
altlateinischen Versionen führt zu demselben Resultat, auch
wenn der griechische Text von D nicht mit dabei sein
sollte. Denn da bei der Unabhängigkeit der altsyrischen
und altlateinischen Übersetzung von einander ein Zusam-
mentreffen beider mit Nothwendigkeit auf die gemeinsame
Quelle zurückweist, so muss, wenn die Zustimmung des
jetzigen griechischen Textes fehlt, angenommen werden,
dass derselbe in solchen Fällen durch die Abschreiber
alteriert und seiner Urgestalt entfremdet, dagegen in den bei-
den Seitenlinien, der lateinischen und altsyrischen, conser-
viert worden ist.
3. Übereinstimmung des griechischen Textes von D mit dem
Syrer Curetons führt bei dem hohen Alter des letzteren
mit Wahrscheinlichkeit ebenfalls auf denselben Quellentext
zurück.
4. Dasselbe gilt von der Übereinstimmung des griechischen
Textes mit der altlateinischen Version, namentlich wenn
dieselbe durch die meisten Exemplare der Itala vertreten
ist, auch wenn im Syrer der Urtext verloren sein sollte.
5. Wenn der griechische Codex D mit seinem lateinischen
Trabanten d für sich allein einen aussercanonischen Evan-
gelientext vertritt, ohne von den übrigen lateinischen Ver-
sionen und vom Syrer Curetons gestützt zu sein, so kann
sein Zusammentreffen mit anderen alten Versionen, nament-
lich den orientalischen, sowie mit patristischen Evangelien-
citaten ein Indicium für die Quellenmässigkeit seines Textes
werden.
6. Auch wenn er völlig isoliert steht, wie z. B. in dem ausser-
canonischen Texte zu Lc. 6, 4, welcher in den Agrapha
S. 108. 191 mitgetheilt ist, kann er die echte Tradition
des Archetypus vertreten, wenn quellenkritische — also
nicht mehr textkritische — Instanzen dafür sprechen.
§ 4. Die Quellen der aussercanonischen Evangelientexte. 37
Es würde ein verdienstliches Unternehmen sein, wenn nach
diesen — vielleicht noch zu ergänzenden — textkritischen Normen
eine Wiederherstellung jenes Archetypus, jenes ältesten Evange-
liencanons, versucht würde, insofern hier mit Ausschluss sämmt-
licher übrigen griechischen Codices, mit Absehen also von dem
recensierten canonischen Evaugelieutexte , diejenige vorcano-
nische Textgestalt sichtbar werden würde, welche lange Zeit
hindurch den grössten Einfluss in der alten Kirche behauptet
hat. Was Hug (Einleitung I, ISO) nicht ganz zutreffend von
der Cambridger Handschrift in ihrer jetzigen Gestalt sagt, das
würde von dem recoustruierten Archetypus des Codex D in
vollem Sinne gelten: wir würden in demselben „ein Abbild der
xoivrj exöootg der Evangelien", d. h. den vor der canonischen
Textrecension am meisten im Gebrauch gewesenen Evangelien-
text, besitzen.
Es geht aus alledem hervor, welcher hoher Werth immer-
hin dem Codex Bezae in seiner jetzigen verderbten Gestalt eignet,
aber auch wie seine beiden Seitentrabanten, die altsyrische
Version Curetons und die lateinischen Evangelientexte vor Hie-
ronymus, an Bedeutung ihm nahe stehen.
B. Die altitalischen Versionen.
Obwohl der hohe Werth der altlateinischen Evangelienüber-
setzungen aus dem Vorhergehenden allenthalben hervorleuchtet,
so ist doch ein besonderes Wort über dieselben erforderlich,
namentlich auch deshalb, weil die Frage nach ihrer Entstehungs-
zeit neuerdings in Fluss gerathen ist.
Insbesondere ist es Zahn gewesen, der dieser Frage in
seiner lebhaften Weise sich angenommen hat. Seine wichtigsten
Urtheile hierüber lauten folgendermassen: „Zur Zeit von Cypri-
ans Episcopat (24S — 258) war die afrikanische Kirche an eine
lateinische Bibel gebunden. Der chaotische Zustand ist vorüber.
Es giebt einen festen lateinischen Bibeltext, welcher in den ver-
schiedensten Zusammenhängen wesentlich gleichmässig citiert
wird. Wir besitzen noch Bruchstücke von Evangelienhand-
schriften, welche dem Texte Cyprians sehr nahe stehen. Der
griechische Text wird von Cyprian nicht mehr ausdrücklich be-
riAcksichtigt. Hieraus ergiebt sich, dass die lateinische Bibel der
afrikanischen Kirche in der Zwischenzeit zwischen 210 und 21"
38 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
entstanden und in den kirchlichen Gebrauch eingeführt worden
ist". (Gesch. des Kanons I, 1, 59).
Anders stand es nach Zahn zur Zeit Tertullians. „Vor
210 — 240 hat es noch keine lateinische Bibel gegeben". (S. 60).
„Hiermit ist behauptet, dass es in Afrika zur Zeit Tertullians
ebenso wenig eine lateinische Bibel gegeben hat, als zur Zeit
Augustins eine punische". (S. 51). „Einen lateinischen Bibel-
text aus denselben (sc. den Schriften Tertullians) herzustellen,
ist ein vergebliches Unternehmen, weil Tertullian einen solchen
nicht gehabt, sondern stets aus dem Stegreif und daher in der
mannigfaltigsten Weise aus seiner griechischen Bibel beider
Testamente seine Citate excerpiert und zugleich tibersetzt hat".
(S. 53). „Wenn die Beweise für die Nichtexistenz einer latei-
nischen Bibel im Gesichtskreis Tertullians sich durch alle
seine Schriften bis zu den jüngsten hindurchziehen, so folgt dar-
aus mindestens, dass vor seinem Übertritt zur montanistischen
Partei, vor der förmlichen Separation der Montanisten in Car-
thago, d. h. vor den Jahren 203 — 206, in Afrika keine lateinische
Bibel existiert hat, und dass, wenn unmittelbar darnach unter
den katholischen Christen Afrikas eine solche entstand, die
montanistische Gemeinde davon keine Notiz nahm. (S. 59).
Auch gegenüber den von Harn ack ausgesprochenen Zweifeln J)
hat Zahn erst neuerdings2) die Behauptung wiederholt, „dass
es heute doch noch erst zu beweisen gilt, dass es um 203 in
Afrika eine lateinische Bibelübersetzung gegeben hat".
Aber diese von Zahn bestrittene Thatsache ist bereits end-
giltig erwiesen. Schon Hug (Einleitung I, 140) hat auf die
Stelle de monogamia c. 11 aufmerksam gemacht, wo Tertul-
lian im Unterschied von der gebräuchlichen Übersetzung
auf den griechischen Urtext recurriert und damit das Vorhanden-
sein und den Gebrauch einer lateinischen Version constatiert.
Die fragliche Stelle lautet folgendermassen (1. Cor. 7, 24 be-
treffend) :
Sciamus plane non sie esse in Graeco authentico, quo-
1) Harnack, Das Neue Testament um das Jahr 200. S. 33: „Doch
kann ich nicht sagen, dass er (sc. Zahn) mich überzeugt hat, indem er
die lateinische Bibelübersetzung erst zwischen 220 — 240 ansetzt".
2) Theol. Literaturblatt. 1892. No. 4. S. 43.
§. 4. Die Quellen der aussercanonischen Evangelientexte. 39
modo in usum exiit per duarum syllabarum aut cal-
lidani aut simplicem eversionem.
Hier ist es doch evident, dass der „Montanist" Tertullian auf
einen lateinischen Text, dem er eine aus böslicher Absicht oder
aus einfältiger Unwissenheit entstandene Verkümmerung des
ursprünglichen Sinnes vorwirft, Rücksicht nimmt. Folglich wird
er es auch sonst noch oft genug gethan haben, wenngleich er
seine griechische Bibel, wie es auch diese Stelle zeigt, immer
zur Hand hatte. Es wäre doch auch an sich höchst unwahr-
scheinlich, wenn zur Zeit Tertullians noch keine Spur eines
lateinischen Bibeltextes zu finden sein sollte, und unmittelbar
darauf unter Cyprian eine solche nicht nur wie ein deus ex
machina hervorgetreten, sondern auch sofort in allgemein kirch-
lichen Gebrauch eingeführt worden wäre. Solche Dinge machen
sich doch nur allmählich und wollen ihre Entwicklungsstufen
durchlaufen 1).
Neuerdings sucht sich nun auch eine ganz andere Beurthei-
lung des Sachverhaltes Bahn zu brechen, indem die Cambridger
Theologen den Ursprung des lateinischen Bibeltextes tief in
das zweite Jahrhundert hinein zurückverlegen. Es ist zunächst
Robinson, welcher die Cambridger „Texte und Untersuchungen"
mit einer interessanten Abhandlung über die alten Märtyrer-
Akten (The Passion of S. Perpetua, Texts and Studies I, 1) er-
öffnet und dabei auch einschaltungsweise den Bericht der süd-
gallischen Gemeinden von Lugdunum und Vienne über die dasigen
Martyrien (Eus. H. E. V, 1. 2) in der Weise behandelt hat, dass
er die eingestreuten Citate und Anspielungen an neutestament-
liche Schriftstellen auf Rückübersetzungen aus dem Latei-
nischen ins Griechische zurückzuführen versucht hat. Hier-
nach würde, da dieser Bericht aus d. J. 177 stammt, bereits um
die Mitte des zweiten Jahrhunderts ein lateinisches Neues Testa-
ment bei den südgallischen Gemeinden im Gebrauch gewesen
sein. Noch weiter geht, wie oben erwähnt, J. Rendel Harris,
welcher die älteste lateinische Evangelienversion bis in die
marcionitische Zeit, mithin bis in die erste Hälfte des zweiten
1) Harnack bemerkt hierzu: „Es giebt noch eine Reihe schöner
Beweise für die Existenz einer lateinischen Bibel zur Zeit Tertullians;
aber der hier angeführte genügt m. E. vollkommen".
40 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Jahrhunderts, zurückdatiert. Ich selbst habe bei deu zahlreichen
Allusionen an die Evangelientexte, welche der Pastor Herinae
darbietet, schon längst wiederholt der Vermuthung Raum ge-
geben, dass hier vielfach Rückübersetzungen aus einem lateinischen
Evangelientexte vorliegen möchten und dass eben in Folge dieses
Umstandes jene zahlreichen Allusionen weniger leicht zu er-
kennen seien, weil in diesen Rückübersetzungen mehrfach von
dem griechischen Urtext abweichende Ausdrücke gewählt seien.
Doch bedürfen diese Vermuthungen allesammt noch weiterer
und eingehender Prüfung. Nur ist es von vornherein wahr-
scheinlich, dass, sobald im Orient, oder etwa in Rom als dem
oecumenischen Mittel- und Ausgangspunkte, ein Evangeliencanon
(um 140) im griechischen Texte entstanden war, im ersten Falle,
sofort dessen Übertragung nach Rom stattgefunden und jeden-
falls alsbald eine Popularisierung desselben für den occidenta-
lischen Gottesdienst durch Darbietung eines lateinischen Textes
sich vollzogen haben Avird. Ebenso war bei der regen Verbin-
dung zwischen den kleinasiatischen Christengemeinden und den
südgallischen Tochtergemeinden der Weg für die Verbreitung
jenes Evangeliencanons nach Südgallien und für seine Über-
tragung in das dort übliche lateinische Idiom geebnet. Endlich
auch in Nordafrika war, wie Tertullian deutlich zeigt, neben
der griechischen Bibel frühzeitig ein lateinischer Text des Neuen
Testaments gebräuchlich (in usuin exiit). Und wenn Tertullian
schon bezüglich der apostolischen Briefe einen solchen lateini-
schen Text in Nordafrika gekannt hat, so ist die Übertragung
des Evangeliencanons in das nordafrikanische Latein sicher-
lich noch viel früher geschehen.
So erklärt sich auch die Thatsache, dass die altlateinischen
Evangelien-Übersetzungen eine so grosse Varietät der Über-
setzungstypen aufweisen. Tot sunt paene (exemplaria), quot Co-
dices. In den verschiedenen occidentalischen Kirchengebieten
sind sehr frühzeitig lateinische Versionen des Evangeliencanons
unabhängig von einander entstanden, sicherlich noch vor dem
Ende des zweiten Jahrhunderts.
C. Die altorientalischen Versionen.
In der bereits erwähnten Abhandlung: De novo testamento
ad versionum orientalium fidem edendo hatte de Lasar de i. J.
§ 4. Die Quellen der aussercanonischen Evangelientexte. 41
1857 auf die Wichtigkeit der orientalischen Übersetzungen
zur Herstellung eines möglichst authentischen Textes für das
Neue Testament aufmerksam gemacht. Eine Einseitigkeit lag
dabei vor in der geringen Berücksichtigung, welche de Lagarde
den mindestens gleichwertigen altlateinischen Versionen ge-
gönnt hatte. Aber die Abhandlung war gleichsam ein prophe-
tischer Weckruf, welcher auf eine im nächsten Jahre, im J. 1858,
hervorgetretene wichtige wissenschaftliche Entdeckung vorbe-
reiten sollte. Denn wenn de Lagarde (p. 88 in den Gesam-
melten Abhandlungen, wo er jene Jugendarbeit wieder abdrucken
Hess) als die wichtigsten orientalischen Versionen folgende
fünf namhaft macht: armenica, aethiopica, syriaca prima et
tertia, coptica — , so veröffentlichte Cureton im Jahr darnach
aus den i. J. 1842 ins Britische Museum gekommenen Hand-
schriften des Syrerklosters der nitrischen Wüste einen fragmen-
tarisch erhaltenen syrischen Evangeliencanon, welcher an
Wichtigkeit alle übrigen orientalischen Versionen bei Weitem
übertrifft und von de Lagarde als klassischer Zeuge für die
von ihm vermuthete Vorgeschichte der syrischen Übersetzungen
erkannt worden ist. Durch Friedrich Bae tilgen (Evangelien-
fragmente. Der griechische Text des Curetonischen Syrers 1885)
ist jene Entdeckung weiteren Kreisen zugänglich gemacht, zu-
gleich aber auch die nahe Verwandtschaft jenes syrischen Evan-
geliencanons mit dem Codex Bezae ins hellste Licht gestellt
worden. Über die dadurch gegebene Möglichkeit, mittels Ver-
gleichung des Syrers Curetons mit den altlateinischen Ver-
sionen auf den Archetypus des Codex Bezae und seiner Trabanten
sichere Rückschlüsse zu machen, auch da, wo der jetzige Text
des Codex Bezae uns im Stiche lässt, habe ich mich bereits im
vorhergehenden Abschnitt ausgelassen. Hier ist noch darauf
hinzuweisen, dass die altsyrische Version Curetons die Grund-
lage des in der Peschittha enthaltenen syrischen Evangelien-
textes bildet, in welchem manche Reste jener ältesten Übersetzung
sich finden.
Aber auch mit dem Diatessaron Tatians stand jener
uralte syrische Evangeliencanon, dessen Fragmente Cureton
wieder entdeckt, in engster Verbindung. Baethgen (S. 95)
spricht darüber seine Meinung folgendermassen aus: „Der erste,
der den Syrern das Evangelium in ihrer Sprache brachte, war
42 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Tatian, welcher seine Harmonie niederschrieb. Fast ein Jahr-
hundert lang war diese Harmonie das einzige Evangelium der
syrischen Kirche. Um 250 entstand daneben die erste Über-
setzung der getrennten Evangelien, welche unter Zugrundelegung
eines griechischen Exemplars, aber so weit es thunlich war, im
engsten Anschluss an den Text des Diatessaron von einem Un-
bekannten angefertigt wurde". In dieser Auffassung ist der
letzte Satz jedenfalls dahin zu berichtigen, dass der unbekannte
Verfasser des altsyrischen Evangeliencanons sicherlich direkt aus
derselben Quelle schöpft wie Tatian bei Verabfassung seiner
Evangelienharmonie, nämlich aus dem Archetypus des Codex
Bezae und der altlateinischen Versionen, und dass die Über-
einstimmung zwischen dem Syrer Curetons und Tatians
Diatessaron auf die gemeinsame Abhängigkeit von die-
ser Quelle zurückzuführen ist.
Jedenfalls überragt eben deshalb die altsyrische Evangelien-
Übersetzung Curetons alle übrigen orientalischen Versionen an
Ursprünglichkeit und Bedeutsamkeit für die Reconstruktion des
vorcanonischen Evangelientextes.
Noch ein späterer Ausläufer dieser auf den Archetypus des
Codex D zurückweisenden Wurzel ist Thomas von Charkel
(616) gewesen, Mönch, später Bischof von Mabug (= Hierapolis)
in Syrien, Revisor der 508 von Polycarp, einem Chorbischof
des Philoxenus, Bischofs von Mabug, verfertigten und dem Phi-
loxenus gewidmeten syrischen Version, Philoxeniana, in welcher
manche werthvolle Reste vorcanonischer Texte conserviert sind.
In subsidiärer Weise sind sämmtliche orientalische Versionen,
wenn auch erst lange nach dem zweiten Jahrhundert entstanden,
für die Textgeschichte der Evangelien von hohem Werthe.
D. Das Diatessaron Tatians.
Eine ganz besonders wichtige Quelle aussercanonischer, bzw.
vorcanonischer, Evangelientexte würde für uns Tatians Dia-
tessaron sein, wenn dasselbe nicht seit dem 5. Jahrhundert,
nachdem die canonische Textrecension zur Alleinherrschaft durch-
gedrungen war, einen gründlichen Ausrottungsprocess erlitten
hätte. In Folge dessen gehört das Diatessaron zu den gänzlich
verlorenen Schriften. Weder griechische noch syrische Exem-
plare dieser ältesten Evangelienharmonie haben sich erhalten.
§ 4. Die Quellen der aussercanonischen Evangelientexte. 43
Doch lässt sich eine th eilweise Reconstruktion derselben aus
folgenden vier Quellen bewirken:
1. Ephraem Syr. Evangelii concordantis expositio. (Ed.
Mösinger).
2. Aphraates. Homilien. (Übersetzt von Bert 1888).
3. Victor Capuanus. Harmonia Evangeliorum. (Codex
Fuldensis ed. E. Ranke 1868).
4. Tatiani Evangeliorum Harmonia Arabice. (Ed.
Ciasca, Romae 1888.)
1. Ephraem Syrus. (f 378.)
Die Hauptquelle für unsere Kenntniss des Diatessaron bildet
ein Commentar über die Evangelien, welcher von Ephraem
Syrus in der Weise gegeben worden ist, dass Tatians Dia-
tessaron die eigentliche Vorlage bildete, neben welcher aber
auch die vier canonischen Evangelien Berücksichtigung fanden,
und zwar in der Regel nach dem Texte der Peschittha, jedoch
auch mit Einmischung des griechischen Textes. Schon hieraus
ergab sich eine Buntheit von Lesarten und eine unerschöpfliche
Fülle von Differenzen, welche ein sicheres Urtheil erschwert. Da
aber ferner dieser Evangelien-Commentar auf mündlichen Vor-
trägen Ephraems ruht und aus schriftlichen Aufzeichnungen eines
seiner Schüler auf uns gekommen ist, und da überdem gegen
das Ende Diktat und Aufzeichnung überaus flüchtig gerathen
sind, so ist ein vollständiges Bild des Diatessaron aus diesem
Commentare nicht zu gewinnen.
2. Aphraates. (336—345.)
In noch geringerem Maasse ist dieses bei Aphraates der
Fall, welcher in seinen Homilien überaus zahlreiche Evangelien-
Citate einwebt, ohne dass er seine Quellen namhaft macht. In
manchen Fällen kann man durch den Nachweis der Übereinstim-
mung zwischen Aphraates und Ephraem den Gebrauch des
Diatessaron auch von Seiten des Erstgenannten verificieren. Aber
noch viel häufiger misslingt dieser Beweis. Der Text des
Aphraates zeigt deutliche Spuren, dass ihm die vier getrennten
Evangelien nicht unbekannt waren. Nicht selten steht er auch
mit seinen Citaten völlig isoliert. Bei der Freiheit seiner Citations-
weise ist er überhaupt keine sichere Quelle für Evangelientexte.
44 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
3. Victor Capuanus (541 — 554).
Dieser gelehrte Bischof fand eine lateinische Evangelien-
harmonie, welche er für Tatians Diatessaron hielt und statt der
vier Evangelien an die Spitze des von ihm herausgegebenen
Neuen Testamentes (Cod. Fuldensis) stellte (546). Diese lateinische
Evangelienharmonie, welche in der That auf dem Diatessaron
ruht, ist gleichwohl für die Reconstruktion des letzteren fast
werthlos, da der Urtext Tatians nach dem Texte der Vulgata
conformiert, auch die Anordnung des Stoffs in wichtigen Punkten
alteriert ist.
4. Das arabische Diatessaron (1043).
Durch den Ausrottungsprocess hindurch, welchem Tatians
Diatessaron unterlegen war, hatte sich bis in den Anfang des
11. Jahrhunderts ein schriftliches Exemplar gerettet. Es war
dies ein syrisches Manuscript, welches auf Grund einer älteren
Vorlage von Isa ben Ali Almottabbeb, einem Schüler des i. J.
873 verstorbenen Abu Zaid Honain ben Ishaq. im Anfang
des 10. Jahrhunderts angefertigt worden war. Im J. 1043 über-
setzte Abul-faraj Abdullah Ben-at-tib diese syrische Hand-
schrift ins Arabische. Und dieses arabische Diatessaron ist es,
welches Ciasca i. J. 1888 mit lateinischer Version herausgegeben
und der theologischen Welt zugänglich gemacht hat. Schon die
Geschichte dieses Werkes weckt die Vermuthung, dass wir hier
nicht das ursprüngliche Diatessaron, sondern eine Überarbeitung
nach den Grundsätzen der canonischen Textrecension vor uns
haben, welche Vermuthung durch die vielfache Übereinstimmung
mit der vorher erwähnten lateinischen Evangelienharmonie ihre
Bestätigung findet. Beide Werke gehen höchst wahrscheinlich
auf dieselbe Quelle zurück. *) Wenn man auch in Bezug auf die
Anordnung des Stoffes in Tatians Diatessaron aus diesen späteren
Bearbeitungen desselben wichtige Schlüsse ziehen darf, so ist
doch gerade für die Texte, und zwar für die vorcanonischen
Texte der Evangelien, die Ausbeute nur eine geringe. Im Ganzen
sagt Harnack das Richtige: „Überall, wo ich die arabische
Harmonie aufgeschlagen habe, d. h. an den für den wirklichen
Tatian charakteristischen Stellen, war das Charakteristische
1) Vgl. Harnack, Das Neue Testament um das Jahr 200. S. 101.
§. 4. Die Quellen der aussercanonischen Evangelientexte. 45
entfernt und durch das Vulgäre ersetzt." Mir ist es bei der
ersten Vergleichung dieses Werkes ebenso ergangen. Doch habe
ich bei einer zweiten gründlicheren Collation auf Grund der
Ton mir bereits angesammelten aussercanonischen Texte noch
manche interessante Singularitäten wahrgenommen, welche als
unabsichtlich stehen gebliebene Reste vorcanonischer Texte zu
recognoscieren sind, welche ich daher der nachstehenden Samm-
lung einzuverleiben nicht unterlassen habe.
Gleichwohl scheint mir es ein verfrühtes Unternehmen, den
Urtext von Tatians Diatessaron zu reconstruieren und als solchen
zu citieren. Ich habe es vorgezogen, jede einzelne der hier be-
sprochenen Quellen für sich namhaft zu machen.
Das Gesammtbild aber, welches wir für das Tatianische Dia-
tessaron daraus gewinnen, ist für die Geschichte des Evangelien-
canons ein höchst bedeutsames.
Bereits in der Zeit von 160 bis 170 konnte Tatian den
Gedanken ausführen, eine Evangelienharmonie zu schaffen, und
zwar auf Grund unserer vier canonischen Evangelien. Denn dies
letztere giebt nicht nur der Name diu tsogccqcov an die Hand,
welcher Jsame, so absolut gesetzt, nicht auf beliebige vier
Evangelien, vielmehr nur auf die vier in der Kirche bekannten
und anerkannten Evangelienschriften sich beziehen kann, sondern
es weisen auch alle Zeugen von Aphraates und Ephraem bis
auf die arabische Evangeüenharmonie mit Bestimmtheit darauf
hin, dass Tatian die vier canonischen Evangelien zusammen-
gearbeitet und dabei namentlich auch dem Johanneischen Evan-
gelium den grössten Einfluss eingeräumt hat.
Voraussetzung für die Unternehmung einer Evangelien-
harmonie war das Vorhandensein eines Evangeliencanons, jenes
Archetypus des Codex Bezae, dessen Entstehung spätestens um
das Jahr 140 anzusetzen ist. Auf Grund dieses griechischen
Evangeliencanons schuf Tatian sein syrisches Evangelium,
d. h. seine höchst wahrscheinlich in syrischer — vielleicht zu-
gleich auch in griechischer — Sprache verfasste Evangelien-
harmonie. Diese Evangelienharmonie wurde für die um d. J. 170
entstandene syrisch-edessenische Kirche durch einige Jahrhunderte
hindurch das massgebende Evangelium und bildete längere Zeit
für diese Kirche die einzige neutestamentliche Vorlage in den
gottesdienstlichen Vorlesungen. Auch als um die Mitte des dritten
4g Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Jahrhunderts die Quellenschrift des Diatessaron, jener älteste vier-
fältige Evangeliencanon, in das Syrische übersetzt worden war
und die syrische Kirche in dieser Version — dem jetzt so-
genannten Syrus Curetonianus — auch die getrennten vier
canonischen Evangelien besass, behauptete Tatians Evangelien-
harmonie noch längere Zeit den Vorrang.
Erst als am Anfang des vierten Jahrhunderts die canonische
Textrecension des Neuen Testamentes durchgedrungen war,machten
sich auch für die syrische Kirche, welche bis dahin ihre eigenen
Wege gegangen war, die Nachwirkungen davon geltend. Es be-
gann allmählich ein Vernichtungskampf gegen das Diatessaron.
So verordnete Bischof Rabbula von Edessa (412 — 435), dass in
allen Kirchen „ein Evangelium der Getrennten" vorhanden sein
und gelesen werden müsse. Und Bischof Theodoret vonCyrrhus
(420 — 457) erzählt selbst, dass er in seiner — zwischen Edessa
und Antiochien gelegenen — Diöcese mehr als 200 Exemplare
von Tatians Diatessaron beseitigt und durch Exemplare der
Evangelien ersetzt habe. Er sagt: Evqop 6s xdyco JcXeiovq rj
öiaxooiaq ßißXovq xoiavxaq lv xalq tcüq rjfilv axxÄqöiaiq
rsrifirjfievaq' xal Jtdoaq övvayayoyv djte&sfirjv xal xd xcöv xsx-
xüqcov evayyeXiöxcöv dvxtiGi)yayov evayytha. (Theodoret, Haer.
Fab. I, 20). Wir wissen, wie dieser Vernichtungskampf nur all-
zugut gelungen ist und wie nicht ein einziges Exemplar des ur-
sprünglichen Diatessaron sich erhalten hat.
Um diese selbe Zeit müssen die Versuche begonnen haben,
das Diatessaron den canonischen Texten zu conformieren. Denn
der Kampf gegen dasselbe galt nicht der Evangelienharmonie als
solcher, sondern dem aussercanonischen Textcharakter derselben.
Es war derselbe Vernichtungskampf, der in der Grosskirche alle
griechischen Handschriften zerstört und beseitigt hat, welche nicht
aus der canonischen Textrecension hervorgegangen waren. (Die
Erhaltung und Fortpflanzung des Cod. Bezae, der einzigen vor-
canonischen Handschrift, verdanken wir nicht der Grosskirche,
sondern judenchristlichen Kreisen). Nur um den Preis der Con-
formierung nach den canonischen Texten waren Liebhaber des
Diatessaron im Stande, dasselbe zu conservieren.
So bedauerlich nun diese Vorgänge für die Texte und Quellen-
erforschung auf neutestamentlichem Gebiete gewesen sind, ebenso
werthvoll sind alle aussercanonischen Reste des Diatessaron, deren
§ 4. Die Quellen der aussercanonischen Evangelientexte. 47
man mit Hilfe der oben bezeichneten Quellen habhaft werden
kann. Zunächst bieten sie ein wichtiges Hilfsmittel zur Ergänzung
und Feststellung desjenigen Textes, welcher für den Archetypus
des Codex Bezae, des Syrers Curetons und der altlateinischen
Evangelien -Versionen vorauszusetzen ist, da dieser Archetypus
auch für das Diatessaron Quelle und Voraussetzung war und die
Textverwandtschaft desselben mit den genannten alten vorcano-
nischen Zeugen vollständig erklärt, ja die Reconstruktion des für
jenen Archetypus vorauszusetzenden Quellentextes unterstützt,
auch da, wo der Codex Cantabrigiensis in seiner jetzigen Text-
gestalt uns im Stiche lässt. Man kann daher das oben gegebene
Quellen-Schema in folgender Weise vervollständigen.
Archetypus 140.
Griechischer Evangeliencanon.
Diatessaron Ta-
tians 160—170.
Ephraeins Coni-
mentar 360—370.
Lateinische Be-
arbeitung des
Diatessaron 546.
Syrisch-cano-
nische Bearbei-
tung 900—940.
Arabische Über-
setzung des Dia-
tessaron 1043.
Syrer Curetons
250.
Peschittha
Philoxeniana
508—616.
Griech. Canon
Cod.D. Evv.,Apg.,
kath. Briefe
Vor 200.
Neue Redaktion
des Codex D Bei-
fügung des latei-
nischen Textes
ca. 500.
Letzte Redaktion
des bilingualen
CodexDdumöOO.
Lateinische Evan-
gelien-Versionen
Vor 200.
Cod. Vercellensis
vor 400.
Vulgata.
Cod. Veronensis
vor 500.
Andere lat. Codi-
ces.
Cod. Colbertinus
vor 1000.
Hiermit sind wir an der Grenze des handschriftlichen Quellen-
materials für aussercanonische, bezw. vorcanonische , Texte an-
gelangt. Wir müssen aber die Retraktation hinzufügen: soweit
dieses handschriftliche Material bekannt ist. So gross
48 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
und weitreichend derEinfluss der mit dem Codex Bezae zusammen-
hängenden und auf den ältesten Evangeliencanon als Archetypus
zurückreichenden Textfamilie erkannt werden muss, so nahe liegt
die Wahrscheinlichkeit, dass es auch noch andere handschrift-
liche Überlieferungen von Bedeutung gegeben hat. Diese Ver-
muthung stützt sich auf die Thatsache, dass der Archetypus
des Codex Bezae keineswegs hinreicht, um alle die Varietäten
der xoivrj txöooiq, d. i. der vorcanonischen Textüberlieferung,
und das bunte Bild der patristischen Evangeliencitate zu erklären.
Wenn Hug, wie oben erwähnt, den Codex D „ein Abbild der
xoivr} exöoöiq der Evangelien" nennt, so ist es wahrscheinlich,
dass es auch noch andere — davon differierende — Abbilder gab,
welche aber verloren gegangen, bezw. nach dem Siege der späteren
canonischen Textrecension ausgerottet worden sind. Es ist nicht
unmöglich, dass noch irgendwo Handschriften verborgen liegen,
welche eine vorcanonische Textgestalt der Evangelien repraesen-
tieren und noch auf ihre Veröffentlichung warten. Hug erweckt
selbst (Einl. I, 146) dahin gehende Hoffnungen, indem er sagt:
„Wir werden uns aus diesen Bemerkungen — nämlich über den
ZAveisprachigen Codex Cantabrigiensis — auch noch die weitere
Prognose machen können, was wir von den verschiedenen griechisch-
lateinischen Manuscripten zu erwarten haben, die noch vorhanden
sind, und von denen mir noch ein merkwürdiger Codex
der vier Evangelien bekannt ist, welcher sich zur Zeit
in eine tiefe Verborgenheit zurückgezogen hat, bis es
ibm einst gefallen wird, in einem Lande an das Tageslicht zu
treten, dem ein minder fürchterliches Loos beschieden war. Ich
dachte, aus ihm dieser Geschichte des Textes einen besonderen
Schmuck zu ertheilen; allein die Begebenheiten der letzten Jahre
haben mir mehr als eine Hoffnung dieser Art vernichtet".
Dunkel sind diese Andeutungen. Allein der zweifache Um-
stand, dass jener merkwürdige Codex, auf welchen Hug hinweist,
lediglich die Evangelien und diese in bilingualer Gestalt dar-
bietet, lässt das hohe Alter, wenn nicht der Handschrift selbst,
so doch ihres Archetypus erkennen und seine Verborgenheit auf
das lebhafteste bedauern. Nach ihrem Charakter und ihren Schick-
salen scheint diese Evangelien-Handschrift mit dem Codex Bezae
grosse Ähnlichkeit zu besitzen.
Wie leicht aber noch weitere Aufschlüsse in unserer an der-
§ 4. Die Quellen der aussercanonischen Evangelientexte. 49
artigen Entdeckungen reichen Zeit erfolgen können, zeigt das
unter zahlreichen anderen Handschriftresten in Fajjum aufge-
fundene Evangelien fragment, der Rest einer Evangelienhand-
schrift aus der Mitte des 3. Jahrhunderts, dessen Text trotz seines
geringen Umfangs durch seinen aussercanonischen Charakter die
höchste Beachtung verdient. (Das Nähere vgl. man in den Er-
läuterungen zu Mt. 26, 30—34.)
Mit der Erwähnung dieses „Evangelienfragnientes von
Fajjum" sind die handschriftlichen Quellen aussercanonischer
Evangelientexte vollständig aufgeführt.
Es folgt daher die patristische Literatur, in welche zahl-
reiche Fragmente vorcanonischer Evangelienhandschriften ein-
gebettet sind, als nächste Quelle.
E. Die patristischen Evangeliencitate.
Wir betreten hiermit ein sehr schwieriges und ausgedehntes
Forschungsgebiet, von welchem einzelne Theile bereits sorgfältig
untersucht worden sind. Man denke nur an die von verschiedenen
Seiten wiederholt unternommenen Untersuchungen bezüglich der
Justinschen Evangeliencitate. Auch die grossen textkritischen
Ausgaben des N. T. von Mill, Wetstein, Griesbach, Tischen-
dorf, Tregelles haben der patristischen Literatur eine vielfache
Berücksichtigung gewidmet. Gleichwohl fehlt eine möglichst
vollständige, übersichtliche und von bestimmten Gesichtspunkten
der Quellenkritik geregelte Sammlung der in der patristischen
Literatur enthaltenen Evangeliencitate, wie ich sie versuche in
dem gegenwärtigen Werke darzubieten, wobei zugleich die bis
in die neueste Zeit hinein erfolgten Entdeckungen verloren ge-
glaubter Bestandtheile der patristischen Literatur sorgfältige Ver-
wendung gefunden haben.
Die patristischen Schriftsteller, welche mir für diese Samm-
lung als Quellen gedient haben, theile ich in solche, deren
Evangelientexte vollständig ausgenützt worden sind, und in
solche, deren Evangeliencitate nur insoweit berücksichtigt sind,
als sie in relevanter Weise von den canonischen recen-
sierten Texten abweichen.
Zur ersteren Gruppe gehören sämmtliche Schriftsteller vor
lrenaeus und Clemens AI. Hier finden sich fast nirgends
solche Evangelientexte, welche vollständig mit der canonischen
Texte u. Untersuchungen X. 4
50 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Textrecension übereinstimmen. Die wenigen Ausnahmen, in denen
dies doch der Fall ist, wegzulassen, würde an sich nicht empfehlens-
werth gewesen sein, noch weniger aber im Hinblick auf einen
leicht erreichbaren Nebenzweck, nämlich den Gebrauch der cano-
nischen Evangelien von Seiten der betreffenden Schriftsteller in
solchen Fällen sicher zu constatieren. Auf Grund wiederholter
eingehender Vergleichungen hoffe ich von dem Verhältniss dieser
ältesten Gruppe der patristischen Autoren zu der Evangelien-
literatur ein so vollständiges Bild geben zu können, dass die mit
diesem Forschungsgebiete Vertrauten neben vielem Bekannten
auch manches Neue finden werden. Es kommen hier namentlich
folgende Schriftsteller in Betracht:
1. Clemens Romanns.
2. Die Homilie, welche der zweite Clemens b rief ge-
nannt wird. •
3. Die Ignatianen.
4. Der Brief des Polycarp.
5. Das Martyrium Polycarpi.
6. Der Brief des Barnabas.
7. Die Epistola ad Dognetum.
8. Der Pastor des Hermas.
9. Die Apologie des Aristides.
10. Die Jiday/'/ rcöv öoidexa ajcoozoZcov.
11. Justin.
12. Tatian.
13. Theophilus.
14. Athenagoras.
15. Die Clementinischen Homilien.
16. De aleatoribus.
Die Gesammtergebnisse, welche die Einzeluntersuchungen für
jeden dieser Schriftsteller zeitigen werden, gedenke ich erst am
Schlüsse des ganzen Werkes zu kurz zusammenfassenden Dar-
stellungen zu bringen. Hier sei nur noch besonders auf den
Pastor des Hermas hingewiesen, welchem ich eine besondere
Aufmerksamkeit gewidmet und in welchem ich viel zahlreichere
Allusionen an die evangelischen Stoffe wahrgenommen habe, als
man bisher anzunehmen geneigt war. Auf diesem Wege der
Untersuchung habe ich mich mehrfach mit Prof. Taylor in
Cambridge begegnet. Derselbe hat schon in The Journal of
§ 4. Die Quellen der aussercanoniscken Evangelientexte. 51
Philology (Vol. XVIII. No. 36. S. 297—325) in einer Abhandlung
über das Verhältniss des Hirten zur d löayjj (The Didache com-
pared with the Shepherd) die Methode vorgezeichnet, nach welcher
er seine Untersuchungen über das Verhältniss des Hermas zu
den Evangelien angestellt hat. Er ist dabei zu derselben An-
schauung gelangt, von welcher aus nach meiner Überzeugung die
Anspielungen des Hermas an die evangelischen Texte beurtheilt
werden müssen. Ein apokalyptisch - prophetisches Werk, als
welches der Pastor des Hermas beurtheilt sein will, konnte in
keinem Falle mit declarierten Evangeliencitaten operieren. Ganz
so urtheilt Prof. Taylor (1. c. p. 324), indem er von dem Hirten
sagt: „He handles the canonical Scriptures in like fashion, the
form of his work, which claims to be the embodiment of a
revelation, not allowing him to cite them openlv. He disguises,
and we know how he disguises." Soweit also der Hirte auf
evangelischen Texten fusst, kann es sich nur um verdeckte, ab-
sichtlich verdeckte, in die Form der Allegorie und der apo-
kalyptischen Vision eingekleidete, Allusionen an die Evangelien
handeln. „He allegorises," — sagt Taylor weiter — „he des-
integrates, he amalgamates. He plays upon the sense or varies
the form of saying, he repeats its words in fresh combinations
or replaces them by synonyms, but he will not cite a passage
simply and in its entirity." Diese Abhandlung Taylors war nur
der Vorläufer der oben erwähnten, inzwischen im Druck er-
schienenen Veröffentlichung: The Witness of Hermas to the four
Gospels. In derselben behandelt Taylor seinen Gegenstand in
drei Abschnitten:
I. Hermas und der vierfältige Evangeliencanon S. 1 — 21.
II. Hermas und die synoptischen Evangelien S. 22 — 68.
III. Hermas und das vierte Evangelium S. 69 — 148.
Man ersieht hieraus, dass der Schwerpunkt der Taylorschen
Untersuchungen auf dem vierten Evangelium ruht. Das letztere
hat zwar meinerseits ebenfalls Berücksichtigung gefunden, soweit
textliche Berührungen zwischen Hermas und dem johanneischen
Evangelium vorhanden sind. Aber noch wichtiger für die gegen-
wärtigen Untersuchungen ist das Verhältniss des Hermas zu
dem synoptischen Evangelientypus und zu den auf diesem Gebiete
so zahlreichen aussercanonischen Paralleltexten, worauf Taylor,
welchem ich mein Verzeichniss der bei Hermas zu findenden
4*
52 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Evangelienparallelen übersandt hatte, am Schlüsse seines Werkes
(S. 148) auch andeutend hinweist. Selbstverständlich musste ich
mich auf diejenigen Allusionen an die Evangelien von Seiten
des Hermas beschränken, in denen ein wenn auch noch so ge-
ringer textlicher Rest erhalten ist, während Taylor auch
diejenigen Partien herbeigezogen hat, in denen die evangelischen
Stoffe nach seiner Auffassung eine völlig veränderte Einkleidung
von Seiten des Autors erfahren haben. Vom Eifer fortgerissen,
ist Taylor auf diesem Gebiete allerdings vielfach zu weit ge-
gangen.
Unerwähnt kann ich nicht lassen eine im vorigen Jahre
erschienene, frisch und anregend geschriebene Schrift: DieEvan-
geliencitate Justins des Märtyrers in ihrem Werth für
die Evangelienkritik von Bousset, die allerdings die Evan-
geliencitate Justins nicht ganz vollständig wiedergibt, aber das
grössere Ziel der „ Untersuchung sämmtlicher Evangeliencitate
derjenigen Schriften, deren Übereinstimmung mit den Evange-
liencitaten Justins wir so oft constatieren konnten" (S. 115)
richtig bezeichnet und den Weg zu diesem Ziele in zahlreichen
Einzeluntersuchungen muthig bahnt. (Vgl. § 5).
An der Spitze der zweiten Gruppe patristischer Autoren
stehen Clemens AI. mit seinem grossen Schüler Origenes und
Irenaeus mit seinem Schüler Hippolyt. Das Charakteristische
bei diesen Schriftstellern ist das Auftreten zahlreicher canonischer
Texte, d. h. also solcher Texte, welche mit der späteren cano-
nischen Textrecension im Wesentlichen übereinstimmen, und
daneben ein Fortleben aussercanonischer, bzw. vorca-
nonischer Textgestalten. Eine Wendung, eine Recension
der Texte, ist eingetreten. Die Textmischung aber erklärt sich
aus dem Einfluss der neuen, recensierten Handschriften und dem
gleichzeitigen Fortgebrauch der älteren Evangelienexemplare.
Aber auch nach der grossen letzten Textrecension um die Wende
des dritten und vierten Jahrhunderts wiederholt sich dieselbe
Erscheinung. Namentlich sind es die ausserhalb der Grosskirche
stehenden Richtungen, in welchen die recensierten Texte nicht
sofort Aufnahme fanden, in welchen daher die älteren Evan-
gelienexemplare noch längere Zeit in Geltung blieben. Wie im
zweiten Jahrhundert Marcion bei Herstellung seines marcioni-
tischen Evangeliums gute ältere Lucashandschriften benützte,
§ 4. Die Quellen der aussercanonischen Evangelientexte. 53
wie im dritten Jahrhundert die gnostischen Kreise, aus denen
die Pistis Sophia hervorgegangen ist, werth volle, mit archaisti-
schen Elementen durchsetzte, Evangelienhandschriften verwen-
deten, so finden sich im vierten Jahrhunderte bei den Mani-
en äern beachtenswerthe Reste aussercanonischer Textgestalten,
so wurde in judenchristlichen Kreisen der Codex D bis ins fünfte
und sechste Jahrhundert hinein fortgepflanzt. Aus diesem Um-
stände, dass die ausserkirchlichen Richtungen von der in der
Grosskirche durchgedrungenen Textrecension weniger berührt
worden waren, erklärt sich die Erscheinung, dass in den alt-
kirchlichen Haeresiologien, die aus haeretischen Quellen
schöpften, aussercanonische Texte in grosser Zahl hervortreten.
Namentlich ist dies bei Epiphanius der Fall, welcher je nach
den Haeresien, die er behandelt, auf Grund seiner Quellen Evan-
gelientexte ganz verschiedenen Charakters mittheilt. Die Haere-
siologie des Epiphanius ist daher eine — vielfach noch nicht be-
nutzt gewesene — Quelle aussercanonischer Evangelientexte, deren
gründliche Ausbeutung ich mir habe besonders angelegen sein
lassen. Auch in der Apostol. Kirchenordnung (Judicium Petri),
in der syrischen Didascalia, in den Excerptis Theodoti finden
sich neben canonischen zahlreiche aussercanonische Evangelien-
texte, welche letztere sämmtlich von mir einregistriert sind.
In der Grosskirche waren es namentlich die Klöster, in
deren verschwiegenen Bibliotheken die alten vorcanonischen Hand-
schriften conserviert, wohl auch abgeschrieben, und somit in
eine spätere Zeit hinein gerettet wurden. Sprechende Zeugen
hierfür sind namentlich Macarius, Schüler des Antonius, ge-
storben • i. J. 391 als Vorsteher einer Mönchsgenossenschaft in
der sketischen Wüste, und Anastasius Sinaita, im 7. Jahr-
hundert in den Sinaiklöstern lebend, deren archaistische Evan-
gelientexte, womit sie ihre Schriften schmückten, auf gute alte
Handschriften hinweisen, die ihnen zu Gebote standen. Und ist
nicht der Codex Bezae in dem Kloster S. Irenaei bei Lyon bis
in das Reformationsjahrhundert hinein wohl verwahrt gewesen?
Ist nicht der Codex Sinaiticus in einem jener Klöster aufgefunden
worden, denen einst Anastasius Sinaita angehörte?
So erklärt es sich, dass noch in späten Jahrhunderten ein-
zelne Schriftsteller werthvolle Reste aussercanonischer Texte zu
producieren im Stande waren, dass die einst so reichlich fliessende.
54 • Text- und quellenkritische Grundlegungen.
aber nach der canonischen Recension verschüttete Quelle hier
und da noch tröpfelte und ihr früheres Dasein erkennen lässt.
Für die Fortpflanzung alter Handschriften war ferner die
Bibliothek von Caesarea ganz besonders wichtig. Wie die
von Bischof Alexander begründete Bibliothek zu Jerusalem
zu den Zeiten des Eusebius noch vorhanden war, wie Julius
Africanus das kirchliche Archiv zu Edessa benützte, so waren
es namentlich drei patristische Autoren: Eusebius, der Re-
daktor der Constitutionen und Pseudo-Ignatianen, Hie-
ronymus, deren wissenschaftliche Thätigkeit aus der Bibliothek
von Caesarea befruchtet worden ist. Die Begründung derselben
war von Or igen es während seines Aufenthaltes in Caesarea
angeregt und von Pamphilus, seinem Schüler, in grösserem
Stile durchgeführt. Weit und breit sammelte Pamphilus darin
alles zusammen, was die christliche Literatur hervorgebracht und
er aufzutreiben im Stande war. Hier lagerten wichtige alttesta-
mentliche Handschriften, darunter die Hexapla und Tetrapia des
Ori genes. Dass auch werth volle neutestamentliche Handschriften
nicht gefehlt haben werden, lässt sich von vornherein vermuthen
und wird durch das Zeugniss des Hieronymus ausdrücklich
bestätigt. Nach ihm befanden sich in der Bibliothek zu Cae-
sarea zwei werthvolle Evangelienhandschriften: erstlich das in
hebräischer Sprache (Hebraicis litteris verbisque) verfasste Ur-
evangelium des Matthäus, und zweitens das in aramäischer oder
syrochaldäischer Sprache (Chaldaico Syroque Sermone, sed Hebrai-
cis litteris scriptum) geschriebene Hebräerevangelium. Während
Hieronymus aus letzterem, dem Evangelium secundum Hebraeos,
zahlreiche Excerpte — jedoch nicht nach dem caesareensischen,
sondern nach einem von den Nazaräern ihm überlassenen Exem-
plar — darbietet, scheint der des Hebräischen gleichfalls kundige
Redaktor der Constitutionen und Pseudo-Ignatianen
bei einer neuen Redaktion der ebendort aufbewahrten alten
Kirchenordnungen direkt aus dem hebräischen Urevangelium
geschöpft zu haben. Nur so lässt sich die Erscheinung erklären,
dass derselbe — wohl um 350 schreibend — neben zahlreichen
Evangelientexten, welche auf der canonischen Recension des N.
T. basieren und mit den besten recensierten Codices überein-
stimmen, auch eine reiche Fülle aussercanonischer Evangelien-
fragmente — darunter nicht wenige Agrapha — einstreut, welche
§ 4. Die Quellen der aussercanoniscken Evangelientexte. 55
seiner Neubearbeitung der Kirchenordnungen einen archaistischen
Anstrich und für die Quellenforschung einen so hohen Werth
geben. Ebensowohl wie der Codex Cantabrigiensis neun Jahr-
hunderte lang in dem Kloster St. Irenaei bei Lyon verborgen
war und auch nach seiner Wiederentdeckung auf Theodor von
Bezas Wunsch in der Bibliothek zu Cambridge wieder einge-
sargt wurde, weil man wegen seiner zahlreichen aussercanoni-
schen Bestandtheile für das reformierte Schriftprinzip Befürch-
tungen liegte, ebensogut und noch leichter konnte das Urevan-
gelium, welches dem Gesichtskreis der Kirche entschwunden war,
welches gewiss in vielen Punkten dem katholisch gewordenen
Bewusstsein der Kirche widerstrebte, in jener Bibliothek einen
sicheren Bergungsort gefunden haben. Dass man diesen Schatz
vor fremden Augen sorgfältig hütete, kann man bei dem da-
maligen Zustand der Kirche von Haus aus schliessen; es wird
dies aber auch durch den Umstand bestätigt, dass Hieronymus,
der doch, wie er wiederholt bezeugt, oftmals in den Hand-
schriften der caesareensischen Bibliothek geforscht hat, weder
das hebräische Urevangelium noch das aramäische Hebräerevan-
gelium aus Autopsie kannte, vielmehr letzteres, wie eben erwähnt,
nur aus einem von den Nazaräern ihm überlassenen Exemplare
übersetzt und durch zahlreiche Excerpte der Mit- und Nachwelt
bekannt gemacht hat. Auch Eusebius, bei welchem sich nicht
wenige aussercanonische Evangelientexte finden, zeigt sich über
seine handschriftlichen Quellen sehr reserviert. Der Hinweis
aber auf die caesareensische Bibliothek und auf die daraus ge-
speisten patristischen Autoren, womit ich diesen Abschnitt schliesse,
war bei der Frage nach den Quellen der aussercanonischen Texte
unerlässlich.
F. Die apokryphe und pseudepigraphische Literatur.
Eng mit der patristischen ist die apokryphe und pseudepi-
graphische Literatur verwandt. Wir besitzen in den Ausgaben von
Tischendorf u. A. neutestamentliche apokryphe Evangelien,
Apostelgeschichten und Apokalypsen, wozu neuerdings die werth-
vollen Untersuchungen von Lipsius namentlich auf dem Gebiete
der Apostelgeschichten wichtige Commentare und Ergänzungen
geliefert haben. Besonders fruchtbar war das Judenchristenthum
nach seinen verschiedensten Küancen in Hervorbringung pseud-
56 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
epigraphischer Apokalypsen, in welchen die Schriftsteller unter
der oft sehr durchsichtigen Maske alttestamentlicher Patriarchen
und Propheten ihre meist nur sehr oberflächlich vorn Geiste des
Christenthums tingierten Anschauungen schmackhaft zu machen
suchten. Aber auch von fast allen anderen haeretischen Rich-
tungen der alten Kirche sind zahlreiche Beiträge zur apokry-
phischen und pseudepigraphischen Literatur geliefert worden.
Selbst solche Elaborate im Sinne katholischer Legendenbildung
reichen mit ihren Ursprüngen bis in sehr frühe Zeiten der Kirche
hinauf. Es ist aber verhältnissmässig ein sehr geringer Rest
dieser Literatur, welcher auf uns gekommen ist. Ihr Werth
wird dadurch noch zweifelhafter, dass gerade die Apokryphen
und Pseudepigraphen zu fortgehenden Weiterbildungen und Um-
arbeitungen reizten und dass in Folge dessen nur wenige Schriften
dieser Art in ihrer Urgestalt uns erhalten sind.
Was insbesondere die apokryphen Evangelien anlangt,
welche uns hier am meisten interessieren und welche naturgemäss
die grösste Ausbeute bieten sollten, so stehen dieselben tief unter
den canonischen Evangelien. Namentlich für dasjenige Gebiet,
welches den Hauptinhalt der canonischen Evangelien ausmacht,
die Jahre des Wirkens und Lehrens Jesu, lassen uns die apo-
kryphen Evangelien fast völlig im Stich. Selbst das verhältniss-
mässig älteste, das Hebräerevangelium, welches mit dem Täufer
Johannes und mit der Taufe Jesu im Jordan begann und bis
zu den Erscheinungen des Auferstandenen reichte, weiss im
Grunde nichts Neues zu berichten. Das Wenige, was beim ersten
Anblick als neu erscheinen könnte, löst sich bei näherer Be-
trachtung fast vollständig in Nebel auf und erweist sich als
tendenziöse Interpolation oder als werthlose Ausschmückung der
canonischen Texte. Um dieses Verhältniss recht zu würdigen,
stelle man sich vor, die Kirche hätte nur die drei synoptischen
Evangelien als canonisch überliefert, und das johanneische Evan-
gelium wäre als apokryph später dazu gekommen. Wie würde
man gestaunt haben: Alles aus Einem Guss! Nirgends Flick-
und Stückwerk! Und dabei welche Fülle von neuen historischen
Details, welcher Reichthum von überraschenden Zügen, von be-
richtigenden oder ergänzenden Bemerkungen! Und bei aller
Neuheit, bei aller Originalität, welche Congenialität mit dem
synoptischen Erzählungstypus! Von alle dem findet sich bei den
§ 4. Die Quellen der aussercanonischen Evangelientexte. 57
apokryphen Evangelien keine Spur. Dagegen namentlich bei
der Geburts- und Kindheitsgeschichte Jesu krankhafte, üppige
Wucherungen, die den Stempel innerer Unwahrheit an der Stirn
tragen. Gleichwohl ist auch diese Spreu nach echten Körnern
zu untersuchen. Zum ersten Male in dieser Weise dürfte eine
quellenkritische Vergleich ung der apokryphen Kindheits-
evangelien mit den canonischen Geburts- und Kindheitsge-
schichten des Lucas und Matthäus sowie mit den patristischen
Berichten bei Justin unter Herbeiziehung des johanneischen
Prologs vollzogen worden sein, wie solche im ersten Hauptab-
schnitte der nachfolgenden Sammlung dargeboten wird. Auf
diese Untersuchung, durch welche ein — schon vom johannei-
schen Prologe vorausgesetztes — vorcanonisches Kindheitsevan-
gelium als gemeinsame ältere, aus den Jahren 64 — 69 v. Chr.
stammende, Quelle wahrscheinlich gemacht wird, möchte ich
hier besonders hingewiesen haben.
Ausserdem sind die Acta Pilati, welche schon Justin
benutzt hat, von einiger Wichtigkeit für Gewinnung ausser-
canonischer Texte, obwohl diese Schrift ebenfalls nicht in ihrer
Urgestalt, sondern nur in secundären Bearbeitungen uns er-
halten ist.
Von den apokalyptischen Pseudepigraphen sind nament-
lich die Apokalypse des Esra (=das vierte Esrabuch) sowohl
in ihrem Urbestandtheile als in ihren späteren Zusätzen sowie
dieTestamentaXII patriarcharum auf das Sorgfaltigste unter-
sucht und in Bezug auf die darin enthaltenen evangelischen
Stoffe vollständig ausgenützt worden. Wie beide — sowohl die
um das Ende des ersten Jahrhunderts entstandene jüdische, aber
von dem Geiste des Christenthums nicht unberührt gebliebene,
Apokalypse des Esra, als namentlich auch die judenchristliche
ebionitische, der Mitte des zweiten Jahrhunderts angehörige
Schrift der Testamenta XII patr. — zahlreiche synoptische und
johanneische Evangelienparallelen darbieten, wie also auch die
pseudepigraphische Literatur für die Sammlung aussercanonischer
Paralleltexte zu den Evangelien von hohem Werthe ist, darauf
sei hier im Voraus hingewiesen. (Die Evangeliencitate der
pseudoclementinischen Homilien, nicht aber die meistens canonisch
conformierten Evangelientexte der Recognitionen, sind vollständig
in meine Sammlung aufgenommen. Vgl. S. 50. Sie gehören
58 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
zum grössten Theile dem synoptischen Typus an, weichen aber
Schritt für Schritt sprachlich von den canonischen Texten ab
und sind daher, wahrscheinlich auf eine aussercanonische Version
des Urevangeliurns zurückgehend, von höchster Bedeutung).
G. Die altkirchlichen Liturgien.
Dass in den altkirchlichen Liturgien wichtige Reste der
ältesten Tradition fortlebten, ist schon längst erkannt. Die
älteste Liturgie ist uns in den eucharistischen Abendmahls-
gebeten der dtdax?] erhalten, welche in den Apostolischen
Constitutionen und bei Pseudo- Athanasius fortgepflanzt
sind1). Auch die übrigen Abendmahlsliturgien im VIII. Buche
der Constitutionen, sowie die von Bunsen in den Actis Anteni-
caenis 2) und die von Neale 3) herausgegebenen Liturgien bieten
manche Evangelienparallelen von Bedeutung Unter den Tauf-
liturgien sind die durch vorcanonische Bestandteile hervor-
ragendsten einerseits die syrische Taufliturgie des Severus
(de ritibus baptismi) 4) , andererseits der Bericht über die Tauf-
einsetzung in dem V. Buche der Apostolischen Constitutionen5).
Wie man aus vorstehender Übersicht erkennt, ist es ein
weit ausgedehntes Quellengebiet, aus welchem die Bäche zu dem
Reservoir zusammengeflossen sind, mit welchem ich meine Samm-
lung aussercanonischer Evangelientexte vergleichen möchte.
Dabei bin ich weit entfernt, an eine Vollständigkeit meiner
Sammlung zu glauben. Fast jedes Jahr bringt neue Veröffent-
lichungen und neue Entdeckungen, welche unsre Kenntniss der
altchristlichen Literatur bereichern. Wie Manches mag noch
verborgen sein in Handschriften, die der Auferstehung aus ihrer
Verborgenheit entgegensehen; wie Manches mag auch schon
gedruckt sein, ohne dass wir seinen archaistischen Charakter
1) Alö. IX. X = Const. XII, 25. 26 = Pseudo-Athan. de virgin. 13.
2) Bunsen. Analecta Ante-Nicaena. 1850.
. 3) The Liturgies of S. Mark, S. James, S. Clement, S. Chrysostom,
Basil, ed. Neale, with pref'ace by Dr. Littledale. London 1875.
4) Vgl. Agrapha S. 361—372.
5) Vrd. nachstehend die Erläuterungen zu Mt. 28, 18—20.
§. 5. Die quellenkritiscken Grundsätze der Untersuchung etc. 59
erkennen. Wer hätte z. B. geglaubt, dass die spätkirchliche
Historia Barlaam et Josaphat thatsächlich eine der ältesten
Apologien, nämlich diejenige des Aristides, enthalte! Dennoch
hoffe ich, nach dem gegenwärtigen Stand der historischen
Forschungen das Wichtigste an aussercanonischen Evangelien-
texten in möglichster Vollständigkeit zusammengestellt zu haben.
Wenn somit ein reiches Quellengebiet aussercanonischer
Evangelientexte aufgeschlossen ist, so sind es gleichwohl nur
die nächsten literarischen Quellen, um welche sich es hier
handelt. Es entsteht nun die Frage nach dem Ursprung der
so zahlreichen aussercanonischen Evangelientexte. Und da die
Mannigfaltigkeit aussercanonischer Textgestalten nicht sowohl
bei dem johanneischen Evangelium, als vielmehr bei den Evan-
gelientexten synoptischen Charakters uns hauptsächlich entgegen-
tritt, so kommen nunmehr die quellenkritischen Untersuchungen
in Betracht mit der Hauptfrage: Welches ist die letzte Quelle
der so zahlreichen und so überaus mannigfaltigen und in ihrem
Gesammtcharakter doch so einheitlichen Evangelientexte nach
synoptischem Typus?
Um zu dieser letzten Quelle zu gelangen, gilt es den rich-
tigen Weg der Untersuchung einzuschlagen.
9 &•
Die quelleiikritischeii Grundsätze der Untersuchung
bezüglich der aussercanonischen Paralleltexte.
Das Material der aussercanonischen Paralleltexte zu den
canonischen Evangelien würde unvollständig und vielfach un-
geniessbar bleiben, wenn nicht auch ergänzende Einzelunter-
suchungen hinzukommen und darin orientierende Grundsätze der
Evangelienkritik zur Geltung gelangen würden. Muss es doch
ohnehin als ein empfindlicher — freilich in der Sache selbst be-
gründeter — Mangel bezeichnet werden, dass in den grossen
textkritischen Ausgaben des Neuen Testaments die ungesichtete
Masse des kritischen Materials von Unzähligen nicht benützt
wird, weil der orientierende Führer fehlt, der durch die laby-
60 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
rinthischen Irrgänge der Textkritik sicher hindurch leiten könnte,
weil die Worfschaufel fehlt, welche die Spreu der Lesarten von
den echten Weizenkörnern scheidet. Die in dieser Sammlung
dargebotenen Paralleltexte zu den Evangelien mit fortlaufenden
Anmerkungen und Erläuterungen zu versehen und dieselben
unter die höheren Gesichtspunkte nicht blos der Textkritik,
sondern namentlich auch der Quellenkritik zu stellen, ist mir
um so mehr Bedürfniss, als meine Studien in der patristischen,
apokryphischen und Handschriften-Literatur gerade im Interesse
der evangelischen Quellenforschung geschehen sind und als mir
hier Gelegenheit wird, einen Theil des im Laufe der Jahre an-
gesammelten reichen Materials zur Mittheilung zu bringen.
Die Veröffentlichung der „Agrapha" bildete den ersten
Schritt auf dem betretenen Wege. Dort habe ich in S. 5 „Zur
Quellenkritik der canonischen Evangelien" in kurzen
Umrissen meine evangelienkritischen Grundsätze skizziert und
einer vorläufigen „hypothetischen Beachtung" empfohlen. In
dem gegenwärtigen Werke kann ich einen wichtigen Schritt
weiter gehen und jene Grundsätze in viel ausgedehnterem Masse
zur Anwendung bringen. Selbstverständlich ruht die Haupt-
tendenz in der Untersuchung der synoptischen Paralleltexte,
da die Entscheidung für die gesammte neutestamentliche Lite-
ratur in der Klärung der den synoptischen Evangelien zu
Grunde liegenden Quellen zu suchen ist.
Das johanneische Evangelium, bei welchem quellenkritische
Fragen nur in untergeordneter Weise mit hereinspielen, habe
ich nicht blos der Vollständigkeit wegen, sondern namentlich auch
deshalb in den Kreis der Untersuchung gezogen, weil dadurch
der tiefgreifende Unterschied zwischen der johanneischen und
der synoptischen Evangelientradition bezüglich der Textge-
schichte ins hellste Licht gestellt wird.
Nach wie vor bin ich in Betreff der synoptischen Frage
von der Überzeugung durchdrungen, dass der Höhepunkt der
bisherigen Evangelienforschung in den Werken von B. Weiss:
Das Marcusevangelium und seine synoptischen Parallelen 1S72 —
das Matthäusevangelium und seine Lucas-Parallelen 1876, nament-
lich aber in dem erstgenannten dieser beiden Werke, erreicht
gewesen ist. Die später erschienenen Werke (Wen dt. Der Inhalt
der Lehre Christi I. Kritische Untersuchungen 1884. — Ewald.
§ 5. Die quellenkritischen Grundsätze der Untersuchung etc. gl
Das Hauptproblem der Evangelienfrage und der "Weg zu seiner
Lösung 1S90 — Feine. Eine vorcanonische Überlieferung des
Lucas iu Evangelium und Apostelgeschichte. 1891. — Mandel.
Die Vorgeschichte der öffentlichen Wirksamkeit Jesu, nach den
evangelischen Quellen entworfen 1892) bedeuten in meinen Augen
trotz mancher "werthvollen Einzelheiten nicht einen Fortschritt
über Weiss hinaus, sondern einen Rückschritt, wenn man das
Ganze des evangelienkritischen Gebietes im Auge behält.
Auch Prof. Marshall (in dem Baptist College zu Manchester^,
dessen Forschungen (Did St. Paul use a Semitic Gospel? im Ex-
positor 1890. VII. S. 69—80 — The Aramaic Gospel im Expo-
sitor Jahrgang 1891) weiter unten in § 7 des Näheren gewürdigt
werden sollen, leidet an dem Mangel, dass er bei seinen Einzel-
untersuchungen, die er zur Wiederherstellung, bzw. Wiederauf-
findung des — nach seiner Meinung im Aramäischen zu suchen-
den — Urtextes nicht Schritt für Schritt an den Weissschen
Forschungsresultaten sich orientiert. Bousset (Die Evangelien-
citate Justins des Märtyrers in ihrem Werthe für die Evangelien-
kritik) hatte keine direkte Veranlassung, auf Weiss zurückzu-
gehen, da er trotz mancher Aussetzungen im Einzelnen wesent-
lich den von mir aufgestellten evangelienkritischen Grundsätzen
folgt, welche die Weissschen Positionen voraussetzen und in sich
schliessen. Bousset geht auch darin — was von ganz beson-
derer Bedeutung ist — über Weiss hinaus, dass er nicht die
canonische Textgestalt der Evangelien zur Grundlage seiner For-
schungen macht, sondern vielmehr auch die aussercanonischen
Varianten reichlich und zielbewusst in den Kreis seiner Unter-
suchungen zieht.
Ich bin der Meinung, dass ein Jeder, der nicht die Motive
der Weissschen Evangelienforschung in sich verarbeitet hat, ein
Jeder, der nicht im Stande ist, auch mit den allerdings oft schwer-
verständlichen Weissschen Einzeluntersuchungen sich auseinander-
zusetzen, ein Jeder, der diese grossartige Gedankenarbeit ignoriert
oder nur ganz im Allgemeinen streift, anstatt sie mit Gründen
zu widerlegen oder von ihren Schwächen durch innere selbst-
ständige Weiterbildung zu befreien, seiner eigenen Forschungs-
arbeit den grössten Schaden zufügt. So selbstständig ich den
Weissschen Forschungsergebnissen gegenüber zu stehen glaube
und so wenig ich mich scheue, ihre schwachen Punkte blos zu
i(32 Text- und quell enklitische Grundlegungen.
legen, so gerne kehre ich doch immer wieder zu Weiss, be-
sonders zu seinem Marcusevangelium, zurück, so sorgfaltig prüfe
ich immer wieder meine Anschauungen an seinen Darlegungen.
Ich habe es daher auch nicht unterlassen, in den Erläuterungen
zu den aussercanonischen Paralleltexten häufig auf B. Weiss
und seine Untersuchungen Bezug zu nehmen, in der Hoffnung,
seine beiden Werke, die einzigen Bearbeitungen der drei synop-
tischen Evangelien in methodischer Weise und von einheitlichen
quellenkritischen Gesichtspunkten aus, dem Verständniss der
theologischen Mitwelt etwas näher zu rücken.
Nach diesem Rückblick auf die jüngste evangelienkritische
Literatur wiederhole ich nun im Wesentlichen aus § 5 der
Agrapha die Zusammenstellung der evangelienkritischen Grund-
sätze, nach denen die Untersuchungen über die aussercanonischen,
bzw. vorcanonischen Evangelientexte bei Vergleichung mit den
canonischen Evangelien im Nachstehenden zu vollziehen sind.
Evangelienkritische Grundsätze.
1. Die Priorität des Marcusevangeliums. Unter den
drei s. g. synoptischen Evangelien ist das Marcusevangelium am
frühesten entstanden.
2. DieExistenz einer vorcanonischenQuellenschrift.
»Schon vor dem Marcusevangelium existierte eine, ursprünglich
hebräisch (bezw. aramäisch) geschriebene, frühzeitig verlorene,
aber noch von sämmtlichen drei Synoptikern benützte vorcanonische
Evangelienschrift, deren praeponderierender Inhalt in den Reden
Jesu bestand.
3. Die Zweiquellentheorie. Diese beiden Schriften, das
Marcusevangelium und jenes vorcanonische Evangelium, sind die
beiden Hauptquellen, aus denen der Inhalt sowohl des ersten als
des dritten canonischen Evangeliums geflossen ist.
4. Der secundäre Charakter des ersten canonischen
Evangeliums. Das erste canonische Evangelium ist in keinem
Falle eine originale Quelle, auch nicht eine Übersetzung der dem
Apostel Matthäus zugeschriebenen hebräischen Grundschrift,
sondern eine Zusammenarbeitung des Marcusevangeliums, welches
den historischen Rahmen darbot, und des vorcanonischen Evan-
geliums, welches hauptsächlich die — von dem ersten Evangelisten
neugruppierten — Redestoffe lieferte.
§ 5. Die quellenkritischen Grundsätze der Untersuchung etc. (33
5. Der secundäre Charakter des dritten canonischeu
Evangeliums. Auch das dritte canonische Evangelium ist eine
secundäre Verarbeitung des Marcusevangeliums und der vor-
canonischen Grundschrift, deren Redestoffe jedoch Lucas nicht wie
der erste Evangelist umgestaltet und neu gruppiert, sondern
möglichst in ihrer ursprünglichen Lagerung wiedergegeben hat.
6. Der secundäre Charakter des zweiten canonischen
Evangeliums. Aber auch schon das Marcusevangelium ist nicht
eine durchaus originale Evangelienquelle, sondern die älteste Be-
arbeitung der vorcanonischen Grundschrift, welche einerseits durch
die Hand des Marcus viele Kürzungen, namentlich bezüglich der
Redestoffe, erlitten, andererseits durch Einfügung zahlreicher
historischer Details auch nicht wenige Erweiterungen erfahren hat.
7. Die verschiedenen Übersetzungen des vorcano-
nischen Evangeliums. Schon frühzeitig ist die vorcanonische
Quellenschrift aus dem semitischen Grundtext ins griechische Idiom
verschieden übertragen worden, sodass man einen judenchristlichen,
einen lucanisch - paulmischen und einen alexandrinischen Über-
setzungstypus unterscheiden kann.
8. Die früheste Benützung des vorcanonischenEvan-
geliums. Die älteste urchristliche Literatur, sowohl die inner-
canonische als die aussercanonische, ist aus einer reichen Be-
nützung des vorcanonischen Evangeliums hervorgegangen. An
der Spitze der durch das vorcanonische Evangelium beeinflussten
Autoren steht Paulus.
9. Die späteren Nachwirkungen des vorcanonischen
Evangeliums. Sowohl in zahlreichen patristischen Citaten als
in vielen Lesarten des Codex Bezae und in den mit ihm ver-
wandten ältesten Evangelien -Übersetzungen wirkt die vorcano-
nische Quellenschrift mit ihren verschiedenen griechischen Über-
setzungstypen nach, auch nachdem die direkte Benutzung des
vorcanonischen Evangeliums schon längst aufgehört hatte.
Mit Absichtlichkeit ist diese übersichtliche Darstellung der
quellenkritischen Grundsätze für die Erforschung der synoptischen
Evangelien im knappsten Rahmen gegeben, um sie von allem
nicht dringend erforderlichen Ballaste frei und dadurch dem Ver-
ständnisse auch Fernstehender offen zu halten. Indem ich auf die
nähere Charakterisierung jedes einzelnen der drei synoptischen
Evangelien an der Spitze der jedem Evangelium besonders eigen-
64 Text- und quellenbritische Grundlegungen.
thümlichen Texte und Untersuchungen hinweise, halte ich es jedoch
für nöthig, in den nächsten Paragraphen die Forschungsergebnisse
bezüglich des Urevangeliums, seine Ursprache, seine griechischen
Übersetzungen und seine literarischen Nachwirkungen etwas ein-
gehender zu detaillieren, weil hiervon das Verstandniss für
zahlreiche Einzeluntersuchungen, welche bezüglich der ausser-
canonischen Evangelientexte angestellt werden müssen, ab-
hängig ist.
§ 6.
Das vorcanonische Evangelium.
Zu der von der Evangelienkritik ermittelten Thatsache, dass
die drei synoptischen Evangelien Bearbeitungen einer älteren
Quellenschrift sind, bietet die altchristliche und vorchristliche
Literatur noch manche Analogien. Allgemein anerkannt ist es,
dass das apokryphische Buch Henoch mehrere Bearbeitungen
unter den Händen verschiedener Redaktoren erlitten hat. Dass
die Apostolischen Constitutionen aus der Bearbeitung älterer
Schriften entstanden seien, wusste man, bevor die Didascalia,
die Grundschrift der sechs ersten Bücher, und die Jidayi], die
Quellenschrift für die erste Hälfte des siebenten Buches, unserer
Kenntniss zurückgegeben war. Dass die Clementinischen
Homilien und die Recognitionen auf älteren Quellenschriften
beruhen, ist auf Grund alter Überlieferung ein bis in die neueste
Zeit herein immer wieder festgestelltes Forschungsergebniss. Auch
die Sibyllinischen Orakel lassen Ablagerungen aus ver-
schiedenen Zeiten und Redaktionen, welche von verschiedenen
Händen unternommen worden sind, deutlich erkennen. Von den
Actis Pilati, die dem synoptischen Evangelien typus so nahe
stehen, besitzen wir noch heute zwei Hauptrecensionen, welche
in erheblicher Weise von einander abweichen und doch aus einer
gemeinsamen Wurzel hervorgewachsen sind. Dass auch die alt-
testamentlichen Geschichtsbücher ältere Quellen verarbeitet
haben, deuten sie zum Theil selbst an, zum noch grösseren Theil
ist es ein mühsam errungenes, wenngleich im Einzelnen noch
lange nicht abgeschlossenes und namentlich auch in Betreff der
§ 6. Das vorcanonische Evangelium. (55
Altersbestimmung bezüglich der Quellenschriften noch sehr un-
sicheres, Erkenntnissresultat alttestamentlichen Forscherfleisses.
Von den Gesichtspunkten der literarischen Kritik aus,
für welche namentlich bei Geschichtswerken die Frage nach
den schriftlichen Quellen die entscheidende Hauptfrage zu
sein pflegt, ist es an sich nicht nur nichts Befremdliches, sondern
vielmehr etwas in der Sache selbst Gegebenes, auch für die Ge-
schichtsbücher des neutestamentlichen Canons ältere
Quellenschriften vorauszusetzen.
Die Gegner solcher literarischen Quellenkritik machen ge-
wöhnlich geltend, dass zwischen den betheiligten Quellenforschem
in der Regel ein übereinstimmendes Urtheil bezüglich des
Charakters und der Abgrenzung der vorausgesetzten Grund-
schriften nicht zu erzielen sei. Aber solche Einwendung beweist
nur, dass die Urheber derselben mit dem Wesen und der Art
der Quellenforschung nicht vertraut sind. Wie weit gehen z. B.
die Ansichten der Forscher über die nähere Bestimmung des
Quellen Verhältnisses auseinander, welches dem Schriftencomplex
der clementinischen Homilien und Recognitionen den Reiz eines
interessanten Problems verleiht, und doch ist nichts gewisser als
die allgemein zugestandene Thatsache von dem Vorhandengewesen-
sein älterer Quellen. Dadurch also, dass eine Quellenschrift nicht
allenthalben mit absoluter Sicherheit reconstruiert werden kann
und dass man den Quellentext nicht überall aus der späteren Be-
arbeitung reinlich herauszuschälen vermag, wird der Quellen-
forscher in seiner Überzeugung ebenso wenig erschüttert, wie etwa
der Architekt, welcher einen früheren Grundbau in einem späteren
Überbau erkennt, auch wenn die Linien des ursprünglichen Baues
an vielen Stellen für immer verwischt und die Merkmale des
Umbaues einem Laienauge weniger erkennbar sind. Durch fort-
gesetzte Vertiefung in die Probleme, welche die Quellenforschung
darbietet, entsteht nach und nach zwischen den Sachkennern
ein sicheres Einverständniss bezüglich der Hauptpunkte und eine
zuverlässige Basis für weitere Detailforschungen.
Ähnlich liegt der Sachverhalt bezüglich der Quellenschrift,
welche als letzte Instanz der synoptischen Evangelienforschung
sich herausgestellt hat. Der Gesammteindruck der drei ersten
canonischen Evangelien, welchen man ihren „synoptischen"
Charakter nennt, ist derart, dass er die Annahme einer gemein-
Texte und Untersuchungen. X. ■»
6(5 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
sanien älteren Quelle mit Nothwendigkeit fordert, einer Quelle,
welche (im Unterschied von dem johanneisch'en Evangelientypus)
die trotz zahlreicher Differenzen vorhandene stoffliche und sprach-
liche Verwandtschaft der drei synoptischen Evangelien erklärt.
Ist das Bild, welches die verschiedenen Forscher von dieser
Quellenschrift entwerfen, ein vielfach schwankendes, so scheint
es um so nöthiger — was nur allzusehr versäumt worden ist — ,
die Instanzen, welche zur Reconstruktion jener Quellenschrift
hinleiten, in einer so übersichtlichen Darstellung vorzuführen,
dass jedem denkenden Leser eine Nachprüfung der ein-
schlagenden Probleme ermöglicht werde.
Die Instanzen für die Reconstruktion der vorcano-
nischen Evangelienquelle.
1. Sämmtliche im Marcusevangelium fehlende Parallelen
zwischen Lucas und Matthäus.
2. Die Redestoffe (und namentlich auch die Gleichnisse),
welche Matthäus allein hat.
3. Die Redestoffe, welche sich allein bei Lucas finden,
darunter ebenfalls sämmtliche Gleichnissreden.
4. Zahlreiche Erzählungs- und Redestoffe, welche allen
drei Synoptikern gemeinsam sind, besonders die von
B. Weiss ausgezeichneten.
5. Eine Anzahl echter Agrapha, d. h. aussercanonische Reste
der vorcanonischen Urschrift.
6. Die synoptischen Parallelen in den canonischen
Lehrschriften einschliesslich der Apokalypse.
Dazu kommen noch als subsidiäre Indicien:
7. Alle hebraisierenden Texte, welche auf einen hebräischen
Urtext zurückweisen.
8. Solche variierenden Ausdrucksweisen in den drei synoptischen
Bearbeitungen der Urschrift, welche als verschiedene
Übersetzungen eines gemeinsamen hebräischen
Urtextes sich erklären lassen.
9. Diejenigen aussercanonischen Lesarten im Cod. Bezae, in den
alten Versionen, in den patristischen Evangeliencitaten,
welche auf dieselbe Weise als Übersetzungsvarianten
sich erklären.
§ 6. Das vorcanonische Evangelium. 67
Zur Erläuterung dieses Instanzen- Verzeichnisses mögen fol-
gende Bemerkungen dienen.
1. Nicht die den drei Synoptikern gemeinsamen Evangelien-
stoffe haben Veranlassung zur Entdeckung der vorcanonischen
Grundschrift gegeben, sondern diejenigen Parallelen, in welchen
der erste und der dritte Evangelist zusammentreffen, ohne dass
Marcus dabei ist. Nämlich in denjenigen Parallelen, in welchen
alle drei Synoptiker zusammenstimmen, ist zunächst Marcus als
Quelle für die beiden anderen Evangelisten erkennbar. Ob da-
hinter noch eine ältere Quelle steckt, aus welcher schon Marcus
schöpfte, konnte auf der ersten Entwicklungsstufe dieser evan-
gelischen Quellenkritik noch nicht entdeckt werden. Wenn aber
erst einmal festgestellt war, dass unser Marcusevangelium eine
Hauptquelle für die beiden anderen Evangelisten und eine Haupt-
ursache für die Entstehung des synoptischen Evangelium-Sche-
mas l) gewesen ist, so ergab sich mit Notwendigkeit für die-
jenigen synoptischen Evangelienstoffe, in denen Lucas und
Matthäus zusammentreffen, ohne von Marcus abhängig zu sein,
die Annahme einer zweiten Hauptquelle. Damit war die s. g.
Zweiquellentheorie, und, da die im Marcusevangelium fehlenden
Parallelen zwischen Lucas und Matthäus hauptsächlich Redestoffe
enthalten, die Charakterisierung jener zweiten Quelle als einer
Redesammlung oder doch einer solchen Evangelienschrift,
welche die Reden Jesu zum Hauptinhalt hatte, gegeben. Einem
jeden, welcher ein selbstständiges Urtheil auf dem Gebiete der
evangelischen Quellenforschung gewinnen will, ist zu rathen,
dass er sich selbst an der Hand des Marcus ein genaues Ver-
zeichniss derjenigen Parallelen anlege, in denen alle drei Syn-
optiker übereinstimmen, und dann ein zweites Verzeichniss, in
welchem an der Hand des Lucas alle diejenigen Parallelen
einzutragen sind, welche Lucas mit dem ersten Evangelisten,
aber nicht mit Marcus gemeinsam hat. Dieses zweite Ver-
zeichniss versetzt uns in den Moment, in welchem die Entdeckung
der vorcanonischen Quellenschrift stattfand. Denn da für
die Lukas- und Matthäusparallelen, welche mit Marcus Hand in
1) Nicht des synoptischen Evangeliencharakters, der von Marcus
vielmehr alteriert, durch Lucas und den ersten Evangelisten, wo sie von
Marcus unabhängig sind, viel besser conserviert ist.
5*
ßg Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Hand gehen, eben das Marcus evangelium als canonische Quelle
festgestellt war, musste die zweite Quelle, aus welcher der erste
und dritte Evangelist neben der Marcusquelle geschöpft hatten,
unausweichlich als eine vorcanonische Evangelienschrift er-
kannt werden. Wie nun diese bei Marcus fehlenden Lucas- und
Matthäus-Parallelen den ersten Anstoss zur Entdeckung des vor-
canonischen Evangeliums gegeben haben, so bilden sie heute
noch den Grundstock für die Reconstruktion des Urtextes jener
Quellenschrift und zur Erkenntniss ihres schriftstellerischen
Charakters. (Chr. Herrn. Weisse und Holtzmann repraesen-
tieren im Wesentlichen dieses erste Stadium der evangelischen
Quellenforschung.)
2. Es ist von vornherein nicht wahrscheinlich, dass im
ersten und im dritten Evangelium genau nur diejenigen Stoffe,
in welchen beide Evangelisten zusammentreffen, aus jener vor-
canonischen Quelle stammen sollten; vielmehr ist anzunehmen,
dass jeder der beiden Evangelisten ausserdem noch manche an-
dere urevangelische Elemente aus jener vorcanonischen Quelle
in seine Schrift aufgenommen haben wird, und da jene vor-
canonische Quelle hauptsächlich in der Wiedergabe der Herren-
reden sich bewegte, so sind von vornherein alle diejenigen Reden
und namentlich auch Parabeln Jesu, welche jeder der beiden
Evangelisten für sich allein hat, daraufhin anzusehen, ob sie
ebenfalls als Bestandtheile der vorcanonischen Quelle zu reco-
gnoscieren sind, wobei als selbstverständlich vorauszusetzen ist,
dass jeder der beiden Evangelisten solche Elemente aus jener
Quelle herübergenommen haben wird, welche dem Plane, den er
bei Abfassung seiner Schrift verfolgte, am besten sich einfügten.
Was nun zunächst den ersten Evangelisten anlangt, so geht
meine Überzeugung dahin, dass mit wenigen Ausnahmen sämmt-
liche Jesusreden des ersten Evangeliums, zu welchen bei Lucas
und Marcus sich keine Parallelen finden, gleichfalls aus der vor-
canonischen Grundschrift geflossen und in einer dem Plane des
ersten Evangelisten entsprechenden Neu gruppier ung seiner Schrift
einverleibt worden sind. Im Wesentlichen ist dies auch die
Meinung von B. Weiss, dessen Buch: Das Matthäus evangelium
und seine Lucas-Parallelen über die sub 1 und 2 benannten Instan-
zen verhältnissmässig am besten orientiert.
3. Im Lucasevangelium finden sich ebenfalls zahlreiche Par-
§ 6. Das vorcanonische Evangelium. 69
tien, welche diesem Evangelium ausschliesslich angehören. Über
manche derselben hat Weiss in der ebenerwähnten Schrift nebenbei
sich ausgesprochen. (Man vgl. z. B. S. 4S0, wo das Gleichniss
vom barmherzigen Samariter, Lc. 10, 29—37, ebenfalls auf die
vorcanonische Quelle zurückgeführt wird.) Aber in den meisten
Punkten lässt dieses Buch von Weiss bezüglich eines sichern
Urtheils über die Herkunft der ausschliesslich bei Lucas zu fin-
denden Evangelienstoffe uns im Stich. Um Vieles besser orien-
tiert in dieser Hinsicht durch seine Schrift: Der Inhalt der Lehre
Jesu. I. Theil. Kritische Untersuchungen — Wen dt, welcher
zwar nicht die ins Detail eindringende Akribrie eines B. Weiss
an den Tag legt, dagegen in übersichtlichen Paragraphen den
Context der Logia oder des Urevangeliums nach den unter 1 — 3
aufgeführten Gesichtspunkten reconstruiert. Und wenn auch
diese Reconstruktion, namentlich wegen- Nichtberücksichtigung
der Weiss'schen Forschungsergebnisse bezüglich des Marcusevan-
geliums, eine unvollständige bleibt, so ist sie doch für jeden,
der in den Gang der evangelischen Quellenforschung einzudringen
sucht, äusserst instructiv. Namentlich aber stimme ich darin
mit Wen dt überein, dass er fast sämmtliche Redestoffe, welche
ausschliesslich im dritten Evangelium sich finden, ebenfalls zum
Context der Logia gezogen und als Bestandteile der vorcano-
nischen Quelle anerkannt hat.
4. Ein viel vollständigeres, wenn auch m. E. immer noch
nicht abschliessendes, Bild der vorcanonischen Grundschrift würde
Wendt entworfen haben, wenn er seinem Wiederaufbau der
Quellenschrift auch diejenigen Texte eingefügt hätte, welche B.
Weiss in seiner Schrift: „Das Marcusevangelium und seine
synoptischen Parallelen" — als Ausflüsse der vorcanonischen
Quelle — auch durch besonderen Druck — gekennzeichnet hat.
Diese Schrift ist nach meinem Urtheile eine der bedeutendsten
auf dem ganzen weiten Gebiete der Evangelienforschung. Durch
diese Schrift ist der entscheidende Schritt vorwärts gethan, welcher
nöthig war, um die Räthsel der synoptischen Frage vollends der
Lösung entgegenzuführen. Auf Grund einer wohl ausgebildeten
Gesammtanschauung von Stil und Charakter der „aposto-
lischen Quelle", welchen Ausdruck er am liebsten gebraucht,
einerseits, und mit Hilfe einer bis ins Einzelnste eindringenden
Quellenaualvse andrerseits ist AVeiss zu der bahnbrechenden Er-
7Q Test- und quellenkritische Grundlegungen.
kenntniss durchgedrungen, dass auch zahlreichen Partien, zu
welchen bei allen drei Synoptikern Parallelen mitgetheilt sind,
die vorcanonische Quellenschrift zu Grunde liegt, dass also schon
Marcus diese Quelle benutzt hat, dass folglich die anderen beiden
Evangelisten an vielen Stellen zu gleicher Zeit von ihren
beiden Quellen, der Marcusquelle und der noch älteren Logia-
quelle, beeinflusst sind, dass beide nicht selten den einfachen
älteren Quellentext der complicierteren und mit manchen Details
ausgeschmückten Darstellung des Marcus vorgezogen, ja manche
Dicta Jesu auch aus beiden Quellen, einmal aus dem ursprüng-
lichen Contexte, das andere Mal aus dem neugeschaffenem Con-
texte des Marcus, wiedergegeben und so die bekannten „Doublet-
ten" erzeugt haben, wie denn überhaupt Marcus seiner Pragmatik
zu lieb manche Umstellungen oder Umschaltungen der urevange-
lischen Stoffe vorgenommen und durch diese seine Pragmatik
namentlich den ersten Evangelisten beeinflusst habe.
In allen diesen Forschungsergebnissen hat Weiss im Wesent-
lichen das Richtige gefunden, nur dass er in der Anwendung
seines Prinzips noch nicht weit genug gegangen ist. Der secun-
däre Charakter des Marcusevangeliums ist immer noch
nicht genügend herausgestellt. Noch gibt es zahlreiche —
allen drei Synoptikern — gemeinsame Partien, von denen Weiss
nicht erkannt hat, dass das vorcanonische Evangelium dazu die
letzte Quelle bildet. Auch hat Marcus seiner Pragmatik zu
liebe mehr Umschaltungen der urevangelischen Stoffe vorge-
nommen, als Weiss solche gekennzeichnet hat. (Man vgl. dar-
über die Vorbemerkungen zu den Paralleltexten des Marcusevan-
geliums.)
5. Wenn man das vorcanonische Evangelium mit einem
Steinbruch vergleicht, welcher das Material zu den wohnlichen
Gebäuden der drei canonischen Evangelien geliefert hat, so ist
anzunehmen, dass bei dieser Bauarbeit auch einzelne Bruch-
steine übrig geblieben sind, welche von fremden Händen
aufgelesen und weiter gegeben worden sind. Solche Bruchsteine,
solche vereinzelte Reste des vorcanonischen Evangeliums, sind
die Agrapha, welche ich in meiner vorigen Schrift zu sammeln
versucht habe. Nicht wenige der in diese Sammlung aufge-
nommenen Herrensprüche erweisen sich durch ihren ausgeprägt
synoptischen Charakter, durch ihre Congenialität mit den übrigen
§ 6. Das vorcanonische Evangelium. 71
Herrenreden, durch ihre oft den Wortlaut streifende Verwandt-
schaft mit apostolischen Aussprüchen mit Bestimmtheit als Aus-
flüsse derselben Quelle, aus welcher die synoptischen Evangelien
stammen, und bilden daher einen werthvollen Ergänzungsstoff,
wenn es gilt, die vorcanonische Evangelienschrift möglichst voll-
ständig zu reconstruieren 1).
6. Wenn nachgewiesen werden kann, dass nicht blos die
canonischen Evangelien, sondern auch die übrige canonische
Literatur eine reiche Benutzung der vorcanonischen Evangelien-
schrift voraussetzt, so wird vice versa das Zusammentreffen
evangelisch-synoptischer Texte mit apostolischen Aussprüchen
eine Instanz, welche auf die gemeinsame ältere Quelle zurück-
weist. Und wenn bezüglich der aussercanonischen Evangelien-
fragmente, der sogenannten Agrapha, dieselbe Wahrnehmung
einer engen Verwandtschaft mit den apostolischen Lehrschriften
uns entgegentritt, wenn endlich auch die aussercanonischen, bzw.
vorcanonischen Paralleltexte zu den Evangelien in einer ganzen
Anzahl von Fällen viel tiefer in diese Verwandtschaft mit den
apostolischen Schriften hineinblicken lassen, als die späteren
recensierten Evangelientexte, so wird diese Übereinstimmung
mit den canonischen Lehrschriften ein weiteres — und dabei be-
sonders wichtiges und zuverlässiges — Indicium, um die ge-
sammte canonische und aussercanonische Evangelien -Überlieferung
darauf hin zu prüfen, ob und wie weit dieselbe aus einer Urquelle
stammt, die älter ist als die apostolischen Lehrschriften und älter
als die synoptischen Evangelien- Bearbeitungen. Um zu zeigen,
dass wir hier keinem Phantom nachjagen, sondern festen Boden
unter den Füssen haben, will ich mit Rücksicht darauf, dass
mein Werk: „Die canonischen Evangelienparallelen", welches
dieses Gebiet der Evangelienforschung ex professo behandelt,
erst nach vollständiger Veröffentlichung der „Aussercanonischen
Paralleltexte" wird erscheinen können, eine Anzahl von Beispielen
vorführen.
1) Als solche bezeichne ich besonders die Logia 2. '■). 4. 7. 9. 12. 13.
14 IG. 17. 21. 22. 23. 27. 28. 29. 30. 31. 33. 34. 36a. 39—43. 45. 47—51.
58. 66. 67. 70. Für die übrigen Agrapha. für welche ich nur eine mehr
oder minder grosse Wahrscheinlichkeit der Echtheit in Anspruch nehme,
habe ich die Untersuchung anzuregen gewünscht.
72 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Rom. 2, 19.
Mt. 15, 14. atphxa avxovq' odqyoi eiöiv rvpZoi xv<pAö)V.
Rom. 2, 19. jiexoi&aq xs oeavrov oöi]yov eivcu xvcplmv.
Rom. 3, 8.
Hom. Clem. XII, 29. pag. 130. o öh alrftdaq jiQopijXtjq eg>Tj'
xa dya&d tX&zlv Ö£l, [laxägioq Ö£, tyrjoiv, öi ov hoyjExac
ouoioiq xai xa xaxa äväyx?] el&Elv, oval öh öi ov hoyexai.
Rom. 3, 8. xad-oyq cpaolv xweq ?jfiäq At'ysiv oxt jcoi?/Oo)fi£V xa
xaxa, Iva ekd-i] xa. aya&ä.
Agrapha S. 101. 152. 179 f.
Rom. 6, 3.
Const. V, 7. p. 137. Xaßovxtq svvoXfjv iiaQ avxov . . . ßajtxiöai
£iq xov avxov frdvaxov.
Rom. 6, 3. rj äyi'oslxe oxi oooi eßajixio&tjfisv dq Xqiöxov V/y-
öovv, slq xov frdvaxov avxov eßajcxio&f] fiev;
Agrapha S. 101. 152 f.
Rom. 8, 14.
Ephraem Syr. Ev. conc. expos. ed. Mösinger p. 63. sicut et dicit:
Qui spiritu ambulant, hi sunt filii Dei.
Rom. 8, 14. 0601 yaq jtvsvfiaxi freov ayovxai. ovxoi vlol
#£Ov sioiv.
Agrapha S. 2981
Rom. 8, 15.
Mc. 14, 36. xai tXtytv' aßßä 6 jiaxr'jQ.
Rom. 8, 15. Iv q? xna^ofitv aßßä o jiaxiJQ.
Rom. 8, 26.
Mt. 20, 22 (== Mc. 10, 38). djioxoi&äq öh 6 'Irfiovq rijisv ovx
o\öax£ xi alxelo&e.
Rom. 8, 26. xo yäo xi jtQooevgcofis&a xa&6 öh ovx olöafiEV.
Rom. 11, 25. 26.
Euseb. in Lc. 7, 29. 30. ol xtXwvai xai al jiöovai xai jtäv xo~>v
djthxojv e&vcjv xdyfia xgoayovGiv vfiäq (= Mt. 21, 31.).
Lc. 21, 24. dyoi ov jilijocod äoir xaiQoi iüvcöv.
§ 6. Das vorcanonische Evangelium. 73
Rom. 11. 25. 26. jicöomGig ajto fiEQOvq rm 'iGoatjX yiyovsv
ayQig ov ro jtX?jQcofirc rcör i&vcöv HGeZfry xal ovratg
nag 'iGoai/X God-)] Gerat.
Rom. 13, 7.
Ephraem S. Ev. concord. expos. ed. Mos. p. 193. dicit: date Caesari,
quod est Caesaris, sed Deo, quod debetis, reddite ei.
Rom. 13, 7. ajtoÖore Jtäöiv rag örpetXäg, reo rov <pooov rov
tpooov xrX.
Rom. 14, 10.
Mt. 25, 31. röre xa&ioet hei üoövov öosqg avrov. xal Gvvay-
{r?jGezai eitjtooGd-ev avrov jtävra ra ed-vr/.
Rom. 14, 10. jtavreg yäo Jtaoa6r7j<j6lu6&a ßtjfian rov XotGrov.
Rom. 16, 19.
Mt. 10, 16. ytveGfre ovv (poövtfiot mg ol b(petg xal axeoatot a>g
al jiEQiGrsQai.
Rom. 16, 19. freXm de vtuäg Go<povg eivat dg ro äyaftov, axe-
Qalovg 6h eig ro xaxöv.
1. Cor. 1, 22.
Lc. 11, 29. r) yevea avrrj yevea jtovr/Qa eortv Grjfietov C,rjrel.
Marcion ad Lc. 11, 29. i) yevea avrrj G?jtuelov airsl.
1. Cor. 1, 22. ejtetdr) xal 'Iovdaloi Gisela airovGtv.
Mt. 12, 39 = Mt. 16, 4.
1. Cor. 4, 1. 2.
Cod. Colbert. ad Lc. 12, 42. Quisnam est servus fidelis, dis-
pensator sapiens et bonus?
1. Cor. 4, 1. 2. ovtcog rjfiag XoytCeO\)oj av&oojjcog ojg vjtijQerag
XyiGrov xal oixovofiovg (ivGrr]oiojv &eov' aide XotJtov
ty/retrat ev rolg oixovoyioig, tva jciGrog rtg evoe&>~-
Lc. 12. 42 = Mt. 24. 45.
1. Cor. 4, 12.
Ep. ad Diogn. V, 15. p. 158. Xoidooovrrat xal evXoyovGtv.
Hom. Clem. XII, 32. p. 132. xal Xoidooovrrai evXoyeiv.
1. Cor. 4, 12. Xo(öooovtuevot evXoyoviiev.
Lc 6, 2S. evXoyelre rovg xaraooi/Jt'voug \\uäg.
1. Petr. 2. 2Ü: :!. 9.
74 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
1. Cor. 7, 10.
Clem. AI. Strom. II, 23, 144. p. 506. t] YQcap?) — vofio&exel' ovx
ajcoXvGsig yvvalxa üiXrp d p) ejcl Xöyco TiOQvtiag.
1. Cor. 7, U>. xolg de yeya^xoGiv xaQayyiXXco, ovx eyco dXXo
6 xvQiog, yvvalxa djio dvÖQog fif] ycooiGfrf/vai.
Lc. 16, 18 = Mt. 5, 32; 19, 9 = Mc. lü, 11.
1. Cor. 10, 27.
Lc. 10, 8. Ig & lere xd jcaQaxi&efieva vfilv.
l.Cor. 10, 27. Jtäv xo xaQaxi&efievov vy.lv eG&iexe.
1. Cor. 11, IS. 19.
Didasc. VI, 5. p. 323. cug xal o xvqioq xal gcoxt)q i][icov £<pf],
ort sGovxai aloeGeig xal G%iGfiaxa.
1. Cor. 11, 18. 19. dxovco oyiGfiaxa kv vfilv vnaoyuv, xal fitQog
xi jiigxsvco' del yäo xal algeGsig sv vfüv sivai.
Agrapha S. 105. 173 ff. 2S4.
1. Cor. 11, 23-25.
1. Cor. 11, 23 — 25. lyco yao jcaQtXaßov djco xov xvq'lov, o xal
Tcaotöojxa vfilv, oxi o xvQiog 'h/Govg iv xy wxxl t) jiag-
tdiöoxo eXaßsv agxov xal tvyaQiGxr/Gag sxXaGsv xal
eijtsv xovxo fiov hoxlv xo Gcöfia xo vjisq vficov [xXco-
f/svov = &QVJix6[ievov\' xovxo jtoislxs sig xrjv t[u)v
avdfivr]Giv. coGavxcog xal xo tcoxtjqlov (iexä xo öei-
xvTjGai Xiycov xovxo xo jzox?]qlov r) xaivrj öia&?'jxi]
iGxlv kv xcß eficö al'fiaxL' xovxo Jtotelxe, oGaxig av
jiivqxs, elg xrjv sfitjv avdkuvt]Giv.
Lc. 22, 19. 20 = Mt. 26, 26—28 = Mc. 14, 22-24.
1. Cor. 11, 26.
Const. VIII, 12. p. 255.
oGaxig yaQ av söd-lrixe xov agxov xovxov xal xo
jtox7]Qcov xovxo jc'lv7jxs, xov ftdvaxov xov ifiov xa-
xayytXXsxs.
1. Cor. 11, 26. oGaxig ydg av ko&hjxs xov agxov xovxov
xal xo üioxt\qlov jcivrjXB, xov ftdvaxov xov xvq'lov
xaxayytXXexs, ayjgi ov eXd-q.
Agrapha S. 105 f. 178 f. 284.
§ 6. Das vorcanonische Evangelium. 75
1. Cor. 12, 28.
Lc. 11, 49. djcoOxeXco eig avzovg JiQocptjxag xal djcooxoXovg.
Mt. 23, 34. djioöxeXXa> noög vfiäg üiQoq>i)xag xal öocpovg xal
ygafifiaxelg.
1. Cor. 12, 28. ovg y.ev e&exo o &eog ev xr\ exxXrjöla üiqwxov
djtooxoXovg, öevxegov jcgo(prjxag, xq'lxov öiöaoxdXovg.
Eph. 4, 11. xal avxog [sc. o Xoiöxog] eöooxev xovg [ihv djiooxo-
Xovg, xovg öe jcooyfjxag, xovg öe evayyeXiGxdg, xovg de
jcoifievag xal ÖiöaoxdXovg.
1. Cor. 13, 13.
Macarius Hom. XXXVII, initio.
xov xvqiov Xeyovxog' ejcifieXelö&e jtioxeoog xal eXjtlöog,
6i mv yevväxai ?] (piXo&eog xal <piXdvfroa)jcog dydjttj rj
xrjv alcoviov tjcorp Jiaoexovöa.
1. Cor. 13, 13. vvvl öe fievei jtlöxig, kXjclg, aydjtt], xä xgia
xavxa' [lel^cov öe xovxcov // dydjt?].
AgraphaS. 106 f. 179 ff. 284 ff.
2. Cor. 1, 17.
Just. Apol. I, 16. p. 63 D. eöxca öe vfimv xo val val, xal xo
ov ov.
2. Cor. 1, 17. iv a \] üiag tfiol xo val val, xal xo ov ov.
Mt. 5, 37.
2. Cor. 10, 1.
Ephr. Syr. Opp. I, 149 C.
oxt 7]6v%6g elfii, üigavg xal ejtieixt)c xal xajteivog x[]
xagöia.
2. Cor. 10, 1. jraoaxaXäJ vfidg öid xrjg jtoavxrjxog xal em-
eixelag xov Xqioxov, og xaxd jiqoöoojcov [ihv xajteivog.
Mt. 11,29.
Gal 1, 16.
Mt. 16, 17. oxl ödog xal aifia ovx djtexdXvxpev öot aXX' o
ütaxi]Q fiov o ev xolg ovoavotg.
Gal. 1, 16. ajtoxaXvipai xov vlöv avxov iv e/iol ev&emg
ov jrQOöaved^t'fitjv oaoxl xal ai'fiaxi.
76 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Gal. 4, 6.
Mc. 14, 36. xal sXsysv' aßßä 6 jtax/jo.
Gal. 4, 6. xoätov aßßä 6 jraxr/Q.
Gal. 4, 14.
Mt. 10, 40. o öeyofisvoq vfiäg Efih dtysrai.
Gal. 4, 14. edsgao&e [ie cog Xqiöxov 'ItjOovv.
Gal. 5, 14.
Just. Dial. c. Tryph. c. 93. p. 321 A. xal xbv jtXtjoLov öov oog
öEavxbv . . . ev övoiv kvxoXalg Jtäoav öixaioövvtjv xal
EvoißEiav jtXrjgovo&at.
Gal. 5, 14. o yäg jtäg vofiog ev evI Xbyop TCEjtXtjQooxai ev xop'
ayajtr/OEig tov jiX?/6iov oov cog ösavxov.
Mt. 22, 39. 40. Rom. 13, 8.
Eph. 3, 15.
Clem. AI. Fragm. § 20. p. 994. <p?]olv 6 xvQiog . . . . hv de ovga-
volg o jiaztjg, e£- ov jiäöa jiaxota ev xe ovgavolg
xal etcI xfjg yijg.
Eph. 3, 14. 15. JtQog xbv jiaxEQa, !§ ov jtäöa jiaxoiä ev
ovoavoic xal sjcl ytjg bvofiä^Exai.
AgraphaS. 109 f. 207 ff.
Eph. 4, 26.
Dial. de recta fide Sect. I. pag. 813 C.
ev xop EvayysXiq) sivai xb' rjXiog (i?) ejiiÖvexco snl xcp
JcaooQyiöfKp vftcöv.
Eph. 4, 26. 6 rjXiog /itj eüilövexoo sxl naoogyiöfiop vfioov.
AgraphaS. 110. 210 ff.
Eph. 4, 27.
Hom. Clem. XIX, 2. p. 178. xal aXXo&i Icprf . . . fii] öoxe Jtgb-
<paöiv xop 6 ia ßb Xop.
Eph. 4, 27. [17]Öe öIöoxe xbnov xop öiaßoXop.
AgraphaS. 110. 211 f.
§ (x Das vorcanonische Evangelium. 77
Eph. 4, 30.
Pseudo-Cypr. de aleat. c. 3. monet dominus et dicit: nolite con-
tristare spiritum sanctum, qui in vobis est, et nolite
exstinguere lumen, quod in vobis effulsit.
Eph. 4, 30. xal [irj Xvjcelzs xo jcvsvfia xo ayiov xov &£Ov,
AgraphaS. 111. 215 ff.
Eph. 4, 32.
Just. Apol. I, 15. p. 62 E. yiv£ö&£ öh xgrjoxol xal olxxlQfiOVsg,
coq xal 6 jrari]Q \;;rcv xgrjOxöq loxi xal oixx'iQ[iaiv.
Eph. 4, 32. yivEG&E ös äq äZfojZovq xq^ötol, £vöjtZayxvoi.
Lc. 6, 36.
Phil. 2, 8, 9.
Lc. 14, 11. 6 rajceivwv tavxov vipco&rj Ostac
Phil. 2, 8. 9. kxajc£lva)G£V tavrov . . . öiö xal 6 &£oq avxov
VJlEQVtyQOOeV.
Lc. 18, 14 = Mt. 23, 12.
Phil. 2, 15.
Mt. 5, 14. vfisig ioxh xo g>65q rov xoOfiov.
Phil. 2, 15. <f;aiv£0&£ wq <pa>Gxrjgtq xov xoOfzov.
Phil. 3, 20.
Just, de resurr. c. 9. p. 594 E. xafrcoq EiQtpcev ev vvgavcö xt)v
XaXolxtjGlV 1]{IG)V VJCCCQXSIV.
Phil. 3, 20. rjfidiv yag jtokixevfia ev ovgavolq vjtag%£t.
Agrapha S. 114. 229 f.
Phil. 4, 4.
Macar. Hom. V, 6. ex codice mscr. Graeco No. 16. Bibl. Bero-
lin. Migne p. 502. et xtq ti-dlu omOco f/ov eXd-elv , auiag-
vt]GaG&co eavxov xal ägäxco xov oxavgov avxov xaft tjftdgav
Xaigmv xal axoZovfrdxco fioi.
Phil. 4. 4. %aiQ8X£ Iv xvgiro jtävxox£.
Phil. 4, 6.
Lc. 12, 22. öta xovxo Xdya vfiiv, (ivj fiegifiväxs.
Phil. 4, 6. {i?/ötv iiegifiväxe.
Mt. 6, 25.
78 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Col. 4, 6.
Lc. 14, 34. xalov xo aXag' sav de xal xo alag ftcoQav&y, sv
rlvi ccQrv&ijöSTai;
Col. 4, 6. o Xoyog vfioov üiavxoxs sv yaoixi, aXaxi tJQXvfisvog.
Mt. 5, 13. Mc. 9, 50.
1. Thess. 5, 2.
Epipli. Haer. LXIX, 44. p. 767 A. xo vjc avxov xov xvqiov si-
qijuevov . . . cog yaQ Xyöxrjg sv vvxxi, ovxcog jiaoayivs-
xai i] TJiisQa.
1. Thess. 5, 2. avxol yaQ axQißcog oiöaxs oxi ?jiisQa xvqiov cog
xXtJtxtjg sv vvxxl ovxcog SQXsxai.
1. Thess. 5, 3.
Lc. 21, 34. 35. xal sjtiöxfi scp* vfiag alcpviÖiog fj t/fisga sxsivt]
cog Jtayig.
1. Thess. 5,2. xoxs aicpviöiog avxolg scploxaxai oXs&Qog
COOülSQ ?j coöiv.
1. Thess. 5, 13.
Mc. 9, 50. xal eigrjvsvexs sv dXXyXoig.
1. Thess. 5, 13. sIqi]vsvsxs sv tavxolg.
1. Thess. 5, 17.
Ephraem Syr. Opp. II, 227 D. öid xovxo scpi] rj/ilv 6 xvgiog-
yQijyoQsixs, ösöfisvoi aötalsijcxcog.
1. Thess. 5, 17. dÖiaXsljrxcog jioooevysö&s.
Vgl. Lc. 21, 36.
1. Thess. 5, 21. 22.
Orig. in Matth. Tract. 27. Num. 33. Opp. III, 852. Vere enim,
qui implet illud mandatum, quod ait [sc. Christus]: Estote
prudeutes nummularii, et illud quod ait: Omnia probate,
quod bonum est, tenete, ab omni specie mala absti-
nete vos.
1. Thess. 5, 21. 22. jiavxa 6s doxi{iaC,sxs, xc xaXbv xaxs-
%sxs, ajto jtavxög tlöovg jiovrjQov djtsxsö&e.
Vgl. Agrapha S. 116 ff. 233 ff.
§ 6. Das vorcanonisehe Evangelium. 79
l.Tim. 1, 15.
Lc 19, 10. r/X&sv ydg 6 vlog xov avÖQcojiov £r/x?]6at xal
öcoöai xo duioXmXog.
1. Tim. 1, 15. jciöxog 6 Xoyog xal jzäö?]g djcodoyfjg afyog oxi
Xgiöxög 3lr]Oovg i]Xd-tv sig rov xoOfiov dfiagxojXovg
Gcäoai.
1. Tim. 2, 5. 6.
Mt. 20, 28. 6 vlog rov äv&gcojiov ovx i/Xfrev diaxovrftH)vai, dXXd
öiaxovTJöai xal dovvai xr\v tyvyjjv avxov Xvxgov dvxl
jtoXXcöv.
1. Tim. 2, 5. 6. avd-Qconog Xgiöxog 'ifjöovg 6 öovg tavxov dvxl-
XVXQOV VJtSQ jtävxow.
1. Tim. 5; 18.
Mt, 10, 10. a^iog ydg 6 lgydxr\g xr\g XQO<p?jg avxov.
Lc. 10, 7. dt-iog ydg 6 egydxtjg xov [iiöftov avxov.
1. Tim. 5,sli. Xiyu ydg i] ygag)?} .... a£,iog 6 igydxtjg xov
[iiöfrov avxov.
2. Tim. 2, 12.
Mt. 10, 33. oöxig tf av dgv?]Otjxai fce efijigoöfrsv xcöv dv&goi-
jcodv, aQVfjöofiai xayco avxov.
2. Tim. 2, 12. et dgv7)6o[ie&a, xdxeivog dgvr/Oexai r)(iag.
Vgl. Lc. 12, 9.
2. Tim. 2, 19.
Const. II, 54. p. 81. xad-mg yiyganxai' xolg iyyvg xal xolg fia-
xgdv, ovg eyva) xvgiog ovxag avxov.
2, Tim. 2, 19. o fievxoi oxegsdg ftefieXiog xov &sov eux?jx£v,
eyoiv xt)v öygayiöa xavxijv syvm xvgiog xovg ovxag
avxov.
Vgl. Agrapha S. 109. 204 ff. 288.
1. Petr. 1, 8.
Eus. H. E. I, 13, 10. yayganxai yäg jisgl eftov, xovg ta>ga-
xoxag (ie fit/ jciOx evösiv ftoi, xal iva ol fif) hwgaxoxsg
avxol JiiOxsvöcoOi xal Cqöovxat.
gO Text- und quellenkritische Grundlegungen.
1. Petr. 1, 8. ov ovx Idövxeg ayandxe, dg ov aqxi fi?} oqcövtsq
7iiox£vovxeg de ayalZiäo&e xaQV dv£xXaXi\xco.
Vgl. Agrapha S. 462 f.
1. Petr. 4, 14.
Mi 5, 11. fiaxagioi eoxe oxav oveidiccooiv vfiag . . . evsxsv
tiiov — Syr. Cur. dia xo ovofic't [iov.
1. Petr. 4, 14. ei öv£tdi C.£0&£ Iv ovdfiaxi XqiOxov, fiaxd-
qlol.
Vgl. Lc. 6, 22.
1. Petr. 3, 14.
Mt. 5, 10. fiaxdgiot ol deöuoyfuvoi tvexev dixaioovvtjg.
Const. V, 2. p. 126. xal vfiäg xaiQ£XS *<*vxa jcdöxovxeg, öxi
fiaxctQtoi ysvrjGeo&s iv ixeivi] xfj r/fiega.
1. Petr. 3, 14. äAZ* ei xal oiäoxoixe did dixaioOvvijv, fia-
XCtQlOl.
Jac. 2, 13.
Ephraem Syr. Opp. 1, 30 E. xai ftaxdgioi ol £X£?}öavx£g, ort
ixet eterftt'jöovTai, xai' oval xoig (irj eX£?]öaöiv, oxi ovx
hX£ri^/jOovrai-
Jac. 2, 13. rj ydg xgiöiq dviXeog reo fi?) jcoirjöavxi IXmg.
Jac. 4, 17.
Lc. 12, 47. ixüvog 6 dovXog o yvovg xo &£Xt][ia xov xvgiov
avxov xal fii) txoifidoag i] üioif\6ag Jtgog xo &£h](ia av-
xov, 6aQTjO£xai jcoXXäg.
Orig. in Jerem. Hom. XVI, 7. dovXog 6 adrig xo &eXrj(ia xov
xvgiov xal fi?) xoirjOag xaxd xo 9-tXt/fia avxov dagrjö£xai
. . JtoXXdg.
Jac. 4, 17. ddoxi ovv xo xaXov xoielv xal [irj jtoiovvxi
afiagxia avxcp iöxiv.
Jac. 5, 12.
Mt. 5, 34. 35. 37. eya) de Xiyco vylv fi?) ofioöai oXcog' {u?jxe
iv xcß ovgavcö . . . (irjx£ iv xij y(] . . . eotco de 6 Xo-
yog vficöv val val, ov ov.
§ 6. Das vorcanoniscke Evangelium. gl
Jac. 5, 12. xgo Jtdvxcov 6s, dösZyoi (iov, /irj ofivvsze, tu?/xs
xov ovgavov (i?]xe xi\v y?jv (irjxs aXXov xivd oqxov ?/xco
ös vfimv xo val voll, xal xo ov ov.
Apoc. 1, 3.
Lc. 11, 28. fiaxägioi ol dxovovxsg xöv Xoyov xov &eov
xal g)vXdd6ovxsg [avxov].
Herrn. Sim. V, 3, 9. p. 148. xr/Qt]6ag 6s avxä fiaxcQiog saij'
xal 6col av dxovöavxsg avxä xr/Q?]6coöi, [taxagioi
sOovxai.
Apoc. 1, 3. [iaxaQiog l dvayivcGöxmv xal ol dxovovxsg xov
Xoyov x?/g jcgoyitjxsiag xal x?]QOvvzsg.
Apoc. 3, 3.
Mt, 24, 43. 44. et yösi 6 oixo6söji6x?]g, jioia (pvXaxij 6 xXs-
Jtxrjg sgysxai, syQ?jyoQ?jOsv äv . . . 6id xovxo xal vtueig
ylvsö&s tzoifioi, oxl fi ov öoxslxs qjqo, o vlög xov dvfrooj-
jtov EQysxai.
Apoc. 3, 3. eäv ovv (i?] yQtjyoQtjöyg, rj^w cog xXsotxrjg, xal
ov fi?) yvcoöy, jtoiav mgav rj^co sjcl os.
Vgl. Lc. 12, 39. 40.
Apoc. 3, 5.
Mt. 10, 32. jcäg ovv oöxig ofioXoyrjösi ev sfiol sjujtqoö&sv
xcäv äv&Qcajicov, ofioXoytjöoj xdyco iv avxcß 1[ijiqoo\)sv
xov jiaxgög fiov xov ev ovgavotg [Lc. 12, 8: xcov dy-
yslmv xov dsov].
Apoc. 3, 5. o (ioXoyt'jöco xo ovo;ia avxov svojjclov xov
jcaxQog fiov xal evcojciov xcöv ayysXaiv avxov.
Apoc. 3, 20 a.
Mt. 24, 33. yivcoöxsxs oxl lyyvg loxtv sjiI frvoaLg.
Apoc. 3, 20 a. löov l'öx?]xa sjiI xt)r d-vgav.
Apoc. 3, 2l) h. 21 a.
Lc. 22, 30. Iva sodh/xs xal jrii't/xs [Syr. Cur. add. [xsx' stuov]
sjcI xi/g xQajitC,tjg [iov iv xfj ßaöiXtia fiov xal xa&?)ö£6&s
sjtl d-QOvatv.
Texte und Untersuchungen X. Q
£2 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Epiph. Haer. LXVI, 38. 39. p. 652 D.
xal avxov xov xvqiov 7] vjioGyßGig 6xi sGeO&s xa&i']{ievot
ejcI xr\g xoajttCflg zov Jtazgog fiov iofriovxeg xal jcivovxeg.
Apoc. 3, 20 b. 21 a. xal dsutvtjGco fier' avxov xal avxog fiex*
8(iov. o vixojv, öojGoj avxcß xa&iGai tusx} tfiov sv xm
&QÖV03 flOV.
Apoc. 11, 2.
Lc. 21, 24. xal hgovGaXrjfi sGzai jcazov[itV7] vjto e&vc5v.
Apoc. 11, 2. ort adofrt] zolg e&vsoiv, xal zi]v jtoXiv xrjr äy'iav
TiaxT/Gorow.
Apoc. 12, 9.
Lc. 10, 18. sfrscooovv zov Gazavav mg aGzgajttjv Ix zov
ovoavov üttGÖvxa.
Const. VIII, 7. p. 241. 6 gn^aq avzov wg aGzoaxrjv sB, ov-
gavov slg yrjv.
Apoc. 12,9. xal 6 Gazavag . . . eßfaj&i] slg z?)v yi]v.
Apoc. 13, 10.
Mt. 26, 52. jtävzsg yäo ol Xaßovxeg fiayaioav sv {layaiQii
anolovvxaf
Apoc. 13. 10. el xtg iv ftayaig?] ajtoxxevü, ösl avzov sv fia-
Xa'iQi] äjioxxavfrtjvai.
Apoc. 14, 4.
Lc. 9, 57. sljcev zig Jioog avxov äxoZov&ijow Goi ojtov av
axloyi). [Cod. D.: vxdysig].
Apoc. 14,4. ovxol ol axoZovfrovvzeg xm agvico oxov av
vnäyij.
Ein vergleichender Überblick über diese Proben der Ver-
wandtschaft zwischen den apostolischen Schriften und der evan-
gelischen Überlieferung zeigt deutlich, dass diese Verwandtschaft
gleichrnässig auf die canonischen wie die aussercanonischen
Evangelientexte sich erstreckt und ebenso in alle drei syno-
ptischen Evangelien hineinragt. Wer diese Beispiele aber im
Einzelnen einer näheren Untersuchung theils an der Hand der
in den „Agrapha" gegebenen Nachweise, theils mit Hilfe der in
diesem Werke nachfolgenden Erläuterungen zu den „Aussercano-
§ 7. Die Sprache des vorcanonischen Evangeliums. 83
nischen Paralleltexten" , theils im Anschluss au die späteren
Untersuchungen über die „Canonischen Evangelienparallelen"
unterwerfen wird, dem wird durch die Erkenntniss, dass die
meisten Differenzen zwischen den apostolischen und evangelischen
Parallelen wesentlich aus der Verschiedenheit der Übersetzung
des gemeinsamen hebräischen Urtextes sich erklären, es zur vollen
Gewissheit werden, dass eine vorcanonische hebräische
Evangelienquelle der gesammten neutestamentlichen
Literatur vorausgegangen ist.
Die Symptome der Verwandtschaft zwischen den aposto-
lischen Lehrschriften und den synoptischen Evangelien werden
hierdurch in noch viel grösserer Ausdehnung, als dies von der
Tübinger Tendenzkritik geschehen, zur Anerkennung gebracht.
Aber eben auf Grund einer Vervollständigung der Symptome
ist auch eine völlig neue Diagnose des Sachverhaltes ermöglicht.
Die Erklärungsgründe, welche die Tübinger Schule anwendete,
um das Verwandtschaftsverhältniss der synoptischen Evangelien
und der apostolischen Lehrschriften historisch-genetisch zu er-
läutern, werden gewissermassen ins Gegentheil verkehrt. Nicht
die Evangelien sind von den apostolischen Lehrschrif-
ten abhängig, sondern die apostolischen Lehrschriften
sind von dem Evangelium abhängig, allerdings von einem
vorcanonischen, aber eben von demjenigen vorcanonischen
Evangelium, aus welchem die Verfasser der aposto-
lischen Lehrschriften ebenso wie die Redaktoren der
drei synoptischen Evangelien geschöpft haben. Durch
diese Erkenntniss wird das von der Tendenzkritik entworfene
Zerrbild endgiltig beseitigt und zugleich eine viel genauere
literarische Erklärung jener zahlreichen Verwandtschafts-Sym-
ptome angebahnt.
§ 7-
Die Ursprache des vorcanonischen Evangeliums.
In den Agrapha S. 42 — 45. 271 habe ich die patristischen
Zeugnisse mitgetheilt, denen zu Folge Matthäus ein hebräisches
Evangelium geschrieben hat. Die dort gegebenen Citate, auf
6*
§4 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Grund deren Papias, Pantaenus, Irenäus, Origenes, Eusebius,
Cyrillus von Jerusalem, Epiphanius, Chrysostornus , Ephraeni
Syrus, Hieronymus, Augustinus, Pseudo-Athanasius, Pseudo-Hip-
polytus, Theopbylaktus, Euthymius Zigabenus, sowie eine Anzabl
Codices, ferner die Syrische Version von White und ein altes
Scholion die Überlief eruug von einem hebräischen Matthäus-Evan-
gelium vertreten haben, vervollständige ich zunächst durch einige
weitere Angaben.
August, de consensu evang. I, 66.
Matthaeus Hebraea lingua perhibetur evangelium con-
scripsisse.
Hieron. Ep. ad Hedibiam. Ed. Bened. IVa. p. 174.
Evangelistam Matthaeum, qui evangelium Hebraico ser-
mone conscripsit.
Eutychius. Tom. I. p. 328.
Ejusdem Claudii tempore scripsit Matthaeus evangelium
suum Hierosolymis lingua Hebraica.
Ebed Jesu. Carmen continens Catalogum Librorum omnium
Ecclesiasticorum. Assemani Bibl. Or. Tom. 111. p. 3.
Nunc absoluto Veteri
Aggrediamur jam Novum Test.:
Cujus caput est Matthaeus, qui Hebraice
In Palaestina scripsit.
Anast. Sin. In Hexaemeron Lib. VIII.
Matthaeus scripserit evangelium suum sermone Hebraico.
Cod. ap. Blanchini in Evangeliarium quadriplex. Tom. I. Vol.
IL p. 516.
ey^acp?] xo xaxa Maxdalov Evayyeliov ißgcüörl dg r?)v
IIalai6xivi]V.
Wenn nun auch viele von diesen patristischen Nachrichten
auf Abhäugigkeit des einen Autors von dem anderen beruhen
werden, so zeigen einzelne Angaben manche selbstständige Ele-
mente. Dahin gehört die Betonung des Sprachcharakters bei
Epiphanius und Hieronymus, wonach jenes Evangelium nicht
blos in hebräischen Lettern (Eßgcüxotg ygccfifiaöiv, Hebraicis
literis), sondern auch in hebräischer Sprache (Eßgcüöri, Hebrai-
cis verbis) geschrieben gewesen sei. Dahin gehört ferner die
Angabe von der Entstehung dieses Evangeliums in Jerusalem
nach Pseudo-Athanasius, Pseudo-Hippolytus, dem Chro-
§ .. Die Sprache des voicanonischen Evangeliums. g5
nicon Pascliale und mehreren Codices. Dahin gehört endlich
auch die von Theophylakt, Euthynrius, Nicephorus, einem
alten Scholion und mehreren Codices vertretene genaue Zeitbe-
stimmung, wonach die Entstehung des Evangeliums in das
achte Jahr nach Christi äväl?]tyiq zu setzen sei, womit
sich auch Eutychius berührt, wenn er das Evangelium Claudii
tempore (d. i. 41 — 54) entstanden sein lässt. Diese Angaben
können irrig sein, jedenfalls aber stammen sie nicht aus Pa-
pias, sondern aus einer anderweiten selbstständigen Tradition.
Mit alleiniger Ausnahme des Papias bezogen wohl sämmtliche
Autoren, insbesondere auch die Verfasser jener Codices, diese
Tradition von einer hebräischen Urschrift auf das canonische
Matthäusevangelium. Dass in dieser Auffassung ein historischer
Irrthum vorliegt, ergibt sich mit Bestimmtheit aus folgenden
Umständen:
erstlich: der Verfasser des ersten canonischen Evangeliums
schrieb in den Partien, die von ihm selbst herrühren,
ein an bestimmten Ausdrücken erkennbares und von
seinen Quellen deutlich zu unterscheidendes Griechisch:
zweitens: die Schrift des Apostels Matthäus muss ein auf
Augenzeugenschaft beruhendes originales Werk aus Einem
Guss gewesen sein, während im ersten canonischen Evan-
gelium auf das Deutlichste verschiedene Quellenschriften
zu erkennen sind;
drittens: eine von den beiden Hauptquellen, welche der Re-
daktor des ersten canonischen Evangeliums benützte und
verarbeitete, war das griechisch geschriebene Marcus-
evangelium, dessen sprachlicher Einfluss auf das Grie-
chische des canonischen Matthäus an zahlreichen Stellen
zu recognoscieren ist;
viertens: nur die zweite Hauptquelle, in deren Benützung der
erste und dritte Evangelist in breiten Partien zusammen-
treffen, ohne von Marcus abhängig zu sein, trägt einen
ausgesprochenen hebraisierenden Charakter, welcher von
der Quellenkritik in selbstständiger Weise — ganz ab-
gesehen von der patristischen Tradition — als solcher
festgestellt worden ist.
Also nicht dem canonischeu ersten Evangelium, sondern
dieser zweiten, oder wenn man will, ersten. Hauptquelle desselben
gß Text- und quellenkritische Grundlegungen.
hat eine hebräische Urschrift zu Grunde gelegen. Nur auf diese
hebräische Quellenschrift des ersten Evangeliums kann die patri-
stische Tradition von einem hebräischen Matthäusevangelium
ursprünglich sich bezogen haben. Und da in dieser vorcano-
nischen Quellenschrift die Reden Jesu bei Weitem praeponde-
rierten, so ist es nach dem Grundsatz: a potiori fit denominatio
— höchst wahrscheinlich, dass die Aoyia, welche nach Papias
der Apostel Matthäus in hebräischer Sprache verfasste (Eßgäidi
öialtXTcp övveyydipazo), mit jener von der Quellenkritik ent-
deckten vorcanonischen Grundschrift identisch sind.
Ein unausgeglichener Gegensatz herrscht aber unter den be-
theiligten Forschern über die Frage, ob unter EßQaiöxi, 'Eßgäig
cpcovfj, EßQaiq yXcöxra, Eßgalq ökxXextoq die hebräische oder
die aramäische Sprache zu verstehen sei. Für das Aramäische
erklärten sich De Rossi (Della Lingua propria di Cristo e degli
Ebrai nationali della Palestina da' tempi de' Maccabei. Parma
1772), ferner Pfannkuche (Über die palaestinensische Landes-
sprache in dem Zeitalter Christi. In Eichhorns Allgem. Bibl.
VIII, 365 — 480), ebenso Neubauer (On the dialects spoken in
Palestine in the time of Christ. In Studia Biblica p. I. Oxford
1885. S. 39 — 74). Für ein (modernisiertes) Hebräisch gaben
ihre Stimmen ab De Sacy (Litterature Orientale. In Magazin
encyclopedique. Paris 1805. I, 125 — 147), Renan (Histoire
generale et Systeme compare des Langues semitiques. Paris 1863.
p. 224 ff.), Seh egg (Evangelium nach Matthäus 1856. I. S. 13. 14.),
Bohl (Forschungen nach einer Volksbibel zur Zeit Jesu und
deren Zusammenhang mit der Septuaginta-Übersetzung. Wien
1873), Delitzsch (The Hebrew New Testament of the British
and Foreign Bible Society. A contribution to Hebrew philology.
Leipzig 1883. Saat auf Hoffnung XI, 4. p. 195 ff.). Alle diese
Untersuchungen sind aber für die vorliegende Frage, in welchem
semitischen Idiom das vorcanonische Evangelium geschrieben
gewesen sei, deshalb nicht entscheidend, weil das Urtheil vor-
zugsweise von allgemein historischen Gesichtspunkten be-
stimmt ist und weil nach der allgemeinen historischen Zeitlage
in Palaestina in der fraglichen Periode beide Sprachen, die ara-
mäische wie die hebräische, in Betracht kommen können. Denn
wenn irgend Etwas gewiss ist, so ist es die doppelte Thatsache,
dass — abgesehen von der griechischen Sprache, welche in
§. 7. Die Sprache des vorcanonischen Evangeliums. g7
Palaestina ebenfalls verbreitet war — einerseits das Aramäische
(oder Syro-Chaldäiscbe) namentlich in Nordpalaestina, aber auch
z. Th. in Judäa, die Volkssprache bildete und dass andererseits
das Hebräische, theilweise modernisiert, als die Sprache der
Literatur, vielfach auch in den gottesdienstlichen Vorlesungen
und Vorträgen, namentlich aber als Schriftsprache in Südpalaestina
und besonders in Jerusalem fortlebte. Hiernach ist es im hohen
Grade wahrscheinlich, dass Jesus je nach Bedürfniss in allen
drei Sprachen, welche in Palaestina herrschend waren, geredet
bat: im Verkehr mit griechisch redenden Juden (Job. 12, 20 ff.)
und beim Aufenthalte in den griechisch redenden Städten der
Dekapolis griechisch, im Verkehr mit dem niederen Volke, zumal
in Galiläa, aramäisch, und beim Gebrauch des Alten Testamentes
sowie in den an das Alte Testament sich anschliessenden gottes-
dienstlichen Lehrvorträgen sicher auch hebräisch. Hiervon ist
also die vorliegende Frage wohl zu unterscheiden: Welche von
diesen drei Sprachen wählte der Jünger Jesu, welcher
als der Erste sich anschickte, die Thaten und Reden des
Meisters schriftlich zu fixieren? Die Entscheidung dieser
Frage hing wesentlich von dem Zweck ab, welchen der Schreiber
sich vorsetzte. Wählte er das gelehrte hebräische Idiom, so ge-
wann seine Schrift im Voraus einen esoterischen Charakter,
der das frühzeitige Verschwinden derselben aus dem
Gesichtskreise der altkatholischen Kirche am Besten
erklären würde.
Für die Annahme des Hebräischen als des ursprünglichen
Idioms bezüglich des vorcanonischen Evangeliums spricht ohne
Zweifel die patristische Tradition. Wenn Marshall (im Ex-
positor. 1891. IL S. 122) sagt: Papias and Pantaenus and
others teil of a Gospel written in Aramaic — , so ist dies eine
petitio principii. Denn da unter der Eßgaiöi öialtxrcp des
Papias und den ^Eßgalojv y^dfifiaoiv des Pantaenus nach neu-
testamentlichem wie patristischem Sprachgebrauche beide Idiome,
sowohl das hebräische als das aramäische, gemeint sein können,
so trägt Mars hall mit seinem „Aramaic" in die betreffenden
patristischen Nachrichten das ein, was er erst beweisen will. Ihm
gegenüber ist vielmehr auf einen Umstand aufmerksam zu machen,
durch den man geneigt sein könnte, das Gegentheil von dem an-
zunehmen, was Marshall in die patristischen Nachrichten ein-
gg Text- und quellenkritische Grundlegungen.
trägt. Denn während von dem in der aramäischen (oder syro-
chaldäischen) Sprache verfasst gewesenen Hebräerevangelium
zwar auch der Ausdruck: Hebraeus sermo, daneben aber auch
die bestimmte Angabe des Hieronymus vorhanden ist: quod
Chaldaico quidem Syroque sermone sed Hebraicis litteris
scriptum est — : bewegen sich die patristischen Nachrichten be-
züglich des vorcanonischen Matthäusevangeliums constant in den
Ausdrücken: EßgaCöri, Eßocdöt öialzxro? , Eßgatöi (pcvvy,
EßQäiöi ylcoxxi], ohne dass auch nur ein einziges Mal eine
Andeutung des aramäischen (oder syrochaldäischen)
Idioms vorkäme. Ja Epiphanius und Hieronymus bezeugen
sogar ausdrücklich, dass es nicht blos Hebraicis litteris, 'EßQCü'xolq
YQGfjfiaoiv, sondern auch Hebraicis verbis, EßgaCöri geschrieben
gewesen sei. Hiermit wäre eigentlich schon die Frage zu Gunsten
des Hebräischen entschieden. Indess, da diese Nachrichten nicht
aus Autopsie der Autoren hervorgegangen sind, so wäre immer-
hin ein Irrthum möglich.
Die endgiltige Entscheidung kann, wie auch sonst, nicht aus-
schliesslich in der äusseren Bezeugung, sondern muss vorzugs-
weise durch die inneren Kriterien gefunden werden. Die zahl-
reichen griechischen Texte, welche aus jener vorcanonischen
Quellenschrift semitischen Charakters geflossen sind, bieten ein
weites, reiches Forschungsgebiet. Die drei synoptischen Evan-
gelien, die Parallelen in den apostolischen Lehrschriften, die
aussercanonischen Paralleltexte, die Agrapha, als aussercanonische
Fragmente jener verlorenen vorcanonischen Quellenschrift, ge-
währen ein Bild buntester Mannigfaltigkeit, sehr häufig dieselben
Texte in verschiedenster Gestalt und in mehrfachen Variationen.
Da aber hinter dieser bunten Mannigfaltigkeit canonischer und
aussercanonischer Evangelienparallelen ganz deutlich eine höhere
Einheit zu erkennen ist, so entsteht das Praejudiz, dass die
Einheit in dem semitischen Quellentext zu suchen ist
und dass die Variationen der griechischen abgeleiteten Texte
Versionen des semitischen Grundtextes in sich schliessen. Unter
der Annahme nun, dass derjenige semitische Dialekt,
welcher die Wortverschiedenheiten der evangelischen
Paralleltexte am besten erklärt, als die Ursprache der
vorcanonischen Quellenschrift erkannt werden müsse,
entsteht die Aufgabe, sämmtliche evangelischen Paralleltexte
§ 7. Die Sprache des vorcanonischen Evangeliums. §9
synoptischen Charakters — canonische wie aussercanonische — ■
daraufhin zu untersuchen, aus welchem semitischen Dialekt
die in den Parallelsätzen hervortretenden Wortver-
schiedenheiten der griechischen Texte sich am besten
erläutern lassen.
Diese Untersuchung wird allerdings durch verschiedene Um-
stände erschwert. Zunächst durch das nahe Verhältniss des
Hebräischen und Aramäischen zu einander, sofern diese beiden
Idiome nicht blos wurzelverwandt sind, sondern auch durch die
Aufnahme vieler Aramaismen in das spätere Hebräisch und durch
das Eindringen zahlreicher hebräischer Elemente in das Ara-
mäische, also durch fortgehende gegenseitige Beeinflussung, im
Laufe der Jahrhunderte sich einander in der Weise genähert
haben, dass Aramaismen und Hebraismen innerhalb der grie-
chischen Version in vielen Fällen nur sehr schwer zu unterschei-
den sind.
Man könnte nun dieser Schwierigkeit gegenüber geneigt sein,
auf einige semitische Elemente, welche mitten in den griechischen
Evangelientexten sich finden, besonderen Werth zu legen und,
da diese vorzugsweise dem aramäischen Idiom angehören,
letzteres als die Ursprache des vorcanonischen Evangeliums be-
zeichnen. Und ohne Zweifel sind manche Forscher durch diesen
Umstand zu solcher Annahme geführt worden. Indess eine nähere
Analyse dieser aramäischen Bestandteile in Verbindung mit der
Quellenkritik liefert keineswegs ein sicheres Resultat. Dieselben
zerfallen in folgende drei Gruppen innerhalb der synoptischen
Evangelien.
A. Aramäische Nomina propria.
1. BaQaßßäq = «SK -^ — Mt, 27, 16—26= Mc. 15, 7—15.
Lc. 23, 28.
2. BaQ&oZoftcüog = Tof»5 TS — Mt. 10, 3. Mc. 3, 18. Lc. 6, 14.
[3. BaQioDvä = fiShi IS — Mt. 16, 17].
4. BagzifialOQ = vn^a 13 — Mc, 10, 46.
5. BoavrjQytq (fyy\ W) — Mc. 3, 17; Lc. 6, 14 D.
[6. refroiinavTi = s«ttti na — Mt, 26, 36; Mc. 14, 32].
7. roXyoß-ä = KFDäbä '- .Mt. 27, 33. Mc. 15, 22.
s. MÜQl>a = »rnü _ Lc. 10, 38.
9Q Text- und quellenkritische Grundlegungen.
B. Aramäische Nomina appellativa.
9. dßßä = K3S? — Mc. 14, 36.
10. ßeek&ßovZT= bttT b?Z — Mt. 10, 25; 12, 24. 27; Mc. 3, 22;
Lc. 11, 15. 18. 19.
11. fiaficoväg = feWitta — Mc. 6, 24; Lc. 16, 13; 16,9. 11.
12. Jtdöya = xnpE — Mt. 26, 2; Mc. 14, 1; Lc. 2, 41 u. ö.
13. Qaßßovvl — Vsisn — Mc. 10, 51.
14. (,axa = Sj^-i — Mt. 5, 22.
15. oatavag — V&Bft — Mt. 4, 10; Mc. 1, 13; Lc. 22, 31 u. ö.
16. OixsQa = vhaiö — Lc. 1, 15.
C. Aramäische Sätze.
17. icpyafrd = nnsns — Mc. 7, 34.
18. zaXidd xovfi — Clp 8tt^!?tt — Mc. 5, 41.
19. slcot, slcot, ?.eiud aaßayßavsi = ^Wf)M5 tfttb '»ilbl* "»rfb« —
Mt. 27, 46; Mc 15, 34 nach den canonischen Texten.
D. Hebräische Sätze.
20. ?]Xel rjXu laua ^acp&avsi = ^POJ$ fifcb ib» ibx — Mt.
27, 46 = Mc. 15, 34 nach den vorcanonischen Texten.
21. coöavvd fJSfißQOfir/' ßaQOvyannä döovät — [Dj'ü'i'TEQ &W~yiÖin
ip« «an tpna — Acta Pil. zu Mt. 21, 9.
Die kleine Anzahl dieser aramäischen Elemente ist gewiss
nicht darnach angethan, dass man daraus mit Sicherheit auf
einen aramäischen Gesarnintcharakter des vorcanonischen Evan-
geliums schliessen könnte. Die aramäischen Nomina propria,
die noch dazu theil weise in graecisierter Form gebraucht werden,
haben, wie alle Nomina propria, für die Frage nach dem Sprach-
charakter einer Schrift keine Beweiskraft; in dem von Haus aus
griechisch geschriebenen johanneischen Evangelium haben wir
noch Bfjd-sod-a = mcn niä (Joh. 5, 2), Faßßa&ä = an^ (Joh.
19, 13), Kr](pdq = »fiis (Joh. 1, 43). Aber auch die Nomina
appellativa gehen über den Charakter von Aramaismen, wie sie
auch sonst als gebräuchliche termini in das Hebräische einge-
drungen sind, nicht hinaus. Man denke an das aramäische "Ö
in dem hebräischen Ps. 2, 12; man vgl. den nur im johannei-
schen Evangelium vorkommenden aramäischen terminus fJEOoiag
§ 7. Die Sprache des vorcanonischen Evangeliunis. 91
= srPirh? Joh. 1, 42; 4, 25. Aber selbst solche kleine Sätzclien
wie ralifra xovfi Mc. 5, 41 und iyya&ä Mc. 7, 34, wenn die
Zugehörigkeit dieser beiden aramäischen Sprachbestandtheile zum
Context des Urevaugeliums erwiesen werden könnte, würden nicht
von ferne ausreichen, um einen aramäischen Gesammtcharakter
desselben zu constatieren. Denn haben wir nicht mitten im
hebräischen Contexte des Alten Testamentes aramä-
ische Sprachbestandtheile, wie Gen. 31, 47 zwei aramäische
Wörter und Jer. 10, 11 einen ganzen aramäischen Satz? Aber
nach der in diesen Fällen sicherlich wohlbegründeten Quellen-
kritik von B. Weiss gehören die zwei kleinen aramäischen Sätze
Mc. 5, 41 und Mc. 7, 34 lediglich zu den Zuthaten des Marcus,
nicht zum Quellentexte des vorcanonischen Matthäus. Dagegen
von grösster Bedeutung würde es sein, wenn sich ergeben sollte,
dass Jesus am Kreuze in aramäischer Sprache gebetet und dabei
sogar ein hebräisches Psalmenwort wie Ps. 22, 2 im aramäischen
Idiom wiedergegeben hätte. Denn damit wäre das Aramäische
als das ureigenste Idiom Jesu erwiesen, als das Idiom, in welchem
er seine tiefsten Gedanken, seine innersten Empfindungen, sein
ganzes Sein auszudrücken gewohnt gewesen wäre. Und diese
Thatsache, sicher beglaubigt, würde den ersten Niederschlag der
Reden Jesu in einem anderen als in dem ihm eigenthümlichen
aramäischen Sprachidiom und eine Fixierung derselben in einem
hebräischen Evangelium als unwahrscheinlich bezeugen. Nichts
weniger aber ist gewiss als diese Voraussetzung. Zwar vertreten
die canonischen Parallelen Mt. 27, 46 und Mc. 15, 34 den
aramäischen Wortlaut. Aber die Thatsache, dass Codex D und
eine Anzahl altlateinischer Versionen, höchstwahrscheinlich auch
das Diatessaron Tatians (Ephraem citiert ausdrücklich Eli, Eli)
den hebräischen Wortlaut, wenn auch zum Theil in mancherlei
Verstümmelungen darbieten, lassen mit Bestimmtheit er-
kennen, dass der Archetypus, aus dem diese Zeugen
geschöpft haben (der älteste Evangeliencanon), das Ge-
bet Jesu am Kreuz nicht in aramäischer, sondern in
hebräischer Sprache überliefert hat, dass mithin die ara-
mäische Fassung erst der späteren Fixierung der jetzigen cano-
nischen Texte angehört, wovon auch noch im Cod. Vaticanus
die Nachwirkung zu verspüren ist. Und gerade die hierbei ein-
geschlichenen Verstümmelungen des hebräischen Wortlautes,
{)2 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
welche durch die späteren des Hebräischen unkundigen Ab-
schreiber verschuldet sind — Cod. Vat. t,aßa<pdavü, Cod. Can-
tabr. Lat., Cod. Ciarom.: zapthani, Vulg. Cod. for.2: zeptani, Cod.
Veron.: zaptani, Cod. Vercell.: zahtani. Cod. Vindobon: zapap-
thani, Cod. Bobb.: zaphani etc. — beweisen das hohe Alter des
ursprünglich hebräischen Textes. Eine ähnliche Verstümmelung
liegt in dem hebräisch überlieferten, in griechischen Lettern ge-
schriebenen Texte vor, mit welchem in den Actis Pilati der
Zuruf der Jünger uud des Volkes bei dem Einzüge Jesu in
Jerusalem wiedergegeben ist. Und auch die hier vorliegende
Verstümmelung bezeugt es. dass dieser hebräische Text aus alter
Tradition hervorgegangen ist. Nach der Quellenkritik von B.
Weiss, welcher das vorcanonische Evangelium mit der Salbung
in Bethanien abgeschlossen sein lässt, gehört nun zwar weder
der Bericht über den Einzug Jesu in Jerusalem noch das Gebet
Jesu am Kreuze zur Grundschrift. Aber dass gerade auf diesem
Gebiete die Weissschen Untersuchungen fortgesetzt und ergänzt
werden müssen, dafür wird dieses Werk, wie ich hoffe, zahl-
reiche Belege bringen. Die hier aus der vorcanonischen Text-
gestalt von Mc. 15, 34 = Mt. 27, 46 sowie in der aussercano-
nischen Tradition der Acta Pilati zu Mc. 11, 10 = Mt. 21, 9 =
Lc. 19, 38 vorliegenden inneren Zeugnisse weisen auf einen
semitischen, und zwar hebräischen — nicht aramäischen
— Urtext hin.
Immerhin ist die geringe Zahl von aramäischen und hebräi-
schen Resten in den Evangelientexten synoptischen Charakters
nicht genügend, um nach der einen oder der anderen Seite ein
endgiltiges Urtheil über die Ursprache des vorcanonischen Evan-
geliums zu motivieren. Die Untersuchung muss vielmehr das
weitausgebreitete und bunte Feld der griechischen Parallel-
texte zum eigentlichen Ausgangspunkt der fraglichen
Forschungen erheben. Und nach dieser Seite lagen bis vor
Kurzem nur vereinzelte und sporadische Ansätze, nirgends aber
methodische Untersuchungen vor. Sofern man diese letzteren auf
die synoptischen Evangelien concentriert, entsteht sofort die
grosse Schwierigkeit, dass, da hier nicht einfache Übersetzungen,
sondern freie Bearbeitungen des vorcanonischen Evangeliums
vorliegen, die Untersuchung leicht in Gefahr ist, die Grenze
zwischen dem in die synoptischen Evangelien einge-
§ 7. Die Sprache des vorcanonischen Evangelium?. 93
betteten Urtexte und den redaktionellen Zutliaten der
späteren Bearbeiter zu verwischen. Mit anderen Worten:
es muss die Forschung nach dem hinter den Varianten
liegenden semitischen Grundtexte mit einer sehr ein-
dringenden Quellenanalyse der griechischen Parallel-
texte Hand in Hand gehen.
Dieser Anforderung scheint mir derjenige Forscher nicht
gerecht geworden zu sein, welcher — abgesehen von den probe-
weisen Darlegungen, welche ich in § 6 der „Agrapha" S. 40 — 75
auf Grund längerer Studien über die „hebräische Grundschrift
und ihre griechischen Übersetzungen" dargeboten habe — zum
ersten Male begonnen hat, ex professo mit dieser schwierigen
Frage sich zu beschäftigen und derselben ausgedehnte Unter-
suchungen zu widmen. Damals mit meinen Agrapha noch un-
bekannt, hatte Marshall im Juli-Heft des Expositor 1S90 (VII.
69 — 80) die Frage behandelt: Did Saint Paul use a Semitic
Gospel? Und in der Beantwortung dieser Frage war er mit
meinen Forschungen nicht blos darin zusammengetroffen, dass
er aus den Varianten der griechischen Paralleltexte auf den semi-
tischen Urtext zurückgegangen war, sondern auch darin, dass er,
wie ich es thue, die Benützung des ..Semitischen Evange-
liums" durcb Paulus constatierte und an verschiedenen Bei-
spielen nachwies. Erst durch die Besprechung der Agrapha von
Seiten des Dr. Sanday in dem ..Expositor" war er auf meine
Agrapha im Laufe des Jahres 1S91 aufmerksam und durch die
Berührung mit meinen Forschungsergebnissen überrascht worden.
Inzwischen aber hatte er bereits begonnen, im Expositor
vom Januarhefte an eine längere Serie von Artikeln: ..The
Aramaic Gospel" zu veröffentlichen, in welchen er, was. wie
schon der Name „Semitic Gospel" zeigt, anfänglich nicht in
der Weise geschehen war, mit Entschiedenheit für das „Ara-
mäische" als dasjenige semitische Idiom eintritt, in welchem das
vurcanonische Evangelium geschrieben sei. Mit höchstem Interesse
bin ich diesen Veröffentlichungen gefolgt, indem ich jedes einzelne
Beispiel der Untersuchung sorgfältig nachprüfte. Hatte ich doch
gerade nach dieser Seite in vollständiger Isolierung nieine For-
schungen bisher unternehmen müssen, ebenso wie Marshall
(Expositor May 1891. p. 375, von sich sagt, dass er seine Theorie
..in absolute Isolation" sich gebildet habe. Und wird doch — wie
94 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
ich sicher glaube — ins Künftige das Zurückgehen auf den
semitischenUrtext einHaupt-Kriterion sein bei quellen-
kritischer und textkritischer Untersuchung der Evan-
gelienparallelen synoptischen Charakters. Insofern ist
es von hoher Bedeutung, dasjenige Sprachidiom festzustellen, in
welchem die Grundschrift verfasst war und aus welchem die
Parallelen und Varianten der Evangelientexte synoptischen
Charakters zu erklären sind. Mit Prof. Mars hall stimme ich
nun vollständig in dem Grundsatz überein, dass derjenige
semitische Dialekt, welcher am besten die Verschieden-
heiten der Evangelienparallelen synoptischen Charak-
ters zu erklären vermag, als der Urtext der vorcano-
nischen Evangelienquelle erkannt werden müsse. Vgl.
Expositor 1890. VII, p. 80:
that dialect which best explains the verbal discrepancies
in the synoptists must be voted the original oue in which
the gospel was first written.
Bei dieser allgemeinen Übereinstimmung mit Prof. Marshall
hege ich im Einzelnen nicht wenige Bedenken, sowohl was den
Ausgangspunkt als was die Methode seiner sprachlichen Unter-
suchungen anlangt.
In der langen Serie von Artikeln über „The Aramaic Gospel"
geht Marshall lediglich von den synoptischen Evangelien aus.
Die in der ersten Veröffentlichung über die Frage: Did St. Paul
use a Semitic Gospel? gegebene Anregung wird nicht weiter
verfolgt. Aber auch die aussercanonischen Texte werden nicht
herbeigezogen; weder die patristischen Citate mit ihren merk-
würdigen Abweichungen noch die Codices mit ihren ältesten
Varianten finden Berücksichtigung. Kurz, es ist im Wesent-
lichen der recensierte canonische Text der synoptischen
Evangelien, also eine ziemlich späte Textgestalt, von
welcher Marshall seinen Ausgang nimmt. Und hier sind
es auffallender Weise nicht sowohl die Reden Jesu, in denen
doch die Urschrift am stärksten sich spiegelt, sondern die er-
zählenden Partien des Marcusevangeliums und seine Parallelen,
von welchen Marshall vorzugsweise seine Übersetzungs-Proben
hergenommen hat, also gerade diejenigen Partien, in welchen die
Scheidung zwischen Grundtext und redaktioneller Bearbeitung
am schwierigsten zu vollziehen ist. Wenn wenigstens hierbei
§ 7. Die Sprache des vorcanonischen Evangeliums. 95
Marshall an die eindringenden Untersuchungen von B. Weiss
sich gehalten hätte, würde er m. E. vor manchen Missgriffen be-
wahrt worden sein. An einigen Beispielen möge das Gesagte
klar gemacht werden.
Nach der an dieser Stelle wohlbegründeten Weissschen
Quellenkritik ist in Mt. 17, 14 — 18 im Wesentlichen der kürzere,
einfachere Quellentext enthalten, während Mc. 9, 14 — 27 den in
der Quelle nur „skizzenhaft" berichteten Vorgang mit weiterem
Detail ausstattete und „lebensvoll nach der Überlieferung seines
Augenzeugen schilderte." (Vgl. Weiss, Marcusevangelium S. 303 ff.
307, Anm. 1.). Und während der Redaktor des ersten canonischen
Evangeliums diese Detaiimalerei des Marcus weggelassen und
auf den einfacheren Text der Urrelation zurückgegriffen hat, ist
Lucas, welcher ebenfalls der Quelle folgt, doch zugleich von
Marcus stärker beeinflusst worden. Man vgl. namentlich Lc. 9, 39
mit Mc. 9, 18. Ohne Rücksicht auf dieses Verhältniss sucht
Mars hall zwei so weit auseinander liegende Texte wie
Mc. 9, 18: TQi^ei tovg oöövxaq — Lc 9, 39 [idyig ajtoycogel
auf einen gemeinsamen aramäischen Quellentext zurückzuführen,
indem er aoioyoiQüv mit pl". tqiCeiv mit p^H, ferner fioyig mit
pyD, rovg oöovrag mit piTOa wiedergibt und ausserdem p"in
mit p12 durch Verwechselung von n und 2?, sowie p5EQ und
'piM durch Vertauschung des W mit 2 identifiziert x). Ganz ab-
gesehen von der Frage, ob Aramäisch oder Hebräisch, auch ab-
gesehen von den bedenklichen Vertauschungen von Consonanten.
auf welche ich noch zurückzukommen gedenke, kann ich schon
aus quellenkritischen Grundsätzen mich nicht mit dem Gedanken
vertraut machen, dass man von so heterogenen griechischen Texten
ausgehend einen semitischen Quellentext zu reconstruieren habe.
Ebenso wenn Marshall die Texte
Mc. 9, 34: jcqoq uXh)lovg yag SiEltyßrjoav — Lc. 9, 40: eio-
ffiftev ös öiaZoytGfioq
in der Weise aus einem gemeinsamen Quellentext herzuleiten ver-
sucht, dass er
yctQ = *ns$ und dörjXd-sv = Ti8
identifiziert 2) — dabei ebenfalls eine Consonanten -Vertauschung
annehmend — , so ist meines Erachtens auch hier schon der
1 Kxpositor 1891. IX, 211. 214. 2) Expositor 1891. VI, 459 f.
96 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Ausgangspunkt der Untersuchung verfehlt, da die Partikeln yäg,
de etc. von vornherein auf Rechnung des Redaktors zu setzen
sind und höchstens als Ersatz des Vaw consecutivum sich dar-
stellen. — Ahnlich liegt der Sachverhalt, wenn Mars hall
Mc. 5, 6: ajco iiaxgo&ev = ü^ljü und Lc. 8, 28: ava-
xgat-ag = tfbptt
identificiert J), während man doch bei Weiss (Marcusevangelinm
S. 174) deutlich sehen kann, dass
avaxQagaq (Lc. 8, 28) = xQa&g (Mc. 5, 7) = exQafrv (Mt. 8, 29)
den gemeinsamen Quellentext repraesentieren , sodass man an-
nehmen müsste, was Marshall allerdings auch wirklich thut,
dass der zweite Evangelist zwei Übersetzungen desselben Wortes,
nämlich djiö f/axQo&Ei' (Mc. 5, 6) und ocga^aq (Mc. 5, 7) wieder-
gibt. Aber welche Voraussetzung, dass Marcus, der doch des
Aramäischen kundig war, dasselbe Wort, einmal richtig, das
andere Mal ganz irrthümlich wiedergegeben habe, ohne diesen
Irrthum selbst zu merken!
Es würde zu weit führen, die zahlreichen Beispiele zu re-
producieren, bei denen man ohne Schwierigkeit nachweisen kann,
dass Mars hall bei Aufspürung des semitischen Quellentextes
einen falschen Start genommen hat. Die mitgetheilten Proben
dürften auch genügen, und wem sie nicht genügen sollten, der
dürfte nur die Darlegungen Marshalls im Expositor selbst
nachlesen, um zu erkennen, dass die Art, wie derselbe sich das
aramäische Evangelium in den synoptischen Evangelien einge-
bettet denkt (an Aramaic Gospel embedded in our present Gospels -),
in quellenkritischer Hinsicht nicht genügend durchdacht, dass
der Unterschied zwischen wörtlicher Übersetzung (Version), freier
Übersetzung (Recension) und schriftstellerischer Bearbeitung
(Redaktion) des vorauszusetzenden semitischen Quellentextes nicht
hinlänglich geklärt und daher in zahlreichen Fällen der Aus-
gangspunkt der Untersuchung verfehlt ist.
Was nun weiter die sprachliche Methode betrifft, nach
welcher Marshall seinen aramäischen Urtext zu ermitteln sucht,
so hat er auch hier Wege eingeschlagen, denen ich nicht allent-
halben zu folgen vermag. Sich gründend auf ähnliche Erschei-
1) Expositor 1891. XII, 445. 44ß. 2) Expositor 1891. I, 1.
§ 7. Die Sprache des vorcanonischen Evangeliums. 97
nungen in der Septuaginta und den anderen griechischen Über-
setzungen des A. T. nimmt er an, dass
1, durch verschiedene - Vokalisation der Consonanten,
2, darch Austausch und Verwechselung ähnlich ge-
formter Consonanten,
3, durch Auslassung von einem oder mehreren Buch-
staben,
4, durch Transposition von zwei einander unmittelbar
folgenden Buchstaben
der vorauszusetzende aramäische Urtext in den griechischen Ver-
sionen, die unseren synoptischen Evangelien zu Grunde liegen,
sehr verschiedene Gestalt angenommen habe.
Ich habe meinerseits den „Agrapha" auf S. 58 f. Hexapla-
Proben aus den griechischen Übersetzungen des A. Testamentes
einverleibt, um zu zeigen, welche Discrepanzen bei der Über-
tragung des hebräischen Textes in das griechische Idiom ent-
stehen können. Obwohl ich dort mich wesentlich auf solche
Beispiele beschränkt habe, in denen eine Veränderung oder
Vertauschung der hebräischen Consonanten nicht vorlag, so war
mir doch wohl bewusst, wie viel Missverstand durch falsche
Vocalisation nicht nur, sondern auch durch Vertauschung, Um-
stellung und Ausfall von Consonanten aus dem hebräischen
Text des A. T. in die griechischen Versionen eingedrungen ist.
Im Interesse des Folgenden gebe ich nachstehend eine Anzahl
der von Marshall mitgetheilten alttestamentlichen Proben,
welche deshalb besonders lehrreich sind, weil dieselben in das
N. T. hineinragen.
1. Veränderte Vocalisation.
Ps. 2. 9. ny-\F\=övv{)l(xG£ig avrovg—LXX. Apoc. 2, 27. DS^IF!—
jtoificcvtlg avzovq.
Ps. 51,6. ^-Qia = £*> xcö Xsyeiv oe — LXX. Rom. 3, 4. Tp-i:na =
Iv xolq löyoiq öov.
Gen. 47, 31. ni3T2n = ?; xUvrj - LXX. Ebr. 11, 21. nDl?n =
o (xxßöoq.
Prov. 3, 12. nXD1 = ?«u coq jtarrjQ — LXX. Ebr. 12, 6. 2XD* =
fiaorr/ol 64.
2. Consonanten-Verwechselung.
Jes. 42, 4. Qi«» = vfjaoi — LXX. Mt. 12, 21. Z^y = lih-,l.
Texte u. Untersuchungen X. 7
gg Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Am. 9, 12. tmyi* = x/Lf]Qovo(iJjomüiv — LXX. Act. 15. 17.
■jEf-n1! = exty]T?'/6cooiv.
Am. 9, 12. ni-tf = !Etfo?> — LXX. Act. 15, 17. m$ = av-
Jes. 28, 16. t5TP = ysv&rcu — (LXX). Rom. 9, 33. ü'^ =
X<XTCCl6XVV{)?]GETCU.
Habak. 1, 5. D?i]Ö = e*> rofg efrvsöiv — LXX. Act. 13, 41.
D'HIJQ = xaza<pQoi>?]Tai.
3. Consonanten-Weglassungen.
Joel 3, 2. CH^fi = rovg öovXovg — LXX. Act. 2, 18. ''13? =
TOV? ÖovXovg flOV.
Ps. 16, 11. SO'tS = yögraGfia, jiX?]Qcofia — LXX. Act. 2, 28.
?3Tön = jtXrjQcoosig.
Ex. 9, 16. T]nknn = df/go? tfo* — LXX. Rom. 9, 17. qs ninn =
IvösiB.mnai sv 6oi.
4. Consonanten-Umstellungen.
Hos. 13, 14. *rx& = l<Soßai — LXX. 1. Cor. 15, 55. rr« — jcov.
Habak. 2,4. iS ^E£3 rntfjpft HbE? n:ri = idot; sjraiQsrai, ov
öixaia söriv r] tyvxi] avrov sv avrS.
LXX. Ebr. 10, 38. iS itftt räTlTKb :ib2 ]n = £a?' vjcoOrsiXrjrac,
ovx svöoxsl r/ xpvyjt) fiov sv avTcö.
5. Nicht reconstruierbare Übersetzungen.
Gen. 15, 14. biia TÖD"13 sisep»=Act. 7, 7. sBsXsvoovrai xcä Xa-
rgsvoovoiv fioi sv rop rojim Tovrcp [LXX: sgsXsvöovrai
cbde fisra djrooxsvrjg jroXXfjg].
Jes. io, 23. -b2 rnpa nir'y rrians rrin* ^i« ftsirrF nbD ^
LXX. ort Xöyov ovvTsnttjfisvov xvgiog jroirjösi iv rfi oixov-
\isvxi öXt].
Rom. 9, 28. Xöyov yäg ovvxsXmv xal ovvrifivcov jtoirjosL xvgiog
sm rr/g yrjg.
Um das weite Verbreitungsgebiet solcher Übersetzungsver-
schiedenheiten, die nur aus den unvocalisierten und bei der Ähn-
lichkeit gewisser Consonanten leicht missverstandenen hebräischen
Texten sich erklären, noch etwas gründlicher zu kennzeichnen,
§ 7. Die Sprache des vorcanonischen Evangeliums. 99
füge ich obigen von Mars hall gegebenen Proben einige andere
signifikante Beispiele hinzu.
1. Verschiedene Vocalisation.
Jes. 33, 18. öiVwarrn»==Tovs jtvQyovg — LXX. ET:^rrnx=
rovg TQStyopErovg.
Nah. 2, 4. tiftiSn — xvQQOs — LXX. D"Ti«3 = ££ dvd-Qcöjiov.
Nah. 3, 3. rp'ab = toÖ Jcrc6tuaTi — LXX. TTtffob = rolg t&veöiv
avrrjg.
Nah. 3, S. "'Ziprn = aga d äya&ij; — LXX. illtpWl = srol-
fiaocu.
2. Verwechselung von Consonanten.
Jerem. 10,20. C'1P'a = ävaöTrjöcov — LXX. S^ptt = rojiog.
Ezech. 8, 5. n2T72n = 6 ßcotu6g — LXX. rn?T2n = al avaxolai.
Nah. 2, 12. srnb == Uaiva — LXX. xinb = TOÜ eiöeA&elv.
Sacharj. 13, 1. Tiptt —xtjYij — LXX. ffiptt = rostog.
3. Auslassung von Consonanten.
Hiob 39, 30. "ltt'»S = LXX. ov av = Symni. -f»3 = oaQxsg.
4. Umstellung von Consonanten.
Prov. 27, 13. 212 = iyyv asrai = LXX -Q? — jtctQrjlfre.
Diese Beispiele, die ins Unzählige vermehrt werden könnten J),
zeigen Jedem, der es nicht schon weiss, die Dehnbarkeit und
Unsicherheit der unvocalisierten hebräischen Texte, bei deren
Deutung und Übersetzung in andere Idiome durch verschiedene
Vocalisation oder durch Verwechselung, Umstellung, Auslassung
auch nur eines einzigen Consonanten das Wortbild voll-
ständig verändert und die stärkste Discrepanz der Übersetzung
erzeugt wird. Dass ähnliche Umstände auch bei der Über-
tragung der hebräischen oder aramäischen Evangelien-Quellen-
1) Man vgl. weitere Nachweise hei Buhl, Kanon und Text des Alten
Testaments. Leipzig 1S01 in dem Abschnitt Textübevlieferung, wo S. 239ff.
Beispiele verschiedener Vocalisation gegeben, S. 242. 255 Vertauschungen
der Consonanten, S. 257 Umstellungen von Consonanten besprochen und
namentlich die Verwechselungen von n mit s, z mit 2, i mit s, n mit ">,
T, mit n, i mit ■*, t mit :, r mit t, a mit c erwähnt sind.
7*
100 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
schritt ins Griechische mitgewirkt haben mögen, ist ausser
Zweifel. Namentlich was die Verschiedenheit in der Vocalisation
der Consonanten sowie auch in der Auffassung der Tempora
anlangt, so bieten sich in den Evangelientexten synoptischen
Charakters nicht wenige Beispiele, bei denen ein Zurückgehen
auf den Urtext manche Schwierigkeiten löst. (Vgl. z. B. Agrapha
S. 142. 260.) Auch Vertauschungen, Umstellungen, Auslassungen
von Consonanten mögen in die Abschriften des vorcanonischen
Evangeliums eingedrungen sein und Dunkelheiten des Sinns er-
zeugt haben. Auf einen solchen Fall habe ich Agrapha S. 256
hingewiesen, wonach das dunkele cp&ovog in Jac. 4, 5 sicher auf
eine Verstümmelung eines hebräischen Quellentextes zurück-
zuführen ist. Einen andern Fall vergleiche man zu Lc. 10, 27 =
Mt. 22, 40, wo die Verwechselung von n nnd D höchstwahr-
scheinlich die Lesarten xQefiaö&cu (Mt.) und jiätjqovö&ccl (Paulus,
Justin) verursacht hat. Auch Lc. 10, 7=Mt. 10, 10 ist vielleicht
durch Verwechselung von f\ und 1 die Übersetzungsverschieden-
heit: rov (ito&ov avzov = ^^Ti)2 und z?]q TQCxprjg avToü = irPn£
entstanden. Aber bei den Versuchen zur Reconstruction eines
vorcanonischen, hebräischen oder aramäischen, Evangelientextes
sehr häufig mit derartigen Voraussetzungen zu operieren, halte
ich für ein sehr bedenkliches Experiment, welches leicht ins
Bodenlose hinabführen kann. Im A. T. haben wir den hebrä-
ischen Text als Erläuterungsmittel und Correktiv für die Über-
setzungs Varianten und Übersetzungsfehler der griechischen Ver-
sionen. Für die neutestamentliche Gestalt der hebräischen
Grundschrift fehlt ein solches Correktiv; den einzigen Halt bieten
die griechischen Texte, von denen wir uns nicht so leicht ent-
fernen dürfen, wenn wir mit dem Lichte, das von ihnen ausstrahlt,
das Dunkel, in welchem der hebräische Grundtext liegt, auf-
zuhellen versuchen wollen.
Ist es wahrscheinlich, dass die vorcanonische (hebräische
oder aramäische) Grundschrift in der kurzen Zeit von höchstens
einigen Jahrzehnten zwischen ihrem ersten Erscheinen und der
Entstehung unsrer synoptischen Evangelien ähnliche Textver-
änderungen durchgemacht haben sollte, wie die Bücher des
Alten Testaments, deren Textgeschichte nach Jahrhunderten
zählt? Und ist es glaublich, dass die Übersetzer und Bearbeiter
der neutestamentlichen Evangelien-Grundschrift, unter ihnen der
§ 7. Die Sprache des vorcanonischen Evangeliums. 101
des Aramäischen und Hebräischen sicherlich kundige Marcus, in
einer Zeit, wo die Übertragung der biblischen Ideen ins grie-
chische Idiom theils eben durch die Septuaginta, theils durch
den Yölkerverkehr und die Völkermischung, sowie Sprachen-
mischung innerhalb des römischen Reiches so weit verbreitet
war, und da ausserdem die frischen Erinnerungen innerhalb der
jungen Kirche noch so lebendig waren, in ähnliche Übersetzungs-
fehler verfallen sein sollten, wie jene Männer der LXX, die zum
ersten Male versucht hatten, hebräische Texte ins Griechische
zu übertragen und die Denkweise der alttestamentlichen Autoren
mit dem Sprachgut der griechischen Bildungswelt zu vermählen?
Nein, sicherlich standen die neutestamentlichen Übertragungen
der urevangelischen Grundschrift, eben namentlich weil sie sich
in den schon gebahnten Wegen des griechischen Alten Testa-
mentes bewegen konnten, viel höher als die ungelenken Über-
setzungen der Septuaginta, welche von Übersetzungsfehlern
wimmeln. Ebenso wäre es ein Fehler, wenn man jener hebrä-
ischen (oder aramäischen) Evangelien-Quellenschrift so viele
Textverstümmelungen und Textänderungen imputieren wollte,
wie solche in die Handschriften des A. T. so zahlreich ein-
gedrungen waren.
Nach diesen Betrachtungen ist es begreiflich, dass ich mich
nicht entschliessen kann, bei dem Versuch nach einer Recon-
struierung des hebräischen (oder aramäischen) Quellentextes mit
so vielen Consonanten- Verwechselungen, Umstellungen und Aus-
lassungen, mit so zahlreichen Übersetzungsirrthümern zu operieren,
wie Prof. Mars hall es thut.
Bereits in den oben mitgetheilten Proben ist es ersichtlich
geworden, dass Marshall z. B. ptP und pin, "pryn und pMÖ,
"nx und Titf, XaHE und xbrE ausgetauscht sein lässt. Ich füge
hier noch weitere Proben derart bei.
Ußn[Q = öojgov rjfiäq Mt. 8, 25 = »aitt = sjciörara Lc. 8, 24.
ninr'x = rorips = evQtdrj Lc. 9, 36 = *DFIDÄ = elöov Mc. 9,8;
' Mt. 17, 8.' '
"^nm üb = ovx eZa&s Lc. 8, 47 = Tnnn Tib = ytyovev avti]
Mc. 5, 33.
K*Vip = noliq Lc. 8, 27 = Wü% = (iV7j(i£lov Mc. 5, 2; Mt.
8,28.
102 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
arm = tfrQI = avifiov Lc. 8, 23 = SFQn = j.ieyaX?j, [isyag Mc.
4, 37 ; Mt. 8, 24.
jcnin1! = xov Xoyov Lg. 8, 12 = t&)mHft = xo aojtaQfisvov Mt.
13, 19.
rnsnx = djiiZ&sv Lc. 5, 13 = Fi]5:n« = sxa&aQiod-rj Mt. 8, 3.
■pbü'1 = ixßaXcooiv Lc. 6, 22 = "p üb"1 = sijmüGiv ücav üiovijqov
Mt. 5, 11.
■pnns = xegaftoi Lc. 5, 19 = Tnipn = st-OQvi-avxeg Mc. 2, 4.
an~«i3 = süil xo avxö Lc. 17, 35 = tf^sa = hv xm (ivXcovt
r Mt. 24, 41.
nDttJ = evoiöxco Lc. 8, 35 = iCO = d-emgelv Mc. 5, 15.
i3bnb = xolq Xouiolq Lc. 8, 10 = "pbfD = exslvoig Mt. 13, 11.
ibrnx = EJiXtjOd-ipav Lc. 6, 11 = "nÄhK = si-sX&ovveQ Mc. 3, 6;
' Mt. 8, 3.
"jlbittriK = dieXäXovv Lc. 6, 11 = "pobEns = OvfißovXiov eXccßov
' Mc. 3, 6.
HS9 = jcoulv Lc. 6, U = -l$X = äjtoXXvvai Mc. 3, 6; Mt. 12, 14.
n«>2 = TcQOOevgaod-aL Lc. 9, 28 = Tltib? = v V^o*' Mc- 9> 2? Mt-
' 17, 1.
Auch hier sind viele von diesen — noch leicht zu vermeh-
renden — Beispielen als Übersetzungs-Parallelen aufgefasst, wo
gar nicht daran zu denken ist, wo vielmehr die Arbeit des Re-
daktors die Differenzen der Darstellung erklärt. Aber abgesehen
hiervon, was müssten das für Abschriften des vorcanonischen
Evangeliums gewesen sein, in welche sich binnen kürzester Frist
derartige Textverstümmelungen eingeschlichen hätten! Nein,
wenn nur auf diese Weise das Aramäische als Sprache des vor-
canonischen Evangeliums dargethan werden soll, so wird dies
ein Beweis für das Gegentheil. Wie der Ausgangspunkt der
Marshallschen Untersuchungen, so führt auch die dabei ange-
wandte sprachliche Methode nicht zum Ziel.
Wo aber das aramäische Wort, welches Mars hall als
Quellwort divergierender griechischer Parallelen bezeichnet, eine
gute Lösung bietet, da ist in der Regel auch ein hebräisches
Wort vorhanden, welches dieselben Dienste leistet. Einige Bei-
spiele mögen hier folgen.
§ 7. Die Sprache des vorcanonischen Evangeliums.
103
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Vorstehende lediglich aus Marshalls Untersuchungen ent-
nommene Beispiele könnten durch zahlreiche weitere Belege
vermehrt werden, aus denen sich ergeben würde, was auch jedem
104 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Kenner ohnehin schon feststeht, dass im Aramäischen und
Hebräischen viele Wörter theils durch Stammverwandtschaft,
theils durch die verschiedenen im Sprachgebrauch festgestellten
Bedeutungen einander parallel gehen. Hierbei möchte ich nament-
lich zweier Fälle Erwähnung thun, in denen das Aramäische vor
dem Hebräischen zu praeponderieren scheint.
Der erste Fall betrifft die Varianten: 6<p£ih]{ia (Mt. 6, 12) =
oqufa'i {AlÖ.) = aiiaQtia (Lc. 11, 4) im Herrengebet, wofür ge-
wöhnlich ^n (hebräisch) = tfSin (aramäisch) als Quell wort in
Anspruch genommen wird. Dieses Wort ist ursprünglich ara-
mäisch, aber in das spätere Hebräisch (Ezech. 18, 7) in der Be-
deutung „Schuld" eingedrungen. Die Bedeutung „Sünde" kann
im biblischen Hebräisch nicht nachgewiesen werden. Dass
den erwähnten Varianten ein semitisches Qu eil wort zu Grunde
liegt, ist ausser Zweifel. Muss es nun das aramäische fctoin sein,
welches beide Bedeutungen „Sünde" und „Schuld" in sich ver-
einigt? Ist es ausgeschlossen, dass das hebräische lin, welches
das A. T. nur in der Bedeutung „Schuld" darbietet, nicht auch
in der anderen Bedeutung „Sünde" gebraucht worden sei?
Delitzsch übersetzt wenigstens unbedenklich rag a^aQTiaq
i]ficöv mit Wpitt (Lc. 11, 4). Oder kann den drei griechischen
Varianten nicht auch ÜftttJX zu Grunde liegen, welches in der
Regel ScpeiX?'/. 6q>eiXi]fia bedeutet, aber von den Septuaginta
(1. Chron. 21, 3) auch mit afiagrla wiedergegeben wird und
welches Salkinson sowohl Lc. 11, 4 als Mt. 6, 12 bei seiner
Rückübersetzung anwendet?
Ahnlich verhält es sich mit den Varianten öexeodcu (Mt. 10, 40)
und axovsiv (Lc. 10, 16), für welche Marshall das aramäische
Quellenwort b3j? anführt. Aber dieser Stamm ist als hebräisches
Piel bäp ebenfalls in das spätere Hebräisch aufgenommen worden,
allerdings nachweisbar nur in der Bedeutung von ttjpb. Und im
Aramäischen hat baj? die übertragene Bedeutung axovsiv auch
nur in der Verbindung mit )"Q, und dagegen wie fij?b Hiob 4, 12;
22, 22 in die Bedeutung von axovsiv übergeht, wird sicherlich
auch das aus dem Aramäischen aufgenommene bap dieselbe
Bedeutung im Hebräischen mit eingeschlossen zu haben, ohne
dass wir solches aus den knappen Resten der alttestamentlichen
Literatur ausdrücklich nachweisen können. Gerade aus diesen
Beispielen ersieht man recht deutlich das Ineinanderfliessen des
§ 7. Die Sprache des vorcanonischen Evangeliums. [05
Aramäischen und Späthebräischen, den Misch charakter des Idioms
oder der Idiome, welche zu den Zeiten Jesu gesprochen worden
sind, wie Marshall (Expositor 1890. VII. S. SO) selbst sagt:
a study of the literature nearest to times of Christ convinces
one that the language spoken was a sort of amalgam — very
composit in its character.
Hatte sich Marshall damals in seinem ersten Artikel: Did
St. Paul use a Semitic Gospel? noch nicht endgiltig nach der
einen oder der anderen Seite entschieden, ja seine interessanteste
Entdeckung, bezüglich der Identität von jcayig = bSfi in Lc. 21. 35
und coölv — bsri in Thess. 5, 3 mit Hilfe des Hebräischen vor-
geführt, so tritt er in der späteren Artikelreihe: The Aramaic
Gospel entschieden für das in Galiläa gesprochene Aramäisch ein.
Dazu war er sichtlich durch den Vorgang von Neubauer,
Lehrer des rabbinischen Hebräisch an der Universität zu Oxford,
bewogen worden, welcher in der bereits oben erwähnten Ab-
handlung: On the dialects spoken in Palestine in the tirne of
Christ (Studia Biblica I. p. 61) sich folgendermassen geäussert
hatte: ;.The language of the Palestinian Talmud (or, as it is
commonly called, the Talmud of Jerusalem), which consists of
discussions by natives of Galilee, and which is really a Galilean
courposition , represents, according to our opinion, the language
which the disciples of Jesus spoke and wrote."' Aber wenn auch
dieses auf allgemein sprachhistorischen Momenten fassende
Urtheil bezüglich des nordpalaestinensischen Idioms als der U m-
g'angssprache der Jesusjünger als begründet zu erachten wäre,
so kann daraus noch nicht mit Bestimmtheit gefolgert werden,
dass die Jünger Jesu auch in dieser Sprache ihre schriftlichen
Aufzeichnungen gemacht haben sollten. Die aus Galiläa stam-
menden Apostel Johannes und Petrus haben griechisch ge-
schrieben. Und wenn die Nachrichten, dass Matthäus sein hebrä-
isches Evangelium in Jerusalem verfasst habe, irgendwie be-
gründet sein sollten, so würde ohne Weiteres in Kraft treten,
was Neubauer (Studia Biblica p. 45 ff.) selbst ausführlich dar-
gelegt hat, dass Südpalaestina und besonders Jerusalem
nicht in der Weise wie Galiläa dem Aramaisierungs-
process erlegen und dass namentlich in den Kreisen der
Gelehrten das (modernisierte) Hebräisch die Schriftsprache
geblieben sei. Es kommt dazu, dass die Zeit und die Art der
IQQ Text- und quellenkritische Grundlegungen
Entstehung für die fraglichen jüdischen Targumim keineswegs
feststeht. „Zu den älteren Targumen (Onkelos, Jonathan) mag
der Grund noch im letzten vorchristlichen Jahrhundert ge-
legt worden sein, indem man bei der Schriftvorlesung in den
Synagogen einzelne nicht mehr verstandene Wörter und Wen-
dungen durch s. g. d'OttJPlftü oder Dolmetscher mündlich inter-
pretieren Hess. Doch hat der Process der schriftlichen Fixie-
rung und der immer weiteren Ausdehnung dieser Interpretationen
auf ganze Bücher Jahrhunderte hindurch gedauert und ist wohl
erst im 4. Jahrhundert n. Chr. in den babylonischen Juden-
schulen zu einem relativen Abschluss gelangt. Dagegen fällt die
Schlussredaktion des Pseudo-Jonathan frühestens in das 7. Jahrh..
andere Targume noch später." (Kautzsch. Grammatik des Biblisch-
Aramäischen. S. 12). Ob daher die Gestalt jenes nordpalaesti-
nensischen Dialektes zu den Zeiten Jesu dieselbe war, in welcher
diese Targumim uns überliefert sind, und ob die schriftliche
Fixierung jenes Dialektes bereits so weit vorgeschritten war, dass
Matthäus, als er sein Evangelium schrieb, gerade dieses Dialektes
sich hätte bedienen müssen, das sind Fragen, welche mit all-
gemein historischen, bezw. sprachhistorischen Urtheilssprüchen
nicht entschieden werden können. Immer wieder wird man dahin
zurückgeworfen, dass das entscheidende Kriterium in der Unter-
suchung darüber zu suchen ist, welcher semitische Dialekt
am besten sich eignet, um die in den Paralleltexten
synoptischen Charakters vorhandenen Differenzen
sprachlich zu erklären. Hierfür aber ist es sehr bezeichnend,
dass Prof. Marshall in seinem ersten Artikel aus dem J. 189ü
durch die dort mit Hilfe des Hebräischen vorgenommenen Unter-
suchungen viel fruchtbarere Resultate erzielt hat, als in der
ganzen Artikelreihe des Jahres 1891, in welcher er das Aramäische
der Targumim herbeigezogen hat, um den semitischen Quellen-
text zu reconstruieren. Es ist ferner sehr merkwürdig und für
die Position des Aramäischen sehr wenig empfehlend, dass nach
Marshalls eigenem Geständniss die judäischen Stoffe der
synoptischen Evangelien fast vollständig die Anwen-
dung seiner Hypothese verweigert haben. Er sagt darüber
in dem V. Artikel von The Aramaic Gospel (Expositor 1891.
V. p. 381): In fact, we fail to find in any part of the Judaean
ministry, except the great eschatological discourse, any satis-
§ 7. Die Sprache des vorcanoniscben Evangeliums. \{)1
factory evidence that the narratives were trauslated from tlie
same Aramaic docuinent. After most laborious efforts, the
divergences which occurr in the Judaean narratives
obstinately refuse to yield to our hypothesis.
Hiernach wird es wohl nicht zu viel behauptet sein, wenn
ich von den MarshaUschen Untersuchungen auf Grund eingehender
und sorgfältiger Nachprüfung meine Meinung dahin ausspreche,
dass dieselben sowohl nach dem Ausgangspunkt als nach der
sprachlichen Methode als nach ihren vorläufigen Resultaten zu
einer befriedigenden Lösung der Frage noch nicht geführt haben.
Gleichwohl behalten diese Untersuchungen insofern einen höheren
Werfch, als Marshall das wichtige Problem nicht blos mit Energie
aufgestellt, sondern auch dessen praktische Lösung mit mühe-
vollem Fleiss angestrebt hat. Es sind ja durchweg zunächst nur
Proben, die angestellt werden können. Auch die von mir an-
gestrebte Lösung bezeichne ich als einen Versuch, dem wirk-
lichen Sachverhalt näher zu kommen. Davon aber bin ich über-
zeugt, dass jeder, welcher an der Erforschung der synoptischen
Evangelien mit arbeiten will, zunächst allen Fleiss darauf wird
wenden müssen, um die Ursprache festzustellen, in welcher die
Grundschrift der drei synoptischen Evangelien geschrieben ge-
wesen ist und, soweit möglich den semitischen Quellentext auf-
zusuchen, der den synoptischen Parallelen zu Grunde liegt. Denn
wenn ich auch nicht soweit gehe, mit Marshall zu hoffen, dass
mit der Feststellung des den synoptischen Evangelien zu Grunde
liegenden semitischen Urtextes „alle" Phänomene, die bei der
Evangelienforschung in Frage kommen, in vollständig befriedigen-
der Weise erklärt werden könnten (a satisfactory explanation of
all the phenomena in question — Expositor 1891. 11. p. 12 1 .
sofern wir es ja nicht mit reinen Übersetzungen der Urschrift,
sondern mit selbsständigen Bearbeitungen zu thun haben: so viel
ist doch gewiss, dass da, wo man in den synoptischen
Texten mit Sicherheit die Spuren eines semitischen Ur-
textes nachzuweisen vermag, auch der Einfluss des vor-
canoniscben Evangeliums zu constatieren ist.
Meinerseits habe ich bis jetzt keine Veranlassung, von der
bereits in den Agrapha S. 50 ff. vertretenen Voraussetzung einer
hebräischen Grundschrift abzugehen. Dasselbe Idiom, welches
Delitzsch. Dalman, S alkin son bei den Rückübersetzungen
108 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
des Neuen Testamentes ins Hebräische angewendet haben — ob
etwas mehr dem biblischen Hebräisch genähert oder ob etwas
mehr modernisiert, ist dabei eine untergeordnete Frage — bietet
sich ohne Zweifel als das bequemste Mittel dar, um den semitischen
Grundcharakter der den synoptischen Evangelien zu Grunde ge-
legenen Quellenschrift zur Darstellung zu bringen, zumal da das
die synoptischen Evangelien beherrschende Griechisch dem Septua-
ginta- Griechisch sehr congenial ist und mithin der Sprachge-
brauch der Septuaginta bei Wiedergabe des alttestamentlichen
hebräischen Textes zahlreiche und instruktive Analogien dar-
bietet zur Reconstruktion des neutestamentlichen hebräischen
Urtextes.
Erwähnen möchte ich noch den von Prof. Harnack gegen
mich ausgesprochenen Gedanken, dass das Urevangelium sowohl
hebräisch als aramäisch existiert habe. Harnack stützt sich
dabei auf die bekannte aber dunkele Mittheilung des Eusebius
über Hegesipp (Eus. H. E. IV, 22, 8.), welche er so auffasst.
dass Hegesipp neben dem Hebräerevangelium ein syrisches
Evangelium gebraucht habe (tov xad-' 'Eßoalovg evajysliov xal
tov JZvQiaxov) und letzteres, xo JZvgiaxov (worunter Andere
freilich das syrische Diatessaron Tatians, das ursprünglich
einzige Evangelium der syrischen Kirche, verstehen) auf das Ur-
evangelium in aramäischer = syrochaldäischer Sprache bezieht.
Er bemerkt dazu: „Ist es andrerseits wahrscheinlich zu machen,
dass das Urevangelium hebräisch war, so hätten wir zwei Redak-
tionen, und diese Annahme scheint dem sprachlichen Befunde in
unseren Evangelien und aussercanonischen Parallelen zu ent-
sprechen." Immerhin würde damit die letzte Frage nicht abge-
wiesen sein: in welchem Idiom ist das vorcanonische Evangelium
zuerst und ursprünglich geschrieben gewesen?
§ 8.
Die griechischen Übersetzungen des yorcanonischen
Evangeliums.
Es ist ein Umstand von folgenschwerer — in ihren Con-
sequenzen noch lange nicht genug gewürdigter — Bedeutung,
dass die ältesten Urkunden des Christenthums, die wir besitzen,
§ 8. Die griechischen Übersetzungen des vorcanonischen Evangeliums. |Q9
in einer anderen Sprache verfasst sind, als derjenigen, in welcher
der Stifter der christlichen Religion seine Lehren rnitgetheilt, als
derjenigen auch, in welcher die älteste — aber verloren ge-
gangene — Quellenschrift des Christenthunis verfasst gewesen
ist. Es spiegelt sich auch hierin die einzigartige Stellung des
Christenthums. sein universaler Charakter und die geistige Frei-
heit, mit der es in die Welt herangetreten ist. Es ist ein Siegel
auf das apostolische Wort: xo yQafitua ajtoxTÜVEi, zo ob jtvsv/ict
^coojcoiel (2. Cor. 3, G). Das älteste und ursprüngliche ygäfifia
des Christenthums ist uns verloren gegangen. Was wir davon
besitzen, das besitzen wir nur aus zweiter Hand, nämlich auf
dem Wege der Übersetzung, und zwar der Übersetzung aus dem
Semitischen ins Indogermanische, aus dem Hebräischen (oder
Aramäischen) ins Griechische. Was das besagen will, das können
wir ohngefähr ermessen bei dem Gedanken an die Möglichkeit,
dass die Schriften des Alten Testamentes lediglich durch die
Übersetzung der Septuaginta uns erhalten wären und dass wir
uns von dem verloren gegangenen hebräischen Urtext vorzugs-
weise nur mit Hilfe dieser griechischen Version ein annäherndes
Bild reconstruieren könnten. In diesem Falle würden die Über-
setzungsvarianten der Septuaginta und der anderen griechischen
Versionen, welche jetzt schon interessant genug sind, einen noch
viel höheren Werth besitzen als ein bei Vorhandensein von Über-
setzungsvarianten ziemlich sicheres, jedenfalls als das einzige
Mittel, um von da aus den verlorenen hebräischen Urtext zu
reconstruieren. Dabei würde es unerlässlich sein, von dem
Charakter und der Methode der verschiedenen Übersetzungen
klare Vorstellungen sich zu bilden, um durch die in verschiedener
Weise gebrochenen Lichtstrahlen das Urbild annähernd zu er-
kennen.
Es gibt hauptsächlich eine dreifache Art der Übertragung
eines Textes aus dem ursprünglichen Sprachidiom in ein anderes:
a) eine buchstäblich-wörtliche, gesetzlich ängstliche,
b) eine den Urtext möglichst treu, aber in geistiger Frei-
heit reproducierende,
c) eine vom Urtext sich loslösende, paraphrasierende.
Für alle drei Arten haben wir auf dem Gebiete der biblischen
Übersetzungen charakteristische Beispiele. Die buchstabisierende
Übersetzungsmethode hat bekanntlich Aquila bis zum Excess
HO Text- und quellenkritische Grundlegungen.
ausgebildet, indem er dem griechischen Sprachgeist zum Trotz
z. B. das hebräische Accusativzeichen durch övv oder "Vaxb durch
T(ß Xiystv oder das n locale durch das enklitische ös wiedergab
und so die Hebraismen dem griechischen Sprachidiom in ver-
letzender Weise aufdrängte. Gilt von dieser Methode: to yQdfifta
axoxxEivsi, so bietet doch eine darauf erbaute Übersetzung die
meisten Handhaben, um den Wortlaut, das ygäf/fia, des Urtextes
zu verificieren, bezw. zu reconstruieren. — Diejenige biblische
Übersetzung, welche dem Ideal einer den Urtext in geistiger
Freiheit und zugleich in möglichster Treue reproducierenden
Version am nächsten kommt, ist ohne Zweifel die deutsche Bibel
Luthers. Dieselbe lässt trotz allen Durchdrungenseins vom
deutschen Sprachgeiste den Urtext in den meisten Fällen der
Hauptsache nach wohl erkennen. Wer mit der Art der luthe-
rischen Bibelübersetzung vertraut ist, dem fällt es z. B. nicht
schwer, mit Hilfe der deutschen Psalmen den hebräischen Ur-
text annähernd zu reconstruieren. — Paraphrastische Bibelüber-
setzungen liegen in den jüdischen Targums vor. Dieselben sind
Übertragungen der hebräischen Texte in das aramäische Idiom,
doch so, dass sie zuweilen den Charakter „auslegender Um-
schreibung" angenommen haben und den Übergang bilden zu den
haggadischen Bearbeitungen alttestamentlicher Bücher. Es ist
klar, dass dieselben „wegen ihrer freien Behandlung des Textes
eine mehr begrenzt textkritische Bedeutung haben" (Vgl. Buhl.
Kanon und Text des A. T. S. 170. 171) und dass, wenn der
hebräische Urtext verloren wäre, sie zur Reconstruktion des-
selben das am wenigsten sichere Material liefern würden.
Aber auch die beste Übersetzung, die dem Ideale einer solchen
am meisten nahe kommt, wird einen Hiatus zwischen Version
und Urtext übrig lassen, eine Kluft, die niemals völlig überbrückt
werden kann, als höchstens innerlich nur von dem, welcher
beider Sprachen mächtig und von ihrem Geist durchdrungen ist.
Jeder Übersetzung haftet ausserdem eine unvermeidliche Be-
schränktheit an, da es von jeder Übersetzung gilt, „dass sie eine
bestimmte Exegese des betreffenden Textes voraussetzt", mithin
eine Verengerung des Ursinnes involviert. Dies ist besonders
bei Übersetzungen aus dem vieldeutigen hebräischen Idiom der
Fall, wie man aus der Mannigfaltigkeit der Septuaginta - Texte
und der späteren griechischen Tochterversionen so recht deutlich
§ S. Die griechischen Übersetzungen des vorcanoniscben Evangeliums. \\\
ersehen kann. Eine Fülle von Varietäten in der Wahl synonymer
Worte und in der grammatischen Deutung der unvocalisierten
Verbalformen sowie in der Gestaltung des Satzbaues ergibt sich
von selbst, wenn die Aufgabe gestellt wird, das semitische Idiom
in das griechische zu übertragen. Der erste Wurf ist hier ganz
besonders schwierig; die späteren Übersetzer können dann leicht
verbessern und das begonnene Werk vervollkommnen.
Diese Analogien muss man sich gegenwärtig halten, um den
Weg zu verstehen, den die junge Kirche gegangen sein wird, als
an sie die Notwendigkeit herantrat, ihre in hebräischer oder
aramäischer Sprache, jedenfalls in einem semitischen Idiom, ver-
fässte älteste und wichtigste Quellenschrift durch eine Über-
setzung ins Griechische weiteren Kreisen zugänglich zu machen.
Die Thatsache, dass sämmtliche neutestamentliche Schriften, unter
ihnen auch die judenchristlichen, wie das erste canonische Evan-
gelium, der Jakobusbrief und die Apokalypse, originaliter grie-
chisch geschrieben sind, ja dass auch das judenchristliche tvayythoi'
xa& 'Eß(>aiovg zuerst in griechischer Sprache vorhanden gewesen
ist und erst später eine Version ins Aramäische erlitten hat, be-
zeugt unleugbar die frühzeitige und allgemeine Vorherrschaft des
griechischen Idioms in den ältesten christlichen — auch den
judenchristlichen — Gemeinden. Insbesondere erweisen die drei
ersten canonischen Evangelien das frühzeitige Bedürfniss der
jungen Kirche, die evangelischen Stoffe, die originaliter in
hebräischer Sprache und Schrift niedergelegt waren, alsbald auch
in griechischer schriftlicher Hermeneuse zu besitzen.
Hierbei entstehen nun verschiedene wichtige Vorfragen: Ist
den drei synoptischen Bearbeitungen des vorcanonischen Evan-
geliums eiue schriftliche Übersetzung desselben in griechischer
Sprache vorausgegangen? Oder haben die drei synoptischen
Evangelisten und ebenso die anderen neutestamentlichen Schrift-
steller, welche jene vorcanonische Evangelienschrift benützten,
direkt aus dem hebräischen Urtext geschöpft? Lassen sich, wenn
eine schriftliche Übertragung des hebräischen Urevangeliums ins
Griechische frühzeitig stattgefunden hat, etwa verschiedene Über-
setzungstypen nachweisen? Vielleicht in der Weise, da^s ähnlich
wie bei den alttestamentlichen Übersetzungen eine erste noch an
starken Hebraismen leidende Version spätere Revisionen erfahren
hat? Hat etwa hierbei die noch lebendige mündliche Evangelien-
H>2 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
tradition ebenfalls mitgewirkt? Haben die altchristlichen Schrift-
steller, welche des Hebräischen noch kundig waren, zwar eine
griechische Version des Urevangeliums benützt, aber vielleicht
gleichzeitig ex suis gelegentliche Veränderungen, bezw. Ver-
besserungen, der griechischen Texte vorgenommen? Haben viel-
leicht Abschreiber, welche ebenfalls mit dem hebräischen Sprach-
idiom vertraut waren, bei Vervielfältigung der griechischen
Handschriften jenes vorcanonischen Evangeliums ein ähnliches
Verfahren eingeschlagen? Ist der Zustand des Urevangeliums,
wie ihn Papias schildert: Max&aloq fihv ovv Eßgatöi dialhtxcp
rä Xoyia ovvEygdtpaxo, ?}Qfi?jvsvos d'avxä coq i]v dvvaxoq
txaöxog — sowohl auf die mündliche Übertragung durch
Hermeneuten (= Methurgemanim) als auf schriftliche zusammen-
hängende Übersetzungen des Ganzen als endlich auch auf ge-
legentliche Verbesserungen und Textänderungen zu beziehen,
welche von Seiten der das Urevangelium benützenden Schrift-
steller ganz nach Bedürfniss vorgenommen werden konnten?
Wenn einer der auf dem Gebiete der altchristlichen Literatur
thätigen Forscher die Frage aufgeworfen hat: Wo sind sie, die
mannigfaltigen Übersetzungen des Urevangeliums? so antworte
ich: Hier sind sie, in der nachfolgenden Sammlung ausser-
canonischer und canonischer Parallel texte! Und wenn auch nur
in zahlreichen grösseren und kleineren Fragmenten erhalten,
bieten diese Paralleltexte doch ein so reiches und buntes Bild
von Übersetzungsvarianten, ganz ähnlich der fragmentarisch über-
lieferten Hexapla (bezw. Tetrapia, oder auch bisweilen Oktapla)
des Origenes, ganz übereinstimmend mit der bezüglich des
hebräischen Matthäusevangeliums gegebenen Schilderung des
Papias, so dass man geneigt sein muss, die sämmtlichen oben
bezeichneten Faktoren als mitwirkend bei der Genesis einer solchen
literarischen Erscheinung anzunehmen und diesen einzelnen
Faktoren in weiteren Untersuchungen nachzugehen.
Dies geschieht am besten so, dass zuerst die wichtigsten
canonischen Schriftsteller, welche hierbei in Betracht kommen,
befragt werden und dass man dann auch die interessantesten Er-
scheinungen aus der Buntheit der aussercanonischen Parallel-
texte hervorhebt.
An der Spitze der canonischen Schriftsteller steht in dieser
Hinsicht Marcus als der uns bekannte erste Bearbeiter des vor-
§ S. Die griechischen Übersetzungen des vorcanonischen Evangeliums, -j j_3
canonischen Evangeliums. Man kann seine Methode in Behand-
lung der hebräischen Quellentexte auf der einen Seite als eine
eklektische, auf der anderen Seite als eine paraphrastische
bezeichnen. Marcus nahm eine genau begrenzte Auswahl der
in der vorcanonischen Quelle enthaltenen Evangelienstoffe vor,
und diese letzteren erweiterte er durch Detailmalerei (namentlich
in der ersten Hälfte seines Buchs) in paraphrastischer Weise
nach Art der jüdischen Targumim. Als Jerusalemit sowohl des
aramäischen Volksdialektes als der hebräischen Grelehrtensprache
kundig, hat er vielleicht schon als ]ftä"ir)'0, als Dolmetscher,
einzelne Partien des vorcanonischen Evangeliums, wenn solches
in der hebräischen Gelehrtensprache verfasst war, dem aramäi-
schen Volksidiom zugänglich gemacht, woher dann auch die
nur in seiner Schrift zu findenden aramäischen Reste (Mc. 5, 41;
7, 34) auf natürliche Weise sich erklären würden. Später als
Reisebegleiter zuerst des Paulus und dann des Petrus hat er
innerhalb der griechisch redenden Welt als hQfiqvsvTt'jg (vgl.
Papias: N6.qx.oc, [ikv tQfiqvevzrjg JltrQOv ytvo^Evoq) oder, was
dasselbe ist, als l^änrfß ähnliche Dienste geleistet. Es waren
vielleicht vorzugsweise dieselben Stoffe, die er als tQfi^vsvr/jg,
als )fo-ntyn mündlich behandelt hatte, die er in seinem Evan-
gelium schriftlich fixierte; es war jedenfalls dieselbe Methode,
die er dort wie hier übte. Man kann den Charakter des Marcus-
evangeliums nicht besser bezeichnen, als dadurch dass man es
einen — durch selbstständige und werthvolle evangelische Er-
innerungen bereicherten — Targum zu ausgewählten Partien
des hebräischen Urevangeliums nennt. Wie nun oben
gezeigt worden ist, dass die jüdischen — in aramäischer Sprache
verfassten — Targumim, d. h. paraphrastischen Übersetzungen
alttestamentlicher Schriften, zur Feststellung des hebräischen Ur-
textes jener alttestamentlichen Bücher nur wenig beitragen, so
verhält es sich ähnlich mit dem neutestamentlichen griechischen
Targum, worin Marcus gewisse Partien des Urevangeliums be-
handelt hat. Zur Reconstruierung des zu dem Urevangelium
gehörigen hebräischen Quellentextes bietet Marcus uuter den
drei synoptischen Evangelisten am wenigsten sicheren Anhalt.
In seiner Paraphrase sind einzelne urtextliche Bestandteile zwar
noch zahlreich vorhanden, aber nur mit Schwierigkeit sicher zu
Texte u. Untersuchungen X. 8
•JU Text- und quellenkritische Grundlegungen.
erkennen. Namentlich gilt dies von den bei Marcus überwiegen-
den erzählenden Partien.
"Wenn nun liier noch die Frage übrig bleibt, ob Marcus als
tQfi9]V£vr^g oder "'crrr'C des hebräischen Urevangeliiims ledig-
lich direkt aus dem Urtext geschöpft oder zugleich eine oder
mehrere etwa schon vor Abfassung seiner Schrift vorhanden
gewesene Übersetzungen des ürevangeliums mit benutzt habe,
so kommt uns hier die Annahme des Prof. Marshall entgegen,
welcher an einer Anzahl von Stellen eine zweifache Übersetzung
des Quellentextes bei Marcus gefunden zu haben glaubt. (Vgl.
Expositor Dec. 1891. S. 441. 445. 446). Soweit jedoch die von
Marshall beobachteten Erscheinungen auf Verderbniss des
hebräischen Textes und auf daraus hervorgegangenen Missver-
stand des Hermeneuten zurückgeführt werden sollen, ist eine
solche Annahme gerade bei Marcus, wie oben bemerkt, von vorn-
herein völlig auszuschliessen. Auch sind Pleonasmen, wie Mc.
1. 32: otplac dh ysvofiivrjg, ort löv o rjZiog, von denen der
eine Theil Mt. 8, 16: oiplag de yevofitvrjq, der andere Theil Lc.
4, 40: övvovrog dh tov fj/.lov aufgenommen ist (vgl. Weiss
Marcusevangelium S. 67), oder Mc. 7. 21: eöco&sv ex xyg xag-
öiag, von denen Mt. 15, 19 nur ex rrjg xagdiac, in dem Text bei
Epiphanius (p. 490 B C) nur sOcod-sv sich wiederfindet, auf
den paraphrastischen Charakter der von Marcus geübten Text-
behandlung zurückzuführen. Gleichwohl steht der Annahme,
dass Marcus bereits zwei Versionen des ürevangeliums gekannt
und benutzt habe, kein Bedenken entgegen. Wenn Paulus schon
einen bestimmten Übersetzungstypus erkennen lässt, so war die
betreffende paulinisch-lucanische Version des Ürevangeliums selbst-
verständlich schon vor Abfassung des Marcusevangeliums vor-
handen. Noch älter dürfte die hebraisierende Version gewesen
sein, welche der erste Evangelist benutzte und deren Spuren im
Marcusevangelium nicht selten sich verfolgen lassen. Immerhin
aber besitzt das paraphrastische Marcusevangelium für die Frage
nach den verschiedenen Ubersetzungstypen des Ürevangeliums
nur eine secundäre Bedeutung.
Ganz andere und viel wesentlichere Dienste leistet in dieser
Hinsicht der erste Evangelist, zumal durch die Vergleichung mit
Lucas. Dass der Verfasser des ersten canonischen Evangeliums,
obwohl griechisch schreibend, des Hebräischen kundig war
§8. Die griechischen Übersetzungen des vorcanonischen Evangeliums. U5
zeigen jene alttestainentlichen Citate, die er ex suis dem Tenor
der Erzählung eingeflochten hat und in denen er sich gegen-
über der alexandrinischen "Übersetzung der LXX als selbststän-
digen Kenner des hebräischen Textes erweist. An und für sich
wäre es also wohl möglich, dass der erste Evangelist zugleich
der Urheber der von ihm benutzten Version des Urevangeliums
gewesen wäre. Dass sowohl ihm als Lucas ein griechischer
Text der Quellenschrift vorgelegen hat, erkennt man an der
in gewissen Partien überraschenden und auch in den Differenzen
niemals ganz aufhörenden Übereinstimmung beider Redaktoren.
Durch die Hebraismen aber, welche in der Version des ersten
Evangelisten vorwalten, wird es wahrscheinlich, dass dieselbe
noch älter war als der in den Briefen Pauli erkennbare Über-
setzungstypus und folglich von dem ersten Evangelisten bereits
vorgefunden sein dürfte.
Von den Hebraismen der von dem ersten Evangelisten be-
nützten Version seien im Folgenden einige charakteristische Bei-
spiele mitgetheilt.
Sowohl Mi 16, 26 als Mt. 20, 28 ist *tit: wörtlich mit ztjv
ipvyjjV avzov wiedergegeben, wo der paulinisch-lucanische Über-
setzungstypus Lc. 9, 25 (= Mt. 16, 26) und 1. Tim. 2, 6 (= Mt. 20, 28)
den Hebraismus vermieden und ittls: mit tccvzov übersetzt hat.
Ahnlich verhält es sich mit Mt. 12, 40: ev ty xagdig tfjg yrjq =
n^~xn 2ba, wo Cod. D. zu Lc. 11, 30 mit Beseitigung des
Hebraismus den Text mit der Lesart: hv zy yf] darbietet. Auch
der Hebraismus raxsivog zfj xagölq = !"P"i 5 Et? ist in den ältesten
Kirchenschriftstellern, wie Clemens Born., Herrn., Barn. u. A. durch
das gut griechische xaüiEivocpQCOV ersetzt. (Vgl. Agrapha S. 276).
Ebenso (Mt. 15, 19) dürfte der Ausdruck ex tfjg xagöiaq = lbn~'pü
auf einer wörtlich hebraisierenden Version beruhen, da die bei
Epiphanius (p. 490 B C) citierte Textgestalt sCcod-sv dem Con-
texte, in welchem es sich um den Gegensatz von innen und
aussen handelt, besser entspricht. Hebraisierend ist die Über-
setzung des "HN mit eh Mt. 8, 19 (== xig Lc. 9, 57), ebenso
Mt. 22, 35 (=rig Lc. Kl. 2.".'. nicht minder Mt. 19, 16 (= rig
Lc. IS, IS), desgleichen des "insn mit 6 eh Mt. 24, 40 (= o ere-
Qog Lc. 17, 36), und des nni* mit ?) pia Mt. 24,41 (= /) Izega
Lc. 17, 35). Besonders interessant ist die bei dem ersten Evan-
gelisten (niemals bei Lucas) zu findende hebraisierende Über-
S*
116 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Setzung von !n*FjPniJn mit jtqoöxvveTv, nicht in der auch dem
Griechischen eigentümlichen Bedeutung „anbeten", sondern in
der dem griechischen jcqooxvvsTv (von xvvslv küssen) fremden
Bedeutung „sich beugen, niederfallen". Vgl. Mt. 8, 2: jcqoosxvvsi
= Lc. 5, 12: jcsomv hm jcgöooijcov = Mc. 1, 40: yovvjcsrojv,
Mt. 9, 18: jcqoösxvvsi = Lc. 8, 41: jcsOcop naget zovg jcoöac.
Mc. 5, 22: jcijctsi jegog rovg jcoöaq, Mt. 15, 25: jcqoösxvvsi ==
Mc. 7, 25: jcqoosjcsosv jcqoc, xovq jcööag, auch Mt. 18, 26: jcqoö-
sxvvsi = inPE^, wo zwar controlierende Parallel -Varianten
fehlen, aber, da es sich um einen Mitknecht handelt, der Begriff
des „Anbetens" ebenfalls ausgeschlossen ist. Marcus hat jcqoOxv-
vslv = ninFiTön in der Bedeutung „niederfallen" nur einmal (vgl.
Mc. 5, 6: JCQOOsxvvrjösv = Lc. 8, 28: jcqoosjcsosv), Lucas dagegen
in seiner Übersetzung niemals. Weitere Hebraismen zeigen sich
im ersten Evangelium z. B. noch an folgenden Stellen: Mt. 11, 8:
oIxol xeov ßaöiZsmv — D^Vb^ ^fia oder tPZhlän rrhsn =
Lc. 7, 25: ßaolksia, ferner Mt. 6, 1: öixawövvrj = !"J]3~3? = Clem.
AI. p. 427: slsi)noovv7], in besonders charakteristischer Weise
Mt. 18, 3, wo das dem griechischen ozQacpr/rs zu Grunde liegende
ÜW'lj, wie S^iü nach hebräischem Sprachgebrauch auch sonst
häufig, die Wiederholung der im folgenden Verbum ausgedrückten
Handlung bezeichnen sollte und wo daher die alexandrinische
Version (siehe unten) den Mt. 18, 3 festgehaltenen Hebraismus:
sav [ii] OTQCtcp?]TE xal ysvrjOds mit vollem Bewusstsein ver-
mieden hat durch die griechisch richtige Übersetzung: sav (irj
avfrig ysvr/ods. Zu den Hebraismen des ersten canonischen
Evangeliums, bezw. der ihm zu Grunde liegenden griechischen
Version der vorcanonischen Quellenschrift, gehört namentlich
auch der Ausdruck: ■// ßaoilsia rmv ovgavmv = r\ ßaotXsla rov
&eov = Q^BJfl TCQb'ü, sofern Ü^ÜDSil jüdischer Ersatz des Gottes-
namens geworden war. Es wird dabei nicht ausgeschlossen,
dass auch in der lucanischen Version des Urtextes bisweilen ein
Hebraismus stehen geblieben ist, wie z. B. Luc. 21, 19: rag
ipvvaq vficöv = ÖDTÜS3 — Marcion: vosmet ipsos, savrovg, an
welcher Stelle mit Hilfe der aussercanoniseben Paralleltexte die
Identität des lucanischen Textes mit Mt. 24, 13 = Mc. 13, 13 =
Mt. 10, 22 quellenmässig festgestellt werden kann. Trotz solcher
Ausnahmen liegt der hebraisierende Charakter auf Seite der von
dem ersten Evangelisten benützten Version, welcher Umstand es
§ 8. Die griechischen Übersetzungen des vorcanonischen Evangeliums. \\7
wahrscheinlich macht, dass dies die älteste Version des Ur-
evangeliunis gewesen ist. Der Unterschied derselben im Vergleich
zu der lucanisch-paulinischen Version zeigt sich hie und da auch
in kleinen Feinheiten, z. B. in dem tJtr/ivcoozscv Mt. 11, 27, wo
La 10, 22 und 1. Cor. S, 2 yivcoGxstv steht, in dem sjuQqzeZv
Mt. 12, 39 = Mt. 16, 4, wo Lucas und Paulus (Lc. 11, 29; 1. Cor.
1, 22) CflTElv vertreten, in dem xcctccxvqisvelv Mt. 20, 25
(= Mc. 10, 42; 1. Petr. 5, 3), wo die paulinisch-lucanische Version
Lc. 22, 25; 2. Cor. 1, 24 xvqieveiv bevorzugt — Feinheiten, in
welchen von paulinischer oder antipaulinischer Tendenz oder
sonstiger Absichtlichkeit nicht die Rede sein kann. Diese und
ähnliche Beispiele, wo Lucas und Paulus in der Version zusammen-
treffen, sind in nachstehenden Verzeichnissen durch den Asteriskus
markiert.
tbersetziiiigsvariauten bei Lucas gegenüber Matthäus.
Lucas
Matthäus
Hebräisch
3,
3
EQXEO&at
8
CCQXEG&ai
4,
9
aysiv
13
*ajioGx7li'Lu
39
avaGxtjvai
6.
23
GxiQzav
38
UVXlftEXQElV
29
XVJIX8LV
29
jiagtytLV
7,
O
EQooxav
32
xXmelv
8,
16
ajixEiv
20
dtlttv
9,
2
lÜG&ai
10,
3
aQVEg
6
ävaxafijtzEtv
22
*yiVO)GX£lV
24
fttZeiv
11,
29
%7JXElV
4ü. 52
vofiixog
3, 1
9
4, 5
11
8, 15
5, 12
7, 2
5. 39
39
8, 5
11, 17
5, 15
12, 46
L0,8; 14,14
10, 16
13
11, 27
13, 17
12, 39
23, 13. 14
jiaQayiv£G&ciL
N;2
ÖOXELV
— ?
xccQaZafißdvEiv
arnn
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nEi, :in
lytLQEG&at
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*>*' v^n
hüiiCflxslv
tffcs
yQafifiaxsvg
nc-o
iis
Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Lucas
Matthäus
11.
47.4S
*<XJCOy.TEi)'£tV
23,
31
(pOVEVElV
49
i:'lx.öi<öy.zir
34
Öicoxeiv
12.
33
dicupttiigeiv
6,
20
aq>aviC,8iv
33
eltTjfioövvt]
6;
1
öty.atoövrrj
39
aqpievat
24,
43
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IT)
*/iedvox£Gfrai
49
[i£&VUV
51
boxtfr
10.
34
roidZtir
52
öiaiaQLCttv
35
öiyayeiv
56
öoxifid&iv
10,
3
diaXQlVELV
58
c.nycov
5.
25
y.QiT/jJ:
14,
16
ÖeZjcvov
22.
2
yatuoi
15,
4
ajtöXXvoihca
L8,
12. 13
jiZcurco&ai
4
y.araXdjceiv
12
arpitvai
17,
3
tJtniUi'r
15
llbjyjiir
24
Xafijtscv
24.
27
cfcdvEOftcu
27
EGÜU-W
38
TQcoyuv
37
GOJfJO.
28
jtTOjua
19.
21.22
avGzt/Qoq
25,
24
gxZtjqoq
21.
23
*äväyy.?j
24,
21
d-XityiQ
22.
ls
ajto rov vvv
26,
2'.i
ajcugri
69
ajio rov vvv
64
< rrc.QTL
Hebräisch
rpsn
mrjfj
■na
-ins
zrj
UbersetzungsTarianten bei Lucas seseiiüber Marcus.
Lucas
Marcus
Hebräisch
6, 9
ajioXXvvcu
3, 4
cuioxteiveiv
r-'cn
8, 28
jIQOGji'mTUV
5, 6
JTQOGXVVÜV
jrnprn
8, 39
dirjyelGflcu
5, 19
djiayysXXeiv
■jian
10, 4
ßaGrdC,£iv
6, 8
CLLQEIV
KTÖ3
13, 19
av^avur
4, 32
dvaßaivEiv
rb$
L8, 22
XeImeiv
10, 21
VGZEQtlV
-ion
21, 4
*VGT£Qt]lia
12, 44
VGZtQ?jGll
■Yiorna
§ 8. Die griechischen Übersetzungen des vorcanonischen Evangelium?. { {9
Übersetzungsvarianten bei Lucas gegenüber Marcus
und Matthäus.
Lc.
Mc.
Mt.
5. 27
deäofrai
2, 14
9, 9
lÖslV
rvsn
31
vyicävcov
17
12
loyvcov
pin
6, 13
.-rQoGcpmveiv
3, 13
10, 1
jiQoöxalaioficu
^ *npT
8, 13
*öex£G&cu
4, 16
13, 20
lafißccvsiv
'-?
13
d<ploraoßca
17
21
0xavda).L£sG&cu
büb?
28
ävaxQaCsiv
5, 7
8, 29
xgäCeiv
"P'JZ
37
tQcoxav
17
34
jtagaxaXeii'
bau
9, 1
övyxaZsiöd-ai
6, 7
10, 1
jiQOGxaXslGd-ai
sng
10
ötrjytTöd-cu
30
14, 12
ajtayyilXEiv
-\)n
10, 11
('.rrour.GüeGd-ca
11
10, 14
sxrivdöösiv
-;;:
!1. 22
vixav
3, 27
12, 29
öeeiv
m
22
*jcavoüt)da
27
21)
GXEVTj
ü^übü
12. 11
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13, 9
10, IS
rjyefimv
tivh
11
*k§ovaia
9
18
ßaCiZsvq
wbw
14, 27
tQ/eö&ai
ojtioco
8, 34
16, 24
c.y.oAovthlv
-ins *jbn
18, 39
Giyar
10, 4S
20, 31
oiwjtäp
nun
20, 22
*g)OQO?
12. 14
22, 17
XTJVÖOQ
c^
22. L9
*£vyaQi6Teiv
14, 22
26, 2«;
EvXoyslv
ra
20,11.12
*1^c.jtogtD-
Xuv
12,5.0
21, 36 djtoorsXXecv
nbra
22. 25
*XVQISVSCV
10, 42
20, 25 y.ataxvQisv£iv
br'-q
25
tsovaiaCtiv
42
25
xare^ovGiaCsip
ttbä
47
(pilelv
1 1, 45
26, 49
xc.Tcapi/islv
?fy
23, 10.22
jiaiösvsii'
15. 15
27, 26
qpQayeZZovv
13?
39
ßkaog)Tjfielv
32
39
övscöl^siv
r^n
53
/Lageveiv
4G
60
XazofiEiv
yböä 21—
26
<pig£iv
21
32
aiQElV
S1Ö3
120
Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Übersetzuiigsvariauten zwischen Lucas, Marcus,
Matthäus.
Lc.
Mc.
Mt.
5, 12
ütiüixuv sjiI 1, 10 yovvjitxstv
8, 2 'xqooxvveTv
ninryafti
XOÖOCOJIOV
21
xliviöiov
% 11
xgaßaxxoq
9, 6
xZlvj]
V~}%
26
cpoßov
12
t^ioxaoilai
8
(poßeio&ai
rr-nzjn
8, 24
tjrioxäxt]q
4, 38
öiödoxakog
8, 25
XVQIOQ
ian
-12
aütod-vfjöxeiv
5, 23 loyärcoQ v/uv
9, 18
xeXevxäv
in*na
49
jialc,
1 1 jt cudiov
25
XOQ('(ÜlOl>
rn*3
17, 2
AVOiXilÜ
9, 42 xaXov iöriv
L8, 6
OVflCßtQSl
rrin
18, 2:.
TQVJfia
in, 2:.
TQV(iaXid
19, 24
xQVjcrjfta
aßa
20, 2:!
*jtarovayia 12. 15 vjiÖxqlöiq
22; 18
jrovrjQia
nw
23
xaxavosli'
15
siÖsvai
18
yivooöxELV
iij
Aus vorstehenden Proben von Übersetzungsvarianten ersieht
man, wie der von Lucas befolgte Übersetzungstypus von den
Matthäus- und bzw. Marcusparallelen abweicht, doch so, dass
die Varianten eine Abstammung aus gemeinsamer hebräischer
Wurzel erkennen lassen. Durch die beigefügten Asterisci ist
die Verwandtschaft des lucanischen und paulinischen Über-
setzungstypus angedeutet. Indem hierfür auf die späteren Ein-
zeluntersuchungen — namentlich in den „Canonischen Evan-
gelienparallelen" — verwiesen wird, möge doch das nachfolgende
Verzeichniss von „paulinisch - lucanischen Evangelien-
parallelen" einen vorläufigen Einblick in das betreffende Ver-
wandtschaftsgebiet darstellen und zeigen, dass hier in der That
eine gemeinsame Version, bzw. Recension, des ursprünglich
hebräischen Evangeliums die Quelle dieses besonderen Verwandt-
schaftsverhältnisses sein muss.
§ 8. Die griechischen Übersetzungen des vorcanonischen Evangeliums. 121
Pauliniseh-lucanische Evangelienparallelen.
Lucas. Paulus. Hebräisch.
Lc. 3, 7. tyvyelv djio i Rom. 5, 9. Oco&rjoo- rr^n ^"C t:*"2n':
(ie{ha öl avxov
äjiö xf/q oQytjg.
r7j2 (leXXovörjg oq
yfjgy.10. 12. 14. D.
xi jiou'jom^av, Ire.
0 O) 0 CO n E V.
Lc. 3. 14. öxoax evo- 1. Cor. 9, 7. xigoxoa-
(lEPOl — dgXElOß-E XEVEXCCl lÖloig
xolq otycovioiq otycovioig jcoxe ;
vtucöv.
Lc. 4, 1. /J'/eto Iv Rörn. S, 14. xvev-
xcö jiVEiiiaxL. fiart &-EOV ayovxai.
Gal. 5, 15. JtvEV-
fiaxL ayEO&E.
Lc. 4,13. 6 öidßoXog 2. Cor. 12, S. Iva
ujitoxri üji av- äxooxfj ajt Sfiov.
xov.
Lc. 4, 14. iv x]} Öv- 1. Cor. 2, 4. sv ctjto-
VCCflEl XOV 31VEV- ÖELQSL JCVEV [ICCTOQ
fiaxog. xal övvdfiswg.
Lc. 6, 21. [taxccQLOL ol 1. Cor. 7, 30. olx/.al-
xlaiovzsg vir. ovreg a>g fi?} xXal-
OXl '/E/MOiXE. OVTEg.
Lc. 6, 35. oxl avxog Rom. 2, 4. xo yo?]-
yorjGxog töxiv.
Just.: yiveö&s öl
XQrjOxol xal olx-
VLQfiovsg cog xal 6
xazij{> vficov XQV"
Gzoq toxi.
OXOV XOV &EOV —
xov üiXovxov x^q
ZQt]6x6xr]xogav-
xov. Epb. 4, )!2.
yivEO&E öe tlg aX-
/.ijXovg XQTjOToi.
Lc. 6, 48. avd-QmncQ l.Cor. 3, 10. cog oocpog
olxoöofiovvxi — dnyixtxxcov &£(ie-
ed-ijxsv d-Efit- Xlov S&Tjxa.
Xiov.
Lc. 7, S. uvdoojjtög Rom. 13, 1. 2. iZov-
sifiLVJco e^ovöiav olaiz vjieqexqv-
raooö/iEvog. ötug vstoraoot-
szn
n*na kw
>i-ß)2 bin
nwi trvate
:^rzn tun«»
sin aita "»s
ffoitt ^n
wo n?3 n:2 »"»«
Tiota
■jsina w^x "r:s;
1'j':t;n rnr
122
Text- und quellenkritiscke Grundlegungen.
Lc. 7, 42. auqoxiooiq
lyaoloaxo.
Lc 1, 48. 50. dgtcj)'-
xal oov al afiaQrlai
— i] jtloxiq oov
OEOCOXEV ö£. JTOQEV-
OV EIC ElQ?jV?]V.
Lc.S, l'2.xiox£voar-
xeq öoi&cooiv.
Lc. 8, 1 3. ü £ xa y a g a g
ÖEyorrai Tor
löyov.
Lc. 9, 26. oq ydg ap
sjcaiOyvvfrfj (is
xal xovg tftovg 2.6-
yovq. xovxop 6
vlöq rov avd-Qomov
s üta loyvv 9-t'jo s-
TCCl.
Lc. 9, 51. zo jtqoOw-
jiov eorr/Qiosv rov
xogEVEO&ai siq
IeoovOa)J]{i.
Lc. 10, 1. ävsdsigev
[Cod. D: djtsöst-
§ev] o xvgioq xal
iztQovg Ißöofirjxop-
xa xal djteOxsi-
Iev avxovq.
ü&co — o avxi-
xaöOo^ievoq xij
etiovoi a.
Col. 2. 13. yagioä-
(isvoq rjfitv jtavxa.
Rom. 5. 1. öixaicod ir-
rig Ix ütiöxsojiq
eIqtjvtjv tycojtsv
jiooq xor &e6p.
Vgl. Eph. 2. 8.
1. Cor. 1, 21. Gcöoai
rovg jcioxevov-
xaq.
Rom. 1. 10. elq Oco-
xrjgiav xavxl xm
jcioxevovxi.
l.Th. 1,6. ös^dits-
roi rov Xöyov — -
ffsxd yagäq.
l.Th. 2, 13. £ÖE~a-
od-E — Xoyovdsov.
Rom. 1. 16. ov ydg
£ x a loyv v o fiaixo
EvayyElior. 2. Tim.
1, 12. ovx hüiai-
oyyroiiai. 2. Tim.
1, 8: ,«/} ovv £jtai-
oyvvd-fjg xo ftag-
XVQLOV rov XVQLOV.
Rom. 15, 25. vvvl öh
7t0Q£V0{iai Elq
iEQOVOalyfi.
1. Cor. 4, 9. 6 d£Öq
rjfiag astoöxo-
Xovq Eöydxovq
CCJt£Ö£l§£V.
'nibtft iab ?fb
vtjim 5i:^«i
nira'ra isti
TAX WIT53 ^2
töirp tn«?jrjs qx
nabb 1150-tiK du
D^inx o^at;
anbaf*-
§ 8. Die griechischen Übersetzungen des vorcanonischen Evangeliums. 123
Lc. 10, 7.. a^iog ydo
o eoydx?]g xov
fiiOd-ov avxo v.
Lc. 10, S. tofriexe
tu jtaoaxi&tue-
va vfiZv.
Lc. 10, 16. xai o dd-e-
T(OV VflCtQ lue
dfrexef 6 de sfiE
('.frexcöv dd-exel
xov djtoöxei/.arxä
(l£.
Lc. 10, 21. Marcion
ap.Epiph. p. 329 B.
evyaoioxcö öoi,
XVQISZOV OVQCCVOV.
Epiph. Haer. XL, 7.
p. 29SB. evyaoi-
gxoj ool, ütaxsQ,
xvQts ovgavcöv xai
im-
Lc. 11, 7. ff// HOL
xojcovq üiägeye.
Syr.Cur.Mt. 20, 13.
fl )) [10 L xojcovq
st co eye.
Lc. 11, 22. xi]v uz a-
rojtXiav avxov
aioei.
Lc. 11, 29. ?] yeveci
avrrj — Gt]ueiov
£t]xeZ.
Lc. 11, 35. öxojtei
ovv , in) xo gx5q
xo ev ool oxbxoq
ioxiv.
1. Tim. 5, IS. Xsysi
ydg ?/ yoacp/]- —
o.c,i0 2 o egyaxtjq
xov [UGftov av-
xov.
1. Cor. 10, 27. jcäv xo
jiaoaxi&efiei'oi'
vuiv iod-lexe.
1. Thess. 4. S. xoi-
yaoovv o a&excöv
ovx av&Qcojtov d-
frexeZ aZld xov
&EOV.
Rom. 1, S. evyaoi-
oxo~j xro d-ecö uov
&«'ZÄ>.Epü.5.2i>.
evyccQiOxovvxeq
— xcö &eq3 xai
jtccxQi. Vgl. 1. Cor.
1,4. Phil. 1,3. Col.
1,3.12; 3,17. l.Thess.
1,2; 2, 13 u. ö.
Gal. 6, 17. xojtovq
{toi (irjdelq jtage-
ytrco.
Eph.6,11. u'övöaod-e
xi)v jtavoüilia v
xov deoi.
1. Cor. 1, 22. %v-
öaloi OfjiieTa — £77 -
TOVÜLV.
Gal. G, 1. oxojiöjv
ösavzov, in) xai
öv jniQCtodfjq.
vnrra =
EDlna riT-z-'
ann inix nrzn-
"iiösrna nria
■^nbr
*:;-\vp-rx
"^rrs sr^
124
Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Lc 11, 41. xal löov
jtdvxa xa&aqd
VfllV £ÖXIV.
Lc. 11, 49. öid xolxo
xal )j öo(pia xov
freov eijrev.
Lc. 11. 49. ajtooze Xcö
dg avxovg jiqo-
(f i]raq xal ccjco-
OxoXovq.
Lc. 1 1 , 49. xal st)
avxoöv axox.x£-
vovoiv xal lx-
öicoBovöiv.
Lc. 1 ! . 52. xal xovg
HOtr>ZO(ltVOVQ s x oo-
Zvöaxs. [Mt.23,32.
xal vfielg jcZijqco-
oart xo (isxgov
xeov ziaxioaiv
Vficov].
Lc 11, 53. 7/Qsavxo
ol ygafifiazeig xal
ot (paoiöaZoi deivajg
Ivtyjtiv xal dxo-
oxofii^siv avxöv.
Lc. 12, 11. oxav ös
dötybQGJöiv vfiüg
tJil rag ovvaycoydg
xal rag äo%ag xal
rag £c,ovoiag.
Rom. 14, 20. Jiavxa
fiev xad-aQa.
Tit. 1, 15. üiavxa
xa&aoa xolg xa-
daooig.
l.Cor. 2. 7. Xalovfiev
&sot ooty'iav Iv
fivörrjQicp.
1. Cor. 12, 28. Idtxo
o &sog iv xf] ix-
xXrjöla jiqo'jxov
djcooxöXovg}Ö£v-
xzqov JiQo<pyxag.
Vgl. Eph. 2,20; 3,5.
1. Thess. 2, 15. xojv
xal xov xvqiov
d üi oxx t iv äv x o) v
'frjöovv xal xovg
jtQO<p?/xag xal ?/tuäg
ixöico$ü.vx cor ,
v.16. xojAvovxojv
tjfiäg xolg sd-vsoiv
lalyöai 'iva öco-
&ä>6iv, ug xo dva-
üilfiQcooai avxcöv
xo.g dfiagziag jeav-
xoxs.
Tit. 1, 10. 11. ol ix
xijg ji£Qixo[Ujg, ovg
Ö£l £JllOXOUl££lV.
Rom. 13, 1. i$ov-
oiaig. v. 3. ol yaQ
aoyovx £g. Tit. 3,1.
d(> %aig[xal] £ $o v-
Oiaig vjioxdoö£-
o&ai.
niJTü bin nsm
öS
a^n/bsn nüpn
Wi ^aini :nri
rny:E csarrnKi
-n» DTaao uns1]
ro»J»B
SOr« W^ "IE8D1
n^Msrnpa-b»
d*n»inn ^sb*
§ S. Die griechischen Übersetzungen des vorcanonischen Evangeliums. 125
Lc. 12, 11. [ii] tu£Qi-
l(r/jG?/XE. Jicoq t] xl
an o Xoyt'jGrjGd- e.
Lc. 12, 20. depo cor,
zavT)j Tij vvxxl.
Lc. 12. 14. av&Qcoxs,
xlq {*£ xxX.
Cod. D. p. 205b. av-
d-gcojte . d fiev
oiöaq zr/..
Lc. 12. 35. egxommv
varöv ai oöqpveq
jcsQie^ooOfisvoi.
Lc. 12. 42. xlq dga
euTir o 7i igt 6g
oixovoiioq.
Lc. 12. 45. ag§tjxai —
eöd-Luv tb xal jtl-
velv xal fis&v-
öxEOd-at.
Lc. 12. 46. xo iit'gog
ai-Tov fisra xcov
äjCLÖTCOV d-TJGei.
Lc 13, 24. dycov't-
^egü-e eIgeX&eiv
öta xr\q GxEvtjq
ß-vgaq.
Lc. 13, 27. ajtoGxrjTE
aüt tuov jtdvxEq
igyäxcu ddixiaq.
Lc. 14. 27. oGxtq ov
ßaoxa^si xbv
özavodv tavxov.
Phil. 1, IG. sig aiio-
Xoylav xov evay-
ysXlov xelfiat.
1. Cor. 15,36. acpgcov,
OV O GjtEtgELq.
Körn. 2, 1. co av-
d QCOJIE , Jtäq o XQl-
vcov. v. 3. co av-
&gcojt£ xxX.
Eph. 6, 14. öTTJxe ovv
JtEQtZfO 6 ä HSV OL
r ))r 6 Offvvvfi co v.
1. Cor. 4, 2. C^xslzai
ev xoiq oixovo-
uo i q . iva jciGxoq
TIC, svQsd-y.
1. Thess. 5, 7. ol fit-
&VGXOUEVOL VVX-
xoq [t£&vovGiv.
2. Cor. 6, 15. xlq fiEolq
jiiGxcö fiExa auzi-
Gx ov;
1. Tim. 6,12. dym-
viC,ov xov xaXov
dycöi-a xijq jx'l-
GXEcaq. Vgl. 2. Tim.
4, 7. tfycovi6fiai
xxX.
2. Tim. 2, 19. doxo-
ox/jxco ccjco äöi-
xl aq jtäq o ovo-
LiaCfiov xo ovoiia
XVQLOV.
Gal. 6, 17. xd Gxiy-
iiaxa xov '///Gov iv
xcß Gcofiaxi f(ov
ßaoxd^co.
iTffitö", ;:c
r-r™-- :2X; bnn
z- ipbn irn
iaibs~r>8
126
Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Lc. 14. 34. xaXbv xb
äXam eäv öh xal xo
aXa ficooavdij, tv
TlVl CiQT V&7J08-
ti'.i:
Lc. 15, 32. ovroc vs-
xQog >[V xal
£ ZljOEV.
Lc. 16, 2. cmodog xov
Xoyov xi]g oixo-
v oft lag oov.
Lc. IS. 1. sXeysv de
jtaoaßoXijv avxofg
jiodq ro ötlv jiäv-
rors xqoO£v~/£-
oOai avxovg
xai fitj syxaxslv.
Lc. 18, 9. sijtsv 6h
tiqÖq xivag xovg
Jisjcoid-oxag Iq?
havzolg.
Lc, 20, 11. 13. ega-
jitoxsiXav —
x£firpco xov vlöv
H o v.
Lc. 20, 22. 25. l&oxiv
r [tag Kaiöaoi <po-
Col. 4, 6. o Xbyog vftcöv
jtavxoxe kv yaQlTl'
aXaxt tjoxvut-
vog.
Köm. 6, 13. jcagaoxt)-
oaxs savxovg xcö
deop 030el ex Va-
xom v L^mvxaz.
1. Cor. 9, 17. olxo-
voftiav Jiixiöxsv-
[mu. Col. 1, 25.
xctxo. xrjv olxo-
vofiiav xov &sov
x))v öod-uoav hol.
Rom. 1, 10. üiävxoxs
tJTL XCOV JIQOÖ-
£vy<ür (iov Ssöfis-
vog. Col. 1,3. Jtäv-
xoxs jiQoosvyo-
ft£voi. 2. Thess.
1, 11. JIQOO£VXO-
[i£&a jcdvxoxe.
2. Cor. 4, 16. öio ovx
lyy.axovf.iEv.
Gal. 6, 9. [ir] lyxa-
xöjfiev. Epli. 3, 13.
öio aixovftai fit)
eyxax£lv.
2. Cor. 1 , 9. iva fir) ot £ -
jioi&6x£g cofiev
h(p kavxoig.
Gal. 4, 4. £$aüi£Ox£i-
Xev o &£og xov
vibv avxov.
Rom. 13,7. äji6öox£
Jiöoiv xag 6<f>£iXag,
bsn rnn rbrtir\
tt* na rrn nr
-n^ps pawn jrg
"PEn b'zzrn't
nimms vb*-
-^r;3 D'intaa
isa-rx nnsc»
§ S. Die griechischen Übersetzungen des voreanonischen Evangeliums. [27
qov öovvai Tj ov;
— CCJtÖÖOXE XIX
Kcdoagog Kcdoctoi.
Lc.20,23. xaxaro?'/üag
öl avxcov xt)v
ütavovQyiav.
Lc. 20, 35. ol öh xa-
Ta$lCO&£VT£G
xov cdcövog ixel-
vov.
Lc. 20, 38. &eog öh
OVX %ÖTIV VEXQCOV
dXXa ^covxcov
jiävxEQ yäo avxcp
Zcööl V.
Lc. 21, 4. ajtccvxegyccQ
OVXOl EX XOV 3CE-
Qcooevovxog av-
xolg eftalov — ,
avrt/ öh ix xov
vöTEQijfiarogav-
*%■
Lc. 21, 22. ort rjfieocu
Ixöcx/jöEwg av-
xai üöiv.
Lc. 2 1 , 23. töxtu yäo
— oq'/i) xcö Xacö
xovxco.
Lc. 21, 23. toxai yaQ
dvc'cyx// iteyähj Ijcl
T7jc yrJQ.
Lc. 21, 24. ciXQt ov
x).nQa)l>d)6iv
xatool tdvcov.
xco rov (fooov
XOV tpOQOV.
Eph. 4, 14. ev ütav-
ovgyla jiQog xt)i>
fiE&odiav x>jg jc?m-
vrjg.
2. Thess. 1, 5. dg xo
xarat-ico&rjvai
i\uäg xf/g ßaCilsiag.
Rom. 6, 11. Ccövxag
xcö d-scp. 14, S. iär
xe yäo ^cöiiev , xcö
XVQICO L,cöfl£V. Gal.
2. 19. Iva Vecö
z?j6co.
2. Cor. S. 14. iva xcä
XO EXeLvOOV jttQlö-
Osvfia yivrjxac eiq
VC VflOÖV voxt-
QTjfia.
2. Thess. 1,8. öiöovxog
exöixijoiv xolg
(i/) siöoöiv xdl xolg
(19] VJtaXOVOl'OLV
xcö svayyt/Jrp.
1. Thess. 2, 16. EcpVa-
oev öh ex avxovg
[sc. rovg 'Iovöaiovg]
/} orr/i] eig xtXog.
1. Cor. 7, 2G. öia xt)v
hvtGxiöoav dvccy-
X7]V.
Rörn 11,25. ayoigov
xo jtZ//Q(0(ia xcöv
e&vwv eiödlfry.
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D*nan
128
Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Lc. 21, 28. ölötl sy-
yiC,£t rj dxoXv-
XQCOGlC VflCOV.
Lc. 22, 7. ?]Z&ev 6h i)
7jfi£Qa xcov a^v-
ficov [Syr. Cur. xov
jiäöya}, ev fj Iöel
d-vsG&cu XO
jiaoya.
Lc. 22, 19. xalXaßcov
CCQTOV £V%CtQl-
GxrjGaq exXaöev
xal eöcoxev avxolq
Xiycov rovro
loxiv xo ocöfia
flOV XO VJCEQ
V tU CO V ÖlÖÖßEVOV '
rovro jcoiEirs
slqtfitjv ävcctuv?]-
GlV.
Lc. 22, 20. xal xo
JCOXTjQlOV cooav-
xcog fiexa xo ösi-
jcvr\Gai Xtycov
rovxo xo jcorrj-
qlov ?] xaivi] öia-
&rjxr] ev reo aifia-
XI flOVj xo VJCEQ
v[icov EX.yvvö[iEvov.
Lc. 22, 25. ol ßaöiXüq
xcöv efrpäiv xvqi-
evovgiv avxcöv.
Lc. 22, 37. xal yag xo
jceqI Etuov riXoq
SXEL.
Rom. 8, 23. sv hccvrolc
GXEvd^OjiEV VIO&S-
oiav djiExÖE'/6tuE-
voi, rrjv djcoXv-
XQC061V.
1. Cor. 5, 7. xal yao
xo Jtdoya 7/ficöv
Exv&t] XqiGxoq.
1. Cor. 11, 23. 24. eXcc-
ßsv aoxov xcd
£v%ctQiGx?]öaq
txXaöEvxal eljcev '
XOVXO (10 V 8 ÖTC V
XO GiOfia XO VJCEQ
V[iä)V \xXü){l£VOV,
d-QVjlxÖ[i£VOV\'
XOVXO ÜIOIEIXE
slq xi)v E[irjv
dvdiuv?]Giv.
1. Cor. 11,25. ojoav-
xcoq xal xo jco-
Xf'jQlOV flEtd xo
ÖEijcvr/Gai Xe-
yrnv rovxo xo
jcoxi'iQLOV ?} xai-
vi) diaih?']x?j EGxXv
ev xrö k[icp aiftaxi'
xovxo jcoieixe, oGa-
xiq käv jcivi]X£, slq
rrji'Enrivdväjiv7]GLV.
2. Cor. 1, 24. ovy
Ort XVQlEVOflEV
VjlCOV.
Rom. 10, 4. rEXoq
yag vöuovXoiGxoq.
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i2tp — 15? X3
§ 8. Die griechischen Übersetzungen des vorcanonischen Evangeliums. 129
Lc. 22, 53. avxrj soxlv I Col. 1, 13. bq sgvOaxo
vficöv r\ coga xal ?) ?][iäqsx xr/q sgov-
oiaq xov 0x6-
rovq.
2. Tun. 2, 9. xaxo-
jiad-cö {isygi öso-
jioov coq xaxovg-
yoq.
s§ovoia xov oxo-
xovq.
Lc. 23, 33. sxslloxav-
goiöav avxov xal
xovq xaxovg-
yovq.
sjcnn fobtS
Lc. 23, 43. o?jtuegov 2. Cor. 12, 4. ort ?}g-
(«£t' stuov so?] sv jcäy?] slq rov jca-
xco jiaoadeioq). gaösioov.
Lc. 24,25. o? avoi}- Gal. 3, 1. co ävo?/xoi
toi xxX. ralarai.
Act. 1, 7. ovy vfioöv 1. Thess. 5, 1. Jtsgl
soxlv yvcövai ygo- ös xcöv ygövcov
11125? rrrw ö'i*n
wn "non iin
n?lb DD5 so
vovq i] xaigovq,
ovq 6 3taxt)g sfrsxo
ev xrj iöia sgovoiq.
xai xov xaigoov
— ov yjgsiav sysxs
vfilv ygäysoü-ai.
Wie die Verwandtschaft der paulinischen Evangelien-
parallelen mit der vorcanonischen Quellenschrift auch in die
anderen beiden synoptischen Evangelien hineinreicht, wo luca-
nische Paralleltexte fehlen, ersehe man aus folgenden Proben.
Lbersetzungsparallelen zwischen Paulus
Mt. 5, 14. vfislq sOxh j Phil. 2, 16. <palvsofrs
xo (pcäq rov xoo-
fiov. v. 16, ovxwq
Xafixpäxco xo cpcöq
vfimv.
Mt. 5, 14. ov övva-
xat JiöXtq xgvßrj-
vai xxX. v. 16.
OTioctq lömöiv vfioov
xa xaXä sgya.
Mt, 5, 37. soxco öh 6
Xoyoq vftcov vat j
val, ov ov.
Texte u. Untersuchungen X
coq (poDöxrjgsq sv
xoOftcp.
1. Tim. 5, 25. ojoav-
xcoq xal xä sgya
xa xaXa — xgv-
ßijvai ov övvav-
xai.
2. Cor. 1, 17. Iva fl
nag' sfiol xö val
val xal xo ov ov.
und Matthäus.
öVüm nix ans
n31;X "ISO ]2
inrrb? nyoa -p*
-insnb b?lh xb
in aDini w tfs?
sb xb p
130
Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Mi 10, 16. yiveo&s
ovv (fQOVii.ioi cog
ol oqpsig xal axi-
gaioi wg al xeoi-
Gxsoai.
Mt. 11,29. oxi XQctvg
elfii xal xajteivog
rfj xaoöia.
Mt. 13,44. ofioiaiorlv
?) {MOi/.eia xcov
OVQCWCQV &?}GaV-
Qfö xsxQVfifievqj.
Mt. 18, 3. iav //>}
Gxoacfijxe xal yi-
vr/G&scog ra jcai-
öla.
Mt. 18, 20. ov yäo
slOlV OVO >} TQ£lc
ÖVVffYfiSVOl HQ XO
Eftov ovo/ia.
Mt. 20, 4. xal o lav
Ölxaiov ö co 0(0
Vp.lv. v. 12. iöovg.
Mt. 20, 15. /} ovx
si-söriv [iOL ö d-tXoo
jtoirjöai ev xotg
sfioZg;
Mt. 20, 22. ovx ot-
öaxe xl aixelG&e.
Mt. 20,28. xal öov-
vai xt)v ipvyfjv
avxov Zvtqov
dvxl jtoXXcöv.
Rom. 16, 19. &eXco de
v/nag oocpovg eivai
dg rö äya&ov,
axegalovg öe sie
ro xaxöv.
2. Cor. 10, 1. öiä xi]g
jioavTt]Tog xal
ijiieixelag xov
XqiGxov, og xaxa
jiqogcojiov fihv xa-
JtELVOg.
Col. 2, 3. ev co elolv
üiävxeg oi &r/Gau-
Qol xfjg oocplag xal
yvojüsmg äjioxnv-
CfiOl.
1. Cor. 14, 20. Jtai-
öla ylveo&e xfj
xaxia.
1. Cor. 5, 4. ev xcö
ovofiaxi xov xv-
q'iov 'Jtjoov Gvv-
ay&e'vxcov.
Col. 4, 1. xo ölxaiov
xal x))v iGoxrjxa
xoig ÖovXoig Jiaoe-
yeöfre.
Rom. 9, 21. y ovx
eyei sgovölav 6 xe-
oa/ievg — xoir/-
oai;
Rom. 8, 26. xl jtoog-
tv^coiieOa xafro
öel ovx oiÖafiev.
1. Tim. 2, 6. 6 öovq
eavxov avxlX v xoov
vji'eo jtdvxcov.
nrrtsen is» 13
v5 rtth 'pfcf-ä«
^ü"a rrir-b
itf» nx Bwrrj x'b
■pxn?p,
ibs i©öa nnbi
=^an rnn
§ 8. Die griechischen Übersetzungen des vorcanonischen Erangeliums. 131
Mt. 22, 40. iv xav- | Gal. 5, 14. 6 yao jtäg
rccig xaig övolv 1 voftog iv evl Xo-
ivxoXalg olog 6 ycp jcejcX/jqojtgi.
votuog xQEfiaxai. Rom. 13, 8.
Mt. 23,32. y.cä vuüg [ 1. Thess. 2, IG. eiq xo
xXrjocooaxe xo avajcX?jQcöoac
xcöv Jia-
tltXQOV
XtQCOV.
Mt. 24. 12. 61a xo
jt h)d vpfrijvai xijV
dvouiav.
avxcov xag auao-
xiag.
2. Thess. 2,7. xo yäo
uvoxt/oiov i)6i]
ivEQyelxai x?jg
av oft lag.
Rom, 14, 10. Jtavxsg
yao Jtaga Gxrjoo-
(iE&a xcö ßt'/iiaxt
xov Xqloxov. 2.
Cor. 5. in.
Mi 25, 34. öevts 01 Eph. 1, 3. Jtax?}o —
EvXoyqpsvoi 6 EvXoyj'/oag >)-
Mt. 25, 31. xoxe xa
d-lO£l IjCL &QOVOV
döl^j. avxov. v. 33
XOI 6X1] GEL XxX.
xov jraxgog uov,
xh/oovof/r/GaxE
xi/v )jxotiiaG[it-
v ?] v vfiiv ßaoiXtiav
ajio xaxaßoXyg
XOÖflOV.
Mt. 25, 40. icf öoov
etcoi 1] öazssvi xov-
xeov xoJv cötXcpcöv
tuov xcöv iXayi-
GXCOV, E[X0\ tJtOt/j-
oeexe.
(lag — v. 4. jcqo
xaxaßoXfjq xoo-
fiov. 2, 10. ijcl
toyoig äyafroig 01g
rroofjxoltua0£2> o
0-eog.
Col. 3, 23. 0 luv 3101-
i}x£, ix ipv/J/g
inyc'c^Eoßs, mg xcö
xv q Leo xdi ovx
avß-QCOjtoig.
rjsspjir^rpnca
Benins rna
nan? n©» <nns7
SE2 by atth ts
iTiaa
-;nsr irTr^nt
B,,"r:rsn TST2
rr^r- *b n'sxn
1) Der Übersetzer, dem der erste Evangelist folgte, las irrthümlich
unvocalisirt ihr (--=•'-- = xq^iuvi tu) anstatt *"-r (= As = nt7i'/.i\oojvxai).
132
Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Übersetzungsparallelen zwischen Paulus und Marcus.
mYüä
Mc. 1, 14. X?]QV6-
öcov xo svayys-
Xiov xtjq ßaoiXsiag
rov dsov.
Mc. 1, 15. xal Xsyon>
oxi jiejrAr/Qcorai
0 xaiooq. Cod.
Q.jisjiZy q cor rat
01 XCUQOl.
Mc. 7, 18. xal Xejei
avxolq' ovxcoq
xal v(islq aovvExoi
eoxe;
Mc. 9, 50. xccl eIq?]-
vevexe £V dVj'j-
Xolq.
1. Thess. 2, 9. Ixi]-
Qvgafiev dg v\uäq
xo EvayyiXiov
xov &eov.
Eph. 1, 10. dq oixo-
voiäav rov JtXt]-
qc6 fiaxoq xcöv
xaiQcöv. Gal. 4, 4.
Gal. 3; 3. ovxcoq
avoijxo'i eOxe;
1. Thess. 5,13. elqv
vevexe ev eavxoiq.
D^n i»bö tq^i
^non
öd^3 Dib» im
An einer Anzahl dieser Beispiele kann man deutlich ersehen,
wie die Übersetzung des bezüglichen hebräischen Stammwortes
lauten würde, wenn im lucanischen Evangelium der betreffende
Paralleltext erhalten wäre. Man vergleiche
Hebräisches
Matthäusversion.
Paulinisch-lucanische
Stammwort.
Version.
■V*W3
cpaivsöd-ai
XäftJVElP
■ptttt
XEXQVflftEVOq
anöxQvepoq
*W "^A
övvrjyfievoi
övvax&EVXEq
■jüS« "pK
ovx e^eöxlv
ovx £%£i bBovoiav
Tb»tf
alxElö&ai
JlQ06£VX£6&ai
iiüip:
xrjv ipvyi)v avxov
ECCVXOV
n&3
Xvxqov
avx'ilvxQov
(nbn) nbD
XQEftaö&ai
jtfo]Qovod-ai
*&a
jcXtjqovv
avajih]Qovv
rann
jzfaj&vv&fjvcu
£V£QY£löd-CU
X55
ftoovog
ßfjfia
§ 8. Die griechischen Übersetzungen des vorcanonischen Evangeliums. 133
■pDH
T dw»3
töxavai
tzoifiäCEiv
ajto xaraßoZijg x. x.
£(jD OOOP
dovrszog
hv aZZrjZoig
jiaotöxavai
jcQoeroifiä^siv
jigo xaxaßoZfjq x. x.
o edv
avötjxoq
Iv kavxolg.
Bezüglich der Varianten äjioxQvcpog = xsxQVfif/svog ist nach
Lc. 8, 17==Mc. 4, 22 = Lc. 12, 2 = Mt. 10, 26 derselbe Va-
rianten-Wechsel zu beobachten. Dass die lucanische Version die
Wendung sgovöiav v/bw bevorzugt, ersieht man aus Lc. 12, 5,
wo für die Matthäus-Parallele övvcif/svov (Mt. 10, 25) sgovoiav
lyovxa zu lesen ist. Zu iavxöv = xrjv tyvyrjv ccvxov = "t;D2 ist
schon auf die Parallele Lc. 9, 25 (lavxov) = Mt, 16, 26 Ijrjv
tpv/rjv avxov) hingewiesen worden. Dass die Composition mit
avri in ävxiZvxoov (1. Tim. 2, 6) dem paulinisch-lucanischen
Übersetzungstypus entspricht, zeigt avxituexQ£iv Lc 6, 38 =
[isxQSlv Mt. 7, 2. Dass jrZ/jQovod-ai wirklich zum paulinisch-
lucanischen Text zu Mt. 22, 40 gehört hat, dafür bürgt die Pa-
rallele bei Justin. (Vgl. die Erläuterung zu Lc. 10, 27.) Auch
das paulinische avajrZ?]govi' ist handschriftlich beglaubigt. (Vgl.
Tischendorf S. 154 und die Erläuterung zu Mt. 23, 32.) Sodann
findet sich ßf]tua =fro6vog zu Mt. 25, 31 bei Chrysostomus.
Dieses und Anderes beweist, dass die paulinischen Varianten von
Uranfang wohl begründet, mithin einem bestimmten Übersetzungs-
typus angehörig sind, dessen Spuren einerseits in den pauli-
nischen Briefen, andererseits im lucanischen Evangelium sich
weithin verfolgen lassen.
Dabei ist es bezüglich des letztern von höchster Wichtig-
keit constatieren zu können, dass abgesehen von der im Marcus-
evangelium enthaltenen Dolmetschung des Urevangeliums Lucas
wenigstens zwei verschiedene Versionen des letzteren gekannt
haben muss. Wahrscheinlich wird solches schon in den Pa-
rallelen Lc. 9, 5 = Lc. 10, 11, wo "122 das erste Mal mit djio-
xiväoouv, das andere Mal mit djio^doOEGfrat wiedergegeben ist,
während wir Mc. 6, 11 = Mt. 10, 14 Lxxivüoouv lesen. Werth-
voller sind die Parallelen zu Lc. 9. 24, wo der dritte Evangelist
mit dem ersten Mt. 16, 25 aus der Marcusversion öcöocu herüber-
genommen hat, während Mt. 10, 39 dieselbe Gnome mit svQioxtiv
1 34 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
und Lc. 17, 33 mit jnQijtoirjOaoßai (wie Ebr. 10, 39) und mit
C,cooyovBtv wiedergegeben ist, welche Varianten sämmtlich auf i~pn
zurückgehen. Noch instruktiver aber sind diejenigen lucanischen
Stellen, wo der dritte Evangelist selbst zwei verschiedene Ver-
sionen desselben Quellenwortes durch ?} verbunden zur Auswahl
neben einander stellt. So liest Lucas in dem Logion Lc. 9, 25
:^uiovo&aL mit Mt. 16, 26; Mc. 8, 36; Phil. 3, 7. 8, stellt aber
axoXioac, ?/ vor £>;// ico&eiq ein. Diese Version djioXtoai, welche
zugleich mit ^?]fuovoßai auf r^ftWTl zurückzuführen ist, findet
sich in der Form ajtoltot} und ohne Verknüpfung mit ^uico&fj
oder C?jfiia>&sic — also abweichend und unabhängig von dem
canonischen Lucastexte — bei Justin, Clemens AI. u. Pseudo-
Ignatius wieder. (Vgl. die Erläuterung zu Lc. 9, 25.) Ent-
scheidend für den Gebrauch einer zweifachen Version des vor-
canonischen Evangeliums von Seiten des Lucas ist Lc. 12, 47,
eine Stelle, wo weder Matthäus noch Marcus secundiert, wo
Lucas vielmehr direkt aus seinen Quellen schöpft und ebenfalls
durch ?j verknüpft üioalv und iTOituut,eiv als Varianten von fitt^
zur Auswahl darbietet. Vgl. Agrapha S. 68 f., wo die ausser-
canonischen Paralleltexte des Origenes und des Ephraem Syrus
mit der Beschränkung auf die Version jioistv (unter Weglassung
des Ixoifiä^sLv) mitgetheilt und erläutert sind.
Dabei ist es keineswegs nöthig, anzunehmen, dass diese
doppelten Varianten aus Übersetzungen stammen, welche das
ganze Urevangelium umfassten; es konnten sehr wohl ganz par-
tielle Ubersetzungsverschiedenheiten vorgelegen haben, auf welche
Lucas sich berief. Aber soviel ergiebt sich aus der bisherigen
Entwickelung mit Bestimmtheit, dass Lucas sowohl die von dem
ersten Evangelisten als die andere von Paulus befolgte Version
des vorcanonischen Evangeliums gekannt und mithin auch be-
nutzt haben wird. Hiermit ist aber auch der hinreichende Er-
klärungsgrund gegeben für die allseitig beobachtete Erscheinung,
dass Lucas bald wörtlich mit dem ersten Evangelisten überein-
stimmt, bald in seiner Textgestalt wieder auffällig von dem
ersten Evangelium abweicht, doch so, dass die differierenden Texte
häufig noch die gemeinsame hebräische Quelle erkennen lassen —
eine Erscheinung, durch welche nicht wenige Kritiker sich ver-
anlasst gesehen haben, eine Benutzung des ersten canonischen
Evangeliums neben seinen anderen Quellen durch Lucas zu
§ 8. Die griechischen Übersetzungen des vorcanonischen Evangeliums. 135
statuieren. Diese Annahme wird unnöthig und überflüssig durch
die Erkenntniss, dass dem Lucas das Urevangelium in
den beiden griechischen Hauptversionen vorlag. Folgte
er der paulinischen Version, so entstanden die Differenzen des
Ausdrucks zwischen ihm und dem canonischen Matthäus; folgte
er der von letzterem benutzten Übersetzung, so enstand der
Schein der Abhängigkeit von dem ersten canonischen Evangelium.
Es giebt aber auch Fälle, wo sämmtliche drei synoptische
Evangelisten in der Wiedergabe des hebräischen Urtextes über-
einstimmen und dennoch die gemeinsame Übersetzung nicht zu-
treffend ist. Der interessanteste Fall derart liegt Lc. 18, 19 =
Mc. 10, 18 = Mt. 19, 17 vor, wo trotz der verschiedenen Text-
fassungen alle drei Evangelisten darin zusammentreffen, dass sie
ein Masculinum äyafrog voraussetzen, während es sich nach dem
bei Matthäus am besten erhaltenen Urtexte um das Neutrum
xo dya&öv gehandelt hat. Dies erkennt man aus der Frage
Mt. 19, 16: xi äya&ov noirfim; und aus der Gegenfrage Mt. 19, 17a:
xi tus eomxäg xsqI xov dyado v; wozu der Satz gehörte iSiain ~nX,
welcher wie Mt. 19, 17b allerdings mit slq sOxlv 0 äya&ög über-
setzt werden konnte, aber nach hebräischem Sprachgebrauch auch
die Übersetzung: tv xo aya&öv — zuliess, — eine Übersetzung,
welche nach dem Zusammenhang allein und ausschliesslich der
ursprünglichen Intention Jesu entsprach. Dieses«' xo aya&ov —
renkt alle Glieder des Contextes ein und bereitet das Folgende
vor, sofern das tv xo dya&ov für Israel in den mosaischen Ge-
boten (Mt. 19, 18 f.) seinen massgebenden Ausdruck gefunden hat.
(Vgl. das Nähere in der Erläuterung zu Lc 18, 19.) Dabei ist
hier nur noch zu bemerken, dass alle dem eiq eöxlv 0 ayafrög
angefügten Zusätze targumartige Erweiterungen des Urtextes
sind, welcher sich, wie Mt, 19, 17 erkennen lässt, auf liEH inx
= ev xo aya&öv — beschränkte.
Entsteht schon bei Beschränkung auf die canonischen Texte
und die innercanonischen Evangelienparallelen eine Fülle von
Beobachtungen, sobald man das Prinzip der Übersetzungsvarianten
anerkennt und zur Anwendung bringt, so ist dies in nicht minder
hohem Grade der Fall bei Hereinziehung der aussercanoui-
schen Paralleltexte. Von denselben gilt im Allgemeinen Fol-
gendes: sie weichen unter einander und von den Evan-
gelienparallelen genau in derselben Weise ab, wie die
136 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
synoptischen (und ev. apostolischen) Paralleltexte von
einander. Mit anderen Worten: trotz der gesteigerten Buntheit
und Vielgestaltigkeit des Bildes, welches man durch Herbeiziehung
der aussercanonischen Texte von den synoptischen Evangelien-
parallelen gewinnt, bleibt eine höhere Einheit und durchsichtige
Einfachheit bestehen, sobald man hinter der Mannigfaltigkeit
der Varianten den einheitlichen hebräischen Quellentext sucht
und dabei erkennt, dass dieser den verschiedenen Versionen,
Recensionen, Redaktionen der griechischen Parallelen allenthalben
zu Grunde liegt. Nachstehende Proben aussercanonischer Über-
set zungsvarianten mögen das Gesagte illustrieren.
§ 8. Die griechischen Übersetzungen des vorcanonischen Evangeliums. 137
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>? 8. Die griechischen Übersetzungen des vorcanonischen Evangeliums. 145
Handschrift in § 4. A habe ich bereits darauf hingewiesen, dass
die aussercanonische Textrecension, mit welcher speciell das Lucas-
evangelium in diesem Codex auftritt, zu erklären sei aus dem
Einfluss einer Übersetzung des Urevangeliums, verwandt der-
jenigen, welche von dem ersten Evangelium benützt worden ist
und dass eben hierin die von Credner gesuchte „unbekannte
Autorität" zu finden sei, auf welche die kühne Textrecension des
Lucasevangeliums nach dem Codex D sich stütze, indem hieraus
auch die zahlreichen scheinbaren Conformierungen des Lucastextes
nach dem Matthäustexte sich erklären.
Einige Beispiele solcher scheinbaren Conformierungen seien
hier mitgetheilt. Cod. D liest
Lc. 4, 5 anstatt x?jq olxov[itvi?g mit Mi 4, 8 xov xoöfiov
Lc. 11, 51 anstatt xov djcolof/svov ähnlich wie Mt. 23, 35 ov
iyovsvöav (Mt.: ov ttyovsvöaxe)
Lc. 13, 24 anstatt iöyvoovöiv mit Mt. 7, 14 evqijgovgiv
Lc. 15, 4 anstatt xaxaXsijtsi ähnlich wie Mt. 18, 12 dcpbjöi
(Mi: ä(peiq)
Lc. 20, 31 anstatt xaxiliTtov ähnlich wie Mc. 12, 20 a(fif\xav (Mo.:
aytjxev)
Lc. 20, 23 anstatt jcavovoyta mit Mt. 22, 18 jtov?jQia.
Es ist ja gewiss möglich, dass einer der späteren Abschreiber
des Codex diese und ähnliche Varianten, wie Tischendorf an-
nimmt, „e Matthaeo" herübergenommen habe; aber wahrschein-
lich ist es, wie ich oben gezeigt, deshalb nicht, weil dann ein
Abschreiber viel radicaler mit den zahlreichen aussercanonischen
Varianten aufgeräumt und viel erfolgreichere Conformierungen
vorgenommen haben würde. Wahrscheinlich ist diese Annahme
aber auch deshalb nicht, weil diese scheinbaren Conformierungen
nach Matthäus thatsächlich meistens solche Wörter betreffen,
in denen Übersetzungsvarianten vorliegen: oixovfiivrj =• xoöfiog
= V"iS$n, ajtoXXvvac = cfovsveiv = rP72n. loyvtn' = svgloxsiv
= KStt, xaxaXsijtsiv = dq>itvcu = 3Ty, xavovoyia = jron^it:
= »1Ä"iy, und ferner weil die angeblichen Conformierungen nicht
einmal vollständig durchgeführt sind: k<povEvCav = eg>ovsvoate,
ag>irjOi = aqpa'c, so dass trotz der Übereinstimmung in der Wahl
der Worte durch die Verschiedenheit der grammatischen Formen
die Unabhängigkeit dieser von Codex D dem Lucastexte
Texte und ['ntersuchungen X. 1"
146 Text- und quellenklitische Grundlegungen.
angethanen Änderungen gegenüber dem Matthäustexte sich
offenbart.
Aber die Verwandtschaft des in Codex D enthaltenen Lucas-
textes mit dem im ersten canonischen Evangelium zu Grunde
liegenden Übersetzungstypus geht Aveiter und ist auch in solchen
Partien zu verspüren, wo der Urtext allein durch Lucas uns er-
halten ist. So schreibt Cod. D in Lc. 9, 51 anstatt des lucani-
schen ov[XjiX?/govö&ai das Simplex xXrjgovöftai, ähnlich wie wir
Mt. 10, 26 das Simplex xaXvjcTEiv finden gegenüber dem ovy-
xaXvjcTsiVj welches Lucas (Lc. 12, 2) gebraucht. Für das luca-
nische ftt'Xsiv, welches sich auch Lc. 8, 20 gegenüber dem tflrelv
Mt. 12, 46 vorfindet, setzt Codex D Lc. 13, 31 ebenfalls tyrsiv,
wie er es Lc. 8, 20 anstatt des frsÄsiv eingefügt hat. Könnte
es dort (Lc. 8, 20 = Mt. 12, 46) als Conformierung nach
Matthäus betrachtet werden, hier (Lc. 13, 31), wo die Matthäus-
Parallele fehlt, kann nur in der Übersetzung des ttJjja = tflreiv
= fttXuv die Veranlassung zur Textänderung gesucht werden.
Man vergleiche ferner Lc. 15, 29, wo das lucanische jzagtjXdov
von Cod. D durch jtagtßtjv ersetzt ist und erwäge dabei, dass
jtagaßaivEiv in sämtlichen canonischen Evangelien nur bei
Matthäus, nämlich Mt. 15, 2. 3, vorkommt. Auch die Correktur,
womit Cod. D das dscogelrt Lc. 24, 39 durch ßXtjtsre ersetzt,
congruiert mit der von dem ersten Evangelisten Mt. 24, 2 an-
gewendeten Version ßXtJisTs, wo Lc. 21, 6 frecogelre zu lesen ist.
Ferner vergleiche man das jtägtoziv des Cod. D in Lc. 11, 6
(anstatt des lucanischen jcagEyweTO) mit dem ixalgs, h<p o Trägst
Mt. 26, 50. Zugleich kann man aber auch bemerken, dass die
von Cod. D befolgte Version des Urtextes an manchen Stellen
in selbstständiger Weise von allen canonischen Texten abweicht.
Vgl. Lc. 21, 7 tXevoig = Jtagovoia Mt. 24, 3, wo deutlich das
hebräische 813 zu Grunde liegt, und dieselbe Version eXsvOiq in
Lc. 23, 42. Die Variante Mc. 14, 25, wo Cod. D völlig isoliert
jigoo&w liest, führt auf yppitf und mithin auf eine hebraisierende
Übersetzung des Urtextes zurück. (Vgl. die Erläuterung zu
Lc. 22, 18.) Auch die aussercanonische Lesart äXZoiovöfrcu zu
Lc. 9. 29 ist nur eine Übersetzungs Variante von TiStWtl und wird
von Cod. D mit Hermas, Origenes getheilt. Dass wir also
in der Grundlage, nach welcher in dem Archetypus des
Cod. D. der Lucastext vielfach durch corrigiert war,
§ 8. Die griechischen Übersetzungen des vorcanonischen Evangeliums. 147
eine selbstständige, aber mit der Matthäusversion ver-
wandte, Übersetzung des Urevangeliunis zu erkennen
haben, dürfte als wahrscheinlich gelten müssen. Und wenn
wir uns vorstellen, dass in den ältesten Zeiten ähnlich wie die
Lucasrecension des Codex Cantabrigiensis auch andere Evange-
lienhandschriften, Abschriften und Recensionen der canonischen
Evangelien durch aussercanonische Versionen des Urevangeliums
beeinflusst worden sein mögen, so ist die Entstehung und Fort-
pflanzung der zahlreichen aussercanonischen Übersetzungsvarianten
und ihr Auftauchen in den Evangeliencitaten der ältesten patri-
stischen Autoren vollständig erklärt, auch für solche Zeiten, in
denen das Urevangelium selbst nicht mehr im Gebrauch war.
Es erübrigt nun noch — und das ist das Zweite, das oben
von mir "angedeutet wurde — darauf hinzuweisen, dass unter
der Menge der aussercanonischen Übersetzungsvarianten noch
ein bestimmter Übersetzungstypus zu unterscheiden ist,
welcher als der alexandrinische bezeichnet werden muss, da
er sowohl durch die Schriftsteller, bei welchen die Spuren dieser
alexandrinischen Version des Urevangeliums sich finden,
als durch die gewählte Diktion, welche alle Hebraismen zu
meiden sucht, nach Alexandrien hinweist.
10"
148
Text- und quellenkritische Grundlegungen.
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§ 8. Die griechischen Übersetzungen des vorcanonischen Evangeliums. 149
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150 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Wie man aus diesem Verzeich niss ersieht, ist es vorzugs-
weise Clemens AI., welcher in seinen Evangeliencitaten diesen
alexandrinischen Typus repraesentiert. Und da derselbe vielfach
in freier, gedächtnissmässiger Weise citiert, so könnte man ge-
neigt sein, den grössten Theil dieser Varianten lediglich auf
seine Rechnung zu setzen, als sponte sua vorgenommene Ab-
glättungen des doch mehr oder minder dem Hebräischen nach-
gebildeten Griechisch der Evangelien. Indess folgende Umstände
sprechen dafür, dass wirklich eine in alexandrinischem Griechisch
verfasste Übersetzung des Urevangeliums vorgelegen und zur
Zeit des Clemens AI. wenigstens noch in Bruchstücken oder
Bearbeitungen (wie z. B. dem Aegypterevangeliurn) nachge-
wirkt hat:
a, das Vorkommen alexandrinischer Übersetzungsvarianten
auch bei andern aegyptischen Theologen: Origenes, Macarius;
b, der Sprachcharakter der von Celsus aufbewahrten Evange-
lienparallelen ;
c, grössere, zusammenhängende Übersetzungsfragmente in
alexandrinischem Griechisch, wie das in den Agrapha S. 67
mitgeth eilte und besprochene:
d, der Charakter der aus dem Aegypterevangelium erhaltenen
Evangelienfragmente, sofern sie an echte Evangelienstoffe
anklingen;
e, der Sprachcharakter des Evangelienfragments von Fajjum
nach dem Papyrus Rainer (vgl. die Erläuterungen zu Mt-
26, 30—34);
f, die Beobachtung, dass unter den Übersetzungs-
varianten auch solche sich finden, die nur aus
einer bewussten Übersetzung des hebräischen
Urtextes entstanden sein können.
Nur dieser letztere Umstand erfordert hier noch eine kurze Be-
sprechung und Erläuterung durch Beispiele. Die Beseitigung
des bereits oben erwähnten Hebraismus OTQCKprjTS in Mt. 18, 3
durch das eingefügte av&ig setzt mit Bestimmtheit einen des
Hebräischen kundigen Übersetzer voraus, der mit sicherer Hand
den Text von Mt. 18, 3 in gutem Griechisch wiederzugeben ver-
stand. Ebenso vermied der alexandrinische Übersetzer den Lc.
12, 19 erhaltenen Hebraismus ry ipvxjfi [iov = ''ÜB??, indem er
§ 8. Die griechischen Übersetzungen des vorcanonischen Evangeliums. 151
iüJB?b mit jiqoc lavxöv übersetzte. Endlich kannte der Urheber
der alexandrinischen Version auch die hebräische Redensart:
TUSwTiN npb in der Bedeutung: das Leben nehmen, welche Be-
deutung in der lucanischen Version ajiairelv xr\v ipvyjqv nicht
so deutlich zu Tage tritt, als in der alexandrinischen Übersetzung:
jiaQakufjßdveiv zi]v ipvyj'jv (vgl. die Erläuterung zu Lc. 12, 19).
Es sind nur drei Belege derart, aber sie sind beweisend für
die gute Kenntniss des Hebräischen auf Seiten des Urhebers der
alexandrinischen Version und erwecken für die übrigen alexan-
drinischen Übersetzungsvarianten das gute Vorurtheil, dass auch
sie direkt aus dem hebräischen Urtexte geflossen seien. Über-
dies ist das Evangelienfragment von Fajjum ein hand-
greiflicher, weil handschriftlicher Beweis, dass es
in Aegypten wirklich eine aussercanonische Text-
recension der synoptischen Evangelienstoffe gegeben
hat, deren Charakter mit den alexandrinisch gefärbten
Evangeliencitaten bei Clemens von Alexandrien völlig
auf gleicher Linie steht.
Hiermit bin ich zum vorläufigen Ende meiner Darlegungen
über die verschiedenen Übersetzungen des Urevangeliums ange-
langt, Ich hoffe, dass man daraus ersehen wird, wie viel auf
diesem Gebiete noch zu forschen und zu arbeiten ist. Die kräf-
tigsten Mitarbeiter aber auf diesem Felde sollten diejenigen sein,
denen die Aufgabe zugefallen ist, die synoptischen Evangelien
ins Hebräische zu retrovertieren. Bis jetzt ist diese Arbeit
von einer quellenkritischen Grundanschauung und von
der Erkenntniss eines den drei synoptischen Evangelien
zu Grunde liegenden einheitlichen hebräischen Quellen-
textes nicht getragen gewesen. Wenn man aber ins Künf-
tige mit Bewusstsein darnach streben wird, namentlich die Reden
Jesu, soweit es die canonischen Texte ohne Zwang ge-
statten, auf einen gemeinsamen hebräischen Grundtext zurück-
zuführen, und in den Evangelienparallelen nach diesem einheitlich
geformten Text wiederzugeben, so wird der Werth der synop-
tischen Retroversion auch für die evangelische Quellenforschung
wachsen und die Rückübersetzung ins Hebräische an Interesse
gewinnen.
Im Übrigen, hoffe ich, wird die Menge der bereits mitge-
theilten Übersetzungsvarianten und der Einblick in die nach-
152 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
folgenden Einzeluntersuchungen zeigen, wie ungezwungen die
meisten Varianten derart gerade durch das hebräische Idiom
sich erläutern lassen, dass mithin wirklich das vorcanonische
Evangelium in hebräischer Sprache, wie es die Überlieferung
einstimmig behauptet, ursprünglich abgefasst gewesen ist.
§ 9.
Die Anwendung der quellenkritischen Grundsätze.
Weit entfernt von einer blinden Durchfuhrung der in den
vorigen Paragraphen entwickelten quellenkritischen Grundsätze
und schon durch den Umfang und die Menge des zu Grunde
liegenden Materials vor Einseitigkeit bewahrt, halte ich es
doch für eine mir vorgezeichnete Aufgabe, die aufgestellten
Prinzipien der Quellenkritik in den Einzeluntersuchungen mög-
lichst allseitig zu erproben und in Anwendung zu bringen. Dabei
hoffe ich, dass die oft gehörten Behauptungen, als ob die — so
wenig fassbare — mündliche Tradition und das — etwa durch
Abschreiben verschuldete — Eindringen „werthloser Synonyme"
hinreichende Faktoren seien, um die einzigartigen phänomenalen
Differenzen der synoptischen Evangelienparallelen zu erklären,
vor der Menge und Bedeutung des zusammengebrachten Materials
immer mehr verstummen werden. Auch die Aufstellung hebrä-
ischer, ev. auch griechischer Nebenquellen neben dem vorcano-
nischen Matthäusevangelium, wenn man diese Nebenquellen zu
Schriften von einschneidender Bedeutung aufbauschen wollte,
halte ich nicht für geeignet, den Gang der Evangelien forschung
zu fördern. Es versteht sich von selbst, dass dem Kindheits-
evangelium eine besondere Quellenschrift zu Grunde gelegen hat,
und dass dieselbe ebenfalls in einem semitischen Idiom abgefasst
gewesen sei, glaube ich in dem Abschnitte B: , Texte und Unter-
suchungen bezüglich des Kindheitsevangeliums " wahrscheinlich
gemacht zu haben. Es ist ferner anerkannt, dass der erste
Evangelist neben seinen beiden Hauptquellen — dem vorcano-
nischen Matthäusevangelium und dem (canonischen) Marcus-
evangelium — einige der jerusalemischen Tradition ange-
hörige Erzählungsstoffe (namentlich Mi 27, 3—10; 27, 52. 53.
62 — 66; 28, 11 — 15) seinem Evangelium eingewoben hat.
§ 9. Die Anwendung der quellenkritischen Grundsätze. \ 53
Es liegt weiter auf der Hand, dass Lucas in der Apostel-
geschichte wie für die zweite Hälfte derselben pauliuische, so für
die erste Hälfte jerusalemische Quellen benützt hat, und es ist
möglich, dass einzelne Partien seines Evangeliums ebenfalls auf
eine jerusalemische Quelle neben dem hebräischen Matthäus-
evangelium hinweisen, dessen Entstehung nach den Spuren der
altkirchlichen Überlieferung man ja nicht minder in Jerusalem
zu suchen haben würde. Aber von einer Erheblichkeit für den
Gang der quellenkritischen Evangelienforschung scheinen mir
diese Nebenquellen nicht zu sein. Jedenfalls ist es, bevor man
diese Nebenwege zu betreten und weiter zu verfolgen sich ver-
leiten lässt, die Pflicht der Forschung, den Hauptgang der Un-
tersuchung festzuhalten und zu versuchen, ob derselbe nicht
vollends zum erwünschten Ziele führt. Durch die Annahme
von verschiedenen griechischen Übersetzungen der
hebräischen Hauptquelle werden viele bisher noch un-
gelöste Einzelfragen der Klärung entgegengeführt. Ins-
besondere die Symptome, auf Grund deren Feine in der oben
erwähnten Schrift: Eine vorcanonische Überlieferung des Lucas
etc. seine lucanische Nebenquelle construiert hat, finden durch
den Nachweis, dass Lucas zwei griechische Versionen, bezw. Re-
censionen, der vorcanonischen Hauptquelle benützt hat, in den
meisten Fällen ihre befriedigende Erklärung.
Habe ich also in den nachstehenden Untersuchungen als
meine Hauptaufgabe betrachtet, die Differenzen der canonischen
und aussercanonischen Paralleltexte daraufhin anzusehen, ob hin-
ter ihnen (als Übersetzungsvarianten) ein gemeinsamer hebräischer
Quellentext zu finden sei, so ist dabei die Aufspürung von He-
braismen innerhalb der griechischen Texte und die Herbeiführung
von Analogien aus der griechischen Übersetzung der LXX sowie
ihrer Tochterversionen im Verhältniss zu dem hebräischen Texte
des Alten Testaments ein Hauptförderungsmittel der Unter-
suchung gewesen. Dieses Forschungsprinzip hat sich
auch insofern als fruchtbar erwiesen, als es namentlich
bei den ältesten Schriftstellern der Kirche, wie z. ß.
bei Hermas. zur Entdeckung von Evangelienparalleleu
und Allusionen an die evangelischen Texte in weit
grösserer Zahl geführt hat, als man solche bisher an-
zunehmen gewohnt war.
154 Text- und quell enklitische Grundlegungen.
Was die patristischen Citate überhaupt betrifft, so wird man
aus den nachstehenden Untersuchungen sich überzeugen können,
dass meinerseits die unsichere Überlieferung der patristischen
Texte und insbesondere Citate, die häufig nur auf das Gedächt-
niss der Schriftsteller zurückzuführende Art der Citierung, die
Entstehung und Fortpflanzung von freien Mischtexten, sowie
die im Anschluss an Holtzmann in den Agrapha S. 16 ff. auf-
gestellten Kriterien für Zuverlässigkeit der patristischen Citate
keineswegs ausser Acht gelassen worden sind.
Von grosser Wichtigkeit war es, für die Menge und Viel-
fältigkeit des zusammengebrachten Materials ein sichtendes
und ordnendes Prinzip zu finden. Ich habe mich dafür ent-
schieden, in der Regel den „Vers", bisweilen auch den „Theil-
vers" zur Grundlage der Paralleltexte zu machen, sodass grössere
zusammenhängende patristische Citate nach den biblischen Versen
getheilt und in dieser Theilung vorgeführt worden sind. Für
den Umfang eines Verses oder eines Theilverses sind die be-
treffenden Paralleltexte in Vollständigkeit (nicht blos mit Her-
ausnahme der wichtigsten Varianten wiedergegeben), sodass man
jedesmal ein vollständiges Schriftbild des bezüglichen Textes vor
sich hat. Dadurch kommen namentlich die Varianten des Codex
D und des Syrers Curetons ganz anders zur Geltung, als dies in
den textkritischen Ausgaben des Neuen Testaments, wo diese
Texte immer nur in ganz zerpflücktem Zustand zur Erscheinung
gelangen, möglich ist.
Auch in Bezug auf die Anordnung der Paralleltexte ist
ein Ubelstand umgangen, welcher in den textkritischen Ausgaben
der synoptischen Evangelien unvermeidlich ist. Innerhalb der
synoptischen Evangelien ist derselbe Text vielfach in zweifacher,
häufig in dreifacher, ja bei manchen Herrensprüchen in vier-
und fünffacher Gestalt vorhanden, sodass in den Ausgaben des
Neuen Testaments das cpaellenkritisch zusammengehörige Material
an verschiedenen Stellen zerstreut vorliegt und oft erst mühsam
zusammengesucht werden muss. Im Unterschied hiervon konnte
in der nachstehenden Sammlung eine Vereinigung des ffesammten
Materials dadurch bewerkstelligt werden, dass sämmtliche synop-
tisch-canonische Parallelen aus ihrer Trennung erlöst und je an
einer gemeinschaftlichen Hauptstelle zugleich mit den ausser-
canonischen Parallelstellen vorgeführt wurden. Als Hauptleitfaden
§ 9. Die Anwendung der quellenkritischen Grundsätze. 155
habe ich hierfür das Lucasevangelium erwählt, welches die synop-
tischen Stoffe am besten in ihrer ursprünglichen Anordnung er-
halten hat. Nur wozu sich Lucas-Parallelen nicht finden, das
ist bei Matthäus, ev. Marcus, aufgeführt.
Auch die den Texten beigegebenen Erläuterungen und Unter-
suchungen möchte ich zunächst nur als Materialien zur Evan-
gelienforschung betrachtet und somit ihnen einen abschliessenden
Charakter nicht beigelegt wissen. Wie ich in den „Agrapha"
die Grade der mehr oder minder grossen Bestimmtheit des Ur-
theils durch die — von den Kritikern allerdings oft nicht be-
achteten — Nüancierungen im Ausdruck gekennzeichnet habe,
so wünsche ich auch für die nachfolgenden Untersuchungen
billige Rücksicht der Leser, obwohl der hier vorliegende Stoff
ein leichter zu bearbeitendes Forschungsgebiet betrifft, als es
das noch völlig unangebaute Feld der „Agrapha" war. Sollte
selbst die Hälfte der von mir in Anspruch genommenen „Uber-
setzungsvarianten" als „werthlose Synonyma" sich erweisen, so
bleibt noch genug Stoff übrig, an welchem andere Forscher sich
bemühen können, bessere Lösungsversuche als die meinigen zu
Stande zu bringen.
§ 10.
Nachträge.
Von den Herren Herausgebern der „Texte und Untersuchun-
gen'1 ist zu S. 48 die Vermuthung ausgesprochen worden, dass
unter dem dort von Hug beschriebenen „merkwürdigen Co-
dex der vier Evangelien" ein bilingualer Codex Sangallen-
sis gemeint sei, welcher, als Codex A notiert, von Rettig i. J.
1836 unter dem Titel:
Codex Sangallensis cum versione interlineari (d). Quattuor
evangelia integra exceptis Joh. 19, 17 — 35
herausgegeben worden ist.
Sollte diese Vermuthung zutreffen, so würden allerdings die
von Hug erweckten Erwartungen in keiner Weise sich erfüllt
haben. Denn dieser Codex J, welcher aus dem 0. Jahrhundert
stammt, vertritt im Wesentlichen nur den canonischen recensierten
[56 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
Text, ragt durch selbstständige, ihm eigentümliche , Lesarten
nicht hervor und zeigt nur durch seinen bilingualen Charakter,
sowie durch seine Beschränkung auf die vier Evangelien, dass
er auf eine viel ältere — vielleicht mit vorcanonischen Texten
ausgestattet gewesene — Vorlage zurückgeht, deren Charakter
aber jedenfalls durch den dem 9. Jahrh. angehörigen Abschreiber
mittels Conformierung nach den recensiert- canonischen Texten
verwischt worden ist. Ich bin daher nicht geneigt, der oben
ausgesprochenen Vermuthung zuzustimmen.
Die Sache verhält sich aber vielleicht so, dass dieser Codex
Sangallensis doch irgendwie mit der auf S. 48 mitgetheilten Be-
merkung Hugs zusammenhängt. Hug redet ja nämlich dort
„von den verschiedenen griechisch-lateinischen Manu-
scripten", „die noch vorhanden sind". Zu dieser Gruppe mag
der Codex Sangallensis A ö gehören. Dagegen der „eine merk-
würdige Codex der vier Evangelien", von welchem Hug sagt,
dass er sich zur Zeit in eine tiefe Verborgenheit zurückgezogen
habe, nachdem ihm oder dem Lande, in welchem er sich befand,
ein „fürchterliches Loos" beschieden gewesen sei, welchen Codex
Hug an Werth und Bedeutung mit dem Codex Bezae auf eine
Linie zu stellen scheint, dürfte doch wohl mit dem verhältniss-
mässig jungen und unbedeutenden Codex Sangallensis nicht zu
identificieren sein. Auch der deshalb von mir befragte Prof.
D. Gregory ist derselben Meinung, indem er namentlich darauf
hinweist, dass das „fürchterliche Loos" auf Codex J wenig passe.
Es dürfte also jenem „merkwürdigen Codex der vier Evangelien",
welchen Hug besonders im Auge hatte, bis jetzt immer noch
nicht gefallen haben, aus seiner tiefen Verborgenheit, in die er
sich zurückgezogen, ans Tageslicht zu treten.
Möge der -Wiederabdruck jener Hugschen Mittheilungen auf
S. 48, sowie vorstehende nachträgliche Erörterung Anregung
geben, der Sache weiter nachzuforschen und den Thatbestand,
wenn möglich, zu klären!
Ein weiterer Nachtrag bezieht sich auf den vorstehend
S. 93 — 107 besprochen Versuch Marshalls, ein aramäisches
Urevangelium textlich wieder herzustellen. Zu dem früher im
Expositor mitgetheilten Untersuchungen des genannten Forschers
ist nämlich inzwischen neuerdings, während dieses Heft bereits
im Druck war, eine Schlussabhandlung gekommen: The Aramaic
§ 10. Nachträge.
157
Gospel: its Contents. Expositor. Augustheft 1892. Hier recon-
struiert Mars hall den Inhalt seines aramäischen Evangeliums
in folgender Weise.
*Die Taufwirksamkeit des Jo-
hannes
Das Zeugniss des Täufers
von Christo
Die Taufe Jesu
Die Versuchung
*Die Rückkehr nach Galiläa
*Der Dämonische zu Kaper-
naum
*Sirnons Schwiegermutter
*Der Aufenthalt in der Wüste
Die Heilung des Aussätzigen
Die Heilung des Paralytischen
*Die Berufung des Matthäus
*Die vertrocknete Hand
*Die Berufung der Zwölfe
Die Bergpredigt
Die Parabel vom Säemann
Vom Leuchter unter dem
Scheffel
Die Parabel vom Senfkorn
Der Seesturm
Der gadarenische Besessene
Das Töchterlein des Jairus ]
Das blutflüssige Weib |
Die Aussendung der Zwölfe
Hütet euch vor den Menschen
Der Schüler ist nicht grösser
Fürchtet euch nicht
Nicht den Frieden, sondern
das Schwert
\ i im Kreuztragen I
l!
Mt,
3, 1-6
11
16.
17.
4,1-
-11
12.
17.
8, 14-
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12, 9-
-14
10, 2
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5
-7
13, 1—23
31. 32.
8,18.23—27
28—34
9
18-
-26
10,
1. 5-
-15
17-
-20
24
25
26-
-33
34-
-36
37.
38
16,
24-
27
Mc.
1, 1—6
7. 8
9—11
12. 13.
14. 15.
21—28
29-34
35-39
40—44
2,1-12
14—17
3, 1—6
13-19
4, 1—20
21—25
30—32
35—41
5, 1—20
22—43
Lc.
16
21. 22
4, 1—13
14. 15.
31— 37
38-41
42—44
5, 12—14
17—26
27—32
6,6—11
12—16
17—49
et passim
8, 4—15
16— IS
13, 18. 19.
8, 22-25
26-39
41—56
6,7—11 '.i, 1—6
13,9—13 21,12-17
6,40
12. 2—9
8, 34—38
51-53
14, 25-27
9, 23-2U
158
Text- und quellenkritische Grundlegungen.
10, 40.
10, 16
14, 13-21
6, 30—44
9, 10-17
16, 13—20
17, 1-8
9, 2—8
28—36
14—21
14—29
38—42
18,6-9
42—50
17, 1. 2.
19, 3-6
10,2-9
16—22
17—22
18, 18—23
20, 29—34
46—52
35—43
22, 15—22
12, 13—17
20, 20—26
24.
13.
21.
Wer mich aufnimmt
Die fünf Tausend
Petri Bekenntniss
Die Verklärung
Der dämonische Knabe
Einer von diesen Kleinen
*Von der Ehescheidung
*Der reiche Jüngling
*Der Blinde zu Jericho
*Der Zinsgroschen
Die letzten Dinge
Marshall fühlt und bekennt es selbst, dass mit vorstehen-
der Liste der Inhalt des Urevangeliums noch nicht erschöpft ist.
Er behauptet, vorzugsweise mit Weiss zusammenzutreffen, geht
jedoch in den mit * bezeichneten Perikopen — und zwar, wie
ich glaube, mit gutem Grund — über Weiss hinaus. Nament-
lich aber hat Mars hall die Motive der von Weiss geübten
Quellenscheidung in dem Punkte sich nicht angeeignet, dass er
die „längste" Form der Erzählungen, also die Detailmalerei
des Marcus, für die ursprüngliche hält. „The result of our in-
vestigations leads us inhesitatingly to the conclusion, that the
longer form of the narratives is the original". Exposi-
tor. Aug. 1892. p. 94. Wenn aber irgend etwas sicher ist, so
ist es die von Weiss herausgestellte gegentheilige Erkenntniss.
nämlich dass die in der vorcanonischen Quellenschrift enthalten
gewesenen Erzählungsstoffe in einfachster — namentlich von
der Detailmalerei des Marcus freier — Darstellungsweise über-
liefert waren. Von dieser Erkenntniss hätte Marshall niemals
abweichen sollen, anstatt zu behaupten: The must wonderful of
the miracles are there (sc. in the Aramaic Gospel) narrated —
and not in an abridged form, but usually in the füll form of
the Gospel ofMark." Man vgl. mit diesem Selbstbekenntniss
meine auf S. 94 gegebene Darstellung des Marshallschen Stand-
punktes, um die Richtigkeit meiner Darstellung, also auch von
Neuem den falschen Ausgangspunkt zu erkennen, den Marshall
bei seinen Untersuchungen genommen hat. Denn wenn auch
keineswegs in Abrede zu stellen ist, dass durch ein Zurückgehen
auf den semitischen Urtext im Einzelnen nicht selten eine
§ 10. Nachträge. 159
Correktur der Weisssehen Quellenscheidung erfolgen und hier und
da eine grössere Ausdehnung des Urtextes in den canonischen
Evangelien nachgewiesen werden kann, als Weiss annimmt: so
viel ist doch sicher, dass, prinzipiell genommen, die kürzere Form
der Erzählung die urevangelische, die Detailmalerei des zweiten
Evangelisten dessen secundäre Zuthat ist. Das umgekehrte Ver-
hältniss findet in den synoptischen Herrenreden statt, welche
den Hauptinhalt des Urevangeliums bildeten. Obwohl auch hier
einzelne Logia unter der Feder des zweiten Evangelisten ihre
einfache Urform verloren und eine wortreichere Gestalt ange-
nommen haben, so ist doch gewöhnlich in den Reden Marcus
der kürzende, und der vollere Context der Herrenreden in der
Regel bei Lucas und Matthäus zu suchen. Bezüglich aller dieser
Punkte scheint Marshall sich noch nicht genügend in das
Detail der evangelischen Quellenkritik vertieft zu haben.
Auch von Seiten seiner englischen Freunde sind — wie
Mars hall selbst andeutet — manche Bedenken gegen die von
ihm angestrebte Reconstruktion des „Aramaic Gospel" ausge-
sprochen worden, so namentlich gegen die von ihm vorausge-
setzte weitgreifende Textverderbniss des aramäischen Urevange-
liums, welche in wenig Jahrzehnten eingetreten sein soll, — eine
Voraussetzung, die auch von mir (s. oben S. 100. 101) als ganz
unglaublich bezeichnet worden ist.
Dagegen hat Marshall — allerdings nur in ganz subsidi-
ärer Weise — in seinem letzten Artikel noch auf die ausser-
canonischen, bezw. vorcanonischen, Lesarten in den Evangelien
hingewiesen. Nämlich für die Fälle, in denen eine synoptische
Perikope ohne Parallelen, mithin nur einmal, vorhanden sei, wo
demgemäss seine Methode der Vergleichung der synoptischen
Paralleltexte im Stiche lasse, könne man aushilfsweise auf ausser-
canonische Lesarten recurrieren: „if there be any various readings,
which are so ancient as to go back to the very days when the
Aramaic Gospel might well be supposed to be still in use, and
which can be shown to be explainable as translations of the
same or a slightly different Aramaic text". Expositor. August-
heft 1892. p. 87. Marshall bält also die Nachwirkung des
vorcanonischen Evangeliums in den ältesten Lesarten der synop-
tischen Evangelien für möglich. Er befindet sich liier im
'uinzHii aufrichtiger Fährte. Aber er scheint gesonnen zu sein.
1(30 Text- und quellenkritische Grundlegungen.
von dem Hilfsmittel der vorcanonischen Lesarten nur einen sub-
sidiären, also sehr beschränkten, Gebrauch machen zu wollen,
und gibt keine Andeutung davon, dass er auch die patristischen
Evangeliencitate mit ihren interessanten Varianten herbeizuziehen
beabsichtige.
Wenn nun Marshall ankündigt, dass er die Ergebnisse
seiner fortgesetzten Forschungen bezüglich des „Aramaic Gospel"
in einem besonderen Werke zu veröffentlichen gedenke, so ist
diese Absicht um so freudiger zu begrüssen, je weniger Forscher
vorhanden sind, welche zugleich mit einer eingehenden Kenntniss
des Hebräischen und Aramäischen ein ausdauerndes Interesse für
die evangelische Quellenforschung verbinden, und je umfänglicher
und je schwieriger das zu erforschende Gebiet ist.
Auf das Angelegentlichste ist aber hierbei zu wünschen,
dass Marshall das Material seiner Untersuchungen recht eigent-
lich auch auf die aussercanonischen Paralleltexte zu den
Evangelien ausdehne, anstatt es vorzugsweise auf die canoni-
schen Textgestalten zu beschränken, dass er ferner überhaupt noch
tiefer in die Probleme der evangelischen Quellenkritik und
Quellenscheidung eindringe und dass er endlich seine Veröffent-
lichung nicht überhaste noch übereile. Wenn irgendwo, so ist
auf diesem Gebiete ein ruhiges Ausreifenlassen der Forschungs-
ergebnisse und eine immer wieder erneuerte Selbstkritik bezüg-
lich dessen, was man gewonnen zu haben meint, von nöthen.
In unsrer hastigen Zeit wird das: Nonum prematur in annum!
nur allzuoft ins Gegentheil verkehrt. Hierbei möchte noch zu
erwähnen sein, dass von Seiten des Dr. Dal man, welcher die
Correkturbogen dieses Werkes mit einzusehen begonnen hat, auch
bezüglich der Art, wie Mars hall die Elemente des aramäischen
Idioms verwendet, nicht geringe Bedenken geäussert worden sind,
sodass mithin auch die sprachliche Seite der Untersuchung
künftighin von Marshall mit grösserer Vorsicht behandelt
werden möchte.
Druck von August Pries in Leipzig
Verlag der J. C. HINRICHS'schen Buchhandlung in Leipzig.
Texte und Untersuchungen znr Geschichte der
Altchristlichen Literatur
von Oscar yoii Gebhardt und Adolf Harnack.
Baud I— IV auf Seite II des Umschlags.
V, 1. Der pseudocyprianische Tractat de aleatoribus, die älteste lateinische christ-
liche Schrift, ein Werk des römischen Bischofs Victor I. (saec. II.), von
Adolf Harnack. V, 135 S. 1888. M. 4.50
- V, 2. Die Abfassungszeit der Schriften Tertullians von Ernst Noeldechen.
Neue Fragmente d. Papias, Hegesippus u. Pierius in bisher unbekannten
Excerpten aus der Kirchengeschichte der Philippus Sidetes von C. de Boor.
184 S. 1888. M. 6 —
V, 3. Das Hebräerevangelium, ein Beitrag zur Geschichte und Kritik des hebräischen
Matthäus von Lic. Rud. Handmann. III. 142 S. 1888. M. 4.50
V, 4. Agrapha. Aussercanonische Evangelienfragmente, gesammelt u. untersucht
von Kirchenrath Alfred Resch. — Anhang: Das Evangelienfragment von
Fajjum von Adolf Harnack. XII, 520 S. 1889. M. 17 —
VI, 1. Die Text Überlieferung der Bücher des Origenes gegen Celsus in den Hand-
schriften dieses Werkes und der Philokalia. Prolegomena zu einer
kritischen Ausgabe von Dr. phil. Paul Kötschau. VII, 157 S. u. 1 Tafel. 1889.
M. 5.50
VI, 2. D er Paulinismus des Irenaeus. Eine kirchen- und dogmengeschichtliche Unter-
suchung über das Verhältnis des Irenaeus zu der Paulinischen Briefsammlung
und Theologie von Privatdoc. Lic. Dr. Johs. Werner. V, 218 S. 1889. M. 7 —
VI, 3. Die gnostischen Quellen Hippolyts in seiner Hauptschrift gegen die Häretiker
von Hans Staehelin.
Sieben neue Bruchstücke der Syllogismen des Apelles. — Die Gwynn'schen
Caius- und Hippolytus-Fragmente. Zwei Abhandlungen von Adolf Harnack.
III, 133 S. 1890. 31. 4.5Q
VI, 4. Die ältesten Quellen des orientalischen Kirchenrechts. 1. Buch:
Die Canones Hippolyti von Dr. Hans Achelis. VUI, 295 S. 1891. M. 9.50
VH, l. Die Johannes-Apokalypse. Textkritische Untersuchungen u. Textherstellung
von D. Bernh. Weiss. VI, 225 S. 1891. M. 7 —
VII, 2. UeberdasgnostischeBuchPistis-Sophia.— Brod u. Wasser: die eucharistischen
Elemente bei Justin. 2 Untersuchungen von Adolf Harnack. IV, 144 S. 1890.
M. 4.50
VII, 3/4. Apollinarios von Laodicea. Sein Leben u. seine Schriften. Nebst e. An-
hang: Apollinarii Laodiceni quae supersunt dogmatica. Von Oberlehrer Dr.
Johs. Dräseke. XIV, 494 S. 1892* M. 16 —
VIII, 1/2. Gnostische Texte in koptischer Sprache von Dr. Carl Schmidt.
Erscheint im November.
VIII, 3. Die katholischen Briefe. Textkritische Untersuchungen und Textherstellung
von D. Bernh. Weiss. VI, i':;o S. 1892. M. 7.50
VIII, 4. Die griechische Übersetzung des Apologeticus Tertullians. — Medicinisches
aiw der ältesten Kirchengeschichte. — Zwei Abhandlungen von Adolf
Harnack. III, 152 S. 1892. M. 5 —
IX, 1. Untersuchungen über die Edessenische Chronik. Mit dem syrischen Text
und einer Übersetzung herausgegeben von Ludwig Halber. VI, 170 S.
Die Apologie des Aristides. Aus dem Syrischen übersetzt und mit Beitragen
zur Textvergleichung und Anmerkungen herausgegeben von Dr. Richard
Raabe. IV, 97 S. 1892. M. 8.50
X. Aussercanonische Paraileltexte zu den Kvangelien gesammelt u. untersucht
von Alfred Resch. 1. Heft. Textkritische u. quellenklitische Grundlegungen
VII, 160 S. 1893. M. 5 —
TEXTE UND UNTERSUCHUNGEN
ZUR GESCHICHTE DER
ALTCHRISTLICHEN LITERATUR
HERAUSGEGEBEN VON
OSCAE von GEBHARDT und ADOLF HABMCK
X. BAND. HEFT 1.
AUSSERCANOXISCHE PAßALLELTEXTE
GESAMMELT UND UNTERSUCHT
VON
ALFRED RESCH.
I.
TEXTKRITISCHE UND QUELLENKßlTISCHE
GRUNDLEGUNGEN.
ffSEP
LEIPZIG
J. C. HINRICHS'SCHE BUCHHANDLUNG
1893.
AUSSERCANONISCHE
PARALLELTEXTE
ZU DEN
EVANGELIEN
ZWEITES HEFT
PARALLELTEXTE ZU MATTHAEUS UND MARCUS
GESAMMELT UND UNTER SUCHT
VON
ALFRED RESCH
i
LEIPZIG
J. C. HINRICHS'SCHE BUCH H AX]M,].'Xii
1S94
Verlag der J. C. HINRICHS'schen Buchhandlung in Leipzig.
Texte nnd Untersuchungen znr Geschichte der
Altchristlichen Literatur
herausgegeben von Oscar von Grebhardt und Adolf Harnack.
I— III. IV 1/3. V— IX. X 1/2. XI XII 1. M. 261.50
I, 1/2. Die Überlieferung der griechischen Apologeten des zweiten Jahrhunderts in
der alten Kirche und im Mittelalter, von Adolf Harnack. VIII, 300 S. 1882.
M. 9 —
I, 3. Die Altercatio Simonis Iudaei et Theophili Christian] nebst Untersuchungen
über die antijüdische Polemik in der alten Kirche, von Adolf Harnack.
Die Acta Archelai und das Diatessaron Tatians, von Adolf Harnack.
Zur handschriftlichen Überlieferung der griechischen Apologeten. I. Der
Arethascodex, Paris. Gr. 451, von Oscar v. Gebhardt. III, 196 S. 1883. M. 6 —
I, 4. Die Evangelien des Matthäus und des Marcus aus dem Codex purpureus
Rossanensis, herausgegeben von Oscar v. Gebhardt.
Der angebliche Evangeliencommentar des Theophilus von Antiochien, von
Adolf Harnack. LIV, 176 S. 1883. M. 7.50
II, 1/2. Lehre der zwölf Apostel, nebst Untersuchungen zur ältesten Geschichte
der Kirchenverfassung und des Kirehenrechts von Adolf Harnack. Nebst
einem Anhang: Ein übersehenes Fragment der JtSazn in alter lateinischer
Übersetzung. Mitgetheilt von Oscar v. Gebhardt. 70 u. 294 S. 1884. M. 10 —
(11,1/2. einzeln nur in anastatischem Druck (1893) käuflich.)
II, 3. Die Offenbarung Johannis, eine jüdische Apokalypse in christlicher Be-
arbeitung, von Eberh. Vischer. Mit Nachwort von Adolf Harnack. 137 S. 1886.
M. 5 —
Nicht mehr einzeln.
II, 4. Des heil. Eustathius, Erzbischofs von Antiochien, Beurtheilung des Origenes
betr. die Auffassung der Wahrsagerin 1. Könige [Sam.] 28 und die dies-
bezügliche Homilie des Origenes, aus der Münchener Hds. 331 ergänzt
und verbessert, mit kritischen und exegetischen Anmerkungen von Alb.
Jahn. XXVII, 75 S. 1886. (Einzelpreis M. 4.50) ; M. 3.50
U, 5. Die Quellen der sogenannten apostolischen Kirchenordnung, nebst einer
Untersuchung über den Ursprung des Lectorats und der anderen niederen
Weihen, von Adolf Harnack. * 106 S. 1886. M. 4 —
Nicht mehr einzeln.
III, 1/2. Leontius v. Byzanz und die gleichnamigen Schriftsteller der griechischen
Kirche von Friedr. Loofs. l. Buch: Das Leben und die polem. Werke des
Leontius v. Byzanz. VIII, 317 S. 1887. M. 10 —
III, 3|4. Aphrahat's des persischen Weisen Homilien, aus dem Syrischen übersetzt
und erläutert von Georg Bert.
Die Akten des Karpus, des Papylus und der Agathonike. Eine Urkunde aus
der Zeit Marc Aureis, von Adolf Harnack. LH, 466 S. 1888. M. 16 —
IV. Die griechischen Apologeten.
1. Tatiani oratio ad Graecos. Recens. Ed. Schwartz. X, 105 S. 1888. M. 2.40
2. Athenagorae libellus pro Christianis. Oratio de resurrectione cadaverum.
Recens. Ed. Schwartz. XXX, 143 S. 1891. M. 3.60
3. Die Apologie des Aristides. Keeension und Reconstruction des Textes von
Lic. Edgar Hennecke. XX, 64 S. 1893. M. 3 —
Partiepreis M. 2 —
4. Theophili libri tres ad Autolycum. Recens. Ed. Schwartz. | jn yorDe.
5. Iustini martyris apologia et dialogus cum Tryphone Iudaeo. } reitune
Recens. 0. de Gebhardt et A. Harnack.
Diese Ausgaben der Griechischen Apologeten sind nur mit kurzem
sprachlichen Commentar und Registern versehen nnd sollen zum Gebrauch
bei Vorlesungen oder in Seminaren dienen, weshalb auch deren Preise
möglichst niedrig gestellt wurden.
Fortsetzung auf Seite III des Umschlags.
AUSSERCANONISCHE
PARALLELTEXTE
ZU DEN
EVANGELIEN
ZWEITES HEFT
PARALLELTEXTE ZU MATTHAEUS UND MARCUS
GESAMMELT UND UNTERSUCHT
VON*
ALFRED RESCH
LEIPZIG
J. C. HINRTCHS'SCHE BUCHHANDLUNG
1894
Inhalts-Übersicht zu Heft 2.
Seite
Register der abgedruckten Texte V — VIII
Einleitung 1 — 54
§ 1. Die älteste Bezeugung des evayyeXiov xuxa Mux&ulov 1 — 7
§ 2. Die älteste Bezeugung des eiayyekiov xuxa Müqxov 7 — 12
§ 3. Die Compo8ition des stayyikiov xaxcc Müqxov . . . 12 — 29
§ 4. Die Composition des svayythov xuxa MaxÜtüov . . 20 — 28
§ 5. Das Evangelienfragment von Fajjum 28 — 34
§ 6. Das pseudopetrinische Evangelienfragnient .... 34 — 48
§ 7. Überleitende Bemerkungen 48 — 53
Tabelle des pseudopetrinischen Evangelienfragments . 54
Texte und Untersuchungen 55-434
Nachträge 435—456
REGISTER
DER
IM ZWEITEN HEFTE ABGEDRÜCKTEN EVANGELIENTEXTE.
I. Begister der Matthaeus -Texte.
(Die Matthaeus-Texte sind nach den laufenden Capiteln und Versen des ersten
canonischen Evangeliums geordnet und daher ohne Schwierigkeit zu finden.
Auf folgende Nachträge sei noch besonders hingewiesen.]
11
3,
4
14
5.
17
??,
36
37 a
0,
23
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13, 39 438
42. 43 . . . . 438
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436 I 15, 13 440
437 i 19 440
437 ' 22. 27 ... . 440
437 IG, 18 441
437 17, 21 441
438 18, 15 442
438 19, 12 442
438 22, 11—13 ... 442
24, 11 442
24 443
Mt. Seite
25, 10 443
40 443
26, 34 443
27, 16. 17.
46 . .
62-66
28, 2-4 .
19a. .
19>>. .
II. Begister der Marcus-Texte.
Mc.
1, 6 .
15 .
4, 26 .
27 .
28 .
33. 34 a
34b .
6, 21—23
24. 25
55.
436
60
153.
439
154.
439
155.
439
156
157
161
162
7,
Mc.
6, 26-28
52 . .
6 . .
7 . .
9 .
10 . .
11. 12
13 . .
18a .
163
164
169
170
164
166
167
168
171
Mc.
7, 18b
19 .
20 . .
21. 22
24a .
25. 26
27 . .
28. 29
31-37
444
444
445
445
446
447
. . 172
. . 172
. . 174
175. 440
. . 178
179. 440
. . 181
183. 440
. . 440
VI Register der im zweiten Hefte abgedruckten Evangelientexte.
Mc.
8, 10 . .
17 . .
9, 11. 12
13 . .
28. 29
41 . .
43. 45
47 . .
48 . .
49 . .
50b .
2-4 .
5 . .
6 . .
7 . .
10,
9
11
eite
Mc.
184
10, 12 . .
164
15 . .
203
35—37
208
38—40
441
11, 24 . .
128
25 . .
214
12, 24 . .
215
13, 10 . .
217
20 . .
218
22a .
219
22b .
235
27 . .
241
14, 3. 4 .
237
7
239
9 .
238
20 . .
240
26 . .
243
27 . .
Seite
244
212
254
257
262
263
269
287
288
283
290
298
319
320
321
321
322
324
Mc.
Seite
14, 29 . .
. . . 325
30 . .
. 327. 443
41 . .
. . . 328
58 . .
. . . 331
15, 4. 5 .
. . . 337
9 . .
. . . 338
16 . .
. . . 344
17a .
. . . 348
17b .
. . . 349
18 . .
. . . 350
19 . .
. . . 353
29a .
. . . 354
34 . .
. 355. 444
16, 9. 10.
. 380. 446
15 . .
. 393. 446
16 . .
. . . 428
20 . .
. . . 432
9-20
449-456
Lc
16, 18
17, 3
m. Register der Lucas-Texte.
. . 243
223. 442
Lc.
18, 17 212
22, 34 327
Lc.
22, 39
322
TV. Register der johanneisohen Texte.
Joh.
2, 19 331
12, 8 320
14b. 15. . . . 259
13, 38 326
Joh.
16, 32 324
19, 2a .... 349
2I> .... 348
Joh.
19, 3a
. . 350
3b . .
. . 353
20, 23 . . .
. . 199
V. Texte aus dem Diatessaron.
a) nach Ephraemi Syri Evangelii concordantis erpositio ed. Mösinger.
Mt.
3, 14 . .
15 . .
4, 17 . .
5, 27. 28
7, 6 . .
10, 23 a .
23b .
Mt.
11, 28 131
12, 5 139
13, 41 151
... 166
... 167
57
59
60
87 15, 4
108! 5 .
125 15, 27. 28
183
126 I 16, 18 188
Mt.
18, 20 .
19, 3. 7
20, 15 .
21, 22 .
28, 19 a
233
235
241
254
261
394
Register der im zweiten Hefte abgedruckten Evangelientexte. VII
b) nach Tatiani Evangeliorum Harmonia Arabice ed. Ciaaca.
Mt.
Seite
Mt.
Seite
Mt.
Seite
5, 14
69
15, 4 ... .
166
25, 35. 36 . . . . 310
22 ... .
83
5 . . . .
167
41 . .
316
33 ... .
91
28 ... .
184
26, 13 . .
321
37 ... .
96
18, 14 . . . .
222
45 . .
328
6, 5 ... .
104
19, 9» . . .
242
52 . .
329
8 . . . .
105
9b . . .
244
27, 19 . .
340
10. 5 ... .
118
21, 22 . . . .
262
46 . .
356
23a ...
125
25, 1 ... .
299
c) nach Jesudad, bzw. Ebed Jesu.
Mt. 3, 4 Seite 56
VI. Texte aus dem Hebraeerevangelium.
Mt. I Mt.
3, 4 55 I 3, 14
I Mt.
57 I 3, 15
59
VII. Texte des Evangelienfragments von Fajjum.
Mt.
26, 30 322
Mt.
26, 31 324
34 326
Mt.
26. 33 325
VIII. Texte aus dem pseudopetrinischen Evangelienfragment.
1 .
. ... 342
v. 9 . .
. . . 353
v. 28-34. .
. . 366
6 .
. ... 344
17 . .
. 278. 344
35-44. .
. . 369
7 .
. . 348. 350
. . . 356
46 . . .
. . 342
8 .
. ... 349
21. 22 .
. . . 361
45—49. .
. . 379
[In den Texten bedeutet gesperrter Satz die identischen Texte,
_~v~-^ ^ gleichwerthige Textvarianten. ' aussercanonische
Mehrbestandtheile.l
Einleitung.
§ i.
Die älteste Bezeugung des tvayytXiov xaxa Max&alov.
Die äussere Bezeugung desjenigen Evangeliums, welches im
neutestamentlichen Canon die erste Stelle einnimmt, führt uns
in eine sehr frühe, aber auch noch wenig aufgehellte Periode
der christlichen Kirchengeschichte. Es ist nämlich das tvayyi-
Xiov xaxa Max&alov mit der ältesten Gestaltung des Juden-
christeuthums auf das Engste verflochten.
1. Das Zeugniss durch Cerinth und Karpokrates.
Der Haeresiologe Epiphanins, welcher bezüglich der juden-
christlichen Haeresie aus den ältesten und besten Quellen
schöpfte, schrieb folgendermassen:
Epiph. Haer. XXX, U p. 133 D.
d ftev yaQ h't/Qivihoq xal KaojtoxQag xrö avxro XQ<ü~
fitvoi dtj&ev 7ra{f avxolg tvayyaXlfo ajto x/jg i'QX^g tov
xara Maxttalov tvayysXiov 6iä x?jg ysieaXoyiag
ßnvXovxai xaQtoräp ix oxtQftaxog '/coöij^p xal Mayiag
etvai xov Xqicxov.
Epiphanius — oder sein Gewährsmann — redet im Zu-
sammenhang von dem bei den Ebiouiten gebräuchlichen Evange-
lium und bezeugt kurz vorher (§ 13) die wesentliche Identität
des Ebionitenevangeliums mit dem scayytXiov xara Maxfralov.
nur dass letzteres nicht mehr vollständig (ov'/ oXcp de JcX7jQi0xt'i-
xrp), sondern unter den Händen der Ebioniten verfälscht {vsro-
d-svfiivm) und verstümmelt (ijxQioxtjQiaüfitvq-)) worden sei. Er
gibt dann aus dem Contexte des Ebionitenevangeliums Beispiele,
aus denen man ersehen könne, wie hinkend (jiwg Jtavxa ftoaXu),
Texte u. Untersuchungen X, 2. 1
2 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Sic.
wie schief (loga) und wie unrichtig (xal ovösfilav oo&oxf/xa
Ixovxct) Alles geworden sei (§ 14 initio). Und indem er nun
fortfährt zu bezeugen, dass schon die ältesten Häupter des Ebio-
nitismus, Cerinth (in Kleinasien) und Karpokrates (in
Aegypten) dasselbe Evangelium gebraucht haben {ttp ctvx(~> xqcj-
f/evoi örj&ev jicto* ctvxolg evctyytXim), constatiert er einen tief
eingreifenden Unterschied zwischen jenen Häuptern des Ebioni-
tismus und ihren Nachfolgern bezüglich des Gebrauchs jener
Evangelienschrift.
Jene Häupter (o ftev yctQ Kfouviroq xal KaQitoxQäg) be-
sassen noch das Matthäusevangelium mit der Genealogie und
suchten gerade mittels dieser Genealogie ihre ebionitische Lehre
von der Geburt Jesu aus Joseph und Maria zu erweisen (ctüio
Tf/g GQx^jg xov xard Max&alov EvetyysXtov öiä zrjg yeveaXoyiaq
ßovXovxai xccqigtuv ix üjtkQfuxtoq 'icoöijtp xal Naoiaq elvcu xov
Xqiötov). Also war ihr Matthäusevangelium wenigstens am Anfang
bezüglich der Genealogie noch nicht verstümmelt. Diese aber,
ihre Nachfolger, die Ebioniten (ovxoi 6i — so fährt der Be-
richt fort) halfen sich auf andere Weise, indem sie zur Be-
gründung ihrer judenchristlichen Christologie einfach die Ge-
nealogie abschnitten und den Anfang ihres Evangeliums mit
Mt. 3, 1 geschehen Hessen: ovroi öe aXXa xivlt öiavoovvxai.
nctQCtxoipavTeg ydg zag jcapet riß Meixftairp ytveaXoyiag t((>%ov-
xai xijv tl(r/J/v jcouiv&m toc jtQorfxoftev. Die ursprüngliche
Identität zwischen unserem Matthäusevangelium und dem Hebräer-
evangelium (EßQCtixbv 6h tovto xaXövoiv) scheint hier bezeugt
zu sein.
Für dieses Identitätsverhäitniss und für die Thatsache, dass
die bei den ältesten Judenchristen im Gebrauch gewesene Evan-
gelienschrift promiscue mit zwei verschiedenen Namen:
svayyeXiov xctxa Matiratov und svayytXtoi-' xati* Eßgaiovg (oder
xo EßQctixov) bezeichnet zu werden pflegte, besitzen wir noch
folgende patnstische Zeugnisse:
Iren. 111, 11, 7. Ebionaei etenim eo evangelio, quod est se-
eundum Matthaeum, solo utentes, ex illo ipso convin-
cuutur, non recte praesumentes de Domino.
Iren. 1, 26, 2. Solo autem eo, quod est seeundum Mat-
thaeum, evangelio utuntur (sc. Ebionaei) et apostolum
Paulum recusant, apostatam eum legis dicentes.
§ 1. Die älteste Bezeugung des evayyeZiov xaxu Maz&alov. 3
Eus. H. E. III, 27, 4. (Eßicoraloi) evayyeXico öe fiovcp xq>
xa&] 'Eßoalovg Xeyofit'vqj yoc6tuevoi xcöv Xoinöiv Ofiixobv
ejtoiovvxo Xoyov.
Theodoret. Haer. Fab. II, 1. f/6vov öe xo xaxa Eßiovaiov;
evayyeXiov ötyovxai. ibid. evayyeXico öe xco xaxa
Max&aiov xtyotjvxai fiovo).
Epiph. Epitome Haer. XXX. Tom. I. p. 359 ed. Dindorf. ötyovxai
öe xo xara Maxd^atov evayysXtov xaxu 'Eßoaiovg
cuxo xaXovvxeg.
Epiph. Haer. XXX, 3. p. 127 C. xal ötyovxai fiep xal avxol xo
xaxa Max&alov evayyt'Xiov. xovxco yao xal avxui,
coq 01 xaxa KtjQtrtiov xal M/jqiv&ov yoiüvxai fiovco. xa-
Xovoi öe avxo xaxa Eßoalovg.
Sichtlich gehen alle diese Nachrichten — wie schon ihr fast
gleicher Wortlaut an die Hand gibt — auf eine gemeinsame
ältere Quelle zurück. Dies ergibt sich auch aus folgender Er-
wägung. Da zu den Zeiten des Irenaeus und vollends zu denen
des Eusebius, Epiphanius und Theodoretus die Identität
zwischen dem Matthäusevangelium und Hebräerevangelium schon
längst nicht mehr bestand, so wiederholen diese Schriftsteller
den Wortlaut einer älteren Nachricht, die sie — wie aus ihren
sonstigen unklaren Zuthaten erkennbar ist — selbst nicht mehr
verstanden.
Aber es wird Manche geben, die diese Beweisführung nicht
zugestehen und die ursprüngliche Identität unseres Matthäus-
evangeliums und des Hebräerevangeliums nicht anerkennen
wollen — obwohl dann das Dilemma entsteht, dass die Ebioniten
ausschliesslich (ftovm, solo) das Matthäusevangelium und zu-
gleich ausschliesslich (fidvqy, solo) das Hebräerevangelium
gebraucht haben sollen. Indess ist diese Frage auch nicht der
Hauptpunkt, auf den es hier ankommt. Was hier bewiesen
werden sollte, ist die unzweifelhafte Existenz des tvayytXiov
xaxa yfaxiialov schon vor Cerinth und vor Karpokrates. sowie
der massgebende Einfluss dieses evayyt'Xiov auf die früheste
Entwicklung des Judenchristeutlmms. Abgesehen also von der
frage, in welchem Verhältniss das tvayytXiov xara Max&aTov
zu dem tvayytXiov xatt* 'Eßoaiovg gestanden habe, sind Kar-
pokrates (in den ersten Jahrzehnten des zweiten Jahrhunderts)
1*
4 Aussereanor.ische Paralleltexte zu Mt. unrl Mc.
und Ceriuth ') (Zeitgenosse des Apostels Johannes) die ältesten
Zeugen für das Vorhandensein des tvayytMov xaxa Maxfralor
und für dessen enges Verhältnis zum ältesten Judenchristenthmn.
In wie weit die iunere Kritik und die textliche Analyse
dieser Evangelienschrift etwa zu der Anschauung berechtige, in
derselben die älteste Urkunde des Judenchristenthunis zu er-
blicken, das soll im Schlusshefte dieses Werkes einer zusammen-
fassenden Erörterung unterzogen werden.
2. Der Evangeliencanon als Zeuge.
Nach dieser mit der Entwicklung des ältesten Judenchristen-
thunis eng verknüpften Vorgeschichte des evccyytXiov xaxa Max-
Halov wirkt die Thatsache um so überraschender, diese Schrift
nicht nur in den um 140 n. Chr. entstandenen Evangeliencanon-)
aufgenommen, sondern auch an dessen Spitze gestellt zu sehen
— eine Thatsache, welche im Zusammenhang mit den patristischen
Zeugnissen für die ursprüngliche Identität des tvayytkiov xaxa
Max&aloi' und xaO' KßQctiovg nach ihrer Tragweite von der
wissenschaftlichen Forschung bisher noch nicht genügend ge-
würdigt sein dürfte. Auch da, wo die Stellung der drei anderen
Evangelisten wechselt, behauptet das evayytXiov xata Max&alov
den ersten Platz. Namentlich die altsyrische Version Curetons,
die altlateinischen Evaugeliencodices und der griechische Codex
Bezae vertreten einheitlich die Voranstellung unserer Evangelien-
schrift. Es geht daraus klar hervor, dass auch der Archetypus dieser
drei unter einander so eng verwandten Evangelienrecensionen, der
ursprüngliche E v a n g e 1 i e n c a n o n , das t vayyiXiov xaxa Max-
&aiov an seiner Spitze gehabt hat.
3. Tatians Diatessaron.
Der nächste Zeuge für das tvayytXiov xaxa MaxftaZov ist
Tatian, welcher in seinem um die Jahre 160 — 170 n. Chr. ver-
fassten Diatessaron den vierfältigen Evangeliencanon voraussetzt
und in seinen Texten, soweit sie uns erkennbar sind, ganz deut-
lich die dem ersten canonischen Evangelium entnommenen Stoffe
reproduciert.
1) Man vgl. noch Philastr. c. 36. (Cerinthus) evangelium secunduoi
Matthaeum soluni acciyit, tria evangelia spernit.
2) Vgl. Heft I, 11.
§ 1. Die älteste Bezeugung des nvayyrktov xaxa Maxttulov. 5
4. Irenaeus.
Der erste kirchliche Schriftsteller, welcher den vierfältigen
Evangeliencanon expressis verbis erwähnt, dessen anerkannte
kirchliche Giltigkeit bespricht und die einzelnen Evangelisten
der Reihe nach nennt, ist bekanntlich Irenaeus* am Ausgang des
zweiten Jahrhunderts. Und obwohl man derjenigen Stelle, an
welcher er die vier Evangelisten der Reihe nach vorführt (Iren.
III, 1, 1), den vorcanonischen hebräischen Matthäus mit
dem canonischen griechischen Matthäus inrthtimlicher Weise
identifiziert (o (isv öt) Maxfralog iv xotg Eßnaioig xrj iöia öta-
Xixxcp ttvrcöv xal yoa<pi)v igrjveyxsv tvayyeXlov , xov JlixQov
xal xoi IJavXov Iv Poj(4?j tvayysXi^ofitvmv xal d-e/isXtovvxcor
xfjv lxxXt]Qiav), .-»o ersieht man doch um so gewisser aus diesen
Worten die feste Stellung des svayyiXtov xaxa Max-ftaZov an
der Spitze des Evangeliencanons.
5. Symmachus.
Von der fortdauernden Wichtigkeit des evayyiXiov xaxa
Max&aiov für das Judenchristenthum geben Zeugniss die Nach-
richten, denen zufolge Symmachus, einer der ersten Führer des
Judenchristenthums, sich eingehend mit diesem Evangelium be-
schäftigt hat. Man vgl.
a) Eus. H. E. VI, 17. xöjv ys ftt)v kQUiyvtvxiov avxoZv öt)
xovxcov loxiov, 'Eßtatvatov xov 2v{tfiayov yeyovi-
vat. — xal vjiofivrjfiaxa öh xov 2cii/.iäyov flotxc
vvv yigexai, Iv olg ö(txti jioog xo xaxa Max&aiov
ajcoxeivof/evog evayyiXiov x?)v öeötjXojftevtjv ai-
QiölV XQUXVVtlV.
b) Hieron. de vir. ill. c. 54 (sub voce Origenes).
(Symmachi) — qui in evangelium quoque xaxa
Max&aiov scripsit commentarios, de quo et suum
dogtna confirmare conatur.
c) Niceph. Call. H. E. V, 12. i&öoxo 61 o ^vfifiaxog
vjrofivyfiara xal elg xo xaxa. Maxi) alov Isqov
evayyiXiov.
Hieronymus und Nicephorus haben also die Nachricht
des Eusebius in der Weise gedeutet, dass die vjiofivt'jfiaxa des
Symmachus einen Commentar des evayye'Xcov xaxa Maxfralov
enthalten hätten. Die eusebianische Notiz kann aber auch in
(} Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc,
dem Sinne aufgefasst wei'den, als ob die vjco/.iv?](jaxa des
Sy mm ach us der Bekämpfung des tvayyiXtov xaxa Max&aiov
— anoxüvuv Jtgog xiva = gegen jemand losziehen — gewid-
met gewesen seien. Es ist jedoch auch noch eine dritte Deutung
der ohnehin etwas unbestimmt gehaltenen Worte des Eusebius
(vgl. das öoxel) möglich, nämlich in der Richtung, dass Sym-
machus durch Zusätze, Änderungen, Interpolationen eine Um-
arbeitung des tvayyeZtov xaxa. Maxd-alov und dadurch die Aus-
gestaltung des späteren Hebräerevangeliums vorgenommen habe
und dass dieses sein schriftstellerisches Vorgehen von Eusebius
oder seinem Gewährsmann als ein äjcoxeiveöfrai xQoq xo xaxa
Matfralov evayyiZiov aufgefasst worden sei. «Jedenfalls war
Symmachus — der bekannte Übersetzer des Alten Testaments
— ein Zeitgenosse des Irenaeus, eine der bedeutendsten Per-
sönlichkeiten des gesammten Judenchristenthums , ja dessen
literarischer Hauptvertreter 1), und seine eingehende Beschäftigung
gerade mit dem Matthäusevangelium unter Ausschluss der übrigen
Evangelien legt in jedem Falle Zeugniss ab für die fortgehende
Bedeutung, welche das svayyiXiov xaxa Maxftalov
auch nach seiner erfolgten Canonisierung in juden-
christlichen Kreisen behauptete.
6. Clemens Alexandrinus.
Nächst Irenaeus ist es weiter Clemens AI., welcher den
aus der kirchlichen Tradition hervorgegangenen Evangeliencanon
erwähnt. Vgl. Strom. III, 13, 93 p. 553: hv xoiq xayaösöofit-
voig i)[ilv xexxaQGiv EvayyeXloig. Das evayyiXiov xaxa
Max&alov macht Clemens zweimal durch folgende Citations-
formeln besonders namhaft: kv 6h x<x> xaxa Max&alov bv-
ayyeXlm — Strom. I, 21, 147 p. 409 — öib xal nQooe&rjxev 6
Maxfraloq — Quis div. salv. c. 17 p. 945.
7. Origenes.
Ori genes endlich, in dessen Commentar zu Matthäus be-
1) Die Judenchriaten wurden sogar vielfach als „Symniachianer"
bezeichnet. Vgl. Augustin. contra Cresconium Donatistam 1,31: sunt qui-
dam haeretici, qui se Nazarenos vocant, a nonnullis autem Symmachiani
appellantur. Ferner c. Faust. XIX, 17. Ambros. in Prolog, in epist. ad
Galatas. Ebenso Faustus Manichaeus: (Nazaraei) quos alii Symniachianos
appellant. Vgl. August, c. Faust. XIX, 4.
§ 1. Die älteste Bezeugung des tvayy&.iov y.axu Mard-ulov. 7
reits der mit den revidierten l) Codices im Wesentlichen überein-
stimmende und wahrscheinlich von ihm selbst bereinigte cano-
nische Text vorliegt, ein Text, welcher in dieser Weise bei Cle-
mens noch nicht zu finden ist, hat sich über den vierfältigen
Evangeliencanon und dabei an erster Stelle über das svayyD.iov
xaxa Max&alov folgendermassen geäussert: ojq sv xaoaöoöti
fia&cßv JtSQi xmv t egouqcov svayyeXlajp, a xal f/6va avav-
TiQQijta eöxip kv rfj vxb xov ovqavbv exxXijola xov &eov, oxi
xqcöxov [t£P ytygaitxai xo xaxa xov jcoxe xsXoJvrjv, vöxtoov
de anöoxolov 'Jqoov XqiGxov MaxftaZov, txötöcoxoxa avxb
xolg djco 'lovöatöfiov jtiöxevöaöi — Eus. H. E. VI, 25, 4.
Man sieht: der eine Name tvayytXtov xaxa Max&aZov hat
die Alleinherrschaft errungen; der andere Name svayyiXiov
xafr* 'Eßoaiovq ist inzwischen auf eine andere Schrift, das haere-
tische Hebräerevangelium, das auch Origenes kannte (vgl.
Agrapha S. 323 ff.), übergegangen; aber die Erinnerung, dass
dieses tvayytXtov xaxa Max&alov nicht für Heidenchristen, son-
dern für Judenchristen \xoZq djtb lovda'CGfiov jttGxevöaai) ge-
schrieben war, ist geblieben.
Bezüglich der indirekten Bezeugung dieses wie der anderen
Evangelien durch patristische und andere namenlose Citate
aus dem zweiten Jahrhundert, wovon im Vorstehenden vollstän-
dig abgesehen ist, wird eine zusammenfassende Übersicht erst
im Schlusshefte dieses Werkes gegeben werden.
Ebenso kann erst nach Abschluss der Detailuntersuchüngen
die Frage nach der Textgeschichte, welche das evayyeXiov xaxa
Max&aZov durchlaufen haben mag, bevor sein revidierter cano-
nischer Text fixiert ward, eine sachentsprechende Beantwortung
finden.
§ 2.
Die älteste Bezeugung des evayyeXiov xaxa Mäoxov.
Die älteste Bezeugung des Marcusevangeliums geht in noch
frühere Zeiten zurück, als diejenige des evayysXiov xaxa. Max-
ftalov Denn es sind zwei canonische Autoritäten, welche
nicht sowohl durch einzelne Citate, als vielmehr durch den Tenor
1) Vgl. Heft I, 18 ff.
g Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mo.
ihrer Schriften die frühzeitige Existenz und den tiefgreifenden
Einfluss des Marcusevangeliums bekunden.
1. Der erste Evangelist als Zeuge.
In Folge eindringender analytischer Vergleichung des ersten
canonischen Evangeliums mit dem Marcusevangelium hat es sich
ergeben, dass das letztere für das erstere von entscheidender Be-
deutung gewesen ist, nicht nur für dessen stofflichen Gehalt,
sondern auch für seine formale Gestaltung. Bezüglich des ersteren
Punktes sagt B. Weiss (Leben Jesu I, 53), „dass der gesammte
Inhalt des zweiten Evangeliums mit der völlig verschwindenden
Ausnahme einiger ganz unerheblicher kleiner Stücke, deren Aus-
fall sich leicht und in einleuchtendster Weise erklären lässt, in
unser erstes Evangelium übergegangen ist". Und über den an-
deren Punkt äussert derselbe Forscher sich folgendermassen:
„Die ganze Anlage unsers ersten Evangeliums erweist sich le-
diglich als eine weitere Ausführung des von Marcus gegebenen
Grundrisses einer Darstellung der Geschichte Jesu" (Vgl. Weiss,
Matthäusevangelium S. 10). Auf Grund dieses Forschungsergeb-
nisses, von dessen Richtigkeit sich ein Jeder durch längeres und
tieferes Eindringen in die Weiss'schen Untersuchungen über-
zeugen kann, muss der erste Evangelist als der älteste Zeuge
für die Existenz und den frühzeitigen Einfluss des Marcusevan-
geliums bezeichnet werden.
2. Lucas als Zeuge.
Der Verfasser des dritten canonischen Evangeliums und der
Apostelgeschichte, welcher über ein reiches Quellenmaterial ver-
fügte, erscheint als der zweite Zeuge, sofern auch er, wenngleich
mit grösserer Unabhängigkeit als der erste Evangelist, das Mar-
cusevangelium benutzte. „Marcus hat vor dem Lucas geschrie-
ben. Denn dieser hatte jenen vor Augen." So hat schon Storr
(Über den Zweck der evangelischen Geschichte etc. Tübingen
1786) das Verhältnis« festgestellt. Und Weiss hat des Näheren
gezeigt, „wie sich Lucas von Marcus durch grosse Partien hin
in Anordnung und Darstellung abhängig zeigt, wie oft in diesen
Partien sein Text formell und sachlich sich einfach als eine Er-
läuterung und Erweiterung, Zurechtstellung und Erleichterung
des Marcustextes darstellt, wie die Erzählung des dritten Evan-
geliums oft Detailzüge aus Marcus voraussetzt, die an ihrem
i; 2. Die älteste Bezeugung des evayyeXiov xuxti Mäoxov. 9
Orte von dem Bearbeiter übergangen sind, wie selbst die Sprach-
eigenthürnlichkeiten des zweiten Evangeliums vielfältig mit auf-
genommen sind und sich der andersartigen Ausdrucksweise des
Lucas gegenüber noch deutlich als ein ihm ursprünglich fremd-
artiges Element erweisen" (Weiss, Leben Jesu I, 69). Marcus
war also unter den „ Vielen ", von welchen Lucas in der Einlei-
tung seines Evangeliums sagt: jtoXXol istsysio^oav avazä$ao$ca
ötrjyrjoiv Jitgl tcov JTtJtX?jQocpoQ7]iutvcov Iv i)[ilv jcgay^iäxav.
Lc. 1, 1. 2.
3. Das Zeugniss des Presbyters Johannes.
Ein einzigartiges Zeugniss über die Abfassung des Marcus-
evangeliums besitzen wir durch den Presbyter Johannes, einen
Schüler der Apostel. Papias (um 120 n. Chr.) hat in seinem
fünftheiligen Werke: Xoyicov xvgiaxcöv i£,r/y>>Gtq — die Worte
des Presbyters aufbewahrt. Dieselben lauten (Eus. HI, 39, 15)
folgendermassen :
xal zovzo o ngeößvzegog tXsye' Mctgxog fiev egfif]-
vevztjg ützgov yev6[i£voq, oöa iftvrjfiovEvosv , dxgi-
ß(5g tygaipEV, ov fievzoi taget, zä vjco zov Xgiozov
/} Xeyßevza >/ jigax&t'vza. ovzt yag I'/xovoe zov xvgiov
ovze jiagt/xoXov&tjöev avzcö, vözsgov öi, coq tg>i]v, IIi-
zgco, og JtQOg zag XQb^a? exoielzo zug öiöaOxaXiag, aXX*
ovy coöxeq övvza^iv zcöv xvgiaxöiv xoiovtuevog Xoycov,
(oozs ovöiv t/^agzs MctQxog, ovzrog tvia ygätpag
cog tijtt}/V7jtu6vevO€V. tvog yag ijioi//Cazo Jtgovoiai',
zov fi?]öev cov r/xovGE JtagaXtxeZv , >/ rptvaao&ai zc iv
avzolg.
Viererlei bezeugt hier der Presbyter Johannes:
1. den Einfluss der petrinischen Erinnerungen auf Marcus,
2. die Auswahl aus den evangelischen Stoffen, die Marcus
vorgenommen (tvia ygäipag),
3. den Charakter der detaillierten Darstellung, deren sich
Marcus befleissigte (dxgißcog tygaxpev),
4. die Durchbrechung der in der evangelischen Geschichte
ursprünglich gegebenen Ordnung (ov fitvzot zägei).
Die kritische Analyse, wie sie namentlich von B. Weiss
(Das Marcusevangelium und seine synoptischen Parallelen, 1872)
gegeben worden ist, hat das Zeugniss des Presbyters in allen
IQ Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Punkten (wegen des letzten Punktes s. den folgenden §) voll-
kommen bestätigt.
4. Der Evangeliencanon als Zeuge.
Dass bei dem hohen Alter des Marcusevangeliums und bei
seinem massgebenden Einfluss auf die älteste Evangelienliteratur
diese Schrift in dem sich bildenden Evangeliencanon Aufnahme
finden musste, liegt auf der Hand. Doch war die Stellung,
welche dieser Schrift innerhalb des Evangeliencanons angewiesen
wurde , anfänglich eine schwankende. In der altsyrischen
Version Curetons, in welcher das johanneische Evangelium
an dritter, das des Lucas an vierter Stelle steht, nahm doch das
Marcusevangelium bereits die zweite Stelle ein. Dagegen in
der oberaegyptischen Version der Evangelien, in welcher
Johannes die Spitze behauptet, ist dem Marcus der dritte Platz
zugewiesen. (Vgl. Woide, Append. Cod. Alex. Dissert. de Vers,
Aeg. c. II. p. 19.) Und im Cod. Cantabr. sowie in den latei-
nischen Codd. Brix., Veron., Vercell. (Vindobon.) folgt das
Marcusevangelium den anderen drei als letztes nach. Auch
Tertullian (adv. Marc. IV, 2) nennt den Marcus zuletzt, indem
er sagt: Denique nobis fidem ex apostolis Joannes et Mat-
thaeus insinuant, ex apostolicis Lucas et Marcus instaurant.
Aber mochte die Stellung des Marcusevangeliums immerhin
wechseln, an seiner Zugehörigkeit zu dem Evangeliencanon war
von Anfang an — also von 140 — 150 an1) — kein Zweifel.
5. Tatians Diatessaron.
Dies wird auch bestätigt durch die Evangelienharmonie, mit
welcher Tatian auf Grund des vierfältigen Evangeliencanons
die syrische Kirche beschenkt hat. Wenn auch nicht mehr in
seiner ursprünglichen Textgestalt, so doch in seinen Stoffen und
in deren harmonisierender Anordnung durch das von Ciasca
herausgegebene arabische Diatessaron uns erhalten, zeigt es uns,
dass darin auch Perikopen, die ausschliesslich dem Marcusevan-
gelium angehörten, nicht gefehlt haben.
6. lrenaeus.
Irena eus, welcher bereits die jetzt noch gütige canonische
Anordnung der Evangelien vertritt, sagt in der oben bei Mat-
1) Vgl. Heft I, 11.
§ 2. Die älteste Bezeugung des svayyehov xaxa Muqxov. \\
thäus citierten Stelle (Iren. III, 1,1) bezüglich des zweiten Evan-
gelisten das Folgende: Mäoxog, 6 (jafrqxijc xal tQ(i7jvsvxf)q
IlixQov, xal avxbq xa vjto Wxqov x?jQvoo6fieva t-yyoaqojq
■t]{ilv jiagaöeöcoxe. Der Einfluss der durch den Presbyter Jo-
hannes und durch Papias vertretenen Tradition ist hier un-
verkennbar.
7. Clemens Alexandrinus.
Eine ganz eigenthümliche Reihenfolge der Evangelien ver-
tritt Clemens AI., sofern er an die beiden ersten Stellen die
mit Genealogien versehenen Evangelien (Mi, Lc.) rückt, dann
den Marcus folgen lässt und den Johannes als toyaxov erwähnt.
In der aus den verloren gegangenen Hypotyposen (wahrschein-
lich aus dem 5. Buche) durch Eusebius erhaltenen Stelle giebt
dabei Clemens folgendes Referat über die Entstehung des Mar-
cusevangeliums (Eus. H. E. VI, 14, 6):
xo de xaxa Maoxov xavxi]v loyjyxivai xfjv olxovo-
H'iav. xov IlixQov öijfiooia, hv 'Pm/ffi* xijQv^avxoq xov
Xoyov, xal jrvsvfiaxi xo evayyeXiov ht-suiovxoq, xovq
ütagovxaq jioXXovq ovxaq naoaxaXböai xov Maoxov,
möav axvXovfr/jöavxa avxrö jröoyaifrev xal f/efivtjfitvov
xwv Xex&tvxwv , avayoärpat xä eiQtjfitva' Jtoirjöavxa de
xo evayyeXiov (lexaöovvai xolq öeofitvoiq avxov.
Eine ähnliche Relation findet sich Eus. II, 15, 1 aus dem —
hierbei ausdrücklich genannten — sechsten Buche der Hypo-
typosen.
8. Origenes.
In seiner canonischen Reihenfolge der Evangelien erwähnt
Origenes das des Marcus mit folgenden Worten: öevxeoov
de xo xaxa Muqxov, coq JJexgoq vcptjy/jöaxo avxco, Jtoirjoavxa,
ov xal vlov hv xy xa&oXixrj exiöxoXy öta xovxow cofioXoyt/oe.
Aus diesem Überblick ersieht man die ganz vorzügliche Be-
zeugung des Marcusevangeliunis, eine Bezeugung, die bis in die
Urzeit der Kirche zurückreicht. Und dennoch finden sich bei
den kirchlichen Schriftstellern vor Irenaeus und Clemens
nur wenige, und dazu meist unsichere, Spuren von der Benützung
dieses Evangeliums — : ein lautredendes Symptom für die Wert-
losigkeit der allgemeinen Beweisführung e silentio l).
1) Nur dann hat das argumentum e silentio Beweiskraft, wenn in
12 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Unter diesen Umständen liegt auch die auf das Marcusevange-
lium bezügliche vorcanonische Textgeschichte völlig im Dunkeln.
Nur einige Varianten im Diatessaron und die frühzeitigen Spuren
von Mc. 16, 9 — 20 geben wenige Lichtblicke. Man kann in Folge
dessen auch kein Urtheil gewinnen über diejenige Textgestalt,
nach welcher das Marcusevangelium dem ersten und dem dritten
Evangelisten vorgelegen haben mag. Man kann verrnuthen, dass
vielleicht manche Erscheinungen, welche zur Annahme eines Ur-
marcus geführt haben, ihre Erklärung in der Entwickelung des
Marcustextes finden würden, wenn solche uns bekannt wären.
Andere haben angenommen, dass der von Lucas weggelassene
Abschnitt Mc. 6, 45 — 8, 26 in dem von dem dritten Evangelisten
gebrauchten Marcusexemplare gefehlt habe. Aber ein irgendwie
objektives Urtheil lässt sich über diese Fragen in Ermangelung
aller Unterlagen nicht gewinnen.
§ 3.
Die Composition des EvayytÄiov xaxä Mägxov.
Es ist das in seiner Begründung und nach seiner Tragweite
noch lange nicht genug gewürdigte Verdienst von B. Weiss,
die Zweiquellentheorie in bahnbrechender Weise weiter geführt
zu haben. Die strenge Zweiquellentheorie nahm für die beiden
Hauptquellen — das Urevangelium und das MarGusevangelium
— eine gleich grosse Originalität an und leitete nur aus der
verschiedenen Behandlung dieser beiden Quellen durch den ersten
und den dritten Evangelisten sowohl die Verwandtschaftsver-
hältnisse als die Verschiedenheiten der synoptischen Parallelen
bei Mt. und Lc. her. Weiss beschränkte die Originalität des
Marcus, indem er dessen Abhängigkeit von dem Urevangelium,
der apostolischen Quelle, wie er sie nannte, nachwies. Aber er
stellte damit zugleich erst recht ans Tageslicht den tiefgreifenden
Einfluss, welchen das Marcusevangelium auf seine beiden synop-
tischen Nachfolger ausgeübt hat.
Es wird sich empfehlen, eine Übersicht derjenigen Partien
einzelnen bestimmten Fällen die Bezugnahme auf eine Schrift nicht hätte
fehlen dürfen und können, falls dieselbe .«chon vorhanden gewesen wäre.
§ 3. Die Couiposition des evayyt/aov xavc Mägxov. 13
zu geben, in welchen Marcus nach den Untersuchungen von
Weiss auf die vorcanonische Quelle sich stützt.
Das Auftreten des Täufers.
Die Wirksamkeit des Täufers.
Die Taufe und Versuchung Jesu.
Die Heilung des Aussätzigen.
Der erste Conflikt.
Der Sabbathconflikt.
Jesu wahre Verwandte.
Das Gleichniss vom vierfachen Acker.
Verschiedene Sprüche.
Das Gleichniss vom Senfkorn.
Die Überfahrt über das Meer.
Die Dämonenaustreibung jenseits des Meers.
Jairi Töchterlein und das blutflüssige Weib.
Die Aussendung der Zwölfe.
Die erste Speisung.
Das cananäische Weib.
Die Zeichenforderung.
Verschiedene Sprüche.
Die Verklärimg Jesu.
Die Heilung des mondsüchtigen Knaben.
Verschiedene Sprüche.
Von der Ehescheidung.
Von dem Recht der Kinder auf Gottes Reich.
Von dem Lohn der Nachfolger Jesu.
Von der dienenden Armuth.
Die Blindenheilung bei Jericho.
Vom Gebet und von der Versöhnlichkeit.
Die Weinbergsparabel.
Das vornehmste Gebot.
Warnung vor denPharisäernundSchriftgelehrten.
Parusierede.
Die Salbung in Bethanien.
Das Marcusevangelium und seine synoptischen
Weg einer ausserordentlich mühsamen und
schwierigen Detailuntersuchung, auf welchem WTeiss zu diesen
wichtigen Resultaten gekommen ist. Aber der neue Weg war
Mc. 1,
1-
-4.
7.
8.
9-
-13.
40-
-45.
%
, 1-
-12.
23-
-28.
3,
22-
-35.
4,
1-
-9.
21-
-25.
30-
-32.
35-
-41.
5,
1-
-20.
21-
-43.
6,
6-
-13.
30-
-44.
7,
24-
-30.
8,
11
12.
34-
-38.
9,
2-
-8.
14-
-27.
34-
-50.
10,
11.
15.
12.
29-
-31.
42-
-45.
46-
-52.
11,
25.
(20).
12,
1-
-5.
28-
-31.
38.
■M).
13,
6-
-37.
H,
3-
-11.
Vgl. W
eiss.
Parallel
en.
Es
war der
14 Ausseicanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
nur theilweise gebahnt. Durch Herbeiziehung der Parallelen
aus den canonischen Lehrschriften, durch Vergleichung der ausser-
canonischen Paralleltexte und durch das spürende Zurückgehen
auf den vorauszusetzenden hebräischen Quellentext lassen sich
noch zahlreiche andere Spuren nachweisen, auf Grund deren
man — namentlich in allen Herrenreden — eine noch viel aus-
gedehntere Benützung der vorcanonischen Quelle zu erkennen
vermag, als dies durch die Untersuchungen von Weiss heraus-
gestellt ist. Und es gehört recht eigentlich mit zur Aufgabe
dieses Werkes, die Ausdehnung der von Marcus aus dem Ur-
evangelium geschöpften und durch ihn in die anderen beiden
synoptischen Evangelien übergegangenen Texte in möglichster
Vollständigkeit ans Tageslicht zu stellen. Im Schlusshefte des
ganzen Werkes soll dann für das Marcusevangelium das Facit
gezogen und obige Tabelle der von Weiss dem Urevangeliuni
zugewiesenen Perikopen vervollständigt werden.
Man wendet aber ein, dass durch eine solche Quellen- Ana-
lyse die Zweiquellentheorie illusorisch und die Originalität des
Marcusevangeliums hinfällig werde. Und gewiss, was zunächst
die bereits von Weiss stark beschnittene Originalität des Mar-
cus anlangt, so wird dieselbe immer mehr auf ein bescheidenes
Mass beschränkt werden, je tiefer man in den Sachverhalt ein-
dringen wird. Die Bedeutung des Marcusevangeliums aber als
einer von den beiden anderen Synoptikern neben dem Urevan-
geliuni benützten zweiten Hauptquelle würde nur dann verschwin-
den, wenn die redaktionelle Behandlung, welche Marcus dem
vorcanonischen Evangelium hat angedeihen lassen, bedeutungs-
los und sein Einfluss auf die beiden anderen Synoptiker ein
untergeordneter geblieben wäre. Welchen Einfluss aber Marcus
auf die synoptische Darstellung der evangelischen Geschichte,
und ganz besonders auf den ersten Evangelisten, ausgeübt hat,
wird bereits im folgenden Paragraphen deutlich hervortreten und
in mancher der nachfolgenden Einzeluntersuehungen immer besser
zum Ausdruck kommen. Hier, wo es sich zunächst um das Mar-
cusevangelium selbst handelt, ist darauf hinzuweisen, dass
a) durch Weglassung zahlreicher und grosser Partien —
namentlich von Herrenreden — aus dem Urevangeliuni,
b) durch Ausschmückung der aus dem Urevangeliuni mit-
getheilten Perikopen mit historischen Details,
§ 3. Die Composition des evayyehov xcau Müqxov. 15
c) durch sprachliche Umgestaltung nicht weniger Herren-
sprüche, und ganz besonders
d) durch Umstellung und Umschaltungen urevangelischer
Stoffe
Marcus trotz seiner geringen Originalität einen ganz neuen
Rahmen für die Darstellung der evangelischen Geschichte ge-
schaffen hat.
Von den Weglassungen seien genannt als wichtigste
Beispiele die Beseitigung, ja vollständige Nichterwähnung der
Bergpredigt bei Mc. 3, 13—19 und die Übergehung zahlreicher
Gleichnisse. Als hervorragendes JExempel detaillierter Aus-
schmückung einer urevangelischen Perikope sei erwähnt die
Perikope Mc. 9, 14—27 (== Lc. 9, 37—43 = Mt, 17, 14— 18. Vgl.
Weiss, Marcusevangelium S. 303—310). Bezüglich der Um-
gestaltung von Herrensprüchen sei verwiesen auf Mc. 8, 35
(== Lc. 9, 24 = Mt. 16, 25 = Lc. 17, 33 = Mt. 10, 39) und dazu
Weiss, ■ Marcusevangelium S. 287 ff., ferner auf Mc. 10, 12 (=
Mt. 19, 9b) und dazu Weiss 1. c. S. 334, sowie auf Mc. 13, 32
(= Mt. 24, 36=^ Act. 1, 7) und dazu meine späteren Erläuterungen
zu Act. 1, 7. Auf einem Gebiete, wo jedes Wort eine unabseh-
bare Tragweite besitzt, sind derartige Textänderungen von grösster
Wichtigkeit, und diese Textänderungen als solche, als redaktionelle
Modifikationen des Quellentextes, zu erkennen, ist für die Quellen-
kritik von höchster Bedeutung.
In fast noch höherem Grade ist dies der Fall, wenn .ein
Redaktor den ursprünglichen Context hie und da aufgehoben
und durch Umschaltungen der einzelnen Quellenstoffe einen
neuen Context und seine eigene — von der Quellenschrift ab-
weichende — Pragmatik hergestellt hat, wie es bei Marcus der
Fall ist. Auch in dieser Richtung eine orientierende Erkenntniss
angebahnt und gezeigt zu haben, dass Marcus eine ganze An-
zahl von Herrensprüchen ihrem ursprünglichen Standort ent-
fremdet und in eine neue Umgebung verpflanzt hat, dass über-
haupt durch die redaktionelle Behandlung der vorcanonischen
Evangelienquellen von Seiten des zweiten Evangelisten ein völlig
neuer — später von dem ersten Evangelisten adoptierter —
Rahmen für die evangelische Geschichtsdarstellung entstanden ist,
muss ebenfalls als eine ausserordentlich wichtige, freilich von
den Mitforschern noch nicht genügend erkannte, Seite der
16
Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Weiss'schen Untersuchungen bezeichnet werden. Im Unterschied
von dem ersten Evangelisten, welcher sich bezüglich seiner Prag-
matik vollständig von Marcus abhängig gemacht hat, war es
Lucas, welcher sich nach dieser Seite von dem Einfluss des
zweiten Evangelisten möglichst emancipierte und der weniger
pragmatisch componierenden als äusserlich der Reihe nach re-
ferierenden Darstellung der vorcanonischen Quelle den Vorzug
gab. Ihm, dem Lucas, verdanken wir daher auch hauptsächlich
die Möglichkeit, die von seinem Vorgänger vorgenommenen Um-
schaltungen der Quellentexte als solche zu constatieren. Es
kommen noch einige aussercanonische Instanzen sowie die vom
johanneischen Evangelium an die Hand gegebenen pragmatischen
Gesichtspunkte hinzu, um die von Marcus vorgenommenen Um-
schaltungen der Quellenstoffe in möglichster Vollständigkeit zu
erkennen. Da es an dieser Stelle viel zu weit führen würde,
überall die nöthigen Motivierungen zu geben, so sei in der nach-
folgenden Tabelle auf die bei Weiss (Marcusevangelinm) zu
findenden Untersuchungen verwiesen und nur da, wo Weiss
nicht ausreicht, in Fussnoten eine begründende Andeutung bei-
gefügt.
Verzeichniss der von Marcus vorgenommenen Um-
schaltunsen.
Marcusstelle.
Standort der Quelle.
Weiss, Mareus-
evangelium.
1, 2
Lc. 7, 27
S. 37 ff.
7. S
Job. 1, 26. 27
-1)
2, 28
Lc. G, 1 0 und 1 1
-■)
3, 1Ö—19
Act. 1, 13
-3)
22-27
Lc. 11, 15—21
S. 124 ff.
2S. 29
(Lc 12,10)
(S. 125 ff.)
1) Die johanneische Darstellung ist vorzuziehen. Erst nachdem Jesus
selbst mit dem nvtvfxo. und dem tiiq (vgl. Agrapha S. 357 ff.) getauft war,
sagt der Zeuge dieser Vorgänge: avzoq ßtmzlüu tv nvti(xati äyiw xai niQi.
2) Aus dem Cod. D wird diese Stellung von Mc. 2, 28 zwischen Lc.
6, 10 und 11 als die ursprüngliche deutlich erkannt.
3) Vgl. meine späteren Erläuterungen zu Act. 1, 13,. sowie meine Ab-
handlung über die dväXtppiq in der Ztschr. f. kirchl. Wissensch. u. kirchl.
Leben. 1889. Heft T. S. 30. 31.
§ 3. Die Composition des evayyihov xazä MÜqxov.
17
Marcusstelle.
Staudort der Quelle.
Weiss, Marcus-
evangelium.
4,21
Lc.
11, 33
S. 153. 156 f.
22
Lc.
12, 2
S. 153. 156 t.
23
Lc.
8, Sb
S. 153
24b
Lc.
G. 3Sb
S. 153. 156
25
Lc.
19, 20
S. 156
so-
-32
Lc.
13. 1S.
19
S. 160 ff.
ft, 1-
-6
Lc.
4. 16-
-3i»
_i,
(8-
-13)
(Lc.
10. 1-
-11)
-2)
8,12
Lc.
11.29
S. 269
15
Lc.
12. 1
~3i
34
Lc.
14. 27
S. 2S7 ff.
35
Lc.
17, 33
iS. 2S7ff.
9, 35
Lc.
22. 20
8. 314. 354
37b
Lc.
10. 10
S. 31 S
41
Mt.
10, 42
S. 322. Anm. 1
42
Lc
17. 2
S. 323
43.
45. 47
p
S. 326
50
Lc.
14, 31
S. 324
10, 11.
12
Lc.
10, IS
-4)
31
Mt.
20, 10
(Lc. 13, 30)
S. 348
35-
-41
Lc.
22, 24
-5)
38b
39b
Lc.
12, 5t»
S. 352 f.
42
Lc.
22, 25
(S. 354)
43.
44
Lc.
22,26
S. 314. 354
45
Lc.
22, 27
-fi)
11, 15-
-17
Joh
2, 14-
-10
-'')
23
Lc.
17, 0
S. 374 ff.
1) Vgl. die späteren Erläuterungen zu Lc. 4, 16— 30.
2) Das Urevangeliuiu enthielt zwei Abonlnungsreden, die eine an die
Zwölfe (Lc. Ü, 1—5) und die andere an die Sieben/.ig (Lc. 10, 1—16). Mar-
cus (und nach ihm der erste Evangelist) liess beide Texte in einander fliessen.
3) Vgl. meine späteren Erläuterungen zu Lc. 12, 1.
4) Vgl. die nachfolgenden Erläuterungen zu Mt. 19, 9.
5) Vgl. die nachfolgenden Erläuterungen zu Mt. 20. 20 ff. und Lc. 22. 2-4.
6) Vgl. die späteren Erläuterungen zu Lc. 22. 27 und die dort ge-
gebenen aussercanonischen Paralleltexte.
7 Vgl. Weiss, Leben Jesu I. 3*6 ff.
Texte ii. l'ntcrsuclnmgen X, 2. 2
18
Aussereanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Marcusstelle.
Standort der Quelle.
Weiss, Marcus-
evangelium.
11,25. 26
y
S. 374. 377 Anm. 1
27—33
Joh.
2, 18
-')
12, 28—34
Lc.
10, 25-
-28
S. 400
38—40
Lc.
11,43
S. 403 ff.
13, 9—13
Lc.
12, 11.
12
S. 415 ff.
15. 16
Lc.
17,31
S. 420
21
Lc.
17, 23
S. 425
30
Lc.
19, 44
-2)
32
Act.
1, 7
_8)
34-37
Lc.
12, 36-
-42
S. 431 ff.
14, 3—9
Joh.
12, 1-
-8
-4)
25
Lc.
22, 18
-5)
28
?
-6)
01b— 64
Lc.
22, 66-
-77
~:)
65
Lc.
22, 63-
-65
-'')
15, 16—20
Joh
19, l-
—5
__s}
Ausser diesen vorstehend verzeichneten Unischaltungen hat
Marcus vielleicht noch manche andere vorgenommen, die wir zu
controlieren nicht mehr im Stande sind. Vielleicht hat der
Evangelist manche in eine frühere Zeit gehörenden Ereignisse in
den letzten Aufenthalt Jesu zu Jerusalem verlegt, der ja bei ihm
als der einzige jerusalemische Aufenthalt erscheint. Wenigstens
macht der Abschnitt Mc. 11, 12 — 13, 37 den Eindruck einer re-
daktionellen Gruppierung. Auch haben vielleicht in den beiden
1) Vgl. Weiss, Leben Jesu 1,390 f.
2) Vgl. Hom. Clem. III, 15 p. 40, 12 und die späteren Erläuterungen
zu Lc. 21, 32.
3) Vgl. die späteren Erläuterungen zu Act. 1, 7. — Auch der zu dieser
(iruppe gehörige Vers Mc. 13, 31 (= Mt. 24, 35 — Lc. 21, 33) beruht wahr-
scheinlich ebenfalls auf einer Einschaltung. Vgl. Tert. adv. Marc. IV, 33.
4) Vgl. Weiss, Leben Jesu II, 441 f.
5) Vgl. die späteren Erläuterungen zu Lc. 22, IS.
0) Die Weglassung dieses Verses im Tenor des Evangelienfragments
von Fajjum zeigt deutlich, dass derselbe ursprünglich nicht hierher ge-
hörte.
7) Vgl. die späteren Erläuterungen zu Lc. 22, 03 — 77.
8) Vgl. die nachfolgenden Erläuterungen zu Mt. 27, 27 — 30.
§ 3. Die Composition des evayyiktov xutu Müyxov. 19
Theilen der eschatologischen Rede Mc. 13 noch einige Um-
stellungen stattgefunden im Sinne einer für die nächste Nähe
erwarteten Parusie. Wahrscheinlich aber waren die Motive für
diese Umschaltungen meist sehr einfacher Natur, nämlich ge-
geben durch die Art der Abfassung, nach welcher das Marcus-
evangelium entstanden sein dürfte. Den Hauptperikopen, welche
als Grundlage für die mündlichen Vorträge des kQfifjvevTtig
Marcus dienen sollten, fügte er aus anderen Stellen des vorcano-
nischen Evangeliums erläuternde und ergänzende Sprüche und
nöthigenfalls auch Erzählungen bei. So entstand ganz von selbst
das Gruppensystem, welches er angebahnt und welches dann
der erste Evangelist weiter ausgebaut hat.
Daher war das Marcusevangelium nach seiner Anlage eine
Sammlung ausgewählter Texte, aus dem Urevangelium ent-
nommen, durch umgeschaltete Sprüche aus derselben Quelle er-
läutert und durch petrinische Erinnerungen ergänzt.
Man kann in demselben vier Hauptgruppen unterscheiden:
1. Die galiläische Wirksamkeit: Mc. 1,9—7,23:
2. die Zeit der Wanderungen in Galiläa und den an-
grenzenden Ländern: Mc. 7, 24 — 9, 50;
3. die Wirksamkeit in Judäa und besonders Jerusalem:
Mc. 10,2—13,37;
4. die Leidens- und Auferstehungsgeschichte: Mc. 14, 1 —
16, S.
Dem Ganzen war der kurze Bericht über den Täufer (Mc.
1, 1 — 8) als Einleitung vorangesetzt. Die beiden Haupthälften
aber:
Mc. 1, 9 — 9, 50 Wirksamkeit in Nordpalaestina,
10, 2 — 16, 8 Wirksamkeit und Ereignisse im Süden
Palaestinas
waren wie durch eine Klammer verknüpft durch die compendiöse
Nachricht Mc. 10, Ia: xdxüd-tv äraöTag iQXezai E*S r" OQiatqq
lovöaiaz xcu jii<tav xov 'Ioqöuvov, an deren Stelle Lucas seine
grosse Einschaltung Lc. 9, 51 — 18, 14 eingefügt hat.
Aus dieser Analyse des Marcusevangeliums ergibt sich die
zutreffende Richtigkeit der durch den Presbyter Johannes über
diese Schrift abgegebenen und durch Papias uns erhaltenen
Urtheile. Marcus gab nur Ausschnitte aus der evangelischeu
Geschichte [tvia yyccxpac); was er gab, führte er im Detail aus
2*
2() Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
(äxoißojg tyoaiptv); in diesen Detailausführungen und in den
sonstigen Zuthaten theilte er petrinische Erinnerungen mit (t(>-
fir]vtvT?}g IJtTQOv ytvöfterog)', durch seine zahlreichen Um-
schaltungen einerseits und umfangreiche Weglassungen anderer-
seits führte er eine solche Darstellung der evangelischen Ge-
schichte herbei, welche keineswegs der ursprünglichen Ordnung
der Ereignisse (ov ftevroi tä$ei) entsprach. Dieses strenge Ur-
theil des Presbyters: ov ftevroi rd^ei — beweist, dass er einen
zuverlässigen Massstab für die ursprüngliche Ordnung (ra^tg)
der evangelischen Stoffe besessen haben muss. Diesen Massstab
in der von dem Presbyter erwähnten Matthäus-Schrift: NaTilalog
fikv ovr 'üßnalöt ötaXixxto ra Xoyia ovi'tynatpaTO (Eus. 111,
39, 16) zu suchen, liegt sehr nahe. In diesem Falle konnte je-
doch der Presbytei den canonischen Matthäus nicht gemeint
haben, da derselbe, in der Anordnung der evangelischen Stoffe
von Marcus abhängig, von dem Urtheil: ov tuh>roi räZtt — mit
betroffen wird. Besass dagegen der Presbyter Johannes die
Kenntniss des vorcanonischen Matthäus, so konnte er an der
Vergleichung des Marcus mit dem vorcanonischen Matthäus noch
deutlicher, als es uns möglich ist, feststellen, wie oft und in
welcher Weise Marcus von der ursprünglichen Ordnung (ragte)
der ältesten Evangelienquelle abgewichen war.
Jedenfalls musste es für die Weiterentwickelnng der
evangelischen Literatur von einschneidender Bedeutung werden,
dass der neue Rahmen der evangelischen Geschichtsdarstellung,
welchen Marcus durch seine umfangreichen Weglassungen und
durch seine zahlreichen Umschaltungen geschaffen hatte, für das
tvayytXwv v.axu Marfrafor massgebend wurde, also gerade für
dasjenige Evangelium, welches, an die Spitze des neutestament-
lichen Canons tretend, die Auffassung der evangelischeu Ge-
schichte von Seiten der Kirche durch die Jahrhunderte hindurch
bisher in erster Linie beeinflusst. hat.
§4.
Die Composition des tvayyiliov xarä Marfralov.
Unbeschadet der auf die beiden Hauptquellen bezüglichen
Zweiquellentheorie haben wir, um vollständig den Sachverhalt
§ 4. Die Compositum des eiuyyehov xuiu Maz&uiov. 21
zur Darstellung zu bringen, fünf Elemente zu unterscheiden,
aus denen das tvayyiltov xcitc. Mard-alov sich auferbaut.
N ä in lieh
1. eine voreanomsche Quelle für Mt. 1. 2;
2. das Marcusevangelium , T, , „
n , TT ,. als Hauptquellen;
3. das u revangehuni r *
4. Stücke einer petrinisch-jerusalemischen Tradition;
5. die vom Redaktor eingefügten alttestamentlichen Citate.
Dass für Mt. 1. 2 dem Evangelisten eine schriftliche Quelle
vorlag, ergibt sich aus drei Beobachtungen: erstlich aus dem
Umstände, dass die vom Redaktor hier eingefügten alttestament-
lichen Citate (Mt. 1,22; 2, 15; 2, 17; 2,23) ganz in derselben
Weise wie die übrigen Citate derart als redaktionelle Zuthaten
zu einem schriftlichen Quelleutexte sich geben; zweitens aus
einer genauen sprachlichen Analyse, welche Schritt für Schritt
einen hebräischen Urtext erkennen lässt; drittens aus der Über-
schrift: ßißkog yevtotcog 'Iijgov Xqiotov (=rpEl2n jibi fTnbin),
welche Überschrift nicht auf Mt. c. 1 — 28, sondern nur auf c. 1. 2
anwendbar ist und die Quellenschrift anzuzeigen scheint, aus
welcher der Evangelist seine Nachrichten über die Geburt und
die Kindheit Jesu schöpfte. Das Nähere bezüglich Mt. 1. 2
bleibt demjenigen Hefte, welches „das Kindheitsevangelium *
(Mt. 1. 2. Lc. 1. 2) behandelt, vorbehalten.
Bezüglich der ersten Hauptquelle, welche von Mt. 3, 1 ff. an
messt, kann ich mich auf Weiss beziehen, welcher einerseits
in seinem „Marcusevangeliurn" (1872) durch mühsame Detail-
untersuchung die Abhängigkeit des ersten Evangeliums von der
Marcusquelle nachgewiesen, andrerseits in seinem „Matthäus-
evangelium" (1876) in zusammenfassender Weise festgestellt hat,
dass mit Ausnahme einiger ganz kleiner Stücke — diese sind
namentlich in Mc. 1,23-28; 1,35—39; 3,19—21; 4,26—29;
8,22—26; 12,41-44; 13,36. 37 zu erkennen — „der ganze
Inhalt des Marcus in unser Evangelium übergegangen" ist, „und
zwar in derselben Anordnung und Gruppierung, obwohl dieselbe
bei Marcus keineswegs immer eine chronologische, sondern meist
von schriftstellerischen Motiven geleitet ist" (Weiss, Matthäus-
evangelium S. 13 f.). Dies zeigt sich auch besonders darin, dass
die von Marcus vorgenommenen Umschaltungen im ersten Evan-
gelium meist ebenfalls dieselbe Stelle wie im Contexte des Marcus
90
Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
einnehmen. Gänzlich weggelassen sind von den Umschaltungen
des Marcus nur zwei, nämlich Mc. 10, 38b. 39b (verglichen mit
Mt. 20, 22. 23) und Mc. 11, 25. 26 (wozu in Mt. 6, 14. 15 eine
Parallele, aber nicht der identische Text). In sechs Fällen hat
der Redaktor des ersten Evangeliums die Umschaltung des Marcus
wieder aufgehoben und die betreffenden Texte an der ursprting-
lichenStelle (nach dem Urevangelium) eingefügt, nämlich Mc. 1, 2=
Mt, 11, 10; Mc. 3, 22— 27= Mt, 12, 24-29; Mc. 3, 28. 29 = Mt,
12, 31 32; Mc. 4, 23 = Mt. 13, 9; Mc. 4, 24b = Mt. 7, 2; Mc. 9, 41=
Mt. 10, 42, wie man sich durch eigene Forschung sowie durch
die Untersuchungen im Marcusevangelium von Weiss leicht
überzeugen kann. In weiteren fünf Fällen hat der Redaktor des
ersten Evangeliums die von Marcus umgeschalteten Textbestand-
theile anderweit umgeschaltet und ihnen einen neuen Platz —
wenn auch nicht den ursprünglichen — angewiesen. Man vgl.
Mc. 3, 16—19 = Mt, 10, 2. 3; Mc. 4,21 = Mt, 5, 15; Mc. 4, 22=
Mt, 10, 26; Mc. 9, 35 = Mt. 23. 11; Mc. 9, 50a = Mt. 5, 13. Die
übrigen 36 Umschaltungen nehmen im tvayytXiov xarä Mar-
ftalov die analoge Stellung ein , welche ihnen Marcus in seinem
Contexte gegeben hatte. Man vgl.
M
c.
Mt.
Mc. Mt.
Mc
Mt.
1, 7.
8
3,11
9,43 ff. 18, S. 9
13, 9-
-13 24, 9-
-14
2. 28
12, s
10,11. 12 19,' 9
15.
16 17.
18
4,25
13,12
31 30
21
23
30-
32
31.
32
35—41 20,20—24
30
34
6, 1-
-6
53-
58
42 25
32
36
8-
-13
10, 3 ff
43. 44 26. 27
34-
-37 42
8,12
16, 4
45 28
14, 3-
-9 26, 6-
-13
15
6
11,15—17 21,12. 13
25
29
34
16,24
23 21
28
32
35
25
27—33 23—27
61-
-64 63-
-66
9,37b
17, 5
12,28-34 22,34—40
65
67.
68
42
18, 6
38—40 23, 5-7
15.16-
-20 27,27-
-31
Die in den ursprünglichen Pragmatismus der evangelischen
Geschichte am tiefsten eingreifende Umschaltung, welche Marcus
vorgenommen hat, war ohne Zweifel die Verlegung der Tempel-
reinigung in den letzten Aufenthalt Jesu zu Jerusalem, wie
§ 4. Die Composition des tvayyt/.iov xara Mux&cäov. 23
überhaupt eine solche Gruppierung der Stoffe, dass der Schein
einer nur einmaligen Anwesenheit Jesu in Jerusalem von selbst
entstand. Der vierte Evangelist berichtigt diese ungeschichtliche
Anordnung des Marcus, indem er zeigt, dass die Tempelreinigung
(wie auch die Frage der Hierarchen nach Jesu Vollmacht) in
die Zeit seines ersten öffentlichen Auftretens zu Jerusalem ge-
hört, wovon selbst bei Marcus ein Symptom in dem xsQißAeipä-
usvog navxa (Mc. 11, 11) erhalten ist. Der erste Evangelist
Hess diese Bemerkung, mit welcher er Nichts anzufangen wusste,
weg und gab dafür Mt. 21, 15 eine Notiz: löovreq, rä &av(/c«jia
a ejtolrjos, zu welcher Joh. 2, 23: itswQOvvxtq avrov rä ot^itla
a sjtoisc — eine Parallele vorliegt, welche die ursprüngliche
Identität der Vorgänge bezeugt. Gleichwohl folgt der erste
Evangelist auch hier der ihn gänzlich beherrschenden Pragmatik
des Marcus. (Vgl. dazu Mandel, Die Vorgeschichte der öffent-
lichen Wirksamkeit Jesu. Berlin 1S92. S. 181. 308. Weiss,
Leben Jesu. I, 390 f.). Auch die compendiöse Notiz Mc. 10, la,
für welche Lucas die grosse Einschaltung Lc. 9, 51 — IS, 14 ge-
geben hat (vgl. § 3), ist in das erste canonische Evangelium
(Mt. 19, 1) übergegangen. Aus alledem ersieht man, dass die
Marcusquelle von entscheidender Bedeutung für die Pragmatik
des svayytXwv xara Mar&alov geworden ist.
Die zweite Hauptquelle, welche der erste Evangelist benutzte,
war die „Apostolische Quelle", wie Weiss sie am liebsten
nennt, oder die „Synoptische Grundschrift" (Feine) oder die
„Logia" (Holtzmann, Wendt) oder das „Vorcanonische
Evangelium" oder das „Urevangelium" oder wie man sie
sonst bezeichnen mag. Für die Pragmatik des ersten Evange-
liums ist diese Quelle gänzlich bedeutungslos geblieben. In der-
selben praeponderierten jedenfalls die Redestoffe über die rein
geschichtlichen Elemente. Diese Redestoffe, mit kurzen, skizzie-
renden Erzählungen lose verknüpft, waren zwar — wie man aus
Lucas ersehen kann — chronologisch geordnet, aber doch so,
dass nicht ein concinner Pragmatismus, sondern nur eine äusser-
lich referierende Aneinanderreihung der Erzählungs- und Rede-
stoffe vorlag. Dabei waren die Erzählungsstoffe viel kürzer ge-
fasst als in der detaillierenden, ausschmückenden Darstellung des
Marcus. Nach dieser Richtung hat B. Weiss gleichfalls Wesent-
liches zur Aufhellung des Sachverhaltes beigetragen, indem er
24
Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
zeigt, wie in verschiedenen Perikopen der erste Evangelist an
Stelle der ausschmückenden Erzählung des Marcus die kürzere
und einfachere Relation des Urevangeliums wieder hergestellt
hat. Man beachte namentlich folgende Perikopen, bei denen
schon die Vergleichung der Verszahl einen deutlichen Fingerzeig
gibt:
Mc.
Mt.
Weiss, Marcus-
evangelium.
t, 40-45
8, 2-4
S. 71 ff.
2, 1-7
9, 1-3
S. 77 ff.
5, 1—20
8, 28—34
S. 170 ff.
21—43
9, IS— 26
S. 183 ff.
9, 14—27
17, 14—18
S. 303 ff.
Hat in solchen vereinzelten Fällen der erste Evangelist dem
kürzeren und einfacheren Quellentext des vorcanonischen Evan-
geliums den Vorzug gegeben vor der ausgeschmückten Marcus-
Relation, so kann man doch noch viel häufiger den gleichzeitigen
Eintluss beider Quellentexte auf die Gestaltung des ersten
Evangeliums beobachten. Vgl. das Einzelne bei Weiss.
Da aber Marcus den Reden Jesu ein nur untergeordnetes
Interesse entgegengebracht und den grössten Theil derselben in
sein Evangelium nicht mit aufgenommen hat, so tritt der vor-
wiegende Einfluss der vorcanonischen Quelle gerade auf diesem
Gebiete besonders hervor. Und dennoch hat auch nach dieser
Seite Marcus auf den ersten Evangelisten vielfach bestimmend
eingewirkt. Namentlich das von Marcus eingeführte Gruppen-
system und die von ihm angewendete Methode der Umschaltungen
hat der canonische Matthäus nicht nur acceptiert — so Mt. 16,
24—28 = Mc. 8, 34—9, 1 — , sondern auch seinerseits durch
grössere Redecompositionen weiter ausgebildet. Vgl. Mt. 13, l —
52 = Mc. 4, 1—34; Mt. 10, 1—41 = Mc. 6, 6—11; Mt. 24, 1—25,
40 — Mc. 13, 1—37, auch Mt. 23, 1—39 = Mc. 12, 38—40. Eine
neue Gruppierung von Redestoffen hat der erste Evangelist mit
der grossen Redecomposition Mt. 5, 3 — 7, 27 hergestellt. Der
Grundstock dazu war allerdings in der vorcanonischen Quelle
gegeben, wie sich aus Lc. 6, 20—49 deutlich erkennen lässi
Und dieser Grundstock war etwas umfänglicher als die Bergrede
bei Lucas. Aber dass der ursprüngliche Context der Bergpredigt
vj 4. Die Compositum des svayyt?.iov xaxa MaxÜulov.
25
von dem ersten Evangelisten durch zahlreiche Unischaltuugen
und Einschaltungen von Redestoffen erweitert worden ist, die in
der Quellenschrift ganz andere Stellen eingenommen haben, wird
durch die analytische Vergleichung mit Lucas evident. Hierin
hat Weiss vollkommen richtig gesehen, wenn er (Matthäus-
evangelium S. 20) sagt, dass die von dem ersten Evangelisten
neben Marcus benützte vorcanonische Quellenschrift „hauptsäch-
lich Redestoffe enthielt, deren ursprünglicher Zusammenhang sich
noch überwiegend bei Lucas erhalten hat, während sie bei
Matthäus theils zu grösseren Redecompositioneu zusammengefügt,
theils an die aus Marcus entlehnte Geschichtserzählung ange-
knüpft oder sonst aus sachlichen Gründen frei verwandt er-
scheinen."
Durch diese schriftstellerische Methode einer gleichzeitigen
Abhängigkeit von zwei Quellen sind auch die s. g. „Doubletten"
entstanden, d. h. solche Redetheile, welche zwar sämmtlich aus
dem Urevaugelium stammen, aber das eine Mal aus dem Context
des Marcus und meist auch nach dessen Fassung, das andere
Mal direkt aus der vorcanonischen Quellenschrift in das evayyt-
Xiov xaxa Max&aiov übergegangen sind. Man vergleiche fol-
gende Parallelen
aus der Marcusquelle
bei Marcus
dh
ekt aus
den
Logia.
Mi 13, 12
Mc. 4, 25
Mt.
25, 29
16, 4
8,12
12, 39
24
• 34
10, 38
25
35
39
17, 5
9, 37b
40
18, 8.
9
43. 45. 47
5, 29.
30
19, 9
10, 11. 12
32
30
31
20, 16
20, 26.
27
43. 44
23, 11
21, 21
11,23
17, 20
24, 9.
10.
13.
14
13. 9—13
.10, 17-
-22
23
21
24, 26
42
34—37
25, 13-
-15.
Diese Doubletten sind die sichersten Symptome für die Rich-
tigkeit der Zweiquellentheorie, die untrüglichen Wegweiser der
26 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Quelleuscheidung, gewisserniassen das ABC der synoptischen
Evangelienkritik. Und wer etwa an der Hand von Weiss (Mar-
cusevangelium) der Untersuchung dieser Doubletten seine Auf-
merksamkeit widmet, wird daraus am besten angeleitet werden,
die schriftstellerische Art des ersten Evangelisten zu verstehen
und zu erkennen, wie derselbe das eine Mal von dem vorcano-
nischen Evangelium direkt, das andere Mal indirekt, nämlich
durch die Vermittelung des Marcus abhängig ist.
Neben diesen beiden Hauptquellen — der vorcanonischen
und der Marcusquelle — sind die aus petrinisch -jerusa-
lemischer Tradition stammenden Stoffe des svayyiXcov xara
Mar&aiov von untergeordneter Bedeutung. Petrinisch ist die
Einschaltung Mt. 14, 28—31 und die Perikope Mt. 17, 24—27.
Jerusalemische Stoffe sind enthalten in Mt. 27, 3—10; 27, 52. 53;
27, 62-66; 28, 2—4. 9—15. Ausserdem ist noch in Mt. 19, 10—12
ein Textbestandtheil, welcher essenische Färbung an sich trägt,
zu recognoscieren. Diese Stoffe, sowohl von Marcus als von dem
Urevangelium unabhängig, zeigen eine gewisse Analogie zu der
jerusalemisch-petrinischen Tradition, welche im ersten Theile der
Apostelgeschichte (Apg. 1—12) fliesst.
Sämmtliche Quellenstoffe, welche der erste Evangelist ver-
wendet hat, sind durch die Compositionskunst desselben zu einem
wohlgeordneten Ganzen vereinigt und werden durch eine Anzahl
alttestamentlicher Citate zusammengehalten, in welchen
man die ureigensten Zuthaten und die leitenden Gesichtspunkte
des Evangelisten zu erkennen hat. Es sind im Ganzen 12 Ci-
tate, nämlich fünf aus Jesaias (Jes. 7, 14 = Mt. 1, 22. 23; Jes. 6,
9. 10 = Mt. 13, 14; Jes. .9, 1. 2 = Mt. 4, 14; Jes. 42, 1—4 = Mt.
12, 17; Jes. 53, 4 = Mt. 8, 17), eines aus Jeremias (Jerem. 31, 15
= Mt. 2, 17), eines aus Hosea (Hos. 11, 1 = Mt. 2, 15), eines aus
Sacharja (Sach. 9, 9 — Mt. 21, 4), zwei aus den Psalmen (Ps. 21,
19 = Mt. 27, 35; Ps. 78, 2 = Mt. 13, 35), zwei aus alttestament-
lichen Apokryphen (Mt. 2, 23; 27, 9), wodurch der Redaktor des
exayysXiov xara Marfraiov seine Auffassung der evangelischen
Geschichte nachdrücklich zu erkennen gegeben hat. Die Hand des
Redaktors zeigt sich in diesen Citaten erstlich an der Thatsache,
dass in der Marcusquelle (wie in den Lucasparallelen) von diesen
Citaten keine Spur sich findet, sodann zweitens an der Selbst-
ständigkeit, mit welcher der Evangelist den hebräischen Urtext
§ 4. Die Composition des svayythov xaxa Maz&aiov. 27
dabei bebandelt, und drittens an der Form der Citation. welche
sich gleich bleibt, mögen die Citate der Quelle des Kindheits-
evangeliums oder der Marcusquelle oder der synoptischen Grund-
schrift eingefügt sein. Man vgl.
Mt. I, 22: t'va jtXijoojfrjj xb Q?]&tv vjtb xvqIov Öia xoi
jtoog)?'jxov Xtyovxog
„ 2, 15: Iva jtX?)oa>frf] xb QTjd-iv vxo xvniov öia xov
jtQo<pixov Xt'yovxoc
„ 4, 14: iva xXtjoaj&y xb (njß-ev öia Hoätov xov üzqo-
iprjxov Xiyovxoq
,. 12, 17: i'va jtXqnotöf) xb Qi]&hv öia 'Hoa'iov xov jkqo-
(pyxov Xtyovxog
„ 21, 4: iva jtXrjoeod-f] xb qw&ev öia xov 7iQO<prjxov Xi-
yovxog
„ [27, 35: Iva jiXqocofrf] xb Qt/d-ev vjtb xov jtgoipSjxov]
„ 2, 23: ojtcog xXijqoj&j} xb Qtjfrev öia xov jioo(pi)xov
„ 8, 17: ojcoiq jtXi/Qco&ij xb oifö-sv öia. Hoa'iov xov jtqo-
<p}jxov Xt'yovxoc
„ 13, 35: ojimc jtXijQcofrf, xb Qij&ev diu. xov JtQocp/jxov
Hoa'iov Xiyovxog
„ 2, 17: xbxs IjiXrjQcofrij xb Q7]frhv öta'hoEfiiov xov jiqo-
qptjxov Xtyovxoc
„ 27, 9: xbxs £üiXi]Qcc>d->] xb qtj&Iv öia legsf/iov xov jtqo-
cpfjxov Xiyovxoq
„ 13, 14: xal ävaxXrj'novxai avxolg >/ jrootpijxeia Hoa'iov
ij Xt'yovoa.
Dabei ist es beachtenswerth, dass das aus dem bei den Na-
zaräern gebräuchlichen apokryphischen Jeremias -Buche stam-
mende Citat Mt. 27, 9 (vgl. die Erläuterung zu dieser Stelle) und
das anonyme Citat Mt. 2, 23: bxt Na^moatog xX?p^//Oexat,
welches auf dieselbe oder eine verwandte apokryphische Quelle
hinweist, von dem Redaktor des evayys'Xiov xaxa, uMax&alov mit
derselben Formel und mit derselben Autorität eingeführt wird,
wie die canonischen Texte des Alten Testaments, — ein Hin-
weis auf die altjudenchristlichen Nazaräer, aus deren Mitte und
für deren Benützung der erste Evangelist seine Schrift vornehm-
lich verfasst zu haben scheint. So wenig als möglich sollte das
Neue in Jesu Erscheinung und Lehre als Neues den Lesern ent-
28 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mo;
aegentreten; vielmehr sollte Alles, was Jesus gethau, gelehrt
und erlebt, als Erfüllung von Gesetz nnd Propheten, als Voll-
endung der alttestanientlichen Heilsökonomie erseheinen.
Von dieser Absicht geleitet, hat der Evangelist auch den
Spruch Mt. 5, 17 aus seinem ursprünglichen Zusammenhang
herausgenommen und ihm durch seine thematische Stellung an
der Spitze der Bergpredigt und damit auch an der Spitze seiner
ganzen Schrift eine solche Bedeutung gegeben, dass Jesus ledig-
lich als Erfüller von Gesetz und Propheten erscheinen musste.
Welche entscheidenden Folgen für die ganze Auffassung der
Lehre und der Person Jesu die Zerschlagung seiner Reden und
die Neugruppierung der einzelnen Redebestandtheile nach sich
ziehen musste und wie wichtig es daher ist, nicht blos den ur-
sprünglichen Text, sondern auch den originalen Context der
einzelnen Redebestandtheile wieder herzustellen, wird sich bei
der Untersuchung von Mt. 5, 17 ganz besonders deutlich zeigen.
Von diesem thematisch zugespitzten Spruch aus lässt sich im
Zusammenhang mit den alttestanientlichen Citaten, wodurch der
Redaktor seine Schrift pointiert hat (vgl. auch Mt. 5, 17: jiZrj-
QioOai xov voftov xal xovq JiQo<pt]rag mit der Citationsformel:
'i'va x?.7/ija>d->i xtL), erst voll und ganz die Absicht und die
Oompositionskunst begreifen, durch welche die verschiedenen
Quellenstoffe unter der Hand des Evangelisten zu einer — der
judenchristlicheu Auffassung besonders congenialen — einheit-
lichen Darstellung der evangelischen Geschichte zusammenge-
wachsen sind.
§5.
Das Evaiigelieiifragiueiit von Fajjuin.
In diesen Einleitungsparagraphen können einige allgemeine
Vorbemerkungen über das Evangelienfragment von Fajjum
nicht wohl gemisst werden. Dasselbe gehört ja recht eigentlich
unter die aussercanonischen Paralleltexte. Freilich besitzt das-
selbe nach seinem Gehalt nicht diejenige Bedeutung, welche
manchen Paralleltexten dieser Sammlung, wie z. B. dem ausser-
canonischen Taufbefehl Const. V. 7, beiwohnt. Und vollends mit
dem pseudopetrinischeu Evangelienfragment kann sich das kleine
§ 5. Das Evangeüenfraguient von Fajjum. - 29
Fragment von Fajjum weder au Unifang noch an Wichtigkeit
messen.
Einzigartig aber ist seine Bedeutung dadurch, dass es das
Fragment einer Handschrift ist, welche aus dem Anfang des
dritten Jahrhunderts zu stammen scheint, einer Handschrift also,
welche durch ihr Alter alle unsre Evangelienhaudschriften bei
Weitem überragt. Man bedenke nur, dass die beiden ältesten
Codices, Sinaiticus und Vaticanus, höchstens aus der Mitte des
vierten Jahrhunderts auf uns gekommen sind. Man erwäge ferner,
dass die auf jener Papvrusrolle zu lesende Evangelienschrift, ob-
wohl sie einen Paralleltext zu Mt. 20, 30—34 = Mc. 14, 26—30
(= Lc. 22, 33. 34) darstellt, doch aus keinem der drei synopti-
schen Evangelien unseres Canons geflossen ist, dass sie mithin
sofort das Praejudiz erweckt, direkt oder indirekt jener vor-
canonischen Quellenschrift entsprungen zu sein, welche den sog.
synoptischen Evangelientypus begründet hat. Man halte sich
endlich dabei vor Augen, dass, wenn diese Voraussetzung zu-
treffen sollte, unser Fragment eine factische Widerlegung der
Ansicht von 13. Weiss werden würde, wonach jene Urschrift
mit der Salbung in Bethanien abgebrochen haben sollte, da dieser
aussercanonische Evaugelientext gerade in die Endgeschichte des
LebensJesu hineingebort, — zugleich ein Erklärungsgrund für die
befremdliche Erscheinung, dass Weiss jenen ältesten und so
interessanten Rest einer verloren gegangenen aussercanonischen
Evangelienschrift — vielleicht als für seine Anschauung unbe-
quem — ignorierte und in seiner Einleitung zum N. T. nicht
erwähnte.
Freilich gegen die etwaige Annahme, dass in dem Evan-
gelienfragment von Fajjum ein direkter liest des Urevange-
liums in griechischer Übersetzung vorliege, sprechen von vorn-
herein gewichtige äussere Umstände. Unser Papyrus gehörte
einem Convolut verschiedenartigster Schriftstücke an, welche aus
dem Provinzialarchive des arsinoitischen Verwaltungsbezirkes
stammten. Dieser arsinoitische Nomos, jetzt Fajjum, d. i.
aegyptisch ,.Seeland" genannt, war unter Amenemha, dem
Möris der Griechen, dem Schöpfer des Möris-Sees, (12. Dyna-
stie 2304—2104) der Wüste abgewonnen worden und stand mit
Aegypten in engster Verbindung. Da nun sowohl bei Ori-
genes als auch bei allen aus seiner Schule hervorgegangenen
30 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
aegyptischen Theologen die Kenutuiss des Urevangeliums ver-
schwunden war, so ist es höchst unwahrscheinlich, dass in einem
Theile Aegyptens eine Originalhandschrift des vorcanonischen
Evangeliums sich erhalten haben sollte. Vielmehr leitet eine
Notiz bei Epiphanius auf die richtige Fährte, indem er über
die Valentinianer schreibt:
xal xavxa fiev axb (itQOvg xojv ßißXitop avxöiv xaga-
xs&tvxa ecog oiöt poi slQt'jOd-co. ejtoitjoaxo ös ovxoq (sc.
o OvaXevxivog) xo xt'iQvyjia xal sv Atyvjixco, öfrsv örj
xal cjq Xeitpava t'iiövrjq ooxicov txi iv Alyvjtxcp
XEQllslxETCCl XOVXOV Tj 6JlO(>ä, tV XS XO) A&QcßlXJJ
xal IlQOOcojcixij xal Aqolvoixi] xal (jrjßäidi xal xote
xäxco f/tgeoi xtjg jtagaXiac xal AXesavÖQEioxoXixt]. Haer.
XXXI, 7. p. 171 B.
Hiernach hatten sich Reste der Valentin ianischen Gnosis und
ihrer Literatur in Aegypten bis auf die Zeiten des Epiphanius
erhalten, und zwar nicht blos in den aegyptischen Hauptstädten,
sondern speciell auch in dem von Epiphanius neben anderen
Provinzen ausdrücklich namhaft gemachten Seitendistrikt von
Arsinoe (Agoivoixij) , von wo auf der Synode von Chalcedon
(451) der Bischof Kalosirios (KaXooiQiog ejiloxojtog Aitoivo'i-
rov) mit seinem Diakonus Julius als Dolmetscher (tgtut/rtvov~
xog avxov 'fovXLov diaxövov) erschien (vgl. Hug, Einleitung I,
357) — zum Beweis, dass zu den Zeiten des Epiphanius
(f 403) bei dem Verkehr mit Arsinoe die Kunde über die dasigen
kirchlichen Zustände keineswegs abgeschnitten war. Mit dieser
Nachricht des Epiphanius, wonach in Arsinoe ein Hauptsitz
der Valentin ianischen Gnosis gewesen ist, harmoniert auf das
Beste eine Stelle des Muratorischen Canons. Am Schlus.se
desselben, nämlich dort, wo die vom kirchlichen Gebrauch aus-
zuschliessende haeretische Literatur aufgeführt wird, lesen wir
lin. Sl. 82:
arsinoi autem seu valentini. vel mitiadeis nihil in totum
recipemus.
Es war eine vollständige Verkennung des Sachverhalts,
wenn Jacobus Schuurmans Stekhoven in seiner „Acade-
misch Proefschrift: Het Fragment van Muratori" (Utrecht 1877)
das dunkle „arsinoi" in „Marcionis"' umwandeln wollte:. Viel
§ 5. Das Evangelienfmgiiient von Fajjuui. 31
besser hat bezüglich dieses Punktes Zahn in seiner griechischen
Reconstruktion das Richtige getroffen, wenn er obigen lateini-
schen Text folgendermassen wiedergibt:
rov de Aqöivöltov OvaXevxivov xal tvjv fitz avrov
ovöev xuvTcoq axoör/öntfra — ,
nur dass diese Zahnsche Retroversion dem Namen „ruitiadeis"1
nicht gerecht wird, hinter welchem zweifellos der kleinasiatische
Montanist Miltiades, der eigentliche Schöpfer der montanistischen
Literatur, zu suchen ist, nach welchem die von Eusebius (H. E.
V, 16) erwähnte und excerpierte anonyme antimontanistische
Schrift ad Avirciura Marcellum den Montanismus als rt/if
xfov xarä MiXridö/jv Xeyofttvcov aigeOiv bezeichnet und auf
welchen sich höchstwahrscheinlich im Muratorischen Fragment
lin. 84. 85 auch die Worte: assianom [1. Asianumj catafrycum
[1. eataphrygum] constitutorem (d. i. den kleinasiatischen Begrün-
der des kataphrygischen Montanismus) beziehen. Jedenfalls ist
abgesehen hiervon die valentinianische Literatur in dem Canon
Muratori mit dem Namen „arsinoi" aufs Engste verknüpft.
Nach alle dem liegt die Vermuthung nahe, dass das in dem
Provinzialarchiv des arsinoitischen Verwaltungsbezirkes aufge-
fundene Fragment zu den Xdyava der valentinianischen ßißJLot
gehört habe, welche noch zu des Epiphanius Zeiten dort auf-
bewahrt wurden. Und da der Papyrusstreifen von Fajjum,
selbst wenn er aus einer Homilie stammen sollte, das Fragment
eines aussercanonischen Evaugelientextes enthält, so liegt die
weitere Vermuthung auf demselben Wege, dass es sich um ein
Bruchstück desjenigen Evangeliums handele, welches bei den
Valentinianern in Gebrauch war. Dieses war aber, wie wir aus
den Excerpten des Valentinianers Theodotus (Exe. Theod. § G7.
ap. Clem. AI. p. 985 vgl. Agrapha S. 385) wissen, das sog. ev-
ayyiXiov ymt Alyvjtriovc. Sollte diese Vermuthung zutreffen,
so würde sich unsere Kenntniss des Aegypterevangeliums
um ein Bedeutendes erweitern. Es würde sich ergeben, dass
diese haeretische Evaugelienschrift neben den tendenziös ent-
stellten Partien, welche wir aus Clemens AI., Hippolyt und
Epiphanius kennen, auch solche Abschnitte enthalten habe,
welche tendenzlos den canonischen Evangelien parallel liefen.
Diese Annahme aber liegt ja ohnehin in der Linie der Wahr-
scheinlichkeit, sofern die patristischen Schriftsteller von den hae-
32 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
retisclien Evangelienschriften nur diejenigen Abschnitte heraus-
hoben, welche durch ihre haeretische Tendenz und durch ten-
denziöse Umgestaltung der Evangelienstoffe sich auszeichneten,
dagegen die den canonischeu Evangelien harmlos parallel laufen-
den Partien ignorierten. Dass es solche Partien in den haere-
tischen Evangelien gab, ersehen wir aus dem Hebräerevangelium,
welches uns durch zahlreiche Reste verhältnissmässig am besten
bekannt ist. Aus diesen Resten ersieht man, dass das Hebräer-
evangelium — parallel dem ersten canonischen Evangelium —
eine fortlaufende Darstellung des Wirkens Jesu von seiner Taufe
im Jordan bis zu seiner Auferstehung enthalten hat. In Betreff
des Aegypterevangeliums bietet das von Epiphanius (Haer.
LXI1, 2. p.514 A) erhaltene Fragment (abgedruckt in den Agrapha
S. 391 f.) eine Parallele zu Mt. 28, 19 und lässt mithin vermuthen,
dass dieses Evangelium auch eine Passions- und Auferstehungs-
geschichte enthalten habe, — wie solches ja auch nach dem
jüngst entdeckten Fragment bei dem Petrusevangelium zu con-
statieren ist. Da mm das Fragment von Fajjum ein Bruchstück
aus der Passionsgeschichte darstellt, so läge nach dieser Seite
kein Bedenken vor, dasselbe der Passionsgeschichte des Aegyp-
terevangeliums zuzuschreiben, wobei nur (wie bei dem Petrus-
evangelium) die Frage entsteht, aus welcher letzten Quelle es
entnommen ist.
Vorerst aber kommt die endgiltige Feststellung des Textes
in Betracht, wobei auf die Harnacksche Untersuchung (Agra-
pha S. 483 — 497) und auf die dort vollständig verzeichnete Li-
teratur zu verweisen ist, an deren Spitze Bickells Aufsatz in
der Innsbrucker Zeitschrift für katholische Theologie (1885. 111.
S. 498 — 504) durch erstmalige Bekanntmachung des Fragmentes
die erste Stelle einnimmt. So kommt aus neuester Zeit nament-
lich in Betracht Bickells „Ein letztes Wort über das Papyrus-
Evangelium". Mittheilungen aus der Sammlung des Papyrus
Erzherzog Rainer. 1892. Letztes Heft.
Aus der Vergleichung dieser beiden Aufsätze Bickells er-
kennt man die Schwierigkeiten, mit welchen die endgiltige
Wiederherstellung des Textes verknüpft ist, da das Fragment in
sehr beschädigtem Zustand auf uns gekommen ist. Aber ob-
wohl namentlich die Anfangsbuchstaben sehr undeutlich und die
Seitenränder stark verletzt sind, so ist doch mit Hilfe der cano-
§ 5. Das Evangelienfragment von Faüuui. 33
nischen Parallelen in den meisten Punkten die Reconstruction des
Textes möglich geworden. Im Nachstehenden gebe ich nun drei
verschiedene Textgestalten, aus deren Vergleichung man ersehen
kann, wo die Schwierigkeiten liegen. Die in Klammern gesetzten
Partien sind die durch Conjektur ergänzten Textbestandtheile.
A. Bickells früherer Text (1885).
[fiExa xo]
(paytiv mg s§ eftovc jra\vxsg sv xavxtjj]
xr, vvxxi GxavftaAio[fr?]üt6fte xaxa]
xo YQcupev xaxa^m xov [jtoqisva xai xa)
jtgoßaxa 6iaöxoQJUG&r]G[oi>xcu. Eiotovxog]
[xo]v jtex' xai ei jeavxEg o[vx sym 7tnoG&Eig\
o aXexxQvaiv diq xox[xv§ei xai av jtnmxov\
[xqic, d\nctQv[r)6ri (ie]
B. Bickells jetziger Text (1892).
[jcqo xov fie fisxaX-]
XayEtv mGavxmg- Jia[vx£g ev xavxy]
xtj vvxxi GxavdaXio\&vtGhG$£ xaxa]
xo yqatpEV Jtaxat-m xov [jioifisva, xai xa\
jtooßaxa diaGxoojiiG&qo[ovxai' tixovxog]
[xo\v jiexqov xai st jtavxeg o[vx sym" txt av-]
[xq>'\ o aXsxxovcov öig xox[xvB.ei, xai Gv)
\jiqcoxov xqic a\jtaQv[j]G7j fit]
C. Der von mir reconstruierte Text.
. ♦ . . . \xai eijcev ev xca ajtaX-]
Xaysiv moavxmg' jia\vxsg sv xavxtj]
xn vvxxi oxavdaXiG\frt]OEG&E xaxa]
xo yQatfEV' jtaxagw xov [noiftsva, xai xa\
jtgoßaxa 6iaGxoQJiiGQ-7)G\ovxai. sutovxog]
[xo]v JtEx' xai ei jtavxEc o[\ix sym, eijiev o\
[x'g'] o üXexxqvojv öiq xox[xv§ei, xai gv]
\jtgmXOV xqig a]jtagv[?]G?] (iE)
Aul' Grund dieses letzten Textes erfolgt nun die Analyse
des Einzelnen in den nachfolgenden Erläuterungen zu Mt. 26,
30—34.
Texte u. Untersuchungen X. 2. 3
34 Aussercanonische Paralleltexte zu Alt. and Mc.
Ein Gesain mturtheil über die letzte Quelle des Fragmentes
wie diejenige des pseudopetrinischen Evangelienfragnientes soll
erst im Schlusshefte dieses Werkes auf Grund der Einzelunter-
suchungen zum Ausdruck kommen.
§6.
Das pseudopetrinisclie Evangelienfragment.
Zu den Bruchstücken des nazaräischen und ebioni-
tischen svayyikiov xati* ^Eßgaiovq sowie des enkratitischen
evayyiXiov xar* Alyvjttlovg ist neuerdings durch die Ent-
deckung von Akhmim ein Fragment des doketischen evayyi-
Xiov xara IIixqov gekommen, welches an Ausdehnung und Be-
deutung alle anderen aussercanonischen Evangelienfragmente bei
Weitem übertrifft. Die Bedeutung dieses pseudopetrinischen
Evangelienfragmentes liegt zunächst auf kirchengeschicht-
lichem Gebiete durch Aufhellung des vielfach in Dunkel ge-
hüllten und doch bis in die apostolische Zeit hinaufreichenden
Doketismus, sodann aber auch auf dem Gebiete der Evange-
lienforschung, sofern man zum ersten Male an einem zu-
sammenhängenden grösseren Fragment ersehen kann, welche
evangelischen Stoffe die haeretischen Schriftsteller benützten
und in welcher Weise sie dieselben redigierten, und da das
pseudopetrinische Fragment gerade die Passions- und Auf-
eretehungsgeschichte betrifft, so wird die Wichtigkeit dieses
Fundes dadurch um Vieles grösser. Denn gerade auf dem Ge-
biete der Passions- und Auferstehungsgeschichte tappt die bis-
herige Evangelienkritik bezüglich der vorcanonischen Quellen
völlig im Dunkeln, so sehr, dass, wie wir sahen, B. Weiss, in
welchem die Evangelienforschung zu einem gewissen Abschluss
gekommen war, die Quelle des Urevangeliums nur bis zur Salbung
in Bethanien fliessen, dagegen für die Passions- und Aufer-
stehungsgeschichte vollständig versiegen Hess. Mehr noch als
das Fragment von Fajjum regt der Fund von Akhmim die Frage
an, ob nicht auch die synoptischen Relationen über Jesu Passion
und Auferstehung auf der vorcanonischen Urschrift fussen. Die
bisherige — so aussergewöhnlich schnell angewachsene —
Literatur über unser Fragment legt lautes Zeugniss ab von dem
§ ü. Das pseudopetrinische Evangelienfragment. 35
hohen evangelienkritischen Interesse, welches durch diese epoche-
machende Entdeckung allenthalben geweckt worden ist.
A. Die Bezeugung des evayyeZiov xaxa JJtxQov.
Im Vergleich zu den canonischen Schriften, deren patristische
Bezeugung bis in den Anfang des zweiten Jahrhunderts hinauf-
reicht, beginnen die patristischen Nachrichten über das doketische
Evangelium erst mit dem Ende des zweiten Jahrhunderts, nämlich
mit Serapion, der um 200 n. Chr. lebte.
1. Serapion.
Serapion war der achte Inhaber des zuerst vonEvodius
(vgl. Agrapha S. 427 f.) und sodann von Ignatius verwalteten
antiochenischen Bischofsstuhles. Und wie Ignatius — nach dem
Zeugniss seiner Briefe — in der ersten Hälfte des zweiten «Jahr-
hunderts bereits gegen den Doketismus den Kampf zu führen hatte,
so erhielt auch Serapion an der Wende des zweiten und dritten
Jahrhunderts Veranlassung, sich gegen den Doketismus zu
wenden. Und zwar war es das inzwischen entstandene doke-
tische Evangelium, welches in der Parochie von Rhossus (iv xtj
xaxa *Pa>GC>6v jtaQoixiix) eingedrungen und durch einige An-
hänger des Doketismus verbreitet, von Serapion aber anfäng-
lich im Vertrauen auf die Rechtgläubigkeit der Gemeinde und
vor näherer Kennt niss der Schrift als harmlos geduldet und
erst später bei sorgfältiger Einsicht dieser doketischen Evange-
lienschrift als haeretisch bedenklich verpönt worden war. Die
Nachricht über diese Vorgänge verdanken wir dem Eusebius
(H. E. VI, 12), welcher aus einem darauf bezüglichen Briefe des
Serapion an die Gemeinde zu Rhossus einen Passus wortlich
mittheilt. Eusebius nennt dabei diesen Brief einen Xoyogxeglxov
Xeyo/iivov xaxa IHxqov evayysXlov, während Serapion
selbst das Evangelium dieser Haeretiker, ovg Joxijxäg xaXovpev,
mit den Worten: xo vx avxöiv JtQoysyofitvov ovofiaxt
DexQov EvayyiXiov bezeichnet und damit zugleich die Pseud-
onymität dieser Schrift kenntlich macht.
2. Origenes.
Der nächste Zeuge ist Origenes, welcher Comm. in Mt.
X, 17 das Petrusevangelium in folgender Weise erwähnt: xovg
36 Aussercanonische Paralleitexte zu Mt. und Mc.
de aöeX<povq '/tjöov tpaöl xivsq etvai, ix xagadoOEoiq oq(k6(isvol
xov s3tiyByQa(i(jiivov xaxä IHxgov evayysXLov, r} xr\q
ßißXov Iaxcoßov, v'iovq Voö^gD ix jtQoxBQaq yvvaixbq avvcp-
xrpcviaq avxm xqo xr\q Magiaq. Man sieht, ein Vertrauen bringt
Origenes dieser jtagaöooiq nicht entgegen. Er stellt das im-
ysyQafifievov xaxa W:xqov svayyiXiov mit dem apokryphischen
ßlßXoq 'Iaxcoßov auf eine Stufe.
3. Eusebius.
Erst hundert Jahre später findet sich wieder eine literarische
Erwähnung des Doketen-Evangeliums, und zwar durch Euse-
bius, welcher bei der Aufzählung der pseudopetrinischen Lite-
ratur (xmv ijtixexXrjfiivfov avxov jtgägson' — xo xe Xeyofievov
avxov xtfQvy/ia xal xr^v xaXovy.ivrp> axoxäXvipiv) auch xo
xax' avxov (6vo(ia0(i£vov svayyiXtov nennt und dabei
ausdrücklich sagt, dass ein kirchlicher Schriftsteller der Zeugnisse
dieser Schriften sich nicht bediene (oxc ftqxe dgxaiatv (itjxs xg>v
xa& ijfiäq xig ixxXrjCiaoxixoq Gvyygatpavq xalq i% avxcäv ovv-
exQ^oaxo fiagxvglaiq — Eus. H. E. III, 3, 2). An diese euse-
bianische Notiz wird man noch in besonderer Weise durch den
Umstand erinnert, dass in dem Mönchsgrab von Akhmim zu-
gleich zwei Fragmente der pseudopetrinischen Literatur, des
Evangeliums und der Apokalypse, aufgefunden worden sind.
Noch einmal in dem grossen Verzeichnisse der canonischen und
apokryphischen Literatur (H. E. III, 25) thut Eusebius des Pe-
trusevangeliums als zu den von den Haeretikern aufgebrachten
pseudapostolischen Schriften gehörig (xaq ovofiaxi xmv ajcoöxo-
Xcov 3tq6c xmv algsxixdiv xgotpegofievag) Erwähnung.
4. Hieronymus.
In der Schrift de vir. illustr. c. 1 (sub voce Simon Petrus)
notiert Hieronymus im Anschluss an Eus. H. E. III, 3, 2 die
pseudopetrinische Literatur, zu welcher er seinerseits noch das
Judicium Petri hinzufugt. Ebenso erwähnt er das Petrusevange-
lium s. v. Serapion mit folgenden Worten: composuit et alium
de Evangelio, quod sub nomine Petri fertur, librum ad
Rhosensem Ciliciae ecclesiam, quae in haeresin ejus lectione di-
verterat. Sophronius hat die Worte des Hieronymus in folgen-
der Weise wiedergegeben: övvtxatzt xal aXXo ztsgl xov svay-
§ 6. Das pseudopetrinische Evangelienfragment. 37
ytXiov, ojisq ijr' ovofiaxi üsxqov (päyerai, jiQoq xt]v Iv
Pooco xcäv KiXUtov exxXrjalav ßißXiov, r\xtq elq xr\v cugeaiv
avxov s£,EöxQaq)7] xai xtvaq elq apdyvcoötv xrjq xovxov alneoeojq
(it-xtfi'syxep.
5. Theodoretus.
Theodoret (Haer. Fab. II, 2) überrascht uns mit der Nachr
rieht, dass das pseudopetrinische Evangelium auch bei den Na-
zaräern im Gebrauch gewesen sei: ol de Na^cogaloi 'lovöatot
hol xov Xqcöxov xifKDvxBq (oq avd-Qcojtov ölxaiov, xal x<p
xaXovfiivm xaxa JUxqov svayyeXiq) xsxQyftevoi, wobei es
auffällt, dass Theodoret diese Nazaräer nicht als Christen, son-
dern als Iovöaloi charakterisiert.
7. Decretum Gelasii.
Das gelasianische Decret de libris reeipiendis führt in be-
merkenswerter Berührung mit Origenes „evangelium nomine
Petri apostoli apoeryphum, evangelium nomine Jacobi mino-
ris apoeryphum" unmittelbar nebeneinander auf.
Es sind — abgesehen von dem Fragment Serapions —
ausserordentlich dürftige Nachrichten, welche wir über das pseu-
dopetrinische Evangelium bisher besassen. Seine Verbreitung
scheint hauptsächlich in einigen syrischen und klein asiatischen
Gebieten und in Aegypten, dieser Brutstätte für die Haeresen,
aber auch dieser Fundstätte alter Urkunden, stattgefunden zu
haben. Sein doketisch-haeretischer Charakter steht von vorn
herein ausser Zweifel und berechtigt uns in diesem Falle auf das
Beste, von einem Tendenz-Evangelium zu reden und an demselben
Tendenzkritik zu üben, d. h. in dem uns wieder geschenkten
Fragmente Alles aufzusuchen, was der doketischen Tendenz ent-
spricht.
B. Der Doketismus.
Die Geschichte des Doketismus, über welchen eine einzige
und noch dazu kleine Monographie, eine Erstlingsschrift des
jüngeren Niemeyer, vorhanden zu sein scheint1), ist ausser-
1) De Docetir. Commentatio historico - theologica. Scripsit Her-
niannus Agutho Niemeyerus. Halae, in Libraria Orpbanotrophei, 1823.
Gr. 8. 49 Seiten. Serapions Fragment bei Eusebius hat Niemeyer
wie einiges Andere merkwürdiger Weise übersehen, auch die Nennung der
38 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
ordentlich fragmentarisch. Der Doketisnius ist vielfach eine
Begleiterscheinung anderer Haeresen gewesen. Seine frühen
Anfänge kann man ersehen aus dem Umstände, dass der bereits
von Papias (120) beglaubigte erste Johannesbrief den Doketismus
voraussetzt und bekämpft. Der Name der Doketen aber tritt
uns erst gegen das Ende des zweiten Jahrhunderts entgegen.
Weder die apostolischen Väter — und unter ihnen nicht einmal
Ignatius — noch Justin und Irenaeus nennen die Doketen.
Die erste Erwähnung dieses Namens findet man bei Clemens AI.
— Strom. VII, 17, 108 p. 900: al de anb öoyfiarmv iöia^ovxmv, cag
i) xmv Aoxltwv (sc. cuqsöu:) — und in dem oben erwähnten Frag-
ment Serapi ons: ovg .i oxrjrag xaXotfisv. Selbst Epiphanius
hat kein besonderes Capitel über die Doketen, deren Namen er
nirgends zu erwähnen scheint. Am meisten bietet noch Hip-
polvt. Refut. haer. VIII. 10, und doch wenig genug.
Als Begleiterscheinung zahlreicher anderer Haeresen war
der Doketismus weit verbreitet und die Sache wohl bekannt.
Niemeyer führt im 3. Capitel seiner Schrift unter den Docetis
singulis auf: Dositheus, Kleobios, Saturninus, Valentinus,
Ptolemäus, Isidorus, Bardesanes, Marinus, Harmonius,
Tatianus, die Enkratiten, Cerdo, Marcion u. A. Und
Credner hat (Beiträge zur Einl. in die bibl. Schritten I, 440,
sowie in seiner Abhandlung „Über Eesäer und Ebioniten" S.
253 f.) darauf hingewiesen, dass Enkratiten und Ebioniten mit
ihrer Christologie den Doketen sich angeschlossen haben, wodurch
die von Theodor et gegebene Nachricht bezüglich des Gebrauches
des doketischen Petrusevangeliums bei den Nazaräern ihren be-
fremdenden Eindruck verliert.
Die Sache freilich, die der Doketismus vertrat, ist als eine
selbstständige Erscheinung bereits von Ignatius in solcher
Weise gekennzeichnet und als eine der grössten Gefahren der
Kirche so energisch bekämpft worden, dass man daraus auch die
allmähliche Genesis des Namens, womit später der Doketismus
(?} öoxtjOig) und seine Anhänger (Joxtjtai) bezeichnet wurden,
erkennen kann.
Im Nachstehenden gebe ich (vollständiger als Niemeyer)
Doketen bei Clemens AI. Gleichwohl habe ich Wichtiges, wie das
Folgende zeigt, von ihm entnehmen können.
§ 6. Das pseudopetrinische Evangelienfragment. 39
die bei Iguatius auf den Doketismus bezüglichen und gegen
denselben gerichteten Aussagen.
TralL c. 10. p. 52, 3. xiveg ad-eoi ovxeg, xovxeoxtv ojiiöxol,
ZtyoxxHv, xo öoxelv jtsxov&e'vai avxov, avxol ovxeg
xo öoxslv.
Smyrn. c. 2. p. 84, 5. aXij&mg ejia&ev, mg xal dZi]&<5g dpi'
OXTjösp eavxov, ovx coojcsq ajtcaxoi xipeg Xiyovöiv, xo öo-
xslv avxbp jcsjiopfrivcu, avxol xo öoxelv ovxeg.
Smyrn. c. 4. p. 86, 11. ei yao xo öoxelv xavxa hxodx&i} vjtb
xov xvqiov tffiäip, xdycb xo öoxslv öeöefiat.
Smyrn. c. l.p. 82, 10. xejtXrjQo<poQr][ievovg eig xbv xvqiop ificap,
aXt/d-cög opxa ex yivovg Jaßlö xaxa oaoxa — , yeyevvr/-
fievov dXq&cög kx jtag&evov, — dXrj&cüg ixl Uovxiov
HiXdxov xal *Hoa>öov xexgaoxov xa&ijXwfie'vov vriko fjficöv
hv oaoxi.
Trall. c. 9. p. 50, 15. og dXq&cäg kytvvrjd-ij, l<payep xe xai
sjttsv, ä/Lii&wg höia>x&ri hjil Uovxiov üiXäxov, aXrj&cög
höxavQcbd-)) xal dmO-avev — , og xal äXrj&öig tfyeod~r] ajtb
vexQcöv.
Magn. c. 11. p. 40, 3. jiexXTjQotpoorö&ai ev xjj yevvi)oei xal
reo jtd&et xal xfj dvaoxddei xfj yevofievy kv xaigm xtjg
/)y£fiopiag Uovxiov UiXäxov jioaxd-epxa dXrt&wg xal ße-
ßaia>g vjto 'irpov Xqiöxov, xrjg kXjiiÖog ^f/o5v, fjg hxxga-
jcijvai fir/öevl rjfimp yevotxo.
Man erkennt aus der Vergleichung dieser Stellen, dass es
gegenüber der doketischen Verflüchtigung der evangelischen
Thatsachen dem Ignatius darauf ankam, deren Geschichtlich-
keit zu betonen, ferner dass der Doketismus nicht etwa blos an
dem jtd&og und der dpccöxaaig sich vergriff, sondern ebenso
sehr an der yivvtjoig und an den übrigen xoaxfrt'vxa, ja auch
an dem q>ayslv und melp Jesu, endlich, dass Ignatius bei der
Bekämpfung des Doketismus an die Aussagen des schon zu
seiner Zeit sich bildenden apostolischen Symbols sich gehalten hat *).
1) über diesen Punkt vgl. den Excurs über das altorientalische Sym-
bol, sowie die Erläuterung zu Mt. 5, 10 und den dort begründeten Hinweis,
dass äXiföctiQ töttoxfrij — dXrj^diq ena&ev identisch sind. Die Nichterwähnung
der dvakriyie, die im Symbol des Aristides und des Justin nicht fehlt,
motiviert sich durch die Betonung der dvd?.tppiQ von Seiten der Doketen.
Als ein besonderer Zug ist noch zu erwähnen die Verwerfung der Eucha-
40 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mo.
Zweckentsprechend seh Hessen sich hieran die Aussagen des
mit dem Redaktor der Constitutionen identischen Verfassers
der Pseudo-Ignatianen.
Trall. c. 10. p. 190, 24. xiveq d&eoi ovxeq, rovxiöriv djtioxoi,
Xeyovöi, xo dox/jösi yeyevvfjö&ai avxov dvd-oamov , ovx
aXrj&mg dveiXqyevai ocöfia, xal xm öoxelv xe$vr}xevai7
jtejtov&tvai ov rot ovri.
Tars. c. 2, p. 208, 18.
ol (liv, oxi'ltjöovq öoxijoei eyevvq&rj xal öoxijoei iorav-
qco&7] xal öox7)ö£i dxe&avev.
Philipp, c. 4. p. 218, 24.
öib xal tv rtoiv evegyel dovelo&ai xov oxavoov. xo Jia-
#oq sjtaioxvvsöftai, xov ftdvaxov öoxtjolv xaXelv, xtjv
ix jcag&evov yivvrjöiv jtegixonxeiv.
Philad. c. 6. p. 236, 30.
edv xiq Jtaxtoa xal vlov xal dyiov Jtvevpa ofioXoyfj xal
xrv xxloiv ixaivfi , öoxrjöiv öe Xeyy xr)v kvom/idxmoiv
xal to na&OQ ejtaioxvvexai , 6 xowvxoq r]gvr\xai xr)v
jiioxiv.
Trall. c. 6. p. 186. 19. xi)v Ix xao&evov yevvrjOtv öiaßdXXov-
ötv knatöxvv6(isvoi xov oxavoov, xb xd&oq agvovvxat
xal xtjv dvdoxaoiv ov jtioxevovöiv.
Trall. c. 9. p. 188, 32. oq aXrjfrmq iyevvrftr] xal ex freov xal
Ix jtag&evov — dXrjfrmq dveXaße oojfia.
Smyrn. c. 1. p. 242, 30. xa&qXmfitvov vjteg ij/imv iv oagxl
dXrjfrmq.
c. 3. p. 244, 25. oxi dXrjfrmq xal ov xm öoxelv
eyqyegxai.
c. 4. p. 246, 1. ei ydg xm öoxelv kv ocofiarc yeyo-
vev o xvQioq, xal xm öoxelv eoxav-
omd-rj, xdym xm Öoxelv öeöefiai.
Const. VI, 26. p. 189, 7. dgvovvxai ydg xal xr)v xaxd odgxa
avxov yevvTjGiv, xov oxavgbv kjtaiöxvvovxai, xo jcd&oq
xal xov frdvaxov döotiovöi, xr)v dvdöxaocv dyvoovöi.
ristie von Seiten der Doketen. Vgl. Smyrn. c. 7. p. 88, 18: evxaQiorlaq xal
nQOOfvxfJG dnexovtai Sia xo ftrj bf-ioXoyetv, tyv ev/agiotlav OaQxct eivtti
xov ocoxrjooq Tjfidiv 'Irjoov Xqioxov , xr\v vnho T(Sv afiagxidiv rjfxwv na-
&ovoav. Es war nur folgerichtig, dass mit der Leugnung des wirklichen
Leidens und des wirklichen Todes Jesu auch das Todesmahl hinfallig wurde.
§ ö. Das paeudopetrinische Evangelienfragment. 4j[
Letztere Stelle, welche in der Urschrift der Didascalia
fehlt, ist ein neuer Beweis für die Identität des Pseudo-
Ignatius mit dem Redaktor der Constitutionen. Übrigens
kann man bemerken, wie die 66xrj6ig — an Stelle des in den
echten Ignatianen herrschenden xo öoxetv — der technische
Ausdruck für den Doketismus geworden ist.
Bezüglich des von Jesus geübten Essens und Trinkens ge-
staltete sich der Doketismus, wie das von Clemens AI. aus dem
Briefe des Valentinus nobg 'Aya&ojtoöa gebrachte Excerpt
deutlich zeigt, folgendermassen: „jtdvxa* , (prjöiv, „vjtofiEivag
kyxgaxijg i]v, d-E0X7jxa Irjcovg EiQyäC.sxo, tjö&iEv xal ejiivev
lölcoQ ovx djto6i6ovg xä ßgoofiaxa. xooavxrj ijv avxqZ syxna-
xsiag övvctfiiq, cooxe xal firj <p&aor)vai xr\v xqo<p?)v kv avxcn,
ejtel xo p&EiQEö&ac avxbg ovx eIxev.* Strom. III, 17, 59. p. 538.
Auch was Epiphanius (Haer. XXIII, 1 p. 63 B) von dem
Doketismus des Satornilus berichtet, kann gewiss verallgemeinert
und auf alle Doketen ohne Unterschied angewendet werden.
Er sagt: Xoioxbv 6s xal avxov g>doxsi o yorjg kv öyjifiaxt av-
&Qcojiov kXr)Xv&£vai xal I6sa (ibvij , xä jcdvxa 6h kv reo 6o~
xeIv JiEJioiTjxEvai, xovxtoxi xo ysyEvvfjö&ai 6oxeIv, aXXd
xo fit) ysyEvvfjO&ai , xb JtEQiJc^xslv , ojixävso&ai, to xe~
jtov&svai.
Wie man sich aber das doketische Wandeln und die doke-
tischen Erscheinungen Jesu des Näheren ausmalte, darüber
geben zwei wichtige Notizen Auskunft, welche Niemeyer bei-
gebracht hat.
Die erste Notiz stammt aus den Akten des zweiten nicae-
nischen Concils (a. 787) und findet sich in Mansii Collectione
conciliorum Tom. XIII p. 169 (Act. conc. Nicaeni II act. V), wo
der Diakonus Epiphanius kx xcöv ipEvösjiiyodyicov jieqioöcov
xeov ayimv djioöxoXwv Folgendes referiert: jtoxh ßovXb-
fiEvog xbv Iqöovv xnaxfjoai, kv vXmösi xal xaysi oco/iaxi jcqoo-
ißaXXov. uXXoxe 6h JidXiv xprjXaqxövxbg fiov avxbv dvXov r\v
xal doat/iaxov xb vstoxEifiEvov, xal a>g (i/j6h oXa)g 6v
kßovX6[ir)v 6h ütoXXäxig ovv avxm ßa6i£a>v 16eIv, eI i%vog
avxov kjtl xrjg yfjg <paivsxaf tojoayv avxbv ajto xrjg yr)g
e avxbv ijtaioovxa1). Als dies verlesen worden war, erhob
1) Der griechische Text abgedruckt bei Zahn, Acta Joannis S. 219.
42 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
sich nach dein Concilbericht der Bischof Tarasius, indem er
ergänzend bemerkte: iv xalg jtsQioöoic xavxaig kyoaqti], oxi
OVXE tjO&lEV OVXE EJtlVEP OVXE JCOölv X ?j V ytjv EJCÜXtl,
xä jtaQOfioia xätv (pavxaoiaoxmv.
Wie diese Nachricht, so ist auch die andere für das Ver-
ständniss des pseudopetrinischen Doketenevangeliums von grossem
Werthe. Bei Photius nämlich (Cod. 114) findet sich über den
Doketismus des Leucius Charinus folgende Mittheilung: Xiysi
6e (ifjö* £vav&(>Gmi}<jai aXi/d-äic, aXXa öogai xal xoXXa JtoX-
Xdxic (pavyvai xolc (/a&ijxalg veov xal jiQEößvxrjv xal Jtalöa,
xal (/EiC,ova xal iXdxxova xal fttyiöxov cüOxe xi(V xoovqptv
EO& oxe fit'xQtg ovQavov. Vgl. Zahn, Acta Joannis S. 215f.
Von der allergrössten Wichtigkeit ist endlich noch ein wei-
teres und grösseres Bruchstück, welches Niemeyer (p. 7) aus
den Akten des nicaenischen Concils, bezw. aus den während des
Concils auszugsweise verlesenen jieq'ioöoi xcöv aylmv ajto-
axoXoiv (bei Mansi XIII, 171) beibringt. Nach dem Berichte
dieses apokryphischen Buches hatte Jesus vor seiner Gefangen-
nahme mit seinen Jüngern zum Vater gebetet, und war dann
seinen Feinden entgegengegangen, gefangen, verurtheilt und ans
Kreuz geheftet worden. Johannes war, durch diesen Anblick in
tiefste Traurigkeit versetzt, in eine Höhle am Oelberg geflohen.
Dort erschien ihm der erhöhte Jesus mit folgenden Worten:
'icoavvrj, xcö xaxoj oxX<p Ev'hQoooXvjioig oxavQOVfiai,
xal Xoyxatc vEroooftai xal xaXdfioig o£og xe xal x°"
Xijv jtoxiCoftaf ool 6h XaXöj, xal 6 XaXäi, axovoov
ky<6 ooi vjtt'ßaXov ixveX&eIv eIq xovxo xo ogog, onotg
axovoqc a 6eI (ja&?/xi}v naoä öiöaoxaXov ftav&ävEtv xal
av&Qcnjtop jtaoa ß-Eov. xal eIjiwv xaixa — so fährt nun
Johannes fort — lÖEigt fiot oxavQov g>a)x6g jtEJcijy-
fiivov, xal xeqi xov OxavQov o%Xov jtoXvv, tuiav
fioppr/v fit) Ixovxa, xal ev avxm i\v (ioo<p>) (ila xal löia
Of/oia avxov öe xov xvqiov ejiccvo) xov oxavgov
hmomv 6x*jua ///} sxovxa, aXXa xiva <pmviv (io-
vov (pmvtjv öh ov xavxqv xi/v ijfilv ovprjfhj, dXXd xiva
tjÖElav xal XQVaT,lv xai aXrj frmg &eov Xiyovoav jiqoq E[iEm
Die deutsche Übersetzung bei Lipsius, Die apokryphen Apostelgeschichten
und Apostellegenden. I. Bd. S. 451.
§ 6. Das pseudopetrinische Evangelienfragment. 43
lomvvtj, tva ötl 3i<xq etuov roxxa äxovöac tvbi yäg
XQt'i^o} xov (itXXovroi äxovtiv o öTavQog 6 rov <jdg>-
toc, jtots (ikv Xoyog xaXelrai vjt sfiov 61 Vfiäg, Jtors
6h vovq, Jtori öi XQiorog. jroth &VQa. jtot\ föoq,
jtori aoroq, jcots GxoQog. jrort aväaraoig, jrorh 'bjoovq,
siorh jtcct//q, Jiorh Jtpevfia, jtotI ^cotj, norh aXtj&sia,
3iOT£ jriOTig, Jtorh yjUQiq ').
Nach diesen patristischen Nachrichten über den Doketisinus
wird es nun nicht schwer fallen, die doketischen Elemente des
pseudopetrinischen Evangelienfragmentes in grösserer Vollstän-
digkeit als bisher zu erkennen 2). Es handelte sich dabei durch-
weg um eine fantastische Verflüchtigung der evangelischen That-
sachen.
C. Die doketischen Elemente des pseudopetrinischen
Evangelien fragments.
Es ist nicht blos ein Recht, sondern auch eine — im kir-
chengeschichtlichen wie evangelienkritischen Interesse zu übende
— Pflicht des Forschers, in diesem Falle nachzuspüren, ob und
in wie weit die kirchengeschichtlich überlieferten Einzelzüge des
Doketismus in dem svayytXiov xaxa IleTQOv, welches sein erster
Gewährsmann, Serapion, als das Evangelium der Doketen be-
zeichnete, sich wiederfinden. Bei solcher Untersuchung ergeben
sich folgende doketische Parallelen.
v. 10. avroc ös koicojta coq fj?)ötva jrovov eycov.
Fast einstimmig ist das Urtheil der Kritiker darüber, dass
in dieser dem Contexte eingefügten Bemerkung ein doketischer
Zug zu erkennen sei. Es liegt ja auch zu sehr auf der Hand,
dass durch die angebliche Schmerzlosigkeit das Kreuzesleiden
Jesu wieder aufgehoben werden soll, ganz im Sinne der Doketen,
welche Xeyowiv, xo öoxelv Jtexov&tvai avtov. Vgl. Ign.
Trall. c. 10.
1) Bei Zahn, Acta Joannis S. 222 f. Die deutsche Übersetzung bei
Lipsius S. 452 f.
2) Die Stelle aus Photius ist von einigen Erklärern des Petrusevange-
liums benutzt, die wichtigen Partien aber aus den Acta conc. Nie. II., soviel
ich sehe, von Niemandem, auch von Zahn nicht.
44 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
v. 16. Jtoxlaaxs avxov %oX>iv fisxd 6§ovq.
Hier liegt zwar auch mit Mt 27, 34 ein Verwandtschafts-
verhältniss vor, aber in dieser canonischen Stelle fehlt nicht mir
das charakteristische jtoxiC,eiv, sondern es ist auch olvoq und nicht
ogoq neben der x°tf genannt. Dagegen bilden die Worte Jesu:
oS.oq^ xe xal x°^Vv JioxiC,Ofiai in der doketischen Schrift:
jieq'ioöoi xcöv ayicjv djtooxöXcov (Mansi XIII, 171) eine voll-
ständig zutreffende Parallele.
v. 18. JzsQir'iQ%ovTo de JtoXXoi.
Ganz ähnlich in den xsoioöoiq xcöv dyimv cutoöxoXoov an
der eben erwähnten Stelle: xal neol top OxavQov oxXov
jioXvv
v. 19». /j övvafiiq fiov, // övvafiiq, xaxeXeitpdq fis.
Hier ist es zunächst ausser Zweifel, dass övvafiiq eine Über-
setzungsvariante des hebräischen bs ist und dass ein ara-
mäisches Grundwort für övvafiiq nicht in Betracht kommen
kann. Von den LXX wird bt& nicht blos mit 9-soq, Icyvoöq,
ioxvq, sondern auch mit övvafiiq wiedergegeben. Vgl. Neh. 5, 5:
!QTP bsb 'psi = LXX: xal ovx eoxi övvafiiq xziQwv tjficov.
Die Wahl aber gerade dieser Übersetzung von bS5 ist ganz deut-
lich aus der doketischen Tendenz des Petrusevangeliums zu er-
klären. Unter der övvafiiq ist die unsichtbare Persönlichkeit
Jesu zu verstehen, die den am Kreuze Hängenden schon während
der Kreuzigung verlassen hat (dveXi}q)&ij). Und die Weglassung
der Fragepartikel ivaxi hat offenbar den Zweck, diese Voraus-
setzung des Doketismus ausser Frage zu stellen. Das Nähere
vgl. zu Mt. 27, 46.
v. 19b. xal eljtcov dveX^pd-tj.
Wenn in den jteoioöoiq der Erzähler berichtet, dass er oft-
mals neben Jesu wandelnd geforscht habe, ob dieser eine Fuss-
spur auf der Erde hinterlasse und dass er dann ihn jedesmal
von der Erde aufwärts sehwebend geschaut habe (koSomv av-
xov coro xT\q ytjq tavxov hxaioovxa), so liegt ein &7tai-
QEö&ai (== dvaX?j<p&fjvai) während der Kreuzigung, wie
schon v. 19 il zeigt, erst recht im Sinne des Doketismus. Eben
durch dieses dvaXrjqpd-rjvai wurde das jia&oq zu einem blosen
öoxslv.
§ 6. Das pseudopetrinische Evangelienfragment. 45
v. 26. exQvßofie&a.
Die jcsqIoöoi erzählen, dass Johannes nach dem Anblick des
Kreuzestodes Jesu auf den Oelberg geflohen sei (tristem fugisse,
vgl v. 26: hym 6h f/exct xcöv txaiocov (iov iXvjtovftrjv) und in
einer Höhle sich verborgen habe, vgl. v. 26: xai t£tq<o(i6voi
xaxa öiavoiav ixQvß6(t£&a.
v. 35. ftsydXt) qxovij kyevsxo Iv xcö ovgavcp.
Hierzu vgl. in den Jtegio6oiq: aXXd xiva <pmvi)v.
v. 39. Oxavgbv äxoXov&ovvxa.
In den Schlussworten, die der während der Kreuzigung vom
öxavgoq losgelöste Jesus an Johannes richtet, wird in den jcs-
gioöoic eine Identification von oxavgbq — Xoyoq = vovq =
XQiGxoq vollzogen: 6 Oxavgbq o xov qxaxbq, xoxh fihv Xo-
yoq xaXslxai vjt sftov 61 vtuäq, ytoxh 6h vovq, xoxh 6h XQl~
Cxoq. Das ist eine gnostisch-doketische Verflüchtigung des
oxavgbq, dieses Inbegriffs des historischen Jesusleidens. Ähnlich
geschieht es im Petrusfragment: das Kreuz wird in die Aufer-
stehung mit hineingezogen und verliert somit seine historische
Bedeutung.
v. 40. xcöv fihv 6vo xi]v xt<paXi]v x<*>govoav (i&XQ1 r°v °v-
gavov, xov 6h xf:lQa7(O70Vtl^v<)V V3C> avxcöv vnegßaivovöav
zovq ovgavovq.
Nach dem Fragment bei Photius lässt der Doket Leucius
Charinus Jesum bald als einen Greis, bald als einen Jüngling,
bald als gross, bald als klein erscheinen, bisweilen als so gross,
dass er mit seinem Scheitel bis an den Himmel reicht: fieyioxov
coöxs xi)v xoqv<p?)V toi) 6x6 fiexgtq ovgavbv. Das letzte fast
wörtlich so im dnketischen Petrusevangelium.
v. 41. (pmvijq t/xovov Ix xcöv ovgavcöv —
v. 42. xcu vjiaxoij yxovtxo djtb xov oxavgov —
Das doketisch personifi eierte Kreuz kann sogar sprechen.
Ganz so in den doketischen jteglo6oi. Da sieht Johannes Je-
sum oberhalb des Kreuzes {hjtävco xov oxavgov), aber ohne Ge-
stalt {pxijlia fli Exovxa)i auf eme Mose Stimme reduciert (aXXd
xiva <pcovrv (ibvov). Ist Oxavgbq = Xöyoq = voiq = XgiOxbc
46 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
identisch, so ist die Stimme vom Kreuz selbstverständlich Christi
Stimme, und er, Christus, ist schliesslich selbst zu einer blosen
Stimme geworden.
v. 56. aveort] yctQ xal cbtrß&ev txel öfrtv djteotaXtj.
Wie die Himmelfahrt bereits mit der Kreuzigung zusammen-
fiel (v. 19). so ist dies selbstverständlich mit der Auferstehung
der Fall. Das exaiQeöftai ccjto t//$ y//c wiederholt sich nach
doketischer Vorstellung fort und fort.
Die öoxtjoig ist vollständig: das xa&og ist zu einem schmerz-
losen Scheinleiden geworden; der oracoöq ist seiner historischen
Wirklichkeit entkleidet; Jesus, seiner övvafiig beraubt, erhebt
sich vom Kreuz (cwsZij<p&r/\ wie man schon bei seinem irdischen
Wandeln ihn, den Körperlosen, oft sich hat von der Erde em-
porheben sehen (äjtd tfjg yf/g tavtbv tJtcdyopza), und er reicht
als der Auferstandene bis über die Himmel (vjtSQßalveiv rovg
ovqclvovq), wie man schon früher ihn oft gesehen hat bis an
den Himmel reichen (wots xr\v xoQvrptjv ta&' oxe fi^XQ1? °v~
(tavov).
Den doketischen Tendenzcharakter des pseudopetrinischen
Evangelienfragments leugnen zu wollen, wie es in radicaler Weise
von Manchot (Prot. Kirchenzeitung 1893. 6 — 9) und von Meu-
nier (L'Evangile selon St. Pierre, Paris 1893) geschehen ist, kann
doch nur aus ungenügender Orientierung über den geschicht-
lichen Charakter des Doketismus und der ihm verwandten hae-
retischen Richtungen erklärt werden.
D. Die Composition des tvayytkiov xatä UtxQov.
Man kann in dem Fragmente dreierlei Elemente unter-
scheiden:
1. Stoffe mit doketischer Tendenz, zum grössten Theil
ganz legendenhaft,
2. canonische und von den canonischen Parallelen nur
sprachlich unterschiedene Stoffe,
3. aussercanonische Stoffe, anscheinend rein histori-
scher Natur, ohne erkennbare Tendenz.
Der Faden, an welchem diese verschiedenen Erzählungsstoffe
aufgereiht sind, ist sichtlich derselbe Faden, welcher auch das
canonische Matthäusevangelium zusammenhält. Und namentlich
§ (3. Das pseuclopetrinische Evangelienfragment. 47
sind es die secundären Partien Mt. 27, 52. 53. 62 — 66; 28, 2—4.
11 — 15, an welche die apokryphen Ausmalungen des Petrusevan-
geliums sich angeschlossen haben. Wie das spätere judenchristliche
svayytXiov xafr* 'EßQctlovq aus dem svayytXiov xaza Maz&alov
entstanden ist und wie die Fragmente des enkratitischen tvayyi-
Xiov xax Aiyvjtziovg die Abhängigkeit des letzteren von dem
canonischen Matthäus verrathen, so besteht auch zwischen dem
doketischen svayyiXiov xaza ützoov und dem ersten Evangelium
des Canons ein besonders nahes Verwandtschaftsverhältniss. Die
anderen evangelischen Reminiscenzen , welche bezüglich keines
der drei übrigen canonischen Evangelien fehlen, ebenso die ausser-
canonischen historischen, sowie die doketisch-legendenhaften Par-
tien sind dem Tenor des ersten Evangeliums eingefügt. Man
hat demnach — wenn man aus dem Fragmente auf das Ganze
schliessen will — das doketische Petrusevangelium sich
vorzustellen als eine von der Geburtsgeschichte ab-
sehende, mit Mt. 3, 1 beginnende, dem Leitfaden des
ersten Evangeliums folgende, von Reminiscenzen aus
den übrigen drei canonischen Evangelien sowie von
aussercanonischen Stoffen besserer und geringer Qua-
lität und namentlich von doketisch-legendenhaft aus-
geartetenElementen durchsetzte, in schriftstellerischer
Hinsicht ziemlicn nachlässige, in Folge der Heteroge-
neität der Stoffe von inneren Widersprüchen nicht
freie Darstellung der evangelischen Geschichte, deren
Ursprung — nach der Diktion zu urtheilen — wie der Ursprung
des Fajjumfragments inAegypten zu suchen sein dürfte. Spe-
ciell dafür, dass das doketische Evangelium mit Mt. 3, 1 seinen
Anfang nahm, spricht die notorische Verwerfung der Geburt
Jesu von Maria, wie sie bei den Doketen üblich war, sowie das
Beispiel der doketisch gerichteten Evangelienredaktoren, Mar-
cion und Tatian. Man erinnere sich bezüglich des Doketis-
mus Tatians an Hieron. ad cap. 6. ep. ad Gal., sowie an Theo-
dor et, Haer. Fab. I, 20: rag re ysveaXoytag Jieoixoipag xal zu
aXXa 00a ix GjtiQfiazog Aaßid xaza o/xQxa y£ytvv?j{ut'voj> zbv
XVQIOV Öf-'lXVVOlV.
Alles in Allem stand das doketische Petrusevangelium tief
unter den canonischen Evangelien und verdankte diesen das Beste,
was es bieten konnte, wodurch auch anfänglich ein Mann wie
48 Aussercanoniscbe Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Serapion hatte getäuscht werben können. Was wirklich werth-
voll an dem Petrusfragmente ist, wird die Analyse des Einzelnen
lehren. Und über das Verhältnis des Petrusfragmentes zu der
canonischen wie zu der apokryphischen Evangelienliteratur (Di-
dascalia- Evangelium, Aegypterevangelium '), Fajjum- Fragment,
Pilatusakten)2), ferner zu den apokryphen Apostelgeschichten,
sowie endlich zu verwandten patristischen Evangeliencitaten
(Barnabas, Justin) wird erst im Schlusshefte ein zusammen-
fassendes Urtheil gegeben werden.
§7.
Überleitende Bemerkungen*
Gegenüber den vorstehend in §§ 5. 6 besprochenen äusser-
est ionischen Evangelienfragmenten bleiben immer die canonischen
Evangelieu das Hauptobjekt der Untersuchung. Und ich bin
der Meinung, dass ein Jeder, welcher in der innercanonischen
Evangelienkritik nicht vollständig zu Hause ist, stets Gefahr
läuft, das apokryphische Material zu überschätzen.
Beim Rückblick aber auf §§ 3. 4 möchte ich an dieser Stelle
nochmals hervorheben, wie wichtig und immer erneuter Be-
achtung werth die von B. Weiss über die synoptischen Evan-
gelien gewonnenen Forschungsergebnisse für den weiteren Gang
der Untersuchung sein und bleiben müssen. Es ist nicht das
Zeichen eindringender Wissenschaftlichkeit, an solchen Er-
scheinungen wie den Werken von B. Weiss, denen eine Lebens-
arbeit gewidmet gewesen ist, achselzuckend vorüber zu gehen
und dann auf eigene Faust von vorn anzufangen, oder, wenn
sich nach wenigen Jahren „vergeblicher Arbeit" das Problem
nicht sofort erschliesst, sich ganz auf einen unfertigen Stand-
punkt „zurückwerfen zu lassen*. Das „Problem" der Evangelien-
forschung ist ein so weit und vielverzweigtes und ein so ausser-
ordentlich schwieriges, dass die Arbeit an der Lösung desselben
nicht Jahre, sondern Jahrzehnte beansprucht.
1) Vgl. Volt er, Petrusevangeliuni oder Aegypterevangelium? 1893.
2) Vgl. namentlich H. v. Schubert, Die Compositum des pseudo-
petrinischen Evangelienfragments. 189H.
§ 7. Überleitende Bemerkungen. 49
Ich gebe mich aber der Hoffnung hin, dass es mir schon
in §§ 3. 4 gelungen sein wird, neue Seiten des Verständnisses
für die Weiss'schen Untersuchungen erschlossen zu haben. Nach
derselben Richtung habe ich mich bemüht, in den nachfolgenden
Erläuterungen auf die Weiss'schen Arbeiten recht häufig hin-
zuweisen, sowohl da, wo ich mit Weiss zusammenstimme, als
auch da, wo ich von ihm abweiche oder über ihn hinausgehe.
Diejenigen Seiten, nach denen ich die Weiss'sche Evangelien-
forschung einer Weiterbildung für dringend bedürftig erachte,
sind von mir bereits in den Agrapha S. 28 f. gekennzeichnet
worden. Und wenn ich wahrnehme, wie gering immer noch
die Zustimmung und die vertraute Bekanntschaft ist bezüglich der
wichtigsten und auch der sichersten Resultate, welche Weiss
ans Tageslicht gestellt hat, so kann es nicht befremden, wenn
die neuen quellenkritischen Gesichtspunkte, welche von mir
grösstentheils vor meiner Bekanntschaft mit Weiss, theils
auch nach dem Zusammentreffen mit seinen Untersuchungen
herausgearbeitet worden sind, neben mancher lebhaften Zustim-
mung auch vielfach auf Widerspruch stossen, zurnal da das Be-
weismaterial im Einzelnen bis jetzt noch nicht veröffentlicht war.
Der erste Gesichtspunkt für die Weiterbildung der Evan-
geüenkritik ist die Zurückführung der synoptischen Parallelen
auf den vorcanonischen semitischen Quellentext. Eigent-
lich ist dieser Punkt gar nicht neu. Schon Marsh und Credner
haben früher Wege in dieser Richtung gebahnt. Und die
Existenz einer hebräischen Quellenschrift für die synoptischen
Evangelien ist, wenn auch das Bild noch vielfach schwankt,
doch in vielen wissenschaftlichen Kreisen anerkannt. Neu ist
nur der Versuch, die Ermittelung des vorcanonischen hebräischen
Quellentextes ex pröfesso zu einer Hauptaufgabe der Quellen-
forschung und zu einem Kriterium der Quellenscheidung zu er-
heben. Dabei ist es namentlich die Annahme eines (nicht ara-
mäischen, sondern) hebräischen Quellentextes, welcher auf
mehrfachen Widerstand zu stossen scheint. Jedoch ist diese
Frage, wenn man überhaupt nur einen semitischen Quellentexfc
anerkennt, von untergeordneter Bedeutung. Und sollte daher
durch weitere Forschungen das Aramäische den Sieg davon
tragen über das von mir vertretene Hebräisch, so würde ich mit
dem Bewusstsein, diese Frage in Fluss und der Entscheidung
Texte u. Untersuchungen X, 2. 4
50 Aussercanoniscbe Paralleltexte zu Mt. und Mc.
näher gebracht zu haben, vollkommen zufrieden sein. Bisher
haben die Vertreter des Aramäischen Nichts gethan, um ihre
Position ex professo im Zusammenhang mit der Quellenkritik zu
vertreten. Der einzige Versuch derart, welcher von Marshall
unternommen worden ist (vgl. Heft I, 93 ff.), ist aus ungenügender
Bekanntschaft mit den Voraussetzungen der Quellenkritik, sowie
aus nicht correcter Anwendung des Aramäischen (vgl. W. C.
Allen im Expositor 1893. May. S. 386 ff.: The Aramaic Gospel)
inissiungen. Und was mir sonst in dieser Hinsicht theils pri-
vatim theils publice entgegengetreten ist, hat mich bisher nicht
für das Aramäische als den Quellentext des Urevangeliums zu
gewinnen vermocht. So kühl ich daher der endgiltigen Ent-
scheidung dieser Frage entgegen sehe, so wenig vermag ich es
für angezeigt zu halten, um des Widerspruchs mancher Recen-
senten willen meinen Versuch, das Hebräische als vorcanonischen
Quellentext nachzuweisen, von vorn herein aufzugeben, zumal
jetzt, wo durch das Petrusfragment und durch die Unmöglich-
keit, den darin enthaltenen Ausdruck: 6vvay.iq ftov (= ^btf) auf
das Aramäische zurückzuführen, meine Auffassung eine neue
gewichtige Stütze empfangen hat. Ein Zurückweichen meiner-
seits würde vielleicht bald die ganze Frage wieder einschlafen
lassen. Wie ich bezüglich Marshalls wünsche, dass er seine
Forschungen nicht liegen lasse, sondern in neuer Weise wieder
aufnehme, so würde ich es auch nur mit Freuden begrüssen,
wenn deutsche Forscher dieser wichtigen Frage sich widmen
wollten.
Freilich wenn dieses mit Erfolg und in wirklich frucht-
bringender Weise geschehen soll, so ist eine Vertiefung in die
Probleme der evangelischen Quellenkritik die unerlässliche Vor-
bedingung hierfür. Dass ohne genaue Kenhtniss der detaillierten
Quellen-Analyse, ohne Unterscheidung des Quellentextes und
seiner redaktionellen Einkleidung, das Semitische für sich allein
nicht zum Ziele führt, habe ich bei der an Marshalls Ver-
suchen geübten Kritik (Heft I, 95 ff.) gezeigt.
Zu einer fruchtbringenden Erforschung des semitischen
Quellentextes gehört ferner eine solche Kenntniss der Septua-
ginta und ihrer Tochterversionen, durch welche man einen
Einblick in die zahlreichen Übersetzungsvarianten bezüglich der
alttestamentlichen Texte, in die bunte Varietät des griechischen
§ 7. Überleitende Bemerkungen. 51
Idioms gegenüber den hebräischen Quellen gewonnen hat. Es
kann Jemand nach der kritischen Seite ein genauer Kenner der
Septuaginta sein, ohne den Sachverhalt in Bezug auf die Über-
setzungsvarianten der griechischen Versionen Alten Testamentes
in ihrem Verhältniss zum hebräischen Urtext genügend erforscht
zu haben. Nur so kann ich mir es erklären, dass die Forderung
aufgestellt worden ist, bei der Rückübersetzung der neutestament-
lichen Paralleltexte stets nur auf die genaue etymologische
Bedeutung des vorauszusetzenden hebräischen Stammwortes zu
reflektieren. Die nachfolgenden Einzeluntersuchungen werden
durch Nachweise aus den LXX und ihren Tochterversionen in
vielen Fällen zeigen, wie verschiedene Übersetzungen ein und
dasselbe hebräische Stammwort im Griechischen haben konnte.
Wenn aber dabei immer wieder die Meinung zum Ausdruck
kommt, dass es sich namentlich bei den patristischen und hand-
schriftlichen Varianten nur um Synonyme handele, die für die
Quellenkritik werthlos seien, also um eine vom Urtexte un-
beeinflusste Weiterbildung des Juden -Griechisch in ein dem
Klassischen besser angenähertes Griechisch, so erlaube ich mir
darauf hinzuweisen, dass von mir im Hinblick auf diese Möglich-
keit bereits (Heft I, 155) „die Hälfte der von mir in Anspruch
genommenen Übersetzungsvarianten als wertnlose Synonyma"
von vorn herein preisgegeben worden sind, dass aber trotzdem
auch nach Abzug dieser Hälfte für die synoptischen
Evangelien und ihre inner- und aussercanonischen
Paralleltexte eine erheblich grössere Menge von tief-
greifenden Varianten übrig bleibt, als bei dem johan-
neischen Evangelium, der Apostelgeschichte und den
apostolischen Briefen zusammengenommen. Derjenige
also, welcher bezüglich dieser innerhalb des Neuen Testamentes
einzigartigen, nur bei den synoptischen Evangelien hervortreten-
den, literarischen Erscheinung die von mir angestrebte Erklärung
(durch das Zurückgehen auf den gemeinsamen hebräischen
Quellentext) verwirft, wird sich unmöglich der Verpflichtung
entziehen können, einen anderen und besseren Erklärungsgrund
darzubieten. Ich meinerseits kenne — abgesehen von den t ber-
setzungsvarianten der Septuaginta und ihrer Tochterversionen —
nur noch Eine Analogie, nämlich die mannigfaltige Buntheit
der lateinischen Übersetzungsvarianten, wie solche namentlich
4*
52 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
von Ron seh der theologischen Welt vor die Augen geführt
worden ist. Wie diese lateinischen Übersetzungsvarianten aus
dem Griechischen, so stammen die synoptischen Übersetzungs-
varianten aus dem Hebräischen. Dass wir es bei dem ältesten
Stadium der lateinischen Bibel wirklich mit Übersetzungsvarianten
zu thun haben, zeigt am besten Tertullian, welcher in der
Regel den griechischen Text gebrauchend, denselben — oft kurz
nach einander — verschiedentlich übersetzt und ausserdem die
Versuche und Anfänge schon vorhandener lateinischer Über-
setzungen kennt und erwähnt. Vgl. adv. Marc. II, 9: Quidam
enim de Graeco interpretantes — adv. Marc. V, 4: haec
sunt enim duo testamenta, sive duo ostensiones, sicut in-
venimus interpretatum — adv. Prax. c. 5: Ideoque jam in
usu est nostrorumpersimplicitatem interpretationissermonem
dicere — . Ich meine, diese Beispiele müssten genügen, um von
den Anfängen einer lateinischen Bibel zu Tei'tullians Zeiten end-
giltig auch diejenigen zu überzeugen, welchen der von mir Heft
I, 38 f. gegebene Nachweis nicht genug gewesen ist, und müssten
aus den lateinischen Übersetzungsvarianten, welche schon Ter-
tullian kannte, Rückschlüsse auf die Genesis der griechischen
Parallel- Varianten ziehen lassen ').
Nur noch einige Bemerkungen über meine quellenkritischen
Grundsätze seien an dieser Stelle gestattet.
Bezüglich der Abhängigkeit der apostolischen Lehrschrift-
steller, namentlich des Paulus, von dem vorcanonischen Evange-
lium bemerke ich, dass dieser Punkt erst im Lucasevangelium
1) Selbstverständlich finden sich unter den Varianten der Septuaginta
und der Itala auch zahlreiche Synonyma, welche nicht durch direktes Zu-
rückgehen auf den hebräischen oder griechischen Text entstanden, sondern
als sprachliche Verbesserungen der Abschreiber zu erklären sind. Nach
dieser Seite gebe ich für die Übersetzungen und Redaktionen des Ur-
evangeliums die Hälfte der Synonyma preis. Aber dass man überhaupt
in den Handschriften und Tocbterversionen der Septuaginta sowie in den
altlateinischen Versionen der Evangelien so massenhaften Varianten und
Synonymen begegnet, ist nur aus der Freiheit zu erklären, mit weicher
man Übersetzungen zu verbessern und fortzubilden wagte. An urschrift-
lichen Werken hätte man sich niemals getraut in dieser Weise sich zu
vergreifen. Man vergleiche das johanneische Evangelium, welches nur
einen sehr geringen Procentsatz solcher synonymen Varianten — und noch
dazu sehr untergeordneter Art — aufweist.
§ 7. Überleitende Bemerkungen. 53
stärker hervortreten und hauptsächlich in dem späteren Werke
„Canonische Parallelen" seine ausführliche Darstellung finden
wird.
Ebenso kann ich von einer Verteidigung meiner Anschauung
über den Codex Bezae bei der gegenwärtigen Veranlassung
füglich absehen und mich an der Freude begnügen, die Unter-
suchungen über diesen einzigartigen Codex wieder kräftig ange-
regt zu haben. Im Matthäusevangelium treten seine Varianten
wenig hervor; noch viel geringer sind sie im Marcus und im
johanneischen Evangelium; dasselbe gilt mit einzelnen — aller-
dings sehr interessanten Ausnahmen, wo es aber weniger sich
um Varianten, als um einige aussercanonische Zusätze handelt —
von der Apostelgeschichte. Nur für den Lucastext fliesst
in D ein aussergewöhnlicher Reichthum wichtiger
Varianten und interessanter Zusätze, bezw. ausser-
canonischer Textbestandtheile. Und nur für Lucas
nehme ich mit Credner den fortgehenden Einfluss einer
aussercanonischen Quelle an, — ein Punkt, welcher weniger
als bisher geschehen, übersehen werden darf.
Mögen die Kenner aus diesen Bemerkungen wahrnehmen,
dass die meinen Werken zu Theil gewordene Kritik nicht un-
berücksichtigt gelassen ist. Zu weiterer Berücksichtigung im
Einzelnen findet sich Gelegenheit genug.
Schliesslich ist noch zu bemerken, dass alle Matthäus- und
Marcus-Stellen, zu denen Lucas-Parallelen vorhanden sind, und
somit alle synoptischen Paralleltexte, welche wir in dreifacher
canonischer Textgestalt besitzen, ihre Ergänzung durch ausser-
canonische Paralleltexte und ihre evangelienkritische Behandlung
im nächsten Hefte finden werden.
54
Auasercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Das pseudopetrioische Evangelienfragment und seine canonischen
Parallelen.
Der Asteriscus bezeichnet diejenigen Stellen, bei welchen der be-
treffende Text zur Untersuchung gelangt.
Ps.-Petr.
Mt.
Mc.
Lc.
Joh.
v. 1
27, 24a*
2
26b
15, 15b
23, 25b *
19, 16a
3— 5a
57. 58
43
50-52*
38
5b
26b
15b
25b*
16a
6
27 *
16
16b
7a
28 *
17a
2b
7b
29b*
18-
3a
8
29a*
17b
2a
9
30 *
19
3b
10a
38
27
33b*
18
10b
(26, 63a)
(14, 6la)
33b*
11
27, 37
15,26
38 *
19
12
35
24
34b*
23. 24
13. 14
39—41*
(33)
15
45
33
44 *
16
48. 34
36. 23
36 *
29
17
25 *
18
45
33
44 *
19a
46 *
34
19b
50
37
46 *
30b
20
51a
38
45b*
21. 22
51b*
23. 24
59. 60
46
53 *
40
25
48 *
26. 27
49 *
(16, 20)
28
48 *
29—34
62—66 *
35—44
28, 2-4*
45. 47-49
11—15*
46
27, 24b *
50—54
28, 1
16, 1-4
24, 1. 2*
55. 56
5—7
5-7
3-8*
57
8
8
9
58—60
21,1.2*
Texte und Untersuchungen.
Mt. 3, 4 = Me. 1, 6.
a. Ev. sec. Hebr. ap. Epiph. Haer. XXX, 13. p. 138 A.
xal el%ev 6 'icoävvrjq evövfia ajto rgix^v xafir)Zov xal
^mvrjv ÖEQfiarivrjv jtegl rrjv 6og>vv avrov xal rb
ßornfia avrov, cprjGi, fieXi aygiov, ov ?] yevoiq rjv rov
fiävva, (oq eyxglq ev eXalop.
b. Mt 3, 4.
avrbq 6h, o 'icoavvrjq eixsv ro evövfia avrov [Syr. Cur.:
r\v evöeövfievoq tvövfia] ajto roix<öv xafir Xov xal ^covrjv
öegfiar ivr\v jcsgl rr)v oGiyvv avrov' r) de rgocpr rjv
avrov dxgiöeq xal fieXt aygiov.
c. Mc. 1, 6.
xal rjv 6 'icodvvrjq evöeövfievoq rgix&q xafirjXov xal
Ccovrjv öegfiarivrjv xegl rrjv oöq>vv avrov, xal
eo&wv dxglöaq xal fieXi aygiov.
d. Cod. CantabfrMc. 1, 6.
rjv öe 'imccvvvq evöeövfievoq öegg??v xafir} Zov xal eö&i&v
dxglöaq xal fieXi ayoiov.
Obwohl B. Weiss (Marcusevangelium S. 43) Mt. 3, 4—6 =
Mc. 1, 5. 6 nicht aus der vorcanonischen Quelle geschöpft sein
lässt, so sprechen doch die äusseres nonischen Varianten für das
Gegentheil, sofern Öe'ggiq — evövfia = 2n"HK (vgl. Sach. 13, 4:
"Orö n-HN = LXX: öeggtq rgixivrj, Jos. 7. 21: tVftü = Vari-
ante: tvövfia) und ebenso ßgcöfia = rgo<pr) = büfc (vgl. z. B.
Hiob 20, 21: boi* = LXX: ßgmuara = Symmachus: ^QOfJj) die
Spuren des hebräischen Quellentextes erkennen lassen. Dass da-
56 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
gegen die Variante des Hebräerevangeliums: eyxQiq sv iXa'icp
(syxQig = "Wb oder nrpBX vgl. Nuro. 11, 8: D?üp"ilGyi2 Tl^Tl*
■JÜTÖJI TBJ5 = LXX: xal ijv i] i}öovt) avrov wotl yev/ia lyxgiq
t$ eXalov — ferner Ex. 16, 31: ü'niS nrp&rs toül == LXXTro
ös yevua avrov coq lyxglq Iv fis'Xiri) neben dem quellenmässigen
axqiq (=- 25n, essbare Heuschrecke) eine im vegetarianischen
Interesse unternommene judenchristliche Fälschung des grie-
chischen Textes und ein schlagender Beweis für die von Haus
aus griechische Conception des Hebräerevangeliums ist, darüber
vgl. man Agrapha S. 344. Eine ähnliche Textänderung im en-
kratitischen Interesse scheint Tatian vorgenommen zu haben,
worauf mich Prof. Nestle aufmerksam macht. In dem Jour-
nal of Biblical Literature 1891. X. p. 153—155 theilt Isaac-
H. Hall zwei Citate mit, wornach es wahrscheinlich wird, dass
Tatians Diatessaron die „Heuschrecken" (ebenso wie es das
Hebräerevangelium thut) beseitigt und an ihrer Statt nicht „Oel-
kuchen", sondern „Bergmilch" eingesetzt hat, eine Lesart, welche
sich bei Ciasca nicht findet. Das eine der von Hall mitge-
teilten Citate geht durch Vermittelung von Ebed Jesu (1300)
zurück auf einen von Jesudad (um 852) verfassten Commentar
zum N. T. Den auf Mt. 3, 4 bezüglichen Text gibt HaH in fol-
gender Weise wieder:
„And bis food was locusts and wild honey." — But the
Diatessaron says, His food indeed was honey and milk of
the mountains.
Das andere Citat stammt von Barhebraeus, dem älteren Zeit-
genossen von Ebed Jesu, und zwar aus dessen Commentar zu
Matthäus, wo es nach Hall heisst:
but in the Diatessaron „milk and honey" is written.
Hiernach scheint es ausser Zweifel zu sein, dass anstatt der
canonischen Fassung Tatian geschrieben hatte: // de roocpfj
avrov ijv yaXa xal fieXi aygiov — und dass diese aus enkra-
titischem Interesse vorgenommene Te^tfälschung bei der Über-
arbeitung des Diatessaron nach den Grundsätzen der canonischen
Textrecension (vgl. Heft I, 44), wie sie in dem arabischen Dia-
tessaron Ciasca's vorliegt, beseitigt und der ursprüngliche Text
wieder hergestellt worden ist. Die Kenntniss der erwähnten
Textfälschung ist um so wichtiger, als man aus den übrigen
Texte und Untersuchungen zu Mt. 3, 4 = Mc. 1, 6. Mt. 3, 14. 57
Resten des Diatessaron, die uns erhalten sind, auf derartige offen-
bar haeretisch-tendenziöse Textänderungen bisher nicht gestossen
sein dürfte i).
Mt, 3, 14.
a. Just. Dial. g. Tryph. c. 88. p. 315 D.
xal ovx coq evösä avxbv rov ßajiTiG&fivcu.
b. Eclog. proph. § 7TClem. AI. p. 991.
Xal ÖlCC TOVTO 6 OCOTTjQ £ ß CCXT lC> (ZTO (lt] XQV^><av GVtÖq.
c. Epiph. Anaceph. p. 153 C.
ßccjtr i6$e\q vjto 'icoavvov, ovx ijriöeofievoq Zovtqov.
d. Ev. sec. Hebr. Epiph. Haer. XX^l3TpTl38 C.
xal zqts, q>rjöiv, o *looavvi]q jtgoojteömy avrm eXsye' 6to-
ftai 6ov, xvqcs, ov fie ßcuixioov.
e. EphrTSyr. Ev. concord. expos. ed. Mösinger p. 99.
in baptismo nullarn sibi gloriam attribuit, quia dicebat:
Me oportet a te baptizari.
f. MOTliT^
6 6\ duxmlvev avrov Xtyrov eycb XQeiav ^X03 v3t0 ö°v
ßajtriö&fjvai, xal ov tQXV XQo? /"£/
g. Hilarius Coinment. in Matth. III. 5.
ipse quidem lavacri egens non erat.
Früher geneigt, Mt. 3, 14. 15 für eine secundäre Einschal-
tung des Redaktors zu halten, bin ich durch die patristischen
und aussercanonischen Parallelen zu der Überzeugung gelangt,
dass schon in der vorcanonischen Evangelienqueile ein Taufge-
spräch zwischen Jesu und Johannes dem Taufakt vorangegangen
ist. Die Veranlassung zu demselben wird erst verständlich durch
die aufs Beste beglaubigte Licht- und Feuererscheinung, welche
vor der Taufe von Jesu ausging. Vgl. die Belege dazu aus Ju-
stin, Epiphanius, Ephraem Syr., Pseudo-Cyprian, Cod.
Vercellensis und Sangermanensis, wozu auch die Sibylli-
nischen Orakel sich gesellen, namentlich aber die Darstellung
der severianischenTaufliturgie (indenAgrapha S. 357 — 361).
Durch diese Licht- und Feuererscheinung war der Täufer so er-
1) Bei dieser Veranlassung bemerke ich mit dem Ausdruck der Dank-
barkeit für manche weithvolle Notiz wie die obige, die ich von Prof.
Nestle erhalten habe, dass derselbe sich auch bereit erklärt hat, eine
Correktur meines Werkes mit zu lesen.
58 Aussercanonische Pavalleltexte zu Mt. und Mc.
schlittert, dass er der Taufe Jesu sich weigerte. Die ursprüng-
liche Form dieser Weigerung scheint in der severianischen
Taufliturgie erhalten zu sein, nämlich in den Worten des
Täufers: Fieri non potest, ut rapinam assumaro. Im Talmud
handelt ein ganzer Tractat von der nb^Jflo, d. i. Raub am
Heiligen, während bTS vom Raub am profanen Eigenthum ge-
braucht wird. In diesem Sinn ausgelegt, passt das Wort des
Täufers von der rapina = agjcayfiog vorzüglich zur Situation.
Nachdem Johannes nach der Licht- und Feuererscheinung in
Jesu den Heiligen Gottes ahnend erkannt hat, hält er es für
einen Raub an diesem Heiligen, ihn unter die Taufe zur Busse
zu beugen und auf eine und dieselbe Linie mit den profanen
Sündern zu stellen. Auf die damit ausgesprochene Weigerung
folgte dann im engsten Zusammenhang das Bekenntniss des
Täufers: eyco xqe'kxv sxco vjtö oov ßccjtxio&fjvai. Auf Grund
dieses Wortes wird Jesus genannt: ovx cog evöetjg xov ßaxxi-
o$r]vai (Just.) = ovx sjciöeofjsvog Xovxqov (Epiph.) = lavacri
non egens (Hilar.) = /irj XQrfecov (Eclog.). Jedenfalls reprä-
sentieren die synoptischen^fauf'berichte eine wahrscheinlich durch
Marcus gekürzte und von den beiden anderen Evangelisten im
Wesentlichen adoptierte Relation, welche der erste Evangelist
aus der Quelle zum Theil (in Mt. 3, 14. 15), aber immer noch
nicht in ihrer ursprünglichen Vollständigkeit ergänzte. — Dunkel
wird das Wort von der rapina immer bleiben, aber um so mehr
auch fortgesetzter Beachtung werth.
Mt. 3, 15.
a. Ign. ad Smyrn. I, 1. p. 82, 13.
ßsßajiriOftevov vjco 'icoävvov, iva jtXrjQcofrji jtäoa öixai-
oövvt} vjc avxov.
b. Pseudo-Ign. ad Smyrn. I. p. 242, 28.
ßsßajitiöfiepov vjco 'Icodvvov, l'va jcXrjQco&fj naoa dixai-
oovvrj vjc* avxov.
c. Epiph. Anaceph. p. 153 C.
ßajtxio&cig vno 'lcoävvov . . . ., ojccog jcXtjqcoS-^j, wg avxog
£<pi]i jcäöa öixaioövvT].
d. Epiph. Haer. LXII, 5. p. 516 D.
xcu xov OcoxrJQog Xtyovxog' a<peg äoxi, ojiojq jtXrjQco&f]
jtäoa öixaioovvrj.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 3, 15. 59
e. Ephr. Syr. Ev. concord. expos. ed. Mösinger c. 4. p. 41.
et dicit: Perrnitte nunc, ut omnem justitiam implearous.
f. Ev. sec. Hebr. Epiph. Haer. XXX, 13. p. 138 C.
6 de kxcoXvoev avrov Xiycov a<peq, ort ovzojqjOTijtQtJtov
jcX?jQco9-rjvai jcdvra.
g. Mt, 3, 15.
anoxQL&eiq öh 6 'irjöovq sijtsv Jtgoq avrov acpeq aorf
ovtcoq yag jigexov koriv rjftlv nli]g<x>oai jiäoav öixai-
OOVVTjV.
In diesem Theile des Taufgesprächs, der Antwort Jesu,
dürfte die Relation der severianischen Taufliturgie nicht
so quellenmässig sein, als in der voraufgegangenen Rede des
Täufers. Die Antwort Jesu hätte nach jener Quelle p. 25 ge-
lautet: Dexteram tuam tantum impone capiti meo: et ego in
meipso baptizor apud te. Vgl. Agrapha S. 364. Freilich kehrt
p. 11 in einem Gebete derselbe Wortlaut wieder: Deus, qui di-
xisti ipsi Iohanni: Manum tuam tantum impone capiti meo: et
ego in meipso baptizor apud te. Ferner wird p. 24 ausdrücklich
erzählt: Accessit Iohannes tamquam sacerdos benedictus, et im-
posuit dexteram suam capiti Domini sui. Und noch zweimal
wird die Handauflegung als das eigentliche Mittel der Taufe,
die Jesus empfing, erwähnt, nämlich p. 36: per impositionem
manus Iohannis und p. 71: Iohannes manum suam imponebat.
Jedenfalls ist daher diese aussercanonische Relation sehr beach-
tenswerth. Aber der canonische Text von Mt. 3, 15, wenn auch
vielleicht nicht wörtlich genau mit der Quelle übereinstimmend,
steht jedenfalls der ursprünglichen Fassung näher. Die durch
Ignatius, Epiphanius (zweimal) und Ephraem beglaubigte
Lesart: l'va jzfojga>&?] jzäöa öixaioovvrj repräsentiert sichtlich einen
guten, alten aussercanonischen Paralleltext, vielleicht den Wort-
laut der vorcanonischen Quelle. Das in der canonischen Evan-
gelienliteratur als ajtaB, Xeyofievov erscheinende jtgexov koriv
ist jedenfalls ein redaktioneller Ausdruck des ersten Evange-
listen. Und da dieses ngtJtov koriv auch in das Hebräerevan-
gelium übergegangen ist, so dient dieser Umstand als spezielles
Jndicium für die Richtigkeit der in den Agrapha S. 330 ff. ent-
wickelten Ansicht, dass das Hebräerevangelium, wie es in seinen
Resten vorliegt, eine Fortbildung des ersten canonischen Evan-
geliums gewesen ist.
60 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Mt. 4, 17 = Mc. I, 15.
a. Just. Dial. c. Tryph. c. 51. p. 271 A.
xal ewjyytZi&ro xal avxog Xiymv öxi kyyvg eGxiv ij ßa-
GiXsla xmv ovgavmv.
b. Mt. 4, 17. ^
äno xoxe fjQ^aro o 'IrjGovg xtjqvGGeiv xal Xtyav fisxa-
voeIxe' tjyyixEv yao i] ßaGiXsla xmv ovQavmv.
c. Syr. Curet. aTMt 4, 17.
ajio xoxe i'jQ^axo o 'hjöovq xtjqvggelv xal Itysiv ijyyixsv
r\ ßaCuXsia xmv ovgavmv.
d. Mc. 1. 15.
v. 14. ifi&EV 6 'Irjöovc slg xijv raXiXalav x?]QVGGmv xo ev-
ayyiXtov xov öeov, v. 15. öxi jiExXrjomxaL o xaiQÖq xal
tjyyixEv ?) ßaoiXsia xov &eov' (isxavoElxe xal jiigxevexs
ev xrß EvayyEXim.
e. Cod. Cantabr. Mc. 1, 15.
Xiymv öxi üiE3iXi]Qmvxai 01 xainol, xal r/yyixsv i] ßaGi-
Xsla xov &EOV' [isxavoEixE xal jiiGxevexe ev xca Evay-
ysXim.
f. Ephraem Syr. Ev. concord. expos. ed. Mösinger p. 57.
Ideo: impleta sunt tempora, quia postea, ut ait evangelista,
regnum coelorum evangelizabitur.
g. Aphraates Hom. XII, 6. p. 192 ed. Bert.
Denn so lange er mit seinen Jüngern umherwandelte, waren
sie nur mit der Taufe des Priestergesetzes getauft, mit der
Taufe, bei der Johannes sprach: Bekehret euch von euren
Sünden.
Dieser von Lc. weggelassene, bei Mc. und Mt. programm-
artig auftretende Predigtruf Jesu zerfällt bei Zusammenfassung
aller Parallelen in drei Theile:
a) jtEJiX))omxai 6 xaiQÖg (Mc.) = jiE3iXr)omvxai 01 xaiooi (Cod.
Cant., Ephr., ltalae, auch Pistis Sophia p. 15: impleta sunt
tempora), wobei zu vergleichen Eph. 1, 10: eIc olxovofiiav
xov 3iXrjQ<a(iaxoc xmv xaiQmv, Test. XII patr. Rüben c. 6:
fiEXQi XEXEimosmg XQOvmv aQXi£QEmg XgiGxov — der Plural
xaigoi auch Lc. 21, 24. Setzt man als Quellentext voraus:
O^n ISbtt, so erklärt sich ebenso wohl die pluralische
Fassung als die Doppelvariante XQ<>vog und xaigög. Vgl.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 4, 17 = Mc. 1, 15. Mt. 4, 23. 61
Jes. 38, 1: DHn D'TOja = LXX: hv top xoiqS sxeivqy —
ferner Deut. 12,19: 7pr^-b2 = LXX: jiävra xbv /qovov
ogov av Cfiq. Nestle erinnert noch an eine Sachparallele
Dan. 7, 22: TUD^i? lapnn Kr^sfil fiSE »apn = LXX: xal
6 xaiQog scp&aoe, xal x?)v ßaoiXeiav xacioyov ol ayioi.
Vgl. Nestle Marginalien und Materialien S. 41. Der Cod.
Vaticanus hat das aramäische RüT? richtig mit <p&dv£iv
übersetzt, während die von Nestle nach Cod. Chis. wiederge-
gebene Lesart sooft?] auf einer Verwechselung beruht. Erae
Sprachparailele aber zu Mc. 1, 15 wird in Dan. 7. 22 deshalb
nicht zu finden sein, weil weder der Plural ol xaiQoi noch
das jisnXrjQOJVxai (jtsjcXrjocoxai) aus Rl3"£ sich erklärt, man
müsste denn, was Nestle anregt, eine Verwechselung von
tf-Jü und sbft annehmen, wozu aber eine Nöthigung nicht
vorliegt. Das $b°Q verbunden mit S^? ist gut hebräisch.
Vgl. Jes. 65, 20: l^-n« «Istt"1"«^ "iiB8 = LXX: og ovx ifi-
jcXyoti xbv XQbvov avxov.
b) rjyyixev t) ßaoiXtia xov &tov (Mc.) = qyyixsv rj ßaoiXsla
xoZv ovqclvcöv (Mt.) = iyyvg ioxiv /} ßaöiXsia xcöv ovoai^cöv
(Just). Auch hier ergibt sich der Quellentext aus den
Varianten yyytxsv = iyyvg ioxiv = M2i"ip> oder n^j?» ?}
ßaOiXüa xmv ovoavojv = r\ ßaötXeia xov &eov = rfiS^'ö
uyatiTl. Vgl. hierzu Schür er, Geschichte des jüdischen
Volkes II, 453 ff. Derselbe, Jahrbb. für pror. Theol. 1876
S. 166 — 187. Dort findet man die näheren Belege für den
metonymischen Gebrauch von D?ÜTÖ = &eoq. Die Über-
setzung Tj ßaoiXsia xcöv ovoavcöv, welche der erste Evangelist
bevorzugt (doch vgl. Mt. 6, 33; 12, 28: rj ßaoiXda xov dsov),
ist eine von der metonymischen Bedeutung absehende, wörtlich
hebraisierende Übersetzung des Quellen wortes Vgl. Heft 1, 1 16.
c) f/sxavoeixt (Mt.) = [lexavosixe xal jiioxevtxe hv xop evayys-
Xim (Mc). Ganz isoliert steht Ephraem mit dem Zusatz:
quia postea, ut ait evangelista, regnum coelorum evangeii-
zabitur. Vgl. Mc. 1, 14. Was Quellentext ist, lässt sich
hier schwer entscheiden.
Mt. 4, 23 = Mt. 9, 35 = Mt. 10, 1.
a. Just. Apoll, 31. p. 73 A.
xal V eoajtevovxa näoav vööov xal Jiäöav fiaXaxlav.
62 Aussercanonische Pavalleltexte zu Mi und Mc.
b. Just. Apoll, 48. p. 84 C.
ort de xal d-EQaxstOEiv jtaoag vooovc.
c. Just. Apol. I, 54. p. 90 A.
ort de jiäliv tf/a&ov jTQog)tjrevOti'ra d-EQajtsvOEiv avrcv
jtäoav vöcov.
d. Mt. 4, 23.
xal freoaxtvcov jtäoav vooov xal Jtäoav f/aXaxiav
er tot Xa<p.
e. Mt. 9, 35.
xal &£()ajt£va>v Jtäoav vooov xal jtäoav fiaXaxiav.
f. Mt. 10, 1.
xal &tpajteveiv Jtäoav vöoov xal jtäoav fiaXaxiav.
Hier liegt ein zwingender Beweis vor für die Bekanntschaft
Justins mit dem ersten canonischen Evangelium. Denn diese
Redeweise: &EoajtEveiv jtäoav vooov xal jtäoav [laXaxiav (Mt.
4, 23 =Mt. 9, 35 = Mt. 10, 1) gehört zu den signifikanten schrift-
stellerischen Eigenthümlichkeiten des ersten Evangelisten (vgl.
Weiss, Matthäusevangelium S. 46), und stammt weder aus dem
Sprachgut des Urevangeliums noch aus dem Stil des Marcus.
Die dreimalige Benützung dieser sprachlichen Eigentümlichkeit
bei Justin, namentlich aber auch die wörtliche Übereinstimmung
des ersten Citates in der grossen Apologie mit dem Matthäus-
texte, erweist unwiderleglich die Benützung des ersten Evange-
liums durch Justin ums Jahr 140. Aber trotz dieses und ähn-
licher Indicien kann man nicht sagen, dass Justin dem ersten
Evangelium einen besonders häufigen Gebrauch zugewendet habe.
Wie sich weiter zeigen wird, repräsentieren die synoptischen
Evangeliencitate bei Justin nur selten einen Text, der mit dem
ersten canonischen Evangelium vollständig übereinstimmt. —
Ein Zeichen für die Benützung unsrer Stelle und mithin ein
Beweis für den Gebrauch des ersten canonischen Evangeliums
findet sich auch Test. XII patr. Joseph c. 17: f] ipv){?} avrSv
tyvyfi (tov, xal Jtäv ccXyrjfia avrcöv aXyrjfia tuov, xal jtäoa fia-
Xaxia avzmv aG&eveia fiov. Denn f/aXaxia findet sich zwar
auch Jes. 53 3 LXX, nicht aber jcäoa fiaXaxia.
Mt. 5, 5.
a. Aiö. III, 7.
'iofri ÖEjtgavq, ejttl ol jtoaElq xX?]Qovofi?)Oovoi Trjvyfjv.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 5, 5. 63
b. Judic. Petri (Ap. KO). c. 11.
'ioß-i 6e jtoavq, exeiöi) Jtnaelq xX?]Qovoit?} öovö i x'tjv
ßaoiXeiav xcov oigavcöv.
c. Const. VII, 7. p. 202, 10,"
lafri de Jtgäoq a>q McovoTjq xcu Aaßiö, eitel ol stgaelq
xXrjgovo^rjOovcu xrjp yrjv.
d. Mt, 5, 5 (4).
fiaxägioi ol xgaeiq, oxi avxol x2.7]QOvoiur}covotv
xi)v yrjv
e. Didasc. IlTl. p- 236 = Const. II, 1. p. 14, 23.
xal ev xq5 evayyeXim ovxcoq (laxagioi ol jcgaeiq, ort
avrol xXr^govofirjoovoi x>)v y^v
f. Aphraates Hom. IX. p. 145 ed. Bert.
Die Schrift nämlich sagt: Die üernüthigen werden die Erde
besitzen und in Ewigkeit auf ihr wohnen.
Nach der Quellen- Analyse von B. Weiss (Matthäusevange-
lium S. 136 f.) ist der Makarismus Mt. 5, 5 im Unterschied von
den in v. 3. 4 vorausgegangenen nicht ursprünglich, vielmehr
von dem ersten Evangelisten seiner besonderen Tendenz ent-
sprechend aus Ps. 37, 11: fix w'-ni O'HDTl = LXX: ol de ngaelq
xX?/govo/xr]Oovot yi]V. Da wir aber im Judicium Petri der
Variante: TtgaeJq xXrjgovofirjöovöi xrjv ßaöiXeiav x<5v ovgavmv
begegnen und da zu Mt. 5, 3 = Lc. 6.20^ bei Clemens AI.
(Quis div. salv. § 16 p. 944) der aussercanonische Paralleltext:
xxoTfoq xXrjgovofioq ovgavov ßaoiXeiaq erscheint, welcher in
Jac. 2, 5: xxcoxovq xX?]oov6luovq xrjq ßaOiZsiaq eine canonische
Parallele hat, so liegt die Vermuthung nahe, dass ursprünglich
Mt. 5, 3 und Mt. 5, 5 identisch und nur durch verschiedene
Übersetzung des ^35? in Doubletten auseinander gegangen sind1),
in denen selbstverständlich die Fassung von Mt. 5, 5 mit der Les-
art: xrjv yrjv den Rückfall in die alttestamentliche Vorstellung
bedeutet. (Man vgl. das Nähere zu Lc. 6, 20b und die Varianten
Ttxmyöq, jcgavq, Jtgäoq = "»:3? zu Sach. 9, 9.) Der Gleichlaut
mit Mt. 5,5 in den Citaten der Jida^r und der Didascalia
sind mithin sichere Indicien für die Benützung des ersten Evan-
geliums.
1) Vgl. einen ähnlichen Fall von zwei kurz nach einander folgenden
Doubletten Mt. 23. 8. 10.
64 Aussercanonische Paral leitexte zu Mt. und Mc.
Mt. 5, 7.
a. Ciem. Rom. I, 13, 2. p. 28, 1.
eXeüxe, iva eAer/frrJTS.
b. Polyc, Ep. ad Phil. TIHTp. 114, 3.
et säte, Iva eXetjÖ-tjxe.
c. Clem. AlTStrom II, 18, 91. p. 476.
eXeclxe^, <prjölv 6 xvgioq, h>a eXetjO-^xb.
d. Prochorus. Acta Joannis ed. Zahn p. 73-
xai bXseixe, iv a EXsrj&fjxs.
e. Ephr. Syr. OpJTOo E.
xai' ftaxaQtoi ol sXEtiGavxEg, oxi exeI EXEtjßSjGovxai, xai'
oval xolg fifj sXsrjöaöiv, oxi ovx EX£?]&rjoovxai.
f. Mt 5, 7.
[laxä&ioi ol eXei](Jovec, oxi avxol sXE?]&?]Govxai.
g. Didasc. II, 1 p. 236 = Const, II, 1. p. 14, 25. (Const "VlI, 8.
p. 202, 13.)
oxi jtäXtv ELQTjxaL' (iaxaQioi ol EXsrjfiovEg, oxi avxol
kXEt]d-i']Govxai.
h. Cod. Colbert. Mt. 5, 7. p. 5. ed. Beisheim.
Beati misericordes, quoniam ipsis miserabicur deus.
Die in den ersten Citaten mitgetheilten Parallelen gehören
zu einem grossen Contexte, welcher von Clemens Rom. aufbe-
wahrt, von Clemens AI. wiederholt, aber auch von Polycarp
theilweise verwendet und in meinen Agrapha S. 96 f. abgedruckt,
S. 136 f. besprochen ist. In diesem Contexte erscheinen un-
mittelbar nebeneinander zwei inhaltlich gleichwerthige Text-
bestandtheile:
iXsäxE, iva hXs7}9-7JTB' apiexs, iva dcps&f] v^lv.
Der zweite Satz ist jedenfalls ursprünglich identisch mit
dem lucanischen : anoXvsxE, xai ajtoXv&r)0£G&£ und wird mit seinen
patristischen Paralleltexten zu Lc. 6, 37 näher erläutert werden.
Der erste Satz, welcher sich mit der Variante: eXeeixs — in
den Actis Joannis wiederfindet, hat offenbar in Mt. 5,7 seine
canonische Parallele, und zwar in Gestalt einer Seligpreisung,
zu welcher sich bei Ephraem ein entsprechender Weheruf er-
halten hat. Das hohe Alter dieses Weherufes: oval xolg firj
iXErjoaoiv, oxi ovx sXErj&qoovxai leuchtet aus der canonischen
Parallele hervor: t) yao xQtoig dvl?.emg xm [ii] xoir/oavvi iXeog
Texte und Untersuchungen zu Mt. 5, 7. 8. 10. 65
Jac. 2, 13a. Weiss (Matthäusevangelium S. 197) scheint die
Grnome Mt. 5, 7 für ein ursprüngliches Herrenwort zu halten
und verweist dabei auf Jac. 2, 1 3b : xaxaxavrfäxai eXsog xoioewg,
— anscheinend ohne den Weheruf bei Ephraem zu kennen.
Mt. 5, 8.
a. Clem. Hom. XVII, 7. p. 161, 33.
tva ol xaß-aool xij xanöia avxov loslv övvtj&dööiv.
b. Clem. AI. Strom. IV, 6, 39. p. 581.
fUxxitQiovq sbcev xovg xa&aoovg xtjv xapdiav, 6xi
avxol xov &e6v oipovxai.
c. Didasc. II, 1. p. 236 = Const. II, 1. p. 15, 3.
oxi jiäXiv eiQfjtar (xuxccqloi ol xa&aool xfj xaoöia,
ort avxol [xov] &sdv oipovxai.
d. Acta Pauli et Theclae (Tischendorf, Acta ap. apocr. p. 42).
{laxaQiot ol xafraooX xrj xagöia. bxi avxol xov
freov otpovxcu.
e. Mt. 5, 8.
fiaxüoioi ol xad-aool xij xaQÖia, 6xt avxol xov
&eov oipovxai.
Bei Vergleichung der Parallelen unter einander und bei
Abwesenheit aller sprachlichen Varianten ist man geneigt, in
diesem Logion nicht einen Bestandtheil des Urevangeiiums zu
erblicken, sondern ein Eigenthum des ersten Evangelisten. Aber
die Parallelen ex xattaoäg xaoöiag (1 Petri 1, 22) — Öicoxexe ^
xov ayiaöfi'v, ov %coqIq ovöelg onpexac xov xvqiov (Ebr. 12, 14)
— otpdfied-a avxov xa&eog söxiv (1. Joh. 3, 2) bezeugen das
hohe Alter des Logion. Zu diesen Zeugen gesellen sich auch
die clementinischen Homilien, doch so, dass man bei letz-
teren in diesem Fall wie auch sonst öfters ein Schöpfen aus
dem ersten canonischen Evangelium zu statuieren hat. Bei
Clemens AI., in der Didaacaiia und in den Actis Pauli et
Theclae ist ohnehin diese Annahme unausweichlich.
Mt. 5, 10.
a. Herrn. Vis. IH, 1, 9. p. 32, 3.
o elg xä 6e§iä (ieqyj xoszoq aXXoov eöxiv, xojv fjörj evaos-
oxTjxi'xcov xq> &£Ö> xal xafrövxoov sivexa xov ovofiaxog.
Texte u. Untersuchungen X, 2. 5
gg Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
b. Herrn. Vis. III, 2, 1. p. 32, 9.
x'i, (firjfil, vjtrjvsyxav; axove, <prjGiv fiaGxiyag, (pvXaxdg,
&Xiipsig {isydXag, Gxavgovg, &r]Qia eivexev xov ovofiaxog'
did xovxo exe'ivodv EGxlv xa 6e§ia fiEQij xov dyiaGfiaxog,
xal 6g lav Jid&y öia xo ovofia.
c. HermrViVIIlTöriT^bTTÖr^
ovxoi elöiv ol Jta&ovxeg evexev xov ovofiaxog xov xvq'iov.
d. Herrn. Sim. IX, 28, 2. p. 250, 21. . '
ol xa&ovxeg vjieq xov ovofiaxog xov vloi xov &eov, ol
xal xoo&vfMDg sjca&ov.
e. Herrn. Sim. IX, 28, 3. p. 250, 25.
booc ütoxl sjrad-ov öia xo ovofia, evöo^oi sIgi jiccqcc xä>
d-ecö, xal jtdvxatv xovxcov ai dfiaQxiai a<p^QE&T]Gav, oxi
ixad-ov öia xo ovofia xov vlov xov &eov.
f. Herrn. Sim. IX, 28, 5. 6. p. 252, 11.
vfielg öe ol Jidoxovxsg evexev xov ovofiaxog öoS,dC,£iv ocpsi-
Xexe xov &e6v — ovxovv fiaxagi^EXE iavxovg' . . .
eI fii) jtEJiov&axE evexev xov ovofiaxog xvq'iov.
g. Const. V; 2. p. 126, 4-
xal vfiElg ya'iQEXE xavxa üiaGyovxEg, oxi fiaxdgioi ysv?}-
GEG&E EV EXElVfl X?j IJflEQa.
h. l.Petr. 3, 14.
all3 eI xal jidofOixE 6ia öixaioGxvrjv, uaxdoioi.
i. Clem. AI. StronLirTMlTp. 581.
ftaxdgtoi, girjoiv, ol ÖEÖiooyfiEvoi evexev öixaioGvvtj g,
oxi avxol vlol &eov xXr\$r\Govxai.
k. Clem. AI. Strom. IV, 6, 41. p. 582.
fiaxdgioi, (ptjGiv, ol ÖEÖimyfiEVOi vjco xr\g öixaioGtvr/g,
oxi avxol EOovxai xeXeioi.
1. Clem. AI. Strom. IV, 6, 41. p. 582.
fiaxdgioi ol ötöicoyfiEvoi EVExa Efiov, oxi e^ovöl xojtov,
Öjcov ov öiojx&rjoovxai.
m. Polyc. ad Phil II, 3. p. 114, 4.
xal 6xi fiaxdgioi ol nxcoypi xal ol öimxöfiEVoi evexev öi-
xaioGvvrjg, oxi avxwv EGxlv rj ßaGilsia xov Q-eov.
n. Mt. 5, 10.
fiaxdgioi ol ÖEÖiayyfiivoi evexev 6ixaioGvvr\g, oxi av-
xcöv Eöxlv ?] ßaoiXda xcöv ovoavoZv.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 5, 10. 67
o. Tertull. de fuga in persecutione c. 7.
Felices qui persecutionem passi fuerint caussa nominis mei.
Es muss eigentlich befremden, dass man nicht schon längst
die Varianten: ÖEÖicoyfisvoi = öicoxofiEVOi — ütaöyovxEg = jca-
&6vrsg als Ausflüsse einer und derselben Quelle erkannt hat.Denndie
Übereinstimmung zwischen l.Petr.3,14 und dem Constitutionen-
Citate unter g einerseits und die frappante Berührung dieser
beiden Citate mit Mt. 5, 10 andererseits hätte auf die gemein-
same Quelle eines vorcanonischen Textes hinleiten sollen. Aber
freilich erst die Annahme eines in verschiedenen griechischen
Übersetzungstypen vorgelegenen hebräischen Textes gibt die
Lösung der Frage auch in diesem Falle an die Hand. Dass
auch Herrn as das Logion mit der Variante Jta&ovzeq = Jtaoxovreg
anstatt öeöcwyfie'voi gekannt hat, zeigen seine mehrlachen
Wiederholungen desselben Textes und das ^ccxccqICste in dem
Citat f, sowie die sachliche Übereinstimmung: öia ro ovofia rov
vlov rov &eov mit der Lesart bei Clemens Alexandrin us: tVExa
sfiov und die fast wörtliche mit dem Citat Tertullians: caussa
nominis mei = evexev rov ovöfiarog xvgiov. Clem. AI. bezeugt
ausdrücklich, dass dieses Logion in mannigfacher Weise variiert
worden ist. Er redet bei Einführung der drei variierenden Texte
(i k 1) von den ripeg rcav [/ezari&tvrcov ra svayyeXia. Strom.
IV, 6, 41. p. 582. Und allerdings hat in diesen Texten unser
Logion namentlich nach seiner zweiten Hälfte starke Umbildungen
erlitten. Der canonischen Fassung kommt das Citat bei Polycarp
am nächsten. Aber die auch hier ersichtlichen Abweichungen
lassen es fraglich bleiben, ob in diesem Falle eine Abhängigkeit
von dem ersten canonischen Evangelium vorliegt, oder ob nicht
vielmehr an die Benützung des Urevangeliums, aus welchem
das Logion zweifellos stammt, zu denken ist. Bei Hermas und
dem Redaktor der Constitutionen ist letzteres sicherlich der
Fall. Die Variante üiäö%Eiv (= öicöxso&ac), in welcher Herrn as
und der Redaktor der Constitutionen mit dem ersten Petrus-
briefe sich begegnen, klingt auch vielleicht in dem paulinischen:
xQivcovöi t(üv xcc&rjftaTQJV (2. Cor. 1, 7) an, während in 2. Tim.
3, 12: Jtavreg ol fttXovTtq C,/)v eiöeßcöq kv Xqiotöj 'itjöov
ÖLco^rjöovzat die Übersetzung öicoxeö&ai erkennbar ist. Andrer-
seits finden wir an Stelle des jta&ovta ijtl Ilovxiov üiXärov
5*
(Jg Äussercanoniache Paralleltexte zu Mt. und Mc.
in der Regula fidei bei Ignatius: köiooyßt} ejc\ IIovxlov HiXdxov.
TralL IX, 1. p. 50, 16.
Der Nachweis des hinter xad^uv und öioixEöd-ai liegenden
hebräischen Quellenwortes ist insofern etwas schwierig als jcd
qjeiv im Septuaginta-Griechisch sehr selten ist. Indess sowohl
Delitzsch als Salkinson geben Mt. 16, 21 = Mc. 8, 31 =
Lc. 9, 22 das dem N. T. eigentümliche jtaoyjEiv mit Hp[ wieder
und übersetzen 1. P. 3. 14: si xal xdöxoixe übereinstimmend mit
^S^PTEX 33. Die alttestamentliche Mutterstelle für das jraö^ety
des Messias ist ohne Zweifel Msyp Jes. 53, 4, welches zwar von
den LXX mit Iv xaxcoöei, von Justin aber mit xa&rjxög über-
setzt wird. Vgl. Just. Dial. c. Tr. c. 126: xal Jia&rjxög . . . öid
lHüä'iov . . . xexXr/xai, welches jta&rjxög neben na&cov in dem
Symbol Justins sehr häufig vorkommt und welches auch Act.
26, 23, sichtlich auf Jes. 53 zurückgehend, von Delitzsch wie
Salkinson mit HS? wiedergegeben wird, überdem mit dem **ys
(Sach. 9, 9 vom Messias, Mt. 5, 3 = Lc. 6, 20 von seinen Jüngern
und Nachfolgern ausgesagt) wurzelverwandt ist. Klar ist der
Ersatz dieses na&r\xbg oder xa&wv km IIovxlov UiXdxov in
dem Symbol des Ignatius durch die Worte: sÖiojx&V srii IIov-
xlov UiXdxov. Und wie dieses eötcox&r) eine wenig zutreffende
Wiedergabe von nrTQ ist, so wird man dasselbe auch von dem
ötötojyfievoc Mt. 5, 10 und dem dtoJX&rjGovxai 2. Tim. 3, 12
zu urth eilen haben. Viel tiefer, viel allgemeiner wird der Sinn
des Makarismus, wenn wir übersetzen: „Selig sind, die um Ge-
rechtigkeit willen leiden", als wenn es heisst: n verfolgt werden".
Man vgl. noch dazu 1. Reg. 2,26, wo «ISlPnn von den LXX
zweimal mit xaxovxtiöd-ai wiedergegeben ist — xaxovx^co nach
den Lexicis: schlecht halten, beleidigen, verfolgen, misshandeln,
martern, quälen. Auch sonst wird TtZ$ und H3? vielfach mit
griechischen Ausdrücken übersetzt, welche Synonyma von öioSxeiv
und öiwxto&ai sind. Die D*^1)? in v. 10 sind also eine Expli-
cation der D^D? in Mt. 5, 3.
Mt. 5,<14.
a. Hom. Clem. III, 67. p. 54, 24 ed. Lagarde.
XQfj ovv xyjv ixxXr)oiav wg jtoXiv iv vtpei (pxoöo(irj(iivqv
(piXo&sov Bxsiv xd^iv v.al öioixrjöiv xaXr\v.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 5, 14. 16. 69
b. Tatiani Ew. Harm. Arabice ed. Ciasca p. 1 5a.
Non potest civitas abscondi supra montem aedificata.
c. Mt. 5, 14.
ov övvaxai JtoXiq xovßrjvai sjtdvco bgovq xsifievij.
Durch den Text bei Tatian wird erwiesen, dass in den
Clementinen Hora. III, 67 wirklich auf Mt. 5, 14 angespielt
ist; andererseits wird es durch den Clementinen-Text offenbar,
dass die Variante aedificata = qpxoöofit]fiEV/] einen vorcanonischen
Textrest conserviert hat und dass diese Variante auf das he-
bräische rtfä% (vgl. Ps. 122, 3: -iv?3 rP^Sfi D^CIT = LXX:
qjxoöofirjfievrj coq xoZiq) zurückweist. Auch vipoq und booq
sind wahrscheinlich Übersetzungsvarianten, nämlich von Di"YQ
(= vipoq, selbstverständlich sehr häufig bei den LXX, aber auch)
= OQoq — vgl. Jerem. 31, 12: "p^-Hi-itta = LXX: kv xm ogec
JEimv. Man ersieht an letzterem Beispiele deutlich, wie ver-
schiedenartig und wie frei die griechischen Übersetzer mit den
hebräischen Texten umgingen und wie wenig genau sie an den
etymologischen Wortsinn der Quellenwörter — je nach Gelegen-
heit — sich banden.
Die ursprüngliche Verknüpfung dieses Logion Mt, 5, 14 mit
Mt. 5, 16 wird aus folgenden Parallelen erkannt. Test. XII patr.
Juda c. 20: ovx hoxc xaigoq, kv o) övvi] Gerat Xaß-elv ccv&qco-
jcmv eoya, — ferner 1. Tim. 5, 25: codavzcoq xal xa xala eoya
jiooörjXd hör iv, xal xa aXXcoq zyovxa xQvßijvat ov dvvaxai.
Prof. Nestle weist noch darauf hin, dass auch die Pe-
schittha — welche wie Tatian im Diatessaron auf die alt-
syrische Version (Curetons) sich stützt und manches Archaistische
daraus erhalten hat — ebenfalls J"P3a liest.
Mt. 5; 16.
a. Just. Apol. I, 16. p. 63 B.
Xa/uipdxco ös vfi<ßv xd xaXa eoya efutgood-ev xcöv
av&Qcöjrwv, iva ßXejtovxeq fravfid^oiGi xov jt axega
vfidüv xov ev xolq ovgavolq.
b. Clem. AI. Strom. III, 4, 36. p. 527.
xal o (ikv xioioq, xa dya&d vficöv eoya lafitydx co, e<prj
c. Clem. AI. Strom. IV, 2g7 TtTTp- 641.
Za[iipdxa> ydq öov xa egya.
70 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
d. Exe. Theod. § 3. ap. Clem. AI. p. 966.
öta xovxo elgrjxev Xafiipdxco xb cpaög Sjficöv h\ujtgoöfrev
xcöv dvfrgco jccov.
e. Euseb. in Psalm. 28, 1. 2. Migne V, 253.
jtagaivel Xeycov avxolg' Xafiipdxa) xd egya vficöv e/ijtgo-
oß-ev xcöv dv&gmjicov, ojtcoq ßXejtovxeg xa xaXd vficöv
egyaöo^docooi xbv naxega vficöv xov hv xolg ovgavolg.
f. Mt. 5, l£~
ovxcog Xafiipdxco xo tpcog Vficöv £{iJzgo6&ev xcöv dv-
d-gcöjtcov , oxmg IlÖcoOcv vficöv xd xaXd egya xal do§d-
ocooiv xbv xaxega vficöv xov sv xolg otgavolg.
g. Orig. Exhort. ad niartyr. XVIII, 6. Opp. ed. Lommatzsch
XX, 258.
Xafirpdvxcov avxcöv xcöv xdXoöv egycov efixgoö&ev
xcöv dvd-gco3ia>v.
h. Orig. in Joan. II, 1. Lommatzsch I, 90.
xb Xdfijceiv avxov xd egya efijtgooß-ev xcöv dv-
d-QCOJlCOV.
i. Orig. in Joan. II, 28. Lommatzsch I, 154.
cbv XdfiTtsi xd egya hfiJigoG&ev xcöv dvd-gmxcov.
k. Tertull. de idololatria c. 15.
Sed luceant, inquit, opera vestra.
1. Tertull. de eultu fem. c. 13.
Aut quid est: Luceant operae vestrae.
Auch dieses Logion stammt sicher aus dem Urevangelium.
Schon Weiss hat (Mt. 145) die Berührung mit 1. P. 2, 12: Iva
oo ex xcöv xaXcöv egycov exojcxevovxeg öo^döcoGiv xov &eov —
erkannt. Dazu vergleiche man Jac. 3, 13: öeigdxco Ix xr\g xaXijq
dvaöxgog)rjg xd egya — 1. Tim. 5, 25: xd egya xd xaXa -^
xgvßrjvai ov dvvavxai (letzteres zugleich . Anspielung an Mt.
5, 14) — Tit. 3, 8: iva cpgovxitfooiv xaXcöv egycov. Auch 2. P.
1, 10 ist der Zusatz: öid xaXcöv egycov als Ausfluss eines Herren-
wortes nicht ohne Weiteres als" unecht abzulehnen. In allen
diesen Varianten erscheint dieselbe Lesart xaXd egya, welche
auch Justin in Übereinstimmung mit dem ersten canonischen
Evangelium vertritt. Clemens AI. hat für xaXd die Lesart
ayad-d, welches Übersetzungsvariante von Sita sein kann l).
1) An dieser Stelle möchte ich ein für allemal Folgendes bemerken.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 5, 16. 17. 71
Allen patristischen Citaten mit Ausnahme der Excerpta
Theodoti, mithin den Anführungen bei Clemens AI., Ori-
genes, Eusebius, Tertullian, wozu Sanday (The Gospels in
the second Century p. 134. 331) Hilar., Ambr., Coelestin. nam-
haft macht, ist hinter Xappäxco (= luceant) die Abwesenheit
von ro cpdoq und der Ersatz desselben durch xa tgya gemeinsam,
und zwar gegen alle uns erhaltenen Handschriften und
Versionen. Während ferner die Varianten idcoöiv (Mt.) =
ßXexovreg (Just., Eus.) = ejtoxxevovxeq (1. Petr. 2, 12) auf iiao
zurückzuführen sind, steht Justin mit seiner Variante d-avjiä-
£co6i (für das canonische öosäowoiv) völlig isoliert. Ein Ana-
logon bietet der Septuaginta-Text zu Lev. 19, 15: 13Ö Tinin xVl
bi"i5 = ovös firj &avfiaGi]Q jzqSowjcov övvdoxov (dagegen Lev.
19. 32: ]£T ipB Pil^ni — LXX: xal rt/irjaeiq xqoCcojcov nQsoßv-
x£qov). Auch die Übersetzung der Phrase D^S NÜ3 mit ftav-
fia^scv x6 jiqoöcoxov (Gen. 19,21; Deut. 10, 17; 28,50) ge-
hört hierher.
Mt. 5, 17.
a. Hom. Clem. III, 51. p. 50, 21.
xo de xal eijtüv avxov ovx tjX&ov xaxaXvöai xbv
VOflOV.
b. Tert, adv. Marc. IV, 9.
Non veni legem dissolvere, sed adimplere.
c. Tert. adv. Marc. IV, 12.
Non veni dissolvere legem, sed adimplere.
d. Tert. adv. Marc. V, 14.
Ego non veni legem dissolvere, sed implere.
e. Didasc. VI, 19. p. 332.
ov ydg rjX&ov, (prjöl, xaxaXvöai xbv v6tuov, aXXa
jtX7]Q(Zoai.
Selbstverständlich sind dya&ä und xa).ä nicht noth wendig Über-
setzungsvarianten, sondern vielleicht nur „wertblose Synonyma". Aber der
Vollständigkeit halber notiere ich auch solche Varianten, die möglicher
Weise Ausflüsse verschiedener Übersetzung des hebr. Urtextes nicht sind.
Hinterdrein oder vielmehr von vornherein (vgl. oben S. 51 und Heft I, 155)
gebe ich ja die Hälfte der Übersetzungsvarianten preis. Es bleibt m. E.
noch genug Beweismaterial übrig.
72 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
f. Const. VI, 19. p. 181, 3.
ov yäg rjXO-ov, (prjöt, xaxaXvöai xbv v6(iov, aXXa
jiXrjQmöai.
g. Eus. Dem. evang. I, 7, 1.
ovx tjX&ov xaxaXvöai xbv vofiov, aXXd jiXrjocööai.
h. Eus. in Ps. 2, 2.
avxog öiödöxei Xiymv ovx rjXd-ov xaraXvöai xbv vo-
fiov, aXXa jtXrjgcoöai.
i. Macar. Hom. XXXVII, 3.
ovx i]Xd-ov yao, <pr}öl, xaxaXvöai xov vbfiov, aXXa
jtXrjQmöai.
k. Clem. AI. Strom. III, 6, 46. p. 532.
o 6e xvqioq ov xaxaXvf.iv xbv vofiov dg>ixv£lxai,
aXXa jiXr}Qo~)Gai.
L Epiph. Haer. XXI, 5. p. 59 C. Vgl. Haer. XXXIII, 5. Ep. Ptole-
maei ad Floram.
o xvqioc djtev ovx iqXftov xaxaXvöai xov vofiov,
aXXd jtXrjocööai.
m. Hilar. de trinit. 11. p. 284 F.
secundum quod ait: Non veni legem solvere, sed adim-
plere.
n. Hilar. Enarratio in Ps. 118. p. 863 B.
ipso dicente: Non veni legem solvere, sed adimplere.
o. Hilar. Enarratio in Ps. 119. p. 971 B.
ipse dominus nobis in evangelio auctor est dicens: Non
veni solvere legem, sed adimplere.
p. Test. XII patr. Levi c. 16.
xal avöoa dvaxaivojtoiovvxa xov vbfiov ev övvdfiei vtyl-
oxov xXävov jtQoöayoQevoexe.
q. Dial. de recta fide. Opp. Orig. 63.
xovxo ol Vovda'iöxol lyoatpav xo' ovx r}Xftov xaxaXvöai
xbv vö/uov, aXXa xXrjocoöai ovx ovxmq 6s djcev o
Xgiöxbq' Xiysi ycto' ovx fjXd-ov JtXtjocööai xbv vbfiov,
dXXä xaxaXvöai.
r. Traet. Schabbath e. XVI fol. 116; ap. Hilgenfeld. N.T. extra
canonem rec. p. 15.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 5, 17. 73
«n^Ti» b? ■'fioiab x^1) "^n« noüi «B^ni« p nns^b «b
:Wnsi mb'tti
non ut tollerem quidquam de lege Mosis veni, sed ut
adderem legi Mosis veni.
s. Koran. Sure 3. Übers, v, Ullmann S. 39. (Worte Jesu:)
Ich bestätige die Thora, die ihr vorlängst erhalten, erlaube
aber einiges, was euch sonst verboten,
t. Koran. Sure 61. Übers, v. Ulimann S. 484. (Worte Jesu:)
0 ihr Kinder Israel, wahrlich, ich bin euch ein Gesandter
Gottes, bestätigend die Thora, welche bereits vor mir euch
geworden.
u. Tert. adv. Marc. IV, 7.
ostendentem in primo ingressu venisse se, non ut legem
et prophetas dissolveret, sed ut potius adimpleret.
v. Tert. adv. Marc. IV, 36.
Salvum est igitur et hoc in evangelio: Non veni dissolvere
legem et prophetas, sed potius adimplere.
w. Praedestinat. c. 24. Corpus Haeresiologicum p. 240.
Putatis, inquit, quia veni legem destruere aut prophetas?
Non veni legem solvere sed adimplere.
x. Isidor. Peius. Epistulae. Lib. I. ep. 371. Migne LXXVIII, 394.
öoxslre ort i]l&ov jiZtjqwocu top vofiov r\ rovq jcqo-
(pijtac; f)Xd-ov xaralvoai, dkl' ov jtXrjQcoöai.
y. Mt. 5, 17.
(ir) voftiorjTE, ort ?]l&ov xaxalvGai xbv vöfiov f]
rovq JtQotprjrag; ovx ?]Xftov xaxaXvdav, aXXd jcXrj-
Qcöoai.
z. Aphraates Hom. II, 5. p. 23 ed. Bert.
Und der Herr spricht: Ich bin nicht gekommen, das Gesetz
und die Propheten zu verwerfen, sondern sie zu erfüllen.
a. Cod. Colbert. Mt. 5, 1 JTjTl Ted. Belsheim.
Nolite putare quia veni solvere legem aut prophe-
tas: non veni solvere legem aut prophetas, sed adim-
plere.
1) Ursprünglich kVn = ak\d, vb\ ist Hilgenfelds Conjektur. Siehe
unten.
74 Aussercanonische Parallelteste zu Mt. und Me.
Anm. 1. non veni solvere -\- legem D corr vet (non marg) cum
patribus aliquot latt. et vett. c h g (nach Wordsworth-
White ad locum).
Anm. 2. Den unter r aus dem Tractat Schabbath mitgetheilten
Text gibt Laible (Jesus Christus im Thalmud 1891.
S. 62 ff.) im Zusammenhang und in deutscher Übersetzung
wie folgt: „Da sagte der Philosoph zu ihnen: „Ich habe
den Schluss des Evangeliums nachgesehen; da heisst
es: Ich. Evangelium, bin nicht gekommen, wegzuthun
vom Gesetz Mosis, sondern hinzuzufügen zum Gesetz
Mosis bin ich gekommen." Den vollständigen Context
und die Erläuterung dazu wolle man bei Laible selbst
nachsehen.
Die Textgeschichte dieses Logion ist äusserst lehrreich für
das gesammte Gebiet der Evangelienforschung.
Zum ersten ist es ausser Zweifel, dass wir es hier mit einem
Wort des Herrn aus dem Urevangelium zu thun haben, obgleich
es nur von dem ersten Evangelisten erhalten ist. Denn Mt. 5, 17
bildet mit Mt. 5, 18 ein unlösbares Ganzes. Da nun der dritte
Evangelist eine Variante von Mt. 5, 18 selbständig aus der ihm
und dem ersten Evangelisten gemeinsamen vorcanonischen Quelle
in Lc. 16, 17 wiedergegeben hat, so kann der ganze Context
Mt. 5, 17. 18 = Lc. 16, 17 auch nur aus jener vorcanonischen
Quelle stammen. Vgl. Weiss, Matthäusevangelium S. 150. 151.
Zweitens ist festzustellen, dass im ursprünglichen Contexte
das Logion Mt. 5, i7 nimmermehr an der Spitze der Bergpredigt
gestanden haben kann. Diese Annahme würde vielleicht dann
Stand halten, wenn die Lesart, wie sie in den Paralleltexten a — t
wiederkehrt, die ursprüngliche wäre. Denn wenn Jesus nur von
der Erfüllung des Gesetzes geredet hätte, so würde Mt. 5, 17 in
concinner Weise als programmatische Erklärung mit der Mt. 5,
20 — 48 gegebenen Gesetzesauslegung harmonieren. Jesus hat
aber nach dem Urtexte zweifellos auch von der Erfüllung der
Propheten gesprochen, und hiervon findet sich im Contexte der
Bergpredigt auch nicht eine Spur. Es muss vielmehr das Logion
Mt. 5, 17 (18) ursprünglich in einem Contexte gestanden haben,
in welchem von dem Gesetz und den Propheten die Rede
war. Es ist hiernach drittens unschwer, den ursprünglichen Stand-
ort des Logion Mt. 5, 17. 18 nachzuweisen, weil der dritte Evan-
Texte und Untersuchungen zu Mt. 5, 17. 75
gelist in Lc. 16, 17 den nöthigeu Anhalt bietet. Denn der ganze
Context bei Lucas handelt dort von der Bedeutung des Gesetzes
und der Propheten. Vgl. Lc. 16, 16: 6 vöfiog xal ol jzqo-
(pTJrai (== Mt. 11, 13: jtdvtsg yao ol TcnocpfjTai xal 6 vo-
fiog), ferner Lc. 16, 28: e%ovgiv Mcovüta xal rovg jtnog)//-
rag und Lc. 16, 31: et Moivöecog xal zcöv JtQo<prjzcöv ovx
axovovöiv — ein Thatbestand, den Weiss (Matthäusevangelium
S. 151) nicht genügend gewürdigt hat. Es kommt weiter hinzu,
dass nicht blos Mt. 5, 17, sondern nach der jedenfalls ursprüng-
lichen Lesart, wie sie lrenaeus und Aphraates übereinstim-
mend bieten (Vgl. zu Lc. 16, 17. 18), auch sowohl in Mt. 5, 18
(nach lrenaeus) als in Lc. 16, 17 (nach Aphraates) dem ganzen
Contexte entsprechend ebenfalls beides: das Gesetz und die Pro-
pheten genannt gewesen ist1). Aus diesem Zusammenhange wird
es also evident, dass der Ausspruch, welcher jetzt Mt. 5, 17 zu
finden ist, ursprünglich nicht programmatisch die Spitze der
Bergpredigt gebildet, sondern zwischen Lc. 16, 16 und Lc. 16, 17
seinen Standort gehabt hat, wo er unter der so häufig text-
kürzenden Hand des dritten Evangelisten in Wegfall gekommen
ist. Daraus geht weiter hervor, dass die Erklärung Jesu, nicht,
wie es nach Mt. 5, 17 ff. scheint, ausschliesslich ihren Schwer-
punkt im Gesetz und in der Auslegung des Gesetzes gehabt
hat, sondern vielmehr in der Bedeutung der ganzen alttestament-
lichen Heilsökonomie (vofiog xal JiQOtyrjrai), ja dass somit auch
der vouog nach seiner prophetischen Seite gemeint war und dass
es sich um die Erfüllung der Gültigkeit der alttestam entlichen
Heilsökonomie nach ihrer ganzen geschichtlichen Bedeutung
handelte. Daraus resultiert endlich weiter mit Bestimmtheit,
dass der von lrenaeus und Aphraates zu Mt. 5, 18 = Lc. 16, 17
aufbewahrte, in den canonischen Parallelen aber getilgte Text-
bestandtheil „et prophetis" in der That ein notwendiges und
wesentliches Glied des Urtextes gebildet hat.
Der exegetische Zusammenhang der Stelle gestaltet sich auf
Grund dieses Contextes folgendermassen : Die alttestamentliche
Heilsökonomie — Gesetz und Propheten — erreichen in Jo-
1) Der Text von Mt. 5, IS lautet nach Iren. IV, 34, 2 folgendermassen:
Amen enim dico vobis, donec pertranseat caelum et terra, iota unum aut
unus apex non transiet a lege et prophetis, quoadusque omnia fiant.
76 Aussercajaonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
hannes dem Täufer ihr Ende (Lc. 16, 16* = Mt. 11, 13). In ihm,
dem Vorläufer des Messias, ist aber auch schon die neue Zeit
des Reiches Gottes angebrochen (Lc. 16, 16b = Mt. 11, 12). Was
nun die Stellung Jesu selbst zu der alttestamentlichen Heilsöko-
nomie anlangt, so geht dieselbe nicht auf eine Destruktion von
Gesetz und Propheten aus (destruere, Praedest.), sondern in ihm
vollendet sich die alttestamentliche Heilsökonomie; Gesetz und
Propheten finden in ihm ihr letztes Ziel, ihre geschichtliche Er-
füllung (Mt. 5, 17). Die entscheidende Erfüllung aber geschieht,
wie man aus Lc. 22, 37: Itym yäg vfilv, oxi btl xovxo x6 ye-
yQafifitvov Sei xsteöß-f/vai (= ozlrjQCO&rivai vgl. zu Lc. 22, 37)
tv tfiol, xo' xal fisza avöyiaiv hXoyio&r}' xal xa jteQt efjov zt-
Xoc, tx£t — einem unzweifelhaft echten Herrenworte — deutlich
ersehen kann, durch Jesu Kreuzestod. Bis dahin, wie überhaupt
bis zum Momente seiner Erfüllung, ecoq xävxa yh'7]xai, aber
auch nicht länger, behält jeder Buchstabe von Gesetz und
Propheten seine Verbindlichkeit (Lc. 16, 17 = Mt. 5, 18). Die
alttestamentliche Heilsökonomie — Gesetz und Propheten — fin-
det in Jesu ihr xiXoc (Rom. 10, 4 vgl. Lc. 22, 37), d. h. ihr Ziel
und zugleich ihr Ende. Jeder Buchstabe fällt von dem Mo-
mente der Erfüllung an dabin: jtsoslv (Lc. 16, 17). Es war also
ein Räthselwort, durch welches Jesus das, was seine Jünger in
voller Klarheit noch nicht tragen konnten, enthüllte und ver-
hüllte, ganz entsprechend der sonstigen Freiheit, welche durch
ihn Schritt für Schritt in die jüdische Welt hereintrat und durch
welche eine Fessel der alten Knechtschaft nach der andern von
selbst fiel. (Vgl. Rom. 8, 4.)
Diese exegetische Erläuterung war nöthig, um zu zeigen,
welch ein verhängnissvoller Schritt es gewesen ist, als der ju-
denchristliche Verfasser des ersten canonischen Evangeliums das
von dem dritten Evangelisten zwar an richtiger Stelle, aber nur
torsoartig erhaltene Logion (Lc. 16, 17) aus seinem ursprüng-
lichen Zusammenhang herausnahm und es Mt. 5, 17. 18 an die
Spitze der Bergpredigt stellte. In diesem Zusammenhang musste
das jtZrjQcööca xov vöfiov lediglich als eine vertiefende Auslegung
des mosaischen Gesetzes erscheinen, mussten die Worte r\
xovq jtQOfprjxag, deren Wiederholung in Mt. 5, 18 ohnehin
vom Evangelisten gestrichen war, alle Bedeutung verlie-
ren, musste der in den Worten tax; av jiävxa yewqxai liegende
Texte und Untersuchungen zu Mt. 5, 17. 77
Gedanke an die heiisgeschichtliche Erfüllung von Gesetz und
Propheten, welcher Gedanke allein dem originalen Context ent-
sprach, ferne gehalten werden, musste das Logion Mt. 5, 18 an-
scheinend eine Giltigkeit des ganzen mosaischen Gesetzes bis
ans Ende der Welt proklamieren. In diesem neuen Zusammen-
hang, in weichem die Worte ?} rovq nQocprjtaq jeden VVerth
verloren hatten, war es nur ein Schritt weiter in der Textge-
schichte, dass diese Worte, welche schon in Mt. 5, 18 gestrichen
worden waren, auch in Mt. 5, 17 völlig in Wegfall kamen, wie
die zahlreichen Citate a — t uns zeigen. An der Spitze dieser
Textgestalt stehen naturgemäss die judenchristlichen Clementi-
nen. Nirgends ist die vom judenchristlichen ersten Evangelisten
gerade in der Bergpredigt angebahnte, auch von den juden-
christlichen Testamentis XII patriarcharum vertretene {avdga ava-
xaivonoiovvxa xbv vofiov) Anschauung von Jesu als einer neuen
Auflage des alttestamentlichen Moses, als eines vertiefenden Aus-
legers des Gesetzes, so consequent durchgeführt, als in den ju-
denchristlichen Homilien, in denen von dem heilsgeschichtlichen
Thun und Leiden Jesu, obwohl es den Verfassern nicht unbe-
kannt war, nur wenige Spuren sich zeigen, während alle Evan-
geliencitate von derjenigen Seite aufgefasst sind, nach welcher
Jesus als ein Erneuerer des Sittengesetzes erschien. So auch in
der Fassung von Mt. 5, 17. Diese judenchristliche Auffassung
von Mt. 5, 17 ist bezeichnender Weise sogar bis in den Koran
und den Talmud eingedrungen. Während nun der Koran Jesus
die Thora zwar bestätigen, aber Manches, was darin verboten
ist, als erlaubt hinstellen lässt, zielt das Wort Mt. ö, 17 in seiner
talmudischen Gestalt auf eine Vermehrung des mosaischen
Gesetzes ab: «Ffi'n'i« bv iSüitfb» X5S5 = sed ut adderem legi (die
Lesart sb"i mit dem Sinn neve, so dass eine einfache Bestätigung
der Thora ohne Wegthun und ohne Zuthun gemeint wäre, ist
lediglich Conjektur)1) — , ganz in Übereinstimmung mit der That-
sache., dass ein Anhang des Talmud „Tosiphtha" = additio,
addidamenta genannt ist. Dass die betreffende Stelle im Trak-
tat Schabbath, deren Textüberlieferung übrigens im Einzelnen
1) Holsten (Prot. Kirchenzeitung 1880. No. 16. S. 320) sagt hierüber:
Wenn Hi Igen fei d an dieser Stelle jetzt kVi statt »h« liest, so ist nach
der Aussage meines Collegen Merx unter Zustimmung von Delitzsch»^
Conjektur, k!s» = nisi = äXXd alte Lesart.
7g Aussercanonische Paralleltexte zu Alt. und Mc.
sehr schwankend ist, nicht aus der Benutzung des Urevange-
liums, sondern aus einer späteren Textgestalt von Mt. 5, 17
stammt, zeigt deutlich schon die Weglassung der „Propheten"
und die Beschränkung des Logion auf die Thora. Aber auch
weder das nnB^E = tollere noch das "'SCiS = addere lassen
sich als Reste des Urtextes zu dem canonischen xaxaXvöai und
jtX?]Q(3Gai erklären. Sie repräsentieren vielmehr nur eine talmu-
dische Verschlechterung des Textes. Endlich auch die Weg-
las sung der Formel: firj vo^iorjxe setzt eine spätere abge-
griffene Textgestalt, nicht den Urtext, nicht einmal den canoni-
schen Text Mt. 5, 17 voraus. Denn dieses Einleitungswort firj
vofiiOTjtE mit seinen aussercanonischen Parallelen öoxelrs =
putatis? weist mit Bestimmtheit auf einen echten Bestandtheil
des hebräischen Urtextes hin. Die Übersetzung des Urevange-
liums, welcher der erste Evangelist folgte, hat noch einmal die
Formel: [ir/ vofiiorjxE, nämlich Mt. 10, 34. Dort haben wir dazu
eine canonische Parallele in der lukanischen Übersetzung, in
dem öoxelxe Lc. 12, 51. Es ist hier klar, dass vo[iiC,eiv und öo-
xüv wie öfters Übersetzungsvarianten des hebräischen STD'n sind.
Während aber nach Mt. 5, 17 und Mt. 10, 34 zu dem fi?] vofii-
or/xs als Urtext: 'OiönFrbx vorauszusetzen wäre, wie auch sämmt-
liche hebräische Rückübersetzungen darbieten, zeigt die inter-
rogative Fassung in der lukanischen Version doxetxs, dass viel-
mehr als Urtext 12ipnz? OPSn zu reconstruieren ist, da bekannt-
lich solche Fragesätze im Hebräischen zugleich als Verneinungen
gefasst zu werden pflegten1). Vgl. ähnliche Fälle zu Lc. 6, 32;
18, 19. Während nun für das zweimalige fir) vofiiö?]xs des ersten
Evangeliums nur zu Mt. 10, 34 eine canonische Parallele mit der
Übersetzungsvariante öoxsixe in Lc. 12, 51 vorliegt, bieten zu
Mt. 5, 17, wo die canonische Parallele bei Lucas fehlt, die ausser-
canonischen Parallelen bei den Marcioniten nach Isidorus Pe-
lusiota sowie im Texte des Praedestinatus dieselbe aus Lc.
12, 51 uns schon bekannte Form öoxtlxs = putatis? als Über-
1) Vgl. Hiob 14, 14: rrn*~ = Vulg. putasne rursum vivat? — Prov.
24, 28: Tp5|«a »""MtB = LXX: firjdh nXaxvvov oolg yslksai — 2. Sani. 7, 5:
rra "»V-nsari nnsn = LXX: ov ov olxodofir/ostq fioi oixov = 1. Par. 17. 4:
n-an ■»V-ruan r.px »h. Aus diesen Beispielen ist es klar, dass man den
Fragesatz in einen einfach verneinenden umwandeln konnte.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 5, 17. 79
Setzungsvariante. Ist dies nicht ein Beweis, dass diese Ein-
leitungsworte [irj vofitOTjze = öoxslts = putatis zum Urtexte
gehören und dass ihnen ganz wie Mt. 10, 34 = Lc. 12, 51 die
hebräischen Worte laffinri DPSH zu Grunde liegen? Wenn nun
gleichwohl die talniudische Textgestalt diese Worte nicht bietet,
sondern an die später gebräuchliche kürzere Form ovx i]Xi)-ov =
Ti^nÄ xb sich anschliesst, so ist auch dieser Umstand ein Be-
weis dafür, dass der Tractat Schabbath seine Kenntniss des
fraglichen Jesuswortes nicht aus dem Urevangelium, nicht aus
den Logia, wie Güdemann angenommen hat, sondern aus einer
schriftlichen secundären Quelle, welche auch nicht das erste ca-
nonische Evangelium gewesen sein kann (auch schon deshalb
nicht, weil unser Logion am „Schlüsse" dieser Schrift stand),
geschöpft hat.
Wer sich über die für die Quellenforschung zwar werthlose,
dagegen für die Textgeschichte sehr instruktive Benützung unseres
Logion durch den Tractat Schabbath noch näher unterrichten
will, der ist auf folgende Litteratur zu verweisen:
Rabbi Raphael Rabinowicz, Variae Lectiones in
Mischnam et in Talmud Babyionicum.
Delitzsch, Neue Untersuchungen über Entstehung und
Anlage der canonischen Evangelien. (Leipzig 1853.)
I, 22 f.
J. M. Jost, Geschichte des Judenthums und seiner Sek-
ten. (Leipzig 1858.) I, 38 ff.
Dr. M. Güdemann, Religionsgeschichtliche Studien:
Die Logia des Matthäus als Gegenstand einer tal-
mudischen Sage. (Leipzig 1876.)
W. H. Lowe, The Fragments of Talmud Babli Pesachim.
(Cambridge 1879). p. 67. 68.
E. B. Nicholson, The Gospel according to the Hebrews.
(London 1879.) p. 146 ff.
Hilgenfeld, Novum Testamentum extra canonem re-
ceptum IV. (Lipsiae 1884). p. 15. 21.
Holsten, Protestant. Kirchenzeitung. 1889. No. 16.
S. 370.
Die interessante Textgeschichte unseres Logion zeigt also
einerseits dessen ursprünglichen Standort im Urevangelium und
seine die höchste Gesetzesfreiheit athmende Bedeutung, andrer-
gO Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
seits dessen allmähliche Umgestaltung unter judenchristlichen
Händen bis zu seiner völligen Verkehrung ins Gegentheil durch
den Talmud. Hätten die Marcioniten das Urevangelium und
den Ursinn des Logion gekannt, so wäre die Umkehrung, deren
auch sie, aber in andrer Weise sich schuldig gemacht haben,
indem sie schrieben: ovx t)X&ov jiXtjqcöOüc xbv vojxov , aXXa
xaxaXvoai — für sie nicht von nöthen gewesen.
Güdemann, um seine verfehlte Ableitung des Talmud-Ci-
tates aus der unmittelbaren Benützung der hebräischen Logia zu
rechtfertigen, ist genöthigt, die Worte rj xovq jtoocprjzaq zugleich
mit dem jvX?jQ(X)öai für redaktionelle Zuthat des ersten Evange-
listen zu erklären!
Harnack schreibt mir: „Das im Talmud sich findende
Wort, dass Jesus zum Gesetz Zusätze gemacht habe, ist bei den
Apologeten, namentlich bei Tertullian (Montanistische Contro-
verse) oft variiert worden." Er verweist dabei auf Tert. de
orat. c. 1.
Mt. 5, 19.
a. Ign. ad Eph. XV, 1. p. 20, 6.
xaXbv xb dtdäöxeiv, kav o Xeya>v noiy.
b. Testam. XII. patr. Levi c. 13.
oq kav öidäoxy xavxa xal jcqcooij, övv&oovoq löxai
ßaoiXecoq.
c. Clem. AI. Strom. H, 19. 97. p. 480.
ovxoq fieyioxoq, <pr/ölv, ev xy ßaOiXeia, oq av xoifj
xal öiÖäöxy.
d. Pseudo-Ign. ad Eph. XV. p. 284, 17.
xaXbv xb öiöaoxecv, eäv o Xeyojv xoty. oq yäg av
jcocr'jOt] xal dtdäs*], ovxoq fieyaq ev xy ßaOiXeia.
e. Ephr. Syr. Paraen. XIV. Opp. IL 88 A.
xov xvqiov xal ocoxfjQoq r/(£Ö5v Irjöov XqlOxov eijcovxoq'
6 xoirjöaq xal öiöägaq, ovxoq fieyaq xXij&rjötxai ev xjj
ßaotXeia xoöv ovqavwv.
f. Mt. 2, 19b. '
oq tf av xoirj07t] xal öiöagy, ovxoq (liyaq xXrjd-röezai
ev xy ßaotXeia xcöv ovgavwv.
Ob auch Mt. 5, 19, wie Weiss (Mt. S. 151) zu meinen ge-
neigt ist, noch zu dem ursprünglichen Context von Mt. 5, 17. 18 =
Texte und Untersuchungen zu Mt. 5, 19. 20. 81
Lc. 6, 17 gehört habe, ist mehr als fraglich. Denn es hängt
dieses Logion Mt. 5, 19 mit jenem ganzen auf die Geltung von
Gesetz und Propheten bezüglichen Contexte gar nicht mehr
zusammen. Gleichwohl wird das Logion dem Urevangelium an-
gehört haben, aber in einem Zusammenhang, in welchem der
Nachdruck darauf ruhte, dass ein Lehrer im Reiche Gottes
auch ein Thäter sein müsse, ähnlich wie Jesus Lc. 8, 21 be-
tont, dass ol xov Xoyov xov &eoi> dxovovxsg auch jtotovv-
xsg sein sollen. Folglich wird auch der Sinn von Mt. 5, 19a,
dessen jetziger Wortlaut weder im Zusammenhang noch in der
Bedeutung an sich noch im Ganzen der Lehre Jesu Klarheit
besitzt, ursprünglich dahin gegangen sein, zu zeigen, dass, wer
das Wort Gottes lehrt, aber durch sein Thun seine Lehre wieder
auflöst, seine Bedeutung im Reiche Gottes selbst zerstört (v. 19a),
dass dagegen die wahre Grösse im Reiche Gottes auf der Über-
einstimmung der Lehre und des Lebens sich erbaue (v. 19b).
Nach den patristischen Citaten, unter welchen dasjenige in den
Test. XII patr. durch die Variante ovv&oovog soxai ßaoiXeoac
(vgl. Lc. 22, 30) = fityag ev xf] ßaoiXeia sich auszeichnet, könnte
vielleicht auch nur v. 19b ursprünglich und quellenmässig sein.
Mt. 5, 20.
a. Just. Dial. c. Tryph. c. 105. p. 333 B.
xavxa elorjxevcu ev xolg djtofivtjfiovevfiaöi yeygajixai' käv
firj jtBQioOEVOXi vfiäJv rj dixaioovvr) jcXelov xäiv yoctfi-
fiaxeov xai (paoiöaicov, ov [ir\ eloeXfrqxe elq x?}v ßa-
oiXeiav xmv ovqccvojv.
b. Clem. AI. Strom. III, 4, 33. p. 526.
ovzcoq yao cqc o xvgioq t(pq' kav (trj xegiöOevo?,] rj öixaio-
ovvrj vfiojv oiXeioo xaiv ygafifiaxeatv xai pagioalmv,
ovx eiüeXevoeod-e eig xt)v ßaoiXelav xov &eov.
c. Clem. AI. Strom. VI, 18, 164. p. 825.
tot£ dxovöovxat xijg yoa<pijg' eäv [iij nteovaov vficöv ?/
öixaioovv?] jcXsIov xoZv yoafifiaxeojv xai pccoi-
oalojv.
d. Macar. Hom. XIII, 1.
Xeyet ytto o xvoiog' edv (ir/ jiepiöötvoy v{ucov // öixaio-
Texte n. Untersuchungen X, 2. 6
g2 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc,
CVV7] nliov xmv yoaf/fiaxtcov xal pagioalojv, ov dv-
vao&E eIöeX&eIv elg xtjv ßaöiXiiav xSv ovoaväiv.
e. Mt. 5, 20.
Itycn yao VftTv oxi eclv (ir} xeqiööev67] vfiwv i\ öixaio-
övvtj xXeIov x(öv YQafifiaTEcov xal (paoioaimv , ov fttj
eIöeZ&t]xe eIq xi]v ßaöiXeiav xojv ovgavcäv.
Hier haben wir ohne Zweifel das ursprüngliche Thema der
nachfolgenden Gesetzesauslegung, während die sämtlichen Logia
Mt. 5, 13 — 19, wie man aus Lc. mit Bestimmtheit ersehen kann,
Einschaltungen des Redaktors aus anderen Stellen der Herren-
reden sind. Von Mt. 5, 20 — 48 an bewegen wir uns (ab-
gesehen von einigen ähnlichen Einschaltungen (Mt. 5, 25. 26 =
Lc. 12, 58. 59; Mt. 5, 29. 30 = Mt. 18, 8. 9 = Mc. 9, 43. 45. 47;
Mt. 5, 31. 32 = Lc. 16, 18 = Mt. 19, 9 = Mc. 10, 11. 12, vielleicht
auch Mt. 5, 23. 24. 35b. 36) in Cap. 5 auf dem originalen Gebiete
der Bergpredigt. Dass auch Lc. in seiner Quelle den ganzen
Context, wie ihn Mt. (abgesehen von den obenerwähnten Ein-
schaltungen) hier bietet, gelesen hat, zeigt das Zusammenmünden
der beiderseitigen Parallelen von Mt. 5, 39—48 und Lc. 6, 27 —
36. Die Varianten xZsovaoi/ = tceqksöevöi] beruhen vielleicht
auf einer Nachwirkung des hebräischen Urtextes, sei es, dass
man PQT, na*iri, welches Delitzsch anwendet, um xeqiöceveiv
wiederzugeben und welches von den LXX häufig mit xIeovoC,eiv
übersetzt wird, oder dass man "UrT1, "VfliiT, "irfi3, die gewöhnlichen
Grundwörter für das griechische üieqigoeveiv voraussetzt.
Mt. 5, 22.
a. Just. Apol. 1, 16. p. 63 B.
oq 6* av oQyco&ij, Evo%6q toxiv slq xo jcvq.
b. OrTg. Philocal. XXlT
bq av onyio&ij xm aÖEltpw, EVo%oq eöxcci x(] xq'ioei^
c. Iren. 11, 32, 1.
et non solum qui occidit, reus erit occisionis ad dam-
nationem, sed et qui irascitur sine caussa fratri suo.
d. Iren. IV, 13, 1 = IV, 16, 5.
Et iterum: Dictum est: Non occides. Ego autem dico
vobis: omnis qui irascitur fratri suo sine caussa, reus
erit judicio.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 5, 22. 83
e. Cassian. Instit. VIII, 21. p. 164.
in quibusdam exeniplaribus invenitur: qui irascitur fratri
suo sipe caussa, reus erit judicio.
f. Philastr. c. 131. Corpus haeresiol. p. 144.
et dominus: qui irascitur fratri suo sine caussa, reus
erit judicii.
g. Didasc. II, 53. p. 275.
o ogyi^ofiEVOg xrß aöeXrpoy avxov eixtj lvo%og töxai
xij XQiöee.
h. Const. II, 53. p. 79, 21.
o ooyi^öfievog 'yag xw a6iX<pm avxov slxrj Ivoyog
toxat x ij xQioei.
i. Cod. Colbert. Mt. 5, 22. p. 5 ed. Belsheim.
Ego autem dico vobis, quia omnis qui irascitur fra-
tri suo sine causa, reus erit in judicio.
k. Diatessaron ed. Ciasca p. 15b.
Ego autem dico vobis: Quia omnis, qui sine causa irasci-
tur fratri suo, reus erit judicio.
1. Cod. Cantabr. = Syr. GurTSt. 5, 22.
tycb 6h Xtym vfilv oxi jcäg 6 oQyiC,6fisvog xcö a6tX<pcp
avxov eixij Ivoyog toxai xij xqiosi.
m. Eus. Dem. ev. IX, 11, 25.
t/xovöaxe oxi sQQtfhi xolg äoyaiotg, ov povsvosig'
eycb 6h Xtym vfilv fiijöh doyi&od-ai eixtj.
n. Eus. Dem. ev. I. 7, 12.
eXey&tj xolg aoxaioiq, ov (povevoeig' iycb 6e Xeyat
vfilv fjijöe ooyi^eo&ai.
o. Eus. in Ps. 70, 8 sqq. Migne V, 781.
ttQQt&Tj xolg a(>x«totg, ov (povevoeig' eyco 6h Xe'yta
/ti]6t ooyiCeofrai.
p. Nicet. Byzant. adv. Moham. Confut. IX, 64. Mai IV, 374.
xal 6tjXop öxi ev xo? ixeivoig fiev Xe'yto&ai, fit/ tpovev-
Gai, r/fiiv 6e fit) oQyiö&ijvai.
q. Epiph. Haer. XXXIII, 6Tp722ü D.
xo yag ov (povevoeig, ov fioiftevoeig, ovx ejiiOQXtjöeig ev
tw l*ljöj^Qyi0®*ival fty6e ejrifhvfttjoai fit/6e ofidöai xegtei-
Xrjxxai.
6*
84 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
r. Hom. Clem. XI, 32. p. 118, 30.
kav ol Iv xfj ütlavxi H?} povevmöiv, tjfislq firjöh ogyjr-
C.ojf/tfra. — XIII, 18. p. 139, 21. ov Xvjcei, ovx eixi] (ictye-
xat, tavxov nioiyxov ov jcolbi. — X, 12. p. 103, 30. soxiv
evoxog xij xq'igei.
Cassian schreibt über fragliche Stelle Jnst. lib. VIII cap.
XXI p. 164, 19—165, 6:
Sciendum tarnen in eo, quod in quibusdam exemplaribus
invenitur: qui irascitur fratri suo sine causa reus erit iudicio,
superfluum esse sine causa et adiectum esse ab his. qui ampu-
tandam irarn pro iustis causis minime putaverunt, cum utique
nullus quamlibet absque ratione coramotus sine causa se dicat
irasci. quam ob rem apparet ab eis adiectum, qui propositum
non intellexerunt scripturae volentis fomitem iracundiae omni-
modis amputare nullamque indignationis occasionem penitus re-
servare, ne, dum iubemur irasci cum causa, etiam sine causa ira-
scendi nobis intromittatur occasio. finis enim patientiae non in
irascendo iuste sed in penitus non irascendo consistit. licet a
quibusdam hoc ipsum quod dicitur sine causa ita interpretari
sciam, quod scilicet sine causa irascatur is, cui expetere ultionem
irato non liceat. melius tarnen est ita tenere, ut et novella exem-
plaria multa et antiqua omnia inveniuntur esse perscripta.
Obwohl also Cassian behauptet, dass in allen alten Hand-
schriften die Lesart rixij = sine causa fehle, so zeugen doch die
Clem e n tinen,Irenaeus, die Didascalia, die Constitutionen,
Eusebius, vor allen Dingen aber der Syr. Cur., der Cod.
Cantabr., Tatians Diatessaron und die alten lateinischen
Versionen, sowie viele andere Instanzen für das Gegentheil. Na-
mentlich ist das Zusammentreffen der ältesten syrischen Version
mit dem Diatessaron, sowie mit der altitalischen Tradition und
der griechischen Handschrift D ein Beweis dafür, dass der Arche-
typus, aus welchem diese vier Ströme geflossen sind1), diese
Lesart schon vertrat und dass sie mithin vor der Mitte des
zweiten Jahrhunderts bereits vorhanden gewesen sein wird.
Allerdings fehlt der Zusatz tixrj bei Justin, sonach in dem
1) Vgl. Heft I, 47.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 5, 22. g5
ältesten Citat, welches wir von dieser Stelle besitzen, und zwar
bei einem Schriftsteller, der sich mehrfach mit der Tradition des
Syr. Cur. und des Cod. D berührt, während in der pseudojusti-
nischen Schrift Ep. ad Zenam et Serenum c. 11, p. 511 D der
Zusatz in einem sonst mit dem canonischen Texte übereinstim-
menden Citate sich findet. Die Varianten, in denen der Ein-
gang des Logion sich repräsentiert (de av oQyio&y} = jcäg 6
oQyiC,o(i£Vog = o ogyi^ofisvog), entsprechen ganz ähnlichen Ver-
schiedenheiten in der Construktion, wie sie häufig auch sonst in
den canonischen Recensionen desselben Urtextes auftreten. Z. B.
jtäg o axolvcov Mt. 5, 32 = Lc. 16, 18 = dg av äjioZvo?] Mc.
10, ll = Mt. 19, 9= n^Tö^rrbS. Wahrscheinlich ist im he-
bräischen Urtext in allen ähnlichen gnomenartigen Aussprüchen
die Participialconstruktion mit bb gebräuchlich gewesen, und ist
die ungriechische Wendung: xäg 6 axolvcov — nag 6 aixmv —
jtäg o ßXtJimv — xäg o ooyiCofisvog u. s. w. als hebraisierende
Version zu betrachten gegenüber der besseren griechischen Con-
struktion durch Auflösung des Partizipialsatzes in einen mit og
av oder og hav oder oöxig eingeleiteten Relativsatz. Dabei ist
es wichtig wahrzunehmen, dass diese Übersetzungsverschieden-
heiten nicht blos in den canonischen Parallelen der Synoptiker,
sondern auch in aussercanonischen Texten vorkommen,
namentlich auch da, wo solche Logia nur durch einen Synop-
tiker — wie hier Mt. 5, 22 — uns erhalten sind. Man vgl. z. B.
noch die Varianten zu Mt. 5, 28: Jtäg 6 ßlejtcov — jtäg 6 idoiv
= jcäg o jrnooßltjia)v = Jiäg oGxig efißsJif)?] = og av i/ußXty)?,^
Diese Bemerkungen werden genügen, um in ähnlichen Fällen
als Erläuterung zu dienen, auf welche Bezugnahme stattfinden
kann.
Eigenthümlich sind noch die gleichmässig wiederkehrenden
Infinitive: (iTjöh öoyi&G&ai (Eus.) =?= ftr/ÖE ooyio&rjvai (Epiph.)
= (i7j ooyio&rjvai (Nicetas). Man vgl. dazu das (tr/de Imd-vtitlv
zu Mt. 5, 28.
Endlich sind noch folgende unter einander verwandte An-
klänge an unser Logion zu notieren. Hom. Clem. XIX, 21
p. 187, 12: Jtlt}v a(iicgcp avxtj (sc. rfj ooyij) ng XQ7}Ga(ievog aöi-
xzl, xax a^iav de xQ^ptvog xd öixatov ixxsXsl. • Hom. Clem.
XX, 4 p. 191,12: ovxco ör) xal am x/jg ooyyg toxi loyioao&at, ort
öixaimg (i\v avxf/ xig yQr}oä(jfvog cog eZsGxiv, evGeßsi, jtaoa de
86 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
xo (iexqov EgsXfrojv xal £avx<p xtjv xqlolv Xaßcov äoeßsl. Ju-
dicium Petri c. 8. 6 &vj/6q vjiäv (iexqov tytrco.
Mt. 5, 23. 24.
a. Aphraates Hom. II, 14. p. 31 = Hom. IV, 7. p. 63 ed. Bert.
Und wiederum spricht er: Wenn du ein Opfer opfern willst,
und erinnerst dich, dass du von einer Feindschaft ergriffen
bist gegen deinen Bruder, so lass dein Opfer vor dem Altar
und gehe und versöhne dich mit deinem Bruder, und als-
dann komm und opfere dein Opfer.
b. Mt. 5, 23. 24.
idv ovv jcQOG<ptQi]q xo öojqov Oov tjil xo &vGiaGxt'jQiov
xdxel ftvrjöfrijgi öxi 6 aÖEX<poq oov e\el TL xa?a oov, cupEc
exeI xo öcöqov oov EfutQoo&ev xov &voiaoxTjQiov xal vjcayt
jiootzov , öiaXXäy?]&i xm aÖEXcpcö oov, xal xoxe eX&ojv
7iQÖ0(peoe xb öcöqöv oov.
Es ist gewiss merkwürdig, dass, während zu den verwandten
Herrensprüchen Mc. 11, 25; Mc. 6, 14 sich canonische und ausser-
canonische Parallelen finden, das Logion Mt. 5, 23. 24 weder ca-
nonische noch patristische Anklänge in der Zeit vor Irenaeus
(Iren. IV, 18, 1) aufzuweisen hat. Die Textgestalt desselben bei
Aphraates beruht wohl nur auf einer freien Wiedergabe des
canonischen Matthäustextes. Eine noch weitergehende Umge-
staltung bei Aphraates ist wiedergegeben Agrapha S. 441.
Mt. 5, 27. 28.
a. Theophil, ad Autol. III, 13.
r\ öe EvayytXioq <pcov?j sjuxaxixcoxEQOv öiöäöxEi jieqI ay-
vnaq Xeyovöa' Jiäq o löcov yvvalxa dXXoxQiav TiQoq xo
£jii&v(i?JGai avzTjv t^ötj iftoix^vOev avxtjv ev tjj xao-
öla avxov.
b. Clem. AI. Strom. II, 11, 50. p. 455.
o^d»v^rgo£ exifrvfiiap sfioixsvoev.
c. Athenag. Legat, c. 32. p.^OT ed. Schwarte.
o^yag ßXejcmv , (prjoi, yvvalxa Jtobq xo £jiid-viui}oai av -
xijq ?}öt] (isfioixsvxev sv'xrj xaoöia. axxov.
d. Macar. de patientia et discr. c. 8.
mq yao o ßXijimv yvvalxa Jtgoq xo Ejttd^vfiijoai xayxtjv
ev xfi xaQÖla fiEfioixsvxE.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 5, 23. 24. 27. 28. 87
e. Mt. 5, 27. 28.
tfxovöaxs oxi sggs&t] [Syr. Cur., Iren. IV, 13, 1 add: xolg
agxaioig]' ov fiotxtvösig' syo) 6h Xsyco vfilv oxi üiäg
6 ßXsjicov yvvaixa ngog xo tjtiß-vfirjoat ?]6t] sftoix^vösv
avxrjv sv xtj xag6ia avxov.
f. Clem. AI. Strom. III, 2, 8. p. 513.
6 fiev yag (sc. o vSfioc) <pr]0iv ov fioixsvosig, xö 6h
(sc. xb svayyt'Xiov) „Jiäg ojtgoOßXsjtcov y.ax exid-vfiiav
?j6rj £[ioix£vGEv" Xsysi.
g. Clem. AI. Strom7TV7l8, 116. p. 615.
sycö 6h Xsyco' o sfißXsrpag xy yvvaixl jcgög sjci&vfiiav
r}6t] fisfioixsvxsv.
h. Didasc. I, 1. p. 226 = Const. 1, 1. p. 2, 9.
sv xcß voficp ysygajtxai' ov fioixsvosig' [sycö 6h Xsyco
vfilv — Didasc. om.j, xovx' soxiv sv xco v6(iq> xcß 6ia
McovOscog sycö sXaXrjöa, vvv 6s o avxög vtiiv Xsyco' nag
öoxig sfißXstpsi sig xi)v yvvalxa xov jiXtjO'tov Jtgög xo fnT-
&vfifjoai avxfjv , i]6r\ sfioiy^svosv avxijv iv xf] xag6ia
avxov.
i. Just. Apol. I, 15. p. 61 E.
tcsqI iisv ovv oco<pQoovvr)g xooovxov sijisv og av sfißXsrpt]
yvvcuxl nobg xo sjti&vft?}oai avxijg ij6/] sfiolxsvos xrj
xagöia jiagä xcß freco.
k. Just. Apol. 1, 15. p. 62 \.
xcu ol vöficp avfrgcomvcp öiyafiiag jioiovfisvoi, afiagxcoXol
xagä xm r/fisxsgcp 6i6aoxcxXco sioi, xal ol jrgoößXsjtovxsg
yvvaixl Jigög xö sjiifrvfirjöai avxrjg.
1. Ephr. Syr. Ev. concord. expos. ed. Mösinger c. 6. p. 66.
Audistis quia dictum est: Non adulterabis. Sed ego dico
vobis: Quicumque aspicit et concupiscit, adulterat.
m. Clem. AI. Strom. ^71371*27^? 882.
firj sfißXttprj 6h Jigög EJtiftvfiiav. aXXoxgia yvvaixl.
n. Clem. AI. Strom. III, 4, 30. p. 525.
xov xvgiov cpt)oavxog' sycö 6s Xsyco, fii] EJii&vfiTJGijg.
o. Clem. AI. Strom. II, 14, 61. p. 461.
xät 6 EfißXstyag jtgog sjti&vftlav xgivtzai. 6iö „fit] 6s
sxi&vfirfoyg" Xtysi.
p. Clem. AI. Strom. III, 11, 71. p. 543.
g8 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
r'jXovGate xov vofjov xaxayyeXZovxoq' ov fioiyevoeiq. eyco
öe Xeyco' ovx ejti&vfirjGetq.
q. Clem. AI. Protrept. X, 108. p. 85.
xai' ovx e.xi&vurjGetg, erti&vfiia ydg uovr/ Lietioiyev-
xaq.
r. Hohl Clem. XI, 32. p. 118, 31.
edv o ev xlavq ui\ itoiyevrj, 7juetq x?)v agy/jV urt6t ev-
&VfI7j&0Ö[J£V.
s. Clem. ArStrom. II. 15, 66. p. 463.
6 yag ixifrvpTMfaq ij6rj ueuoiyev/.e. uprfiiv.
t. Eus. Dem. ev. I. 6, 17.
egge'frr/ xolq agyaloiq' ov /uoiyevGetg, eyvj 61 Äeyco vulv
(tnfik Tf,V KQ'/Jl1' tXl&VfltlV.
u. Eus. Dem. ev. I, 7, 12.
lliyßrj xolq dgyaioiq' ov fioiyevGeiq, lyco 6e Xeyco vulv
tirjöh ercid vuelv.
v. Eus. in Psalm. 70, S sqq.
egge'&Tj xolq agyaloiq' ov itoiyevoeiq, lyco 6s Xeyco fujde
e.~ri& vuelv.
w. Herrn. Bland. IV. 1. p. 76, 19.
xai ur) dvaßaivixco oov Im xt)v xagöiav xegl yvvaixoq
dXXoxgiaq rj negl xogveiaq xivöq // jrepi xoiovxcov xivcöv
Ofioccouäxcov ütovr/gcöv.
Auch hier haben wir zu dem canonisch gewordenen Text
von Mt. 5, 27. 28 zwar keine canonischen Parallelen, aber eine
desto reichere Auswahl aussercanonischer Paralleltexte mit den
mannigfaltigsten Varianten, welche fast sämtlich auf einen ge-
meinsamen Quellentext hinweisen und m. E. nur als verschiedene
Versionen des Logion zu erklären sind, wie solches in der he-
bräischen Quellenschrift vorgelegen haben mag. Die Varianten:
ev xcp voiico yeygaitxai i Didasc, Constj — rjxovoaxe tov vouov
xaxayyeXXovxoq (Clem. AI.) = o vöuoq fprjcip iClem. AD =
lxoioaxe oxi enge&r} [xolq dgyaioiq = eXeyd-}/ xolq dgyaioiq
(Eus.) = ab antiquis Cod. Colb.i können zwar nicht als Über-
setzungsvarianten angesprochen werden. Aber möglicher Weise
ist die aussercanonische Lesart ev xcp vöiicp die älteste und ur-
sprüngliche. Dahin weist auch der folgende Text in Jobii
Texte und Untersuchungen zu Mt. 5, 27. 28. 89
Mon. Comm. lib. III, 12. ap. Phot. cod. 222 p. 584: coojieq 6
öcqxtjq' eQQi'i&r], liycov , xcu voficp raÖB' kycb öh Xeyco vfilv
taÖE' zumal, da in diesem Texte gerade die beiden Gegensätze
zwischen dem vofioq und dem ocoxr/Q als solche — also ohne
jegliche Bezugnahme auf den (nicht citierten) durch xctöe nur
angedeuteten Inhalt — pointiert sind. Auch schon Celsus
scheint denselben Text vorauszusetzen. Vgl. Orig. c. Cels. VII,
18, wo Celsus sagt: o ö* vloq ctoa avxov 6 NaC,wQaloq av&oco-
jcoq ävxivofiod-sxel (sc. adv. Moysen). Möglicher Weise ist
also die ursprüngliche scharfe Antithese zwischen dem vöfioq
und dem kycb öh Xeyco vy.lv in dem Munde Jesu bei der früh-
zeitig eingetretenen Überschätzung des A. T. in der altkatho-
lischen Kirche anstössig geworden und sollte durch den Ersatz:
tQQt&r] [rolq ctQxaioiq], jedenfalls durch Weglassung des kv reo
voficp gemildert und verwischt werden. Auf diese Möglichkeit
weist der in der Didascalia und den Constitutionen ent-
haltene epexegetische Zusatz hin, wenn zu dem Citat kv reo vo-
fiep yt'ygajixai bemerkt wird: xovx höxiv kv xeo v 6 fiep xeo öta
McovGEeoq kyeo kXäXrjöa, vvv öh 6 avxoq vfilv liyeo. Sicher
geht aus dieser Epexegese hervor, dass die Didascalia und der
Redaktor der Constitutionen wirklich anstatt des kooed-7] [xolq
aQxaloiq] gelesen haben: kv xep vouep yeygajtxcu. Indem aber
durch die beigefügte Epexegese auch schon im Gesetz Jesus als
der Redende gedacht und als identisch (o avxoq) bezeichnet wurde
mit dem, der im Evangelium redet, wurde die Antithese aus den
Subjekten verbannt und lediglich zu einer Verschiedenheit der
Offenbarung in der Entwickelung der Zeiten (vgl. vvv 6t) herab-
gemindert. Hierbei ist übrigens zu bemerken, dass die Auffassung,
Jesus habe sich schon im Gesetz geoffenbart, auf ein Agraphon
hinzuweisen scheint, welches, obwohl es bei Epiphanius als
Herrenwort fünf mal wiederkehrt, in meiner Sammlung der
Agrapha leider übersehen worden ist. Dasselbe findet sich gleich-
lautend bei Epiphanius an folgenden Stellen: Ancor. 53. p. 56 C;
Haer. XXIII, 5. p. 66 C; Haer. XLI, 3. p. 301 BC; Haer. LXVI; 42.
p. 655 B.; Haer. LXVII; 3. p. 712 A. (vgl. auch Haer. XLI, 1. p.
300 B.) und lautet: o laXeov kv xolq JiQoeprjxctiq, iöov jiclq-
ttfii. Wer den vofioq von der prophetischen Seite auffasste
und zu den jiQocprjxai rechnete, konnte aus jenem aussercano-
nischen Herrenwort die Anschauung ableiten, welche durch die
gO Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Didascalia und die Constitutionen Jesu in den Mund gelegt
ist: kv tg) votucp öia Mcovotcog tyco kXäX?]öa.
Soviel über die einleitenden Worte von Mt. 5, 27. Wenden
wir uns nun zu dem Herrenspruch in Mt. 5, 28. Hierzu ver-
gegenwärtige man sich folgende Varianten:
jtäg 6 lö(ov yvvalxa (Theoph.), o iöcov (Clem. AI.)
6 ßXt'jtcov yvvalxa (Athen., Mac.)
jtag 6 ßXsxcov yvvalxa jMt.)
jiäg 6 JiQOOßXijiow yvvalxa (Clem. AI., Eus.)
o ttußXtipag xTj yvvaixl (Clem. AI.)
jiäg öaxig 1/jßXitpi] eig xrjv yvvalxa (Did., Const.)
6g av kfißXtiptj yvvaixl (Just.).
Erinnert man sich an das zu Mt. 5, 22 über Jiag 6 ooyi-
Cofisvog und über die dortigen aussercanonischen Varianten Ge-
sagte, so wird man keine Ursache haben, die Erklärung dieser
Varianten als verschiedener Übersetzungsvarianten des hebräischen
Urtextes: ni&yrbx 'ü^S'EJl-bS zu beanstanden, wobei besonders
das n©X"bX in den Versionen slg xfjv yvvalxa und xij yvvaixl
sich wiederspiegelt. Ebenso variiert der folgende hebräische Satz-
theil: nnk "rtanb in den Parallelen:
jTQog xo sjiifrvfiTJöai (Clem. AI., Mt.)
Jigbg ijii&vfiiav (Clem. AI.)
xax sjtiß-vfiiav (Clem. AI.)
jtgbg tc £Jti&v(it~ioai avxrjv (Theoph., Didasc. Const.)
jiQog xb kjti&vfif/öai avxijg (Athen., Just.)
jcQog ro ejtifrvptjöai xavx?jv (Mac.)
Endlich das hebräiscbe isba nriK C]i?3 lebt fort in den grie-
chischen Parallelen:
tfioixtvöev avxrjv kv xy xagöia avxov (Theoph., Mt., Didasc.
Const., Just. u. s. w.)
fis/xoixtvxev kv xij xagöia avxov (Athen., Mac.)
Es ergibt sich mithin für sämratliche Varianten folgender
hebräischer Quellentext:
:i3ba anä ?|«3 nnx -rärjb [rnnsj] nf»-b« MErrbs
Der aussercanonische Zusatz aXXoxoiav (bei Theophilus), aX-
Xoxgia (bei Clemens AI.), dXXoxQiag (bei Hermas) muss in An-
betracht des Zusammentreffens dieser verschiedenen Schriftsteller
für sehr alt erachtet werden und war jedenfalls in nicht wenige
Texte und Untersuchungen zu Mt. 5, 27. 28. 33. 91
Handschriften frühzeitig eingedrungen. Dagegen der Zusatz
jiaoä xcö 9-ecö in dem Citate Justins ist nur als eine schrift-
stellerische Epexegese zu betrachten.
Mt. 5, 33.
a. Aphraates Hom. XXUI. p. 412 ed. Bert.
Darüber hinaus gebietet unser Erlöser: Du sollst keinen
falschen Eid schwören. Und wer da schwört, soll des Ge-
richts schuldig sein.
b. Aphraates Hom. XXIII. p. 415.
Deshalb ermahnt unser Erlöser: Ihr sollt bei euch selbst
nicht schwören; denn der Herr wird den nichT^mgestraft
lassen, der bei seinem Namen falsch schwört.
c. Mt. 5, 33.
jiäXiv t/xovoaxe oxi eootd-?] xolq ctQ^aloiq' ovx tJtiooxf'/Oeig.
ajtoöcöouq öe xcö xvq'ico zovq öoxovq oov.
d. ExodTio/T^
ov Xf'jtptj xo ovofia xvqiov xov &eov oov sjtl [taxaiqi' ov
yuo n?j xa&agioy xvoioq 6 &sog oov xov Zccfißävovxa xo
ovo[ia avxov kjuuaxaicp {sie, elxü, Cod. AI.)
e. Levit. 19, 12.
xal ovx ofielofre xcö ovöpazi ftov hx aölxqj, xal ov ßeß?j-
Xcooexe xo ovo^ia xo dyiov xov dsov vficov' iyco elui xv-
Qioq O &£Oq VfJLCÖV.
f. Deut. 23, 21. (22).
täv 6h evt-T] £v%r\v xvoiep xcö itscö oov, ov XQovisZq axoöovvai
avxi)v ox.i sxQrjxcöv ex^rjxrjoei xvqioq 6 &eoq oov naget
oov, xal hoxai iv ool afiaoxia.
g. Diatessaron ed. Ciasca p. 16a.
Iterum audistis, quia dictum est antiquis: Non perjurabis,
sed clama ad Deum in fide tua.
Bei der Auslegung des Gesetzes, in welcher Jesus wesent-
lich nur auf die zweite Tafel Bezug nimmt, ist zweierlei sehr
merkwürdig, erstlich die Anordnung der Gebote, und zweitens
der Wortlaut von Mt. 5, 33. 43. Die Anordnung der Gebote ist
folgende :
Mt. 5, 21: ov cpovtvouq
27: ov fioixsvOsiq
92 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Mt. 5, 33: ovx EJtioQxrjGEiq
43: äyaxrjGsiq xov jiXtjöIov öov xal fic-
o/jösig xov ex&Qov oov.
Diese Anordnung, in welcher der Meineid als eine zur
zweiten Tafel gehörige Sünde wider den Nächsten erscheint, ent-
spricht in keiner Weise der Reihenfolge der Gebote in Ex. 20.
Man vergleiche
LXX. Ex. 20, 13. ov (/oixtvöeig
14. ov xkerpeiq
15. ov <povevö£iq
16. ov tytvöofiaoxvQrjöeiq xaxa xov jiXrjöiov oov
(laoxvQiav ipsvörj.
Auch Lev. 19 ist eine abweichende Reihenfolge der Gebote
zu beobachten, aber insofern ist eine Ähnlichkeit mit der An-
ordnung in Mt. 5 vorhanden, als Lev. 19, 12 das Verbot des Mein-
eids unmittelbar mit den Geboten der zweiten Tafel zusammen-
hängt.
Noch merkwürdiger ist aber in Mt. 5, 33 und 43 der Wort-
laut. Vergleiche, was Mt. 5, 43 anlangt, die zu Lc. 6, 27 zu
gebenden Erläuterungen. Hier, bei Mt. 5, 33, ist zu constatieren,
dass der Wortlaut
ovx ejcioQxrjGeiq
im ganzen A.T. sich nicht wiederfindet, dass aber am nächsten
kommt Lev. 19, 12: IjjttÜS ittfln WS©n xVr=LXX: xal ovx
6(i€lo&e xcö ovofiaxl (iov ex aölxco oder wie es besser griechisch
wiedergegeben werden könnte: xal sv xm ovofiaxi (iov ovx
IjuoQx/jOexs. Denn "(püb ?2ttb ist gleich sjcioqxbIv. Wenn man
nun sich gegenwärtig hält, dass nach der in diesem Fall sicher-
lich begründeten Quellenkritik Wellhausens und Anderer in
Lev. 19 gewiss öfter als sich genau nachweisen lässt, der Wort-
laut älterer Quellen beibehalten ist, sowie, dass der in Lev. 19
benutzte Urtext in der Anrede das „Du" erhalten habe, während
das „Ihr", welches mehr als einmal in Collision mit dem Con-
text komme, der Hand des Bearbeiters angehöre, so ergibt sich
als Urtext von Lev. 19, 12 für das Verbot des Meineids die
Fassung: "iJ5T©b ^EÜS JPDt&ri X'b, also fast wörtlich: ovx sjiioq-
xfjoEiQt mithin der sonst im A. T. nirgends nachgewiesene Wort-
laut, welcher Mt. 5, 33 in der Bergpredigt enthalten ist. Gewiss
sehr merkwürdig! Und merkwürdig ist es nicht minder, dass
Texte und Untersuchungen zu Mt. 5, 33. 34. 35a. 93
seiner Zeit von dem so unglücklich geendeten Schapira genau
dieser Text: "ij?tBb ■'"COa ttVST} xVl — produziert worden ist.
Der Zusatz in Mt. 5, 33: ajtoöojosig ös xcp xvglco xovg ög-
xovq oov klingt an Deut. 23, 22 an (hebräischer Text), ist aber
auch weder an dieser Stelle noch sonst wo im mosaischen Gesetz
wörtlich wieder zu finden. Für diesen Zusatz bietet Aphraates
unter a) den anderen: „Und wer da (falsch) schwört, soll des
Gerichts schuldig sein", offenbar aus Mt. 5, 21 herübergenommen.
Ganz abweichend hat das arabische Diatessaron: sed clama ad
Deum in fide tua. Das zweite Aphraates-Citat gibt mit der
auffälligen Variante „bei euch selbst" im wesentlichen den Text
von Ex. 20, 7 wieder. Der Cod. Colbertinus hat auch hier (wie
Mt. 5, 27): dictum est ab antiquis.
Mt 5, 34. 35»
a. Just. Apol. I, 16. p. 63 D.
xegl de xov firj of/vvvai oXojg, xaXrfri] öh Xeysiv äei, ov-
xcog jcagexeXsvoaxo (ii) oiiöorjxe oXatg.
b. Const. VII, 3. p. 200, 11.
ovx ijtiOQxrjOEiq- iggi&rj yag (irj ofiooai oXcog.
c. Epiph. XIX, 6. p. 44 C.
xal jcäXiv ev xop svayyeXlqp Xsyovxog' fir) dfivvvai (irjxe
xbv ovgavov [ir'xe xr\v yrjv (ir/xs exegov xiva ogxov.
d. Jac. 5, 12.
jigo jcccvxcov öt, äöeXcpoi [iov, firj ofivvExe fir'jxe xov ov-
gavov (irjxe xi)v yr\v fit'jxe aXXov xiva ogxov.
e. Hom. Cl. III, 56. pTöl,^.
xolg öh avxov öiaßsßaiovfievoig kv vaco slvai styl]' fiV
ofioOTjxs xov ovgavov, 6x1 &gövog &sov söxiv, firxe
xr/v yijv, oxi vjcoxoötov xcöv jioöojv avxov köxiv.
f. Iren.lv, 275.
Ne, inquit, juraveritis in totum, neque in caelum, quo-
niam thronus est Dei, neque in terram, quoniam
scabellum est pedum ejus.
g. Mt. 5, 34. 35a.
eyco öh Xeyco vfilv fir/ ofioöai oXcog' (ir'xe ^v^jtm ov-
gavop, ort frgövog soxlv xov &eov fir'xs ^JJj yfh
oxi vjiojioÖlov eaxiv xcöv jcoöcöv avxov.
94 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
h. Const. V, 12. p. 140, 16.
öio XQV x**v frsov avi^QODstöv coc xqioxkxvw fitjxs ?)Xtov
oftvvvcu fiyrs fi/jv otXr\vqv [iqxs aöxoa (iijxs p)v ovga-
vov y yyv tj xi xc5v oxoixtloyv (iixobv i) fis'ya.
[i. Didasc. V, 12. p. 311.
•5:6 XQV XQl(ixlavnv phx* rjXiov 6(ivvvai [ifjxe xwv CTOiytimv
iuxqov i) fitya.]
Hier tritt in der Construktion dieselbe Verschiedenheit,
nämlich der auch sonst in neucestamentlichen Texten bemerkte
Wechsel zwischen Imperativ und Infinitiv, hervor wie zu Mt.
5, 27. 28 in den Formen: turj sjti&vfiTJöyq — ovx sjti&vfit'/öeig —
////ds ejii&v[j£lv. Denn während Justin und die Homilien [irj
oftoorjxs, Jacobus fir/ ofivvsxs, Irenaeus ne juraveritis lasen,
vertreten Epiphanius in fir) ofivvvai, die Constitutionen
(und die Didascalia) in ofiooat mit dem canonischen Texte
den Infinitiv. Dabei sind oXmq (Just., Mi, Const.) = in totum
(Iren.) = jiqo jcävxmv (Jac.) jedenfalls Übersetzungsvarianten
eines semitischen Quellen Wortes. Welches?
Die jakobeische Fassung des Logion kehrt bei Epiphanius
wieder, aber nicht als Citat aus dem Jacobusbriefe, sondern mit
der Citationsformel : xai jtaXiv ev x<p svayyeXlm Xtyovxoq. Da-
bei machen die Abweichungen von dem jacobeischen Texte
(ofivvvat statt o[ivvex£, %xeqov statt aXXov) die Annahme un-
wahrscheinlich, dass Epiphanius beabsichtigt habe, Jac. 5, 12
zu citieren und dass er nur durch einen Gedächtnissfehler dazu
gekommen sei, von einem evayyiXiov zu reden. Die accusati-
vische Fassung: xov ovoavov, xi)v yr/v, worin Epiphanius
mit Jacobus übereinstimmt, sowie mit Irenaeus und den
Const. sich berührt, war auch in der von den Clementinen
benützten Evangelienquelle vorhanden, obwohl im Übrigen das
Homiliencitat dem canonischen Texte nahe steht.
Mt. 5, 35". 36*.
a. Const. V, 12. p. 140, 21.
(iTjxe [trjv xov ovquvov avxov (hXXrjVLxov yao xo övooeßr/fia),
(itjxe (itjv JEQOvöaXrjfi // xa xov &eov ayta.
b. Iren. IV, 36, 5.
de quo et antea dixit: Neque in Hierosolyma jures,
quoniam civitas est magni regis.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 5, 35. 3G. 95
c. Iren. IV, 4, 1.
Adhuc et de Hierusalem et de Domino audent dieere, quo-
niam si esset magni regis civitas, non derelinqueretur.
d. Mt. 5, 35b. 36a.
fif'jzs dq IsQoöoZvfia, ort xoXiq soxlv xov (iejaXov
ßaöiXtcoq, [ttjre tv xrj xe<paX?] oov ofiooyq.
In fast allen alten patristischen Citaten werden die in Mt.
5, 35b. 36 enthaltenen Worte übergangen, indem der Context von
Mi 5, 34. 35a sofort auf v. 37 überspringt. Dieselbe Wahr-
nehmung macht man bei den canonischen Parallelen 2. Cor.
1, 17 — 20 und Jac. 5, 12. Daraus muss man die Folgerung
ziehen, dass in der vorcanonischen Quelle der Context von Mt.
5, 35b. 36 hier nicht enthalten gewesen ist. Gehörten vielleicht
diese Worte ursprünglich in einen anderen Zusammenhang der
Herrenreden? Bei Mt. 5, 36 ist dies wahrscheinlich. S. das
Folgende. Dagegen v. 35b bildet für sich keinen selbstständigen
Gedanken und steht überdies mit der — Juden christlich gedach-
ten — Praedicierung Jerusalems als der jtoXiq xov fteyaXov ßa-
oiXicoq innerhalb der evangelischen Texte, sowie des neutesta-
mentlichen Canons überhaupt völlig isoliert so dass diese Worte
aus dem Urevangelium nicht abzuleiten sein dürften.
Mt. 5, 36b.
a. Clem. AI. Paed. III, 3, 16. p. 262.
ovdtlq de aXXoq. qprjolv o xvoioq, övvaxai xoirjoat xQi%a
Xevxtjv rj fisXcuvav.
b. Tertull. de cultu feminarum Lib. II. c. 6
Sed enim Deus ait: Quis vestrum potest capillum album
atrum facere aut album ex atro?
c. Mt. 5, 36b.
oxt ov övvaaai ftiav T(>(xa Xtvxijv jtoitjöcu 1} fis-
Xaivav.
Der ursprüngliche Wortlaut dieses Logion dürfte bei Ter-
tullian erhalten sein. DennderText T er tulli ans ist vollständiger
und verständlicher; dabei erinnert er durch die Frage: quis vestrum
ganz an rlq et- vficäv Mt. 6, 27 = Lc. 12, 25. Mit letzterem Herren-
wort ist überhaupt unser Logion sinnverwandt. Dabei ist auch
hier die Verwandlung des Fragesatzes: quis vestrum potest in den
verneinenden Satz: ovdelq 6h aXXoq övvaxai — zu bemerken.
96
Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
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3
Texte und Untersuchungen zu Mt. 5, 37. 97
Der bessere Vergleiehung halber sind die Parallelen zu
den beiden Vershäiften von Mt. 5, 37 gesondert gegeben. Man
sieht, die canonische Fassung von Mt. 5, 37a kehrt in diesen Ci-
taten nur bei Ephraem, sonst nirgends wieder. Am nächsten
steht dann dem canonischen Texte Gregorius Nyssenus.
Aber auch er hat neben dem o Xoyoq des canonischen Textes
das xo, welches in den aussercanonischen Paralleltexten das
eigenthümliche Kennzeichen und welches jedenfalls älter ist, als
alie uns erhaltenen Evangelienhandschriften, da in keiner der
letzteren dieses charakteristische xo sich findet Epiphanius
stimmt auch hier speciell mit Jac. 5, 12 überein in dem //to,
wofür sonst durchgängig eoxco gelesen wird.
Paulus hat ebenfalls das xo val val in seiner Evangelien-
quelle gelesen, vgl. 2. Cor. 1, 17—20, vielleicht aber auch 6 7.1-
yoq vficöv vgl. 6 Aoyoq rjficöv 2. Cor. \} 18. Sollte diese letztere
Annahme zu Recht bestehen, so würde sein Text mit demjenigen
des Gregor von Nyssa sich gedeckt haben. Ein Anklang an
das xo val val und xo ov ov findet sich übrigens noch bei Clem.
AI. Strom. VII, 8, 50. p. 861: ijtl (isv xTjq ovyxaxafrtoecoq fio-
vov xo val, em de xrjq d.QV7)otcoq xo ov. Bousset (die Evan-
geiiencitate Justins des Märtyrers S. 72) erwähnt noch Didymus
Fragm. ad 2. Cor. 2, 23 (Migne B. XXXIX, 1688): xsqi tov (irj
öslv ofivvvai all' syeiv Xöyov axaxayvwoxov jceni xov val ojg
ovxozq val xal xov ov caq ovxmg lyovxoq. Also ähnlich wie
im Diatessaron val, ov nur einmal.
Das griechische val setzt übrigens im Hebräischen wahr-
scheinlich yüüi voraus. Vgl. z. B. Lc. 11, 51: val Xtyo)
v(ilv = Mt. 23,36: dfirv liy<o vtuiv = B3b ^ä« TöS 1£)K, ferner
Apoc. 1,7: val, dfi?]v — Apoc. 3, 14: xdöe Xtyet o äfitjv, sowie
das mit Mt. 5, 37b übereinstimmende zweimalige "j^K "jEtf in den
Betheuerungen der johanneischen Reden. Zu dem ganzen Con-
texte vgl. meine Abhandlung in der Ztschr. f. kirchl. Wissensch.
und kirchl. Leben 1888. VI. 283—288 über Mt. 5,34. 35. 37.
Auch beachte man noch die Parallele zwischen dem val in Ps.-
Petr. v. 42 und dem dfitjv der üsqIoöoi xcov ayicav djtooxoXmv
in den Untersuchungen zu Mt. 28, 2 — 4.
Texte u. Untersuchungen X, 2.
9g Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
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Texte und Untersuchungen zu Mt. 5, 37. 39. 99
Übersetzungsvarianten, deren Vorkommen in canonischen und
aussercanonischen Evangelienparallelen häufiger zu beobachten
ist. Man vgl. Lc. 8, 12: öiäßoXoq = Mc. 4, 15: oaxaväq = Mt.
13, 19: o xovrjooq — , Lc. 10, 18: oaxaväq = Hom. Cl. XVII,
14. p. 165, 23: 6 jiovrjQog = Hom. Cl. XIX, 2. p. 178, 7: o jto-
v?]ooq —, Lc. 4, 2. 3: öiäßoXoq = Mt. 4, 3: o jiuoä^cov — , Eph.
4, 27: fi/jXE öiöore xöjiov reo öiaßoXco = Hom. Cl. XIX, 2. p.
178, 9: (irj öoxe xgöcpaoiv xcö JiovtjQcf) (Agrapha S. 211) —
Mt. 25, 41: öiäßoXoq = Just. Dial. c. Tr. c. 76. p. 301 D: oaxaväq =
Aphraat. p. 318: der Böse — , Hiob 1, 6 LXX: öiäßoXoq = Aquila:
oaxäv — , Sach. 3, 1 LXX: öiäßoXoq — Codd. oaxäv u. s. w. Die
Deutungsvarianten sind also wirklich — promiscue gebrauchte —
Ubersetzungsvarianten geworden.
Hierbei notiere ich noch aus Act. Phil. B. II, 4. p. 292 ed.
Tischendorf das Zeugniss der Anhänger Jesu i&aooeßeiq 'lovöcüoi)
vor Pilatus: äjcsxoi&rjöav ovxoi' 6 votuoq rjficnv 6giC,ei, i'va [47]öev
ofivvwfiev = Gest. Pil. III, 5. p. 346: Legem habemus non ju-
rare, quia peccatum est = Cod. C: In lege nos jurare ex toto
peccatum est. Das ex toto erinnert an Mt. 5, 34: ,</// ofiooai
oXwq = Iren. IV, 2, 5: ne juraveritis in totum = Jac. 5, 12: Jigb
xävxfav fit) ofivvf.xs.
Mt. 5, 39».
a. Epiph. Haer. XXXIII, 6. p. 221 A.
eyob ya.Q Xiyco i\uiv, tui) avxiox7jvai oXcoq xro scov/jo<Z.
b. Mt. 5, 39a.
eyw öl Xt'yo) vfitv, fit) ävxi(ixr\vai xrö jiovtjnoy.
Die aussercanonische Variante oXcoq aus Epiphanius habe
ich nur der Vollständigkeit wegen nicht übergehen wollen.
Wichtigkeit ist ihr nicht beizulegen. Der Mangel aller Parallel-
citate in der ältesten christlichen Literatur zeigt vielmehr deut-
lich, dass wir es hier mit einer späteren Textgestalt zu thun
haben, welche in dieser Form dem letzten Redaktor des ersten
canonischen Evangeliums angehören wird. Mit Bestimmtheit
halte ich die in den Agrapha S. 247 ausgesprochene Vermuthung
aufrecht, dass der ursprüngliche vorcanonische Text hier die
Worte: //>) äjtoötöovxeq /.cc/.bv ävxi xaxov xxX. enthalten habe,
wie es aus 1. Petr. 3, 9: 1. Tri. 5, 15; Polyc. ad Phil. II, 2, in
100 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
den Actis Philippi c. 3 ersichtlich wird. Im übrigen vergleiche
Agrapha S. 129. 244—248. 291.
Mt. 5, 41.
a. Just. Ap. I, 16. p. 63 B.
jtavrl 6h dyyaQEvovrL oe fiiXiov axoXov&/]öov ovo.
b. Hom. Clem. XV, 5. p?147, 29.
dyyaoEvovrt 6h fiiXiov ev övvajceQxeöfrcu 6vo.
c. Jiö. 1, 4.
edv dyyaQEvOi] Os ng fiiXiov ev, vjtaye {ist avrov ovo.
d. Const. VII, 1. p. 198, 17.
hav dyyaosvO?] oe rig fiiXtov ev, vjtaye fier' avrov ovo.
e. Iren. IV, 13, 3.
Et si quis te, inquit, angariaverit mille passus, vade cum
eo alia duo.
f. Cod. Cantabr. Mt. 5, 41.
xal öoriq Os ayyaoevEL fisiXiov ev, vjiayE (ist* avrov
sri aXXa ovo. [Lat.: adhuc alia duo.]
g. Syr. Cur. Mt. 5,41.
oönq os ayyaQEVEL fiiXiov, vxays (isr* avrov ovo aXXa.
h. Mt. 5, 41.
xal oonq Oe dyyagEvOEi fiiXiov ev, vjtaye (isr avrov
ovo.
i. Cod. Colbert. Mt. 5, 41. p. 6 ed. Belsheim.
Et quicunque te angariaverit mille passus, vade cum illo
adhuc alia duo.
Dass diesem (von Lc. in seiner Redaktion der Bergpredigt
weggelassenen) Logion ein hebräischer Quellentext zu Grunde
gelegen hat, erweisen die mehrfachen Übersetzungsvarianten,
deren Zahl bei der Kürze des Wortes um so mehr überrascht:
jtavrl ayyaQEvovri Oe = Eav dyyagEvo?] Os riq (auch Bas. und
Chrys. haben wie die AiöayJ) die Construktion mit kdv) = oong
OE ayyaQEVEL = oönq oe dyyagEvOEt = 7\T\$ ttftsrrbs (im Betreff
dieser verallgemeinernden Participialform und ihrer verschiedenen
Übersetzungen in den gnomenartigen Herrensprüchen vergleiche
das zu Mt. 5, 22 Gesagte, wonach in diesem Fall Justin mit
seinem jtavrl ayyaQEvovri Oe die am meisten hebraisirende Ver-
Texte und Untersuchungen zu Mt. 5,41. 47. 101
sion erhalten hat) — , ferner dxokov&eiv = OvvaxiQxtG&ai =
vjtdyeiv (isra rivog, welche Varianten als Urtext ins: -jbH
voraussetzen. — Prof. Nestle notiert noch aus Wordsworth-
White, dass auch Hieronyrnus mit vielen Handschriften et
vor alia liest. — Die Retroversion von dyyaoeteiv, welches im
Septuaginta-Griechisch fehlt, ist schwierig. Das Londoner N. T.
gibt pi» (vgl. Jud. 16, 16: WSbKWl = LXX: xal naosvwilrjöEv
[Cod. Vat. £özsvoxcüqt]6£v] avrov), Delitzsch DDK, Salkinson iDM.
Letzteres scheint mir für den Sinn des dyyaosvEiv in Mt. 27, 32 =
Mc. 15, 21 sich am besten zu eignen. — Der Erwähnung werth
ist noch das jüdische Citat unseres Logion in dem Liber Toldos
Jeschu p. 22 ed. Wagenseil: HOID W Tb "HttSb "Him -|ESO Dtfl
:rnKO"lB ^StD *323? Tb"1 i- e. Si dicat Judaeus Nazareno: vade me-
cum milliare unum, eum is per milliaria duo prosequi debet.
Mt. 5, 47.
a. Hom. Clem. XII, 32. p. 132, 6.
[6 öixatog] — fit) dojcaC,ofisvoig döjid^erat.
b. Syr. Cur. ad Mt. 5, 47.
lav yag dojcdorjod-E rovg aösZqpovg vfioJv f/ovov, ütola
vfiiv yäoig eotlv; ovyl xal ol e&vixol ovtco jiolovöiv.
c. Mt. 5, 47.
xal eav dojiaG?)6&s rovg aöeX(povg vtuo5v [lövov, xl
xsQioobv jcoisite; ov%l xal ol e&vixol rb. avrb jcoi-
ovot.
Auch dieses Logion hat die kürzende Hand des Lucas weg-
gelassen. Dass es aber im Urevangelium gestanden hat und
von da in die Redaktion des ersten Evangeliums übergegangen
ist, erweist, abgesehen von dem Parallelismus membrorum, der
die Vierzahl fordert (vgl. Agrapha S. 24), die aussercanonische
Parallele in den Clementinen, deren Text allerdings nicht
vollständig erhalten ist, aber doch hinreicht, um seine Unab-
hängigkeit von der canonischen Fassung des Logion darzuthun.
Denn sichtlich hat der volle Text der von den Clementinen be-
nützten Quelle gelautet: idv dojcäörjo^e rovg a6xaCotutvovg vfjäg.
was an sich besser ist, als das canonische rovg ddeXyovq vf/cöv,
aber auch dem Parallelismus von Mt. 5, 46 == Lc. 6, 32: hav dya-
jtf]Otjr£ rovg dyajrävrag vtuag xrX., Lc. 6, 33: tav ayad-ojroirjre
102 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
xovq dya&ojroiovvxaq vfiäq in viel schärferer Weise entspricht. —
Über die Varianten xl xeqiggov = xoia x<XQlS vgl- Lc. 6, 32.
Mt. 6, 1.
a. Clem. AI. IV, 22, 140. p. 627.
lav xonjoi/g, (prjoiv, eX£?)[ioGvv?]i>, fujösig yivmox£xaj.
b. Just. Apol. I, 15. p. 63 AB.
xai (Jt) Ttoirjte xavxa jrQoq xb &eafrf]vai vjtb xcöv
dv&Q(6ji(ov ei de fir/ye, [uod-ov ovx eyexe Jtaoa xov
xaxQoq v(((5v xov kv xolq ovoavolq.
c Mt. 6, 1.
jcQootxtxE öh xt]i> öixaioGvvtjv [Syr. Cur.: öoGiv] vficov (i?)
xoielv efijtnoöd-ev xcö v dvd-Qcojtmv jtqoq xb &ea&?}vcu
avxolq sl öh fit'jys, {iiofrov ovx 1%£X£ Jiccpa xm jtaxoi
vf/mv x q~j ev ovoavolq.
Die Varianten öixaioGvvi] (Mt.) und iXEtjfioOvvrj (Clem. AI.),
in welche sich auch die Codices und alten Versionen theilen,
wie auch die dritte Variante öoGiq im Syr. Cur. und in Cod. tf
weisen sämtlich auf das hebräische Quellenwort nj2*J2i zurück,
welches z. B. Jes. 1, 27 von der LXX ebenfalls mit iXErjfioovvTj
wiedergegeben ist, wie denn auch np"T2, XPpli? im Aramäischen
ganz gewöhnlich die Bedeutung von Almosen hat. In Mt. 6, 3
geht ja auch der canonische Matthäustext selbst in den Aus-
druck eXet] f/oGvvt] über. Sichtlich liegt also hier ein hebräischer
Qnellentext zu Grande. Die gleichzeitige Hinweisung auf die
evydq und eXEtitioGvvaq in Aiö. XV, 4: xaq Öh £vyaq vfiojv xai
xäq £X£7]fioGvvaq xai jiaGaq xaq jtoa£,£ig ovxa> jcouJGaxe, coq
tXexe ev xcö EvayyfXio) xov xvqiov ij/ioZv — dürfte ein Anzeichen
von dem Gebrauch des ersten canonischen Evangeliums sein (vgl.
Wohlenberg, Die Lehre der zwölf Apostel in ihrem Verhält-
nis zum neutestamentlichen Schriftthum S. 6. 7. 32), da es frag-
lich ist, ob die in Mt. 6, 1 — 15 vorliegende Verbindung von Al-
mosen und Gebet auch im Urevangelium stattgefunden hat. —
Im Übrigen vgl. man noch Marshall im Expositor 1892. August.
S. SS. 89, wo der Umstand notiert ist, dass die Rabbinen Prov.
10,2; 11,4 nj?"2 = LXX: öixaioGvvtj mit „Almosen" wieder-
geben.
Texte und Untersuchungen zu Mt. C, 1, 2. 3. 103
Mt. 6, 2.
a. Aristidis Apologia c. XVI. ed. Robinson and Harris, p. 50.
But the good deeds which they do, they do not proclaim
in the ears of the inultitude, and thev take care that no
one shall perceive them.
b. Mt. 6, 2.
oxav ovv Jtoiijg £?.£?]iuoövi>?]v, (ir/ öaAjtiöiig £[HiQOG'&ei>
Oov, cÖojcsq ol vxoxQirai jtoiovoiv ev xcüg Ovvaycoyalg v.ax
sv xaig gvfiaiq, ojtcog 6o$,aO&cöoiv vjto xwv av&Qwjtcov.
Es ist freilich nur der syrische Text (in englischer Über-
setzung), welcher in der von Aristides gegebenen Schilderung
der Christen und ihres Lebens obigen Anklang an Mt. 6, 2 er-
tönen lässt. Die Zugehörigkeit des Abschnittes Mt. ö, 1 ff. zur
Urschrift nnd speciell zur ursprünglichen Bergrede steht für
"Weiss (Matthäusevangeliuni S. 177 Anm.) ausser Zweifel. An
die Worte: that no one shall perceive them (dass Niemand sie,
sc. die guten Thaten, die Wohlthaten, wahrnehme) — erinnert
fast wörtlich der aussercanonische Text bei Clem. AI. Strom. IV,
22, 140. p. 627: lav Jtoiyoyg, <p?]6iv, eXstjfioövvrjv, firjöe)g yi-
vmOxhxm. Hennecke (Die Apologie des Aristides 1893 T. u. U.
IV, 3 S. 39) reconstruiert den betreffenden Aristides-Text fol-
gendermassen: xd de dyafrd, a jroiovöiv, ov xtjqvxxovoiv Im
xcöv o%Za)v (poßoviievoi (jtj zig aio&dvtjxai.
Mt. 6, 3.
a. Theophil ad Autol. III, 14.
[ii] yvoixco yä{>, (pr\oiv, ?/ x£LQ Gov V UQioxEod, xl
jtoitl rj xElQ oov V degid.
b. Iren. IV, 30. 3.
Et: Quum facis misericordiam, non sciat sinistra tua,
quid faciat dextra tua.
c. Mt. 6, 3.
oov 6h Jtoiovvxog £ls?jfioovpf]v, fit) yvcoxoj rj aQiöxEQa
oov, xi jtoiel >i de§iä oov.
Die Übereinstimmung mit dem canonischen Texte lässt
voraussetzen, dass nicht nurlrenaeus, sondern auch Theophilus
von Antiochien auf Mt. 6, 3, und nicht auf der vorcanonischen
Quelle fusst, aus welcher das Logion zweifellos stammt.
104 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Mt. 6, 5.
a. Aiö. VIII, 2.
fiTjöh jcQOOsvx^Od-s cog ol vjioxqix ai.
b. Syr. Cur. = Cod. Cantabr. Mt. 6, 5.
xai oxav tcqogevthji, ovx eör/ cog ol vüioxoixai.
c. Const. VII, 24. p 207,^23^
oxav 6h jiqoGevx'tjG&e, fir yivsG&E oogxeq^ ol vxoxql-
xai.
d. Mt. 6, 5.
xal orav JtQoosvxrjGfre, ovx egeg&e cog ol vjtoxoixat.
e. Diatessaron ed. Ciasca p. 16b.
et cum oraveris, ne sis sicut hypocritae.
Das Zusammentreffen der alten syrischen und fast sämtlicher
altlateinischer Übersetzungen mit dem griechischen Cod. Cantabr.,
sowie mit Tatians Diatessaron in der singularischen Fassung
bezeugt die Abhängigkeit dieser vier Zweige von dem gemein-
samen Urstamm auch an dieser Stelle. Und in der That ist der
Singular dem vorausgegangenen und nachfolgenden Context,
welcher m Mt. 6, 3. 4 und v. 6 einen charakteristischen Singular
darbietet, durchaus entsprechend, der Plural des canonischen
Textes dagegen wie ein Durchbrechen des im Singular sich be-
wegenden Tenors der ganzen Stelle. (Doch siehe das im Fol-
genden Bemerkte.) Die Variante yivEGfrai = eoeg&ui ist auch
sonst sehr häufig.
Mt. 6, 6.
a. Hom. Clem. III, 55. p. 51, 24.
xolg 6h üiiGxevovGiv (cog al yoa<pal HyovGiv) öxi (ii) jcavxa
ßXsjtEii kv xm xQvxxop svx^o&E, eIjiojv, xal 6 jeaxi/Q
vficov 6 ßXEJiwv xa xgvxxtt ajioöcböEi VfllV.
b. Clem. AI. Strom. I, 6, 34. p. 336.
eI Öe ev xop xafiEiqp £VXV> cog o xvgiog hölöa^E.
c. Test. XII patr. Joseph, c 3
xal EiöEQxöfievog eIc xo xafiLElov xQoOEvxofirjv xvq'lco.
d. Mt. 6, 6.
Gv öe oxav üiqoGevxVk etö£^#£ sig xo xafiEtöv Gov
xal xXsiGag xr\v &voav Gov xgoGEvt-ai xcö Jtaxgi Gov
Texte und Untersuchungen zu Mt. 6, 5. 6. 8. jq5
tv reo xovjirop, xai o jiar7jQ aov o plsütcov tv reo
XQVjtrcö ctTcoöcoöst öot.
Das Simplex tvxsofrai, welches die Homilien und Clemens
AI. übereinstimmend für das gebräuchlichere Compositum jtqoo-
svxsö&ai einsetzen, findet sich noch in anderen aussercano-
nischen Paralleltexten. Vgl. die Texte zu Lc. 6, 27. Die plu-
ralische Fassung svxsoß-s (Hom.) vertritt auch noch Cod. Bobb.
Taur. : vos autem, cum adoraveritis, iotroite etc , einmal auch
Augustinus. Vgl. Tischendorf S. 25. Beachtenswerth ist
die Benützung des Logion in den Test. XII patr.
Mt. 6, 8.
a. Hom. Clem. III, 55. p. 51, 22.
rolg ös vjtoXa^ißavovöiv, ort o &£og ov jtQoyivcoöxei, t<pt] '
olösv yän b narr/n vftcov o ovnavioq ort yQV&TS
Tovrcov ajtavrcov, xqIv avrov ätZicoörjrs.
b. Cod. Cantabr. Mt. 6, 8.
olösv yäg o narrJQ vf/mv, a)v XQsiav txBT£> ^P0 T°v
vfiaq avolgai rb Orbfia.
c. MmCS
olösv yao o jtazr/Q vficov cov ygsiav sxsrs, tcqo xov
vfiäg ahrjoai avrov [Ephr. Syr. Öpp. I. 91 D: airrjbao&ai
avrov].
d. Diatessaron ed. Ciasca p. 17a.
seit enim Pater vester petitionem vestram, antequam
rogatis eum.
Die Variante xqJ]C,hv für das canonische yQ£iav %X£IV naDen
wir bereits zu Mt. 3, 14. 15 gefunden. Für bKO = bitten haben
wir drei Varianten: ai-iovv (Homilien, ganz aussercanonisch) =
ahrjoai (Mt.) = alrrjoao{fai (Ephraem). Letztere Lesart ver-
tritt auch Paulus: jtoirjoai vjisqsxjisqiooov cov ahovfisfta. Eph.
3, 20. Die Lesart des Cod. D: xqo rov vfiag ävolgai rb orbfia
wird nur noch durch den Codex Claromontanus h (nunc Vaticanus)
vertreten, steht sonst völlig isolirt.
Zu bemerken ist ferner, dass der Eingang von Mt. 6, 8: fir)
ovv b/joioo&rjrs avrolq in den späteren (aus dem Anfang des
zweiten Jahrhunderts stammenden) Zusätzen der Esra-Apoca-
lypse durch die Worte 4. Esr. 16, 52: propterea nolite similari
j()ß Aussercanonische Paralleltexte zu Mt, und Mc.
ei — Verwendung gefunden hat. Nach Weiss (Matthäus S. 181)
ist Mt. 6, 8 „nur eine Reminiscenz aus Mt, 6, 32 (= Lc. 12, 30)%
eine Auffassung, welcher ich nach Obigem, namentlich auf Grund
der frühzeitigen Benützung des Logion durch Paulus, nicht zu-
stimmen kann.
Mt. r>, 14.
a. Clem. AI. Quis div. salv. c. 39. p. 957.
fttm yctQ fiovm övvarov atpsotv af/aoricöv jiaQaGxtodai xal
[o) XoyioaoOai jcaQajrTc6tuata, öxov ye xal i]/Jli> xaoaxz-
Xevtxai rrjg ?)tut'Qag txaörrjg o xvqioc drpttrat toic aöeXcpoiq
[teravoovOi.
b. Epiph. Haer. LIX, 5. p. 497 C.
TtäXiv 6\ o xvniog prjGiv äcptrt uXXt'/Xoic rä jraQu^TO^iara,
Iva xal o jrarijQ vftcöv o ejiovQavioc acptjasi vfilv.
c. Mt. 6, 14.
lav yan aqifjTS rolg dvO-Qcojtoig ra jiaQanTo^uaTa avrpiv,
äiptföei xal v}äv o JtarrjQ vfidöv o ovQaviog.
d. Ephraem. Syr. Opp. I, 106 A.
oi'yywQ7]6ov rä adtX.cpqj Oov, idv ijfiaQrtv tlc Ot, xal o
xvqioc övyxcoorjGfi öol rä JiccoaxTcoftaTa Oov.
e. Cod. Colbert. Mt. 6, 14. p. 7. ed. ßelsheim.
Si enim dimiseritis hominibus peccata eorum, dimittet et
vobis pater ve9ter qui in caelis est delicta vestra.
Während Clemens AI. hier ganz an den canonischen Mat-
thäustext sich anschliesst, bietet Epiphanius ein Evangelien-
citat, welches mit dieser Fassung in keinem canonischen Evan-
gilium sich findet, und welches von Mt. 6, 14 durch die
imperativische Ausdrucksweise und durch das entsprechende
dXXtjXotg abweicht, sodass es dem Sinn nach ganz mit Eph.
4, 32b yccQiQofisvoi lavroTg, xafrcog xal o fteoc tv Xyiorrn tya-
QtOaro vfiTv übereinkommt. Nimmt man nun zu lavrolg =
aXXrjXoig als hebräischen Urtext TTlKb tthtf, wie Salkinson in
Eph. 4, 32 das tavroic wiedergegeben hat, so haben wir hier
die grammatische Erklärung für das rolg ävfrQcöjcoig Mt, 6, 14
und für das rm aöeXrpco bei Ephraem. Der Text des Letzteren
weicht anscheinend noch weiter von der canonischen Fassung
Mt. G, 14 ab. Aber auch er hat die imperativische Fassung, wie
Texte und Untersuchungen zu Mt. 6, 14. 10 — 18. 34. ]Q7
das Epiphanius-Citat. Die Variante ovyyojQtlv = atpuvai = ya-
Qt^eofrai (xccQiC,£6&ai im Sinn von äcpitvcu als lukauisch-pauli-
nlscher Übersetzungstypus von nbo Lc. 7, 42. 43) findet sich
aber auch sonst noch. Vgl. zu Lc. 23, 34 : OvyymQr/Oov avxolq
bei Ephraem und Epiphanius. Der Zusatz xa jianajixa){iaxa
ist noch von dem guten Cod. L, Cod. Colbertinus und einer An-
zahl anderer Zeugen vertreten. Die Variante tjtovQcwtoq in dem
Epiphaniuscitat findet sich auch als von zahlreichen Zeugen ver-
tretene Lesart in der verwandten Stelle Mt. 18, 35. Also gerade
durch alle Varianten der aussercanonischen Paralleltexte sieht
man auf einen gemeinsamen Quellentext hindurch, der Mt. 5, 14
zu Grunde liegt. — Für Hb!? bringt Nestle noch das aramäische
pytD, auch im Syrischen gebräuchlich, in Vorschlag.
Mt. 6, 16-18.
a. Aid. VIII, 1.
al öl vijoxtiai vfimv fit) loxcooav [texct xvtv vjtoxqi-
xcöv.
b. Clem. AI. Strom. IV, 22, 140. p. 627.
xal lav vfjOxsvoijq. aXtiipai, tva 6 #c6c tuovoq yivoiöxy.
c. Mt. 6, 16.
oxav de vrjoxevijxe, ///} yivEö&B otq ol vjtoxQixai
Oxvß Qcojioi' acpavi^ovOi yan xa ütQoOcojia avxcöv, ojtcoq
(pavmöLV xolq avfrQcbxoic, vrjGxevovxeq' «io)v Xtyco vfilp,
ajctyovoiv xbv luofrov avxcöv.
d. Mt. 6, 17. 18.
oi) öl vrjoxevcov aXtiipai oov x?)v xatpaXi/v xal xo jcqo-
Oojjtov oov vlxpai, ojto)c (irj (favyq xotqdv&QO)jtoiqvr/OxEva)v,
aXXa xcä jzaxoi oov xä> Iv xm xQvtpalop.
Die Parallelen in der diöayt'j und bei Clemens AI. sind
doch wohl nur freie Bezugnahmen auf den canonischen Text
von Mt. 6, 16 — 18, so dass keine ältere Quelle für diese Citate
vorauszusetzen ist.
Ml. 6, 34.
a. Clem. AI. Paedag. 1. 12, 98. p. 157.
öiöäoxoiv in) ycto [lEQifiväxE, g»/oL Jtenl xt}~ avittov.
108 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
b. dem. AI. Paedag. I, 5, 17. p. 108.
öio xav xolg exofievoig Xtyer fit] uegifiväxs jtsgl zfjg
avgiov' agxaxbv yag xf/ tjfitga, ?/ xaxia avxrjg.
c. Ephraem Syr. ed. Twaites p. 73.
fit) fisgifivt'joaxe xtgi xov avgiov.
d. Mt. 6, 34.
firj ovv fisgifivtjotjxe elq xt)v avgiov tj jag avgiov
(isgifivyöei tavxijg' dgxexov xr\ i]fiiga. t) xaxia
avrrjg.
Die Varianten sind hier untergeordneter Art. Sie nöthigen
in keiner Weise, an einen hebräischen Quellentext zu denken.
Das Logion, obwohl aus guter Überlieferung stammend, hat doch
wohl kaum in den ursprünglichen Context von Mt. 6, 19—33 =
Lc 12, 22—34 gehört. Vgl. Weiss, Matthäus 202.
Mt. 7, 6.
a. Ji6. IX, 5.
ugtjxev o xvgiog' fit} öcoxs xb dyiov xolg xvoi.
b. Clem. AI. Strom. II, 2, 7. p. 4327
xcöv de ayicov (itxaöiöövai xolg xvolv djtayogevsxai.
c. Ephr. Syr. Ev. concord. expos. ed. Mösinger c. 6. p. 73.
Nolite dare sancta canibus.
d. Theodoret. in Ps. 65, 16. p. 1049.
fit) ötöxs yag, tpifti, xä ayia xolg xvoi, fit]öe gixprjxs
xovg fiagyagixag vficÖv e/ijcgoö&sv xcöv %oigcov.
e. Mt. 7, 6.
fit) öcöxs xb äyiov xolg xvolv, fir/öh ßcthjxe xovg fiag-
yagixag vficöv tfuigoö&ev xcöv %oigcov, fit'jjtoxs xa-
xaxaxrjöovöiv avxovg Iv xolg jtoölv avxcöv xal
Oxgacpivxtg gtj^coöiv vfiäg.
f. Tertull. ad uxorem II, 5.
Nolite, inquit, margaritas vestras porcis jactare, ne
conculcent eas et conversi vos quoque evertant.
Obwohl nach seiner Zugehörigkeit zu dem Context der
Bergpredigt zweifelhaft, ist dieses Logion doch sicherlich ein
echtes Herrenwort. (Vgl. Mt. 15, 26, ferner Weiss, Matthäus
S. 207 Anm.) Gehört doch auch zu den Varianten gijtxeiv und
Texte und Untersuchungen zu Mt. 7, 6. 15. 10Q
ßäXXsiv das hebräische 'Tf^b'CJn als gemeinsamer Queiientext.
Die Verwendung des Logion in der Abendmahlsunterweisung
Jiö. IX, 5: fiijötiq öh <payexco [ir/de jcuxco ano xrjg EvxaoiGxiag
vficöv, uXX' oi ßajitioß-evTSQ elg ovofia xvglov xai yäg jtsnl
xovxov BiQ-rjxsv oxvQiog" fii] öqjxe xb ayiov xolg xvoi — ist jeden-
falls die Quelle geworden für den bekannten Ruf in der späteren
Abendmahisliturgie: xä ayia xolg ayioig. (Vgl. z. B. Const.
VIII, 12. p. 259, 13.) Die darin liegende Bezugnahme auf unser
Logion tritt nach der pluralischen Fassung desselben: xä ayia
(Theodoret) = sancta (Ephraem) noch deutlicher hervor. Vgl.
noch Test. XII patr. Levi c. 8: xal i^pcoftioe agxov xai olvov,
ayia, ay'icov. — Wahrscheinlich sind auch grjyvvvai und ever-
tere (Tert.) == onn (vgl. Ezech. 38, 20 Qrjyvvvcu^ Thren. %Jl
xa&aiQelv) Ubersetzungsvarianten. Das Verbum DHU wurde ur-
sprünglich von reissenden Thieren gebraucht. — Wie ich mir
übrigens die Fortpflanzung der aussercanonischen Übersetzungs-
varianten auf Schriftsteller späterer Jahrhunderte, zu deren Zeiten
das Urevangelium schon längst verschwunden war, vorstelle,
habe ich in Heft I, 147 dargelegt.
Mt. 7, 15.
a. Hom. Cl. XI, 35. p. 120, 11.
ov x<zqiv o ajzooxEiXag ?](täc s<prj- jcoXXol kXEVöovxai jcoog
^fi^Jv evövfiart jiooßaxcov, eocq&ev ds slöi'Xvxoi c q-
Jtayeg.
b. Const. IV, 13. p. 173, 3 = Didasc. IV, 13. p. 330.
jieqI mv aG<paXi£6[i£VOg rfiag 6 xvgiog JzagrjyyEiXeV eXev-
aovxai, Xeycov, jtgog Vfiäg av&gwjtoi kv evdvfiaot Jtgo ßä-
zcov, egcoB-sv de siat Xvxoi ägjtayeg.
c. Mt. 7, 15.
jtQoöi%£xs ajib xcöv y;Ev6ojtgoq>T)X(ov , oixivsg tgxopxai
ngog vfiaq ev evövfiaoiv Jigoßäxcov, eöwfrsv öt eioiv
Xvxoi agjiayEg.
d. Just. Dial. c. Tryph. c. 35. p. 253 B.
JCQOOEXEXf ajto xcöv ipEVÖojiQo<pi]xc5v, oixiVEg sXevGovxai
xgog v/xäg tgoj&Ev epöeöv/ievoi ÖEQ/uaxa jzgoßaxwv ,
Eomd-sv öe eIgi Xvxoi agjtaysg.
HO Ausseicanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
e. Just. Dial. c. Tryph. c. 35. p. 253 ß.
eIjie yaQ' jtoXXol^XEvoovxai sjtl xm ov6f/axi (iov, s^cofrev
evöeövjjevoi ötQftaxa XQoßäxcov, toco&sv öe eIol Xvxoi
aQjtayeq.
f. Just. Apol. I, 16. p. 64 B.
jioXXol yccQ qgovöiv ejcl xq> 6v6tuaxi fiov, E$,coft£v {iev
evöeöv{ievoi ÖEQfiara jtQoßaxcov , EGoifrsv öh övxEq Xvxoi
aQjcaysq.
g. Iren, praef. 2. = Epiph. Haer. XXXI, 9. p. 173 D.
Iva ovv ,w/y jiccqcc xtjv ijftsxeQav alxiav GvvaQjtaCwvxal
xiVEq cog jcgoßaxa vjco Xvxcov ayvoovvxEq avxovq öia
xi)v Et-co&EV rrjq JiQoßaxEiov öoQaq sjrißovXtjv, ovq <pv-
JmöOeiv jiaQtjyyEXxEV tjfiiv xvQioq.
h. PseudcPfgn. ad Heron. II. p. 266, 22.
jtäq o XEycov jtaoa xa öiaxsxayfitva, xav ägioJtiGxoq y, xav
V1]GX£V)J, Xav JICCQ&EVEVI], XCtV GTjf/Eia JIOITJ, Xav JtQOCpiJXEV?],
Xvxoq ooi (paivEOftco hv JtQoßäxov öoqü, xgoßäxcov <pfho-
gav xaxEoyaC,ötUEVoq.
i. Const. VI, 13. p. 172, 22.
(pEvyEiv avxovq xovq ejc ovofiaxi Itjgov xal MwGEcoq Jto-
ÄEfiOvOi Xqioxcö xal MwöeI, xal kv öoqcJ JtQoßäxov xov
Xvxov xaxaxovjtxo voiv.
k. Chrysost. in Genes. Serm. 7. p. 680 B ed. Bened.
xal yccQ ol Maviyaloi . . . xo Gxfjfia ftsv ExiÖEixvvvxai ejci-
tixiaq, . . . xal xaxaxQVJtxovöi x>/ öooa xov JtQoßäxov
xov Xvxov.
1. Clem. AI. Protrept. I, 4. p. 4.
Xvxovq 6h aXXovq aXXtjyoQEi jtQoßaxcov ^^Si^Vf^Z
EöflEVOVq.
m. PseüdVIgn. ad Philad. IL p. 230, 18.
jtoXXol yaQ Xvxoi xcoöioiq ?}(i(pi£Gtu£voi tföovjj xaxij aix~
fiaXcoxi^ovGL xovq &£OÖQÖ{tovq.
n. Epiph. Haer. XL, 1. p. 291 BC.
Et-at&EV fihv yaQ dXrj&wq xodÖlov jtQoßäxov i]tu(pi£Gxo,
r\yvoElxo ob IvöoBev Xvxoq vjmxqxcov aQjiat-.
o. Epiph. Haer. LXXVI, 5. p. 941 X~
XCO ElVai flEV OE Jl£QlßEßXr/{ltV'0V JtQoßäxov xcoöiov^egoo&ev
öe Eivtu äoxaya xal Xvxm jiaQaߣßX?][ttvov.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 7, 15. \\\
p. Jiö. XII, 5. XVI, 3.
JtQ00£XST6 CCJtO TCÖV XOIOIXGW. XVI, 3. OXQaffTjOOVXaL
xa JiQoßarct elq Xvxovq.
q. Const. VII, 32. p. 211. 30.
xal 6TQa<f>7)<jovTcu xa jcQÖßaxa elg Xvxovq.
Auch dieses Logion, dessen Erhaltung im Canon wir dem
ersten Evangelisten verdanken, gehört ursprünglich nicht in die
Bergpredigt. Aus Aid. XVI, 3 = Const. VII, 32 kann man den
originalen eschatologischen Context deutlich erkennen und mit
Sicherheit schliessen, dass das Logion mit dem Mt. 24, 11. 12
erhaltenen Texte organisch zusammengehangen hat. Vgl. Aiö.
XVI, 3: SP yä(> xalq sGxäxaiq fjf/SQaiq jtfojfrvvfrfjoovxcu oi
y)tvöojiQo<p7)xai xal ol <p$OQEiq xal OXQacp/]Oovxai xa jiqo-
ßaxa siq Xvxovq. Bei Justin Dial. c. 35 findet man diese
Wahrnehmung bestätigt. An dieser Stelle nämlich citiert Justin
das Logion unmittelbar nacheinander aus zwei verschiedenen
Quellen, das eine Mal (d) mit derselben Einleitung: jtQoöex£T£
ax6 xcöv xpsvöojtQOfpr/xwv , welche wir im ersten canonischen
Evangelium finden und welche wahrscheinlich der erste Evan-
gelist dem Logion erst hinzugefügt hat, das andere Mal (e)
ohne diese Einleitung, dafür aber in unmittelbarer Verknüpfung
mit dem Agraphon: toovxai oxiofiaxa xal aigioeiq, dessen ur-
sprünglich eschatologischen Zusammenhang in enger Verbindung
mit Mt. 24, 11. 12 ich Agrapha S. 177 (vgl. S. 282. 283) nach-
gewiesen zu haben glaube. An diesem Punkte wird es ganz
evident, dass Justin für die Herrenreden auch ein ausser-
canonisches Evangelium gebraucht hat. Denn wenn man
in dem Citate d (trotz mehrfacher Varianten) den Einfluss des
ersten canonischen Evangeliums zu erkennen hat, so ist die an-
dere Quelle, aus welcher Justin das Citat e und das Agraphon
bezüglich der oxiöftaxa xal aiQtoeiq schöpfte, sicherlich eine
aussercanonische Evangelienschrift gewesen. Diese andere ausser-
canonische Quelle hat Justin auch in der Apologie benützt,
wenn er c. I, 16 (vgl. Citat f) unser Logion unter Weglassung
des canonischen Exordium: üiqoöe'/exe ajto xöjv ipEvöox(>o(ß?]XGJi>
mit den Worten: xoXXol rfeovGiv beginnen lässt. Der in diesem
zweimaligen Citat Justins aus seiner aussercanonischen Evan-
gelienquelle hervortretende Zusatz: hd xcü ovö^iaxi tuov findet
sich in der grossen eschatologischen Kede Jesu Mt. 24, 5: xoXXol
\12 Aussercanonische Paraileltexte zu Mt. und Mc.
yccQ eXevoovxai im xcp ovöfiaxi ftou fast wörtlich wieder, ist aber
auch in dem Constitutionen-Citate (i) zu erkennen. Mit dem
aussercanonischen Zusätze £§mfrev, welches ohnehin durch die Anti-
these des eoco&ev gegeben ist, steht Justin ebenfalls nicht allein,
sondern deckt sich hierin mit Irenaeus und dem einen Citat (n)
bei Epiphanius. Die Einleitung jtQootxexe xxL fehlt, wie zwei-
mal bei Justin, so auch in den Clementinen und den Con-
stitutionen, und hat, wie man aus dem Citat m ersehen kann,
auch bei Pseudo-Ignatius gefehlt. Dagegen klingt sie Aid.
XII, 5 m den Worten: jiqooiibxe ujio xoäv xotovxcov deutlich
an, so dass mit Bestimmtheit zu schiiessen ist, was sich auch
durch sonstige Beobachtungen ergiebt, dass der Redaktor der
Aidax?'j neben einer aussercanonischen Quelle, die er wie sonst
so auch c. XVI in Bezug auf unser Logion benützte, das erste
Evangelium gekannt hat, dessen Spur XII, 5 unverkennbar ist.
Das Logion hat aber auüh schon in den älteren Häresiologien,
aus deren Quelle Irenaeus und Epiphanius geschöpft haben,
Verwendung gefunden, und zwar nach Texten, welche von dem
canonischen Texte noch weiter abliegen. Wir sehen nämlich,
dass der Ausdruck: ei>övtuaxa jiQoßaxcov (Mt., Hom., Const.) =
ötQuaxa jiQoßäxmv (Just.) in jenen alten Quellen mit jiQoßaxsia
öoQct (Iren.) = xcööiov jiQoßdxoy (Epiph.) variiert, wie auch das
svöeövfievog des Justin mit rj^pieontvoq (Clem. AI, Pseudo-Ign.,
Epiph. sub n) und xEQißtßkriiibvoq Epiph. unter 0)=©^ — mehr-
fach wechselt. Die jrQoßaxsia öoqcc hat sich fortgepflanzt als
öoqcc ngoßäxov in den Constitutionen, bei Pseudo-Ignatius
und wirysostomus. Das xmöiov XQoßäxov , weiches Epi-
phanius aus seinen häresioiogischen Quellen geschöpft hat,
vertritt ebenfalls Pseudo-Ignatius sowie vor ihm Clemens
Aiexandrinus. Vgl. noch Epiph. Haer. XLVI, 2. p. 392 A: a>g
Zvxoq Üqjzccz- bvövofievog jcgoßäxov xcoöiov.
Es ergeben sich demnach folgende Varianten:
n^toas (i?te) rvrr« ^irhnb pnio ^arr o^an *>s
jioXXoi yao e/.evüovxcu hgw&ev evöeövfit'voi öeoftaxa xooßaxcov
rj^ovotp tgtod-ev tffKpuOfievot xmöioig üiQoßaxcov
„ jtE{nßtßX^(iivot OOOÖ. XQoßaxov
hv tvdvnaoiv jiooßäxmv
Das Logion klingt auch an in der paulinischen Rede Act.
20, welche von Anspielungen auf Herrenworte durchtränkt ist.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 7, 13. 16. 20. \\%
VgL Act 20, 29: oxi eXevGovxül — Xvxoi ßagslg. In dem
vorausgegangenen 3sqoge%exe ovv kavxolg Act. 20, 28 mochte
man sogar eine Parallele zu dem jiqooexexe in Mt. 7, i5B er-
kennen'). Auch in Apoc. 13, 11 kann die Schilderung des {h]~
giov in der Ähnlichkeit mit xco agviep ein Nachklang unsers
Logion sein, und aas um so mehr, als nach dem (Jrevangelium
die Mehrheit der y>Ev6o3tgo<pfjxai (Mt 24, 11) zuletzt in dem
Antichrist als der einheitlichen Zusammenfassung aller Bosheit,
als dem yyEfxcov xr\g xaxiag, dem 6 sXsvGofiEvog (vgl. Orig. zu
Mt. 24, 24) gipfeln sollte, mithin die Schilderung des Antichrists
unter demselben Bilde, in welchem Jesus vor den Vorläufern
des Antichrists gewarnt hatte, nahe lag. Vergleiche noch zu
diesem Logion Bousset, Die Evangeliencitate Justins des Mär-
tyrers S. 93 f.
Schliesslich sei noch darauf hingewiesen, dass der Gegensatz
von xo exxog, xö sgco, xo egco&sv einerseits und xo hvxog, ev-
öo&ev, eGco&ev andrerseits in den Paralleitexten zu Lc 11, 39 =
Mt. 23, 25, die Schilderung der Pharisäer betreffend, wiederkehrt.
Mt. 7, 16». >0.
a. Herrn. Mand. XI, 7. p. 114, 5.
ovxco öoxifiäoeiq xov Jtgocprjxrjv xai xov tp evö o 3t g o <p i) xrjv'
axo xr\g C,cotjg 6oxl(iaC,e xov dv&gcojtov.
b. Herrn. Mand. XI, 16. p. 120, 18.
tXEig ctfMpoxeooov xcöv xgoty/jxcöv xtjv C,corjv. 6oxifiaC,t ovv
und xcöv sgycov xal x/jg ^cot/g xov av&gcoxov xov Xeyovxa
tavxbv jtvsvfiaxotpooov slvai.
c. Aid. XI, 9.
cutb ovv xcöv xgojccov yvcoG&rjGExai o ipEvöoscgocprjx}} g
xal o xoo<pr\xr\g.
d. Just. Apol. 1, 16. p. 64 B.
ix xcöv egycov avxcov kjiiyvcooEG&E avxovg.
e. Mt. 7, 16».
djio xcöv xagncöv avxcov EJiiyvcoGEG&E avxovg.
f. MtT772a~
agaye ctjtö xcöv xagjicöv avxcov EJiiyvcoGEG&e avxovg.
1) Diese Bezugnahme würde auf ein Beeinflusstsein des Lucas durch
das erste canonische Evangelium zurückzuführen sein.
Texte u. Untersuchungen X, 2. 8
114 Aussercanonische Parallel texte zu Mt. und Mc.
Dass Hermas das bezügliche Logion, und zwar nach einem
aussercanonischen Texte mit der Variante sgycov anstatt xaouzmv
vor Augen gehabt, lehrt die Vergleichung mit Justin, welcher
ähnlich wie Hermas ex (äjto) xoöv tgymv las. Die Lesart ujib
xä>v xaoxwv in dem canonischen Matthäus-Text hängt mit dem
Mt. 7, 16b —19 behandelten Bild von den Früchten zusammen. Auch
die Lesart der z/tda/??: and xmv xqÖjicüv weicht von dem ca-
nonischen Text in charakteristischer Weise ab und lässt sich
wie äjio xcov eoywv auf das hebräische Stammwort TWT12 zu-
rückführen, da TWT"ü nicht selten auch die Art und Weise des
Handelns, das Thun und Treiben des Menschen im Allgemeinen
(vgl. Fürst I, 770a) ausdrückt. Vergleiche auch die Version
tjiiztjdevfia in dem Logion Mt. 16, 27. Ausserdem besteht
zwischen Hermas und der Aiöaxy eme Verwandtschaft in dem
doxi(iaC,siv vgl. Alö. XI, 11 : jtäg de jtQO<p?'/x?]g öeöoxifiaofievog =
Hermas 1. 1. ovxco öoxifiäoeig xbv jiQO<pr}xi]v. Jedenfalls stand
das Logion ursprünglich in einem andern Zusammenhang als der
canonische Text Mt. 7, 16 — 20 darbietet. Die verwandten Paral-
lelen bei Hermas, in der Jiöaxv und bei Justin gehen mit
ihren Varianten in diesem Falle wahrscheinlich nicht auf das
erste canonische Evangelium, sondern auf die vorcanonische
Quellenschrift zurück. Vgl. ausserdem die Erläuterungen zu dem
verwandten Logion Lc. 6, 44a.
Mt. 8, 17.
a. Ign. ad Polyc. 1, 3. p. 98, 1.
jiavxcov rag vooovg ßäoxa^e, vog xiXuog ä&Xijxrjg.
b. Pseudo-Ign. ad Polyc. 1. p. 254. 5.
jiavxcov xäg vooovg ßäöxa^e, <ng xiXuog ad-Xrjx/jg, coc xal
6 xvQLog xävxmv avxog yag, (prjoi, xäg äoftevelag ?](Jic5v
sXaßev xal xäg vooovg rj/icöv tßäoxaösv.
c. MtsTn.
ojitog xXrjQoid-fi xb qtj&ev öiä Hod'iov xov 3iQO(pi)xov Xe-
yovxog' avxog xäg äö&Evelag r^imv aXaßev xal xäg vböovg
kßäoxaosv.
d. 1. PetrTSTSi.
og xäg ä/iagzlag ?](xäJv avxog ävr/veyxsv.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 8, 17. 9, 13. 115
e. Jes. 53, 4a. LXX.
ovxoq xäq afiaoxiaq ijfiäJv cpegst xal jcsqI ?}ficöv oövväxai.
Die Anordnung und die Fassung des alttestain entlichen Ci-
tates Jes. 53, 4 ist vollständiges Eigenthum des ersten Evange-
listen. Schon die einleitende Citationsformel ist das sichere
Kennzeichen des Redaktors, der gerade in den nicht aus dem
Urevangelium stammenden alttestamentlichen Citaten stets diese
Citationsformel anwendet und in der Wiedergabe des alttestament-
lichen hebräischen Textes sich unabhängig von den LXX erweist.
Die Anspielung an das voOovq ßadxa^eiv bei Ignatius ist also ein
sicheres Kennzeichen von der Benützung des ersten canonischen
Evangeliums. Der Redaktor der Pseudo-Ignatianen hat das
wohl erkannt und an der bezeichneten Stelle den ganzen Text
nach der Fassung des ersten Evangelisten eingefügt. Da in
1. Petr. 2, 24 eine Abhängigkeit von Jes. 53, 12 LXX zu statuieren
ist, so haben wir für das hebräische XTD3 ßacxä^uv (Mt.) = yiouv
(LXX) = ävcupsQeiv (Jes. 53, 1 2) als synonyme Ü bersetzungs Varianten.
Vgl. dieselben und weitere Übersetzungsvarianten (nicht, wie hier
aus dem A.T., sondern in ähnlicher Weise aus dem hebräischen
Texte des Urevangeliums) zu Lc. 23, 26 und Mt. 11, 29.
Mt. 9, 13 = Mt. 12, 7.
a. Hos. 6, 6, LXX.
öiori tleoq d-eXco r] d-voiav, xal ijiiyvcoöiv &sov ?}
oloxavxco fiaxa.
b. Hom. Clem. III, 5G. p. 51, 34.
xolq de jcQoXaßovOiv, oxi &voicöv ooeyexat u freöq, ig>rj'
o d-ebq eXeoq &elei xal ov frvolaq, kotiy vcoGiv avxov
xal ov% oloxavxco tuaxa
c. Mt. 9, 13.
jiogevfrevxeq de tuäd-exe, xi eoxiv eleoq d-ela xal ov
&voiav.
d. Mt. 12, 7.
tl de eyvcöxeixe, xi koviV tleoq ü-elco xal ov &vöiav, ovx
-,, , , , — ~~
av xaxtöixaoaxe xovq avaixiovq.
Weiss statuiert mit überzeugenden Gründen, dass in Mt.
9, 13 das Hosea-Citat ein Einschiebsel des Redaktors ist, wodurch
der zusammengehörige Text Mt. 9, 12. 13b = Mc. 2, 17 = Lc.
8*
116 Aussercanomsche Paralleltexte zu Mt. und Mc.
5, 31. 32 bei Mt. auseinandergerissen werde, dass dagegen das-
selbe Hosea-Citat Mt. 12, 7 der vorcanonischen apostolischen
Quelle eigenthümlich gewesen sei. Allerdings habe der Ab-
schnitt Mt. 12, 5 — 7 in der vorcanonischen Quelle einen anderen
Standort eingenommen und einem Zusammenhang angehört, wo
das eXeoq &eXa> einen prägnanten Sinn gehabt habe, etwa im
Zusammenhang mit Krankenheilungen, welche die Jünger am
Sabbath im Dienste und Auftrage Jesu vollzogen hätten, während
die Beziehung des eXeog &eXa) auf das Ahrenausraufen von
Seiten der Jünger etwas Missliches und Gezwungenes habe.
Vgl. Weiss, Matthäusevangelium S. 246. 247. 312. Für diese
Annahme spricht auch der Umstand, dass die dem Redaktor bei
seinen eigenen alttestamentlichen Einfügungen übliche Citations-
formel Mt. 12, 7, in Folge dess auch Mt. 9, 13, wohin das Citat
aus Mt. 12, 7 übertragen worden ist, fehlt. Der Paralleltext der
Cleraentinischen Homilien ist unter diesen Umständen kein
Beweis für die Abhängigkeit von dem ersten canonischen Evange-
lium an dieser Stelle, zumal da der Hoseatext in den Clemen-
tinen vollständiger als in den beiden canonischen Matthäus-
Parallelen wiedergegeben ist. Es könnte also sehr wohl möglich
sein, dass das von den Clementinen citierte Herrenwort
direkt aus der Quelle und nicht aus dem ersten Evangelium ge-
schöpft worden ist.
Mt. 9, 28.
a. Aphraates Hom. I, 13. p. 14 ed. Bert.
Und da ein Blinder zu ihm kam, sprach er zu ihm: Glaubst
du, dass ich dich heilen kann? Und es spracli~der Blinde
zu ihm: Ja, JlerrTlch^ glaube.
b. Mt 9, 28?
kX&ovzi de tlq zi]v olxiav JtQOötjX&ov avzm ol rv<pXoi, xal
Xtyei avrolg o 'irjöovQ' Jiiozsveze, ort övvafiai rovzo jtoitj-
öai; XiyovöLV avzm' vai, tcvqis.
Die Vorliebe des ersten Evangelisten für Verdoppelungen
ist bekannt und als Zeichen einer secundären Redaktion der
Quellenstoffe allgemein anerkannt. Vgl. die ovo daifiovi^öijevoi
Mt. 8, 28 gegenüber dem ccv&qcojtoq iv jtvevfiazi axa^ägtcp Mc.
5, 2 = Lc. 8, 27, ferner die ovo rv<pXoi Mt. 20, 30 gegenüber dem
rv<pX6g rig Lc. 18, 35 = BaQTifialoa Mc. 10, 46, ebenso die Ver-
Texte und Untersuchungen zu Mt. 9, 28. 29. 117
doppelung der Esel Mt. 21, 2 gegenüber Mt. 11, 2 = Lc. 19, 30.
Es ist nun sehr bezeichnend, dass zu der canonischen Lesart xa-
xa xrjv xioxiv v^imv yEvr)&if]xa) vfiiv die singularische Fassung
in der alten Kirche die vorherrschende war. (Vgl. das nächste
Logion.) Auf Grund dieser Wahrnehmung fahndete ich schon
laugst nach einem aussercanonischen Paralleltext, in welchem
abweichend von der späteren Redaktion des ersten Evangelisten
Mt. 9, 28 die Heilung nur eines Blinden berichtet sein musste.
In dem obigen Aphraates-Text fand ich das Gesuchte. Denn
hier ist die bei dem ersten Evangelisten beliebt gewesene Ver-
doppelung auf die sicherlich quellenmässige Einheit redressiert,
bei einer im Übrigen ziemlichen Übereinstimmung der Texte.
Dabei dürfte auch die Lesart: Glaubst du, dass ich dich heilen kann?
bei Aphraates ursprünglicher sein, als das durch den Context
nicht genügend motivierte: xioxevexe. övi övvafiai xovxo xoitjoai.
Mt. 9, 29.
a. Iren. IV, 37, 5.
Dominus dicens: Secundum fidem tuam fiat tibi.
b. Clem. AI. Paedag. I, 6, 29. p. 115.
öxcoq x av IxeIvo jtfajQcofrij xo ley&tv y e.v r/ & ■// x o) xaxa
xr\v xlöxiv oov.
c. Clem. AI. StromTlI, 11, 49. p. 454.
xal xaliv' xaxa ri)v x'iOxiv Oov yevrjdijxco ooi.
d. Exe. Theod. cap. 9. ap. Clem. AI. p. 969.
u yovv omxtfg <pr)Oi~ yevr}&7)xco oov xaxa xi)v xloxiv.
e. Orig. in Joann. XXXII, 9. Opp. II, 421T
xaxa xtjv xloxiv Oov yEvrjd-rjxco ooi.
f. Clementina Epitome c. 141. p. 796 ed. Cotelerius.
xal' xaxa xi]v xloxiv oov yEvrj&jjxco ooi coq dsZEig.
g. Cassian. Collat. XIII, 15, 5. p. 390.
ut huic quidem dicat: secundum fidem tuam fiat tibi.
h. Aphraates Hom. I, 13. p. 14 ed. Bert.
Unser Erlöser sprach zu jedem, der zu ihm kam, um geheilt
zu werden, also: Nach deinem Glauben geschehe dir.
i. Mt. 9, 29.
xÖxe t/ipaxo xmv ocpfraXfimv avxmv Xiymv xaxa xi]v
xioxiv vfimv yEV?/&rjxa> vfiiv.
Hg Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Das Wesentliche ist bereits zu dem vorausgehenden Logion
besprochen. Hier ist nur noch auf den Umstand aufmerksam
zu machen, dass die aussercanonische Lesart: xaxd xr)v ütioxiv
oov yevrj&rjTco ooi nicht blos in den Excerptis Theodoti,
mithin aus der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts, auch
nicht blos von Clemens AI. und Irenaeus an der Wende des
zweiten und dritten Jahrhunderts und von Origenes beglaubigt,
sondern auch noch zu den Zeiten des Aphraates und Cassian —
im Anfang des fünften Jahrhunderts — in den Handschriften vor-
handen gewesen ist, sodass man auf die Vermuthung kommen
möchte, dass die in dem jetzigen canonischen Text des ersten
Evangeliums beliebten Verdoppelungen einer sehr späten Re-
daktion dieser Evangelienschrift angehören.
Mt. 10, 5. 6.
a. Jerem. 10, 2a. LXX.
xdÖE Xeyei xvQiog' xaxd xdg böovg xmv kdvcov fi?} fiav-
d-dvsTE (Cod. A: jioqeveg&e).
b. ciemTXl. Strom. III, 4, 33. p. 526.
6 xe feQSftiag (prjoi xdös Xtyei xvQiog' xard rag oöovg
XODV E&VCQV (11/ XOQEVOTjO&E.
c. Mt. 10, 5. 6.
eig oöov eftvoJv fit) ajtEZfrrjxE xal sig jtokiv JZafiayi-
xo5v (tr) EiötZd-rjTe' jcoqeveo&e öe [täZJLov XQoq xa
jcgoßaxa xd djioXoolöxa olxov 'iOQayX.
d. Cod. Cantabr. Mt. 10, 5b. 6.
sig oöov ifrvojv fit) djiEk&rjxE xal Eig xöliv 2a{iaQi-
xavojv fir) EiöEZ&TjxE' vjtdyEXE (idk/ov jtQoq xd jiqo-
ßaxa djtolcoXoxa olxov ^IogarjX.
e. Diatessaron ed. Ciasca p. 22b.
attendite potissimum ad oves, quae perierunt de filiis
Israel.
Früher geneigt, dieses Logion gleichwie Mt. 10, 23 als einen
Ausfluss der dem ersten Evangelium einwohnenden judenchrist-
lichen Tendenz zu betrachten *), habe ich später durch die zu
1) Vgl. meine Recension von Weiss, Matthäusevangelium in den
Jahrbb. f. deutsche Theol. 1877. I, 167 ff.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 10, 5. 6. 119
Mt. 10, 23 mir zur Kenntniss gekommenen aussercanonischen Pa-
rallelen und durch die daraus resultierende Erkenntniss der ur-
evangelischen Originalität von Mt. 10, 23 (vgl. unten) auch in Be-
treff von Mt. 10, 5. 6 meine frühere Meinung aufgegeben. Denn
es ist mir evident geworden, dass Mt. 10, 5. 6 als Anfang der
ursprünglichen Aussendungsrede und Mt. 10, 23 als Schluss
derselben sich gegenseitig decken und ergänzen, dass also die
Quellenmässigkeit von Mt. 10, 23 auch die von Mt. 10, 5. 6 nach
sich zieht. Was Mt. 10, 24 — 42 folgt, gehört der Hauptsache
nach nicht zu derjenigen Rede, welche sich auf die Aussendung
der Apostel bezog, sondern ist, wie man aus der Vergleichung
mit Lucas deutlich ersehen kann, theils aus der auf die Sama-
riter-Mission bezüglichen Rede Lc. 10, 1 ff., theils aus anderen
Herrenreden herübergenommen, von dem ersten Evangelisten an
dieser Stelle eingeschaltet und mit dem Grundstock der Rede
Mt. 10, 5 — 23 zu einer grösseren Redecomposition vereinigt wor-
den. Freilich auch schon der Grundstock der an die Zwölfe ge-
richteten Aussendungsrede, welcher Mc. 6, 7 — 13 = Lc. 9. 1 — 6
zu erkennen ist, hat durch den ersten Evangelisten mancherlei
Bereicherungen erfahren. Vgl. namentlich Mt. 10, 16 = Lc. 10, 3,
ferner Mt. 10, 17. 18 = Mt. 24, 9. 10 = Mc. 13,9 = Lc. 21, 12. 13,
sowie Mt. 10, 19— 22 = Lc. 12, 11. 12 = Lc. 21, 14—19= Mc. 13,
11— 13 = Mt. 24, 13. 14. Andrerseits haben Mc. und Lc, wenn
Mt. 10, 5. 6 und Mt. 10, 23 originale Bestandteile des Urevan-
geliums waren, gerade den Anfang und das Schlusswort der an
die Zwölfe gerichteten Aussendungsrede gestrichen. Wahrschein-
lich hat schon Mc. den Tenor der beiden an die Zwölfe und an
die Siebenzig gerichteten Reden (Mc. 6, 7 — 13 = Lc. 9, 1—6 =
Mt. 10, 5 — 15. 23 einerseits und Lc. 10, 1 — 16 andrerseits), indem
er sie kürzend in Eine einzige kleine Rede zusammenzog, mit
einander vermischt, sodass eine exakte Analyse und Auseinander-
haltung des Tenors beider Reden, der Abordnungsrede bei Aus-
sendung der Zwölfe und derjenigen bei Aussendung der Sie-
benzig, nicht mehr vollständig herzustellen sein dürfte. Gehört
aber Mt. 10, 5. 6 und Mt. 10, 23 zu dem ursprünglichen Tenor
der ersten Rede, so ergiebt sich folgende Klimax:
1. Mission (durch die Zwölfe) in Israel Mt, 10,5—15. 23 =
Mc. 6, 7—13 = Lc. 9, 1—6.
120 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
2. Samariter-Mission (durch die Siebenzig) Lc. 10, 1 — 16.
3. Heidenmission Mt. 28, 19 = Mc. 16, 15.
Dabei ist es beachtenswerth, dass diese Klimax dem in Act.
1, 8 enthaltenen Schema entspricht:
E6E0&E flOV fläoTVQEg
a) sv ts IsQovöalrm xai sv jiaoy ry 'iovöaia
b) xai Sauaoia
c) xai tcoq soxäzov zijg yijg.
In diesem Sinne erscheint die Beschränkung der den Zwölfen
übertragenen Mission auf die verlorenen Schafe aus dem Hause
Israel (v. 6) und auf die Städte Israels (v. 23), sowie der vor-
läufige Ausschluss des samaritischen Gebietes (v. 5) nicht als
Ausfiuss judenchristl^her Auffassung, sondern als das Resultat
eines schrittweise zur Ausführung gelangenden Planes, währer.d
im Contexte des ersten Evangeliums, wo die Samaritermission
gefallen ist und die Mission in Israel unmittelbar mit der Parusie
Jesu (Mt. 10, 23) verbunden scheint, das Ganze einen judenchrist-
lichen Charakter empfangen hat. Soviel über die Quellenkritik
zu dieser Stelle. Das Weitere siehe zu Mt 10, 23.
Was nun den Text von Mt. 10, 5. 6 selbst anlangt, so ist
er ein auffallender Nachklang von Jer. 10, 2a, aber nicht nach
der dem Urtext entsprechenden Version der LXX, nach welcher
Jer. 10, 2 auch in der Didascalia V, 12. p. 311 citiert ist: x&i
6s IsQEtilov xaza zag oöovg zmv s&vcov ^r\ fiav&avszs xai ajto
to5" otjuslmv zov ovgavov (irj <poßsio&s, sondern nach der von
Clemens AI. — in Übereinstimmung mit dem Cod. Alexan-
drinus — gegebenen Version: xata rag oöovg zmv s&vcöv fit}
xoosvöwa&s, bei welcher Version es unklar bleibt, wie das ITöbft
des Urtextes mit jiOQSvCrja&s wiedergegeben werden konnte.
Klar ist es dagegen, dass im neutestamentlichen Herrenwort ur-
textlich: -isb = xoqsveö&s (Mt.) = vxayszs (D) zu lesen ge-
wesen ist. Auch die Variante im Diatessaron: de filiis Israel
(= olxov 'looawX) weist auf den hebräischen Quellentext hin. Vgl.
Gen. 45, 11: ?jrv^ = LXX: xai olyioloov — Ex. 16, 31: bsntoTma
= LXX: ol vf.ol 'Iogar/Z — und noch öfter. Dagegen ist das
attendite des Diatessaron nur eine freie Wiedergabe des Ur-
textes.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 10, 8. 121
Mt. 10, 8».
a. Hoin. Clem. III. 30. p. 44, 24.
örngsüv 6 cumöxeiXag rjfiaq, xov sv vjteoofäj avfiqtsQOVxog
äipevdrjQ v3iaQX<nv jcQocpr/xrjg.
b. Bora. Clem. III, 71. p. 55, 34.
xal fit) Xsysxco xig' ovxovv o öa>QE<xv ütaQaöXEfrslg Xoyog
ücmXelrai;
c. Clem. AI. Strom. I, 1, 9. p. 321.
ovxog 6 uv Bit) 6 xco ^eXrjfiaxi xov &eov egvjtrjnexcör,
öcoQsav Xaßoiv, öcogedv didovg.
d. Iren. II, 32, 4.
coq yao Öcoqeciv eiXTjipe jcagä &eov, öcoQsav xal öia-
xovsl.
e. Mt. 10: 8b.
öcooeav sXdßsxs. ömosav 66xe.
f. Aphraates Hom. I, 1. p. 3 ed. Bert.
Es gilt das Wort: Umsonst gegeben, umsonst em-
pfangen.
Obwohl dieses Logion nur durch den ersten Evangelisten
vertreten und bei seiner Kürze ohne wesentliche Übersetzungs-
varianten überliefert worden ist, so kann an seiner Originalität
und Abstammung von dem Urevaugelium nicht gezweifelt werden.
Dies bestätigt namentlich auch das erste Clementinen-Citat.
Denn wenn man den Zusammenhang betrachtet, in welchem das-
selbe steht, so findet man einen Context, der mit keiner cano-
nischen Parallele sich deckt, aber in der Variante elQ?)v?]g xix-
vov (Hom. III, 30. p. 44, 26. 27) dem lucanischen Text vlog el-
Qi}vt]g (Lc. 10, 6) = Qib©~ia. am nächsten kommt, und (zugleich
mit den canonischen Parallelen) auf einen vorcanonischen Quellen-
text zurückzuführen ist. (Vgl. Lc. 10, 6) Der Redaktor der Cle-
mentinen hatte also die Kenntniss des Logion Mt. 10, 8b nicht
aus dem ersten canonischen Evangelium, sondern aus einem an-
deren Context, mithin aus einer anderen Quelle, geschöpft. Ob
der in den beiden Homilien-Citaten nur angedeutete Text mit
dem canonischen Wortlaut vollständig sich gedeckt bat, ist
immerhin fraglich. Aphraates hat neben dem aus seiner ersten
Homilie mitgeteilten Citat, dessen textliche Fassung von Mt.
10, 16 etwas abweicht, in Hom. XXIII. p. 377 und Hom X, 6.
p. 164 dasselbe Citat zweimal in canoniscber Gestalt.
122 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Mt. 10, 16b.
a. Ign. ad Polyc. II, 2. p. 98, 5.
(pgövifiog ylvov cog otpig hv ctJtaoiv xal axsgatog slg
asl cog i] jcsQiöreQa.
b. Clem. Al.~Strorn. VII, 13, 82. p. 882.
ftl^ag OVV T7J JZSQlOTEQä rbv ö<piv.
c. Orig. Comm. in Prov. Sal. Opp. III, 2.
y'iVEöd-E cpgovifioi cog o oepig.
d. Pseudo-Ign. ad Polyc. II. p. 254, 10.
cpgovifiog ylvov cog oepig sv xäöiv xal dxsgaiog eig
asl cog r) xegioxegä.
e. Antiochus. Homil. III.
söxco <po6vi[/og sv jiäöiv cog ol ocpEig xal axsgaioi
COOsl JlEQlöTEQaL
f. Ephraera Syr. OppTT, 207 E.
ylvov roiyagovv cpgovifiog coösl ocptg xal axsgatog cog
jisgiorsgä, öibxi ftsöov Ivxcov öiaxgißsig.
g. Epiph. HaeiTxXXVII, 7. p. 274 B.
xal öiä xovxo xal iv alle? xöüico, cpaol [sc. Ocpixai], Xsysi
oxi ylvEO&s <pgbvi(ioi cog o bepig xal axsgaioi cog jis-
qiöte gu.
h. Epiph. Haer. XXXVII, 8. p. 274 BC.
sav 6h ELJtiy ylvEO&s cpgövifioi cog 6 oepig xal axsgaioi
cog ?/ jisgiöTEgä.
i. Mt, 10, 16b.
ylvsö&s ovv (pgovifioi cog ol ocpsig xal axsgaioi cog al
jtsg igt sgal.
k. Clem. Rom. I, 2, 5. p. 8, 3.
sllixgivsig xal axsgaioi i/xe xal a{uvi]ölxaxot slg alltj-
lovg.
1. Test. XII patr. Nepkthalim c. 8.
ylvso&E ovv ooepol sv &£cp~ xal (pgovif/oi.
m. Rom. 16, 19.
frslco öh vfiäg Oocpovg eIvül dg xo aya&ov, dxsgaiovg öe
slg xb xaxöv.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 10, 16. 123
n. Gem. AI. Paedag. I, 5, 14. p. 106.
i][iäg naXiv aXXijyoQEi, xal mg jceqioxeqccv axaxov xal ayo-
Xov TtaX/v rj^äq.
o. Cod. Cantabr. ad Mt. 10, 16b.
yivEOfrs ovv cpQovif/oi cog ol 6(psig xal ajtXovoxaxoi
co g al ji-EQidrBQal.
p. Hilar. de Synodo adv. Arianos p. 364 C.
Dictum ad apostolos Domini est: Estote prudentes ut
(sunt) serpentes et simplices ut columbae.
q. Caelestinus. Acta oecumenicae tertiae Synodi Ephesi habitae
p. 90, 11 ed. Sylburg.
Exsivcp ovx tXutye xal ajtXoxrjg ütEQiöxEQag xal övvEOig
EQXEXOV.
Dass Mt. 10, 16b gleichfalls ein urevangelisches Herrenwort
ist, erkennt man schon an dem bei aller gnomenartigen Kürze
reichen Inhalt und an der tiefen Bedeutsamkeit der Bilderrede.
Man erkennt es ferner an der Zusammengehörigkeit von Mt. 10.
15b mit Mt. 10, 16a = Lc 10, 3, welcher letztere Redetheil mit
seinen Varianten und aussercanonischen Paralleltexten zweifellos
aus der vorcanonischen Quelle stammt, aus welcher der erste
und dritte Evangelist gleichmässig schöpften. Man erkennt es
drittens aus den Varianten und Paralleltexten, welche zu diesem
Logion Mt. 10, 16b vorhanden sind und die bis auf Paulus zu-
rückreichen. Dem axEQalovg slg zo xaxör Rom. 16, 19 entspricht
das dxEQaioi Phil. 2, 15, an welcher Stelle sogar das kv fieocp
Xvxcov Mt. 10, 16a = Lc. 10, 3 anklingt in dem Iv tutocp jEVtäg
oxoXtag xzX. Zu dem axEQaiog gesellt sich bei Paulus Rom.
16, 19 das öocpog, welches vielleicht Eph. 5, 15, sicherlich aber
in dem Testamentum XII patriarcharum 1. c. neben (pgö-
vifiog wiederklingt. Als dritte Variante hierzu bietet der Papst
Caelestinus 1. c. OvvEOig eqjietov = (pQOvi^og cog o oyig.
Wenn derselbe aber zugleich von der ajiX6rr]g jcEQiOXEQäg redet,
so entspricht das nicht blos dem Sprachgebrauch der altitalischen
Versionen, welche simplices bieten, sondern es ist diese Lesart
auch in die Vulgata übergegangen und ebenso von Hilarius be-
glaubigt. Die Version simplices aber hat ihre Quelle in dem
griechischen ajcXovöxaxoi, welches aus seinem Archetypus der
Codex Cantabrigiensis erhalten hat, und diesem ajcXovöxaxoi
124 Au88ercanoni8che Paralleltexte zu Mt. und Mc.
entspricht die ajtXoxrjg jteQioxegäg bei Caelestinus. Als he-
bräischer Quellentext liegt offenbar dem (pQovi/iog WF\9 und
dem dxegcuog = ajcXovoxaxog = simplex = dxaxog das D^lGPl
zu Grunde.
Charakteristisch sind die Zusätze ev djtaoiv und eig dei in
den Ignatianen; dass sie handschriftlich begründet sind und
nicht auf der Willkür des Schriftstellers beruhen, zeigt das ev
xäoiv bei Antiochus. Ferner scheint in der vorcanonischen
Textgestalt der Singular <6g [6] dcpig und o)q [tj] jtegiöxegd, wie
die Übereinstimmung von Ignatius, Origenes, Clem. AI.,
Ephraem. Syr., Epiphanius, Caelestinus zeigt, verbreiteter
gewesen zu sein als der Plural cog ol oqpeig und cog al jcegiöxe-
gai des jetzigen canonischen Textes. Das (pgovifioi coq 6 ocpig =
TDn|3 D^IS? lässt in der singularischen Fassung die Bezug-
nahme auf Gen. 3, 1 LXX: o de o<piq tjv cpgovijicoraxog =
2^"iy «TTI ©H2fT" noch deutlicher durchblicken als der canonische
Text. Man vgl. dazu Clem. AI. Strom. VI, 17, 155. p. 820. Zu
axt'gaiog Additam. Esther XVI, 4. Wie 6 ocpig eine Bezugnahme
auf Gen. 3, 1, so ist t] jtegiöxegd wahrscheinlich eine Anspielung
an Gen. 8, 11: rj jtegiaxegd — ei^e cpvXXov eXaiag. — Nestle
notiert hierzu, dass das Ev. Hierosolymitanum ebenfalls ö*Hy
(für das hebr. Biny) bietet und dass sich noch Cant. 5, 2; 6, 9
eine treffende Parallele findet: ^tVßn ^roi*1 = LXX: jtegiöxegd
f/ov, xeXeia tuov, Symmachus: /; dxegala fiov.
Mt. 10, 23».
a. Cod. Cantabr. ad Mt. 10, 23.
orav de dicöxovoiv vtuäg ev xij jtoXei xavxy, (pevyexe
elg xr/v aXX?]V edv de ev xi] aXXij dioixovöiv vfitcg, (pevyexe
eig xr)v dXXr\v.
b. Orig. c. Cels. I, 65. Opp. I, 380.
edv dicoxcooiv vfidg ev xf] xbXei xavxij, cpevyexe eig
xi]v exegav xdv ev tjj exega dunxcaoiv, ütdXiv (pevyexe eig
xi\v aXXrjv.
c. Orig. Exhortatio ad martyrium. Opp. I, 295.
oxav de dimxmöiv vfiäg ev xy JtoXei xavxy, (pevyexe
eig x?}v exegav xdv ex xavxt/g diatxooöi, (pevyexe eig xt/v
„ — - — . — .,., — .„.. . _„______=_____
aXXrjv.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 10,23. 125
d. Ephraem Syr. Ev. concord. expos. ed. Mösinger c. 8. p. 94.
In quam civitateni intraveritis et non susceperint vos,
fugite inde in aliain civitatem; et si ab hac perse-
quentur vos, fugite denuo in aliam civitateni.
e. Diatessaron ed. Ciasca p. 23a.
Cum ejicient vos de civitate ista, fugite in aliam.
f. xMtrioTSST"
orav öicoxtoaiv vfiäg hv rij ycoXsi ravti], <ptvysrs lig
tyv treQav.
g. Tert. de fuga in persecutione c. 6.
Cum coeperint, inquit, persequi vos, fugite de civitate in
civitatem.
Unter Vergleichung dessen, was zu Mt. 10,. 5b. 6 gesagt ist,
beachte man, dass der aussercanonische Paralleltext, wie ihn
Ephraem (et non susceperint vos) und ähnlich das Diatessaron
nach Ciasca (cum ejicient vos de civitate) anstatt des cano-
nischen orav ökdxcooiv vfiag darbieten, an Mt. 10, 11 — 15 und
noch mehr an Lc. 10, 10 viel prägnanter sich anschliesst, als es
nach der canonischen Fassung der Fall ist. Man vgl.
Ciasca Mt. 10, 23a cum ejicient vos de civitate ista
Ephraem Mt. 10, 23a in quam civitatem intraveritis et non
susceperint vos
Lc. 10, 10 elg tjv d' av JioXtv elötZ&rjTe xcu ptrj
öixwpzai Vfiäg.
Das dimxetp des canonischen Textes von Mt. 10, 23a ist also
nicht im Sinn der späteren Christenverfolgungen, sondern als
gleichbedeutend mit ejicere = non susc}vS^^Ji!L^jXi0^al zu
nehmen. Unter dieser Voraussetzung wird nun erst auch die
sicherlich ursprüngliche Wiederholung derselben Vorschrift, wie
sie Cod. Cantabr., Origenes und Ephraem Syr. überein-
stimmend erhalten haben, recht verständlich. Der Sinn der Vor-
schrift war dieser: Wenn ihr für eure Predigt in einer Stadt
keine Aufnahme findet, wenn sie euch vielmehr aus der Stadt
hinausstossen, so eilt in die nächste Stadt und wenn es euch in
dieser ähnlich ergeht, so eilt in die dritte u. s. w. Denn dem
(ptvysiv lag im Urtexte wahrscheinlich ein p*n = currere, pro-
perare (vgl. 1. Sam. 14, 12 "pl, welches von einem Codex
der LXX mit rptvyeiv gegeben ist), vielleicht auch Di: zu
126 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Grunde, welches ursprünglich properare bedeutet. Dieser Sinn
entspricht genau dem Contexte und namentlich auch dem ur-
sprünglichen Verständniss von Mt. 10, 23b. (Vgl. das Folgende.)
Es handelte sich um eine rasche Missionierung der israelitischen
Städte bis zu dem Zeitpunkte, da die Jünger mit dem Meister
wieder zusammentreffen würden, wobei von einer eigentlichen
Verfolgung und Flucht der Jünger nicht wohl die Rede sein
konnte. Die jetzige canonische Textgestalt (dicoxcoöiv — cpsv-
ytre) ist vielleicht erst in der Zeit der grossen Christenver-
folgungen entstanden.
Mt. 10, 23».
a. Ephraem Syr. Ev. concord. expos. ed. Mösinger c. 8. p. 95.
Amen dico vobis, non poteritis consummare has urbes,
donec venero ad vos.
b. Agathangelus ed. Lagarde p. 33, 49.
äfirjv Xsyco vfilv, ov yy) jtXrjgcÖGTjre rag jtöXsig rov
'logaf/X tcog rtjg efir/g Jtagovoiag.
c. Mt 10, 23b.
dfijjv yäg Xiyco vy.lv , ov firj rsXeOrjre rag jtoXeig rov
'iögarjX, tcog sX&y o vug rov av&gaijtov.
Die sollenne Formel des canonischen Textes: tcog eXfry 6
vlog rov avd-ga>jtov konnte und sollte nach der Tendenz des
ersten Evangelisten nicht anders als von der letzten Parusie
verstanden werden. Die Fassung bei Agathangelus dagegen
lässt trotz des Ausdruckes Jtagovoiag den persönlich-historischen
Sinn zu: bis zu meiner Ankunft = ecog rr/g eyrjg jtagovoiag, d. h.
bis zu meinem Wiederzusammentreffen mit euch bei eurer Rück-
kehr von der Aussendung in die israelitischen Städte. Zu dieser
rein historischen, von allen eschatologischen Erwartungen freien
Auffassung des Wortes werden wir aber ermächtigt durch den
Text Ephraem s: Ihr werdet eure Mission in den israelitischen
Städten bis zu meinem Wiederzusammentreffen mit euch (donec
venero ad vos) nicht vollenden. Dabei sind ecog zT)g tfirg jtag-
ovoiag und donec venero Übersetzungsvarianten , welche das
hebräische ifcpin? noth wendiger Weise voraussetzen. Die Um-
bildung des originalen persönlichen Textes eyco in die dog-
matische Fassung vlog äp&gcojtov finden wir im ersten Evange-
Texte und Untersuchungen zu Mt. 10, 23. 41. 127
liuin öfters, z. B. Mt. 16, 13, eine Textänderung, durch welche
der ursprünglich historische Sinn leicht verdunkelt werden konnte.
Die Variante jcZjjqovv = xeXaiv = PlIsS weist ebenfalls auf einen
hebräischen Urtext zurück. In dem dargelegten Sinn, wie ihn
die Texte von Ephraem und Agathangelus als Reste der ur-
sprünglichen Fassung ermöglichen, ist Mt. 10, 23 ein vortrefflicher
Abschluss gewesen zu der Aussendungsrede, mit welcher Jesus
die Zwölf bei ihrer ersten auf Israel bezüglichen Mission entlassen
hatte, ein Abschluss, welcher mit der einleitenden Beschränkung
der ersten Jüngermission auf die israelitischen Städte und Ortschaften
mit Ausschluss Samarias (Mt. 10, 5. 6) aufs Beste correspondiert.
Vergleiche über das Logion Agrapha S. 270. — Zu notieren ist
noch in Ephraems Text die Lesart: has urbes, mit Weglassung
der Worte: xov 'Igqü^X. Übrigens werden sowohl Ephraem
als Agathangelus ihren überlieferten Text ebenfalls escha-
tologisch verstanden haben.
Mt. 10, 41.
a. Pistis Sophia p. 147, 15 ed. Schwartze et Petermann.
Propter hoc dixi vobis oliin, xiöxsvöag JtQo<pr]x?j accipiet
mercedem jtQocpijxov, et otiöxsvoag öixaico accipiet
mercedem öixaiov.
b. Pseudo-Ign. ad Smyrn. IX. p. 250, 12.
6 rificöv yäg jiQoyrjxrjv elg ovofia jtQO<pt)xov, (iioftov
jtQo<prjTov Xy'ipsxai.
c. Clem. AI. Strom. IV, 6, 36. p. 579.
og yaQ av öet-r/xai, <prj<ji, jiQocpr}z7]v elg ovofia jiQo<ptj-
xov, (iiG&öv jiQO<pr}Tov X?)ty£xai, xal og av ös^rjxai
öixaiov slg ovofia öixaiov, (iio&ov Ihxaiov X?j-
rpsxai.
d. Mt, 10, 41.
6 öexofisvog jtQo<prjxr]V ilg övofia noo<prjxov [iiö&ov
XQO<pr']xov Irjßtyexai, xal o ösxofitvog öixaiov elg
ovofia öixaiov, fiiöfrov Öixaiov X?' fityexai.
Die Verbindung: jtQoqrjxai xal öixaioi findet sich im ersten
canonischen Evangelium auch Mt. 13, 17. Ausserdem entspricht
hier die vorausgesetzte Thätigkeit neutestamentlicher Propheten
dem Herrenwort Mt. 23, 34 = Lc. 11, 49, welches Herrenwort,
128 Auesercanonische Faraheitexte zu Mt. und Mc.
wie zu Lc. 11, 49 gezeigt werden soll, nicht bios in der pauii-
niscnen Amterlehre, sondern auch in den Amtern der Ji6a%^
fortwirkt. Hier kommt als besondere Parallele zu Mt. 10, 41*
noch Jiö. XI, 1: öegao&e avxov und Äiö. XII, 1: ev ovoftaxt
xvqLov öex&tjxat in Betracht. Vgl. o öexoftevog JcootptfxrjV —
og av 6t§7jtai jtQo<pr]xi]v , und das Lc. 10, 16 Gesagte. Auch
Apoc. 11, 18, wo von dem ftio&og für xoiq Jiuo<pr]xatg xal xolg
aylotg die Rede ist, kann als Parallele herbeigezogen werden.
Vgl. Agrapha S. 170 in Betreif der Synonyma öixaiog und
aytog. Die Synonyma xiöxevetv = xipäv = öexeo&ai sind wohl
nur Sinnvarianten. Das^Juelfenwort war jedenfalls Öexsofrai —
b2J?. Zu dem o xificöv jiQOtpqxrjv vergleiche man noch Aiö.YV, 1,
wovon dem, der das Wort Gottes verkündigt, gesagt wird: xiprjosig
de avxov coc xvoiov.
Mt. 10, 42 = Mc. 9, 41.
a. Clem. AI. Strom. IV, 6, 36. p. 579.
xal og av öegtjxai eva xd>v fia&rjxoiv xovxojv xa>v
fitxuwv, cov fiia&ov ovx axoXedei.
b. Clem. AI. Quis div. salv. §31. p. 953.
o^e^juad^ir^v xoxioag elg ovofia fiafrijxov noxt]Qiov
rpvxQOv vöaxog, xov fiio&dv ovx änoXicei.
c. Syr. Cur. ad Mt. 10, 42.
xal og edv noxioy %va xoov fiixomv xovxojv Ttoxt)-
qiov ipvxQOv elg ovopa f^^o^ aprjv Xeyoj vfilv, ov
fifj aicoXrjxai 6 (iio&og avxov.
d. Cod. Cantabr. ad Mt. 10, 42.
xal og av jroxloy eva xd>v eXaxiöxojv xovxojv jsoxtj-
qiov vöaxog yvxQov elg ovofia (iad-rjxov, dfii]V Xeyoj
vy.lv, ov fit) äftoXr/xai 6 fiiofrog avxov.
e. Mt. 10, 42.
xal og eov jcoxiötj eva xojv fiixgojv xovxojv ütoxrjQtov
tyvxQov fiovov elg ovofia fiad-rjxov, afiqv Xeyoj vfilv,
ov fit} ajtoXeöy xov fiiö&öv avxov.
f. Mc. 9, 41.
og yäo av jcoxiotj vfiag xoxtjgiov vöaxog ev ovofiaxi
fiov, oxi Xqloxov eöxe, äfirjv Xeyoj vfilv, oxi ov fit]
ajcoXeot] xov fitö&ov avxov.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 10, 42. 11, 14. 15. 129
Dieser Spruch gehörte mit Mt 10, 40 = Lc. 10, 16 und Mt.
10, 41 ursprünglich in die Iustruktionsrede, welche Jesus bei
der Aussendung an die Siebenzig richtete, wobei die Spendung des
Wassertrunkes als der geringste Anfang des öeyeofrai bezeichnet
war. Marcus hat das Logion umgeschaltet und zum Theil auch
umgestaltet (Vgl. Weiss, Marcusevangelium S. 319 ff. Matthaus-
evaugelium S. 284 ff.). Der erste Evangelist hat den einfacheren
Text wiederhergestellt und auch dem Logion seinen ursprüng-
lichen Standort zurückgegeben, als er es in die apostolische In-
struktionsrede aufgenommen hat. Der Zusatz vöarog, in welchem
Cod. Cantabr. und Clemens AI. mit den meisten Italae und
der Vulgata zusammentreffen, sowie die intransitive Fassung: ov
[itj djtolT]T<xi (== peribit) o (uofroc avrov, worin die drei Haupt-
linien: Cod. Cantabr., Svr. Cur. und die altlateiuischen Über-
setzungen ihren gemeinsamen Typus erkennen lassen, repräsen-
tieren ohne Zweifel Bestandtheile des vorcanonischen Textes.
Zu der Bezeichnung der Jünger als (ilxqo'i = elaytöroi = S^Süp
vgl. man die Erläuterungen zu Lc. 17, 2. Ausserdem zu diesem
Logion überhaupt Hug Einl. 3, 345.
Mt. 11, 14 15.
a. Just. Dial. c. Tryph. c. 51. p. 271BC.
xai ei freiere öe^aofrai, avröc eonv Hliaq 6 fiellcov
iQ%eöfrai. o eycov cbra äxoveiv dxove'rco.
b. Mt, 11, 14. 15. "
xai el freiere öe^aofrai, avrog eöriv Hleiag o fiil-
Imv ey/tofrai. o l'^oav wra [Syr. Cur. add. äxoveiv]
äxoverio.
c. Cod. Colbert Mt. 11, 14. 15. p. 13 ed. Belsheim.
et si vultis audire, ipse est Elias qui venturus est.
et qui habet aures audiendi audiat.
d. Pistis Sophia p. 10, 3 ed. Schwartze et Petermann.
respondi vobis in sermone in jta(tQr/Oia, e facie in faciem:
si vultis capere, Johannes baptista {ßaxnönig), iste est
Elias, quem dlxi venire.
Die Erklärung, dass in Johannes dem Täufer der verheissene
Elias erschienen sei, findet sich in dem ersten canonischen
Evangelium zweimal, das eine Mal in Übereinstimmung mit der
Texte u. Untersuchungen X, 2. 9
130 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Marcusquelle Mt. 17, 10— 13 = Mc. 9,11 — 13, das andere Mal hier
Mt. 11, 14 aus einer anderen Quelle. Es ist daher kein Zweifel,
dass eine bezügliche Erklärung Jesu über den Elias-Johannes
im Urevangelium enthalten gewesen ist. Aber weder in Mt. 17,
10—13 (=Mc. 9, 11—13) noch in Mt. 11, 14 dürfte der ur-
sprüngliche Standort dieses Logion zu finden sein. Denn in Mc.
9, 11 — 13 = Mt. 17, 10—13 besteht mit dem Vorausgegangenen
nur ein äusserlicher Zusammenhang, nämlich durch die voraus-
gegangene Erwähnung des Elias in der Verklärungsgeschichte
Mc. 9, 4. 5 = Mt. 17, 3. 4. Denn weder ist die Frage nach der
künftigen Erscheinung des Elias auf Seiten der Jünger in diesem
Augenblick, wo ihnen eben die Erscheinung des Elias zu Theil
geworden ist, motiviert, noch hat die Antwort Jesu, dass der
Elias in Johannes dem Täufer bereits erschienen sei, irgendwie
mit der Verklärungsgeschichte einen innerlichen Zusammenhang.
Folglich wird das ganze Gespräch durch Marcus von anderswoher
hier eingeschaltet und von Marcus aus in das erste Evangelium
an dieser Stelle (Mt. 17, 10 ff.) übergegangen sein, während Lc.
diese Marcus-Einschaltung an bezüglicher Stelle weggelassen
und damit sicherlich den ursprünglichen Context wiederherge-
stellt hat. Vgl. Lc. 9, 36. 37 ff. Derselbe Lc. lässt uns aber
weiter erkennen, dass auch Mt. 11, 14 nicht der originale Standort
jenes Ausspruchs gewesen sei, in welchem Jesus den Täufer für den
verheissenen Elias erklärt. Zwar würde diese Erklärung an die Rede
Jesu über Johannes Mt. 11, 7 — 11 = Lc. 7, 24 — 28 weit besser sich
anschliessen als an die Verklärungsgeschichte. Aber dies würde
doch nur dann von Beweiskraft sein, wenn Mt. 11, 14 unmittelbar auf
Mt. 11, 11 =Lc. 7, 28 folgen würde, und wenn nicht Mt. 11, 12. 13
dazwischen stünde, welche Einschaltung, wie man aus Lc. 16, 16
ersehen kann, ganz wo andershin gehört hat, und ferner, wenn
nicht vielmehr Lc. 7, 29. 30 das ursprüngliche, echte Zwischen-
glied zwischen Mt. 11, 11 = Lc. 7, 28 einerseits und Mt. 11, 16 ff. =
Lc. 7, 31 ff. andrerseits gebildet hätte. Es ergibt sich sonach, dass
die Erklärung Jesu über den Johannes-Elias auch hier an einer
fremden Stelle steht, dass sie ursprünglich vielmehr in den Context
gehört hat, welcher durch Lc. 16, 16 markiert und zu Mt. 5, 17
bereits näher besprochen ist. Dann wird aber auch klar, woher
Mc. seine Einschaltung Mc. 9, 11—13 (= Mt. 17, 10—13) ent-
nommen hatte, nämlich eben aus dem originalen Zusammenhang,
Texte und Untersuchungen zu Mt. 11, 14. 15. 28. \$\
von welchem in Lc. 16, 16 = Mt. 11, 12. 13 undLc. 16, 17 = Mt.
5, 17. 18 noch die Trümmer vorhanden sind. Es legt sich die
Vermuthung nahe, dass die Frage nach dem kommenden Elias
vielleicht nicht von den Jüngern, sondern von den Mc. 9, 11 =
Mt. 17, 10 erwähnten Pharisäern und Schriftgelehrten ausge-
gangen ist, mit welchen nach Lc. 16, 14 ff. Jesus in einer Streit-
unterredung begriffen war. Es leuchtet endlich auch ein, dass
zwar der ursprüngliche Standort von Mc. 9, 11 — 13 = Mt. 17, 10 —
13 verrückt ist, aber der dort erhaltene Wortlaut dem Context
von Lc. 16, 14 ff. vollkommen und namentlich besser entspricht
als die Parallele Mt. 11, 14. Gleichwohl ist auch dieses Logion
wahrscheinlich quellenmässig. Für die Annahme, dass der Wort-
laut von Mt. 11, 14 aus dem Urevangeliura selbst stammt, spricht
die Variante audire, welche Cod. Colbert. an Stelle des cano_
nischen ötsaofrai bietet, wie denn auch zu Lc. 10, 16 dxovuv
und öexto&ai als Übersetzungsvarianten von bap vorkommen.
(Vgl. Lc. 10, 16.) Jedenfalls aber, wenn das Citat Justins in
diesem Falle ausnahmsweise mit dem canonischen Text wesent-
lich übereinstimmt, so ist die Citierung dieses Logion bei Justin
in der Fassung von Mt. 11, 14 ein neues sicheres Kennzeichen,
dass dieser Schriftsteller neben seinen aussercanonischen Evan-
gelienquellen wiederholt auch dasjenige Evangelium benützt hat,
welches jetzt die erste Stelle im Canon einnimmt. Dabei beruht
die Variante, bezw. der Zusatz: dxovuv nach mxa auf hand-
schriftlicher Überlieferung und zeigt von neuem eine Überein-
stimmung der von Justin benützten Handschriften mit der-
jenigen Textgestalt, welche die älteste syrische Tradition reprä-
sentiert.
Mt. 11, 28.
a. Ephr. Syr. Ev. concord. expos. c. 10. ed. Mösinger p. 117.
Venite ad me, qui laboratis et onerati estis et qui
habetis graves afflictiones, et ego reficiam vos.
b. Pistis Sophia ed. Petermann p. 138.
stavxeg ol vjco ßtoipivöJv xal xojiiajvxeg vjcb xov (poQxiov
vficov, ösvxe jiooq fit, dvajiavoco vfiäg.
c. Agathangelus c. 144. ed. Lagarde p. 73, 37.
iva xal jianaxaltGij xovg xsx/irjxöxag ev xtj iöia ßaoileia
xal dvajcaüOrj xovg jmrpoQxiOfiivovg.
9*
132 Aussercanoniscbe Paralleltexte zu Mt. und Mc.
d. Hom. Cl. III, 52. p. 50, 32.
öio xcu ißoa Xiyow' dsvre jiQoq fit jtdvrsq ol xojti-
(Zvxsq.
e. Mt7TTT28.
Öevte JiQoq (ih jtdvxeQ ol xomojvtsq xal jit<poQtio-
[iivoi xuyco dvajcavoo) Vficcq.
f. Aphraates ed. Anton, p. 355.
venite ad me qui laboratis et fatigati estis et qui
habetis onera gravia.
g. Pistis Sophia p. 138, 1 ed. Schwartze et Petermann.
Propter hoc igitur dixi vobis olira: unusquisque, qui sub
curis, et laborans sub earurn onere, venite ad me, et dabo
requiem vobis.
Das Logion Mt. 11, 28 — 30, welches sich in der Quelle un-
mittelbar an Lc. 10, 21— 24 = Mt. 11,25—27; 13,16. 17 an-
schloss (vgl. Weiss, Matthäusevangelium S. 307), ist zwar von
der so häufig kürzenden Hand des Lucas weggelassen, kann aber
mit Hilfe des Lucas- Contextes in seinem ursprünglichen Sinn
noch erfasst werden. Danach war es gerichtet, nicht, wie Weiss
annimmt, an die Volksmenge, sondern an die von der Samariter-
mission (Lc. 10, 1 — 16) zurückkehrenden Jünger (Lc 10, 17—24).
Daher ist das xojiuövreq = xexfujxöreq zunächst auf die Mühen
der apostolischen Missionsarbeit zu beziehen und ebenso das
dvajtavoco auf das Ausruhen von gethaner Arbeit, ganz ähnlich,
wie der Herr den von der Mission in Israel zurückgekehrten
Zwölfen zuruft: ävajtaviGfrt oXlyov. Vgl. Mc. 6,31, wo auch
sogar das parallele ötvrs nicht fehlt. Die Ubersetzungsvarianten
xojiioiv und xexfiqxcüq gehen daher wohl nicht auf b'ay zurück,
welches die sämtlichen hebräischen Rückübersetzungen an dieser
Stelle anwenden, sondern auf J?;p, welches dem Zusammenhang
besser entspricht und den Zustand der Ermüdung, in welchem die
Jünger zurückgekehrt waren, genau bezeichnet, überdem nicht
blos durch xoxiäv (vgl. LXX. Deut. 25, 18; 2. Sam. 17, 2), sondern
ebenso, ja noch treffender, durch xdfivetv wiedergegeben werden
konnte. In der Übersetzung des Aphraates ist es durch einen
doppelten Ausdruck ersetzt: qui laboratis et fatigati estis. Sasse
(Prolegg. in Aphraatis serm. p. 28) sagt von dem armenischen
Übersetzer: solet enim verbum archetypi simplex duobus verbis
Texte und Untersuchungen zu Mt. 11, 28. 29. 133
synonymis reddere. Vgl. Zahn, Forschungen I, 150. Mit dem
zweiten Ausdruck „fatigati" hat nun der armenische Übersetzer
den Sinn des Urworts ?1P aufs Beste getroffen. Die Varianten
ji£<pogxtö(i£Vog == oneratus = qui habet gravia onera gehen
wahrscheinlich auf bap"p zurück. Vgl. bDC = Mühe, Beschwer-
lichkeit, Last = <pogxiov in v. 30.
Mt. 11, 29*.
a. Ephr. Syr. Opp. I, 149 C. [ed. Twaites p. 103].
XaßtTE xbv C,vybv fiov £<p* vfiäg xal (lä&tre.
b. ClemTAl. Strom. II, 5, 22. p. 440.
agaxE, (fj/öiv, ä<p' vitcöv xbv ßagvv C,vybv xal XaߣX£ xbv
jcgäov, /] yga<pi) (p?/Gl.
c. Acta Thomae § 28. Act. app. apocr. ed. Tischendorf p. 215.
Ö£§aol^e £vybv ngabxtjxog xal (poQxiov iXacpgbv.
d. dem. Rom. I, 16, 17. p. 32, 27.
ijfistg ol vjco xbv £vybv xf\g %ägixog avxov öi avxov IX-
ftbvxsg.
e. Herrn. Sim. IX, 2, 4. p. 200, 18.
xovg (ofiovq B/pvoai xovg öegiovg mg (itXXovoai fpogxiov
xl ßaoxäC,£iv.
f. Jiö.Yli.
el fiev yäg Övvaaai ßaoxäöai oXov xbv £vybv xov xvglov,
xiXuog eay.
g. Just. Dial. c. Tryph. c. 53. p. 272 D.
o XgiCxbg ovxoq eXO-ojv öu xojv fia&?]xcbv avxov jtifitpag
6fia&?'/x6vö£v avxovg, xal xbv C,vybv toi Xbyov avxov
ßaoxuöavxeq xxX.
h. Eus. in Psalm. 2, 4.
agaxe xbv £vybv (iov xal 'töexe, oxi XQVGt(><? koxt.
i. Clem. AI. Strom. V, 5, 30. p. G63.
öia xovxo b xvgiog' agaxE xbv C,vybv (iov, (ptjoiv.
k. Mt. 11, 29a.
agaxe xbv Cvybv (iov £<p* v(iäg xal (iü&£X£ ajc Ifiov.
Das Aufnehmen des C,vybg war im Hebräischen mit STD: be-
zeichnet, ganz so wie das Aufnehmen des öxavgbg in den Va-
rianten zu dem Logion Lc. 14, 27 und seinen Parallelen. In
134 Au8sercanoni8cbe Paralleltexte zu Mt. und Mc.
beiden auch dem Sinne nach eng verwandten Fällen gehen die
griechischen Versionen des Stte3 auseinander in ßaGxd&iv, cciqeiv,
Za/jßdvsiv, wozu hier noch als viertes Synonymon öixeöfrcu hin-
zukommt. Die Übersetzungsvariante ßaGxa&iv, welche" von
Hermas, Justin und der Jiöa%ij vertreten ist, gehört dem
lucanisch-paulinischen Übersetzungstypus an. Vgl. Gal. 6, 2. 5.
Act. 15, 10. Zu dem (id&exe an s/jov ist Eph. 4, 20: vfteTq 61
ox>x ovxcoq kfid&exe xov XgiGxov als paulinische Parallele zu
notieren. — Wegen der Übersetzungsvarianten von K1D3 vgl.
z. B. Ps. 55, 13, wo Symmachu8 das von den LXX mit vno-
<p£oEiv übersetzte 81D3 durch ßaotd^eiv wiedergiebt, oder~Jud.
3, 18, wo die LXX-Codices zwischen <p£oovxaq und algovxaq
schwanken, Deut. 33, 3: Kfet' = LXX: tä&xo, Esr. 5, 15: K'V =
LXX: lafa
Mt. 11, 29\
a. Ephr. Syr. Opp. I, 149 C.
ort rjovvoQ slfii, ngavq xal enteixijq xal xaneivoq xjj
xagöia.
b. Clem. Rom. I, 21,7. p. 40,9.
xo dxsgaiov xijq ngavxtjxoq avxmv ßovhjfta dnodei^a-
rmoav, xo iniEixhq xrjq yXcooorjq avxmv.
c Ep. ad Diogn. VII, 4. p, 159, 19.
aXÜ ev kniEixEia xal ngavxtjx i mq ßaöiXevc nEfincov
vlov ßaoiXia EJtsfixpev.
d. Clem. Rom. I, 30, 8. p. 50, 9.
eniEixEta xal xansivo<pgoGvvr) xal ngavxrjq nagd xoiq
tvXoyrjfidvoiq vnb xov &eov.
e. Clem. Rom. I, 56, 1. p. 90, 13.
oncoq öoßt] avxotq EJtieixeia xal xanEivofpgoGvvrj.
f. Clem. Rom. I, 58, 2. p. H&~IA.
o noir/Gac ev xanEivorpgoGvvn fiex' exxEvovq kniEixelaq
dtu£xatu£Xr}xcog rd vno xov &eov öeöofiEva öixaiatfiaxa xal
jcQOGxdyfiaxa.
g. Barn. XIX, 3. 4. p. 74, 11. 16.
tGfl 6h xan£iv6<pgcov xaxd ndvxa' — tG\) ngavq, egvj
rjGvyioq.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 11, 29. 135
h. Herrn. Mand. XI, 8. p. 114, 7.
jcgmxov (ikv 6 sx<xtv xo Jtvsvfia xo &eTov xo avco&ev jtgavg
eöxi xal rjövxioq xal xajc£iv6g>Qa>v.
i. Herrn. MandTV^, 3. p. 88, 22. ~~
jtaQafttvovoa öia jcavxog jrgasTa xal V^vxiog^
k. Herrn. Mand. V, 2. 6. p. 90, 4.
Crjxet xaxoLxelv fiExä ngaoxrjxog xai rjßvxlag.
1. Herrn. Mand. VI, 2, 3. p. 92, 12.
6 ftev xijg öixatoovvTjg ayysXog xovtpEQog toxi xal tdojyv-
X7]qoq xal scgavg xal rjövxiog. [Latine: tenerrimus et vere-
cundus est et modestus et quietus.]
ra. Tertull. de spect. c. 15.
Deus praecepit spiritum sanctum, utpote pro naturae suae
bono tenerum et delicatum, tranquillitate et lenitate et quiete
et pace tractare.
n. Test. XII patr. Dan. c 6.
soxat ydg alrjd-rjg xal (laxQoftvfiog, ngäog xal xa-
neivoc.
o. Test. XII patr. Benj. c. 9.
syvcov de oiog eoxai xajcstvog im xrjg yrjg.
p. Mt. 11, 29b.
6xi jtQavg slfit xal xajcEivog xij xagöia.
Durch die Vergleichung des Hermastextes mit derjenigen
aussercanonischen Fassung, in welcher Ephraem das canonische
Herrenwort Mt. 11, 29 citiert (Ephraem p. 103, 27. 28: Xaßexe
xbv Cvyov fiov iy vficcg xal fta&exe, oxi rfivxog sifii, xoavg
xal sjtiEixrjg, xal evqtjGexe dvdjtavoiv xalg ipvxalg v/icöv), sowie
durch die Herbeiziehung der paulinischen Benützung dieses Lo-
gion (2. Cor. 10,1: de ä xtjg xoaoxrjxog xal emsixsiag xov Xqi-
oxov, og xanuvög) wird es evident, dass dem Hermastext
Mand. XI, 8 das Herrenwort Mt. 11, 29 in aussercanonischer
Version zu Grunde liegt. Von da aus aber fällt auch ein Licht-
strahl auf die jacobeische Parallele Jac. 3, 17. Man vergleiche
die Parallelen:
Mt. 11, 29. üiqavg slfii xal xaxavog xy xagöia
Hermas. xoavg eoxi xal t/ovxiog xal xajt£iv6<pQon<
2 Cor. 10,1. jtgavxrjxog xal emeixsiac og — xaxeivoq
Ephraem. TjOvxog elfu, Jiga'vg xal ijtiEixi)g
Jac. 3, 17. slorjvix/j, ImEixr'ig, EVjrEtdrjg
J36 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Aus dieser Vergleichung ist zunächst mit Bestimmtheit zu
sehen, dass in der Quelle es drei Prädikate waren, welche der
Herr sich selbst beilegt und dass der Redaktor des ersten ca-
nonischen Evangeliums das von Paulus, Jacobus und Ephraem
an zweiter (eventuell dritter) Stelle beigebrachte Adjektivum
/'jövxog oder tjtieix//c hat in Wegfall kommen lassen. Ferner
wird der hebräische Grundcharakter des Textes erkannt durch
die Parallelen: raxeivog rr\ xagöia (Mt.) = raji£iv6<pgmv (Herrn.).
Denn das hierfür vorauszusetzende hebräische Grundwort ailb b&Ü
ist durch raneivag trj xagöia wörtlich hebraisierend übersetzt,
während rajteivocpgmv denselben Grundtext, aber in gut grie-
chischer Sprachform wiedergiebt. Man kann in diesem Fall
also mit Evidenz die Benützung der hebräischen Evangelienquelle
bei Hermas nach einer aussercanonischen Version nachweisen.
Dabei muss man sich daran erinnern, dass bei Hermas o
viog xov &tov mit dem jivEVfia ro ftelov xo avco&sv identi-
fiziert wird, dass also nach dieser Auffassung 6 lywv ro jtvevfta
ro ftelov ro avcofriv den Sohn Gottes in sich hat und ihm
ähnlich werden soll, der da gesagt hat: Jtgavg elfii xal 7]6v%ioq
xal ramLvöqQcov — entsprechend seinem gleichzeitigen Worte:
fia&ere äx sftov. Von hier aus erschliesst sich nun auch das
tiefere Verständniss für den Zusammenhang der jakobeischen
Parallele Jac. 3, 17, wo unter der 1) arm&ev Coffia ebenfalls der
viog rov frtov gemeint ist. Ferner ersehen wir aus Lc. 10, 17 —
20, dass Jesus (bemüht gewesen ist, die Freude der über ihre
Missionserfolge in hoher Aufregung zurückgekehrten Jünger zu
dämpfen, indem er sie von ihren äusseren Erfolgen hinweg auf ihr
inneres eigenes Seelenheil hingewiesen hat (Lc. 10, 20). In diesen
Zusammenhang gehörte recht eigentlich das t'jovxog slfit des
Ephraem, welches dem tjgvxioc bei Hermas und Barnabas,
sowie dem spiritus tranquillitatis bei Tertullian entspricht.
Die Jünger sollten die dem Meister einwohnende Seelenruhe
von ihm lernen (f/a&trs an ifiov), dann würden sie auch Ruhe
finden für ihre eigenen Seelen. Der erste Evangelist hat dieses
1/Ovxog = EJiiEiX7]g, weil es für den neuen Zusammenhang, in
welchen er das Logion versetzte, seine Bedeutung verloren
hatte, weggelassen. Im Urtexte dürften die drei Prädikate: lb©=
ijövxoq, tjOvxioq, tranquillus, ijrietxrjc, slgijvixog, ferner 132; =
ngavq, ngäog, endlich sab b£0 = rajtEivorpgcov , rantirog rfi
Texte und Untersuchungen zu Mt. 11, 29. 137
xagöia. (xajteivorpQwv = xajteivbq xalq cpQeoiv) zu Grunde ge-
legen haben. Als canonische Anspielungen vergleiche man ausser
2. Cor. 10, 1 und Jac. 3, 17 noch Col. 3, 12, auch Phil. 4, 5 und
namentlich Phil. 2, 2 ff., an welcher letzteren Stelle die Mahnung,
demüthige Gesinnung von dem demüthigen Jesus zu lernen, aus
diesem Herrenwort entstanden zu sein scheint. Übrigens, wenn
in den Test. XII patr. Benj. 9 von Christo gesagt wird: tyvcov
öe oioq 'iöxai xajtsivbq exl xtjq yi)q, so ist auch da an unser
Logion angespielt. Überdem vgl. man Agrapha S. 275 ff.
Mt. 11, 29c.
a. Clem. Rom. II, 6, 7. p. 118, 23.
jioiovvxeq yao xo d-tkr/fta xov &sov evQi'jGotuei> avä-
jcavoiv.
b. Theophü. ad Autol. 111, 12.
xal svqi'/Gexs dvdjiavoiv xalq ipv%alq vficöv.
c. Ephr. Syr. Opp. I, 149 C.
xal evQfjOsxe dväjtavdiv xalq tpvxcclq vficov.
d. Mt. 11, 29c.
xal evQ?j0sx6 dväjtavoiv xalq i}>vxalq vfimv.
Die unter b aufgeführte Parallele aus Theophil us gehört
nicht unserem Logion, sondern einem alttestamentlichen Citat
aus Jerem. 6, 16 an. Der Context lautet bei Theophilus (p. 218
ed. Otto) folgendermassen: 'üftoicoq xal Ieoefiiaq' 2xi]xe, q>?j-
oiv, ejtl xalq oöolq xal iöext, xal ejienwxrjöaxe jioia koxlv tj
odbq xvoiov xov &eov r/fiojp. 7) aya&t) , xal ßaöiCsxs h> avxij,
xal evQ7joext avajiavoiv xalq tyv%alq vtumv. Hier ist zu
bemerken, wie dieses alttestanientliche Citat, mit dem Septua-
gintatext im übrigen wörtlich übereinstimmend, doch die irr-
thümliche Übersetzung der LXX: ayviOfioq vermeidet und
dafür das richtige dväjravöiq einsetzt. In dieser Fassung: xal
evQijötxE avajiavoiv xalq <pv%alq Vficöv D2TBB3b ?^"""E ^XSttl
berührt sich der Schluss von Jerem. 6, 16 wörtlich mit dem
Herrenwort Mt. 11, 29c. Und doch, wer das Herrenwort Mt. 11, 29
mit der alttestamentlichen Stelle Jerem. 6, 16 vergleicht, findet
im Übrigen zwischen beiden Stellen nicht die geringste Ver-
wandtschaft. Wird also hier nicht beides evident, dass die An-
lehnung des Herrenworts Mt. 11, 29 an Jerem. 6, 16 eine rein
138 Aussercanonische Faralleltexte zu Mt. und Mc.
sprachliche ist, dass aber das Sprachgut dem biblischen Hebräisch
entstammt? Und wie vorzüglich fügt sich dieser alttestamentliche
Satztheil : D5t?t?b yilHö 1K2E1 der Rede Jesu ein, durch welche
er eine Beruhigung der durch ihre Erfolge ausser sich gerathen
gewesenen Jünger bewirken will!
Die Übersetzung der LXX: dyviGfioq xcuq tpvxalq vfimv
klingt vielleicht 1. Petr. i, 22: xalq xpvxalq vfioiv qyvixoxeq an.
Mt. 11, 30.
a. Acta Thomae § 28. Acta app. apoer. ed. Tischendorf p. 215.
xal g>ogxiov hXaapgov, Yva Ojorjxe xal fi?) äjto&avelxe.
b. Agathangelus c. 1 44. ed. Lagarde p. 74, 39.
o yäg £vyoq fiov XP^ötoc, xal xo (pogxiov fiov
evßdoraxrov.
c. ClemTATstrom. V, 5, 30. p. 663
oxi xQyotog köxi xal aßagrfq.
d. Mt. 11, 30.
6 ydg £vyoq fiov XQVÖT^? xai Tn (pogxiov fiov iXa-
q>gov koxtv.
e. Pistis Sophia p. 138, 4. ed. Schwartze et Petermann.
quod leve est meum onus et mite est meum jugum.
In diesem letzten Theile des Logion erweitert und verallge-
meinert sich der Begriff des C,vyoq und des (pogxiov. Wenn Paulus
Gal. 6,2 (vgl. mit v. 5) den Cvyoq Christi als einen vofioq xov Xgi-
oxov umschreibt, so hat er dabei stillschweigend den mosaischen
vofioq als Gegensatz vor Augen. Und wenn in Lc. 11, 46 von Jesu
selbst die Gesetzesvorschriften der Pharisäer als <poQxia övö-
ßdoxaxxa (= ßagia Mt. 23, 4 = D'HSS) bezeichnet werden, so ist
der Gegensatz in dem xo (pogxiov fiov gegeben. Dieses <pooxiov,
welches Jesus auflegt, ist im Gegensatz zu dem mosaischen Ge-
setz und den pharisäischen Satzungen svßdoxaxxov (Agathange-
lus) = dßagiq (Clem. AI.) = eXaygov (MiTA^taPThomae) = bj3.
Darum preist er nun auch im weiteren Fortgang des Urtextes
(Lc. 10, 23. 24 = Mt. 13, 16. 17) seine Jünger im Unterschied von
den alttestamentlichen Königen und Propheten selig, weil sie,
die Jünger, in der Person ihres Meisters das verwirklicht sehen,
was jene, die unter dem Gesetz waren, so inbrünstig ersehnt
hatten.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 11, 30. 12, 5. 139
Mt. 12, 5.
a. Just. Dial. c. Tryph. c. 27. p. 245 A.
eixaxe fioi% xovg doxiegelg dfiaoxdveiv xolg odßßaoi
3tQ0G<pe,Q0vxag rag jtQoG<poodg eßovXexo 6 &eog;
b. Ev. Thoruae Graece B p. 159. Ew. apocr. ed. Tischendorf III, 2.
Ivaxi xavxa oioielg ßeßijXcooag xo odßßaxov;
c. Epiph. Haer. XIX, 5. p. 43 C.
xnv xvgiov GaqHJög Xt'yovxog öxt ol legeTg kv xw hoc»
ßeßrjXovoi xo odßßaxov.
d. Epiph. Haer. LXVI, 85. p. 705 A.
xa&wc Xeyei o xvotog kv xco evayyeXiw' ol legeTg viiwv
ßeßrjXovoi xo odßßaxov ev xw vacö, xal eiolv dvai-
XLOl.
e. Mt. 12, 5.
rj ovx dveyvwxe kv xw vofiw oxi xolg odßßaoiv ol
legelg kv xw leoäi xo odßßaxov ßeßrjXovOiv xal
dvaixiol eloiv;
f. Ephraem Syr. Ev. concord. expos. ed. Mösinger p. 62.
Sacerdotes eorum intra templa solvunt sabbatum et
sine peccato sunt.
Weiss nimmt (Marcusevangelium S. 104. Matthäusevange-
lium S. 312) wohl mit Recht an, dass Mt. 12, 5 — 7 aus der vor-
canonischen Evangelienquelle stamme und von dem zweiten
Evangelisten deshalb weggelassen werden konnte, weil er dafür
aus petrinischer Erinnerung Mc. 2, 27 substituierte. Er weist
ferner mit grosser Wahrscheinlichkeit nach, dass der ursprüng-
liche Zusammenhang dieser Spruchreihe ein ganz anderer ge-
wesen sei, da diese Herrensprüche auf das Ahrenausraufen und
Essen der Ähren durch die Jünger keine Beziehung aufzeigten.
(Vgl. das zu Mt. 9, 13 Gesagte.) Ist dem so, dann braucht der
Anklang an Mt. 12, 5 bei Justin in diesem Falle nicht auf das
erste Evangelium zu weisen, sondern kann, wenn auch indirekt,
die vorcanonische Quelle zur Voraussetzung haben. Die Va-
rianten in dem zweiten Epiphanius-Citate, namentlich das an
johanneischen Sprachgebrauch erinnernde vfiwv hinter legete.
von welcher Variante wie von vaw (= legw) in den Hand-
schriften keine Spur sich findet, könnten ebenfalls Nachwirkungen
der vorcanonischen Evangelienquelle sein. Es wird demnach
140 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
auch das eorum in dem Texte Ephraems als ein Reflex jenes
vficov zu betrachten sein, von welchem Worte eorura (in der
3. Pers.) Zahn (Forschungen I, 131) allerdings mit Recht sagt,
dass es nicht zum Text gehöre, weil die Pharisäer angeredet
seien. Dem griechischen: xal ävaixioi sioiv entsprach im He-
bräischen wahrscheinlich: ain CH2 "pai. Vgl. 3in als Grund-
wort von dfiaQxia, ocpEih'}, ocpEiXi/fiaxa Lc. 11,4 = Mt. 6, 12, so-
wie hier sine peccato (Ephraem) = sine peccatis (Syr. Cur.) =
sine culpa (Pesch.).
Mt. 12, 6.
a. Iren. IV, 9, 2.
Plus est enim, inquit, templo hie.
V». Mt7l2, 6.
Xtyco öe vtiiv, ort tov ieqov fist^öv eötiv coöe.
c. Cod. Colbert, Mt. 12. (i. p. 14. ed. Belsheim.
dico autem vobis quia templo major est hie
Einer der Gründe, um deren willen Weiss die Verse 5 — 7
zur Quelle rechnet, ist die Verwandtschaft des tov ieqov fiElC,ov
tOtLv coöe mit Mt. 12, 41. 42: löov jcXeIov 'leovä coöe = löov
xXeiov JZaXoficövoq coöe. (Vgl. Weiss, Matthäus 312.) Diese
Verwandtschaft ist noch stärker nach der Lesart des Irenaeus:
Plus est enim templo hie = jiXeIov tov isqov coöe.
Mt. 12, 17—21.
a. Mt. 12, 17—21.
i'va Jil?]Qco{hi~j ro (tr/ütv öid Höatov tov JtQoeptjTOV Xiyov-
Toq' löov 6 Jraiq fiov, ov \\QETioa, o ayajcrjToq fiov, slq ov
evöoxtjOev ?] ipvx/j fiov &t]6co xo jiVEVfid fiov ex avxov,
xal xq'iqiv xoig I&veOiv djtayysXer ovx eqiöei ovöh xgav-
yetoec, ovöh dxovosi Tic. iv Tale jtXaxsiaiq xrjv cpcovijv av-
xov' xdXafiov ovvxEXQififiivov oi xaxed^Ei xal Xlvov xv-
rpoiiEVov ov oßtOEi, %coq dv IxßdXtj Eiq vlxoq xt)v XQiOiV
xal tco ovöfiaxi avxov i&vr) eXjiiovöiv.
b. Dial. c. Tryph. c. 123. p. 353 A.
ovxeo XiyEf 'laxeoß 6 italq fiov, dvxiX?']tf)o(iai avxov, Ioga/)X
ixXexxoq fiov ■9-ijOca xo jivEvfiä fiov ex avxov, xal xqioiv
TOlq E&VEÖIV E%o'l6EC OVX f-QlOEl OVXE XQa^El, OVXE dxOV-
Texte und Untersuchungen zu Mt. 12,6. 17—21. 141
oetai tig sv talg JcXatsiaig trtv tpwvfjv avtov' xdXafWV
ovvttTQifffJivov ov xat£a$£i xai Xivov tv<p6{isvov ov fifj
oßtGu. aXXä dg dXij&tiav i^oioei xq'igiv dvaX/jipsi xai ov
fty {hoavGfrfjoetai, tatq av &ij im rf/c //yc xq'iöiV xai im
tm ovoftatt avtov eXmovoiv t&vr).
e Diai. c. Tryph. c. 135. p. 365 AB.
// YQäffi} . . . ovtcog t<p?j' 'laxcoß o jralg fiov, dvtiX/jynijui
avtov, xai 'looa/jX o ixXextög fiov, xpoodt^trai avtov i]
ifvyj'i fiov ÖEÖmxa to xvevftä (iov ijc avtov, xai xoioiv
tolg eVvtoiv it-oioei' ov xtxQa^stai ovöh dxovo&rjöstai
fc'go? ?} qxovtj avtov xc'cXa/iov tsfrgavGfitvov ov Gvvtoitl'tt
xai Xivov tv(p6tt£vov ov oßtoei, tcoq ov vlxog igoiGei xq'igiv
dvaXtjipsi , xai ov #Qavod?'jGEtai, tag av #i/ im tfjg yijg
xq'igiv xai im tn ovöftati avtov iXmovGiv td-vr}.
d. Jes. 42, 1—5. LXX.
'iaxcoß o Jialg (iov, avtiX/jtpoftai avtov' logat/X o ixXextög
f/ov, ücgoosöh^ato avtov t) tyvy?j fiov löoixa to jtvsvfid
fiov hjt avtov, xq'igiv tolg t&veGiv esoiosi' ov xexods£tai
ovöh dvrjoEi ovöh axovoOtjöetai e^m t) (pmvi] avtov' xdXa-
fiov ttftXaGfitvov ov owtoiipei, xai Xivov xajcviC,6fievov ox
oßtGti, aXXd dg aXrj&eiav kgoiöti xoiGiV dvaXdfiipei xai ov
ftnavGfri'jGttai, uug av H-fi im tfjg y7\g xq'igiv, xa\ im tcö
ovofiati avtoi t&v/j iXmovGiv.
Obiges Citat aus Jes. 42, 1 — 5 ist nach der Form der Cita-
tion unzweifelhaft eine Zuthat des ersten Evangelisten, und die
wiederholte Verwerthung desselben durch Justin würde sonach
sicher auf das erste Evangelium hinweisen, wenn nur der Text,
iu welchem das Citat bei Justin auftritt, irgendwelche constante
Abhängigkeit von dem Übersetzungstypus des ersten Evangeliums
an sich trüge. Unter diesen Umständen ist im vorliegenden
Fall ein sicherer Rückschluss auf eine neutestamentliche Quelle
nicht angänglich. Wohl aber ist für diejenigen, welche das
Wesen der griechischen Übersetzungstypen und ihr Verhalten
zu dem hebräischen Urtext nicht erkannt haben, die Vergleiclmng
der Justinischen Übersetzung mit den LXX, sowie mit dem in
Mt. 12, 17 — 21 vorliegenden alttestatnent liehen Citate sehr lehr-
reich, weil wir hier nicht nötig haben, den hebräischen Urtext
142 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
zu reconstruieren, da derselbe quellenmässig vor uns liegt. Man
vergleiche
"HS? in = löov 6 Jtalg (iov (Mt.) = 'laxwß o jcalg /iov (LXX,
Just.).
ia-!jiar)fc$ = ov rjoExioa (Mt.) = dvxiXr'ttf)oftai alxov (LXX, Just.).
"HTia = 6 dyajtJjxög [iov (Mt.) = [xal] 'looaTjX 6 IxXExxbg (iov
(LXX, Jusi).
"'©t? nnST = slg ov evöoxi]Gev rj tpvxy (iov (Mt.) = jcqoGeÖe^oxo
"} VVXJ} (l0V (LXX, Just.).
Tb* Till ifina == #r/öe» to xvEV/id (iov kx avxov (Mi, Jusi) =
löarxa xo jtvsvfid fiov kjc avxov (LXX).
Bröli D^iäb BBttjtt = xal xqLoiv xolg e&vegiv EJtayyEXEl (Mt.) =
[xal] xqIgiv xolg e&veoiv e^oLgel (LXX, Just.).
«'©? xb") y>y_¥] Vib = ovx eqIgei ovöh xQavydoEi (Mt.) = ovx
EQlOEL OVXE XQüi-El (Just.) = OV XEXQagEXai (Just.) = OV
xExoagExai ovöh ävfjOEi (LXX).
ibip pina Iptttth fcÖ"! = ovöh dxovGEi xig hv xalg JtXaxslaig xi/v
<jpa>vrjv avxov (Mi, Just, b mit der Variante ovxe) = ovöh
axovö&rjOExai e§<d ij (pcovrj avxov (Just, sub c, LXX).
"liatth fct'b y ^S* n:j3 = xdXapov gvvxexqi(1(ievov o\. xaxEat-Ei
(Mi, Just, sub b.) = xdXafiov xE&QavO(i£vov [xE&XaO(iivov
LXX] ov GvvxgiipEi (Jusi sub c, LXX).
nsaD*1 s'b nnp nntpci = *«) a/pgj; xv<p6(iEvov ov GßiGEi (Mi,
Just.) xal Xivov xaxviCbfiEvov ov GßsOEt (LXX).
"JBtDE »itfr rYDÄJj = £a>g a*> ExßaXy Elg vlxog xijv xqIgiv (Mt.) =
t'og ov vlxog e^oIgei xq'iglv (Just, sub c) ■= aXXd slg aXf-
&Etav E^oloEi xqIgiv (Just, sub b., LXX).
Diese Vergleichung der Übersetzungsvarianten des alt-
testamentlichen Textes von Jes. 42, 1 — 5 lassen für den Nicht-
kenner der Septuaginta und ihrer Tochterversionen die Art der
verschiedenen Übersetzungstypen um so besser erkennen, als
jener alttestamentliche hebräische Text durch Mt. 12, 17 — 21 eng
mit der neutestamentlichen Evangelienliteratur verwachsen ist.
Weiteres vergleiche man bei Bousset, Die Evangeliencitate
Justins des Märtyrers, S. 39. 40.
Mt. 12, 36.
a. Aiö. II, 5.
ovx EGxai o Xöyog gov \pEVÖt)g, ov xevoq.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 12, 36. 143
b. Const. VII, 4. p. 200, 19.
ovx egtcci 6 Xoyoq oov XEvbq' jceqi jtavxöq ydg Xoyov
ömoere Xoyov.
c. Epiph. Haer. LXXV11I, 21. p. 1053 B.
jtsgl yag Jtavxoq dgyov Xoyov Xoyov öatöOfiEV, xaxa
xo ysygaftfievov.
d. Didasc. II, 1. p. 235 = Const. II, 1. p. 14, 4.
iptvöaötX<pa>v dg jcoXXovq ejugtegofttvac ßXaog)T]fxlaq ov yivo-
oxovxcov [to] gfjfia [8eov\ Iv reo tvayyhXico elgr/fitrov oq av
du?] gfj/ia dgyov, ajioöoSoei Jtegl avxov Xoyov rot
xvgiqj ev rjfiiga. xgioeaiq.
e. Ephraem Syr. Opp. II, 162 D.
axovs xov Xt'yovxoq' ßXaöcpt/ftovvxsq, oi djioöcoöovoi
Xoyov xqZ dem [itXXovxi xglvai C,mvxaq xcu vcxgovq.
f. Cleru. AI. Paedag. II, 6, 50. p. 198.
t) xal jcegl xovxov ytygajtxar oq av XaXrJGij Xoyov dgyöv,
djtoöcboEi Xoyov xvgico iv Tj/iega xgLoeoiq.
g. Mt. 12, 36.
Xeyoj de vy.lv, oxi jtäv gyya dgyov, b XaXrjGovGiv ol
av&gcoxoi, djtoöatoovGiv jcsgl avxov Xoyov iv rjftEga
xgioewq.
Dieses Logion, obwohl nur von Matthäus erhalten, gehört
doch der vorcanonischen Quelle an. Weiss macht auf das aus
derselben Quelle stammende Xoyov djcoöiöovai Lc. 16, 2 auf-
merksam ("Weiss, Matthäusevangelium S. 325). Aus der Ver-
gleichung des canonischen Textes mit dem Ephraem-Texte wird
es klar, dass
XaXelv Xoyov dgyov (Clem. AI.)
XaXetv gfjfia dgyov (Mt.)
tlneiv gfjfta dgyov (Const.)
im hebräischen Urtext so viel bedeutete wie ßXaog)ij[ielv. Vgl.
eine ähnliche Umschreibung des ßXaG<pr\y.Elv in Mt. 5, 11 = Lc.
6, 22 zu Lc. 6, 22. Von jeder Lästerung werden die Menschen
Rechenschaft geben müssen, dieser Gedanke schliesst sich un-
mittelbar an Mt. 12, 31. 32 an, während das Einschiebsel, wie
Lc. 6, 43 — 45 zeigt, ursprünglich an einen anderen Ort gehört.
Auch Mt. 12, 33 ist die Phrase eImeIv Xoyov xaxd xivoq eine
Umschreibung des ßXao<pt](iEtv. Vgl. Erläuterung zu Lc. 12, 10.
144 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Die Parallele Const. VII, 4 zeigt, dass der Redaktor der Consti-
tutionen, als er Aid. II, 5 verarbeitete, bei dem Xoyog xevdg au
den Xoyog ccQyog aus Mt. 12, 36 gedacht hat; ob mit Recht, ist
nach dem Vorstehenden mehr als zweifelhaft. Bezüglich Qfjfia
uQyöv vgl. Nestle, Marginalien und Materialien (1893) S. 50
und die dort bezeugte Identität von (if^ua aQyov und Xoyog
ovtiöiGftov Sir. 23, 15.
Mt. 12, 37.
a. Clem. AI. Paedag. II, 6, 50. p. 198.
avdlg xv hx xov Xoyov oov dixatcofrijotj, cpt/olv, xal ex
xov Xoyov oov xaxaöixaofrrjoij.
b. Tertull. adv. Marc. II, 25.
et jam tunc initiaretur evangelica doctrina: Ex ore tuo
justificaberis et ex ore tuo damnaberis.
c. Tertull. de idololatria c. 20.
Ex ore tuo justificaberis.
d. Cod. Colbert. Mt. 12, 37. p. 15. ed. Belsheim.
Unusquisque enim verbis suis justificabitur, aut verbis suis
condemnabitur.
e. Mt, 12, 37.
sx yaQ xcöv Xoycov oov ötxaimS '//ö/y, xal Ix xcöv Xo-
ycov oov xaxaöixao&i'jotj.
Mit Mt. 12, 30 ist auch v. 37 als urevangelisch anzusehen.
Die Varianten ex ore tuo (Tert.) = ix xov Xoyov oov (Clem.
AI.) = ex xcöv Xöycov oov weisen auf TpBtt als hebräischen
Quellentext zurück; Vgl. 1. Sani. 15, 24: nin^ ^D HK iRW =
LXX: xaQeßr/v xov Xoyov xvqiov, ferner 1. Chron. 12,23: »Tirp ^E?
= LXX: xaxd xiv Xoyov xvqiov. Ebenso übersetzt Symmachus
Ps. 48, 14 (= 49, 13) HB mit Xöyog. Zu der ersten Hälfte des
Logion: ex ore tuo iustificaberis = ex xov oxofiaxog Oov dixcum-
tiSjOrj vgl. Rom. 10, 10: xaodia yaQ jnoxevexai elq Öixaioovvrjv,
oxofiaxt öh ofioXoyeixai eig ocoxtjQiav. Man vergleiche auch
das aus derselben vorcanonischen Quelle stammende: ex xov oxo-
fiaxog oov xqivcö oe = TjüBTöS »PB"*? La 19, 22. Die Lesart ex
ore tuo ist mithin ursprünglicher als ex xcöv Xoycov oov Mt.
12, 37 und das Ganze ein Beweis von der nicht selten freieren
U bersetzungsweise der LXX sowie der Logia -Versionen.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 12, 37. 13, 24. 25. 145
Mt. 13, 24.
a. Iren. IV, 40, 3.
o fJ.lv xvoioq ev zm löim djQw xaXov eajif-tQS öJitQ(ia.
b. Epiph. LXVI, 65. p. 679 A.
zo öfioiov de jtdXtv ejiiXaußdverai o avzöq Mdvtjq «jro
zov zov ocozfjoa ÜQrf/Ckvai' ofiola eOzlv /} ßaoiXeia tcov
ovnavajv äv&Qcojzqy olxodeöjiözi], oq eojtetoe zov dygov
avzov xaXov öjitofta.
c. MtTlir^.
couoico&rj 7] ßaöiZeia zcöv ovQavmv av&gcojico ojtei-
Qavrt xaXov ojzeQfia ev zw ayQcö avzox.
In dem wichtigen Abschnitt seiner Haeresiologie, in weichem
Epiphanias von dem Manichäismns handelt, bringt derselbe
eine ganze Anzahl aussercanonischer Paralleltexte, offenbar ans
manichäischer Tradition. So enthält auch § 65 in Haer. LXVI
eine von dem canonischen Text unabhängige Relation des Gleich-
nisses, welches Mt. 13, 24 — 30 gelesen und dessen Deutung Mt.
13, 36 — 43 gegeben wird. Dieser manichäische Paralleltext ist
im Folgenden S. 145 — 151 Schritt für Schritt wiedergegeben. Die
Abweichungen sind derart, dass sie nur als Verschiedenheiten
der Version und der Redaktion erscheinen und mithin für die
Quellenmässigkeit des Gleichnisses und seiner Deutung Zeugnis
ablegen. So wird der Zusatz olxoötojtözi] beglaubigt durch Mt.
13, 27, wo dies Wort im canonischen Text unvermittelt und un-
vorbereitet auftritt. Den Zusatz löicp hat Irenaeus mit Cod. D
und Eusebius gemeinsam.
Mt, 13, 25.
a. Clem. AI. Strom. III, 4, 34. p. 526.
eiq de ztq zcöv vjc avrov yeyovözcov eJteoxeiQev zd £i-
Cavcu.
b. Exe. Theod. § 53. p. 982.
toüto C,iCdviov Qvofid^ezai ovf/tpveq t// ipv%f] zm XQV0TfP
OJteofiazi.
c. Iren. IV, 40, 3.
ev de zm xat) evöeiv zovq avftocojiovq fjXftev 6 ex^{>oq
xal eöJisiQS C,iC,dvia fjeoor zov oizov xal djirjXihev.
Texte n. Untersuchungen X, 2. 10
146 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
d. Epiph. Haer. LXVI, 65. p. 679 B.
xal xa&Evöovxcov xo3v av&QG>ji(DV syO-goq dvfrgcojcoq
i]Xds xal eöJtsiQS $tC,dvia.
e. Mt. 13, 25.
ev öh xq3 xü&evÖeiv xovq dv&gcöjcovq ijl&sv avxov
ky&göq xal exeGjieiQev C.i^dvia dvd {uegov xov Gixov
xal ajtrjlfrsv.
Der in der manichäiscken Relation hervortretende ausser-
canonische Zusatz dv&gcojioq zu ix&göq wird durch dieselbe
Ausdrucksweise 6 sx&goq dv&gcojtoq in v. 28 des canonischen
Textes legitimiert. In dem Gebrauch des Simplex Igjcuqev und
des Compositum EJtsGJisigEV gehen sowohl die Handschriften
wie auch die Väter auseinander. Das xgi/Gxdv Gjt£gtua in den
Exe. Theod. ist ebenso eine aussercanonische Übersetzungsvariante
zu dem canonischen xaXov Gjcig/ja = 3112 3HT, wie xo xaxov
ojitQfia in den Homilien zu Mt. 13, 39 als aussercanonische Über-
setzungsvariante zu CtC,dvia auftritt. Mt. 13, 26, in der kürzeren
manichäischeu Relation nicht vorhanden, ist für das Verständnis
auch nicht notwendig, mithin wahrscheinlich Zuthat de» ersten
Evangelisten.
Mt. 13, 27. 28.
a. Epiph. Haer. LXVI, 65. p. 679 B.
eixa XiyovGiv avxm ol öovXoi avroi' ovyl xaXbv
Gjcegf/a EGJCEtgaq ev reo dygqo; 6 öh eepr]' vai jto&ev
ovv xd C,iC,dvia, o öh djcoxgivdfiEVoq eIjiev ix&gog av-
&ga>jcoq xovxo ejcoit]OEv. ol öh ÖovXoi Jtgoq avxov
eijcov &eXeiq ovv ajtEld-ovxEq EXQiC,mGa)(iEv xä C,iC,dvia;
b. Mt. 13, 27. 28.
^GGtXO^ovxEq öh ol öovXoi xov oIxoÖegjcoxov eijcov avxm'
xvqie, ovyl xakbv GJtEQfta EGjcEigaq ev xm oeö dygcp;
jcofrsv ovv tysi £i£dvia; o öh £q>r\ avxolq' hy^gbq av-
&ga>jioq xovxo ExoirjGEV . ol öh öovXoi Xiyov'Giv av-
xm' ^EXsiq ovv djtEX&ovxsq GvXXst-mfisv avxd;
Auch in vorstehender Text-Partie hat die manichäische Re-
lation bei Epiphanius Manches für sich. Dahin gehört nament-
lich das an dieser Stelle viel kräftigere und charakteristischere
ExgiC,ovv für GvXXiysiv. Aber auch der Satztheil: o öh \qyq.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 13, 27. 28. 29. 30. 147
vai — könnte sehr wohl ursprünglich sein. Es wird dadurch
der Umstand, dass der olxodtojc6x7]g nur guten Samen (xaXbv =
XQtjOrov OjctQfia) ausgesäet hat, nachdrücklicher als im canonischen
Texte hervorgehoben. Die Lesart bei Ephraem: nonne tu semen
sementis sancti seminasti in agro tuo (Mos. p. 126) erscheint un-
verständlich und werthlos.
Mt. 13, 29. 30.
a. Hippolyt. Philosoph, p. 460.
aXXä xal xaoaßoX))v xcöv C,iC,avlcov Jinog xovxo Eq>rj Xt-
ysod-ar u<ptx£ xa C^iCdvia ovvav§eiv reo oixm, xovxioxiv
Iv x/j hxxXrfiia xovg afxagxdvovxag.
b. Epiph. Haer. LXVI, 65. p. 679 BC.
o öe JtQog avxovg £<ptj' ov, (ifjjccog exgi^ovvxec xa C,i£d-
via exQiC.coG/ixa xcux ov Glxov aXX' g<pexe tcog xatgov
x ov D-egiGfiov, xal sqco xolg fteoioxalg' ovXXs§axs
xa CiC,ävia xal 6/jGaxe Ö£G(idg ösG/iag, xbv öh Glxov
äjtod-EG&e ev xy ajiofyfjxy, xal txoif/aGaxt xa CiCavia dg
xo xaxaxaijvai jivqI aGßtGxro.
c. Mt. 13, 29. 30. ~~
6 öi <ptjGiv ov, tu?]Jtox£ GvXXeyovxeg xa £i£uvia exni-
t,a>Gi)XE ä/ia avxolg xov Glxov' [aXX add. Syr. Cur.]
a<pexe GvvavgavsG&ai d[ig)6x£Qa fiexQ1 T°v &£QiG[iov,
xal ev xaigcö xo\ ftegiGfiov kgc) xolg &£QiGxatg' GvX-
X£t-ax£ üiqmxov xa CiCdvia xal ör\Gax£ avxä dg öeg-
fiag jtgog xo xaxaxavGai avxd, xov öe Glxov Gvvayd-
y£X£ dg xi]v ajto&?]xrjv [tov.
Auch in dieser Partie des Gleichnisses bietet die mani-
chäische Relation manches Beachtenswerthe. Das aXX' vor d<p£X£
gehört, was von Tischendorf nicht notiert, aber nach Baeth-
gens Wiederherstellung des Syr. Cur. evident ist, nicht blos
der manichäischen, sondern auch der altsyrischen Tradition an.
Das [irjjtmg exgi^ovvxeg IxQi^mGrßt (vgl. oben) erscheint ur-
sprünglicher als das gewähltere ft?'jtoxE GvXXeyovxeg exniCaiorjxe.
Das wiederholte öeGfzdg öeGfidg ist ganz hebraisierend gedacht;
vergleiche jtoaGial zgaGiai Mc. 6, 40. Dem djro&eo&ai = gvv-
ayayslv liegt wahrscheinlich ein gemeinsamer Quellentext, etwa
msfi zu Grunde. Vgl. Ez. 22, 20: T.nsni = LXX: xal ovvd^m
10*
148 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
— Ex. 16, 34: inrpr" = LXX: xal djtifrTjxsv. Unecht, weil
aus dem Gleichniss fallend und schon in die Deutung desselben
übergehend, ist doßtoxop, dagegen ist das jivqI auch bei 0 ri-
eben es vertreten. Vgl. Orig. in Jerem. Hom. 1, 15: öqöaxs öeofiäq
xal xd C,t^ä)Ha jcagäöoTs avrcc jivqL. Opp. ed. Lomuiatzsch X V, 125.
Mt. 13, 35.
a. Psalm. 78, 2. LXX.
dvoi^co ev jiaoaßoXaiq xo öxö(ia fiov, (p&ty^ofiai jtqo-
ßXr/fiaxa djc' dg^F/c.
1>. HouT^cie^nTxVniTlS. p. 174, 16.
rrö xal xov Hoa'iav ujieiv dvoi^co xo oxofia fiov ev
xagaßoXalq xal t^Egev^ouai xexgvfifiiva cuto xaxaßoXfjq
XOOflOV.
c. Mt. 13, 35.
ojccoq jrh]Qa>frf/ xo g?]&ev öid Hoatov xov jcgo<pt'jxov Xe-
yovxoq' dvoi^co tv JtagaßoXalq xo oxofia fiov, tgev-
gofiai xexgvfifieva djto xaxaßoXrjq.
d. Cod. Colbert. Mt. 13, 35. p.TT ed. Belsheim.
ut impleretur quod dictum erat per prophetam dicentem:
Aperiam in parabolis os meum.
Für die Annahme, dass die von Epiphanius erhaltene ma-
nichäische Relation des Gleichnisses vom Unkraut unter dem
Weizen nicht aus dem ersten canonischen Evangelium, sondern
aus einer guten aussercanonischen Quelle stamme, spricht sehr
wesentlich auch der Umstand, dass bei Epiphanius Gleichniss
und Deutung unmittelbar auf einander folgt, und dass die sicht-
lich von der Hand des Evangelisten stammende Zwischenbe-
merkung v. 34. 35 fehlt. Die Form der Citation, mit welcher
im ersten Evangelium Ps. 78, 2 eingeleitet ist, lässt an sich schon
mit Bestimmtheit die Hand des Redaktors erkennen. Um so
eclatanter ist in diesem Fall die Benützung des ersten cano-
nischen Evangeliums durch den Redaktor der Clementinen,
da in den Homilien nicht nur der von den LXX abweichende
Text wesentlich gleichlautend mit Mt. 13, 35 wiedergegeben,
sondern auch der dort vorhandene Irrtum, wonach das aus Ps.
78, 2 stammende Citat auf Jesaias zurückgeführt wird, in den
Clementmen wiederholt ist. — Cod. Colbertinus hat diesen Irr-
Texte und Untersuchungen zu Mt. 13, 35. 36. 37. 38. 149
tum durch Weglassung des Namens „Jesaias" ausgeglichen.
Die Varianten: dx dgyJig = djtb xaxaßoXrjg = djcb xaraßoX-fjg
xböfiov sind verschiedene, z. Th. freie Übersetzungen von D~Tj?~',i72
im hebräischen Urtexte.
Mt. 13, 36. 37.
a. Epiph. Haer. LXVI, 65. p. 679 C.
rcöv de fiad-?jX(5v avxov ejti xfjg oixiag Xeybvxtov
Hjrhijfilv ti\v jtagaßoXrjv rcöv t^iC.avimv, o de emXvei
xai ov xglvei, iva tur) 6vy%a)Q7Jöy reo djiaxecövi xaxd xijg
aXrj&eiag Xaßtjv eyeiv. djioxgivexai ovv Oacpmg o xvgtog
xai Xeyec 6 xb xaXbv ojtegtua OJtelgag eöxlv o &ebg.
b. MiT3T36T37.
xbxe d<pe\g xovg b^fXovg tjX&ev dg xi]v oixiav xai Jtgoo-
r/XO-ov avxqj 01 fia&Tjzal avxov Xeyovxeg' (pgdöov ijfilv
xt)i> üiaoaßoXr)v xcöv L,i£avicov xov dygov. 6 de djto-
XQi&tiq tiJtev o ojteiowv ro xaXbv ojte'gita korlv 0
vibg xov äv&gcojtov.
Auch hier bewährt die manichäische Relation ihre Selbst-
ständigkeit mit beachtenswerten Varianten. Nur die Verwand-
lung des 0 vlog xov dvftgoijiov in o &ebg wird als tendenziös
einer späteren Zeit angehören. Dagegen die Variante eijti (Epiph.)
= <pgdoov (Mt.) = öiaoa<pi]6ov (X*B, Orig., mehrere Italae) =
XD~~:jn ist gut; ebenso ist b ojeeigag mit Rücksicht auf ojtei-
gavxi in v. 24 besser als 6 GJieigaiv.
Mt. 13, 38.
a. Herrn. Sim. V, 5, 2. p. 150, 12.
o aygbg 0 xbotuog ovxbg eoxiv' o de xvgiog xov dygov
o xxiöag xa Ttavxa.
b. Iren. IV, 40, 3.
aygbg de eoxiv o xoofiog.
c Epiph. Haer. LXVI, 65. p. 679 C.
o de aygbg eoxiv b xböfiog, xa. C,iCdvid eloiv 01 no-
VTjgol dvBgamoi b olxbg tOxiv 01 xaXol cv&gojxoi.
d. MtTllir38r~
o de aygbg eoxiv 0 xbüfiog' xb de xaXbv Gjn'gtua, ovxoi
elotv ol vloi xfjg ßaoiXeiag' xa de C,itdvid eloiv 01
viol xov jcovfjgov.
150 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
e. Cod. Colbert. Mt. 13, 38. p. 17. ed. ßelsheim.
ager est autem hie mundus, bonum vero semen hi sunt
filii regni; zizania autetn filii sunt nequiciae.
In der Deutung des Gleichnisses zeigt sich der verflachende
und entchristlichende Einfluss des Manichäismus. Die xovrjQOi
avd-QCOjtoi und die xaXol äv&Q(OJioi sind sichtlich eine Ver-
schlechterung des Textes, bestimmt, um die manichäische Grund-
anschauung einzuschmuggeln. Dagegen ist der Zusatz ovxoq zu
o xoOfiog bei Hermas sehr alt und sehr beachtenswerth, auch
handschriftlich durch Cod. Colbert. und nach Wordsworth-
White auch durch verschiedene Vulgata-Handschriften beglau-
bigt, obwohl bei Tischendorf nicht erwähnt. Auch der la-
teinische Evangeliencommeutar, welchen Zahn auf Theophilus
zurückführen wollte, welcher aber schon durch seine canonischen
Evangelientexte den späteren Ursprung dokumentiert, liest I, 11:
Ager autem hie mundus (vgl. Zahn, Forschungen II, 44) und
hat damit ausnahmsweise eine alte aussercanonische Lesart con-
serviert.
Mt. 13, 39.
a. Epiph. Haer. LXVI, 65. p. 679 C.
o sx&Qog avd-QWjtog töxtv o öiaßoXog, ol -Q-egioxal
tlöiv ol ayyeXoi, o O-egiöfioq toxiv y OvvxeXtia
xov a'i ä> v o c.
b. Hom. Clem. XIX, 2. p. 178, 8.
xal aXXotti £(pt)' o 6h xaxov tiitgua ojteigag ttöxlv 6
öiaßoXog.
c. Mt. 13, 39.
6 öh tz&Qoc o Ojceigag avxä soxiv 6 öiaßoXog' o 6e
ftegiöfidg ovvxtXeia [xov] alcovog eöxiv ol öe &e-
QiOxal ayyeXoi elöiv.
Die Hinzufügung av&gcojtog zu ex&Qog in der manichäiseben
Textgestalt ist jedenfalls quellenmässig, vgl. Mt. 13, 28. Das
Homilien- Citat stammt sicher aus der Deutung dieses Gleichnisses
und ist mit der Übersetzungsvariante xaxbv OJtigfia = C,iC,ävta
nur ein aussercanonischer Paralleltext zu Mt. 13, 39a. (Vgl- den
Gegensatz: %gr)6xov = xaXov öjteofia oben Mt. 13, 24. 25.)
Dieser Thatbestand kann nur so lange verkannt werden, als man
sich nicht bequemt, die gleichwertigen Evangelientexte auf die
gemeinsame hebräische Quelle zurückzuführen..
Texte und Untersuchungen zu Mt. 13, 39. 41. 42. 43. 151
Mt. 13, 41.
a. Ephraera Syr. Ev. coucord. expos. ed. Mösinger p. 211.
Quod autem dicit: Mundabit domutn regni sui ab omni
scandalo, intellige de terra et rebus creatis, quas reno-
vabit, ibique justos suos collocabit.
b. Liturgy of St. Clement p. 92.
QvGrjxai tjiiäq xov jiov}]qov xal jiccvxojv xcäv Gxavdd-
Xcov xcov tQjaC,ofitv(DV xijv dvofiiav.
c. Const. VIII, 10TpT246T23.
QlörjTCCl /},M«C XOV JtOVTjQOV xal JldvXOJV T (ö V GxavÖÜ-
Xmv xcöv sgya^ofitvcov xrjv avoftiav.
d. Epiph. Haer. LXyi765TpT 679 D.
ort jiagayysXXei o xvgiog xovg ayyiXovg avxov, xal
Gvvdyovoi rovg dfiagxojXovg ano xfjg avxov ßaoiXelag
xal jcagaÖLÖoaGiv avxovg dg xo xatjvai.
e. Mt. 13, 41.
äjtoöxeXel o vlog xov dvfrgcojiov xovg ayyiXovg avxov,
xal GvXXi^ovOiv ix xijg ßaoiXelag avxov itävxa xa
GxdvöaXa xal xovg xoiovvxag xrjv avofiiav.
Übersetzungsvarianten sind hier GvXXiyuv = ovväyeiv =
^CK, ferner ol xoiovvxsg = igya^ofievoi xrjv avofiiav — )*i$ ^b^B,
bekannt aus PsToT^ VglTTiierzu Lc. 13, 27. Zu der Gleichung
äftaoxmXoi = oxävöaXa vergleiche die Erläuterung zu Mt. 18, 17.
Der Schluss der manichäischen Relation mit jiagaöi öoaoiv elg
xo xa7]vai erinnert an den oben zu Mt. 13, 30 mitgeteilten Ori-
genestext: jtagaölöoxs avxd jivgi. Ob das Ephraem-Citat
als ein wirkliches Agraphon oder nur als ein frei wiederge-
gebener aussercanonischer Paralleltext zu Mt. 13, 41 zu betrach-
ten ist, lässt sich schwer entscheiden. Vgl. Agrapha S. 295.
Mt 13, 42. 43.
a. Herrn. Sim. IV, 2. p. 138, 28.
ol öixaiol sioiv oi fieXXovxeg xaxoixüv dg xov aimva
xov sQxofisvov o ydg ala)v o egxofievog &egog sGxl xolg
dixaioig, xolg 6s afiagxcoXolg x£i{t<&V-
b. Eclog. proph. § 56. ap. Clem. AI. p. 1003.
Xäntyaxt mg o fjXiog.
152 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
c. Hippol. de Chr. et Antichrist. Galland. II, 441.
xal jtdXiv n xvgiog Xsysf xoxe 01 öixaioi txXdfitpovOt
cog o yjXiog sv xf] öösl] avxov.
d. Epiph. Haer. XL VIII, 10. p. 411 C.
Xdurpei ydo, q>r\oiv, o öixaiog vjteq xov t/Xiov hxaxovxa-
jcXaoiova.
e Just. Apol. I, 16. p. 64 B.
xoxe xXav&iidg eoxai xal ßovyfiog xoZv oöövxmv .
öxav ol fiev öixaioi Xdfiipmöiv cog 6 r'/Xiog, oi öe
döixoi jitfjjtcovrai elg xo aiooviov jcvq.
f. MriiriTiir^
xal ßaXotöiv avxovg eig xi]v xatuivov xov JiVQog' exel
eüxai 6 xXav&ubg xal 6 ßovyfiog xoZv oöovxmv.
xöce ol öixaioi exXdfitpovöiv mg o ijXiog ev xrj ßaoi-
Xeia xov JtaxQog avxojr.
g. Iren. II, 32, 1.
Justi autem fulgebunt sicut sol in regno patris eorura;
injustos autem et qui non faciunt opera justitiae, mittet in
ignem aeternum.
h. EplplirrTa^XL\niI, 10. p. 411 D. 412 A.
aXXd <f?jOi' Xduipei vficöv xd JiQOOayjta mg o ?']Xwg. ei xoi-
rvv o eycov x?)v sgovoiav xal ccXrjd-dg vjtdgyojv öe6%oxr\g
xal xvgiog i)fio3v 'hjOovg XoiGxog wg o ijXiog Xtyei xd
jiQoocoxa xo~)v ötxaiwv Xdfitpeiv.
An dieser Stelle gehen die Paralleltexte vielfach weit aus-
einander und lassen ein sicheres Urteil nicht aufkommen. Nur
in dem Citat aus Justins Apologie lässt sich ein bestimmter
Charakter seiner Quelle wieder erkennen. Vergleiche jtefijteiv =
ßdXXeiv = nbej, wie bei Irenaeus so Apol.I, 15 = Mt. 18, 9,
ferner anstatt slg xrjv xdiiivov xov xvgog wie ebenda tig xo
aioDViov jivq. Auch das Simplex Xdtuxeiv bei Justin steht
nicht isoliert, sondern zeigt sich ebenso bei Epiphanius, Ori-
genes, Cyrillus, und namentlich im Cod. Cantabr. Tiefsinnig
wäre der Text des Hippolyt, wenn man so übersetzt, dass die
Gerechten ihren ewigen Glanz ev xrj öo§7] avxov, in der Herr-
lichkeit des Menschensohnes, empfangen sollen. Für diese Über-
setzung — also nicht für die Beziehnung des avxov auf 6
t'/Xiog — spricht die Matthäus-Parallele: ev xf/ ßaöiXeia xxX.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 13, 42. 43. Mc. 4, 20. 153
Allerdings ist das Hauptsubjekt: o vlog xov civ&qcqjiov (v. 41)
etwas weit entfernt. Doch vergleiche man dieselben Parallel-
varianten kv z(j 6oB,Xi ctvzov = Iv xij ßaoiXsia avxov zu Lc.
9, 27 = Mt. 16, 28 = Mc. 9, 1.
Mc. 4, 26.
a. Mc. 4, 26.
ovrcog löx\v rj ßaoiXsia xov &eov, mg avdQoiTzog ßäXi] xov
ojioqov sjtl xijc ytjg.
b. Clem. Rom. I, 24, 5. p. 44, 1.
hBflX&tv o Gxsiotov xcu tßaXtv sig xr/v yrjv txaoxov x(ü>'
önegfiäxcöv.
c. Theophil, ad Autol. 1, 13.
si yäg xvjp1 dxelv, xöxxog oixov q xcöv Xoixcöv OjtSQ-
fiaxmv, kjiav ßX?]&jj dg xr)v yrjv —
d. Iren? VT5, 3.
xal o xöxxog xov oixov jteOcov elg xrjv y/jv —
e. Aphraates ed. Bert, ad 1. Cor. 15, 37.
„ein nacktes Korn von Weizen oder von Gerste oder den
übrigen Samenarten" —
f. Job. 12, 24.~
— 6 xöxxog xov oixov jcsöojv sig xr)v yrjv —
g. 1. CorTTö, 37^
aXXd yvtwöv xöxxov si xvxoi oixov t\ xlvoq xojv Xoi-
JICÖV.
Das Gleichniss Mc. 4, 26 — 29 ist das einzige grössere Rede-
stück, welches dem zweiten Evangelium ausschliesslich angehört.
Gleichwohl soll nach der Weiss'schen Quellenkritik (Marcusevan-
gelium S. 157ff.) auch diese Perikope nicht original, sondern eine Um-
arbeitung der Mt. 13,24 — 30 noch vollständiger und treuer erhaltenen
Parabel aus der vorcanonischen Quellenschrift sein. Durch die
aussercanonischen und zum Theil auch canonischen Parallelen
aber wird die Unhaltbarkeit dieser Anschauung und die quellen-
mässige Selbstständigkeit des Marcus-Gleichnisses neben der Pa-
rabel Mt. 13, 24 — 30 evident. Es wird aber auch zugleich evi-
dent, dass das Gleichniss bei Mc in einer Bearbeitung vorliegt,
welche dem hebräischen Urtext und dem ursprünglichen Sinn
nicht völlig entspricht. Die Pointe des Gleichnisses nämlich lag
154 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
ursprünglich in der Nothwendigkeit des Sterbens, damit das
Samenkorn auferstehe und Frucht bringen könne — ganz wie
es Joh. 12, 24 ausgedrückt ist. Die wurzelhafte Verwandtschaft
zwischen Joh. 12, 24 und Mc. 4, 26 ff. zeigt sich schon in der
verschiedenen Benennung des Samens: ojtoQoq (Mc. 4, 26) =
ojttQfia (Gern. Rom.) = xoxxoq oixov (Theophil., Iren., Joh.,
Paulus, auch Aphraates) = 1313, welches in Targum und Mischna
in der Bedeutung granum gebraucht wird (Fürst I, 27 \\ Die
Variante tl/.t/\)7ji>ai = Jitosiv = tfbtDn erklärt sich namentlich
dann vortrefflich, wenn im Urtext nicht av&QCOjcoq (wie bei Mc),
sondern xoxxog = ojioqoc = OJtepjia Subjekt war. Vgl. das
Folgende.
Mc. 4, 27.
a. Mc. 4, 27.
xal xaif-svötj xai sytiQt/tai [Cod. Cantabr.: iiytQ&rj) vvxxa
xal q/itgav, xal o GJtoyoq ßXaorä xal fiqxvvqzai.
b. Theophil, ad Autol. I, 13.
jcqcötov äjtofrvr'/Oxet xal Xverai, stra tysioerai —
c. Iren. V, 2, 3.
xal öialvfrtlq jtoX/.ooroq tjytod-r].
d. Clem. Rom. I, 24, 5. p. 44, 2.
arLva jteoovza dq xt)v yijv ^qcc xal yv^vä öiaXverai,
dt Ix xr\q öiaXvöEwq // fisyaXeiort/q rrjq jiQOVoiaq rov.
öegjiÖtov avior/jOiv avxä —
e. Joh. 12, 24. "
kav fit) o xoxxoq rov oiiov jteowv slq rt)v yijv äjto&avtj,
avxoq fiovoq ^tivw —
r. 1. Cor. 15, 36.
o OJtÜQBiq, ov tpoüioizlxai, eäv (iij äjto&av)].
g. Minucius Felix. cT&L^pTVlL
Semina nonnisi corrupta revirescunt.
h. Cod. Colbert, Mc. 4. 27. p. 45. ed. Belsheim.
et dormiat et semen surgat diem et noctem et germinet et
crescat, dum nescit ille.
Aus den Parallelen wird zunächst in exakter Weise erkannt,
dass zu eysiQ?]tai (Mc.) = tyeioezai (Theophil.) = tfyeo&rj
(Iren., Cod. D.) nicht av&ocojroq (wie es im canonischen Text
des Mc. der Fall ist), sondern xoxxoq = OJiogoq als das ur-
Texte und Untersuchungen zu Mc. 4, 27. 28. 155
.sprüngliche Subjekt betrachtet werden inuss. Auch Clemens
Rom., der anfanglich mit der Construktion des Mc. überein-
stimmt, bestätigt den dadurch gewonnenen Sinn, indem er sagt,
dass die göttliche Majestät den Samen aus der Verwesung {tx
öiaXiotcog) wieder auferweckt (dviöxr/öiv avxa). Ist dies fest-
gestellt, so ergiebt sich, dass das bei Mc. dem eyeigrjxat voraus-
gegangene xa&tvdi] ursprünglich den Zustand des ojtoQog vor
seiner Auferstehung aus dem Todesschlaf (äjio&vfjoxtt Theoph. =
ajio&ävi] Joh. und Paulus) ausdrückt, also ebenfalls nicht den
av&QCOJtoq, sondern den GJiOQog zum Subjekt gehabt hat. Ein
völlig aussercanonisches Text-Element erscheint das Xvtxai =
öicdv&eig = öiakvexai, in welchem drei so wichtig e^2eugen
wie Clemens Rom., Theophilus und Irenaeus zusammen-
stimmen, womit der Zustand der Verwesung (semina corrupta
bei Minucius Felix) bezeichnet wird. Durch diese Text-Ana-
lyse mit Hilfe der canonischen und aussercanonischen Parallelen
wird also die ursprüngliche Pointe des Gleichnisses, nämlich die
Auferweckung des Samenkorns aus dem vorherigen Todesschlaf',
in zweifelloser Weise festgestellt. Handschriftlich wird dieses
Ergebniss bestätigt durch die (von Tischendorf nicht notierte)
Lesart des Cod. Colbertinus: semen vor surgat. Während in
dem canonischen Texte 6 öJtOQog erst später folgt und vor
ßXaoxä gesetzt ist, gehört es hier schon zu surgat als Subjekt,
folglich nach dem Ursinn auch zu dormiat. Denn was aufsteht,
muss auch das Schlafende gewesen sein.
Mc. 4, 28.
a. Mc. 4, 27b. 28.
mg ovx oIöbv avxog, avxofidxt] t] y?j xagjtocpoQtl,
jiqcöxov yoQxov, tixev oxdyvv, tlxtv jt?.r)Q?]g olxog kv xcß
o"T«pi'.
b. Ephraem Syr. Ev. concord. expos. ed. Mösinger c. 11. p. 126.
Et quod dicit: Ipse nescit, quod terra ex se ipsa fert
fructum.
c. Joh. 12, 24b.
iav 6h ajto&dv)], jroXvv xüqjiov <ptQti.
d. Clem. RomA^^r^l^TT
xal tx xoi evog nltiova av^ti xal sxcpegei xccqjcov.
156 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
e. Theophil, ad Autol. I, 13.
xcu yivexca oxa%vq.
Das ßXaoxä xcti firjx vexca des Mc, das jiXticova avt-ei des
Clemens Rom. und jioXvv vor xaojtbv (peoei des Johannes
ist bei Irenaeus durch JtoXXoöxbq vor tfyeg&t] ausgedrückt.
Man sieht, die redaktionellen Darstellungen des Gleichnisswortes
gehen so mannigfach auseinander, dass die genaue Wiederher-
stellung des einfachen Urtextes nicht möglich sein dürfte. Aber
die Verwandtschaft von Mc. 4, 26 ff. mit 1. Cor. 15, 37 und Joh.
12, 24, welche in den aussercanonischen Parallelen hervortritt,
kann nur durch einen vorcanonischen Quellentext erklärt werden,
in welchem der Todesschlaf des in die Erde geworfenen Saat-
korns als Voraussetzung für das Erwachen und die Befruchtung
desselben bezeichnet war. Die von Mc. befolgte Übersetzung
muss danach besonders in v. 27 berichtigt werden.
31t. 13, 34" = Mc. 4, 33. 34».
a. Clem. AI. Strom. VI, 15, 125. p. 803.
Xeyovoi yovv ol ajibaxoXoi jcegl xov xvqLov oxl jiavxa
ev jiaoaßoXaiq eXaXrjoev xcu ovöev avev jiccQaßoXfjq eXaXst
avxolq.
b Mt. 13, 34.
xavxa xavxa kXaXrjöev o Jrjoovq ev JiaoaßoXaiq xolq o%Xoiq
xcu #g>(hs jcaoaßoXijq ovöev eXäXei avxolq.
c. Mc. 4, 33. 34»
xcu xoiavxcug jictQCtßoXalq D.aXei avxolq xov Xoyov, xaß-mq
t]övvavxo axoveiv xcoQiq öe, jictQaßoXr/q ovx eXciXei avxolc.
In Anbetracht der vielen Freiheiten, die Clemens AI. in
seinen Citationen neben seiner ausgebreiteten Kenntnis der hand-
schriftlichen Varianten sich gern gestattet, sind in diesem Fall
seine Varianten, wodurch er sich von den canonischen Texten
unterscheidet, nicht hinreichend, um aussercanonische Lesarten
dieses Textes zu statuieren. Ohnehin gehört Mc. 4, 33. 34 nicht
den vorcanonischen Quellen, sondern (auch dem Stile nach) dem
zweiten Evangelisten an, aus dessen Hand der Satz auch in das
erste Evangelium übergegangen ist. Vgl. Weiss, Marcus S. 164.
165, sowie das nachstehend zu v. 35 Bemerkte.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 13, 34. Mc. 4, 35. 157
Mc. 4, 35".
a. Hoin. Clem. XIX, 20. p. 186, 15.
öio xal xolq avxov (tafrt/xalq xax' löiav sjcsXvs xrjq
xwv ovoavätv ßaoiXüaq xa (ivox-rjnia.
b. Iren. I, 25, 5 = Theodoret. Haer. Fab. I, 5.
iv öh xolq OvyyQccfifiaoiv avxmv ovxwq avaytyoajtxai, xal
avxol ovxcoq e§rjyovvTai, xov bpovv Xs'yovxeq sv JMft/}Qi<p
xolq fiafrrjxalq avxoi xal ajtoöxoXoiq xax' löiav Xe-
XaXrjxevai.
c. Mc. 4, 34b.
xax' löiav öh xolq iöioiq fiaO rjxalq ejte'Xvsv Jtävxa.
d. Epist. ad Diogn. XI, 2. p. 163, 6.
jiaQQtjöia XaXmv, vjth ajtioxmv fir) voovfievoq, (lattrjzaig
öh öitjyov/iEVoq.
De Lagarde hat in seiner Homilien -Ausgabe die Worte
r//c xcöv ovoavcöv ßaoiXtiaq xa (ivox/jQia nicht zu dem Citate
gerechnet. Er lässt es vielmehr mit ejitXvs zu Ende gehen.
Aber die Parallele bei Irenaeus zeigt, dass das von Mc. im
canonischen Text gebrauchte verallgemeinernde jidvxa nur dessen
redaktioneller Ersatz für das ursprüngliche xa fivoxi'jQia gewesen
ist, dass also das Objekt x/jq x(öv ovgavcöv ßaoünaq xa. tuvox/]-
oia noch zu dem Citate der Homilien gehört. Die Ep. ad
Diogn. hat für tjtiXctiv die Lbersetzungsvariante öi?]ytlOüai =
disserere (Cod. ci = nnB vgl. Gen. 40, 5. 12. 16. 18. 22; 41, 8. 12.
13. Der Wechsel zwischen löioq {xolq iöioiq fia&rjxalq Mc.)
und avxol (xoTq avxov [taüf/xalq Hom.) ist auch sonst häufig.
Vgl. die Erläuterungen Lc. 21, 33. Es ist daher bezüglich dieses
Verses Mc. 4, 34, den der zweite Evangelist allein hat, gegen
Weiss (Marcusevangeiium 163) auf Grund der aussercanonischen
Paralleltexte dessen Zugehörigkeit zu dem Urtext festzuhalten
und anzunehmen, dass Mc, wie bereits erwähnt, das originale
HVGxr'jQia durch sein jcävxa verallgemeinert, der Redaktor der
Homilien aber den Urtext erhalten hat. Damit stimmt auch
der ursprüngliche Context Mc. 4, 1 1 = Mt. 13, 11 = Lc. 8, 10:
ay.lv ötöoxai yvvJvai xa (tvöxrjQia xtjq ßaoiXeiaq xüv ovoavcöv
ebenso vortrefflich wie der weitere Context in den Homilien,
wonach ein als Herren wort citiertes Logion: xa (ivOTtJQia tfwl
158 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
xal xolg vloiq rov oixov fiov cpvZagexE — unmittelbar voraus-
geht, mithin der Schwerpunkt der Beweisführung gerade auf
den fivotfjQia liegt. Folglich dürfte das Homiliencitat bis
fivotf'jfua reichen und anstatt etwa auf das Marcusevangelium,
auf das vorcanonische Urevangelium (nach dem im ersten Evan-
gelium aufbewahrten Übersetzungstypus) zurückzuführen sein.
Mt. 13, 44.
a. Tatian. Or. ad Graec. c. 30. p. 30 ed. Schwartz.
Öid rcvog yäo axoxQvcpov d-tjöavQOV rcov 7i[iErEQCov sjt-
ExnärtjGtv, ov oQvrrovrEg xovioorcö tuiv fyelg EVEjrZyGftijuEr,
rovra> öe rov GWEGrdvai xr\v d<pootut)v jiaoiGyoyLEV.
b. Mt. 13, 44.
otuoia hoxiv // ßaöiXda rcov ovQavcövi>rjGavQco XEXQVfjfitvcp
tv reo ayQcß , ov evqcov dvfrQcojiog EXQvrpsv, xal ajco rfjg
Xa(>äg avrov vjcäysi xal jicoXsl Jtdvra, ooa hx£l> xaL ^yo-
QaCsi rov dygov exeIvov.
Sehr interessant ist Tatians Anspielung an das Gleichniss
von dem verborgenen Schatz im Acker, weil der Ausdruck des
&7/oavQog anöxQvcpog (anstatt xsxovjifiEvog Mt. 13, 44) bei Paulus
Col. 2, 3 als &7]oavQol djtoxovcpoi in christologischer Verwerthung,
wie Paulus die Verwendung der Herrenworte liebt, vorhanden
ist — ein Beweis, dass Paulus in seiner Evangelienquelle auch
dieses Gleichniss, und zwar mit der von Tatian gekannten Va-
riaute ax6xQv<poq vorgefunden hat. Die Synonyma von ccjto-
xnvcpog = "pTau oder ]1B2 vergleiche zu Lc. 12, 2. Zu oovrrovrsg
(Tatian) = ExovipEV (Mt.) vergleiche Mt. 25, 18: äjteXd-mv coqv^ev
tv Tt] y[j xal ajcEXQvtpev rb dgyvQiov. Nach dem syrischen
Texte ist auch in der Apologie des Aristides (p. 50 ed. Robinson
and Harris) auf dieses Gleichniss angespielt, nämlich mit den
auf das Almosen (gift) bezüglichen Worten, in welchen die
Christen geschildert werden: „and hide their gift, as he who
has found a treasure and hides it." Nestle verweist noch
auf Jes. 45, 3: D"nfoDtt isttütti tfü'n rrhsis r;b ^nnsi = LXX:
xal öcoGa) Got &r)Gavoovg GxmrEivovg, dxoxgvcpovg xrl. Epiph.
de mens, et pond. c. 11: &rjGavoov xExovfifitvov xal jirjyijg
EG(pQayiG{iEVT]g rig cocp&XEia ev dfi<porEQoig; = Sir. 20, 30: Gocpia
XEXQVfifitvt] xal d-rjGavQog dcpavi'/g, rig cdcpEXEia ev aficporEQOig;
= Sir?4l7T4.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 13, 44. 45. 46. 47—50. 159
Mt. 13, 45. 46.
a. Hom. Clem. IX, 8. p. 95, 7.
xägsöftev (pigovxtg vy.lv, 61 aya&ol eftjtöQoi, ex jtgoyo-
vcov tjftlv xagado&eior/c xal rpvXax&eiör/g &g/]Gxeiag cöojteg
(iagyagixrjv.
b. Mt. 13, 45. 46.
jtäXiv ofioia eGxlv tj ßaoiXeia xmv ovqccvcov av&gauio)
h(iüC0Q€p Ojtovvti xaXovg yagyagixag' evgcov 6e eva
jioXvrifiov yagyagixrjv äxeXfraiv Jtengaxev Jtävxa, ooa
eixsv, xal t)yogaoev avxov.
c. Cod. Cantab. Mt. 13, 45. 46.
jiäXiv ofioia eoxlv >/ ßaoiXeia xcüv ovgavmv av&goöjtq)
eftJtögqy fyjxovvxi xaXovg tuagyagixag' evgcov dl JtoXvxifiov
yagyagixrjv ajieXdoov ejto)X?]Oev a elxev, xal tfyogaoev
avxov.
Der Ausdruck: aya&ol h\ujcogoi, mit welchem eine Anspie-
lung an das Gleichniss von der Perle in den Clementinen erscheint,
erinnert an das Agraphon: yiveo&e öoxifioi xgajteCfixai (vgl.
Agrapha S. 116 ff. 233 ff.), ebenso an das Herrenwort Lc. 12,42,
wo Irenaeus in Übereinstimmung mit dem Cod. Cantabr. eben-
falls las: fidelis actor, bonus et sapiens = 6 jciöxog olxovöfiog o
<pg6vi(iog, 6 ayad-og. Vgl. zu Lc. 12,42. Die vielleicht nur inner-
griechischen Varianten ejccöXrjoev (Cod. D) = jrejcgaxev (cano-
nisch) gehen jedenfalls auf den gemeinsamen Quellentext "DE
zurück. Der Singular fiagyagixr/v in dem Clementinen-Citat
findet seine Bestätigung in der Lesart des Cod. Colbert.: quae-
renti bonam margaritam — eine Variante, welche von Tischen-
dorf nicht notiert ist. Auch Cod. D corp. ox* bieten nach
Wordsworth-White den Singular.
Mt. 13, 47-50.
a. Clem. AI. Strom. VI, 11, 95. p. 787.
Gtwjicö xä vvv xt)v iv xop evayyeXicp jtagaßoXi)v Xeyovoav.
ofioia eoxlv 1) ßaoiXeia xojv oigavcöv äv&gojjtco Oa-
yrjvrjv elg fraXaööav ßeßXtjxoxi xdx xov xXrföovg xoov
eaXmxöxoov ly&taiv ri/v kxXoyijv xojv afieivoov Jtotovuevco.
IfiO Aussercanonische Paralleitexte zu Mt. und Mc.
b. Mt. 13, 47. 48.
jtäXiv ofjoia toxlv ?} ßaoiXela xcöv ovoavcöv oayrjvy
ßXq&eloy elq xtjv fräXaooav xal ex jravxöq yevovq övv-
ayayovoy [Ens. in Js. 19, 7. 8: xal OvXXaßovoy djib nav-
xoq ytvovq iyßvcov)' ?jv oxe EJtXyQcöft?] ävaßißaöavxeq exl
rbv aiyiaXbv xal xaO-ioavxeq övveXegav xa xaXd elq xa
ayyrji xa öe oa.rtQa e£,co eßaXov.
Die Einleitung des Gleichnisses nach Clemens AI. macht
ganz den Eindruck der Ursprünglichkeit wegen der Ähnlichkeit
mit dem vorausgegangenen Gleichnis. Vgl.
Clem. AI. <\uoia eoxlv ?j ß. x. ovo. avfroojjicp oayyvyv dq frä-
Xaooav ßeßXrpcöxi
Mt. 13, 45. ouoia loxlv // ß. x. ovo. cvfhocoxm efutöocp O/xovvxi
xaXovq uaoyaoixaq.
Dass das Gleichniss vom Netze der vorcanonischen Quelle
angehört habe, und zwar als Pendant zu dem Gleichniss von
dem Unkraut unter dem Weizen, zeigt Weiss (Matthäus S. 357).
Die aussercanonische Form der Einleitung des Gleichnisses bei
Clemens AI. findet sich auch sonst in canonischeu Texten
wieder. Man vgl.
Mt. 20, 1: o/ioia loxlv r\ ßaoiXda xcov ovgavcov avfrocojrcp oi-
xodsojröxf], (oxiq £$fjX.&EV
Mt. 22, 2: cufioioj&T] ?j ßaoiXtia xcöv ovgavcov ävfrocojim ßaot-
XeT, ooxiq ejcoiyoev
Mt. 18, 23: wfioiojür] tj ßaoiXela xcöv ovoavcöv ävdocQJicp ßaoi-
Xel, oq el)eX?/oev
Mt. 13, 24: cüftoiütä?] y ßaoiXela xcöv ovgavcov av&gcöjtcp oyiei-
oavxi.
Mithin ist es vielleicht ein vor canonischer Text, welcher
hinter der freien Citation des Clemens AI. sich spiegelt. Da-
für spricht auch die Erwähnung der l%ftvcov, welche bei Euse-
bius und im Cod. Colbertinus (ex omni genere piscium)
wiederkehrt. Daraus ergibt sich, dass auch Eusebius einen
bestimmten handschriftlichen Text vor sich hatte, dem auch
jedenfalls die Variante ovXXatußdveiv _(== öwflj^w = J)CS) an-
gehört haben wird.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 13, 47—50. 52. 14, 6. 7. \Q\
Mt. 13, 52.
a. Hom. Clem. VIII, 7. p. 87, 34.
ovxog avrjQ hv &E<p xXovöwg xaxqni&Mxai, xd xe dgxata
via xcö XQÖvcp xal xa xaiva jcaXaid ovxa vevorjxcog.
b. Ep. ad Diogn. XI, 4. p. 163, 9.
ovxog 6 an aQX?}g o xaivog <pave\q xal naXaibg evqe-
&elg xal navxoxE viog h dyimv xagöiaig yevvoofievog.
c. Iren. IV, 9, l.
et dominus ait diseipulis: Propterea omnis scriba doc-
tus in regno coelorum similis est homini patri fa-
milias, qui Drofert de thesauro suo nova et vetera.
d. Mt, 13, 52.
6 öh bIjcev avxolg öiä xovxo nag yoafifiaxsvg ua-
ti-rjxevfrelg xfj ßadiZeici xäiv ovoavmv Öfioiog soxiv
av&Qmnm olxoÖEG3i6x\i, oöxig ixßdXXEi ex xov #//-
oavQOv avxov xatvd xal naXaid.
Weiss nimmt (Matthäus S. 359. 360) mit Recht an, dass
auch dieser Spruch aus der vorcanonischen Quelle stammt. Er
weist treffend darauf hin, dass zu dem yoafifiaxEvg in Mt. 23, 34
sich eine belehrende Parallele findet, sofern der Herr dort seine
Jünger als ynafifiaxElg des Neuen Testaments senden will.
Vgl. die Ausführung zu Lc. 11, 49 = Mt. 23,34. Als Über-
setzungsvarianten treten hier entgegen:
viog — xaivog = ttJin
xaX^uog^^doxalog = ]t^r
hxßüXXEiv== proferre {—nQo^pEQEiv) = irrin
Vergleiche dieselbe Übersetzungsvariante kxßdXXEiv = ngo^EQEiv
zu Lc. 6, 45» (= Mt, 12, 35).
Die Anspielungen in den Clementinen und der Ep. ad
Diogn. lassen die Annahme einer Abhängigkeit von einer ausser-
canonischen Textgestalt offen.
Mt. 14, 6. 7 = Mc. 6, 21—23.
a. Just, Dial. c. Tryph. c. 49. p. 268 D.
xal yEVEöioav ?/fiigag XEXovfdivqg, ogxovfiivrjg xrjg
kgaÖEXtprjg avxov tvagioxcog avxqi, elnsv avxy alxtj-
oaü&ai, o Eav ßovXijxai.
Texte u. Untersuchungen X, 2. 11
1(52 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
b. Mt. 14, 6. 7.
ytveoloig de yevofievotg xov Hoatdov ojqx* dato tj &v-
yaxrjQ xr/g 'Hgcodiaöog kv xm [isöm xal Tjoeoev tot Hqcoöh,
o&ev f/e&' oqxov ODftoXöyijotv avxjj öovvcu, o iav alxi]-
07]xai. •
c. Mc. 6, 21—23.
xal yevofievrjg rjfieoag evxaigov, oxs <HQco6rjg xolg yevt-
öloig avxov öelJtvov knolyoev xolg fieyioxäoiv avxov xal
xolg xlfo<*QXOig xal xolg xomxoig xi)g raXtXaiag, xal elösX-
dovorjq xi)g {hiyaxobg avxrjg xrjc Homöiäöog xal oQxqoa-
fitvrjg, rjoeoev xm'Homdrj xal xolg ovvavaxsifievotg. 6 de
ßaotXevg slnev xm xooaolcp' alxr\oov fie o iäv &eXijg,
xal ödtam oof xal coftoöev avxfj 6xi 6 iav fie aixqöyg,
6(6oo) oot %mg tjptloovg xijg ßaöiZdag (tov.
Der in Mc. 6, 21—29 dem zweiten Evangelium inserierte Be-
richt über des Täufers Ende, welcher Bericht von da aus in das
erste Evangelium (Mt. 14, 6 — 12) übergegangen ist, stammt nicht
aus dem Urevangelium. Justin giebt noch einen dritten kürzeren
Bericht. Ob derselbe aber aus einem der beiden genannten ca-
nonischen Evangelien zusammengearbeitet ist, bleibt trotz der
Identität des Stoffes immerhin fraglich. Der Ausdruck £ga6eX<py
findet sich nicht in den canonischen Evangelien, und &£Xsiv
(Mc.) = ßovXto&ai (Just.) könnten als Übersetzungsvarianten
eines älteren hebräischen Berichtes gelten. Weitere derartige
Varianten siehe im Folgenden.
Mt. 14, 8 «k Mc. 6, 24. 25.
a. Just. Dial. c. Tryph. c. 49. p. 268 D.
xal r\ fi?)xrjQ xrjg jtaiöög vmßaXev avxij alxrjoao&at
xr)v xeg)aXijv Iwavvov xov kv xfj yvXaxfi.
b. Mt. 14, 8.
r) de xQoßißao&elOa vjco xrjg fiijXQog avxijg' 66g fioi,
g>r/ölv, code kjcl nlvaxi xr)v xt<paXr)v 'Icoavvov xov
ßajcxioxov.
c. Mc. 6, 24. 25.
xal igeZ&ovaa efaev xij (itjxqI avxrjg' xl alxrjOa>(iai;
r) de eine»' xr]v xeqpaXr/v 'Imavvov xov ßanxl^ovxog.
xal elötZ&ovoa ev&vg tuexä ojiov6fjg jtQog xov ßaOiXea
Texte und Untersuchungen zu Mt. 14, 8. Ö — IL Mc. (i, 52. 163
(jxi)oaro Xiyovoa- &tXa> iva igavxijq Öcßq ftoi litl jti-
vaxt xt/v xs<paX^v Icouvvov rot ßanxioxov.
Gleichwertige Varianten sind hier ?} jtalq (Just.) = xooäoiov
(Mc. 6, 22) = !T$5, vielleicht auch jiQoßißd&iv (Mt. 14^8)^==
vnoßaXXtiv (Jiist.), obwohl hierfür ein einfaches hebräisches
Grundwort nicht vorhanden ist.
Mt. U, 9-11 — Mc. 6, 26—28.
a. Just. Dial. c. Tryph. c. 49. p. 268 D.
xal alxrjodöijq Uns/iipe xal kxl Jiivaxi Ivsxft-rjpai^ t?)v
xetpaXrjv 'Icodvvov ixiXevoe.
b. Mt. 14,9—11.
xal Xvjtq&elq 6 ßaoiXsvq öiä xovq ooxovq xal xovq ovv-
avaxtifiivovq ix^Xevoev öo&rjvai [avxfj], xal jiefityaq djt-
sxtg)äXioev 'loavvtjv tv xij g>vXax%. xal ^viyj^rj q xe-
<paXr\ avxov Ijtl jrivaxi xal iöo&r) xtp xooaoiqy.
c. Mc. 6, 26—27.
xal jisoiXvnoq ysv \uevoq o ßaoiXsvq dtä xovq OQXOvq xal
xovq dvaxu(iivovq ovx ^9-iXtjOsv ädexrjoai avxi)v. xal
sv&vq djcooxtiXaq 6 ßaoiXtvq OjtexovXdxooa ijcdxa§sv
kviyxai [Cod. Cantabr.:- ivex&TJvat} xi/v xs^paXrjv avxov.
Gleichwertige Varianten sind hier das in dem Justinischen
Evangelientypus beliebte jiifixe iv (Just, Mt. 14, 10)=-- djioGxiXXuv
(Mc. 6, 27), ferner das ebenfalls in Justins Evangelientypus be-
vorzugte xeXeveiv (Just., Mt. 14, 9) = hjtixäoouv (Mc. 6, 27).
Endlich mit Cod. Cantabr. und anderen wichtigen Handschriften
las Justin tvex&tjvai zu Mc. 6, 27 anstatt hvtyxai, welches der
canonische Text aufweist. Wegen xsXevsiv vergleiche man die
aussercanonischen Texte im Kindheitsevangelium und das Petrus-
evangelium. Wenn alle diese charakteristischen Varianten nicht
wären, könnte man sagen, die (ohnehin freiere) Justinische Rela-
tion sei ein compilierendes Excerpt aus Mt. und Mc.
Mc. 6, 52 = Mc. 8, 17.
a. Herrn. Mand. IV, 2, 1. p. 80, 9.
tj xayöla tuov xejrcoowrat.
11 *
164 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
b. Herrn. Mand. XII, 4, 4. p. 126, 27.
ol öe ijil Tolq xdXiöiv exovreg xbv xvgtov, xr\v de xag-
diav avrcöv jtsjrcoQco//£P?]V.
c. Mc. 6, 52.
aXX' r\v avtmv ?j xagöia JcejicogcDfitv/j.
d. Mc. 8, 17.
eri xsxcoQtof/evTjv e^fre ryv xagölav vfioiv;
Die Übereinstimmung des Hermas mit einem nur im
zweiten Evangelium vorkommenden Ausdruck ist bemerkenswerth
und lässt sich nur so erklären, dass entweder Hermas das Mar-
cusevangelium kannte, oder dass in der xagöia jiEJicogwfievT) von
Mc. ein Rest des Urtextes erhalten ist Für letztere Annahme
spricht die paulinische Parallele Rom. 11, 7. 25.
Mt 15, 3 = Mc. 7, 9.
a. Iren. IV, 9, 3-
quemadmodum ipse ait ad eos, qui accusabant ejus discipulos,
quasi non servarent traditionem seniorum: Quare vos frustra-
mini praeceptum domini propter traditionem vestram?
b. Mc?779.
xal tXeytv avtolg' xaXätg ä&sxelTE xf/v evxoXrjv xov
&eov, i'va xtjv üiagadoöiv v/icöv xijgtjofjxt.
e. Mt. 15, 3. ^
6 de ajtoxQidkiQ djtev avxolg' öiaxi *«* v fislg JtagaßaivexE
TT/v evxoXi)v xov &eov öia xtjv jtagädoöiv v/idop;
d. Cod. Colbert. Mc. 7, 9. p. 49. ed. Belsheim.
Et dicebat illis: ßene irritum facitis testamentum^dei.
ut tradicionem vestram statuatis.
Der Abschnitt Mt. 15, 1—20 = Mc. 7, 1—23 gehört zu dem
Wichtigsten, was die Entwickelung der ursprünglichen Jesus-
lehre in ihrem Gegensatz zum Pharisäismus bezw. Mosaismus
aufzuhellen vermag. Zuerst hält sich Jesus in der Defensive
(Mt. 15, 1—9 = Mc. 7, 1 — 13), indem er in heiliger Ironie den
Pharisäismus und das Schriftgelehrtenthum am Mosaismus misst.
Dann geht er zur Aggressive gegen den Mosaismus selbst über,
indem er mit einer an das Volk gerichteten Gleichnissrede (Mt.
15, 10. 11 = Mc. 7, 14. 15), welche er den Jüngern privatim aus-
legt (Mt, 15, 15—20 = Mc. 7, 17—23), sämmtliche mosaischen
Texte und Untersuchungen zu Mt. 15, 3. 165
Reinigungsgesetze über den Haufen wirft durch den einfachsten
Grundsatz, der in seinen Consequenzen nach vielen Seiten hin
Befreiung bringt, Consequenzen, deren Nachwirkungen nament-
lich in den paulinischen Briefen wahrzunehmen sind und die
bis zu wörtlichen Anklängen an die flerrenreden Mc. 7, 1 — 23 —
Mt. 15, 1—20 sich steigern. Vgl. besonders Col. 2, 21. 22. Schon
dieser Umstand macht es wahrscheinlich, dass die betreffenden
Herrenreden in letzter Instanz aus dem Urevangelium stammen.
Sie stehen dem Agraphon, welches mit seiner Verkündigung
absoluter Sabbathsfreiheit aus derselben Quelle geflossen ist
(vgl. Agrapha S. 108. 188 ff.) in principieller Durchbrechung des
Mosaismus ebenbürtig an der Seite. Stammte Mc. 7, 1 — 23 nicht
aus dem Urevangelium, so wäre es die einzige längere Jesusrede,
welche Marcus nicht aus dieser Quelle geschöpft hätte. Mit
Holtzmann und Weiss ist zuzugeben, dass der erste Evangelist
den Wortlaut umgestellt und v. 13 u. 14 echte Herrenworte aus
anderem Standort hierher verpflanzt hat. Aber mit der Annahme,
dass übrigens der erste Evangelist lediglich von Marcus ab-
hängig sei, sind diese beiden Forscher dem Quellenverhältniss
noch nicht gerecht geworden. Sowohl Mc. 7, 1 — 23 als Mt.
15, 1 — 20 sind Bearbeitungen eines älteren ursprünglich he-
bräischen Quellentextes. Dieser Thatbestand wird namentlich in
den aussercanonischen Varianten ersichtlich, welche gerade zu
diesem Evangelienabschnitt in grosser Zahl vorhanden sind.
Als Übersetzungsvarianten erweisen sich hier zunächst
a^£T£rv== frustrari =jtaq>aßalvsiv = b?». Vgl. 1. Chron. 2, 7.
b>» ^Vtf^ofq&ETr/oev LXX. Lev. 26, 40: Db?£S = ort jhxqs-
ßrjoav LXX. Beachtenswerth ist dabei, dass Irenaeus, obwohl
er den Matthäustext wiedergiebt, doch nicht mit Mt. 15, 3
transgredimini = jcagaßatvexe, sondern mit Marcus frustramini
s^nrelbTr^alT^o^r^er^Tn seinem Matthäustext aderelte gelesen
hätte. Die Variante statuatis hat Cod. Colbertinus mit sieben
Itala-Handschriften, sowie mit Cyprian undHieronymus, vor
allen aber mit Cod. D (özrjorjTt) gemeinsam. Diese Lesart wird
als vorcanonisch schon durch Rom. 3, 31; 10, 3 beglaubigt. Es
zeigt sich hier wie auch sonst öfters die Verwandtschaft der
paulinischen Texte mit den aussercanonischen Varianten des
Cod. Bezae, zugleich aber auch hierin ein neues Symptom für
die Zugehörigkeit von Mc. 7, 1 ff. = Mt. 15, 1 ff. zur vorcanonischen
166 Aussercanonisctae Paralleltexte zu Mt. und Mc.
— schon von Paulus benutzten — Quelle. Endlich wird auch in
den Varianten loxavai — xfjQeli' = S^pfl der hebräische Charakter
der Quelle von Neuem sichtbar. Vgl. namentlich l. Sam. 15, 11:
Z^pn ab "nnTTiO, wo die Septuaginta-Codices bei der Wieder-
gabe von D^pi"! in die Varianten exrJQrjöe und eoxijoe auseinander
gehen. Gegen Harris ist hier auf die originale Unabhängigkeit
des griechischen Cod. D von der lateinischen Version (tradatis
hat d) aufmerksam zu machen.
Mt 15, 4 = Mc. 7, 10.
a. Ephr. Syr. Ev. concord. expos. ed. Mösingev c. 12. p. 138.
Quod dominus confirmat dicens: Honora patrem tuum et
matrem tuam.
b. Ptolem. ep. ad Flor. Epiph. Haer. XXXUI, 4. p. 218 D.
drjXol xal xovxo o owxijQ' 6 yao &soq. (prjOtv, eljte, xlfia
x 6v jtax^Qa oov xalxtjv (irjxioa oov, i'ra ev Goiyevqxai.
c. Tatiani evv. harmonia arabice ed. Ciasca c. 20. p. 36.
Deus dixit: Honora patrem et matrem, et: qui niale-
dixerit patri suo et matri suae, morte moriatur.
d. Iren. IV, 9, 3.
Deus enim dixit: Honora patrem et matrem; et qui
maledixerit patri aut matri, morte moriatur.
e. Mc. 7, 10.
Mcovöfjq yag einer' xi(ia xov naxiga oov xal xtjv
firjxtga oov, xai o xaxoXoycov jtaxtga rj firjxega
fravüxro xsXevxaxa).
f. Mt. 15, 4.
o yaQ &eog evtxeiXaxo Xeycov [Syr. Cur.: elnev)' xifia xov
xaxeoa [oov] xal xfjv firjxtga [oov], xai' o xaxoXo-
yä>v Jtaxiga tj firjxega ßavaxcp xeXevxaxat.
Die Formel: Maivoije eixev ist sicherlich in des Herren
Mund die originale gewesen; gerade hier, wo er in entscheidender
Weise den Mosaismus zu antiquieren sich anschickt, wäre die
Formel 6 d-ebq ebrev nicht angebracht gewesen. Diese Form
stammt augenscheinlich aus einer späteren Zeit der Urkirche, wo
man die Autorität des Mosaismus wieder höher emporhob. Die
in wesentlicher Übereinstimmung mit der LXX Mc. 7, 10 ge-
Texte und Untersuchungen zu Mt 15, 4. 5. 167
gebenen alttestam entlichen Citate aus Ex.20,12 und Ex. 21,16 tragen
eben damit den Charakter der vorcanonischen Quelle an sich.
Mt. 15, 5 = Mc. 7, 11. 12.
a. Ptolem. ad Flor. Epiph. Haer. XXXIII, 4. p. 218 D.
vfislg öt, <prjoiv, eiQijxaxs, xolq jtoeoßvxEQOiq Xiyoov, öoo-
qov xop #£<», o iäv ootpeXrjd-fjq &§ efiov.
b. Ephr. Syr. Ev. concord. expos. ed. Mosinger c. 12. p. 138.
et vos dicitis unicuique patrum vestrorum et matrum ve-
strarum: Agedum, munus est quodcunque a nie utili-
tatem capies.
c. Tatiani Ew. harmonia ed. Ciasca c. 20 p. 36.
Vos autem dicitis: Si dixerit homo de patre aut matre:
donum est quodcunque a me acceperint
\ d. Epiph. Haer. XVI, 4. p. 36 C.
xal oxi Xiyixt' &vj™SJ**y xazQl xcu (itjxql' xogßäv,
o toxi Öooqov o av l| &[tov cog>eXr)&qq, ovxixi (irj xi-
(17)0X1 xov JtaZEQCt.
e. Mc. 7, 11. 12.
vpelq 6h Xeyexe' iav eijtg av&Qcojtoq xop staxQt ^ x[j
[1?)tqI' xoQßäv, o koxiv öoüqov, o kav ig eftov c6g>e-
X7)&rjq, ovxixi ätpisxe avxov ovöhv stoiijoai xop Jtaxgi q
xrj [trjxQi.
f. Epiph. Haer. XXXIII, 9. p. 224 C.
oqkgel xop xaxol avxov' xooßav, o eöxi 6cqqov, ovx
wg)6Xrj9-7]Oexai xi i§ avxov.
g. Mi 15, 5.
vfislq 6h Xeyexe' oq iävdjty xop xaxol rj xfj (iijxQr
öwoov o käv ££ kpov o)g)eXrj&^q, ovjify xifirjoet xov
naxioa avxov t} xr\v firjxiQa avxov.
Welche von den vorstehend mitgetheilten Textstellen der
Fassung des Urtextes am nächsten gekommen sein mag, wird
sich schwerlich mehr feststellen lassen. Am deutlichsten ist der
Text des Ptolemäus in der Epistel an die Flora, insofern das
semitische "janj? nicht blos durch öcöqov wiedergegeben, sondern
auch durch das hinzugefügte xm &eop erläutert ist. „Ein Ge-
schenk Gotte geweiht soll fortan sein, was du (der Vater) sonst
168 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
für Nutzen von mir ziehen könntest". Die Folgerung von dieser
Rede ist in dem Epiphanius-Texte (f) gezogen: Wenn jemand
zu seinem Vater sagt: xooßav, so wird er (der Vater) fortan
keinen Nutzen, keine Unterstützung mehr von seinem Sohne (££
avxov) empfangen — , folglich wird, wie der Matthäustext lautet,
der Sohn den Vater nicht mehr ehren, oder wie es bei Marcus
heisst: ihr. die Pharisäer, die ihr diese Satzung vom xoQßäv auf-
gebracht habt, hindert die Kinder, ihren Eltern Wohlthaten zu
erweisen und macht so mit eurer Satzung thatsächlich das vierte
Gebot hinfallig.
Mt. 15, 6 — Mc. 7, 13.
a. Iren. IV, 9, 3.
Et iterum ait eis: Et frustrati estis sermonem Dei propter
traditionem vestram.
b. Epiph. Haer. XVI, 4. p. 36 C.
xal tJ&extjgoxe ttjv ivxoXi/v xov O-eov öia xrjg xwv xqeo-
ßvxEQcov vfimv Jtagaöooseog.
c. Ptolem. ep. ad Flor. Epiph. Haer. XXXIII, 4. p. 218 D.
xal rxvQwöaxE xbv votuov xov &eoZ öia xrjv oiaoa-
ÖoOlV VflOJV XiüV xQsoßvxeQcov.
d. Mt. 15, 6.
xal ?}xvQcoöaxe xbv vofiov [Cod. Cantabr., Syr. Cur. Xöyov)
xov #£ot öia xr\v Jtaoaöooiv Vficöv.
e. Mc. 7, 13.
dxvQovvtsg xov Xoyov xov d-sov xf] jtaoaöooEi vfimv
11 üiaQEÖmxaxe. xal jiaoofwta xoiavxa aoXXä jcoieIxe.
Hier tritt der Urtext deutlich hervor durch die sich deckenden
Varianten äfrsxslv = frustrari = dxvoovv = fi^n vgl. Ps. 32, 10
LXX oder issi vgl.^SumT30, 13 AquüaTferner: vbjtoq^=X&yoq
= ivxoXtj = senno — T\)TQ. Zu äfrExslv — dxvgovv kommt
noch eine dritte Übersetzungsvariante bei Hippol. Comm. in
Dan. IV. p. 17 ed. Bratke: xov (liv xov &eov v6(tov igovfrE-
vovvxsg xaoEyQaipavxo, xalq dl xmv JtQEößvxEQcov JutgaSoCEOiv
EvaQioxovvxEg vjtExdooavxo, Cod. Cantabr. hat zu xjj jtaoaöoöEi
v(io3v Mc. 7, 13 den Zusatz xy [tcona. Mit ihm gehen die meisten
ltala- Handschriften: per traditionem vestram stultam.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 15, 6. 7. 8. 169
Mt. 15, 7. 8 = Mc. 7, 6.
a. Jes. 29, 13. LXX.
e'yyiC.ei fioi 6 Xaoq ovxoq kv xcß axofiaxi avxov, xal iv
xolq %elXe6i,v avxcov xiftcool tue, i) öe xagöla avxcov
noggco djtixei .an efiov.
b. Just. DiaL cTTryph. c. 78. p. 305 AB.
coq 'Hoaiaq tprjöiv elncov ovxoq' iyyi^ei fioi 6 Xaoq ov-
xoq' tolq öe yelXeoiv avxcov xiftcöoi (ie, q öe xagö'i
avxcov noggco antyei an efiov.
c. Ptolem. ep. ad Flor. Epiph. Haer. XXX11I, 4. p. 218 D.
xovxo öe Hö ata q ige<pcovi]Cev elncov 6 Xaoq ovxoq xolq
yelXeol fte xifia, q öe xagöla avxcov noggco äneyji
an ifiov.
d. Mt. 15, 7. 8.
vnoxgixal, xaXcöq engo^xevöev negl vficov *IIoataq Xeycov
6 Xaoq ovxoq xolq ^ctJUö/i; fie xifia, ?/ öe xagöla
avxcov ^Q(^Jxj™1(M an ifiov.
e. Mc. 7, 6. 7.
coq yiyQanxai oxi ovxoq o Xaoq xolq yelXeoiv fie xiftä,
fj de xagöla avxcov noggco dneyei an efiov.
f. Clem. Rom. I, 15, 2. p. 28, 25.
Xeyet yäg nov' ovxoq 6 Xaoq xolq £££jUa/i> fte xifia,
t) öe xaoöla avxcov noggco aneoxiv an efiov.
g. Clem. Rom. 11, 3, 5. p. 114, 21.
Xeyei öe xal iv xcß Hoata' o Xaoq ovxoq xolq xelXe-
oiv fie xifia, r\ öe xaoöla avxcöv noggco aneoxiv an
iflOV.
h. Herrn. Mand. XII, 4, 4. p. 126, 27.
ol öe inl xolq y.elXeOiv tyovxeq xbv xvgiov, xi)v öe xag-
öla v avxcov nencogcoftevi^v^ xal fiaxgäv ovxeq dno xov
xvglov.
I Cod. Cantabr. Mt. 15, 7. 8.
t^o^tj^jw^ojgj^o^rtt^^^epl vf1**™ Hoaiag Xeycov
o Xaoq ovxoq xolq %elXeolv fte xiftä, q öe xagöla
avxcöv noggco eaxtv an ifiov.
170 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Das Citat aus Jes. 29, 13 ist bei Mc. und Mt. wesentlich nach
den LXX gegeben. Die Lesart nÖQQCo hoxlv tut ifiov liegt auch
bei Herrn as: fiaxQav ovxeq äjto xov xvq'iov zu Grunde. Am
nächsten kommt dann die Lesart jioqqco ajtzoxiv in den beiden
Clemensbriefen. Die übrigen aussercanonischen Citate gehen
in diesem Punkt mit den canonischen Texten und den LXX. Am
vollständigsten findet sich der Septuaginta-Text bei Matthäus.
Jedenfalls gehörte das Citat zum Urevangeliura. — Wenn Harris
(a Study of Codex ßezae p. 97) das ioxiv des Cod. D aus dem
lateinischen est ableiten möchte, so zeugt Herrn as mit seinem
fiaxQav ovxeq für das Gegentheil, nämlich für die Priorität des
griechischen Textes.
Mt. 15, 9 = Mc. 7, 7.
a. Jes. 29, 13 LXX.
fidtrjv de oißovxai //e, öiödoxovxeq tvxaXftaxa dv-
&Qcbjicov xai öiöaoxaXiaq.
b. Just. Diai. c. Tryph. c. 78. p. 305 B.
fiaxTjv de oißovxai //e, svxdXfiaxa av&oconmv xai
öiöaoxaXiaq öiödoxovxsq.
c. Just. Dial. c. Tryph. c. 140. p. 369 C.
ol ötödoxaXoi tucov avxmv, coq xai i) yoa<pr} öia$Qrjör]v
Xiyei, öiödoxovxsq öiöaoxaXiaq, svxdXfiaxa ävd-Qat-
TtCOV.
d. Ptolem. ep. ad Flor. Epiph. Haer. XXXIII, 4. p. 218 D.
f/axr/v de oißovxai /ze, öiödoxovxsq ÖiöaoxaXiaq,
kvxaXfiaxa dv&Q<6x<oi\
e. Mc. 7, 7.
(idxqp de oißovxai fie öiödoxovxsq öiöaoxaXiaq,
svxdXfiaxa uv&Qobncov.
f. Mt. t5, 9.
(idxrjv de oißo'vxai fis, öiödoxovxsq öiöaoxaXiaq,
kvxdXfiaxa dv&QOjjimv.
Hier tritt der Septuaginta-Text völlig dominierend auf, sogar
in dem fidxrjv, welches im hebräischen Grundtexte fehlt. Die
svxdXfiaxa xai ötöaoxaXiai x<ov dv&omjtoDv hat Paulus Col.2, 22
ganz in demselben gegen die Reinigungsgebräuche gerichteten
Zusammenhang verwerthet — ein Beweis, dass das Citat in der
vorcanonischen Evangelienquelle vorhanden war.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 15, 9. 13. IG. 171
Mt. 15, 13.
a. 4. Esra 9, 22.
ajiöXoixo ovv xo jcXij&oq xo elxrj yevbpievov xal xf]Q>]&eif)
r) pag (iov xal ij (pvxeia (iov oxi ev noXXm (löy&co xaxrjQ-
xioa xavxa.
b. Ign. ad Philad. III, I. p. 72, 4.
äjtexeö&e xcöv xaxcöv ßoxavdiv, aoxtvaq ov yecoyyel frjoovq
Xpioxoq öia xo fit) elvai avxovq (pvxeiav naxyoq.
e. Ign. ad Trall. XI, 1. p. 52,8.
ovxoi yao ovx eioiv (pvxeia jtaxQoq.
d. Pseudo-Ign. ad Trall. XI. p. 192, 30.
ovxoi ovx elöl (pvxeia jtaxooq, äXX* eyyova xax/joafieva.
jtaoa öt, (ptjolf o xvgtoq, (pvxeia, r\v ovx k(pvxevoev
6 jiaxrjQ (iov o enovoävcoc, exoit,a)d-i)xa>.
e. Hom. Clem. III, 52. p. 50, 28.
ev&ev yovv Xeyet' jtäoa (pvxeia, r/v ovx k(pvxevoev o
jtaxrjo o ovgavioq, exQi^co&r/oexai.
f. Mt. 15, 13.
jiäoa (pvxtia, T/v ovx etpvxevoev o jcaxr/Q (iov o ov-
odvioq, exQi^coO- f/oexai.
Der Redaktor der Pseudo-Ignatianen hat zu Trall. XI, 1 die
in den echten Ignatianen enthaltene Anspielung an Mt. 15, 13
wohl erkannt, und daher in seiner Bearbeitung des Textes die
ganze Stelle beigefügt. Seine Variante exQi£G>&?jxco (anstatt
txQiC,a>&TJoexai) findet sich in keiner Handschrift. Das Logion
selbst gehört nicht in den Zusammenhang dieser Rede, wird aber
als echtes Herrenwort aus einer anderen Stelle des Urevangeliums
entlehnt sein.
Mt. 15, 16 -= Mc. 7, 18*.
a. Pistis Sophia p. 156, 7 ed. Schwartze et Petermann.
nvev(ia ocoxr/ooq motum est in eo, exclamans dixit:
eixe ax(ir/y quoque haud voeixe et estis ignorantes?
b. Mt. 15, 16
o 6e ehcev äx(ir)v xal v(ielq aovvexoi eoxe; ov voeixe;
c Mc. 7, 18a.
xal Xiyei avxolq ovxoyq xal vfielq aovvexoi köre; ov
voeixe;
172 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Hier weisen die gleichwertigen canonischen Varianten axfirjv
(= Irt) = ovroog — adhuc (Cod. Colbert) auf eine ältere Quelle
hin. Denn wenn Mt. hier lediglich dem zweiten Evangelisten
gefolgt wäre, so könnte man das Motiv für die Umwandelung
des deutlicheren ovxmq in das weniger deutliche äxfit'/v nicht
ersehen. Auch die Pistis Sophia vertritt die Lesart axfirjv.
In der Anordnung der beiden Glieder weicht das Citat der
Pistis Sophia von den canonischen Texten ab.
Mt 15, 17» — Mc. 7, 18*.
a. Clem. AI. Paedag. II, 1, 8. p. 169.
ovöe xä eloibvxa xoivol xbv av&oa>jiov.
b. Mc. 7, iS
jtav xb egcod-ev eloxooevbfievov elq xbv äv&Qcoxov ov
övvaxai avxov xoivcöoai.
c Mt 15, 17».
jcäv xb elojtoQevbfievor elq xb oxbfia xxX.
d. Clem. AI. Paed. II, CloVp. 175.
ov yao xa eloeQxbfieva elq xo oxbfia xoivol xbv av-
&Q<DJ10V.
e. Clem. AI. Strom. II, 11, 50. p. 455.
ov xä eloegxbfieva elq xo oxbfia xoivol xbv av&omjtov.
f. Const. VII, 20.^205, 21.
ov yao xä eloegxbfieva elq xb oxbfia xoivol xbv ar-
&QCOJIOV.
g. Orig. c. Cels. VIII, 29. Opp. 1, 762.
• äjtetptjvaxo oxi ov xä eloeQxbfieva elq xb oxbfia xoivol xbv
avd-oamov.
Die gleichwerthigen Varianten elöiivai = elojtoneveöfrai =
döEQXEO&cu gehen auf bat 813 zurück, und zwar ist bei den
Alexandrinern elaioxsö&ai gebräuchlicher gewesen als das eloxo-
oeveo&ai im canonischen Text.
Mt. 15, 17«» = Mc. 7, 19.
a. Mc. 7, 19.
oxi ovx elojiooevexai avxov elq xrjv xagöiav aXX elq xijv
xoiXiav, xal elq xbv äpedgcöva exjiogevexai, xa&agi-
^cov Jiävxa xä ßgcofiaxa.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 15, 17. 18, 173
b. Cod. Cantabr. Mc. 7, 19.
ov ydg doigx^xai dg xr\v xagöiav avxov dXX* elc xi]v
xotXlav, xai elg xbv o%ex6v it-eQxezaf xa&agi&t jcdv-
xa xd ßgcofiaxa.
c. Mt 15, 17b.
elg xrjv xoiXiav xcogsl xai elg dtpeögäjva IxßdXXetai.
d. Orig. c. Cels. VIII, 297 Öpp. I, 762. 7637~
xd (ibv ydg eloegx6(teva elg xo ox6,ua dg xrjv xoiXiav,
<p?]öi, xwQtt xcu &1? d<peögo5va exßdXXexai.
e. Iren. Fragm. XIV ed. Stieren p. 835.
ndv ydg xo dg xo oxo/ia eloegxduevov elg d<peögalva
Xcogsl.
Hier kehrt eloegxeod-ac anstatt des canonischen elöJtogeveö&ai
bei Or igen es, Irenaeus, und auch im Cod. D wieder, während
der erste Evangelist als weitere Variante x^Q^v verwendet, bei
Irenaeus aber das xmQ^v ak Synonymon von exßdXXeo&ai =
exjtogtveo&ai erscheint. Letztere Synonyma gehen auf X2? zu-
rück (tfisin bei den LXX oft exßdXXecv). Übersetzungsvariante
ist wohl auch im Cod. D die Lesart ox^xog — dtpeögmv = "pTOS
(Salkinson) oder rrisnrjtt von n«fn^(LoE^oner frt T.) oder
nixria (Delitzsch). — Nestle hat in den Theo]. Studien aus
Württemberg (1889. 1. Heft. S. 79 f.) unter Anlehnung an Field,
sowie Westcott-Hort die Erklärung von Origenes, Grego-
rius Thaumaturgus und Chrysostomus wieder hervor ge-
holt, wonach die Worte xa&agi£cov jtdvxa xd ßgajpaxa nicht
als Herrenworte, sondern als ein Zusatz des Marcus zu betrachten
sind: xaxd Mdgxov eXeye xavxa 6 Ocoxtjg xad-agiCpiv Jtdvxa xd
ßgoSfiaxa (Origenes). Dann würde es sich auch erklären, weshalb
dieser Zusatz Mt. 15, 17b fehlt. Der Urtext enthielt ihn nicht.
Mt. 15, 18 = Mc. 7, 20.
a. Macar. Hom. XLII, 2.
xo ydg ßXdjcxov xai (itatvov xov dv&g&jiov evöo&tv
eoxiv.
b. Clem. AI. Paedag. II, 1, 8. p. 169.
aXXa xa e^iövxa, fß/joi, xov oxofiaxog [sc. xoivol xbv
avfrgcojtov.]
174 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
c. Clem. AI. Paedag. II, 6, 49. p. 198.
xa ycto i§wvxa, (ptjoiv, ix xov oxdfiaxoq xoivol xov
av&Qcoxov.
d. Clem. AI. Strom. II, 11, 5ü. p. 455.
dXXa xa £t-£Qx6(i£va öiä xov oxofiaxoq, ixelva xoivol
xov av&Q<DJtov.
e. Mt. 15, 18.
xa öe e x xooevofieva ex xoi oxöfiaxoq ex xrjq xaQÖiaq
ege'oxexai, xaxeXva xoivol xov av&Qcojtov.
f. Mc. I^O.^
xo ex xov av&Qconov exjtoQevöfievov, exelvo xoivol xov
av&Qcojtov.
g. Orig. c. Cels. VIII, 29. Opp. I, 762. 763.
aXXct xa it-EQXOfieva ex xov oxdfiaxoq [sc. xoivol xov av-
&Q0)J10V].
Auch hier bieten die aussercanonischen Texte im Verein
mit den canonischen Parallelen ein buntes Bild von Varianten,
hinter denen doch sichtlich ein einfacher Text sich birgt.
Die Wiedergabe des hebräischen XS^ durch igievai — igeQxeö&ai
— ixjtoqevEO&ai ist schon bekannt. Dazu kommt noch xoivovv =
/uaiveiv = KTS12. Als canonische Parallele ist zu vergleichen:
Tit. 1, 15: nävxa xafragä xolc xaOaoolq' xolq de fiefiiaofievoiq
xal djtloxoiq ovöev xa&aoov, dXXa (lefiiavxai avxmv xal o vovq
xai r) ovveiöijoiq — , wo klar die Variante fiialvov (Macar.) und
vovq (= xagöia) vorausgesetzt ist. Vgl. zu Lc. 12, 34, wo vovq
als Übersetzungsvariante von ab erscheint.
Mt. 15, 19 — Mc. 7, 21. 22,
a. Clem. AI. Strom. II, 11, 50. p. 455.
ix yän xfjq xagöiaq i^egxovxai öiaXoyiö/ioi.
b. Macar. Hörn! XV, 21.
ix ycto JVß^^Q^l^J^^QXP^J^i diaXoyiöpiol JtovtjQoL
c. Macar. Hora. XV, 13.
eiol yao XoyiOfiol e^egxofievoi ex xrjq xagölaq xaxa xo ev-
ayyiXiov.
d. Epiph. Haer. LVIII, 2. p. 490 BC.
eowfrev yao, (prjoiv, ixjcogevovxai jtoQvelai, poixelai, doeX-
yetai xal xa xovxoiq bfioia.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 15, 19. 1 75
e. Orig. Opp. 11,317.
de^corde procedunt^ cogitationes malae, homicidia, adulteria,
furta, falsa testimonia, blaspheniiae.
f. Orig. c. Cels. VIII, 29. Opp. I, 762.
xa de *&ovxa ex *ov öxo/iaxog 6iaXoytotuoi eioi novijQol
XaXovtuevoi xal <povoi xal tuoiX€lcu xal jtoovelai,lxXoncu
xe xal ipevöofiaQxvQlai xal ßXao^rju'iai.
g. Mt. 15, 19.
Ix yccQ xqg xagölag k^ioxovxai ötaXoyiOfiol JtovrjQol, <p6voi.
fiotyelai, jcoQvelai, xXojtai, tyevöofiaoxvQlai. ßXao^prjfiiat.
h. Mc. 7, 21. 22.
eöcofrev yag tx xf/g xagöiag xöiv ävfrQcojtaw 01 öiaXoyiöfiol
01 xaxol exjiooevovxai, Jtogvelai, xXojiai [Cod. Cantabr. : xXtft-
f/axa], (povoi, fioixttai, nXeovegiai , jiovrjoiai. öoXog, dotX-
yeia, og>&aXtu(g jtovtjQog, ßXao<pr]/jia, vjieorjtpavia, atpQo-
övvrj.
i. Herrn. Mand. VIII, 5. p. 98, 11.
xXtfifia, tyevdoc, djtoOxeQ^oig, tytvdoftaQxvQia , JtXeovet-ia,
hmd-vfila jrovrjga, dxdx?], xevoöo^la. äXaCoveia, xal 00a
xovxoig of/otd slöiv.
k. Pseudo-Cypr. de al. c. 5. p. 19 ed. Harnack.
niultae enim sunt temptationes ejus, quaruui primordia sunt:
idolatria, moechiae, furta, rapinae, avaritia, fraus, ebrietas,
inpatientia, adulteria, homicidia, zelus, perfidia, falsa testi-
inonia, eloquium falsum, invidia, extollentia, maledictum, error,
et si qua sunt similia, quae his cor» gr mint.
1. Aid. V, 1. 2. ~~~
t/ öe xov ßavdxov oöog ioxiv avxty jiqwxop jcclvxojv jco-
vrjoä loxi xal xaxaoag fjieGxr}' tpovoi, iioiyzlai, tjcid-vpiai,
jioQvelai, xXoüiai, etöooXoXavQelai, (iayelai, (paofiaxelac, dg-
jtayai, tpevöo/xaQxvglai, vnoxoioug, ötJiXoxaoöia, ÖoXog,
vji£Qrj(pavia, xaxia, avddötia. jtXeovsgia, aloxoXoyia, CflXo-
xvn'ia, frQaovx?jg, vxpog, dXa^oveia.
Unter den während der Correktur der Agrapha von Prof.
Harnack mir zugegangenen Beiträgen haben diejenigen, welche
sich auf die Agrapha selbst bezogen, dort an geeigneter Stelle
mit Angabe ihres Harnackschen Ursprungs Verwendung gefunden,
während die übrigen wenigen Beiträge derart für die „ Ausser-
176 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
canonischen Paralleltexte" zurückgestellt wurden. Zu ihnen ge-
hört folgende Mittheilung Harnacks. welche ich nachstehend
wörtlich wiedergebe.
„Ich komme nun" — schreibt Haraack — „zu dem Laster-
katalog. Diese Lasterkataloge gehen — ich habe über sie in
meiner Abhandlung de aleatoribus S. 85 kurz gehandelt, s. auch
Taylor, Didache 1886 und Rendel Harris, Facsimile- Ausgabe
der Didache p. 82 sq. — , wie ja auch Mc. 7, 21 beweist, auf ein
Herrenwort zurück. Aber Mc. 7, 21 ist nicht die letzte Quelle.
Das geht schon daraus hervor, dass die letzte Quelle mit „xal
tä ofioia xovxoig* geschlossen haben muss. Dieser Schluss,
der sich auch in der Jiöaxtj nicht findet — daher ist auch sie
nicht die letzte Quelle — steht nämlich in den Katalogen Qal.
5. 20, de aleat. c. 5, Herrn. Mand. VIII, Pseudo-Clemens de virg.
1, 8, die unter sich gar nicht zusammenhängen. Vgl.
de aleat. c. 5: „et si qua sunt similia, quae his con-
gruunt*.
Galat. 5, 20: „xal xä oftoia xovxoig',
Herrn. Mand. VIII, 5: xal oöa xovxoig öfioid eioiv*
Pseudo-Clem. I, 8: „haec aut his similia".
Im Einzelnen hat man natürlich in diesen Katalogen sehr
willkührlich geschaltet. Die wichtigsten sind: Mt. 15, 19; Mc.
7,21; Rom. 1,29 f.; Gal. 5,20f.; Ephes. 5, 3 f.; 1. Cor. 6,9. 10; de
aleat. c. 5; Pseudo-Clem. de virg. I, 8; Didache c. 5; Barn. c. 20;
Herrn. Mand. VIII, 5; Altercatio Simonis et Theophili c. 21.
Immerhin sind von den 18 in de aleatoribus genannten Lastern
14 mit den in der Atöairj genannten identisch. Dass es sich
aber hier um ein Herrenwort handelt, geht auch aus dem Satze
Gal. 5, 21 hervor: jiqoeIjiop oxt ol r« xoiavxa Jtgäööovxeg
ßaoileiav &eov ov xZrjoovofi/jOovoiv. Dieser Spruch ist
synoptisch gefärbt. Dazu kommt, dass es auch Rom. 1, 32 am
Schlüsse des Lasterkatalogs heisst: axiyvovxeg . . ort ol
xoiavxa jtoaööovxsg ägioi &avaxov slolv, und Eph. 5, 5 am
Schluss des Laster katalogs: xovxo yäo luxe ytvcoOxoptsg, ort
nag noovog xrX. ... ovx sx*1 xk/jQovoftiav kv vy ßaöi-
Xkia zov ^peöTOv xal &eov, und endlich 1. Cor. 6, 9 am
Anfang des Lasterkatalogs: // ovx olöaxe, ort aöixoi ßeov
ßaoiZslap ov xXi)Qovo(irj<3ovGiv; nun folgt unmittelbar
Texte und Untersuchungen zu Mt. 15, 19. Mc. 7, 21. 22. 177
darauf (irj xXaväö&E ovxe Jiogvot ovxe eiöcoXoXaxQai xxX. . . .
ßaöiXsiav &eov 'ycXr/Qovoß rfoovoiv. — Hiernach scheint
mir jeder Zweifel ausgeschlossen; es gab entweder ein Herren-
wort oder es gab — was wahrscheinlicher ist — zwei Herrenworte,
welche Aufzählungen von Lastern enthielten. In dem einen
waren die Laster neutrisch genannt (wie Mc. 7, 21), und es
schloss mit „xal xa ofiota xovxotq11. In dem anderen waren die
Lasterhaften (personal) genannt, und es schloss: ol xa xotavxa
jtoäoöovxEq ßaotXdav &eov ov xfa]Q0V0{iiJG0v6tv*.
Soweit Harnack, mit dessen Ausführungen im Wesentlichen
übereinzustimmen ist. Namentlich wird seine Vermuthung, dass
der in Mc. 7, 2 1, 22 = Mt. 15, 19 enthaltene Lasterkatalog ursprüng-
lich mit der Formel: xal xa öfiota xovxotq abgeschlossen
habe, auf überraschende Weise durch das unter d mitgetheilte
Citat aus Epiphanius (Haer. LVIII, 2) bestätigt. Es dürfte
diese Textgestalt: eocofrev kxxoQEVOVxat jioovEtat, [iot^Eiat, aoeX-
yuai xal xa xovxotq opota dem Urtexte am nächsten kommen,
nur dass die ursprünglich an der Spitze gestandenen öiaXoytGitol
ütovi]Qol (= xaxot) = n1^ rfSTDriÄ — in Wegfall gekommen
sind. Denn das egoo&ev dieses Epiphanius-Citates ist neben dem
ix trjg xagölaq des Örig., Clem. AI., Macar., Mt. Übersetzungs-
variante von abtt, daher egcoQ-ev ex xrjq xagdiaq, wie Mc. hat,
ein Pleonasmus. Sodann muss die Zahl der Laster im ur-
sprünglichen Herrenwort gewiss eine sehr beschränkte gewesen
sein, da sonst der Schluss: xal xa xovxotq otuota überflüssig ge-
wesen wäre. Erst die Folgezeit hat je länger je mehr die Laster
vermehrt und erst eigentliche Lasterkataloge aus jenem einfachen
Herren worte geschaffen.
Der Vollständigkeit halber sei noch auf folgende, von Har-
nack oben nicht erwähnte Lasterkataloge hingewiesen: 1. Tim. 1,
9 f.; 2. Tim. 3, 2 f.; Theophil, ad Autol. I, 2; II, 34; Hippol. arab.
p. 283 f. ed. Achelis, Pistis Sophia p. 254 f.
Nachträglich sei noch folgende anderweite Notiz Harnacks
hier angeführt: „Die uns bei Eusebius (hist. eccl.) in einigen
Fragmenten erhaltene alte griechische Übersetzung des Apolo-
geticums Tertullians gibt (Euseb. III, 33, 4) Tertullians
Worte „homicidium, adulterium, fraudem, perfidiam et cetera
scelera prohibentur" also wieder: xcoXvEöfrat (povtvEtv, {iofj(EVEiv,
Texte u. Untersuchungen X, 2. 12
178 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
jiIeovexxeIv, djiooxEQElv xai xa xovxoiq ofioia. S. Texte u.
Unters. VIII, 4. S. 18. 22.«
Mt. 15, 21 = Mc. 7, 24».
a. Orig. c Cels. I, 65. Opp. I, 380.
xovxo ndliv xaxovgySv o KiXooq diaßdllsi, xai q>rjöL Jtgoq
top 'irjöovv o nag' avxcp 'iovöaloq' „ort fiExd.xcov nad-tjxcöv
rf/öe xdxslOE ajzodiÖQaoxEic".
b. Mt. 15^ 21.
xai £g£JL&a>v exeI&ev o 'Iqöovq dvex<x>Qi]ötv slq xa fiEQ^
Tvqov xai 2iö(5voq.
c. Mc. 7, 24a.
exeI&ev 6h dvaoxaq djtfjZd-sv slq xa oQia Tvqox
Eine der feinsten Untersuchungen in der von B. Weiss an
den Evangelien geübten Quellenkritik führte ihn zu der Er-
kenntnis, dass der Perikope von der Kananäerin Mt. 15, 21 — 28
= Mc. 7, 24 — 30 eine vorcanonische Evangelienquelle zu Grunde
liege, und zwar, dass der Urtext bei dem ersten Evangelisten
besser als bei dem zweiten erhalten sei. Vgl. Weiss, Marcus
S. 254 ff. Was dazu im Betreff der Quellenkritik noch nachzu-
tragen ist, wird das folgende zeigen. Hier ist zu erwähnen,
dass sicher auch schon die Einleitung, welche nach Weiss von
der Quelle auszuschliessen wäre, in der Urrelation gestanden hat.
Denn xai e£sI&c6v exeI&ev = exeI&ev 6e dvaoxaq sind nur ver-
schiedene Übersetzungstypen von D12ÖQ Qj?*!S und ebenso sind die
Synonyma xd ogia = xa (ieqtj, welche auch Mc. 8, 10 = Mt. 15, 39
wiederkehren, auf ein gemeinsames hebräisches Quellenwort zu-
rückzuführen. Denn dass rviisp» nicht blos mit ogia, sondern
auch mit (ieq?/ übersetzt werden kann, beweisen die LXX, welche
Jes. 37,24: 13?? "iäp mit fiigovq xov ögvfiov und Dan. 11, 45:
"isp"!? mit %<x>q ftEQOvq avxov wiedergeben. Ebenso liegt den
Varianten djitQXEO&ai — dvaycoQE Iv das hebräische TID zu Grunde.
Ob die Parallele aus Celsus gerade auf diese Stelle Bezug
hat, ist fraglich; doch beginnt ja gerade mit Mc. 7,24 = Mt.l5,21
das fluchtartige Umherwandern Jesu in den verschiedensten Län-
dergebieten; auch erinnert das xdxElos des Celsus an das exst&sv
der Evangelien.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 15, 21. 22. Mc. 7, 24. 25. 20. 179
Mt.15, 22 = Mc. 7, 25«. 26.
a. Hom. Clem. II. 19. p. 26, 30.
'lovöxä Tis, tv ?J£iiv löxlv SvQOfpocvixiooa, xb ytvog
Xavavixig, t}g xb frvyaxQiov vjco xaX£jc?]g vooov Oweixsto,.
Tj Xal X(D XVQIO) fl(i<DV 7lQO0r}Xd-BV ß0(Ö0a XCU LXEXEVOVOa,
ojtmq avxrjg xb ftvyäxoiov d-EQajtEVOr].
b. Mc. 7, 25». 26.
ev&vq dxovoaöa yvvr jieqI avxov, /)g EtyEv xb &vya xqlov
avxijg jcvsvfta axdd-agxov — t] de yvvr) rv EXXrjviq, 2v-
QO(poivixiöoa xcö yivEL' xal rjocoxa avxov, i'va xo öai-
fioviov sxßdXr] ex xrjq frvyaxQog avxrjg.
c. Mt 15. 22.
xal löov yvvr) Xavavaia ajto xmv ogimv exeivov e^eX-
d-ovöa exQa^sv Xtyovoa' sXetjöov [ie, xvqie vlbg davsiö, r) &v-
yäxTjQ (iov xaxcög. öaifiovi^Exai.
d. Hom. Clem. xSCi^l^dO.
yvvr) öt xig 'iovöaioig JtQOOr'jXvxoc, d^iöXoyog Jtävv, övdfiaxi
'lovoxa.
Zu den beiden Bearbeitungen des Quellenberichtes durch den
ersten und zweiten Evangelisten kommt in den Homilien noch
eine dritte Relation, welche allerdings starke Spuren von der
Hand des Redaktors aufweist und den ursprünglichen Wortlaut
nur erkennen lässt, wie das in Erz eingesprengte edle Metall.
Gleichwohl ergiebt sich bei näherer Untersuchung die Unab-
hängigkeit der clementinischen Relation von den beiden ersten
canonischen Evangelien. Schon der Name der Kananäerin geht
über die canonischen Berichte hinaus. Er kann möglicher Weise
der Quelle angehört haben. Vgl. z. B. Lc. 18, 35, wo der dritte
Evangelist den in seiner Marcusquelle (Mc. 10, 46) präcise ange-
gebenen Namen o vlbq Tituatov Bagxifialog durch eine verall-
gemeinernde Ausdrucksweise xvcpXög xig verwischt hat. Die Aus-
drücke 2vQO<poivixi66a und tyvyaxgiov in dem Clementinen-
Bericht können auf einen Einfluss des zweiten Evangeliums zu-
rückgehen; dagegen ist Xavavixig, welche Benennung Hom.
Clem. 111, 73 p. 56, 24: naoä xr\ Xavavlxidt BeqvIxt] 7ouöt>/-: <H--
yaxQi — , IV, I p. 56, 33: xayä Beovixij d-vyaxQi xrjg Xavavixiöog
IgQ Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
^lovoxr\g in constanter Weise wiederkehrt, unabhängig von der
Xavavaia des ersten Evangelisten gebildet. (Das arabische Dia-
tessaron, welches Ciasca herausgegeben hat, liest für SvQotpoivL-
xiooa: ex Hemesen Syriae.) Die Verflechtung dieser zwei aus
der evangelischen Geschichte bekannten Personen, der Kananäerin
und ihrer Tochter, in den pseudoclementinischen Petrus -Roman
hat ihr Seitenstück in der Verwendung des Oberzöllners Zacchäus,
mit welchem Hom. II, 21. p. 27, 13 ff. die Erzählung von der Ka-
nanäerin in Verbindung gesetzt wird. Die Bezeichnung der
Krankheit: vjiÖ xaXEjtrjc, vboov Ovvdfßxo erinnert an Lc. 4, 38:
övvexofievT] jlvqexS sowie Mt. 4, 24: ßaödvoiq ovvexofiivovq und
weicht jedenfalls von den Krankheitsbezeichnungen durch den
ersten und zweiten Evangelisten in selbstständiger Weise ab.
Vergleiche auch noch: ovo öaifiovi^ofievoi — xccXejcoI Xlav Mt.
8, 28. Die Ausdrücke ßocöoa (Hom.) und exgccgev (Mt.) weisen
auf p?S, die Synonyma lxexevelv (Clem.) = eqojxclv (Mc, in der
Bedeutung „bitten") auf "jrnrifl als Quellenwörter hin.
Mt . 15, 23. 24.
a. Epiph. Haer. XLV1, 4. p. 394 A.
xov xvq'lov aXrjd-eiaq xal dvvdfiEcoq avrov Xiyovxoq öxc
ovx ?]X&ov el fit] dg xo jtoößaxov xo jtEJtXavi]ßEvov
otxov 'logatjX.
b. Epiph. Haer. LXVI, 35. p. 650 A.
OvXXrjßörjv OWEiXrj(pcoq öid xov aivlyfiaxoq E(pr\' ovx rjXfrov,
el fiij öiä xo JtQÖßaxov xo djtoXmXöq.
c. Mt. 15, 23. 24.
6 6e ovx ajcexQid-J] avxrj Xbyov xal jiooöEXfrövxEq ol fia-
d-Tjxai ctvxov i)q(üxovv avxbv XtyovxEq dxoXvoov avxtjv,
öxi xqccCei oJiiodEv tjfioiv. o 6h ajtoxQt&Eiq eItcev ovx
djcEOxdXrjv el ,«/) dq xd jcgoßaxa xd djtoXooXbxa olxov
*lGQarjX.
In der Quellenkritik, welche Weiss an dieser Perikope geübt
hat, fehlt noch die Erkenntnis, dass Mc. 7, 24b. 25a eine kurze
Zusammenfassung dessen ist, was Mt. 15, 22—24 nach der Quelle
ausführlicher berichtet wird. Diese Vorgänge nämlich gehören
noch auf die Strasse, während das folgende von Mt. 15,25==
Mc. 7, 25b an in dem Hause vor sich ging. Mc. fasst also die
Texte und Untersuchungen zu Mt. 15, 23. 24. 25. 26. 181
Thatsache, dass Jesus auf öffentlicher Strasse angeschrieen wurde,
und trotz des Bemühens der Jünger von der Schreierin (nj??S,
ßomoa) nicht befreit werden konnte, mit den Worten zusammen:
xal ovx y}övväöd-rj Xa&elv. Wer die Urheberin davon war, dass
Jesu Wunsch nach Verborgenheit vereitelt wurde, bringt er v. 25a,
während erst mit Mc. 7, 25b = Mt. 15, 25 der Eintritt des
Weibes in das Haus, das Jesus zur Herberge and zum Ort
der Verborgenheit erwählt hatte, erzählt wird.
In jenes auf der Strasse vor dem Eintritt in das Haus er-
folgte Gespräch gehört nun das Wort Mt. 15, 24, zu welchem bei
Epiphanius zwei so interessante Parallelen sich finden. Nach
denselben hätte Jesus das ganze Israel (obcog 'IögarjX) als
tTpi? fKS bezeichnet. Aber offenbar haben wir in dem Singular
xo xooßaxov nur eine ungeschickte Version von "J&2 zu er-
kennen, durch welche Übersetzung der Collektivbegriff ]S2 im
Griechischen nicht so zum adäquaten Ausdruck gelangte wie in
der canonischen Version xd jtoößaxa. Die Varianten a7c6XXvod-at=
jiXavao&ai als Übersetzungsvarianten von "DS wechseln auch
sonst sowohl in den alttestamentlichen als in den evangelischen
Texten. Vgl. zu Lc. 19, 10 und Lc. 15, 4. Ebenso erklärt
sich die zweimal bei Epiphanius vorkommende Variante:
ytöovj= djteöxdXijv durch das hebräische Quellen wort: Tifita.
Vgl. Lc. 4, 43: ZjiI xovxo ajteöxdXrjv == Mc. 1, 38: dg xovxo
k^Xd-ov = ">nX3 ntfrb Dazu Ezech. 30, 11: Di«nia = djieöxaX-
fisvoL LXX.
Mt.15, 25. 26 = Mc. 7, 27.
a. Hom. Clem. II, 19. p. 26, 33.
o öh vcp tjficöv d§,icoi)tig ebcsv ovx egeöxiv läofrai xd
t&vrj , eotxoxa xvolv ötd xd öiarpögoig xoäo&ai xoo<palg
xal jioa^eöiv, djioÖ£Öotutvr]g xijg xaxd vtjv ßaoiXtiov xga-
jtSL,i]g xolg vlolg 'loga/jX.
b. Mt. 15, 25, 26.
tj öt [jcQOG}eXfrovoa xgootxvvtt avxcö Xtyovocf xvgie, ßo-
rj&u jioi. o de ajtoxQi&elg tinev ovx i§£Gxiv Xaßelv xov
aoxov xmv xtxvcov xal ßaXtlv xolg xvvagioig.
c. Mc. 7, 27. ~
xal eXsyev avxft' dcpeg xooixov yogxaofryvai xd xixva' ov
182 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
yag eoxiv xalbv Xaßslv xov agxov xcöv xexvcov xal xolg
xvvaQioLz ßaXelv.
d. Tertull. de oratione c. 6.
Ita et exemplis inculcat et parabolis retractat, cum dicit
Numquid panem filiis pater aufert et canibus tradit?
Den hebräischen Quellentext kann man weiter in folgenden
synonymen Varianten verfolgen: ägwvv (Hom.) = egcoxäv (Mt.
15, 23) von den Jüngern = TD£2l, (vgl. jcq)v avxöv d^KÖorjxs
Hom. III, 55 p. 51, 24 = jiqo xov vfiäg aixrjöai avxöv Mt. 6, 8),
ferner jiqooxvveIv (Mt. 15, 25) = JtQOOjtljtxeiv jtQÖg xovg Jiööag
(Mc. 5, 25b) = H^nritpn, (Weiss, welcher auf keine verschiedenen
Übersetzungstypen der vorcanonischen Quelle reflektiert, weist
Marcus S. 257 Anm. 1 auf die Umschreibungen des 3iQ06-xvve.lv
hier, wie Mc. 1, 40; 5, 22 hin; aber gerade aus diesen Beispielen
wird es evident, dass der Übersetzungstypus, welchem der erste
Evangelist folgte, das nifinü'n hebraisierend mit jcqoöxvveiv
wiedergiebt, während die andern beiden Evangelisten Lc. 5, 12
jcijixeiv ejcl jcQoöcojtov = Mc. 1, 40 yovvjicxi.lv [= Mt. 8, 2 jiqoo-
xvveIv], ebenso Lc. 8, 41 jcHxelv jcagä xovg Jtoöag = Mc. 5, 22
jcLjcxeiv jcQog xovg Jtoöag [== Mt. 9, 18 jiqooxvveIv] das iTinFittiPt
nicht mit der wörtlichen orientalisierenden Version, sondern mit
gräcisierender Umschreibung wiedergeben ä dass also an dieser
Stelle wie hier ein hebräischer Quellentext zu Grunde liegt),
ebenso ovx egtoxiv (Hom., Mt.) = ov yag eöxiv xalbv (Mc.) =
aiü t&\ auch xvvägia (Mt., Mc.) = xvveg (Hom.) = D^bsn, end-
lich xexva (Mt., Mc.) = vloi (Hom.) = D^S. Weiss hält nun
die Worte Mc. 7, 27a: cupeg jcqojxov xoQxaotirjvai xä xsxva für
eine refiektionsmässige Änderung, welche der zweite Evangelist
ex suis angebracht habe und verweist dabei auf Rom. 1, 16 xq>
'Iovdalcp jcqojxov. Holst en und Andere erkennen in denselben
Parallelen einen Beweis von dem Einfluss des Paulinismus auf
die Gestaltung der canonischen Evangelien. Wer aber den in
diesen Untersuchungen beobachteten quellenkritischen Grund-
sätzen gefolgt ist, der wird nichts anderes erwarten, als dass das
Quellenverhältnis umgekehrt dargestellt werde und dass gemäss
der Abhängigkeit des Paulinismus von der vorcanonischen Evan-
gelienquelle auch das paulinische jcqgöxov (vergleiche nicht nur
Rom. 1, 16, sondern auch Act. 13, 46), welches die ganze Missions-
Texte und Untersuchungen zu Mt. 15, 25. 26. 27. 28. 1S3
weise des Paulus beherrscht hat, von dem jrgcäxov in Me. 7, 27
abzuleiten sei, dass mithin der im ersten Evangelium weggelas-
sene Satz: dcpsg jcgöjxov %ogxao{hijvat xa xtxva aus der vor-
canonischen — schon von Paulus benutzten — Quelle stamme,
wonach Jesus die Mission unter Israel als das zeitliche jtgojxov
aller Mission hingestellt, damit aber auch indirekt auf die Heiden-
mission hingewiesen habe. (Vergleiche das über die drei Stufen
der von Jesus befohlenen Mission Gesagte auf S. 119). In den
Juden christlichen Homilien ist — was nicht befremden kann —
dieser ursprüngliche Sachverhalt noch mehr verwischt als in dem
judenchristlichen ersten Evangelium. — Ganz abweichend ist der
Text bei Tertullian.
Mt. 15, 27. 28 = Mc. 7, 28. 29.
a. Ephr. Syr. Ev. concord. expos. ed. Mösinger p. 59.
matre Chananitide dicente: Et canes satiantur.
b. Hom. Clem. II, 19. p. 26, 36.
fj ös xovxo axovoaoa xal xijg avxijg xgajckC,7jg cog xvcov
tyil'icov ajtojiutxovxoov ovvfisxaXaijßdvsiv ßovXousvrj, {/s-
xa&efievr] ojtsg i]v, xco o/ioloog öiaixäo&ai xoig xrjg ßa-
OiXeiag vlolg xf/g slg xrjv d-vyaxtga, cog tjt-icooev, sxvxsv
Idosoog.
c. Mt. 15, 27. 28
r\ ös sijcsv vai, xvgis' xal ydg xa xvvdgia so&isi djcb
xoov IpLl'lCOV XOOV JCIJCXOVXOOV djib xijg XQajtsC,Tjg XOOV
xvgloov avxcov. xoxs djcoxgi&slg 6 'ifjOovg sijcsv avxq" ob
yvvai, fj.syaXrj oov rj Jtloxig' ysvrj&ijxoo ooi cog d-tX.stg. xal
läd-rj tj B-vyaxrjQ avxijg djcb xijg oogag sxtivrjg.
d. Mc. 7, 28. 29.
i) ös djisxgi&rj xal Xtysi avxo?' vai, xvgis' xal xa xvvdgia
vjioxäxoo xijg xgajisC,?]g söfriovoiv djib xoov xpi%loov
xmv üiaiöloov. xal sijcsv avxrj' öid xovxov xbv Xbyov vjcays,
sgsXrjXvfrsv sx xi}g frvyaxgbg oov xb öai/uöviov. xal dx-
sXd-ovoa sig xbv olxov avxijg svgsv xb jcaiöiov ßsßXrjfisvov
sütl xi/v xXivrjv xal xb öaifioviov sgsXrjXv&og.
Auch hier bleibt die Relation der Clementinen, die übri-
gens am Schluss völlig auseinander fliesst und vom Urtext nur
einige Reste beibehält, der Version xvcov (= xvvdgiov) treu. Im
Ig4 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
übrigen benützt sie das Compositum djcojtijcxeiv für das cano-
nische Simplex jcljcxeiv = bö2 und nähert sich schliesslich mit
dem Ausdruck &vydxr]Q (= jraidiov Mc.) und IdöEcog (= lä&rjMt.)
dem Typus des ersten Evangelisten. (Vgl. auch Hom. III, 20
p. 27, 6: zfjg ia&siGrjc, ftvyaxQog) Der Text des Ephraem: Et
canes satiantur knüpft in noch bemerkbarerer Weise als der ca-
nonische Text durch das satiantur an das a<psg jiqqjxov %ogxa-
ö&rjvai xa xs'xva Mc. 7, 27a an und bringt das vai, xvqie erst
recht zum Verständnis: Du hast Recht, Herr, denn erst werden
die Kinder gesättigt, dann werden auch (xal xa xvvaQia) die
Hündlein unter dem Tische satt. Aber abgesehen davon, so ist
auch der canonische Matthäustext mit seinem vai, xvqie, xal yao
in präciser Weise erst begründet, wenn der von dem ersten
Evangelisten weggelassene Satz acpsg jtqcoxov xxX. im Urtext
nicht gefehlt und man nicht zu übersetzen nöthig hat: „aber
doch", wenn man also nicht mit dem Cod. Cantabr. und etlichen
Italae in Mc. 7, 28 ein aXXa hinein corrigiert. — Mit sämmt-
lichen syrischen Übersetzungen, voran dem Syrer Curetons, hat
das arabische Diatessaron nach Ciasca zu den Worten: canes etiam
edunt de micis, quae cadunt de mensa dominorum suorum — den
Zusatz: et vivunt.
Mt. 15, 39 = Mc. 8, 10.
a. Mt. 15, 39.
xal djcoXvoag xovg oxXovg h'iß?] eig xb jtXolov xal tjX&ev
eig xa ogta Mayaödv.
b. Cod. Cantabr. Ma^To.
xal djceXvofp avxovg, xal avxog avißr) slg xb jiXMov uexo.
xmv [lafrijxcov avxov xal tjX&ev slg xa ÖQia MeXsyaöa
[^l^tajaöä].
c. Mc. 8, 10.
xal ev&vg kfißäg eig xb xXolov fiexd xcöv [ladrjxcäv avxov
7]Xd-sv slg xä fiEQtj AaX[iavov&a.
Es herrscht ein eigentümliches Dunkel über diesen Orts-
bestimmungen, sowie eine Unsicherheit in den Handschriften.
Nach Eusebius und Hieronymus las man auch an der Marcus-
Stelle nicht wie die jetzigen besten Codices haben: AaXuavov&a,
sondern Magedan = Mayaidav. Vergleiche Eus. Onom. p. 270,
Texte und Untersuchungen zu Mt. 15, 39. 16, 17. 185
13 — 272,2: Maysöäv, sig xcc ögia Mayeöäv o Xqiöxoc tJTSÖ7](irjOev,
cog o Max&aiog' xal o Mägxog de x?~]g Mayaiöav fivrjf/ovevsi.
xal köxi vvv tj Mayaiöav?] jcsgl xr)v regäoav, und Hieronyrai
de situ et nominibus locorum hebraic. ]iber p. 141, 19 — 22: Ma-
gedan, ad cuius fines Matthaeus evangelista scribit dominum per-
venisse. sed et Marcus eiusdem nominis recordatur. nunc autem
regio dicitur Magedena circa Gerasam. Ebenso las der Correktor
des Cod. Cantabr. & Mayaöä, auch Cod. Colbertinus, während
die ältere Niederschrift des Codex D das sicherlich falsche Me-
Xsyaöä angab. Vielleicht lichtet sich das Dunkel in der Weise,
dass JaZfiavovfrä der Name der Ortlichkeit war, um die es sich
handelte, eine Ortlichkeit, welche in der Landschaft Magada ge-
legen war. Zu ögia = fitgrj = rTilSp vgl. das zu Mt. 15, 21 Be-
merkte. Nestle macht noch aufmerksam, dass laut ZDPV 14,82
Gildemeister einen Fascikel über Dalmanutha hinterlassen und
dass in demselben Bande Röhricht (Karten und Pläne) darüber
zu vergleichen ist.
Mt. 16, 17.
a. Hom. Clem. Ep. Clem. ad Jac. 1. p. 6, 11.
co Jigcoxm o Jtaxi]Q xov vlov djtsxdXvipsv, ov o Xgtöxog
evXoycog efiaxdgiosv.
b. Hom. Clem. XVI, 15. p. 156, 14.
vlov ös &eov xov xd Jtdvxa öiaxoötut}oavxog xov dnövxa
avxov tvXoywg tfiaxdgiotv.
c. Hom. Clem. XVII, 18. p. 167, 8—13.
ovxoog ydg xdfiol dno xov xaxgog ajiexalvy&ri o vlog.
öib oiöa, xlg övvafiig ajc ox alvty eoog, aq> tavxov tua&o')v.
— xov öe fiaxagioavxd kue ^.rjvvoai fioi xov djioxaXv-
ipavxa jtaxega elvai.
d. Hom. Clem. XVII, 19. p. 168, 1.
r) si xaxeyva>6fiivov fis 'liysig, &tov xov djioxalvipavxög
fjoi xov Xgioxov xaxrjyoQslg xal xov sm dnoxalvtyki
fiaxagioavxög ,us xaxagiroeig.
e. Just. Dial. c. Tryph. 100. p. 327 B.
xal ydg vlov fteov, Xqloxov, xaxct xt)v xov Jtaxgög avxov
djtoxä?.vrpiv ejiiyvövxa avxov, eva xcöv {/afrrjxojv avxov.
2L{iö)va jcooxeoov xaZov^ievov, ejrcovöftaoe Iltxgov.
186 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
f. Cassian. c. Nest. III, 13, 1. p. 278.
beatus es, inquit, Simon Bar Jona, quia caro et san-
guis non revelavit tibi, sed Spiritus patris mei, qui
in caelis est.
g. Mt. 16, 17.
fiaxagiog si, JSlficov Bagicovä, ort Oag§ xal aifia
ovx djtexalvrpev aoi, aXX* o jcccz/jq fiov o sv roiq
ovqccvoIq.
Die Quellenkritik in Bezug auf Mt. 16, 17 — 19 ist mit nicht
geringen Schwierigkeiten verknüpft und wird mit den Mitteln
einer lediglich innercanonischen und deshalb vorzugsweise sub-
jektiven Kritik zu sicheren Resultaten nicht führen. Es ist, wenn
irgendwo, so hier die Anwendung der Grundsätze einer objek-
tiven Quellenkritik und daher die Herbeiziehung der aussercano-
nischen Parallelen und deren Abwägung erforderlich.
B. Weiss erklärt v. 19 mit Bestimmtheit für einen Zusatz
des ersten Evangelisten, der auch sonst den Petrus besonders
gern hervorbebe, und der das Mt. 18, 18 an seiner originalen
Stelle befindliche, auf die gesammte Jüngerschaft bezügliche
Herrenwort auf den von ihm bevorzugten Petrus in prägnanter
Weise übertragen habe. (Weiss, Matthäus 394. Amn. 1.) Die
Möglichkeit, dass dies mitMt. 16, 18 ebenso, ja noch in viel höherem
Maasse der Fall sein könne, dass auch hier echte Herrenworte
aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang entfernt und in neue
Verknüpfung gebracht sein möchten, um dem Petrus eine der
Tendenz des ersten Evangelisten entsprechende Praeponderanz
vor den andern Jüngern zu verleihen, scheint Weiss nicht in
Betracht gezogen zu haben. Er erklärt vielmehr, dass, wie v. 17,
so auch v. 18 aus der vorcanonischen Quelle entlehnt sei.
Was nun v. 17 anlangt, so bestätigen alle objektiven In-
dicien die Annahme von Weiss vollauf. Sowohl Justin als der
Redaktor der Clementinen haben die Worte gekannt und
verwendet. Auch wird es in Citat e klar, dass Justin die Selig-
preisung des Petrus im Zusammenhang mit dem Petrusbekennt-
nisse gelesen hat. Dasselbe gilt von den Citaten in den Cle-
m entinen. Vergleiche namentlich das Citat b. Und vor diesen
beiden Schriftstellern ist es bereits Paulus gewesen, welcher
GaL 1, 15. 16 das betreffende Herrenwort benützt hat- Zwar
klingt (vgl. namentlich evöoxrjöev mit svöoxla eyevero) auch das
Texte und Untersuchungen zu Mt. 16, 17. 18, 187
verwandte Herrenwort Lc. 10, 21. 22 = Mt. 11, 25 — 27 gleichzeitig
mit an, aber dass das axoxaXvipai xbv vibv avrov ev epioi nicht
blos auf das cp luv ßovXr/xai 6 vlbg axoxaXvipai in Mt. 11, 27
--= Lc. 10, 22, sondern auch und noch präciser auf das Herren-
wort Mt. 16, 17 sich bezieht, wird aus der Vergleichung von
gccq§ xal aipa ovx äxexaXvtyev Goi mit Gal. 1, 17: ev&eoag ov
jtQOOavs&tfirjv occqxi xal aifiaxi evident. Zu GagS, xal alfia
kann noch Joh. 1, 13 verglichen werden. Bei der völlig isoliert
dastehenden Lesart Cassians: sed Spiritus patris mei sc. reve-
lavit tibi — wird man doch an 1. Cor. 2, 10: rjplv de dxexd-
Xvtyev 6 #£og dia xov xvevfiaxog avrov — erinnert.
Mt. 16, 18.
a. Carthaginiense Concilium sub Cypriano septimum, a. 256. ha-
bitum. Sententia XVII. Routh III, 120.
Fortunatus a Tuchabori dixit: Jesus Christus Dominus et
Deus noster, Dei patris et creatoris filius, super petram
aedificavit ecclesiam suam non super haeresim.
b. Epiph. Haer. XXX, 24. p. 148D.
'layavvrjg de evfrvg xal xvXai Aidov firj xaxi-
OxvovGai xqg xexoag xal -rjg ex avrrjg oixodofiijO-eiG^g
ayiag freov exxXrjotag xxX.
c. Const. VIII, 10. p. 245.
öiarr]Qi]Gi] [sc. x?)v exxXrjGiav} fiexQi xrjg GvvxeXelag xov
almvog xe&efteXiayfievqv exl xr)v xeroav.
d. Epiph. HaeTTv^7p?479B.'
ovde yao xaxiGxvoet xgbg xr]v xrjg aXr/9-siag xioxiv, exei-
drjxeg exl xr)v xexqav coxod' urjzai, xal xvXai Aidov
ov xaxiGxvGovoiv avxr)g. a)g exrjyyeiXaxo avxij o ayiog
&eog Xoyog.
e. Epiph. Haer. LXXX, 11. p. 1077 C.
xoXig de äyia &eov xal xiGxig xal edgalco/ia xrjg aXrjB-eiag
xal xexoa Gxepeä, e<py rjg xvXai 'Aidov ov xaxiüxv-
GOVGlV.
f. Eus. Praep. ev. I, 3, 11.
dia n'iav exeivrjv, rjv avxog dxt(pr)vaxo Xt§iv eixmv exl
xr)v xtxoav oixodo(irJGa> fiov xr)v exxXrjGiav, xal xv-
Xai Aidov ov xaxiGxvGovoiv avxrjg.
188 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
g. Eus. in Psalm. 17, 15. 16.
&e/ueXiov de avrrjg jtgcörov (tsv rr)v dggayrj xal orsgeäv l)
jtergav , ecp co cpxodofirjrai [sc. r) exxXiyöia] xarä rö' sxl
rrjv jtergav oixoSofirjoco fiov rr)v exxXrjölav , xalütv-
Xat Aiöov ov xariöyvöovöiv avrrjg. ?] Jterga öe rjv
o Xgiorog.
h. Eus. Laus Const. XVII, 8.
xegl öe rrjg avrov exxXrjoiag' ejtl xr\v otergav oixoöofirjoa)
' fiov rrjv exxXrjolav, xal jtvXai Aiöov ov xarioyv-
OovOiv avrrjg.
i. Eus. in Psalm. 59, 11; in Psalm. 67, 34—36; in Js. 28, 16; 49,
16; 33, 20 u. ö. Dieselbe Lesart ohne ravrrjv und ohne Be-
zugnahme auf Petrus den Apostel.
k. Ephraem Syr. Ev. concord. expos. ed. Mösinger c. 14. p. 153.
Et respondit: Beatus es Simon. Et portae inferi te non
vincent, i. e. quod non destruetur fides.
1. Ephraem Syr. Comm. in Jsaiam c. 54, 17. Hymni et Sermo-
nes II, 156 ed. Lamy.
vectes inferni non praevalebunt ad versus te.
m. Hom. Clem. Ep. Clem. ad Jac. 1. p. 6, 8.
Sipcov, o öia rrjv aXrförj jiionv xal rrjv aocpaXeorartjv
avrov rrjg öiÖaoxaXiag vjiofreoiv rrjg ExxXrjaiag ftefreXiog
elvai ogiofreiq.
n. Hom. XVII, 19. p. 167, 36.
oregeav jtirgav ovra fie, S-efieXiov exxXqolag.
o. Pseudo-Cypr. de aleatoribus. c. 1. p. 13. ed. Harnack.
originem authentici apostolatus, super quem Christus fun-
davit ecclesiam in superiore nostro portamus.
p. Tertull. de pudicitia c. 21.
Si quia dixerit Petro dominus: Super hanc petram aedi-
ficabo ecclesiam meani.
q. Orig. ap. Eus. H. E. VI, 25, 8. p. 226, 1.
üergog öe, Icp co oixoöofielrai r] Xgiotov sxxXrjOia, r)g
üivXai Aiöov ov xarioyvöovoi.
1) Hierzu vgl. 2. Tim. 2, 19: 6 fxsvrot ortgsög 9e[i£faoQ tov &sov
Texte und Untersuchungen zu Mt. 16, 18. Ig9
r. Eus. de resurr. 2. (Migne VI, 1111).
Dicit Petro: Tu es Petrus, et super istam petram aedi-
ficabo eeclesiam meam, et portae inferi non prae-
valebunt adversus eam. [Griechisch Dem. ev. VII, 5, 87
u. öfter ebenfalls der canonische Text.]
s. Ephr. Syr. Ev. concord. expos. ed. Mosinger p. 154.
Tu es petra, illa petra, quam erexit, ut Satanas in eam of-
fenderet.
t. Mt, 16, 18.
xäyai de ooi Xeya), 6t i öv ei TTerpog, xal ejtl ravrrj tf]
jcixga olxoÖofiyöm fiov xi\v exxXi]öiav xal jtvXai
"Aidov ov xarioxvöovoiv avrfjq.
Wenn in Bezug auf v. 17 der Weiss 'sehen Quellenkritik
zugestimmt werden muss, so liegt die Sache in v. 18 umgekehrt,
Man erwäge folgende Instanzen:
Erstlich müsste für jeden, welcher Paulus von den Worten
und der Lehre Jesu auch nur auf dem Wege mündlicher Tra-
dition abhängig sein lässt, das Verhalten des Paulus gegen
Simon Petrus, wie es authentisch von Paulus selbst Gal. 2 ge-
schildert ist, geradezu unbegreiflich sein, falls in der aposto-
lischen Urkirche ein Wort des Herrn bekannt gewesen wäre,
welches dem Simon einen solchen Vorrang vor den Aposteln
einräumt und eine solche einzigartige grundlegende Bedeutung für
den Bestand der Kirche zuerkennt, als es in Mt. 16, 18 geschieht.
Ein solches Wort, wenn es einmal gesprochen gewesen wäre,
hätte in der Urkirche niemals vergessen werden können, sondern
hätte in entscheidender Weise die Entwickelung der apostolischen
Zeit bestimmen und die übrigen Apostel von Petrus, als dem
eingesetzten Testamentsvollstrecker Jesu, abhängig machen
müssen. Nun nennt Paulus zwar Gal. 2, 9 'Iäxcoßoq xal Krjcpäq
xal 'latavvrjq als ol doxovvreq OtvXoi üvai. Aber gerade die
Weise, wie er dies thut, indem er nur von einem öoxslv redet
und noch mehr dadurch, dass er den Kephas auf Eine Linie
mit Jakobus an erster Stelle hervorhebt, beweist seine völlige
Unbekanntschaft mit einer angeblichen Praerogative des Petrus,
welche gerade diesem Apostel eine einzigartige und dominierende
Stellung unter der Apostelschar kraft eines Herrenwortes zu-
gewiesen hätte.
Vollends aber zweitens, wenn man eine schriftliche Quelle
190 Aussercanonische Paialleltexte zu Mt. und Mc.
für die Kenntniss der Herrenworte von Seiten des Apostels an-
erkennt, so würde es ganz unbegreiflich sein, dass Paulus eine
zeitweilige offene Opposition gegen Petrus hätte durchführen
und seinen Feinden gegenüber hätte rechtfertigen können, wie
er es Gal. 2, 10 ff. gethan, ohne in irgend einer Weise mit
dem bezüglichen Herrenworte sich auseinanderzusetzen.
Und solches wäre um so auffallender, als Paulus, der gerade im
Galaterbrief Gal. 1, 15. 16 seine Bekehrung im Anschluss an das
dem Petrus gesagt gewesene Herrenwort Mt. 16, 17 in so er-
greifender Weise schildert, das unmittelbar darauf gefolgte
Herrenwort Mt. 16, 18 unterschlagen und den angeblichen Primat
des Petrus in offener Opposition gegen den Herrn selbst ignoriert
haben müssce.
Es kommt drittens dazu, dass in der gesammten Literatur
des zweiten Jahrhunderts, also gerade in einer Zeit, wo die
Kämpfe zwischen dem Paulinismus und dem Judenchristenthum
einen so breiten Raum einnahmen, das betreffende Herren wort,
welches wir jetzt Mt. 16, 18 lesen, nirgends citiert ist, auch von
den judenchristlichen Clementinen, auch von Justin nicht,
obwohl in beiden Schriftencomplexen die Bekanntschaft mit Mt.
16, 17 vorhanden ist. (Wie die zweifache scheinbare Anspielung
auf Mt. 16, 18 in den Clementinen (sub litera m) zu beurtheilen
ist als ein Zeugniss gegen das Vorhandengewesensein jenes
Wortes, darüber siehe das Folgende.) Jedenfalls ein wörtliches
Citat von Mt. 16, 18, welches für die Tendenz der Clementinen
doch so wichtig gewesen wäre, liegt in dieser Schrift nicht vor.
Wenn somit wichtige und entscheidende Instanzen die
Worte Mt. 16, 18 in der Gestalt, wie sie in dem jetzigen Texte
des ersten Evangeliums zu lesen sind, als nicht aus dem Ur-
evangeiium oder den Logia stammend documentieren, so ist aber mit
ziemlicher Sicherheit anzunehmen, dass dieselben auch dem Texte
des ersten canonischen Evangeliums, wie derselbe im zweiten
Jahrhundert überliefert wurde, fremd gewesen seien. Denn
wenn der Redaktor der Clementinen und Justin, die doch
nachweisbar das erste canonische Evangelium kannten, den Text
des Herrenwortes Mt. 16, 18 nicht anführen, obwohl sie den
vorangehenden Vers 17 kennen und verwenden, so ist in diesem
Falle das argumentum e silentio entscheidend gegen das Vor-
handensein jenes Wortes wie in der Evangelientradition über-
Texte und Untersuchungen zu Mt. 16,18. 191
haupt, so im jetzigen ersten canonischen Evangelium besonders.
Vgl. noch Just. Dial. c. Tryph. c. 113. p. 341 A: jttxga 6 XqiOxoc.
Bei Justin kommt dabei namentlich der Umstand noch in Be-
tracht, dass er da, wo er auf das Petrusbekermtniss und die
daraufgefoigte Seligpreisung des Petrus Mt. 16, 16. 17 reflektiert,
diesen Apostel lediglich als tva xaiv fia&rixmp einführt und
dabei deutlich auf das Apostelverzeiehniss Lc. 6, 14 = Mc. 3, 16 =
Mt. 10, 1 Bezug nimmt, während eine solche Redeweise in Be-
treff des Simon Petrus gerade an dieser Stelle wie überhaupt die
nur zweimalige Erwähnung des Petrus in den Justinschen
Schriften durchaus unerklärlich wäre, falls er den Primat des
Petrus und das darauf bezügliche Herrenwort Mt 16, 18 gekannt
hätte. Es ist mit Bestimmtheit also anzunehmen, dass in dem
von Justin benützten Exemplar des ersten canonischen Evan-
geliums Mt. 16, 18 gefehlt hat.
Dasselbe muss aber auch in demjenigen Exemplare des
ersten canonischen Evangeliums der Fall gewesen sein, welches
den bezüglichen Citaten in den Clementinen zu Grunde lag.
Denn wie hätte derjenige Schriftencomplex , welcher vorzugs-
weise den Namen des Petrus als sein Schibboleth betrachtet,
und in welchem der Person des Petrus gerade eine solche domi-
nierende Stellung zugewiesen ist, wie sie in dem jetzigen Texte
Mt. 16, 18 ausgesprochen vorliegt, diesen Wortlaut verschweigen
können, wenn er damals schon vorhanden gewesen wäre? Zwei
scheinbare Anklänge an Mt. 16, 18 sind da (lit. m), auch Mt.
16, 19 ist, wenngleich noch nicht in der jetzigen canonischen
Gestalt, vorhanden (vgl. die Erläuterung zu 16, 19), aber der
Wortlaut von Mt. 16, 18 fehlt. Und die beiden er-
wähnten Anklänge beweisen, dass er wirklich gefehlt
hat. Denn in der Epist. Clem. ad Jac. ist Petrus als xrjg ex-
xXrjolag ftefiiXcog, also nicht, wie es Mt. 16, i 8 lautet: q jci-
t(>a (xrjg exxXrjöiag), bezeichnet und ebenso nennt sich Petrus
selbst Hom. XVII, 19 xrjg kxxXrjotag &s(itXiog. Wenn aber
davor die Worte stehen: öx eqsccv jcexquv ovxa ^ue, so ist das
Prädikat oxeqeol wiederum nicht Mt. 16, 18 zu lesen, vielmehr
entstammt dieser Ausdruck dem A.T. Vgl. Dt. 32, 13 f.: ffi^bTO
"VIS = ix oxeQsäg jcexgccg LXX; namentlich Jes. 50, 7: ffi^in?
= ax; oxegeav jtixQav. Man erblickt also hier den späteren
Text von Mt. 16, 1.8 in den ersten Stadien seiner Entstehung;
192 Aussercanonische Paralleltexte zu Alt. und Mc.
die judenchristlichen Clementinen sind vielleicht seine erste
Geburtsstätte, aber gekannt in seiner jetzigen Gestalt war er
von den Redaktoren derselben noch nicht.
Aber auch lrenaeus scheint ihn nicht gekannt zu haben.
Dieser bedeutendste Repräsentant des katholischen Christenthums
am Ausgang des zweiten Jahrhunderts, citiert III, 18, 4 den Text
von Mt. 16. 13 ff. Er erwähnt daselbst die Frage des Herrn
v. 13, das Bekenntniss des Petrus v. 16, Petri Seligpreisung aus
des Herrn Munde v. 17, um von da sofort auf v. 21 mit den
Worten: Ex eo enim, inquit, coepit demonstrare etc. über-
zuspringen. Wäre des lrenaeus Schweigen über Mt. 16, 18 an
sich schon im höchsten Grade auffallend, wenn der jetzige ca-
nonische Text ihm bekannt gewesen wäre, so wird dieses
Schweigen gerade hier ein sicheres Indicium für die Entstehung
der Textgestalt von Mt. 16, 18 erst in der nach-irenäischen Zeit.
Ferner auch sein alexandrinischer Zeitgenosse, der citaten-
reiche Clemens, der so viel aussercanonische bzw. apokryphische
Tradition über die Person des Petrus zu berichten weiss, dem
wir werthvolle Excerpte aus der Praedicatio Petri und aus der
Apocalypsis Petri verdanken, hat in seinen uns erhaltenen
Schriften nicht ein einziges Mal Gelegenheit genommen, Mt.
16, 18 zu erwähnen.
Und selbst die pseudocyprianische Schrift de aleatoribus
welche in cap. 1 unter anscheinender Bezugnahme auf Mt. 16, 18
die Ansprüche des römischen Bischofs so frühzeitig formuliert
hat, giebt bei näherem Zusehen wohl den Text von Mt. 16, 19,
nicht aber von v. 18. Es verhält sich mit dieser Schrift ganz
ähnlich wie mit den Clementinen. Nur dass die potestas sol-
vendi ac ligandi nicht blos Petro, sondern in Petro (in supe-
riore nostro) bereits der vicaria domini sedes in Rom
übertragen ist. Wenn nun aber der Verfasser dabei hinweist
auf „originem authentici apostolatus, super quem Christus fun-
davit ecclesiam", so weicht der Ausdruck fundav e = &e(ieliovv
ebenso wie der {^s^ieXcog rfjg exxÄTjölag in den Clementinen
von dem canonischen jistqo. und dem olxoöofit'joo} ab. Die
Textgestalt von Mt. 16, 18 ist also auch hier am Anfang des
3. Jahrhunderts noch nicht zu ihrer endgiltigen canonischen
Fixation gelangt gewesen. Wenn nun gleichwohl um ohngefähr
dieselbe Zeit bei Tertullian und Origenes zum ersten Male
Texte und Untersuchungen zu Mt. 16, 18. 193
der canonische Text mit dem jisxga und dem aedificare = oi-
xoöofislv zu Tage tritt, so weisen uns gerade diese Varianten
auf die eigentliche Quelle von Mt. 16, 18 hin.
Es verhält sich nämlich mit v. 18 ebenso wie mit Mt. 16, 19.
Es sind an sich nicht unechte Herren worte, sondern sie sind
nur von ihrer ursprünglichen Stelle hinweggerückt und in einen
neuen Zusammenhang gebracht, welcher der judenchristlicheu
Tendenz des ersten Evangeliums entspricht.
Die Varianten d-tfitXioq. d-tneliovv = oixoöo/iBlP weisen
nämlich hin auf den Schluss der Bergpredigt, wo von dem av-
&Qcojioq die Rede ist, welcher sein Haus auf den Fels (Im xi]v
jittQav) baut (wxodöfiqotv Mt. 7, 24) und guten Grund legt
(sihjxev ftefishov kjcl xrjv jiixgav Lc. 6, 48) — eine Stelle, welche
auch Paulus und zwar nach dem lukanisch-paulinischen Über-
setzungstypus {ß-eftiXtov xtfrtixa 1. Cor. 3, 10 — frefitAiov aZ/.oi>
ovöetq övvaxai frtlvcu 1. Cor. 3, 11) im christologischen Sinne
verwerthet hat, gleichsam zur Verwahrung im Voraus gegen die
Meinung, dass je ein Mensch als freftsAiog xfjq exxZqoiag be-
zeichnet werden könnte, und zum weiteren Zeugniss dafür, dass
Paulus in der That kein Herrenwort gekannt hat, welches seinen
Mitapostel als die xtxQa oder den ß-SfieXiog xrjg sxxkrjoiag nannte.
Man vgl. hierzu das Citat aus den Constitutionen, wo die
Kirche schlechtweg als xed-EfisAicofiev?] em xt{V jttxQav ohne
jegliche Bezugnahme auf Petrus bezeichnet wird. Ebenso ist
zu vergleichen die Verwendung des &etutliog in dem Pastor des
Hermas, wie sich dieselbe durch Sim. IX, 4, 2; 5, 3: 12, 1 ; 14,6;
15, 4 hindurchzieht. Hier wird der Sohn Gottes als die jttxga
bezeichnet. Vgl. Sim. IX, 12, 1: // JttXQa, (prjölv, avxtj xal r)
jtvfoj 6 vi 6g xov tteov toxi.
Wenn man in denjenigen judenchristlichen Kreisen, welche
nicht den Namen des Jakobus des Gerechten, sondern des Simon
Petrus zu ihrem Schibboleth erhoben hatten, die diesem Apostel
beigelegte Praerogative auf ein Herren wort gründen wollte, so
lag der erwähnte Schluss der Bergpredigt mit seiner Bezug-
nahme auf die jisxqcc als den ftsfieAtog xfjg exxXijoiag um so
näher, als ja der Herr selbst es gewesen war, welcher seinem
Apostel unter Bezugnahme auf die mxQa den Beinamen JCEpS —
lltxQoq gegeben hätte. Vgl. Lc. 6, 14. Mc. 3, 16. Joh. 1, 43. So
waren die Elemente, aus denen sich die Textgestalt von Mt.
Texte u. Untersuchungen X, 2. 13
194 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
16, 18 allmählich ausgebildet hat, durchaus echten Herrenreden
entnommen. Die Übertragung derselben aber speziell auf die
Persönlichkeit des Petrus an dieser Stelle ist in v. 18 ebenso
das Werk eines späteren Redaktors gewesen, wie dieser selbe
Vorgang in v. 19 unter Vergleichung von Mt. IS, 18 zu beobachten
ist. Doch mu8s auch noch die Möglichkeit statuiert werden,
dass der wesentliche Text von Mt. 16, 18, nur ohne jegliche Be-
zugnahme auf Petrus, also in der Fassung, wie sie bei Eusebius
sehr häufig hervortritt (vgl. die Citate unter f, g, h. i), sowie
die Epiphanius- Citate (b. d, e) und nicht minder das Votum
des Bischofs Fortunatus (a), d. h. mit Weglassung der Worte:
öv ei IliTQOQ, und mit Weglassung des xavxij vor jttxga —
als ein altes urevangelisches Herrenwort vorhanden gewesen
ist, als ein Wort, in welchem Jesus — analog dem am Schlüsse
der Bergpredigt gebrauchten Bilde — von der Auferbauung
seiner Kirche auf Felsengrund und von ihrem siegreichen Be-
stand gegenüber den Hadespforten geredet hatte. Es wäre dann
anzunehmen, dass dieses Wort ganz so wie Mt. 16, 19 aus seinem
ursprünglichen Zusammenhang herausgenommen, an dieser Stelle
Mt. 16, 18 auf Petrus angewendet und dem jetzigen Contexte
des ersten canonischen Evangeliums von einem späteren Redak-
tor einverleibt worden sei. Doch s. dagegen das Folgende und
die völlig abweichende Citation bei Ephraem Syrus. Dass
nämlich die Textgestalt von Mt. 16, IS auch nach ihrer cano-
nischen Fixierung noch lange geschwankt hat, zeigen nicht nur
die Varianten bei Eusebius, welcher, wie bereits erwähnt, sehr
oft das pointierende xavxr\v weglässt und nur die allgemeine
Fassung von der Felsengründung festhält, sondern noch mehr
der gänzlich abweichende Text des Ephraem Syrus, woraus
hervorgeht, dass bis in die 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts hinein
die Textschwankungen von Mt. 16, 18 noch nicht abgeschlossen
gewesen sind und dass erst nach dieser Zeit in den canonisch-
revidierten Texten der uns erhaltenen griechischen Codices die
jetzige Textgestalt zu ihrer Ruhe gekommen ist.
Recapitulierend hat man folgende Punkte festzustellen:
1. Während Mt. 16, 17 im Urevangelium vorhanden war,
fehlte v. 18.
2. Aber Mt. 16, 18 fehlte auch in der ältesten Textgestalt
des ersten canonischen Evangeliums.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 16, 18. 195
3. Wie der Text von Mt. 16, 18 jetzt vorliegt, war er im
ganzen zweiten Jahrhundert — auch noch bei Ire-
naeus und Clemens Alexandrinus — unbekannt.
4. Die ersten Spuren seiner allmählichen Bildung begegnen
uns in den judenchristlichen Clementinen und in
der mit römisch-hierarchischen Aspirationen auftreten-
den Schrift de aleatoribus — also im historischen
Gleichschritt mit den judenchristlichen Petrus-Ro-
manen und der Entwickelung der römischen
Petrastradition.
5. Die ältesten Zeugen für die fertige canonische Text-
gestalt von Mt. 16, IS sind Tertullian und Ori-
genes.
6. Aber noch bis ins vierte Jahrhundert hinein blieb
der Text von Mt. 16, 18 schwankend.
Wendt (Lehre Jesu I, 180. 181) hält nach dem Vorgang
von Harnack (Zeitschr. f. Kirchengeschichte IV, 484 f., Texte
und Untersuchungen I, 3. p. 149 f.) den unter k mitgetheilten
Ephraem-Text für original und reconstruiert denselben, indem
er Tu es Petrus einfügt, folgendermassen: [taxayioq sl Siftcov
Bagicovä' ov et Uixgoq, xal xvAai uöov ov xaxio'/voovoiv oov.
Aber diese Reconstruktion ist keine glückliche zu nennen. Denn
erstlich wird man Zahn (Forschungen I. 163 f.) darin zustimmen
müssen, dass bei Ephraem ein gekürzter Text vorliegt. Es
fehlt nach den Worten aus Mt. 16, 17a: Beatus es Simon — der
sicherlich ursprüngliche (schon allein durch Gal. 1, 16 beglaubigte)
Textbestandtheil aus Mt. 16, 17b: oxi oäoB. xal aitua ovx djis-
xakvtptv ooi, älA* 6 jiüxi'iq fiov o Iv xolq ovQavoiq. Und so-
dann fügt Wendt aus Mt. 16, 18 den Satz: ov sl ütxooq ein,
welcher zwar an sich echt, aber an dieser Stelle gewiss nicht
ursprünglich ist. Denn wenn es sich — wie Wendt richtig er-
kannt hat und wie es nach dem Wortlaut gar nicht anders sein
kann — ursprünglich um die Verleihung des Petrusnamens an
Simon handelt und wenn dabei Wendt auf Mc. 3, 16: xal hxt-
&tjx£v xm JSlftaivi ovopa IlixQov als eine ganz treffende Pa-
rallele verweist, so genügt — abgesehen von der Unwahrschein-
lichkeit, dass diese Namengebung dem letzten halben Jahre des
Zusammenseins Jesu mit seinen Jüngern angehört haben sollte
— die Erinnerung an Joh. 1, 43: ov d Siftwv 6 vl( q 'icorä' oi'
13*
196 Aussercanonische Parallel texte zu Mt. und Mc.
xXr]d-fjöij Kr)<päg, o iQ[ti)P£vszai IlixQog — , uni erkennen zu
lassen, dass diese Namengebung in eine viel frühere Zeit gefallen
ist, dass mithin diese Worte: öv et IltxQog aus einer anderen
Stelle des Urevangeliums von dem ersten Evangelisten nach
Mt. 16, 18 umgeschaltet worden sind. Nach Ausscheidung dieser
Worte wird es sich bei der Reconstruktion von Mt. 16, 18 um
die Frage handeln, ob nach xaxiöyvöovöiv mit dem cauonischen
Texte avxfjg oder mit Ephraem öov zu lesen ist. Im letzteren
Falle hatte Mt. 16, 18 nur einen persönlichen Sinn, wobei die
Worte: xal ejcl xavxrjv xr\v jttxgav olxodo(ii?öa> /iov xi]v ex-
xXrjöiav ebenfalls als eine Umschaltung des ersten Evangelisten
aus Mt 7, 24 = Lc. 6, 48 zu erkennen sind. Der ursprüngliche
Context lautete dann folgender massen : (laxdgiog sl, 2ikucov Ba-
(iimvä, oxi öap£ xal aipa ovx äxexäXviptv öol, aXX' 6 Jtax/jQ
[iov o Iv xolg ovoavolg' xayco öol Xiyco, 6xi JcvXai aöov ov
xaxioxvöovolv aov *). In diesem rein persönlichen Zusammen-
hang wird dann der Urtext von Mt. 16, 18 zu einer Parallele
von Lc. 22,31. 32a: 2i(icov, Slftcov, iöov 6 oaxaväg &§ijxSj6axo
vfiäq xov öiviäöai cog xbv ölxov tya) öh löstj&fjv Jtsol öov, Iva
(atj ixXljitj t] möxig oov. Im anderen Falle würde das Logion ur-
sprünglich von aller persönlichen Beziehung frei lediglich von
der Gründung der Kirche gehandelt und folgend ermassen ge-
lautet haben: ixl xijv xixoav olxoöo{u?'jöo) (iov xtjv exxXrjöiav,
xal xvXai aöov ov xaxiöfvöovoiv avxfjg. In dieser Textgestalt
erscheint das Logion bei Eusebius sehr häufig. Der Standort
dieses Logion würde dann ursprünglich nicht in Mt. 16, 18 zu
suchen sein, wohin es nur durch die Umschaltung des ersten
Evangelisten gerathen wäre. Mag dem sein, wie ihm wolle,
gewiss ist, dass eine Praedicierung des Petrus als per-
sönlichen Felsengrundes der Kirche im Urevangelium
nicht zu lesen gewesen ist, sowie dass man in Mt. 16, 18
eine besonders brüchige Stelle auch des canonischen Textes vor
sich hat.
1) Mit diesem Satztheil stimmt — abgesehen von den Varianten
der lateinischen Obersetzung — wörtlich überein das unter 1 erst später
von mir eingefügte Citat aus Ephraerns Jesaias-Commentar, welchen
neuerdings Lamy herausgegeben hat.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 16, ly. 197
Mt. 16, 19».
a. Pistis Sophia p. 232, 26. ed. Schwartze et Petermann.
Recordainini, me jani dixisse vobis, antequam eOTavQmosr nie,
me daturuin esse vobis claves regni caelorura. Nunc
iterum dico vobis, me daturum esse eas vobis.
b. Tertull. de pudicitia c. 21.
tibi dedi claves regni caelestis.
c. SyrrCur. Mt. 16, 19*.
ool öcooco rag xXslg rcov jtvZojv rrjg ßaoiXsiag xmv
ovoavcüv.
d. Ephraem Syr. Serm. de Dom. nostr. c. 52. I. 268. ed. Lamy.
dixit Siraoni: Tibi dabo claves portarum.
e. Clementina Epitome c. 157. p. 801. ed. Cotelerius.
xvQie 'IrjOoi Xq(öt£, Xiycov, 6 rag roZv ovQavcöv xXslg
deömxcog to5 ajtooröXfp oov IHtqco, xvcl ajtSQ dvoi§sig,
avscoxtac, dxcöv, xal ajtzg av xXsioyg, xixXuoxai.
f. Mt. 16, 19».
öcööco ool Tag xXeiöag xrjg ßaOiXsiag rcöv ovqccvo'jv.
Wie bereits erwähnt, erklärt Weiss v. 19 für einen Zusatz
des ersten Evangelisten. Aber gleichwohl nimmt er zu v. 19 an,
dass das Bild von den Schlüsseln des Himmelreichs nicht von
dem Redaktor des ersten Evangeliums erfunden, sondern in
einem echten Herrenwort ihm gegeben gewesen sei. Beiden An-
nahmen ist vollkommen zuzustimmen. Wenn aber Weiss das
vorauszusetzende Herren wort in Mt. 23, 13 finden zu können
meint, so ist zwar die Congenialität von Mt. 16, 19 mit der an
die Pharisäer gerichteten Rede: xZsiere rt/v ßaoiXsiav t<ni> ov-
Qavcöv und noch mehr mit der Parallele Lc. 11, 52, wo der
Evangelist ausdrücklich xr\v xXslöa oder nach aussercanonischen
Texten rag xXsldag nennt (vgl. die Texte dazu), evident; aber
die eigentliche Quelle und ursprüngliche Fassung von Mt. 16, 19a
ist damit nicht gegeben. Diese ist vielmehr von der Ilioxig
Sotpia aufbewahrt. Die mit „dixi vobis olim" oder „me iam dixisse
vobis" oder ähnlichen Formeln eingeleiteten Evangeliencitate
dieser Schrift haben 3tets vorzüglichen Werth und verdienen
die höchste Beachtung. So wird es auch hier aus dem Citat
196 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
sub a offenbar, dass das Wort von den Schlüsseln des
Himmelreichs ursprünglich an sämmtliche Apostel ge-
richtet gewesen ist. Die Beschränkung dieses Logion auf
die Person des Petrus ist das Werk des ersten Evangelisten,
ganz ähnlich, wie es in v. 19b der Fall ist. Der Zusatz to5*>
nvXmv im Syr. Cur. und bei Ephraem ist vielleicht entstanden
unter Bezugnahme auf die jivXai 'Aiöov in v. 18, war aber jedenfalls
in der syrischen Kirche handschriftlich verbreitet. Vgl. dazu Apoc.
3, 8. Der Wechsel der Tempora: dedi, daturum, doyöco stammt
aus der Unbestimmtheit der Tempora im hebräischen Urtext.
Das Schwanken der Lesart in Mt. 16, 18. 19 zeigt sich auch
noch in einem Citat bei Optatus, auf welches mich Harnack
hingewiesen hat. Optatus de schism. 11, 4 citiert: Tibi dabo
claves regni coelorum, et portae inferorum non vincent eas. Der
völlig aussercanonische Schlusssatz in der Clementina Epitome
ist sichtlich Mt. 16, 19b nachgebildet.
Mt. 16, 19" = Mt. 18, 18.
a. Hom. Clem. Ep. Clem. ad Jac. c. 2. p. 6, 32.
öio avxcß f/sxaöiöcofti xr/v i%ovoiav xov öeOfievsiv xal
Xvsiv, iva 7C£ql üiayxoq ov av ~fi.iooxovr\or[ exl "/fjg, soxai
öeöoy^iaxiOfitvov Iv ovoavolg.
b. Clementina Epitome c. 145. p. 797 ed. Cotelerius.
öio avxoj (isTadiöcofii x?jg e^ovoiag rov ösöfislv xs xal
Xveiv Ör\ou yag o ösl öe&Tjvcu, xal Xvoei üiavxotg o ösl
Xvd-tjvai.
c. Hom. Clem. 111, 72. p. 56, 15.
ov öog k^ovoiav xcö xQoxa&e^Ofitvcp Xveiv a öel Xveiv
xal Ö£6fieii> « ötl öeopeZv.
d. Pseudo-Cypr. de aleatoribus c. 1. p. 14. ed. Harnack.
et originem authentici apostolatus . . . portamus, aeeepta
simul potestate solvendi ac ligandi et cum ratione pec-
cata dimittendi.
e. Const. VIH, 5. p. 238, 22.
fooxe €x£lv ejovoiav a<pitvai ajuaQxiag xaxä xi)v kvxoXi'jV
Gov, diöovai xXljQovq xaxa xo Jiouöxayfia öov, Xveiv öe jiävxa
ovvdeöfiov xaxa xi/v e<-ovoiav} i)v eöcoxag xolg äjcoöxöXoiq.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 16, 19. 199
f. Pistis Sophia, p. 234, 4. ed. Schwartze et Petermarm.
Jesus de dixit iis: d/jrjv dico vobis ov fiovov me xa&agi£eiv
vestra peccata, aXXa redditurum esse vos dignos reguo mei
patris et me daturum esse vobis (ivoxi]giov remissionis
peccatorum in terra, ut cui remiseritis in terra, remittant
ei in caelis, et quem ligaveritis in terra, ligandus sit in
caelis.
g. Hom. Clem. Ep. Gem. ad Jac. c. 6. p. 8, 10.
xal ovxcog ixaxovexwodv oov, elöoxeg oxi o x7jq aXrj&elag
jtgeößevxrjg o iäv ötjOq ijtl yrjq, öe'öexai xal iv ov-
gavm, o tf av Xvoy. XeXvxai.
h Tertull. de pudicitia c 21.
Quaecunque alligaveris vel solveris in terra, enmt^alli-
gata vel soTuta in caelis.
i. Mt. 16Tl9b.
xal o idv dfjQyiq enl xrjg yfjg, eöxai öeöe^evov iv xolg
ovgavolg, xal o edv Xvöijg estl xrjg yrjg, eoxai XeXv-
fievov ev xolg ovgavolg.
k. Mt. 18, 18.
dfifjv Xiyco vfilv, 6oa iäv drjGtjxe exl xrjg yfjg, eöxai
öeöefieva ev ovgavw, xal 6oa eav Xvorjxe ijcl xrjg
yrjg, ecxai XeXvfieva ev ovgavm.
1. Joh. 20, 23.
av xivcov ä<f>rjxe xäg dfiagxiag, äipemvxai avxolg' av xivarv
xgaxfjxe, xexgdxrjvxai.
m. Cod. Colbert. Mt. 16, 19b. p. 21. ed. Belsheim.
et quaecunque ligaveritis super terram, erunt ligata et
in caelis, et quaecunque solveritis super terram, erunt
soluta et in caelis.
Unter specieller Anwendung auf die Persönlichkeit des Pe-
trus erscheint das Logion Mt. 18, 18 = Mt. 16, 19 in den Hö-
rn ilien (nicht wie Mt. 16. 18 mit unbestimmten Anklängen,
sondern) als bestimmtes Herren wort (vgl. d), und zwar an dieser
Stelle auch schon mit den canonischen Ausdrücken öteiv und
Xveiv, während in den Citaten a und c auch die aussercanoni-
schen Varianten öeo/ielv und öeoftevetv auftreten, wobei voraus-
zusetzen ist, dass die verschiedenen Varianten von den Händen
200 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
verschiedener Redaktoren der Pseudo-Cleinentinen stammen
dürften. Auch Tertullian citiert Mt. 16, 19b (wie oben Mt. 16,
19a) unter specieller Anwendung auf die exemte Stellung des
Petrus, obgleich die Satzglieder anders als im canonischen Text
geordnet sind.
Dass diese petrinische Wendung des Logion Mt. 16, 19b dem
ersten Evangelisten angehört, während Mt. 18, 18 die ursprüng-
liche Gestalt derselben (wie im Cod. Colb. auch zu Mt. 16, 19)
erhalten ist, geht aus dem bisherigen Gang der Untersuchung
mit Deutlichkeit hervor. Fraglich ist dabei, ob der Ausdruck
t$,ovöia, welcher in den Clementinen, den Constitutionen
und in der Schrift de aleatoribus uns entgegentritt, irgendwie
urtextlich begründet sein dürfte. Man beachte, dass auch schon
Paulus 2. Cor. 10, 8 von einer durch den Herrn den Aposteln
übergebenen tz-ovoia tig olxoöofiijv xal ovx stg xa&aioeGiv redet.
In der Pistis Sophia, in welcher diese egovoia als nvöxrjQiov
remissionis peccatorum umschrieben ist, findet sich p. 60 noch
folgende Bezugnahme: dfitjv, df/rjv, dico vobis, dabo vobis ftvoxrj-
i>ia omnia xojtcov omnium mei patris atque omnium tojtcov primi
{iV6T7}Qiov, ut quod reeeperitis in terra adsumetur in lumen al-
titudinis, et quod rejeeeritis in terra, rejicietur in regno patris
mei qui in caelis. — Einen Anklang an unser Logion hat Ro-
binson (The Passion of S. Perpetua, Texts and Studies 1, 2 p. 99)
in dem Briefe der gallischen Gemeinde bei Eus. V, 2, 5 in den
Worten gefunden: eXvov [ihr djravxag, eötöfisvov de ovötva.
Hier tritt uns das aus den Clementinen bekannte deo/ievttp
wieder entgegen.
Mt. 16, 27.
a. Hegesippus ap. Eus. H. E. III, 20, 4. p. 93, 6.
tXfra/v sv do§11 XQivtl Zßvxag xal vsxgovq xal äxoöwOei
kxäöT(p xaxd xd ejtixrjöevfiaxa avxov.
1). Hom. Clem. IV, 5. p. 142, 25.
txaöxog Jigbq a jtgdxxei xifiT/c ?) xoZdoscoc xevt-exai.
c. Epiph. Anaceph. p. 156 CD.
EQXOfisvov xQlvai Crovxaq xal vsxQovg, cog (f>i]Giv, civa
txaoxog ujtoldßirj jtgog a ejtna§,ei>.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 16, 27. 201
d. Acta Thomae § 28. p. 215. ed. Tischendorf.
gvtoq yccQ Böxiv o xQixrjg Ccovrcov xal vtXQmv xdi avxog ,
djtoöidmoiv evl txdoxm JtQÖg rag jtQa&ic avxov.
e. Const. VII, 32. p. 212, 13.
[xal xoxe r)ssi] — xaraxQlvai xov xoötuojcXdvov didßoXov
xal djioöovvai exdoxcp xaxa xi)v JiQägiv avxov.
f. Mt. 16, 27.
fieXXei yaQ o vlog xov av&Qcojtov tQxeo&ai sv x(j öogi]
xov naxQoq avxov (iexd xwv dyyeXojv avxov, xal xoxe
ajtodcooei exaGxm xaxa xrjv jtQaS.iv avxov.
g. Const. V, 19. p. 152, 11.
og xal eXevoexai hcl GvvxeXeia xov aiojvog fiexd öwäfieoK
xal öo%r)q jroXXijg, xQlvai Ccävxag xal vexnovg xal dxo-
öovvai exaGxcn xaxa xä eoya avxov.
h. Const. VIII, 12. p. 256, 5.
tQXtxai [(isxd do§fjg xal övvdftecog] xolvai Ccovxag xal
vsxQovg xal ajtoöovvai txaoxw xaxa xd tgya avxov.
i. Ephr. Syr. Opp. I, 216™
utXlsL yaQ 6 vlog xov dv&Qmxov eX&elv tv zjj öo£-?j av-
xov, xal xoxe djioöojoei Ixdoxq) xaxa xd tQya avxov.
k. Clem." Rom. II, 1, 1. p. lTo72. II, 11, ö.^TiSm.
ovxwg öel f/fidg fpQovelv jtsqI ^Jtjöov Xqigxov, ojg jtsqI
&eov, mg jisqI xqlxov C,a)vxa)v xal vexQOjy .... jtioxog yaQ
ioxiv 6 ejtayyeiXdftevog xdg dvxifiiG&iag djcoöiöovai txdoxm
xo3v EQyatv avxov.
I. SyrTCur7MtTl6, 27.
f/tXXei yaQ 6 vlog xov dv&QoJxov tQxeod-ai sv xfj öo£tj
xov jtaxQog avxov fiexd xmv ayyeXmv avxov, xal xoxe
dnoömoei ixdoxo? xaxa. xd eQya avxov.
m. Polyc. adTphil. II, 1. p.TlJ 14.
ö§ £Q%£xai xQixTJg t,covxmv xal vexqcov.
n. Barn. VII, 2. p. 30, 16.
o vlog xov fteov, o)v xvQtog xal fit'XXa>v xq'ivuv C,mvxag
xal vexQovg.
Die Vergleichung der Parallelen des Hegesippus, der Acta
Thomae, der Constitutionen, des Epiphanius wie auch des
II. Clemensbriefes zeigt deutlich, dass zu Mt. 16, 27 ein älterer
202 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
und vollständigerer Quellentext vorhanden gewesen sein muss,
welchem die Worte: XQivat ^ojvxag xal vexoovg als organischer
Bestandteil nicht fehlten. War dem so, dann sind die christo-
logischen Aussagen der altrömischen regula fidei — also selbst-
verständlich mit Ausschluss der später eingeführten Höllenfahrt
— allesammt evangelischen Quellen entflossen und sind beson-
ders auch die Worte: Igy^xai xoivai C,wvxag xal vtxgovg auf
das Urevangelium zurückzuführen. Dasselbe gilt dann aber von
den Parallelen in den canonischen Lehrschriften: 2. Tim. 4, 1:
'bjöov Xqioxov tßv [lü.Xovxog xqLvelv Cmvxag xal vsxoovg. —
Act. 10, 42: avxog ioxiv o cogiOfievog vjco xov &sov xQixr/g
Ccovxmv xal vexqcöv. — 1. Petr. 4, 5: xco txoifieag tyovxi xQivai
tßvxag xal vtxoovg. Die Worte: xolvat C.wvxag xal vtxgovg
gingen, wie namentlich Hegesippus zeigt, den canonischen
Worten: xal xoxe ajtodmoei bxäoxco xaxa xr\v jiq<x§iv avxov
unmittelbar und sinngemäss voraus. Das Zeugniss des Hege-
sippus ist bei seiner vollständigen Unabhängigkeit von dem ca-
nonischen Text Mt. 16, 27 besonders deshalb so bedeutungsvoll,
weil es mit seiner aussercanonischen Variante xaxa xa emxrj-
öevftaxa avxov mit Bestimmtheit auf einen vorcanonischen he-
bräischen ^Jext, der in verschiedenen Versionen überliefert war,
zurückweist. Gehen schon Mc. 16, 27 die handschriftlich über-
lieferten Texte in die beiden Varianten xaxa xi]v jiga^iv und
xaxa xa toya auseinander, so ergiebt die Vergleichungliiler wei-
teren (der canonischen und aussercanonischen) Parallelen ein
ganzes Register von gleichwertigen Übersetzungsvarianten. Man
vergleiche:
xaxa xa toya avxov — Mt. 16, 27 nach Sin., Sahidische,
Koptische, Syrische Versionen, Rom. 2, 6; Apoc. 2, 23.
20, 12; Const., Ephr. Syr.
xaxajtJjj^jiQä^iv avxov — Mt. 16, 27«CBCD, Orig., Const.
xaxa xäg jtoä$£ig avxov — Mart. Petri c. 7 p. 90. ed. Lipsins
XQog xag xoä&ig avxov — Acta Thomae
jtQog a jtoaxxei — Hom. Clem.
jtgog a tjiQassv — 2. Cor. 5, 10; Epiph.
xaxa xa emxridevfiaxa avxov — Hegesipp.
Es ist nun klar, dass allen diesen Varianten das hebräische
Quellenwort iniryES oder auch *b3fl§S zu Grunde liegt. Nament-
Texte und Untersuchungen zu Mt. 17, 10 — 11. 203
lieh auch xä Ejiixriösvfiaxa wird in den griechischen Über-
setzungen des Ä.T. als Synonymon von sgya gebraucht. Vgl. z. ß.
Lev. 18, 3: nte?723 = LXX: xaxä xä EjtixrjÖEVftaxa — Jerem. 17, 10:
Y,bb?'a "HB3 = LXX: xaxä xovg xagnovg xmv smxqösvfiäxcov
avxmv — . Wir befinden uns also in dem Citate des Hegesippus
auf dem Boden der vorcanonischen Quelle, welcher mithin auch
der — das Logion Mt. 16, 27 ohnehin sehr gut ergänzende, über-
dem durch canonische und aussercanonische Parallelen bestätigte
— Satztheil: xglvai ^mvxag xal vsxgovg angehört haben wird.
Im ganzen A. T. ist diese Wortverbindung unerhört.
Mt. 17, 10-11 = Mc. 9, 12*.
a. Pistis Sophia, p. 9, 26. ed. Schwartze et Petermann.
Atque dixistis mihi: scriptum est in yga<prj, si Christus ve-
nerit adgressus, venit ßfelias ante eum, et parabit ejus
viam. Ego vero {6s) quum dixissetis mihi haec, dixi vobis:
venit quidem (fisv) Helias et paravit res omnes seeun-
dum (xaxa) modum scriptum, et fecerunt ei, sicut
voluerunt.
b. Just. Dial. c. Tryph. c. 49. p. 268 BC.
xal o rjfisxsgog ovv xvgiog, \{pr\v , xovxo avxo sv xolg öi-
dayfiaoiv avxov juxqi-öcoxe ysvrjGOjiEVOv, eljicov xal 'HXlav
sXsvGEG&ai, xal tjftelg xovxo EJtiGxafisfra yEvrjGOfiEvov, Öxav
fisXXrj kv dogt] ig ovgavmv jcagayivsG&ai 6 ij^sxEgog xvgiog
'frjGovg XpiGxog.
c. Just. Dial. c. Tryph. c. 49. p. 269 A.
öio xal o TjfitxEQog XgiGxög sig?]xsi sjtl yijg xoxs xolg Xs-
yovGi jtgo xov XgiGxov 'HXiav öslv sX&slv 'HXiag
(isv sXsvGszai xal axoxaxaGrt]Osi jcavxa.
d. Mt. 17,To— TTT~
xal £7zi]gcoxr]Gav avxov ol fia&rjxal Xsyovxsg' xi oiv oi
ygafiLiarElg Xsyovoiv, oxi 'HXiuv ösl sX&slv jcgcöxov;
o Öe äjtoxgi&slg sijcsv 'llXiag (iev tgxExat xal ajioxaxa-
Gx/'/GEi jcävxa.
e. Mc. 9, 11. 12a.
xal kjtrjgmxayv avxov Xsyovxsg' oxi XsyovGiv ol <fa-
gioaloi xal ol ygaf/fiaxslg oxi 'llX'iav 6 El sX&slv xgdi-
xov., o ös s<prt avxolg' HXiag sX&cov Jtgmxov axoxa&iGxävsi
jcavxa.
204 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Hier ist es an sich klar, dass der griechische Text zunächst
von Mi 17, 10 = Mc. 9, 11 auf hebräische Quellen worte zurück-
geht, nämlich auf Mal. 3, 23. 24, wo das Kommen des Elias ver-
kündigt wird zu dem Zwecke: S^TD'rn u. s. w. = LXX og djto-
xaraOTr\ou xrX. Während die canonischen Texte an die Ver-
sion der LXX sich anschliessen und S^on durch äxoxa&iozavai
wiedergeben, bietet das Citat der Pistis Sophia die Version
parabit In der Antwort Jesu ist nun die Veränderung der
Tempora:
Fut. änoxaraöryosi (Justin, Mt.),
Praes. ajtoxa&ioravst (Mc),
Perf. paravit (Pistis Sophia)
von entscheidender Bedeutung, die auch verschiedene Erklärungen
der Worte involvieren. Die futurische Fassung, welche am
stärksten bei Justin ausgeprägt ist (eXsvosrai — catoxaxaoxr]Qu\
entspricht der jüdischen Theologie, wonach die Wiederkunft des
Elias eschatologisch gedeutet wurde und sie unmittelbar der
Parusie des Messias vorausgehen sollte. Dass diese jüdische
Auffassung vom Judenchristenthum adoptiert wurde, beweist
das judenchristliche Evangelium mit seinem Futurum Mt. 17, 11
und ebenso Capitel 11 der Apocalypse. Denn dass der eine der
beiden Zeugen, die nach Apoc. 11, 3 ff. in der Endzeit auftreten
sollen, mit Zügen aus der Geschichte des Elias ausgestattet ist,
wird allgemein anerkannt 1). (Unklar ist man nur über den
zweiten Zeugen des Apocalyptikers.) Aber gerade dieser ju-
daistischen Auffassung von Mal. 3, 23. 24 ist der Herr entgegen-
getreten, wenn man seine Antwort nach dem Citat der Pistis
Sophia perfectisch nimmt: Elias ist schon gekommen und hat
bereits Alles für die Erscheinung des Messias zurechtgebracht
und vorbereitet. Nicht eschatologisch, sondern historisch
ist die Erfüllung der Mal. 3, 23. 24 gegebenen Weissagung zu
fassen. Dass dieses der Sinn Jesu auch hier gewesen ist, zeigen
viele Parallelen in seinen Reden, namentlich auch die hier fol-
genden Verse v. 12. 13. Die letzte in Maleachi geschriebene
1) Vgl. auch Orac. Sibyll. II, 187—189:
Kai xo&' 6 BeaßitTjq ye, an oigavov ap/ua xixalvwv,
Ovqüviov, yaiq <f imßäq, xöxe arj/xaxa xqioou.
KöofHp ok(p öelSei xs dnoXXvfitvov ßiöxoio.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 17, 10 — 11. 205
Weissagung der alttestamentlichen Prophetie geht auf Johannes
den Täufer, in welchem der von Maleachi geweissagte Elias
wiedererschienen ist. Mt. 11, 13. 14: Ilavxtq yaQ ol JtQO<pfJTai
xai u vofiog tmq 'Icouvvov jiQottprjtevGav. Kai tl ß-iXtxs öe-
gaö&ai, avxoq kativ 'Hllaq 6 fiiXXmv sqxsg&cu. Er ist der
Engel (Mt, 11, 10), welcher Mal. 3, 1 verheissen ist. Während
das jüdische Schriftgelehrtenthum alle messianischen Züge der
alttestamentlichen Weissagung eschatologisch fasste und nur
eine einzige Parusie des Messias anerkannte, hat Jesus einen
grossen Theil det messianischen Prophetie der herkömmlichen
eschatologisch en Deutung entrissen und ihre historische Erfüllung
in den Umständen seines Wirkens und seines Leidens aufgezeigt.
So ist es auch hier geschehen bei der Weissagung des Maleachi.
Dass aber trotzdem die jüdisch-eschatologische Deutung in der
Auslegung der Herrenreden wieder Herr wurde, zeigt Justin
und das erste canonische Evangelium, im Grunde auch der Mar-
custext. Denn die Worte Mc. 9, 12a: *HZtag sX&cov jiqcötov
ujtoxa&iGTavsi nävxa — wollen und können doch nicht anders als
futurisch aufgefasst werden, wie auch der Cod. Colbertinus über-
setzt: Helias veniens primum restituet omnia. Ebenso ist das
Praesens eQ%erai in Mt. 17, 11 futurisch zu fassen, wie auch
zwei Itala-Codices (Cod. Brix., Corbej.2) dieses Praesens mit ven-
turus est = veniet wiedergeben. Dass daneben die perfektische
Fassung paravit (in der Pistis Sophia) sich erhalten hatte, be-
weist: der hebräische Urtext war so gestaltet, dass bei der
Mehrdeutigkeit der hebräischen Temporalformen alle drei Tem-
pora (Praeteritum, Praesens, Futurum) in den Text hineingetragen
werden konnten. Denn das sollte doch Niemand leugnen, dass
allen diesen Variationen ein gemeinsamer Text zu Grunde lag.
Und bei den hebräischen Rückübersetzungen hätte man niemals
die Pflicht, beide Texte in Mc. 9, 12a und Mt. 17, 11 identisch
zu gestalten, ausser Aaht lassen sollen. Es folge hier eine
kleine Blumenlese hebräischer Rückübersetzungen.
206
Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
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Text« und Untersuchungen zu Mt. 17, 10—11. 207
züglich seines Wiederzusammentreffens mit seinen Jüngern bei
ihrer Rückkehr von der Mission in den israelitischen Städten
ebenfalls eine eschatologische Wendung gegeben hat.
Wenn manche Ausleger zu Mt. 17, 11 es haben leugnen
wollen, dass hier eine eschatologische Wiedererscheinung des
Elias unmittelbar vor der Parusie Jesu in den Mund gelegt sei,
so schwindet diese Ausflucht bei Justin vollständig. Denn Dial.
c. Tr. c. 49. p. 268 BC sagt Justin ausdrücklich: xal 6 i/fistsgog
ovv xvqioq, tfprjv, xovro avxo sv rolc, öi6aytuaoiv avrov
xagsdmxs ysvt]ö6{uevov, sljccov xal 'HZlav sZstosofrai' xal
tjfiElg xovro ejiiOxccfte&a ysvrjoo/isvov orav fisXZi] sv <5o§?/
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Xqigxoc, ov xal xr/g jcQoSxrjg <pav£QcoGsa>q x?iqv% jiQO^Xd-e xo
sv Hllq. ysvofievov Tcvevfiu xov &sov, sv 'ltoävvr^ sodass mithin
Elias, wie er bei der Parusie des historischen Jesus in der Person
des Täufers dem Messias vorangegangen sei, so bei der eschato-
logischen Parusie Jesu in Herrlichkeit ebenfalls vorhergehen
werde. Und zwar führt Justin diese Erwartung auf die öiöccy-
fiaxa Jesu zurück, der gesagt habe: sIjkov xal 'HXiav sZsv.oeo&ai.
Von hier aus fällt deutliches Licht auf Mt. 17, 10 ff., wo eben
diese Erwartung einer eschatologischen Eliaserscheinung neben
dem schon in Johannes dem Täufer verwirklichten Kommen des
Elias ausgesprochen wird. Und wenn Jemand fragen wollte:
Konnte Jesus so allgemein sagen xaxsoxifisv üiavxa im Blick
auf den Täufer? — so ist selbstverständlich das jiavra dahin zu
limitieren: Alles, was zur Vorbereitung auf das Kommen des
Messias gehört. Dieselbe Beschränkung des jidvxa ist ja auch
bei der eschatologischen Auffassung nicht zu vermeiden. Eine
ajioxaraöraoig jrävxoov im universellen Sinne konnte nur von
dem Messias selbst, nicht aber von Elias als seinem Vorläufer
erwartet werden. Hier also wollte Jesus sagen: Alles, was zur
Vorbereitung meines Kommens erforderlich war, das hat Johannes
der Täufer als der wegbereitende Elias gethan; er ist gekommen
und hat seine Mission erfüllt. Diese Deutung des Herrenwortes
entspricht der vorauszusetzenden Lesart: 31EP1 83. Nur ein ten-
denziöser Interpret konnte das defective Imperf. historicum 3tn
als Futurum fassen. Der Urheber des hebräischen Textes, der
in einer Zeit schrieb, in welcher die scriptio plena üblich war,
würde, wenn er hätte der eschatologisch-futurischen Auffassung
208 Aussercanonische Paralleltexte zu Mfc. und Mc.
Vorschub leisten wollen, sicherlich 3">iöV] geschrieben, damit
aber auch — wie bereits erwähnt — die Übersetzung paravit
(—xaxEOxi/GEV) unmöglich gemacht haben.
Mt. 17, 12. 13 = Mc. 9, 13.
a. Fistis Sophia p. 10, L. ed. Schwartze et Petermann.
Et quum cognossem, vos non intellexisse (vö'i), quae dixerim
vobis de ipvxy Heliae, ligata in Johanne Baptista (ßajixtöxt]),
respondi vobis in serraone in jcaQQijoia, e facie in faciem:
si vultis capere, Johannes Baptistajßßjrjrtür^), iste est
Elias, quem dixi venire.
b. Just. Dial. c. Troph. c. 49. p. 269 A.
leyco öe vplv oxc HXiaq i/öt/ ijX&E xal ovx kji&yvco-
aav avxov, aXX* Ejtoitjoav avxcö ooa rj&tXtjöav. xal
yiyQanxai oxi xoxe ovvrjxav ol fia&ijxai, oxi jieüI
'Imävvov xov ßaxxioxov eIjiev avxolc.
c. Cod. Cantabr. Mt. 17, 12. 13.
Xiyca 61 vfilv oxi 'HXiaq ijöq rjX&ev xal ovx ejteyvco-
oav avxov, aXXa tnoit/oav avxqj ooa fjO-iXtjoav'
tote ovvtjxav ol fiad-qxai, otl üieqI 'Icoävvov xov
ßajcxioxov eIjcev avtotg.
d. Mc. 9, 13.
aXXcc XEyco v/ilv oxi xal 'HXiaq tXrjXvftEv. xal Ejcoitj-
oav avxq} ooa ij&eXov, xa&atg yiyQajcxai eji* avxov.
Weiss nimmt an, dass dem Abschnitt Mc. 9, 9—13 = Mt.
17,9—13 eine vorcanonische Quelle nicht zu Grunde liege, und
dass der erste Evangelist an dieser Stelle lediglich eine Bear-
beitung der Marcusperikope gegeben habe. Das Letztere ist im
Wesentlichen zuzugeben, denn die Erwähnung dieser Perikope
zwischen dem Verklärungsbericht und der Erzählung von der
Heilung des besessenen Knaben ist sicherlich das Werk des
zweiten Evangelisten und ist nur durch diese Vermittelung auch
in das erste Evangelium übergegangen. Dass aber diese Prag-
matik, nach welcher das Gespräch über Elias in sehr loser Weise
an die vorausgegangene Erscheinung des Elias auf dem Berge
der Verklärung angeknüpft erscheint, nicht ursprünglich ist,
dafür sprechen drei Instanzen: erstlich das Schweigen des Lukas,
zweitens die Schwierigkeiten und weit auseinandergehenden Ver-
Texte und Untersuchungen zu Mi. 17, 12. 13. 209
schiedenheiten in der Auslegung, welche nötig ist, um eine einiger-
massen befriedigende Pragmatik nachzuweisen, und drittens das
ausdrückliche Zeugnis der Pistis Sophia. Denn nach der Dar-
stellung dieser in ihren echten Evangeliencitaten so vorzüglichen
Quelle (vgl. die Erläuterung zu Mi 16, 19a) haben die Jünger
die Rede Jesu, wonach Elias schon gekommen sei und Alles für
den Messias vorbereitet habe, nicht eher verstanden, bis er es
ihnen frei heraussagte: si vultis capere Johannes Baptista, iste
est Elias, quem dixi venire (richtiger venisse). Dieses Wort,
welches im ersten canonischen Evangelium nicht hier, sondern
Mt. 11,14 sich findet: xal si fttkers dsgao&ai, avrog koxiv 'HZiaq
6 (ziXXmv tQieö&ai — aber dort ganz unvermittelt erscheint (vgl.
oben), hat also nach der Darstellung der Pistis Sophia un-
mittelbar nach Mt. 17, 12 = Mc. 9, 12a seinen ursprünglichen
Standort gehabt. Als Jesus sich von seinen Jüngern nicht ver-
standen sah, so gab er der für sie rätselhaften Rede von der
schon geschehenen Erscheinung des Elias die Deutung dadurch,
dass er offen und mit Namennennung auf den Täufer hinwies.
Das Citat der Pistis Sophia setzt mithin einen ursprünglicheren
Bericht voraus, als Justin, der sich in diesem Fall von dem
ersten Evangelisten abhängig zeigt und mit dem Text von Mt.
17, 12. 13, besonders wie ihn der Cod. Cantabr. bietet, diploma-
tisch genau übereinstimmt (vgl. Credner I, 237), sodass man in
diesem eclatanten Fall, wo sowohl bei Justin als im Cod. D der
Text von Mt. 17, 12b weggelassen, bzw. im Cod. D erst nach-
träglich angeschrieben ist, mit Bestimmtheit die Benützung des
ersten Evangeliums durch Justin constatieren kann. Man er-
kennt aus alledem, dass die beiden ersten Evangelisten in diesem
Fall zwar aus dem Urevangelium schöpften, aber den originalen
Context desselben nicht bewahrt haben, dass vielmehr das Ge-
spräch über Elias und über dessen Erscheinung in der Person des
Täufers ursprünglich mit denjenigen Worten zusammengehangen
hat, welche der erste Evangelist Mt. 11, 12 — 15 einfügt. Der
originale Standort dieser Worte ist, wie Lc. zeigt, nicht in Mt.
11, 2—19 = Lc. 7, 18—35, sondern Lc. 16, 14 — 31 zu suchen, wo
es sich um Gesetz und Propheten und deren geschichtliche Er-
füllung handelte. (Vgl. die Erläuterung zu Mt. 11, 14.)
Die Bemerkung Mt. 17, 13 ist sonach das ausschliessliche
Eigenthum des ersten Evangelisten und die Reproduktion dieser
Texte u. Untersuchungen X, 2. 14
210 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Bemerkung durch Justin, wie erwähnt, wiederum ein ganz
sicheres Kennzeichen der Benützung des ersten Evangeliums
Interessant ist es, zu beobachten, wie die Pistis Sophia den
Ausspruch des Herrn zur Begründung einer Seelenwanderungs-
lehre verwerthet. Vgl. Pistis Sophia p. 12: Inveni ipvy?]v He-
liae prophetae (jioofprjxov) in aicooi ö<paiQaq et sumsi eam et ac-
cepi eius ipvyrjv quoque, duxi eam in jiaofrevov lucis, et (haec)
dedit eam suis jtafjaXqfuixoQGtv, (qui) duxerunt eam in o<paigav
agyovxcov et intulerunt eam in uterum Elisabetae. Vis autem (de)
parvi law, huius qui in [ieow, et rpvyjj Eliae prophetae (xgo<pT]xov)
ligatae sunt in owiiaxi Johannis baptistae (ßajtTiorov). Ebenda
p. 355: Heliam vertens misi in owfia Johannis ßajtxiöxov.
Mt. 17, 20b.
a. Hom. Clem. I, 6. p. 15, 5.
xal ovöäv koxiv, o aövvaxü jioiüv.
b. Mt. 1 7, 20c.
xal ovöev aövvaxrfiu vfilv.
Weiss nimmt (Marcus S. 311 ) an, dass, während der Spruch
Mt. 17, 20a von dem Berge versetzenden Glauben selbstverständ-
lich aus der vorcanonischen Evangelienquelle stamme, die Worte
in Mt. 17, 20b: xal ovöev dövvaxr'jOei vfilv aus Mc. 9, 23: navxa
övvaxd reo xioxcvovxi gebildet, also nicht dem Urevangelium
entflossen seien. Jedenfalls bieten die Pseudo-Clementinen
in dem oben mitgetheilten Citate eine Parallele zu Mt. 17, 20b,
wenn auch nicht in wörtlicher Übereinstimmung.
Mt. 17, 21 = Mc. 9, 28. 29.
a. Eclog. proph. c. 15. Clem. AI. p. 993.
xrjq Jiioxtwq r?}v Bvyrjv iöyygoxtgav ajttg>r]V£V o öwxrjg
xolq Jtioxolq djtooxöXoiq ejci rivoq öaifioviwvxoq, ov ovx
ioyvoav xa&agioai, ujiwv xd xoiavxa svyy xaxog&ovxai.
b Äthan. Virg. c.87.
hysi? ftagxvgiav Iv xolq tvayysXioiq jeagä xov owxrjgoq el-
grjfttvTjv tfgwxrjoav avxov ol fia&rjxal avxov Xeyovxsq'
xvgis , ötigov rjftlv , Jioio) xgojtw xd dxd&agxa xvevfiaxa
^T^^ovxar eine 6h 6 xvgioq' xovxo xb yevoq ovx
exßdXXexai ei ftrj ev Jtgooevyalq xal vi]Oxeiaiq.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 17, 20. 21. 211
c. Anast. Sin. Viae Dux c. 8.
xa&a (pr/oiv 6 Xgioxog Jtsgl avxäiv, oxi xo yivog xovxo
ovx i^eQxexai ei [iy sv jiqooevxV xal vf/oxeia.
d. Mc. 9, 28.^9.^
ol fia&Tjxal avxov xax löiav £jit)qcqxcüv avxov' 6xi
rjfislg ovx^dvvi]ftTjuEV exßaXeivjxvxo; xal eljzev avxolg'
zovxo xo yivog sv ovötvl övvaxai egeZ&eiv ei turj sv
JCQOOtVXV-
e. Cod. Cantabr. Mt. 17, 21.
xovxo 6s xo yivog ovx sxjcoQsvsxai sl turj sv jiqoö-
evxfl xcu vtjöxtia.
f. Cod. Colbert. Mt. 17, 21. p. 22. ed. Belsheim.
Hoc auteni genus daemonii non ejicietur nisi per ora-
tio nem et jejunium.
g. Cod. Colbert. Mc. 9, 29. p. 53. ed. Belsheim.
Quibus ipse dixit: Hoc genus in nullo potest exire nisi
in oratione et jejunio.
Nach der Quellenkritik von B. Weiss liegt zu der Erzäh-
lung Mc. 9, 14 — 27 = Lc. 9, 37 — 43 die Urrelation in der kürzeren
Parallele Mt. 17, 14 — 18 vor, wonach der zu heilende Knabe von
epileptischer Krankheit befallen, mithin von der Austreibung
eines öaif/öviov nicht die Rede war. Mit dieser Darstellung
würde das Citat in den prophetischen Eklogen des Clem. AI.:
r« xoiavxa svxij xaxoo&ovxai mit der allgemeinen Ausdrucks-
weise xä xoiavxa sehr wohl zu vereinbaren sein. Die anderen
Parallelen aber setzen die Austreibung eines Dämons, mithin die
Relation des Marcus, voraus. Es könnte aber sehr wohl sein,
dass Marcus seinen Spruch Mc. 9, 29 ebenso wie der erste Evan-
gelist den seinen Mt 17, 20 aus einem andern Standort des Ur-
evangeliums hierher verpflanzt habe. Die Frage der Jünger
lautet bei Athanasius ganz allgemein: xvqis, 6slB.ov ijulv, jioicp
xqÖjico xd uxäüaoxa Jtrti\uaxa <pvya6svovxai; und zeigt keine
bestimmte Bezugnahme auf die Perikope Mc. 9, 14 — 27. Die
Varianten sxßälXsofrai — s£,ixQsofrai = sxjionsvsö&ai = X2T ,
ferner jiqoösvx>'i — tx>Xf'l = «"fiEP könnten einen hebräischen
Quellentext vermuthen lassen. Der Zusatz xäi vijoxsia ist wahr-
scheinlich späteren Ursprungs. Ein Anklang an dieses Logion
zeigt sich noch bei Pseudo-Clemens de virginitate I, 12, 3:
14*
212 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
hoc genus non erit (exit?) nisi in jejunio ac precibus firmis
et continuis atque intenta mente.
Ein sicheres Urtheil über die ursprünglichen Quellenverhält-
nisse wird sich in diesem Falle nicht gewinnen lassen.
Mt. 18, 3 = Lc. 18, 17 = Mc. 10, 15.
a. Herrn. Mand. II, 1. p. 72, 6.
EGT] coq rä vfjnia.
b. EermTsimTix^d, 3. p. 254, 12.
öooi ovv öiafievelte, cprjGi, xal egeg&e coq rä ßQ&'qpi] xaxiav
[iq exovtsg, Jiävrcov rcöv xqoeiqtjuevcov Evdo£-6rEQOiEGEG&£'
jtävra yaQ rä ßgsqpT) svöo^ä eon naga reo &ecö xal jiQcöra
jtao' avrcö.
c. Herrn. Sim.IX, 29, 1. p. 254, 7.
coq vr\nia ßQt'<prj eIgLv, oiq ovösfiia xaxia ävaßalvEL ejtl rrjv
xccQÖiav.
d. 1. Cor. 14, 20.
fit) jcacöla yivEG&E rolq cpQEGiv , aXXä cij xaxia vrjxia^Exe.
e. ClemrAL~St™m7 v] 1, 13. p. 652.
xäv (irj YEVt/o&E coq rä xaiöia ravra, ovx eIoeXevgeg&e,
<pr)öiv, slq r?)v ßaoiXtiav rcöv ovgavcöv.
f. Clem. AI. Paed. I, 5, 16. p. 107.
rjv fit} ytvijo&E coq rä jtaiöia ravra, ovx eIgeIevgeg&e
slq rrjv ßaGilEiav rov &eov.
g. Clem. AI. Protrept. IX, 82. p. 69.
r/v yaQ (irj av&ig coq rä jcaiöia y£vr)0&E xal ävayEVvr/frfjre
coq cprjGiv rj yoa<pr}, rov ovrcoq ovr.a xariga ov fit/ äxo-
Aäßyjrs ovö° ov firj eIgeXevgijö&e 3torE slq rt]v ßaGiXsiav
rcöv ovQavcöv.
h. Clem. AI. Strom. IV, 25, 162. p. 636.
rovro yaQ i]v rb eIqtj(ievov ^J^U^£5$i^33^J^l^
coq rä jtaidla.
i. Clem. ÄTPaedTl, 5, 12. p. 104.
avtbq öiaoacpfjGEi 6 xvQioq Xiycov ßj^^ji^Gjgaipjir^jM
y£vrjG&E coq rä naiöia ravra, ^J^J^^VJ^ £h TVV
ßaGikeiav rcöv ovQavcöv.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 18, 3. 213
k. Mt 18, 3.
xal eIjcev a/ir/v Xiyco vfilv, eäv ftrj oxga<pt}xt xal ytvrjöd-E
cog xajnaiöia, ov firj eIöeZ&tjxe Eig xr/v ßaOiZslav xcov
QVQCCVdäv.
Weiss (Marcusevangelium S. 336) hat jedenfalls vollkommen
recht gesehen, wenn er den Spruch Mt. 18, 3 als in der ursprüng-
lichen Gestalt wesentlich erhalten betrachtet. Was aber die
sprachliche Erläuterung desselben anlangt, so scheint mir der
darin verborgene Hebraismus bisher noch nicht erkannt zu sein.
Hinter dem oxoa<pr}x£ nämlich liegt das hebräische 3W, nicht in
der originalen Bedeutung „umkehren", sondern in dem abgelei-
teten Gebrauch, wonach dieses Verbum im Hebräischen benutzt
wird, um in Verbindung mit einem anderen Verbum die Wieder-
holung einer Handlung auszudrücken. Obwohl die Sache jedem
Kenner des Hebräischen vertraut ist, wird doch die Anführung
einiger Beispiele aus der Septuaginta- Übersetzung forderlich
sein, um den Unterschied zwischen dem hebräischen und dem
griechischen Sprachgebrauch in diesem Falle zu zeigen. Vgl.
Gen. 26, 18: "IBH** pW aip"«n = LXX: xal orahv 'ioaax coqvq,e.
Jerem. 18, 4: inte??} 3T01 = LXX: xal jzäkiv avxbq ejioItjoev
avxo. Deut. 30, 3: ^£3p1 atEh=LXX: xal jcaXtv ovpd§ei oe.
Gen. 30, 31: 7J3X2 nSHK nailBK = LXX: Jtaliv xoifiavco xa
jtooßaxa oov. Jerem. 36, 28: nnnx fjbtfQ Tjb"njP 310 = LXX
xäXiv laßt ov xaQxiov exeqov. Freilich vielleicht noch häufiger
haben die LXX den Hebraismus beibehalten und das 31TÖ wört-
lich übersetzt. Vgl. 1. Reg. 19, 6: 3310*1 31Ö?1 = LXX: xal
EJUöxQEtpag Exoiprjfrt] = Vulg.: et rursum obdormivit. Deut. 24,
4: ntfab ib n'^nb fifinpb 3irc'b bgsn-a'b = LXX: ov öwrfosxai
ejcavaoxQtipaq laßslv avxqvtavxm yvvalxa = Vulg.: non poterit
reüipere eam in uxorem. Jerem. 12, 15: DiFfsnTi 31©K = Luther:
will ich mich wiederum über sie erbarmen = LXX: sjtLOXQtxpoo
xal &/Lsr)6a) avxwg.Mich.l, 19: WaTJJ 31©'? = LXX: IjuoxQSfu
xal oixxEiofjOEi rjfiäg. Eccl. 1, 7: fpbb Ö'OlÖ DH = Luther: fliessen
sie wieder hin = LXX: avxol ejciöxoeipovoi xov jcopevfrrjvai.
Diesem hebraisirenden Übersetzungstypus folgt nun auch der
erste Evangelist, indem er den vorauszusetzenden Urtext:
D^jbTS (n^i-6 oder) l^rtni WlttJn »VDK — wörtlich wieder-
giebt: eav ftrj oxoagiTJxE xal yEvrjG&E cog xa naiöia — , während
214
Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
die alexandrinische Version: eäv (it) av&iq oaq xa jtaidia ye-
vrjo&e — ein besseres Griechisch dargeboten hat. — Der zweite
Evangelist hat das ursprüngliche Logion stark umgearbeitet, und
der dritte Evangelist hat es in dieser veränderten Gestalt Lc.
18, 17 aufgenommen. — Im Übrigen vgl. man die Erläuterungen
zu dem verwandten Logion Joh. 3, 5.
Mt. 18, 8 = Mc. % 43. 45*= Mt. 5, 30.
a. Mt. 5, 30
xal ei t) öetiia oov %s\q öxavöaXi^si oe, exxotpov av-
xrjv xal ßaXe ajco oov' Ov^cpegei ydg ^^jJ^_^oXrjxac
tv Tr^vj*^x>vj*^^ £k yeevvav
b. Mt. 18, 8.
tl öe )) X£*Q Qov V o Jtovq Oov OxavöaXiC,ei Oe, ex-
xotpov avxov xal ßäXe ajto oov' xaXöv ooi eOxiv eio-
eXfrelv eiq xr)v ^ooijv xvXXov rj xm^öv, rj ovo XetQaG V öv°
jtoöaq i^X^JSL^S^V^S11 s^T°J™Qr° almviov [Syr. Cur.: xrjv
yeevvav xov Jtvgbq}.
c. Mc. 9, 43. 45.
xal eäv oxavöaXioy oe r] x£lQ oov, äjcoxoipov avxrjv
xaXöv eoxiv oe xvXXov elöeX&elv eiq xrjv C,<orjv, rj xäq ovo
Xelgaq hxovxa ajceX&eiv eiq xrjv yeevvav, £fe_^_j?™£j™
aoßeoxov. xaleäv o xovq oov oxavöaXiC,?] oe, ajioxotyov
avxov xaXöv eoxiv oe eioeX&elv eiq xrjv C,a>rjv x^öv, w
xovq ovo jcoöaq \\ovxa ßXrj&rjvai eiq xrjv yeevvav.
d. Cod. Cantabr. Mc. 9, 43—46.
xal eäv OxavöaA.iC,r] oe f] X£LQ °ov, ajwxotyov avxrjv'
xaXöv eöxiv ooi xvXXov eioeX&elv eiq xrjv t^wrjv rj ovo
velQccq exovxa ßXrjfrrjvai eiq xr)v yeevvav, ojiov eOxlv jxo
jivq xb aoßeoxov, ojiov o oxooXtjS, avtcov ov xeXevxä xal
xb jivq ov oßevvvxai. xav 6 jtovg öov oxavöaXLC,?] oe,
äjioxotyov avxov xaXov ooi eoxiv xoXov eioeX&elv eiq
x-rjv C,a>r}v alatvtov, tj xovq ovo jtoöaq exovxa ßXrjfrfjvat eiq
Texte und Untersuchungen zu Mt. 18, 8. 9. 215
xr)v yssvvav, siqjto^tvQ xb dqßsoxov, ojcov o oxcbXrjS, av-
xoov ov xsXsvxa xal xb jcvq ov oßsvwxat.
Mt. 18, 9 = Mt. 5, 29 = Mc. 9, 47.
a. Clem. AI. Paedag. III, 11, 70. p. 294.
b yovv xvgioq Gvvxofiwzaxa läxai xö xd&oq xovxo , sl
oxavöaXlC,si os 6 bw&aXpbq oov, sxxotyov avxbv Xs-
ycov.
b. Mc. 9, 47.
xal eäv 6 b<pd-aX[ibq oov oxavöaXl^tj Oe, exßaXe av-
xbv xaXbv oe eoxtv [tovbg)d-aXtuov eloeX&eiv elq xi)v
ßaoiXelav xov &eov rj ovo bcp&aXfiovq s%ovxa ßXrj&rjvai
slq x?)v ysevvav.
c. Mt. 18, 9.
xal et o 6<pd-aX/ioq oov oxavöaXlC,ei os, ef-eXe avxbv
xal ßaXe ajib oov' xaXöv ool eoxtv piovog)&aX(iov elq
xtjv C,co?)v slosX&slv i] ovo 6(p&aXfiovq e^ovxa ßXrj-
&rjvai [Syr. Cur.: axeX&eiv] siq xrjv yeevvav xov jcvgbq
d. MtTöT^.
el öe o o<p&aX[ioq oov 6 öet-ibq oxavöaXi^ei oe, egeXe
avxbv xal ßaXs djcb oov' ovfupsQsi yaQ ooi i'va djtoXrjxai
ev xcöv (tsXcöv oov xal pr} öXov xb Ocöfid oov ßXrj&ij [Syr.
Cur.: djisX&r]} elq yeevvav.
e. Just. Apol. I, 15. p 61 E.
xal' el o o<p&aX(ibq oov o öet-tbq oxavdaXlC,ei os,
sxxotpov avxbv ov{i<peQei yag ool [iovb<p&aX[iov slosX-
&slv elq xrjv ßaOiXslav xcöv ovQavcöv, rj fisxd xcöv ovo
jcsfity&rjvai slq xb alcoviov jcvq.
f. Clem. AI. Quis div. salv. c. 24. p. 949.
xav o ös£ibq oov 6<p&aXfibq oxavöaXl^rj Os, xaxscuq
sxxorpov avxbv algsxwxsQOv sxsQorp&dXficp ßaOiXsia
&sov r) 0^oxXriQmjTO^MVQ , xav X£lQ x^v kovq xav r) tyvxy,
fiior/oov avxrjv.
g. Epiph. Haer. LVI1I, 2. p. 490 A.
sl ftev yäg xb ev xcö svayysXlcp ßovXovxat jiXijqovv xb'
eav oxavöaXltyj oe ev xcöv fisXcöv oov, ajibxotyov djtb
216 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
oov' övfiwtgsi yuQ ooi elösXd-slv sie ßaöiXdav ovgavdiv
77 ymXhv 77 xvfpXov 77 xvXXov.
Die beiden zusammengehörigen Herrensprüche, Mt. 18, 9 =
5, 29 = Mc. 9, 47 und Mt. 18, 8 = 5, 30 = Mc. 9, 43. 45, sollen
nach Weiss (Matthäus S. 415, Marcus 327 ff.) von dem ersten
Evangelisten Mt. 5, 29. 30 in der Urform gegeben, von dem
zweiten Evangelisten Mc. 9, 43 ff. redaktionell bearbeitet, und von
da mit theilweiser Berücksichtigung des Marcustextes von dem
ersten Evangelisten Mt. 18, 8. 9 zum zweiten Male aufgenommen
sein. Sicher ist es, dass diese Herrensprüche aus dem Urevan-
gelium stammen, und dass der erste Evangelist sie das erste
Mal direkt aus der vorcanonischen Quelle, das andere Mal durch
Mc. veranlasst herübergenommen hat. Aber wenn Weiss die
Textverschiedenheiten zwischen den beiden Recensionen lediglich
aus der umgestaltenden Thätigkeit des Mc. ableitet, so hat er
dabei nicht erkannt, dass überhaupt verschiedene Versionen des
hebräischen Urtextes zu Grunde lagen, welche allerdings dann
zu stark von einander abweichenden und auch über den Urtext
hinausgehenden Redaktionen sich erweitert haben. Die Spuren
der verschiedenen Versionen lassen sich unschwer nachweisen.
Weiss behauptet (Marcus 324. 325), dass Mc. das ov^ytoei der
Quelle durch sein xaXov eonv — wie auch Mc. 9, 42 = Mt. 17, 0
= Lc. 17, 2 — seinerseits ersetzt habe. Aber der Sachverhalt
ist vielmehr dieser, dass das zu Grunde liegende Quellenwort
a^B in dem einen Fall hebraisierend mit xaXov eotiv, in dem
anderen Falle gräcisierend und in besserer Übersetzung mit
ovfMptgei wiedergegeben wurde. Es ist nun im höchsten Grad
unwahrscheinlich, dass Mc. die bessere Übersetzung mit der
schlechteren vertauscht habe, wenn die bessere ihm schon vor-
gelegen hätte. Vielmehr folgt er seiner Quelle, entweder nach
dem hebräischen Text und übersetzte 3iy wörtlich mit xaXov
soriv, oder er richtete sich nach seiner griechischen Übersetzung,
wenn ihm das Urevangelium bereits in der Übersetzung vorlag.
Eine dritte Übersetzung des 3"iü bietet mit algsrcoregov der
Text des Clemens AI. Ähnliche Übersetzungsvarianten des 3ia
vgl. zu Lc. 17, 2 = Mt. 18, 6 = Mc. 9, 42.
Aber hiermit sind die Übersetzungsvarianten dieser Sprüche
nicht erschöpft. Wenigstens . das kxxöjixuv = cuzoxoxtsiv —
Texte und Untersuchungen zu Mt. 18, 9. Mc. 9, 48. 217
egaiQE Iv = kxßaXXeiv in der ersten Satzhälfte dürfte mit Be-
stimmtheit auf nj?? zurückzuführen sein, welches im A. T. gerade
bezüglich der „ Augen" gebraucht wird. Vgl. Num. 16, 14:
"i)?3R Bnn B^tDD&fi ^2 = LXX: xovg 6(p&aX(/ovg xmv av&Qco-
%cav exslvcov av igtbcmpag oder nach anderen Septuaginta-Codices :
ajtexorpag. Ferner vgl. Prov. 30, 17, wo in Bezug auf das Auge,
das den Vater verspottet, im Urtext "jp3 gebraucht und dies von
den LXX mit Zxxojithp, von der Vulgäta mit effodire, von
Luther mit „aushacken8 wiedergegeben wird. Vgl. auch Jes.
51, 1, wo die LXX 1J5D mit ogvootiv (Vulg. praecidere), Aquila,
Symmachus und Theodotion aber mit ixxbzixuv übersetzen
und namentlich Jud. Iß, 21, wo die LXX den TexfPnr^'nx ^P*.
übersetzen xal s^ixoVmv xovg o<p&aX(iovg avxov , während
Cod. AI. sgcoQvi-av bietet. Die redaktionellen Abänderungen
haben sichtlich den Schluss der Sprüche besonders stark ge-
troffen. Die Anschauung von Weiss dass die älteste Form der
Herrensprüche in Mt. 5, 29. 30 erhalten sei — also auch gerade
in Bezug auf die Schlussworte — , wird bestätigt durch die An-
klänge in Jac. 3, 3 — 6. 4. 1: oXov xo ocöua — jueXog — (liXrj —
jcvq — yssvva — und Clem. Rom. I, 37, 5: pt'X?/ — oXcp xm
ocofiari — GmCsG&ai oXov xo ocö/m.
Wegen Mc. 9, 44. 46. 48 vgl. das Folgende.
Mc. 9, 48.
a. Just. Apol. I, 52. p. 87 C.
toxi de xavxa' o 6xcbXr)§ avxoöv ov xav&r[6£xai, xal
xo jivq avxcov ov oßeo&rjGsxai.
b. Jes. 66, 24. LXX.
o yccQ oxwXrjg aixmv ov xsXevxtjOei, xal xo Jtvoav-
xcäv ov oßeo&?]Gexai.
c. Mc. 9, 48,
oxov o oxmXr)^ avxwv ov xsXevxcc, xal xo jcvq ov
oßivwxai.
Diesen Vers haben Codex DA, die meisten Italae, die beiden
syrischen Versionen, auch noch eine Anzahl griechischer Uncial-
codices dreimal, nämlich nicht blos v. 48, wo er sich in allen
Codices findet, sondern auch v. 44 und v. 46. Augustin be-
zeugt ausdrücklich seine dreimalige Wiederholung. Von den
218 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Versionen der Septuaginta weicht Mc. nur durch die präsentische
Form ab. Justin schliesst sich an die Übersetzung der Sep-
tuaginta an, giebt aber zu xeltvxrjoec die Variante jtav&rjöexai,
mithin zu dem Quellenwort nittD eine aussercanonische Über-
setzungsvariante. Ob Justin in diesem Fall das Marcusevange-
lium benützt, ist daher mehr als zweifelhaft. Weiss rechnet
Mc. 9, 48 nicht zum Urtext (vgl. Weiss, Marcusevangelium
S. 324 f.), und da abgesehen von dem Justin-Citat, welches
direkt auf Jes. 66, 24 zurückzugehen scheint, alte, aussercanonische
Paralleltexte hierzu sich nicht finden, so wird man Weiss nur
zuzustimmen haben.
Mc. 9, 49.
a. Macar. Hom. XV, 10.
6la dq cpmq xal jivy ßajcxi^ovxai.
b. Codd. 46. 52. Mc. 9, 49. ~
.Trag yaQ jcvqi öoxifiaad-rjöexai.
c. I.Cor. 3, 13.
xal txäoxov xo loyov ojioIov toxiv xo jivq avxo Öoxi-
[ictoei.
d. Mc. 9, 49.
jtäq yao jivqI alio&T]0£xai
e. Cod. Cantabr. Mc. 9, 49.
jtäoa yäo &vola all aliGfrrjötxai.
f. Lev. 2, 13.
xal xäv öwqov &voiaq vfimv all aliOd-rjOexai.
g. Cod. Colbert. Mc. 9, 48. p. 54. ed. Belsheim.
Omnis enim victima salietur.
Weiss (Marcusevangelium S. 324) hält Mc. 9,49 ebenfalls für
das Eigenthum des zweiten Evangelisten; aber die Parallele
1. Cor. 3, 13, welche mit der Lesart zweier Minuskel-Codices
(46. 52), sowie dem Codex Saugerm. 1 (examinantur) zu Mc. 9, 49
sich in frappanter Weise berührt, lässt vermuthen, dass Mc. wie
Paulus hier aus der vorcanonischen Evangelienquelle schöpfte.
Zu aliofr?']6exai — doxifiaö&rjöexai bietet Macarius ßajtxl^ovxai
als dritte Variante. Aber nicht nur in 1. Cor. 3, 13 liegt eine
Parallele zu Mc. 9, 49 vor, auch der Text von 1. Cor. 3, 15: oco-
&r)6£xai ovxüiq de wq öia jcvQoq erinnert lebhaft an den Con-
Texte und Untersuchungen zu Mc. 9, 49. 50. 219
text von Mc. 9, 49. Der Sinn ist doch dieser: Der ewigen Strafe
wird entgehen, wer im Feuer geprüft und durch das Feuer ge-
läutert wird. Die Lesart des Codex D schliesst sich eng an
Lev. 2, 13 an. Vgl. Weiss, Marcusevangelium S. 324. Die Prüfung
durchs Feuer ist noch erwähnt Jerevn. 9, 6; Sir. 2, 5; 1. Petr. 1, 7;
4. Esr. 16, 74 u. ö. — Bezüglich des ßajtzi^ovzai bei Macarius
macht Nestle auf Sir. 34, 26: xdfiivog öoxi/id^si Or6fia>fia sv
ßacpfj aufmerksam. Es ist $a<pr\ namentlich das Eintauchen
des glühenden Eisens in kaltes Wasser zur Härtung des Eisens — -,
mithin ein sehr treffendes Bild.
Mc. 9, 50b.
a. 1. Thess. 5, 13.
£iQ?jvev£ze sv havzolg [avrolg].
b. Herrn. Vis. III, &3Tj>^2^19~
slg^vsvovzsg sv havzolg.
c. Herrn. Vis. III, 9, 2. p. 50, 12.
£IQ?]V£V£Z£ £V kcCVZOlq.
d. Herrn. Vis. III, 971oTpT525 12.
sIqTjVSVSZS sv avxolg.
e. Herrn. Vis. III, 12, 3. p. 58, 5.
£IQT)V£V£ZS SV iavxolg.
f. Herrn. Sim. VIII, 7, 2. p. 188, 11.
slorjvsvovzsg sv savzolg
g. Iren. Fragm. III. ed. Stieren p. 825. ap. Bus. H. E. V, 24. 13.
p. 194, 5.
£lQ?ji'£vo(i£v Jtgog äXXqXovg.
h. Mc. 9, 50b.
xal sigrivsvszs sv d.XXr\Xoig.
i. Cod. Colbert. Mc. 9, 50b. p. 54. ed Belsheim.
et pacem habete in vobis.
Auch hier wie zu Mc. 8, 17 begegnet sich Hermas mit dem
zweiten Evangelisten. Hier aber ist es evident, dass wir ein
Logion aus dem Urevangelium vor uns haben. Denn Paulus
hat es schon benützt. Der paulinischen Fassung sv savzolg
folgt auch Hermas, ebenso der Cod. Colbert. (in vobis). Die
Fassung bei Mc. sv dXXrjXoig und bei Irenaeus jzgbg dXXrjXovg
220 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
geht zugleich mit ev kavxotg auf D3,,2,,3 oder W^roy CS zu-
rück. Nach Vorstehendem ist zu berichtigen, was Weiss (Mar-
cusevangelium 328) sagt, indem er den Vers Mc. 9, 50 nicht
aus der Quelle geschöpft sein lässt.
Mt. 18, 10.
a. Eus. in Psalm. 63, 4 ff.
o öa>x?)g iöiöaöxE Xiyoav fitj xaxa<pgovijörjXE trog xmv
fiixgmv xmv ev xfj kxxXrjola (iov.
b. Orig. in Luc. hom. IV. Öpp. III, 936.
illud quod in evangelio dicitur: Nolite contemnere unum
de minimis istis, qui in ecclesia sunt.
c. Orig. in Ezech. hom. I, 7. Opp. III, 358.
Nolite, inquit dominus, contemnere unum de minimis
istis, qui sunt in ecclesia.
d. Hom? Cleri TV^I/M^l' 24.
&eov de (poßelofrai exeIvov tijtev, ov ol ayysXoi, ol rcöv
ev tjf/.lv eXaxiorcov xiöxmv ev xä> ovgavm köxrjxaGiv
&£0)Qovvx£g xö jtQOGcojtov xov jtaxgog öiaxavxog.
e. Exe. Theod. § 23. ap. Clem. AI. p. 975.
löicog yag txaöxog yvcogi&i xov xvgiov xal ovx ofioimg
jtavxeg xo jiqoöcojcov xov xaxgbg ogmoiv ol ayyeXoi
xovxcov xojv ftixQoZv xo3v exXexxcov.
f. Clem. Al.^trom7vrr47927pT7oT"
xoZv fiixQfäv 6t xaxa xrjv yga<prjv xal iXaxioxmv xovg
ayytXovg xovg ogcävxaq xov d-söv.
g. Epiph. Haer. LXX, 7. p. 818 A.
xal avxoq o xvgioq ev xm svayysXico oxi ol ayysXot xov-
xatv ogwöi xo 3ioo6G)jiov xov Jtaxgog [IOV xov EV
ovgavcp.
h. Iren. I, 14, 2 = Hippol. Philos. VI, 42. [Marcosii.]
xal Eivai xoixovq [ioo<pag, ag o xvgiog ayyeXovg EigrpcE,
xäg öiTjVExcög ßXsstovöag xo JtgoöatJtov xov Jtaxgoq.
i. Exe. Theod. § 11. ap. Clem. AI. p. 970 = Quis div. salv. c. 31.
p. 952.
oxav ovv EiJtij 6 xvgiog' f/y xaxa<pgovrj6rjxE tvog xöiv
(iixgcöv xovxmv, dfiijv Xiya) vy.lv xoyxmv, ol ayysXoi
xo jtgoömjtov xov jtaxgog öiajtavxog ßXijtovöiv.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 18, 10. 221
k. Mt. 18, 10.
onäxe (ifj xaxa<p(JOpr}or/xe epog xcäp (iixqcop xovxojp
[Syr. Cur., Cod. D. add.: J^^ox£vovxmv ^£j§"*0' Xiym
yao vfilv, oxt ol ayyeXoi avxcöp ep o\ oapolg öiajtap-
xog ßXexovocp xo Jtgoöcoxov xov jzaxooq fiov^tov ev
ovgavolg.
I. Iren. I, 13, 3.
(c xarijQ rcöv öXcov xöv ayyeX/)V aov öuxnavxoq ßXejtei
JIQO JIQOÖCOJCOV avxov.
m. Orig. Selecta in Psalm. 23. Opp. II, 627.
fir] xazagjQOprjoqxe yäg, <p/]ölv o Gmxr'jQ, tpog xovxmv
xwp fiixowv X(ov ep xjj ixxXr/oia' äfiqv yag Xeyosj vfilv,
oxi ol ayyeXoi avxcöp öiaxavxoq ßXejtovoi xo jcqoow-
jtov xov jcaxooq fiov xov ev ovoavolq.
Dass wir in diesem Herrenspruch einen Theil der echten
Logia vor uns haben, zeigen — abgesehen von allem Anderen —
die Übersetzungsvarianten ti-ecogelv = oqölp = ßXejceip = ns*1,
öiajtavxog = diTjvexmg = "P-QP, (iixQog = eXd/ioxog = "JDJ? —
deutlich. Schwierig sind nur die aussercanonischen Zusätze zu
beurteilen: xcov exXexxwv (Exe. Theod.) = xioxcöv (Hom. Clem.j
= xcov jtiOxevovxoiv elg s/ns (Syr. Cur.) = xcöv ev xy exxXrjoia.
fiov (JEus^TOrig.). Liegt hinter diesen Zusätzen ein urevange-
lischer Rest, oder sind es nur epexegetische Zusätze aus sehr
früher Zeit? Die fiixQoi kommen noch zweimal mit ähnlichen
Zusätzen vor, nämlich Mt. 10, 42 = Mc. 9, 41 und Mt. 18, 7 =
Mc. 9, 42 = Lc. 17, 2. An letzterer Stelle bietet Clemens Rom.
und Clemens AI. xcöv exXexxcöv fiov. Mt. und Ephraem xmv
jtioxevopxcop elg efie, Cod. CoTbert. qui credunt in me, Sic.
x^v^uoxevovxcov ,^Fert. diseipulis. Dieser letzte Zusatz findet
sich bei Clemens AI. zu Mt. 10, 42 = Mc. 9, 41, wo Clemens
AI. für iva xcöv fiixotöv (Mt. 10, 42) vielmehr eva xäiv fia&tj-
xcöp xovxcop xcöp fitxocöv, ein anderes Mal einfach pa&ijxtjP
liest. Vgl. die Erläuterungen zu Lc. 17, 2. Die Zusätze reichen
bis auf Clemens Rom. zurück, ja durch die eben erwähnten
Parallelen bis in die canonischen Texte hinein und lassen, selbst
wenn sie nicht aus der hebräischen Quelle geflossen sein sollten,
was bei den starken Abweichungen wohl kaum anzunehmen ist,
222 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
keinen Zweifel daran, dass unter den fiixQol nach der ältesten
Deutung in all diesen Parallelstellen die von den Pharisäern
verachteten, aus dem geringen Stand der Zöllner und Sünder
bekehrten Jünger Jesu gemeint waren, dass also der Zusammen-
hang, in welchen der erste Evangelist die engverwandten Sprüche
Mt. 18, 6. 7 gebracht hat, und die daraus sich ergebende Deutung,
wonach unter den fiixgoi die Kinder zu verstehen waren (vgl.
Mt. 18, 2 — 5), dem ursprünglichen Context nicht ent-
spricht. Auch Act. 12, 15, wo der Spruch anklingt (o ayytXoq
avxov), fehlt alle Beziehung auf die Kinder, vielmehr ein Jünger
ist's, dessen Engel ihn bewahrt. In der Darstellung der valen-
tinianischen Gnosis ist das Wort ebenfalls verwendet: öicuiav-
xoq ßXf'jtovxa xö jiqoöcojiov xov jtaxgoq Iren. I, 13, 6.
Mt. 18, 14.
a. Diatessaron ed. Ciasca p. 46a.
Sic non vult Pater vester, qui in caelis est, ut pereat
unus de pusillis istis, quos post culpam vocat ad poeni-
tentiam.
b. Macar. Hom. IV, 21.
xal jiüXiv' ovx sozi &tXr/[Ja xov jtaxoöq fiov, tva djtö-
Xijxai elq xcöv fiixgcöv xovxcov xcöv eXaxioxcov.
c. Const. II, 14. p. 27, 8.
ovx eoxi deZy/ia £(hiqog&ev xov jtaxgoq, iva djtolrj-
xai elq xcöv uixQmv.
d. Mt. IS, 14. ovxcog ovx soxiv &£Xr][ia efiTiQoo&Ev xov jca-
xooq vficov xov iv ovoavotq, iva cuiöXrjxai ev xcöv
fllXQOJV xovxcov.
Auch bei diesem Logion wird es durch die aussercanonische
Lesart slq, welche das Diatessaron, die Constitutionen und
Macarius darbieten, bestätigt, dass die Beziehung auf die
Kinder, welche der erste Evangelist durch die Stellung des
Logion (vgl. Mt. 18, 3. 4) und durch die Variante tv (= ins,
masc. und zugleich neutr., vgl. einen ähnlichen Fall zu Lc. 18, 19,
Heft I. 135) dem Spruch gegeben hat, nicht die ursprüng-
liche gewesen ist. Auch hier sind es die Geringen von der
Welt, die der Wille Gottes erwählt hat. Vgl. 1. Cor. 1, 26 ff.
In den Zusammenhang mit dem hier aus der Quelle eingerückten
Texte und Untersuchungen zu Mt. 18, 14. 15 = Lc. 17, 3. 223
Gleichnisse Mt. 18, 12. 13 = Lc. 15, 3 — 7, an welches sich im
Urtexte die beiden anderen Gleichnisse Lc. 15, 8 — 10; 15, 11 — 32
anschlössen, gehört diese Deutung des Logion um so mehr
hinein, als nach Lc. 15, 1. 2 die Veranlassung zu jenen drei
Gleichnissen in dem Spott der Pharisäer über die aus dem Stand
der „Geringen", der Zöllner und Sünder, zu Jesu kommenden
Anhänger gegeben gewesen war. Von diesen Geringen will
Gottes Eath nicht Einen verloren gehen lassen (Mt. 18, 14); diese
Geringen soll man nicht verachten (Mt. 18, 10a); diese Geringen
soll man nicht ärgern (Mt. 18, 6 = Mt. 9, 42 = Lc 17, 2); die
Engel dieser Geringen stehen vor Gottes Angesicht (Mt. 18, 10b)
und freuen sich über deren Bekehrung (Lc. 15, 10). In diesem
urtextlichen Zusammenhang bewegt sich auch der aussercanoni-
sche Textbestandtheil des Diatessaron: quos post culpam vocat
ad poenitentiam. Für die Quellenmässigkeit dieses Textbestand-
theils sprechen folgende Parallelen: Lc. 5, 32: ovx eXijXvd-a xa-
Xioai öixalovq aXXa afiaozmXovg slg fitzdvoiav — 2.P.3, 9:
fi?) ßovXöfitvda ztvag ajioXtG&ai, aXXa jzävzag elg (lezdvoiav
Xcogt/aai — das Agraphon Just. Apol. I, 15: &tXei yag o Jtazrjg
o ovQCcviog zt)v fiezävotav zov afiagzcoXov r\ zt)v xoXaöiv
avzov — , wozu ich jetzt noch die in den Agrapha S. 252 nicht
citierte Parallele füge bei Clemens AI. Strom. II, 15, 65. p. 463:
o rrjv (leravoiav fiäXXov zov afiagzcoXov ?\ zov &avazov
aiQOv/ievoq. Endlich vgl. man noch den Ausdruck: kjcl (iszd-
voiav xagaxaXeiv Pseudo-Ign. Philad. c. 3. p. 232, 11. Die
Wendung: post culpam im Texte des Diatessaron ist jedoch
völlig original, nichts desto weniger ganz in Jesu Sinn und Geist.
Mt. 18, 15 — Lc 17, 3.
a. Didasc. VI, 18. p. 330.
zovg (lezavoovvzaq djco zfjg jtXdvijg eäze sv zy kxxXrjoia.
b. co^sTvi7iirprnvi6r~
zovg fiezavoovvzag jtgooöexs g&s , zovzo yäo ^eXrjfia zov
&£OV ev Xqlozcö.
c. Hieron. adv. Pelag. 111, 2.
Et in eodem volumine (sc. evangelio Nazaraeorum): Si pec-
caverit, inquit, frater tuus in verbo et satis tibi fecerit,
septies in die suscipe eum.
224 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
d. Lc. 17, 3.
eav a/idgxy o aöeX(p6q oov, sjcirifiTjoov avxm, xal
idv [i£Tavor)6y, dtpeg avxm.
e. Aiö. XV, 3. '
tXiyxsxe 6s alXr)Xovq firj iv doyy, dXX* ev elgr/vy, mg e%tt£
ev T(ß evayyeXim.
f. Didasc' II, 37. p. 266.
xard xrjv xov xvgiov öiöaxtjv 3ioii]Gov xal /uovov xaga-
Xaßmv eXeyßov avxov, oxmg fiexayym.
g. Const. 11,37. p. 65, 10.
xaxd xtjv xov xvq'iov öiöax^v jioItjgov xal fiovov Jtaoa-
Xaßmvxov xaxrjyoQ?]frtvxa eXeygov avxov, dxmg fiexayvm,
(itjÖEVoq ooi ovtiuca(>6vxog.
h. Mt. 18, 15.
eav öe afiaoxtfoi] o döeXtpög oov, vjzaye, eXeyf-ov av-
xov ftexagv oov xal avxov fiovov edv öov axovoy, exeg-
drjoaq xov döeX<pov oov.
i. Pistis Sophia p. 168, 28. ed. Schwartze et Petermann.
dixi vobis olim in jcagaßoXrj dicens: si tuus frater pec-
caverit in te, corripe eum inter temet ipsum eumque; si
audiverit te, lucratus fueris tuum fratrem.
k. Aphraites' HomTxiV^S. p. 253. ed. Bert.
Unser Herr lehrt: Wenn an dir dein Bruder übel thut,
so stelle ihn zur Rede zwischen dir und ihm, und wenn
er sieh bekehrt, so vergib ihm.
1. Coa. Colbert. Mt. 18, löTpTS ed. Belsheim.
Quod si peccaverit in te frater tuus, vade et corripe
illum inter te et ipsum solum: si te audierit, lucratus eris
fratrem tuum.
m. Test. XII patr. Gad c. 6.
xal eav dfidoxy xcg eig ob, eine avxm tv eiotfvfl — xal
eav OfioXoyr'jöag fiexavotfoy , aq>eg avxm.
Die Quellenkritik in Betreff des ^Abschnittes Mt. 18, 15—17
ist mit grossen Schwierigkeiten verknüpft. Darin wird man
Weiss zustimmen müssen, dass ein echtes Herrenwort aus den
Logia zu Grunde liegt. Wenn er aber (vgl. Weiss, Matthäus
S. 421) die ganze Spruchreihe, wie sie im ersten canonischen
Evangelium jetzt enthalten ist, aus der Quelle geschöpft sein
Texte und Untersuchungen zu Mt. 18, 15 = Lc. 17, 3. 225
lässt, so hat er eine Anzahl wichtiger Instanzen, die dagegen
sprechen, nicht erwogen. Vielmehr wird bei Berücksichtigung
aller einschlagenden — auch der aussercanonischen — Parallelen
das Endurtheil dahin führen, dass man die umgestaltende und
ergänzende Hand des ersten Evangelisten auch hier nicht ver-
kennen darf. Namentlich dürfte Mt. 18, 17 eine spätere Text-
gestalt repraesentieren. Die Gründe dafür sind folgende:
t. Das Schweigen des Lucas, welcher Lc. 17, 3 den Kern
der Unterweisung gibt, aber von den drei Graden der vov&aoia
keine Spur zeigt.
2. Die Beobachtung, dass in der Apostelgeschichte wie über-
haupt in den ältesten canonischen Zeugnissen über das kirchliche
Gemeindeleben, sich nirgends eine Anwendung dieser Vorschrift
von drei Graden der Kirchenzncht findet.
3. Das Verhalten des Paulus, welcher so viele Regeln für
das christliche Gemeindeleben aufstellt, auch selbst Kirchen-
zucht (vgl. 1. Cor. 5) geübt hat, aber nirgends die Kenntniss von
einem Herrenwort zeigt, wonach eine dreifache vovfteoia an-
geordnet gewesen wäre.
4. In den Pastoralbriefen treten zwar Anspielungen an die
betreffenden Worte auf. Vgl. 1. Tim. 5, 19. 20. Tit. 3, 10: cIqe-
XIXOV UV&QCDJTOV /JEXCt (IIÜV XCU 6eVXSQ<XV VOV&eOlCCV JtCCQatXOV.
Aber gerade an letzterer Stelle ist ausdrücklich nur von einer
zweifachen vov&eoia die Rede, ein dritter Grad der Kir-
chenzucht nicht vorgesehen.
5. Dasselbe gilt von der Ai6ayi\. Man vgl. Aid. XV, 3:
Erste vovfheoia. eXeyysxe 6e äXXf/Xovg fit) ev i>Qy>i . aXX* sv
slf>rjvy], mg Zxsts ev xm evayyeX'irn.
Zweite vovlitöla. xai jravrl doxnyovvxi xaxd toü tttQov tnj-
6elg XaXeixm fujös jrap' vftmv dxovsxm, t'mg
ov (texavotjoy.
Eine dritte rovftsoia ist der Ai6äyt) unbekannt. Die Berufung
auf eine evangelische Quelle (mg e^exs ev toi evayyeXim) hat
also in diesem Falle entweder das erste canonische Evan-
gelium nicht oder noch nicht in seiner jetzigen Gestalt
gemeint. Jedenfalls war der Redaktor der Ji6axV bei seinen
Kirchenzuchts -Vorschriften von Mt. IS, 17 unabhängig.
Texte u. Untersuchungen X, 2. 15
226 Aussercanouische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
6. In sprachlicher Hinsicht sind in Mt. 18, 17 mehrere Elemente
als Eigenthum des Evangelisten zu recognoscieren. Mit dem Aus-
druck eoza> ooi coöxeq 6 e&vixoq xal o re2.cov?]g steht der Re-
daktor des ersten Evangeliums völlig isoliert. (Vgl. Mt. 5. 46. 47.)
In Jesu Munde haben nach der vorcanonischen Quelle die rsXSvat
und die e&vtj keinen verächtlichen Beigeschmack, am aller-
wenigsten in dem Sinne, den doch die Worte Mt. 18, 17 haben,
als sollte man den Umgang mit Zöllnern und Heiden meiden.
Die Lesart in der Pistis Sophia: eorco vfilv oog nagaßaryg
xal coq oxavöaXov — hat viel mehr Wahrscheinlichkeit für sich.
(Siehe unten zu v. 17.) Auch mit der lxxh)Ola steht der erste
Evangelist sprachlich isoliert. In keinem canonischen Evan-
gelium, aber auch nicht in den uns erhaltenen Resten des He-
bräerevangeliums, ist dieser Ausdruck in Jesu Mund zu finden.
Dass auch Mt. 16, 18, wo noch einmal die exxXyoia erwähnt
wird, vielleicht eine spätere Textgestalt repräsentiert, haben wir
oben gesehen.
7. Aber auch dem Inhalte nach stehen diese detaillierten
Kirchenzuchts-Vorschriften, wie sie Mt. 18, 15—17 in dreifachem
Aufbau erscheinen, als ein Unicum in den Reden Jesu. Die an
sich richtige Bemerkung von Weiss, dass es sich in diesen
Sprüchen nicht um Busszucht, nicht um gesetzliche Anordnungen
über Kirchendisciplin, handle, dass vielmehr der suchenden Liebe,
die den irrenden Bruder zur Umkehr bringen will, hier der Weg
gewiesen werden solle (vgl. Weiss, Matthäus S. 418), lässt sich
nur dann aufrecht erhalten, wenn v. 17. nicht zu dem ursprüng-
lichen Text gehört hat. Denn mit v. 17 spitzt sich die ganze
Anweisung schliesslich eben doch ganz unleugbar in eine Ge-
meindedisciplin oder Kirchendisciplin zu.
Aus allen diesen inneren und äusseren Gründen ist es wahr-
scheinlich, dass der Urtext nur eine zweifache vovd-toia,
wie sie Tit. 3, 10 und diö. XV, 5 vorgeschrieben ist, enthalten
hat, eine vovfreola, welche lediglich auf der Basis eines brüder-
lichen Verhältnisses sich auferbaut. In diesem Falle konnte auch
Lucas die zweite vov&eola leichter in Wegfall kommen lassen.
Was nun zunächst v. 15 anlangt, so tritt der hebräische Ur-
text in folgenden Varianten hervor:
jUtooöexeG&cu (Const.) = xaQalafißavziv (Didasc, Const.) — sus-
cipere (Ev. Naz.) = bap
Texte und Untersuchungen zu Mt. 18, 15. 16. 227
initLftäv (Lc.) = iXeyxuv (Mt, Did., Didasc., Const) = corripere
(/Z£, Cod. Colb.) = rpsiri
ftttavoelv (Lc, Didasc, Const) — fisxayipwoxsiv (Didasc, Const.)
= sich bekehren (Aphr.) = ans oder aitti.
Der Zusatz slg oe (Cod. D., Syr. Cur., Text, rec) = in te (US,
Cod. Colb.) = an dir (Aphr.) ist wohl nicht ursprünglich , noch
weniger die Beschränkung des Hebräerevangeliums: in verbo.
(Vgl. Agrapha S. 402 f.) Dagegen dürfte in dem exsQÖtjOag xbv
äöeXrpov aov des ersten Evangelisten mit Rücksicht auf das
wiederholte xtgöaivstv 1. Cor. 9, 20 — 22 und das öcooei Jac 5,20
ein echter Rest erhalten sein. Dabei erinnert das sjtiGXQSipn und
sjciövQetpaq Jac. 5, 19. 20 lebhaft an den Aphraates-Text: „wenn
er sich bekehrt".
Dass die Aiöa-fi) einem bestimmten vorcanonischen Text folgt,
zeigt das Zusammentreffen mit den Testamentis XII patr. in
den Worten: hv elgrjvy als einem aussercanonischen Textbe-
standtheil.
Mt. 18, 16*.
a. Didasc II, 37. p. 266.
sl Öh ov xeiofrsi?/, ovo r^xQEiq ovfijcagaXaßmv tXsy$ov.
b. Const. II, 37. p. 65, 12.
sl 6h 2^^3^^k 7£VOfisvog öevxegog ?] xgixog, ovxcoq
avxrp vjiööei£.ov xo jcXimutXrjfia, vov&ex?']<jccq avxov tv
jiQc.6xr\xi xai jiaiÖeia.
c fflöxtg 2o<pia. Anger Synopsis p. 130. 131.
eav ös [iij äxovöy, nagaXaßs fiexa oov hxegov. —
d. Pistis Sophia p. 168, 31. ed. Schwartze et Petermann.
Si haud audiverit te, snme tecum alium.
e. Mt. 18, 16a.
. eäv 6e ftrj äxovöfl, jcagäXaße fiexa oeavxov txc Iva
w ovo.
f. Aphraates Hom. XIV, 28. p. 253.
Und wenn er dich nicht hören wird, so bringe einen oder
zwei.
g. Cod. Colbert Mt 18, 16a. p. 23. ed. Belsheim.
si autem te non audierit, adhibe tecum adhuc unum vel duos.
15*~
228 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
h. Aid. XV, 3.
xal Jiavxl äöxoxovvxi xaxä xov Ix£qov fit/öelq laltixm pjös
jrao* vpdöv axovixai, %coq oi iiBxavo7prj.
Auch hier sind die Spuren des hebräischen Urtextes weiter
zu verfolgen in den Varianten jisl&eo&ai = axovsiv = £)2tD, so-
wie eltyx&iv = vov&exstv = rpDin. Was nämlich xsid-eö&ai =
axovsiv anlangt, so ist zu vergleichen Gen. 3, 17: bipb rCP?ttj "^
Tino», sowie Lc. 16, 31. Das Synonymon vovftsxtlv, welches die
Constitutionen bieten, ist Tit. 3, 10: (lexä (liav xal öevxinav
vov&toiav vorausgesetzt.
Die Constitutionen und vor ihnen schon ihre Quellen-
schrift, die Didascalia, nennen ovo rj xQSlq, welche Lesart mit
dem folgenden alttestamentlichen Wort von den zwei oder drei
Zeugen besser zusammenstimmt, als die canonische Lesart %va
tj ovo Mt 18, 16a. Der txsQoq in der Pistis Sophia findet sich
bezeichnender Weise auch in der Ai6ax>\- Nach der Anweisung
der didaxr] ist mit dieser zweiten Vermahnung das Verfahren
abgeschlossen und der auch bei Zuziehung des txsQoq wider-
spenstig verbleibende ausgeschlossen, bis er noch Busse thue.
Der Ausdruck der Aiüap)\ .vavxl «gto'/ovvti berührt sich auf-
fällig mit 2. Thess. 3, 6 : JcaQayyt'XXotuev xxA., wo Paulus mit aus-
drucklicher Berufung auf ein Herrengebot die Anweisung giebt
cLto jravxoq «dtlcpov dxäxxcoq jtejuxaxovvxoq sich zurückzu-
ziehen (ottAXeod-ai). Von einer dreifachen Admonition ist aber
auch hier in keiner Weise die Rede.
Mt. 18, U\
a. Const. II, 38. p. 65, 16.
lav ovv xeiO&jj kxl 6xotuaxoq xöiv xqiöjv vficov, sv
av 8X0i.
b. Const. III, 20. p. 113, 19.
// yäo rctjv ovo [rj] xal xq\io~>v (laoxvoia ßeßatoxtQa xal
dog>aJLi]g.
c. Eus. Dem. ev. III, 5, 68.
kjtl Oxofiaxoq (f oiv ovo xal xqiojv (laoxvQWV Qvv-
iaxaxai xäv (>i}(ia.
d. EciogTproph. Clem. AI. § 13. p. 992.
näv Q^ifta toraxai ejcl ovo xal xqiojv {iagxvQOJV.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 18, 16. 229
e. Anast. Sin. Viae Dux c. 24.
vofiog &tlog naXaiög rt xal viog öiaxeXsverai, sjtl aro-
fiarog ovo xal rgicöv fiagrvgcov iöraO&ai xäv gijfta.
f. Orig. in Jerem. Hom. I, 7. Opp. III, 129.
kütl oroftart ovo rj rgicöv fiagrvgcov ara&rjöerai Jtäv
gijfta.
g. Judicium Petri (Ap. KO). c. 20. p. 117, 24. ed. Hilgenfeld.
yiygajtrar ixt rgicöv öra&rjosrai jcäv grjfia xvgiov.
h. 2. Cor. 13, 1.
hsil oroftarog ovo fiagrvgcov xal rgicöv oramfosrai
Tcav grjfia.
i. Deut. 19, 15LXX.
sxl orofiarog ovo fiagrvgcovxal sjtl oro/iatog rgicöv
fiagrvgcov ornöerai jtäv gijfia.
k. Mt. 18, 16b.
iva ssil Grdftarog ovo fiagrvgcov tj rgicöv öra&rj näv
gijfia.
1. Aphraates Hom. XIV, 28. p. 253.
damit auf eines oder zweier Zeugen Augen alle Sache be-
stehe.
Bildete die Vermahnung des Schuldigen vor zwei oder drei
Zeugen die letzte Stufe des brüderlichen Zuchtverfahrens, so
schloss sich als Bestätigung dieser Vorschrift in geeigneter Weise
das Wort aus Deut. 19, 15 an. Der hebräische Text lautet:
-m Enp? D^-nübü' ^'bf i« CH? 13«' ^'by. DieÜbersetzungen
desselben bieten nur wenige untergeordnete Varianten: ovviöra-
■r^==JWßT<cM = öra&rjoerat = ar?josrai = öra&ij = Dlp?; auch
wechselt r) und xal = IX willkürlich mit einander ab. Ganz
aussercanonisch sind die „Augen", weiche Aphraates hinzufügt.
Zu vergleichen ist noch I.Tim. 5, 19: xara jcgeoßvrtgov xartj-
yogiav fir) jtagaöixov, Ixrog el fit) IjiI ovo rj rgicöv fiagrv-
gcov. Tertullian adv. Marc. IV. 22 liest: In tribus, inquit,- te-
stibus stabit omne verbum. Diese Weglassung von ovo würde
noch besser für die trinitarische Verwendung des Logion sich
eignen, die wir finden bei Clem. AI. Eclog. § 13. p. 992: Jtäv
gijfia forarai int ovo xal rgicöv fiagrvgcov, sjtl Jiargog xal
vlov xal ayiov xvevfiarog, scp cov fiagrvgcov xal ßorj&cöv ai
ivroXal Xeyofievai <fv/.äo6Eö&ai ocpüXovOiv.
230 Aussercanonische Psiralleltexte zu ML und Mc.
Mt. 18, 17.
a. Jiö. XV, 3.
xal jcavxl aoxofovvxi xaxd xov txtoov, fi?j6elq XaXüxco
fi?]6s xan vficöv dxovexco*), tcoq ov fiexai>onoi].
b. niöriQ 2o<pla. Anger Synopsis p. 131.
eävdhxaQaxovoy Govxalexeoov, dyeavxov elqxrjv exxXij-
Giav iäv 6h xal xcov ixtocov naQaxovöy, eGxco vpiv
coq xanaßdxrjq xal coq Oxävöalov. —
c. Pistis Sophia p. 168, 32. ed. Schwartze et Petermann.
Si haud audiverit te et alium, duc eum in exxXrjGiav. Si
haud audiverit alios, esto coram vobis coq xaoaßaxrjq et coq
oxav6aXov.
d. DidSc.Tir38. p. 266.
el 6e xiq oxXrjQvvoixo, elxh xjj kxxXrjoia' edv 6h xal
xijq exxXfjöiaq jtaoaxovGyi, eGxco Goi coq o ed-vixdq xal
o xeXcovrjq.
e. ConstIl738. p. 65, 17.
edv 6e xi gxXtjqvvoixo, elxh xjj hxxXrjola' Idv 6s xal
xavxijq xaQaxovGij, eGxa ooi coq o t&vixbq xal 6 xe-
Xcovrjq.
f. Aphraates Hom. XIV, 28. p. 253.
Und wenn er nicht auf diese hören wird, so sage es der
Gemeinde; und wenn er die Gemeinde nicht hören wird,
alsdann werde er von dir wie ein Heide gehalten und wie
ein Zöllner, weü^eTdieErmahnung nicht angenommen hat.
g. MtriirrT^
edv 6h xaoaxovGij avxcöv, elxov x% exxXr\Gia' edv 6h
xal J5£&**^2£[££ jcaoaxovörj, eGxco Goi coOxeq o
ed-vixoq xal 6 xeXcövnq.
Es ist schon im Vorhergehenden nachgewiesen, dass nach
den ältesten Zeugen der dritte Grad des Verfahrens, wodurch
die brüderliche Zucht in eine Gemeindedisciplin und Kirchen-
zucht umgewandelt wird, im Urevangelium höchstwahrscheinlich
gefehlt hat. Für eine gegenteilige Annahme könnte vielleicht
Folgendes angeführt werden. Der neuentdeckte Codex Rossa-
1) Funck corrigiert: dxovso&ut.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 18, 17. 231
nensis (2J) hat zu den Worten: eav de Jiaoaxovot] anstatt xa-
gaxovotj die Lesart xaxa^>Qovi)Oei^ und diese Lesart erinnert leb-
haft an das paulinische }} rrjg exxXrjOiac, rov &eov xaracppoveire;
I. Cor. 11, 22, und diese Übereinstimmung könnte auf die Be-
nützung des Logion nach der vorcanonischen Quelle durch Paulus
schliessen lassen. Auch könnte man sagen, dass der Begriff der
ixxXrjota (hier als exxXrjOta rov &eov, aber auch sonst in den
paulinischen Briefen sowohl im Sinn der Einzelgemeinde als in
der Bedeutung der Gesamtgemeinde=Kirche, wie letzterer Begriff
namentlich im Epheserbrief ausgebildet ist) auf die Lehrunter-
weisung des Herrn selbst zurückgehen müsse. Aber wenn dem
wirklich so wäre (zwingend ist der Beweis nicht, da in der
ersten geschichtlichen Entwickelung des jungen Christenthums
die Sache von selbst und damit der Name aus dem bfij? — hx-
xXijoia des Hebräischen hinübergenommen werden musste, auch
ein bestimmtes Herrenwort in Betreff der sxxXrjoia bei Paulus
nirgends anklingt), so fehlt doch im Zusammenhang von 1. Cor.
II, 22 ff. jegliche Bezugnahme auf den Sinn und Context von
Mt. 18, 15—17. Es wird also bei der Annahme bleiben, dass die
eine dritte Stufe einführenden Worte: eine oder elnov rfj ex-
xXrjöia, wodurch die brüderliche Zurechtweisung zur Kirchen-
zucht fortgeführt werden würde, in der vorcanonischen Quelle
gefehlt haben. An Mt. 18, 16 schlössen sich daher unmittelbar
die Worte Mt. 18, 19. 20 an, welche von der IxxXrfila als solcher
nichts sagen, sondern nur auf die ovo rj rgelg in v. 16 sich zu-
rückbeziehen. Der Text von Mt. 18, 17 dürfte daher ursprüng-
lich so gelautet haben, wie er im Schlüsse des Citats aus der
Pistis Sophia enthalten ist: eav de xal rcöv etsqcov xaoaxovörj,
eorco vfiTv wq xagaßariyg xal coc oxavöaXov. Denn da oben (zu
v. 15) bereits nachgewiesen ist, dass die Worte: cooxeo 6 e&vixog
xal 6 reXaSvr\g Eigenthum des ersten Evangelisten und nicht Aus-
fluss der Logia sein dürften, so ist hier noch zu zeigen, dass der
Ausdruck, den die Pistis Sophia in ihrem Citat erhalten hat,
xaQaßärrjg xal oxavöaXov, der ursprünglichere ist. Zu Jtaga-
ßärrjg vergleiche man das echte Herrenwort aus dem Codex
Cantabr.: xagaßarqg et rov vofiov vgl. Agrapha S. 108. 189,
ebenso Jac. 2, 9. 11; Gal. 2, 18; Rom. 2, 25. 27. Zu oxavöaXov aber
haben wir ebenfalls eine schlagende Parallele aus des Herren Mund,
nämlich: oxavöaXov et tfio' Mt. 16, 23. Auch ist zu beachten,
232 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
dass dieser Ausdruck wieder in den Anfang der Unterweisung
einmündet, wie derselbe Mt. 18, 6. 7 enthalten ist, wo von der
Nothwendigkeit der öxävöaXa geredet und vor dem oxavdaXiC,Ecv
der [iixQoi gewarnt wird. Es ist daher ausser Zweifel, dass der
Schluss des Citates aus der Pistis Sophia eine werthvolle lle-
miniscenz an den Urtext enthält. Mit diesem Ausdruck der
Pistis Sophia ist wesentlich dasselbe gesagt, wie mit dem
eoxco ooi wöjct(> o i&vixog xal o xsXmvrjg, nur dass der letztere
Ausdruck einen jadenchristlichen, bezw. jüdischen Beigeschmack
hat, der zwar dem ganzen Charakter des ersten canonischen
Evangeliums entspricht, aber den urevangelischen Herrenreden
nicht congenial ist. Die Sache selbst, nämlich die Entziehung
brüderlicher Gemeinschaft bis zur erfolgten Busse, hat auch die
Aiöax') und ebenso Paulus mit seinem oxeXXEO&at (2. Thess.
3, 6) und dem wiederholt auftretenden ovvavafiiyvvo&ai (1. Cor.
5, 9. 11; 2. Thess. 3, 14), wie auch das ^apa^flöfm (fit 3, 10)
hierher gehört.
Mt. 18, 19.
a. lgn. ad Eph. V, 2. p. 8, 17.
tl yao tvog xal öevxeqov xqoosv//) xooavxyv loyvv tyei,
xoo<p (iäXXov r) re xov ijtioxojtov xal jcdörjg xijg ix-
xXqoiag.
b. Pseudo-Epiph. Hom. 111. Eig xi)v xov XqlGxov dvaoxaöiv.
p. 281 A. (Vol. IV. Pars. II. p. 35 ed. Dindorf.)
axovöa)HEV Xqloxov Xiyovxog oxt iav ovo ?} XQElg ovfi-
(pcov^öovoiv üg svxrjv* Jtsnl Jtavxog alxrjfiaxoc ?} ai-
xtfoovxai, yevt'/osxai avxolg.
c. Anast. Sin. Quaest. 109.
iav ovo 7) xQelg kg ij[ioZv ovfMpmvrjömöi xeqI Jtavxog
alxrjuaxog ov iav alxrjocovxai, yevTJoexai avxolg.
d. MtTl8, 19.
jtaXiv [a(ii)v add. Syr. Cur.] Xiyco vfilv oxi iav ovo övfi-
rpo)v?JGa)6cv f| v/icöv ijtl xtjg yijg jteol [jtavxog Jioay-
(laxog om. Syr. Cur.] ov iav alzSjümvTai, ysvtjoexat
avxolg naoä xov xaxoog fiov xov iv ovgavolg.
Da Mt. 18, 18 in einen anderen Zusammenhang der Logia
gehört haben wird (vgl. oben zu Mt. 16, 19), so schloss sich un-
Texte und Untersuchungen zu Mt. 18, 19. 20. 233
mittelbar und sachgemäss an die brüderliche Zurechtweisung
vor zwei oder drei Zeugen v. 16. 17 das Logion Mt. 18, 19 an.
So lange ich dieses Wort lediglich nach seiner canonischen
Textgestalt kannte und betrachtete, war ich mit Rücksieht auf
den in keiner Version des Urevangeliums und in keinem cano-
mschen Herrenworte sonst vorkommenden Ausdruck jiQÖmia =
res geneigt, diesen Spruch nicht auf die vorcanonische Quelle
zurückzuführen. Aber die mir später bekannt gewordenen
aussercanonischen Paralleltexte aus Pseudo-Epiphanius und
Anastasius Sinaita haben mir jeden Zweifel darüber be-
nommen, dass diesem Logion ein hebräischer Urtext zu Grunde
liegt. Denn für das bedenkliche jcQayftazoq haben die beiden
genannten Schriftsteller unabhängig voneinander, der eine evx^
der andere aizima, welche beiden synonymen Varianten, zu
denen sich bei Ignatius noch stQOOevxf) gesellt, auf nbSTp (vgl.
LXX zu 1. Sam. I, 17. 27. Esth~X 7. Ps. 106, 15) zurückgehen.
Auch der in beiden Citaten vorhandene Zusatz rj ZQelq scheint
mir mit Rücksicht auf die ovo ?/ zoetq in Mt. 18, 16 ursprüng-
lich zu sein.
Mt. 18, 20.
a. Pseudo-lgn. ad Eph. V. p. 274, 34.
ei yctQ evbq xal öevzeQov JCQoGevxi) zoöavzijv loxvv exei,
cöoze zov Xqiözov ev avzolq eozävai, ocooco ftäXXov rj ze
zov EJtioxoJtov xal jiäorjq zijq exxXijoiaq jtQOOevxi,-
b. Ephraem Syr. Ev. concord. expos. ed. Mösinger. c. 14. p. 165.
Christus . . est dicens: Ubi unus est, ibi et ego sum. . . .
Et ubi duo sunt, ibi et ego ero .... Et quando tres
sumus, quasi in ecclesiam coimus.
c. Const. VIII, 33. p. 27 1,1 1.
OJtov yctQ av cboi, cprfölv 6 xvQioq, ovo i] zgslq Ovv?jy(ie-
voi Iv zw ovo/iazi fiov, kxsl elfil ev fieöcp avzcov.
d. Cod. Cantabr. Mt. 18~ 20.
ovx elalv yctQ ovo i\ zoeZq ovvtjyfievoi elq zo ifibv
övofia, Jta(S oiq ovx elfil iv fieoco avzcov.
e. Clem. AI. Strom. HI, 10, 68. p. 541.
ziveq de ol ovo xal zQetq vjcoqxovoiv ev ovofiazi Xqcözov
ovvayofievoi, jrap* olq fiiooq koxlv o xvQioq;
234 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
f. Cod. Sangerman. (g1.) ad Mt. 18, 20.
non enira sunt congregati in nomine meo, inter quos
sgo non sum.
g. Caelestinus. Acta oecum. tert. Synodi Ephesi habitae p. 192, 16.
ed. Sylburg.
bxi örj kv evayyeXlcp xoiavxrj eyxeixai <patvtj, ojcov ovo t)
xgelg elol ovvrjyfievoi kxl xw kfi<Z ovbfiaxi, kxel elfil
kv fiioca avxmv.
h. Ephraem Syr. Opp. 1. 299 F = II, 89 A = I, 90 B.
avxbg yag elgrpcev oxov elol ovo r\ xgelg ovvrjyfievoi
elg xb kfibv bvofia, exet elfil kv fidoco avxcäv.
i. Mt. 18, 20.
ov yag eioiv ovo r\ xgelg ovvnyjiivoi elg xb kfibv ovo-
fia, kxel elfil kv fiiocp avxmv.
In v. 20 kehren, und zwar auch nach dem canonischen Text, die
ovo tj xgelg wieder, welche sich durch v. 16. 17. 19 durchziehen.
DieVarianten kv xa> ovbfiaxi fiov—elg xb kfibv bvofia=kjtl xm kfiqZ
ovbfiaxi = "»TDTÜ'3 finden sich Mt. 28, 19 und öfter wieder. Ferner
ovvqyfievoi cboi — ovvayöfievoi (= Ovvax&kvxeg 1. Cor. 5, 4) =
?,bnj?">, ebenso ftioog == Tv fitom avtcöv = DDifÖ weisen auf den
hebräischen Urtext zurück. Dass auch Paulus dieses Logion,
und zwar in Verbindung mit apostolischer Zuchtübung, gekannt
hat, zeigen seine Worte 1. Cor. 5, 4: kv xm ovbfiaxi xox xvglov
'Jtjoov Gvvax&evxeov deutlich. Dabei entsteht ditTVermuthung,
dass die pauhnischen Worte: nagaöovvai xbv xoiovxov x<5 oa-
xavet elg oXe&gov, wenn man die enge Verbindung von Oa-
xava und Oxävöalov Mt. 16, 23 in Erwägung zieht, auch
1. Cor. 5, 5 in Anlehnung an das Herrenwort eOxco vfilv cog
oxdvöaXov geschrieben sein könnten. Das ovvax&evxatv (die
Form owax&tvx&g in Bezug auf den Gottesdienst findet sich
auch in der diöayrf. xaxa xvoiaxijv de xvglov ovvax&evxeq
xXaoaxe agxov) = ovvrjyfievot elol deutet Ephraem mit der
Umschreibung „in ecclesiam coimus". Ob das andere von ihm
als Herren wort eingeführte Dictum: Ubi unus est, ibi et ego
sum — hierher gehört, ist zu erwägen. Dafür spricht die
Ignatiu 3 -Parallele: et yag tvbg xal öevxigov jigooevxt] xxX.
Vgl. Agrapha S. 295.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 18, 20. 19, 3. 7 = Mc. 10. 2—4. 235
Mt. 19, 3. 7 = Mc. 10, 2-4.
a. Clem. AI. Strom. III, 6, 47. p. 532.
zi de koztv ojieq 6 xvgiog elxev xgog zovg jcegl zov djco-
otaoiov jtvv&avofievovg, el egsoziv dstoXvaai yvvaixa
Mcovaemg emzgetyavzog.
b. Epiph. Haer. LXVI, 56rp7668 AB.
eXeyxei °*e zovzov . . . xal avzog o xvgiog iv zco tvayyeXlco,
oze ol ipagioaioi jcqoc avzov Ecprjoav ozi ov xaXov elvai
zov avd-gojstov fiovatzazov, xal' Mavor/g ejjte Öiöovai
ßißXiov djcoozaoiov xal exßdXXeiv zi)v yvvaixa.
e. Mt. 19, 3. 7.
xal jtQoörjX&ov avzrp ol ipagiGaloi JieigdC,ovzeg avzov xal
Xeyovzeg' ei. egeöziv djtoXvöai ztjv yvvaixa avzov xaza
jtäoav aiziav; v. 7. Xtyovoiv avzco' z'i ovv Meovöyg eve^
zeiXazo öovvat ßißXiov dxoözaoiov xal dxoXvoai;
d. McTlöTJ^iT
xal jtgooeX&ovzeg ol ^agiöaioi exrjgmzwv avzov' el tgeöziv
dvögl yvvaixa djcoXvaai, JieigäC,ovzeg avzov. o öe dxo-
xgifhelg eljiev avzoig' z'i vfilv evezeiXazo Movörjg; ol de
ebtav ejtezoetyev Mcovorjg ßißXiov ajioozaolov ygdxpai
xal anoXvoai.
e. Ptolem. EpTad Flor. ap. Epiph. Haer. XXXIII, 4. p. 217 D.
öiaXeyofievog xov 6 oa>zr)g Jtgög zovg xegl zov ajioozaolov
ovC,rjzovvzag avzco, p 6?} djtoozdoiov e^elvai vevotuo&ezr)zo.
f. Ephraem Syr. Ev. concord. expos. ed. Mösinger p. 162.
Venerunt et accesserunt, ut eum interrogarent: licetne
alicui dimittere uxorem suam? Respondit eis et dixit:
non licet. Dieunt ei: Moyses pertnisit nobis; cur ergo
non licet?
Für die Perikope von der Ehescheidung Mt. 19, 2 — 9 = Mc
10, 2 — 12 lässt Weiss den nach seiner Meinung lediglich aus pe-
trinischen Erinnerungen geflossenen Bericht des Marcus die letzte
Quelle sein. Nur für Mt. 19, 9 = Mc. 10, 11. 12 — Lc. 16, 18 =
Mt. 5, 23 statuiert er die Abstammung aus dem Urevangelium.
Meine Überzeugung geht dahin, dass nicht nur die Schluss-
gnome, sondern das ganze Gespräch aus den Logia stammt und
236 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
dass Lc. 16, 18 als Rest der urevangelischen Perikope auch den
ursprünglichen Standort ei'kennen lässt, wo der originale Con-
text zu suchen war. Für diese Auffassung spricht die organische
Zusammengehörigkeit des Ganzen, ferner die Gewohnheit des
Lucas zu kürzen und von längeren Gesprächen öfters nur die
Spitzen wiederzugeben, sodann der gute synoptische Charakter
des Dialogs und endlich das Vorhandensein zahlreicher ausser-
canonischer Varianten nicht blos Mt. 19, 9 = Mc. 10, 11. 12 =
Lc. 16, 18 = Mt. 5, 32, sondern auch für das vorausgegangene
gesammte Gespräch. Namentlich scheint mir in der von
Ephraem erhaltenen Relation ein vollerer Urtext vorzuliegen,
welcher den Eingang des Gesprächs in seiner Ursprünglichkeit
und Lebendigkeit besser erkennen lässt, als die canonische Dar-
stellung der beiden ersten Evangelien, während der aus Gen. 2, 18
(LXX: ov xaXov Eivai xbv av&Qonov fiövov) entnommene Zu-
satz: ort ov xalbv eivai xbv av&Qoanov novmxaxov , welchen
Epiphanius in dem Capitel über den Manichäismus als Be-
standtheil der dort gegebenen Relation mittheilt, den Context
stört und deshalb nicht als ursprünglich zu erachten ist. Da-
gegen repraesentiert der in dieser Relation enthaltene Ausdruck:
ixßaXletv xtjv yvvalxa, dem wir auch im Kindheitsevangelium
(vgl. die Erläuterungen zn Mt. 1, 19) als Übersetzungs Variante
von ntr'sn~nx nit? neben dem canonischen anoXvoai xtjv yv-
valxa begegnen, ein werthvolles Indicium für das Vorhanden-
gewesensein einer hebräischen Quelle als Grundlage unserer Pe-
rikope. Dabei ist aber in Mt. 19, 3 der Zusatz: xaxa näoav ai-
xiav (= Vulg. quacumque ex caussa) als dem Sprachgebrauch
des ersten Evangelisten angehörig (vgl. die Erläuterung zu Mt.
19, 10) von dem Quellentexte auszuscheiden, wie er denn auch
in den aussercanonischen Parallelen zu Mt. 19, 3 sich nirgends
findet.
Mt. 19, 8". 4 = Mc. 10, 6.
a. Cod. Cantabr. Mt. 19, 18b. Mc. 10, 6.
an ctQXV* d*s °^x sytvexo ovxcog' — anb 6h agxfjc agösv
xal ti-rjXv knoirjaev 6 &s6g xal einer.
b. Hom. Clem. 111, 54. p. bl^Tb.
an aQXVQ 7^0 ovxwq ovx lyivexo' 6 yäg xxtoac an
aQXVQ *ov av&Qconov agoev xal &rjXv enoitjoev avxov.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 19, 8. 4 = Mc. 10, 6. 237
c. Mc. 10, 6.
äjtb ös ccqxtJQ xxiöscoq- agosv xal d-ijXv sjtöiqosv
avxovq.
d. Epiph. Haer. LXVI, 56. p. 668 B.
an dgx?]q ös ov ysyovsv ovxcoq, aXX o jrott]Oaq agosv
xal d-ijXv sjtohjösv xal sijcsv.
e. Mt. 19, 8b. 4.
an' aQziJQ ös ov ysyovsv ovxojq' ovx avsyvons oxc <
jtoirjoaq ax dgxfjq agosv xal O-rjXv S3toh]0sv [avxovq
Syr. Cur. om.] xal slnsv.
f. Athenag. Leg. 33. p. 44 ed. Schwartz.
oxi sv oQxfj o &soq sva avöga sjcXaOsv xal fiiav ywalxa.
Aus der Vergleichung der aussercanonischen Parallelen er-
sieht man, dass der erste Evangelist den Urtext vollständiger
erhalten, aber auch die Trennung der beiden Textbestandtheile
vollzogen hat, die Mc. 10, 6 als Einheit erscheinen, dass dagegen
Marcus den bei ihm einheitlich erhaltenen Text gekürzt und
zusammengezogen hat. Der Urtext lautete:
dx ccgx^q ovrcog ov yiyovsv = lyivsxo (Hom. Clem.,
Cod. Cant.)
[aXX*] 6 Jtoirjoaq = xxioaq (Hom. Clem.) xov dvd-goonov
agosv xal d-rjXv sJtoirjOsv avxov.
Bei Wiederherstellung dieses Urtextes, wie ihn die Vergleichung
der clementinischen Homilien, des Epiphanius und des Cod.
D an die Hand giebt, schwinden alle Schwierigkeiten des Textes,
und man erkennt ysyovsv (Mt., Epiph.) = iytvsxo (Cod. D, Hom.
Clem.) = fin"1!"}, sowie^oT^öa«; (Mt., Epiph.^xtTöac (Hom. Clem.)
= ntT«? unschwer als Übersetzungsvarianten, xxiösooq aber Mc.
10, 6 als Rest der Lesart 6 xxioaq bei der durch Marcus vor-
genommenen Textkürzung. Athenagoras hat noch die Va-
rianten iv doxij (= djt dox^q = Dbi2?ft), sjiXaös (= sjtoirjOs —
Sn2), avöoa ( agosv = IDT), ywalxa (= d-rjXv = !"Dp3), ab-
weichend von dem mit der Septuaginta-Übersetzung von Gen.
1,27 übereinstimmenden neutestamentlich- canonischen Text. —
Mars hall (Expositor 1891. November p. 380 f.) will die Ver-
schiedenheiten zwischen dem Matthäus- und Marcustext folgender-
massen lösen:
238 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Mt. 19, 4. 6 Jtoifjoaq an dg%7Jq = «IST j6l* yo
Mc. 10, 6. djco de dgxfjq xrioeooq = «"nm *6l« ftt.
Mt. 19, 5*. 6* = Mc. 10, 8.
a. Clem. AI. Strom. III, 6, 47. p. 532.
vfielg de ovx dveyvmre. ort rc} Jiga>rojiXdorca o deog einer''
eoeo&e ol ovo eiq odgxa fiiav;
b. GenX24b. LXX.
xal eoovrai ol ovo eiq odgxa fiiav.
c. Epiph. HaerTLXVI, 56.. p. 668 B.
xal eoovrai ol ovo sie, odgxa fiiav.
d. Mc. 10, 8~
xal eoovrai ol ovo eiq odgxa fiiav, wäre ovxeri
elolv ovo aXXd fiia odgg.
e. Mt. 19, 5b. 6».
xal eoovrai ol ovo eiq oagxa (liav, a>öre ovxe'ri
elolv ovo aXXd odg§ ftia.
Ebenso wie in dem vorhergegangenen Satztheile sind hier
Übersetzungsvarianten zu dem hebräischen Quellentexte: 1*>!Ti
ins "NDHb kaum möglich. Der Zusatz': ooore ovxin elolv ovo
aXXä ftia odg$, — dürfte eine Zugabe des Mc. und vom zweiten
in das erste Evangelium übergegangen sein. Auf völlig freier
Citation beruht das — auf beiden Seiten von anderen Evange-
lienworten unseres Abschnittes umgebene — Citat des Clemens
AI. mit den Jesu in den Mund gelegten Worten: vfielq de ovx
dveyvmre xrX. (vgl. ovx dviyvcare Mt. 19, 4) und der Anrede
eoeo&e.
Mt. 19, 5* = Mc. 10, 7.
a. Gen. 2, 24a. LXX.
evexev, rovrov xaraXeiipei av&gmscoq xov jearega
avrov xal ri/v firjrega, xal jcgoöxoXXrjd-rj o erat xgoq
ri]v yvvalxa avrov.
b. Cod. Cantabr. Mc. 10, 7.
evexev rovrov xaraXeiipei dvfrgmjzoq rbv Jtarega
xal rt]v firjrega tavrov xal jtgooxc X Xiy fr r'j Gerat ütgoq
rtjv yvvalxa avrov.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 19, 5. 6 = Mc. 10, 8. 7. 9. 239
c. Eph. 5, 31.
dvxl xoixov xazaXelipsi dv&QOJjtoq xov xaxiga xal
xrjv (ii)XEQa, xal jiQooxoZlrj&TjOErai t# yvvaixl.
d. Epiph. Haer. XXXIII, 9. p. 225 B.
Elxd cprjöiv dvxl xovxov xaxalsityei avftoojjtoq xov
jiaxdoa avxov xal x?)v (irjzEoa avxov xal xoXXrj-
&qösxai xi] yvvacxl avxov.
e. Epiph. Haer. LXVI, 56. p. 668 B.
dvxl xovxov xaxaXEiipEi dvd omxoq xov jtaxiga av-
xov xal xtjv (iTjxtQa avxov xal xoXXij&rfösxai xf]
yvvaixl avxov.
f. Mt, 19, 5a.
tvsxa xovxov xaxaXeitysi av&oatjioq xov jtaxiga xal
xi]v (it]Xboa xal xoXXrj&t osxai x% yvvaixl avxov.
g. Mc. 10, 7.
e'xexev xovxov xaxaXsiipEi av&gwjtoq xov Jtaxiga
avxov xal xrjv fitjxiga avxov.
Der alttestamentliche Text von Gen. 2, 24: »,'»-nr^ 13-5?
"iflttJSO pD/tt iTE»-riN'; ^n»-DK ist in den neutestamentlichen Pa-
rallelen wesentlich nach der Übersetzung derLXX wiedergegeben
Die vorhandenen Übersetzungsvarianten: %vexev xovxov — dvxl
xovxov = 13"b?, ferner ^Qoq^x^v^ yvvalxa^ avxoi = xfj yvvaixl
avxov = irupsa — sind untergeordneter Art.
Mt, 19, 6b = Mc. 10, 9.
a. Clem. AI. Strom. III, 6, 46. p. 532.
firj jtstgäö&ai öiaXvEiv o övviC.svt-Ev o &eoq.
b. Clem. AI. Strom.Tn7l2T83. p. 549.
ov ydg dv 6 övviC.Evgsv 6 d-soq, ötaXvOEiiv jioxe dv-
&QG)JlOq.
c. Cod. Cantabr. Mt. 19, 6b.
o ovv 6 &Eoq OvveCev^ev Elq iv, av&gatjtoq (tr} djto-
X<oqiC,exod.
d. EpipLÜaer. LXVI, 56. p. 668 B.
xal Ev&vq EJtt(peQEi Xiywv eI ovv o &Eoq övviC,EV§EV.
dv&QQ)jioq (tri xconiCtxo).
240 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
e. Const. VI, 14. p. 174, 10.
(pdoxei yäo xal o xvyioq oxi a o fteoq ovviCt vgev. av-
&Qmjioq ku?) x^QtCsra).
f. Clera. AI. Strom. III, 6, 49. p. 533.
avxoq de ovxoq 6 xvgioq Xiysi' o 6 &s6q ovvsCtvssv,
av&na)jtoq (irj x<^QiC,ixa).
g. Epiph. Haer. XXXIII, 4. p. 218. Ptolem. ep. ad Flor.
&eoq ydp, <prjoi, GvveCsvZs xavxrjv xijv övCvyiav, xal 6
övve^Evgev oxvgivq. dvd-Qoxoq, \<pr\^ ft/j ^coptCfTö?.
h. Mc. 10, 9.
o ovv o 0-eoq 6vvtC,evsev, av&gcojioq fiy xoiqiCitco.
i. Mt. 19, 6b.
o ovv 6 &toq ovve'C,sv§sv, apfroa)xoq fit) xeopt^iTco.
Hier tritt nun der die Scheidung erleichternden mosaischen
Gesetzgebung das neutestamentliche Herrengebot gegenüber, so
dass die Antithese, ähnlich wie in der Bergpredigt, hätte lauten
können: Mmvoi/q /ihv enexoeipsv cbtoXvoai xtjv yvvalxa' syoj
de Xtyca vfilv xxX. Als auf ein neutestamentliches Herrengebot
beruft sich auch Paulus auf unser Logion 1. Cor. 7, 10: xolq 61
yeyafiTjxoöiv jiayayyeXXm, ovx sy<6 dXX' 6 xvQioq, yvvalxa axo
dvöobq fi/} x°>Qio&ijvai — zugleich ein Beweis, dass der Apostel
den ganzen Abschnitt in seiner Evangelienquelle las. Denn
das Stichwort xconi^siv findet sich in dem Logion Mt. 19, 9 =
Mc. 10, 11. 12 = Lc. 16, 18 = Mt. 5, 32, welches Logion einzig
und allein nach Weiss aus der vorcanonischen Quelle stammen
soll, nicht vor. Also bezieht sich Paulus auf Mt. 19. 6^ — Mc
10, 9, indem er für das vorauszusetzende Quellenwort THS?7 mit
Mc. und Mt. dieselbe Übersetzung ymoitsiv verwendet, wofür
sich im Cod. D axoxcool&iv, bei Clemens AI. öiaXveiv findet.
Die Varianten d und o gehen wie so oft auf das hebräische
-HDS zurück. Der Zusatz des Ptolemäus in der Epistola ad
Floram: &eoq ovveCsv^s xavxtjv x?)v övCvyiav ist selbstverständ-
lich als eine aus haeretischer Tendenz entstandene Umgestaltung
des Textes zu erkennen.
Text« und Untersuchungen zu Mt 19, 6. 8 = Mc. 10, 9. 5. 241
Mt. 19, 8» = Mc. 10, 5.
a. Mc. 10, 5.
6 de 'irjöovg dx&v avxolg' ngog xrjv GxXTjQoxaoÖiav
Vficöv IfQcapsv vfilv tw kvxoXrjv xavxrjv.
b. Clem. AI. Strom. III, 6, 47. p. 532.
JiQog xrjv GxXr}Qoxao6iav v/iZv, g>t)oip, o Aloiofjc
xavxa eyoatyev.
c Epiph? Haer! XXXIII, 9. p. 224 D.
g)äoxsi yao o xvoiog Iv x<p evayyeXiq? oxi Moovoije trocctpt
xaxa xfjv 6xXi]QOxagdiav vfimv.
d. Epiph. Haer. LXVI, 56. p. 668 B.
xal o xvQtoq JtQog xovg qxxotoaiovg xov hXtyyov inupt-
qcov eXeye Mcovoijc, xaxa xrjv öxXqooxandiav v/icöv
syQatyGV.
e. Honi. Clem. III, 54. p. 51, 13.
jcXijv xaXiftrj xov vofiov siöotg Saööovxaioig xvv&avo-
fjt'poic, xa&' ov Xoyov Mwvofjg zjtxa owexojgrjoev yaftstv,
ttprj' Ma>vöi}gxazäzi}v oxXrjQoxaQÖiavvfjmv ^jtixQSipsv
VfllV.
f. Epiph. Haer. XXXIII, 4. p. 217 D. Ptolem. ep. ad Flor.
£<pt] avxolg ort Mcovör/g xobg x^v axXrjQoxaQÖiar
vfimv ijrt'TQeipe xo ajioXvuv xi)v yvvalxa avxov.
g. Mt. 19, 8»T~
Xt'yci avxolg' oxi Movarjg jcoog xrjv oxXrjQoxaoölav
vficöv hoiEXQEtysv vfilv djtoXvoai xag ywalxag vfiwv.
h. Ephraem Syr. Ev. concord. expos. ed. Mösinger p. 162.
Moyses, ait, propter duritiam cordis vestri permisit
vobis, sed ab initio creationis hoc non fuit.
Auf eine aussercanonische Quelle weisen im Weiteren die
clementinischen Homilien hin, wenn sie das Gespräch über
die Ehescheidung (Hom. III, 54) in engste Verbindung setzen
mit der Streitrede, welche die Sadducäer angeregt hatten durch
das Beispiel von dem Weibe, welches nach einander von sieben
Brüdern geehelicht ward. Es ist in der That nicht unwahr-
scheinlich, dass der betreffende Abschnitt (Mc. 12, 18—27 = Mt
22. 23—33 = Lc. 20, 27—40), welcher (trotz Weiss) sicherlich
aus den Logia stammt, erst durch Marcus umgeschaltet
Texte u. Untersuchungen X, 2. 16
242 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
und in den letzten Aufenthalt Jesu zu Jerusalem verlegt und
nach diesem Vorgang des Marcus auch von den beiden anderen
Evangelisten in diesem nicht ursprünglichen Zusammenhang
wiedergegeben worden ist, während der ursprüngliche Standort
durch Lc. 16, 18 markiert sein könnte, wo in der Frage nach
der Ehescheidung und durch das Gleichniss von dem reichen
Mann und seinen fünf Brüdern, sowie überhaupt in den Er-
läuteiungen über die Giltigkeit von Gesetz und Propheten ver-
wandte Stoffe zu finden sind. Man vgl. die Erläuterungen zu
Mt. 5, 17. Einem Anklang an unsere Stelle begegnen wir noch
bei Justin Dial. c Tryph. c. 46. p. 265 AB: öia xo öxXrjoo-
xdoöiov xov Xaov vfi<av ndvxa xa xoiavxa evxäXfiaxa voslxe
xov &eov öiä Mcovöitoq kvxuXdfisvov v/Jlv.
Mt. 19, 9» — Mc. 10, 11 — Lc. 16, 18» = Mc. 5, 32».
a. Clem. AI. Strom. II, 23, 144. p. 506.
t) YQcupi} — vo(io&txsr ovx djioXvoscg yvvalxa xXrjv
et fit) Ijtt Xoyco noovsiag.
b. Mt. 5," 32».
xag o djtoXvcov [Syr. Cur., Cod. Cantabr. oe av djzoXvorjl
rrjv yvvalxa avxov xaosxxog Xoyov xooveiaq, jcoul
c. Theophil, ad Autol. III, 13.
xäi oq dxoXvei yvvalxa xaQsxxog Xoyov xoQVsiaq,
jcoul avx))v (loixw&TJvat.
d. Clem. AI. Strom. III, 6, 47. p. 532.
o)Gxs 6 äjtoXvov xtjv yvvalxa xmolg Xoyov jtonvziag
xoieI avxrjv ftotX£vd-^vai..
e. Mt. 19, 9*.
öc av djcoXvot] xfjv yvvalxa avxov [irj Im jtoovsia
xa\ ya[/?]6% aXXrjv, fioixäxai.
f. Diatessaron ed. Ciasca p. 46*.
quicunque dimiserit uxorem suam, sine fornicatione,
et aliam duxerit, exponit eam adulterio.
g. Athenag. Legat. 33. p. 44 ed. Schwartz.
og yag av djcoXvOr], (prjoi, xr/v yvvalxa avxov xal ya-
(it'jOfj aXXtjv, (lot.xäxai.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 19, 9. 243
h. Mc. 10, 11.
oq av dxoXvOq xrjv yvvalxa avxov xal ya/i^o?t] aXXrjv,
yLOLXÖLTai kx avtrjv.
i Herrn, Mand. IV, 1, 6. p. 78, 10.
kav 6h djtoXvoaq xqv yvvalxa exe'qov yafitjöt], xal av-
xoq poiyaxai..
k. Clera. AI. Strom. II, 23, 145. p. 506.
kav yaQ xiq djtoXvoq yvvalxa, fiotxäxai avxrjv.
1. LcTl6, 18».
näq o ajtoXvov xtjv yvvalxa avxov xal yaficov Exsoav
ftoix&vei.
Hier liegt wieder einmal das Zwei-Quellen- Verhältniss für
das erste Evangelium offen zu Tage; denn der Text zu Mt. 5, 32
= Lc. 16, 18 ist, wie von Lucas, so von dem ersten Evangelisten
direkt aus den Logia entnommen; dagegen stammt Mt. 1.9, 9
direkt aus Mc. 10, 11, indirekt freilich auch aus der letzten
Evangelienqaelle, den Logia. Die Übersetzungsverschiedenheiten
in der Construktion: jcaq o cmoXvtov = oq av äjtoXvo% = ~b3
nishsn (erstere Version hebraisierend, letztere gracisierend) ist
bereits oben zu Mt. 5, 22 erläutert worden. Übersetzungs-
varianten sind ferner jtXfjV ti firj kxl Xoyco — xaQExxoq Xoyov =
'/cogiq Xoyov == firj im = "liaT'Sy *l$iki ebenso aXXrjv — exeqov,
in welcKer letzteren^* ariante auf bemerkenswerthe Weise Her-
mas mit Lucas übereinstimmt. Aber auch uolxevei = fiotxäxai
= jtoul [ioiyEv9-T]vai sind jedenfalls verschiedene Ausflüsse des-
selben Urtextes.
Mt. 19, 9* — Mc. 10, 12 = Lc. 16, 18b = Mt. 5, 32b.
a. Clem. AI. Strom. II, 23, 145. p. 506.
o 6e anoXEXvfiivriv Xa(/ßava>v yvvalxa fiotxäxai, ptjöiv.
b. Cod. Ephraemi (C) Mt. 19, 9*.
xal o djtoXsXvutvtjV yajirjöaq fiotxäxai.
c. Mt. 5, 32b.
xal oq kav ajtoXEXvfiEVtjv yafii'iöy, fiotxäxai.
d. Just. ApoTl, 15. p. 62 A.
xal oqyafiEldxoXeXvftEVi/v d <p exeqov dvöoo q, fiotxäxai.
10*
244 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
e. Theopml ad Autol. DJ, 13.
xal oYafimv^rjoiv^äjtoZelviibvyi' dsto dvögbg fioixevei.
f. Lc. 16, 18b.
xal 6 dxoXeXv(isvi]v dsto dvdgog yafimv /loiyevei.
g. Diatessaron ed. Ciasca p. 46a.
et qui dimissam duxerit, moechatur.
h. Mt. 19, 9b.
xal 6 djtolEXvfiivijv yafirjoag (joixcctai.
i. Cod. Cantabr. Mc. 10, 12. "~v
xal kav yvvrj t^eldy] djto rov jxvÖQog xal aXXov yatu7j0rj,
[ioixaxai.
k. Cod. Coloert Mc. 10, 12. p. 54. ed. Belsheini.
et mulier si reliquerit virum et alii nupserit, moechatur
super iflum.
1. CodrCantabr! Lat. Mc. 10, 12.
et si mulier exiet a viro et alium duxerit, moechatur.
m. Mo. 10, 12.
xal hdv avrf) djioXvöaoa xbv dvöga avvig ya^rjO^i aXXov,
HOiyäxai.
In dem aussercauonischen Texte des Clemens AI. 6 Xapi-
ßdvcov jyvvalxa = fiE'Bk Ü fiü'T^rrrS! njJ'jn == o yagjw liegt
dWHebräische offen zu Tage, und zwar im Unterschied von dem
Aramäischen, welches 3p3 wie das Spät-Hebräische 8tD2 in diesem
Falle gebraucht. Die gut griechische Version des hebräischen
HB» nj55, welches die übrigen Parallelen in yajieTv bieten, findet
sich in dem ganzen Sprachgebiet der LXX nicht vor. Vielmehr
übersetzen die LXX z. ß. Gen. 6,2: DTOJ Dr6 Wp*1 = eXaßov
iavxoJg yvvalxag. Die Construktion in den verschiedenen Über»
Setzungen von HEK T10T} = o Xafißdvov yvvalxa = ojmimv =
o yafirjoag = oq yaftel — og kav yafit'joj} wechselt wie öfters.
Ebenso wechselt hier fiotxao&ai mit (ioix^vbiv wie in der ersten
Hälfte des Logion. Wenn in vielen Handschriften zu Mt. 19. 9b
die zweite Hälfte fehlt, so wird wohl anzunehmen sein, dass der
Redaktor des ersten canonischen Evangeliums sie weggelassen
hat, dagegen werden die ältesten Abschreiber nach der Über-
lieferung aus dem Urevangelium sie wieder ergänzt haben. Wenn
wir mit Delitzsch rückübersetzen imö^näJl = ajioXtXvfiivtjv,
so ergibt sich mit Rücksicht auf die erste Hälfte des Logion,
Texte und Untersuchungen zu Mt. 19, 10. 11. 245
in welcher das niDT "QT"by "'P^ durch die verschiedenen grie-
chischen Versionen als ursprünglich erwiesen ist, für die zweite
Hälfte in bestimmter Weise der Sinn, dass der, welcher die um
Ehebruchs willen Geschiedene heirathet, selbst die Ehe bricht.
Die Abwandelung dieser zweiten Hälfte des Diktum, wie sie bei
Mc. vorliegt, ist sicherlich nicht die ursprüngliche Textgestalt
und von Weiss (Marcusev. S. 334) jedenfalls richtig beurtheilt.
Mt. 19, 10.
a. Clem. AI. Strom. III, 6, 50. p. 534.
$av ovrcog y /} alz La zijg yvvavx.bg, ov 6v(ig>£oei zw
dvd-QooTKO yafirjoat.
b. MtiSTioT"
el ovzmq hozlv r\ alzia zov avd-owjtov [Syr. Cur., Cod.
Cantabr.: avÖQog]^ fieza zijj^yvvaixog, ov ov[np£oei ya-
UTJoai.
c. Epiph. Haer. XXI. 5. p. 59 C.
sl ovzmg i) alzia zov dvöqoc xal zf\g yvvaixoq, ov
öVfiwtQsi ya/irjöai.
Dass wir mit Mt. 19, 10—12 ein Gebiet betreten, welches
nicht aus dem Urevangelium stammt, sondern dem ersten Evan-
gelisten eigen thümlich ist, beweist schon der Sprachgebrauch.
Denn der Latinismus alzia = caussa = res gehört nicht zu dem
Sprachgebiete der den synoptischen Evangelien zu Grunde lie-
genden alten Versionen des Urevangeliums, ist uns dagegen schon
Mt. 1 9, 3 in einem Zusatz von der Hand des ersten Evangelisten
begegnet. Hier aber handelt es sich nicht blos um einen Zu-
satz; vielmehr ist der Sinn des ganzen Satzes von alzia bestimmt
und abhängig. Folglich stammt der ganze v. 10 von der Hand
des Redaktors. Diese Thatsache aber gibt einen Fingerzeig zur
Beurtheilung auch der folgenden Verse v. 11. 12, welche auf v. 10
sich gründen.
Mt. 19, 11.
a. Epiph. Haer LXVI, 77, p. 697 C.
jiArjoovzai zo' ov jtdvzeg "^coqovoiv.
b. Epiph. Haer. XXI, 5. p. 59 D.
6 öh Jtoog avzovg l<piy ov Jtdvzeg %Q)Qovöi, zovzo.
246 Aussercanonische Paralleltexfce zu Mt. und Mc.
c. Just. Apol. I, 15. p. 62 A.
jtXfjV ov jtavxeq xovxo xcoQOVOtv.
d. Clem. AL Strom. III, i, 1. p. 509.
OV JCUVXBC XCOQOVCt xov Xoyov xovxov.
e. Clem. AL Strom. III, 6, 50. p. 534.
TOTS O XVQLOQ £(f>T]' OV 31<XVX£C XCOQOVOl TOP XbyOV XOV'
xov, dXX' oiq öeöoxai.
f. Mt. 19, 11.
o de elstev avxolg' ov jiäixeg xwqovöiv xov Xöyov
xovxov, dXX> olg öidoxcu [Syr. Cur. add.: vno d-eov).
g. Aphraates Hom. XVIII, 9. p. 297. ed. Bert.
wie unser Herr sagt: Es kann es nicht jedermann be-
greifen, sondern wem es gegeben ist.
In den griechischen Übersetzungen der Logia sind wir dem
Verbum %coQ£lv in der Bedeutung IgtQxeo&ai = &r> begegnet.
Vgl. die Paralleltexte und Erläuterungen zu Mt 15, 17b. Hier
aber tritt dasselbe Verbum in der metaphorischen Bedeutung:
capere, intelligere auf. Diesem unserm Verse steht das johan-
neische Logion Joh. 16, 12 am nächsten: exi jtoXXa %x<n Xiyeiv
vftlv, aXX' ov övvaode ßaoxaöcu anxi. Aber gleichwohl ist der
Unterschied gross, er ist in dem agxt gegeben, wodurch eine
Geheimlehre ausgeschlossen ist. Dagegen ist in Mt. 19, 11 eine
bleibende Geheinilehre angedeutet, in einer Weise, durch welche
man an die Fortpflanzung gnostischer Geheimlehren erinnert
wird, für welche es aber im ganzen Umkreis der canonischen
Evangelientradition kein weiteres Beispiel gibt. — Die Citierung
unsers Verses in einer dem canonischen Texte nahe kommenden
Form ist ein neuer Beweis dafür, dass Justin mit dem ersten
Evangelium wohl bekannt war, wenn auch der Text desselben
noch nicht allenthalben fixiert sein mochte.
Mt 19, 12.
A. Allgemein,
a. Julius Cassianus neui lyxoaxuaq y Jttol evvovxiccg ap. Clem.
AI. Strom III, 13, 91. p. 552. 553.
ei yao i)v jcaga &eov, dg öv 07cev6o(iev, t\ xoiavxr/ öia-
oxevrj [sc. i) oftiXla xov aQQtvog xccl xijg &qXeiac\, ovx av
efiaxaniöev rovc evvovyovg.
Texte und Untersuchungen zu Mi 19, 12. 247
B. Die Verschneidong um des Himmelreichs willen.
b. Tertull. de monogamia c. 3.
ipse domino spadonibus aperiente regna caelorum, ut et
ipso jspadone.
g. Pseudo-Clem. de virginitate Ep. I, 1. p. 5. ed. Beelen.
(fratribus) virginibus beatis, qui dedunt se servandae vir-
ginitatein propter regnum caelorum, et sororibus vir-
ginibus sacris (sit vobis) ea quae in Deo est pax.
d. Pseudo-Clem. de virgin. Ep. I, 2. p. 5.
Unicuique virginum (fratrum aut sororum), qui vere statue-
nmt servare virginitatem propter regnum caelorum,
necessarium est caelorum regno usquequaque dignum esse.
e. Eus. H. E. VI, 8, 2. p. 208, 8. ed. Schwegler.
xo yaQ' elolv evvovxoi olxiveq evvovxLOav savxovq
öiä tt}v ßaöiXeiav xmv ovQavwv, axXovoxegov xal
veavtxcoxegov kxXaßmv Ofiov fiev omxr/Qiov (pcovijv ajto-
jcXzjqovv olofievoq [sc. 3Q,Qiyivrjq] . . . xrjv öcoxtjqiov <p<D~
vifv SQyoiq emxeXioai coQfirj&q.
£ Epiph. Haer. XXI, 5. p. 59 D.
elol yaQ evvovyoi, olxiveq evpov%ioav savxovq öia
xrjv ßaöiXeiav xmv ovQavmv.
C. Zwei Arten von Eunuchen.
g. Clem. AI. Strom. III, 1, 1. p. 509. Basilides.
elol y<xg evvovxoi, oi fiev ex yevexr\q, ol de e| av ayxr\q.
D. Drei Arten von Eunuchen.
h. Epiphanes ap. Epiph. Haer. XXXII, 4. p. 21 ICD.
[o EmgxxvTjq] Xeycov, coq ev x<p evayyeXlq) en<pioexai xov
ocQxr/Qoq tpaoxovxoq xgelq fiev evvovyovq elvai, xov 6h
Ig av&Qamcov evvovxt^ofsevov, xal xov exyevexrjq, xal
xov 6id xTJv ßaöiXeiav xcöv ovoavmv lavxov txovoicoq
evvovx'ioavxa.
i. Epiph. Haer. XXV, 6. p. 81 A.
xo vjio xov owxiJQOq UQ7jfitvov oxi elolv evvovxoi,
oixiyeq evvovxlo&rjoav vjio xöjv äv&Qcoxwv' xal
elolv evvovxoi, oi ex yevexijq e'ytvvrjfrTjoav xal elolv
248 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
evvovxoi, otxtveg evvovxioav tavxovg öiä xrjv ßa-
oiXslav xojv ovoavojv.
k. Just. Apol. I, 15. jr. 62 A.
xar elol xiveg ol'xiveg evvovxio&tfOav vjid xojv äv-
üqojjiojv, elol öe oi eyevvi}&rjoav evvovxoi, elol öe
oi evvovxioav tavrovg öiä xijv ßaoi Xeiav xojv
ovoavojv.
1. Epiph. Haer. LVIII, 3. 4. p. 491 ABD.
elol yäo, (pijoivy evvovxoi, oi ex xotXiag firjxQÖg avxojv
hyevvrj&>]Gav -*- eiolv öe evvovxoi vjio xcöv äv-
froojjtojv evvovxtö&evxsg, <pr)ölv 6 oojx/'jq' — xal elölv
evvovxoi, ol'xiveg evvovxioav eavxovg öiä xr\v ßa-
oiXeiav xojv ovoavojv.
m. Mt. 19, 12.
elolv yäg evvoixol> ol'xiveg ex xoiXlag (trjxQog iytvvq-
&Tjöav ovxcog, xal elolv evvovxoi, oixtveg evvovxio&rj-
öav vjto xojv äv&oojnojv, xal elolv evvovxoi, ol'xiveg
evvovxioav eavxovg öiä xijv ßaoiXelav xojv ov-
govojv.
Auch mit den Ausdrücken evvovxi&iv — castrare, ev-
vovxog = BTp&do steht der erste Evangelist innerhalb der ge-
sammten Evangelienliteratur völlig isoliert, und unter allen
canonischen Lehrschriften ist es allein die judenchristlich ge-
richtete chiliastische Apokalypse, welche eine Parallele bietet.
Vgl. Apoc. 14, 4: ovxoi eloiv oi (iexä yvvaixojv ovx ifioXvvd-7jOav.
Der Apokalyptiker geht aber insofern noch über den ersten
Evangelisten hinaus, als er auch die eheliche Geschlechtsgemein-
schaft an sich als eine Befleckung (iioXvvec>&ai) bezeichnet. Doch
darin sind beide Parallelen sich gleich, dass den evvovxoi
des ersten Evangelisten und den xaa&evoi des Apokalyptikers
im Reiche Gottes eine bevorzugte und erhabene Stellung zuge-
wiesen wird. Dass auch sprachlich die Ausdrücke evvovxoi und
jcag&evoi als durchaus gleichbedeutend sich erweisen, geht aus
der pseudo-clementinischenSchrift de virginitate hervor.
Denn die virgines, welche ihre virginitas wegen des Himmel-
reichs bewahrten, sind doch, wie der Ausdruck propter regnum
coelorum bezeugt, abgeleitet von den evvovxoi Mt. 19, 12. Man
Texte und Untersuchungen zu Mt. 19, 12. 249
vgl. dazu die Bemerkung des Herausgebers Beelen (Pseudo-
Clementis epistolae binae de virginitate ed. Beelen 1856), welcher
zu dem Ausdrucke virginibus beatis = virginibus sacris bemerkt:
Graece : *xolg ftaxagioig jtccQfrevoig, xalg hgatg jiaQ&tvoig. Ni-
mirum in seriore Graecitate vox jcccQ&ivog usurpari solebat etiam
de maribus, qui caelebem vitam viverent. Cf.AetniliumPortnm ad
Suidam, sub voce "AßeX.
Aus der Äusserung des Enkratitenhauptes Julius Cassi-
anus: kfiaxaQiosv xovg svvov%ovg und der Bezeichnung virghes
beatae (= (laxagioi jtaQ&ivoi) bei Pseudo- Clemens könnte man
vermuthen, dass der Spruch Mt. 19, 12 frühzeitig schon in der
Form eines Makarismus verbreitet war. Solche apokryphische
Makarismen- Bildungen nach Art der echten Makarisinen waren
häufig. Vgl. die enkratitische Makarismen -Reihe in den Actis
Pauli et Theclae Agrapha S. 433. Und in der That mundet
diese Serie von Makarismen zuletzt als ihren Abschluss in eine
Seligpreisung der- jtaQd-tvoi aus: [taxaQia xä oolfiaxa xa>v
jtctQ&evoDv xai rä jcvevfiaxa, oxi avxol evaQeoti'jöovoi xcp
&£<p xal ovx äjtoXiöovoiv xbv ftio&ov avrcäv x^g ayveiag. Vgl.
Agrapha S. 434. Aus allen diesen ParalMen, zu welchen noch
dasCitat des Häretikers Epiphanes (h)und des Montanisten Ter-
tullian kommt (b), ersieht man, wie frühzeitig in den verschie-
denen häretischen und namentlich enkratitischen Richtungen das
Wort Mt. 19, 12 ausgenutzt worden ist. Dass es aber nicht,
wie Mt. 16, 18, erst später in den Text des ersten Evangeliums
eingedrungen ist, sondern von der Hand des ersten Evangelisten
selbst herrührt, dafür spricht ausser der sprachlichen Analyse
(s. oben) namentlich auch das Citat bei Justin, welches mit
dem canonischen Texte in einer Weise zusammentrifft, wie es in
den Justin sehen Evangeliencitaten höchst selten ist. In dem
einen Eipphanius-Citate (i) sind mehrere Abweichungen wahr-
nehmbar, darunter für die Phrase Ix xoikiag fir/xQog die Lesart
Ix yevexTJg, welche sich auch bei Clemens Alexandrinus und
bei Epiphanes finden.
Dass dieses Wort von den Eunuchen (= jtaQ&tvoi) nicht
iui Urevangelium gestanden hat, dafür bürgt in entscheidender
Weise Paulus. Hätte er es in demselben gelesen oder hätte er
auch nur auf dem Wege mündlicher Überlieferung davon Kunde
gehabt, nimmermehr hätte er geschrieben: xeqI öe xeov jtaQ&tvmv
250 Ausaercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
ijritayrjv xvqiov ovx ex03' 1. Cor. 7, 25. Seine persönliche Mei-
nung berührt sich so nahe mit der Rede der Jünger nach Mt. 19,
10: ov ov(i<peQ£i yau/jöac. Vgl. 1. Cor. 7, 36b: 6 öe fiij yapiCwv
xoeftwov Jtoul. Aber ein Wort des Herrn, das er für s%ine per-
sönliche Meinung hätte anführen können, besass er nicht.
Der judaistische Untergrund für das Wort bezüglich der drei
Klassen von Verschnittenen ist übrigens unverkennbar und dem
judenchristlichen Charakter des ersten Evangeliums entsprechend.
Die Rabbinen unterscheiden seris (C^IO, evvovxoq) chamah (i. e.
eunuchus solis == naturae, ex yeverijq), seris adam (per homines)
und seris bide schamaim (eunuchus dei). Vgl. Keim, Jesus von
Nazara VII, 28, 1.
Über die Identität von virgo = jtaodevoq = spado = ev-
vovxog vgl. man Pistis Sophia p. 67: tvye Johannes, jtaQ-
&evoq, qui aogetq in regno lucis. Tertull. de monog. c 17:
Johannes aliqui Christi spado. Pseudo-Clemens, de virgin.
1, 6, 3: Deinde Johannes, qui super pectus domini nostri recu-
bavit, quem valde diligebat, is quoque virgo fuit. neque enim
sine caussa dominus noster illum diligebat. Darnach sind die
jrag&evoi des Apokalyptikers und die evvovx01 des ersten Evan-
gelisten zu beurtheilen. Auch ein Passus aus der Schrift de
resurrectione c. 3 p. 589 D gehört hierher: aXXa xal /itJ (Steigal
(iev ig ccQXV^i Jiagd-evevovoai öe, xarr/gyr/öav xal rrjv Cvvov-
oiav exegai öe xal ajto xqovov. xal rovq aggevaq öe rovq fiev
an agX^q nag&evevovraq ogcöfiev, rovq de ajcb xqovov, (öore
öi avrcöv xaraXveo&ai rbv öi em&vfiiaq avofiov yä(iov.
Schliesslich sei noch darauf hingewiesen, dass auch der Apo-
kalyptiker für die Nichtzugehörigkeit von Mt. 19, 12 zur vor-
canonischen Quelle Zeugniss ablegt. Denn da er die letztere in
ausgiebiger Weise benützt hat, so würde der Einfluss von Mt. 19,
12 in sprachlicher Hinsicht irgendwie hervortreten müssen. Dies
ist aber Apoc. 14, 4 trotz aller sachlichen Verwandtschaft nicht
der Fall. Es sind also Mt. 19, 12 und Apoc. 14, 4 zwei selbst-
ständig erwachsene Reiser nicht aus ur evangelisch er, sondern
aus judenchristlicher Wurzel.
Mt 19, 12c.
a. lgn. ad Smyrn. VI, 1. p. 88, 11.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 19, 12. 20, 1, 3. 5. 0. 251
b. Pseudo-Ign. ad Smyrn. VI. p. 246, 20.
6 xmQ^v Xa)QB^'t(X)i <> dxovcov dxovixa.
c. Mt. 19, 12°.
6 övvdfisvog xtaQ^v X^Q8^03-
Es sind zwei freie Abwandelungen von Mt. 19, 1*2°, welche
die Ignatianen und Pseudo-Ignatianen hier bieten.
Mt. 20, 1.
a. Epiph. Haer. XLV, 4. p. 390 B.
dXX-a xal jcdXiV dvrjg xtg olxoösOjrox7jg sycov afisit X(o-
va egrjlfre C?]xd>v soydxag slg xov djijisXcöva.
b. Mt. 20, 1.
Oftola ydg söxcv i) ßaoiXsia xwv ovoavdiv dvihgcojtco
olxoÖEOxoxy, ooxig s$f}X&ev afia üiqoh juö&ajoao&cu
soydxag slg xov dfucsXcöva avxo~
Das Gleichnis Mt. 20, 1 — 16 trägt vollständig den Charakter
der vorcanonischen Quelle. Siehe den guten Nachweis nament-
lich in sprachlicher Hinsicht bei Weiss, Matthäus S. 442. 443
in den Anmerkungen. Epiphanius führt in dem Capitel, wel-
ches von den Severianern handelt, in aphoristischer Weise den
Anfang der beiden Gleichnisse Mt. 21, 33—41 und Mt. 22, 1—16
kurz nach einander an. Beide Male hat er dvrjQ rig oixoösojroxt/c.
Ob diese Variante sowie das C,rjxojv und die Weglassung der
einleitenden Worte 6/iola ydg söxiv rj ßaoiXsia xmv ovgavdiv auf
einer aussercanonischen Recension des Gleichnisses beruht, oder
aus der aphoristischen Citations weise entstanden ist, lässt sich
nicht entscheiden.
Mt. 20, 3. 5. 6.
a. Iren. I, 1, 3.
dXXa xal km xrjg jiagaßoXijc xojv sie xov dfixsXcäva
jtstujto[isvojv sgyaxcöv <paol (sc. oi OvaXsvnviavol) <pavs-
Qcoxaxu xovg xgidxovxa xovxovg almvag f/sftf/vvoOai. xtfi-
jcovxat ydg oi (isv Jttpl jiqcoxtjv ojoav, oi ös Jteol xq'i-
xtjv, oi ös ücsqI s'xxt]v, oi ös jieq! svvdx?]v. aXXoi ös
jteQi svösxdxrjv. avvxid-ifisvai ovv ai jtQoeint/ph>ai cbocti
elg savxdg xov xo3v xoidxovxa dgi&fjov dvaxXijQOVoi.
252 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
b Epiph. XLV, 4. p. 390 B.
xal jisqI TQiztjv cQQav xal txxfjv xctl £vax7jv xäl
kvöexärrjv.
c. Mt. 20, 3. 5. 6.
xal t$,eZ&cbv jieqI xoixrjv cooav — TcaXiv öh h&Zd-mv
xeol ixxtjv xal kvaxqv moav — jcsqI 6b xijv tv6e-
xäxrjv [cooav] tgeZ&cov.
Nach der Nennung der verschiedenen Stunden, wie sie aus
Citat b ersichtlich ist, lässt Epiphanius das Gleichniss wieder
fallen, und macht es uns damit unmöglich, ein Urteil über seine
Quelle zu gewinnen. Auch die Verwerthung des Gleichnisses
durch die Valentinianer, von welcher uns Irenaeus berichtet,
bietet keine Ausbeute. Bei ihnen spielen lediglich die Zahlen
eine bedeutungsvolle Rolle. Und damit hing wahrscheinlich zu-
sammen, dass man XQCot durch jiqcoxt) mga ersetzte, um die
praecise Summe von dreissig zu gewinnen, mit welcher Zahl die
Valentinianer ihre Aeonenlehre verknüpften. Auch der Austausch
von jitfineiv (Valentin) = äjtooxtZXetv (Mt. 20, 2) lässt bei der
Trivialität dieser Synonyma keinen Rückschluss zu auf ernstliche
Übersetzungs Varianten, obwohl selbstverständlich ftblD in jedem
Fall zu Grunde lag. Erwähnenswerth ist aber noch die Variante
£ioev, welche Cod. D., Orig. und eine Anzahl Itala- Handschriften
vertreten anstatt elösv Mt. 20, 3. Vgl. Deut. 23, 15, wo die Sep-
tuaginta Codices nsn mit oqüv übersetzen, während es Cod. Oxon.
mit bvqLgxelv wiedergiebt. Ebenso wechselt evQtGxetv und löslv
als Übersetzung von HiO in Jud. 18, 9.
Mt. 20, 10.
a. Mt. 20, 10.
e?.&6vxe$ 6s ol Jtocoxoi svofiiöav oxi tnXsiova Xrjfi-
ipovxai.
b. Orig. in 1. Reg. de engastrimytho ed. Jahn 1886. p. 18.
ol 6s jiqcöxoi cpovxo oxi xXslov xi Xtjipovxai.
c. Orig. in libr. Regg. hom. 2. Opp. II, 498.
ol 6h jiqwxol q,ovxo oxi nXslov Xyipovxai.
Wenn Weiss (Matthäus S. 443 Anm. 2) zu ivofuoav auf das
(ti] vo/ilotjxe in Mt. 5, 17; 10, 34 verweist, als zum Sprachgut der
vorcanonischen Quelle gehörig, so hat er nur insofern Recht, als
Texte und Untersuchungen zu Mt. 20, 10. 13. 253
der Sprachcharakter derjenigen Version des Urevangeliums, wel-
cher der erste Evangelist folgte, vofiiCeiv bevorzugt. Dagegen
bietet Lc. 12, 51 (= Mt. 10, 34) und ebenso Isidorus Pelusiota
zu Mt. 5, 17 anstatt vofiiorjxe die Übersetzungsvariante öoxslxt,
welche sicherlich auf iQipnp zurückzuführen ist Vgl. oben S. 78.
Ähnlich verhält es sich auch hier mit der von Origenes ver-
tretenen aussercanonischen Variante cpovxo (— kvöftioav). Denn
wenn man 2ttjn mit dem folg. Infinitiv und 1s als Quell wort vor-
aussetzt, so gewinnt man einen dem Sinn der Stelle vorzüglich
entsprechenden Urtext: rinpb !Dt?rP5 = movxo == evofuoav öxi
Xrjtyovxat. Vgl. z. B. 1. Sam.18, 25: b^Bfi^arin "= LXX: IXoyi-
oaxo kfißalelv. Weder Delitzsch noch Salkinson noch das
Londoner N. T. haben diese naheliegende Rückübersetzung be-
nützt, obwohl es gerade um ein Berechnen (aon) sich handelt.
Mt. 20, 13.
a. Syr. Cur. Mt. 20, 13.
o de axoxQi&slq stjtev evl avxmv kxalos, fifj f/oi
xbnovq jtaqsx8' ovyi ör/vaglov övvsrpojvqoäq fioi;
b. Mt. 20, 13.
6 6h astoxgid-t-lq tvl avxcov elizev ovx aöixm osm ovy)
örjvanlov owBfpmvrjodq (toi;
Die von Tischendorf nicht erwähnte, erst von Baethgen
in seiner Ausgabe des Syrers Curetons ans Licht gestellte Va-
riante zu Mt 20, 13: (irf fioi xoxovq nageye — trägt den ausge-
prägten Stempel des Urevangeliums an sich. Nur so erklärt es
sich, dass diese Redeweise, welche Lc. 1 1, 7 wörtlich so wie hier
vorhanden ist, auch im ersten canonischen Evangelium
uns überrascht. Beide Evangelisten haben an den bezüglichen
Stellen aus urevangelischen Abschnitten geschöpft. Auch die
weiteren Parallelen: xi avxfj xoxovq jraoeyext; Mc. 14, 6 = Mt
26, 10, sowie öiä ye xb xageyetv fioi xoxovq Lc. 18, 5 stammen
aus derselben Quelle. Aus dieser Quelle hat auch Paulus sein:
xojtovq fioi fttjöelq Jiageytxco Gal. 6, 17. Es rauss daher die
frühere Tendenzkritik, welche aus der Identität von Gal. 6, 17
und Lc. 11, 7 die Abhängigkeit des dritten Evangelisten demon-
strierte, hier vor der Thatsache verstummen, dass dieselbe Rede-
weise durch die älteste syrische Übersetzung im ersten canoni-
schen Evangelium — und zwar sehr sinngemäss — vertreten ist.
254 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Ale.
Mt. 20, 15.
a. Ephraeui Syr. Ev. concord. expos. ed. Mösinger p. 177.
Aut non habeo potestatem in domo mea faciendi quae
volo?
b. Mt. 20, 15.
tj ovx egeönv fioi o freXm xoitjoai ev xolq eftoiq;
In dem aussercanonischen Texte Ephraems ist das Haus-
recht des Hausherrn noch schärfer ausgedrückt als in der ca-
nonischen Relation. Gleichwohl sind potestatem habeo = Igov-
oiav %xeiv asssa &&1vai xivi (= övvaod-ai), und ebenso ev xolq
ku.olq — in domo mea lediglich Übersetzungsvarianten. Zu po-
testatem habere = övvao&at vgl die Erläuterungen zu Lc. 12, 5
und zu den Synonymen xd tu-d = olxoq (iov das Logion 17 in
den Agrapha S. 103, wo ebenfalls ol efioi — ol vlol xov olxov
uov = in'O "^a als Übersetzungsvariante auftreten. Dieselben
Varianten finden wir zu Lc. 2, 49.
Mt. 30, 20. 21 = Mc. 10, 35. 36. 37.
a Marcosii ap. Iren. I, 21, 2.
aXXd xal xolq vlolq Zeßeöaiov, xrjq pjxQoq avxiov aixov-
(itvrjq xo xad-ioai avxovq ex ötgtmv xal dgiöxeomv u.ex'
avxov eiq X7jv ßaotXeiav, xavxijv jtooo&elvai xi\v dxoXv-
XQOOGIV xov xvqiov XeyovCiv.
b. Mt. 20, 20. 21.
xoxe 3iQOOT]X&ev avxm rj (irjxrjQ xmv vlmv Zeßeöaiov fiexa
xmv vlmv avxrjq, jtQOGxvvovda xal aixovod xi Jtag avxov.
6 de eljtev avxiy xi &eXeiq; Xeyei avxm' eine %va xa&i-
Omoiv ovxoi ol ovo vioi fiov elq ex öegimv xal elq e$
evmvvfimv oov ev xy ßaoiXeia oov [Syr. Cur., Diatessaron
add.: xal ev xij öoj&i Oov].
c. Mt. 10, 35—37.
xal XQOGnooevovxai avxm 'idxmßoq xal 'imdvvqq ol vlol
Zeßeöaiov Xeyovxeq avxm' öiödoxaXe, ß-eXofiev iva o eav
aixr(Om(iev öe oioifjöyc qfilv o de eBtev avxolq xi friXexe
(te jcoitjom vu.lv; ol öe eljtav avxm öbq r^ilv iva eiq Gov ex
öefymv xal elq oov eg dgiöxeomv xa&iGm/iev ev xy öo§y Gov.
Texte und Untersuchungen zu Mt 20, 15. 20. 21. 255
Wenn Weiss den Abschnitt Mt. 20. 20— 28 = Mc. 10, 35—45
mit Ausnahme der Verse Mt 20, 25. 26 = Mc. 10, 42. 43 = Lc.
22, 25. 26 nicht auf die vorcanonische Quelle zurückfuhrt, so
spricht schon der unlösliche Zusammenhang der ganzen Perikope
mit den zwei von Weiss ausgenommenen Versen dafür, dass
Weiss an dieser Stelle nicht bis zur letzten Quelle vorgedrungen
ist. Es ist vielmehr mit Bestimmtheit anzunehmen, dass der
ganze Abschnitt aus dem Urevangelium stammt. Und zwar er-
giebt sich, wenn wir den Andeutungen des Lucas folgen, mit
grösster Wahrscheinlichkeit, dass es die laut Lc. 22, 24 unmittel-
bar nach der Abendmahlseinsetzung unter den Jüngern ausge-
brochene, von Lucas nur kurz geschilderte <piXovuxia war, welche
in dem aus dem Urevangelium geschöpften Abschnitte Mt.
20, 20—28 == Mc. 10, 35—45 (= Lc. 22, 25—27) ihre ausgeführte
Darstellung gefunden hatte. Wenu man erkannt hat, dass die
den Jüngern gegebenen Verheissungen von dem Essen und
Trinken an des Herrn Tisch, in seiner ßaoiXeia (Lc. 22, 28 — 30),
naturgemäss unmittelbar an den eschatologischen Schluss der
Abendmahlseinsetzungsworte sich anschlössen und mithin vor
Lc. 22, 24 — 27 gestanden haben werden, so war die Frage nahe-
liegend, wer dann von den Zwölfen die beiden Ehrenplätze zu
Jesu Seite an seinem Tische einnehmen werde, und die Bitte
der Zebedäussöhne, dereu einer an Jesu Seite beim Abendmahl
gelegen hatte (Joh. 13, 23: r)v öe ävaxeiftevoc Iv reo xoXjico tov
'JtjGov) war dann psychologisch durchaus motiviert. Lucas fasste
diese Bitte, wie wir sie Mt. 10, 37 lesen, sowie den Unwillen
der Jünger {axov6avT.eg ol öixa TjQ^avro ayavaxxelv Tteol la-
x<6ßov xxX. Mc. 10, 41 = Mt. 20, 24) in die Worte zusammen:
iyivEzo öh xal qptXoveixia kv avxolq, xo xlq avxcov öoxel slvat
fiei^oav (Lc. 22, 24) und gab aus der quellenmässigen Antwort
Jesu nach seiner sparsamen und oft kürzenden Weise nur die
Worte Lc. 22, 25. 27 = Mc. 10, 42—44, deren quellenmässige
Znsammengehörigkeit mit Mc. 10, 45 = Mt. 20, 28 zu Lc. 22, 27
näher erläutert werden wird. Marcus seinerseits gab zwar den
ganzen Zusammenhang des Gesprächs, aber nicht an der ur-
sprünglichen Stelle. Das Motiv zu dieser Umschaltung der Pe-
rikope Mc. 10, 35 — 45 dürfte in dem Wunsch zu suchen sein,
die <piXoveixia der Jünger aus der Nähe der Abendmahlsein-
setzung zu entfernen. Rückt man sie aber wieder an die Stelle.
256 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
an welche sie nach den Andeutungen des Lucas gehört, dann
wird man erst erkennen, wie das grosse Logion Mc. 10,45 =
Mt. 20, 28, in welchem Jesus seine Selbsthingabe als Xvxqov
avrl JtoXXmv ausspricht, als Schluss- und Höhepunkt der Abend-
mahlsreden zu fassen ist, ja wie dieses Logion die Einsetzungs-
worte erst vollständig erklärt. Darüber, dass dieser Herrenspruch
Mc. 10, 45 = Mt. 20, 28 mit Lc. 22, 27 wesentlich zusammenge-
hört, vgl. die interessanten aussercanonischen Paralleltexte und
die Erläuterungen zu Lc. 22, 27. Während nun Lucas den Urtext
zwar kürzte, aber an der originalen Stelle stehen Hess, folgte
der erste Evangelist, wie sonst fast immer, der Pragmatik des
Marcus und behielt die Stellung der Perikope bei, welche die-
selbe durch die Umschaltung des zweiten Evangelisten erhalten
hatte. Der Redaktor des ersten Evangeliums geht aber in der
Umgestaltung des Urtextes noch einen Schritt weiter, indem er
die Person der Salome einfügt, welche dem originalen Zusammen-
hang bei der Abendmahlsstiftung völlig fremd war. Das Motiv
hat Weiss richtig angegeben. Es galt, den Vorwurf des Ehr-
geizes von den beiden Lieblingsjüngern abzulenken. Dass die
Antwort Jesu auch im ersten Evangelium (ovx o'töare, ti
alrslo&e Mt. 20, 22) nicht auf Salome, sondern auf die beiden
Jünger direkt sich bezieht, beweist die fortgesetzte Einwirkung
des Marcustextes auf den Redaktor des ersten Evangeliums.
(Vgl. Weiss, Marcusevangelium S. 354). Die Rolle übrigens,
die letzterer der Salome anweist, hat ihre Weiterbildung erfahren
in späteren Gestaltungen der evangelischen Geschichte, so im
Ägypterevangelium (vgL Clem. AI. Strom. HI, 6, 45. p. 532,
Agrapha S. 385), so im Protevangelium Jacobi (Protev. Jac.
XX, 4. p. 39.). Auch in der üiöric 2o<pia tritt neben der
Maria die Persönlichkeit der JZaZoo/it] als Führerin des Gesprächs
mehrfach hervor. An unsrer Stelle vertreten die Marcosier (bei
Irenaeus) dieselbe Tradition wie der erste Evangelist.
Man sieht: erstlich die primäre Quelle der ganzen Perikope
liegt hinter den drei canonischen Parallelen Mt. 20, 20—28 =
Mt. 10, 35 — 45 = Lc. 22, 24 — 30 zurück, sie floss aus dem vor-
canonischen Urevangelium; zweitens sekundäre Bearbeitungen
liegen vor einerseits in dem gekürzten Bericht des Lucas, andrer-
seits in der zwar vollständigeren, aber auch noch gekürzten und
überdem umgeschalteten Darstellung des Marcus; drittens ein
Texte und Untersuchungen zu Mt. 20, 22. 23 = Mc. 10, 38—40. 257
tertiärer Zug zeigt sich im ersten Evangelium durch Einmischung
der Salome in den übrigens ziemlich unverändert beibehaltenen
Bericht des Marcusevangeliums.
Mt. 20, 22. 23 = Mc. 10, 38-40.
a. Epiph. Haer. LXIX, 19. p. 742 CD.
xal e<pr\ avxolg' ovx oiöaxe xl alxelöd-e . övvao&e
jiielv xb xorrJQLov, o fieXXco xiveiv; avxcov öe <pr}öäv-
xcov vai, l(pr] jigbg avxovg' xo fiev Jioxqgiov fiov Jti-
eod-e' xb öe xad-iöai ex öe^icov fiov xal aoioxegcöv
ovx eöxiv efibv öovvai, aXX* oig yxoifiaoxai jcagä
xov JiaxQoq.
b. Mt. 20, 22. 23.
ajioxQL&elq öe o 'Irjöovg eljiev ovx oiöaxe xl alxelod-e.
övvaod-e jtielv xo siorr/giov, o eyco fieXXco jtlveiv; Xe-
yovötv avxoj' övvafiefra; Xeyei avxolg' xb fiev xoxr\Qibv
fiov jtieofre xo de xad-ioai ex ötsicöv fiov xal eg
evcovvficov, ovx haxiv efibv xovxo öovvai, aXX" oig
r/xolfiaoxüi vjco xov jtaxoöq (iov.
c. Mc. 10, 38—^0.
6 de Ifjoovg elxev avxolg' ovx oiöaxe xl alxelo&e . öv-
vao&e jiielv xo noxtfoiov, 6 eyco Jiivoo, ?} xb ßäjtxiöfia,
o eyco ßajcxlC,ofiai, ßajrxiG&rjvai; ol öe elotav avxcß' övva-
fte&a. o öe Irjöovg elnev avxolg- xb jzoxSjqiov, 6 eyco
jcivco, jtieo&e, xal xb ßajtxiOfia, o eyco ßajtxtC,ofiai, ßajixi-
ofhjöeofre' xb öe xaO-ioai ex öegioov fiov r\ sg evcovvficov
ovx eöxiv efibv öovvai, aXXy oig ?)xoifiaoxcu.
In der Antwort Jesu hat der erste Evangelist durch Weg-
lassung der Worte r) xo ßajtxiöfia, o eyco ßajtxiCofiai, ßajtxio^vai
d en Urtext wiederhergestellt. Weiss (Marcusevang. S. 3 5 3, Matthäus-
evang. S. 447) hat nämlich richtig erkannt, dass Marcus den Zu-
satz, welcher die Leidenstaufe Jesu betrifft, aus einer andern Stelle
des Urevangeliums, die durch den dritten Evangelisten Lc. 12, 50
im Original erhalten ist, herübergenommen, also auch in diesem
Falle eine Umschaltung, wenngleich von geringem Umfange,
vorgenommen hat. Dass aber die Wiederausscheidung dieses
Zusatzes, welcher auch in dem sub a mitgetheilten Epiphanius-
Citate fehlt, ein Beweis für die gleichzeitige Benützung des
Texte u. -Untersuchungen X, 2. 17
258 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Urtextes neben dem Marcustext, also auch für die Abstammung
der ganzen Perikope aus dem Urevangelium ist, zu dieser An-
erkennung hat sich Weiss nicht entschlossen. Ein alter An-
klang an unsere Stelle findet sich Mart. Polyc. XIV, 2 p. 154, 11.
Wenn es daselbst heisst: Xaßelv fiEQoq iv ttp Jtoxr}oicp xov
Xqigxov — so ist das ein Nachhall aus Mc. 10, 38 = Mt. 20, 22.
Die -- übrigens von Tischendorf nicht notierte — Lesart des
Cod. Colbert.: baptismo, quem ego baptizari habeo (anstatt o
kyco ßajtxi^opai Mt. 10, 39), zeigt noch deutlich die Nachwirkung
des in Lc. 12, 50 erhaltenen Urtextes: ßdjtttOfia de Eyot ßax-
TtGdfjvai. Für oiq rjxolftaoxai vjto tov jratoöq fiov hat das
Diatessaron nach Ciasca: quibus paravit Pater meus. Vgl. die
aussercanonischen Parallelen ähnlich zu Mt. 25, 41.
Mt. 21, 5.
a. Just. Apol. I, 35. p.76C.
xal ort y?/xcö^ xatiEGihjüoifevoQ tnl üttoXov ovov xal eIge-
XtvGofitvoq tiq xä hoooöXh\ua jtooE(pt']X£vxo, exeqov jtqo-
cptjxov xov 2o(fovlov tag xrfq- JtgocprjXEiaq Xt$,Eiq ioovfiEV.
eiol ös avxat yalQE otpödga, frvyaxEQ 2ia>v, x/]qvgge,
d-vyaxsQ lEQovGaltJif Löov o ßaotXsvq gov iQxsxai
Got stoäoq, tJiißtßrjxtoq kril ovov xal jttZXov vlov vjto^vyiov.
b. Just. Dial. c. Tryph. c. 53. p. 273 A.
jtQoaq-rjXtvi)-?] öh vjio Zayaniov, tvoq xcöv öcoÖExa, xovxo
fitXXtiv ylvEGfrat ovxmq' yatoe G(pödqa, &vyax£Q Sio'jv.
aXaXagov, xf/civoGe, VvyaxEQ (IeQ0VGaXr'jtw iöov 6 ßa-
GiXsvq Gov 7]§£i ooi dixatoq xal Gco^cov avxoq xal jioavg
xal xxcoybq, EjnßEßr/xo)q ejtI vjtoCvyiov xal jto'jXov ovov.
c. Sach, 9. 9. LXX.
X^oe Gfpööna, tyvyaxtn 2ti6v, xqnvGGt, &vyax£Q 7s-
govGaXri fi- Idol 6 ßaGtXEVqEQX^tai ooi öixaioq xal ow-
C,a>v, avxoq XQavq, xal tmßEßf/xcbq im vjto^vyiov xal
jicöXov veov.
d. Mt. 21. 4. 5.
xovxo öh yiyovev , ira JiXqowdf] xo qij&ev dtd xov jcqo-
(pt)xov Xiyovxoq ujtaxe tfj dvyaxol Xio'yv iöov 6 ßa-
GtXsvq oov £Q%£xai gol JtQavq xal tJTißsßrjxcoq ejcI ovov
xal sjtl x co Xov vlov vjto^vylov.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 21, 5. 259
e. Joh. 12, 14b. 15.
xad-ojc eoxiv yeyoafif/Evov fii] (poßov, &vyax?/Q JEicöv
löov o ßaoiXevq oov EQyExai xa^rjfiEvoq sjiI JtmXov
bvov.
Im Dialog schliesst sich Justin mit seinem Citat wesent-
lich an den Septuaginta-Text von Sach. 9, 9 an. In der Apo-
logie, wo der wahrscheinlich durch die Abschreiber entstandene
Irrthum vorliegt, dass Eocpoviaq für Zayagiaq gelesen wird, ist
der Schluss des Citates nach dem canonischen Matthäus-Texte
conformiert, und zwar, wie Bousset (Die Evangeliencitate Justins
des Märtyrers S. 35) annimmt, nicht durch Justin selbst, son-
dern durch spätere Textüberarbeitung — , eine Erscheinung,
welche sehr oft die Ursache davon sein wird, dass die vorcano-
nische Textgestalt der patristischen Citate uns verloren gegangen,
ohne dass wir den Sachverhalt wie hier, wo in der Citations-
formel die Worte: Im jiojXov ovov eine andere Übersetzung als
die in der jetzigen Textgestalt des Citates nachfolgende voraus-
gesetzt ist, so genau constatieien können.
Wie variierend die Übersetzungen von Sach 9, 9 gewesen
sind, das hat schon Origenes hervorgehoben im Comm. in
Mt. Tom. XVI, c. 16. Opp. III, 742: %QV ^£ yat tovto elöevcu,
öxi aevxe JtEoixvyovxsg exÖooeoi xov Zayaniov jtaQa itEV rote.
0' xai reo Axvla evqo^ev x6'
<LXX:) avxoq xoavq xai tjttßtß/jxcoq tjrl vjro^vyior xai jrcö-
Xov VEOV
(Aquila:) ?/ liti ovov xai jtci)Xov vlov ovädouv.
uiaoa de SeoÖoxlcovi' avxoq inaxovcov xai ejt(ßeßfjxa)q tjti ovov
xai jcojXov vlov ovov.
jtapa öe ~vtituäyrp' avxoq Jixmydq xai EJTißEßf)xo)q Exi ovov xai
no~)).ov vlov ovaöoq.
ev öl t?7 jtt\ujtT?] exöÖoel' avxoq Jtxojyoc xai EjrißEß/jxatc Irri
vjcoC,vyiov xai jcojXov vlov ovov.
Besonders interessant und lehrreich sind dabei die Über-
setzungen, mit denen das hebräische "»DJ? des Urtextes wieder-
gegeben wird. Theodotion steht mit der Version Ejraxovojv
zu Sach. 9, 9 zwar ganz allein; aber zu Jes. 10, 30 geben auch
die LXX das n^D? mit EJiaxovOExat wieder. Diese Erscheinung
hängt damit zusammen, dass die LXX auch sonst das Verbuni
17*
260 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
H32 in der Bedeutung respondere mit kjcaxoveiv übersetzt haben.
Vgl z. B. Hos. 2, 24: H32n f1Kffi=LXX: xcu r\ yrj exaxovGsrcu.
Neben dieser in Sach. 9, 9 völlig verfehlten Version kxaxovcov
theilen sich die übrigen Übersetzer in die Bedeutung von jtgavg
und jtrmyöq. Diese beiden Übersetzungen hat Justin in seinem
Dialogus-Citate nebeneinander aufgenommen. Nach diesem Vor-
gang ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass die beiden
Makarismen: fiaxagioi ol. Jtrmxoi (Mt. 5, 3) und (iaxdgioi 61
xgaelg (Mt. 5, 4) ursprünglich nur zwei verschiedene Versionen
eines und desselben Logion (0^3571 "^TSi?) gewesen sind. Vgl.
die Erläuterungen zu Mt. 5, 4.
Die wurzelverwandten Adjektiva ^32 und 132 unterscheidet
Lagarde in der Weise, dass er (Mittheilungen I, 81) sagt: 132
wäre zunächst ein sich duckender, ^32 ein geduckter. (Vgl.
auch Gott. Gel. Nachr. 1881 S. 15.) In der eingehenden Unter-
suchung über ,^32 und 133? in den Psalmen" (Göttingen 1892),
welche Rahlfs, durch Lagarde angeregt, zum Gegenstand seiner
Inaugural-Dissertation gemacht hat, definiert er (S. 73) so, „dass
132 in Knechtsstellung befindlich, 132 sich in Knechts-
stellung versetzend bedeutet". Wenn er (S. 58) sagt, dass
die LXX ^32 nie durch jcgavg übersetzen, so beschränkt sich
diese Behauptung selbstverständlich nur auf die Psalmen-Über-
setzung. Ausserhalb des Psalters kommt jigavg bei den LXX
nicht blos Sach. 9, 9. sondern auch sonst noch öfters vor. (Vgl.
Jes. 26, 6: i?2 "»bSl = LXX: jtoöeg jzgatcov — , Zeph. 3, 12: Q2
^32 = LXX: Xabv ngävv. Und selbst in der Psalmenstelle Ps. 18,
28, wenn man die Parallele 2. Sam. 22, 28 mit einbezieht, ergeben
sich für *i}5> folgende Übersetzungsvarianten: rajceivog (LXX) =
Jtivrjg (Aquila) = Jtgäoq (Symm.) zu Ps. 18, 28, ferner: Jtzcoyög
(tXX Vat.) = jcgavg (andere LXX-Codd.) = Jigäoq (LXX Lucian)
zu 2. Sam. 22, 28. Wie die Begriffe ^32 und^32~Tm Kethib und
im Kere der Masora durch einander gehen und auch in den
griechischen Versionen nicht bestimmt geschieden sind, darüber
vgl. man Häring, „die Di*32 und D^ISS. im Alten Testament"
(Theol. Studien aus Württemberg 1884.' S. 157—161.) Ich ver-
misse darin nur die Stelle Prov. 22, 21: i?2 iCir-bai = LXX:
xal (irj <XTif/aGT]g äo&svTJ — und die Übersetzungsvariante xe-
vcxpog Ex. 22, 25. Im Übrigen bestätigen diese Untersuchungen
nur die Freiheiten der verschiedenen griechischen Übersetzer.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 21, 22 = Mc. 11, 24. 261
Zum Schlüsse sei hier als eine interessante Parallele an-
gefügt:
Orac. Sibyll. VIII, 324—328.
XalQ, ayvr\ &vyaxEQ Hicov xal JcoXXa jiafrovGa"
Avxoq Gov ßaGiXevq EJtißaq sjiI TimXov eGayei,
ügäoq Jtäoi cpaveiq, iva xoi C,vyov, ovjceq vxJjfiev,
AovXov, övGßaGxaxrov, eüi avyEVi xelfievov «()#,
Kai fteOfiovq äfreovq XvGfl, öeGfiovq xe ßialovq.
Man beachte hierbei die schöne Verschmelzung der Stellen Sach.
9, 9 = Mt. 21, 5; Mt. 11, 29; Lc. 11, 46 = Mt, 23, 4, sowie die
Doppelsinnigkeit des xgaoq = *>29 aus Sach. 9. 9 und = 13r3> aus
Mt. 11, 29; dabei erinnere man sich auch, wie diese ganze Dar-
stellung der Sibyllinen mit der oben zu Mt. 11, 29. 30 (nament-
lich S. 138) gegebenen Erläuterung zusammentrifft. In der letzten
Verszeile scheint ein (von mir bis jetzt noch nicht behandeltes)
Agranhon anzuklingen, welches sich findet Clem. AI. Strom.
VI, 6, 44. p. 762: et yag öeöfiiot tusv 'iovdaioi, e<p atv xal 6 xv-
gioq' „st-s X&exs, eljiev , ex rcöv öeöficöv oi fteXovxEq* ,
xovq exovGia>c 6eöe(j.evovq, xal ,tö övGßaGxaxxa (pogxia"
fprjoiv.
Mt. 21, 22 = Mc. 11, 24.
a. Hom. Clem. IX, 11. p. 96,8.
jtdvxa yaQ x<p jilgxevövxi yivExai, ämGxovvxi de ovöev.
b. Clem. AI. Strom. VI, 9, 78. p. m~
xovxov (pwvijv xaxd xi]v Evjfjv ovx ävapepei xvgioq' ai-
xTjöai, Xeycav, xal tcoltjöco' evvorj&iyxc, xal 6coGa>.
c. Macar. de pat. et discr. c. 8.
atyevöfiq yag 6 eixcop oxi Jtav o säv alxr\Gr\xE //£ kv
JtQOÖEVXJj, JCLÖXEVOVXSq XrjipEG&E.
d. Ephr. Syr. Ev. concord. expos. ed. Mösinger c. 16. p. 189.
Et rursus: Quodcunque in orationibus vestris in fide pe-
tieritis a Deo, dabo vobis.
e Mt. 21, 22.
xal jtävxa ooa av alxrJGrjTE sv x% JtQOGEvxfh jilGxev
ovxEq Xr)tyEG&E.
262 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
f. Mc. 11, 24.
jiävxa 6oa jcqo6svx£6&£ xai alrslod-E, niöTEveze ozt
tXdßexs, xai iozai v/ulv.
g. Cassian. Coli. IX, 32. p. 277.
inretractabilis namque est domini nostri illa sententia: quae-
cunque orantes petitis, credite quia accipietis, et ve-
niet vobis.
h. 0£g. in Matth. Tom. XV, 25. Opp. III, 650.
lav Gxrjx?]TE JiQOOevxöfiEVOL, jtiöz£V£Z£ ozi Xccfißa-
v£Z£, xai /Lrjipso&s.
i. Aphraates Hom. I, 13. p. 14. ed. Bert.
Wiederum spricht er zu seinen Aposteln: Wenn ihr glaubet
und nicht zweifelt, so gibt es nichts, das ihr nicht thun
könnt.
k. Aphraates Hom. XXIII. p. 4U3.
und er spricht: Es gibt nichts, das ihr in eurem Gebete
Gott bitten werdet, das er euch nicht geben wird.
1. Diatessaron ed. Ciasca p. 58a.
et omnia quae petieritis a Deo in oratione creden-
tes, dabit vobis.
m. Cleraentina Epitome c. 157. p. 801 ed. Cotelerius.
ort Oqv xai zovzo zö Qrßta, zo' äjctQ av alzy6i]Z£ ju-
6ZSVOVZ6C, fo]tp£G&£.
Nach Weiss (Marcusevangelium S. 376. 377. Matthäusevan-
gelium S. 458) ist der Spruch Mc. 11,. 24 auf Grund von Mt. 7,
7 = Lc. 11,9 aizüzE xai do&f/6£zai v/xtv) von Marcus selbst-
ständig gebildet, und der erste Evangelist soll diese freie Um-
schreibung einer von ihm (eben Mt. 7, 7) bereits gebrauchten
Gnome aus Marcus an dieser Stelle noch einmal herübergenommen
haben. Angesichts der vorstehend verzeichneten zahlreichen Pa-
rallelen, welche von den canonischen Texten z. Th. völlig unab-
hängig sind, wird man nicht umhin können, ein selbstständiges
Logion neben Lc. 11, 9 = Mt. 7, 7 anzuerkennen, ohne dass es
freilich gelingen wird, aus -den verschiedenen Fassungen die Ur-
gestalt herauszuschälen. Besonders auffallend ist das alzt'/07]Z£
fi£ bei Macarius sowie das dabo bei Ephraem und öwiöa) bei
Clem. AI., bei letzterem das sonst völlig unbekannte Evvotföqzi
Texte und Untersuchungen zu Mc. 11, 25. Mt. 21, 43. 263
freilich noch auffälliger. Nestle vermuthet einen Schreibfehler,
etwa für östj&tjxi oder sonst ein ähnliches Wort.
Mc. 11, 25.
a. ign. ad Trall. VIII, 2. p. 50, 10.
ftTjöeig vficov xaxä xov jtXrjoiov lyixco.
b. Pseudo-Ign. ad Trall. VIIL p. 188, 25.
(i?]<fcig ovv vficöv xi xarä rov nX?]Giov hyExco' äcpsrs
ydg, y>7]Giv 6 xvgiog tjficöv, xal äqteti-rjöErcu v {üv.
c. Mc. 11,25.
xal oxav öxtjxexe JcQoöevyofisvoi, ä(pisre, sc xi syexs
xarä rivog, Iva xal 6 xaxqg vficöv o tv xolg ovgavolg
ä(pii vfilp xd jiagajtxcö^taxa i>tic5v.
Weiss sieht auch in Mc. 11, 25. 26 eine selbstständige Ge-
dankenbildung des zweiten Evangelisten, wenngleich, auf Grund
echter Herrensprüche. Zu den echten Ausdrücken rechnet er
ei xl eyjxs xaxd xtvog unter Beziehung auf Mt. 5, 23 (eav ovv
jtgoorpEgyg xo Öojqov oov im ro {hvGiaGxf'jgiov xdxsT fiv?]0^7Jg,
oxi o äöe/L(p6g oov eyei xi xaxä oov). Zu Eysiv xaxd rivog
(Mc.) = tysiv xard oov (Mt. 5, 23) hat Ignatius noch als dritte
Parallele lyeiv xaxä rov jiXtjgIov. Im Hinblick auf 1. Tim
2, 8, wo Zorn und Zweifel (ogyn xal diaXoyiGpog) vom Gebet
ausgeschlossen sein sollen, möchte ich annehmen, dass den
Sprüchen Mt. 21, 21a und Mc. 11, 25, welche eng verbunden sind,
ein Logion zu Grunde liegt, welches eben beides, den Zweifel
(jit) öiaxQi&r/xe Mt. 21, 21) und den Zorn {^rjöslg Vfio5v xaxä
xov JtX/joiov kyixco (Ign., Mc. 11, 25) als Gesinnungen nannte,
von deren Ausschluss die Erhörung des Gebetes abhängig ge-
macht war. Zu Eystv xaxd xivog vergleiche man noch Col. 3, 13,
wo ganz und gar der Gedanke von Mc. 11, 25 vorliegt und der
Ausdruck Eysiv Jtgog xiva vorkommt.
Mt. 31, 43.
a. Anast. Sin. Quaest. 139. p. 594.
xal jcdXiv <pr\ol jtgög Iovöaiovg dxt dg&rjosxai dy
vftcövo afiJiElojv, xovxiOxL r\ vopuxi{ yEwgyia xal XaxQEia,
xal öoft/jOExai I&vei Jtoiovvxc xov xagjzoi* avxov.
264 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
b. Mt. 21, 43.
öia xovxo Xiyco vfilv, oxi do&ijöExai dy vficov ?} ßa-
oiXsia xov &eov xal doft/jösxai t&vsi xoiovvxi xovg
xagjcovg avxrjg [Orig. Opp. III, 705: avxov.].
Das Gleichniss Lc. 20, 9—18 = Mt. 21, 33— 44 =Mc. 12, 1—
11 lasst Weiss nach seiner ersten Hälfte Lc. 20, 9 — 13 = Mt. 21,
33 — 37 = Mc. 21, 1 — 6 aus der vorcanonischen Quelle entnommen
sein, während Lc. 20, 14— 17 = Mc. 12, 7—11 = Mt. 21, 38—42
aus einer Bearbeitung des Mc. entstanden und von da in die
beiden anderen Synoptiker übergegangen sein soll. Endlich Mt.
21, 44 = Lc. 20, 18, sowie den nur bei dem ersten Evangelisten
zu findenden Spruch Mt. 21, 43 weist er der Quelle zu und be-
trachtet letzteren als den ursprünglichen Schluss des Gleichnisses.
Ich habe Gründe, auch den zweiten Hauptteil des Gleichnisses
für quellenmässig zu halten. Vergleiche die Erläuterungen zu
Lc. 20, 9 ff. Die Annahme, dass Mt. 21, 43 den originalen
Schluss des Gleichnisses darstelle, wird durch den aussercano-
nischen Paralleltext, den Anastasius Sin. bietet, nur bestätigt.
Dass derselbe dfijteXcöv an Stelle des canonischen r\ ßaotXsla
xov &£ov wirklich gelesen hat, beweist die eingeschobene Ep-
exegese von seiner Hand. Vergleiche das Holtzmannsche Krite-
rium 3. Agrapha S. 16. Auch wird dann das Jioislv xov xaojiöv
oder xovg xagjtovg sc. xov dfiJteXmvog und daher auch die Les-
art avxov bei Origenes erst genügend motiviert. Oder sollte
trotz der beigegebenen Epexegese die Anastasius -Variante du-
jieXcov durch Mt. 21, 41 beeinfiusst sein?
Mt. 22, 11-13.
a. Herrn. Sim. IX, 13, 2. p. 222, 19.
aXXoig av&Qcojioc, ov övvaxai evgefrijvai dg xrjv ßaöiXeiav
xov d-sov, kdv turj avxai avxov evövowot xb evövua av-
xcöv.
b. Hom. Clem. VIII, 22. p. 92, 24.
exeXtvösv rj[ilv dg xdg öis^ööovg xcöv oömv iXfrovöiv, o
Igxlv xgog vfiäg, xa&agov svdvfia ydfiov jcsgißaXslv^ ojieq
lox\v ßdxxiöfia.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 22, 11—13. 265
c. Clem. AI. Fragm. ex Macario Chrysoceph. p. 1018.
o de dxaXXrjg xal övösiörjg dxovGsrat sralgs, Jt<5c cböe
sloijX&Eg yr\ E%<av kvövfiarä uov.
d. Herrn. Mand. XI, 2. p. 122, 19.
öaxava 6k rovg roiovrovg rovg firj E%ovrag svövfia rr/g
kütid-vfiiag rrig dya&rjg, aXXd B(iJteq>VQ(iivovg reo almvi
rovrco' rovrovg ovv jtapadlöcoöiv elg %-dvarov.
e. Mt. 22, 11— 13.
Eiösl&cbv de o ßaoiXevg &£<xGao&cu rovg dvaxsifievovg slösv
exet dvd-Qcostov ovx svdsöv/usvov Evövtia ydfiov, xal Xiysi
avrcö' kratQE, jicög slorßdsg cbös ui \\cdv h'övua ydfiov;
o Sh sfpificod-Tj. xore o ßaGiXEvg EiJiEV xolg öiaxovoig'
öf]Oavz£g avrov jcoöag xal %£lQag [Syr. Cur. = Cod. Colb.
dgars avrov jtoöaov xal x£lQ<x>v xa"1] txßälEZE avrov Eig
ro Gxorog ro E^mrEgov,
Hinsichtlich der beiden Bearbeitungen der Parabelrede Mt.
22, 1—14 = Lc. 14, 16— 24 hat Weiss (Matthäusevangelium
S. 468 — 473) mit überzeugenden Gründen dargethan, dass die
Urrelation in ihrem einfacheren Tenor bei Lucas viel besser er-
halten ist als in der Bearbeitung des ersten Evangelisten, in
dessen Darstellung namentlich Mt. 22, 6. 7 den Rahmen des ur-
sprünglichen Gleichnisses vollständig zersprengt. Was aber von
Weiss bei seiner Voraussetzung von nur Einer griechischen
Übersetzung der hebräischen Quellenschrift nicht hervorgehoben
wird, das ist das Auseinandergehen des hebräischen Quellen-
wortes iTOTD'a in die beiden griechischen Wörter ydfiog, ydßoc
einerseits und öeijivov andrerseits als Übersetzungsvarianten.
Auch Lc, 14, 8 — also ganz in der Nähe unseres Gleichnisses —
finden wir neben dem canonischen Eig ydfiovg die aussercano-
nische Variante öeuivrjoai in dem Cod. D, und bei Besprechung
der betreffenden aussercanonischen Parallele (Agrapha S. 70 ff.)
habe ich bereits die Nachweise gegeben, dass das hebräische
51Pn?J'?3 von den alten Übersetzern promiscue mit ydfiog, jtorog,
convivium. epulae, convivium magnificum wieder gegeben worden
ist. Also ist anzunehmen, dass der erste Evangelist nicht etwa
die Umwandlung des öeIjcvov in ydfiog selbst vollzogen (wie
Weiss, Matthäusevang. S. 468 meint), sondern dass er die Va-
riante ydfiog bereits in der ihm vorgelegenen griechischen Ver-
266 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
sion der hebräischen Quellenschrift vorgefunden hat. Weiss
ist selbst nahe an dieser Erkenntniss, wenn er (Matthäusevang.
S. 471) auf Esth. 9, 22 hinweist. Vgl. Agrapha S. 72.
Eine weitere Frage ist es nun, ob die Verse Mt. 22, 11 — 13,
welche bei Lucas fehlen, als Eigenthum des ersten Evangelisten
oder als Theil der Quellenschrift zu betrachten sind. Weiss
entscheidet sich mit Nachdruck für die letztere Annahme. Vgl.
Weiss, Matthäusevang. S. 471. Und in der That für diese
Annahme sprechen die aussercanonischen Varianten in den Ho-
milien, welche anstatt avdvsoüai die aussercanonische Variante
jtEQißdXXeo&ai bieten, wie auch bei Clemens Alexandrinus,
welcher svövfiara fiov las. Man vergleiche ferner eine ausserca-
nonische Parallele bei Ephraem Opp. I, 38 B: dxi Qvjtaivei OxoXr)v
vvtug)ixr/v xov ßaoiXixov ydfiov, ferner das Ivövfia vvfupixov
in dem Briefe der gallischen Gemeinden bei-Eus. B. E. V, 1, 48,
also die Varianten oxoX?) vvficpixrj = evövfta vv[i(pix6v = Irdv-
fia yduov = <"l|rinn 133 oder tthab. Hermas hat sichtlich
schon im Wesentlichen den canonischen Text von Mt. 22, 11 — 13
vor Augen gehabt. Vgl. die EftjtecpvQfihrovg rrä alcövi xovxqy
mit Mt. 22, 5 = Lc 14, 18 — 20 und ferner: xovxovg ovv jraoa-
öiöoiöiv tlg ftdvaxov mit Mt. 22, 13.
Was die Verwerthung unseres Gleichnisses in den clemen-
tinischen Homilien anlangt, so lautet der Context Hom. VIII,
22. p. 92, 21 — 27 folgen dermassen: tneixa coöjieq tjcl öeljtvov
vjio jtaxQog vlcö xsXovvxog ydfiovg xXrj&tvxeg ov% vjitjxov-
Oav. avxl 6h xcöv djrei&rjOavxoDV öid xyv jiooXrjipiv o xovg
yäfiovg xm vlm xeXcöv jrax?/Q öid xov JiQOcprjxov xrjg aXr\-
&£iag exeXevOev rjßtv sie xäg öissööovg xmv oöätv eX-
&ovoiv (o eöxiv JiQog vfiag) xa&agov evövfia ydfiov xeqi-
ßalslv (ojisQ toxlv ßäxxiOfja, o dg d(peoiv yivexcu x<Zv jce-
jTQayftt'vcov vy.lv xaxcöv) xal xovg aya&ovg elg xo &sov
ötljtvov Eiodyeiv Über die canonische Relation geht es
hinaus, und somit wahrscheinlich auf die vorcanonische Quelle
zurück, wenn die Knechte durch Jesum (öid xov jcgoqprßov xrjg
aXrjd'Eiag) Befehl erhalten, den Geladenen ein Hochzeits-
kleid anzulegen (jiEQißaXElv). Hierdurch ist das vom
ersten Evangelisten berichtete, wahrscheinlich quellenmässige, Ver-
stummen des ohne Hochzeitskleid Erschienenen im urtextlichen
Texte und Untersuchungen zu Mt. 22, 14 = Mt, 20. 16. 267
Zusammenhang aufs Beste motiviert. Ebenso das [irj eymv xct
evövfiaxä fiov des Clemens Alexandrinus.
Wegen des Weiteren bezüglich des Gleichnisses vgl. die
Texte und Erläuterungen zu Lc. 14, 16 ff.
Mt. 22, U = Mt. 20, IG.
a. 4. Esra 8, 1.
xovxov xov almva ejtoir]öev o vipioxog öicc jtoXXovc, rbv
öh (itXXovxa öi oXiyovg.
b. 4. Esra 8, 3.
JtoXXol fiep txrlo&Tjöav, oXiyoi öh ocofrijoovTcci.
c. 4. Esra 10, 57.
6v yäo fiaxaoiog si vjthg xoXXovq xal szX))d-r]q jtccQci
to> mpidTcp xad-mq xal oXiyoi.
d. Barn. IV. 14. p. 20, 2.
ojg yiyQUxxai' jtoXXol xXtjroi, oXiyoi öh hxXexxol.
e. Hom. Clein. Ep. Clem. ad Jac. c. 1. p. 6, 12.
ov o Xqiotoq svXoycog efiaxänioti'. 6 xXt/Toq xal IxXsx-
xöc.
f. Hom. Clem. VIII, 4. p. 86, 34.
aX.Xa. xal jtoXXoi, (prjoiv, xXtjtoi, oXiyoi öh IxXsxroi.
g. Clem. AI. Strom. V, 3, 17. p. 655.
jtoXXol yag xXtjtoL oXiyot öh txXexxoi.
h. Cod. Cantabr. = Syr. Cur. Mt. 20, 16. = Text. rec.
jtoXXol yaQ sioiv xXijxol, oXiyoi öh sxXexxoi.
i. Mt. 22, 14.
jtoXXol yaQ sloiv xXtjxoi, oXiyot öh txXsxxoi.
Für die Zugehörigkeit von Mt. 22, 11 — 13 zur Quellenschrift
spricht auch die Schlussgnome Mt. 22, 14, welche die beiden
Theile der Parabel nach ihren Grundgedanken zusammenfasst
(vgl. Weiss, Matthäus S. 472). Da diese Gnome zweifellos aus
den Logia stammt, so ist nicht mit Sicherheit zu bestimmen, ob
Barnabas sie aus dem ersten canonischen Evangelium geschöpft
hat. Jedenfalls ist sie schon in der Esra-Apocal}'pse, und
zwar nicht in den späteren Znsätzen, sondern in dem Grundstock
c. 3 — 14, welcher in das erste Jahrhundert gehört, benützt worden.
Am wenigsten beweisend wäre in dieser Hinsicht das Citat b;
weiter führt schon a, wenn es heisst, dass um der Vielen willen
die gegenwärtige, um der Wenigen willen die zukünftige Welt
268 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
geschaffen sei. Aber entscheidend ist c, wo der lateinische Text:
Tu enim beatus es prae multis et vocatus es apud Altissimum
sicut et pauci — in Bezug auf das vocatus es vonHilgenfeld
in der griechischen Rückübersetzung mit mvofiäö&rjq nicht richtig
wiedergegeben ist. Die Übersetzung kxArj&rjq, die von mir ein-
gefügt worden ist, weist mit Bestimmtheit auf die xXrjxoi Mt.
22, 14 = Mt. 20, 16 hin. In dem von Bensley herausgegebenen
Fragment1): IV Esra VII, 36—105 lautet v. 51. 52 der Text fol-
gendermassen: „Tu enim, quia dixisti non esse multos justos,
sed p au cos. impios vero multiplicari, audi et haec: Lapides
electos, si habueris paucos valde, ad numerum eorum compones
eos tibi, plumbum autem et ficti te abundat.u Dass die Esra-
Apokalypse bereits christlich beeinflusst ist, dafür werden sich
noch mehr Belege finden.
Mt. 22, 29 = Mc. 12, 24.
a. Hom. III, 50. p. 50, 18.
xal xm eImeIV öiaxl ov voeIxe xo EvXoyov xmv yoa<pmv;
b. Epiph. LXXVI, 3. p. 915 A.
xrjq yoa<pfjg . . . tyrjoccörjg pagioaloig' ovx oidaxs tag yga-
<päg ovöh xi]v övvajxiv xov &sov.
c. Hom. II, 51. p. 36, 3.
xal xolg äjtb xmv ipsvömv yga(pmv JiXavm[iivoig olxtlmg
XTjq jtXävrjg s^Efpavs xrjv alxiav Xsymv öiä xovxo JtXa-
väo&e, (ir) slöoxsg xä aXr}&r) xmv yoaqxxtv, ov eivexev
ayvoElxe xal xrjv övvafiiv xov &eov.
d. Hom. III, 50. p. 50, 13.
Hi(ivvjiai xov avxov aiximfiEvov xovg Saööovxaiovg eIxeIV
öiä xovxo JtXaväo&s, (ir) slöoxsg xä äXrj&ij xmv yga-
(pcöv, ov sVvsxsv ayvoElxE xrjv övvafiiv xov &sov.
e. HonT^Vin^O^priTS, 33.
aXXä xal aXXa/fj xov Xiysi, d-sXmv GacpsöxsQov avxolg xr)v
alxiav xrjq jcXavrjg avxmv vjioösl^ai' öiä xovxo xXa-
väoß-s, fir) slöoxsg xä aXrj&r) xmv yoaymv, ov sivsxsv
ayvoElxE xal xr)v övvafiiv xov d-sov.
1) Bensley, The missing fragment of the Latin trauslation of the
fourth Book of Esra. Cambridge 1875.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 22, 29 = Mc. 12, 24. 269
f. Phüastr. c. 59.
cum dominus in evangelio Judaeis quibusdam hoc suspi-
cantibus, Nescitis, inquit, scripturas et virtutem earum
ignoratis.
g. Epiph. Ancor. c. 26. p. 31 D.
sXsyev ovx olöaxe rag ygacpag ovös xrjv övvafitv avxoZv.
h. Mc. 12, 247 ~
ov öiä xovxo xXaväöd-s, //?} eiöoxeg xag yoag>äg fi?]6e
xi]v övvafiiv xov d-sov.
i. Mt. 22, 29.
jzXäväö&s, [17] slöoxeg rag yoacpäg firjöe xr\v övvafitv
XOV &SOV.
Für den ganzen Abschnitt Mt. 22, 23—33 = Mc. 12, 18—27
= Lc. 20, 27 — 38 lässt Weiss den Bericht des Mc. die letzte
Quelle sein. Dass aber auch für diesen Abschnitt die hebräische
Quelle fioss, darüber vergleiche man die Erläuterungen zu Lc.
20, 27 — 38. Hier handelt es sich um den von Lc. weggelassenen
Textbestandtheil Mt. 22, 29 = Mc. 12, 24. Die dazu vorhandenen
aussercanonischen Paralleltexte lassen auch an dieser Stelle einen
vorcanonischen Grundtext erkennen. Man vgl. ov voelv — ovx
(ß?]) elöevat = ayvostv = nescire = ignorare = 2?T> tö oder
y*2n 8'5, ferner xb evXoyov = xä äXrj&rj = D"niöiE oder 1Eh?
Vgl. Jes. 45, 19: D'HBptt 'TÜia ^ = LXX: avayyeXXmv aXrj&stav.
Jes. 26, 7: D*'"l1ö",TD = LXX: ev&eia. Dabei erwäge man, dass die
verschiedenen aussercanonischen Redaktionen des Logion von
den canonischen Texten völlig unabhängig sind. Besonders in-
teressant ist die bei Epiphanius und Philastrius hervor-
tretende Variante: xr\v 6vvay.Lv avxcöv = virtutem earum sc.
scripturarum. — Der Redaktor der clementinischen fiomi-
lien führt kurz nach einander, nämlich III, 50. p. 50, 13 und
p. 50, 18, dasselbe Logion in zwei verschiedenen Übersetzungen
vor (Vgl. die Citate a und d). Er hatte also — so muss man
annehmen — das Logion aus zwei verschiedenen Quellen, welche
beide von den canonischen Texten unabhängig waren. Ahnliche
Fälle zweifacher Citation desselben Logion kurz nach einander
in zwei verschiedenen Redaktionen finden sich bei Justin zu
Mt. 7, 15, in den Constitutionen zu Joh. 7, 24 in den Agra-
pha S. 119.
270 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Mt. 23, 2. 3.
a. Hom. Clern. 111,° 70. p. 55, 22.
&q6vov ovv Xqlgxov rip'iosxs' öxi xal Ma>vGta>g xai)-
tögav xtfiäv kxsXsvGd-rjTE , xav ol JiQoxafrs^ofisvot a^ao-
rcoXol VOiiL^WVTai.
b. Mt. 23, 2. 3.
tjcl t//c M(ovöta>q xa&t'önag txcifriGav ol ygafttsaxtic
xal ol (paoioaloL' stavxa ovv oöa eav eljtwGiv v^ilv,
jToii'ioaxz xal xtjQtixt, xaxa ös xa sgya avxcöv //?) jioc-
6ixe' ZtyovGtv yag xal o\) jcoiovGiv.
c. Hom. Clera. 111, 18. p. 41, 7.
avxov tavxöv (ir/vvovxog tot Xtyeiv sxl x?"jg xafrtögag
McavGtcog exccfrioav ol ygafiftazeig xal ol cpagiGaloi'
jtävxa öoa liycoGiv vfiiv, axovsxe avxcöv.
d. Orig. in Ezech. hom. Vll, 3. Opp.Tjf 382.
doctrinam veram suscipiet secundum praeceptum domini,
qui ait: Super cathedram Moysi sederunt scribae et
pharisaei. Omnia quaecunque vobis dicunt, audite et
facite; juxta opera autem illorum nolite facere: di-
cunt quippe, et non faciunt.
e. Syr. Cur. Mt. 23, 2. 3.
ijtl xrjg McovGtcog xafrtögag exäfriGav ol ygafiixaxslg
xal ol cpaniGaloL" jrävxa oöa iav eixojoiv Vftlv,
axovsxs xal xoitlxe, xaxa 6e xa eoya avxcöv fiij xoi-
slts' Xtyovoiv yag xal ov jcoiovgiv.
In der aussercänonischen Lesart axovExs xal jcouixs trifft
zunächst der von Tisch endo rf nicht erwähnte Syr. Cur. mit
dem einen Citate des Origenes: audite et facite — zusammen,
während Origenes an anderer Stelle (iu Matth. ser. 9. T. 111.
p. 835 D) nur facite bietet. Die Homilien berühren sich mit
dem Syr. Cur. durch die Lesart: dxovsxe avxcöv. Neben den
beiden Citaten a und c findet sich noch eine dritte Parallele
Hom. XI, 29. p. 118, 2 ff.: grjxri ovv xavxi] <fO)V)j tyg'joaxo xa
aZrjfri} Jtgoq xovg vüioxgixaq avxcöv, ov jiqoq Jiävxaq. ivimv
yag xal ejcaxoveiv eZtyev, öxt x/jv Mwvotooq tjciGztv&?]Gav
xai) tögav. Das Diatessaron nach Ciasca p. 71a liest: Om-
nia ergo, quaecunque dixerint vobis, ut observetis, servate et facite.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 23, 2. 3. 5. 7. 271
Mt. 23, 5.
a. Epiph. Haer. XV. p. 33 A.
<p7]0i yäg nxi xXaxvvexs xa (pvXaxx?']Qia, xal xaxQtx-
oxsöa xcöv qiaxicov vfiäv fteyaXvvExs.
b. Mt. 23, 5b.
jtXaxvvovaiv yaQ xa cpvXaxxt'iQia avxcöv xal (isya-
Xvvovötv xa xQaojtsöa [Syr. Cur. add.: xcöv liiaxiatv
avx<öv\.
Dass die antipharisäische Rede Jesu Mt. 23, 1 — 39 = Lc.
11, 37—52 ihren wesentlichen Bestandteilen nach aus dem Ur-
evangelium geflossen ist, liegt auf der Hand. Mc. hat nur ein
sehr kleines Excerpt daraus Mc. 12, 38 — 40 gegeben. Die
Stellung, welche dieser Rest der antipharisäischen Rede in dem
zweiten Evangelium gefunden hat, ist auch für das erste Evan-
gelium bezüglich der ganzen Rede massgebend geworden, während
bei Lc. ein anderer Standort und Zusammenhang überliefert ist.
Nach Lc. ist diese Rede bei einem Pharisäergastmahl an die
Pharisäer selbst gerichtet; nach dem ersten Evangelisten sind
die Jünger die Hörenden. Der letzteren Wendung gibt Weiss,
der deshalb auch Mt. 23, 2. 3 zum ursprünglichen Contexte rech-
net, den Vorzug. Aber die von Epiphanius aufbewahrte
aussercanonische Parallele zu Mt. 23, 5 zeigt ebenfalls (wie bei
Lc.) die Pharisäer als die Angeredeten: xXaxvvexe — usyaXvvsxs.
Und dies ist jedenfalls das Ursprüngliche.
Mt. 23, 7.
a. Just. Dial. c. Tryph. c. 112. p. 339 D.
iav ovv ,«// xcöv öiöayfiäxcov xcöv iavxovq vtpovvxcov xal
fteXovxcov (taßßi, Qaßßi xaXsloO-at xaxacpQovrfOrjxe.
b. Mt. 23, 7.
[cpiXovöiv] xovg aojtao/iovg kv xalq dyoQaic xal xaXtiofrai
vjtb xccv äv&Qcoxcov Qaßßi.
Obiges Justin -Citat ist nach seiner zweiten Hälfte eine
aussercanonische Parallele zu Mt. 23, 7. Denn cpiXelv = &eXeiv
= yt>n sind Übersetzungsvarianten, und die zweimalige Anrede
Qaßßi, gaßßi hat Justin mit Cod. D, dem Syr. Cur., auch Syr.
Hier. u. A. gemeinsam. Die im ersten Theile des Citates ent-
272 Äussercanonische r'araliel texte zu Mt. und Mc.
haltenen Worte xcov tavrovg vrpovvxoav , welche sich so in
keinem Evangelium wiederfinden, könnten eine freie Anspielung
an Mt. 23, 12: o<Sxiq de vipmöei eavxov xxX. und in diesem
Falle eine Benützung des ersten Evangeliums darstellen. Aber
wie Jesus nach Lc. 16, 15 zu den Pharisäern gesagt hat: Vfieig
eoxh oi öixaLOvvxeg tavrovg, so könnte auch der ursprüngliche
Context der grossen antipharisäischen Rede sehr wohl ein ana-
loges: vfielg eoxh ol vipovvxeq eavxovg enthalten haben. In
diesem Falle würde es auch erklärlich sein, wie der erste Evan-
gelist dazu kommen konnte, statt dieses kurzen Wortes das
Logion Mt. 23, 12 aus einem ganz anderen Zusammenhange (Lc.
14, 11 vgl. Weiss, Matthäus S. 487) hierher zu verpflanzen.
Mt 23, 8. 10.
a. Ign. ad Eph. XV, 1. p. 20, 6.
eig ovv öiöäöxaXog.
b. Ign. ad Magn. IX, 2. p. 38, 2.
(iva £VQ£fr(ütUEv fia&rjxai }Jrjoov Xqlöxov, xov fiovov 6i-
öaoxäXov rniatv.
c. Gern. AI. Paedag. I, 5, 17. p. i08.
sl de eig ÖiöäöxaXog ev ovoavolg, mg (prjOLV i] yQa<ptf, ofio-
Xovyo/ievwg ol tjd xr/g yr\q eixoxcoq av xavxeg xexXi)öovxai
[MX&TjTCCL.
d. Euseb. in Psalm. 118, 97 sqq.
xovx eiQ7]xcu xcp ocoxrjQi.- — fit] xaXeörjxe diöaöxaXov
hm xfjg ytjg' eig yag eöxlv vfimv 6 öiöäöxaXog 6 ev xolg
ovoavolg.
e. Gern. AI. Strom. II, 4, 14. p. 435.
öio xai (prjöLV o Xoyog' firj eijttjxe tavxolg öiöäöxaXov
ejil x?jg yrjg.
f. Clem. AI. Strom. VI, 7, 58. p. 769.
o&ev eixoxajg eiQTjxai' (irj elxtjxe eavxolg öiöäoxaXov exl
ryg yfjg.
g. Mt. 23, 8.
vfielg öe (irj xXrß-rße gaßßi" eig yäo vpwv 6 öiöäoxa-
Xog [Syr. Cur. add.: Xoiöxog], xävxeq öe vpelg aöeXtpoi
eöxe.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 23, 8. 9. 10. 273
h. Mt 23, 10.
firjöe x?.r}&?]T€ xa&rjyrjxcd, oxi xa&ijyijxqg vfioiv korlv
eIq o Xgiöxoq.
Darin ist Weiss (Matthäusevang. S. 487) beizustimmen, dass
v. 8 und v. 10 nur Doubletten desselben Logion sind und dass der
beiden Doubletten zu Grunde liegende Spruch aus der vorcano-
nischen Quelle stammt.1) Nach den aussercanonischen Parallel-
texten aber scheint der Nachdruck auf dem Gegensatz §jrl xf/q
yrjq und b> rote ovgavolq gelegen zu haben, gerade so wie in
v. 9 die dtoxoxai auf Erden dem xaxijg iv xolq ovgavolq ent-
gegengesetzt sind. Vgl. hierzu Agrapha S. 109. 207ff. Es sind
also xaXstv = elxetv = "rtttf sowie xa&qyqxrjq — öiöaoxaXoq =
gaßßl = *2n Übersetzungsvarianten. Sicherlich aber haben
v. 8. 10 mit dem ganzen Abschnitt Mt. 23, 8 — 12 ursprüng-
lich einem ganz andern Zusammenhang angehört als dem der
grossen antipharisaeischen Rede. Freilich ein Gegensatz gegen
den hierarchischen Ehrgeiz des Pharisaeismus war selbstverständ-
lich auch in v. 8— 10 gegeben, und insofern konnten diese Sprüche
sehr wohl der antipharisaeischen Rede einverleibt werden.
Mt, 23, 9.
a. Clem. AI. Quis div. salv. c. 23. p. 948.
txtgoj&tv öt axove xov öcoxrjgoq' fiy xaXei osavxro
jcaxsga tjcl y?)q.
b. Iren. IV, 1, 1.
Dominum nostrum, qui et nobis praeeepit neminem Pa-
trem confiteri, nisi eum, qui est in caelis. qui est unus
Deus et unus Pater.
c. Clem. AI. Strom. III, 12, 87. p. 551.
elq fihv ovv 6 Jtaxijg qpmv 6 Iv rolq ovgavolq, aXXa
xcu ajiavxatv Jtaxt)g xaxa xr)v ötjfiiovgyiav avxoq. fti)
xaXeoi/TE ovv v//tr tjti xrjq y/jq naxiga.
d. Mt 23,9.
xal xaxlga fit) xaXtoqxe vfiäiv kjtl xfjq yrjq' siq yag
ioxiv vfidjp o jcaxt'jg o ovgavioq [Syr. Cur. v(i<Zv « kv
xotq ovgavolq}.
1) Einen ähnlichen Fall haben wir wahrscheinlich Mt. 5, 3. 5.
Texte u. Untersuchungen X, 2. IS
274 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
e. Clem. AI. Eclog. proph. § 20. p. 994. (Heracleon.) .
fiTj xaXtö//xe ovv tavxolg Jtaxeoa ixl xijg yr/g' ötöJtöxai
yaQ tjtl xijq yr\q, iv de ovoavolq o jcaxrjQ, gg ov näöa
jtaxQiä ev xe ovoavolg xal em xi)q yrjq.
f. Tertull. de orat. c. 2.
immo et praecepit, ne quem in terris patrem vocemus,
nisi quem habemus in caelis.
Wie in den aussercanonischen Paralleltexten zu Mt. 23, 8 =
10, so spielt auch hier in v. 9 der Gegensatz zwischen Ijtl xyq
yrjq und Iv xolq ovoavolg eine Hauptrolle. Auf Erden gibt es
viele Herren, im Himmel Einen Vater, durch den die Jünger Jesu
allesammt Brüder (äöeXyoi v. 8) unter einander sind. Vgl Weiss,
Matthäusevangelium S. 486. Darüber dass der vollständigere
Text Heracleons, den uns Clemens in den prophetischen
Eklogen erhalten hat, im Hinblick auf die paulmische Bezeu-
gung Eph. 3, 15 als der ursprüngliche zu erachten sein dürfte,
siehe Agrapha S. 207 ff. Die Lesart 6 Iv xolq ovoavolg (== qui
in caelis est) hat der von Tischendorf nicht notierte Syr. Cur.
mit Cod. D., Syr. Hier, und fast sämmtlichen lateinischen Ver-
sionen gemeinsam. Dieselbe lässt den Gegensatz zwischen Iv
xoTg ovoavolq und tjtl xtjq ytjg besser hervortreten als das ad-
jektivische ovodviog und entspricht überdem genauer dem ur-
textlichen EP'öDJa no«.
Mt. 23, 15.
a. Just. Dial. c. Tryph. c. 122. p. 350 C.
?l yaQ av xdxeivoig efiaoxvQSi o Xoioxoq' vvv 6e öutXo-
xeqov vlol yesvvTjg, cog avxog eine, yiveö&e.
b. Epiph. Haer. XVI, 4. p. 36 C.
xal xvxXevexe ftaXaöaav xal ^tjoav jioiijöai tva jcqoo-
r\Xvxov, xal oxav y£vi]xai, noielxe avxov vlov ye~
evvr\q öixXox tqov vfiäiv.
c. Mt. 23, 15.
jieQtayexe xi\v fraXaöoav xalxijv £,r)Qav jcoiijoai %va
jiqog/jXvxov, xal oxav ytvfjxai, jtotslxe avxov vlov
yeivvi]g öuiXoxeoov vficöv.
Texte und Untersuchungen zu Sit 23, 15. 18. 275
d. Aphraates Hoin. XIV, 16. p. 232. ed. Bert.
da unser Herr spricht: Ihr umsegelt Meer und Land, dass
ihr einen Proselyten macht, und wenn er es ge-
worden ist, so macht ihr aus ihm einen Sohn der
Hölle.
Vorstehender Vers Mt. 23, 15 ist sicherlich ein — von Lc.
weggelassener — alter Bestandtheil der autipharisaeischen Rede.
Weiss macht auf* mehrere Hebraismen aufmerksam, als r) |ryo«
= nt5a?rf (vgl. Gen. 1, 9. 10. LXX), JtyoGyXvxog = TS, vlog ys-
evvtjq = rntt-ja (vgl. 2. Sam. 12, 5) — DrrP3-}3 in den hebräi-
schen Rücktibersetzungen. Auf Grund der aussercanouischen
Übersetzungsvarianten bei Epiphanius und Aphraates ist
noch hinzuzufügen xvxXbvuv = JCEgtayeip = umsegeln = aaio.
Ausserdem könnte man bei Vergleichung der Citate aus Justin
und Aphraates sich versucht fühlen, den ursprünglichen Schluss
des Logion also zu reconstruieren : jtocslxe avxov viöv ye£vi>r]q,
xal ovxoog v/istg avrol ÖijiXoxsqop vlol ysevvrjq ylveö&i
Mt. 23, 18.
a. Epiph. Haer. XVI, 4. p. 36 B.
xal doxifia^ere dlxaiov eivcu ofivvvcu ev x <x> kxävco xov
&vGia6TT]Qiov, xb 6h ev avxm xa. d-vGiaoxijQiq) nag
vfilv x<p oQxtp XeXvxat.
b. Mt. 23, 187
xal' og av 6/ioGjj kv xtp frvdiaoxTjQlq), ovdtv ioxiv
oq 6° av oiioori iv xcö öo)oa> xoy knapm avxov (Svr.
ur. xov &vGtaGX7j()lov) ocpdXei.
Eine dem ersten Evangelisten eigenthümliche und wahr-
scheinlich aus der vorcanonischen Quelle stammende (vgl. Weiss,
Matthäus S. 491), vielleicht aber ursprünglich nicht zum Context
der antipharisaeischen Rede gehörige Partie ist in Mt. 23, 16 — 23
enthalten, welche gegen die jüdische Eidescasuistik gerichtet ist.
Epiphanius bietet dazu mit Weglassung von v. 16. 17, sowie
unter Reproduktion zahlreicher Varianten und einem ganz eigen-
tümlichen Zusammenhang einen höchst interessanten ausser-
cauonischen Paralleltext Da derselbe sowohl hier und im Fol-
genden als zu Lc. 11, 39. 42 zur Besprechung gelangt, so sei er
18*
276 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
hier in extenso wiedergegeben (Haer. XVI, 4): xd öia xov öa>%
xfjQoq JtQog avxovg slQTjpiva „oval vplv, rgafi^iaxetg xal 4><xqi-
öaloi vjtoxQitai, oxc xaxaXsXoljtaxe xd ßapta xov vbfiov, xtiv
xgiotp xal xov iXsop, xal djtodexaxovxs xo aPTj&op xal xö
7jövoGitov xal xo jtqyapop, xal xa&aoi&xe xb ixxbg xov jio~
xrjftiov xal rov xivaxog. xo de kvxoq eoxi fitaxov dxa&aooiag
xal dxQaoiaq. xal öoxifiaCexs öixatov elvai oftpvpai iv xq>
ixdpco xov &vGiaoxT}Qtov, xo öh. hv avxm xa~i d-vGiaoxtjoim Jtap*
vfttv xm bqxm XeXvxai, xal xb iv xm ovoavm ofivvpai ovöev
dvai rpaxi, iav ös xtg ofiooy kv xm hndvm avxov, xovxo Ös-
(hxaimxai. ox>xi xo ftvotgöxr/otov ßaöxd^u xo £xixElfi.evov, xal
b ovoapbg frpbpog loxl xov tx avxm ijiixa&t.£o(itPov ; xal oxi
Xiyexe, käv xtg Eijcij xaxol xal ftijxol xooßdp, o Icxt ömoov, o
dp £§ ifiov m^tXrr&yg, ovxixi pi) xifirjot] xov naxioa, xal ■//#•«-
xfjüaxe xijv evxoXfjv xov &tov öid xfjq xmp xQLoßvxiQmv vftmp
jtaoaöboimg. xal xvxXsvexe frdXaoöav xal fyjoäv xoojoat tva
ji{>oo/'jXvxov. xal oxav yt'pijxat, xoitlxe avxov vibv ysivvrjg dV-
.xXoxsQOP vfio'/p." Mittheilenswerth ist auch eine kurze Zusammen-
fassung von Mt. 5, 34. 35; 23, 16 — 23, wie sie der Redaktor der
Constitutionen (nicht aus der Quellenschrift der Didaskalia,
sondern ex suis) seiner Darstellung in V, 12 einverleibt hat.
Const. p. 140, IG — 141, 1: Ötb XQV X')V &iov dp&pmjtov mg
/Qioxiavov in'jxs t'/Xiop o/tpvpai fiqxe (ti(v CeXrjpyv ftfjts döxQa
(trjxe uifi ovpapop rj yTfP tj xi xmp oxoixümp (iixqov t> jitya.
el ydo o ötöäöxaXoq xtol xov bpxog &eov jraQ/jyysiXsv i)plp (irj
ofipvtiv, oxmg o Xoyoq tjpaiv xiGxöxeoog j] xov oqxov, (ivjxt
fit)p xov ovqüpop avxop (tXXrjVtxop ydo xo övooeßrjfja), fitjxe
[itjv hoovoaXfin )} xd xov fteov dyta tj xb d-voiaoxqotop xal
xb ömoov rj xtjp xov vaov xQv0C0<ilv V r,)v olxelav xsfpaXrjv
(lovöa'ixijg yao oiaoafpooä'q i] ovpr)fteia, öib xal dxayoQevxta)
tlvai 6e xb val val xal xb ov ov xolg maxoig Jtaotyyva xal
xb xovxgjp TctQiöobv xov noprjoov ripai Xiyet.
Was nun insbesondere Mt. 23, 18 betrifft, so sind, abgesehen
von der Umstellung der beiden Satztheile und der verschiedenen
Construktiou derselben, mehrere gleichwertige Varianten wahr-
zunehmen: dlxaiop dvai — bptlXerp — 3"in, ferner ovösp koxi —
xm oqxgj XiXvxai — im letzteren Fall repraeseutiert eine der
Texte und Untersuchungen zu Mt 23, 19. 22. 277
beiden Varianten (es ist schwer zu entscheiden, welche, doch
wahrscheinlicher die erste) eine freiere Wiedergabe des Urtextes.
Auch das doxifict&xe, womit das Epiphanius-Citat eröffnet
wird, dürfte ebenfalls aus der hebräischen Quelle stammen als
ungeschickte Version etwa von 2X6ri (— chald. "Dö) in der Be-
deutung „meinen, urtheilen". Der aussercanonische Paralleltext
des Epiphanius lässt ausserdem sowohl Mi. 23, 18 als zu v. 19
das canonische öwqov wegfallen wie es auch Mt. 23, 20 fehlt.
Mt. 23, 19.
a, Epiph. Haer.XVI,4. p. 36 C.
ovyi to &v6iaoxrJQiov ßaöxaCßi^xo kjrixdfitvov ;
b. Mt. 23, 19. 20.
xv<pXoi, xi yaQ //£?£or, xo öwqov 0} xo {hvöiaöxijoiov to
aytatjov xo ö&qov; 6 ovv Ofiooag kv xcfi frvoiaoxqQicp 6tu-
vvu kv avxqZ xai kv Jiäoiv xotg kjtdvco avxov.
Wenn man den unter a mitgetheilten Textbestandtheil der
Epiphani üs-Relation, welcher in den canonisGhen Parallelen
sich nicht wiederfindet, zwischen Mt. 23, 19 und 20 einfügt, so
entsteht ein vorzüglicher Context: xvtpXoi, xl yao fiei^ov, xo
ticoQov tj xo &vöiaoxtjQiov xo ayidC,ov xb öwqov; ov%i xo ß-v-
CiaoxTjQiov ßaöxa^si xo kxixeifiEvov ; o ovv Sftooag kv xrh
&vGiaoxr)Qi(o, oftvvsi kv avxqj xai kv jiaQiv xolg kndvca avxov.
Mt. 23, 22.
a. Epiph. Haer. XVI, 4. p. 36 BC.
xai xo kv x(5 ovQttvw ofivvvai ovöhv eivai rpaxe, kav
6i xiq O[iöo\i &v T<? kxävo) avxov, xovxo ötöixaiatxai.
. . . xai o ovoavog d-Qovog koxl xov kjt avxm kjtixa-
&e£o/ikvov.
b. Mi 23, 22.
xai o 6(ioöag kv xco ovgavcfi 6[ivvu kv xcp d-Qovo xov
&eov xai kv xqj xaihfiiivoy kitdva) avxov.
Auch an dieser Stelle bietet die Epiphanius -Relation einen
vollständigeren, jedenfalls den ursprünglichen, Context, wodurch
der fragmentarische Vers Mt. 23, 22 erst verständlich wird. Jesus
278 Aussercanouische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
hält den Pharisaeern vor (man bemerke auch hier die dem Ur-
texte entsprechende direkte Anrede gpare), dass nach der jüdi-
schen Casuistik das Schwören bei dem ovqavog Nichts sei (ovÖev
slvai (faxt, man beachte den analogen Ausdruck in Mt. 23, 16ar
oc, uv o/xoorj ev rrp &v6La6Tt]Qicp, ovdiv eöxiv), nur das Schwören
bei dem über den Himmel Erhabenen (iv xm kjcavat avxov) solle
gelten und bindend sein (toüto ÖEÖixaicoxai, wie zu v. 16 öixaiov
£/va«j==^yaA£t]. Dem gegenüber weist Jesus darauf hin, dass
der Himmel Gottes &o6vog, folglich das Schwören beim Himmel
ebenfalls bindend, bezw. strafbar sei. Man vgl. Mt. 5, 34b: oxt
ftnovog eöxiv xoi &eov, welcher Zusatz in der Jacobus-Parallele
Jac. 5, 12 dort fehlt, also vielleicht von diesem Context dorthin
versetzt ist.
Mt. 23, 32.
a. 4. Esr. 12, 25.
exeIvoi yao icovxai, oi avaxscpaXaiojoovOc tag aosßsiag
avxov xal oi ixixeXiaovoi xa \oyaxa avxov.
b. l.Thess. 2, 16.
eiq xo avajtXrjQcööai avxcov xäg afiagxiag Jtavxoxe.
c. Barn. V, 11. p. 22, 14.
ovxovv 6 vibg xov freov sie xovxo hv oagxl rjXdev, Vva
xo xeXelov xcov ctfiaQxicov avaxE(f>aXaia\oy xolg öiw^aotv
kv üavdxm xovq xQOtytjxag avxov.
d. Mt. 23, 32.
xal v/iElg jtXrjQcoöaxE xo fiixQov xäiv jtaxEqcav vfimv.
e. Ep. ad Diogn. IX, 2. p. 161, 7.
jiEJiXriQcoxo [iev i) ijiiEXEQa aöixia xat xeXsiog XEgxxvEQcoxo.
f. Ps.-Petr. t 17.
xal EJtXr/oo3öav xavxa xat hxEXEkoöav xaxa xtjc xtfpaXtjg
avxmv xä aftaQxr)tuaxa.
Obiger Vers ist ein Gegenstand höchst interessanter Unter-
suchung und ein besonders schlagender Beweis für die Abhängig-
keit der paulinischen Briefe von der vorcanonischen Evaugelien-
quelle. Die Verwandtschaft nämlich zwischen l.Thess. 2, 15. 16
und Lc. 11, 48 — 50. 52 ist bereits von verschiedenen Seiten wohl
bemerkt worden. Die damit gegebene gleichzeitige Verwandt-
schaft von 1. Thess. 2, 15. 16 mit Mt. 23, 34. 13 erstreckt sich
Texte und Untersuchungen zu Mt. 23, 32. 279
mm ganz besonders auch auf den von Lucas nicht gegebenen
Text Mt. 23, 32. Damit ist zu erweisen, dass die Verwandtschaft
nicht auf einer Abhängigkeit des Lucas von Paulus be-
ruhen kann, sondern dass hinter den drei Parallelen 1. Thess.
2, 15. 16 = Lc. 11, 48. 49. 52 = Mt. 23, 32. 34. 13 ein älterer ge-
meinsamer Quellentext verborgen gewesen ist. Dazu entspricht
das jcXriQ(DOats in Mt. 23, 32 dem paulinischen dvajrXrjQcoocu,
und dieses Compositum findet sich — womit der Beweis sich
vollendet — auch zu Mt. 23, 32 bei Cyrillus Alexandrinus
nach Tischendorf zweimal, nämlich Zachar. p. 697, wo er
aveTcXyiQcoöaxE liest, und Glaph. 32, wo dvajihjocooart steht.
Während nun in der Epistula ad Diognetum ebenfalls ein
Anklang an unsere Stelle mit der Lesart jrsjrXrjQ03TO zu erkennen
ist, finden sich noch weitere Varianten, nänifichbei Barnabas
und in der Esra-Apokalypse mit dem Gebrauch des Verbums
ävaxsgxxXcuovv (recapitulare) sowie bei Hermas jiXt]0&7Jvcu. Vgl.
xal ovxcoq exXtjö&rjoav al dvofilai avrcöv. Herrn. Vis. H, 2, 2.
p. 18, 17. Verwandt lsY auch 4. Esr. 11, 45: et scelera ejus com-
pleta sunt. Dass allen den Varianten jtXrjgovv, avcuthjQovv,
jiXtj&eiv, jciftjcXdvai- = complere, sowie auch dem scheinbar
ferner stehenden dvaxetpaXatovv = recapitulare das gemeinsame
Quellenwort r&3 zugrunde hegt, ergiebt sich theils von selbst,
theils wird es bezüglich dvaxegxxXaiovv evident durch Theo-
dotion, welcher Ps. 72, 20 1^3 mit dvexewaXcuco&rjOav wieder-
gegeben hat. Die Variante dvajtXrjgovv , in welcher Paulus
1. Thess. 2, 16 und Cyrillus Äl. "zu Mt. 23, 32 zusammentreffen,
gehört jedenfalls dem paulinisch-lucanischen Übersetzungstypus
an und würde sicherlich im dritten Evangelium zu finden sein,
wenn Lucas nicht an dieser Stelle den Text gekürzt und die Pa-
rallele von Mt. 23, 32 weggelassen hätte. Das pseudo-petri-
nische Evangelien fragment, welches v. 17 wesentlich auf Mt.
27, 25 sich stützt, spielt doch zugleich durch die Ausdrücke
ejtX^Qcoaav^JreXdooqav an Mt. 23, 32 an. Wenn Rahlfs (Theol.
Lit.-Zeitung 1893 No. 15. Sp. 377) behauptet: „rtes heisst wohl
., „zu Ende gebracht werden" a, aber nicht jtX7jQovo&aiu — . so
genügt der Hinweis auf 2. Chron. 24, 10: "plKS Wbflft WiW
n's3b"iy= LXX: xal elotipeQov xal kveßaXov sig xo yXcooooxo-
Hov, £coc ov IxXrjQcöOr} —, sowie 2. Chron. 36, 22: rr;n"»"13^ tVlteb
280 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
= LXX: f/stä xo jiX7jQco^t/vai Q/jfia xvqiov —, um zu zeigen,
dass trotz des Widerspruchs von Rahlfs gerade das spätere He-
bräisch den Gebrauch von nbD iu der Bedeutung von xXijqovv,
jtXrjQovo&ai, gekannt hat und dass auch für Septuaginta-Forscher,
wie für diesen Schüler Lagarde's, das Gebiet der griechischen
Übersetzungsvarianten noch nicht allseitig geklärt ist. Einige
alttestamentliche Parallelen, nämlich Gen. 15, 16: DbtT'&S'b ">3
"n'EKn ■py = LXX: ovxw yaQ avaxEjtXr}Qa>vxai al äfiaQxiai
x<äv 'AftoQQaicop, ferner Am. 4, 4: ?ÖBb lünn = LXX: txXrj&v-
vaxe xov aoeßrjoai — erweisen auch hier den Zusammenhang
derTteden Jesu mit dem A. T., zugleich aber auch die Abhängig-
keit der Esra-Apokalypse von den Reden Jesu, da der bezügliche
Text 4. Esr. 12, 25: isti enim erunt, qui recapitulabunt impie-
tates ejus et qui perficient novissima ejus — mit denTrecapitu-
lare (= ävaxs<paXaiovv), ebenso wie das ävaxegxxXaicooy Barn.
V, 12, weder von Dbt) noch von n3"in, sondern nur von dem
Mt. 23, 32 vorauszusetzenden rf&3 abzuleiten ist. Bei Barna-
bas ist noch zu vergleichen: to zeXeiov dxavöaXov tjyyixev —
Barn. IV, 3.
Mt. 24, 10*.
a. Aid. XVI, 5.
xa\ oxavdaXiad-i'jöovzai xoXXol xal axoXovpxai.
b. Const. VII, 32. p. 212, 7.
xal jioXXoi oxavöaXiofrqöovxai kn avx<p [sc. xm
xoO(iojtXav<p].
c. Mt, 24, 10a.
xal xox£ cxavöaXio&rjöovxai xoXXo't.
Die letzte grosse eschatologische Rede Mt. 24 = Mc. 13 =
Lc. 21, welche ohne Widerspruch in allen ihren Theilen aus dem
Urevangelium stammt, wird der Hauptsache nach bei Lc. 21,
ausserdem bei Lc. 17, 22 ff., Act. 1, 7 zur Erörterung kommen.
Denn, wenn auch ganz aus dem Urevangelium entstanden, hat
diese Rede doch durch die Umschaltungen des Marcus, welchen
der erste Evangelist noch einige andere Umschaltungen seiner-
seits beifügte, auch Stoffe in sich aufgenommen, die in der Quelle
an anderen Standorten vertheilt waren. Hier und im folgenden
handelt es sich um solche Stoffe, welche ausschliesslich durch
den ersten Evangelisten und ev. durch Mc. uns erhalten, von
Texte und Ur^ersuchugen zu Mt. 24, 10. 11. 281
Lucas aber weggelassen sind. Sie sind alle Urbestandtheile der
grossen eschatologiscben Rede.
Was zunächst Mt. 24, 10a anlangt, so findet sich in der es-
chatologiscben Schilderung, in welche die Jidaxtf c. XVI aus-
mündet, ein Zug, zu welchem unter den canonischen Evangelisten
nur der erste eine Parallele, eben Mt. 24. 10a: xal xoxs oxav-
6aXiC&-7Joovtai xoZZol, erhalten hat. Aber während dieser Zug
bei dem ersten Evangelisten in die Schilderung der Weben ge-
hört, die der Zerstörung Jerusalems vorangehen sollten, bildete
derselbe nach der Jidax?} eine Ergänzung für das Bild der
antichristischen Endzeit. Darnach sollten während der grossen
&Zliptq, die durch das Auftreten des Antichrists, des xoüfio-
jtZavoq, über die Welt hereinbrechen wird, viele zu Falle kommer
und zu Grunde gehen: xal GxavöaZio&ijaovrai noZZol xal ano-
Zovvrat. Die Annahme, dass hier die ursprüngliche Stelle dieses
Redetheils erhalten ist, wird verstärkt durch die Wahrnehmung,
dass der Redaktor der Constitutionen, welcher aus guten
Evangelienquellen zu schöpfen pflegt und namentlich auch die
eschatologische Partie der /liöax1*) durch selbständige Züge
vermehrt hat, die Beziehung auf den Antichrist noch stärker
hervortreten lässt. Denn er schreibt: xal öxavöaZiöfr/jOovTai
jtoZZol In avTco — , also: an ihm, dem xoöfiojtZdvog, dem
Antichristen, werden viele zu Falle kommen, zu Grunde gehen.
Dies ist ja auch die Auffassung des Apokalyptikers, weicher in
verschiedenen Schilderungen — vgl. namentlich Apok. 13 , 8.
16 ff.; 14, 9; 20, 4 — zeigt, wie in der antichristischen Krisis
viele zu Falle kommen und zu Schanden werden — eine Be-
ziehung, welche von Wohlenberg (Die Lehre der 12 Apostel etc.
S. 40) richtig erkannt und hervorgehoben worden ist.
Mt. 24, 11 — Mt. 24, 24» — Mc. 13, 22».
a. Hom. Cl. Ep. Clem. ad Jac. 14. p. 10, 25.
tä <pvori(iara ralq xmv üiZavcnv xal xä>v tysvöojTQorpijTGtv
OfiiZLaiq.
b. Didasc. VI, 13. p. 330.
(psvyeip avxovq rovq tpsvödtg In ovofiari röiv axoöroJ
eZ&övxaq.
282 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
c. Pseudo-Ign. ad Magn. III. p. 196, 30.
xal xovg ipsvdiegstg . . 0)g av g>&ogeaq xal äjcaxsmvag
dvB-QCOJCCDV.
d. Just. Dial. c. Tryph. c. 51. p. 271 A.
xal kv xcß (isxaiv xrjg Ttagovolag avxov xqovco, mg stgo-
t(f/Tjv, yevrjoeod-ai tegtlg \<p&ogslg] xal xptvöojigogiijxag eitl
x<p ovofiari avxov Jtgoefit'jvvas.
e. äiö. XVI, 3.
sv ydg xalg iöx^xaig fyegatg nXr)&vvd-r)oovxai ol tyevöo-
xgocpr/xai xal ol (p&ogslg.
f. Const. VII, 32. p. 211, 28.
kv yäg ralg ioxdxatg r]fiigaig jtXrjfrvv&rjöovxai ol ipevöo-
üiQO<pr\xai xal ol (pfrogelg Xoyov.
g. Const. VI, 13. p. 172,24.
ovroi yäg sloi xpevöoxgiGxoi [xal] ty£vöoxgog>r}xai xal iptvö-
ajtöoxoXoi, jtXctvoi xal qpfrogtlg.
h. Vincent. Lerin. Commonit. 37. 38.
pseudapostoli, pseudoprophetae, pseudodoctores.
i. Hegesipp. ap. Eus. H. E. IV, 22, 6. p. 146, 4.
äjtb xovxmv [sc. xmv algioemv] ipevöoxgiO"zoi, tpevöojrgo-
(prjxai, xptvöajcoGxoXoi, oi'xiVEg tfiigiGav xi)v tvmoiv xrjg
ixxXrjoiag.
k. Just. Dial. c. Tryph. c. 35. p. 253 B.
xai iGovxai öxiOftaxa xal algioeig . . . xal' dvaGxf\Govxai
xoXXol ipevdoxgiGxoi xal ipevöoaxÖGxoXot, xal xoXXovq xmv
jcioxmv üzXavfjOovoiv.
L Hom. Clem. XVI, 21. p. 158, 26.
ioovxai ydg, mg o xvgiog elxev, tpsvöaxoGxoXot, tysvöelg
jigocprjxai, algeoeiq, (piXagxiai.
m. Pseudo-Ign. ad Philad. V. p. 236, 2.
mg yag ol ipevdojtgo<pijxai xal ol rpsvöajtoGxoXoi tv xal xo
avxo ei'XxvGav jtovrjgbv xal djcaxrßov xal XaonXavov
jcvevfia.
n. Acta Archelai ap. Routh V, 131. 134.
exsurgent enim et falsi apostoli et falsi prophetae.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 24, 11. 283
o. 2. Petr. 2, 1.
iyivovro 6h xal ipsvdojtQO<p?JTai kv r<p Xacö, mg xal iv
vfitveoovtai ip£v6o6i6daxaXoi, oiriveg xagnoägo votv algeoug.
p. Const. VI, 18rpri78, X '
ovxol slöi xegl cov o xvgiog jttxgmg xal djiorotucog djtttp)]-
vazo Xiymv ort slol tpsvöoxQtoroi xal xpsvöoötöaoxaXoi..
q. Just. Dial. c. TryphT c. 82. p. 308C.
xal nag* t)tuZv vvv jtoXXoi elot xal tyev6odi6äoxaXoi., oig <pv-
Xäöoeo&ai jcgosljcsv r^ilv 6 tjftirsgog xvgiog . . . Ujie yäg ort
. . . tykvdoJCQo<pr}Tai xal tpevöoxQtäTOi jioXXol sm reo ovöfiari
avTOv ptagsXsvOovrai xal jcoXXovg JtXavfjöovöiv.
r. Didasc. VT,~T8Tp. ""33lT
öiotc eotXrjQoad-rj xa jtgoEigrjfieva vq> ?](id)p xal tjX&ov ol
xgvtptoi Xvxoi, tptvöoxQiGTOi xal \p£vöojtgo<pi}rai axp&rjoav.
s. Const. VI, 18. p. 179, 16™ ~~
xal sXsvoovvai ipevöoxQiGTOi xal fpev6o7tgo<p^tai.
t, DidascTvi, 13. p. 330 = Const. VI, 13. p. 173, 7.
dvaörnoovtat yäg psvöoxQiOrot xal tp£v6ojtgo<pfjTai xal
jtXavrjoovoi stoXXovg.
u. Mc. 13, 22».
sysg&voovrai 6h tysv6oxgi6zoi xal rpsv6ojigo<fitizai.
v. Mt. 24, 24a."
eyeQ&r'jGovrai ydg tysvööxgiozoi xal tpiv6ojcgo(prjzai.
w. Mt. 24, 11.
xal otoXXol ip£v6ojiQO<p7JTai tysg&rjöovzai xal jtXavfjOovoiv
noXXovg.
Dieses Logion ist von mir bereits in Verbindung mit dem
Agraphon von den algeosic xal öxldfiaza behandelt worden.
Vgl. Agrapha S. 105. 173—178. 282—284. Ferner habe ich
dort auch (Agrapha S. 240) auf den ursprünglichen Unterschied
hingewiesen, welcher in den Quellentexten zwischen Mt. 24, 11
und Mt. 24, 24 bestanden haben inuss, der aber in den jetzigen
canonischen Texten fast vollständig verwischt ist. Denn während
man in der jetzigen canonischen Fassung beide Verse für Dou-
bletten, für zwei verschiedene Redaktionen eines und desselben
Quellentextes, halten möchte, handelte, wenn wir denjenigen In-
dicien folgen, welche die aussercanonischen Paralleltexte an die
Hand geben, v. 24 im Singular von dem Antichrist als einer
284 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Persönlichkeit, in welcher das christusfeindliche Princip sich
verwirklichen soll, v. 11 aber yon seinen Vorläufern, den ipev-
öojiQOcpfixat und ipevöajiüözoJLoi, in der Mehrzahl. Die weiter
unten zu v. 24 gegebenen Texte und Erläuterungen dürften diesen
Sachverhalt, was v. 24 anlangt, ausser Zweifel stellen. Auch zu
v. 11 sind vorstehend zahlreiche Parallelen beigebracht, darunter
einige, welche in den Agrapha a. a. 0. nicht erwähnt sind. Unter
ihnen ist besonders beachtenswerth das Citat aus Pseudo-Ig-
natius, welcher ja mit dem Redaktor der Constitutionen
jedenfalls identisch ist. Wie in den Constitutionen die <jpi>o-
(ttlq [Xoyov] zweimal (f, g) erwähnt sind, so kehren sie auch
bei Pseudo-Ignatius wieder, wobei der Verfasser in demselben
Athem ajtaxe äivag und vorher ipsvötspelg namhaft macht. Diese
letztere Parallele könnte ein Licht werfen auf das Citat aus
Justin (d), wo das dunkle ItQslg von Sylburg als ipevötsgetg
erklärt, von mir aber (Agrapha S. 176) als verderbte Lesart Tür
(pfroQtlq aufgefasst worden ist. l) Es sind damit die Vorläufer
des Antichrists gemeint, den die Clementinen %va xT\g xaxlag
fyefiova nennen. Diese seine Vorläufer, diese zrjg nXavrjg xi]-
Qvxsq, wie ebenfalls die clementinischen Homilieu sagen, treten
nun nach obigen Paralleltexten unter den mannigfachsten Be-
nennungen auf. Vgl. folgendes Verzeichniss :
nXävoL [a g, vgl auch m XaojtXävov xvsvfia], ajiaTsmvbg
|C, vgl. auch m äjtart/Xöv sc. Jtvsvfia], <p&0QEtg [c bzw. d.
1) Wenn Planck in seinem Aufsatz : „Lucian und das Christen-
fchum" (Studien und Kritiken 1851) zu der Stelle aus Lucians Peregrinus
c. 11: öxs ntQ xal vtjv &ai\uactTjv aocplav tolr XpiotiavtSv e^tfia&e, negl
T7jv naXaiarlvTjv tolq itytvot xal yganftattva iv avxdiv Jzvvytvofisvog
— seinerseits p. SGü bemerkt: „Es wird wohl keine Stelle geben, wo
christliche Gemeinde Vorsteher klslsoetq bezeichnet werden": so ist seitdem
dieser Ausspruch durch die diöayji widerlegt. Denn diö. XIII, 3 heisst es
von den ncutestamentlichen Propheten: avrol yÜQ tlatv oi d^xteottg
vfiwv. Dasselbe Wert findet öich in der 1850 durch de Lagard es Rück-
übersetzung ins Griechische zugänglich gemachten Didascalia, wo es
auf die Bischöfe angewendet ist. Vgl. Didasc. II, 25. p. 260: oi/coi yt'.Q
v/jUöv ttalv oi dpyiepeig. Aber auch schon als Planck schrieb, war
dasselbe Wort in den Constitutionen 11,25 (p. 54) zu lesen. Es konnte
auch nicht anders sein, als dass der von Pseudo-Ignatius gebrauchten
Benennung rpevöieotig entsprechend der Titel ieofig und dQyjeotiq für
christliche Amtsträger fehlte.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 24, 12. 285
eT f» gl» ipevöiEQStq [c bezw. d], ipEvöoöidaoxaXoi [h, o,
p J, ipEvöaxoOxoXoi \ g, h, i, k, 1. m, n, bzw. ipEvöäq ejc ovo-
(laxi ajtooxoXcov iX&ovxsq b), rpevöoxQtOrot [g, i, k, p, q, r,
s, t, u, v], ipevdojtQotpiJTai [a, e, f, g, b, i, m, n, o, q, r,
s, t, u, v, w bzw. ipEvöetq JiQotprjxai 1].
Aus der Menge dieser Varianten wird sich das Ursprüngliche
ebenso wenig herausfinden lassen, als in der von dem Herrn
verheissenen Sendung der echten jigoyrjxat xal axooxoXot (Lc.
11, 49 = Mt. 23, 34), wo sich auch noch andere Benennungen,
wie öiöaoxaXoi, ygafiftaxElq, oo<pol (Eph. 4, 1 1 auch evayysZtOtai,
jtoifttveq) angeknüpft haben. (Vgl. zu Lc. 1 i, 49 ). Jedenfalls
bildete das Mt. 24, 11 == Mc. 13, 23 geweissagte Auftreten der
falschen Propheten und Apostel das Gegenstück zu der von Jesu
Lc. 11, 49 = Mt. 23, 24 verheissenen Sendung seiner echten
Apostel und Propheten. Was Justin anlangt, so ist er an-
scheinend verschiedenen Quellen gefolgt. Vgl. die Citate d, k,
q. Die Varianten avaozrjöovxat — EyeQ&rjoovracj wohl auch
staQEXEVüovtai, gehen auf TO'ip'j zurück. 2u ipsvöaxnoxoXoi ist
noch auf~2TCor. 11, 13 hinzuweisen, wo zugleich Mt. 7, 15, mit-
hin ein Logion anzuklingen scheint, welches ursprünglich in
denselben eschatologischen Zusammenhang gehört hat. Vgl.
oben Mt. 7, 15. Auch die tpsvÖElq sc. ajcoöxoXoi Apoc. 2, 2 sind
als Seitenstück zu den ipsvÖElq jrQOiprjxai derHomilien hieher
zu ziehen. Zu dem Ausdruck <p&0QElg verweist Bousset (die
Evangeliencitate Justins S. 97) noch auf 2. Petr. 2, 12: £v xi/
<püoQti avxcöv xal g)9-aQr/oovxai. Jedenfalls setzt die Schilderung
des berühmten zweiten Capitels des zweiten Petrusbriefes das
Herrenwort von den rp£vdojtQO<pfjxai (vgl. 2. Petr. 2, 1 mit Jud.
4: jtQoyEyQafjfitpoi) voraus.
Mt. 24, 12.
a. 4. Esr. 5, 10.
xal jcXij&vv&fjöETCu fj äöixia xal t) atpQOömwj tjrl xtjq yfjq.
b. Jiö. XVI, 3. 4.
xal n ayant] oxgayqotxai elq fitooq' av$avovo?)q yäg xyq
ävo/iiaq xxX.
c. ConstTviI, 32. p. 212, 1. [= Aiö. XVI, 4J.
xal q ayajtrj jilöoq [sc. oxga(p7JOExai\' 3tXrji)vvtiEiorjq yag
zrjg avo/iiaq xxX.
286 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
d. Didasc. VI, 13. p. 330.
xal öia xo xXTj&vv&rjvai xi)V dvo(iiav ipvx&t/oerat i\
xcov xoXXalv dydzirj.
e. Const. VI, 13. p. 113, 1 [= Didasc. VI, 13].
dt* ovg [sc. xovg ipevöoJiQOtyi'izag xal ipsvöaTrooxoXovg}
tpvx^oezai rj xwv jcoXXäv dydjcrj.
f. Hippol. Fragm. ed. Lagarde p. 158.
xafra)g xal 6 öeOJtoxtjg Xeysf öia xo xXjj&vv&ijvat xr)v
dvofiiav ipvxrf osxai rj dycuir) xo3v JtoXXoiv.
g. ML 24,1 2.
xal diu to jcl7)frvv&i}vai xr\v dvoftiav ipvx?'j6£xai rj dyd~
jctj xmv jcoXXmv.
h. 2. Tbess. 2, 7.
xo ydo (ivözTjQiov rjötj kvtoyslxai xtjg dvofiiag.
In engster Verbindung mit der Weissagung von den durch
grosse Irrlehren innerhalb der Christenheit zu erwartenden Spal-
tungen und Zersetzungen — soovxat öxioftaxa xal aloeoug —
stand im Urevangelium die andere Weissagung von der überhand-
nehmenden dvofiia (== döixta) und von dem Erkalten der dydjtT]
unter seinen Jüngern. Vgl. Agrapha S. 177. 178. Auch in der
Apocalypsis Baruch XXVII, 12 wird das Überhandnehmen der
iniquitas in die Endzeit verlegt: et in parte undecima injo1ujtas
et incontinentia. Dass Paulus das in Mt. 24, 12 erhaltene Lo-
gion 2. Thess. 2, 4 ff. im Zusammenhang mit der Weissagung
von dem Antichrist gelesen hat, liegt auf der Hand. Die pau-
linische dvofiia und des ersten Evangelisten döixia sind nicht
tendenziöse Parolen — wie die Tendenzkritik glauben machen
wollte — , sondern harmlose Übersetzungsvarianten von }"SC.
VgL dieselben Varianten zu Lc. 13, 27 = Mt. 7, 23, wo der erste
Evangelist die dvofiia, Lc. aber die döixia vertritt. Zu xXrjfrvv-
&7jvai (Mt.) = avZßveiv (did.) = eveqyslö&ai (Paulus ) = rQ"n vgl.
(Jen. 1, 22. 23 LXX und Symmachus Izu Ps. 17, 36, ferner
1. Chron. 23, 17 LXX.
Mt. 24, 14 =Mc. 13, 10.
a. Hippol. Comm. in Dan. Lib. IV. p, 15. ed. Bratke.
jtQwxov ydq Sei xrjQvx&fjvai xo evayyiXiov xov xvolov
Texte und Untersuchungen zu Mt. 24, 14. 22. 287
slg ftaorvgiov Jtäoi rolg Id-vsöL, xal ovrcog ijgsi rb
reXog, orav 6 Qvf/Jtag xbo/iog jifojQwfrr}.
b. Mt. 24, 14.
xal XT]Qvy$n6srai rovro rb svayyiXiov rr\g ßaciXsiag
sv oXy xxi oixovfievij slg fiaqxvQiov jtaotv xoIqs&vsgiv,
xal xbxs rjs£l T^ x^Xo^
c. Mc. 13, 10.
xal slq xävra xa $&vri jiqcöxov ösl xtjQvx^fjvai to er-
ayysXiov.
d. Orig. c. Cels. II, 13.
xriQvx&f}G£x:cu xo svayysXiov rovro sv öXcp xqp xoofiq)
slg fiaorvQioV avxolg xal rolg s&vsöiv.
Aus dem rolg s&vsoiv der Quelle, die in Mt. 10, 18 am
reinsten erhalten ist, lässt Weiss (vgl. Marcusevangelium S.417
Anm.) durch freie Bildung des zweiten Evangelisten das Logion
Mc. 13, 10 und daraus die Parallele Mt. 24, 14 entstehen. Die
aussercanonischen Parallelen aber lassen uns in Mt. 24, 14 ein
selbstständiges Logion erkennen, dessen Abstammung aus der
vorcanonischen Quelle durch die Varianten sv oXm reo xooji<g==
sv oXy rf, olxovfitvj] = jn»n~b23 und dem verwandten Zusatz:
brav 6 ovfijiag xbo/iog xXrjQafrrj in dem neuentdeckten Hippo-
lytus-Texte offenbar wird.
Mt. 24, 22 = Mc. 13, ?0.
a. Barn. IV, 3. p. 14, 6.
slg rovro yäo b dsojtbxrjg övvxsxfjtypcsv xovg xaiQovc xal
rag rjutoag.
b. Ulörig 2o(pia. Anger Synopsis p. 198.
sxoXbßa>oa rovg xaioovq öiä rovg txXsxrovg pov ei ,f/?},
ovx av söatd-r) netoa V^X*?- sxoXößmoa öh rovg xaiQOvg
xal rovg yoovovg öiä rbv ägi&fibv rov reXsiov rmv rpvxcöv.
dt Xtppovrai rb fivort'jQiov avral slöiv ol sxXsxxoi sl (/>}
sxoXoßwoa rovg XQovov$i ovx av toiofrt) jtaoa tyvyj
vXixr) =
c. Pistis Sophia p. 28, 17. ed. Schwartze et Petermann.
Propter hoc igitur dixi vobi.s tempore: Abbreviavi tempora
288 Aussercanonische Faralleltexte au Mt. und Mc.
propter meos electos. Alioquin nulla tyvx1? potuisset
servari. Abbreviavi öe tempora et XQOvovg propter aoi&fjov
reXscov rpvxcov, quae suscipient fWötTjoiov, quae eaedem
sunt electi, et, ni abbreviassem eorum xgovovq, nulla
vXixr] potuisset servari.
d. Mt. 24, 22.
xal el fir) kxoXoßm&ijaav al fjnioai ixstvai, ovx av ic>oj&r)
xäöa GaQg- öia 61 rovg ixXExxovg xoXoßco&rjdovTai ai
tjftt'gcu exelvai.
e. Mc. 13, 20.
xal el (ii) ixoXoßmOBV xvQiog rag t/fitoag, ovx av eoat&ij
jcäoa Occq§- aXXä diu rovg exXexrovg, ovg e^eXt§aro,
kxoXoßcaOEV rag yfikoag.
f. Ephraem Syr. Serm. de Autichristo c. 10. Hymni et Sermones
III, 208. ed. Lamy.
Dominus in evangelio dicens: Abbreviabuntur dies ilii pro-
pter electos et sanctos.
Dieses Logion, welches Weiss (Marcusevangelium S. 420 f.,
Matthäusevangelium S. 510) mit Recht zur Quelle rechnet, ge-
hört zu der Schilderung der ftsydXij &Xlipiq. Obwohl Lucas die
Weissagung von dieser Trübsalszeit als f/eydXij dvdyxy ebenfalls
aus den Logia geschöpft hat (vgl. Lc. 21, 23), so ist bei ihm doch
der Nachsatz (Mt. 24, 22 = Mc. 13, 20) in Wegfall gekommen.
Nach der Stellung, welche diese Weissagung von der fisydXfj
&tity'^fadyxil= «ins) bei allen drei Synoptikern in dem ersten
Theile der eschatologischen Rede einnimmt, gehört sie in die
israelitische Zeit und fällt zusammen mit der Zerstörung Jeru-
salems. Nach den aussercanonischen Parallelen (vgl. Mt. 24, 24)
möchte man vermuthen, die fieydXr] frXltpig umfasse die Zeit vor
dem Auftreten des Antichrists bis zu seiner Vernichtung. Je-
denfalls ist der hebräische Quellentext an den Varianten öeöJtozijg
—jcvQtog — filS, ovvTSfivsiv — xoXoßovv — -Ä]?, XQ0V0? —
^$!?!Ls=zJw*Qai ~ ^^ » vielleicbi auch tfapg = ipvx*j vXtxtj
= ÜB3 — wieder zu erkennen. Die Lesart der Pistis Sophia:
ötd rovg exXexrovg fiov findet sich auch, was bei Tischeudo rf
nicht notiert ist, im Codex Colbertinus: propter electos meos.
Vgl. Exe. Theod. c. 9 zu Mt. 24, 24. Zu dieser Lesart gehört aber
auch das ixoXoßcoOa als nothwendige Ergänzung.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 24, 24. 289
Mt. 24, 24.
a. Petr. Sic. Hist. Manich. c. 22.
jcoifjOEi yäg* <pr]Oiv, 6 vjto rov jtov?]gov svEgyovftsvoq
ävriygtöxoq GT](i£ia, coq JcXavrjaai si övvaxov xal rovq
sxXsxrovq.
b. Exe. Theod. § 9. ap. Clem. AI. p. 969.
6&ev Etgrjrai rovq fisv rrjq y.Xrjöscoq avfrgoijtovq xaxd xijv
xagovöiav rov avri%gi6rov jcXavtj&TJOEO&ar dövvarov
öh rovq sxXsxrovq' öiö <prjGi" xal ei övvarov rovq
sxXsxrovq fiov.
c. Orig. Opp. ed. de la Rue III, .143. in Jerem Hom IV, 3.
xal xouyoei Orjfisia xal rtgara 6 sXEVoofisvoq, mors
djcojtXavao&ai eI övvaxov xal xovq sxXsxxovg.
d. Orig. Opp. ed. de la Rue III, 765.
6xi [sc. o av&omjioq xtjq apcagx'iaq) ev ry rov öiaßöXov
ki-ovoia. jioieI Jtäoav övvafiiv xal öijfiela xal zegaxa,
ev olq xaraxXrjOOErai xal äjcojiXavijOsi si övvaxov xal
xovq kxXsxrovq.
e. Celsus ap. Orig. c. Cels. VI, 42. Opp. I, 663.
öiöaoxsi [sc. o 'Irjoovq] xal fjfiäq .... jtgoayogEvoyv , a\q
dga o JEaxaväq xal avxoq ofxoiojq <pavtlq ixiösiiiExai fit-
yäXa sgya
f. Apocalypsis Esrae p. 27.
avxoq dvaß?]0£xai. ydg o dvxixEifiEvoq xoiq avftgoiJtotq
djeb xmv xagxägmv xal svösit-srai jcoXXa xoiq av&gmjtoiq.
g.. Aiö. XVI, 4. 5.
xal tote (pavr\QExai o xoOfJOJtXavoq a)q vloq &eov xal
noirjGEi Orjfisia xal xs'gaza . . . xal oxavöaXiofrrjöovxai
jcoXXoi.
h. Const. VII, 32. p.212, 4.
xal tote <pav7]0Exai o xoöfJOxXavoq, 6 rfjq äX?]&£iag sy-
&goq, o xov ipEvöobq jtgooxäxrjq, ov o xvgioq ccveXei reo
jtvEv^iaxL rov Ozöfiaxoq avxoy, o öid ytiXtayv draigojv
aöEßtj- xal jtoXXol oxavöaXiod-tjOovxat sjc avxcö.
i. Dionys. Alex. ap. Eus. H.E. VI, 41, 10. p. 237, 9.
xal öij xal jiagijv xo srgooxayfia, avxo oyzöov hxsivo, o'iov
Texte u. Untersuchungen X, 2. 19
290 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mo.
xb jiQOQQrj^ev vxb xov xvgiov ajtoqxxivov xb cpoßsQcora-
xov, coq, sl övvaxbv , oxavöaXioai xal xovq sxXexxovq.
k. BißXiov KX^fiEvxoq jiqojxov xb xaXovfiEvov öia&?'jxrj rov
xvq'lov 3h]aov XgiOxov. Cap. IX. IIsqI xr)q jiagovoiaq xov
öiaßbXov. Reliquiae jur. eccles. p. 82. ed. Lagarde. Agrapha
S. 240.
xoxe elevösxcu o vlbq xrjq axcoXdaq o dvxixaXoq vtyov-
{tEVOqxal EjiaigbfiEvoq, jioicov örjfiEla xal övväfiEiq jtoXXäq
jcgbq xb jcXavrjoai oXrjv xr\v yrjv.
1. 2. Th. 2, 3b. 4a. 8. 9. 10a.
djtoxaXvcp&fj 6 avd-QCOjioq xrjq dvofiiaq, 6 vlbq xrjq ajtcoXuaq,
6 avxixeifiEVoq, .... xal xoxe dxoxaXvcp&rjoExai 6 avo-
fxoq, bv 6 xvgioq Irjöovq dvsXel xcö JiVEVfiaxi xov Oxbfiaxoq
avxov xal xaxagyrjöEi x)j knupavEia xrjq ütagovoiaq avxov,
ov soxlv 7] jcaQovoia xax* svEgysiav xov oaxava kv jcäor]
övvdfiEi xal 07/fieioiq xal XEgaOi ipsvöovq, xal kv ndoi]
djtax?] aöixiaq xolq djcoXXvfiEvoiq.
m. Eus. H.E. IX, 7, 15. p. 345, 24.
coq, xax" avxb örj xb üeIov kxElvo Xbyiov , ei övvaxbv,
ejcl xovxoiq xal xovq ixXsxxovq avxovq oxavöaXLC,E6&ai.
n. Nicetas Byz. adv. Moham. Confut. III, 48.
xal xcov xov xvqiov Öe grjfidxcov vvv Evxaigov fivr]fiovrjoai,
Öxl ei övvaxbv xal xovq Jiiöxovq djtaxrjoai.
o. Const. VI, 18. p. 179, 17.
xal öcöoovöL orjfiEla kv ovgavcp, ojöxe, eI övvaxbv, xal
xovq ExXsxxovq djtaxTJoai.
p. Mc. 13, 22b.
xal jiou'joovoi o?jtusla xal xEQaxa agbq xb djtojtXaväv,
eI övvaxbv, xovq kxXsxxovq.
q. Mt. 24, 24b.
xal ömöovoiv öijfiela (isyccXa xal xigaxa, atöxs jiXavrj-
d-rjvat, el övvaxbv, xal xovq kxXsxxovq. (Cod. Colb.:
etiam electos raeos.)
Dieser in der Quelle ursprünglich auf den kXevobfiEvoq
(Orig.) = dvxiygiGxoq (Petr. Sic.) bezüglich gewesene Vers ist,
wie bereits oben zu Mt. 24, 11 bemerkt wurde, in dem ersten
Evangelium hauptsächlich schon durch Verwandlung des Singu-
Texte und Untersuchungen zu Mt. 24, 24. 291
lars in den Plural verallgemeinert (eysQ&rjoovTat tpevöoxQtoxot
xai tyEvöojiQocpiircci), ausserdem aber in den ersten Theil der
eschatologischen Rede verlegt, also in denjenigen Theil, welcher
die Zeit bis zur Zerstörung Jerusalems umfasst. Nach den In-
dicien jedoch, welche die diöaxrf an die Hand giebt, gehörten
die Weissagungen von den Vorläufern des Antichrists (= Mt.
24, 11), von dem Überhandnehmen der avofiia und dem Erkalten
der ayanrj (=> Mt. 24, 12), von dem Hass und dem Verrath der
Nächsten gegen einander (= Mt. 24, 10b), von der fieydXr] &Xl\piq
(Mt. 24, 21) sowie von dem Antichrist, dem xootuojiXäi>oq (Mt.
24, 24) in den zweiten, die Endzeit betreffenden Theil der
eschatologischen Belehrung Jesu. Der bezügliche Abschnitt der
Jiöaxv (XVI, 3 — 8) wird eröffnet mit den Worten: ev jag xalq
töxätcci? V^Qai^ a^s0 m^ ^em Hinweis auf die grosse Endzeit.
In dieselbe Zeit (iv yag xalq hoxaxaiq ijntQaiq) verlegt der in den
urevangelischen Stoffen so wohl bewanderte Redaktor der Con-
stitutionen diese selben Weissagungen , welche er noch durch
manche wichtige Züge ergänzt, so z. B. durch die Beziehung auf
die Xvxoi ctQjtayeq (Mt. 7, 15), von welcher Weissagung wir schon
oben, namentlich aus Justin, erkannt haben, dass sie ursprüng-
lich einem eschatologischen ZusammenhaDg angehört, so ferner
durch die feine Nüancierung des Wortes: xai xoxe öxavöaXc-
o&rjöovxai otoXXoL (Alö. XVI, 5 = Mt. 24, 10a), welches er noch
viel deutlicher als die J idax>) durch den Zusatz: sx avxcb (sc.
xm xoofiojcXavcp) auf den Antichrist und auf die unter ihm her-
einbrechende &Xltycq (isyäXrj bezieht. Auch der Redaktor der
johanneischen Apokalypse giebt Zeugniss für diesen Zusam-
menhang der eschatologischen Weissagungen. Denn während
nach der Einleitung c. 1 — 3 in dem ersten Haupttheil der Apo-
kalypse, welcher dem ersten Theil der grossen eschatologischen
Rede Jesu (Mt. 24, 4—28 = Mc. 13, 5—23 = Lc. 21, 8—24) ent-
spricht und bis zur Zerstörung Jerusalems reicht (Apoc. 4, 1 —
1 1,2), von dem antichristischen Thier noch keine Spur zu entdecken
ist, wird in dem zweiten Haupttheile der Apokalypse (Apoc. 11,
3 — 22, 21), welcher der zweiten Hälfte der eschatologischen Rede
Jesu (Mt. 24, 29— 36 =Mc. 13, 24—37 = Lc. 21, 25—36) parallel
läuft und von der Endzeit handelt, sofort (Apoc. 11, 7) das Auf-
treten des Antichrists angekündigt und dann im folgenden der
Antichrist und die antichristische frXtiptq zum Hauptthema der
19*
292 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
apokalyptischen Darstellung erhoben. Bei dem Apokalyptiker er-
scheint der oaxaväg selbst auf der Erde als 6 jtXavcöv xr\v ol-
xovfitvrjv ohf\v (Apoc. 12, 9), und diese Thätigkeit: jtXaväv xa
eO-vtj ist das Kennzeichen der antichristischen Zeit (Apoc. 13, 14;
19, 20; 20, 3. 8. 10), ganz wie der Antichrist bei Celsus als der
verkörperte Saxaväg aufgefasst und demgemäss in der Jidaxij
sowie in den Constitutionen als xoGfiojcXüvog bezeichnet ist.
Auch in der Apokalypse thut das antichristische Thier wie nach
den andern Quellen grosse Zeichen: jioleI örj/iEia fiEyäXa (Apoc.
13, 13 = Mt. 24, 24). Wenn nun nach dem höchst bedeutsamen
Citate des Petrus Siculus der Antichrist (o avxlxQioxog) von
dem Satan inspiriert (vjto xov .icovtjQov EVEoyov/isrog) seine
Wundertbaten vollbringt, so stimmt dieser Evangelientext des
Petrus Siculus gänzlich überein mit 'der paulinischen Schilde-
rung: ov köxlv rj JcaQovoia xax' EvioyEiav xov oaxavä ev
jcäorj övvafiEi xal orj/jeloig xal xtgaötv ipsvdovg (2. Thess. 2, 9),
aber auch mit dem Text bei Origenes, wo es von dem Anti-
christ heisst: öxi ev xf) öiaßöXov h^ovola jioieI jcäöav övvafiiv
xal otjfitla xal xt'oaxa. Andernfalls- wiederholt sich in dem Evan-
gelientext des Origenes fast wörtlich 2. Thess. 2, 9b: Man ver-
gleiche:
Orig. 2. Thess. 2, 9.
jiäoav dvva/iiv xal oijfiEta xal Iv jtaoy övpafisi xal orjfisioig
xioaxa. xal xEQaöiv.
So wird hier ein vorcanonischer Evangelientext sichtbar, welchen
schon Paulus benützt haben muss, und zwar zeigen sich ver-
wandte Zusammenhänge in der Jiöay^ mit 2. Thess. 2, 7 = Mt.
24, 12. Vgl. ferner die ajiäxr) und jtXävr) 2. Thess. 2, 10. 11. Ein
hebräischer Urtext liegt jedenfalls den Sinn-Parallelen jrXavrjOai
= axojilavrjoai = oxavöaXioai = ajiaxijöai = fallere (Augustin )
zu Grunde. Bemerkenswert!! ist dabei noch die Variante jtiöxovg
für ExXExxovg wie exXexxoL = jcioxevovxeq zu Mt. 18, 10, sowie
das IxlExxovq fiov (Exe. Theod.) und electos meos (Cod. Colb.j.
Vgl. zu Mt. 24,~2T
Aus dieser ganzen Untersuchung geht hervor, dass den Aus-
sagen der Jiöaxrj, des Paulus 2. Thess. 2 und des Apoka-
lyptiker s in der zweiten Hälfte seiner eschatologischen Visionen
ein echter Evangelientext zu Grunde gelegen hat, dessen Spuren
als eines evangelischen Herrenwortes namentlich noch in den
Texte und Untersuchungen zu Mt. 24, 30. 31. 293
aussercanonischen Paralleltexten wiederzufinden sind, welche
uns Origenes und Petrus Siculus zu Mt. 24, 24 erhalten
haben. Dass auch die clementinischen Homilien in den-
selben Voraussetzungen sich bewegen, zeigen folgende Stellen.
Hom. III, 16. p. 40, 18. JioXXoi elöiv xrjq jiXdvrjq xrjgvxeq
tva xov xijq xaxiaq ?jyefi6va h%ovxeq. Hom. II, 17. p. 26, 16. ooq
o dZrj&ijq rjfilv jigo<pr}xt]q eigrjxev, Jtgmxov xpevöeq öel eX&elv
evayyeXiov vxo JcXävov xivbq xal el& ovxcoq fiexd xa&aigeöiv
xov äyiov xbnov evayyeXiov dXr]ß-eq xgvtpa öiajtefiyiftijvai eiq
ijtavog&oiöiv xo5v eöofievmv algeöeov xal fiexd xavxa jzgöq
x<5 xeXei jcdXiv jigSxov dvxi%gi6xov eX&elv öel xal xoxe
xov bvxmq Xgioxov tj/icov 'Itjöovv dvaq>rjvai. Hom. VIII, 22.
p. 92, 21. vxb xov xrjq xax'iaq rjyefiovoq JtgoXrjcpd-evxeq.
Hier ist es doch klar, dass die Lehre vom Antichrist (ngwxov
dvxixQiöxov eX&elv öel) auf ein ausdrückliches Herrenwort (o
aXtj&rjq t)[ilv Jigoy>/jX?/q elgrjxev) zurückgeführt wird.
Es sei zu Vorstehendem noch bemerkt, dass auch Wohle n-
berg (Die Lehre der 12 Apostel in ihrem Verhältniss zum neu-
testamentlichen Schriftthum S. 39) die Verwandtschaft des in der
Aiöaxtj geschilderten xoöfioxXdvoq mit Apoc. 12, 9; 13, 3. 7. 13-
14; 19, 20; 2. Thess. 2, 4. 9; Mt. 24, 24 wohl erkannt hat. Eine
merkwürdige Annahme ist dagegen seine Identifizierung des
xoöfiojcXdvoq mit dem ßöeXvyfia Mt. 24, 15 = Mc. 13, 14 (S.38).
Zum Ganzen vgl. man noch Logion 44 in den Agrapha S. 127.
239. 240.
Mt. 24, 30». 31.
a. Jiö. XVI, 6.
xal xoxe (pavt/öexai xd arjfiela xrjq aXrj&eiaq'
tiqcöxov Of]fislov exjiExäöscoq ev ovgavm,
üxa otjfielov (patvrjq ödXjciyyoq,
xal xb xgixov dvdoxaoiq vexgmv.
b. Const. VII, 32. p. 212, 8.
xal xoxe (pavi)6exai 6 vloq xov dv&gaijtov ev xm ov-
gaveö,
elxa (poDvrj öaljciyyoq eöxai 6i dgyayyeXov,
xal (iexa!-v dvaßicoöiq xo3v xexoifiijf/e'vwv.
c. 1. Thess. 4, 16.
xal avxbq 6 xvgtoq ev xeXevOfiaxt xaxaßrjöexai an ovgavov
294 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
sv (pcovTJ dgyccyysXov xal sv odXjciyyi frsov,
xal ol vsxqoI sv Xgioxm avaoxt)oovxai jcgmxov.
d. Mt. 24, 30a. 31a.
xal xoxs cpavrjosxai xo örjfielov xov vlov xov av&gco-
ütov sv ovgavm,
xal djtooxsXsl xovg ayysXovg avxov [tsxä öäX-
jriyyog fisyaXrjg,
(1. Cor. 15, 52: oaXmost yäg, xal ol vsxqoI sysg-
d-rjOovraC).
Durch die Vergleichung der in der Aiöayi] und den Con-
stitutionen enthaltenen apokalyptischen Aussagen mit 1. Th.
4, 16; 1. Cor. 15, 52 und Mt. 24, 30. 31 wird es ersichtlich, dass
die Reihenfolge der letzten Ereignisse, wie sie Paulus im 1 . Thes-
salonicherbriefe schildert, durch einen vorcanonischen Text ge-
geben war, wovon die Reste in Mt. 24, 30. 31 übrig geblieben
sind. Die Aiöay?] und die Con stitutionen geben sogar diese
Reihenfolge in Zahlenbestimmungen an, woraus hervorgehen
dürfte, dass in Mt. 24, 30a die Worte: xal xoxs (gegen Weiss)
zur Quelle zu rechnen sind. Die drei OJjf/sla xü]g aXrj&siag sind
folgende:
Erstes Zeichen.
AlÖ. jcqcöxov Orjftslov sxxsxdosmg sv ovgavm
Mt. 24, 30a. xal xoxs <pavi)osxai orjfisiov xov vlov xov av-
&qc6jiov sv ovgavm
Const. xal xöxs (pavr/osxai o vlog xov avfrgo'jjtov sv
xm ovgavm
1. Thess. 4, 16. xal avxög 6 xvgiog sv xsXsvotuaxi xaxaßt)osxai
aji ovgavov.
Zweites Zeichen.
Jiö. slxa orjf/slov g>mvrjg odXjttyyog
Const. slxa y>mv?] öaXjtiyyog sOxai Öi agyayysXov
1. Thess. 4, 16. sv <pmvf/ agyayysXov xal sv odXjiiyyt &sov
Mt. 24, 31a. xal axooxsXsl xovg ayysXovg avxov fisxa oaX-
jtiyyog fisyaX?)g.
l.Cor. 15, 52. oaXjciosi yäg
Texte und Untersuchungen zu Mt. 24, 30. 31. 295
Drittes Zeichen.
Jiö. xal xo xgixov aväoxaotq vsxgo5v
Const. xal fiera^v avaßiojGiq xwv xExoifiqfitvoDv
l.Thess. 4, 16. xal ol vExgol ev Xgioxm avaoxi)oovxai
1. Cor. 15, 52. xal ol vexqoI EyEgßr/oovrai.
Einige Bemerkungen dazu werden den Sachverhalt in besseres
Licht rücken. Secundär ist in der Jiöayjj sicherlich die Zäh-
lung: Jtgcöxov — Eiza — xal xo xqixov, ebenso der Ausdruck
orjftEla xrjq dXrjd-Eiaq *) und die Wiederholung des crjfiEiov an
zweiter Stelle. Dagegen die erstmalige Nennung des or/f/Elov,
welches auch Mt. 24, 30 vorhanden ist, dürfte um so mehr echt
sein, als sie mit der (die ganze eschatologische Rede Jesu ein-
leitenden) Frage der Jünger: xi xo O/jfCElov xijq orjq jtagovoiaq
xal GvvxEXEiaq xov almvoq Mt. 24, 3 = Mc. 13, 4 = Lc. 21, 7
correspondiert. Secundär ist aber auch der Ausdruck xfjq kx-
jcExäöEcoq. Wohlenberg (S. 42) hat die von Taylor (The
teaching of the ap. and the Sibyll. books S. 33 ff.) gegebene
Beziehung auf das Händeausbreiten am Kreuz, wonach das
CrjfiEiov xijq EXJttxaOEODq das Kreuzeszeichen bedeuten soll, wohl
zu kurz abgewiesen. Vgl. das Citat bei Clemens AI. von dem
xo Or/fiElov ßaöxä^ELV2) = xov oxavgov ßaoxd^Eiv. Ferner Just.
Apol. 1, 35 p. 76 B: E^Exet&rj xaq yEigaq Gxavomd-Etq und dazu
das Citat Iren. V, 17. Agrapha S. 199. Besonders beweisend für
diese Auffassung isL Ephraem in einer Äusserung, Serm. de
Magis c. 4 (Hynini et Sermones II, 408 ed. Lamy): Ab Oriente
venturus est, ut significavit in Evangelio, et apparebit crux ante
eum, sicut vexillum ante regem. Vgl. auch die Rolle, welche
der öxavooq bei der Hadesfahrt und der Auferstehung spielt in
den Erläuterungen zu Mt. 28, 2 — 4. Aus dem Urevangelium
stammt die (von dem Redaktor der Constitutionen weggelassene)
ixjiExaoiq der AidayJ] keinesfalls. Sehr ansprechend ist
diese EXjtExaoiq von Wohlenberg erläutert worden durch
den Hinweis auf Lc. 17, 24 = Mt. 24, 27: mojcEQ jag 1)
aöxgajiij rj doxgajcxovoa ex xrjq vx ovgavov slq xi]v vjc ov-
1) Doch vgl. man das iv ä).T}&sia in den Test. XII patr. und iv ty
ä?.T]&£U( bei Origenes zu Lc. 22, 30
2) Vgl. die Texte zu Lc. 14, 27.
296 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Qavov ZäfiJtei. ovrcoq eöxai 6 vioq rov avd-Qoctjiov kv rij r^iga
avxov.
Was nun das zweite orjfielov anlangt, so sieht man, dass
Paulus es zweimal (1. Cor. 15, 52 und 1. Thess. 4, 16) erwähnt,
und zwar als unmittelbar der Todtenerweckung vorangehend.
In den drei Parallelen von Aiö XVI, 6 = Const. VII, 32 = 1. Thess.
4, 16 ist neben der oaXütiyS, ausdrücklich die <pcowr} genannt. Wenn
dieselbe in unserem jetzigen canonischen Texte von Mt. 24, 30
fehlt, so zeigt der davon abweichende Text des Cod. Colbert.:
..cum tuba et voce magna", welchen Tischendorf nicht be-
sonders erwähnt, sowie eine grosse Menge von ihm namhaft
gemachter Zeugen (unter ihnen Cod. D: fieta oaXxiyyoq xal
(pcorrjq fieyaXrjq), dass in der That die cpcovrj zu dem schon
von Paulus gekannten Urtexte gehört hat. Die Über-
einstimmung von Paulus mit den Constitutionen in dem
Singular: aQxayyeZov markiert also ebenfalls den Urtext. Der
Plural des ersten Evangelisten rovq ayytXovq leitet zur Ver-
wendung dieser Stelle durch den Apökalyptiker hin, welcher
Apoc. 8, 6 sieben ayyeXoi (ol kjcra ayytZoi ol sxovrsq rag Ijcxa
GaZxiyyaq) auftreten lässt und das einmalige oaXjii^et (vgl.
1. Cor. 15, 52) siebenmal (Apoc. 8, 7. 8. 10. 12. 9, 1. 13. 11, 15)
wiederholt — ein neuer Beleg für die enge Verwandtschaft der
Apokalypse mit den Anschauungen des ersten Evangelisten.
Das dritte Grjfitlov hat der erste Evangelist wegfallen lassen;
die Übereinstimmung aber zwischen Paulus, der Jidax?) und
den Constitutionen zeigt mit Bestimmtheit, dass es im Ur-
evangelium vorhanden gewesen ist. Das fierat-v der Jiöa%7]
bedeutet im späteren Griechisch: „hinterdrein, hernach". Die
Ausdrücke : avaßimöiq = aväöraöiq, vexqol = x£xoifi7]fitvoi sind
ebenso wie avaort/OovTai = iyeQ&rjoovzat gleichbedeutend.
Zu erwähnen ist endlich auch noch die Parallele 4. Esr.
7, 26—28: „Ecce tempus veniet, et erit quando venient signa,
quae praedixi tibi, et apparebit sponsa et apparescens ostendetur,
quae nunc subducitur terra, et omnis, qui liberatus est de prae-
dictis malis, ipse videbit mirabilia mea. Revelabitur enim filius
meus [Jesus] cum his, qui cum eo sunt." Auch hier sind die
otjfitia (= signa) in der Mehrzahl erwähnt, und die Erscheinung
des Sohnes Gottes ist als das wichtigste Zeichen genannt, wobei
Texte und Untersuchungen zu Mt. 24, 30. 297
selbstverständlich der Name „Jesus" eine spätere Interpola-
tion ist.
Interessant ist es noch zu sehen, wie die Sibyllinen die
drei eschatologischen Zeichen dargestellt und dabei ebenfalls den
oxavgoq = xo gvZov als das erste Zeichen des Menschensohnes
aufgefasst haben.
a. Orac. Sibyll. VIII, 244—246.
J£f/ (ia de xoi xoxe jtäoi ßooxoiq ocpotjylq ist iorj \ioq,
To t-vXov ev Jiioxolq, xo xigaq1) xo Jto&ovfisvov Eüxat,
'Avöqojv evoeßtcov £><m'h JtQ(6xo[i}ia fit- xöofwv.
b. Orac. Sibyll. VIII, 239.
SdkjtiyZ, ö' ovoavo&sv cpcovf v jioIv&qtjvov ä<prj6SL
c. Orac. Sibyll. VIII, 227.
JScofiax* ejciy&ovicov n'iav r/fitoav avaözrjoovrai.
Mt. 24, 30»».
a. Aiö. XVI, 8.
xoxe brpsxai o xöofioq xov xvqlov eqx6(ievov EJidvco xwv
ve^eXwv xov OVQCLVOV.
b. Const. V, 19. p. 152, 14.
xal xoxs btpovxai xov dyajcrjxbv [vlov] xov &sov.
c. Mt. 24, 30b.
xal bipovxai xov vlov xov dv&Qwxov EQXofiEVOV ejiI xwv
VEcpsXwv xov ovoavov ftExd övvd/xswq xal öö&]q jcoXXfjq.
Mit obigen Worten schliesst die Aiöaxv ab, als ein Torso.
Der vollständige und jedenfalls ursprüngliche Schluss ist Const.
VII, 32. p. 212, 15—20 erhalten. Vgl. Agrapha S. 162. Freilich
sind aber dabei gerade die letzten Worte der diöaxv, welche
mit Mt. 24, 30b wesentlich, wenn auch nicht wörtlich überein-
stimmen, durch den Redaktor der Constitutionen in Wegfall
gekommen. Einen ähnlichen Zusammenhang bieten die Con-
stitutionen V, 19. p. 152, 14, wo der in Rede stehende Text-
1) rtgaq} Vgl. arjfxetu xal rtpara Mt.24,24 = Mc. 13, 22. 2.Thess.2,9.
298 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
bestandtheil, wie er oben unter b mitgetheilt, nicht weggelassen
ist, sondern in engster Verbindung mit dem Logion Joh. 19, 37
erscheint. Vgl. Apok. 1,7.— Die Parallelen Mt. 24, 30b = Jiö.
XVI, 8 gründen sich auf Dau. 7, 13. Vgl. dazu Nestle, Mar-
ginalien S. 40. Eine Parallele zu Mt. 24, 30b findet sich noch
bei Hippol. Comm. in Dan. Lib. IV. p. 16 ed. Bratke: oijftaivcov
tavrov evdrjXcoq xal jigocpavcäq (zsrd övvdfisojq xal do£,i]g
jtargixyq djtb ovgavoöv fieXXeiv Jtagayiveöfrai.
Mt. 24, 31b = Mc. 13, 27.
a. Aid. IX, 4.
ovrco 6vvax&?jra) oov tj exxXrjoia ajco rcöv jcsgdratv
TJjg yfjq.
b. Aid. X, 5.
xal ovva^ov avrrjv ajco rmv rsöödgcov avEficov.
c. Mc. 13, 27.
xal Eiiiovvdgsi rovq ExXsxrovq Ix rmv reöödgojv dvE-
ficov djt axgov yijq ecoq dxgov ovgavov.
d. Ephr. Syr. Opp. II, 193 A.
xa&coq yiygajirai' rors ol ayysXoi djiooreXXofievoi Jttgi-
TQexovOiv, EjciOvvdyovrsq rovq sxXexrovq ex rcöv
XEöoägcov ävtfUDV, coq ecpt] 6 xvgioq djt" ccxgcov ovgavcöv
Ecoq ccxgcov avrcöv.
e. Mt. 24, 31b.
xal Ejciövvdt-ovöiv rovq hxXexrovq avrov ix rätv zsOöct-
gcov dvsficov düt axgmv ovgavcöv eatq axgwv avrcöv.
Mit Recht lässt Weiss (Marcusevangeüum S, 428, Matthäus-
evangelium S. 516) Mt. 24, 31b = Mc. 13, 27b aus der vorcano-
nischen Quelle entnommen sein. Er erinnert dabei an die Er-
wähnung der vier Weltgegenden in der ebenfalls urevangelischen
Stelle Mt. 8, 11 = La 13, 29, sowie an den alttestam entlichen
Ausdruck: Q^tttB'n tVZ^'lT) B^Btt'n fiSpttbl = LXX: xal ejil ro
dxgov rov ovgavov Icoq rov dxgov rov ovgavov. In den eu-
charistischen Gebeten der Aiöax^j, weiche wesentlich aus jo-
hanneischen Elementen aufgebaut sind, gehören die oben mit-
getheilten Citate zu den wenigen synoptischen Anklängen in
jener uralten Abendmahlsliturgie. Dabei entspricht die rj exxXtj-
Texte und Untersuchungen zu Mt. 24, 31. 25, 1. 2. 299
o'ia den exXexxoi der synoptischen Texte, — eiDe Gleichung,
welche sich auch — worauf Nestle aufmerksam macht — in
den Parallelen zu Mt. 18, 10 vorfindet. Die Sibyllinen nehmen
entsprechend den vier Winden vier Engel an. Vgl.
Orac. Sibyll. II, 214—218,
'Hvixa d' dfravdxov &eov cupfrtrot dyyeXxrjoeg
Ht-ovoi Mi'/ar\X, raßgirjX, PacpaijX x OvqitjX,
Avxol kjcLOxänsvoL, öoa xig xaxd jtQÖofrev egegsv
'Av&qojjcoov, tyvyjxg xe djid £,6<pov rjeoöevxog
Eig xq'ioiv at-ovoi Jidoag ejtl ßfjfia ß-eoio.
Mt. 25, 1. 2.
a. Epiph. Haer. LXVII, 2. p. 711 A.
xal cofioico&rj // ßaoiXeia xoöv ovgavoöv öixa nag-
d-evoig, Jtevxe {tcogaTg xal Jtevxe (pgovifioig.
b. Mt. 25, 1. 2.
xbxe o{ioicod-T}(j£xai t) ßaoiXeia xoöv ovgavoöv öixa
jtagd- evoig, aixiveg Xaßovoai xdg XafiJtdöag avxoöv
sBxjXd-ov elg vjtävxrjoiv xov vv{i(piov. nevxe ös et-
avxcöv t'jöav ficogal xal Jtevxe cpgovifioi.
c. Cod. Cantabr. ad Mt. 25, 1. 2.
xoxe ofioiay&rjösxai t] ßaoiXeia xcöv ovgavoöv dexa
jcag&evoiq, aixiveg Xaßovoai xdg XafiJtäöag tavxoöv
E^tjXd-ov eiq ajtdvxrjoiv xov vvfupiov xal xrjg i>vfi<f)r}q.
jtevxe ös es avxcöv ?]Oav <pgovi{ioi, xal jtevxs fim-
oai.
d. Cod. Colbert. ad Mt. 25, 1. 2. p. 33. ed. Belsheim.
Tunc simile aestimabitur regnum caelorum decem vir-
ginibus, quae acceperunt lampadas suas et venerunt
obviam sponso et sponsae. Quinque autem ex iis
erant fatuae, et quinque prudentes.
e. Diatessaron ed. Ciasca p. 76a. Mt. 25, 1.
Tunc simile erit regnum coelorum decem virginibus,
quae, accipientes lampadas suas, exieruut obviam
sponso et sponsae.
300 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Mit vollem Recht erkennt Weiss (Matthäus S. 529) auch
in diesem Gleichnisse eine Perikope des Urevangeliums. Aber
lediglich auf den canonisch-revidierten Text gestützt, hat er die
Situation des Gleichnisses nicht voll erfasst. Erst durch den
aussercanonischen Zusatz: xal x?jg vvfiqirjg, welchen Cod. Cantabr.
mit dem Cod. Rossanensis, mit dem Diatessaron, mit den
altlateinischen und anderen Versionen, sowie in Übereinstimmung
mit Or igen es und Hilarius vertritt, wird das Verständniss für
die im Gleichniss vorausgesetzte Situation erschlossen. Das
Hochzeitsmahl ist im elterlichen Hause der Braut abgehalten
worden. Die Nacht ist angebrochen, und das Brautpaar schickt
sich an zum Hochzeitszug in das Haus des Bräutigams. Die
Brautjungfrauen gehen — der Weisung des Bräutigams gemäss —
auf die Strassen voraus, um das Brautpaar, wenn es in festlichem
Zuge kommen wird, mit ihren brennenden Packeln zu begrüssen
und in das Hochzeitsgemach (wfupmv — vgl. die aussercano-
nischen Parallelen zu v. 10b) zu geleiten. Für diese Situation,
wie sie dem heutigen Gebrauch noch entspricht, ist die Weg-
lassung der Worte: xal xfjg vvfMptjq — eine störende Kürzung.
Die Spuren dieser Worte reichen bis in die älteste Literatur
hinauf. Schon der Verfasser der johanneischen Apokalypse
hat dieselben verwendet. Er schaute in der Parusie (Apoc. 21, 2)
vvfupijv xsxoofirjfitvrjv xcö avögl avxrjg. Er hörte die Stimme
(Apoc. 21, 9): ösvqo, öti^a) ooi xr\v vv[i(p)}v xov agviov xi\v
yvvalxa.- Aber auch auf die jüdische Esra-Apokalypse hat das
Gleichniss bereits eingewirkt. Auch dieser Apokalyptiker fasst
die Parusie so, dass der Sohn Gottes nicht allein erscheint,
sondern die sponsa mit ihm. Vgl. 4. Esr. 7, 26: et apparebit
sponsa. Vgl. den ganzen Coutext zu Mt. 24, 30a. Auch die
Clementinen kennen die Kirche als die Braut Christi, des
königlichen Bräutigams. Vgl. Hom. Cleru. Ep. Clem. ad Jac.
c. 7 p. 8, 22: öio vfislg mg sxxXrjöiag jiQEößvxsQOi egaoxrjöaxs
xijv XgiOxov vvftcprjv slg oaxpQoovvrjV vv/tyr/v öh Xeyoo xrjg
kxxkrjoiag xb övoxrjfia eäv yccg ococpQmv xaxaZqcpdjj vjtb vv/t-
<piov ßaoiXeojg, xififjg (/eyiöxrjg xevgexcu. Endlich dürfte als
die älteste Spur des vorcanonischen Textes 2. Cor. 11, 2, wenn
auch hier der Ausdruck vvfiepr] durch jiaQ&evog ersetzt ist,
nicht unerwähnt gelassen werden.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 25, 3. 4. 301
Mc. 25, 3. 4.
a. Mt. 25, 3. 4.
al ydg (icogai Xaßovoai xäq XafiJidöaq ovx sXaßov (itfr
tavxwv sXaiov al de g)govituoi sXaßov sXaiov sv
xolq dyysioiq fisxd xcöv Xafjjcdömv lavxmv.
b. Const. II, 13. p. 24, 10.
cogjieq xal xalq jttvxs sv xa> svayysXico Jtag&svoiq Ötu
xi]v [icogiav ejttXsucsv xo xrjq svosßsiaq sXaiov.
c. Macar. Hom. IV, 6.
iöov ydg al nivxs naoftsroi al cpgovifioi vi)\paöai . . .
Xaßovoai xo sXaiov sv xolq ayysioiq.
d. Orig. c. Cels. VI, 5. Opp. I, 633.
nag" olq x-gscpsxai xovxo xo <pä>q xm sv xivi Jtagaßo?,fi
slgrjfievq) sXaio? xrjgovvxi xo3v 6aöa>v xo (pmq, sv xalq
(pgovifjoiq nsvxs jiag&tvoiq.
Aus dem Texte des Origenes wird es klar, dass man die
Xafinaöaq des canonischen Textes als öaöaq (Fackeln) = D^TEb
sich zu denken hat. Übersetzen doch auch die Septuaginta TE5
häufig mit Xapjcaq. Vgl. Gen 15, 17; Ex. 20, 18; Jud. 7, 16.
Vielleicht ist -ps9 (phoen. IDlpb) mit Xafjjtäq sogar stammver-
wandt. Also nicht Lampen, sondern Fackeln trugen die Jung-
frauen, wie noch heute. Das Nähere ersieht man aus Schneller,
Evangelienfahrten. Leipzig 1892. S. 460. .Diese (Fackeln) be-
stehen aus langen Stangen, um deren oberes Ende grosse, mit
Olivenöl gesättigte Lappen gewickelt und gebunden sind. Sollen
diese Fackeln längere Zeit brennen, so müssen die Lappen öfters
von neuem mit Oel getränkt werden. Sonst brennen sie kaum
*/4 Stunde. Aus diesem Grunde muss jede dieser Jungfrauen
im Gleichniss einen kleinen Krug mit Oel bei sich haben, um
die Flamme immer Avieder mit neuem Oel zu nähren." (Man
lese die schöne Erklärung des Gleichnisses bei Schneller weiter
nach.) Von hier aus versteht man den Ausdruck bei Origenes:
sXatqj xijQOVvxi xojv ödöcov xo wcjq erst vollständig. Origenes
war ja durch seinen Aufenthalt in Palaestina mit den dortigen
Sitten des Landes wohl bekannt. Eine Parallele in freier An-
wendung des Gleichnisses s. Clem. AI. Str. VII, 12, 72 p. 875.
302 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Mt. 25, 5.
a. Barn. IV, 13. p. 18, 12.
Iva (irjjioxs ejtavajiavofievot coq xXi)xo\ exixa&vjtvcoömutv
xaiq afiaQxiacg rjficöv.
b. Macar. de elev. nient. c. 4.
al aXXai 6h al [mdqcu .... äg>vxvo3öav.
c. Mt. 25, 5.
XQovi^optGg de xov vvfi<piov evvoxa^av jcäoai xal exd-
d-svöov.
d. Cod. Corbejensis (ff1) Mt. 25, 5.
Tardante autem sponso fatuae obdormierunt.
e. Macar. Hom. IV, 6.
al de aXXai al iiojquX . . . äjtexoi{ir'jd-t]6av.
Die handschriftlich allein durch Cod. Corbej. vertretene
Lesart: fatuae obdormierunt wird, was bisher nicht beachtet
worden zu sein scheint, durch Macarius secundiert, welcher
zweimal al de aXXai al f/cogal liest. Vielleicht bezog sich ur-
sprünglich das vvOxaC,eiv (= 0^3) auf sämmtliche Jungfrauen,
das wirkliche Entschlafen aber (xa&evdetv — äjioxoifiäö&ai —
tupvjivovv = ETtixafrvjivovv = "JlEh) nur auf die thörichten.
Mt. 25, 10».
a. Cod. Cantabr. Mt. 25, 10a.
ecoq vxayovGiv äyoQCtOai, ijX&ev 6 pvfKploq.
b. Cod. Colbert. Mt. 25, 10a. p. 33. ed. Belsheim.
dum autem eunt emere, venit sponsus.
c. Mt. 25, 10a.
aji£QXO[ibva)v de avxwv ayogaoai 7]X&ev o wn<ploc.
Die Variante des Cod. D: sog vxdyovoiv und das cano-
nische ajteQXOfievovv avxcöv sind sichtlich zwei verschiedene
Übersetzungen von "JFDba als des gemeinsamen Urtextes. Die
Annahme von Harris (A Study of Codex Bezae p. 99), dass
ecoq vjtdyovöiv in Cod. D eine Rückübersetzung aus dem latei-
nischen dum vadunt = dum eunt sei, trägt keine Notwendig-
keit in sich.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 25, 5. 10. 303
31t. 25, 10b.
a. Macar. de elev. mentis cap. 4.
al vr/ipaöai jisvxs jictQ&evoi sxslvat — — sdvprj&ijoap siq
xbv vviiKpmva owsiGsXd-stv xcß vv{i<pt<p.
b. Macar. Hom. IV, 8.
idov yccQ al Jtivxs Jiggd-spoi al ygovipoi vifyaocu — —
tjdvvrj&rjGav ovpsiösXd-slP xcp vvfig)iq> siq xbv snovoäpiop
vvfMpäiva.
c. Exe. Theod. ap. Clem. AI. § 86. p. 989.
xal al ütaQ&svoi al (pQQVifioi, alq al Xoucäl al fisXXovoai
ov övveiöfjX&ov siq xd ?]xoi[iaö[tspa dya&d, siq dszti-
frvftovOLP dyysXoi jtaQaxvtyai.
d. Epiph. Haer. LXXV, 7. p. 911 C.
xal ovvsiösXd-ovxmv sv xSjvvft^wvi.
e. Ephr.^yr. Op^XSdT^
6 dyajtwv elceX&elv eig xbv vv(i<pwva xal dyaXXiao&rjpai,
Xafijcada cpaiögäv xal sXaioP siq dyysiov aodxa).
f. Mt. 25, 10b.
xal al exoifioi siöTjX&op [isx' <x^tov siq wvqjyä^ovq.
Auch hier erweisen sich die Varianten als Ubersetzungs-
verschiedenheiten des hebräischen Urtextes. Das gvpeX&eip bei
Macarius, Epiphanius und in den Excerptis Theodoti ist
mit dem canonischen siGsX&slP fisx^ avzov = iftS XiS — gleich-
bedeutend. Vgl. die Varianten GvpantQX£(}&al — vjtäyeiv (isxd
xipoq zu Mt. 5, 41. Ebenso sind siq xovq ydfiovq (Mt.) = siq
xbv pvficpcöpa (Macar., Ephr.) = ep xm px>y.(pmvi (Epiph.) gleich-
wertig. Denn das canonische ydfioi bedeutet hier nicht wie
ydfioq Mt. 22, 2 ff. „ Hochzeitsmahl r = nniö'a — das Hochzeits-
mahl ist ja nach Mt. 25, 1.2 bereits vorausgegangen — , sondern
,, Beilager ", zu welchem das Brautpaar bis ins Brautgemach, den
pvf/q)cop, begleitet wurde. Die hebräische Rückübersetzung von yd-
fioi lautet hier nach dem Londoner N. T. vom J. 1866: nrnniT"^:;,
welches durch pvfitpwp aufs Beste wiedergegeben wird. Die Si-
tuation, welche im Gleichniss vorausgesetzt ist, würde viel deut-
licher erkannt worden sein, wenn der Ausdruck vvy.q.mv, den
die aussercanonischen Parallelen übereinstimmend nennen, in den
304 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
canonischen Text aufgenommen gewesen wäre. Wahrscheinlich
aber ist (wie die Erwähnung der vv(i<prj in v. 1) gerade dieser
Ausdruck iwfi<pcov, das Symbol des ehelichen Geheimnisses —
vgl. Eph. 5, 32: xo (ivorrjQiov zovto (itya korlv kyo) de Xiyoj
sie Xqiotov xal slq n)v sxxX?joiav , Mt. 25, 2 : slq djcävrrjoiv
rov vi\u<piov xal rrjg vv[i<p?]q, Epiph. de fide p. 1078 D: ri]v
jiag&ivov Xqhjtov xal vvficprjv — , von dem ersten Evangelisten,
der nach Mt. 19, 12 die Eunuchen so hoch stellte, mit Absicht
vermieden und durch das weniger praegnante ydfioc ersetzt
worden. Lber das hierher bezügliche Citat aus den Exe. Theo-
doti vgl. Agrapha S. 301.
Mt. 25, 10c.
a. Mt. 25, 10c.
xal kxleio&r) ?/ ftvoa.
b. Herrn. Vis. III, 9,1>. pT52, 2,
xal txxXEiö&rjoeo&e ftsrd rojv ayafrwv vfimv t§a> rr/q
&V(iag.
c. Macar. de custod. cord. c. 9.
(icoQal covofiaöfojöav xal rov jcvsvfiarixoi) rtjq ßaoiXeiaq
WfMpmvoq äjisxXsiö&TjGav.
d. Macar. de elev. ment. c. 4.
o vv{t(pa)v avralc äjiBxXsio&T] rijq ßaoiXeiaq.
e. Macar. Hom. IV, 6.
öio xal rov wfig)cövoq r?jq ßaoiXeiaq axBxXsio&rjOcw
f. Const. II, 137p. 24, 12.
xal [djcooßeoaoai xaq Xafixaöag rtjq &eoyvoDOiaq] djisßX'q-
fttjöav rov vvfig)(5voq.
Die canonische Fassung: xal exXsio&?] r\ &vQa — findet
sich in keiner der vorstehend verzeichneten Parallelen wieder.
Nur Hermas erinnert daran mit seinem: kxxXeio&rj<Je6&e tgo)
xTtc dvgaq. Im Übrigen tritt auch hier vielmehr wieder der
2'i\u(pojv hervor als das Ziel, nach welchem hin die Handlung
des Gleichnisses sich bewegt.
Eine wichtige Ergänzung wird das Gleichniss durch die
Erläuterungen zu Lc 13, 25— 27a erfahren.
Texte und Untersuchungen zu Mt 25, 10. 31. 305
Mt. 25, 31.
a. Just. Dial. c. Tryph. c. 14. p. 232 D.
£v öogtj xal hjtavoi xcöv petpsXcöv xagtozai.
b. Just. Apol. I, 52. p. 87 B.
fittä öogqs ig ovoavwv (isxa xtjg ayyEÄixilg avxov GxQaxiug
xaQayEvtJGeo&at XEXtjQvxxat.
c. Chrysost. hom. de resurr. c. 1. Opp. II, 501. ed. Montfaucou.
oxav o fiovoysvtjq vlog xov d-sov xaQayivqxat ftExd xcöv
dyyt'Xcov xmv tavxov xal knl xov ß/j/iaxog exeLvov xad-iorj.
d. Polycarp. ad Phil vT2. p. 120, 8.
xal xävxag ötl jtaQaoxfjvai reo ßrjftaxi xov Xqigxov.
e. Rom. 14, 10.
xävxEg yäo xaQaoxijoofie&a xn ßtjptaxi xov &sov [S*CC2L:
xov Xqigxov}.
f. 2. Cor. 5, 10.
xovg yaQ Jtdvxag fj/iäg (pavtQco&ijvat öel tfixooofrev xov
ßyßaxog xov Xqigxov.
g. Apoc. 20, 11. 12.
xal eIöov &q6vov fiiyav jlevxov xal xov xafrt'/ttEvov ht
avxov . . . xal tlöov xovg VEXQovq xovg fieydXovg xal xoig
(iixQOvg iGxöixag tvatxiov xov üqovov.
h. Mt. 25, 31. 32tt.
öxav öe eZ&(] o vlog xov av&Qoixov Iv xjj dof-t] avxov xal
navxEG; ol ayye/.oi //fr' avxov, xoxe xad-loei ejiI d-Qovov
66grjq avxov, xal ovvax^oovxai ejixqog&ev avxov Jtdvxa
Xu Ed-PTj.
Das Gleichniss Mt. 25, 31—46 sieht Weiss (Matthäusevang.
S. 540) als eine durch den ersten Evangelisten vorgenommene
Bearbeitung einer Perikope aus dem Urevangelium an, welche
in ihrer Urgestalt keine Gerichtsschilderung, sondern nur einen
Hinweis auf die endliche Sichtung unter den Jüngern Jesu ent-
halten habe. Aber sowohl die canonischen als die aussercanoni-
schen Parallelen lassen den ursprünglichen Context einer Ge-
richtsscheidung deutlich hervortreten. Der Apokalyptiker hat
mit dem ersten Evangelisten ÜQovog als Version von KB3, wäh-
rend Paulus, Polycarp (dieser allerdings wohl im Anschluss
Texte u. Untersuchungen X, 8. 20
3()ß Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
an Rom. 14, 10), aber auch Chrysostomus, wo er in bestimmter
Weise den Text von Mt. 25, 31 anzieht, für &Qovoq die Über-
Setzungsvariante ßjjua bieten. Beachtenswerth lst^class in diesem
Citate bei Chrysostomus das 3taQayivE0&ai des Justinschen
Citates sich wiederholt, welche Variante neben 'eQxtö&ai = Sia
mehrfach in den evangelischen Texten zu beobaclifcenist.
Das JtaQaot?}oEC&ai in Rom. 14, 10 stimmt mit dem
oxtjOei Mt. 25, 33 tiberein. Man hat nun wahrscheinlich TE^H
= loxavai oder ~ns9 = jtaQaoxrjoEO&ai als Quellenwörter anzu-
nehmen. Wegen der Bezugnahme auf unser Gleichniss ist in
Rom. 14, 10 die Lesart xov Xqioxov (anstatt xov &eov, welche
Tisch endorf aufgenommen hat) vorzuziehen.
Die Sibyllinen gebrauchen übrigens ebenfalls die Variante
ßr/fia in den nachfolgenden Stellen, welche deutlich (vgl. tj^ei —
kv ööt-y — xafr'iOEi) Mt. 25, 31 voraussetzen.
Orac. Sibyll. II, 242—245.
°H§et tf ev ve^eXt) jtQoq x aq>&ixov drpfrixoq avxbq
yEv do§7j XQioxbq ovv afivftooiv dyyeXxiQöi,
Kai xafriOEi ^EyaXcp sxiÖEgta ßtjfxaxi, xqivwv
EvotßEcov ßioxov xai övooEßEmv xqojiov avdQcöv.
Orac. Sibyll. VIII, 222.
2aQXO<poQO)V ö* avÖQwv ipvxaq hcl ßt'/fiaxi xqivei.
Auch vgl. man noch die Varianten ßrj/ia (Mt. 27, 19; Joh.
19, 13) = xa&tÖQa (Ps.-Petr. v. 7) — #(>6j>oJ~(Acta Pil. B. c.IX,
5 p. 301).
Mt 25, 32\
a. Just. Dial. c. Tryph. 120. p. 349 B.
fivax7]Qtov xal avxb xov Xqioxov, xov xe(iveiv vficöv xo
yivoq diyJl fieZXovxoq xal xovq (ikv a§iovq ovv xolq ayioiq
xaxQiaQXCuq xal XQO<pr\xaiq xrjq alcoviov ßaOiXsiaq xax-
agtovv [lEXXovxoq, xovq 6h im xr/v xaxaöixijv xov doßi-
oxov JtvQoq ovv xolq ofioiwq äx£i&EGi xal ajiExa&ixoiq
ajto Jidvxmv xcöv kfrvmv jrtfitpEiv yöt) <pr\oavxoq.
b. Macar. de elev. ment. cap. 2.
IüieI xal ovoavb&Ev hXEVGEO&ai xov Xqioxov otöafiEv ava-
oxrjoal xe xovq ex xov jiavxbq XExoifirjfih'Ovq, xa&coq al
Texte und Untersuchungen zu Mt. 25, 32. 33. 34. 307
&elai ygcupal [öidäoxovotv], xal elg ovo xovxovg öteXovxa
ftegt], xal rä ei-rjg.
c. Mt25, 32b.
xal a<pogiöei avxovg ajc äXX?]Xa)v, ayojteg 6 jtoi(tr)v ä<pogiCei
xä jtgößaxa cutb x<dv egi<pa>v.
In den — allerdings wenig exakten — Anspielungen bei
Justin und Macarius erscheinen die Ausdrücke xtfivsivöivrj
(Just.) — elg ovo öieXelv fiigt) (Macar.) neben ä<pogi£eiv an
aXXrjXmv als Übersetzungsvarianten des hebräischen DJT^a THSH.
Mt. 25, 33.
a. Clem. AI. Paed. I, 5, 14. p. 105.
xal xä agvia 64 fiov, öxav Xiytj, oxr/xa> ex öetZicov.
b. Clem. Al.TSed. I, 8, 71. p. 140.
o yäg löxäg xovg ftev ex öei-itöv, xovg de t| evmvvfKov.
c. Mi 25, 33.
xal oxijOei xä (ihi> xooßaxa ex de§uav avxov, xä de
kgicpia e% svmvviiojv.
Die Variante agvla, welche Clemens AI. bietet, wäre ernst-
licher als IJbersetzungsvariante neben jtgößaxa ins Auge zu
fassen, wenn hier nicht ganz offenbar eine sehr freie Citations-
weise vorläge.
Im Übrigen vgl. man Joh.2 1,15, die einzige Stelle, wo im neu-
testamentlichen Canon dieses ägvla sich findet — in den LXX kommt
ägvlov viermal vor — , ferner Mt. 10, 16: jtgößaxa — Lc. 10, 3:
ägvag = 2. Clem. V, 2. p. 116, 16 ägvia = D^üSf Zu ig evmvv-
fiCDP findet sich bei Iren. IV, 40, 1 die Variante elg ägtoxega =
rafätoü».
Mt. 25, 34.
a. 4. Esr. 2, 13.
Ite et accipietis . . . Jam paratum est vobis regnum.
b. äii X, 5.
elg xi)v orjv ßaoi Xeiav, rv rjxoifiaoag avxfj [sc. xfi ix-
xXrjoia).
c. Barn. III, 6. p. 12, 14.
jiiöxevoei o Xaog, ov ?)xoi[iaoev ev xm ?jyajt7j(ievm avxov.
20*
308 Aussercanonisclie Paralleltexte zu Mt und Mc.
d. Ep. ad Diogn. VIII, 11. p. 160, 21.
ijtEi Öh cutExaXvtpE öiä xov äyajtijzov xaiöog xai k<pavt-
qcoös xa l| aQxijsJj{TOi(iaö(ttva.
e. Hom. III, 5. p. 37, 34.
xa i]TOi[iaö(i£va xolg vlolg xtjg ßaoiZelag aya&a.
f. Hom. VII, 6. p. 83724.
fia&cov xovg JtQOCDQiöfiEVOvg xov &eov jcqo xaxaßoZ^gxoG-
f/ov oQiOf/ovg.
g. Epiph. Haer. LXI, 4. p. 508 C.
xZTjQco&rjGSTai xb eIq^lepov öevxe ix ötgicov fiov ol
Evkoyrjfiepoi, o'lg o JtaxrjQ fiov o ijtovgäviog Söexo xi)v
ßaoijLetav jiqo jcaxaßoXfjg xoo/iov.
h. Iren. IV, 18, 6.
sicut dominus noster ait: venite, benedicti patris mei,
percipite praeparatum vobis regnum.
i. Iren. IV, 40, 2.
et aliis quidem dicet: venite, benedicti patris mei, perci-
pite regnum, quod paratum^est vobis.
k. IrenTlV, 28, 2.
et quibuscunque dixerit: venite, benedicti patris mei,
percipite hereditatem regni, quod praeparatum est vobis
in sempiternum.
1. Mt.25, 34.
rote LqeI 6 ßaoiZtvg rolg ix öe£icöi> avxov' Öevxe ol
EV/LoyrjuEvoi xov JtaxQog fiov, xZijQovofifjoaxE xi]v
yxotfiaofiivriv vfilv ßaoiZelav axb xaxaßoZrjg xoöfiov.
Das Citat aus der Apokalypse des Esra, welches eine
deutliche Abhängigkeit von Mt. 25, 34 erweist, gehört den spä-
teren (aus dem Anfang des 3. Jahrhunderts stammenden) Zu-
sätzen jenes pseudepigraphischen Buches an. Eigentümlich ist
die von dem canonischen Text stark abweichende Parallele bei
Epiphanius, weil dieselbe mit der aussercanonischen, bezw.
vorcanonischen Fassung von Mt. 25, 41 in frappanter Weise corre-
spondiert. Man vgl.
Epiph. Mt. 25, 34: Cod. Cant. Mt. 25, 41:
oigo jtaxriQ fiov 6 kJtovodviog o rjxoiftaOEV o naxrjo fiov xm
e&exo xt)v ßaotZelav jcqo xa- ötaßbXoi xal xolg ayytZoig
xaßoZfjg xoöfiov. avxov.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 25, 35. 36 309
Die Fassung des Epiphanius mit dem Subj. 6 ytarfjQ ist
auch vorausgesetzt in den eucharistischen Gebeten der diöaxf/:
yv fjToifiaoaQ und in der Parallele bei Barnabas: ov rjxoi[taöEV.
— Übersetzungsvarianten sind: ite = venite = öevxe = 1D5, ferner
üggovogTJimTB (Mt.) = percipite (Iren.) = acdpjetis^ (Esr.) = pos-
sidetis (Cod. Colbert.) = *rn& (vgl. THX in den Versionen xXrjgo-
vofielv = sxsiv = ijtiXafißdvEO&ai zu Lc. 18, IS), endlich cbto
xaxaßoXijg xoOfiov (Mt.) = jcqo xaxaßoX^g (Epiph.; Hom.; Epk
f, 4; 1. £etr. 1, 20) = ab origine hujus mundi (Cod. Colbert.) =
^agjgs(Diogn.)«*DbTÄö. Vgl. zu Bit. 13, 35. Ausserdem vgl.
zu dieser Stelle Nestle, Marginalien zu Dan. 7, 22. S. 41.
Mt. 25, 35. 36.
a. Hom. Clem. Ep. Clera. ad Jac, c. 9. p. 9, 8.
jioXXm [iäXXov JtEivmvxag XQE'tptxE, xal öitpojoi xaot'xEXE
xoxov, yvpvolg Evöv/ia, xovg voGovvxag knioxinxEGd-E,
xolg kv yvXaxalg kjti<paev6(ievoi mg Svpccü.'fs ßoiftetzE,
Tou§^a^ov§ (isrä xaoijg xQofrvfilag eig rovg tavxmv ol-
xovg Xa/ißdvEXE.
b. Hom. III, 69. p. 55, 6.
XEivmvxag ydo #pt'tp£T€, öivpmoiv xoxov jiaQtgtxE, yv-
fivovg kvövGEXE, voaovvxag kxiaxttpEG&E, xolg kv eiq-
xxalg mg övvaxov ßor^?]GEXE, §ivovg slg xd tavxmv Gxi]vm-
fiaxa jtQO&vfimg dxoöigEG&E.
c. Hom. XI, 4. p. 109, 11.
££«^i^ejr^o^v, öiipmvxi ütoxbv, yvftVTjxEvovriEvövfia,
vooovvxi xQovoiav, B,ivm oxiyriv, xal xm Iv eIqxx(j ovxi
ExupaivofiEVoi ßorjd-Etv mg övvaxov koxiv.
d. Hom. XII, 32. p~ 132, 20.
ojtEQ koxiv Jtsivmvxa ftgtipai, xal otoxov öitpmvxt xaga-
oxElv xal yvfivov ivfivoai, xal vooovvxa kxioxEipaod-aT,
xc^ ^J^31L^^^ai> X<P ^v 6ty**V xäta t0 övvaxov EJtt-
(paiVOfiEVOV ßoq&Elv.
e. Judicium Petri (Ap. KO.) c. 22. p. 118, 16. ed. Hilgenfeld.
jiQOoomvxag xovg Xoyovg xov öiöaoxdXov fjfjmv EtÖExi
ue itEivoZvxa xal ovx k&QEipaxE /je.
310 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
f. Clem. AI. Quis div. salv. c. 13. p. 942.
xc5q av xiq stEivcüvxa TQsyoi xal öitpcövta xox'iCpi xal
yvfivov oxExd^oi xal aoxeyov Cvvdyoi.
g. Clem. AL Strom, m, 6, 54. p. 536.
xi tf oxav 6 xvQiog <p7j' kxslvaöa xal exogxdoaxi (iE xxX.
h. Clem. AI. Strom. II, 16, 73. p. 467.
xa&äxeQ iv xcö Evayy'EXicp (piXav&Qoijtmq Xtycov' ixtlvaoa
xal kömxaxe (tot <paysiv, Idiiprjoa xal EÖmxaxi fioi jcislv.
i. Clem. AI. Quis div. salv. c. 1 3. p. 942.
xoxiC,tLV xbv ötipSvxa, üqxov öidovai xcp xeivmvxi, vjio-
öix^0^ai xov aoxeyov, d(i<piEvv\vai xov yvfivov.
k. Clem. AI. Paed. ^t%wTy!wi~
ao&evtjg xal kjisöxiipaG&t (iE.
1. Polyc. ad Phil. VI, 1. p. 120, 1.
tjcioxsxxofievot oidvxaq do&EVElq.
m. Mt. 25, 35. 36.
ixsivaoa yaQ xal köaixaxt (toi yayelv, söiipqoa xal £jio-
xlaaxe (iE, gsvoc r\(ir\v xal ovv?]ydyexe (iE, yvfivoq xal
xEQießäZexe fts, Tjod-Evtjoa xal sji*EOxEipaö&i [iE, iv gpv-
Xaxrj r\(ii]v xal yX&axs jtQoq (iE. ,,,
n. Test. XII patr. Joseph c. 1.
ilq alxfiCcXooiav EXr}g>9-rjv, xal 7) xgaxaiä x^Q ccvxov kßo-
rjd-rjöE (ioi' kv Xificö OvvEXt&iJv, xal ovxoq 6 xvQioq öti-
&QE1pE (IE' kv äö&EVEia 7](17]V, XOl 6 -VtylOXOq EJtEÖXEtyaXO
fis' iv cpvXaxyi Tjfitjv, xal 6 aoaxrjQ sxaQixa>6E (iE' j&jfa^,
fiolq, xal eXvoe fte.
o. Aristidis Apologia c. 15. p. 38. ed. Hennecke.
B,evov kav löooaip, vjto oxdyrjv slöäyovoi, xal xa^QOvOiv ijt
avxäi a\q im aÖEXgxp aXrj&tvcä.
p. Diatessaron ed. Ciasca p. 77b.
nudus fui et cooperuistis nie, infirmus fui, et visitastis
mei in carcere eram et mei curam habuistis.
q. Ephraem Syr. Serm. de Magis c. 7. (Hymni et Sermones II,
4 16 sq. ed. Lamy.)
Esurivi enim et dedistis mihi manducare, sitivi et dedistis
Texte und Untersuchungen zu Mt. 25, 35 3G.
311
mihi bibere, infirmus et visitastis me, nudus et vestivistis
me, inclusus cum captivis et venistis solvere vincula mea.
r. Orac. SibyiTvmrSl 405.
xal öbg TCBivmvxi xov agxov
xal öixpwvxi xoxbv xal eVfiava oaifiaxL yvfivw.
Unter der Rubrik: „Proben von aussercanonischen Über-
setzungen des Urevangeliums" habe ich bereits in den Agrapha
S. 66 den Homilientext zu Mt. 25, 35. 36 neben den canonischen
Text und dazwischen den reconstruirten hebräischen Quellentext
gestellt. Diese Nebeneinanderstellung ist folgende:
Hebr.
Text der clementinischen
Canonischer Text.
Quellentext.
Homilien.
knüvaöa
tw asn
ejrsivaoa
xal kdmxaxe uoi cpayelv
iröisrQ
xal h&Qttyaxe (iE
editprjöa
nwi «T22
tölrpqoa
xal ejtoxiöaxe fie
■»MptfCT
xal jcoxov xaQtoxsxi fioi
%£voq rjfirjv
■»n^nna
§£VOQ 7]flTjV
xal ovvrjyayexe (iE
■»anöMwgr,
xal töegao&e (iE
■yvfivoQ
OTT*
yvfivoq
xal xeQießaZexi fie
"Wfä&fä
xal evsdioaxE (iE
rjöd-ivrjoa
^tpyi ruh
hvöor\oa
xal ex£Gxsipaöd-£ (te
■wij&Fn
xal EJt£ÖX£1paO&£ (IE
ev (pvAaxjj rj(i?]v
■»n^n toitoa
kv EiQxxfi tjfirjv
xal ijZ&axe xgoq (iE
'ix '«'iäw]
xal EßoTj&rjoaxE fioi.
Zu dem aussercanonischen Texte, welcher aus der viermaligen
— ziemlich constanten — Wiederholung der Clementinen sich
ergiebt, finden sich auch bei anderen Schriftstellern (Clemens
AI., Test. XII patr., Judicium Petri) Parallelen, welche als
Ubersetzungsvarianten erscheinen. Man vgl.
T££9>«^ (Hom., Clem. AI.) = öiaxgiipEiv (Test. XII patr.) —
agxovjöiöovai (Clem. AI.) = ypgxä&iv (Clem. AI.) =
öiöovaijpayElt^ (Mt., auch Pesch., SyrTHier.) «== ^Dfctn
^o^oV^apt^v (Hom.) = xoxi^Eiv (Clem. AI., Mt.) = diöo-
vai m£lv (Clem. AI.) = njsippr
yvjivov eIvoi (Hom., Mt.) = yvfivrjxEVEiv (Hom.) = Oh-tf
h'vdvfia jcapix£tv (Hom.) = evöveiv (Hom.) = afi<ptEvvvvai
312 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
(Clem. AL) = oxexa&tv (Clem. AI.) = xs^ißaXXeip (Mt.)
= cooperire (I)iatess.) = tpabn
vogsIv (Hoin.) = atösw^dvai (Clem. AI., Polyc.) = i*» aa&e-
vsla^ dvai^ (Test^XlI patr.) — do&epelv (Mt) =Tr6n
slpXTrj (Hom.) = yvZaxr^ (Mt., Test. XII patr.) — T*jt?'tt
ßorj&Eli' (Hom., Test XII patr.) = t^lvjtQoq^iva (Mt.) =
bs K'ia (vielleicht ist das ifiqxxivso&ai im ersten und
dritten Citate der Homilieu dem eZ&elv entsprechend).
&vo? (Hom., Mt.) = aoxsyoq (Clem. AL) = 13
elg oixovc Za/ißdveiv (Hom.) = äjtoö£xso&al (Hom.) =
öexto&ai (rlfom.j = vxoötx*°&ai (Clem. AI.) — vxo
oxTytjv elaayeiv (Ariat) = ovvayuv (Clem. AI., Mt.) —
SP» odertra (bx) «"^an.
Der hebräische Text von Jes. 58, 7 ist jedenfalls in den
Herren worten angezogen. Man vgl. die Septuaginta-Übersetzung:
öid&Qvjtre xuvatvxi xbv uqxov oov, xa\ ytxwxovg aoxsyovg
eloaye tig rbv oixov üov (n'ja fifari)' sav töyg yvftvov, xeglßake
xxX. Wahrscheinlich hat daher auch die Septuaginta-Übersetzung
auf die Übersetzungs Varianten von Mt. 25, 35. 36 eingewirkt. In
dem Texte des Aristides klingt das kav td'ftc aus Jes. 58, 7
in dem hav löcooiv an; aber in dem vjtb oxtytjv doayovaiv
berührt sich der Text seiner Apologie mit dem &vm oxiyyv
der Homilieu. Zu bemerken ist noch, dass nur der griechische
Text des Aristides die obige Parallele (bei der Schilderung der
XQiCxtavol) darbietet. — Zu den Varianten ßoiföslv = £Z&£lv
Jtgog xtva bemerkt Nestle noch, dass von Einigen ßotjfrtTv
etymologisiert wird: „aufs Geschrei herbeilaufen, kommen zu."
Mt. 85, 40.
a. Hom. Clem. XVII, 7. p. 162, 5.
6, xi av ovv xig jtoitfoy av&Qcbjtq>, elxs äyccd-ov elxs xaxov,
elg hxslvov [sc. xbv Xqioxov] avcuptQsxai.
b. Clem. AI. Paed. III, 12, 93. p. 307.
Xiycov kg)' oöov ixoirjöaxe xolq ptixQolg xovxotq, ifiol
ijtoirjaaxe.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 25, 40. 41. 313
c. Clem. AI. Paed. III, 4, 30. p. 271.
xal xo- i<py oöov 6s, g>T)öiv, svl xovxojv istoitjöaxe xmv
iXaxlöxmv, ipol ixoirjöaxs.
d. Clem. AI. Strom. II, 16, 73. p. 467.
o ydo tv^xovrmv^xm^Xa^löTmy^xsxoifixaxe, Zpoi m-
jioti'jxaxe.
e Clem. AlTstrom. III, 6, 54. p. 536.
elxa Inupiow k<p* oöov snoifjöaxe tvl xovxmv xmv iXa-
Xiöxmv, Ifiol kxoitjöaxs,
f. Orig. Opp. ed. de la Rue III, 830.
Quamdiu uni ex minimis istis fecistis, mihi fecistis.
g. Mi 2574a
xal äxoxQifrelg 6 ßaöiXevg kotl avxolq' äfirjv Xiym v/ilv,
|0>' oöov istoir/oaxe kvl xovxmv xmv ädsX<pmv^ f/ov xmv
iXaxloxcov, kfiol knoifjöaxe.
h. Ephraem Syr. Serm. de Magis c. 7. (Hymni et. Sermones II,
488. ed. Lamy.)
Quod fecistis egenti, mihi revera fecistis.
Auch in Mt. 25, 40 setzen sich — wie im Folgenden — die
aussercanonischen Varianten fort. So sind o, xi av ovv (a) =
k(p oöov (b c e g) = quamdiu (f) = o (d) = itDiC oder besser
(mit Rücksicht auf die paulinische Parallele o idv Col. 3, 23) —
"Iflj»rb3, ferner fiixgog (b) = kXdxiöxog (c d e g) — "jiaj? oder
TÄ Setzt man "TOS als Stammwort voraus, so erklärt dasselbe
• T T
mit seiner Nebenbedeutung:, „schwach, kraftlos" (vgl. Fürst II,
281) auch die Variante: egens bei Ephraem. Merkwürdig ist,
dass die Homilien in der Variante äv&omxm mit Col. 3, 23: ovx
av&Qoonoiq sich berühren.
Mt 25, 4L
a. Ep. ad Diogn. X, 7. p. 162, 22.
[&dvaxog], og (pvXaöötxai xotg xaxaxQi&7)öo[iivoiG elg xo
xvq xo almviov, o xovg xuqado&e'vxag avxm (itXQ1 TtXovg
xoXäoei.
b. Hom. Clem. IX, 9. p. 95, 23.
xo 6h xdvxmv xaXexmxaxov, kxdv iv xfj xmv oXmv ovvxe-
Xela 6 öalftcov xd xomxa elg xo xa&alqov xvq äxoöo&fj.
314 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Ale.
c. Just. Ap. I, 52. p. 87 B.
tcqv <f döixov kv alod-rjost alcovia fisxd xmv <pavXa>v öai-
fiovcov slq xo alooViov xvg jiifiipsi.
d. JustTMalTa Tryph. cÜoTp. 34957
xovq ös kjcl T7Jv xaxadixtjv xov doßsoxov nvgoq Ovv xolq
Ofioloig djtsi&eoi xal dfisxa&exotq djto Jtdvxcov xmv k&vo5v
ycs/itpsiv T)6r\ tpr/oavxoq.
e. BoraTcTem. XX, 9. p. 193, 38.
xovxov vöxsgov ptsxa xd>v avxoi dyyeXmv ovv xolq dfiag-
xoXolq slq xo oxoxoq xo xaxmxsgov 3tS(iJtsod-at.
f. Just. Apol. I, 28. p.7iB.
ov [sc. oaxavav xal ötdßoXov] slq xo xvg jts/iqp&rjosOfrat
fitxd xtjq avxov Oxgaxiaq xal xdöv tjtoftsvcov dv&gcojimv
xoXaö&TjOOfievovg xov dnigavxov aloZva, jtgos(ii)vvOsv o
Xgtoxoq.
g. Iren. IV, 40, 1.
xm de dgxqym xfjq dxooxaöiaq öiaßöXco xal xolq ovvaiio-
öxaoiv avxm xo almviov Jivg tfxoifiaxmq, elq o Jtsfup&rj-
oso&ai t<prj 6 xvgcoq xovq elq xd dgiOxsga öiaxgid-ivxaq*
h. Iren. V, 27, 1.
haedos autem in aeternuin ignem mittere^j^ui praeparatus
est a patre ejus diabolo et angelis ejus.
i. Just. Fragm. ap. Joannem patriarch. Antioch. Otto II, 248.
kv olq ös xov xvgiov stagaysvoftsvov xm öiaßöXco Oa<pc5q
ajtoxslo&ai xal ixoipao&fjvai xo alatviov jcvg xaljcolq
dyysXoiq.
k. Just. Fragm. ap. Andream comm. in Apoc. c. 60. Otto II, 248..
xal o (isyaq de lovoxlvbq (ptjGiv, kv xjj xov XgiOxov xag-
ovola jtgooxmq yvcävai xov ÖtdßoXov , oxt xaxaösölxaoxat
elq xov aßvoöov xal slq xrjv xov jtvgoq yisvvav.
1. Just. Dial. c. Tryph. c. 116. p. 344 A.
xal xfjq sivgatOsaiq, rjv jtvgovoiv rjfiaq o xe öidßoXoq xal
ol avxov vjcijgtxat jtdvxsq.
m. Just. Dial. c. Tryph. c. 76. p. 30 ID.
xal kv aXXoiq Xoyoiq, oiq xaxaöixaCpiv xovq dvai-iovq fti]
öo)C,eodM [isXXst, %<prj kgslv vxdysxs slq xo Oxoxoq xo
Texte und Untersuchungen zu Mt. 25, 41. 315
1£,(dteqov, o i?rotfia6EP o jtarrJQ rqZ oaxava xal xolg dy-
yiXoig avxov.
n. HomTciem. XIX, 2. p. 178, 12.
xal aXlr) jtov ujieIv vjtEO%Ero rolg dosßovaiv vjtdysre sig
ßoXcp xal xolg dyyiXoig avrov.
o. Cod. Cantabr. Mt. 25, 41.
rozs eqeI xal xolg l£ evcovv(ia)v' jioqeveö&e djc* e/iov ol
xatrjQafiivoi slg xo jivq xo aldtviov, o i)xoi(iaöEV 6
jiaxtJQ^fwv xco 6iaßoXq> xal xolgjzyjEXoig avxov.
p. Hippol. de Christo et Antichr. Galland. II, 441.
vjtdyEXE an ifiov ol xaxrjQafiEVOi Big xo jivq xo cdm-
vlov xo ^xoLfiaOfiivov xtp ötaßoXcp xal xolg dyyiXoig
avxov, o rfxolfiaöEV ö^ar^p^oy.
q. Clem. AI. Quis div. salv. c. 13. p. 942.
a xolg {LT] jcoujoaocp djcsiXsl jivq xal oxoxog xo k^mxEQOv.
r. Clem. AI. Protr. IX, 83. p. 69
vfiElg öe xi]v xoXaoiv äva/iivEXE xal xo jivq öe jiqoöxo-
jzeIxe, o rfzolfiaOEV 6 xvgtog xcö öiaßoXqj xal xolg äyyi-
Xoig avxov.
s. Iren. II, 7, 3.
Et ignis au t ein aeternus, quem praeparavit pater diabolo
et angelis ejus.
t. Iren. III, 23, 3 — IV, 33. 11 = Hilar. in Psalm. 144.
Abite maledicti in ignem aeternum, quem praeparavit
pater meus diabolo et angelis ejus.
u. Iren. IV, 40, 2 = Hilar. de trinit. c 11.== in Psalm 118.
Discedite a me, maledicti, in ignem aeternum, quem
praeparavit pater meus diabolo et angelis ejus.
v. Cod. Colbert. Mt. 25, 41. p. 34. ed. Belsheim.
Discedite a me, maledicti, ite in ignem aeternum, quem
paravit pater meus diabolo et angelis ejus.
w. Mt. 25741
jioqeveo&e an tfiov xaxrjQa{iEvoi slg xo jivq xo aLmviov
xo rjxoi{ia6nivov xa> öiaßoXm xal xolg ayyiXoig avrov.
316 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
x. Aphr. Honi. XX. p. 318. ed. Bert.
Gehet von mir, ihr Verfluchten, in das Feuer, das be-
reitet ist dem Bösen und seinen Engeln7~
y. Diatessaron ed. Ciasca p. 77b.
Discedite a nie, maledicti, in igoein aeternum, qui para-
tus est diabolo et ministris ejus,
z. Tertull. adv. Hermog. c. 11.
diabolus abierit in ignem, quem praeparavit illi deus et
angelis ejus.
Die zahlreichen Versionen und Redaktionen zu Mt. 25, 41
gehen vielfach so weit auseinander, dass man nicht mehr allent-
halben die Quellenwörter nachweisen kann. Selbst Justin ge-
stattet sich in den sieben Paralleltexten dieses Logion die man-
nigfaltigsten Abweichungen. Dass aber dabei keineswegs nur
Willkürlichkeiten obwalten, zeigen die Paralleltexte bei anderen
Schriftstellern. So findet sich das justinische xtfijtsiv, Jtifuis-
ö&ai, jce(jq>&i]6eoftai (c d f) bei Irenaeus (g) und in den Clemen-
tinen (e^ wieder. Die pavloi öal/ioveg Justins (c) klingen in dem
6 öalficov (b) der Homilien wieder an. In der Variante oaxapag (m)
für das canonische und auch sonst in den Citaten häufige öiaßoXog
steht Justin allerdings allein, ebenso Aphraates mit seinem
„Bösen". Sehr mannigfaltig sind die Bezeichnungen des ewigen
Feuers: xo üivq xo alojvtov (acghiopstuv), xo aoßeöxov
xvQ (d), xo xafralQoy Jtvo (b), xo xvq (fr), tj xovjxvoog yi-
Evva (k), i] jivQGDOiq (1). Ausserdem begegnet sich Justin (m) in
der Variante xo oxoxog xo it-mxsoov mit dem zweimaligen Citat
(e n) in den Homilien, und Clemens verbindet einmal (q) beide
Varianten, indem er xvq xdjlxoxog xo kgtüxsQov neben einander
setzt. Ahnliche Varianten zwischen xvq, yitvva, oxoxog finden sich
auch sonst in den canonischen und aussercanonischen Parallel-
texten. Die participiale Fassung des Zusatzes, wie ihn der erste
Evangelist mit xo qxotfjaOfitvop eingeleitet hat, ist in den ausser-
canonischen Parallelen nur selten wieder zu finden. Vielmehr ist
die relativische Construktion mit ausdrücklicher Erwähnung des
xaxtfg in den ältesten Evangelienhandschriften, wie auch der
Öodex Cantabr mit einem Theil seiner lateinischen Trabanten
bezeugt, allgemein und gewiss ursprünglich gewesen. Bei Cle-
mens AI. (r) findet sich für 6 xaxtjQ die Variante o xvgiog,
Texte und Untersuchungen zu Mt. 25, 46. 317
sicherlich nicht original. Dagegen weist die Variante vxdyexe,
in welcher Hippolyt (p) mit den Homilien (n) und Justin (m)
zusammentrifft, neben dem canonischen xoQevea&e auf 13b zu-
rück. Endlich ist es sehr beachtenswerth , dass Justin in der
Lesart ^^QJ^o} (1) secundiert wird von dem Diatessaron: et
ministris ejus. Da nun nach den Septuaginta 122 auch durch
<xY££log übersetzt werden kann (vgl. Jes. 37, 24: *pia? *P3 =
LXX: öi dyyeXcov), so wird es wahrscheinlich, dass D"H3? =
vjtrjQtxai — ministri == dyyeXoi in diesem Fall den Urtext re-
praesentiert. — Die Fassung: quem paravit pater meus (anstatt
xb TjtoifiaOfttvov) haben wir bereits ebenso gefunden zu Mt.
2ü, 23 = Mc. 10, 40: quibus paravit pater meus nach dem Dia-
tessaron.
Mt. 25, 46.
a. Epiph. Haer. LXVI, 39. p. 653 A.
av&Qcojtot ftev ydg xZ7]Qoi>oluohOi ßaotXelav ovqcivcqv xal
av&Qcojtoi xQivovxat. dxeXevaovxai ydo ovxoi elg xqIoiv
cdtöviov, xal ovxoi elg ^(orjv almviov, q>i]olv 6 po-
voyevi)g.
b. Epiph. Haer. LVI, 2. p 478 B.
avxog 6h o xvQiog Xeycop oxi xal eyegd^oovxai (iep ovxoi
eig ^oar)v altoviov, xal ovxot elg xoXaoiv aloaviov.
c. Clem. AI. Paed. 111, 12, 93. p. 307.
xal axeXevoovxai ol xoiovxot elg C,co7jv alcovtov.
d. Herrn. Sim. IX, 14, 2. p. 226, 6.
xoxe aXXoi elaeXevoovxai, xal ovxoi elg xeXog ixßXif-
ftrJGovxai.
e. Gennad. c. 9. p. 338.
qui dixit: Ibunt impii in Judicium aeternum, justi autem
in vitam aeternam, utpercipiant fructum operum suorum.
f. Const. VII, 32. p. 212, 15.
xoxe djreXevcovxai ol fthv piovrjool elg almvlav xoXaoiv,
ol de öi'xaioi stooevoovxai elg £<dtjv alcoviov, xXijqqvo-
(iovvxeg ixelva, a Q(p&aXfibg ovx eiöev xal ovg ovx rjxovoev
xal im xaQÖiav av&yojjtov ovx dvißtj, a Tjxol/jaoevc
318 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
#60g xolg aygjtcÖGiv avxbv xal %ap;/tforTat sv r% ßaoiXda
XOV &£0V.
g. Ephraeni Syr. Opp. II, 189E.
xal xoQBVöovxai ovxol slq xoXaoiv aicoviov, ol 6h 61-
xcuoi sie ^corjv atmviov.
h. Mt. 25, 46.
xal djrsXtvoovxai ovxoi elq xoXaoiv aicoviov, ol 6b öi-
xatot tlg ^mrjv aicoviov.
Der hebräische Urtext ist hier ebenfalls in mancherlei Va-
riationen aus einander gegangen: djteXsvoovtai (a f h) = ibunt
(e) = jtOQevcovtat (g) = 1DV?> ferner xoioiq aleavioq (a) =
iudicium aeternum (e) = xbXaoiq aiatvioq (b f g h) — Dbiy )^
(vg) "pi == Strafe Esr. 7, 26), niclit minder tyBQ&rjOovxai (b) =
axEXevöovrai (c) = bIöbXbvoovxüi (d) = jiOQEvöovxai (f) = ISÖa"1
im zweiten Satztheil.
Darüber, dass der erste Evangelist höchstwahrscheinlich die
ursprünglichen Schlussworte der Parabel gekürzt, der Redaktor
der Constitutionen aber sie uns erhalten hat, und dass gerade
diese Schlussworte es gewesen sind, welche Paulus 1. Cor. 2, 9
citiert, ferner (nach Hieronymus) die Ascensio Jesaiae und
(nach demselben Hieronymus, aber auch nach Origenes) die
Apocalypsis Eliae, sowie zahlreiche andere altkirchliche
Schriftsteller benützt haben, endlich, dass die von 1. Cor. 2, 9
abweichende Fassung dieser Schlussworte, wie sie in der Apo-
calypsis Eliae enthalten gewesen ist, höchstwahrscheinlich von
Hegesippus (durch Vermittelung des Stephanus Gobarus bei
Photius) der Nachwelt überliefert worden ist, darüber vergleiche
man das Nähere Agrapha S. 102f., 154 — 167.
Mt. 26, 7 = Mc. 14, 3.
a. Ign. ad Eph. XVU, 1. p. 22, 4 = Pseudo-Ign. ad Eph. XVIL
p. 286, 4.
6id xovxo fivQOv tXaßev exl xtjq xtcpaXTJq avxov o xv-
Qioq, tva Jtvtij xi] BxxXrjoia a(p&anö'iav.
b. Mt. 26, 7.
jtQOöfjXfrEV avxcß yvvrj B%ovoa uXäßaoxQOv ftvgov
jcoXvxiuov xal xazexsev exl xijq xB<paXyq avxov
dvaxeifiivov.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 26, 7. 8 319
c. Mc. 14, 3.
xataxeifiepov avrov i/X&ev yvvt) l%ovoa aXaßaoroov
fiVQOV vagöov Jtiörixfjg noXvrEXovg' övvroiipaoa rov
aXdßaorgov xars^EEV avrov rtjg xE<paXijg.
d. Cod. Cantabr. Mc. 14, 3.
xazaxeifisvov avrov i] X&ev yvvt] t%ovGa aXaßaorgov
fivgov xal &oav6aoa aXäßaöroov xarE^EEv ejii rijg
XE<paXr\g avroi.
Nach Weiss (Matthäus S. 542 Anm.) bildete die Perikope
von der Salbung in Bethanien „mit ihrer bedeutungsvollen Hin-
weisung auf das Begräbniss Jesu den Schluss der apostolischen
Quelle". Vgl. auch Weiss, Marcus S. 435 ff. Es wird sich im
folgenden an den aussercanonischen Paralleltexten und anderen
Symptomen erweisen, dass das Urevangelium nicht wie ein Torso
unmittelbar vor der Hauptentscheidung im Leben Jesu abbrach,
sondern weiter reichte. Aber darin, dass diese Perikope in der
vorcanonischen Quellenschrift zu lesen war, hat Weiss Recht.
Man vgl. im Vorstehenden die Ubersetzungsvarianten jcoXvrifiog
—^jtoXvrEXrjg = "jfcö "ij?*, ferner GvvrotßEiv = dvavuv ^T-q^ .
Vgl. dieselben Varianten ovvrnißEiv — {foavEiv Mt. 12, 20 =
Jes. 42, Iff.
Mt. 26, 8 = Mc. 14, 4.
a. Cod. Cantabr. Mc. 14, 4.
ol dh fia&ijral avrov öiEJiovovvro xal eXsyov elg zl rj
anmXEia avnj rov fivoov;
b. Mt. 26, 8.
löovrtg öe ol fia&r/ral yyaväxrrjoav XiyovrEg' eIq ri i)
ajtcoXEia avr/j;
c. Mc. 14, 4.
ijoav öe riVEq ayavaxrovyrEQ Jioog havroig' slg ri r\ djcoj-
Xeiü avrrj rov (ivqov yiyovEV ;
d. Cod. Colbert. Mc. 14, 4. p. 60. ed. Belsheim.
Quo viso quidam indigne tulerunt dicentes: Ut quid haec
perditio gratuita facta est?
Auch hier (wie zum vorausgegangenen Verse) bringt Cod. D
eine werthvolle aussercanonische Übersetzungs Variante. Während
320 Aussercanoniscke Paralleltexte zu Mt. und Mc.
das dyavaxxelv der canonischen Texte in den hebräischen Rück-
übersetzungen, wie schon die Mannigfaltigkeit der Übersetzungs-
versuche zeigt (Lond. N.T. Mc: lajiOTin, Mi: nnb jrn, Delitzsch
Mc: DiTMnno, Mt.: rasnrn, Salkinson Mc: "»pJO TO TV*
D^TDaK, Mt. : on'3 nrp}) dunkel bleibt, leitet die Variante diaxovatö&ai
in Cod. D auf das richtige Quellenwort, nämlich 3S?nn~i(vgl
Aquila zu Gen. 6, 6; 34, 7; 1. Sam. 30, 7, wo die LXX h»v(iet-
o&aij xaxawyrjvat, ivfrvfiovöfrai bieten) oder 3S23 (vgl. Eccles.
10, 9: 33p£ = LXX: öiaxovii&fjCtxai).
Mt 26, 11 = Mc. 14, 7.
a. Barn. XXI, 2. p. 80, 10.
tx^re (£€&' lavxcjv elg ovq tQyaQrjo&E xo xaXov (ii) e/L-
XÜJCTJXE.
b. Mt. 26, 11.
xdvxoxe yaQ xovg jtxa>xovg fixere fteH-' havxmv.
c Mc. 14, 7.
jtuvxoxe yaQ xovg jtxa>xovg ex^xe fied-' tavx<op, xaX
oxav #fc'x//re, övvaöfre sv Jtotijoai.
d. Joh. 12, 8.
xovg jtxcoxovg yaQ jtdvxoxs tx8T£ ltE&* eavxoiv.
Zu dem tv jtoiF/oai des Marcus finden wir in der Barna-
bas- Parallele die aussercauonische Variante: iQyä&ofrai xb xa-
Aov. Beide Ausdrücke setzen im Hebräischen mit Nothwendig-
keit 3'1t3',n voraus und sind somit als Übersetzungsvarianten
dieses hebräischen Quellenwortes zu erachten. Vgl. die ver-
wandten Übersetzungen dieses a^üH in La 6, 9: dya&ojtoiijoai —
Mc 3, 4: dya&ov xoiijöai ==» Mt. 12, 12: xalmq jcoulv — Ep. ad
Diogn.: xaXov xi jtotelv.
Mt. 26, 13 = Mc. 14, 9.
a. Ephraem Syr. Sermo de Domino nostro c. 47. (Hymni et Serm.
I, 258. ed. Lamy.)
Maria illud effudit in caput et a labiis collegit fructum:
„Hoc quippe erit ei nomen et memoria, ubicunque an-
nunciatum fuerit meum Evangelium.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 26, 11. 13. 23. 321
b. Diatessaron ed. Ciasca. p. 69.
Amen dico vobis: Ubicunque praedicatum fuerit hoc
Evangelium meum in universo mundo, quod fecit
liaec, narrabitur in memoriam ejus.
c. Mt. 26, 13.
afirjv Xiym vfilv, ojtov av xi/Qvy&rj xo evayyiXiov
xovxo iv o/o? x<p xoöfim, Xa Xt]&i]oexai xal o ijtoi-
rjGsv avrfjf elg pvrjuoGvvov avxijg.
d. Mc. 14, 9.
afii/v öh Xiyco vfilv, ojcov av xijQvy&ij ro evayyt-
Xiov dg oXov xov xoofiov, xal 6 iyiohjoev avxi],
XaXrj&rJGexai elg fivrjfioGvvov avxtjg.
Merkwürdiger Weise rechnet Weiss Mc. 14, 9 = Mt. 26, 13
nicht mehr zur Quellenschrift, welche er mit Mt. 26, 12 = Mc.
14, 8 zu Ende gehen lässt. Unsere Stelle, die Weissagung von
der Predigt des Evangeliums in aller Welt, würde wenigstens
einen einigermassen erträglichen Schluss des Urevangeliums ent-
halten haben. Aber das Zusammentreffen Ephraems mit dem
arabischen Diatessaron, sowie mit der Peschittha und der
persischen Version lässt keinen Zweifel daran übrig, dass
Tatian die Lesart: evangelium meum in seine Evangelien-
harmonie aufgenommen hatte. Ori genes hat zu Mi 26, 13 noch
den Zusatz: iv Jtäoi rotg s&v&oi. Opp. I, 27.
Mt. 26, 23 — Mc. 14, 20.
a. Clem. AI. Paed. II, 8. 62. p. 206.
diöäoxet de fjfjäg avxog 6 xi'Qiog, öxi diöoXcofttvog o 'lov-
öag iaxiv ogjgp iftßäv)yxai (lex* ttuov. Xsyatv. eig xo
xovßXtov, ovxog ue jiaoaöoJüsi.
b. Mt. 26, 23.
o öh axoxgi freie dxev o itißdtpag /tat' iiiov xijv yjloa
iv xrp xovßXicp, ovxog ps xanaöoJGii.
c. Mc. 14, 20.
o 61 djtev avxolg' tlg xcäv Öojöexa, 6 ifißanxouavoß jitr'
i(tov dgjto XQvßXiov.
Neben der participialen Construktion: 6 ipßaipag (Mt.) und
o tfißaxxofisvog (Mc.) findet sich bei Clemens AI. die Variante:
Texte u. Untersuchungen X, 2. 21
322 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
bq dv sfißdiprjtai, welcher Wechsel auch sonst sowohl in cano-
nischen als in aussercanonischen Paralleltexten sehr häufig ist.
Vgl. namentlich die Bemerkungen zu Mt. 5, 22.
Mt, 26, 30 = Mc. 14, 26.
a. Papyrus Kainer. Vgl. oben S. 33.
[xal sixsv iv xm ajtaX}Xay£iv cooavxmc.
b. Mt. 26, 30.
xal vfivrjoavxeq £grjl#ov dg xb b(jog xoZv eXaicöv.
c. Mc. 14, 26.
xal vjtvrioavxtg e^f/Xfrov dg xb oyog xSv IXaubv.
d. Lc. 22, 39.
xal t^tXVcov tjtOQEvOtj xarix xb tVog dg xb ooog xöjv
iXaic?>r.
e. Epiph. Haer. LI. 27. p. 440 ß.
6#£v xal avxbq o ooaxqQ to xäöya xeXeuboag l£,?)X&£v dg
ro oqog fttxd xo ßfßncoxtvat.
f. Consi V, 14. p. 142, 23.
l£rjX&£V eig TO in>ng xatv IXaudv jtXr/öiov xov y^ifiaggov
xcöv xtöocoi\ ov i)v xtpog' ovvrjfiev öt xal r/fitfc xal vf/vrj-
octfitv xaxa xb t&og.
Diejenigen Worte des Fajj um- Fragments, welche dem syn-
optischen Texte vonMt. 26, 31a: xbxe Xiyu avxoig o lr)6ovg — Mc.
14, 27a: xal Xtyei avxoig o IfjOovg entsprechen, setzen zweifellos
ein iljttv oder tfpt] oder tXtysv voraus. Und dazu gehörte das
ojoavxcog, welches neuerdings als richtige Lesart anstatt des
früheren dunkelen mg tg e&ovg herausgestellt zu haben, jeden-
falls als ein Fortschritt in den B ick eil sehen Untersuchungen
zu bezeichnen ist. (Man vergleiche z. B. das tijtsv möavxcog in
Mt. 21, 30.) Als nähere Bestimmung dazu würde nun entweder
nach der früheren Lesart [fiexd xb] (payslv oder nach dem S. 33
unter C mitgetheilten Texte \lv xm d.3caX]Xayelv zu gelten
haben, je nachdem der erste der auf dem Fragmente erhaltenen
Buchstaben als <p oder X gelesen wird. Die frühere Lesart <pa-
ytlv hatte viel für sich. Man vergleiche das Epiph an ius-Citat
unter e, wo (itxa xb ßtßQmxivai ganz in demselben Zusammen-
hang zu finden ist, ebenso Jon. 13, 2: öujivov ysvofievov. Liest
Texte und Untersuchungen zu Mt. 26, 30. 31. 323
man aber den ersten Worttheil als Xaytlv, so bleibt ra. E. keine
andere Ergänzung als ev xco djtaXXayelv übrig. Denn die
B ick eil sehe Ergänzung: jcoo xov fts fiexaXXayelv halte ich für
unmöglich. Diese Worte müssten dann den Schluss einer Rede
Jesu gebildet haben, und ojoavxcog sollte dann, wie Bickell
annimmt, absolut stehen und in dieser absoluten Stellung eine
neue Rede Jesu einleiten. Dafür gibt es aber in der gesammten
Evangelien-Literatur keine Analogie; soweit konnte die Kürzung
nicht gehen. Wenn also am Anfang Xaysiv zu lesen ist, so kann
die Ergänzung nur in einem hv xco djtaXXayelv zu suchen sein.
Der Sinn des Satzes: xäi einev ev xco djtaXXayelv ojoavxcog ist
einfach: „und im Weggehen (oder beim Aufbruch) sprach er
gleichermaßen." Dieser Sinn deckt sich dann mit den synop-
tischen Parallelen der beiden ersten Evangelisten vollkommen,
sofern dem igtjX&ov in Mt. 26, 30 = Mc. 14, 26, ja auch dem
lucanischen e£eX&cov ejcoQevB-rj in Lc. 22, 39, das djtaXXayelv als
Ubersetzuugs Variante zur Seite tritt. Denn diese Übersetzuugs-
variante findet sich bereits in den Versionen des A. Testaments.
Nicht blos dass Symmachus Hiob 7, 9 das hebräische l(zri mit
djtaXXdzxea&ai wiedergiebt und dass Hiob 10, 19 bniN in die
Varianten djtrjXXdyrtv = djtfjX&ov auseinandergeht, sondern, was
noch wichtiger ist~' 1. Sam.22,i, wo das 'sfs^ von den LXX
mit xal äxrjX&ev übersetzt ist, bietet der Cod. Alexandrinus:
y.cil ajttjXXäyrj. ~Es ist also klar, dass dieses djtaXXdxxeo&at zu
den Eigentümlichkeiten des gewählteren alexandrinischen Sprach-
gebrauchs gehörte. Wir finden es aber auch wiederholt in
aussercanonischen neutestamentlichen Paralleltexten, z. B. Just.
Dial. c. Tr. c. 78: öi dXXtjg oöov elg xijv yjcooav avxcov djtaX-
Xayevxmv — Mt 2, 12: öi* aXXrjg oöov dveycoqTnGav eig xtjv
Xcooav avxcöv. Ferner im pseudopetrinischen Evangelienfrag-
ment v. 59: xal txaoxog Xvjtovfievog'öid xo GVfißdv djtrjXlayt/
eig xov oixov avxov.
Mt. 26, 31» = Mc. 14, 27*.
a. Didasc. V, 14. p. 312.
xal xoxe r)iilv ehtev o xvQiog' dii/jv Xt'yco vulv //fr' oXi-
yov xcttoov djroXehpexe (je.
21*
324 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
b. Joh. 16, 32.
löov tQxtTCil ^Qa xcti t?JJXv9-tv, \'va oxoQjtio&tjxe txaoxog
sig xa idia xdfih fiovov a<ptjxe.
c. Mc. 14, 27a.
xal Xtyei avxolg o 'l/joovg oxt Jtavxeg oxavdaXiö&r'jösGdf..
d. Papyr. Rain.
stavxtg iv xavxij xfj vvxti oxavdaXiü^oea^e.
e. Mt. 26,3ta.
tore Xtyei avxolg 6 'Iijcovg' Jtavxsg vfislc oxavdaXio&Tj-
ÜE6&6 SV ijWL SV X% VVXxl TCtVTtJ.
Bezüglich dieses Textbestandtheils steht das Fajjum-Frag-
ment in der Mitte zwischen dem Text des ersten Evangelisten,
dessen iv ifiol dort fehlt, und dem Marcustexte, bei welchem
das iv xavxtj xij vvxrl des Fragmentes weggelassen ist Die
johanneische Parallele Joh. 16, 32 ist nur als Sinnparallele in-
teressant. Der Text der Didascalia berührt sich mit Joh. 16, 32
dem Sinne nach sehr eng, lautet aber fast synoptisch uud geht
dann (s. das Folgende) ganz in die synoptische Relation über.
Mt. 26, 31b — Mc. 14, 27b.
a. Barn. V, 12. p. 24, 1.
otav xaxagcooiv xov noifttva lavxcijv, Tora ajtoXslxat
xa jtnoßaxa xrjg xoifivtjc.
b. Papyr. Rain. Vgl oben S. 33.
xaxa xo YQCupiv naxäs™ tov noiftsva, xal xa jiqo-
ßaxa diaöxoQJuo&qöovxai.
c. Mc. 14, 27b.
oxt ytyQajtxcu' xaxä§m xov jtoifitva, xal xa jcQÖßaxa
olxtGxoQxiofr//6ovxai.
yiyQaxxai yaq' naxaigco xov jtoifitva, xal öiaoxoQjti-
o&rjoovxai xa jtgoßaxa xrjc xolftvtjg.
e. Didasc. VI, 14. p. 312.
öioxi ytyoajtxai' jcaxa^m xov jtoiitsva, xal diaoxoojtt-
öö^öoinm t« jiQoßaxa xrjg xoifivrjg avxov.
f. Just. Dial. c. Tryph. c. 53. p. 273 BC.
aXXcc xal öia xov jtootpi'txov Zayaolov, dxi itaxayßj^asxai
Texte und Untersuchungen zu Mt 26, 31. 33. 325
avxog ovtog 6 XoiGxog xal diaoxogjtio&qGovxai ol fiaftt]-
xdi aVTOÜ, JlQO£<pT}TbV&T).
g. Just. Dial. c. Tryph. c. 53. p. 273 D.
soxi 6h xä lex&tVTa vsto xov Xa^aglov xavxw go{i<paia,
kskf8Q&r]Ti ext xov noi^tva (tov, xal tüi av6oa xov Xaov
fiov, Xiysi xvgiog xcov 6vvä(iecov näxa^ov xov jcoi/isva,
xal öiaöxoQxioB-riGovxai xä jtgoßaxa avxov.
h. Sach. 13, 7. LXX. Cod. «B.
jtaxägaze xovg jtoifiivag xal Ixöjiaaaxs xä jtgoßaxa.
i. SacnTlvTTLXX. Cod. K«A.
jtäxagov xov Jtoifieva, xal 6iaGxogjttGfr/jGovxai [Kc: 6ta-
GxogjtiG&rjxmGav] xä jtgoßaxa [x?)g jtoifjvr/g om. 8C].
Auch in diesem Falle vertritt das Fajjum-Fragment mit der
Citationsforniel: xaxä xb ygaqpt'v eine gewähltere Ausdrucks-
weise. Der hebräische^TfrtexlPvon Sach. 13, 7: H]?'*i!TTl8 -fn
T[82B1 »"pSIBni hat mehrfach Übersetzungsvarianten erfahren:
•f!! — xäxat-ov (LXX K«A, Just.) = Jtaxä{-axa (LXX Cod. s*B) =
jtaxägco (Mt., Mc, Cod. Rain., Didasc).
rtjprrnx — xovg jtoiptvag (LXX kB) = xov jtoifitva (LXX
K«A, Mt., Mc, Cod. Rain., Just., Didasc).
'"pS^Eni — äjtoXelxai (Barn.) = ixöxäaaxs (LXX »B) = öia~
oxoQmo&ijvcooav (LXX t&c) — ötaoxoQjtiofrtjGovxai (LXX XCA,
ME,, Mc, Cod. Rain., Just., Didasc).
•{»srn — xä jtgoßaxa (LXX K»CB, Pap. Rain., Mc.) — xä jtgo-
ßaxa avxov (Just.) = xä Jtgoßaxa xtjg jtoivfiqg (LXX A,
Mt, Barn,, Didasc. add. avxov).
Man sieht: das Fajjum-Evangelienfragnient des Cod. Rainer
geht in der Wiedergabe des alttestamentlichen Citates ganz mit
dem zweiten Evangelium.
Mt. 26, 33 — Mc. 14, 29.
a. Papyr. Rainer. Vgl. oben S. 33.
sljtovxog xov Iltxgov' xal el jtävxeg, ovx iyco.
b. Mc 14, 29.
o 6h UixQog ttpt] avxor el xal jtävxeg GxavöaXiG&ijoovxai.
äXX' ovx ey co.
326 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
c. Mt. 26, 33.
uxoxQi&eig 6h 6 IHtqoc eIjiev avtcö' si Jtävreg oxav-
"öciXig&i'igovtcu sv Ooi, lyto ovÖtjiors Gxav6aXiG&t]oo(iai.
d Epipli. Ancor. c. 9. p 14 C.
öiioyvQiCo^Evog iXtysv' si xal xavtEg aQv^oovtai os.
iyco ovx ccQv/jGofiai.
In dem Fajjum-Fragiuente weist die Abkürzung ksr " (— jtt-
zqov) und das vor diesem Namen erhaltene v, welches nothwendiger
Weise durch den Genetiv rov ergänzt werden muss, auf die
Construktion des Gen. abs. und folglich auf ein verloren ge-
gangenes eijiovrog hin, dessen Buchstaben gerade den Platz
ausfüllen. Auch diese — in den canonischen Evangelien seltene
— Construktion gehört zu der gewählteren griechischen Aus-
drucksweise des Fragments. Die Gegenrede des Petrus ist am
kürzesten in dem Fragment, dagegen bereits dutch Einfügung
des GxavöaXiGfr/'jOovTCu erweitert bei Mc, mit noch grösseren
Erweiterungen (Gxavda).io{yr)oovrat sv Goi — ovötjtors Gxavda-
Xioth/jGOfiai) bei Mt. wiedergegeben. Das kurze ovx lym des Frag-
ments entspricht dem hebräischen Sprachgeiste als Übersetzung von
■^S X"b am besten und trägt den Stempel der Originalität. Das
sicherste Zeichen aber für die Unabhängigkeit des
Fragments von M c. und Mt. ist die Weglassung von
Mc. 14, 28 = Mt. 26, 32. Denn dass die Worte: dXXa fizra zo
iyey&fjvai [iE 7tQoä£.(o vfiag sig rrjv raXiXaiav an dieser Stelle
nicht ursprünglich sind, vielmehr den Context stören, liegt auf
der Hand. Wahrscheinlich beruhen sie auf einer von dem ersten
Evangelisten übernommenen Umschaltung des Mc. Die Weg-
las>suug dieser Worte spricht für ein direktes oder indirektes
Schöpfen aus dem Urevangelium.
Mt. 26, U = Mc. 14, 30.
a. Papyr. Rainer. Vgl. oben S. 33.
[eljctv o xvQiog'] o ccXextqvcov ölg xox[xv§st, xal Ov JtQcöror
rglg ä]jiaov[i]Oy fis.]
b. Joh. 13, 38.
afirjv dku/)v Xtyco goi, ov (irj dXtxrcoQ <poivr\Gr\, tcog ov äo-
vr/oy //£ TQig.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 26, 34. 45 . 327
c. Lc. 22, 34.
6 6h tljie»' Xtyco ooi. IItX(je, ov q>covrjosi OypsQOV dXtxtcoo.
%(Oc roic ajia(>vr}<j7] fii) elötvai. (is.
d. Const. V, 14. p. 142, 20.
djiev dfiyv Xtyco ooi, jtQiv dXixxoQa <pcov?]Oai, xq'ig
djtaQv?]67] (ir) elÖEvai fte.
e. Mt. 26, 34.
i<pi] avxm o 'irjoovg' d^r)v Xeyoj ooi, ort h) xavzrj xrj vvxxl
jiqIv dXtxxooa gxovrjoai xglg ajcayi'qöq pi.
f. Mc. 14, 3oT~
xal Xtyei avxco 6 'hjooog' dftrjr Xtyco ooi, ort ov orjfieqov
xavxq xq vvxxl jcqiv tj ö)g dXexxoya (pcovTJoai, xyig (ie
dxaQvqorj.
Da im Fajjum-Fragrnente bereits für den Namen des Petrus
eine Abbreviatur {ksz) hervortritt, so liegt es nahe, auch für
den Namen Jesu eine Abbreviatur anzunehmen, nämlich die in
den Codices, besonders auch im Cod. Cantabr., gebräuchliche:
6 xg (= 6 xvgioq), und dies um so mehr, als diese Abbreviatur
in Verbindung mit einem eljttv oder tcp?j in vorzüglicher Weise
sich eignet, die im Fragmente an dieser Stelle vorhandene Lücke
genau auszufüllen. Jedenfalls kann zwischen der Rede des Pe-
trus und der Antwort Jesu ein überleitender Satz nicht entbehrt
werden. Die von Bickell vorgeschlagenen Ergänzungen, früher:
jiQOG&eiQ, jetzt: sxi avrm — reichen ebenso wenig wie das ab-
solute cooavxcog hin, um nach einer vorausgegangenen Rede
eine neue Rede einzuführen und sind in der gesammten Evan-
gelienliteratur meines Wissens ohne Beispiel. Was aber das
Wort dXsxxgvcov anlangt, welches als Variante für dXtxxcoy
sich z. B. bei Epiphanius Ancor. c. 9. p. 14 C: ovxog ioxiv o
xXavOag exl xfj tpcovr} xov dXtxxgvovog , — also ebenfalls wie
hier gerade im Bezug auf Petrus sieh findet, so gehört es der
gut griechischen Prosa an, während dXtxxcoq den poetischen
Sprachgebrauch vertritt.
Mt. 26, 45 = Mc. 14, 41.
a. Mt. 26, 45.
löov r/yyixev r) cöqa.
328 Aussercanomsche Paralleltexte zu Mt. und Mc.
b. Cod. Cantabr. Mc. 14, 41.
cbrt'x« To rtXoc xal ij coQa.
c. Mc. 14, 41.
cutixw ififtsv )} (OQCt.
d. Versiones Syriacae. Mc. 14, 41.
appropinquavit finis et venit hora.
e. Codi. Colbert. Mc. 14, 41. p.^1 ed. Belsheim.
adest enim consummacio et hora.
f Diatessaron ed. Ciasca p. 85b.
appropinquavit finis et venit hora.
MitteD in den sonst mit Lc. 22, 46 im Wesentlichen con-
formen Parallelen findet sich bei Mt. der Satz: yyyixev i) Sga,
bei Mc. T)Z&ev 1) Sqü, verstärkt durch ein vorgesetztes aüt(%Bi.
Dieses ajt^xec hat der Auslegung je und je grosse Schwierig-
keiten bereitet Delitzsch tibersetzt dasselbe ^b"^, Salkinson
rD*3-:n, das Londoner Neue Testament Mb2, die Vulgata mit
sufficit. ') Im Codex D aber steht dieses cutexu nicht absolut,
sondern als Prädikat zu einem beigefügten to TtXoq xal i) wqcc,
und diesen Satz geben die Versionen in mehrfachen Varianten,
dem Sinn nach aber Übereinstimmend, folgendermassen wieder:
Vers. Syr. appropinquavit finis et venit hora
Cod. Monac. sufficit finis et hora
Cod. Brix. adest finis, venit hora
Cod. Vercell. consummatus est finis, advenit hora
Cod. Colbert. adest enim consummacio et hora.
Es ist wahrscheinlich, dass diesen aussercanonischen Va-
rianten ein vollständiger und richtiger Quellentext irgendwie zu
Grunde liegt. Man denkt dabei an das TEtiXBOtai Joh. 19, 30,
um das xbXoq (= consummacio) zu begreifen. Jedenfalls weist
die Übereinstimmung der vier Zweige (Syr. Cur., Diatessaron,
Cod. D., Italae) darauf hin, dass schon in ihrem Archetypus, der
vorcanonischen Wurzel, der entsprechende Text vorhanden ge-
wesen ist.
1) Vgl. darüber Field, Otium Norvicense Pars 111. S. 29.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 26, 52. 329
Mt. 26, 52.
a. Äicta Thoraae p. 56, 19. ed. Bounet.
SiSIBV yUQ IltTÖCp TO) OVVCUtOÖToXfp ?jfl(OV äjtOOTQStpOV
n)v ftaxaiQav öov alq rd ojciöco xal djroxaTäorrjOov
stg r?)v frrjxrjv avrrjg.
b. Mt. 26752^
rote Xiysi üvtoj o Ir^oovg' äjtoorptyov xi}v ftaxaiQav
öov eiq xbv xojiov avxrjg' jcdvxsg ydg ol Xaßovxeg
(idxcctQav Iv fiaxctiQi} djroXovvxai.
c. Diatessaron ed. Ciasca p. 86*.
Mitte gladiuui in vaginam suam: oraues enini, qui
aggressi fuerint gladio, gladio peribunt.
Gemäss seiner Voraussetzung, wonach die vorcanonische
Evangelienquelle mit dem Bericht über die Salbung in Betha-
nien zu fliessen aufhöre, erkennt Weiss (Matthaeus S. 554) in
dem Text von Mt. 26, 52. 53, der doch so vortrefflich den Zu-
sammenhang ergänzt und auch sprachlich wie sachlich dem
Charakter der Quelle congenial ist, nicht ein Hervortreten des
Urtextes, sondern eine Einschaltung des Evangelisten ex suis.
Zwar lehnt er dabei eine Abhängigkeit desselben von Apoc.
1 3, 10, welche Stelle manche Erklärer als Quelle von Mt. 26, 52b
betrachten wollten, mit Recht ab. Aber die Verwandtschaft
bleibt. Man vgl.
Apoc. 13, 10: d xig iv fiaxaiQT] äxoxxsvel, ötl avxbv tv tua-
Xa^QV äjtoxxav&rjva
Mt. 26, 52b: jruvxsg ydn ob Xaßovxeg fid/aioav, sv fiayaiofj
äjtoXovvxai.
Eine solche Verwandtschaft lässt sich, wenn nicht aus der
Abhängigkeit des einen Textes von dem andern, nur durch die
gern einsame Abstammung aus einer und derselben Wurzel er-
klären. Die Wurzel beider Textparallelen ist in diesem Falle
das — ja auch von dem Apokalyptiker so häufig benützte —
Urevangelium. Dabei sind djcoxzav&ijvai und dnoXelö&at. L/ber-
setzungs Varianten von rtt^n im ÜrtexteT~ Zu v. 52a kommt noch
die Variante aus den Actis Thomae in Betracht. Die Fassung:
vjcoxaxdoxrfiov [xtjv näyaioav oov) dg x?jv &t}xrjv avxf/g berührt
330 Aussercanoniscke Paralleltexte zu Mt. und Mc.
sieh mit «loh. 18. U: ßdZs ttjv n&xpuQav eiq rrjv 0-tjxrjv. So
übersetzt auch DelitzsclTin seiner Ausgabe von 1885 sowie in
der Daimanschen Ausgabe 1892: nWTS» SpfffTTttJ MJn Mt.
26, 52a. Durch die Lesart des Diatessaron: mitte gladium in
vaginam suarn wird die d-t)xrj in den Actis Thomae hand-
schriftlich beglaubigt. Ob hinter den Varianten aggressi fuerint ==
ZaßovTsg ein hebräischer Quellentext liegt — etwa ©SR, welches
SaYkTnson hier gebraucht und welches die LXX mit Zafißavsiv,
ovZ/Mtußavtiv, xarax^arslv, ßiäoao&ai wiedergeben — wird sich
schwerer entscheiden lassen. Zu den Übersetz ungsvarianten
äjioxzai>&-7p>cu = ccjtoZsiodai ist Lc. 11, öl mit seinen Texten
und Erläuterungen zu vergleichen. Bezüglich der Varianten
äx6öTQ£U)ot> (welches die hebräischen Rückübersetzungen mit
aon wiedergeben) = «£££z«raö7V£joi> ge,,ügt es auf Mal. 4, 6
(== 3} 24) ^tD'rn = LXX: uc; djtoxaraör/jOEL und Ps. 132, 10:
SttJP.~58 = LXX: (ifj axoGTQ&pnq als naheliegende Beispiele hin-
zuweisen.
Nach alledem ist an der Zugehörigkeit von Mt. 26, 52 zu
der schon von dem Apokalyptiker gebrauchten vorcanonischen
hebräischen Quelle nicht zu zweifeln.
Mt. 2G, 53.
a. Acta Thomae p. 56, 19. ed. Bonnet.
ü yctQ föeZov rovxo Jtoifjoai, ijövvd/itjp jtXsiovag tcov
ö(oötxa Ztyemvcov ayyiXmv exrov efiov xarqog.
b. Pseudo-Linus. Martyrium Beati Petri Apost. c. 9. p. 11. ed.
Lipsius.
magistri . . dicentis: Possuin mihi nunc, si volo , plus
quam duodecim legiones angelorum exhibere.
c. Pseudo-Abdias. Hist. Apost. VII, 4.
Et dixit Petro tum dominus: N um quid, si vellem, non
mihi exhiberet pater mens plus quam duodecim mille
legiones angelorum?
d. TertulL adv. Prax. c. 26.
habens potestatem legiones angelorum postulandi ad
auxilium a patre, si vellet.
e. Aphraates Hom. XX. p. 321. ed. Bert.
Und er sprach zu seinem Jünger Simon: Meinest du
Texte und Untersuchungen zu Mt. 26. 53. 61. 331
etwa, dass, wenn ich meinen Vater um ein Heer von
Eng ein des Himmels bitten würde, er es mir nicht geben
würde?
f. Mt26, 53.
?} öoxelq, oxi ov dvvajiai xaqaxaXioai xov xaxtoa
tuov xal Jtaqaöxrjoti (tot ccqxi jiXsioj dojdsxa Xtyiwvcor
ayysXmv;
Die Congeuialität auch dieses Satzes mit dem Tenor des
vorcanonischen Evangeliums liegt, meine ich, zu Tage. Zu dem
?] öoxelq vgl. La 12, 51: öoxslxs, ebenso La 13, 2. 4, sowie den
anssercanonischen Text: öoxeixe (Isid. Pel. ) = putatis (Praedest.)
zu Mt. 5, 17. Zu dem hier ans Tageslicht tretenden aussercano-
nischen Zusatz: d i)d-sXov (Act. Thom.) — si volo (Ps.-Lin.) =
si vellem (Ps.-Abd., Tertull.) vergleiche man: ov xi syoj d-tXox
Mc. 14, 36. Die Varianten: bitten, postulare, jragaxaXelv erklären
sich aus bso ganz ungezwungen. — m diesem Textbestandtheil
Mt. 26, 52. 53 fliesst sicher die vorcanonische Quelle.
Mt. 26, Gl = Mc. 14, 58 (= Joh. 2, 19).
a. Mc. 14, 58.
ntiElc fixovöauEV avxov Xtyovxoq oxi tyo) xaxaXvöoj xov
vaoi> xovxov xov yziQ03toh]xov xal ota xqicöv r/fisocov
aXXov ayeiQOJiobjxov ~olxoöolurjGO) [Cod. Cantabr.: cnm-
oxrjocoj.
b. Acta KL IV, 1. A. p. 231.
ovxog sijcsv övvatiai xov vaov xoZxov xaraXvOai. xal
öia xqlcüv rj/tsooiv olxoöoftTjoai avxov.
c. Lactant. Inst. div. IV, 18.
Si solveritis hoctemplum, quod aedificatum est annis XLVI
ego illud in triduo sine mambus resuscitabo.
d. Joh. 2, 19.
Xvöaxt xov vaov xovxov. xal w xniolv q(ie\>aic tytqfö
avxov.
e. Pseudo-Ign. ad Srnyrn. II. p. 244, 6.u
Xvoaxe xov vaov xovxov, xal öta xqicöv ?jfieqoZv^
lyzoäi avxov.
332 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
f. Cod. Cantabr. ad Mc 13, 2.
xal öia xqicöv tjfiEQcöv aXXoq ävaGrfjoerat avtv x^Q^v.
g. Cyprian. Test. adv. Jud. I, 15.
In evangelio dominus dicit: non relinquetur in templo lapis
super lapidein, qui non dissolvatur, et post triduum aliud
excitabitur sine manibus.
h. Cod. Vercell. ad Mc. 13, 2.
et post triduum alius excitabitur sine manibus.
i. Cod. Colbert ad~McTl3, 2.
et in triduo resuscitabo illud sine manibus.
k. Aphraates Hom. XII, 6. p. 190. ed. Bert.
Und wiederum sprach er zu den Juden: Diesen Tempel,
den ihr sehet, werde ich, wenn ihr ihn abbrecht, in
drei Tagen wieder aufrichten.
1. Mt. 2(3, 61.
ebtov ovroq l(pr)' övvafiat xatalvaai top vaov rov
fteov xal diu xqicov fjfieowv avrov olxoöofirjöat.
Cod. Cantabr. bietet das Logion nicht nur zu Mt. 26, 61 und
Mc. 14, 58 in wesentlicher Übereinstimmung mit den canonischen
Texten, sondern noch einmal am Anfang der grossen eschato-
logi«chen Rede Mc. 13. 2. Aber obwohl es in diesen Zusammen-
hang keinenfalls gehört, gehen doch mit Cod. D wie gewöhnlich
die altlateinischen Versionen, zum Erweis, dass auch schon ihr
gemeinsamer Archetypus das Wort an dieser Stelle gehabt hat.
Das Logion, dessen ursprünglicher geschichtlicher Standort aus
Job. 2, 19 zu erkennen ist, lässt, trotz der Verschiedenheiten
seiner Überlieferung, in dem olxoöo,ur/oco — avaax'qGoy — iys-
gc, = resuscitabo = irvitt^rn, vielleicht auch in dem öiä tQitav
rj(itQ<Dv — Iv TQtoiv fffu'Qccic = H"^ nEJbtJ2 den hebräischen
Urtext erkennen.
Mt. 27, 3. 4.
a. Epiph. Haer. XXXVIII, 7. p. 282 CD.
jtcog yäg 6 vofilGag aya&ov ImreXeocu votsqov Zeysi ort
fierctfisiiiXriftai jtaQadeöcoxcog a'ifja ä&cßop, xal äjci-
6TQ£tp£ rä aQyvQia.
b. Mt. 27, 3. 4a.
tot£ löwv 'lovöaq 6 jtaQaöiöovc, avrbv ort xazexgl&i],
Teste und Unterauebungen zu Mt. 27, 3. 4. 5. 333
(lexafitlrj&slq eaxQttyev xa xgiäxovxa aQyvQia xolq
aQXUQEvötv xal 3iQtGßvT£Q0ic Xiymv j'jficcQTOV jtaQadovq
alfia ä&wop.
Die Abweichungen der von Epiphanius gegebenen Re-
lation sind wahrscheinlich aus einer gedächtnissmässigen Repro-
duktion des canonischen Matthaeus -Textes abzuleiten. Über den
Quellen werth des ganzen Abschnittes Mt. 27, 3— 10 vgl. das Fol-
gende, was zu Mt. 27, 5 erläutert ist.
Mt» 279 5.
a. Mt. 27, 5.
xal (uipac xa aqyvgia ilg xop pabpjaptxcoQtjotP xal axtX-
&wv amjy&axo.
b. Act. 1, 18.
ovxog fikp ovv sxxrioaxo x<oqiop kx [iio&ov xrjg äötxiag, xal
jiQtjvrjg yspofispoq tXaxijoev fieoog, xal k&xv&r} xavxa xa
ojikäyxva avxov.
c. Papias ap. Oecum. in Acta c. 2.
[lexä noXläq de ßaoccpovq xal xiiia>(iiag ev.iöic) <paol y,oj{tio)
xeXevxyoapxa, xal xolc tJtl xijc odov eQTjftov xal äoixqxov
xo xcoQl0V (ttXQ1 T'i'ts v^v yBviod-ai.
Der Abschnitt Mt. 27, 3 — 10 hebt sich sowohl durch den
Inhalt als durch die dem Redaktor des ersten Evangeliums eigen-
tümliche Sprachfärbung von jenen Partien des ersten Evange-
liums, welche entweder aus dem Marcusevangelium oder aus dem
Urevangelium stammen, deutlich ab. Der Verfasser schöpft hier
aus der Tradition. Und wie vielgestaltig hatte sich dieselbe iu
Bezug auf das Ende des Verräthers entwickelt! Nach der von
dem ersten Evangelisten adoptierten Tradition endete Judas
Ischarioth durch Selbsterhenkung (Cod. Colb. = Diatessaron:
laqueo se suspendit); nach der von Lc. (Act. 1, 18) erhaltenen
Überlieferung büsste er sein Leben durch einen Sturz und durch
Zerberstung des Leibes ein und zwar auf einem von dem Blut-
gelde erworbenen Grundstück (Landgut); endlich nach der Er-
zählung des Papias, welche Agrapha 8. 436 f. im ausführlichen
Zusammenhang mitgetheilt ist, starb er ebenfalls auf einem ihm
gehörigen Grundstücke in Folge Zerquetschuug mittels eines
334 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Wagens. Wenn bereits das Urevangelium eine Notiz über das
Ende des Verräthers enthalten hätte, würde ein derartiges Aus-
einandergehen der Tradition nicht möglich gewesen sein. —
Die Handschrift C der Acta Pilati gibt eine apokryphe Aus-
malung der vom ersten Evangelisten gebrachten Relation. (Vgl.
Acta Pil. p. 290. ed. Tischeudorf.) Darin spielt die. Frau des
Judas lscharioth eine Rolle und ebenso der Strick. ' Es heisst
dann zum Schluss: xal evd-vc ijcolrjotv xr)v ayxov7)v öid oxoiviov
xal sxQEfdaCd-T], xal ovxojq dnrjy^axo xy ipvxj} [ol de „x<p
ocSfiazi*. aXXoxt ..iXäxiötv [sie], ijtüioOrj xal ißQtfisoev"]. Die
Parenthese ist ursprüngliche Marginal- Anmerkung.
Mt. 27, 9. 10.
a. Mt. 27, 9.
xoxe ixZrjQcofhr] xo qrj&tv öiä 'hgeftiov xov Jtgocp^xov Xi-
yorxoq' xal eXaßov xd .xniuxovxa doyvnia, xr\v xi-
H>r}v xov xex ifirjittvov, ov ixi^rjGavxo CCJtO vlcöv 'lo-
QaqX, xal töcoxav avxd de xov dynov xov xtoafit'mq, xafrä
ovvexa%(v (ioi xvqiog.
b. Sach. 11, 13LXX.
xal iLjrt xvqioc JtQoq fit' xd&eq avxovq stq xo yo)v£v-
xi]Qiov, xal oxstyofiat, d öoxifiov ioxtv, ov xqoxov idoxi-
(jäö&rjv vjtio avxöJv xal iXaßov xovq zoiäxovxa do-
ycoovq, xal iveßaXov avxovq etq xov obeov xvgiov dq xo
XojvevxtJqiov.
c. Epiph. Haer. XXXV11I, 7. p. 282 D.
xadaig tjv xeqI avxov yeyQafifit'vov Iv xotq JiQo<p//xaiq'
xal ajtiüxQStys xovq xoidxovxa doyvnovq, xijv xiftijv
xov xexi^rjfievov nana xojv vloiv lOQarjX. xal jtäXiv
iv aXXco Jtno<frx>]' el öixaiov koxiv vfilv, doxe xov fiiGttov
piov i) dxäxao&e. xal xaXiv iv aXXro jtoo<prjxr]' xal töcoxav
xo aoyvoiov xrjv xiftrjv xov xexifi7]/iivov xal eiste'
xd&eq avxb dq xo x<ovevx/JQiov, xal 'iös, sl öoxifiov ioxiv,
coq iöoxifido&tjv dno xoov vlcov 'Joga/jX.
In dem Abschnitt über die Kainiten, in welchem Epi-
phanius viel über Judas lscharioth als ihren Gewährsmann
zu berichten hat, indem er dabei auch des unter den Kainiten
gebräuchlichen evayytXiov xov'lovöa Erwähnung thut, bringt
Texte and Untersuchungen zu Mt. 27, 9. 10. 335
er Haer. XXXVIII, 7 auch den Verrath und die Keue des Judas
zur Sprache und führt dabei drei prophetische Citate ein. Das
zweite dieser Citate deckt sich mit Sach. 11, 12: DM'tfS aitTD»
?b~n sb"2S" ^")yo ?3n == LXX: d xaXov evcdjiiov ificöv toxi,
öoxe top tuio&6v [/ov i] äjceixaode = Epiph.: ei öixaiov ioxir
üfilv, ööxs xov iuö&ov (lov q djttijtaG&E. Das dritte Öitat be-
rührt sich in seiner zweiten Hälfte mit Sach. 11, 13a: HJST TCS*]
an*»!??*] ^nn^ ntj's -i^'iri -n« -is'^rrbx Wiä*bl$n *>b« = LXX:
xai eijce xvqioc Jioög fts' xäfrsg avxovg dg xo yGiV*v'lM,l0v->
xai öxirpofiaL (die LXX lasen für "HS vielmehr S"15? = J1X1X), il
ööxif/öv ioxiv, ov xqojcov löoxifiuo&?]v vjceq avxojv = Epiph.:
xai eIjce' xä&sg avxo slg xo xwvevt/jqiov, xai /'de, ei öoxqiov
ioxiv , mg tdoxiffdö&rjv ajco xöiv vlo5v 'löoarjX. Diese Über-
setzung setzt mit: xai iöe den hebräischen Text Hin (für TIS)
voraus und hat zum Schluss anstatt vjceq avxcöv die namentliche
Bezeichnung: ajtb xojv vlcöv 'loocrrjX. Dieselbe Bezeichnung
kehrt wieder in dem ersten Citate, welches im Übrigen mit der
ersten Hälfte des dritten Citates sich ziemlich deckt, aber noch
mehr mit Mt. 27, 9 sich berührt und auf Sach. 11, 12b. 13b zu-
rückzugehen scheint. Man vgl.
Sach. 11, 12b: 7tZ2 D^btj ■HS©"!"!» sftJS«?^.
Sach. 11, 12b LXX: xai eoxrjoav xov (iio&ov (iov XQidxovxa
doyvQOvg.
Sach. 11, I3b: rcsn D^töbtt? nnp:s\
Sach. 11, 13b LXX: xai sXaßov xovg XQidxovxa dgyvQOvg.
Epiph. a: xai dxEöxQEipE xovg XQidxovxa duyvuovg.
Epiph.0: xai zöroxav xo dgyvQiov.
Mt. 27, 9: xai eXaßov xä xQidxovxa dgyvQia.
Es bleibt noch bei Epiphanius übrig: xrjv xifirjv xov xeti-
[irjfitvov xxX., welches aber ebenfalls aus Sach. 11, 13 sich er-
klärt. Man vgl.
Sach. 11, 13: xsrthvq ^rnp? -ic« nj^n -rm
Epiph.c: x//v xi/trjv xov XEXifiJ/fisvov.
Epiph.*: xi)v xitirjv xov xsxifirjfitvov jtagd xojv vioov
'löQa?]X.
Mt. 27, 9: xi]v ziftTjv xov x£xitui]fitvov, ov Exifirioavxo
ano vlcöv 'JoQaqX.
Hier ist "HS nicht mit !T)8 (= HS*!K) oder PISTI verwechselt,
sondern annähernd richtig mit ri(trj, ifpn mit TEZifiTjfievog (LXX:
336 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
öoxipov) wiedergegeben und das ErPblFD durch jtagä xcöv vltov
'iGQar'jsL ersetzt. Ganz dieser Version folgt Mt. 27, 9 nur mit der
Ergänzung: ov kxifirjoavxo, was Übersetzung von ^PH&1 "Wut
sein soll (LXX: ov xqojcov iöoxifiäod-rjv). Aquila (nach Eus.
Dem. ev. p. 479) übersetzte ebenfalls richtig: vxEQfisytihjc; tj n/itj,
tjv kxiiifjdrjv vjchg avxcöv.
Was nun die Quellen der Epiphanius-Cüate anlangt, so
ist es im Voraus klar, dass unmöglich die drei Citationen:
iv xolq jiQog)Tjxcug — xcu xaXiv iv aXX<x> xooptjxy — xal staXiv
iv aXXco jr(to<pi]T7j — auf einen und denselben Propheten,
und noch viel weniger auf eine und dieselbe Stelle, sich beziehen
können. Wenn man nun das zweite Epiphanius-Citat als Über-
setzung von Sach. 11, 12 recognosciert, so müssen die anderen
beiden Citate um so gewisser auf andere Quellen als Sach. 11,
12. 13 zurückgeführt werden, da die Texte von Sach. 11, 12. 13
in erheblicher Weise abweichen, dagegen mit dem Citate in Mt.
27, 9 merkwürdig zusammentreffen, also mit einem Citate, welches
der erste Evangelist auch gar nicht auf Sacharja, sondern auf
Jeremia zurückführt. Da nun ferner in dem canonischen Je-
remia-Buche des A. T. das fragliche Citat sich nicht findet, so
entsteht die Vermuthung, dass der erste Evangelist ein ausser-
canonisches, ein apokryphisches Jeremia-Buch benutzt hat,
welches dann auch die Quelle für das erste Epiphanius-Citat
gewesen sein wird. Und da endlich in der That ein apokryphes
Jeremia-Buch bei den Nazarenern im Schwange war, welches
Hieronymus sogar eingesehen und in welchem er das Citat
Mt. 27, 9 wörtlich (ad verbum) wiedergefunden hat, so ergibt
sich, dass die Citationsformel: xoxt ijiXijQto&ri xo yijfrhv Öiä
'leQtfiiov xov ütQO<pi)xov Xtyovxog — nicht auf einem Irr-
thum beruht, sondern dass der judenchristlichß (nazarenische)
Verfasser des ersten Evangeliums, welcher bereits im Eingang
seiner Schrift Mt. 2, 23 ein apokryphes prophetisches Buch citiert
und aus demselben das Motto genommen hat: ort Na^copalog
xX?j&i']0£xai (vgl. die Erläuterungen zu Mt. 2, 23), hier eine ähn-
liche oder vielleicht dieselbe prophetische Schrift benutzt hat,
deren Text an fraglicher Stelle auf Sach. 11, 12. 13 ruhte. Die
Nachricht bei Hieronymus lautet in der Erklärung von Mt.
27, 9 folgendermassen : Legi nuper in quodam Hebraico volumine,
quod Nazarenae sectae mihi Hebraeus obtulit, Jeremiae
Texte und Untersuchungen zu Mt. 27, 12—14. 337
apocryphum, in quo haec ad verbum scripta reperi. Es
dürfte mithin unser Citat Mt. 27, 9 ein Judicium sein für die Ent-
stehung des judenchristlichen ersten Evangeliums speciell auf
nazarenischern Grund und Boden, genau ebenso wie das
Cilat Mt. 2, 23: ort Natcooaloc; xXrj&qösxai — auf denselben Ur-
sprang hinweist.
Schliesslich sei noch derjenige Text mitgetheilt, nach wel-
chem das Citat Mt. 27, 9 bei Tatian im Diatessaron (nach
Ciasca p. 91a) zu lesen ist: Tunc impletum est quod dictum est
per prophetam, dicentem: Accepi triginta argenteos in pretium
inclyti, statutum a filiis Israel: et erogavi eos in agrum figuli,
sicut praecepit mihi Dominus. Hier ist der Name des Jeremias
weggelassen, im Übrigen der Text wesentlich nach Mt. 27, 9 und
10 gegeben, welcher letztere Vers weder im Sacharja-Buche noch
sonstwo im alttestamentlichen Canon sich findet, also wohl eben-
falls aus Pseudo-Jeremias stammt. In der oben erwähnten Hand-
schrift C der Acta Pilati dagegen ist der Name des Jeremia-
Buches (mit dem canonischen Texte) beibehalten. (Vgl. Acta Pil.
p. 290. 291.)
Mt 27, 12-14 = Mc. 15, 4. o.
a. Just, Dial. c. Tryph. c. 102. p. 329 C.
öi^öa^TOg avxov xal (irjxe'xi im UtXaxov ajtoxoivaG&ai
firjöhv (/tjö*ev\ JjovXofiivov, coq lv xolg djtofivt/fiopevftaot xcöv
cuiooxoXmv avrov öeötjXmxai.
b. Just. Dial. c. Tryph. c. 103. p. 332 A.
iv fiTjdevl (irjöev astoxQLVÖfisvoc o navxaq kXtyxmv aoö-
(povq xovg jmxq' v(4lv öiöaoxccXovc.
c. Mc. 15, 4. 5.
o de rfliXäxog ütäXiv kxriQoixa avxov ovx anoxQivyi ov-
öt'v;. tös xoöa oov xaxrjyooovoiv. 6 6h 'hjoovg ovxixi
ovöiv cijcexQt&t), rnöxe &av(/ä£siv xbv UiXaxov.
d. Mt. 27, 12—14.
xal hv xm acar^^* e ?ö^ct« avxov vjio xcöv äoxitQtoyv xal
JiQtoßvxiomv ovötv äjrsxoivaxo. xoxs Xiysi avxco o IIi-
Xäxog' ovx axoveig, jtöoa oov xaxafiaqxvQovöiv : xal ovx
ajtexoi&t] avxm xooq ovöe tv QJ),ua, ooöxe &avfzäC>Eiv xhv
ifftfiova Xiav.
Texte n. Untersuchungen X, 2. 22
338 Aussercanoaische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Welches Evangelium Justin unter den djtofivrjfiovevfiaxa
x<öv äjtoöxoXmv an dieser Stelle gemeint habe, lässt sich nicht
mehr ermitteln. Wenn Weiss Recht hätte, dass für die syn-
optische Passionsgeschichte Marcus die einzige schriftliche Quelle
gewesen sei, so inüsste nothwendiger Weise eines der beiden
ersten synoptischen Evangelien von Justin als seine Autorität
an dieser Stelle gemeint sein. Aber es bleibt die Möglichkeit
offen, dass dem Justin ausser den beiden ersten synoptischen
Evangelien auch in Betreff dieser der Leidensgeschichte ange-
hangen Notiz noch eine dritte Quelle zur Verfügung stand,
welche er zu den djtouvrjftovevuaxa xojv dxoaxoXov rechnen
konnte. Jedenfalls findet sich sein zweimal ähnlich lautender
Text weder im ersten noch im zweiten Evangelium wörtlich
wieder. Und die bei Marcus und Matthäus hervortretenden Syno-
nvma xaxauaoxvQe.lv und xaxnyooelv , welche auf das Quellen-
wort ~PVT\ zurückgehen, sind der Annahme eines gemeinsamen
älteren hebräischen Quellentextes auch in diesem Falle günstig.
Das pseudopetrinische Evangelienfragment hat den aus Mc. 14,
Gl = Mt. 26, 03 — also aus den Verhandlungen vor dem Syn-
edrium entlehnten Satz v. 10: avxog de eoicojta allen canonischen
Nachrichten entgegen und auch von Justin abweichend in die
Kreuzigungsscene verlegt.
Mt. 27, 17 = Mc. 15, 9.
a. Mc. 15, 9.
c de IJiXäxoq djiexQt&r) avxoiq Xeymv freXexe djcoXvoa)
Vfilv xov ßaöüea xcov Iovöaicov;
b. Scholion lAvaoxaoiov emöx. Uvxiox- ap. Tischendorf. Ed. oct.
crit. maj. N.T. p. 198.
jtaXaiolq Jtävv dvxiyQacpoiq evxvxobv evQov xal avxov xov
BaQaßßäv 'frjoovv Xeyotuevov. ovxcog yovv elxev r\ xov IIi-
Xäxov nevöiq exei' xlva d-eXexe äjto xwv ovo äxoXvdco
vftlv, 'hjOovv xov BaQaßßäv rj 7?jöovv xov Xeyo/ievov
Xqigxov; ojq yaq eoixev JtaxQcovvfiia xov X?]6xov r\v o
BaqaßßaQ, ojteQ eQu?)vtvexai ötöaoxdXov xnoq.
c. Mt. 27, 17.
ovvJiyfievcov ovv avxcov eijtev axxolq o IliXccxog' xiva
freXsxe djtoXvda> vftlv, BaQaßßäv ?} 'Itjöovv xov Xe-
yousvov Xqigxov;
Texte und Untersuchungen zu Mi 27, 17 = Mc. 15, 9. 339
Ganz unabhängig vom Hebräerevangelium und richtiger als
dasselbe erklärt das nach Anastasius benannte Scholion des
Cod. Vat. Rom. (5) den Namen Barabbas. Denn das Hebräer-
evangelium hat irrigerWeise den Accusativ BccQaßßäv, in welcher
Form der Name bei dem ersten Evangelisten ausschliesslich (Mt.
27, 16. 17. 20. 21. 26) vorkommt, als die eigentliche Urform des
Namens aufgefasst und diese Namensform so ungeändert p"i "Q
ins Aramäische übertragen, sodass dieses Wort in dem aramäi-
schen Idiom die Bedeutung: filius magistri nostri geAvann —
eine Übersetzung, die nur möglich war, wenn die griechische
Accusativ-Endung äv als Urbestandtheil des Namens behandelt
wurde und sonach im Aramäischen als Suffix der 1. Pers. Plur.
"}— erschien. Diesen Irrthum, welcher lediglich bei der Abhängig-
keit des Hebräerevangeliums von dem ersten canonischen Evan-
gelium entstehen konnte und der bei dem Referate des Hiero-
nymus (vgl. Agrapha S. 334. 340) die Umwandlung des filius
magistri nostri in filius magistri eorum nach sich zog, ver-
meidet das erwähnte Scholion des Anastasius vollständig. Denn
dieses Scholion setzt bei seiner Deutung: öidaoxaXov vloq nicht
die Form Bagaßßäv = ]m "O, sondern Baqaßßäc = X2X na
voraus. Vgl. Credner, Beiträge 1, 405. Nach diesem Scholion
erscheint aber BccQaßßäq lediglich als Patronymicutn des Mörders,
welcher mit seinem Person-Namen „Jesus" genannt ward. Und
mit dieser Angabe steht besagtes Scholion Anastasii keines-
wegs isoliert. Vielmehr bieten nicht nur die armenische und die
syrische Version nach dem Cod. Hierosol. sowie fünf Minuskel-
Codices zu Mt. 27, 17 vor Xsyofisvov Baqaßßav den Eigennamen
'bjöovp, sondern auch Origenes (vgl. Opp. ed. de la Rue 111,
9 IS) hat in einer Anzahl Codices dieselbe Lesart vorgefunden.
Es ist nun doch viel wahrscheinlicher, dass wegen des Gleich -
lautes dieses Namens mit dem Herren -Namen frühzeitig eine
Weglassung desselben (wahrscheinlich schon durch die Redak-
toren des zweiten und in Folge dess auch des ersten Evangeliums)
stattgefunden hat, als dass man ohne genügenden Grund eine
Eintragung desselben vorgenommen haben sollte. Es wird dem-
nach hier die Nachwirkung einer guten Tradition oder die —
auch an anderen Stellen so oft wahrnehmbare — Einwirkung
des Urevangeliums , ein echter vorcanonischer Evangelientext,
vorliegen.
22*
340 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Schliesslich sei noch auf den bemerkenswerthen Umstand
hingewiesen, dass Hieronymus in seinem Onomasticon (Liber
interpretationis hebraicorum nominum) p. 66 ed. La gar de (Ono
mastiGa) den Namen Barabbas als „filius patris" — also ab-
weichend von dem Citat aus dem Hebräerevangelium —
interpretiert. Übrigens konnte, wieCredner unter Bezugnahme auf
Buxtorf Lexic. chald. et talm. p. 10 hervorhebt, ttäM 13 auch
vlbq StöaoxäXov übersetzt werden, da aas* nicht blos Name des
Vaters, sondern auch Titel der Gesetzeskundigen und Lehrer
war. Und so finden wir auch Onomast. sacr. p. 175, 9: Baoaßßäv
vibv öiöaoxäXov t) vibv xaxgoq. — Vgl. noch die Nachträge
Mt. 27, 19.
a. Acta Pil. A. II, 1. p. 223. ed. Tischendorf.
b 6h üiXäxoq löcov E[t<poßoq yevöfievoq kC,7Jxi]0£V avaöxyvai
caib xov ßrifiaxoq. txi 6h avxov hvd-vjxovfiivov avaöxi/vai,
q yvvij avxov sjisfityev Jtooq avxov Xeyovoa' {Mjöhv
ool xal xcö av&QC07icp xrö öixaim xovxco' jtoXXa yäy
tjtaftov di avxov vvxxoq.
b. Mt. 27, 19.
xad-rjfitvov öh avxov km xov ßyfiaxoq azct'oxsiXev xnoq
avxov ri yvv?) avxov XiyovOa' (inöhv ool xal xoZ öi-
xaim sxsivor xoXXa yaq tJta&ov ötjfieoov xax ovao
öV avxov.
c. Cod. Colbert. Mt. 27, 19.
Sedente autem illo pro tribunali misit ad illüm uxor
ejus dicens: Nihil tibi sit et justo illi: multa enim
hodie per somnium passa sum propter eum.
d. Diatessaron ed. Ciasca. p. 89a.
Sedente autem praeside pro tribunali, misit ad eum
uxor ejus, dicens ei: Cave,^ne^laedas justum illum!
multa enim passa sum hodie in somnio propter eum.
Die Relation der Acta Pilati hat nicht wenig für sich.
Die Lesart: xo3 av&QQixm xc» öixaim xovxop ist handschriftlich
beglaubigt durch Origenes (Opp. I, 415: xm ävfrocoxcp xovxm
xcö öixaicp). Die Variante vvxxoq ist jedenfalls ursprünglicher
als das dem Sprachgebrauch" des ersten Evangelisten (vgL Mt. t,
Texte und Untersuchungen zu Mt. 27, 19. 24. 34 1
20; 2, 12. 13. 19. 22) ausschliesslich angehörige xax' ov<xq. Und
wenn die weitere Nachricht der Acta Pilati, dass das Weib
des Landpflegers eine d-sooeß^g und lovöat^ovoa gewesen sei,
richtig ist, was viel Wahrscheinlichkeit für sich hat (vgl. Ti-
schendorf, de Pilati circa Christum judicio etc. Lips. 1855. p. 16f.,
ferner Gesta Pil. II, 1. p. 343 sq.: mulier mea cultrix dei est et in
judaismo magis vobiscum sentit), so bedurfte es des ausserge-
wöhnlichen Hilfsmittels eines Traumes gar nicht. Die Proselyten
haben sich ja für die Erscheinung des Neuen in Jesu stets be-
sonders empfänglich gezeigt. Und sollte dann nicht diese Prose-
lytin in derselben Nacht, in welcher Jesus gefangen gehalten
und verurtheilt wurde, in besonderer Sympathie (jtoXXd ejta-
ß-ov öi avxov) für diesen Jesus und in Sorge für ihren Gatten,
dass er sich in der Behandlung des Verklagten eines Unrechts
schuldig machen könne, (vvxxog) auch ohne Traum Seelenängste
haben ausstehen können? Zumal wenn etwa Joseph von Ari-
niathia, nach dem Petrusevangelium v. 3 ein cplXog UeiXdxov,
nach Mc 15, 43; Lc. 23, 50 zugleich Synedrist, die am Spätabend
erfolgte Verhaftung Jesu im Hause des Pilatus gemeldet hatte.
So weist Alles darauf hin, dass die in den Actis Pilati ent-
haltene aussercanonische Relation auf guter Quelle ruht. Dieses
spricht aber auch für den historischen Quellenwerth des in Mt.
27, 19 enthaltenen canonischen Textes, wodurch der erste Evangelist
über die Marcusquelle hinausgeht. .Dabei möchte man geneigt sein,
in der aussercanonischen Lesart des Diatessaron: cave, ne laedas
— einen echten Rest des Quellentextes wieder zu er£enneih
Mt. 27, 24.
a. Testam. XII patr. Levi c. 10.
afrcöoq sifti axo Jidötjg doeßeiag vficöv xal jiaoaßd6t(oq, yv
jtoirjösxe im GvpxeXeta xäv alcovcov elg top 6a>xr)oa xov
xoOfiov doeßovvxeg.
b. Didasc. H, 52. p. 274 — Const. II, 52. p. 79, 6.
xeXsvxalov oqov xal ipijg>ov &avdxov 6 fiiXXcw lxg)io£iv
xar avxov, Jigog xbv ovoav^v [Const.: rjXiov) £jtdoac
xdg X£iQaS> öca(iaQxvQ€xai aftmog virdoveiv xov al'fta-
xog xov dvd-Qcojtov.
c. Acta Pil. A. III, 1. p. 229. ed. Tischendorf.
xal &v[iov jiXrjG&üg 6 üiXäxog t^Xd-ev e^co xov jtQat-
342 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc,
xwoiov xal Xcysi avxolg' ^doxy^^j^co^tov^Xiov, °xi ov-
öen'iav aix'iav evoiöxa) kv xcß avtiQeöjtcp xovxm.
d. Acta Pil. A. IX, 4. p. 244. ed. TischendorT
xal Xafitov vöcoq o üiXäxog ajztviipaxo xdg xaloag
avxov dxivavxi xov i]Xiov Xiycov dß-oZog dpi djto xov
aiftaxog xov öixaiov xovxov vfieig oipeoOs
e. Mt. 27, 24. ~~~ ~~
tdfov öe o IliXaxog 6xi ovösv axpeXsl, dXlä [täXX.ov #o-
ovßog ylvexai, Xaßcov tdmo chcsvhpaxo rag %eTQag
dmvavxi xov oxXov Xeycov' ad wog elfa djco xov ai/jct-
xog xovxov vftstg otyeofre.
f. DidascT vTYiTp- 320 = Const. V, 19. p. 150, 21.
oxi o [iiv aXX6<jpvXoq xoixijg viipdfisvog xag xtlgaq eijtsv
a&Sog diu djco xov al'fiaxog xov öixaiov xovxov vfislg
OtySÖ&E.
g. Ev. Pseudo-Petri v. 1. 46.
v. 1. x[o)v] 6s 'lovdaicov ovöelg lvlij)axo xag %6lQag ovdk
'I1o(6örjg ovöt xig xtuv xqixcöv avrov x[al /irj] ßovXrj&ev-
xojp vixpaG&at dvio\x\r\ UsiXäxog.
v. 40. djtoxQi&ug o ThiXäxog %q>r\' iya) xaiyaocvoj xov
a'ifiax og xov vlov xov &sov, vfiiv 6e xovxo eöotßiK
Wir befinden uns hier auf alttestarnentlichem Boden, sofern
das Händewaschen als Zeichen der Unschuld bereits Deut. 21, 6;
Ps. 26, 6: ■'ES "p^aa fTnjl = LXX: viipofiat h ä&oootc xag
Xtlqäg fiov — Ps. 73, 13 erwähnt wird. Nach den Actis Pilati.
mit welchen die Didascalia und die Constitutionen in diesem
Punkte übereinstimmen, hätte Pilatus dieser symbolischen Hand-
lung eine ethnisierende Wendung gegeben durch Anrufung des
Sonnengottes. In diesem Falle würde die Weigerung der Juden
(und auch des Herodes), dem Beispiele des Landpflegers nach-
zufolgen — wovon das Petrusfragment berichtet und wozu Swete
eine Parallele aus Origenes (ad Matth. 124) mittheilt: et ipse
quidem se lavit, illi autem non solum se mundare noluerunt a
sanguine Christi, sed etiam super se susceperunt J) — , noch in
besonderer Weise motiviert. Übrigens findet sich in den Actis
1) Swete, The Akhmini Fragment of the Apocryphal Gospel of St.
Peter, London 1893 p. 1.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 27, 24. 25. 343
Pilati nach der Recension A sowie in den lateinischen Gestis
Pilati die Erwähnung der Sonne zweimal, das eine Mal am
Anfang der Gerichtsverhandlung ({idoxvoa t^eo xov rjXtov =
testem habeo solein), das andere Mal am Schluss {anivavxi xov
tjXiov = ante solem), wo diese Worte in Recension B fehlen.
Man vgl. dazu Const. V, 12 p. 140: fit) Ofivvsiv — ftijxs firjr
xov ovoavov avxov tXXrjvixöv yao xo dvooeßtjfja. Wie
das Händewaschen so hat auch die Rede des Landpflegers ein
alttestamentliches Vorbild. Man vgl. 2. Sam. 3, 28: ^D':» *>?:
"MX ^ttte = LXX: ati-ötög eijut iycb ajto alfiaxcov 'Aßevvrjo.
Der synoptische Text wie auch das in den Test. XII patr. dem
Levi in den Mund gelegte Wort folgt dem Sprachgebrauch der
Septuaginta. In der letztgenannten Schrift sind die Worte:
ad wog slfii xxX. um so gewisser ein Reflex vop Mt. 27, 24, als
kurz darnach der Ruf des Volkes nach Mt. 27, 25 angezogen
wird und als Levis Nachkommen als äoeßovvzeg eIq xov ocoxijoa
xov xoofjov bezeichnet werden. Eine andere Übersetzung findet
sich Act. 20, 26: 'xixa&aobghyd and xov aiuatoa jtccvzcov, womit
die Variante des Petrusfragmentes nahe verwandt ist: eyoj xa^
ftccosvco xov aiuaxog. Das hier gebrauchte xa&aotveiv, welches
im Septuaginta-Griechisch fehlt, gehört der gewählteren alexan-
drinischen Diktion an und wurde besonders auf solche ange-
wendet, welche von einer Schuld den Göttern gegenüber rein
waren. Man begegnet diesem Verbum in den Actis Joannis
p. 175, 18. ed. Zahn: hjtuörj oi xafraoEvofiev xä itoog avxovg.
Der Redaktor des pseudopetrinis^KerTFragmentes hat ausserdem
das Logion umgeschaltet, indem er es aus der Passionsgeschichte
in den Auferstehungsbericht verpflanzt hat. — Auf die Ver-
wandtschaft zwischen Didasc. V, 19 und Ps.-Petr. v. 1 haben
Harnack und Andere hingewiesen. Vgl. xmv xqixcov mit aX-
XöfpvXog xQix/jg, sowie das Simplex vitpäfievog mit £i>ityaxo, wo
der canonische Text axovixpaö&ai bietet.
Mt. 27, 25.
a. Testam. XII. patr. Levi c. 16.
xo ad-cöov alfia tv xaxia tjrX xtcpaXTjc vficöv avaÖByopttvot.
b. Tertull. adv. Marc. II, 15. '
hanc ultro sibi sententiam fuerant irrogaturi: Sanguis
illius super capita nostra et filiorum nostrorum.
344 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
c. Ev. Pseudo-Petri v. 17.
xal inXr\Qcooav jtavxa xal ixeXsicooav xaxä xtjg xegiaXfjq
avxcöv xa afiaoxrjfiaxa.
d. Acta Pil. A. IX, 4. p. 244. ed. Tischendorf.
jtdXiv xoä^ovöiv ol 'Iovöaloi ort xo aifta avxov hrp*
t)y.ag xal xa xixva yficov.
e. Mt, 27, 25.
xal ajioxgifrelg jtäg o Xaog sljiev xo alfia aixov eg>y
>1(ictq xal kjcl xa xixva 7jfimv.
Das Zusammentreffen dreier soweit auseinanderliegender
Zeugen wie Tertullian, Ps.-Petrus und Test. XII patr. in
der aussercanonischen Lesart: super capita nostra = ijil xt<pa-
X/jg vfidiv = xaxa xijq xtyaXijg avxcöv — bezeugt deren hohes
Alter. Überdem ist es eine echt hebräische Ausarucksweise.
Vgl. Jos. 2, 19: laosha TQ'n = Vulg.: sanguis in caput nostrum
— Act. 18, 6: xo alfia vfimv im xijv xsyaXijv vfidiv. Wie viel
besser hebräisch lautet nun die Rückübersetzung von Mt. 27, 25:
irsa Wlhy» 'Ottjan? TP$, als die bisherigen Übersetzungen "im
12^3a"byi Wb$. Zugleich wird es bestätigt, was v. Schubert
(Die Composition des pseudopetrinischen Evangelienfragments
1893 S. 2. 3) vermuthet, dass in v. 17 des Fragments eine Re-
miniscenz an Mt. 27, 25 enthalten sei. Bezüglich der Worte:
xal ejtX/jQmoav xavxa xal ixeXelwöav xa aftaQxrjftaxa sind die
Erläuterungen zu Mt. 23, 32 zu vergleichen.
Mt. 27, 27 — Mc. 15, 16.
a. Mt. 27, 27.
xoxe ol öxoaxiaixai. xov t/yefiovog JtaQaXaßovxeg xov
'Itjüovv slq xo xoaixayQiov övvtjyayov in avxov oXrjv
xrjv oxelgav.
b. Mc. 15, 16.
ol öl oxQaxtmxai dji?jyayov avxov eöco xrjg avXrjg, 6
ioxiv jtgaixajQiov, xal ovvxaXovöiv oXrjv xr)v öJtsl-
gav.
c. Ev. Pseudo-Petri v. 6.
ol de Xaßovxsg xov xvgiov m&ovv avxov xgi%ovxeg xal
sXeyov ovgmfiev xov vlbv xov &£ov if-ovolav avxov Joy/}-
xoxeg.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 27, 27 = Mc. 15, 16. 345
d. Acta Pil. A. X, 1. p. 246. ed. Tischeudorf.
xal £§r}X&£V o Jqoovg ix xov JtQaizcoQiov, xal ol ovo
xaxovoyoi övv avxcfi. xal oxe äxfjX&av ijcl xov xojtov,
igeövoav avxov xä ltuaxia avxov.
e. Gesta Pil. X, 1. p. 361.
Et flagellatum tradidit Judaeis Jesutn ad crucifigendum, et
duos latrones cum ipso: unus nomine Dismas et alius no-
mine Gestas. Et quando venerunt ad locum, exspoliaverunt
eum vestimentis suis.
f. Acta Pil. B. IX, 5. p. 301.
xoxe ixa&iosv o UiXäxoQ elg xov &q6vov avxov. tva üiol-
yjoei anoapaoiv. atoiosv ovv, xal t)X&Ev sfijtooo&ev avxov
6 IfjOovg .... sixa ejioItjoev aüioq>aoiv xal Xiyst xqoc av-
xov q yevea öov Xtysi xal [taoxvQEl oe, 6x1 &eXeic Iva
ßaöiXevsig' öiä xovxo 6oi£a> iva oe xvtpooi jzqcöxov fiExä
Qctßdov xXrjyag xEGGaodxovxa, xa&cog oglCpvoiv ol vofioi
xmv ßaüiXimv, xal Xva oe ifiitai^woi, xtd xeXevxoIov Iva oe
oxavomöojöiv.
Wenn irgend etwas feststehen muss, so ist es die Identität
der Perikopen Mt. 27, 27—30 = Mc. 15, 16—19 = Joh. 19, 1—3
= Ev. Ps.-Petr. v. 6 — 9. "Während aber der erste Evangelist nach
dem Vorgang des Marcus diese Verspottung Jesu erst nach
dessen Geisselung und VerurtheiluDg (vgl. Mt. 27, 26 = Mc.
15, 15) eintreten lässt, ist in der johanneischen Darstellung die
Verspottung mit der Geisselung Jesu eng verbunden und er-
scheint als der letzte Versuch des Landpflegers, Jesum vor dem
Tod zu bewahren. Mit dieser johanneischen Darstellung har-
moniert auch der lucanische Bericht, sofern hier ebenfalls die
Geisselung als Mittel zur Rettung Jesu am Schluss der Ver-
handlungen, aber noch vor dem Urtheilsspruch , erwähnt wird,
nämlich Lc. 23, 16, wo das xaiÖEvOaq (= <poayEXXaiCaq) futurische
Bedeutung hat (ich will ihn geisseTn fassen und losgeben), und
v. 22, an welcher Stelle die inzwischen vollzogene Geisselung
vorauszusetzen und das naiötvcag als Praeteritum aufzufassen
ist (nachdem ich ihn habe geissein lassen, will ich ihn losgeben).
Das Petrusfragment stimmt in Bezug auf die Sache mit der jo-
hanneisch-lucanischen Darstellung überein, sofern die Verspottung
mit der Geisselung zusammenfällt. (Vgl. v. 9: xal xiveg avxov
346 Aussereanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
tfiäöTiCov, sodass hiernach für den Akt der Geisselung fol-
gende^ Bezeichnungen zu recognoscieren sind: ygayEXXovv Mt.
Mc, ^aiöeveiv La, fiaöxiyovv Joh., fiaOxiC,£U^ Ps^Fetr.). In der
Zeitfolge aber geht das Petrusevangelium wie fast immer mit
Mt. und Mc, indem die Geisselung und Verspottung erst nach
der Verurtheilung Jesu stattfindet. Es ist keine Frage, dass nach
der johanneischen Darstellung der Vorgang viel besser motiviert
ist und dass wir in Mc. 15, 16—19 eine der Umschaltungen des
Marcus zu erkennen haben, welche von dem ersten Evangelisten
sowie von dem Redaktor des Petrusevangeliums acceptiert
worden ist. Was die Ortlichkeit anlangt, so stimmen die
canonischen Relationen darin überein, dass die Verspottung
Jesu innerhalb des Praetoriums stattgefunden habe — vgl.
Mt. 27, 27: dg xo nqaixcögiov = Mc. 15, 16: töco xrjg avXrjg, 6
Igt iv xQaixtÖQiov = Joh. 19, 5: kgqX&EV ovv o 'Irjöovg e£a>,
<poQÖ)v xhv axav&ivov oxtcpavov xal xo jioocpvnovv tftäxiov.
Dem Petrusevangelium fehlt in Bezug auf die Lokalitäten jede
Praecision und alle Anschaulichkeit der Darstellung. Gleich-
wohl wird man aus der Erwähnung der xa&idga = ßrjfia (v. 7b)
zu der Schlussfolgerung genöthigt, dass^eT^erfa^ser^en Vor-
gang als ausserhalb des Praetoriums, wo das ßrjfia aufgerichtet
war, geschehen sich vorgestellt habe. So bleibt es auch ganz
im Dunkeln, wohin die Soldaten, bezw. nach Ps.-Petrus die Juden,
bei der Verspottung und Geisselung Jesu gelaufen seien (xot-
Xovrtc) und wohin sie ihn geschleppt haben (ovqco/iev). Dass
dies die richtige Lesart sei, ist jetzt endgiltig festgestellt. Man
vgl. dazu 2. Sam. 17, 13: bnsrri? in» Vnzq) = LXX: xal ov-
Qovfiev avxiv %mq dg xhv y£ma.QQ0vv , ferner — woran
v. Schubert erinnert — Act. Andr. et Matth. c. 25 — 28, in
welchen Capiteln ovqeiv und öiaovQEtv im Sinne Von Schleifen
völlig promiscue gebraucht wird. Freilich öiaovQHV, welches
in der Parallele bei Justin auftritt (vgl. Mt. 27, 29b) hat, wie
auch Hesychius angibt (öiaövgu, diajtai&i, xX£vat,£i), im
Griechischen der alttestamentlichen Übersetzungen die Bedeutung
des Verspottens. Vgl. 1. Sam. 2, 17: y«3 = LXX: ad-Exovv,
Aquila: öiocvquv, 2. Sam. 12, 14: f«D = LXX: jrapogyge^Aqmla:
öiaovQEiv, Prov. 1,30: y«? = LXX: fivxxrjQiC.siv, Aquila: öcaövQstv,
JesTTTTV^S = LXX: jiaooQYi&iv, Symmachus: öiaövgsivTVs.
10, 3: Y&1 =LXX: xago^vveiv, Aquila: diaovosiv, Deut. 31, 20:
Texte und Untersuchungen zu Mt. 27, 27 = Mc. 15, 16. 347
pJM = LXX: ütctQotivvHv ', Aquila: öiaöv^eiv, Jes. 52, 5: fs: =
LXX: ßXaö<pr)HElv, Aquila: diaovouv — , ausserdem Jerem. 50, 45:
n3D = LXX: Öia<p&£iQeiv , Symm.: öiaovgsiv. Für den Fall,
dass es gestattet sein sollte, das ovqwfisv des Petrusfragmentes
im Sinne von diaovQeiv = pX3 = (ivxxijqLCsiv zu nehmen , wie
es das öiaovgovxsg bei Justin an die Hand gibt, so würde der
Sinn klar sein. Nachdem Jesus den Soldaten zur Geisselung
übergeben war, beschlossen sie ihrerseits ohne besonderen Auf-
trag mit der Geisselung eine höhnende Verspottung zu ver-
knüpfen und riefen einander zu: Lasst uns den Sohn Gottes
verspotten, nachdem wir einmal Gewalt über ihn bekommen
haben. Der Verfasser des Petrusevangeliums hätte sonach, frei-
lich ohne pragmatisches Verständniss seinerseits, einen guten
Textrest an dieser Stelle erhalten, nämlich eine drastische Aus-
führung der synoptischen Notiz: ovvrjyayov sji avxov oXtjv xi)v
omlqav Mt. 27, 27 (= Mc. 15, 16). Aber in der Bedeutung:
„ misshandeln u, welche die Lexica für das Simplex ovgeip an-
geben, wird die Lesart des Fragmentes: 6vqo)(iei> verständlich,
wenn man festhält, dass der Befehl zur Geisselung den Soldaten
vorher von dem Landpfleger ertheilt gewesen ist. Wahrschein-
lich auch hat der Redaktor des Petrusevangeliums seinerseits övyeiv
in der Bedeutung „schleppen" verstanden und dem entsprechend die
ganze Scene nach der Stätte der Kreuzigung verlegt, in welchem
Fall auch das xqexovxsg verständlicher wird, bezüglich dessen
Swete auf Martyr.Polyc c. 7 p. 142, 2: coc em AyGxrjv xgsxov-
xeg — verweist. Die Acta Pil. nach Rec. A und der latei-
nischen Übersetzung uehmen bestimmt an, dass diese Verspottung
auf Golgatha geschehen sei. Die Recension B der Pilatusakten
lässt die Verspottung nicht sua sponte von den Soldaten
ausgehen, sondern in Folge eines ausdrücklichen Befehls des
Landpflegers geschehen (iva ös ifiJtalticoGi) und macht dann ganz
wie das Petrusevangelium nicht die Soldaten, sondern die Juden
(X, 1) zu den "Werkzeugen der Verspottung. So irren die apo-
kryphischen Darstellungen immer weiter von dem ursprünglichen
Sachverhalt ab.
Cod C der Acta Pilati (p. 305. ed. Tischendorf) verwende!
das ovQtiv da, wo er die Kreuzigung schildert: oxt aveßißaoav
avxov tv reo OravQO) xal kxäqcpmoav xavvöavxzg xäß jca-
Qa/QCtVTOix; avxov xetyn£> cog rjp övvaxöv, xal xoig Jtööag
348 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
avtov övQavrsg xärw&ev — : die Ftisse von unten her auf-
schleppend.
ftt. 27, 28 = Mc. 15, 17».
a. Barn. VII, 9. p. 36, 3.
oipoptat avxov tote t\\ tjfiEoa xbv jzoörjgr) e'/ovto tcv
XOXXIVOV JtEül T7)V GaQXa.
b. Mt. 27, 28.
xal ixdvoavTsg avTOv %Xa(iv6a xoxxlvtjv Jtegiddijxav avxq.
c. Celsus ap. Orig. c. Cels. II, 34. Opp. I, 415.
jiagaTi&siiEVOQ Tovg ifutaigavTag avTcp xal g>otvixtöa jts-
Qi&evTtxc xtX.
d. Mc7l5, 17» .
xal evöiövGxovüiv üvtov xoqcpvQav.
e. Joh. 1972™
xal Ifictxiov 7ioQ(pv(jovv jtsQießaXov avTov.
f. Cod. Cantabr. Mt. 27~ 28.
xal Ivövöavxeq avTov iftaTiov jiooqpvQovv xal xXapvöav
xoxxlvrjv jiEQiid-rptav avT<p.
g. Cod. Colberi Mt. 27, 28. p. 38. ed. Belsheim.
et induerunt eum tunicam purpuream et chlamidem coccy-
neam circumdederunt ei.
h. Ev. Pseudo-Petri v. 7».
xal 7ioQ<pvqav uvtov JtEQiißaXov.
i. Acta PiL A. X, 1. p. 246.
xal jtEQtE^cooav avTov Xevtiop.
Hier zeigen sich eine Anzahl Varianten, welche ohne Mühe
auf einen hebräischen Text zurückgeführt werden können. Denn
kvövEiv (Cod. D) = evÖiövöxeiv (Mc.) = jcEQtßaXXsiv (Joh., Ps.-
Petr.) = jiEQiTi&Evai (Mt.) = jtEQiTl&EO&ai (Cels.) führen auf
tthabn zurück. Für evöveiv und evöiövöxeiv sind keine Belege
erforderlich. Für xEQiTi&svai vgl. Gen. 27, 16: HlEhSbn = LXX:
^Q^P^ für JiEQißaXXEiv vgl. Gen. 28, 20: ID&i 153 = LXX:
IfiaTiov jtsQißaXEO&ac. Ausserdem vgl. man in dem Logion Mt.
7, 15 die Ubersetzungsvarianten evöeöv[ievoi (Just.) = ^(HfiEOfi4voi
Texte und Untersuchungen zu Mi 27, 28. 29. 349
(Clem. AI., Ps.-lgn., Epiph.) = jtsoißsßXr/fitvoi (Epiph.). Die he-
bräische Quelle aber der Varianten jto^pvQa (Mc., Ps.-Petr.) =
g>oivtxig (Cels.) = lnaxiovjtOQq>vQovv (Jon.) = x^a^Q xoxxiv?/
(Mi) = üioör'jQrjq xoxxivog (vgl. Barn, mit Apoc^X 13: höedv-
fisvov JtoÖTJQT]) ist in "JttinK zu erkennen. Vgl. Esth. 1,6: "JEfiiT
= LXX? xal jtOQ<pygolg, Esth. 8, 15: fttiniS = LXX: xoo<pvQovv
— Jud. 8, 26 LXX: jtoqq>vqig — . Ganz abweichend ist das
Xivxiov (= Xlvxeov, lat. linteum) in den Pilatusakten. Dieses
Wort findet sich im Septuaginta-Griechisch überhaupt nicht und
im N. T. als dscag Xeyofisvov Joh. 13, 4. 5, dabei auch öteCmötv
(= Act. Pil. : jcsQts^coöav).
Mt. 27, 29* — Mc. 15, 17*.
a. Celsus ap. Orig. c. Cels. II, 34. Opp. I, 415.
xal xov kS, axavd-cöv tfr sgxzvov xal xhv sv xfi X£lQL x^'
Xa/iov.
b. Mi 27, 29a.
xal xXigavxeg oxscpavov f| axav&cöv ejitd-tjxav txl
xrjq xetpaXrjg avxov xal xaXafiov ev xjj öegia avxov.
c. Mc. 15, 17b.
xal xeQixi&eaöiv avxqZ jtXegavxeg äxavfrivov öxe-
<pavov.
d. Joh. 19, 2a.
xal 01 öxgaximxai TiXe^avxeg oxe<pavov ig äxav&o5v
ene&rjxav avxov xf/ xetyaXj}.
e. Ev. Pseudo-Petri v. 8.
xal xic avxwv eveyxwv Qxe<pavov axäv&ivov ed-rjxev
€jcl xrjg xey>aXi]g xov xvqiov.
f. Acta Pil. B. IX, 5. p. 302. ed. Tischendorf.
xal e<peoov oxe<pavov i§ axav&oiv xal e&ijxav em
xtjv xeqpaXijv avxov xal xäXatuov ejtl xt)v Öegiav avxov
g. Acta Pü. A. X, 1. p. 246.
xal öxi<pavov i£ äxav&cöv jteoie'& qxav avxm jcsql xqv
xsg>aX7jv.
Der Origenes-Text über Celsus lautet an der bezüglichen
Stelle: o KeXoog oveiöl^ei ex xwv yeyoafifiev&v ev xm evayye-
350 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Xico Jteul xov Irjoov, xaoaxifrtfievog xovq tpucai^avtag avxcp
xal (poivixiöa jtEQi&tvxag xal xov e§ dxavd-<äv^ oxt<pavov
xal rov ev xrj xBlQL xäXafiov. Dass die Variante iv xfj %eiQl
(anstatt des caiionischen ev öe§i$ avxov) zu der schriftlichen
Vorlage gehörte, welche Celsus benutzte, zeigt die Über-
einstimmung mit Eusebius, welcher in der Demonstratio ev.
mach Tischendorf p. 19S) ebenfalls ev xrj x£LQL avxov überliefert
hat. Der Ausdruck oxt'cpavog eg dxav&öiv (Mt., Joh., Cels.) =
Z^S'-p rni2? ist hebraisierender als oxi<pavog axävftivog (Mc,
Ps.-Petr.). Anschaulich wirkt im Petrusevangelium die in xai
xig avxojv gegebene Individualisierung. Dabei trifft letzteres in
dem eveyxojv mit dem etpeoov der Acta Pil. B. zusammen.
Mt.27,29* = Mc. 15,18.
a. Mt. 27, 29b.
xal yovvsrexyoavxeg ifutgooftev avxov evexaigav avxcp
Xijovxeg' XalQ£ ° ß^CiiXtvg xcov lovöaicov.
b. Mc. 15, 18.
xal r\o%avxo aojca^toihai avxöv Xa*Qe ßaoiXev xcov 'lov-
öaicov.
c. Joh. 19, 3».
Xal rjfjxovxo Jioog avxov xal iXtyov xaIQ£ o ßaoiXevg
xcov lovöaicov.
d. Ev. Pseudo-Petri v. 7b.
xal txattioav avxov exl xa&töoav XQioecog Xeyvvxeg' öi-
xaiojq xotve, JaoiXev xov 'looa/jX.
e. Just, Apol. I, 35. p. 76B.
xal yao, cog eljiev o Jtqocpfjxrjg, öiaovoovxeg avxöv exd-
frioav ejtl ßr'jtiaxog xal tijtov xolvov rjfilv.
An sich ist es durchaus nicht unwahrscheinlich, dass da,
wo zur Verhöhnung des Judenkönigs die königliche Krone, das
königliche Kleid und das königliche Scepter karrikiert wurde,
auch der königliche Stuhl {xa&£ö^a^ Ps.-Petr. = ^£^?5 Acta Pil.
B. IX, 5. p. 301 = /%a^ Mt. 27, 19; Joh. 19, 13 iffnlcnt gefehlt
haben werde. Gerade das ßfjficc des die kaiserliche Gewalt re-
11 Vgl. hierzu die Erläuterungen zu Mt. 25. 31.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 27, 29 = Mc. 15, 18. 351
praesentierenden römischen Beamten war zur Vervollständigung
dieser Spottscene besonders geeignet, da man ja auch auf heid-
nischer Seite wusste, dass die Juden von ihrem Messiaskönig die
Abschüttelung des römischen Regimentes erwarteten. Um die
Darstellung des pseudopetrinischen Evangeliums mit der den ur-
sprünglichen Sachverhalt vertretenden johanneischen Relation zu
vereinbaren, müsste man annehmen, dass nach der im Inneren des
Praetorium vollzogenen Geisselung und Verspottung Jesus von
den Soldaten herausgeführt, in seiner Spottkleidung auf das ßrjfta
(== d-Qovoq = xad-tÖQCt) gesetzt und in dieser Situation von den
Spöttern unter Erweisung königlicher Ehren (yo vvji st r'/oap xtq
Mt. 27, 29b = JtQOösxvvov v Mc. 15, 19) verhöhnt worden sei.
Dieser Vorgang müsste zusammengefallen sein mit Joh. 19, 4. 5, wo
berichtet wird, dass, nachdem soeben die Geisselung (v. 1) und
die Verspottung (v. 2. 3) stattgefunden hatte, Pilatus Jesum heraus-
führt und dem Volke zuruft: lös o avd-gojjcoq. Möglich wäre
auch die Identificierung der Nachricht: sxä&iöav avtov ext
xaftiÖQäv (Ps.-Petr.) = avrov exa&ioav sjtl ßqf/aroq (Just.) mit
Joh. 19, 13. 14. Dann müsste man annehmen, Pilatus habe nach
den Verhandlungen mit den Juden (Joh. 19,4 — 8) Jesum in das
Praetorium zurückgeführt (v. 9) und dann erst bei der zweiten
Herausführung (v. 13) das Sitzen Jesu auf dem ßrjfia geschehen
lassen, ja selbst angeordnet, indem ixdßtoev Joh. 19, 13 trans-
itiv zu fassen wäre. Indess wahrscheinlich ist diese Annahme
nicht. Denn wenn auch der kaiserliche Beamte den Übermuth
der Soldaten an einem ihrer Gewalt preisgegebenen duldete, ja
für seine Zwecke benützte, um den Angeklagten durch Erweckung
des Mitleids und der Gunst des Volkes zu retten, so ist doch
kaum zu glauben, dass er selbst das ßrjfia, auf dem er wenige
Augenblicke darnach das Urtheil sprechen müsste, zu einer sol-
chen Spottscene seinen Soldaten überantwortet haben sollte. Je-
denfalls deckt sich das öiaöv^ovtsq des Justin mit dem Ivh-
xai^av in Mt. 27, 29b. Vgl. oben zu Mt. 27, 27. Was aber die
Worte anlangt, womit die Spottenden den Judenkönig verhöhnten,
so enthalten die unter sich übereinstimmenden canonischen Re-
lationen jedenfalls das Ursprüngliche. In dem Munde heidnischer
Soldaten war der Titel: ßaöiltvq xmv 'Iovöaiwv allein am
Platze. Freilich, sobald es Juden sind, denen diese Worte in
den Mund gelegt werden, wie es im Petrusevangelium geschieht,
352 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
so war die Abänderung des Titels in den Ruf: ßaotXev xov
'löQaijX unumgänglich. Vollends aber der Ruf: xqIvov t}filv
(Just.) = öixalcoq xqIve (Ps.-Petr.) ist in der von beiden Schrift-
stellern benützten gemeinsamen Quelle dem alttestamentlichen
Worte Jes. 58, 2: pir-iüfifljtt ^lb»tt?'i = LXX: alxovai fie vvv
xgioiv öixaiav, auf welches Justin sich ausdrücklich beruft, nach-
gebildet. Harnack erinnert noch an die johanneische Parallele:
T/)r Öixaiav xn'ioiv xQlvaxs — Joh. 7, 24 — und 1. Petr. 2, 23:
rä) xqivovxi öixalmq.
Die Annahme von Lundberg (Det s. k. Petrusevangeliet
ett nyfunnet fragment ur en fornkristlig apokryf, Lund 1893),
wonach Justin Apol. I, 35 unter dem ßtjfta das Kreuz, als den
königlichen Thron, verstanden habe, hat insofern viel für sich,
als Justin gerade Apol. I, 35 auf die Acta Pilati sich beruft
(xal xavxa öxi yeyovs övvao&e fta&elv ex x<x>v im üovxiov Ilt-
Xaxov yevo(iivcov axxmv) und als die Acta Pilati die Ver-
spottungsscene nach Golgatha verlegen. Vgl. zu Mt. 27, 27.
Dazu kommen die übereinstimmenden Lesarten des Cod. Can-
tabr., des Syr. Cur. und des Cod. Colbertinus zu Lc. 23, 37,
wo von den Soldaten, die den am Kreuze hangenden Jesus ver-
spotteten, gesagt wird: Xiyovxsq" xalQ£ > o ßaoiXevg xtav *lov-
öaicov, jtEQixe&tvxeq (sie) avxcöxal axuv&ivop oxt<pavov (Cod. D)
— X<*iQ£' d ov 6 ßaoiXtvg xcäv 'lovöaimv, omoov oeavxor, xal
jiEQU&?]xav im xi)v xe<paXrjv avxov exitpavov it- axav&cüv
(Syr. Cur.) = ave, rex Judaeorum, salva temet ipsum! imposu-
erunt autem et de spinis coronam (Cod. Colbert.). Dieser apo-
kryphe Zug, wodurch die höhnende Bekleidung Jesu mit den
königlichen Insignien nach Golgatha verlegt worden ist, findet
sich , wie man' aus dem Zusammentreffen des altsyrischen , des
altlateinischen und des in Cod. D erhaltenen griechischen Textes
ersehen kann, bereits in dem — zu den Zeiten Justins ent-
standenen — Archetypus des Evangeliencanons.
Mt. 27, 30 — Mc. 15, 19.
a. Mt. 27, 30.
xal ifixxvoavxeg dg avxov tXaßov xbv xc /.afiov xa'i
txvjtxov elg xr]v xepaXrjv avxov.
Texte und Untersuchungen zu Mt 27, 30 = Mc. 15, 19. 353
b. Mc. 15, 19.
xal trvxrov avrov xr\v xe<paXr)v xaXau.ro xal ive-
xxvov avzcö, xal r&evreg rd jovara^xgooexvvovv avrm.
c. Joh. 19, 3b.
xal höiäoöav avrm gaxiofiara.
d. Ev. Pseudo-Petri v. 9.
xal Sregoi kör cor eg evexrv'ov avrov ralg btpeoi, xal
aXXoi rag öiaybvag avrov egdjtiOav e'regoi xaXdftca
evvooov avrov xal nveg avrov ipäori^ov Xeyovreg' ravry}
rüj rifij} ri(ir]öa>fiev rbv vlbv rov freov.
e. Acta PiL A. XVI, 7. p. 282. ed. Tischendorf.
xal ort slöafiev avrov gaxio/iara Xaßovra xal ifijtrvö-
ftara elg rb jcqoCgojcov avrov, xal ort ol Orgarimrai
ari<pavov ££ äxav&wv jcegtid-rjxav avrm, xal ort kcpgayeX-
Xm&rj xal axbtpaöiv eXaßev dxb ÜiXärov.
f. Acta Pil. B. X, 1. p. 302.
rjjq rotavrijg ovv dxo<pa6emg yevofievrjg xagä ÜiXärov
rjo£,avro ol 'Iovöaloi rvxrew rbv 'Itjöovv, ol fiev gäßöoig,
ol 6e yegolv, ol de xo'clv ol de xal elg rb xgoömjtov av-
rov Inrvov.
Das yovvxerrjöavreg (Mt. 27, 29) und das ri&eyregjrd yb-
vaxa xgb^^vvbvv(M.c. 15, 19 = rnnntDn) deckt sich gegen-
seitigr Der Text des pseudopetrinischen Fragmentes lässt eine
geflissentliche Conformation nach Jes. 50, 6 erkennen. Vgl. Jes.
50, 6 LXX: rbv vmrbv fiov re&etxa elg (taörtyag^ xal rag ota-
ybvag fiov elg gcuziöfiara, rb de xgoOcoxov (iov ovx axeorgeqw
ajcb alöxvviyg efixrvOfidrmv, nur dass ralg brpeöi im Petrus-
fragment das hebräische O^DB des Urtextes noch wörtlicher
wiedergiebt, als das ngbomxov der Septuaginta. Der Hohnruf
der Häscher: ravri] rf] rifiy rifi^omftev rbv vlbv rov &eov
bildet eine Reminiscenz an das Citat aus dem apokryphen Jere-
miasbuche Mt. 27, 9: rr\v riprjv rov rerifitjuevov ov irtpirjöavro
cutb vlmv yIöga?]X, welches Citat mit dem ganzen Abschnitt Mt.
27,3—10 im Petrusevangelium weggelassen ist. Zu dem sprach-
lichen Ausdruck bietet Act. 28, 10: jcoXXalg riftalg hiftrjOav —
eine Parallele. Zu dem fiaöriC,etv des Petrusfragmeuts wie zur
ganzen Stelle vgl. man noch Const. V, 6. p. 130, 16 ff., wo zu dem
Texte u. Untersuchungen X, 8. 23
354 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Quellentexte der Didascalia V, 6. p. 304: tvExxvo&t), ExoXa<piö&rj,
£QQajiio&T), öxavgcp xqootjXoj&tj — der Redaktor der Consti-
tutionen nach oxavoqj die Worte (lExa xb itmörix^/wM einfügt.
Ausserdem erinnert Swete (p. XXIX) an einen verwandten Text,
der Orae. Sibyll. VIII, 288 sqq. zu Grunde liegt und folgenden
Wortlaut hat:
öcooovöiv de &t<p Qajciofiaza xeqöIv avayvoig
xal Ctofiaoiv [iiaoolg tftjcxvöfiaxa <pao[iax6Evxa.
öcoöSL tf eg (läoxiyag ajiXmg ayvbv xjoxe vojxov,
xal xoXa(piC,6fiEvog oiyrjöEi, fi?) xig Imyvcö,
zig xlvog rj nölhv tjX&ev, iva (p&ifisvolöi XaXrjöy.
xal oxicpavov cpoQEGEi xbv axav&ivov kx yao äxavfrdtv
xb oxetpog exZexxäiv aytatv alooviog ij£,ei.
xZevQag vvgovoiv xaXdfiq) öia xov vofiov avxcöv.
ig de xb ßoajfta xoXrjv xal jriefiev ogog EÖmxav.
vi)$ loxai oxoxoeööa xeX&qiog Iv xqlöIv cogatg'
i'jgei d' slg Aiöqv dyyiXXmv tXjtlda jcäoiv
xolg ayloig . . .
Mt. 27, 39* = Mc. 15, 29*.
a. Cod. Cantabr. Mc. 15, 29*.
xal ol jtaoayovxEq tßXa6<pr)f/ovv avxöv.
b. Mc. 15, 29».
xal ol JiaoajtoQEvöfiEVoi ißXaoq>r'i(iovv avxöv.
c. Mt. 27, 39a.
ol de xaoaxoQEVofiEVOi sßXaaq>?)(iovv avxöv.
Die aussercanonische Variante: jianayovxsg, welche Cod. D
für das canonische oiaoajioQEvönEvoi darbietet, weist mit letz-
terem vielleicht auf die gemeinsame Quelle D'H^yn zurück und
hat in anderen evangelischen Texten (Mt. 9, 9 = Mc. 2, 14: xagä-
ycov 6 'Iqoovg — Mt. 9, 27: xaoäyovxi exeI&ev, ferner Mt. 20,
30; Mc. 1, 16; 15,21) gute canonische Parallelen. Zu Mc. 15,29
vertritt dieselbe Lesart mit Codex D auch Eusebius. Vorl.
Tischendorf p. 395.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 27, 39. 46. 355
Mt 27, 46 = Mc. 15, 34.
a. Epiph. Haer. LXIX, 68. p. 792 B.
<pr]6aq xaxd xrjv lEßoaixr}v diaXsxxov rjXi r/Xi, Xrjfiä ciaßa-
X&avi.
b. EpiphTHaer. LXIX, 19. p. 743 A.
xäXiv kv xm öxavow, <pqoiv, sXsyev tfXl i]Xi, Xtjfict. ojaßar
X&avi' xovxioxi, &ee fiov, &ee fiov, ivaxi (iE EyxaxeZixsg;
c. McTsT^.
kßoijOEV ö 'ItjCovq (pcovfj fiEyaXrj' eXcot, kXmi\^Ejiaj>aßa-
X&avei, 6 ioxiv fiE&EQfir}VEv6(i£vov' o d-sog fiov, o &£Ög
fiov, elgjdjeyxaxeXijceqjiE ;
d. MT27746.
dvEßotjöEV 6 'hjöovg <pcovij fieyaXy Xiywv rjXel tfXsi, Xe/ic
öaßax&avei; xovx ioxiv ' Ited fiov, d-es fiov, ivaxi fis iyxa-
xiXtJieq;
e. Cod. Cantabr. Mt. 27, 46.
dvsßoTjoev o 'irjoovg gxnvfj fieyäXy Xiycov yXsl rjXsi, Xafiä
£a<p&avsi' xovx* toxiv, &et fiov, &ee fiov, ivaxiuE iyxa-
xeXuteq;
f. CodTCantabr. Mc. 15, 34.
kqxovvjöEV <p(DV>i fieyäXy' ?/ Xsl yXsi, Xafiä £a<p&avsi; 6 koxiv
fis&EQfiTjvevöfievop' o &EÖg fiov, o #eog fiov, slg xi mvsi-
g. Just. DiaL c. Tryph. c. 99. p. 326 A.
öxavomfreiq yäg eIjcev o &Eog, o &£og, Ivaxi kyxaxi-
Xixig ue;
h. Const. V, 14. P- 145, 1.
ävaßotjöag eIxe xm üiaxoi' &EE fiov, &ee fiov, ivaxi fiE
kyxaxiXiTCEg ;
i. Iren. I, 8, 2 (Valentiniani).
xa\ iv fihv x<p eIjieIV o &s6g fiov, Eig xi ^7xaT^^§f^ji
k. Tertull. adv. Prax. c 25.
Sed et si in isto evangelio non est revelatum: Deu9 meus,
ad quid me dereliquisti?
1. Tertull. adv. Prax. c. 30.
Habes ipsum exclamantem in passione: Deus meus, Deus
meus, ut quid me dereliquisti?
23*
356 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
m. Just Dial. c. Tryph. c 98. p. 324 D. 325 A.
xal xov xavxa öe ipaXfiov sljcoifii av .... eOxi 6h ovxoq'
6 &£og, 6 &eoq (iov, xqoöxss1) l*ol> ivctxl eyxaxeXutiq /m«;
n. Psläm22Tl^£xX.^
6 &soq, 6 9-eoq (iov, xQooysq*) (toi, tvaxl hyxaxiXuziq (is;
o. Ephraem Syr. Ev. concord. expos. p. 247 ed. Mösinger.
Deus, Deus meus (Eli, Eli), quare dereliquisfci me?
p. Clem. AI. Fragm. § 57. p. 1004.
coq kv x<p evayysXlq)' i]Xl, ijXl' avxl xov' &si f^»^£5
(IOV.
q. Diatessaron ed. Ciasca p. 92b.
Et hora nona exclamavit Jesus voce magna dicens: Jaul,
Jaiill, cur me dereliquisti? id est: Deus, Deus meus, ut quid
dereliquisti me?
r. Ev. Pseudo-Petri v. 19a.
xal 6 xvgioq avsßorj/os Xtycov i) övvafiiq (iov, v\ övvafiiq,
xaxtXsiipäq fie.
Die ursprüngliche Fassung dieses Kreuzeswortes, über welches
bereits Agrapha S. 53 und Einleitungsheft S. 91 f. von mir
gehandelt worden ist, besitzt eine entscheidende Wichtigkeit für
iie Frage, in welcher Sprache das Urevangelium abgefasst ge-
wesen sei. Wenn Jesus sogar am Kreuz in seinem tiefsten
Schmerz ein hebräisches Psalmenwort ins Aramäische umgewan-
delt hätte, so würde für ihn persönlich das Aramäische als
Sprache nicht blos des Umgangs mit den Menschen, sondern
auch des Verkehrs mit seinem himmlischen Vater, als die Aus-
drucksweise seiner innersten Gedanken und seiner tiefsten
Empfindungen, erwiesen und damit zugleich eine wichtige Instanz
für die Sprache des Urevangeliums gegeben sein.
Innerhalb des Canons nun ist das bezügliche Kreuzeswort
nur durch die beiden ersten Evangelisten überliefert, und zwar
sowohl im semitischen Idiom als in griechischer Übersetzung.
Zunächst Mc. 15, 34 ist die canonische Fassung halb hebräisch:
eXcoi, sXcoi'i = Tl^K (aramäisch müsste es lauten ^nbS = kXat.
1) Nestle bemerkt hierzu: „mit Lagarde (Psaltern graeci quin-
quagena prima) und schon früher im Specimen zu \p. 5, 3 wird statt tiqo-
a%(q (was von 7ipo-e%<0 kommen würde) 71qoo-ox£Q zu schreiben sein."
Texte und Untersuchungen zu Mt 27, 46. 357
(vgl. Kautzsch, Grammatik des Biblisch-Aramäischen S. 11) J),
hebraisierend auch Xs/iä = Xttb (dem hebräischen nttb nach-
gebildet, während es im Aramäischen X2£b lauten müsste, vgl
Nestle bei Harnack, Bruchstücke des Evangeliums und der
Apokalypse des Petrus, 2. Aufl. S. 66) — , halb aramäisch: öa-
ßax&avei (= ^anpatp"). Wenn dieser Mischtext, wie er in der
jetzigen canonischen Fassung vorliegt, von der Hand des Hiero-
solymiten — also des Aramäischen vollkommen mächtigen —
Marcus stammte, so wäre dies ebenso befremdlich als die un-
mittelbar nachfolgende Erzählung, dass Einige der Umstehenden
gesagt haben: lös HXlav <pcovsl (Mt. 15, 35), — ein Missver-
ständniss, welches bei der aramäischen Aussprache des Rufes
inbÄ = 8/Läi, wie bei der hebräischen Vokalisierung ^tibit = kXcot
kaum begreiflich erscheint. Dieser letzte Anstoss ist bei dem
ersten Evangelisten nach dem jetzigen Text beseitigt, sofern Mt.
27, 46 zwar den aramäischen Schluss des Kreuzesrufes beibehalten,
aber das iXcot in das dem hebräischen Text von Ps. 22, 1 ent-
sprechende r\Xü = ibs umgewandelt ist. Diesen Mischtext re-
praesentiert Epiphanius in den beiden oben mitgetheilten Ci-
taten ganz genau2); wahrscheinlich setzt ihn auchEphraem, viel-
leicht auch Clemens AI., voraus. Dagegen lassen die übrigen
Citate aus dem zweiten und Anfang des dritten Jahrhunderts
bei Justin, Irenaeus und Tertullian den semitischen Grund-
1) Hierzu macht Nestle auf Folgendes aufmerksam: „Gegen
Kautzsch's Bemerkung, dass s Xwi hebräisches ifi'W sei — statt dessen
man doch *rt%* erwarten würde — hat Schreiner in Stades Zeitschrift
für alttestamentliche Wissenschaft 6, 215 erinnert, das9 <w jakobi tische
(westliche) Aussprache von aramäischem — , — sein könne."
2) Epiphanius gibt diesem Misch texte eine interessante Deutung
im universalistischen Sinne, insofern der in zwei Sprachen gegebene
Krenzesruf Jesu nicht blos für Israel, sondern auch für die Heidenwelt
bestimmt gewesen sei. Er sagt Haer. LX1X, 68 p. 792 BC : xal ydg iiegl
zovzov nooHpyzs vos <pr\oag x azu ZTjv"Eß(>aixT]v SidXexz ov yXl tjXi,
XrjfÄÜ octßax&avl' o xaz dxoXov&lav inXrjoov 6 xvQtog'inl zov azai<'
gov zd sig axrtovnengotprjtevßha Xtytov r\Xl t}Xl 'Eßgaixg zy Xegei,
dtg tjv nQoysygaftfiivov, — xal ovxezi Eßpacxfi, dXXa Svgta'xg öia-
Xexz(p zb ovCyyovv gfjpa dnozeXiSv tXeys' Xrjfxä oaßax&uvl, 'Iva zig
doxy l&v XQ^aifcai, wg r\v nzol avzov yeyga/Afiivov, eig kzipav äh
yXdiooav zo Xünov z<ji gr/zip zr\v ii^yrjaiv fxezaßdXXoi, xal avzo 7toi<5v
6i' dyad-ijv olxovofxiav, dg zo b/uoXoyeiv zo qtjzov nepl avzov sIqtjo&oi
vno zov 7tQO<pijzov öid zov ijXl yXl Xeyeiv, zo öh vnoXoaiov ovxizt
358 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
text leider unberücksichtigt. Wohl aber lehrt die Vergleichung
der Handschriften, dass der vorcanonische Text um die
Mitte des zweiten Jahrhunderts1), uns erhalten durch Cod.
Bezae und durch altlateinische Versionen, sowohl Mc. 15, 34 als
Mt. 27, 46 von dem aramäischen Wortlaut Nichts gewusst
hat, sondern die hebräische Fassung vertrat. Vgl. Agrapha
S. 53. Und wenn diese hebräische Fassung: rXel, fasi, Xafid
C,a<p&avEt = "^rQTJ rittb ^b« ib« in den Italae vielfach ver-
stümmelt und ohne Verständniss fortgepflanzt ist, so liegt darin
um so mehr ein Beweis für ihr hohes Alter. Sonach erscheint
der Text des Cod. Bezae in seiner hebräischen Fassung als das
Ursprüngliche, der hebräisch-aramäische Mischtext in der cano-
nischen Gestalt sowohl bei Mc. als bei Mt. als das Spätere.
Lagard e hat gewiss recht, wenn er diese Frage mit der
canonischen Textrecension ,£), der Arbeit der öioq&cotcu oQ&oöogoi
(im Gegensatz zu den aöioQ&coroig dvTiyQaqioiq, den älteren
nicht recensierten Handschriften, vgl. Epiph. Ancor. c. 31.
p. 36 BC), in Verbindung setzt und die Frage so formuliert:
»wollte man vielleicht so freundlich sein zu erklären, welcher
Zufall etwa bei Matthaeus 27, 46 und Marcus 15, 34 Hebräisches
in Aramäisches oder umgekehrt Aramäisches in Hebräisches ge-
ändert hat: ^DrQty in i3np3tJ, JLctfia in Xtfia und Xefia, iftbü in
"|bx?"3) Ganz gewiss liegt irgendwo eine absichtliche Correktur
vor. Soll man nun glauben, dass die hebräische Fassung die
spätere Correktur sei, entstanden zu einer Zeit, da man das
Hebräische nicht mehr verstand? Gibt nicht vielmehr das
Evangeliarium Hierosolymitanum den richtigen Fingerzeig
zur Beurtheilung des Sachverhaltes, wenn dasselbe, nachdem es
bereits p. 381 den Matthäustext gebracht, den Kreuzesruf p. 398
in derselben Fassung: TV npSTÖ Stttb ">bS5 ibtf wiederholt und an
'EßQaixq Xegei, aXXä SvQiaxg, oncaq xa&sXo i x<äv ai>xovvxa>v xtjv
''EßgatSa, xal xaxa£talo% xal hxspaq yXciooaq siq nXrJQataiv xulv
neQl avxalv Qrpcätv. HfieXXe yäg %ör> anXovv xr\v avxov yvaloiv inl nävxa
xa $&vrj, xal ovx inl xovq'EßQaiovq fiovov, a>q fyei r\ näaa avxr\
dxoXov&la iv eixoaxul ngtöxio yaX/uäi." Vgl. Ps. 22, 28 LXX: xal avxoq
öeojto&i xaiv i&v<5v.
1) Vgl. Einleitungsheft S. 12.
2) Vgl. Einleitungsheft S. IG.
3) Vgl. de Lagarde, Mittheilungen I, 116.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 27, 46. 359
dieser Stelle es noch für nöthig hält, eine aramäische Interpre-
tation beizufügen: im npnfc ittab irfcK "»nbs TPVn na, eine In-
terpretation, bei welcher es noch dazu lediglich um die Über-
tragung des hebräischen ">btt in das aramäische ^nbx sich han-
delt. Hier wird es zugleich ganz evident, dass, wie Lagard e
anderwärts (z. B. Orientalia II, 7) bemerkt, „die Aramäer bü
Gott nicht kennen." Wie nun das — auf den revidierten
canonischen Texten beruhende — Evangeliarium Hierosoly-
mitanum selbst thatsächliches Zeugniss ablegt für das Bedürf-
niss der späteren Jahrhunderte, die Evangelientexte auch in
aramäischer Übersetzung zu besitzen, so werden die ebenfalls
schon einer späteren Zeit angehörigen öioo&töxal og&odogoi,
die Urheber der canonischen Textrecension, bereits demselben
Bedürfniss Rechnung getragen und sowohl Mt. 27, 46 als Mc.
15, 34 die ursprünglichen hebräischen Texte — als archaistisch
und unverständlich geworden — beseitigt haben.
Zu diesem selbstständig gewonnenen Untersuchungsresultate
tritt unsnochim pseudopetrinischen Evangelienfragmente
eine überraschende Übersetzungsvariante entgegen, nämlich an-
statt ibS = &e6q fiov der Ausdruck övva/icg, ein Ausdruck,
welcher keinenfalls aus dem Aramäischen, sondern lediglich aus
dem Hebräischen sich erklären lässt. Robinson (The Gospel
according to Peter etc. S. 21) hat daran erinnert, dass nach
Eusebius (Dem. ev. X, 8) der buchstabisierende Übersetzer des
A. T., Aquila, den Anfang von Ps. 22, 1 mit den Worten: lowai
fiov, loxvgi fiov wiedergegeben hat, und dass Eusebius selbst
loxvg fiov, loxvg fiov übersetzt hat, sowie dass bei Justin
(Bial c. Tryph. c. 125. p. 354 C) folgende Erklärung von 'Iönafjl
sich findet: xal xo ovv 'looarjl ovofia xovxo OTjfiaiver av&om-
xog vixo3v övpafiw xo yaq löga avd-Qcojtoq vvkSv ioxi, xo de
rfijSvvafiLi;. *) Meinerseits habe ich bereits oben darauf hinge-
wiesen, dass auch die LXX Neh. 5, 5 b« mit övvafiiq wieder-
gegeben haben.2) Alle diese Übersetzungsvarianten: üeog,
1) De Lagarde (Orientalia II, 5) in der „Erklärung hebräischer
Wörter", und speziell von h*, erinnert an Eus. Praepar. XI, 6, 20: hkwel/x
napa to fj).. xovxo de kgfirjvfvovaiv loyvv xal övra/iiv.
2) Die in Neh. 5, 5 gebrauchte Redensart -■* V »'* findet sich im A.
T. fünfmal. Vgl. Gen. 31, 29: 17; &tfVn£ — LXX: xal vvv loyvH 7 va>
360 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
loxvQog, ioxvg, övvayiq, als Übertragungen des hebräischen
bs, sind gleichberechtigt, wären aber im Aramäischen un-
möglich. Möglich wäre es nur, dass der Bedaktor des pseudo-
petrinischen Fragmentes, des Hebräischen kundig, das rjXei des
Matthaeustextes, ohne den hebräischen Quellentext besessen zu
haben, mit övvafiiq fiov tibersetzt hätte. Aber wahrscheinlich
ist dieser Umweg nicht. Viel wahrscheinlicher ist es, dass diese
Übersetzungsvariante direkt aus einer aussercanonischen Version
des Urevangeliums stammte und dem Verfasser des pseudo-
petrinischen Evangeliums auf irgend einem handschriftlichen
Wege zur Kenntniss gekommen war. Für diese letztere An-
nahme sprechen so manche andere archaistische Elemente
besserer Qualität, welche im Petrus-Fragmente, und zwar in
dessen Passionsgeschichte, sich finden.
Wie die Wahl gerade der Übersetzungsvariante övvafiig
und die Beseitigung des Fragwortes in unserem Logion mit der
doketischen Tendenz des Petrusevangeliums zusammenhängt,
darauf ist oben schon hingewiesen worden. Vgl. § 6. Die öv-
va/itg repraesentiert in den gnostisch-doketischen Lehrsystemen
die göttliche Persönlichkeit Jesu, die sich (bei der Taufe) auf
den Menschen Jesus niedergelassen hat, bzw. die sich in mensch-
licher Erscheinungsweise sichtbar macht. Diese dvvafiiq verlässt
das am Kreuze hängende sichtbare Theil, ohne gelitten zu haben.
Nicht in einer Frage, sondern in einer Affirmation sollte
diese Grundvoraussetzung des Doketismus hier zum Ausdruck
kommen. Daher die Weglassung der Fragepartikel.
Einen völlig abweichenden Text bietet — nicht zu Mt. 27, 46,
wohl aber — zu Mc. 15, 34 Cod. D2 in der Lesart: mvelöiöaq
(iE anstatt des canonischen: kyxartXucig pe, und mit Cod. D2
geht der Cod. Colbertinus: exprobrasti me, sowie der Cod. Vin-
dobonensis: me in opprobrium dedisti — , Lesarten, die doch
uov — Deut 28, 32: sjt; hvk fs? = LXX: ovx loxvoei fj xeig aov — , Mich.
2, 1 : on; VkVtJ? "'s = LXX : diori ovx tjoav noog xov &eov zü(?aG «wrtSv
— hier las der Übersetzer: onj hyb üksp kV> •£ — , Prov. 3, 27: htb rri-»nt
HösV *p7; = LXX: yjvlxa äv l#j? i\ itio aov ßotj&eiv — , Neh. 5, 5: 'p»;i
*V£ hyb •= LXX: xal ovx %axi 6vva.pt.iq yjiociiv rjfiwv: — das Alles zugleich
ein neuer handgreiflicher Beweis fürdie Freiheiten und Verschiedenheiten
der LXX -Version.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 27, 51. 361
wohl Nichts weiter als eine freie Wiedergabe des urtextlichen
''DrQT? darstellen dürften, da 6vei6iC,uv auch in der Bedeutung
deprimere, in deteriorem conditionem dejicere gebraucht wurde.
Mt. 27, 51».
a. Mt. 27, 51b.
xal tj yrj icsLa&rj, xal al Jtexoai hcxiod^rjoav.
b. Acta Pil. B. XI, 1. p 309.
xaljcagavxixa i]v löstv xäg Ttixgag oxt^ofisvag' öEiöfiog
ydo syivexo etg xrjv yr\v äjcaoav, xal xov oeiOfiov
Gipoögov xal (teydXov yevofievov iaxl^ovxo xal al jte-
TQai.
c. Melito, Fragni. XIII. ed. Otto p. 419.
Terra tremuit, et fundamenta ejus conversa sunt.
d. Ev. Ps.-Petr. v. 21. 22.
v. 21. xal xoxe axtGJtaöav xovg r/Xovg axb xmv yßiQ&v
xov xvgiov xal e&rjxav avxov ejil xijg yrjg, xal fj yrj jiäoa
sCeiO&i?, xal <poßog fieyag kyivexo. v. 22. xöxs r]Xiog
sXapups, xal svq£&t] coga evdxrj.
e. Cyrill. Hieros. Catech. XIII, 24.
/isxd xi]v ivdxrjv eXa/itipep 6 rjXtog.
Während Mt. 27, 51 a (= Mc. 15, 38 = Lc. 23, 45b) mit der
Marcusquelle correspondiert, gehört Mt. 27, 51b — zugleich
mit v. 52. 53 — zu den secundären Partien des ersten Evange-
liums, also zu denjenigen Partien, an welche die apokryphe
Evangeliendichtuug in besonderer Weise sich angeschlossen hat.
So ist auch in den Actis Pil. B der betreffende Passus Nichts
weiter als eine Ausmalung der kurzen Notiz Mt. 27, 51a. Wei-
tere Ausmalungen aus Arn obius, aus pseudo-cyprianischen
Schriften, aus den Testamentis XII patr., aus Ephraem vgl.
Agrapha S. 468 ff. Eine neue Ausmalung von Mt. 27, 51b ist
jetzt im pseudopetrinischen Evangelienfragment gegeben. Ein
neues Moment tritt dabei namentlich hervor in der Abhängig-
keit des Erdbebens von der Berührung des Erdbodens mit Jesu
Leichnam. Zu dem äxeojtaöav xovg ijXovg vgl. man bei Justin:
a<f)7)Xa)frtlg curo xov oxavoov = Dial. c. Tr. c. 108. Das Wie-
derhervorbrechen der Sonne zugleich mit dem Erdbeben ist
aussercanonisch , findet sich aber ausser bei Cyrillus Hieros.
362 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
auch bei Ephraem (nach Mösinger p. 257): tres horas sol
obtenebratus est et postea denuo Iuxit.
Mt. 27, 52.
a. Epiph. Haer. LXXV, 7. p. 911 C.
oog (pr\öi xb ayiov evayyeXtov jtoXXä 6h coöfiaxa xoov
ayioov aviöxrjoav.
b. Epiph. Haer. XL VI, 5. p. 395 B.
äveox?] yäg, (prjoi, xoXXä aoofjaxa xoov ayioov, oog &xu
xo evayyiXiov.
c. Eus. Dem. ev. IV, 12, 4.
xal jcoXXa öoofiaxa xcöv xexoi(ir)(iEVoov ayioov dvi-
oxavxo.
d. Pseudo-Ign. ad Trall. IX. p. 190, 7.
jtoXXa. ya.Q, g>t}6lv, öoofiaxa xcöv xsxoifirjfievoov ayioov
yyeQ&T], xcöv (jvrjfielcov avecpx&ivxcov.
e. Mt. 27, 52.
xal xä fivjjfiEla avEopy&rjGav xal xoXXä öco/iaxa xcöv
xsxoifi7]fi£voov ayioov ijyeQd-rjOav.
f. Pseudo-Cypr. de montibus Sina et Sion c. 8.
patefacta sunt sepulcra, et corpora foras a se misit.
g. Acta PiL B. XI, L p. 309.
rjvoiyovxo xal xä fivtjfiela xoov vbxqoöv.
Auf Mt. 27, 52. 53 hat man von jeher hingewiesen, wenn
es galt, apokryphische Elemente innerhalb der canonischen
Evangelien namhaft zu machen. Und zwar ist es der erste
Evangelist, welcher derartige Stoffe bietet. An Mt. 27, 52. 53
knüpft sich in der altchristlichen Zeit eine ganze Literatur, vor-
nehmlich der früher mit den Actis Pilati (= Ev. Nicodemi)
verbunden gewesene, in dramatischer Schilderung verlaufende,
Descensus Christi ad inferos (Ew. apocr. ed. Tischendorf.
Ed. II. p. 380 sqq.), aus welchem man ersehen kann, wie die vom
ersten Evangelisten berichtete Gräberöffnung und Auferstehung
der Heiligen (Gerechten, Patriarchen und Propheten) gemeint
war. Denn es erleidet wohl keinen Zweifel, dass auch der Ver-
fasser des ersten Evangeliums einer ähnlichen Auffassung ge-
huldigt und dem entsprechend den Kreuzestod Jesu behufs
haggadischer Ausschmückung wie mit den Naturwundern des
Texte und Untersuchungen zu Mt. 27, 52. 53. 363
Erdbebens und der Felsenspaltung (v. 51b), so auch mit der
Gräberöffnung und mit der Auf er weckung der (alttestamentlichen)
ayioi in Verbindung gesetzt hat. Gleichwohl ist die Nachricht,
wie sie in v. 52. 53 enthalten ist, nicht so werthlos, wie sie
vielleicht scheinen mag. Der historische Kern, welcher ihr ein-
wohnt, dürfte sich aus dem Folgenden ergeben.
Mt. 27, 53.
a. Mt. 27, 53.
xai kgeX&ovxeq ex xojv (ivi]fielcov fiexä xrjv eyegöiv
avxov elorjX&ov elq xrjv aylav xoXiv xai £ve<pavlG&i?Gav
jtoXXolq.
b. Quadratus ap. Eus. H. E. IV, 3, 2. p. 118, 26.
o tf avxoq [sc. o Koögäxoq] xr\v xa$ eavxbv dgxaioxtjxa
jtaoacpalveL, oV cov loxogel xavxa lölaiq cpcovalq' %xov 6e
GcoxrjQoq i)(icov xa eoya del jtaofjv, aXrj&ri ydg i]v, ol &e-
gaxevfrevxeq, ol avaGxdvxeq ex vexgcäv, ot ovx cocp&rjGav
fiovov d-eganevofievoi xai dvioxdfievoi , aXXa xai del xag-
ovxeq.
c. Epiph. Haer. LXXV, 7. p. 911 C.
xai GvveiGrjX&ov avxcö eiq xi]v aylav nöXiv.
d. Epiph. Haer. XL VI, 5. p. 395 B.
xai elotjXd-ov ovv avxcö elq xtjv aylav jtoXiv.
e. Eus. Dem. ev. IV, 12, 4.
[jcoXXd Gcofiaxa xcöv xexof,fit](ievcov dylcov dvloxavxo),
GvveXavvovxa avxcö elq xrjv aylav xai coq aXrjd-coq ov-
gavoxoXiv.
f. Cod. Bobbiensis ad Mc. 16, 4.
et descenderunt de caelis angeli, et surgent [1. surgentes] in
claritate vivi dei simul ascenderunt cum eo.
g. Exe. Theodoti § 18. ap. Clem. AI. p. 973.
o OcoxtjQ cocp&T} xaxicöv xolq dyye'Xoiq, öio xai emjyyeXloav-
xo avxov, aXXa xai xcö 'Jßgad/j, xai xolq Xoinolq öixaioiq
xolq ev xxi dvajtavöei ovoiv ev xolq öegiolq cocp&r). . . .
o&ev avaoxdq 6 xvgioq evqyyeXloaxo xovq öixalovq xovq
ev xfj dvajtavöei.
364 Aussercanoniscbe Paralleltexte zu Mt. und Mc.
h. Ign. ad Magn. IX, 3. p. 38, 4.
ov [sc. xov Xqioxov] xal ol 3CQ0<prjxai fia&Tjxäl ovxeq xm
xvsvfiaxi mq öiöaöxakov avxov jiqoöeöoxcov xal öia
xovxo, ov dixtzlcoQ dvifisvov, yragcbv tjysigsv avxovq ix
VEXQOJV.
i. Anaphora Pilati A. c. 8. p. 440 ed. Tischendorf.1)
axp&tjOav öe kv avxm xm g>6ßq> vexqoI dvaöxavxsq, a>q av~
xoV) otlovöaloi ifiagxvQiiö'av*), xal A)-ebt6v üvai bfÄßQad(i xal
*Iöaax xal 'iaxmß xal xovq öatöexa xaxQiaQxaq [xal Mmörjv
xal 7co/9]6), xovq JtQoxexeXevxrjxoxaq, [cöq (paoiv kxelvoil1)
jtQO xQiöxiliaiv®) xal jtevxaxoola>v kxmv [xal xXelöxot
jcoXXol, ovq xdya) eldov kv oat/iaxi (pavkvxaq}9).
k. Ephraem Syr. Cann. Nisib. Cann. 39, 4. Syr. Text p. 70 nach
Zahn, Forschungen I, 216.
Siehe, es wurden lebendig die Gerechten und gingen hervor.
Dass Mt. 27, 53 eines historischen Hintergrundes nicht entr
behre, beweist die interessante Parallele bei dem altchristlichen
Apologeten Quadratus, welche uns durch Eusebius erhalten
ist. Quadratus versichert in der dem Kaiser Hadrian i. J. 125
übergebenen Apologie, dass von den durch Jesum geheilten und
aus dem Tode wieder auferweckten Personen manche nicht nur
vorübergehend gesehen worden {mq>d-7jöav)^ sondern auch zu
seiner Zeit noch immer in der Gemeinschaft der Christen gegen-
wärtig seien (dsl jtaoovxeq)2). Es ist dies eine ganz nüchtern
gehaltene historische Nachricht, welche in erster Linie zur ge-
schichtlichen Beglaubigung der in den Evangelien berichteten
Wunderthaten Jesu dient, aber auch für unsern Text von
grossem Werthe ist. Denn speciell die Erwähnung der durch
Jesum vom Tod Erweckten geschieht mit Worten, welche in
mehrfacher Hinsicht an Mt. 27, 53 erinnern. Vgl. dvaöxavxsq
1) Recension B. hat folg. Varianten. 2) add. kwQCixörsQ. 3) deest.
4) deest. 5) oxi eföoftev. 6) deest. 7) deest. 8) SioxMtov. 9) xal Note
si'öofiev kv acä/xaxi <pavs(j(Dg.
2) Vgl. auch C. de Boor, Neue Fragmente des Papias, Hegesippus
und Pieriu8 in bisher unbekannten Excerpten aus der Kirchengeschichte
des Philippus Sidetes: üaniaq kv öevxkow Xoyio . . . laxogel . . . neol
xwv vnb xov Xqiotov kx vsxqcSv dvaaxdvxatv, öxi eo>q köoiavov !£a>v.
Texte und Untersuchungen V, 2. S. 170.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 27, 53. 365
(Quadr.) = ijyeQ&TjOav (Mt. 27, 52), ebenso mg>9-rjöav (Quadr.) =
evstpavtö&TjOav (Mt. 27, 53). Nach dem rectificierten Texte sagt
jnT Grunde Mt. 27, 53 ganz dasselbe, was in der Nachricht des
Quadratus enthalten ist. Denn nicht die Lesart des Textus
recepfcus: fisra rrjv eysQöiv avxmv ist die richtige, sondern
fiera r?]V sysQOiv avxov nach allen guten Zeugen (auch Cod.
Colbert, sowie Ciasca im Arabischen Diatessaron lesen: post re-
surrectionem ejus). Also gehörten nach dem ursprünglichen
Texte von Mt. 27, 53 selbst die Erscheinungen der aus dem Grabe
Erweckten gar nicht zur Schilderung des Todes Jesu, sondern
vielmehr in eine spätere Zeit, und zwar in eine ganz unabgegrenzte
Zeit, in die Zeit nach seiner Auf erweckung. Es scheint also
v. 53 ein historisch echter Nachklang der Todtenerweckungen
zu sein, welche Jesus vollbracht hat und von denen unsre
Evangelien nur einige Beispiele erzählt haben. Nur der erste
Evangelist ist es gewesen, welcher diese irgendwoher entlehnte
historische Notiz mit der Schilderung des Kreuzestodes Jesu
verknüpft hat. Der Cod. Bobbiensis dagegen verbindet, wenn
auch in undeutlicher Darstellung, dieselbe Sache (vgl. surgentes
mit dvaotavreg bei Quadratus) mit Mc. 16, 4, also nicht mit
dem Tode, sondern mit der Auf erweckung Jesu. Für diese Auf-
fassung finden wir bei Zahn (Forschungen I, 216) noch
mehrere Beispiele zusammengetragen. Vgl. Aphraates ed.
Wright p. 422, 4: „Als der Tod in Verwirrung (also) schrie,
da er sah, dass die Finsterniss anfing für ihn vertilgt zu werden,
und dass (Etliche) von den Gerechten, welche schliefen, auf-
standen, um mit ihm hinaufzusteigen." Doctrina Addaei ed.
Phillips p. 27 des syrischen Textes: „Und es geschah nicht
durch ein Menschenkind, dass die Rechtschaffenen und Gerechten
auferweckt wurden, sondern durch den, der von Anfang an die
Gewalt des Teufels verlieh." Ebenda p. 8: „Er machte Todte
lebendig durch seine Tödtung, und er stieg hinab allein und
stieg hinauf mit Vielen zu seinem gepriesenen Vater." Ebenda
p. 19: »Und als er ins Grab gegangen war, stand er auf und
ging hervor aus dem Grabe mit Vielen." Wesentlich eine ver-
wandte Anschauung muss den Texten des Epiphanius (övveio-
i)X&ov avtcp = eiorjX&ov ovv avtcp) und des Eusebius (ovv-
sXavvovta avtcp) zu Grunde liegen, da unter dem avtoq nur
der Auferstandene gemeint ist, überdem bei Eusebius die ayia
366 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Ale.
xoXig als das himmlische Jerusalem (ovoavonoXig) erscheint.
Aus den oben mitgetheilten Citaten bei Ignatius, aus den Ex-
cerptis Theodoti und aus der Anaphora Pilati ist zu er-
sehen, dass die dem canonischen Texte von Mt. 27, 52. 53 zu
Grunde liegende Notiz immer mehr im Sinne des Descensus
Christi ad inferos auf die alttestamentlichen Patriarchen und
Propheten bezogen und dadurch immer weiter ihrem ursprüng-
lichen historischen Sinn entfremdet wurde. Dabei ist noch auf
den schon von Zahn bemerkten Umstand hinzuweisen, dass die
ayioi des canonischen Textes in den aussercanonischen Parallelen
vielfach als öixatoi (Gerechte) bezeichnet sind. Man vgl. dazu noch
Ephraem, Ev. concord. expos. ed. Mosinger p. 250 cf. p. 257.
258: „Petris praeeepit et fissae sunt, et morti mandavit et justos
non impedivit, ad vocem illius ex sepulcris exire. .' . Multi justi
ad vocem domini ex inferis venerunt, pro uno multi ascenderunt."
Über die auch sonst vorkommende Gleichung von ölxaiog und
ayiog vgl. Aprapha S. 62.
Vorstehende Darstellung kann auch nach Entdeckung des
pseudo-petrinischen Evangelienfragmentes ungeändert zum Ab-
druck gelangen. Letzteres ist in seiner legendenhaften Auf-
erstehungsgeschichte sichtlich von Mt. 27, 51. 52 (welcher
Abschnitt bei dem Tode Jesu durch Pseudo-Petrus nicht
Erwähnung findet) beeinflusst. Die desfallsigen weiteren Er-
läuterungen sehe man daher bei Mt. 28, 2 — 4 nach, wohin der
ganze Stoff ursprünglich gehört.
Mt. 27, 62-66.
a. Ev. Pseudo-Petri v. 28—34.
v. 28. övvaxfrivxeq de oi yoafifiaxelg xal (paoiöaloi xäi
jtQSOßvTSQOi jtQog aXXrjXovg — , v. 29. tyoßrj&qoav xal
i/X&ov xobg üeiXäxov öeofisvoi avxov xal Xiyovxeg'
v. 30. xaoadog r/filv oxoaximxag, iva g)vXä§a>(iep xo
/ivrjfia avxov tjtl xotig rj(i[ioag], fifjjcoxe iX&ovxeg ol (ia-
&?)xal avxov xXtipatöiv avxov, xal vjtoXaßy o Xabg
oxi ex vEXQciv dvsoxi], xal noitjoaioiv yfilv xaxd. v. 31. o de
IJeiXäxog Jtaoadtdoixsv avxolg üexqcoviov xbv xsv-
xvo'ioova (i£xd OTQaxtmxcäv (pvXdoouv xov xäpov, xal
cvv avxolg tjX&ov JiQeoßvxsQoi xa) ypa(j[iaxelg snl tb
Texte und Untersuchungen zu Mt. 27, 62—66. 367
/ivfjfia, v. 32. xal xvXioavxsg Xifrov fiiyav xaxa xov xsv-
xvQioavog xal xo3v GxQaxtmxmv 6fiov xavxeq ol ovxeq
exet e&tjxav ejiI xf] &vqg xov {ivrj/iaxog v. 33. xal ejcexqi-
Gav tjtxd o<poaylöag xal Gxrjvrjv exet jcrj§avx£g £<pvXa£,av.
v. 34. JtQcoiag de lni<pa>Gxovxog xov oaßßdxov r)X&£v oxXog
cuio IegovoaXrjfi xal xrjg jzeqixcoqov, iva löcooi xo (ivrjfiElov
eöpgayiOfievov.
b. Acta Pil. B. XII, 2. p. 315.
ovxco xolvvv xrjg jiaoaöxEvrjg xsXEGd-EiGrjg, xm öaßßäxcp
xqcoi dxrjX&ov ol 'Iovöaloi JtQog xov UiXäxov xal el-
nov avxqj' xvqie, 6 JtXdvoq kxslvog eIjcev oxi fiBxd
xQElg tjfitQag dvaGxrJGtxar (irJTtaig ovv ol fia&rjxal
avxov vvxxog xXtipmGiv avxov xal jtXavrjocoGi xov
Xaov ixl xm xoiovxw ipsvöei, xeXevoov xrjQEZG&ai xov
xdcpov avxov. 6 üiXaxog ovv etil xovxm jiaosöcoxEV
avxolq öxoaximxag jtevxaxooiovg, oi xal hxd&iGav xeqI
xov xdcpov, mOxE xtjqeIv avxov, d-Efisvoc xal Gtpoaylöag
etu xov Xi&ov xov fiVTjfiaxog.
c. Mt. 27, 62—66.
xfi ös EjcavQiov, Tjxig koxlv ytExd xrjv xaoa6XEvr)v, ovv-
r\x&r\<iav ol aQxisQEtg xal ol cpaQiGalot ütQog ÜEiXäxov
XiyovxEg' xvqie, ifivrjo&rjfiEV oxi sxstvog 6 xXdvog
eIxev Ixt £c5v fiExd xQElg r)ne,Qag kyEiQOfiai. xeXevoov
ovv aGfpaXiöfrijvai xov xdcpov seng xrjg XQixrjg rjfisQag,
(ir)jtoxE kXfrovxEg ol fiad-r/xal xXirpmGiv avxov xal
EiJtoyöcv xqj Xacö' *}y£Q&r] dno xcöv vexqo5v, xal loxai r)
koyäxr) jiXdvrj x^QMV xT]g jtQmxrjg. Ecpr] avxotg 6 IIei-
Xaxog' Eytxe xovoxcoöiav vjtdyexs, aG<paXioao&E a>g otöaxe.
oi ös xoQEv&tvxEc rjötpaXioavxo xov xdcpov, GcpQay'iGavxsg
xov Xi&ov fiExd xrjg xovoxmöiag.
d. Just. Dial. c. Tryph. c. 108. p. 335 C.
xrjQVGOovxag (sc. xovg 'iovöaiovg) oxi aiQEOig xig d&sog xal
avo/iog syryyEQxai djto 'Jrjoov xivog raXiXaiov jtXdvov.
e. Test. XII patr. Levi c. 16.
xal avÖQa avaxaivonoiovvxa xov vofiov ev övvdfjEt vtpioxov
JtXaVOV JtQOöayOQEVOEXE.
f. Just. Dial. c. Tryph. c. 69. p. 296 A.
xal yaQ fidyov slvtxi avxov IxoXfjarv Xsyscv xal XaojiXdvov.
368 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Die Perikope Mt. 27, 62 — 66 gehört ebenfalls zu den sekun-
dären Stoffen jerusalemischer Tradition, welche der erste Evan-
gelist weder aus dem Marcusevangelium noch aus dem Urevan-
gelium geschöpft hat, wie solches schon aus dem Sprachcharakter
dieses Abschnittes hervorgeht. Dass im Petrus fr agmente
„dieselbe Geschichte nicht nur im Umriss, sondern auch in allen
einzelnen Th eilen bis auf Satz und Wort, nur hie und da er-
weitert und umgestaltet, vor uns liegt, ergiebt sich auf den ersten
Blick". In diesem Urtheil stimme ich mit v. Schubert (S. 83)
vollständig überein, sodass ich mich auf dessen nähere Aus-
führung dieses Urtheils (S. 83 ff.) beziehen kann.
Die Erwähnung des nlavoq, dieses nur dem ersten Evan-
gelium in seinen secundären Partien eigenthümlichen Ausdrucks,
bei Justin und in den Testamentis XII patr. ist ein sicheres
Kennzeichen der Bekanntschaft mit dem evayyiXiov xatd Max-
&alov. Ebendaher stammt derselbe Ausdruck jtXdvoq in der
Pilatus-Literatur. Dagegen die in dieser Literatur noch häufigere
Bezeichnung Jesu als [tdyoq (vgl. Gesta Pil. 11, 1. p. 344: Num-
quid non diximus tibi quia magus est? — Act. Pil. B. II, 3.
p. 292: 6 Xaoq oXoq fiagrvgel on (layoq kcxlv — Ibid. III, 1.
p. 293: d ovx ijv ovroq yorjq xal fidyoq xal ßXaö<pr]tuoq xxX.
Ibid. I, 1. p. 288: fiaysiaig 6h xQm(isvoq xoiel xavxaq sc. laxQslaq),
worin Justin mit der Pilatus -Literatur zusammentrifft, findet
sich im ganzen N. T. nicht. Folglich wird das fiayoq bei Justin
(Dial. c. 69) aus den von ihm benützten Pilatus-Akten stammen,
während ebenda XaojtXavoq eine johanneische Reminiscenz ist
Vgl. Joh. 7, 12: jcXava top oxXov. — Die von der Tradition der
Pilatusakten, welche (vgl. Act. Pil. B. XI, 1. p. 309) den Namen
Aoyylvoq bieten, in dem Petrusfragmente abweichende Benennung
des Centurio „Petronius" ist, wie der apokryphe Name der „Pe-
tronella", einer angeblichen Tochter des „Petrus", dem Namen
des Apostels nachgebildet. Vgl. Swete, The Akhmim Fragment
p. 15 und den daselbst gegebenen Hinweis auf Lightfoot; Cle-
ment I, 37 bezüglich der Petronella. Auch die Notiz aus den
Actis Sanctorum (Hermione, 4. Sept.), welche Robinson p. 24
citiert, wonach es einen Petrusschüler Namens „Petronius" gab,
gehört hierher. Bezüglich der tJträ otpQayldsq denkt man an
Apoc. 5, 1 ff. und an den Xi&oq mit den Inxa 6g>&aX[ioi Sach. 3, 9.
Wegen der Versiegelung des Steins überhaupt vergleicht Nestle
Texte und Untersuchungen zu Mt. 28, 2—4. 369
(Ev. K.- u. Schulblatt für Württemberg 1892 No. 32) Dan. 6, 17
LXX: xal fjvtyxav XLfrov, xal ext&rpcav tJtl xo Gx6tua xov
Xdxxov, xal eG<pQayiGaxo o ßaGiXevg iv xcö ÖaxxvXico avxov
xxX. Nestle glaubt, dass diese alttestaraentliche Stelle für Mt.
27, 66 in ähnlicher Weise wie Dan. 12, 2 für Mt. 27, 53 mass-
gebend geworden sei.
Mt 28, 2-4.
a. Mt. 28, 2—4.
xal löov oeiG/iog eyevexo fteyag' ayyeXog yan xvqIov
xaxaßdg e§ ovoavov xal jioooeXfrcov dxsxvXiGev xov
Xi&op xal ixad-ijxo Inavco avxov. ijv de ?/ tlöea av-
xov coq aGxQajcij, xal xo evövpa avxov Xevxbv mg ^wv.
äjto de xov g>6ßov avxov eoeio&?]Gav ol xrjQovvxeg xal
kysvrj&rjGav mg vexQoi.
b. Acta Pil. A. XIII, 1. p. 254 sq.
xal djt/jyyeiXav Xiyovxeg xolg doxiGvraycayoig xal xolg
leoevGt xal xolg Xevixaig xd yeyovoxa' xo ncog eyevexo
GstGfiog (iiyag, xal eiöo^ev dyyeXov xaxaßävxa e§.
ovoavov, xal dxexvXiGev cor Xi&ov dito xov Gxofiaxog
xov GJi7]Xaiov xal ixdfriGev hnavm avxov' xaleXatutyev
coGel zta\v xal mg aGxoajttj. xal tjiueig jioXXä cpoßtj-
&tvxeg exeifiefra cooel vsxqoL
c. Acta Pil. B. XIII, 1. p. 316.
GsiGfiog kyevexo nomxov' eha ayyeXog xvgiov aGxga-
jirjcpöoog eX&a\v e§ ovgavov kxvXtGe xov Xid-ov Ix
xov {tvtjfieiov xal ixdfriGev endvco avxov' xal djcb xov
(foßov avxov sytvöfis9-a jidvxeg ol Gxgaxicoxai atg ve-
xQoi, xal ovxe cpvyelv löwd^ieda ovxe XaXijoai.
d. Cod. Bobbiensis ad Mc. 16, 4.
subito autem ad horam tertiam tenebrae diei factae sunt per
totum orbem terrae, et descenderunt de caelis angeli,
et surgent in claritate vivi dei simul ascenderunt cum eo,
et continuo lux facta est.
e. Ev. Pseudo-Petri v. 35—44.
v. 35. r# öe vvxxi, ?/ ejte'ipcoGxev rj xvoiaxr) , cpvXaGGov-
xcov xo3v Gxoaxtojxojv dvä ovo ovo xaxä cpnovoav tue-
ydXr/ cpcovt) iytvtxo ev xcö ovnavcö, v. 36. xal elöov avoi-
X&evxag xovg ovoavovg xal ovo dvögag xaxeX&ovzag
Texte u. Untersuchungen X, 2. 24
370 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
ixslfrev stoXv <ptyyoq exovxaq xal iyyloavxaq xcö xdgxp.
v. 37. 6 de Xi&oq ixelvoq o ßeßXfjfitvoq im xfj &voa d<p
havxov xvXio&elq djt£XG>Qr)öe naod (tt'ooq, xal 6 xdq)oq
rjvoiyr/, xal dfnpoxeQot ol veaviaxoi döijX&ov. v. 38.
löovxsq ovv ol oxQaxiwzai kxelvoi igvxiuoav xov xsv-
xuqlcovo xal xovq jtgeößvxsQOvg' jtaorjoav ydo xal avxol
<pvXdöoovxeq' v. 30. xal i£?]yoi\utva)v avxaiv a siöov Jta-
Xiv ooäioiv igsXfrovzaq djro xov xcapov cnelq avögaq, xal
xovq ovo xov tva vjtogdovvxaq xal oxavQov axoXovftovvza
avxolq, v. 40. xal zcov (tkv ovo xijv xtrpaXijv x°>Q0V6av
ftiXQi xov ovoavov, xov öh yuoayoiyovfttvov vx avxaiv
vjregßaivovoav xovq ovoayovq, v. 41. xal (pcoyt/q tjxovov
ix xdJv ovQav(ov Xeyovörjq' ixi'jQvgaq xolq xoi{ta>fit'voiq;
v. 42. xal vjiaxof} /jxovexo djto xov oxavpov. öxi vai. v. 43.
ovvtGxtxxovxo ovv aXXrfioiq ixelvoi djceXOslv xal ifi<pa-
vlöai xavxa xcö IluXdxm. v. 44. xal ext öiavoov/JbvoDV
avxäv fpaivovxai jtaXiv dvocjfeevxeq ol ovoavol xal dv-
frgcojioc xiq xaxeX&wv xal eloeX&oiv slq xo iivtjfia.
f. Ephraetui Syr. Serra. VI in hebd. sanct. c. 21. ed. Lamy 1,514.
Jesus ipse solus portans signum crucis, baculuni quo crea-
turas regitr in inferos . . . perrexit. Qu um autern resurrec-
tione exivit, mortui cum eo e pulvere surrexerunt, et qui
in sepulcro inde ab antiquo obdormierant, a somno ex-
citati sunt.
g. Dict. Christ. Antiqu. Vol. I. p. 497. (Robinson and James,
The Gospel according to Peter p. 27.)
our Lord in glory Stands by et Supports a large cross, hav-
ing the angels Michael and Gabriel on either hand.
h. Anaphora Pil. A. c. 9. p. 440 sq.
xal (oGiiEQ ös doxgajtal a<pva> %ti{id5voq ijrtQyovxai,
ovxojq dvögeq itpaivovxo vtprjXol Iv öxoXy xal ö6§y
vJtdgyovxsq, jtXrj&oq dvaglfrfi7]xov* xgd^ovxtq, a)v ij <pa>vr)
rfxovi.ro mojctg ßgovxtjq xafifieyt&ovq' o Oxavgat&eig dv-
eöxt] I))öovq' aveX&axE it- äöov ol öeöovXay/ievot iv xolq
xaxax&ovloiq xov aöov. xal rjv xo #a<74tfa xTjq yrjq toq fit/ ov-
xcav ldgaöfidza>v aXX ovxoq rjv coq avxd xd ftsfieXia xfjq
yrjq fpavfjvai (iexo. xcöv ßomvxcov iv xolq ovgavolq xal
Texte und Untersuchungen zu Mi 28, 2—4. 371
jcegixaxovvxwv ev öcofiaxt ev fteO(ptxo)v dvaöxdvxmv
vsxqcov. 6 de dvaoxrjöag jcdvxag xovg vexgovg xal ovv-
örjöag xbv dörjv eXeyev xxX.
i. Anaphora Pil. B. c. 8. p. 447 sq.
xal mg doxgajtal yu^imvog ejtegxovxai, ovxcog dvögtg
vtyqXoi xiveg xoOfit'jOecog öxoXJjg xal öö^Tjg dvexöiyyrjxov
vjuxQXorxsg eqpaivovxo ev xm aegi, xal JtXrjfrog dvagl&fiT}-
xov dyyeX.cov xga^ovxov xal Xeyovxmv 66§a ev vtpioxotg
&e(» xal €Jtl yijg elgtjvi], ev avfrgmjcoig evöoxia' dveX&axe
Ig aöov, ol öeöovXcofte'voi ev xolg xaxay&ovioig xov aöov.
ex de xijg cpmvrjg avxojv jtdvxa xa ogrj xal oi ßovvol
eöaXevovxo xal jiexgai öieggrjywvxo , xal yäofiaxa eyi-
vovxo fieydXa ev xij yij , ojöxe xal xa x?]g dßvooov <pa-
vfjvai.
k. Ibid. c. 9. p. 448.
xal Tceotenaxei Jtäv xXijfrog xal dvvfivsi xbv &eov fiexä
<fjCov7}g [ieyäXrjg Xiycov o cvaöxdg ex xoZv vexgcöv xvgiog
o &eog q(io5v jcdvxag xovg vexgovg e£a>ojtoif)Oev , xal xov
aörjv övX/jöag ivexgmoe.
1. Narratio Josephi IV, 3. p. 468. ed. Tischendorf.
tfxovöafiev yag xov jioirjxr/v ovgavov xal yijg xal xaorjg
xxiöea>g djcb vipovg evÖTjftijOavxa eig xa xaxatxega ntgr)
xrjg yrjg ötd xov xgwxojiXaöxov 'Aödfi. xov oxavgov yag
&eaod[ievot xbv dxgavxov öid xov Xrjöxov doxgdxxovxa,
ejixaxXdoiov xb <peyyog xov i]Xiov djtoöxiXßovxog, xgöfiog
eyivexo £<py i)[iäg, xaxax&ovia>v ßgaapcv eöxqxöxag, xal
<pa)viij fieydX?] ol Xeixovgyol xov aöov dpa ijftlv Xeyovxeg'
dyiog, dytog xxX.
Der Abschnitt Mt. 28, 2—4 gehört in Verbindung mit Mi 27,
52. 53 zu denjenigen secundären Partien des ersten Evangeliums,
an welche eine besonders reiche apokryphe Legendenbildung sich
angesetzt hat. Der enge Zusammenhang zwischen Mt. 28, 2 — 4
und Mt. 27, 52. 53 wird nicht blos durch den apokryphen Zusatz
des Cod. Bobbiensis zu Mc. 16, 4 (vgl. Agrapha S. 454) und durch
die oben zu Mt. 27, 52. 53 gegebenen Erläuterungen, sondern
weiterhin durch die vorstehend zu Mt. 28, 2 — 4 abgedruckten
24*
372 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
aussercanouischen Texte offenbar, in welchen der Descensus Christi
ad inferos, die Hadespredigt und die mit Christi Auferstehung ver-
bundene Auferweckung der x€xotftt]tuivoi, die Hauptrolle spielt.
Man vgl.
Mt. 27, 52: jioXXa o<6(iaxa xatv xexoifirjiievcov
aylcov i]ytQ&9}Gav.
Ev. Ps.-Petr. v. 41: tycovfjc ?jxovov ix xcov ovQavmv Xs-
yovöijg' exrjQv^aq xotg xoificu-
fitvoiq;
Anaph. Pil.: // qxovrj ?)xovexo' avtX&axe &j äöov.
Cod. Bobb.: surgentes in claritate vivi dei simul
ascenderunt cum eo.
Ephraem: mortui cum eo e pulvere surrexerunt
et qui in sepulcro . . . obdormie-
rant.
AphraatesS. 351 ed. Bert: einige schlafende Gerechte erheben
sich, um mit ihm aufzufahren.
Diese Vorstellung von der Hadespredigt scheint ihre älteste
Stütze gehabt zu haben in dem bereits zu Mt. 27, 9. 10 bespro-
chenen apokryphen Jeremiabuche, aus welchem wir das
hierauf bezügliche Citat bei Justin einmal im — etwas ver-
derbten — griechischen Texte, bei Irenaeus fünfmal in vari-
ierender lateinischer Übersetzung besitzen. Die bei Irenaeus
hierfür in Betracht kommenden Citationsformeln sind folgende:
Iren. IV, 22, 1: Sicut Hieremias ait —
V, 31, 1: Quemadmodum propheta ait de eo —
IV, 33, 12: Alii autem dicentes —
IV, 33, 1: fehlt die Citationsformel —
III, 20, 4: Esaias ait —
Dass in der zuletzt erwähnten Citation ein Irrthum des
Irenaeus vorliegt, kann aus Justin mit Bestimmtheit constatiert
werden. Denn dieser leitet den griechischen Text des Citats
(Dial. c. 72. p. 298 B) mit den Worten ein: xal ajtb xmv Xoyotv
xov avxov (IeQ£filov ofiolmz xavxct necHtxoipav sc. ol Iov-
öaloi, indem er also damit feststellt, dass in dem bei den Juden
gebräuchlichen canonischen Jeremiabuche das bezügliche Citat
nicht nachzuweisen sei. Der Wortlaut dieses die Hadespredigt
betreffenden Apokryphon ist aber folgender:
Texte und Untersuchungen zu Mt. 28, 2 — L 373
Just. Dial. c. 72. kfivrjöd-i] de xvgiog 6 d-sog cbiö [1. aytog]
'löQarjZ xcov vsxqcöp avxov, xmv x£xoi(/7][ieva>p elg yijv
X<o(iaxoq, xal xaxt'ßf] jcQog avxovg evayyeZioao&at avxolg
xo GcoxfjQiov avxov.
Iren. III, 20, 4. et commeraoratus est Dominus sanctus Israel
mortuorum suorum, qui dormierant in terra sepultionis, et
descendit ad eos evangelizare salutem quae est ab eo, ut
salvaret eos.
Iren. IV, 22, 1. recommemoratus est Dominus sanctus Israel mor-
tuorum suorum, qui praedormierunt in terra defossionis [aL
depositionis] , et descendit ad eos, uti evangelizaret eis sa-
lutare suum, ad salvandum eos.
Iren. IV, 33, 1. et recommemoratus mortuorum suorum, qui ante
dormierant, et descendens ad eos, uti erueret eos et salva-
ret eos.
Iren. IV, 33, 12. rememoratus est Dominus sanctus mortuorum
suorum, qui praedormierunt in terra limi, et descendit ad
eos, uti erigeret, ad salvandum illos.*
Iren. V, 31, 1. commemoratus est Dominus sanctorum mortuorum
suorum, eorum qui ante dormierunt in terra sepelitionis, et
descendit ad eos, extrahere eos et salvare eos.
Abgesehen von der Verschiedenheit der Übersetzungsvarian-
ten und der mehrfachen Textkürzungen in den lateinischen Ci-
taten, scheinen doch auch im griechischen Texte verschiedene
Lesarten vorgelegen zu haben. So fehlt in den drei letzten
Irenaeus-Citaten das in den ersten Citaten zu lesende evangelizare,
welches dem svayyeZiöaö&ai Justins entspricht. Ferner scheint
Irenaeus anstatt des xexotft7jfiiva)v Justins jtQoxexoitu!j(ieva>v
gelesen zu haben, wie auch Hermas, welcher allerdings die
Hadespredigt und sogar eine Taufe im Hades durch die Apostel
geschehen lässt. Vgl. Herrn. Sim. IX, 16, 5 p. 232: ovxoi 01 aoiö-
0x0X01 xal 01 öiödöxaZoi ol xrjQv^avxeg xo ovofia xov viov
xov &eov, xoiurjfrtvxeg hv 6vvaf/si xal jtioxst xov viov xov
&eov, txi'iQv£,av xal xolg JiQoxexoifirjfAivoic, xal avxol
söooxav avxolg x/]v öcpoaylda xov x/jovy^axog. Die Lesart, äno
ist, wie die lateinische Version sanctus zeigt, aus aytog (AFIO —
AHO) verderbt. Sehr merkwürdig ist dagegegen bei Irenaeus
(V 31, 1) die Variante sanctorum mortuorum suorum, nicht blos
374
Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
weil sie von sämintlichen übrigen Citaten abweicht, an dieser
Stelle aber von allen Codices vertreten wird, sondern namentlich
auch deshalb, weil diese Textgestalt völlig mit den xexoi/Jtjjjevov
dyloov in Mt. 27, 52 zusammentrifft, also den Einfluss des Jere-
miasbuches auf den ersten Evangelisten, wie solcher schon
Mt. 27, 9 zu constatieren war, auch an dieser Stelle noch stärker
hervortreten lässt. War dieses aussercanonische Jeremiabuch
älter als das erste canonische Evangelium, so wird seine Ein-
wirkung wohl auch 1. Petr. 4, 6 in den Worten: xal vexgoic
evrjyyeXlöB-rj (vgl. xäv vexgwv — evayyeXloao&at im obigen Ci-
tate) und 1. Petr. 3, 19 (vgl. oben xaxtßq jigog avxovg) zu er-
kennen sein.
"Wenn die Existenz dieser Schrift bis ins erste Jahrhundert
zurückverfolgt werden kann, so zeigen sich Spuren der Bekannt-
schaft mit diesem Buche auch noch am Ende des vierten und
am Anfang des fünften Jahrhunderts. Nicht nur dass, wie wir
zu Mt. 27, 9 sahen, Hieron vmus davon Kunde besass und
Epiphanius es als jtgotprjxtjq citierte, auch Gregorius von
Nyssa ist es, der es kennt und gebraucht. In seiner Schrift
Testim. adv. Jud. p. 309 ed. Zacagni citiert er unter dem Namen
'lege ft lag folgendes Apocryphon: xal jtdXtv xal xoxe xavxa
ovvxeXeo&rjöexat , Xtyei xvgioq, oxav £vXov gvXcov (1. £vXa>)
xXi&ij xal dvaoxfj, [xal] oxav ex gvXov aif/a oxä&i — , eine
Stelle, welche für das gegenwärtige Untersuchungsobjekt, na-
mentlich im Hinblick auf den oxavgov dxoXov&ovvxa im Petrus-
evangelium, von Wichtigkeit ist, eine Stelle, deren Benutzung
aber auch bereits durch Barnabas (96— 125) und den Redaktor
der Esra-Apokalypse (95) constatirt werden kann. Wir lesen
bei Barn. XII, 1. p. 52: o/ioicoq xctXtv Jtegl xov oxavgov ogi^ei
kv aXXq> xQorprjxy Xtyovxf xal nöxt xavxa ovvxeXeo&ijöexai ;
Xeyei xvgwg' oxav t-vXov xXi&ij xal avaöxi], xal oxav
ex £vXov a'ifia oxäget, und 4. Esr. 5, 5: et de ligno san-
guis stillabit = xal ex gvXov alfia Gxaget. Wir können
demnach den Gebrauch des aussercanonischen Jeremia in fol-
gender Weise constatieren : Mt. 24, 9. 52 (vielleicht auch 2, 23);
1. Petr. 4, 8; 4. Esr. 5, 5; Barn. XII, 1; Herrn. Sim. IX, 16, 5, Just.
Dial. c. 72; Iren. HL 20, 4; IV, 22, 1; IV, 33, 1. 12. V, 31, 1; Ev.
Ps.-Petr. v. 39—42; Gregor. Nyss. Test. adv. Jud. p. 309. 313. 314;
Epiph. Haer. XXXVIII, 7; Hieron. ad Mt. 27, 9; Anaph. Pil. c.8.9
Texte und Untersuchungen zu Mt. 28, 2—4 375
(wahrscheinlich auch Didasc. VI, 14 vgl. nachstehende Fuss-
note).
Diese aas der Urzeit der Kirche herüberragende Schrift be-
sass, obwohl in das Gewand alttestamentlicher Prophetie einge-
kleidet, bereits einen entschieden christlichen Charakter und
ist eine thatsächliche Widerlegung der Ansicht, welche sich die
ältesten Christen ausschliesslich als „illiterati" denkt und des-
halb die vorpaulinische Existenz des Urevangeliums für eine
Unmöglichkeit erklärt. Denn wenn man bereits vor dem Jahre
70 im Stande gewesen war, christliche Gedanken im Gewände
alttestamentlicher Prophetie auftreten zu lassen, so muss man
schliessen, dass noch viel früher diese neuen Gedanken in
historischer Darstellung fixiert gewesen sein müssen. Durch-
aus christlich-paulinisch , obwohl schon im Deuteronomium an-
klingend, ist folgendes Fragment aus dem Jeremiabuche,
welches uns ebenfalls Gregor von Nyssa mittheilt (p. 313 ed.
Zacagni): xal näliv n£(.nx£[iv£ö&£ xrjv xagdiav Vficöv xal
fit} xi)v Gagxa xrjq dxgoßvoxiaq vftwv — und bald darnach
(p. 314): leQe/iiag' xal jc£qlx£(iveö&£ xcö d-tcö xi)v axoo-
ßvoxlav xrjq xaQÖiaq vficov1) — wozu man vgl. Col. 2, 13:
dxooßvaxla xrjq oaoxoq und Rom. 2, 29: jceqizo(it} xap-
öiaq kv jcv£v(iaxt. Aber namentlich auch das von Gregor
und vor ihm 3chon von Barnabas citierte Fragment redet vom
Kreuze, jceqI xov oxavoov, wie Barnabas sagt, mit einer Be-
stimmtheit, welche in vorchristlicher Zeit nicht denkbar gewesen
wäre. Nur ist bei Barnabas gerade dasjenige Wort, welches
das Bild des Kreuzes vervollständigt, in Wegfall gekommen.
Der Ausdruck oxav gvlov xlc&jj ist unverständilch, ebenso wie
mehrere Codices bei Gregor Nyss. lesen: oxav t-vZov gvZ&v
1) Man vgl. dazu Didasc. VI, 14 p. 327: neQtxfi^&tjrf yäp, <ptjoiv.
xw &£<p vfitäv xai' ntQixifivtu&e xt/p äxQoßvaxiav xTjq xaQÖiaq vfuöv.
Das erste Citat ist wörtlich aus Jerem. 4, 4: njmb !&sn = LXX: itiQafi^Q^jxe
raJ &£<p vfjiäiv entnommen. Das zweite findet sich bei dem canonischen Jere-
mia nicht. De Lagarde vergleicht dazu Deut. 10, 16: nsaal; nV-? r» arV»*,
wo aber die LXX übersetzen: xal nsgusfzeia&e xr\v axkrjQoxaQÖiav vfxüiv.
Der Redaktor der Constitutionen hat (p. 175, 1) beide Citate (jedoch
fehlt das <pr]oiv in verschiedenen Handschriften) herübergenommen und
das erste Citat so gestaltet: nsQiXfAi'j^rjxe yaQ rr)v xagöiav v/uaiv xü> 9eä>.
Wahrscheinlich hat der Verfasser der Didascalia das zweite Citat aus
dem griechischen apokryphen Jeremiabuche.
376 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
xXi&tj. Erst durch den Cod. C in der Bibl. Anibros. wird der
richtige Text gewonnen: orai> §vXov §vlco xfafry = «wenn ein
(Kreuzes-) Holz in das andre sich fügt", so stellen beide Hölzer,
in einander geneigt, das Kreuz in seiner Vollständigkeit dar, und
wenn von diesem Kreuze das Blut tropft (oxav ex §vXov aifta
Gxdt-ei), so ist die Vollendung {xavxa GvvxeXeG&t} Gerat) vor-
handen. Aber mit diesem Kreuze wird in dem Jeremiabuche
— und das ist für unser Untersuchungsobjekt an dieser Stelle
von grösster Wichtigkeit — nicht blos das Leiden (alfiä) Jesu,
sondern auch die Aufersteh ung verknüpft: xal ävaGxrj. Das ist
ja auch im Evangelium Pseudo-Petri der Fall. Die Zeugen
schauen dort, wie dem ans dem Hades Auferstehenden das Kreuz
nachfolgt (oqcögiv gxovqov äxoÄovfrovvxa) , wie das Kreuz
also selbst mit aus dem Hades aufersteht. Denn dass
das Kreuz mit Jesu im Hades gewesen sei, wird von Pseudo-
Petrus deutlich vorausgesetzt, da auf die Frage: txrjQv^aq xolq
xoificofjevoig: von dem lebendig gewordenen Kreuze die be-
jahende Antwort Cöxi vai) ausgeht.1) Sowie der Schacher, der
begnadigte, mit dem Kreuze im Hades erscheint (Acta Pil. Pars IL
c. 10: ßaoxäC.cov ejtl xwv a>[icov Gxavnov), ja in das Kreuz ge-
kleidet ist (Narr. Josephi c. 3. p. 470: xov öxavQov i}fi<pieö[ievo<;\
so pflanzt Jesus das Kreuz, welches er bei seiner Hadesfahrt
trägt (Ephraem: portans signum crucis), in der Mitte des Hades
auf (Descensus Christi ad inf. c. 10 p. 430: posuit crucem suam
in medio inferni), um durch das Holz des Kreuzes alle Todten
zu erwecken (Desc. Christi ad inf. c. 8. p. 330: öia gvlov xov
oxavQov Jtdvxac, . . . dviGxcöv). Dem entsprechend hat, als
1) Es ist zu beachten, dass zu dem Texte des pseudopetrinischen
Fragmentes v. 42: xal vnaxoij t]xovexo and xov axavoov, oxi vai — und
zu der Bedeutung „Antwort" = vnaxor\ in den üsoiödoiq xäv ayitav dno-
oxo'kwv (nach Mansi XIII, 1G9 = Zahn, Acta Joannis p. 220, siehe oben
S. 41 ff'.) sich eine Parallele findet in dem Gebrauch des vnaxoifiv zur
Bezeichnung des liturgischen Antwortens. Jesus versammelt dort im Kreise
um sich seine Jünger, um mit ihnen zu beten. Dabei fordert er sie auf,
die einzelnen Gebetsworte mit ihrem ufir,v zu „beantworten": Zv ftiooj 6h
avxoq ytvöfievoq h'J.eye xo d/urjv vTtaxoiexe fioi. i}ol;aro ovv v/xvelv
xal ?Jyeiv öö£a aot, näxeo. xal tjfisig xvxXivovxeq vntjxovofiev avxtö
xo afxriv. Das vai des Petrusevangeliums in der vnaxotj dnb xov axavoov
ist mit diesem dyii\v in den vnaxovuv, den Antworten der Jünger, sprach-
lich identisch. Vgl. dazu oben S. 97.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 28, 2—4. 377
die Zeugen der Auferstehung das Kreuz schauen wie es Christo
bei seiner Auffahrt aus dem Hades nachfolgt {oqgkjiv oxavgbv
äxoXovfrovvxa), sich erfüllt, was das aitchristliche Jeremiabuch
verkündet: oxav B,vXov avaoxy.
In der Anaphora Pil. wird die Hadesfahrt vermittelt ge-
dacht durch eine ungeheure Kluft (ydöfia vgl. Lc. 16, 26), welche
in der Erde sich aufthut, und durch welche Christus mit den
aus dem Hadesschlaf Erweckten auffährt, — eine Kluft, welche
andrerseits die ungläubigen Juden in derselben Nacht verschlingt.
Vgl. Anaph. Pil. A. c. 10: xcöv de 'Iovöaicov jtoXXol sfravov
sv xcp ydokuaxi xfjg yrjg xaxajroß-svxsg — B. c. 10: xwv 6s
'iovöaiwv xoXXol äjctfravov xal xax£Jcovxi6&?]6av xccl xaxs-
xofrijoav xolg yäöfiaoiv hv xy vvxxl ixs'tvy. Das Petrus-
evangelium hat diesen Vorgang in die Nacht des Kreuzigungs-
tages verlegt, als die Sonne nicht schien und die Juden, in der
Meinung, es sei Nacht, mit Fackeln umhergingen. Vgl. v. 18:
jcSQtygyovxo ös jcoXXol (Jsrd Xvyvcov vofil^ovxsg 6x1 vvg
söxiv xal loisoavxo. Dass dies derselbe Vorgang ist wie der
in der Anaphora Pil. geschilderte, zeigt sich auch darin, dass
dort gleichfalls die Lampen augezündet werden (Anaph. Pil. B.
c. 7: rjipav Xvyv'ovg an 6 txxyg atoac tcog oiplag) und dass
dort der Untergang der Juden ausdrücklich eine Jtxcoöig ge-
nannt wird (Anaph. Pil. A. c. 7: xy xovxcov jcxcqgei — c. 10:
xy jcxcoösi txeivy sc. jtaoai al ovvayoyal xwv 'fovöaimv al
ysvofisvat xaxä xov 'IrjOov xaxsjtovxio&yoav vgl. B. c. 10), wo-
durch das tJtiöavxo des Petrusfragmentes seine Erklärung
findet. (Ahnliche Umschaltungen hat ja der Redaktor des Petrus-
evangeliums sogar mit canonischen Stoffen vorgenommen, z. B.
Mt. 27, 24b — Ps.-Petr. v. 46, Mt. 27, 25 == Ps.-Petr. v, 17, Mt.
27, 57. 58 = Mc. 15, 43 = Lc. 23, 50—52 = Ps.-Petr. v. 3—5»
wie viel mehr konnte das in den legendenhaft-apokryphen Stoffen
der Fall sein!)
Legendenhaft ist auch die Gestalt des Auferstandenen dar-
gestellt: xyv xscpaXyv vjisoßaivovöav xovq ovgavovg (vgl.
vtyqXoi — Anaph. Pil. c. 9 und fityioxov Soxs xyv xoQV<pr}v fW
oxs fityQig ovgavov — in den IJtQioöoi xSv äylmv djtoöxoXmv
vgl. oben S. 42), man möchte sagen apokalyptisch (vgl. Apoc.
10, 5: soxojxa exl xtjg &aXdööyg xal im xyg yijg, t)osv xt)v
X£?(>a avxov xyv öegidv slg ovgavov — Herrn. Sim. IX,
378 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
6. 1. p. 206, 29: xäl dq xo fitoov äv/jQ xiq vtpijXbg xcö ueye&ei.
Sors xov Jtvgyov vjtegtxnv — 4. Esr. 2, 43: et in medio eorura
erat juvenis statura celsus, eminentior omnibus illis).
Legendenhaft, fantastisch, schemenhaft ist dann auch das
Auftreten dieser Riesengestalt. Sie kann nicht selbstständig
gehen, sie wird gestützt und au der Hand geführt von zwei an-
deren Riesengestalten, unter welchen nach Citat g die dgxcry-
yeXoi Michael und Gabriel zu verstehen sind, die ihm das nach-
folgende Kreuz aus dem Hades herauf tragen helfen — vielleicht
eine fantastische Nachbildung von Mt. 27, 32 = Mc. 15, 21 = Lc.
23, 26. H. v. Schubert erinnert (S. 99) hierbei an die Dar-
stellung des Auferstandenen, wie sie Ephraem Syr. gibt: Do-
minus noster Jesus, qunm mansisset tribus diebus in sepulchro
exinde velut e summo evigilavit diluculo. . . Evigilavit Domi-
nus velut qui dormit et velut vir a vino excussus. Ephr. Syr.
Serm. ad noct. dominicae resurrectionis c. 4. p. 540 ed. Lamy
Tom. I. Oder an einen Blinden muss man denken, wenn der
Auferstandene als ein xtiQaycQ'/ovfievoq geschildert wird. Vgl.
den aussercanonischen Text, zu Lc. 6, 39 = Mt. 15, 14: xa&a
(prjoiv q ygatprj' xvrpXovq siq xä ßagadga xeigaycoycov (ca-
nonisch: oöqytlv = XEiQaymyEli>) Clera. AI. Paed. I, 3, 9. p. 103.
Dsgl. Epiph. Haer. XLV1, l.p. 39lB: xv<pX.6q xeigayoyyovfievoq
vxo xov xilQa7C070^ —
Man sieht, zu welchen Verirrungen der Fantasie die apo-
kryphe Legendenbildung fortgeschritten ist und wie dieselbe im
pseudopetrinischen Evangelium, der Tendenz des Doketismus
dienend, das historische Faktum der avaoxaoiq in ein ungeheuer-
liches (pävxaofia aufgelöst hat.
Bezüglich der Auferstehung und Himmelfahrt des personi-
ficierten Kreuzes (j-vXov) vgl. man noch:
Orac. Sibyll. VI, 26—28.
'Sl %v)mv cb [iaxaoioxov, kq> co Oeöq ^sxatwO&r],
Ox>x Hm oe %#cöi>, aXX* ovgavov olxov kootpei,
lHvixa äoxQCxip)] xo viov Oeov B^tJivgov bfifia.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 28, 11 — 15. 379
Mt. 28, 11-15.
a. Mt. 28, 11 — 15.
jioqevo^ievojv 6h avxojv, löov xivhg xijg xovGxwöiag IX&ov-
rsg Eig xr\v jcoXiv dvrjyyEiXav xolg doxiEQEvGtv dnavxa xd
ysvofiEva. xal Gvvax&£vx£g ftexd xcöv jtQeoßvxsgov ovtu-
ßovXiov xs Xaßovxsg dgyvQia Ixavd iöaxav xolg Gxoa-
xiojxaig Xtyovxsg' eiüiüxe oxi ol [ia&?]xal avxov vv-
xxog kX&bvxEg ExXsipav avxov rjficöv xoificofiEvojv. xal
hav äxovG&f] xovxo ejcI xov r/ysfiövog, ij,u£lg xEiGOfisv xal
v/iäg äfieolfivovg JtouJGofisv. ol 6h XaßbvxEg [xd] doyvoia
Inolrjoav a>g eöiödx&rjöav xal Etyijiüofrr) o Xbyog ovxog
jcaod 'lovöaioig (i£XQl x?jg Gt'jfiEQov.
b. Ev. Pseudo-Petri v. 45—49.
v. .45. xavxa löovxsg ol jieqI xov xEvxvoimva vvxxbg
lojcevoav jtgog JJeiXclxov d<p£vx£g xov xdtpov ov lyvXaGGov
xal £§i]yijoavxo Jidvxa djtEQ slöov dymvioyvxeg (leydXwg
xal Xtyovxeg' aXrjd-mg vlog fjv &eov. [v. 46. djtoxQi&elg o
UeiXäxog eg>rj' tyco xa&aQ£va> xov aifiaxog xov vlov xov
&eov, vfilv 6h xovxo e6o%ev.] v. 47. eixa jigoGeX&ovxEg
jtdvxsg idtovxo avxov xal xaoExäXovv xeXevoac xcß xev-
xvqiojvi xal xolg öxoaxtaixaig /iijöev eIjieIv a elöov
v. 48. Gvtu<ptQu ydg, (paolv. i^lv oq>Xt]Gai (ieyiox?]v d/jaQ-
xiav E(MiQoG&ev xov &eov xal fiij I^jcegeIv elg xelgag xov
Xaov xo3v 'lovöaiajv xal Xt&ao&ijvai. v. 49. exeXevgev ovv
o UeiXäxog xm xevxvqlowi xal xolg Gxnaxiayxaig fitjöhp
eIjieIv.
c. Just. Dial. c. Tryph. c. 17. p. 234 E.
ov fiövOv ov (zex6vo?/Gaxe Etp* olg £jtod<-ax£ xaxmg, aXX
avögag IxXExxovg djto 'lEQpvGaXftfi ExXsgdfiEVoi xoxe e%e-
Ji£(iipax£ Elg näoav xr\v ytjv, XEyovxsg oiqegiv a&sov Xqi-
Gxiavmv x£<pr\v£vai.
d. Just. Dial. c. Tryph. c. 108. p. 335 C.
xal ov fiovov ov (lEXEvorjoaxs, fia&ovxEg avxov dvaoxdvxa
kx vexqSv, aXX\ a>g jiqoeIjiov, dvögag xEiooxovyGavxEg
ExXExxovg EJg jtaGav xr\v olxov}iEvrjv Ijit'fiipaxt, xtjgvGGov-
xag öxi aiQEolg xig d&Eog xal dvoftog iyijyEQxai djio Jrjoov
xivog raXiXaiov nXdvov, ov oxavomGdvxcw i\[iä>v ol ,««-
3g0 Aussercanonische Parallel texte zu Mt. und Mc.
d-t/TCcl avzov xXs\pavxsg avrov ttjtb rov /jr^uarog
vvxrog, oxod-tv xarsTi&r) d<pT]Xcods\g djco rov aravQov,
jtXav&Gi rovg dvfrQconovg.
Der Abschnitt Mt. 28, 11 — 15 hebt sich durch sein Colorit
und durch seine Verwandtschaft mit Mt, 27, 3—10; 62—66 in
deutlich erkennbarer Weise von dem übrigen Contexte des ersten
Evangeliums ab und stammt aus einer secundären Quelle jeru-
salemischer Tradition. Wie man zu Mt. 27, 3 ff. eine dreifache
Relation über das Ende des Verräthers unterscheiden kann: die
Matthäus-Relation, die Lucas-Relation (Act. 1, 19) und die Papias-
Relation (s. Agrapha S. 436 f.), so tritt hier ein dreifach variieren-
der Bericht bei Mt., Justin und Pseudo-Petrus uns entgegen,
ein deutliches Anzeichen der flüssigen Tradition im Unterschied
von den festen Bestandteilen der evangelischen Überlieferung,
die aus den schriftlichen Hauptquellen — dem Marcusevangelium
und dem Urevangelium — stammen. Beachtenswerth ist es, dass
Justin hierbei einen Text vertritt, der zwar mit Mt. 28, Uff.
verwandt, aber doch von dieser canonischen Stelle unabhängig
ist. Im pseudopetrinischen Evangelienfragment ist die umge-
staltende und umschaltende (vgl. v. 46 = Mt. 27, 24*>) Hand des
Redaktors deutlich zu erkennen. Zu v. 45: k^yrioavxo vgl. Act.
Pil. B. XI, 2: öir/ytjoazo, zu: dbj&cog vi dg r\v &sov ebenda vgL
Ephraem Syr. p. 410 ed. Mösinger: Vae ftrit, vae fuit nobis,
filius dei erat hie — , zu v. 48: (ir) e/uisoslv etg xe*QaS T0^
Xaov rcöv 'Iovöalcov xal Xi&ao&r/vai vgl. Act. 5, 26: e<po-
ßovvro yaQ rov Xaov, 'Iva fir] Xifraöfriöoiv — Lc. 20, 6: nag
6 Xabg xaraXid-doei t]ficcg.
3Ie. IG, 9.
a. Cels. ap. Orig. c. Cels. II, 70.
°rs 6s jtiotLV av Io)(_vq6.v jiaQsVftv tx vsxqgjv dvaördg,
evl (idveo yvvalco .... nagepaivsTO.
b. Mc. 16, 9.
dvaördg 6s rroeol' jcqcot?] oaßßdzov s<pdvr\ jigärov
Mccgicc rfj MaydaXt/vt], d<p* ?)g ixßsßX?}xsi hcza 6ai-
fiovia.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 16, 9. 28, 16. 381
c. Evangelien-Codex von Etschmiadzin ad Mc. 16, 9.
dvaoxdq ös jroco'i jigroxy oaßßdxov eqidvtj Maoia.
MayöaZrjvjj, dcp' i/q sxßsßXi]xsi xo sßöofiov öaifio-
viov.
Die hier aus Celsus mitgeth eilte Parallele, für sich allein
genommen, vermöchte man allenfalls aus Joh. 20, 11— IS und
nicht aus Mc. 16, 9 zu erklären. Wenn aber Celsus anderwärts
(c. Cels. 11, 55. 59) die Maria Magdalena unter der Benennung
einer yvvf) Jiäootoxooq einführt, so kann diese Bezeichnung der
„Besessenheit" nur entweder auf Lc. 8, 2: dcp rjq öaifiövia tJtxd
sgsXqXv&si oder Mc 16, 9 sich beziehen, also in diesem Falle,
wo es um eine Erscheinung des Auferstandenen sich handelt
(vgl. dvaoxdq bei Celsus wie bei Mc), nur auf Mc. 16, 9. Die
Lesart: xo sßöofiov öaifioviov, welche Conybeare (Aristion,
the Author of thTTasT^twelve verses of Mark, Expositor Oct
1893, 241 — 254) aus dem armenischen Texte extrahiert hat, ist
von demselben sehr gut erläutert worden durch den Hinweis
auf Testam. XII patr. Rüben, c 2, wo die sjtxä jtvsvfiaxa
aufgezählt sind und es zum Schlüsse von dem sßöofiov öatfioviov
heisst: sßöofiov jrvsvfia CJiooäq xal ovvovoiaq, fisfr' ?)q ovvsioio-
Xexai öiä xrjq cpiXr]öoviaq i dfiaoxia — , beiläufig bemerkt, ein
Beleg für die Identität der Maria Magdalena mit der ctfiaoxco-
Xoq Lc. 7, 37.
Über die Entdeckung Conybeare's bezüglich des Marcus-
schlusses und seiner Autorschaft sowie über den Zusammenhang
dieser Frage mit der Entstehung des Evangeliencanons vgl die
Nachträge.
Mt. 28, 16.
a. Mt. 28, 16.
ot Öl tvösxa fia&ijxai tjtoosv&yoav slq xrjv raXtXaiav,
slq xo oooq ov sxäiaxo avxoiq o Irjoovq.
b. Acta Pil. B. XI V, 1. p. 31 S.
xov 'itjöovv, ov vfislg toxavgoSoaxe, slöofisv sv xij Fa-
XtXala ftexd xcov tvösxa fia&i]xcov avxov slq xo onoq
xcov sXaicov, ötödoxovxa Jigoq avxovq xal Xtyovxa' 710-
Qsvso&s slq jtdvxa xov xoOfiov xal xijgvt-axs xo evayytXiov.
c. Gesta Pil. XIV, 1. p. 372.,
viderunt Jesum sedentem et discipulos ejus cum eo in
g§2 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
monte oliveti, qui vocatur Mambre sive Malech, et dicebat
discipulis suis: Euntes in mundum Universum annuntiate
universae creaturae evangelium regni dei.
Der letzte Abschnitt des ersten Evangeliums (Mt. 28, 16-20)
steht hoch über den secundären Partien dieser Schrift. Er un-
terscheidet sich sprachlich ebenso von dem Marcusevangelium,
wie sachlich von den Perikopen Mt. 27, 51b— 53. 62—66. 28, 2—4.
11 — 15 und zeigt vielmehr eine unverkennbare Congenialität mit
den sichersten Partien des Urevangeliums. (Vgl. die Erläu-
terungen zu v. 18—20.) In v. 16. 17 kann man vielleicht Spuren
einer Überarbeitung finden, nämlich in dem ol de eöiCxaoav
(verglichen mit Mt. 14, 31: xl töiöxaoag, einer Stelle, welche
im Unterschied von der Marcusquelle nur dem ersten Evange-
listen angehört und das innerhalb des gesaramten neutestament-
lichen Sprachgebrauchs nur Mt. 28, 17; 14, 31 vorkommende öt-
0xdC,eiv darbietet, vgl. Weiss, Matthäusevangelium S. 46), sodann
ferner in der Erwähnung des ungenannten und unbekannten
bgog von Fa7.iXaia. Denn sowohl aus dem Tenor der Erzählung
selbst wie aus der Vergleichung mit Mc. 16, 15 — 19 ist es doch
klar, dass hier der Vorgang der dvdXrjtpig vorausgesetzt wirdf
der nach allen Zeugen nicht als in Galiläa, sondern in Judäa,
bei Jerusalem auf dem Oelberge, geschehen zu denken ist. Nicht
nur Act. 1, 12, sondern auch durch aussercanonische Angaben
wird dies bezeugt. Namentlich kommen hierbei die Acta Pi-
lati in Betracht. Denn wiederholt wird ausdrücklich der Oel-
berg als die Stätte der dvaXrppig darin bezeichnet. Vgl. oben
Act. Pil. B. XIV, 1. p. 318: elg xb boog xcöv iXaicbv, ferner
XVI, 2. p. 322: eiöofiev xbv 'Iijoovv elg xb bgog xmv eXaicbv
tfivxa xal elg xbv ovqavbv dvaßaivovxa, desgleichen Gest. Pil.
XIV, 1. p. 372: in monte oliveti. Allerdings wird noch häufiger
ein andrer Name genannt. Vgl. Act. Pil. A. XIV, 1. p. 259: elg
xo ogoq xb xaXovftevov MafiiXx — , XV, 1. p. 264: elg xb boog
xb MafiiXx — , XVI, 5. p. 279: elg xb boog MafiiXx — , XVI, 6.
p. 280? elg xb boog MafiiXx ~ » Gest- Pü- XV, 1. p. 375:
in monte Mambre — , XVI, 2. p. 385: in monte Mambre — ,
XVI, 4. p. 386: in monte Mambre. Und in den Handschriften
der Pilatus-Literatur kommen noch weitere Abwandelungen dieses
Namens vor : B Mafißr/x, E MaXrjx, G Moq>i]xy C Mofifßffi Vat. a
Texte und Untersuchungen zu Mt. 28, 16. 383
Mambre sive Malech, Vat.b Mambre sive Amalech. Ven. Mambre,
Copt? (ex cap. XVI, 2) MabrechT'Aus den GestTPil. XiVTTTin
monte oliveti, qui vocatur Mambre sive Malech wird es evident,
dass unter diesen verschiedenen Benennungen lediglich der
Oelberg bezeichnet werden sollte, wie denn auch die ganze
Situation, welche in den Actis Pilati vorausgesetzt ist, un-
weigerlich einen Berg in unmittelbarer Nähe von Jeru-
salem fordert. Tischendorf (p. 259) verweist auf das Götzen-
bild D3b£ oder CSba, von dessen Cult auf dem Oelberg in den
Büchern der Könige berichtet ist. Vgl. 1. Reg. 11,7: -jbip^ =
LXX: xal rm ßaoiXtl—, 2. Reg. 23, 13: tiAfdfii == LXX: xal z<p
MoXox. -Und jedenfalls erklären sich aus der Form *jbtt die
Tarianten MoXox, MaXqx, ßaoiXsvg [= -jb-fl) vollständig, also
auch wahrscheinlich aus D3$tt der Name MafiiX%. Möge es mit der
weiter abliegenden Variante Mambre auf sich beruhen, so viel ist
sicher, dass nach den Actis Pilati kein andrer Berg als der Oel-
berg gemeint war, auf welchem der Vorgang der äpdXiytyig stattfand.
Nun ist es dabei das Merkwürdige, dass — ganz wie Mt. 28, 16
— dieser Berg der avaXr/tytg nach Galiläa verlegt erscheint.
Vgl. Act. Pil. B. XIII, 1. p. 317: Tiogtvtodoooav Iv ry raXi-
Xaia — , XIII, 2. p. 317: äjitXfrate xal vfjstg ug x?jv raXi-
Xaiav — , XIV, 1. p. 318: xov 'Irjoovv . . . döofttv Iv rfj r<x-
XiXaicc . . . sig ro oQog rcov eXaiSv — , Act. Pil. A. XVI, 3. p. 277:
slq xrjv FaXiXalav — , XVI, 4. p. 278: elg ri\v raXiXaiav — ,
Act. Pil. B. XV, 1. p; 319: dg a)v FaXiXaiav — , Gest. Pil.
XVI, 2. p. 384: in Galilaeam — , p. 385: in Galilaeam — ,
Narr. Jos. IV, 2. p. 468: kv rj} raXiXaia — , V, 1. p. 469: elg
ttjv raXiXaiav.
Dass die Urschrift, aus welcher die verschiedenen Recensionen
der Acta Pil. hervorgegangen sind, in allen diesen Stellen
nicht die palaestinensische Nordprovinz „Galiläa" gemeint
haben kann, geht aus folgenden Umständen hervor:
a) in dem Galiläa, in welchem der Auferstandene zunächst
erschien, lag der Oelberg (vgl. oben);
b) der Verkehr des Synedriums mit den nach diesem
Galiläa Gehenden und von dort Zurückkehrenden er-
fordert nicht Tagereisen, sondern setzt nur Stunden
als Zwischenzeit voraus;
c) das Wandern nach diesem Galiläa ist ein Steigen (vgl.
384 Ausseroanonische Paralleltexfce zu Mt uud Mc.
Gest> Pil. XIV, 3. p. 374: cum ascenderent illi in
Galilaearu), das Kommen von da ein Herabsteigen
(vgl. Acta Pil. A. XIV, 1. p. 259: xaxeX^ovTeg
djto rrjq raXiXaiag — XV, 1. p. 263: xazeX&ovzag
djto tTJg raXiXaiag — , Gest. Pil. XIV, 1. p. 372:
descendentes de Galilaea in Jerusalem — , XV, 1.
p. 375: viri descendentes de Galilaea); es liegt
also höher als Jerusalem;
d) in diesem Galiläa hält sich Jesus bereits am frühen
Ostermorgen auf; der Engel am leeren Grabe ruft
den Frauen zu: rjyiQ&t] djto tojv vtXQcäv, xal eorcv
iv zf/ raXiXaia vgl. Act. Pil. A.XIII, 1. p. 255; ebenso
p. 257 : xal 6 'Irjoovg dviortj, xafrojg ijxovoapev tov
äyyiXov, xal eortv iv ri] FaXiXaia — , ferner XIV,
3. p. 262: xal dtazoißti kv ttj raXtXaia — , auch
Gest. Pil. XIII, 2. p. 371: Et Jesus, quemadniodum
audivimus ab angelo, in Galilaea est.
Die Lösung dieser anscheinenden Widersprüche dürfte darin
zu suchen sein, dass es bei Jerusalem einen Bezirk, jtenixwQoq,
gab, welcher den Oelberg in sich einschloss, einen Bezirk, der
also höher lag als die Stadt. Von einem solchen Bezirk redet
das Petrusevangelium v. 34: ijXdtv oxXog djto hoovöaXijfi xal
t/Jq jtSQixcoQov. Dem jtsgixcoQog aber entspricht im He-
bräischen sowohl 122 als nb"<b3. Vgl. Gen. 13,11: I22"b2 n»
TrH!,«"7 == nüöuv ttjv JtSQixcoQov tov 'Joqöccvov — , Jos. 22, 10:
Tri*} nibibrbx = Ezech. 47, 8: ruitt"^» rreibarrbK — LXX:
dg T7)v FaXiXaiav rijv jtoog dvaToXdg. Aus diesen Belegen
ergiebt sich, dass 122 und Jlb'VJa von der jisoix&Qog tov Ioq-
öctvov promiscue gebraucht wurden und dass im Septuagiuta-
Griechisch der Name raXiXaia nicht blos von Nordpalaestina
üblich war, sondern auch als wörtliche Übertragung von nb^b^
(=122) bezüglich der jieoix<x>Qoq tov 'Iooöävov (Mt. 3, 5) sich
findet. Ein ähnliches Verhältniss wird für die jt£(uxa>Qog bei
Jerusalem vorausgesetzt werden müssen. Die erste Erwähnung
davon findet sich Nehem. 12, 28: 0?bOVV) rvi2/30 -12271-]^ —
LXX: djtt Tfjg jteotxwQov xvxXöd-ev sig hQovoaXt'm, die andre
in der bereits erwähnten Stelle des Petrusevangeliums. Das
raXiXaia der Pilatus-Literatur hat offenbar nichts Anderes als
diese jrf.QixoiQog bei Jerusalem zur Voraussetzung. Und höchst-
Texte und Untersuchungen zu Mt. 28, 16. 3g5
wahrscheinlich huldigt der erste Evangelist Mt. 28 , 16 diesem
Sprachgebrauch, vielleicht nur seiner Übersetzung der hebräischen
Quelle folgend, ohne den ursprünglichen Sachverhalt zu kennen,
vielleicht auch selbst so das Quellen wort übersetzend, ohne mit
der Topographie Jerusalems persönlich bekannt gewesen zu sein
Man kann von hier aus noch einen Schritt weiter gehen und
annehmen, dass auch schon Mt. 26,-32: (iexa 6h xb £teQ&r]vaL
(iE jtQoaga) vfiäg elq xtjv TaliXalav — , Mt. 28, 7: l6ov jcqo-
dyei vfiäg elq xr\v raXiXaiav , exel avxbv bipecfre — , Mt. 28,
10: vjtdyexe, djtayyeiXaxe xolq döeXcpolq (iov, %va düteX&cooiv
siq xi]v raliXaiav xdxel fie brpovxai — ursprünglich nicht
das nordpalaestinensische raXiXala, sondern das raXiXaia =
nb*1^ = jreQixcoQoq bei Jerusalem gemeint gewesen ist. Das
einzige Bedenken liegt hierbei in der Erwägung: sollte Marcus
der Hierosolymit Mc. 14, 28 (= Mt. 26, 32) und Mc. 16, 7 (= Mt.
28, 7) dieses jerusalemische raXiXaia (= jteQtxcoQoq) eingeführt
haben, ohne es irgendwie von dem zuvor oftmals erwähnten
nordpalaestinensischen raXiXaia durch kenntlich machende nähere
Bezeichnung zu unterscheiden? Doch würde dieses • Bedenken
weniger ins Gewicht fallen, wenn man annehmen dürfte, dass
beide Evangelisten einer Übersetzung des hebräischen Textes
folgten, in welcher der ursprüngliche Sachverhalt bereits ver-
wischt war. Jedenfalls würde die Erfüllung der Worte: ütqodyei
vfiäq elq xrjv raXtXaiav , wenn man unter diesem raXiXaia die
jerusalemische jceQlxoiQoq einschliesslich des Oelbergs versteht,
in Lc. 24, 50: e^tjyayev 6h avxovq e^co ta>q elq Brj&aviav —
gegeben sein. So viel ist gewiss, dass die Rückübersetzung der
Worte: jtgodyei vfiäq elq x?]v raXiXaiav (Mt. 28, 7 = Mc. 16,7),
wie sie in allen hebräischen Neuen Testamenten sich findet, näm-
lich: nb^ban ß^DBb NT! tyb"1^ — man bedenke in Jerusalem ge-
sprochen! — ebenso gut mit: vxdyei Jtpb jiqoöcojiov vficöv elq
xtjv jtegixcoQOv — übersetzt und auf die jteQixcoQoq Jerusalems
bezogen werden konnte. Auch dieselben Worte in Jesu eigenem
Munde Mc. 14, 28 = Mt. 26, 32 sind in Jerusalem geredet worden
und zwar auf dem Weg nach dem Oelberg, welcher zu dieser
jceQixcogoq gehörte. Doch ist es fraglich, ob an dieser letzten
Stelle die Worte ursprünglich sind, da sie sowohl bei Lucas als
im Fajjum-Fragmente, welches im Übrigen genau an den Mat-
thäus- und Marcus-Text sich anschliesst, fehlen. Vgl. oben S. 18.
Texte u. Untersuchungen X, 2. 25
386 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Nachdem vorstehende Untersuchung abgeschlossen war,
wurde ich von Prof. Nestle, der das Manuscript einsah, auf
die alten Itinerarien aufmerksam gemacht. Und Prof. R.
Röhricht in Berlin, an welchen ich mich deshalb wandte, stellte
mir in liebenswürdigster Weise soviel Material zur Verfügung,
dass ich nun im Stande bin, nachstehende topographische Er-
gänzung hier anzufügen.
Das Erste und Wichtigste war mir die Notiz, dass bereits
Tertullian ein judäisches Galiläa gekannt hat. Vgl. Apolog.
c. 21: Cum discipulis autem quibusdam apud Galilaearn, Ju-
daeae regionem, ad quadraginta dies egit docens eos quae do-
cereut. Hier ist ganz deutlich von einem judäischen Galiläa
die Rede, welches mit der palaestinensischen Nordprovinz nicht
identifi eiert werden kann. Denn apud Galilaearn kann von
einer so ausgedehnten Landschaft wie Nordpalaestina, um den
Aufenthaltsort zu bezeichnen, nicht gesagt werden, und der Aus-
druck: Judaeae regio, kann eben deswegen nicht etwa von
Judaea nach dem römischen Sprachgebrauch als gleichbedeutend
mit Palaestina, sondern nur in dem engeren Sinne von der pa-
laestinensischen Südprovinz Judaea verstanden werden. In dieser
Südprovinz gab es nach Tertullian eine regio (= xsqIxwqoq,
vgl. Lc. 7, 17; ev ütaoi] ttj jtsQixmQcp = Vulg.: in omnem
circa regionem, Mt. 3, 5: jtäoa r\ jttQtxcoQoq xov 'ioQÖdvov
= Vulg.: omnis regio circa Jordanem, ebenso Mc. 1, 28; Lc. 3, 3;
4, 14; 4, 37; 8, 37: regio = xeqLxwqoq) mit Namen „Galilaea" =
nbibä — , ganz so wie dies in der Pilatus -Literatur vorausge-
setzt ist.
Bei der näheren Bestimmung dieser Ortlichkeit ist nun vor
allen Dingen der Berg festzustellen, welcher den Mittelpunkt
dieser regio (= oieQlxcoQoq = nb^ba) bildete. In dieser Hinsicht
leisten uns die Itinerarien wichtige Dienste. Antonius de
Cremona, Itinerarium ad Sepulcrum Domini (a. 1327, 1330) ed.
Reinhold Röhricht (Zeitschrift des deutschen Palaestina -Vereins.
Bd. XIII. 1890. S. 158) schreibt: Prope montem Oliveti est mons
collateralis, qui olim dictus est mons offensionis, eo scilicet quod
rex Salomon quondam posuit ibi ydoluin Moloch adorans illud.
In eodem monte offensionis est locus, qui vocatur Galilaea,
ubi apparuit Christus discipulis suis. Und inOdorici deForo
Julii Liber de terra saneta, cap. 48 (Peregrinatores medii aevi
Texte und Untersuchungen zu Mt. 28. 16. 3§7
quatuor ed. Laurent. Ed. 2. 1873. p. 154) lesen wir: Et dicitur
rnons offensionis eo quod rex Salomon posuit in eo ydolum
Moloch, adorans illud. Et quibusdam vocatur Galila ea. Titus
Tob ler (Die Siloahquelle und der Oelberg. S. 77 ff.) sagt bezüg-
lich der Namen dieses Bergs: „Der Berg, den man gemeiniglich
als die dritte Spitze des Oelbergs bezeichnet, hat bei den Arabern
verschiedene Namen, — , bei den Christen Berg der Be-
leidigung (mons offensionis, bgoq jrgooox^iOfiaxog) oder des
Ärgernisses (mons scandali, ö'poc oxavdälov), bei den Juden Berg
des Verderbens." Tob ler führt dann für die verschiedenen
Namen dieses Berges des Verderbens oder Mashith noch fol-
gende Gewährsmänner an. Reisner p. 552: Mashith. "Ogog öia-
q>&ogäg. Ziegler: Mons Hamashita inter meridiem et orientem
in urbis conspectu est positus, humilior olivarum monce, et in-
terveniente discretus valle. Cotov p. 289: Valle (Gehenon) supe-
rata, rectä ad montem Mashith, id est offensionis, sive exterminii,
perreximus. Ayia rrj p. 89: 6vofiaC,of/tvrjv Moöxä&. iTTiön. 23-
Ich bemerke nun, dass alle diese Namen: Mons Mashith = Mons
Hamashita = bgog Mogto& = bgog öiaqfrogäg = bgog xgoo-
ox^iOfiaroQ = ogog oxavöäXov — auf 2. Reg. 23, 13 zurückgehen:
rr^a nri$ rprtteii nnb fr^V-icx ttfg&rti ^E_b? n©x tfmssrr«}
abbEbi nx'Ta F£ti BTODVj DWS ypw rnri»?b bsr.ir-!fbtt rrtabtp"
liTS?~",D3 i"02in = LXX: xal xbv olxop xbv txl Jigboomov h-
govoaXijfi xbv ex öegiaiv xov bgovg xov Moo&afr, bv tpxoöofujöe
^LaXm^cov ßaoiXtvg 'Jogar/X x?/ Aoxagxtj jtgooox^iof/aTi ^iÖoj-
vlcov , xal xcö Xctficbg JigoGox&io,uaxL Mcoctß, xal xcö MoXbx
ßöeXvyfiaxi vlcöv Afificov — . Hierzu ist mons Mashith oder
mons Hamashita wörtliche Wiedergabe von rPniIJT2n~in, bgog
Moaxad- — Moo&ä& aber daraus corrumpiert. Wie weit solche
Corruption hebräischer Namen gehen kann, zeigt das Glossarium
in Lib. IV. Reg., wo für xov Moo&ä& gelesen wird: xov vooaoäx
(oder nach Cod. Barocc: xov ocoodx\ obwohl die richtige Über-
setzung von nTjüTSn, nämlich xov diacpfrsigavTog, beigefügt
wird. Zu der Übersetzung ögog öiacpfrogäg vgl. man noch Ezech.
21,36: mntp'B itthn==LXX (2l,Y\)l x^raivbvxcovöia^dogäg- ,
Dan. 10, 8: rVTHtfob = LXX: dg dtacfüogav. Ferner jtgoö-
oyßioija, welches Theodotion zu Ezech. 5, 11 zur Übersetzung
von PQSHfl anwendet, geht an unserer Stelle auf ypr zurück.
25*
ggg Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
welches auch zweifellos die Quelle von ogoq Oxavöäloy ist, ob-
wohl sich diese Übersetzung aus den LXX nicht nachweisen
lässt. Aus rnntth? (HCC6XI& baben manche LXX-Codices anstatt
der corrumpierten Form (ioo&ä&-) ist wahrscheinlich auch die
Missform Mazi (Matzi) entstanden.1) Vgl. Theodosius de situ
terrae sanctae § 63: De monte Oliveti ascendit dominus in caelis,
et prope est spelunca, quae dicitur Mazi (Matzi), quod interpre-
tatur discipulorum. ubi dominus quando praedicabat in Hieru-
salem, requiescebat. Es ist nun hiernach klar, dass die zahl-
reichen Varianten, welche in den Codices der Pilatus - Literatur
für den Berg der ävaXtjxpiQ sich finden, als MccfiiZx, MaXrjx,
Malech, Amalech, — und wahrscheinlich auch die weiter ab-
liegenden: Mabrech. Matußrjx, Motyqx, MofKpij , Mambre — als
Corruptionen aus dem asbE = LXX MoXöx in 2. Reg. 23, 13 zu
erklären sind. Sie stehen wenigstens dem Quellwort immer noch
näher, als die oben erwähnten Corruptionen vooaöar und öcooax
dem rPHIDE an derselben Stelle. Der Berg, welcher also ur-
sprünglich n^nTöian "ifi hiess, hat die übrigen Beinamen von den
Idolen erhalten, die auf ihm gestanden haben. Und dieser Berg
soll nach dem einen Zweig der Überlieferung auch den Namen
Galilaea getragen haben: et quibusdam vocatur Galilaea (nach
Odoricus de Foro Julii) oder auf ihm soll eine Ortlichkeit dieses
Namens zu finden gewesen sein: in eodem monte offensionis est
locus, qui vocatur Galilaea (nach Antonius de Cremona).
Ein anderer Zweig der Tradition aber legt den Namen
Galiläa der nördlichen Nebenkuppe des Oelbergs bei. Titus
Tob ler (Die Siloahquelle und der Oelberg S. 72 f.) sagt über
diese nördliche Kuppe Folgendes: „Sie heisst Karem es-Seräd
oder Karem Abu el Hau ä bei den Arabern, denen auch der
Name Kalilea nicht unbekannt ist, bei den Christen früher Ga-
lilaea, später Viri Galilaei oder Ihr Männer von Galiläa. Man
unterschied wohl auch die Viri Galilaei vom benachbarten Dorfe
Galilaea. Diese Kuppe, etwas niedriger als der Hauptgipfel, liegt
fünfhundert Schritt nördlich von Ka'fer et-Tur/ Tobler führt
hierzu unter vielen Anderen folgende Gewährsmänner an. Po-
cocke H, § 39: „Als ich (vom Josaphatsthal auf den Ölberg)
halbes Weges war, zeigte man mir ein Feld, das die Araber
1) Weitere Varianten: fuooa&, fxoooa&, [xooo&ujv, afieo0O& etc.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 28, 18. 389
Calilee heissen." Scholz p. 177: Die Ruinen Ghalilee. Ano-
nymus bei Allatius: xal Xtyzrai (iixQtj raXuXaia, jtQoq öia-
öroXrjv xr\q lölcoq raXtXaiaq. Frescobaldi p. 145: Monte di
Galilea. Sigoli p. 159: Luogo chiamato Galilea. Man vgl. ferner
Ludolphi, rectoris ecclesiae parochialis in Suchern, de itinere
terrae sanctae liber. Ed. Deycks (in der Bibliothek des litte-
rarischen Vereins in Stuttgart Bd. 25. S. 86): Ceterum in eodem
monte est parva villa, Galilaea vocata. Desgleichen erwähnt
Robinson (Palaestina 1841. 'S. 740), dass Rauwolf i. J.1573 hier
Ruinen antraf, von denen es hiess, sie wären die eines alten
Khan oder Wirthshauses, wo die Galiläer in alter Zeit ein-
kehrten, wenn sie nach Jerusalem hinaufzogen.
Diese Verschiedenheiten der Tradition, weit entfernt, deren
Glaubwürdigkeit zu erschüttern, dienen vielmehr dazu, uns auf
das ursprüngliche Verhältniss hinzuleiten. Denn nicht nur dass
im weiteren Sinne der Name des Oelbergs auch die beiden Neben-
kuppen mit umfasste (vgl. Tobler S. 72), sondern auch das ganze
Gebiet des Oelbergs mit den darauf liegenden Feldern, Wirths-
häusern, Dörfern gehörte zu der regio (Tertullian) , zu der jce-
QiXcoQoq (Ev. Ps.-Petri), welche den Namen Galiläa = ilb^ba trug.
Von diesem Sachverhalt geben ebenso die auseinandergehenden
Relationen der einheimischen Überlieferung Kunde wie der Name
nb^ba selbst, welcher — ursprünglich und so lange der semitische
Sprachgeist lebendig gewesen war — einer einzelnen Bergkuppe
oder einem Dorfe oder einem Felde oder gar einem einzelnen
Gebäude unmöglich hätte beigelegt werden können. Wohl aber
lag in der Mitte dieser regio, dieser jteQixwQoq, der Berg, wohin
die Jünger sich begaben, als sie zum letzten Male mit ihrem
Herrn zusammentreffen sollten: ejroQsv^?]Oav siq xr\v raXiXatav,
siq t6 oQoq ov eragaro avxolq o 'b]öovq.
Mt. 28, 18.
a. Barn. V, 5. p. 20, 16.
o xvgioq vxtfieivsv jta&elv Jtegl zrjg ipvxyq rjficov, cov jcar-
roq rov xoöfiov xvQioq.
b. Herrn. Sim. LK, 28, 8. p. 254, 3.
xi öoxeirs jtoitjOsi o xvQioq vy.lv, oq [sxsi] üiävxcov r/)v
igovölav;
390 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
c. Herrn. Mand. IV, 1, 11. p. 80, 6.
avxoq yag kcxiv 6 tya>v Jtavxwv xrjv s§ovoiav.
d. Herrn. Sim. V, 6, 4. p. 154, 15.
avrog xvgwq eöxi xov Xaov, e^ovoiav xäoav Xaßcov scagä
xov xaxgbq avxov.
e. Herrn. Sim. V, 6, 1. p. 154, 6.
o vloq xov &eov . . eiq esovöiav fjeydXtjv xslxai xal xv-
gioxrjxa.
f. Herrn. Sim. IX, 14, 5 p. 226, 17.
xo ovofia xov vlov xov &eov (liya toxi xai ayatgrjxov xal
xov xbö/iov oXov ßaoxä&i.
g. Just. Dial. c. Tryph. c. 76. p. 302 A.
jia&rjxoq yevt]ü6tU€vog o Xgioxoq xal f/exa xavxa Jtdvxmv
xvgievocov.
h. Polyc' ad Phil. II, 1. p. 112, 13.
oj vjtexäy?} xä jiävxa ejcovgdvia xal sjciyeia.
i. Hilar. in Psalm. 131. p. 1045 D.
Oinnia enim mihi data sunt in coelo et in terra.
k. Hilar. in Psalm. 144. p. 1155A.
Omnia data sunt mihi in coelo et in terra.
1. Priscill. Tractat. I. p. 25. ed. Schepss.
Nobis autem deus Christus Jesus est, qui dixit: omne meum
est, quod est sub caelo.
m. Tlioxiq 2o(pia. Anger Synops. p. 261. Woide p. 40.
edo&T} /ioc Jtäöa st-ovöia —
n. Pistis Sophia p. 9. ed. Petermann.
Data enim (yag) egovoia mihi ab Ineffabili.
o. Orig. in Joann. XIII, 60.
eöo&r/ fioi jcäoa e^ovoia oq ev ovgavö) xal sjcl yrjq.
p. Mt. 28, 18.
eöod-rj [toi jcaoa i^ovoia ev ovgavm xal Im ytjc.
Dass hier die vorcanonische Quellenschrift hervortritt, zeigen
sowohl alttestamentliche Parallelen als urevangelische Texte von
überraschender Verwandtschaft. Die Phrase: e^ovoia edoftr]
findet sich schon Dan. 7, 6: nb n^H"1 Ittbtth = LXX: xal e^ovoia
EÖ6&7] avx(j. Ganz besonders aber hat Nestle die bereits von
Texte und Untersuchungen zu Mt. 28, 18. 391
Ephraem, Starcke (Synopsis), Kuinöl, Stier hervorgehobene
Verwandtschaft mit der messianischen Stelle Dan. 7, 14 in Er-
innerung gebracht. Vgl. Evang. Kirchen- und Schulblatt für
Württemberg 1892. No. 3. S. 21. De Lagard e hat freilich (in
den Göttinger Gel. Anz. 1891 No. 14 vom 1. Juli) das ganze Ca-
pitel Dan. 7 nach seiner Entstehung in das J. 69 nach Christo
verlegt! Wer aber diese seine Ausführung gelesen hat, wird von
ihrer Beweiskraft nicht überzeugt sein, falls er alle hierbei in
Betracht kommenden Instanzen in Erwägung zieht, und wird in
dieser Annahme de Lagardes eine seiner kühnen Extravaganzen
erblicken. Wie die ureigenste Selbstbenennung Jesu als vloq
xov äv&gcojrov aus dem Sprachgut von Dan. 7, 13: ©38! 13 =
LXX: vloq dv&gcojiov adoptiert ist, eine Benennung, die recht
eigentlich den Jesus-Reden im Urevangelium angehört, so ist es
auch hier mit der Phrase: eöo&rj fioi jcäoa egovöia der Fall.
Vgl. Dan. 7, 14: föb© 3W tk) = LXX: xal köod-ij avxcö
et-ovöla = Theodotion: xal^avxm eöo&rj t] dgyf\. Diese Ver-
wandtschaft mit Dan. 7, 14 spricht also nicht gegen, sondern
für die Echtheit von Mt. 28, 18 und für die Zugehörigkeit dieses
Wortes zu den mit alttestamentlichem Sprachgut getränkten
echten Jesusreden. Der urevangelische Charakter von Mt. 28, 18
zeigt sich auch in dem Zusatz: ev ovgavoZ xal ejtl yfjq, mit
welchem Zusatz Mt. 28, 18 über Dan. 7, 14 hinausgeht, dafür
aber mit anderen evangelischen Worten zusammentrifft. Vgl. Mt.
6, 10 (= Lc 11, 2): yev7]{r?]T(D xo &eZr][iä öov coq ev ovgavcö
xal exl yfjq — , Mt. 6, 19. 20 (= Lc. 12, 33): ft?) ^rjGavgiCexe
vfilv &7]GavQovq ejtl xfjq yfjq — , &r]GavgiCexe de vfnv &t]Gav-
govq ev ovgavcÖ - — , Mt. 18, 18: oöa eäv öfjGqxe ijrl xfjq yfjq
eGxai deöefieva ev ovgavcß , xal öoa eäv Xvorjxe exl xfjq yfjq,
eoxat XeXv[ievaev ovgavm — , Mt. 23, 8 nachEusebius (s. oben):
fij} xaXeGijxe ötöaGxaXov ejcl rijq yfjq' elq yäg eGxiv vficöv o
ÖiöäoxaXoq o ev xolq ovgavolq — , Mt. 23, 9: xal jr.axega fjtj
xaXeGrjxe v/möv ejcl xyq yfjq' elq yäg eGxiv 6 jcaxvg o ovgä-
vioq (Syr. Cur. o ev xolq ovgavolq), und dazu den ausser-
canonischen Zusatz nach Heracleon (s. oben zu Mt. 23, 9): £g
ov jiäoa naxgiä ev xe ovgavolq xal ejtl xfjq yijq — , end-
lich Mt. 11, 25 = Lc. 10, 21: xvgie xov ovgavov xal xfjq yfjg.
Diese letztere Stelle spricht aber weiter nachdrücklich für die
Abstammung von Mt. 28, 18 aus dem Urevangelium. Vgl.
392 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Mt. 11, 27a. Lc. 10, 22a. Mt. 28, 18.
xävxa fioi JtaQEÖofr?] Jtdvxa f/oi JtaQsööfrt) eöö&r] fioi jiäöa ig-
vjto xov ütaxQoq fiov. vjco xov Jtaxgöq fiov. ovöia ev ovQavcp xal
km xtjq yrjq.
Wenn bei irgend einem Herrenwort, so kann bei Mt. 11, 25 —
27 = Lc. 10, 21. 22 an der Zugehörigkeit zur vorcanonischen
Quelle nicht gezweifelt werden. Dasselbe gilt von der Relation
über die Versuchung Jesu Mt. 4, 1 — 11 = Lc. 4, 1 — 13, welche
nicht aus Marcus, sondern aus dem Urevangelium stammt und
es unzweideutig bezeugt, dass die vorcanonische Quelle nicht
eine blose Redensammlung, sondern wirklich eine evangelische
Erzählung gewesen ist. In dieser Relation über die Versuchung
Jesu sagt der jtsiQaCwv Lc. 4, 6: Ool Scböat xr)v ti-ovöiav xav-
trjv = Mt. 4, 9: xavxd Ool jtdvxa dato ca. Damit vgl. man Mt.
28, 18: e66&r) fioi jtäoa e^ovoia — oder nach der Hilarius- Re-
lation: Omnia data sunt mihi — also in beiden Stellen dieselben
Varianten. Dabei erwäge man die innere Correspondenz, welche
zwischen Mt. 28, 18 einerseits und Mt. 4, 9 = Lc. 4, 6 andrerseits
besteht. Bei der Versuchung ist es der Satanas (vgl. Lc. 10, 18:
ji£0(dv ix xov ovgavov slq xi)v yt}v)x), welcher die egovöia
(nicht über den ovQavöa, sondern) über die yr\ (vgl. Mt. 4, 7:
jrdoag ßaOtZtiac xov xoOfiov = Lc. 4, 5: xrjq otxovfitvrjq) Jesu
verspricht; hier Mt. 28, 18 ist es der Vater, welcher dem durch
Leiden des Todes gekrönten Sohne die egovola nicht nur über
die yrj, sondern an erster Stelle über den ovgavoq übergibt, so
dass nun Apoc. 12, 10 ev xcp ovQaväJ die cpmvrj ertönen kann:
ciqxi lytvtxo tj GcoxqQia xai ?) övvafiiq xal ?] ßaoiZsia xov freov
Tjficov xal ?] l^ovoia xov XqlOxov avxov, öxi sßhför] o xa-
xrjycog xxX. Gegenüber der Anschauung von Weiss, welcher
mit der Salbung in Bethanien das Urevangelium endigen lässt,
erkennt man in dieser Correspondenz zwischen Mt. 28, 18 und
Mt. 4, 1 ff. = Lc. 4, 1 ff. in überraschender Weise, wie Anfang und
Ende sich ineinander schliesst. Eine ähnliche Beobachtung er-
gibt sich für Mt. 28, 19 in -Betreff der Taufe.
An der Zugehörigkeit von Mt. 28, 18 zu der vorcanonischen
Quelle besteht nach alledem für mich nicht der geringste Zweifel,
1) Bezüglich dieses aussercanonischen Zusatzes vgl. die Paralleltexte
zu Lc. 10, 18.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 28, 19 = Mc. 16, 15. 393
zumal da auch der Apokalyptiker Apoc. 12, 10 dafür Zeugniss
ablegt. Dagegen ist der an Mt. 28, 18 zum Schluss nach eju
yijq angefügte Zusatz: xal xa&a)q djiioxalxi //£ o jtaxrjg fiov,
xdyca djtooxiXXa) vfiäq, welchen diePeschittha (vgl. Hug,Einl. 1,138)
und ebenso die armenische Version (vgl. Hug, Einl. I, 354) vertritt,
aus Joh. 20, 21b herübergenommen, wie wir solchen frühzeitigen
Einschaltungen johanneischer Stoffe in den synoptischen Texten
noch einige Male begegnen. Vgl. den aussercanonischen Zusatz
zu Mt. 27, 49 aus Joh. 19, 34, ferner die Vermischung von Joh. 3, 5
und Mt. 28, 19b in Hom. Clem. XI, 26. p. 117, 2, ebenso die Über-
tragung von Joh. 2, 19 nach Mc. 14, 58. (S. oben S. 331 f.)
Mt. 28, 19» = Mc. 16, 15.
a. Agathangelus c. 171. p. 86, 6. ed. Lagarde.
e£,eX&exe, Xiycov, de jtdvxa xd e&vt] xal xrjgv^axE xb
EvayysXwv xovxo vjtoxdxco xov ovgavov.
b. Exe. Theodr§ 76. ap^ ä^rATpT987T
jtEouovxsq xtjqvööexe xal xovq Jtiöxsvovxaq ßajtxl^EXE.
c. Epiph. An cor. c. 74. p. 80 A.
avxbq o xvgioq rjftcöv ev reo svayyeXia) avxov <pr\öaq xolq
tavxov (ia&r)xaZq' ajtsX&ovxEq ßajtxiöaxE Jtävxa xd e&vtj.
d. Epiph. Ancor. c. 81. p. 87 A.
(prjolv sv evayyeZiq)' dxsZftovxeq ßajtxiöaxE Jtdvxa xd
i&vrj.
e. Epiph. Haer. LXXIV, 5. p. 892 D.
mq av EiJtoi Xgiöxoq' djtsX&ovxEq ßajtx iöaxe siq jtdvxa
xd Bd-vrj.
f. Cod. Cantabr. Mt. 28, 19a.
xogeveöfre vvv, fia&rjxsvoaxe jtdvxa xd e&vrj.
g. Orig. IV, 262. ed. de la Rue. in Joann. XIII, 49.
jioqeveg&e, [la&ijxEvöaxs jtdvxa xd e&vtj.
h. ActarRirB7xiVri7ir318. ed. Tischendorf.
xov 'fyöovv . . . öiödöxovxa jtgbq avxovq xal Xiyovxa'
jroQEvfri/xt sie Jtdvxa xov xöof/ov xal xrjgv^axE xb svay-
yt'Xiov.
i. Euseb. in Psalm. 65. 5. 6.
jtogevovxEg fia&rjXEvoaxE jtdvxa xd e&vt] ev xm ovouaxi
(IOV.
394 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
k. Mc. 16, 15.
jiogsv&EvxEg dg xbv xoOfiov änavxa x7]ov$,ax£ xo svayys-
Xiov Jtaoy xf] xxLoel.
1. AcraPil.ArXIvTl.rr 259.
jtOQEV&£VTEQ slg top xoO/iov äjcavxa xrjQvt-axE Jtaöy x%]
xxioet [Cod. E. add.: xö evayyePuöv fiov].
m. Ut2S, 19a.
jroQEV&t'vxeg (ia&7]xevoaxe jrccvxa xä e&vi] ßajtxi^ov-
T£_- XX?..
n.Epiph. Kaxa aloeötcov A. p. 50 A.
xolg /ua&rjxaig xal Xiymv fjta&i]xevGaxe xä E&vt} . . . ßa-
jcxioaxs avxovg xxX.
o. Ephraem Syr. Ev. concord. expos. ed. Mösinger p. 226.
Quum dixit: Ite in universam terram et baptizate.
p. Hilar. de trinit. c. 2. p. 21 F.
cum dicit dominus: Euntes nunc et docete omnes gentes,
baptizantes eos etc.
q. Hilar. in Psalm 65. p. 791 E. = adv. Arian. p. 352 E.
Euntes nunc docete omnes gentes.
r. Hilar. de Synod. adv. Arian. p. 358 D.
sicut legimus in evangelio: Ite et baptizate omnes gen-
tes.
s. Hilar. de Synod. adv. Ariau. p. 367 F.
Dominus Jesus Christus ordinavit discipulis dicens: Pergite
et docete universas gentes baptizantes eas.
t. Vulgata Mt. 28, 19a.
Euntes ergo docete omnes gentes baptizantes eos etc.
u. Tertull. de baptismo c. 13.
Ite, inquit, docete nationes tinguentes eas etc.
v. Tert. de praescr. haer. c. 8.
Siquidem in fine praecipit vaderent ad docendas^et tinguen-
das nationes.
w. Tert. de praescr. haer. c. 20.
digrediens ad patreni post resurrectionem jussit ire et do-
cere nationes tinguendas.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 28, 19 = Mc. 16, 15. 395
x. Aphraates Hom. I, 7. p. 7. ed. Bert.
Und wiederum zu seineu Jüngern: Gehet aus und lehret
alle Völker, und sie werden an mich glauben.'^'
y. Const. V, 7. p. 137, 23.
Xaßovxeg IvxoXrjv nag' avxov xrjpv^ai xb svayyeXiov sie
o^o^jro^jcoö^oi' xal fia&?jxevoai jtdvxa xd sd-vt] xcä
ßaxx icai.
z. Agathangelus c. 42. p. 24, 18. ed. Lagarde.
0 xeXevoag xrjovyßrjvai rd tvayyeX.ia sv Jtdorj xjj olxov-
fi£V7J.
a. Herrn. Sim. VI1L 3, 2. p. 178, 17.
voyiog &eov loxlv 6 öo&slg slg oXov xbv xöopov 6 öe vo-
fioc ovxog vlbg &eov eoxl xrjQvy&elg slg xd Jtegaxa xijg
ß. Herrn. Sim. IX, 15, 4. p. 230, 1.
01 öe (i ajtooxoXoi xal öiödoxaXoi xov xrjovyfiaxog xov
VWV XOV &£OV.
y. Herrn. Sim. IX, 16, 4. p. 232, 2.
xdxeivoig ovv Ixtjqvx&V V otpgaylg avxi] [sc. xb ßdnziöf/a].
ö. Herrn. Sim. IX, 16. 5. p. 232, 5.
ovxoi oi axboxoXoi xal oi öiödoxaXoi 01 xr/Qv^avxeg xo
ovo/ja xov viov xov &eov.
e. Herrn. Sim. IX. 17, 1. 2. 4. p. 234, 5.
[öooöexa] (pvXai eloiv al xaxoixovoat oXov xbv xoofiov.
txTjQvy&T) ovv aig xavxag o vlbg xov &sov öid xcöv dno-
oxbX.oov. ... ai öoSöexa <pvXal avxai al xaxoixovoat oXov
xbv xoofiov öoiöexa s&vr] eiolv jtdvxa xd efrvtj
xd vjco xbv ovnavbv xaxoixovvxa, dxovoavxa xal jtioxev-
oavxa LjcI xco bvbf/axi exXrj&rjGav [xov viov] xov {heov.
Xaßovxeg ovv rijv otpoayiöa [sc. xb ßdxxiOf/a}.
g. Herrn. Sim. IX, 25, 2. p. 246, 16.
djcböxoXoi xal öiödoxaXoi ol xtjQv^avxeg slg oXov xbv
xoOf/ov xal ol öiöd^avxeg oef/voZg xal dyvcbg xbv Xbyov
xov xvg'iov.
£. Hom. Clem. XVII, 7. p. 161, 20.
elöiog ovv r^iäg eiöbxag Jtdvxa xd vji avxov Qrj&t'vxa xal
xdg ujioÖel^etg nagaoxelv övva/jt'vovg, slg xd df/ad-fj td-vr]
396 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
cbtooxiXXcov t](iäq ßajixi^siv avxovq slq drpeoiv afiag-
xiojv, svexsiXaxo ?)(iii> Jigoxegov öiödt-at avxovq.
?j. Clem. Rom. I, 5, 7. p. 14, 4.
[6 UavXoq] öixaioövvr/v öiödgaq oXov xov xoOfiov.
&. Just. Dial. c. Tryph. c. 53. p. 273 C.
xal ovxco xstö&evxeq xal eiq Ttäoav oixovfiivrjv k§eX&6vxsq
xavxa eöiöa£av.
i. Just. Apol. I, 39. p. 78 AB.
djcb ydg cIegovoaXt)fi dvögsq öexaövo xov dgcd-fiov iS^X&ov
eiq xov xoöfiov .... coq dxtOxdXrjOav vjtb xov XgiOxov
öiöd^ai jcdvxaq xov xov &eov Xoyov.
x. Just. Dial. c. Tryph. c. 53. p. 272 D.
6 Xgiöxoq ovxoq eX&cbv öid x65v (ict&qxcöv avxov Jtefitpaq
s(ia&r}X£Vö£v avxovq.
X. Didasc. 111, 6. p. 288.
xal yag avxöq o öiödöxaXoq ?][uav xal xvgioq Irjöovq t]fiäq
xovq öcööexa Jtefixpaq [lafrrjXEvöai xov Xaov xal xa ed-vrj.
//. Const. III, 6. p. 100, 24.
xal ydg xal avxoq o ÖiödöxaXoq tjftäiv xal xvgioq 'hjöovq
6 Xgioxoq fj[iäq xovq ömöexa xe/iipaq fia&ijxevöai xov Xaov
xal xd t&VTj.
v. Just. Apol. I, 31. p. 73 A.
xal xivaq jtefiJtOfisvovq vn avxov eiq jcäv yevoq dvd-gm-
jioov xqgvt-ovxaq xavxa xal xovq e£, £&vcjv dv&goijiovq
fiäXXov avxcö xiöxeveiv.
g. Just. Apol. I, 50 p. 86 B.
xal eiq jtav yevoq dvfrgatütaiv eX&ovxeq xavxa eöiöa^av
xal djcÖGxoXoi jigoorjyogsv&rjöav.
Auch hier stehen wir auf urevangelischem Boden. Das be-
weisen zunächst die zahlreichen Varianten, welche man bei einem
so wichtigen Herren worte, wie der Taufbefehl ist, sich gewiss
nicht gestattet haben würde, wenn nicht von Alters her ver-
schiedene Übersetzungen des hebräischen Urtextes nachgewirkt
hätten. Als solche Übersetzungsvarianten recognoscieren wir:
jrogev&svxeq (Mt., Mc, Acta Pil. A), jtogsvovxeg (Eus.), jiogsvsö&e
(Cod. D, Orig.), jtogsv&ijxe (Acta Pil. B), xe giiovxeq (Exe. Theod.),
Texte und Untersuchungen zu Mt. 28, 19 = Mc. 16, 15. 397
igsl&STS (Agathang., Aphraat), äjislfrovreg (Epiph.), euntes
|Hilar., Vulg.), ite (Epkr., Tert), per^ite (Hilar.) = %b und vei>
gleichen dazu aus urevangelischen Stellen jroQSV&tvrsg (Mt. 11, 4 =
La 7,22; Lc. 13, 22 u. o.), jcoqsv6(ievol (Mt. 10, 7), nogeveöfre (Mt.
10, 6; 25, 9. 41), jcoQEvd-rjxe (Mt. 21, 2) = vjtaysrs (Mt. 11, 2 =
Lc. 19, 30), äjrsX&ovreg (Mt. 14,. 15), — Parallelen, welche noch
durch zahlreiche Stellen vermehrt werden könnten, ferner: eig
xov xoOfiov ajtavra (Acta Pil. A, Mc. 16, 15), sig ölov rov xoo-
fiov (Herrn., Clern. Rom., Const.), Iv jiaoit] rfj oixovfiev?] (Agath-
ang.), eig jtäöav oixovftevrjv (Justin), in universam terram
(Ephraem) = p^n^bia, wie Salkinson in richtigem Sprachge-
fühl Mc. 16, 15 rückübersetzt — , sod&nn: ßa&rjrsvtiv (Mt., Justin,
Const., Didasc.) = öiöägcu (Hom. Clem., Herrn., Clem. Rom., Just.)
= TDb = docere in den lateinischen Texten1) — , endlich viel-
leicht auch xijqvöOeiv ro svayyiXiov (Mc, Const., Agath.) =
xrjQvöösiv absoluF^ExX^heoa\7 Herrn., Acta Pil. A) = 11B3 =
LXX: tvayysXl^soO-ai. Das fast allen Texten gemeinsame jtavra
ra t&vr] und die Aussendung eig rov xoOfiov ccjravra zeigt, dass
nach der Judenmission (Mc. 6, 7—13. Mt. 10, 23) und der
Samaritermission2) (Lc. 10, 1 — 16) der Missionsbefehl Jesu,
früheren . Andeutungen entsprechend (Mt. 21, 43; 24, 14 = Mc.
13, 10; Mt. 26, 13 = Mc. 14, 9), nun am Abschluss seines Erden-
lebens alle Völker der Erde umfasst, um kraft der e^ovoia,
die ihm über die Erde gegeben ist, die td-vrj für die ßaöiXeia
tojv ovgavoZv zu gewinnen. Und wie er am Anfang seines
Wirkens, obwohl lavacri non egens = ovx exiöeofievog Xovtqov
= ovx evöeijg rov ßcutziö&yvai, doch der Taufe sich unter-
worfen hat, so setzt er in der Vollendung seines Werkes das
ßajrri^etv als Mittel ein, um sich und seiner freiwirkenden egov-
oia die Völker der Erde zu unterwerfen. So erweist sich nach
allen Seiten Mt. 28, 19a = Mc. 16, 15 als ein urevangelischer
1) Wahrscheinlich gehörte fxa&rjtevetv dem Typus der vom ersten
Evangelisten gebrauchten Übersetzung an. Vgl. Mt. 13, 52: yQa/ifiarsiq
fjiad-TjzevS-elq, wo im Urtext nichts Anderes als •"s^s (= Siöaxxöq) gestanden
haben kann. Zu der dritten Stelle, an welcher überhaupt noch in den
Evangelien fxa^teveiv vorkommt, Mt. 27, 57: ifictd-rJTevoev rü 7?/<ro€', vgl.
man Jes. 54, 13: rrrr *3M^ = SiSaxrovq 9fov.
2) Vgl. oben's! 119 f.
398 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Textbestandtheil, welchen der erste Evangelist und der Autor
des Marcusschlusses jeder in seiner Weise verwerthet hat.
Mt 28, 19b.
A. Canonische Fassung.
1. Mt. 28, 19b.
ßajixitpvxEq avxovq Elq xb bvofia xov jtaxooq xal xov
viov xai xov aylov Jtvsvfiaxoq.
B. Aussercanonische Fassung:
2. Const. V, 7. p. 137, 25.
[Zaßovxeq svxoXrjv Jtao' avxov xrjgvgai xo Evayyiliov elq
oXov xov xooftov xal (ladrjxEvöai jcavxa xa e&vtj xal] ßa-
jc xl ocu
elq xov avxov fravaxov
ejcI av&evxia xov &sov xo3v oXcov, oq hoxiv avxov
TcaxrjQ,
xal fiaoxvQla Jtvevfiaxoq, oq eoxi jcaQäxXrjxoq.
C. Abbreviaturen.
3. Eus. H. E. III, 5, 2.
xov Xqigxov g)?]oavxoq avxolq Jtooevdivxeq fia&tjxEvöaxE
jcavxa xa Efrvrj ev xm ovofiaxl fiov.
4. Eus. Dem. ev. III, 6^32.
<pr}6aq Jtobq xovq eavxov fia&rjxäq' Jtonev&evxsq fia&rjxsv-
oaxs jcavxa xa e&vtj iv xcp ovofiaxl /tov.
5. Eus. in Psalm. 65, 5. 6.
köo&T] (iot jcäoa sgovola ev ovgavcp xac ejcc xr/q yrjq' jco-
Qsvovxsq fia&r)X£v6axe jtdvxa xä £&vr] ev xcö ovofiaxl
fiov.
6. Eus. Laus Constant. XVI, 8.
jcoqev&evxec yovv fia&TjXEvöaxE jcavxa xa e&vij ev xm
ovofiaxl fiov, cp/jdaq avxolq.
7. Herrn. Vis. VIII, 7, 3. p. 46, 1.
&Elovx£q ßajtxio&TJvai Elq xb bvofia xov xvq'iov.
8. Jiö. IX, 5.
oi ßajcxiG&t'vxEg Elq bvoua xvq'iov.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 28, 19. 399
9. Just. Dial. c. Tryph. c. 39. p. 258 A.
xivdq {la&r/xsvofisvovq slq xo ovofia xov Xqioxov avxov.
10. Euchologion Goar p. 356 cf. Cyrill. Mvstag. III, 1. p. 315.
(Migne XXXIII, 1088).
slq Xqioxov ßsßanxiO^ivoi xal Xqioxov svövodtusvot.
11. Const. V. 16. p. 148, 7.
ßaxxiG&svxsq yctQ slq xov xov xvq'iov ftdvaxov.
12. Const. VI, 15. p. 175, 3.
ßajixiOftaxi hvl ccqxsIO&s fiövro xw slq xov &avaxov xov
xvq'iov ösdofisvai.
13. Const. VI, 23. p. 187, 9.
sv fiövov Öovq ßäjcx iGfia xo slq xov avxov ftdvaxov.
14. Const. VII, 22. p. 207, 4.
o de slq xov avxov fravaxov fivovfisvoq.
15. Const. VII, 25. p. 209, 2. {Aiö. IX, 5.)
oi ßsßajcxiOfiivoi slq xov xov Xqioxov ddvaxov.
16. Const. VIII, 7. p. 242, 16.
[iv?]&svxaq slq xov xov Xqioxov &dvaxov.
17. Ps.-Ignat. ad TraU. II, p. 184. 4.
xioxsvovxsq slq xov ftdvaxov avxov öid xov ßajiiG[iaxoq.
18. Ps.-Ign. ad Philipp. I. p. 216, 14.
sv öh xal xo ßdjix löfia xo slq xov tidvaxov xov xvqIov
öiaötöofisvov.
D. Liturgische Formulierungen.
I. Bei der Taufe.
19. Jiö. VII, 3.
sxysov slq xr\v xscpaX/jv XQiq vÖcoq slq ovofia jcaxQoq
xai viov xai ayiov jtvsvytaxoq.
20. Just. Apol. I, 61. p. 93 A. 94 A.
sjisixa dyovxai vtp Tjficöv svfra vöwq loxl, xal xqojiov
dvaysvvrjoscoq, ov xal ?](/siq avxol dvsysvv//ft?if/sv, dva-
ysvväjvxai' sji ovöf/axoq yaQ xov jtaxQoq xwv oXmv
xal ösojcoxov &sov xal xov ocoxrjQoq rjtumv Irjoov Xqi-
oxov xal jcvsvfiaxoq ayiov x<) sv xm vöaxi xoxs Xov-
xqov xoiovvxai.
21. Just. Apol. I, 61. p. 94 D. E.
sv xcö vöaxL sjtovo[idC,sxai xco s1o[isvcq dvaysvvrj&iji'ai xal
400 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
fisravoy'jöavTi ejcl xolq f<jluaQT?]fJtvoic xo xov jcaxgoq
xcöv öXcov xal öeGJtoTov &eov ovofia xai an ovo-
fiaxoq deo Irjoov XgiGxov xov Gxavgco&evxoq em IIov-
xiov tliXäxov, xal eji ovöfiaxoq nvevfiaxoq dyiov, o
öia xcöv ngotprjxcöv XQnexrjQv^E xd xaxct rov yJt]Govv Jtdvxa,
o g)G>TiC,6/j£i>oq Xovexai.
22. Orig. de princ. I, 1.
salutaris baptismus non aliter nisi excellentissimae omnium
trinitatis auctoritaie, id est patris et filii et Spiritus
sancti cognominatione compleatur.
23. Hom. Clem. IX, 23. p. 100, 13.
xai xgiGftaxagia tJtovof/aola slq dcptGiv dftagxicöv ßa-
JlTlöäflEVOl.
24. Doctr. Addai ed. Philipps, p. 20.
Denn so ist uns von ihm befohlen, dass wir taufen und
absolvieren diejenigen, welche glauben an den Namen des
Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes.
25. Const. VII, 43. p. 226, 12.
tvyagiGxcöv axxcö xqö dvadt'£,aG&ai avxov xov vjtsg xdvxcov
frdvaxov öia rov oxavgov, ov xvjiov eöcoxz xo ßdjtxiGfia
xrjq jiaXiyyeveGiaq, dogdC.ei xe ort kv xcö ovofiaxi xov
XgiGxov 1) eöq o xcöv ÖXcov xvgioq kv dyico jcvevfiaxi
ovx dntggitye xo xcöv dv&gwjccov yevoq.
II. Bei der Eucharistie.
26. Just. ApoL I, 65. p. 97 D.
ejteixa ngoGcptgexai xcö jrgoeGxcöxi xcöv ddeXcpcöv dgxoq
xal jioxi'iqiov vöaxoq xai xgdfiaxoq, xal oxoq Xaßcbv aivov
xal öö^av xcö jtaxgl xcöv ÖXcov öia. xov ovofiaxoq xov
vlov xal xov jtvevftaxoq xov ay'iov dvajtäfixei xal
svxctQiGxiav.
III. Bei den täglichen Gebeten.
27. Just. Apol. I, 67. p. 98 C.
km üiolGi xs oiq jrgoG<p£g6(ie&a evXoyovfisv
xov jcoirjxrjv xcöv Jidvxcov
ötä xov vlov avxov iIr\Gov XgiGxov
xal öid jtvevfiaxoq dyiov.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 28, 19. 401
28. Hymnus vespertinus Graecorurn vel saeculo secundo vel certe
tertio compositus. Usserius. Diatribae de synibolis ap.
Routh. III, 515—520.
Y^ivog sOjcsqivoc.
<Pwg iZagov ayiag öo^rjg dd-avdxov Jtaxoög, ovgaviov, ayiov,
fiäxagog, 'irjöov Xqioxe' sZ&ovtsq im xov ?ßiov övoiv,
iöövxsg <pä>g egjieqivov, vfivovfisv
jiaxEoa
xal vlov
xal ayiov xvevfia &sov.
"Agiog ei kv jtäoL xaigolg vfivElo&ai ycovaig ooiaig, vll #£ou,
C(o?)v o öiöovg' 616 o xoöfiog oe Öo^d^ei.
29. Basilius M. De spiritu saneto c. 29.
eöogs rolg xaxQaGiv ?j{icöv (i?) oicojitj xt)v yäoiv r°v ^gjte-
qlvov ö£xEG&cu, alX evfrvg <pavevxoq EvxaQiGxelv. xal ooxig
f/ev o ütaxrjQ xdiv Qijfiaxcov exdvcov xtjg kxiXvyviov Evya-
QLöxiag djtslv ovx Eyofi-ev ' o (iev xot o laog doyaiav acpbjöi
x?)v cpmvTjv, xal ovöevI jccojtoxs aGEßslv svofiiG&tjGav ol
Xtyovxeg' alvovtUEV
jtaxEQa
xäi vlov
xal ayiov JtVEVfia fttov.
E. Patristische Parallelen.
30. Clem. Rom. I, 46, 6. p. 76, 8.
tva &e6v iyofiEV xal Eva Xqigxov xa) ev JtvEvua zrjg
ydoixog xo ixyy&EV sep' tjfiäg.
31. Clem. Rom. I, 42, 3. p. 68, 1.
jiaoayyEllag ovv Zaßovxsg xal jiZriQo<poQT}&EVXEg 6id xtjg
avaöxaöEcog xov xvqlov 'Itjgov Xqigxov xal jriGxm^EV-
xeg kv xcö löym xov &eov, fisxd jiZrjQog)ogiag jtvtvtua-
xog ayiov st-r/Zfrov EvayyEh^öfiEvoi xt)v ßaOiZsiav xov
frtov.
32. Clem. Rom. I, 58, 2. p. 96, 12.
C>/ yaQ 6 &Eog xal Crj 6 xvQiog 'IijGovj. Xoioxog xal
xo jcvEvua xb ayiov.
33. Ign. ad Eph. IX, 1. p. 14, 6.
yxotfiaofiEvoi dg olxoöotrrjv Q-sov xaroog, avacpeQOfiEVOi
Texte u. Untersuchungen X, 8. 26
402 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
elg xd vipt] Öid xr\g (irjxavfjg 'iqöov Xgioxov, 6g eoxiv
oxavgog, öxoivlcp XQ<®{*ei;OL xm jcvevfiaxi xm dylco.
34. Ign. ad Magn. XIII, 1. p. 40, 14.
ev vicp xal jtaxgl xal ev jcvevfiaxi.
35. Ign. ad Magn. XIII, 2. p. 40, 7.
vjioxdyrjxe xm emoxcjim xal aXXr/Xoig, mg o Xgiöxbg xm
jiaxgl xaxd odgxa, xal ol anboxoXoi xm Xgioxm xal xm
jtaxgl xal xm Jivev fiaxi.
36. Ign. ad Philad. p. 70, 2.
'Iyvdxiog o xal 0eo<p6gog, IxxXrjOia &eov naxgbg xal xv-
giov 'ItjGov Xgioxov . . . ev ofiovoia &eov . . . ev ai'fiaxi
'ItjGov Xgioxov ... ev ßeßaimövvy xm aylm avxov
xvevy.axi.
37. Aiö. VII, 1.
jtegl de xov ßajtxiOfiaxog ovxm ßajtxioaxe xavxa nävxa
xgoetxovxeg ßajtxioaxe elg xo bvo.(ia xov Jiaxgoq xal
xov vlov xal xov dy'iov xvevfiaxog ev vöaxi C,mvxi.
38. Aristid. Apol. c. 2. p. 9. ed. Hennecke
ol öe Xgtoxiavol yeveaXoyovvxai äjcb [xov xvgiov] Irj-
öov Xgioxov' ovxog de [6] vibg xov &eov xov vtyiöxov
ofioXoyelxai ev jivevfiaxi aylm.
39. Just. Apol. I, 13. p. 60 CDE.
xov 6r\pLiovgybv xovöe xov navxbg oeßofievoi xov
öiödoxaXov xe xovxmv yevbfievov tjfüp xal eig xovxo yev-
vTj&tvxa yJrjOovv Xgioxov, xov oxavgmfrevxa ejtl IIov-
xiov üiXdxov, xov yevo^evov ev 'lovöaia. ejil xQOvoig Ti-
ßegiov Kaloagog ejtixgojtov, vlov avxov xov ovxog &eov
fiad-ovxeg xal ev öevxega x™QV sxovxeg, nvevpid xe
jigo(pt)xixbv ev xgixrj xd§u oxi pexä Xoyov xifimfiev ano-
Öei^ofiev.
40. Just. Apol. I, 6. p. 56 BC.
xal ofioXoyovf/ev xoäv xoiovxmv vofii^oftevmv &emv a&eoi
elvai, aXX ovxi
xov aXrj&eoxdxov xal Jiaxgbg öixaioovvrjg xal öcocpgo-
övvTjg xal xmv aXXmv dgexmv, dvejcifiixxov xe xaxlag
&eov,
aXX* exelvbv xe xal xov nag avxov vlov eX&ovxa xal
diddt-avxa t/fiäg xavxa, . . .
xvevfid xe xo xgo(p7]xixdv oeßöf/e&a xal jtgoöxvvovf/ev.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 28, 19. 403
41. Just. Apol. I, 63. p. 96 C.
Jovöcüot ovv tfy?]Gatu£voi
ad rov jtartQa roZv oXcov XtXaXtjxtvai reo Mcqvöei,
rov XaXrjoavroq avrm ovroq vlov rov fteov
öixaiatq hXiyfovrai xal öid rov jrQog)?/rixov xvzvfiaroq
xai öid avrov rov XocGrov ooq ovre rov jtartga ovrs
rov vlov tyvcooav.
42. Just. Dial. c. Tryph. c. 32. p. 249 E.
Iqcö vfiiv xal aXXovq Xoyovq . . ., Ig cov
xal xvqiov rov Xoioröv
vjtb rov äylov jtQog>?]rixov jtvsvfiaroq Xtyoftevov
votjösre,
xal rov xvqiov jrdvrojv jeartga.
43- Mart. Polyc. c. 14. p. 154, 6.
xvqie o frEoq, o jtavroxcjarcoQ, o rov äyajirjrov xal sv-
Xoytjrov jtaiöoq Oov I?]Oov Xoiörov jcart'jQ,
tv cKpfraoGia. jrvEVfiaroq aylov.
44. Martyr. Polyc. c. 22. p. 166, 3.
xm xarä xb evayytXiov Xoym 'bjöov Xqigxcq, (ie&} ov tj
öo£a xm d-ecb xal jcarQl iv aylcp Jiveviiari.
45. Athenag. Leg. c. 10. p. 11, 5. ed. Scliwartz.
bvroq öe rov vlov iv jcaxQl xal jtaxQoq evvlcö tvbx?]xi
xal övvdfiei Jivti iiaroq.
46. Athenag. Leg. c. 10. p. 11, 19.
&e6v jtartQa xal vlov &tbv xal xvevfia dyiov.
47. Athenag. Leg. c. 12. p. 13, 20.
äötvai, riq tj rov jtaiöoq jiQoq rov jearepa \vorr\q, riq
tj rov jxargoq jtQoq rov vlov xoivcovia, rl rb Jtvevfta,
riq Tj rcöv rooovrov tvoiGiq.
48. Athenag. Leg. c. 12. p. 13,22.
xal diaigsöiq Ivovfit'vcov , rov Jivtvfiaroq, rov jtaiöoq,
rov jeargoq.
49. Athenag. Leg. c. 24. p. 31, 19.
frebv (patuev xal vlov rov Xöyov avrov xal jtveifta
äyiov.
50. Athenag. Leg. c 24. p. 31, 2(1.
roi' jcari{ta, rov vlov, rb jivsüua.
26*
404 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
51. Clem. AL Paed. I, 6, 42. p. 123.
co &avfiaxoq fivoxtxov' siq fisv o xcöv oXcov JtaxrjQ, siq
6h xal 6 xcöv oXoov Xöyoq, xal xo jtvsvtua xo äyiov sv xal
xb avxo jcavxaxov.
52. Clem, AI. Eclog. proph. § 13. p. 992.
jiccv gr/fta Xaxaxai km ovo xal xqicöv (iccqxvqcov, kxl
jiaxgoq xal vlov xal aylov jcvsvfiaxoq, kcp' cor ftag-
xvqcop xal ßoTjfrcov al kvxoXal Xeyoftsvai cpvXdoosö&ai
OCpSlXovOlV.
53. Clem. AL Eclog. proph. § 29. p. 998.
xcöv yctQ svxQt)Oxa)v xal avayxalcov slg OcaxrjQiav, olov Jia-
XQoq xal vlov xal aylov jivsvfiaxoq.
54. Pseudo-Clem. de Virginitate I, 4.
vitam vivat divinam coelestemque in pura sanctaque opera-
tione et in sanctificatione Spiritus Dei atque ut Deo om-
nipotenti serviat per Jesu in Christum propter regnum
coelorum.
55. Didasc. II, 26. p. 260 ed. Lagarde.
o yao sjtiöxojtoq JiQoxa&st^tG&a) vficöv kv &sov xojcop,
o 6s öiäxovoq jiaoioxao&a) avxcö coq o Xoiöxoq,
rj 6h 6idxovoq siq xvjcov aylov Jtvsvftaxoq xsxifirjö&co
VfltV.
56. Didasc. IV, 5. p. 298.
6taxovlav ayiav xal 6sxxr\v 6sl JtQOötpsQSiv svcomov xov
jiavxoxQäxoQoq &sov 6id xov ryajirjfisvov vlov xal jivsv-
(taxoq ayiov, ob r) 66%a siq xovq aicövaq.
57. Didasc. V, 6. p. 305.
moxsvsiv siq xov xvqlov rj ficöv Xqiöxov xal siq &sov
xov TiaxsQa avxov, xov xvqlov xov üiavxoxoäxoga, xal
siq xo ayiov avxov Jtvsvfia, olq r\ 66§a siq xovq aicövaq.
58. Didasc. VI, 14. p. 326.
xavxr/v x?)v xa&oXixrjv 6i6aoxaXlav siq kjtiöxrjQiyfiov
v/jcöv, kv ?] 6>jXov(isv vfilv d-sov jiavxoxgaxoga ösßsiv xal
l?]öovv Xqioxov xal xd ayiov Jivsvfia, xal xalq isgalq
ygacpalq iQr\o^ai.
59. Didasc. VI, 30. p. 338.
xqo sQxofisvcp kv 6vvätust xal 66&] xglvai vsxgovq xal
Texte und Untersuchungen zu Mt. 28, 19. 405
Ccovxaq avxco xal xcö jiaxgl avxov xal xcö ay'ico jtvsv-
fiaxi, oq i]v xal köxl xal söxai, xo ösßaq xal ?] fisyaXa)-
övvrj xal tj 6ÖB,a, xal vvv xal slq xovq alcövaq.
60. Const. VI, 15. p. 175,8.
coq ydg slq 6 d-soq
xai siq o XQiöxbq
xal slq o jiagdxXrjxoq,
siq ös xal o xov xvglov sv öcojtaxi frdvaxoq, ovxcoq sv
toxco xal xo slq avxov ösöofisvov ßdütxiöfia.
61. Const. VI, 15. p. 175, 21.
aösßovöiv slq xov djroöxsiXavxa,
slq xov Jtaftovxa,
slq xov (lagxvgrjöavxa.
62. Const. VI, 18. p. 178, 7.
ol xal 'lovöalcov övöösßsöxsgoi xal EXXr/vcov dd-scoxsgot,
ol frsöv xov ejtl jcdvxcov ßXaöcpmiovvxsq
xal xov viov avxov xaxaxaxovvxsq
xal xrjv öiöaöxaXiav jcvsvfiaxoq öiajtxvovxsq.
63. Const. VII, 22. p. 206, 11.
xov axoöxsiXavxoq jtaxgöq,
xov sX&ovxoq Xgiöxov ,
xov fiagxvgtjöavxoq jcagaxXrjxov.
64. Const. VIII, 5. p. 237, 25.
o &soq xal jtaxfjg o örjfiiovgydq xcöv oXatv
öid xrjq svödgxov jtagovöiaq xov Xgiöxov öov
vjto fiägxvgi xqö jtagaxXr\xcp.
65. Const. VIII, 6. p. 240, 27.
o frsoq xal xaxrjg xov Xgiöxov .... xal xcöv oXcov xvgioq,
o xov üiagaxXrjxov jcgoßoXsvq, . . .
0 öiä Xgiöxov ÖiöaöxdXovq xovq (la&tjxdq sjciöx/joaq.
66. Pseudo-Ign. ad Philipp. I. p. 216, 11.
siq söxlv o xcöv oXcov &s6q 6 Jtaxtjg xov Xgiöxov, ig
ov xd jcdvxa,
siq 6s xal o xvgioq tjficöv Itjöovq, o xcöv oXcov xvgioq,
6t' ov xd jidvra,
406 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
ev de xal jtvevfia ayiov, xb eveoyrjoav ev Mcoofj xal
jigo<pr}xaiq xal ajiooxoXotq,
ev 6s xal xb ßajtxiöf/a.
67. Pseudo-Ign. ad Philad. IV. p. 232, 26.
elq dyevvrjxoq, o &ebq xal jtaxrjQ,
xal eiq [iovoyevrjq vlbq, &ebq Xbyoq xal dvfrQconoq,
xal siq o jiaoäxXtjxoq, xb Jtvevfia xrjq aXiföeiaq,
. . xal xb ßäjcxtOfia %v.
68. Pseudo-Ign. ad Philad. V p. 236, 6.
eiq yag o d-ebq jiaXaiäq xal xaivf\q dia&/]xi]q,
elq o iieöix?]q &eov xal av&Qoojiojv, ....
eiq de xal o JiaodxXrjXoq, 6 kveoyrjOaq ev Mcooij xal jiqo-
<pr\xaiq xal djtoöxbXoiq.
69. Pseudo-Ign. ad Philad. IX. p. 240, 11.
dyioq o xagdxXrjxoq,
xal ayioq o Xbyoq, b xov Jtaxgbq vloq, öl ov
b JcaxJ]Q xd jidvxa jcejtoirjxev xal xcöv oXcov itoovoel.
70. Pseudo-Ign. ad Heronem VII. p. 270, 5.
otagayyeXXo ooi ejcl xov &eov xcöv öXoav
xal ejcl xov Xqlöxov jcaobvxoq
xal xov ayiov jivevfiaxoq.
71. Pseudo-Ign. ad Eph. XX. p. 288, 1. 3.
oxfjxexe . . . . ev fiia nioxei
&eov Jtaxobq
xal 'Irjöov Xqiöxov, zov fiovoyevovq avxov
vlov, . . .
t<poöijyov(j,evoi vjtb xov jtaQaxXrjxov.
72. Agathangelus c. 148. p. 15. ed. de Lagarde.
xal eßdjcxiöe Jtdvxaq bfiov ev ovbfiaxi JtaxQoq xalvlov
xal ayiov Jivevfiaxoq.
73. Apoc. Mosis c. 43. p. 23 ed. Tischendorf.
dytoq, dyioq, dyioq xvgioq elq dbgav &eoi ütaxQoq. oxi
avxcö Jigexei 66§a, Xi/irj xal jiQoßxvvrjöiq 6vv xcp avagxco
xal C,a>ojiotop avxov jtvevfiaxi vvv xal del elq xovq
aloövaq xcöv aloövoov. dfirjv.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 28, 19. 407
F. Haeretische Parallelen.
I. Im wesentlichen Gleichlaute mit dem canonischen
Texte.
Ebioniten.
74. Hom. dem. XI, 26. p. 117, 2.
ovtcoq yag rjfilv wfioOev o jrQ0<p?'jxt/q eljrwv aftrjv vfilv
Xtyco, eäv f/rj ävayevvrj&ijxe vöaxi C,c5vxi elq ovofia jta-
xgoq, vlov, aylov xvevfiaxoq, ov (irj eloeX&rjxe eiq xr/v
ßaoiXelav xwv ovoavcöv.
75. Recogn. Clem. I, 63.
Aliter enim nullo modo eos ostendi posse salvari, nisi per
sancti Spiritus gratiam trinae invocationis dilui baptismate
properarent.
76. Recogn. Clem. III, 67.
Baptizabitur autem unusquisque vestrum in aquis perenni-
bus nomine trinae beatitudinis invocato super se.
77. Recogn Clem. IV, 32.
ut in praesenti quidem tempore diluantur peccata vestra
per aquam fontis aut fluminis aut etiam maris, invocato
super vos trino beatitudinis nomine.
Montanisten.
78". Epiph. Haer. XLVIII, 1. p. 402 D.
jtsgl 6h jiaxooq xal vlov xal aylov jcvevfiaxoq opoloq
(pQovovöi rfj ayla xa&ohxf] txxXrjola.
79. Philastr. c. 49. Corpus haereseolog. ed. Ohler p. 51.
Alii autem post istos surrexerunt, Cataphryges, in Phrygia
provincia habitantes. Isti prophetas et legem accipiunt,
patrem et filium et spiritum confitentur, carnis resur-
rectionem exspectant.
Valentinianer.
{fj avaxolixi] öiöaöxalla)
80. Exe. Theod. § 76. ap. Clem. AI. p. 987.
xal xolq anoOxbloiq kvtiXXsraf jreoiiövxsq xtjQVOOexe xal
408
Aussercanonische Paralleltexte zu Alt. und Mc.
xovq jruöxsvovxaq ßajtxiC,Exs slq ovo [ta jiaxooq xal viov
xal ayiov nvsvpiaxoq' slqovq dvaysvvmfiE&a xcöv Xoincöv
övväusmi' ajtaocov vjiEoäva) ytvbf/Evoi.
81. Exe. Theod. § 80. ap. Clem. AI. p. 987.
öia ydg xaxgoq xal viov xal ayiov jtvevparoQ 6<pga-
yiofrelg avEJiiXrjjixöq egxi jidor] xfj aXXrj övväfisi xa\ öia
xgimv ovofidxatv jtdoijq xr\q iv (pdogä xgidöoq djtrjXXdyr).
Kolarbasier.
82. Epiph. Haer. XXXV, 1. 3. p. 262 A.
xijv xEXeiav ex &eov XaßEiv idgiv xal yvcöoiv jiag' avxov
xov OcoxrJQoq öia. jcvEVfiaxoq ayiov.
Enkratiten.
83. Acta Pauli et Theclae ed. Tischendorf. Acta apostolorum
apoerypha p. 42.
fiaxdgioi ol xb ßänxiöfia xaßagbv xrjgi)oavxEq, oxi avxol
dvanavOovxai jegoq xov jtaxEga xal xov viov xal xb
dytov jcvEv/ta.
Priscillianisten.
84. Priscill. Tractat. II. p. 37. ed. Schepss.
baptizantes sicut scriptum est: in nomine patris et filii
et spiritus saneti.
IL Unitarisch-monarchianische Umdeutungen
von Mt. 28, 19.
Noetianer.
85. Epiph. Haer. LVII, 3. p. 481 D.
ovxoq de [sc. 6 Norjxoq] jidXiv aXXt/v axoöxqxa f/ovozvjtcoq
xov avxov jtaxtga &eov xal viov xal ayiov jcvev/ia iv
oagxl Tcejtovfroxa xal yevvrjfrtvxa rjyrjodfievoq.
Paulus von Samosata.
86 Epiph. Haer. LXV, 1. p. 608 A.
rpäöxEi ös ovxoq &eov jtaxtga xal vlbv xal ayiov
jtvsvfia Iva &sov, iv &£tfi öh dsl bvxa xov avxov Xöyov
xal xb jcvsvfia avxov, wöjceq ev dv&go)xov xagöia b löioq
Xoyoq.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 28, 19. 409
Sabellianer.
87. Epiph. Haer. LXII, 2. p. 51 4 AB.
xr\v de Jtäoav avxwv xlävi]v xal x?)v xrjq JtZdvrjq avxcov
övvctfiiv exovoiv eg äjtoxovtycov xivcöv, /xdXiOxa djto xov
xalovy.ivov Alyvnxiov evayysZiov, co xivsq xo ovofia ijtt-
&£vro xovxo. ev avrcp yao jioXXa xoiavxa coq tv Jtaoaßvoxcp
fivöxrjQicoöcög ex jiqogcojiov xov 6<ox?jQoq dvacpegexai, coq
avxov örjXovvxoq xolq (la&rjxalq xov avxov tivcu jraxsoa,
xov avxov eivai viöv, xov avxov eivai dyiov jcvtvfia.
Ungenannte Unitarier.
88. Pseudo-lgn. ad Trall. c. VI. p. 186, 23.
xcviq ös avxmv . . . Xe'yovöi" xavxov öh etvai oiaxtna.
xal vlov xal ayiov Jtvevfia.
Priscillianisten.
89. Augustini liber de haeres. c. 70. Corpus haereseolog. ed. Öhler
I. p. 218.
De Christo Sabellianam sectam tenent, eundem ipsum esse
dicentes non solum filium, sed etiam patrera et spiritum
sanctum.
90. Praedestinati liber 1 qui est de haeresibus. c. 70. Corpus
haereseolog. p. 259.
Trinitatem autem sicut Sabelliani ipsum sibi patrem,
ipsum sibi filium, ipsum sibi sanctum spiritum con-
fitentur. x)
III. Haeretische Abwandlungen.
Ungenannte Haeretiker.
91. Celsus ap. Orig. c. Cels. VII, 9.
xqÖx^iqov l.xdoxcp xal ovvrj&eq stycelv syco o &eoq ri,ui rj
&£ov jtalq t] jcvevfia &elov.
Simon Magus.
92. Hieron. in Mt. 24.
Simon: Ego sum sermo Dei, ego speciosus,
1) Vgl. hierzu Agrapha S. 467 f, wozu man bemerken wolle, wie durch
obige Citate 87. 89. 90 der Gebrauch des Aegypterevangeliuins bei den
Priscillianisten ausser Zweifel gesetzt ist.
410 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
ego Paracletus,
ego omnipotens,
ego omnia Dei.
93. Iren. I, 23, 1.
Hie igitur a multis quasi Deus glorificatus est, et doeuit
semetipsuin esse,
qui inter Judaeos quidem quasi Filius apparuent,
in Samaria autem quasi Pater descenderit,
in reliquis vero gentibus quasi Spiritus sanetus adven-
taverit.
Montanus.
94. Didym. AI. de trin. III, 41. p. 445.
Movxavog yäg, cptjoiv, eixsv kya> sifii o naxqg xal 6
vi 6 g xal 6 jtagdxX?jxog.
Valentinus.
95. Iren. I, 2, 5.
jtäXiv ixigav jtgoßaXeod-ai 6vC,vylav, xaxä jtgofirj&etav xov
jcaxgog, l'va fi?j ofiolcog
xavx?] jta&r] xig xcöv Almvoov XgiOxov xal Jtvsvfia
dyiov,
slg xfjfyv xal oxrjgiy/iov xov UXrjgmfiaxog.
96 Iren. I, 3, 1.
e£ dycövoq Ovf/jii]S,ig xal r\ xov Jigmxov XgiOxov övv xq~>
jcvevfiazi xm aylcp ex fiexavolag vjto xov xaxgog avxmv
fisxaysveoxega xcöv alcovatv yevsoig.
97. Ir. I. 21, 3 = Epiph. Haer. XXXIV, 20. p. 255 D.
aXXoi 6h 'Eßga'ixa xiva ovofiaxa exiXtyovoi, xgog xo [iäX-
Xov xaxanXrfcai xovg xeXeiovfievovg, ovxcog'
ßaCsfiä xttftoOöi}
ßaaiavovgä
fiiOxaöia govaöä xovOxd
ßa<poybg [ßaßo<pog] xaXay&d.
98. Iren. I, 21, 3 = Epiph. Haer. XXXIV, 20, p. 255 D.
xovxcav d' rj tgfirjvsia eoxl xoiavxy
xo vjthg jtaoav övvafiiv xov xaxgbq
Texte und Untersuchungen zu Mt. 28, 19. 411
sjtixaXovfiat <pcög ovofiaC,6fisvov
xal Jivsvfia aya&ov xal £cor},
oxt sv Gwfiaxi sßaölXsvöag.
99. Iren. I, 21, 3 = Epiph. Haer, XXXIV, 20. p. 255 D. 256A.
aXXoi xdXiv xr\v Xvxqodöiv sjciXsyovöiv ovroag'
xo ovofia xo ajtoxsxQVfifisvov djto Jtdörjg frsoxrjxog
xal xvQiöxtjxog xal dXrj&siag, o svsdvöaxo 'Ifjöovg o Na-
C,aQrjvog
sv xalg C,coalg xov gxoxog xov Xqiöxov, Xqiöxov £cövxoq
öiä scvsvfiaxog aylov
sie Xvxqvoöiv dyysXixr/v, ovofia xb xfjg dxoxaxaöxäösmg.
10.0. Iren. I, 2, 6 = Epiph. Haer. XXXI, 13. p. 179 A.
xo xäv ÜXijQWfia xwv Alcbvmv övvsvöoxovvxog xov Xqi-
öxov xal xov 3ivsvy.axog, xov 6s Jtaxobg avxöiv övv-
sjciowQayc^Ofisvov.
Kolarbasier.
101. Iren. I, 12, 4 = Epiph. Haer. XXXV, 1. p. 259 C.
ol 6s vjio xov Xqiöxov xal xov aylov jtvsvfiaxog sig
öx)'/Qiy(/a xov jiXrjQWfiaxog ysyovt'vai Xtyovöiv avxov xal
öid xovxo Xqiöxov ?Jysö&ai avxov, xr\v xov xaxQog,
dg>' ov jtQosßXy&t), 6iaöcöC,ovxa jtQoörjyoQiav.
Marcosier.
102. Iren. I, 21, 3 = Epiph. Haer. XXXIV, 20. p. 255 D.
ol öh dyovöiv sg>' vÖooq xal ßajcxiCovzsg ovxmg sjiiXs-
yovöiv
sig ovo(xa dyvcoöxov JtaxQog xwv oXmv
sig dXrjftstav firjxsQa yidi'xwv,
sig xov xaxsX&ovxa sig 'Itjöovv,
sig svmöiv xal djtoXvxQcoöiv xal xoivcovlav xwv övvcfismv
Manie häer.
103. Actus apost. apoer. ap. Fabricium, Cod. Apocr. N.T. p. 823.
sXfrs xo dyiov jzvsvfia xal xafraQiöov xovg vsg>QOvg avxmv
xal xtjv xaQÖiav, xal sjiiörpQayiöov avxovg sig ovojia na-
xQog xal vlov xal dyiov jivsv{iaxog.
4|2 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
G. Heidnische Zeugnisse.
104. Lucian Philop. T. IL p. 770 in.
Kai xiva ejtofxmoofiai ye —
Tri. 'Fxpifitöovta &s6v, {ityap, a/ißgoxop, ovgapimva,
vlov jtarQoq, xpev^ia ex naxobg exjcooevof/epop,
tp ex xqicöv, xal et- evbq xgia. Tavxa vofJiCe
Zr/ra, xop (f rjyov d-eov.
H. Das älteste kirchliche Bekenntniss.
105. Marcellus ap. Epiph. Haer. LXXII, 3. p. 836B. [Die älteste
Form der römischen regula fidei.]
juöxevo) ovv
eig fteov Tiapxoxoäxoga
xal eig Xqiöxop'Itjöovp, top vlop auxov top fiopo-
yep?j, top xvqcop tj/ump, top yeppijfrepxa ex jtpevfia-
Tog dyiov xal Maoiag xyg xao&epov, top enl JJopt'lov
Ilüdxov öTavocoftePTa xal Ta<pePTa xal t% tqiti] 7]{itoa
dpaöTaPTa ex tojp pexQcöp, apaßaPTa eig Tovg ovoa-
povg xal xadrjpepop ep öe^ia tov JtaTQog, o&ep eQX^Tai
xqIvelv C,ODPtag xal pexQOvg'
xal eig to äyiop xvevfia, ayiap exxXrjöiap, a<peöiv
af/aQTio5p, oagxog dpdoxaoiv, ^cotjp aiowiop.
106. Aphraates Hom. I. 15. p. 16—18 ed. Bert. (Ostsyrisches Glau-
bensbekenntniss.)
Denn das ist der Glaube, dass man glaubt
an Gott den Herrn über Alles, welcher geschaffen hat
Himmel, Erde und die Meere und Alles, was darinnen
ist, welcher den Menschen geschaffen hat nach seinem
Bilde, und welcher das Gesetz dem Mose gegeben hat,
und welcher wiederum seinen Gesalbten in die Welt
gesandt hat,
und von seinem Geist in die Propheten gesandt hat,
und dass man glaubt an die Auferstehung der Todten
und wiederum glaubt auch an das Geheimniss der Taufe.
Das ist der Glaube der Kirche Gottes.
An dem Anfang des TJrevangeliums (Mt. 3, lff. = Le. 3, lff.=
Mc. 1, 4 ff.) steht der Täufer Johannes und weist auf das zukünftige
Texte und Untersuchungen zu Mt. 28, 19. 413
ßajtri&iv des Messias hin mit prophetischen Worten, welche
nicht nur die Erweckung eines neuen Abrahams - Samens , wie
solche nachmals durch die Heidentaufe geschehen ist (vgl. Mt.
3, 9 = Lc. 3, 8), sondern dabei auch schon eine trinitarische
Gliederung der Gedanken erkennen lassen. Vgl.
a) 6xi övvaxai o d-sbq ex xcöv li&cav xovxcov syslQai xexva
x(ö 'Aßgaäfi (Mt. 3, 9 = Lc. 3, 8 — man vgl. dazu Gal. 3, 7.
26—29);
b) o de ojtlooo fiov sQXOfisvog ioyygoxsQoq fiov köxiv (Mt. 3,
ll» = Lc. 3, 16a = Mc. 1, 7);
c) avxoq vfiäq ßajtxlosi ev jtvevuaxi ayiqi (Mc. 1, 8 = Lc.
3, 16b = Mt. 3, llb).
Eng mit der urevangelischen Relation bezüglich des Täufers
ist der Bericht über Jesu eigene Taufe (Mc. 1, 9. 10 = Mt. 3,
13 — 17 = Lc. 3, 21. 22) verknüpft, über dessen Zugehörigkeit zum
Urevangelium man Weiss (Marcusevangelium S. 4 7 ff., Matthäus-
evangelium S. 108 ff.) vergleichen wolle. Nach der vorausge-
gangenen Einleitung, welche in der Wirksamkeit des Täufers
gegeben war, erscheint die Taufe Jesu mit ihrer unverkenn-
baren trinitarischen Conception als das grundlegende Thema
Jesu, welches am Schlüsse des Urevangeliums in der Stiftung
der trinitarischen Völkertaufe sich vollendet. So entsteht
zwischen diesen beiden Höhenpunkten eine ähnliche Correspon-
denz wie zwischen der egovöia, die der Versucher dem von der
Taufe kommenden Jesus anbot (Lc. 4, 6 = Mt. 4,9), und der
egovöla, welche der Vater dem im frctvaxoq vollendeten Sohne
übergab (Mt. 28, 19).
Wohl ist neuerdings eine Anschauung gäng und gebe ge-
worden, wonach der trinitarische Taufbefehl, weit entfernt davon,
als der originale Schlusspunkt des Urevangeliums betrachtet zu
werden, als ein verhältnissmässig spätes Produkt der kirchlich-
dogmatischen Ent Wickelung gilt. Aber die Begründung dieses
Urtheils lässt ausserordentlich viel zu wünschen übrig, sofern
dieselbe weder nach der evangelien kritischen Seite noch bezüg-
lich der aussercanonischen Literatur auf Vollständigkeit der In-
stanzen auch nur von ferne Anspruch erheben kann. Ist doch
einerseits die Untersuchung über den ursprünglichen Schluss der
vorcanonischen Quellenschrift noch völlig im Unklaren und
andrerseits die wichtige aussercanonische Relation über die Ein-
414 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
setzung der Völkertaufe Const. V, 7 bei der Untersuchung von
Mt. 28, 19 meines Wissens noch niemals herbeigezogen worden1),
obwohl anerkannter Massen die aussercanonischen Evangelien-
texte der Constitutionen der höchsten Beachtung werth sind.
Um so mehr habe ich es für meine Pflicht gehalten, diesen
wichtigen Punkt der evangelischen Überlieferung, die Taufein-
setzung betreffend, einer sorgfältigen und immer wieder erneuten
Untersuchung zu unterziehen. Daraus sind seit Jahren mir eine
Reihe selbstständiger Vorarbeiten entstanden:
a) eine Vergleichung von Mt. 28, 18 — 20 mit den synoptischen
(also urevangelischen) sowie mit den johanneischen
Herrenreden;
b) eine Untersuchung der trinitarischen Parallelen in den
apostolischen Lehrschriften;
c) eine Sammlung der trinitarischen Stellen in der älte-
sten aussercanonischen Literatur, s. die Texte vor-
stehend No. 2—106;
d) eine zusammenfassende Untersuchung dieser aussercanoni-
schen Parallelen, namentlich an der Hand von Const.
V, 7:
e) eineUntersuchung über das trinitarischeGlaubenssynibol
der altorientalischen Kirchen.
Das Wichtigste aus diesen Vorarbeiten kann nun hier zur
Verwendung gelangen, indem ich nur die sub b) erwähnte
Untersuchung für mein späteres Werk: „Canonische Evan-
gelienparallelen in den apostolischen Lehrschriften"
reserviere.
Die älteste patristische Literatur führt uns mit Clemens
Rom. nach Rom, mithin auf denjenigen Boden, auf welchem das
trinitarische Glaubensbekenntniss als Symbolum Romanum
(um 140) als am frühesten ausgeprägt gilt. Dem entsprechend
zeigen sich bereits bei Clemens (93—95) drei trinitarische
Stellen, unter denen die eine sogar einen gewissen Zusammen-
hang mit dem Taufbefehl (Clem Rom. I, 42, 3: s^r/X&ov tvajytli-
C,6fievoi rr)t> ßaaileiav xov Dtov) erkennen lässt. Wenn bei
dem ebenfalls zur römischen Gemeinde gehörigen Hermas (130
1) Auch Cotelerius geht in seiner Ausgabe der Constitutionen
stillschweigend an dieser merkwürdigen Stelle vorüber.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 28, 19. 415
bis 160) nur die christologische Abbreviatur: ßajtxio&fjvcu
uq xo ovoy,a xov xvqiov zu derselben Zeit sich rindet, in welcher
das trinitarische Symbol um Romanum bereits ausgebildet war,
so hat diese Abbreviatur bei Hermas denselben Werth wie in
der Jida%?j, wo die christologische Fassung: ol ßctjtxio&svxsg
siq ovojia xvqiov — neben der trinitarischen Formel völlig
naiv einhergeht. Die trinitarische Taufformel — zweimal wie-
derholt — erscheint bereits in der Jcöaxv (HO — 140) als ein
unantastbares Gut der kirchlichen Überlieferung. Der Verfasser
der Jiöaxrj, welcher für seine Person von trinitarischen und
christologischen Gedanken so weit entfernt ist, dass man einen
Haupttheil seiner Schrift aus jüdischer Quelle hat herleiten
wollen, theilt gleichwohl da, wo er zu den überlieferten liturgi-
schen Stoffen kommt — das Herrengebet, die eucharistischen
Gebete — , an der Spitze dieser Überlieferungsstoffe die trinita-
rische Taufformel mit als ein Gegebenes und Feststehendes. Und
wenn die vorausgegangene katechetische Belehrung und Tauf-
vorbereitung (vgl. Jid. Vll, 1: xavxa jtQoetjcovxsg ßaxxiöaxe — )
mit der trinitarischen Formel der Taufe selbst inhaltlich nicht
die geringste Berührung zeigt, so ist dies eben ein Beweis für
das hohe Alter der überlieferten Taufformel, ein Beweis dafür,
dass auch da, wo man für den trinitarischen Gottesbegriff nicht
das geringste Interesse und Verständniss besass, die Taufformel
als eine feststehende Tradition fortgepflanzt wurde. Wie
daneben in der Jida^i] die christologische Abbreviatur ßaxxi^siv
dg ovofia xvqiov bestand, so war es auch bei Justin der Fall
(Dial. c. Tryph. c. 39. p. 258 A). Seine Theologie ist voll von
Bestandteilen des altkirchlichen Glaubenssymbols, die wie dis-
jecta membra in allen Theilen seiner Schriften zerstreut vorliegen.
Seine Theologie ist der erste Versuch, den trinitarischen Gemein-
glauben der Kirche speculativ zu begreifen, ein Versuch, welcher
jedoch bezüglich des jivtvfta ayiov durchaus unvollständig ge-
blieben ist. Aber diesen trinitarischen Gemeinglauben theilt er
mit der Kirche, die er in allen ihren Hauptprovinzen durch-
wandert und kennen gelernt hat; er vertritt diesen trinitarischen
Glauben der Kirche auf Grund des altkirchlichen Glaubenssym-
bols (vgl. Bornemann, das Taufsymbol Justins des Märtyrers in
der Ztschr. f. Kirchengesch. 1879. III. S. 1—27), namentlich aber
bei der Taufformel selbst, ferner bei dem Abendmahl sowie bei
416 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
den täglichen Gebeten.1) Von Irenaeus und Tertullian ab
die trinitarischen Stellen zu excerpieren, würde viel zu weit
fuhren. Nur die trinitarischen Parallelen der Didascalia und
der Constitutionen zum ersten Male zu registrieren, schien
mir von Wichtigkeit. In der Didascalia ist namentlich die
streng subordinatianische Stelle Didasc. II, 26. p. 260 von Inter-
esse, in welcher das jcvtvfia (= H11 fem.) — ähnlich wie auch
bei manchen Haeretikern — weiblich gedacht ist. Die aus den
Constitutionen mitgetheilten trinitarischen Parallelen stammen
nicht aus der Didascalia, sondern rühren insgesammt von der
Hand des Redaktors her und zeigen fast durchweg Verwandt-
schaft mit der aussercanonischen Relation des Taufbefehls Const.
V, 72), welche einzigartig innerhalb der patristischen Literatur da-
steht. Einzigartig ist diese Relation des Taufbefehls durch die
Reihenfolge der drei trinitarischen Namen; einzigartig durch das
erste Glied: dg xov avxov $avaxov — ; einzigartig durch die Ein-
leitung des zweiten Gliedes: kxl avfrtvxia — ; einzigartig durch
den Inhalt des zweiten Gliedes: xov &eov xöjv ÖXojv, og höxiv
avxov üiaxriQ — ; einzigartig durch die Einleitung des dritten
Gliedes: fiagxvQia und durch den Zusatz: oq toxi jtaoäxfojxog.
Diese von der canonischen Fassung Mt. 28, 19 so weit abweichende
Relation theilt der Redaktor der Constitutionen mit um die
Mitte des 4. Jahrhunderts, also zu einer Zeit der heissesten trini-
tarischen Kämpfe, obwohl diese Relation mit den dogmatischen
Schlagwörtern jener Zeit in keiner Weise sich berührt, in einer
Zeit, in welcher die canonische Textrevision zum Abschluss ge-
kommen war und eine solche Abweichung ohne die stärkste
Autorität gar nicht denkbar war. Eine sorgfältige Analyse dieses
1) Justins trinitarisches Symbol stimmt namentlich in seinen christo-
logischen Aussagen überein mit Ignatius und Aristides (vgl. bezüglich
des letzteren Harris in seiner Aristides-Ausgabe) und repraesentiert im
Vergleich zum Symbolum Romanum noch eine frühere Stufe der Ent-
wickelung, sofern in der altorientalischen Kirche, welcher Justin (von
Geburt Palaestinenser) , Aristides (Athenienser) und Ignatius (Bischof
von Antiochien) angehörten, die christologischen Aussagen auf die histo-
rischen Momente von der ykvvr\aiq ix nap&tvov bis zur uvükrjxpiq sich
beschränkten und die beiden letzten Sätze das Symbolum Romanum: xa-
&ri[xevov iv ös^iä xov TtaxQÖq, "&sv SQXtxat xglvsiv £\<5vx<xq xal vexQovq —
als feste Bestandteile noch nicht enthielten. 2) Vgl. oben S. 398 No. 2.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 28, 19. 417
merkwürdigen aussercanonischen Taufbefehls ist um so mehr am
Platze, als sein Inhalt mit canonischen und aussercanonischen
Parallelen sich vielfach berührt und die bisher ungelöste Frage
bezüglich der quellenmässigen Identität zwischen der trinitarischen
Taufe und dem ßajixiC,siv slg Xgioxov erklärt.
Nur nach einer Seite berührt der aussercanonische Tauf-
befehl der Constitutionen ein bestimmtes Schlagwort der trini-
tarischen Kämpfe im vierten Jahrhundert. Der fortgeschrittene
Arianer Eunomius hatte anstatt der trinitarischen Taufe ein
ßajtxiC.siv slg xov dävaxov xov xvgiov eingeführt. Vgl. (nach
Usener, Reügionsgeschichtliche Untersuchungen I. Theil S. 184)
Philostorgius X, 4: sßdjtxiC,ov 6s ol Jisgl Evvofiiov ovx
slg xgslg xaxa6vGstg, älZ' slg fiiav, dg xov fravarov , <oq
s<paoxov , xov xvgiov ßajtxi^ovxsg, ov ajtaS, (isv, dXX ov%l Ölg
7] xglg vjtsg rjficöv dvs6sB,axo. So erat es V, 24: ov ydg slg
xrjv xgtaöa, all! slg xov xov Xgioxov ßaxxiCovGi ftdvaxov.
Sozomenos VI, 26: sv fiiä xaxaövou xgi]vai kmxsXslv xrjv
&siav ßäjcxioiv. Theodoret. Haer. Fab. IV, 3: Evvofiiavovg
xovg slg fiiav xaxdövoiv ßajtxi^Ofisvovg. Bas iL de spir. saneto
c. 12. Tom. HI p. 23. ed. Ben. So könnte man geneigt werden,
in dem Redaktor der Constitutionen, dessen Identität übrigens
mit dem Verfasser der Pseudo-Ignatianen hierbei von Neuem
hervortritt, einen geheimen Anhänger des Eunomius zu ver-
inuthen, zumal auch er wiederholt das sv ßajcxiOfia hervorhebt.
Aber nichts wäre verkehrter als dies. In den Pseudo-
Ignatianen (ad Phiiipp. c. 1) steht das sv ßdjtxiöfia, xo slg xov
ftävaxov xov xvgiov öiaöiöl ftsvov, im Anschluss an Eph. 4, 4 — 6
auf gleicher Stufe mit slg &sog o Jtaxr/g, slg xvgiog, sv Jtvsvfta,
(iia jtioxig. Und Const. VI, 15 stammen die Anfangsworte:
Ofiolcog xai ßajtxiöfiaxi svl dgxslo&s fcövco aus der Didascalia,
mithin aus einer Zeit, in der von einem Eunomius noch nicht
die Rede war. Was an diese Anfangsworte Const. VI, 15 sich
anschliesst, ist eine weit ausgedehnte Expektoration des Redak-
tors. Aber gerade hier wird es offenbar, dass er nicht von fern
die trinitarische Taufe bekämpfen will, die er ja auch sonst oft
betont, dass es vielmehr die Wiedertaufe ist, gegen die er
sich wendet, dass es die Wiedertäufer sind (ol xovg fisfivov-
fiivovg kx ösvxsgov ßajtxi^siv Jistgwiisvoi), von denen er sagt:
Texte u. Untersuchungen X, 2. 27
418 Aussercanonische Parallel texte zu Mt. und Mc.
dvaöxavQOVGi xbv xvqiov, (ivxxrjQiC,ov6i xd ayia, dosßovöiv sig
xbv anoöxsilavxa, sig xbv jca&bvxa, sig xbv fiaoTvor}-
oavxa. Und indem er zu den Worten der Quelle: ßajcxiofiaxc
bvl ccQxelod-e (Didasc.: aQxelo&ai) (ibvcp seinerseits hinzufügt:
xcö sig xbv &dvaxov xov xvqiov ösöofisvq), lehnt er fortfahrend:
ov xm jtaod xä>v övdcovvpLcov aioexixcöv — alle Gemeinschaft
mit den Eunomianeru und ihrer antitrinitarischen Taufe ab
und stellt seine Übereinstimmung mit der trinitarischen Taufe
der Kirche (aXla x<p jtagä xqjv afisfucxcov Isqswv bsöo^svco
dg xb ovofia xov naxQog xal xov vlov xal xov ayiov jcvsv-
(iaxog) ausser Zweifel. Er fährt dann weiter fort: (irjxe de xb
jiaQa xcöv aosßSv dsxxbv v{ulv soxo), fi?]xs xb Jtaoä xöjv
bö'uav äxvgovo&co öid ösvxsqov. cog y<XQ sig o &sbg xal sig
6 Xoiöxbg xal sig o jiaQaxZi/xog, sig ös xal o xov xvqiov ev
oojfiaxi ftdvaxog, ovxcog tv soxco xal xb sig avxbv ösöofisvov
ßdjcxiöf/a' ol de jcaQvc [xcov] dosßmv ös^b^isvoi fibZvöfia xoi-
vwvol x/]g yvojfiijg avxmv ysvr/oovxai. Auch mit diesen Worten
verwahrt er sich gegen die Befleckung mit der Lehre jener
dösßslg, der Eunomianer, und bekräftigt den trinitarischen Cha-
rakter der Taufe, deren Wiederholung (öiä ösvxsqov), vielleicht
durch eine antitrinitarische Wiedertaufe, er aufs Strengste ver-
wirft. l) Es kann daher die Möglichkeit, dass durch die
aussercanonische Relation über die Einsetzung der Taufe sig xbv
xov xvqiov ftdvaxov dem Eunomianismus eine Stütze ge-
geben werden soll, nicht von ferne in Betracht kommen. Über-
dem ist der Bericht Const. V, 7 nicht antitrini tarisch, sondern
wie Mt. 28, 19 trinitarisch und in diesem Hauptpunkt mit dem
canonischen Texte congruent. Ausdrücklich führt der Redaktor
der Constitutionen die Einsetzung der Taufe sig xbv xov xvqiov
&dvaxov auf eine Stiftung Jesu selbst zurück. So sagt er Const.
VI, 23 p. 187, 9, wo er in einer interessanten Gegenüberstellung
die Gegensätze zwischen dem alttestamentlichen vbfiog und der
Lehre Jesu darlegt, dass Jesus anstatt der früheren täglichen
Waschungen [avxl [isv xadrjfisQivov) eine einmalige
1) Aus Epiphanius (IIeqI marewg c. 13 p. 1095 AB) ersieht man,
dass auch manche Priester der orthodoxen Kirche auf eigene Faust die
Wiedertaufe an solchen vollzogen, welche vom Arianismus sich lossagten
und zur Kirche zurückkehrten. Epiphanius will die Regelung dieser
Wirren kirchlichen Synodalbeschlüssen vorbehalten sehen.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 28, 19. 419
Waschung, nämlich die Taufe auf seinen Tod, eingesetzt habe:
tv fiövov öovg ßajexiOfia xo eig xov avxov ftdvaxov. Ganz
ebenso führt der Redaktor der Constitutionen Const. V, 7
p. 137, 23 das ßajcxi^ecv slg xov avxov d-dvaxov auf eine aus-
drückliche evxoXtj Jesu {XaßovxEg ivxoXrjv Jtao avxov) zurück.
Sollte nun nicht auch das paulinische Wort: iq dyvoEixs, oxi
ooot ißajixioßtjfiev slg Xqioxov 'liyoovv, slg xov d-dvaxov
avxov sßajcxio&?]{icv; (Rom. 6, 3) auf dieselbe evxoXtj Bezug
nehmen, geschöpft aus der — von Paulus so oft benützten —
vorcanonischen Evangelienquelle? Man vgl. dazu die enge Ver-
bindung zwischen dem Tod Jesu und der Taufe Eph. 5, 25. 26: iav-
xov jiaoeöcoxsv vxeq avxrjg (sc. xijg ixxXrjöiag), Iva avxrjv dyidöfl
xaftaoioag x m Xovxqcq xov vöaxog sv Qrjfiaxi. Ign. ad Eph.
XVIII, 2. p. 22,25: ißajtxio&t], Iva tot xä&ei xo vömn xafra-
oiot]. Barn. IX, 1 p. 48, 14: CrjttjOojfisv . . . jteol xov vöaxog
xal jzeqI xov öxavgoi . . . Jidög xo ßdjtxiOfia xxX. XI, 8
p. 50, 17: alöfhav£6&£, jtwg xo vöcno xal xov Oxavgov ejcI xo
avro coqioev. xovxo yäo Xsysi' (laxdoioi, ot sjcl xov öxavgov
eXütioavxeg xaxtßrjoav dg xb vöodq. Just. Apol. I, 61. p. 94 D:
. . xal In ovo/iiaxog de 'hjöov Xgtoxov xov oxavQOJd tvxog
tjtl üovxiov üildxov . . . o (pojxi^öfisvog Xovsxai. Vgl. auch
in der trinitarischen Stelle Apoc. 1, 5: Xovoavxi (nicht Xvöavxi)
rifiäg kx xmv a^iaQXimv fm&v sv x<f> aifiaxi avxov. In allen
diesen Stellen erscheint der ftavaxog Jesu, oder sein jta&oq =
öxavoog = ai(ia, mit dem ßdjixiOfia verbunden '). Und es ist
zu vermuthen, dass dieses ursprüngliche Moment, bei der Aus-
gestaltung der altkirchlichen Taufformel als attributive Aussage:
oxavQcofrivxog ejiI üovxiov üiXdxov (wie wir es bei Justin
sehen) eingefügt, der erste Anlass zur Beifügung der anderen
christologischen Aussagen des Taufsymbols geworden ist.
Zeigen die Worte des ersten Gliedes: dg xov avxov &ava-
xov entschieden paulinische Züge, so ist dies nicht minder im
zweiten Gliede der Fall bezüglich der Worte: xov ftsov xmv
öXcov, 6g eoxiv avxov xaxr'jQ. Nicht blos dass die Formel: 6
&eog xal jtaxrjQ xov xvoiov rjfiwv 'lrjöov Xqiöxov bei Paulus
1) Nestle erinnert mich noch an das Herrenwort, in welchem Jesus
seinen eigenen üdvaroq ein ßänno/ua nennt: Lc. 12, 50 = Mc. 10.38. 39
(— Mt. 20, 22. 23). Vgl. oben S. 257 f.
27*
420 Ausseicanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
häutig wiederkehrt (vgl. 2. Cor. 1, 3; 11, 31; Eph. 1, 3; Col. 1, 3
u. ö.) , auch der Name d-eog xwv oXwv xal jtaxrjg findet sich
mit einer geringen sprachlichen Änderung wieder, und zwar an
einer trinitarischen Stelle, nämlich Eph. 4, 4 — 6: tv jcvsvfia —
eiq xvgtog — dg &eoq xal jcaxtjQ jiävxa>v. Mit der Variante
c'Xojv (= jtävxcov) begegnet uns dieselbe Gottesbezeichnung
wieder nicht nur in der justinischen Taufformel Apol. I, 61: Ijc
ovofiaxog xov Jtaxgög xcöv oXcov xal öeojcoxov dsov, sondern
auch sonst noch öfter bei Justin (Dial. c. 63. 74. 114. 133. 76.
108. 56. 61. 75. 95. 105. 114. 115. Apol. 1, 44. 63. 65), aber auch
mit der Variante Jtavxcov für oXmv Apol. I, 12. 32. 36. 40. 46
u. ö. Ausserdem ergibt das vorstehende Parallelenverzeichniss,
dass auch derselbe Name jeax?}o rcöv oXcov bei Clemens AI.
in einer trinitarischen Stelle, wie in den Constitutionen und
Pseudo-Ignatianen, wiederkehrt. Es würde hier zu weit
führen, das Verbreitungsgebiet dieses Gottesnamens mit seinen
Varianten deojtoxrjg rcöv oXcov = xvgiog xcöv jcävxcov = jcav-
xoxoäxojQ vorzuführen. Das Zusammentreffen zwischen Paulus,
Justin, dem Redaktor der Constitutionen und Pseudo-
Ignatianen, sowie mit den alten regulae fidei bezeugt es, dass
man hier auf einen wichtigen Punkt stösst und dass dieser Theil
des in Const. V, 7 enthaltenen aussercanonischen Taufbefehls
nicht aus der Luft gegriffen ist. ]) Ahnlich verhält es sich mit
der in den Worten sjcI av&svzla gegebenen Einleitung des Got-
tesnamens. Zwar findet sich hierzu in dem gesammten neutesta-
mentlichen Schriftthum sowie in den griechischen Übersetzungen
des A. T. keine Parallele. Dagegen bietet die patristische Lite-
ratur wichtige Analogien. Wir lesen Epiph. Haer. LXXVI, 1.
p. 968 C: AatßQov öe avd-evxia iöia xaXcov — Epiph. Haer.
XXXVIII, 1. p. 276 B: ovxoi <paoi xov Kaiv ex xijg loxvQoxeoaq
öwcc/iemg vnaoyeiv xal xijq avoj&ev av&evxiag. Ferner
Hippolyt Refut. Haer. VII, 23: xov avfrpamov öe dyyeXav
eivai jioiijpa, avw&ev ajcb xrjg avd-evxlag (paeivrjg eixovog
£jug>aveioT}q. VgL noch Hippol. p. 404. 526 ed. Duncker. An
1) Erinnert sei nur noch an das Testam. Abrahams, wo die Engel
das xyiodyiov dem öe anöxTjq z<5v okwv singen. Vgl. James, the Testam.
of Abraham c. 20 p. 103: ol ayyeXoi . . . ydXXovzeq xov XQiaäyiov
vfivov xv) öeonöxy rcöv okwv &ew.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 28, 19. 421
letzter Stelle wird berichtet, Cerinth habe von Jesu gelehrt:
fiera xb ßajtxiOfia xaxElrjlvfrivai slq avxbv ex xijq vjceq xa
oka av&EVxiaq xov Xgioxbv ev eIöei jiEQLOXEoäq — , eine
Stelle, welche wegen der Verknüpfung von av&Evxia und xa oXa
und wegen der Congenialität zwischen der trinitarischen Taufe
Jesu am Anfang seines Wirkens und der von ihm am Ende
seiner Wirksamkeit eingesetzten trinitarischen Völkertaufe von
ganz besonderer Wichtigkeit ist. J) Denn hinter der haeretischen
Entstellung der Taufe Jesu leuchtet in dem Ausdruck: ?/ vjtEQ
xa oXa av&Evxia ein Text hervor, welcher mit dem dogmatisch
correkten Taufbefehl: eju av&Evxla xov &eov xcöv olcov, folg-
lich auch mit Eph. 4, 6, mit der Taufformel Justins und mit
Clemens AI. sich berührt. Da nun in der Parallele zu der
Hippolytus-Nachricht bezüglich Cerinths bei Epiphanius
(Haer. XXVIII, 1 p. 110 D): r\ avco&sv övva^uq steht, folglich
av&Evxia und övvaf/iq für identisch galten, so wird man auch
Gonst. V, 7 für den dort gegebenen Taufbefehl: ev övväfJEc xov
&EOV xöiv oXmv einsetzen können. Jedenfalls zeigt obige Un-
tersuchung, dass bezüglich dieses Punktes noch Manches zu er-
forschen sein wird. Man vgl. den jraxr/Q xcöv oXmv bei den
Marcosiern — Epiph. Haer. XXXIV p. 234 B. p. 243 D, auch
daselbst p. 243 D: xrjq fiijxgbq xcöv olcov (= fi?]XEoa jzccvxodv,
vom jcvEVfia ayiov gesagt, in der trinitarischen Taufformel der
Marcosier, oben aus Iren. I, 21, 3 mitgetheilt) und man erkenne
daraus, dass auch in diesem Theil der aussercanonische Taufbe-
fehl der Constitutionen auf sehr alten Quellen ruht.
Bei dem dritten Theile: xal [laQxvgia jtvEVfiaxoq, 6q löxi
jtaQäxXrjxoq scheint auf den ersten Blick ausschliesslich johan-
neis eher Einfiuss obzuwalten. Vgl. namentlich Joh. 15, 26:
oxav de. eX&tj o JtagäxXrjxoq, ov iya) ütEfiipco vfiiv Jtana xov
jraxobq, xb jtvEVfta xf/q ccXr/ßsiaq, 6 jiaga xov Jiaxgbq txno-
QEVExai, IxElvoq {1(xqxvq?']6ei jieqX Efiov. 1. Joh. 5, 6: xal xo
jiVEVfiä loxiv xb imxqxvqovv — 1. Joh. 5, 9: avxij eöxh' //
[laQxvgia xov d-EOv. Indess ist das (ictQXVQElv, vom jivsvfia
äyiov ausgesagt, keineswegs nur johanneisch. Vgl. Rom. 8, 16:
avxb xo jtvEVfta övfificcQTVQEl — 1. Petr. 1, 11: xo tv avxoiq
1) Vgl. auch Orac. Sibyll. VIII. 309: aiiStvzov xaxaßvvxoq tnl x#o-
voc usväoio.
422 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
nvsvfia Xgiorov jtgofiagrvgofisvov — Hebr. 11, 15: fiagrv-
gel de t)(ilv xal ro jtvsvf/a rö aywv — Apoc. 19, 10: rj jag
fiagrvgia rov Irjoov sorlv ro xvevfia rrjq üigoq>r)rdaq. *)
Alle diese Parallelen weisen doch sichtlich auf eine gemeinsame
ältere — vorcanonische — Quelle zurück. Von besonderer
Wichtigkeit ist dabei das Zeugniss von Apoc. 19, 10, nicht blos
weil diese Stelle im Zusammenhang als trinitarisch sich darstellt,
sondern namentlich deshalb, weil das jtvzvpta rr)q jtgog)rjrelaq
des Apokalyptikers mit dem xvevfia xgo<pr)rixöv in Justins
Glaubenssymbol sich deckt. Vgl. ausser den oben mitgetheilten
Belegen aus Just. Apol. I, 6. 13. 63. Dial. c. 32 noch Apol. I, 31.
32. 33. 38. 39. 40. 41. 42. 44. 47. 48. 51. 53. 59. 60. Dial.
c. 38. 43. 49. 53. 55. 77. 84. 91. 139, und dazu Bornemann,
Das Taufsymbol Justin's des Märtyrers S. 23. Die gemeinsame
Wurzel aber von xvevfia rrjq jcgog>ijrslaq und jivevfia jcgcxpr]-
nxov ist in nb^Üih irh zu erkennen. Und da nun dem jtvsvfia
3cgo(prjrix6v Justins das Jtvevfta JtagdxXrjrov = jiagäxXtjroq
in den Constitutionen und Pseudo-lgnatianen genau ent-
spricht, so wird auch hierfür in nx^ÜS»! rp'n die Quelle zu suchen
sein. Allerdings dient in den alttestam entlichen Übersetzungen
jtagaxXrjöiq, jragaxXf)ro)g, xagäxX?]roq zur Wiedergabe von ÖHD
(vgl. namentlich Hiob 16 2: an?E = LXX: nagaxXrjrmg = Aqu.,
Theod.: ütagäxXrjroq)', aber dass auch nsiS? durch jcagäxXrjöiq
übersetzt werden konnte, dafür haben wir ein eclatantes Bei-
spiel in dem Namen Bagvdßaq. Vgl. Act. 4, 36: o eöriv (is&eg-
firjvevoiievov vloq jiagaxXr)o£<x>q = nx!Q3 "ö. Wie nun jtvsvfia
rrjq xgotprjreiaq = jcvsvfia jigoyrjrixov, so konnte auch jtvsvfia
jtagaxXyoscog = jcvtvfia otagaxXrjrov als Übersetzung von
STÄiaäl JTn in Übung kommen. Zu jcvsvf/a jtagaxh^rov^ vgl.
Hippol. Ref. Haer. VIII, 19: ro jcagaxXrjrov^ jtvev(ia — , Macar.
Hom. XII, 18: ro jcvsvfia ro xagäxXrjrov — , Epiph. Haer.
1) Vgl. auch Herrn. Sim. V, 7, 1. p. 158, 10: "va rb nvev^a rb xarot-
xovv iv avzitl naQTvorioq avxy. Const. III, 17. p. 111, 7: rov nvtvuazoq
. . o)Q nÜQrvQoq — , Const. VIII, 5. p. 237, 31: naQZVQi ru> naQaxXr>no
— , Const. VIII, 12. p. 256, 13: ro uyiov oov nvev/ia . . . rov /xä(jrvoa
rüv nu&Tj/Ltäcwv rov xvqlov '"Itjoov. Vgl. auch Epiph. JJe qI nioreojq c. 16.
p. 1098 C: "va [sc. b Xgiorbq] o<pd-y b fiaQrvQOvfiievoq, "va oagi- »/ ayia
(pikt] ovocc xal evdoxovfjtivr] vnb rov nurobq xal rov nvevfuxroq [xaQrv-
Texte und Untersuchungen zu Mt, 28, 19. 423
XL VIII, 11 p 412 C: Xgiörog yäg ?](iag söida^e Xiycov ort xo
xvtvfia ro üiagäxXrjrov ajtooreXXco vfilv — , ferner Hahn,
Bibliothek der Symbole und Glaubensregeln der alten Kirche
§ 66 im Symbol der alexandrinischen Kirche nach Pseudo-
Athanasius: jziorevofiev . . . sig zb jtvevfia ro ayiov ....
ro JtagaxXrjzov u. s. w. Aus diesen Belegen wird es unzweifel-
haft dargethan, dass o JtagäxXqzog gleichbedeutend mit Jtvevfia
jtagdxX?]zov = xvEVfia jiagaxXfiöemg, also auch mit xvsvpa
jcgo<pr/zixov = jivsvfia zrjg noocprjreiag ist und mithin auf nil
nSM32n zurückgeht. J) TTiese Ableitung harmoniert auch aufs
Beste mit der Thatsache, dass Jesus neutestamentliche B^a? =
3iQoqr)rag zu senden verheissen hat. Vgl. die späteren Erläu-
terungen zu Lc. 11, 49 = Mt. 23, 34. Und wenn von diesem
jrvEVfia rrjg jzgo<pr}zeiag (= jcvev(ia rb JtagaxXrjzov) nach Apoc.
19, 10 (verglichen mit Rom. 8, 16) die fiagzvgia zov 'Itjöov
ausging, so scheint der dritte Theil des aussercanonischen
Taufbefehls: xal fiagrvgla Jtvev/jarog, ög sdzi xagaxXrjzog nicht
nur johanneisch zu sein, sondern mit den anderen cauonischen
und aussercanonischen Parallelen auf eine noch ältere, auf eine
vorcanonische Quelle hinzuweisen. Und wenn man „die Ver-
1) Man vgl. noch Herrn. Mand. XI, 9. p. 116, 2: ö äyytXoq zov npo-
<prjzixov nvevuaroq — , Iren.. I, 7,4: rb nvsvfia ro iiQO(pi]zsvov — , Const.
VIII, 22. p. 264, 1(3: nvevfia ayiov, nvsvua 7tQ0<pr)zixöv, — , ferner die Pa-
raphrase davon in Justins Taufsymbol, Apol. I, 61. p. 94 E: £n ovöfiaroq
nvsvuazoq ayiov, b Sia z<5v nQocprjzüiv 7tQO£xrJQVi-£ — , ähnliche Para-
phrasen in dem trinitarischen Bekenntniss Iren. 1, 10, 1 : xal slq nvevjua
ayiov, zb Sta rwv noocpTjzüiv xextjQvxöq, im Taufbekenntniss der arme-
nischen Kirche (bei Hahn, Bibliothek der Symbole § 70): mozsvofiev eiq
ro Tivtvfia ro ayiov, axnarov, rt-Xsiov, ro XaXfjoav £v zip vößio, rolq
nQO<p7]zaiq xal rolq evayysXlotq, im Taufbekenntniss der alexandrinischen
Kirche (nach Pseudo-Athanasius bei Hahn §66): elq rb nvev/xa rb
ayiov, . . . . ro naQaxXqzov, rb XaXrjaav iv vöpua xal iv nooip^zaiq xal
iv evayyeXloiq, sowie im Tauf- und Glaubensbekenntniss des Epiphanius
im Ancoratus (c. 119 p. 124 B): xal elq zb ayiov nvevua niazevofzev, zb
XaXijaav iv vouio xal xrjpvc-av iv zoiq 7iQO<pijzaiq. Die kürzere Form,
wie sie auch in der palaestinensischen Kirche üblich war (nach Cyrill von
Jerusalem): elq £V ayiov nvevpea, zbv naQaxXr\xov, zb XaXTjOav iv zoiq
nQO<pr\raiq — , ist endlich in das Constantinopolitanum übergegangen: rb
XaXrjoav Site riöv TtQoyrjziöv — , eine bleibende Erinnerung an das ur-
sprüngliche nvevfia^ rijq TiQopTjzet'aq -= rowasn rni.
424 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
selbständigung des hl. Geistes als nachapostolisch" hat kenn-
zeichnen wollen, so bezeugt nicht nur die dem jtvsvfia ayiov
beigelegte Thätigkeit der (laQxvoia dessen Selbstständigkeit,
sondern es weist auch in Übereinstimmung damit das urevange-
lische Wort von der ßlaocprmia xov jtvevfictxog (Lc. 12, 10 =
Mt. 12, 32 = Mc. 3, 28. 29) auf die persönliche Selbstständigkeit
des jtvsvfia aytov neben dem Vater und dem Sohne hin, sodass
die trinitarischen Namen Mt. 28, 19 im Hinblick auf Lc. 12, 10
par. keineswegs unvorbereitet auftreten. Vielmehr wird es wahr-
scheinlich, dass der Urtext von Mt. 28, 19b vollständiger lautete
und dass die canonische Textgestalt als eine — vielleicht früh-
zeitig im liturgischen Interesse geschehene — Abbreviatur des
ursprünglichen Taufbefehls zu beurtheilen sein wird.
Eine andere als diese trinitarische Abbreviatur ist dann
die christologische sig ovofia = kji ovoiiaxog — exl xm
ovöyiaxi = sv xm ovoftaxi xov Xqioxov oder noch kürzer üg
Xqlöxov, wie sie in der Apostelgeschichte und in den pauli-
nischen Briefen üblich ist, wie sie in der Aidaxi], bei Justin,
in den Constitutionen, bei Eusebius neben der trinitarischen
Fassung fortlebt. Vgl. auch bezüglich Marcions und seiner
Anhänger Cypr. Ep. 73, 4 p. 781, 4 ed. Hartel: praetereundum
hunc locum non putavi, maxime cum in eadem epistola animad-
verterim, etiam Marcionis fieri mentionem, ut nee ab ipso
venientes dicat baptizari oportere, quod jam in nomine
Jesu Christi baptizati videantur. Ausserdem erinnere man
sich der urevangelischen Wendungen Mt. 18, 20: eig xb eubv
bvoiia — , Mc. 9, 39: hm xm ovofiaxl uov — , Lc. 21, 8 = Mc.
13, 6 = Mt. 24, 5: exl x<p 6i>6fiaxi fiov u. s. w. Stand das sv
xcp ovöfiaxi iiov oder eig xo ovofia fiov = ^ÄtJa an der Spitze
des trinitarischen Taufbefehls, so war die christologische Auf-
fassung und die christologische Abbreviatur ganz von selbst ge-
geben — nach der analogen Anordnung der drei trinitarischen
Namen 2. Cor. 13, 13.
Wie tief das trinitarische Glaubensbewusstsein mit dem Ur-
christenthum verwachsen war, das tritt bei den haeretischen
Richtungen der Urkirche am aller frappantesten hervor. Nicht
eine einzige der zahlreichen Haeresen steuerte auf die Trinität
zu. Und dennoch finden wir fast bei allen haeretischen
Richtungen trinitarische Taufformeln im Gebrauch,
Texte und Untersuchungen zu Mt, 28, 19. 425
Formeln, welche mit den bezüglichen haeretischen Tendenzen
ausser allem Zusammenhang, ja oft im Widerspruch stehen.
Dies gilt in erster Linie von den judenchristlichen
Richtungen, welche an Stelle des trinitarischen vielmehr einen
unitarischen Gottesbegriff vertraten. Am auffallendsten zeigt
sich dieses Verhältniss in den pseudo-clementinischen Homi-
lien. Anerkanntermassen vertreten dieselben einen streng
unitarischen, einen antitrinitarischen Gottesbegriff. Und dennoch
haben auch die Homilien eine mit Mt. 28, 19 nahe verwandte
trinitarische Taufformel — , ein Widerspruch, welchen man
dadurch auszugleichen suchte, dass man die trinitarische Tauf-
formel zu einer blossen Cerimonie: TQiöuaxaQia ejiovofiaoia
(= trina invocatio, nomen trinae beatitudinis in den Recog-
nitionen) degradierte, zu einer Cerimonie, die man doch nicht
zu beseitigen wagte. Hier war die trinitarische Taufformel nicht
etwa erst .im Anzüge", eher könnte man sagen: sie war bereits
im „Ab sterben" begriffen. Die Lehrtendenz stand in diesen
judenchristlichen Kreisen dem trinitarischen Gottesbegriffe fremd,
kalt, ja feindlich gegenüber, und dennoch hielt man dem Ge-
meindebewusstsein zu liebe die trinitarische Taufformel als ur-
christliche Überlieferung aufrecht.
Ahnlich verhielt es sich mit den gn ostischen Lehrsystemen.
In denselben spielten ganz andere Zahlensysteme als die Trias
von Mt. 28, 19 die Hauptrolle. Da galten die Monaden, die
Dyaden, die Syzygien, die Ogdoadeu, die Dekaden, die Dodekaden,
und wenn Triaden dazu kamen , so war es nicht die kirchliche
Trias oder sie war nur an einer untergeordneten Stelle neben-
sächlich mit eingefügt. Gleichwohl erscheinen für das Sacra-
ment der Initiation auch bei den Gnostikern trinitarische
Tauf formein, sei es in wörtlicher Übereinstimmung mit Mt.
28, 19, sei es in mystischen TJrndeutungen < in chaldäisch-kabba-
listischen Abwandelungen und in nur dunkelen Anklängen an die
Trinität. Wozu? Offenbar nur, um den Zusammenhang mit
dem kirchlichen Gemeindebewusstsein und das Recht des christ-
lichen Namens nicht gänzlich einzubüssen! Offenbar nur, um
die gnostischen Geheimlehren der kirchlich-trinitarischen Tauf-
tradition scheinbar anzupassen ! Auch hier war die trinitarische
Taufformel nicht „im Anzüge", sondern im Process der „Ent-
artung" begriffen.
426 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Und warum haben die inonarchianischen Haeresen bei
ihrer ausgesprochenen Feindschaft gegen den trinitarischen
Gottesbegriff niemals die trinitarische Überlieferung selbst
angegriffen, anstatt mit künstlichen Umdeutungen der kirchlich-
trinitarischen Tradition vergeblich sich abzumühen? Weil in
der kirchlichen Entwickelung auch nicht ein Moment
nachweisbar war, in welchem diese Tradition nicht be-
standen hätte. Wie alt dieselbe gewesen ist, das zeigen die
aus früheren Quellen geschöpften Nachrichten bei Irenaeus
und Hieronymus bezüglich desjenigen Haeretikers, welcher in
den altchristlichen Haeresiologien an der Spitze stand, weil er
in das apostolische Zeitalter hineingehörte. Schon Simon
Magns soll seine Geheimlehren in geistreicher Weise an die
drei trinitarischen Namen angeknüpft haben. Aber auch die
Montanisten, die Enkratiten und selbst die Manichaeer be-
wahrten als ein Band, welches sie mit der Grosskirche verknüpft
hielt, trinitarische Taufformeln. Nirgends findet sich jemals eine
Bestreitung der kirchlich-trinitarischen Überlieferung als solcher,
nirgends die Behauptung, dass die trinitarische Taufformel erst
später eingeschmuggelt worden sei. Auch bei den AI o gern,
welche die johanneische Logoslehre bekämpften, auch bei
Marcion, welcher aus Vorliebe für den Paulinismus die Taufe
eIq to ovofia xov Xqioxov einführte, sucht man eine solche
Behauptung vergebens. Selbst in der gnostisch-fantastischen
Pistis Sophia, von welcher Harnack in seiner Abhandlung über
dieses Buch (T. u. U. VII, 2. S. 63) richtig sagt, dass eine Trini-
tätslehre in diesem Buche sich nicht finde, kann doch — was
Harnack übersehen zu haben scheint, — die Übung der tri-
nitarischen Taufe nachgewiesen werden. Vgl. p. 311 f. ed.
Schwartze et Petermann: Post haec Jesus ridens mulierem, quae
venit usravoeiv eßaxrtoev eam tribus vicibus, quamquam non
fecerat dignum ßajcriOfiaoiv. Vgl. dazu Jiö. VII, 3: Ixjmv dg
xr\v xeg)cc/Lrjv tQig ro vöcoq eig ovofia jtatQog xal vlov xal
aylov jcvevfiarog. *) Die trinitarische Taufe war wie in der äl-
testen Kirche, so bei den ältesten Haeresen allgemein. — Die
Verbreitung des trinitarischen Grundgedankens innerhalb der
1) Auch auf Jesu Taufe wurde die Dreizahl angewendet. Vgl. Ephr.
Syr. Ev. concord. expos, ed. Mösinger p. 47: Ad similitudinem trium
immersionum (baptismatum), quibus Salvator baptizabatur, tentatus est.
Texte und Untersuchungen zu Mt. 28, 20. 427
neutestamentlichen Lehrschriften wird in den „Canonischen
Evangelienparallelen" behandelt werden.
Mt. 28, 20\
a. Just. Apol. I, 39. p. 78 AB.
djto yctg 'isoovöaXrj (i dvögeq ösxaövo rov dgi&fiov i^rjX-
frov slq rov xÖGfiov, xal ovroi iöimrai, XaXslv firj 6v-
vdfisvot, ötd 6s &eov övvaßecoq hfirjWGav üiavrl ytvsi av-
&q(6jicov tag ajcBOtaXrjOav vjio rov XgiGrov öiöd^ai
ütdvraq rov rov d-sov Xöyov.
b. Just. DiaL c. Tryph. c. 48. p. 267 D.
ovx dvd-Qoaxsioiq öiödyfiaGi xexsXEVGfie&a vjc avrov rot
Xgiorov jceid-EO&aL , aXXa rolq öia rmv fiaxaoiwv jtoo<pr/-
rcöv xtjqvx&siGi xal 6i avrov dtöax&£iGi.
c. Polyc. ad Phil. VI, 3. p. 120, 10.
xa&roq avrbq lvtrtiX.aro xal ol evayyeXiGafievoi f]fiaq djtö-
oroXoi.
d. Ephraem Syr. Ev. concord. expos. ed. Mösinger c. 9. p. 106.
Facient hoc et observabunt omnia, quae praecepi
vobis.
e. Epiph. Ancor. c. 74. p. 80 A.
öiödoxovrsq avrovq rrjgelv räq evroXdq, dg evsrsiXdfirjv
vfilv.
f. Mt. 28, 20.
ötödoxovrsq avrovq rrjoelv jcdvra, öoa eversiXdfirjv
vy.lv.
g. Const V, 7. p. 137, 27.
öiödoxofiev vudq äjtavra ravra, a öiara^dfievoq rjfitv
dveXrjtpß-r}.
Das alttestamentliche Vorbild für die in Mt. 28, 20a enthal-
tene Ausdrucksweise besitzen wir in 2. Reg. 21, 8: IlttCJ^CS pi
Q^n^SITB» bbS rviteyb = LXX: oiriveq <pvXä§ov6i jtävra ooa
evereiXduijv = 2. Paralip. 33, 8: l©'S-b5 n« nÜD*^ ftfflj^O» pH
Qin^S = IiXX: xXi]v sav tyvXaoocovrai rov jcoirjaai Jtdvra
d 6vtreiXd[i7)v avrolq. Selbstverständlich konnte Totti sowohl
mit (pvXdööuv als mit rrjoelv tibersetzt werden. Vgl. Lc. 11,28,
wo die lucanisch-paulinische Version cpvXaGGuv, Hermas aber
428 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
und der Apocalyptiker xtjosZv haben. Vgl. ferner Mt. 19, 17:
rr/Qfjoov xdg svxolag, aber auch 1. Tim. 6, 13. 14: naoayysXXaj
ooT svcojtiov . . 'l?]Oov Xqiöxov . . . xrjQrjOal os xrjv svxoh)v.
Ebenso ist das bei Paulus fehlende svxslZso&ai = WS bei
Mt. und Mc. häufig, wogegen man bei Lucas öiaxdoösiv, öia-
xäoosofrai findet. Vgl. Lc. 3, 13: xd öiaxsxayfisva vylv und Lc.
17^9 10: öiaxax&svxa. Die Constitutionen, welche die
Übersetzungsvariante öiaxdöösö&ai vertreten, bestätigen übrigens
das zu Mt. 28, 16 Bemerkte^dass nämlich in der Perikope Mt.
28, 16—20 die dvdXrfipig vorausgesetzt ist. Darüber das Nähere
am Schluss des nächsten Heftes zu Act. 1, 11.
Mc. 16, 16.
a. Pseudc-Ign. ad Magn. XI. p. 204, 29.
xavxa 6 yvovg sv jc?.f]Qog)OQia xal jtioxsvöag [laxagiog.
b. Herrn. Sim. VIII, 3, 2. p. 178, 18.
ol ös vxo xrjv oxsjctjv Xaol ovxsg ol dxovöavxsg xov xrj-
Qvyuaxog xal jcioxsvoavxsg slg avxov.1)
c. Herrn. Vis. IV, 2, 4. p. 64, 1.
jtioxsvöag, oxi öS ovösvbg övvr] öco&rjvai sl (irj öid xov
fieyaXov xal svöot-ov dvo/mxog.
d. Herrn. Vis. 111, 3, 5. p. 36, 15.
dxovs' 6xi i\ C,€orj vucov öid vöaxog söw&r] xal öcofrrjösxai.
e. Hom. Clem. VII, 8. p. 84, 9.
rj ös vjt avxov ogio&sioa ftgrjöxsia toxlv avxrj' xo fiövov
avxov ösßsiv xal xcä xyg alrj&eiag fiovqy jciOxsvsiv jigo-
<pr)xrj xal sig dcpsoiv df/agxicöv ßajtxio&rjvai xal ovxoog
öid xrjg dyvoxdxrjg ßa<pijg dvaysvv?]&rjvai &scö öia xov
öm^ovxog vöaxog.
f. Herrn. Sim. VIII, 6, 3. p. 186, 5.
oi jciöxsvöavxsg xal siXr/cpöxsg xr/v o<pgaylöa.
g. Herrn. Sim. IX?!^- p. 224^~
ovxcn xal ol jciöxsvöavxsg xqi xvglqi öia xov vlov avxov.
h. Clem. Rom. II, 6, 9. p. 120,7?
sl ös xal oi xoiovxoi ölxaioi ov övvavxai xalq iavxwv öi-
1) Unmittelbar voraus geht eine Bezugnahme auf Mc. 16, 15 in den
Worten: elq xov okov xoouov — xrjQvx&eiq.
Texte und Untersuchungen zu Mc. 16, 16. 429
xaioövvatq gvoao&ai xd xixva avxmv, r/fiEiq kdv (z?) xr\-
Qtjö(0(i8v xo ßdjcxiOfia dyvov xal afilavxov, xoia jcejcoi-
&r]6£i elosZevoo/iE&a äq xb ßaOiXeiov xov &eov;
i. Hom. CleE^Tmr21?lpri40^6r^
vofioq t\v nrjÖE öixatov äßdjtxiöxov slq xr\v ßaöiXtiav xov
&eov eIöeX&eiv.
k. Hom. Clem? XIII, 21. p. 140, 30.
öib ov OmCflvxai, cxi döyfia &eoi xslxai äßajzx toxov Eiq
xijv avxov ßaöiXeiav firj eIoeX&eZv.
1. Hom. Clem. XI, 26. p. 117, 5.
eoxiv yäg xi exel dii äoxfjq eXsrifiov £jci<jp£Q6fi£voi xm vöaxi
xovq ßajcxiCpfiivovq sjcl xf] xoiöfiaxaQia Ejcovofia-
oia xal qvexül ^rjq^Eöo[i£vrjq xoXaoscoq.
m. Hom. Clem. IX, 23. p. 100, 13.
xal xoiöfiaxaQia sjtovofiaola siq a<peoir afiaQxicov ßajtxi-
öäfiEVOi .... övvao&E xoXdöEcoq d'Cdlov QVöd-tvxEq aimviwv
dya&cov xXrjQovSfiot xaxaoxrjvai.
n. Hom. Clem. VIII, 23. p. 92, 38.
ev öe xcö EöofiEvcp aimvi diöico xoXaG&rjOEOd-E xvqi.
o. Just. Dial. c. Tryph. c. 35. p. 254 C.
jtiöxEvöavxEq Eiq avxov ev x% jtaXiv y£vr/60[i£V?j £vö6£,o?
avxov jtaoovoia GotöijxE xal fit} xaxaöixaa&rjxE Eiq xo jcvq
vjc avxov.
p. Hom. Clem. XI, 25. p. 116, 26.
eI 6h xal fiExä xov xXq&rjvai ov d-iXEiq 7] ßgaövvEiq, öcxaia
&eov ajcoXij xqlöei, .... dßdjcxiOxoq ob fiq . . . . JcXdova
v<pst~£iq xoXaoiv.
q. Ep. ad Diogn. X, 7. p. 162, 22.
oq (pvXäööExai xolq xaxaxgi&ijöoi/EVOiq slq xo jcvq xb al-
aiviov, o xovq jcaoaÖo&Evxaq avxm HtXQi xiXovq xoXdosi.
r. Acta Pil. B. XIV, 1. p. 318. ed. Tischendorf.
xal ooxiq jcloxevoel xal ßajcxiö&rj, GmfrrjOExat, öoxiq öh
ov jcioxsvüEi, xaxaxQifrrjOExai.
s. Mc. 16, 16.
o jcioxsvoaq xal ßajcxiödElq 6a>&rj6£xai, 6 öl djciöxrföaq
xaxaxgi&rjöExai.
430 Ausseicanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc,
t. Pseudo-Ign. ad Philipp. III. p. 218, 10.
o xaZxa jciöxsvoaq, toq t'x«, coq ytyevtjTCu, fiaxagioq' o
xavxa firj xigxsvow tvayrjq.
u. Const. V, 7. p. 138, 2.
xcujav (ihv xtOTSvöTjTE, fiaxdgioi yevqösofrs' sl öh ajti-
ox tjoste, äfrcöoi ijftelq EVQe&rjGOfitfra xcu xa&ccQoi xrjq vfis-
xiyaq dvöxioxiaq.
v. Aphraates Hom. I, 13. p. 14.
Und wiederum, da der Herr seinen Aposteln das Geheirnniss
der Taufe übergab, sprach er so zu ihnen: Wer da glaubt
und getauft wird, wird leben, und wer nicht glaubt,
wird verdammt werden.
Durch den Text des Aphraates wird es bezeugt, dass Mc.
16, 16 zum Taufbefehl gehört hat. (Darüber, dass Aphraates
Mc. 16, 16 in Verbindung mit Mt. 28, 19 las, vergleiche Bert,
S. 14. Anm. 8. Zahn, Forschungen I, 219) Dasselbe Verhält-
nis« ergiebt sich aus der aussercanonischen Textgestalt, in wel-
cher uns der Taufbefehl durch den Redaktor der Constitutionen
(Const. V, 7. p. 137. 138) aufbewahrt ist. Denn jener ausser-
canonische Taufbefehl, welcher zu Mt. 28, 19 f seine eingehende
Würdigung gefunden hat, geht im ununterbrochenen Zusammen-
hang zum Schluss in den Text von Mc. 16, 16 über, nachdem
Mc. 16, 15 bereits am Anfang als Parallele von Mt. 28, 19a an-
geklungen war, sodass also in jener wichtigen Stelle der Con-
stitutionen der Taufbefehl im engeren Sinn einerseits von Mc.
16, 15, andrerseits von Mc. 16, 16 eingerahmt erscheint. Die ur-
sprüngliche Beziehung auf die Taufe liegt wie in dem cano-
nischen ßajtxcöfreig, so in dem ßajtxiGd-yvcu, dem aßäjcxioxov
und dem ßajzxiC,o(it'vovq, ßajtxioäfievoi der Homilien, ferner
in dem ßaxxiGfrfi der Acta Pilati, in dem ßdjtxiofia des
Clemens Rom., aber auch in dem silrj<p6xeq xrjv G<pQaylda (als
Umschreibung von ßajixiGfrivxsq) bei Hermas deutlich zu Tage.
In den beiden Citaten aus Pseudo-Ignatius fehlt zwar die
Erwähnung der Taufe. Aber die bereits in Betracht gezogene
Parallele aus den Constitutionen, wo sich Mc. 16, 16 unmittel-
bar an den Taufbefehl anschliesst, zeigt, dass der Redaktor
beider Schriften, der Pseudo-Ignatianen und der Consti-
tutionen, auch in den ersteren (mithin Magn. c. 11 und Philipp.
Texte und Untersuchungen zu Mc. 16, 16. 431
c. 3) das Logion Mc. 16, 16a mit der Beziehung auf den Tauf-
befehl vor Augen gehabt hat. Man vergleiche:
Const. V, 7: xal sdv fisv xiöxsvötjxs, fiaxagioi yevt/öeo&e
Philipp. 3: 6 xavxa jciöxsvOag — [laxdoiog
Magn. 11: jtiöxevoag fiaxagiog.1)
Das charakteristische Einigungsband aller drei Citate ist
(iaxäoiog — ein neues Indicium für die Abstammung beider
Schriften von einem und demselben Redaktor. Dass derselbe
aber mit der Lesart fiaxagiog nicht einsam stand, beweist die
Vergleichung von BarnT XI, 8. p. 50, 18: fiaxägtoi, dt sjtl xbv
Oxavgov klnioavxtg xaxeßrjöav im xovöcog. Weiterverbreitet
als die Lesart fiaxagiog war ohne Zweifel coid-rjöexai (Mc. 16, 16
= Act. Pil. XlVrOT^Man vergleiche dazulTPetrTsT^O. 21: öis-
Owd-Tjöav oV vöaxog, o xal fyäg avxixvjiov vvv öoiC,ei ßdjtxi-
Ofia, ferner Hom. Clem. VII, 8: ßaxxiöß-fjvai xal ovxcog —
avayevvrj&rjvai frecö öid xov oa>C,ovxog vöaxog, sodann bei
Herrn as die Ausdrücke: 6G}&r\vai, iöm&t], Goi&rjOsxai, endlich
öm&rjxs bei Justin. Für dieses GmC,£6&ai tritt als weitere Va-
riante gvsodai auf. Vgl. gvoaod-ai in dem zweiten Clemens-
brief, gvexat, gvöfrivxeg in den Homilien, sowie gvösxai ex
xf/g almviov xoXaöeajg im ersten Clemensbrief (VI, 7. p. 118,
24). Eine weitere Variante, welche auch sonst in den synoptischen
Evangelientexten mit öd>C,E6frai öfters ausgetauscht wird (vgl.
die Erläuterungen zu Lc. 17, 33), ist „leben" bei Aphraates:
„Wer da glaubt und getauft wird, wirdleben." Endlich kommt
noch als Umschreibung von fiaxagtov yiveö&at = öm&ö&ai der
Ausdruck £losgx£0&ai £h typ ßaöiZsiav xov &eov in Betracht.
Vgl. Clem. Rom. II, 6, 9: eioeXsvoofie^a slg xr\v ßaöiXeiav xov
fteov = Hom. Clem. XIV, 21 : dg xtjv ßaoiläav xov &eov elöel-
&slv. Wir können also folgende Varianten von Mc. 16, 16a con-
statieren:
1) Dass Magn. c. 11 auch Joh. 20, 29 mit anklingen kann, ist
selbstverständlich; aber Phil. c. 3 weist der unmittelbare Gegensatz:
xavxa fit] Ttiaxevcav ivayrjq, welcher Gegensatz Joh. 20, 29 fehlt, un-
verkennbar auf Mc. 16, 16, ein Logion, für welches ja auch ohnehin
hoch weitere jobanneische Anklänge (Joh. 3, 5; 3, 18; 1. Joh. 5, 10) vor-
handen sind.
432 Ausaercanouische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Mc. 16, 16: 6 jtiozEvoag
xai ßajiTio&äg
Act. Pil. : öazig jcigzevoei
xai ßcuiTiö&fi
fiaxagioq ysvTjOsrai
GW&T)G£Zai
Qvo&rjösrai
CflGEtai
elgtfjv ßaGiZdavzov&Eov eIgeXevGezül.
Über das Verhältnis der Participiaiconstruktion 6 tciGzev-
Cag xai ßaxxio&tig zu der Construktion im Relativsatz: oGziq
jtigzevGec xai ßajirio&fi als verschiedene Übersetzungstypen
desselben hebräischen Urtextes (hier: baUD"! "pESOSn) vergleiche
die Bemerkungen zu Mt. 5, 22. S. 85. Wie die erste Hälfte des
Logion (Mc. 16, 16a), so liegt auch die zweite Hälfte (Mc. 16, 16b)
in mehrfachen Varianten vor. Man vergleiche zunächst:
Mc. 16, 16: 6 de äjtiGzrJGag, Const. V, 7: eI 6h ccjcigz^gsze,
Act. Pil. XIV, 1: oGzig ov jcigxevgei, Ps.-Ign. Philipp, c. 3: 6 ftrj
jcigzevouv, 1. Petr. 3, 20: djcEid^'jöaolv jioze.
Zu fit} jtiözevcov hat der Redaktor der Pseudo-Ignatianen
Philipp, c. 3 evayrjg als Prädicat, während derselbe Autor am
Schluss von Const V, 7 den Text von Mc. 16, 16b fallen und in
eine völlig freie Umschreibung auseinanderfliessen lässt. Jenes
Evayr'jg aber erinnert nicht nur an das evoxoq in Verbindung
mit xQifia in 1. Cor. 11, 27. 29, sondern auch an das Evoyog eotai
zfj xqIgel in Mt. 5, 22, deckt sich aber ausserdem genau mit dem
nüS^, womit Delitzsch Mc. 16, 16 das canonische xazaxyt&fj-
gezüi retrovertiert hat. Umschreibungen dieses xaraxQidrj-
geg&üi finden sich bei Justin: xaxadixaoftrjzE tlg zö jivq, in
den Homilien: xoXaG&r)G£G&£ jcvqi, in der Ep. ad Diogn.:
xazaxQi&r}6oiiEvovg Elg zb jcvq zb aiwviov. An dem Vorhan-
dengewesensein des Logion Mc. 16, 16 im Urevangeliurn , und
zwar iD engster Verbindung mit dem Taufbefehl, dessen ur-
sprünglicher Standort zwischen Mc. 16, 15 und Mc. 16, 16 voraus-
zusetzen ist, darf nach alledem nicht gezweifelt werden.
Mc. 16, 20.
a. Clem. Rom. I, 42, 3. 4. p. 68, 4.
e^tjX&ov Evayj£XiC,6,u£voi ztjv ßaoiXEiav zov &eov (ieXXelv
£Q%£6dai' xaza x°?QaG °^v xaL nbleig xrjgvGGovxEg.
Texte und Untersuchungen zu Mc. 16, 20. 433
b. Aristid. Apol. c. 2. p. 10 ed. Hennecke.
ovxog öcoösxa eOxe fiafrrjxäg, <n fiexd xr/v ev ovgavolg dvo-
öov avxov sgrjX&ov dg xag ejtagxiag xr\g oixovfitvrjg xal
eöiöagav xi\v sxeivov fisyaXcoovvrjv.
c. Just. Dial. c. Tryph. c. 53. p. 273 C.
xal ovzo) Jteiod-Evreg xal dg xr\v jtaöav oixovfisvtjv t^sX-
9- 6 weg xavxa eölöa^av.
d. Just. Apol. 1, 45. p. 83 A.
djid 'hoovöaXrju ot dstöoxoXoi avxov s^sX&övxeg jiavxa-
%ov exrjovtiav.
e. Cod. Askew. Anger Synops. p. 264.
sc,rjX9ov xQslg xQSlg dg xd ztGoaQa xklfiaxa xov ovoavov'
IxrjQv^av xo svayys'Xiov xijg ßadXdag kv oXcp xcö x6<j(i<p,
xov Xqigxov oweoyovvxog avxolqev Xöyqy ßeßauoöecog
xal xotq sJtaxoXov&ovoi örj^ieioig xal xtoaöi.
f. Cyrill. AI. adv. Nestorian. Opp. VI, 46 B.
igeX&ovxeq ydg, <prjoi, öiexfjQVGdov xov Xöyov uiavxaypv,
xov xvoiov 6vvtoyovvxog xal xov Xöyov ßeßaiovvxog
öid xmv BJtaxoXovdrjoävxow orjueimv.
g. Mc 16, 20.
exeivoi de e^eX&ovxeg exrjgvsav 3iavxa%-ov, xov xvoiov
ovvegyovvxoq xal xov Xöyov ßeßaiovvxog öid xcöv
EJtaXoXovd-OVVXOlV 67]{l£lC0V.
Die ersten Worte von Mc. 16, 20 klingen schon sehr früh-
zeitig an. Der — von Burgon, The Last Twelve Verses of
the Gospel according to S. Mark, 1871, trotz der eindringenden
Allseitigkeit dieser seiner Untersuchung, nicht berücksichtigte —
Text des Clemens Rom. deckt sich im Wesentlichen mit der
Parallele des inzwischen erst entdeckten Aristides fast voll-
ständig. Dass bei letzterem in der Relation nach der Historia
Barlaam et Josaphat der ursprüngliche Text erhalten ist,
zeigt die Übereinstimmung mit dem Syrer, nach der englischen
Version von Harris: and then these twelve disciples went forth
into the known parts of the world, nach Hennecke: „und dann
sind diese zwölf Jünger ausgegangen in die bekannten Theile
der Welt und lehrten von seiner Grösse". Mau sieht: .^entjorth
=■ e^Xfrov" (Arist., Clem. Rom.) ist identisch mit dem Jßi X-
Texte u. Untersuchungen X, 2. 28
434 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
&6vxeg" (Just., Mc. 16, 20). Aber auch: „into the known parts
of^the world" == sig rag htccQxiag xrjg olxov/ievrjg (Arist.) deckt
sich im "Wesentlichen mit xaxä x<x>Q<xg xal xoXtig (Clem. Rom.)
= sv olm x<p xöoficp (CodTAsSew.) = in tota terra (Cod. von
Etzschiniadzin nach Conybeare p. 253) = tlg xi]v jcäöav oixov-
(tivrjv Justins im Dialoge, sowie mit dem xavxayov in Justins
Apologie und in dem späteren Marcus:Schlusse. Aber auch in
den Ausdrücken, womit die Thätigkeit der Apostel ausgedrückt
wird, berühren sich die Texte mehrfach : evayyeXi^ofisvoi — xtj-
Qvooovteg (Clem. Rom.) = £xr]Qv£,av (Just. Apol., Cod. Äskew,
Mc. 16, 20) = duxt'iQVOöov (Cyrill. AI.) = köiöa^av (Arist., Just.
Dial.), wozu man die Erläuterungen von Mt. 28, 19 vergleichen
wolle, wo dieselben gleichwertigen Varianten auftreten. Das
Objekt des £vayyeXiC,to{)cu = xi/qvoguv = ötdaoxeiv war im
Urtexte jedenfalls tj ßaoiXtia xov &wv (Clem. Rom.), wozu im
Cod. Askew xo tvayyiXcov rrjg ßaoiXüag als Variante erscheint,
und wovon auch vielleicht die iityaXcoovvr) (sc. xov Xniöxov)
eine freie Variante (vgl. Esth. 5, 1: msb'a = LXX: öoB,a) reprae-
sentiert. Hinter allen diesen Varianten ist also ein älterer Quellen-
text zu erkennen, welcher Mc. 16, 20a zu Grunde liegt. Und
sollte die bereits früher von mir ausgesprochene Ansicht zu
Recht bestehen, dass das Apostelverzeichniss nach Erwähnung
der uvuXrjtpig (= avoöog bei Aristides) den ursprünglichen Schluss
des Urevangeliums gebildet habe (vgl. Ztschr. f. kirchl. Wissensch.
u. kirchl. Leben 1889 1. S. 30. 31), so könnte sehr wohl der
Quellentext von Mc. 16, 20a der ursprüngliche Abschluss des
Apostelverzeichnisses und somit des Urevangeliums gewesen sein.
Darüber Weiteres am Schluss des nächsten Heftes zu Act. 1, 13.
Nachträge.
Von dem i. J. 1842 entworfenen Programm Tischendorfs
für die neutestamentliche Textkritik, nämlich
1. alle griechischen Uncialcodices des N. T. in ent-
sprechender Weise zu veröffentlichen;
2. die alten Versionen von Neuem zu bearbeiteu;
3. die wichtigsten Kirchenväter zu neuer Ergründung
und Benützung zu bringen:
wird der letzte Theil — die Ergründung und Benützung der
patristischen Literatur — durch das gegenwärtige Werk in einer
bisher noch nicht vorhandenen Vollständigkeit, unter Einbeziehung
der zahlreichen seitdem auf diesem Gebiete gemachten Ent-
deckungen, seiner Verwirklichung entgegengeführt, soweit
nämlich die Evangelien in Betracht kommen, mithin für
die interessanteste, wichtigste und ausgiebigste Seite der For-
schung.
Nicht berücksichtigt hat Tisch endorf bei diesem Plane
die textkritische Verwerthung der altkirchlichen Evangeliarien
und Lektionarien, auf deren Bedeutung für die Textkritik
namentlich de Lagarde wiederholt hingewiesen hat. Auch in
Tischendorfs Apparatus criticus findet sich bezüglich der
Evangeliarien nur eine sehr geringe Ausbeute. So hat auch das
zuerst von dem Grafen Miniscalchi-Erizzo i. J. 1861 ver-
öffentlichte Evangeliarium Hierosolymitanum (von welchem
man übrigens, nach einer Mittheilung Nestles, in England eine
neue Ausgabe vorbereitet J), weniger Beachtung gefunden als es
1) Die Ausgabe de Lagarde's (Bibliothecae Syriacae a Paulo de
Lagarde collectae quae ad philologiani sacram peitinent. Gottingae,
1892 4°) ist mir nicht zur Hand. Von ihr sagt Sohwally, ldioticon des
christlich palaestinischen Aramaeisch, 1893, S. VIII, dass sie „vielleicht
das glänzendste Denkmal scrupulösester Genauigkeit ist, das sich jener
bewundernswerte Mann gesetzt hat."
28*
436 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
verdient. Und ich selbst muss meinerseits das lebhafteste Be-
dauern darüber aussprechen, dass ich erst, als der Druck dieses
Heftes seinem Ende sich näherte, von dem gedachten Evange-
liarium Kenntniss genommen habe. Allerdings für diejenige
Seite der Untersuchung, von welcher ich bei meinen Forschungen
ausgegangen bin, für die evangelische Quellenkritik, besitzt das
Evangeliarium Hierosolymita'num höchstens einen indirek-
ten Werth. Denn diese in syrischer Schrift, einer Abart desEstran-
gelo, in aramäischer Sprache mit zahlreich eingemischten Graecis-
nien hier vorliegenden Evaugelien-Perikopen ruhen auf einer
Rückübersetzung aus unseren canonisch-revidierten Evangelientex-
ten und sind weit davon entfernt, irgendwie mit dem Urevangelium
zusammenzuhängen. Gleichwohl sind sie — abgesehen von ihrer
Wichtigkeit für die sprachliche Erforschung des Aramäischen —
in textkritischer Hinsicht von hohem Werthe, sofern es sicher
sehr gute, alte Handschriften gewesen sind, aus denen die Ver-
fasser des Evangeliariums geschöpft haben, sodass manche Ar-
chaismen und manche wichtige Lesarten sich zeigen, durch welche
nicht wenige singulare anderweite Textvarianten ihre Bestätigung
erhalten und in welchen mehrfach eine Verwandtschaft sogar mit
Tatians Diatessaron hervortritt. Während nun diese dem
Evangeliarium Hierosolymitanum eigentümlichen Text-
gestalten in den nächsten Heften je den bezüglichen Parallelen
einverleibt werden sollen, kann für diejenigen Partieen, welche
auf da9 gegenwärtige Heft sich beziehen, d. h. dem ersten und
zweiten Evangelium ausschliesslich angehören, die Verwerthung
des Evangeliarium Hierosolymitanum — abgesehen von
den durch Prof. Nestle daraus bereits gelieferten Notizen —
nur in der Form von Nachträgen erfolgen.
Gleichzeitig kann in diesen Nachträgen dasjenige notiert
werden, was sonst noch während des Druckes als mittheilens-
werth sich gefunden hat, so namentlich auch die Entdeckung
Conybeares bezüglich des Marcus-Schlusses.
Mt. 3, 4 = Mc. 1, 6.
Zu der Variante honey of the mountains = fieXi aygiov ist zu
vergleichen mel montanum ("laX..! r^ao.*?) auf S. 499 des Evan-
Nachträge. 437
geliarium Hierosolymitanum, welches auch sonst noch für
a?Qog r&e\ = mons gebraucht. Vgl. oben S. 56.
Mt. 3, 14.
Bei Epiph. lh<u Ilioxscoq c. 15 p. 1097 D lesen wir: ilfrcor
km xov 'logöävijv . ßajiTio&eiq vjto ^Icoavvov, ovx ejtideo/nsvoq
Zovtqcöv. Vgl. hierzu oben S. 57 die unter a bis d gegebenen
Citate.
Mt. 5, 17.
Hierzu noch ein Nachtrag aus Orac. Sibyll. I, 330 — 333.
ov 63 kvl (pgeai ofjöi vorjöov
A&avaxoio &sov Xgtoxov jzcüö' vxpioxoio.
Avxoq JcXr/Qcoosi öe Otov vofiov, ov xaxaÄvoec,
Avxixvjtov fiiftt/fia (pegcov, xdi jiärxa öiöagtt.
Der oben S. 75 besprochene aussercanonische Paralleltext
zu Mt. 5, 18, welchen lrenaeus und Aphraates erhalten haben,
findet sich auch im Evangeliariuin Hierosolymitanum
S. 520: Amen enini dico vobis, quia donec transeant coelum et
terra, jota unum aut unus apex non praeteribit a lege aut a
prophetis, donec omnia fiant. Die zu Mt. 5, 18 = Lc. 16, 17 ge-
hörigen aussercanonischen Paralleltexte werden übrigens voll-
ständig im nächsten Hefte bei Lc. 16, 17 zur Mittheiluner se-
langen.
Mt. 5, 22.
Das Evangeliariuin Hierosolymitanum vertritt zu Mt.
5,22 ebenfalls die aussercanonische Lesart alxTJ. Vgl. S. 116.
Mt. 5, 3tt.
Einen aussercanonischen Text bietet hierzu Methodius de
lepra XVII, 6 p. 328 ed. Bonwetsch: „Niemand vermag ein
einziges Haar sich^hinzuzufügen". Hier^irdTdie^S? 95~mitge-
theilte Fassung bei Clemens AI.: ovöelg övvaxcti bestätigt.
Andrerseits geht der Text des Methodius zum Schluss in das
Jtgoo&elvat von Mt. 6, 27 über, jenes Logion, dessen Verwandt-
schaft mit Mt. 5, 36 von mir bereits oben hervorgehoben
worden ist,
438 Aussercanonische Pavalleltexte zu Mt. und Mc.
Mt. 5, 37\
Zu den Citaten auf S. 96 vgl. mau noch Eus. Dem. ev. III, 3.
Migne IV, 188: sota) ya.Q vficöv xo val vai, xo ov ov. Praepar.
ev. XIII, 13. Migne III, 1112: JtaXiv av xm xov xvqiov qtjxod,
rö)' sörco vficöv ro val val, xal xo ov ov. Also constante
Weglassung des o Xöyoq aus dem canonischen Texte.
Mt. 10, 23.
Zu Mt. 10, 23a finden sich noch folgende Anspielungen, erst-
lich Const. V, 3. p. 126, 5: xal xovq öicoxoiievovq de ötä xr\v
jcioxtv xal [zig] nöXtv Ix jcoXewq (psvyovxaq ötä xr\v evxo-
Xr\v xov xvqiov, siQOoXaftßävEö&s avxovq, sodann Hippol. de
Christo et Antichristo c. 61 p. 32 ed. Lagarde: ötcoxcov xrjv
exxXqölav cptvyovoav djib jtoXeayq elq xo Xiv. Zugleich klingt
hier der Schluss von Mt. 23, 34: xal ötoS^exe äjco xoXecoq eig
xöXtv ganz deutlich an, welche Worte wegen ihrer Congenia-
lität mit Mt. 10, 23a ohnehin erwähnenswerth sind. In der Pa-
rallele Lc. 11, 49 lesen wir nur kxötoj^oVGiv ohne den Zusatz
axb JcbXeoyq elq xoXtv.
Mt. 10, 42 = Mc. 9, 41.
Die Varianten: ov //?) ajtoXrjxat o (iid&bq avxov und ov
//?/ ajtoXiorj xov fiiöfrov avxov erklären sich aus dem unvocali-
sierten Grundtexte: TQlB "SSO xb. Je nachdem man "DK*1 oder
~38p vocalisierte, war äjioXrjxat oder ajioXtOy zu tibersetzen
(Nachtrag zu S. 128.)
Mt. 13, 3«.
Die Septuaginta bieten zu dem xaxov ojctQfia der Clemen-
tinen (vgl. S. 150) noch eine schöne Parallele Jes. 1,4: OJteQfta
jrovTjQov = cisniq jnt.
Mt 13, 42. 43.
Das avxov in dem Citat aus Hippol. de Christo et Anti-
christo (vgl. oben S. 152), bei de Lagarde c. 65 p. 35, 6, ist
doch wohl nur auf r(Xtoq zu beziehen.
Nachträge. 439
Mc. 4, 26-28.
Zu dem Gleichniss Mc. 4, 26 — 28 (S. 153 — 150) ist noch zu
bemerken, dass die gleichwertigen Wortparallelen xa&Evö*Eiv =
axo&vijöxstv ohne Schwierigkeit aus dem hebräischen asiö zu
erklären sein dürften, welches neben der Hauptbedeutung „sich
niederlegen, liegen, schlafen" auch zur Bezeichnung „des Sterbens"
gebraucht wird. Vgl. 2. Chron. 12, 16; 14, 1: astD'!>1 — LXX:
xal ajze&avE. Diesem SDffi entsprach dann sinngemäss aip =
eyeiQ€G&ai = avaarTjvai. Vgl. Prov. 6, 9: 23»n bv$ ^ntt-!?
^riDtJÜ QIpPi ^ntt = LXX: scog xivog oxvrjQs xaxdxEiOai; jcoxs
öh e§ vjtvov iyeQ&rjoij ; (Aquila, Symm., Theodot.: dvaox^öij).
Die Verwandtschaft des Gleichnisses mit 1. Cor. 15, 37, welche
oben (S. 153) hervorgehoben worden ist, erstreckt sich auch durch
das viermal wiederkehrende öjteioExai. — EyEtoexai auf 1. Cor.
15, 42 — 44. Eine geistreiche Verwendung dieses Gleichnissge-
dankens habe ich noch gefunden bei Methodius de resurr.
Uli, 3. 4. p. 166. Bonwetsch: cog yaQ Ix toi xa&svÖEiv xb
eyQijyoQEvai yiyvExai, xal ov jtdvxoq o xaO svöoiv iv tw
avxm öta/itvei oxrfftaxt xa&Evd<av aei, aXX' av&ig dviöxaxai,
ovxcag xal xb C,ijv ix xov dsiofravElv ov(iß^6exai, xal ov Jidv-
tojq o ajio&avwv, ineiödv djio&dvoi, iv xq> avxm [ievei.
ei yaQ Ix xov xoifiäoß ai ro iyQt/yoQEvai xal ix xov jctösiv
xo äveyeoß fjvai xal ix xov xaxaßX?]ßrjvai xb avoixoöoturj-
&rjvai, xiq ^irffavi} xal ix xov xXi&ivxog (iq ovyl JiQoööoxdv
xo dvaOxrjOEO&at xal ix xov ftavbvxog xo dvaßioioxs-
(t&ai; xal yag rjfietq xovxo ovx i$ajcaxa)//eroi bfioXoyoüfiEv,
ix xcov xe&veojxojv Ooficcxotv xo dv a ßim ox eö& ai övftßai-
vtiv. xal fiij fiövov xovxo, eI ßovXsi, ajto xov xa&svÖEiv
OxÖjkei xal dvioxao&ai, dXXd xal äxo xcov OJiEQfidxmv xal
<j>vxo~iv, coq iv jtäoiv avxolg ?) dvdoxaoig xaxayysXXexat. xa-
xafiairExs yaQ xd ojtEQfiaxa. Jtcog yvfivd, <pr]öl, xal ctöaoxa
ßdXXsxai slg xrjv yrjv, xal xEXEGrpoQovfiEva jidXiv {xd
avxd) ajtodiöoxai. ejcei eI &vt']oxoi fdv xal otjjtoixo xd
ojtEQfiaxa, ix öe xäv ojtEQfidxov lirjxExi xb dvaCrjv xal
rpvstv ysvoixo, xiq r\ avajiXt'iocoOig [irj ov'/l xdvxa xaxavaXco-
ürfvai Eig xo x E&vdvai;
440 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Mt. 15, 13.
Die Varianten cxQt^cofrrjGbTai und txQiC.co&r/Tco (S. 171)
sind doch jedenfalls aus dem Hebräischen geflossen, je nachdem
man den Grundtext ■^py■, oder EhC"* als Futurum fasste oder
als Jussiv betrachtete. Vgl. Zeph. 2, 4: 1J5yf) = LXX: hxqiCco-
V/jOtzai — Hiob 31, 8: Itthi&'i = LXX: aQQi&q ysvoipr/v. Sym-
machus gebraucht an letzterer Stelle für ccqqi^ov yivsotiai das
Yerbum IxqiCovv.
Mt. 15, 19 — Mc. 7, 21. 22.
Zu der oben S. 176 f. mitgeth eilten Abhandlung weist Prof.
Harnack noch darauf hin, dass neuerdings Dieterich (Nekyia
1893) S. 163 ff. über die antiken und die christlichen Laster-
kataloge gehandelt hat.
Mt. 15, 22. 27 = Mc. 7, 26. 28.
Die yvvt) ^EXXrjvic, HvQo<poivixi6Ga = Xavavaia = Xava-
vlxiq (vgl. S. 179) wirTlmTTvangeliarium Hierosolymitanum
als Äramea bezeichnet. Vgl. S. 254: Et mulier erat Aramea
(Ktooif^) '), ex Syria Phoeniciae genus ejus. Ebenda findet sich
zu Mc 7, 28 die oben (S. 1S4) notierte Lesart: et vivunt — ein
Zusatz, den die syrischen Versionen mit Tatian gemeinsam
haben. Auf S. 577—580 ist die Parallel-Perikope aus Mt. mit-
getheilt. Man vgl.
S. 580 Mt. 15. 27: lila autem dixit: Etiam, Domine mi, etiam
catelli edunt de micis, quae cadunt de mensa dominorum
suorum, et vivunt.
S. 254 Mc. 7, 28: Et illa respondit dicens: Utique, Domine mi,
et etiam canes sub mensis comedunt de micis puerorum,
(et vivunt.)
Mc. 7, »4-37.
Zu der nur dem Marcusevangelium angehörigen — von
Weiss nicht von der vorcanonischen Quelle abgeleiteten —
Perikope Mc. 7, 31— 37 habe ich aussercanonische Paralleltexte
1) Bezeichnet nach Nestle auch im Edessenischen Syrisch „die
Heidin". Man vgl. dazu Kautzsch, Gramm, des Bibl.-Aram. S. 20.
Nachträge. 441
nicht gefunden. Nur das Evangeliarium Hierosolymitanum
bietet zu Mc. 7, 37 (S. 256) einen etwas abweichenden Text: „Et
magis admirabantur, et dicentes': Bene omnia ipse fecit: etiam
omnia, [quaej ipse fecit, etiam surdos ille facit, ut audiant, et
illi qui non loquuntur. ut loquantur." Den aramäischen Aus-
druck des Marcus: agxpa&a in v. 34 giebt das Evangeliarium
ohne die canonische Hermeneuse: 6 toxiv öiavoiy&rjxi, dagegen
in einer von dem canonischen Texte abweichenden Form: &b\S±&\rd
= nPEns, mithin genau in der Form, welche grammatisch (den
Singular vorausgesetzt) gefordert werden muss. Vgl. Kautzsch,
Grammatik des Biblisch-Aramäischen S. 10.
Mt. 16, 18.
Zu der Untersuchung S. 1S7 — 196 ist noch ein Hinweis auf
die Auseinandersetzung Zahns, Forschungen 11, 290 ff.: „Petrus
das Felsenfundament der Kirche" nachzutragen. Den dort ge-
gebenen Bemerkungen über Mt. 16, 18 bei Origenes (Tom. XII.
§ 10 Opp. 111, 523 sqq. ed. Delarue) ist im Wesentlichen bei-
zustimmen. Vgl. oben S. 192 am Schluss. Dagegen sind Zahns
Anschauungen über den bezüglichen Text Tatians im Dia-
tessaron weniger sicher. Aber selbst wenn in diesem Falle
Zahn Recht behielte, würden die oben gegebenen übrigen Aus-
führungen davon nicht berührt werden. Auch bei Eusebius
(Dem. ev. II, 3. Migne IV, 216) findet sich von Mt. 16, 16—19
mit wenigen untergeordneten Varianten der canonische Text.
Dass aber Paulus das Logion Mt. 16, 18 nicht gekannt hat,
zeigt nicht blos Gal. 2, 10 ff., sondern auch Eph. 2, 20, wo nicht
ein Apostel, sondern die Apostel in der Pluralität (Ijti xcö &s-
(JtZic) x<äv ajioöxoXcov — vgl. die frefieZiovg öcööexa Apoc.
21, 14. 19, xovg ß-s/JtXiovg Hebr. 11, 10) als Grund der Kirche
bezeichnet werden, Christus aber als deren axQoycovialog. Vgl.
ferner 1. Cor. 3, 11: ftefieZiov aXlov ovödg övvaxai fttlvai naget
xov xeifisvov, 6g toxiv 'irjöovg 6 Xqiöxoq — endlich 1. Cor. 10. 4:
rj öi xixQa i\v o Xgcoxog.
Mt. 17, 21 = Mc. 9, 29.
Zu S. 210 f. ist noch folgende Parallele aus dem Evange
liarium Hierosolymitanum (S. 258) nachzutragen: Hoc genus
omnino nequrt exire, nisi in jejunio et oratione.
442 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Mt. 18, 15 = Lc. 17, 3.
Einen aussercanonischen Paralleltext zu Lc. 17, 3 = Mt. 18,
15 habe ich noch gefunden bei Methodius de lepra XVIII, S
p. 329 ed. Bonwetsch: (sagte er:) „Wenn sündiget dein Bruder,
tadele ihn. Den Busse thuenden befiehlt er anzunehmen und
für einen Bruder zu halten". Hier zeigt sich das jrQoodsxeofrai
der Constitutionen. Vgl. oben S. 223.
Mt. 19, 12.
Zu den S. 249 erwähnten und iu den Agrapha S. 433 ab-
gedruckten enkratitiscken Makarismen, wie sie in den
Actis Pauli et Theclae enthalten sind, finden sich bei
Ephraem Syr. (Opp. I, 36 D) folgende Parallelen: o öe tjfiEXEQoq
vöiioq eöx\v ovxoq' [laxaQioi oi jitcö%oI xm jivEVfiaxi. {taxäoioi
ol xevfrovvTEQ. (laxäoioi oi hXtrjuoveq. [taxäoioi oj. dedtmyfiE-
voi. naxciQtot oi ov£i(hCötutroi. fiaxdoioi oi xa&aooi xfj x<xq-
ö'ia. fiaxdoioi ol eyxQar evofievot. fiaxdoioi ol xb ßd-
jcxiOfia ayvbv (pvXd^ovxEq. fiaxdoioi oi öid xbv Xqiöxov
ajtoxa^dfiEvoi rrö xoöficp xovxqy. fiaxdoia xd ocofiaxa
tcöv JtctQ&tvcov. fiaxdgioi oi sxovreg yvvalxag a>q fit}
tyoi'TEg. (/axccQim oi yoTjyoQovvxsq xal jigoosv/bfisvoi. fia-
xdoioi ol xooßXEJtovTEg xbv EQxbfiEVov xQlvai C,o3vxaq xal
vExoovq. fiaxdoioi oi öaxgvovxEq Iv jtqooevx(j- Tavxa xtjq
ftsiaq yoa<f>r\q x<nv 6q&oöo£,cov\ Echtes und unechtes Material
geht in diesen Makarismen durch einander.
Mt. 22, 11-13.
Zu den Parallelvarianten : OxoXt) vvfifpixtf = Evövfia vv/ipi-
xbv = Evövfia ydfiov (vgl. S. 266) findet sich noch eine weitere
Parallele bei Ephraem Syr. Opp. I, 44 D: 6 jrooGÖoxcöv slq
xovq ydf/ovq EXEtvovq xaxaxXiOtjvai, sG&rjxa XaftJigdv xxq-
oaG&a>.
Mt. 24, 11 = Mc. 13, 22.
Das Parailelenverzeichniss S. 281 — 283 kann noch vermehrt
werden durch folgendes Citat aus der Disputatio Archelai
et Manetis p. 61 ed. Zacagni: „Exsurgent enim falsi Christi
Nachtrage. 443
et falsi Apostoli et falsi Prophetae, et dabunt signa magna et
prodigia, ita ut in errorem inducant, si potest fieri, etiani electos."
Mt, 24, 24.
Als eine Ergänzung zu der Untersuchung über den Anti-
christ (S. 289 — 293), zugleich als ein Beweis für den ursprüng-
lich eschatologischen Charakter des Logion Mt. 7, 15 (vgl.
S. 109 — 113. 291), ist noch zu erwähnen eine Äusserung Hip-
polyts, in welcher er den Antichrist unter deutlicher Bezug-
nahme auf Mt. 1, 15 auswendig als Lamm, inwendig als Wolf
darstellt, wenn er sagt: eöeix&r] o og>xt)q coq agviov, xcu avxbq
[sc. o avTLXQiGxoq] ofioimg (pctvrjGsxcu coq aqviov , svöo&ev Xv-
xoq cov. Hippol. de Christo et Antichristo c. 6. p. 5 ed. La-
garde.
Mt. 25, 10.
Die S. 303 zusammengestellten Texte, den vv/upcov betreffend,
können noch durch folgende Parallele bereichert werden aus
Ephraem Syr. Opp. I, 44 D: o äyancov elösZ&tiv siq xov vv(i-
(pcävcc xcu ayaXXiao^r/vai, Xaftjrctöa xpaiögav xccl sXcuov eiq ay-
yelov agaxco.
Mt. 25, 40.
Die Variante: quamdiu — , welche Origenes vertritt (vgl.
S. 313), zeigt sich auch im Evangeliarium Hierosolymita-
num (S. 232): „quamdiu omnia quae fecistis uni ex his fratribus
meis minimis, mihi fecistis." Derselbe Text gleichlautend noch-
mals S. 306.
Mt. 26, M = Me. 14, 30.
Zu der von mir (S. 33. 326) adoptierten Abbreviatur xq (=
xvgioq) im Fajjum-Fragment bemerkt Nestle: „Steht Rainer
dem Urevangelium nahe, so wird er 6 xvgioq (anstatt 'iqoovq)
nicht gebraucht haben." Die Richtigkeit der Bemerkung an sich
wird von mir zugestanden. Da ich aber das Fajjum-Fragment
(S. 28ff.) zunächst dem Aegypterevangelium zuweise und daher
nur eine indirekte Verwandtschaft mit dem Urevangelium für
möglich halte, so ist darauf hinzuweisen, dass das Aegypter-
evangelium gerade den Ausdruck ( xvgioq bevorzugt. Vgl.
Agrapha S. 385. 429.
444 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Mt. 27, 16. 17.
Die S. 338 ff. besprochene Tradition, wonach der Name des
Barabbas „Jesus" gewesen sei, wird auch durch das Evange-
liarium Hierosolymitanuni (S. 392 ff.) bestätigt, und zwar
in der Weise, dass schon zu v. 16 der Name „Jesu" auftritt und
in v. 17 wiederkehrt: ,.Erat autem eis tunc unus vinctus famosus,
qui vocabatur Jesu Bar Rabban. Et quum essent illi congre-
gati, dixit eis Pilatos: Quem vos postulatis ex duobus, ut dimit-
tam vobis? Jesu Bar Rabban, an Jesum qui dicitur Christus?
Und zwar ist hierbei der Name des Mörders beide Male nur
„Jesu" (cujq*), der Name des Erlösers aber „Jesus" (cocurn*) ge-
schrieben, obwohl v. 17 beide Namen in einem und demselben
Casus stehen. Der Charakter der Rückübersetzung aber aus dem
Griechischen zeigt sich auch darin, dass v. 16, wo „Jesu" im No-
minativ steht icu». r^Smfosa.i), doch wie im Hebräerevangelium
der Accusativ des griechischen Originals {Bagaßßäv) beibehalten
und in Folge dess •.raus = pl "D geschrieben ist. Wesentlich
dieselbe Textgestalt, namentlich auch die Verschiedenheit der
Namen „Jesu" und „Jesus1*, sowie auch der Zusatz: ex duobus
(= asro xcöv ovo in dem Scholiou des Anastasius vgl. oben
S. 33S) findet sich S. 375. 376 des Evangeliarium.
Mt. 27, 46 = Mc 15, 34.
Eusebius bringt den Kreuzesruf Mt. 27, -16 in mehrfachen Va-
rianten. Vgl. Dem. ev. X. Migne IV, 753 : ävsßörjOsv o 'Irjoovg (pwvfi
(isyäXrj Xiyow 'HXsi, 'HXei, Xafjfiä oaßayßavi; Gleichlautend Dem.
ev. X. Migne IV, 777. Dagegen Comm. in Js. 49, 7. 8. Migne
VI, 433: ävsß&rjosv 6 ocoxr/Q sIjkov 'HXsi, 'HXsi, Xi/ia oaßax&a-
vsi. Ferner Dem ev. X. Migne IV, 760: sß6t]Gsv Irjoovg (poivrj
fieydXy 'EXcosifi. 'EXcosifi, Xafi^ä occßax&avi , o söxt fisd-syttt]-
vtvo^svov o &80Q, 6 d-sog fiov, i'va xi syxaxsXutsg fis; elXrj-
jrrai ös t] Eßoai'x?] Xsgig äjiu xijg sv %sqg\ JtQO(prjxsiag. Avxaig
yovv ovXXaßalq xo' 'HXsi, 'HXsi, Xafi/m oaßax&ccvL r\ xov tpaX-
f/ov xaxagxtj jisqüxsi, Öjtsq o 'AxvXag xovxov SQfi-rjvsvot xov
xqoüioV 'Ioxvqs [iov, icxvQs fiov, iva xi syxaxsXijisq f/s; Vgl.
endlich die Marcus-Parallele Eclog. proph. II, 13 in Ps. 21 (=22):
Nachträge. 445
xal t eJtl xov oxavoov gxDvrj r/' EXodei, EXcoü, Xafiä Gaßax&a-
vni MignelV, 1107B.
Für die Übersetzung övvatuig = 3X liegt ein sehr altes Zeug-
niss vor in dem Namen Elksai = 103 bs = övvafug djtoxexa-
Xvfifitvfj. Vgl. Epiph. Haer. XIX, 2 p. 41 A: cfavxdCovxai 6h öij-
dev xaXslv xovxov ,.övva[iiv djiox£xaXv[ilutvrjvli öiä zb tjX
xaXüodai övvafiiv, g«t dt xtxaXvftfiEVov. Und ferner Haer. XIX,
4 p. 42 C: sira de ötayadyti Xqiöxov xtva elvat övvctfiiv, ov
xal xd f/exQCc Ofjftairsi, uxooixtöGaQmv f/ev oyoivmv xo tui]xog.
mg tuiXiojv ev£v?]xovxae$ , xb dt jtXdxog Gfpivcov t£, iiiXlcov d-
xooixtooaQmv , xal xb jcdyog ofiolooq zsQazevöfisvog, xal xovg
jroöag, xal xd aXXa {/vftoXoy/jftaxa. Dies Alles schlagende Be-
lege zu den Bemerkungen auf S. 360 und zugleich auf S. 37S,
die Riesengestalt betreffend, vielleicht auch ein Hinweis auf die
Richtung, in welcher der Ursprung der von dem doketischen
Petrusevangelium adoptierten Ubersetzungsvariante dvvafiig zu
suchen sein könnte.
Mt. 27, 62-6«.
Zu den sieben Siegeln des Fetrusevangeliums weist Nestle
noch hin auf xd jtaQaXsutofteva Jegsfilov xov Jiootprjxov III. 8
(Rest of the Words of Baruch ed. Harris p. 49): dxovs yi} .
o 6<pQayioag öt sv kjtxd 6<poayl6iv. Vgl. dazu oben S. 367 ff.
Bezüglich des Centurio Petronius im pseudopetrinischen
Evangelienfragmente kann noch erinnert werden an den römi-
schen Eparchen Petronius, von welchem berichtet wird bei
Eus. Chron. IL p. 539 ed. Migne: Cajus Petronio, praefecto
Syriae, praecipit, ut in Hierosolymis statuam suam sub nomine
Jovis optimi maximi poneret = rd'i'og avöoidvxa Jibg Ejrifpa-
vnvg xaXov/Jtvov tv xolg IsQOOokvflOig dva&eivai Flexa atvicp .
xcö 2vgiaq ejidoyco, jiQOöexa§ev. Syncell. p. 331.
Mt. 28, 2-4.
Zu dem gvXov giUo> xXiO-fi (vgl. S. 374 ff.) macht Nestle
aufmerksam auf die eben zu Mt. 27, 62—66 erwähnte Schrift
IX, 15 p. 63 ed. Harris: jcoirjoei avxa [sc. xd öevdoa xd ße-
ßXaoxTjxnxa xal (lEyaXavyovvxa] xXifttji'at xo ötvöoov xn
446 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
ortjQix&tv mit den Erörterungen von Harris und Le Hire
(Etudes Bibliques) ibid. p. 42—46.
Zu dem oben S. 375 erwähnten Citate Gregors von Ny ssa ist
doch vielleicht der canonische Jeremia die einzige Quelle. Vgl.
Jer. 4, 4: aDnnb ni-ny snoiti rnrp? i5Tsn = LXX: jtsQitfuförjTt
ras decö vfjtov, xal jteQitefxveöfre r/)p öxXrjQOxaQÖiav v/jcop.
Zu Gabriel und Michael (vgl. S. 370) notiert Nestle die
Thatsache, dass viele christliche Inschriften Palaestinas mit den
Buchstaben XMF beginnen, was nichts anderes als Christus,
Michael, Gabriel sein könne. S. van Kasteren in Zeitschrift
des Deutschen Palaestina -Vereins 16, 3. S. 177. 187 und die
dort citierte Literatur. — Die Alten, bemerkt Nestle weiter,
fanden Jes. 6, 2 nur zwei Seraphim angedeutet. S. Redepen-
ning, Origenes 1, 255 und xa(>aZ£iji6jttva 'ItQtf/lov 9, 3: jt£(>}
rr/g <pojvi)g xi}g yXvxeiag xöjv ovo ^sQa(pi(t.
Zu S. 378, die Himmelfahrt des Kreuzes betreffend, notiert
Prof. Harnack noch Acta Pionii c. 13 (aus dem J. 250): „di-
cunt dominum Jesum Christum cum cruce ad superos, facta
umbrarum excitatione, remeasse". Zu der pseudopetrinischen
Riesengestalt, welche dem Auferstandenen angedichtet ist, erinnere
man sich der oben auf S. 42 abgedruckten, doketischen Schil-
derung des Leucius Charinus bei Photius, sowie der vor-
stehend zu Mt. 27, 46 mitgetheilten fantastischen Grössenmessung
des XQiGtog als der övva//ig bei den Elkesaiten nach Epi-
phanius. Der dabei von Epiphanius gebrauchte Ausdruck
oxotvog bezeichnet ein in Aegypten gebräuchlich gewesenes
Landmass, das man gewöhnlich zu 60 Stadien annimmt. Vgl.
Herod. II, 6. Mit welchen Riesenverhältnissen also operierte jene
Fantasie !
Mc. 16, 9. 10.
Evangeliarium Hier. p. 408: „Surrexit autem mane, prima
die in hebdomada, et apparuit Mariam Magdalaitha, de qua eje-
cit Septem daemonia. Et illa ivit, nuntiavit illis, qui lugebant,
et fiebant cum ea.
Mt. 28, 19* = Mc. 16, 15.
Ganz eigentümlich sind die Lesarten des Evangeliarium
Hierosolymitanum zu Mt. 28, 19a = Mc. 16, 15. Erstere
Nachträge. 447
Stelle findet sich S. 406 in folgender Fassung: „Ite et docete me
(Jl »o.TÄai^yl omnes gentes. Dieses »me'1, welches sich sonst
nirgends wiederzufinden scheint, klingt doch an S. 410, wo das-
selbe Logion nach der Marcus-Relation erscheint: Ite in mundum,
et praedicafce evangelium meuin omni creaturae. Ahnlich sind
nur noch die oben mitgetheilten- Varianten: fia&r/TEvoaze axl
r<p 6vb\iaxi (iov bei Eusebius. Das ^ des syrischen Textes
fasst Nestle als dativus commodi: und macht mir zu Jüngern
alle Völker.
Mt. 28, 19b.
Bei der Erklärung der auf S. 410 unter No. 97 mitgetheilten
Taufformel, wie sie nach Irena eus bei den Valentinianern in
Gebrauch war, ist das aramäische Idiom, jedoch mit Hebraismen
vermischt, vorauszusetzen, wie solche aramäisch-hebraisierende
Mischtexte in den canonischen Fassungen des Kreuzesrufes zu
Mt. 27, 46 = Mc. 15, 34 (vgl. oben S. 356 f.) vorliegen, wie auch
der auf S. 444 besprochene Name ^HX^d'i ('Hl = btf rein he-
bräisch, "'öS aramäisch) einen solchen Mischtext repraesentiert,
und wie auch das aramäische Idiom des Evangeliarium Hie-
rosolymitanum mit Hebraismen (und Graecismen) vielfach durch-
setzt ist. Ein solcher Mischtext eignete sich ja auch besonders
dazu, um mystische Formeln herzugeben, welche die Hörenden
in stummes Erstaunen versetzen sollten (vgl. oben S. 410: xata-
Jtlrjgcu rovg rü.Biovfiivovg). So war nun auch die aramäische
Taufformel der Valentinianer eine mystische Verschleierung der
Trinität, wie solches aus der (unter No. 98) beigefügten tQ/itjvua
des Irenaeus zu erkennen ist. Für das Einzelne aber dürfte
diese EQftijvsla nur irreleitend sein. Man muss zur Erklärung
der einzelnen Worte vielmehr an die griechischen Taufformeln
der Valentinianer und der Marcosier sich halten, Avelche bei
ihnen neben der kabbalistischen aramäischen Formel in Ge-
brauch waren. Hiernach wird es evident, dass nach SüHD =
ßaosfia = de ovofia der tmxti'iq als ajtoxexQVjLtfttvog (No. 99) =
ayvcoörog (No. 102) bezeichnet werden sollte. Hierzu weiss ich
aber bis jetzt keine bessere Erklärung als das hebräische T135,
den sollennen Ausdruck für djtoxyvgiog. Nestle notiert mir
dazu aus Payne-Smith, Thesaurus Syriacus p. 751 die ara-
mäische Übersetzung »n» xnbs = ayvoiörog tieog Act. 17, 23.
448 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Anstatt des für das Aramäische zu erwartenden HVft wäre
also eine hebraisierende Form xavoöGrl vorauszusetzen und
ausserdem die Verwechselung von tu und v zu statuieren — ,
das letztere eine Annahme, welche im Hinblick auf die alte grie-
chische Minuskel-Schrift, wie sie z. B. Tischendorf in seinen
Evangelia apocrypha repristiniert hat, mit Schwierigkeiten nicht
verknüpft ist, da in dieser Schreibweise fi und y, (= v) einander
zum Verwechseln ähnlich sind.
Zur Erklärung des zweiten Bestandtheils ßaaiavovya in No.
97 dienen in der Formel No. 99 die Worte: kv ralq Renate xov
yeöTo? = X"nn: "^ro = ßa-cua vovqcc, wie denn K'ioooi = smr»3
im Evangeliarium Hierosolyniitanum für IIS = <pä>q regelmässig
gebraucht wird. Wir haben hier also eine johanneische Bezeich-
nung des Sohnes. Vgl. Joh. 1, 4: iv avvcö I^odtj rjv, xal r] C,coi}
r\v xo <pcöq, wie auch der ayvcootoq jtav/jQ in Joh. 1, 18a seine
Parallele besitzt.
Auch der dritte, auf das xvevfia ayiov bezügliche, Textbe-
standtheil bewegt sich in johanneischen Ausdrücken. Das an-
scheinend dunkele (iioraöia ist zu recognoscieren als Part. Hith-
paal von dem aramäischen "in© = {Mxqtvqeiv, von welchem auch
das Gen. 31, 47 in den hebräischen Text eingesprengte ara-
mäische jtrfi~nto (= LXX f/aQTvgia) abstammt. Das Part. Hith-
paal : X^~nPiipTQ entspricht genau der griechischen Formel fuorec-
öia, zugleich aber auch dem johanneischen: Ixelvoq fiaQrvQ?/0€i
Joh. 15, 26. An derselben johanneischen Stelle (ebenso Joh.
16, 13) findet sich in dem jtvavfta Ttjq dlr]{)äaq = XVti}'\'p~\ SJTli
(= k£Lx.cldi rduoi im Hierosolyniitanum) die richtige kQfit]-
vi ia von Qova öaxovöxa vor. Man vgl. dazu Const. V, 7: xal
(iccQTVQia jtvivfiarog (oben S. 398), ferner die dbj&eta sowohl
in der Formel der Valentinianer No. 99 als in derjenigen der
Marcosier No. 102.
Von den Schlussworten ßaq>oyoQ xaXayftti hat die Effi/yvsia
des Irenaeus den ersten Theil ßacpoyoQ — iv reo Oo'iftaxi richtig
gedeutet. Denn cpoyoQ entspricht dem hebräischen ">3E — öcö/za,
dem jüdisch-aramäischen "IIB, SH^llD, dem "l3rt£>, XlVfi = l^AÄ
des Evangeliarium Hierosolyniitanum. Dagegen gänzlich ver-
fehlt ist die Deutung des xaXax&ei durch ißaoiXevöaq, gleich
als ob ein Stamm "\bl2 vorgelegen hätte. Dieser Ausdruck ßaoi-
Nachträge. 449
Xevtiv hat mit der Taufe Nichts zu thun. Mit Rücksicht darauf,
dass hier eine Taufformel vorliegt, und dass dieselbe dem Tau-
fenden in den Mund gelegt wird (vgl. hxiXtyovoiv in No. 97),
bin ich geneigt — obwohl hierin Nestle (wie theil weise bezüg-
lich yanoodri) nicht zustimmt — , in xalay&u die (hebraisierende)
1. Pers. Sing. Pail von nbp = giessen (im Talmud) zu vermuthen.
Es ergäbe sich dann folgender, vortrefflich sich eignender, Ge-
sammtsinn :
ßaösfia xavoöGt] = ST135 X32EQ = slq ovofia ayvmöxov
ßa-ata vovga = ST1JT3 ^rQ = kv xalq C,<acüq xov cpwxdq
(iiozaöta Qova öaxovoxa = fctülölpl SJTn ifHnmDE = xb [iccq-
xvQovfiBvov jcvEVfia xijq dlrjfreiaq
ßacpoyoQ xaZax&ei = Tinbp 151SD = etq xb ocöfia ex%to). Vgl.
Aiö. VII, 3: zxytov slq xt)v xt<paZ?}v xglq vöodq.
Mc. 16, 9-20.
Über den canonischen Marcus-Schluss existiert eine 323
Seiten in Gross-Oktav umfassende Untersuchung, näinlich das
bereits oben zu Mc. 16, 20 erwähnte Werk von Burgon: The
Last Twelve Verses of the Gospel according to S. Mark, vin-
dicated against recent critical objecto'rs and established by John
W. Burgon, Oxford and LondoD 1871, „eine — wie de La-
gard e (Mittheilungen I, 113) sich ausdrückt — unbeschreiblich
ansprechende, von klarer und warmer Liebe zur Kirche und zur
Wissenschaft förmlich überfliessende, in Deutschland selbstver-
ständlich unbekannte Abhandlung".
Burgon vertheidigt mit Nachdruck und mit Überzeugung
die Echtheit des Marcus-Schlusses und seine ursprüngliche Zu-
gehörigkeit zum zweiten canonischen Evangelium. Von dem
hohen und ehrwürdigen Alter dieses in Mc. 16, 9 — 20 enthaltenen
Textabschnittes bin auch ich meinerseits je und je überzeugt
gewesen. Meine patristischen Forschungen haben mich in dieser
Überzeugung nur noch bestärkt.
Trotzdem halten Burgons Behauptungen sowohl der Text-
kritik als der Quellenkritik gegenüber nicht Stich. So ehrwür-
dig das Alter dieses Abschnittes Mc. 16, 9 — 20 ist, so gewiss
rührt derselbe von einem anderen Autor her als demjenigen, dem
mit Mc. 16, 8 die Feder entfallen war. Nicht nur dass die beiden
Texte u Untersuchungen X, 2. 29
450 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
ältesten Uncial- Codices, der Vaticanus und der Sinaiticus
(vgl. Heft I, 19), im Verein mit vielen anderen gewichtigen
Zeugen (vgl. Tischendorf, Ed. oct. crit. maj. N. T. p. 403—407)
die ursprüngliche Nichtzugehörigkeit von Mc 16, 9 — 20 zu dem
zweiten Evangelium bekunden, — wir haben zwei noch viel
altera Zeugen: den ersten und den dritten Evangelisten.
Beide lassen es deutlich erkennen, dass mit Mc. 16, 8 (= Lc.
24, S = Mt. 28, 8) ihre Marcus-Quelle versiegte. Jeder von diesen
beiden bietet von da ab andere Stoffe, deren verschiedenartiger
Charakter an sich es zeigt, dass der bestimmende Einfluss des
Marcusevangeliums mit Lc. 24, 8 = Mt. 28, 8 sein Ende gefunden
hat. Die ganze schriftstellerische Art der Schlusspartien Mt.
28, 9—20 und Lc. 24, 9 — 53 bekundet es, dass hier Quellen
fliessen, die von der Hand des zweiten Evangelisten nicht er-
schlossen waren. Aber auch der Abschnitt Mc. 16, 9 — 20 selbst
erweist sich bei eingehender textlicher Analyse als ein nicht
zum Marcusevangeh'nm ursprünglich zugehöriger Bestandtheil.
So legen alle drei synoptischen Evangelien für Mc. 16, 9 — 20
das Zeugniss ab: hier redet ein anderer Verfasser als Marcus.
Aber wer war es, dem wir diesen Marcus-Schluss verdanken?
Die Antwort liegt nahe: derjenige, welcher den ersten Evange-
liencanon zusammenfügte und redigierte! Aber wer war dieser
Redaktor der ältesten canonischen Evangeliensammiung? Un-
durchdringliches Dunkel lag bisher über diesen Fragen. Da
hat unsere an wichtigen literarischen Entdeckungen so reiche
Zeit auch bezüglich unsers Marcus-Schlusses eine Entdeckung
gebracht, welche geeignet ist, dieses Dunkel zu lichten.
Unter der Überschrift: „Aristion, the author of the last
twelve verses of Mark" veröffentlichte im Expositor (Oktober-
Heft 1893 S. 241 — 254) Conybeare eine kurze, aber wichtige
Abhandlung, in welcher er seine auf unsere Frage bezügliche,
in einer armenischen Evangelienhandschrift gemachte, Entdeckung
der theologischen Welt zur Kenntniss brachte.
Im Unterschied nämlich von allen übrigen armenischen
Evangelien-Übersetzungen, welche sämmtlich den Marcus-Schluss
weglassen, bringt der i. J. 989 geschriebene, in der Patriarchal-
bibliothek von Etzschmiadzin befindliche armenische Evange-
lien-Codex den Abschnitt Mc. 16, 9 — 20 von derselben Schreiber-
Hand, doch so dass zwischen Mc 16,8 und 9 ein Zwischenraum
Nachträge. 451
von zwei Linien gelassen und in demselben, roth geschrieben,
die Bemerkung:
Ariston Eritzu (= Agiorcovoq jtQSößvrsQOV)
eingefügt ist. Diese Bemerkung, welche ohne Zweifel auf einer
sehr alten Tradition beruht und durch die Abschreiber von Jahr-
hundert zu Jahrhundert getreulich fortgepflanzt worden ist,
nimmt eine ganze Linie ein (während der Codex in zwei Colum-
nen geschrieben ist) und bildet somit die Überschrift des Ab-
schnittes Mc. 16, 9 — 20. In einer Zeit, da von Textkritik in
unsrem Sinne und vollends von Quellenkritik nicht die Rede war,
legt diese Überschrift: 'Agiorcovog jiQsoßvreQov ein zwei-
faches Zeugniss ab, einmal für die ursprüngliche Nichtzugehörig-
keit des canonischen Marcus-Schlusses zum zweiten Evangelium,
sodann für die Autorschaft dieses sehr frühzeitig an Mc. 16. S
angefügten Abschnittes.
Freilich eine volle Lichtung des Dunkels in letzterer Hinsicht
ist bei der Kürze dieser Notiz noch nicht gegeben. Nimmt
man den Namen AqIoxcov streng und genau in der überlieferten
Form, so kann allerdings keine andere Persönlichkeit als Ariston
von Pella in Betracht kommen. Doch ist die Austauschung
der Namen Aq'iöxwv und Agiöricov in alter Zeit sehr häufig
gewesen und vielfach nachgewiesen. Adoptiert man die Form:
AqlotIcov — , so liegt es nahe, dem Vorschlag Conybeares zu
folgen, welcher, angeregt durch seinen Freund Archer, in dem
Verfn .er des Marcus-Schlusses den von Papias (bei Eus. H. E.
III, 39) neben dem Presbyter Johannes als seinen Gewährsmann
genannten Aristion wieder zu erkennen meint. Der Inhalt und
der Charakter des Abschnittes Mc. 16, 9 — 20 würde mit dieser
Annahme sich wohl vertragen. Dieser Abschnitt ist frei von
aller Effekthascherei, frei von aller legendenhaften Ausmalung,
wie sie z. B< im pseudopetrinischen Evangelium sich findet, er
zeichnet sich vielmehr aus durch corapendiöse Knappheit, welcher
man es anmerkt, dass der Verfasser weniger sagt, als er weiss.
Und so hat denn sowohl Zahn (Theol. Literaturblatt 1893 No.
51) dem Vorschlag Conybeares im Wesentlichen zugestimmt,
als auch Harnack. von welchem (Theol. Literaturzeitung 1893
No. 23) die Äusserung vorliegt: ,,M.' E. ist der Thatbestand ein
solcher, dass prinzipielle Skepsis hier nicht am Platze wäre" —
sich nicht ablehnend verhalten hat.
29*
452 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
Gleichwohl sind auch die dagegen geltend zu machender |
Bedenken sorgfaltig zu erwägen.
Erstlich handelt es sich bei der Berufung des Papias aui|
seine beiden Gewährsmänner, Johannes und Aristion, umj
mündliche oiagadööei q , nicht um schriftliche Aufzeichnungen.
Die Überschrift des Marcus-Schlusses aber: 'AQiörcovoq jtQ86-\ i'
ßvreQOV, welche sich in jenem armenischen Evangelien-Crdex I i
findet, ist — gerade wegen ihrer Kürze — derart, dass hier nicht
ein Gewährsmann mündlicher Tradition, sondern der schrift-
stellerische Urheber des Abschnittes genannt sein muss.
Zweitens: es ist durchaus unwahrscheinlich, dass Aristion,
wenn er der Verfasser des Marcus-Schlusses gewesen wäre, dieses
nicht auch dem Papias überliefert oder dass Papias eben da,
wo er auf Grund der ihm gewordenen mündlichen JiaQadoGEiq
über Entstehung und Charakter des Marcusevangeliums so Tref-
fendes zur Mittheilung bringt, über den Ursprung des Marcus-
Schlusses sollte geschwiegen haben, wenn er von einem seiner
Gewährsmänner darüber irgend Etwas in Erfahrung gebracht
hätte.
Drittens: es ist unwahrscheinlich, dass, nachdem der erste
und der dritte Evangelist das Marcusevangelium nur in dem
mit Mc. 16, 8 abgegrenzten Umfang gebraucht haben, und nach-
dem diese ursprüngliche Gestalt desselben noch in den beiden
ältesten Codices erhalten und noch Jahrhunderte hindurch in
der Kirche bekannt gewesen ist, die schriftstellerische Abrundung
des zweiten Evangeliums durch Anfügung des jetzigen canoni-
schen Schlusses früher als die Entstehung unsers Evangelien-
canons geschehen sei. Es ist aber licht angänglich, die Abfassung
unsers vierfältigen Evangeliencanons in die Zeit des Aristion
zu verlegen, in welcher die mündliche jcagadoöiq noch so grossen
Einfluss und so hohe Bedeutung besass.
Dass aber der Ursprung des canonischen Marcus-
Schlusses mit der Entstehung des Evangeliencanons
zusammenfällt, darauf weisen entscheidende Indicien hin.
Was bisher bei der textkritischen Untersuchung des Marcus-
schlusses noch von keiner Seite hervorgehoben worden zu sein
scheint, auch nicht wohl erkannt werden konnte, weil der Zu-
sammenhang zwischen den Textfamilien der Evangelien und der
ältesten Gestalt des Evangeliencanons noch nicht ans Tageslicht
Nachträge. 453
gezogen war, das sei auf Grund der in Heft I, 30 — 47 gegebenen
Darlegung zum ersten Male constatiert. Gemäss der auf S. 36
des Einleitungsheftes aufgestellten textkritischen Norm: „ Über-
einstimmung des griechischen Codex D, der altlatei-
nischen Versionen und des Syrers Curetons ergibt un-
zweifelhaft den Text des Archetypus", d. h. des um 140
n. Chr. entstandenen ältesten E van gehen canons, muss der Mar-
cus-Schluss, welcher vom Codex Cantabr., von der syrischen
Übersetzung Curetons und sieben Italae-Handschriften , darunter
dem wichtigen Codex Colbertinus, vertreten, ausserdem aber auch
in dem von derselben Quelle abhängigen Diatessaron (um 160 —
170) enthalten gewesen ist, jenem ältesten Evangeliencanon,
dem Archetypus der genannten Handschriften, angehört haben.
Dieser Evangeliencanon, welchen bereits Justin kannte, aber
noch nicht ausschliesslich benutzte, eroberte sich in wenigen
Jahrzehnten — abgesehen von der syrischen Kirche — die
Alleinherrschaft und brachte daher zugleich den Marcus-Scbluss
zu der frühzeitigen — von Irenaeus bereits ausdrücklich er-
wähnten — Anerkennung und weiten handschriftlichen Ver-
breitung.
War nun ein Ariston der Verfasser des canonischen Mar-
cus-Schlusses, so wird derselbe Ariston auch der Redaktor des
ältesten Evangeliencanons gewesen sein. Dieselbe Hand, welche
die vier Evangelien zu einem wohlgegliederten Ganzen zusammen-
fügte, fügte auch dem zweiten Evangelium zu dessen schrift-
stellerischer Abrundung den Abschnitt Mc. 16, 9 — 20 hinzu. Da
nun diese doppelte, im Grunde einheitliche, redaktionelle Thätig-
keit in keinem Fall auf den Apostelschüler Aristion, den Ge-
währsmann der von Papias gesammelten mündlichen jiaQado-
6£iq, zurückgeführt werden kann, so wird die armenische Über-
schrift: „Ariston Eritzu" (d. i. ^Aglorcovog JtQsoßvvsQov), wie
schon Sanday vermuthet hat (vgl. Conybeare S. 243), keine
andere Persönlichkeit im Sinne haben als den wohlbekannten
Ariston von Pella. Damit harmoniert die Zeit, in welcher
Ariston lebte, die Örtlichkeit, in welcher er wirkte, und sein
kirchlicher Charakter, soweit er uns bekannt ist.
Für die Wirkungszeit Aristons ist das Jahr 135 der ter-
minus a quo, ein terminus, welcher mit der Entstehung des
Evangeliencanons um 140 (vgl. Heft I, 12) aufs Beste zusammen-
454 Aussercanonische Parall eltexte zu Mt. und Mc.
trifft. Aristons Wirkungsort war Pella im Ostjordanland,
nach der Zerstörung Jerusalems der Sitz des jerusalemischen
Bischofs, der Mittelpunkt des ältesten, so ehrwürdigen Juden-
christenthums. In der Nähe von Pella lagen auch die Sitze
des haeretischen Judenchristenthums. Vgl. Epiph. Haer. XXX,
18 p. 142 A bezüglich der Ebioniten: axo xe xfjg Baxa:>eag xal
üaveädog xo nXelöxov, Mmaßixtöög xe xal Ka>x<xßcöv xrjg ev
rfi Baoavixiöi yy, ejtixeiva Aögawv. Haer. XL, 1 p. 291 D:
ev xij 'Agaßia ev Kco%äßr) '), ev&a ol xcöv 'Eßuovaicov xe xal
NaCfCogaimv giCai evr)g<-avxo. Euseb. Onom. p. 372, 9 — 13 ed.
Lagarde: Xcoßd, ?'] eöxir ev dgioxegä Aafiaoxov. eöxi öe xal
Xcoßd xcoy.7] ev xolg avxolq fiegeöiv, ev ?] eiölv 'Eßgaloi ol elq
Xgioxov jtioxevoavxeg 'Eßtcovaloi xaXovfievoi. Die in diesen
Gegenden ansässig gewesenen Ebioniten und Nazaräer sind es,
von denen der früheste Gebrauch des ersten Evangeliums be-
zeugt ist. Vgl. oben S. 2. 3. Nach Pella aber sind wir auch
gewiesen, wenn wir nach dem Geburtsort des ersten Evange-
liums forschen, da die jerusalemischen Traditionen, welche in
den eigentümlichen Stücken des evajyeXiov xaxd Max&alov
(Mt. 27, 3—10; 27, 52. 53. 62-66; 28, 2-4. 9-15) ihren Nie-
derschlag gefunden haben, bei der Übersiedelung der jeru-
salemischen Gemeinde (Eus. H. E. I, 7) nach Pella mit ver-
pflanzt worden waren. Nach derselben Örtlichkeit endlich
weist uns die Frage bezüglich der Entstehung des ältesten Evan-
geliencanons, dem gerade durch das an die Spitze gestellte
judenchristliche evajyeXiov sein charaktervoller Stempel aufge-
prägt worden ist.
Wie Zeit und Ort, so eignet sich auch der Charakter
Aristons, um in ihm den Redaktor des ersten Evangelien-
1) Nestle macht hierzu auf den merkwürdigen Umstand aufmerksam,
dass der Schreiber der vaticanischen Handschrift, durch welche uns das
Evangeliarium Hierosolymitanum erhalten ist, Elias aus A
Abt in einem „Sternkloster" war (asis itoi), und sagt dazu: „Vielleicht
hängt, was wir an christlich palästinischer Literatur haben, mit diesem
ältesten transjordanischen Judenchristenthum zusammen. Lagarde hat
bekanntlich schon längst auf die Bedeutung hingewiesen, welche diese
Gegenden für die Urgeschichte der Kirche haben; vielleicht hat er mit
solchen Gedanken einen Theil seiner letzten Kraft an die Ausgabe des
Evangeliarium Hierosolymitanum gewandt."
Nachträge. 455
canons und zugleich den Verfasser des Marcus- Schlusses zu
erkennen. Als „ Presbyter" wird jener Autor von Mc. 16,
9—20 durch die armenische Evangelienhandschrift bezeichnet.
Dass Ariston nicht Bischof von Pella gewesen ist, kann man
aus dem Verzeichnisse der jerusalemischen Bischöfe ersehen,
welche?- Epiphanius Haer. LXVI, 20 zur Mittheilung bringt.1)
Die ersten 15 Bischöfe, sämmtlich Judenchristen (Epiph. p. 637 A:
ovtoi de aozo TteQtrofifjg sxEOxojtEvoav trjq leQOVoaArjju),
tragen Namen, welche mit dem Namen Aristons Nichts ge-
mein haben. Und wollte man diese Bischofsliste als historisch
unbegründet nicht voll gelten lassen, so ist doch gewiss, dass
ein Name wie der Aristons, wenn dieser Bischof von Pella-
Jerusalem gewesen wäre, nicht hätte in Vergessenheit gerathen
können. War er aber nicht Bischof, so war er höchst wahr-
scheinlich Presbyter in Pella. Und waren die Bischöfe ge-
borene Judenchristen, so werden es die Presbyter in Pella nicht
minder gewesen sein. Dass aber Ariston ein Judenchrist ge-
wesen ist, geht aus den über ihn uns erhaltenen Nachrichten,
so karg sie sind, doch mit Bestimmtheit hervor. Denn in dem
von ihm in griechischer Sprache verfassten Dialog zwischen
Jason und Papiscus war gegenüber dem alexandrinischen Juden
Papiscus der Judenchrist Jason als der Vertreter und Re-
praesentant des Christenthums überhaupt dargestellt.
Vgl. Orig. Praef. in libr. c. Cels. Ein Judenchrist muss aber auch
der Redaktor des ältesten Evangeliencanons gewesen sein. Denn
sonst würde es unbegreiflich bleiben, wie das judenchristliche
evayytliov y.axä Max&aiov an die Spitze dieses Canons kommen
konnte. Derjenige, welcher die vier canonischen Evangelien zum
ersten Male in ein Ganzes zusammenfügte, hat zweifellos das sv-
ayyiltov xaxa Maz&alov höher geschätzt als alle anderen Evan-
gelien. Das Alles passt vorzüglich auf den jud ^christlichen
Presbyter Ariston von Pella.
Ist dieser Zeitgenosse Justins der Urheber des Evangelien-
canons gewesen, ist diese für die Weiterentwickelung der Kirche
so entscheidend gewordene That, die Herstellung des Evange-
liencanons, von Pella ausgegangen, dann begreift sich auch,
1) Dieses Bischofs -Verzeicbniss stimmt im Wesentlichen mit den
Listen des Eusebius (Hist. Eccl. 1 V, 5. V, 12; Chronicon VI bei Migne
I. 536 ff.) überein.
456 Aussercanonische Paralleltexte zu Mt. und Mc.
dass Justin, der aus dem benachbarten Samaria stammte, früh-
zeitig davon Kenntniss nehmen, dass Justin, der zweifellos von
einem Nazaräer für das Christenthum gewonnen worden ist und
der sein Lebenlang seine Sympathie für das altkirchliche, ehr-
würdige Judenchristenthum bewahrt hat, der Neuschöpfung des
Evangeliencanons durch alsbaldigen Gebrauch seine Sanktion er-
theilen, dass sein Schüler Tatian diesen Evangeliencanon in seinem
öid Tsooägwv für die syrische Kirche bearbeiten und dass in
wenigen Jahrzehnten die kirchliche Anerkennung des Evange-
liencanons sich vollenden konnte.
So wäre es denn möglich, dass die Entdeckung Conybeares
und jene wichtige Nachricht in der armenischen Handschrift von
Etzschmiadzin nicht blos das Dunkel lichtete, welches bisher
auf dem canonischen Marcus-Schlüsse lastete, sondern zugleich
die noch viel wichtigere Frage nach der Autorschaft des Evan-
geliencanons ihrer Klärung entgegenführte.
pt)otO'©fffet&rurf t>on Höfd? & Winitt, Seipjig.
Verlag der J. C. HINRICHS'schen Buchhandlung in Leipzig.
Band I— IV auf Seite II des Umschlags.
V, l. Der pseudocyprianische Tractat de aleatoribus, die älteste lateinische christ-
liche Schrift, ein Werk des römischen Bischofs Victor I. (saec. II.), von
Adolf Harnack. V, 135 S. 1888. M. 4.50
V, 2. Die Abfassungszeit der Schriften Tertullians von Ernst Noeldechen.
Neue Fragmente des Papias, Hegesippus u. Pierius in bisher unbekannten
Excerpten aus der Kirchengeschichte des Philippus Sidetes von C. de Boor.
184 S. 1888. M. 6 —
V, 3. Das Hebräerevangelium, ein Beitrag zur Geschichte und Kritik des hebräischen
Matthäus von Rud. Handmann. III. 142 S. 1888. M. 4.50
V, 4. Agrapha. Aussercanonische Evangelienfragmente, gesammelt u. untersucht
von Alfred Resch. — Anhang: Das Evangelienfragment von Fajjum von
Adolf Harnack. XII, 520 S. 1889. M. 17 —
VI, l. Die Textüberlieferung; der Bücher des Origenes gegen Celsus in den Hand-
schriften dieses Werkes und der Philokalia. Prolegomona zu einer
kritischen Ausgabe von Paul Kötschau. VII, 157 S. u. 1 Tafel. 1889. M. 5.50
VI, 2. Der Paulinismus des Irenaeus. Eine kirchen- und dogmengeschichtliche Unter-
suchung über das Verhältnis des Irenaeus zu der Paulinischen Briefsammlung
und Theologie von Jons. Werner. V, 218 S. 1889. M. 7 —
VI, 3. Die gnostischen Quellen Hippolyts in seiner Hauptschrift gegen die Häretiker
von Hans Staehelin.
Sieben neue Bruchstücke der Syllogismen des Apelles. — Die Gwynn'schen
Caius- und Hippolytus-Fragmente. Zwei Abhandlungen von Adolf Harnack.
III, 133 S. 1890. M. 4.50
VI, 4. Die ältesten Quellen des orientalischen Kirchenrechts. 1. Buch:
Die Canones Hippolyti von Hans Achelis. VIII, 295 S. 1891. M. 9.50
VII, l. Die Johannes-Apokalypse. Textkritische Untersuchungen u. Textherstellung
von Bernh. Weiss. VI, 225 S. 1891. M. 7 —
VII, 2. Ueber das gnostische Buch Pistis-Sophia. — Brodu. Wasser: die eucharistischen
Elemente bei Justin. 2Untersuchgn von Adolf Harnack. IV, 144S. 1890. M. 4.50
VII, 3/4. Apollinarios von Laodicea. Sein Leben u. seine Schriften. Nebst e. An-
hang: Apollinarii Laodiceni quae supersunt dogmatica. Von Johs. Dräseke.
XIV, 494 S. 1892. M. 16 —
VIII, 1/2. Gnostische Schriften in koptischer Sprache aus dem Codex Brucianus heraus-
gegeben, übersetzt u. bearbeitet von Carl Schmidt. XII, 692 S. 1893. M. 22 —
VHI, 3. Die katholischen Briefe. Textkritische Untersuchungen und Textherstellung
von Bernh. Weiss. VI, 230 S. 1892. M. 7.50
VIII, 4. Die griechische Übersetzung des Apologeticus Tertullians. — Medicinisches
aus der ältesten Kirchengeschichte. — Zwei Abhandlungen von Adolf
Harnack. III, 152 S. 1892. M. 5 —
IX, l. Untersuchungen über die Edessenische Chronik. Mit dem syrischen Text
und einer Übersetzung herausgegeben von Ludwig Hallier. VI, 170 S.
Die Apologie des Aristides. Aus dem Syrischen übersetzt und mit Beiträgen
zur Textvergleichung und Anmerkungen herausgegeben von Richard Raabe.
IV, 97 S. 1892. M. 8.50
IX, 2. Bruchstücke des Evangeliums und der Apokalypse des Petrus von Adolf
Harnack. Zweite verbesserte u. erweiterte Aufl. VHI u. 98 S. 1893. M. 2 —
IX, 3/4. Die Apostelgeschichte. Textkritische Untersuchungen und Textherstellung
von Bernh. Weiss. 313 S. 1893. M. 10 —
X. Aussercanonische Paralleltexte zu den Evangelien gesammelt u. untersucht
von Alfred Resch.
1. Textkritische u. quellenkritische Grundlegungen. VII, 160 S. 1893. M.5 —
2. Paralleltexte zu Matthäus und Marcus. VIII, 456 S. 1894. M. 14.50
XI, l. Das Kerygma Petri. Kritisch untersucht von Ernst von Dobschütz. HL 162 S.
1893. M. 5 —
XI, 2. Acta SS. Nerei et Achillei. Text u. Untersuchung von Hans Achelis. IV. 70 S.
1893. M. 3 —
XI, 3. Das Indulgenz-Edict des römischen Bischofs Kailist kritisch untersucht und
reconstruiert von Ernst Rolffs. VIII, 139 S. 1893. M. 4.f><>
XI, 4. Textkritische Studien zum Neuen Testament von Wilhelm Bousset. VIII,
144 S. 1894. M. 4.60
XII, 1. Der Chronograph aus dem zehnten Jahre Antonins. Von Adolf Schlaffer.
IV, 94 S.
Zur Überlieferungsgeschichte der altchristlichen Litteratur. Von Adolf
Harnack. 32 S. 1894. M. 4 —
TEXTE UND UNTEBSürHUNCEN
ZUR GESCHICHTE DER
ALTCHRISTLICTIEN LITERATUR
HERAUSGEGEBEN VON
OSCAR von &EBHARDT und ADOLF HAMACK
x. nxm HEFT 2
AUSSERCANONISCHE
PARALLELTEXTE
ZU DKN
EVANGELIEN
ZWEITES HEFT
T*A1LULELTEXTE ZU MATTHAEUS MD MARCUS
GESAMMELT UND UNTERSUCHT
VON
ALFRED RESCH
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LEIPZIG
J. C. HINRICHS'SCHE BUCHHANDLUNG
1894
THE INSTITUTE OF MEOIAEVAL STUDIES
59 QUEEN'S PARK CRESCENT
TORONTO - 5, CANADA
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