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Full text of "Wilhelm Olbers, sein Leben und seine Werke. Im Auftrage der Nachkommen hrsg. von C. Schilling"

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WILHELM  OLBERS 

SEIN  LEBEN  UND  SEINE  WERKE 
ZWEITER  BAND,  ZWEITE  ABTHEILUNG. 


WILHELM  0LBER8 

SEIN  LEBEN  UND  SEINE  WERKE 


IM  AUFTRAGE  DER  NACHKOMMEN  HERAUSGEGEBEN 

VON 

Dr.  C.  SCHILLING 


ZWEITER  BAND 
BRIEFWECHSEL  ZWISCHEN  OLBERS  UND  GAUSS 

ZWEITE  ABTHEILUNG 

ZUM  DRUCK  GEGEBEN  VON 
DR.  C.  SCHILLING  UND  DR.  L  KRAMER 

MIT  BEWILLIGUNG 
DER  KÖNIGLICHEN  GESELLSCHAFT  DER  WISSENSCHAFTEN  ZU  GÖTTINGEN 

VERÖFFENTLICHT 


BERLIN 

VERLAG  VON  JULIUS  SPRINGER 

1909 


Alle  Rechte  vorbehalten. 


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Pmck  von  Oscar  Bi-aiiilstottor  in  Leiprig. 


Vorrede. 


Als  im  Jahre  1900  die  erste  Hälfte  des  Briefwechsels  zwischen 
Olbers  und  Gauss  erschien,  lag  auch  das  Manuskript  für  die  zweite 
Hälfte  schon  druckbereit  und  mit  den  Originalen  verglichen  zur  Hand, 
um,  wie  beabsichtigt,  sofort  veröffentlicht  zu  werden,  ungefähr  zu 
gleicher  Zeit  war  indessen  der  Herausgeber  veranlasst  worden,  sich 
einer  anderen  auf  seemännisch -nautischem  Gebiete  liegenden  Aufgabe 
zuzuwenden,  die  die  beschränkte  freie  Zeit  so  weit  in  Anspruch  nahm, 
dass  für  eine  regelmässig  fortschreitende  Bearbeitung  der  weiteren 
Drucklegung  nicht  genug  Raum  verblieb.  Die  Versuche,  für  die  För- 
derung der  Arbeiten  eine  geeignete  Kraft  zu  finden,  versagten  viele 
Jahre,  die  Gleichförmigkeit  der  Arbeitsleistung,  das  Zurücktreten 
eigner  geistiger  Mitwirkung  lässt  nur  selten  die  nothwendige  Selbst- 
losigkeit und  Geduld  für  eine  derartige  Aufgabe  finden.  Erst  8  Jahre 
später  erklärte  sich  Herr  Dr.  Julius  Krämer  erbötig,  sich  der  Druck- 
legung des  Briefwechsels  und  der  Feststellung  der  Verweisungen  und 
sonstigen  Beuierkungen  zu  widmen.  Der  Unterzeichnete  kann  nur  mit 
herzlichstem  Danke  dieser  Mitarbeit  gedenken,  die  mit  grosser  Zuver- 
lässigkeit und  vollem  Eingehen  auf  alle  Wünsche  des  Werkes  und  der 
gemeinsamen  Beratungen  auch  diesen  Theil  des  Briefwechsels  dem  vollen 
Verständniss  des  Lesers  zugeführt  hat.  Die  erste  Korrektur  wurde 
von  Herrn  Dr.  Kramer  und  dem  Herausgeber  gemeinsam  gelesen  und 
gab  in  Bezug  auf  Form  und  Hinzufügung  von  Fussnoten  volle  Ueber- 
einstimmung,  die  Revision  fiel  Herrn  Dr.  Kramer  allein  zu.  Ebenso 
ist  von  ihm  selbständig  das  Namen-  und  Sachregister  aufgestellt,  das 
sich  nach  Form  und  Inhalt  den  Registern  des  ersten  Theiles  durchaus 
anschliesst. 

Der  Königlichen  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Göttingen, 
die  das  Manuskript  zur  Verfügung  gestellt  hat,  hat  der  Herausgeber 
hierfür  herzlichen  Dank  zu  sagen.  Wohl  hatten  die  Nachkommen 
Olbers'    die   fast   vollständige    Sammlung    der   Briefe    von    Gauss   an 


IV  Vorrede. 

Olbeks  dieser  Gesellscliaft  vor  Jahren  überwiesen,  aber  die  grosse 
Bereitwilligkeit,  das  werthvolle  Material  dieses  Briefwechsels  vollständig 
zur  Verfügung  zu  stellen,  darf  dankend  hervorgehoben  werden,  wenn 
auch  natürlicher  Weise  aus  dem  gleichen  Material  schon  manche 
Einzelheiten  in  der  von  der  genannten  Gesellschaft  herausgegebenen 
Veröffentlichung  von  Gauss'  Werken  abgedruckt  sind. 

Ueber  den  Inhalt  dieses  zweiten  Theiles  des  Briefwechsels  erübrigt 
sich  eine  weitere  Bemerkung,  da  hierüber  schon  in  der  Vorrede  zum 
ersten  Theile  das  Wesentliche  gesagt  ist.  Von  besonderem  Interesse 
erscheint  in  diesen  Briefen  die  Bezugnahme  auf  die  verschiedenen 
Versuche,  Gauss  als  Mitglied  an  die  Königliche  Akademie  der  Wissen- 
schaften nach  Berlin  zu  ziehen.  Der  Herausgeber  hat  es  daher  für 
erforderlich  gehalten,  zu  den  hierauf  bezüglichen  Theilen  das  Material 
durch  den  Abdruck  einiger  anderer  Briefstellen  zu  vervollständigen, 
um  ein  klares  Bild  über  diese  interessanten  Verhandlungen  zu  bieten. 
Diese  Briefauszüge  finden  sich  im  Anhang  1  zusammengestellt.  Für 
die  Genehmigung  des  Abdruckes  eines  Briefes  von  v.  Buch  an  Gauss 
vom  14.  Januar  1825  ist  der  Herausgeber  der  Königlichen  Gesellschaft 
der  Wissenschaften  zu  Göttingen,  für  die  Genehmigung  des  Abdruckes 
einiger  Briefstellen  aus  dem  Briefwechsel  zwischen  v.  Humboldt  und 
Schumacher  ist  er  der  Generaldirektion  der  Königlichen  Bibliothek  zu 
Berlin  zu  besonderem  Danke  verpflichtet. 

^^'ährend  der  Drucklegung  wurde  dem  Herausgeber  von  Herrn 
Syndikus  Dr.  Focke  zu  Bremen  das  Manuskript  von  drei  Briefen  von 
Bessel  an  Olbees  übergeben,  die  sich  durch  Zufall  in  einem  Werke 
gefunden  hatten,  das,  aus  dem  Nachlasse  Olbers'  stammend,  in  das 
Eigenthum  des  Grossvaters  des  jetzigen  Besitzers  übergegangen  waren. 
Der  sachlich  und  menschlich  werthvolle  Inhalt  dieser  Briefe  hat  ihre 
baldige  Veröffentlichung  erwünscht  erscheinen  lassen.  Sie  sind  daher 
im  zweiten  Nachtrage  dieses  Bandes  abgedruckt  und  werden  gleich- 
zeitig den  Astronomen  auch  durch  Abdruck  in  den  Astronomischen 
Nachrichten  bekannt  werden. 

Dass  die  \'erlagsbuchhandlung  auch  diesem  Bande  die  volle  Sorg- 
falt der  Drucklegung  gewidmet,  die  volle  Uebereinstimmung  hierin  mit 
den  anderen  Bänden  des  ganzen  Werkes  gegeben  hat.  darf  mit  auf- 
richtigem Danke  ausgesprochen  werden. 

Bremen,  im  Oktober  1909. 

Dr.  C.  Schillini;. 


Yorzeielniiss  felileiulcr  Briefe 


o„;.n  Nummer  der  Briefe,  rwischen  rw  .  i       t>  •  c 

^*^"*'  denen  der  fehlende  liegt.  ^=''"™  '^"^  ^'■"^f««- 


1824  September  15. 
ri825  August  4  oder  5. 
tl825  August  15. 

1827  Mitte  Mai. 

1827  August  23  oder  24. 

1830  zwischen  September  1  und  3. 
1834  November. 

B.   Briefe  von  Olbers  an  Gauss. 

1831  Anfang  December. 
Zwischen  1836  Juli  23  und  1837  Juni  20. 

C.   Briefe  von  Bessel  an  Olbers.^) 

337  332  und  333  1830  Februar. 


344 

530  und  531 

427 

589  und  590 

483 

614  und  615 

491 

622  und  623 

545 

644  und  645 

611 

681  und  682 

B.  Brie 

577 

665  und  666 

643 

696  und  697 

^1  Im  Briefwechsel  zwischen  Olbeks  und  Bessel,  herausgegeben  von  A.  Erman, 
Bd.  IL     Krm. 


Bemerkte  Druckfehler. 

Seite  185,  Zeile  17  von  unten:  lies  „(p,  (p-\-d(p"  statt  ,,P,  P-^drp". 
Seite  695,  Zeile  3  von  unten:  lies  „No.  764"  statt  ,.No.  771". 


No.  381.  Olbers  an  Gauss.  [209 

Bremen,  1820  Januar  24. 

Schenken  Sie  eine  Thräne  des  Mitleids  Ihrem  unglücklichen  Freunde ! 
]VIicli  hat  wieder  ein  hartes  —  das  härteste  Schicksal  getroffen.  Meine 
gute,  meine  treffliche,  meine  so  innig  geliebte  Frau  ist  gestern  morgen 
um  1  Uhr  nach  einer  zehntägigen  Krankheit  an  einer  Lungenentzündung 
gestorben.  Ach.  Sie  wissen  nicht,  was  ich  mit  ihr  verloren  habe!  Sie 
war  mir  alles,  sie  sorgte  für  alles,  für  mein  ganzes  Hauswesen,  für  alles, 
was  ich  auf  der  Welt  habe,  für  mich  selbst.  Ich  bin  durch  ihren  Tod 
nicht  bloss  AVitwer  geworden  —  ich  bin  wie  verwaist!  In  meinem 
62.  Jahre  stehe  ich  nun  einsam,  verlassen,  unbehülflich  da,  so  sehr  mein 
guter,  selbst  so  tief  gebeugter  Sohn  mich  auch  zu  unterstützen  sucht.  — 
Was  auch  noch  aus  mir  werden  wird,  werden  kann,  weiss  ich  noch  nicht. 
Ks  ist  ein  Unglück,  in  dieser  Welt  alt  zu  werden.  —  Gott  erhalte  Sie, 
und  Ihnen  alle,  die  Ihnen  lieb  sind. 


No.  382.  Gauss  au  Olbers.  [m 

Göttingen,  1820  Januar  31. 

Mit  innigster  Betrübnis«  hat  mich  die  Nachricht  von  Ihrem  schweren 
Verluste  erfüllt.  Gewiss  ich  fühle  ganz,  wie  viel  Sie  verloren  haben, 
da  ich  so  oft  Zeuge  Ihres  glücklichen  Lebens  und  der  stillen  Tugenden 
der  Verklärten  gewesen  bin.  Wüsste  ich  doch  etwas  zu  Ihrem  Tröste 
zu  sagen.  Aber  es  giebt  keinen  Trost  bei  so  hartem  Verhängniss,  aus 
eigner  Erfahrung  weiss  ich's,  keinen,  als  den  Hinblick  auf  eine  höhere 
Weltordnung,  wie  die  ist,  die  wir  mit  unsern  Zahlen  ermessen.  Möge 
nur  Ihr  eignes  Befinden,  was  allen,  die  Sie  verehren  und  lieben,  d.  li. 
allen,  die  Sie  kennen,  so  theuer  ist,  nicht  zu  sehr  bei  diesem  Unglücks- 
fall leiden.  Möchten  Sie  sich  doch  nun  bald  entschliessen,  die  angrei- 
fende tägliche  Praxis  abzugeben,  um  sich  der  Welt,  den  Wissenschaften 

Olbers.    II,  2.  1 


2  Olbers  an  Hauss.     Bremen,  1820  April  12. 

und  Ihren  Freunden  noch  auf  recht  lange  Zeit  erhalten  zu  können. 
Sie  sagten  mir  schon  im  vorigen  Sommer,  dass  Sie  diese  Absicht  hätten. 
Wie  glücklich  würde  es  mich  machen,  wenn  Sie  dies  schon  jetzt  we- 
nigstens in  dem  Maasse  ausführten,  dass  ich  Hoffnung  hätte,  Sie  nun 
bald  auf  eine  längere  Zeit  als  im  vorigen  Jahre  bei  mir  zu  sehen  I 
Meine  Sternwarte  würde  Ihnen  gewiss  eine  wohlthätige  Zerstreuung 
geben.  Mein  Meridiankreis,  an  welchem  nach  Erfahrungen,  die  an  dem 
ähnlichen  Instrument  in  München  gemacht  sind,  noch  einige  Abände- 
rungen gemacht  werden  sollen,  zu  welchem  Behuf  ich  einige  Theile  nach 
München  habe  zurückschicken  müssen,  wird  nun  mit  nächstem  in  völ- 
ligem Stande  sein;  auch  die  LiEBHERR'sche  ühr.  zu  der  Soldxer  das 
Gegenstück  hat,  womit  er  sehr  zufrieden  ist,  soll  ich  in  Kurzem  erlialten. 
Nichts  fehlt  mir  sonach  hierbei,  als  den  Gebrauch  dieser  Sachen  mit 
Ihnen  theilen  zu  können. 

Unser  Freund  Lindenau  ist  nunmehr  wirklicher  Minister  geworden 
und  wird  sonach  wohl  unmittelbar  für  die  Wissenschaften  nichts  mehr 
thun  können.  Ich  erwarte  ihn  hier  mit  nächstem  auf  einige  Tage  zum 
Besuch. 

Möge  der  Himmel  Ihnen,  theuerster  Olbers,  Stärkung  und  Trost 
verleihen. 


No.  388.  Olbers  an  Gauss.  [210 

Bremen.  1820  April  12. 

Der  Ueberbringer  dieser  Zeilen  ist  drr  Sohn  meines  Freundes  und 
Verwandten,  des  Konsul  Kulenkamp,  ein  wackerer  junger  Mann,  der 
in  Göttingen  Jura  studiren  will.  Sie  kennen  den  Vater,  und  werden 
sich  auch  vielleicht  der  ^lutter,  unserer  allgemein  verehrten  Charlotte 
Kulenkamp  erinnern. 

Recht  herzlich  danke  ich  Ihnen  für  die  warme  freundschaftliche 
Theilnahme,  die  Sie  mir  bei  meinem  grossen  Unglück  bezeugt  haben, 
und  für  das  gütige  Anerbieten,  in  Ihren  Armen  Trost  und  Zerstreuung 
zu  suchen.  Die  Umstände  erlaubten  es  nicht,  mich  loszureissen.  und 
ich  musste  und  muss  noch  künftige  Beruhigung  von  der  Zeit  erwarten. 
Ich  fing  bald  meine  medicinische  Praxis  wieder  an;  so  beschwerlich  sie 
mir  auch  war,  und  wird,  so  finde  ich  doch  in  diesem  Geschäft  das  beste 
Mittel,  meinen  herben  Schmerz  zu  mildern.  Wenn  mau  sich  wieder 
mit  anderer  Menschen  Leiden  und  Soi'gen  beschäftigen  muss,  so  kann 
man  wenigstens  nicht  immer  an  den  eigenen  Kummer  denken.  Die 
grösste  Linderung  finde  ich  indessen  in  der  ganz  ausgezeichneten  Sorg- 
falt  meines   guten   Sohnes,  der  unermüdet  mit  der  grössten  Aufmerk- 


(i|l..r>  AU  ihiu<^      T.'-ineu,  IS'JO  April  12.  3 

sainkeit  alles  aiiwi'inU't.  mir  iiitiin'  Lagfe  wenijrpr  tlriickoiid  zu  iiiarlieii. 
auf  eine  Art,  die  ich  iluii  nie  geiinp:  verdanken  kann. 

Wenn  meine  Kräfte  es  aushalten,  und  nicht  etwa  der  Tod  mich 
fi-üher  ausspannen  sollte,  so  denke  ich  dieses  Jahr  noch  meine  praktischen 
Geschäfte  fortzusetzen;  aber  auf  alle  Fälle  werde  ich  mich  mit  dem 
Anfantje  des  kiinftijren  Jahres  vidlig  in  Uulie  setzen. 

Zu  astronomischen  Beschäftig:ungen  fühle  ich  noch  wenig  Lust  und 
Kiaft;  nur  leichtere  Ixechnungen  geben  mir  einige  Krholung.  Sie  werden 
Wühl  die  letzte  \\"interschiefe  nicht,  wenigstens  nicht  mit  Ihrem  Relchen- 
hach  beobachtet  haben?  Es  ist  doch  wieder  sehr  auffallend,  dass 
SoiiDNER  und  Nicolai  6"  Unterschied  in  dieser  Schiefe  finden.  Noch 
immer  bleibt  das  dunkle  Räthsel  dieser  sonderbaren  Anomalien  unauf- 
gelöst, und  wird  es  so  lange  bleiben,  bis  durch  die  von  Ihnen  so  zweck- 
mässig empfohlenen  Beobb.  aus  einem  Quecksilber-  oder  Oelhorizont  die 
absolute  Richtigkeit  der  verschiedenen  Instrumente  gei)rüft  und  ent- 
schieden wird,  welche  von  diesen  A\'erkzeugen  richtige  Z.-Dist.  geben. 

Eine  Vergleichung  unserer  Beobb.  mit  denen  auf  einem  jenseits 
des  Aequators  angelegten  Observatorium  angestellten  wird  sich  noch 
wohl  fürs  erste  nicht  machen  lassen.  Ich  hatte  Gelegenheit  in  einem 
Briefe  an  Dr.  Young  wieder  die  Nützlichkeit,  ja  die  Nothwendigkeit 
einer  Sternwarte  auf  dem  Vorgebirge  der  guten  Hoffnung  vorzustellen. 
Er  antwortet  mir:  ,,Euer  Brief  kam  gerade  zu  rechter  Zeit,  um  ihn  in 
einer  vom  Board  of  Longitude,  in  der  ausdrücklichen  Absicht,  ein  solches 
Observatorium  einzurichten,  niedergesetzten  Kommission  vorzulesen. 
Wir  finden  indessen,  dass  dabei  beträchtliche  Lokalhindernisse  ein- 
treten werden,  wegen  eines  dort  allgemein  herrschenden,  alles  durch- 
dringenden Sandstaubes,  der  höchst  wahrscheinlich  in  kurzer  Zeit  jeden 
Spiegel,  und  jedes  eingetheilte  Werkzeug  verderben  wird,  indem  er  die 
Oberflächen  verdunkelt,  und  die  Axen  und  ihre  Unterlagen  wegreibt. 
Es  ist  deswegen  beschlossen  worden,  einen  mit  den  besten  beweglichen 
Instrumenten  versehenen  Astronomen  dahin  zu  schicken,  um  einige  vor- 
läufige Beobb.  zu  machen,  und  an  Ort  und  Stelle  zu  untersuchen,  ob 
sich  ein  Lokal  finden  lässt,  dass  von  diesen  Hindernissen  frei  ist.'' 

Prof.  Schumacher  schrieb  mir,  dass  er  seine  Beobb.  zu  Lyssabel 
habe  aufgeben  müssen,  weil  sich  die  Mikrometerfäden  in  seinem  Beichen- 
bach schlangenförmig  krümmten.  j\Iuss  dies  nicht  den  Verdacht  erregen, 
ob  man  sich  auch  w^ohl  überhaupt  zu  sehr  auf  die  unveränderte  Elasticität 
der  Spinnfäden  verlässt?^)     Es  sind  offenbar  hygroskopische  Substanzen, 


^)  Vergi.  hierzu  auch  den  Briefwechsel  Olbees-Bessel  Brief  No.  278  u.  280 
Olbers  an  Be-ssel,  sowie  Brief  No.  279  u.  281  Bessel  an  Olbers,  in  welchen  Bks?el 
zu  demselben  negativen  Resultate  kommt,  wie  Gauss  im  folgenden  Briefe.      Krm. 

1* 


4  Gauss  an  Olbers.    Göttingen,  1820  Mai  1. 

und  wenn  sie  von  Feuchtigkeit  so  sehr  erschlaffen  können,  dass  ihre  Biegung 
ganz  augenfällig  wird,  was  steht  uns  dann  dafür  ein,  dass  sie  nicht 
öfter  im  geringern  Grade  eine  dem  blossen  Auge  unmerkliche,  aber  den 
Z.-Dist.  doch  sehr  schädliche  Biegung  annehmen,  da  diese  die  Fehler 
von  der  Form  a  sin  Z.-D.  vermehren  und  die  Z.-D.  zu  klein ^j  machen 
muss?  Mich  dünkt,  da  man  jetzt  alle  Fehlerquellen  so  sorgfältig  weg- 
schafft, so  müsste  der  Beobachter  auch  ganz  sicher  sein,  dass  sein  Ho- 
rizontalfaden nie  von  einer  geraden  Linie  abweiche.  Repsold  zieht 
Jetzt  die  Spinnfäden  über  Wasserdämpfen  ein,  um  sie  bei  ihrer  grössten 
Feuchtigkeit  zu  spannen.  Dies  mag  viel  helfen;  aber  völlig  sicher  ist 
man  nicht.  Es  kommt  immer  darauf  an,  ob  die  Elasticität  der  Spinn- 
fäden, nachdem  sie  mehrere  Male  feucht  und  trocken  geworden  sind, 
immer  dieselbe  bleibt,  und  daran  ist  doch  wohl  sehr  zu  zweifeln.  Ob 
Fäden  von  Asbest,  die  Teoughton  bei  einigen  Instrumenten  angebracht 
hat  (er  hat  davon  Fäden  zu  erhalten  gewusst,  die  nur  3,j\y„  eines  Zolls 
im  Durchmesser  hatten)  alle  erforderlichen  Eigenschaften  haben,  ist  mir 
nicht  bekannt.  Von  Piatinafäden,  die  man  dadurch  in  unglaublicher 
Feinheit  sich  verschaffte,  dass  man  die  Piatina  in  Silber  einschloss.  mit 
diesem  zu  möglichst  feinen  Fäden  zog,  und  dann  das  Silber  durch  Sal- 
petersäure wieder  auflöste,  ist,  soviel  ich  weiss,  noch  kein  wirklicher 
astronomischer  Gebrauch  gemacht  worden.  —  Ich  meine,  man  sollte  alle 
Fäden  abschaffen,  und  statt  derselben  Linien  auf  einer  dünnen  ganz 
durchsichtigen  Glasplatte  gebrauchen.  Ich  habe  in  Paris  gesehen,  dass 
sich  diese  Linien  auf  Glas  in  einer  Feinheit  und  Sauberkeit  ziehen 
lassen,  denen  wohl  kein  Spinnfaden  gleichkommen  kann.  — 

Doch  Sie  lächeln  gewiss,  lieber  Gauss,  über  den  Laien,  —  denn 
das  bin  ich  durchaus  im  Beobachten  mit  fixen  Instrumenten  —  der 
hier  mitsprechen  will.  Gern  möchte  ich  doch  Ihr  Urtheil  und  Ihre 
Belehrung  hören,  ob  Sie  die  Spinnfäden  für  ganz  gefahrlos  halten,  und 
ob  den  Mikrometern  oder  Linien  auf  Glas  vielleicht  andere  Schwierig- 
keiten im  Wege  stehen? 


1 


No.  384.  Gauss  an  Olbers.')  [m 

Göttingen.  1S20  :Mai  1. 

Tausend  Dank  für  Ihren  lieben  Biief  vom  IG.'")  Apr.,  den  mir  Hr. 
KuLENKAjMP  gestern  überbracht  hat.     Besonders  lieb   war  es  mir.  von 


^)  Eine  derartige  Felilonniolle  vergrössert  die  Z.-Dist.,   was  Gauss  im  folgenden 
Briete  berichtigt.    Krm. 

'^)  Dieser  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.    Krm. 
■')  Muss  wohl  Apr.  12  heissen.     Seh. 


Gauss  an  Olbers.     Göttintren.  1820  Mai  1.  5 

diesem  selbst  nocli  iiielir.  und  Berulii<reiides  über  Ihr  Befinden  erfahren 
zu  können.  Herzlich  freue  ich  mich  Ihres  Entschlusses,  die  aufreibende 
Praxis  nun  bald  aufzu<icben,  die  Sie  hott'entlich  schon  allniählig  zur 
Schonuno:  Ihrer  selbst  beschränken  werden.  Dass  ich  dann  kiinfti<i- 
viel  öfter  und  läno:er  die  Freude,  Sie  zu  sehen,  haben  werkle,  ist  mir 
ein  süsser  Gedanke;  aber  sollte  es  nicht  auch  möglich  sein,  dass  Sie 
die  Ferien  dieses  Sommers  bei  mir  zubrächten? 

Meine  Sternwarte  sollten  Sie  dann  bei  weitem  interessanter  finden 
als  voriges  Jahr.  Seit  vorgestern  habe  ich  auch  die  neue  Liebherr'scIib 
Uhr  aufgehängt,  von  der  ich  mir  viel  verspreche.  Allein  die  Haupt- 
zierde der  Sternwarte  ist  und  bleibt  der  REiCHENBAcn'sche  Meridian- 
kreis, der  seit  dem  21.  Febr.  in  Ordnung  ist.  Die  neue  Hemmung  hat 
A\'under  gethan,  und  die  Beobb.  geben  jetzt  eine  Uebereinstimmung 
unter  sich,  wie  ich  sie  selbst  niclit  erwartet  hatte.  Ich  brauche  Pond 
um  seinen  Mauerkreis  nicht  mehr  zu  beneiden.  Mehr  darüber  werden 
Sie  künftig  in  einem  kleinen  Aufsatz  finden,  welchen  ich  bald  in  die 
hiesigen  gelehrten  Anzeigen^)  geben  werde.  Auch  die  optische  Kraft 
steht  der  des  ]\[ittagsfernrohres  fast  gar  nicht  nach.  Neulich  habe  ich 
z.  B.  im  Mittage  co  Cepliel  Hev.  (5.  Grösse)  recht  gut  beobachten  können. 
Sterne  4.  Grösse  fallen  bei  günstiger  Luft  in  den  Morgenstunden,  z,  B. 
um  9  oder  10  Uhr,  zwischen  Zenith  und  Pol  sehr  schön  in  die  Augen. 
In  den  frülien  Naclimittagsstunden  ist  die  Luft  in  der  Eegel  ungünstig, 
späterhin  um  4  Uhr  wird  sie  zwar  auch  wieder  schön,  ich  habe  dann 
aber  keine  Veranlassung  solche  kleine  Sterne  zu  suchen,  da  der  Werth 
solcher  Beobb.  hauptsächlich  in  der  Kombination  beider  Kulminationen 
von  einem  Tage  liegt. 

Die  Feinheit  des  Pointirens  ist  so  gross,  dass  hei  ruhiger  Luft 
(was  sie  freilich  selten  ist)  meiner  Meinung  nach  darin  schwerlich  über 
.V  Sekunde  gefehlt  werden  kann.  Grösser  sind  die  Ablesungsfehler, 
denn  die  Subtilität,  welche  z.  B.  die  REPSOLD'schen  Mikroskope  geben, 
haben  auch  REiCHENBACH'sche  Nonien  nicht.  Doch  alles  zusammen- 
gerechnet wird  ein  Fehler  von  2"  in  der  Z.-D.  zu  den  sehr  seltenen 
gehören.  Ich  bin  genöthigt  gewesen,  selbst  ein  ganz  neues  Netz  ein- 
zuziehen, da  die  vorigen  Fäden  zum  Theil  schlaff  geworden  waren 
(dasselbe  war  schon  früher  bei  dem  Mittagsfernrohr  der  Fall);  und  da 
ich  auch  aus  dem  REPsoLD'schen  Fernrohr  die  vorigen  mehrmals  ge- 
spalteten Spinnenfäden,  weil  sie  für  Beleuchtung  kleiner  Sterne  zu  fein 
waren,  herausgenommen  und  dickere  eingezogen  hatte,  so  sind  jetzt  alle 
Netze  meine  Arbeit,  und  ich  glaube  dadurch  in  diesen  Gegenständen 
einige  Erfahrung  erworben  zu  haben.     Vorher  bemerke  ich  noch,  dass 


1)  Gauss'  Werke  VI,  S.  429  f.;  G.  G.  A.  1820  Juni  5.    Seh. 


Q  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1820  Mai  1. 

ich  im  Kreise  auch  7  vertikale  Fäden  (13''— 14'  von  einander)  ein- 
gezogen und  die  zwei  horizontalen  noch  weit  näher  zusammengebracht 
habe,  als  sie  zuvor  waren  (jetzt  7",7,  voi'her  12").  Die  Fäden  selbst 
mögen  zwischen  1"  und  1",5  dick  sein,  so  dass  das  Intervall  im 
Lichte  wenig  über  6"  beträgt.  Zum  Beobachten  brauche  ich  aber  fast 
ausschliesslich  die  stärkste  Vergrösserung  (170  mal).  Alle  Fäden  waren, 
ehe  sie  befestigt  wurden,  durch  Gewichte  gespannt  und  wiederholt  an- 
gehaucht und  zwar  hing  an  jedem  Ende  allemal  ein  Matthier.^j  Ich 
habe  nämlich  ausprobirt,  dass  die  Fäden,  die  ich  anwandte  und  die  alle 
aus  einem  Cocon  waren,  hiemit,  nachdem  sie  angehaucht  waren,  fast 
zum  Reissen  gespannt  waren.  Ohne  angehaucht  zu  werden,  trugen  sie 
alle  einen  Sechser  sicher,  meistens  auch  einen  Groschen,  zerrissen  dann 
aber  allemal  beim  Anhauchen  augenblicklich.  Sehr  viele  zerrissen  auch, 
angehaucht,  bei  der  Belastung  mit  den  Matthiers.  Ich  weiss  nicht,  ob 
ich  etwas  gewonnen  hätte,  sie  über  heissen  Dämpfen  einzuspannen. 
Gewiss  hätten  sie  dann  nur  ein  leichteres  Gewicht  ausgehalten,  und  da 
immer  ein  Faden  nach  dem  andern  eingezogen  und  befestigt  wurde, 
eine  Arbeit,  die  mich  beim  Kreise  zusammen  eine  volle  Woche  gekostet 
hat,  so  wollte  ich  die  früher  eingezogenen  keiner  solchen  Gefahr  viel- 
leicht wieder  schlaff  zu  werden  aussetzen,  indem  sie  ja  doch  in  eine  so 
feuchte  Luft  nie  kommen.  Wenn  man,  wie  Repsold  für  Schumacher, 
nur  ein  Kreuz  einzieht,  mag  jenes  Verfahren  gut  sein,  aber  bei  meinen 
9  Fäden  konnte  ich  es  nicht  anwenden.  Bis  jetzt  halten  sich  nun 
meine  Netze  trefflich,  und,  da  sie  bei  meiner  Manier  (mit  Lacklirniss), 
wie  ich  glaube,  sicherer  befestigt  sind  als  bei  der  REicHEXBACH'schen  mit 
Wachs,  so  hoffe  ich,  der  Wiederholung  dieser  die  Augen  in  hohem  Grade 
angreifenden  Arbeit  entübrigt  zu  sein.  Ueber  die  Gefahr,  dass  unver- 
merkt erschlaffte  Fäden  die  Beobb.  verfälschen  könnten,  hatte  auch 
ich  meine  Besorgniss  in  der  Zeitschrift  für  Astronomie  B.  S.  -) 
geäussert,  nur  wird  dann  nach  meiner  Ansicht  die  Zenithdistanz  zu 
gross,  so  dass  also,  wenn  dieser  Umstand  einen  Theil  des  Unterschiedes 
zwischen  Bessel's  Kreise  einerseits  und  den  REicHENBACH'schen  Wieder- 
holungskreisen und  Repsolds  Kreise  andererseits  erklären  sollte,  er 
jenem  und  nicht  diesen  zur  Last  gelegt  werden  müsste.  (In  Ihrem 
Briefe  sagen  Sie,  dass  die  Z.-D.  dadurch  zu  klein  würden;  falls  dies 
kein  Schreibfehler  ist,  bitte  ich  Sie  um  gelegentliche  weitere  Erläute- 
rung Ihrer  Ansicht).     Uebrigens  aber  gestehe  ich  Ihnen,   dass   gegen- 


>)  ]\lattlncr  ein   halber  vormaliger  Mariengroselicu    in  llaiuinver   mit    dem  Bilde 
des  St.  Matthäus.     Seh. 

-)  Gauss"  Werke   VI,   S.  395;   Zeitschrift  für   Antroiiomir,   herausgegeben   von 

V.   LlNDE.NAl-   und   BOIINENBKRGKR.   ]id.  IV,   S.  1 19  ff .     Kmi. 


<iaus.s  an  Olbers.     Göttiiitrou,  1820  Miii  1.  7^ 

wärti«^  nieiiu'  BesorjrHiss  wt'^n-n  dieses  rinstandes  iiirlit  iiielir  so  «ross 
ist,  wenn  man 

1)  nicht  die  Spinnenfäden  vom  Spinnennetz,  sondern  vim  den  Cocons 
biiuulit  und 

2)  immer  mit  hinlänylidi  •-i.iikrii  Nfiijrrisserun.ucn.  d.  i.  uiehl  unter 
150  mal  beobachtet. 

Denn  icli  finde,  dass  jene,  wenn  sie  nicht  genug  gespannt  sind,  nicht 
sowolil  schhitt'  als  kraus  werden,  sie  sind  von  Natur  nicht  gerade,  son- 
dern es  bedarf  dazu  einer  Kraft  und  die  Kraft,  welche  nöthig  ist,  dass 
sie  nicht  mehr  sichtbar  kraus  sind  (unter  starker  Vergrösserung)  ist 
fiel  grösser  als  die,  welche  schon  der  Funicularia  eines  Spinnfadens  alle 
selbst  für  die  feinsten  Beobb.  unmerkliche  Krümmung  nimmt.  Sobald 
ein  Coco«faden  so  wenig  gespannt  ist,  dass  er  in  der  Mitte  durch  sein 
Genickt  so  viel  niederhängt,  als  man  beim  Beobachten  nicht  erlaubt, 
ist  er  auch  gewiss  so  kraus,  dass  man  es  sofort  bemerkt,  und  ich  ge- 
traue mir  zu  behaupten,  dass  wenn  meine  Spinnenfäden  sich  1"  hin  und 
Aer  schlängeln  (in  kurzen  AMndungen),  es  mir  nicht  entgehen  kann.  Bei 
schwachen  Vergrösserungen,  wie  man  sie  bei  transportabeln  Instrumenten 
braucht  und  wie  sie  in  Bessel's  CAiiY'schem  Kreise  waren,  möchte  ich 
dies  freilich  nicht  verbürgen,  und  da,  glaube  ich,  wäre  es  sehr  zweck- 
mässig, nach  Ihrem  Vorschlage  lieber  Striche  auf  Glas  zu  gebrauchen. 
Was  ich  bei  grossen  Meridianinstrumenten  gegen  diese  Art  zu  sagen 
wüsste,  wäre  etwa  nur 

1)  dass  man  damit  doch  oft  sehr  lichtschwache  Gegenstände  (z.B. 
dies  Jahr  gern  die  Jaiio)  beobachten  will,  wo  selbst  ein  massiger 
Lichtverlust  unangenehm  ist; 

2)  dass  es  vielleicht  sehr  schwer  sein  wird,  so  reines  Glas  zu  er- 
halten, dass  sich  bei  starken  Vergrösserungen  nicht  die  Ungleich- 
lieiten  im  Glase,  da  sie  gerade  im  Brennpunkte  des  Okulars 
sind,  sehr  unangenehm  auffallend  zeigen  sollten. 

Dagegen  hat  man  bei  transportabeln  Instrumenten  wieder  den 
A'ortheil.  dass  man  ohne  grossen  Xachtheil  nüthigen  Falls  alle  Tage 
neue  Fäden  einziehen  kann,  wenn  die  alten  schlaff  geworden.  Ganz 
anders  ist  dies  mit  einem  Meridianinstrument.  Wegen  der  gi-ossen  An- 
zahl Fäden  ist  das  Einziehen  schon  ein  gross  Stück  iirbeit  und  zweitens 
muss  man  bei  einem  neuen  Netze  immer  wieder  von  vorn  anfangen,  die 
Distanzen  der  Fäden  zu  bestimmen.  Bei  meinem  REiCHENBAcn'schen 
M[ittagsj-F[ernrohr]  hatte  ich  diese  Bestimmung  für  das  vorige  Netz  auf 
25  vollständig  beobachtete  Polar stern-K\i\m.  gegründet,  und  diese  grosse 
Arbeit  war  nun  ganz  verloren.  Unumgänglich  nöthig  aber  ist  es,  dass 
der  Beobachter  diese  Kunst  selbst  erlerne;  hätte  unser  Freund  Scii[u- 
machee]  damals  auf  Lyssabel  dieselbe  sich  zu  eigen  gemacht,  so  hätte 


8  Olbers  an  Gauss.     [Bremen,  1820  Ende  Mai  oder  Anfang  Juni.] 

er  seine  Beobb.  nicht  zu  schliessen  brauchen.  —  Doch,  theuerster  Freund, 
ich  erschrecke,  wie  breit  ich  über  diesen  mikrologischen  Gegenstand 
geworden  bin. 

Die  Dekl.  der  MASKELYNE'schen  Sterne,  die  ich  mit  dem  Eeichen- 
BACH'schen  Kreise  finde,  stimmen  übrigens  alle  sehr  nahe  mit  den  Poni»- 
schen  und  sind  eher  noch  etwas  südlicher,  also  den  BEssEL'schen  etwas 
näher,  während  der  REPSOLD'sche  Kreis  sie  nördlicher  ergab.  Allein 
für  jetzt  habe  ich  wenig  Lust  mit  dem  letzteren  viel  zu  beobachten, 
da  die  Beobb.  bei  weitem  schlechter  unter  sich  harmoniren  als  beim 
REicHENBACH'schen,  so  dass  ich  mit  jenem  immer  erst  eine  viel  grössere 
Anzahl  Beobb.  machen  muss.  Nach  den  Erfahrungen,  die  ich  nun  ge- 
macht habe,  schreibe  ich  dies  hauptsächlich  der  Hemmungsart  zu,  und 
ich  werde  daher  künftig  auch  am  REPSOLD'schen  Kreise  eine  veränderte 
Hemmung  anbringen  lassen,  bei  der  der  Kreis  selbst  ganz  frei  bleibt. 
Dies  scheint  eine  höchst  wesentliche  Bedingung  zu  sein.  Was  übrigens 
das  Wahre  ist,  bleibt  so  lange  unentschieden,  bis  eine  hinlängliche  Anzahl 
Beobb.  aus  dem  Quecksilber-Horizont  gemacht  sind.  Eben  deswegen 
aber  scheint  mir,  dass,  so  lange  solche  Beobb.  aus  künstlichen  Hori- 
zonten nicht  gemacht  sind,  Beobb.  in  der  südlichen  Hemisphäre  nur 
dann  etwas  entscheiden  könnten,  wenn  sie  mit  demselben  Individuum 
von  Instrument  gemacht  würden,  womit  in  Europa  beobachtet  ist.  und 
selbst  dies  würde  nicht  hinlängliche  Sicherheit  geben,  wenn  das  In- 
strument ein  solches  ist,  bei  dem  man  befürchten  muss,  dass  das  a  in 
a  sinZ  nach  der  Zerlegung  und  Wiederzusammensetzung  einen  ver- 
änderten Werth  erhalten  könnte.  Ohne  Quecksilberhorizont  sehe  ich 
durchaus  keine  Entscheidung. 

Doch  ich  muss  für  heute  schliessen. 

P.  S.  Aus  den  Zeitungen  sehe  ich,  dass  die  Pariser  den  La  Lande- 
sclien  Preis  für  1819  zwischen  Nicollet  und  Encke  getheilt  haben.  Ist 
Ihnen  vielleicht  bekannt,  durch  welches  Verdienst  ersterer  dazu  ge- 
kommen? 


No.  385.  Olbers  an  Gauss.  [211 

[Bremen,  18"J0  Ende  Mai  oder  Anfang  Juni.J 

Ihr  jirächtiger  lehrreicher  Brief  vom  1.  Uai  hat  mir  viele  Freude 
gemacht.  Allerdings  muss  Ihre,  schon  im  vorigen  Jahr  so  sehr  meine 
Bewunderung  erregende  Sternwarte  jetzt  noch  ungemein  gewonnen  haben. 
Für  Ihre  so  gütige  freundliclie  Kinladiinii  bin  jcli  Ihuen  i-echt  sehr 
verptliclitet,    aber    meine    Stinuiuing    passt    noch   zu  keiner  Reise.     Ich 


Olhers  an  »Taiiss.     [Hrenicn.  18'20  Kiitli-  Mai  oder  Aiifaiii;-  Juni]  9 

werde  dies  letzte  .lalir  meines  itiaktisclien  Berufslebens  gar  keine  Ferien 
machen,  und  Bremen  nicht  verlassen. 

Dankbar  habe  ich  Ihre  BelehnuiLT  über  die  iSpinnfäden-Mikrometer 
gelesen,  und  ich  bin  nun  überzeugt,  dass  diese,  mit  Ihrer  Vorsicht  ge- 
braucht, keine  irgend  bedeutende  Ung-ewissheit  in  die  Beobb.  bringen 
können.  Ich  begreife,  dass  die  Kraft,  welclie  nöthig  ist,  damit  die  Spinn- 
fäden unter  starkei-  Vergrösserung  nicht  sichtbar  kraus  erscheinen, 
schon  überflüssig  gross  ist,  um  der  Funicularia  des  Spinnfadens  alle, 
auch  bei  den  feinsten  Beobb.  merkbare  Krümmung  zu  nelmien.  —  Wenn 
Sie  übrigens  gutmüthig  meinen  Ausdruck,  dass  diese  Krümmung  der 
Spinnfäden  die  Z.-D.  zu  klein  geben  werde,  einem  Schreibfehler  zu- 
schreiben, so  muss  ich  leider  offenherzig  gestehen,  dass  es  ein  Irrthum 
meiner  A'orstellung  war.  Ich  dachte  einfältig  genug  nur  an  die  Pro- 
jektion des  Fadens  am  wirklichen  llimniel,  nicht  an  den  umgekehrten 
Himmel  im  Fernrohr. 

Glasmikrometer  werden,  so  durchsichtig  dies  auch  ausgewählt  wird, 
freilich  immer  einigen  Lichtverlust  veranlassen.  Dies  würde  sich  in- 
zwischen bei  vielen  und  den  mehrsten  und  wichtigsten  Beobb.  ertragen 
lassen.  Ob  sich  bei  starken  Vergrösserungen  die  Ungleicliheiten  des 
(-ilases  auffallend  zeigen  werden,  weiss  ich  nicht.  Ich  sah  diese  Glas- 
mikrometer nur  in  sehr  massig  vergrössernden  niclitastronomischen 
Fernrohren,  und  in  Mikroskopen,  und  in  diesen  war  nichts  von  den 
etwaigen  Ungleichheiten  des  Glases  zu  bemerken.  —  Unangenehm  würde 
aber  jede  Unreinlichkeit  des  Glases,  jede  wohl  nicht  immer  ganz  zu 
vermeidende  Bestäubung  u.  s.  w.  auffallen. 

Ihren  mir  angekündigten  Aufsatz  in  I[liren]  G.  G.  A.  habe  ich  noch 
nicht  gefunden,  so  begierig  ich  auch  jedesmal,  wenn  Stücke  dieser  Ge- 
lehrten Zeitung  ankamen,  danach  gesucht  habe.  Ich  bin  sehr  neugierig- 
darauf,  und  erwarte  ihn  mit  Ungeduld. 

Die  königliche  Societät  zu  London  hat  mich  mit  sämmtlichen  Green- 
wicher  Beobb.  von  1800 — 1817  in  18  Heften  sehr  angenehm  beschenkt; 
ja  auch  die  frühereu  angeboten,  Avenn  ich  sie  zu  besonderen  Untersuchungen 
nöthig  hätte,  wovon  sie  aber  nur  einen  sehr  kleinen  Vorrath  mehr  im  Be- 
sitz habe.  Dadurch  habe  ich  nun  Pond's  Beobb.  mehr  schätzen  lernen,  die 
ich  bisher  nur  aus  den  Philos.  Transact.  kannte.  —  Manche  derselben  ver- 
dienen und  erfordern  doch  noch  eine  neue  Berechnung  und  Untersuchung 
z.  B.  die  über  die  Parallaxe  der  Fixsterne  mit  seinen  fixen  Fernrohren. 
Welche  Aherration  hat  Pond  bei  Berechnung  dieser  Beobb.  gebraucht? 
Darauf  kommt  es  doch  sehr  an.  Gewöhnlich  nimmt  er,  so  viel  ich 
gefunden  habe,  die  Aberrationskonstante  =  20",0,  wie  Bradlet  sie 
nach  seineu  spätem  Beobb.  am  wahrscheinlichsten  hielt,  an,  und  trägt 
nur  die  Verbesserung  nach,  wenn  man  diese  Konstante  ==  20",255  setzt. 


10  Olbers  an  Gauss.     [Bremen,  1820  Ende  Mai  oder  Anfang  Juni.] 

Aber  wie,  wenn  sie,  wie  die  neueren  Beobb.  zu  geben  scheinen,  20,70 
oder  noch  grösser  wäre?  Würde  dann  niclit  eben  aus  seinen  Beobb. 
doch  vielleicht  eine  kleine  l*arallaxe  der  beobachteten  PMxsterne  zu 
folgern  sein? 

Bessel  wünscht  in  seinen  Fund.  Astr.^j  mit  Reclit,  dass  man  Brauley's 
Originalbeobb.  über  die  Aberration  und  Nutation  auffinden  möge.  Aller- 
dings wäre  dies  sehr  zu  wünschen.  Audi  urtheilt  er  sehr  richtig,  wenn 
er  sagt,  das,  was  Beadley  1727  von  seinen  Beobb.  bekannt  machte, 
eigne  sich  nicht  zu  einer  genaueren  Diskussion.  —  Aber  es  scheint  ihm 
entgangen  zu  sein,  dass  Bkadley  doch  1748  bei  Gelegenheit  seiner 
Abhandlung  über  die  Nutation  89  seiner  Originalbeobb.  mittheilt.  Freilich 
ist  dies  nur  ein  sehr  kleiner  Theil  der  vielen  Tausende,  die  Bkadley 
anstellte;  freilich  sind  diese  89  Beobb.  wohl  schon  oft  diskutirt.  Aber 
doch,  glaube  ich,  dass  sie  eine  neue  Untersuchung  nach  der  Methode 
der  kleinsten  Quadrate  mit  Rücksicht  auf  die  neue  Nutationskonstante, 
und  der  jetzt  besser  bekannten  Präcession  und  eigenen  Bewegung  der 
Fixsterne  verdienten.  —  Ich  habe  Bessel  aufgefordert,  diese  Bkadley- 
schen  <')riginalbeobb.  durch  einen  seiner  Schüler  einmal  wieder  nach  aller 
Schärfe  berechnen  zu  lassen. 

Den  Zeitungen  zufolge  soll  ja  der  König  die  Fortsetzung  der  dä- 
nischen Gradmessung  durch  die  hannoverschen  Länder  befohlen  haben. 
Ist  dem  so,  lieber  Gauss?  Und  werden  Sie  vielleicht  schon  im  nächsten 
Sommer  Ihre  Campagne  anfangen?  Ich  hofte,  Sie  werden  dann,  wenn 
es  gleich  nicht  zur  eigentlichen  Gradmessung  gehört,  auch  den  übrigen 
Theil  des  Königi'eichs  Hannover  mit  grossen  Dreiecken,  behufs  der  Geo- 
graphie und  des  künftigen  Katasters,  überziehen.  Möchte  doch  auch 
Bremen  einer  Ihrer  Dreieckspunkte,  und  zugleich  für  einen  Theil  Ihres 
Feldzuges  Ihr  Hauptquartier  werden!  —  Ich  bin  sehr  ungeduldig,  dar- 
über das  Nähere  von  Ihnen  zu  erfahren. 

Schon  lange  habe  ich  ernsthaft  darauf  gedacht,  Bremen  mit  Schu- 
macher's  Dreiecken  in  Verbindung  zu  bringen;  ich  sehe  aber  noch 
viele  Schwierigkeiten  dabei,  weil  Hamburg  und  Lüneburg  so  weit  von 
uns  entfernt  sind.  —  Gern  hätte  ich  die  unvollendet  gebliebenen  Drei- 
ecke, die  während  der  französischen  Okkupation  von  dem  Obersten 
Epailly  gemessen  wurden.  Er  hat  mir  damals  nur  die  Resultate  für 
die  geographische  Lage  von  Varel,  Gidenburg,  Bremen,  Jever  u.  s.  w. 
aus  seinem  Bureau  mitgetheilt,  die  ein  dabei  angestellter  Ingenieur 
J.  de  Gelder  mit  einer  übertriebenen  Genauigkeit  bis  auf  10000  Theile 


')  Fuudanionta  Astrononiiae  pm  anno  MDCCLY  deducta  ex  observationiluis  viri 
iiuoniparabilis  Jasiks  Braoi.ey  in  Specula  astrononiica  (irenovicensi.  Per  Anuos 
1750 — <ilJ  institutis.     Regionionti  i^Nicolovuts)  181S.     Krni. 


(•Ibers  an  (ian—      ' Ü'tiii.'ii.   l*^i''t  Kmli-  -Mai  oilcr  Aiiiang  Juui.J  \\ 

von  Sekunden  daraus  licrueleitet  hatte.  Leider  hat  de  Geldku  nicht 
anjifemerkt.  wt-lchc  Abplattunjjr  dabei  t,^ebraucht  worden  ist.  P'iir  Bremen 
Ansg[ariusj  Thurni  ist  die  Anjrabe 

Latidude  53"  4'  45",;5315  Longit.  0"  28'  15",üü97. 

Die  Breite  tritft  mit  meinen  Bestimmungen  ziemlich;  die  Länge  ist 
2*  grösser  als  ich  sie  bisher  angenommen  habe.  —  Epailly's  Triangel 
schlössen  sich  an  die  des  General  Krayenhoff  an.  Er  nahm  für  d-ie 
Basis  seiner  Vermessungen  aus  Krayenhoff's  Dreiecken  die  Seite  Bent- 
heim-Kiichhesepe  auf  der  holländischen  (rrenze,  führte  seine  Dreiecke 
durch  (his  Baniioversche  die  ^\'eser  herunter,  bis  er  wieder  bei  der  Seite 
Varel-Stolham  mit  Kbayenhoff's  Triangeln  in  Verbindung  kam.  ' 
Er  fand  diese  Seite  Varel-Stolham  .  .  .  19751,7  m 
Kka YENHOFF  hatte  dieselbe  Seite  gefunden    19752,8 

Unterschied  1,8  m 

Dies  giebt  eine  gute  Idee  A'on  der  Genauigkeit  der  beiderseitigen 
Messungen.  —  Ich  habe  gehofft,  die  Vermessungen  des  Oberst  Epailly 
würden  beim  P'rieden  an  Hannover  ausgeliefert  worden  sein,  und  kürz- 
lich durch  einen  Freund  den  General  Mari'in  in  Hannover  darüber 
befragen  lassen.  Dieser  hat  aber  geantw^ortet,  ihm  sei  nichts  von 
Epau.ly's  Messungen  bekannt,  er  wolle  aber  darüber  Nachfrage  an- 
stellen. 

Dass  der  La  LANDE'Sche  Preis  zwischen  unserm  braven  Encke  und 
NicoLLET  getheilt  ist,  weiss  auch  ich  bloss  aus  öffentlichen  Blättern.  — 
XicoLLET  hat  seinen  Theil  für  seine  Arbeit  über  die  Libration  des  Mondes 
(Conti,  des  tems  1822)  erhalten,  und  nachher  noch  den  BouvARü'schen 
Beobb.  80  eigene  beigefügt,  weil  sich  die  aus  den  BouvARD'schen  Beobb. 
abgeleiteten  Resultate  nicht  ganz  mit  der  Voraussetzung,  auch  der 
Mond,  sei  anfangs,  Avie  er  seine  Bildung  annahm,  in  einem  flüssigen 
Zustand  gewesen,  wollten  vereinigen  lassen.  —  Bei  der  Gelegenheit 
habe  ich  gesehen,  dass  auch  Bouvard  zu  seinen  Mondflecken-Beobb. 
sich  eines  Glasmikrometers  sogar  ans  zwei  Glasplatten,  wovon  die 
eine  über  die  andere  beAveglich  war,  bestehend,  bedient  hat. 

Von  unserm  trelflichen  Encke  habe  ich  lange  nichts  erhalten. 
^^'ahrsclleinlich  ist  er  noch  immer  mit  seinen  Störungsrechnungen  über 
seinen  Kometen  No.  1^)  beschäftigt  (denn  der  Löiven-Kom^t  von  1819 
muss  doch  nun  der  ENCKE'sche  Komet  No.  2"-)  heissen,  bis  wir  diese 
merkwürdigen  Weltkörper  durch  eigene  Namen  bezeichnen  können).  — 


1)  Komet  1819  I  (Encke).     Krm. 

-)  Komet  1819  III  (Winnecke).  Encke  war  der  erste,  welcher  die  kurze  Uni- 
laufsdauer  dieser  beiden  Kometen  ermittelte  und  damit  die  Existenz  derartiger  Him- 
melskörper feststellte.     Krm. 


12  Olbers  an  Gauss.     [Bremen,  1820  Ende  Mai  oder  Anfang  Juni.] 

Ich  zweifle  sehr,  dass  sich  eine  völlige  Uebereinstimmung  der  Umlaufs- 
zeiten, und  der  verschiedenen  Elemente  durch  diese  Störungsrechnungen 
werde  herausbringen  lassen,  nicht  sowohl  wegen  unserer  mangelhaften 
Kenntniss  der  Planetenmassen,  die  sich  relativ  zum  Kometen  vielleicht 
anders  verhalten,  als  zu  einem  Planeten  —  denn  die  wahrscheinlichste 
Masse  jedes  Planeten  in  Beziehung  auf  den  Kometen  wird  sich  wohl 
aus  den  Eechnungen  selbst  ergeben  — ,  sondern  weil  ich  es  nicht  un- 
möglich halte,  dass  der  für  Planeten  durchaus  ganz  unmerkbare  AVider- 
stand  des  Himmelsraums  bei  dem  so  unendlich  lockeren  Kometen 
vielleicht  nicht  ohne  Wirkung  sei.  Der  immer  so  scharf  abgeschnittene, 
und  viel  hellere  vorangehende  Rand  der  Kometenschweife,  den  ich  so 
oft  bemerkt  habe,  lässt  auf  einen  solchen  Widerstand  nicht  unwahr- 
scheinlich schliessen.  Die  Wirkung  dieses  möglichen  Widerstandes  auf 
den  Kometen  wird  sich  schwerlich  in  Rechnung  bringen  lassen,  theils 
weil  das  Volumen  des  Kometen  nach  uns  unbekannten  Gesetzen  ver- 
änderlich ist,  theils  weil  dieser  Widerstand,  oder  vielmehr  die  Dichtig- 
keit des  widerstehenden  Mittels,  wenn  ich  mich  so  ausdrücken  darf, 
vermuthlich  eine  noch  unbekannte  Funktion  des  Abstandes  von  der 
Sonne  sein  wird. 

Haben  Sie,  lieber  Gauss,  Hansteen's  Untersuchungen  über  den 
Magnetismus  der  Erde  durchgeblättert?  Weiter  habe  ich  bisher  noch 
nichts  gethan.  Ob  es  überhaupt  scJion  hohe  Zeit  ist,  wie  Hansteen 
meint,  aus  den  bisherigen  Beobb.  eine  Theorie  zu  entwickeln,  weiss  ich 
nicht;  ich  fürchte  aber,  für  Hansteen  war  es  doch  noch  zu  früh,  da 
er  erst  in  den  Zusätzen  der  zuerst  von  Flinders  mit  Bestimmtheit 
gemachten  Bemerkung,  dass  für  jedes  Schiif  die  Magnetnadel  eine  eigene 
AbAveichung  zeige,  die  nach  der  Richtung  des  Schiffs  veränderlich  ist. 
erwähnt.  Dies  macht  alle  zur  See  angestellten  Beobb.  mehr  oder  we- 
niger unsicher,  wenn  man  nicht  durch  Vergleichung  und  Kritik  die 
individuelle  erforderliche  Korrektion  ausmitteln  kann.  Indessen  scheint 
doch  das  Werk,  so  viel  ich  beim  blossen  Durchblättern  bemerken  konnte, 
sowohl  an  sich,  als  durch  die  grosse  Menge  gesammelter  Beobb.  sehr 
verdienstlich.  Ich  erinnere  mich  dabei,  dass  Sie,  lieber  Gauss,  mir  mal 
vor  mehreren  Jahren  zuverlässige  Abweichungs-Beobb.  abforderten,  weil 
Sie  selbst  eine  Idee  über  die  Theorie  derselben  versuchen  wollten. 
Möchten  Sie  uns  doch  darüber  belehren!  In  Hansteen  linden  Sie  gewiss 
fast  alles,  was  von  Beobb.  vorhanden  ist. 

Von  der  neuen  Londoner  astronomischen  Societät  werden  Sie  auch 
wohl  die  Adresse,  und  die  Aufforderung  zur  Theilnahme  erhalten  haben. 

Das  Papier  geht  mir  aus.  Verzeihen  Sie  mein  langes  unbedeutendes 
Geplauder. 


(iauss  ;in  OlbtMs.     (üitlingt-n,  1>_'U  Juni  28.  13 

No.  38G.  (ianss  an  Ull)ers.  [ns 

Güttingeii,  1820  Juni  28. 

Herzlichen  Dank  für  Ihren  gütigen  und  lehrreichen  Brief  vom  .... 
(ich  bemerke  erst  jetzt,  dass  er  ohne  Datum  war).  Die  Nacliriclit  über 
den  REiCHEXBACii'schen  Meridiankreis  werden  Sie  wohl  in  No.  91  unsrer 
Gel.  Am})  gelesen  haben.  In  Beziehung  auf  die  eine  dort  angeführte 
Probe  von  der  grossen  optischen  Kraft  des  Fernrohrs  muss  ich  doch 
anmerken,  dass  das  Wunderbare  davon  beträchtlich  vermindert  wird, 
wenn  man  erwägt,  dass  vordem  das  Zimmer  übrigens  so  viel  [als]  möglich 
verdunkelt  ist,  imd  dass  der  sonst  helle  Hintergrund  des  Himmels,  worauf 
der  Stern  erscheint,  in  dem  "Wasserspiegel  ebenso  viel  verdüstert  wird 
als  der  Stern  selbst.  Ich  glaube  daher,  dass  man  sogar  Sterne  3.  Grösse 
bei  heitrer  Luft  unter  Tage  im  Wasserspiegel  würde  beobachten  können, 
wenn  man  verhüten  könnte,  dass  dieser  fast  jeden  Augenblick  in  eine 
zitternde  Bewegung  geräth.  In  Zukunft  werde  ich  auf  eine  Einrich- 
tung denken,  das  Wassergefäss  von  dem  Boden,  worauf  die  Beob.-Treppe 
steht,  mehr  zu  isolii-en.  Das  Wetter  hat  seit  dem  13.  ^lai  nicht  er- 
laubt, jene  Beob.  zu  wiederholen,  üebrigens  aber  ist  es  doch  entschieden, 
dass  das  Fernrohr  des  Kreises  merkbar  schwächer  ist  als  das  Mittags- 
fernrohr, was  auch  ganz  in  der  Ordnung  ist,  da  die  Flächen  im  Ver- 
hältniss  wie  6:7  stehen,  sowie  die  Brennweiten  und  stärksten  Ver- 
grösserungen  im  Verhältniss  5 :  6.  Für  die  Bestimmung  der  Ver- 
grösserungen  hat  Bessel  ein  sehr  nettes  Verfahren  angegeben,  das  ich 
erst  später  kennen  lernte.-)  Es  besteht  darin,  dass  man  den  Durch- 
messer des  Bildes  des  Objektivs  vor  dem  Okular  durch  die  Winkel- 
bewegung des  Kreises  selbst  misst,  indem  man  ein  festes  Doppelmikro- 
skop  etwa  mit  einem  Horizontalfaden  davor  stellt  und  beide  Ränder  des 
Bildes  nach  einander  an  diesen  Faden  bringt.  Eine  einmalige,  obwohl 
nicht  besonders  sorgfältige  Anwendung  dieses  Verfahrens  gab  mir  die 
Vergrösserungen  65;  91;  119;  177.  Mit  der  stärksten  Vergrösserung, 
die  ich  fast  ausschliesslich  brauche,  habe  ich  alle  HERscHEL'schen  Doppel- 
sterne erster  Klasse,  die  ich  bisher  aufgesucht  habe  (wo  der  kleine 
nicht  etwa  als  ausserordentlich  klein  angegeben  und  also  mit  Beleuch- 
tung nicht  zu  sehen  ist)  als  solche  meistens  ohne  Mühe  erkannt;  einige 
derselben  z.B.  11  Monocerotis  (triplex),  y  Leonis,  ^  ürsae  mamis  fallen 
sehr  schön  in  die  Augen;  zu  den  feinsten  gehört  o  Coronae.    Es  ver- 


1)  Vergl.  Gauss"  Werke  Bd.  VI,  S.  429.    Krm. 

2)  Vergl.  Briefwechsel  Gauss-Bessel,  Brief  No.  117  S.  331,  No.  119  S.  345.  Knn. 


;[4  Gauss  an  Olbers.     Göttinnen,  1820  Juni  28. 

steht  sicli  also  von  selbst,  dass  man  die  der  folgenden  Klassen  oline 
alle  Mühe  erkennt;  z.  B.  Castor,  a  Hermlis,  ß  Scorpii,  'Q  TJrsae  maioris 
(letzterer  ohne  alle  Mühe  im  Mittage).  Wie  sehr  muss  nicht  das 
RAMSDEN'sche  Fernrohr  an  Piazzi's  Kreise  dem  Reichenbach-Fr aux- 
HOFER'schen  nachstehen,  da  z.  B.  I^iazzi  von  a  Heradis  sagt  „Comes 
non  semper  nee  facile  distingifnjtiir.  ÄjMiis  ad  id  tempns  Septembris 
initium  paullo  post  post  Solis  occasinn."  Bei  ;'  Leonis  und  ^  TJrsae.  die 
sich  mir  beim  ersten  Beobachten,  ohne  dass  ich  es  vorher  wusste,  als 
schöne  Doppelsterne  aufdrangen,  bemerkt  Piazzi  gar  nicht  einmal,  dass 
sie  doppelt  sind.  Auch  29  Aquarii  ist  ein  schöner  Doppelstern,  welcher 
in  Herschel's  Verzeichniss  nicht  vorkommt,  den  ich  aber  schon  in  die 
2.  Klasse  setzen  Avürde. 

Der  Graf  Münster  hat  mir  angezeigt,  „dass  der  König  die  Kosten 
zu  der  Fortsetzung  der  dänischen  Dreiecke  durch  das  Königreich  Han- 
nover bewilligt  habe".  Da  über  das  Wann  und  Wie  noch  nichts  Be- 
stimmtes weiter  verfügt  ist,  so  habe  ich  nichts  weiter  vorerst  thuu 
können,  als  bei  meiner  Danksagung  erklären,  dass  ich  den  weiteren 
Befehlen  entgegensehe.  Schon  früher  und  unabhängig  von  Münster's 
Verwendung  hatte  ich,  da  das  dänische  Gouvernement  sich  an  das  dies- 
seitige deshalb  gewandt  hatte,  den  Auftrag  erhalten,  der  Basismessung 
im  Holsteinschen  in  diesem  Spätsommer  beizuwohnen.  Theils  deswegen 
und  theils  weil  doch  erst  Instrumente  herbeigeschafft  werden  müssen 
—  denn  diejenigen,  die  ich  hier  auf  der  Sternwarte  habe,  sind  doch 
eigentlich  für  einen  solchen  Zweck  etwas  zu  schwach  —  wird  vorerst 
noch  nichts  weiter  geschehen  können.  Ich  erkenne  sehr  gut,  wie  sehr 
diese  Operation  wünschenswerth  ist,  besonders  weil  davon  die  weitere 
künftige  Fortsetzung  nach  Süden  abhängt,  und  bringe  daher  das  Opfer, 
diese  Arbeit  auf  mich  zu  nehmen,  recht  gern.  Aber  unter  uns,  als  ein 
Opfer  betrachte  ich  es,  hauptsächlich  auch  deswegen,  weil  dabei  so 
mancherlei  Oescliäfts-Verhältnisse  vorkommen,  worin  ich  mich  gleichsam 
als  Fremdling  fühle.  Alles  wird  darauf  ankommen,  ob  ich  dabei  ähn- 
lichen Vorschub  erhalte,  wie  Schumacher  geniesst,  der  bei  seiner  Arbeit 
keinerlei  Rücksichten  zu  nehmen  braucht,  und  ob  ich  einen  ebenso  ge- 
schickten Gehülfen  zu  finden  das  Glück  habe,  wie  Schumacher  ihn  an 
dem  Hauptmann  Caroc  hat.  Falls  diese  beiden  Bedingungen  eintreten, 
so  glaube  ich,  dass  ich  wohl  Freude  an  dem  Geschäft  haben  werde, 
und  dann  würde  mir  auch  eine  Erweiterung  desselben  (die  Sie  viel- 
leicht demnächst  veranlassen  können),  um  die  Dreiecke  seitwärts  bis 
Bremen  auszudehnen,  sehr  angenehm  sein. 

In  Betrotf  der  französischen  durch  Epailly  ISOo  sqq.  ausgeführten 
Messungen  hatte  ich  schon  vor  5  Jahren  den  ^Minister  von  Arnswaldt 
gebeten,  sich  dahin  zu  verwenden,  dass  davon  uns  wenigstens  eine  Ab- 


(i;,n-<  ;iii   (»11..  r,      i..ittiin:»-ii,   l'^-O  .luni  2'<.  1', 

schritt  iiiitL^t'tlit'ilt  wiirdi'.  iliiu  aiuli  auf  seinen  Wunsch  ein  austiihiliches 
schriftliches  Memoire  eingereicht.  Ks  schien  dies  auch  um  so  billijrer. 
da  diese  auf  Kosten  des  Landes  ausgfeführten  Messungen  keinen  andern 
als  einen  wissenschaftlichen  A\>rth  haben.  Wie  ich  nachher  hörte, 
sollen  auch  durch  den  hannoverschen  Gesandten  in  Paris  Schritte  ge- 
schehen sein,  die  aber  zu  nichts  geführt  haben.  Ich  weiss  nun  nicht, 
ob  dieser  die  Sache  entweder  zu  lau  betrieben,  oder  ob  die  Franzosen 
aus  Eancune  auch  das  Unschuldige  und  für  sie  selbst  Werthlose  ver- 
weigert haben.  Mir  würde  es  nun  unter  den  jetzigen  umständen 
äusserst  angenehm  sein,  alle  EpAiLLY'schen  Dreiecke  ersten  Ranges, 
östlich  von  der  Weser  zu  besitzen,  wäre  es  auch  nur  eine  Zeichnung, 
ohne  die  Winkel  in  Zahlen,  wn  mir  die  ]d(nftige  Aiisirahl  der  Dreiecl-y- 
piinJcte  zu  erleichtern.  Sollten  Sie,  theuerster  Olbers,  mir  nicht  viel- 
leicht diese,  durch  Hrn.  EIpailly  selbst,  oder  durch  Delambre  oder 
La  Place  verschaffen  können?  Denn  gerade  diese  Auswahl  ist  es. 
wo  ich  sonst  am  meisten  von  nieinen  Gehülfen  abhängig  sein  werde. 
Uebrigens  besitze  ich  eine  solche  Zeichnung  bereits,  die  mir  Lindenau 
vor  mehreren  Jahren  mitgetheilt  hat;  allein  theils  sind  die  Punkte 
darin  gar  zu  vage  designirt,  so  dass  es  bei  vielen  zweifelhaft  bleibt, 
welcher  gemeint  ist,  theils  ist  dieses  Netz  nicht  vollständig  und  na- 
mentlich ist  es  zwischen  Lüneburg  und  Hannover  durch  eine  grosse 
Lücke  unterbrochen.  Man  hat  mir  aber  in  Hamburg  versichert,  dass 
Epailly  wirklich  eine  ununterbrochene  Kette  von  Dreiecken  vom 
Brocken  bis  Hamburg  geführt  habe. 

Hansteen's  Werk  über  den  Magnet[ismus]  ist  mir,  noch  nicht  zu 
Gesicht  gekommen.  Vor  einiger  Zeit  erkundigte  ich  mich  danach 
bei  Reuss,  der  es  noch  nicht  kannte,  ich  werde  nächstens  einmal 
wieder  anfragen,  ob  die  Bibliothek  es  schon  besitzt.  Gewöhnlich  ruhen 
dann  aber  solche  Werke  erst  sehr  lange  in  den  Händen  der  Eecen- 
senten. 

Meine  LiEBHERR'sche  Uhr  zeigte  Anfangs  einige  Unregelmässig- 
keiten, aus  denen  ich  schloss,  dass  sie  nicht  genug  kompensire.  Die 
Kompensation  kann  an  dem  Pendel  abgeändert  werden  (obwohl  nur 
sprungweise).  Ich  habe  den  Schluss-Steg  etwas  höher  gestellt,  und  ihr 
Gang  scheint  dadurch  merklich  gewonnen  zu  haben.  Doch  verrauthe 
ich,  dass  die  Kompensation  noch  zu  schwach  ist,  obwohl  es  sehr  prekär 
ist,  die  zufälligen  Ungleichheiten  von  den  Wirkungen  einer  unvollkom- 
menen Kompensation  zu  trennen,  da  die  Abwechslungen  der  Temperatur 
im  Uhrkasten  seit  einem  Monat  theils  sehr  gering,  theils  zu  unregel- 
mässig waren.  Schwerlich  werde  ich  vor  dem  Winter,  wenn  wieder 
beträchtliche  Kälte  ist,  hiermit  ganz  ins  Reine  kommen  können.  Uebri- 
gens ist  der  (4ang  jetzt  weit  gleichförmiger  als  bei  der  REPsoLD'schen 


IQ  Olbeis  an  Gauss.     Bremen,  1820  Juli  3. 

und  SHELTON'schen  Ulir,  und  die  Aenderungen  des  täglichen  Ganges 
haben  seit  einem  Monat  innerhalb  einer  halben  Sekunde  hin  und  her 
geschwankt. 


xo.  387.  Olbers  an  Gauss.  [212 

Bremen,  1820  Juli  3. 

Ihren  lieben  Brief,  den  ich  .so  eben  erhalte,  beantworte  ich  sogleich, 
weil  ich  gern  bald  über  ein  paar  daiin  berührte  Gegenstände  einige 
Auskunft  haben  möchte.  Das  erste  betrifft  Ihre  Eeise  nach  Holstein 
zu  der  Basismessung.  Sollten  Sie  diese  nicht  so  einrichten  können, 
lieber  Gauss,  dass  Sie  entweder  auf  der  Hinreise  oder  der  Zurückreise 
einige  Tage  in  Bremen  verweilten,  und  sich  einmal  nach  Ihrem  alten 
Freunde  umsähen?  Ton  Hamburg  können  Sie  ganz  wohl  in  emem  Tag 
nach  Bremen  kommen.  Vielleicht  lässt  sich  Prot  Schumacher  bewegen, 
Sie  auf  dieser  kleinen  Tour  zu  begleiten. 

Der  zweite  Gegenstand  betrifft  Ihren  Wunsch,  „ich  möchte  Ihnen 
die  Dreiecke  von  Epailly  entweder  von  diesem  selbst,  oder  durch  La 
Place,  oder  durch  Delasibre  zu  verschaffen  suchen"'.  Der  Oberst 
Epailly  ist,  soviel  ich  weiss,  längst  todt.  Delambre  ist  wohl  nicht 
so  fähig,  die  der  schon  versuchten  Rückforderung  dieser  Dreiecke  ent- 
gegenstehenden Schwierigkeiten  zu  beseitigen,  als  La  Place  mit  seiner 
grösseren  Autorität,  wenn  dieser  willig  sein  sollte,  diese  und  seine  Ver- 
bindungen zur  Erreichung  unseres  Zwecks  anzuwenden.  Gern  will  irh 
versuchen,  ob  er  sich  dazu  verstehen  will,  ivenn  Sie  irgend  einen  Grund 
haben,  ihn  nicht  seihst  dazu  auffordern  zu  wollen.  Denn  sonst  bin  ich. 
da  ich  seine  Verehrung  für  Sie  kenne,  überzeugt,  dass  Ihre  Aufforde- 
rung ungleich  kräftiger  auf  ihn  einwirken  wird,  als  meine  Bitten. 
Sagen  Sie  mir  also,  lieber  Gauss,  mit  ein  paar  Worten,  ob  Sie  wirklich 
wünschen,  dass  ich,  nicht  Sie  selbst,  La  Place  darum  ersuchen  soll, 
und  ich  bin  gern  bereit  dazu,  ob  ich  gleich  für  den  Erfolg  niclit 
einstehe. 

Auch  General  ]\Iartin  hat  mir  nun  sagen  lassen:  „die  Papiere  über 
die  fi"anzösischerseits  vom  Jahre  1804  an  vorgenommene  Tiiangulirunir 
der  hannoverschen  Lande  sollten  sich,  dem  Vernehmen  nach,  im  Mili- 
taii'-Depot  in  Paris  befinden:  man  habe  sich  bemüht,  solche  wieder  zu- 
rück zu  erhalten,  es  wären  aber  diese  Bemüluingen  bis  jetzt  oline  Er- 
folg geblieben''. 

Ich  zweifle  sehr,  dass  Epailly  mit  seiner  Triangulirung  ganz  zu 
p]nde  gekommen  ist.  Wenigstens  wird  in  dem  mir  aus  seinem  Bureau 
durch  i)E  Gelder  mitgetheilten  Aufsatz  ausdrücklich  sesaet,  dass  mehreie 


nll„i-  :iii   (.;niv^      r.r.ni.  II    l,s-J(»  JuH  3.  jy 

Winkel  noch  nicht  ireniesMii  waren;  aiuli  scheinen  die  darin  enthalte- 
nen Azimuthe  von  den  Cie}i:enständen  um  Bremen  berechnete  nicht  jre- 
messene  Azimuthe  zu  sein,  da  sie  auch  in  10000  Theilen  der  Sekunde 
angegeben  werden.  Tnd  doch  war  Kpailly  lange  in  Bremen  und  hat 
mehrere  Tage  mit  >einem  ^[ultiplikationskreise  auf  unserm  Ansgjarius]- 
riunme  zugebracht. 

Höchst  erfreulich  ist  mir  Ihre  Willfährigkeit.  Ihre  Dreiecke  auch 
>eitwärts  bis  in  unsere  Gegenden,  und  bis  zur  Verbindung  mit  den 
Dreiecken  des  Generals  KuAYENHorr  auszudehnen.  Es  scheint  mir  sehr 
interessant  und  wichtig,  wenn  so  die  dänisch-hannoversche  Gradmessung 
n)it  der  französischen  und  also  auch  englischen  in  Verbindung  gesetzt 
werden  wird. 

Allerdings  habe  ich  die  Nachricht  über  den  E [eichene ACH'schenJ 
Meridiankreis  in  d.  Gel.  Anz^)  wiederholt  gelesen,  und  das  treif liehe 
Werkzeug,  eben  wie  den  unübertrelflichen  Beobachter  in  gleichen 
(irade  bewundert.  Eine  solclie  Uebereinstimmung  von  Beobb.  ist  mir 
noch  nie  vorgekommen,  und  welche  P^ortscliritte  wird  nicht  die  Stern- 
kinide  bei  dieser,  von  mir  wenigstens,  vorher  nie  gehofften  Genauigkeit 
machen  I  Es  scheint,  dass  Sie  Ihre  Polhöhe  aus  Cirkumpolarsternen 
wenig  von  der  verschieden  finden  werden,  die  Sie  vorher  durch  den 
.Multiplikationskreis  gefunden  hatten.  Um  so  neugieriger  bin  ich,  wie 
sich  die  Sommerschiefe  ergeben  wird,  wenn  anders  die  unerhört  schlechte 
Witterung  ihre  Bestimmung  zugelassen  hat. 

Die  optische  Kraft  Ihrer  REiCHENB[ACH]-FRAüNH[oEEE'schen]  Fern- 
rohre ist  ganz  ausserordentlich,  w^enn  ich  gleich  auch  etwas  auf  Ihr 
ungemein  scharfes  Auge  rechne.  Bei  dem  Doppelstern  a  Hercidis  möchte 
ich  doch  bemerken,  dass  der  kleine  Comes  von  a  Herc.  einen  eigenen 
Lichtwandel  zu  haben  scheint,  auch  unabhängig  davon,  dass  der  be- 
kanntlich veränderliche  Hauptstern  ihn  oft  mehr,  oft  weniger  über- 
strahlt. Christ[ian]  Mayek  will  ihn  (den  Comes)  von  der  6.  bis  zur 
9.  Grösse  veränderlich  gefunden  haben.  Zuweilen  konnte  er  ihn  nur 
sehr  schwer  bei  dunkler  Nacht,  zuweilen  ohne  Mühe  bei  Sonnenschein 
erkennen.  Dass  Mayer  auch  den  Unterschied  der  yR  beider  Sterne 
Anfangs  von  0*,4  bis  0'',75  zunehmen,  dann  nach  und  nach  bis  Oy^  ab- 
nehmen, endlich  wieder  bis  0^,4-5  zunehmen  zu  sehen  glaubte,  schreibe 
ich  nur  Fehlern  seiner  Beobb.  zu,  denn  weder  eine  Parallaxe  des  Haupt- 
sterns, noch  eine  verschiedene  Aberrations-Konstante  beider  Sterne  kann 
diese  Unterschiede  erklären;  aber  doch  glaube  ich,  dass  dies  Sternpaar 
gelegentlich  die  Aufmerksamkeit  der  mit  mächtigen  Werkzeugen  ver- 
sehenen Astronomen  verdiente. 


^)  Vergl.  den  yorhergehenden  Brief.    Knn. 

Olbers.    II,  2. 


J3  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1820  Juli  3. 

Dass  der  famose  Hoene  Wkonski  in  London  war,  habe  Ich  Ilinen 
schon,  wie  ich  glaube,  das  letzte  Mal  geschrieben,  indem  ich  Ihnen, 
meine  ich,  ein  paar  Rechnimgsfehler  in  Young's  Aufsatz  über  die  Refrak- 
tion anzeigte,  auf  die  Wronski,  wie  Young  mir  schrieb,  ihn  zuerst 
aufmerksam  gemacht  hatte.  Daraals  mussten  beide  also  noch  in  gutem 
Vernehmen  sein.  —  Jetzt  führt  W[ronski]  in  der  Gazette  de  France  bit- 
tere Klage  über  die  Illibei-alität  der  Dritten.  „Er  habe  eine  neue  Theorie 
des  Mondlaufs  festgesetzt,  wodurch  das  Problem  der  Länge  zur  See 
völlig  aufgelöst  werde;  er  sei  also  nach  London  gegangen,  um  die  vom 
Parlament  ausgesetzte  Belohnung  von  20000  U  zu  erhalten.  Gleich 
nach  seiner  Ankunft  habe  er  sich  bei  Sir  J.  Banks  gemeldet,  der  ihn 
aber  an  Dr.  Young  mit  der  Aeusserung  verwiesen  hätte,  durch  Young 
geschehe  jetzt  alles  bei  dem  Board  of  Longitude.  Allein  in  der  Zwischen- 
zeit habe  sich  die  Längenkommission,  seiner  Protestation  ungeachtet, 
alle  seine  Instrumente  von  dem  Zollhause  vorzeigen  lassen,  und  nach 
genauer  Untersuchung  derselben  sein  Geheimniss  entdeckt.  Darauf  hätte 
die  Kommission  ihm  sehr  kalt  erklärt,  seine  Entdeckung  wäre  nicht  neu, 
und  sie  hätte  schon  lange  eine  ganz  ähnliche  Idee  gehabt.  Damit 
wäre  ihm  nicht  allein  der  Preis  verweigert,  sondern  auch  nicht  einmal 
seine  Kosten  bezahlt  worden,  ein  um  so  mehr  ungerechtes  Verfahren, 
da  die  Engländer  auf  eine  so  unrechte  Weise  Kenntniss  von  seiner 
Mond-  und  seiner  Refraktions-Theorie  erhalten  hätten."  Ich  bin  neu- 
gierig zu  sehen,  ob  und  was  das  Längenbureau  auf  diese  harten  Be- 
schuldigungen antworten  wird,  um  so  mehr,  da  ich  mir  von  einer  Montl- 
theorie,  die  man  durch  Betrachtung  einiger  Instrumente  errathen  kann, 
keinen  Begriff  zu  machen  weiss.  Ich  muss  indessen  bemerken,  dass  ich 
W[eonski's]  Klagen  nicht  unmittelbar  in  der  Gaz.  d.  F.,  sondern  nur 
in  den  Times  gelesen  habe;  vielleicht  ist  Wr.'s  Original  deutlicher. 

Caelini's  Bahn  des  Kometen  Nov.  Dez.  1819  Jan.  18.90^)  in  dem 
letzten  Stück  von  Zach's  Correspondance,  das  mir  zugekommen  ist. 
stimmt  sehr  schlecht  mit  dem,  was  von  Blanpain's  ersten  Beobb.. 
der  diesen  Kometen  doch  8  Tage  früher  als  Pons  entdeckte,  bekannt 
geworden  ist.  Auf  alle  Fälle  wird  die  CAELiNi'sche  Parabel  noch  be- 
deutende Korrektionen  erfordern,  wenn  auch  nicht  die  Bahn  dieses 
Kometen,  wie  ich  doch  vermuthe,  sehr  elliptisch  sein  sollte. 

Sagen  Sie  mir  doch,  lieber  Gauss,  unseres  Lindexaü  jetzigen  Titel 
und  ob  er  die  Excellenz  hat.    Ich  bitte,  vergessen  Sie  es  nicht. 

Zwischen  Bessel's  und  Pond's  jR,   auch  wenn  man  bei  letzteren 


')  Komet  1819  IV.  Seine  Bewegung  weicht  stark  von  der  panibolischeu  ab: 
Claüsen  hielt  ihn  für  identisch  mit  Komet  1743  I.  Über  letzteren  siehe  Olbers 
Bd.  I,  S.  233  ff.    Krm. 


Gau--;  an  Onnr.!.     r^üttiiiiren,   1S20  Juli  8.  19 

die  von  Poxd  selbst  xfiimiilictf  Konvktidii  -[-'^'.2  anbring-t,  ist  der 
Unterschied  znweilen  docli  grösser,  als  man  erwarten  sollte,  besonders 
bei  Castor,  Antares:  und  Fomalhaut.  Bei  Castor  Viegt  die  Ursache  \ie\- 
leicht  darin,  dass  Pond  den  vorher  gehenden  Stern,  Bessel  die  ]\Iitte 
dieses  Doppelsterns  beobachtet  hat.  Sollte  bei  den  sehr  niedrig-  kul- 
minirenden  Sternen  Antares  u.  Fomalhaut  nicht  zuweilen  eine  Lateral- 
Refraktion  stattfinden  können? 

Fahren  Sie  ja  fort,  mein  g-eliebter  Freund,  mir  von  Ihren  ferneren, 
mir  so  interessanten  Ikobb.  Nachricht  zu  ffeben. 


No.  388.  Gaüss  an  Olbers.  [m 

Göttingen,  1820  Juli  8. 

Herzlichst  danke  ich  Ihnen  für  Ihren  gütigen  Brief  und  icli  eile, 
auf  einige  Punkte  desselben  zu  antworten. 

Sehnlich  wünsche  ich,  Sie  bald  einmal,  und  wo  möglich  auf  eine 
eticas  längere  Zeit  als  im  vorigen  Jahre,  wieder  zu  sehen.  Allein  noch 
kann  ich  auch  nicht  einmal  eine  Vermuthung  darüber  wagen,  ob  es  in 
diesem  Jahre,  und  in  Verbindung  mit  meiner  Reise  nach  Holstein,  mög- 
lich sein  wird.  Ich  fürchte,  dass  es  mir  nicht  möglich  sein  wird,  die 
Collegia,  die  ich  auch  in  diesem  Sommer  zu  halten  habe,  vor  jener 
Reise  zu  vollenden,  in  welchem  Fall  ich  dann  genöthigt  sein  werde, 
sie  nach  derselben  vollends  aus  zu  lesen.  Noch  weiss  ich  aber  über 
Zeit  und  Dauer  jener  Reise  nichts  Bestimmtes. 

Meine  Bitte  die  EpAiLLv'schen  Dreiecke  betreifend  gründete  sich 
auf  meinen  Glauben,  dass  es  Dinen  leichter  gelingen  würde  als  mir, 
von  einem  der  drei  erwähnten  Herren,  die  Sie  alle  drei  persönlich  und 
genau  kennen,  die  Mittheilung  zu  erhalten,  zumal  da  w^ahrscheinlich 
der  Weg  am  leichtesten  dazu  führen  wird,  der  von  dem  officiellen  am 
entferntesten  ist.  Besonders  vermuthete  ich  dies  in  Beziehung  auf  Epailly 
selbst,  der  wie  Sie  selbst  sagen  lange  in  Bremen  sich  aufgehalten  hat, 
und  dessen  Gefälligkeit  mir  auch  sonst  gerühmt  ist.  Aber  sollten  Sie 
nicht  im  Irrthum  sein,  w^enn  Sie  glauben,  dass  Epailly  längst  todt  ist  ? 
Im  März  1819  lebte  er  noch  und  Hr.  Reinke  in  Hamburg  zeigte  mir 
damals  seine  Adresse  an,  die  er  durch  Hrn.  Beautems-Beaupee  er- 
halten hatte,  und  die  damals  war:  Biie  St.  Benoit  No.  18,  mit  der 
Bemerkung,  dass  es  sicherer  sei  dieser  beizufügen  „ou  an  depot  general 
de  la  giierre,  nie  de  Viinivers'üe'%  w^eil  Epailly  häufig  in  den  Departe- 
ments abwesend  sei,  man  aber  im  Depot  de  la  guerre  allemal  seinen 
Aufenthalt  wisse.    Uebrigens  interessirt  mich  hauptsächlich,  nur  seine 


20  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1820  Juli  8. 

Dreieckspuiikte  von  Hannover  und  Biaunschweig  bis  Lüneburg  und 
Hamburg  zu  kennen,  gesetzt  auch,  dass  es  nur  ausgewählte  aber  nicht 
ausgeführte  Dreiecke  wären,  wenn  Epaili.v  sich  nur  von  der  Ausführ- 
barkeit überzeugt  hat. 

Da  Sie  an  der  hannoverschen  Gradmessung  einen  so  lebhaften 
Antheil  nehmen,  so  setze  ich  Ihnen  eine  Abschrift  des  nunmehr  mir 
zugekommenen  Ministerialreskripts  her: 

„Da  von  .Sr.  K.  Majestät  uns  huldreichst  zu  erkennen  gegeben  ist. 
„dass   Höchstdieselben   sich   für   das   nützliche  Werk    einer  Fort- 
„setzung   der   dänischen    Gradmessung   durch    Höchstdero    hiesige 
„Königl.  Lande  besonders  interessiren,  und  solche  unter  der  Aufsicht 
„des  Hofr.  u.  Prof.  G[auss]  zu  G[öttingen]  bewerkstelligen  lassen 
„wollen,    so   setzen   wir   den    Hofr,   G.   von   dieser   Königl.   Ent- 
„ Schliessung  in  Kenntniss,  und  sehen  einer  Anzeige  desselben  über 
„die  Art  und  Weise  und  über  die   Zeit,  zu   welcher  diese  Arbeit 
„unternommen   werden   kann,   wie   über   die    etwa    erforderlichen 
„Kosten   und   sonst  zu   treffenden    \'orkehrungen    entgegen.     Wir 
„bezeugen  dem  Hofr.  G.  unsere  etc."    Hannover  30.  Juni  1820. 
Wie  sehr  glücklich  würde  ich  sein,  wenn  Sie,  liebster  Olbees,  mir 
näher  wälzen,  und  ich  Hiren  Rath  und  Hire  reife  Weltkenntniss  benutzen 
könnte.     Es   werden   erst   noch   manche  Schwierigkeiten  zu  beseitigen 
sein.     Ein    Umstand   ist   die  A\^ahl  der  Instrumente   für  die  Dreiecke. 
Ich  gestehe,  dass  ich  den  Theodolithen  ^or  den  Repetitionskreisen  noch 
nicht  so  unbedingt  den  Vorzug  geben  möchte.     Bei  jenen  ist  man  viel 
mehr,  theils  von  der  höchst  genauen  Ausführung  des  Künstlers  abhängig 
(z.  B.  dass  die  Drehung  des  ganzen  Kreises  und  die  Drehung  des  Al- 
hidadenkreises   genau   um   eine  Axe  geschehen),    sowie  von  einer  sehr 
soliden  Aufstellung  als  bei  letzteren.     Namentlich  ist  der  8 zöllige  Theo- 
dolith,  den  ich  hier  seit  1812  habe,  für  einen  solchen  Zweck  durchaus 
nicht  vollkommen  genug,  und  er  zeigt  mir  mehrere  Mängel.    Audi  bei 
der  solidesten  Aufstellung  und  der  grössten  Soi'gfalt  kann  ich  ihn  nicht 
eine  Viertelstunde   lang   in  der  Horizontalität  erhalten;  die  Libelle  ist 
auch   viel   zu   empiindlicli   (1  Pariser  Zoll  =  32"),   so   dass  die  Blase 
nicht  einmal  in  der  Oeftnung  der  Fassung  zu  erhalten  steht,  und  also 
auch  das  Mittel  fehlt,  die  Grösse  der  sieh  zeigenden  Abweichungen  in 
Zahlen  anzugeben.    Schumacher's  12  zoll.  Theodolith  hat   mehrere  Vor- 
züge vor  jenem;  doch  weiss  ich  nicht,  ob  er  auch  gar  niclits  zu  wün- 
schen liess.    Ich  meine  übrigens,  dass  mir  $CH[uM.\rHERl  schon   voriges 
.lahr  gesagt  hat,  dass  er  beim  Gebrauch  sehr  gelitten  hat.    Sehr  schwer 
wird  es  nun  aber  sein,  von  Reichenbach  ein  neues  Instrument  zu  er- 
halten.    Er   schrieb   mir   vor   einigen   Monaten,   er  werde  nach  seiner 
Zurückkunft    von  Wien    mich    im    Juli    besuchen    und  dann  eine  Reise 


Gauss  an  (Ul»eis.     (JCtttinfffn.  1820  Juli  S.  21 

nach  England  und  Frankreich  machen.  —  lieiiii  12zöllig-en  Kepetit.- 
Kreise  ist  aber  ein  liinreichend  geübter  (lehiilfe  unentbehrlich,  und 
iiberdies  sind  mir  eigentlich  die  Fernrohre  doch  etwas  zu  schwach,  wo 
es  sehr  grosse  Dreiecksseiten  gilt.  —  Nicht  weniger  Sorge  macht  mil- 
der Umstand,  ob  ich  auch  ein  Paar  tüchtige  und  brauchbare  (^ehültVii 
finden  werde,  besonders  in  Rücksicht  auf  diejenigen  Dinge,  wo  es  mir 
selbst  an  Krfahrung  fehlt,  z.  R.  wo  es  auf  Kenntniss  des  Geschäftsganges, 
auf  ANegräumung  von  allerlei  aufstossenden  Lokalschwierigkeiten,  Auf- 
sicht über  tüchtige  von  Handwerkern  zu  liefernde  Arbeiten  u.  dergl. 
ankommt.  Es  giebt  zwar  Personen  genug,  die  diese  Eigenschaften  be- 
sitzen, ob  es  mir  aber  glücken  wird,  solche  zu  finden,  und  die  damit 
Liebe  zur  Sache,  Sinn  für  Akkuratesse  und  etwa  auch  noch  Bildsam- 
keit für  das  feinere  Beobachten  verbinden,  um  in  einzelnen  Fällen  meine 
Stelle  dabei  vertreten  zu  können  I  Schon  vor  zwei  Jahren  haben  sich 
mir  mehrere  angeboten,  unter  anderen  einer  meiner  ehemaligen  Zu- 
hörer Namens  Schlichthorst,  dem  ich  aber  die  wenigsten  der  obigen 
Eigenschaften  zutraue.  Eigentliche  mathematische  oder  gar  astrono- 
mische Kenntnisse  verlange  ich  gar  nicht,  obwohl  es  mir  nicht  unlieb 
sein  wird,  wenn  sie  mit  den  Haupteigenschaften  eines  guten  Gehülfen 
noch  vereinigt  sind.  —  Uebrigens  erhielt  ich  mit  jenem  Reskript  zugleich 
einen  Privatbrief  des  Regirungsraths  Hoppenstedt,  Referent  beim 
Minist,  in  Universitätssachen,  dass  eine  baldige  Antwort  um  so  weniger 
nöthig  sei,  weil  der  Minister  von  Arnswaldt  eben  ins  Bad  gereist  sei, 
wie  auch  dass  ich  mein  Augenmerk  dabei  besonders  auf  den  Punkt  der 
Kosten  richten  möchte.  —  Der  Umstand,  dass  in  diesem  Jahre  doch 
nichts  mehr  geschehen  kann,  was  direkt  zu  der  Gradmessung  gehörte, 
wird  es  mir  verstatten,  dass  ich  nur  erst  vorläufig  antworte,  und  die 
PMnsendung  eines  ausführlichen  Memoires  noch  verschiebe,  bis  ich  erst 
durch  anderweitige  Beratung  unterstützt  bin. 

Die  Nachricht  von  dem  Charlatan  Wronski  war  mir  neu;  auch 
haben  Sie  in  keinem  der  Briefe,  die  ich  von  Ihnen  erhalten  habe,  der 
in  Young's  Refraktionstheorie  (die  ich  übrigens  auch  noch  nicht  weiter 
kenne,  als  insofern  Pond  sie  im  Nautical  Älmcmac  1822  anführt)  vor- 
kommenden Rechnungsfehler  erwähnt. 

LiNDENAU  habe  ich  auf  den  Couverts  der  an  ihn  geschriebenen 
Briefe  den  Titel  Minister  und  die  Excellenz  gegeben;  er  hat  mir  aber 
jetzt  angezeigt,  dass  die  letztere  ihm  nicht  zukomme. 

Ich  halte  es  in  einigen  Rücksichten  für  rathsamer,  das  Dreiecksnetz 
im  Süden  anzufangen  und  von  Göttingen  nach  Hamburg  zu  führen  als 
umgekehrt.  Mancherlei  kleinen  Verlegenheiten,  die  beim  Anfang  eines 
solchen  Geschäfts  eher  vorfallen,  als  wenn  es  schon  weiter  fortge- 
schritten ist.  wird  sich  leichter  abhelfen  lassen,  wenn  die  Heimath  in 


22  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1820  August  17. 

der  Nähe  ist,  wenn  gleich  die  Nähe  von  Repsold  zuweilen  noch  an- 
genehmer sein  möchte  als  die  von  Rumpf.  Dann  würde  es  aber  gut 
sein,  wenn  auch  gleich  die  Dreiecke  südlich  bis  Gotha  etc.  fortgesetzt 
würden,  da  südlich  von  Hannover  überall  nur  künstliche  Signale,  also 
sehr  vergängliche,  die  Dreieckspunkte  werden  bilden  müssen.  Ich  hatte 
dies  schon  vor  einiger  Zeit,  als  die  Sache  hier  noch  nicht  entschieden 
war,  bei  dem  ]\Iinister  Lixdenau  in  Anregung  gebracht,  er  hat  mir 
aber  nicht  darauf  geantwortet. 


No.  389.  Olbers  an  Gauss.  [213 

Bremen,  1820  August  17. 

Ich  freue  mich,  dass  Sie  mir  Ihren  so  sehr  gewünschten  Besuch 
in  diesem  Herbst  doch  nicht  ganz  abschlagen.  Sehr  wahrscheinlich 
wird  es  sich  mit  der  Basismessung  bis  in  den  Herbst  verzögei-n,  und 
dann  werden  Sie  vorher  Ihre  Collegia  geendigt  haben,  und  mehr  Herr 
über  Ihre  Zeit  sein. 

Mir  war  gewiss  versichert,  dass  Epailly  bald  nacli  unserer  Be- 
freiung vom  französischen  Joch  an  der  Schwindsucht  verstorben  sei. 
Da  ich  nun  von  Ihnen  das  Gegentheil  erfahren,  und  zugleich  seine 
Adi'esse  erhalten  habe,  so  habe  ich  gleich  an  ihn  geschrieben,  ihn  um  die 
Einsendung  seiner  Dreiecke  sowohl,  als  auch  derjenigen,  die  er  bloss  pro- 
jektirt  hatte,  gebeten,  und  [mich]  übrigens  in  meinem  Briefe  so  benommen, 
als  wenn  diese  Mittheilung  gar  keine  Schwierigkeiten  haben  könne.  — 
Yerschaff't  uns  diese  Aufforderung  das  Verlangte  nicht,  so  ist  dadurch 
auch  weiter  nichts  verloren,  und  es  bleibt  dann  wohl  am  besten,  sich 
unmittelbar  an  den  Marquis  de  La  Place  zu  wenden.  Die  Verbindung 
des  französisch-englisch-spanischen  Meridians  mit  dem  dänisch-deutschen 
ist  zu  wichtig,  als  dass  nicht  auch  La  Place  alles  aufbieten  sollte, 
uns  das  Erforderliche  zu  verschaffen. 

Recht  sehr  danke  ich  Ihnen  für  die  Nachrichten  über  [die]  jetzige 
Lage  dieser  projektirten  hannoverschen  Gradmessung.  Aber  nur  Ihre 
partlieiische  freundschaftliche  Güte  kann  von  mir  irgend  einen  Kath 
erwarten.  Ich  habe  nie  einen  Theodolithen  in  Händen  gehabt.  Aller- 
dings sind  die  Vorzüge,  die  Sie  in  einigen  Stücken  den  Repetitions- 
kreisen  vor  den  Theodolithen  zuschreiben,  ebenso  wichtig,  als  wahr 
Aber  doch  möchte  ich  glauben,  dass  ein,  mit  möglichster  Vermeidung 
der  von  Ihnen  gerügten  Fehler  und  Unvollkommenheiten  verfertigter 
Theodolith  das  schicklichste  Werkzeuü"  zu  diesen  Winkelmessungen  sei. 


Olbers  an  Gauss,     llii'ini'n,  1820  August  17.  23 

Im  (laiizen,  dünkt  inieli.  würde  kh  ceteris  paribiis  immer  ein  Instru- 
ment vorziehen,  bei  dem  icli  nicht  von  der  jrrüssereu  oder  geringeren 
Aufmerksamkeit  eines  Gehülfen  in  Ansehung  der  Genauigkeit  des  Re- 
sultats abhäniiig  bin.  Die  etwa  auch  in  den  möglichst  vollkommen 
gearbeiteten  'riieiuiolithen  noch  zurückbleibenden  kleinen  Fehler  lassen 
sich  doch  wolil  entdecken,  und  so  unschädlich  machen.  So  zeigt  auch 
das.  was  Schv.m.xchku  mit  seinem  Theodolithen  erhalteu  hat.  nach  dem, 
was  er  mir  darüber  meldet,  eine  sehr  befriedigende  Genauigkeit  —  doch, 
lieber  Gauss,  ich  wiederhole  es,  ich  verstehe  die  Sache  nicht,  und  habe 
eigentlich  gar  kein  kompetentes  Urtheil  darüber. 

Schwierig  wird  es  immer  sein,  recht  tüchtige  Gehülfen  zu  finden. 
Ebten  kenne  ich,  der  sich  giute  vorzüglich  dazu  schicken  würde,  allein 
ich  zweifle,  ob  er  dies  Geschäft  annehmen  will  und  annehmen  kann. 
Dies  ist  unser  Mechanikus  Teevikanus,  ein  Schüler  von  Reichenbach, 
ein  äusserst  geschickter  und  genievoller  junger  Mann,  der  noch  mal 
ein  zweiter  Repsold  werden  kann.  Er  verbindet  mit  den  glücklichsten 
praktischen  Ideen  einen  Geist  von  Genauigkeit,  und  bei  seiner  ver- 
trauten Kenntniss  aller  Werkzeuge  würde  er  unter  Ihrer  Leitung  bald 
ein  sehr  zuverlässiger  Obser\ator  werden,  so  wie  alles  Mechanische 
entweder  von  ihm  selbst,  oder  doch  unter  seiner  Aufsicht  aufs  Beste 
und  ganz  Ihrer  Vorschrift  entsprechend  verfertigt  werden  könnte. 
Dabei  ist  er  unermüdet,  und  scheut  weder  Entbehrungen  noch  andere 
Unbequemlichkeiten.  Sollten  Sie  auf  ihn  reflektiren,  so  bitte  ich  mir 
1)  die  Bedingungen  zu  melden,  die  Sie  einem  solchen  Gehülfen  etwa 
beiläufig  gewähren  könnten,  2)  ungefähr  die  Zeit  zu  bestimmen,  die 
Sie  ihn  brauchen  würden,  z.  B.  ein  oder  mehrere  Jahre,  und  wie  viel 
Monate  in  jedem  Jahre.  Dann  will  ich  ihn  gern  darüber  sondiren,  und 
ich  glaube,  bei  seinem  brennenden  Eifer  sich  auszuzeichnen  und  etw^as 
zu  leisten,  wird  er  grosse  Lust  zu  dieser  Messung  haben,  Avenn  er  nicht 
schon  anderweitig  engagirt  ist.  Er  hat  hier  kürzlich  (nachdem  er  die 
Dampfschitte  eingerichtet  hatte)  eine  Mühle,  Farbhölzer  zu  mahlen,  für 
einen  unserer  Mitbürger  angelegt,  deren  Einrichtung  etwas  geheim  ge- 
halten wird,  die  aber  so  vortrefflich  wirkt,  dass  alle  übrigen  gar  nicht 
dagegen  arbeiten  können.  Jetzt  ist  er  beschäftigt,  für  eine  andere 
Anstalt  eine  hydraulische  Presse  zum  Oelpressen  zu  errichten. 

^\'ahrscheinlich  werden  Sie  doch  die  bevorstehende  grosse  Sonnen- 
finsterniss  noch  in  Göttingen  beobachten?  —  Einige  Tage  vorher,  am 
29.  Aug.  findet  bekanntlich  eine  Bedeckung  der  Plejaden  statt.  Ich 
habe  diese  nach  meinen  Formeln  für  Bremen  berechnet,  und  vielleicht 
ist  es  Ihnen  nicht  ganz  unangenehm,  hier  die  Resultate  der  Rechnung 
zu  sehen,  um  sie  mit  denen  für  Florenz  in  den  Mailänder  Ephemeriden 
vergleichen  zu  können. 


24  Olbers  an  Gauss.     Bremen.  1820  Aii<rnst  17. 

Bedeckung  der  Plejaden  vom  Monde  ^j 
d.  29.  Auof.  1820. 
Bremer  wahre  Zeit. 
Merope  geht  auf  8''  41'"  2P,  oder  wegen  d.  Refraktion  3'"  42^  früher. 
Eintritt  Merope  8''  39'",9         Austritt  p.  9''  43"\5 

,,       2).  9    10,3  „        Alcyone  9^  47"'  36^ 

,,        Alcyone  9''  11"'  3~         Eintr.     7.  8.      10    13,2 
Austritt  Meviype  9    23,5  Austr.    5.  10    12,2 

Eintritt  5  9    32,2  „       Atlas     10   28,5 

Atlas      9    37.5  „        Pleione  10    31,2 

Pleione  9    41,9  Austr.     7.  8.      10    43,6 

Wenn  Sie  mich  noch  auf  etwas  bei  der  Sonnenfinsterniss  besonders 
zu  Beobachtendes  aufmerksam  zu  machen  haben,  so  bitte  idi,  es  mir 
gefälligst  zu  melden. 

Prof.  Steuve  und  A\' albeck  werden  wahrscheinlich  bei  Ihnen  gewesen 
sein.  Sie  hatten  auch  mir  Hoffnung  zu  einem  Besuche  gemacht,  haben 
aber  wahrscheinlich  ihre  Beise  nach  München  beschleunigt,  um  Eeichex- 
BACH  nicht  zu  verfehlen.  Auch  dies  wii^d  eine  sehr  interessante  und 
sehr  wichtige  Gradmessung  werden.  —  Mit  A'ergnügen  habe  ich  ge- 
sehen, dass  Struve  sich  auf  solche  astronomische  Gegenstände  bei  seinen 
Beobb.  bisher  beschränkt,  für  die  seine  Werkzeuge  und  die  Lage  seiner 
Sternwarte  am  besten  geeignet  sind,  nämlich  die  AI  der  nördKchen 
Sterne  und  die  Doppelsterne.  —  Seine  Vermuthung,  dass  die  beiden 
Sterne  von  y  Yirgims  ehemals,  nämlich  zu  Beadley's  und  Tob.  Mateb's 
Zeiten,  heträchtluh  weiter  von  einander  abgestanden  hätten  als  jetzt, 
finde  ich  nicht  bestätigt.  Steutck  hat  schon  die  CAssiNi'sche  Beob. 
der  Bedeckung  dieses  Doppelsterns  berechnet,  und  findet  für  1720  den 
Abstand  beider  Sterne  4"|,  den  Steuve  3"j  gefunden  hat.  Es  scheint 
überhaupt,  dass  diejenigen  Doppelsterne,  avo  beide  Sterne  fast  gleiches 
und  beide  beträchtliches  Licht  haben,  auch  schon  ehemals  mit  nicht- 
achromatischen Fernrohren  von  massiger  Länge  ganz  wohl  zu  erkennen 
waren. 

Sollten  Sie  etwas  aus  Paris  haben  wollen,  so  kann  icli  es  Ihnen 
jetzt  besorgen,  Aveil  einer  meiner  Freunde,  Hr.  Dr.  Albers,  in  Paris  ist. 

Erfreuen  Sie  mich  bald  wieder,  lieber  Gauss,  mit  Ihren  so  lehr- 
reichen und  interessanten  Xachrichten  von  Ihren  Instrumenten  und 
Ihren  Beobb. 


J 


')  Vergl.  den  folg:en(.lon  Brief  Olbehs"  an  GArss.     Krm. 


I 


(iaiiss  Mi  (>lliti>.     inittinirt'ii.   T^'iO  Auirust  23.  25 

No.  39U.  Gauss  an  Olbers.  /i?? 

Güttingen.  1820  August  2u. 

Recht  lierzlit'h  danke  ich  Ihnen  für  Ilire  gütige  lieniühunp:  bei  dem 
Hrn.  Epailly.  Ich  hahe  die  beste  Hütt'nung\  dass  es  auf  diesem  Wege 
am  leichtesten  gelingen  wird,  die  Mittheilung  der  Dreiecke  zu  erhalten. 

Die  Herren  Struvk  und  Waliuxk-  sind  acht  Tage  hier  gewesen. 
Krsterer  hatte  eine  grosse  ^Satisfaktion  an  der  optischen  Vollkommenheit 
meines  Passage-Instruments,  und  nach  der  Art,  wie  er  sicli  darüber 
äusserte,  schien  es  mir,  als  ob  er  es  doch  selbst  dem  Dorpater 
überlegen  fände.  Er  hatte  Gelegenheit  hier  bei  ziemlich  günstigen 
rmstämien  einige  feine  Gegenstände  z.  B.  den  Mars,  der  Nachmittags 
2.1  l'hr  kuhninirte  und  trotz  seines  kleinen  Durchmessers  von  4"  doch 
sehr  deutlich  seine  Phase  zeigte,  dann  mehrere  Doppelsterne,  als  yTirgiuis, 
(■■  Booti<:  17  Dracouis  u.  a.  zu  beobachten.  Ich  habe  ihn  gebeten,  wo- 
möglich dieselben  Gegenstände  am  Seeberger  Passage-Instrumente  zu 
observiren  und  mir  den  Erfolg  anzuzeigen.  Es  ist  lange  her,  da  ich 
mit  letzterem  einiges  beobachtet  habe,  und  damals  konnte  ich  noch  keine 
\'ergleichungen  anstellen;  aber  nach  einigem,  was  mir  Nicolai  erzählt 
hat,  scheint  es  doch  in  ojptischer  Rücksicht  ein  sehr  mittelmässiges  In- 
strument zu  sein.  Vielleicht  gilt  dies  überhaupt  von  den  KAMSDEK'schen 
Eernrohren.  Piazzi  z.  B.  scheint  mit  seinen  Instrumenten  vielleicht 
keinen  einzigen  HERSCHEL'schen  Doppelstern  erster  Klasse  als  solchen 
zu  sehen,  da  an  meinen  beiden  EEiCHENBACH'schen  Instrumenten  die 
meisten  sogleich  von  selbst  sich  als  solche  aufdrängen.  Ja  vielleicht 
gilt  dies  auch  von  dem  berühmten  Sektor.  Ich  selbst  hatte  im  vorigen 
Jahre  nicht  Gelegenheit,  etwas  Feines  damit  zu  beobachten;  auch  war 
das  Okular  nicht  ganz  für  mein  Auge  deutlich  zu  stellen  (welchem 
Fehler  übrigens  durch  einen  Mechanikus  sofort  leicht  abgeholfen  werden 
kann),  aber  die  Vergrösserungen  waren,  so  viel  ich  mich  erinnere,  nur 
schwach,  und  in  Schümacher's  Journal  finde  ich  //  Dracouis  nicht  als 
Doppelstern,  sondern  als  einfach  beobachtet,  was  bei  meinen  Instrumenteiir 
gar  nicht  möglich  wäre.  Auch  bei  der  engl.  Gradm.  w'urde  dieser  Stern 
in  Dunnose  und  Clifton  beobachtet,  und  ich  finde  nicht  angemerkt,  dass 
er  als  Doppelstern  gesehen  sei.  Ich  habe  aber  in  diesem  Augenblick 
bloss  Lindenau's  Auszug  zur  Hand.  —  Ihre  Bemerkungen  wegen 
y  Virginis  waren  mii*  sehr  interessant,  die  Nebenumstände  der  Bedeckung, 
die  Steuyck  berechnet  hat,  sind  mir  aber  nicht  gleich  gegenwärtig. 
War  die  Beob.  vollständig,  so  dass  die  Distanz  ohne  Hypothese  be- 
rechnet werden  konnte?  Ich  hätte  sonst  in  der  That  kaum  für  mög- 
lich gehalten,  mit  einem  so  schw^achen  Fernrohre,  wie  das  am  hiesigen 


26  Gauss  an  Olbers.    Göttingen,  1820  August  23. 

Mauerquadranten  ist,  den  Stern  als  Doppelstern  zu  erkennen,  wenn  die 
Sterne  nicht  weiter  von  einander  standen  als  jetzt.  Leider  ist  es  jetzt 
zu  spät,  aber  sobald  der  Stern  wieder  bei  Nacht  kulminirt,  werde  ich 
doch  selbst  einmal  den  Versuch  mit  dem  Mauerquadranten  machen. 
Bkadley  hat,  wie  es  scheint,  nur  einmal  und  zwar  bei  Tage  vor 
0  Untergang,  wo  es  am  leichtesten  sein  mag,  den  Stern  doppelt  beob- 
achtet. Hr.  V.  Zach  könnte  uns  das  Datum  von  ^Iayee's  Beobb. 
nachweisen.  Da  Heeschel  Anno  1781  7"^  gemessen  hat,  so  könnte 
es  auch  sein,  dass  die  Distanz  etwa  um  das  Jahr  1770  ihr  Maximum 
erreicht  gehabt  hätte,  so  dass  doch  alle  Beobb.  sich  recht  gut  vertrü- 
gen; diese  Hypothese  scheint  desto  weniger  unstatthaft,  da  auch  die 
Angularbewegung  sehr  beträchtlich  ist. 

Ich  habe  seither  diejenigen  Zenithaisterne,  die  Schumacheb  im  vo- 
rigen Jahre  in  Lüneburg  observirte,  am  EEicHEXBACH'schen  Meridiankreise 
beobachtet,  bin  aber  noch  nicht  ganz  damit  fertig.  Ich  habe  jeden 
Stern  dreimal,  den  Kreis  im  Osten,  und  dreimal,  den  Kreis  im  Westen, 
beobachtet,  einige  auch  öfter.  Die  fertig  beobachteten  Sterne  sind  jetzt 
auch  bereits  reducirt.  Folgendes  sind  meine  Resultate  für  die  M.  Z.-D. 
im  Anfang  von  1820. 

[Folgen  die  Beobb. ^)  wie  im  Briefwechsel  Gauss-Bessel  Brief  No.  122  mit  dem 
Unterschiede,  dass  dort 

«1  Cygni  2M4' 22",59  S     Error  I.  2' 17",71 
nicht  angeführt  ist  und  der  mittlere  Error  I.  2'  17",33  wird.] 

Da  ich  von  Schuüacher's  Beobb.  noch  keine  Resultate  besitze,  so 
weiss  ich  noch  nicht,  wie  die  einzelnen  Resultate  für  die  Amplitude  über- 
einstimmen werden.  Inzwischen  habe  ich  die  Polhöhe  des  SJiehaJJien 
aus  meinen  Resultaten  für  diese  und  einige  andere  Sterne,  verglichen 
mit  den  BEADLEv'schen,  zu  bestimmen  versucht,  und  gefunden,  dass  die 
Tlieilung  des  dabei  gebrauchten  Sektors  unrichtig,  und  dass  die  Theile 
desselben  etwa  o^^,  ^,  zu  klein  sind.  Sehen  Sie  hier  die  Polhöhe  des 
südlichen  Standpunkts  ohne  und  mit  Korrektion  von  1".2  auf  den  Grad. 


Mit   1".-!  '      Mii    I'M 


i  Cephel     56'^  39' 30",36 
a  CepJiei  37,79 

1]  CepJiei  35,49 

17  Draconis  39,08 

ß  Cassiopeae  39,98 


56''39'40",34 

39",51 

43.76 

43.26 

40,65 

40.22 

42.02 

41,77 

41.48 

41,36 

^)  Yerd.  auch  Gauss"  Werke  Bd.  Vf.  S.  434.    Krni. 


(iauss  an  Olbcrs.     (itittinüren.  1820  Auirust  23. 


Mii    !".•_'  \lii    l".l 


48  Draconis  5G''39'39",64 


C  Cephei 

41,38 

53  Draconis 

41,67 

33  Cygni 

40,34 

49  Draconis 

43,27 

46  Draconis 

42,10 

a  Cassiopeae 

41,28 

y.  Cijgni 

43,96 

'  Cygni 

45,51 

(-)  Cygni 

49,96 

56°39'40",58 

40.50 

41,90       j 

41,86 

41,89 

41.87 

39,41       1 

39.49 

41,68 

41,81 

40,49 

40,62 

39,64       i 

39,78 

39,52      ' 

39,89 

39,02 

39,56 

41,61       ' 

42,31 

33  Cygni  ist  von  Bradley  nicht  beobachtet;  ich  konnte  daher  nur 
PiAZZi's  Bestimmung"  mit  meiner  verbinden  und  das  Resultat  involvirt 
den  Fehler  2,7  dP  —  1,7^)  dO.  Eine  Kleinigkeit  würden  die  Re- 
sultate sich  noch  ändern,  -wenn  Maskelyne's  Beobb.  auch  mit  Lindenau's 
Nutation  reducirt  würden.  Ich  habe  bloss  Zach's  Reduktion  aus  der 
Attraction  des  Montagm-s  zu  (4runde  gelegt. 

"Wenn  ich  aus  meinen  Dekl.  verbunden  mit  den  BßADLEY'schen  die 
eignen  Bewegungen  und  die  Positionen  für  1800  ableite,  so  finde  ich 
noch  folgende  Unterschiede  von  Piazzi: 


m.   ;i. 

-t^  — TU 

-D  —  18 

46  Draconis 

+ 

0",023 

+ 

1",97 

47  Draconis 

+ 

0,006 



0,50 

48  Draconis 

— 

0,064 



1,03 

49  Draconis 

— 

0,019 



0,58 

51  Draconis 

+ 

0,030 

+ 

0,67 

53  Draconis 

1 

0,067 



0,49 

X  Cygni 

+ 

0,133 

— 

1,31 

i  Cygni 

+ 

0,160 



0,41 

f)  Cygni 

+ 

0^262 

— 

0,01 

c^     „    iwaec. 

— 

0,140 

— 

0,77 

20  Cygni 

— 

0^057 

+ 

0,31 

(0^  Cygni 

+ 

0,057 

— 

1,46 

Setzt  man  die  konstanten  Fehler  in  den  Dekl.,  die  von  unrichtiger 
Kenntniss  der  Polhöhe  herrühren  ^=  B,  P,  G,  so  ist  P — -h  ^  —  i'V  <^  = 


1)  Gauss-Bessel  Brief  No.  122:  2,3  dP  —  1,3  dG.   Seh. 


28 


Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1820  August  23. 


—  0"530,  setzt  man  ferner  die  zuMligen  wahrscheinlichen  P'ehler  in  den 
Dekl.-Bestimmungen  =  h,  p,  g,  so  lehren  diese  Resultate 

V  (0,095  66  -\-pp-\-  0,479  gg)  =  0'\G1. 

Wäre  b  =^p  =  g,  so  fände  sich  h=p  =  g  =  0",49,  was  wohl  für  h 
zu  wenig-  sein  möchte.  Setzte  man  h  =  2g.  ji  =  2g,  so  wäre  doch  nur 
h  =  0",55  =p  und  g  =  0",28. 

Ich  habe  gleicher  Weise  aus  meinen  und  Beadley's  Bestimmungen 
die  Dekl.  solcher  Sterne  für  1802  abgeleitet,  die  bei  der  engl.  Grad- 
messung o^ebraucht  sind.     Es  haben  sich  aber  nur  erst  wenige  Sterne 


gefunden : 

' 

Dckl.  1802 

Polhölien   von 

Clifton 

Arburyhill        Green  wich 

Dunnose 

46  Draconis 

.55O20'37",24  53«  27'  31",00  520 13'  27",54 

5P28'   — 

50O  37'  8",31 

öl  Draconis 

53     5    52,44                30,56 

28.02 

38",29 

8,39 

y.  Cygni 

53    0    31,08                31,35 

•28,11 

39,16 

8,17 

t  Cygni 

51  18    48,9211              31,14 

28,01 

38.52 

8.24 

Capeila 

45  46    47,69 

13,35 

10,59 

19.90 

50  36  50,57 

Die  4  ersten  Sterne  harmoniren.  wie  Sie  sehen,  auf  das  Schönste 
und  zeigen  schon,  dass  dieser  Sektor  keinen  solchen  Fehler  hat,  wie 
der  beim  Shehallien  gebrauchte.  Wie  es  aber  zugeht,  dass  Capella  18" 
weniger  giebt,  kann  ich  mir  in  Ermangelung  der  Originalangaben  nicht 
erklären.  Vielleicht  haben  die  Herren  bei  der  Berechnung  die  Xutation 
mit  falschem  Zeichen  angebracht.  Ich  habe  geglaubt,  dass  diese  Mit- 
theilungen Ihnen  nicht  uninteressant  sein  würden,  da  sie  am  besten 
zeigen,  was  ein  REicHENBACH'sches  nichtrepetirendes  Instrument  von 
1.1  Fuss  Radius  zu  leisten  vermag! 

Ihre  Bemerkungen  über  den  Gebrauch  des  Kreises  und  des  Theo- 
dolithen  finde  ich  sehr  gegründet.  Nur  muss  ich  noch  hinzusetzen, 
dass  auch  beim  Kreise  für  das  Messen  der  terrestrischen  Winkel  ein 
Beobachter  zureicht,  so  lange  man  eine  ganz  feste  Aufstellung  erreichen 
kann;  nur  wo  diese  fehlt,  und  wo  also  der  Theodolith  gar  nicht  mehr 
brauchbar  ist,  können  mit  dem  Kreise  von  2  vereinigten  Beobachtern 
noch  gute  Resultate  erhalten  werden,  wo  aber  freilich  beide  Beobachter 
hinlänglich  geübt  und  aufmerksam  sein  müssen.  Das,  wozu  der  Gehülfe 
sonst  dienen  muss,  nämlich  das  Einstellen  dei-  Libelle  beim  Messen  der 
Höhen,  lässt  zwar  auch  die  grösste  Genauigkeit  wünschen,  insofern  die 
Höhen  noch  höheren  Nutzen  leisten  sollen,  als  die  schiefen  ^^"inkel  auf 
den  Horizont  zu  reduciren;  für  letzteren  Gebrauch  hingegen  ist  schon 
eine  Genauigkeit  hinreichend,  die  auch  ohne    einen   sehr   geübten    Ge- 


(iaiis^  all  iiIImt^.     <  üittiiigeii,   182Ü  Aiiyu.^t  2:{.  29 

liiilfeii  leiclit  envicht  utTilcii  kann,  rebrijrens  beiinriiliiyt  mich  dfrsrf 
l^iiiikt.  iiänilicli  die  FiaL^e.  ul)  Kreis  oder  'riieodolith  am  besten  sein 
wild,  weiter  frar  nicht,  wenn  nnr  erst  die  Hauptsclnvierigkeit  gehoben^ 
das  ist,  ein  guter  'l'lieodolith  vorhanden  ist;  dann  wird  die  Erfalining 
liald  von  selbst  entscheiden,  ob  das  eine  Instrnment  oder  das  andere 
vorzuziehen,  oder  ob  es  rathsam  sein  wird,  beide  anzuwenden.  Was 
mir  mehr  Sorge  macht,  ist  nicht  der  scientiiische,  ja  auch  nicht  der 
teclinisclie  Theil  der  Operation,  sondern  viehnehr.  wenn  ich  es  so  nennen 
(hilf,  der  adiiiiiiistrative.  (»b  dieser  gut  oder  sclilecht  eingeleitet  wird, 
(hnon  wird  es  Mirnehmlich  abhängen,  ob  ich  an  dem  ganzen  Geschäft 
Freude  oder  \'erdiuss  haben  werde;  hier  bin  ich  ganz  auf  mir  fremden 
Hoden  fast  ohne  alle  Erfahrung,  und  hier  ist  es  vornehmlich,  wo  der 
Heirath  eines  welterfahrenen  Freundes  mir  höchst  wünschenswertli  ist. 
Ich  habe  daher  auch  auf  das  Ministerialreskript  vorerst  nur  eine  dila- 
torische Antwort  gegeben,  da  ohnehin,  ehe  nicht  bestimmte  Aussicht 
wegen  eines  Theodolithen  da  ist,  noch  nichts  geschehen  kann.  Bloss  auf 
die  Verwendung  des  Ministeriums,  um  den  englischen  Sektor,  w^enn 
Schumacher  ihn  abliefert,  auch  hierher  zu  bekommen,  habe  ich  ange- 
tragen, nicht  sowohl  weil  ich  glaubte,  damit  bessere  Z.-D.  erhalten  zu 
können  als  mit  dem  Meridiankreise,  als  vielmehr,  weil  es  nützlich  scheint^ 
jenes  Instrument  an  diesem  zu  prüfen,  und  weil  vielleicht  auch  noch 
rathsam  gefunden  werden  könnte,  an  einem  Zwischenpunkte,  z.  B.  in 
Hannover  oder  Burgdorf  etc.,  astronomische  Beobb.  zu  machen. 

Ihre  Idee,  Hrn.  Treviranus  für  die  Gradmessung  mit  zu  engagiren,. 
ist  gewiss  eine  sehr  glückliche,  und  ich  sollte  glauben,  falls  er  unter 
billigen  Bedingungen  dazu  geneigt  sein  sollte,  dass  sich  dies  auch  wohl 
wird  machen  lassen.  Dass  ich  aber  jetzt  ganz  ausser  Stande  bin,  über 
die  Beschaffenheit  der  Bedingungen,  die  ich  anbieten  kann,  etwas  an- 
zugeben, werden  Sie  aus  dem  Obigen  von  selbst  schliessen.  Ich  bitte 
vielmehr  Sie,  mein  theuerster  Freund,  mir  hierüber  Ihre  Meinung  und 
Ihren  Eath  mitzutheilen,  wo  sich  dann,  wenn  ich  auf  meiner  Reise  über 
Hannover  komme,  die  Sache  wohl  mündlich  entamiren  lassen  wird.  Im 
nächsten  Frühjahr  könnte  übrigens,  falls  ich  bis  dahin  einen  Theodo- 
lithen erhalten  kann,  die  Operation  anfangen,  und  so  lange  es  die  Wit- 
terung erlaubt,  also  etwa  bis  in  die  Mitte  oder  bis  gegen  Ende  Okt. 
fortgesetzt  werden.  Ich  zweifle  jedoch,  dass  mit  einem  Jahre  die  Ar- 
beit sich  beendigen  lassen  wird. 

Einen  Theodolithen  hätte  ich  am  liebsten  von  Reichenbach;  allein 
bekanntlich  hat  derselbe  seine  Werkstatt  nach  Wien  verkauft.  Doch 
wollte  er,  wie  er  mir  früher  schrieb,  so  viel  Einrichtung  behalten,  dass  er 
neue  Ideen  ausführen  und  in  besonderen  Fällen  seinen  Freunden  dienen 
könnte.     Sonach  könnte  ich  noch  Hoffnung  haben,  falls  nicht  seine  nun- 


30  Gauss  an  Olbers.     Göttingen.  1820  Augugt  23. 

mehrige  Eriiennimg  zum  Direktor  des  "Wasser-,  Brücken-  u.  Strassen- 
baues  es  unmöglich  macht.  Da  er  mir  versprochen  hatte,  mich  diesen 
Sommer  zu  besuchen,  und  ich  diese  Hoifnung  auch  jetzt  nicht  ganz  auf- 
gegeben habe,  so  habe  ich  an  ihn  deswegen  noch  niclit  schreiben  mögen: 
denn  mündlich  darf  ich  noch  immer  eher  hoffen,  eine  nicht  abschläg- 
liche Antwort  zu  erhalten,  als  auf  einen  Brief.  Geht  es  mit  Reichen- 
bach nicht,  so  setze  ich  meine  Hoffnung  auf  Eepsold,  dessen  neue 
Theilmaschine,  wie  mir  Steuve  sagte,  fast  bis  auf  die  Eintheilung  fertig 
ist.  Ich  fürchte  nur,  seine  Werkstatt  ist  zu  beschränkt,  als  dass  er 
schnell  helfen  kann.  Vielleicht  endlich  könnte  mir  Schumachee  seinen 
Theodolithen,  falls  er  noch  in  gutem  Stande  ist,  boi-gen.  So,  theuerster 
Olbees,  stehen  bis  jetzt  die  Sachen. 

Von  Schumachee  habe  ich  seit  langer  Zeit  keine  direkten  Nach- 
richten. Ich  habe  mich,  me  mehrere  andere  seiner  Freunde  (Sie,  ^^ie 
es  scheint,  weniger  als  andere),  oft  über  sein  zu  seltnes  Schreiben  zu 
beklagen.  Ich  bin  ganz  ohne  Nachricht,  wann  die  Basismessung  an- 
fangen wird. 

Ich  komme  noch  einmal  auf  y  Virginis  zurück.  Ich  habe  zufällig 
Veranlassung  gehabt,  Heeschel's  erste  Abhandlung  über  die  Doppel- 
sterne wieder  durchzublättern,  und  es  wii'd  mir  sehr  schwer  noch 
einen  Zweifel  zu  haben,  dass  um  1781  wenigstens  die  Distanz  viel 
größer  gewesen  ist  als  jetzt.  Nicht  allein  dass  dieser  sorgfältige  Obser- 
vator  den  Stern  in  die  dritte  Klasse  setzt  und  die  Distanz  zu  l"l 
angiebt,  sondern  wiederholt  wird  eben  der  Stern  bei  den  Prüfungsmitteln 
für  successiv  immer  schlechtere  und  schlechtere  Fei-nrohre  da  empfohlen, 
wo  Sterne  wie  Castor  schon  zu  fein  sind,  und  da  sogar  neben  ^  Ursae 
maj.  und  }'  Ärietis  gesetzt  (die  beiden  andern  da  angeführten  ;•  Delphini, 
TT.  Bootis  kenne  ich  noch  nicht  aus  eigner  Ansicht),  Das  könnte  jetzt 
wohl  keinem  mehr  einfallen.  Ich  werde  doch  bei  erster  Gelegenheit 
die  Umstände  von  Cassini's  Beob.  nachsehen.  Dass  übrigens  Hr.  v.  Zach 
sagt,  die  Beob.  sei  von  Oassini  und  also  sehr  gut,  befriedigt  mich 
noch  nicht.  War  aber  auch  die  Beob.  1)  wirklich  sehr  gut,  2)  voll- 
ständig, 3)  von  Steutck  richtig  berechnet,  so  würde  daraus  meiner 
Meinung  nach  doch  noch  nicht  mit  Gewissheit  auf  die  Richtigkeit  des 
Resultats  von  4"  geschlossen  werden  können,  weil  es  am  Mondrand 
eine  Menge  von  Ungleichheiten  giebt,  die  mehrere  Sekunden  hervorragen. 
Bei  meinen  häufigen  Mondbeobb.  am  Passage-Instrument  sind  mir  diese 
oft  sehr  auffallend  gewesen.  Ich  möchte  daher  überhaupt  die  Be- 
deckungen der  feinen  Doppelsterne  vom  Monde  für  kein  genaues  Mittel 
halten,  ihre  Abstände  zu  bestimmen,  ausser  wo  man  diese  Beobb.  mit 
sehr  guten  Instrumenten  und  mit  sehr  starken  ^'ergrösseruugen  gemacht 
hat,  und  sich  durch  den  Augenschein  überzeugt  hat.  dass  an  der  Stelle 


I 


•  nuiss  an  Ulliers.     (Üittiiiireii,   1820  Auijust  23.  31 

des  Ein-  niul  Austiittt-s  keine  henierkliclie  Infrleiclilieiten  -waren,  wozu 
also  auch  nuch  eiiuiderlich,  dass  beide  Kändei*  .sichtbar  waren.  Schwer- 
lich möchte  Cassinis  Beob.  diesen  Bedingungen  voll  Genüge  leisten. 
Der  vorhin  angeführte  Umstand  scheint  mir  für  den  heutigen  Zustand 
der  Beobachtnngskunst  überhaupt  den  A\'ertli  von  Sternbedeckungen 
und  Sonnentinsternissen  etwas  zu  vermindern,  und  ich  glaube  kaum, 
dass  sich  aus  solchen  Phänomenen  erheblich  genauere  Resultate  erreichen 
lassen,  als  aus  Beobb.  mit  fixen  Meridianinstrumenten.  Solche  Beobb. 
aber  z.  B.  von  der  bevorstehenden  Sonnentinsterniss,  wie  sie  von  Per- 
sonen, die  ihre  Zeit  mit  Bleikugeln  abmessen  müssen,  erhalten  werden 
können,  möchten  wohl  eigentlich  gar  keinen  astronomischen  Werth  mehr 
haben  können. 

Höchst  wahrscheinlich  scheint  es  mir  aber  doch  auf  alle  Fälle  aus 
Casseni's  Beob.  zu  werden,  dass  der  Abstand  im  vorigen  Jahrhundert 
sein  Maximum  gehabt  hat,  denn  unter  Voraussetzung  gleichförmiger 
Abnahme  hätte  die  Distanz  um  1720  etwa  12"  gross  sein  müssen,  was 
wohl  mit  Casslni's  Beob.  durchaus  unverträglich  sein  wird.  Und  in- 
sofern wäre  dieser  Doppelstern  gewissermaassen  der  Merkw^ürdigste,  den 
wir  bis  jetzt  kennen,  weil  bei  keinem  die  Ungleichförmigkeit  der  rela- 
tiven Bewegung  bisher  durch  Erfahrung  erkannt  ist.  Diese  aber  beweist 
das  Zusammengehören  der  Sterne  am  allerkräftigsten,  da  bei  allen 
übrigen  Doppelsternen  dieses  Resultat  sich  nur  auf  Wahrscheinlichkeits 
gründe  stützt,  deren  Gewicht  allerdings  überaus  gross  ist  (obwohl,  so 
viel  ich  weiss,  noch  von  Niemandem  mit  einigem  mathematischen  Geist 
abgewogen),  wo  aber  die  Zufälligkeit  der  Erscheinungen  bei  einem  ein- 
zelnen Sternpaar  immer  noch  sehr  gut  denkbar  bleibt,  und  nur  wegen 
des  Vorkommens  bei  so  vielen  Paaren  nicht  mehr  für  zufällig  gehalten 
werden  kann.  —  Eben  sehe  ich  erst,  durch  Struve's  Anmerkung  auf- 
merksam gemacht,  dass  von  l"-\  die  Summe  der  Halbmesser  erst  ab- 
gezogen werden  soll;  ich  kann  aber  nicht  gleich  finden,  w^oher  Steu\t; 
es  entlehnt  haben  mag,  dass  Herschel  die  Scheiben  2|  Durchmesser 
getrennt  gesehen  haben  soll;  Herschel  sagt  dies  wenigstens  in  seinem 
Verzeichniss  pg.  132  nicht.  Vielleicht  in  dem  späteren  Bande,  wo  die 
Beobb.  von  1803  angeführt  werden,  den  ich  nicht  gleich  zur  Hand  habe? 
Der  Gegenstand  scheint  einer  noch  genaueren  Untersuchung  zu  bedürfen. 
Für  heute  ist's  wohl  Zeit,  Sie  um  Verzeihung  zu  bitten,  dass  ich  so 
Delambrisch  breit  geworden  bin. 


0'2  Gauss  au  Ulbeis.     Celle,  1820  September  13. 


No.  391. 


Gauss  an  Olbers.  [m 


Celle,  1820  September  13. 

Ich  hatte  es  bis  zum  letzten  Tage  vor  meiner  Abreise  verschoben. 
Ihnen  davon  Nachricht  zu  g-eben,  weil  ich  bis  dahin  noch  durch  einen 
Brief  erfreut  zu  werden  hoffte.  Da  ich  aber  dann  durch  mehrere  Ab- 
haltungen daran  behindert  wurde,  so  benutze  ich  eine  \'iertelstunde,  die 
ich  hier  zuerst  frei  finde,  um  Ihnen  ein  paar  Zeilen  zugehen  zu  lassen. 

Ich  bin  gestern  früh  aus  Göttingen  abgereist  und  denke  übermorgen 
mit  dem  Dampfschiff  nach  Altona  überzugehen.  Bis  jetzt  scheint  mir 
das  Eeisen  noch  etwas  weniger  schlecht  zu  bekommen  als  im  vo- 
rigen Jahre. 

In  Hannover  habe  ich  heute  früh  nur  den  Minister  v.  Arnswaldt 
und  den  Geh.  Justizrath  Hoppenstedt  sehen  können.  Letzterer  ist 
A'ortragenäei"  Eath  in  Universitäts-Angelegenheiten  und,  wie  es  scheint. 
Avird  er  auch  wohl  vornehmlich  das  Organ  bei  den  Angelegenheiten  der 
Gradmessung  sein.  Ich  habe  absichtlich  vermieden,  das  was  die  Be- 
dingungen für  mich  und  meinen  Gehülfen  betrifft,  schon  bestimmt  zu 
berühren,  weil  ich  darüber  erst  noch  Ihren  Rath  zu  erhalten  hoffe,  auch 
bei  meiner  Rückreise  wahrscheinlich  etwas  länger  verweilen  werde  als 
diesmal,  wo  ich  jene  Visiten  nur  gleichsam  im  Fluge  machen  konnte. 
Inzwischen,  da  ich  ohnehin  schon  länger  die  Idee  gehabt  habe,  dass 
Schumacher's  Gehülfe,  Hr.  Caroc,  der  das  Muster  eines  Gehülfen  ist. 
mit  gebraucht  werde,  wenn  auch  nur  erst  für  den  Anfang,  um  die 
andern  Gehülfen  einüben  zu  helfen,  so  habe  ich  bei  Hrn.  Hoppenstedt 
(den  ich  auch  schon  seit  längerer  Zeit  kenne)  nur  eist  nachgeforscht, 
ob  es  nicht  etwa  sehr  ungern  gesehen  werde,  wenn  dann  noch  ein 
Ausländer  als  Gehülfe  angenommen  werde.  Er  hat  mir  aber  versichert, 
dass  von  dieser  Seite  keine  Bedenklichkeit  sein  dürfe.  Ich  habe  daher 
die  beste  Aussicht,  dass  es  mit  Hrn.  Treviranüs  sich  werde  machen 
lassen.  Für  den  andern  bleibenden  Gehülfen  würde  ich  dann  aus 
mancherlei  Ursachen  am  liebsten  einen  hannoverscheu  Oflicier  wünschen. 
Vielleicht  wird  der  Oberst  Prott.  der  jt'tzt  mit  dem  Herzog  von  Ca.ai- 
i!K[i)(!E  in  Wien  ist,  bei  meiner  Rückkehr  wieder  in  Hannover  sein  und 
dabei  rathen  können. 

Von  Reichenbach  hat  mir  Hr.  Struve  einstweilen  das  »nindlicJir 
\'erspreclien  zurückgebracht,  dass  er  mir  den  TheodolitluMi  auf  das 
Frühjalir  liefern  wolle.  Vielleicht  komme  ich  auch  zeitig  zu  einem 
Stutzschwanz,  oder  wie  REiCHENUACPr  es  nennt  rniversalinstrumenr. 
AVegen  des  Zenithsektors  ist  von  Hannover  aus  nach  Kngland  geschrieben, 
aber  noch  keine  Antwort  zurück. 


(umss  au  OUiers.     Toll.'.   1^_'U  St'iit.niluT  18.  33 

Die  Pariser  Akailemie  der  Wissenschaft tMi  hat  mir  die  Ehre  erzei^rt. 
mich  au  die  Stelle  von  Sir  Joseph  Banks  zum  Assucu'  etranger  zu  er- 
Avähh'U.  Der  Marquis  La  Plack  hat  mich  iu  eiuem  sehr  freuutllichen 
liriefe,  den  ich  so  zu  sayeii  mit  einem  Fuss  im  \\'ageu  erhielt.  da\ou 
henachrichtioft.  Die  ufticielle  Nachricht  würde  ich  erst  nach  erfolgter 
k(>nig:l.  Bestätigung  erhalten.  —  Sollten  Sie  die  bewussten  Sachen 
nicht  von  Hrn.  Epailia*  erhalten  können,  so  zweifle  ich  nicht,  dass 
La  Place,  wenn  ich  ihn  darum  ersuche,  sich  deswegen  mit  Nachdruck 
zu  verwenden  geneigt  sein  wird. 

Bei  der  Sonuentinsteruiss  war  das  Wetter  für  das  eigentliche  Be- 
ubacliteu  herzlich  schlecht.  Doch  war  die  Sonne  durch  die  ^^'olken 
von  Zeit  zu  Zeit  zu  seheii  und  gewährte  ein  ganz  artiges  Schauspiel. 
Beim  Anfang  der  Fiusterniss  war  die  Sonne  ganz  unsichtbar.  Die  drei 
andern  Phasen  sind  von  mii',  Harding,  Struve  und  Walbeck  ohne 
Blendgläser  beobachtet.  Die  verschiedeneu  Beobachter  harmoniren  aber 
sehr  schlecht.  Doch  halte  ich  meine  Beob.  des  Anfanges  des  Binges 
für  sehr  gut;  A\'albeck  hatte  ihn  0'',2  und  STRü^'E,  wie  ich  glaube,  2'',0 
später;  allein  der  Unterschied  zwischen  mir  und  Struve  erklärt  sich 
daraus,  dass  ich  den  Augenblick  notirte,  wo  zwischen  den  Hörnern  sicli 
zuerst  eine,  obwohl  noch  unterbrochene  Lichtlinie  zeigte,  Struve  hingegen 
den,  wo  der  Ring  ganz  vollständig  war;  letzterer  hat  also  den  Mond- 
halbmesser inkl.  der  Berge,  ich  exkl.  beobachtet.  Harding  hatte,  wenn 
ich  nicht  irre.  S''  früher.  ]\reine  beiden  andern  Phasen  gebe  ich  gern 
preis;  die  Wolken  waren  ^iel  dichter  wie  vorher,  und  ich  hatte  Mühe, 
mit  meinem  Heliometer-Halbobjektiv  auch  schon  vorher  die  Sonne  noch 
zu  erkennen.  Ich  beobachtete  mit  diesem  Instrument,  weil  ich  wünschte, 
den  Aequatoreal-  u.  Polardurchmesser  des  Mondes  auf  der  O  zu  messen; 
ich  fand  aber  leider,  dass  sich  diese  Gattung  von  Beobb.,  wenigstens 
unter  so  ungünstigen  Umständen,  bei  weitem  nicht  mit  der  Subtilität 
machen  lässt,  wie  die  von  Sonnen-Dui'chmessern.  Dazu  kommt,  dass 
vermuthlich  beim  Ablesen  (welches  ich  nicht  selbst  that)  P'ehler  begangen 
sind,  die  sich  vielleicht  nicht  mit  Gewissheit  werden  suppliren  lassen. 
Ich  weiss  daher  noch  nicht,  ob  sich  irgend  ein  Gebrauch  davon  wird 
machen  lassen.  —  Leider  habe  ich  vergessen,  eine  Abschrift  der  Beobb. 
mitzunehmen.  Doch  kann  ich  Ihnen  eine  von  Altona  aus  schicken,  da 
ich  sie  Hrn.  Walbeck  schon  mitgetheilt  habe. 

Da  ich  meine  Adresse  in  Holstein  nicht  angeben  kann,  so  würde 
ein  Brief  von  Ihnen  mich  wohl  am  Sichersten  unter  Couvert  an  Schu- 
macher treffen,  der,  so  viel  ich  mich  erinnere,  seine  Briefe  bei  Conrad 
HiNRicH  Donner  in  Altona  adressiren  lässt. 


Olbers      ir, 


34  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1820  September  17. 

^^.  392.  Olbers  an  (jauss.  [2u 

Bremen,  1820  September  17. 

Icli  danke  Ihnen  herzlich,  dass  Sie  mir  von  Celle  aus  Ihre  Reise 
nach  Holstein  gütigst  gemeldet  haben,  und  hoffe  nun  immer,  dass  Sie 
Bremen  bei  der  Gelegenheit,  da  es  Ihnen  nun  so  nahe  ist,  entweder 
bei  einer  etwaigen  Pause  in  Ihren  dortigen  Beschäftigungen  oder  viel- 
leicht bei  Ihrer  Rückreise  mit  einem  Besuch  beglücken  werden.  Frei- 
lich werden  Sie  mit  der  Wirthschaft  in  meinem,  leider  verwaisten  Hause 
gi'osse  Nachsicht  haben  müssen.  Gewissermaassen  sind  Sie  und  Prof. 
Schumacher  zu  dieser  kleinen  Exkursion  ex  officio  verpflichtet:  denn 
Sie  werden  doch  Ihren  Dänisch-Hannoverschen  Meridian  mit  dem  Fran- 
zösisch-Englischen durch  Anschliessung  an  die  KEATENHOFF'schen  Drei- 
ecke in  Verbindung  bringen?  Und  dann  könnte  bei  diesem  Ausflug 
nach  Bremen  vorläufig  das  Terrain  rekognoscirt  und  die  künftigen 
Triangel  projektirt  werden. 

Zu  der  Gerechtigkeit,  die  Ihnen  die  Akademie  in  Paris  hat  wider- 
fahren lassen,  wünsche  ich  Ihnen  von  ganzem  Herzen  Glück.  Ich  hatte 
es  eben  aus  Paris  erfahren,  als  Baron  Max  von  Vrints  (derselbe,  den 
wir  als  6jährigen  Knaben  bewunderten,  vnt  er  schon  im  Kopf  Kubik- 
wurzeln ausziehen  konnte,  der  aber  nachher  Mathematik  nicht  sonder- 
lich getrieben  hat)  bei  mii'  war,  und  diesem,  der  gleich  abreisen  wollte, 
aufgetragen,  Ihnen  mündlich  diese  Nachricht  zu  bringen,  da  ich  niclit 
wusste,  ob  sie  Ihnen  schon  bekannt  war.  Es  muss  Ihnen  lieb  sein, 
einen  so  verdienten  Vorgänger,  wie  der  Präsident  Banks  war,  gehabt 
zu  haben. 

Epailly  giebt  bisher  kein  Lebenszeichen  von  sich.  Aber  La  Place 
wird  gewiss  auf  Ihre  Aufforderung  alles  thun,  was  er  nur  thun  kann, 
und  dass  er  weit  mehr  thun  kann  als  Epailly,  ist  wohl  gewiss. 

Treviranus  habe  icli  nur  mal  vorläufig  sondirt,  ob  er  wohl  Nei- 
gung hätte,  bei  einer  solchen  Gradmessung  als  Gehülfe  angestellt  zu 
werden.  Lust  schien  er  zu  haben,  aber  natürlich  konnte  er  sich  auf 
eine  so  unbestimmte  Frage  auch  nicht  bestimmt  erklären.  Er  hat  noch 
immer  zu  thun  und  kann  einer  wiederholten,  dringenden  Anforderung, 
einer  grossen  Papiermülile  bei  Osnabrück  eine  verbesserte  Einrichtung 
zu  geben,  noch  keine  Folge  leisten. 

Die  Bedingungen  für  Ihre  Gehülfen,  lieber  Gauss,  werden  Sie  ja 
wohl  beiläufig  nach  denen  be.^timmen  können,  die  der  König  von  Däne- 
mark den  (lehülfen  vom  Prof.  Schumacher  bewilligt  hat.  Ein  gewöhn- 
licher Ingenieur  oder  Feldmesser  von  einigem  Range  erhält,  meine  ich. 
im  Hannoverschen  bei  freien  Transportmitteln  täglich  2  Rthlr.  Diäten. 


()lli.!<  ;ni  (iiiii«      I'.rciueii,  1820  September  17.  35 

Dass  (lies  bei  einer  (inuiiiu'ssiinu-  für  die  ohern  (lehülfen  viel  zu  wenig' 
sei,  scheint  mir  einleuchtend.  Wahrscheinlich  erhalten  die  dänischen 
Angestellten  beträchtlich  mehr. 

Einen  hannoverschen  Ofricier  oder  juntzen  Beamten  müssen  Sie 
iiDthwendig-  in  Ihrem  Gefolge  haben,  um  mit  den  Behörden  alles  ab- 
zumachen. Aui'h  ohne  Ihre  ausdrückliche  Veranlassung  werden  wohl 
alle  Beamte  angewiesen  werden,  jeder  Kequisition,  die  Sie  Behufs  der 
vom  König  befohlenen  Gradmessung  an  sie  gelangen  lassen,  ungesäumt 
Fdlge  zu  leisten,  und  ülterhaupt  Ihre  Geschäfte  möglichst  zu  befördern 
und  zu  erleichtern. 

Bei  der  grossen  Sonnenfinsterniss  ist  hier  das  Wetter  ungefähr  so 
gewesen  wie  in  Göttingen.  Auch  hier  war  der  Anfang  nicht,  der  King 
nur  durch  dünne  ^^"olken  und  das  Ende  bei  heiterer  Luft  zu  sehen. 
Hier  unsere,  des  Senator  Gilde^meistek  und  meine  Beob.  in  Bremer 
mittlerer  Zeit 

Sen.  Gildemeister      Olbeks 
Anfang  des  Ringes        2^  29'"  26^ ')       2"^  29'»  24* 
Ende  des  Ringes  2*^  34"^  41^  2''  34'"  4P 

Ende  der  Finstenüss     3^'  52'"  14>^  3'^  52"'  13* 

Unstreitig  ist  die  Beob.  von  G.  dei'  meinigen  vorzuziehen.  Er 
hatte  die  Vorsicht  gebraucht,  die  Dämpfgläser  von  seinem  Sextanten 
abzuschrauben,  und  hielt  diese  nun  in  freier  Hand  vor  dem  Okular. 
Dadurch  konnte  er  dem  bald  mehr,  bald  weniger  von  den  Wolken  be- 
deckten Sonnenbilde  immer  die  schickliche  Dämpfung  geben  und  seinen 
vortrefflichen  Fraunhofer  120  mal  vergrössern  lassen.  Ich  hatte  ein 
massig  verdunkelndes  Sonnenglas  vorgeschraubt,  wodurch  die  Sonne  bald 
zu  hell,  bald  zu  dunkel  erschien.  —  Die  Mondbreite  scheint  doch  nach 
den  Tafeln  fehlerhafter  zu  sein,  als  ich  geglaubt  hatte,  wenn  auch  ein 
Theil  des  Unterschiedes  der  Dauer  des  beobachteten  Ringes  von  der 
Rechnung  einer  Irradiation  der  Sonne  zugeschrieben  werden  muss. 
Alle  mir  bekannt  gewordenen  Beobb.  geben  zu  erkennen,  dass  die 
Mondbreite  südlicher  war,  als  sie  von  den  Tafeln  gegeben  wird. 

Die  Bedeckung  der  Plejaden-)  am  29.  Aug.  habe  ich  sehr  gut  be- 
obachtet.   Ist  diese  Bedeckung  auch  in  Göttingen  beobachtet  worden? 

Ueber  y  Virginis  und  andere  Gegenstände  Ihres  vorigen  Briefes 
nächstens  mehr.  Möge  die  Reise  Ihnen  gut  bekommen,  theuerster  Gauss, 
und  Sie  dort  eine  dauerhafte  Gesundheit  geniessen,  auch  die  Witterung 
Ihren  Operationen  zusagen! 


')  In  Bd.  I,  S.  574  steht  dafür  25.     Krm. 

-)  Eesultate   Bd.  I,    S.  575   und    genauer   Briefwechsel    Olbers-Bessel,    Brief 
No.  285.    Siehe  auch  Brief  No.  400  an  Gauss.     Krm. 


36  Olbers  au  Gauss,     [liremeu,  1820  bald  uacli  Septemljer  18.] 

xo.  393.  Olbers  au  Gauss.  [215 

[Bremen,  1820  bald  nach  September  18.] 

Ihren  vorletzten  Biief  liabe  ich  ihnen  nocli  nicht  beantwortet, 
worin  Sie  mir  unter  andern  so  interessante  Nachrichten  von  Ihren  un- 
^•ergleiclllichen  Werkzeugen  gaben.  Allerdings  ist  Ilir  Mittagsfernrohr 
auch  bloss  als  Fernrohr  betrachtet  von  einer  seltenen  Vollkommenheit. 
Ich  wurde  neulich  veranlasst,  einige  Betrachtungen  über  Fernrohre, 
und  besonders  über  das  Sehen  mit  Fernrohren  anzustellen,  wobei  meine 
Hauptabsicht  war,  unsere  Achromaten  und  Teleskope  mit  den  grossen 
ehemals  gebrauchten  unachromatischen  Sehwerkzeugen  zu  vergleichen. 
Für  Ihr  Mittagsfernrohr  finde  ich  dabei  aus  den  Dimensionen,  dass  es, 
für  ein  Auge  wie  das  meinige  gebaut,  die  Lichtstärke  der  damit  be- 
trachteten Gegenstände  =  200,3  geben  wird,  wenn  die  Lichtstärke  mit 
blossem  Auge  =  1  ist.  Bei  meinem  öfüssigen  Dollond  ist  diese  Licht- 
stärke =  130,7.  Ich  bin  aber  überzeugt,  dass  diese  Lichtstärken  für 
andere  Augen  anders,  und  besonders  füi-  natürlich  kurzsichtige  Augen 
grösser  ausfallen  werden,  so  wie  dann  auch  niyoi)ische  Augen  bei  gleicher 
Okular-Equipage  ein  grösseres  Bild  sehen.  In  Ansehung  der  Licht- 
stärke leistet  mein  Dolloiid  so  viel,  als  ein  ehemaliges  Fernrohr  von  34, 
Ihr  Mittagsfernrohr  als  eins  von  53  Fuss.  Vergrössern  kann  man  aber 
einen  Achromaten  viel  stärker  lassen  als  ein  unachromatisches  Fern- 
rohr von  gleicher  Lichtstärke.  Dies  und  die  Präcision  der  Bilder  u.  s.  w. 
hängt  dann  von  der  innern  Vollkommenheit  der  Sehwerkzeuge  ab. 
die  bei  Ihren  REiCHEXBACii'schen  Fernrohren  sehr  gross  scheint.  Dass 
übrigens  auch  die  altern  Astronomen  oft  sehr  gute  Fernrohre  in  ihrer 
Art  hatten,  lässt  sich  aus  ihren  Beobb.  schliessen.  Cassi>-i  sah  mit 
seinem  34füssigen  zuweilen  alle  5  Saturntrabanten,  während  ich  mit 
meinem  Dollond  auch  bei  dem  heitersten  Wetter  und  den  günstigsten 
Umständen  nie  mehr  wie  3  habe  erblicken  können. 

Die  Aufsuchung  des  ENCKE'schen  Kometen  im  künftigen  Jahr^)  wird 
besonders  die  Lichtstärke  unserer  Seliwerkzeuge  in  Anspruch  nehmen. 
Im  Frühjahr  1822  scheint  es  mir  gar  nicht  möglich,  den  Kometen  zu 
finden,  sein  niedriger  Stand  in  der  Abendröthe  macht  dies  bei  seiner 
grossen  Lichtschwäche  unmöglich.  Aber  im  Dec.  und  Jan.  ist  eher 
daran  zu  denken.  Wenn  der  Komet  hoch  am  Himmel  in  der  Nähe  des 
Sterns  Algenih  im  Pegasus  steht,  dürfte  es  eher  möglich  sein.  Ich  habe 
deswegen  Encke  gebeten,  doch  auch  für  diese  Monate  eine  Fphemeride 


*)   Im   Juui    1822   vou   J.    Dunlop   zu   ]\iraiiiatta    wieder   aufgefunden.     Vergl. 
Oi,BEKS  Brief  v.  G.  Febr.  u.  20.  Dec.  1823.     Krni. 


OHiiTs  an  (iaiiss.     [r.ii-mcn,  18'2U  liald  ii.m  ii  >.|,t,-ni])or  18.j  37 

ZU  Itcrecliiit'ii.     Ks  wird  allrs  (lai;inf  aiikniniiicii.  t>li  der  eine  Faktor  der 

Lichtstärke  —  (r  =- Abstand  drs    Komretenl   von    der    Sonne),  den    wir 
r- 

leider  dnrcli  kt'in  o]>tisclies  Werkzeug  vergi-össern  können,  die  Helliv:- 
keit.  noch  p-rnss  aenng-  bleibt,  ihn  von  dem  nie  ganz  dunkeln  Hinnnels- 
grunde  zu  unterscheiden.  Seine  scheinbare  Grösse  wird  inuiier  hin- 
reichend gross  sein,  da  sie  noch  im  Dec.  1821  über  30"  beträgt.  Er 
ist  im  Jan.  1821  etwa  Gmal  kleiner,  aber  auch  3 mal  blasser,  als  er 
am  27.  Xov.  1818  bei  seiner  Entdeckung  durch  Pons  war. 

Mit  Recht  fragen  Sie  bei  der  ÜASsiNfschen  Beob.  der  Bedeckung 
von  ;•  Virginis,  ob  diese  Beob.  gut  und  vollständig  und  von  Struyck 
richtig  berechnet  sei?  P^rsteres  kann  ich  bejahen,  allein  auf  letzteres 
mus^?  ich  nun  bestimmt  nein  sagen.  Wenn  es  Sie,  lieber  Gauss,  nicht 
zu  sehr  langweilt,  so  möchte  ich  etw'as  umständlicher  über  diesen  Stern 
sein.  Ich  kenne  nur  3  Bedeckungen,  die  so  beobachtet  wurden,  dass 
man  auf  beide  Sterne  Rücksicht  nahm. 

1)  die  erste  und  wichtigste  von  Cassini  d.  20.  Apr.  1820.^)  C[assini] 
bemerkt  vorher,  dass  dieser  Stern  durch  ein  Fernrohr  von  1 1  Fuss  nur 
länglich  erscheine,  mit  einem  von  16  Fuss  sonderten  sich  aber  beide 
Sterne  deutlich  von  einander  ab,  und  es  blieb  ein  Raum  zwischen  beiden, 
der  einem  scheinbaren  Durchmesser  der  Sterne  gleich  war. 

p:intritt  von  y"-  12»'  25'"  lA' 
y-  25    44 

Austritt  von  beiden 

zugleich  12''  51'"  16* 

Dies  wird  ivahre  Zeit  sein,  in  der  damals  alle  Beobb.  angegeben 
wurden.  Um  12'*  51'"  16^  wurde  man  beider  Sterne  zugleich  gewahi-, 
und  sie  standen  dem  Mondrand  parallel. 

2)  Die  zweite  von  Messiek  mit  einem  30 zölligen  Teleskop,  das 
104  mal  vergrösserte. 

1762  wahre  Zeit  Apr.  7.     6''  56'"  19*^- Immers.  y'^ 

6  56    25  2        „        y- 

7  34    14  i   Emers.  y^ 

7    34    22  i         „        f 

Les  quatre  moments,  fügt  Messier  hinzu,  ont  ete  observes  avec 
tout  le  soin  imaginable. 

3)  Auch  von  Messier,  aber  unvollständig  mit  einem  Achromat, 
40   Zoll    Brennweite    150  mal    vergrössernd.      Ce    grossissement    etait 


^)  Schreibfehler,  niuss  1720  lieissen.    Krui. 


38  Olbers  an  Gauss.     [Bremen,  1820  bald  nach  September  18.] 

necessaire,  pour  pouvoir  apercevoir  la  Separation  de  deux  etoiles.  qui 
n'en  forment  qu'une  avec  un  grossissement  moindre,  comme  de  30  k  40. 
1775  Aug.  1.     8''  3'»  52n  Immers.  7^ 
8    4      Ol         ,,        y- 

Die  Austritte  konnten  natürlicli  nicht  beobachtet  werden. 

Ich  traute  der  mir  sonst  bekannten  Genauigkeit  und  Zuverlässig- 
keit Struyck's  zu  viel.  Auf  Ihre  Veranlassung  habe  ich  die  Stelle  bei 
Ste[uyck]  näher  angesehen,  und  da  ergab  sich  1)  dass  Ste[uyck]  die 
Bedeckung  gar  nicht  berechnet,  sondern  sich  mit  einer  Schätzung  be- 
gnügt haben  muss.  Dies  folgt  schon  daraus,  dass  Str[uyck]  die  Be- 
deckung in  der  Nacht  vom  21.  auf  den  22.  Apr.  vorgehen  lässt.  Frei- 
lich kann  man  Cassini,  der  seine  Beob.,  ich  möchte  sagen,  etwas  vor- 
nehm erzählt,  leicht  so  verstehen;  aber  ein  kleiner  Ueberschlag  in 
Vergleichung  mit  der  zugleich  angegebenen  Zeit  des  Vollmondes  zeigt 
doch  gleich,  dass  es  die  Nacht  vom  20.  auf  den  21.  Api-.  war;  2)  dass 
Str[uyck]  selbst  aus  den  von  ihm  angenommenen,  nicht  berechneten 
Umständen  den  Abstand  beider  Sterne  nicht  kleiner  als  4i",  sondern 
grösser  als  8"  hätte  finden  müssen. 

Es  wird  also  sehr  Avahrscheinlich,  dass  wirklich,  wie  Sie  und  Stkuve 
vermutheten,  die  Distanz  dieser  Sterne  ehemals  grösser  war  als  jetzt, 
aber  es  bleibt  doch  noch  immer  zu  bewundern,  dass  Bradley  und 
Maytir  mit  den  Fernrohren  ihrer  Quadranten  den  Stern  als  doppelt 
erkannten.  So  bald  ich  Zeit  gewinne,  werde  ich  die  CASsixi'sche  Beob. 
berechnen.  Sie  muss  sowohl  den  Abstand  als  den  Positionswinkel  beider 
Sterne  sehr  genau  geben. 

Bei  Struyck  muss  ich.  wieder  erwähnen,  dass  Hr.  v.  Zach  in  seiner 
Corr.  Ästr.  Okt.  1819  p.  411  seq.  abermals  des  Breitern  über  die  Be- 
deckung des  Jupiter  am  23.  Nov.  755  sich  auslässt,  und  die  Entdeckung, 
dass  dies  nicht  Aldeharan  gewesen  sei,  Lambert  zuschreibt.  Er  hatte 
diesen  Irrthum  schon  einmal  in  seiner  MonaÜ.  Korrespondenz  begangen; 
ich  zeigte  ihm  in  einem  Briefe,  den  er  auch  damals  abdrucken  liess.M 
umständlich  an,  dass  Struyck  schon  35  Jahr  vor  Lambert  dies  völlig 
ausgemacht  und  berechnet  habe.  Dies  hat  Hr.  v.  Zach  völlig  vergessen, 
und  thut  doch,  als  ob  er  Struyck's  Schriften  (p.  412)  gelesen  habe,  so 
wie  Lambert,  der  auch  gewiss  Struyck  nicht  in  Händen  hatte,  sondern 
seine  STRUYCK'schen  Finsternisse  in  den  Berliner  astronomischen  Tafeln 
aus  Ferguson  genommen  hat.  FERiiUSON's  Auszug  aus  Struyck  muss 
unvollständig  sein,  und  so  hatte  immer  einer  den  andern  ausgeschrieben 
und  sich  auf  den  andern  verlassen. 

Warum  erfahren  wir  iiiclits  melir  von  der  neuen  Sternwarte  a  la 


1)  Vergl.  Bd.  I,  No.  148,  S.  r.04.    Scli 


(niuss  an  Olber?;.     Alt.jjia,   1820  Oktober  4.  39 

Marita  bei  Liicca?  Hat  sich  iiocli  kein  Direktor  derselben  frefunden?  — 
Wie  mag-  es  jetzt  mit  der  Sternwarte  auf  dem  lierolds- Berge  bei 
Ofen  aussehen? 

Bei  (leleofenheit  der  letzten  Sonnentinsterniss  habe  ich  mich  wieder 
x'lii'  anirfnehm  iiberzeujrt,  wie  genau  meine  Sternverschwindungen  hinter 
(Ifiii  Thnrin  der  Donikirche  die  Zeitberichtigung  geben.  Natürlich  wurde 
ditsnml  lue  Ihr  ilinvli  korrespondirende  Sonnenhöhen,  an  zwei  Tagen 
genommen,  berichtii^r  Aber  die  aus  den  Verschwindungen  abgeleitete 
riirverbesserung  tiel  zwischen  die  beiden,  sehr  wenig  verschiedenen 
Werthe.  die  die  beiden  Reihen  der  korrespondirendeu  Sonnenhöhen 
gaben.  Das  Azimuth  der  vertikalen  Seite  des  Thurmes  habe  ich  schon 
vor  20  Jahren  sehr  genau  bestimmt,  und  nun  finde  ich  sogleich  den 
Stundenwinkel  t  eines  verschwindenden  Stei-ns  durch  die  sehr  bequeme 
Fdrmel: 

log  cos  (t  —  •S(f  19'  34")  =  log  Konst.  +  log  fang  deck 
Ich  kann  also  jeden  Augenblick  meine  Uhr  bis  auf  P  berichtigen. 

Sehr  neugierig  bin  ich,  von  Ihnen  zu  erfahren,  wie  Ihre  jetzigen 
Operationen  bei  der  Basismessung  vorschreiten,  auch  wie  weit  Hr.  Prof. 
ScHi'MACHEK.  deui  icli  mich  wie  Hrn.  Repsold  zu  empfehlen  bitte,  in 
dieser  ( 'ampagne  mit  der  Gradmessung  gekommen  ist.  —  Von  EpAUiLY 
höre  ich  nun,  nach  8  Wochen,  noch  nichts. 

Sehr  freue  ich  mich,  dass  der  treffliche  Encke  seine  Störungs- 
rechnungen über  seinen  Kometen^)  glücklich  beendigt  hat.  Das  nächste 
Perihel  1822  Mai  24  scheint  mir  bis  auf  etwa  12  oder  18  Stunden  sicher 
bestimmt.  Dass  die  Umlaufszeit  näfch  und  nach  etwas  kürzer  zu  werden 
scheint,  ist  der  Voraussetzung,  die  Kometen  möchten  doch  wohl  einigen 
Widerstand  bei  ihrer  Bewegung  im  Weltraum  erleiden,  zwar  günstig, 
doch  lässt  sich  natürlich  noch  nichts  Gewisses  darüber  sagen.  —  Der 
Name  des  PoNs'schen  Kometen,  den  Prof.  Encke  diesem  merkwürdigen 
Weltkörper  beilegt,  will  mir  aus  mehreren  Gründen  nicht  gefallen,  so 
sehr  ich  Pons'  Verdienste   um   die   Kometen- Astronomie  auch  schätze. 

Verzeihen  Sie  die  Gehaltlosigkeit  dieses  Briefes. 


No.  394.  Gauss  an  Olbers.')  [179 

Altona,  1820  Oktober  4. 
Durch   Ihre   beiden    Briefe,   der   eine   vom   17.  Sept.,   der   andere 
ohne   Datum,   haben   Sie   mich   sehr   erfreut.    Ihre  Beob.  der  Sonnen- 


^)  Komet  Eucke  1819  I.     Vergl.  Brief  Xo.  385  an  Gauss.     Krm. 
■-)  Dieser  Brief  ist  in  deutschen  Lettern  e-eschrieben.    Krm. 


40  Gauss  an  Olbers.     Altona,  1820  Oktober  4. 

finsterniss  habe  ich  Hrn.  Rümker  übergeben,  der  sie  bereclniet  hat 
und  mit  der  Berechnung-  von  andern,  z.  B.  der  Mannheimer,  noch  jetzt 
beschäftigt  ist.  Bessel  hat  mir  die  Reduktionen  der  Beobb.  von  13 
Zenithaisternen  mitgetheilt,  die  den  T'nterscliied  zwischen  (iöttingen 
und  Königsberg  so  geben: 

0  Draconis 3'^11'2".67 

2  Cephei  H 2,83 

48  Draconis 3,73^) 

53  Draconis 3,47 

33  Cygni 4,51 1) 

49  Draconis 3,62 

c  Draconis 3,12  ^j 

51  Draconis 3,43 

X  Cygni 3,90 

20  Cygni 4,04 

i  Cygni 4,22 

c  Cygni  praec 3,69 

0  Cygni 4,20 

Mittel  3«11'3",65^ 

Bessel  sagt,  diese  Uebereinstimmung  sei  weit  geringer,  als  er  er- 
wartet habe.  Ich  weiss  nicht,  ob  diese  Erwartung  bei  nichtwieder- 
holenden  Kreisen  von  17J^  Zoll  Radius  nicht  etwas  unbillig  war.  und 
gestehe  gern,  dass  ich  mit  dieser  Uebereinstimmung  ganz  zufrieden  bin. 
Anders  verhält  es  sich  aber  mit  d5r  Vergleich ung  dieses  Endresultates 
mit  den  Polhöhen,  wie  wir  sie  sonst  annahmen.  Ich  setze  meine 
51«31'48",7,  woraus  die  von  Königsberg  =  540  42'52",3  folgt,  wofür 
Bessel  nur  54*^  42'  50",6  annimmt.  Sehr  neugierig  bin  ich  auf  die 
Resultate  der  Beobb.  mit  dem  Sektor,  allein  von  Schumacher's  Beobb. 
ist  noc]i  gar  nichts  reducirt. 

Sie  werden  sich  vielleicht  wundern,  wenn  ich  Ihnen  sage,  dass 
die  Basismessung  noch  gar  nicht  angefangen  ist.  Ich  glaubte  bei 
meiner  Ankunft  hierselbst,  dass  auf  der  Stelle  Avürde  angefangen  wer- 
den können,  allein  mit  der  Vollendung  des  Apparats  hat  es  sich  bis 
jetzt  verzögert.  Es  ist  vielleicht  ganz  gut  für  mich,  dass  ich  einmal 
das  Unangenehme  von  unzulänglicher  Beschäftigung  kennen  leruf.  um 
mich  weniger  zu  beschweren,  wenn  ich.  wie  oft  bisher  zu  Hause,  unter 
?u  vieler  Arbeit  litt.   Aber  darum  thut  mir  diese  Verzögerun»-  vielfach 


')  In  einem  Briefe  von  Besskl  an  Gauss  (Briefwechsel  No.  123)  findet  sieh  da- 
gegen 3",72,  2",89,  3",10,  3",b2.  Im  Mittel  stimmen  beide  mit  den  zugehörigen 
Zahlen.    Seh. 


(iaiiss  au  Olbers.    Altuua,  1820  Oktober  4.  41 

leid,  Weil  ich.  halte  ich  sie  voraussehen  können,  so  gern  erst  einige 
Zeit  bei  Ihnen  zugebracht  hätte.  Nunmehr  werde  ich  mich,  da  so 
manches  mich  nach  Güttingen  dringend  zurückruft,  darauf  beschränken 
müssen,  dem  Anfange  der  Basismessung  beizuwohnen,  die  hoffentlich 
Ende  dieser  Woche  wird  anfangen  können. 

Einen  Versuch  haben  wir  doch  in  dieser  Zeit  hier  gemacht  (nach- 
dem einige  andere  wegen  des  Wetters  missglückt  -waren),  der  ein  iuter- 
es.santes  "Resultat  gegeben  hat.  Die  angezündeten  ARGAXu'schen  Lampen 
mit  Heverberes  sind  hfi  Tage  in  einer  Entfernung  von  3.1  Meilen  sehr 
sch("»n  zu  sehen.  Gegenwärtig  sind  wir  an  einem  neuen  Versuche; 
morgen  wird  eine  solche  Lampe  in  Lübeck  aufgestellt,  und  es  ist  mir 
nicht  unwahrscheinlich,  dass.  wenn  sonst  das  A\'etter  günstig  ist,  wir 
auch  diese  auf  dem  Michaelisthurm  in  Hamburg  bei  Tage  werden  sehen 
können,  obgleich  die  Entfernung  über  8  Meilen  beträgt.  Bestätigt  sich 
dies,  so  hätte  ich  grosse  Lust,  bei  meiner  ganzen  künftigen  Triangu- 
lation keine  andern  Signale  als  solche  Lampen  bei  Tage  zu  gebrauchen. 
Sie  geben  allemal  weit  bessere  Zielpunkte  ab  als  die  Signalthürme; 
mit  dem  nächtlichen  Gebrauche  sind  aber  theils  grosse  Unbe(iuenilich- 
keiten  verknüpft,  theils  würde  auch  die  Fadenbeleuclitung  Schwierig- 
keiten machen. 

Die  Art.  wie  Hr.  v.  Zach  sich  in  dem  Jan.-Hefte  seiner  Zeitschrift 
o-egen  die  Franzosen  verantwortet,  ist  doch  wohl  sehr  zu  missbilligen. 
ScHUMAcHEE  ist  mit  dem  3Iissbrauclie  seiner  Briefe  und  der  für  das 
Publikum  nicht  bestimmten  Mittheilungen  sehr  unzufrieden,  um  so 
mehr,  da  Z.  manches  so  gestellt  hat.  dass  es  ganz  falsch  verstanden 
werden  muss. 

Ihre  Mittheilungen  zur  Vergleichung  der  älteren  und  neueren  Fern- 
rohre waren  mir  sehr  interessant;  nur  ist  mir  nicht  völlig  klar,  weshalb 
die  Lichtstärke  der  Fernrohre  für  kurzsichtige  Augen  grösser  ist,  als  für 
weitsichtige.  Die  Lichtstärke,  Avie  sie  bei  Fernrohren  statt  hat,  schien 
mir,  vorausgesetzt  dass  die  Fernrohre  wenigstens  so  starke  Vergrösse- 
rung  haben,  dass  das  Bild  des  Objektivs  gewiss  immer  kleiner  ist  als 
der  Augenstern,  für  alle  Augen  dieselbe,  während  eher  die  Lichtstärke 
für  das  unbewaffnete  kurzsichtige  Auge  mir  grösser  däuchte,  Aveil  diese 
gewöhnlich  eine  grössere  Pupille  haben;  wenigstens  ist  dies  bei  meinen 
Augen  sehr  der  Fall.  Wäre  diese  Ansicht  richtig  (was  sie  ohne 
Zweifel  nicht  ist),  so  gewänne  der  Kurzsichtige  beim  (lebrauch  des- 
selben Fernrohrs  weniger  als  der  ^^'eitsichtige.  Sie  werden  mich, 
theuerster  Olbees.  durch  eine  nähere  gütige  Belehrung  sehr  verbinden. 


42  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1820  Oktober  6. 

No.  395.  Olbers  an  Gauss.  [216 

Bremen.  1820  Oktober  0. 

Es  ist  mir  liüclist  schmerzlich,  wenn  ich  die  Hoffnung,  Sie  dies 
Jahr  hier  zu  sehen,  ganz  aufgeben  soll!  Sie  hätten  dann  auch  unseren 
Treviranus  selbst  sehen  und  sprechen  können,  den  ich  noch  immer  für 
ein  sehr  nützliches  Glied  unter  Ihren  künftigen  Gehülfen  bei  der  Grad- 
messung halten  möchte.  Wie  brauchbar  würde  er  z.  B.  bei  P'ertigung 
eines  Apparats  zur  Basismessung  seini 

Sehr  danke  ich  Ihnen  für  die  ]\Iittheilung  der  Unterschiede  der 
Polhöhen  von  Göttingen  und  Königsberg  nach  den  13  Sternen.  Ich 
Degi'eife  nicht,  wie  Bessel  die  Uebereinstiramung  unter  den  verschie- 
denen Resultaten  weit  grösser  erwarten  konnte.  Meine  Erwartung  ist 
übertroffen;  keiner  der  Unterschiede  weicht  eine  ganze  Sekunde  vom 
^Mittel  ab,  und  dies  Mittel  aus  allen  muss  also  einen  grossen  Grad  von 
Genauigkeit  haben.  Nun  bin  ich  sehr  neugierig,  die  Vergleichung  der- 
selben Zenithdistanzen  mit  Pond's  seinen  zu  sehen  und  zu  erfahren, 
was  diese  in  Ansehung  der  Unterschiede  der  Polhöhen  von  Greenwich 
und  Göttingen  und  Königsberg  geben  wird.  Ungern  vermisse  ich  dess- 
wegen  y  Draconls  unter  den  verglichenen  Sternen,  da  dieser  in  Green- 
wich so  oft  mit  dem  Zenithsektor  beobachtet  ist.  Ich  denke,  eine  solche 
Vergleichung  der  Polhöhen  muss  in  der  praktischen  Astronomie  noch 
viel  aufklären. 

Sehr  verwundert  hat  es  mich,  dass  eine  ARGAXD'sche  Lampe  hn 
Tage  in  einer  solchen  Entfernung  gesehen  werden  kann,  ^^'elche  Fern- 
rohre haben  Sie  dabei  gebraucht?  AMrd  dies  denn  auch  durch  die 
Fernrohre  der  Theodolithen  möglich  sein?  —  Ich  bitte  sehr,  lieber 
Gauss,  sagen  Sie  mir  doch,  ob  der  Versuch  mit  Lübeck  geglückt  ist. 
Die  Witterung  muss  ihn,  wenn  sie  dort  so  ist  wie  hier,  sehr  begünstigt 
haben. 

Das  Jan. -Heft  der  Correfip.  astrott.  ist  mir  noch  nicht  zu  Gesicht 
gekommen.  Aber  überhaupt,  unter  uns  gesagt,  schwatzt  und  schwa- 
dronirt  mir  der  Hr.  Baron  v.  Zach  doch  nachgerade  ein  wenig  zu  viel, 
und  man  fühlt  unangenehm,  dass  so  manches  bloss  gesagt  wird,  um 
den  Bogen  zu  füllen.  Nach  dem,  was  Sie  mir  über  Schumachek's 
Klagen  sagen,  wird  sich  künftig  jeder  scheuen,  Zach  etwas  mitzutheilen. 
Auch  BuRCKHARDT  in  Paris  wusste  mir  nicht  genug  zu  sagen,  welchen 
bittern  Verdruss  ihm  Zach's  Indiskretion  in  Bekanntmachung  von  Briefen 
verursacht  habe.  Dies  war  auch  die  Ursache  ilirer  fortdauernden  l'n- 
einigkeit. 

Sie   haben    ganz   Recht,  theuerstei-  Gavss,  wenn  die  Oeftuung  der 


Olbers  an  Gau->.     linnuii.   1S20  Oktoinr  ti.  43 

Pupille  bei  kurzsichtigen  Augen  grösser  ist,  als  bei  weitsichtigen,  so 
niuss  diesen  vielmehr  die  Lichtstärke  der  Fernrohre  verhältnissmiissig 
kleiner  erscheinen.  Aber  in  den  kurzsichtigen  Augen,  die  ich  näher  zu 
untersuchen  Anlass  hatte,  war  die  Pupille  bei  gleichem  Lichte  kleiner, 
und  ich  schloss  daraus,  dass  diese  für  das  Licht  empfindlicher  sind,  als 
weitsichtige.  —  Ueberliaupt  ist  es  schwer,  auch  nur  cinigermaassen  zu 
bestimmen,  wie  weit  sich  die  Pupille  bei  dunkler  Nacht  öflfnet,  da  man 
sie  dann  gerade  nicht  sehen  kann.  —  Herschel  nimmt  dafür  0,2  eines 
englischen  Zolls  =  2,25  Pariser  Linien  an.  und  glaubt  so  recht  viel 
anzunehmen,  um.  wie  er  sagt,  die  ^\'irkung  seiner  Teleskope  nicht  zu 
überschätzen.  Aber  er  hat  sie  viel  zu  klein  genommen.  In  meinem 
Auge  ist  die  ganze  Breite  der  Iris  =  4,9  Par.  Lin.,  und  bei  massigem 
Tageslicht  war  noch  die  Oeft'nung  der  Pupille  =  2,7  Lin.,  wenn  sich 
das  Auge  auf  entfernte  Gegenstände  einrichtete.  Lambert  fand  seine 
Iris  4,7  Par.  Lin.  breit,  und  nach  seiner  Messung,  die  ich  freilich  nicht 
für  ganz  genau  halten  kann,  war  seine  Pupille  3,1  Linien  im  Durch- 
messer, wie  er  in  einem  verdunkelten  Zimmer  ein  Objekt  betrachtete, 
das  8  bis  10  mal  mehr  Lichtstärke  hatte  als  der  Vollmond.  Ich  habe 
also  bei  meinen  Berechnungen  der  verschiedenen  Lichtstärke  der  Fern- 
rohre wolil  noch  eher  zu  wenig  als  zu  viel  angenommen,  wenn  ich  den 
hurchmesser  der  Pupille,  d,  bei  Nacht  =  3  Pariser  Linien  setze.  — 
Herschel  zieht  die  Quadratwurzel  aus  der  Lichtstärke  der  Fernrohi'e, 
und  nennt  diese  die  raumdurchdringende  Kraft  derselben,  die  er  wohl 
von  der  Vergrösserung  zu  unterscheiden  ei'innert.  Ich  finde  es  weit 
natürlicher  unter  den  beiden  Faktoren  der  Lichtstärke,  der  Helligkeit 
und  der  Vergrösserung,  deren  Produkt  für  jedes  Fernrohr  konstant  ist, 
wohl  zu  unterscheiden.  Dadurch  wird  man  in  den  Stand  gesetzt,  alle 
die  Erscheinungen,  die  Herschel  bei  seinen  Teleskopen  wahrgenommen 
hat,  so  wie  andere  Erfahrungen,  die  ich  selbst  gehabt  habe,  leicht  und 
befriedigend  zu  erklären. 

So  kinderleicht  dieser  Theil  von  der  Theorie  des  Sehens  durch 
Fernrohre  auch  ist,  so  herrschen  doch  bei  Astronomen,  weil  sie  nie 
darüber  nachgedacht  haben,  noch  oft  Vorurtheile  über  die  Wirkung 
optischer  \\'erkzeuge,  die  hauptsächlich  aus  Verwechselung  der  J^egritfe 
von  Helligkeit  und  Lichtstärke  herrühren. 

Sie  würden  mir  einen  Gefallen  erzeigen,  lieber  Gauss,  Avenn  Sie 
mal  gelegentlich  den  Durchmesser  Ihrer  Iris  und  Ihrer  Pupille  bei 
massigem  Tageslicht  bestimmen  wollten.  Sollten  Sie  eine  solche  Messung 
vor  dem  Spiegel  anstellen,  so  raüsste  die  Distanz  des  Auges  vom  Spiegel 
wohl  zugleich  mit  bestimmt  werden. 

Bei  den  schönen  Abenden,  die  wir  jetzt  haben,  ist  mir  wieder  der 
noch   nirgends   erwähnte   Sternhaufen  in   der  Wade    des   Wassermanns 


44  Gauss  an  Olber.s.     Göttingen,  1>^20  Deceinber  3. 

aufgefallen,  der  im  Kometensucher  einen  ausgebreiteten  .schwachen  Nebel- 
fleck von  unregelmässiger  Figur  vorstellt.  Er  ist  nur  bei  sehr  heiterm 
Wetter  zu  bemerken.  Die  Mitte  hat  etwa  334'^  50' ^  und  21'M0' 
südliche  Dekl. 

Ich  bitte  um  viele  Empfehlungen  an  Hrn.  Prof.  Schumachek  und 
Eepsold  und  wünsche  viel  Glück  zu  der  Basismessung. 


No.  396.  Gauss  an  Olbers.  [iso 

Göttingen,  1820  December  3. 

Verzeihen  Sie  mir,  dass  ich,  obgleich  schon  über  einen  Monat  von 
meiner  Reise  zurück,  Ihnen  noch  gar  kein  Lebenszeichen  gegeben  habe. 
Immer  hoffte  ich  von  einem  Tage  zum  andern,  Ihnen  über  mehreres 
meine  Gradmessung  betreifend  etwas  ganz  Bestimmtes  schreiben  zu 
können.  Aber  leider  ist  bisher  meine  Hoffnung  getäuscht.  Es  geht 
mir  beinahe  mit  allen  darauf  Bezug  habenden  Sachen  ganz  konträr. 
1)  Bei  Reichenbach  hatte  ich  schon  Anfang  Aug.  einen  Theodolithen 
bestellt.  Mündlich  hat  mir  Struve  gesagt,  Reichenbach  wolle  mir 
diesen  Theodolithen  auf  das  Frühjahr  liefern.  Von  Altena  aus,  wohin 
Schumacher  sein  Universalinstrument  (vulgo  Stutzschwanz)  von  Kopen- 
hagen kommen  zu  lassen  die  (Gefälligkeit  hatte  (da  ich  nie  ein  solches 
Instrument,  das  besonders  für  Azimuthalbestimmungen  sehr  brauchbar 
ist  [gesehen]),  schrieb  ich  im  Anfang  Okt.  zum  2.  Male,  bat  dringend 
um  Antwort  wegen  des  Theodolithen  und  bestellte  zugleich  ein  solches 
Univ.-Instr.,  dergleichen,  wie  ich  gehört  hatte,  2  schon  beinahe  vollendet 
waren.  Aber  immer  keine  Antwort.  Freilich  weiss  ich  aus  Erfahrung, 
dass  die  Künstler  ungern  schreiben.  Ich  habe  mich  deswegen  an  Hrn. 
Soldner  gewandt,  bittend  mir  eine  Nachricht  zu  geben,  wie  es  mit  jenen 
Instrumenten  stehe,  auch  von  dem  noch  keine  Antwort,  obsehon  3  ^^'ochen 
seitdem  verflossen  sind.  —  2)  Da  Sie  von  Epailly  wegen  der  Dreiecke 
keine  Antwort  erhalten,  so  habe  ich  mich  deshalb  an  La  Place  gewandt 
und  ihn  dringend  um  seine  Vermittlung  gebeten;  allein  obgleich  es  auch 
schon  fast  4  AVochen  sind,  —  noch  keine  Antwort.  —  3)  Repsglp  hatte 
mir  versprochen,  so  bald  er  nach  Hamburg  zurückkäme,  mir  eine  Lampe 
mit  Reverbere  zu  schicken,  indem  ich  noch  in  diesem  A\"inter  mehreri' 
Versuche  damit  zu  machen  wünschte,  deren  Erfolg  auf  mt^inen  ( »perations- 
plan  viel  Einfluss  haben  wird.  Allein,  obgleich  icli  ihn  durch  Schu- 
macher noch  einmal  habe  erinnern  lassen,  bis  diese  Stumle  weder  Urief 


Gauss  an  Olbirs.     ijüttinücn,   ISl'O  Deciiiiber  3.  45 

noch  Lampe!  Verzeilien  Sie,  bester  Olbers,  meine  langweiligen  Klagen. 
Aber  ich  gestehe  Ihnen,  dass  dieser  schlechte  Anfang  meines  Geschäfts 
in  Kücksicht  anf  solche  L'mstände,  wobei  ich  gam  von  andern  Menschm 
(ihhf'mgig  hin,  iiiicli  /iiwcilen  missmnthig  macht,  inul  zuweilen  einen  leisen 
Zweifel  anfkomnien  lässt.  ob  ich  nicht  besser  gethan  hätte,  mich  gar 
nicht  einzulassen. 

Bei  allen  diesen'  Widerwärtigkeiten  ist  mir  doch  endlich,  obgleich 
auch  nach  tausendfacher  Mühe  und  Verdriesslichkeit,  eines  gelungen, 
was  auch  selbst  mit  meiner  (^radmessung  in  einigem  Zusammenhange 
steht,  Sie  wissen,  wie  ungeschickt  der  Platz  für  meine  Sternwarte  in 
Rücksicht  auf  ein  wesentliches  Bedürfniss  ausgewählt  war.  Der  Meridian 
geht  im  Norden  fast  eine  Viertelmeile  weit  dui-ch  Obstgärten,  und  in 
den  meisten  derselben  stehen  Gartenhäuser.  Es  blieb  ungewiss,  ob  nicht. 
wenn  auch  alle  Bäume  weggenommen  wären,  doch  die  Gebäude  die 
^löglichkeit  das  hinterliegende  Land  zu  sehen  aufhöben,  so  lange  nicht 
von  der  ganzen  Gegend  eine  genaue  Aufnahme  gemacht  war,  da  von 
hier  aus  schon  die  zwei  ersten  Gärten  selbst  im  Winter,  wo  die  Bäume 
entlaubt  sind,  alle  weitere  Aussicht  versperrten.  Ebenso  war  es  nicht 
möglich,  im  voraus  die  Anzahl  der  wegzunehmenden  Bäume  auch  nur 
näherungsAveise  zu  schätzen,  und  noch  weniger  die  Kosten,  da  keine 
durchgreifenden  Mittel  angewandt  werden  durften,  sondern  alles  durch 
gütliche  Uebereinkunft  abgethan  werden  musste,  wobei  man  sich  auf 
die  unverschämtesten  P'orderungen  gefasst  machen  musste.  Einer  meiner 
Zuhörer  und  hiesiger  Privatdocent  der  praktischen  Geometrie  erfreute 
mich  bei  meiner  Zurückkunft  mit  einem  Plane  dieses  Theils  der  LTm- 
gebungen  der  Stadt,  woraus  hervorging,  dass  nur  3  Gebäude  in  oder 
nahe  bei  dem  einen  Meridiandurchschnitt  lagen.  Ich  überzeugte  mich 
bald  nachher,  dass  nur  eines  dieser  Gebäude  wirklich  von  dem  Meridian 
getroffen  wurde.  Durch  einige  Operationen  fand  ich,  dass  das  hinter- 
liegende Land  von  dem  Platz  der  Merid.-Instr.  aus  sich  fast  in  der- 
selben Höhe  oder  i  Min.  tiefer  als  die  First  dieses  Gebäudes  zeigen 
musste,  wenn  die  übrigen  Hindernisse  weggeräumt  waren.  Diese  Be- 
stimmung Involvirte  aber  eine  Fngewissheit  von  wenigstens  2  Minuten. 
Inzwischen  hoffend,  dass  im  schlimmsten  Fall  entweder  durch  eine  be- 
deutende Höhe  des  Meridianzeichens  oder  durch  Abänderung  des  Daches 
des  Gebäudes  zu  helfen  sein  würde,  griff  ich  ans  AVei'k  und  nachdem 
der  ganze  Nov.  mit  höchst  verdriesslichen  Unterhandlungen,  Antreiben  etc. 
hingegangen,  habe  ich  endlich  seit  gestern  das  Vergnügen,  am  Reichen- 
BACH'schen  M[ittags]-F[ernrohr]  und  M[eridian]-K[reis]  Land  zu  sehen! 
Der  Zufall  ist  dabei  noch  günstig  gewesen.  Die  ^Mittagslinie  geht  näm- 
lich nicht  über  die  oberste  First  des  Gebäudes,  sondern  etwas  seitwärts 
über   den    schrägen   Abhang,  so  dass  im  Meridianpunkte  das  Terrain 


46  Gauss  an  Olbers.     Güttingeu.  1820  December  3. 


Form  gebe:  tl    Der  helle  Zwischenraum,  der  etwa  11"  breit  erscheinen 


noch  fast  2  Minuten  höher  als  das  Dach  erscheint.')  Noch  im  Lauf 
dieser  Woche  hotte  ich  mein  Interimszeichen  zu  setzen,  dem  ich  diese 

n 

wird,  soll  durch  den  Meridianfaden  bisecirt  werden;  der  Querriegel  wird 
zwischen  die  beiden  horizontalen  Fäden  des  Kreisnetzes  gefasst.  Der 
Fuss  des  Zeichens  erscheint  0°  41'  hoch,  also  leider  bleibt  «  Lyrae  in 
ihrer  untern  Kulmination  einige  Minuten  unter  demselben;  nach  ein 
paar  hundert  Jahren  werden  meine  Nachfolger  das  Vergnügen  haben, 
sie  nach  und  nach  auftauchen  zu  sehen.  Das  Terrain  ist  ein  Hügel 
etwas  NO  von  Weende  sehr  nahe  5000  Meter  von  der  Sternwarte  ent- 
fernt, und  das  Signal  projicirt  sich  gegen  den  Himmel. 

Das  wäre  nun  der  Nord-Durchschnitt.  Im  Süden  werde  ich  künftig 
auch  noch  durch  die  vorliegenden  Obstbäume  durchzudringen  suchen. 
Aber  das  Terrain  ist  dann  viel  ungünstiger.  In  einer  Entfernung  von 
etwa  14  Meilen  ist  der  Horizont  durch  einen  dichtbewaldeten  Berg 
begrenzt.  Hier  durchzuhauen  (zumal  da  es  Privatwaldung  ist)  würde 
die  grössten  Schwierigkeiten  haben;  auch  ist  die  Entfernung  für  das 
deutliche  Sehen  (wegen  der  fast  immer  beschwerlichen  Dünste  in  der 
Luft)  schon  zu  gross;  näher  aber  wird  das  Signal  sich  nicht  gegen  den 
Himmel  projiciren.  Doch  werde  ich  wohl  das  Letztere  wählen  und  es 
nicht  sowohl  zur  Berichtigung  der  Instrumente  anwenden,  als  dazu, 
damit  ich  bei  meiner  Gradmessung  eine  längere  und  schicklichere  Linie 
habe,  deren  Azimuth  aufs  Genaueste  bekannt  ist.  Freilich  wäre  es 
sehr  wünschenswerth,  wenn  der  zweite  Spalt  für  den  KEPsoLü'schen 
Kreis  ebenso  frei  gemacht  würde,  so  dass  sich  am  Ende  die  Orientirung 
auf  3  ganz  verschiedene  Instrumente  gründete,  allein  mich  graut,  ein 
so  höchst  verdriessliches  Geschäft  zum  zweiten  Male  durchzumachen, 
zumal  da  ich  meist  mit  denselben  Eigenthümern  zu  thun  haben  würde, 
die  vermuthlich  das  zweite  Mal  noch  halsstarriger  und  unverschämter 
sein  würden,  es  sei  denn,  dass  man  mir  von  Hannover  aus  die  Mittel 
gebe,  jene  nöthigen  Falls  durch  obrigkeitliche  Hülfe  zur  Willfährigkeit 
zu  zwingen,  oder  auch,  dass  man  mich  autorisire,  die  Sache  ohne  alle 
Rücksicht  auf  die  Grösse  der  Kosten  durchzusetzen. 

Jetzt  noch  ein  paar  Worte  über  einen  andern  Gegenstand.  Das 
Nachdenken  über  den  Gebrauch  der  Lampensignale  bei  Tage,  anstatt 
der  Signalthürme  hat  mich  noch  auf  eine  andere  Idee  gebracht,  von 
der,  wenn  auch  nicht  allgemein,  doch  in  einzelnen  Fällen  ein  Gebrauch 
und  vielleicht  ein  seJir  vort heilhafter  Gebrauch  gemacht  werden  könnte. 


')  Die  Abbildung-  von  der  Lage  des  betr.  Hauses  zur  Mittag-slinie  befindet  sich 
im  Briefwechsel  zwischen  Gaiss  und  Bessel  S.  370  und  ist  daher  hier  torto:elasseu.  Seh. 


Gauss  an  (tllu-r>.     (iiittiiii:i-ii.   l>Ju  l»t,-ci-iiiber  3.  47 

Krste  Veranlassung  gnh  dazu  die  P^rinneiung  an  eine  Erfahiuno:,  die 
ich  1818  in  Liinebur«-  machte,  wo  ich  in  der  Entfernung:  von  6  Meilen 
das  zufällig  von  einem  [Sonnenstrahl  getroffene]  M  Fenster  des  obersten 
Kabinets  im  Michaelisthurm  in  Hamburg  als  einen  überaus  glänzenden 
liichtpunkt  sah.  Kin  Kc^chnungsüberschlag  lässt  mich  hoffen,  dass  von 
tMUtui  gut  gearbeitett^n' und  hinreichend  genau  gerichteten  PlanspiegeJ 
Von  einem  ZollDurchmesser  das  reflektirte  Sonnenlicht,  insofern  es  nicht 
gar  zu  schief  aufgefallen,  in  einer  solchen  Entfernung  von  6  ereilen 
und  selbst  in  viel  grössern  durch  Fernrohre,  wie  sie  an  den  Theodülithen 
gebraucht  werden,  noch  immer  sehr  schön  zu  sehen  sein  müsste.  Nichts 
hindert  ja  aber  auch,  die  Spiegel,  wenn  es  nöthig  ist,  noch  grösser  zu 
nehmen.  Ein  Fehler  von  5'  in  Eichtung.  oder  genau  genommen  einer, 
der  nicht  grösser  ist  als  |  Sonnendurchmesser,  hindert  die  Brauchbar- 
keit noch  gar  nicht,  ich  habe  daher  über  eine  Maschine  nachgesonnen, 
wodurch  die  Stellung  des  Spiegels  überall  leicht  erhalten  und  bei  ge- 
höriger Achtsamkeit  auch  unterhalten  werden  kann  ohne  Uhrwerk  und 
Weltaxe,  kurz  eine  Art  von  portativem  Heliostat.  Mir  däucht,  die 
Gestalt,  auf  die  ich  nach  mehi-eren  Umänderungen  gekommen  bin,  ist 
wohl  die  einfachste.  Sie  gründet  sich  darauf,  dass,  wenn  ein  Spiegel 
die  Sonnenstrahlen  nach  einer  vorgeschriebenen  Eichtung  reflektiren 
SHJl,  seine  Fläche  auf  der  Basis  eines  gleichschenkligen  Dreiecks  senk- 
recht sein  muss,  während  die  Eichtung  der  einen  Seite  nach  der  Sonne, 
die  der  andern  nach  dem  zu  erleuchtenden  Objekt  gekehrt  ist  (die  beiden 
Seiten  in  entgegengesetzter  Eichtung  verstanden,  d,  i.  die  eine  von  der 
Spitze  des  Dreiecks  nach  der  Basis,  die  andere  von  der  Basis  nach  der 
Spitze).  Beiliegende  Zeichnung-)  wird  dies  wohl  hinlänglich  erklären. 
Haben  Sie  doch  die  Güte  mir  Hire  Meinung  darüber  zu  sagen  und  auch 
Hrn.  Teevibanus  deswegen  zu  befragen,  der  vielleicht  noch  vortheilhaftere 
Abänderungen  ersinnt,  ihn  auch  zu  fragen,  für  welchen  Preis  ungefähr 
eine  solche  Maschine  geliefert  werden  könnte.  Ich  möchte  wohl  erst 
eine  zur  Probe  machen  lassen;  zeigte  sie  sich  brauchbar,  so  würdeich 
aber  wenigstens  2  oder  3  haben  müssen.  Die  Dimensionen  brauchten 
nicht  gross  zu  sein,  wenn  die  Arbeit  recht  akkurat  wäre.  Ich  meine, 
ein  Fernrohr  von  etwa  9  Zoll  wäre  hinreichend.     Der  Spiegel  und  das 


^)  In  das  Beobachtuugsjouriial  hat  Gauss  bei  der  3Iessuug  des  Winkels  Ham- 
burg-Hohenhorn  eingetragen:  „Hamburg  schlecht  zu  sehen;  das  westliche  von  der 
Sonne  beleuchtete  Fenster  genirte  das  Pointiren."  Später  hat  er  hinzugefügt: 
„NB.  Diese  Erfahrung  ist  die  erste  Veranlassung  zu  der  im  Herbst  1820  gemachten 
Erfindung  des  Heliotrops  gewesen."  Genaueres  hierüber  findet  sich  in  Gauss'  "Werken 
Bd.  IX,  S.  461—484.     Krni. 

-)  Die  Zeichnung  ist  von  Olbers  zurückgeschickt  worden  un<l  nielit  mehr  vor- 
handen.    Seh. 


4g  Olbers  an  Gauss.     Bremen.  1820  December  9. 

Fadenkreuz  des  Fernrohrs  müssten  wohl  jedes  2  Korrektionen  liaben. 
damit  man  nicht  zu  sehr  von  der  vollkommenen  Ausführung  des  Künstlers 
abliinge. 

Aus  den  oben  angeführten  Umständen  sehen  Sie.  theuerster  Freund, 
dass  ich  in  diesem  Augenblick  die  Zeit  des  Anfangs  der  Operationen 
noch  nicht  ganz  genau  und  ebenso  wenig  meinen  Operationsplan  fest- 
setzen, daher  auch  meine  Gehülfen  noch  nicht  ganz  bestimmt  engagiren 
kann.  Vielleicht  erhalte  ich  aber  doch  endlich  bald  die  ersehnte  Aus- 
kunft. Ich  habe  Ihnen  schon  gesagt,  dass  ich  nach  dem  Zeugniss,  welches 
Sie  Hrn.  Tkeviranus  geben,  sehr  gern  diesen  als  Gehülfen  haben 
möchte.  Halb  und  halb  habe  ich  auch  schon  dem  Artillerie-Kapitän 
Müller  in  Hannovei-  (nicht  dem  Verfertiger  der  Karte  von  H[aunoverl, 
sondern  einem  andern,  der  ehemals  mein  Zuhörer  gewesen  ist)  das  Ver- 
sprechen gegeben,  ihn  zu  employiren.  In  Rücksicht  auf  Hrn.  Tr[e\t:ranus] 
würde  man  mir  in  Hannover  auch  keine  Schwierigkeiten  machen.  Hätten 
Sie  wohl  nicht  die  Güte  mir  anzuzeigen,  welche  Bedingungen  Sie,  in- 
sofern er  Neigung  dazu  hat,  für  angemessen  hielten?  Mehrere  Rück- 
sichten sind  freilich  zu  nehmen.  Für  die  ganze  Operation  rechnet  man 
etwa  1500  Pfd.  Sterling,  (unter  uns  gesagt)  welche  Summe  ich  ilem 
Grafen  Münster  angezeigt  hatte,  und  die  Kosten  würden  daher,  wenn 
auch  vielleicht  etwas,  doch  nicht  viel  über  diese  Grenze  hinausgehen 
dürfen.  Auch  müssten  die  Diäten  doch  in  einigem  Verhältniss  stehen. 
Die  Kapitänsdiäten  bei  uns  sind,  wie  ich  höre.  2  Rthlr.  (Lieutenants- 
diäten nur  1  Rthlr.),  wozu,  wenn  ich  nicht  irre,  noch  8  Gr.  Quartier- 
geld kommen.  Schumacher's  Gehülfen  Zahrtmann,  Xehus  und  v.  Hoxx- 
HAUSEN  haben  jeder  1\  Species  oder  etwa  2{  Thaler.  Konv.-G.  Caroc 
hat  zwar  jetzt  beträchtlich  mehr,  aber  dieser  leistet  auch  ausserordent- 
lich viel,  so  dass  Schumacher  sich  ganz  auf  ihn  verlassen  und  alles 
durch  ihn  ausführen  lassen  kann,  wie  er  z.  B.  einen  Theil  des  Dreiecks- 
netzes, die  Beobb.  mit  dem  Zenithsektor  u.  s.  w.  ganz  allein  gemacht 
hat.  Erzeigen  Sie  mir  die  Freundschaft,  theuerster  Olbers,  mir  Ihre 
Meinung  unverhohlen  zu  sagen.  (Es  versteht  sich,  dass  die  Transport- 
kosten besonders  berechnet  werden.) 

P.  S.  Die  beiliegende  Zeichnung  erbitte  ich  mir  demnächst  Avieder 
zurück,  da  ich  eventualiter  darüber  auch  noch  einen  andern  Künstler 
um  Rath  fragen  kann. 


No.  397.  Olbers  au  Gauss.  [n? 

Bremen,  1S20  December  9. 
Hier  zuerst  die  Zeichnung   Ihres  so  sinnreich   ausgedachten  trag- 
baren Heliostats  zurück.     Treviranus  hat  sie  gesehen,  und.  indem  ich 


olbcrs  au  «iau-s.     r.i,-iii<ii.   lt<20  licciinlicr  9.  4ij 

ihm  (las,  was  darauf  I^ezu«;-  liat,  aus  llireiu  Hiiefe  abo:escliriebpn  halte, 
ilaiüber  nachgeiladit.  Gleich  f?ab  er,  wie  inieli  dünkt,  sehr  richtip:  an, 
die  Theorie  der  Maschine  beruhe  auf  dem  l)ekannten  g:eümetrischen 
.Satz,  dass  über  derselben  ("horde  der  ^^■inkel  an  der  Peripherie  halb 
so  jrross  sei.  als  am  Zentrum.  Ihre  Kinrichtung-  fand  er  durchaus  zweck- 
mässig- und  bewunderte  die  genaue  ^'orschrift  der  Konstruktion.  Als 
Künstler  bemerkte  er  nur  noch  a)  ob  es  nicht  gerathen  sei,  das  Okular- 
stück  KI  des  Fernrohrs  länger  als  den  Schwanz  des  Spiegels  ML 
zu  machen,  weil  sonst  in  einigen  Lagen  des  Fernrohrs  jener  Schwanz 
dem  beobachtenden  Auge  hinderlich  sein  möchte.  Diese  Verlängerung 
des  Fernrohrs  \vürde  gar  nicht  nachtheilig  sein,  da  sie  am  Objektiv- 
ende H  kontrabalancirt  werden  könnte,  h)  Ob  es  nicht  vielleicht  besser 
sei,  die  Hülse  bei  Q  an  den  Schwanz  des  Spiegels  und  den  Zapfen 
an  AQ  zu  nehmen.  Er  meint,  wegen  der  Form  SS  des  Stückes  AQ 
würde  sonst  der  Zapfen  zu  kurz  werden.  3)  Das  Schwanzstück  ML 
würde  der  Künstler  v\ohl  lieber  viereckig  als  rund  machen.  Es  sei 
schwer,  ein  so  langes,  doch  wohl  höchstens  \  Zoll  dickes,  Stück  abzu- 
tlrehen,  dass  es  völlig  gerade  bliebe.  —  Die  Kosten,  meint  er,  Avürden 
nicht  sehr  gross  sein.  Er  selbst  könne  sich  aber  nicht  mit  der  Ferti- 
gung befassen,  da  er  jetzt  kein  Atelier  zu  dergleichen  Werkzeugen  habe. 

Zur  Beantwortung  meiner  Anfrage,  ob  und  unter  welchen  Be- 
«lingungen  er  als  (^ehülfe  bei  der  (Tradmessung  assistiren  wolle,  hat  er 
sich  eine  kleine  Bedenkzeit  erbeten,  die  ich  ihm  salva  raüficatione  auf 
hiicltstens  14  Tage  zugestanden  habe.  Er  äusserte,  noch  allerlei  Auf- 
träge und  Geschäfte  zu  haben,  die  er,  wenn  er  die  Stelle  eines  Gehülfeii 
annähme,  theils  zurückweisen,  theils  unterbrechen  müsste.  Lukrativ 
könne  der  Natur  der  Sache  nach  eine  solche  Gehülfenstelle  nicht  sein; 
wenn  er  sich  dazu  hingezogen  fühle,  so  geschähe  es  theils  aus  Liebe 
zur  Sache,  theils  in  der  Erwartung,  dabei  gelegentlich  viel  von  Ihnen 
zu  lernen,  theils  auch  in  der  Hoffnung,  dadurch  der  hannoverschen  Re- 
girung  bekannt  zu  werden,  und,  wenn  er  sich  Ihre  Gewogenheit  er- 
worben habe,  vielleicht  durch  Hire  Empfehlung  künftig  einmal  eine  für 
ihn  passende  Anstellung  bei  irgend  einem  Maschinenwesen  z.  B.  auf 
dem  Harz  bei  Salinen  und  dergleichen  zu  erhalten.  —  Gern  hätte  er 
vorher  gewusst,  wie  lange  das  Messungs-Geschäft  wohl  wahrscheinlich 
dauern  werde  u.  s.  w.  —  Sobald  er  sich  bestimmt  erklärt,  werde  ich 
Ihnen  sogleich  davon  Nachricht  geben. 

Ich  kann  es  mir  lebhaft  denken,  wie  unangenehm  es  Ihnen  sein 
nmss,  so  lange  auf  die  Antworten  der  schreibfaulen  Künstler  unter 
solchen  Umständen  warten  zu  müssen.  Von  Epailly  ist  durchaus  nichts 
eingegangen,  und  ich  verzweifle  nun  ganz  daran,  von  ihm  etwas  zu 
hören  und  zu  erhalten. 

Olbors.     II,  2.  4 


50  Olbers  an  (rauss.     Bremen,  1821  Januar  9. 

An  den  Hrn.  Geheimen  Justiz-Rath  Hoppenstedt  faucli  einen  Ilirer 
ivarmen  Verehrer)  hatte  ich  dieser  Tage  (jelegenheit  zu  schreiben,  und 
habe  mii',  welches  Sie  verzeihen  werden,  die  Erlaubniss  g-enommen,  ihm 
die  Triangulirung  des  ganzen  Königreichs  Hannover  und  die  An- 
schliessung  der  hannoverschen  Dreiecke  an  die  KRAYENHorr'schen  als 
wünschenswerth  vorzustellen, 

Schumacher  scheint  doch,  wahrscheinlich  auch  oft  von  Künstlern 
aufgehalten,  langsam  vorzurücken.  Dass  noch  gar  keine  Beobb.  reducirt 
sind,  mag  den  Vortheil  haben,  dass  die  neuen  um  so  unbefangener  an- 
gestellt werden,  da  man  gar  nicht  vorher  weiss,  was  man  als  überein- 
stimmend mit  dem  Vorigen  finden  sollte.  Aber  ich  meine  doch,  die 
schon  angefangene  Reduktion  würde  viele  andere  vielleicht  überwiegende 
Vortheile  gewähren. 

Vorgestern  habe  ich  durch  Dr.  Albers  an  den  Obermedicinalrath 
Blumenbach  zwei  Stücke  von  Nicholson's  PhüosophicaJ  Magmine  zur 
Ansicht  geschickt,  worin  ein  sehr  bitterer,  aber  merkwürdiger  Auf- 
satz über  den  verewigten  Banks  enthalten  ist.  Banks  wird  darin 
als  ein  roher,  adelsstolzer,  herrschsüchtiger  und  rachgieriger  Mann  von 
sehr  geringen  Kenntnissen  und  weniger  Bildung  geschildert.  So  ein- 
seitig und  partheiisch  das  Urtheil  des  ungenannten  Verfassers  (vielleicht 
Olinthus  Gregory?)  offenbar  in  vielen  Stücken  ist,  so  interressante 
Data  werden  doch  über  die  innere  Geschichte  der  Londoner  Societät  u.  s.  w. 
gegeben.  —  Sehen  Sie  doch  auch  diese  beiden  Journal-Stücke  einmal 
an,  in  welchen  auch  noch  etwas  über  Dr.  Kitchiner's  neu  erfundenem 
Fancratic  Eye-Tuhe  vorkommt.  Wenn  das,  mir  Unglaubliche,  was  von 
dieser  Okularröhre  gerühmt  wird,  wahr  sein  sollte,  so  müsste  sich  sehr 
angenehm  damit  beobachten  lassen.  Dass  man  durch  Entfernung  der 
beiden  Gläser  des  zusammengesetzten  Mikroskops,  mit  dem  K[itchiner] 
das  vom  Objektiv  formirte  Bild  betrachtet,  von  einander  jede  Ver- 
grösserung  hervorbringen  kann,  ist  mir  begreiflich,  aber  es  scheint  mir. 
dass  dadurch  jeder  Fehler  des  Bildes,  der  von  der  nicht  ganz  gehobenen 
Farbenzerstreuung,  Abweichung  der  Figur  u.  s.  w.  herrührt,  aucli  stark 
vergrössert  werden  müsse. 

Um  die  Post  nicht  zu  versäumen,  muss  ich  eiligst  schliesseu. 


No.  398.  Olbers  an  Gauss.  [21s 

Bremen.    ISJl  Januar  9. 

So  eben  war  Teeviranüs  bei  mir,  uml  ich  eile  um  so  mehr,  Ihnen 
seinen  Entschluss  mitzutheilen,  ila  dieser  ahleJmend  aus2:efallen  ist.    Er 


Olbers  an  ("Jauss.     Bremen,  IS'll  Jannar  9.  51 

sagt  mir,  so  grosse  Lust  er  auch  zur  'riuMlualiiue  au  der  Gradmessuug 
habe,  so  viele  Beleliruug  er  sieh  auch  davuu  verspreclie,  so  habe  er  es 
doch  nach  reiflicher  Ueberlegung  uumr)glich  gefunden,  wegen  mehrerer 
ihm  aufgetragener  und  von  ihm  angenommener  Maschinerie-Einrichtungen 
sich  gegen  die  Zeit  des  wahrscheinlichen  Anfangs  Ihrer  Campagne  be- 
stimmt frei  zu  machen,  und  da  er  wohl  wisse,  dass  er  Sie  nicht  in 
l'ugewissheit  erhalten  dürfe,  so  sähe  er  sich  ungern  genöthigt,  auf  die 
ihm  zugedachte  Ehre  ^'erzicht  zu  leisten.  Er  danke  übrigens  aufs 
Verptlichteste  für  das  ihm  bezeigte  geneigte  Zutrauen,  und  hoffe,  Sie 
würden  ihm  Ihr  ^^'ohlwollen  deswegen  nicht  entziehen. 

Es  tliut  mir  leid,  mein  theurer  Freund,  dass  Sie  diesen  gewiss 
brauchbaren  (Tchülfen  nicht  erhalten,  ob  ich  gleich  nicht  zweifle,  dass 
Sie  Gelegenheit  genug  finden  werden,  ihn  wieder  zu  ersetzen.  Sie 
werden  sich  indessen  erinnern,  dass  ich  immer  einigen  Zweifel  geäussert 
habe,   ob   Tbevieanus   eine   Gehülfen-Stelle  würde  annehmen  können. 

Ich  habe  mit  dem  Anfange  dieses  Jahres  nun  wirklich  alle  meine 
ärztlichen  Geschäfte  niedergelegt.  Ich  fühlte  in  den  letzten  Wochen, 
dass  es  hohe  Zeit  war,  diesen  Entschluss  auszuführen,  da  meine  Kräfte 
wirklich  immer  mehr  abnahmen,  und  mir  das  Gehen,  besonders  aber 
das  Treppensteigen  immer  beschwerlicher  wurde.  Die  nun  erlangte 
Ruhe  kommt  mir  wenigstens  behaglicher  vor,  wenn  ich  gleich  von  der 
mir  gewordenen  Müsse  noch  nicht  viel  empfinde,  da  ich  nun  noch  viele 
vorher  versäumte  Privatgeschäfte  in  Ordnung  zu  bringen  habe. 

Encke  hat  nun  glücklich  entdeckt  und  erwiesen,  dass  der  verächt- 
liche d'Angos  die  Beobb.  eines  von  ihm  angeblich  im  Jahr  1784  ent- 
deckten Kometen  aus  vorher  willkürlich  angenommenen  Elementen  bloss 
berechnet,  also  völlig  erdichtet  habe.  Mir  war  dies  längst  wahrschein- 
lich; aber  die  vorgeblichen  Beobb.  stimmten  gar  nicht  mit  den  Ele- 
menten, und  ich  konnte  mit  aller  Mühe  keinen  konstanten  Fehler  in 
dem  Rechnungsverfahren  finden.  Enckk^)  ist  glücklicher  und  scharf- 
sichtiger gewesen.  Der  eitle  unbesonnene  Ritter  hat  den  Radius  ^'ector 
des  Kometen  jedesmal  10 mal  grösser  genommen,  als  er  aus  den  Ele- 
menten folgt;  eine  Etourderie,  die  man  für  unglaublich  halten  sollte, 
wenn  sie  nicht  von  Encke  so  klar  bewiesen  wäre. 

Ich  habe  nun  Zach's  sogenannte  Vertheidigung  gegen  die  fran- 
zösischen Astronomen,  namentlich  Arago  gelesen,  und  finde  allerdings 
sein  Verfahren  höchst  tadelnswürdig.  Besonders  muss  es  Schumacher 
sehr  empfindlich  sein.  —  Audi  mich   sucht  er  gewissermaassen  in  die 


1)  „Imposture  astronomique  grossiere  du  Chevalier  d'Angos"  in  der  Correspondance 
Astronomique,  IV.  S.  456.  Siehe  auch  Galle's  Kometenverzeichniss  S.  179.  Einiges 
hierüber  findet  sich  auch  in  Olbers  Bd.  I.    S.  Persönliches  No.  14.     Krm. 

4* 


52  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1821  Januar  13. 

Streitigkeit  zu  verwickeln,  da  er  unaufliörlicli  vom  Xichtumschlagen  der 
Blätter  spricht,  über  welche  Entschuldigung  Delambre's  ich  mich  doch 
nie  beklagt  habe,  da  ich  sie,  so  sonderbar  sie  auch  ist.  wirklich  für 
wahr  halte.  Ganz  ungegründet  ist  aber  Zach's  Zusatz,  als  ob  sich 
Delambee  dadurch  etwas  von  mir  hätte  zueignen  wollen. 

Die  Conn.  des  tems  für  1823,  und  die  Mailänder  Ephemeriden  für 
1820  habe  ich  noch  nicht  erhalten.     Sind  sie  Ihnen  schon  zugekommen? 

Was  hören  Sie  von  der  neuen  astronomischen  Societät  in  England? 
Ich  habe  bloss  erfahren,  dass  in  einer  altern  Sitzung  ein  Aufsatz  von 
Ihnen  über  die  Bestimmung  des  geographischen  Längenunterschiedes 
durch  Yergleichung  des  kulminirenden  Mondes  mit  bestimmten  Fixsternen 
vorgelesen  worden  ist.  —  Wie  gross  machen  Sie  die  Länge  der  neuen 
Sternwarte  in  Göttingen? 

Sie  würden  mich  verpflichten,  lieber  Gauss,  wenn  Sie  mir  gefälligst 
Ihre  Beob.  der  Plejadeii-Bedeckimg  vom  29.  Aug.  1820  schicken  wollten. 

Ich   darf   die   Post   nicht   versäumen    und   muss   eiliofst  schliessen. 


xo.  399.  Gauss  an  Olbers.')  [isi 

Göttingen,  1821  Januar  13. 

Ich  eile  Ihren  letzten  Brief  sogleich  zu  beantworten. 

Vor  allem  muss  ich  Ihnen  meine  herzliche  Freude  und  meinen 
Glückwunsch  bezeugen,  dass  Sie  nunmehr  die  schweren  und  angreifenden 
Geschäfte  niedergelegt  haben,  und  nun  ganz  den  Wissenschaften  und 
Ihren  Freunden  leben  können. 

Ungei-n  habe  ich  die  Erklärung  des  Hrn.  Treviranüs  vernommen. 
Sollte  der  von  ihm  angegebene  Grund  nur  die  ostensible  Ursache  sein. 
so  muss  ich  die  Sache  freilich  als  abgemacht  ansehen.  Sollte  hingegen 
jeuer  buchstäblich  verstanden  werden  müssen,  so  bliebe  doch  noch  eine 
.Möglichkeit,  unsern  Plan  zu  realisiren.  Denn  obgleich  ich  gern  so  früh 
wie  möglich,  d.  i.  gegen  die  Mitte  des  März,  meine  Operationen  ange 
fangen  hätte,  so  werde  ich  damit  jetzt  ohnehin  länger  warten  müssen, 
da  es  mit  allem,  was  ich  bedarf,  so  widerwärtii>-  geht.  Sollte  also  Hi\ 
Treviranüs  auch  erst  Ende  Apr.  oder  auch  allenfalls  erst  Glitte  Mai 
frei  und  zur  Theilnahme  geneigt  sein,  so  würde  ich  auch  dauiit  zufrieden 
sein;  nur  würde  ich  dann  doch  um  eine  baldige  Erklärung  bitten 
müssen. 

Reichenbach  hat  mir  tMullich  geantwortet.     Er.  oder  vielmehr  sein 


')  Dieser  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krni. 


(Ji\u<s  an  Olbtr:;.     (iöttiiiofen.  1821  Jaiiuar  i:].  53 

"WerknifisttT  Kutel,  verspricht  mir  den  Tlieodolithen  Ende  Apr.  und 
den  Stutzsciiwanz  im  Juli.  Dag-egen  habe  ich  von  ÜErsoLD  weder  die 
parabolischen  K'everberes  noch  Antwort  auf  meine  wiederholten  Briefe 
erhalten,  worin  ich  ihm  auch  mein  Projekt  eines  Heliostats  anzeigte, 
freilich  ohne  sonderliche  Hoifnung.  durch  diesen  Künstler  so  bald  etwas 
eiiialten  zu  können.     Leider  ist  auch  Hr.  Rumpf  noch  immer  abwesend. 

lU'i  allen  diesen  Widerwärtigkeiten  ist  mein  Plan,  insow^eit  ich  bis 
jetzt  einen  machen  kann,  nicht  mit  der  nördlichen  Hälfte,  sondern  mit 
der  südlichen  anzufangen.  Allerlei  kleine  Verlegenheiten  und  unvor- 
hergesehene Umstände  werden  hier,  nahe  bei  der  Heimath,  sich  leichter 
redressiren  lassen,  als  wenn  ich  30  Meilen  von  hier  anfinge.  Dazu 
kommt,  dass  es  mir  leichter  sein  wird,  zwischen  hier  und  Hannover 
schickliche  Stationen  aufzutinden.  8o  bald  die  Witterung  es  einiger- 
maassen  erlaubt  (vielleicht  in  einem  Monat),  denke  ich  selbst  ein  paar 
Punkte  zu  untersuchen.  Vielleicht  könnte  man  mit  sehr  wenigen  grossen 
]  )reiecken  diese  südliche  Hälfte  umspannen,  als  1)  Hohehagen,  Brocken, 
Hilsberg,  2)  Brocken,  Hilsberg,  ßraunschweig,  3)  Braunschweig,  Hils- 
berg,  Hannover.  Die  Seite  Hohehagen,  Brocken  würde  leicht  mit  den 
mir  mitgetheilten  preussischen  A  A  in  Verbindung  gebracht  werden 
können,  an  die  auch  schon  die  Seeberger  Sternwarte  angeschlossen  ist, 
und  Göttingen  würde  sich  dann  auch  leicht,  wenn  noch  ein  oder  ein 
paar  Xebenpunkte  zugezogen  würden,  anschliessen  lassen.  Ich  weiss 
aber  nicht,  ob  jenes  Dreieckssystem  durchaus  praktikabel  ist,  besonders 
bleibt  noch  ungewiss,  ob  vom  Hilsberg  Braunschweig  zu  sehen  sein 
wird.  Auch  würden  bei  der  Grösse  der  Seiten  günstige  Umstände  zum 
Beobachten  erforderlich  sein,  und  vermuthlich  würden  die  Heliostate, 
wenn  ich  welche  hätte,  gute  Dienste  thun.  Denn  aufrichtig  gesagt, 
die  Beobb.  mit  Reverberes  bei  Nacht  scheinen  doch  viele  sehr  grosse 
Inkonvenienzen  zu  haben,  wenn  die  Standpunkte  hohe  abgelegene  und 
schwer  zugängliche  Berge  sind,  der  Schwierigkeiten  der  Fadenbeleuch- 
tung, des  Findens  der  Objekte  u.  s.  w.  nicht  einmal  zu  gedenken. 
Sollte  Reichenbach  mich  bedeutend  länger  hinhalten,  als  er  versprochen 
hat,  so  würde  ich,  w^enn  sonst  alles  vorbereitet  ist,  zu  Anfang  die 
Winkel  mit  dem  12  zoll.  Repetitionskreise  messen,  und  auch  dies  ist 
ein  Grund  mehr,  im  Süden  anzufangen,  da  ich  in  einem  solchen  Fall 
die  Winkelmessungen,  mit  denen  ich  etw^a  noch  nicht  ganz  zufrieden 
wäre,  nach  Ankunft  des  Theodolithen  dann  leichter  w^iederholen  kann. 

Sollte^)  es  in  Zukunft  bei  der  wirklichen  Messung  mit  allen  äussern 
Umständen   besser   gehen,   als   es  bisher  den  Anschein  hat,  so  glaube 


1)  Dieser  die  haimoversche  Triangulation  betreffende  Theil  des  Briefes  ist  aucli  ab- 
gedruckt in  Gauss'  Werken  Bd.  IX,  S.  367—369.     Krm. 


54  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1821  Januar  13. 

ich,  dass  ich  wohl  Freude  an  der  Arbeit  haben  könnte,  und  dann  würde 
ich  mich  auch  recht  gern  einer  Erweiterung  der  Triangulation  nach 
Westen,  falls  sie  mir  aufgetragen  w^ürde,  unterziehen.  Die  Anschliessung 
an  die  KEAYENHOFF'schen  Dreiecke  ist  allerdings  wünschenswerth,  allein 
wo  sind  denn  diese  zu  finden?  Ich  weiss  nicht,  ob  sie  irgendwo  gedruckt 
sind,  und  der  schlechte  Erfolg  mit  den  EpAiLLT'schen  AA  macht 
mich  ganz  muthlos.  Auch  La  Place,  an  den  ich  vor  etwa  9  Wochen 
geschrieben  habe,  hat  mir  gar  nicht  geantwortet.  Meiner  Meinung 
nach  sollten  alle  gut  gemessenen  Dreiecke  1.  Ordnung  als  etwas  be- 
trachtet werden,  w'orauf  das  ganze  Publikum  Anspruch  hat,  und  nach 
und  nach  sollte  ganz  p]uropa  mit  solchen  Dreiecken  überzogen  werden. 
Ich  habe  mir  schon  seit  Jahren  eine  eigene  Methode  entworfen,  wie 
solche  Messungen  am  zweckmässigsten  behandelt  werden  können,  denn 
alles,  was  ich  darüber  gelesen  habe,  finde  ich  herzlich  werthlos.  So 
haben  sich  z.  B.  viele  Mathematiker  grosse  Mühe  mit  der  Aufgabe 
gegeben,  aus  Abständen  vom  Mer[idian]  und  Perp[endikel]  die  Längen 
und  Breiten  zu  berechnen,  mit  Rücksicht  auf  die  elliptische  Gestalt 
der  Erde,  während,  so  viel  ich  weiss,  niemand  vorher  gefragt  hat, 

1)  wie  denn  jene  Abstände,  so  verstanden,  wie  man  sie  gewöhnlich 
versteht,  aus  den  Messungen  mit  ebenso  grosser  Schärfe  gefunden  w^erden 
können,  denn  es  scheint,  dass  die  meisten  diese  Rechnung  wie  in  der 
Ebene  führen,  oder  doch  ganz  unrichtige  oder  unbrauchbare  Vorschrit- 
ten dafür  geben; 

2)  ob  es  denn  überhaupt  nur  zweckmässig  sei,  die  so  verstandenen 
Abstände  zu  gebrauchen,  da  es  entschieden  ist,  dass,  wenn  man  sie 
hinlänglich  scharf  aus  den  A  A  ableiten  will,  dies  nur  durch  höchst 
beschwerliche  Rechnungen  geschehen  kann,  so  wie  man  aus  ihnen  mii- 
mit  vieler  Mühe  wieder  zu  den  Längen  und  Breiten  herabsteigt. 

Das  (lanze  würde  nur  ein  „die  Pferde  hinter  den  Wagen  spannen" 
sein:  u^'  „Soll  etwas  Brauchbares  zwischen  die  Dreiecke  und  die 
„Längen  und  Breiten  gesetzt  werden,  so  muss  es  etwas  ganz  Anderes 
„wie  jene  so  wie  gewöhnlich  verstandenen  Koordinaten  sein.''  Wie  dies 
bei  meiner  Theorie  geschieht,  kann  ich  hier  freilich  nicht  umständlich 
ausführen;  nur  so  viel  bemerke  ich,  dass  das,  was  ich  zwischen  die 
A  A  und  die  Längen  und  Breiten  setze,  diejenigen  Koordinaten  sind, 
mit  denen  am  zweckmässigsten  jeder  PunM  in  ei)ier  Ebene  dargestellt 
werden  kann.  Diese  Koordinaten  folgen  höchst  bequem  und  leicht 
aus  den  gemessenen  Dreiecken,  und  ohne  eine  sehr  genaue  Kenntniss 
der  Abplattung  der  Erde  vorauszusetzen,  und  2)  aus  ihnen  folgt  wieder 
ebenso  leicht  die  Länge  und  Breite,  natürlich  indem  man  die  Abplattung 
kennen  muss.  Ich  habe  die  Absicht,  diese  Theorie,  wo  nicht  frülior. 
doch    mit    meinen    künftigen  Messuno-en  bekannt  zu  niaclion.  und  bitte 


Gauss  an  Olbcrs.     (iöttiiigeii,  1^21  Januar  18.  55 

vorher  diese  antjedeuteten  Ideen  iiodi  für  sich  zu  behalten.  Sehr  <;ein 
würde  ich  sie-  nicht  bloss  auf  die  hannoverschen  A  A,  sundern  auf 
alle  andern  damit  in  \'erbindung  kunimenden  anwenden  und  so  eine 
Drsrripiion  i/romrtriqHe  eines  grossen  Theils  von  Europa  geben,  wenn 
ich  durch  Miltheilungen  gehörig-  unterstützt  würde.     Aber!! 

Hr.  v.  MüFFLiN(i  hat  mir  doch  seine  15  Dreiecke  vom  Kliein  bis 
Seeberg  mitgetheilt.  \'orläufig,  aber  freilich  nur  sehr  roh,  habe  ich  be- 
reits Göttingt'u  angeschlossen.  Nämlich  lfil2  habe  ich  auf  dem  llan- 
stein,  desstMi  Lage  gegen  (TÖttingen  näherungsweise  aus  meinen  Winkel- 
messungen in  hiesiger  Gegend  folgt,  die  Winkel  zwischen  Göttingen, 
Brocken  und  der  Boineburg  (2  Müffling 'scheu  Punkten)  gemessen, 
freilich  auf  mehrere  Minuten  ungewiss;  doch  glaube  ich,  dass  die  Ein- 
tragung (Töttingen's,  die  hieraus  folgt,  wohl  auf  100  Meter  beinahe 
zuverlässig  ist.  Es  folgt  daraus  Längenunterschied  zwischen  der  Göt- 
ringer  und  Seeberger  Sternwarte  3"'8'',7,  was  sehr  nahe  mit  den  astro- 
nomischen Bestimmungen  zutrifft.  Paris  wäre  hienach,  wenn  es  33™  35^ 
westlich  von  Seeberg  liegt,  30'"  26^,3  westlich  von  Göttingen.  Die  neue 
Sternwarte  liegt  P,9  östlich  von  der  alten,  die  ich  früher  immer  30'"  23i^ 
von  Paris  setzte. 

\'on  der  astronomischen  Gesellschaft  habe  ich  noch  nichts  weiter 
gehört.  Soviel  ich  mich  erinnere,  habe  ich  auch  an  Heeschel  nichts 
\o\\  unsern  I  Beobb.  geschrieben,  sondern  nur  Hrn.  Brewster  in  Edin- 
burg  eine  kleine  Notiz  davon  mitgetheilt. 

Von  der  Bedeckung  der  Plejaclen,  Aug.  29,  habe  ich  folgendes 
beobachtet: 

Atlas Eintritt  20'' 11'"  57^7-;^  3 1) 

Pleione      „  16      5,3 

p Austritt         18    36,5 

Alcijone „  22    58,1 

Die  siȊtern  musste  ich  aufgeben,  da  sie  mit  mehreren  Beobb.  von 
Zenithaisternen  kollidirten.  Ich  glaubte,  dass  Sie  mir  Ihre  Beobb,  dieses 
Phänomens  mitgetheilt  hätten.  Allein  da  ich  neulich  für  einen  meiner 
Zuhörer,  der  meine  und  einige  andere  mir  bekannt  gewordene  Beobb. 
berechnet,-)  sie  aufsuchen  wollte,  fand  ich,  dass  Sie  mir  nur  angezeigt 
haben,  dass  Sie  sie  sehr  gut  beobachtet  hätten.  Ich  ersuche  Sie  also 
auch  um  gütige  Mittheilung.  Von  der  heutigen  Bedeckung  der  Plejaden 
ist  nichts  sichtbar  gewesen  und  überhaupt  im  ganzen  Jahre  noch  nichts 
vom  Himmel. 


^)  Vergl.  auch  Brief  No.  125  von  Gauss  an  Bessel,  Brief Avechsel  S.  'Mo,  wo  bei 
Fleione  die  Sekunde  im  Original  unleserlich  ist.    Krni. 

2)  Die  reducirten  Beobb.  finden  sich  in  Gauss'  AVerken  Bd.  VI,  S.  448.    Kriii. 


56  Olbers  an  Gauss.     [Bremen,  1821  Januar  16—28.] 

Hr.  Walbeck  hat  mit  meinen  Austr.  der  Alcyone  die  Königsberger 
ßeobb.  verglichen  und  42"^  12,^5  Längenunterschied  gefunden  bis  auf  GM 
dasselbe,  was  die  Mondkulminationen  mit  sehr  schöner  Uebereinstimmung 
ergeben  hatten.     Dieser  Grad  Aon  Harmonie  ist  freilich  nur  ein  Zufall. 


No.  400.  Olbers  aii  Gauss.  [219 

[Bremen,  1821  Januar  16 — 28.] 

Ich  habe  wirklich  geglaubt,  Ihnen  die  Beob.  der  P?eja(Ze;2-Bedeckung 
längst^)  mitgetheilt  zu  haben.  Damit  ich  es  aber  nicht  wieder  vergesse, 
füffe  ich  sie  Rieich  hier  an. 


Eintr. 

Atlas  .     . 

.    9*^38'"   4^2  Bremer  mittl.  Zeit 

» 

Pleione    . 

42    23,2 

Austr, 

•  i?    .     .     . 

43    58,2 

w 

Alcyone  . 

48    28,1 

» 

s     .     .     . 

.   10  13    15,8 

« 

Atlas  .     . 

29    18,1 

5? 

Pleione    . 

31      3,5 

?^ 

7.^8.   .     . 

42    36.3 

Die  Decimalen  rühren  von  der  Zeitkorrektion  her;  ich  habe  die 
^Momente  nur  in  ganzen  Sekunden  angemerkt.  Nach  Vergleichung  aller 
bisherigen  in  Bremen  angestellten  Beobb.  halte  ich  die  Länge  meines 
Observations-Zimmers  von  25'"  53^,5  wenig  verschieden.  Hr.  v.  Zach 
hat  dadurch,  dass  er  sie  ehemals  nach  seinen  chronometrischen  Be- 
stimmungen 5^,5  kleiner  setzte,  viele  VerAvirrung  in  den  geographischen 
Positionen  von  dem  nördlichen  Theil  von  "Westfalen  und  Nieder-Sachsen 
gebracht. 

Ungern  höre  ich,  dass  die  Künstler  Ihnen  noch  immer  so  viel 
Aufenthalt  machen.  Sollte  auch  Eeichenbach  oder  Ertel,  wie  es  leider 
sonst  gewöhnlich  bei  diesen  Herrn  der  Fall  ist,  nicht  pünktlich  in  Er- 
füllung seiner  Zusagen  sein,  so  dürfte  noch  ein  grosser  Theil  des  künf- 
tigen Sommers  zum  Hauptwerk  ungenützt  bleiben  müssen.  Es  wäre 
prächtig,  wenn  Sie  mit  3  grossen  Dreiecken  bis  Hannover  vordringen 
kinmten  (wo  man,  meine  ich,  bei  heitern  Tagen  sogar  noch  den  Brocken 
sieht).  Allerdings  wird  Ihr  so  scharfsinnig  ausgedachter  Heliostat  dabei 
gute  Dienste  leisten.  Ich  bin  höchst  neugierig,  auch  nur  ^on  A'ersuchen 
mit  dem  Modell  erst  etwas  zu  hören. 


^)  Vergl.  Brief  No.  392.    Dagegen  hatte  sie  Olbers  im  Briefe  v.  8.  Nov.  1S20 
an  Bessel  bereits  mitgetlioilt.     Brief weolisol  S.  17G.    Knn. 


Olbers  an  nanss.     [Urfinen.   lS-21  Januar  10—28.]  57 

Die  sämintliclien  KRAYE^'HOl•'J<'■schen  Dreiecke  sind  gedruckt  in  dem: 

Precis  Jiistvr'tqw  des  Operations  geodesiques  et  astronomiqucs^  faites 
en  HoUande  —  —  —  —  executee's  par  Je  Lieiit.  Gen.  Krayenhoff 
(A   La  Haye  lsl5). 

Das  Buch  ist  niclit  in  dtMi  eiürcntlichen  Buchhandel  «rekoninien,  da 
es  das  Institut  von  Holland  drucken  liess;  es  sollte  mich  aber  doch 
wundern,  ^venn  nicht  ein  Exemplar  auf  die  Göttingensche  Bibliothek 
gekonnnen  wäre.  Ich  habe  Hoffnung,  ein  Exemplar  zu  erhalten,  und 
will  mich  um  zwei  bemühen,  damit  ich  ihnen  eins  abgeben  kann.  Sollte 
ich  aber  auch  nur  eins  erhalten,  so  wird  dies  natürlich  so  lange  zu 
ihren  Diensten  sein,  als  Sie  es  nur  immer  brauchen  werden. 

Die  T'ebereinstimmung  der  geodätischen  Resultate  nach  Kratex- 
jiuj['"s  Berechnung,  mit  den  von  ihm  angestellten  astronomischen  Beobb. 
ist.  möchte  ich  sagen,  fast  zu  gross,  wenn  nicht  Zufall  dabei  mitge- 
wirkt hat. 

11  Serien  von  14 — 41  Beobb.  gaben  Polhöhe  von 

Amsterd.  aus  dem  oberen  Durchgang   des  Polaris     52^22'30/'187 

la  Ser.  V.  26—40  Beobb.  des  untern  Durchgangs     52  22  30,  315 

Mittel     52  22  30,  251 
Reduktion  auf  d.  Mitte  des  Thurms  —    0,  122 

52  22  30,  129 
Aus  den  geod.  Mess.  berechnet     52  22  30,  187 

Ebenso  fürJever:  astronomisch  53«34'23,"130,  geod.  530  34'23,"433. 
liiter  den  Azimuthen,  berechnet  und  observirt,  findet  eine  gleiche  er- 
staunliche Uebereinstimmung  statt.  Alle  geod.  Positionen  aus  der  an- 
genommenen Länge  von  Dünkirchen  0ö2'23,"000,  die  Breite  51^2' 8,"73, 
die  Abplattung  .r^^  angenommen,  berechnet. 

Wenn  man  nun  bedenkt,  dass  die  Abplattung  doch  wohl  zu  klein 
vorausgesetzt,  und  die  Polhöhe  von  Dünkirchen  noch  wenigstens  um 
\ — 1"  zweifelhaft  ist,  und  dabei  überhaupt  noch  er^vägt,  was  Sie  die 
Güte  haben,  mir  über  das  bisher  mangelhafte  Verfahren,  aus  den  Drei- 
ecken die  geographischen  Längen  und  Breiten  abzuleiten,  sagen,  so  darf 
man  jene  Uebereinstimmung  wohl  mit  Recht  erstaunlich  nennen.  — 
Die  Azimuthe  beobachtete  Ke[ayenhofe]  mit  einem  Mittagsfernrohr, 
indem  er  bei  scharf  berichtigter  ühr  die  Sonne  durch  den  Vertikalkreis 
des  zu  bestimmenden  Objekts  gehen  liess. 

Dass  Sie  uns  eine  neue  Theorie  der  astronomischen  Geodäsie  geben 
wollen,  habe  ich  mit  dem  grössten  Vergnügen  aus  Ihren  mir  anver- 
tratiten  Mittheilungen  gesehen.  Wir  sind  es  schon  gewohnt,  dass  alles, 
was  Ihr  einziger,  bewundernswürdiger  Scharfsinn  betrachtet,  eine  neue 
Gestalt  und  eine  bisher  nicht  erreichte  Vollkommenheit  erhält.  —  Bei- 


58  Oll.fi-s  an  Gauss.     [Bremen,  1821  Januar  16—28.] 

läufig-  bemerke  ich  nur.  dass  Sie  hier  wieder  in  Ansehung  des  Gegen- 
standes mit  Legendee  zusammentreffen  werden,  der  nun  einmal  das 
Schicksal  hat,  bei  allen  seinen  Untersuchung-en  Ihrem  überlegenen  Genie 
zu  begegnen. 

Ich  weiss  nicht,  ob  es  Sie  interessiren  kann,  zu  wissen,  dass  Prof. 
Oltmanns  vor  ein  paar  Jahren  dem  Herzog  von  Cambridge  im  Manu- 
skript einen  „Versuch  einer  Darstellung  der  Geographie  des  Königreichs 
Hannover,  und  der  Kurfürstlich  Braunschweigischen  Länder  in  ihrem  gegen- 
wärtigen (yM^)  Zustande"  übergeben  hat,  der  es  in  seiner  Bibliothek 
aufgestellt  hat.  In  diesem  Versuch  sollen  alle  auf  dem  Territorium  an- 
gestellten astronomischen  Beobb.  gesammelt,  und.  wo  es  anging,  nach 
einerlei  Elementen  von  Neuem  berechnet  und  diskutirt  sein.  Sie  werden, 
wenn  Sie  es  der  Mühe  werth  halten,  das  Büchelchen  leicht  aus  Han- 
nover zur  Einsicht  bekommen  können. 

Die  KEAYENHOFF'schen  Dreiecke  werden  uns  also  nicht  fehlen,  aber 
ivie  und  ivo  sind  die  TRANCHOx'schen  und  PERNY'schen  zu  finden,  an 
die  sich  wahrscheinlich  die  vom  General  Müffling  bestimmten  an- 
schliessen?  Hoffentlich  wird  das  Berliner  Kabinet  dafür  sorgen,  dass 
diese  ausgeliefert  werden,  und  es  nicht  so  geht,  wie  mit  denen  von 
Epailly,  der  noch  immer  nichts  von  sich  hören  lässt  und  sich  ganz 
wie  ein  Todter  benimmt.  Wirklich  hat  man  mir  auch  wieder,  doch  ob 
aus  guter  Quelle,  weiss  ich  nicht,  sagen  wollen,  er  sei  todt. 

Teeviranus  habe  ich  in  seiner  Wohnung  aufgesucht,  aber  noch 
nicht  gesehen.  Ich  zweifle,  dass  auf  ihn  zu  rechnen  sein  wird.  L)er 
Mann  kann,  wenn  es  auf  eine  Veränderung  seiner  Lage  ankommt,  nicht 
leicht  zu  einem  festen  Entschlüsse  kommen.  Seine  Freunde  hatten  hier 
die  Sache  eingeleitet,  ihm  vom  Magistrat  die  Vergünstigung  zu  ver- 
schaffen, eine  Werkstatt  für  Maschinerien  anzulegen,  welches  wegen 
der  Zunft-Privilegien  der  Handwerker,  die  er  dabei  als  seine  Gehülfen 
anstellen  muss,  einige  Schwierigkeit  hat;  nun  da  es  ziu-  Kntscheidunir 
kommen  soll,  kann  er  sich  nicht  zu  der  einzureichenden  Supplik  ent- 
schliessen. 

Könnten  oder  dürften  Sie  mir  die  MüFEHNG'schen  Dreiecke,  allen- 
falls unter  der  Bedingung,  sie  gam  für  mich  zu  behalten,  gelegentlich 
mittheilen,  so  würde  ich  Ihnen  sehr  dankbar  sein. 

Aus  englischen  Journalen  sehe  ich.  dass  '{'eoughtox  eine  Abhand- 
lung über  Kepetitionskreise,  Höhen-  und  Azimuthai-Instrumente  u.  s.  w. 
Vorgelesen  hat,  die  wohl  sehr  interessant  sein  muss.  Sonst  scheint  t^s. 
dass  in  den  Verhandlungen  der  astronomischen  neuen  Societät  auch  viel 
Unbedeutendes  vorkommt. 

Die  letzte  Sonnenfinsterniss  sollte  nach  allen  K'echnungen  in  Florenz 
nicht  ringförmig  sein,  doch  hat  dort   Trof.  Lix.\ri  die  Dauer  des  Rinees 


Olbers  an  (üuiss.     Bronicii,   l^Jl    lanuar  ;;i.  59 

r"44'  beobaclitet.     Alle   Beobb.  zeigen,  dass  sämmtliche   Tafeln,   die 

von  BüRCKnAEi>Tein<resflilosson.  die  Norderbreite  des  Mondes  zu  gross 

machten. 

Die  liiihe,  worin  ich  mich  nun  nach  Niederlegung  meiner  bisherigen 

IViufsgeschäfte  gesetzt  habe,  ist  mir  natürlich  angenehm,  aber  ich  fühle 

aurh.   dass   es   hohe  Zeit  war,  ein  Geschäft  aufzugeben,  dem  ich  nicht 

mt'hr  vorstehen  konnte. 

Zach's  Beob.  der  O  Finsterniss  zu  Bologna  scheint  zu  den  übrigen 

gar  nicht   zu   stimmen.     Nach   Kijmker's   Berechnung   giebt    das  Ende 

der  Finsterniss  mit  dem  Ende  verglichen 

in  J^erlin  für  die  Länge  von  Bologna     .     .     35'"48'',4 

Kopenhagen 35    42,2 

Mannheim 35    44,3 

Göttingen 35    43,6 

Bremen 35    42,9. 

Weder  der  Fehler  der  Mondbreite  noch  der  Durchmesser  kann  den 
.Meiidian-Unterschied  dieser  Oerter  für  diese  Phase  merklich  ändern. 
Und  doch  war  bisher  die  Länge  von  Bologna,  geAviss  bis  auf  ein  i)aar 
Sekunden   zuverlässig,   auf   36'" 6-   in   der   Conn.  des  tems  angegeben! 

Von  Prof.  ScHU3iACHEE  habe  ich  lange  nichts  gehört.  —  Ich  sollte 
»loch  glauben,  dass  es  gut  sei,  wenigstens  auch  seine  vortheilhafte  Seite 
haben  kann,  nicht  alle  Keduktionen  bis  ans  Ende  des  Geschäfts  aufzu- 
schieben. Ich  vermuthe,  Svanberg  würde,  wenn  er  vorher  gefunden 
hätte,  dass  seine  geodätischen  Messungen  für  die  Polhöhe  von  Kittis 
eine  nm  12"  grössere  Polhöhe  geben,  als  Maupektuis  sie  bestimmt 
hatte,  der  bei  der  Breitenbestimmung  von  Tornea  so  genau  mit  ihm 
übereinkommt,  in  Kittis  selbst  astronomische  Beobb.  angestellt  haben, 
um  diesen  unhegreifiichen  Umstand  aufzuklären.  Jetzt,  scheint  es  mir, 
mindert  dieser  Umstand  das  Zutrauen  auf  die  völlige  Richtigkeit  und 
Zuverlässigkeit  der  SvANBERG'schen  Messung. 


No.  401.  Olbers  au  Gauss.  [220 

Bremen,  1821  Januar  31. 

Da  es  doch,  wie  es  scheint,  heute  trübe  bleiben  wird,  und  ich 
also  wohl  keine  Beob.  wT.rde  machen  können,  so  eile  ich,  Ihnen  anzu- 
zeigen,  dass   ich  gestern  Abend  gegen  7  Uhr  einen  Ideinen  Kometen^) 


^)   Komet    1821   zu   gleicher   Zeit   von    Nicollet   i;iid   Pons   Jan.   21    entdeckt. 
S.  auch  Bd.  I  No.  72,  S.  369,  370.     Krm. 


ßQ  Gauss  an  Olbers,     Güttingen,  1821  Januar  ol. 

im  Pegasus  entdeckt  habe.  Nach  sehr  lange  anhaltendem  trüben  und 
neblichten  Wetter  liatte  es  sich  endlich  am  29.  Abends  aufgeklärt;  aber 
der  Himmel  war  in  den  ersten  Abendstunden  nicht  recht  heiter,  und 
kleinere  Sterne.  z.B.  miraCygyii,  und  schwache  Nebelflecke  blieben  im  Ko- 
metensucher unsichtbar.  Ich  betrachtete  namentlich  y  Pegasi  und  seine 
l'mgebungen,  ohne  irgend  was  Auffallendes  zu  bemerken.  Aber  gestern 
am  30.  war  es  bis  11  I'hr  sehr  heiter.  Sobald  auch  diesmal  mein 
Kometensucher  auf  y  Pegasi  gerichtet  wurde,  fiel  mir  sogleich  ein 
kleiner  Komet  ins  Gesicht,  von  schwachem  Licht,  doch  mit  einem 
kleinen  sehr  blassen,  etwa  45'  langen  Schweif  versehen.  Nach  vor- 
läufiger Reduktion  meiner  Beobb.  war  um  7''  27"'^)  Abends  M.Z.  AI  Komet 
359^27',  Nördl.  Dekl.  16^5'.  Der  Komet  scheint  sich  äusserst  langsam 
rückläufig  zu  bewegen,  und  seine  Dekl.  fast  unmerklich  abzunehmen. 
(Letztere  nach  der  Beob.  nur  37"  in  1''  12"',  welches  bei  Kreismikro- 
meter-Beobb.  natürlich  sehr  ungewiss  bleibt.)  Ich  konnte  die  Beobb. 
nicht  lange  genug  fortsetzen,  weil  der  Komet,  so  wie  er  niedriger  kam. 
so  schwach  wurde,  dass  die  Ein-  und  Austritte  nicht  ganz  zuverlässig 
bemerkt  werden  konnten.  Die  Position  beruht  auf  einem  Stern  der 
Hist.  Gel.,  ich  behalte  mir  aber  vor,  sie  noch  näher  zu  berichtigen. 
Im  Dollond  schien  ein  sehr  kleiner  verwaschener  Kern  durchzublicken, 
und  der  Schweif  war  in  diesem  Fernrohr  15' — 20'  lang. 

Dürfte  ich  Sie  gehorsamst  bitten,  Hrn.  Prof.  Hardixg  den  Ko- 
meten, wenn  Sie  ihn  nicht  vielleicht  schon  in  Göttingen  gesehen  haben, 
in  meinem  Namen  anzuzeigren. 


No.  402.  Gauss  an  Olbers.  [is2 

Göttingen,  1821  Januar  31. 

Dem  von  Ihnen  geäusserten  Wunsche  gemäss  übersende  ich  Ihnen 
hier  eine  Abschrift-)  der  15  MiJFFLiNG'schen  Dreiecke.  Die  ^^'inkel 
sind  so,  wie  sie  gemessen  sind;  allein  bei  der  Berechnung  der  Dreiecke 
hat  Hr.  v.  M[ÜFFLiNCr]  den  Fehler  auf  die  einzelnen  3  AA'inkel  immer 
ungleich    vertheilt;    nach    welchem    Princii)    habe    ich    nicht    eirathen 


^)  Muss  17'"  heisseu  nach  Olbkrs'  Hriet'e  t.  9.  Febr.     Knu. 

-)  In  einer  Beilage  theilt  Gauss  die  Winkel  und  die  Logarithmen  der  Sinus  der 
Dreieckseiten  in  Toisen  für  die  15  von  v.  Müffling  und  die  3  von  Excke  ihm  über- 
sandten Dreiecke  mit.  Daselbst  befindet  sieh  auch  eine  Zeichnung  dieser  sowie  der 
nachher  erwähnten  EpAii.Lv'schen  Dreiecke.  Der  Abdruck  dieser  Daten  sowie  der 
Zeichnung  erschien  nicht  angebracht:  einiges  über  diese  Dreiecke  rindet  sieh  auch  in 
Gauss'  Werken  ]?d.  IX,  S.  3(15  u.  431.     Krni. 


fiauss:  an  (»Ibers.     ( iöttiiiireii.  1821  Jammr  :n.  ßl 

ktiiineii.  Z.  H.  in  Dicieck  4  ist  der  spliärisclie  Excess  4,"47,  die 
Summe  der  Winkel  180'^0'3",50,  also  Fehler  —  0".97.  Hr.  v.  Müffling 
korrigrirt  aber  die  3  Winkel  lesp. 

1 +  0",9(5 

ö -f-  0,25 

C —  0,24 

Die  Lo^r.  der  Sin.  der  Seiten  sind  alle  nach  Müffling's  Rechniinp-; 
hei  meiner  Behandlung  (wo  ich  immer  den  Totalfehler  gleich  vertheilt 
habe)  ist  die  Form  ganz  verschieden,  und  ich  habe  nur  am  Ende  eine 
\ergleichung  gezogen,  deren  Resultat  ich  mit  beigefügt  habe.  Die 
3  letzten  Dreiecke  sind  mir  durch  Hrn.  Encke  mitgetheilt,  und  hier  sind 
die  einzelnen  Winkel  (d.  i.  in  A  16  u.  17)  schon  ratione  des  Totalfehlers 
verbessert,  ob  dieser  gleich  getheilt  ist,  hat  Hr.  Encke  nicht  gesagt. 
Die  gemessenen  Winkel  des  Dreiecks  15,  18,  19  sind  mir  nicht  mit- 
getheilt. 

Die  rothen  Dreiecke  sind  EPAiLLv'sche.  Hr.  v.  Müffling  hat  mir 
das  EpAiLLY'sche  Netz,  welches  er  in  Paris  1815  hat  nehmen  lassen, 
mitgetheilt  (d.  i.  eine  rohe  sehr  nachlässig  gemachte  Zeichnung),  welches 
mit  einem,  das  ich  schon  früher  anderswoher  erhalten  hatte,  meistens 
übereinkommt.  Ferner  hat  Hr.  v.  ]\[[üffling]  einen  Auszug  aus  Epaillys 
Kechnungsbuche  mitgetheilt,  gleichfalls  in  Paris  genommen,  d.  i.  eine 
Jcleine  Anzahl  von  Längen  und  Breiten  von  EpAiLLY'schen  Punkten. 
Der  Ausdruck  des  Hrn.  v.  Müffling  zeigt  nicht  klar,  ob  in  Paris  der 
Auszug  oder  das  Reclmungsbuch  genommen;  auf  jeden  Fall  aber  geht 
aus  M[üffling's]  Briefe  hervor,  dass  er  wenigstens  nicht  die  reinen 
EpAiLLY'schen  \Mnkel  besitzt.  Ich  vermuthe,  die  letzte  Auslegung  ist 
die  richtige,  und  habe  in  dieser  Voraussetzung  Hrn.  v.  M[üffling]  er- 
sucht, mir  das  Rechnungsbuch  entweder  auf  kurze  Zeit  mitzutheilen 
oder  die  Dreieckswinkel  extrahiren  zu  lassen  (vermuthlich  werden  wohl 
die  Winkel  jedes  A  zur  Summe  180"  abgeglichen  nur  darin  sein; 
wenigstens  sind  mir  anderswoher  die  EpAiLLY'schen  in  Oldenburg  und 
( »stfriesland  gemessenen  A  A  in  dieser  Form  mitgetheilt).  Sollte  diese 
Auslegung  die  richtige  sein,  so  ist  zu  präsumiren,  dass  die  Preussen 
damals  in  Bezug  auf  Epailly's  Messung  nichts  weiter  vorfanden  als 
das  Netz  und  Rechnungsbuch,  weil  sie  sonst  wohl  auch  das  vollstän- 
dige Beobachtungsregister  genommen  hätten.  Dieses  war  also  wohl 
vorher  auf  die  Seite  geschafft  und  ist  vielleicht  in  der  Unordnung  ver- 
loren gegangen.  So  Hesse  sich  wohl  erklären,  warum  die  Herren  in 
Paris  gar  nicht  antworten,  indem  sie  wohl  ungern  sich  an  jene  Um- 
stände erinnern.     Doch  diese  A'ermuthung  natürlich  nur  unter  uns. 

Auf  die  vollständige  Mittheilung  der  KRAYENHOFF'schen  Dreiecke, 
Avozu  Sie  mir  Hoffnung  machen,  freue  ich   mich  im  Voraus.     Ich  habe 


52  Gauss  au  Olbers.     Göttingeu,  1821  Jauuar  31. 

noch   nicht   nachgefragt,    ob    ein    Abdruck    jenes    Precis   auf   hiesiger 
Bibliothek  ist,  es  ist  mir  aber  sehr  unwalirscheinlich. 

Unter  allen  in  beigehender  Zeichnung  vorkommenden  EpAiLLY'schen 
oder  MüFFLiNG'schen  Punkten  ist  von  der  Sternwarte  sowohl  als  vom 
Meridian-Zeichen  aus  nichts  zu  sehen  als  der  Hohehagen.  Ich  werde 
daher,  um  die  Sternwarte  anschliessen  zu  können,  wenigstens  noch 
einen  Punkt  zuziehen  müssen  (vielleicht  die  Weper,  Berg  bei  Moringen, 
oder  den  Meisner  oder  einen  andern  Berg  etwas  NO  vom  Meisner.  der 
unbewaldet  und  von  der  Sternwarte  aus  sichtbar  ist,  dessen  Namen 
ich  aber  noch  nicht  kenne). 

Hr.  v.  MüFFLiNG  räth  immer  sehr  zu  nächtlichen  Beobb.  Ich  ge- 
stehe, dass  ich  mich  davor  scheue,  sie  wenigstens  nicht  gern  ausschliess- 
lich anwenden  möchte.  In  einigen  Fällen  werden  sie  freilich  wohl  unver- 
meidlich sein,  wenn  ich  keine  Heliostaten  bekommen  kann.  Da  Repsold 
weder  die  versprochenen  Reverberes  schickt,  noch  auf  meine  Briefe 
antwortet,  so  habe  ich  mich  deshalb  an  Körner  in  Jena  gewandt, 
von  dem  ich  in  diesen  Tagen  eine  Antwort  erwarte. 

Schumacher  wird  im  März  mit  seinem  Stutzschwanz  hierher 
kommen,  damit  wir  mit  diesem  Instrument  und  dem  REiCHEXBACH'schen 
Meridiankreise  gleichzeitige  Beobb.  machen,  und  erbietet  sich,  wenn 
ich  meinen  Theodolithen  von  Reichenbach  nicht  zeitig  genug  bekomme, 
mir  jenes  Instrument  vorerst  zu  den  Winkelmessungen  zu  leihen.  Ich 
glaube,  dass  es  wohl  ebenso  genaue  Resultate  giebt  wie  der  Theodolith, 
nur  ist  es  bei  seinem  bedeutenden  Gewicht  viel  schwerer  zu  trans- 
portiren.  Eine  neue  Schwierigkeit  der  nächtlichen  Beobb..  da  man 
doch  die  Instrumente  nicht  über  Nacht  auf  den  Bergen  stehen  lassen 
kann,  sondern  sie  bei  Nacht  einpacken  und  heruntertransportiren  muss! 

Den  NicoLLET'schen  Kometen^)   haben   Sie   vielleiclit    auch   schon 
gesehen.     Gestern  Abend  Jan.  30.  7'' 52'°  23'  M.  Z.  folgte  er  auf 
XXIII  263  Pia^^i     ....    3■"47^^ 

anon.  Bist  Gel 2    49,0 

anon.  Hist.  Cel 2    18,6 

ging  vor  der       anon.  Hist.  Cel 2    17.7     und    war    0".'3 

nördlich   von   diesem,    woraus  leiläufig  ^R  359'^27'17"  Dekl.  16^4' 10" 
Nördl. 

Sollte  Maupertuis'  Breite  von  Tornea  die  SvANBERo'sche  bestätigen, 
und  die  Breite  von  Kittis,  wie  sie  ^[[aupertuis]  giebt.  die  SvAXBERG'sche 


^)  Siehe  Aumerkung-  zu  Brief  No.  401,  S.  59.  Der  vorhergelieude  Brief,  in 
welchem  Olbers  seine  Entdeckung  des  Kometen  anzeigt,  hatte  sich  mit  diesem  Briefe 
gekreuzt.  Yergl.  dazu  die  bezügliche  Bemerkung  Gauss"  gegen  Sdiluss  des  folgenden 
Briefes.    Krm. 


Gauss  au  (»Urt-.     (TÖttiii£r.-ii.  1821  Februar  3.  C3 

verdächtig  machen  können,  da  Maupeetuis'  absolute  Bestimmungen  der 
Polhühe,  so  viel  icli  weiss,  nur  mit  einem  Quadranten  gemacht  sind, 
indem  man  den  Sektor  nie  umwandte? 

Tkanchot's  Dreiecke  besitzen  die  Preussen,  s.  Zeitschr.  für  Astr. 
V.  p.  36:  oh  aber  je  das  Publikum  sie  erhalten  wird,  weiss  ich  nicht. 
Pekny's  Dreiecke  finde  ich  in  den  Äll(/.  G[eogr.]  Epli.  IV.  p.  XXX II. 
Ob  Eckhakdt's  Dreiecke  und  die  von  Henky  im  P^lsass  etc.  bekannt 
gemacht  sind,  ist  mir  unbekannt. 


No.  403  Gauss  au  Olbers.')  [m 

Göttingen,  1821  Februar  3. 

Endlich  habe  ich  aus  Paris  Antwort  erhalten.  Ich  freute  mich 
sehr,  als  mir  das  dicke  Packet  mit  der  Adresse  von  La  Place's  Hand 
eingehändigt  wurde.  —  Allein  leider  bin  ich  dadurch  um  nicht  viel 
weiter  als   vorher.     Das  Packet  enthielt    1)  ein  gezeichnetes  Netz  der 

-1  -^ 


sämmtlichen   AA   nach  einem  4  mal   so  grossen  Maasstabe  icArinnA/' 

wie  das,  welches  ich  schon  länger  hatte  (^nnn  aaa)?  ^^"^^  übrigens  mit 

diesem  bis  auf  eine  oder  zwei  unbedeutende  Kleinigkeiten  überein- 
stimmend. 2)  Die  Namen  der  Stationen  zu  sämmtlichen  A  A,  deren 
Zahl  (d.  i.  die  Zahl  der  A  A)  94  ist,  aber  ohne  einen  einzigen 
Winkel  in  Zahlen.  Der  einzige  A\'erth,  welchen  diese  Mittheilung  hat. 
besteht  also  nur  darin,  dass  bei  einigen  Stationen  beigeschrieben  ist: 
ANGLE  CONCLU,  insofern  ich  nämlich  daraus  schliessen  kann,  dass  die 
^^'inkel,  wo  nichts  beigeschrieben  ist,  wirklich  beobachtet  sind;  ausser- 
dem noch  die  4  A  A  selten  Hamburg — Crempe,  Hoheuhorn — Lüneburg, 
Bentheim— Kirchhesepe.  Varel— Stolham,  die  Azimuthe  dieser  beiden 
Seiten  und  die  Längen  und  Breiten  von  Bentheim  und  Varel.  3)  Das 
Antwortschreiben  vom  Depot  de  la  Guerre  an  La  Place  im  Original. 
Von  letzterem  lege  ich  eine  Kopie ^j  bei,  sowie  zu  Ihrer  Ansicht  diejenige 
Zeichnung^)  des  Netzes,  welche  ich  schon  länger  besitze  und  die  ich 
mir  gelegentlich  zurückerbitte. 

Ich  möchte  wohl  von  Ihrer  grösseren  Weltkenntniss  Ihre  Meinung 
wissen,  was  Sie  davon  denken,  und  ob  Sie  glauben,  dass  und  wie  ein 


^)  Dieser  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krm. 
-)  Diese  Kopie  ist  nicht  mit  abgedruckt.     Krm. 

ä)  Die  Zeichnung  ist  bei  den  Originalbriefeu  nicht  mehr  vorhanden.    Olbeks  hat 
sie  offenbar  bald  wieder  zurückgesandt.     Krm. 


54  Cauäs  iui  Olljtns.     Göttiugeii,  1821  Februar  3. 

Mehreres  zu  erhalten  stehe.  Ohne  Zweifel  wäre  es  für  die  Geographie 
von  Hannover  und  überliaui)t  von  Norddeutschland  sehr  wünschensiverth, 
dass  wir  in  den  Besitz  der  gemessenen  Winkel  selbst  kämen.  Wären 
wir  es,  so  glaube  ich,  würde  von  Seiten  des  Gouvernements  die  weitere 
Ausdehnung  meiner  Triangulation  in  dem  Maasse  wohl  genehmigt  werden, 
dass  alle  Lücken  vollends  ausgefüllt  und  was  an  dem  KpAiLLT'schen 
Netz  zweifelhaft  sein  könnte,  nachgemessen  würde,  und  dieser  Arbeit 
würde  ich  mich  gern  unterziehen,  wenn  die  Erfahrung  künftig  lehren 
wird,  dass  meine  Gesundheit  bei  den  Fatiguen  widerhalten  kann.  Allein 
wenn  alles  von  Neuem  wiederholt  werden  soll,  wozu  damals  schon  eine 
ganze  Brigade  von  Ingenieuren  gebraucht  wurde,  und  was  leicht  6  mal 
so  viel  u.  mehr  kosten  kann,  wie  meine  ganze  Gradmessung,  so  ist  wohl  zu 
vermuthen,  dass  man  sich  schwerer  dazu  entschliesst,  und  auch  ich 
würde  dazu  wenig  Neigung  haben,  wenn  ich  nicht  hinreichend  brauch- 
bare Gehülfen  finde,  so  dass  nicht  auch  hier  alle  Arbeit  auf  mir  lastet. 
Uebrigens  wird  es  mir  schwer  zu  glauben,  dass  die  EPAiLLy'schen 
Beobb.  nicht  so  weit  reducirt  sein  sollen,  dass  das.  was  ich  allein 
wünschte,  nicht  sollte  mitgetheilt  werden  können,  nämlich  die  A\'inkel 
auf  den  Horizont  und  das  Centrum  reducirt;  wenigstens  in  Hamburg 
hatte  Epaillt  diese  Reduktion  sogleich  gemacht,  indem  ich  dort  die 
Winkel  des  Dreiecks  Hamburg,  Hohenhorn,  Wilsede  mitgetheilt  erhielt *i; 
auch  begreife  ich  nicht,  wie  die  Seiten  Crempe — Hamburg;  Hohenhorn — 
Lüneburg  berechnet  werden  konnten,  wenn  man  nicht  die  Winkel  schon 
reducirt  hatte. 

Aus  Ihrem  mir  so  eben  eingehändigten  Briefe  sehe  ich.  dass  Ihnen 
die  Entdeckung  des  Kometen  durch  Nicollet  in  Paris  am  21.  Jan.  noch 
unbekannt  war;  ich  nahm  die  Nachricht  aus  dem  Journal  de  Franc  fort. 
habe  aber  unglücklicher  Weise  den  Zettel,  auf  dem  ich  die  daselbst 
angegebene  Position  des  Kometen  notirt  hatte,  jetzt  nicht  im  Hause, 
da  ich  ihn  Hrn.  v.  Staudt  übergeben  habe,  um  die  Bahnberechnimg 
vorzubereiten.  \'on  dem  PiAzzi'schen  Stern  XXllI.  JO^  sclieint  in  der 
Hist.  Gel})  die  Zenithdistanz  um  80"  zu  klein  angegeben  zu  sein,  kleine 
eigene  Beob.-)  etwas  genauer  reducirt  ist 

Jan.  30.       7"  34"^  32^       359"  27' 7"       10°  4' 3(5". 

Seitdem  ist  es  stets  trübe  gewesen. 


*)  Von  der  Seite  llnhenhorn-LUneburg.  die  mir  iiiiLgotheilt  ist.  kaun  ich  aiuh 
gar  keinen  Gebrauch  machen,  da  Epailly  einen  andeni  Thurm  in  Lüneburg  ge- 
braudit  hat  als  ich;  obwohl  man  in  dem  mir  jetzt  niitgetheilteu  Eegister  jenen 
Thurm  nicht  genannt  hat,  so  weiss  icli  doch,  dass  es  der  Johanuisthurm  gewesen  ist. 
[Siehe  auch  Brief  No.  409  an  Olbehs.    Krm] 

^)  „p.  34."    l\audbemerkung  von  Olhkrs"  Hand.     Krm. 

-)  Gauss"  Werke  Bd.  VI,  S.  4o5.    Krm. 


Olbcrs  an  (i'ati-^<.     I'.ienuii.   It^-Jl   Fi'hiuar  i^.  ß5 

Was  hat  wohl  Huppknstedt  Jhiieii  wegen  des  bewussten  (iegeii- 
standes  geantwortet?  —  Von  Körner  «och  keine  Nachricht,  ebenso  wenig 
wie  von  Rkpsold,  Müffling  etc. 

P.  S.  Icli  kann  nocli  eine  diesen  Abend  gemachte  Beob.  beifügen: 
Febr.  3.       7''3'"  56-^  ^f.  Z.       359"  3' 55"       15M6'3". 


N...  404  Olbers  an  Gauss.  [221 

Bremen,  1821  Februar  9. 

Wie  soll,  wie  kann  ich  Ihnen  für  alle  Ihre  interessanten  Mitthei- 
lungen  und  für  die  Mühe,  die  ich  Ihnen  verursacht  habe,  genugsam 
danken?  Sie  haben  mir  einen  sehr  grossen,  grossen  Gefallen  erzeigt.  Dass 
Sie  nicht  mehr  von  Epailly's  Dreiecken  erhalten  haben,  thut  mir  sehr 
leid.  Schwerlich  wiid  mehr  herauszubringen  sein.  Schon  vorher  hatte 
mir  Oltmanns  vertraulich  geschrieben:  „Die  Franzosen  haben  alle  Drei- 
ecke und  Journale  im  Depot  de  la  (Juerre  anno  1814  über  die  Seite 
geschafft  und  bloss  Uebersichts-Karten  und  dergleichen  Kleinigkeiten 
im  leeren  Neste  gelassen.  Auf  diplomatischem  Wege  wird  also  nichts 
von  ihnen  zu  erhalten  sein".  —  Er  wird,  unter  uns  gesagt,  noch  einen 
\'ersuch  machen,  ob  vielleicht  bei  irgend  einem  der  damaligen  Gehülfen 
Epailly's  etwas  Näheres  zu  finden  ist,  da  er  mehrere  darunter  genauer 
kennt.  Ich  zweifle  aber  am  Gelingen.  —  Sie  scherzen  über  meine 
grössere  \\'eltkenntniss.  Die  ist  wahrlich  so  klein,  wie  sie  bei  irgend 
jemand  sein  kann.  Im  vorliegenden  Fall  wüsste  ich  nichts  weiter  zu 
thun,  als  dass  Sie  in  Ihrer  etwaigen  Antwort  an  La  Place  die  desideranda 
in  dem,  was  das  Depot  d.  1.  G.  ^^pour  Je  moment^^  nur  hätte  geben 
können,  anzeigten  und  zugleich  die  feste  Zuversicht  ausdrückten,  die 
Administration  würde  so  bald  wie  möglich  das  Fehlende  nachschicken, 
besonders  die  Winkel,  so  bald  Epailly  einmal  wieder  nach  Paris  käme; 
da  Sie  gar  keine  Berechnung  u.  s.  w.  verlangten,  so  würden  sich  diese 
Winkel  mit  den  nöthigen  K'eduktions-Momenten  ja  wohl  leicht  ausziehen 
lassen  u.  s.  w. 

Die  EpAiLLY'schen  Dreiecke  zwischen  Bremen  und  Aurich  habe  ich 
zu  meiner  grossen  Freude  von  Oltmanns  erhalten.  Dadurch  ist  nun 
Bremen  unmittelbar  mit  Paris  verbunden.  Nach  Ihren  Briefen  sind  Sie 
schon  längst  in  dem  Besitz  dieser  bereits  abgeglichenen  Dreiecke,  sonst 
stände  eine  Abschrift  gern  zu  Befehl. 

Unter  den  Mittheilungen  von  Oltmanns  aus  seinen  Untersuchungen 
über  die  Geographie  des  Königreichs  Hannover  finden  sich  auch  21  für 

Olliers.     II,  2.  5 


gg  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1821  Februar  9. 

die  alte  Sternwarte  in  Göttingen  berechnete  Sonnenfinsternisse  und 
Fixstern-Bedeckungen  (Mittel  30™  25,^02j^),  die  ich  Ihnen  mit  Vergnügen 
abschreiben  würde,  wenn  ich  nicht  glaubte,  dass  Sie  dieselben  schon 
längst  durch  Dirksen  erhalten  haben. 

SvANBERG  sagt  pg.  171,  dass  die  von  ihm  gefundene  Breite 
von  Tornea  65"  50' 49",4348  genau  mit  der  im  Jahre  1737  bestimmten 
übereinkomme.  Kittis  hingegen  giebt  er  aus  seiner  geodätischen 
Messung  74"  23'  24",245  =  66"  48'  33",0554,  Unterschied  zwischen  beiden 
57'43",6206,  die  Maupertuis  im  Mittel  15",1206  weniger  fand.  Der 
Sektor  muss  also  beide  Male,  sowohl  im  Okt.  1736  bei  d  Drac,  als  im 
Apr.  1737  bei  a  Drac.  zu  Kittis  beide  Mal  in  demselben  Sinn  einen 
Fehler  von  14" — 17"  gegeben  haben.  Das  ist  wirklich  immer  etwas 
schwer  zu  begreifen.  —  Astronomische  Beobb.,  wenn  auch  nicht  mal  ge- 
rade in  Kittis,  wenigstens  in  einer  benachbarten  Zwischenstation  wür- 
den, dünkt  mich,  allen  Zweifel  gehoben  haben.  \\'ir  wissen  doch  auch, 
dass  Multiplikationskreise  bei  noch  so  gut  stimmenden  Reihen  zuweilen 
irrige  Resultate  geben  können,  und  darüber  würde  uns  Svanberg  durch 
eine  solche  Zwischenstation  beruhigt  haben. 

Noch  denselben  Tag,  wie  ich  Ihnen  über  den  kleinen  Kometen 
schrieb,  fand  ich  im  Moniteur  vom  24.  Jan.  die  Anzeige  von  Nicollet's 
Entdeckung.  Ich  weiss  nicht,  ob  ich  Ihnen  schon  die  Beobb.  vom 
30.  Jan.  reducirt  geschickt  habe?  Ist  es  geschehen,  so  sind  die  da- 
maligen Mittheilungen  um  20"  für  die  Dekl.  zu  gross,-)  weil  ich  durch 
einen  Schreibfehler  die  Präcession  7'21",7statt  7' 1", 7  genommen  hatte. 
Hier  meine  bisherigen  Beobb.  mit  der  ersten  Pariser,  auch  diese  auf 
mittlere  Bremer  Zeit  reducirt.  Nicollet  hält  diese  erste  Beob.  für 
etwas  zweifelhaft.  (Ich  hoflfe  bona  fide,  denn  sonst  sind  mir  Beispiele 
bekannt,  dass  fr[anzösische]  Astronomen  absichtlich  ihre  erste  Beob. 
anfangs  etwas  verändert  bekannt  machen,  um  andern  die  frühere  Berech- 
nung der  Bahn  zu  erschweren.) 


Jan.  21. 

gu  42'" 

'  8« 

0"  36'  29" 

16"  59'  36' 

„   30. 

7  17 

51 

359  27  4 

16  5  1 

8  29 

3 

359  26  24 

16  4  24 

Febr.  2. 

7  40 

50 

359  8  45 

15  50  14 

„   5. 

7  11 

50 

358  54  3 

15  37  56 

»   7. 

6  50 

6 

358  44  41 

15  28  55 

„   8. 

7  2 

15 

358  40  24 

15  24  55 

^)  Länge  von  Paris  aus  gezählt.    Knn. 

-)  Die  Beobb.  sind  dort  nur  auf  ganze  Minuten  abgekürzt  mitiretheilt,  so  dass 
dieser  Reduktiousfehler  nichts  ausmacht.  Dagegen  ist  die  Beob. -Zeit  dort  um  10*  zu 
gross  angegeben.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1821  Februar  13. 


67 


Die  Beobb.  des  5.  und  7.  Febr.  fielen  wegen  des  starken  Windes, 
der  das  Fernrohr  erscliütterte.  besonders  in  Rücksicht  auf  Dekl.  zweifel- 
haft aus. 

Dass  die  ohnehin  so  langsame  Bewegung  des  Kometen  bei  seinem 
offenbar  zunehmenden  Licht  noch  immer  abnimmt,  hat  mich  in  Ver- 
wunderung gesetzt.  An  die  Berechnung  der  Bahn  habe  ich  mich  bisher 
wegen  des  gar  zu  kleinen  Bogens  noch  nicht  wagen  mögen. 


No.  405. 


Gauss  an  Olbers. 


[184 


Göttingen,  1821  Februar  13.^) 

Recht   herzlich   danke   ich  Ihnen  für  Ihre  Kometenbeobb.     Meine 
bisherigen  waren 


Jan.  30 

71.  34n 

'32' 

359«  27'  7" 

16«  4' 36' 

Febr.  3 

7  3 

56 

359  3  54 

15  46  3 

„   7 

6  42 

38 

358  45  5 

15  29  49 

„   9 

0  42 

30 

358  36  24 

15  21  22 

„  10 

6  52 

27 

358  32  19 

15  17  50 

„  11 

7  12 

0 

358  28  27 

15  14  26 

Die  Beobb.  vom  10.  und  11.  halte  ich  für  ganz  vorzüglich  genau, 
wenn  der  Stern  gut  bestimmt  ist.  Ich  habe  nach  Harding's  Reduktion 
angenommen 

358«20'20",1  15n5'34",2 

so  wie  für  4  andere  auch  früher  verglichene 


358«  30'  20",4 
358  44  49,8 
358  52  20,2 
360     1  37,6 


16«  34'    1",2 
16  26  28,9 
16     4  35,6 
16  32  49,0 


[Vorerjst")  wird  es  nun  an  einem  guten  Vergleichungsstern  fehlen, 
ich  denke  die  Beobb.  vorerst  einzustellen  und  nach  etwa  8  Tagen 
wieder  anzufangen,  indem  ich  immer  die  nächsten  Sterne  bis  zur  9.  oder 
10.  Gr.  auf  des  Kometen  Parallel  zur  Vergleichung  anwende,  ohne  micli 
darum  zu  bekümmern,  ob  sie  in  der  Hlst.  Cel.  stehen  oder  nicht.  Im 
nächsten  Herbst  lassen  sich  die  Sterne  dann  nachbestimmen,  und  es 
kann  vielleicht  wichtiger  sein,  nach  Jahr  und  Tag  mehrere  gute,  als 
sogleich  einige  unzuverlässio:ere  zu  besitzen. 


^)  Datum  iiach  dem  Poststempel.    Krm. 

-)  Dieses  Wort  wird  in  seinem  Anfange  durch  das  Siegel  verdeckt.    Krm. 

5* 


(5g  Gauss  an  Olbers.     Göttingeii,  1821  Februar  13. 

Hr.  V.  Staubt,  ein  sehr  ausgezeichneter  mathematischer  Kopf  — 
vielleicht  der  beste  unter  allen  meinen  bisherigen  Schülein  — ,  wird 
jetzt  die  Bahnbestimmung  unternehmen.  Bei  den  gegenwärtigen  Um- 
ständen wird  Ihre  Methode  diesmal  keine  genauen  Resultate  liefern 
können.  So  viel  ist  mir  schon  wahrscheinlich,  dass  der  Komet  jenseits 
der  Marsbahn  ist,  und  ich  wundere  mich  nur,  dass  der  Komet  nicht 
viel  früher  entdeckt  ist,  vermuthlich  Folge  des  schlechten  "Wetters. 

Bis  Ende  Jan.  war  hier  fast  ununterbrochen  bedeckter  Himmel,  so 
dass  in  meinem  Tagebuche  eine  grosse  Lücke  ist.  Aber  auch  nachlier 
habe  ich  mich  nur  auf  die  Kometenbeob.  und  die  Durchgänge  von  ein 
paar  Sternen  beschränkt,  indem  ich  die  zufällige  Unterbrechung  einer 
meiner  Vorlesungen  benutzt  habe,  wieder  eine  theoretische  Arbeit  vor- 
zunehmen, die  ich  schon  1818  angefangen,  aber  bei  meiner  zerstückelten 
Zeit  und  so  mannigfaltigen  zum  Theil  widerwärtigen  und  nicht  immer 
die  zu  solclien  Arbeiten  nöthige  freie  Heiterkeit  des  Geistes  lassenden 
Beschäftigungen  oft  auf  lange  Zeit  wieder  weggelegt  hatte.  Es  ist  die 
neue  Begründung  der  sogenannten  Methode  der  kleinsten  Quadrate  oder 
vielmehr  eine  ziemlich  ausgedehnte  allgemeinere  Untersuchung,  wovon 
diese  nur  ein  Theil  ist.  Jetzt  ist  die  erste  Hälfte  ganz  vollendet,  die 
ich  in  Kurzem  der  Soc[ietät]^)  zu  übergeben  denke;  die  zweite,  welche 
auch  bis  auf  einiges  noch  überzuarbeitende  fertig  ist,  wird  vermuth- 
lich auch  noch  vor  Ostern  mitgedruckt  werden  können.  Sie  werden 
manche  artige  Sachen  darin  finden.  Mit  Betrübniss  fühle  ich.  wie 
wenig  ich  in  meiner  Lage  mit  allen  ihren  Missverhältnissen  von  dem 
leisten  kann,  was  ich  vielleicht  unter  glücklicheren  Umständen  hätte 
leisten  können,  und  dass  wohl  selbst  der  grössere  Theil  meiner  früheren 
Lukuhrationen  mit  mir  untergehen  wird.  —  Verzeihen  Sie,  theuerster 
Olbees,  den  Ausbruch  eines  Gefühls,  welches  gerade  jetzt  beim  Empfang 
eines  mit  jugendlichem  Feuer  geschriebenen  Briefes  von  einem  18  jäh- 
rigen PTorentiner,  Namens  Libri,  der  mir  eine  kleine  vielversprechende 
Abhandlung  über  höhere  Arithmetik  zuschickte,  wieiler  recht  lebendig 
bei  mir  geworden  ist. 

Oltmanns'  21  Längenbestimmungen  von  Göttingen  sind  mir  un- 
bekannt. Ich  erinnere  mich  bloss  einer  Zusammenstellung  einer  nel 
kleineren  Zahl  älterer  und  schlecht  harmonirender  Bestimmungen  (aus 
Seyffer's  Zeit)  aus  einer  kleinen  Druckschrift  über  Oamp's  Karte 
von  Ostfriesland,  die  ich  aber  in  diesem  Augenblick  nicht  gleich  auf- 
finden kann. 


•)  Theoria  Coinbinationis  Observationum  Erroribiis  nüniniis  obnoxiae.  Pars  prior. 
Societati  Reg.  Scieiit.  exliibita  IS'21  Febr.  15.  Tars  posterior.  IS'23  Febr.  2.  G.a.iss' 
Werke  Bd.  IV,  S.  1—53.    Knii. 


Gauss  an  Olbers.     Göttins-fii,  1821   Feliniur  13.  60 

Erlauben*)  Sie  mir  iiocli  »mii  Wort   über  die  Berechnuiif;-  (b'i- Kreis- 

miki'ometer-Beobb.  iiacb  dem  l*riii/i|>  der  W'alnselieinliehkeitsrechnunp:. 

,  ^  lömoracüs«)  ^-..      ,        ,  ,,,,,.,,. 

Ist ?r    j =  cosQ^  tiir   den  Stein   nnd   7    dasselbe   tür   den  ko- 

2  rad.  ' 

nieten,  so  ist  Dekl.-Untersch.  =  r  sin^i   ;- r  sin^'.    Das  dem  ^i?-Unter- 

2 
schiede  beizulegende  Gewicht  ist  dann     — —    und    das    Ge- 


00399'^  '  cos  99 


wicht  der  Dekl.-Bestimmung- 


sin  q>^  '  sin  <p'^ 


Hierbei  ist  freilicli  nni-  der  Fehler  des  Sehens  berücksichtigt  und 
die  Beob.  des  Sterns  und  Kometen  als  gleich  leicht  angesehen.  (Man 
könnte  die  Verschiedenheit  leicht  berücksichtigen,  wenn  sie  in  Zahlen 
bekannt  wäre).  Auch  das  Gesichtsfeld  ist  als  genau  bekannt  betrachtet. 
Aber  auch  ohne  diese  Umstände  zu  berücksichtigen  wird  es  doch  viel 
genauer  sein,  die  Beobb.  nach  jenen  Gewichten  zu  berechnen,  als  wenn 
man  alle  Resultate  als  gleich  genau  ansieht.  Ich  habe  dies  bei  den 
Kometenbeobb.  gethan.  Die  Rechnung  ist  höchst  einfach,  wenn  man 
sich  meinei-  kleinen  Logarithmentafeln  bedient;  ich  gehe  für  die  erste 
Formel  mit  der  Differenz  der  Logarithmen  von  cos  99-  und  cos  99'^  in 
die  Kolumne  Ä  ein  und  subtrahire  B  allemal  von  dem  kleineren  Loga- 
rithmen von  2  cos  99"  oder  2  cos  qo'-.  Ebenso  bei  der  andern  Formel. 
Am  10.  Febr.  waren  z.  B.  meine  einzelnen  Resultate 


für  Dekl.-Unterschied 

für  M 

135",5 

Gewicht  0,666 

47",25 

Gewicht 

0,294 

126,0 

j> 

0,889 

52,05 

» 

0,001 

140,7 

» 

0,138 

47,95 

» 

1,000 

149,9 

j) 

0,614 

47,90 

» 

0,812 

134,1 

» 

0,719 

48,00 
48,25 

0,240 
1,000 

47,35 

» 

1,000 

48,25 

!) 

0,116. 

Also  die  Gewichte  sehr  ungleich.  Bei  der  Dekl.  müssen  die  sehr 
nahe  beim  Centrum  geschehenen  Durchgänge  ganz  verworfen  w^erden, 
aber  von  den  Ai  braucht  man  gar  keine  auszuschliessen. 


^)  Von  hier  ab  ist  der  Brief  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krm. 


70  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  l!^21  Februar  16. 

Das  Gewicht  einer  ^,  die  für  -k-  und  Komet  central  ist,  ist  hier- 
bei als  Einheit  angenommen,  sowie  das  bei  einer  Dekl. -Bestimmung, 
wo  -jj-  und  Komet  hart  am  Eande  hinstreichen. 


No.  406.  Olbers  an  Gaiiss,  [222 

Bremen,  1821  Februar  16. 

Für  die  schönen  Kometenbeobb.  und  Ihren  lehrreichen  Brief  danke 
ich  Ihnen  aufs  Herzlichste.     Hier  meine  ferneren  Beobb.:M 

[Folg-en  die  Bd.  I,  S.  372 — 373  veröffentlichten  Beobb.  von  Febr.  7  bis  14.] 

ünerachtet  ich  mii'  alle  Mühe  gebe,  unerachtet  fast  immer  der 
nämliche  Stern  zur  Yergleichung  gebraucht  wurde,  und  obgleich  die 
Beobb.  jeden  Abends,  wenn  sie  nicht  als  zweifelhaft  bemerkt  sind,  sehr 
gut  unter  einander  stimmen,  zeigt  doch  die  Unregelmässigkeit  der 
Differenzen  in  den  Beobb.  weit  grössere  Fehler,  als  ich  erwartet  hatte. 
Es  scheint  fast,  dass  das  Urtheil  meines  Auges  über  den  Moment  des 
Eintritts,  und  wohl  besonders  des  Austritts  des  Mittelpunkts  des  Ko- 
meten von  einem  Abend  zum  andern  variire  und  so  in  die  Beobb. 
jedes  Abends  einen  konstanten  Fehler  bringe.  Der  Komet  ist  sonst 
sehr  gut  zu  beobachten,  besonders  die  Eintritte,  die  Austritte  sehe  ich 
nicht  so  scharf. 

Der  Stern,  den  wir  diese  Tage  fast  ausschliesslich  bei  dem  Kometen 
gebraucht  haben,  kommt  pg.  37  d.  Hist.  Gel.  noch  einmal,  aber  nur  am 
3.  Faden  beobachtet,  vor.  Die  Dekl.  stimmt  bis  auf  ein  paar  Sekunden 
mit  pg.  200,  aber  die  ^"R  nicht.  Inzwischen  scheint  die  Reduktion 
nach  pg.  200  die  richtige  Position  des  Sterns  zu  geben,  wenigstens 
habe  ich  durch  Vergleichungen  mit  mehreren  PiAzzi'schen  Sternen 
keinen  merklichen  Unterschied  gefunden. 

Bei  der  jetzigen  Lage  des  Kometen  gegen  den  Stern  tliut  mir  das 
Kreismikrometer  mit  der  Barre  zur  Bestimmung  der  Dekl.  gute  Dienste, 
indem  ich  nämlich  die  genau  durch  den  ^Mittelpunkt  gehende  Barre 
stark  gegen  die  Richtung  der  täglichen  Bewegung  neige  und  die  Zeiten 
bemerke,  da  die  Sterne  und  der  Komet  eintreten,  hinter  die  Barre 
kommen,  und  wieder  austreten.  Schon  ein  Stern  und  der  Komet  mit 
einander  auf  diese  Art  verglichen  giebt  den  Dekl.-Unterschied,  ohne 
dass  man  sich  um  den  Durchmesser  des  Kreismikrometers  zu  be- 
kümmern braucht.  Aber  noch  bequemer  wird  die  Bestimmung.  Avenn 
man   zwei   Sterne    von    bekanntem  Dekl.-l'nteiscliied  durchgehen  lässt. 


1)  Yergl.  aucli  Brief  No.  289    an  Bksskl  iui  Briefwechsel  Olbebs-Bessel.    Knii. 


OlbiTs  ;m  (iaii>s      lliiiiitii.   1821  Felmiar  IG.  71 

zwischen  deren  Abweichungen  die  Abweichung  des  Kometen  fällt.  Hier 
zur  Probe  eine  Beob.  vom  14.  Abends: 

V   »  -.»  hinter  der         .      .  ..^ 

Liutntt  r>       ^  Austritt 

Komet 10''14°M3^  16'"25-^  17"' 43* 

d 10   14    28  15    18  17    52 

40  Fisc 10  31    45  32    20  35      8 

■YcHist.Cel     ...  10   39    12  41    45  42    42 

Der  Stern  d  ist  unser  gewiihiilicher  Vergleichstern.  Der  Stern 
der  Hlst.  Gel.  ist  13' 30"  südlicher  als  c/,  und  13' 27"  südlicher  als  40 
Fisciiim. 

Damit  folgen  aus  beistehenden  Beobb.  die  beiden  Proportionen 

116" :    94"  =  13'  36" :  11'    1",2  =  Dekl.-Diff.  d.  Kom.  von  d, 
1 14",o  :  92",5  =  13'  27"  :  10'  51",9  =  Dekl.-Diff.  d.  Kom.  von  40  Piscium. 

Der  kleine  Unterschied  der  cos  der  Dekl.  des  Kometen  und  der  Sterne 
kann  nämlich  vernachlässigt  werden. 

Für  die  Belehrung  über  die  Berechnung  des  Gewichts  der  Be- 
stimmungen danke  ich  recht  sehr.  Ich  werde  Gebrauch  davon  machen 
und  habe  Ihre  Formeln  schon  für  mich  eingerichtet.  Ich  berechne 
nämlich  den  Winkel  (p  nicht,  sondern  habe  mir  schon  lange  für  mein 
gewöhnliches  Mikrometer  eine  Tafel  konstruirt,   aus   der   ich   sogleich 

15 
mit  dem  Argument  log  -^  mora  cos  <5  den  Dekl.-Unterschied  des  Mittel- 

punkts  des  Fernrohrs  und  des  durchgehenden  Sterns,  den  ich  J  nennen 

15 
will,  nehme.     Aus  J  und    ^^   mora  cos  d  lassen  sich  die  Gewichte  ebenso 

leicht  berechnen,  als  aus  sin  q^  und  cos  cp;  ja  so  bald  ich  Müsse  habe, 
will  ich  meiner  Tafel  gleich  auch  für  letzteres  Argument  die  GeA\ichte 
beifügen,  die  sich  dann  unmittelbar  aus  der  Tafel  werden  mit  ab- 
schreiben lassen. 

Da  meine  Uhr   keine  Sternzeit  zeigt,  sondern  näher  mit  mittlerer 

15 

Sonnenzeit  übereintrifft,  so  kann  ich  den  Koefficienten    ^   "i^l^^  in  aller 

Schärfe  gebrauchen,  sondern  wenn  T  die  Zahl  der  Sekundenschläge 
meiner  ühr  in  einem  Sterntag  ist,  worüber  ich  immer  durch  meine 
Stern  verschwindungen  Rechnung  trage,  so  ist  der  Koefficient,  mit  dem 
ich  die  Sekunden   der  Durchgangsdauer  multiplicire,  für  den  Stern  = 

-«~',  fü,-  den  Kometen  ^A^^JAM.     Nämlich  iA  tägliche  Be- 

wegung  des  Kometen  in  ^R.  Wenn  der  Komet  sich  stark  in  jß  be- 
wegt,  ist  diese  Rücksicht   nöthig,   und   dadurch  erhält  man  gleich  die 


72  Olbers  an  Gauss.     Bremen.  1821  Februar  16. 

wegen  der  Bewegung-  des  Kometen  verbesserten  Dekl. -Unterschiede  hin- 
reichend genau.  Bewegt  sich  der  Komet  auch  beträchtlich  in  Dekl., 
so  nehme  ich 

Stündliche  Bew.  d.  Koni,  in  Dekl.     

5iOÖür^'Stundliche~Bewegung  in  ^  ~~   ang  y, 

und  es  ist  + ^  die  Korrektion  der  ^.     Es  wird  fast  nie  nöthig 

cos^ 

sein,  das  so  berechnete  ^1  auch  noch  genauer  in  zu  verwandeln. 

°  cos  y> 

Verzeihen  Sie  diese  unbedeutenden  Kleinigkeiten.  Ich  wollte  Ihnen 
nur  zeigen,  dass  ich  bei  meinen  Reduktionen  nichts  Erhebliches  ver- 
nachlässige. Auf  Refraktion  habe  ich  bisher  bei  unserem  Kometen  noch 
keine  Rücksicht  genommen  und  zu  nehmen  Ursache  gehabt. 

Sie  haben  sehr  Recht;  meine  Methode  kann  bei  diesem  Kometen, 
der  Lage  seiner  scheinbaren  Bahn  nach,  und  besonders  auch  seiner  so 
langsamen  scheinbaren  Bewegung  wegen,  nichts  Genaues  geben.  In- 
dessen habe  ich  der  Begierde  nicht  widerstehen  können,  wenigstens  im 
Rohen  die  Relation  seiner  Bahn  gegen  die  Erde  kennen  zu  lernen. 
Hier  was  ich  gefunden  habe: 

Zeit  d.  ©Nähe  Febr.  16.  17'',  .Q,  =  81"10',  Neigung  =  22" 0'. 
Länge  d.  O  Nähe  =  19"  32',  Abstand  in  d.  O  Nähe  =  2.138, 
Bew.  rückläufig. 

Ich  will  dies  noch  gar  nicht  für  Elemente  der  Kometenbahn  ausgeben, 
da  der  Werth  von  M  gar  nicht  zuverlässig  ist.  und  besonders  mögen 
Zeit  und  Länge  des  Perihels  bei  genauerer  Rechnung  sehr  verschieden 
gefunden  werden.  Aber  mit  einiger  Gewissheit  lässt  sich  doch  schon 
behaupten,  dass  wir  den  Kometen  nach  seiner  Konjunktion  mit  der  0 
wiedersehen  und  wahrscheinlich  den  ganzen  Sommer  hindurch  bis  in 
den  Herbst  beobachten  werden,  da  er  bei  den  Sternen  des  Adlers  ver- 
schwinden wird.  Er  bleibt,  solange  er  Abends  noch  sichtbar  ist.  etwa 
bis  zum  10.  März  immer  in  der  Nachbarschaft  unsers  Sternes  d.  Seine 
Bewegung  wird  immer  langsamer;  zuletzt  gegen  den  10.  März  wieder 
rechtläufig  und  in  Dekl.  zunehmend.  Den  1.  Mai  ist  seine  uE  357°, 
seine  nördl.  Dekl.  17°.  Er  wird  also  schon  gut  wieder  am  ]\[orgen- 
himmel  zu  sehen  sein  u.  s.  w. 

Hr.  \.  Zach  hat  mir  die  Nachricht  von  Poxs'  Entdeckung  dieses 
Kometen  geschickt.  Auch  Pons  hat  ihn  erst  am  21.  Jan.  mit  Nicollet 
zugleich  gefunden.  Mit  Ihnen  verwundert  es  mich  sehr,  dass  man 
diesen  Kometen  nicht  schon  lange  entdeckt  hat.  Hier  und  überhaupt 
im  nördlichen  Deutschland  war  die  \\itterung  seit  5  bis  0  Wochen 
freilich  abscheulich  und  fast  keine  heitere  mondlose  Nacht. 


Gaii>s  au  OlbiT-.     in.lliiii^fii.   18'J1    l''i-liruar  22.  73 

HoppENSTEDT  hat  iiiii'  nicht  trennt wortet,  ich  habe  auch  keine  Ant- 
wort von  ihm  erwartet,  da  mein  Biief  oiircntlich  nur  ein  von  ihm  er- 
haltenes »Schreiben  beantwortete. 

;Mit  Vergnügen  theile  ich  Ihnen  die  Abschrift  von  Oltmanns' 
Längenbestimmiing  der  (löttingenschen  Sternwarte  mit. 

Wenn  Sie  schon  die  Coun.  cl.  teim  für  1823  gesehen  haben,  so 
möchte  ich  Sie  wohl  um  Belehrung  bitten,  ivie  weit  man  Puissant's 
Formeln,  die  in  einer  Hypothese  über  die  Abplattung  aus  geodätischen 
Messungen  berechneten  Unterschiede  der  Länge  und  Breite  zweier 
Dreieckspitzen  für  eine  andere  Abplattung  zu  korrigiren,  wohl  mit 
einiger  Sicherheit  gebrauchen  kann.  —  Ist  Ihnen  die  Mailänder  Ephe- 
meride für  dies  Jahr  schon  zugekommen? 

Auf  Ihre  neue  Begründung  der  Methode  der  kleinsten  Quadrate 
freue  ich  mich  im  voraus  recht  sehr,  besonders  wenn  Ihre  Abhandlung 
auch  für  Leute  von  meiner  Fassungskraft  verständlich  sein  wird.  — 
Gestern  Abend  habe  ich  in  der  Comi.  cl.  tems  1823  La  Place's  Ab- 
handlung über  die  bisher  nicht  merklich  abgenommene  Temperatur 
unserer  Erde  gelesen  und,  ehrlich  gestanden,  von  der  ganzen  darin  ent- 
haltenen Analyse  nicht  das  Geringste  begriffen.  Ob  es  bei  einer  zweiten 
aufmerksameren  Durchlesung  besser  gehen  wird,  muss  dei-  Erfolg  lehren. 

Ich  stelle  mir  noch  immer  vor,  dass  Repsold,  eben  weil  er  Ihnen 
nicht  antwortet,  Ihre  Bestellungen  gewiss  ausrichtet.  Soll  ich  mich 
auch  mal  durch  Rümker,  mit  dem  ich  korrespondire,  danach  erkun- 
digfen  lassen? 


No.  407.  Gauss  an  Olbers.  [iss 

Göttingen,  1821  Februar  22. 

Recht  vielen  Dank  für  die  gütige  Mittheilung  Ihrer  neuern  Ko- 
metenbeobb.  Ich  selbst  habe  ihn  seit  dem  11.  nicht  wieder  beobachtet; 
gestern  Abend,  wo  der  Komet  an  Glanz  ungemein  zugenommen  hatte, 
fing  ich  eine  Beob.  an,  welcher  zufolge  der  Komet  um  5'^  1'"  -;:-  Zeit  3'"  24^25 
auf  einen  Stern  etwa  7.  Grösse  etwas  nördlicher  folgte  (d.  i.  der  Komet 
etwas  nördlicher),  allein  schon  während  dieser  Beob.  kam  eine  Wolke, 
die  den  Austritt  des  Kometen  nur  mit  Mühe  erkennen  liess  und  nachher 
alles  Observiren  unmöglich  machte.  Ich  habe  daher  auch  nicht  ent- 
scheiden können,  ob  dies  etwa  der  Stern  gewesen  ist,  der  in  der  Hist. 
Cel.  p.  37  23M6"^38^5  steht. 

Sehr  in  Verwunderung  gesetzt  hat  es  mich,  dass  Ihre  Bahn  ganz 
toto  coelo  von  der  verschieden  ist,  die  Hr.  v.  Staubt  herausgebracht  hat 


74  Gauss  an  Olbers.    Göttingen,  1821  Februar  22. 

(ich   meine   nach   Nicollet's    vom  21.  Jan.  und   meinen    Beobb.    vom 

30.  [Jan.]  und  10.  Febr.),  die  aber  auch  noch  durchaus  nicht  ausgefeilt 
ist,  nämlich 

ft 48»  27' 52" 

Neig 74°  39' 37",  rückläufig 

Perih 265°  20' 44"  i) 

logg 8,95457 

Durchgang  durchs  Perihel  58'^,835später  als  Nicollet's  Beob. 
In  diesem  Augenblick  erhalte  ich  auch  einen  Brief  von  Hrn.  Nicola 
mit  folgenden  Elementen: 

ft       52°  21' 40" 

i 57°  49' 27"  rückl. 

Perih 245°  53' 18" 

log.  q     .     .     .     .  9,13072 

Zeit  des  Per.  März  28,1478. 

Ich  kann,  da  beide  kein  Vergleichungstableau  gegeben  haben,  noch 
kein  Urtheil  mir  anmaassen.  Sollten  übrigens  aber  diese  Bahnen  der 
Wahrheit  näher  kommen,  so  dürfen  wii'  noch  [auf  j  eine  grosse  Zunahme 
des  Glanzes  des  Kometen  hoffen,  so  dass  er  trotz  seiner  Annäherung 
gegen  den  Horizont  und  die  Dämmerung  doch  "wohl  noch  dem  blossen 
Auge  gut  sichtbar  werden  könnte. 

Eepsold  hat  noch  immer  nicht  geantwortet.  Bestimmt  erwartet 
habe  ich  übrigens  eigentlich  von  ihm  nur  erst  einen  Reverhere,  um  damit 
erst  vorläufige  Versuche  anzustellen.  Ich  meine,  er  hatte  mehrere  der- 
gleichen damals  fertig,  und  versprach  mir.  so  bald  er  von  der  Basis- 
messung zurückkäme,  einen  zu  schicken.  Da  dieses  nun  nicht  geschehen, 
so  denke  ich  auch  jetzt  gar  nicht  mehr  daran  und  noch  weniger,  dass 
er  meinen  geäusserten  Wunsch  wegen  eines  Heliostateu  erfüllen  werde, 
welcher  Wunsch  von  Anfang  an  keine  Hoffnung  war,  da  ich  Eepsold's 
beschi'änkte  Zeit  kannte.  —  Dagegen  hat  mir  nun  Körner  in  Jena  auf 
Ostern  zwei  Reverberes  versprochen,  und  nachher  will  er  mir  auch  einen 
Heliostat  machen. 

Ich  habe  jetzt  auch  Aussicht,  die  EcKHARDT'schen  A  A  zu  er- 
halten, welche  Mannheim  mit  den  MüFFLixG'schen  A  A  verbinden. 

Englischer  Seits  ist  nunmehr  der  Zenith-Sektor  für  die  hannov. 
Gradmessung  bewilligt;  ich  weiss  aber  noch  nicht,  ob  und  wit  lange 
Schumacher  ihn  vielleicht  noch  zu  behalten  wünscht.  —  Der  schick- 
lichste Zwischenpunkt  zwischen  hier  und  Lauenburg  mCichte  vielleicht 
Burgdorf  sein. 


1)  Muss  2390  9' 5"  heissen.     Siehe  Brief  No.  414  Gauss  an  Olbers.    Kmi. 


Olbii-  ;iii  t.aiiss.     Bremen.  1821  Februar  27.  75 

Ich  liabe  von  iinserm  Ministerium  den  Auftraof  erhalten,  jemand 
für  die  erlediprte  Stelle  eines  Lehrers  an  der  Navicrationssc-luile  in  Kmden 
vorzuschlagen;  „derselbe  hätte  besondei-s  in  den  .Sommermonaten  durch 
Vermessungen  und  derjrl.  Gelegenheit  zu  Nebenbeschäftigungen,  stehe 
unter  der  Provinzialreg.  in  Aurich  und  geniesse  ein  Einkonnnen  von 
ca.  500  Rthlr."  Ich  bin  deshalb  in  A'erlegenheit,  da  ich  niemanden 
kenne,  der  schon  hinlängliche  theoretische  und  praktische  Kenntnisse 
besässe,  und  von  dem  man  zugleich  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  an- 
nehmen könnte,  dass  er  unter  obigen  Bedingungen  dazu  geneigt  wäre. 
DiRKSEN  ist  schon  seit  l  Jahre  als  Professor  mit  500  Kthlr.  Gehalt 
und  freier  Wohnung  in  Berlin  angestellt;  Westphal  hat  seine  recht 
gute  Anstellung  in  Danzig  aus  freien  Stücken  niedergelegt,  ,^weil  ihm 
das  Sdndmeistern  nicht  gefieV,  und  ich  weiss  jetzt  nicht  einmal  dessen 
Aufenthaltsort.  Sollten  Sie  ein  passendes  Subjekt  kennen  oder  vielleicht 
durch  Hrn.  Eümker,  mit  dem  Sie  korrespondiren,  erfahren,  so  würde 
ich  Ihnen  für  Ihren  baldigen  gütigen  Eath  sehr  verpflichtet  sein. 


Nu  408.  Olbers  au  Gauss.  [223 

Bremen,  1821  Februar  27. 

Sie  haben  ganz  Recht,  das  was  ich  Ihnen  als  eine  Art  von  Bahn- 
bestimmung des  Kometen  schickte,  aber  auch  als  sehr  zweifelhaft  gab, 
war  ganz  irrig;  ich  war  auf  einer  ganz  falschen  Spur,  und  ich  ent- 
deckte bald  darauf  meinen  grossen  Irrthum.  Die  Bahn  des  Kometen 
scheint  von  Encke  schon  sehr  genau  bestimmt.  Sie  kennen  seine 
Elemente  ohne  allen  Zweifel.  Die  noch  nicht  ausgefeilten  Elemente 
des  Hrn.  v.  Staubt  nähern  sich  ihnen  bis  auf  die  Länge  des  Perihels  ^) 
sehr.  NicoLAi's  erste  Elemente  w'erden  noch  wohl  grössere  Korrektionen 
erfordern.  —  Leider  fällt  nun  die  Hoffnung  ganz  weg,  den  Kometen 
noch  nach  dem  Perihel  zu  sehen. 

Wird  seine  Lichtstärke  wirklich  im  Verhältniss  ^  2  72 -)  zunehmen, 

so  sollte  man  fast  glauben,  man  müsste  ihn  in  der  Nähe  seines  Perihels 
auch  am  Tage,  wie  den  Kometen  von  1744,  im  Mittagsfernrohr  sehen 
können.  Ich  finde  nach  jener  Formel  seine  Lichtstärke  (Elemente  von 
Encke)  am  19.  März  etw^a  260  mal  grösser,  als  wie  sie  am  30.  Jan.  war. 


1)  Yergi.  die  Anmerkung-  im  vorigen  Brief  über  die  falsch  mitgetheilte  Perihel- 
länge.    Krm. 

2)  Näheres  über  diesen  Gegenstand  findet  sich   in  einem  Aufsatze  von  Olbers, 
No.  7  in  Bd.  I.    Krm. 


76  -Olbers  an  Gauss.     Bremeu,  1821  Februar  27. 

Setze  ich  nun  die  Lichtstärke  des  Kometen  am  30.  Jan.  etwa  der  eines 
Sterns  8.  Grösse  gleich,  oder  beiläufig  64 mal  kleiner,  als  die  Lichtstärke 
eines  Sterns  erster  Grösse,  so  würde  der  Komet  am  19.  März  fast  4  mal 
mehr  Licht  haben  als  ein  Stern  1.  Grösse.  Bei  einer  solchen  Licht- 
stärke sollte  man  ihn  doch  wohl  sehen  können,  ob  er  gleich  nur  etwa  8" 
vom  Sonnenrande  entfernt  ist. 

Nur  ein  einziges  Mal  habe  ich  den  Kometen  nach  dem  14.  Avieder 
beobachten  können,  so  anhaltend  trübe  ist  hier  die  Witterung. 

Febr.  19.  6''  49'«  20*^       357°  59'  48"       14°  48'  10"\) 

Zu  der  Stelle  in  Emden  weiss  ich  Ihnen  niemand  vorzuschlagen. 
Unser  bisheriger  Lehrer  der  Navigation,  Dr.  Beaubach,  steht  wegen 
eines  Rufs  nach  Groningen  in  Unterhandlung,  würde  auch  die  Emdener 
Stelle  unter  den  Bedingungen,  die  Sie  mir  melden,  nicht  annehmen. 
Ich  habe  gleich  an  Rümkek  geschrieben  und  werde  Ihnen  seine  Ant- 
wort ungesäumt  mittheilen. 

Unterm  16.  Febr.  schrieb  mir  Prof.  Oltmanns:  „So  eben  erfahre 
ich,  dass  der  hannoversche  Oberstlieutenant  Suveloh  die  Ingenieure 
auffordert,  sich  zu  erklären,  ob  sie  an  der  allgemeinen  Landesvermessimg 
Antheil  nehmen  wollen.  Dies  scheint  mir  Hoifnung  zu  einer  allgemeinen 
Triangulirung  des  Eeichs  anzudeuten.  Da  mir  nun  nichts  Näheres 
darüber  bekannt  ist,  Sie  sich  aber  stets  dafür  sehr  interessirt  haben, 
so  erlaube  ich  mir  anzufragen,  ob  Ilinen  vielleicht  durch  Hrn.  Hofr. 
Gauss  etAvas  darüber  eröffnet  worden  ist,  und  bitte  Sie,  mich  gefälligst 
bald  davon  zu  benachrichtigen." 

Natürlich  habe  ich  ihm  geantwortet,  dass  mir  nichts  Positives 
darüber  von  Ihnen  bekannt  geworden  sei.  —  Das  unterstrichene  mir 
scheint  anzudeuten,  als  ob  Oltmanns  erwartet  habe,  darüber  in  Kenntniss 
gesetzt  zu  werden.  Ich  kenne  Oltmanns"  jetzige  Dienstverhältnisse 
und  jetzigen  A\'irkungskreis  nicht,  nur  vor  einiger  Zeit  schrieb  er  mir. 
es  wäre  ihm  von  Seiten  der  Stände  ein  Plan  zu  einer  "S'ermessung  des 
Königreichs  abgefordert  worden,  er  habe  aber  den  Antrag  vor  der  Hand 
abzulehnen  Ursache  gefunden.  —  Dies  alUfi,  lieber  Gaiss.  versteht  sir]i 
im  Vertrauen. 

Oltmanns  hat  mir  auch  einen  vollständigen  Abdruck  seiner  Ab- 
handlung über  die  Finsterniss  von  Thales  mit  allen  Anmerkungen  und 
Citaten,  die  Bode  aus  oft  übel  angewandter  Sparsamkeit  mit  dem  Kaum 
in  seinem  Jahrbuche  weggelassen  hat,  mitgetheilt.  Da  habe  ich  mich 
dann  überzeugt,  dass  Oltmanns  noch  gai-  nicht  wusste.  seine  an  sich 
schöne  Abhandlung  sei  doch  im  eigentlichsten  Sinne  ein  cpus  oprratton. 


Vergl.  Olbers  Bd.  I,  S.  878.    Krni. 


(>lbtr>  an  (iauss.     Bniiu-u,  1821   Ftbruar  'J7.  77 

Ks  tiiidet  sk-li  iiäinlicli  in  den  rhilos.  Transad.  vom  Jahr  1811  eine 
ijanz  ähnliche  Abhandlung  von  P'rancis  Baily,  die  auch  zu  demselben 
Kesultat  führt.  Baily  hat  Bübg's  Mondtafeln  gebraucht.  Wenn  dies 
aber  nun  auch  für  Oltmanns  nicht  ganz  angenehm  ist,  so  wird  es  für 
un.s  immer  wichtig  [sein],  zu  wissen,  dass  zwei  Astronomen  unabhängig 
von  einander  aus  den  neuesten  Mundtafeln  nur  die  Finsterniss  vom 
30.  Sept.  609  a.  C.  als  zu  Herodot  s  Erzählung  passend  haben  auffinden 
können,  und  dass  also  diese  Sache  als  vüllig  abgethan  zu  betrachten 
sei,  wenn  wir  uns  auf  die  Säkularbewegung  des  Mondknoten  schon 
sidier  verlassen  dürfen. 

Am  5.  Febr.  habe  ich  die  Erscheinung  im  Monde  ^)  gesehen,  die 
man  einen  ^londvulkan  genannt  hat.  auch  gleich  darüber  an  Prof. 
Hai{ding  geschrieben.  Hier  wörtlich,  was  ich  in  meinem  Tagebuche 
der  Kometenbeobb.  darüber  sogleich  niedergeschrieben  habe.  „Am  5. 
sehr  heiter,  aber  schon  Mondschein.  In  dem  dunklen  Tlieil  des  Mondes 
sah  ich  noch  nie  das  Phänomen,  das  man  für  einen  brennenden  Vulkan 
im  Monde  gehalten  hat,  so  deutlich  und  auffallend,  wie  diesen  Abend. 
Es  schien  wie  gewöhnlich  im  Äristarch  zu  sein.  Es  war  klein,  aber 
ganz  auffallend  heller  als  der  übrige  Theil  des  von  der  Sonne  nicht 
erleuchteten  Mondes,  ganz  sternähnlich,  und  hatte  eben  das  Ansehen 
wie  ein  Südost  vom  Monde  stehender  Fixstern  6.  Grösse."  (Südost  ist, 
wie  ich  gewiss  weiss,  ein  Schreibfehler,  es  muss  Nordost  heissen.) 

Da  es  am  6.  Febr.  trübe  war,  habe  ich  mich  nicht  weiter  danach 
umgesehen.  Nun  lese  ich  aber  in  den  Englischen  Zeitungen"-):  „Kapt. 
Kateb  habe  am  7.  Febr.  der  königlichen  Societät  zu  London  eine  Nach- 
richt über  einen  von  ihm  im  Monde  gesehenen  Vulkan  mitgetheilt. 
Er  habe  sich  durch  fortgesetzte  Beobb.wirklich  überzeugt,  dass  es  ein 
im  Ausbruche  begriffener  Vulkan  sei." 

Es  scheint  also,  dass  Kater  dieselbe  Erscheinung  gesehen,  nur 
weiter  verfolgt  habe,  die  auch  mir  am  5.  Febr.  auffiel.  Seine  Ueber- 
zeugungsgründe,  dass  dies  wirklich  ein  brennender  Vulkan  war,  muss 
ich  erwarten.  Ich  glaube  an  keinen  brennenden  Mondvulkan,  der  nach 
allem,  was  wir  von  der  Beschaffenheit  des  Mondes  und  seiner  so  zweifel- 
haften Atmosphäre  wissen,  fast  unmöglich  scheint.  Vielmehr-  glaube  ich^ 
dass  sich  die  Erde  in  einer  ebenen,  merJdich  platte)i,  fast  einer  polirten 


^)  Diese  ÜLBERs'sche  Mittheilung-  über  die  Erscheinung  des  Mondvulkanes  findet 
sich  mit  geringen  Änderungen  auch  in  den  Gott.  Gel.  Äitz.,  Stück  46,  in  Gacss'  Werken 
Bd.  VI,  S.  436—437  und  Olbers"  Werken  Bd.  I,  S.  575—577.  Vergl.  auch  Briefwechsel 
Olbers-Bessel  Brief  289  au  Bessel.  Olbers  kommt  auf  diesen  Gegenstand  in  dem 
nächsten  Briefe  vom  5.  März  noch  einmal  ausführlieh  zurück.    Krm. 

2)  Yergl.  hierzu  Olbers"  Werke  Bd.  I.  S.  371,  372  und  S.  213.    Krm. 


73  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1821  Februar  27. 

Fläche   ähnlichen   Seitenwand  einer  zum  Äristarch  gehörenden  grossen 
Felsklippe  wirklich  abspiegelte. 

Das  so  abgespiegelte  Bild  eines  Theils  der  Erde  musste  ganz  un- 
gleich heller  sein,  als  alles  Uebrige  bloss  von  der  Erde  erleuchtete,  da 
dies  das  Erdenlicht  nach  allen  Richtungen  zerstreut,  jenes  nur  in  einer 
Richtung  zurückwirft.  Wenn  jene  unvollkommene  Spiegelung  auch  nui- 
jV  des  Erdenlichtes  zurückwarf  (da  unsere  wirklichen  Spiegel  etwa  die 
Hälfte  des  auf  sie  fallenden  Lichts  zurückwerfen),  und  die  Seitenwand 
nur  2"  im  Durchmesser  hatte,  so  konnte  sie  immer  so  hell  wie  ein 
Stern  6.  Grösse  erscheinen. 

Nach  dieser  Vorstellung  wird  es  erklärlich,  1)  warum  wir  die  vul- 
kanartigen Erscheinungen  immer  nur  an  bestimmten  Stellen  des  Mondes 
sehen,  2)  warum  sie  nicht  in  jeder  Lunation,  sondern  nur  selten  zu 
Gesicht  kommen.  Die  Libration  des  Mondes  muss  nämlich  bis  auf  etwa 
2^  die  nämliche  sein.  Die  Möglichkeit,  dass  es  solche  mehr  oder  weniger 
spiegelartig  das  Licht  zurückwerfende  Seitenwände  der  Mondklippen 
geben  könne,  lässt  sich  wohl  nicht  bezweifeln.  Ich  kenne  unsere  Gletscher 
nicht  aus  eigener  Ansicht;  aber  ich  glaube,  dass  es  grosse  Gletscher- 
flächen giebt,  die  auch  als  unvollkommene  Spiegel  Licht  zurückwerfen 
können.  Ich  führe  dies  nur  als  etwas  Analoges  an;  denn  Gletscher 
sind  im  Monde  noch  wohl  unwahrscheinlicher  als  brennende  Vulkane. 
Aber  dass  es  unter  den  auch  im  Monde  wahrscheinlich  nach  Krystalli- 
sations-Gesetzen  gebildeten  Gebirgen  einzelne  geben  könne,  die  ebene, 
glatte,  fast  einer  polirten  ähnliche  Seitenflächen  haben,  scheint  mir  sehr 
denkbar.  Es  mag  ihrer  vielleicht  viele  im  Monde  geben,  aber  selten  mögen 
sie  gerade  die  Lage  haben,  dass  sie  uns  unter  bestimmter  Libration  ge- 
rade das  Bild  der  Erde  zurückwerfen  oder  zurückspiegeln  können. 

Auch  die  Sonne  scheint  sich  zuweilen  auf  ähnlichen  Klippenwänden 
im  Monde  abzuspiegeln.  Noch  vor  etwa  8  Wochen  sah  ich  im  Mare 
imhrium  ausser  der  Lichtgrenze  zwei  von  der  Sonne  beschienene  Berg- 
köpfe so  ungewöhnlich  hell,  scintillirend,  smwsähnlich,  dass  es  mir  un- 
möglich schien,  hier  bloss  nach  gewöhnlichen  Zerstreuungs-Gesetzen 
zurückgeworfenes  Sonnenlicht  anzunehmen.  Ich  habe  versäumt,  damals 
nachzusehen,  ob  der  eine  dieser  Berge  vielleicht  der  auch  im  Mare 
imhrium  gelegene  Lahire  (nach  Schroeter)  war.  bei  welchem  Schroeteb 
ganz  ähnliche  Erscheinungen  wahrgenommen  hat.  — 

Verzeihen  Sie,  lieber  Gauss,  mein  langes  Geplauder  über  diesen 
geringfügigen  Gegenstand.     Das  Alter,  wie  Sie  wissen,  macht  redselig. 

Endlich  haben  wir  wieder  etwas  von  der  Londoner  astronomischen 
Societät  gehört.  Hekschel  wird  auch  Ihnen  ohne  Zweifel  die  Preis- 
aufgabe der  Gesellschaft  —  die  Theorie  der  Saturnstrabanteu  —  ge- 
schickt haben. 


Gauss  an  (Ulieis.     i  rtittiiiifeu,   l.^Jl    März   1.  79 

RüMKER  schrieb  mir  neulich,  dass  grosse  Hoffnung  sei,  man  werde 
in  Hamburg  ein  öffentliches  Observatorium,  ganz  vollständig  mit  von 
Repsold  verfertigten  Instrumenten  ausgerüstet,  errichten. 


No.  409.  Gauss  an  Olbers.')  [ise 

Göttingen,  1821  .März  1. 

Der  Hr.  \ .  Staudt  hat  mir  so  eben  die  Vergleichung  seiner  para- 
bolischen Elemente  des  Kometen  mit  sämmtlichen  Beobb.  gebracht, 
wovon  ich  Hinen  die  Abschrift  mitzutheilen  eile. 

[Folgt  die  Vergleichung  der  auf  (trund  der  ersten  Bahn*^)  gerechneten  Oerter 
mit  den  Beobb.  vom  21.  Jan.  bis  15.  Febr.  zu  Paris,  Göttingen,  Bremen,  Seeberg 
und  Mannheim] 

Hr.  Encke  wird  ihnen  seine  mit  den  SxAUDT'schen  Elementen 
äusserst  nahe  harmonirende  Bahn  wahrscheinlich  schon  selbst  geschickt 
haben. 

Wenn  wir  diese  fortdauernde  gute  Uebereinstimmung  als  eine 
Präsumtion  gelten  lassen,  [dass]  diese  Bahn  der  Wahrheit  nahe  kommt, 
so  werden  wir  den  Kometen  vor  seiner  Zusammenkunft  mit  der  O 
und  auch  zum  zweiten  Mal,  in  den  Frühstunden,  nach  derselben,  trotz 
seiner  Nähe  bei  der  O  und  dem  Horizonte,  doch  höchst  wahrscheinlich 
mit  blossem  Auge  bequem  sehen.  Einer  meiner  Zuhörer  behauptet,  ihn 
so  schon  den  21.  Febr.  gesehen  zu  haben,  seit  welchem  Tage  es  hier 
beständig  trübe  gewesen  ist. 

Hr.  Oltmanns  schreibt  mir  „Sie  hätten  ihm  gemeldet,  dass  Sie 
heitere  Aiissichten  zw  Primär-Triangidirung  von  Hannover  hätten,  und 
dass  er  so  glücklich  geivesen  sei,  Ihnen  zu  dieseiti  Endmveck  das 
KjRAYENHOFFSche  AA  Netz  so  wie  Bruchstücke  des  EpAiLLr'schen^)  zu 
verschaffen.^''  Ich  vermuthe,  dass  hier  ein  mal  entendu,  stattfindet; 
sollten  Sie  aber  doch  wirklich  im  Besitz  dieses  KRAYENHorr'schen  Netzes 
sein,  so  bitte  ich  Sie  dringend,  sich  nicht  durch  den  Umstand,  dass 
neulich  in  unseren  gelehrten  Anzeigen  eine  Recension  des  Werkes  stand, 
verleiten  zu  lassen  zu  glauben,  das  Buch  sei  hier,  sondern  mir  sol- 
ches, so  bald   Sie  es  nur  auf   kurze  Zeit  entbehren  können,  gütigst  zu 


^)  Dieser  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.    Krm. 

2)  Neue  Elemente  Staudt's  theilt  Gauss  im  Briefe  No.  412  an  Olbers  mit. 
Siehe  auch  Gott.  Gel.  Anz..  Stück  78,  und  Astr.  Jahrbuch  für  1825  (Gauss'  Werke 
Bd.  VI,  S.  437—440),  wo  Gauss  die  letzten  Elemente  Staudt's  und  eine  Vergleichung 
mit  den  europäischen  Beobb.  des  Kometen  1821  giebt.    Krm. 

^)  Vergl.  hierzu  Brief  No.  400  und  404  Olbers  an  Gauss.    Krm. 


gQ  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1821  März  2. 

kommimicireii.  Jene  Recension  ist  nämlich,  wie  mir  auf  meine  gleich 
angestellte  Erkundigung  gesagt  wurde,  aus  ^^'estfalen,  ich  weiss  aber 
nicht  von  Avem,  eingesandt,  und  die  Bibl.  hat  das  Buch  nicht. 

Es  werden  in  dieser  Recension  auch  die  Ol iMANNs'schen  Vermessungen 
erwähnt,  an  die  sich  die  KEAYENHOFF-'schen  anschliessen  sollen? 

Die  mir  aus  Paris  gemachten  Mittheilungen  werden,  wenn  ich 
nicht  die  Winkel  selbst  erhalte,  völlig  unbrauchbar  sein,  und  ich  weiss 
wirklich  kaum,  was  ich  davon  denken  soll.  Man  hat  mir  die  Seite 
Hohenhorn-Lüneburg  mitgetheilt  =  27390,76  m,  log ^=  4,4376057,  Hohen- 
horn  ist  auch  ein  ScHUMACHER'scher  Punkt.  In  Lüneburg  ist  zwar  von 
mir  ein  anderer  Thurm  gebraucht  (der  Michaelis),  inzwischen  haben  wir 
doch  hinlängliche  Daten,  um  auch  die  Distanz  Hohenhorn-Lüneburg,  Jo- 
haimis,  welche Epailly gebrauchte,  zu  berechnen;  sie  ergiebt  sich  25696 m,^) 
die  anderen  Lüneburger  Thürme  liegen  unsicher.  Es  bleiben  also  nur 
3  Fälle  denkbar,  entweder  hat  Epailly  bei  Hohenhorn  nicht  den  Thurm, 
sondern  ein  Signal  gebraucht,  was  fast  1  Stunde  Weges  davon  stand, 
wozu  aber  gar  kein  Grund  war,  da  der  Thurm  ein  guter  Standpunkt 
war;  überdies  ist  auch  bei  Hohenhorn  nicht  beigeschrieben  „signal", 
und  auf  alle  Fälle  wäre  es  ja  dann  ganz  unpassend  gewesen,  mir  jet^t 
eine  solche  Seite  mitzutheilen,  die  gar  keinen  Wertli  haben  kann  — 
oder  2.  die  EpAiLLY'schen  Dreiecke  involviren  die  gröbsten  Fehler  — 
oder  3.  sie  sind  ganz  unrichtig  berechnet,  —  denn  dass  man  4.  ^vissent- 
lich  mir  eine  falsche  Zahl  geschrieben  hätte,  ist  natürlich  undenkbar. 

Freilich  gründet  sich  meine  Rechnung  nur  auf  die  provisorische 
Basis  auf  der  Eibbrücke;  allein  dabei  kann  schwerlich  i  ,7,,,,?  ja  schwerlich 
•-'  (h  0  gefehlt  sein,  auch  könnte  sonst  die  berechnete  Polhöhe  von  Lüne- 
burg nicht  so  gut  mit  der  von  Ende  beobachteten  harmoniren. 

Dürfte  ich  Sie  gehorsamst  ersuchen,  die  Einlage  gelegentlich  mit 
beizuschliessen? 

P.  S.  Die  Conn.  des  tems  1823  habe  ich  noch  nicht  gesehen,  eben- 
so wenig  wie  die  Mailänder  Ephemeriden  für  1821. 


Nu.  410.  Gauss  an  Olbers.-)  [isr 

Göttingen,  1821  ,März  2. 

Recht  herzlich  danke  ich  Hinen  für  Ihren  höchst  interessanten  Brief. 
Ganz  besonders  hat  mich  Ihre  so  sinnreiche  Idee  wegen  der  angeblichen 


*)  Vergl.  auch  Brief  No.  llo  im  Biiofwoclisel  Gaiss-Schvmacher.    Krni. 
-)  Dieser  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.    Krm. 


Gauss  i\n  Olbcrs.     (TÖttiugeii,  1821   März  2.  gl 

([  Vulkane  übt' nascht.    pj-laulxMi  Sic  wolil.  dass  ich  einen  Auszug  dieser 
Stelle  Ihres  Briefes  in  unseren  Anzeigen  bekannt  mache? ^) 

Den  Kometen  habe  ich  gestern  Abend  recht  gut  beobachtet  um! 
mit  23''  No.  233  Pia/zi  verglichen 

März   1.       7'' 18'"  7^       357M8'34",5       14"  8' ;JtJ".t3 

Die  Beob.  soll  aber  künftig  noch  schärfer  mit  Rücksicht  auf  Re- 
fraktion reducirt  werden. 

Hr.  Nicolai  hat  folgende  Elemente  berechnet,  die  recht  gut  mit 
den  STAUDx'schen  und  ENCKE'schen  übereinstimmen, 

März     21,6016  Mannheim  PeriheP) 

239034'   5"  Länge  des  Perihels 
48  43  3  4    Sl 
73  23  15     Neigung 
8.96466     Log  2. 

Die  Mailänder  Ephemeriden  sind  jetzt  für  mich  unterwegs.  Den 
Zenithsektor  will  Schumacher  Ende  Juli  abliefern.  Von  dem  Plan, 
eine  Sternwarte  in  Hamburg  zu  bauen,  hatte  ich  bei  meiner  letzten  An- 
wesenheit daselbst  auch  gehört,  es  schien  nur  alles  noch  sehr  in  weitem 
Felde  zu  sein.  Vermuthlich  will  man  dieselbe  wohl  mit  der  Navigations- 
schule vereinigen  und  dann  vielleicht  Hrn.  Rümker  an  die  Spitze 
stellen?  Sollte  dies  aber  nicht  der  Fall  sein  und  Sie  Gelegenheit  haben 
dabei  mitzuwirken,  so  ersuche  ich  Sie,  mein  theuerster  Freund,  mich 
dazu  zu  empfehlen.  Es  ist  dies  mein  völliger  Ernst.  Und  wenn  die 
Bedingungen  so  sind,  dass  man  in  Hamburg  auch  mit  einer  Familie 
wie  die  meinige  anständig  davon  leben  kann,  so  werde  ich  sie  an- 
nehmen.^) 

Wegen  der  Landesvermessung  des  Hannoverschen  hatte  Hr.  Olt- 
MANNS  auch  an  mich  geschi-ieben,  aber  auf  eine  Art,  dass  ich  selbst  nicht 
recht  wusste,  was  ich  davon  denken  sollte.  Wird  dieselbe  aber  auf  eine 
solche  Art,  wie  Ihr   Brief  anzudeuten   scheint,   ausgeführt,   ohne   eine 


^)  Siehe  die  Anmerkung  auf  S.  77.    Knn. 

«)  Durchgang  durch"s  Perihel  in  Mannheimer  Zeit.  Das  erste  NicoLAi'sche  Ele- 
meutensystem  hatte  Gauss  im  Brief  No.  407  Olbeks  mitgetheilt.    Krm. 

3)  Yergl.  hierzu  auch  Brief  No.  413  von  Olbers  sowie  den  Briefwechsel  Gauss- 
ScHUMACHER,  WO  Gaüss  längere  vertrauliche  Verhandlung-en  in  Betreff  der  Übernahme 
des  Direktorats  an  der  neuzugründenden  Hamburger  Sternwarte  führte  (Brief  No.  117, 
118,  122—124,  126).  Dass  Gauss  mit  seiner  pekuniären  Lage  nicht  zufrieden  war 
und  sich  von  Göttingen  fort  wünschte,  geht  auch  aus  einem  Briefe  seiner  Schwieger- 
mutter an  Olbers  hervor  (Briefe  zwischen  A.  v.  Humboldt  und  Gauss,  herausgegeben 
von  K.  Brühns,  S.  6).  Bald  darauf  begannen  die  Verhandlungen  über  Gauss'  zweite 
Berufung  nach  Berlin.    Krm. 

Olbers.     11,  2.  6 


32  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1821  März  5. 

wissenschaftlich  geleitete  grosse  Triangulirung,  so  ist  dies  freilich  sehr 
zu  beklagen. 

Eine  kurze  Nachricht  von  dem  1.  Theile  meiner  Abhandlung  ^j 
werden  Sie  in  No.  33  unserer  Gel.  Anz.  finden. 

Der  Komet  war  gestern  etwa  so  hell  wie  ein  'Jc  3.  oder  3. — 4.  Grösse. 
Nach  welchem  Prinzip  rechnen  Sie  die  Helligkeit  der  Sterne  8.  Grösse 
^j^  von  der  der  ersten?  Sollte  nicht  bei  der  Art,  wie  man  eine  neue  Ord- 
nung anfängt,  (wenn  ein  bedeutend  geringeres  Licht  stattfindet,  etwa 

I  der  vorhergegangenen  Ordnung)  die  Formel -^^^^  oder     „_i ,  wo  viel- 

^  CO 

leicht  (jo  noch  grösser  als  2,  angemessener  sein  als  -  „  ?     Auf  alle  Fälle 

71- 

werde  ich  zu  seiner  Zeit  den  Versuch  machen,  ob  der  Komet  bei  Tage 
zu  sehen  sein  wird. 


No.  411.  Olbers  an  Gauss.  [-224 

Bremen,  1821  März  5. 

Unsere  beiden  letzten  Briefe  haben  sich  gekreuzt,  und  Sie  werden 
bald  nach  Absendung  des  Ihrigen  vom  1.  März  den  meinigen  erhalten 
haben.  Sehr  bin  ich  Ihnen  für  die  gütige  Mittheilung  der  Vergleich ung 
sämnitlicher  Kometenbeobb.  mit  den  Elementen  des  Hrn.  v.  Staudt  ver- 
bunden. Sie  scheinen  allerdings  schon  sehr  genähert,  und  es  wird  darauf 
ankommen,  welche  von  den  beiden  Bahnen,  die  des  Hrn.  v.  Staudt  oder 
des  Prof.  Encke,  der  Wahrheit  am  Nächsten  ist.  Beide  stimmen  nahe 
miteinander  überein,  und  beide  stellen  die  Beobb.  bis  zum  15.  Febr. 
befriedigend  dar.  Auf  die  Möglichkeit,  den  Kometen  nach  dem  Perihel 
zu  sehen,  wird  die  Länge  des  Perihels  grossen  Einfluss  haben,  bei  der 
die  beiderseitigen  Elemente  noch  um  26° '-)  verschieden  sind.  Die  ^^'it- 
terung  scheint  in  ganz  Norddeutschland  seit  der  Mitte  des  P'ebr.  den 
Beobb.  des  Kometen  sehr  ungünstig  zu  sein.  Ich  habe  ihn  seit  dem 
19.  Febr.  nur  einmal  am  1.  März  beobachten  können,  und  ich  fand  mit 
dem  Stern  von  Piazzi  h.  XXIII  No.  233  verglichen 

März.  1.     7^  5"' 2=*     357M8'28"     14"  8' 48" 

Der  Komet  war  sehr  gut  mit  blossem  Auge  zu  sehen,  der  Schweif 
über  4"  lang  und  der  Kopf  im  Fernrolir  in  der  Mitte  ungemein  hell.  — 


^)  Anzeige  über  die  Thooiia  Oonibiuationis  Gott.  Gel.  Attz.,  Stück  33,  Gatss' 
Werke  Bd.  IV,  S.  95  ff.     Krin. 

-)  Es  beruht  dies  auf  dem  in  lUiof  No.  407  Anmerk.  l  erwähnten  Schreib- 
fehler.    Krm. 


Olliers  an  Gauss.     BivmtMi.  Is21   März  ö.  33 

Da  mein  Horizont  nicht  frei  genug  ist,  werde  ii-li  ihn  wolil  iiiclit   hinge 
nu^lir  beobachten  können. 

Hier  für  Hrn.  v.  Staudt,  ilen  ich  mich  unbekannter  \\'eise  zu  em- 
pfehlen bitte,  einige  Beobb.  von  Rümker  zu  Hamburg  (Mittlere  Zeit 
zu  Hamburtr) 


,  7. 

8''  23"'  50^2 

358' 

»44'36",9 

lo°29'25",8 

8. 

7  6   5,5 

40  24,5 

24  48,7 

0. 

7  39   9,4 

36  20,9 

21  18,2 

10. 

7  G  35 

32  14,9 

12. 

7  41  46 

24  45 

Zugleich  schreibt  mir  Rümker:  „Ich  weiss  kein  Subjekt  zu  einem 
Xavigationslehrer  in  Emden  vorzuschlagen,  es  sei  denn,  dass  man  vom 
Navigatiouslehrer  nicht  verlange,  dass  er  zur  See  gewesen  sein  soll; 
dann  ist  ein  sehr  geschickter  Mathematiker  hier,  welcher  die  Stelle 
gern  annehmen  Avürde,  doch  vei'steht  er  kein  Holländisch  und  hat  sich 
überdies  mit  Navigation  bis  jetzt  wenig  beschäftigt."  —  Ich  muss  es 
Ihnen  überlassen,  ob  Sie  auf  diesen  Mathematiker  reflektiren  wollen. 
Mir  scheint  eigentlich  kein  Navigationslehrer  gut  zu  sein,  der  nicht 
selbst  einige  Erfahrung  in  der  Praxis  auf  wirklichen  Seereisen  gemacht 
liat.  Vorausgesetzt  also,  dass  das,  was  R.  von  den  mathematischen 
Kenntnissen  seines  Kandidaten  rühmt,  seine  Richtigkeit  hat,  würde  doch 
wohl  nur  unter  der  Bedingung  Rücksicht  auf  ihn  genommen  werden 
können,  dass  er  vorher  noch  eine  Seereise  mache.  Der  Umstand,  dass 
man  von  Holland  aus,  wie  ich  Ihnen  schon  geschrieben  habe,  einen 
Navigationslehrer  in  Bremen  aufsucht,  scheint  zu  zeigen,  dass  die  zu 
diesem  Geschäft  sich  schickenden  Personen  überhaupt  sehr  selten  sein 
müssen. 

Oltmanns  liatie  mir  das  IvRATENHOFF'sche  Precis  geliehen,  und 
schrieb  mir  zugleich,  dass  er  mir,  wenn  ich  es  wünschte,  ein  eigenes 
Exemplar  verschaffen  könne.  Ich  bat  ihn  um  zwei,  wovon  eins  für  Sie 
bestimmt  ist.  Nach  seiner  gefälligen  Antwort  wollte  er  swei  besorgen. 
Da  ich  also  selbst  dies  Werkchen  zu  erhalten  hoffe  und  täglich  erwarte, 
so  habe  ich  ihm  sein  Exemplar  längst  zurückgeschickt,  ohne  mir  etwas 
daraus  abzuschreiben.  Sobald  ich  ein  oder  zwei  erhalte,  werde  ich  es 
Ihnen  sogleich  zuschicken.  Sollte  Oltmanns  nicht  Wort  halten  können, 
so  wird  er  Ihnen  gern  das  seinige  leihen. 

Dass  mir  Oltmanns  zu  meiner  grossen  Freude  die  EpAiLLy'schen 
Dreiecke,  die  Bremen  mit  Aurich  verbinden,  geschickt  habe,  meldete 
ich  Ihnen  gleich.  Sie  hatten  mir  aber  vorher  geschrieben,  dass  Sie 
schon  lange  im  Besitz  dieser  Dreiecke  wären.  Ich  glaube  demnach 
nicht,  dass  das,  was  ich  von  Oltmanns'  Güte  erhalten  habe,   von  dem 

6* 


84 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1821  März  "). 


verschieden   ist,   was    Sie   schon   besitzen.     Zur   Probe    setze    ich    den 
Anfang  her. 


Namen  der 
Objekte 


Winkel 


in  Dccim[al- 
theilung'] 


alte 
EintheilnniT 


I^ntfernungen 

in  Lo^-. 


in 
Eheinl.  Fus 


Oldenburg    . 
Wildesbausen 
Bremen     .    . 


ü7,1714 
88,7034 
54,1252 


79  49  59,016 
48  42  45,648 


Sandstedt 
Oldenburg- 
Bremen 


76,6401,0  '  70  46  33,924 
66,2813,5  59  59  10,926 
55,0787,5       49  34  15,150 


5/J039230 
5.103  7811 
4,9865318 

5,1037811 
5,0647008 
5.0102029 


100907,4 

126993,4 

96946.3 

126993,4 
116064,9 
102377.1 


So  in  den  übrigen  Dreiecken,  deren  Zahl  23  ist.  —  Sollte  dies 
nun  etwas  von  dem,  was  Sie  schon  haben,  Verschiedenes  sein,  so  braucht 
es  nur  Ihres  Winkes,  und  ich  schreibe  Ihnen  gern  alles  mit  diplomatischer 
Genauigkeit  ab. 

Dass  Oltmanns  selbst  viele  Messungen  in  Ostfriesland  gemacht  hat. 
erwähnt  er  schon  bei  seiner  Kritik  der  Vermessung  von  Kai»itän  Camp. 
Er  schrieb  mir  neulich,  dass  er  in  Westfalen,  hauptsächlich  Ostfriesland, 
über  1000  Winkel  gemessen  habe. 

Ich  gestehe  es,  schon  lange  ist  mir  der  Gedanke  gekommen,  ob 
Oltmanns  nicht  ein  sehr  passender  Gehülfe  bei  Ihrem  Messungs-Geschäft 
sein  würde?  Aeussern  habe  ich  [es  zu]  ihm  nicht  mögen,  weil  ich  nicht 
"weiss,  ob  Oltmanns  sich  ganz  in  die  hier  doch  durchaus  nothwendige  Sub- 
ordination fügen  dürfte  (ob  ich  gleich  übrigens  auch  gar  keinen  Grund, 
dies  zu  bezweifeln,  habe,  als  insofern  er  wohl  selbst  dies  Geschäft 
vollkommen  zu  verstehen  glaubt).  Sein  Geist  für  Genauigkeit,  sein 
Fleiss,  seine  Fertigkeit  und  Sicherheit  im  Rechnen  würden  ihn  sehr 
brauchbar  machen.  —  IcJi  iceiss  aher  auch  dtircJiaus  nicht,  oh  er  eine 
solche  Theilnahme  annehmen  wird  oder  annehmen  kann,  da  ich  seine 
jetzigen  Dienstverhältnisse  und  Geschäfte  durchaus  nicht  kenne. 

Bei  der  nächsten  Lunation  werden  auch  Sie.  lieber  Gauss,  die 
Nachtseite  des  Mondes  wohl  eines  Blickes  würdigen,  um  zu  sehen,  ob 
die  im  Febr.  sich  zeigende  Lichterscheinung^)  noch  fortdauert.  Die 
Hypothese  über  die  Ursache  dieses  Phänomens,  die  icli  Ihnen  in  meinem 
vorigen  Briefe  vorzulegen  wagte,  wird  sich  leicht  ])rüfen  lassen,  weil 
dann  bei  derselben  Libration  immer  dieselbe  Erscheinung  wieder  statt- 
finden muss.  Mir  scheinen  noch  ininier  Felsenwände,  die  ein  Bild  der 
Erde  oder  der  Sonne  mehr  oder  weniger  unvollkommen  zurückspiegeln 


')  Vergl.  Brief  No.  408  v.  27.  Fobr.  und   die   bezüglicben  Anmerkungen.     Knn. 


Gauss  au  Olbeis.     Göttingeu,  1821  März  8.  85 

können,  im  Monde  nni  so  denkbarer,  da  dort  walirseheinlich  niclit  wie 
hier  eine  Verwitternno:  der  änsseren  r)bert1äclie  der  (lebirpe  nnd  Klippen 
dnrch  atmosphärische  Einwirknn<i-  stattfindet.  Die  zurückspiegelnde 
Klippenwand  braucht  auch  nicht  ganz  eben  zu  sein,  wenn  sich  nur  die 
zuriR-ksi»it'frelnden  Theile  in  iiarallelen  Ebenen  befinden,  wie  dies  denn 
bfi  sdlciien  l^ergen.  die  nach  Krystallisations-Glesetzen  gebildet  sind, 
leicht  stattfinden  kann.  Ich  erinnere  an  unsere  Basalt-Berge,  deren 
einzelne  grosse  Krystalle  noch  sehr  wohl  dem  entfernten  Auge  vereint 
ein  unvollkommenes  Sonnenbild  zurückspiegeln  könnten,  wenn  ihre 
Oberflächen  nicht  längst  durch  Luft,  Dünste,  Regen  u.  s.  w.  die  wahr- 
scheinlich ursprünglich  stattfindende  Politur  und  Glätte  verloren  hätten. 

Bessel  wird  Ihnen  das  höchst  merkwürdige  Experiment  mitgetheilt 
iiaben,  dass  er  mit  Walbeck  gemeinschaftlich  angestellt  hat.\)  Beide 
beobachteten  nämlich  5  Tage  hinter  einander  10  dem  Aequator  benach- 
barte Sterne  am  Mittagsfernrohr.  Bessel  am  1.  Abend  die  ersten  5, 
Walbeck  die  5  folgenden;  am  2.  umgekehrt,  und  so  abwechselnd  alle 
5  Abende  fort.  Da  zeigte  es  sich  dann,  dass  Walbeck  alle  Beobb.  genau 
eine  Zeit-Sekunde  später  macht  als  Bessel,  —  Ich  erinnere  mich,  dass 
Bessel  schon  in  einem  früheren  Briefe  eines  ähnlichen  konstanten  Unter- 
schiedes zwischen  seinen  Beobb.  und  denen  seines  Gehülfen  Argelander 
erwähnte. 

Da  ich  nun  einen  lichtvollen  Auszug  aus  Fourier,  Alemoire  su7-  le 
refroidissement  seculaire  du  Glohe  terrestre  zu  lesen  Gelegenheit  gehabt 
habe,  so  ist  mir  nun  La  Place's  Abhandlung  in  der  Conn.  d.  tems  1823, 
Siir  la  dimimdion  du  jour,  und  der  Gang  seiner  Analyse  verständlich 
gew^orden. 

(Abends  spät.)  Ich  habe  diesen  Abend  den  Kometen  noch  gut 
beobachtet;  da  aber  die  Beobb.  auch  wegen  der  Refraktion  verbessert 
werden  müssen,  so  habe  ich  die  Reduktion  noch  nicht  vornehmen 
können.  —  In  der  Nachtseite  des  gleichfalls  sichtbaren  Mondes  zeigte 
sich  kein  Lichtfleck. 


No.  412.  Gauss  an  Olbers.')  [iss 

Göttingen,  1821  März  8. 
Seit  meinem  letzten  Briefe  habe  ich  den  Kometen  nur  einmal  be- 
obachtet, obwohl  weniger  zuverlässig  als  am  1.  März. 

März  5,       7^5'"28^       356"  54' 11"       13"  43' 5" 
Der  Komet  schien  mir  fast  weniger  glänzend  als  am  1, 


*)  Briefwechsel  Olbers-Bessel  Bd.  II,  S.  185,  186.    Krm. 
^)  Dieser  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieheu.     Knu. 


gß  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1821  März  8. 

Hr.  V.  Staubt  hat  seine  Elemente  nach  meiner  Beob.  vom  1.  ver- 
bessert. Hrn.  NicoLAi's  neue  Elemente  stimmen  nahe  mit  jenen  überein; 
da  ich  nicht  weiss,  ob  Sie  letztere  schon  kennen,  so  sclireibe  ich  beide 
Systeme  nebeneinander. 

V.  Staudt  Nicolai 

Perihelium  Zeit         März  20,G026  Gott.  21,6016  Mannh. 

„  Länge  239"  36' 0"  239°  34' 5" 

„  log-  Dist.  8,9641627  8,90466 

ft  48H5'44"  48"  43' 34" 

Neigung  73  16  13  73  23  15 

Das  Datum  bei  v.  Staudt  ist  vermuthlich  ein  Schreibfehler  und 
soll  21,6026  sein,  ich  habe  ihn,  seitdem  er  mir  die  Elemente  gebracht, 
noch  nicht  wiedergesprochen. 

Durch  General  Müffling  habe  ich  noch  verschiedene  Mittheilungen 
über  Epaillt's  Messung  erhalten.  Einen  Rapport  an  General  Saä^son 
über  die  Arbeiten  des  Jahres  1804,  der  mancherlei  Curiosa  enthält  und 
ziemlich  voluminös  ist.  Ich  sehe  daraus,  mit  wie  sehr  grossen  Schwierig- 
keiten ich  zu  kämpfen  haben  werde.  Epailly  konnte  durchaus  keine 
direkte  Verbindung  von  Hannover  nach  Lüneburg  formiren.  da  das 
Terrain  ihm  unüberwindliche  Hindernisse  entgegenstellte.  Daher  sein 
Umweg  über  Cuxhaven.  Und  doch  hatte  Epailly  mehrere  Wochen 
hindurch  rekognoscirt,  und  ihm  standen  Ressourcen  zu  Gebote,  die  mir 
abgehen.  So  z.  B.  Hess  er,  um  die  Aussicht  von  Burgdorf  (der  Thurm 
ist  bekanntlich  seitdem  abgebrannt)  nach  Hüttenberg  zu  gewinnen, 
gegen  200  Baumstämme  umhauen.  Aehnliche  Operationen  Hess  er  au 
mehreren  Orten  machen,  ohne  jedesmal  seinen  Zweck  zu  erreichen 
(auch  bei  Privatwaldungen).  In  den  Tliürmen  Hess  er  oft  eine  ]\Ienge 
Ausräumungen  vornehmen.  Er  selbst  sagt,  dass  er  oft  gethan  habe, 
was  nur  in  einem  pays  conquis  möglich  sei.  Seine  Signalthürme  Hess 
er  von  den  Aemtern  bauen,  denen  er  nur  ein  Modell  und  die  Zeit  auf- 
gab, w^ann  sie  fertig  sein  mussten  j;jj.  In  allen  Kichtungen  Eequisi- 
tionsfuhren,  die  nur  ein  pour  holre  für  den  Bauer  kosteten  pp.  Ausser- 
dem habe  ich  noch  ein  Stück  Rechnungsbucli  von  Epailly,  welches  in 
Paris  genommen,  erhalten,  woraus  ich  aHenfalls  die  Winkel  von  einigen 
A  A  restituireu  kann.  Allein  die  Winkel  scliHessen  auch  zu  200^',0000, 
und  man  ^veiss  nicht,  ob  dies  die  zu  gleiclien  Theilen  abgeglichenen 
sphärischen  Winkel  oder  die  Chordenwinkel  sind,  vermuthlich  aber  das 
erstere,  insofern  öfter  ein  Winkel  nur  schlechtweg  wie  die  Summe 
zweier  oder  mehrerer  anderer  erscheint.  Ich  habe  nun  noch  einen 
A'ersuch  in  Paris  gemacht,  um  alle  A  A  zu  erhalten.  Mein  Brief  an 
La  Place   ist   so    abgefasst,    dass    er   ihn    veniiutlilich  dem  Depot  zu- 


Olbers  an  (Jauss.     Bremen,  1821  März  it.  87 

seiulm  wild.  Jcli  hätte  gowiiiisclit,  vurher  erst  iiucli  iiiustäiKlliclier 
Ihren  Rath  darüber  liolen  zu  können.  Ich  bemerke  darin  unter  anderem: 
Frankreich  sei  von  jeher  das  Vorbild  zuvorkommender  Bereitwilligkeit 
gewesen,  wo  es  auf  wissenschaftliche  Mittlieihmgen  ankomme:  ich  lioffe 
daher  um  so  mehr,  dass  das  Depot  meine  Kitte  erfüllen  werde,  da  eben 
dadurch  die  schöne  EpAiLLY'sche  Arbeit  erst  für  die  Geographie  recht 
nützlich  gemacht  weiden  könne.  Epailly  habe  unter  dem  Drange  der 
Tnistände  manches  dunkel  uiul  unvollständig  lassen  müssen;  ich  würde 
jetzt  die  beste  Gelegenheit  haben,  alles  was  noch  zweifelhaft  sei,  auf- 
zuklären und  die  Lücken  zu  kompletiren.  Auch  könne  ich  mich  im 
voraus  anheischig  machen,  da  ich  die  liberalen  Grundsätze  meines 
Gouvernements  kenne,  dass  ich  meinerseits  künftig  alle  dergleichen 
Kesultate,  die  das  Depot  nur  wünschen  würde,  ihm  würde  mittheileii 
können  pp. 

Die  Mailänder  Ephem.  für  1821  habe  ich  gestern  erhalten,  aber 
nur  erst  etwas  darin  geblättert.  Es  sind  ein  paar  interessante  Auf- 
sätze darin,  von  Mossotti  über  die  Rotation  der  Sonne  und  von 
Cablini  über  die  gerade  Aufsteigung  des  Nordsterns. 


No.  413.  Olbers  an  Gauss.  •    [225 

Bremen,  1821  März  9. 

Hier  meine  beiden  letzten  Beobb.  des  Kometen  mit  gehöriger  Rück- 
sicht auf  Hefraktion  leducirt: 

März  5.       6"  58'"  39«       356°  54'  7"       13°  42' 53" 
6.       6  56    20  46  33  34  21 

Ich  werde  den  Kometen  wohl  nicht  weiter  astronomisch,  höchstens 
nur,  wie  Kästnee  sagte,  civiliter  beobachten,  da  er  mir  auf  meinem 
Observationszimmer  schon  bei  9°  Höhe  hinter  das  nicht  gar  weit  ent- 
fernte Schulgebäude  verschwindet.  In  einem  höheren  Lokal  eine  Uhr 
und  mein  Fernrohr  aufzustellen,  halte  ich  bei  der  ungewissen  Witterung 
um  so  weniger  der  Mühe  wertli,  da  ich  weiss,  dass  dieser  Komet  an 
so  \1elen  Orten  besser  beobachtet  wird,  als  ich  ihn  beobachten  kann. 

Ich  weiss  nicht,  ob  Sie  vielleicht  durch  Encke  schon  folgende 
Mailänder  Beobb.  des  Kometen  erhalten  haben,  die  mir  Hr.  v.  Zach 
durch  RüMKER  geschickt  hat. 

Mittl.  Zeit  zu  Mailand 
Jan.  31.       6'' 56"^       359^21' 26"       16°    0'    8" 
Febr.  1.       6  11  15  30         15  55  31 


38  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1821  ]\Iäiz  0. 

Mittl.  Zeit  7.U  Mailand 


Febr.  2. 

ßhgm 

859"  9' 31" 

15"  50' 45' 

:-;. 

6  4 

4  40 

46  8 

7. 

6  0 

358  45  30 

29  30 

8. 

6  0 

41  0 

25  30 

Walbeck  hat  den  Kometen  in  Dorpat,  wo  er  sich  jetzt  bei  Steuve 
befindet,  selbst  entdeckt,  aber  erst  am  14.  Febr..  und  gefunden 
Febr.  14.       7»^  19'",8  m.  Z.       358M7'36"       Dekl.  ir,»3'  — 
In  den  Zeitungen  finde  ich  folgende  Beob.  aus  Wien 

Febr.  20.       7^  20'»  2^       357"  57' 45"       14°  45' 18". 

Dabei  fällt  mir  die  Frage  ein.  warum  Littrow  jetzt  überhaupt  so 
wenig  von  sich  hören  lässt? 

Es  scheint  nicht,  dass  die  Bahn  des  Kometen  merklich  von  einer 
Parabel  abweicht.  Nicolai's  Elemente  geben  für  den  5.  und  6.  März 
die  AI  etwa  30"  kleiner  als  meine  Beob.  Sollte  indessen  eine  feinere 
Untersuchung  der  Elemente  nöthig  oder  nützlich  werden,  so  wird  es 
gut  sein,  demjenigen,  der  die  Untersuchung  unternimmt,  alle  Beobb. 
im  Original  nach  yR  und  Dekl. -Unterschieden  von  den  verglichenen 
Sternen  zu  schicken,  damit  sie  alle  gleichförmig  reducirt  werden.  In 
den  aus  der  Hist.  Cel.  entlehnten  Sternen  finden  sich  bei  jedem 
Beobachter  nicht  unbedeutende  Varianten,  je  nachdem  man  andere 
oder  mehr  oder  weniger  PiAzzi'sche  Sterne  zu  ihrer  Reduktion  ge- 
braucht hat. 

Giebt  Hr.  v.  Staudt  noch  immer  die  Länge  des  Perihels.  so  wie 
Sie  sie  mir  geschickt  haben,  265°  20' 44"?^) 

Wenn  es  Ihnen  der  Mühe  werth  scheint,  mein  geliebtester  Freund, 
einen  Auszug  der  Stelle  meines  Briefes,  der  die  angeblichen  Mond- 
vulkane betriift,  in  den  Göttingenschen  Anzeigen-)  bekannt  zu  macheu, 
so  werde  ich  mich  dadurch  sehr  geehrt  finden.  Aber,  lieber  Gauss, 
verwöhnt  durch  Ihre  Nachsicht  und  Güte  pflege  ich  meine  Briefe  an 
Sie  sehr  eilig  niederzuschreiben  und  fast  nie  wieder  durchzusehen.  Der 
Brief  kann  also  voller  grammatikalischer,  selbst  orthographischer  Fehler 
sein  —  letztere  entwischen  mir,  wenn  ich  lebhaft  an  einen  Gegen- 
stand denke,  sehr  leicht.  Ich  muss  Sie  also  bitten,  alles  ganz  nach 
Ihrem  Gutdünken  insoweit  abzuändern  und  zu  korrigiren,  dass  es  nicht 
gar  zu  ungeschlachtet  erscheint, 

Dass   ich   am    5.  März   nichts   im   dunkeln  Theil   des  Mondes  sah. 


*)  Ueber  diesen  Schreibfehler  siehe  Brief  No.  407.  S.  74  Aunierk.  1.     Krin. 
^)  Vergl.  Brief  No.  408  und  die  betr.  Anmerk..  veröffentliclit  in  Gott.  Gel.  An: 
Stück  46,  1821  März  22.     Krin. 


Olber»  an  Gauss,     hremeii,  1821  März  9.  89 

rührte  gewiss  daher,  weil  mir  der  Mond  schon  in  der  hellen  Düninie- 
runj^  unterging.  Am  <3.  war  die  Nachtseite  des  1  ganz  vortivtllich  zu 
sehen.  Ich  konnte  in  meinem  Dolloud  alle  Flecken,  z.  B.  Grimaldi, 
CoperniciL^,  Kepler,  Manilinsi,  Menelaus  u.  s.  w.  sehr  deutlich  erkennen. 
Ariatarch  zeichnete  sich  wieder  vor  allen  anderen  auch,  wie  ich  glaube, 
mehr  als  genöhnlich  aus;  aber  so  Jiell  und  so  fixsternähnlich  wie  am 
ü.  Febr.  kam  er  mir  nicht  vor.  Ich  hoffe,  Sie  haben  auch  den  Mond 
an  diesem  Abend  betrachtet. 

A\'enn  das,  was  Sie  über  das  projektirte  Hamburger  Observatorium  ^) 
mir  schreiben,  mein  theurer  Freund,  auch  wirklich  nicht  Scherz,  son- 
dern Krnst  ist,  so  kann  meiner  Meinung  nach,  die  Ungewissheit  des 
Projektes  abgerechnet,  eine  Stelle  bei  dieser  Sternwarte  für  einen 
Gauss  nie  passend  werden.  Die  kleinen  Kepubliken,  selbst  das  sonst 
so  liberale  Hamburg,  bezahlen  dergleichen  Stellen  im  Verhältniss  zu 
der  Theuerung  des  Stadtlebens  immer  schlecht,  und  so  angenehm  das 
Leben  in  diesen  winzigen  Freistaaten  für  den  unabhängigen  Bürger  ist, 
so  haben  hingegen  Dienstverhältnisse  zu  dem  vielköpfigen  Senat  und 
anderen  Behörden  oft  ihre  grossen  Unannehmlichkeiten.  Darf  ich  aus 
Ihren  Aeusserungen  schliessen,  dass  Sie  Ihre  Lage  in  Göttingen  zu  ver- 
ändern wünschen,  so  wird  sich  ja  wohl  eine  angemessenere  Gelegenheit 
dazu  finden.  Ich  glaube,  es  braucht  nur  bekannt  zu  sein,  dass  Sie  für 
irgend  einen  Staat  zu  haben  sind,  und  es  werden  der  Anerbietungen 
genug  kommen. 

Wenn  ich  die  Helligkeit  der  Sterne  8.  Grösse  =  /i  der  Sterne 
erster  Grösse  in  meinem  vorigen  Briefe  angenommen  habe,  so  bin  ich 
darin  nur  der  ehemals  gewöhnlichen,  selbst  von  Herschel  vordem  be- 
folgten Schätzung  gefolgt,  nach  der  die  Sterne  n.  Grösse  n  mal  entfernterj 

ihre  Lichtstärken    als    im    Verhältniss    von   —  vorausgesetzt  werden. 

11  n 

An  sich  ist  dies  ganz  unrichtig.    Unsere  Grössenklassen  der  Fixsterne 

sind  etwas  sehr  Schwankendes  und  Unbestimmtes;  aber  dass  —  nicht 

nn 

für  das  Lichtverhältniss  passt,  ist  klar.  Herschel  fand  nachher  durch 
wirkliche  Versuche,  dass  wenn  man  Abstand  der  Capella  =  1  setzt, 
man  ihren  Abstand  auf  10  vergrössern  müsste,  wenn  sie  dieselbe  Licht- 
stärke haben  sollte  wie  d  Gemlnorum,  der  allgemein  der  6.  Grösse  bei- 
gezählt wird.  Also  wären  die  Sterne  6.  Grösse  schon  100  mal  licht- 
schwächer als  Capella;  und  so  würde  für  Sterne  8.  Grösse  ein  noch 
viel  kleinerer  Bruch  herauskommen.  Inzwischen  sind  schon  die  Sterne 
erster  Grösse  sehr  verschieden  untereinander.  Herschel  fand  Capella  = 


*)  Vergl.  Brief  No.  410  au  Olbers.     Krm. 


90  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1821  März  18. 

IC  Lyrae,  aber  wenn  er  die  Lichtstärke  des  Sirius  =  1  setzt,  so  war 
Capeila  nur  ||  und  Procyon  gar  nur  |-§-  dieser  Lichtstärke.  Ich  glaubte 
also  bei  einem  heiläufigen  Ueberschlag  der  relativen  Helligkeit  des 
Kometen  g'^  um  so  mehr  annehmen  zu  können,  da  der  Komet  am 
30.  Jan.  doch  wohl  etwas  lichtstärker  war  als  ein  Stern  8.  Grösse.  — 

Ganz  scheint  mir  die  Formel  -     ,  nicht  angemessen;  denn  gewiss  sind 

die  Sterne,  die  wir  zur  8.  Grösse  rechnen,  nicht  in  dem  nämlichen 
Verhältniss  lichtschwächer  als  die  7.  Grösse,  wie  es  die  Sterne 
2.  Grösse  gegen  die  1.  Grösse  sind.  —  Ich  habe  schon  auf  ein  schick- 
liches Photometer  gedacht,  die  Lichtstärken  der  Steine  zu  vergleichen, 
auch  unseren  Mechanikus  Kraut  schon  vor  mehr  als  8  AVochen  be- 
stellt, meine  Idee  eines  solchen  Werkzeugs  auszuführen;  er  ist  aber 
noch  nicht  bei  mir  gewesen.  Ein  KöHLEE'sches  Photometer,  das  ich 
mir  schon  vor  vielen  Jahren  machen  Hess  und  noch  besitze,  hat  meiner 
Erwartung  nicht  entsprochen. 

Das  83.  Stück  der  Gel.  Am.,  auf   das   ich    sehr  begierig   bin.   ist 
leider  hier  noch  nicht  angekommen. 


No.  414.  Gauss  an  Olbers.')  [i89 

Göttingeu,  1821  März  18. 

Ihi-er  gütigen  Erlaubniss  zu  Folge  habe  ich  einen  Auszug  aus 
Ihren  Nachrichten  über  Ihre  Beob.  eines  leuchtenden  Punktes  im 
Monde  in  die  hiesigen  G.  A.  eingerückt  und  übersende  Ihnen  hierbei 
einen  Abdruck  dieses  Artikels.-)  Da  es  vorerst  wohl  besonders  wichtig 
ist,  alles  Faktische  Ihrer  so  merkwürdigen  Beob.  vollständig  aufzu- 
bewahren, so  wünschte  ich,  dass  Sie  den  Stern  6.  Grösse,  welchem  der 
Lichtpunkt  an  Ansehen  gleich  war,  noch  bestimmt  auszumitteln  suchten, 
wozu  Ihnen  das  Nöthige  vermuthlich  noch  im  Gedächt niss  ist.  Auf 
Harding's  Karten  finde  ich  ganz  nahe  NO  von  dem  Ort,  wo  der  Mond 
am  5.  Febr.  in  den  Abendstunden  stand,  keinen  Stern  6.  Grösse  an- 
gegeben. 

Eine  Stelle  Ihres  früheren  Briefes,  dass  v.  Staudt's  (frühere)  Ele- 
mente beim  Perihelium  um  26"  von  den  ENCKE'schen  differirten.^)  war 
mir  anfangs  unerklärlich,    bis  ich  aus  der  Frage  Ihres  letzten  Briefes. 

^)  Dieser  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.    Krni. 

")  Gauss'  "Werke  Bd.  VI.  8.486,437,  Olbers  Bd.  I,  No.  ICO.  l>cr  dem  Brief  bei- 
liegende Abdruck  ist  hier  niclit  niitgetheilt.     8ch. 

^)  Vergl.  Brief  No.  411  Olukhs  an  G.\rss.    Krni. 


Gauss  an  Olbers.     Göttiugen,  1821   März  18.  91 

ob  Hr.  V.  8t.  bei  der  Länge  des  Perih.  20')°  20' 44"  beharre,  sehe, 
das.s  ich  Ihnen  solche  unrecht  abgeschrieben  oder  viehnehr  aufge- 
schrieben liatte.^)  Hr.  v.  Staüdt  hatte  die  Länge  des  Perihel  gar 
nicht  angesetzt,  sondern  dessen  Abstand  vom  Knoten  =  169^  18' 53". 
Anstatt  diese  Zahl  von  ß  =  48°  27' 58"  abzuziehen,  welches  die  rich- 
tige Länge  239"  9'  5"  gegeben  hätte,  hatte  ich  sie  von  i  =  74°  39'  37" 
subtrahirt.  Daher  die  falsche  Zahl.  Hrn.  v.  Staudt's  neue  Elemente 
habe  ich,  wie  ich  glaube,  Hinen  bereits  geschickt.') 

Ich  habe  bisher  jeden  Mittag  den  Kometen  am  M[eridiiin-J  Kreise 
erwartet,  aber  bis  jetzt  umsonst.  Heute  wäre  die  Lichtstärke  =  19,6 
(nach  dem  gewöhnlichen  Maasstabe).  Am  5.  März  =  1,25.  An  den 
nächsten  Tagen  ist  sie  für  die  Kulmination: 

März  19  32,5 

20  59,9 

21  I      110^6 

22  i      128,1 

23  I        81,2. 

Hr.  v.  Staüdt  hat  für  alle  einzelnen  Tage  die  Ephemeride  im  voraus 
berechnet. 

A\'as  die  Grössenordnungen  der  Fixsterne  betrifft,  so  kann  ich 
nicht  leugnen,  dass  es  mir  immer  am  zwechnässigsten  geschienen  hat, 
das  Normallicht  der  einzelnen  Ordnungen  in  geometrischer  Progression '*) 
abnehmen  zu  lassen.  Denn  die  Natur  schneidet  keine  Ordnungen  ab, 
sondern  lediglich  unsere  Willkür.  La  Lande  hat  dieses  Princip  auch  aus- 
drücklich ausgesprochen,  indem  er  den  Exponenten  =  |  setzt,  welches 
aber  wohl  etwas  zu  viel,  d.  i.  der  Nenner  zu  gross  ist  {Comi.  de  tems 
XV.  p.  383).  Es  scheint  mir  auch  natürlich,  dass  diejenigen,  die  zu- 
erst Ordnungen  für  die  mit  blossen  Augen  sichtbaren  [Sterne]  fest- 
gesetzt haben,  wohl  ein  solches  Princip  eigentlich  befolgt  haben,  wenn 
gleich,  ohne  sich  desselben  klar  bewusst  zu  sein.  Uebrigens  gebe  ich 
Ihnen  gern  und  um  so  lieber  zu,  dass  der  Lichtabfall  von  den  Sternen 
6.  bis  7.  Grösse  geringer  sei  als  von  der  1.  zur  2.,  da  ich  hierin  Ihrem 
geübteren  Auge  mehr  traue  als  meinem  eigenen,  so  wie  auch  mein 
eigenes  Auge  ebenso  urtheilen  würde,  wenn  auch  die  helleren  Sterne,  die 


^)  Im  Briefe  No.  407;  Brief  41'2,  in  dem  Gauss  die  verbesserten  Elemente  ge- 
schickt hat,  hatte  sich  mit  Olbees  Brief  No.  413  gekreuzt.     Krm. 

2)  Wie  es  jetzt  nach  dem  von  Fechnee  bedeutend  später  aufgestelltem  psycho- 
physischen  Gesetz  geschieht,  als  Exponent  wird  heut  noch  Pogson's  Vorschlag  1  :  2,512 
angenommen.  Die  umstehend  von  Gauss  aufgestellte  Formel  zur  Berechnu)ig  der 
Grüssenklasse  aus  der  Helligkeit  unterscheidet  sich  nur  formal  von  der  jetzt  üblichen. 
Olbees  berechnet  im  Brief  No.  423  den  Nenner  w  zu  2,236  aus  der  2.  und  6.  Grössen- 
klasse.     Krm. 


92  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1821  März  23. 

man  zur  ersten  Grösse  zählt,  mit  zugezogen  werden.  Dagegen  würde 
ich  wirklich  das  Durchschmttsverlmltmüs  der  Sterne  2.  zu  3.,  das  der 
3.  zur  4.  etc.  ungefähr  für  das  nämliche  gehalten  haben  wie  das  der 
7.  zur  8.,  indem  ich  nämlich  die  Vorstellung  der  Sterne  7.  u.  8.  Grösse 
aus  der  Bezeichnung  der  Bist.  Cel,  die  hierin  gleichsam  die  Gesetz- 
geberin war,  annehme.  Gewiss  würde  es  recht  wünschenswerth  sein, 
wenn  man  durch  wirkliche  photometrische  Messungen  über  das  Licht- 
verhältniss  der  Sterne  mehr  ins  Klare  käme,  und  dann  würde  ich  der 
Meinung  sein,  dass  es  am  vortheilhaftesten  wäre 


f 


Licht  der  Sterne,  die  unbestritten  zur  2.  Klasse  gehören 


Licht  der  Sterne,  die  zur  6.  Klasse  gezählt  sind 
gesetzt,  die  nächste  ganze  Zahl  zu 

XormalHcht  der  2.  Klasse 

lOO" 

®       Licht  eines  Sterns  -k- 

log  C/J 

als  die  Ordnungszahl  zu  betrachten,  alle  zur  ersten  Klasse  zählend,  wo 
der  Werth  dieser  Formel  <<  11  wäre.     Salvis  meliorihus. 

Von  dem  Experiment,  was  Bessel  und  Walbeck  gemacht  haben, 
hatte  mir  ersterer  noch  nichts  gemeldet.  Uebrigens  unter  uns  gesar/t 
schien  mir  Walbeck  (den  ich  sonst  für  einen  sehr  guten  Kopf  halte)  im 
Observiren  noch  wenig  geübt  zu  sein.  Die  Beobb.,  die  ich  und  Steuve 
hier  gleichzeitig  angestellt  haben  —  obwohl  nicht  in  Beziehung  auf 
jenen  Umstand,  —  haben  keinen  sichtbaren  Unterschied  gegeben. 
LTebrigens  ist  es  mir  zwar  sehr  glaublich,  dass  bei  jedem  Beobachter 
die  Konkordanz  zweier  verschiedener  Sinne  individuell  sei,  so  dass  ich 
bei  freien  ^-Beobb.  nie  die  Beobb.  zwei  verschiedener  Beobachter  zu 
verbinden  zugeben  würde;  allein  ich  möchte  doch  glauben,  dass  die 
Unterschiede  bei  geübten  Beobachtern  stets  sehr  klein  bleiben  müssen, 
so  dass  das  Konstante  von  dem  Zufälligen  sich  erst  nach  einer  grösseren 
Anzahl  Beobb.  trennen  lassen  könnte. 


No.  415.  Olbers  au  Gauss.  [2-jfi 

Bremen.  1821  März  23. 

Mit  vielem  herzlichen  Dank  habe  ich  Ihre  beiden  letzten  Briefe 
und  das  46.  Stück  d.  G.  G.  A.  erhalten,  worin  Sie  einen  Auszug  meiner 
Briefe  mit  einer  so  gütigen  Einleitung  haben  abdrucken  lassen.  Den 
Stern,  der,  wie  ich  mich  gewiss  erinnnere,  nordostwärts  vom  dunkeln 
Mondrande  stand,  habe  ich  damals  für  988  Mai/cr.  Piaszi  XXII 1  227. 


nlli.rs  an  (iaiiss.      l'.niiicii.   l^Jl    .Miirz   -'8.  93 

Bude  60  gehalten,  dem  Bode  die  G..  die  iil)ii<ren  so  wie  die  Hi^t.  Cel. 
die  6.,  7.  Grösse  zuschreiben.  Sollte  eine  genauere  Berechnung  des 
srheiubaren  Mondorts  zeigen,  dass  es  dieser  Stei-n  nicht  gewesen,  so 
müssen  wir  entweder  Kater's  dies  vielleicht  näher  aufklärende  Relation 
oder  die  Zeit  erwarten,  wo  jene  Sterngegend  wieder  aus  den  Sonnen- 
strahlen hervortritt.  Ich  betrachtete  den  Mond  und  die  vulkanartige 
Erscheinung  während  starker  Dämmerung,  wie  es  noch  zu  früh  war, 
den  Kometen  aufzusuchen.  Meine  erste  Kometenbeob.  dieses  Tages 
ting  um  5^  50'"  wahre  Zeit  an.  Da  gewiss  eine  nicht  kleine  Zeit 
darüber  hinging,  ehe  ich  den  Kometen  nach  hinreichender  Betrachtung 
des  Mondes  ins  Fernruhr  brachte,  die  umliegenden  Sterne  rekognoscirte 
und  alles  zur  Beob.  vorbereitete,  so  wird  man  jene  Vergleichung  des 
Vulkans  mit  dem  Fixstern  und  die  Betrachtungszeit  des  Mondes  wohl 
zwischen  5**15™  bis  S'^SO"'  wahre  Zeit  setzen  können.  Es  trat  auch 
während  meiner  Beschauung  des  Mondes  ein  etwas  kleinerer  Stern, 
der  mehr  ^R  und  südlichere  Dekl.  als  derjenige  hatte,  mit  dem  ich 
den  Lichtfleck  verglich,  am  dunklen  Mondrande  ein;  ich  habe  aber  die 
Zeit  nicht  angemerkt.  Immer  ist  es  möglich,  dass  ich  mich  in  der 
Grössen- Angabe  des  Sterns  geirrt  habe. 

Höchst  neugierig  bin  ich,  ob  es  Ihnen  gelungen  sein  wird,  den 
Kometen  im  Mittagsfernrohr  zu  sehen.  Ehe  er  nicht  innerhalb  der 
^¥er/mrbahn  kam,  war  wohl  nicht  daran  zu  denken,  da  es  hier  nicht 
sowohl  auf  die  Lichtstärke  überhaupt,  als  auf  den  einen  Faktor  der- 
selben, die  Helligkeit,  ankommt.  Auch  Nicolai  hat  es  schon  vom 
1.  März  (!!)  an  versucht. 

Hrn.  v.  Staudt's  Elemente  stimmen  nun  vortrefflich  mit  denen 
von  Nicolai.  Hier  Elemente,  die  Rümkee  bloss  aus  meinen  Beobb. 
abgeleitet  hat: 

Zeit  der  Onähe  März  21,61146  Mittl.  Bremer  Zeit 

Länge  d.  Perihel  239^35' 53" 
„                   Sh      48  44  18 
Neigung     73  21    0 

logg      8,9651463  mot.  retr. 

Da  alle  aus  verschiedenen  Tagen  abgeleitete  parabolischen  Ele- 
mente so  nahe  zusammenstimmen,  so  wird  es  schon  hierdurch  sehr 
wahrscheinlich,  dass  die  wahre  Bahn  von  einer  Parabel  nicht  merklich 
abweiche.  Eine  noch  genauere  Ausfeilung  dieser  Elemente  scheint  mir 
also  unnöthig,  wenn  wir  nicht  etwa  nach  dem  Perihel  angestellte 
Beobb.  erhalten.  Dies  ist  nicht  unmöglich.  Fallows,  der  bestimmte 
Vorsteher  der  Sternwarte  auf  dem  Kap,  war,  wie  mich  Young  durch 
Prof.  Schumacher  hat  wissen  lassen,  am  5.  Febr.  im  Begriff  aus  Eng- 


94  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1821  März  23. 

land  abzusegeln.  Sollte  er  nun  günstige  Winde  getroffen  haben,  so 
konnte  er  vielleicht  schon  am  25.  März  jenseits  des  Aequators  sein, 
und  dann  kann  ihm  der  Komet  nach  seinem  Perihel  nicht  leicht  ent- 
gangen sein.  Freilich  werden  die  auf  einem  Schiff  angestellten  astro- 
nomischen Kometenbeobb.  keine  grosse  Genauigkeit  haben. 

Zach  hat  mir  eine  Menge  Beobb.  des  Kometen  von  Santini,  Ixghibami 
und  LiTTEOw  geschickt;  da  sie  aber  nicht  besser  [zu  sein]  scheinen,  als 
die  uns  schon  bekannten,  so  führe  ich  hier  nur  für  Hm.  v.  Staudt 
die  von  den  Tagen  an,  an  welchen  wir,  so  viel  ich  weiss,  keine  haben. 

Mittl.  Zeit  —  Saxtini  zu  Padua 


Febr.  16. 

6^5«^  18^ 

358°  11' 17" 

14' 

'58' 45" 

— 

7     0    27 

10  55 

58  47 

17. 

6  40    21 

8     7 

54  52 

— 

6  58    27 

7  40 

55  20 

18. 

6  39    30 

4  32 

51  25 

— 

7     0    30 

4     2 

51  51 

Mittl.  Zeit  — 

IXGHIRAMI   ZU    Flon 

enz 

Febr.  16. 

7  h  26"» 

358' 

'10' 35" 

14 

».58'   8" 

17. 

6  49 

7     4 

54  48 

21. 

7     0 

357 

52  45 

42  17 

22. 

6  37 

49  33 

38  42 

23. 

6  47 

45  34 

35  21 

25. 

7     8 

37  48 

31  21 

27. 

6  44 

28  21 

28  35 

Die  mir  zugleich  mitgetheilten  zweifachen  Elementen-Systeme  von 
Carlini  scheinen  noch  sehr  roh  und  unvollkommen  zu  sein. 

Sehr  haben  mich  Ihre  Ideen  über  die  Grössenklassen  der  Sterne 
angezogen,  und  ich  werde  auf  Ihre  Theorie  vorzüglich  Rücksicht 
nehmen,  wenn  ich  einmal  dazu  kommen  sollte,  photometrische  Beobb. 
über  die  Lichtstärke  der  Sterne  anzustellen.  —  Das  oS.  Stück  der 
G.  G.  Ä.  habe  ich  gelesen  und  bin  sehr  begierig,  mich  aus  der  Abhand- 
lung^) selbst,  wenn  sie  erst  erscheinen  sollte,  zu  belehren. 

Es  wunderte  mich  lange,  dass  der  famose  Wkoxski  nichts  weiter 
gegen  d.  Board  of  Lougitudes  in  London  unternahm,  und  ich  konnte 
mir  gar  nicht  denken,  dass  er  sich  bei  der  ersten  abschlägigen  Ant- 
wort, den  Preis  für  seine  angebliche  Erfindung  der  Längen  betreffend, 
so  leicht  beruhigen  würde.  Jetzt  sehe  ich,  dass  er  sich  wieder  regt 
und   noch  wahrscheinlich   den  ]\Iitsliedern   dieses    Bureaus    vielen  Ver- 


^)  Theoria  combinationis  etc.,  von   der  das   33.  Stück   der  G.  G.  A.  die   Anzeige 
enthält.     Krui. 


Olbers  an  Gauss.     Breiiirn,  l^Jl   Ainil  15.  95 

diuss  maclieii  wird.  Er  dringt  mit  einem  Anschein  von  Billigkeit,  die 
ilim  schon  in  den  englischen  .lonrnalen  einige  Fürsprecher  er\vorl)en 
liat,  auf  eine  genaue  Untersuchung  seiner  vorgeblichen  Eründung. 
Diese  wird  aber  höchst  wahrscheinlich  in  so  dunkle  und  unverständ- 
liche Formeln  gehüllt  sein,  dass  diese  Untersuchung  sehr  schwierig 
wird,  und  bei  einem  missbilligenden  Urtheil  wird  er  immer  die  Aus- 
tiucht  haben,  „ihr  seid  zu  unbewandert  in  meiner  höheren  ^[athematik, 
der  einzig  wahren,  um  mich  zu  verstehen;  diese  müsst  ihr  erst  von 
mir  lernen".  Der  Umstand,  dass  er  Young  einen  von  diesem  aner- 
kannten Fehler  in  seiner  Kefraktionsrechnung  gezeigt  hat,  giebt  ihm 
bei  liaien  einen  grossen  Kredit. 

Wie  mir  Oltmanxs  schreibt,  sind  2  Exemplare  des  Precis  von 
Krayexhoff,  die  allerletzten,  die  noch  vorräthig  waren,  für  uns  unter- 
wegs. —  In  seinen  Bemühungen,  die  Ep.uLLY'schen  Dreiecke  zu  er- 
halten, ist  er  nicht  glücklich  gewesen.  Ich  hoffe  aber,  dass  Ihr  drin- 
gender Brief  an  La  Place  gute  Wirkung  hervorbringen  wird,  der  mir 
ungemein  passend  eingerichtet  scheint.  —  AIüFFLma  schreibt  Ihnen 
wohl  nicht,  wie  man  die  Längen-Differenz  zwischen  Paris  und  Berlin 
annehmen  oder  noch  künftig  schärfer  zu  bestimmen  suchen  wird?  Ueber- 
haupt  mit  welcher  Abplattung  soll  man  diese  Triangel  zwischen  Paris 
und  Berlin  reduciren?  Die  unmittelbare  Vergleich ung  der  französischen 
und  englischen  Messungen  scheint  die  hier  passende  lokale  Abplattung 
sehr  gross,  etwa  yi^, ,  zu  geben.  —  Dass  die  berühmten  Mondgleichungen, 
die  Breiten -Gleichung  — y  sin  ([  und  die  Längen -Gleichung  ^  sin  cQ,, 
nach  den  bisher  dabei  gebrauchten  Beobb.  die  Koefficienten  zu  be- 
stimmen, nichts  Zuverlässiges  über  die  Erdabplattung  geben  können, 
hat  mir  unlängst  Oltma2jns  erwiesen. 

Der  neue,  nach  New-South- Wales  gehende  Gouverneur,  Sir  Th. 
Brisbane,  selbst  ein  Liebhaber  und  Kenner  der  Astronomie,  will  wirk- 
lich auch  dort  eine  Sternwarte  errichten.  —  Ueber  die  projektirte 
Hamburger  Sternwarte  erwartete  man  die  Entscheidung  des  Senats. 
Der  Kostenanschlag  war  auf  24000  Mark  (noch  nicht  11000  fl.  in 
Gold)  berechnet.  —  Es  ist  mir  aber  nachher  ein  Umstand  bekannt  ge- 
worden, der  vielleicht  dies  hamburgische  Projekt  noch  weit  hinaus- 
setzen könnte. 


No.  416.  Olbers  an  Gauss.  [227 

Bremen,  1821  April.  15. 

Endlich  kann  ich  Ihnen  das  gestern  erhaltene  Precis  von  Keaten- 
HOFF  schicken.    Da  ich  zwei  Exemplare  bekommen  habe,  so  bitte  ich 


96  Olbers  an  Gauss.     Bremen.  1821  April  lö. 

das  beikommende  als  Tlir  Eigenthum  anzusehen.  —  Die  Bemühungen 
Oltmanns'  um  die  EpAiLLY'sclien  Dreiecke  sind  fruchtlos  gewesen. 

Mit  grossem  Vergnügen  habe  ich  von  Schümachee  erfahren,  dass 
er  die  Absicht  hat.  in  Altona  ein  astronomisches  Wochenblatt  heraus- 
zugeben. Dadurch  wird  eins  der  dringendsten  Bedürfnisse  für  die 
Sternkunde  befriedigt  werden,  um  so  mehr,  da  auch  Zach  mit  seiner 
Corresp.  astr.  sehr  in  Eückstand  zu  bleiben  scheint.  Gewiss,  lieber 
Gauss,  werden  Sie  Schumacher  zur  Ausführung  seines  so  lobens- 
werthen  Vorsatzes  möglichst  ermuntern  und  das  Wochenblatt  selbst 
künftig  kräftig  unterstützen. 

Mein  Freund  Rumker  ist  —  wie  Sie  wahrscheinlich  schon  werden 
gehört  haben,  von  Hamburg  im  eigentlichen  Sinne  desertirt.  um  sich 
mit  dem  General  Sir  Thomas  Brisbane  als  Astronom  nach  Neu-Süd- 
Wales  oder  Sydney- Cove  zu  begeben.  Der  rasche  Entschluss  des" 
eifrigen  jungen  Astronomen,  alle  Schwierigkeiten  überwindend,  hat  mich 
doch  gefi'eut,  und  wenn  der  Himmel  ihm  Leben  und  Gesundheit  lässt, 
so  kann  dies  höchst  wichtig  für  die  Sternkunde  werden.  Er  verlässt 
in  Hamburg  eine  ganz  gute  Stelle  (2000  ^Fark  Gehalt  bei  freier  Woh- 
nung). Natürlich  wollte  man  ihn  so  plötzlich  mitten  in  seinem  Unter- 
richtskursus nicht  von  Hamburg  entlassen;  da  ging  er  heimlich  weg 
und  ist  jetzt  schon  in  England.  Brisbane  nimmt  einen  ansehnlichen 
astronomischen  Apparat  mit.  wodurch  sich  schon  was  Zweckmässiges 
wird  ausrichten  lassen:  ein  fünffüssiges  Passage -Instrument  von 
Troughton,  einen  zweifüssigen  Meridiankreis  von  demselben,  einen 
15 zölligen  Repetitionskreis  von  Reichenbach,  einen  gleichen  von  Dol- 
LOND,  3  vortreffliche  Pendeluhren,  5  Chronometer.  3  Achromate  mit 
Aequatorial- Aufstellung,  einen  vollständigen  magnetischen  Apparat, 
Mikrometer  und  Teleskope  aller  Art,  eine  Biox'sche  und  eine  Kater'- 
sche  Vorrichtung,  die  Länge  des  Pendels  zu  messen  u.  s.  w.  Der  Gou- 
verneur Brisbane  ist  selbst  ein  enthusiastischer  und  kenntnissvoller 
Liebhaber  der  Sternkunde.  —  Ob  ich  bei  meinem  vorgerückten  Alter 
noch  Nachrichten  von  der  dort  aufblühenden  astronomischen  Anstalt 
erleben  werde,  steht  dahin;  einen  möglichst  Üeissigen  Briefwechsel  hat 
mir  RüMKER  versprochen. 

Fallows  war,  dem  letzten  aber  wie  gewöhnlich  nicht  datirten 
Brief  von  Rümker  nach  im  Anfang  Apr.  noch  nicht  nach  dem  Kap 
abgegangen,  sollte  aber  die  '\\'oche  segeln.  Meine  Huftnung.  er  werde 
unseren  Kometen  vielleicht  nach  dem  Perihel  gesehen  und  beobachtet 
haben,  fällt  also  weg.  —  Ueberhaupt  habe  ich  von  diesem  Kometen 
seit  meiner  letzten  Beob.  vom  C.  WAvz  nichts  weiter  gesehen  und  gehört. 
Ich  bitte  Sie,  lieber  Gauss,  mir  Ihre  letzten  und  die  Ihnen  etwa  später 
zugekommenen  Beobb.  dieses  Kometen  gefälligst  mitzutheilen. 


niWrs  an  (laiiss.     I5n'iiu'n.  18"J1   A|iril   lö.  97 

Wann  und  nie  Sie  Ihre  Canipaorne  err)tfnen  werden,  darüber  er- 
waite  ich  die  Nachrichten  mit  Ungeduld  und  melde  nur  vorläutifr  zu 
gelegentlicher  gütiirer  Erinnerung:,  dass  ich,  dem  es  für  immer  zu 
K'eisen  an  Kraft,  Muth  und  Lust  fehlt,  den  ganzen  Sommer  in  Biemen 
sein  und  den  möglichen  Besuch  meines  theuren  Freundes  zu  jeder  be- 
licl)i<:vn  Zeit  als  ein  höchst  erfreuliches  Glück  betrachten  werde.  Es 
könnte  doch,  schmeichle  ich  mir.  Umstände  geben,  wo  in  nicht  zu 
grosser  Entfernung  von  Bremen  nöthige  Vorbereitungen,  die  Ihre 
(it'irenwart  nicht  erfordern,  doch  Ihre  Thätigkeit  auf  einige  Zeit  lähmen 
und  Ihnen  Gelegenheit  geben  würden,  den  sehnlichen  Wunsch  Ihres 
einsam  trauernden  Freundes  zu  erfüllen.  Bedenken  Sie  dabei,  lieber 
(lAüss,  dass  ich  dem  Kalender  nach  63  Jahre,  meiner  Konstitution 
nach  weit  über  70  Jahre  alt  bin  und  dies  Leben  —  ohne  Widerwillen 
und  Furcht  —  bald  verlassen  werde.  Noch  diese  vergangene  Nacht 
habe  ich  einen  meiner  gleichjährigen,  mir  sehr  theuren  Jugendfreunde, 
den  Bürgermeister  Tidemann,  einen  der  bravsten  Männer,  die  es  je 
gegeben  hat,  durch  den  Tod  verloren! 

Der  berüchtigte  Wronski  setzt  seine  Angriffe  auf  die  Längen- 
kommission, besonders  auf  Dr.  Youkg.  fort.  In  einer  seiner  letzten 
Schriften  hat  er.  wie  ich  höre,  eine  neue  Theorie  der  Refraktion  auf- 
gestellt, und  behauptet,  dass  diese  des  Morgens  und  des  Abends  (also 
auch  wohl  bei  Tage  und  bei  Nacht,  im  Winter  und  im  Sommer)  unab- 
hängig von  der  Temperatur  durch  die  Einwirkung  der  Sonne  auf  die 
Elasticität  der  Luft  verschieden  sei,  und  will  deswegen  noch  zwei  Ele- 
mente in  den  Refraktionskalkul,  —  Zeit  und  Länge  der  Sonne  —  ein- 
führen. An  der  Sache  7nag  etwas  sein;  ob  wir  aber  schon  im  Stande 
sind,  die  Werthe  und  Gesetze  dieser  an  sich  auf  alle  Fälle  sehr  kleinen 
Korrektionen  zu  bestimmen,  lasse  ich  dahin  gestellt  sein. 

Die  Mailänder  Ephemeriden  habe  ich  vor  etwa  6  Wochen  gleich- 
falls durch  die  gütige  Besorgung  des  Hrn.  Prof.  Nicolai  erhalten. 
Könnten  Sie,  lieber  Gauss,  nicht  einmal  bei  Gelegenheit  einer  Recen- 
sion  dieses  Jahrgangs  in  den  Gö'tt.  Oel.  Am.  ernstlich  eine  frühere  Be- 
kanntmachung dieser  so  schätzbaren  Ephemeride  empfehlen?  Gewiss 
werden  die  G.  G.  A.  den  Mailändern  zu  Gesicht  kommen,  und  eine  Er- 
innerung von  Ihnen  wird  nicht  ohne  Wirkung  sein. 

In  eben  diesen  G.  G.  A.  habe  ich  eine  Nachricht  von  den  Göt- 
tingenschen  Beobb.  und  Berechnungen  des  Kometen  zu  finden  gehofft, 
wäre  es  auch  nur,  um  Ihren  so  viel  versprechenden  Schüler  v.  Staudt 
frühzeitiger  der  gelehrten  Welt  näher  bekannt  zu  machen  und  zu 
empfehlen. 

Variabilis  Cygni  ist  dieses  Jahr  grösser  geworden,  als  ich  ihn  je  ge- 

Olbers.    II,  2.  7 


98  Gauss  an  Olbers.     [Göttingen,  1821  gegen  April  20 — 25.] 

sehen  habe.  —  Noch  kann  ich  unseren  saumseligen  Mechanikus  Keaut 
nicht  dazu  bringen,  das  Photometer,  das  ich  mir  ausgedacht  habe,  zu 
verfertigen. 


Nu.  417.  Gauss  an  Olbers.  [loo 

[Göttingen,  1821  gegen  April  20—25.] 

Meinen  herzlichsten  Dank  für  die  gütige  Mittheilung  der  Keaten- 
HOFF'schen  Triangel.  Es  ist  dies  eine  treffliche  Arbeit,  und  kein  Land 
hat  bis  jetzt  etwas  Aehnliches  aufzuweisen.  Möchten  nur  anderer  Länder 
Triangulationen  ebenso  bekannt  gemacht  werden.  Dem  Hrn.  Prof.  Olt- 
MANNS  bitte  ich  vorläufig  meine  grosse  Erkenntlichkeit  zu  bezeugen. 
In  Rücksicht  auf  meine  eigenen  Operationen  erwarte  ich  nächstens  die 
officielle  Anzeige  von  der  Annahme  meiner  beiden  Gehülfen,  Kpt,  Mülleb 
und  Lt.  Hartmann,  worauf  sie  denn  sofort  in  Thätigkeit  treten  werden. 
Seit  einigen  Wochen  habe  ich  in  der  Nähe  von  Göttingen  einige  vor- 
läufige Messungen  gemacht;  mich  auf  mehr  als  einen  Tag  von  Göt- 
tingen zu  entfernen,  hat  mir  theils  früher  das  ungünstige  Wetter,  theils 
der  Zustand  meiner  Gesundheit  noch  nicht  erlaubt.  Vor  einigen  Tagen 
habe  ich  den  Hohehagen  besucht,  auch  schon  so  viel  dort  gemessen, 
dass  schon  ein  beiläufiger  Anschluss  der  Sternwarte  an  Müffling's  und 
Epailly's  Dreiecke  stattfindet.  Um  den  schönen  Tag  recht  zu  be- 
nutzen, habe  ich  keinen  Winkel  repetirt,  sondern  nur  einfach  und  ohne 
ängstliche  Sorgfalt  gemessen.  Ich  sehe  daselbst  4  MüFFLiNö'sche  Punkte. 
Hercules,  Boineburg,  Inselsherg  und  Brocken;  Struth  ist  unsichtbar. 
Auf  Boineburg  haben  aber  die  hessischen  Bauern  das  preuss.  Signal 
zerstört,  und  das  Thürmchen  des  Brocken hauses,  welches  nur  wenige  Fuss 
über  das  Dach  hervorragt,  konnte  ich  mit  dem  Fernrohr  des  8  zölligen 
Theodolithen  nicht  genug  unterscheiden,  übrigens  stimmten  die  Winkel 
gut  genug  mit  meiner  Vorausberechnung;  auch  die  Orient irung  nach 
der  Göttinger  Mittagslinie  traf  gut  zu  mit  der  preuss.  auf  die  See- 
berger  gegründeten,  weniger  mit  der  EpAiLLT'schen.  (Ich  bemerke, 
dass  noch  die  4  Löcher,  worin  die  Füsse  von  Epailly's  Signal  ge- 
standen haben,  zu  erkennen  sind,  und  dass  ich  gewiss  bis  auf  l  Meter, 
genau  in  der  Mitte  des  Signals  mich  aufgestellt  hatte.) 

Epailly's  Arrangement  werde  ich  wohl  nur  theilweise  befolgen, 
ich  hoffe  grössere  Dreiecke  bilden  zu  können.  Der  Hilspunkt  ist  vom 
Hohehagen  nicht  sichtbar,  dagegen  aber  der  Köterherg.  Der  Soder- 
thurm  existirt  nicht  mehr,  auch  stehen  um  die  Richtung  herum  viele 
ganz  nahe  Bäume,  doch  konnte  ich  zwisciien  diesen  durch  einen  sehr 
entfernten  kahlen  und  hohen  Berg  bemerken.   Es  wird  aber,   besondei-s 


Gauss  an  Olbors.     [Göttingen,  1821  gegen  Ai.ril  '20—25.] 


99 


IlnruioiTr 


Äöterhc, 


Jfercules 


^ryui/isrfm-eig 


Brocken 


^aineburg 


Fia-.  1. 


Jrbb-i'lslfcj-g 


(Ja  er  qanc  kalil  ist  und  ich  alsi)  nichts  scliarf  schneiden  kann,  erst 
Mühe  maclien  auszuniittehi,  welches  dieser  Berg  ist  (verniuthlich  in 
der  Nälie  von  Salzdetfurth).  Ich  hoffe  aber,  dass  dieser  Berg  sehr 
brauchbar  sein  wird,  ein  schönes  Triangelsystem  zu  bilden,  welches, 
wenn  ausserdem  auch  noch  die  Linie 
Hannover-Köterberg  itraktikabel  ist, 
so  aussehen  würde  [Figur  1]. 

Um  die  Sternwarte  anzuknüpfen, 
wird  noch  ein  Punkt  zugenommen 
werden  müssen,  vielleicht  ein  Punkt 
auf  der  Weper. 

Mehr  als  diese  A  A  wird  in 
diesem  Jahr  schwerlich  absolvirt  wer- 
den können,  ja  schwerlich  werde  ich 
nur  damit  fertig  werden.  Die  Künstler 
werden  mich  wohl  sehr  im  Stich 
lassen;  ich  fürchte,  dass  ich  den  be- 
stellten 12  zölligen  Theodolithen  noch 
lange  nicht  erhalte.  Vorerst  werde 
ich  denn,  sobald  einige  Signale  er- 
i-ichtet    sind,    mit    dem     12 zölligen 

Kreise  zu  beobachten  versuchen;  entspricht  dies  meiner  Erwartung 
nicht  ganz,  so  hat  mir  Schumachee  seinen  Stutzschwanz  auf  einige 
Zeit  zu  leihen  versprochen.  Repsold  hat  auf  keinen  meiner  Briefe 
geantwortet.  Körner  verspricht  die  2  Reverberes  nächstens  abzu- 
liefern. Rümpf  hat  die  Zeichnung  zu  dem  Heliostat  meist  ausgear- 
beitet und  wird  wohl  bald  anstellen.  Uebrigens  aber  habe  ich 
später  eingesehen,  dass  die  Achsen  dieses  Apparats  äusserst  sorgfältig 
gearbeitet  sein  und  sehr  genau  parallel  sein  müssen,  wenn  das  Instru- 
ment etwas  leisten  soll,  daher  gewiss  mehrere  Monate  auf  die  Ver- 
fertigung gehen  werden. 

Sehr  in  Noth  bin  ich  auf  meiner  Sternwarte  mit  den  Uhren.  Ich 
habe  eigentlich  keine  einzige,  die  was  werth  ist.  Die  neue  Liebherr'- 
sche  ging  ein  halbes  Jahr  vortrefflich,  aber  seitdem  immer  schlechter 
und  ist  jetzt  ganz  unbrauchbar.  Sie  geht  immer  geschwinder,  so  dass 
ihr  täglicher  Gang  während  des  März  15^  zunahm;  nachher  hat  Rumpf 
sie  etwas  gereinigt  und  eine  kleine  Abänderung  gemacht,  worauf  sie 
eine  kurze  Zeit  wieder  besser  ging,  allein  bald  fing  sie  das  alte  Spiel 
wieder  an,  und  jetzt  geht  sie  wieder  täglich  14^  vor.  Den  Grund 
kann  ich  nicht  errathen,  die  Schwingungen  sind  nur  w^enig  kleiner  ge- 
worden. Wie  ich  höre,  ist  es  mit  Soldner's  Uhr  nicht  besser  ge- 
gangen, und  er  hat  das  neue  Echappement,  wovon  man  sich  anfangs  so 

7* 


IQQ  Gauss  an  Olbeis.     [Göttingen,  1821  gegen  April  20 — 25.] 

viel  versprach,  weggeworfen  und  einen  gewöhnlichen  Anker  machen 
lassen.  Wie  es  nachher  damit  gegangen  [ist],  weiss  ich  nicht,  aber  es 
ist  wahrscheinlich,  dass  sie  auf  alle  Fälle  nicht  exquisit  gehen  wird, 
da  die  Arbeit  nur  mittelmässig  ist  und  nur  das  an  sich  sinnreiche  aber 
künstliche  Echappement  die  mittelmässige  Arbeit  unschädlich  machen 
sollte.  Die  50jährige  SnELTON'sche  Uhr  ist  seit  2  Jahren  auch  herz- 
lich schlecht.  Es  wird  am  Ende  wohl  kein  Rath  sein,  als  eine  Uhr 
aus  England  kommen  zu  lassen.  Da  Sie  viel  mit  YorxG  korrespon- 
diren,  so  hätten  Sie  vielleicht  die  Güte,  einmal  bei  ihm  anzufi^agen, 
welcher  Künstler  jetzt  am  besten  arbeitet,  welches  etwa  der  Preis  ist, 
und  wie  lange  man  etwa  nach  der  Bestellung  warten  muss? 

Das  Rekognosciren  wird  mir  dadurch  sehr  erschwert,  dass  in  un- 
serem Königreich  die  Wege,  die  nicht  Hauptstrassen  sind,  zum  Theil  so 
unerhört  schlecht  sind.  Vor  acht  Tagen  schickte  ich  jemand  nach  der 
Weper,  die  Wege  vorläufig  zu  erkunden,  allein  der  Bescheid  war,  dass 
zu  Wagen  vorerst  gar  nicht  hinzukommen  ist.  Starke  Bewegungen  zu 
Fuss  machen  mich  aber  gewöhnlich  auf  längere  Zeit  krank,  auch  haben 
die  Rekognitionen,  ohne  Messinstrumente  bei  sich  zu  haben,  nur  geringen 
A\'ertli.  —  Auf  dem  Hohehagen  habe  ich  auch  von  mehreren  Punkten 
die  Elevationen  (etwa  auf  V  genau)  gemessen.  Es  folgen  daraus  die 
Höhen  über  der  Terrasse  der  Sternwarte 

Brocken  991 m 

Inselsberg  781 

Scheitel  des  Hercules  419 

Hohehagen  343 

Köterberg  301 

Wie  sehr  mich  selbst  verlangt,  Sie  bald  einmal  zu  umarmen, 
tlieuerster  Olbeks,  brauche  ich  Ihnen  nicht  zu  sagen.  Aber  für  diesen 
Sommer  habe  ich  u-etiig  Hoffnung.  Meine  Arbeiten  werden  mich  nicht 
nördlich  von  Hannover  führen. 

^\'enn  die  24000  Rtlil.  (Banco?)  bloss  für  den  Bau  der  Sternwarte 
in  Hamburg  bestimmt  sind,  so  kann  sie  wohl  recht  gut  werden;  sollen 
aber  auch  A\'ohnung  und  Instrumente  davon  bestritten  Averden,  so  wird 
es  nur  etwas  Mesquines  sein  können. 

So  sehr  ich  Schumacher's  astr.  Zeitung  Gedeihen  wünsche,  so 
zweifle  ich  doch,  dass  sie,  wenn  sie  zu  Stande  kommt,  sich  lange  halten 
wird.  Da  es  immer  darauf  ankommen  wird,  einen  bestimmten  Faion 
zu  füllen,  so  werden  meine  etwaigen  Beiträge  \M'nig  in  Betracht 
kommen.  Viel  besser  wird  Schumacher  sich  stehen,  wenn  Hr.  Delambre 
Beistand  leistet.^) 

^)  Schluss  fehlt  nach  folücndeni  Briefe  von  Olbers.     Seh. 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1821  Mai  20.  -[()] 


N...  418.  Olbers  an  Gauss. 


[22S 


Bremen,  1821  Mai  25. 

Fast  glaube  ich.  dass  ich  das  letzte  Mal  nicht  alles  erhalten  habe, 
was  Ihre  Güte  mir,  wenigstens  anfangs,  zugedacht  hatte,  denn  Ihr 
Brief  endigt  auf  der  vollgeschriebenen  vierten  Seite  ohne  Unterschrift 
und  Datum.  Für  die  mir  so  interessanten  Nachrichten  von  den  Vor- 
bereitungen zur  Gradmessung  sage  ich  Ihnen  recht  vielen  Dank.  Es 
wäre  prächtig,  wenn  sich  Hannover  und  Braunschweig  mit  so  wenigen 
Dreiecken  erreichen  liesse.  Ich  erinnere  mich,  dass  man  in  Hannover 
vom  Walle  (also  gewiss  noch  weit  leichter  und  öfter  von  dem  hohen 
Marktthurm)  jedoch  nur  zuweilen  und  bei  dem  heitersten  Wetter  den 
Brocken  sieht.  Ob  aber  deswegen  ein  grosses  Dreieck  zwischen  Brocken, 
Hannover  und  Köterberg  niöglicli  ist,  und  besonders  ob  man  Hannover 
vom  Brocken  deutlich  sehen  kann,  weiss  ich  nicht.  Den  Köterberg 
kenne  ich  recht  gut.  —  Möchte  nur  das  Wetter  diesen  Sommer  Ihren 
Operationen  vortheilhafter  sein,  als  es  sich  bisher  anlässt.  Besonders, 
mein  theurer  Gauss,  bitte  ich,  beschwöre  ich  Sie,  schonen  Sie  Ihre  Ge- 
sundheit! Sie  wissen,  wie  leicht  körperliche  grosse  Anstrengungen 
nachtheilig  auf  diese  wirken.  Lassen  Sie  sich  also  ja  durch  übertrie- 
benen Diensteifer  nicht  dazu  verleiten. 

Encke  schreibt  mir,  die  BAEYEE'schen  Vermessungen  würden  dieses 
Jahr  bis  Seeberg  vordringen.  —  Ist  Ihnen  etwas  Näheres  über  die 
schwedische  Triangulirung  bekannt?  Und  ist  diese  wohl  so  genau, 
dass  sich  dadurch  die  Lappländische  Gradmessung  schicklich  mit 
Schumacher's  Dreiecken  verbinden  lassen  wird?  Ich  möchte  dies  um 
so  mehr  wünschen,  da  ich,  wie  ich  Ihnen  schon  sonst  gestanden  habe, 
noch  immer  einigen  Zweifel  gegen  den  astronomischen  Theil  von  Svan- 
berg's  Operationen  hege.^) 

Um  Nachrichten  wegen  einer  Uhr  habe  ich  gleich  an  Rümker 
geschrieben,  aber  von  diesem,  der  sonst  fast  posttäglich  schrieb,  keine 
Antw^ort,  auch  überhaupt  seit  4  Posttagen  keine  Zeile  erhalten.  Viel- 
leicht hat  er  plötzlich  und  früher  abreisen  müssen,  als  er  glaubte. 
Sollte  ich  von  ihm  keine  oder  keine  befriedigende  Antwort  erhalten, 
so  w^erde  ich  nächstens  deswegen  an  Young  oder  den  jüngeren  Herschel 
schreiben. 

Durch  letzteren  hat  mir  Hr.  George  Browne  seine  Bemerkungen 
wegen   des   letzten    sogenannten  Mondvulkans  raitgetheilt,    die  freilich. 


^)  Siehe  Brief  No.  400  u.  404  an  Gauss.     Krni. 


][Q2  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1821  Mai 

wenn  sie  sich  völlig  bestätigen  lassen,  meine  Erklärung^)  der  Licht- 
Erscheinung  in  der  Nachtseite  des  Mondes  unstatthaft  und  unzuläng- 
lich machen  würden.  Hr.  Bkowne  versichert  nämlich,  seit  einigen  Jahren 
sehr  deutlich  in  dem  Flecken  Äristarchus  (die  Engländer  nennen  ihn  noch 
immer  mit  Hevel  Mons  Porphyrites)  zwei  kleine  schw^arze  Oeifnungen 
oder  Höhlungen  wahrgenommen  zu  haben,  wovon  die  eine  sich  nach 
und  nach  ausfüllte  fivas  gradually  ohliterated) :  nun  aber  nach  der 
letzten  „Eruption"  (im  Febr.)  wären  beide  Mündungen  gänzlich  ver- 
schwunden, und  an  ihrer  Stelle  sei  eine  Hervorragung  sichtbar.  Auch 
habe  er  einen  Streifen  einer  ungemein  weissen  Materie  bemerkt,  der 
von  dem  Flecken  ausgeht  und  vorher  nicht  da  war.  Aus  dieser  Beob. 
würde  also  folgen,  dass  wirklich  im  Aristarch  seit  der  letzten  Licht- 
Erscheinung  eine  grosse  physische  Veränderung  vorgegangen  sei.  Aber 
man  weiss,  wie  veränderlich  das  Ansehen  kleiner  Gegenstände  auf  dem 
Monde  nach  Verschiedenheit  des  Erleuchtungswinkels  und  der  Libraiion 
ist;  wie  oft  dadurch  einige  verschwinden  oder  sich  in  ganz  veränderter 
Gestalt  zeigen.  Schkoetee's  Beobb.  geben  davon  die  unläugbarsten  Be- 
weise, und  namentlich  sind  seine  verschiedenen  Zeichnungen  des  Ari- 
starch untereinander  bis  zur  Unkenntlichkeit  unähnlich.  Es  könnte 
also  doch  wohl  sein,  dass  Browne  zu  einer  anderen  Zeit  seine  beiden 
schwarzen  Oeffnungen  wiederfände,  die  er  nun  für  verschwunden  hält. 
Von  La  Place  bin  ich  ganz  unerwartet  mit  einem  sehr  freund- 
lichen Briefe  überrascht  und  erfreut  worden.  Der  Inhalt  betrifft  noch 
hauptsächlich  meine  an  sich  so  unbedeutende  Vorlesung  über  den  Ein- 
fluss  des  Mondes  auf  die  Witterungen,-)  wovon  das  Bureau  des  Longi- 
tudes  seit  1819  jährlich  die  Uebersetzung  in  das  Anmiaire  eingerückt  hat. 
Unter  anderem  schreibt  er  über  die  Mondtafeln  von  Damoiseau  u.  s.  w. 
—  Für  Hrn.  v.  Staudt  setze  ich  die  von  Nicollet  berechneten  Ele- 
mente des  letzten  Kometen  her,  ob  diese  gleich  bei  weitem  so  genau 
nicht  zu  sein  scheinen  als  die  deutschen  von  Encke,  Eümkeb,  Nicol.vi, 
Bessel  und  besonders  von  Hrn.  v.  Staubt  selbst,  die  ich  zuletzt  ver- 
bessert in  den  G.  G.  Ar)  gesehen  habe. 

Zeit  der  Perihels  1821  März  21  9»^33">7«  M.  Par.  Zeit 

q    .    .    .    .  0,091113 
ft    .    .    .    .        48^32' 12" 

71    ...    .  239  18  37 

Incl 105  49    7 


^)  Vergl.  Brief  No.  408  an  Gauss;  über  die  BRowNK'sche  Erklärnng:  auch  Brief- 
wechsel Olbers-Bessel,  Brief  No.  291.     Krm. 

2)  Olbers  Bd.  1  Abb.  10,  S.  141  ff.     Krm. 

3)  Gauss'  Werke  Bd.  VI,  S.  437—430.     Krm. 


Olbers  au  Gauss.     Bremen,  1821  Mai  25.  103 

Wie  XicoLLKT  nach  diesen  Elementen  eine  baldi<re  Wiedererscliei- 
nung  des  Kometen  nach  dem  Peiiliel  am  Morgenhimnu-l  ankündigen 
und  erwarten  konnte,  begreife  ich  nicht.  La  Place  schiebt  es  auf  die 
schlechte  Witterung,  dass  nmn  ihn  nicht  wieder  gesehen  hat. 

Delambkk  würde  freilich  leicht  die  ScHUMACHiiu'sche  astronomische 
^^'uchenschl•ift  mit  seinen  ermüdenden  trigonometrischen  Lehrlings- 
formeln und  Exempeln  ausfüllen  können.  Aber  ich  hoffe  doch,  lieber 
Gauss,  Sie  werden  dieses  Unternehmen  durch  Ihre  ßeissigen  Beiträge 
kräftig  unterstützen.  Ihr  reichen  Leute  könnt  leicht  einer  solchen 
Monatsschrift  aufhelfen,  wenn  Ihr  von  Eurem  Ueberfluss  auch  nur  das- 
jenige oft  mittheilen  wollt,  das  Ihr  anderwärts  nicht  gut  einzeln 
drucken  lassen  könnt,  und  doch  immer  für  uns  andere  ein  kostbares 
Geschenk  sein  wird.  Uebrigens  braucht  eine  solche  Wochenschrift 
meiner  Meinung  nach  eben  nicht  lauter  wichtige  Abhandlungen  zu 
enthalten;  manches  Populäre,  selbst  Triviale  könnte  mit  unterlaufen. 
Die  Hauptsache  ist  nur,  dass  die  Wochenschrift  ein  Mittel  bleibt,  wodurch 
sich  die  Astronomen  schnell  untereinander  dasjenige  mittheilen  können, 
was  einer  solchen  schleunigen  Mittheilung  bedarf,  und  dass  dadurch 
die  allgemeine  Aufmerksamkeit  auf  die  Gegenstände  gerichtet  wird, 
die  durch  Mitwirkung  mehrerer  gewinnen  können. 

Mira  Cygni  zeigt  sich  noch  fast  6.  Grösse  und  kulminirt  nach- 
gerade zu  einer  früheren  Morgenstunde.  Allein  dieses  Jahr  wird  seine 
Ortsbestimmung  noch  wohl  nicht  zu  hoffen  sein.  Sonst  möchte  ich 
doch  wünschen,  dass  die  Position  dieses  merkwürdigen  Sterns  endlich 
einmal  durch  neuere  Beobb.  gehörig  bestimmt  und  festgesetzt  würde. 

Haben  Sie  schon  nach  Hannover  wegen  des  Navigationslehrers  in 
Emden  geantwortet?  Oltmanns,  der  nichts  von  einem  solchen  deside- 
rato  in  Emden  zu  wissen  scheint,  schrieb  mir  neulich  ganz  von  unge- 
fähr, „er  habe  sich  sehr  auf  die  Navigationswissenschaft  gelegt,  von 
Jugend  auf  das  Seewesen  geliebt,  sei  schon  in  Paris  von  La  Place 
aufgefordert,  eine  Navigationslehre  zu  schreiben,  habe  es  aber  damals 
aus  einer  Art  Eigensinn  unterlassen;  jetzt  denke  er  aber  mit  Ernst 
daran,  weil  ihm  die  mehrsten  neuesten  Navigationsbücher  und  die 
in  den  gewöhnlichen  Schulen  angewandten  Lehrmethoden  nicht  ge- 
nügten" u.  s.  w.  —  Dies  nur,  lieber  Gauss,  zu  Ihrer  eigenen  Notiz  und 
etwaigen  Gebrauch,  jedoch  ohne  mich  zu  nennen. 


104 


Gauss  au  Olbers.     Güttiugen,  1821  Mai  31. 


No.  419. 


Gauss  an  Olbers. 


[191 


Göttingen,  1821  Mai  ^l. 

Bei  dem  Interesse,  welches  Sie  an  meinen  Arbeiten  gütigst  nehmen, 
theile  ich  Ihnen  mit  Vergnügen  einige  weitere  Nachrichten  mit.  Die 
letzte  Hälfte  des  abgelaufenen  Monats  haben  meine  Gehülfen  zur  Re- 
kognoscirung  der  Berge  im  Hildesheimschen  gebraucht.  Das  Resultat 
ist  nicht  so  günstig,  wie  ich  gehofft  hatte.  Es  ist  nur  ein  einzigr-r 
Berg  gefunden,  von  wo  Hohehagen,  Brocken,  Braunscliweig  und  Han- 
nover sichtbar  sind,  und  der  auch  mit  10  Fuss  hohen  Bäumen  besetzt 
ist;   gar  keiner   aber   ist   gefunden,   von    wo  der  Köterberg   zu    sehen 


JlaTi/torer 


wäre.   Der  Beinberg  giebt  also  ein  au:> 


•n//ri.sc/i/rntj 


M>//c/im/prt 


führbares  Dreiecks3^stem,  was  die  um- 
stehende Figur  [2]  schwarz  ^j  zeigt.  Zum 
Anschluss  mit  Göttingen  ist  noch  ein 
Punkt  erforderlich,  vielleicht  auf  dem 
Hils  zu  finden,  wovon  ein  Tlieil  vom 
Hohehagen  und  Meridianzeichen,  auch 
von  den  Göttinger  Stadtthürmen  aus 
sichtbar  ist.  Ich  weiss  aber  noch  nicht, 
ob  er  nicht  bewaldet  ist.  d.  i.  mit 
niederstämmigen  Bäumen;  man  täuscht 
sich  darüber  aus  der  Ferne  sehr;  so 
ist  ein  vom  Hohehagen  aus  sichtbarer 
bei  Lamspringe  liegender  Berg  dicht  be- 
waldet, obgleich  er  von  dort  aus  kahl 
schien.  Sollten  die  rothen^)  Linien  vom 
Hils  aus  (der  jetzt  vom  Lt.  Haetmanx 
rekognoscirt  wird)  alle  praktikabel  sein, 
so  gäbe  er  eine  noch  bessere  Verbin- 
dung als  der  Beinberg:  vielleicht  ist 
auch  von  dort  aus  der  Köterberg  zu 
sehen,    der    in    Hannover    und    dessen 

ganzer  Umgegend  auch  auf  den  sonst  brauchbaren  Stellen  des  Deisters 

überall  nicht  zu  sehen  ist. 

Grosse   Dreiecke   werden   aber   auch   sehr  grosse  Schwierigkeiten 

haben.     Auf   dem  Beinberge   ist   eine   50  Fuss   hohe   Stange  errichtet 

mit  zwei  Köpfen  von  6x4  und  4x3  Fuss  Fläche,  schwarz  gemalt. 

Diese  konnte   ich   gestern   vom  Hohehae'en  aus   mit  einem  sehr  cuten 


Fis-.  2. 


^isrlshprg 


^)  In  der  Zeichnung*  ausg:ezogen  bezw.  gostiirlielt.     Krni. 
-)  In  der  Zeichnung  puuktirt  bezw.  strichpuuktiri.    Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Göttingeu,  l^Jl   Mai  31.  ]()5 

'S\  füss.  JJidloinl.  und  ubjjleich  die  Luft  o;ar  nirlit  unrrüustiw-,  im  Geji:eii- 
theil  so  \\a.v.  dass  si*^  selten  viel  hess&r  sein  Aviid,  nicht  sehen,  allei' 
Anstrengung  des  Auges  ungeaclitet  und  obgleich  ich  den  Platz  genau 
wusste.  Erst  später  gegen  Abend  konnte  ich  mit  grosser  Mühe  nur 
eine  schwache  Spur  sicher  erkennen.  Es  folgt  hieraus,  dass  an  Beob- 
achten mit  dem  Theodolithen  auf  so  grosse  Distanzen  (70  000  Meter) 
mit  Signalthürmen  gar  nicht  zu  denken  ist,  wenn  diesen  nicht  sehr 
grosse  Dimensionen  gegeben  werden.  Durchgängig  aber  bei  Nacht  mit 
Keverberes  zu  beobachten,  hat  auch  seine  grossen  Bedenklichkeiten. 
Einen  von  Repsold,  etwa  18  Z.  Durchmesser,  habe  ich  erhalten.  Er 
war  gestern  in  der  Sternwarte  aufgestellt  und  auf  dem  Hohehagen 
schon  [inj  den  frühen  Nachmittagsstunden  (8  Uhr)  mit  dem  31  füss.  Dul- 
lond  sehr  schön,  mit  dem  Fernrohr  des  Theodolithen  schwerer  zu  er- 
kennen; doch  würde  dies  bei  dunkelm  Hintergrunde,  und  späterhin 
gegen  die  Zeit  des  Unterganges  der  Sonne  bei  günstiger  Luft  wohl 
selbst  in  der  doppelten  Entfernung  noch  angehen  (jene  ist  13  800 
Meter);  auf  grössere  Distanzen  aber,  über  40  000  Meter,  glaube  ich 
nicht,  dass  diese  Art  jemals  von  Nutzen  sein  kann.  Viel  verspreche 
ich  mir  dagegen  von  den  Heliostaten.  Rumpf  hat  jetzt  einen  in  Ar- 
beit genommen.  Es  geht  nur  mit  seinen  Arbeiten  immer  etwas  saum- 
selig.    Auch  Repsold  will  einen  machen. 

Bei  der  Berechnung  von  Krayenhoff's  Dreiecken  will  mir  die 
grosse  von  ihm  angewandte  Abplattung  nicht  gefallen.  Selbst  wenn 
es  wahr  wäre,  dass  in  Europa  die  Meridianbogen  eine  grosse  Abplat- 
tung erfordern  (was  mir  noch  sehr  ungewiss  scheint),  würde  es  theo- 
retisch ganz  falsch  sein,  die  Erdoberfläche  auch  in  dem  Sinn  der  Pa- 
rallelkreise als  einem  solchen  Ellipsoid  angehörig  zu  betrachten.  So  bald 
ich  meine  eigenen  Messungen  angefangen  und  so  weit  geführt  habe, 
dass  ich  die  Grösse,  Richtung  und  Lage  gegen  Göttingen  der  Seite 
Hohehagen -Hercules  oder  die  vom  Hohehagen  nach  einem  anderen 
EpAiLLY'schen  Punkt  als  Lüdersen,  Köterberg  oder  Burgdorf  bestimmen 
kann,  will  ich  durch  eine  provisorische  Rechnung  davon  bis  Dünkirchen 
zurückrechnen,  um  dessen  Lage  gegen  Göttingen  zu  bestimmen. 

Eine  meiner  Rekognoscirungs- Exkursionen  im  Apr.  bei  den 
schwülen  Tagen  hatte  mir  eine  Krankheit  zugezogen,  die  mich  mehrere 
Tage  ans  Bett  und  14  Tage  fast  ans  Haus  fesselte.  Bei  dem  späteren 
kalten,  selbst  rauhen  Wetter  ging  es  besser.  Letzteres  schlägt  meinei- 
Konstitution  viel  besser  zu  als  warme  Tage,  wo  besonders  bei  gewitter- 
hafter Luft  selbst  massige  Anstrengungen  zu  Fuss  mich  leider  immer 
sehr  angreifen.  Das  Resultat  der  HARTMANN'schen  Rekognoscirung  des 
Hils  wird  die  nächsten  ersten  Operationen  bestimmen.  Vermuthlich 
baue  ich  auf  dem  Hohehagen    ein  Signal;    einer   meiner  Gehülfen  mag 


IQQ  Gauss  an  Olbers.    Göttingen,  1821  Juni  10. 

dann  hier  zurückbleiben  und  den  Bau  inspiciren  und  sonst  noch  allerlei 
in  hiesiger  Gegend  nöthige  Vorkehrungen  treifen,  ich  selbst  werde 
aber  walu-scheinlich  mit  den  anderen  nach  Braunschweig  gehen,  die  dor- 
tige Aussicht  rekognosciren  und  die  etwa  auf  dem  Elm  anzustellende 
in  der  Nähe  leiten,  um  die  künftige  weitere  Fortsetzung  nach  Norden 
vorzubereiten.  Ich  hoffe,  dass  hierzu  wenige  Tage  hinreichen  sollen, 
und  Ihre  immer  nach  Göttingen  zu  adressirenden  Briefe  werden  immer 
schnell  in  meine  Hände  kommen.  Ich  habe  nun  auch  Schumacher's 
Theodolithen  in  Händen,  so  dass  ich,  bis  mein  eigener  ankommt,  ge- 
deckt bin.  Zwei  kleinere  Reverberes  von  Köenee  sind  auch  schon  vor 
14  Tagen  von  Jena  abgegangen,  und  ich  erwarte  sie  jeden  Tag. 


No.  420.  Gauss  an  Olbers.')  fm 

Göttingen,  1821  Juni  10. 

Sie  ermüden  wohl,  wenn  ich  schon  wieder  ein  freies  halbes  Stünd- 
chen anwende,  über  meine  Geschäfte  mit  Ihnen  zu  plaudern.  Leider 
geht  es  mit  allem  nicht  so  schnell,  wie  ich  gehofft,  wenigstens  ge- 
wünscht hätte.  Die  Operationen  kosten  viel  mehr  Zeit  —  und  viel 
mehr  Geld  —  als  ich  vorher  gedacht  hatte. 

Die  Rekognoscii'ung  des  Lieutn.  Hartmann  ergab,  obgleich  sie 
noch  vieles  unerledigt  Hess,  wenigstens  gewiss,  dass  der  Hilspunkt 
(etwa  |-  Stunden  SW.  von  Ammensen)  ein  sehr  brauchbarer  Punkt  ist. 
Es  ist  gewiss,  dass  dort  Hannover,  Göttingen,  Brocken  und  Köterberg 
sichtbar  sind.  Braunschweig  vermuthlich  nicht:  Kapt.  Müller  ist  seit 
6  Tagen  wieder  in  jene  Gegend  gereist,  dieses  zu  entscheiden  (wozu 
erst  Aufhauungen  gemacht  werden  müssen),  die  Ressourcen  der  Um- 
gegend für  den  Signalbau  zu  erkunden,  auch  den  Köterberg  zu  rekognos- 
ciren etc.,  inzwischen  lasse  ich  auf  dem  Hohehagen  dui'ch  Lieut.  Haet- 
MANN  vorerst  ein  Signal  bauen;  gestern  war  ich  selbst  in  Dransfeld 
und  sah  das  erkaufte  Tannenbauholz  anfahren,  in  14  Tagen,  hoffe  ich, 
soll  dieses  Signal  stehen;  es  wird  etwas  über  40  Calenb.')  Fuss  hoch 
und  hat  diese  Form: 


Fig.  3. 


^)  Dieser  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.    Krm. 
*)  Calenberg'sche  Fuss,   nach  dem  früheren  Fürstenthum  Calenberg  benannt,  zu 
dem  Göttingen  gehörte.     Seh. 


Gauss  an  Olbers.     Göttiugeu,  1821  Juni  10.  107 

Ich  sehe  es  gleidisam  ^vie  ein  Probesignal  an,  um,  da  ich  in  Zukunft 
vielleiclit  10  sulclier  Signale  bedarf,  zu  entscheiden,  ob  die  Kraft  des 
Theodolithen-P'ernrohrs  nach  Maassgabe  der  Distanzen  stärkere  Dimen- 
sionen nfithig  oder  schwächere  zulässig  macht.  Vorerst  halte  ich  es 
für  mich  selbst,  kleinere  Reisen  ab  und  zu  ungerechnet,  am  zweck- 
niässigsten,  in  Göttingen  zu  bleiben  und  die  Operationen  aus  der  kleinsten 
Entfernung  zu  leiten. 

Die  2  KöRNER'schen  Reverberes  habe  ich  auch  erhalten,  abei-  mein 
Muth,  viel  Gebrauch  von  dieser  ]\Ianier  zu  machen,  ist  sehr  gesunken. 
Repsold's  Reverbere  thut  gute  Wirkung.  Auf  dem  Hohehagen  hatte 
fr  bei  Nacht  so  ausgesehen  Avie  der  aufgehende  Jupiter,  vielleicht  noch 
heller,  so  dass  ein  Forstmann,  der  mit  Kapt.  Müller  dort  war,  ohne 
vorher  davon  zu  wissen,  gemeint  hatte,  es  sei  irgendwo  Feuer.  Allein 
es  ist  eine  grosse  Kiste,  beschwerlich  und  gar  nicht  im  Reisewagen  zu 
transportiren;  Durchmesser  des  Spiegels  fast  17  par.  Zoll.  —  Körnee's 
Reverberes  halten  ein  paar  Zoll  weniger  und  die  Kasten  sind  nicht  halb 
so  schwer;  allein  bei  der  geringen  Tiefe  des  Kastens  ist  die  Glasscheibe 
davor  in  grösster  Gefahr  des  Zerspringens  durch  die  Hitze;  an  dem 
einen  zersprang  sie  wenige  Minuten  nachher,  nachdem  ich  die  Lampe 
versuchsweise  angezündet  hatte;  auch  ist  der  ganze  Lampenapparat 
schlecht  gearbeitet,  eine  Beschmutzung  des  Spiegels  gar  nicht  zu  ver- 
meiden, gar  keine  brauchbare  Vorrichtung,  die  Grösse  der  Flamme  zu 
temperiren  i>p.,  es  würden  daher  noch  besondere  Gehülfen  nöthig  sein, 
die  Lampen  an  den  betreffenden  Punkten  zu  diiigiren  pj).,  dazu  das 
viele  Hin-  und  Herreisen,  der  Zeitverlust  neue  Instruktionen  zu  geben, 
die  grossen  Beschwerden  des  nächtlichen  Beobachtens,  vielleicht  oft 
Meilen  Weges  vom  Aufenthaltsquartier  entfernt.  Alles  wohl  überlegt, 
scheint  mir  diese  Manier,  so  theuer  auch  der  Signalbau  kommt,  doch 
noch  weit  mehr  Kosten  zu  machen  und  sich  daher  nur  für  einzelne 
Fälle,  wo  es  auf  keine  andere  Weise  möglich  ist,  zu  eignen. 

Die  Arbeit  am  Heliostat  mrd  dadurch  sehr  aufgehalten,  dass 
Rumpf  die  meisten  Messingstücke  in  Cassel  giessen  lassen  muss;  schon 
seit  1  Monat  hat  der  Giesser  die  Modelle,  allein  trotz  des  posttäglichen 
Mahnens  sind  die  Sachen  noch  nicht  zu  erhalten  gewesen;  an  den  an- 
deren kleineren  Theilen  wird  gearbeitet  und  das  meiste  davoii  ist  schon 
fertig.  Ich  verspreche  mir  davon  viel.  Nach  einem  Reclmungsüber- 
schlage,   der   sich   grossen  Theils  auf  Ihre  Angaben  gründet,  wird  die 

Helligkeit  in  der  Distanz  J  Meter*) 

A 
/^620  OOOy    ^J^\25457 


V      A      J     \2j 


")  Bei  den  Dimensionen,  die  Eumpf  dem  Spiegel  giebt. 


108 


Olbers  an  Gauss.     Bremen.  1821  .Juni  15. 


Sa/mover^,—-— 


^Jl roch' eil 


sein,  die  des  Aldeharan  bei  Tage,  wenn  er  so  hoch  stände,  Avie  eben 
die  Sonne  steht,  wenn  sie  den  Heliostat  beleuchtet,  als  Einheit  be- 
trachtet.  Die  Höhe  der  O  wird  aber  hierbei  wenig  influiren,  da,  wenn 

sie  niedrig  steht,   auch  das  Auge 
WoJdenberg  für   schwächeres  Licht  empfäng- 

licher ist.    In  der  Distanz  50  000 
\  Meter  fetwa  der  grössten.  die  bei 

~^a,u,.c/.n>ecg  ^^^    französischeu'    und    schwedi- 
schen   Gradmessung    angewendet 

LirMemery  .     ^     ,  .         ,  t       tt    n- 

ist)  hätten  wir  also  die  Hellig- 
keit noch  etwa  =^  36;  in  der 
Distanz  105  000,  ungefähr  [die] 
allergrösste,  die  bei  meinen  Opera- 
tionen vorkommen  könnte,  Brocken - 
Inselsberg,  noch  etwa  =2;  die 
Helligkeit  1  ist  aber  für  die  Theo- 
dolithen-Fernrohre  noch  ganz  be- 
deutend. 

A\'enn  Braunschweig  vom  Hils 
nicht  zu  sehen  ist,  so  werde  ich 
vielleicht  als  nächsten  Ort  Lichten- 
berg wählen  (eine  Ruine  auf  einem 
Berge,  neben  welcher  aber  natür- 
lich ein  Signal  gebaut  werden 
muss),  falls  dieser  Berg  nicht.  Avie 
ich  besorge,  mit  Hochwald  besetzt 
ist.  Im  Fall  letztes  Hindernis.«^ 
nicht  stattfindet,  k()nnte  vielleicht  mein  Hauptnetz  so  aussehen  (siehe 
vorstehend),  falls  Hannover  vom  Wohlenberg  aus  sichtbar  ist,  und 
Braunschweig  wird  dann  nur  ein  Nebenpunkt.  Die  schwarzen  Linien 
bedeuten  die  entschiedene  Sichtbarkeit,  die  rothen^)  die  noch  ungewisse. 


Jnselsberg 


Fis-.  4. 


No.  421. 


Olbers  an  Gauss. 


[229 


Bremen,  1821  Juni  15. 

Ob  ich  gleich  leider  auf  Ihre  beiden  letzten  gütigen,  mir  so  inter- 
essanten Briefe,  die  so  anziehende  Nachrichten  über  den  Anfang  Ihrer 
Gradmessung  enthalten,  nichts  antworten  kann.  Avas  auch  nur  einiger- 
maassen  Ihrer  Aufmerksamkeit  Aveith  Aväre,    so  kann  ich  es  doch  nicht 


^)  In  der  Figur  punktirt  wiedergegeben.     Krni. 


(•llrti-  .iii  <iau.->,     Bremen.  1821  Juni  l."i.  ]  09 

aiifscliiebeii.  lliiien  für  die  grosse  P>eude,  die  Sie  mir  dadurch  gemacht 
haben,  herzlichst  y.u  danken  und  Sie  um  die  Fortsetzung  dieser  mir  so 
willkommenen  Notizen  inständigst  zu  bitten.  Ich  sehe  die  grossen 
Inbequemlichkeiten,  die  die  nächtlichen  Beobb.  mit  den  Reverberes 
haben  müssen,  vollkommen  ein  und  bin  äusserst  neugierig  auf  Ihre 
ersten  Versuche  mit  den  von  Ihnen  so  scharfsinnig  erfundenen  Helio- 
-taten.  Möchten  diese  doch  erst  fertig  sein!  Auch  diesen  wird  oft  die 
\\  itterung  nachtheilig  .^ein,  da  wir  so  selten  recht  heiteren  Himmel 
haben,  und  auch  manchmal,  wenn  der  Beobachter  Sonnenschein  hat, 
eine  Wolke  den  entfernten  Heliostat  beschatten  kann. 

Ich  gestehe  es.  ich  habe  gleich  gefürchtet,  dass  Sie  mit  Ihrem 
Kostenanschlag,  so  wie  Sie  mir  ihn  zu  1500  U  St.  oder  9 — 10000  Ethlr. 
angaben,  bei  weitem  nicht  ausreichen  werden.  Die  Signale,  Trans- 
porte u.  s.  w.  werden  wahrscheinlich  ungleich  höher  kommen,  als  sie 
eigentlich  kosten  sollten,  weil  der  Eigennutz  Arbeitslohn,  Material  u.  s,  w., 
da  man  weiss,  dass  Sie  es  ausgeführt  und  zur  bestimmten  Zeit  ausge- 
führt haben  müssen,  ungebührlich  steigern  wird,  besonders  in  Gegenden, 
wo  keine  Konkurrenz  stattfinden  kann.  Auch  werden  sich  weit  mehr 
ausserordentliche  Ausgaben  finden,  als  man  vorher  veranschlagen  zu 
müssen  glaubte. 

Bisher  haben  Sie  mir  nur  den  Hauptmann  Müller  und  den  Lieutenant 
Haetmann  genannt.  Wer  ist  mehr  in  Ihrem  Gefolge?  Können  Sie 
einem  Ihrer  Gehülfen  allenfalls  die  Messung  der  Winkel  auf  einer 
Station  allein  vertrauen?  Ich  wünsche  so  sehr,  lieber  Gauss,  dass  Sie 
Ihre  uns  allen  und  der  Wissenschaft  so  kostbare  Gesundheit  bei  diesem 
so  angreifenden  Geschäft  möglichst  schonen  mögen.  Das  Nachtwachen 
auf  den  Bergen  unter  freiem  Himmel  kann   Ihnen  unmöglich  gut  sein. 

Von  Schtjmacher's  Operationen  höre  ich  noch  nichts.  Seine  beiden 
letzten  Briefe  an  mich  bestanden  nur  aus  wenigen  Zeilen,  die  blosse 
Anfragen  enthielten,  ohne  im  Geringsten  etwas  von  seinen  Plänen  oder 
Beobb.  zu  erwähnen. 

Sie  haben  vollkommen  Recht,  dass  Krayenhoff  bei  seinen  Rech- 
nungen auf  alle  Fälle  die  Abplattung  zu  gross  angenommen  hat.  A\'enn 
Sie  Ihre  Berechnungen  über  die  Lage  von  Göttingen  gegen  Paris 
machen,  und  es  ist  Ihnen  möglich,  so  theilen  Sie  mir  doch  gütigst 
so  viel  von  Ihrer  Reclmungs- Methode  mit,  mein  theuerster  Freund, 
dass  ich  Bremens  geographische  Position  nach  denselben  Formeln  be- 
rechnen kann. 

Unseres  trefflichen  Encke  Untersuchungen  über  den  Kometen  in 
der  Jungfrau  1819^)   wird   er  Ihnen   selbst  mitgetheilt  haben.     Es  ist 


1)  Komet  1819  IV,  für  welchen  Ekcke  eine  Umlaufszeit  von  ca.  5  Jahren  fand.  Krm. 


110  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1821  Juni  15. 

doch  höchst  sonderbar,  dass  unter  den  4  Kometen,  die  sich  1819  zeigten, 
3  eine  so  kurze  Umlaufszeit  haben.  Freilich  scheint  nur  bei  sehr 
kleinen  Kometen  nach  den  bisherigen  Erfahrungen  eine  sehr  kurze 
Umlaufszeit  stattzufinden;  aber  doch  wird  dadurch  Ihre  Vermuthung 
sehr  bestärkt,  dass  es  unter  den  älteren  bisher  bloss  nach  der  Parabel 
berechneten  Kometen  noch  mehrere  geben  mag,  die  eine  nicht  un- 
mässige  excentrische  Ellipse  beschreiben.  Ueber  zwei  solcher  älteren 
Kometen  muss  noch  über  kurz  oder  lang  eine  Untersuchung  angestellt 
werden,  ob  sie  identisch  oder  verschieden  sind.  Dies  sind  nämlich  die 
Kometen  von  1699  und  1799  Dec.^)  Ihre  Bahnen  haben  in  allen  Be- 
stimmungs-Stücken als  Parabeln  eine  grosse  Analogie,  und  die  Ver- 
schiedenheit der  einzelnen  ist  nicht  grösser,  als  sie  zwischen  den  para- 
bolischen Elementen  des  ENCKE'schen  Kometen  in  den  Jahren  1795 
und  1805  war.  Vielleicht  lassen  sich  also  auch  die  Bahnen  jener  beiden 
Kometen  durch  eine  Ellipse  vereinigen.  Ich  werde  Encke  zu  dieser 
Untersuchung  auffordern,  wenn  Sie  nicht  etwa  wünschen  oder  vor- 
ziehen, sie  dem  Hrn.  v.  Staudt  zu  überlassen,  der  sich  mit  so  vieler 
Geschicklichkeit  in  solchen  Rechnungen  zu  beschäftigen  scheint.  — 
Nur  wird  es  darauf  ankommen,  ob  die  Beobb.  von  1699  nicht  zu  grob 
sind,  etwas  Gewisses  darüber  ausmachen  zu  können. 

Encke  hat  mir  nun  auch  die  Ephemeride  seines  Kometen")  vom 
28.  Sept.  1821  bis  25.  Febr.  1822  geschickt.  Ob  wir  ihn  aber  werden 
erblicken  können,  bleibt  mir  sehr  zweifelhaft.  Es  kommt  alles  darauf 
an,  inwiefern  er  hell  genug  sein  wird,  ihn  von  dem  nie  ganz  dunkeln 
Grunde  des  Himmels  zu  unterscheiden.  Da  er  im  Jan.  1819  genau  die 
Grösse,  das  Ansehen  und  die  Helligkeit  des  Nebelflecks  am  Kopf  des 
Wassermanns  hatte,  so  habe  ich  vorigen  Herbst  versucht,  wie  nahe  am 
Horizont  ich  diesen  Nebelfleck  noch  unterscheiden  konnte.  Aus  den 
von  BouGUER  und  Lambert  auf  ihre  beiderseitigen  Erfahrungen  ge- 
gründeten, freilich  sehr  verschiedenen  Tafeln  (ich  ziehe  die  BouGUER'sche. 
besonders  wie  sie  Karsten  berichtigt  hat,  vor)  konnte  ich  dann  finden, 
in  welchem  Verhältniss  die  Helligkeit  des  Nebelflecks  diu'ch  seine  niedere 
Lage  geschwächt  wurde.  Meine  Beobb.  begünstigen  doch  die  Hoftnung, 
ihn  im  Dec.  und  Jan.  in  einer  Höhe  von  >  30*^  sehen  zu  können, 
wenigstens  mit  Teleskopen  von  der  Lichtstärke,  mit  denen  Sie  den 
Kometen  von  1815  so  lange  verfolgten. 

RüMKER  ist  am  11.  Mai  auf  dem  Royal  George  nach  Neu-Süd- 
Wales  abgesegelt.  Fällt  Ihnen  noch  etwas  ein,  was  Sie  besonders  auf 
den   südlichen    Sternwarten   beobachtet   zu   haben  wünschen,   so  bitte 


^)  Komet  1799,  II.     Kim. 

2)  Komet  1819,  I.    Vergl.  Brief  No.  385.    Krm. 


(lauss  an  Olbers.     Göttinnen,   isJl  Juli   1.  m 

ich    sehr,    es    mir   zu   melden,    d;i    ich  wahrscheinlich    bald  an  Rümkee 
schreiben  werde. 

Hat  Hr.  v.  Staüdt  auch  etwas  über  Ellipticität  des  letzten  Ko- 
meten versucht  ?  Auf  alle  Fälle  wird  der  Unterschied  von  der  Parabel 
wohl  sehr  srerinff  sein. 


No.  422.  Gauss  an  Olbers.  fws 

Götting-en,  1821  Juli  1. 

Ich  mache  mir  das  Vergnügen.  Ihnen  von  einigen  in  den  letzten 
Tagen  angestellten  Versuchen  etwas  zu  schreiben.  Mit  dem  Heliostat 
oder  Heliotrop  oder  Sonnenspiegel  dauert  es  lange,  obgleich  seit 
3  Wochen  3  bis  4  Arbeiter  ununterbrochen  daran  gearbeitet  haben. 
Doch  hoife  ich,  ihn  nun  in  ein  paar  Tagen  zur  einstw^eiligen  Berich- 
tigung und  Prüfung  zu  erhalten.  Die  Arbeit  ist  sehr  wacker  aus- 
geführt, nur  das  Fernrohr  ist  nicht  viel  werth  und  nur  erst  proviso- 
risch aufgesetzt,  da  die  von  München  verschriebenen  Gläser  noch  immer 
nicht  angekommen  sind.  Es^)  lag  mir  inzwischen  daran,  vorerst  nur 
über  die  Strahlkraft  der  Spiegel  selbst  einige  Erfahrungen  zu  erhalten. 
Ich  habe  erst  mancherlei  versucht.  Ich  befestigte  einen  Spiegel  am 
Deckel  des  Fernrohrs  eines  Theodolithen  und  suchte  durch  im  voraus 
mühsam  berechnete  Azimuthe  und  Höhen  dem  Spiegel  die  richtige 
Lage  zu  geben,  um  das  Licht  nach  einer  bestimmten  Eichtung  zu 
werfen.  Dies  misslang  aber  gänzlich.  Der  Deckel,  etwas  hart  gehend, 
konnte  nicht  mit  Sicherheit  immer  wieder  in  dieselbe  Lage  gebracht 
werden,  sondern  es  blieben  darin  Differenzen  von  20',  die  dieses  Ver- 
fahren ganz  unbrauchbar  machten,  wenn  nicht  der  Spiegel  auf  eine 
solidere  Art  am  Fernrohr  befestigt  wurde,  so  dass  dieses  offen  blieb. 
Inzwischen  brachte  mich  der  Verdruss  über  die  verlorene  Mühe  auf 
eine  andere  Idee,  die  vollkommen  gelungen  ist.  Der  blosse  Spiegel- 
sextant, auf  einem  guten  Stativ,  leistet  schon  das  Verlangte,  obwohl 
nicht  so  vollkommen  wie  ein  eigentlicher  Sonnenspiegel.  Ist  der  Winkel, 
den  die  Gesiclitslinie  (die,  wenn  sie  nicht  schon  vorhanden,  erst  durch 
einen  Faden  oder  ein  Fadenkreuz  dargestellt  w-erden  muss)  mit  dem 
kleinen  Spiegel  macht  =  90°  —  a,  und  ist  Sonnenbild  und  Objekt,  wohin 
das  Licht  zu  werfen  [ist],  auf  gewöhnliche  Art  zur  Berührung  gebracht, 
als  wollte  man  den  Winkel  messen  —  gleichviel  ob  ersteres  oder 
letzteres  direkt  gesehen  —  so  braucht  man  nur  bei  unverrückter  Ebene 


^)  Von  hier  ab  bis  zum  Schlussatz  auch  abgedruckt  in  Gauss'  Werken  ]5d.  IX, 
S.  467—469.    Krm. 


112  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1821  .Inli  1, 

die  Alhidade  um  a  (oder  nominell  2  a)  vorzurücken  und  bat  seinen 
Zweck  erreicht.  Man  kann  bei  einiger  Uebung  die  Stellung  leicht  so 
machen,  dass  jene  Koincidenz  erst  nach  ein  paar  Minuten  eintreffen 
würde,  und  wenn  man  sich  dann  beeilt,  abzulesen  und  Alhidade  vor- 
zurücken, so  gelingt  es  wohl,  dass  der  Beobachter  an  dem  Ort,  wohin 
das  Licht  geworfen  wird,  über  2  Minuten  den  vollen  Glanz  geniesst. 
Offenbar  ist  die  Mühe  ohne  Vergleich  geringer,  wenn  sogleich  am 
grossen  Spiegel,  senkrecht  auf  der  Ebene  des  Sextanten,  unter  der 
Neigung  a  ein  dritter  Spiegel  befestigt  ist.  Der  Sextant  wird  dadurch 
ein  vollkommener  Sonnenspiegel  und  steht  nur  deswegen  sehr  nach, 
weil  theils  das  kleine  Fernrohr  mit  seinem  halben  Licht  nicht  auf 
sehr  grosse  Distanzen  trägt,  und  theils  weil  dieser  dritte  Spiegel  bei 
den  Bewegungen  des  Sextanten  auf  seinem  Stativ  nicht  in  Euhe  bleibt. 
Ich  denke  jedoch  behufs  der  Contre- Signale  an  meinem  Sextanten  einen 
solchen  3.  Spiegel  anbringen  zu  lassen. 

Bei  den  kleinen  bisher  angestellten  Versuchen  ist  es  nun  so  ge- 
gangen. Zuerst,  bloss  auf  der  Terrasse  der  Sternwarte,  Distanz  60  m. 
war  das  Licht  so,  dass  man  auch  nicht  einen  Augenblick  ohne  Schmerz 
hinsehen  durfte.  Zweitens  etwas  abwärts,  Distanz  150  m,  war  das 
nur  ein  paar  Sekunden  fortgesetzte  Hinsehen  dem  Auge  peinlich.  Nur 
diese  beiden  Versuche  habe  ich  selbst  gemacht,  da  ich  bisher  nie- 
mand habe,  der  die  Stellung  machen  könnte,  und  [ich]  also  dies  selbst 
Tliun  musste.  (Es  würde  leichter  sein,  einen  anderen  dazu  abzurichten, 
wenn  nicht  das  Stativ  sehr  unvollkommen  balancirt  wäre,  so  dass  es. 
wenn  die  Versuche  nicht  völlig  misslingen  sollen,  mit  äusserst  leichter 
Hand  behandelt  werden  muss;  wenn  ein  dritter  Spiegel  erst  da  ist, 
fällt  offenbar  diese  Schwierigkeit  weg.)  Bei  den  folgenden  Versuchen 
haben  theils  der  jetzt  hier  angesetzte  Prof.  Ulrich,  theils  Hr.  Lieutenant 
Hartmann  beobachtet. 

Beim  dritten  Versuch  war  die  Distanz  300  m.  Hr.  Prof.  Ulrich 
beschrieb  das  Licht  als  herrlich  und  beim  anhaltenden  Hinsehen  dem 
Auge  beschwerlich. 

Vorgestern  ein  4.  Versuch  auf  die  Distanz  2000  m.  Hr.  Prof. 
Ulrich  qualificirte  das  Licht  wieder  als  herrlich  und  verglich  es  mit 
einem  3fachen  Glänze  der  Venus,  wie  sie,  wenn  sie  am  schönsten  ist, 
bei  Nacht  erscheint.  Sein  Begleiter  habe  nicht  genug  sein  Erstaunen 
zu  erkennen  geben  können,  wie  ein  solcher  Glanz  hervorgebracht  sei. 

Gestern  o.  Versuch,  am  Platz  des  künftig  zu  errichtenden  südlichen 
Meridianzeichens,  wo  ich  eine  beträchtliche  \\'aldung  habe  durch- 
hauen lassen  müssen,  Distanz  11890  m.  Hr.  Lieutenant  Hartmann  be- 
titelt das  Licht  wieder  als  herrlich  und  meint,  dass  es  an  Intensität 
wohl  noch  der  Venus  in   der  Abenddämmerung-    oleichgekommen.    aber 


Gauss  uu  Ulbers.     (iüttiui^tii,  lÖ'Jl  Juli  1.  |13 

für  das  Auge,  wie  er  sich  ausdrückte,  beleidigender  gewesen  sei.  Es 
versteht  sicli,  dass  alle  diese  Beobb.  mit  blossen  Augen  gemacht 
sind.  Ein  Arbeiter,  den  er  bei  sich  liatte,  habe  beim  ersten  Auf- 
blitzen erschrocken  Feuer  geschrieen.  Im  Theodolithen  -  Fernrohr 
schien  der  Faden  an  der  Stelle  dieses  scharfen  Lichtpunkts  völlig 
zerschnitten. 

Der  Spiegel  an  meinem  Sextanten  hat  genau  2  Pariser  Zoll  Breite 
und  1|  Zoll  Höhe;  der  Spiegel  des  von  Rumpf  verfertigten  Heliotrops 
hat  nahe  dieselben  Dimensionen. 

Ich  habe  geglaubt,  dass  es  Hinen,  theuerster  Freund,  nicht  unan- 
genehm sein  würde,  diese  Resultate  zu  erfahren.  Solange  bis  ich  mit 
dem  wirklichen  Sonnenspiegel  erst  noch  etwas  mehr  ins  Grosse  gehende 
Versuche  angestellt  habe,  möchte  ich  nicht  gern,  dass  auswärts  etwas 
davon  transpirirte. 

Ich  habe  nun  die  beste  Hoftnung,  dass  diese  Vorrichtung  auch  in 
den  grössten  Distanzen  meines  Dreiecksystems  aushelfen  soll.  Ich 
glaube,  wenn  man  die  Sonnenspiegel  nach  der  2.,  in  meinem  letzten 
Briefe  angedeuteten  Einrichtung  ausführt  und  den  Spiegel  hinläng- 
lich gross  macht,  so  giebt  es  in  Zukunft  für  die  Grösse  der  Triangel- 
seiten keine  Grenzen  mehr  als  die,  [welche]  die  Kugelgestalt  der 
Erde  setzt. 

Vielleicht  können  diese  Ideen  auch  in  anderen  Beziehungen  noch 
wichtige  Anwendungen  finden.  Z.  B.  als  Signale  für  astronomische 
Längenbestimmungen,  da  man  dieses  Licht  immer  ganz  augenblicklich 
bedecken  und  ^\iedererscheinen  lassen  kann.  Vielleicht  selbst  zu  an- 
deren telegraphischen  Signalisirungen,  wenigstens  zu  Zeiten,  wo  die 
Sonne  etwas  anhaltend  scheint,  wenn  den  sehr  genau  zu  messenden 
Intervallen  des  Erscheinens  und  Verschwindens  verabredete  Bedeutungen 
beigelegt  werden. 

Mein  Hohehagen-Signal  ist  gestern  fertig  geworden.  Ich  denke 
diese  Woche  noch  (wenn  Rumpf  Wort  hält)  theils  die  schwierige  Be- 
richtigung des  Sonnenspiegels,  theils  die  Messung  des  Winkels  Hohe- 
hagen- Meridianzeichen  hier  zu  absolviren  und  dann  nach  dem  Hohe- 
hagen  abzugehen.  Das  Signal  für  den  Amtmannshau  muss  nun  hoffent- 
lich auch  bald  fertig  gezimmert  sein. 


Olbers.    II,  2 


114  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1821  Juli  6. 

No.  423.  Olbers  an  Gauss.  [230 

Bremen,  1821  Juli  6. 

Sie  haben  mir  durch  Ihre  beiden^)  letzten  Briefe  wieder  eine  sehr 
grosse  Freude  gemacht.  Ganz  besonders  interessirten  mich  Ihre  so 
herrlich  gelungenen  Versuche  über  den  Sonnenspiegel.  Empfangen  Sie 
nun  meinen  herzlichsten  Glückwunsch  zu  dieser  wiiklich  grossen  und 
wichtigen  Erfindung,  deren  äusserst  grossen  Nutzen  für  die  Geodäsie 
ich  mit  Ihnen  nur  für  einen  kleinen  Theil  der  Vortheile  halte,  die 
dieses  sinnreich  ausgedachte  Werkzeug  noch  in  so  vieler  Rücksicht  ander- 
weitig gewähren  kann  und  gewähren  wird.  Ihre  mii^  zuletzt  ange- 
gebene Konstruktion  vereinfacht  das  Instrument  schon  sehr,  und  nun 
haben  Sie  gar  gezeigt,  dass  jeder  Spiegel-Sextant  auf  einem  schicklichen, 
gehörig  balancirten  Gestell  schon  einen  Sonnenspiegel,  und  wenn  man 
noch  einen  auf  die  Ebene  des  grossen  Spiegels  des  Sextanten  unter  der 
Neigung  a  befestigten  Spiegel  anbringen  lässt,  einen  nicht  unbequemen 
Sonnenspiegel  abgeben  kann. 

Ihre  angestellten  Versuche  beweisen  unwidersprechlich,  dass  man 
mit  dem  Sonnenspiegel  bei  günstiger  Witterung  auf  jede  vorkommende 
Entfernung  ausreichen  kann.     Durch  die  Formel,  die  Sie  mir  angaben 

g  _  /'620000y  /  n25427  2. 

und  wodurch  Sie  die  Lichtstärke  des  zurückgespiegelten  Stückes  des 
Sonnenbildes  mit  dem  Aldebaran  vergleichen,  lassen  sich  indess  die 
verschiedenen  von  Ihnen  angestellten  Versuche  nicht  unmittelbar  unter- 
einander vergleichen.  Abgesehen  von  der  veränderlichen  Durchsichtig- 
keit der  Luft,  die  also  gar  die  Beob.  eines  Cyanometers  erfordern 
dürfte,  und  Ihnen  zugegeben,  dass  die  verschiedene  Höhe  der  O  wenig 
influire,  scheint  mir  doch  noch  ein  Faktor  in  jener  Formel  zu  fehlen, 
ich  meine  die  scheinbare  AMnkel-Entfernung  der  Sonne  vom  Sonnen- 
Sjpiegel  von  dem  Ort,  wohin  das  Licht  zurückgeworfen  wird.  Vermuth- 
lich  ist  es  hinreichend,  wenn  ^'  noch  mit  dem  Cosinus  der  halben  Elon- 
gation  der  O  vom  Beobachter  des  Sonnenspiegels  multiplicirt  wird, 
obgleich  auch  wohl  die  Menge  des  zurückgeworfenen  Sonnenlichts  bei 
belegten  Spiegeln  einigermaassen  von  dem  \\'inkel  abhängig  ist,  wo- 
runter sie  auf  ihn  fallen. 


^)  Olbers  bezieht  sich  hier  offenliar  auf  die  Briefe  v.  1.  .Tuli  und  10.  .Tuni;  da 
der  letztere  kurz  vor  Abgang  seines  Briefes  vom  15.  Juni  (No.  421)  eingetroffen,  so 
beantwortet  er  ihn  liier  noch  einmal  ausführlich.     Krni. 

*)  Vergl.  Brief  No.  420  vom  10.  Juni.     Krm. 


Olbor;;  au  Gauss.     Bremen.  1821  Juli  6.  115 

Ihre  Vergleichung   der   Lichtstärke   des   Soniienspiegels   mit    dem 
Aldeharan   erinnert  mich  wieder  an  die  Fixstern -Klassen.     Nach  Ihrer 

Formel  M  die  Nornuil-Grösse  der  Sterne   der   ;«toii  Kla.sse  jN'= -"  -:  ffe- 

setzt,  habe  ich  doch  nenlich  die  verschiedenen  Grössen-Klassen  nach 
den  Lichtstärken,  die  Herschel  für  sie  gefunden  hat,  zur  Bestimmung 
von  o)  verglichen,  und  für  (o  näher  übereinstimmende  Werthe  ge- 
funden, als  ich  nach  den  unvollkommenen  HEKSCHEL'schen  Beobb.  er- 
warten konnte.  F>s  fand  sich  nämlich  aus  Vergleichung  der  nach 
Herschel  stattfindenden  Lichtstärke  der  Sterne 


von  ( 

1er 

a> 

O) 

2. 

und 

6. 

Grösse 

2,236 

2,236 

2. 

» 

5. 

)5 

2,520 

2,208 

2. 

» 

4. 

» 

2,000 

2,208 

4. 

» 

6. 

)) 

2,500 

2,258 

4. 

» 

5. 

» 

4,000 

2,208 

5. 

?i 

6. 

» 

1,563 

2,441 

Die  Kolumne  co  enthält  die  Werthe,  wie  sie  unmittelbar  aus 
Herschel's  Beobb.  folgen.  Allein  die  Lichtstärke  der  Sterne  4.  Grösse 
bestimmt  Herschel  aus  i-i  Pegasi,  i  Aurigae  und  E  Tauri.  Hiervon 
wird  i  Aurigae  von  einigen  Astronomen  3-4.,  und  E  Tauri  von  allen 
wenigstens  3-4.,  selbst  von  einigen  3.  Grösse  gehalten.  Es  kann  also 
ganz  wohl  sein,  dass  diese  3  Sterne  im  Mittel  etwas  heller  sind,  als 
die  Xormal-Grösse  der  4.  Klasse  und  näher  der  Normalgrösse  3|  an- 
gehören. Von  der  anderen  Seite  sind  q  Pegasi,  e  Persei  und  H  Oemi- 
norum  wohl  nicht  alle  zur  5.  Grösse  qualiflcirt,  und  man  könnte  sie 
wohl  5-6.  Grösse  oder  von  der  Normal-Grösse  5.V  setzen.  Aus  diesen 
beiden  sehr  zuverlässigen  Voraussetzungen  ist  die  so  schön  überein- 
stimmende Kolumne  co'  entstanden.  Das  Mittel  aus  der  ersten  Reihe 
für  CO  giebt  mit  Rücksicht  auf  die  Zuverlässigkeit  der  einzelnen  Be- 
stimmungen 0)==^  2,313,  und  dies  dürfte  von  der  Wakrheit  so  gar  weit 
nicht  abweichen.  Noch  ist  keine  Hoffnung,  dass  ich  mein  Photo- 
meter so  bald  erhalten  werde,  mit  dem  ich  sonst  sichere  Bestimmungen 
zu  machen  erwarten  kann. 

Die  in  Ihrem  letzten  Briefe  erwähnte  Station  Amtmannschau-) 
kenne  ich  noch  nicht.  Ist  es  vielleicht  die  Station  auf  dem  Hilsberge 
die  Sie  früher  Steinhauerhau  bezeichneten? 


^)  Siehe  Brief  Nu.  410  und  414.     Kriii. 

-)  Amtmannshau  im  letzten  Briefe  Gauss',  von  Olbers  hier  nicht  richtig-  ge- 
schrieben, ebeuso  Steinhauerhau  sind  nach  Brief  No.  425  Xaraen  für  einen  Punkt  auf 
dem  östlichen  Ende  des  Hils.     Krm. 


21(5  Gauss  an  Olbers.     [Götting-en],  1821  Juli  8. 

Hier  haben  wir  noch  immer  sehr  kalte  Tage,  die  Ihnen,  wie  ich 
glaube,  bei  den  Messungen  nicht  unangenehm  sein  werden,  da  Sie  vorzüg- 
lich grosse  Hitze  scheuen.  So  kalt  wie  in  Gotha  oder  auf  dem  Seeberge 
ist  es  aber  hier  nicht  gewesen.  Unser  trefflicher  Lindenau  schreibt 
mir,  dass  dort  eine  halbe  Stunde  nach  Sonnen-Aufgang  das  Thermo- 
meter am  20.  Juni  + 1°,3,  am  21.  —  0°,?,  22.  —  0°,5,  23.  -f  1°,2  also 
zur  Zeit  der  Sommer-Sonnenwende  wirklich  unter  dem  Frierpunkt  ge- 
standen habe.  Hier  war  das  Thermometer  in  den  angeführten  Tagen 
morgens  um  7  Uhr  doch  immer  noch  +  8*^  Reaumur. 

Von  der  Corresjp.  [astr.]  des  Hrn.  v.  Zach  habe  ich  das  5.  und 
6.  Stück  für  1820  erhalten.  Im  6.  wird  mir  eine  physikalische  Beob. 
über  den  letzten  Kometen  zugeschrieben,  davon  ich  nichts  weiss.  Ver- 
muthlich  hat  Zach  den  mir  unbekannten  Einsender  meiner  Kometen- 
beobb.  mit  mir  verwechselt.  Im  5.  Stück  wird  bei  Gelegenheit  des 
untergeschobenen  erdichteten  Kometen  von  d'Angos  den  Verfassern  des 
Berlinischen  Almanachs  von  1749  die  Erdichtung  von  Beobb.^)  des 
Kometen  1701  Schuld  gegeben  und  behauptet,  dass  Euler  dies  in 
einem  Briefe  geschrieben  habe.  Das  Wahre  ist,  dass  die  Redakteure 
jenes  Almanachs  nichts  erdichtet  haben,  und  dass  Euler  auch  kein 
Wort  von  einer  solchen  Erdichtung  schreibt.  Es  wird  doch  wohl  gut 
sein,  diese  an  sich  unbedeutende  Fabel,  die  Pingre  zuerst  erfunden. 
Zach  aber  nun  noch  ausgeschmückt  hat,  einmal  zu  widerlegen. 

Mich  langweilen  die  jetzigen  dämmerungshellen  Nächte,  da  ich  den 
Anblick  des  reichgestirnten  Himmels  so  sehr  liebe.  Der  Unterschied 
in  der  Helligkeit  der  Sommernächte  zwischen  Göttingen  und  Bremen 
ist  schon  sehr  beträchtlich. 

Sagen  Sie  mir  doch  mit  zwei  Worten,  lieber  Gauss,  ob  Hr.  v.  Staudt 
wohl  die  Absicht  hat,  die  vermeintliche  Identität  der  Kometen  von  1699 
und  1799  zu  untersuchen,  oder  ob  ich  mich  deswegen  an  Encke  wen- 
den soll? 

In  welcher  Qualität  ist  Prof.  Ulrich  in  Göttingen  angestellt? 


No.  424.  Gauss  an  Olbers.^)  [wi 

[Göttingen],^)  1821   Juli  8. 
In  der  Hoffnung,  dass  Sie  meine  Nachrichten,  auch  wenn  sie  wenig 
Inhalt  haben,   mit  einiger  Theilnahme   lesen,  widme   ich    Ihnen   heute 


*)   Hierüber   hat   sich   Olbers   auch   später   ausführlich  in  Schümacher's  A.  X. 
Bd.  I  No.  1  verbreitet.    Siehe  auch  Olbers  Bd.  I.    Persönliches  No.  15,  8.  IS9  ff.    Krni. 
-)  Dieser  Brief  ist  in  deutscher  Sdirift  geschrieben.     Krm. 
■')  Nach  dem  Poststempel.     Knu. 


Gauss  an  Olbers.     [Göttingen],  1821  Juli  8.  117 

Abend  abeiiiials  eine  Stimde.  Das  Wetter  ist  diese  ganze  Woche 
äusserst  uno:i'insti!2i:  gewesen,  so  dass  nicht  viel  mehr  als  nichts  hat  ge- 
schehen können.  Den  hier  zu  messenden  ^^'inkel  habe  ich  jetzt  80 mal; 
^venn  ich  es  bis  100  gebracht  habe,  mag  es  mit  dem  Theodolithen 
genug  sein,  und  dann  werde  ich  noch  einige  Male  den  schiefen  Winkel 
mit  dem  Kreise  nehmen.  Das  Steinhauerhau-Signal  ist  noch  nicht  fertig, 
auch  das  Postament  beim  nördl.  Meridianzeichen  nicht.  Die  Signale 
kosten  seJu-  viel  Geld,  und  wenn  die  Angaben,  die  mir  Schumacher  von 
den  Kosten  seiner  Signale  früher  gegeben,  genau  gewesen,  so  sind  sie 
mir  ganz  unbegreiflich. 

Hoffentlich  wird  der  Heliotrop  viele  Signale  entbehrlich  machen, 
Rumpf  hat  ihn  endlich  vollendet  bis  auf  einige  Stücke,  die  dessen  Ge- 
brauch amserhalh  der  Sternwarte  noch  mehrere  Tage  verzögern  wer- 
den. Leider  ist  nicht  bloss  das  provisorische  Fernrohr  sehr  schlecht, 
sondern  auch  der  Spiegel,  wodurch  die  Berichtigung  ausserordentlicli 
erschwert  wird.  Inzwischen  selbst,  so  wie  er  jetzt  ist,  hoffe  ich,  soll 
er  schon  in  den  meisten  Fällen  durchdringen.  Ich  selbst  habe  erst 
zwei  Versuche  damit  gemacht. 

1)  in  der  Distanz  2000  m  gegen  Abend,  w^o  die  Sonne  schon 
sehr  tief  stand,  doch  fielen  die  Strahlen  fast  senkrecht  auf.  Es  war 
dem  blossen  Auge  ein  sehr  schönes  glänzendes  Licht;  in  einem  schönen 
FEAUNHOFEE'schen  Fernrohr  war  es  so  hell,  dass  es,  wenn  man  etwas 
anhaltend  hinsehen  wollte,  dem  Auge  sehr  beschw'erlich  fiel. 

2)  heute  in  der  doppelten  Distanz  unter  übrigens  fast  ähnlichen 
Umständen  w^ar  es  freilich  schwächer  wie  in  1),  doch  so,  dass  ich  alle 
vorigen  Prädikate  auch  noch  gebrauchen  wäirde. 

Ein  Versuch,  den  ich  vorgestern  anstellen  wollte,  wo  ich  nach 
dem  Hohehagen  deshalb  gefahren  war  (Dist.  13  800  m),  misslang  ganz, 
weil  es  unaufhörlich  regnete. 

Ich  habe  vergessen  zu  bemerken,  dass  bei  einem  früheren  Ver- 
suche in  der  Dist.  1800  m,  wo  der  Heliotrop  nur  w^enige  Augenblicke 
auf  die  O  selbst  hatte  gerichtet  werden  können,  der  Hauptmann 
MüLLEK  ihn  nachher  noch  auf  eine  helle  Wolke  richtete,  welches  ein 
überaus  schönes  Bild  im  Fernrohr  gab,  das  aber  natürlich  dem  blossen 
Auge  unsichtbar  blieb.  Inzwischen  glaube  ich,  dass,  wenn  eine  recht 
glänzende  Wolke  gewählt  werden  kann,  dies  immer  noch  auf  1  Meile 
weit  mit  einem  guten  Fernrohr  pointirt  werden  kann.  Am  ersten  son- 
nigen Tage  soll  der  Versuch  nach  dem  Hohehagen  wiederholt  werden. 

Der  administrative  Theil  der  Geschäfte  ist  übrigens,  wie  ich  schon 
öfters  erfahren,  mit  mancherlei  Verdriesslichkeiten  verknüpft,  und  ich 
fürchte  sehr,  wenn  ich  nicht  beim  Fortgang  der  Arbeit  mehr  dagegen 
abgehärtet   werde,    dass   sie   mir   dieselbe    noch  oft  verleiden  werden, 


11g  Gauss  an  Olbers.     [Gottingen],  1821  Juli  8. 

falls  ich  sie  überhaupt  zu  Ende  führe.  Denn,  mein  theuerster  Freund, 
im  engsten  Vertrauen  gesagt,  bleibt  dies  noch  zweifelhaft.  "Wenn  meh- 
rere Disproportionen  meiner  hiesigen  Lage  mich  oft  missmuthig  machten 
und  mir  den  AVunsch  einer  Veränderung  abnöthigten,  so  kann  ich  es 
nicht  so  geradezu  von  der  Hand  weisen,  dass  jetzt  eine  doppelte  Aus- 
sicht dazu  da  ist.  Einmal  ist  mir  von  Hamburg^)  indirekt  ein  Antrag 
gemacht,  wo  man  sich  zu  freier  "Wohnung  und  6000  Mark  Courant 
verstehen  will,  circa  '-f  von  dem,  was  ich  hier  habe.  Ich  glaube  kaum, 
dass  das  Leben  in  gleichem  Yerhältniss  theurer  dort  ist  als  hier,  da 
manche  sehr  bedeutende  Artikel  dort  wieder  bedeutend  weniger  kosten 
als  hier.  Das  Missverhältniss  meiner  hiesigen  Diensteinnahme  zu  einem 
über  die  gemeinen  Lebenssorgen  bei  einer  zahlreichen  Familie  erhabenen 
Bedarf  ist  übrigens  nur  ein  Grund  meiner  Unzufriedenheit.  Ein  ebenso 
wichtiger  ist  das  Missverhältniss  der  Arbeiten  zu  meinen  Kräften  und 
meinen  Neigungen.  Dass  ich  bei  den  mühsamen  Geschäften  der  prak- 
tischen Astronomie  aller  reellen  Hülfe  entbehre,  davon  sage  ich  nichts, 
weil  diese  Arbeiten,  insofern  sie  nicht  meine  Zeit  ganz  wegnehmen, 
mir  immer  auch  Vergnügen  machen.  Aber  das  Kollegienlesen  erregt 
immer  das  Gefühl,  dass  ich  meine  Zeit  auf  eine  edlere  Art  anwenden 
könnte,  und  mit  Betrübniss  fühle  ich,  bei  zunehmenden  Jahren,  wie 
wenig  ich  zu  den  edleren  Arbeiten  kommen  kann,  und  die  Stunden  dazu 
ergeizen  muss.  Eine  zweite  Aussicht  habe  ich  nach  Berlin,-)  wo  die 
Sache  so  steht,  dass  ich  leicht  einen  förmlichen  Kuf  dahin,  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach,  würde  veranlassen  können.  Was  mich  von  ent- 
scheidenden Maassregeln  bis  jetzt  noch  zurückhielt,  sind  Familienver- 
hältnisse und  die  nur  zu  gegründete  Besoi-gniss,  dass  ein  grosser  Theil 
des  Vermögens  meiner  Frau  bei  einer  Veränderung  in  die  Brüche  gehen 
könnte.  Allein  auf  [diej  eine  oder  andere  Art  muss  es  anders  werden, 
Avenn  ich  nicht  dabei  zu  Grunde  gehen  will. 

1821  Juli  9. 

Recht  sehr  danke  ich  für  Ihren  so  eben  erhaltenen  gütigen  Biief.^) 
Den  Faktor  cosinus  dei-  halben  Elongation  habe  ich  damals  deswegen 
nicht  beigesetzt,  weil  ich  nur  das  Maximum  des  zu  erhaltenden  Effekts 
abschätzen  wollte,  wobei  man  die  Stunde  auswählen  kann,  wo  die 
Sonne  im  Vertikal  des  Punktes  steht,  wohin  man  das  laicht  schicken 
will  und  wodurch  jener  Cosinus  nicht  so  sehr  viel  kleiner  als  1  wird. 
Sonst   versteht   sich,    dass    bei  sehr  schiefem  Auffallen  der  Etfekt  viel 


')  Siehe  Brief  No.  410  au  Olbers  Aumerkunii'.     Knn. 

2)   Siehe   Brief  No.  7    des   General   v.   Müi- kling   an   Gauss    (,1821    Apr.    14)   in 
K.  BiiüHNS,  Briefe  zwischen  A.  v.  Humboldt  u.  Gauss,  Leipzig  1877.     Knu. 
n  Brief  No.  423  vom  6.  .Tuli.     Knn. 


Gauss  an  (Ubers.     (iöttingen,  1821  Juli  15.  11<» 

[scliwächer]  sein  wird.  Die  konstante  Zahl  2r)427ni  habe  ich  nach 
BouGüER  genommen,  sie  ist  aber  gewiss  bei  verscliiedenem  Lnt'tznstande 
sehr  verscliieden  nnd  vielleiclit  zuweilen  noch  viel  grösser.  Denn  sonst 
würde  ich  die  ^lögliclikeit,  dass  die  Franzosen  in  der  Distanz  IGOOOOm 
noch  ihre  Ixt-verberes  auf  Formentera  erkannten,  kaum  begreifen.  — 
Staudt  habe  ich  auf  die  bewiissten  Kometen  aufmerksam  gemacht,  er 
wünscht  sehr,  die  Arbeit  zu  unternehmen,  wenn  seine  Kräfte  es  ver- 
statten. Er  ist  ein  trefflicher  mathematischer  Kopf  —  vielleicht  melir 
als  alle  meine  anderen  Schüler  —  aber  praktischer  Takt  und  Blick 
fehlt  ihm  noch  sehr. 

Sie  haben  recht,  theuerster  Olbers,  die  hellen  Bremer  Sommer- 
nächte nicht  zu  lieben,  ^^'ie  schön  wäre  es  daher,  wenn  Sie  unsere 
südlicheren  Nächte  und  die  Experimente  mit  dem  Heliotrop  bei  Tage 
zu  geniessen  sich  noch  zu  einem  Besuch  entschlössen. 

Ich  bin  im  Begritf'  heute  abermals  einen  Versuch  auf  dem  Hohe- 
hagen  zu  machen,  obgleich  auch,  wegen  des  Wetters,  mit  nicht  sehr 
grosser  Hoffnung  des  Erfolges. 


X.,  425.  Gauss  an  Olbers.')  [195 

Göttingen,  1821   Juli  15. 

Noch  einmal  behellige  ich  Sie  mit  dem  Rapport  von  der  ver- 
flossenen Woche. 

Am  letzten  ^Vlontage  schloss  ich  meinen  Brief  im  Begriff,  aber- 
mals unter  schlechten  Auspicien  auf  den  Hohehagen  zu  fahren.  Im 
Regen  kam  ich  daselbst  an,  der  noch  2  Stunden  anhielt.  Doch  w^irde 
meine  Geduld  belohnt.  Die  Wolken  brachen  sich  etwas,  obwohl  nicht 
vollkommen.  Ich  sah  den  schönsten  Silberpunkt  im  Fernrohr,  der,  wie 
sich  später  auswies,  entw^eder  von  der  fest  verschleierten  Sonne  oder 
gar  nur  von  hellem  Wolkenlicht  hergerührt  hat.  Als  die  Sonne  selbst 
die  Sternwarte  beschien,  zeigte  sich  das  Licht  des  Heliotropen  dem 
blossen  Auge  und  war  im  Theodolith-Fernrohr  eigentlich  zu  stark,  um 
recht  gut  beobachtet  zu  werden. 

Was  von  den  folgenden  Tagen  nicht  gar  zu  schlecht  war,  w^urde 
noch  zu  Beobb.  in  der  Stern w^arte  benutzt,  und  die  Vollendung  des 
Postaments  zum  nördl.  Meridianzeichen  betrieben.  Am  Donnerstag 
Abend  war  dies  fertig,  und  am  Freitag  Nachmittag  maass  ich  auf  dem- 
selben   meinen    ersten    Winkel   zwischen   Sternw^arte    und   Hohehagen. 


1)  Dieser  Brief  ist  in  deutsclier  Schrift  geschrieben.     Krm. 


220  Gauss  an  Olbers.     Götting-en,  1821  Juli  15. 

Vom  Amtmannshau-Signal  (unrichtiger  Steinhauerhau  genannt,  auf  dem 
östlichsten  Ende  des  Hils,  eine  Stunde  südl.  von  Aramensen)  zeigte  sich 
zwar  in  der  späteren  Abendstunde  die  Spur,  allein  ich  erkannte,  das> 
es  noch  wie  durchsichtig,  nicht  bebrettet,  wenigstens  nicht  geschwärzt 
war.  Ich  gab  daher  dem  Kapt.  Müller  auf,  Sonnabends  ganz  früh 
dahin  abzugehen,  die  Vollendung  zu  beschleunigen,  und  gab  ihm  zu- 
gleich den  endlich  nun  auch  transportabel  gewordenen  Heliotrop  mit, 
um  einen  Versuch  damit  zu  machen. 

Gestern  Nachmittag  erschien  daselbst  das  ein  wenig  geschwärzte 
Signal,  bei  wallender  Luft  kaum  zu  erkennen,  und  ich  wiederholte  daher 
zuerst  noch  den  Winkel  zwischen  den  beiden  näheren  Punkten.  Der 
Amtmannshau  selbst  schien  im  Schatten  zu  liegen.  Während  ich  mit 
jener  Messung  beschäftigt  war,  jauchzten  auf  einmal  meine  Kanoniere 
alle  laut  auf,  und  ein  herrliches  feines  Silberpünktchen  erschien  auf 
dem  Amtmannshau  dem  blossen  Auge  sichtbar  (Distanz  37  000  m  oder 
5  geograph.  Meilen).  Das  AVetter  blieb  im  Allgemeinen  ungünstig  und 
unterbrach  die  Sichtbarkeit  oft,  doch  wurde  die  Luft  ruhiger  und  die 
Bilder  schärfer,  und  ich  erhielt  30  Beobb.  meines  Winkels  zwischen 
Hohehagen  und  Heliotrop,  die  desto  schöner  sich  anstellen  Hessen,  wenn 
der  Silberpunkt  viel  zu  schwach  war,  um  dem  blossen  Auge  sichtbar 
zu  sein.  Noch  kurz  vor  Sonnenuntergang  war  das  letztere  der  Fall. 
Meine  Winkelmessungen,  in  6  Sets  getheilt,  geben  folgende  Kesultate 

119°37'24",45   Mittel  aus  allen       119«37'23",04 
19,75 
24,65 
23,45 

22,85 
23,10 

Beim  zweiten  Set  scheint  ein  kleines  Derangement  gewesen  zu 
sein.  Der  Winkel  ist  übrigens  nicht  der  wahre,  da  man  deutlich  sehen 
konnte,  dass  etwas  westlich  von  der  Mitte  des  Signals  der  Heliotrop 
stehen  musste,  vermuthlich  weil  das  Postament  noch  nicht  fertig.  Eine 
fünffache  Messung  gab  noch  den  Winkel  zum  Signal  selbst 

119»37'28",55, 

den  Tag  zuvor  war  derselbe  gleichfalls  aus  5  Messungen 

119"37'30",3Ü 

gefunden,  wo  jedoch  das  Signal  noch  unvollendet  sehr  schlecht  zu 
sehen  gewesen. 

Meinen  Sextanten  hat  mir  Rumpf  jetzt  auch  zu  einem  Heliotropen 
der  3,  Art  vorgerichtet,  und  ich  werde  nun  versuchen,  ob  er  so  brauch- 


oder  mit  Ausschluss 
der  zweiten  Reihe  23,69 


Olli.is  IUI  »iaiiss.     Hreiueii,   18'2l  Juli  17.  121 

bar  ist.  Leider  ist  der  zugesetzte  Spiegel  nocli  schlechter  als  der  am 
Heliotroj)  selbst, 

Prof.  Ulrich  ist  besonders  für  einige  praktische  Theile  der  Mathe- 
matik, namentlich  Baukunst,  angestellt. 

Encke  ist  3  Tage  bei  mir  gewesen,  um  den  Gebrauch  des  Sex- 
tanten als  unvollkommenen  Heliotrop  kennen  zu  lernen.  Ganz  leicht 
ist  diese  Art  nicht. 

Auch  Kurhessen  soll  nun  trigonometrisch  vermessen  werden.  Ger- 
LiNG  wird  vermuthlich  das  Wissenschaftliche  und  die  Hauptdreiecke 
erhalten  und  ist  deshalb  einen  Tag  bei  mir  gewesen. 

P.  S.  Schumacher  zieht  nun  ganz  nach  Altona.  Er  hat,  wie  mir 
Keinke  jetzt  eben  erzählt  hat,  dort  ein  Haus  für  20000  Mark  ange- 
kauft und  wird  auf  demselben  eine  kleine  Sternwarte  anlegen.  —  Er 
wird  dann  nur  jedes  Jahr  auf  ein  paar  Wochen  nach  Kopenhagen 
reisen,  um  dort  Bericht  über  die  Aufnahme  von  Holstein  abzustatten. 


No.  4-26.  Olbers  an  Gauss.  [231 

Bremen,  1821  Juli  17. 

Mit  unendlichem  Vergnügen  habe  ich  Ihre  beiden  mir  so  lieben 
Briefe  vom  8.  und  15.  Juli  erhalten.  Ihr  Heliotrop  erfüllt  und  ich 
möchte  sagen  übertrifft  alle  Erwartungen,  die  man  von  diesem  ganz 
vortrefflichen  Werkzeuge  nur  immer  haben  konnte.  Die  gewöhnlich 
in  unserem  Klima  viel  heitere  AMtterung  und  beständigerer  Sonnen- 
schein der  Monate  Aug.  und  Sept.  \nrd  den  Gebrauch  desselben  noch 
angenehmer  und  häufiger  machen,  und  ich  zweifle  nicht,  Sie  werden 
künftig  viele  kostbare  Signale  entbehren  können.  Mit  dem  grössten 
Interesse  verfolge  ich  Ihre  Operationen  nach  dem  mir  gütigst  mitge- 
theilten  Abriss  Ihi*er  projektirten  Dreiecke.  Wenn  Sie  auch  dieses  Jahr 
noch  die  Winkel  auf  dem  Inselsberg  und  dem  Brocken  nehmen  wollen, 
so  dürfen  Sie  wohl  dazu  die  Jahreszeit  nicht  gar  zu  weit  vorrücken 
lassen.  Ich  zweifle  kaum,  dass  der  Heliotrop  zu  Hohehagen  sich  bei 
günstigem  Wetter  auch  auf  dem  Brocken  und  Inselsberg  zeigen  w^erde. 

Ganz  vorzüglich  hat  das,  was  Sie  mir  in  Ihrem  Briefe  vom  8.  über 
einen  Antrag  von  Hamburg  und  eine  Aussicht  nach  Berlin  fi-eund- 
schaftlich  anvertrauen,  meine  freudigste  Theilnahme  erregt.  Längst 
habe  ich  gewusst  und  beklagt,  dass  Sie  unter  den  gegenwärtigen  Ver- 
hältnissen in  Göttingen  nicht  an  der  rechten  Stelle  sind.  Wahrlich  es 
ist  unverantwortlich,  wenn  Sie  eine  Zeit,  die  Sie  anwenden  könnten 
und  anwenden  würden,  die  Wissenschaft  [zu  erweitern]  und  Kenntnisse 


J22  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1821   Juli  17. 

[aufzudecken],  die  sonst  noch  lange,  vielleicht  immer  verborgen  bleiben 
würden,  zu  Vorlesungen  oder  den  kleinen  mechanischen  Vorarbeiten  bei 
astronomischen  Beobb.,  die  ein  massig  geschickter  Gehülfe  besorgen 
könnte,  verschleudern  müssten.  Bei  freier  Wohnung,  was  in  Hamburg 
und  Bremen  viel  sagen  will,  sind  6000  Mark  zu  einem  anständigen, 
sorgenfreien  Leben  hinreichend,  da  Sie  den  eitlen,  keinen  reellen  Genuss 
gewährenden  Luxus  der  verschwendenden  Hamburger  weder  mitzumachen 
brauchen,  noch  mitzumachen  wünschen  werden.  Mehr  als  Sie  mir  an- 
zeigen, bringt  kaum  eine  der  ältesten  Senator -Stellen  in  Bremen  ein. 
Welche  Geschäfte  man  in  Hamburg  von  Ihnen  verlangt,  sagen  Sie  mir 
nicht,  wahrscheinlich  die  Hauptdirektion  der  Sternwarte,  wobei  dann 
ein  brauchbarer,  völlig  subordinirter  Gehülfe  nicht  fehlen  wird.  — 
Mir  würde  Hire  grössere  Nähe  —  da  man  jetzt  bei  der  guten  Ein- 
richtung der  Wege  und  Posten  in  14  Stunden  von  Hamburg  in  Bremen 
sein  kann  —  unendlich  angenehm  sein. 

Auch  Berlin  wird  sehr  in  Ueberlegung  zu  ziehen  sein,  da  der  Euf 
dahin  vielleicht  ähnliche  pekuniäre  Vortheile  und  Ihnen  zusagende  Ver- 
hältnisse anbieten  wird.  Wahrscheinlich  ist  auch  hier  eine  Stelle  bei 
der  Akademie  oder  der  Sternwarte,  die  nach  Bode's  doch  wohl  nicht 
lange  mehr  ausbleibendem  Abgange  nothwendig  eine  vollkommenere 
Einrichtung  und  Ausrüstung  erhalten  wird  und  erhalten  muss,  und 
nicht  bei  der  eigentlichen  Universität  gemeint. 

Aber,  mein  geliebter  Freund,  Sie  werden  selbst  überzeugt  sein, 
dass  man  Sie  in  Hannover  nicht  leicht  entlassen,  sondern  Sie  durch 
bessere  Bedingungen  und  Vortheile  in  Göttingen  zurückzubehalten  suchen 
wird.  Ist  es  nun  Ihr  fester  Wille,  Göttingen  zu  verlassen,  so  kann 
freilich  diese  wichtige  Angelegenheit  nicht  sorgfältig  genug  überlegt 
werden,  und  es  ist  sehr  gefügt,  dass  Sie  alle  F^ntscheidung  noch  zurück- 
zuhalten suchen.  Wären  Sie  aber  aus  Rücksichten,  deren  Sie  erwähnen, 
die  ich  aber  schlechterdings  nicht  begreifen  und  beurtheilen  kann,  ge- 
neigt, dann  in  Göttingen  zu  bleiben,  wenn  sich  Ihre  dortigen  Verhält- 
nisse mehr  nach  Ihren  Wünschen  gestalten  sollten,  so  würde  ich  rathen. 
den  Ruf  nach  Berlin  bald  zu  veranlassen.  Todesfälle  oder  andere  Zufälle 
können  leicht  in  den  Ansichten  oder  dem  Einflüsse  der  Behörden,  die 
einen  solchen  Ruf  bewirken  können,  Veränderungen  machen,  z.  B.  ein 
Krieg  oder  dergleichen.  Hier  müsste  man,  meine  ich,  diese  Angelegen- 
heit nicht  zu  lange  aufschieben,  sondern  die  gegenwärtigen  Umstände 
benutzen.  Sie  könnten  dann  sich  in  Hannover  solche  Bedingungen  ver- 
schaffen, die  Sie  von  allem,  was  Ihnen  jetzt  Ihre  Lage  in  Göttingen 
unangenehm  macht,  befreien.  Ganz  werden  Sie  die  höhere  Ausbildung 
junger  schon  gehörig  unterrichteter  genievoller  Männer  wohl  nicht  ab- 
weisen wollen,   da   Sie    auch    liierin    so  unendlich  viel  geleistet  haben. 


olhers  an  Gauss.     Bremeu,  1S21  Juli  17.  123 

\\i^v  kann  sich  solclier  Scliüler  rülnnen,  als  Sie  uns  verschafft  haben? 
—  Auch  pmJdiscJfc  Astronomie,  worin  Sie  und  Ressel  gewisserniaassen 
Epoche  machen,  möchte  icli  hüclist  unpern  von  Ihrem  künftigen  "\Vir- 
kun<rskreise  ausgeschlossen  sehen,  zumal  sie  Ihnen,  wenn  ein  tüchtiger 
(iehülfe  das  Mechanische  und  Gewöhnliche  besorgt,  eine  angenehnu' 
und  nöthige  Unterbrechung  und  Erholung  bei  Ihren  tiefsinnigen  ]\Iedi- 
tationen  gewähren  wird. 

Verzeihen  Sie,  lieber  Gauss,  und  schreiben  Sie  es  der  Unbedacht- 
samkeit meiner  Liebe  und  Freundschaft  für  Sie  zu,  wenn  ich  Ihnen  so 
vieles  schreibe,  was  Sie  selbst  viel  besser  wissen  und  beurtheilen 
können  als  ich.  Nur  die  mehrmals  in  meinem  langen  Leben  gemachte 
Erfahrung,  dass  Dinge,  die  man  zu  lange  aufschob,  nachher  durch  Um- 
stände und  Zufälle,  worauf  man  gar  nicht  rechnete,  Schwierigkeiten 
fanden,  oder  gar  unerreichbar  wurden,  konnte  mich  zu  einem  zudring- 
lichen Eath  verleiten.  Lassen  Sie  sich  durch  meine  vielleicht  sehr 
einfältige  Ansicht  dieser  Angelegenheit  durchaus  nicht  in  Ihren  weiseren 
und  wohl  überlegten  Maassregeln  und  Schritten  irren. 

Was  Sie  mir  von  Schumacher  schreiben,  hat  mich  in  die  höchste 
Verwunderung  gesetzt.  Ich  bitte  Sie,  lieber  Gauss,  sagen  Sie  mir  doch, 
will  Schumacher  denn  ganz  von  der  Kopenhagener  Sternwarte  ab- 
gehn?  —  Ich  erfahre  nichts  von  seinem  Treiben  und  Plänen,  denn 
seine  Briefe  an  mich,  wenn  ich  eine  oder  zwei  Zeilen  so  nennen  kann, 
enthalten  nichts  als  etwa  Anfragen  oder  Aufträge. 

Ich  weiss  nichts  von  astronomischen  Neuigkeiten,  W'Omit  ich  einiger- 
maassen  Ihre  so  äusserst  interessanten  Briefe  erwidern  könnte.  Ivory 
hat  eine  neue  Kefraktionsformel  gegeben,  die,  wie  er  versichert,  bloss 
aus  der  Theorie  abgeleitet  ist,  und  nichts  von  astronomischen  Beobb. 
entlehnt.  Da  er  die  Analyse  nicht  mitgetheilt  hat,  so  war  die  Formel 
mii"  bei  der  ersten  flüchtigen  Ansicht  wegen  eines  Druckfehlers  sehr 
auffallend.  Wenn  A  die  Zenithdistanz  und  B  die  Refraktion  ist,  so 
schreibt  er  vor,  einen  Hülfswinkel  durch  die  Gleichung 

log  tang(p  =  18,9873149  —  log  cos  .4 
zu  suchen,  und  dann  sei 

R  =  smA-  (1200",93  tang  4-  9^  4-  637",88  tang=^  l  q?  +  163",78  tang-^  .V  q' 
+  19",51  tang'  1 97  +  3",95  tang''  i  (p  +  Ö",64  tang"  ^ 99). 

Ich  konnte  nicht  begreifen,  was  er  mit  seinem  Hülfswdnkel  w^ollte, 
der  nach  seinem  Ausdrucke  immer  so  nahe  =  90°  sein  musste,  dass 
mir  dessen  Berechnung  ganz  unnöthig  schien.  Indessen  brauchte  es 
nur  ein  kleines  Nachdenken,  um  mich  zu  überzeugen,  dass  man 
8,9873149  statt  18,9873149  lesen  musste. 

Vor  Bonaparte's  Ende  soll  man  auf  St.  Helena  einen  grossen  Ko- 


124:  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1821  Juli  18. 

meten  gesehen  haben.  Ich  vermuthe.  dies  ist  unser  AVinterkomet^j  ge- 
wesen, den  man  südlich  vom  Aequator  bald  nach  seiner  Sonnennähe 
des  Morgens  in  vorzüglichem  Glänze  sehen  musste. 

Wenn  es  Ihre  Zeit  Ihnen  erlaubt,  mein  theuerster  Freund,  so 
setzen  Sie  doch  ja  Ihre  Briefe  und  Nachrichten  recht  fleissig  fort.  Sie 
können  sich  kaum  vorstellen,  welch'  eine  grosse  Freude  Sie  mir  da- 
durch machen. 


No.  427.  Gauss  an  Olbers.^)  [m 

Göttingen,  1821  Juli  18. 

Mit  Vergnügen  fahre  ich  fort,  mit  Ihnen  abermals  etwas  über 
meine  Geschäfte  zu  plaudern.  Müller's  Rekognoscirung  des  Köter- 
berges hat  ergeben,  dass  der  Hercules  von  da  wirklich  sichtbar  ist, 
aber  in  N  und  NO  ist  nirgends  über  den  Deister  und  andere  noch 
nähere  Berge  wegzusehen;  ich  gebe  daher  die  Idee,  vom  Köterberg  aus 
die  Dreiecke  auch  noch  nach  Norden  zu  fortzupflanzen,  jetzt,  in  Beziehung 
auf  die  Gradmessung,  auf,  und  wird  dieser  Punkt  nur  zum  Anschluss 
des  Hercules  dienen.  MtJLLEB  ist  jetzt  wieder  auf  dem  Hils  und  leitet 
den  dortigen  Signalbau  ein,  worauf  er  erst  noch  den  Lichtenberg 
rekognosciren  und  dann  hierher  zurückkehren  wird.  Die  Zimmerung 
des  Hohehagen- Signals  soll  diese  Woche  fertig  und  es  Anfang  der 
nächsten  Woche  gerichtet  werden,  so  dass  ich  hoffentlich  die  A\'inkel- 
messung  des  ersten  Dreiecks  Sternwarte.  Meridianzeichen,  Hohehagen 
nächstens  anfangen  kann. 

Mit  dem  Heliostat  geht  es  noch  etwas  langsam,  die  Stücke  aus 
Cassel  sind  aber  endlich  angekommen.  Inzwischen  bin  ich  noch  auf 
eine  ganz  andere  sehr  viel  einfachere  Einrichtung  verfallen,  wo  nui' 
das  Mechanische  erst  noch  mehr  durchdacht  und  zur  Eeife  gebracht 
werden  muss,  deren  Hauptidee  aber  dieses  Brouillon  vorstellt.^) 

Die  Spiegel  Ä.  B  haben  ihre  Ebenen  parallel  mit  der  Axe  CC 
und  [sind]  unter  sich  uuverrückt  senkrecht.  Sie  können  mit  dieser 
Axe  aus  deren  Pfannen  leicht  herausgenommen  und  leicht  und  sicher 
^vieder  eingesetzt  werden.  Indem  sie  herausgenommen  sind,  wii'd  das 
Fernrohr,   dessen  Gesichtslinie   mit   der  Axe  DD  parallel  und  zu  CC 


^)  Komet  1821,  am  1.  Apr.  1821  in  Talparaiso  und  7.  Apr.  in  Sydney  nach 
seiner  Sonnennähe  wieder  gesehen.     Krm. 

■-)  Dieser  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.    Krm. 

^)  Heliostat  oder  Heliotrop  der  2.  Konstruktion,  eine  Zeichnung  hierzu  auch  in 
Gauss'  Werken  Bd.  IX,  S.  477.  Ueber  den  Heliotrop  1.  Konstruktion  siehe  daselbst 
S.  483.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Güttingeu,   18'21  Juli  18.  125 

senkrecht  ist.  auf  den  Punkt  fi^eriehtet,  wohin  man  das  Liclit  reflektiren 
will.  Dann  wird  das  Spiegelsysteni  eingesetzt  und  durch  Drehung 
um  die  Axe  DD,  die  (eingebildete,  auch  durch  die  resp.  oberen  und 
unteren  Kanten  der  Spiegel  verkörperte)  Ebene,  worauf  CC  senkrecht 
ist.  auf  die  Sonne  geführt,  und  sodann 
(las  Spiegelsysteni  so  gedreht,  dass  das 
von  Spiegel  A  reliektirte  Obild  in  die 
(-Jesicht.slinie  fällt.  Sodann  ist  man  sicher, 
dass  vom  Spiegel  B  das  0 licht  die 
gewünschte  Richtung  nimmt.  Die  Zeich- 
nung ist  nicht  ganz  richtig,  die  Fort- 
setzung der  Axe  DD  soll  durch  die 
Mitte   des  Spiegels  B  gehen,   die   also 

stets  in  Ruhe  bleibt.    Man  hat  hierbei  „  ^  .  ,  ^ 

F  Gegengewicht. 

ausser  einer  viel  leichteren  Ausführung  pjo.  5  / 

und  Berichtigung  den  grossen  Vortheil, 

dass  ein  grösserer  Spiegel  nnd  ein  stärkeres  Fernrohr  angewandt  werden 
können.  Der  Spiegel  A  braucht  nur  klein  zu  sein.  Ist  die  Richtung 
einmal  getroffen,  so  konservirt  man  sie  leicht  durch  Verbindung  der  Be- 
■\\egungen  um  die  Axen  C  und  D.  Ich  bitte  Sie,  theuerster  Olbers, 
um  Ihre  Meinung  und  Ihi'en  Rath  hierüber. 

Die  Summe  von  1500  £  habe  ich  vor  2  Jahren,  da  ich  selbst  aller 
Erfahrung  darüber  entbehrte,  bloss  auf  gut  Glück  und  nach  Schu- 
MACHEß's  Meinung  angegeben,  ich  fürchte  auch  sehr,  dass  sie  nicht  zu- 
reicht. Hätte  ich  damals  das  Doppelte  verlangt,  so  wäre  vielleicht 
aus  der  Sache  nichts  geworden. 

Ausser  Müller  und  Hartmann  ist  bisher  von  keinem  anderen  Ge- 
hülfen die  Rede  gewesen,  nur  8  Soldaten  sind  uns  noch  beigegeben. 
ÄIüLLER  ist  ein  sehr  brauchbarer  Mann.  Er  hat  gründliche  Kennt- 
nisse, führt  seine  Rekognoscirungen  gut  aus  und  benimmt  sich  auch  in 
sonstigen  Verhandlungen  mit  Behörden  mit  Klugheit  und  gutem  Erfolg. 
Hartmann  steht  ihm  an  Kenntnissen  und  Eifer  für  die  Sache  nicht 
nach;  er  zeichnet  zugleich  sehr  gut  und  ist  nicht  ganz  fremd  in  tech- 
nischen, zum  Bauwesen  gehörigen  Kenntnissen.  Er  scheint  nur  zuweilen 
im  gutgemeinten  Diensteifer  zu  rasch  zuzufahren  und  seine  Vollmacht 
zu  überschreiten,  wie  ich  dadurch  schon  jetzt  in  eine  verdriessliche 
Differenz  mit  einer  Dorfschaft  und  einem  Amt  gerathen  bin.  Die 
Leichtigkeiten,  die  Epailly  in  „pays  conqiiis^'  hatte,  werde  ich,  wie 
ich  fürchte,  oft  sehr  vermissen,  um  so  mehr,  da  man  bei  uns  überall 
mit  grosser  Schonung  zu  verfahren  gewohnt  ist,  und  in  solchen  Fällen 
oft  gar  nicht  oder  nur  mit  grosser  Geldaufopferung  durchdringen  kann. 
Es  versteht  sich,   dass   ich    Ihnen  dies  alles  nur  im  engsten  Vertrauen 


126  Gauss  an  Olbers.     Ammensen,  1821  Augiist  14. 

sage.  Wie  glücklich  wäre  ich.  wenn  ich  in  solchen  mir  selbst  unge- 
wohnten Verhältnissen  einen  Kathgeber  wie  Sie  in  der  Nähe  hätte! 
Ob  ich  diese  Gehülfen  künftig  auch  zur  Vikariirung  im  Winkelbeob- 
achten selbst  werde  gebrauchen  können,  muss  die  Zeit  erst  lehren. 
Auf  alle  Fälle  werde  ich  sie  erst  unterrichten  müssen,  und  ich  fürchte. 
dass  es  auch  wohl  zuweilen  nicht  ohne  Lehrgeld  abgreht. 


No.  428.  Gauss  an  Olbers.  [m 

Ammensen,  1821  August  14. 

Wenn  ich  mich  recht  erinnere,  war  mein  letzter^)  Brief  an  Sie 
vom  15.  V.  M,,  wo  ich  Ihnen  den  ersten  Erfolg  des  Heliotropenlichts 
vom  Hils  zum  i\[eridianzeichen  meldete.  Seitdem  bin  ich  theils  immer 
so  beschäftigt,  theils  so  wenig  in  Göttingen  anwesend  gewesen,  dass 
ich  ausser  den  nothwendigsten  Geschäftsbriefen  fast  gar  keine  Briefe 
habe  schreiben  können.  Ich  habe  seitdem  die  Stationen  Meridian- 
zeichen und  Hohehagen  absolvirt  und  bin  dann,  nachdem  ich  eine 
kleine  Rekognoscirung  in  Braunschweig  gemacht,  hierher  gekommen, 
um  die  Hils-Station  abzumachen.  Die  mit  meiner  Reise  nach  Braun- 
schweig verbunden  gewesene  Rekognoscirungs-Expedition  des  Haupt- 
manns MüLLEE  nach  dem  Wohlenberg  (bei  Meinersen)  hat  leider  das 
Resultat  gegeben,  dass  auch  Hannover  als  Haupt-Dreieckspunkt  nicht 
zu  gebrauchen  sein  wird.  Es  ist  nämlich  vom  Wohlenberg  aus  vom 
Marktthurm  in  Hannover  nur  eben  die  äusserste  Spitze  zu  sehen;  der 
Marktthurm  ist  aber  selbst  schon  ein  sehr  schlechter  Standpunkt,  und 
wollte  man  von  dem  bequemeren  Aegidiusthurm  aus  den  Wohlenberg 
sichtbar  machen,  so  würde  auf  letzterem  ein  sehr  hohes  Signal  gebaut 
und  in  der  Luft  observirt  werden  müssen.  Ich  werde  nun  vermuthlich 
den  Deister  für  Hannover  substituiren  und  die  Untersuchung,  wie  von 
der  Linie  Deister -Wohlenberg  weiter  nördlich  vorgeschritten  werden 
kann,  auf  nächstes  Jahr  versparen.  Der  Falkenberg  ist  auch  vom 
Wohlenberg  nicht  sichtbar,  aber  doch,  wie  es  nach  ^Iüller's  Bericht 
scheint,  ein  anderes  Terrain,  was  zwischen  Garstenberg  und  Falken- 
berg liegen  mag,  vermuthlich  in  der  Gegend  von  Bergen,  und  von  wo 
aus  höchst  wahrscheinlich  der  hohe  Deister  noch  gesehen  werden  kann. 
—  Auch  von  hier  aus  sieht  man  noch  bei  heiterem  Wetter  über  Hannover 
nördlich  hinaus;  es  würde  aber  jetzt  mit  gar  zu  grossem  Zeitverlust 
verknüpft  sein,  die  Gegend  dort  zu  rekognosciren,   auch  ist  die  Wahr- 


*)  Es  ist  der  vorletzte  Brief.     Seh. 


Gauss  an  oUrt.-,     Anuiifiisi-ii.  1821   Auj^iist   14.  1>7 

sclieinliihkejt  nicht  gross,  dass  dort  (nürdl.  von  Hannover)  ein  Pnnkt  ist, 
von  dem  man  den  doch  nur  sehr  unbedeutenden  Wolik^nberg  seilen  kann. 

Von  den  Arbeiten  auf  dem  Huhehagen  blanche  ich  jetzt  nichts  /u 
sagen,  da  Sie  einen  Bericht  über  den  Heliotrop  in  den  G.  G.  Ä.^)  be- 
reits gelesen  haben  werden.  Aber  alle  Beschreibung  reicht  nicht  hin: 
Sie  müssten  den  wunderherrlichen  Kftekt  selbst  sehen,  um  sich  einen 
rechten  Begriff  davon  zu  machen.  Am  28.  Juli  Vormittags  war  auf 
dem  Inselsberg  Nebel  und  Sturmwind;  Encke  hatte  seine  Instrumente 
daher  gar  nicht  hinausbringen  kimnen.  sass  verdriesslich  im  Häuschen, 
wo  er  mit  dem  Fernrohr  das  Heliotropenlicht  sah,  ohne  es  mit  etwas 
anderem  verbinden  zu  können.  Viele  neugierige  Gothaer  waren  auch 
oben  und  schauten  mit  durch;  allein  sie  Hessen  sich  nicht  ausreden, 
dass  Encke  ihnen  nur  etwas  weiss  machen  wolle,  und  dass  es  eine 
ungeheure  Feuersbrunst  sein  müsse,  die  sie  durch  den  Nebel  sahen. 

Wie  bald  ich  hier  fertig  werde,  lässt  sich  noch  nicht  bestimmen. 
Müller  hat  bisher  Heliotropenlicht  vom  Lichtenberg  hierhergeschickt 
und  wird  in  Folge  telegraphischer  ihm  gegebener  Ordre  jetzt  auf  der 
Reise  sein,  um  vielleicht  heute  Abend  schon  Heliotropenlicht  vom 
Meridianzeichen  hierher  zu  senden.  Den  AVinkel  zwischen  Lichtenberg 
und  Hohehagen  habe  ich  liier  vortrefflich  erhalten;  auch  Hannover  und 
Einbeck  (letzteres  nur  um  immer  wieder,  wenn  andere  Punkte  undeut- 
lich sind,  das  ferne  Heliotropenlicht  anzuknüpfen)  sind  gut  verbunden; 
dagegen  habe  ich  die  Richtung  zum  Brocken  erst  sehr  schlecht.  Es 
ist  dies  ein  sehr  schwieriger  Punkt,  da  theils  das  Thürmchen  nur 
wenig  über  das  Haus  hinausragt  und  daher  sehr  heitere  Luft  erforder- 
lich ist,  theils  auch  der  Phase  wegen  die  Sonne  dort  nicht  scheinen 
darf;  hätte  ich  noch  einen  oder  ein  paar  Heliotrope  und  Gehülfen  mehr, 
so  würde  alles  sehr  leicht  sein;  im  Nothfall  muss  ich  Müller  auch 
noch  mit  dem  Heliotrop  dahinschicken.  Auf  alle  Fälle  aber  wird  er 
mit  demselben  erst  noch  zum  Deister  und  vielleicht  auch  noch  ver- 
suchsweise nach  dem  nördl.  von  Hannover  liegenden  Terrain  (Gegend  von 
Mellendorf)  gehen  müssen,  so  dass  es  w^ahrscheinlich  wohl  noch  14  Tage 
und  darüber  dauern  kann,  bis  ich  hier  ganz  fertig  bin;  inzwischen 
gehe  ich  auch  wohl  auf  einige  Tage  nach  Göttingen.  Unter  diesen 
Umständen  ist  es  noch  zweifelhaft,  ob  ich  die  beiden  Stationen  Brocken 
und  Lichtenberg  in  diesem  Jahre  noch  werde  absolviren  können,  zumal 
da  die  Reise  des  Königs  mich  in  den  Arbeiten  derangii'en  wird,  und 
ich  auch  noch,  den  Zenith-Sektor  zu  übernehmen,  nach  Hamburg  muss. 

Eine  telegraphische  Sprache  mit  dem  Heliotrop  habe  ich  auch  be- 
reits  eingeleitet;    bei    den   ersten  Versuchen   sind   einige   mal-entendiis 


^)    Göttingische    Gelehrte   Anzeujen,    126.  Stück,   Gauss'   Werke  Bd.   IX,   S.  461 
bis  465.     Krni. 


128  Gauss  au  Olbers.     Ammenseu,  1821  Aug-ust  14. 

vorgefallen;  ich  zweifle  aber  nicht,  dass  es  künftig  damit  recht  gut 
gehen  soll. 

Die  Station  Hohehagen  ist  für  mich  sehr  angreifend  gewesen.  Ich 
hatte  zuerst  mein  Quartier  in  Dransfeld  genommen,  von  wo  ich  eine 
Stunde  weit  den  steilen  Berg  zu  Fuss  hinauf  musste.  Die  Erschöpfung, 
in  der  ich  hinaufkam,  würde  gewiss  nicht  wohlthätig,  sondern  höchst 
verderblich  auf  mich  gewirkt  haben,  wenn  es  länger  gedauert  hätte. 
Ich  habe  daher  späterhin  die  Arbeiten  immer  von  Göttingen  aus  ge- 
macht, von  wo  ich  Mittags  abfuhr  und  gegen  Mitternacht  dahin  zu- 
rückkam. In  den  Vormittagsstunden  ist  überdies,  wie  die  Erfahrung 
zeigt,  für  feine  Messungen  auf  grössere  Distanzen  fast  niemals  etwas 
zu  machen. 

Hier  mit  dem  Hils  geht  es  etwas  besser.  Der  Berg  ist  auch  sehr 
steil  und  über  Ammensen  noch  etwas  höher  als  der  Hohehagen  über 
Dransfeld,  die  Entfernung  |  Stunde.  Allein  ich  habe  hier  ein  Reit- 
pferd erhalten,  womit  ich  hinauf  und  herab  reite,  und  diese  Bewegung 
scheint  mir  nicht  übel  zu  bekommen,  selbst  besser  als  fahren.  Das 
Gehen,  selbst  auf  massige  Distanzen,  scheint  durchaus  für  mich  nicht 
zu  taugen. 

Bisher  habe  ich  mit  Schümacher's  Theodolithen  alles  beobachtet: 
mein  eigener  ist  während  meines  hiesigen  Aufenthalts  in  Göttingen  an- 
gekommen, und  ich  habe  ihn  daher  noch  nicht  gesehen.  Jener  ist  ein 
vortreffliches   Instrument.     Als   Probe   setze   ich   Ihnen   einige   meiner 

hiesigen  Winkel  her. 

Lichtenberg-Hohehagen 

Beob. 


Aug.  9 

13  .  . 

.  .  134« 

37 

'48",519 

10 

3 

48.833 

— 

10 

50,450 

— 

16 

49,812 

11 

17 

50,044 

12 

10 

50,700 

69 
Hohehagen-Hannover  1 1 
Hannover-Lichtenbero:  1 7 


.  .  134  37  49,804 

.  .  167 

12 

8,568 

.  .   58 

10 

1,603 

Gyr[us]  Hor[izontis]  ....  359  59  59,975 
auch  partiell 

Lichtenberg-Einbeck     21   .    .    .    .  113  27  37,143 

Einbeck-Hohehagen       18  ...    .  21  10  13,111 


134  37  50,254 
unmittelbar  49.804 


^laus^   all    <iil„i-.      Aniiiniivrii.    1 M' |    Aili;ust   27.  1  Of) 

Krfreiieii  Sie,  tlieuerster  Olbers,  mich  bald  mit  eini^reii  Zeilen, 
liis  zum  L'ii.  würden  sie  mich  ohne  Zweifel  nuch  hier  treffen;  spätei- 
vielleicht  auch  noch,  vielleicht  auch  nicht;  auf  alle  Fälle  kommen  dann 
nach  Göttingen  adressirte  Briefe  in  meine  Hände. 

Meine  auf  dem  Hohehaoren  gemessenen  Winkel  haben.  r/a/*.tr  tmter 
uns  gesagt,  mich  gegen  3Ilffling's  Messungen  etwas  misstrauisch  ge- 
macht; wie  es  scheint,  lassen  sich  die  Punkte  Hercules,  Inselsberg, 
Brocken  und  Boineburg  nicht  so  genau  vereinigen,  wie  ich  erwartet 
hatte,  doch  bedarf  dies  erst  noch  schärferer  Berechnung.  —  Den 
Köterberg  habe  ich  vor  der  Hand  ganz  aufgegeben. 

Göttingen  und  Seeberg  sind  im  Grunde  jetzt  schon  verbunden. 
Die  Polhöhe  von  Seeberg  scheint  nahe  übereinznstinnnen,  dagegen 
schf^int  die  des  Brocken  wohl  8"— 9"  kleiner  zu  werden  als  aus  Zach's 
Messungen. 

P.  S.  Briefe  hierher  sind  zu  bezeichnen:  „abzugeben  bei  Hm. 
Postverwalter  Röhessen  in  Ammensen". 

Es  ist  hier  kein  Post-Kontor,  sondern  bloss  Kelais  für  Extraposten. 


Nu.  429.  Gauss  an  01b er s.  [wh 

Ammensen,  1821  August  27.     11''  Abends. 

Noch  einmal  w^ende  ich  ein  Halbstündchen  hier  zur  Unterhaltung 
mit  Ihnen  an.  Die  hiesige  Station  hat  etwas  viel  Zeit  gekostet.  Das 
Wetter  hat  mich  wenig  begünstigt,  und  die  vielen  Wanderungen  des 
Heliotrops  haben  auch  etwas  Zeit  gekostet.  Der  Heliotrop  hat  aber 
herrliche  Dienste  geleistet.  An  4  Punkten  hat  er  die  Signalthürme 
ei-setzt,  bei  Lichtenberg,  dem  Meridianzeiclien,  auf  dem  Brelinger  Berge 
jenseits  Mellendorf  (76000  m.  =  10|  Meilen  von  hier)  und  auf  dem 
Deister.  Die  relativen  Winkel  dieser  4  Punkte  unter  sich  und  mit 
Hohehagen,  Hannover  und  Einbeck  sind  gewiss  auf  einen  Bruch[theil] 
der  Sekunde  fest;  mit  dem  Brocken  ist  es  der  Ihnen,  wie  ich  glaube, 
schon  früher  angedeuteten  Ursachen  wegen  schwieriger  gewesen,  doch 
glaube  ich  auch  da  kaum  über  1"  ungewäss  zu  sein.  Auch  mit  den 
telegraphischen  Zeichen  geht  es  vortrefflich.  Es  ist  ein  eigener  Genuss, 
auf  die  Distanz  von  mehr  als  10  Meilen  den  Hannoveranern  über  die 
Köpfe  hin  eine  Besprechung  zu  machen  und  in  derselben  Minute  die 
Antwort,  dass  es  richtig  verstanden,  zurückzuerhalten.  Heute  Abend 
habe  ich  ebenso  dem  Hauptmann  Müller  nach  dem  Deister  die  Sisti- 
rungsordre  geschickt,  und  im  Nu  war  die  Antwort  da.  Die  Entfernung 
der  3  Punkte  Deister,   Lichtenberg  und  Meridianzeichen   ist  nahe  die- 

Olbers.    II,  2.  9 


J30  Crauss  an  Olbers.     Ammensen,  1821  Aug-ust  27. 

selbe,    5),    geogr.  Meilen,  und  das  Heliotropenlicht  war  fast  immer  mit 
blossen  Augen  sehr  schön  zu  sehen. 

Morgen  gehe  ich  auf  kurze  Zeit  nach  Göttingen  zurück  und  von 
da  auf  den  Brocken;  Müller  wird  vom  Lichtenberg  und  vom  Hils 
Licht  dahin  senden,  das  hiesige  Signal,  welches  geschwärzt  ist,  wird 
nämlich  schwerlich  auf  dem  Brocken  sichtbar  sein,  da  es  sich  von  dort 
aus  auf  ganz  nahe  Waldung  projicirt. 

Die  weitere  Fortsetzung  nach  Norden  wird  wohl  grosse  Schwierig- 
keiten haben.  Wahrscheinlich  wird  der  Wohlenberg  vom  Brelinger  Berg 
nicht  sichtbar  sein;  bestätigt  sich  dies,  so  würden  entweder  an  beiden 
Orten  ziemlich  hohe  Signalthürme  gebaut  werden  müssen,  oder  der 
Wohlenberg  muss  ganz  aufgegeben  werden.  Vielleicht  kann  aber  ein 
anderer  Hügel  etwas  östlich  von  Celle  dafür  substituirt  werden.  Der 
Falkenberg  scheint  vom  Brelinger  Berge  sichtbar  zu  sein,  und  da  mit 
jenem  Wilsede  und  hiermit  Hamburg  zu  verbinden  ist,  so  roulirt  die 
Schwierigkeit  nur  in  der  Auffindung  brauchbarer  östlicher  Punkte. 
Vielleicht  gebe  ich  am  Ende  auch  Lüneburg  auf  und  substituire  dafür 
das  südöstl.  davon  gelegene  Terrain. 

An  allen  Orten  messe  ich  auch  die  Z.-D.  der  Hauptdreieckspunkte 
mit  dem  BoRDA'schen  Kreise.  Ich  habe  durch  die  bisherigen  Messungen 
schon  die  Gewissheit,  dass  der  Inselsberg  auf  dem  Hils  nicht  zu  sehen 
ist  und  4'  unter  dessen  Horizont  bleibt. 

Mein  erstes  A,  Hohehagen,  Sternwarte  und  Meridianzeichen 
schliesst  sich  bis  auf  1",  das  andere  Hohehagen,  Meridianzeichen,  Hils 
bis  auf  einen  Bruch[theil]  der  Sekunde.  Beim  dritten  Brocken.  Hohe- 
hagen, Hils  werde  ich  wohl  mich  auf  etwas  mehr  gefasst  halten  müssen. 

Von  hieraus  bin  ich,  nachdem  der  Heliotrop  die  2  ersten  Stationen 
absolvirt  hatte,  2  Tage  in  Göttingen  gewesen  und  habe  den  neuen 
Theodolithen  besehen.  Es  scheint  ein  schönes  Instrument  zu  sein. 
Leider  war  aber  die  Libelle  beschädigt,  und  da  ich  unter  14  Tagen 
bis  3  Wochen  keine  neue  erhalten  kann,  werde  ich  die  Brocken-Station 
noch  mit  Schumacher's  Theodolithen  abmachen  müssen. 

Die  Brocken-Station  wird  mich  wohl  etwas  aufhalten,  und  da  dann 
die  Ankunft  des  Königs  dazwischen  kommt  und  dann  die  Tage  immer 
kürzer  und  die  Witterung  prekärer  wird,  so  zweifle  ich.  dass  ich  die 
Station  Lichtenberg  noch  werde  antreten  können. 

Bei  meinem  zweiten  hiesigen  Aufenthalt  habe  ich  durch  die  Hitze 
ungemein  gelitten.  Gestern  befand  ich  mich  so  übel,  dass  ich  den 
Nachmittag  nicht  wieder  hinauf  reiten  konnte.  Glücklicherweise  war 
auch  der  Himmel  ganz  bezogen  gewesen,  und  ]\riTLLER  hatte  gar  kein 
Licht  hersenden  können.  Heute  Morgen  und  heute  Nachmittag  habe 
ich   dagegen   bei   etwas  besserem  Befinden   eine   gute  letzte  Ernte  ge- 


Olbers  an  Gauss.     Brcineii,  IS'JI  Sqitember  'S.  l;;i 

halten.  Zusainiuen  mögen  hier  15  oder  16  Beob.-Tage  gewesen  sein, 
wo  icli  zusammen  circa  800  Messungen  gemacht  liabe.  Die  Anzahl  der 
Winkel  zwischen  den  8  Hauptpunkten  betrÜL^t  iieo-eii  a^O. 


N...  430.  Olbers  au  Gauss. 


[232 


Bremen,  1821  September  3. 

liire  Briefe  gewähren  mir  immer  ein  wahres  Fest.  Mit  dem 
grössten  Vergnügen  und  Interesse  folge  ich  Ihnen  auf  alle  Ihre  Stationen 
und  freue  mich  des  herrlichen  Erfolges  Ihrer  so  bewundernswürdig  ge- 
nauen Messungen.  Ihr  unschätzbarer  Heliotrop  übertrifft  alle  Erwar- 
tungen, alle  Wünsche.  Den  Aufsatz  in  den  G.  G.  A.'^)  habe  ich  mehrere 
Male  gelesen.  ' 

Möge  die  Witterung  Sie  auch  auf  dem  Brocken  begünstigen!  Hier 
ist  sie  ganz  vortrefflich;  doch  des  Nachts  noch  heiterer  als  am  Tage, 
und  besonders  sind  die  letzten  Nachmittage  immer  bewölkt  gewesen.  — 
Schonen  Sie  nur  Ihre  Gesundheit,  lieber  Gauss,  und  opfern  Sie  diese 
nicht  zu  grossem  Diensteifei-  auf. 

]\Iit  dem  Besuch  des  Königs  in  seinen  Hannoverschen  Staaten,  an 
den  ich  bisher  nicht  recht  glauben  wollte,  scheint  es  nun  doch  wirklicli 
Ernst  zu  sein.  Selbst  wenn  der  Krieg  zwischen  Russland  und  der  Pforte 
ausbrechen  sollte,  so  glaube  ich  kaum,  dass  dies  die  königliche  Reise 
hintertreiben  dürfte,  da  man  vielmehr  [auf]  englischer  Seite  wohl  gern 
eine  vertrauliche  Berathung  mit  einigen  Kontinentalmächten  über  dies 
so  grosse  Folgen  drohende  P]reigniss  anknüpfen  wird,  die  sich  bei  Ge- 
legenheit dieser  Reise  von  den  begleitenden  Ministern  am  bequemsten 
einleiten  lässt. 

Mich  wird  übrigens  weder  der  König  noch  seine  Begleitung  zu 
einer  Reise  nach  Hannover  bewegen,  ob  ich  gleich  schon  vielfach  von 
meinen  Freunden  dazu  aufgefordert  bin.  Vielmehr  erwarte  ich  gerade 
gegen  die  Zeit  einen  mir  sehr  lieben  Besuch  von  Prof.  Bkandes  aus 
Bi-eslau. 

Ich  habe  nun  Katee's  Anzeige  ^)  über  seinen  am  4.  Febr.  gesehenen 
sogenannten  Mondvulkan  in  dem  neuesten  Bande  der  Philos.  Trans- 
acüons,  wo  auch  eine  Abbildung  beigefügt  ist,  gelesen  und  mich  also 
völlig  überzeugt,  dass  Kater  dieselbe  Lichterscheinung  sah,  die  ich  am 
5.  Febr.  wahrnahm.     Auch   er  fand   sie   sternähnlich.     Ich   glaube   in- 


^j  Gauss'  Werke  Bd.  IX,  S.  461  ff.     Knii. 

■'}  Vergl.  Olbeks  Bd.  I,  No.  21  S.  213.     Kim. 


][32  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1821  September  3. 

dessen  gern,  dass  sie  mit  stärkeren  VergTösserungen  (ich,  schon  zur 
Kometenbeob.  gerüstet,  wandte  nur  eine  44nialige  an)  nebelartig  er- 
scheinen konnte. 

In  der  Nacht  vom  20.  auf  den  21.  Aug.  habe  ich  bei  dem  heitersten 
Wetter  und  in  einer  nicht  unbeträchtlichen  Höhe  den  ENCKE'schen  Ko- 
meten an  der  genau  berechneten  Stelle  mit  aller  möglichen  Anstrengung 
zu  erblicken  gesucht,  aber  durchaus  keine  Si)ur  von  ihm  finden  können. 

Durch  Liebherr's  Anmaassungen  bewogen  hat  nun,  wie  Ihnen  be- 
kannt sein  wird,  Keichenbach  das  Wesentliche  seiner  Eintheilungs- 
Methode  in  Gilbeet's  Annalen  bekannt  gemacht.  Schon  1814  hatte 
mir  Treviranus  einen  Aufsatz  über  eine  von  ihm  nach  eigenen  Nach- 
denken erfundene  Eintheilungsart  vorgelegt,  die  fast  ganz  mit  der 
REiCHENBACH'schen  übereinstimmt.  Mein  junger  Freund  wird  diesen 
nun  drucken  lassen. 

Von  Schumacher  seinen  ^Messungen  und  seinen  Plänen  höre  ich 
nichts.  Dem  Versprechen  nach  sollte  seine  astronomische  Zeitschrift 
schon  in  diesem  Monate  anfangen. 

Von  dem  nach  Neuholland  verreisten  Rümker  habe  ich  noch  nichts 
gehört;  ich  sollte  doch  glauben,  dass  er  längst  an  der  brasilianischen 
Küste  angekommen  sein  müsste. 

Endlich  hat  doch  die  Sternwarte  zu  Ofen  wieder  ein  Lebenszeichen 
von  sich  gegeben,  und  Kmeth  liat  mir  seine  Observationes  astronomicae 
etc.  geschickt.  Es  muss  eine  sonderbare  Verfassung  bei  der  Direktion 
dieser  Sternwarte  sein;  indessen  kann  ich  nicht  alles  in  dieser  kleinen 
Schrift  zusammen  reimen.  Am  Ende  der  vom  IS.  Feh:  18.21  datirteu 
Einleitung  sagt  Kmeth:  „Animus  saue  laborandi  nunciuam  defuit,  sed 
in  exsequatione  officii  adeo  impediebatur,  ut  haec  ipsa,  qua  opus- 
culum  complectitur,  velut  furto  de  coelo  sublata  existimem.  ütpote  tarn 
iniqua  erant  rerum  et  personarum  adjuncta,  ut  non  quidvis,  quod  utile 
esset,  observare,  sed  serius  nee  adparatum  organicum  contingere.  immo 
demum  nee  ipsa  speculae  penetralia  subire  concederetur."  Und  doch 
kommen  unter  den  Beobb.  selbst  welche  vom  18.  Febr.  1821  vor.  z.  B. 
i]  Draco)iw,  und  vom  1. — 16.  Febr.  viele.  —  Kmeth  scheint  übrigens 
Bessel's  Einleitungen  zu  den  Königsberger  Beobb.  nicht  gekannt  oder 
doch  nicht  benutzt  zu  haben,  sonst  würden  wohl  seine  Beobb.  etwas 
anders  diskutirt  und  benutzt  worden  sein.  Die  Nothwendigkeit  und  die 
Möglichkeit,  das  Messinstrunient  vor  allen  Sonnenstralilen,  ausser  dem 
Objektiv,  zu  schützen,  blieben  ihm,  wie  es  scheint,  unbekannt.  Ebenso 
wenig  verstehe  ich,  wie  dadurch,  dass  das  Observatorium  39  Thüren 
hat  (specula  novem  supra  triginta  janius  providetur.  pg.  X1V\  bewirkt 
werden  kann,  dass  die  innere  Temperatur  dieser  Sternwarte  tneJir  als 
bei  anderen  von  der  äusseren  unterschieden  ist. 


Gauss  an  Olbers.     Broi-konlians.  1821  September  28.  133 

Ich  komme  \veni<i-  von  meinem  Zimmer,  da  mir  das  Gehen  weo:eu 
eines  melir  nnd  mehr  znnehmenden  Asthmas  immer  beschwerlicher  wird. 

].eben  Sie  wohl,  mein  theurer  Gauss,  recht  wohl!  Sie  wi.ssen, 
welche  unendliche  Freude  Sie  mir  machen,  wenn  Sie  fleissig  fortfahren, 
micli  mit   lluen  sriitioen  Nachrichten  zu  l)eo:lücken. 


N<..  431.  Gauss  an  Olbers.  1199 

Brockenhaus.  1821  September  28. 

Ihr  yütiger  Brief  vom  3.  ist  mir  hierher  nachgesandt,  und  so  will 
ich  denselben  auch  von  hier  aus,  ehe  ich  diesen  betrübten  Aufent- 
halt verlasse,  noch  mit  einigen  Zeilen  beantworten.  Leider  muss  ich 
endlich  von  hier  abgehen,  ohne  meinen  Zweck  ganz  erreicht  zu  haben; 
ich  denke  übermorgen  den  Brocken  zu  verlassen  und  habe  nur  wenig 
oder  fast  gar  keine  Hoffnung,  bis  dahin  noch  etwas  ausrichten  zu 
können.  Ein  so  schlechter  September  ist  sonst  in  Norddeutschland  etwas 
fast  Unerhörtes. 

Von  den  vier  Wochen  meines  hiesigen  Aufenthalts  w^ar  das  AVetter 
in  der  ersten  zwar  auch  nicht  viel  wertli  —  wie  Sie  denn  auch  be- 
merken, dass  die  Nächte  in  I^remen  sehr  schön,  aber  die  Tage,  auf 
die  es  mir  allein  ankam,  meist  bewölkt  waren  —  aber  golden  gegen 
die  drei  folgenden.  Ich  hatte  hier  4  Hauptpunkte  zu  beobachten: 
Lichtenberg,  Hils,  Hohehagen  und  Inselsberg;  alle  konnten  nur  succes- 
sive  mit  Hülfe  eines  Heliotrops  beschickt  werden;  denn  ich  hatte  gar 
keine  Hoffnung,  das  Hilssignal  selbst,  und  nur  sehr  geringe,  das  Holie- 
hagensignal  beobachten  zu  können.  In  der  That  hat  dies  die  Erfahrung 
auch  bestätigt;  nur  an  einem  Tage  habe  ich  das  Hilssignal  (wohinter 
naher  dunkler  Hintergrund)  seJien  und  nur  etwa  2  ]\lin.  hindurch  es 
so  sehen  können,  dass  es  sich  hätte  beobachten  lassen;  das  Hohehagen- 
signal  dagegen,  welches  sich  gegen  den  Bergrücken,  auf  dem  der 
Hercules  steht,  projicirt,  liat  öfters  gesehen,  auch  ein  paar  Aial  selbst 
beobachtet  werden  können;  doch  wären  diese  Beobb.  ohne  Heliotrop 
viel  zu  dürftig  gewesen.  Endlich  das  Haus  auf  dem  Inselsberg  hat 
nur  ein  paar  Mal  gesehen  werden  können  und  giebt  seiner  durch  einen 
Seitenanbau  unregelmässig  gewordenen  Form  wegen  in  dieser  Distanz 
(14|  geogr.  Meilen)  keinen  brauchbaren  Zielpunkt  Auf  dem  Lichtenberg 
steht,  wie  Sie  wissen,  gar  kein  Signal.  Da  die  Punkte  demnach  nicht 
unmittelbar  verglichen  werden  konnten,  so  wählte  ich  einige  Ver- 
gleichungspimkte.  Leider  lagen  alle  leidlich  zu  sehenden  Objekte  in 
grosser  Depression  (wodurch  die  kleinen  linvoUkommenheiten  der  Be- 


134.  Gauss  an  Olbers.     Brockenhaus.  1821  September  28. 

richtigung  nachtlieiligeren  Einfluss  äussern),  icli  wählte  die  beiden  aus, 
die  am  wenigsten  ungünstig  lagen,  nämlich  einen  Thurm  von  Huyseburg 
und  den  Thurm  von  Hüttenrode.  Indessen  hing  die  gute  P.eob.  dieser 
Objekte  zu  sehr  von  der  Bescliaffenheit  der  eigenen  Beleuchtung  und 
der  des  Hintergrundes  ab;  ich  verschaffte  mir  daher  noch  einen  dritten, 
indem  ich  auf  dem  Wurmberge  eine  Stange  senkrecht  einpflanzen  Hess, 
die  vortreffliche  Dienste  geleistet  hat. 

Da  ich  jeden  günstigen  Augenblick  nach  Möglichkeit  benutzte,  so 
ging  es  mit  den  beiden  ersten  Punkten  noch  ziemlich  gut,  am  5. 
konnte  ich  dem  Hauptmann  Müller  schon  das  Zeichen  zum  Abgange 
nach  dem  Hils  geben,  und  am  0.  dahin  zu  beobachten  anfangen;  schon 
am  8.  gab  ich  das  Zeichen  zum  Abgange  nach  dem  Hohehagen,  von 
woher  am  9.  MIiller,  der  die  Nacht  durchgefahren  war,  schon  Vor- 
mittags hätte  Licht  schicken  können,  wenn  nur  nicht  das  betrübte 
Wetter  angefangen  hätte.  Doch  waren  in  dieser  zweiten  Woche  noch 
ein  ]»aar  Mal  einzelne  halbe  Stunden,  wo  sich  etwas  weniges  be- 
obachten liess,  und  am  16.  w^aren  noch  einige  schöne  Xachmittags- 
stunden,  wo  ich  die  Winkel  zum  Hohehagen  ziemlich  zu  meiner  Zu- 
friedenheit erhielt  und  Müller  das  Zeichen  zum  Abgange  nach  dem 
Inselsberge  gab  (beiläufig:  dies  Zeichen  wurde  auf  dem  Hohehagen  von 
den  Anwesenden  mit  blossen  Augen  gesehen,  Distanz  69 194m  =  9!.  Meilen). 
Allein  seitdem  ist  nun  ganz  unerhört  schlechtes  Wetter.  Zwölf  Tage 
hindurch  ist  der  Brocken  in  dichten  Nebel  und  Regen  gehüllt  gewesen, 
wobei  man  kaum  6  Schritt  weit  vor  sich  sehen  kann,  und  nur  ein  ein- 
ziges Mal,  den  23.  Vormittags,  lag  der  Nebel  tiefer,  und  ich  erhielt 
während  einer  halben  Stunde  zuweilen  ein  Zeichen  von  Müller's  An- 
wesenheit auf  dem  Inselsberg  durch  ein  äusserst  schwaches  Heliotropen- 
licht, welches  ich  zu  einigen  kümmerlichen  Vergleichungen  mit  dem 
^^'urmberge  benutzte. 

Dies  und 

1)  3  Vergleichungen'mit  dem  Wurmberge  durch  Sextanten-Helio- 
troplicht, welches  Encke  am  7.  Sept.  Abends  hergeschickt  hatte, 
und 

2)  3  Vergleichungen  der  ganzen  unförmlichen  Hausmasse  mit  dem- 
selben Wurmberge 

sind  alles,  was  ich  in  Beziehung  auf  den  Inselsberg  habe  erhalten 
können.  Wie  weit  diese  Sachen  unter  einander  übereinstimmen,  werde 
ich  erst  sehen,  wenn  ich  Encke's  und  Müller's,  wie  es  scheint,  ver- 
schiedene Standplätze  gegen  das  Haus  erfahren  werde.  Encke's  Sex- 
tant kann  kein  Sonnenlicht  nach  einem  mehr  als  etwa  92°  entfernten 
Punkte  schicken,  er  konnte  daher  nur  wenige  ATinuten  vor  Scmnenunter- 
gami  seinen  Sextanten  brauchen,   und  beim  Weiter-Südlich-Rücken  der 


(iaii>s  AU  OIImi-      r.r.M  kt'iihaus,  18"21  Septeiubtr  28.  135 

.Sonne  liürte  dii-  Anwt'iulbarkt'ii  «ranz  auf.  Dieses  Lidit  war  zwar  sehr 
schwach,  aber  .recht  nett  zu  pointiren.  Müller's  Licht  —  ohne  Zweifel 
wegen  Beschaffenheit  der  Atmosphäre  (des  weniger  günstigen  Incidenz- 
winkels  nicht  zu  gedenken)  —  noch  schwächer  und  schwerer  zu  be- 
obachten; es  leidet  aber  keinen  Zweifel,  dass  bei  günstigerer  Luft  in 
einer  solchen  Entfernung  das  Heliotroplicht  noch  sehr  schön  sein  muss. 
!)as  Licht  vom  IJchtenberg,  42437  ni,  war  fast  ununterbrochen  dem 
blossen  Auire  sichtbai-;  das  vom  Hils,  55122  m,  sah  ich  gleichfalls  in 
den  Vormittagsstunden  häutig  so  (meine  Soldaten  fast  ununterbrochen), 
wobei  Sie  abrechnen  müssen,  dass  die  Lorgnette  sehr  viel  Licht  ver- 
schluckt und  auch  zerstreut,  so  dass  ceteris  iMrihas  die  Helligkeit  dem 
Kurzsichtigen,  der  sich  der  Lorgnette  bedienen  muss,  wohl  kaum  halb 
so  gross  ist.  —  Andere  von  hier  aus  sichtbare  interessante  Punkte  sind 
nach  Gelegenheit  auch,  obwohl  meistens  ohne  Repetition,  beobachtet. 
Braunschweig  war  ein  paar  Mal  leidlich  zu  beobachten;  ^Magdeburg 
einmal;  der  Hercules  und  das  noch  etwas  weitere  Buighasungen,  Struth 
bei  Mühlhausen  und  Petersberg  bei  Halle  auch  einmal.  Alles  dieses 
natürlich  in  der  ersten  Woche.  Von  Hannover  nie  eine  Spur,  obgleich 
ich  Azimuth  und  Höhe  genau  wusste.  Ueberhaupt  ist  das  Sehen  ent- 
fernter Objekte,  die  sich  gegen  die  Erde  projiciren  gati^  ausser- 
ordentlich schivierig*)  wegen  der  jBZasse  und  besonders  bei  der  Ein- 
richtung unserer  Fernrohre,  wie  sie  an  den  Theolitlien  befindlich  sind, 
deren  Euhm  es  zwar  ist,  sehr  stark  zu  vergrössern,  und  die  auch  rück- 
sichtlich der  Deutlichkeit  diese  Vergrösserung  sehr  gut  vertragen,  aber 
nicht  bei  so  schwachen  Gegenständen  rücksichtlich  des  Lichts.  Ein 
elendes  von  einem  Juden  in  Hannover  verfertigtes  Fernrohr,  welches 
der  Ltn.  Hartmann  bei  sich  hat,  und  welches  etwa  ^  so  viel  ver- 
grössert  wie  das  des  Theodolithen,  zeigte  bei  gewöhnlichem,  d.  i.  nicht 
besonders  günstigem  Zustand  der  Luft  die  entfernten  Gegenstände  weit 
besser  als  dieses,  ja  zeigte  sie  zuweilen,  wenn  ihr  Dasein  mit  diesem 
nicht  zu  erkennen  war.  Dagegen  bei  ganz  vortrefflicher  Luft  tritt  die 
Superiorität  der  stark  vergrössernden  FRAUNHorfER'schen]  Fernrohre 
glänzend  hervor,  und  beim  Heliotropenlicht  ist  allemal  die  stärkste  Ver- 
grösserung die  beste,  denn  wenn  das  Fernrohr  scharf  ist,  bleibt  jenes, 
Avie  stark  man  auch  vergrössere,  immer  derselbe  Punkt,  während  der 
Grund  des  Feldes  bei  starken  Vergrösserungen  immer  düsterer  wird, 
wobei  jenes  desto  besser  zu  erkennen  ist.    Daher  konnte  ich  am  23. 


*)  Nach  solchen  Richtungen,  wo  der  wahre  Horizont  noch  weiter  als  z.  B.  der 
Inselsberg,  Wilhelmshöhe,  Köterherg,  Petersberg  etc.  entfernt  ist,  habe  ich  denselben 
niemals  sehen  können,  Erde  und  der  unten  immer  etwas  dunstige  Himmel  verlieren 
sich  verwaschen  eines  ins  andere. 


136  Gauss  an  Olbers.    Brockenhaus,  1821  September  28. 

das  Heliotropenlicht  im  Theodolitlien-Fernrolir  nocli  immer  beobachten, 
wie  selbst  der  scharfsichtigste  meiner  Soldaten  es  in  Haktmank's  Fern- 
rohr nicht  mehr  sehen  konnte;  zu  gleicher  Zeit  aber  sah  ich  im 
Theodolithen-Fernrohr  den  Rücken  des  Inselsberges  nicht  mehr,  als  jener 
ihn  im  HARTMANN'schen  Ferni'ohr  und  ich  gleichfalls  mit  blossen  Augen 
noch  immer  erkannte.  Vielleicht  sind  Ihnen  diese  freilich  voraus- 
gesehenen Erfahrungen  nicht  uninteressant,  die  ganz  den  astronomischen 
analog  sind,  dass  die  vortreffliclisten  Fernrohre  bei  starken  Vergrösse- 
rungen,  die  sich  an  Doppelsternen  und  dergl.  so  siegend  zeigen,  an 
blassen  Kometen  viel  weniger  leisten,  als  weit  schlechtere  Fei'nrohre  mit 
viel  schwächeren  ^^ergrösserungen. 

Mit  meinen  übrigen  erhaltenen  Winkelmessungen  selbst  bin  ich 
sehr  zufrieden,  sie  geben  eine  schöne  Uebereinstimmung,  nur  das  Drei- 
eck selbst,  Hohehagen,  Brocken,  Hils  giebt  leider  bei  der  Summe  der 
Winkel,  wie  ich  befürchtet  hatte,  einen  bedeutenden  Fehler  [von]  3",7 : 
beim  genauen  Centriren  der  drei  ^^'inkel  (da  die  Plätze  des  Theodolithen 
und  Heliotrops  auf  Hohehagen  und  Hils  nicht  ganz  genau  im  Centrum 
der  Signale  waren)  wird  sich  dies  noch  etwas  ändern,  doch  schwerlich 
mehr  als  0",1  oder  0",2.  Ich  bin  überzeugt,  dass  dieser  Fehler  kleiner 
sein  würde,  wenn  ich  während  der  Beob.  auf  dem  Hohehagen  und  Hils 
einen  Heliotrop  auf  dem  Brocken  gehabt  hätte.  Das  Pointii-en  auf  den 
grauen  Thurni,  der  bei  einer  Breite  von  5  m  nur  3  m  über  das  Dach 
hervorragt,  welches  in  der  Distanz  Hohehagen  nur  9"  beträgt,  ist  gar 
zu  schwierig,  und  besonders  auf  dem  Hils  hatte  ich  noch  dazu  fast  nie 
recht  günstiges  Wetter  dahinaus.  Selbst  der  Umstand,  dass  sehr  häufig, 
wenn  ich  dahin  pointirte,  Menschen  oben  auf  dem  Thiu-me  waren,  die 
natürlich  in  der  Entfernung  nicht  einzeln  und  als  solche  erkannt  wurden, 
aber  das  glatte  reine  Ansehen  störten,  mag  oft  das  scharfe  Bisecii'en 
gehindert  haben.  Auch  sind  bei  Sonnenschein  selbst  die  geschwärzten 
Signalthürme  nicht  vollkommen  frei  von  Phase;  dies  hat  wahrscheinlich 
beim  Beobachten  des  Hils  auf  dem  Hohehagen  und  zum  Theil  auch 
vice  versa  einen  gewissermaassen  konstanten  Fehler  hervorgebracht. 
Bei  Dreiecken,  die  bloss  durch  Heliotropenlicht  gebildet  werden,  muss, 
denke  ich.  die  Uebereinstimmung  allemal  besser  sein. 

Auch  der  heutige  Tag  vergeht  ohne  Aussicht  zum  Besserwerden. 
Wahrlich,  das  immer  vereitelte  Höften  auf  günstigeren  Himmel,  der 
Mangel  an  hinreichender  Beschäftigung,  wofür  ich  mich  fast  mit  gar 
keinen  Hülfsmitteln  versehen  hatte,  indem  bei  nur  massiger  Beobach- 
tungsernte diese  sonst  immer  fast  mehr  Stuft',  als  inzwischen  verarbeitet 
werden  konnte,  geliefert  hatte  —  der  grossen,  auch  dem  nichts  weniger 
als  Verwöhnten  doch  auf  die  Länge  sehr  empfindlichen  physischen  Ent- 
behrungen nicht  zu  «iedenken  — ,  haben  mir  die  grössere  Hälfte  meines 


n\hvT>  an  (iaiis-.     l>reiii<n,  1>^-_'I   Oktober  II.  137 

Hieiseins  sehr  peinlich  p-eiiiacht.  Morgfeii  werde  ich  nach  Wernig-erode 
schicken,  um  Transportmittel  für  mich  und  den  Rüstwaofen  herauf- 
kommen zu  lassen,  und  den  2.  Okt.  hoffe  ich  wieder  in  Göttingen  zu 
sein.  Bei  der  Erwartung  der  Ankunft,  des  Königs,  worüber  icli  noch 
nichts  Gewisses  weiss,  wird  an  weiteres  Beobachten  für  dieses  Jahi  wohl 
nicht  weiter  zu  denken  sein. 


No  432.  Olbers  an  Gauss.')  [2.33 

Bremen,  1821  Oktober  11. 

Ganz  kann  ich  mir  denken,  wie  unangenehm  Ihnen  bei  solcher 
Witterung  der  vierwöchentliche  Aufentlialt  auf  dem  unwirthbaren  Brocken 
gewesen  sein  muss.  Eben  das  unaufhörliche  und  doch  fruchtlose  Er- 
warten eines  günstigen  Augenblicks  macht  die  peinliche  Langeweile; 
denn  dadurch  wird  es  unmöglich,  irgend  etwas  Ordentliches  anzufangen. 
Gewiss  waren  die  Tage  und  Zeiten,  wo  Sie  alle  Hoffnung  zu  Winkel- 
messungen mit  völliger  Resignation  aufgeben  mussten,  weniger  un- 
erträglich als  diejenigen,  wo  die  Möglichkeit  einer  temporären  Auf- 
klärung Sie  in  beständiger  Unthätigkeit  erhielt.  Denn  sonst,  wenn  Sie 
gleich  keine  Hülfsmittel  zu  Beschäftigungen  mitgenommen  hatten,  so 
scheinen  mir  diese  IJinen  allenfalls  entbehrlich.  Sie  hatten  doch  sich 
selbst  und  konnten  sich  so  viele  interessante  Fragen  vorlegen  und  be- 
antworten, dass  dadurch  die  Zeit  allenfalls  hinreichend  ausgefüllt  wer- 
den könnte  —  wenn  man  nur  überhaupt  in  einer  solchen  Lage  zu 
irgend  einer  etwas  wichtigen  Arbeit  Lust  und  Muth  behielte. 

An  weiteres  Beobachten  wird  also  dieses  Jahi'  wohl  nicht  mehr  zu 
denken  sein.  Aber  werden  Sie  noch,  wie  Sie  mir  einmal  schrieben,  in 
diesem  Herbst  den  Zenithsektor  von  Schumacher  in  Empfang  nehmen 
und  so  nach  Hamburg  kommen? 

Neugierig  bin  ich  zu  wissen,  wenn  Sie  sich  schon  im  Allgemeinen 
darüber  bestimmt  haben,  welche  Punkte  Sie  zu  den  astronomischen 
Beobb.  wählen  werden?  Ich  denke  doch  wenigstens  3,  an  den  beiden 
Endpunkten  und  einen  ungefähr  in  der  ]\ritte.  Aber  ich  muss  Ihnen 
gestehen,  dass  meine  Wünsche  bei  Ihrer  und  Schumacher's  Grad- 
messung, die  alles  Aehnliche,  was  bisher  geschehen  ist,  übertreffen 
"^^1rd,  noch  w^eiter  gehen.  Bei  allen  bisherigen  genaueren  Gradmessungen 
stimmten  noch  die  geodätischen  Längen  der  einzelnen  Theile  des  ge- 
messenen Bogens  nicht  mit  den  gefundenen  Unterschieden  der  Polhöhen 
nach  den  Gesetzen  einer  regelmässigen  elliptischen  Krümmung  des  Erd- 


1)  Yei-o-l.  liierzn  auch  Brief  No.  295  an  Bessel  im  Briefwechsel  Olbers-Bessel.  Krm. 


138  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1821   Oktober  11. 

meridians  überein;  aber  es  blieb  zweifelhaft  und  unentschieden,  ob  die 
gefundene  Anomalie,  da  man  die  geodätischen  Längen  verhältnissmässig 
als  ganz  genau  annehmen  kann,  1 1  Fehlern  der  astronomischen  Beobb. 
oder  2)  einer  wirklich  unregelmässigen  Krümmung  des  Erdmeridians 
oder  3)  einer  Ablenkung  des  Loths  durch  Lokal- Anziehung  zuzuschreiben 
sei.  Da  bei  Ihren  Beobb.  unter  Anwendung  mehrerer  Sterne  und 
mehrerer  ganz  verschiedener  sehr  vollkommener  Messinstrumente  1  ganz 
wegfällt,  und  man  annehmen  kann,  dass  für  jeden  Beobachtungsort  der 
Abstand  des  scheinbaren  Zeniths  vom  Pol  aufs  Genaueste  bestimmt  sein 
Avird,  so  bleiben  nur  2  und  3  übrig.  Ich  sehe  nicht,  wie  man  unter 
diesen  beiden  Fragen  entscheiden  kann,  wenn  man  nicht  bei  jeder  Grad- 
messung wenigstens  6  Punkte  astronomisch  bestimmt,  die  paarweise 
nahe  bei  einander  liegen.  AVenn  man  eine  viertel  oder  halbe  Meile  von 
einem  Orte,  an  dem  das  Loth  durch  lokale  Anziehung  [lerturbirt  sein 
kann,  nord-  oder  südwärts  wieder  die  Polhöhe  nimmt,  so  wird  hier  die 
Ablenkung  des  Loths  entweder  ganz  verschwinden  oder  in  entgegen- 
gesetzter Richtung  stattfinden,  da  die  störende  Masse  immer  nur  auf 
kleine  Distanzen  wirksam  sein  wird.  Mich  wundert  deswegen,  dass  die 
Engländer  bei  der  sonderbaren  Anomalie  ihrer  Gradmessung  nicht 
wenigstens  eine  oder  zwei  englische  Meilen  nord-  oder  südwärts  von 
Arburyhill  eine  neue  Bestimmung  der  Polhöhe  vornehmen,  um  diese 
Zweifel  endlich  aufzuklären.  Das  lauge  Stillschweigen  über  die  eigent- 
liche Polhöhe  von  Dünkirchen  und  über  den  Erfolg  der  Verbindung 
der  englischen  und  französischen  Gradmessung  lässt  vermuthen.  dass 
sich  dabei  noch  ganz  paradoxe  Umstände  gefunden  haben,  und  dies 
wird  um  so  mehr  bestätigt,  da  man  nun  vernimmt,  dass  sich  die 
Kapitains  Colby  und  Kater  wieder  mit  Abago  vergesellschaftet  haben, 
um  von  Neuem  Dünkirchen  mit  den  Punkten  der  englischen  Küste  in 
Verbindung  zu  bringen. 

Ich  sehe  ganz  wohl  die  grossen  Schwierigkeiten  ein,  die  es  haben 
muss,  die  ohnehin  schon  so  lästigen  und  weitläufigen  Arbeiten  einer 
Gradmessuug  auf  diese  Art  fast  zu  verdoppeln.  Aber  vielleicht  ii-re 
ich  mich  in  Ansehung  der  Nothwendigkeit  dieses  Mittels,  und  vielleicht 
haben  Sie  schon  ein  anderes  Verfahren  ausgedacht,  jene  Fragen  zu 
lösen,  ohne  die  Arbeit  so  sehr  zu  vervielfältigen.  Sollten  aber  auch 
die  obigen  Ideen  richtig  sein,  so  würde  sich  doch  wohl  der  Zweck  er- 
reichen lassen,  wenn  Sie  nur  3  Punkte,  etwa  Göttingen,  das  südliche 
oder  nördliche  Meridianzeichen  von  Göttingen  und  einen  Punkt  nicht 
weit  nord-  oder  südwärts  von  Lauenburg  astronomisch  bestimmten,  da 
Schumacueb's  Beob.  in  Lauenburg  selbst  schon  die  Kontrolle  dieser 
Bestimmung  abgäbe,  und  dann  hätte  Schumacher  nur  noch  eine  zweite 
Polhöhe   in   der   Nähe   von   Skagen  zu  beobachten,  insofern  nicht  au 


OUkts  an  Gauss.     Hrenu'ii,  IS'il  Oktober  11.  ]39 

sich  schon  Skajren  von  alh'in  Verdacht  einer  pertnibirenden  Lokal-An- 
ziehung frei  ist  (Lanenbur«?  halte  ich  [für]  sehr  verdächticr).  So  würden 
doch  an  3  Orten.  Skagen,  Lauenburg  und  Göttingen  das  Dasein  und 
die  etwaige  Grösse  der  Ablenkung  des  Loths  sich  ausmitteln  lassen. 

Wenn  wirklich,  wie  die  englischen  Beobb.  zu  Arburyhill  und 
die  französischen  zu  Evreux  und  Montjoui  vermuthen  lassen,  durch 
Lokal-Anziehungen  Abweichungen  des  Loths  von  3"  bis  4"  nach  Süden 
oder  Norden  stattfinden,  so  sind  diese  auch  ebenso  gut  nach  Osten 
und  Westen  möglich.  Dadurch  würden  dann  alle  Zeitbestimmungen 
und  alle  aus  astronomischen  Beobb.  und  Feuersignalen  hergeleiteten 
geographischen  Längenbestimmungen  etwas  zweifelhaft  und  könnten 
im  Bogen  um  8"  x  sec  Polhöhe  fehlerhaft  werden.  Hierauf  möchte 
doch  auch,  wenn  geodätisch  und  astronomisch  bestimmte  Längen-Unter- 
schiede nicht  übereinstimmen  wollen,  einige  Rücksicht  zu  nehmen  sein. 

Ich  freue  mich,  dass  der  brave  Beandes  aus  Breslau,  mit  dem  ich 
hier  einige  Abende  angenehm  verplaudert  habe,  Sie,  seinem  ^\'unsche 
zufolge,  in  Göttingen  wird  getroffen  haben.  Prof.  Dibksen  aus  Berlin 
habe  ich  nur  auf  einen  Augenblick  gesehen.  Er  ist  ein  ganz  anderer 
Mann  geworden,  als  wie  er  zu  Ihnen  nach  Göttingen  ging. 

Der  Kanonikus  Starke  hat  mir  eine  Zeichnung  der  Sonnenscheibe 
mit  ihren  Flecken  vom  24.  Juni  1819  um  1''  Mittags  und  vom 
2tj.  Juni  um  V'' IS""  Morgens  geschickt,  nach  der  er  wirklich  am  letzten 
Tage  den  Kometen  vor  der  Sonne  gesehen  haben  w'ill.  Leider  kann 
man  diesem  kindisch  eitlen,  unzuverlässigen  Menschen  gar  nicht  trauen, 
von  dem  man  schon  so  viele  Beweise  hat,  dass  er  manche  vorgeblichen 
Beobb.  entweder  gar  nicht  gemacht  oder  doch  willkürlich  verändert  hat. 

Die  Ankunft  des  Königs  in  Göttingen  wird  sich  nun,  da  er  auf 
verändertem  Wege  nach  Hannover  gekommen  ist,  wohl  um  mehrere 
Tage  verspäten.  Die  Misshelligkeit  zwischen  dem  Kurfürsten  von 
Hessen  und  dem  Herzog  von  Cambridge,  über  den  alten  Landgrafen, 
Schwiegervater  des  letzteren  entstanden,  soll  der  Grund  sein,  warum  der 
König  die  hessischen  Länder  nicht  hat  berühren  wollen.  Neugierig  bin 
ich  nun  auf  das  Benehmen  des  Kurfürsten,  w^enn  der  König  doch  nach 
Göttingen  geht.  Schicklich  kann  er  es  doch  wohl  nicht  unterlassen, 
Sr  Maj.  dort  aufzuwarten  und  nach  Cassel  einzuladen. 

Wenn  der  König  irgend  Sinn  für  so  etwas  hat,  so  möchte  ich 
wünschen,  Sie  könnten  ihm  beim  Besuche  des  Observatoriums,  von 
heiterem  Wetter  begünstigt,  die  Wirkung  Ihres  Heliotrops  zeigen  und 
den  Nutzen,  den  dies  herrliche  Instrument  auf  so  mannigfaltige  Art  in 
Kriegs-  und  Friedenszeiten  gewäkren  kann,  erklären. 

Wie  wird  es  mit  Schumacher's  Zeitschrift?  Er  versprach  sie 
schon  im  Sept.;  ich  höre  aber  nichts  davon.    Ich  bitte  recht  sehr,  lieber 


140  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1821  November  25. 

Gauss,  wenn  Sie  etwas  davon  wissen,  theilen  Sie  es  mir  mit  ein  paar 
Worten  mit. 

Sucht  Haeding  schon  mit  den  grossen  lichtstarken  Teleskopen 
nach  dem  ENCKE'schen  Kometen?  Auch  am  3.  Okt.  war  bei  dem  heiter- 
sten Wetter  an  der  Stelle,  wo  er  stehen  musste,  mit  meinem  Dollond 
nichts  zu  sehen.  Erst  am  16.  Jan.  1822  wird  er  die  Helligkeit  haben, 
die  der  Komet  von  1815  am  25.  Aug.  hatte,  wie  Sie  diesen  zuletzt  mit 
dem  lOfüssigen  Hersc/iel  sahen,  wenn  beide  Kometen  das  Sonnenlicht 
gleich  stark  zurückwerfen. 


No.  438.  Olbers  an  Gauss.  [2S4 

Bremen,  1821  November  25. 

Ich  kann  eine  mir  vorkommende  Gelegenheit  nach  Göttingen  nicht 
unbenutzt  lassen,  um  Ihnen  wieder  ein  Lebenszeichen  von  mir  zu 
geben.  Ich  hoffe,  Sie  haben  sich  nun  von  den  Beschwerden  Ihres  müh- 
samen Messungs-Geschäfts  erholt  und  die  Unruhen  des  kurzen  könig- 
lichen Besuchs  überstanden,  und  so  darf  ich  es  wohl  wagen,  Sie  um 
Ihren  Rath  und  Ihre  Belehrung  bei  einer  kleinen  Untersuchung  zu 
bitten,  der  ich  in  diesen  Tagen  mehrere  Stunden  gewidmet  habe.  Be- 
kanntlich hatten  Prevost  und  Heeschel  aus  den  ihnen  bekannten 
eigenen  Bewegungen  der  Fixsterne  ungefähr  die  Richtung  zu  be- 
stimmen gesucht,  in  welcher  sich  unsere  Sonne  bewegt,  und  ein  ziem- 
lich übereinstimmendes  Resultat  bloss  aus  allgemeinen  geometrischen 
Betrachtungen  gefunden.  Wurm,  Burckhardt  und  Biot  fanden  indess,  wie 
sie  die  Analyse  auf  diese  Frage  anwandten,  die  HERSCHEL'sche  Angabe 
keineswegs  bestätigt.  Durch  Bessel  sind  uns  die  eigenen  Bewegungen 
der  Fixsterne  viel  genauer  bekannt  geworden;  allein  auch  er  glaubt 
aus  den  eigenen  Bewegungen  von  71  Sternen,  die  über  22"  in  45  Jahren 
betragen,  schliessen  zu  müssen,  dass  sich  noch  nichts  über  die  Ricli- 
tung  der  eigenen  Bewegung  unserer  Sonne  daraus  schliessen  lasse 
(Fund.  Astron.  Sect  XII).  Wie  ich  diese  71  Sterne  und  noch  G  andere, 
also  77  Sterne,  deren  eigene  Bewegung  am  grössten  und  also  am  zu- 
verlässigsten bekannt  ist,  näher  untersuchte,  so  war  doch  in  den  Be- 
wegungen nach  der  JR  wenigstens  eine  Beziehung  auf  gewisse  Punkte 
unverkennbar.     Es  waren  nämlich  von  diesen  77  Sternen 

im  1.  Quadr.  20,  davon  gehen  12  vorwäi-ts  und  8  rückwärts 

2.  „       16,'        „  „         1  ..           „   15 

3.  „      21,        „  „         4         „  ..    1  ( 

4.  „      20,        „  „15         „  ,.     5           „ 


Olbers  an  (.auss.     Bremen,   1821   Nnvember  2').  1^| 

?]s  hat  also  docli  wohl  keinen  Zweifel,  dass  sich  unsere  Sonne 
ungefähr  gep:eu  270"  des  Aequatois  bewegt.  Es  kam  nun  darauf 
an,  dies  näher  zu  bestinnnen.  A\enn  man  die  yli  des  Punkts,  gegen 
den  sich  unsere  Sonne  bewegt,  =  A,  die  hrkl.  desselben  =  D  und 
dann  cotang  Dcos  ,-1  =  P  und  rotang  D^\\\A  =  Q  setzt,  so  erhält  man 
für  jeden  Stern  leicht  eine  (-üeichung  von  der  Form 

aP-{-hQ  —  c  =  e. 

Hier  sind  (/,  h,  c  bekannte  Grössen;  e  aber  hängt  xow  der  eigeu- 
thiimlichen  Bewegung  des  Sterns  ab.  Wäre  der  Stern  selbst  unbe- 
weglicli  und  seine  beobachtete  Bewegung  bloss  scheinbar  durch  die 
Fortriickung  unseres  Sonnensystems  hervorgebracht,  so  würde  freilich 
£  =  0  sein,  und  man  könnte  aus  zwei  Sternen  P  und  Q  bestimmen. 
So  oder  auf  eine  ähnliche  Art  ist  man  bisher  verfahren;  man  hat  P 
und  Q  aus  2  oder  höchstens  aus  dem  Mittel  von  ein  paar  Sternen  be- 
stimmt und  dann  freilich  gefunden,  dass  andere  Sterne  nicht  mit  diesen 
Werthen  von  P  und  Q  stimmen  wollten.  Es  kann  schlechterdings  nicht 
erlaubt  sein,  £  =  0  zu  setzen.  Aber  da  e  innerhalb  gewisser  Grenzen 
alle  möglichen  positiven  und  negativen  Werthe,  so  viel  wir  bisher  wissen, 
mit  gleicher  Wahrscheinlichkeit  haben  kann,  so  wird  die  Summe  aller  e 
bei  einer  grossen  Anzahl  von  Sternen  nahe  =  0  oder  doch  sehr  klein 
sein.  Ich  habe  also  für  alle  77  Sterne  die  Koefficienten  a,  h  und  c 
der  Gleichung  aP-^hQ  —  c  =  £  berechnet.  Nun  scheint  es  mir,  und 
darüber  möchte  ich  gern  Ihre  Belehrung  haben,  dass  man  hier  nicht 
die  ]\rethode  der  kleinsten  Quadrate  anwenden  müsse,  um  P  und  Q  zu 
bestimmen.  Denn  nicht  die  Summe  aller  Quadrate  von  e  soll  ein  Mi- 
nimum werden,  sondern  die  Summe  der  e  selbst  nach  ihren  algebrai- 
schen Zeichen  genommen  =  0.  Gebraucht  man  die  Methode  der 
kleinsten  Quadrate  nicht,  so  wird  sich  das  Willkürliche,  was  dann  in 
der  Bestimmung  von  P  und  Q  bleibt,  dadurch  heben,  dass  man  die  77 
Gleichungen  in  zwei  Gruppen  theilt,  wovon  die  eine  alle  die  enthält, 
bei  denen  c  positiv,  die  andere  alle  die,  bei  denen  c  negativ  ist.  So 
erhält  man  zwei  Gleichungen,  in  denen  2'c  sehr  gross  ist,  und  da  der 
positive  oder  negative  Werth  von  e  von  dem  von  c  ganz  unabhängig 
ist,  so  wird  doch  ^£  für  jede  Gruppe  sehr  klein  sein.  —  Sagen  Sie 
mir  doch  mit  ein  paar  Worten,  lieber  Gauss,  ob  ich  hier  auf  dem 
rechten  Wege  bin. 

Ich  habe  von  Rümker  zwei  Briefe,  wahrscheinlich  beide  aus  Rio 
[de]  Janeiro  erhalten  (nur  bei  einem  war  der  Ort,  bei  keinem  das 
Datum  bezeichnet)  voll  merkwürdiger  Beobb.  W^o  und  wie  ich  diese  dem 
wesentlichen  Inhalt  nach  bekannt  machen  werde,  weiss  ich  noch  nicht. 

Oltmanns   hat   aus   den   MtJFFLiNG'schen   Dreiecken   die   Längen- 


142  Gauss  an  Olbers.     Altonä,  1821  December  5. 

Unterschiede  der  Punkte  vom  Seeberg  berechnet,  die  Zach  und  >eine 
Gehülfen  durch  Pulver-Signale  bestimmt  haben  und  unter  Voraussetzung 
der  Abplattung  =  ^|(,  folgende  bedeutenden  Unterschiede  gefunden: 

/^  A  Signale  Mcfflisg'j 

Inselsberg     .    .    .        15'43",60  15'20'U7       +  23",43         15'43",54 

Struth 25  22,05  25  16,95        +    5,10  25  22.04 

Boineburg     ...        43  10,38  43     1,65        +    8,73  43  10,15 

Hercules  b.  Cassel    1"20'   8",17       1°18'    49",5       +78,67        10  20'   7".37 

Wenn  gleich  ein  bedeutender  Theil  dieser  Unterschiede  in  mangel- 
hafter Zeitberichtigung  der  Beobachter  liegen  mag,  so  ist  doch  aus  den 
allgemein  positiven  Unterschieden  klar,  dass  die  Abplattung  in  der 
Gegend  um  Seeberg  weit  grösser  als  3-1^"  angenommen  werden  muss. 

Bei  der  neuen  Verbindung  der  englischen  und  französischen  Küste 
bedient  man  sich  wieder  der  Eeverberes,  von  denen  man  rühmt,  dass 
sie  noch  auf  90  englische  Meilen  gut  gesehen  werden  können.  —  Merk- 
würdig war  es  mir,  dass  Xicollet  in  der  ausführliclien  Ankündigung 
dieses  Unternehmens  mit  keiner  Silbe  erwähnt,  dass  diese  Verbindung 
beider  Küsten  schon  früher  von  Rot,  Cassini  u.  s.  w..  damals  doch  als 
so  genau  und  zuverlässig  gerühmt,  ausgeführt  sei. 

Der  Staatsrath  Langsdoef  hat  sich  von  hier  nach  Brasilien  ein- 
geschifft. Zu  einer  künftigen,  auf  Kosten  des  Kaisers  von  Russland 
durch  ganz  Südamerika  ad  modum  des  Hrn.  v.  Humboldt  zu  unter- 
nehmenden Reise  hat  er  unter  anderen  den  durch  seine  Draisine  be- 
kannten Baron  v.  Drais  gewählt,  um  ihn  als  Astronom  und  Mathema- 
tiker zu  begleiten.  Der  windige,  eitle  junge  Mann  versteht  noch  nichts 
von  Astronomie;  er  hat  sich  bei  mir  eücas  mit  den  Sextanten  geübt, 
und  ich  habe  ihn  mit  den  nöthigsten  Büchern  versehen,  fürchte  aber 
doch,  dass  er  das  Erforderliche  nur  sehr  unvollkommen  leisten  wird. 

Doch  ich  ermüde  Sie  mit  meinem  Geschwätz I  Leben  Sie  wohl, 
mein  theuerster  Freund! 


No.  434.  Gauss  an  Olbers.  [2ou 

Altona,  1821  December  5. 

Seit  einigen  Tagen  befinde  ich  mich  hier,  um  den  EAMSDON'schen 
Zenith-Sektor  zu  übernehmen.  Zuerst  die  immer  prorogirte  Ankunft 
des  Königs  in  Göttingen,  dann  mehrere  andere  Hindernisse  machten  es 


*)  Diese  in  kleineren  Ziffern  gegebenen  Werthe  hat  Gauss  daneben  geschrieben, 
ebenso  tiuden  sich  auf  dem  unteren  Bande  des  Briefes  Angaben  von  Gavss'  Hand 
über  grössere  Differenzen  MüFFLTNo'scber  Beobb.  in  Thüringen,  die  er  nachher  im 
Brief  No.  436  Olbers  mitgetheilt  hat.     Krm. 


Gauss  an  OUilms.     Altuiia,   \i<ll   I>.c.inbiT  ö.  143 

uninö^lich,  die  Reise  früher  zu  unternehmen,  und  ])is  zum  nächsten 
Frühjahr  wollte-  ich  sie  auch  nicht  gern  aufschieben.  Auch  jetzt  bin 
ich  insofern  noch  zu  früh  gekommen,  als  die  Prüfung  der  Theilung  mit 
einem  von  Kepsold  unlängst  verfertigten  Apparat  noch  nicht  ganz 
vollendet  ist,  doch  wird  dies  wohl  morgen  oder  übermorgen  der  Fall 
sein,  Inspektor  Ru-mpf  wird  dann,  indem  ich  nach  Göttingen  zurückeile, 
Einpacken  und  Transport  besorgen.  Das  Reisen  in  der  rauhen  Jahres- 
zeit und  dann  die  hiesige  materielle  Lebensweise  bekommen  mir  nicht 
gut,  und  ich  befinde  mich  dabei  übler  als  auf  den  meisten  meiner 
Stationen  im  vorigen  Sommer.  —  Ich  glaube,  mein  letzter  Brief  an  Sie, 
theuerster  Freund,  war  vom  Brocken.  Ich  hatte,  als  ich  ihn  verliess, 
die  grosse  Kränkung,  dass,  obgleich  beim  Herunterreiten  das  Wetter 
ebenso  sclilecht  war  wie  an  den  vorhergehenden  Tagen,  es  sich  nach 
und  nach  aufheiterte  und  zuletzt,  wie  ich  mich  Wernigerode  näherte, 
der  schönste  Himmel  wurde.  Kapt.  Müllek  hatte  wirklich  an  diesem 
Tage  Heliotroplicht  dahin  gesandt,  welches  sich  hätte  benutzen  lassen, 
wenn  ich  2  Stunden  länger  verweilt  hätte.  Die  wenigen  zum  Insels- 
berg  früher  erhaltenen  Winkel  (wie  ich  Ihnen  damals  gemeldet  zu 
haben  glaube)  harmoniren  schlecht,  und  das  ganze  Dreieck  wird  noth- 
wendig  noch  einmal  vorgenommen  werden  müssen.  Mein  Hohehagen- 
Signal  ist  inzwischen  im  Okt.,  wie  es  scheint  aus  Muthwillen,  in  Brand 
gesteckt  und  grossentheils  zerstört.  Inzwischen  ist  nun  der  erste 
Heliotrop  nach  der  neuen  Einrichtung  fertig  geworden  und  der  andere 
schon  weit  vorgerückt.  Jener  thut  recht  schöne  ^^'irkung,  und  die 
Direktion  ist  für  jemand,  der  etw^as  anstellig  ist,  eher  noch  leichter  als 
bei  dem  ersten.    Schumachee  hat  beim  Aligniren  seiner  Basis  eine  ganz 


I 


Fio-.  6. 

rohe  Art  von  Heliotrop  angewandt.  Auf  einem  etwa  2i-  Fuss  langen 
Brett  steht  ein  Spiegelgestell,  welches  den  Spiegel  in  jede  Lage  zu 
bringen  erlaubt.  Das  Bild  des  Spiegels  wird  auf  einem  zweiten  senk- 
rechten kleinen  Brett  aufgefangen,  so  dass  das  Centrum  von  jenem  mit 
dem  Centrum  eines  Loches  zusammenfällt,  welches  mit  dem  (ruhenden) 
Centrum  des  Spiegels  zuvor  in  die  Richtung  gebracht  ist,  w^ohin  man 
das  Licht  zu  reflektiren  wünscht.  Eine  sichere  und  ununterbrochene 
Lichtlenkung  ist  zwar  auf  diese  Art  nicht  wohl  zu  erhalten,  doch 
zeigt  Schtjmacher's  Erfahrung,    dass   sie  doch  nicht  unbrauchbar   ist. 


144  Gauss  au  r)ll)eis.     Altona.  1821  L»ecember  5. 

und  ich  werde  daher  eine  ähnliche,  etwas  abgeänderte  Einrichtung  lilr 
einen  grossen  Spiegel  von  wenigstens  1  oder  2  Quadratfuss  Fläche 
machen  lassen,  welcher  für  das  Rekognosciren  oder  für  das  erste  täfr- 
liche  Einstellen  von  vielem  Nutzen  sein  wird. 

Seine  Majestät  der  Kijnig  hat,  wie  Sie  aus  öffentlichen  Nachrichten 
wissen,  ausser  der  Reitbahn  kein  Institut  in  Göttingen  besehen,  auch 
liat  nur  eine  sehr  kurze  Präsentation  stattgefunden. 

Die  Angelegenheit  mit  der  hiesigen  Sternwarte,  von  der  ich  Ihnen 
im  vorigen  Sommer  schrieb,  ist,  wie  ich  jetzt  finde,  noch  sehr  weit  von 
der  Reife  entfernt,  die  ich  nach  den  damaligen  Nachrichten  voraus- 
setzte. Ausser  dem  Aussuchen  eines  (nicht  Aveniger  als  zweck- 
mässigen) Platzes  ist  noch  gar  nichts  geschehen.  Man  scheint  selbst 
noch  nicht  recht  zu  wissen,  was  man  will.  Dagegen  aber  habe  ich 
hierher  einen  Brief  von  Lindenau  nachgeschickt  erhalten,  der  unter 
anderem  wörtlich  folgendes  enthält.  G[eneral]  v.  Müffling  schreibt  an 
letzteren:^) 

„Der  Minister  von  Altenstein  hat  mich  benachrichtigt,  die  An- 

„gelegenheit  wegen  Hofrath  G[aijss]  sei  so  weit  gediehen,  dass  er  zu 

„wissen  bedürfe,  welclie  P'orderungen  letzterer  mache,  um  dem  König 

„Vortrag   darüber   machen   zu   können.      G[ai:ss]  wünscht    nicht    als 

„ordentlicher   Lehrer   bei   der   Universität    angestellt    zu    sein,    und 

„Altenstein  ist  damit  einverstanden,  dass  er  nicht  mit  dem  Alltäg- 

„ liehen   geplagt  werde,   dass   er  sich  jedoch  nicht  entzöge,  vielver- 

„sprechenden  jungen  Männern  die   letzte   Feile  und  Büttel  zur  Aus- 

„bildung  zu  geben.  Alt[enstein]  bezweckt  hauptsächlich,  dass  G[aüss] 

„dahin  wirke,    den  erlöschenden   Ruhm  einer  sonst  berühmten  Aka- 

„demie  wieder  aufzufrischen, , . .    A[ltenstein]  wünscht  dem  König 

„spätestens  gegen  Neujahr  Vortrag  darüber  zu  machen,  und  die  Sache 

„wird  keine  Schwierigkeit  finden,  wenn  G[auss]  nicht  über  2000  Thlr. 

„verlangt." 

Die  Art,   wie  der  letzte  Satz  annoncirt  ist,   lässt  erwarten,  dass 

man  sich   auch  zu  einem  bedeutenden   Mehr  verstehen  würde.     In   der 

That  würde  ich,  insofern  hierbei  von  keiner  Officialwohnung  Erwähnung 

geschieht,  da  man  unter  500  M.  mit  einer  10  [Köpfe]  starken  Familie  wie 

die   meinige    in  Berlin  nicht  wohl   wohnen   kann,  bei  jener  Zahl  mich 

noch  verschlechtern,  auch  abgesehen  davon,  dass  es  übrigens  in  Berlin 

theurer  sein   mag  als  in  Göttingen.     Alle  übrigen  Bedingungen  jenes 

Anerbietens    würden    hingegen    mir    vollkommen    konveniren    und    die 

drückenden  Missverhältnisse  in  G[öttingen]  heben. 


^)  Auch  abgedruckt  unter  No.  9  im  Briefwechsel  Hcmboldt-Gacss.    Vero-l.  auch 
Gauss'  Brief  v.  8.  Juli  1821  au  Olbers.     Kriu. 


Olbi'i.-   „,,   <.,,„--.      1.1.  IM. 11.    i-Jl    l»i(ciiiiM-r   II.  145 

Auch  bei  dieser  Gele£renheiT  wird  es  mir  überaus  viel  werth  sein, 
Ihren  freundschaftlichen  Kath  und  Ansicht  zu  erfaliren.  Vor  meiner 
Zurückkunft  nach  Göttinnen  werde  ich  jenen  Brief  aus  vielen  Gründen 
nicht  beantworten  können.  Meine  Abreise  von  hier  hängt  von  der  An- 
kunft des  Hrn.  Rumpf  ab,  doch  wird  jene  bis  zum  Sonnabend  inkl.  noch 
nicht  Statt  haben  können. 


N(..  435.  Olbers  an  Gauss. 


[285 


Bremen,  1821  December  11. 

Ich  danke  Ihnen  recht  sehr,  dass  Sie  auch  in  Altena  an  mich  ge- 
dacht und  mir  die  so  wichtigen  Anträge  von  Berlin  vertraulich  mit- 
getheilt  haben.  Sie  verlangen  dai'über  meinen  Rath  und  meine  An- 
sicht dieser  Angelegenheit.  Ersteren  zu  ertheilen  finde  icli  mich  durch- 
aus unfähig,  aber  letztere  will  ich  ihnen  gern  vorlegen. 

Die  Verhältnisse  in  Göttingen,  wie  sie  jetzt  sind,  sind  Ihnen  sehr 
unangenehm,  und  Sie  werden  zugleich  dadurch  gehindert,  für  die  Wissen- 
schaften alles  das  zu  leisten,  was  )mr  Sie  dafür  thun  und  leisten 
können.  Hingegen  in  Berlin  werden  Sie  von  allen  Ilires  Geistes  un- 
würdigen Geschäften  befi-eit  ganz  Ihren  tiefsinnigen  Spekulationen 
folgen  können.  Mich  dünkt  also,  Berlin  müsste  auch  dann  den  Vorzug 
behalten,  wenn  auch  die  Geldeinnahme  nicht  sonderlich  grösser  wäre. 
Aber  so  gross  muss  sie  doch  sein,  dass  Sie  sorgenfrei  leben  können. 

Manche  nun  einmal  zum  Leben  gehörige  Bedürfnisse,  z.  B.  "Wein, 
Kaffee,  Zucker  u.  s.  w.  sind  gewiss  in  Berlin  viel  theurer  als  in  Göttingen. 
Aber  ich  glaube  doch  nicht,  dass  es  im  Ganzen  in  Berlin  theurer  zu 
leben  sei  als  in  Göttingen.  An  einem  Orte,  wo  so  viele  Familien 
von  einem  beschränkten  Einkommen  (die  preussischen  Besoldungen  sind 
in  der  Kegel  sehr  massig)  anständig  leben  müssen,  pflegt  die  ganze 
Lebensart  auch  so  eingerichtet  zu  sein,  dass  dies  möglich  wii'd. 

Allein  doch  sind,  so  viel  ich  beurtheilen  kann,  2000  Thlr.  preussisch 
zu  wenig,  und  ich  zweifle  keineswegs,  dass  man  sich  gern  zu  einer  be- 
deutenden Vermehrung  verstehen  wird,  um  Sie  zu  besitzen.  Ich  dächte, 
2500  Thlr.  mit  freier  Wohnung  oder  statt  deren  ein  hinreichendes 
Aequivalent  möchte  eine  sehr  billige  Forderung  sein. 

Für  mich  selbst  wird  es  freilich  nicht  angenehm  sein,  Sie  20  Meilen 
weiter  von  mir  entfernt  zu  weissen.  Ich  glaube  aber  nicht,  dass  Sie  wirk- 
lich so  leicJit  von  Göttingen  ivegkommen  werden.  ^Man  wird  gewiss  alles 
aufbieten,  Sie  der  Universität  zu  erhalten.  Ob  nun  Hannover  Ihnen 
solche  Bedingungen  anbieten  kann,  die  das  Unangenehme,  was  bisher 
in  Ihren  Göttingenschen  Verhältnissen  war,  gründlich  heben,  und  ob  Sie 

Olbers.     II,  2.  10 


146  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1821  Deceuiber  11. 

dann  geneigt  sein  werden,  in  Göttingen  zu  bleiben  —  das  weiss  ich 
•freilich  nicht  und  muss  es  ganz  Ihrem  Ermessen  überlassen. 

Sie  werden  einen  Brief  von  mir  vorgefunden  haben,  worin  ich  von 
einigen  Untersuchungen  sprach,  die  ich  über  die  Richtung  der  eigenen 
Bewegung  unserer  Sonne  angestellt  habe.  ^)  Sehr  bald  darauf  sah  ich 
aus  den  O.  G.  A}),  dass  die  Societät  eine  Preisfrage  über  diese  Richtung 
aufgestellt  hat.  Damit  werden  denn  meine  Rechnungen  ganz  unnütz; 
denn  Sie  können  leicht  denken,  dass  ich  mich  nicht  um  einen  solchen 
Preis  bewerben  werde,  und  dass  ich  weder  Lust  noch  Geschick  habe, 
die  feinen  Untersuchungen  anzustellen,  die  wir  hoffentlich  dieser  Preis- 
frage zu  verdanken  haben  werden.  —  Aber  doch  möchte  ich  die  Bitte 
wiederholen,  ob  Sie  nicht  die  Güte  haben  wollen,  mich  mit  ein  paar 
AVorten  zu  belehren,  wie  man  hier  die  Wahrschemlichkeitsrechnung  am 
besten  anwendet,  um  so  mehr,  da  die  Methode  der  kleinsten  Quadrate 
mir  ein  ziemlich  abweichendes  Resultat  von  der  anderen,  die  ich  vor- 
zuziehen geneigt  wäre,  giebt. 

Am  Himmel  giebt  es  nichts  Neues,  so  viel  ich  weiss.  Auch  am 
Ende  Nov.  war  von  dem  ExcKE'schen  Kometen  in  meinem  Dollond 
keine  Spur  zu  erkennen.  Aber  nun  im  Dec.  und  im  Jan.  wäre  es  doch 
wohl  der  Mühe  werth,  die  Stelle,  wo  der  Komet  stehen  muss,  mit  dem 
grossen  Spiegelteleskop  zu  betrachten,  das  Ihnen  den  Kometen  von 
1815  noch  am  25.  Aug.  zeigte.  Am  15.  Jan.  1822  ist  Encke's  Komet 
etwa  ebenso  weit  von  der  Sonne  entfernt,  wie  es  der  Komet  von 
1815  den  25.  Aug.  war,  und  müsste  also  sichtbar  sein,  wenn  er  das 
Licht  ebenso  gut  zurückwii'ft.  —  Auf  den  grösseren  Abstand  von  der 
Erde  kommt  es  wohl  wenig  an;  gross  genug  bleibt  der  Komet  leicht, 
wenn  er  nur  so  hell  ist,  dass  man  ihn  auf  dem  Himmelsgrunde  unter- 
scheiden kann. 

Ich  habe  Ursache  zu  glauben,  dass  die  FEAUNHOFER'schen  Objektive 
sich  leicht  inwendig  mit  einer  Art  von  Haut  überziehen,  die  sich  in- 
dessen wieder  wegschaffen  lässt.  Spüren  Sie  auch  etwas  dergleichen 
bei  Ihrem  grossen  Mittagsfernrohr?  —  Einer  solchen  noch  sehr  durch- 
sichtigen Haut  möchte  ich  es  zuschreiben,  dass  einige  Liebhaber  der 
Sternkunde  nach  Bode's  Jahrbuche  eben  mit  FRAUNHOFEß'schen  Fern- 
rohren grosse  Photosphären  von  40'  Durchmesser  um  den  Jupiter  und 
die  Venus  gesehen  haben  wollen. 


^)   Brief  No.  433,  welcher  Gauss  in  Güttiugen  nicht  mehr  erreicht  hat.    Krni. 
2)  Gott.  Gel.  Anz.  194.  Stück.  IS  19  Dec.  4.     Krni. 


Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1821  December  18.  147 


No.  436.  Gauss  an  Olbers.')  [201 

Göttingen,  1821  December  18. 

Mit  grosser  Freude  habe  ich  hier  am  14.  bei  meiner  Zurückkunft 
Ihre  beiden'')  gut  igen  Briefe  vorgefunden.  Vor  allem  meinen  herzlichen 
J  >ank  für  Ihren  freundschaftlichen  Rath  in  der  bewussten  Angelegen- 
heit, denn  als  solchen  habe  ich  Ihre  Ansicht  aufgenommen,  wenigstens 
in  Beziehung  auf  das,  was  für  den  Augenblick  zu  thun  war;  ich  habe 
ihn  bei  meiner  Antwort  als  Richtschnur  befolgt.  In  eigenen  Angelegen- 
lieiten,  wo  so  viel  auf  dem  Spiele  steht,  ist  das  eigene  Urtheil  immer 
furchtsamer  und  befangener  als  das  eines  so  hellsehenden  Freundes. 
Nochmals  meinen  herzlichsten  Dank. 

Der  Zenithsektor  ist  heute  Mittag  hier  angekommen,  ohne  unter- 
wegs einen  Unfall  erfahren  zu  haben.  Ich  habe  zugleich  einen  Chrono- 
meter von  Pennington  mit  übernommen  und  die  Zeit  mit  hierher 
gebracht.  Er  hat  aber  seinen  Gang  merklich  geändert  und  ändert  ihn 
noch.  Schumacher  gab  mir  den  Stand  auf  Michaelis^)  in  Hamburg 
reducirt  und  den  Gang  so  mit:  täglicher  Gang  retardireiid  2^,4 
Dec.  9.     13"^  Sternzeit,  zurück  4°»  2P,0  gegen  Mich.  St.  Zt. 

Hierbei   bin   ich   noch   ungewiss,   ob   das  Datum   bürgerlich   oder 
astronomisch*)  zu  verstehen,  ich  reiste  am  10.  Nachmittags  ab.  —  Ich 
1    fand  hier  aus  Aldeharan 

Dec.  14.      4'»26'^  St.  Z.     zurück  4«"  28^8  Tägl.  Gang 

16.  4    30,5        —  0^85 

17.  4    29,8        +0,70 

Sehr  interessant  sind  mir  Ihre  Rechnungen  über  die  eigene  Be- 
ll wegung  der  Sonne.  Die  Aufgabe  ist  übrigens  auf  meine  Veranlassung 
'-  schon  vor  2  Jahren  aufgegeben,^)  und  das  Wenige,  was  ich  damals  selbst 
erst  in  Beziehung  auf  dieselbe  gearbeitet  hatte,  ist  nicht  aufbewahrt 
und  mir  aus  dem  Gedächtniss  gekommen.  Es  wird  nicht  ganz  leicht 
sein,  die  ächte  Auflösung  bloss  aus  den  Principien  der  Wahrscheinlich- 
keitsrechnung abzuleiten,  und  ich  bin  in  diesen  Tagen  viel  zu  sehr  mit 
ganz   heterogenen   zum  Theil   sehr   unangenehmen  Dingen   beschäftigt 


^)  Dieser  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krm. 

^)  Vom  25.  Nov.  und  11.  Dec.     Krm. 

^)  Thurm  der  Michaelis^kirche  in  Hamburg.     Krm. 

■*)  Astronomisch  nach   Brief  No.  137   im  Brief weclisel  Gauss-Schum acher.     Seh. 

^)  Preisfrage  der  Societät  der  Wissenschaften  Gott.  Gel.  Anz.  194.  Stück,  1819 
Dec.  4.  Sie  wurde  im  näclisten  Jahre  wiederholt  und  hat  keinen  Bearbeiter  ge- 
funden.    Krm. 

10* 


148 


Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1821  December  18. 


gewesen,  als  dass  ich  daran  nur  hätte  denken  können.  Darf  ich  aber 
auf  einen  gewissen  vorgreifenden  Takt  einiges  Gewicht  legen,  so  wird 
eine  solche  Auflösung  am  Ende  zusammenfallen  müssen  mit  der,  wo 
man  mit  der  angenommenen  Richtung  der  Sonnenbewegung  so  viel  als 
möglich  von  den  eigenen  beobachteten  Bewegungen  der  Sterne  weg- 
erklären kann,  oder  die  Summe  der  Quadrate  der  eigenen  Bewegungen, 
von  denen  man  nichts  mehr  wegerklären  kann,  muss  ein  Minimum 
werden.  In  dieser  Beziehung  sind  dann  2  Fälle  zu  unterscheiden. 
Wenn  die  eigene  beobachtete  Bewegung  auf  der  Himmelskugel  FP' 
mit  der  Richtung  PS  einen  spitzen  Winkel  macht,  so  lässt  sich  gar 
nichts  wegerklären,  und  solche  Sterne  müssen  daher  ganz  aus  der 
Rechnung  wegfallen. 


PSTt-ofun 
die  Son/ie  ge/d 


Fia-. 


Ist  hingegen  jener  Winkel  stumpf,  so  kann  PQ  Folge  der  eigenen 
Bewegung  der  O  sein,  und  QP'  ist  die  kleinste  wirkliche  eigene  Bewe- 
gung, die  nicht  wegerklärt  werden  kann.  In  1  der  Fig.  7  wäre  dies 
nicht  der  Fall,  und  eigentlich  ist  da  die  wirkliche  eigene  Bewegung 
grösser  als  PP',  obwohl  man  wegen  des  unbekannten  Verhältnisses 
der  Entfernung  zu  der  Geschwindigkeit  der  Sonne  nicht  weiss,  wie 
viel;  je  grösser  jene  gedacht  wird,  desto  geringer  wird  die  Vergiüsse- 
rung.  Ich  meine  also,  man  soll  den  Punkt  S  da  auf  die  Himmelskugel 
setzen,  wo  die  Summe  aller  [P'Q]~^  die  im  Fall  2  der  Fig.  7  sind,  ein 
Minimum  wird,  =  s.  Für  ein  anderes  S,  dem  vorigen  unendlich  nahe, 
wird  dann  jene  Summe  der  Quadrate  die  Form  bekommen 

s  -f  a  {dÄf  +  2  b  (dD)  (dA)  +  c  (dl»^ 
und   die  Koefficienten  a  und  c  werden    dann    mit    den    Gewichten    der 
Bestimmung  von  Ä  und  D  in  einem  einfachen  Zusammenhange  stehen. 
So  aliue  ich  die  Auflösung.    Die  Rechnungsformeln  habe  ich  nicht  ent- 
wickelt,^) sie  können  aber  wohl  nicht  sehr  schwierig  sein.    Die  eigent- 


^)  Gauss  theilt  in  den  nächsten  Briefen  No.  438 — 440  eiusrehender  seine  Unter- 
suchungen über  das  Problem   der  Bewegung  des  Sonnensystems  mit.     Im  Jahre  1838 


(iaiiss  an  Ollttis.     dottiiiijt'ii,    is-Jl   l»eceiubcr  18.  149 

liehe  Schwierigkeit  liegt  aber  dann  darin,  dass  man,  so  lange  S  noch 
nn])»'kannt  ist,  noch  nicht  weiss,  welche  Sterne  anszuschliessen  sind.  .Alan 
wird  also  wohl  die  Kechnung  mehr  als  einmal  machen  müssen.  Einmal 
vielleicht,  indem  man  -rar  keine  Sterne  ausschliesst.  Nachdem  man  die 
ansznschliessenden  Sterne  jetzt  erkannt  hat,  macht  man  die  2.  Kech- 
nnng,  die  ein  etwas  verändertes  Resultat  geben  und  vielleicht  zu  einer 
;{.  nöthigen  wird,  indem  einige  der  das  2.  Mal  ausgeschlossenen  Sterne 
wieder  aufgenommen  und  andere  ausgeschlossen  werden.  Eine  4.  Rech- 
nung wird  schwerlich  nöthig  sein.  Diese  Methode  hat  wenigstens  die 
Präsumtion  für  sich,  dass  alle  Willkürlichkeit  wegfällt,  und  dass,  welche 
F'undamental-Ebene  auch  gewählt  wird,  bei  einerlei  Datis  auch  einerlei 
Resultat  herauskommen  muss.  Uebrigens  glaube  ich,  dass  das  End- 
resultat wohl  nicht  viel  von  dem  verschieden  sein  wird,  was  Ihre 
2.  Methode  giebt.  Genau  kann  ich  über  diese  nicht  urtheilen,  da  Sie 
die  Fassung  der  Grössen  a,  b,  c.  s  nicht  angegeben  haben,  denn  völlig 
bestimmt    scheinen   sie  nicht,   da   ein   beliebiger   Faktor   hinzugedacht 

sin  J 
werden  kann.     Ich   vermuthe.  dass  Ihr  f=  .  -^.p'Q,    wo    J  =  PS. 

smD 

ihre  erste  Methode  scheint  aus  der  Ursache  der  zweiten  nachzustehen, 
weil  sie  ein  grösseres  D  ungerechter  A^'eise  begünstigt.  Ich  bin  neu- 
gierig, ob  dies  so  im  Erfolg  ist.  Beide  Methoden  involviren  insofern 
eine  A\'illkürliclikeit,  als  sie  von  der  Wahl  des  Aequators  als  Funda- 
mental-Ebene abhängen,  ebenso  ^^ie  die  Abtheilung  in  2  Gruppen  bei 
der  2.  Methode  auch  etwas  Willkürliches  implicirt.  In  pi-aktischer 
Rücksicht  wird  dies  jedoch  wohl  nicht  viel  bedeuten. 

Doch  ich  muss  Ihre  gewohnte  Nachsicht  in  Anspruch  nehmen,  dass 
ich  mein  unreifes  Geschwätz  neben  Ihre  Untersuchung  zu  stellen  wage, 
und  nur  Ihr  ausdrückliches  Verlangen,  über  diese  Aufgabe  meine  Vor- 
stellung Ihnen  anzuzeigen,  hat  mich  dazu  vermocht,  da  ich  etwas  Reifes 
jetzt  nicht  schreiben  kann. 

Uebrigens  bemerke  ich  noch,  dass  die  obige  Auflösungsart,  wenn 
sie  überhaupt  die  richtige  ist,  es  doch  nur  bei  dem  gegeuw^ärtigen  Zu- 
stande unserer  Kenntnisse  ist,  wo  wir  nur  von  einer  kleineren  Anzahl 
eigener  beobachteter  Bewegungen  auf  der  Himmelskugel  die  Bichtung 
etwas  genau  kennen.  Nach  100  oder  mehreren  Jahren,  wenn  dies  erst 
von  viel  mehr  Sternen  gilt  (indem  die  absolute  beob.  Beweg,  viel 
grösser  geworden),  wird  man  die  Sache  anders  angreifen  und  bloss  die 


kommt  er  bei  Besprechung  von  Argelaxder's  Arbeit  über  die  Richtimg-  der  Sonueii- 
bewegung  (DLX  stellarum  inerrantium  positiones  mediae  ineiinte  anno  1830)  noch 
einmal  auf  diesen  Gegenstand  zurück.  Vergl.  die  Briete  v.  4.  März  und  5.  Apr.  1838 
an  Olbers,  auch  die  Anmerkuno-  zu  Brief  No.  440.     Krm. 


J50  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1821  December  18. 

beobachteten  Richtungen  benutzen  müssen.  Jetzt  scheint  es  mir  aber 
damit  nocli  zu  früh,  und  so  wird  freilich  jetzt  auf  die  Sterne,  die  grosse 
eigene  Bewegung  zeigen  und  die  uns  näher  stehen  mögen,  verhältniss- 
mässig  zu  viel  Gewicht  gelegt.^)  Wollte  man  das  andere  Verfahren 
jet2:t  anwenden,  so  würden  die  Beob.-Fehler  noch  zu  viel  an  den  Rich- 
tungen verderben  bei  Sternen,  wo  die  ganze  Bewegung  massig  ist. 
Doch  noch  einmal  Ihre  Verzeihung. 

Den  4.  Theil  der  Base  du  Systeme  metrique  habe  ich  in  Altona 
zuerst  gesehen  und  bin  erstaunt  über  die  einfältige  Art,  wie  die  franz. 
Astronomen  sich  in  den  ersten  Monaten  auf  den  Balearisclien  Inseln 
benommen  haben,  so  wie  über  die  Naivetät,  womit  sie  es  selbst  er- 
zählen. —  General  Müffling  schreibt  mir,  dass  von  9  Haupt dreiecken, 
die  im  vorigen  Sommer  geschlossen  seien,  mehrere  verworfen  werden 
müssen,  weil  die  Fehler  von  8"  bis  20"  gehen,  Avas  er  der  Beleuchtungs- 
Phase  zuschreibt,  indem  Nachtbeobb.  bei  dem  schlechten  Wetter  sich 
nicht  hätten  durchsetzen  lassen.  So  kann  ich  mich  wohl  über  die 
3",5  Fehler  in  meinem  einen  Dreiecke,  wo  auch  so  grosse  Beleuch- 
tungsschwierigkeiten Statt  hatten,  trösten.  Ml'ffling  wünscht  durch 
mich  2  Heliotrope  zu  erhalten.  Dass  mein  Hohehagen-Signal  grossen- 
theils  verbrannt  ist,  glaube  ich  Ihnen  schon  gemeldet  zu  haben;  leider 
scheint  jetzt  auch  der  Stein  ruinirt  zu  sein,  wie  es  mir  gestern  durch 
ein  kleines  Fernrohr  schien. 

Die  grossen  Unterschiede  bei  den  berechneten  und  astronomisch 
beobachteten  Längendifferenzen  der  MüFFLiNG'Schen  Punkte^)  sind  aller- 
dings sehr  auffallend,  aber  docli,  wie  mir  scheint,  gerade  wegen  ihrer 
zum  Theil  ungeheuren  Grösse  noch  nicht  zureichend,  auf  die  Noth- 
wendigkeit  einer  grösseren  Abplattung  in  unseren  Gegenden  zu  schliessen. 
Ich  gestehe,  dass  ich  daran  noch  nicht  recht  glauben  kann.  Dies  be- 
weisen auch  mehrere  östliche  Punkte  nach  Müffling's  Rechnung. 

AA  Signale 

Posse 7'46",91  8' 32",25         —  45",34 

Magdeburg  ....    54  21,55  54  46,05  —  24,50 

Petersberg  ,   ...    73  30,56  73  49,20  —  18,64 

Zwei  andere  weichen  zwar  in  entgegengesetztem.  J.  i.  Ihrer  ErkUi- 
rung  günstigem  Sinne  ab 

Kyffliäuser  ....    22'41",86         22'38",55         +3",31 
Sachsenburg  ...     26    0,97  25  54,00  4-6,97 


*)  Aus  ähnlichen  Gründen  hat  Bessel  in  den  Fmidamentis  Astrotwmiae  die 
Frage  über  die  Bewegung  unseres  Sonnensystems  für  noch  nicht  spruchreif  er- 
klärt.    Krni. 

')  Vercl.  Brief  No.  433  von  Olbers.     Krm. 


iin,.r<    111  üauss.     Bremen.  1821   December  -JU.  151 

aber  schweilicli  kaim  man  aus  so  schleclit  liarmouiieiulen  F^eobb.  ir^reud 
auf  die  Gestalt  dt'i- Knie,  soiidcru  nur  .uif  die  schlechte  ZeitbestiDUuung 
schliessen. 

Eine  Art  Lichtriiig  um  den  Jupiter  glaube  ich  auch  im  vorigen 
Jahre  gesehen  zu  luiben  am  ^littagsfernrohr,  wenn  nicht  beleuclitet 
Avurde.  Ein  Häutchen  am  Objektiv  habe  ich  nicht  bemerkt.  Sonderbar, 
dass  es  ziemlich  scharf  begrenzt  und  auch,  so  viel  ich  mich  erinnere,  etwa 
'l  Grad  im  Durclimesser  war.  Feh  werde  künftig  wieder  darauf  achten. 
Ich  vermuthe  mit  Ihnen,  dass  es  am  Fernrohr  gelegen,  obgleich  ich 
mii"  so  aucli  die  Entstehung  noch  nicht  ganz  klar  macheu  kann. 


N...  437.  Olbers  an  Gaiiss.  fsse 

Bremen,  1821  December  29. 

Die  Nachricht,  dass  Sie  dasjenige,  was  ich  Ihnen  bloss  als  meine 
sehr  unwichtige  Ansicht  gab,  Ihrer  Antwort  nach  B[erlinJ  zu  Grunde 
gelegt  haben,  würde  mich  etwas  erschreckt  haben,  wenn  ich  nicht  über- 
zeugt wäre,  dass  es  also  auch  Ihre  Ansicht  war.  Es  ist  doch  auch 
noth wendig,  bei  einer  solchen  Gelegenheit  die  Bedingungen  so  zu 
machen,  dass  unser  Zustand  wesentlich  und  gründlich  gebessert  ^\'ird. 
Die  nun  nach  B[erlin]  gemeldeten  Bedingungen  bleiben  doch  noch  immer 
höchst  hillir/,  und  ich  zweifle  deswegen  nicht,  dass  sie  dort  Beifall 
finden  werden.  Sie  kennen  meine  Theilnahme,  lieber  Gauss,  an  allem, 
was  Sie  angeht,  und  Sie  können  also  denken,  wie  gespannt  ich  auf 
den  weiteren  Verlauf  dieser  Angelegenheit  bin. 

Sehr  danke  ich  für  die  Belehrung  wegen  der  iMethode,  die  wahr- 
scheinlichste Richtung  des  mot  propr.  unserer  Sonne  aus  den  beobach- 
teten Veränderungen  der  Fixsterne  zu  finden.  Icli  sehe  nun  wohl,  dass 
hier  eine  viel  feinere  Anwendung  des  Probabilitäts-Kalkuls  erforderlich 
ist,  als  ich  angewandt  habe.  Indessen  will  ich  Ihnen  doch  mittheilen, 
was  mir  meine  Rechnung  gegeben  hat.  Erst  die  Formeln:  Wenn  der 
Punkt,  nach  dem  die  Bewegung  unserer  Sonne  gerichtet  ist,  die  u'R  =  A 
und  die  Dekl.  =  D  hat,  die  scheinbaren  beobachteten  Veränderungen 
eines  Fixsternes  da  und  dö  sind,  dessen  Al  =  a  und  Dekl.  =  ^  ist, 
und  die  eigenthümliche  Bewegung  des  Fixsterns  nach  den  bekannten 
3  Koordinaten  dx,  dy,  dz  ist,  so  erhält  man,  wenn  man  der  Kürze 
wegen 

cotang  Z)  •  cos  J.  =  P 

cotang  Dü\iA  =  Q     R  =  Abstand  des  Fixsterns  von  unserer  0 


152  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1821  December  29. 

cosady  —  siüß  dx 


B 

cos^  dz  —  cos«  •  sin  ö  dx  —  sin  « •  sin  d  dy 


=  m 


R 

setzt,  die  Gleichung: 

(cos  5 •  sin  ^ •  cosa  da  —  6? (5  sin  u)  P -\-  (sin  6  •  co^  d  •  ^ma  da  -\-  dd  cos  a)  Q 

—  cos^^  da  = 

(m  cos«  sin  ö  —  n  sin  a)  P  -\-  {m  sin  d  sin  a  -\-  n  cos  a)  Q  —  m  cos  ö. 

Das  was  auf  das  Gleichung-szeichen  folgt,  ist,  was  ich  e  nenne,  und 
würde  nur  dann  =  0  sein,  wenn  m  und  n  =  0  wären,  oder  der  Stern 
gar  keine  eigene  Bewegung  hätte.  Aber  m  und  n  sind  höchst  wahr- 
scheinlich im  Mittel  ebenso  gross  als  da  und  dd. 

Zu  den  77  Sternen,  deren  ich  in  meinem  vorigen  Schreiben  er- 
wähnte, habe  ich  noch  aus  den  Sternen,  die  Piazzi  im  ersten  Bande 
seiner  Astronomie  zu  dieser  Untersuchung  anführt,  die  5  genommen, 
die  Bessel  nicht  hat,  weil  sie  Bradley  entweder  gar  nicht  oder  nicht 
vollständig  beobachtet  hatte.  Alle  übrigen  sind  unter  den  77  Sternen 
enthalten,  oder  ihre  von  Piazzi  angegebene  scheinbare  Bewegung  wird 
durch  den  BßADLEY-BESSEL'schen  Katalog  widerlegt.  Von  diesen  82 
Sternen  habe  ich  die  Koefiicienten  von  P  und  Q  entwickelt,  aber  den 
sich  so  anomalisch  stark  bewegenden  Sternen /t  Ca^siopejae,  d  Eridani^) 
und  61  Cyg7ii  nur  i  und  e  Eridani  nur  i^  des  Werthes  der  übrigen  Sterne 
beigelegt  und  dann  die  Gleichungen  zusammengezählt,  in  denen 
—  cos^rl)  da  positiv,  und  diejenigen,  worin  es  negativ  wurde.  So  erhielt 
ich  die  beiden  Gleichungen 

208,152 P  —  1 77,950  Q  —   788",667  =  JTe  . .  .  aus  36  Sternen 
1 74,653  P  +  294,203  Q  +  1008,068  ==  2'f' . . .  aus  46  Sternen 

und  hieraus  A  =  276«  23|'  und  D  =  15»  9',  wenn  ich  Ze,  le'  =  0  setzte. 
Der  mittlere  Werth  von  e  ist  =  +  2r',3.  Nun  ist  es  schon  nicht  mehr 
wahrscheinlich,  dass  Ze,  Ze  grösser  als  6  e  sein  sollte.  Setzt  man  also 
Z£  =  2s' = -\- \21"ß,  so  erhält  man  die  wahrscheinlichen  Grenzen  für 
A  und  D. 

.4  =  274"  38'  i)=17"364' 

^  =  277"  45'  Z)=  13^26?/ 

Ich  bin  weit  entfernt,  die  Grenzen  der  Unsicherheit  von  A  und  D 
für  so  eng  zu  halten,  weil  ich  ganz  wohl  weiss,  dass  dies  nur  eine 
sehr  rohe  unsichere  Art  ist,  sie  zu  bestimmen. 


')  d  Eridani  hat  keine  nachweisbare  Eig'enbeweguiiü',  vielleicht  hat  ihn  Olbers 
mit  0-  Eridani  verwechselt.     Krm. 


ÜlbtTS  an  Gaiis.v     HreiiMii,    Is-jl    DtneiiiliiM-  "29.  153 

Behandle  ich  liingegen  die  82  Gleichungen,  unter  denselben  ^'oraus- 
sptzunjren   für   die  4  oben  bezeichneten  Sterne,    nach    der  Methode  der 
kleinsten  Quadrate,  so  ei'geben  sich  die  beiden  Gleichungen: 
4- 42371,104  P—    2011,727  Q—      842,546  =  0 
—    2t)l  1,727  P-f  35168,085  Q  +  13724,126  =  0 

Diese  beiden  Gleichungen  geben 

A  =  209°  23'  8",  D  =  68«  39'  56" 
1  »ies  SU  grosse  D.  vermöge  dessen  die  Sonne  sich  fast  senkrecht  von 
der  Ebene  der  Ekliptik  gegen  Norden  bewegen  würde,  kommt  mir  des- 
wegen etwas  unwahrscheinlich  vor,  weil  so  die  Bewegung  der  O  in 
der  Ebene  des  Aequators  gegen  den  Kolur  der  Wintersonnenwende, 
dit'  doch  so  deutlich  in  den  che  erscheint,  sehr  unbedeutend  sein  müsste. 
Auf  der  Ebene  der  Ekliptik  bewegte  sich  nach  dieser  Bestimmung  von 
IJ  sogar  unsere  Sonne  gegen  den  Kolur  der  Sommersonnenwende. 

Das  endliche  Resultat  aller  meiner  Rechnungen  Avird  also  wohl 
nichts  mehr  lehren,  als  was  sich  schon  ohne  allen  Kalkül  aus  der 
blossen  Ansicht  von  den  -|-  und  —  Werthen  von  da  und  dö  in  den 
verschiedenen  Quadranten  von  selbst  ergiebt:  dass  nämlich  unsere  Sonne 
ungefähr  gegen  den  Kolur  des  Steinbocks  unter  einer  nördlichen  Rich- 
tung fortrückt. 

Verzeihen  Sie,  lieber  Gauss,  dass  ich  Ihnen  ein  so  Langes  und  so 
Breites  über  diese  zu  nichts  Gewissem  führenden  Rechnungen  vorgeplau- 
dert habe.  —  Wir  müssen  nun  wohl  erwarten,  ob  Ihre  Preisfrage 
nicht  einem  geschickteren  Astronomen  Veranlassung  gegeben  hat,  durch 
Anwendung  der  von  Ihnen  angedeuteten  Methode  und  mehrerer  Sterne 
zu  einem  sichereren  Resultate  zu  gelangen. 

Die  Unterschiede  der  durch  die  MüFFLiNG'schen  Dreiecke  und  die 
Pulversignale  gefundenen  Längen -Differenzen  vom  Seeberg  beweisen 
nun  hinlänglich,  dass  bei  letzteren  die  Zeiten  sehr  unrichtig  bestimmt 
waren.  Selbst  auf  dem  Seeberge  scheint  die  Uhr  fast  um  eine  ganze 
Sekunde  zu  spät  gegangen  zu  sein. 

Ich  kann  mir  nicht  einbilden,  dass  Zach's  Substitution  eines  roti- 
renden  Polyeders  anstatt  des  Heliotrops  auf  irgend  etwas  beträchtliche 
Distanzen  von  Nutzen  sein  werde.  —  Der  Reverbere,  den  Matthieu 
und  Kapt.  Mudge  (Sohn  des  verstorbenen  Generals)  zu  Fairlight-Downs, 
behufs  der  Verbindung  der  englischen  und  französischen  Küsten  auf- 
gerichtet haben,  hat  4  kreisförmige  Maschen,  die  äussere  10  Zoll  im 
Umfange,  verzehrt  alle  Stunden  2  Quartier  Oel  und  wird  täglich  eine 
Stunde  vor  Sonnen-Aufgang  und  Sonnen-Untergang  angezündet  und 
zwei  Stunden  brennend  erhalten.  Das  Licht  ist  auf  90  engl.  Meilen 
sichtbar. 


154  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1822  Januar  15. 

Haben  Sie  noch  keine  Lust  oder  Gelegenheit  gehabt,  sich  nach 
dem  ENCKE'schen  Kometen  mit  Ihren  grossen  Teleskopen  umzusehen? 
Am  22,  Dec.  habe  ich  wieder  die  Stelle,  wo  er  stehen  musste,  eine  halbe 
Stunde  mit  meinem  grossen  Dollond  betrachtet  und  mich  wieder  über- 
zeugt, dass  er  für  meine  alten  Augen  durch  dieses  Instrument  noch  nicht 
sichtbar  ist.  Ein  Freund  glaubt  ihn  schon  am  Ende  Nov.  erblickt  zu 
haben,  ohne  sich  doch  bisher  seiner  vermeintlichen  Entdeckung  ver- 
sichern zu  können. 

Ob  die  Photosphären  um  den  Jupiter  und  die  Venus  bloss  eine 
vom  gebrauchten  Fernrohr  herrührende  Erscheinung  seien,  würde  sich 
wohl  ergeben,  wenn  man  nachsähe,  ob  dasselbe  Phänomen  auch  bei 
Fixsternen  erster  Grösse  stattfände.  —  Die  feine  milchichte  Haut, 
deren  ich  in  meinem  vorigen  Briefe  erwähnte,  setzt  sich  in  Feaun- 
hofer's  Achromaten  auf  der  Seite  des  Crown-Glases,  die  gegen  das 
Flintglas  gekehrt  ist,  gewöhnlich  an. 

Möge  der  Himmel  Ihnen  und  Ihrer  ganzen  verehrten  Famüie, 
mein  theurer  Gauss,  auch  bei  diesem  Jahreswechsel  viel  Glück  und 
Segen  schenken! 


No.  438.  Gauss  an  Olbers.')  [202 

Göttingen,  1822  Januar  15. 

Herzlichen  Dank  für  Ihren  letzten  gütigen  Brief  und  für  die  ge- 
fällige Mitteilung  Ihrer  interessanten  Rechnungen  über  die  eigene  Be- 
wegung unseres  Sonnensystems.  Ich  habe  mich  nicht  enthalten  können, 
auch  wieder  einige  Tage  auf  diesen  Gegenstand  zu  verwenden.  Ich 
habe  die  zweite  Methode,  deren  ich  in  meinem  letzten  Briefe  erwähnte, 
etAvas  weiter  ausgeführt,  wobei  nicht  die  Grösse,  sondern  bloss  die  Rich- 
tung der  beobachteten  eigenen  Be- 
{/  wegung  der  Sterne  auf  der  Himmels- 

kugel   in   Anwendung   kommt.     Ich 
habe  zwar  dieselbe  nicht  streng  an 
die  Wahrscheinlichkeitsrechnung  ge- 
^        knüpft,    was    auch    nicht    so    ganz 
^'''§'-  ^-  leicht    sein    möchte,    doch    ist    mir 

nicht  unAvahrscheinlicli,  dass  diese 
Verknüpfung  nur  eben  dahin  führen  wird.  Ist  PQ  auf  iler  H[immels]- 
Kugel  auf  die  Richtung  der  beobachteten  eigenen  Bewegung  senkreclit, 
so  soll  2' sin  PQ-  ein  Minimum  werden,  wobei  aber  eigentlich  diejenigen 


*)  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  g-eschriehen.     Krm. 


<>au!js  au  (tlbers.     Göttinnen,   IS'J'i  Januar  15.  155 

Sterne  anspfesclilossen  wt'iden  iiiiisseii,  für  welche  FSQ  stumpf  ist, 
wenn  nämlich.  P  den  Punkt  bedeutet,  von  welchem  unsere  Sonne  sich 
wegbewegt.  Das  lässt  sich  nicht  ohne  wiederholte  Rechnung  erreichen, 
bei  der  ersten  ignorirt  man  die  Bedingung  ganz.  Die  Auflösung  ist 
dann  von  mathematischer  Seite  vieler  Eleganz  fähig  und  eigentlich, 
mathematisch  zu  reden,  einerlei  mit  der  Bestimmung  der  3  freien  Axen 
eines  Körpers  oder  der  3  Hauptaxen  eines  Ellipsoids.  Die  von  anderen 
gegebene  Auflösung  dieser  Aufgaben  ist  noch  beträchtlicher  Vervoll- 
kommnung fähig,  und  von  der  meinigen  sehen  Sie  eine  einen  etwas 
specielleren  Fall  betreffende  Probe  in  meiner  Abhandlung  über  die 
Attraktion  elliptischer  Ringe.')  Die  Natur  der  Sache  bringt  es  hier 
aber  mit  sich,  dass  der  Punkt,  von  dem  die  Sonne  kommt,  von  dem, 
wohin  sie  geht,  in  der  Auflösung  noch  nicht  unterschieden  wird  (wie 
es  auch  bei  der  Ihrigen  der  Fall  ist,  die  die  beiden  entgegengesetzten 
Punkte  nicht  unterscheidet).  Man  muss  hinterdrein  die  einzelnen  Sterne 
vergleichen  und  den  Punkt  P  für  den  Punkt,  wohin  die  Sonne  geht, 
wählen,  von  welchem  sich  die  Mehrzahl  der  Sterne  entfernen. 

Ich  habe  die  Auflösung  auf  70  Sterne  aus  Bessel's  Tafel  an- 
gewandt (die  ich  zu  zehnen  nach  der  abnehmenden  Grösse  von  As 
gruppirt  hatte  und  so  den  71.  wegliess)  und  für  die  beiden  Punkte  ge- 
funden 

a=      79° 40'    I         259'' 40'-) 

,5  =  +    3  49     I    —      3  49 

Die  Punkte  treten  sehr  bestimmt  hervor,  indem  für  dieselben 
jenes  2'sinPQ^^  14,2  wird,  während  dessen  Maxima  90"  davon  (und 
unter  sich)  entfernt  beinahe  gleich  und  resp.  28,4  und  27,4  werden. 

Mit  der  Sonderung  der  Sterne  habe  ich  heute  angefangen,  und 
nach  einem  Ueberschlage  linde  ich,  dass  unter  den  30  Sternen,  die  die 
grösste  scheinbare  Bewegung  haben,  19  sind,  die  sich  dem  ersten,  und 
11,  die  sich  dem  zweiten  Punkte  nähern,  so  dass  der  letzte  als  der 
angesehen  werden  muss,  auf  den  die  Sonne  zugeht.  Mich  soll  wundern, 
wie  die  Scheidung  aller  71  ausfallen  wird,  und  dann  werde  ich  auch 
die  Wiederholung  noch  vornehmen.  Sollte  das  Verhältniss  bei  der  Ge- 
samtzahl nicht  viel  ungleicher  ausfallen,  so  darf  man  schon  schliessen, 

*)  Determinatio  attractiouis ,  quam  in  punctum  quodvis  positiouis  datae  exer- 
ceret  planeta,  si  eins  massa  per  totam  orbitam  ratione  temporis,  quo  singulae  partes 
describuutur,  uniformiter  esset  dispertita.  Societati  Regiae  Scientiarum  exhibita  1818 
Jan.  17.    Wiederabgedruckt  Gauss'  Werke  Bd.  m,  S.  331—355.    Krm. 

-)  Die  hier  gegebenen  W^erte  für  die  Lage  des  Antiapex  und  Apex  der  Sonnen- 
bewegung weichen  in  <5  besonders  stark  von  den  früher  von  Herschel  gefundenen 
Werten  so  wie  von  den  Resultaten  der  Neuzeit  ab.  Eine  Erklärung  hierfür  und  nach 
einer  anderen  Methode  ermittelte  Werthe  sfiebt  Gauss  im  folgenden  Briefe.    Krm. 


156  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1822  Januar  15. 

dass  die  wirkliche  Bewegung  der  Sonne  im  Raum  bedeutend  langsamer 
ist,  als  die  mittlere  wirkliche  Geschwindigkeit  der  Sterne.  Ich  finde 
nach  einer  etwas  flüchtigen  Rechnung,  dass,  wenn  alle  Sterne  und  die 
Sonne  gleiche  wirkliche  Geschwindigkeit  aber  ganz  unabhängige  Rich- 
tungen hätten,  bei  einer  sehr  grossen  Anzahl  von  Sternen  nur  etwa  ^ 
aller  sich  auf  der  Himmelskugel  dem  Punkt  nähern  dürften,   auf   den 

die  Sonne  zugeht  (genau:  i  — ^j ;  hätten  die  Sterne  aber  alle  gleiche 

Geschwindigkeit  =  a,  grosse?-  als  die  der  0=1,  so  wäre  statt  jenes 

Bruches  -| —  '     zu  setzen   (für  a<l  muss  eine  ganz  andere  Formel 
od 

genommen  werden),  so  dass,  wenn  jener  Bruch  =  //,  man   ,    -  -—  für  eine 

Art  mittlere  Geschwindigkeit  der  Sterne  annehmen  könnte. 

Es  scheint  mir  bemerkenswerth,  dass  jenes  2'sinPQ-  zugleich 
die  kleinste  Summe  der  Quadrate  der  kleinsten  luirklichen  Bewegung  der 
Sterne  ist,  womit  man  die  beobachteten  erklären  kami,  die  der  O  =  1 
gesetzt;  es  würde  aber  für  meinen  heutigen  Brief  viel  zu  weitläufig 
werden,  dies  umständlicher  zu  entwickeln. 

Ich  habe  dieser  Tage  die  Berechnung  der  relativen  Höhen  meiner 
Hauptdreieckspunkte  vollendet,  die  ich  hierher  setze,  da  sie  vielleicht 
einiges  Interesse  für  Sie  haben.  Die  ersten  5  Punkte  gründen  sich  auf 
reciproke  Messungen,  an  den  4  anderen  bin  ich  noch  nicht  gewesen, 
jedoch  ist  Lichtenberg  von  zwei  Punkten  aus  bestimmt,  vom  Hils  und 
Brocken 

Sternwarte-Fussboden 0 

Nördl.  Meridianzeichen,  Oberfläche  des  Steines, 

der  4  Fuss  hoch -[-     197,5  Par.  Fuss 

Hohehagen,  Oberfläche  des  Steines,  der  3  Fuss 

hoch +  1068 

Hils,  Oberfläche  des  Steines,  der  3  Fuss  hoch    -|-     835 
Brocken,  Marmorplatte  oben  auf  dem  Tlmrm, 

33  Fuss  über  der  Erde +  3056 

Lichtenberg,  Oberfläche   des   3   Fuss  hohen 

Steines -\-     257 

Deister,  ebenso +     453 

Brelinger  Berg,  Terrainfläche —     241 

Inselsberg,  Encke's  Sextant,  dessen  Höhe  über 

der  Erde  ich  nicht  kenne +  2322 

Südl.  Meridianzeichen,  Terrain +     527 

Die  Vorbereitungen  zur  Aufstellung  des  Zenith-Sektors  sind  jetzt 
vollendet,  und  jene  wird  daher  in  Kürze  Statt  haben  können. 


(t;uiss  an  Olbors.     [(uitliiigen,   1822]  Januar  22.  157 

Das  AVetter  ist  seit  mehreren  Wochen  sehr  nnfcünstio:;  so  bald 
lieiterer  Himmel  sein  wird,  will  ich  einmal  nach  dem  Kometen  aus- 
sehen, obwohl  ich  nicht  viel  Hoffnung  zum  Erfolge  habe.  Ganz  so 
scharf  wie   vor   11  Jahren   ist  vielleicht  mein  Auge  jetzt   nicht  melir. 

Von  B[erlin]  habe   ich  nichts  weiter  bis  jetzt  gehört. 

Ich  lasse  jetzt  einen  grossen  Spiegel  von  reichlich  1  Pariser  Qu.-Fuss 
Fläche  zu  einer  Art  einfachen  Heliotrop  einrichten  und  werde,  sobald  er 
fertig,  einige  Versuche  damit  auf  Entfernungen  von  einigen  Meilen,  viel- 
leicht zum  ]\[eisner  hin,  machen.  Wenn  ich  künftigen  Sommer  meine 
Messungen  fortsetze,  glaube  ich,  dass  er  gute  Dienste  tliun  soll,  meinen 
Gehiilfen  das  Einstellen  der  Heliotrope  zu  erleichtern  (indem  ich  jenen 
bei  mir  führe),  vielleicht  auch  zum  Telegraphiren,  um  weniger  abhängig 
von  genauer  Zeitabmessung  zu  sein,  indem  die  Zahl  der  beinahe  momen- 
tanen Blitze  nur  als  Zeichen  zu  gelten  braucht.  Ich  denke  das  Licht 
eines  solchen  Spiegels  muss  selbst  in  der  Distanz  von  15  Meilen  dem 
blossen  Auge  noch  sehr  glänzend  sein.  Zum  Beobachten  der  Winkel 
wäre  es  natürlich  immer  viel  zu  stark,  auch  die  Lenkung  zu  beschwer- 
lich, insofern  die  Einrichtung  viel  einfacher  und  damit  auch  unvoll- 
kommener ist. 

In  meinem  Hause  ist  leider  jetzt  ein  Lazareth.  Meine  drei  jüngsten 
Kinder  haben  den  Stickhusten.  Ich  selbst  kann  auch  einen  sehr  lästigen 
schon  im  Nov.  auf  meiner  Reise  mitgenommenen  Husten  noch  nicht 
wieder  los  werden  und  habe  seit  8  Wochen  vielleicht  8  mal  mehr  ge- 
hustet als  in  meinem  ganzen  Leben  zusammen. 

Meinem  ältesten  Sohn,  der  Ansteckung  wegen  von  den  anderen  ge- 
trennt, geht  es  ungefähr  wie  mir.  Es  scheint  hier  etwas  Epidemisches 
zu  sein  und  vielleicht  eine  Folge  des  zu  gelinden  und  doch  stürmischen 
A\'inters. 


No.  439.  Gauss  an  Olbers.')  [203 

[Göttingen,  1822]  Januar  22. 

Ich  kann  nicht  unterlassen,  Ihnen  noch  einiges  von  meinen  ferneren 
seit  Absendung  meines  letzten  Briefes  über  die  eigene  Bewegung  der 
Sterne  angestellten  Rechnungen  mitzutheilen.  Die  tabellarische  Zu- 
sammenstellung der  beobachteten  e[igenen]  B[ewegungen]  Hess  es  mir 
doch  als  sehr  auffallenderscheinen,  dass  unter  71  Sternen  sich  48  nach 
Süden  und  nur  23  nach  Norden  bewegen.  Mein  gefundenes  Resultat, 
wonach    der  Punkt,  wohin   die   Sonne  geht,   sogar  noch  etwas  südlich 


^)  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krin. 


158  Gauss  an  Olbers.     [Göttingen,  1822J  Januar  22. 

vom  Aequator  liegen  sollte,  wurde  mir  dadurch  doch  etwas  verdächtig, 
und  ich  beschloss  daher,  zuerst  die  Sache  noch  auf  eine  ganz  andere 
Art  anzugreifen. 

Es  sei  Q  [der]  in  dem  grössten  Kreise  auf  der  Himmelskugel,  in 
welchem  die  Bewegung  eines  Sternes  erscheint,  90^  von  dem  Sterne  in 
dem  Sinn  der  Bewegimg  entfernte  Punkt;  P  der  Punkt,  von  welchem 
unsere  Sonne  wegrückt.  Man  sieht  leicht,  dass,  wenn  der  Stern  sich 
dem  P  nähern  soll,  die  Bedingung  die  sein  wird,  dass  PQ-<90^,  oder 
wenn  man  sich  einen  grössten  Kreis  denkt,  der  P  zum  Pol  hat  und 
also  die  Kugelfläche  in  zwei  Hälften  theilt,  so  soll  Q  in  derjenigen 
Halbkugel  liegen,  worin  P  sich  befindet.  Es  kommt  demnach  darauf  an,  alle 
71  auf  der  Kugelfläche  zerstreut  liegenden  Punkte  Q  durch  einen 
grössten  Kreis  so  ungleich  wie  möglich  zu  scheiden.  Ich  habe  mich 
begnügt,  nur  den  gemeinschaftlichen  Schwerpunkt  aller  Q  (im  Innern 
der  Kugel)  zu  suchen;  der  dadurch  gezogene  Radius  fortgesetzt  wird, 
wo  nicht  genau,  doch  sehr  nahe  das  vortheilhafteste  P  auf  der  Kugel 
geben.     Ich  finde  auf  diese  Weise 

M  von  diesem  P 84"  31' 

Dekl —33  50 

Abstand  jenes  Schwerpunktes  vom  Centrum  .    .      0,38768 

Der  Punkt  P  gegenüber,  wohin  unsere  Sonne  sich  bewegt,  läge 
also  in  264 «31'  ^  und  33 «50'  nördl.  Dekl.,  und  ich  finde  (freiUch 
meistens  nur  überschläglich),  dass  unter  den  71  Sternen  59  sich  dem 
P  nähern  und  nur  12  davon  entfernen. 

Dass  die  Methode,  wonach  ich,  wie  in  meinem  letzten  Briefe  er- 
zählt, früher  gerechnet  habe,  ricJitig  angewandt,  so  "\iel  von  diesem 
Verfahren  differiren  soll,  ist  mir  ziemlich  unwahrscheinlich,  und  es  lassen 
sich  mehrere  Ursachen  denken. 

1)  Habe  ich  dabei  die  Positionen  der  Punkte  die  resp.  von  jedem 
Stern  und  seinem  Q  um  90 «  entfernt  sind,  nach  Bessel's  Tafel  Bradley 
p.  310  schlechthin  zu  Grunde  gelegt,  und  es  wäre  doch  möglich,  dass 
darin  hin  und  wieder  einige  Rechnungs-  oder  Druckfehler  wären. 

2)  In  meiner  oder  vielmehr  grösstentheils  Hrn.  Schni-elein's  Rech- 
nung von  den  6  Grössen 

(x  =  cosa  cos  d 
XX,  yy,  zz,  yz,  xz,  xy,  wo  J  //  =  sin«  cosJ 

!  z  =  sin  d. 

welche  sich  auf  Bessel's  erwähntes  Tableau  gründen,  könnte  wühl  hier 
und  da  ein  Rechnungsfehler  eingeschlichen  sein,  besonders  wo  ein  + 
mit  —  verwechselt  oder  eine  Logarithmen-Charakteristik  um  eine  Ein- 
heit unrichtig  angesetzt  wäre. 


(ian>s  ;mi  nllnrs.     [(TÜttiii-en,   1822]  Jauuar  22.  15»» 

;{)  Sollten  aber  auch  beide  Voraussetzuiiofeii  uiiüepri'üudet  sein,  so 
wäre  es  doch  .möglich,  dass  die  erste  Ixechnung  nach  jener  früheren 
Methode,  wobei  noch  gar  kein  Stern  ausgeschlossen  ist,  ein  von  der 
^^'ahrheit  zu  stark  abweichendes  Resultat  gegeben  hätte,  wodurch  dann 
die  auszuschliessenden  Sterne  selbst  grösstentheils  unrichtig  gewählt 
werden.  In  der  That  werden  dadurch  23  Sterne  als  auszuschliessen  be- 
zeichnet und  nachdem  diese  ausgeschlossen  waren,  gab  die  neue  Rech- 
nung ein  nicht  mehr  ganz  so  markirt  hervortretendes  Resultat  fiir  das 
bewusste  Minimum,  als  ich  vor  dem  Ausschluss  gehabt  hatte.  Ich  bin 
daher  im  Begriff,  die  Rechnung  nach  der  ersten  Methode  zu  wieder- 
holen, indem  ich  diejenigen  12  Sterne  ausschliesse,  die  die  andere  Me- 
thode bezeichnet  hat. 

Jan.  23.  Ich  habe  die  erwähnte  Rechnung  so  weit  geführt,  um 
gewiss  zu  sein,  dass  nach  Ausschluss  jener  Sterne  ein  Resultat  kommt, 
das  dem  obigen  sich  wenig  nähert.  In  diesem  habe  ich  dabei  einen 
kleinen  Rechnungsfehler  bemerkt,  nach  dessen  Verbesserung  ich  statt 
der  obigen  Zahlen 

86°  18' 
2()6M8'     + 


Q4.0  4.QM 


Jenes  Paradoxon  ist  indessen  doch  nur  scheinbar.  Das  bei  der 
^Methode  des  vorigen  Briefes  zu  Grunde  gelegte  Prinzip  ist  an  sich  un- 
verwerflich, nämlich: 

den  Punkt  P  auf  der  Himmelskugel  so  zu  wählen,   dass  sich 
die  beobachteten  eigenen  Bewegungen  mit  dem  geringsten  Auf- 
wand wahrer  eigener  Bewegungen  der  Sterne  erklären  lassen; 
allein  die  Summe,  die  ein  Minimum  werden  soll,  ist  eigentlich 

^  {sin  PTf-j-n^) 

wo  n  die  Anzahl  der  Sterne,  die  sich  von  P  entfernen,  bedeutet  und  T 
den  dem  P  nächsten  Punkt  in  der  beobachteten  Richtung  (ich  glaube  in 
meinem  vorigen  Briefe  mit  Q  bezeichnet)  derjenigen  Sterne,  die  sich  dem 
P  nähern.  Es  enthält  nun  gar  keinen  Widerspruch,  dass  an  einer  gam 
anderen  Stelle  als  dem  P,  wo  diese  Summe  nach  ihrem  wahren  Sinn 
ein  Minimum  ist,  das  Aggregat 

2:{smPTf-\-n 

ein  Minimum  wird,  insofern  man  dieselbe  Scheidung  der  Sterne  hier 
gelten  lässt,  die  bei  jenem  P  galt,  w^as  aber  nicht  erlaubt  ist.  Die 
Summe  nach  ihrem  wahren  Sinn  ist  eigentlich  auf  der  Kugelfläche 
eine  fundio  discontinua  und  ändert  sich  sprungweise  von  einer  Figur 


•)  Nicht  ganz  richtig,  vergl.  Anfang  des  folgenden  Briefes.     Krm. 


IC)Q  Gauss  an  Olbers.     [Göttingen,  1822]  Januar  22. 

zur  anderen,  indem  man  sich  nämlich  die  ganze  Kugelfläche  durch  die 
71  grössten  Kreise,  die  durch  die  einzelnen  Sterne  senkrecht  [zu]  deren 
beobachteter  Bewegung  [gehen],  in  eine  ungeheuer  grosse  Anzahl  Drei- 
ecke und  andere  Polygone  zerlegt  denkt.  Es  wird  aber  nicht  schwer 
sein,  das  wahre  P  aufzufinden,  wenn  man  sich  die  Mühe  geben  will, 
die  Lage  von  etwa  6  oder  10  derjenigen  dieser  71  grössten  Kreise  zu 
bestimmen,  die  am  nächsten  bei  dem  oben  gefundenen  Punkte  vorbei- 
gehen. Ich  habe  einen  kleinen  Anfang  damit  gemacht  (to  He)xidis 
und  b  Aquilae  gehören  dazu),  zweifle  aber,  dass  ich  Zeit  haben  werde, 
diese  Eechnung  jetzt  selbst  zu  vollenden.  Vermuthlich  lässt  sich  von 
den  obenerwähnten  12  Sternen,  die  sich  von  P  entfernen,  noch  einer 
oder  ein  paar  abdingen.  Denn  ich  bin  jetzt  mit  der  Aufstellung  des 
Zenithsektors  beschäftigt,  der  nächstens  beobachtungsfertig  sein  und 
einen  grossen  Theil  meiner  Zeit  in  Anspruch  nehmen  wird.  Uebrigens 
ist  auch  zu  präsumiren,  dass  ein  so  berechnetes  P  wenig  von  dem 
obigen  abliegen  werde  und  weniger,  als  ohnehin  schon  bei  der  Uuzu- 
verlässigkeit  der  beobachteten  eigenen  Bewegungen  Unsicherheit  zurück- 
bleiben muss. 

Sollte  die  hiesige  Societät  keine  oder  keine  angemessene  Preis- 
schrift erhalten,  so  werde  ich  in  Zukunft  diese  Untersuchung  selbst 
einmal  ausführen,  und  wenn  ich  hier  wieder  zu  anhaltenden  Beobb.  am 
Meridiankreise  komme,  die  eigene  Bewegung  dieser  und  anderer  Sterne 
zu  einem  besonderen  Gegenstande  machen  (wie  ich  es  im  Jahre  1820 
schon  bei  vielen  gethan  habe). 

Der  Apparat  zu  meinem  grossen  Heliotrop  wird  bald  fertig  sein, 
und  ich  bin  sehr  neugierig  auf  die  ersten  Versuche  damit.  Der  Spiegel 
hat  145  Quadratzoll  Par.  Fläche,  also  58 mal  so  viel  wie  der  älteste 
oder  23  mal  so  viel  wie  der  zweite.  Die  Berichtigungen  werden  sehr 
einfach  sein. 

Zach's  Polyeder  können  wohl  auf  nur  etwas  bedeutende  Entfernung 
zu  gar  nichts  führen.  Bei  einer  Drehung  eines  solchen  Polyeders, 
wenn  die  Anzahl  der  Flächen  nicht  sehr  gross  ist,  und  bei  einer  genau 
ruhenden  Axe  ist  der  Fall  sehr  leicht  denkbar,  dass  gar  kein  Licht 
nach  einem  bestimmten  Punkte  kommt,  immer  aber  nur  ein  sehr 
schwaches,  wenn  nicht  das  Polyeder  ungeheuer  gross  ist.  Dann  aber 
wäre  es  am  besten,  eine  Kugel  zu  nehmen,  wie  in  der  That  vergoldete 
Thurmknöpfe  selbst  in  der  Entfernung  von  einigen  ]\Ieilen  ein  sicht- 
bares Heliotroplicht  geben,  welches  aber  schon  wegen  der  excentrischen 
Phase  die  Brauchbarkeit  verliert.  Dass  Zach's  Uebersetzung  des  Auf- 
satzes aus  den  G.G.A.^)  auch  in  den  anderen  Punkten,  die  er  de  siio 

^)  Die  erste  öffentliche  Mittheilung  Gauss'  über  den  Heliotro))  in  den  Götf.  Gel. 
Anz.  No.  126,  1821  Aug.  9,  Gauss'  Werke  l^d.  IX,  S.  461  ff.     Naoh  Brief  No.  123  im 


Giinss  an  Olhers.     (Jilttiiiirt'ii.  IS'2'2  .Taininr  29.  \Q{ 

hinzugesetzt  hat,  naiiieiitlich  bei  der  Anwendung:  des  Sextanten,   jiTobe 
rngrereimtheiten  cntluilt.  werden  Sie  selbst  bemerkt  ha])en. 

Wenn  man  die  Ht:'li(iti()i)si)iejrel  nicht  phin,  sondern  sphärisch,  abci- 
von  grossem  Halbmesser,  d.  i.  sehr  tlach  —  gleichviel  ob  konvex  oder 
konkav  —  nähme,  so  hätte  man,  insofern  man  einigen  I-richt Verlust 
und  einige  Kxcentricität  nicht  achtete,  den  Vortheil.  niclit  so  oft  neu 
stellen  zu  müssen.  Etwas  der  Art  hat  man  schon  an  und  für  sich 
durch  die  UnvoUkommenheit  der  Planspiegel,  und  P^ncke's  Sextantenlicht 
hatte  öfters  eine  merklich  grössere  Dauei-.  als  es  nach  dem  O  Durcli- 
niesser  von  einem  vollkommenen  Planspiegel  möglich  gewesen  wäre,  natür- 
lich zu  Auf  am:-  und   Knde  schwächer  als  bei  vollem  Licht. 


Nn  440.  Gauss  an  Olbers.')  [204 

Göttingen,  1822  Januar  29. 

Fast  muss  ich  mich  schämen,  Sie  so  oft  mit  meinem  Geplauder 
übei'  die  eigene  Bewegung  der  Fixsterne  zu  ermüden,  aber  noch  einmal 
nniss  ich  Ihre  Nachsicht  in  Anspruch  nehmen  und  eine  Unrichtigkeit 
in  meinem  letzten  Briefe  verbessern. 

Bei  dem  Princip  nämlich,  die  beobachteten  eigenen  Bewegungen  mit 
dem  absolut  geringsten  Aufwände  wahrer  eigener  Bewegung  der  Sterne 
selbst    zu    erklären,    muss,    wenn    S 

einen  Stern,  P  den  Punkt,  von  dem  ,-''\ 

die  Sonne  wegrückt,    SQ   die   beob-  ,,---''' 

achtete  Richtung  der  eigenen  Bew^e- 

gung,   PQ  ein  Perpendikel   auf   SQ     ^^ )^ 

bedeuten,    nicht   Z^mQP^-\-n    ein  j-'ii>-.  9. 

Minimum  werden,  sondern  2^  sin  Q P- 

4- -^"  sin  >S'P^,  wo  der  erste  Theil  für  die  Sterne  gilt,  bei  denen  S  spitz, 

dei-  zweite,  wo  es  stumpf  ist. 

Die  genauere  Prüfung  des  berechneten  P  meines  letzten  Briefes  hat 
ergeben,  dass  nicht  12,  sondern  13  Sterne  sich  von  diesem  Punkte  ent- 
fernen, dass  man  aber  zwei  abhandeln  kann,  wenn  man  Pin  das  Viereck^) 


Briefwechsel  Gauss-Schusiachkr  sah  sich  Gauss  zu  dieser  vorzeitigen  Veröffentlichung- 
irenöthigt,  um  falschen  Berichten  über  den  Heliotrop  zuvorzukommen.     Krm. 

\)  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krm. 

■-)  Dieses  Resultat  als  von  Gauss  im  Jahre  1828  an  A.  v.  Humboldt  mitgetheilt, 
erwähnt  Encke  in  den  A.  2s.  No.  628  (1848)  in  einer  Besprechung  von  Struve's 
Etudes  d'astronomie  stellaire,  vergi.  Brief  No.  1201  im  Briefwechsel  Gauss-Schumacher. 
An  Bessel  hat  Gauss  über  diese  Rechnungen  einiges  im  Brief  No.  135  (1822  Nov.  15) 

Olbers.     II,  2.  11 


IQ2  Gauss  an  Olbers.  Göttingen,  1822  Januar  29. 

setzt,  wo   ^  und   Dekl.   der  vier   Ecken  diese   sind  ffür /» 

1777ii: 

78°  40'  —  30°  40'                          ^^  /       auf  der 

78  42  —  30  57                    ^^      /         äusseren 


79  13       —  31     9  ^  /  H[inimels]- 

80  4       —  30  32  \  /  K[ugell 

Fig.  10. 

Weniger  als  11  Sterne  scheinen  sich  von  keinem  Punkte  der  Him- 
melskugel zu  entfernen.  Jene  11  sind:  w  Herculis.  ^2>yirginis.  y  Dra- 
conis,  z  Sagittae,  h^  Cygni,  54  Piscium,  o  Draccniis,  ß  Virginis,  e  Eridani, 
6  Eridani,  7  Ceti. 

Uebrigens  ist  die  Methode  meines  letzten  Briefes  noch  grosser  Ver- 
vollkommnung fähig,  wodurch  sie  wohl  am  Ende  die  echte  und  am 
ungezwungendsten  mit  der  Wahrscheinlichkeitsrechnung  zu  verknüf^fendf 
sein  wird.  Zugleich  empfiehlt  sie  sich  dann  durch  ihre  gi'osse  Einfach- 
heit.    Das  Wesentliche  wäre  folgendes: 

Es  seien  x,  y,  z  die  drei  Koordinaten  des  Punktes  P  auf  der  Kugel- 
fläclie  (also  xx-\-yy-\-zz='i)\  ferner  seien  a,  h,  c  die  Koordinaten 
eines  Sternes  und  A,  B,  C  die  Koordinaten  des  in  der  Richtung  der 
beobachteten  eigenen  Bewegung  90°  vom  Sterne  entfernten  Punkte> 
(alle  6  auf  der  Kugelfläche).    ^lan  bestimme  |,  ?;,  C  aus  den  Gleichungen 

2'J.  =  |2'(66-[-cc')  —  rjSah  —  ^Zac 
IB  =  —  iZah  -f  iiZiaa^cc)  —  C^bc 
IC  =—-^Zac  —  r)  Ih  c-\-^I{aa  +  h  b). 

Sodann  hat  man: 


x^ 


V(ll  +  ^^  +  CC)  V{^$-\-vv  +  CO 

z  ^ 

"V  u'^"  — ';';  — s'^"; 

Wären  alle  Sterne,  deren  Anzahl  =  m.  gleichförmig  auf  der  H^im 
melsjkugel  vertheilt,  so  würde 


des  Briefwechsels  mitgetheilt.  Es  scheint  dies  alles  zu  sein,  was  von  den  umfanir- 
reichen  Entwicklungen  und  Rechnungen  Gauss'  über  die  Bewegung  unseres  Sonnen- 
systems, die  nach  Hrn.  Brendel  einen  ganzen  Band  im  GACSS-Archiv  füllen,  bisher 
bekannt  geworden  ist.  Die  Veröffentlichung  des  Materiales  soll  in  Bd.  X  der  Werke 
noch  erfolgen.    Krm. 

*)  Die  hier  stehende  Wortahkürzung  ist  unleserlich.     Krm. 


(Täiuss  an  Olljirs.     (.iüttiiigcu,  1S'_'2  Jauuar  29.  j^ßQ 

2La  h  =  Zac=-  Zh  r  =^  0     und 

o 

o 

werden,  und  dann  der  IMuikt  P  so  kommen,  wie  ihn  die  Methode  meines 
letzten  Briefes  ^iebt,  w^elche  schlechtweg  ^Ä,  2^B,  ZC  den  .r,  ?/,  z 
Iiroi)ortional  setzt;  allein  diese  Voraussetzung:  ist  schon  deswegen  nicht 
erlaubt,  weil  unser  Katalog  die  südlichen  in  Kuropa  unsichtbaren 
Sterne  nicht  mitenthält,  auch  bei  denjenigen,  die  ^venig  über  unseren 
Horizont  kommen,  verhältnissmässig  zu  dürftig  sein  mag.  Mein  Sohn  soll 
nach  und  nach  zu  seiner  Uebung  die  sechs  Summen  Z{hh-\-cc)  etc. 
berechnen,  und  dann  werde  ich,  da  ich  ZA,  ZB,  ZC  schon  habe,   das 

liVsultat    nochmals   verbessern.     Der   Quotient    ^    ~-       '' ''        -'   wird 

)n 

dann  zugleich  die  mittlere  Geschwindigkeit  der  Fixsterne  mit  der  un- 
serer Sonne  zu  vergleichen  dienen. 

Ich  habe  jetzt  alle  kleinen  Eeduktionen  meiner  bisherigen  Haupt- 
winkel berechnet  und  finde  den  Fehler  der  Summe  der  drei  ^^^inkel 

I.  Sternwarte,  Merid.-Zfeichen],  Hohehagen  ...  —  1",44 

I[.  Merid.-Z.,  Hils,  Hohehagen +  0",85 

TU.  Hohehagen,  Hils,  Brocken -f  3",69 

IV.  Hohehagen,  Brocken,  Inselsberg — 9^56 

Die  Ursache,  welche  die  Winkelmessung  des  Dreiecks  III  weniger 
zuverlässig  machte,  als  ich  gewünscht,  habe  ich  Ihnen  schon  früher 
erzählt.  Das  4.  Dreieck  sollte  eigentlich  gar  nicht  mit  in  Eechnung 
kommen,  da  mein  Winkel  auf  dem  Brocken  nur  höchst  kümmerlich 
beobachtet  und  ganz  auszuschliessen  ist.  Aber  auch  dem  AMnkel  auf 
dem  Inselsberge,  der  aus  zweien,  Hohehagen-Struth  und  Struth-Brocken, 
zusammengesetzt  ist,  traue  ich  nicht.  Der  erste  Theil  ist  von  Kncke 
beobachtet,  der  zweite  gründet  sich  hauptsächlich  auf  die  preussischen 
Messungen.  Aber  gan^  unter  uns,  ich  habe  mehrere  Ursachen  zu 
argwöhnen,  dass  diese  Messungen  nicht  durchaus  so  scharf  sind,  als 
man  nach  der  immer  so  geringen  Abweichung  der  Summe  der  3  Winkel 
erwarten  sollte,  und  dass  [diese]  vielleicht  doch  geiuählt  ist,  einen 
solchen  Schluss  hervorzubringen.  Ich  habe  dieser  Tage  die  drei  Dreiecke 
BES,  SEI,  BEI,^)  wovon  das  letztere  ein  Prüfungsdreieck  ist,  auf  das 
Schärfste  diskutirt  und  gefunden,  dass,  um  diese  drei  Dreiecke  zu  ver- 
einigen, an  die  angesetzten  ^^'inkel  die  Korrektionen 


')  BES  =  Brocken,  Ettersberg,  Stmtli;  SEI  =  Struth,  Ettersberg,  Inselsberg; 
BEI  =  Brocken,  Ettersberg,  Inselsberg.     Krm. 

11* 


1(34  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1822  Januar  29. 


EBS  .    . 

.    —2",  108 

BEI.    . 

.    +0,691 

EBI  .    . 

.    -j- 1,791 

lES   .    . 

.     —0,374 

BSE.    . 

.     +1,892 

BIE  .    . 

.    —3,320 

ESI  .    . 
BES  .    . 

.    —  0,770 
•    +1,145 

EIS  .    . 

.    + 1,503 

angebracht  werden  müssen,  wenn  die  Summe  der  Quadrate  der  Korrek- 
tionen ein  Minimum  werden  soll.  Diese  Summe  ist  =  27",04,  und  nach 
den  in  meiner  (nocli  nicht  gedruckten)  Abhandlung  über  die  Wahr- 
scheinlichkeits- Rechnung \)  entwickelten  Principien  wäre  der  mittlere 
Fehler  solcher  Beobb. 


—  \  9_4"~"  ' 


und  der  mittlere  Fehler  der  Summe  dreier  ^\'inkel 

=  2",3xV3  =  4",0. 

Mit  der  blossen  Prüfung  durch  die  Summe  der  drei  "Winkel,  die 
ä  la  portSe  von  jedermann  ist,  ist  es  wohl  eine  etwas  verführerische 
Sache;  man  sollte  immer  häufig  Durchschläge  von  kreuzenden  Drei- 
ecken machen,  wo  die  Prüfung  etwas  schwieriger  und  das  Nachhelfen 
nicht  jedermann  glücken  kann.  Ich  muss  noch  hinzusetzen,  dass,  wenn 
nun  der  Winkel  SIB  nicht  so,  wie  ihn  Encke  angenommen,  sondern 
wie  er  nun  aus  diesem  Sj'stem  der  drei  Dreiecke  verbessert  hervor- 
geht, gebraucht  [wird],  der  Fehler  meines  obigen  IV.  Dreiecks  4" 
kleiner  wird.  Wenn  von  den  übrigbleibenden  ö"\  Encke  bei  dem 
Winkel  Hohehagen,  Inselsberg,  Struth  1"),  und  ich  bei  dem  Winkel 
Brocken,  Hohehagen,  Inselsberg  1"  auf  uns  nehmen,  so  bleibt  doch  für 
den  Winkel  auf  dem  Brocken  nur  ein  Fehler  von  3"  übrig,  der  unter 
den  obwaltejiden  Umständen  mich  nicht  befremdet. 

Mein  grosser  quadratfüssiger  Heliotrop  ist  noch  immer  nicht  fertig. 
Ich  gehe  noch  mit  der  Idee  um,  einen  Sjtiegel  zu  einem  einfachen 
Heliotrop  einzurichten,  der  an  meinen  Theodolithen  angebracht  werden 
kann.  Der  Heliotrop  der  zweiten  Konstruktion  kann  ganz  leicht  auf 
einen  Theodolithen  nach  Trocghtox's  Konstruktion  applicirt  werden, 
allenfalls  auch  der  erste.  Dies  hätte  den  unschätzbaren  Vortheil.  dass 
man  Licht  einem  Orte  zusenden  kann,  dessen  KMclitung  man  nur  durch 
Rechnung  kennt,  ohne  ihn  selbst  zu  sehen.  Em  z.  B.  vom  Brocken 
nach  der  Seeberger  Sternwarte  oder  nach  Hannover  etc.  Licht  zu 
werfen,  wäre  dies  fast  das  einzige  Mittel,  insofern  mau  nicht  durch 
einen  Gegen-Heliotrop  vom  Orte  her  schon  die  Richtung  erhält. 


^)  Siehe  Anmerkuiii;-  auf  S.  68.     Kiui. 


Olbers  an  Gauss.     IJreimii,   1>«2'J  Itlmiar  J.  |65 

Ihre  in  eiiuMu  früheren  Briefe*)  is^eäusserte  Idee,  die  Anonuilicn 
der  Krdobertiäfhe  durch  paarweise  mit  dem  Sektor  zu  machende  Beobb. 
zu  prüfen,  ist  gewiss  vortreiflicli,  allein  sehr  kostspielig-,  wenn  jedesmal 
ein  besonderes  Observatorium  gebaut  werden  muss.  Das  Zelt,  welches 
sehr  abgenutzt  war,  habe  ich  nicht  mitübernommen.  Ich  sollte  glauben, 
man  müsste  diese  Anomalien  jetzt  ebenso  scharf  (wo  nicht  schärfer) 
durch  Längenditf'erenzen  erhalten  können,  nur  müssen  diese  nicht  auf 
Zeitbestimmung,  sondern  auf  beobachtete  Richtung  der  Mittagslinie  ge- 
gründet sein,  welches  vielleicht  mit  dem  Stutzschwanz  bis  auf  l'M 
genau  geschehen  kann,  wenn  man  die  Beobb.  gehörig  vervielfältigt  und 
die  gehörige  Vorsicht  anwendet. 

Die  Meridiane  der  Göttingei-  und  Gothaer  Sternwarte  scheineji 
wirklich  etwas  von  einander  abzuweichen,  welches  selbst  trotz  des 
schlechten  Dreiecks  Brocken,  Hohehagen,  Inselsberg  noch  erkennbar 
scheint.  Meinen  eigenen  Meridian  (durch  [das]  Mittagsfernrohr)  glaube 
ich  auf  die  Sekunde  zu  haben.  Doch  müsste  man  vollständige  Kenntniss 
vom  Detail  der  Zwischenwinkel  und  der  Bestimmung  des  Seeberger 
Meridians  selbst  haben,  um  darüber  urtheilen  zu  können.  Insofern 
die  Erde  kein  Ellipsoid  und  also  ohne  Zweifel  auch  kein  Kevolutions- 
körper  ist,  muss  man  streng  genommen  die  Oerter,  die  mit  einem  Orte 
gleiche  Länge  haben,  von  denen  unterscheiden,  die  in  seiner  Mittags- 
linie liegen.  Gleiche  Länge  haben  die,  deren  Vertikalen  mit  einer 
Vertikalfläche  durch  die  Erdaxe  parallel  sind,  ohne  dass  sie  in  dieser 
Ebene  selbst  zu  liegen  brauchen.  Ich  meine,  La  Place  hat  auch  schon 
diese  Distinktion  gemacht. 


Nu  441.  Olbers  an  Gauss.  [237 

Bremen,  1822  Februar  2, 

Sie  haben  mir  durch  Ihre  3  letzten  Briefe  eine  sehr  grosse  Freude 
gemacht.  Ich  habe  sie  mit  ebenso  viel  Interesse  als  Belehrung  ge- 
lesen, und  es  ist  mir  äusserst  angenehm,  Sie  gewissermaassen  zur  Unter- 
suchung dieser  so  wichtigen  Materie  veranlasst  zu  haben.  Nach  der 
letzten  Modifikation  Ihrer  Methode  scheint  mir  nichts  mehr  zu  wünschen 
übrig,  sow^ohl  was  die  Leichtigkeit  der  Rechnung  als  die  zu  erreichende 
Sicherheit  des  Resultats  betrifft.  Ich  hoffe,  Sie  werden  uns  auf  alle 
Fälle  diese  Untersuchungen  gedruckt  geben,  wenn  auch,  wie  ich  doch 
jetzt  kaum  glaube,  auf  die  Preisfrage  der  Societät  eine  nicht  unwürdige 
Abhandlung  eingehen  sollte.     Sie  werden   diese  Untersuchungen   viel- 


1)  Brief  No.  482,  1821  Okt.  11.     Kriii. 


IßQ  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1822  Februar  2. 

leicht  als  ein  Beispiel  mit  Ihrer  so  sehnlich  erwarteten  neuen  Dar- 
stellung der  Wahrscheinlichkeitsrechnung-  in  Verbindung  bringen  können. 

Herschel  scheint  doch  in  seiner  zweiten  Abhandlung^)  über  die 
eigene  Bewegung  unserer  Sonne  eine  ähnliche  Idee  mit  der,  worauf 
Ihre  erste  Methode  gegründet  war,  vorgeschwebt  zu  haben,  nur  miss- 
lang freilich  die  Ausführung.  Ueberhaupt  halte  ich  den  alten  Heeschel 
für  einen  guten  mathematischen  Kopf,  dem  es  aber  gar  zu  sehr  an 
aUer  wissenschaftlichen  Ausbildung  fehlte.  Seine  so  zu  sagen  natür- 
liche Mathematik  leitete  ihn  meistentheils  richtig. 

Gern  würde  ich  Ihrem  Hrn.  Sohn  meine  Hülfe  anbieten  und  einen 
Theil  der  zur  Formirung  der  (3  Summen  2'(66 -|- c(^)  ^tc.  nöthigen  Eech- 
nungen  übernehmen,  wenn  ich  nicht  gerade  jetzt  anderweitig  beschäf- 
tigt wäre.  Auf  Schumachee's  Antrieb  nämlich  trage  ich  eine  neue 
Tafel  aller  bisher  berechneten  Kometen-)  zusammen,  die,  da  ich  gern 
etAvas  Korrektes  liefern  wollte,  mir  mehr  Mühe  macht,  als  ich  an- 
fangs geglaubt  hatte.  In  Delambre's^)  Tafel  sind  viele  Fehler  aus- 
zumerzen, über  30  neue  oder  verbesserte  Kometenbahnen  einzuschalten 
und  dann  die  Bahnen  der  8  seit  1813  erschienenen  Kometen  hinzu- 
zufügen. Bei  sehr  vielen  (so  bei  mehreren  der  schon  von  Delambre 
gegebenen)  Koraetenbahnen  wird  noch  eine  kleine  Rechnung  erfordert, 
um  sie  der  Tafel  anzupassen,  da  bei  allen  elliptischen  und  hyper- 
bolischen Kometenbahnen,  deren  Zahl  jetzt  schon  sehr  beträchtlich  ist, 
ausser  der  distantia  perihelii  auch  die  Excentricität  angegeben  werden 
muss.  —  Mit  dem  schwierigsten  und  unangenehmsten  Theil,  der  Auf- 
suchung der  Fehler,  bin  ich  indessen  schon  fertig. 

Was  Sie  mir  Ihre  Gradmessung  Betreffendes  gemeldet  haben ,  hat 
mich,  wie  Sie  leicht  denken  können,  sehr  interessirt.  Ich  habe  gehört, 
MüFPLiNG  sei  mit  einigen  seiner  Dreiecke  zwischen  dem  Khein  und 
Seeberg   nicht   zufrieden   und  wolle  die  Messung  wiederholen.     Haben 


^)  On  the  (lirection  and  velocity  of  the  sun  and  solar  System.  Phil.  Trausact. 
o£  the  R.  Society  of  London.    1805.     Krm. 

^)  Auch  Bessel  hatte  Olbers  aufgefordert,  eine  his  auf  die  damalige  Zeit  aus- 
gedehnte Kometographie  auszuarbeiten.  Briefwechsel  Olbers-Bessel  No.  294  u.  295. 
Auf  erneute  Aufforderung  von  Schumacher  und  Young  stellte  Olbers  auf  Grund 
seines  schon  früher  gesammelten  Materiales  Nachträge  und  Ergänzungen  zu  De- 
lambre's  Tafel  zusammen,  die  dann  von  Schumacher  weiter  bearbeitet  wurden. 
Näheres  über  die  Bearbeitung  steht  in  dem  bisher  nicht  veröffentlichten  Briefwechsel 
Olbers -Schumacher,  Brief  v.  6.  Jan.,  4.  u.  14.  Febr.  1^^22  und  1.  Aug.  1825  an 
Schumacher.  Diese  Tafel  findet  sich  in  Schümacher's  Astron.  Abhandl..  Heft  1  il823'> 
unter  AV.  Olbers  (u.  H.  0.  Schumacher),  Yerzeichniss  aller  bisher  berechneten  Ko- 
metenbahnen; fenier  W.  Olbers,  Zusätze  und  Verbesserungen  zu  dem  Verzeichnisse 
aller  bisher  berechneten  Kometenbahnen,  daselbst,  Heft  3  (_  18251     Krni. 

•')  Von  Delambre  im  3.  Bde.  seiner  Astronomie  theorique  et  pratiyue  (Paris 
1814)  gegeben,  umfasst  die  Kometen  der  Jalire  240—1813.     Krm. 


Olbers  an  (iauss.     IJreiiieii,  1822  Fel>niar  2.  1(57 

JSie  etwas  davuii  g-fliün ?  —  icl»  bi'daui're,  diiss  .Sie,  u-<-)ni  sie  kän(t'u/en 
Sammer  die  Mess^iny  noch  fortsetzen,  doch  die  Brock enstation  noch 
einmal  besuclien  werden  niiissen,  hotte  indessen,  dass  Sie  auf  alle  Fälle 
in  Ihren  Operationen  dann  so  weit  fortrücken  werden,  um  mehr  in 
unsere  Nähe  zu  kommen,  so  dass  ich  mii-  mit  dem  angenehmen  Ge- 
danken im  voraus  Freude  mache,  Sie  wahrscheinlich  auf  irg-end  eine 
Art  im  \'eilauf  dieses  Jahres  i>ersönlich  zu  sehen. 

Allerdings  habe  ich  das,  was  v.  Zacu  über  Ihren  Heliotrop 
schwatzt,  mit  Missfallen  gelesen.  Ueberhaupt  kann  ich  sein  immer 
nudir  überhandnehmendes  Vornehmthun  und  Schwadroniren  nicht 
leiden.  —  Die  versprochenen  Reclmungsresultate  über  die  O  Finsterniss 
\o\\\  7.  Sept.  wird  er  uns  wohl  nicht  geben,  da  höchst  wahrscheinlich 
seine  eigene  Beob.  zu  Bologna  so  fehlerhaft  ist.  —  Ganz  sehe  ich  die 
grossen  Vortheile  davon  ein,  wenn  Sie  es  möglich  machen  können,  die 
herrliche  Idee  Ihres  Heliotroi)s  an  einem  Theodolithen   anzubringen. 

Es  bleibt  immer  schade,  dass  das  paarweise  Beobachten  der  Breiten 
an  (>  Punkten  des  gemessenen  ]\Ieridianbogens  wegen  des  zu  grossen  Auf- 
wandes an  Geld  und  Zeit  unthunlich  wird.  Die  aus  der  beobachteten 
Richtung  der  Mittagslinie  und  den  Dreiecken  hergeleiteten  Längen- 
ditferenzen  werden  uns  freilich  die  Abweichung  der  Figur  der  Erde  von 
einem  Revolutions-P^llipsoid  geben  —  und  dies  ist  allerdings  das  Wich- 
tigste — ,  aber  über  den  so  oft  vermutheten  Einfluss  der  Lokalanziehung 
doch  wohl  nicht  völlig  belehren  können.  Bleibt  nicht  dann  noch  die  abso- 
lute Grösse  des  gemessenen  Meridianbogens  immer  etwas  zweifelhaft? 

Das  Wetter  scheint  jetzt  etwas  besser  zu  werden,  was  mir  um  so 
mehr  lieb  ist,  da  hoffentlich  nun  Ihr  Sektor  aufgestellt  sein  wird.  Ich 
bin  äusserst  neugierig  auf  Ihre  Göttinger  Beobb.  mit  diesem  Instru- 
ment, und  inwiefern  er  mehr  oder  weniger  mit  Ihren  Reicjienbach- 
schen  und  REPsoLD'schen  Meridiankreisen  übereinstimmen  wird.  —  Wo 
ich  nicht  irre,  ist  Teoughton  nicht  ganz  mit  der  Konstruktion  des 
Sektors  zufrieden  und  glaubt,  dass  die  RAMSDON'sche  Einrichtung  doch 
eine  ünvollkommenheit  haben  müsse. 

Endlich  habe  ich  die  Freude,  dass  mein  Sohn  sich  verheirathen 
wird.  Ich  hatte  ihm  öfters  meinen  Wunsch,  ihn  verheirathet  zu  sehen, 
geäussert,  ohne  seine  AVahl  im  Geringsten  bestimmen  oder  einschränken 
zu  wollen.  Mich  befremdete  seine  Gleichgültigkeit  gegen  alle  unsere 
jungen  Frauenzimmer,  da  ich  nicht  wusste,  dass  seine  Neigung  schon 
auswärts  gefesselt  war.  Der  verschwiegene  Liebende  hat  sich  nun  er- 
klärt.    Seine  Braut ^=)  ist  ein  Fräulein  v.  Dinklage,  eine  Tochter  des 


*)   Aus   dem  späteren  Briefe   vom  16.  Mai   erfuhr  ich,    dass  diese  Versprechung 
wieder  rückiifäng-ig  geworden.    Nachrichten  über  die  späteren  Lebensjahre  dieses  inter- 


168  Gauss  an  Olljers.     Göttingen,  1822  Februar  11. 

längst  verstorbenen  Obersten  dieses  Namens.  Ich  kenne  dieses  junge 
Frauenzimmer  noch  gar  niclit,  höre  aber  so  viel  Gutes  von  ihr  und 
finde  auch  alle  übrigen  Umstände  so  vortheilhaft,  dass  ich  diese  bevor- 
stehende Verbindung  sowohl  für  ihn  als  auch  für  mich  als  ein  grosses 
Glück  betrachte.  Hoffentlich  wird  das  künftige  junge  Paar  bei  mir 
wohnen  bleiben  und  so  mein  einsames  Alter  erheitern.  So  sehr  mein 
guter  Sohn  sich  bisher  meines  Hauswesens  auch  angenommen  hat,  so 
ist  es  doch  ganz  etwas  anderes,  wenn  wieder  ein  weibliches  Wesen  darin 
schalten  und  walten  wird. 

Ihr  hartnäckiger  Husten  hat  micli  bekümmert,  lieber  Gauss,  in 
Ihrem  letzten  Briefe  erwähnen  Sie  nichts  weiter  davon;  darf  ich  hoffen, 
dass  er  sich  gebessert  hat?  —  Auch  von  Ihren  lieben  Kindern  wünsche 
ich  eine  baldige  Wiederherstellung,  nur  will  leider  der  Keuchhusten, 
zwar  selten  gefährlich,  doch  gewöhnlich  seine  hartnäckige  Dauer  trotz 
aller  Bemühung  des  Arztes  behaupten.  —  Sagen  Sie  mir  ja  etwas  über 
Ihre  Gesundheit,  liebster  Freund,  in  Ihrem  nächsten  Briefe. 

Nun  können  auch  wohl  bald  Nachrichten  aus  Berlin  kommen. 
Mögen  diese  ganz  nach  Ihrem  und  meinem  Wunsche  ausfallen  I  Ge^Niss 
Averden  Sie  mir  dieselben  nicht  lange  vorenthalten. 

Der  ganze  Jan.  hatte  nur  einen  einzigen  massig  heiteren,  mond- 
losen Abend,  an  dem  wieder  vom  ENCKE'schen  Kometen  keine  Spur  zu 
sehen  war. 


No.  442.  Gauss  an  Olbers.')  [m 

Göttingen,  1822  Februar  11. 

Vor  allen  Dingen  meinen  herzlichsten  Glückwunsch  zu  der  bevor- 
stehenden Verbindung  Ihres  Hrn.  Sohnes.  Ich  denke  mir  mit  der 
lebendigsten  Theilnahme  Ihre  Vaterfreude  und  bin  überzeugt,  dass  nun 
ein  neues  glückliches  Leben  Ihr  Haus  erheitern  wird.  Wer  hätte  auch 
mehr  Ansprüche  darauf  als  Sie,  geliebter  Olbers! 

Von  meinem  hartnäckigen  Husten  bin  ich  jetzt  ziemlich  wieder 
frei;  meine  drei  jüngsten  Kinder,  obwohl  vieles  besser  als  fi'üher,  dürfen 
doch  noch  immer  das  Zimmer  nicht  verlassen. 

Von  B[erlin]  habe  ich  noch  immer  nichts  weiter  gehört  und  fange  an 
zu  vermuthen,  dass  sich  Anstösse  gefunden  haben.   Glauben  Sie  aber  ja 


essanten  Frauenzimmers,  Charlotte  v.  Dinkl.a.ge,  die,  etwa  1802  geboren,  am  11.  Nov. 
1841   in   Kairo   ihren  Tod   fand,   liat  Burdach  in  seiner  eigenen  Biographie  (Leipzig 
1848)  S.  474  ff.  mitgetheilt.  [Eine  von  Gauss  in  späteren  Jahren  gemachte  Notiz.  Krni.] 
^)  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Güttingen,  1822  Februar  11.  1(39 

nicht,  tlieuer^ter  Freund,  das.'^  ich  bereue,  Ilirem  Rathe  o:efi)1.2:t  zu  .sein, 
der  gewis.<:  narh  nienschliciier  Klnj,^heit  der  beste  war;  und  ich  bin 
weit  entfernt,  die  Angemessenheit  eines  Schrittes  nach  dem  Erfolge  zu 
beurtheilen.  Ich  lerne  immer  mehr  aus  Erfahrung,  dass  nacli  dem  ge- 
wühnlichen  Laufe  der  Dinge  diejenigen  fast  immer  schlecht  fahren,  die 
da,  wo  es  gilt,  zu  bescheiden  sind. 

Den  ENCKE'schen  Kometen  habe  ich  einige  Abende  vergeblich  ge- 
sucht. Ich  lasse  dahingestellt  sein,  ob  i€h  [ihn]  nicht  doch  sehen  ktinnte, 
wenn  sein  Platz  genau  bekannt  wäre,  und  man  so  alle  Kraft  des  Auges 
auf  einen  bestimmten  Punkt  koncentriren  könnte;  aber  das  vage  Suchen 
möchte  schwerlich  gelingen.  Auch  bei  dem  Kometen  von  181')  kam 
es  im  Aug.  sehr  zu  statten,  dass  sein  Ort  mir  auf  die  Minute  im  voraus 
bekannt  war. 

Der  einfüssige  Spiegel  ist  vollendet,  und  ich  habe  ein  paar  ^'er- 
suche  auf  etwa  200(»  m  Entfernung  damit  gemacht;  das  Licht  ist 
überaus  prachtvoll.  Allein  es  hat  sich  ein  Umstand  hervorgethan,  der 
die  Brauchbarkeit  dieser  Aufstellung,  wie  sie  bis  jetzt  ist,  fast  ganz 
aufhebt.  Das  geringste  Lüftchen  wirkt  so  stark  auf  die  grosse  Fläche, 
dass  der  Spiegel  sich  gleich  verstellt,  und  bei  etwas  stärkerem  Winde 
treibt  er  gleich  einem  Windmühlenflügel  um.  Ohne  Hemmung  und 
vielleicht  ohne  feine  Bewegung  wird  er  schwerlich  zu  gebrauchen  sein. 
Ich  bin  nun  aber  seitdem  auf  eine  veränderte  Einrichtung  gekommen, 
wie  mit  einem  so  grossen  Spiegel  das  Licht  ebenso  genau,  ebenso  sicher 
und  ebenso  ununterbrochen  wie  mit  den  beiden  Heliotropen  gelenkt 
werden  kann,  deren  Beschreibung  aber  für  meinen  heutigen  Brief  zu 
weitläufig  sein  würde.  Zum  Telegraphiren  würde  ich  diese  neue  Ein- 
richtung für  die  allervortheilhafteste  halten,  da  die  Berichtigungen  des 
Apparats  ohne  Vergleich  einfacher  sind  als  bei  den  beiden  Heliotropen, 
und  von  jedermann  leicht  erlernt  werden  können.  Auch  für  das  Winkel- 
messen könnte  mau  einen  solchen  Apparat  anwenden  (doch  muss  dann 
der  grosse  Spiegel  sehr  vollkommen  sein),  wenn  man  nur  ein  Brett  mit 
einer  angemessenen  Oeffnung  vorsetzte,  so  dass  (abgerechnet  was  die 
Nähe  der  Sonne  zum  Horizont  am  Lichte  schwächt)  dieses  bei  jedem 
Auffall-AMnkel  gleiche  Stärke  behält.  Auch  scheint  mir,  dass  ein 
solcher  Apparat  viel  wohlfeiler  sein  würde  als  die  beiden  ersten  He- 
liotrope. 

Die  Richtung  mit  Hülfe  eines  Theodolithen  kann  auch  ohne 
Schwierigkeit  geschehen,  wenn  man  einen  grossen  Spiegel  hat.  Man 
darf  nur  das  Fernrohr  des  Theodolithen  durch  Azimuth  und  Höhe  in 
diejenige  Richtung  bringen,  welche  der  gewünschten  des  Lichtes  ent- 
gegengesetzt ist,  den  Spiegel  davorstellen,  so  lange  drehen,  bis  man  das 
daraus  reflektirte  Sonnenbild  auf  der  Gesichtslinie  des  Fernrohrs  hat, 


170 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1822  März  9. 


A 


und  dann  zurücktreten.  Zwischen  Fernrohr  und  dessen  Axe  und 
Stützen  geht  dann  noch  immer  Licht  genug  durch,  und  wenn  man  auch 
das  Licht  vom  Aetna  nach  Afrika  zu  schicken  hätte. 

Will  man  aber  beinahe  gar  kein  Licht  verlieren  und  auch  die 
Unterbrechung  vermeiden,  die  durch  das  Vortreten  des  Beobachters 
entsteht,  so  darf  man  nur  einige  Zoll  vor  dem  Objektiv  des  Fernrohrs 
einen  guten  Spiegel  in  einer  geneigten  Lage  anbringen,  wo  dann  durch 
eine   einfache    trigonometrische   Rechnung   leicht   ausgemittelt   werden 

kann,  wie  das  Fernrohr  zu  stellen  ist,  wenn  das 
Erscheinen  des  zweimal  reflektirten  Sonnen- 
lichts in  der  Gesichtslinie  das  Kriterium  der 
richtigen  Stellung  des  grossen  Spiegels  werden 
soll.  Die  zwei  in  diese  trigonometrische  Rech- 
nung entrirenden  Konstanten  findet  man 
durch  eine  Probe-Beob.,  indem  man  ein  helles 
Objekt  auf  der  Erde  einmal  direkt  mit  dem 
Theodolithen  beobachtet,  das  andere  Mal  durch 
einfache  Reflexion  aus  dem  kleinen  Spiegel. 
Die  einzige  Bedingung  bleibt  nur,  dass  dieser 
kleine  Spiegel  so  befestigt  werden  kann,  dass  man  sicher  ist,  er 
komme  genau  wieder  in  die  vorige  Lage,  wenn  er  weggenommen  oder 
zurückgeschlagen  gewesen  ist.  Allenfalls  könnte  man  ihn  auch  so 
klein  machen,  dass  er  nur  dem  halben  Objektiv  Licht  entzöge.  Für 
die  Probe-Beob.  wäre  Heliotroplicht  selbst  wieder  am  zweckmässigsten. 
So  scheint  die  Kunst,  das  Sonnenlicht  zu  lenken,  wohl  so  ziemlich 
zu  der  nöthigen  Vollkommenheit  gebracht  zu  sein. 


Fig.  11. 


No.  443. 


Olbers  an  Gauss. 


[238 


Bremen,  1822  März  9. 

Ihre  so  gütige  Theilnahme  an  dem  Glück  meines  Sohnes  war  mir 
sehr  angenehm.  Wirklich  verspreche  ich  mir  von  dieser  Verbindung 
noch  manche  Freude  auf  meine  alten  Tage.  Zwar  kenne  ich  die  künf- 
tige Gattin  meines  (leorg  nur  noch  aus  ihren  Briefen,  aber  diese  sind 
zugleich  so  herzlich  und  so  einfach,  dass  ioli  die  Briefstellerin  schon 
ganz  als  Tochter  mit  der  zärtlichsten  Vaterliebe  umfasse. 

Dass  von  B [erlin]  noch  nichts  eingegangen  ist,  tlmt  mir  sehr  leid; 
je  mehr  ich  aber  die  Sache  überlege,  desto  mehi-  scheint  es  mir,  so 
weit  ich  Ihre  jetzigen  VerhäUmsse  heurtheilen  kann,  doch  noch  immer, 
dass  Sie  ohne  eine  wirkliche.  r/ründUcJie  Verbesserung  Göttingen  nicht 


Olbers  an  (iauss.     lircmen,  18'2'2  März  9.  171 

verlassen  miisseii.  Da  -dWv,  weiii<;-.steiis  nach  Ihrem  letzten  Briefe,  auch 
noch  keine  negative  Kesulution  erfoloft  war,  so  sehe  icli  diese  Angelegen- 
heit noch  immer  als  ganz  unentschieden  an.  Dergleichen  Unter- 
handlungen werden  oft  in  Berlin  sehr  langweilig  zum  Kntschluss  ge- 
bi-acht.  und  noch  ein  anderer  Fieund  von  mir  erwartete  schon  gewiss 
im  Januar  eine  Krnennuug,*;  die  bis  jetzt  nicht  erfolgt  ist,  aber  docii 
wahrscheinlich  erfolgen  wird. 

Der  ENcKESche  Komet")  scheint  nirgends  aufgefunden  zu  sein. 
Im  Febr.  war  auch  die  Nähe  der  glänzenden  Venus  sehr  hinderlich. 

Sehr  dankbar  bin  ich  für  die  so  interessanten  Nachrichten  über 
den  Heliotrop.  Ich  liofte,  Sie  werden  uns  noch  mit  einer  eigenen  Ab- 
handlung über  diese  so  äusserst  wichtige  und  sinnreiche  Erfindung  be- 
schenken. 

Neugierig -sehe  ich  den  Versuchen  und  Beobb.  mit  dem  RAMSDON'schen 
Sektor  entgegen.  Aus  dem  4.  Theil  der  Base  [du  Systeme]  metr[iqiie] 
oder  dem  Werk  von  Biot  und  Arago  habe  ich  doch  so  viel  gesehen, 
dass  Biot  seine  ehemalige  4"  abweichende  Breitenbestimmung  von  Dün- 
kirchen einem  konstanten  Fehler  seines  Multiplikations-Kreises  zu- 
schreibt und  versichert,  die  neuere  französische  und  englische  Bestim- 
mung habe  genau  dasselbe  und  auch  gerade  das  gegeben,  was  Delambre 
dafür  festsetzte. 

'\^'ie  Zach  sich  bei  dem  heftigen  Angriff  von  Arago  in  den  Annalen 
der  Chemie  und  Physik  nehmen  wird,  soll  mich  verlangen.  Arago 
spricht  ihm  alle  Kenntniss  der  physischen  Astronomie  ab  und  verspricht 
zu  beweisen,  dass  Zach  auch  nicht  mal  die  sphärische  hinlänglich  ver- 
stehe u.  s.  w.  Ich  fürchte,  wir  werden  bei  dieser  P'ehde  noch  manche 
skandal(3sen  Anekdoten  erfahren. 

YouNG  hat  mii^  „Elementary  Illustrations  of  tlie  celestial  Mechanics 
of  La  Place.  Part,  th.e  first  comprehending  tlte  firsf  BooJi^^  geschickt. 
Mit  einigem  Befi^emden  findet  man  in  der  „Introdudion''^  eine  ganz  ele- 
mentare Mathematik,  die  mir  doch  bei  einem  solchen  Werke  von  La 
Place  ganz  unpassend  scheint. 

Am  Himmel  giebt  es,  so  viel  ich  weiss,  nichts  Neues.  Es  ist 
sonderbar,  dass  die  ScHUMACHER'schen  Astronomischen  Nachrichten  ge- 
rade in  einer  so  dürren  astronomischen  Zeit  anfangen. 


^)  Vergl  hierzu  Olbers'  Brief  von  1822  Juni  9,  No.  453.     Krni. 
-)  Siehe  auch  Olbers  Bd.  I,  No.  82.     Krra. 


172  öauss  an  Olbers.     [Göttiugeu,  1822  März  7—12.] 


No.  444.  Gauss  an  Olbers.')  [206 

[Göttingen,  1822  März  1—12.Y) 

Vielleicht  ist  es  Ihnen  nicht  uninteressant,  wenn  ich  Ihnen  nocli 
einige  Hauptresultate  meiner  in  den  letzten  Wochen  geführten  Rech- 
nungen, über  meine  Messungen  und  die  Fragmente,  welche  ich  von 
den  EpAiLLx'schen  besitze,  mittheile.  Ich  habe  aus  letzteren  die  Winkel 
der  Dreiecke  vom  Hercules  bis  Bentheim  so  ziemlicli  zusammen  bringen 
können,  wobei  nur  ungewiss  bleibt,  ob  es  die  Chordenwinkel  oder  die 
bloss  zu  180°  abgeglichenen  Horizontalwinkel  sind.  Ich  habe  das  letz- 
tere angenommen;  das  erstere  war  mir  deshalb  weniger  wahrschein- 
lich, weil  Epailly  öfters  Winkel  bloss  durch  Addiren  partieller  bildet. 
Diese  Winkel,  die  mir  von  Epailly  selbst  1805  kommunicirten,  auf  dem 
Andreasthurm  in  Braunschweig  zwischen  Söder,  Burgdorf,  Hannover  und 
Brocken  gemessenen,  dann  die  auf  dem  Hohehagen  von  mir  gemessene 
Richtung  zum  Hercules,  so  wie  die  vom  Brocken  nach  Braunschweig, 
setzten  mich  in  den  Stand,  Epaillt's  Dreiecke  an  meine  anzuschliessen. 
Die  Reclmungen  sind  von  mir  auf  das  Schärfste  nach  den  mir  eigen- 
thümlichen  Methoden  gemacht. 

Epailly  hat  aus  seinen  Dreiecken,  indem  er  von  der  Kkayen- 
Horr'schen  Seite  Bentheim -Kirchhesepe  ausgeht,  die  Längen  und 
Breiten  der  Punkte  bis  zum  Hercules  berechnet  mit  der  Abplattung 
-a.^-f  und  nach  der  Methode,  die  für  die  franz.  Ingenieure  von  Sanson 
gedruckt  vorgeschrieben  ist. 

Er  findet  für  Holiehagen: 

Breite 51<'28'26",032 

Länge 7  25  54,36  von  Paris 

Azimuth  des  Hercules  .    .    55  51  43,204 

Ich  aus  meinen  Dreiecken  (Polhöhe  der  Gott.  Sternw.  r)i0  3r4S".7 
angenommen) : 

[Breite] 51«28'81",913 

[Länge] 0  10  45,149  [von  Göttingen] 

[Azimuth  des  Hercules]  .    .    55  51  15,449 

Das  Azimuth,  welches   mit   einer   wahrscheinlich   zu   kleinen   Ab- 
plattung von  Dünkirchen  her  übertragen  war,  ist  also  27",755  zu  gross. 
Ich  habe  daher  jene  EpAiLLY'schen  Dreiecke  rückwärts  aus  meinen 


^)  Dieser  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krni. 
-)  Das  Datum  dieses  Briefes  muss   nach  dem  t^chlusse  dieses  luul  diiu  Anfange 
des  folgenden  Briefes  wie  angegeben  lauten.     8ch. 


Gauss  an  Olbeis.     [CTÖttiiiiron.  18-22  März  7— 12.]  173 

Bestiniimiiiireu  neu  iiiul  soi-fiffältigst  beieclinet,  so  wie  meine  ei^^enen  und 
einige  MüFi'LiNG'sclie  Punkte.  Tcli  setze  daraus  einige  Resultate  liier  her: 


Seeberg   .    . 

Göttingen 

Brocken  .    . 

liraunscliweig 

Hannover 

Celle    .    .    . 

Kirehhesepe 


50" ö6'    t3".57t;       ;    ()°47'    9",196 

51  81  48,700  0 

:.l  48     2,532  +  0  40  22,932 

52  16  10,819  +  0  34  37,801 
52  22  25,069  —  0  12  28,398 
52  37  44,0  +09  46,2 


52  37  36,216       —  2  42  26,305 

Es  ergeben  sich  daraus  \erschiedene  interessante  Resultate. 
Kirchhesepe  setzt  Keayenhoff 

52«'37'32",212,       4»54'9",224  von  Paris. 

Die  Breite  differirt  4";  die  Länge  beibehalten  würde  Paris 
7''36'35",529  westl.  von  Göttingen  =  30'"  26^37;  von  Seeberg  8<'23'44",725 
=  33'"  34^,982  liegen.   Dies  Resultat  würde  noch  einige  Bogensekunden 

kleiner,  wenn  man  mit  der  Abplattung  w?\or^  ^^^  ^^'^  gebraucht  habe, 

bis   Dünkirchen    weiter   ginge   (welche  Rechnung   ich   jedoch   nur   mit 
5  Decimalen  nach  einer  anderen  Methode  früher  geführt  hatte). 

Den  Logarithmen  der  Seite  Kirchhesepe-Bentheim  in  Toisen  finde  ich 
4,2701090  (eigentl.  aus  der  Seeberger  Basis), 
Krayenhoff     4,2701185  (aus  der  Basis  von  Melun). 

Das  Azimuth  der  Seite  finde  ich 

8°  34'  47",477  (auf  meine  eigene  Orientirung  gegründet). 
Keatenhoff  8°  34'  54",079  (auf  Delambee's  Beob.  in  Dünkirchen). 

Der  Unterschied  von  28"  beim  Hohehagen  zwischen  Epailly  und 
mir  ist  also  inzwischen  auf  6",6  vermindert.  Ob  die  21"  Unterschied 
mehr  auf  der  geringeren  Abplattung,  oder  der  weniger  genauen  Rech- 
nungsmethode, oder  auf  Rechnungsfehlern  beruhen,  kann  ich  nicht  sagen. 

Ich  hätte  nun  wohl  mit  meinem  Azimuth,  meiner  Distanz  und 
obiger  Abplattung  die  KRAYENHOFF'schen  Dreiecke  um  die  NW-Grenze 
des  Königreichs  Hannover  bis  Westerstede  berechnen  wollen,  allein  die 
Arbeit  würde  zu  viel  Zeit  kosten.  Ich  habe  mich  begnügt,  aus  Keayen- 
hoff's  Länge  und  Breite  von  Kirchhesepe  und  Westerstede  und  seinen 
Dimensionen  der  Erde  (Abpl.  ^\^\  denn  j^  ist  gewiss  ein  Druck- 
fehler) die  Distanz  und  Azimuth  zu  berechnen  und  dann  den  Loga- 
rithmen von  jener  um  95  Einheiten,  sein  Azimuth  um  6",602  ver- 
mindern und  daraus  wieder  mit  meiner  Abplattung  und  Polhöhe  von 
Kirchhesepe  die  Lage  von  Westerstede  zu  berechnen;  das  Azimuth  der 
Seite  von  Westerstede   aus  ist   in  der  ersten  Rechnung  7".427   grösser 


174  Gauss  an  Olbers.     [(Jöttiugen,  1822  März  7 — 12.] 

als  in  der  zweiten,  so  viel  habe  ich  daher  Keatenhoff's  Azimut li  von 
Varel  vermindert  und  habe  dann  vermittelst  der  8  EpAiLLY'schen  Drei- 
ecke Oldenburg,  Sandstedt  und  Bremen  angeschlossen.    Ich  finde  so 

Oldenburg.    .    .     53°  8' 22",811  j  1"  43' 36",652  von  Göttingen 
Bremen  ....     53  449,353    \l     823,468  V) 

Zach's  chronometrische  Bestimmung  von  Braunschweig,  Celle  und 
Bremen  1800  giebt  daher  die  Länge  aller  drei  Orte  zu  westlich, -j 
Celle  am  meisten.  Doch  ist  bei  mir  in  Eücksicht  auf  Celle  noch  eine 
Ungewissheit.  Ich  habe  nämlich  einen  auf  dem  Brelinger  Berge  von 
Müller  geschnittenen  Thurm,  den  er  als  wahrscheinlich  Burgdorf  be- 
zeichnete, als  identisch  mit  Epailly's  Punkt  angenommen,  bekanntlich 
ist  aber  der  früher  hohe  nadelspitzige  Thurm  nachher  abgebrannt  und 
jene  Voraussetzung  bleibt  etwas  zweifelhaft.*)  Indessen  beweisen  an- 
dere Schnitte,  dass  der  Brelinger  Berg  doch  ziemlich  nahe  nieder- 
gelegt sein  muss.  Doch  bin  ich  dieser  Tage  wieder  etwas  zweifelhaft 
geworden.  Ich  vermuthe  nämlich,  dass  Asendorf  vom  Brelinger  Berge 
sichtbar  sein  muss  (Entfernung  50  550  m),  da  Epailly  Asendorf  von 
dem  fast  60  000  m  entfernten  Falkenberg  sah.  Die  Eichtung  von  Asen- 
dorf lässt  sich  berechnen,  allein  unter  Müller's  Schnitten  ist  nur  ein 
entferntes  Thürmchen  unter  einem  4  Grad  kleineren  Azimuthe.  Nähme 
ich  an,  dies  sei  Asendorf  gewesen,  so  fiele  der  Brelinger  Berg  561  m 
nördlicher,  77  m  westlicher  und  jener  Thurm  könnte  dann  Burgdorf 
nicht  gewesen  sein.  Celle  würde  dann  458  m  nördlicher,  482  m  westlicher 
als  vorher;  Zach's  Längenbestimmung  wäre  etwas  weniger  fehlerhaft 
(obwohl  nicht  viel),  dagegen  aber  die  beobachtete  Polhöhe  noch  schlechter. 
Ich  bemerke,  dass  sich  alles  auf  den  Schlossthurm  bezieht. 

Ich  vermuthe  auch  noch,  dass  Verden  auf  dem  Brelinger  Berge 
zu  sehen  und  von  Müller  wirklich  gesehen  ist.   Die  Richtung  trifft  auf 

die   Minute   zu    bei   einem   fernen   so   gezeichneten   Thurm      — i — ,^. 

wenn  ich  Brelinger  Berg  wie  anfangs  und  Verden  nach  Gildemeister 
(Zach's  Reise  p.  47)  90  892  Rh.  Fuss  östlich  und  55  054  Fuss  südlich 
von  Bremen  annehme  und  voraussetze,   dass   sich  dies  auf  den  wahren 


^)  Diese  Werthe  werden  im  Brief  No.  448  vorbessert  in:  öo"  4' 49", 252  und  l^S' 
22",497.   Krm. 

-)  Olbers  fand  nach  Brief  No.  400  Aebnliehes,  nämlich  dass  v.  Zach  die  Länsre 
seines  Observations-Zimmers  um  5^,5  (von  Paris  gerechnet)  zu  klein,  von  Gottingen 
aus  also  zu  westlich  angesetzt  hatte.  Siehe  auch  nächsten  Brief,  sowie  Brief  Xo.  448. 
In  dem  Briefe  an  Oi.behs  vom  6.  Juli  1824  giebt  G.vuss  die  genauen  aus  seinen 
Messungen  abgeleiteten  Koordinaten  Bremens.     Krm. 

*)  Diese  Ungewisslieit  intluirt  insofern  auf  die  Lage  von  Cello,  als  diese  durch 
die  Schnitte  von  ^^'oblenlterg  und  Brelinger  Berg  von  mir  berechnet  ist. 


Gauss  an  Olbers.     [Güttingen,  182-i  .März  7 — 1"_'.]  175 

Hrt'iiicr  Meiidian  bezieht.  Viclleiclit  könnten  Sie  mii*  hierüber,  so  wie 
ob  der  .luhannisthurm  in  Verden  so  aussieht,  vielleicht  auch,  falls  Hr. 
Senator  Gilkemeister  selbst  da  gewesen,  ob  er  wohl  für  einen  12  zoll. 
Theodulithen  zugänglich  ist,  Auskunft  gelegentlich  verschaffen. 

Anfangs,  ehe  ich  diese  Angabe  auffand,  hatte  ich  Verden  nach 
].K(OQ  zwischen  Hannover  und  Neustadt  am  Kübenberge  interpolirt. 
wo  1°  l'nterschied  im  Azimuth  jenes  Thürmchens  hervorging,  nachher 
n;ichdem  ich  Bremen  berechnet  hatte,  wieder  nach  Lecoq  zwischen 
Hannover  und  Bremen  interpolirt,  w'o  |°  Unterschied  in  entgegen- 
gesetztem Sinn  hervorging.  Es  scheint,  dass  Lecoq's  Messungen  zum 
Theil  sehr  schlecht  sind. 

Jene  Tngewissheit  über  Celle  wird  sich  an  Ort  und  Stelle  leicht 
entscheiden,  falls  ich  im  nächsten  Monat  zuerst  eine  Rekognoscirungs- 
reise  ins  Lüneburgische  mache.  Ich  gestehe,  dass  ich  mich  vor  dieser 
Arbeit  fürchte,  da  so  ungeiuiss  ist,  wie  sie  gelingt,  und  da  das  Gelingen 
der  Arbeiten  das  einzige  Angenehme  und  der  einzige  Lohn  derselben 
ist.  Epailly,  der  in  nichts  schonende  Rücksichten  zu  nehmen  brauchte, 
erklärte  die  direkte  Verbindung  mit  Hamburg  geradezu  für  unmöglich, 
nachdem  er  lange  alles  untersucht  hatte,  und  führte  deshalb  seine 
Dreiecke  die  Weser  herunter  und  wieder  die  Elbe  herauf. 

Hätte  ich  nur  das  einzige  EpAiLLY'sche  Dreieck  Twistringen, 
Bremen,  Asendorf  erhalten  können,  so  würde  die  Anschliessung  von 
Bremen  viel  leichter  und  zuverlässiger  geschehen  sein.  Ich  habe  aber 
aus  Paris  nichts  weiter  erhalten  können,  als  die  Namen  der  Stationen 
und  eine  gam  unrichtige  Seite  (Hohenhorn-Lüneburg). 

Haben  Sie  wohl  Arago's  Angriff  auf  Zach^)  im  Journal  de  Fhy- 
sique  gelesen?  Ich  fürchte,  dass  der  Skandal  noch  nicht  das  Schlinnnste 
dabei  ist.  Wenn  die  Grossen,  die  die  Wissenschaften  ermuntern  sollen, 
und  die  von  der  exakten  Wissenschaft  gewöhnlich  gar  nichts  verstehen, 
jetzt  sehen,  dass  der,  welcher  ein  Menschenalter  hindurch  in  Deutsch- 
land bei  ihnen  als  einer  der  ersten  Astronomen  gegolten,  im  Lichte 
eines  erbärmlichen  Ignoranten  dargestellt  wird,  so  kann  man  ihnen 
billiger  Weise  keinen  Vorwurf  mehr  machen,  wenn  sie  keiner  Repu- 
tation mehr  trauen  und  gar  nicht  wissen,  wie  sie  daran  sind;  und 
Windbeutel  und  Speichellecker  (wie  S[EYrrEE]  in  M[ünchen]  früher 
das  Beispiel  gegeben)  werden  dann  noch  mehr  wie  bisher  mit  dem  Ver- 
dienst die  Societas  leonina  halten,  indem  jene  den  Lohn  nehmen  und 
diesen  die  Arbeit  lassen. 


^)  Vergl.  Brief  von  Gauss  an  Schumacher  von  1822  Jau.  26,  No.  137   im  Brief- 
wechsel Gaüss-Schumacher.     Krm. 


j^76  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1S"22  März  l'.i. 

No.  445.  Olbers  an  Gauss.  [239 

Bremen,  1822  März  19. 

Unsere  letzten  Biiefe  haben  sich  gekreuzt.  Wie  sehr  ich  Ilinen 
für  den  Ihrigen  verbunden  bin,  kann  ich  Ihnen  nicht  genug  sagen.  Er 
ist  mir  äusserst  lehrreich,  äusserst  interessant  gewesen  und  giebt  mir 
zugleicli  die  frohe  Hoffnung,  dass  Sie  in  der  Folge  Ihrer  Messungen 
auch  Bremen  mit  in  Ihre  Dreiecke  aufnehmen  werden.  Ueber  Verden 
habe  ich  Senator  Gildemeistee  gleich  befragt;  was  er  mir  antwortete, 
enthält  die  Beilage.^)  Nachher  hat  aber  unser  Wasserbau-Inspektor 
Blohm  sich  ganz  bestimmt  erklärt:  der  Johannisthurm  sehe  allerdings 
in  der  Ferne  so  aus,  wie  ihn  Ihre  Zeichnung  darstellt,  und  an  schick- 
lichem Raum,  mit  dem  12  zölligen  Theodolithen  dort  zu  operiren.  könne 
es  auf  diesem  Thurm  nicht  fehlen.  Man  habe  schon  das  Projekt  ge- 
habt, auf  der  Plattform  des  Thurmes  statt  der  kleinen  Spitze  eine 
Windmühle  zu  setzen,  weil  Verden  einer  solchen  bedürfe,  die  Ausführ- 
barkeit sei  erwiesen  und  schon  der  Anschlag  gemacht  worden.  Nach- 
her hätten  aber  Bedenklichkeiten  über  Feuers-  und  Gewittergefahr  die 
A usf ührung  verhindert. 

Wie  nahe  wird  Sie  denn  Ihre  Rekognoscirungs-Reise  unserem 
Bremen  bringen,  lieber  Gauss?  Ist  gar  keine  Hoffnung,  dass  Sie  sich 
ein  paar  Tage  bei  Ihrem  alten  Freunde  ausruhen  werden?  Und,  wenn 
nicht  jetzt,  vielleicht  in  der  Folge  des  Sommers? 

Die  geographische  Lage  von  Bremen,  oder  vielmelir  des  Ansg[ariusj- 

Thurmes  scheint  jetzt  sehr  gut  bestimmt.     Es  ist  nämlich: 

Läne:e  von  t>    •* 

Paris  ^^"t^ 

Nach  Gildemeister's  und  meinen  astron. 

Beobb 25"' 52^3     53»  4' 50" 

Nach  der  Verbindung  mit  Lilienthal,  die 
Länge  von  Lilienthal  26'"  18^  ange- 
nommen      25    51,5        .... 

Nach   EpAiiiLY's    Dreiecken    und    seiner 

Rechnung 25    53.0      53  4  45,3 

Nach    Ihrer    Berechnung    in    Beziehung 

auf  (TÖttingen 25    52,8      53  4  4i»,o 

Die  Länge  meiner  Wohnung,  die  ich  bisher  25'"  53*-)  von  Pai'is 
setzte,  wird  also  künftig  richtiger  25"' 54^  anzunehmen  sein. 

^)  Die  Beilage  ist  uutor  den  Originalbriefen  nicht  mehr  vorhanden.     Krm. 
-)  25™  53^,5  nach  Brief  No.  400.    Vergl.  hierzu  Ergänzungsband  zu  W.  Olbkrs' 
Werken,  S.  5  ff.  und  P.d.  I  No.  177.     Krm. 


KII..V-  ;n(  (Jixuss.     lireiaon,   1822  März    li»,  177 

Hecht  sehr  vrihuii:!  niicl»  mm,  etwas  von  Ihren  Heobb.  mit  dem 
Sektor  zu  hören  luul  inwiefern  dieser  mit  Ihrem  Kekhenjj.u  ii'scheu 
und  REPsoLD'schen  Kreise  stimmen  wird. 

Ihre  Ansicht  von  dem  Nachtheil,  den  Zach's  und  Arago's  Zänkereien 
tür  die  Wissenschaften  haben  können,  war  mir  ebenso  neu,  als  sie 
lichtig  ist.  Gewiss  ist  es,  dass  niemand  besser  verstand,  seine  oft 
massigen  Kenntnisse  geltend  zu  machen  und  Laien  und  Halbwisseiii  zu 
imiioniren.  als  Zach.  Aber  er  ist  doch  auch  nicht  ganz  so  schwach 
und  noch  weniger  so  verdienstlos,  als  Ara(;o  ihn  machen  will.  Seine 
grosse  weitgetriebene  ( 'harlatanerie  ist  schlechterdings  nicht  zu  läugnen ; 
aber  ohne  dieselbe  würde  er  der  Astronomie  in  Deutschland  wohl  nicht  den 
Schwung  gegeben  haben,  die  sie  ihm  doch  gewiss  zum  Theil  zu  ver- 
danken hat.  Mit  seinen  eigenen  Arbeiten  ist  es  ihm  doch  etwas  un- 
irlücklich  gegangen.  Seine  Sonnentafeln  —  ich  lasse  es  dahin  gestellt 
sein,  ob  die  zweite  Ausgabe  Plagiat  war  —  sind  durch  Delambre 
und  Oari-ini  ausser  Gebrauch  gekommen.  Sein  Fixstern-Katalog,  auf 
den  er  sich  gewiss  ebenso  viel  einbildete,  als  ehemals  Hevel  auf  den 
seinigen,  hat  mit  diesem  gleiches  Schicksal  geliabt,  man  hört  noch 
kaum  von  ihm.  Seine  geographischen  Ortsbestimmungen  sind  insofern 
als  missglückt  anzusehen,  als  er  mit  Sextanten  und  Chronometern  eine 
i-ienauigkeit  erwartete  und  erreicht  zu  haben  glaubte,  die  wohl  nicht 
möglich  ist.  Seine  angefangene  Gradmessung  wurde  unterbrochen.  — 
Wenn  ich  nun  gleich  gestehen  muss,  dass  Zach"s  zuletzt  gar  zu  weit 
iretriebene  Arroganz  und  Insolenz  wohl  eine  kleine  Demüthigung  ver- 
dient, so  möchte  ich  ihn  doch  auch  nicht  von  den  auf  andere  Art  oft 
auch  sehr  arroganten  Franzosen  gar  zu  tief  heruntergesetzt  sehen. 

Auffallend  in  Ihrem  Briefe  war  es  mir  noch,  dass  die  Seite  Kirch- 
hesepe — Bentheim  aus  der  Seeberger  Basis  kleiner  herauskommt  als  aus 
der  von  Mehm.  Ich  meine,  man  halte  sonst  schon  die  Meluner  Basis 
für  etwas  zu  klein. 

Den  ENCKE'schen  Kometen  bei  seiner  diesmaligen  Rückkunft  zu 
sehen,  habe  ich  nun  alle  Hoffnung  aufgeben  müssen.  Aber  auf  süd- 
licheren Sternwarten  Europas  bei  freiem  Horizont  darf  man  diese  Hoif- 
nung  nicht  fahren  lassen.  Es  ist  eine  kleine  Irrung,  wenn  Encke  sagt, 
der  Komet  gehe  im  Anfang  Juni  zugleich  mit  der  O  unter.  Man  sieht 
aus  der  von  ihm  selbst  berechneten  Ephemeride,  dass  die  östliche  Elon- 
gation  des  Kometen  von  der  Sonne  von  dem  letzten  Drittel  des  April 
an  immer  wieder  zunimmt  und  Ende  Mai  20—23^  [wird],  so  viel  wie  ge- 
wöhnlich die  grösste  Elongation  des  Merkur  beträgt.  Bei  der  dann  statt- 
lindenden  grossen  Lichtstärke  und  Helligkeit  dürfte  der  Komet  mit  ge- 
hörig angewandten  guten  Sehwerkzeugen  auf  südlicheren  Sternwarten 
leicht  aufzufinden  sein.     Bei  uns  vertieft  sich  die  Sonne  zu  langsam 

Olhers.     II,  2.  12 


178  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1822  März  25. 

unterm  Horizont.  —  Ich  liabe  Schumacher  gebeten,  diese  kleine  Be- 
merkung^} zu  dem  ENCKE'schen  Aufsatz  in  seinen  Ästron.  N.  bekannt 
zu  machen. 

Am  13.  März  habe  ich  die  grosse  Freude  gehabt,  dass  der  hiesige 
Senat  meinen  Sohn  zum  Sjmdikus  erwählt  hat.  So  hat  er  nun  eine 
ehrenvolle  Anstellung,  einen  ausgedehnten  Wirkungskreis  und  eine  an- 
ständige Versorgung.  Im  Mai  wird  er  mir  meine  künftige  Schwieger- 
tochter zuführen,  worauf  ich  mich  schon  recht  sehr  freue. 


No.  446.  Gauss  an  Olbers." j  [207 

Göttingen,  1822  März  25. 

Mit  grosser  Freude  habe  ich  aus  öffentlichen  Blättern  und  aus 
Ihrem  Briefe  die  Nachricht  von  der  ehrenvollen  Fixirung  Ihres  wür- 
digen Hrn.  Sohnes  erfahren.  Ich  wünsche  Ihnen  um  so  herzlicher 
Glück  und  theile  um  so  inniger  Ihre  Vaterfreude,  je  lebhafter  ich. 
dessen  grösste  Sorgen  sich  immer  in  den  Kindern  koncentriren .  mir 
dieselbe  vorstellen  kann. 

Für  die  gütige  ]\Iittheilung  der  Nachrichten  des  Hrn.  Senator 
Gildemeister  danke  ich  Ihnen  verbindlichst.  Ich  habe  die  Data  über 
die  relative  Lage  von  Bremen,  Bademühle,  Bücken  und  Asendorf  auf 
das  Schärfste  berechnet  und  daraus  gefunden 

Azimuth  von  Asendorf  auf  dem  Ansgariusthurm 

in  Bremen  nach  Gildemeister  und  Kleist    338°  10'  3",2 

Distanz  in  rheinländischen  Fuss 117370,4 

Dagegen  finde  ich  aus  den  Resultaten  der  EpAiLLY'sclien  und 
KRATENHOFF'schen  Dreiecke,  wie  ich  es  Ihnen  in  meinem  letzten 
Briefe  auseinandergesetzt  habe 

Azimuth  von  Asendorf ')      338"   7'0",8 

Distanz  (log.  in  Toisen   4,2704656)   gleichfalls 

in  rheinl.  Fuss 117  325,3 

Allein  es  findet  sich  nun  bei  \'erden  doch  noch  eine  Bedenklich- 
keit. In  meiner  früheren  Rechnung  entdeckte  ich  einen  kleinen  Fehler; 
nach  dessen  ^'erbesserung  fällt  das  berechnete  Azinuith  von  Verden  auf 
dem  Brelinger  Berge  um   15   Minuten  kleiner  aus    als  nach  Millers 


1)  Olbers  Bd.  I  No.  82,  S.  383.     Kim. 
-)  Dieser  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  gescbriehen.     Kriii. 
^)  Durch  den  in  der  Anmerkung  S.  174  erwähnten  Fehler  auch  etwas  unrichtig. 
Der  genaue  Werth  ist  nach  Brief  No.  448:  388"  8' 28",G79.     Krm. 


(;..!,<    Ml  OU.ers.     Güttingeu.  1822  März  2'>.  179 

lVi»h.  des  TliuriiiL's  iiuat-st.  (der  an  zwei  verscliiedenen  Ta<ren  auf  die 
.Minute  übereinst inimend  treschnitten  ist).  Der  Donitluirm  ist  in  Merian's 
Topographie  auch  ungefähr  so  gezeichnet;  allein  da  dieser  nach  Zach's 
Heise  p[raeter]  [projpter  1500  Fuss  südlicJt  vom  Johannisthurm  liegen 
soll,  so  wäre  dessen  berechnetes  Azimuth  noch  kleiner  (ich  zähle  die 
Aziuuithe  immer  von  Süden  an  nach  Westen  etc.).  Diese  Ungewissheiten 
werden  sich  wolil  dhne  genauere  Messungen  an  Ort  und  Stelle  nicht 
aufklären  lassen. 

Ich  linde  nun  unter  Milleks  Beobb.  auf  dem  ßreliuger  Berge 
noch  einen  entfernten  Nadelthurm,  dessen  beobachtete  Richtung  auf  die 
Minute  mit  dem  berechneten  Azimuthe  von  Bücken  übereinstimmt,  ich 
hatte  aber  gemeint  mich  zu  erinnern,  dass  Bücken  einen  stumpf- 
[»yramidalen  Thurm  habe.  Ist  jener  Bücken  gewesen,  so  kann  der 
andere,  dessen  ich  in  meinem  letzten  Briefe  erwähnte,  nicht  Asendorf 
gewesen  sein;  vielleicht  war  es  Balge.  Sollte  Hr.  Senator  Gildemeister 
Data  besitzen,  die  Lage  von  Balge  gegen  Asendorf  zu  berechnen,  so 
würde  ich  diese,  wie  jede  andere  ähnliche  Mittheilung  mit  vielem  Danke 
erkennen. 

1  )ie  Abholung  des  Zenith-Sektors  im  Herbst  hatte  bloss  zum  Zweck, 
ihn  während  des  Winters,  ohne  etwas  zu  übereilen,  aufzustellen  und 
mich  mit  dem  Instrument  bekannt  zu  machen.  Die  wenigen  bisher 
damit  gemachten  Beobb.  sind  daher  nur  erst  als  Versuche  anzusehen 
und  haben  eigentlich  noch  gar  keinen  W'erth;  die  Sterne,  auf  die  es 
eigentlich  ankommt,  sind  jetzt  unsichtbar.  Wie  sehr  mich  verlangt, 
Sie,  theuerster  Olbeks,  nach  fast  3  Jahren  einmal  wieder  zu  umarmen, 
brauche  ich  Ihnen  nicht  zu  sagen.  Während  der  eigentlichen  Messungs- 
operationen im  bevorstehenden  Sommer  habe  ich  aber  um  so  geringere 
Hoifnung,  einmal  nach  Bremen  kommen  zu  können,  da  eigentlich  die 
ganze  Arbeit  auf  mir  allein  ruht,  und  ich  während  jeder  reldche  alle 
meine  Gehülfen  feiern  lassen  müsste.  Wie  nahe  eine  Eekognoscirungs- 
reise  mich  Bremen  führen  würde,  lässt  sich  noch  nicht  bestimmen;  ist 
es  möglich,  so  muss  die  Verbindung  östlich  von  der  Linie  durch  Bre- 
linger  Berg,  Falkenberg,  Wilsede  vielleicht  in  den  Gegenden  von  Ebs- 
torf,  Uelzen,  Escliede  etc.  gesucht  werden.  Ist  dies  aber  unmöglich,  so 
würde  es  freilich  westlich  versucht  werden  müssen  (obwohl  es  Epailly 
lueder  auf  der  einen,  noch  auf  der  anderen  ausführbar  fand).  Gerade 
in  dieser  Beziehung  sind  mir  alle  jene  Gegenden  betreffenden  Notizen 
und  Zahlen  im  voraus  schätzbar.  Einer  freilich  nicht  ganz  zuver- 
lässigen Nachricht  zu  Folge  soll  Epailly  auf  dem  Berge  bei  Wilsede 
ausser  Apensen,  Littensen,  Hamburg,  Lüneburg  und  Falkenberg  auch 
einen  Signalthurra  bei  dem  Haidkruge  hei  Verden  observii't  haben;  ich 
finde  aber   in  dem  Netz  nichts,  was  sich  darauf  bezieht.     Sollte  viel- 

12* 


180  Gauss  au  Olbers.     Göttingen,  1822  ,März  25. 

leicht  der  Haidkrug  auch  ein  Punkt  der  GiLDEzuEisTEit-KLEiST'schen 
Triangulirung  gewesen  sein? 

Eigentlich  kann  ich  aber  zur  Stunde  noch  gar  keinen  Plan  machen, 
da  ich  auf  meine  die  Fortsetzung  des  Geschäfts  betreffende  und  schon 
vor  mehreren  Wochen  an  das  'Kabinetts-Ministerium  gesandte  Eingabe 
bis  dato  noch  keine  Antwort  und  Resolution  erhalten  habe  und  daher 
nicht  weiss,  was  für  neue  Schwierigkeiten  sich  noch  zeigen  können. 

Mit  Heliotropen  würde  ich  hinlänglich  versehen  sein.  Ausser  dem 
im  vorigen  Jahre  gebrauchten  von  der  ersten  Einrichtung  Hess  ich 
zwei  nach  der  anderen  schon  im  vorigen  Sommer  in  Arbeit  nehmen, 
deren  erster  zwar  schon  im  Okt.  v.  J.  fertig  wurde,  aber  erst  in  diesen 
Tagen  transportfähig  wird.  Es  sind  auch  noch  ein  paar  kleine  \'er- 
besserungen  dabei  angebracht.  Der  andere  nach  dieser  Einrichtung 
Avird  in  ein  paar  Wochen  fertig  werden  (einen  ähnlichen  nach  dieser 
und  einen  nach  der  ersten  Einrichtung  macht  Hr.  Kumpf  zugleich  für 
den  General  v.  Müffling).  Ausserdem  habe  ich  noch  an  dem  Teough- 
TON'schen  Theodolithen  eine  solche  Vorrichtung  anbringen  lassen  (wie 
ich,  wenn  ich  nicht  irre,  vor  einiger  Zeit  beschrieb), M  mit  deren  Hülfe 
ich  einen  montirten  Spiegel  von  etwa  50  Quadratzoll  Fläche  nach  Be- 
lieben und  auch  nach  Punkten,  deren  Azimuth  und  Höhe  ich  kenne, 
ohne  nöthig  zu  haben,  sie  selbst  zu  sehen,  richten  kann.  Einige  da- 
mit in  diesen  Tagen  gemachte  Versuche  im  Kleinen  sind  sehr  gut  aus- 
gefallen. Endlich  der  ganz  grosse  Spiegel  von  145  Quadratzoll  Fläche 
würde  auf  dem  Brocken  (falls  ich  ihn  wieder  besuchen  sollte)  sehr 
nützliche  Dienste  leisten.  Ein  etwas  grösserer  Spiegel  könnte  auch 
beim  Gebrauch  des  Sextantenheliotrops  nützliche  Dienste  leisten,  wenn 
die  Sonne  selbst  in  einer  solchen  Angularstellung  ist,  dass  man  jenen 
für  sich  nicht  brauchen  kann.  Man  darf  nur  anstatt  des  Sonnenlichts 
selbst  das  aus  einem  solchen  Spiegel  retiektirte  auf  den  Sextanten- 
spiegel fallen  lassen.  Trotz  der  doppelten  Reflexion  würde  das  Licht 
noch  immer  hell  genug  sein,  zumal  da  man  den  Hülfsspiegel  immer  so 
stellen  kann,  dass  günstige  Incidenzwinkel  stattfinden.  A\'äre  ich  auf 
diese  Idee  früher  gekommen,  um  sie  voriges  Jahr  Hrn.  Kncke  an  die 
Hand  geben  zu  können,  so  hätte  er  mir  vom  Inselsberg  aus  den  ganzen 
Tag  hindurch  nach  dem  Brocken  Licht  schicken  können,  da  er  ohne 
dieselbe  nur  auf  wenige  ]\Iinuten  vor  O  Untergang  und  wenige  Tage 
beschränkt  war,  und  (hmn  wäre  der  Winkel  wahrscheinlich  zu  meiner 
Zufriedenheit  gemessen. 

Indem  ich  neulich  einige  ältere  Aufsätze  von  Zai.h  diuchblätterte, 
fand  ich,  dass  bei  Marseille  die  Aussicht  nach  den  Pj'renäen  (3(5  geogr. 


')  Brief  1822  Fel.r.  11,  No.  442.     Knii. 


Olbers  an  CJauss.     lln-iiiiMi.   1^2-!  April   11.  Jg]^ 

Meilen  entfernt  i  offen  ist.  Vielleicht  wäre  es  für  die  Kenntniss  der 
Gestalt  der  Erde  das  Frnchtbarste,  was  man  thnn  könnte,  einen  gfrossen 
Längengi-adbogen  durch  mehrere  solche  lange  Linien  zu  messen,  nur 
muss  sich  die  Läng:e  nicht  auf  Zeitbeobb.,  sondern  auf  die  Konvergenz 
der  Meridiane  gründen,  ^^'enn  alle  "Winkel  mit  grösster  Sorgfalt  mit 
Hülfe  von  Heliotropen  gemessen  werden  und  an  den  östl.  und  west- 
lichsten Endi)unkten  die  wahren  Azimuthe  mit  Hülfe  guter  Universal- 
instrumente durch  den  Nordstern,  so  Hesse  sich  (bei  sehr  grossen  Seiten) 
(h\durch  eine  Genauigkeit  erreichen,  die  der  von  Breitenbogen  wenig 
nachgeben  würde.  Vom  Mt.  A'entoux  sieht  man  die  Pyrenäen  und 
Schweizer  Alpen,  von  diesen  bis  ins  Tyrol  u.  s.  w.  Die  Grösse  der  Ge- 
nauigkeit wächst  hier  freilich  nicht  (wie  bei  Meridianbogen)  im  Vei- 
hältniss  der  Grösse  des  Bogens,  insofern  grössere  Bogen  grössere  Zahl 
\on  Seiten  erfordern;  aber  sie  wächst  doch  auch  damit,  wenngleicli 
langsamer.     Doch  davon  ein  ander  Mal  mehr. 

Mein  Kollege  Gsiander  ist  heute,  wie  ich  so  eben  erfahre,  mit  Tod 
al)gegangen. 

Mit  100  Stück  Spiegeln,  jeden  zu  16  Quadratfuss  Fläche,  vereint 
gebraucht  würde  man  gutes  Heliotrop-Licht  nach  dem  ]\rond  schicken 
können.  Schade,  dass  wir  nicht  einen  solchen  Apparat  mit  einem 
Detachement  von  100  Leuten  und  ein  paar  Astronomen  dahin  senden 
können,  uns  zu  Längenbestimmungen  Zeiten  zu  geben. 


No.  447.  01I)ers  an  Gauss.  [24o 

Bremen,  1822  April  11. 

Mit  vielem  Vergnügen  und  der  grössten  BereitAvilligkeit  theilt 
Ilinen  Hr.  Sen.  Gildemeister  unter  seiner  gehorsamsten  Empfehlung  in 
der  Beilage^)  alles  mit,  was  er  von  Dreiecken  in  der  von  Ihnen  be- 
zeichneten Gegend  hat.  Sie  werden  sehen,  dass  die  verlangte  Lage 
von  Balge  mit  darunter  ist. 

Schon  daraus,  dass  Sie  Asendorf  aus  Epailly's  Dreiecken  berechnen 
können,  schliesse  ich,  dass  meine  Abschrift  von  den  EPAiLLv'schen  Drei- 
ecken unvollständiger  und  auch  sonst  wahrscheinlich  von  der,  die  Sie 
besitzen,  etwas  verschieden  ist.  Unter  den  mir  von  Prof.  Oltmaxxs 
mitgetheilten  kommt  Asendorf  gar  nicht  vor,  und  alle  Distanzen,  die 
Epailly  doch  gewiss  in  Metern  gemessen  hatte,  werden  in  rheinländi- 


^)  Die   beigelegte   Mittheilung  des  Senator  Gildemeister   ist   bei  den  Original- 
briefen  nicht  mehr  vorhanden.     Krni. 


182 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1822  April  11. 


sehen  Fuss  angegeben.  Da  auch  viele  KKAYEXHOFF'sche  Dreiecke  mit 
vorkommen,  so  sehe  ich,  dass  bei  der  Reduktion  des  Meter  auf  rhein- 
ländische  Fuss  dieser  zu  139,1713  Par.  Linien  angenommen  ist,  also 
kleiner  als  man  ihn  jetzt  nach  Lulofs  (139,1835)  gewöhnlich  an- 
nimmt. 

Ich  setze  zur  Vergleichung  die  Dreiecke  zwischen  Oldenburg  und 
Bremen  nach  Oltmanns  her: 


Winkel 


Entferuung-en 


in  Log-. 


in  rheinl.  Fu? 


Oldenbnrg-  . 
Wildeshausen 
Bremen    .    . 

Sandstedt  . 
Oldenburg-  . 
Bremen    .    . 

Neuenkirchen 
Oldenburg-  . 
Bremen    .    . 


5P27'15",336 
79  49  59,016 

48  42  45,648 

70  46  33,924 
59  39  10,926 

49  34  15,150 

109  47  47,332 
37  54  7,092 
32  18     5,576 


5,0039230 
5,1037811 
4,9865313 

5,1037811 
5,0647008 
5,0102029 

5,1037811 
4,9186261 

4,8580832 


100907,4 

126993,4 

96946,3 

126993.4 
116064,9 
102377,1 

126993,4 
82913,7 
72124.6 


Ich  bitte,  lieber  Gauss,  mir  zu  sagen,  ob  diese  Probe  meiner  Ab- 
schrift von  der  Ihrigen  wesentlich  verschieden  ist. 

Aus  der  hier  angegebenen  Distanz  126  993,4  und  dem  mir  von 
Epaillt   angegebenen   Azimutli   von   Oldenburg   auf  Ansgarius-Thurm 

1 


99^45'  48",43  habe  ich  in  der  Abplattung 


nach  Bohnenbergeb's 


302,78 

Formeln  den  Unterschied  der  Polhöhen  3'  33",544,  den  Unterschied  der 
Länge  35'14",491  berechnet.  Sie  gaben  in  Ihrem  vorletzten  Briefe 
ersteren  3'33",458,  letzteren  35'13"1S3^)  an.  Ich  glaube  wohl,  dass 
Bohnenberger's  Foi'ineln  nicht  die  Schärfe  der  Ihrigen  haben,-  allein 
auf  so  kleine  Distanzen  müssten  doch,  meine  ich,  die  Resultate  näher 
übereinstimmen,  wenn  wir  einerlei  Daten  zu  Grunde  gelegt  hätten.  Ich 
habe  mit  AValbeck  den  Durchmesser")  des  Aequatoi"S  der  Erde  zu 
3271819,  die  halbe  kleinere  Axe  =  3261014  Toisen  angenommen.  Viel- 
leicht haben  Sie  beide  Grössen  etwas  anders  bestimmt? —  Irh  wünschte 


^)  Fehlerhaft,  vergl.  die  betreffende  Anmerkung  zu  Ikief  Xo.  444  und  die  be- 
richtigten Angaben  in  Brief  No.  448.  Im  übrigen  vergl.  zu  diesen  Angaben  und 
denen  des  Briefes  No.  449  über  die  geographische  Lage  Bremens  Oi^eks  Bd.  I 
No.  176.     Krm. 

-)  Gemeint  ist  nach  dem  Zahlenwerth  der  Halbmesser  des  Aequators.     Krm. 


Gauss  an  (Mbers.     (jüttiugeu,  1822  April  18.  jg3 

sehr,  dass  Sie  micli  darüber  zurecht  wiesen,  um  keine  verfreblichen  Recli- 
nungen  mit  inkurrekten  Annahmen  zu  maclien. 

Ihre  Idee,  die  Gestalt  der  Erde  durch  grosse  Längen-Gradbogen 
zu  bestimmen,  gefällt  mir  sehr,  wenn  sieh  die  wahren  Azimuthe  durch 
gute  Universal- Instrumente  wirklich  bis  auf  einzelne  Theile  von  Se- 
kunden sicher  bestimmen  lassen.  Auffallend  ist  es  mir  doch,  wie 
Kkayenhoff  das  Azimuth  in  Amsterdam  und  Jever  mit  dem  von  Dün- 
kirchen abgeleiteten  so  übereinstimmend  linden  konnte,  da  er  doch 
bei  dieser  Ableitung  die  gewiss  viel  zu  kleine  Abplattung  ^Ij-  ge- 
braucht hat. 

Die  Heliotroi)e  werden  durch  Ihren  Scharfsinn  immer  vollkommener. 
Die  Idee,  durch  doppelte  Spiegelung  jede  Stellung  gegen  die  Sonne  be- 
nutzen zu  können,  dehnt  ihren  Gebrauch  gewiss  ungemein  aus, 

Haben  Sie  schon  die  Mailänder  Ephemeriden  erhalten,  kürzlich 
etwas  von  Zach's  Corresp.  [Ästronomique]  gesehen?  Mir  bleiben  beide 
aus.  —  Wie  weit  besitzen  Sie  Zach's  Correspondance?  —  Auch  von 
der  astronomischen  Societät  in  England  habe  ich  diesen  AMnter  nichts 
gehört. 

Ebenso  haben  wir,  der  durcli  die  vielen  Stürme  erschwerten  Schiff- 
fahrt wegen,  den  letzten  Band  der  Philos.  Tra)isact.  noch  nicht  er- 
halten. Ich  bin  besonders  neugierig  auf  Wkonski's  x\bhandlung  über 
die  Figur  der  Erde,  da  dies  das  erste  Mal  ist,  dass  dieser  berüchtigte 
Charlatan  seine  so  sehr  gerühmten  analytischen  Entdeckungen  bei  einem 
Gegenstand  der  physischen  Astronomie  wirklich  anwendet. 

Der  Sohn  unseres  würdigen  Senator  Gildemeistee  wird  Ihnen  dies 
kleine  Packet chen  mitnehmen,  aber  bei  seiner  Durchreise  durch  Göttingen 
vielleicht  nicht  die  Zeit  haben,  Ihnen  persönlich  aufzuwarten.  —  Um  die 
Gelegenheit  nicht  zu  versäumen,  kann  ich  nur  noch  die  Versicherung 
der  unveränderlichen  innigsten  Verehrung,  Liebe  und  Anhänglichkeit 
liinzufügen. 


No.  448.  Gauss  an  Olbers.')  1208 

Göttingen,  1822  April  18. 

Recht  sehr  willkommen  waren  mir  die  gütigen  Mittheilungen  des 
Hi'u.  Senator  Gildemeistee,  welchem  ich  dafür  meinen  verbindlichsten 
Dank  zu  sagen  bitte.  Ich  habe  die  meisten  darin  berührten  Punkte 
berechnet;  allein  Verden  passt  noch  immer  nicht  besser  mit  der  Beob. 
auf  dem  Brelinger  Berge,  indem  die  Rechnung   ein  um   16'  kleineres 


^)  Dieser  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krm. 


134  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1822  April  18. 

Aziniutli  giebt;  auch  bei  dem  anderen  Thurm  erhalte  ich  weder  mit 
Asendorf  noch  mit  Balge  genügende  Uebereinstimmung;  bei  jenem  Thurm 
giebt  die  Rechnung  34',  bei  diesem  26'  mehr  als  die  Beob.  Bücken 
trifft  auf  die  Minute  mit  einem  beobachteten  Thurm,  und  die  Mühle 
von  Bergkirchen  auf  4'  mit  einer  geschnittenen  Windmühle;  in  den 
Eichtungen  von  Nienburg,  Drakenburg,  Eistrup  und  Döverden  ist  nichts 
beobachtet. 

Meine  Abschrift  der  EpAiLLv'schen  Dreiecke  in  Ostfriesland  (die 
ich  schon  vor  6  Jahren  in  Hannover  erhielt)  wird  nach  Ihrer  Probe 
ganz  mit  der  Ihrigen  identisch  sein.  Ich  glaubte  Ihnen  bereits  früher^) 
gemeldet  zu  haben,  dass  ich  ausser  diesen  ostfriesischen  Dreiecken  auf 
anderen  AVegen  noch  ein  paar  ganz  isolierte  Bruchstücke  und  dann  nocli 
die  Abschrift  eines  Rechnungsheftes  erhalten  habe,  welches  nach  Sanson's 
Formular  die  Berechnung  der  Längen  und  Breiten  der  Punkte  in  einer 
Kette  von  Dreiecken,  von  Kirchhesepe  bis  zum  Hercules,  enthält  (worin 
Twistringen,  Asendorf,  Falkenberg  die  nördlichsten  Punkte  sind),  und 
woraus  ich,  so  gut  es  gehen  wollte,  die  Winkel,  obwohl  mit  einer 
kleinen  Ungewissheit  und  mit  einer  nur  indirekt  auszufüllenden  Lücke, 
zusammengesucht,  und  so,  da  ich  nach  der  Ihnen  schon  angezeigten  Art 
dieses  Netz,  welches  am  Hohehagen  mit  mir  einen  gemeinschaftlichen 
Punkt  hat,  an  meine  Messungen  angeschlossen  habe,  so  ist  durcli  den 
Umweg  über  Holland  Bremen  mit  Göttingen  verbunden. 

Nt(7-  der  letzte  Theil  dieser  Rechnung  war  flüchtig  und  ohne  Kon- 
trolle gemacht;  Hir  letzter  Brief  gab  mir  Gelegenheit,  einen  Schreib- 
fehler darin  zu  entdecken,  da  ich  den  Logarithmen  der  Seite  Oldenburg 
um  2  Einheiten  in  der  4.  Decimale  zu  klein  gesetzt  hatte.  Nach  Ver- 
besserung desselben  ist  die 

Breite   von  Bremen   53«4'49",252,  Länge  1°8'22",497  w.  v.  Gott. 

Azimuth  von  Oldenburg  99045'52",204.  Die  Distanz  war  20455,378 
Toisen  genommen. 

Bei^)  allen  meinen  Rechnungen  liegen  folgende  Dimensionen  der 
Erde  zu  Grunde: 

0  =  3271821 
0  =  3261011 

Abplattung  =  3^  >-gg 

Eigentlich  hatte  ich  ganz  Walbeck's  Resultat  annehmen  w  ollen  .^..., ,.  -,  • 
Durch  einen  Schreibfehler  hatte  ich  aber  jene  schon  vor  längerer  Zeit 


1)  Brief  No.  402,  S.  61.     Krm. 

-)  Dieser  Tlieil  des  Briefes  bis  „Genauigkeit  liegt"  i^t  aiuh  abgedruckt  iu  Gavss' 
Werken  Bd.  IX.  S.  369.    Vercl.  hierzu  Brief  No.  444.     Kriii. 


(iaiis-  an  Ulbers.     (iüttingcn,  1S22  Aiuil  18.  135 

der  Berechniuiji-  von  iiiandioilri  Hülfstafeln  uiitergelej^t  und  hielt  es 
um  so  weniger  der  Miilic  wcrtli.  diese  deshalb  umzuarbeiten,  da  der 
Unterschied  weit  unter  der  durfli  alle  Gradmessungen  zu  erreichenden 
Genauigkeit  liegt.     Ich  linde  also  jetzt: 

Unterschied  mit  Oldenburg   ....  213",559     2114",155 

die  BoHNENBERGER'sche  ^lethode,  nach  welcher  Sie  213",544  2114",491 
gefunden  haben,  ist  mir  unbekannt.  Delambre's  Formeln,  die  ich  ein- 
mal versuchsweise  auf  die  Berechnung  der  relativen  Lage  von  Seeberg 
und  Mannheim  angewandt  habe,  gaben  die  Länge  7",4,  die  Breite  4".9, 
das  Aziniuth  1",5  unrichtig. 

Bei  dieser  Gelegenheit  will  ich  noch  anführen,  dass  meine  all- 
gemeinen Untersuchungen  über  die  krummen  Flächen  —  worüber  ich 
in  der  letzten  Zeit  mehrere  schöne  allgemeine  Theoreme  gefunden  habe, 
mir  neulich  Veranlassung  gaben,  Thune's  Ihnen  vermuthlich  bekannte 
Dissertation  über  die  sphäroidische  Trigonometrie  in  die  Hände  zu 
nehmen,  wo  ich  mich  um  so  mehr  gewundert  habe,  den  ersten  Para- 
graph unrichtig  zu  finden,  da  man  der  Vorrede  nach,  so  wie  auch  nach 
der  übrigens  eleganten  Durchführung  annehmen  muss,  dass  dieser  von 
Bessel  herrührt.  Die  krumme  Fläche  wird  hier  in  ihrer  Allgemeinheit 
betrachtet,  d.  i.  nicht  vorausgesetzt,  dass  sie  einem  Revolutionskörper 
angehöre,  allein  dann  ist  V{PPdq'^  -{-  ggdoj^)  nicht  die  Entfernung  der 
beiden  Punkte,  den  die 

Breiten  .    .    .    .    P,  P -\- dqi 
Längen  .    .    .    .    oj,(o-\-da) 

angehören,  weil  die  Linien,  in  denen  9?  konstant  ist,  diejenigen,  in 
welchen  cu  es  ist,  nicht  unter  rechten  Winkeln  schneiden.  —  Die 
specielle  Auflösung  für  den  Kevolutionskörper  bleibt  dann  unbeschadet 
richtig  (die  auch  lange  bekannt  ist,  ich  meine  zuerst  durch  Claieaut), 
die  weiteren  Formeln  für  die  sogenannte  sphäroidische  Trigonometrie, 
die  in  jener  Abhandlung  vorkommen,  habe  ich  übrigens  nicht  geprüft, 
da  ich  für  den  praktischen  Gebrauch  das  ganze  Verfahren  nicht  rath- 
sam  finde. 

In  Beziehung  auf  die  KLEisT'schen  Messungen  will  ich  noch  an- 
führen, dass  ich  aus  der  verbesserten  Lage  von  Bremen  (über  Holland 
hergeholt)  nun  das  berechnete  Azimuth  von  Asendorf^)  338**8'28",679 
finde,  welches  aus  Gildemeister's  erster  Mittheilung  338^1  0'3",2  folgte. 
Der  Unterschied  ist  nun  sehr  unbedeutend,  zumal  da  ich  nicht  weiss, 
auf  welche  Art  das  absolute  Azimuth  in  Bremen  bestimmt  war.   Jenes 


1)  Vergl.  Brief  No.  446,  S.  178.     Krm. 


186  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1822  April  27. 

berecliiiete  beruht  im  Grunde  auf  der  Orieiitirunj^  meines  Meridian- 
zeicliens,  durch  einen  ungeheuren  Umweg  übertragen. 

Dass  man  mit  einem  Universalinstrument  die  absoluten  Azimuthe 
auf  Brüche  von  Sekunden  genau  und  gewiss  bestimmen  könne,  will  ich 
nicht  behaupten;  aber  mir  deucht,  dass  man  bei  gehörig  angewandter 
Vorsicht  die  Längenunterschiede  auf  dem  von  mir  angedeuteten  Wege 
beträchtlich  genauer  als  durch  direkte  Bestimmungen,  die  auf  absoluter 
Zeitmessung  beruhen,  erhalten  kann.  Auch  bei  den  Breiten  sollten  wir 
wohl  nicht  auf  kleine  Brüche  von  Sekunden  Anspruch  machen. 

Die  Mailänder  Ephemeriden  habe  ich  dieser  Tage  erhalten,  hin- 
gegen seit  langer  Zeit  nichts  von  Zach's  Correspondance.  Der  Okt. 
1820  ist  mein  letztes  Heft. 

Dass  Kratenhoff's  Azimuthe,  die  an  einem  Orte  unter  sich  so  unge- 
heure Unterschiede  geben,  am  Ende  mit  einer  vermuthlich  zu  kleinen  Ab- 
plattung übereinstimmen,  ist,  wenn  nicht  vielleicht  etwas  gewählt  sein 
mag,  wohl  nur  Zufall.  Solche  Azimuthalbeobb.  können  wohl  über  die 
Gestalt  der  Erde  ebenso  wenig  etwas  entscheiden,  wie  die  Beobb.  der 
ZACH'schen\)  Pulversignale  durch  ungeübte  Officiere,  die  mit  Spiegel- 
sextanten, über  Glashorizonten  und  an  Chronometern,  deren  gleichförmiger 
Gang  übertrieben  wurde,  ihre  Zeitbestimmung  machten. 

Meine  Rekognoscirungsreise  werde  ich  nun  vermuthlich  bald  an- 
treten. 


No.  449.  Olbers  an  Gauss.  [241 

Bremen,  1822  April  27. 

Für  die  mir  mitgetheilten  Konstanten,  deren  Sie  sich  bei  den  Orts- 
bestimmungen aus  den  geod.  Messungen  bedienen,  danke  ich  recht  sehr. 
Die  kleine  Dilferenz  zwischen  der  Unterschiedsbestimmung  von  Olden- 
burg und  Bremen  klärt  sich  nun  ganz  auf.  Ich  habe  nämlich  Lulofs" 
Bestimmung  des  rheinländischen  Fusses  zu  Grunde  gelegt  und  so  die 
Distanz  von  Oldenburg  in  Toisen  etwas  grösser  20457,(323  [gefunden], 
das  Azimuth  aber,  wie  es  mir  Epailly  unmittelbar  als  in  Bremen  be- 
obachtet [angegeben],  99"45'4:8",43  vorausgesetzt.  —  Die  Bohnenbekger- 
sclien  Formeln  stehen  im  6,  Bande  der  Mon.  Corr.,  lassen  aber  bei  der 
Anwendung  eine  bequemere  Einrichtung  zu. 

Ebenso  habe  ich  Puissant's  Formeln  {Conn.  des  tems  182oi.  um 
den  p]influss  einer  Veränderung  der  Abplattung  auf  die  geograjjliisclie 
Lage  eines  Orts,  wie  er  aus  den  Triangeln  hergeleitet  ist.  zu  berechnen, 


^)  Vergl.  hierzu  auch  Omu.hs  Ed.  IT,  1,  S.  177 — 179.     Krm. 


olbers  an  (niiiss.     Uriiiii'U,  1822  April  27.  187 

eine  viel  einfachere  Form  gefrelxMi.  Es  sei  P  und  H  die  Länge  und 
Breite  des  Orts,  den  man  zu  Grunde  gelegt  hat,  F-{-dF  nm\  H-^clH 
die  berechnete  Länge  uiul  Breite  eines  anderen  Orts  in  der  Abplattung  a, 
r+dr'.  H-{-dH'  dieselbe  in  der  Abplattung  a-f  tia,  so  ist 

dH'  =  dH-\-  idHdc<cos2H 

C0S2Ä' 


dP'  =dP—dPda[l~       ^ 

statt  2H  wird  sicherer  für  dH',  2{H-\-dH)  genommen.  Obgleich 
diese  Formeln  auf  so  grosse  Entfernungen  wie  Dünkirchen  uml  Jever 
nicht  mehr  zuverlässig  sein  werden,  habe  ich  doch  die  Veränderung,  die 

ilie  Abplattung  statt     _^    in  der  Lage  von  Jever  hervorbringen 

würde,  danach  berechnet  und  für  die  Länge  —  (3",963,  für  die  Breite 
—  1",073  gefunden.  Diese  Korrektionen,  die  Breite  von  Dünkirchen 
nicht  mit  Kba yenhoff  51^2'8",73,  sondern  wie  sie  Delambee  selbst 
annimmt,  5P2'9",2  gesetzt,  giebt  mir 

Länge  des  Ansgarius-Thurms  60  28'7",162,  Breite  53"4'45",55.  ' 

Alles,  astronomische  Beobb.  wie  die  Vermessungen,  stimmen  nun  dahin 
überein,  dass  ich  die  Länge  meines  Beob.-Zimmers  auf  25'"  54*^)  östlich 
von  Paris  setzen  muss,  so  dass  also  Zach's  ehemalige  chronometrische 
i^estininiung-)  fast  um  6^  zu  klein  war. 

Die  Mailänder  Ephemeriden  habe  ich  endlich  auch  erhalten.  Es 
ist  höchst  unangenehm,  dass  sie  immer  so  spät  fertig  und  versandt 
werden.  —  Doch  erinnere  ich  mich  aus  meinen  jüngeren  Jahren,  dass 
es  ehemals  mit  den  AViener  Ephemeriden  ebenso  ging.  Man  konnte 
sie  selten  vor  Ostern  des  laufenden  Jahres  erhalten. 

Den  ersten  Band  der  Memoirs  der  Ästr.  Soc.  of  London  werden 
Sie  jetzt  auch  wohl  schon  in  Händen  haben.  A\'enigstens  hatte  das- 
selbe auf  der  Weser  angekommene  Schiff,  woraus  ich  das  meinige  er- 
halten habe,  auch  die  übrigen  für  Deutschland  bestimmten  Packete  an 
Bord.  Fr.  Baily  hat  seine  astronomischen  Tafeln  für  1822  und  die 
Febersetzung  von  Cagnoli's  Abhandlung,  die  Figur  der  Erde  aus 
Sternbedeckungen  zu  bestimmen,  beigelegt. 

\\'issen  Sie  schon,  lieber  Gauss,  etwas  von  des  Chevaliers  d" Assas  '^) 
angeblicher   Erfindung   oder   Methode,   die   eigene   Bewegung   %md  die 


*)  Vergl.  hierzu  Brief  No.  400  und  445.     Krm. 

-)  Siehe  Olbers  Bd.  U,  1.  S.  181.     Krm. 

^)  AssAs-MoNTDARDEEK,  Memoire  sur  la  determination  de  la  parallaxe  et  du  mouve- 
ment  propre  en  declinaison  des  etoiles  au  moj-en  d'une  nouvelle  methode  d'occulta- 
tions  artificielles.  Avec  le  rapport  de  Delambke  fait  le  10  Avril  1822,  Conn.  d.  T.  1831. 
Siehe  auch  Brief  No.  503.     Seh. 


183  Gauss  au  Olbers.     Bergen,  1822  Mai  10. 

Parallaxe  der  Fiocsterne  zu  bestimmen,  von  der  Delajvibee  in  der  letzten 
öifentlichen  Sitzung-  der  Pariser  Akademie  beifällig  geredet  haben 
soll?  Leider  erscheint  seit  einigen  Jahren  das  Programm  dieser  feier- 
lichen Sitzung  nicht  mehr  im  Moniteur.  Das  Journal  de  Paris  giebt 
sehr  dürftige  und  um  so  unzuverlässigere  Nachrichten  davon,  da  der 
Eedakteur  nicht  bloss  gesteht,  sondern  sich  gewissermaassen  rühmt, 
nichts  von  Astronomie  zu  wissen.  d'Assas  soll  die  Parallaxe  des 
nächsten  Fixsterns  auf  2"  bestimmt  haben,  und  die  Wahrscheinlichkeit 
seiner  Beob.,  so  wie  ihre  Uebereinstimmung  mit  Beinkley's  Beob.  vom 
Bureau  des  Longitudes  anerkannt  sein.  Wahrscheinlich  rührt  diese 
letzte  Notiz  von  dem  Chevalier  selbst  her,  und  da  möchte  es  einigen 
Zweifel  gegen  die  anerkannte  Eichtigkeit  und  Wichtigkeit  der  Ent- 
deckung erregen,  dass  die  Akademie  den  La  LANDE*schen  Preis  dieses 
Jahr  garnicht  vertheilt  hat,  weil  sie  keine  preiswürdige  astronomische 
Entdeckung,  Beob.  oder  Arbeit  zu  belohnen  fand.  —  Sollte  Ihnen,  lieber 
Gauss,  das  Programm  zugeschickt  sein  oder  zugeschickt  werden,  so  be- 
lehren Sie  mich  doch  darüber. 

Ihr  Schüler,  Hr.  v.  Staubt  ist,  glaubeich,  nicht  mehr  in  Göttingen  ? 
Wahrscheinlich  hat  auch  Ihnen  Schumachee  die  Beobb.  des  letzten 
Kometen^)  nach  seiner  Sonnennähe  von  Kapt.  Hall  zu  Valparaiso  für 
Hrn.  V.  Staudt  mitgetheilt? 

Ich  denke  Sie  mir  nun  bald  auf  Ihrer  ßekognitions-Reise.  Ich 
hoffe,  Sie  unterrichten  mich,  wie  nahe  Sie  diese  nach  Bremen  führen 
wird.  Möchte  dies  doch  so  nahe  sein,  dass  Sie  Ihren  alten  Freund  mit 
]hrem  erfreulichen  Besuche  überraschten. 


No.  450.  Gauss  an  Olbers.  [209 

Bergen,  1822  Mai  10. 

Seit  12  Tagen  bin  ich  nun  von  Göttingen  abwesend  und  seit  der  Zeit 
ohne  Nachrichten  von  dorther,  mithin  auch  ungewiss,  ob  vielleicht  von 
Ihnen  inzwischen  eine  freundliche  Zeile  eingelaufen.  Das  gütige  Inter- 
esse, welches  Sie  fortwährend  an  meinem  Geschäft  nehmen,  veranlasst 
mich  indessen,  Ihnen  etwas  über  dessen  freilich  noch  nicht  sonderlichen 
Fortgang  zu  schreiben. 

In  Hannover,  wo  ich  zuerst  2  Tage  war,  brachte  ich  zur  GeAviss- 
heit,  dass  vom  dortigen  Marktthurm  (aus  der  Spitze)  aus  Celle  sichtbar 
ist,  allein  bedeutend  westlicher  liegt,  als  meine  frühere  Eechnung  es 


0  Komet  1821.     Knii. 


(iauss  an  (Mbeis.     Hfrircii.  IS'Ji  .Mai   10.  Ig9 

pliu-iit  hatte,  iiiimer  aber  noch  östlicher  als  nach  Knde's  astronomischer 
Bestimmung:.  Ich  begab  mich  hierauf  nach  Celle,  wo  sich  die  Untaug- 
lichkeit  des  Schlossthurmes  sowohl  als  des  Stadtkirchthurmes  zu  guten 
Beobachtung-splätzeu  ergab.  Es  fand  sich,  dass  der  Wohlenberg  von 
da  aus  unsichtbar,  also  Mi  i.ler,  als  er  im  v.  J.  auf  diesem  Avar,  ein 
unrichtiger  Thurm  für  Celle  genannt  ist,  woraus  die  fehlerhafte  Be- 
stimmung von  Celle  entsprungen  war.  Lichtenberg  ist  übrigens  hier 
wahrscheinlich  nicht  sichtbar,  gewiss  nicht  Braunschweig,  wohl  aber 
Deister,  Brelinger  J^eig  und  Falkenberg  und  natürlich  Hannover.  Auf 
dem  li  Stunde  davon  entfernten  (larssner  Berge  fand  ich  Lichtenberg 
noch  eben  sichtbar,  auch  Celle,  Deister,  Falkenberg,  Wohlenberg,  Han- 
nover, aber  nicht  Braunschweig  und  nicht  Brelinger  Berg.  Nach 
Norden  und  Osten  ist  nichts  sichtbar,  was  über  2  Meilen  entfernt 
wäre,  und  alles  stark  bewaldet.  Es  scheint  hier  nirgends  durch- 
zukommen. Diese  Eekognoscirungen  bei  der  grossen  Hitze  waren  für 
mich  äusserst  angreifend  und  mehr  als  das,  ich  musste  2  Tage  das 
Bett  hüten.  Am  6.  ging  ich  nach  Bergen  ab;  das  dann  eintretende 
kühlere  "Wetter  besserte  meine  Gesundheit  wieder  etwas.  Müller  war 
schon  ein  paar  Tage  früher  hier  angekommen,  nachdem  er  noch  ein- 
mal den  Brelinger  Berg  ohne  Erfolg  für  den  Hauptzweck  rekognoscirt 
hatte*);  da  der  Wohlenberg  und  Lichtenberg  und  Garssner  Berg  von 
da  unsichtbar  sind,  so  ist  gar  kein  ordentlicher  Anschluss  des  Brelinger 
Berges  zu  machen. 

Den  8.  und  9.  bin  ich  auf  dem  Falkenberge  gewesen,  der  nach 
Süden  eine  unvergleichliche  Aussicht  hat.  Man  sieht  den  127000  m 
entfernten  Brocken,  den  Deister,  alle  Thürme  von  Hannover,  wahr- 
scheinlich auch  Lichtenberg,  und  ich  komme  daher  vielleicht  durch  ein 
Dreieck,  gewiss  aber  durch  2  in  meinem  System  dahin. 

"\^'ohlenberg  scheint  unsichtbar,  wäre  übrigens  auch  ebenso  un- 
brauchbar zur  Fortsetzung  nach  Norden  wie  der  Garssner  Berg.  Allein 
nach  Norden  ist  die  Aussicht  schon  in  der  Distanz  von  ^l„  Stunde 
durch  einen  tiefen  hochstämmigen  Wald  versperrt.  Ob  ein  Durchhau 
möglich  sein  wird,  um  die  Aussicht  nach  ^^'ilsede  zu  verschaffen,  bleibt 
noch  ungewiss.  Nach  Osten  ganz  herum  endet  die  Gesichtslinie  fast 
überall  auf  AVald.  Zum  Theil  dem  Augenraaass  nach  20000 — 30000  m 
entfernt.  Bloss  der  Hauselberg  ist  zum  Theil  kahl,  Müller  hat  ihn 
gestern  besucht,  aber  wenig  Tröstliches  von  da  mitgebracht.  Auf  der 
Westseite  ist  es  fast  ebenso  schlimm.  Alle  Hügelrücken,  die  den 
Horizont  begrenzen,  sind   nur  massig  entfernt  und  fast  alle  stark  be- 


*)  Der  Thunii.  in   dem  ich  früher  Verden  vermuthete,  ist  es  nicht,  sondern  viel 
näher;  die  Aussicht  geht  da  vielleicht  nicht  lialb  so  weit.     Ebenso  mit  Asendorf. 


190  Gauss  an  Olbers.     Bergen,  1822  Mai  10. 

waldet,    durch   ein   paar  Lücken   scheinen    3  entfernte  Thürme  durch, 
wovon  ich  den   einen  für  Asendorf,  den  anderen   für  Bücken   erkannt 
habe,  den  dritten  kenne  ich  noch  nicht  (vielleicht  Hasberi^en?).     Aber 
von  allen  dreien  sielit  man  nur  kleine  pyram.  Spitzen,  in  denen   sich 
schwerlich  mein  Theodolith  und  noch  weniger  ein  Heliotrop  aufstellen 
lässt,  auch  sehe  ich  noch  gar  nicht,  wie  man  weiter  nördlich  kommen 
will.     Einige    einzelne   kleine  Holzlücken,    die    aber   freilich   meistens 
wohl    nur    20000 — 25000  m    entfernt    sein    mögen,    habe    ich    notirt. 
Müller   soll    nun  suchen,   sie   aufzufinden    und    zu   rekognosciren ;   ich 
selbst   werde   morgen    nach   Lüneburg   gehen,    um    von    dem   dortigen 
Stadtthurme  aus  den  SW-Horizont  zu  untersuchen.    Müller  wird  seine 
Rekognoscirung  vornehmen,  so  bald  er  auf  dem  Falkenberg  einen  Baum 
aufgepflanzt  und  in  dem  verwünschten  Becklinger  Holz  (N  vom  Falken- 
berg)  einen    der  höchsten  Bäume   noch   durch  Ansetzen  eines  zweiten 
erhöht  haben  wird,  auf  welchen  er  nachher  von  Wilsede  aus  zu  poin- 
tiren   versuchen  wird.     Denn  den  auf  dem  Falkenberge  selbst   zu  er- 
richtenden Baum  von  circa  40  Fuss  Höhe  (einen  viel  höheren  vermögen 
die  Gewerkkräfte,   wie   sie   hier   zu   haben   sind,  nicht   aufzupflanzen) 
wird   man   von  Wilsede   aus   über   das  Holz   her  nicht  sehen  können. 
Ich  werde  dann  in  Lüneburg  den  Erfolg  von  Müller's  Rekognoscirung 
erwarten  und  ev.  mit  ihm  nach  Wilsede  hin  telegraphisch  korrespon- 
diren.      Dies   wird   wenigstens    einen  Aufenthalt   von    0 — 8  Tagen    in 
Lüneburg  veranlassen.     Sehr  glücklich  wüi'de  es  mich  machen,  wenn 
Sie   mich    daselbst   mit  einigen   Zeilen  poste  restante,  oder  bei  etwas 
späterem  Datum  vielleicht  sicherer  abzugeben  bei  Hrn.  Oberamtmann 
Jochmus   in   Lüne,    erfreuten;   vielleicht   könnte   ich   auch    später,   im 
Fall  meine  Rekognoscirungsreise  mich  näher  nach  Bremen  führte  und 
es  Hmen  nicht  beschwerlich  wäre,  noch  die  Freude  haben,   ein  paar 
Tage  bei  Hinen  in  Bremen  zu  sein,    obwohl  bei  der  völligen  jetzigen 
Ungewissheit  der  weiteren  Operationen  ich  in  diesem  Augenblick  nw 
die  Möglichlieit   und    noch  nicht    einmal    die   Wahrscheinlichkeit    eines 
Nahekommens   sehe.     Vermuthlich   erfreuen    Sie,    bester    Olbers.    sich 
nun  bereits  des  Besitzes  Ihrer  liebenswürdigen  Schwiegertochter,  wozu 
ich   Ihnen  und  Ihrem  würdieen  Hrn.  Sohne  .innigst  Glück  wünsche. 


Olli'i^  ;iii  (uius.-?.     IJivnun,  ISJJ  Mai   10.  \i.)\ 

No.  451  Olbers  au  Gauss.  [242 

Bremen,  1822  Mai  IG. 

Iliieii  lieben,  ans  Bergen  d.  U».  3Iai  datirten  Brief  empfing-  ieli  erst 
ge.stern  Abend  und  eile,  ihn  sogleich  mit  umgehender  Post  mit  ein  paar 
Zeilen  zu  beantworten.  Schon  der  Gedanke  der  Möglichkeit,  Sie,  mein  ge- 
liebter Freund,  auf  einige  Tage  hier  zu  sehen,  macht  mich  ungemein 
fidh!  Führen  Sie  ja.  wenn  es  Ihnen  irgend  möglich  ist,  diese  Möglich- 
keit zur  Gewissheit  und  AX'iiklichkeit!  Jeden  Tag,  jede  Stunde  sind  Sie 
mir  gleich  willkommen,  werden  Sie  mich  in  gleichem  Grade  beglücken.  — 
Aber  mit  den  Klüngeln  einer  Junggesellen-^^'irthschaft  werden  Sie  noch 
Nachsicht,  grosse  Nachsicht  haben  müssen.  Denn  leider  führe  ich  diese 
noch  und  werde  sie  wolil  immer  führen.  Die  Hoffnung,  bald  eine  gute 
Schwiegertochter  in  meinem  Hause  walten  zu  sehen,  hat  sich  wieder 
zerschlagen.  Zwischen  meinem  Sohn  und  seiner  Braut  hat  sich  in 
einigen  wichtigen  Punkten  eine  Verschiedenheit  der  Ansichten  gezeigt, 
die  zu  dem  herben  Entschluss  geführt  hat,  das  Eheverlöbniss  freund- 
schaftlich wieder  aufzuheben.  Mein  guter  Sohn  leidet  ausserordentlich 
bei  diesem  unglücklichen  Vorfall;  denn  er  scheint  seine  gewesene  Braut 
sehr  geliebt  zu  haben  und  noch  zu  lieben.  Es  wird  eine  lange  Zeit 
dazu  gehören,  diese  Wunde  wieder  zu  heilen,  wenn  sie  überhaupt  je 
wieder  geheilt  werden  kann.  —  Doch  an  diese  unangenehmen  Dinge,  die 
ohnedem  nicht  zu  ändern  sind,  wollen  wir  gar  nicht  denken,  lieber 
Gauss,  wenn  Sie  nur  hierher  kommen,  und  vielleicht  ist  dies  noch  ein 
Beweggrund  mehr,  w^arum  Sie  Ihrem  alten  Freunde  diese  grosse  Freude 
machen  sollten.     Nichts  wird  ihn  mehr  zerstreuen  und  aufheitern. 

Hirer  Rekognoscirungs-ßeise  habe  ich  nur  unvollkommen  folgen 
können,  da  meine  Karten  nur  selten  Ihre  angeführten  Bergnamen  ent- 
halten. Der  Brelinger  Berg  wird  wohl  natürlich  bei  Breiingen,  so  wie 
der  Garssner  Berg  bei  Garssen  anzutreffen  sein,  aber  von  dem  Falken- 
berge finde  ich  keine  Spur.  —  Ich  fürchte,  Sie  werden  doch  nordwärts 
von  Falkenberg  und  ostwärts  nur  durch  mehrere  kleine  Dreiecke  mit 
Lüneburg  und  Hamburg  in  Verbindung  kommen. 

Meinen  vor  etwa  14  Tagen  nach  Göttingen  adressirten  Brief  wer- 
den Sie  nun  wohl  erhalten  haben? 

Von  allem  Uebrigen  mündlich  mehr,  wenn  anders  der  Himmel 
meinen  Wunsch  und  meine  Hoffnung  erfüllt. 

Wegen  des  späten  Datums  adressire  ich  diesen  Brief  an  den 
Hrn.  Oberamtmann  Jochmüs  in  Lüne. 


IC)2       '  Gauss  au  Olbers.     Göttingeii,  1822  Juni  S. 

xo.  452.  Gauss  an  Olbers.')  isio 

Göttingen,  1822  Juni  3. 

Ihren  Brief  habe  ich  noch  in  Lüneburg  erhalten  und  es  innig  be- 
klagt, dass  die  Umstände  es  mir  diesmal  ganz  unmöglich  gemacht  haben, 
Sie  in  Bremen  zu  umarmen.  Herzlich  betrübt  bin  ich  in  Ihrer  Seele, 
bester  Olbers,  über  die  Wendung,  welche  Ihnen  die  so  nahe  scheinende 
Hoffnung,  Ihr  häusliches  Glück  vergrössert  und  verschönert  zu  sehen, 
für  jetzt  vereitelt  hat,  obwohl  ich  es  nun  eher  für  ein  Glück  halte, 
dass  eine  Verbindung  nicht  geschlossen  wurde,  die  unter  den  obwalten- 
den Umständen  doch  das  wahre  Glück  Ihres  würdigen  Hrn.  Sohnes 
nicht  hätte  begründen  können. 

Von  meiner  Reise  bin  ich  vorgestern  hier-i  zurückgekommen  und 
werde  nun  wohl  noch  10  oder  12  Tage  mit  allerlei  ^'orbereitungen  für 
die  wirklichen  Messungen  zu  thun  haben.  Bei  meinen  Nachforschungen 
in  der  Lüneburger  Haide  war  ich  nahe  daran,  die  Durchführung  einer 
Triangulation  durch  diese  verwünschte  Gegend  mit  Epaillt  für  un- 
möglich zu  erklären;  auch  wenn  man  sich  zu  ganz  kleinen  Drei- 
ecken entschlösse,  wäre  das  Durchkommen  durch  diese  verschränkten 
Holzungen  kaum  möglich,  insofern  man  nicht  iingelieure  Kosten  darauf 
anwenden  wollte.")  Die  Nachforschungen  des  Hauptmann  Müller  auf 
der  Westseite  des  Meridians  über  Walsrode,  Kirchboizen,  Visselhövede 
sind  vollkommen  erfolglos  gewesen  und  haben  gar  kein  Resultat  ge- 
geben. Mii'  selbst  aber  ist  es  nach  höchst  mühsamen  Nachsuchungen 
gelungen,  einen  Punkt  zu  finden,  der  sich  mit  3  anderen  EpAiLLT'schen 
verbinden  lässt  und  eigentlich  gerade  das  effektuirt,  was  Epailly  ver- 
gebens gesucht  hatte.  Der  Punkt  ist,  so  weit  ich  die  Gegend  unter- 
sucht habe,  verniuthlich  einzige  er  liegt  unweit  des  kleinen  Dorfes 
Wulfsode  und  zwei  Hauptdreiecke  werden  dadurch  recht  im  Herzen  der 
Haide  möglich,  so  gut  wenigstens,  wie  ich  sie  dort  zu  bilden  kaum  ge- 
hofft  hatte.     Nördlich   und   südlicli   davon  bleiben  nun  aber  noch  die 


')  Dieser  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krm. 

-)  Am  1.  Juni  war  Gauss  nach  Eekognoscirung  der  Lüneburger  Haide  wieder 
nach  Göttingen  zurückgekehrt.  Seine  Abwesenheit  von  Göttiugen  währte  von  Apr.  28 
bis  Juni.     Vergl.  Briefwechsel  Gauss-Schümacher  Brief  No.  146.     Seh. 

^)  Vergl.  für  das  Folgende  den  Brief  Gauss-Schumacher  Xo.  146:  so  wie  über- 
haupt in  diesen  Jahren  den  Briefwechsel  GArss-ScHUMACHKR,  der  vielfach  ergänzend 
und  ausführend  eingreift.  Einiges  über  die  Messungen  dieses  Jahres  tindet  sich  auch 
im  Brief  No.  135,  Briefwechsel  Gaüss-Bkssel.  Eine  kurze  allgemeine  Uebersicht  über 
die  Arbeiten  des  Jahres  1822  für  die  hannoversche  Gradmessung  hat  Gauss  im  Brief 
No.  159  an  Schximacher  gegeben,  der  in  der  1.  Beilage  zu  No.  24  der  A.  N.  abge- 
druckt ist.     Sch. 


(iaiiss  an  Olbers.     Gütting-en,  1822  Juni  3. 


193 


^^auendurp 


Wjlsede 


falAenl>erpc 


Wi 


iLuUerlff?iier'ff 


Gtr/'ssfvi 


Schwierigkeiten;  hätte  ich  darauf  bestehen  wollen,  jetzt  erst  alles  zu 
reg-uliren.  so  hätte  ich  leicht  den  ganzen  Sommer  damit  zubringen 
können,  um  so  nu'hr,  da  meine 
jthysischen  Kiäfte  mir  nicht  er- 
laubt haben  würden,  diese  höchst 
angreifenden  Aufsuchungen  un- 
unterbrochen fortzusetzen  und 
überall  selbst  zu  sein.  Ohne  meine 
peisönliche  Theilnahme  wäre  aus 
der  ganzen  Rekognoscirung  aber 
bestimmt  gar  nichts  herausge- 
konnnen. 

Bis  zum  Falkenberg  (^/^  Meilen 
N\\'  von  Bergen)  führe  ich,  wie 
Sie  aus  nebenstehender  Zeichnung 
sehen,  ein  herrliches  Dreiecksnetz, 
dessen  Etablirung  eine  Frucht 
meiner  Nachforschungen  gewesen 
ist,  welche  aber  ohne  die  Kabinets- 
arbeiten,  wodurch  ich  durchaus 
alle  mir  zu  Gebote  stehenden 
Materialien  so  gut  als  möglich  im 
Voraus  vereinigt  hatte,  unmöglich 
gewesen  wäre.  Ohne  die  Richtung 
des  Lichtenberges  auf  den  Garssner 
Berg  schon  auf  1'  oder  2'  genau  zu 
kennen,  könnte  man  100  Mal  auf 
letztem  Platz  sein,  ohne  die  Mög- 
lichkeit zu  ahnen,  da  die  Gesichts- 
linie nur  eben  über  den  Wald  bei 
Wienhausen  weggeht.  Ebenso  vom 
Falkenberge  aus.  Der  Deister  ist 
leicht  zu  erkennen. 

Das  weitere  Fortkommen  von 
hier  aus  würde  nun  leicht  sein, 
wenn  sich  dei-  Garn^sner  Berg*) 
mit  Lutterlohberg  verbinden  Hesse. 
Allein  hierzmschen  liegen  grosse 
Waldungen,  die  wohl  undurchdring- 
lich sein  werden;  vielleicht   wäre   sogar  das  Terrain   selbst  zu   hoch 


Dffs/er 


m/s 


^.ir/ifmde/y 


:>Br0cA'en 


Jfc//ir//a(/i7i 


'l//i/?2a'r/tfA 


^J/fseh-beiy 


Ym.  12. 


*)  Eigentlich  gar  kein  Berg,   sondern  nur  ein  etwas  höher  liegendes  Ackerfeld. 

Olbers.    JI,  2.  13 


2Q^  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1822  Juni  3. 

dazwischen.  Durch  den  Thurm  von  ^Mnsen  an  der  Aller  würde  sich 
nothdürftig  die  Verbindung  machen  lassen,  allein  dann  müsste  ich  auf 
die  3.  Winkel  der  3  Dreiecke  verzichten,  da  sich  auf  diesem  Thurm 
ein  Theodolith  schwerlich  aufstellen  lässt.  Auch  weiss  ich  nicht  ganz 
gewiss,  ob  der  Winser  Thurm  auf  dem  Lutterlohberge  auf  ebener  Erde 
zu  sehen  ist  (Epailly  hat  diese  Verbindung,  maass  aber  seine  Winkel 
immer  oben  in  seinen  Signalthürmen);  ich  selbst  bin  auf  dem  Lutter- 
lohberge noch  nicht  gewesen,  und  Müllek  hat  diesen  Umstand  zu  er- 
ledigen versäumt. 

Der  Platz  bei  Wulfsode  verträgt  keine  Aussicht  nach  der  X-  und 
und  0- Seite,  Dagegen  ist  ^j^  Stunde  NW  davon  ein  Platz  bei  Lang- 
lingen, wo  der  Lutterlohberg,  Wilsede  und  der  Kopf  meiner  Falkenberg- 
Signalstange  sichtbar  ist,  aber  nicht  dieser  Bergrücken,  wegen  des 
7-2  Stunde  von  Falkenberg  vorliegenden  Becklinger  Waldes.  Ich  habe 
MüLLEE  von  Falkenberg  aus  in  dem  ihm  vorgeschriebenen  Azimuth 
einen  Durchhau  anfangen  lassen,  allein  nachdem  die  ersten  hohen 
Tannen  weggenommen  waren,  traf  die  Gesichtslinie  auf  einen  jungen 
Buclienwald,  und  der  Förster  taxirte  den  Schaden  durch  einen  Durch- 
hau auf  wenigstens  I0(»t»  M  Es  ist  dies  sehr  schade,  denn  von  jenem 
2.  Platze  (bei  Bockum)  sieht  man  zugleich  Winsen  an  der  Luhe  (welches 
auf  der  Karte  niclit  mitgezeichnet  ist)  und  Steinbeck.  Die  Linie  von 
Falkenberg  nach  Wilsede  geht  noch  länger  (über  1  Stunde  Weges) 
durch  den  Becklinger  ^^'ald  und  ein  Durchhieb  hier  würde  also  gewiss 
mehrere  tausend  Thaler  kosten,  wobei  noch  ungewiss  bleibt,  ob  die 
Linie  über  das  Terrain  selbst  weggeht.  Falkenberg  und  Wilsede  sind 
übrigens  die  höchsten  Punkte  der  ganzen  Haide. 

Im  Nothfall  kann  man  nun  die  Punkte  ^\"ulfsode  und  Bockum  beide 
nehmen  und  den  Uebergang  vermittelst  der  Seite  Lutterloh-^^'ilsede 
effektuiren.  Zwischen  Wulfsode  und  Bockum  liegt  hohes  Holz,  doch  ist 
hier  vielleicht  noch  ein  Durchhau  möglich,  welches  den  AA  noch 
mehr  Haltung  geben  würde.  Jedoch  ehe  ich  mich  dazu  entschliesse, 
diese  Punkte  beide  zu  nehmen,  wird  erst  noch  ein  Hügel  bei  Marxen 
untersucht  werden  müssen;  ich  vermuthe,  dass  er  mit  Lutterlohberg  zu 
verbinden  ist,  sollte  er  es  auch  mit  Wilsede  und  vielleicht  auch  mit 
Hamburg  (vielleicht  auch  noch  mit  Lüneburg)  sein,  so  würde  ich  ihn 
dann  dem  Platz  bei  Bockum  vorziehen,  wenn  auch  dieser  Platz  bei 
Marxen  gewiss  nicht  mit  Wulfsode  zu  verbinden  ist.  —  Von  Lüneburg 
aus  ist  gegen  Süden  gar  nicht  dun-hzudringen:  der  grosse  Lüsing 
hemmt  alle  Aussicht  —  Winsen  an  der  Luhe  ist  von  Wilsede  aus  un- 
sichtbar, vermuthlich  aber  Steinbeck.  —  Der  Platz  bei  Wulfsode  ist 
übrigens  auch  noch  mit  der  Annehmlichkeit  eines  sehr  guten  Fnter- 
kommens  in  diesem  Dorfe   verbunden,   welehes    bei  Lutterloh.  Wilsede 


OlhiTs  an  (laiiss.      ilifiueu,   IS'J'J  Juni  ü.  l<j;, 

und  Marxeii  wühl  we<:talltMi  wird,  so  dass  ich  mich  vur  diesen  Stationen 
s»dir  fürchte.  — .  Jk)ck.iiin  wäre  noch  nahe  genug-  bei  \\'ulf,sode,  um  von 
da  aus  mit  besorgt  zu  werden. 

Kntschuhligen  Sie,  theuerster  Olhers,  meine  Geschwätzigkeit,  ich 
gh\ubte,  dass  Ihre  freundschaftliche  Theilnahme  mir  erlauben  würde, 
Ihnen  einige  Idee  von  der  Natur  und  den  Schwierigkeiten  dieser  Tri- 
angulirung  zu  geben. 

Haben  Sie  die  Alisicht,  im  nächsten  Herbst  der  von  Schumachkr 
vorgeschlagenen  Huldigung  des  Hrn.  Professor  Bude')  beizuwohnen? 
Ich  für  meine  Person  werde  wohl  darauf  Verzicht  thun  müssen. 


No.  453.  Olbers  an  Gauss.  [243 

Bremen,  1822  Juni  9. 

Mit  grosser  Sehnsucht  habe  ich  Sie  vom  20.  Mai  an  jeden  Tag  er- 
wartet, bis  ich  endlich  die  schöne  Hoffnung,  Sie  hier  zu  uniaiinen,  für 
diesmal  aufgeben  musste.  So  sehr  ich  gewünscht  hätte,  dass  sich  westliche]' 
von  Ihrem  Meridian  und  uns  näher,  eine  schickliche  Verbindung  Ihrer 
südlicheren  Dreiecke  mit  Hamburg  und  Lauenburg  gefunden  haben 
möchte,  so  freue  ich  mich  doch  aufrichtig,  dass  Sie  Mittel  ui.d  Wege 
gefunden  haben,  diese  Verbindung  so  nahe  in  der  Richtung  Ihi'er  Mit- 
tagslinie zu  bewerkstelligen.  Aber,  lieber  Gauss,  wenn  gleich  ihre 
Gradmessung  durch  die  MüFFLiNCr'schen  Triangel  schon  im  Süden  mit 
der  französischen  zusammenhängt,  so  wäre  es  doch  für  Geograpliie  und 
in  so  vielfacher  Rücksicht  höchst  interessant,  wenn  auch  das  nördliche 
Ende  derselben  sich  an  die  KRAYENHorr'schen  Dreiecke^)  anschliessen 
liesse.  Vorläufig  wollte  ich  also  nur  bitten,  wenn  es  irgend  Zi-it  und 
Gelegenheit  erlaubt,  von  den  Stationen  Winsen,  Falkenberg,  Wilsede 
und  Hamburg  oder  Steinbeck  auch  die  noch  sichtbaren  entferntesten 
westlichen  Punkte  mit  zu  beobachten.  Es  würde  dann  darauf  an- 
kommen, wie  nahe  diese  westlichen  Punkte  unserem  Bremen  kommen 
möchten,  und  ob  es  möglich  sei,  von  hier  aus  die  Lücke  durch  einige 
Dreiecke    auszufüllen.     Deswegen    möchte   ich    auch   gern   Ihr  Urtheil 


^)  Bode's  Jubiläum.    Vergl.  Briefwechsel  Gauss-Schumacher  Brief  No.  14-'{.    Seh. 

'-)  Auf  Olbers'  Veranlassung  ist  iu  den  Jahren  1824  u.  1825  der  Anschluss  an 
die  nordöstlichen  KRAYENHOFp'schen  Dreiecke  über  Bremen,  Oldenburg  mit  Unter- 
stützung des  Bremischen  Senates  ausgeführt,  und  so  die  dänisch-hannoversche  Gräd- 
messung  mit  der  englisch-französischen  verbunden  worden.  Vergl.  hierzu  die  Be- 
merkungen zur  hannoverschen  Triangulation  in  Gauss'  Werken  Bd.  IX,  S.  4M,  4;2 
und  die  Briefe  No.  465—468,  471,  473,  478,  493  und  495.     Krm. 

13* 


19(5  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1822  Jnni  9. 

wissen,  ob  wohl  ein  8  zölliger  repetirender  RziCHENBACH'scher  Theodolith, 
wie  ihn  ützschneidee  als  fertig  in  den  Astr.  Nachr.  ausbietet,  zu  den 
Winkelmessung-en  eine  hinreichende  Genauigkeit  gewähren  könne?  Ich 
bitte  Sie,  lieber  Gauss,  beantworten  Sie  mir  doch  diese  Frage. 

Wenn  ich  den  Nov.  noch  erleben  sollte,  so  werde  ich  bei  meinem 
unbehülflichen  Alter  in  einer  so  vorgerückten  Jahreszeit  eine  Reise 
nach  Berlin  ^)  nur  auf  den  einzigen  Fall  unternehmen,  wenn  ich  glauben 
könnte,  dadurch  etwas  dazu  beizutragen,  Ihnen  eine  Ihrem  Geiste  und 
einzigen  Talenten  angemessene  Stelle  zu  verschaffen.  Dazu  sehe  ich  aber 
bei  meiner  Unbekanntschaft  mit  den  Preussischen  Ministern  keine 
"Wahrscheinlichkeit.  Hier  will  man  als  gewiss  behaupten,  dass  man 
dem  Könige  vor  der  Hand  mit  gar  keinem  Vorschlag  irgend  einer  neuen 
Anstellung  im  Zivilfach  kommen  dürfe.  Da  sich  nämlich  auch  in  den 
Friedensjahren  seit  1816  in  den  Preussischen  Finanzen  ein  jährliches 
Deficit  von  4  bis  5  Millionen  gezeigt,  so  habe  Fürst  Hardenberg  den 
König  endlich  von  der  Nothwendigkeit  überzeugt,  seinen  Militair-Etat 
und  besonders  auch  seine  ihm  so  lieben  Garden  bedeutend  zu  ver- 
mindern; höchst  ungern  und  grämlich  habe  der  König  dieser  Noth- 
wendigkeit nachgegeben,  zugleich  aber  erklärt,  dass,  wenn  er  den 
Militair-Etat  beschränken  müsse,  auch  eine  verhältnissmässige  Ersparung 
beim  Civil-Etat  eintreten  müsse  und  solle.  Dies  habe  der  Fürst  auch 
versprochen,  und  der  König  verweigere  seitdem  die  Unterzeiclinung 
jeder  Civil-Anstellung  oder  Beförderung,  wenn  er  nicht  von  ihrer  un- 
umgänglichen Nothwendigkeit  überzeugt  würde.  —  "Wahrscheinlich  haben 
auch  Sie  dies  oder  etwas  Aehnliches  aus  Berlin  gehört.  Auch  mein 
Bekannter,  wovon  ich  Ihnen  einmal  Erwähnung  that,  hat  unerachtet 
des  vortheilhaftesten  Yorschreibens  seiner  Oberen  die  längst  erwartete 
Ausfertigung  seiner  Anstellung  nicht  erhalten  können. 

Da  Ihr  Brief  nichts  vom  Kometen  "^j  erwähnt,  so  vermuthe  ich, 
dass  er  auch  in  Göttingen  wohl  nicht  gesehen  sein  wird.  Ich  habe 
ihn  nicht  gesehen,  woran  theils  die  nächtliche  Dämmerung,  theils  der 
Umstand  Schuld  sein  mag,  dass  die  Himmelsgegend,  wo  der  Komet 
stand,  von  meinem  Zimmer  nicht  zu  sehen  ist.  —  Die  Ankündigung 
dieses  Kometen  in  den  französischen  Papieren  verdient  doch  Tadel. 
Das  Journ.  de  Paris  sagte,  G.sjvibart  habe  am  12.  Mai  den  Kometen 
bei  dem  2.  Stern  des  Stiers  entdeckt.  Es  war  doch  nicht  so  ganz 
leicht  zu  rathen,  dass  dieser  2.  Stern  des  Stieis  ß  Taiiri  sein  soUte. 
Wenigstens  glaube  ich  nun,  dass  dies  der  Sinn  jener  Bezeichnung  sein 


^)  Zu  Bode's  Jubiläum.     Krm. 

*)  Komet  1822  I.    Entdeckt  Mai  12  von  Gambart  in  Marseille,  d.  14.  von  PokS 
zu  Marlia  und  d.  16.  von  Biela  zu  Prair.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Celle,  IS'JJ  Juli  24.  197 

soll,  da  No.  2  Tauri  nach  Flamsteed  auch  am  12.  Mai  zu  Marseille  schon 
vor  der  Sonne  unterg:eht.  Der  Monitcur  wiederholte  nachher  o;edankenlo.s 
die  Pariser  Beub.  vom  18.  aus  dem  Journ.  de  Faria  unter  dem  '22.  Mai 
mit  der  Bezeichnung;:  Gestern  um  10'' 40'"  Abends  u.  s.  w.,  als  ob  sie 
am  21.  gemacht  sei.  —  Ks  wird  sich  nun  nach  dem  Mondschein  er- 
geben, ob  der  Komet  auf  südlicheren  Sternwarten  noch  sichtbar  und 
anderwärts  als  zu  ^larseille,  Paris,  Leiden  und  Prag  beobachtet  ist. 

Aus  Lloyds-Liste  sehe  ich,  dass  der  Royal  George,  auf  dem  sich 
General  Brisbane  und  Rümker  einschifften,  glücklich  in  Xeuholland 
angekommen  ist.  Datum  und  andere  Umstände  wurden  nicht  dabei  ge- 
meldet. 

Haben  Sie  schon  Ivory's  Aufsatz  über  die  berüchtigte  Proposition 
[der]^)  Parallel-Linien  gelesen?  Sein  Verfahren  ist  nicht  neu,  wie  es 
mir  [scheint]^),  denn  schon  öfter  hat  man  versucht,  den  Satz,  dass  die 
3  Winkel  eines  Dreiecks  zweien  rechten  gleich  sind,  unabhängig  von 
den  Parallel-Linien  zu  beweisen. 

Ueberhaupt  ist  Ivory  jetzt  in  mehrere  Streitigkeiten  verwickelt,  die 
er  zum  Theil  wohl  hätte  vermeiden  können;  aber  unanständig  finde  ich 
es  doch  von  Young,  wenn  dieser  bei  Vertheidigung  seiner  Refraktions- 
Formel  das  bekannte  Auricidas  asini  rex  Midas  habet  auf  diesen 
Mathematiker  anwendet. 

Ich  hoffe,  mein  allertheuerster  Freund,  Sie  werden  mich  auch  bei 
Ihrer  nun  wieder  anfangenden  Gradmessung  oft,  recht  oft  mit  einer 
kleinen  Notiz  von  Ihren  Operationen  erfreuen.  Sie  können  sich  kaum 
denken,  welches  Fest  jeder  Brief  von  Ihnen  für  mich  ist.  —  Viel,  viel 
Glück  zu  Ihrer  Campagne!  Schonen  Sie  nur  vor  allen  Dingen  Ihre 
Gesundheit. 


No.  454.  Gauss  au  Olbers.')  [211 

Celle,  1822  Juli  24. 

riiren  letzten  Brief  erhielt  ich  kurz  vor  meiner  Abreise^)  von  Göt- 
tingen, und  ich  bin  bisher  noch  immer  nicht  dazu  gekommen,  Ihnen  für 
alles  Freundschaftliche,  was  er  enthält,  zu  danken.  Inzwischen  benutze 
ich  jetzt  Ihre  Erlaubniss,  Ihnen  zugleich  etw^as  von  meinen  diesjährigen 
Messungen  zu  schreiben.     Ich  bin  jetzt  an  meiner  dritten  Station,  wo 


^)  Diese  Worte  sind  im  Original  abgerissen  Krm. 

^)  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krm. 

*)  Nach  Briefwechsel  Gauss  -  Schumacher,  Brief  No.  148  vom  Juli  10  wollte 
Gauss  in  etwa  8  Tagen  nach  Celle  gehen.  Aug.  4  war  er  dann  nach  Bergen  ge- 
kommen.    Seh. 


198  Gauss  an  Olbers.     CeUe,  1822  Juli  24. 

das  Wetter  mir  fast  noch  ungünstiger  ist,  als  an  den  beiden  ersten. 
Auf  dem  Lichtenberge  habe  ich  17  Tage,  auf  dem  Deister  11  Tage 
zugebracht,  die  Eeisetage  ungerechnet;  bei  der  ersten  Station  wurde 
ich  sehr  durch  den  Moorbrand  aufgehalten,  welcher  gerade  zwischen 
dem  Falkenberge  wälirend  8  Tagen  kein  Licht  von  daher  durchliess. 
Bei  der  anderen  und  jetzigen  ist  die  Entfernung  des  Aufenthaltsortes 
vom  Dreieckspunkte  sehr  hinderlich,  beim  Deister  fast  1  Stunde,  hier 
fast  1\'.2  Stunde.  Mittags  ins  Quartier  zu  gehen,  kostet  so  viele  Zeit, 
und  den  ganzen  Tag  bei  einem  Butterbrot  auf  dem  Berge  sein,  was 
ich  dort  und  hier  öfter  gethan,  wirkt  recht  merklich  aufreibend  auf 
meine  physischen  Kräfte,  wobei  ich  dann  noch  obendrein  meistens  den 
Verdruss  habe,  Vormittags  bei  der  schlechten  Beschaffenheit  der  Luft 
wenig  oder  nichts  auszurichten. 

Zuweilen  habe  ich  dann  aber  auch  gute  Luft  und  das  Vergnügen 
gehabt,  Winkelmessungen  zwischen  zwei  Heliotropen  zu  machen.  Ich 
setze  Ihnen  ein  paar  Proben  vom  Deister  her,  wo  ich  das  Heliotrop- 
licht durch  den  Hauptmann  Müllek  vom  Falkenberg,  und  durch  meinen 
Sohn  zuerst  vom  Lichtenberg,  nachher  vom  Garssner  Berg  erhielt 

Falkenberg-  -  Lichtenberg ')  !  Falkenberg  -  Garssner  Berg 


Juli  10       6         8ü°51'51".208 


6 

51,250 

2 

50,000 

4 

51.312 

4 

50.125 

6 

49,ii58 

6 

51,458 

4 

50,812 

38 

89"51'50",849 

Juli  13       4         23M1'52",812 


14 


4 

52.000 

5 

52,450 

5 

52,550 

10 

52.025 

10 

52.625 

10 

51.725 

10 

52,675 

58 

23°11'52",323 

Das  Winkelmessen  zwischen  zwei  Heliotroplichtern  macht  öfter 
den  A^erdruss,  dass  man  auf  den  Schluss  einer  Beobachtungsreihe  lange 
Avarten  muss,  manchmal  ihn  gar  niclit  erhält.  Das  erstere  würde  bei 
einer  weniger  soliden  Aufstellung  gefährlich  sein  (mein  Theodolith  steht 
überall  auf  einem  steinernen  Postament),  im  letzteren  Falle  helfe  ich  mir 
immer  so  (um  nicht  die  Keihe  ganz  zu  verlieren),  dass  ich  gemischte  Winkel 
nehme.    So  sieht  z.  B.  meine  ganze  bisherige  hiesige  Ausbeute  so  aus: 

1  Deister           Vorausger.  Azim.     3S<' 13'51",127 

2  Isernhagen  45  25    0,933 -fa- 

3  Winsen  97  52  56,376  -[-  h 

4  Falkenberg  i  137  28  43.259 +  c 


^)  Siehe  auch  Brief  No.  148  im  Briefwechsel  Gacss-Schumacher.     Krm. 


au  <ill.crs.     Celle,  1822  Juli  24. 


190 


M.-Min 

^■11 

rnt«'r>iliir,l 

1-3 

3S 

59"  39'  5",539 

—  0",290  +  b 

1-4 

46 

99  14  52,071 

+  0,061  +  c 

2-3 

25 

52  27  55,3-.0 

+  0,093  —  a  +  6 

2-4 

5 

92  3  43,200 

—  0,874  —  a  +  c 

3-4 

25 

39  35  47,100 

—  0,217  — i  +  c 

(l-3)\ 

+  (1-4)1 

2 

158  53  513,875 

+  0,506  +  &  +  c 

(l-3)\ 

+  9(1-4)/ 

952  52  47,250 

+  7,187 +  Z;+ 9c 

Sie  können  hieraus  zugleich  sehen,  wie  ich  es  mit  den  Beobb. 
übeiliaupt  eingericlitet  habe.  Am  Ende  sollte  a,  b,  c  so  bestimmt  wer- 
den, dass  die  Zahlen  der  letzten  Kolumne  alle  0  werden,  welches  aber 
nur  bei  absohder  Genauigkeit  der  Beobb.  mög-lich  wäre.  Sie  werden 
daher  nach  den  strengen  Vorschriften  der  Wahrscheinlichkeits-Rechnung- 
kombinirt,  wobei  jedoch  noch  mancherlei  zu  bemerken  ist,  was  hier 
an/.nfühien  zu  weitläufig-  sein  würde.  Auch  Arago  und  Biot  haben  in 
Si)anien  oft  mehr  als  die  direkten  Winkel  gemessen,  aber  sie  ganz  un- 
richtig kombinirt.  Bei  meiner  ]\ranier  zu  beobachten  kann  ich  jede 
Minute  nützen,  wo  nur  zwei  Objekte  zu  sehen  sind.  Wollte  ich  bloss 
direkte  Winkel  messen,  so  müsste  ich  vielleicht  auf  mancher  Station 
mehrere  Monate  bleiben,  z.  B.  dem  Falkenberge,  wo  ich  6  oder  7  Haupt- 
punkte haben  werde.  —  Die  beiden  Dreiecke  Brocken,  Hils,  Lichten- 
berg; Hils,  Lichtenberg,  Deister  scheinen  bis  auf  einen  Bruch  von 
einer  Sekunde  zu  schliessen,  ich  habe  aber  die  Rechnung  noch  nicht 
definitiv  gemacht,  auch  für  das  erste  Dreieck  nicht  alle  nöthigen  Ele- 
mente bei  mir.  Nach  Lichtenberg  habe  ich  wieder  von  hier  aus  meinen 
Sohn  geschickt,  von  dem  ich,  wenn  das  Glück  gut  ist,  vielleicht  heute 
Nachmittag  Licht  erhalte.  Hartmann  ist  noch  auf  dem  Deister,  MIjller 
hat  heute  den  Falkenberg  verlassen,  um  in  der  Gegend  von  Eschede 
noch  einen  Punkt  aufzusuchen,  der  eine  Kommunikation  zwischen 
Garssner  Berg,  Hauselberg  und  Falkenberg  bildet.  Ein  direkter  Durch- 
hau zwischen  hier  und  Hauselberg  scheint  ganz  unausführbar  zu  sein, 
da  die  Linie  gleich  vorn  1  Stunde  lang  durch  hohes  Privatholz  geht. 
Für  den  Falkenberg  hat  Müller  zwei  grosse  Durchhaue  gemacht, 
einen  nach  Wilsede,  einen  nach  Langlingen,  ich  weiss  aber  nicht,  in- 
wiefern sie  geglückt  sind.  —  Wegen  der  Verbindung  von  Hauselberg 
und  Garssner  Berg  bin  icli  in  grosser  Verlegenheit,  es  ist  wenig  Hoffnung, 
bei  Eschede  einen  solchen  Punkt  zu  finden,  der  nicht  auch  noch  grosse 


200 


Gauss  an  Olbers.    Celle,  1822  Juli  24. 


Falkenber-ff 


Jscmhoffen 


Heister 


Langlingen, 

Ecaiselberff 
Gnrssner  Bprff 


Lichtenberff 


Fiff.   13. 


Dui-chhaue  erfordeiiich  machte.  Winsen  hat  Müller  auf  dem  Hau.sel- 
berg  gar  nicht  sehen  können  (Epailly  beobachtete  in  der  Luft).  Etwa 
500  Schritt  westlich  von  Epailly's  Standpunkt  glaubte  er  zwar  Winsen 
gesehen  zu  haben,  allein  ich  fand  bald,  dass  er  sich  geirrt,  und  dass  dies 
ein  anderer  Thurm  (Isernhagen)  gewesen  sei  (ich  selbst  bin  noch  nicht 
auf  dem  Hauselberg  gewesen).  Im  Nothfall  würde  nun  folgendes  A  Sys- 
tem möglich    [sein]   (Figur  13);  allein  1)  weiss  ich  nicht,  ob  auf  dem 

Isernhager  Thurm  mein  Theodolith  gut  auf- 
gestellt und  centrirt  werden  kann,  2)  müsste 
ich  noch  einmal  nach  dem  Deister  und 
Lichtenberg  zurück,  da  ich  daselbst  Isern- 
hagen nur  beiläufig  geschnitten  habe  ( d.  i. 
auf  etwa  5").  Bei  diesem  System  würden 
die  beobachteten  Eichtungen  LD.  LF.  DG. 
DF  wie  auch  DH  gleichsam  Kontrollen. 
Am  14.  Juli  Abends  war  die  Luft  ganz 
ausserordentlich  klar.  Die  beiden  Heliotrope 
von  Garssen  und  Falkenberg  strahlten  dem 
blossen  kvige  iwachtvoll  entgegen  (Entfernung  60329  m  und  70500  m). 
Auch  die  Brauchbarkeit  meines  mit  dem  Theodolith  verbundenen  grossen 
Spiegels  bewährt  sich  trefflich.  Vor  einigen  Tagen  war  das  Licht  davon 
auf  dem  Falkenberge  so  hell  erschienen,  dass  es  dem  Auge  auf  die  Dauer 
beschwerlich  geworden  (28159  m).  Alle  meine  Gehülfen  können  den 
prachtvollen  Anblick  nicht  beschreiben,  wie  sie  sagen,  ich  müsste  ihn 
selbst  sehen  (was  vorerst  nun  noch  nicht  gut  möglich  sein  wird).  Sehr 
schön  sind  auch  die  bisherigen  Versuche  ausgefallen,  bei  zu  flachem 
Auffallen  der  Sonnenstrahlen  (wo  auch  bei  beiden  Heliotropen  die 
Lenkung  zuletzt  unmöglich  ward),  einen  grossen  Hülfsspiegel  und  dop- 
pelte Reflexion  zu  gebrauchen.  Auf  die  Art  sah  ich  vor  einigen  Tagen 
das  Licht  vom  Falkenberg,  so  nahe  die  Sonne  auch  dabei  kam,  immer 
schön.  Es  war  sogar  noch  einige  Augenblicke  schwach  zu  erkennen, 
als  mir  die  Sonne  schon  untergegangen  war. 

Doch,  mein  theuerster  Freund,  ich  darf  Sie  nicht  länger  ermüden. 
So  bald  ich  einige  Tage  Licht  vom  Lichtenberge  her  erhalten  habe,  ver- 
lasse ich  Celle  (falls  nicht  Müllers  Eekognoscirung  bei  Eschede  ein 
noch  einige  Tage  verlängertes  Verweilen  nöthig  macht)  und  gehe  nach 
Bergen,  wo  ich  ohne  Zweifel  mehrere  Wochen  bleiben  muss.  selbst 
wenn  das  AVetter  sehr  günstig  ist.  Der  Falkenberg,  welcher  leider 
auch  wieder  Vl„  Stunden  vom  Quartier  abliegt,  ist  einer  der  wichtigsten 
Punkte  der  ganzen  Messung. 

P.S.  Was  die  8 zölligen  Theodolithen,  wonach  Sie  sich  erkundigen, 
betrifft,    so   glaube   ich,    dass   die   aus   der   REicHENBACH-ERTEL'schen 


Olbers  au  Gauss.     iireuiLU,  isj'J  Aui^ust  2.  201 

Werkstatt  iinmer  zureidien,  einen  Winkel  bis  auf  2"  damit  zu  messen. 
\  eiinutiilicli  sind  jedoch  die  ausgebütenen  aus  Liebuerr's  Werkstatt, 
dessen  Arbeiten  ich  nicht  genug-  kenne.  Sie  "werden  dies  jedoch  am 
besten  von  Schumacher  erfahren  können,  der  einen  solchen  Theodo- 
lithen  besitzt  oder  wenigstens  gebraucht  hat.  So  viel  ich  mich  aber 
erinnere,  war  er  damit  nicht  sonderlich  zufrieden. 

Was  ich  vom  Falkenberg  und  ^^'ilsede  aus  im  Westen  sehen  werde, 
werde  ich  schneiden.  Ich  fürchte  aber,  es  wird  nicht  viel  sein.  Vom 
Deister  aus  ist  Verden  und  Asendorf  unsichtbar.  Bloss  Bücken  habe 
ich  gesehen  und,  dbwohl  ohne  Repetition,  geschnitten.  Vom  Winsener 
Thurm  aus  wird  man  wohl  schwerlich  weiter  als  bis  zur  Leine  sehen 
können.  Eine  Fortführung  der  Triangel  nach  Westen  wird  gewiss  erst 
viele  Schwierigkeiten  haben  bei  der  Beschaffenheit  des  Landes  östlich 
von  der  Weser  und,  wenn  sie  überhaupt  möglich  ist,  erst  gleichsam 
ein  Studium  des  Landes  voraussetzen.  . 


No.  455.  Olbers  an  Gauss.  [2u 

Bremen,  1822  August  2. 

Sie  haben  mich  durch  Ihre  grosse  Güte  so  sehr  verwöhnt,  dass 
irh  wirklich  etwas  unruhig  war,  wie  ich  so  lange  nichts  von  Ihnen 
hörte.  Um  so  angenehmer  und  erfreulicher  war  mir  Ihr  interessanter 
Brief  vom  24.  Juli  über  den  Fortgang  Ihrer  mühsamen,  aber  auch  [um] 
so  genaueren  Messung.  Wenn  Witterung  und  andere  Umstände  Sie 
diesen  Nachsommer  nach  Wunsch  begünstigen  sollten,  so  könnte  viel- 
leicht schon  dieses  Jahr  der  Anschluss  an  S[chumacher's]  Dreiecke  zu 
Stande  kommen  und  der  geodätische  Theil  Ihrer  Gradmessung  mehren- 
theils  geendigt  werden.  Möge  nur  Ihre  Gesundheit  bei  den  vielen  Be- 
schwerden nicht  leiden! 

Beiläufig  erinnere  ich  nur  noch,  ohne  unbescheidene  Forderungen 
darauf  gründen  zu  wollen,  dass,  so  wie  Sie  sich  der  grossen  Land- 
strasse von  Bremen  nach  Hamburg  nähern,  eine  einzige  Tagereise  mit 
der  gewöhnlichen  fahrenden  Post,  deren  sich  im  Sommer  der  guten 
Einrichtung  wegen  selbst  Damen  von  Stande  zu  bedienen  pflegen,  be- 
sonders wenn  sie  den  Platz  vorne  im  Kabriolet  erhalten  können,  Sie 
nach  Bremen  führen  könnte. 

Ich  habe  einen,  einem  kleinen  Packet  ähnlichen  Brief  für  Sie  aus 
Nordamerika  und  erwarte  Ihre  Anweisung,  wie  und  wohin  ich  Ihnen 
denselben  schicken  soll.  Der  Inhalt  ist  mir  deswegen  bekannt,  weil 
ich  zugleich  einen  ganz   ähnlichen  erhalten  habe.     Die  Amerikanische 


2()2  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1822  August  2. 

Akademie  der  Künste  und  Wissenschaften  zu  Boston  hat  nämlich  uns 
beide  zu  Mitgliedern  einannt,  und  Ihr,  wie  mein  Packetchen,  wird  das 
Diplom  und  einen  Brief  von  dem  Professor  Ed.  Everett  zu  Cambridge 
enthalten.  —  Sollten  Sie  der  Akademie  oder  dem  Prof.  E\t:rett  ein 
paar  Zeilen  antworten  wollen,  so  erbiete  ich  mich  gern,  diese  Antwort 
zu  besorgen. 

Am  IG.  Juli  hat  Gambart  in  Marseille  (und  am  20.  Juli  Houvard) 
wieder  einen  neuen  Kometen^)  entdeckt.  Die  Art,  wie  diese  Entdeckung 
wieder  in  den  Pariser  Tageblättern  angezeigt  wird,  ist  wahrscheinlich 
absichtlich  so  unzweckmässig,  dass  sie  doch  einmal  eine  strenge  Eüge 
verdient.  —  Der  Zweck  einer  solchen  Bekanntmachung  soll  und  muss 
kein  anderer  sein,  als  andere  Astronomen  so  bald  wie  möglich  in  den 
Stand  zu  setzen,  den  Kometen  auch  ihrerseits  aufzufinden  und  zu  be- 
obachten. Aber  eben  dies  scheint  Bouvard,  wo  nicht  verhindern,  doch 
sehr  erschweren  zu  wollen,  da  er  den  Ort,  wo  er  den  Kometen  fand, 
nur  beiläufig,  die  Richtung  und  Geschwindigkeit  seines  Laufs  gar  nicht 
angiebt.  Und  dies  konnte  er  doch  so  leicht,  da  er  ihn  mehrere  Tage 
und  Gajmbart  schon  4  Tage  früher  gesehen  hat.  Hier  die  Nachricht: 
„Hr  Bouvard  hat  am  20.  Juli  einen  Kometen  bei  dem  Stern  &.  4.  Grösse, 
im  CejjJieus  entdeckt,  auch  am  22.  und  23.  Juli  wieder  gesehen.  Der 
Komet  ist  klein,  ohne  Schweif,  nur  in  Fernrohren  sichtbar.  Denselben 
Kometen  hatte  Hr.  Gambart  in  Marseille  schon  am  16.  Juli  auf- 
gefunden." — 

Von  dem  Kometen  im  Fiihrmaiin')  werden  Sie  unseres  Encke  Ele- 
mente schon  kennen,  die  er  durch  glückliche  Konjekturen  über  die 
riclitige  Lesart  der  ihm  in  sehr  fehlerhafter  Abschrift  mitgetheilten 
Beobb.  der  AVahrheit  sehr  nahe  erhalten  hat.  Nicollet  hat  folgende 
Elemente  für  ihn  gefunden: 

Zeit  des  Perih.  .    .    .     1822  Mai  5.  15^'  5-»  IP  Paris 

Länge  des  Perih.  .    .     192"  48' 45" 

a 177  30  50 

Neigung 53  34    3 

Klst.  Abstand    .    .    .        0.504220  Bew.  rückläufig. 

Von  Rümker  habe  ich  schon  2  Briefe  aus  Paramatta  in  Neu-Süd- 
wales,  dem  Orte  seiner  Bestimmung,  erhalten,  den  einen  vom  Nov.  des 
vorigen,  den  anderen  vom  Jan.  dieses  Jahres.  Mit  dem  Bau  der  kleinen, 
aber  sehr  soliden  Sternwarte  wurde  fleissig  fortgefahren  f^instweileu 
hat  R  ümkerJ  einen  REicHENBAcn'schen  Kreis  in  einem  anderen  Hause 


')  Komet  1822  IV,  Juli  13  bereits  von  Tons  zu  Marlia  entdeckt,  vergl.  Olbers 
Bd.  I,  No.  75—81.     Krm. 

-)  Komet  1822  I.     Knn. 


Gauss  an  (>ll.ir>.     nerircu.  1S22  Auirust  17.  203 

auf  (lern  Bieiten-Parallel  (1(\'^  kiiiittif,'en  schon  halb  feitic^t'ii  Observatoriums 
auf|>restellt  und. damit  voiiäutj«^-  die  Pulliöhe  und  das  Wintei-Sulstitiuin 
beobachtet.  Auch  schickt  er  mehrere  Verfinsteruntren  der  ^  Trabanten 
und  Sternbedeckungen.  —  R[i;MKEßJ  ist  mit  seinem  dortig-en  Aufenthalt 
nnofemein  zufrieden  und  wünscht  nichts  mehr,  als  seine  Tag:e  in  dem 
so  schönen  Lande  und  unter  einem  so  trefi'licheii  Klima  beschliessen 
zu  können.  Es  scheint,  dass  er  sich  dort  wirklich  ansässig  durch  Land- 
erwerb zu  machen  sucht. 

Ich  habe  mich  wieder  einige  Tage  anhaltend  mit  dem  2.  Kometen 
von  1618^)  beschäftig:t;  aber  über  die  Bahn  desselben  lässt  sich  nichts 
Befriedigendes  und  Gewisses  herausbringen.  Die  Beobb.  sind  selir 
schlecht  und  die  Lage  der  Gesichtslinien  ist  so,  dass  kleine  Aenderungen 
in  den  Beobb.  schon  sehr  grosse  in  der  Bahn  hervorbringen.  Ein 
Unterschied  von  noch  keinem  halben  Grade  in  den  äussersten  Breiten, 
die  auf  ganze  Grade  unsicher  sind,  würde  den  rechtläufigen  Kometen 
rückläufig  machen,  und  man  kann  nur  deswegen  die  rückläufige  Be- 
wegung ausschliessen,  weil  nach  ihr  der  Komet  schon  im  Okt.  mit  vor- 
züglichem Lichte  und  [nördjlicher-)  Breite  hätte  sichtbar  sein  müssen.  — 
So  viel  ist  gewiss,  dass  dieser  [Komet  mit]^)  keinem  der  bisher  berechneten 
identisch  ist. 

^^'omit  und  wo  sich  Prof.  Schumacher  diesen  Sommer  beschäftigt, 
weiss  [ich  durchjaus -)  nicht.  Ist  seine  Zeitschrift,  die  unabhängig  von 
seinen  Astro)wmisclien  Nachrichten  und  davon  das  erste  Stück  schon 
im  Febr.  herauskommen  sollte,  etwa  ganz  aufgegeben? 

Leben  Sie  wohl,  mein  allertheuerster  P>eund,  und  schonen  Sie  ja 
Ihre  uns  allen  so  theure  Gesundheit.  Lassen  Sie  mich,  ich  bitte,  bald 
wieder  etwas  von  Ihrem  Befinden  und  von   Ihren  Fortschlitten  hören. 

Zu  der  freilich  nicht  sehr  wichtigen  Beob.  der  Mondfinsterniss  in 
künftiger  Nacht  lässt  sich  das  Wetter  schlecht  an,  das  uns  seit  vielen 
Tagen  unaufhörlich  Reg-en  und  Gewitterschauer  bringt. 


No.  456.  Gauss  au  Olbers.  [212 

Bergen,  1822  August  17. 
Recht  sehr  erfreut  haben   Sie  mich  durch  Ihren   gütigen   hierher 
geschickten  Brief.     Ich  bin  am  4.  Aug.  hier  angekommen  und  habe  in 


*)  Auf  Olbers'  Veranlassung  Ton  Bkssel  in  seinen  Jugendjahren  bereclinet. 
Vergl.  Briefwechsel  Olbeks-Bessel  Brief  No.  4  ff.  und  Olbers  Bd.  11,  1,  Briefwechsel 
No.  120  u.  128,  Gauss-Bessel  No.  4.  Ueber  diesen  Kometen  findet  sich  auch  etwas 
in  Olbers  Bd.  I  No.  24,  S.  227  ff.     Krm. 

^)  Diese  Worte  sind  heim  Entsiegeln  des  Briefes  abgerissen  worden.    Krm. 


204  Gauss  an  011)ers.    Bergen,  1822  August  17. 

diesen  12  Tagen  nur  erst  tvenig  ausgerichtet.  Auch  in  Celle  hat  mein 
Aufenthalt  länger  gedauert,  als  ich  gedacht  hatte;  ausser  dem  so  un- 
günstigen Wetter  wurde  dies  noch  durch  eine  andere  nachher  zu  er- 
wähnende Ursache  bewirkt. 

Sie  haben  sehr  sanguinische  Hoffnung,  bester  Olbers,  wenn  Sie 
es  für  möglich  halten,  dass  ich  in  diesem  Jahre  meine  Triangel  voll- 
enden könnte;  ich  habe  bei  dem  kläglichen  Fortschreiten  schon  oft  ge- 
zweifelt, ob  ich  nur  die  Falkenberg-Station  werde  absolviren  können. 
Ausser  dem  immerfort  dauernden  traurigen  \\'etter  und  der  am  Ende 
zu  befürchtenden  Erschöpfung  meiner  physischen  Kräfte  ist  im  Grunde 
über  den  Falkenberg  hinaus  bis  diese  Stunde  noch  kein  Definitiv-Plan 
möglich.  Meine  Untersuchungen  im  Mai  haben  wohl  die  Möglichkeit 
durchzukommen  gezeigt,  oder  vielmehr  wahrscheinlich  gemacht,  denn 
noch  wusste  ich  nicht,  ob  "Winsen  sich  mit  Hauselberg  und  Steinbeck 
mit  Wilsede  verbinden  Hess,  aber  immer  ist  dies  alles  nur  der  letzte 
Nothanker,  wenn  ich  es  gar  nicht  anders  machen  könnte;  denn  ich 
glaube,  dass  durch  Zuziehung  von  Thürmen  als  StandpiinJxte  (solide 
Laternen  wie  Michaelis  in  Hamburg  und  Lüneburg  etwa  ausgenommen) 
die  Schönheit  meiner  Winkelmessungen  nur  verdorben  werden  wird, 
und  dass  ich  dann  sogar  besser  fahre,  die  dritten  Winkel  gar  nicht 
zu  messen.  Für  das  erste  hat  [sich]  nun  während  der  letzten  8  Tage 
meines  Aufenthalts  in  Celle  ein  Ausweg  angedeutet,  der  aber  noch 
ausserordentlich  grosse  Schwierigkeiten  haben  wird,  und  dessen  Ge- 
lingen noch  ganz  zweifelhaft  ist.  Es  ist  nämlich  bei  Eschede  ein 
Punkt  ausgefunden,  der  vermittelst  einiger  nicht  bedeutenden  Durch- 
haue mit  Garssen  und  Falkenberg  verbunden  ist,  dessen  Verbindung 
mit  Hauselberg  aber  einen  sehr  grossen  Durchhau  durch  den  Hassel 
(über  eine  Strecke  von  2000  m)  erfordern  wird,  der  aber  natürlich 
nicht  eher  angefangen  werden  kann,  als  bis  ich  theils  die  Kichtung 
auf  10"  genau  anzugeben  im  Stande  bin,  und  zugleich  auch  entschieden 
oder  wenigstens  höchst  wahrscheinlich  geworden  ist,  dass  der  Boden  des 
Hassels,  der  fast  in  der  Mitte  zwischen  Eschede  und  Hauselberg  liegt, 
nicht  zu  hoch  ist.   Die  vier  Punkte  stellte  nachstehende  Zeichnung  vor 

^^^''^"■^  mm  e"'""''  '^)- 

Ich  habe  hier  nur  etu-as  Wald  angedeutet.  Hassel  und  Lüss  sind 
grosse  zusammenhängende  Waldungen,  die  wie  eine  flauer  alles  ab- 
schliessen;  aber  solche  ausgedehnte  Wälder  giebt  es  viele,  z.  B.  der 
Lüsing  bei  Ebstorf,  und  die  einzelnen  hohen  Föhren-.  Buchen-  und 
Eichenkämpe,  die  sich  schachbrettartig  vor  einander  schieben,  sind  gar 
nicht  zu  zählen! 

Von  Winsen  hat  nun  endlich  der  Haupt.  Müller  auf  dem  Hausei- 


«Tiiuss  an  Olliers.    Bergen.  1822  Auiru^t  17. 


205 


berfrl'  die  äusserste  Spitze  entdeckt,  er.<t  nachdem  ich  ihm  die  Richtung 
auf  die  Minute  genau  liatte  angeben  können;  durch  einige  Veränderung 
des  Standpunktes  hat  er  noch  ein  ganz  kleines  Stück  des  Daches  in 
der  Lücke  des  zwischenliegenden  2  Meilen  entfernten  Laubwaldes  ent- 
deckt, rnmöglich  aber  würde  man  in  diesem  Thurme  so  hoch  hinauf 
können,  um  das  Heliotroplicht  vom  Hauselberg  sehen  zu  können,  falls 
nicht  dafür  ein  besonderes  hohes  Echafaud  gebaut  würde.  Aber  viel 
werth  ist  mir  doch  die  Sichtbarkeit  jener  Si)itze,  da  sie  mich  in  Stand 
setzen  wird,  die  Richtung  des  Durchhaus  hinlänglich  genau  anzufreben. 


Hnuselberg 


Talkenbe, 


Platz  znisrJim  E Schede 
und  ScfiarnJtorst 


hülsen 


Cfarssner  Berg 
Fiff.   14. 


Ich  denke,  wenn  nur  der  Boden  dazwischen  nicht  zu  hoch  ist,  soll 
dieser  Durchhau  ein  kleiner  Triumph  der  Messkunst  werden.  Die 
darauf  Bezug  habenden  Operationen  können  aber  erst  vorgenommen 
werden,  wenn  ich  auf  dem  Falkenberg  ganz  fertig  bin,  da  der  Auf- 
bruch und  Transport  aller  Bagage  immer  viel  Zeit  und  Geld  kostet 
und  also  nicht  gern  doppelt  gemacht  ward. 

Einen  ähnlichen  Triumph  habe  ich  dann  bei  Wilsede  gehabt.  Der 
Durchhau,^)  welcher  auch  schon  sehr  bedeutend  ist,  ist  so  gut  gelungen, 
dass  der  Wilseder  Signalbaum  fast  mitten  in  der  Oeffnung  erscheint. 
Nicht  so  belohnend  ist  der  Durchhau  nach  Langlingen  zu;  dieser  Hori- 
zont wird  nun  noch  durch  einen  Zwischenwald  verdeckt  und  kommt 
nur  durch  die  Refraktion  spät  Abends  zuweilen  in  dessen  Lücken,  Den 
grossen  Zeit-  und  Geldaufwand  für  den  Durchhau  durch  diesen  Zwischen- 
wald (Raubkammer)  kann  ich  nicht  machen,  zumal  da  Langlingen  jetzt 
wie  in  2   angeschlossen  werden   kann   und  nicht  mehr  wie  in    1   an- 


^)  Yergl.  Brief  No.  150  im  Briefwechsel  Gauss-Schümächer.    Krm. 


206  Gauss  an  Olbers.     Bergen,  1822  August  17. 

j2:eschlossen  zu  werden  braucht  (Figur  15).  Freilich  hätte  ich  lieber 
beide  Verbindungen  zugleich  gehabt,  da  die  Linien  hier  so  klein 
werden. 

Allein  noch  bin  ich  gar  nicht  entschlossen,  Langlingen  zu  nehmen, 
da  ich,  wie  gesagt,  nur  höchst  ungern  Steinbeck  zu  einem  Dreiecks- 
punkt nehmen  möchte.  Ich  habe  in  der  That  jetzt  schon  wieder  an 
die  Wrsfsnte  gedacht,  denn  da  ich  nun  vermöge  des  Durchhaus  zwischen 
F .  .  .W  auf  die  Seite  FW  komme,    so  ist  bei  der  Wahl   von  Punkten 

auf  der  W  Seite  die  Sichtbarkeit  des 
Deisters  nicht  mehr  nothwendig,  die  bei 
Müller's  Versuchen  nirgends  zugleich 
mit  der  Sichtbarkeit  anderer  brauch- 
barer Punkte  sich  vereinigen  liess.  Bei 
Visselhövede  ist  ein  Punkt,  wo  Falken- 
berg und  Schessel  sichtbar  sind;  letz- 
teres soll  auch  von  Hamburg  sichtbar 
sein;  ungewiss  aber  ist  es,  ob  es  von 
AVilsede  aus  zu  sehen  ist,  ebenso  wie 
die  Verknüpf  barkeit  von  jenem  Platz 
bei  Visselhövede  mit  Wilsede.  Freilich  ist  Schessel  auch  ein  Kirch- 
thurm,  aber  vielleicht  gäbe  es  in  der  Gegend,  die  ich  nicht  kenne, 
Hügel,  deren  Aussicht  ebenso  weit  reicht.  Sollte  nicht  Schessel  auch 
von  Bremen  aus  sichtbar  sein?  Leider  kosten  alle  solche  Kekognos- 
cirungen  sehr  viel  Zeit  und  bei  der  wüsten  Lebensweise,  die  man  da- 
bei führen  muss,  physische  Kräfte. 

Es  ist  noch  eine  hochliegende  Stelle  in  der  Haide  aufgefunden, 
ungefähr  in  der  Gegend,  wo  der  -k-  (Figur  14)  steht,  und  durch  dessen  Be- 
nutzung verniuthlich  noch  viel  schönere  Dreiecke  sich  hätten  bilden 
lassen.  Veinnithlich  Hesse  er  sich,  nach  der  Höhe  des  Terrains  zu  ur- 
theilen,  mit  Falkenberg,  Garssen,  Wilsede  und  Punkten  SO  von  Lüne- 
burg verbinden,  allein  dui'chaus  alle  Linien  müssten  durch  Durchhaue 
gemacht  werden,  duich  dichte  Buchen-  und  Eichenwaldung,  und  die 
Kosten,  um  diesen  nneii  Punkt  brauchbar  zu  machen,  würden  verniuth- 
lich viel  grösser  sein,  als  der  ganze  xA.nsclilag  der  Gradmessungskosten. 
Bei  den  Dui-chhauen  muss  ich  immer  sehr  ängstlich  zu  vermeiden 
suchen:  Eichenwaiduugen  und  Privat-  odei'  Gemeinde-Eigenthuni.  denn 
hierbei  werden  die  Kosten  immer  gleich  sehr  gross. 

Sie  sehen  aus  dem  Angeführten,  dass  mein  hiesiger  Aufenthalt 
vielleicht  noch  sehr  lange  dauern  wird,*)  und  erfreuen  mich  daher 
hottVntlich    hier  noch   mit  einem  Briefe,  warum  aber  nicht  lieber  injt 


"j  10  Tage  von  jetzt  an  gewiss  noch. 


OlIitTs  an  (iaus.s.     Bremen,  18'J2  August  30.  207 

einem  Besuclie?  \  fnnuthlicli  -wird  niicli  hier  auch  Schumachkr  noch 
besuchen.  \on  Bremen  kommt  man  g-ewiss  in  einem  Tage  nach  Bergen, 
da  die  ^\■e^re  und  Posten  jetzt  überall  vortrefflich  sind.  Der  Aufent- 
halt im  Posthause  ist  hier  recht  gut,  und  dies  so  wie  die  Betiuemlich- 
keit,  jeden  Augenblick  Tiansportmittel  erhalten  zu  können,  erleichtern 
es  mir  hier,  was  mir  in  der  Tliat  auch  um  so  mehr  Noth  thut,  da  mein 
Befinden  in  der  letzten  Zeit  oft  sehr  schlecht  gewesen  ist.  Ich  habe 
einen  rntendtieier  zum  Einstellen  des  Niveaus  und  zum  Aufschreiben 
ziemlich  eingeübt  und  lasse  daher  oft  meine  iTehülfen  mit  allen 
;')  Heliotropen  zugleich  spielen.  Vorigen  Sonntag,  wo  Schumachee's 
Bruder  und  Lt.  Zahrtmann  hier  waren,  fand  sich  eine  i'echt  günstige 
Stunde,  wo  Müller's  Heliotrop  von  Eschede  her  (4  Meilen),  Hartmann's 
vom  Deistei-  (9  Meilen)  und  meines  Sohnes  von  Lichtenberg  (12  IMeilen) 
zugleich  sichtbar  waren,  und  der  zweite  trotz  des  nicht  ganz  günstigen 
Einfallwinkels  zuweilen  mit  blossen  Augen.  Bei  kleinen  Distanzen  ist 
das  Licht  oft  211  stark,  und  ich  habe  schon  ein  paar  Mal  einen  ganzen 
Tag  verloren  (Eschede — Garssen  und  Hauselberg — Falken berg),  weil 
das  Licht  viel  zu  hell  war  und  mir  Sonnenlicht  fehlte,  um  dies  dem 
(Sehülfen  telegraphisch  anzuzeigen. 

P.  S.  Das  Packet  aus  Amerika  könnten  Sie  mir  gelegentlich  einmal 
nach  Göttingen  schicken.  Die  grosse  Entfernung  und  meine  Abwesen- 
lieit  von  Haus  während  des  ganzen  Sommers  werden  mich  ja  wohl 
entschuldigen,  wenn  ich  einen  oder  2  Monate  später  danke. 


No.  457.  Olbers  an  Gauss.  [243 

Bremen,  1822  August  '60. 

Allerdings  niuss  ich  nach  Ihrem  letzten  Brief  meine  viel  zu 
sanguinischen  Hoffnungen  über  die  Beendigung  Ihrer  Triangulirung  sehr 
herabstimmen,  um  so  mehr,  da  das  Wetter  noch  immer  so  wenig  günstig 
ist.  Ich  sehe  die  grossen  Schwierigkeiten,  in  einem  waldbedeckten 
Lande  ohne  bedeutende  Anhöhen  weiter  zu  kommen,  vollkommen  ein.  — 
flöchte  sich  nur  Ihre  Gesundheit  dabei  erhalten,  die  Sie  hoffentlich 
nicht  durch  eine  zu  starke  Verlängerung  Ihrer  diesjährigen  Campagne 
bis  in  den  Spätherbst  in  Gefahr  setzen  werden.  —  Im  Namen  aller 
Ihrer  Verehrer,  lieber  Gauss,  bitte  ich  nochmals  dringend,  sicli  zu 
schonen. 

Ihre  freundliche  Einladung,  Sie  in  Bergen  zu  besuclien,  hat  un- 
gemein viel  Reiz  für  mich;  aber  ich  habe  jetzt  das  Vergnügen,  meine 
Schwester,  die   Räthin  Mater   mit   ihrer   Tochter   bei  mir   zu   sehen. 


208  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1822  Aug-ust  30. 

und  ich  hoffe,  diese  lieben  Gäste  noch  eine  Zeit  lang  hier  zu  be- 
halten. 

Die  Antwort  nach  Amerika  hätte  gern  noch  ein  paar  Monate  Zeit: 
aber  in  den  Wintermonaten  giebt  es  selten  eine  Schiffsgelegenheit,  und 
es  dürfte  dann  der  Brief  bis  zum  nächsten  Frühjahr  zurückbleiben 
müssen.  —  Nun  habe  ich  Ihnen  zwei  Vorschläge  zu  thun:  Entweder 
ich  entschuldige  Sie  mit  Ihrer  Arbeit  und  danke  in  Ihrem  Namen, 
denn  auch  ich  habe  noch  nicht  geantwortet,  weil  ich  Ihren  Brief  zu- 
gleich besorgen  wollte.  —  Oder  Sie  geben  mir  die  Erlaubniss,  das  für 
Sie  bestimmte  Packetchen  zu  erbrechen,  und  ich  schicke  Ihnen  den  Brief 
unter  Einschluss  nach  Bergen,  das  Diplom  aber  gelegentlich  nach 
Göttingen.    Mii'  scheint  das  letztere  am  besten. 

Der  am  13.  Juli  von  Pons,  am  16.  von  Gambaet  und  am  20.  von 
BouvAKD  in  der  Cassiopeja  und  dem  CepJieiis  entdeckte  Komet  \)  ist 
am  20.  Aug.  in  den  Bereich  der  Aussicht  aus  meinem  Beobachtungs- 
zimmer gekommen,  und  ich  fand  ihn  zwischen  ^  und  y  Draconis  in 
einer  Lichtstärke,  die  ihn,  wenn  man  seinen  Ort  genau  kannte,  in 
heiterer  mondloser  Nacht  selbst  mit  blossen  Augen  erkennen  liess.  Bis 
zum  25.  Aug.  habe  ich  ihn  aber  nicht  beobachtet,  weil  er  auch  noch  nach 
Mitternacht  für  mein  Fernrohr  zu  hoch  stand,  und  ich  es  als  sehr  un- 
nöthig  ansah,  einen  grösseren  Theil  meiner  Nachtruhe  aufzuopfern,  da 
dieser  Komet  gewiss  schon  an  vielen  Orten  beobachtet  wird.  Ich  be- 
gnügte mich  also  mit  einer  blossen  Schätzung.  Am  25.  Aug.  verglich 
ich  ihn  mit  einem  Stern  9.  und  am  26.  Aug.  mit  einem  schönen  Stern 
7.  Grösse,  die  aber  leider  beide  in  der  Hist.  Gel.  nicht  zu  finden  waren. 
Erst  am  27.  und  29.  habe  ich  ihn  ordentlich  beobachten  können. 

At 

Aug.  20.       9»^ 267°  45' 

21.     ll'^ 265  58 

24.     11*^ 261  26 

27.     13'^2)15'"3PM.Z.  .    .    2o7''57'42"     43° 50' 32"  N.  D. 
29.     11      54    40    ...    .    255  58    3      40  22  35 

Am  27.  gab  es  einen  angenehmen  Anblick,  den  Kometen  zugleich 
mit  dem  schönen  Nebelfleck  zwischen  den  Beinen  des  Hercules  No.  92 
d.  Con7i.  d.  tems  1784  im  Fernrohr  zu  sehen.  Beide  waren  einander 
sehr  ähnlich,  aber  der  Komet  grösser  und  lichtstärker,  sein  Kern  heller 
und  bestimmter.  Der  Komet  ist  wegen  seines  hellen,  deutlichen,  ob- 
gleich verwaschenen  Kerns  gut  zu  beobachten   und  hat  einen  kleinen 


Nördl.  Dekl. 

55°2ri 

53  43 

■  Schätzung 

49     4 

^)  Verg-1.  Anmerkung  1  auf  S.  202.     Krm. 

-"i  In  Olbers  Bd.  1  No.  76  findet  sich  12'>.     Krm. 


Gauss  an  »illnis.     llerytii.    1>_'2  Siptiiiiber  4.  200 

ungemein  blassen  Sclnveif.  —  Er  entfernt  sich  zwar  jetzt  schon  wieder 
zienilicli  sclinell  von  der  Erde,  aber  da  er  wahrschoinlicli  seine  Sonnen- 
nähe noch  nicht  passirt  hat.  so  wird  isich  seine  Lichtstärke  noch  ziem- 
lich erhalten,  und  wir  wt-rden  ihn  hoffentlich  bis  zum  Okt.  verfolgen 
können, 

Dass  J  )KLAMBRE  gcstorbcn  ist,  werden  Sie  längst  wissen.  Der 
:'..  Band  seiner  Hist.  de  VÄstr.  moderne  wird  noch  herauskommen. 

Sollten  Sie  vielleicht  den  Kometen  schon  länger  observirt  haben 
oder  jetzt  observiren,  so  würden  Sie  mich  durch  Mittheilung  Ihrer  Beobb. 
sehr  verittiichten. 

Meine  Haus-Gesellschaft  nöthigt  mich,  diesen  Brief  zu  schliessen, 
da  ich  mit  derselben  auszufahren  im  Begriff  bin.  Leben  Sie  wohl,  mein 
theurer  Gauss! 


l 

No.  458.  Gauss  an  Olbers.')  fsis 

Bergen,  1822  September  4. 

Recht  herzlichen  Dank  für  Ihren  lieben  Brief  vom  30.  Aug.,  welchen 
ich  so  eben  erhalten  habe.  Von  meinem  hiesigen  Aufenthalt  lässt  sich 
nun  endlich  doch  das  Ende  absehen.  Ich  habe  die  Kichtungen  Deister, 
Lichtenberg,  Garssen,  Scharnhorst,  Hauselberg,  Wulfsode,  Wilsede  und  die 
korresp.  Zenithdistanzen  jetzt  festgelegt  und  könnte  von  hier  abgehen, 
wenn  die  Wahrscheinlichkeit  grösser  wäre,  dass  ein  Durchhau  vom  Hausel- 
berg nach  Scharnhorst  (zwisclien  diesem  Dorf  und  Eschede,  näher  an 
jenem,  liegt  der  Dreieckspunkt)  möglich  ist  oder  vielmehr,  dass  er  zum 
Ziel  führt.  Allein  leider  ist  sehr  zu  befürchten,  dass  das  Terrain  da- 
/\vi>chen  zu  hoch  ist,  und  da  dies  nicht  eher  entschieden  werden  kann, 
als  bis  ich  selbst  zum  Hauselberg  komme,  und  ich  doch  nicht  gern 
noch  einmal  zum  Falkenberge  zurückgehen  möchte,  so  werde  ich,  ehe 
ich  diesen  verlasse,  erst  noch  die  Richtung  nach  Breitliorn  festlegen, 
von  wo  die  Möglichkeit  des  Durchhaus  nach  Scharnhorst  etwas  mehr 
für  sich  hat,  obwohl  mir  dieser  Punkt  deswegen  nicht  so  gelegen  ist, 
als  Hauselberg  [es]  gewesen  wäre,  da  von  jenem  nach  Wulfsode  keine 
Aussicht  ist.  Die  Aussicht  von  Falkenberg  nach  Bockum  hatte  sich 
nicht  öffnen  lassen,  daher  ich  auf  Bockum  Verzicht  leisten  musste,  und 
so  ein  ganz  anderes  System  aufgesucht  werden  musste.  Es  ist  unweit 
Wulfsode  der  Timpenberg  gewählt,  von  wo  Wulfsode,  Wilsede  und 
Hamburg  sichtbar  sind.     Die  Richtung  nach  Lüneburg  geht  auf  einen 


^)  Der  Brief  ist   in   deutscher   Schrift   geschrieben.     Vergl.   zum  Inhalt   dieses 
Briefes  auch  Brief  No.  153  u.  154  im  Briefwechsel  Gauss-Schumacher.     Krm. 

Olbers     11,  2.  14 


210  Gauss  an  Olbers.     Bergen,  1822  September  4. 

Wald,  und  es  ist  zweifelhaft,  ob,  wenn  durch  diesen  durchgehauen, 
über  eine  zweite  vorliegende  Höhe,  die  gleiclifalls  bewaldet  ist,  wird 
weggesehen  w^erden  können.  Liesse  sich  die  Verbindung  Timpen- 
berg— Lüneburg  eifektuiren,  so  wäre  das  A  System  vortrefflich.  Allein 
auch   wenn    es    nicht    möglich   ist,   muss   ich   mich    zufrieden    geben. 

Nach  Breithorn  wird  der  Hauptmann  Müller  heute  von  "Wulfsode 
abgehen,  und  so  kann  ich  hier,  wenn  das  Wetter  günstig  ist,  in  einigen 
Tagen  fertig  sein.  Ich  denke  dann  zum  Hauselberg  zu  gehen  und  da- 
selbst die  Winkel  zwischen  Falkenberg,  Wilsede  und  ^\'ulfsode  nebst 
Z[enith]-D[istanzen]  zu  messen,  so  wie  die  Z.-D.  des  Waldfusses  in  der 
Richtung  nach  Scharnhorst,  woraus  sich  über  die  Möglichkeit  urtheilen 
lassen  wird,  (xeben  die  Messungen  diese  Möglichkeit  als  ganz  ent- 
schieden, so  gebe  ich  Breithorn  ganz  auf,  entscheiden  sie  aber  die  Un- 
möglichkeit oder  lassen  die  Möglichkeit  prekär,  so  muss  Breithorn  ein 
Dreieckspunkt  werden,  doch  habe  ich  dem  Hauptmann  Müller  auf- 
gegeben, den  Platz  bei  Breithorn  wo  möglich  so  zu  wählen,  dass  Hausel- 
berg von  da  sichtbar  ist  oder  gemacht  werden  kann  (es  liegt  ungefähr 
dazwischen  ein  grosser  Wald,  der  Kalbsloh,  Privateigenthum).  Der 
Durchhau  wird  dann  erst  nachher  unter  Müller's  Leitung  gemacht 
werden,  während  ich  noch  eine  oder  die  andere  nördlichere  Station  be- 
suche. Ich  gehe  daher  von  Hauselberg  zunächst  nach  Wulfsode  und 
vielleicht  von  da  auch  noch  nach  Wilsede,  obwohl  ich  fast  lieber  den 
letzten  Punkt  (w^o  ich  vermuthlich  Vl„  Meilen  entfernt  doch  nur  einen 
äusserst  schlechten  Aufenthalt  werde  haben  können)  auf  eine  Zeit  hinaus- 
schieben möchte,  wo  ich  mit  frischen  Kräften  anfangen  kann.  In  Wulf- 
sode ist  ein  guter  Aufenthalt,  und  vielleicht  wäre  es  Ihnen  möglich, 
mich  dort  zu  besuchen,  theuerster  Olbers,  die  Entfernung  von  Bremen 
nach  Bergen  und  nach  Wulfsode  ist  noch  nicht  so  sehr  viel  verschieden. 
Nach  aller  Wahrscheinlichkeit  werde  ich  in  den  Tagen  Sept.  11.  12, 
13,  14  dort  sein  oder  etwas  später,  wenn  in  den  nächsten  Tagen  viel 
schlechtes  Wetter  ist. 

Das  Wetter,  mein  Befinden  und  vielleicht  andere  Umstände  werden 
dann  bestimmen,  wie  lange  ich  noch  in  den  nördlichen  Gegenden  bleibe. 
Ich  möchte  dann  aber  nachher  erst  noch  nach  Breithorn  oder  ev. 
Hauselberg  zurück,  um  im  ersten  Fall  dort  alle  ^^'inkel.  im  zweiten  die 
Richtung  nach  Scharnhorst  festzulegen,  so  wie  nachher  Scharnhorst 
selbst  noch  abthun,  wo  ich  noch  nicht  gewesen  bin.  Von  Scharnhoi"St 
aus  lässt  sich  die  Richtung  nach  dem  Deister  öffnen,  und  wenn  die 
Jahreszeit  dann  noch  nicht  zu  weit  vorgerückt  ist.  möchte  ich  auch 
diese  gerne  anknüpfen,  und  vielleicht  bei  der  Rückreise  nochmals  einige 
Tage  auf  dem  Deister  verweilen,  um  die  Rückvisirung  zu  machen.  Auf 
dem  Deister  ist  der  Winkel  zwischen  Falkenberg  und  Scharnhorst  um 


Gauss  an  Olliers.     Bergen,  l!522  September  4. 


211 


HAMBURG 


Mllsede 


Falkenb^ 


Hohmhom 

Liuwnbiu-(j 

yLimehurff 

Timfwnberg 
mdfsode 

Breühorn 
Scharnhorst 
Cfarssen 


Deisler 


Lichtenberg 


1 "  grösser  als  der  zwischen  Falkenberg  und  Garssen.  Uebrigens  wird 
in  meinem  System  uft  melir  als  das  unumgänglich  Nöthige  vorkommen, 
wie  z.  B.  schon  in  dem  Viereck  I^ichtenberg,  Deisler,  Garssen,  Falken- 
berg alle  G  Richtungen  festgelegt  sind.  Allein  am  Ende  wird  nicht 
etwa  aus  dem  ganzen  Vorrath  ein 
S3'Stem  ausgewählt,  welches  heut  zu 
Tage  eine  Barbarei  wäre,  sondern 
alles  muss  mit  zugezogen  werden 
und  i>ro  rata  kontribuiren:  kein  ge- 
messener Winkel  zwischen  1  linkten, 
die  überhaupt  nur  zum  System  ge- 
hören, darf  „iiinkomDioi'^. 

Beiliegendes  kleines  Kärtchen 
(Figur  IG)  zeigt  Ihnen  nun  meinen 
Plan,  wie  er  jetzt  liegt.  Die  schwarzen 
Linien  sind  alle  gewiss  praktikabel 
bis  auf  Breitliorn — Scharnhorst,  wo 
erst  ein  grosser  Durchhau  gemacht 
werden  muss,  dessen  Erfolg  aber 
höchst  wahrscheinlich  ist.  Die  drei 
stärker  punktirten  Linien  von  Hau- 
selberg aus  sind  offen,  die  schwächere 
so  wie  die  von  Timpenberg — Lüne- 
burg sind  schwerlich  zu  öffnen.  Viel- 
leicht ist  auch  die  Linie  AMlsede — 
Hohenhorn  frei  (Epailly  hat  sie,  was 
aber  nichts  entscheidet,  da  er  in  der 
Luft  observirte). 

Den  Kometen  habe  ich  noch 
nicht  gesehen,  auch  fehlen  mir  alle 
Instrumente  zur  Beob.  Rücksicht- 
lich des  amerikanischen  Packets  ist 
es  wohl  am  besten,  dass  Sie  Ihre 
Antwort  nicht  verzögern  und  zugleich 
die  Güte  haben  zu  bemerken,  dass 
das  an  mich  gerichtete   Packet   bei 

meiner  beständigen  Abwesenheit  nicht  früher  als  im  Spätherbst  in 
meine  Hände  würde  gelangen  können,  und  dass  man  es  mir  deshalb  zu 
Gute  halten  möchte,  wenn  vielleicht  meine  Danksagung  erst  nach 
Wiedereröffnung  der  Schiffahrt  eintreffen  könnte.  Bei  der  grossen  Ent- 
legenheit aller  Poststationen  und  der  Ungewissheit  meines  Aufent- 
haltes, auch  bei  gutem  Wetter  und  wenn  alles  vorbereitet  ist,  hoffent- 

14* 


Brocken 


Hohehagen 


Fiff. 


Jrtselsierg 
16. 


212  Gauss  an  Olbers.    Bartkrug,  1822  Oktober  1,  Vormittags. 

lieh  der  Kürze  meines  Aufenthalts,  ist  es  mir  in  diesem  Augenblick 
unmöglich,  Ihnen  eine  Adresse  aufzugeben,  bei  der  ich  nicht  Gefahr 
liefe,  dass  der  Brief  vielleicht  erst  nach  3  Wochen  oder  später  in 
meine  Hände  käme  (wie  es  mir  schon  oft  mit  Briefen  in  diesem  Jahr 
gegangen).  So  bald  ich  es  aber  kann,  werde  ich  Ihnen  eine  Adresse 
anzeigen. 


^•o.  459.  Gauss  au  Olbers.  [214 

Bartkrug,  1822  Oktober  1,  Vormittags. 

Es  wird  beinahe  ein  Monat  seit  meinem  letzten  Briefe  an  Sie  ver- 
flossen sein,  und  erst  jetzt,  wo  ich  wieder  an  einer  Poststrasse  bin, 
kann  ich  Ihnen  ein  Lebenszeichen  geben.  Ich  reiste  am  7.  Sept.  nach 
einem  Aufenthalt  von  34  Tagen  von  Bergen  nach  Ober-Ohe^j  ab,  in 
welcher  Fuhrmannsherberge  ich  10  Tage  zubringen  musste.  Gleich 
meine  ersten  Messungen  auf  dem  Hauselberge  überzeugten  mich,  dass 
das  Terrain  zwischen  diesem  Punkte  und  Eschede  zu  wenig  Depression 
hatte  (um  etwa  2')  und  also  ein  Durchhau  durch  den  Hassel  hier  nicht 
zum  Ziele  führen  würde:  Breithorn  musste  also  zugezogen  werden.  In- 
zwischen wollte  ich  doch  auch  die  Messungen,  die  sich  auf  den  Hausel- 
berg bezogen,  ungern  umsonst  gemacht  haben,  zumal  da  von  da  aus, 
nicht  aber  von  Breithorn,  auch  A^lllfsode  sichtbar  war;  es  war  mir 
also  sehr  wichtig,  Breithorn  mit  Hauselberg  in  Verbindung  zu  setzen. 
Ueberdies  wurde  dadurch  ein  Mittel  erhalten,  die  Lage  von  Breithorn 
im  voraus  mit  der  nöthigen  Genauigkeit  für  den  Durchliau  nach 
Eschede  zu  finden,  welches  sonst  nur  mit  grossem  Zeitverlust  über 
Wilsede  her  hätte  erhalten  werden  können.  Allein  die  Linie  Hausel- 
berg— Breithorn  ging  auch  durch  ein  dichtes  Holz  (den  Wichel)  und  es 
erforderte  erst  allerlei  vorläufige  Messungen  und  Besprechungen  mit 
dem  Verwalter  des  Eigenthümers  dieser  Waldung;  doch  wurde  alles 
dies  durch  angestrengte  Thätigkeit  in  Avenigen  Tagen  vollendet,  so  dass 
schon  am  10.  Sept.  Abends  der  Durchhau  durch  den  Wichel  vollendet 
und  das  schon  während  dieser  Zeit  gesetzte  Postament  genau  in  der 
Oeffnung  zum  ersten  Male  pointirt  werden  konnte.  Alles  hatte  ich  nun 
schon  zur  Bestimmung  der  Richtung  Breithorn — Eschede  vorbereitet. 
Am  11.  früh  schickte  ich  den  Hauptm.  Müllkr  mit  den  erforderlichen 
Zahlen  nach  Breithoin  ab,  um  den  Durchhau  durch  den  Hassel  an- 
zufangen; hinter  dem  Hassel  fand  sich  bei  Loh  noch  eine  Privat waldung; 


')   Veber  den  unangenehmen  Aufenthalt  in  Ober-Ohe  berichtet  Gauss  h\uuig  im 
Brief  >'o.  157  im  Briefwechsel  Gaüss-Schumachek.     Krni. 


Gauss  au  Olliers.     Bartkrug-,  1822  Oktolier  1,  Vorniitta{,'s.  213 

(locli  hatte  er  am  12.  Abends  beide  ^\'älder  bis  auf  wenipfe  Bäume 
durclisclinitten  und  während  dieser  Zeit  hatte  ieh  meine  Messungen  auf 
dem  Hauselberj^  komplet  absolvirt,  und  um  nicht  noch  einmal  in  die 
l'^uhrmannsherberge  zurückkehren  zu  müssen,  entschloss  ich  mich,  die 
Station  Breitliorn  nun  auch  gleich  vorzunehmen.  Gegen  Mittag  des 
13.  hmgte  ich  daselbst  an;  Hauptmann  ^Iüller  bekam  den  Auftrag, 
sogleicli  nacli  Eschede  abzugehen,  unterwegs  die  noch  im  Wege  stehen- 
den Bäume  wegzunehmen  und  nocii  denselben  Tag  Heliotroplicht  von 
Kschede  zu  schicken.  Kr  fand  bei  seiner  Ankunft  daselbst  dort  auch 
noch  hinderliche  Bäume,  und  wie  der  letzte  fiel,  hatte  ich  das  Escheder 
Postament  auf  dem  Faden  meines  bereitstehenden  Theodolithen.  Dieser 
Success  hat  mir  vielen  Spass  gemacht.  Breitliorn  Avurde  in  4  Tagen 
absolvirt  und  am  17.  reiste  ich  von  Ober-Ohe  nach  Wulfsode  ab.  Die 
dortigen  Messungen  wuiden  in  8  Tagen  beendigt,  inkl.  eines  Tages,  wo 
ich  auf  dem  Timi)enberge  die  Winkel  zwischen  Wulfsode,  Wilsede 
und  Hamburg  vorläutig  maass.  Am  25.  machte  ich  die  Reise  hierher, 
wo  mein  Quartier  vom  Berge  li  Stunden  entfernt  ist.  Vom  26.-29. 
habe  ich  bereits  schöne  Messungen  gemacht;  gestern  machte  ich  den 
A\'eg  ganz  vergeblich,  heute  lässt  es  sich  wieder  besser  an.  Licht  schickt 
mir  mein  Sohn  von  A\'ulfsode;  Lieutn.  Hartmann,  bisher  von  Hausel- 
berg, vom  Breithorn,  wohin  er  abgegangen  ist,  konnte  gestern  und  vor- 
gestern Regens  wegen  nichts  her[schicken],  Hauptm.  Müller  während 
derselben  Zeit  vom  Falkenberg,  und  ist  in  diesem  Augenblick  auf  der 
Reise  zum  Timpenberg,  wo  er  die  Möglichkeit  eines  Durchhaus  nach 
Lüneburg  näher  untersuchen  und,  wenn  sie  ausführbar  erscheint,  ein- 
leiten soll.  Die  Richtung,  welche  sich  auf  meine  bisherigen  und  zum 
Theil  auf  meine  früheren  Messungen  gründet,  soll,  denke  ich,  auch 
auf  -i  Minute  genau  sein.  Gelingt  der  Durchhau  nicht,  so  muss 
der  Anschluss  freilich  auf  den  etwas  spitzen  Winkel  in  Hamburg 
gegründet  werden  (25^47').  Ginge  es  mit  dem  Durchhau  nach 
Lüneburg  schnell  und  glücklich  (obwohl  ich  nach  der  vorläufigen 
Ansicht  nicht  viel  Hoffnung  habe),  so  würde  ich  bedauern,  dass  die 
Jahreszeit  schon  so  weit  vorgerückt  ist;  w^äre  ich  noch  3  Wochen 
weiter  zurück  im  Jahr,  so  könnten  noch  unter  günstigem  Wetter  alle 
Winkelmessungen  absolvirt  w^erden,  obgleich  ich  hier  in  Wilsede  fast 
ebenso  viel  zu  messen  habe  wie  auf  dem  Falkenberge. 

Angenehm  ist  mir  die  Entdeckung,  dass  hier  3  dänische  Punkte 
zu  sehen  sind,  ausser  Hamburg  nämlich  auch  Hohenhorn  und  Syk;  die 
Richtungen  habe  ich  bereits  mit  vieler  Genauigkeit  observirt.  Schade, 
dass  von  Hohenhorn  nur  die  höchste  Spitze  zu  sehen,  also  die  Rück- 
visirung  unmöglich  sein  wird;  Syk  zeigt  sich  besser,  die  Rückvisirung 
ist  aber  von  geringerer  Wichtigkeit. 


214  Gauss  an  Olbers.     Bartkrug,  1822  Oktober  1,  Voiinittags. 

Mit  meinen  Messungen  bin  ich  zufrieden,  der  grösste  Fehler  der 
Summe  der  3  Winkel  ist  im  ganzen  Jahre  bisher  an  dem  Dreieck 
Falkenberg,  Hauselberg,  Wulfsode  r',5;  ich  glaube,  dass  die  Fehler 
noch  kleiner  gewesen  wären,  wenn  ich  ohne  Ausnahme  bloss  Heliotrop- 
licht observirt  hätte,  allein  dann  hätten  alle  Messungen  wenigstens 
noch  einmal  so  viel  Zeit  gekostet;  ich  musste  mich  oft  entschliessen, 
auch  auf  die  Steine  selbst  zu  pointiren,  die  oft  schwer  zu  sehen  waren 
(sie  hatten  etwa  15  Zoll  im  Quadrat  bei  einer  Höhe  von  4 — 4|  Fuss), 
und  obgleich  geschwärzt  nicht  ganz  frei  von  Phase  bei  Sonnenschein 
(es  versteht  sich,  dass  ich  bei  Sonnenschein  die  Steine  nur  dann  schnitt, 
wenn  die  Heliotrope  anderwärts  waren,  was  aber  auch  öfter,  um  Zeit 
zu  ersparen,  geschehen  musste).  Wenn  Thürme  die  Zielpunkte  sind,  so 
bin  ich  geneigt  zu  glauben,  dass  auch  die  kleinen  Veränderungen  ihrer 
Gestalt  durch  Wind  und  Sonnenschein  zur  Verminderung  der  Genauig- 
keit beitragen;  sollte  nicht  z.  B.  bei  dem  400  Fuss  hohen  Michaelis- 
thurm  in  Hamburg,  wenn  die  Westseite  von  der  Sonne  bedeutend  mehr 
erwärmt  ist  als  die  Ostseite,  oder  wenn  starker  AVestwind  auf  die  elasti- 
sche obere  hölzerne  Hälfte  weht,  der  Knopf  mehrere  Zoll  östlicher  sein 
können,  als  wenn  die  Umstände  entgegengesetzt  sind?  8  Zoll  betragen  aber 
in  dieser  Entfernung  schon  eine  Sekunde.  Ich  denke  hierüber  in  Göttingen 
an  den  nur  -g^^j  so  viel  entfernten  Thürmen  Beobb.  anzustellen. 

Mit  meiner  Gesundheit  geht  es  leidlich.  Die  rauhe  kalte  Witte- 
rung ist  auch  mir  freilich  schon  etwas  zu  rauli,  aber  der  warme 
Sommer  war  mir  unendlich  drückender-.  Auf  dem  Wege  von  Ober-Ohe 
zum  Hauselberg  wurde  ich  einmal  von  einem  schweren  Schlössen wetter 
bei  starkem  Sturmwinde  überfallen  und  so  bis  auf  die  Haut  durchnässt, 
dass  ich  meine  Unterkleider  auf  dem  Hauselberg  ausziehen,  und  da 
der  Versuch,  sie  am  Feuer  zu  trocknen,  misslang,  während  der  Zeit, 
wo  ich  vom  Quartier  her  andere  holen  Hess,  ein  paar  Stunden  hindurch 
barfuss  observiren  musste.  Ich  befand  mich  dabei  und  nachher  sehr 
wohl,  da  hingegen  auf  dem  Falkenberg  bei  schwülen  Gewittertagen  ich 
oft  zum  Umsinken  ermüdet  war. 

Doch,  theuerster  Olbees,  ich  muss  mein  langes  Geplauder  ab- 
brechen. Mein  Plan  ist,  wenn  ich  die  hiesigen  ^Messungen  absei virt 
habe,  noch  nach  Eschede  zu  gehen  und  dann,  vermuthlich  in  der  letzten 
Hälfte  dieses  Monats  nach  Göttingen  zurückzukehren. 

Meine  vorläufige  Berechnung  giebt  nun 
Hamburg  nördlich  224761,1  m  Lüneburg  191503,6  m 

östlich  2369,6  30574.4 

von    der    Göttinger   Sternwarte,    Theodolithplatz,    der    im    Spalt    der 
KEicHENBACH'schen  Instrumente  5,242  m  nördlich  vom  Kreise  stand. 


Olliers  an  Gauss.     Bremen,  182'2  t>ktol»er  8.  21') 

No.  460.  Ulbers  an  Gauss.  [2i6 

Bremen,  1822  Oktober  8. 

Ihre  beiden  letzten  Briefe  haben  mir  eine  um  so  grössere  Freude 
gemacht,  da  ich  ausser  dem  glücklichen  Fortgang  Ihres  so  -wichtigen 
und  interessanten  Geschäfts  auch  daraus  mit  dem  grössten  Vergnügen 
ersehen  habe,  dass  sich  Ihre  Gesundheit  aller  Entbehrungen  und  er- 
schöpfenden Anstrengungen  unerachtet  so  gut  gehalten  hat.  Bald  hätte 
ich  doch  in  meiner  Hoffnung,  die  Sie  zu  sanguiniscli  nannten,  Sie  würden 
vielleicht  noch  dieses  Jahr  den  geodätischen  Theil  Ihrer  Gradmessung 
endigen  können.  Kecht  gehabt.  Ich  hoife,  das  Wetter  wird  Ihnen  bis 
jetzt  nicht  ungünstig  gewesen  sein;  wenigstens  haben  wir  hier  ziemlich 
heitere  Tage,  aber  zu  meinem  grossen  Verdruss  fast  immer  trübe  und 
bedeckte  Abende.  —  Ob  der  Winkel,  womit  Sie  sich  an  Hamburg  und 
die  ScHUMACHEK'sche  Messung  anschliessen,  25^47'  oder  nahe  60^  be- 
trägt, darauf  kommt  wohl  im  Grunde  bei  der  bewundernswürdigen  Ge- 
nauigkeit, womit  Sie  Ihre  Dreiecke  messen,  wenig  an,  und  so  kann  ich 
mich  nicht  so  recht  sehr  für  das  Gelingen  oder  Nichtgelingen  des 
Durchhaus  zwischen  Timpenberg  und  Lüneburg  interessiren;  indessen 
hoffe  ich  doch,  dass  Sie  auch  diesen  Wunsch  noch  erreichen  werden. 

Unter  diesen  günstigen  Umständen  darf  ich  nun  doch  wohl  die 
Hoffnung  nähren,  dass  Sie  künftiges  Jahr  die  ganze  Operation  inkl.  des 
astronomischen  Theils  beendigen  werden.  —  Gern  wüsste  ich  nach  Ihrer 
Zurückkunft  in  Göttingen  gelegentlich,  wie  Sie  Ramsdon's  Sektor  ge- 
funden haben  und  beurtheilen. 

Von  dem  Kometen  werde  ich  nun  in  ein  paar  Tagen  ganz  Abschied 
nehmen  müssen,  und  kaum  kann  ich  bei  dem  trüben  veränderlichen 
Wetter  noch  auf  eine  Beob.  hoffen.  Ich  theile  Ihnen  meine  Beobb. 
nicht  mit,  da  sie  für  Sie  wenig  Interesse  haben  und  Sie  dieselben  in 
Schumacher's  Astron.  Nadir.'')  finden  werden.  Die  auf  Schumacpieks 
und  meine  Beobb.  von  Hansen  gegründete  parabolische  [Bahn]  stimmt 
auch  noch  jetzt  in  der  ^  so  gut,  dass  man  die  etwaige  Abweichung 
nicht  von  den  Beob.-Fehlern  unterscheiden  kann ;  in  der  Dekl.  setzt  sie 
ihn  etwa  1'  zu  nördlich.  Unter  dieser  genauen  Uebereinstimmung  bleibt 
es  mir  wenig  wahrscheinlich,  dass  die  wahre  Bahn  so  weit  von  der  Parabel 
abweichen  sollte,  wie  einem  Bericht  von  Harding  zufolge  Encke  ge- 
funden haben  will.  Von  Encke  selbst  habe  ich  nichts  darüber.  Auf 
alle  Fälle  möchte  ich  sehr  wünschen,  dass  Rümkee  in  Neu-Süd- Wales 
diesen  Kometen  erblickt  haben  möge.     Er  wird  ihn  vielleicht  bis  zum 


0  A.  N.  Bd.  I.     Olbers  Bd.  I  No.  76—81.     Krm. 


216  ülbers  an  Gauss.     Bremen,  1822  Oktober  14. 

Frühjahr  verfolgen  können,  und  so  würden  wir  seine  Bahn  sehr  genau 
kennen  lernen.  —  Der  Komet  war  in  der  letzten  Beob.  vom  6.  Okt. 
noch  sehr  schön  zu  sehen.  Der  Kern  hell,  aber  etwas  verwaschener 
wie  im  Sept.,  der  Schweif  deutlicher,  ob  er  gleich  niedrig  stand  und  die 
Dämmerung  noch  nicht  ganz  geendigt  war. 

Dass  wir  von  Encke's  Kometen  noch  immer  nichts  hören,  befremdet 
mich  immei"  mehr  und  macht  mich  immer  ungeduldiger.  Ich  dächte 
doch,  Fallows  auf  dem  Vorgebii^ge  der  guten  Hoffnung  würde  gleich 
von  der  Auffindung  des  Kometen  Nachricht  gegeben  haben,  ohne  erst 
das  Ende  seiner  Beobb.  abzuwarten.  Nun  waren  nach  Lloyd's  Liste 
die  letzten  in  England  angekommenen  Briefe  schon  vom  30.  Juni,  dem 
Tage,  wo  der  Komet  seine  grösste  Lichtstärke  schon  erreicht  haben 
musste.  —  Ebenso  wenig  kann  ich  mir  denken,  dass  in  England  Nach- 
richten über  den  Kometen,  wenn  sie  eingegangen  wären,  geheim  ge- 
halten würden.  Immer  mag  man  die  Beobb.  selbst  nicht  bekannt 
machen,  um  sie  für  den  künftigen  Band  der  Phil  Transad.  aufzu- 
sparen; aber  die  Sache  selbst,  die  Auffindung  müsste  und  sollte  doch 
gleich  bekannt  werden. 

Meine  lieben  Gäste  haben  mich  zu  meinem  innigen  Bedauern  schon 
wieder  verlassen.  Ich  habe  sehr  angenehme  Tage  mit  ihnen  verlebt.  — 
Jetzt  bin  ich  wieder  in  meiner  gewöhnlichen  Ruhe  und  Müsse,  die  mir 
indessen  auch  gut  zusagt.  Mit  meiner  Gesundheit  bin  ich.  einige  sich 
mehrende  Altersschwächen  abgerechnet,  ganz  gut  zufrieden.  Leben  Sie 
recht  wohl,  mein  theuerster,  mein  geliebtester  Freund!  Wenn  es  Ihnen 
möglich  ist,  so  machen  Sie  mii'  recht  bald  wieder  die  Freude,  einige 
Zeilen  von  Ihnen  zu  lesen.  Sie  können  sich  nicht  denken,  welche  Freude 
mir  immer  ein  Brief  von  Ihnen  macht. 


No.  461.  Olbers  an  Ganss.  [247 

Bremen,  1822  Oktober  14. 

Herzlich  willkommen  in  Göttingen,  möge  Ihnen  doch  Ihr  dies- 
jähriger beschwerlicher  Feldzug  gut  bekommen  und  Ihre  Gesundheit 
nach  unseren  herzlichen  "Wünschen  durch  den  vielen  Aufenthalt  in  freier 
Luft  gestärkt  und  verbessert  sein! 

Indem  ich  Ihnen  hier  das  amerikanische  Packetchen  schicke,  er- 
laube ich  mir  zugleich,  Ihnen  den  Ueberbringer  desselben.  Hrn.  Klüveu, 
bestens  zu  empfehlen.  Es  ist  der  Sohn  eines  Landmannes  aus  unserem 
Stadtgebiet,  der  sich  durch  seine  unüberwindliche  Neigung  zur  Mathe- 
matik  hauptsächlich  selbst  bis  zur  Integral-Kechnung  durchgearbeitet 


Gauss  an  Olbers.     (iüttiuEren,  1S2'2  (»ktolier  J-t.  217 

liat  und  jetzt  nach  Güttinjren  fiflit.  sicli  auychVicli  zum  künftigen  Fi'M- 
nicsser  und  W'asserbauverständiyen  ausziil)ilden.  Allrnliiij^s  liabc  auch 
ich  ihm  sehr  einstlic-h  gerathen,  dies  Brod-Stadinm  hauptsäclilich  zu 
treiben,  aber  er  scheint  eio:entlich  die  Astronomie  hMiU-nscliaftlich  zu 
lieben.  Ich  kenne  ihn  indessen  zu  wenig,  da  der  bescheidene  junj^e 
Mann  sich  erst  kurz  vor  seiner  Abreise  mir  gezeigt  hat,  um  beurtheilen 
zu  können,  ob  er  so  viel  Genie  hat,  auch  in  dieser  Wissenschaft  etwas 
Eminentes  künftig  leisten  zu  können.  Sie  werden  bald  finden,  ob  er 
Ihres  Unterrichtes  würdig  ist. —  Neuere  Sprachen,  französisch,  englisch, 
italienisch  u.  s.  w.  versteht  er,  auch  kann  er  ein  wissenschaftliches  Buch 
in  lateinischer  Sprache  lesen.  —  Yielleiclit  kann  etwas  Grosses,  wenig- 
stens mehr  als  Gewölinliches  aus  ihm  werden. 

Nach  Boston  habe  ich  vorläufig  auch  in  Ihrem  Namen  gedankt, 
bin  aber  noch  immer  erbötig,  Ihre  etwaigen  Aufträge  dahin  zu  be- 
sorgen, womit  es  indessen  bei  der  vorgerückten  Jahreszeit  keine 
Eile  hat. 


No.  462.  Gauss  all  Olbers.  [215 

Göttingen,  1822  Oktober  24. 

Seit  dem  17.  bin  ich  nun  wieder  von  meiner  Reise  zurück,  und 
ich  eile,  Ihnen,  nachdem  ich  von  den  vielen  unterdessen  angehäuften 
Geschäften  einige  der  dringendsten  beseitigt,  wieder  ein  Lebenszeichen 
zu  geben.  Zuvörderst  noch  meinen  herzlichen  Dank  für  die  freund- 
lichen Zeilen,  womit  Sie  mich  in  Eschede  erfreut  haben.  Meine  Beobb. 
auf  dem  ^^'ilseder  Berge  habe  ich  am  7.  Okt.  beendigt,  es  waren  nächst 
dem  Falkenberg,  wo  1080  Repetitionen  von  Hauptwinkeln  gemacht 
Avaren,  die  zahlreichsten  (G71).  Der  Durchhau  vom  Timpenberg  nach 
Lüneburg  ist  leider  unausführbar  gefunden.  Nachdem  durch  eine  Strecke 
von  1800  Schritt  vorerst  ein  schmaler  Durchhau  gemacht  war,  bis 
wohin  die  Aussichten  günstig  gewesen  waren,  fand  sich  das  Terrain 
schon  zu  wenig  deprimirt,  und  der  Durchhau  wurde  daher  sofort  ein- 
gestellt. Sie,  theuerster  Olbers,  legen  darauf  wenig  Werth,  und  man 
kann  ebenso  denken,  wenn  man  die  ganze  Triangulirung  lediglich  als 
Mittel  zur  Bestimmung  des  Werthes  des  Breitengrades  betrachtet. 
Allein  ich  habe  davon  bei  meiner  ganzen  Arbeit  immer  abstrahirt  und 
das  Ziel  im  Auge  gehabt,  die  gegenseitige  Lage  aller  Punkte,  welche 
meine  Messung  berührt,  so  scharf  zu  bestimmen,  w^ie  es  bei  dem  heu- 
tigen Zustande  der  Praxis  und  Theorie  möglich  ist,  und  deshalb  möchte 
ich  sehr  ungern  mein  ganzes  System  auf  den  spitzen  Winkel  in  Ham- 
burg stützen,  der  sich  auch  gewiss  auf  dem  hohen  Michaelisthurm  lange 


218  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1822  Oktober  21. 

nicht  SO  gut  observiren  lassen  wird,  wie  die  Winkel  auf  meinen  steiner- 
nen Postamenten.  Um  zu  tliun,  w^as  ich  kann,  habe  ich  noch  einen 
Punkt  bei  Drögen-Nindorf  etwa  3000  m  vom  Tinipenberg,  etwas  links 
von  der  Richtung  nach  Lüneburg  durch  einen  Pfahl  gefestigt  und  von 
Wilsede  aus  noch  geschnitten.  Dieser  Punkt  ist  zwar  vom  Timpenberg 
auch  ganz  durch  Wald  geschieden,  allein  dieser  Durchhau  hat  die  höchste 
Wahrscheinlichkeit  des  Gelingens  für  sich,  und  man  sieht  daselbst  Wil- 
sede, Hamburg,  Lüneburg,  Lauenburg  frei,  vielleicht  auch  Hohenhom. 
Meine  Winkel  in  Wilsede  sind  zu  meiner  Zufriedenheit  ausgefallen. 
Nicht  so  zufrieden  bin  ich  mit  den  Dreiecken,  die  in  Scharnhorst 
(=  Eschede)  schliessen.  Das  A  Scharnhorst — Falkenberg — Garssen 
giebt  2",3  zu  viel  für  die  Summe  der  drei  Winkel,  der  grösste  Fehler 
nächst  dem  Dreieck  Hohehagen — Hils — Brocken,  wo  3".6  Fehler  ist. 
Ueber  letzteres  Dreieck  habe  ich  Ihnen  schon  früher  geschrieben;  bei 
ersterem  mag  die  Schuld  mit  daran  liegen,  dass  auf  kleine  Distanzen 
Heliotroplicht,  was  sich  nicht  frei  zeigt,  sondern  wie  hier  durch  eine 
sehr  kleine  in  den  Baumkronen  bei  Garssen  (Eichen,  Privateigenthum) 
gemachte  Oeffnung,  sich  lange  nicht  so  gut  pointiren  lässt  wie  auf 
8  bis  10  mal  so  grosse  Entfernungen.  Die  auf  dem  Garssner  Berge  ge- 
machten Beobb.  mögen  dabei  noch  mehr  Schuld  haben  wie  die  bei 
Scharnhorst,  da  bei  jenen  viele  Umstände  hinderlich  waren.  Hätte 
ich  mir  erlauben  wollen,  auf  alle  meine  Messungen  noch  einmal  so  viel 
Zeit  und  Kosten  zu  verwenden,  als  sie  gekostet  haben,  so  würden  wohl 
nur  die  wenigsten  Dreiecke  über  1"  abweichen. 

Berechnet  sind  alle  meine  Beobb.  immer  auf  der  Stelle;  hätte  ich 
mir  nicht  zum  Gesetz  gemacht,  immer  den  Kalkül  mit  den  Beobb. 
gleichen  Schritt  halten  zu  lassen,  wobei  ich  selten  vor  Mitternacht  zur 
Euhe  gelangte,  so  würde  es  unmöglich  gewesen  sein,  die  Durchhaue  mit 
der  Sicherheit  zu  machen,  die  sie  alle  begleitete.  Allein  die  feinste 
Ausfeilung  bleibt  natürlich  noch  zurück,  wobei  alle  Erfahrungen  als  ein 
verkettetes  System  betrachtet  werden,  und  z.  B.  jeder  auf  dem  AMlseder 
Berge  beobachtete  A\'inkel  noch  eine  Keaktion  auf  die  A\'inkel  auf  der 
hiesigen  Sternwarte  ausübt.  Dies  wird  noch  viel  Arbeit  kosten.  Von 
meinen  vorläufigen  Resultaten  interessirt  Sie  vielleicht  die  relative  Höhe 
meiner  Punkte,  die  ich  Hinen  daher  hersetze: 

Saal  der  Sternwarte  .  0    m 

Mer.-Zeichen   .    .    .    .    -f    64,2 

Hohehagen +  346,9 

Hils +  271,4 

Brocken +  992,4 

Lichtenberg     .    .    .    .    +    8^?^ 

Deister +150,3 


Gaus<  an  olK.rv     (iüttinüeii,  IS'22  Oktober  --'4.  219 

Garsseii —  80,8  m 

Falkenber«r —  7,3 

Scliarnhorst     ....  —  04,3 

BiTithorn —  37,9 

Haiiselberg —  38.1 

Wulfsode —  54.4 

Wilsede -|-  IJ.2 

Timpenberg     ....  —  43 

Lünebuig —  82  Laterne  unten 

„  —  59  Knopf 

Hamburg —  52  Laterne  unten 

Scliarnhorst  lässt  sich  unmittelbar  mit  Deister  und  Lichtenberg 
verbinden,  welches  Garssen  ganz  entbehrlich  machen  könnte.  Gern 
hätte  ich  diese  Verbindung  noch  gemacht,  allein  der  schon  früher 
stattgehabte  Wiederanfang  der  Lektionen  der  Militärschule,  wobei  meine 
beiden  Officiere  angestellt  sind,  drängte  zum  Schluss,  auch  traute  ich 
dem  Wetter  nicht.  Hätte  ich  aber  vorausgesehen,  dass  es  noch  so  lange 
gut  bleiben  würde,  so  wäre  ich  doch  noch  eine  Woche  länger  in  Eschede 
geblieben,  welches  ich  den  14.  verlassen  habe. 

Was  während  meiner  Abwesenheit  in  der  astronomischen  Welt 
vorgegangen,  ist  mir  ganz  fremd  geblieben.  Ich  habe  hier  Schu- 
macuer's  Ästr.  Nachr.  bis  No.  20  vorgefunden,  aber  bisher  kaum  etwas 
darin  blättern  können.  Ich  weiss  in  der  That  nicht  einmal,  ob  der  am 
14.  Mai  von  Pons  entdeckte  Komet')  (nach  dem  losen  Blatt  bei  Zach's 
Journal  Cah.  3.)  mit  dem  von  Ihnen  beobachteten-)  identisch  ist  oder 
nicht.  Von  letzterem  wünscht  Hr.  Schnürlein  die  Elemente  schärfer 
zu  berechnen,  und  wenngleich  diese  Arbeit  bei  Encke  in  geübteren 
Händen  ist,  so  möchte  ich  doch  Hrn.  Schnürlein  gern  diese  Auf- 
munterung gönnen.  Hätten  Sie  also  wohl  die  Güte,  mir  diejenigen 
Ihrer  Beobb.,  die  in  Schumacher's  .45fr.  Xachr.  bis  No.  20  noch  nicht 
vorkommen,  und  etwa  einige  der  besten  fremden  gefälligst  mitzutheilen? 
Mit  allen  meinen  anderen  astronomischen  Freunden,  ausser  Ihnen  und 
Schumacher,  ist  meine  Korrespondenz  ganz  abgebrochen  gewesen. 

Schubert,  von  dem  ich  hier  einen  Brief  vorfand,  hat  eine  neue  Aus- 
gabe seiner  Astron[omie]  in  französischer  Sprache  herausgegeben,  die  ich 
in  Kurzem  zu  erhalten  hoffe.  Auch  verschiedene  Piecen  von  Wronski 
habe  ich  vorgefunden.  Mir  ist  dieser  Mann  ein  merkwürdiges  psycho- 
logisches Phänomen,  und  ich  möchte  wohl  Ihr  Urtheil  darüber  wissen. 
Sollte  er  bloss  ein  Betrüger  sein,  oder  nicht  vielmehr  ein  „deratigement 


1)  Komet  1822  I.     Krm. 

2)  Komet  1822  IV.    Krm. 


220  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1822  Oktober  24. 

mentaP^  eingetreten  sein,  in  welchem  er  wirklich  selbst  glaubt,  über 
die  ganze  Welt  erhaben  zu  sein?  Wenn  mich  nicht  alles  täuscht,  so 
haben  wir  einen  angehenden  Weonski  II  in  unserer  Nähe,  einen  ge- 
wissen Feedinand  V.  Sommer  in  Braunscliweig.  Dies  ist  ein  junger 
Mensch,  der  vor  einigen  Jahren  hier  studierte  und,  wie  ich  höre,  hier 
sich  schlecht  aufgeführt  hat.  Im  vorigen  Frühjahr  schrieb  er  an  mich, 
dass  er  die  allgemeine  Auflösung  der  Gleichungen  gefunden  habe,  und 
schickte  mir  eine  Formel,  die  gewiss  unrichtig  war.  Da  die  Umstände 
mir  keine  Korrespondenz  erlaubten,  auch  wenn  ich  Lust  dazu  gehabt 
hätte,  so  rieth  ich  ihm,  seine  Formel  an  einem  Fall  in  concreto  zu 
prüfen  und  gab  ihm  .eine  Gleichung  vor.  Im  Sept.  erhielt  ich  über 
Göttingen  einen  zweiten  Brief,  worin  er  behauptet,  seine  ersten  Formeln 
seien  vielleicht  durch  Schreibfehler  entstellt  gewesen,  und  die  richtige 
habe  die  Wurzeln  der  gedachten  Gleichung  so  genau  gegeben,  wie  es 
mit  Logarithmen  von  7  Stellen  möglich  sei,  er  werde  nächstens  ein 
System  der  topischen  Kombinationslehre  vollenden,  worin  seine  neuen 
Entdeckungen  entwickelt  sein  sollten  etc.  Ich  antwortete  ihm  später, 
dass,  wenn  vor  der  Hand  meine  Geschäfte  mir  nicht  erlaubten,  diese 
Abhandlung  mit  der  nöthigen  Aufmerksamkeit  zu  lesen,  ich  doch  gern 
erbötig  sei,  die  berichtigte  Formel,  falls  er  sie  mit  der  vollständigen 
numerischen  Anwendung  auf  den  Fall  in  concreto  begleitete,  zu  prüfen 
und,  falls  sie  das  leiste,  was  er  rühme,  ihm  zu  zeigen,  wie  lebhaft  ich 
mich  für  jede  Erweiterung  der  Wissenschaft  interessire.  Jetzt  be- 
komme ich  nun  die  Abhandlung  gedruckt  und  einen  Brief,  worin  er 
erklärt,  das  Specialisiren  seiner  allgemeinen  Entdeckungen  und  die  An- 
wendung auf  numerische  Eechnungen  sei  jetzt  etwas  Leichtes  und  für 
ihn  zu  Triviales  etc.  Unsere  Korrespondenz  wird  nun  wohl  zu  Ende 
sein;  beim  Durchblättern  der  Piece  selbst  ist  mir  ungefähr  zu  Muthe 
gewesen,  als  ob  ich  in  einem  Irrenhause  wäre.  —  Er  meldet  mir  noch, 
dass  er  im  Begriff  sei,  nach  Hamburg  zu  gehen  und  dort  über  höhere 
Integralrechnung  Vorlesungen  zu  halten. 

Auch  eine  neue  Parallelentheorie  habe  ich  hier  vorgefunden  und  auf 
das  Verlangen  des  Verfassers  eine  Beurtheilung  in  unsere  Gel.  Äm.^} 
gegeben,  seit  langer  Zeit  das  einzige,  was  von  mir  darin  ist.  In  einem 
der  nächsten  Blätter  werden  Sie  eine  Kecension  von  Kkayenhoff's 
Freds  finden,  die,  wie  mir  Eichhoen  sagt,  von  einem  gewissen  Bebghaüs 
in  Münster  herrührt ,  und  die  dieser  also  verantworten  mag.  Sonst 
rühren  fast  alle  mathematischen  Recensionen  in  unseren  Gel.  Am.  (denen 
mein  eigenes  Urtheil  oft  ganz  entgegengesetzt  ist)  von  Hrn.  Hofrath 
]\Iayer  her. 


^)  Gauss"  Werke  Bd.  IV,  S.  368—370,  auch  Bd.  VIII.  S.  1S3— 185.     Kriu. 


Olliers  an  (iauss.     Bremen.  ]X22  Nuvember  2.  2'2\ 

Eine  Men^fe  anderer  Briefe  liejren  noch  hier,  iiiul  wenn  ich 
einem  jeden  Briefsteller,  \vie  er  es  verlanirt,  Gi'nüjie  leisten  .sollte, 
sc»  würde  ich  wohl,  falls  ich  in  diesem  Winter  anch  wieder  Schule 
halten  muss.  meine  g-anze  Zeit  bis  Ostern  vollkommen  ausgefüllt  haben 
um!   zu   sonst    nichts   Zeit    Ix'lialten. 


xo.  463.  Olbers  an  Gauss.  [24s 

Bremen,  1822  November  2. 

Ich  holte,  Sie  werden  jetzt  schon  meinen  vorläufig-en  Glückwunsch 
zu  Ihrer  Rückkehr  nach  Göttingen  durch  den  jungen  Klüver  so  wie 
den  Brief  aus  Amerika  erhalten  haben.  Recht  innig-st  danke  ich  Ihnen, 
dass  Sie  unerachtet  des  vorg-efundenen  "Wustes  von  Geschcäften  und 
Briefen  mir  so  bald  wieder  mit  Ihrem  interessanten,  herrlichen  Briefe 
eine  so  grosse  Freude  gemacht  haben.  Mich  dünkt,  Sie  können  über 
den  diesjährigen  Fortgang  und  Erfolg  Ihres  Messungs- Geschäfts  sehr 
zufrieden  sein,  wenn  auch  das  schöne  Wetter,  das  "wir  fast  den  ganzen 
Okt.  hindurch  gehabt  haben,  es  bedauern  lässt,  dass  Sie  Ihie  Champagne 
nicht  noch  einige  Wochen  verlängern  konnten.  Indessen  war  die  Luft 
grössten  Tlieils  mehr  milde  und  angenehm  als  heiter  und  klar,  und  fast 
zweiüe  ich,  dass  sie  oft  den  Beobb.  entfernter  Gegenstände  günstig  ge- 
wesen sei.  —  Da  Sie  nichts  von  dem  Zustande  Ihrer  Gesundheit  melden, 
so  überlasse  ich  mich  der  freudigen  Hotfnung,  dass  Sie  die  vielen 
]\Iühseligkeiten  und  Entbehrungen  Ihres  Feldzuges  ohne  Xachtheil  über- 
standen haben. 

Der  Komet,  den  wir  diese  letzte  Zeit  beobachtet  haben,  ist  nicht 
der  von  Zach  erwähnte  am  14.  Mai,  sondern  der  3.^)  dieses  Jahres  von 
PoNS  in  der  Cassio2)eja  am  13.  Juli  entdeckte  Komet.  Mit  Vergnügen  theile 
ich  Hrn.  Schnürlein  alle  meine  Beobb.  mit;  aber  da  Sie  jetzt  gewiss 
schon  die  No.  21  und  22  der  ScnuMACHER'schen  Ä.  K  erhalten  haben, 
setze  ich  hier  nur  die  Beobb.  her.  die  mir  noch  nach  dem  28.  Sept.  ge- 
lungen sind.-) 


^)  Komet  1822  IV,  der  3.  in  Europa  damals  bekannte.     Krm. 

^)  Von  einigen  Abweichungen  abgesehen,  die  offenbar  von  der  Eeduktion  der 
Beobb.  herrühren,  stimmen  diese  Zahlen  mit  den  in  Olbeks  Bd.  I  No.  80,  81  gege- 
beneu überein.     Krm. 


222 

Okt.    4. 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1822  November  2. 


6. 
10. 
11. 
14. 


6h48'n43s       242047' 27' 


7     6    28        2J2  47     7         —8«   1' 50" 


7    18    58        242  41  18     '    —  8  53  26 


7  3  7  242  34  54  —    9  41  42 

6  51  16  242  13  57  ,  —  12  46  25 

6  38  38  242     9  36  —  13  29  58 

6  33  46  241  57  21  -  15  33  13 


Einzelne  Vergleichung.  Der  Him- 
mel sehr  dunstig,  deswegen  die 
Beobb.  Avenii^er  gut  unterein- 
ander stimmten. 

3  Vergleichungen.  Der  Himmel 
sehr  dunstig,  deswegen  die 
Beobb.  weniger  gut  unterein- 
ander stimmten. 

Einzelne,  etwas  eilige  Verglei- 
chung,  da  der  Komet  mir 
gleich  verschwinden  wollte. 

4  gute  Vergleichungen. 
4  für  A.R.,  2  für  Dekl. 
6  gute  Vergleichungen. 
Einzelne  Vergleichung  bei  noch 

stärkerer  Dämmeruncr. 


Der  Genauigkeit  nach  möchten  die  Beobb.  in  folgender  Eangord- 
nung  stehen.  Okt.  11,  6,  10,  5,  14,  4.  Bei  den  Beobb.  des  5.  und 
11.  Okt.  ist  der  Einfluss  der  Refraktion  bei  der  Reduktion  scharf  be- 
rechnet, bei  den  übrigen  vernachlässigt,  weil  der  Komet  so  nahe  auf 
dem  Parallel  der  verglichenen  Sterne  war,  dass  diese  Korrektion  kaum 
ein  paar  Sekunden  betragen  konnte. 

Wenn  es  Hr.  Schnürlein  wünscht,  so  steht  ihm  auch  eine  Ab- 
schrift meiner  Original-Beobb.  zu  Dienst,  wie  ich  sie  an  Prof.  Excke 
geschickt  habe.  Encke  verlangt  nämlich  immer  gern  die  Original- 
Beobb.,  um  sie  alle  auf  einerlei  Art  reduciren  zu  können.  —  Uebrigeus 
hoffe  ich,  dass  der  aufmerksame  Rümker  diesen  Kometen  vor  seiner 
Sonnennähe  aufgefunden  haben  werde.  Dann  wird  er  ilin  bis  in  den 
März  des  künftigen  Jahres^)  verfolgen  können,  und  wir  werden  seine 
Umlaufszeit,  wenn  sie  wirklich  nur  von  etwa  200  Jahren  ist,  sehr  ge- 
nau kennen  lernen. 

Dass  wir  noch  gar  nichts  von  der  Wiedererscheinung  des  Encke- 
schen  Kometen  hören,  macht  mich  immer  verlegener.  Wenn  er  auf 
dem  Kap  aufgefunden  wäre,  so  müsste  man  es  längst  in  England  wissen, 
da  dort  schon  Schiffe  angekommen  sind,  die  das  Vorgebiige  am  12.  Aug. 
verliessen.  Am  12.  Aug.  war  der  Komet  schwerlich  mehr  zu  sehen, 
also  die  Beobb.,  wenn  überhaupt  welche  gemacht  sind,  schon  geendigt. 
Ich  kann  mir  kaum  denken,  dass  man  in  England  ein  Geheimniss 
daraus  machen  sollte,  um  uns  erst  im  nächsten  Bande  der  Philos.  Transart. 
damit  zu  überraschen.  Von  dem  Astronomen  des  Observatoriums  am 
Kap,  Hrn.  Fearon  Fallows,  habe  ich  übrigens  seit  seiner  Abreise  aus 
England  noch  nichts  gehört,  als  die  wunderliche  Beschreibung  einer  am 


^)  Von  EüMKER  nur  bis  1822  Nov.  11  beobachtet.    Krm. 


Olbors  an  Gauss.     Urenien,  ls22  Novenilier  2.  223 

28.  Nov.  1821  walirofenunnnenen  l.icht-Erscheinung  im  dunkelen  Tlieil 
des  Mondes,  und  die  im  iTiunde  wulil  niclits  weiter  gewesen  sein  Avird, 
als  dass  sich  bei  sehr  heiterer  Luft  einige  vom  Erdenlieht  erleuchtete 
hellere  Stellen  ungewöhnlich  deutlich  zeigten.  Ich  gestehe  es,  es  ist 
mir  immer  etwas  verdächtig,  wenn  ein  angehender  Astronom  gleich 
sonderbare  Beubb.  gemacht  haben  will,  die  den  Veteranen  nie  vor- 
gekommen sind.  I)er  Himmel  gebe,  dass  P'allows  meine  Vermuthungen 
durch  sein  künftiges  Benehmen  widerlege;  denn  es  wäre  sehr,  sehr  zu 
bedauern,  wenn  eine  so  kostbare  und  für  die  Sternkunde  so  wichtige 
Anstalt,  wie  die  Sternwarte  auf  dem  Kap  ist,  in  unrechte  Hände  ge- 
kommen sein  sollte. 

\o\\  der  P/eyaf/?»-Bedeckung  habe  ich  vorgestern  zwischen  Wolken 
nur  folgendes  beobachten  können: 

Bremer  mittl.  Zeit  Okt.  31  6''54"M9^6  Austr.  Merope 

7     4    11,4    Eintr.  Atlas  i 

7  21    24,2    Austr.  Älcyone 

Die  Decimalen  entstehen  natürlich  nur  durch  Zeitkorrektionen; 
aber  die  beiden  Austritte  besonders  waren  sehr  gut,  auch  meine  Uhr 
scharf  berichtigt,  weil  ich  den  Gang  eines  Chronometers  zu  untersuchen 
habe,  der  eine  Reise  um  die  Welt  machen  soll.  Man  ist  nämlich  im 
Begriff,  von  hier  ein  Schiff  nach  Lima  zu  schicken,  das  über  Canton 
und  Ostindien  zurückkehren  soll.  Ich  w^ünsche  sehr  korrespondirende 
Beobb.  von  dieser  Bedeckung  zu  erhalten. 

Von  Ihrem  A\'ronski  II  hatte  ich  schon  vorher  etwas  gehört, 
stellte  mii"  ihn  aber  etwas  anders  vor.  Ich  will  wohl  glauben,  dass 
beide,  wie  ehemals  Muhammed,  sich  zuerst  selbst  betrügen;  aber  wenig- 
stens Wronski  I  ist  zugleich  ein  gefährlicher  tückischer  Mensch,  mit 
dem  man  nicht  vorsichtig  genug  sein  kann.  Die  Aktenstücke  über 
seine  englische  Angelegenheit  hat  er  mir  auch  geschickt;  es  ist  doch 
viel,  was  er  leisten  will  oder  geleistet  zu  haben  sich  rühmt.  Die 
Sache  mit  Yoüng  und  dem  Board  of  Longitude  scheint  listig  genug 
eingefädelt.  —  Ich  habe  nun  seit  einigen  Monaten  nichts  weiter  darüber 
gehört  und  vermuthe  fast,  dass  man  Mittel  gefunden  hat,  diese  ärger- 
liche Geschichte  auf  irgend  eine  Art  beizulegen.  Wronski  pflegt  die  ein- 
mal ins  Auge  gefasste  Beute  nicht  leicht  aufzugeben,  und  er  würde  schon 
längst  wieder  Lärm  gemacht  haben,  wenn  er  nicht  auf  irgend  eine 
Weise  beschwichtigt  wäre. 

Brinkley's  und  Bessel's  Dekl.-Kataloge  stehen  jetzt  schroff  ein- 
ander gegenüber.^)   Ob  Brinkley  mit  Recht  Bessel's  Abweichungen  von 


^)  Siehe  hierül)er  auch  Brief  Xo.  494.     Krm. 


224  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1822  December  24. 

seinem  Katalog  Errms  of  Bessevs  Catalogue  nennt,  wird  die  Zeit  lehren. 
Wenn  I^rixkley  seine  Abweichungen  auch  dadurch  als  ganz  genau  be- 
wiesen zu  haben  glaubt,  dass  er  selbst  die  kleine  Solarnutation  daraus 
abgeleitet  hat,  so  erregt  die  noch  immer  zugleich  gefundene,  gewiss 
viel  zu  grosse  Parallaxe  einiger  Fixsterne  ein  gerechtes  Vorurtheil,  be- 
sonders da  man  nicht  wohl  sieht,  wie  in  Bessel's  mit  so  vieler  Um- 
sicht und  scharfer  Prüfung  geleitetem  Verfahren  ein  so  grosser  kon- 
stanter Fehler  möglich  bleiben  sollte.  Ihre  öffentliche  Bibliothek  wird 
gewiss  die  Ir'isli  Transact.  besitzen,  die  sonst  auf  dem  Kontinent  selten 
sein  mögen. 

Leben  Sie  wohl,  mein  allertheuerster  Freund!  Ich  hoffe,  Sie  haben 
es  mir  nicht  übel  genommen,  dass  ich  Ihnen  den  jungen  Klüver 
empfolilen  habe.  Nach  einiger  Zeit  möchte  ich  gern  Ihr  Urtheil  über 
seine  Fähigkeiten  und  Fortschritte  wissen.  —  Dieksen  aus  Berlin  hat 
mich  diesen  Sommer  besucht  und  scheint  mit  seinen  Berliner  Verhält- 
nissen ganz  zufrieden.  Er  hat  mir  recht  gut  gefallen,  und  ich  habe  be- 
wundert, was  unter  Ihrer  Leitung  aus  ihm  geworden  ist,  wenn  er  auch 
kein  ausgezeichnetes  Genie  haben  mag. 


No.  464.  Olbers  an  Gauss.  [249 

Bremen,  1822  December  24. 

Ich  hoffe,  Sie  haben  sich  nun  von  den  Beschwerden  Ihi-es  dies- 
jährigen Feldzuges  völlig  erholt  und  den  dringendsten  Theil  der  unter- 
dessen aufgehäuften  Geschäfte  beseitigt.  Sehr  danke  ich  Ihnen  noch 
einmal  für  die  sowohl  mir  vorher  so  gütig  in  Ihren  Briefen,  als  auch 
nun  in  den  Astro)».  IS! achrichten ')  gegebene  Kunde  von  den  Fortschritten 
Ihrer  so  wichtigen  und  interessanten  Vermessung. 

Diesmal  komme  ich  mit  einer  grossen  Bitte.  Ich  habe  einen  Xeveu, 
Adolf  Kulenkamp,  der  nun  ins  dritte  Jahr  zu  Königsberg  unter 
Bessel  (Sie  wissen,  Bessel  war  einst  in  Kulenkamp's  Hause  Hand- 
lungs-Gehülfe)  Mathematik  studirt,  um  sich  zum  Ingenieur  auszubilden. 
Bessel  ist  mit  seinem  Fleiss  und  seinen  Fortschritten  immer  sehr  zu- 
frieden gewesen.  Da  nun  die  Zeit  herankommt,  wo  der  junge  ^lann 
in  das  praktische  Leben  eintreten  muss,  so  schreibt  Bessel  auf  Be- 
fragen: „Nach  sorgfältigen  Erkundigungen  über  die  Aussichten  im 
preussischen  Ingenieur-Korps  habe  er  erfahren,  dass  alles  so  mit  jungen 
Leuten  besetzt  sei.   dass  eine  Anstellung  schwer  und  an  ein  einisrer- 


1)  A.  N.  Bd.  1  No.  24,  Beilage  1.     Krm. 


Olbers  au  tiauss.     Bremen,  1822  December  24,  225 

maassen  rasclies  Avancement  gar  nicht  zu  denken  sei;  dagegen  aber 
isulle  es  an  solchen  Ofticieren,  welche  bei  grossen  Vermessungen  gebraucht 
werden  künnen,  sehr  fehlen  und  in  diesem  Fache  also  eine  Anstellung 
und  weiteres  Fortkommen  wohl  zu  erwarten  sein.  Er  vermuthe,  im 
hannoverschen  Dienste  würde  wohl  dasselbe  stattfinden.  Et  glaube 
also,  dass  Adolf  sein  Fortkommen  auf  die  Darlegung  seiner  Tüchtig- 
keit in  der  höheren  Geodäsie  gründen  müsse,  und  dass  es  ihm  deshalb 
förderlich  sein  werde,  wenn  er  behaupten  und  beweisen  könne,  dass  er 
bereits  in  diesem  Fache  gearbeitet  habe.  Deswegen  lasse  er  jetzt  durch 
AnuLF  eine  kleine,  aber  mit  aller  möglichen  Genauigkeit  zu  führende 
Aermessung  in  der  Gegend  von  Königsberg  unternehmen,  wozu  er  ihm 
die  nöthigen  Hülfsmittel  angeboten  habe,  und  er  zweiüe  keinen  Augen- 
Idick,  dass  Adolf  das  Ganze  so  vollenden  werde,  dass  er  selbst  die 
Ueberzeugung  erhalte,  ein  ähnliches  Geschäft  im  Grossen  führen  und 
dies  auch  anderen  durch  die  vorhandenen  Belege  darthun  zu  können.  — 
Dem  Civil-Baufache  scheint  Adolf  nicht  so  geneigt  zu  sein,  auch 
würde  er  darin  noch  vieles  lernen  müssen.  Was  er  als  Ingenieur 
\\issen  muss,  weiss  er  gewiss  bis  auf  das  Praktische  des  Dienstes,  er 
weiss  es  sogar  sehr  viel  besser,  als  die  meisten  anderen  Officiere;  da- 
gegen wird  ihm  für  das  Civil-Baufach  noch  vieles  fehlen,  was  er  aber 
lernen  wird,  wenn  ihm  die  Zeit  dazu  vergönnt  ist." 

Soweit  Bessel.  Dass  ich  für  Adolf  den  hannoverschen  Dienst, 
wenn  dazu  zu  gelangen  wäre,  dem  preussischen  weit  vorziehen  würde, 
künnen  Sie  leicht  denken.  Im  Königreich  Hannover  habe  ich  noch 
manche  Freunde,  Bekannte  und  Verwandte,  die  sich  vielleicht  für 
meine  Bitten  mehr  oder  weniger  interessiren  würden,  woran  es  mir 
aber  im  Preussischen  ganz  fehlt.  Meine  bittende  Anfrage  wäre  nun, 
mein  geliebter  Freund,  ob  Sie  künftigen  Sommer  diesen  jungen  Mann 
nicht  auf  irgend  eine  Art  bei  Ihrem  Vermessungs-Geschäft  gebrauchen 
könnten?  Dadurch  würde  er  mehr  als  irgendwo  sonst  lernen  können, 
und  aus  einer  solchen  Schule,  zumal  wenn  er  sich  Ihren  Beifall  zur 
künftigen  Empfehlung  erworben  hätte,  würde  ihm  der  Eintritt  in  eine 
seinen  Fähigkeiten  angemessene  Laufbahn  sehr  erleichtert  werden.  Ich 
weiss  wohl,  dass  es  Ihnen  nicht  an  Gehülfen  fehlt;  aber  ich  bin  auch 
überzeugt,  dass  mir  Ihre  Freundschaft,  wenn  es  Ihnen  irgend  möglich 
ist,  gern  diese  grosse  Gefälligkeit  in  Gewährung  meines  Wunsches  er- 
zeigen wird. 

Sollte  es  nöthig  oder  nützlich  sein,  welches  ich  doch  gar  nicht 
glaube,  wegen  dieser  Angelegenheit  auch  an  unseren  gemeinschaftlichen 
Freund,  den  Geheimen  Kabinets-Ptath  Hüppenstedt  zu  schreiben,  so 
werde  ich  dies  auf  Ihren  Wink  sogleich  thun.  üeberhaupt  möchte 
ich   gern   wissen,   ob   Hoppenstedt   noch   in    den   nämlichen   Verhält- 

Olbers.    II,  2.  15 


226  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1822  Decemher  24. 

nissen  zu  Göttingen  und  Ihrem  Vermessungs- Geschäft  geblieben  ist, 
wie  vorher. 

Der  schreckhafte  Tod  des  hoffnungsvollen  Walbeck,  den  mir 
Bessel  meldet,  ^)  wird  Sie  noch  wohl  mehr  erschüttert  haben  als  mich, 
da  Sie  Walbeck  persönlich  kannten,  haben  Sie  damals  schon  etwas  an 
ihm  bemerkt,  das  auf  Melancholie  und  Selbstmord  ahnden  Hess?  Ich 
bin  neugierig,  wie  die  Stelle  in  Abo  wieder  besetzt  werden  wird. 

Durch  Tralles'  unerwartetes  Verscheiden  in  England  hat  Berlin 
nun  doch  auch  den  noch  einzigen  Mathematiker  von  einiger  Bedeutung 
verloren. 

Höchst  sonderbar  ist  es,  dass  die  Astronomen  auf  dem  Kap  den 
Kometen  von  Encke  nicht  gefunden  haben.  Es  kann  freilich  etwas  an 
der  Witterung,  noch  mehr  an  der  Uebung  der  Astronomen,  Kometen 
gleich  zu  finden,  liegen  (von  den  3  Kometen  dieses  Jahres  ist  kein 
einziger  in  England  gesehen  worden),  aber  die  Sache  wird  doch  in 
anderer  Rücksicht  sehr  bedenklich.  Man  hat  so  allgemeine  Aufmerksam- 
keit auf  diesen  Kometen  erregt,  und  Excke's  Ephemeride  so  weit  verbreitet, 
dass  man  hätte  glauben  und  hoffen  sollen,  wir  würden  nicht  bloss  von 
wirklichen  Astronomen,  sondern  auch  von  manchen  Liebhabern  der 
Sternkunde,  Seefahrenden  u.  s.  w.  Nachrichten  über  diesen  Kometen  er- 
halten haben,  wenn  er  so  leicht  zu  sehen  gewesen  wäre,  als  die  Theorie 
erwarten  lässt.  Auch  den  freilich  sehr  windigen  Baron  v.  Drais  hatte 
ich  zur  Aufsuchung  des  Kometen  bei  seinem  noch  fortdauernden  Aufent- 
halt in  Rio  Janeiro  umständlich  instruirt  und  mit  Himmels-Karten 
ausgerüstet,  aber  nichts  von  ihm  erhalten.  —  Unsere  ganze  Hoffnung 
beruht  nun  noch  auf  Rümker  in  Neuholland.  Sollte  auch  dieser  eifrige 
und  geschickte  Astronom  den  Kometen  nicht  gesehen  haben,  so  würde 
die  ewige  Dauer  der  Kometen  sehr  zweifelhaft  werden. 

Wo  ist  Hr.  V.  Staudt  geblieben?  Ist  er  in  bayrische  Dienste  ge- 
gangen? Beschäftigt  er  sich  noch  mit  Astronomie?  —  Ich  komme  zu 
diesen  Fragen,  weil  wir  jetzt  im  ersten  Band  der  FJiilos.  Transad.  1822 
die  Original-Beobb.  des  Kometen  von  1821,  mit  dem  sich  Stau  dt  so 
sehr  beschäftigte,  von  Kapt.  Hall  zu  \'ali)araiso  nach  dem  Perihel  er- 
halten haben.  Rosenbekgeb's  Bearbeitung  dieser  Kometenbahn  wird 
doch  noch  einer  Revision  bedürfen,  denn  die  HALL'schen  Beobb.  er- 
fordern durchaus  eine  neue  Reduktion.  Da  dieser  Komet  in  seiner 
Sonnennähe  der  Sonne  so  ziemlich  nahe  kam,  so  möchte  ich  gern  unter- 
sucht sehen,  ob  die  beiden  Aeste  der  Kometenbahn  vor  und  nach  dem 
Perihel   wirklich   genau   ein   und  demselben'-)  Kegelschnitt    angehören, 

^)  Briefwechsel  Olbkhs-Bksskl,  Brief  No.  301  vom  10.  Deo.     Krm. 
-)  Die  gleiche  Frage  hat  Olbkrs  auch  im  Brief  No.  302  an  Bessel  aufgeworfen, 
Briefwechsel  S.  233.     Krm. 


Gauss  an  (Ml»ers.     Göttingen,  1822  Decenil)er  29.  227 

oder  ob  doch  Spuren  eines,  wenn  audi  nur  von  der  Materie  des  Thier- 
kri'isliclites,  auf  den  so  vulunünüsen  und  so  lockeren  Kometen  ausgeübten 
Widerstandes  merklich  oder  wahrscheinlich  werden? 

In  dem  neuesten  Bande  der  Conn.  d.  Tems  hat  mich  unter  anderen 
die  rntersuchuno;  über  den  Meridian-Unterschied  zwischen  Paris  und 
Greenwich  aus  den  beobachteten  yR  des  blondes  interessirt.  Es  ist 
doch  merkwürdig,  dass  die  Beobb.  von  Pond  einen  anderen  Meridian- 
l'nterschied  geben  als  die  von  Maskeltne. 

Doch  ich  ermüde  Sie  mit  meinem  unbedeutenden  Geschwätz.  Leben 
Sie  wohl,  mein  theuerster  geliebtester  Freund,  möge  das  neue  Jahr 
Ihnen  und  Ihrer  verehrten  Familie  eine  Fülle  von  Segen  und  Glück 
brinjrenl 


No.  465.  Gauss  an  Olbers.  [216 

Göttingen,  1822  December  29. 

"Wenn  ich  auf  Ihren  gütigen  Bi'ief  vom  24.  nicht  ganz  so  ant- 
worten kann,  wie  ich  wünschte,  so  werden  Sie  gewiss  selbst  überzeugt 
sein,  wie  leid  mir  dies  thut.  Icli  will  Ihnen  alle  Verhältnisse  otfen- 
legen.  Sie  werden  dann  selbst  am  besten  beurtheilen  können,  ob  viel- 
leicht etwas  möglich  ist. 

Im  Lauf  des  abgewichenen  Jahres  habe  ich  drei  Gehülfen  ge- 
braucht, und  die  Arbeiten  sind  dadurch  rascher  vorgerückt  und  besser 
geworden,  als  sonst  möglich  gewesen  wäre,  und  das  raschere  Vorrücken 
hat  die  dadurch  scheinbar  vermehrten  Kosten  mehr  als  überwogen.  Ja, 
ich  würde  bei  diesen  Arbeiten  bestimmt  noch  weiter  gekommen  sein, 
wenn  ich  noch  einen  Gehülfeu  mehr  und  einen  Heliotrop  mehr  gehabt 
hätte.  Allein  nicht  so  verhält  es  sich  bei  den  noch  übrigen  Arbeiten; 
ich  sehe  nicht  wohl,  wie  ich  dabei  einen  vierten  Gehülfen  beschäftigen 
und  also  die  Bitte  um  Anstellung  eines  solchen  motiviren  könnte,  da 
mir  wiederholt  die  möglichste  Kostenersparniss  ans  Herz  gelegt  wird, 
daher  ich  auch  schon  gedacht  habe,  bei  einem  Theile  der  noch  übrigen 
Arbeiten  mich  mit  zwei  Gehülfen  zu  begnügen.  Freilich  kann  ich  über 
diese  Arbeiten  noch  gar  keinen  Plan  maciien,  ehe  ich  mit  Schumacher 
Rücksprache  genommen  habe,  und  Sie  wissen  selbst,  wie  schwer  dies 
bei  der  ihm  eigenen  Art  Briefe  zu  schreiben  ist.  Ich  weiss  bis  diese 
Stunde  noch  nicht  die  Länge  seiner  Basis  und  seine  Pläne,  wann  und 
ob  er  seine  Gradmessung  bis  Skagen*)  fortsetzen  und  beendigen  wird. 


*)   Von   dem    ganzen    Bogen   zwischen   Göttingeu    und   Skagen    beträgt    meine 
Triangulirung   etwa  i,  die   seinige,   soweit  sie  fertig  ist,  nur  |,   und  der  noch  nicht 

15* 


228  Gauss  an  Olbers.     Güttingen,  1822  December  29. 

Er  hat  mir  halb  und  halb  versprochen,  geg-en  Ostern  nach  Göttingen 
zu  kommen;  allein  ich  "weiss  nicht,  wie  viel  ich  diesmal  auf  die  Er- 
füllung dieses  Versprechens  rechnen  kann.  Ich  kann  daher  auch  noch 
gar  nichts  über  Messung  einer  eigenen  Basis  beschliessen,  wozu  auf 
alle  Fälle  seine  Mitwirkung  nöthig  sein  würde. 

Unter  diesen  Umständen  scheinen  mir  also  nur  zwei  Fälle  denk- 
bar, wo  ich  von  Ihrem  Neffen  als  Gehülfen  Gebrauch  machen  könnte, 
enhveder,  wenn  einer  meiner  diesjährigen  Gehülfen  ausfiele,  und  inwie- 
fern dazu  eine  Wahrscheinlichkeit  ist,  lässt  sich  in  diesem  Augenblick 
noch  nicht  bestimmen,  oder  zweitens,  wenn  ich  veranlasst  würde, 
meinen  Messungen  eine  weitere  Ausdehnung  zu  geben,  als  mir  ursprüng- 
lich aufgetragen  ist.  Ueber  letzteres  lässt  sich  nun  allerdings  man- 
cherlei sagen.  In  wissenschaftlicher  Eücksicht  wäre  es  gewiss  überaus 
wichtig,  wenn  ich  meine  Messungen  weiter  westwärts  bis  zum  An- 
schluss  an  die  KRAYENHOEr'schen  Dreiecke^)  auszudehnen  beauftragt 
würde;  jene  würden  dadurch  mit  den  englischen  und  französischen  in 
Verbindung  gesetzt,  und  Azimuthalbestimmungen  in  Bentheim  oder 
einem  anderen  westlichen  Punkte  würden  selbst  für  den  obersten  Zweck, 
nämlich  in  Rücksicht  auf  die  Gestalt  der  Erde,  ebenso  wichtig  sein 
als  die  Breitengradmessung.  Ebenso  gross  wäre  der  Nutzen  für  die 
Geographie  des  Königreichs  Hannover,  wenn  die  jMessungen  einen  so 
viel  grösseren  Theil  umfassten.  Endlich  wäre  von  grösster  "Wichtigkeit, 
dass  eine  solche  Fortsetzung  meiner  Messungen,  wenn  sie  überliaupt 
einmal  geschehen  soll,  bald  geschehe;  denn  die  Punkte,  woran  der  An- 
schluss  geschehen  muss,  sind  vergänglicher  Art.  und  es  steht  dahin,  bei 
der  rohen  Zerstörungssucht,  die  mich  schon  im  vorigen  Sommer  viel- 
fach geplagt  hat,*)  ob  nach  einigen  Jahren  irgendwo  noch  eine  Spur 
davon  anzutreffen  sein  wird.  Alle  diese  Gründe  würden  mich,  in  so 
vielfacher  Rücksicht  ich  auch  diese  Geschäfte  als  Opfer  betrachten 
muss,  bewegen,  mich  dazu  bereit  finden  zu  lassen,  wenn  ich  dazu  aut- 
gefordert würde,  obwohl  ich  aus  mancherlei  Rücksichten  nicht  selbst 
die  Initiative  dazu  machen  und  mich  dazu  anhiden  kann.  Die  Aus- 
führung selbst  würde  für  mich  denn  doch  das  Erfreuliche  haben,  dass  sie 
mich  auch  eine  Zeitlang  in  Ihre  Nähe  bringen  würde,  mein  theuei'ster 
Freund,  ein  Glück,  welches  ich  so  lange  entbehrt  habe.  —  Für  Sie 
würde   es   dann    auch    noch    das   Interessante   haben,    dass   ausser  der 


triangulirte  Theil  (von  Lyssabel  bis  Skagen)  J,  also  eine  Arbeit,  die  er  schwerlich 
unter  3  Jahren  vollenden  wird. 

^)  Yeriil.  hierzu  die  Annierk.  2  zu  r>rief  No.  45o,  S.  195.     Krni. 

*)  Fast  kein  einziges  Steinpostament  ist  uubeschädiizt  geblieben:  mein  Signal- 
thurm  auf  dem  Hohehagen  ist  fast  ganz  zerstört  und  das  Steinpo^tameut  daselbst 
ganz  weggestohlen. 


Gauss  an  Olbers.    Göttinnen.  1822  December  29.  229 

haarscharfen  Bestimmung  der  Lai^e  von  Bremen  auch  noch  die  noch 
unbekannte  :1  Koordinate,  die  Hidie  von  Bremen  mit  bekannt  würde.  — 
Urtheilen  8ie  nun  selbst,  ob  Sie  vielleicht  durch  Ihre  Konnexionen  ein 
Mittel  haben,  einen  solchen  Plan  nur  soweit  in  Anregunj^  zu  bringen, 
dass  ich  officiell  veranlasst  werde,  mich  darüber  zu  erklären;  so  bald 
die  Sache  nur  dahin  gebracht  werden  kann,  glaube  ich.  würde  das 
übrige  sich  schon  tinden,  und  dann  würde  auch  ohne  Zweifel  die  An- 
stellung Ihres  Neffen  zum  Gehülfen  bei  diesem  Geschäft  sich  wohl  machen 
lassen.  Ich  glaube  übrigens,  dass  man  auf  einen  solchen  Plan  noch 
viel  leichter  eingehen  würde,  wenn  die  durch  ihren  wissenschaftlichen 
Sinn  so  ausgezeichnete  Stadt  Bremen  ihre  Mitwirkung  offerirte  und  die 
Stellung  eines  Gehülfen  auf  sich  nähme,  mehr  noch  weil  die  Wichtig- 
keit, die  man  darauf  legte,  dadurch  bethätigt  würde,  als  w^gen  der 
Kosten,  die  ja  doch  kein  so  gar  grosses  Objekt  wären;  ich  weiss  aber 
nicht,  ob  Sie  diesen  unreifen  Gedanken  thunlich  halten.  ( 

Hr.  Geh.  Kab.-Eath  Hoppexstedt  steht  noch  im  vorigen  Yerhält- 
niss  zur  Universität,  und  auch  die  ^'erfügung,  die  ilin  gleichsam  als 
Mittelsperson  für  einige  Fälle  zwischen  mich  und  das  Ministerium  bei 
der  Gradmessung  stellte,  ist  nicht  aufgehoben;  allein  seit  fast  l.V  Jahren 
habe  ich  keine  Veranlassung  gehabt,  an  diese  Zwischeninstanz  zu  rekur- 
riren.  Ein  lebhaftes  Interesse  nimmt  übrigens,  unter  uns  gesagt,  wohl 
keiner  in  H[annover]  an  dem  ganzen  Geschäft. 

Jetzt  noch  ein  paar  "Worte  über  den  übrigen  Inhalt  Ihres  Briefes. 
Ich  sehe,  dass  Sie  Schumacher's  A.  N.  immer  viel  früher  erhalten  als 
ich;  ich  habe  erst  vor  Kurzem  das  22.  und  23.  Stück  erhalten.  Ich 
schliesse  aus  Ihrer  Anführung,  dass  eine  Nachricht^)  über  meine 
Messungen  darin  abgedruckt  ist,  zum  Theil  gegen  meinen  Willen,  ich 
hatte  den  Artikel  sehr  schnell  niedergeschrieben,  gar  nicht  wieder 
durchgelesen  und  bereute  nachher,  ihn  abgeschickt  zu  haben,  da  vieles 
davon  nach  meinem  nachherigen  Gefühl  dem  Publikum  sehr  gleich- 
gültig sein  muss;  meine  spätere  Bitte-)  an  Schumachee,,  ihn  zu  unter- 
drücken, muss  also  wohl  zu  spät  gekommen  sein. 

Was  Sie  über  Walbeck  andeuten,  ist  mir  ebenso  neu  als  er- 
schütternd, ich  weiss  kein  Wort  davon,  und  betrauere,  was  ich  danach 
vermuthen  muss,  um  so  mehr,  da  ich  ihn  hier  als  einen  ebenso  guten 
Kopf  als  liebenswürdigen  Menschen  kennen  gelernt  habe. 

Von  Staudt  habe  ich  lange  nichts  direkt  gehört;  Hr.  Sciinüe- 
LEix  sagte  mir  vorlängst,  dass  jener  Hoffnung  habe,  bald  angestellt  zu 
werden. 


^)  Vergl.  Anmerkuug'  zum  vorigen  Briefe  auf  S.  224.     Krm. 
^]  Briefwechsel  Gauss-Schdmacher,  Brief  No.  161.    Krm. 


230  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1822  December  29. 

Gerling  wollte  mich  in  diesen  Ferien  besuchen,  hat  es  nun  aber 
wieder  aufgegeben  oder  verschoben,  weil  die  Zeit  gar  zu  kurz  ge- 
worden wäre;  es  wäre  noch  viel  mit  ihm  zu  verabreden.  Er  denkt 
seine  Messungen  sehr  scharf  zu  machen,  er  hat  einen  12 zoll.  Theodo- 
lithen  wie  der  meinige  und  2  Heliotrope  nach  der  2.  Einrichtung  er- 
halten. Wie  schön  wäre  es,  wenn  ganz  Norddeutschland  mustermässig 
triangulirt  würde. 

Ich  habe  jetzt  alle  meine  Höhen  genau  berechnet.  Interessant 
sind  meine  Resultate  für  die  terrestrische  Refraktion.  Ich  finde  im 
Mittel  aus  28  Linien,  die  hin  und  zurück  gemessen,  0,1306  für  die 
ganze  Refraktion  (was  man  gewöhnlich  Refraktion  nennt,  ist  nur  die 
halbe)  bei  den  grossen  Linien  mit  ziemlicher  Uebereinstimmung,  bei  den 
kleinen  viel  unordentlicher,  bei  einer  Linie  ist  sie  negativ.  Wo  das 
Licht  nahe  über  der  Erde  weggeht,  ist  sie  bei  O schein,  wie  ich 
mich  überzeugt  halte,  in  den  Vormittagstunden  und  um  Mittag  fast 
immer  negativ,  die  obere  Luft  ist  dann  immer  viel  kälter,  und  daher 
wirklich  dichter  als  die  untere,  und  das  Aufsteigen  der  unteren  Schichten 
ist  wohl  die  Hauptursache  von  dem  ungeheuren  Wallen,  was  in  solchen 
Gegenden  fast  immer  um  jene  Tageszeit  stattfindet,  bis  in  den  späten  Xach- 
mittagstunden  eine  Art  Gleichgewicht  eingetreten  [ist].  Meine  Z[enith]- 
D[istanzen]  sind  meistens  in  den  früheren  Stunden  gemessen  (wo  mir 
die  Luft  für  Horizontalmessungen  zu  schlecht  war),  daher  im  Allge- 
meinen meine  Refraktionen  etwas  kleiner  sein  mögen,  als  man  sonst 
annimmt,  jedoch  stimmen  meine  Höhen  besser,  und  viel  besser  als  z.  B. 
bei  der  französischen  Gradmessung.  Da  Schumacher  vorläufig  Ham- 
bui'g  mit  der  Ostsee  verbunden  hat.  obwohl  nur  durch  einseitige  nicht 
reciproke  Messungen,  so  giebt  dies  wenigstens  eine  Idee  von  der  Lage 
aller  Punkte  über  dem  Meere;  der  Fussboden  meiner  Sternwarte  wird 
155,3  m,  die  Spitze  des  Brockenhauses  1149.8  m,  Hohehagen  503,7  m, 
Wilsede  170,1m,  Garssen  70,6  m,  Lüneburg — Laterne  des  Michaelis- 
thurms  76,5  m,  Hamburg — Pflaster  des  Michaeliskirchhofs  18,2  m. 

Jetzt  noch  im  Vertrauen  eine  Bitte,  einen  anderen  Gegenstand  be- 
treffend, Hr.  Geh.  Kab.-Rath  Hoppenstedt  hat  mich  vor  Kurzem  er- 
sucht, in  Greifswald  (wo  ich  einen  Schwager  habe)  Erkundigungen 
wegen  des  dortigen  Prof.  Mende  einzuziehen,  auf  den  man  zur  Wieder- 
besetzung der  Stelle  des  verstorbenen  Osiaxder  am  hiesigen  Accou- 
chement  reflektirt.  Ich  habe  zwar  sogleich  an  meinen  Schwager  dort 
geschrieben,  allein  leider  ist  dieser  ein  noch  faulerer  Briefschreiber 
als  Schumacher,  und  ich  fürchte,  dass  ich  sehr  lange  auf  Antwort 
warten  muss,  und  dass,  falls  sie  am  Ende  erfolgt,  ich  doch  nicht  viel 
klüger  sein  werde  als  vorher.  Sollten  Sie,  theuerster  Olbers,  vielleicht 
im  Stande  sein,  mir  etwas  über  die  Qualifikationen  jenes  ]Mannes  oder 


Gauss  an  Olbers,     Götting'eu,  1823  Fclmiar  6.  2.'U 

sonst  etwas  zum  Zweck  Dienendes  mittheilen  zu  können,  so  werde  ich 
Ihnen  sehr  verpHichtet  sein,  und  Sie  können  fest  überzeuprt  sein,  dass 
ich  in  keiner  Beziehung-  anderen  Gebrauch  von  llirer  Mittheilun^^  machen 
weide,  als  den  Sie  mir  selbst  vorschreiben  werden. 

Ich  habe  mich  seit  einigen  Wochen  sehr  mit  Rheumatismus.  Kopf- 
schmerz, Zahnweh  und,  wie  das  Heer  von  solchen  widerwärtigen 
Feinden  bei  praktischen  Geschäften  weiter  heisst,  plagen  müssen.  Ich 
fühle,  dass  ich  älter  werde  und  den  Beschwerden  beim  Observiren  in 
der  kalten  Winterluft  nicht  immer  so  widerstehe,  wie  sonst.  Dazu 
noch  andere  kleine  AViderwärtigkeiten;  das  Netz  am  Meridiankreise  ist 
mir  mitten  in  den  Solstitialbeobb.  gerissen,  und  ich  habe  es  bei  meinen 
anhaltenden  kleinen  Uebeln  noch  nicht  wiederherstellen  können,  das 
Einziehen  von  !>  Spinnfäden  ist  ein  Stück  Arbeit,  wobei  man  in  den 
kurzen  Wintertagen  die  Augen  zum  Zerspringen  angreifen  muss. 

Von  Berlin  habe  ich  gar  nichts  wieder  gehört.  Mich  soll  wundern, 
ob  man  nun  nach  Tralles'  Tode  die  Akademie  in  mathematischer 
Rücksicht  ganz  wird  eingehen  lassen. 


No.  466.  Gauss  an  Olbers.')  [217 

Göttingen,  1823  Februar  6. 

So  eben  bekomme  ich  einen  Brief  von  Hrn.  Rümker  aus  Paramatta 
mit  seinen  Beobb.  des  ENCKE'schen  Kometen.^)  Da  ich  weiss,  wäe  sehn- 
lich Sie  auf  diese  Nachricht  gewartet  haben,  so  kann  icli  nicht  umhin, 
Ihnen  noch  heute  eine  Abschrift  davon  zu  schicken.  Ich  lasse  sie  un- 
verzüglich in  den  hiesigen  Gel.  Anz.^)  abdrucken. 

Hr.  G[eh.]  K[abinetsrath]  Hoppenstedt  hat  in  der  bew^ussten  An- 
gelegenheit an  mich  geschrieben.  Ich  antworte  ihm  heute  und  hoffe, 
dass  alles  nach  Ihrem  Wunsche  gehen  wird.  Dann  werde  ich  hoifentlich 
im  nächsten  Frühjahr  die  Freude  haben,   Sie  in  Bremen  zu  umarmen. 


^)  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krm. 

2)  Erste  vorausberechnete  Wiederkehr  des  ENCKE'schen  Kometen.  Vergl.  hierzu 
den  folgenden  Brief  und  Anmerk.  S.  36,  so  wie  Briefwechsel  Olbers-Bessel,  Brief 
No.  303—304.     Krm. 

=>)  Gott.  Gel.  Änz.  26.  Stück,  Gauss'  Werke  Bd.  VI,  S.  442.     Seh. 


232  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1823  Februar  6. 


No.  467.  Olbers  an  Gauss.  r25o 

Bremen,  1823  Februar  6. 

Herzlichen  Dank  für  die  freundschaftliche  Güte,  womit  Sie  meine 
Bitte  wegen  des  jungen  Kulenkamp  aufgenommen  haben.  Ich  sehe 
vollkommen  ein,  dass  Sie  ihn  bei  der  jetzigen  Lage  Ihres  Messgeschäfts 
nicht  anstellen  können.  —  Grosse  Freude  hat  es  mir  gemacht,  dass  Sie 
bereit  sich  erklären,  der  Wissenschaft  noch  das  Opfer  zu  bringen,  um 
die  Gradmessung  mit  den  KEAYENHOFF'schen  Dreiecken  zu  verbinden. 
Sie  werden  es  mir  um  so  weniger  verdenken,  dass  ich  gleich  von  Ihrem 
Winke  Gebrauch  gemacht  habe,  da  mir  dadurch  zugleich  die  Hoffnung 
gewährt  wurde,  Sie  auf  längere  Zeit  hier  in  Bremen  zu  sehen.  Ich 
sprach  also  gleich  mit  einigen  aufgeklärten  Mitgliedern  unseres  Senats 
über  die  Wichtigkeit  dieser  Verbindung  und  fand  sie  sehr  bereit,  den 
Senat  zu  veranlassen,  dass  er  sich  durch  Stellung  eines  Gehülfen  und 
auf  andere  den  beschränkten  Mitteln  und  kleinem  Gebiet  der  Stadt 
angemessene  Art  willig  erkläre,  diese  Anschliessung  an  die  Krayen- 
HOFF'schen  Dreiecke  zu  befördern.  Ich  habe  also  auch  an  den  Kabinets- 
Rath  HoppENSTEDT  geschrieben,  dass  ich  den  halb  officiellen  Auftrag 
von  unserem  Senat  hätte,  ihm  vertraulich  mitzutheilen,  dass,  wenn  hohe 
Königliche  Regierung  die  Absicht  habe,  die  in  vieler  Rücksicht  so 
wichtige  Anschliessung  mit  den  KEAYEXHOFF'schen  Dreiecken  zu  ver- 
anstalten, man  bremischerseits  gern  bereit  sei,  diese  Operation  durch 
die  Stellung  oder  doch  Besoldung  eines  Gehülfen  zu  befördern  u.  s.  w. 
Den  Erfolg  müssen  wir  nun  abwarten. 

Für  meinen  Neveu  sehe  ich  freilich,  wenn  auch  dieses  Projekt  zur 
Ausführung  kommen  sollte,  nicht  den  Nutzen,  den  ich  bei  meiner  Bitte 
an  Sie  eigentlich  bezweckte.  Ausser  dem  allerdings  vielen,  was  er 
unter  Ihrer  Leitung  bei  dem  Geschäft  selbst  lernen  würde,  hoffte  ich 
dadurch  seine  wirkliche  Anstellung  in  hannoverschen  Diensten,  entweder 
als  Kondukteur  oder  im  Ingenieur-Korps  zu  erleichtern  und  einzuleiten. 
Dies  würde  nun  wohl  wegfallen,  wenn  er  von  bremischer  Seite  gestellt 
würde.  Indessen  gebe  ich  deswegen  die  Aussicht,  von  Ihnen  bei  dieser 
Gelegenheit  als  Gehülfe  angenommen  zu  werden,  für  ilin  nicht  auf, 
wenn  ich  gleich  auch  ihm  gerathen  habe,  jede  Gelegenheit,  in  preussische 
Dienste  zu  kommen,  zu  suchen  und  zu  benutzen. 

Wenn  ich  über  den  Prof.  Mende  in  Gr[eifswald]  Ihnen  irgend 
etAvas  Wichtiges  zu  sagen  gewusst  hätte,  so  würde  ich  Ihren  Brief  gleich 
beantwortet  haben.  Aber  dies  ist  nicht  der  Fall.  Ich  höre  bloss,  dass 
er  von  seinen  Schülern   oerühmt  wird  und  in  Greifswald  und  der  um- 


Gauss  an  011)frs.     Ciüttinn:en.  18'23  März  10.  233 

Heftenden  Gefrend  als  AccoucJieur  sehr  in  Ausehen  und  Ruf  steht.  So  viel 
sich  meine  Belesenheit  in  dem  Faeh  des  Accouchemeut  erstreckt,  hat 
er  nichts  Erhebliches  darüber  f2:eschrieben,  wohl  aber  kenne  ich  einige 
physiologische  Abhandlungen  und  ein  schätzbares  W'eik  über  Frauen- 
zininier-Krankheiten  von  ihm. 

\'or  3  Tagen  ci-hielt  ich  zu  meiner  grossen  Freude  einen  Brief  von 
K IMKER  und  daiin  die  angenehme  Nachricht,  dass  Rümker  den  Encke- 
sehen  Kometen  am  2.  Jnni  glücMich  aufgefunden  und  bis  zum  23.  Juni 
beobachtet  hat.  Er  schickt  mir  zugleich  die  Beobb.,  die  er  als  sehr 
genau  rühmt.  Nach  einer  beiläufigen  Vergleichung  stimmen  diese  Beobb. 
unerwartet  nahe  mit  Encke's  erstem  System  von  Elementen,  das  die 
Zeit  des  Perihels  auf  den  24.  Mai  1822  0'"  mittl.  S[eeberger]  Z[eit] 
setzt,  überein.  Diese  Sonnennähe  wird  nach  Eümker's  Beobb.  nur  etwa 
3  bis  4  Stunden  später  eintreffen.  Nach  dem  23.  Juni  hinderte  anfangs 
Mondschein,  nachher  die  Schwäche  des  Kometen  die  w^eiteren  Beobb.  — 
\\'alirscheinlich  liess  sich  der  in  Beobachtung  schwacher  Kometen  noch 
ungeübte  Astronom  durch  die  Blässe  des  Kometen  zu  bald  abschrecken. 

Ich  würde  Ihnen  die  Beobb.  abschreiben,  wenn  Sie  dieselben  niclit 
sehr  bald,  in  Schumacher's  Astron.  Nachrichten  ^)  gedruckt  lesen  könnten. 
An  Encke  habe  ich  sie  gleich  geschickt. 

"Wie  tief  hat  wohl  das  E[EALTMüR]-Thermometer  in  Göttingen  ge- 
standen. Hier  habe  ich  am  23.  Jan.  morgens  8.V  Uhr  — 21°,8  beobachtet, 
die  grösste  Kälte,  die  ich  je  erlebt  habe. 


No.  468.  Gauss  an  Olbers.  [218 

Göttingen,  1823  März  10. 

Unsere  letzten  Briefe  hatten  sich  gekreuzt.  Ich  hatte  den  von 
Hrn.  Rümker  erhaltenen  Brief  im  Original  an  Schumacher  geschickt, 
und  dadurch  wird,  da  jener  vermutlilich  mit  dem,  welchen  Sie  erhalten 
hatten,  ziemlich  gleichen  Inhalts  gewesen,  die  Mühe,  die  übrigen  Beobb. 
abzuschreiben,  erspart  werden.  Einen  ungehörigen  Artikel,  wo  Hr. 
Rümker  meint,  die  von  ihm  gefundenen  yß- Anomalien  durch  eine  Ab- 
weichung der  Yertikallinie  von  der  Ebene  des  Meridians  erklären  zu 
können,  habe  ich  Schumacher  gebeten,  zur  Ehre  des  Briefstellers  zu 
unterdrücken.  Hatte  doch  der  alte  Bode  zu  seiner  eigenen  Ehre  auch 
den   wunderlichen  Aufsatz   über  die  Sonnenstrahlen  im  Jahrbuch  1825 


^)  A.  N.  Bd.  II.     Olbers  Bd.  I  No.  83,   ferner  No.  84  u.  85  S.  384—386.     Ki 


234  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1823  März  10. 

unterdrückt.  Mich  liat  er  bewogen,  eine  Anzeige  des  J[ahrJ-B[uches] 
in   den  hiesigen  G.  A.,   die  ich  sonst  wohl  gemacht  hätte,   abzulehnen. 

Dass  der  Hr.  Geh.  K[abinets]-E[ath]  H[oppenstedt]  mir  in  der  be- 
wussten  Angelegenheit  geschrieben,  habe  ich  Ihnen  bereits  gemeldet. 
Ich  habe  mich  [für]  verpflichtet  gehalten,  was  sich  über  die  Wichtigkeit 
der  in  Frage  stehenden  Operationen  sagen  lässt,  nachdrücklich  vor- 
zustellen und  namentlich  auch  die  Gefahren  einer  längeren  Verschiebung 
derselben  entwickelt.  Es  ist  mir  aber  seitdem  noch  keine  weitere  Er- 
öffnung darüber  gemacht. 

Der  Tod  von  Tealles  hat  die  Angelegenheit  mit  B[erlin]  wiederum 
in  Anregung  gebracht.  Vor  2  Monaten  erhielt  ich  auf  demselben  in- 
direkten Wege  wie  vor  einem  Jahre  eine  Anfrage^)  mit  der  Bemerkung, 
dass  M[tJFFLiNG]  an  der  Realisierung  der  bewussten  Bedingungen  gar 
nicht  zweifle.  Etwas  Direktes  ist  seitdem  noch  nicht  erfolgt.  Inzwischen 
hat  sich  hier  ganz  seit  Kurzem  das  Gerücht  verbreitet,  dass  ich  einen 
Ruf  nach  B[erlin]  bekommen  habe.  Wie  ich  höre,  schreibt  sich  dies 
von  einem  jungen  Gelehrten  her,  der  ganz  unlängst  von  Berlin  hierher 
gekommen  ist.  Dieser  soll  hier  ausgesagt  haben,  „man  wisse  in  Berlin, 
„dass  ich  hier  nicht  zufrieden  sei,  und  sei  um  so  gewisser  mich  dorthin 
„zu  ziehen,  da  man  alles  dazu  aufbieten  werde,  selbst  wenn  mau  bis 
„zu  einem  Gehalt  von  4000  Rthlr.  gehen  müsse."  Ich  kenne  diesen 
Erzähler  nicht  und  weiss  nicht,  aus  welchen  Quellen  er  geschöpft  hat. 
Indessen  hat  unser  zeitiger  Prorektor  dieses  Stadtgespräch,  wie  ich 
höre,  ernsthaft  genommen  und  sogar,  wie  mir  von  glaubwürdiger  Hand 
versichert  ist,  darüber  nach  H[annover]  berichtet.  Mir  ist  dieses  vorlaute 
Geplauder  unangenehm,  da  ich  dadurch  vielleicht  in  Lagen  versetzt 
werden  könnte,  die  von  meiner  Seite  die  gemessenste  Behutsamkeit 
erfordern,  damit  meine  Hoffnung,  die  mir  noch  übrigen  Jahre  auf  eine 
freudigere  Art  zu  verleben,  nicht  durch  Halbheiten  verdorben  werde. 
Wie  glücklich  wäre  ich,  theuerster  Olbers,  wenn  ich  mich  mit  Ihnen 
bereden  und  von  Ihrer  Freundschaft,  Ihrer  AVeltkenntniss  und  Ihrem 
sicheren  Takt  einige  Winke  über  mein  Benehmen  erhalten  könnte! 

Meine  Abhandlung  über  die  Wahrscheinlichkeitsrechnung,  von  deren 
zweiten  Theil  Sie  vielleicht  die  Anzeige  in  No.  32  der  hiesigen  Gel  Am.-) 
bemerkt  haben,  ist  jetzt  fast  fertig  gedruckt;  sie  wird  ~\  Bogen  stark. 
Neulich  habe  ich  auch  einmal  wieder  einen  kleinen  rein  mathematischen 
Genuss   gehabt,   indem   ich   eine  zierliche  Auflösung  der  Aufsabe,   die 


^)  Vergi.  Brief  No.  10  von  Lindenau  an  G.wss  in  K.  Ekvuxs:  Briefe  zwischen 
A.  V.  Humboldt  und  Gauss,  ferner  Brief  No.  434  von  Gauss  an  Olbers,  Brief 
No.  137  von  Bessel  (Briefwechsel  Gaüss-Bessel),  schliesslich  Brief  No.  169  von  Gauss 
an  Schumacher.     Krm. 

2)  Gauss'  Werke  Bd.  IV,  S.  100  ff.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Göttino:en  am  ersti-n  Ostertage.   1823  [März  30].  2.'?5 

Oberfläche  eines  elliptisc-hen  Sphäroiils  zu  bestimmen  (dessen  3  Hiiiipt- 
axeii  alle  un<rleich  sind)  frefiuulen  habe.  Das  Endresultat  ist  natüilirh 
dasselbe,  welches  ].k(;exdue  in  seinen  Exercices  de  Calcul  Intq/ral 
gefunden  hat.  aber  des  letzteren  AVeg  dazu  ist  bei  Weitem  komplicirter 
als  der  meinige. 

Der  W'koxsky  II.  über  welchen  ich  Jiinen  früher  einmal  geschrieben 
habe,  schreitet  gut  vorwärts.  Neulich  wurde  ich  über  ihn  von  Ham- 
burg^) aus  befragt,  wo  er  jetzt  Vorlesungen  hält  und  vorgegeben  hat, 
er  sei  mein  nalier  Verwandter  und  stehe  mit  mir  in  fortwährendem 
vertrautem  Briefwechsel. 


No.  469.  Gauss  an  Olbers.')  [219 

Göttingen  am  ersten  Ostertage,  1823  [März  30]. 

Ihrer  früheren  gütigen  Erlaubniss  zu  Folge  nehme  ich  mir  die 
Freiheit,  da  jetzt  vermuthlich  der  Schiffahrt  nichts  mehr  im  A\'ege 
steht,  die  Einlage  an  Sie  zu  übersenden  und  Sie  um  gelegentliche  gütige 
Beförderung  derselben  zu  bitten. 

Durch  Hrn.  Klüver  werden  Sie  in  diesen  Tagen  ein  Exempla!- 
meiner  Theoria  Comhinationis  OhservaüomDu^)  erhalten  haben,  die  ich 
mit  gewohnter  freundschaftlicher  Güte  aufzunehmen  bitte.  Bei  der 
Kürze  der  Zeit  konnte  ich  dasselbe  damals  mit  keinem  Briefe  begleiten. 
Hr.  Kllver,  dem  ich  im  vorigen  "Winter  zuweilen  einige  Uebungsaufgaben 
gegeben  iiabe,  wird,  denke  ich,  wenn  er  sich  auch  zu  eigenen  höheren 
theoretischen  Studien  nicht  aufschwingen  sollte,  sich  durch  Anw^endung 
mathematischer  Kenntnisse  nützlich  machen  können. 

Von  B[erlin]  ist  bis  jetzt  noch  nichts  erfolgt.  Hier  in  Göttingen 
wird  diese  Angelegenheit  für  gewiss  und  wie  es  scheint  für  w^eiter 
gediehen,  als  sie  wirklich  ist,  gehalten.  Unser  zeitiger  Prorektor,  Prof. 
Ber(;mann,  der  vor  ein  paar  Tagen  nach  Hannover  gereist  ist,  forderte 
mich  vor  seiner  Abreise,  wie  er  sagte,  im  Auftrage  des  Hrn.  Geh.  Kab.- 
Eath  HoppENSTEDT  auf,  mich  nicht  bestimmt  zu  determiniren,  ohne  vor- 
her eine  Anzeige  zu  machen.  In  Unvorbereitung,  wie  ich  bei  dieser 
Aufforderung  war,  dachte  ich  nicht  daran,  die  Sache  selbst  in  Abrede 
zu  stellen,  was  auch  nicht  geglaubt  sein  würde,  und  ohne  mich  auf 
Explikationen  einzulassen,  beschränkte  ich  mich  auf  die  Versicherung, 


^)  Brief  No.  168  von  Schumacher  an  Gauss.     Yergl.  auch  hierüber  Gauss'  Brief 
Xo.  462  V.  24.  Okt.  1822  an  Olbers.     Krm. 

')  Dieser  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krm. 
3)  Pars  posterior.     Gauss'  Werke  Bd.  IV,  S.  27—53.     Krm. 


236         Gauss  an  Olbers.     Göttingen  am  ersten  Ostertage,  1823  [März  30]. 

dass  ich  dies  ohnehin  gethan  haben  würde.  Er  meinte,  man  würde 
alles  Mögliche  thim,  mich  hier  zu  erhalten.  Indessen  weiss  ich  nicht, 
ob  ich  nicht  selbst  in  der  Voraussetzung  der  Möglichkeit,  dass  ich  ohne 
vorherige  Anzeige  einen  festen  Entschluss  fassen  könnte,  einen  Maass- 
stab für  den  Umfang  dessen,  was  man  in  H[annover]  für  alles  Mögliche 
hält,  zu  erkennen  habe.  In  meiner  Anfangs  Febr.  an  L[indenau]  ge- 
gebenen Antwort  hatte  ich  erklärt,  dass  ich  auf  officielle  Anträge  zu 
entriren  jederzeit  bereit  sei,  aber  weiter  keinen  Wunsch  geäussert,  dass 
die  Sache  beschleunigt  werden  möchte.  Es  darf  mich  daher  nicht  be- 
fremden, wenn  es  langsam  geht,  noch  darf  ich  daraus  den  Schluss  ziehen, 
dass  man  es  nicht  ernstlich  meine.  Indessen  kann  ich  nicht  leugnen,  dass 
ich  bei  fortwährender  Ungewissheit  mit  einer  gewissen  AengstUchkeit  an 
die  Situationen  denke,  in  die  ich  vielleicht  gerathen  werde,  wenn  ich 
zum  Wiederanfang  meiner  Messungen  Hannover  passiren  muss.  Wie 
sehr  vermisse  ich  einen  treuen,  erfahrenen  Rathgeber  vde  Sie,  bester 
Olbers,  mir  zur  Seite. 

Ueber  den  Wiederanfang  dieser  Messungen  kann  ich  jetzt  auch 
noch  nichts  beschliessen.  Da  dieselben  mich  bald  nach  Hamburg  führen 
müssen,  wo  eine  Kooperation  mit  Schumacher  wesentlich  sein  wird,  so 
werde  ich,  da  dieser  mir  bloss  schreibt,  dass  er  vo)-  Mai  uiclit  von 
Kopenhagen  zurück  sein  wird  (jetzt  ist  er  noch  nicht  hin),  nicht  gar 
früh  anfangen  dürfen,  üeber  das  Projekt  weiterer  Ausdehnung  nach 
Westen  habe  ich  gar  keine  Antwort  von  H[annover]  erhalten.  Ich  höre 
bloss  vom  Hauptmann  Müller,  dass  Lieutenant  Hartmann  für  den 
Hrn.  Geh.  Kab.-Eath  Hoppexstedt  zwei  Kopien  des  Gradmessungs- 
netzes angefertigt  habe. 

Gar  wenig  hat  gefehlt,  dass  es  mit  meinen  Gradmessungsarbeiten 
und  allem  Aehnlichen  auf  einmal  ganz  vorbei  gewesen  wäre,  durch 
einen  Sturz,  den  ich  vor  acht  Tagen  von  einem  nicht  zugerittenen 
Pferde  auf  das  Pflaster  that.  Diesmal  bin  ich  aber  buchstäblich  noch 
mit  einem  blauen  Auge  davon  gekommen,  d.  i.  mit  einigen  Fleisch- 
wunden am  Arme,  an  der  Nase  und  einer  Quetschung  hart  unter  dem 
Auge,  welches  ich  allein  zum  Observiren  brauchen  kann.  Jetzt  sind 
meine  Wunden  schon  ganz  wieder  geheilt  und  bloss  noch  einige  Regeu- 
bogenfarben  unter  dem  Auge  übrig.  Das  Auge  selbst  ist  gar  nicht 
afficirt  gewesen. 

Gerling  hat  mich  unlängst  mit  einem  Besuch  erfreut.  Er  ist  sehr 
geneigt,  wenn  es  die  Umstände  erlauben,  in  dem  Fall,  dass  ich  noch 
einmal  zum  Brocken  zurückkehre,  die  Pressungen  und  Heliotropsendungen 
auf  dem  Inselsberge  auf  sich  zu  nehmen,  der  auch  einer  der  hessischen 
Dreieckspunkte  werden  wird. 

Meine  älteste  Tochter.   Ihr  Pathchen.   die  seit  11  Jahren  in  einer 


Olbers  an  (iau».     Hi.in.ii.   l-J.)  April  4.  237 

liiesi|?en  Pension  ist,  wurde  heute  vor  acht  Tag-eu  kontirmiert  und  wird 
so  nacli  und  nach  zu  den  Erwadisenen  zu  zählen  sein.  Das  gute  Kind 
macht  mir  viele  Freude.    Mit  ihrer  Gesundheit  hat  es  sich  sehr  srebessert. 


No.  470.  Olbcrs  au  (Jaiiss.  [251 

Bremen,  1823  April  4. 

Vielen  herzlichen  Dank  für  Ihre  beiden  lieben  Briefe  vom  10.  und 
30.  ^lärz  und  das  durch  Hrn.  Klüver  richtig  erhaltene  Geschenk  Ilirer 
vortrettlichen  Theoria  Comhinationis  Ohservatiomim.  Ersteren  würde  ich 
schon  lange  beantwortet  haben,  wenn  ich  nicht  täglich  einer  Antwort 
des  Geh.  Kab.-Raths  H[oppenstedt]  aus  Hannover  entgegengesehen 
hätte.  Sie  ist  indessen  nicht  erfolgt,  und  aus  dieser  langen  Zögerung 
möchte  ich  fast  schliessen,  dass  man  noch  erst  aus  England  Instruktion 
und  Entschluss  erwartet.  —  Hire  köstliche  Abhandlung  habe  ich  erst 
tlüchtig  durchgesehen  und  dann  zum  Buchbinder  geschickt,  um  sie  ge- 
heftet mit  mehrerer  Bequemlichkeit  studieren  zu  können. 

Dem  Himmel  sei  Dank,  dass  Hir  Unfall  mit  dem  Pferde  keine 
Folgen  gehabt  hat!  Aber,  theuerster  Gauss,  Sie  sollten  doch  Ihr,  den 
Ihrigen,  uns  Allen,  ja  der  ganzen  Welt  so  kostbares  Leben  keinem 
unzugerittenen  Pferde  anvertrauen!  Das  Reiten  an  sich  mag  Ihrer 
Gesundheit  ganz  dienlich  sein;  aber  ich  fürchte,  dass  Ihr  Geist  sich 
leicht  in  tiefsinnige  Spekulationen  verliert,  bei  denen  Sie  vergessen, 
dass  Sie  zu  Pferde  sitzen. 

3Iit  der  lebhaftesten  Theilnalime  sehe  ich,  dass  die  Unterhandlungen 
mit  Berlin  wieder  angeknüpft  sind.  So  ungern  ich  Sie,  lieber  Gauss, 
auch  weiter  von  mir  entfernt  wissen  werde,  so  bin  ich  doch  uneigen- 
nützig genug,  mich  herzlich  zu  freuen,  Avenn  ich  Sie  in  einer  Ihnen 
angenehmeren  und  für  das  Fortschreiten  menschlicher  Kenntnisse  vor- 
t heilhafteren  Lage  weiss.  Ich  habe  geglaubt,  dass  Sie  mit  G[eneral] 
V.  M[üffling]  unmittelbar  Biiefe  wechselten,  es  scheint  aber  aus  Ihrem 
letzten  Briefe,  dass  noch  eine  Zwischenperson,  die  ich  aus  dem.  Buch- 
staben L.^)  errathen  zu  können  glaube,  Theil  nimmt.  Ganz  fühle  ich, 
wie  unangenehm  Ihnen  die  lange  Ungewissheit  sein  muss,  besonders 
da  Sie  bei  dem  darüber  verbreiteten  Geschwätz  mancher  Zudring- 
lich[keit]  ausgesetzt  sind.  Ich  kann  die  Lage  der  Angelegenheit  nicht 
beurtheilen;  aber  mir  scheint  es  doch,  Sie  könnten  ohne  Bedenken  auf 
eine  baldige  nähere  Erklärung  oder  officiellen  Antrag  durch  den  Unter- 

*)    LlXDENAU.       Sch. 


238  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1823  April  4. 

händler  dringen,  da  Ihnen  dies  das  verbreitete  Gerücht,  Ihre  bevor- 
stehende Reise  nach  Hannover  u.  s.  \v.  wünschenswerth  machen  müssen. 
—  Dass  man  Sie  von  Hannover  niclit  leicht  entlassen  wird,  ist  gewiss. 
Es  kommt  also  darauf  an,  sich  auch  im  voraus  ganz  ins  Klare  zu  setzen, 
ob  Sie  überhaupt  unter  gewissen  Bedingungen  und  unter  welchen  in 
Göttingen  bleiben  wollen,  und  ob  diese  Bedingungen  von  der  Art  sind, 
dass  die  Hannoversche  Regierung  sie  möglicher  Weise  bewilligen  kann. 
Da  hier  alles  auf  beiden  Seiten  in  Erwägung  zu  ziehen  ist,  so  ist  mir 
noch  eingefallen,  dass,  so  viel  ich  weiss,  mit  Ihrer  jetzigen  Stelle  auch 
eine  Pension  für  Ihre  etwa  nachbleibende  Witwe  verbunden  ist,  von 
der  ich  bei  den  Berliner  Vorschlägen,  so  viel  ich  mich  erinnere,  nichts 
gehört  habe.  Doch  dies  könnte,  wenn  es  Ihnen  irgend  wichtig  scheint, 
noch  wohl  nachgeholt  werden.  —  Dass  manches  in  Berlin  etwas  nach- 
lässig geht  oder  doch  verschoben  wird,  davon  kann  ich  Ihnen  (unter 
uns)  auch  aus  Bessel's  letztem  Briefe  ^J  ein  Beispiel  geben,  und  ich  setze 
die  Stelle  um  so  mehr  her,  da  sie  vielleicht  in  einiger,  wenn  gleich 
entfernter  Verbindung  mit  Ihrer  Angelegenheit  steht:  „So  vortrefflich, 
schreibt  Bessel,  Kater's  Pendelbeobb.  in  einer  Hinsieht  sind,  so  glaube 
ich  doch,  dass  noch  ein  konstanter  Fehler  dabei  ist,  —  auch  glaube  ich 
nicht,  dass  La  Place  durch  die  Korrektion,  welche  er  an  die  Borda- 
schen  Beobb.  anbringt,  den  Fehler  ganz  wegschafft.  Ich  werde  Ihnen 
meine  Meinung  über  diesen  Gegenstand  gelegentlich  näher  angeben.  — 
Ich  hatte  die  Aufforderung,  die  durch  den  Tod  meines  theueren  Tralles 
unterbrochene  Bestimmung  der  Pendellänge  fortzusetzen.  Da  ich  aber 
die  oben  erwähnten  Bedenklichkeiten  hege,  so  wollte  ich  mich  nur  dann 
darauf  einlassen,  wenn  man  sich  entschliessen  sollte,  mir  ganz  freie 
Hand  zu  lassen.  Dazu  scheint  die  Akademie  nun  nicht  geneigt  zu  sein, 
wenigstens  habe  ich  seit  2  Monaten  nichts  darüber  gehört.  Ich  kann 
mich  aber  nicht  entschliessen,  meinen  hiesigen  Wirkungskreis  zu  ver- 
lassen, wenn  ich  nicht  bestimmt  übersehen  kann,  welcher  Erfolg  ver- 
langt werden  wird.  Uebrigens  kenne  ich  Tralles'  Idee  nur  im  All- 
gemeinen und  weiss,  dass  sie  mit  Kater's  Methode  im  Wesentlichen 
übereinstimmt;  vielleicht  besass  er  Mittel,  den  Zweifel,  welchen  ich  auf 
cZiesem  Wege  nicht  zu  heben  wusste,  zu  beseitigen  etc.  etc."  — Soweit 
Bessel.  Es  scheint  mir  also  auch  daraus  zu  schliessen,  dass  ein  kleines 
Excitatorium  in  Berlin  nicht  unnöthig  sein  dürfte.  Uebrigens,  lieber 
Gauss,  ist  es  gewiss  Ihr  Scherz,  oder  Ihre  partheiische  Freundschaft 
schreibt  mir  Einsichten  zu,  die  ich  wahrlich  nicht  habe,  wenn  Sie  von 
mir  einen  l\ath  für  Ihr  Benehmen  zu  wünschen  scheinen;  aber  gewiss 
erwarte   ich    mit    eben    der  Ungeduld,    eben   der  Theilnahme    die  Eut- 


^)  Brief  No.  304  im  Briefwechsel  Olbkus-Besskl  Bd.  11,  S.  '1\\.     Krm. 


Olbers  an  (i.iu->.     lii.iii.n,  1S23  April  5.  239 

Scheidung  dieser  Angele;;enheit,  als  wenn  sie  mich  selbst  beträfe.  Ich 
bitte  also  recht  inständij»-,  so  bald  etwas  Wiclitifjes  darin  vorfällt,  mich 
p^iitigst  davon  zu  unterrichten. 

Am  Himmel  giebt  es,  so  viel  ich  weiss,  nichts  Neues.  —  Ihren 
HriefM  an  Prof.  Everktt  habe  ich  besorgt.  Ich  bin  nun  auch  in 
Kdinburgh  Ihr  Kollege  geworden.  Ist  das  Curonensis")  in  Ihi-em  Titel 
auf  der  Theoria  Comb.  Obs.  nicht  etwa  ein  Druckfehler  statt  Taurmetisis, 
oder  was  ist  dies  für  eine  gelehrte  Gesellschaft?  Bei  der  Gelegenheit 
fällt  mir  die  Frage  ein,  ob  Damoiseau's  Preisschrift  über  die  \\'ieder- 
kunft  des  HALLEv'schen  Kometen  schon  in  den  Turiner  Societäts- Schriften 
gedruckt  und  schon  in  Göttingen  ist?  Ich  möchte  sie  gern  lesen,  und 
eine  etwas  umständliche  Anzeige  davon  würde  gewiss  in  den  G.  G.  A. 
oder  in  Schu.macher's  Adr.  NacJir.  sehr  erwünscht  sein. 

Eine  von  Schumachee  und  mir  veranstaltete  Zusammenstellung^) 
aller  bisher  berechneten  Kometenbahnen  werden  Sie  in  diesen  Tagen 
erhalten  oder  schon  erhalten  haben.  Ich  glaube,  es  ward  doch  nicht 
unangenehm  sein,  sie  alle  bei  einander  möglichst  korrekt  übersehen  zu 
ktinnen. 

Zu  der  Konfirmation  meiner  liebenswürdigen  Pathin  statte  ich 
meinen  heizlichen  Glückwunsch  ab.  Empfehlen  Sie  mich  Ihrer  ver- 
ehrten Frau  Gemahlin  so  wie  llirem  ganzen  Hause. 


No.  471.  Olbers  an  Gauss.  [202 

Bremen,  1823  April  5. 

Vorgestern*)  hatte  ich  das  Vergnügen,  Ihnen  zu  schreiben,  und  gestern 
erhielt  ich  unerwartet  die  so  lange  vergeblich  ersehnte  Antwort  von 
Hrn.  Geh.  Kab.-Rath  H[oppenstedt].  Was  er  über  die  Messungs- 
Angelegenheit  schreibt,  ist  wörtlich  folgendes: 

„Gleich  nach  Empfang  Ihres  Schreibens  habe  ich  solches  dem 
„Hofi-ath  Gauss  mitgetheilt,  und  die  Anlage  zeigt,  wie  sich  derselbe 
„über  dessen  Inhalt  erklärt  hat.  Viele  Geschäfte  und  oft  Wieder- 
„kehren   des  Uebelbefindens  haben  es   veranlasst,   dass  ich  es  aus  den 


')  Die  erwähnte  Einlage  im  Brief  Xo.  469,  welche  die  Danksagung  Gauss'  für 
die  Ernennung  zum  Mitgliede  der  Amerikanischen  Akademie  der  Wissenschaften  zu 
Boston  enthielt.    Vergl.  Brief  No.  455.     Krm. 

-)  Societas  Curonensis,  Kurländische  Gesellschaft.     Krm. 

'')  Vergl.  Brief  No.  441  und  die  Anmerk.  2,  S.  166.     Krm. 

*)  Gestern,  nach  dem  Datum  des  vorigen  und  dieses  Briefes.     Krm. 


240  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1823  April  5. 

„Augen  verloren  habe.  Jetzt,  da  die  Arbeiten  bald  wieder  beginnen 
„werden,  theile  ich  Ihnen  solches  mit  und  stelle  Ihnen  anheim,  ob  es 
„dem  Eath  der  Stadt  Bremen  angemessen  scheint,  sich  hierher  zu  wenden, 
„und  ich  werde  es  zu  meinem  Vergnügen  machen,  dessen  A\'ünsche 
„möglichst  zu  befördern.  Auch  werde  ich,  wenn  Gauss,  wie  ich  glaube, 
„bald  hierher  kommt,  mit  ihm  sprechen,  und  ilm  veranlassen.  Ihre 
„Wünsche  zu  erfüllen." 

Ich  gestehe  es,  die  Wendung,  die  Hoppenstedt  hier  der  Sache 
giebt,  hat  mich  etwas  befremdet,  und  wird  ohne  Zweifel  unseren  Senat 
noch  mehr  befremden.  Der  Senat  glaubte,  sich  aus  P^ifer  für  die  Wissen- 
schaft zu  einer  Gefälligkeit  gegen  Hannover  zu  erbieten,  und  nach 
Hoppenstedt's  Briefe  soll  er  sich  vielmehr  das  Vorgeschlagene  als  eine 
Gnade  in  Hannover  erbitten,  zu  deren  Erreichung  Hoppenstedt  seine 
Protektion  und  bona  officia  verspricht.  —  Doch,  hoife  ich,  wird  die 
Sache  selbst  nicht  darunter  leiden.  Unser  liberaler  Bürgermeister 
Smidt,  für  alles  Nützliche  feurig  und  thätig,  und  sich  leicht  über  Formen 
hinwegsetzend,  tritt  am  7.  Apr.  eine  Eeise  nach  Frankfurt  an  und  wird 
sich  bei  der  Gelegenheit  einen  Tag  in  Hannover  aufhalten.  Da  kann 
denn  wahrscheinlich  alles  mündlich  ausgemacht  und  verabredet  werden, 
ivenn  man  in  Hannover  diese  Anschliessimg  an  die  Kr atenhoff' sehen 
Dreiecke  ivirklich  ernstlich  ivill.  —  Sollte  wirklich  in  Hannover  etwas 
ausgemacht  werden,  so  wird  unser  trefflicher  Smidt  Sie  wahrscheinlich 
in  Göttingen  selbst  besuchen  und  Ihnen  von  den  getroffenen  Verab- 
redungen Nachricht  geben. 

Nun  aber,  vorausgesetzt  dass  das  Projekt  nach  dem  Entwürfe  zu 
Stande  kommt,  und  Bremen  Ihnen  einen  Gehülfen  zu  stellen  hat,  möchte 
ich  vorläufig  einige  Winke  von  Ihnen  mir  erbitten.  ^lein  Xeife,  für 
dessen  Anstellung  ich  bei  Ihnen  sollicitirte,  ist  nicht  hier,  wird  auch 
vermuthlich  gegen  den  Anfang  der  Arbeiten  nicht  hier  sein,  vielleicht 
ganz  in  Preussen  bleiben.  Dann  bin  ich  aber  wirklich  in  Verlegenheit, 
Ihnen  von  hier  aus  einen  tüchtigen  Gehülfen  vorzuschlagen.  Von  Seiten 
des  Senats  würde  man  wohl  gern  sehen,  wenn  der  junge  Klüvek,  dem 
Sie  so  gütig  in  Göttingen  fortgeholfen  haben,  dabei  gebraucht  werden 
könnte;  allein  ich  glaube,  er  ist  Ihnen  noch  zu  roh,  und  seine  Ab- 
richtung würde  Ihnen,  ehe  Sie  wesentliche  Dienste  von  ihm  haben 
könnten,  zuviel  Zeit  und  Mühe  kosten.  Ich  bitte  Sie,  mir  hierüber' 
ganz  offen  Ihren  Wunsch  mitzutheilen,  und  ob  es  Ihnen  dann  nicht 
vielleicht  am  liebsten  wäre,  wenn  Sie  selbst  die  unbeschränkte  Aus- 
wahl unter  den  Ihnen  als  am  brauchbarsten  schon  bekannten  hätten, 
und  Bremen  nur  den  von  Ihnen  Angestellten  besoldete.  —  Indessen 
ersuche  ich  gütigst  eher  nichts  definitiv  zu  bescliliessen,  bis  ich  gewiss 
weiss,    dass   mein  Neffe  nicht  zu  rechter  Zeit  kommen  wird.     Wie  ich 


Gauss  an  Olbers.     Göttinsren,  1823  April  13.  241 

denn    aucli    iiatiirlicli    liitn*   iiirlits   entscheiden  kann,    sondern  dies  vom 
Senat  al)liän<ren  wird. 

Nichts  freut  mich  mehr,  als  die  Hortiiinifr,  Sie,  theuerster  Gauss, 
bei  der  hoffentlich  zur  Ausführung:  kommenden  Messungs-Angeleg:enheit 
hier  auf  längere  Zeit  zu  besitzen.  Werden  Sie  nicht,  wenn  die  Witterung 
günstig  werden  sollte,  vielleicht  noch  vor  Ihrer  Zusammenkunft  mit 
ScHC^iACHER  schon  Ihre  Campagne  anfangen? 


No.  472.  Gauss  an  Olbers.')  [220 

Göttingen,  1823  April  13. 

^\'ahrscheinlich  hat  Ihnen  Ihr  trefflicher  Hr.  Bürgermeister  Smidt 
schon  selbst  angezeigt,  wie  man  sich  in  Hannover  über  die  bewusste 
Angelegenheit  geäussert  hat;  wenn  ich  ihn  recht  verstanden  habe,  wird 
man  mir  das  Ganze  überlassen  und  also  denn  doch  ohne  Zweifel  auch 
das  Xüthige  bewilligen. 

Was  dann  den  von  der  Stadt  Bremen  zu  stellenden  Gehülfen  be- 
trifft, so  wünschte  ich,  dass  dies  ganz  und  gar  nach  Ihrem  Wunsch 
eingerichtet  würde.  Wenn  Sie  glauben,  dass  Ihr  Hr.  Neveu  noch 
zurückkommt,  und  wenn  Ihnen  und  ihm  mit  seiner  Theilnahme  gedient 
ist,  so  kann  die  Bestimmung  darüber  ja  immer  noch  etwas  ausgesetzt 
bleiben.  Ist  aber  auf  diesen  gar  nicht  zu  rechnen,  so  nehme  ich  gern 
denjenigen  an,  welchen  Sie  dazu  wählen.  Ueber  den  Grad  der  Brauch- 
barkeit des  jungen  Klüver  kann  ich  wirklich  selbst  noch  nicht  urtheilen, 
da  ich  ihn  zu  wenig  kenne.  Vielleicht  wäre  es  angemessen  (unter 
obiger  Voraussetzung),  wenn  er  erst  einmal  eine  Probearbeit  ausführte. 
Ich  könnte  dazu  eine. vorschlagen,  wozu  er  vermuthlich  die  Hülfsmittel 
in  Bremen  leicht  geliehen  erhalten  könnte,  nämlich  einen  kleinen 
Theodolithen,  der  nur  die  Minuten  zu  geben  braucht,  und  ein  massiges 
Handfernrohr.  Wenn  ich  mich  recht  erinnere,  hat  Hr.  Klüver  mir  ge- 
sagt, dass  er  einen  solchen  Theodolithen  schon  früher  gehandhabt  habe. 

Diese  Arbeit  w'äre  die  Eekognoscirung  eines  Punktes,  auf  den  ich 
einige  Hoffnung  setze,  dass  er  zur  Verbindung  von  Bremen  mit  meinen 
Dreiecken  brauchbar  sein  könne.  Es  ist  dies  ein  EpAiLLy'scher  Dreiecks- 
punkt, von  ihm  Haverloh  genannt.  Die  Spuren,  wenigstens  die  Stelle  des 
EpMLLY'schen  Signals  werden  leicht  aufzufinden  sein.  Vermuthlich  ist  der 
Platz  zwischen  dem  Dorfe  Haverloh  und  dem  Haidkruge,  ungefähr  in  der 
Mitte  zwischen  Verden  und  Sottrum.     Der  Zweck  der  Eekognoscirung 


^)  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krm. 

Olbers.     II,  2.  16 


242  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1823  April  13. 

müsste  sein,  alle  die  Notizen  aufzustellen,  die  für  mich  von  Wichtigkeit 
sein  können,  theils  um  wo  möglich  die  Brauchbarkeit  des  Punktes  im 
voraus  zu  beurtheilen,  theils  um  die  Einrichtungen  treffen  zu  können, 
die  nöthig  sein  werden,  wenn  er  gewählt  wird  (zur  letzten  Art.  also 
z.  B.  eine  Nachricht  über  den  schicklichsten  Aufenthaltsort,  von  wo  aus 
demnächst  die  Messungen  gemacht  w^erden  könnten,  ob  daselbst  Trans- 
portmittel zu  finden  sind,  woher  Steine  zu  einem  Postament  genommen 
werden  können,  wo  ein  geschickter  Maurer  am  nächsten  zu  finden  u.  dergl.). 
Die  Hauptsache  ist  nun  die  genaue  Beschreibung  des  Horizonts 
mit  dem  Theodolithen  und,  wo  es  nöthig  ist,  unter  Zuziehung  eines 
etwas  stärkeren  Fernrohrs.  Bremen,  Asendorf  und  ^\'ilstedt  sind  be- 
stimmt sichtbar.  Ich  habe  die  Azimuthe  davon,  so  gut  ich  sie  angeben 
kann,  beigelegt,  sie  sind  aber  nicht  bis  auf  einen  Grad  zuverlässig; 
auch  noch  die  Azimuthe  von  einer  Anzahl  anderer  Punkte.  Ich  setze 
voraus,  dass  die  Graduirung  des  Theodolithen  von  der  Linken  zur 
Rechten  von  0  bis  360°  tmo  tractu  fortgeht.  Der  Beciuemlichkeit  wegen 
wird  der  Theodolith  gleich  so  aufgestellt,  dass  er  sehr  nahe  orientirt 
ist,  was  am  sichersten  mit  Hülfe  von  Bremen  (Ansgarius)  geschehen 
kann.  Die  Azimuthe  aller  Punkte  des  Verzeichnisses,  die  sichtbar  sind, 
werden  dann,  so  genau  sie  der  'J'heodolith  (ohne  Repetition)  giebt,  ge- 
messen. Mehrere  Thürme  von  Bremen  zu  nehmen,  ist  unnöthig,  aber 
übrigens  ist  es  gut,  wenn  alle  entfernten  Thurmspitzen  aufgenommen 
werden  (an  nahen  ist  wenig  gelegen).  Dann  aber  werden  auch  be- 
sonders auf  der  Ostseite  alle  entfernten  Höhenzüge  nach  ihren  Grenzen 
und  geschätzten  Entfernungen,  auch  insofern  es  sich  beurtheilen  lässt, 
ob  kahl  oder  bew^aldet,  in  Zahlen  anzusetzen  sein.  Auch  die  Elevationen 
wären  willkommen  bei  solchen  Höhenzügen,  die  in  Frage  kommen 
können,  falls  der  Theodolith  sie  angiebt,  und  Hr.  Klüver  damit  um- 
zugehen weiss.  Ich  zweifle  nicht,  dass  die  Sichtbarkeit  oder  Unsicht- 
barkeit   des  Wilseder  Berges   sich   gewiss   entscheiden   lässt   (es  steht 

übrigens  ein  Signalbaum  von  dieser  Form  darauf,  der  aber  ohne 

ein  starkes  Fernrohr  nicht  zu  erkennen  sein  würde).  Wahrscheinlich 
ist  der  Wilseder  Berg  sichtbar,  da  ich  vcui  da  aus  im  Azimuth  von 
71"  einen  entfernten  Bergrücken  gesehen  zu  haben  mich  erinnere.  Der 
Falkenberg  dagegen  wird  nicht  sichtbar  sein,  es  wird  aber  das  Vor- 
liegende rechts  und  links  genau  zu  beschreiben  sein.  da.  wenn  bloss 
Holz,  ohne  auf  erheblicher  Höhe  zu  stehen,  im  Wege  ist,  vielleicht  durch 
einen  Durchhau  geholfen  werden  könnte. 

Dies  sind  die  Hauptpunkte,  die  zu  berücksichtigen  sind.  Ohne 
grosse  Weitläuftigkeit  kann  man  in  der  Instruktion  nicht  wohl  weiter 
gehen.   Wenn  der,  dem  ein  solches  Geschäft  aufgetragen  ist,  den  eigent- 


Gauss  an  Olbers.     Cöttiiigen,  1823  Aiiril  13.  243 

lichtMi  Zweck  wohl  aufgefasst  hat  und  natürliche  Beiu'theilung  besitzt, 
wird  er  schon  von  selbst  nichts  Wesentliches  überselien. 

Ich  habe  die  nüthig:en  Momente  Ihnen  frleich  ang^ezeigt,  damit  in 
dem  Fall,  wo  Sie  es  angemessen  finden,  durch  Hrn.  Klüver  oder  einen 
anderen  eine  solche  Probearbeit  versuchen  zu  lassen,  durch  Hinundher- 
schreiben keine  Zeit  verloren  Avird. 

Ich  bet'ürclite  übrigens,  dass  das  Terrain  zwischen  Haverluh  und. 
Wilsede  und  l'^alkenberg  grosse  Schwierigkeiten  darbieten  wird,  und 
wage  kaum  zu  hotfen.  dass  das  A  H.  W.  F.  sich  effektuiren  lassen  Avird. 
Vielleicht  aber  könnte  man  nördlicher  durchkommen,  wenn  etwa  bei 
Zeven  ein  Punkt  wäre,  der  sich  mit  Haverloh,  Wilsede  und  dem  Berge 
bei  Harburg  verbinden  Hesse.  Kahle  Höhen  sind  mir  übrigens  die  liebsten 
Punkte.  lOOmal  mehr  werth  als  Kirchthürme.  Auf  letztere  Avird  man 
leider  zwischen  J^remen  und  Ostfriesland  Avohl  allein  beschränkt  sein. 
Im  allerschlimmsten  Falle  kann  man  Aveiter  südlich  geA\iss  durch- 
kommen, Avenn  man  den  Hüttenberg  an  den  Deister  und  Falkenberg 
knüpft,  und  dann  lässt  sich  Bremen  an  Asendorf  und  TAvistringen  knüpfen. 

Vor  Anfang  ]\Iai  Averde  ich  Göttingen  nicht  verlassen.  Schumacher 
kann  ich  hier  nicht  erwarten,  er  Avill  Ende  Mai  erst  von  Kopenhagen 
zurückkommen.  Er  denkt  auch  noch  einen  Punkt  bei  Harburg  an  seine 
AA  anzuknüpfen,  der,  Avie  ich  vorhin  andeutete,  vielleicht  zur  weiteren 
Fortsetzung  nach  Westen  nützlich  sein  kann.  Einen  Plan  über  die 
Eeihenfolge  meiner  Arbeiten  kann  ich  jetzt  noch  nicht  machen.  Ver- 
muthlich  Averde  ich  mit  Timpenberg  und  Lüneburg  anfangen.  Die 
Lokal-Inspektion  wird  entscheiden,  ob  ich  noch  den  Punkt  bei  Xindorf 
zuziehe.  Vielleicht  komme  ich  vor  dem  Anfang  der  Messungen  selbst 
von  Hannover  auf  ein  paar  Tage  mit  meinem  Sohn  nach  Bremen,  um 
mit  Ihnen  das  A\'eitere  zu  verabreden  und  den  Horizont  Ihres  Ansgarius- 
Thurmes  zu  durchmustern.  Das  Rekognosciren  einzelner  Berge  ver- 
stattet mein  Gesundheitszustand  mir  selbst  nur  ausnahmsAveise. 

Jetzt  noch  ein  paar  Worte  über  die  übrigen  Gegenstände  Ihrer 
beiden  gütigen  Briefe.  Ich  danke  verbindlichst  für  die  gefl.  Besorgung 
des  Briefes  an  Hrn.  Everett.  Die  Societas  Ciironensis  ist  die  Kur- 
ländische Gesellschaft,  die  schon  zAvei  Bände  schätzbarer  Memoires 
herausgegeben  hat.  Damoiseau's  Schrift  über  den  HALLEY'schen  Kometen 
ist  schon  im  XXIV.  Bande  der  Turiner  Abh.  gedruckt,  ich  selbst  aber 
habe  sie,  ob  ich  gleich  schon  ein  halb  Dutzend  mal  danach  geschickt 
habe,  noch  nicht  zu  Gesicht  bekommen.  Eine  Anzeige,  vermuthlich  von 
Hrn.  Mayer,  [ist]  in  unseren  Oel.  Am.  1821  p.  1685.  Durch  meine  A'on  der 
Stadt  entfernte  W^ohnung  und  die  seit  mehreren  Jahren  beliebte  Ein- 
richtung, dass  nach  jedem  Buche  zAveimal  geschickt  werden  muss,  ist 
der   kurrente  Gebrauch   unserer  Bibliothek  mir  beträchtlich  erschwert. 

16* 


244  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1823  April  13. 

Von  B[erlin]  ist  gar  nichts  erfolgt.  Icli  kann  aus  der  Sache  nicht  reciit 
klug  werden.  Ich  weiss  nicht,  ob  ich  Ihnen  geschrieben  habe,  dass 
Geelinö  in  Cassel  an  der  table  d'hote  von  einem  eben  von  Berlin  ge- 
kommenen Dr.  Blum  (verschieden  von  dem,  der  in  Göttingen  4  Wochen 
vorher  das  Aehnliche  ausgebreitet  hatte)  hat  erzählen  hören,  ich  sei 
mit  4000  Rthlr.  an  die  Akademie  vocirt.  Ich  habe  mich  noch  nicht 
überwinden  können,  etwas  zur  Beschleunigung  zu  thun.  Dass  ich, 
wenn  eine  angemessene  Vokation  an  mich  kommt,  mich  auf  keinen  Fall 
in  Göttingen  zurückhalten  lassen  würde,  will  ich  nicht  sagen,  aber 
meine  äussere  Lage  müsste  dann  auf  eine  so  durchgi^eifende  Art  ge- 
bessert werden,  dass  ich  auf  einem  ganz  anderen  Fuss  wie  bisher  leben 
könnte.  So  allein  würde  möglich  sein,  sich  über  so  manches,  was  sich 
jetzt  nicht  gründlich  ändern  lässt,  wegsetzen  zu  können.  Ob  man  aber 
dazu  auf  mein  Hiersein  genug  Werth  in  Hannover  legt,  ist  eine  andere 
Frage. 

Durch  Ihre  Kometentafel,  die  ich  dieser  Tage  erhalten,  haben  Sie 
sich  alle  Astronomen  zum  grössten  Dank  verpflichtet.  —  Wenn  ich  die 
Anwendung,  die  General  Müffling  von  seinen,  Teanchot's  und  Keatkx- 
hoff's  AA  zur  Bestimmung  der  Gestalt  der  Erde  macht,  recht  ver- 
stehe, so  gründet  sie  sich  lediglich  auf  die  Azimuthe  in  Seeberg,  Mann- 
heim und  Dünkirchen.  Ich  möchte  aber  bezweifeln,  ob  sich  darauf  mit 
Sicherheit  bauen  lässt.  Ich  glaube,  dass  die  Azimuthe  in  Dünkirchen 
wenig  fein  sind,  dass  selbst  das  Azimuth  in  Seeberg  noch  etwas  zu 
wünschen  übrig  lässt,  und  dass  die  AA  selbst,  bei  ihrer  grossen  Anzahl 
noch  von  der  äussersten  Schärfe  zu  weit  entfernt  sind,  so  dass  ich  mich 
kaum  wundern  würde,  wenn  aus  diesen  Beobb.  eine  negative  Abplattung 
gefolgt  wäre.  Teanchot's  A  A  scheint  Müffling  nur  in  einer  solchen 
Form  zu  besitzen,  wie  ich  die  EpAiLLY'schen.  Wenn  ich  den  Winkel 
Hohehagen,  Falkenberg,  Asendorf  einerseits  aus  meinen,  andererseits  aus 
Epailly's  A  A  berechne,  finde  ich  eine  Differenz  von  G",943.  Den 
Längenunterschied  zwischen  Seeberg  und  Dünkirchen  habe  ich  früher 
aus  meinen,  Epailly's  und  Keayenhgff's  AA  etwa  ?>*  von  dem  ver- 
schieden gefunden  (mit  Walbeck's  Abplattung),  welchen  Müffling  mit 
^\-^  auf  seinem  Wege  bestimmt  hat. 

Ich  bin  durch  einen  Besuch  unterbrochen  worden  und  muss  daher 
jetzt,  um  die  Post  nicht  zu  versäumen,  eiligst  schliessen. 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1823  April  25.  245 

No.  473.  Olbers  an  Gauss.  [253 

Bremen,  1823  April  25. 

Ilir  letzter  Brief  vom  13.  Apr.  hat  mir  eine  um  so  grössere  Freude 
gemacht,  da  er  mir  die  Hoffnung  giebt,  Sie  hier  persönlich  umarmen 
zu  können  und  zwar  in  wenigen  Tagen.  Kommen  Sie  doch  ja,  lieber 
Gau.ss!  Auch  freue  icli  mich,  Ihren  Hrn.  Sohn  bei  der  Gelegenheit 
wieder  zu  sehen.  —  Mit  unserer  Junggesellen-Wirthschaft  werden  Sie 
freundschaftliche  Nachsicht  haben. 

Von  Smidt  habe  ich  unmittelbar  nichts,  und  der  Senat  bloss  die 
allgemeine  Anzeige  erhalten,  dass  er  mit  dem  Minister  Bremer  und 
dem  Geh.  Kab.-Rath  Hüppenstedt  über  die  projektirte  Anknüpfung 
gesprochen  und  deren  ^^'illfährigkeit,  sie  Ihren  Anordnungen  gänzlich 
zu  überlassen,  erfahren  habe.  ]\Ian  hat  hier  vom  Senat  nun  2  Kom- 
missarien, unseren  Gildemeister  und  Dr.  Schumacher  bevollmächtigt, 
mit  mir  alles,  was  bremischerseits  für  dieses  Messungs-Geschäft  geschehen 
soll,  zu  verabreden. 

Noch  in  dieser  Woche  werden  Ihrem  Befehl  und  Ihrer  Instruktion 
zu  Folge  die  Hrn.  Blohm  (der  Bruder  unseres  Wasserbau-Direktors)  und 
Klüver  mit  einem  Theodolithen,  einem  guten  Fernrohr  und  einem  Sex- 
tanten ausgerüstet  nach  Haverloh  abgehen,  um  dort  die  gewünschte 
Rekognoscirung  vorzunehmen.  —  Einige,  die  die  dortige  Gegend  kennen 
wollen,  versprechen  sich  indessen  keine  sonderliche  Brauchbarkeit  dieses 
Platzes. 

Ueberhaupt,  glaube  ich,  wird  es  wirklich  nöthig  sein,  dass  Sie,  mein 
theuerster  Freund,  unsere  Umgebungen  einmal  selbst  von  unseren 
Thürmen  in  Augenschein  nehmen,  ehe  Sie  Ihren  Operationsplan  fest- 
setzen. Also  hoffe  ich  um  so  geidsser,  Sie  schon  von  Hannover  aus 
hier  zu  sehen. 

Ich  brauche  wohl  nicht  daran  zu  erinnern,  dass,  da  die  Fortsetzung 
Ihrer  Dreiecke  von  Bremen  aus  an  die  Grenzen  von  Ostfriesland  durchs 
Oldenhurgische  geht,  mit  der  Oldenburgischen  Regierung  doch  wohl  vor- 
her irgend  eine  kleine  Verständigung  darüber  stattfinden  muss.  Wollen 
Sie  diese  nicht  in  Hannover  veranlassen? 

Mein  Neveu  Kulenka^vip  kommt  nicht,  sondern  tritt  in  preussische 
Kriegsdienste,  wozu  er  die  grösste  Lust  hat,  und  wobei  Bessel  und  er 
hoffen,  einst  für  ihn  den  Weg  zu  einer  Stelle  in  dem  Generalstab  zu 
finden.  Noch  immer  erkenne  ich  mit  dem  lebhaftesten  Dank  die  Güte, 
die  Sie  auf  meine  Empfehlung  für  diesen  jungen  Mann  haben  wollten. 


246  Gauss  an  Olbers.    Göttingen,  1823  Mai  4. 


No.  474.  Gauss  an  Olbers. 'j  [221 

Göttingen,  1823  Mai  4. 

Ich  fange  diesen  Brief  schon  heute  an,  obwohl  ich  ihn  erst  morgren 
abschicken  werde,  da  ich  morgen  eine  Nachricht  von  Ihnen  über  die 
gütigst  von  Ihnen  veranlasste  Rekognoscirung  des  Platzes  Haverloh 
erwarte.  Das  von  Ihnen  angeführte  Urtheil  von  Personen,  die  diese 
Gegend  kennen,  schreckt  mich  noch  nicht  ganz  ab;  in  einem  Lande, 
wo  es  eigentlich  dominirende  Höhen  gar  nicht  giebt,  müssen  die 
Fernsichten  meistens  sehr  mühsam  und  künstlich  zusammen  gestoppelt 
W' erden,  und  sie  finden  sich  dann  zuweilen  an  Stellen,  wovon  man  ohne 
genaue  Untersuchung  dies  kaum  hätte  glauben  sollen.  Mehrere  meiner 
Punkte  in  der  Haide  sind  in  diesem  Fall,  als  Scharnhorst,  Breithorn, 
Wulfsode  (in  dem  Kärtchen  bei  Schijmachek's  Asir.  Xachr.  ist  durch 
einen  Fehler  des  Kupferstechers  die  Verbindungslinie  zwischen  Wulf- 
sode und  Falkenberg  w'eggelassen);  dies  sind  ganz  unscheinbare  Plätze, 
deren  Brauchbarkeit  selbst  Personen  aus  der  nächsten  Nachbarschaft 
so  lange  unglaublich  vorkam,  bis  sie  sich  mit  eigenen  Augen  überzeugt 
hatten. 

Wenn  sonst  keine  Hindernisse  eintreten,  werde  ich  ca.  in  9  Tagen 
von  hier  abreisen;  in  Hannover  werde  ich  mehrere  Tage  bleiben,  viel- 
leicht auch  einige  Messungen  auf  einem  der  Thürme  vornehmen,  wo- 
durch mit  einem  Mal  eine  grosse  Menge  Punkte  besonders  im  Hildes- 
heimschen,  die  schon  vom  Deister  aus  geschnitten  sind,  mit  aller 
Schärfe  niedergelegt  werden.  Nach  meiner  Ansicht  ist  es  viel  kürzer, 
wohlfeiler  und  schärfer,  im  Allgemeinen  die  Thürme,  die  im  Innern 
eines  A  des  ersten  Ranges  liegen,  durch  Schnitte  von  den  Haupt- 
punkten mit  einem  superieuren  Instrument  zu  bestimmen,  als  durch  ein 
System  von  sogenannten  Dreiecken  des  2.  und  3.  Ranges  mit  einem 
untergeordneten  Werkzeuge.  Ueber  die  weiteren  Pläne  wird  sich  dann 
in  Hannover  erst  entscheiden  lassen. 

Fortsetzung  von  Mai  5. 

Die  heutige  Post  hat  mir  noch  keinen  Brief  von  Ihnen  mitgebracht. 
A\'enn  sonst  nichts  in  den  A\'eg  tritt,  denke  ich  am  13.  von  hier  ab- 
zureisen. Es  ist  noch  manches  an  den  Instrumenten,  an  meinem  Reise- 
wagen etc.  zu  flicken  und  in  Ordnung  zu  bringen.  Einen  Brief,  den 
Sie  bis  zum  9.  auf  die  Post  geben,  werde  ich  also  noch  hier  erhalten 
können,   ungewiss  aber  ist   es,   ob  dies  noch   vom   10.  gesagt   werden 


^)  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krni. 


Olbers  an  Gauss.     Bnnuii.  1^5'23  Mai  9.  247 

kann.  Foste  resta)ite- Briefe  in  Hannover  lasse  ich  dort  abfordern. 
Hrn.  V.  L[iNDEXArj  habe  ich  über  die  bewussten  \'erhältnisse  ge- 
schrieben, und  er  hat  unter  dem  30.  v.  ^I.  den  Gen[eral]  v.  M[üfflingJ  da- 
von benachrichtigt.  Aus  des  ersteren  Briefe^)  an  mich  liabe  ich  von 
der  Lage  der  Sachen  in  B[erlin]  einigen  Begrift'  bekommen,  und  es 
wäre  wohl  möglich,  dass  noch  vor  meiner  Abreise  von  dort  etwas 
Officielles  einträfe.  Lindenau  rieth  mir.  meine  Abreise  noch  etwas 
länger  aufzuschieben,  was  sich  nun  aber  länger,  als  ich  oben  angedeutet 
habe,  nicht  wohl  thun  lassen  will. 

Bessel's  Reise,  um  Tralles'  angefangene  Pendelversuche  zu  voll- 
enden, kommt,  wie  er  mir  schreibt. -j  nun  nicht  zur  Ausfühiung.  Ich 
glaube,  unter  uns  gesagt,  viele  Empfindlichkeit  darüber  in  seinem  Briefe 
zu  erkennen. 

Von  Schumacher  habe  ich  seit  langer  Zeit  keine  Nachricht  und 
weiss  nicht,  ob  und  wann  er  nach  Kopenhagen  abgereist  ist.  Da  nach 
ütfentlichen  Nachrichten  der  König  in  die  Herzogthümer  zu  reisen  ge- 
willt ist,  so  wird  dies  wohl  auch  auf  Schumacher's  Aufenthalt  in 
Kopenhagen  einigen  Einfluss  haben. 

Von  Hannover  aus  schreibe  ich  Hinen  sogleich,  vielleicht  auch  noch 
einmal  von  hier  aus. 


No.  475.  Olbers  an  Gauss.  [254 

Bremen,  1823  Mai  9. 

Längst  hätte  ich  Ihnen  schon  von  dem  Erfolg  der  Rekognoscirung 
des  Platzes  bei  Haverloh  Nachricht  gegeben,  wenn  diese  schon  gau2 
nach  Iliren  Vorschriften  ausgeführt  worden  wäre.  Unser  Wasserbau- 
direktor Blohm  hatte  sich  selbst  mit  den  beiden  jungen  Leuten,  seinem 
Bruder  Blohm  und  Klüver,  mit  einem  Theodolithen,  einem  grösseren 
und  kleineren  Fernrohr  u.  s.  w.  versehen,  dahin  begeben.  Es  wurde 
ihnen  nicht  schwer,  den  Platz  auszumitteln ,  von  dem  Epailly  be- 
obachtet hatte,  und  sie  fanden  noch  die  Spuren  des  Gerüstes,  wenig- 
stens des  Fundamentes  dieses  Gerüstes,  das  Epailly  dort  errichten 
Hess.  Er  hatte,  der  Erzählung  der  Anwohner  nach,  von  einem  etwa 
30  Fuss  hohen  Gerüste  seine  Winkel  gemessen.  Sie,  auf  der  Fläche 
der  Anhöhe,  konnten  von  allen  in  Ihrer  kleinen  Karte  verzeichneten 
Punkten  nichts  sehen,  als  Bremen  und  Wilstedt,  seihst  Asendorf  nicht. 


^)  Briefwechsel  A.  v.  Humboldt-Gauss,  Brief  No.  12;   vergl.  hierzu  auch  No.  11, 
McFFLiNG  au  LixDENAü.     Krm. 

-)  Brief  No.  139  im  Briefwechsel  Gaüss-Bessel.     Krm. 


248  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1823  Mai  9. 

Alles  Uebrige  wurde  durch  ziemlich  nahe  liegende  Holzung  verdeckt, 
unter  anderen  auch  Verden.  Da  die  Wittening  nicht  sehr  günstig  war, 
haben  sie  diesmal  noch  keine  Azimuthe  beobachtet,  sondern  vorläufig 
das  Terrain  weiter  gegen  Wilsede  zu  rekognoscirt  und  meinen,  bei 
Schessel  eine  Anhöhe  gefunden  zu  haben,  zwischen  der  und  den  An- 
höhen von  Wilsede  nur  flaches  Land  zu  liegen  schien,  so  dass  sie  ihrer 
Meinung  nach  die  Anhöhen  von  Wilsede  nothwendig  sehen  mussten. 
Allein  IJir  Signal  luar  schlechterdings  nicht  icahrznnehmen.  Sie  blieben 
deswegen  ungewiss,  ob  dieses  Signal  etwa  nicht  mehr  vorhanden  sei, 
oder  sich  vielleicht  unkenntlich  auf  einen  entfernten  höheren  Hügelzug 
projicire.  —  Ein  Aufenthalt  nahe  der  Stelle  von  Haverloh  Hess  sich 
allenfalls  auf  ein  paar  Nächte  mit  erträglicher  Bequemlichkeit  in  einem 
Bauernhause  nehmen;  sonst  nur  auf  IJ  Stunden  weit.  Transportmittel 
wären  zu  haben.  Maurer  und  Zimmerleute  müsste  man  aber  von  Ver- 
den kommen  lassen. 

Ich  war  natürlich  mit  dieser  unvollkommenen  Ausführung  Ihrer 
Instruktion  nicht  zufrieden,  und  so  bald  die  Witterung  nur  einiger- 
maassen  günstig  ist,  werden  die  jungen  Leute  sich  wieder  dahin  be- 
geben und  die  Azimuthe  aller  irgend  sichtbaren  Punkte,  auch  des  An- 
fanges und  Aufhörens  der  die  übrigen  verdeckenden  Holzungen  sammt 
den  scheinbaren  Höhen  dieser  Holzungen  nehmen  und  die  Kekognos- 
cirungen  der  weiter  vorwärts  gegen  Wilsede  und  Harburg  liegenden 
Punkte  soweit  fortsetzen,  wie  ihnen  möglich  ist.  —  Ein  Gerüst,  so 
hoch  wie  das  EPAiLLv'sche,  schon  jetzt  bei  Haverloh  errichten  zu 
lassen,  schien  mir  bis  auf  Ihren  ausdrücklichen  Befehl  unnöthig. 

Sie  sehen,  lieber  Gauss,  wie  nothwendig  es  sein  wird,  dass  Sie, 
Ihrem  vorläufigen  Versprechen  gemäss,  auf  ein  paar  Tage  hierher 
kommen,  um  uns  besser  zur  buchstäblichen  Befolgung  Ihrer  Vorschriften 
zu  dressiren.  Auch  die  Beschaffenheit  unserer  Thürme  u.  s.  w.,  so  wie 
die  Aussicht  von  denselben  müssen  von  Hinen  in  Augenschein  genommen 
werden.  Dies  und  dann  die  Reise  von  Bremen  aus  quer  durch  das 
zwischenliegende  Terrain  bis  zu  Ihrer  bisherigen  Operationslinie  wii'd 
dann  wahrscheinlich  das  ausführbarste  Projekt  der  Verbindung  zwischen 
beiden  an  die  Hand  geben.  —  Ich  Irnfte  also  gewiss,  mein  theuerster 
geliebtester  Freund,  Sie  von  Hannover  aus  hier  zu  sehen. 

Sie  werden  daran  gedacht  haben,  dass  die  Verbindung  mit  den 
KRATENHOFF'schen  Dreiecken  auch  durch  das  Herzogt hum  Oldenburg 
geht.  Es  leidet  keinen  Zweifel,  dass  der  Herzog  die  dazu  nöthigen 
Operationen  auf  alle  Art  gern  befördern  werde.  Aber  er  ist  doch  auf 
irgend  eine  Weise  vorher  darum  zu  begrüssen.  —  ^^'ollen  Sie  dies  nicht 
in  Hannover  in  Erinnerung  bringen,  da  es  mir  unschicklich  scheint,  wenn 
Bremen  sich  an  den  Herzo<r  wenden  wollte. 


Gauss  an  Olbers.     Hannover,  l!r:'23  Mai  Ul.  249 

Wie  ofespannt  ich  auf  die  Entwicklung  der  B[erliner]  Angelegren- 
heit  bin.  brauche  ich  Ilinen  wohl  nicht  zu  sagen.  Der  Himmel  gebe 
alles  nach  Ihren  und  meinen  Wünschen!  —  Leben  Sie  wohl,  mein 
theuerster,  geliebtester  Freund!  Nach  Hannover  schreibe  ich  Ihnen  auf 
alle  Fälle. 


No.  476.  Gauss  an  Olbers.')  [222 

Hannover,  1823  Mai  IG. 

Gestern  bin  ich  hier  angekommen.  Aus  den  Aeusserungen  des 
Hrn.  Geh.  Kab.-Rath  Hoppenstedt  und  des  Herrn  Ministers  v.  Akns- 
WALDT,  die  ich  heute  gesprochen  habe,  geht  hervor,  dass  die  Ausdeh- 
nung meiner  Messungen  nach  Westen  wohl  meinem  Gutbeünden  über- 
lassen bleibt.  Obwohl  mir  nun  lieber  sein  würde,  ein  wirkliches  Inter- 
esse für  die  Sache  zu  finden  als  bloss,  dass  man  mich  machen  Icisst,  so 
werde  ich  mich  doch  einem  so  nützlichen  Unternehmen  nicht  entziehen. 
Auf  alle  Fälle  habe  ich  aber  die  frohe  Aussicht  vor  mir,  Sie,  theuerster 
Olbeks,  nun  in  wenigen  Tagen  zu  umarmen;  vielleicht  schon  über- 
morgen Abend  am  18.  Sonntags,  gewiss  aber,  wenn  nicht  ganz  unvor- 
hergesehene Hindernisse  eintreten,  Montag  den  19.  Wie  sehr  ich  mich 
darauf  freue,  brauche  ich  Ihnen  nicht  zu  sagen. 

Ueber  alles  Uebrige  mündlich.  Dass  der  Herzog  von  Oldenburg 
wegen  der  Messungen  begrüsst  werden  muss,  habe  ich  keineswegs  über- 
sehen, allein  für  jetzt  scheint  mir  der  Zeitjmnkt,  wo  bei  diesen  Opera- 
tionen das  Herzogthum  ivirWich  berührt  w^erden  wird,  noch  gar  zu  ent- 
fernt und  unbestimmt,  als  dass  dies  nicht  lieber  noch  etw^as  aufgeschoben 
werden  müsste. 

Ich  fürchte  gar  sehr,  dass  die  Terrainschwderigkeiten  bis  zur  Weser 
hin  ausserordentlich  gross  sein  werden  (die  Franzosen  fanden  sie  un- 
übersteiglich),  und  dass  schwerlich  im  Laufe  dieses  Jahres  das  Olden- 
burgische in  Berührung  kommen  kann.  Auf  alle  Fälle  aber  bedarf  es 
jederzeit  nur  eines  Briefes  von  mir  nach  Hannover,  um  eine  solche  Be- 
grüssung  augenblicklich  zu  veranlassen. 

*j  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krm. 


250  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1823  Mai  30. 

No.  477.  Olbers  an  Gauss.';  [205 

Bremen,  1823  Mai  80. 

Nochmals  meinen  herzlichsten  innig-sten  Dank  für  Ihren  so  erfreu- 
lichen, nur  leider  zu  kurzen  Besuch.  Ich  hoffe,  Sie  werden  Ihre  Reise 
zu  Ihrer  Operationslinie  wohl  und  glücklich  zurückgelegt  haben.  Wenig- 
stens hat  das  Wetter  Sie  begünstigt. 

Ihre  Instruktion  wegen  der  vom  Thurme  des  Domes  zu  beobachten- 
den Bäume  gab  ich  sogleich  an  Hrn.  Senator  Gilde3ieistee.  Dieser 
hat  auch  schon  am  27.  Mai  den  Thurm  bestiegen  und  seine  Messungen 
gemacht,  worüber  er  mir  die  Einlage  mit  dem  Auftrage,  sie  Ihnen 
nebst  seiner  gehorsamsten  Empfehlung  zu  senden,  eingereicht  hat. 

Senator  Gildemeister  hat  mir  versprochen,  wenn  es  irgend  die 
Witterung  erlaubt,  schon  nächste  Woche  selbst  mit  Zuziehung  des  jüngeren 
Blohm  die  Eekognoscirung  der  umliegenden  Punkte  vorzunehmen.  Der 
Hohe  Sünder,  eine  andere  Anhöhe  bei  Syke,  Haverloh,  Wilstedt,  Worps- 
wede u.  s.  w.  werden  von  ihm  untersucht  werden. 

Ihre  Briefe,^)  mein  theurer  Gauss,  über  die  eigene  Bewegung  unserer 
Sonne  habe  ich  wieder  hervorgesucht  und  noch  einmal  mit  vielem 
Interesse  und  vieler  Belehrung  gelesen.  Es  sind  in  allem  4.  Sie  haben 
nur  zu  befehlen,  icaiin  und  icoliin  ich  sie  schicken  soll. 

Bei  meinen  damaligen  Untersuchungen  über  diesen  Gegenstand 
wurde  ich  veranlasst,  das  von  Bessel  in  den  FiinclfamentisJ  [Astrono- 
miae]  gegebene  BRADLET'sche  Sternverzeichniss  und  besonders  die 
Vergleichung  mit  dem  PiAzzrschen  genauer  durchzugehen,  und  da  war 
es  mir  auffallend,  dass  die  negativen  Differenzen  beider  Verzeichnisse  in 
allen  Punkten  der  jR  so  sehr  vorherrschen.  Dies  deutet  doch  wohl 
dahin,  dass  die  von  Bessel  aus  einer  bestimmten  Zahl  der  beiden  Ver- 
zeichnissen gemeinschaftlichen  Sterne  abgeleitete  Präcession  doch  noch 
wohl  etwas  zu  klein  sei.  Wenn  der  daraus  entstehende  konstante 
Fehler  aller  eigenen  Bewegungen  der  Fixsterne  auch  keinen  sehr  merk- 
lichen Einfluss  auf  die  daraus  zu  lindende  Kichtung  der  Bewegung 
unserer  Sonne  hat,  so  glaube  ich  doch,  dass  sich  alles  am  Ende  noch 
besser  in  Harmonie  bringen  lassen  wür(h\  wenn  dieser  Umstand  be- 
seitigt werden  könnte. 


*)  Zwischen  den  Briefen  No.  476  nnd  477  lieirt  der  nur  wenige  Tage  währende 
Besuch  Gauss'  und  seines  ältesten  Sohnes  bei  Olbkhs  in  Bremen.     Krm. 

^)  Brief  No.  436,  438 — 440.  Offenbar  hat  Gauss  bei  seiner  .Anwesenheit  iu 
Bremen  um  Zurücksendung  dieser  Briefe  gebeten,  da  er  seine  Untersuchungen  über 
die  Bewegung  des  Sonnensystems  nach  Brief  vom  5.  Nov.  1823  an  Bessel  (Brief- 
wechsel Gauss-Bessel  No.  HO^i  fortsetzen  wollte.     Krm. 


Giui>s  iiii  nilurs.     (nittiilirtii.  1823  Juli  2S.  251 

Am  Hiiiuiu'l  und  in  der  astroiKniiiscliL'ii  Literatur  ist  mir  iiielits 
Neues  vor^a^kommcii.  was  Jlire  Aufiiu-rksainkeit  veidieneu  könnte. 
Sonst  werde  icli  es  für  meine  Sehuldigk»'it  lialten,  Ihnen  alles,  was  mir 
während  Ihrer  Campagne  von  astronomischen  Novitäten  bekannt  wer- 
den sollte,  ungesäumt  mitzutheilen. 

Dr.  FocKE.  mein  Georg  und  alle  Ihre  übrigen  hiesigen  Bekannte 
empfehlen  sich  Ihnen  und  Ihrem  Hrn.  Sohn  aufs  Gehorsamste  und 
Angelegentlichste.  Audi  ich  bitte,  letzteren  aufs  Herzlichste  von  mir 
zu  grüssen. 


No.  478.  Ganss  an  Olbers/)  [223 

Göttingen,  1823  Juli  28. 

Ihren  letzten  nach  Lüneburg  adressirten  Brief  habe  ich  in  Altona 
nachgeschickt  erhalten,  und  ich  würde  Ihnen  noch  von  dort  aus  ge- 
schrieben haben,  wenn  ich  irgend  etwas  Positives  mitzutheilen  gehabt  hätte. 
Nachdem  ich  vom  Hamburger  Michaelisthurm  die  Messungen  nach  Lüne- 
burg, Nindorf,  Timpenberg,  Wilsede  und  Hohenhorn  hin  vollendet  hatte, 
Hess  ich  noch  den  Hauptmann  Müller  zum  Litberge  zurückgehen  und 
mir  von  daher  Heliotroplicht  schicken  in  der  Hoffnung,  dass  dieser 
Punkt,  welcher  mit  AVilsede  und  vielleicht  mit  Elmhorst  zu  verbinden 
ist,  bei  der  Fortsetzung  nach  Westen  von  Nutzen  sein  könnte.  Da  in- 
dessen wegen  dieser  Fortsetzung  mir  noch  immer  nichts  Officielles  zu- 
gegangen war,  so  habe  ich  nach  Vollendung  der  auf  den  Litberg  Be- 
zug habenden  Messungen  die  Rückreise  angetreten  und  bin  am  21. 
wieder  in  Göttingen  angekommeiL  In  Hannover  übergab  mir  Hr. 
Minister  v.  Arnswalüt  Ihr  Memoire  an  den  Bremer  Senat  mit  dem 
Auftrage,  solches  zu  begutachten  und  einen  Kostenanschlag  für  das 
Projekt  zu  machen.  Da  inzwischen  Hr.  v.  Arnswalüt  bereits  am  2L 
eine  Reise  nach  Paris  angetreten  hat,  von  der  er  erst  nach  6  Wochen 
zurückkommen  wird,  und  das  von  mir  Verlangte  doch  in  Hannover  bis 
zu  seiner  Zurückkunft  liegen  bleiben  würde,  so  ist  nicht  nöthig,  dass 
ich  damit  zu  sehr  eile,  da  offenbar  doch  aus  London  unmöglich  so  früh 
eine  Resolution  kommen  kann,  dass  im  Laufe  dieses  Jahres  sich  noch 
etwas  vornehmen  Hesse. 

Die  Rekognoscirungen  des  Hauptm.  MIjller  haben  gezeigt,  dass 
in  dem  schwierigen  Terrain  zwischen  Wilsede  und  Bremen  sich  zwar 
einige   ziemlich    grosse  Linien  effektuiren   lassen,   aber   keine   grossen 


^)  Uelier  die  im  Juni  luid  Juli  ausgeführten  Messuug-en  bericlitet  Gauss  ge- 
nauer im  Brief  No.  175—177  an  Schumacher.  Gauss  war  in  der  Zeit  von  Ende  Juni 
bis  Mitte  Juli  in  Altona.     Krm. 


252  Gauss  an  Olbers.     Güttingen,  1823  Juli  28. 

Dreiecke;  es  ist  daraus  noch  keine  bestimmte  Mög'lichkeit  abzusehen, 
ivie,  ja  nur  oh  eine  Dreiecksverbindung  auszuführen  ist.  Vom  Litberge 
ist  leider  nach  Südwesten  gar  keine  brauchbare  Aussicht;  die  Thurm- 
spitze  von  Sittensen  ist  das  Entfernteste,  was  man  über  Wald  her 
sieht.  Im  Westen  hat  Müller  ein  Objekt,  was  wie  ein  Haus  aus- 
gesehen [hat],  auf  entferntem  Horizont  geschnitten  (in  84*^  Azimuth); 
nach  der  Parallaxe  an  einem  2.  Standpunkt  ist  es  jedoch  auch  nur 
3  Meilen  entfernt  und  muss  etwas  nördlich  von  Zeven  liegen.  In  der 
ganzen  Horizontstrecke  von  Wilsede  bis  Litberg  ist  von  Hamburg  aus 
nichts  zu  entdecken,  was  brauchbar  schiene,  überall  begrenzt  hohe  und 
nicht  sehr  entfernte  Waldung  die  Aussicht.  Weiter  rechts  von  Lit- 
berg aber  wird  entferntes  hohes  Terrain  sichtbar,  noch  westlich  von 
Stade  liegend.  Ob  es  nun  aber  möglich  wäre,  hierdurch  ein  gutes 
Dreiecksystem  bis  zur  Weser  zu  führen,  würde  ohne  Zweifel  erst  eine 
weitläuftige  Rekognoscirung  erfordern.  Die  Resultate  der  Rekognoscirung 
des  Hrn.  Senator  Gildemeister  hoffe  ich  nun  bald  zu  erhalten;  beson- 
ders wird  die  Untersuchung  der  Gegend  von  Worpswede,  Wilstedt  und 
weiter  NO  über  Kirchtimke  hinaus  noch  in  Konsideration  kommen. 

Ob  ich  in  diesem  Jahre  noch  einmal  auf  den  Brocken  gehen  werde, 
ist  noch  ungewiss  und  theils  von  der  Kooperation  des  Hrn.  Gerling, 
theils  von  anderen  Umständen  abhängig. 

Ueber  die  B[eiiiner]  Angelegenheit  erhielt  ich  in  Altona  einen 
Brief  von  Lindenau^)  vom  Anfang  Juli,  welchem  Gen.  M[üfflin-g],  da- 
mals in  der  Nähe  von  Gotha  sich  aufhaltend,  gesagt  hatte,  wie  leid 
ihm  die  lange  Verzögerung  thue,  und  dass  er  bestimmt  hoffe,  dass  die 
Sache  in  den  nächsten  Wochen  ins  Reine  kommen  werde.  Da  indessen 
bislang  nichts  erfolgt  und  der  König  inzwischen  in  die  böhmischen 
Bäder  gereist  ist,  so  habe  ich  wohl,  falls  überhaupt  etwas,  wenigstens 
vor  der  Hand  nichts  in  der  Angelegenheit  zu  erwarten. 

Die  Kopenhagener  Societät  hat  mir  dieser  Tage  angezeigt,  dass 
sie  der  von  mir  eingesandten  Abhandlung-)  über  die  Umformung  der 
Flächen  die  Preismedaille  zuerkannt  habe.  Sollte  ich  in  diesem  Leben 
noch  einmal  in  eine  dem  Arbeiten  günstigere  Lage  kommen,  so  werde 
ich  diese  Abhandlung  mit  als  Theil  einer  viel  ausgedehnteren  Unter- 
suchung verarbeiten. 


^)  Brief  No.  13  im  Briefwechsel  A.  v.  Humboldt-Gaüss.     Krm. 

^)  Allgemeine  Auflösung  der  Aufgabe,  die  Tlieile  einer  gegebenen  Fläche  auf 
einer  anderen  gegebeneu  Fläche  so  alizubilden,  dass  die  Abbildung  dem  Abgebildeten 
in  den  kleinsten  Theilen  ähnlich  wird.  ScurMAciiEii's  Astr.  Abliantil.  Heft  111,  1825. 
Gauss'  Werke  Bd.  IV,  8.  189—216.  Vergl.  hierzu  auch  Briefwechsel  Gacss-Schc- 
MAcnEK,  Brief  No.  145—147,  161—164,  166.  167.  180.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.     (iüttiiiiri'ii,  1Sl'3  Auirust  3.  253 


No.  479.  Gauss  au  Olbers,  [224 

Göttingen,  1823  August  3. 

Ich  lia])e  nunmehr  die  bei  den  Eekognoscirungen  gemachten  Mes- 
sungen soweit  veiaibeitet,  als  sie  es  vertragen  und  verdienen,  und  eine 
genaue  Zeichnung^)  entworfen,  wonach  die  Kesultate  sich  in  einer  klaren 
Uebersicht  zusammenfassen  lassen.  Ich  schicke  Ihnen  dieselbe,  weil 
danach  Hr.  Senator  Gildemeister  am  besten  beurtheilen  kann,  an 
welchen  Stellen  noch  neue  Rekognoscirungsversuche  gemacht  werden 
miissten.  Die  Sichtbarkeit  von  Asendorf  und  Kirchboizen  ist  nicht  auf 
Mi'LLEu's  Rekognoscirung  gegründet,  sondern  nach  Epailly  angesetzt. 
Dagegen  aber  hat  er  auf  dem  Haverloh-Platz  alle  als  sichtbar  gezeich- 
neten Punkte  selbst  gesehen  und  gemessen.  Dass  auf  dem  Everser 
Berge,  etwa  1000  m  NW  von  dem  hier  gezeichneten  Punkte,  die- 
jenigen Bäume  stehen,  die  ich  von  Wilsede  und  Ansgarius,  und  Hr. 
Senator  Gildemeister  vom  Domthurme  geschnitten,  habe  ich  Ihnen, 
wenn  icli  nicht  irre,  bereits  früher  gemeldet.  Dass  Hr.  Senator  Gilde- 
meister statt  dieser  fraglichen  Bäume  andere  nur  \-  so  weit  entfernte 
bei  Sagehorn,  mit  jenen  zufällig  auf  1'  genau  im  Alignement  liegende 
gemessen  haben  sollte,  lässt  sich  nicht  denken,  da  ja  solche  näheren 
Bäume  sich  unter  dem  Horizont  zeigen  müssten,  während  die  wahren 
sicli  gegen  den  Himmel  projiciren;  es  müsste  denn  eine  ganz  ungewöhn- 
lich schlechte  Luft  gewesen  sein,  wobei  der  entferntere  Rücken  un- 
sichtbar blieb.  Allein  der  Winkel  wurde  mit  dem  noch  etwas  ent- 
fernteren Verden  gemessen.  Es  wäre  doch  auch  ein  höchst  seltener 
Zufall,  wenn  in  \  der  Entfernung  wieder  dieselbe  Figur  von  3  Bäumen, 
zwei  ganz  nahe  zusammen  und  der  dritte  etwas  entfernter,  jeder  genau 
im  Alignement  mit  dem  Ansgariusthurm  sich  vorfinden  sollte.  Falls 
Hr.  Senator  Gildemeister  noch  einen  Zweifel  hat,  kann  solcher  auch 
sehr  leicht  durch  ein  nochmaliges  Besteigen  des  Domthurmes  erledigt 
werden. 

So  wie  die  Sache  jetzt  liegt,  ist  noch  keine  bestimmte  Möglich- 
keit zu  einem  rechtlichen  Dreiecksnetze  zu  erkennen.  Kirchthürme 
sind  ohnehin  ganz  auszuschliessen.  —  Kirchwalsede  bedeutet  in  der 
Zeichnung  den  Kirchthurm;  allein  es  ist  in  der  Nähe  ein  P'eld,  wo, 
wenn  ich  Müller  recht  verstanden,  meist  alle  Gegenstände  gesehen 
oder  sichtbar  gemacht  werden  können,  die  mit  dem  Thurm  hier  ver- 
bunden sind.     So  wären  also  vielleicht  die  Dreiecke  möglich: 

1)  Wilsede — Elmhorst— Kiichwalsede,  Acker. 


^)  Diese  Zeichnung  ist  bei  den  Originalbriefen  nicht  mehr  vorhanden.     Krm. 


254  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1823  Auj,'ust  9. 

2)  Wilsede — Kirchwalsede — Gyhumer  Berg. 

3)  Kirchwalsede — Gyhumer  Berg— Everser  Berg  (nicht  ohne  Durch- 
haue). 

4)  Endlich  Hesse  sich  vielleicht  noch  ein  Punkt  finden,  östlich  von 
Wilstedt,  der  mit  Everser  Berg  und  Gj'hum  zugleich,  wenn  auch  mit 
Hülfe  von  Durchhauen,  zu  verbinden  wäre  zu  einem  4.  und 

5)  mit  Everser  Berg  und  Bremen  zu  einem  5.  [Dreiecke]. 

Ob  auf  diese  oder  andere  Art  durchzukommen  ist,  würde  eine 
fortgesetzte  Durchsuchung  zeigen  müssen. 

Der  Punkt  Elmhorst  liegt  unweit  Hiddingen.  wo.  wie  ich  höre, 
eine  mineralische  Quelle  entdeckt  sein  soll. 


No.  480.  Olbers  au  (iauss.  [256 

Bremen,  1823  August  9. 

Für  Ihre  beiden  gütigen  Briefe  vom  28.  Juli  und  3.  Aug.  und  für 
die  den  letzten  begleitende  schöne  Karte  über  die  bisherigen  Reko- 
gnoscirungen  statte  ich  Ihnen  den  herzlichsten  Dank  ab.  Längst  würde 
ich  Ihnen  in  der  Zwischenzeit  schon  wieder  geschrieben  haben,  wenn 
ich  nicht  immer  gehofft  hätte,  Ihnen  die  Resultate  von  Gildoieistee's 
Erforschungs-Reise  liefern  zu  können.  Aber  leider  hat  dieser,  wie  vSie 
wissen,  immer  leicht  Schwierigkeiten  findende  Freund  seine  Reise  alles 
meines  Antreibens  unerachtet  noch  nicht  begonnen,  so  warm  er  sich 
sonst  für  die  Sache  selbst  interessirt.  Immer  findet  er  die  "Witterung 
noch  zu  misslich,  und  meine  Erinnerung,  dass  noch  kein  Sterblicher  mit 
Gewissheit  vorher  wissen  könne,  was  es  übermorgen  für  Wetter  sein 
werde,  man  also  auf  gut  Glück  etwas  wagen  müsse,  findet  keinen  Ein- 
gang. Einmal  war  der  Wagen  schon  in  Bereitschaft,  als  einige  me- 
teorologische Beobb.  noch  eine  halbe  Stunde  vor  der  angesetzten  Ab- 
fahrt denselben  noch  wieder  abbestellen  Hessen.  Jetzt  hoffe  ich  indessen, 
dass  er  endlich  zum  Werk  schreiten  wird,  da  ich  ihm  die  immer  kürzer 
werdenden  Tage  drohend  vorgehalten  habe. 

Deswegen  habe  ich  mich  auch  wohl  gehütet,  ihm  von  Ihrer  mich 
sehr  niederschlagenden  Aeusserung,  dass  dieses  Jahr  doch  wahrscheinlich 
von  der  Ausführung  des  Verbindungs-Projekts  zwischen  Ihren  und 
Krayenhoff's  Dreiecken  nichts  werden  würde,  etwas  merken  zu  lassen, 
um  seinen  Hang  zum  ewigen  Aufschieben  nicht  noch  mehr  zu  befördern. 
Sehr  unangenehm  ist  mir  diese  verzögerte  Ausführiuig,  da  ich  schon 
gewiss  darauf  gerechnet  hatte,  Sie,  mein  theuerster  Gauss,  diesen  Herbst 
auf  längere  Zeit    bei    mir   zu    sehen,    und    es    in   meinem  Alter  höchst 


Giuiss  an  OUrts.     Güttini,a-ii,  1823  Septeniher  4.  255 

uiiL-'t^wiss  bleibt,  ob  man  das  auf  ein  folgendes  Jahr  Verlegte  noch 
erleben  werde. . 

Der  Präsident  v.  Herg,  oldenburgischer  Staatsminister,  hat  mich 
vor  einigen  Tagen  mit  seinem  Besuche  beehrt.  Von  Smidt  über  das 
Verbindungs-Projekt  unterrichtet  hatte  er,  wie  er  mir  erzählte,  mit 
dem  Herzog  über  die  Angelegenheit  gesprochen,  der  sich  sehr  dafür 
interessire,  aber  geraeint  hätte,  er  selbst  besitze  schon  genug  Materialien, 
die  die  Verbindung  zwischen  Krayenhoff's  Dreiecken  und  Bremen 
beträfen,  und  die  er  mir.  wenn  ich  es  verlangte,  mittheilen  wolle,  [sowie] 
eine  neue  Triangulirung  durchs  Oldenbuigische.  Bei  näherer  Er- 
kundigung bestanden  diese  Materialien,  ausser  der  ehemaligen  dänischen 
Vermessung,  die  Menz  bekannt  gemacht  hat,  aus  den  EpAiLLY'schen 
Dreiecken.  Ich  zeigte  Hrn.  v.  Beect  meine  Abschrift  von  diesen  Drei- 
ecken mit  der  Bitte,  falls  der  Herzog  mehr,  oder  vielleicht  diese  Drei- 
ecke in  der  Original-Form  besitzen  sollte,  mir  dieselben  zu  verschaffen; 
zugleich  aber  erinnerte  ich,  dass,  wenn  gleich  Epailly's  Dreiecke  an 
sich  gut  wären,  doch  seine  Hülfsmittel  nicht  hingereicht  hätten,  die 
Genauigkeit  zu  erreichen,  die  man  jetzt  beabsichtige.  —  Hr.  v.  Bekg  ver- 
sicherte, der  Herzog  werde  dann  auf  jede  von  hannoverscher  Seite  an 
ihn  gelangende  Auffoi'derung  gern  alles,  was  in  seinen  Kräften  stehe,  zur 
Beförderung  der  Messung  beitragen,  da  dies  in  sein  Lieblingsfach  ein- 
schlage, und  er  selbst  Kenner  und  Liebhaber  geodätischer  Arbeiten  sei. 

Zu  dem  Kopenhagener  Preise  wünsche  ich  nicht  so  sehr  Ihnen 
(denn  Sie  könnten  der  Preise  leicht  so  viel  erhalten,  als  Sie  nur 
wollten),  aber  desto  mehr  der  gelehrten  Welt  Glück,  die  nun  wieder 
etwas  Tiefsinniges  von  Ihnen  zu  lesen  und  zu  studiren  erhalten  wird. 
Möchte  die  B[erliner]  Sache  doch  bald  Gelegenheit  geben,  Sie,  mein 
unvergleichlicher  Freund,  in  solche  Verhältnisse  zu  setzen,  dass  Sie 
ungestört  Ihren  Meditationen  und  Untersuchungen  sich  überlassen  können. 

Ich  bin  jetzt  sehr  isolirt.  Mein  Schwiegersohn  Dr.  Focke  macht 
eine  Reise  nach  Kopenhagen,  Stockholm  u.  s.  w.,  von  der  er  wohl  vor 
dem  Okt.  nicht  rückkehren  ^ird,  und  mein  Sohn  ist  in  Pja-mont. 


No.  4SI.  Gauss  an  Olbers.  [225 

Göttingen,  1823  September  4. 

Seit  dem  Empfang  Ihres  letzten  gütigen  Briefes  vom  9.  Aug.  habe 
ich  sehnlich  die  Mittheilung  der  Resultate  der  Rekognoscirung  des 
Hrn.  Senator  Gildemeistee  erwartet,  um  so  mehr  da  ich,  je  genauer 
ich   die  Ihnen   schon   mitgetheilten  Resultate   der  MüLLEE'schen  prüfe 


25G  Gauss  an  Olbers.     Göttinffen,  1823  September  4. 

und  die  weiteren  mir  seitdem  von  ihm  gemachten  Aufklärungen  über 
einige  zweifelhafte  Punkte  berücksichtige,  desto  mehr  mich  überzeuge, 
dass  es  unmöglich  ist,  darauf  einen  Plan  zu  diesen  Arbeiten,  ja  kaum 
einen  Anfang  zu  einem  Plan,  darauf  zu  gründen.  Namentlich  erfahre 
ich  von  ihm  mit  grossem  Miss  vergnügen,  dass  das  Ackerterrain  bei 
Kirchwalsede  von  Elmhorst  nicht  sichtbar  ist,  und  dass  hier  nur  der 
als  Dreieckspunkt  natürlich  ganz  unbrauchbare  Kirchwalseder  Kirch- 
thurni  eben  mit  seiner  Spitze  zwischen  Bäumen  und  über  mittwegs 
liegende  Waldungen  herüberscheint,  ebenso  wie  auch  die  Linie  vom 
Kirchwalseder  Acker  zum  Everser  Berge  nur  vermittelst  eines  Durch- 
haus durch  dichte  Privatwaldung  von  Buchen-  und  Eichenholz  geöffnet 
werden  könnte.  Es  bliebe  nun  noch  zu  untersuchen,  ob  weiter  nördlich 
noch  einige  Möglichkeit  zu  hoffen  steht,  und  ich  möchte  daher,  wenn 
Hr.  Senator  Gildemeister  seine  Reise  in  diesem  Augenblicke  noch  nicht 
abgemacht  haben  sollte,  sie  aber  zum  Besten  der  Unternehmung  jetzt 
noch  ausführen  wollte,  seine  Aufmerksamkeit  besonders  auf  die  nord- 
östl.  Gegend  von  Bremen  lenken.  Namentlich  hat  Kapt.  MtJLLER  von 
der  Gegend  von  Seisingen  aus  einen  bei  Ober-Ochtenhmisen  liegenden 
kahlen  Haidberg  gesehen,  der,  wie  er  sich  ausdrückt,  ein  sehr  ein- 
ladendes Ansehen  hat,  w'elchen  er  jedoch  niclit  besuchte,  da  er  damals 
seine  Aufmerksamkeit  vornehmlich  auf  die  weiter  östliche  Gegend 
richtete,  auch  der  damalige  allseitige  Moorbrand  die  Ausbeute  jeder 
Eekognoscirung  sehr  reducirte.  Es  könnte  daher  Avohl  noch  wichtig 
sein,  den  Horizont  dieses  Berges  genau  zu  untersuchen,  wobei 
unter  anderen  auch  die  Sichtbarkeit  der  Oldendorfer  Höhen  und  des 
Bexöveder  Thurmes  hervorgehen  ward.  Indem  ich  übrigens  diesen 
Haidberg  besonders  hervorhebe,  versteht  sich  von  selbst,  dass  ich  dem 
Eifer  des  Hrn.  Senator  Gildemeister  keine  Grenzen  zu  setzen  gemeint 
bin,  sondern  je  w^eiter  er  seine  Eekognoscirung  sonst  auszudehnen  sich 
in  dem  Fall  findet,  desto  erwünschter  es  mir  sein  wii-d. 

Meine  Absicht  ist,  wie  ich  Hinen  schon  geschrieben  zu  haben  glaube, 
noch  einmal  auf  den  Brocken  zu  gehen  und  die  dortigen  Winkel- 
messungen zu  wiederholen,  während  Hils,  Hohehagen  und  Inselsberg 
gleichzeitig  mit  Heliotropen  besetzt  sind,  während  Gerling  am  letzteren 
Punkte  die  dortigen  Messungen  vornimmt.  Die  Ausführung  dieses  Planes 
ist  von  Gerlinct  abhängig  und  soll  der  Abrede  nach  stattfinden,  so  bald 
er  zum  Inselsberg  abgehen  kann.  In  diesem  Augenblick  ist  er  noch 
in  der  Gegend  von  Fulda;  einer  seiner  Gehülfeu  auf  dem  Meisner  hat 
seit  10  Tagen  von  da  mir  Licht  zugeschickt,  welches  ich  an  meinem 
Dreieckspunkte  in  der  Sternwarte  eingeschnitten  habe.  Ich  erwarte 
schon  länger  jeden  Posttag  Gerling's  Bestimmung,  um  zum  Brc>cken 
abzugehen;  wenn  mir  von  der  einen  Seite  deren  bisheriges  Ausbleiben 


Olliers  an  Gauss.     Breiiieii.  1^23  Septeiiilier  30.  257 

cleswefTt-n  nicht  ^^aiiz  unrecht  ist,  weil  ich  seit  5  Tajren  an  j^eschAvoUenen 
Drüsen,  Zahnf,a'schwür  und  Auorenentzündung  leide,  und  also  mein  jetziges 
Abreisen  nicht  ?anz  unbedenklich  wäre,  so  fange  ich  doch  nachgerade 
an  zu  befürchten,  dass  die  immer  weiter  vorrückende  Jahreszeit  dem 
Gelingen  gefährlich  werden  könnte. 

\'on  B[erlin]  habe  ich  gar  nichts  weiter  gehört,  als  dass  der  Baro- 
meterbeobachter  Pogüendorf^).  welcher  unlängst  durch  Altona  gekommen, 
dort  erzählt  nat,  man  sage  in  B[erlin]  allgemein,  ich  hätte  versi)rochen, 
nach  [Bode's]  Tode  die  dortige  Sternwarte  zu  übernehmen.  Ich  brauche 
Ihnen  nicht  zu  sagen,  dass  daran  kein  wahres  Wort  ist,  auch  wünsche 
ich  herzlich  dem  guten  [Bode]  das  längste  Leben,  und  ich  überlasse  es 
dem  Himmel,  ob  ich  nach  [Bode's]  Tode  noch  Sternwarten  hier  unten 
übernehmen  kann. 


No.  482.  Olbers  an  Gauss.  [257 

Bremen,  1823  September  30. 

Endlich  hat  Hr.  Gildemeister  seine  so  lange  aufgeschobene  l\eko- 
gnoscirungs-Reise  wirklich  vorgenommen;  aber  leider  ist  sie  nun  in  eine 
Zeit  gefallen,  wo  das  zur  Wintersaat  wieder  allenthalben  getriebene 
^loorbrennen  die  Luft  mit  dickem  Rauch  erfüllte  und  so  seine  Spähungen 
theils  sehr  erschwerte,  theils  gänzlich  verhinderte.  Ich  schicke  ]hnen 
hier  die  Original-Berichte.  Wenngleich  nur  wenig  dadurch  ausgemacht 
wird,  so  wächst  doch  die  Hoffnung  sehr,  dass  eine  Verbindung  Ihrer 
Dreiecke  mit  Bremen  entweder  über  den  Bullerberg  und  Eversberg  oder 
nördlich  über  Bremervörde  ausführbar  sein  wird. 

Diesen  Herbst  lässt  sich  nun  wohl  weiter  nichts  vornehmen;  aber 
im  künftigen  Frühjahr  müsste  alles,  ehe  das  Moorbrennen  anfängt, 
nuchmal  genau  untersucht  werden.  Gildemeister  hält  den  ihm  zu 
Gebote  stehenden  Theodolithen  dazu  nicht  hinlänglich.  Könnten  Sie 
oder  Schumacher  nicht  etwa  ein  passendes  Instrument  dazu  herleihen, 
wenn  nicht  etwa  Hr.  Hauptmann  Müller  selbst,  welches  allerdings 
zuverlässigere  Resultate  gewähren  würde,  sich  mit  dieser  definitiven 
Rekognoscirung  beschweren  w^ollte? 

Ich  denke  Sie  mir  jetzt  auf  dem  Brocken,  lieber  Gauss,  und  freue 
mich,  dass  Sie  diesmal,  wenn  man  von  der  hier  herrschenden  Witterung 
auf  die  d«s  Brockens  schliessen  darf,  günstige  Tage  treffen  werden. 

Schubfächer  hat  mir  eine  Abhandlung  von  einem  Bauern-Sohne, 
Thomas  Clausex,  „über  die  Berechnung  beobachteter  Fixsternbedeckun- 


^)  Vergl.  Brief  Xo.  185  im  Briefwechsel  Gauss-Schümacher.     Seh. 

Olbers.    II,  2.  17 


258  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1823  Oktober  11. 

gen  ZU  Längenbestimmungen"  geschickt  und  mir  dabei  gemeldet,  dass 
er  Ihnen')  eine  andere  Abhandlung  desselben  jungen  Mannes  „über 
Bestimmung  von  Planetenbahnen"  zugesandt  habe.  Mir  scheint  dieser 
Th.  Clausen  kein  gemeiner  Kopf  zu  sein.  Gewiss  zeigt  es  Genie,  einer  so 
oft  untersuchten  Sache,  als  es  die  Berechnung  der  Fixsternbedeckungen 
ist,  noch  eine  einigermaassen  neue  Ansicht  abgewinnen  zu  können,  wenn- 
gleich der  praktische  Vorzug  seiner  Methode  vor  den  bekannten  und 
gebräuchlichen  mir  noch  zweifelhaft  oder  unerheblich  scheint.  Sie  unter- 
scheidet sich  von  den  gewöhnlichen  hauptsächlich  dadurch,  dass  er  die 
Konjunktion  in  orhita  sucht  und  alle  Grössen  in  solchen  Einheiten  aus- 
drückt, dass  die  Bewegung  des  Mondes  in  orhita  zur  Zeit  der  Kon- 
junktion in  einer  Zeitsekunde  =  1  ist. 

Der  Schneckengang  der  B[erliner]  Angelegenheit  ist  auch  mir  eben- 
so unerklärlich  als  verdriesslich.  Möchte  sich  die  Sache  doch  bald  so  auf- 
klären, dass  Sie  in  einer  Ihnen  ganz  zusagenden  Lage  und  Verhältnissen 
in  Göttingen  bleiben. 

Mein  Schwiegersohn,  Dr.  Focke,  ist  noch  in  Schweden  und  erfreut 
uns  durch  öftere  sehr  interessante  Briefe. 

Unter  den  Ausstellungen  der  französischen  Industrie  zu  Paris  findet 
sich  auch  ein  achromatisches  Objektiv  von  Cauchoix  von  1 1  Zoll  Apertur 
und  18  Fuss  Brennweite.  —  Prof.  Oerstedt  aus  Kopenhagen,  der 
mich  kürzlich  auf  seiner  Rückreise  von  Frankreich  und  England  hier 
besuchte,  hat  mir  viele  interessante  Anekdoten  von  den  französischen 
und  englischen  Gelehrten  erzählt. 


No.  483.  Olbers  au  Gauss.  [sss 

Bremen,  1823  Oktober  11. 

Ich  benutze  die  Gelegenheit,  da  der  junge  Smidt.  der  hoifnungsvolle 
Sohn  unseres  hochverdienten  Bürgermeisters,  nach  Göttingen  geht,  Ihnen 
einliegend  Ihre  trefflichen  4  Briefe^),  die  eigene  Bewegung  unserer 
Sonne  betreffend,  Ihrem  Verlangen  gemäss  wieder  zu  schicken,  doch 
unter  (Zer  ausdrücklichen  Bedingung,  dass  Sie  mir  dieselben  alle  4  nach 
gemachtem  Gebrauch  unfehlbar  wieder  einhändigen.  Ich  habe  meine 
Rechnungen  über  diesen  Gegenstand  nicht  weiter  fortgesetzt,  da  sie, 
wenn  von  Ihnen  das  Ganze  nach  Ihrer  vollkommeneren  ^lethode  ab- 
gehandelt wird,  keinen  Werth  behalten  können.    Gern  möchte  ich  mal 


^)  Vergl.  Brief  No.  185  im  Briefwechsel  Gauss-Schcmacher.   ferner  die  Briefe 
No.  187  u.  188.     Krm. 

^)  Vergl.  die  betreffende  Anmerk.  zu  Brief  No.  477.     Krm. 


Olbers  an  Gauss.     lireinen,   1823  Oktober  11.  or,c) 

durcli  einen  wirklichen  Versuch  praktisch  sehen,  w'w  genau  sicli  wohl 
die  Richtung  üer  Bewegun«;-  unserer  :Sonne  aus  den  eigenen  Bewefrungen 
der  Fixsterne  durch  irgend  eine  Methode  bestimmen  Hesse,  wenn  dieser 
Versuch  nicht  gar  zu  ausgedehnte  und  langweilige  Rechnungen  erforderte. 
Wenn  man  nämlich  voraussetzte,  dass  alle  die  125  Kometen,  deren 
Bahnen  jetzt  berechnet  sind,  in  dem  nämlichen  Augenblick,  z.  B.  den 
I.Jan.  1824,  <»''.  durch  ihre  Sonnennähe  gingen,  und  man  nun  für  einen 
und  denselben  Zeitmoment  60  oder  80  Tage  nach  diesem  Perihel  den 
geocentrischen  Urt  und  die  geocentrische  scheinbare  stündliche  Bewegung 
eines  jeden  dieser  Kometen  berechnete,  so  würde  man  alsdann  sehen 
können,  wie  genau  sich  wieder  die  Richtung  der  Bewegung  unserer 
Erde,  die  man  während  einer  Stunde  ohne  Bedenken  als  geradlinis: 
ansehen  kann,  aus  einer  bestimmten  Zahl  oder  allen  125  diesei-  stünd- 
lichen Bewegungen  wieder  herausbringen  Hesse.  Üer  P'all  wäre  wenig- 
stens, wie  mich  dünkt,  dem,  worin  wir  uns  in  Ansehung  unserer  Sonne 
in  Bezug  auf  die  Fixsterne  befinden,  völlig  analog,  nur  dass  bei  letz- 
teren auch  die  gewiss  sehr  häufigen  Fehler  und  Unzuveiiässigkeiten  in 
den  angegebenen  eigenen  Bewegungen  in  Betrachtung  kommen. 

Hoffentlich  sind  Sie  nun  wohl  und  gesund  vom  Brocken  zurück- 
gekehrt und  haben  dort  diesmal  unter  günstigeren  Umständen  beobachtet. 
Sehr  neugierig  bin  ich  auf  das  Resultat  dieser  Brockenreise,  so  wie  auch 
auf  Ihre  Beurtheilung  der  GiLDEMEiSTER-KLÜvER'schen  Rekognoscirung, 
die  mir  viele  Hoffnung  zu  geben  scheint. 

Am  Himmel  und  auf  Erden  ist  mir  in  astronomicis  nichts  Neues 
bekannt.  Lange  habe  ich  auch  kein  neues  Stück  von  Zach's  Corresp. 
[astron.]  oder  Schumacher's  [Astron.]  Nachrichten  u.  s.  w.  gesehen. 

Wenn  Sie  —  was  aber  schwerlich  der  Fall  sein  wird  —  zufällig 
den  ersten  Band  von  Schumacher's  Astronomischen  Nachrichten  in 
der  Göttinger  oder  einer  anderen  gelehrten  Zeitung  recensiren  sollten, 
so  möchte  ich  Sie  bitten,  doch  meine  Aufforderung^)  an  die  Hrn. 
V.  Zach,  Schubert,  Wisniewski  und  Pons,  uns  ihre  Originalbeobb.  vom 
1.  Kometen  von  1808  zu  geben,  durch  Hire  Autorität  und  Ihren  Beifall 
zu  unterstützen. 

Sehr  eiliof! 


^)  Dieselbe  Aufforderung'  richtet  Olbers   auch  an  Bessel  im  Brief  No.  308  des 
Briefwechsels.     Krm. 


17" 


260  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1823  November  2. 

No.  484.  Gauss  an  Olbers.  [226 

Güttingen,  1823  November  2. 

Seit  langer  Zeit  liabe  ich  Ihnen  kein  Lebenszeichen  gegeben,  ob- 
gleich ich  für  mehrere  Ihrer  freundlichen  Briefe  in  Ihrer  Schuld  bin. 
Zuerst  muss  ich  Ihnen  nun  verbindlichst  danken  für  die  Uebersendung 
des  Berichts  des  Hrn.  Senator  Gilde^ieister  von  seiner  Kekognos- 
cirungsreise.  Es  sind  dadurch  zwei  Facta  gewonnen,  die  noch  bei  der 
Hoffnung  der  Möglichkeit  einer  geraden  Verbindung  Bremens  mit  meinen 
nord-westl.  Punkten  in  Konsideration  kommen:  dass  es  nämlich  Ij  eine 
Stelle  auf  dem  Brüttendorfer  P'elde  giebt.  wo  Bremen  sichtbar  ist.  und 
2)  dass  es  auch  bei  Höperhofen  einen  Platz  giebt,  wo  Bremen  gewiss,  Wilsede 
wahrscheinlich  und  Elmhorst  vielleicht  sichtbar  ist.  Immer  bleibt  jedoch 
dabei  die  ]\Iöglichkeit,  ein  gutes  Dreiecks\'stem  in  dieser  Gegend  zu 
formiren,  noch  sehr  ungewiss.  Lange  Linien  in  der  Richtung  von  0 
nach  W  lassen  sich,  wie  wir  nun  wissen,  manche  eifektuiren,  das 
Schlimme  ist  nur,  dass  Linien  von  einiger  Bedeutung  im  Sinn  von  N 
nach  S  gar  nicht  westlich  von  der  Linie  Elmhorst — Litberg  sich  wollen 
auffinden  lassen.  Vielleicht  könnte  man  noch  eher  durchkommen,  wenn 
man  sich  entschliessen  wollte,  einige  Stationen  in  der  Luft  zu  nehmen, 
wo  vielleicht  die  Gegend  von  Kirchwalsede  in  besondere  Konsideration 
zu  ziehen  wäre;  allein  ungern  möchte  ich  mich  dazu  verstehen.  Wie 
viel  mehr  Zeit,  Geld  und  Beschwerde  würde  dies  kosten,  und  doch 
würde  man,  zumal  da  die  Gerüste  wohl  zum  Theil  bedeutend  hoch  sein 
müssten,  an  einer  Hauptsache,  der  soliden  Aufstellung,  so  sehr  viel  ver- 
lieren. Die  Gerüste  selbst  würde  ich  übrigens  nicht  zu  Zielpunkten 
machen,  sondern  nur  zu  Trägern  des  Theodolithen  und  der  Heliotrope. 

Ferner  habe  ich  Ihnen  für  die  gütige  Kommunikation  der  Briefe 
über  die  eigene  Bewegung  der  Fixsterne  zu  danken;  ich  Averde  sie 
Ihnen,  wenn  Sie  einen  Werth  darauf  legen,  demnächst  wieder  zustellen. 
Sinnreich  und  treffend  ist  Ihre  Parallele  mit  den  geocentrischen  Kometen- 
bewegungen, und  es  würde  immer  interessant  sein,  das  was  die  Wahr- 
scheinlichkeitsrechnung a  priori  lehrt,  faktisch  daran  nachzuweisen. 

Auf  dem  Brocken  ist  mir  leider  das  "N^'etter  überaus  ungünstig 
gewesen.  Zur  Verbesserung  des  ^\'inkels  zwischen  dem  Hohehagen  und 
Hils  habe  ich  zwar  gute  und  zahlreiche  Beobb.  erhalten,  auch  den 
Hercules  habe  ich  an  ein  paar  Tagen  bei  bedecktem  Himmel  gut  ein- 
schneiden können;  dagegen  ist  die  Bestimmung  der  Richtungen  zum 
Inselsberg  und  Meisner  sehr  dürftig  ausgefallen;  nur  15 mal  habe  ich 
binnen  18  Tagen  dieselben  einschneiden  können.  Germn»;  hatte  während 
dieser  ganzen  Zeit  den  Brocken  kein  einziges  Mal  gesclmitten.  da  ein 


Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1823  Noviinbir  2.  201 

paar  anjcrefan<?eiie  Bec>l>achtuii?sieihen  durch  Zufall  p:anz  verunfrliickt 
waren.  Ich  eifuhi-  dies  erst  bei  meiner  Xachhausekunft  und  wurde 
dadurch  veranlasst,  später  noch  einmal  einen  Heliotrop  zum  Brocken 
zu  schicken.  Ich  habe  dessen  Licht  zwar  nur  an  einem  Tage,  Okt.  16, 
auf  dem  Ilohehasren  benutzen  können,  allein  dieser  Tag-  war  voizütrlich 
schön  und  meine  Ernte  befriedig:end.  Auch  den  Inselsberg  und  Meisner 
habe  ich  auf  dem  Hohehagen  sehr  gut  eingeschnitten,  und  Gebling  hat 
auch  .seinerseits  das  Helioti'oplicht  vom  Hohehagen  sehr  oft  und,  wie 
es  scheint,  das  vom  Brocken  noch  ziemlich  oft  benutzen  können.  Wie 
dieses  grosse  Dreieck  nunmehr  schliessen  wird,  weiss  ich  noch  nicht,  da 
Geelixg's  Resultate  mir  noch  nicht  zugekommen  sind.  Ich  hatte  Okt.  IG 
als  Schlusstag  meiner  Messungen  festgesetzt.  Hätte  ich  hoffen  können, 
dass  nachher  noch  so  schöne  Tage  folgen  würden,  so  hätte  ich  den 
Heliotrop  noch  länger  auf  dem  Brocken  gelassen  und  auch  noch  den 
Hils  besucht,  avo  die  Richtung  zum  Brocken  1821  auch  nicht  ganz  zu 
meiner  Zufriedenheit  gemessen  Avar.  Indessen  ist  auch  so  schon  der 
Totalfehler  des  Dreiecks  Hohehagen,  Hils,  Brocken  von  3", 7  auf  r',S 
heruntergekommen. 

Ich ^)  habe  nunmehr  die  mühsame  Ausgleichung  meiner  sämmtlichen 
Messungen  von  1821 — 1823,  soweit  sie  die  Hauptdreiecke  betrifft,  voll- 
endet, so  dass  nun  nicht  nur  die  Summen  der  "Winkel  der  einzelnen 
Dreiecke,  sondern  auch  die  Verhältnisse  der  Seiten  in  den  gekreuzten 
Vierecken  und  Fünfecken  genau  zu  einander  passen,  und  zwar  nach 
den  strengen  Principien  der  Wahrscheinlichkeitsrechnung  sine  ira  et 
studio  und  ohne  alle  Willkürlichkeit.  Es  scheint  nicht,  dass  man  das 
letztere  von  den  Messungen  anderer  Geodäten  sagen  könne.  Im  ganzen 
Systeme  sind  76  Richtungen,  d.  i.  38  jede  hinwärts  und  herwärts.  Bei 
keiner  von  ihnen  hat  die  Ausgleichung  1"  betragen,  die  grösste  ist 
0",813  bei  der  Richtung  von  Xindorf  nach  Hamburg,  wo  das  Pointiren 
auf  den  Michaelisthurm  bei  der  herrauchartigen  Atmosphäre  und  der 
Phasenstörung  immer  sehr  schwierig  war.  Die  nächstgrösste  ist  0",788  bei 
der  Richtung  von  Lüneburg  nach  Wilsede,  wo  zwar  der  Zielpunkt  Heliotrop- 
licht, aber  die  Aufstellung  auf  einem  hölzernen  Stativ  in  der  Laterne 
des  Thurmes  gewiss  nicht  von  der  Solidität  Avar  Avie  auf  Steinpostamenten, 
und  das  Gewicht  des  Beobachters  nach  seiner  verschiedenen  Stellung 
Einfluss  auf  das  Instrument  gehabt  haben  mag.  Der  mittlere  Fehler 
aller  Richtungen,  so  A'erstanden  AA'ie  in  meiner  Theoria  Combinatiouis, 
ist  0",486. 


^)  Von  hier  ab  bis  „Schuld  sein"  ist  der  Brief  auch  abgedruckt  in  Gauss' 
Werken,  Bd.  IX,  S.  319.  Vergi.  hierzu  auch  Brief  No.  140  im  Briefwechsel  Gaüss- 
Bessel.     Krm. 


262  Gauss  au  Olbers.     Göttingen,  1823  November  2. 

Es  bilden  sich  in  dem  ganzen  System  26  Dreiecke,  in  denen  ich 
alle  "Winkel  gemessen  habe.  Der  grösste  Fehler  der  Summe  der  Winkel 
ist  jetzt  2",175  bei  dem  Dreieck  Nindorf,  Hamburg,  Timpenberg,  wo 
die  Richtung  von  N[indorf] — Hamburg  vorzüglich  Schuld  haben  mag.  Der 
nächstgrösste  Fehler  ist,  wie  schon  oben  erwähnt,  bei  dem  Dreiecke 
Brocken,  Hohehagen,  Hils,  er  beträgt  1",806,  und  die  Richtung  vom 
Hils  zum  Brocken  wird  nun  noch  vorzüglich  Schuld  sein. 

An  meinen  Meridian-Instrumenten  habe  ich  öfter  den  Verdruss,  die 
Fadennetze  erneuern  zu  müssen,  wenn  Fäden  entweder  schlaff  ge- 
worden oder  beschädigt  sind.  Obgleich  die  neuen  Fäden  wieder  in 
dieselben  Einrisse  gelegt  werden,  sind  doch,  wie  die  Erfahrung  lehrt, 
die  neuen  Faden-Intervalle  den  alten  nie  gleich.  Zur  Bestimmung  der 
Grösse  der  Intervalle,  welche  das  erste  Re(iuisit  für  alle  Beobb.  ist, 
sind  freilich  einige  gut  und  vollständig  beobachtete  Durchgänge  des 
Polarsterns  ein  treffliches  Mittel  und,  wo  sich  dasselbe  anwenden  lässt, 
[lässt  es]  sonst  nichts  zu  wünschen.  Allein  nicht  zu  allen  Zeiten  ist 
die  Luft  günstig;  zu  Zeiten  können  Monate  hingehen,  ehe  man  eine 
gute  vollständige  Beob.  gewinnt,  und  wenn  dann  binnen  dieser  Zeit 
wieder  ein  Unfall  beim  Netz  vorkommt,  so  verliert  man  wohl  die  Lust, 
die  in  einer  solchen  Periode  gemachten  Beobb.  zu  reduciren.  wenn  die 
Reduktions-Elemente  nur  kümmerlich  und  mühsam  zusammengestoppelt 
werden  müssen.  Solche  Erfahrungen  haben  mich  veranlasst,  auf  ein 
anderes  wenn  auch  nur  subsidiarisches  Mittel  zu  denken,  und  es  ist 
mir  solches  auch  geglückt;  mein  neues  Mittel  kann  beinahe  dieselbe 
Genauigkeit  geben  wie  gute  Polarsternbeobb.  und  giebt  mehr  Genauig- 
keit als  schlechte,  d.  i.  als  solche,  die  man  bei  zitterndem  Luftzustande 
erhält,  der  viel  häufiger  ist  als  ruhiger.  Zudem  kann  dieses  Mittel 
beim  schlechtesten  Wetter  mit  demselben  Erfolg  angewandt  werden. 
Dieses  Mittel  besteht  darin,  dass  ich  die  Fäden  nicht  durch  das  Okular, 
sondern  durch  das  Objektiv  sehe  und  ihre  Intervalle  durch  Repetition 
mit  dem  Theodolithen  messe.  Diese  Messungen  sind  der  äussersten 
Schärfe  fähig.  Da  der  Theodolith  die  auf  den  Horizont  i)rojicirten 
Distanzen  angiebt,  so  versteht  sich,  dass  auf  die  Neigung  der  optischen 
Axe  Rücksicht  genommen  werden  muss.  Ich  würde  Sie,  liebster  Olbers, 
mit  dieser  Materie,  die  für  Sie  kein  unmittelbares  Interesse  haben  kann, 
und  worüber  ich  vielleicht  in  Schumaciieu's  .4.  iW)  einen  Artikel  geben 
werde,  nicht  behelligen;  allein  es  steht  damit  eine  andere  Operation  in 
Verbindung,    die    auch   Sie   vielleicht    einmal    mit   Vergnügen    ausüben 

*)  Neue  Methode,  die  gegenseitigen  Abstände  der  Fäden  in  Meridian-Fernrohren 
zu  bestimmen.  A.  N.  Bd.  II,  No.  43;  Gauss'  "Werke  Bd.  VI,  S.  445  ff.  Daselbst  wird 
auch  die  hier  angeführte  Methode  zur  Bestimmung  der  Vergrösserung  der  Fernrohre 
besprochen.    Krm. 


(»Ibt-rs  au  (lauss.     Breuien,   lb23  December  20.  263 

mö{ren.  Dies  ist  näiulicli  eine  auf  älinlielien  PrincijjieM  beruhende  Manier, 
die  Vergrüsseruny  der  Fernrulire  auszuuiitteln.  Es  ist  nur  nüthig,  dass 
das  Okular  für  ein  weitsichtiges  Auge  gestellt  werde,  und  dass  man 
durch  das  P'ernrohr  dann  von  hinten  sehe,  wo  es  ebenso  viel  ver- 
kleinert, als  es  sonst  vergrüssert.  Sie  messen  also  die  wahre  Winkel- 
entfernung zweier  beliebiger  Objekte  und  zwar  so,  dass  der  Scheitel 
des  Winkels  und  der  nachherige  Ort  des  Okulars  des  Fernrohrs  die- 
selben sind,  und  nachher  mit  Ihrem  Heliometer  die  Entfernung  der 
Bilder  derselben  Objekte  durch  das  umgekehrte  Fernrohr.  Sajnenti  seit. 
Diese  Methode  scheint  mir  die  einzige,  die  wahrer  mathematischer 
Schärfe  fähig  ist.  und  es  ist  ein  Vergnügen,  sie  anzuwenden. 


xo.  485.  Olbers  an  Gauss.')  [259 

Bremen,  1823  December  20. 

Ich  habe  lange  versäumt,  Ihnen  für  Ihren  gütigen  Brief  vom  2.  Nov. 
zu  danken.  Die  Ursache  war,  weil  ich  meinem  Danke  sonst  nichts 
einigermaassen  Interessantes  beizufügen  wusste.  Dies  ist  zwar  auch 
jetzt  noch  der  Fall;  aber  ich  kann  doch  dieses  Jahr  nicht  ganz  ablaufen 
lassen,  ohne  Ihnen  wenigstens  ein  Lebenszeichen  zu  geben. 

Sehr  verbunden  bin  ich  Ihnen  für  die  Nachrichten  von  dem  Be- 
schluss  Ihrer  diesjährigen  Campagne  und  von  dem  so  sehr  befriedigenden 
Ergebniss  aller  Ihrer  26  Dreiecke.  Ebenso  angenehm  war  mir  Ihre 
neue  so  sinnreiche  und  so  treffliche  Methode,  die  Faden-Intervalle  und 
die  Vergrösserung  in  Fernrohren  zu  bestimmen,  die  ich  nun  auch  in 
Schumacher's  Astr.  Nachr.  gelesen  habe.  Ich  bitte  Sie,  mir  nun  auch 
gelegentlich  mitzutheilen,  was  aus  Gerling's  Beobb.  mit  den  Ihrigen 
verbunden  für  das  A  zwischen  Inselsberg,  Brocken  und  Hohehagen  folgt. 

]\Iit  nicht  geringer  Verwunderung  habe  ich  von  Prof.  Schumacher^) 
erfahren,  dass  er  die  Breite  seiner  Sternwarte  in  Altona  mit  seinem 
R EICHENE ACH'schen  Kreise  h"\  kleiner  findet,  als  aus  Ihren  Dreiecken 
und  der  Breite  von  Göttingen  folgt,  und  4"  kleiner,  als  aus  der  durch 
Repsold's  Instrument  bestimmten  Breite  des  Michaelis-Thurms  in  Ham- 
burg. So  grosse  Unterschiede  sind  doch  w^ohl  nur  durch  konstante 
Fehler  in  dem  Kreise  erklärbar.  Zw^ar  habe  ich  es  immer  für  möglich, 
selbst  für  sehr  wahrscheinlich  gehalten,  dass,  eben  wie  man  in  P'rank- 


^)  Vergl.  zu  dem  Inhalt  dieses  Briefes  auch  Brief  No.  308  im  Briefwechsel 
Olbers-Bessel.     KlTU. 

**)  Ausführliches  hierüber  bringt  auch  der  Briefwechsel  Gaüss-Schumacher  und 
zwar  Brief  Xo.  190,  192,  194,  197.    Siehe  auch  Gauss'  Brief  Xo.  493  an  Olbers.    Krm. 


264  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1823  December  20. 

reich  gefunden  zu  haben  glaubt,  die  Meridianbogen  in  unserem  nörd- 
lichen Deutschland  einer  weit  grösseren  Abplattung  angehören  dürften, 
als  die  aUgemeine  Abplattung  für  die  ganze  Erde  im  Mittel  beträgt. 
Aber  dies  kann  doch  zwischen  Hamburg  und  Altona  so  viel  wie 
nichts,  zwischen  Göttingen  und  Altona  nur  einen  kleinen  Theil  jener 
5"i  erklären.  —  Sollten  auch  hier  schon  Lokal -Anziehungen  per- 
turbirend  aufs  Loth  einwirken?  — -  Auf  meine  Anfrage,  welche  Breite 
von  Altona  denn  aus  den  mit  dem  Zenith-Sektor  in  Lauenburg  an- 
gestellten Beobb.  folge,  erwiderte  er,  dass  diese  erst  jetzt  reducirt 
würden.   Ich  bin  höchst  neugierig  auf  das  Resultat  dieser  Reduktionen. 

Von  der  anderen  Seite  folgt  ja  aus  Müffling's  Dreiecken  die  Länge 
von  Berlin  l'S"  grösser,  als  sie  aus  so  vielfältigen  astronomischen 
Beobb.  hergeleitet  wurde,  die  mir  kaum  noch  auf  eine  Zeitsekunde  diese 
Länge  ungewiss  zu  lassen  schienen.  Auch  dies  muss  also  wohl  in  der 
angenommenen  für  unsere  Gegenden  nicht  passenden  Abplattung  liegen. 

Ebenso  und  noch  mehr  als  diese  Anomalien  in  der  Figur  unserer 
Erde  hat  mich  diese  Zeit  über  Poxd's  Abhandlung  über  die  von  ihm 
vermeintlicli  bemerkten  Veränderungen  mehrerer  Sterne  nach  Süden  seit 
1813  befremdet.  Zwar  glaube  ich  noch  immer,  dass  diese  angeblichen 
Yerrückungen,  denen  Bessel's  und  Beinkley's  gleichzeitige  Beobb.  Avider- 
sprechen,  doch  nur  in  Fehlern  von  Poxd's  Instrument,  Pond's  Beobb. 
und  Poxd's  Reduktionen  in  vorigen  oder  jetzigen  Zeiten  ihre  Ursache 
und  Erklärung  finden  werden;  müsste  man  sie  aber  als  wirklich  und 
wahr  annehmen,  so  würde  meiner  Meinung  nach  daraus  folgen,  dass 
sich  unser  Nordpol  etwa  1"4  gegen  die  Waage  oder  den  Anfang  des 
SJcorpio)2s  zu  bewegt  habe.  Dies  würde  erklären,  warum  die  Bewegung 
nach  Süden  von  den  AI  abhängig  scheint.  Dass  aber  alle  Sterne  nach 
Süden  und  bei  grösserer  Polardistanz  um  so  mehr  nach  Süden  gerückt 
scheinen,  möchte  ich  bloss  darin  suchen,  dass  Poxd  jetzt  eine  stärkere 
Refraktions-Korrektion  anwendet  als  vordem.  Ich  habe  nämlich  aus 
seiner  Abhandlung  über  die  Parallaxe  von  «  Lyme  gesehen,  dass  er 
jetzt  alle  Sorgfalt  anwendet,  damit  die  innere  Temperatur  seiner  Stern- 
warte der  äusseren  gleich  sei,  und  dies  das  ganze  Jahr  hindurch  bis 
auf  1°  erhalten  zu  haben  glaubt.  Vorher  war  also  wahrscheinlich  im 
Mittel  die  innere  Temperatur  der  Sternwarte  immer  um  ein  paar  Grade 
grösser  als  die  der  äusseren  Luft,  und  da  er  nach  dem  inneren  Thermo- 
meter die  mittlere  Refraktions-Korrektion  verbessert,  so  müsste  er  ehe- 
mals immer  eine  kleinere  Refraktions-Korrektion  anwenden  als  jetzt. 
Ist  wirklich  eine  solche  Veränderung  des  Pols  in  der  angegebenen  Rich- 
tung vorgefallen,  so  müsste  jetzt  die  Dekl.  des  Polaiis  um  i"\  geringer 
und  die  ^  von  d  Ursae  minoris  fast  um  25"  grösser  sein  als  vorher. 
Dann  wäre  noch  zu  untersuchen,  ob  sich  bloss  die  bisheric-e  Rotationsaxe 


Gauss  an  Olbers.     >  ..liiin-tn.   l.^J:)  Idci-inlier  28.  26') 

der  Erde  um  l".l  geneigt  habe,  oder  ob  die  Erde  jetzt  um  eine  andere 
Ixotationsaxe  rotire.  Im  ersten  Fall  würden  die  Polhülien  unverändert 
sein,  im  anderen  müssten  auch  sie  verändert  sein.  La  Place  folg^ert 
zwar  aus  seinen  Untersuclmng'en,  dass  jede  mögliche  Verrückung  un- 
serer Erdaxe  ganz  unmerklich  sei;  allein  Le(;ex])ke  hält  eine  wahr- 
nehmbare Verrückung  derselben  sogar  für  sehr  wahrscheinlich  und  hat 
selbst  einen  Theil  des  vt)n  vielen  Astronomen  in  den  Sommer-  und 
^\'interschiefen  gefundenen  Unterschiedes  daraus  erklären  wollen. 

Verzeihen  Sie,  lieber  Gauss,  mein  langweiliges  Geschwätz  über 
etwas,  das  vielleicht  gar  nicht  existirt.  Ich  bin  so  w^eitläufig  gewesen, 
nicht  als  wenn  ich  glaubte,  dass  meine  unverdauten  Ideen  irgend  ein 
Interesse  für  Sie  hätten,  sondern  in  der  Hoffnung,  von  Ihnen  irgend 
einen  Wink  zu  meiner  Belehrung  oder  zur  Berichtigung  meiner  Be- 
griffe über  diesen  Gegenstand  zu  erhalten. 

?Iaben  Sie  schon  Ihren  Bericht  und  Ihr  Gutachten  nach  Hannover 
geschickt?  Ich  habe  lange  nichts  von  daher  über  unsere  Angelegenheit 
gehört.  Unser  guter  Geh.  Kab.-Eath  Hoppenstedt  ist,  wie  man  mir 
sagt,  noch  immer  sehr  krank  und  leidend,  sonst  w^ürde  ich  in  diesen 
Tagen  einen  Brief  von  ihm  erwarten  können.  Sollte  er  mir  irgend  etwas 
zur  Sache  Gehöriges  schreiben,  so  werde  ich  es  Ihnen  sogleich  mittheilen. 

Dass  die  Londoner  Ästron.  Soc.  unserem  Encke  ihre  eine  goldene 
Preismedaille  (die  andere  hat  BABBAfiE  für  seine  Maschine  zur  Berechnung 
astronomischer  Tafeln  erhalten)  zuerkannt  hat,  werden  Sie  längst  wissen. 
—  Nicht  RtJMKEE,  sondern  der  bei  General  Brisbane's  astronomischen 
Anstalten  angestellte  Mechanikus  James  Dunlop  hat  Encke's  Kometen 
zuerst  in  Paramatta  wieder  entdeckt.  Mich  wundert,  dass  Eümker 
dies  nicht  gleich  gemeldet  und  angezeigt  hat. 

Am  Himmel  haben  wir  jetzt  lange  nichts  Neues  gehabt,  auch  ist 
die  milde,  veränderliche,  fast  immer  trübe  Witterung  allen  astronomischen 
Nachforschungen  und  Beobb.  sehr  hinderlich. 

Wie  lässt  sich  der  junge  Klüver  diesen  Winter  an?  Hat  ihn 
Privatstudium  vorigren  Sommer  merklich  weiter  gebracht? 


No.  486.  Gauss  an  Olbers.^)  [227 

Göttingen,  1823  December  28. 

Durch  Ihren  gütigen  Brief  vom  20.  Dec.  haben  Sie  mich  sehr  er- 
freut,   und   obgleich   ich   Ihnen   keine    interessanten   Gegen-Kommuni- 


*j  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.    Zu  dem  Inhalte  dieses  Briefes 
vergl.  auch  Brief  No.  192  im  Briefwechsel  Gauss-Schtjmacher.     Krm. 


256  Gauss  an  Olbers.     Göttingen.  1823  December  28. 

kationen  zu  machen  habe,  kann  ich  mir  doch  den  Genuss,  in  diesem 
Jalire  mich  mit  Ihnen  noch  einmal  zu  unterhalten,  nicht  versagen. 

Schumachee's  Differenz  ist  auch  mir  unerwartet  gewesen.  Ich 
halte  [es]  aber  für  schwer,  sie  bloss  auf  konstante  Fehler  des  Kreises  zu 
schieben  Er  hat  Sterne  in  allen  Theilen  des  Meridians  beobachtet  und 
überall,  Bessel's  Dekl.  zu  Grunde  legend,  die  mit  den  meinigen  sehr 
nahe  übereinstimmen,  fast  einerlei  gefunden.  Nur  weiss  ich  nicht,  ob 
er  den  Kreis  schon  oft  umgelegt  hat,  was  wohl  wesentlich  ist.  Die 
Abweichung  der  Polhöhe  von  Hamburg  gebe  ich  aber  gern  preis,  da 
Eepsold's  Kreis  besonders  damals,  wo  er  nur  eine  Ablesung  hatte, 
lange  nicht  so  vollkommen  war.  Auch  meine  mit  demselben  1818  an- 
gestellten zahlreichen  Beobb.  von  Cirkumpolaisternen  gaben  viel  schwan- 
kendere Eesultate.  Es  scheint  mir,  dass  wir  daraus  werden  schliessen 
müssen,  dass  die  Erde  von  dem  Mittel-Sphäroid  gleichsam  wellenförmig 
abweicht;  wenn  aber  von  Göttingen  bis  Altona  weniger  Krümmung 
stattfindet,  als  beim  Mittel-Sphäroid,  so  findet  vom  Brocken  bis  Altona 
mehr  Krümmung  statt,  und  ich  sehe  nicht  ganz  deutlich  die  Noth- 
wendigkeit  ein,  in  unseren  Gegenden  ein  Ellipsoid  mit  kleinerer  Ab- 
plattung zu  Grunde  zu  legen,  üeber  die  Meridiandifferenz  von  Berlin 
muss  icii  mein  Urtheil  noch  zurückhalten,  bis  wir  alle  Beobb,  in  extenso 
besitzen.  Aber  Gott  weiss,  ob  wir  je  dazu  kommen.  Es  ist  betrübt, 
dass  die  Menschen  mit  den  geodätischen  Messungen  so  zmückhaltend 
sind.  Ich  habe  an  Bohnenberger,  Söldner,  Eckhardt  und  Littrow 
geschrieben  und  dringend  gebeten,  mir  die  würtembergischen,  bay- 
rischen, darmstädtischen  und  österreichischen  Dreiecke  zu  verschaffen, 
aber  von  keinem  dieser  vier  Herren  eine  Antwort  erhalten,  obgleich 
zAvei  meiner  Briefe  ihrem  übrigen  Inhalt  nach  von  meiner  Seite  eine 
von  den  resp.  Herren  erbetene  Gefälligkeit  waren.  Selbst  Gekling  hat 
mir  zwar  alle  seine  Messungen  mitgetheilt,  aber  mit  grosser  Aengstlich- 
keit  und  mit  der  Bitte,  ja  keine  Zahl  öffentlich  bekannt  zu  machen 
oder  mir  nur  merken  zu  lassen,  dass  er  sie  geschickt,  weil  man  das  in 
Cassel  sehr  übel  auslegen  würde. 

Meine  Verbindung  mit  den  hessischen  A  A  ist  ganz  gut  ausgefallen, 
der  Fehler  des  grossen  Dreiecks  ist  nur  0".6.  Ich  schicke  Ihnen  das 
ganze  hessische  Netz  und  seine  Verbindung  mit  dem  meinigen  ^Figur  17); 
Gerling  hat  (obgleich  ich  sogar  dies  nicht  sagen  soll III)  bisher  an  den 
Punkten  Berger  "Warte,  Johannisberg,  Tauf  stein,  Orber  Reisig,  ^lilseburg 
und  Inselsberg  gemessen.  Sie  sehen  leicht,  welche  Punkte  er  mit 
MiFFLisG  gemein  hat;  der  Taufstein  ist  auch  ein  bayrischer  Punkt, 
und  zwei  andere  bayrische  Punkte  Feldberg  (zugleich  auch  preussisch 
und  darmstädtisch,  aber  nicht  hessisch)  und  Kreuzberg  hat  Gerling 
wenigstens   von    anderen    Punkten   geschnitten.      Sie   sehen    also,   da^s 


Gauss  an  Olbers.     (iöttiniren,   IsS.i  üeoember  28. 


267 


eio:entlicli  meine  Mes.siinf,'en  sili(»n  mit  allen  vorhin  genannten  verbunden 
sind,  und  man  damit  bis  nacii  Italien  und  an  die  türkische  Grenze 
rechnen  könnte,  wenn  man  die  Dreiecke  kennte.  Allein  so  ist  es,  als 
wären  die  Messungen  gar  nicht  vorhanden. 


Bn.sserot 


Dünsberg 


Jofiaimisberg 
Feldberggy^ 


Brorken 


Seeberg 

-  -  "  'jferuUametcfien 
•fL^selsberg 


RKrcitzberg 


Berger  Hurte 


-Ich  habe  meine  AA  jetzt  nach  Schumacher's  Basis  (obwohl  die 
Verbindung  noch  nicht  vollkommen  ist)  berechnet,  und  finde  zuletzt 
den  Logarithmen  der  Seeberger  Basis  in  Toisen  daraus  4,4791493, 
während  die  Messung  4,4791763  gab.  Dies  ist  doch  ein  grosser  Unter- 
schied.    Allein 

1)  haben  wir  über  die  ZAcn'sche  Basis  keine  authentische  Nach- 
richt, 

2)  ist  sie  mit  der  Seite  Seeberg — Inselsberg  durch  ein  Dreieck  ver- 
bunden, wo  nur  2  Winkel  (am  Mer.-Zeichen  und  Seeberg  in  Fig.  17) 
gemessen  sind.  Wenigstens  verhält  sich  genau  genommen  die  Sache 
so.  Denn  obgleich  Müffling  nachher  alle  3  Winkel  gemessen  hat, 
so  hat  er  doch  den  Platz    am  ]\Ieridianzeichen,    welcher   verloren  ge- 


268  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1823  December  28. 

gangen  war,  nur  vermittelst  des  \\'inkels  am  Mer.-Zeiclien  und  des 
Azimuths  in  Seeberg  wiederhergestellt,  und  offenbar  können  sich  dadurch 
die  Eesultate  eigentlich  gar  nicht  ändern, 

3)  ist  der  Winkel  Brocken,  Inselsberg,  Ettersberg,  welchen  ich 
aus  den  beiden  A  A  Brocken,  Ettersberg,  Struth  und  Ettersberg.  Struth. 
Inselsberg  berechnet  hatte,  über  6"  verschieden  von  dem,  welchen  ich 
jetzt  als  unmittelbare  Messung  mitgetheilt  erhalten  habe.  A\'ie  nöthig 
wäre  es  daher,  dass  Hr.  v.  Müffling  seine  Messungen  in  extenso  be- 
kannt machte,  ebenso  wie  die  uns  übrigen  unzugänglichen  Tranchot - 
sehen  Dreiecke,  die  die  KßAYENHOFP'schen  mit  den  seinigen  verbinden, 
die  er  selbst  aber  auch  nur  in  unvollständiger  Form  zu  besitzen 
scheint. 

Man  dringt  so  sehr  auf  Bekanntmachung  der  Originalbeobb.  in  der 
Astronomie  und  treibt  diese  Bekanntmachung  vielleicht  weiter  als 
nöthig  wäre,  ^^'enigstens  werden  unzählige  Beobb.  gedruckt,  von  denen 
sich  gar  kein  erdenklicher  Nutzen  absehen  lässt.  Wäre  dies  nicht  noch 
wolil  nothwendiger  bei  den  geodätischen  Messungen?^) 

Selbst  Keayenhoff's  Messungen  sind  mir  noch  nicht  detaillirt  ge- 
nug bekannt  gemacht.  Das  Tableau  von  p.  55  bis  8(3  sollte  umständ- 
licher sein  und  sollte  alle  Beobb.  enthalten,  denn  es  ist  mir  fast  zur 
Gewissheit  geworden,  dass  Krayenhoff  ausgewählt  hat,  um  guten  Schluss 
der  AVinkel  zu  180'^  und  3(30*^  zu  erhalten.  Nach  diesem  Schluss  sollte 
man  die  Messungen  für  viel  genauer  halten,  als  sie  wirklich  sind,  denn 
um  die  Polygone  in  Uebereinstimmung  zu  bringen,  hat  Krayenhofi 
viel  grössere  Aenderungen  anbringen  müssen,  zum  Theil  im  nordöst- 
lichen Theil  ganz  barbarische  Aenderungen.  Vergleichen  Sie  z.  B.  die 
beobachteten  Winkel  pg.  83  mit  denen,  die  er  in  seinen  Definitiv-Ta- 
bleaus  zu  Grunde  legt.  Sie  finden  bei  Pilsum  die  Aenderung  —  2".842. 
+  3",878,  —  11",819,  +8",219,  bei  Onstwedde  gar  +  0",392.  —  3".49'J. 
-f  2",194,  — 19",127,  -f  22",782,  —  3",682.  Freilich  hat  er  im  NW- 
Theil  mit  einem  kleinen  Kreise  observirt,  aber  woher  immer  die  guten 
Schlüsse  der  einzelnen  Dreiecke  und  des  Gyrus  Horizontis.  Und  sohhr 
Fehler  sind  doch  auch  an  [einem)  kleinen  Kreise,  den  er  noch  dazu 
parfaitement  execide  nennt,  nicht  zu  verzeihen:  und  h()chst  befremdend 
ist  die  Parallaxe,  worüber  er  pag.  17  klagt:  warum  stellte  er  denn  die 
Fäden  nicht  in  den  Brennpunkt,  oder  wenn  keine  Stellung  der  Fäden 
bei  dem  Instrument  möglicli  war.  warum  liess  er  denn  keine  Vorrich- 
tung dazu  machen?  Dies  ist,  deucht  mir,  ganz  unverzeihlich.  Im  süd- 
lichen Theil  scheinen  zwar  so  grosse  Fehler  nicht  vorzukommen,  doch 


^)  Verg-1.  Brief  No.  192,  S.  349  im  Briefwechsel   Gauss-Schcmacher  und  Scer- 
macher's  Aufforderuue:  zur  Bekanntmachunir  in  den  A.  X.  Bd.  3.  S.  88.     Krm. 


Gauss  an  C>ll..i>.     (iuUni--ii.    i -J-i  .l^uiu.ir  14.  269 

auch  «rrössere,  als  man  iiacli  Schliiss  der  AA  "ud  [des]  Gyrus  er- 
warten sollte.  Es  ist  wenijLrstens  ein  Glück,  dass  Krayexhoff's  Netz 
in  sich  selbst  so  viele  verrätherische  Prüfungfen  darbietet.  Aber  was 
soll  iiKui  null  von  Messungen  denken,  wo  ohne  Pol^-g-one  und  oliiu' Dia- 
«ronalfii  bloss  eine  Reihe  AA  fortläuft,  wenn  man  Ursache  hat.  die 
Anfrichti^^keit  und  Unpartheilichkeit  der  Beobachter  in  Zweifel  zu 
ziehen.  Der  Kalkül  des  sphärischen  Excesses  ist  gar  zu  leicht  und  es 
daher  zu  verführerisch,  wenn  auch  nicht  zu  verfälschen,  doch  auszulesen, 
was  in  den  Kram  passt. 

Die  Verbindung  meiner  A  A  niit  den  französisch-englischen  bloss 
über  Ostfriesland  scheint  mir  nach  obigem  sehr  bedenklich,  am  besten 
wäre  es  wohl,  zugleich  bei  Bentheim  und  Jever  anzuschliessen. 

Noch  habe  ich  meinen  I^ericht  und  Gutachten  nicht  eingeschickt. 
K-h  bin  jetzt  noch  mit  letzterem  beschäftigt.  Ausser  so  manchen  anderen 
äusseren  Dingen,  die  mich  zurückgesetzt  haben,  habe  ich  leider  in 
diesem  Winter  auch  2  Kollegien  zu  lesen.  Ob  ich  wohl  je  von  diesem 
Dreschen  leeren  Strohs  erlöst  werde! 

Ueber  Hrn.  Klüver's  Progresse  bin  ich  wirklich  nicht  im  Stande 
zu  urtheilen.  Er  nimmt  zwar  an  einer  meiner  Vorlesungen  mit  allem 
Fleiss  Theil,  aber  da  ich  darin  8  Zuhörer  habe,  so  kann  ich  mich  gar 
nicht  mit  einzelnen  beschäftigen.  Von  einigen  der  anderen  Zuhörer 
habe  ich  vor  Kurzem  zb fällig  (obgleich  ich  immer  befürworte,  mir 
alles  anzuzeigen,  was  sie  nicht  verstehen)  gehört,  dass  ihnen  vieles  dunkel 


geblieben  war,  weil  sie  nicht  wussten,  was  es  sei,   \ydx\o\^  x  =  a\)h 

x  =  h  zu  integriren. 

PoNDS  Abhandlung^),  deren  Sie  erwähnen,  ist  mir  noch  unbekannt. 
Vermuthlich  klärt  sie  das  näher  auf,  was  im  Jahrbuch  für  182ti  durch 
Tr.\lles  Dunkles  eingerückt  ist.  Wo  stehen  wohl  Legendee's  Unter- 
suchungen über  die  Erdrotation? 

Ich  schliesse  mit  dem  herzlichen  Wunsche,  dass  das  bevorstehende 
neue  Jahr  ein  recht  frohes  für  Sie,  theuerster  Olbers,  werden  möge. 


No.  487.  Gauss  an  Olbers.  [228 

Göttingen,  1824  Januar  14. 
Seit  meinem  letzten  Briefe  habe  ich  doch  einige  Mittheilungen  er- 
halten.  Der  Reg.-Eath  Eckhardt  hat  mir  die  darmstädtischen  Haupt- 


^)   Siehe  Briefwechsel   GAuss-ScnraACHER,  Brief  Xo.  191   und  194   S.  357   und 
Brief  Xo.  494  von  Olbers  an  Gauss.     Krm. 


270 


Gauss  an  Olbers.     Göttingen.  1824  .Januar  14. 


dreiecke  geschickt,  und  Söldner  hat  mir  Hoffnung  gemacht,  dass  ich 
von  den  bayrischen  Messungen  Mittheilungen  erhalten  würde,  vorläufig 
hat  letzterer  auch  schon  einige  Notizen  kommunicirt. 

Ich  glaube  Ihnen  schon  geschrieben  zu  haben,  dass  ich  gegen  die 
Verbindung  mit  der  ZAcn'schen  Basis  etwas  misstrauisch  geworden  bin  und 
nachher  meine  und  Gerling's  Messungen  nach  der  vorläufigen  Verbindung 
mit  Schumacher's  Basis  berechnet  habe.  Ich  finde  nun  [den]  Unterschied 
der  Logarithmen  der  Seeberger  Basis  nach  unmittelbarer  Messung,  und 
wie  sie  aus  Schumacher's  Basis  folgt,  270  Einheiten  der  7.  Decimale 
(0,00u0270),  welches  allerdings  sehr  viel  ist   (rTroJjo  des  GanzenX 

Dagegen  finde  ich  bei  der  Seite  Tauf  stein— Orber  Reisig  zwischen 
meiner  Rechnung  nach  Schumacher's  Basis  und  meinen  und  Gerlixg's 
Winkelmessungen  einerseits  und  Sgldner's  Angabe  andererseits  nur 
einen  Unterschied  von  50  Einheiten  (im  Logar.). 

Die  darmstädtischen  Dreiecke  habe  ich  an  die  Punkte  Feldberg — 
Dünsberg,  wie  sie  ohne  alle.  Interrogation  MüFFLiNG'scher  Messungen 
bloss  aus  den  GERLiNG'schen  (immer  zuletzt  nach  Schumacher's  Basis) 
bestimmt  sind,  angeschlossen  und  bis  Mannheim  berechnet.  Hier  weicht 
nun  die  darmstädter  von  Eckhardt  gemessene  Basis  von  meiner  Rechnung 
im  Logarithmen  nur  2  Einheiten  ab,  während  Müfflixg  durch  seine  Drei- 
ecke einen  ganz  enormen  Unterschied  von  der  Seeberger  Basis  fand. 

Die  Seite  Amöneburg — Dünsberg,  aus  Eckhardt's  Winkeln  berech- 
net, weicht  391  Einh.  im  liOg.  von  dem  Werthe  ab,  den  sie  nach 
Müffling's  Dreiecken  erhält  (das  Absolute  immer  auf  einerlei  Basis 
gegründet).  Schon  bei  der  Lage  des  Hercules  findet  sich  ein  in  geo- 
dätischer (wenn  gleich  nicht  in  astronomischer)  Rücksicht  merklicher 
Unterschied,  ob  ich  ihn  bloss  auf  Gerling's  und  meine  Messungen  oder 
auf  die  MüFFLiNG'schen  gründe  (ungefähr  2  m). 

Die  vorstehenden  Notizen  bitte  ich  als  im  Vertrauen  kommunicirt 
zu  betrachten. 

Soldner  hat  mir  die  geogr.  Lage  einiger  Punkte  der  bayrischen 
M[essungen]  mitgetheilt,  die  ich  auch  schon  aus  meinen,  Gerling's  und 
Eckhardt's  Messungen  berechnen  kann.     Es  findet   sich  daraus 


Längenunterschied 

zwischen  Güttingen u. München, 

Lieb-Frauen-Thurni 

Breite 

nach  SoLDXF.R  anders 

als  nach  mir 

Feldberg 

i";j7'öi".45y 

1    37  51,212 
1   37  51,221 
1   37  51,402 

—  l",Ti)T 

Taufstein 

Orber  Reisig 

Mannheim 

—  1.785 

—  1.966 

—  2.090 

Olbers  an  Gauss.     Bremen,  18^4  Januar  22.  271 

Ich  finde  iiämlicli  die  Breite  von 

Mannheim  aus  Göttingen  .    .    .    .    49°  29' 1d",530 

Söldner  aus  Mündien 13,440 

Das  Azimuth  des  Feldbergs  auf  den  Tauf  stein  folgt 
aus  Göttingen  .    .    .    .    60»35' 7",976\  ^.„  ^„  ,_. 
aus  Jlunchen    ....    oO  3o  1,5      J 
Soldneb   hat  eine  nur  wenig   schwächere  Abplattung   gebraucht. 
MiFFLiN(i  hat  den  Längenunterschied  zwischen  Paris    und   Mannheim 
aus  Delambre's,    Krayeniioff's,  Tranchot's,    seinen  und   Kckharut's 

Dreiecken  berechnet 24'«30V)3; 

ich  zwischen  Göttingen  und  Mannheim  ...      5    56,02, 

also  Göttingeu  von  Paris 30   26,05. 

Hierbei  liegen  aber  verschiedenartige   Elemente  zu  Grunde.     Wuem^) 
findet  aus  astr.  Beobb.  30'"27^ 

Ich  denke,  jinter  tins  gesagt,  es  wird  interessant  sein,  wenn  Ger- 
LiNG  dieses  Jahr  mehrere  MüFFLiNG'sche  Dreiecke  vollständig  nach- 
misst. 

Meinen  Bericht  und  Gutachten  habe  ich  vor  8  Tagen  nach  Han- 
nover geschickt,  begleitet  von  einer  Karte,  die  alle  bisherigen  dänischen, 
hannoverschen,  hessischen,  einen  Theil  der  preussischen  und  sämmtliche 
KEAYENHOFF'schen  Messungen  enthält.  200  Punkte  sind  nach  genau  be- 
rechneten Koordinaten  eingetragen.  Pire  Gewinnung  hat  erst  viele  Ar- 
beit gekostet.     Den  Erfolg  müssen  wir  nun  erwarten. 

Den  Kometen^)  habe  ich  erst  einmal  gesehen,  aber  bisher  noch 
nicht  beobachtet.  Seit  4  oder  5  Tagen  ist  es  immer  trübe.  Hoffent- 
lich kann  derselbe  nächstens  unten  im  Meridian  beobachtet  werden. 

Ich  habe  mit  Schumacher  die  korresp.  Beob.*)  von  einer  Anzahl 
von  Zenithaisternen  verabredet  an  unseren  Meridiankreisen,  bisher  habe 
ich  3  Soirees  erhalten. 

BoHNENBERGER  Und  LiTTRow  haben  gar  nicht  geantwortet. 


No.  488.  Olbers  an  Gauss.  [26o 

Bremen,  1824  Januar  22. 

Mit  grossem  Vergnügen  und  dem  innigsten  Danke  habe   ich  Ihre 
beiden   gütigen  Briefe  und  die  vielen   so   interessanten  Mittheilungen 


^)  Briefwechsel  Gaüss-Schümacher,  S.  343  —  344.     Krm. 

2)  Komet  1823,  in  den  letzten  Tagen  des  Dec.  entdeckt.     Krm. 

')  Brief  No.  192  im  Briefwechsel  Gauss-Schumacher.     Krm. 


972  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1824  Januar  22. 

Über  Ihre  Meridianmessung  erhalten.  Ich  glaube,  dass  Sie  mit  grossem 
Recht  auf  die  Anschliessung  an  Zach's  Basis  und  vielleicht  auf  die 
Basis  selbst  misstrauisch  sind.  Wenigstens  bin  ich  nach  dem.  was 
Zach  in  dem  mir  neuesten  Stück  seiner  Corr.  astr.  Vol.  IX  No.  11,  p.  184 
von  seinem  Fernrohr^)  mit  konkavem  Augenglas,  durch  welches  man 
nahe  und  entfernte  Gegenstände  gleich  deutlich  sehen  soll,  und  worin 
er  Spinnfäden  gezogen  haben  "will,  sagt,  gegen  alle  seine  Behauptungen 
noch  viel  schwergläubiger  geworden,  als  ich  schon  vorher  war. 

Ihren  Bericht  nach  Hannover  hätte  ich  gern  lesen  mögen  und 
wünsche  meinerseits  herzlich,  dass  er  die  beste  Wirkung  zur  Erreichung 
meines  Wunsches,  noch  bei  meinem  Leben  eine  unmittelbare  Verbindung 
zwischen  Ihrer  Gradmessung  und  Bremen  zu  Stande  kommen  zu  sehen, 
befördern  möge.  Den  vom  Geh.  Kab.-Eath  Hoppenstedt  schon  lange 
erwarteten  Brief  habe  ich  noch  nicht  erhalten  und  schliesse  daraus, 
dass  seine  Krankheit  noch  wohl  immer  fortdauert.  So  bald  ich  etwas 
diese  Angelegenheit  Betreffendes  von  ihm  erfahre,  werde  ich  es  unver- 
züglich melden. 

Bei  Gelegenheit  des  geringen  Unterschiedes  —  im  Büttel  1",89  — 
der  Münchener  Polhöhe  fiel  mir  ein,  einmal  gehört  zu  haben  (von  wem 
weiss  ich  nicht  mehr,  von  Bessel  selbst  war  es  nicht),  dass  Bessel 
Ihre  Polhöhe  von  Göttingen  um  1'%  zu  gross  halte.  Wenn  Bessel 
dies  wirklich  glaubt  oder  geäussert  hat,  so  kann  dies  doch  wohl  nur 
daher  rühren,  dass  Sie  aus  hinreichenden  Gründen  Bessel's  Refraktion 
nicht  gebraucht  haben.  Sollte  nun  Soldner  seine  Pohlhöhe  durch 
Bessel's  Refraktion  bestimmt  haben,  so  würde  sich  vielleicht  noch  ein 
grosser  Theil  des  Unterschiedes  zwischen  der  geodätisch  und  astrono- 
misch bestimmten  Polhöhe  aus  dieser  verschiedenen  Refraktion  aufheben 
lassen. 

Das  immer  trübe  Wetter,  wie  ich  es  so  anhaltend  noch  nie  erlebt 
zu  haben  mich  erinnere,  hat  mich  den  schönen  Kometen-)  nur  sehr 
selten  sehen  lassen.  Beobb.  sind  mir  eigentlich  nur  2  gelungen,  da  ich 
bei  den  beiden  anderen  unglücklicher  Weise  Sterne  gewählt  hatte,  die 
niclit  in  der  Hist  Gel.  und  keinem  Sternverzeichnisse  vorkamen. 
Jan.  11.  U''22™40^  M.  Z.  245°47'15"  32»37'39" 
14.     13   56    37  242  39  22       39  34  53 

Gleich  nach  der  Beob.  des  11.  berechnete  ich  aus  niclit  sehr  voll- 
kommenen Daten,  bloss  um  die  Relation  der  Bewegung  des  Kometen 
zur  Bewegung  der  Erde  und  zur  O  im  Allgemeinen  übersehen  zu  können, 
folgende  Elemente: 


*)  Verijl.  auch  Brief  >>o.  194,  S.  358  im  Briefwechsel  G.wss-Schcmacher.    Krm. 
■-)  Vergl.  Olbess  Bd.  I  No.  86—88,  S.  387—389.     Krni. 


Olbers  au  Gauss.     Bremen,  1824  Januar  27.  273 

Zeit  d.  O  Nähe  1823  Dec.  9    IS'^ö™  Mtl.  Br.  Z. 

Länge  des  ß 303°  52' 

Neiof.  der  Bahn 76  34 

Länge  des  Perihels    ....    279  47 

log.  Dist.  Per 9,31014  mot.  retr. 

Sie  werden  die  viel  besseren  Elemente  von  Hansen^)  schon  kennen, 
die  mir  durch  ein  Versehen  erst  unvollständig  mitgetheilt  sind  (die 
Länge  des  Perihels  fehlt),  und  also  wird  meine  Bahnbestimmung  für 
Sie  kein  Interesse  haben.  Mir  diente  sie,  daraus  folgern  zu  können, 
dass  Rr.-MKEK-)  unseren  Kometen  vor  seiner  Sonnennähe  nothwendig 
gesellen  haben  muss,  wie  er  von  den  Füssen  des  Centaurs  längs,  doch 
östlich,  dem  Rücken  des  Wolfes  und  nahe  der  Milchstrasse  zum  Skorpion 
lief,  und  dass  der  Komet  seinen  Lauf  vom  Hercules  durch  den  Mauer- 
quadranten,  den  Schweif  des  Drachen  und  den  Kopf  des  grossen  Bären 
zum  Liiclis  fortsetzen,  und  da  wahrscheinlich  Ende  Febr.  verschwinden  wird. 
Fürs  erste  werde  ich  mir  eben  nicht  viel  Mühe  geben,  den  Kometen 
weiter  zu  beobachten.  Denn  da  er  jetzt  im  Meridian  mit  feststehenden 
Meridian-Instrumenten  beobachtet  werden  kann,  so  sind  Kreis-Mikro- 
meter-Beobb.  ganz  ohne  Werth.  Aber  wenn  der  Komet  wieder  so 
lichtschwach  wird,  gar  keine  Erleuchtung  mehr  vertragen  zu  können, 
so  werde  ich  meine  Kreismikrometer-Beobb.  mit  Eifer  und  Fleiss  wieder 
vornehmen. 

Mein  Schwiegersohn,  Dr.  Focke,  ist  zu  meiner  grossen  Freude  Post- 
direktor der  Bremischen  und  in  Bremen  etablirten  Preussischen  Post 
geworden,  eine  Stelle,  die  ihn  jetzt  im  Anfange  ganz  ausserordentlich 
beschäftigt.  Ich  denke  aber,  mit  der  Zeit  w^ird  die  Maschine  mit  ge- 
ringerer Anstrengung  im  Gange  erhalten  werden  können.^) 


No.  489.  Olbers  an  Gauss.  [26i 

Bremen,  1824  Januar  27. 

Ich  muss  Ihnen  doch  eine  höchst  sonderbare  Erscheinung*)  mittheilen, 
die  ich  an  dem  jetzt  sichtbaren  Kometen  wahrgenommen  habe.  Vom 
15.  bis  zum  23.  Jan.  war  es  hier  anhaltend  trübe;  aber  am  23.  Abends 


')  Brief  No.  198  im  Briefwechsel  Gaüss-Schümacher.     Krui. 

-)  Der  Komet  ist  von  Rümkeb  nicht  beobachtet  worden.     Krm. 

')  Am  Schluss  des  Briefes  hat  Gatjss  seine  im  Brief  No.  490  nachher  erwähnte 
nichtreducirte  Heliometerbeob.  des  Kometen  vom  28.  Jan.  aufnotirt.     Krm. 

*)  Vergl.  hierzu  auch  Olbers  Bd.  I  No.  89  u.  90,  S.  389—392,  ferner  No.  190, 
S.  643.     Krm. 

Olbers.    II,  2.  18 


274  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1824  Januar  27. 

klärte  es  sich  auf,  und  der  Himmel  war  ein  paar  Stunden  sehr  heiter. 
Fast  wagte  ich  es  nicht,  meinen  Augen  zu  trauen,  als  ich  an  dem 
Kometen  ausser  seinem  von  der  Sonne  abgekehrten  gewöhnlichen  Schweif 
noch  einen  anderen  gerade  der  Sonne  zugekehrt  zu  sehen  glaubte,  so  dass 
der  Komet  einige  Ähnlichkeit  mit  dem.  Nebelfleck  im  Gürtel  ^q,v  Andro- 
meda  hatte.  Dieser  anomale  Schweif  war  nahe  am  Kopf  des  Kometen, 
vielleicht  vom  Licht  des  Kopfes  überstrahlt,  schwer  zu  sehen,  aber 
weiterhin  deutlicher  und  länger,  als  der  gewöhnliche.  Die  Vermuthung, 
dass  vielleicht  einige  sehr  kleine,  im  Fernrohr  nicht  mehr  einzeln  zu 
unterscheidende,  gerade  in  dieser  Richtung  liegende  Sterne  eine  Täuschung 
hervorbringen  möchten,  widerlegte  sich  dadurch,  dass  die  schweifartige 
Erscheinung  während  länger  als  einer  Stunde  in  derselben  Lage  gegen 
den  doch  unterdessen  stark  fortrückenden  Kometen  blieb. 

Glücklicher  Weise  war  es  am  24.  Abends  wieder  von  7  bis  9  Uhr 
heiter.  Ich  sah  den  anomalen  Schweif  durch  alle  meine  Kometensueher 
und  anwendbaren  Fernrohre  (den  grossen  Dolloml  konnte  ich  der  Lage 
des  Kometen  wegen  nicht  gebrauchen)  sehr  deutlich.  Dieser  anomale 
Schweif  liegt  nicht  genau  in  der  Richtung  der  verlängerten  Axe  des 
gewöhnlichen,  sondern  macht  mit  dieser  verlängerten  Axe  einen  "Winkel 
von  höchstens  10*'  nach  Süden.  Der  anomale  Schweif  war  auch  heute 
nahe  am  Kopf  sehr  schwach,  aber  weiter  zu  verfolgen  als  der  gewöhnliche. 

Ich  bin  zwar  meiner  Sache  und  Wahrnehmung  ganz  gewiss,  aber 
ich  möchte  doch  nicht  gern,  dass  eher  etwas  öffentlich  darüber  bekannt 
würde,  als  bis  auch  ein  anderer  diese  Erscheinung  gesehen  hat,  oder 
ich  wenigstens  dieselbe  weiter  verfolgt  habe.  Am  25.  und  26.  war  es 
trübe.  Sollten  Sie,  lieber  Gauss,  noch  nichts  davon  gesehen  haben, 
und  dies  Phänomen  noch  nach  der  Zeit,  da  Sie  diese  Zeilen  erhalten 
werden,  noch  fortdauern,  welches  sehr  zweifelhaft  ist.  so  bitte  ich  Sie 
recht  inständig,  darauf  aufmerksam  zu  sein.  p]in  guter  lichtstarker 
Kometensucher  schickt  sich  am  besten  zu  dieser  Beob.;  doch  nuiss  die 
Luft  recht  heiter  und  die  Dämmerung  ganz  vergangen  sein.  Der 
anomale  Schweif  zeigt  sich  sowohl,  wenn  der  Kopf  des  Kometen  mit 
im  Felde  des  Fernrohrs  ist,  als  aucli  und  vielleicht  noch  besser,  wenn 
man  diesen  eben  herausbringt. 

Ich  enthalte  mich  für  heute  aller  Folgerung  aus  dieser  unerwarteten 
Erscheinung,  die  mir  für  die  Physik  des  Himmels  überhaupt  und  be- 
sonders der  Kometen  sehr  wichtig  scheint. 


Gauss  an  Olliers.     Güttingen,  18_'4  Februar  1.  275 

No.  490.  Gauss  an  Olbers/)  [229  ■ 

Göttingen,  1824  Februar  1. 

Herzliclien  Dank  für  alle  die  gütigen  Mittheilungen  in  Ihren 
beiden  letzten  Briefen. 

Ueber  den  Kometen  kann  ich  Ihnen  nicht  viel  wiedergeben.  Den 
Schweif  auf  der  der  Sonne  zugekehrten  Seite  habe  ich  gleichfalls  an 
verschiedenen  Abenden  und  besonders  am  24.  Jan.  mit  grösster  Be- 
stimmtheit gesehen.  Wir  lernen  daraus,  deucht  mir,  recht  anschaulich 
einsehen  (was  von  jeher  meine  Ansicht  gewesen  ist),  dass  wir  von  der 
wahren  Ursache  der  Kometenschweife  noch  gar  nichts  wissen.  Am 
27.  Jan.  habe  ich  eine  Kreismikrometerbeob.  und  am  28,  eine  helio- 
metrische  Distanzmessung  gemacht,  beide  aber  nicht  reducirt,  da  die 
Sterne  in  der  Hlst.  Cel.  nicht  vorkommen,  und  nocli  keine  Gelegenheit 
gewesen  ist,  die  Sterne  selbst  zu  bestimmen.  Auch  haben  diese 
Messungen  eigentlich  keinen  Werth,  insofern  gewiss  schon  um  diese 
Zeit  Meridianbeobb.  an  anderen  Orten  gemacht  sind.  Hier  ist  das 
Wetter  dafür  höchst  ungünstig  gewesen.  Ich  war  jedesmal  entweder 
am  Platz  oder  hatte  Ordre  gegeben,  mich  zu  wecken,  wenn  es  klar 
wäre,  aber  dem  ungeachtet  konnte  bis  gestern  auch  nicht  eine  einzige 
Beob.  im  Meridian  gemacht  werden.  Letzte  Nacht  erhielt  ich  die 
erste;  aber  gegen  meine  Erwartung  war  das  Beobachten  so  schwierig, 
dass  ich  nicht  viel  Gewicht  darauf  lege.  Bei  der  Ungewissheit  des 
Platzes  hatte  ich  die  schwächste  Vergrösserung  eingeschraubt,  da  ich 
den  Platz  bloss  nach  Harding's  Karte  hatte  schätzen  können.  Bei 
dieser  schwächsten  Vergrösserung  (etwa  75  mal)  war  der  Komet  zwar 
am  hellsten,  allein  die  feinen  Spinnfäden  waren  nicht  zu  erkennen, 
sondern  ihr  Ort  konnte  durch  alternirendes  Hin-  und  Abrücken  der 
Laterne*)  nur  vermuthet  werden.     Mein  Eesultat  ist 

1824  Jan.  3L     13^^28■^20^5     152°16'29",1     +72°38'34",6 

Sollte  es  diese  Nacht  heiter  sein,  so  werde  ich  eine  etwas  stärkere 
Vergrösserung  versuchen. 

Sehr  befremdet  hat  mich  die  Stelle  Ihres  vorletzten  Briefes,  dass 
Bessel   geäussert   haben   soll,    er   halte   meine   Polhöhe ^)   für   1",5    zu 


^)  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krm. 

*)  Unglücklicher  Weise  steht  Avegen  anderer  Beobb.  jetzt  der  Kreis  so,  dass  die 
Moderirung  des  Lichts  nur  auf  diese  mangelhafte  Art  geschehen  kann.  Erst  nach 
etwa  3  heiteren  Abenden  werde  ich  umlegen  dürfen.  Nur  in  der  anderen  Lage  kann 
der  Beobachter  selbst  mit  dem  Schlüssel  die  Beleuchtung  moderiren. 

")  Vergl.  Briefwechsel  Gauss-Bessel  Brief  No.  143  und  die  beiden  nächsten 
Briefe  von  Gacss  an  Olbers.    Seh. 

18* 


276  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1824  Februar  1. 

gross.  Sie  drücken  sich  so  aus,  als  halten  Sie  für  zweifelhaft,  ob  er  dieses 
wirklich  geäussert  habe,  und  nehmen  es  nur  unter  der  Voraussetzung 
an,  dass  ich  seine  Refraktion  aus  Gründen  nicht  gebraucht  hätte.  Allein 
diese  Voraussetzung  hat  nicht  Statt,  und  Bessel  iveiss,  dass  ich  seine 
Refraktion  gebraucht  habe,  obgleich  seine  Gründe  mich  keineswegs 
überzeugt  haben,  dass  es  nothwendig  sei,  die  äus.^ere  Temi)eratur  zu 
Grunde  zu  legen.  Letzteres  habe  ich  jedoch  bisher  der  Gleichförmig- 
keit wegen  wirklich  gethan. 

Was  übrigens  meine  Polhöhe  betrifft,  so  ist  sie  allerdings  insofern 
hypothetisch,  als  ich  die  Inflexion  des  Fernrohres  noch  nicht  hinreichend 
untersucht  habe.  Insofern  diese  Inflexion  vernachlässigt  wird,  kann  ich 
von  meiner  Polhöhe  nach  den  Beobb.  von  1820  nichts  ablassen.  Die 
eigene  Untersuchung  der  Inflexion  halte  ich  keineswegs  für  unnöthig, 
sondern  sie  ist  nur  verschoben,  bis  Zeit  dazu  sein  wird.  Dass  ich  sie 
aber  bisher  ==  0  gesetzt  habe,  geschah 

1)  weil  die  wenigen  Beobb.  aus  dem  Wasserhorizont  gar  keine 
merkliche  Flexion  anzeigen, 

2)  weil  Bessel's  Dekl.  der  südlichen  Sterne  (Fundamental-Sterne) 
sehr  gut  mit  den  meinigen  übereinstimmen. 

Es  ist  an  sich  nicht  unmöglich,  dass  zahlreiche  Beobb.  eine  nicht 
ganz  unmerkliche  Flexion  geben  und  vielleicht  meine  Polhöhe  um  1" 
kleiner  geben  können.  Allein  dann  würden  alle  meine  Bestimmungen 
der  Fundamentalsterne  südlicher  werden  als  die  BESSEL'schen,  und  ich 
habe  durchaus  keinen  Grund,  meine  Bestimmungen  für  weniger  genau 
zu  halten  als  die  BESSEL'schen. 

Auf  keinen  Fall  aber  kann  ich  darin  auch  nur  den  kleinsten  Grund 
zur  Verminderung  meiner  Polhöhe  finden,  dass  ihre  Uebertragung  auf 
München  vei-mittelst  der  geodätischen  Messungen  1",7  mehr  giebt  als 
die  dortigen  Messungen, 

1)  weil  die  Uebertragung  vermittelst  solcher  Elemente  geschieht, 
die  aus  fremden  Gradmessungen  entlehnt  sind,  die  zwar  grösseren  Um- 
fang hatten,  deren  astronomischer  Theil  aber  gewiss  mit  schlechten 
Hülfsmitteln  gemacht  ist, 

2)  weil  ich  jetzt  gar  nicht  mehr  an  ein  regelmässiges  Scliritthalten 
der  Polhöhe  mit  den  geodätischen  ]\Iessungen  glauben  kann.  Sehen  Sie 
nur  die  Mailänder  Eph.  von  1823  an,  wo  in  Ober-Italien  sich  Unter- 
schiede finden,  die  man  unmöglich  den  astronomischen  Beobb.  zur  Last 
legen  kann.  Die  Vergleichung  der  Zenithdistanzen  der  Sonne  in  Laueu- 
burg  1819  mit  den  mein  igen  von  1820  giebt  die  Amplitude  auch  4" 
kleiner  als  die  geodätischen  Messungen;  Zach's  Brockeubeob.  nicht  zu 
gedenken,  die  eine  fast  3  mal  so  grosse  Differenz  in  entgegengesetztem 
Sinne  geben,  die  doch  auch  schwerlich  der  astronom.  Beob.  zur  Last  ge- 


Gauss  an  Olbers.     Göttinnen,  1824  Februar  1.  277 

legt  werden  kann.  Ich  glaube  nur.  dass  man  den  Gesichtspunkt  ganz 
verrückt  hat,  wenn  man  von  Lo/w/anziehung  immer  sprach.  Man  hat 
bloss  gratuitement  angenommen,  dass  die  Erde  aus  couches  de  niveau 
von  regelmässiger  Dichtigkeit  bestehe.  Geben  wir  zu.  dass  daran  viel 
fehle,  so  haben  wir  gar  keinen  Grund  mehr,  ein  regelmässiges  P'ort- 
schreiten  der  Breite  zu  erwarten,  und  müssen  die  Differenzen  nehmen, 
wie  sie  die  Erfahrung  giebt. 

Wenn  man  übrigens  überlegt,  was  für  eine  ungeheure  Arbeit  er- 
fordert wird,  um  eine  Ungewissheit  von  1"  auf  eine  Ungewissheit  von 
.y"  zu  reduciren,  und  zwar  eine  an  sich  durchaus  geistlose  Arbeit,  so 
wird  man  zweifelhaft,  ob  der  Zweck  so  viel  werth  ist  wie  die  Mittel, 
und  ob  man  es  verantworten  könne,  einen  grossen  Theil  der  Kräfte 
eines  ^fenschenlebens  darauf  zu  wenden. 

Ueber  unsere  Messungsangelegenheiten  habe  ich  noch  gar  nichts 
weiter  gehört. 

Dass  auch  Ihnen  die  Geduld  gerissen  ist,  wenn  jemand,^)  der  fast 
40  Jahre  als  einer  der  ersten  Astronomen  geehrt  ist  und  als  solcher 
das  grosse  Wort  geführt  hat,  uns  von  bleiernen  Fernrohren  mit  kon- 
kaven Okularen,  Spinnenfäden  etc.  erzählt,  wundert  mich  nicht.  Mir 
selbst  ist  es  längst  so  gegangen.  Aber  was  sagen  Sie,  wenn  Sie  seit- 
dem das  folgende  Heft  erhalten  haben,  zu  der  unwürdigen  Art,  wie  der 
arme  Pasquich-)  behandelt  ist?  Beobb.  zu  erdichten,  ist  ein  so  nie- 
driges Verbrechen,  dass  man  niemand  leichtsinnigerweise  dessen  be- 
schuldigen sollte,  ohne  die  entschiedensten  Beweise  zu  haben.  Die 
finde  ich  aber  in  dem  Vorgebrachten  durchaus  nicht.  Dass  das  Aequa- 
toreal  in  Ofen  nicht  bericljtigt  ist,  ist  nicht  zu  bezweifeln.  Ich  meine 
sogar  früher  (von  Littrow)  einmal  gehört  zu  haben,  dass  es  gar  nicht 
berichtigt  werden  Iwnne  wegen  Fehler,  die  bei  der  ersten  Setzung  der 


*)  Zach  in  seiner  Corr.  Astron.  Vol.  IX;  siehe  Brief  No.  488  und  die  bezügliche 
Anmerkung.     Krm. 

-)  Pasqüicii,  Direktor  der  Sternwarte  zu  Ofen,  war  von  seinem  Gehülfen  Kmeth 
im  Juni  1823  in  einer  ungarischen  Zeitschrift  beschuldigt  worden,  aus  den  Bessel- 
sclien  Elementen  berechnete  Positionen  des  Kometen  1821  an  Stelle  seiner  fehlerhaft 
beobachteten  als  Beobb.  in  den  Ä.  N.  No.  2,  Bd.  I  veröffentlicht  zu  haben  (vergl. 
Zachs  Corresp.  Ästy-on.  Bd.  IX  No.  III,  1823  und  die  Zuschrift  Littrow's).  Das  Halt- 
lose dieser  Verdächtigung  wiesen  Gauss,  Olbers,  Bessel  und  Encke  in  den  A.  N. 
Bd.  III  No.  53  nach,  nachdem  vorher  Schumacher  den  Thatbestand  klargelegt  hatte. 
Die  von  Gauss  gegebene  Ehrenrettung  Pasquich's  ist  wieder  abgedruckt  in  Bd.  VI 
seiner  Werke,  S.  634 — 638,  die  von  Olbers  in  Olbers  Bd.  I,  Persönliches  No.  16, 
S.  192,  193.  In  den  folgenden  Briefen  kommen  Gauss  und  Olbers  noch  eingehender 
auf  diese  Angelegenheit  zurück,  deren  Besprechung  sich  durch  No.  492 — 499  hin- 
zieht. Vergl.  hierzu  besonders  Briefwechsel  Gauss-Schumacher  Brief  No.  199 — 201, 
203—211,  Gauss-Bessel  No.  143,  144  und  Olbers-Bessel  No.  309,  310.     Krm. 


278  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1824  Februar  2. 

Steine  gemacht  sind,  so  dass  alle  Korrektion  nicht  ausreiche.  Ob 
dem  wirklich  nicht  abgeholfen  werden  könne,  lasse  ich  dahin  gestellt 
sein,  allein  es  ist  ebenso  gewiss,  dass  es  möglich  ist,  mit  einem  gar 
nicht  berichtigten  Instrument  ebenso  gute  Beobb.  zu  machen,  wie  mit 
einem  berichtigten.  Dieselben  Operationen,  die  fortwährend  dazu  dienen 
müssen,  die  Zulänglichkeit  der  Berichtigungen  zu  prüfen,  können  ebenso 
gut  dazu  dienen,  die  Abweichungen  zu  messen,  und  so  bald  ihre  Grösse 
bekannt  ist,  lässt  sich  ihr  Kinfluss  berechnen:  der  Kalkül  ist  aber  die 
schärfste  Korrektion,  schärfer  als  jede  Hand  und  jede  Schraube.  Dass 
man  die  Instrumente  (wenn  man  kann)  berichtigt,  geschieht  nicht  der 
Schärfe,  sondern  der  Bequemlicltkeit  wegen,  und  weil  der  Kalkül  nicht 
die  Sache  jedes  Routinier  wie  Kmeth  und  Zach  ist.  Ob  nun  Pasquich 
wirklich  durch  anderweitige  Beobb.  die  Korrektions-Elemente  seines 
Instrumentes  kennt,  weiss  ich  freilich  nicht  gewiss,  aber  möglich  ist  es 
doch,  und  Pasquich's  mathematische  Einsichten  sind  dazu  gewiss  hin- 
reichend. So  lange  das  Gegentheil  aber  nicht  bewiesen  werden  kann, 
scheint  es  mir  empörend,  eine  Verfälschung  oder  Erdichtung  als  he- 
tuiesen  zu  behaupten,  und  das  Wenigste,  was  man  tliun  kann,  ist  zu 
sagen:  7wn  Uqnet.  Schumacher^)  schreibt  mir.  er  sei  von  Pasquich's 
vollkommener  Unschuld  überzeugt.  Ich  wünschte  sehr,  theuerster  Olbers, 
Ihre  Ansicht  hierüber  zu  erfahren. 


No.  491.  Gauss  an  Olbers.')  [230 

Göttingen,  1824  Februar  2. 

Noth wendig  muss  ich  heute  noch  einmal  auf  die  Polhöhe  meiner 
Sternwarte  zurückkommen. 

Ich  habe  Ihnen  gestern  geschrieben,  dass  ich  1)  icenn  mein  In- 
strument keine  Flexion  hat,  von  meiner  Polhöhe  51°31'4S",7  nichts 
ablassen  kann,  2)  dass  ich  das  Dasein  einer  merklichen  Biegung  an 
sich  gar  nicht  für  unmöglich  halte,  da  die  sehr  wenigen  bisherigen 
Beobb.  aus  dem  Wasserhorizont^  (die  genau  genommen  eine  kleine  Bie- 
gung in  dem  Sinne,  dass  das  Instrument  die  Z.-D.  zu  klein  angiebt, 
wirklich  andeuteten)  lange  nicht  zureichen,  dies  zu  entscheiden,  3)  dass 
aber,   wenn  eine   Biegung   in    dem  Sinne,    wie   ich   gesagt    habe,    eine 


^)  Brief  No.  199  im  Briefwechsel  GAUss-ScurMACHKR.     Krni. 

")  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.  Vergl.  zu  dem  Inhalte  dieses 
Briefes  auch  Brief  No.  143  im  Briefwechsel  Gauss-Bessel  und  No.  200  im  Briefwechsel 
Gaüss-Schumacher.     Krm. 


Gauss  an  (MJiers.     Güttingen,  1824  Februar  2.  279 

uegative  Biegung:  Statt  fände,  sie  die  Uebereinstimniunp:  meiner  Dekl. 
der  P'undamentalsterne  mit  den  Bi:ssEL'schen  zerstören  und  meine  süd- 
licher f^eben  würde,  und  dass  ich  aus  diest^r  Ursache  bisher  immer  ge- 
glaubt habe,  die  Biegung  könne  nicht  merklich  sein,  da  ich  mir  be- 
wusst  bin,  meine  eigenen  Beobb.  mit  Sorgfalt  und  schöner  Ueberein- 
stimmung  unter  sich  gemacht  zu  haben. 

Sie  sehen,  die  eine  Hälfte  meines  Arguments  beruht  gerade  auf 
dem  Vertrauen  selbst,  was  ich  zu  Bessel's  Bestimmungen  habe. 

Allein  heute  gestaltet  sich  die  Sache  ganz  anders. 

Meine  Dekl.  der  Fundamentalsterne  stimmten  mit  den  Bessel  sehen 
sehr  schön  überein,  ohne  einen  Ausschlag  nach  einer  Seite  zu  zeigen, 
nach  dem  Verzeichnisse  der  Dekl.,  welches  Bessel  mir,  vor  3  Jahren 
etwa,  in  einem  Briefe^)  schickte.  Dies  habe  ich  immer  im  Gedächtniss 
gehabt  und  gar  nicht  daran  gedacht,  es  mit  dem  später  gedruckten 
zu  vergleichen.  Der  7.  Band  von  Bessel's  Beobb.  war  sogar  bisher 
noch  nicht  gebunden,  da  ich  mich  begnügt  hatte,  die  Einleitung  im 
Allgemeinen  zu  durchlaufen,  ohne  die  Zahlen  mit  den  Briefen  zu  ver- 
gleichen. 

Allein  heute  bekomme  ich  diesen  Band  vom  Buchbinder  zurück 
und  sehe,  dass  diese  Dekl.  alle  gam  anders  sind  als  die  im  Briefe. 
Jetzt  sind  von  35  Fundamentalsternen  (a^  Capricorni  habe  ich  gar 
nicht  beobachtet)  34  bei  mir  nördlicher  und  nur  einer,  a^  Capricorni, 
den  ich  aber  nur  einmal  beobachtet  habe,  0",16  südlicher. 

Mein  Argument  fällt  also  hiernach  ganz  weg,  und  ich  halte  es 
nunmehr,  wieder  im  Vertrauen  auf  Bessel's  Bestimmungen*)  für  höchst 
wahrscheinlich,  dass  alle  meine  Zenithdistanzen  zu  klein  sind  und  die 
Polhöhe  zu  gross. 

Auch  meine  Cirkumpolarsterne,  die  alle  ganz  unabhängig  von  der 
Polhöhe  durch  obere  und  untere  Kulmination  bestimmt  sind,  stimmen 
damit  überein.  Ich  habe  1820  37  solcher  Polarabstände  bestimmt; 
unter  diesen  sind  17,  die  Bessel  auch  hat,  und  unter  diesen  sind  14, 
wobei  meine  Polardistanz  kleiner  ist  als  bei  Bessel,  wie  eine  negative 
Flexion  meines  Instruments  es  hervorbringen  müsste;  die  drei,  wobei 
meine  Polardistanz  grösser  ist,  sind 

Nordstern +0",16 

C  Ursae  min -]-  0,95 

ß  Ursae  min +  0,64 

^)  Briefwechsel  Gauss-Bessel,  Brief  No.  126;  die  Vergleichung  der  BEssEL'schen 
Positionen  mit  den  GAUss'schen  findet  sich  im  Brief  No.  127.     Krm. 

*)  Denn  meine  durch  Flexion  nicht  verbesserten  Dekl.  weichen  von  den  Bessel- 
schen  in  demselben  Sinne  ab,  obwohl  nicht  so  viel,  wie  die  aller  anderen  Astronomen 
Ptazzi,  Brinkley,  Oriani  und  Pond. 


230  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1824  Februar  2. 

alle  dem  Pol  noch  näher,  wo  also  die  Flexion  jene  Wirkung  noch  nicht 
so  entschieden  zeigen  kann.  Beim  Nordstern  ist  ohnehin  der  Unter- 
schied fast  Null,  und  von  'Q  Ursae  min.  habe  ich  nur  2  Beobb.  fbei  ß 
das  Gewicht  von  12,6  Beobb). 

Ich  werde  einstweilen  aus  der  Vergleichung  mit  Bessel's  Bestim- 
mung die  Flexion  abzuleiten  suchen,  bis  sich  Zeit  und  Gelegenheit 
findet,  sie  direkt  selbst  zu  bestimmen. 

Wenn  ich  die  Dekl.  der  von  mir  im  Aug.  1820  beob.  Zenithai- 
sterne von  Bessel  entlehnen  wollte,  so  würden  diese  Sterne  folgendes 
Eesultat  meiner  Polhöhe  geben: 


r)  Cepli 

.    .    51°31'40",82 

P  20.  222 

47,56 

47  Dracon. 

47,52 

2  Hev.  Ceph. 

47,65 

48  Dracon. 

46,72 

53  Dracon. 

46,94 

33  Cygni 

46.60 

49  Dracon. 

46,77 

46  Dracon. 

47,46 

P  20.  391 

46,73 

51  Dracon. 

46,76 

y.  Cygni 

46,82 

P  21.  32 

46,54 

20  Cygyii 

46,32 

i  Cygni 

46,36 

c^  Cygni  pr. 

47,01 

—       sq. 

46,70 

S  Cygni 

46,17 

(jo^  Cygni 

47,53 

Mittel  ohne\  5^031' 4,5"  g^ 
Rücksicht  auf  Anz.  d.  C.j  ' 

Wären  Bessel's  Dekl.  absolut  genau,  wofür  natürlich  diese  schöne 
Uebereinstimmung  an  sich  gar  nichts  beweisen  kann,  so  würde  der 
„mittlere''  Fehler,  welcher  in  diesem  Endresultat  zu  befürchten  ist. 
=  0",104,  oder  der  sogen,  wahrscheinliche  Fehler  =  0".07  sein. 

Die  Münchener  Polhöhe  würde  also  ganz  übereinstimmen.  Ich 
wiederhole  aber,  dass  ich  darin  durchaus  gar  keinen  Grund  für  die 
absolute  Richtigkeit  finden  kann.  Denn  die  Amplitude  zwischen  Göt- 
tingen und  Lauenburg  folgt  aus  den  Zenit halsterneu   mit  sehr  schöner 


Olbers  an  Gauss.     Uremen,  1824  Februar  6.  281 

Cebereinsti„nmn,g .^  l»50;2!r,98U,^,^_,^^,,.^^ 

die  geodätischen  Messungen  geben  1°  50  3o  ,o   I 
welcher  unnitiijlich  von  den  Beobb.  herrühren  kann. 

Beim  Brocken  wäre    der  Unterschied   von   Zacu's    astron.  Bestim- 
mungen gar  10".  wenn  obige  Breite  von  Göttingen  angenommen  würde. 


No.  492.  Olbers  an  Gauss.  [262 

Bremen,  1824  Februar  6. 

Hierbei  scliicke  ich  Ihnen  im  Auftrag  des  Prof.  Schumacher  die 
Akten,  Pasquich's  famose  Angelegenheit  betreffend.  Schumacher  bittet, 
Sie  möchten  dieselben,  so  bald  sie  hinreichend  von  Ihnen  durchgesehen 
sind,  an  Prof.  Excke  nach  Seeberg  befördern,  und  wünscht,  dass  wir 
mit  ihm  gemeinschaftlich  unsere  Ueberzeugung  von  der  völligen  Un- 
schuld des  Prof.  Pasquich  an  dem  ihm  mit  so  beispielloser  Frechheit 
aufgebürdeten  Verbrechen  öffentlich  aussprechen  mögen.  Er  hält  dies 
deswegen  [für]  nöthig,  damit  Pasquich's  Oberen,  die  wahrscheinlich  astro- 
nomische Rechnungen  nicht  beurtheilen  können  und  Kmeth's  ver- 
läumderische  Anklage  durch  Littrow's  und  Zach's  Autorität^)  unter- 
stützt sehen,  nicht  etwa  ungerechter  Weise  zu  harten  Maassregeln  gegen 
den  alten  Mann  verleitet  werden  mögen;  besonders  da  Littrow  un- 
begreiflicher Weise,  ob  er  gleich  die  Unrichtigkeit  von  Kmeth's  Rech- 
nungen aus  eigener  Prüfung  erkennen  muss,  doch  mit  verstockter 
Hartnäckigkeit  die  Wahrheit  der  argen  Beschuldigung  Kmeth's  zu 
behaupten  fortfährt. 

Schon  unter  Jan.  17,  hatte  mir  Encke,  nachdem  er  Zach's  und 
Littrow's  hartes  Benehmen  gegen  Pasquich  und  Kmeth's  Schmähbrief 
angeführt  hatte.  Folgendes  geschrieben:  „Unbegreiflicher  Weise  lassen 
Littrow  und  Zach  dabei  im  blinden  Vertrauen  auf  Kmeth  ihrer  per- 
sönlichen Feindschaft  ganz  freien  Lauf.  Sie  reden  nur  von  der  Un- 
fähigkeit Pasquich's  und  behandeln  ihn  wie  einen  Schulknaben.  Und 
doch  sieht  jeder,  der  nur  oberflächlich  die  Sache  untersucht,  dass  Kmeth 
entweder  so  boshaft  oder  wohl  eigentlich  so  unwissend  ist,  dass  er  bei 
Beobb.  am  Aequatoreal  die  Refraktion  ganz  bei  Seite  setzt.  Meine 
Berechnung  zeigte  mir,  dass  Pasquich  ganz  strenge  gerechnet  hat.  Viel- 
leicht  ist   mein   schleunig  abgegangener  Brief  ^j  noch  frühe  genug  an- 


^)  Vergl.  in  Bd.  IX   No.  III  der  Corresp.  Astron.  die  Bemerkungen  Zach's  und 
den  dabei  angeführten  Brief  Littrow's  zu  Kmeth's  Anschuldigungen.     Krm. 
*)  Abgedruckt  in  Bd.  X  No.  I  der  Corresp.  Astron.     Krm. 


232  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1824  Februar  6. 

g-ekommen,  um  dieses  Heft>)  zu  unterdrücken.  Etwas  glaubte  ich  dazu 
verpflichtet  zu  sein,  weil  durch  das  beständige  Hin-  und  Herwerfen 
der  Namen  einige  Bekannte,  die  den  Extra-Abdruck  früher  flüchtig 
gelesen  hatten,  verleitet  worden  waren  zu  glauben,  Sie  und  ich  seien 
mit  in  diese  schmutzige  Geschichte  verwickelt."  .  ,  . 

Beim  Empfange  von  Encke's  Brief  hatte  ich  das  Stück ^)  der  C<yrr. 
Astr.  schon  in  Händen.  Da  ich  nun  von  Schumachee's  Vorhaben  damals 
noch  nichts  wusste,  so  forderte  ich  mit  umgehender  Post  Encke  auf. 
die  durch  seine  Rechnungen  erwiesene  Unschuld  Pasquich's,  wie  es 
mir  dringende  Pflicht  schiene,  üff"entlich  auszusprechen.  Läge  aber  in 
seinen  Verhältnissen  zu  Zach  vielleicht  etwas,  das  ihn  ungern  unmittel- 
bar etwas  diesem  Unangenehmes  drucken  Hesse,  so  möge  er  mir  in 
einem  Privatbriefe  die  von  ihm  gefundenen  Beweise  für  Pasquich's 
Unschuld  mittheilen,  die  ich  dann,  vel  quasi  ohne  seine  Erlaubniss,  mit 
einem  Vorwort  in  Schumachers  ä.  X.  würde  einrücken  lassen.  —  Noch 
habe  ich  von  Encke  keine  Antwort. 

LiTTROw's  und  Hansen's  Bestimmung  der  Korrektionen  des  Aequa- 
toreals  weichen  ziemlich  stark  von  einander  ab.  Man  muss  wohl 
Hansen  allerdings  Recht  geben,  dass  es  hier  sicherer  sei,  3  Dekl.  und 

1  ^  zur  Bestimmung  dieser  Korrektionen  zu  wählen,  als  2  DekL  und 

2  ^f?.  Aber  Littrow  hat  ein  Mittel  aus  mehreren  Kombinationen  ge- 
nommen, und  so  beruht  die  Verschiedenheit  der  Resultate  beider  Rech- 
nungen, die  nach  Verschiedenheit  der  Wahl  unter  den  Observationen 
der  Natur  diese)-  Beobb  [nach]  nothwendig  sehr  verschieden  ausfallen  muss, 
doch  wohl  hauptsächlich  auf  Littrow "s  mangelhaften  Refraktions-Kor- 
rektionen, indem  dadurch  die  [zu]  bestimmenden  Grössen,  die  bei  Hansen 
43",ü7,  20",81,  18",08,  —  IC'.U  etc.  sind,  bei  Littrow  46",5,  24",d, 
11",4,  —  7",2  etc.  werden.  Glücklicher  "Weise  kommt  es  hier,  bei  dem 
sehr  massigen  Unterschied  der  Stundenwinkel  für  }•  Pegasi  und  den 
Kometen,  auf  die  strenge  Richtigkeit  der  Korrektionen  des  Aequatoreals 
nicht  an;  sonst  hätte  wohl  auch  hier,  [um]  alle  \\'illkür  auszusehliessen 
und  den  wahrscheinlichsten  Wert  der  Korrektionen  des  Instruments  so 
nahe  zu  bestimmen,  als  es  aus  den  sich  schlecht  dafür  passenden  Beobb. 
möglich  ist,  die  Methode  der  kleinsten  Quadrate  angewandt  werden 
müssen. 

Ich  meinerseits  bin  ganz  bereit  und  halte  es  für  meine  Pflicht, 
meine  Indignation  sowolü  über  Kmeth's  Angrifl^,  als  Zach's  und  Littrows 
Benehmen  dabei,  so  wie  über  Pasquich's  völlige  Unschuld  an  diesem 
ihm  angedichteten  Verbrechen,    öftentlich  auszusprechen.  —  Sonst  mag 


*)  No.  III  in  Bd.  IX  der  Coms^.  Ästrou.     Krm. 


(Tauss  an  Olbers.     Göttingren.  1824  Februar  28.  283 

Pasquich  als  Uirt'ktur  iKt  Sternwarte  wohl  manche  Vürwiirfe  verdienen 
und  schwer  mit  ihm  umzudrehen  sein. 

Der  Geh.  Kab.-Katli  Hüppenstedt  schreibt  mir  unterm  28.  Jan.: 
„Vor  einipren  AVochen  hat  der  Hofr.  Gauss  sich  ausführlich  über  Ihren 
Vorschla;^  wegen  der  Gradmessung  erklärt;  natürlich  ist  er  sehr  dafür. 
Auch  hier  sieht  man  den  \\'erth  ein.  man  hat  jedoch,  da  die  dazu 
erforderlichen  Kosten  nicht  ganz  geringe  sind,  niclit  geradezu  sich 
dafür  entscheiden  mögen.  Ich  habe  daher  nach  London  geschrieben, 
um  des  Königs  Einwilligung  zu  erlangen.  Da  der  Graf  v.  Münster 
sich  lebhaft  für  die  Sache,  die  er  veranlasst  hat,  interessirt,  und  ein 
Fonds  sich  wohl  finden  wird,  so  zweifle  ich  nicht  an  der  königl.  Ge- 
nehmigung." 

Ich  habe  Ihnen  heute  fast  nur  aus  anderen  Briefen  abgeschrieben 
und  muss  die  Beantwortung  Ihrer  beiden  mir  so  interessanten  Briefe, 
wenn  ich  die  Post  nicht  versäumen  will,  bis  auf  nächstens  verschieben, 
indem  ich  Ihnen  jetzt  nur  herzlich  und  innig  dafür  danken  kann. 


No.  493.  Gauss  an  Olbers,  [231 

Göttingen,  1824  Februar  28. 

Ich  eile,  Ihnen  anzuzeigen,  dass  der  König  die  vorgeschlagene  Ver- 
bindung der  hannoverschen  Dreiecke  mit  den  holländischen  genehmigt 
hat.  Ich  habe  hierüber  erst  eine  Privat-Mittheilung  erhalten  und  muss 
also  über  das  Nähere  erst  die  officielle  Benachrichtigung  erwarten. 

Dass  ich  die  darmstädtischen  Dreiecke  und  einige  Notizen  die 
bayrischen  betreifend  erhalten  habe,  habe  ich  Ihnen  bereits  früher^) 
gemeldet.  Aus  München  habe  ich  noch  gar  nichts  weiter,  und  von 
BoHNENBEBGER  uud  LiTTROw  Überall  keine  Antwort  erhalten. 

Wenn  ich  annehme,  dass  Bessel's  Bestimmung  der  Flexion  des 
Fernrohrs  seines  Meridiankreises  richtig  ist,  so  wird  die  Flexion  des 
Fernrohrs  an  dem  meinigen  aus  der  Vergleichung  von  34  Fundamental- 
sternen, 1820  beobachtet, 

=  1",51  sin^-) 

welche  Grösse   zu   der  beob.  Zenithdistanz    addirt   werden  muss.     Für 
die  Polhöhe   finde   ich   dann    aus  sämmtlichen  Cirkumpolarstern-Beobb. 

von  1820 

5r31'47",92     oder     oP3r4S",03 

1)  Brief  No.  487.     Krni. 

2)  Vergl.  hierzu  auch  Brief  No.  200,  S.  371  im  Briefwech.«el  Gauss-Schumacher 
und  No.  143  im  Briefwechsel  Gauss-Bessel.     Krm. 


284  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1824  Februar  28. 

je  nachdem  die  Zahl  der  Beobb.  in  jeder  Periode  berücksichtig  oder 
nicht  berücksichtigt  wird.  Ich  nehme  daher  einstweilen  51°3r-i8".0 
an,  bis  ich  eine  ganz  selbständige  Bestimmung  der  Flexion  machen 
kann.  Man  darf  an  diesem  Resultate  nichts  Erhebliches  ändern,  ohne 
die  Uebereinstiramung  der  BESsEL'schen  Beobb.  mit  den  meinigen  (182tij 
zu  vernichten.  Da  der  REPSOLü'sche  Kreis  jetzt  doch  nicht  aufgestellt 
ist  und  auch  wohl  so  bald  nicht  wieder  aufgestellt  werden  kann,  da  der 
Zenithsektor  an  diesem  Platze  steht,  so  lasse  ich  jetzt  eine  Einrichtung 
machen,  um  die  zu  jenem  Krei.se  gehörenden  schönen  Mikroskope  zur 
Prüfung  der  Theilung  des  REiCHENBACH'schen  Kreises  zu  verwenden. 
Inzwischen  wird  nun  wohl  vor  künftigen  Winter  an  den  Gebrauch  nicht 
zu  denken  sein. 

Eine  Reihe  von  Beobb.  von  Zenithaisternen,  hier  und  in  Altona') 
angestellt  (Jan.  und  Febr.  d.  J.)  an  den  Merid.- Kreisen  geben  die 
Amplitude  des  Bogens  unabhängig  von  allen  absoluten  Polhöhen  = 
2°0'58",77,  also  4"  kleiner  als  die  geodätische  Messung  mit  Walbeck's 
Erddiraensionen.  Fast  genau  denselben  Unterschied  finden  wir  bei 
Lauenburg,  wo  die  Zenithaisterne,  daselbst  mit  dem  Zen.-Sekt.  und  in 
Göttingen  mit  dem  Mer.-Kr.  beobachtet,  die  Amplitude  1*'50'29",98 
und  die  geodätische  Messung  Po0'33",93  geben.  Ich  zweifle  jetzt 
gar  nicht  mehr  an  dem  unregelmässigen  Fortschreiten  der  Richtung 
der  Schwere  und  sehe  die  Uebereinstimmung  von  Lauenburg  und 
Altona  wie  etwas  Zufälliges  an.  In  der  That.  von  Göttingen  zum 
Brocken  ist  die  Abweichung  im  entgegengesetzten  Sinn  und  mehr  als 
2 mal  grösser;  die  geodätische  Messung  giebt  die  Amplitude  0°  26'  13",99, 
während  die  Vergleichung  der  astronomisch  bestimmten  Polhöhen 
(51°  31' 48",00  und  51"  58' 11".65)  0«  26' 23".65  giebt.  oder  eigent- 
lich noch  etwas  mehr,  da  Zach's  Beobachtungsplatz  merklich  südlich 
(leicht  1")  vom  Dreieckspunkt  war.  Zwischen  dem  Brocken  und  Lauen- 
burg wird  also  die  Differenz  fast  15"  betragen,  und  so  viel  kann  man 
dem  wenn  auch  schlechten  LExom'schen  Instrumente  unmöglich  Fehler 
zutrauen. 

Die  Pasqüich  betreffenden  Papiere  habe  ich  durchgesehen.  Die 
Bestimmung  der  Abweichung  des  Instruments  aus  den  Beobb.  von 
y  Pegasi  bleibt  immer  schwankend,  allein  die  Art.  wie  Hansen  es  ge- 
macht hat,  steht  doch  der  von  Littrow  gebrauchten  an  Genauigkeit 
weit  nach.  Ich  finde,  dass  jene  nur  dann  mit  dieser  gleichen  Werth 
hätte,  wenn  eine  -/i-Beob.  cirka  ,;V  ^<^  ^'^^^  Gewicht  hätte  wie  eine 
Dekl.-Beob.     Ich   habe   die  Lage  der  Axe  aus  sämmtlichen  Beobb.  ab- 


^)   Yergl.   hierzu    auch    Briefwechsel    Gauss -Schcmacher    Brief    Xo.    19'2 — 200, 
202.    Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Göttingen.  1824  Februar  28.  285 

geleitet  und  ein  Resultat  gefunden,  welches  ungefälir  ebenso  viel  vom 
einen  wie  vom  anderen  im  Ganzen  abweicht.  Die  damit  berechneten 
Kometenürter  stimmten  auch  nahe  mit  denen,  welche  Pasquich  in  den 
A.  y.  bekannt  gemacht  hatte.  Allein  darin  muss  ich  Litteow  doch 
Hecht  geben,  dass  eine  genäherte  hierin  sich  zeigende  Uebereinstim- 
mung  eigentlich  gar  nichts  für  Pasquicu  würde  beweisen  können,  ivenn 
übrigens  irgend  ein  vernünftiger  G-rund  vorhanden  gewesen  wäre,  an 
dem  ehrlichen  Ursprung  der  Positionen  zu  zweifeln;  denn,  da  das 
Materielle  der  Beobb.  eigentlich  von  niemand  angefochten  ist,  so  ist 
es  ja  nothwendig,  dass  die  aus  ihnen  abgeleiteten  Positionen  nahe 
mit  den  wahren  und  also  auch  nahe  mit  solchen  übereinstimmen 
müssen,  die  man  aus  guten  Elementen  abgeleitet  hätte.  Dies,  theuerster 
Olbebs,  war  meine  Ansicht  nach  Lesung  jener  Papiere  und  zugleich, 
dass  es  vernünftiger  Weise  gar  nicht  denkbar  ist,  dass  Pasquich  die 
eingesandten  Positionen  aus  Elementen  berechnet  hätte.  Seitdem  haben 
aber  noch  weitere  eigene  Rechnungen  \)  über  diesen  Gegenstand  mir 
die  volle  Ueberzeugung  gegeben,  so  voll  wie  man  sie  bei  mensch- 
lichen Dingen  nur  haben  kann,  dass  Pasquich's  Positionen  aus  seinen 
Beobb.  abgeleitet  sein  müssen,  und  nicht  anderswoher  entlehnt  sein 
können.  Das  Nähere  darüber  bin  ich  gern  bereit  öffentlich  bekannt^) 
zu  machen. 

Ueber  das  Unwürdige  der  ganzen  Sache  selbst  kann  wohl  nur  eine 
Stimme  sein.  Nach  meinem  Gefühl  fällt  auf  Kmeth  eine  geringere 
Schuld  als  auf  Litteow.  Denn  ich  kann  kaum  zweifeln,  dass  der 
erstere,  der  sich  doch  bewusst  sein  muss,  was  für  ein  erbärmlicher 
Schacher  er  ist,  von  anderen  aufgehetzt  und  encouragirt  ist,  seine 
TTnwissenheit  für  Weisheit  zu  halten.  Dem  Amanuensis  einer  Stern- 
warte vergiebt  man,  wenn  er  nicht  weiss,  dass  an  nicht  berichtigten 
Listrumenten  gute  Beobb.  gemacht  werden  können,  und  wenn  er  nicht 
beuitheilen  kann,  ob  auf  Refraktion  Rücksicht  zu  nehmen  ist  oder 
nicht;  aber  wenn  der  Direktor  der  Wiener  Sternwarte,  der  beides 
besser  weiss,  beides  bekräftigt,  so  verdient  er  um  so  schärferen  Tadel, 
da  ohne  Zweifel  ohne  Littrow's^)  Autorität  Zach  vorsichtiger  gewesen 
sein  würde. 

Den  Kometen  habe  ich  öfter  im  Meridian  beobachtet  vom  3L  Jan. 
bis  heute,  eigentlich  ist  aber  keine  einzige  Beob.  viel  werth,  da  der 
Komet   so   lichtschwach   war,    dass   er  gar  keine  Beleuchtung  vertrug, 


1)  Siehe  Brief  No.  205  an  Schumacher  und  Gauss"  Werke  Bd.  YI,  S.  634  ff.,  die 
in  den  A.  N.  Bd.  III,  No.  53  veröffentlichte  Ehrenrettung  Pasquich's.     Krm. 

-)  Auch  im  Brief  No.  143  an  Bessel  giebt  Gauss  Littrow  die  Hauptschuld  an 
der  Verdächtigung  Pasquich's.     Krm. 


286  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1824  März  6. 

also  Fäden   und  Komet   nie  zugleich  gesehen  werden  konnten.     Genau 
ist  noch  keine  dieser  Beobb.  reducirt,  beiläufig  giebt 

die  heutige     99°  18'         42M3'^j 
die  gestrige,  Febr.  27     99"  27'         42^49' 


No.  494.  Olbers  an  Gauss.  [263 

Bremen,  1824  März  6. 

Die  mir  gütigst  mitgetheilte  Nachricht,  dass  Ihr  König  die  vor- 
geschlagene Verbindung  der  hannoverschen  Dreiecke  mit  den  holländi- 
schen genehmigt  hat,  war  mir  äusserst  erfreulich;  einmal  der  Sache 
selbst  wegen  und  dann  zweitens  —  ich  kann  meinen  Elgoismus  nicht 
verläugnen  — ,  weil  ich  nun  die  gewisse  Hoffnung  habe,  dass  Sie  künf- 
tigen Sommer  auf  einige  Zeit  Ihr  Hauptquartier  in  Bremen  und  bei 
mir  nehmen  werden. 

Vor  allen  Dingen  bitte  ich  Sie  nun,  uns  zu  sagen,  was  wir  hier 
zur  Vorbereitung  und  Erleichterung  dieser  Verbindung  thun  können 
und  thun  sollen.  Je  genauer  Ihre  Vorschriften  und  Instruktionen 
darüber  sein  werden,  um  so  mehr  werden  wir  lioffentlich  im  Stande 
sein,  Ihre  Befehle  nach  unseren  Kräften  und  Hülfsmitteln  (die  beide,  wie 
Sie  wissen,  sehr  gering  sind)  auszuführen.  —  Mir  scheint  es  nicht 
unwichtig,  dass  die  noch  vorzunehmenden  Eekognoscirungen  früher 
begonnen  werden,  ehe  der  gewöhnliche  Mooibrand  die  entfernten  Gegen- 
stände durch  seinen  Dampf  wieder  unsichtbar  oder  doch  schAver  zu 
sehen  macht. 

Sehr  verbunden  bin  ich  Ihnen  über  die  so  interessanten  und  für 
mich  so  lehrreichen  Mittheilungen  über  Ihre  Polhöhe,  die  Gestalt  der 
Erde  und  das  unregelmässige  Fortschreiten  der  Richtung  der  Schwere. 
Der  grosse  Unterschied  der  geodätisch  und  astronomisch  bestimmten 
Differenz  zwischen  Lauenburg  und  dem  Brocken  von  15"  macht  mir 
nun  auch  den  Unterschied  von  22",G  zwischen  der  geodätisch  und 
astronomisch  bestimmten  Polhöhe  von  Parma  in  den  Mailänder  Ephc- 
meriden  nicht  mehr  unglaublicli.  bei  der  mir  vorher  immer  irgend  ein 
Missverständniss  oder  ein  Irrthum  zu  Grunde  zu  liegen  schien. 

Ueber  Bessel's  und  Pond's  Dekl.^)  ist  noch  nichts  Entscheidendes 


^)  Die  sämmtlicheu  reducirten  Beobb.  tiiulou  sich  in  Gauss"  Workon.  BJ.  VI 
S.  449.     Krm. 

^)  Vergfl.  hierzu  Briefwechsel  GAUss-ScHUMArnKR  Bd.  I,  S.  356  und  Olbers-Bessel 
Brief  No.  308,  ferner  Olbers'  Brief  No.  485  an  Gauss.     Krm. 


Olbers  au  (lauss.     Bremen.  1824  März  fj.  287 

weiter  vurgefiilU'ii.  nur  dass  Bkinki.ky  sich  über  Pünd  beklagt,  dass 
l'oND  behauptet  hätte,  die  Greenwicher  L>ekl.  hielten  das  Mittel  zwischen 
den  in  Dul)lin  und  Könio:sberg  bestimmten.  Pünd  habe  dies  nur  da- 
durch scheinbar  fremacht,  dass  er  auf  Bkinkley's  Beobb.  statt  der  von 
Brinkley  bestimmten,  die  nicht  für  sie  passende  BEADLEY'sche  Re- 
fraktion angewandt  habe.  Eigentlich  hielten  seine  (Brinkley's)  Dekl. 
das  ^Mittel  zwischen  denen  von  Pond  und  Bessel;  auch  zeigten  seine 
Beobb.  nichts  von  der  angeblichen  Verrücknng  der  Sterne  nach  Süden 
seit  1813. 

Inzwischen  hat  Pond  für  diese  seine  Dekl.  die  grosse  goldene  Me- 
daille von  der  Königlichen  Societät  erhalten,  die  indessen  dabei  aus- 
drücklich erklärt  hat,  sie  wolle  hierdurch  nur  Pond's  Fleiss  und  Ge- 
schicklichkeit belohnen,  ohne  über  das  noch  Streitige  in  diesen  Beobb. 
zu  entscheiden.  Es  scheint  ordentlich  eine  Partheiung  und  Erbitterung 
zwischen  den  britischen  Astronomen  einzutreten.  Die  Ultrapatrioten, 
z.  B.  SoüTH,  können  es  anderen,  z.  B.  Bailt,  nicht  vergeben,  wenn  diese 
nur  an  der  Unfehlbarkeit  der  PoND'schen  Bestimmungen  zweifeln  wollen. 

Einen  Nutzen  für  die  Wissenschaft  hat  diese  Streitigkeit  schon 
gehabt.  Um  der  Greenwicher  Sternw'arte  das  schwankend  gewordene 
Uebergewicht  über  alle  Sternwarten  zu  sichern,  hat  das  Komitee  der 
Königl.  Societät  bei  ihrer  letzten  gewöhnlichen  jährlichen  Visitation 
dieser  Sternwarte  beschlossen,  dass  noch  ein  Mauerkreis  von  Troughton 
für  dieselbe  verfertigt  und  die  Zahl  der  Gehülfen  auf  3  vermehrt 
werden  soll,  um  dann  an  beiden  Kreisen  gleichzeitig  zu  beobachten. 

Dass  Dr.  Tiakks  auf  seiner  Expedition  nach  St.  Helena  und  nach- 
her noch  wiederholt  durch  Chronometer  —  [er]  hatte  zuletzt  nicht 
weniger  als  27  an  Bord  —  die  Länge  von  Plymouth  um  4*  anders 
gefunden  hat,  als  sie  die  Triangel  gaben,  werden  Sie  schon  wissen,  auch 
dass  es  auf  Schumacher's  Vorschlagt)  jetzt  in  Ueberlegung  ist,  künf- 
tigen Sommer  vermittelst  eines  Dampfschiffes  durch  Chronometer  den 
Längen-Unterschied  von  Helgoland  (einem  Punkte  der  ScHUMACHER'schen 
Dreiecke)  und  Greenwich  zu  bestimmen. 

Dass  der  alte  Pasquich  durch  Ihre  Untersuchungen  völlig  gerecht- 
fertigt erscheint,  hat  mich  sehr  gefreut.  Allerdings  kann  eine  genäherte 
Uebereinstimmung  der  aus  Pasquich's  Beobb.  folgenden  Positionen  mit 
denen  von  ihm  in  den  A.  N.  bekannt  gemachten  nicht  positiv  erweisen, 
sie  seien  wirklich  daraus  hergeleitet,  nicht  aus  Elementen  berechnet. 
Aber  der  ganze  Grund  der  Anklage  fällt  doch  dadurch  wTg.  Neugierig 
aber   bin  ich  zu  erfahren,    wie  Ihnen  weitere  eigene  Eechmmgen^)  die 


^)  Vergi.  Brief  No.  501   von   Olbers   an  Gauss,   ferner   No.  211  im  Briefwechsel 
Gauss-Schumacher.    Krra. 

^)  Siehe  Anmerk.  1  auf  S.  285.     Krm. 


238  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1824  März  12. 

TJeherzeugung  haben  geben  können,  dass  Pasquich's  Positionen  aus 
seinen  Beobb.  abgeleitet  sein  müssen,  und  nicht  anders  woher  entlehnt 
sein  können. 

Den  Kometen  habe  ich  seit  dem  18.  Febr.,  so  oft  es  die  Witterung 
zuliess,  wieder  am  Kreismikrometer  beobachtet  und  wahrscheinlich  die 
vorige  Nacht  Abscliied  von  ihm  genommen,  da  nun  der  zunehmende 
Mond  ihn  wohl  ganz  unsichtbar  machen  wird.     Hier  die  Beobb. ^): 

Febr.  18.     14^  25°»  48«  102«  12' 39"  40*»  32' 18":  einzelne  Vergleichung. 

19.     14     7    44  101  42  43  48  37  21 

21.     14    10      4  100  53  14,5  46  55  29,5 

27.  13   18    35        99  24  51  42  41  23 
13   27    35        99  24  55  42  41     7 

28.  12   55    14        99  16  51      42     5  23 
März     2.     12   43    58        98  58  30      40  26  13 

5.     12   37    12        98  51     4      38  59    6 

Die  Bahn  des  Kometen  scheint  aber  auch  so  wenig  von  einer 
Parabel  abzuweichen,  dass  eine  längere  Fortsetzung  der  Beobb.,  wenn 
sie  möglich  wäre,  kaum  einigen  Nutzen  haben  kann. 


No.  495.  Olbers  an  Gauss.  [264 

Bremen,  1824  März  12. 

Hier  abermals  zwei  Aktenstücke,  die  PASQuicn'sche  Sache  betreffend, 
die  ich  vorgestern  von  Schumacecer  mit  dem  Auftrage  erhielt,  sie  Ihnen 
zu  senden.  Schumacher  fügt  die  Bitte  hinzu,  beide  nach  genommener 
Durchsicht  an  Encke  zu  befördern. 

Pasquichs  dickleibige  Rechtfertigung  hat  mir  nicht  sonderlich 
gefallen.  Es  kommt  mir  sein  ganzes  Benehmen  in  den  Rechnungen  und 
Korrektionen  doch  etwas  unbehülflich  vor.  Wie  ich  im  voraus  ver- 
muthete,  hat  er  sich  bei  Herleitung  der  Kometenörter  aus  den  Beobb. 
begnügt,  die  Korrektionen,  die  ;■  Fegasi  gab,  mit  Rücksicht  auf  den 
verschiedenen  Stunden winkel  und  die  Refraktion  dui'ch  eine  hypothetische 
Formel  auf  den  Kometen  zu  übertragen,  ohne  die  Korrektionen  seines 
Aequatoreals  einzeln  aus  den  Beobb.  von  ;•  Pegasi  zu  bestimmen.  —  Ueber 
das  ihm  vorgeworfene  Nichtauffindenkönnen  der  Sterne  bei  Tage  schweigt 
er   ganz.     Auch   wundert    es   mich,   dass   er   die   späteren  Beobb.  von 


')  Vergi.  auch  Olbeks  IUI.  I  No.  91  und  Aiinurk.  zu  No.  92,  S.  392  u.  393.  wo 
Ton  üTcrinixen  Unterschieden  ahgesehen  die  Beobb.  mit  Ausnahme  der  von  März  2  ab- 
gedruckt sind.     Krm. 


Olbers  an  Gauss.     Bremen.   1824  März  IJ  289 

y  Fegasi  vom  März,  die  ihn  zur  Aenderung  der  Koefticienten  in  seiner 
hypotlietischen  Formel  bewogen  haben  sollen,  nicht  angiebt. 

Ob  ScHUM.vcHER  dicscs  grosse  Opus  nach  Pasquich's  Wunsch  noch 
ganz  abdrucken  lassen  wird,  weiss  ich  nicht.  Ich  dächte,  wenn  Ihre 
meisterhafte  Kechtfertigung  Pasquich's  (die  ich  durch  Schumacher's 
Güte  zu  sehen  Gelegenheit  und  das  grosse  Vergnügen  hatte)  mit  Encke's 
Brief  und  Bessels,  Schumacher's  und  meiner  Erklärung  gedruckt  sind, 
so  könnte  man  sich  begnügen,  nur  mit  wenigen  Zeilen  den  Hauptinhalt 
von  Pasquich's  weitläufiger  Schutzschrift  hinzu  zufügen. 

Das  hier^)  in  meinem  Brief  lein,  wenn  ich  sagte,  Pasquich  sei 
hier  vollkommen  gerechtfertigt,  will  ich  gern  weglassen,  ob  ich  gleich 
sonst  noch  immer  glaube,  dass  sich  Pasquich  in  anderen  Gelegen- 
heiten als  Direktor  einer  so  wohl  ausgerüsteten  Sternwarte  manche 
peccata,  wo  nicht  comniissionis,  wenigstens  omissionis  habe  zu  Schulden 
kommen  lassen. 

Hoppenstedt  schreibt  mir  nun  auch  unter  dem  9.  März:  „Bei  dem 
Interesse,  das  Sie  an  unseren  Messungen  nehmen,  macht  es  mir  ein 
grosses  Vergnügen,  Ihnen  sagen  zu  können,  dass  des  Königs  Majestät 
die  Fortsetzung  derselben  durch  Westfalen  im  vollsten  Umfange  ge- 
nehmigt haben." 

Ich  glaube,  Ihnen  schon  in  meinem  letzten  Briefe^)  geschrieben 
zu  haben,  dass  Benzenberg  das  Unglück  gehabt  hat,  bei  seinen  Ver- 
suchen über  den  Widerstand  der  Luft  gegen  abgeschossene  Kugeln  am 
1.  Febr.  durch  das  Dickbein  mit  einer  f  fl  schweren  Wallbüchsenkugel 
geschossen  zu  werden,  dass  er  mir  aber  unterm  1.  März  meldete,  die 
Wunde  heile  trefflich,  mache  ihm  fast  gar  keine  Schmerzen  u.  s.  w., 
nur  leide  er  an  Rheumatismus.  Vorgestern  ist  aber  zu  meiner  grossen 
Bestürzung  die  traurige  Nachricht  eingegangen,  dass  er  plötzlich  vom 
Schlage  gerührt,  an  der  einen  Seite  gelähmt,  sprachlos  ohne  Hoönung 
darnieder  liege. 

Den  Kometen  habe  ich  seit  dem  5.  März  nicht  wieder  gesehen, 
auch  der  Witterung  wegen  gar  nicht  wieder  aufsuchen  können. 


1)  Vergl.  hierzu  Brief  No.  205  u.  206,  Bd.  I  S.  387  u.  390  von  Gauss  an  Schu- 
MAiHER.  Diese  Briefe  hatte  Schcmachee  nebst  den  übrigen  Pasquich  betreffenden 
Sachen  Olbers  zur  Einsichtnahme  gesandt.  Olbers  schreibt  darüber  unter  dem  11.  März 
hiermit  fast  gleichlautend  an  Schumacher.     Krm. 

*)  Eine  Bemerkung  hierüber  findet  sich  in  Olbers'  letzten  Briefen  nicht.    Krm. 


Olbers.     II.  2.  19 


290  Olbers  an  Gauss.     Bremeu,  182-1  Miiiz  19. 


No.  496.  Olbers  an  Gauss.  [265 

Bremen,  1824  März  19. 

Abermals  schicke  ich  Ihnen  in  Schumacher's  Auftrag  Papiere,  die 
PASQuiCH'sche  Angelegenheit  betreffend.  Nachgerade  muss  man  wünschen, 
dass  die  Akten  endlich  geschlossen  werden  mögen. 

LiTTROw  übergeht  in  seiner  Erklärung  den  hauptsächlichsten,  ihn 
gravirenden  Umstand,  dass  er  nämlich  in  seinem  freilich,  luie  er  sagt, 
nicht  zum  Druck  bestimmten  Briefe  an  Zach  Kmeths  Rechnungen  voll- 
kommen hilligt  und  diesem  durchaus  Recht  giebt,  ivenn  der  unwissende 
Mann  dabei  die  Refraktion  gänzlich  vernachlässigt. 

Zweitens  stellt  er  die  Sache  so  dar,  als  ob  er  schon,  ehe  Kmeth 
selbst  in  der  ungarischen  Zeitschrift  öffentlich  auftrat,  die  Korrektionen 
des  Äequaforeals  aus  den  Beohb.  von  y  Pegasi  berechnet  und  das  Kmeth 
mitgetheilt  habe.  Wie  reimt  sich  dies  mit  Kmeth's  Benehmen  und 
LiTTROw's  viel  spätei-em  Briefe  an  Zach?  —  Wenn  er  wirklich  schon 
die  PASQuiCH'schen  Beobb.  richtig  berechnet  hatte  und  Kmeth  diese 
richtige  Rechnung  kannte,  wie  konnte  denn  Kmeth  noch  seine  irrige 
Rechnung  drucken  lassen  und  Littrow  sie  billigen?  Mich  dünkt,  wenn 
die  beiden  Ankläger  so  verfahren  konnten,  so  war  ihr  Benehmen  noch 
weit  verächtlicher,  als  ich  es  mir  vorher  gedacht  hatte. 

Was  Pasquich  betrifft,  so  sagt  er  eigentlich  nicht  ausdrücklich, 
dass  seine  Beobb.  am  Aequatoreal  auch  diesmal  bei  dem  Kometen  ab- 
solute Beobb.  waren,  sondern  dass  man  mit  dem  Instrument,  wenn  die 
Nonien  berichtigt  wären,  absolute  Beobb.  machen  könne.  Allerdings  hätte 
er  aber  ausdrücklich  hinzufügen  müssen,  dass  diesmal  die  Kometen- 
beobb.  nur  Bifferential-Beobh.  waren.  Entweder  schreibt  Pasquich  hier 
schlechtes  Deutsch,  oder  er  hat  sich  auch  absichtlich  so  jesuitisch  aus- 
gedrückt, dass  man  allenfalls  hier  absolute  Beobb.  bewundern  sollte. 

Littbow  würde  sich  weit  ehrenvoller  aus  dieser  schmutzigen  Sache 
gezogen  haben,  wenn  er  aufrichtig  gestanden  hätte,  er  habe  sich 
übereilt,  im  blinden  Vertrauen  auf  Kmeth  dessen  Rechnungen  ge- 
billigt, ohne  sie  gehörig  zu  prüfen,  und  so  die  darauf  gegründete  An- 
klage Pasquich's  für  wahr  gehalten,  die  er  nun  als  ungegründet  an- 
erkenne. 

Prof.  Gilbert's  Tod  in  Leipzig  ist  mir  sehr  nahe  gegangen.  Ich 
war  eben  im  Begriff,  diesem  um  die  Phj-sik  hochverdienten  Gelehrten 
zu  schreiben,  als  mir  die  Zeitungen  seinen  Tod  ankündigten. 

Am  11.  Mai  d.  J.  wird  in  Paris  die  nachgelassene  Bibliothek  von 
Delambbe   verkauft.     Dies    ist    wahrscheinlich   die    grösste    Sammlung 


Gaiisi?  an  Olbers.     [Göttingeu,  1824  März  18—20.]  291 

astronoinijJcluT  Bücher,  die  mau  je  gesehen  hat.  Ich  habe  wegen  des 
Kataloges  nach  Paris  schreiben  lassen.  Ob  ich  ihn  erhalten  werde,  weiss 
ich  aber  nicht.     Ich  möchte  ihn  sehr  gern  sehen. 


xo.  497.  Gauss  an  Olbcrs.'J  [232 

[Güttingen,  1824  März  18—20.]-) 

Sie  haben  sehr  Kecht,  dass  eine  baldige  sorgfältigere  Rekognos- 
ciriing  der  Gegenden,  durch  welche  eine  Verbindung  Bremens  mit  meinem 
Dreiecksystem  geführt  werden  kann,  sehr  wünschenswerth  ist.  Allein 
[Mi'LLKR  und  Hartmann]  können  erst  iiach  Ostern,  wenn  die  Lektionen 
der  Militärsciiule  beendigt  sind,  von  Hannover  abkommen.  Die  Möglich- 
keit, ein  brauchbares  Netz  auf  die  Seite  Wilsede  — Falkenberg  zu  stützen, 
ist  bisher  noch  ganz  unentschieden.  Es  sollte  dabei  keine  Dreieckseite, 
wenigstens  keine  Uebergangs- Seite  unter  20000  m  gross  sein.  Die  Linie 
von  Bullerberg  nach  dem  Everser  Berg  ist  aber  nur  15000  m  gross,  und 
der  Winkel  an  Wilsede  gar  zu  klein,  auch  ist  wahrscheinlich  auf  dem 
Bullerberg  Bremen  unsichtbar,  vielleicht  der  Everser  Berg  selbst  gleich- 
falls. Die  Linie  von  der  Höhe  bei  Hoperhoven  zum  Everser  Berg  ist 
aber  noch  bedeutend  kleiner,  nur  etwa  12000  m.  Auf  der  Brüttendorfer 
Höhe  ist  allerdings  Wilsede  sichtbar,  aber  vermuthlich  die  Aussicht 
zum  Elmhorst  und  zum  Everser  Berge  nicht  offen.  Es  wäre  leicht 
möglich,  dass  man  sich  in  diesem  verwünschten  Terrain  festfährt  und 
am  Ende  nicht  weiter  kann.  Ausser  einer  genauen  Besichtigung  der 
hierzu  gehörenden  Punkte  würden  daher  auch  besonders  die  weiter 
nördlicli  liegenden  Gegenden  zu  untersuchen  sein,  da  man  vielleicht 
mehr  Hoffnung  hat,  auf  die  Seite  Hamburg — Litberg  ein  brauchbares 
Netz  stützen  zu  können.  Höchst  wahrscheinlich  giebt  es  westlich  von 
Oldendorf  einen  Punkt,  der  sich  hier  anknüpfen  lässt  (man  sieht  von 
Hamburg  aus  einen  bedeutenden  sehr  entfernten  Eücken,  der  in  dieser 
Gegend  liegen  muss),  und  hieran  und  den  Litberg  Hesse  sich  vielleicht 
wieder  ein  Punkt  knüpfen,  der  vom  Litberg  aus  gesehen  ist  und  von 
Müller  durch  „hausähnlicher  Gegenstand"  bezeichnet  ist.  Dieser  Punkt 
liegt  vermuthlich  nördlich  von  Zeven,  oder  etwas  NW,  etwa  f  Stunden 
von  Zeven  entfernt.  Auch  unweit  der  Strasse  von  Bremervörde  nach 
Basbeck  soll  ein  bedeutender  Berg  liegen  nach  der  Versicherung  des 
Hrn.  Hofrath  Stbomeyer.  Dies,  theuerster  Olbers,  ist  ungefähr  alles, 
was  ich  zu  meinen  früheren  Fingerzeigen  hinzusetzen  kann,  und  es  muss 


^)  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krm. 
^)  Datum  fehlt,  folgt  aber  nahe  aus  dem  nächsten  Briefe  von  Olber.s.     Seh. 

19* 


292  Gauss  an  Olbers.    [Göttingen,  1824  März  18 — 20.] 

daher  der  Beurtheilung  des  Rekognoscirenden  selbst  das  meiste  über- 
lassen bleiben.  Auf  dem  Blocksberge  könnte  vielleicht  der  Litberg- 
sichtbar  gemacht  werden,  wenn  man  an  einem  dieser  Plätze  oder  an 
beiden  sich  entschlösse,  in  der  Luft  zu  beobachten,  Theodolith  und 
Heliotrop  auf  20  Fuss  hohe  Gerüste  zu  stellen;  auf  dem  Blocksberge 
ist  die  Spitze  des  noch   etwas  entfernteren  Apenser  Thurmes  sichtbar. 

Insofern  nun  der  Stadt  Bremen  daran  liegt,  dass  das  Dreiecksnetz, 
wenn  es  irgend  möglich  ist,  über  Bremen  geführt  werde,  so  würde  jene 
durch  eine  von  dort  ausgehende  baldige  Rekognoscirung  allerdings  am 
besten  dazu  vorbereiten  können.  Am  besten  wäre  es  freilich  wohl, 
wenn  Hr.  Senator  [Gildemeister]  diese  Rekognoscirung  ausführte.  Allein 
da  zweifelhaft  ist,  ob  dessen  Geschäfte  dies  so  bald  erlauben  würden, 
zumal  da  diese  ausgedehntere  Rekognoscirung  wohl  eine  etwas  längere 
Zeit  erfordern  würde,  als  die  im  vorigen  Sept.  angestellte,  und  schon 
Anfang  Apr.  günstiges  Wetter  und  Nichtbehinderung  durch  den  Moor- 
dampf zu  befürchten  ist,  so  halten  Sie  es,  unvorgreiflich,  vielleicht  für 
angemessen,  den  jungen  Klüvee  dazu  abzuschicken,  der  jetzt  noch  hier 
ist  und  zwar  sehr  wünscht,  von  Bremischer  Seite  als  Gehülfe  für  diesen 
Sommer  engagirt  zu  werden,  aber  doch  wohl  erst  eine  Probe- Arbeit 
machen  müsste.  Ich  hatte  sonst  allerdings  eine  andere  Person  dafür 
vorzuschlagen  im  Sinn,  die  ungemein  viel  Eifer  und  Geschicklichkeit 
gezeigt  hat  und  sich  sehr  glücklich  halten  würde,  gebraucht  zu  werden, 
nämlich  den  Konrektor  Köiilek  in  Ilfeld;  allein  ausserdem,  dass  Bremen 
doch  wohl  lieber  einen  Gehülfen  aus  eigener  Mitte  zu  stellen  wünschen 
wird,  ist  [es]  auch  zweifelhaft,  ob  gedachter  Köhler  für  den  ganzen 
Sommer  würde  Urlaub  erhalten  können.  Falls  Bremen  angemessen 
finden  sollte,  den  jungen  Klüver  versuchsweise  dorthin  zu  detachiren. 
würde  ich  vielleicht  auch  meinen  Sohn  zu  seiner  Begleitung  mitschicken 
können.  Ob  ich  selbst  aber  es  möglich  machen  und  augemessen  halten 
kann,  vor  dem  eigentlichen  Anfang  der  Messungen  in  die  Gegend  zu 
kommen  und  einige  der  Punkte  zu  besichtigen,  kann  ich  in  diesem 
Augenblicke  noch  nicht  sagen.  Genau  genommen  habe  ich  den  ganzen 
Antrag  noch  gar  nicht  acceptirt  und  kann  es  auch  nicht  wohl  thun. 
ehe  mehrere  die  bisherige  Administration  betretfende  Punkte  erledigt 
sind;  allein  wenn  ich  auch  nicht  erwarte,  dass  dadurch  der  Fall  ein- 
treten könnte,  dass  ich  das  ganze  Geschäft  von  mir  abwiese,  so  könnten 
doch  vielleicht  Weiterungen  dabei  entstehen,  die  den  wirklichen  Anfang 
etwas  verzögerten. 

Die  von  mir  abgefasste  Ehrenrettung  PAsguicu'sM  habe  ich  am 
3.  März  an  Schumacher  abgeschickt,    aber  noch  nichts  weiter  darüber 


0  A.  N.  Bd.  III  No.  äS,  Gai-ss'  Werke  Bd.  VI,  S.  634  tt".     Kriii. 


Olbeis  an  Gauss.     Brcnicn.  1821  März  23.  298 

j^ehört.  Eni-Jvk  sclirieb  mir,  in  Liutlia  sei  die  Nachricht  aiigekummeii, 
dass  Pasqüich  abgesetzt  sei.  Möchten  wir  doch  bald  erfahren,  dass 
dies  niclit  oreofründet  sei.  Nach  einem  mir  von  Schumacher  kommuni- 
cirten  Briefe  Bes?<el's  scheint  dieser  auch  von  Littrow's  Kenntnissen 
nicht  viel  zu  halten.  Ich  hatte  immer  geglaubt,  er  sei  ein  recht  guter 
Kopf,  gestehe  aber,  dass  ich  wenig  oder  nichts  von  dem.  was  er  ge- 
schrieben, mit  besonderer  Prüfung  gelesen  habe. 


Nu.  49b.  Olbers  an  Gauss.  [266 

Bremen,  1824  März  28. 

So  bald  ich  Ihren  letzten  gütigen  Brief  erhalten  hatte,  theilte  ich 
den  Inhalt  desselben  den  beiden  Kommissarien  des  Senats,  Gildemeister 
und  l>r.  Schumacher  mit.  Senator  Gildemeister  erklärte,  dass  er 
seiner  Geschäfte,  seiner  Gesundheit  und  seines  vorgerückten  Alters 
wegen  nicht  im  Stande  sei,  die  so  nöthige  Rekognoscirung  selbst  vor- 
zunehmen, auch  fehle  es  hier  an  den  schicklichen  Instrumenten,  dieser 
Kekognoscirung  die  erforderliche  Genauigkeit  zu  geben.  Die  Kom- 
missarien zeigten  keine  besondere  Vorliebe,  Hrn.  Klüver  bei  diesem 
Vermessungsgeschäft  angestellt  zu  sehen,  um  so  weniger,  da  Klüver 
auch  diesen  Sommer  bei  der  Vermessung  des  Gebiets  unserer  Stadt 
behufs  eines  künftigen  Katasters  beschäftigt  werden  könne,  und  es 
noch  ungewiss  scheine,  inwiefern  er  sich  tüchtig  erweisen  werde,  Ihnen 
als  Gehülfe  wesentliche  Dienste  leisten  zu  können.  Sie  hielten  es  also 
am  besten,  Ihnen,  mein  theuerster  Freund,  die  Auswahl  und  Anstellung 
des  von  der  Stadt  Bremen  zu  besoldenden  Gehülfen  völlif/  zu  überlassen, 
wenn  sie  gleich  voraussehen  könnten,  dass  ein  solcher  Gehülfe  mehr 
kosten  würde  als  ein  unmittelbar  von  Bremen  zu  stellender.  Nur 
glaubten  sie,  bei  dieser  Gelegenheit  erinnern  zu  müssen,  dass,  da  der 
Senat  für  sich  nur  über  sehr  beschränkte  Geldmittel  zu  disponiren  habe, 
und  es  nicht  thunlich  wäre,  diese  Angelegenheit  vor  die  ganze  stimm- 
fähige Bürgerschaft  zu  bringen,  der  die  Nützlichkeit  dieser  Dreiecks- 
Verbindung  für  die  Stadt  Bremen  schwerlich  einleuchtend  zu  machen 
sei,  sie  sehr  wünschten,  die  sämmtlichen  bremischerseits  aufzuwendenden 
Kosten  möchten  den  von  mir  angegebenen  Anschlag  von  5 — 600  Rthlr. 
nicht  bedeutend  übersteigen. 

Dieses  letztere  gewissermaassen  unter  uns.  Ich  gestehe,  dass  ich 
in  der  damals  dem  Senat  vorgelegten  Vorstellung  die  Verbindung  der 
Gradmessung  mit  den  KRATENHOFF'schen  Dreiecken  betreifend  die  von 
Bremen  nach  dem  Vorschlage  zu  übernehmenden  Kosten  nur  auf  etwa 


294  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1824  April  8. 

5  bis  600  Rthlr.  angeschlagen  habe,  in  der  vielleicht  sehr  irrigen  ]\I einung, 
dass  der  Theil  dieser  Verbindung,  an  welchem  Bremen  ex  pado  Antheil 
nehmen  muss,  in  etwa  3  Monaten  geendigt  werden  könne.  So  un- 
angenehm mir  nun  auch  jene  Erinnerung  von  Seiten  der  Kommissarien 
war,  so  haben  sie  doch  insofern  Recht,  als  ich  selbst  weiss,  dass  dem 
Senat  jährlich  nur  eine  sehr  massige  Summe  zu  eigener  Disposition  von 
der  Bürgerschaft  angewiesen  wird. 

Sie  werden  also,  mein  theuerster  Freund,  nun  ganz  nach  Ihrem 
Gutfinden  entweder  Hrn.  Konrektor  Kühler  oder  wen  Sie  sonst  dazu 
am  geeignetsten  halten,  auf  Ihnen  billig  scheinende  Bedingungen  als 
Gehülfen  anzunehmen  die  Güte  haben,  und  dann  beliebig  die  Rekog- 
noscirung  vornehmen  lassen.  Sollte  Ihr  lieber  Herr  Sohn  dieser  Re- 
kognoscirung  mit  vorstehen,  so  hoffe  ich,  dass  mein  lieber  junger  Freund 
sein  Hauptquartier  in  meinem  Hause  nehmen  wird. 

Sehr  erschreckt  hat  mich  die  Nacjiricht,  dass  Pasquich  abgesetzt 
sein  soll.  Dies  war  es,  was  ich  immer  befürchtete  und  weswegen  ich 
Schumacher  und  Encke  so  sehr  zur  Eile  antrieb.  Wii'  wollen  hoffen, 
dass  sich  diese  Nachricht  nicht  bestätigt  und  das  dum  deliheratur 
Borna,  periit  Saguntiim  nicht  auf  uns  anwenden  lasse.  Die  im  Auf- 
trage von  ScHUMACHEii  au  Sie  abgeschickten,  die  PASQuicH'sche  An- 
gelegenheit betreffenden  beiden  Papier-Packete  werden  Sie  richtig  er- 
halten haben. 

Bei  dem  ungemein  heiteren  Wetter  habe  ich  doch  noch  eine  Beob. 
des  letzten  Kometen  erhalten,  der  ich  freilich  wegen  der  grossen  Schwäche 
des  unbegrenzten  Nebels,  unter  dem  er  sich  darstellte,  keine  grosse 
Genauigkeit  zuschreiben  kann 

März  19.     12''0"'47'^     99°  33' 50"     +33°57'26"\) 

Ich  habe  keinen  Versuch  gemacht,  die  Beobb.  die  folgenden  Tage 
fortzusetzen.  Jüngere,  mit  noch  besseren  Werkzeugen,  als  mir  mein 
Dollond  darbietet,  bewaffnete  Augen  mögen  den  Kometen  noch  einige 
Tage  länger  haben  verfolgen  können. 


No.  499.  Gauss  an  ülbers.  [233 

Göttingen.  1S-J4  April  8. 

Nach  den  vertraulichen  Erläuterungen,  die  Sie  mir  über  das  Ver- 
hältniss  Ihres  Senats   gegeben   haben,   muss   ich   um   so   mehr   dessen 


')   Siehe    Olbkrs    Rd.  I    N'o,  92,    S.    393,    394,    wo   57-    Lei    der   Zeit    der    Beob 
steht.     Krin. 


Gauss  an  Olbers.     (lüttiiiffcn,  1S24  April  8.  295 

liberale  \\'issenscliaftsliebe  verehren,  Avomit  derselbe  die  bewiisste  An- 
gelegenheit unterstützt.  Indessen  trage  ich  nun  um  so  mehr  Bedenken, 
von  der  mir  eitheilten  Elrlanbniss,  einen  (lehülfen  zu  engagiren,  auch 
wenn  derselbe  giüsseren  Aufwand  erforderte,  als  ein  aus  Bremens  Mitte 
gestellter  machen  würde  —  so  dankbar  ich  diese  Erlaubniss  anerkenne  — 
schon  jetzt  ohne  weiteres  Gebrauch  zu  machen.  Denn  in  der  That  ist 
es  unter  jenen  l'mständen  nun  doppelt  meine  Pflicht,  mit  der  bewilligten 
Unterstützung  haushälterisch  umzugehen,  und  die  Möglichkeit  zu  ver- 
hüten, dass  diese  schon  erschöpft  sein  könnte,  noch  ehe  die  eigentlichen 
Messungen  die  Stadt  Bremen  selbst  erreicht  hätten.  Einer  solchen 
(lefalu'  würde  ich  mich  aber  (bei  der  noch  stattfindenden  Ungewissheit 
über  die  Schwierigkeiten  der  Triangulirung  von  Hamburg  oder  Wilsede) 
aussetzen,  wenn  ich  schon  jetzt  z.  B.  Hrn.  Köhler  engagiren  wollte, 
nicht  zu  gedenken,  1)  dass  die  Ungewissheit,  die  in  meinem  letzten 
Briefe  angedeutet  wurde,  noch  nicht  erledigt  ist,  und  2)  dass  ich  nicht 
weiss,  ob  er  sich  den  nöthigen  Urlaub  leicht  würde  verschaffen  können. 
Aus  allen  diesen  Eücksi eilten  möchte  ich  einen  jungen  (iehülfen  aus 
Bremen  insofern  vorziehen,  als  1)  derselbe  schon  an  sich  der  Stadt 
bedeutend  weniger  kosten  würde,  2)  ich  dann  nicht  gar  zu  ängstlich 
zu  sein  nöthig  hätte,  dass  derselbe  zu  früh  eingetreten,  und  3)  ein 
solcher  allenfalls,  w-enn  sich  die  Schwierigkeiten,  von  meiner  bisherigen 
Operationslinie  westlich  weiter  zu  kommen,  noch  grösser  und  zeitrauben- 
der zeigen  sollten,  als  ich  schon  jetzt  zu  fürchten  Ursache  habe,  erst 
noch,  leichter  als  ein  anderer  Gehülfe,  eine  Zeit  lang  zurücktreten 
könnte,  bis  die  Operationen  sich  Bremen  mehr  genähert  hätten.  Uebrigens 
könnte  auch  ein  Gehülfe  von  etwas  geringeren  Einsichten,  als  z.  B. 
Hr.  Köhler  zu  haben  scheint,  wenn  er  sonst  nur  Pünktlichkeit  und 
Anstelligkeit  hat,  doch  zur  Beförderung  des  Geschäfts  wesentlich 
nützlich  sein,  da  ich  noch  einen  Heliotrop,  den  4.,  bestellt  habe,  der 
bald  vollendet  sein  wird,  und  durch  gleichzeitige  Besetzung  von  4  Punkten, 
die  durch  Heliotroplicht  sichtbar  gemacht  w^erden  müssen  —  ein  Fall, 
der  vermuthlich  sehr  viel  zwischen  Wilsede  und  Bremen  vorkommen 
wird  —  die  eigentlichen  Messungsarbeiten  sehr  werden  beschleunigt 
werden  können.  In  der  That  sind  die  Aussicht  auf  eine  solche  Unter- 
stützung und  der  Wunsch,  die  Stadt  Bremen  selbst  mit  in  das  Triangel- 
system zu  ziehen,  die  Beweggründe,  die  mich  allein  antreiben  konnten, 
den  Kampf  mit  den  grossen  Schwierigkeiten  auf  diesem  Wege  zu  unter- 
nehmen, welche  Schwierigkeiten  auf  einem  südlicheren  Wege  über  den 
Köterberg  und  das  Osnabrücksche  nach  Bentheim  allem  Anschein  nach 
sehr  viel  geringer  gewiesen  sein  würden.  Wie  viel  die  Hoffnung,  bei 
der  Wahl  des  ersten  Weges  eine  Zeit  lang  in  Ihrer  Nähe,  theuerster 
Olbers,  zu  leben,  mir  persönlich  denselben  angenehmer  macht,  brauche 


296  Olbers  an  Gauss.     [Bremen,  1824  April  8 — 10.] 

ich  Ihnen  nicht  zu  sagen,  allein  ich  weiss  kaum,  ob  es  recht  wäre, 
dieselbe  mit  auf  die  Wagschale  gelegt  zu  haben. 

Es  ist  gut,  dass  ich  im  vorigen  Jahre  den  Inselsberg  und  ver- 
mittelst der  übrigen  hessischen  Messungen  auch  taliter  quaUt&r  die 
bajTischen  und  darmstädtischen  angeschlossen  habe;  denn  ich  erfahre 
zu  meiner  Verwunderung,  dass  die  hessischen  Messungen  für  dieses 
Jahr  ganz  eingestellt  sind,  der  Grund  ist  mir  unbekannt. 

So  bald  ich  in  dem  Fall  bin,  mich  zur  üebemahme  der  Verbinduugs- 
messungen  bestimmt  erklären  zu  können,  werde  ich  es  Ihnen  sogleich 
anzeigen.  Alle  Papiere  in  Bezug  auf  die  Administration  von  1821 — 1823 
habe  ich  bereits  vor  3  Wochen  eingesandt. 

Die  mir  gütigst  übersandten  Fascikel  Pasqüich  betreffend  habe  ich 
zu  ihrer  Zeit  an  Encke  abgeschickt.  Ich  wünschte,  dass  Schumachee 
Pasquich's  eigene  Defensionschrift  ad  acta  legte.  Seine  Berichtigungs- 
methoden des  Aequatoreals  sind  zwar  meistens  weit  besser  als  die  von 
Santini,  allein  die  Berechnung  der  Beobb.  macht  P.vsquich  wenig  Ehre: 
es  ist  ganz  unvernünftig,  zugleich  Dekl.  und  Stundenwinkel  mit  Kor- 
rektionen zu  belegen,  die  beide  dem  Sinus  des  Stunden  winkeis  pro- 
jfortional  sind. 

Ich  bin  neugierig,  wie  Zach  sich  bei  der  Sache  benehmen  wird. 
Doch  vielleicht  werde  ich  dies  so  bald  nicht  erfahren,  wenn  derselbe 
seine  bisherige  Höflichkeit,  mii-  sein  Journal  zu  schicken,  künftig  ein- 
stellen sollte,  da  ich  mich  wenig  geneigt  fühle,  solches  künftig  durch 
den  Buchhandel  zu  beziehen. 

In  einem  Punkte  hat  doch  Schumachee  dem  Kmeth  Unrecht  gethan, 
indem  er  ihm  Taubheit  gegen  seinen  eigenen  guten  Rath  vorwirft.  In 
der  That,  wenn  man  das  Datum  vergleicht,  so  sieht  man,  dass  Schu- 
machee's  Rath  zu  spät  kam  etwas  zu  verhüten,  was  damals  schon  ge- 
schehen war. 


No.  500.  Olbers  an  Gauss.  [26? 

[Bremen,  1824  April  8—10.]^) 

Abermals  schicke  icli  Ihnen  im  Auftrag  von  Schumachee  einen 
Brief  von  Pasqüich  zur  weitei'en  Beförderung  an  Encke  und  durch 
diesen  an  Bessel.  Es  geht  daraus  hervor,  dass  Pasqüich  selbst  seine 
Entlassung  von  der  Direktion  der  Sternwarte  wünscht,  und  dass  die 
Kabale   nur   zu    verhindern   sucht,    dass    nicht   der  von  Pasqüich  vor- 


^)  DiT  liier  oiwäbutc  Brief  Pasqüich's  ist  von  StHiMAriiKii  Apr.  6  an  Olbkks 
libersandt  worden.  AI.'«  Datum  ist  demnach  das  obige  anzusetzen.  Brief  No.  499 
und  r>00  haben  .sich  offenbar  gekreuzt,  was  nach  No.  501  auch  wahrscheinlich  ist.    Seh. 


Olbers  an  Gauss.     Bremen.  1S24  Ainil  '20.  297 

gesclilagene  Italiener  (ob  Carlini?  oder  wer  sonst?),  sondern  ein  von 
ihr  begünstifjfter  Innlünder  sein  Nachfolger  werde.  —  Bessel^),  der  sonst 
so  rnhige  I^ksskl,  drückt  sicli  in  seinem  letzten  Briefe  an  mich  sehr 
bitter  über  J.itteow,  als  Mensch  und  Astronom  betrachtet,  aus. 

\'on  LiNDENAU  habe  ich,  bei  Gelegenheit  dass  er  mir  den  liebens- 
würdigen Prof.  UcKKRT  empfiehlt,  endlich  mal  wieder  einen  sehr  freund- 
schaftlichen Brief  erhalten,  aus  dem  ich  Ihnen  folgende  Stelle  abschreibe, 
wenn  sie  gleich  wahrscheinlich  nichts  enthält,  als  Avas  Sie  schon  besser 
wissen.  „Sonderbarer  Weise  ist  unseres  Gauss'  Anstellung  in  Berlin-) 
noch  immer  unbestimmt  geblieben.  Die  Differenz  der  angebotenen  und 
geforderten  pekuniären  Bedingungen  war  die  nächste  \'eranlassung,  dass 
die  Unterhandlungen  ins  Stocken  kamen;  2000  Rthlr.  wurden  zu- 
gestanden, während  Gauss  2500  ßthlr.  nebst  freier  Wohnung  in  An- 
spruch nahm.  Zu  einer  anderen  Zeit  würde  dies  w^ohl  kein  Hinderniss 
gewesen  sein;  allein  jetzt,  wo  eben  von  Deckung  eines  derben  Deficits 
die  Bede  w^ar,  trug  der  Minister  denn  doch  Bedenken,  eine  neue  ausser- 
etatsmässige  Ausgabe  in  Antrag  zu  bringen.  Doch  hoffe  ich,  dass  sich 
die  Sache  doch  noch  machen  soll,  da  Gauss  in  Berlin  gewiss  mehr  an 
seinem  Platz  als  in  Göttingen  sein  würde." 

Ihr  Hofrath  Sartokius  ist  jetzt  hier,  das  bremische  Archiv  zu  der 
neuen  Ausgabe  seiner  Geschichte  der  Hansa  zu  benutzen.  Ich  habe 
vorgestern  mit  ihm  zu  Mittag  gespeist,  und  er  sagte  mir,  nach  Ihren 
Aeusserungen  habe  er  sich  Hoffnung  gemacht,  Sie  schon  hier  zu  finden. 

Der  Katalog  von  Delambre's  nachgelassener  Bibliothek  ist  mir 
zugekommen.  Die  mathematische  und  astronomische  Büchersammlung 
ist  in  der  That  sehr  reich;  doch  fehlt  manches,  was  ich  gewiss  in  un- 
erwartet hatte.  —  Der  D'wphant  mit  Fermat's  Anmerkungen  ist  zwei- 
mal vorhanden. 


No.  501.  Olbers  an  Gauss.  [268 

Bremen,  1824  April  25. 
Recht   vielen   innigen  Dank  für  Ihren  letzten  gütigen  Brief.     Ich 
erwarte    nun   von  Ihnen    fernere   bestimmte  Nachrichten   und  Befehle, 
was  von  hier  aus  w^eiter  für  die  Angelegenheit  geschehen  soll. 


*)  Brief  von  1824,  März  25,  No.  3U9  im  Briefwechsel  Olbers-Bkssej..     Krm. 

^)  In  dem  Briefe  Lindenau's  v.  24.  März  1824  heisst  es:  „Auch  meinen  dama- 
ligen Reisegefährten   Gauss  habe  ich  seit  Jahren  nicht  gesehen;   sonderbarer  Weise 

ist  seine,  auf  Ihre  Veranlassung  eingeleitete  Anstellung  in  Berlin als  in 

Göttingen  sein  würde,  wo  er  und  H[arding]  sich  leider  das  Leben  gegenseitig  ver- 
bittern." Vergl.  hierzu  auch  Anmerk.  3  auf  S.  81.  Bessel  hatte  im  Brief  No.  142 
(1823  Dec.  11)  zuletzt  Gauss  Mittheilung  über  die  Berufung  nach  Berlin  zukommen 
lassen.     Krm. 


298  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1824  Mai  3. 

Einliegend  noch  ein  Brief  von  Littrow,  den  Schumacher  uns. 
also  auch  Encke  und  Bessel,  nach  dem  Wunsch  des  Briefstellers  mit- 
theilen zu  müssen  glaubt.  Schumacher  will  das  süssliche  Winseln  in 
diesem  Briefe  durchaus  nicht  gefallen;  er  wird  ihm  aber  doch  so  freund- 
lich, wie  er  kann,  antworten. 

Schumacher^)  schreibt  mir  noch:  ..Bald  hätte  ich  vergessen,  Ihnen 
zu  melden,  dass  der  Board  of  Longitude  meinen  Vorschlag  genehmigt 
hat.  in  diesem  Jahre  statt  eines  Punktes  an  der  spanischen  Küste, 
wie  man  vorhatte,  Helgoland's  Länge  von  Greenwich  mit  25 — 30  Chrono- 
metern zu  bestimmen.  Die  Admiralität  giebt  ein  Dampfboot  dazu  her, 
und  Dr.  Tiarcks  soll  sie  begleiten.  Dr.  Young  bittet  um  meine  Mitwirkung 
auf  Helgoland,  ich  kann  aber  nicht  vor  Ende  Juni  da  sein  (Schumacher 
geht  nämlich  am  30.  dieses  nach  Kopenhagen),  und  ich  glaube,  sie 
wollen  schon  im  Mai  die  Reise  machen.  Wenn  ich  kann,  will  ich  gerne 
hingehen,  und  habe  auf  den  Fall  jede  mögliche  Mit\wkung  angeboten. 
Helgoland  ist  einer  von  meinen,  und  ich  hoffe  auch  von  Gauss'  Dreiecks- 
punkten." 

Vielleicht  bestimmt  Sie,  theuerster  Gauss,  diese  englische  Unter- 
nehmung, Ihre  künftige  Verbindung  mit  den  KfiAYENHOFF'schen  Drei- 
ecken noch  mehr  nordwärts  zu  suchen,  als  Sie  bisher  Willens  waren. 
Der  Umweg  ist  freilich  grösser,  aber  die  Verbindung  sonst  höchst 
walirscheinlich  ohne  alle  die  Schwierigkeiten,  die  der  Weg  über  Bremen 
sonst  darzubieten  schien.  Bremen,  Oldenburg,  Jever  u.  s.  w.  liegen  in 
schon  gemessener  Dreiecks-Verbindung  mit  Helgoland. 

Um  die  Gelegenheit  nicht  zu  versäumen,  die  mir  der  Ueberbringer 
dieser  Zeilen  —  der  Sohn  meines  Kollegen  und  Freundes,  des  Dr. 
d'Oleike  darbietet,  kann  ich  diesmal  nichts  hinzufügen. 


No.  502.  Gauss  an  Olbers.  [234 

Göttingen,  1824  Mai  3. 

Ich  beeile  mich,  Ihnen  anzuzeigen,  dass  ich  die  Absicht  habe, 
CJöttingen  nun  mit  nächstem  zu  verlassen,  um  die  Messungsarbeiten 
wieder  anzufangen. 

In  meinem  letzten  Briefe  habe  ich  die  Gründe  angezeigt,  die  es 
mir  bedenklich  machten,  den  Konrektor  Köhler  als  GehüUen  für  die 
Stadt  Bremen  zu  engagiren,  wenn  gleich  die  Kommission  auf  eine  so 
liberale  Art  mir  solches  frei  gestellt  hatte.  In  Beziehung  auf  den  jungen 


')  Vergl.  hierzu  Brief  No.  494  und  die  darauf  bezügliche  Anmerkung.     Krni. 


Gauss  an  Olbers.     Göttingeu,  1824  Mai  3.  299 

KlCvku  würden  diese  Kiicksichteii  "sveg-falleu  oder  minder  erlieblich  sein, 
und  ich  gebe  es  daluT  Ihnen  anheini,  ob  die  Kommission  geneigt  sein 
wird,  mir  in  diesem  Sommer  diesen  juufren  Mann  beizusreben.  Er  hat 
sich  hier  bereits  in  Behandhing  des  Heliotrops  etwas  geübt  und  wird, 
wenn  es  die  ^^'itterung  heute  oder  morgen  erlaubt,  sich  auch  noch 
etwas  in  telegraphischen  Zeichen  (geben  und  lesen)  versuchen;  dann 
aber  ist  seine  Absicht,  sogleich  nach  Bremen  zurückzureisen,  w'o  er 
dann  sein  l'rtlieil  bei  Ihnen  erfahren  wird.  Es  würde  mir  lieb  sein, 
wenn  im  Falle  der  Bewilligung  alle  pekuniären  Stipulationen  bremischer- 
seits  selbst  mit  ihm  ohne  meine  Intervention  abgemacht  würden. 

Dass  alle  solche  Kosten,  ^Yie  etwa  Errichtung  von  Postamenten, 
Pfählen,  Gerüsten  u.  dgl,  insofern  solche  bei  ihm  vorkämen,  von  mir 
erstattet  werden  würden,  versteht  sich  übrigens  schon  von  selbst;  wie 
es  aber  mit  den  Transportkosten  für  seine  Person  zu  halten  wäre, 
würde  erst  noch  festgesetzt  werden  müssen,  da  ich,  im  Fall  ich  die- 
selben auf  meine  Rechnung  zu  übernehmen  hätte,  erst  die  Genehmigung 
des  Kgl,  K[abinets]-Ministeriums  darüber  einholen  könnte,  ^^'as  bre- 
mischerseits  an  Diäten  ihm  bewilligt  werden  wird,  würde  die  Kom- 
mission selbst  bestimmen.  Da  die  Stadt  Bremen  schwerer  Geld  hat, 
sollte  ich  glauben,  dass  er  mit  i  Louisd'or  per  Tag  wohl  zufrieden  sein 
könnte.  Ich  habe  übrigens  über  diesen  Gegenstand  gar  nicht  mit  ihm 
gesprochen. 

Im  Fall  nun  obiger  Vorschlag  den  Beifall  der  Kommission  hat. 
bitte  ich,  mich  baldmöglichst  zu  benachrichtigen,  damit  ich  diese  Ant- 
wort noch  hier  erhalten  könnte.  Da  ich  in  diesem  Augenblick  noch 
gar  keinen  bestimmten  Plan  für  die  ersten  Operationen  machen  kann, 
sondern  darüber  erst  mit  dem  Hauptmann  Müller  mündliche  Rück- 
sprache nehmen  muss,  so  würde  ich  demnächst,  so  bald  dies  geschehen, 
von  Hannover  aus  Ihnen  anzeigen,  nach  welchem  Punkte  der  p.  Klüvek 
sich  zuerst  zu  verfügen  haben  wird. 

Das  eine  Zeit  lang  anlialtende  schöne  Wetter  hat  mich  zu  Beobb. 
des  Nordsterns  in  beiden  Kulminationen  und  sowohl  direkt  als  im 
V  ^)  Horizont  angereizt.  Diese  Beobb.  sind  schon  ziemlich  zahlreich. 
Gestern  stand  das  Resultat  so 

Polhöhe  aus  der  oberen  Kulmination  51»31'47",812,  Gewicht  30,1  Beob. 
„  „      „  unteren  „  51  31  47,465,  „        27,4     „ 

Polhöhe       51°31'47",638,  Gewicht  57,4  Beob. 

Korrektion  der  Dekl.  in  Seh.  H.  T.  =  —  0",173  Gewicht  dito. 
Diese  Messungen  sind  aber  alle  in  einer  Lage  des  Kreises  gemacht. 


^)  Das  Zeichen  für  Wasser.     Krm. 


300  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1824  Mai  6. 

und  involviren  daher  (ausser  den  Theilungsfehlem)  nocli  den  Einfluss 
von  y,  wenn  man  annimmt,  dass  die  Korrektion  der  Zenithdist.  z  wegen 
der  Flexion  die  Form  hat 

x^Vi\z-\-y  cos  z 

Inzwischen  kann  der  Natur  der  Sache  nach  dieses  y.  wenn  über- 
haupt etwas,  doch  nur  eine  sehr  kleine  Grösse  sein.  Sie  zu  eliminiren. 
habe  ich  den  Kreis  gestern  umgelegt;  es  ist  nun  aber  schlechtes  Wetter 
eingetreten.  —  Wie  die  Resultate  einzeln  harmoniren,  zeigt  folgendes 
Tableau: 

Polhöhe  aus  der  oberen  Kulmination: 

51°31'47",265  Gewicht  2,66 
47,925  6,86 

47,765  6,86 

47,688  6,86 

48,173  6.8G 


April 

20. 

21. 

27. 

28. 

Mai 

1. 

April 

21. 

25. 

29. 

Mai 

1. 

Korrektion  wegen  des  Standes 
des  Wassergrefässes  — 0".021 


Aus  der  unteren  Kulmination: 

5r31'47",185  6,86^ 

47,335  6,86 

47,942  6,86 

47,494  6.86 


Korrektion  wegen  des  Standes 
des  Wassergefässes  —  0",024 


Nach  den  Principien  meiner  Tlieor'ia  Comhinatioms  Errorum  fände 
sich  der  mittl.  Fehler  einer  Beob.  hieraus  ^0",764,  und  der  mittl. 
Fehler  der  Polhöhe  (die  Theilungsfehler  und  das  y  noch  bei  Seite  ge- 
setzt) =  0",101 

oder  wahrscheinlicher  Fehler  =  0",068 

Inzwischen  sind  diese  Beobb.  zur  Ausmittlung  des  mittl.  Fehleis 
einer  Beob.  noch  nicht  zahlreich  genug.  Zur  Prüfung  der  Theilung 
habe  ich  einen  Apparat  anfertigen  lassen,  den  ich  nun  aber  vor  nächstem 
Herbst  nicht  werde  brauchen  können. 


No.  503.  Olbers  an  Gauss.  [269 

Bremen,  1824  Mai  6. 

Ihren  gestern  erhaltenen  gütigen  Brief  vom  3.  Mai  eile  ich  sogleich 
zu  beantworten.  Natürlich  sind  die  von  Ihnen  getroffenen  Einrichtungen 
der  Kommission  durchaus  genehm;  sie  wird  den  jungen  Klüver  en- 
gagiren,  und  er  wird  sogleich  nach  Ihrem  Befehl  dahin  geschickt  werden, 
wohin  Sie  ihn  beordern.     Sie   wird  solche  "S'erabredungren   mit  Klüveu 


Ulbers  ;m  Gauss.     Bremen,  1824  Mai  6.  301 

treffen,  dass  die  Transportkosten  seiner  Person  niclit  auf  Ilire  Rechnung 
kommen,  sondern  bremischerseits  bestritten  werden. 

Walirsclu'inlich  liatten  Sie  bei  Abfassung  Ilires  Briefes  die  Zeilen 
noch  nicht  erhalten,  mit  denen  ich  einen  von  Schumacher  zur  weiteren 
Spedirung  geschickten  Brief  Littrow's  begleitete,  da  Sie  des  Ihnen 
gemeldeten  Vorhabens  von  England  aus  die  Längen-Differenz  zwischen 
Greenwich  und  Helgoland,  wahrsclieinlich  noch  in  diesem  Monat  durch 
ein  I  )ampfschiff  mit  vielen  Chronometern  an  Bord  bestimmen  zu  lassen, 
gar  nicht  erwähnen.  Mir  thut  es  sehr  leid,  dass  Schumacher  nicht 
selbst  in  Helgoland  sein  kann,  da  es  hier  so  sehr  auf  die  genaueste 
Zeitbestimmung  an  diesem  Orte  ankommt;  hoffentlich  wird  er  einige 
von  seinen  geschickten  Gehülfen  hinschicken.  Da  es  auch  Ihnen  inter- 
essant sein  muss,  auf  diese  Art  Ihre  Triangel  dem  Längen-Unterschiede 
nach  mit  Greenwich  verbunden  zu  sehen,  so  bin  ich  wirklich  noch 
nicht  ganz  gewiss,  ob  dieser  Umstand  nicht  einige  Veränderungen  in 
den  Plänen,  die  Verbindung  mit  Krayenhoff's  Dreiecken  zu  bewirken, 
liervorbringen  wird.  Indessen  kr)nnen  Sie  sich  freilich  auf  ScnuMACHER's 
Messungen  so  vollkommen  verlassen,  dass  es  unnötig  sein  wird,  Helgo- 
land unmittelbar  zu  einem  Ihrer  Dreieckspunkte  zu  machen. 

Ihre  neuen  Beobb.  über  die  Göttinger  Polhöhe  waren  mir  sehr 
interessant.  Es  scheint  also  an  Ihrer  mir  zuletzt  gemeldeten  Polhöhe 
nur  sehr  wenig  mehr  zu  ändern.  Bessel')  schrieb  mir  neulich,  Ihre 
gemeinschaftlichen  Beobb.  derselben  Sterne  geben  den  Unterschied  Ihrer 
beiderseitigen  Polhöhen  3°  11' 4",  19.  Der  Unterschied  der  bestimmten 
absoluten  Polhöhen  54"  42'  50",4  —  51°  31'  47",64  giebt  3«  11'  2",76. 
Es  bliebe  also  nur  noch  eine  Differenz  von  1",43  zwischen  beiden  Pol- 
höhen und  beide  Bestimmungs-Methoden  zu  vertheilen.  Sollte  man  sich 
wohl  viel  näher  kommen  können? 

Endlich  habe  ich  in  einem  englischen  Journal  eine  Nachricht  über 
die  Methode  gefunden,  wodurch  der  Graf  d'Assas  Montdardier^)  die 
Parallaxe  einiger  Fixsterne  zu  bestimmen  gesucht  hat,  nnd  worauf  mich 
der  vortheilhafte  Bericht,  den  die  Kommissarien  (Delambre,  Dr.  Rössel 
und  Biot)  damals  sowohl  der  Akademie,  als  dem  Board  de  Long.^)  ab- 
gestattet haben  sollten,  so  neugierig  machte.  Assas  befestigt  auf  einem 
Berge  einen  aus  eisernen  Stäben  verfertigten  gleichschenkligen  Triangel, 
dessen  Höhe  zur  Basis  sich  wie  1:15  verhält,  und  beobachtet  nun  im 
Meridian  nordwärts,  6—700  Yards  davon  entfernt,  mit  einem  Fernrohr 
die  An-  und  Austritte    des  Sterns  aus  den  beiden  Schenkeln  des  Drei- 


')  Brief  No.  309  von  1824  März  25  im  Briefwechsel  Olbees-Bessel.     Krin. 
■)  Siehe  Brief  Xo.  449  und  die  Anmerkung  3  auf  S.  187.     Krm. 
^)  Bureau  des  Longihcdes.     Krm. 


3Q2  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1824  Mai  6. 

ecks,  von  dem  die  Basis  senkrecht  auf  der  Ebene  der  Mittagslinie  liegt. 
Es  ist  klar,  dass,  wenn  die  Höhe  des  Sterns  sich  um  eine  Bogensekunde 
ändert,  die  Dauer  der  Okkultation  sich  um  mehr  als  eine  Zeitsekunde 
ändern  werde.  Ueber  Präcession,  Aberration,  Refraktion  etc.  muss 
gehörig  Rechnung  getragen  werden.  Das  Schlimmste  ist  die  Refraktion, 
da  der  Graf  nur  niedrige  Sterne  beobachten  kann;  doch  ist  es  ihm 
geglückt,  noch  Sterne,  die  mehr  als  SO*'  hoch  kulminiren,  beobachten 
zu  können.  Die  Kommissarien  geben  ihm  das  Zeugniss,  dass  er  alle 
Schwierigkeiten  seiner  Methode  wohl  gekannt  und  gehörig  erwogen  habe. 
Er  hat  an  mehr  als  100  Sternen  über  4000  Beobb.  gemacht.  Das 
merkwürdigste  Resultat  liefert  40  d  Eridani^).  Assas  kannte  die  eigene 
Bewegung  dieses  Sterns  niclit;  allein  für  jeden  von  ihm  beobachteten 
Stern  leitet  er  die  ihm  gehörige  eigene  Bewegung  aus  seiner  Beob.  ab.  Zu 
seiner  Verwunderung  fand  er  die  eigene  Bewegung  des  Sterns  in  Dekl.  3",9 
die  Parallaxe  nahe  2".  Auch  für  Sieius  und  Rigel  hat  er  eine  merk- 
liche, aber  kleinere  Parallaxe  gefunden.  —  Diese  Nachricht  muss  freilich 
jede  zu  grosse  Erwartung  von  der  ]\Iethode  des  Grafen  niederschlagen: 
ich  wünschte  aber  doch,  dass  die  Beobb.  vollständig  gedruckt  würden. 
In  Sternwarten,  die  dem  Aequator  nahe  liegen,  wo  zugleich  Witterung 
und  Refi'aktion  wenig  veiänderlich  sind,  möchte  sich  diese  Methode  noch 
mit  grösserer  Hoffnung  von  Erfolg  anwenden  lassen.  Bei  hellen  Sternen 
kann  die  Objektiv-Oeifnung  des  Fernrohrs  nur  klein,  nur  von  wenigen 
Linien  genommen  werden,  und  dann  braucht  man  den  Triangel  nicht  so 
gar  weit  vom  Objektiv  zu  entfernen,  um  doch  die  Ein-  und  Austritte 
scharf  und  augenblicklich  zu  sehen.  Auch  schlägt  schon  der  Graf  vor. 
statt  eines  Triangels  5 — 6  zu  nehmen,  um  so  die  Beob.  der  Unterschiede 
in  der  Dauer  der  Okkupationen  um  so  sicherer  zu  bestimmen. 

Haben  Sie  eine  nähere  Nachricht  von  Dollond's  neuem  Instrument, 
mit  dem  man  zugleich  die  direkte  und  vom  V  oder  9  Horizont-)  zurück- 
gespiegelte Höhe  eines  Sterns  beobachten,  und,  wenn  man  will,  jedesmal 
32  Ablesungen  machen  kann?  —  Der  Wetteifer  zwischen  den  Astro- 
nomen und  Künstlern,  die  Beobb.  immer  genauer  zu  machen,  hat  doch 
sehr  was  P>freuliches. 

Von  Hannover  aus  erwarte  ich  Ihre  ferneren  Nachrichten  und  Be- 
fehle, mein  geliebter  Freund.  Vielleicht  können  Sie  mir  dann  schon 
einigermaassen  sagen,  wann  ich  Sie  hier  zu  sehen  Hoffnung  haben  werde. 
Je  eher,  je  öfter,  je  länger  Sie  mir  diese  grosse  Freude  gewähren 
können  und  gewähren  wollen,  um  so  lieber  würde  es  mir  sein. 


*)  Muss  heisscu  40  o-  Eriduni,  vorii-l.  auch  S.  lb'2.     Krm. 
*)  Wasser-  oder  Quecksilber-Horizont.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Hannover,   1824  Mai  18.  303 


No.  :.o4.  Gauss  an  Olbers.  [235 

Hannover,  1824  Mai  18. 

In  Folge  der  mir  von  Ihnen  gegebenen  Erlaubniss  benachrichtige 
ich  Sie,  dass  ich  im  Begriff  bin,  die  Messungsarbeiten  anzufangen.  Ich 
reise  noch  lieute  zum  Falkenberge  ab,  und  ersuche  Sie,  den  jungen 
Klüver  nach  Visselhövede  gehen  zu  lassen,  wo  er  von  dem  Hauptmann 
Müller  die  Instruktion  für  die  ersten  Arbeiten  erhalten  wird.  Vielleicht 
wird  der  Hauptmann  Müller  seinen  Aufenthalt  nicht  in  Visselhövede, 
sondern  in  Hiddingen  näher  beim  A  platz  und  etwa  4  Stunde  von  Vissel- 
liövede  entfernt  nehmen,  welches  Hr.  Klüver  leicht  im  Posthause  in 
Visselhövede  erfahren  wird.  Wenn  Hr.  Klüver  seine  Eeise  sofort 
antreten  kann,  so  findet  er  Hauptm.  Müller  gewiss  noch  dort;  sollte 
aber  des  ersteren  Abreise  sich  verzögern,  und  Müller  die  Geschäfte  in 
Visselhövede  schneller  absolviren,  als  sich  vermuthen  lässt,  so  wird  doch 
Hr.  Klüver  den  Hrn.  Baumann  dort  finden  und  von  ilim  Müller's 
schriftliche  Anweisung  erhalten. 

Zuerst  geht  mein  Bestreben  dahin,  mich  nach  Bremen  zu  vorwärts 
zu  arbeiten.  Während  dem  wird  dann  auch  gesucht  werden,  das  weiter 
nördlicher  liegende  Land  kennen  zu  lernen,  um  die  Dreiecke  bis  zum 
;Meere  ausdehnen  zu  können.  Wenn  man  erst  bis  zum  Meere  selbst 
gekommen  ist,  würde  der  Anschluss  von  Helgoland  keine  Schwierigkeit 
haben.  Wenn  Schumacher  Helgoland  einen  seiner  Dreieckspunkte 
nennt,  so  heisst  dies  vermuthlich  bis  jetzt  nur  so  viel,  dass  er  die  Ab- 
sicht hat,  ihn  künftig  dazu  zu  machen,  denn  so  viel  ich  weiss,  ist  noch 
gar  kein  bestimmtes  Netz  projektirt. 

Mit  Sorge  und  Unruhe  habe  ich  wegen  des  Gesundheitszustandes 
meiner  Frau  Göttingen  verlassen.  AVie  glücklich  wäre  ich  gewesen, 
wenn  ich  Ihr  ärztliches  Gutachten,  mein  theuerster  Freund,  und  Ihren 
Rath  hätte  erhalten  können.  Wie  gern  wäre  ich  vor  dem  Anfang  der 
Messungen  mit  ihr  auf  einige  Tage  erst  nach  Bremen  gekommen;  aber 
leider  war  sie  zu  schwach,  um  bei  der  noch  immer  rauhen  AVitterung 
die  Reise  wagen  zu  können.  Der  Arzt  wünscht,  dass  sie  das  Emser 
Bad  besucht,  wenn  nur  ihre  Kräfte  es  erlauben. 

Meine  erste  Adresse  würde  sein  Bergen  bei  Celle.  Sind  indessen 
Umstände  und  AVitterung  günstig,  so  wird  mein  Aufenthalt  daselbst 
nur  von  kurzer  Dauer  sein  und  meine  nächste  Adresse  Visselhövede  p.  r. 


304  Gauss  an  Olbers.     Hiddingeu  bei  Visselhövede.  1824  Mai  28. 


xo.  505.  Gauss  an  Olbers.  [236 

Hiddingen  bei  Visselhövede,  1824  Mai  28. 

Seit  vier  Tagen  bin  ich  schon  auf  dem  zweiten  Standpunkt  dieses 
Jahres,  da  ich  das,  was  mir  auf  dem  ersten,  dem  Falkenberg,  zu  thun 
noch  übrig  war  unter  Begünstigung  des  Wetters  schnell  habe  abmachen 
können.  Hier  scheint  es  desto  langsamer  gehen  zu  wollen;  das  Wetter 
an  sich  mag  gut  genug  sein,  allein  der  verwünschte  Moordamyf,  welcher 
gleich  nach  meiner  Ankunft  hier  angefangen  hat,  hindert  alle  Aussicht : 
nur  gestern  (vielleicht  wegen  des  Festtages)  habe  ich  einige  Messungen 
des  Winkels  zwischen  Falkenberg  und  Wilsede  machen  können. 

Der  hiesige  Platz  ist  der  einzige  gewesen,  wo  der  Falkenberg  und 
Wilsede  zugleich  sichtbar  gemacht  werden  konnten.  Er  liegt  am  süd- 
lichen Rande  eines  hochstämmigen  aber  nicht  sehr  tiefen  Gehölzes,  des 
Elmhorstes;  das  Terrain  senkt  sich  nach  allen  Seiten,  aber  nur  wenig. 
Alle  Aussichten,  die  zum  Falkenberge  ausgenommen,  müssen  daher  durch 
Durchhaue  gewonnen  werden,  und  diese  erfordern  schon  eine  genaue 
Kenntniss  der  Richtung.  Mein  Wunsch  ist,  den  Litherg  mit  diesem 
Platz  zu  verbinden,  wodurch  mein  ganzes  System  einen  neuen  Schluss- 
stein bekommen  würde.  Die  Richtung  hatte  ich  Müllek  schon  mit 
vieler  Genauigkeit  geben  können;  allein  nachdem  er  in  derselben  den 
Elmhorst  hatte  durchhauen  lassen,  zeigte  sich  eine  dicke  Baumgruppe 
in  der  Entfernung  von  3  Meilen,  die  den  Litberg  verdecken  musste. 
Müller  hatte  eben  von  hier  abfahren  wollen,  um  diese  Baumgruppe 
aufzusuchen,  als  (d.  24.  ]\rorgens)  Hr.  Klüver  hier  ankam,  den  er  so- 
gleich auf  diese  Expedition  mitnahm,  und  der  sich  dabei  durch  seine 
Geschicklichkeit  im  Klettern  und  sein  scharfes  Auge  recht  nützlich 
gemacht  hat.  Es  gelang,  die  Bäume  ausfindig  zu  machen,  bei  Valden. 
die  am  2(3.  gefällt  sind,  nachdem  meine  eigene  am  24.  Abends  gemachte 
vorläufige  Winkelmessung  die  Richtung,  in  welcher  der  Litberg  liegen 
muss,  erst  noch  schärfer  bestimmt  hatte.  Ob  nun  aber  die  Wegräumung 
dieses  Hindernisses  zureichen  wird,  lässt  sich  erst  bei  günstiger  Luft 
beurtheilen,  gestern  war  kaum  die  Valdener  Stelle  selbst  im  Nebel  zu 
erkennen.  Soweit  ich  aber  die  Depression,  unter  der  der  Litberg  hier 
erscheinen  muss,  bis  jetzt  berechnen  kann,  scheint  es,  dass  das  Terrain 
von  Valden  selbst  nahe  in  der  nämlichen  Depression  erscheint,  und 
also  Litberg,  wenn  überhaupt,  nur  bei  günstigen  Refraktionsverhältnissen 
erscheinen  kann.  Müller  ist  am  26.  sogleich  von  ^'alden  nach  Litberg 
gegangen,  wo  er  einen  Heliotrop  etabliren  wird,  und  KlCver  ist  zum 
Bullerberge,  Brüttendorf,  Zeven  etc.  abgegangen,  um  nachher  mit  Müller 


Gauss  au  Ulbers.     Hiddiniron  Itei  Visselhövede.  1S24  Mai  2s.  .JO,') 

diese  Gefrend  rist  noch  weiter  zu  iiiiteisuclieii.  Mli.lku  iiiilt  es  nicht 
für  uiniiri^flicli.  dass  der  Litbery-  mit  dem  Brüttendorfer  Felde  ver- 
mittelst Diirt'lihaues  verbunden  werden  könnte;  allein  dazu  wird  erst 
die  P^stlegun?  eines  Platzes  auf  dem  Brüttendorfer  Felde  selbst  nöthig- 
sein,  und  dahin  werde  ich  mir  den  Weg  wohl  über  den  Bullerberg 
bahnen  müssen;  ausser  dem  Litberge  (wenn  dies  möglich  ist)  werdeich 
daher  auch  noch  den  Bullerbeig  mit  dem  Elmhorst  zu  verbinden  haben, 
welches  auch  erst  einen  Durchhau  und  dann  erst  manche  \'orbereitungen 
erfordert.  Ich  werde  daher,  selbst  unter  günstigen  Wetterverhältnissen, 
wenigstens  noch  8  Tage  hier  zu  thun  haben,  vielleicht  aber  viel  länger, 
wenn  der  verwünschte  Moorbrand  nicht  bald  nachlässt.  Ein  Brief  von 
Ihnen,  theuerster  Olbers,  p.  r.  nach  \'isselhövede  adressirt,  wird  mich 
also,  wenn  Sie  mich  damit  erfreuen  Avollen,  noch  gewiss  treffen.  Ich 
bin  seit  meiner  Abreise  von  Göttingen  von  alle^i  Nachrichten  abge- 
schnitten, selbst  der  unparteiische  Korrespondent  kommt  mir  nicht  mehr 
zu  Gesicht.  Vor  meiner  Abreise  schrieb  mir  Encke  noch,  dass  Zach 
und  Kmeth  in  dem  letzten  Stücke  der  Correspondance  Astronomique 
noch  einmal  aufgetreten  wären. 

Was  Sie,  theuerster  Olbees,  vor  einiger  Zeit  aus  L[indenau's] 
Briefe  mir  über  die  B[erliner]  Angelegenheit^)  schrieben,  kann  ich  mit 
dem  Hergange  der  Sache  nicht  ganz  reimen.  Als  ich  Ende  182P)  die 
erwähnten  Jkdingungen  einschickte,  scheinen  diese  allerdings  Schwierig- 
keiten gemacht  zu  haben;  allein  als  Anfang  1823^)  die  Unterhandlung 
wieder  angeknüpft  A\urde,  ist  von  einem  Unterschiede  zwischen  geforderten 
und  angebotenen  Bedingungen  gar  keine  Eede  gewesen,  sondern  ich 
wurde  bloss  befragt,  ob  ich  noch  zum  Eintritt  in  die  A[kademie]  geneigt 
sei,  und  wurde  zugleich  versichert,  dass  man  gar  nicht  zweifle,  dass 
der  K[önig]  die  gemachten  Bedingungen  genehmigen  werde.  Scheute 
sich  also  Hr.  v.  A[ltenstein],  diese  dem  König  vorzulegen,  warum 
knüpfte  er  dann  überhaupt  die  Unterhandlungen  wieder  an. 

Vor  meiner  Abreise  von  Göttingen  habe  ich  auch  in  der  anderen 
Lage  des  Mer. -Kreises  noch  ein  paar  Kulminationen  des  Nordsternes 
beobachtet,  die  Polhöhe  wird  damit  sehr  nahe  auf  51"  31'48",00  kommen. 
Zur  Prüfimg  der  Theilungen  habe  ich  Vorkehrungen  getrotten. 


*)  Brief  No.  500  von  Oi>bers.     Seh. 

'^)  Vergl.  Brief  No.  434 — 436  und  die  Anmerk.  auf  S.  144.    Krni. 

^)  Vergl.  Brief  No.  474  und  478  und  die  liezügiichen  Anmerkungen.     Krui. 


Olbers.    II,  2.  20 


306  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1824  Mai  30. 

No.  506.  Olbers  an  Gauss.  [270 

Bremen,  1824  Mai  30. 

So  eben  erhalte  ich  Ihren  lieben  Brief  von  Hidding-en,  Mai  28. 
und  ich  eile.  Ihnen  wenigstens  mit  ein  paar  Worten  dafür  meinen  herz- 
lichsten Dank  abzustatten.  Möchten  Sie  doch  bald  alle  die  verwünschten 
Schwierigkeiten,  die  sich  der  Verbindung'  Ihrer  Dreiecke  mit  Bremen 
widersetzen,  glücklich  besiegen  und  uns  so  nahe  kommen,  dass  Sie  in 
Bremen  Ihr  Hauptquartier  nehmen  können! 

Gewiss  hätten  Sie  schon  einige  Zeilen  von  mir  zu  Visselhövede 
vorgefunden,  wenn  ich  Ihnen  irgend  etwas  zu  schreiben  gehabt  hätte. 
Aber  es  ist  in  der  literarischen  Welt  weder  am  Himmel  noch  auf  der 
Erde  irgend  etwas  vorgefallen,  das  Sie  interessiren  könnte.  Nur  aus 
England  habe  ich  die  Nachricht,  dass  die  nach  Helgoland  vorzunehmende 
Expedition  längst  zugerüstet  sei,  dass  man  aber  die  Unternehmung  nicht 
eher  ausführen  wolle,  bis  Schumacher  zurück  ist  und  mitwirken  kann. 
Dr.  TiARKs  erwartet  diese  Eückkunft  mit  Ungeduld.  Er  wird  etwa 
36  Chronometer  an  Bord  seines  Dampfschiffes  haben.  Es  muss  wahrlich 
eine  langweilige  und  mühsame  Beschäftigung  sein,  so  viele  Chronometer 
täglich  aufzuziehen,  in  Ordnung  zu  halten,  zu  bewahren  und  unter 
einander  zu  vergleichen.  —  Auf  seiner  vorjährigen  Expedition  wurde 
ihm,  wie  ich  höre,  zu  seinem  grossen  Verdrusse  einer  von  den  ihm  an- 
vertrauten Chronometern  gestohlen. 

Von  Prof.  Schumacher  habe  ich  seit  seiner  Abreise  nach  Kopen- 
hagen noch  nichts  gehört.  Damals  äusserte  er,  in  den  ersten  Tagen 
des  Juni  gewiss  zurückkommen  zu  wollen. 

Von  EüMKER  ist  seit  sehr  langer  Zeit  nichts  eingegangen. 

Mit  innigem  Bedauern  und  schmerzhafter  Theilnahme  ersehe  ich  aus 
Ihrem  vorletzten  Briefe,  dass  Ihre  theure,  auch  von  mir  so  hoch  ver- 
ehrte herrliche  Frau  noch  immer  so  schwach  und  krank  ist.  Möchte 
doch  das  Emser  Bad  eine  gründliche  Heilung  bewirken.  —  Ich  hoffe, 
die  Frau  Hofräthin  werde  sich  dort  schon  ein  Logis  gesichert  haben? 
Denn  es  hält  in  der  guten  Jahreszeit  ungemein  schwer,  in  Ems  bei  dem 
beschränkten  Lokal  und  der  unverhältnissmässigen  Frequenz  von  Brunnen- 
gästen ein  bequemes  und  gesundes  Unterkommen  zu  finden,  wenn  man 
es  nicht  vorher  bestellt  hat.  Noch  vorgestern  ist  auch  eine  sehr  liebens- 
würdige Freundin  von  mir,  die  Frau  Eltermannin  Delius  nach  Ems. 
leider  auch  sehr  leidend,  abgereist,  der  ich  gern  das  Glück  und  die 
Freude  gönnen  möchte,  mit  Ihrer  Frau  (lemahlin  zugleich  in  Ems 
zu  sein. 


Gauss  an  Olbers.     Hiddinyt-n.  1824  Juni  5.  307 

Das,  was  ich  Ihnen  aus  L[iNDENAr's]  Briefe  über  B[erlin]  mittheilte, 
weiss  auch  ich  mir  nidit  anders  zu  erklären,  als  dass  vielleicht  L[ini)enau] 
von  den  letzten  Wrhandlungen  niclit  gehörig  unterrichtet  war.  Ver- 
zeihen Sie  mir  aber,  lieber  Gat'ss.  wenn  ich  unberufener  Weise  diese 
«xelegenheit  nicht  vorbeigehen  lassen  konnte,  unseren  L[indenaüJ  dringend 
aufzufordern,  doch  allen  ihm  möglichen  Einfluss  anzuwenden,  damit  diese 
Angelegenheit  endlich  zum  gewünschten  Ziele  gelangt. 

Von  Ihrer  gewohnten  Güte,  mein  theuerster  Freund,  hoffe  ich  nun 
recht  oft  von  dem  Fortgange  der  Rekognoscirung  und  Messung  eine 
wenn  auch  uui- kurze  Nachricht  zu  erhalten.  Möge  Ihnen  der  Himmel  recht 
günstig  sein  und  Ihnen  Gesundheit  und  Heiterkeit  in  jeder  Bedeutung 
verleihen. 


xo.  .-^07.  Gauss  an  Olbers.  [237 

Hiddingen,  1824  Juni  5. 

Die  Eekognoscirungen,  welche  MC^llek  und  Klüver  angestellt 
haben,  sind  leider  noch  fast  ganz  fruchtlos  gewesen.  Um  sich  von  der 
Art  der  Schwierigkeiten  einen  Begriff  zu  machen,  lege  ich  Ihnen 
Müller's  Bericht^)  im  Original  bei,  siib  voto  remissionis.  Das  darin 
erwähnte  Projekt,  Brüttendorf  mit  Elmhorst  zu  verbinden,  habe  ich 
nicht  gut  heissen  können.  Das  Brüttendorfer  Feld  säumt  hier  erst  so 
sehr  spät  und  so  sehr  wenig  herüber,  dass  ich  hier  vielleicht  ein  paar 
Monate  verweilen  müsste,  ehe  es  gelänge,  Brüttendorf  gehörig  einzu- 
schneiden, und  für  die  IJückvisirung  wäre  gar  keine  Möglichkeit,  w^eil 
die  Sonne  hier  am  Elmhorst  schon  11  Stunde  vor  Sonnenuntergang 
hinter  den  Wald  tritt,  wenn  man  nicht  hier  erst  ein  hohes  Gerüst 
für  den  Heliotrop  selbst  bauen  wollte.  Ich  habe  daher  den  Buller- 
berg erst  noch  als  Zwischenpunkt  angenommen,  der  mit  Brütten- 
dorf, Wilsede  und  Elmhorst  sich  verbindet;  der  Durchhau  dahin  ist 
gestern  fertig  geworden,  unter  Leitung  meines  Sohnes,  und  schon  gestern 
habe  ich  eine  ziemliche  Anzahl  Schnitte  auf  den  BuUerberger  Heliotrop 
gemacht.  Bleibt  das  Wetter  so  günstig,  so  werde  ich  morgen  hier 
fertig  und  gehe  dann  zum  Bullerberg  selbst  ab.  Vermuthlich  nehme 
ich  mein  Quartier  in  Rotenburg,  falls  nicht  vielleicht  in  der  Schesseler 
Mühle  ein  Unterkommen  zu  finden  ist.  Die  Verbindung  des  Elmhorst 
mit  Litberg  ist  geglückt,  obwohl  das  Licht  auch  hier  erst  spät  herüber- 
kommt.  Die  Rückvisirung  wird  wTgen  des  obigen  Grundes  schwieriger 


^)  Den  Bericht  hat  Olbers  offenbar  bald  wieder  zurückgesandt.     Er  ist  bei  den 
Orig-inalbriefeu  nicht  mehr  vorhanden.     Knn. 

20* 


808 


Gauss  an  Olbers.     Hiddingen.  1824  Juni  ö. 


sein  und  vermuthlich  besser  in  einer  Jahreszeit,  wo  die  Tage  kürzer 
sind,  denn  die  stärkere  Refraktion  richtet  sich  niclit  sowohl  nach  der 
astronomischen  als  nach  der  italienischen  Uhr,  d.  i.  sie  fängt  jetzt  etwa 
um  5.^  Uhr,  aber  bei  kürzeren  Tagen  immer  früher,  etwa  2i  oder  3  Stunden 
vor  O  Untergang  an.  Neulich  blieb  das  Licht  vom  Litberg  her  über 
eine  Stunde  lang  gleichsam  im  Kampf  mit  den  noch  stehen  gebliebenen 
kleineren  Valdener  Bäumen,  und  ich  wagte  keine  Beob.  Denn  immer 
ist  das  Licht  in  solchen  Fällen  kein  scharfer  Punkt,  sondern  gleichsam 
eine  Art  Scheibe,  der  dann  an  einer  Seite  (die  Bäume  steigen  schräg 
auf)  etwas  fehlt,  so  dass  man  eine  falsche  Yisirung  erhält.  Später 
hebt  es  sich  höher,  so  dass  es  wohl  auf  20"  manchmal  noch  mehr  frei 
wird.  Ueber  die  weggehauenen  Eichen,  deren  ich  in  meinem  letzten 
Briefe  erwähnte,  wäre  das  Licht  niemals  herüber  gekommen.  Da  der 
Litberg  von  Hamburg  schon  geschnitten  ist  und  mit  AMlsede  frei  zu 
verbinden  ist,  so  erhalte  ich  dadurch  einen  ganz  neuen  Uebergaug  nach 
Hamburg  auf  der  Westseite,  so  dass  gewissermaassen  Hauselberg,  Wulf- 
sode, limpenberg,  Nindorf  und  Lüneburg  durch  die  2  Punkte  Elmhorst 
und  Litberg  remplacirt  werden  können.  Aber  diese  Verbindung  auf- 
zufinden, wäre  ganz  unmöglich  gewesen,  wenn  nicht  ein  ganz  scharfer 
Uebergang  auf  der  anderen  Seite  schon  vorher  gemacht  gewesen  wäre. 
Mit  Eversen  wird  sich  der  Bullerberg  schwerlich  verbinden  lassen ; 
MtJLLER  meint  aber,  dass  einige  Hoffnung  da  sei,  die  Verbindung 
Eversen — Brüttendorf  möglich  zu  machen.  Sollte  sich  dies  bestätigen. 
so  Avird  Bremen  bald  und  ziemlicli  gut  angeschlossen  werden  können. 
Lässt  sich  dann  auch  die  A'erbindung  Brüttendorf — Litberg  noch  mög- 
lich machen,  so  bieten  3  Seiten 

BaTJiburg 


Litbery 


Bremen —Brüttendorf 
Bremen — Eversen 
Brütteudorf — Litberg 


Bremen 


hV/sede 


Eversen 


FiMenbert} 


FiiT.  18. 


Chancen  zum  weiteren  Fortschreiten  dar,  obwohl,  wie  Sie  aus  ^ICllek's 
Briefe  sehen,  in  NW  vom  Litberg  aus  nicht  viel  zu  hoffen  steht. 

Bei    meinem    öfter    wechselnden,    zuweilen    nur    kurzen    und   nie 
längere  Zeit   vorauszusehenden  Aufenthalt    wird    mir   der  Briefwechsel 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1824  Juni  8.  300 

mit  Güttinjjren  selir  ersclnvert.  Erst  nächsten  Mittwoch  /..  15.  würde  icli 
meine  Frau  avertiren  können,  (hi  ich  es  gestern  noch  nicht  wusste,  dass 
mein  nächster  l^hitz  Ixotenbinti-  ist.  und  wahrscheinlicli  würde  icli  dann, 
wenn  ein  Urief  von  Liöttinjt^en  dahin  käme,  längst  nicht  mehr  dort  sein. 
Da  ich  hei  dci-  grösseren  Nähe  bei  Bremen  Sie,  mein  theuerster  Freund, 
jetzt  immer  frülier  und  leichter  in  Kenntniss  meines  Aufenthalts  setzen 
kann,  so  eilauben  ^^ie  wohl,  dass  zuweilen  ein  Biief  von  Göttingen  nach 
Bremen  geschickt  wird,  den  Sie  dann  immer  so  lange  dort  behalten, 
bis  Sie  meinen  Aufenthalt  bestimmt  wissen.  Ihr  nächster  Brief  trifft 
mich  bestimmt  noch  in  Kotenburg  p.  r.  Leider  fängt  die  nun  nach- 
gerade eintretende  Hitze  auch  wieder  an,  ihre  gewohnte  Wirkung  auf 
meine  Gesundheit  zu  äussern,  so  oft  ich  nicht  umhin  kann,  mich  dabei 
körperlicher  Anstrengung  auszusetzen.  Ich  fürchte  mich  in-  dieser  Be- 
ziehung besonders  vor  dem  Platz  »ersen,  wo  ich  nach  allen  Erkundi- 
gungen noch  gar  keine  Möglichkeit  sehe,  in  der  Nähe  ein  Unterkommen 
zu  finden.  Bruttendorf  werde  ich  wohl  von  Zeven  aus  abmachen,  wo 
im  Posthause  immer  Fuhre  zu  haben  sein  wird.  Ebenso  schwierig 
wird  es  demnächst  mit  Litberg  sein.  Der  nächste  Ort  Sauersiek  ist 
ein  elendes  Dorf,  wo  mich  gewiss  schon  der  Aufenthalt  von  24  Stunden 
krank  machen  würde. 


No.  ^.08.  Olbers  an  Gauss.  [271 

Bremen,  1824  Juni  8. 

Ihren  Brief  von  Hiddingen,  d.  5.  Juni,  habe  ich  vorgestern  richtig 
erhalten.  Er  traf  mich  krank  an;  eine  heftige  Hämorrhoidal-Kolik 
schien  eine  Leber-Entzündung  zu  drohen.  Glücklich  ist  alles  wieder 
beseitigt,  und  ich  befinde  mich,  etwas  Mattigkeit  abgerechnet,  nach 
meiner  Art  hergestellt. 

Innigst  bedauere  ich  die  vielen  Schwierigkeiten,  die  das  Terrain 
und  der  Moordampf  Ihren  Operationen  entgegensetzt,  noch  mehr  die 
Leiden  und  Beschwerden,  die  Ihnen  die  Hitze  und  die  schlechten  Quar- 
tiere verursachen.  —  Da  Sie  uns  jetzt  so  nahe  sind,  so  bitte  ich  recht 
sehr,  lieber  Gauss,  mir  doch  anzuzeigen,  ob  ich  Ihnen  nicht  von  hiei' 
Wein  oder  andere  Erquickungen  schicken  kann.  Dass  Sie  über  alles, 
was  mein  Haus  oder  mein  Keller  vermag,  unbeschränkt  disponiren 
können,  versteht  sich  von  selbst.  Sie  dürfen  nur  befehlen,  was  und 
wohin  ich  es  mit  der  Post  schicken  soll. 

Senator  Gildemeister  ist  heute  nach  Mecklenburg  zu  seinem  Sohn 
gereist  und  hofft,  Sie  vielleicht  in  Rotenburg  selbst  zu  finden. 

Im  2.  Stück  des  X.  Bandes  der  Corr.  astr.,  das  Sie  vielleicht  noch 
nicht   gesehen  haben,    steht  ein  Brief  von  Kmeth  vom  13-  Febr.,    also 


OjIq  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1824  Juni  8. 

geschrieben,  wie  Kmeth  die  die  PASQUicn'sche  Angelegenheit  betreffende 
Nummer  der  A.  N.  noch  nicht  gesehen  liaben  konnte.  Kmeth  sucht 
darin  sich  zu  rechtfertigen;  aber  er  verrückt  ganz  den  wahren  Streit- 
punkt. Immer  möglich,  dass  Pasquich  nachlässig  ist,  und  immer  wahr, 
dass  das  Aequatoreal  nicht  so  weit  berichtigt  war,  wie  es  wohl  hätte 
sein  können  und  auch  sein  sollen;  aber  dies  berechtigt  nicht  zur  An- 
klage wegen  absichtlichen  Betruges. 

Dasselbe  Stück  enthält  in  einem  anonymen  M.  U.  A.  d.  1.  G.  ge- 
zeichneten Briefe  eine  Stelle,  die  Sie  gewissermaassen  angeht.  Der 
ziemlich  in  Zach's  Manier  schwadronirende  seichte  Briefsteller  sagt 
p.  164:  „Les  points  trigonometriques  entre  Hambourg  et  Celle  sont 
„tres-mal  choisis,  quoiqu'il  faille  convenir,  que  ce  terrain  est  tres-chicaneur. 
,,0n  aurait  du  eriger  des  tours  d'observation  de  80  ä  100  pieds  de 
„hauteur,  comme  on  eux  a  construit  sur  l'Ettersberg  pres  Weimar.  Selon 
„mon  avis  la  triangulation  du  general  Krayenhoff  me  semble  sous  tous 
„les  rapports  la  plus  parfaite  etc."  Zach  hat  diesem  Satz  keine  Note 
beigefügt.  —  Uebrigens  zeigt  auch  dieses  Stück,  mit  welcher  unbegreif- 
lichen Nachlässigkeit  Zach  sein  Journal  redigirt.  Einen  im  Apr.  1821  . 
zu  Buenos- Aires  gesehenen  Kometen^)  hält  er  für  neu;  da  man  doch 
gleich  sieht,  dass  die  angeblichen  Beobb.  nichts  anderes  als  grobe  und 
fehlerhafte  Schätzungen  des  Ortes  desjenigen  Kometen  sind,  der  zu 
derselben  Zeit  sehr  genau  in  Valparaiso  beobachtet  wurde,  und  den  wir 
Europäer  vor  seinem  Perihel  vom  21.  Jan.  bis  7.  März  sahen.  Schweizer 
Jäger  liaben  nach  Horneh's  Bericht  ^)  am  1.  Dec.  1823  einen  sehr  glän- 
zenden Kometen  Abends  um  7  Uhr  im  Nordwesten  gesehen.  Diesen 
erklärt  Zach  ohne  Bedenken  für  identisch  mit  dem,-)  den  wir  diesen 
AVinter  beobachtet  haben,  der  doch  damals  im  Südwesten  tief  unterm 
Horizont  stehen  musste;  den  der  Sonne  zugekehrten  Schweif  unseres 
Winter-Kometen^)  hält  er  für  nichts  Ausserordentliches,  denn  es  sei 
gar  kein  Grund  vorhanden,  warum  der  Schweif  von  der  Sonne  abgekehi-t 
sein  müsse,  auch  lehre  die  Kometengeschichte,  dass  jede  Richtung  des 
Schweifs  möglich  sei  u.  s.  w,  —  Wahrlich  man  kann  das  abgeschmackte 
Zeug,  mit  vornehmer  Miene  und  affektirter  Gelehrsamkeit  vorgetragen, 
nicht  ohne  Widerwillen  lesen. 

Was  von  Göttingen  aus  an  mich  für  Sie  adressirt  wird,  werde  ich 
mit  dem  grössten  Vergnügen  sogleich  an  Sie  besorgen.  Leben  Sie  wohl, 
mein  theuerster,  mein  geliebtester  Freund !  Schonen  Sie  Ihre  (Gesundheit! 


')   Komet   1821    nach   seiner  Sonnenuälie    im    Aiuil    in    N'aljiaiai.^o    wieder    beob- 
aelitet.     Vergl.  hierzu  Olbers  Bd.  I,  S.  644.     Krm. 
-)  Komet  1823.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Rotenltur<r,  1824  Juni   10.  311 


No.  509.  Gauss  an  Olbers.  [238 

Rotenburg.  1824  Juni   10. 

Mit  Bedauern  sehe  ich  aus  Ihrem  Briefe,  dass  Sie  unpässlich  ge- 
wesen sind,  und  freue  micli  herzlicli  über  Ihre  Herstellung.  Auch  mit 
meinem  Befinden  bin  ich  besonders  in  den  letzten  Tagen  nicht  zufrieden 
gewesen.  Seit  vorigem  Sonntag  bin  ich  bereits  hier  und  besuche  von 
hier  aus  täglich  den  Bullerberg,  der  sich  mit  Elmhorst  und  Wilsede 
zu  einem  guten  Dreieck  verbindet.  Der  hiesige  Winkel  ist  nun  auch 
gemessen,  und  mein  Sohn,  der  vom  Elmhorst  bisher  Licht  hersandte, 
hat  heute  telegr.  Ordre  erhalten,  hierher  zu  kommen.  Mit  dem  weiteren 
Fortkommen  sieht  es  aber  betrübt  aus.  Zwar  ist  sowohl  der  Everser 
Berg  als  Brüttendorf-Feld  mit  Bullerberg  zu  verbinden,  und  beide  Plätze 
sowohl  mit  Wilsede  als  Bremen,  jedoch  mit  der  Modifikation,  dass  bis- 
her noch  nicht  hat  ausgemittelt  werden  können,  ob  auf  dem  Brütten- 
dorfer  Felde  Bremen  und  Wilsede  an  einer  Stelle  gesellen  werden 
können;  und  ebenso  ist  unentschieden,  ob  Eversen  und  Brüttendorf  sich 
verbinden  lassen,  das  letztere  ist  mir  sogar  nicht  einmal  wahrscheinlich. 
Leider  setzt  der  jetzige  Moorraucli  der  Entscheidung  dieser  Fragen  fast 
unübersteigliche  Hindernisse  entgegen.  Ausserdem  scheint  der  Platz 
bei  Brüttendorf,  der  in  W  bis  X  mit  Wald  umgeben  ist,  nicht  viel 
Hofi'nung  zu  geben,  dass  an  diesem  Punkt  ein  anderer  mit  Bremen  zu 
einem  Dreieck  sich  vereinigen  lasse.  Vielleicht  lässt  sich  ein  anderer 
Platz  für  Brüttendorf  substituiren,  das  Steinfeld,  etwas  w^eiter  SW  von 
Brüttendorf,  so  wie  auch  statt  Eversen  vielleicht  ein  weiter  SW  liegender 
Punkt,  der  Steinberg,  sich  substituiren  Hesse;  aber  wie  sollen  bei  dem 
]\Ioordampf  diese  Fragen  entschieden  werden,  die  sonst  in  ein  paar 
guten  Tagen  leicht  ins  Klare  gesetzt  werden  können"?  Findet  der 
Moordampf  kein  Ziel,  so  werden  sich  die  Arbeiten  ungeheuer  in  die 
Länge  ziehen,  wenn  sie  nicht  am  Ende  gar  aufgegeben  werden  müssen. 
Dass  es  möglich  wäre,  ihm  ein  Ziel  zu  setzen,  ist  wohl  gewiss.  Wie 
ich  vernehme,  hält  man  ziemlich  allgemein  das  Moorbrennen  in  mancher 
landwirthschaftlichen  Rücksicht  für  nachtheilig.  Das  Amt  Rotenburg 
hat  sogar  ein  Verbot  erlassen,  es  über  den  l.  Juni  auszudehnen;  allein 
da  in  den  benachbarten  Aemtern  fortgebrannt  wird,  so  geniesst  man 
hier  keine  wohlthätigen  Folgen,  da  der  Wind  doch  immer  den  Rauch 
herüber  treibt.  Dem  Vernehmen  nach  soll  in  Ostfriesland  ein  ähnliches 
Verbot  stattgefunden  haben.  Ich  habe  daher  gedacht,  ob  es  nicht 
möglich  wäre,  in  allen  Aemtern  ähnliche  Verbote  zu  erwirken.  Mich 
nach  Hannover  zu  wenden,  würde  wohl  wenig  helfen;  man  ist  dort,  wie 


312  Gauss  au  Olbers.     Eotenburg,  1824  Juni  10. 

Sie  wissen,  in  Ergreifung  energischer  Maassregeln  langsam;  es  würde 
lange  hin  und  her  berichtet  werden,  und  am  Ende  doch  wohl  nichts 
herauskommen  oder  erst,  wenn  der  Sommer  fast  vorbei  wäre.  Ich  gehe 
daher  mit  dem  Gedanken  um,  mich  an  die  Landdrostei  in  Stade  zu 
wenden;  vielleicht  legt  die  Rücksicht  auf  meine  Arbeiten  zu  den  land- 
wirthschaftlichen  Rücksichten  noch  ein  kleines  Gewicht.  Vielleicht 
könnten  Sie,  theuerster  Olbeks,  auch  sehr  dazu  beitragen,  wenn  Sie 
die  Ansicht  theilen,  dass  der  Moorqualm  auch  in  ärztlicher  Rücksicht 
sehr  nachtheilig  sei,  eine  Meinung,  die  ich  in  einem  kleinen  vor  einigen 
Jahren  von  einem  Arzt  in  Lingen  herausgegebenen  Buche  über  den 
Moordampf  gefunden  habe.  Wenn  es  nicht  unbescheiden  wäre,  wenn 
ich  als  Laie  in  Ihre  Wissenschaft  pfuschen  wollte,  so  möchte  ich  sogar 
den  Umstand  Ihnen  mit  anführen,  dass  meine  Frau  mir  schrieb,  es  sei 
in  Göttingen  mehrere  Tage  starker  Herauch  gewesen,  wobei  sie  ihre 
Brustbeschwerden  sehr  vergrössert  gefühlt  habe.  Dies  waren  aber 
gerade  die  Tage,  wo  der  Nordwind  den  Moordarapf  über  Hiddingen 
südlich  jagte,  und  ich  zweifle  gar  nicht,  dass  der  angebliche  Herauch 
nichts  anders  als  der  verdammte  Moorqualm  gewesen  ist  (auch  in 
Hannover  hatte  man  Herauch  (?)  gehabt).  Nach  meiner  einfältigen 
Ansicht  kann  ja  für  eine  schwache  Brust  das  Einathmen  von  den 
Moorpartikehi  unmöglich  heilsam  sein.  Sollten  Sie  nun,  theuerster 
Olbers,  auch  diese  Ansicht  haben,  die  ich  hier  bei  vielen  Personen 
finde,  und  mir  erlauben,  ein  kleines  Gutachten  von  Ihnen  meiner  Vor- 
stellung beizulegen,  oder  auch  nur  Hiren  Brief  ostensibel  einrichten  und 
der  Sache  darin  mit  einigen  kräftigen  Worten  erwähnen,  so  kann  ich 
kaum  Zweifel  hegen,  dass  die  Landdrostei  diesen  Rücksichten  noch  viel 
mehr  Gewicht  beilegen  würde  als  den  landwirthschaftlichen,  die  vielleicht 
noch  etwas  problematischer  sind,  und  den  trigonometrischen,  von  denen 
ich  nicht  weiss,  ob  dieselben  ein  sonderliches  Interesse  erregen  würden. 
Viele  Tausende  von  Menschen  wüi-den  Ihnen  den  Erfolg  danken.  Hrn. 
Senator  Gildemeister  habe  ich  die  Freude  gehabt,  hier  auf  eine  halbe 
Stunde  zu  sehen. 

Für  Ihre  gütigen  Anerbietungen  danke  ich  verbindlichst.  Sollte 
ein  zu  langer  Aufenthalt  in  diesen  Gegenden  meinen  kleinen  Flaschen- 
keller erschöpfen,  so  würde  ich  unbescheiden  genug  sein,  Sie  um  Ihre 
gütige  Vermittlung  zu  einer  Nachhülfe  von  einigen  Spirituosen  zu  bitten. 
Im  Augenblick  bin  ich  noch  von  Göttingen  her  versehen. 

Sie  haben  Recht,  theuerster  Olbers,  dass  es  schwer  ist,  Zach's 
mit  ebenso  viel  Impudenz  als  Unwissenheit  gepaarte  Arroganz  ohne 
Indignation  und  Ekel  zu  lesen.  Macheu  Sie  es,  wie  ich  es  fortan 
machen  werde,  und  lesen  seine  Scharteken  gar  nicht.  Belehrung  haben 
sie  schon  seit  langem  nicht  gegeben,  und  eine  Autwort  verdienen  sie  nicht. 


Olbers  an  Gauss.     Hremeii,  1824  Juni  15.  31.'.^ 

Icli  meine,  Sie  und  üf.ssel  mögen  sich  auch  gefasst  machen,  bald  mit 
Koth  beworfen  /u  weiden. 

Mit  dem  heliutnipi.><chen  Teleiriaphiren  geht  es  nach  der  Einrichtung, 
die  ich  jetzt  gewiililt  habe,  recht  schön.  Müller  signalisirte  mir  zum 
lieispiel  vor  ein  paar  Tagen  die  zwei  Winkel  zwischen  Bullerberg,  Schessel 
und  Sittensen.  die  er  am  Brüttendorf-Platz  gemessen  hatte,  13*^30' 
und  54"  54',  und  setzte  mich  dadurch  in  den  Stand,  ihm  am  nächsten 
Tage  alle  Kichtungen  von  dort  nach  Wilsede,  Eversen,  Bremen,  Lit- 
berg  etc.  zu  schicken.  Leider  kann  er  nur  bei  dem  Moordampf  noch 
wenig  Nutzen  davon  ziehen.  Die  Zeichen  lesen  sich  recht  gut.  Auch 
Lieutenant  il aktmann  und  mehi  Sohn  haben  einige  ihnen  gegebene 
/eichen  gleich  gut  gelesen  und  beantwortet.  Es  würde  gar  nicht  schwer 
^ein,  ganze  Wörter  durch  Buchstaben  zu  signalisiren;  bei  gehöriger 
Einübung  und  guter  Sonne  müsste  jeder  Buchstabe  nicht  viel  über 
\  dünnte  Zeit  kosten. 

Durch  meine  bisherigen  Winkelmessungen  ist  nun  auch  Kotenburg 
mit  grosser  Schärfe  bereits  festgelegt.  Wenn  ich  die  Position  von 
Bremen  zu  (Grunde  lege,  die  aus  meinen,  Epailly's  und  Kkayenhoff's 
Messungen  von  mir  über  den  Falkenberg,  Asendorf  etc.  Bentheim,  die 
nordwestl.  holländischen  Punkte,  Ostfriesland  und  Oldenburg  her  berechnet 
ist,  so  stimmt  die  Pichtung,  die  ich  im  vorigen  Jahre  in  Bremen  ge- 
messen, auf  die  Minute;  genauer  war  die  Messung  selbst  nicht.  Der 
Tliurm  hat  übrigens  oben  keine  Oeffnung,  und  wenn  auch  eine  da  wäre, 
wäre  doch  jetzt  kein  Gedanke  daran,  auch  nur  halb  so  weit  wie  Bremen 
sehen  zu  können.  Vom  Bullerberg  aus  wird  wohl  der  Höperhovenei- 
Berg,  obgleich  nicht  ganz  so  hoch  wie  jener,  Bremen  verdecken.  Es 
thut  mir  leid,  statt  des  Bullerberges  nicht  Höperhoven  selbst  gewählt 
zu  haben,  ich  traute  zu  viel  auf  Müllek's  und  Klüver's  Versicherung, 
dass  von  Höperhoven  Wilsede  nicht  sichtbar  sei;  allein  es  ist  mir  jetzt 
sehr  wahrscheinlich,  dass  beide  sich  geirrt  haben.  Brüttendorf,  Eversen, 
Bremen  und  Ellmhorst  lassen  sich  mit  Höperhoven  verbinden.  Füi- 
Elmhorst  würde  aber  ein  neuer  Durchhau  nöthig  sein. 


No.  510.  Olbers  an  Gauss.  127. 


Bremen,  1824  Juni  15. 

Ich  hoffe,  der  starke  Kegen  in  der  Nacht  vom  Sonnabend  auf 
den  Sonntag  und  den  grössten  Theil  des  Sonntags  hindurch  wird  den 
verwünschten  ]\Ioorrauch  gedämpft  und  die  in  diesen  Tagen  darauf 
folgende  Heiterkeit  Ihnen    die   nöthige   und   erwünschte  Aussicht  nach 


314  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1824  Juni  15. 

entfernten  Gegenständen  erlaubt  haben.  Vom  Regen,  der  gegen  und 
bald  nach  der  Sonnenwende,  die  wir  nun  in  wenigen  Tagen  zu  er- 
warten haben,  häufiger  einzutreten  pflegt,  verspreche  ich  mir  schnellere 
und  wirksamere  Abhülfe  dieses  Uebels,  als  von  einer  Verwendung  beim 
Landdrosten.  So  sehr  auch  mir  dieser  Moorrauch  zuwider  ist,  so  sehr 
ich  ihn  hasse,  so  kann  ich  doch  nicht  mit  Uelerzeiigung  aussprechen, 
dass  er  dem  Gesundheits-Zustande  der  umliegenden  Gegend  merklich 
nachtheilig  sei.  Ich  bin  immer  in  meiner  langjälirigen  Praxis  auf- 
merksam darauf  gewesen;  aber  die  Veränderungen,  die  der  mit  Xord- 
und  Nordostwinden  zu  uns  kommende  Moorrauch  (wir  bekommen  ihn 
zuweilen  auch  mit  AVestwind  aus  dem  Oldenburgischen  und  Osttriesland) 
in  dem  Befinden  einzelner  Personen  zuweilen  zu  machen  scheint,  sind 
keine  anderen,  als  die  derselbe  Wind  auch  ohne  allen  Moordampf  gewöhn- 
lich hervorbringt.  Dass  der  Moorrauch  an  sich  empfindliche  Lungen  zum 
Husten  reize,  leugne  ich  nicht;  aber  dieser  Reiz  ist  vorübergehend  und 
kann  wohl  deswegen  nicht  immer  für  so  schädlich  angesehen  werden, 
da  ja  selbst  Aerzte  Theerräucherungen  bei  anfangenden  Schwindsuchten 
anwenden,  die  weit  stärker  reizen  als  der  Moordampf,  und  mit  diesem 
wirklich  einige  Aehnlichkeit  zu  haben  scheinen.  Dasselbe,  dass  man 
nämlich  nichts  Gewisses  über  die  schädliche  Einwirkung  des  Moorrauch.< 
auf  die  Gesundheit  wahrnehmen  könne,  hat  mir  auch  ein  denkender 
und  sehr  aufmerksamer  Arzt  von  ]\Iünster  versichert,  wo  der  Moorrauch 
noch  viel  häufiger,  anhaltender  und  stärker  ist  als  hier.  Ebenso  un- 
gewiss bin  ich  über  die  Grösse  und  die  Art  des  Einflusses,  die  der 
Moordampf  auf  die  Witterung  höchst  wahi'scheinlich  hat.  Man  behauptet, 
dass  er  den  Regen  verhindere  und  das  Gewitter  nicht  zum  Ausbruch 
kommen  lasse.  Aber  mir  ist  es  immer  zweifelhaft  gewesen,  ob  es  dürre 
bleibt,  weil  man  beständig  Moor  brennt,  oder  ob  man  fortfährt  Moor 
zu  brennen,  weil  es  dürre  bleibt.  —  Uebrigens  halte  ich  den  eigent- 
lichen Höhenrauch,  wie  wir  ihn  z.  B.  im  Sommer  1783  sahen,  von 
dem  Moorrauclie  sehr  verschieden;  aber  fast  alles,  was  man  in  diesen 
letzten  Jahren  für  Höhenrauch  hat  ausgeben  wollen,  und  worüber  in 
Westfalen  so  \'iele  Streitschriften  gewechselt  sind,  für  nichts  anders 
als  Moordampf,  der  sich  gewiss  mit  dem  "\\'inde  auf  unglaubliche 
Weiten,  ohne  sich  in  der  Atmosphäre  aufzulösen,  verbreitet  und  merk- 
bar macht. 

Möchten  sich  doch  bald  alle  die  unangenehmen  Chikanen,  die  das 
Terrain  und  die  Luft  unseres  platten  und  waldigen  Landes  Ihren  Fort- 
schritten entgegensetzen,  beseitigen  lassen,  und  günstigere  Anknüpfungen 
Ihrer  Dreiecke  sich  auffinden!  —  Von  Klüver  habe  ich  noch  nichts 
erhalten.  —  Ihren  ferneren  gütigen  Nachrichten  sehe  ich  mit  Ungeduld 
entgegen. 


Gauss  au  Olbers.     Rotenburg,  1821  Juni   17.  315 

Ich   bin    selbst ^  und  auch  darauf  gefasst,    von  dem  un- 

iuhig:en  und  streitsüchtigen  Zach  eine  seiner  gewöhnlichen  Lagen  zu 
erhalten.  Ks  wird  mich  nicht  abhalten,  ohne  alle  gesuchte  Beleidigung 
seiner  Person  über  das,  was  er  schreibt,  immer  freimüthig  mich  zu 
trklären,  so  bald  ich  dies  für  die  Wissenschaft  nützlich  halte. 

Hoffentlich  hat  sich  nun  bei  dem  kühleren  \\'etter,  lieber  Gauss, 
Ihre  Gesundheit  wieder  gebessert.  Ich  empfinde  von  meiner  neulichen 
l'npässlichkeit  nur  noch  schwache  Nachwehen. 

Von  Göttingen  ist  noch  nichts  bei  mir  eingegangen,  das  ich  sonst 
ungesäumt  an  Sie  befördern  würde.  In  Ems  soll  es  schon  ausserordent- 
lich voll  sein. 

Schumacher  hat  noch  nichts  von  sich  hören  lassen  und  ist  also 
wahrscheinlich  noch  nicht  w'ieder  zurück.  Von  den  astronomischen 
Xachrichten  habe  ich  sehr  lange  kein  neues  Stück  gesehen. 


Nu.  511.  Gauss  an  Olbers.')  [239 

Rotenburg,  1824  Juni  17. 
Es  ist  nunmehr  die  Hoffnung  vorhanden,  dass  ich  mit  dem  Buller- 
berg bald  zu  Ende  kommen  werde.  Auf  dem  Brüttendorfer  Felde  ist 
ein  Platz  gefunden,  wo  Bremen,  Bullerberg  und  Wilsede  zugleich  sicht- 
bar sind,  oder  vielmehr  vermittelst  Durchhaues  gemacht  sind;  die  Rich- 
tung nach  Bremen  geht  hart  neben  der  Wilstedter  Kirche  weg,  deren 
Thurm  ein  EpAiLLT'scher  Dreieckspunkt  gewesen.  Ferner  ist  auf 
dem  E verser  Felde  ein  Platz  gefunden,  wo  Wilsede,  Bullerberg, 
Brüttendorf  und  Bremen  zugleich  sichtbar  sind.    Hiernach  habe  ich  in 

genauem  Verhältniss  ,  r^xnn/.A   das  nachstehende  Netz  gezeichnet.    Die 

Starken  Linien  zeigen,  wie  nunmehr  auf  einfachere  Art  der  U  ebergang 
von  meiner  Seite  Falkenberg — Breithorn  zu  der  dänischen  Hamburg — 
Hohenhorn  gemacht  werden  kann,  die  schwachen  östlichen,  wie  er  1822 
und  1823  gemacht  ist;  die  Genauigkeit  des  letzteren  ist  zwar  wegen 
der  vielfach  kontrollirenden  Verknüpfung  etwas  grösser  als  bei  dem 
neuen,  der,  ohne  dass  der  alte  schon  vorhergegangen  wäre,  gar  nicht 
hätte  ausgemittelt  werden  können;  indessen  wird  der  Unterschied  der 
Genauigkeit  nicht  bedeutend  sein,  und  da  natürlich  der  neue  nicht  für 
den  alten  substituirt  wird,  sondern  alle  Messungen  jn-o  rata  zu  den 
Endresultaten  kontribuiren  müssen,  so  wird  die  Genauigkeit  etwa  ver- 
doppelt w^erden. 

^)  Das  hier  stehende  Wort  ist  unleserlich.     Krm. 

")  Vergl.   zu   dem   Inhalte   dieses  Briefes  auch  Brief  No.  215    im   Briefwechsel 
Gauss-Schumächer.     Krm. 


316 


Gauss  an  Olbers.     Rotenburg,   1824  Juni  17. 


Die  westlichen  schwachen  Linien  zeigen  die  Verbindung-  mit  Bremen, 
soweit  sie  bis  jetzt  als  ausführbar  anzusehen  ist.  Sie  stützt  sich  auf 
die  Seite  Wilsede— Elmhorst;  aus  dieser  folgt  Wilsede — Bullerberg;  von 
dieser  geschieht  der  Uebergang  zu  Eversen — Brüttendorf  entweder  ver- 
mittelst Wilsede — Eversen,  oder  Wilsede— Brüttendorf  oder  ßullerberg — 
Eversen  oder  Bullerberg — Brüttendorf,  oder  vielmehr  5.  vermittelst  keiner 
dieser  vier  Arten  einzeln,  sondern  aus  der  Verbindung  aller  Messungen 


Jlamburr/ 


Lüierffj 


ßriälendm-r    -■ 


^hsnhom 


\Lunelnirg 


Bremen 


Fiff.  19. 


Indorf 
Ttm/ienbay 
IVuJ/sode 


'Breit/iom 


im  kompleten  Viereck.  Von  Brüttendorf — Eversen  kommt  man  dann 
nach  Bremen.  Sollte  der  Durchhau  von  Brüttendorf  nach  Litberg,  der 
durch  viele  Holzungen  geht,  gelingen,  so  entsteht  noch  eine  viel  ein- 
fachere Verbindung  Hamburg — Wilsede,  Wilsede — Litberg,  Wilsede— 
Brüttendorf,  Wilsede — Eveisen,  Brüttendorf— Eversen  etc.  Natürlich 
wird  deshalb  das  Uebrige  nicht  kassirt.  Der  Durchhau  soll  versucht 
werden.  Durch  die  j^lessmigen  von  1822,  1S23  und  1S24  werde  ich 
im  Stande  sein,  die  Kichtung  auf  einige  Sekunden  genau  anzugeben. 
Ohne  dass  solche  Messungen  vorangegangen  wären,  würde  ein  solcher 
Durchhau  ganz  unmöglich  gewesen  [sein],  oder  er  hätte  an  Zeit  und 
Geld  wenigstens  beinahe  so  viel  gekostet,  wie  jene  Messungen  zusanmien; 
auch  abgesehen  davon,  dass  man  ohne  die  vorgängigen  Arbeiten  gar 
nicht  hätte  darauf  kommen  können,  gerade  diese  Plätze  zu  wählen,  da 
namentlich  das  Brüttendorfer  Feld  eine  unscheinbaie  zur  Erbauuug  von 
100  Fuss  hohen  Thüi-men  gar  nicht  besonders  einladende  Gegend  ist. 
Epailly  war  von  Bremen  aus  mit  seinen  Messungen  nach  0  und  NC> 
nicht  weiter  gekommen  als  Wilstedt  und  Ha  verlob  und  erklärte  die 
gerade  Verbindung  mit  Hamburg  für  unmöglich,  obgleich  er  den  Vor- 
theil  hatte,  dass  er  sich  keine  Bedenken  machte,  in  der  Luft  auf  hohen 


Gauss  an  Olbcrs.     Kutenburg.  IS'24  J)ini   17.  317 

Sigiialtliüniieii  .zu  bt-obacliten,  ^välll•end  ich  von  Anfang  an  mir  zum 
Princip  gemacht  habe,  dies  nicht  zu  thun,  oder  höchstens  für  einen 
Nothfall  aufzusparen,  wo  durchaus  anf  andere  Weise  nicht  durchzu- 
kommen uäre.  In  der  That  ist  der  Modus \),  den  Zach  mir  anriith, 
insofern  der  h-ichteste,  als  dabei  gar  keine  Geistestliätigkeit  erfordert 
wird,  sondern  nur,  dass  man  Zeit,  Geld,  viel  Geld,  oft  ganz  vergeblich 
aufgewandtes  Geld  nicht  achtet  und  anf  Genauigkeit  Verzicht  thnt. 
Hätte  ich  von  1822  an  nach  seinem  Rath  agirt,  so  würde  ich  die 
doppelte  Zeit  nnd  die  dreifachen  Kosten  verbraucht  haben,  um  am 
Knde  die  halbe  Genauigkeit  zu  erreichen. 

Meine  Theoria  Comb.  Observ.  giebt  leichte  Mittel  an,  die  matlie- 
matische  Güte  eines  Dreiecksj'stems  methodisch  zu  würdigen.  Freilich 
beurtheilt  ein  guter  praktischer  Blick  das  Gute  und  Schlechte  leicht 
instinktmässig,  ohne  Eechnung:  wem  aber  jener  fehlt,  der  giebt  [sich] 
leicht  Blossen  durch  ganz  verkehrte  Urtheile.  Ich  erinnere  mich,  dass 
einmal  in  der  M.  C.  ein  gewisser  Beigel  das  MAUPEExuis'sche  Dreieck- 
system schon  deswegen  für  ganz  schlecht  und  verwerflich  erklärte,  weil 
gleich  Anfangs  ein  Dreieck  mit  einem  Winkel  von,  ich  weiss  nicht  mehr 
ob  von  T**  oder  8^,  vorkäme.  Es  bedurfte  nur  geringen  Nachdenkens, 
um  einzusehen,  dass  dieser  Vorwurf  ganz  abgeschmackt  ist.  Nur  dann 
ist  ein  solches  Dreieck  geradezu  verwerflich,  wenn  man  dasselbe  ge- 
brauchen muss,  um  A'on  der  kleinen  Seite  auf  eine  der  grossen  über- 
zugehen oder  umgekehrt,  obwohl  das  letzte  auch  wieder  niu-  dann  zu 
tadeln  ist,  wenn  von  dieser  kleinen  Seite  nachher  wieder  zu  grossen 
fortgeschritten  wird.  —  In  allen  anderen  Fällen  ist  ein  solches  Dreieck 
nur  darum  von  geringerem  A\'erth,  weil  man  damit  auf  einmal  nicht 
viel  weiter  kommt.  Der  Nachtheil  hat  aber  nicht  viel  zu  bedeuten, 
und  jeder  wird  ja  von  selbst  so  klug  sein,  da,  wo  er  gleich  einen  grossen 
Schritt  machen  A-a??»,  nicht  erst  ohne  wichtige  Gründe  einen  kleinen  zu 
machen.  Auf  die  Art  erklären  sich  die  zum  Theil  kleinen  Winkel  in 
meinem  System  leicht.  Z.  B.  Breithorn  lässt  sich  nicht  mit  A\'ulfsode 
verbinden,  und  doch  wäre  diese  Verbindung  für  die  Genauigkeit  sehr 
wichtig  gewesen.  Allein  da  schon  vorher,  ehe  Breithorn  aufgefunden 
war,  Hauselberg  von  Falkenbei-g  scharf  eingeschnitten  war,  und  Hausel- 
berg sich  durchaus  nicht  (ohne  hohe  Thürme)  mit  Scharnhorst  verbinden 
Hess,  so  behielt  ich  Hauselberg,  welches  sonst  doch  ganz  aus  dem  System 
herausgelassen  werden  kann,  auch  bei  und  erreichte  dadurch,  dass  es 
nun  fast  ebenso  gut  für  die  Genauigkeit  war,  als  hätte  ich  durch  die 
Seite  Breithorn— Wulfsode  das  ganze  Viereck  Falkenberg,  Breithorn, 
Wulfsode,  Wilsede   komplet   messen  können.     Ebenso  ist  es  unmöglich, 


*)  Nach  Olbers'  Brief  Xo.  508.     Krm. 


jjj^g  Gauss  an  Olbers.     Rotenburg,  1824  Juni  17. 

Wulfsode  und  Nindorf  ohne  hohe  Thürme  unmittelbar  zu  verbinden; 
das  Zwischensetzen  von  Timpenberg  vermindert  die  Genauigkeit  nur 
höchst  unbedeutend.  Allemal  ist  die  Genauigkeit  eines  Uebergangs- 
systems  leicht  zu  berechnen. 

Z.  B.  wenn  durch  3  Dreiecke  von  AB  auf  AC  überzugehen  ist, 
so  setze  man 

(cotg  a^  +  cotg  h"")  +  (cotg  c^  +  cotg  6^^)  -f  (cotg  e^  -f  cotg  H  =  S 

Alsdann  ist  das  Gewicht,  welches  der  Diffe- 
renz der  Logarithmen  von  AB  und  AC  bei- 
zulegen  ist,   umgekehrt   dem    S,   oder   die    Ge- 


nauigkeit dem  1/  ^,  proportional.    Ich  finde  so 

z.  B.   in    Beziehung    auf    den    Uebergang    von 
Fig  20.         '         Falkenberg — Breithorn    auf    Hamburg — Hohen- 
horn  [Figur  19] 

1)  bloss  nach  den  stark  gezeichneten  Linien  .    .    5=    7.800 

2)  durch  die  5  Dreiecke  Falk.  —  Breith. — Wils.: 
Falk.  —  Wils.—Wulfs. ;  Wils.— Wulfs.— Timp. ; 
Wils.-Timp.-Hamb.;  Wils.-Hamb.— Hohenh.     5=10,840 

3)  durch  6  Dreiecke,  wenn  man  statt  des  vo- 
rigen 4.  die  zwei  Wils. — Timp. — Nind.;  Wils. — 

Nind.— Hamb.  substituirt 5=10,645 

4)  durch  7  Dreiecke,  wenn  man  wieder  statt  des 
ganz  zuletzt  erwähnten  die  beiden  Wils. — 
Nind.  —  Lüneb.;  Wils.  —  Lüneb. — Hamb.  ein- 
führt      S=    9,872 

Sie  sehen  also,  dass  die  eingeschobenen  kleinen  Dreiecke  die  Ge- 
nauigkeit vergrössern.  Werden  alle  Messungen  zugleich  benutzt,  so 
wird  die  Genauigkeit  sehr  viel  grösser,  aber  ihre  Bestimmung  ist  dann 
altioris  indaginis. 

Ich  hatte  dieser  Tage  die  Hoffnung,  statt  des  Everser  Platzes  den 
Steinberg  gebrauchen  zu  können,  der  sehr  viel  höher  ist  und  zugleich 
eine  weite  Aussicht  nach  SW  beherrscht.  Freilich  hätte  dann  die 
Richtung  nach  Brüttendorf  und  zum  Theil  auch  erst  nach  Bullerberg 
durch  grosse  Oeifnungen  praktikabel  gemacht  werden  müssen,  dies 
würde  mich  aber  doch  nicht  abgehalten  haben,  ihn  vorzuziehen.  Leider 
aber  hat  sich  die  Unmöglichkeit  gezeigt,  diesen  Platz  mit  Wilsede  zu 
verbinden;  es  tritt  nämlich  gerade  hier  ein  Berg  nahe  bei  Wilsede 
selbst,  der  Höpen  bei  Schneverdingen,  vor,  so  dass  ohne  Thurmbaue  diese 
Verbindung  unmöglich  wäre.  Letztere  würden,  zumal  wegen  der  langen 
Zeit,   die   erforderlich    wäre,   gewiss  die  Kosten   um  ein  paar  Tausend 


Gauss  an  Olbers.     Roteuburfr.  1824  .riini  19.  ;U9 

Tlialer  vergrösserii,  und  doch  würde  icli  auf  liolieii  hölzernen  Tliürnien 
gewiss  mit  dem  Tlieodolithen  keine  hinlänglich  scharfe  Messungen 
machen  können.  Leider  bietet  der  Everser  Platz  nach  den  Berichten 
keine  llottnung  zu  weiteren  Fortschritten  nach  SW.  Im  allerschlimmsten 
Fall  würde  ich  in  Zukunft  den  Steinberg  auch  noch  mit  hinzunehmen. 

Von  Göttingen  habe  ich  zu  meiner  grossen  Beunruhigung  auch  noch 
keine  direkten  Nachrichten  seit  mehreren  Wochen. 

Schicken  Sie  Ihie  Briefe  —  Sie  wissen,  w'ie  sehr  Sie  mich  dadurch 
rifreuen  —  nur  fortwährend  so  lange  nach  Rotenburg,  bis  ich  Ihnen 
eine  andere  Adresse  anzeigen  kann,  ^'ün  Schumacher  habe  ich  seit 
mehreren  Monaten  gar  keine  Nachrichten.  Klüver  macht  sich  nützlich 
durch  seine  bewunderungswürdige  Lokomobilität  und  viele  Anstelligkeit. 
Gestern  ging  er  nach  Brüttendorf,  um  durch  Spiegelung  nach  Eversen, 
wo  Hauptm.  Müller  war,  und  zurück,  eine  Stelle  gegenseitiger  Sicht- 
liarkeit  auszumitteln.  Er  zeigte  mir  schon  gestern  Nachmittag  durch 
lelegraphisches  Zeichen  nach  dem  Bullerberg  das  Gelingen  an,  welche 
Nachricht  ich  heute  morgen  durch  eine  Depesche  von  Müller  bestätigt 
erhielt. 


No.  512.  Gauss  an  Olbers.  [210 

Kotenburg,  1824  Juni  19. 

Den  Bullerberg  habe  ich  nunmehr  absolvirt,  insofern  die  Versuche 
zum  weiteren  Fortschreiten  in  Zukunft  nicht  noch  einen  Punkt  ergeben 
werden,  der  damit  noch  verknüpft  werden  müsste.  Ich  werde  nunmehr 
die  Messungen  auf  dem  Everser  Plateau  anfangen,  richtiger  Ahauser 
Feld,  und  offlciell  „der  Bottel"  genannt.  Ich  selbst  bin  an  dieser  Stelle 
noch  nicht  gewesen.  Sie  liegt  nahe  bei  den  kleinen  Bäumen,  deren 
Sichtbarkeit  von  AVilsede  ich  zuerst  1822,  so  wie  im  folgenden  Jahre 
die  von  Bremen  aus  entdeckte.  Sie  ist  nicht  sonderlich  hoch,  nach 
meiner  bisherigen  Schätzung  etwa  3  m  niedriger  als  der  Bullerberg. 
Der  Steinberg  ist  weit  höher,  aber  alles  hat  leider  bestätigt,  dass 
letzterer  mit  Wilsede  nicht  zu  verbinden  ist.  Auch  das  Haverloh- 
Plateau  soll  eher  noch  etwas  höher  sein  als  der  Bottel,  allein  zwischen 
Haverloh  und  Wilsede  liegt  dichtes  Holz,  Privateigenthum,  das  nur  mit 
grossen  Entschädigungskosten  geöffnet  werden  könnte,  wobei  es  immer 
noch  zweifelhaft  wäre,  ob  nicht  demungeachtet  die  Verbindung  mit 
Wilsede  unmöglich  sein  würde.  Es  blieb  mir  daher  keine  andere  Wahl, 
als  der  Bottel. 

Der  Hauptm.  Müller,  welcher  mehrere  Tage  in  jener  Gegend  zu- 
gebracht, hatte  den  Haidkrug  zu  seinem  Quartier  genommen,  eine  elende 


320  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1824  Juni  22. 

Fulirmaimsherberge  und  1  Stunde  vom  Platz  entfernt.  Alle  anderen 
Plätze  innerhalb  eines  Kreises  von  2  Stunden  Radius  sind  auch  so, 
dass  ich  nicht  wagen  dürfte,  auch  nur  eine  Nacht  da  zuzubringen.  Ich 
werde  daher,  zuerst  wenigstens,  versuchen,  von  hier  aus  den  Bottel  zu 
besuchen;  die  gerade  Entfernung  ist  IJ  Meilen.  Ist  die  Luft  günstig, 
so  werde  ich  hoffentlich  schon  diesen  Nachmittag  Ihren  Ansgarius  zum 
ersten  Male  einschneiden.  Ich  will  erst  einmal  versuchen,  den  Thurm 
selbst  zu  pointiren,  geht  es  damit  nicht,  so  werde  ich  wohl  genöthigt 
sein,  meinen  Sohn  oder  Hrn.  Klüvee  mit  einem  Heliotrop  nach  Bremen 
zu  schicken.  Vermuthlich  werden  dann  aber  auf  dem  Thurm  selbst 
erst  mehrere  Vorkehrungen  gemacht  werden  müssen,  eine  Art  Befriedi- 
gung in  der  Laterne,  eine  Art  Kreuz  zwischen  den  Pfeilern  der  Laterne. 
unabhängig  vom  Fussboden,  um  den  Heliotrop  und  demnächst  den 
Theodolithen  darauf  zu  stellen.  Da  die  Laterne,  so  viel  ich  mich  er- 
innere, nur  sehr  eng  ist,  so  wird  der  Heliotrop  selbst  oft  und  lange  im 
Schatten  sein,  und  daher  fast  immer  doppelte  Reflexion  angewandt 
werden  müssen.  Wie  unendlich  grosse  Vorzüge  haben  die  Plätze  zu 
ebener  Erde!  Am  16.  war  die  Tauglichkeit  des  Bottels  erkannt;  am 
17.  und  18.  vollendete  ich  alle  darauf  Bezug  habenden  Messungen  vom 
Bullerberg  aus  und  am  19.  beobachte  ich  schon,  so  Gott  will,  auf  dem 
inzwischen  daselbst  errichteten  Stein-Postament.  Bei  günstigem  Wetter 
kommt  man  mit  den  Plätzen  zu  ebener  Erde  in  so  vielen  Tagen  zu 
Stande,  als  Zach's  hölzerne  Thürme  Monate  kosten,  und  die  Vorkehrungen 
kosten  bei  jenen  vielleicht  so  viele  Thaler,  als  bei  diesen  Hunderte. 
Von  Göttingren  fehlen  mir  noch  immer  die  Nachrichten. 


xo.  513.  Olbers  an  Gauss.  [273 

Bremen,  1824  Juni  22. 

Wie  sehr  mich  Ihre  beiden  letzten  Briefe  vom  17.  und  19.  Juni 
erfreut  haben,  brauche  ich  Ihnen  wohl  nicht  zu  sagen.  Ich  wünsche 
Ihnen,  ich  wünsche  uns  Glück,  dass  nun  endlich  diese  so  schwierige 
Verbindung,  und  wie  es  mir  scheint,  auf  eine  so  völlig  befriedigende 
Art  zu  Stande  kommt.  Ich  hoft'e,  dass  von  Bremen  aus  durch  das 
Oldenburgische  weniger  Chikanen  eintreten  werden,  (»bgleich  uns 
Epailly's  Dreiecke  wohl  nicht  ganz  darüber  beruhigen  können,  da 
Epailly  die  mit  Recht  von  Ihnen  möglichst  ausgeschlossenen  Kircii- 
thürme  gebrauchte. 

Ob  die  Witterung  Ihnen  noch  günstig  oder  ungünstig  ist.  weiss 
ich    kaum    zu    beurtheilen.     Hier   wechseln  Regenschauer  und  Sonnen- 


Ülbers  an  (lauss.     lirenicn,  1824  .Iniii  L"2.  321 

blicke:  abei-  su  recht  durchsichtig  scheint  die  Luft  selten  zu  sein.   Vom 
Moordampfe  lässt  sich  bei  uns  niclits  mehr  spüren. 

Nun  wird  es  auch  wolil  l)al(l  nöthii?  sein,  beim  Herzoge  von  Olden- 
burg die  nütliigen  Kinleitungen  von  Hannover  aus  zu  veranlassen,  um 
bei  der  Foitsetzung  der  .Messungen  keine  Hindernisse  oder  Aufenthalt 
zu  finden. 

Die  Depesche  aus  Göttingen,  wonach  Sie  mit  Kecht  so  sehr  ver- 
langten, werden  Sie  hoffentlich  am  19.  in  Rotenburg  vorgefunden  haben. 
Sie  lief  bei  mir  am  18.  um  4  Uhr  Nachmittags  ein,  und  ich  konnte  sie 
glücklicher  Weise  mit  der  gerade  abgehenden  Post  gleich  weiter  spediren. 

Dr.  Chladni  ist  jetzt  hier  und  hat  wieder  die  Absicht,  Vorlesungen^) 
über  die  Akustik  und  seine  Meteorsteine  zu  halten.  Ob  sie  in  dieser 
Jahreszeit,  wo  so  viele  abwesend  sind  oder  ihre  freien  Stunden  doch 
gern  auf  dem  Lande  zubringen,  zu  Stande  kommen  werden,  weiss  ich 
noch  nicht.  Ich  habe  gern  unterschrieben  und  ihm  das  Honorar  ge'gönjit; 
nur  wird  er  nicht  von  mir  verlangen,  dass  ich  alle  seine  Vorlesungen 
(er  droht  mit  12  oder  14)  besuche.  Eis  ist  doch  wirklich  traurig,  dass 
dieser  in  mancher  Eücksicht  verdiente  Mann  von  keiner  Eegirung 
irgend  eine  Anstellung,  irgend  ein  Gehalt  erhält,  und  er  sich  nun  noch 
in  seinem  67.  Jahre  auf  solche  Art  sein  nothdürftiges  Auskommen  suchen 
muss.  l/ebrigens  ist  er  noch  ebenso  redselig,  wie  ich  ihn  immer  gekannt 
habe.  Seine  Bekanntschaft  mit  fast  allen  Gelehrten  und  gelehrten  An- 
stalten giebt  seinem  Eedefluss  doch  zuweilen  etwas  Unterhaltendes. 
Teber  Pasquich  (Chladni  war  1819  in  Ofen)  urtheilt  er  nicht  günstig. 

Es  scheint,  dass  die  Franzosen  den  Längenbetrag  des  von  Brest 
bis  an  den  Rhein  gemessenen  Bogens  des  Parallelkreises  durch  Pulver- 
signale bestimmen  wollen,  die  die  einzelnen  Stationen  mit  einander  ver- 
binden sollen.  An  wie  vielen  Orten  müssen  da  nicht  Zeitbestimmungen 
gemacht  werden?  Und  kann  man  da  immer  auf  völlig  scharfe  Zeit- 
bestimmung rechnen? 

Haben  Sie  scbon  die  Abbildung  von  Gbuithuisen's  angeblicher  Mond- 
stadt ^)  und  seinen  Wald- Alleen  oder  Landstrassen  im  Monde  gesehen? 
Die  Einbildungskraft  des  Mannes  ist  gross;  aber  allerdings  ist  das,  was 
er  für  eine  Stadt  hält,  womit  es  doch  gar  keine  Aehnlichkeit  hat, 
immer  merkwürdig,  wenn  anders  seine  Zeichnung,  woran  ich  doch  zu 
zweifeln  keine  Ursache  habe,  richtig  ist.  Er  hat  sie  im  2.  Stück  von 
Kästnee's  Archiv  für  die  gesammte  Naturlehre  bekannt  gemacht.  Neu- 
giei-ig  bin  ich,  wie  Lohemann  und  Kunowsky  denselben  Gegenstand 
sehen  und  beurtheilen  werden. 


^)  Vergl.  hierzu  auch  Brief  No.  330  (1817  März  12)  in  Olbers  Bd.  II,  1.     Krm. 
2)  Siehe  auch  Olbebs  Bd.  I,  No.  192  und  197.     Krm. 

Olbers.     II,  2.  21 


322  Gauss  an  Olbers.     Rotenburg.  1824  Juni  25. 

Jetzt  darf  ich  wohl  bald  hoffen,  mein  theurer  Gauss,  dass  ich  Sie 
selbst  hier  sehen  und  umarmen  werde.  Sollte  Ihr  Hr.  Sohn  mit  dem 
Heliotropen  hier[her]  kommen,  so  wird  er,  bitte  ich,  gleich  bei  mir 
absteigen.  Bei  den  Bauherren  der  Ansgarius-Kirche  ist  es  schon  ein- 
geleitet, dass  sie  die  etwa  auf  dem  Thurm  vorzunehmenden  Anstalten 
gestatten.  So  bald  Sie  es  befehlen,  sollen  die  von  Ihnen  verlangten  Ein- 
richtungen vorgenommen  werden.  Ich  ersuche  Sie.  mich  Ihrem  Hrn. 
Sohn  zu  empfehlen  und  Hrn.  Klüveb  gelegentlich  für  seinen  richtig 
erhaltenen  Brief  vom  16.  Juni  aus  Zeven  zu  danken.  Ich  fi-eue  mich, 
dass  er  sich  bei  dem  Geschäft  nützlich  zeigt.  Leben  Sie  wohl,  mein 
allertheuerster  Freund.     Schonen  Sie  Ihre  Gesundheit. 


No.  514.  Gauss  an  Olbers.  [241 

Rotenburg,  1824  Juni  2.5. 

Seit  dem  19.  habe  ich  nun  den  Bottel  4  mal  besucht  und  dabei 
einen  vorzüglich  guten  Tag  gehabt  (d.  23.),  d.  i.  einige  vorzüglich  gute 
Stunden,  denn  vor  5  Uhr  ist  fast  nie  etwas  Gescheutes  in  diesen  flachen 
Gegenden  zu  messen.  Die  Richtungen  Wilsede,  Bullerberg,  Brüttendorf. 
Bremen  sind  schon  mit  vieler  Genauigkeit  niedergelegt,  wie  auch  die 
Zenith-Distanzen  der  drei  ersten  Punkte.  ^lit  Bremen  wollte  es  aber 
nicht  gehen,  da  nichts  an  dem  Thurm  für  Z.-D.  einen  brauchbaren 
Zielpunkt  abgab.  Ich  denke  daher  nun  übermorgen  den  27.  nach 
Brüttendorf  abzugehen,  um  so  mehr,  da  ich  wahrscheinlich  doch  wei- 
terer Anknüpfung  wegen  nach  [dem]  Bottel  zurückkehren  muss. 

Bis  jetzt  weiss  ich  noch  nichts  zum  weiteren  Fortgehen  Dienliches. 
MtJLLEE  ist  seit  dem  19.  in  Brüttendorf,  um  den  Durchhau  nach  Lit- 
berg  zu  betreiben;  Klüvek  ist  bei  ihm,  um  ihm  zu  helfen  und  daneben 
mir  Heliotroplicht  zum  Bottel  zu  schicken.  Ueber  den  Durchhau  habe 
ich  aber  noch  gar  keine  Nachricht.  Meine  jetzige  genaue  Niederlegung 
von  Brüttendorf  hat  die  Richtung  Brüttendorf — Litberg,  die  ich  aus 
künstlicher  Kombination  aller  früheren  vorhandenen  Daten  ableitete 
und  MüLLEK  Behufs  des  Durchhaus  mitgab,  nur  um  \  Minute  abgeändert. 
AVenn  ich  jetzt  selbst  mit  dem  grossen  Theodolitheu  die  fernere  Richtung 
ausstecke,  darf  keine  Baumstaramdicke  mehr  fehlen. 

Vom  Bottel  aus  ist  links  von  Wilsede  durch  den  Südpunkt  bis 
zum  Azimuth  58°  gar  keine  Aussicht.  Erst  in  58°  sieht  man  rechts 
neben  Haverloh-Platz  weg  einen  Thurm.  in  (lem  ich  Heiligenfelde  er- 
kannt habe.  Nachher  bis  Bremen  kommen  noch  Thedinghausen  und 
Arbergen.  Links  von  letzterem  habe  ich  aber  gestern  bei  schöner  Luft 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1824  Juni  27.  323 

noch  einen  sehr  entfernten  'l  liuini  bemerkt,  der  früher  nie  gesehen 
wurde  und  der  vermuthlicli  Ganderkesee  ist.  Er  scheint  auch  auf  hohem 
Terrain  zu  liegen.  Vielleicht  Hesse  sich  dann  eine  weitere  Fortsetzung 
so  machen  [Figur  21]: 

Bremen    würde    dann     insofern  BrüUendarr 

kein   Hauptdreieckspunkt,    als   nicht      //^^j7z/«z5?.^--^'^'T^^1 
auf  der  Seite   Bottel — Bremen  fort-  /T^""""--^::'  1 

gebaut  würde.   "Wahrscheinlich  wäre  /  ';  ^.--''  ^^~"~-^,.,,^^^  1 

dies  für  die  Genauigkeit  aller  Messun-  /  ,-''^remi^/^^^^^J^SZ.^^ 

gen    ein    grosser   Gewinn    (denn   der       A:^ — — "^ 
Ansgariuspunkt  wird  verniuthlich  ein       «'z^'^-^««?-? 

ri"'.  21 

ebenso   übler   Standpunkt    sein    wie 

Zielpunkt),  für  mich  persönlich  aber  ein  grosser  Verlust,  weil  ich  dann 
die  Gelegenheit  verliere,  etwas  längere  Zeit  bei  Ihnen  zu  sein.  Ich 
werde  aber  nicht  eher  urtlieilen  können,  als  bis  die  Gegend  nach  Ham- 
bergen  zu  gründlich  untersucht  sein  wird. 

Nach  Hannover  schreibe  ich  noch  heute  w^egen  der  Kommunikation 
mit  der  Oldenburgischen  Kegirung. 

Meinen  Aufenthalt  werde  ich  in  Zeven  nehmen.  Ein  Brief,  der 
von  Bremen  morgen  d.  26.  Nachm.  abginge,  wird  mich  noch  in  Roten- 
burg treffen,  da  ich  den  27.  nicht  sehr  früh  reise;  später  adressiren 
Sie  gütigst  bis  auf  weiteres  p.  r.  in  Zeven. 


No.  515.  Olbers  an  Gauss.  1274. 

Bremen,  1824  Juni  27. 

Hier  ein  Brief chen^)  von  Prof.  Schumacher,  der  im  Juli  nach 
Helgoland  gehen  wird,  die  Verbindung  mit  Greenwich  zu  bewirken. 

Mit  dem  grössten  Interesse  folge  ich  den  Fortschritten  Ihrer 
Operationen.  Auf  die  Ehre,  dass  Bremen  kein  Hauptdreieckspunkt 
wird,  will  ich  allenfalls  gern  verzichten,  wenn  dies  zum  Besten  der 
Messungen  überhaupt  beitragen  kann.  Aber  die  Zeit,  die  Sie  mir  gütigst 
zugedacht  haben,  muss  dadurch  nicht  verkürzt  werden. 

Die  Gegend  von  Ganderkesee  kenne  ich  nicht  und  bin  nie  da 
gewesen.  —  Unser  Wasserbaudirektor  Blohm  hat  auf  mein  Verlangen 
mit  einem  Zimmermeister  die  Verabredung  getroffen,  dass  alles  zu  den 
Anordnungen  auf  dem  Ansgarius-Thurm  vorbereitet  sei,  damit  die  dort 
nöthigen  Vorrichtungen    auf  Ihren  Befehl   gleich  in  den  Stand  gesetzt 


^)  Der  Brief  ist  in  der  Sammlung-  der  ScHüMACHEß'schen  Briefe  an  Olbers  nicht 
vorhanden.     Krm. 

21* 


324  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1824  Jiini  29. 

werden  können.  Er  meint,  um  sie  wirklich  einzurichten,  müsse  er  die 
Dimensionen  des  Fussgestells  Ihres  Heliotropen  oder  Theodolithen 
wenigstens  beiläufig  wissen. 

Ein  Brief  von  Rümker  aus  Neu-Süd-Wales  enthält  die  sehr  un- 
angenehme Nachricht,  dass  Rümker  vom  Gouverneur  entlassen  ist  und 
sich  nun  ganz  ausser  Thätigkeit  als  praktischer  Astronom  findet.  Ich 
habe  es  längst  befürchtet,  dass  er  sich  mit  dem  General  Brisbane  ent- 
zweien würde.  Unserem  Rümker  fehlt  es  an  Weltklugheit,  und  aus 
allen  seinen  Mittheilungen  war  klar,  dass  er  seine  eigentliche  Stellung 
zum  Gouverneur  gar  nicht  begriff.  —  Es  scheint,  dass  sich  Rümker 
jetzt  dort  als  Oekonom  anzusiedeln  sucht.  Wie  er  etwa  wieder  für  die 
Sternkunde  nützlich  gemacht  werden  könne,  sehe  ich  noch  nicht  wohl 
ein,  und  die  Sache  ist  um  so  schwieriger,  da  man  gar  nicht  darauf 
rechnen  kann,  dass  er  das,  was  man  an  ihn  schreibt  oder  ihm  schickt, 
auch  wirklich  erhält.  Von  allen  aus  Europa  an  ihn  gerichteten  Briefen 
und  Sendungen  hatte  er  bis  zum  23.  Okt.  1823  bloss  einen  Brief  von 
mir  und  einen  von  Bode  empfangen.  —  Es  scheint,  dass  eben  die 
Gouverneure  der  freien  Engländer  wie  ehemals  die  römischen  Pro- 
konsuln in  ihrer  Regirung  den  grössten  Despotismus  üben.  —  Rümker 
hat  diesmal  endlich  die  so  lange  erwarteten  Original-Beobb.  des 
ENCKE'schen  Kometen  geschickt,  die  ich  ungesäumt  an  Encke  ge- 
sandt habe. 

Mit  welchem  Verlangen  ich  jedesmal  Ihren  ferneren  Mittheilungen 
entgegen  sehe,  können  Sie  sich  kaum  denken;  ebenso  dankbar  fülile  ich 
mich  Ihnen  dafür  verpflichtet. 


No.  516.  Olbers  an  Gauss.  [275 

Bremen,  1824  Juni  29. 

Hier  ein  Brief  aus  Göttingen,  der  gestern  erst  nach  Abgang  der 
Post  einging. 

Meinen  Brief  von  vorgestern  mit  der  Einlage  von  Schumacher 
werden  Sie  richtig  erhalten  haben. 

Ich  bedauere,  dass  bei  dem  sonst  schönen  A\'etter  die  Ihnen  so  be- 
schwerliche Hitze  so  sehr  zunimmt.  Hoffentlich  haben  Sie  Ihre  Beobb. 
auf  dem  Brüttendorfer  Felde  schon  angefangen. 


Gauss  an  Olbers.     Zeveu,  1824  Juui  29.     Zeveu,  1824  Juli  1.  32; 


-N«:  51"  Gauss  an  Olbers.  [242 

Zeven,  1824  Juni  29. 

Es  wird  lliiien  angenehm  sein,  zu  erfahren,  dass  der  Durchhau 
von  Brüttendorf  zum  Litberg  vollkommen  geglückt  ist.  Ich  fand  ihn 
bei  meiner  Ankunft  schon  offen,  schickte  daher  Hrn.  Klüver  sofort 
gestern  mit  einem  Helioti'op  dahin  und  habe  schon  gestern  Abend  sein 
J.icht  fleissig  eingeschnitten.  Die  Richtung  scheint  von  der  berechneten 
(durch  alle  die  östlichen  Punkte  Hamburg,  Lüneburg,  Nindorf,  Timpen- 
berg, Wulfsode,  Falkenberg  etc.  herangeholten)  2"  zu  differiren. 

Bremen  war  gestern  schlecht  zu  sehen,  doch  habe  ich  es  aus  Neu- 
gierde ein  paar  Mal  geschnitten.  Es  ist  also  nun  vorläufig,  bloss  aus 
meinen  eigenen  Messungen,  bestimmt,  die  erst  flüchtig  geführte  Rech- 
nung giebt  den  Platz  etwa  7™^)  nördlich  und  etwa  ebenso  viel  west- 
lich von  der  Stelle,  die  ich  durch  meine  Rechnungen  aus  meinen, 
Epailly's  und  Keayenhoff's  und  wieder  Epailly's  Messungen  ge- 
schlossen hatte. 

Weniger  gut  steht  es  mit  den  Aussichten  zu  weiterer  Fortsetzung. 
Der  Weiher  Berg  wird  sich  schwerlich  mit  Brüttendorf  verbinden 
lassen,  es  liegt  zuerst  nahes  Holz  vor,  was  von  Süden  bis  Norden  die 
ganze  Westseite  verbirgt  —  nach  Bremen  zu  ist  bloss  eine  kleine 
Oeffnung  gemacht  — ,  aber  nachher  in  der  Entfernung  von  ein  paai- 
Stunden  kommt  waldiges  Terrain,  welches  auch  ohne  die  Bäume  schon 
höher  ist  als  Brüttendorf.  Ich  sehe  noch  gar  keine  Möglichkeit,  hier 
weiter  zu  kommen.  Meinen  Sohn  habe  ich  heute  nach  Bremervörde 
geschickt,  um  mit  dem  Hptm.  Müller  die  dortige  Gegend  bis  Ham- 
bergen  und  dann  nach  Worpswede  und  Wilstedt  hin  zu  rekognosciren. 
Mein   hiesiger  Aufenthalt   wird  also  wohl  ziemlich  langwierig  werden. 

Eiligst ! 


No.  518.  Gauss  an  Olbers.  [243 

Zeven,  1824  Juli  1. 

Nur  mit  ein  paar  Worten  danke  ich  Ihnen  für  die  3  Briefe^),  die 
ich  heute  morgen  zugleich  erhielt.   Die  Post  geht  auf  hier  wöchentlich 


^)  7  Meter,  etwas  undeutlich  geschrieben,  so  dass  es  Olbers  nach  Brief  No.  519 
für  7"  gelesen  hat.     Vergl.  auch  Brief  No.  521.    Krm. 

^)  Gemeint  sind  hier  die  Briefe  vom  27.  und  29.  Juni.  Ausserdem  hat  Olbers 
nach  dem  folgenden  Briefe  zwischen  dem  29.  Juni   und   1.  Juli  die  in  Bremen  einge- 


326  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1824  Juli  2. 

nur  2 mal,  Mittwoch  und  Sonnabend  Nachmittag  5  Uhr,  so  dass  alle 
Briefe,  die  in  Bremen  t),  O,  C,  c/  abgeliefert  werden,  hier  zugleich 
s)  Abend  10''  eintreffen,  und  die  C^,  4,  2  in  Bremen  aufgelieferten 
t;  Abends  10^ 

Bremen  habe  ich  noch  nicht  besser  gesehen,  und  es  wird  nöthig 
sein,  einen  Heliotrop  dahin  zu  schicken.  Schön  wäre  es,  wenn  dieser 
durch  Ihre  gütige  Vorsorge  sogleich  gebraucht  werden  könnte.  Eine 
Art  Kreuz,  unabhängig  vom  Fussboden  zwischen  die  Pfeiler  eingeklemmt 
oder  gefügt,  wäre  am  besten;  im  Centrum  müsste  es  einige  Füllung  haben, 
so  dass  der  Heliotrop  Platz  hat.  Die  drei  Fusspitzen  des  Heliotrops 
bilden  ein  gleichseitiges  Dreieck,  die  Seite  =9.Vpar.  Zoll,  jede  Spitze 
hat  einen  Teller  von  16  Linien  Durchmesser. 

Mit  dem  Theodolithen  ist  es  ebenso,  nur  dass  die  Seite  des  Drei- 
ecks ll|-Zoll  gross  ist  und  die  Teller  etwa  2.1  Zoll  Durchmesser  haben. 
Allein  für  den  Theodolithen  wird  demnächst  noch  mehr  Füllung  nöthig 
sein,  da  derselbe  ohne  Zweifel  nicht  für  alle  Winkel  im  Centrum  stehen 
darf.  Der  Heliotrop  darf  es  und  soll  es,  w^eil  doppelt  reflektirtes  Licht 
angewandt  werden  kann  und  öfter  muss. 

Eine  Befriedigung  zwischen  den  Pfeilern  darf  nicht  höher  sein. 
als  dass  Heliotrop  und  Theodolith  frei  darüber  wegsehen  können.  Jener 
ist  etwa  8  Zoll,  dieser  mehr  (bis  14  Zoll)  über  der  Aufstellungsebene. 
Die  Höhe  der  Aufstellungsebene  (Kreuz)  über  dem  Fussboden  ist  be- 
dingt theils  oben  durch  die  Glocke,  der  man  nicht  zu  nahe  kommen 
darf,  theils  unten,  weil  man  noch,  wenn  auch  halb  kriechend,  unter 
dem  Kreuz  muss  durchkommen  können.  Die  Beobb.  werden,  wenn  der 
Kaum  zu  eng  ist,  wohl  kaum  stehend  gemacht  werden  können,  sondern 
sitzend  gemacht  werden  müssen. 

Meine  Frau  ist  am  25.  nach  Ems  abgereist.  Zu  meiner  Freude 
hat   sie   sich  durch  den  Med.-Kath  Döeing  vorher  ein  Logis  gesichert. 

Höchst  eilig,  da  dieser  Brief  mit  vielen  anderen  durch  einen  Ex- 
pressen nach  Eotenburg  geschickt  werden  muss,  indem  von  hier  aus 
die  Post  auch  nur  zweimal  geht. 


No.  519.  Olbcrs  au  Gauss.  [2?^ 

Bremen.  1824  Juli  2. 

Allerdings  war  es  mir  sehr  angenehm,  zu  erfahren,  dass  der  Durch- 
hau von  Brüttendorf  zum  Litberge  so  vollkommen  geglückt  ist.    Auch 

laufenen  Briefe  von  Gauss'  Frau  uml  l>r.  Schmidt  au  Gacss  übersandt.  wahrscheinlich 
ohne  seinerseits  einen  Brief  hinznzufüiren.     Knn. 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1824  Juli  4.  327 

Ilinen  miiss  es  liöclist  erfreulicli  sein,  dass  die  aus  den  vorhergehenden 
Messungen  von  Ihnen  im  voraus  bestimmten  Richtungen  so  bewunderns- 
würdig genau  zutretYen.  Das  Dreiecksnetz  von  Hamburg  bis  Bremen 
wird  nun  ungemein  schön.  —  Möchten  sich  doch  auch  bald  für  die 
weitere  Fortsetzung  desselben  schickliche  Punkte  ausmitteln  lassen! 

\\enn  der  Ansgarius-Thurm  etwa  7"')  westlicher  liegt,  als  ihn 
Ihre  Rechnungen  aus  Ihren  und  Epailly's  oder  Epailly's  und  Krayen- 
hoff's  Messungen  geben,  so  wird  Ihre  jetzige  Bestimmung,  meine  ich, 
sehr  genau  mit  der  Länge  übereinkommen,  die  ich  dafür  angenommen 
habe  (25'"  52*,4  von  Paris).  Auch  die  7"^).  die  Sie  seine  Breite  grösser 
finden,  schrecken  mich  nicht.  Ein  solcher  Fehler  ist  bei  meiner  Annahme 
der  Breite  des  Ansgarius-Thurmes  sehr  möglich;  aber  Ihre  Dreiecke 
geben  ja  auch  Hamburg  und  Altona  6"  nördlicher,  als  die  dort  ange- 
stellten astronomischen  Beobb..  welches  sich  noch  auf  irgend  eine  Art, 
höchst  wahrscheinlich  aus  einer  von  der  Unregelmässigkeit  der  Figur 
der  Erde  oder  unregelmässigen  Dichtigkeit  der  oberen  Erdschichten 
herrührenden  Anomalie  in  der  Richtung  des  Loths  aufklären  wird. 

Ich  hoffe,  mein  theurer  Gauss,  dass  Sie  den  Brief  von  Ihrer  Frau 
Gemahlin,  so  wie  den  Brief  von  Hrn.  Dr.  Schmidt,  den  mir  Harding 
nebst  einem  Briefe  an  Taipel  im  Einschluss  schickte,  richtig  erhalten 
haben.  Harding  meldete  mir  zugleich  die  Abreise  Ihrer  theuren  Gattin 
nach  Ems.  Mögen  Sie  bald  so  angenehme  Nachrichten  von  dem  Be- 
finden der  verehrten  Kranken  erhalten,  als  wir  von  meiner  in  Ems 
befindlichen  Freundin,  der  Eltermannin  Delius,  bisher  hören,  auf  deren 
Gesundheit  dem  Berichte  nach  die  Kur  in  Ems  ungemein  wohlthätig 
zu  wirken  scheint.  Noch  immer  soll  es  dort  von  Kurgästen  ganz  über- 
füllt sein. 


No.  520.  Olbers  an  Gauss.  [277 

Bremen,  1824  Juli  4. 

Hierbei  erhalten  Sie  ein  officielles  Schreiben  aus  Hannover,  das 
gestern  morgen  unter  Couvert  bei  mir  einging. 

Gestern  morgen  9  Uhr  hatte  ich  das  Vergnügen,  Ihren  Hrn.  Sohn 
und  Hrn.  Klüver  hier  zu  sehen;  beide  sehr  munter  und  sehr  wohl. 
Ihr  Hr.  Sohn  ist  noch  gestern  Abend  zur  Fortsetzung  seiner  Wanderung 
nach  Ganderkesee  nach  Delmenhorst  gegangen;  seinem  Versprechen 
nach    erwarte   ich   ihn    diesen  Abend  wieder   hier.     Er   hat  mir  viele 


')  Missverständniss  Olbers'.  Yergl.  Anm.  zum  Brief  No.  517  und  Brief  Xo.  521.  Seh. 


328  Gauss  an  Olbers.     Zeven,  1824  Juli  4. 

Empfehlungen  an  seinen  hochverehrten  Vater  aufgetragen.  So  wie  ich 
ihn  verstanden  habe,  will  er  hier  Ihre  ferneren  Befehle  abwarten. 

Ihr  gütiger  Brief,  worin  Sie  mich  über  die  auf  dem  Ansgarius- 
Thurm  zu  treffenden  Einrichtungen  instruiren,  kam  gestern  Nachmittag 
an.  Den  Inhalt  theilte  ich  sowohl  Ihrem  Hrn.  Sohn  als  Klüver  mit. 
Letzterer  hatte  schon  alles  angeordnet,  von  Ihnen,  wie  er  sagte,  münd- 
lich unterrichtet.  Die  Witterung,  besonders  auch  der  starke  Wind. 
gestatteten  gestern  noch  keine  Lichtsendungen  und  heute  scheint  es 
eben  nicht  besser  zu  gehen. 

Im  nächsten  Bande  der  Philos.  Transact.  wird  ein  weitläufiges 
Memoir  von  James  Ivoet  über  die  Figur  der  Erde  vorkommen,  worüber 
er  selbst  in  Tilloch's  Magazin  einen  umständlichen  Bericht  giebt.  Er 
beschuldigt  alle  Mathematiker,  die  diesen  Gegenstand  abgehandelt  haben, 
Maclauein  ausgenommen,  dass  sie  nur  den  Druck  der  oberen  Schichten 
auf  die  unteren,  nicht  die  Anziehung,  die  die  oberen  Schichten  auf  die 
unteren  haben,  in  Betrachtung  gezogen  haben.  Indessen  wird  auf  alle 
Fälle  der  Aufsatz  wohl  nur  analytisches  Interesse  haben  können,  wenn 
er  auch  die  wahren  Bedingungen  des  Gleichgewichts  eines  homogenen 
Fluidums  erhalten  hat.  und  die  Analysis  von  Legendre  und  La  Place, 
wie  er  behauptet,  nichts  weiter  sein  sollte,  als  eine  Modifikation  der 
genauen  Formeln,  wenn  man  das  Quadrat  und  die  höheren  Potenzen  der 
Abplattung  vernachlässigt.  Er  hat  nur  ein  homogenes  Fluidum  be- 
trachtet, will  aber  bei  einer  anderen  Gelegenheit  zeigen,  dass  dieselben 
Principien  auch  auf  Schichten  von  veränderlicher  Dichtigkeit  anwend- 
bar sind. 


xo.  521.  Gauss  an  Olbers.  [244 

Zeven.  1824  Juli  4. 

Indem  ich  Ihnen  für  Ihren  gütigen,  gestern  Abend  oder  Welmehr 
heute  morgen  erhaltenen  Brief  verbindlichst  danke,  eile  ich.  ein  Miss- 
verständniss  zu  heben,  welches  ohne  Zweifel  meine  undeutliche  Hand- 
schrift verursacht  hat.  Nicht  7"  (Sekunden)  nördlich  und  östlich  weicht 
der  aus  meinen  ^[essungen  von  1824  gefundene  Platz  von  Bremen  ab 
von  dem,  welchen  ich  durch  Eechnung  aus  der  langen  Kette  1)  meiner 
Messungen,  2)  einiger  EpAiLLY'schen  (von  Falkenberg  bis  Bentheim), 
3)  noch  mehrerer  IvRAYENHOFF'schen  durch  Holland  und  Ostfriesland, 
und  dann  wieder  4)  einiger  Epaillt  sehen  (über  das  Üldenburgische) 
gefunden  hatte,  sondern  7'"  (Meter),  oder  wie  eine  spätere,  etwas  ver- 
besserte aber  immer  nocli  ganz  fiüchtige  Rechnung  giebt,  8  m  nördl.  und 


Gauss  an  Olbers.     Zeveu,  1824  .Iiili  -1.  32i^ 

C  m  üstl.  —  Durch  ineiiu-  J'iüfuiiy  der  KiiAYENHOFF'schen  Dreiecke  in 
NO  von  Holland  von  deren  Schlechtigkeit  überzeugt  und  die  Genauigkeit 
der  EpAiLLY'schen  ^lessungen  nicht  kennend,  hatte  ich  mich  allenfalls 
auf  einen  l'nterschied  von  oO  ni — 40  ni  get'asst  gemacht.  Auch  die 
7  \\\  würden  mir.  wenn  ich  die  ganze  Kette  selbst  gemessen  hätte,  noch 
viel  zu  viel  sein;  wäre  aber  wirklich  ein  Unterschied  von  7"  N  und  ^^' 
gewesen,  also  die  Lage  zusammen  über  250  m  unrichtig,  so  würde  ich 
nicht  anstehen  zu  erklären,  dass  entweder  Keayenhoff's  oder  IiIpaillt's 
Messungen  oder  beide  keinen  Dreier  w^erth  wären.  Es  ist  mir  nicht 
recht  klar,  wie  Sie  jenen  vermeinten  Unterschied  von  7"  mit  dem  von 
0"  bei  Altona  in  Vergleich  stellen;  bei  letzterem  Orte  war  die  astro- 
nomische Lage  von  Altona  (*Lage  der  Vertikalen  daselbst  gegen  die 
Erdaxe  und  eine  bestimmte  Anfangs-]\Ieridianebene)  um  5"  oder  G"  ab- 
weichend von  dem,  was  aus  der  astronomischen  Lage  von  Göttingen 
gefolgert  war.  Bei  Bremen  hingegen  war  die  Lage  gegen  Göttingen 
bloss  geodätisch  zweimal  bestimmt,  einmal  auf  einem  ungeheuer  langen 
Wege  und  einmal  auf  einem  kurzen.  Grösserer  Klarheit  WTgen  könnte 
man  3  Arten,  die  Lage  eines  Ortes  anzugeben,  unterscheiden: 

1)  Die  geodätische,  indem  ich  z.  B.  sage,  dass  Bremen  auf  dem 
langen  Wege  173065,8  m  nördl.  und  76342,5  m  westl.  von  Göttingen 
gefunden,  auf  dem  kürzeren  aber  einstweilen  173073,6  m  und  76348,5  m. 
Da  die  Erde  kein  Planum  ist,  so  ist  eigentlich  erst  noch  zu  erklären, 
wie  dies  nördl.  und  w^estl.  zu  verstehen  ist.  Man  kennt  den  gewöhn- 
lichen (unrichtigen)  Sprachgebrauch:  Abstand  vom  Meridian  und  Perpen- 
dikel. Meine  Zahlen  sind  eigentlich  etwas  anderes,  nur  Analoges,  allein 
eine  gründliche  Erklärung  ist  in  der  Kürze  nicht  möglich. 

2)  Die  geodätisch-astronomische  oder  pseudo-astronomische  Lage, 
wenn  man  die  geodätischen  Messungen  auf  ein  regelmässiges  Ellipsoid 
applicirt  und  danach  die  Breiten-  und  Längen-Unterschiede  angiebt.  Ich 
kann  hier  Bremen  nicht  als  Beispiel  anführen,  da  ich  die  in  dieser  Form 
sich  darauf  beziehenden  Zahlen  gar  nicht  bei  mir  habe,  und  die  Eechnung 
in  dieser  Form  nach  den  neuen  Messungen  gleichfalls  noch  nicht  bis 
Bremen  geführt  habe. 

Man  kann  diese  beiden  Arten  nur  wie  eine  betrachten,  wobei  gleich- 
sam nur  die  Form  verschieden  ist,  aber  wesentlich  vei'schieden  ist. 

3)  Die  wirklich  astronomische  Lage,  die  ich  oben  (bei  *)  definirt 
habe.  Nach  allen  neueren  Erfahrungen  hält  diese  gar  nicht  Schritt 
mit  2)  und  es  giebt  kein  Mittel,  sie  zu  finden  als  wirkliche  astrono- 
mische Beobb.  Meiner  Ansicht  nach  aber  hat  sie  en  recomjmnse  bloss 
für  den  Astronomen  Interesse,  insofern  an  einem  Orte  auch  wirklich 
astronomische  Beobb.  angestellt  werden,  die  bis  auf  eine  Bogensekunde 
genau  sind.    In  jeder  anderen  Beziehung,  wo  man  die  gegenseitige  Lage 


330  Gauss  an  Olbers.    Zeven,  1824  Juli  4. 

von  Punkten  vergleichen  will,  kommt  es  nicht  auf  3j,  sondern  auf 
1)  oder  2)  an. 

Ich  weiss  nicht,  ob  ich  mich  nicht  irre,  aber  mir  däucht,  dass  man 
bisher  noch  nicht  recht  gewusst  hat,  was  eigentlich  die  besten  geo- 
dätischen Messungen  im  Grossen  leisten  können,  ungefähr  wie  man  vor 
Entdeckung  der  neuen  Planeten  eine  ganz  falsche  Vorstellung  von  dem 
hatte,  was  man  von  guten  astron.  Beobb.  zu  fordern  berechtigt  ist.  Ich 
gestehe,  dass  es  mir  ein  selbständiges  hohes  Interesse  zu  haben  scheint, 
die  gegenseitige  Lage  von  einigen  1000  Punkten  über  ganz  Europa  mit 
aller  Schärfe  zu  bestimmen,  deren  die  Kunst  und  ^^'issenschaft  des 
19.  Jahrhunderts  fähig  ist.  Dadurch,  dass  man  bei  grossen  geodätischen 
Messungen  immer  sein  Auge  nur  auf  3)  richtete,  hat  man  einen  ganz 
falschen  Gesichtspunkt  und  Maasstab  erhalten.  Denn  da  die  höchste 
Kunst  der  Astronomie  kaum  1"  der  Breite  und  das  3  fache  loder  mehr)  in 
der  Länge  erreichen  kann,  so  meinte  man,  geodätische  Messungen  schon 
genug  gerechtfertigt  und  in  Glanz  gesetzt  zu  haben,  wenn  man  zuletzt 
nur  Unterschiede  von  einigen  Sekunden  fand.  Mehr  ist  auch  nicht 
möglich,  wenn  man  von  der  astronomischen  Lage  (3)  mehrerer  Punkte 
ausgehend  zu  einem  Vereinigungspunkte  kam.  Aber  ganz  barbarisch  und 
unverantwortlich  wäre  ein  solcher  Unterschied  bei  rein  geodätischen 
A^erbindmigen  (1)  oder  bei  (2),  wenn  man  nur  einen  Punkt  astronomisch 
zu  Grunde  legt,  insofern  solche  Messungen  nicht  schon  einen  halben 
Welttheil  umfasst  haben. 

Verzeihen  Sie,  theuerstei"  Olbeks,  meine  Weitläufigkeit.  Ich  wünschte 
mich  Ihnen  verständlich  zu  machen;  denn  in  der  That  nur  bei  der  hier 
ausgelegten  Ansicht  kann  ich  an  meinen  Arbeiten  ein  wahres  Interesse 
haben,  und  ohne  sie  würde  ich  beklagen,  meine  Zeit  4  Jahre  hindurch 
auf  einen  ganz  unwürdigen  Gegenstand  gewandt  zu  haben. 

Meine  hiesigen  Messungen  auf  Litberg,  Wilsede.  Bullerberg  und 
Bottel  sind  schon  zureichend,  aber  Bremen  Hess  sich  nie  mit  gehöriger 
Schärfe  schneiden.  Noch  nie  habe  ich  den  Knopf  als  Knopf  hier  er- 
kennen können  (oft  im  schönen  Heliotroplicht,  welches  aber  einen  nach 
dem  Stande  der  O  verschiedenen  Zielpunkt  giebt ).  Bei  Sonnenschein  hat 
auch  die  Spitze  immer  eine  die  ^Messungen  verderbende  Phase.  Ich  habe 
vorgestern  Klüver  mit  [einem]  Heliotrop  hingeschickt  ( vermuthlich  haben 
Sie  ihn  früher  gesehen  als  mein  letzter  Brief,  der  nacli  Aussage  des 
l^oten  einen  Tag  in  Rotenburg  liegen  geblieben  und  erst  gestern  Nach- 
mittag bei  Ihnen  angekommen  sein  wird;  die  Post  nach  Bremen  von 
Eotenburg  geht  2  mal  wöchentlich  weniger  als  sie  von  Bremen  kommt, 
ich  habe  mir  aber  die  Tage  nicht  notirt),  aber  gestern,  obgleich  fast 
den  ganzen  Nachmittag  schöner  Sonnenschein  in  Bremen  war,  noch  kein 
Licht  erhalten;  vermuthlich  hat  er  erst  die  Vorkehrungen  machen  müssen. 


Olbers  an  Gauss.     [Breraeu,   1824  Juli  (?.]  331 

Für^  weiteres  Furtsclireiten  sind  die  Aussichten  äusserst  schlecht. 
Nacli  meiner  früheren  Hoffnunj>-  Bremen  zu  umgehen,  wird  nicht  thun- 
lich  sein,  da  der  Weiher  Berg  mit  Brüttendorf  nicht  zu  verbinden  ist. 
Aber  auch  gar  niclits  anderes  Rechtliches  lässt  sich  mit  Brüttendorf 
in  NW  oder  N  verbinden.  Millers  Rekognoscirung  von  Biemervörde 
bis  Osterholz  hat  durchaus  gar  kein  Resultat  gegeben.  Der  einzige 
Punkt  wäre  bei  Wentel,  der  aber  an  Bremen 
wohl  nur  einen  Winkel  von  etwa  12°,  an 
Brüttendorf  einen  von  46°,  an  Wentel  von 
122°  pfraeterj  [projpter  geben  w'ürde,  und 
wo  ich  auch  noch  gar  nicht  weiss,  ob  das 
Opfer,  was  ich  durch  ein  so  schlechtes  Drei-  i'^o/^i 

eck    brächte,   und   welches   etwas   gebessert  Fig.  22. 

würde,  wenn  sich  Wentel  zugleich  mit  Bottel 

verbinden  Hesse,  durch  eine  einigermaassen  rechtliche  Aussicht  nach 
NW  von  Wentel  aus  kompensirt  würde.  Am  Ende  werde  ich  also  doch 
vielleicht  den  Steinberg  noch  mit  zuziehen  müssen,  um  mich  südöstlich 
um  Bremen  herumzudrehen,  oder  Bremen  nur  wie  eine  vorgeschobene 
Zunge  betrachten  und  die  Verbindung  mit  Keayenhoff  nördl.  über  Stade, 
oder  südlich  über  Osnabrück  suchen  müssen.  Das  erste  allein  zu  thun 
ist  wegen  der  unerhört  schlechten  Beschaftenheit  der  nordöstlichen 
KRAYENHorr'schen  AA,  worüber  ich  Ihnen  früher  einmal^)  geschrieben, 
auch  wohl  bedenklich.   Sehr  wünschte  ich  Ihre  Ansicht  darüber  zu  haben. 

Da  ich  heute  doch  eine  Ordonnanz  nach  Osterholz  an  Müller 
schicke,  so  erhalten  Sie  diesen  Brief  über  dort  vermuthlich  früher  als 
über  Rotenburg,  von  wo  er  erst  Mittwoch  Nachmittag  bei  Ihnen  ein- 
treffen könnte. 


No.  522.  Olbers  an  Gauss.  [27s 

[Bremen,  1824  Juli  G.]=») 

Da  Ihr  Hr.  Sohn  uns  schon  heute  wieder  verlassen  will,  so  kann 
ich  Ihnen  bei  dieser  Gelegenheit  nur  mit  ein  paar  Worten  vorläufig 
für  Ihren  gestern  durch  den  nach  Osterholz  gehenden  Artilleristen  er- 
haltenen gütigen  Brief  danken.  Nicht  Ihrem  gewiss  nicht  undeutlichen 
Schreiben,  sondern  meinen  schwachen  Augen,  die  ich  nicht  mit  der 
Brille  unterstützt  hatte,   ist  es  zuzuschreiben,   dass  ich  Meter  mit  Se- 


\)  Von  hier  ab  bis   zum  Schlussatz  auch  abgedruckt  in  Gauss'  Werken,  Bd.  IX 
S.  369-370.     Krm. 

2)  Brief  No.  486.     Krm. 

")  Dieses  Datum  uach  Brief  No.  524.     Seh. 


332  Gauss  an  Olbers.     Zeven,  1824  Juli  6. 

künden  verwechselte;  und  auch  dann  noch  wäre  die  Verwechselung 
kaum  möglich  gewesen,  wenn  ich  nicht  aus  Uebereilung  geglaubt  hätte. 
Sie  redeten  von  der  von  mir  angenommenen  geographischen  Lage  von 
Bremen,  nicht  von  der  durch  Ihre  vorhergehenden  Rechnungen  be- 
stimmten geodätischen. 

Gestern  werden  Sie  Heliotroi^licht  von  Klüver  erhalten  haben. 
Das  Uebrige  wird  Ihnen  Ihr  lieber  Hr.  Sohn  mündlich  berichten  und 
erzählen  können. 

Meine  Ansicht  über  die  Fortsetzung  Ihrer  Messungen  kann  wahr- 
lich für  den  von  Ihnen  zu  fassenden  Entschluss  von  gar  keinem  Werth 
sein ;  gestehen  muss  ich  aber,  dass  mir  das  Dreieck,  Brüttendorf,  Wentel. 
Bremen  für  eine  Hauptverbindung  doch  etwas  zu  spitzwinklig  an 
Bremen  scheint,  obgleich  die  Schärfe,  womit  Sie  alle  Winkel  zu  bestimmen 
wissen,  gar  keinen  irgend  erheblichen  Nachtheil  davon  befürchten  lässt. 
Und  dann,  wenn  dieses  Dreieck  aufgegeben  und  keine  andere  schickliche 
Fortsetzung  auszumitteln  wäre,  so  kommt  es  mir  vor.  dass  der  Weg 
südlich  über  Osnabrück  dem  nördlich  über  Stade  vorzuziehen  sein  dürfte, 
zumal  da  Sie  die  nordöstl.  KRAYENHorF'schen  Dreiecke  als  schlecht 
erkannt  haben. 

Den  officiellen  Brief  von  Hannover  werden  Sie  richtig  erhalten 
haben? 

No.  523.  Gauss  an  Olbers.  [243 

Zeven,  1S24  Juli  (3. 

Seit  meinem  letzten  Briefe,  den  Sie  über  Osterholz  bereits  empfangen 
haben  w^erden,  habe  ich  nun  auch  die  Lage  von  Bremen  in  der  zweiten 
Form  berechnet,  und  zwar  ist  dies  unabhängig  von  der  ersten  Form. 
Natürlich  enthält  meine  Theorie  auch  bequeme  Uebergänge  von  der 
ersten  zur  zweiten  Form;  ich  führe  aber  die  dazu  nöthigen  Hülfstafeln 
nicht  bei  mir.  Auch  werde  ich  die  Rechnungen  in  der  zweiten  Form 
nicht  über  Bremen  hinaus  für  jetzt  fortsetzen,  da  die  Angaben  von 
Länge  und  Breite  nur  bei  Orten,  wo  wirklich  astron.  Beobb.  gemacht 
sind,  Interesse  haben.     Mein  Resultat  ist 

Breite  des  Ansgarius 53°  4'48",9GS2 

Länge  westlich  von  Göttingen  .    .    .      1°S'22",7111 

Dies  gründet  sich  auf  Schumacher's  Basis,  auf  meine  Dreieckseite 
Falkenberg— Wilsede,  auf  die  Breite  von  Göltingen  51'^3I'48",00  und 
meine  Orientirung.     Das   Resultat   meiner   früheren   Rechnung^)   (über 

')  Mitg:etheilt  im  l^rief  No.  444.  S.  ITJ — 174.  Weitere  Angaben  über  die  Lage 
verschiedener  Bremer  Punkte  linden  sich  auch  im  Brief  No.  .54S  v.  13.  Pec.  1S24 
und  No.  G21  vom  [14.-20.J  Aug.   1827.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Zeven,  1824  Juli  6.  333 

«tc  Bentheini.  i'i.c  (ironingen,  ikc  Oldenburg)  in  dieser  Form  habe  ich 
gar  nicht  bei  mir.  Die  Vergleichung  mit  dem  gegenwärtigen  giebt 
Ilinen  aber,  in  Bezieliung  auf  den  Fehler,  den  der  grosse  Umweg  hervor- 
gebracht hat,  kein  reines  licsnltat,  weil  1)  jene  im  Winter  1822 — 1823 
gemachte  Rechnung  sich  noch  auf  Zach's  Basis  und  die  Polhöhe  von 
Göttingen  51^31'48",7  stützte,  auch^)  2)  die  neuen  Messungen  vom 
Jahr  1823  einige  obwohl  sehr  kleine  Modifikationen  in  dem  ganzen 
System  hervoi'gebracht  haben,  auch  ist  3)  in  meiner  jetzigen  Rechnung 
Walbeck's  Abplattung  genau  zu  Grunde  gelegt,  während  bei  der  vorigen, 
wie  Sie  wissen,  durch  Versehen  eine  obwohl  äusserst  kleine  Diiferenz") 
Statt  hatte.  Auf  alle  Fälle  würde  aber  doch  wohl  eine  neue  Rechnung, 
über  Bentheim  See  geführt,  wenn  ich  dies  vorigen  Winter  der  Mühe 
werth  gehalten  hätte  (oder  vielmehr  die  vorige  Rechnung  nach  der 
korrigirten  Lage  und  Grösse  der  ersten  Seite  Falkenberg — Asendorf 
verbessert),  schwerlich  mehr  als  0",1  in  Länge  und  Breite  von  der 
vorigen  verschieden  gegeben  haben. 

Seit  3  Tagen  habe  ich  leider  meinen  Platz  immer  ganz  vergeblich 
besucht,  da Klüvee  noch  immer  kein  Licht  geschickt  hat.  Bloss  gestern 
war  auf  einige  Augenblicke  ein  äusserst  schwaches  Licht  sichtbar. 
Obige  Rechnung  gründet  sich  auf  die  wenigen  schlechten  Schnitte  der 
Thurmsi)itze,  die  ich  bisher  hatte  machen  können.  Ich  werde  indessen, 
wenn  das  Heliotropliclit  bessere  Messungen  verstatten  wird,  doch  noch 
nichts  ändern  können,  ehe  ich  die  relative  Lage  des  Heliotrop-Platzes 
gegen  den  Knopf  kenne.  Auf  keinen  Fall  aber  wird  sich  obige  Angabe, 
auch  wenn  erst  die  Winkel  in  AMlsede,  Litberg  und  Bremen  beobachtet 
sein  werden,  mehr  als  einige  Hunderttheile  einer  Bogensekunde  ändern 
können.  Doch  muss  ich  erinnern,  dass  Schumacher  noch  keine  Definitiv- 
Bestimmung  seiner  Basis  gemacht  hat. 

Von  ]\IüLLER  habe  ich  noch  keine  weiteren  Nachrichten.  Ich  bin 
also  noch  in  völliger  Ungewissheit,  ob  und  wie  weiter  fortzukommen 
sein  wird.  So  bald  ich  Bremen  hinreichend  eingeschnitten  und  die 
Z.-D.  gemessen,  habe  ich  hier  nichts  mehr  zu  thun,  falls  nicht  noch 
etwa  [die]  Wentel-Gegend  angeknüpft  wird.  Litberg  und  Wilsede  muss 
ich  aus  mehreren  wichtigen  Gründen  auf  eine  spätere  Jahreszeit  ver- 
sparen. Vielleicht  komme  ich  daher,  wenn  ich  hier  fertig  bin,  zuerst 
zu  Ihnen.  Ich  habe  mit  Klüvee  verabredet,  dass  ich  ihm  die  Zahl  2 
für  diesen  Fall  signalisiren  werde.    Da  es  mir  auch  besonders  wichtig 


^)   Die   Sätze   zu   2)   und   3)   sind   auch    abgedruckt  in  Gauss'  Werken,  Bd.  IX 
S.  320.     Krm. 

^)  Vergl.  Brief  No.  448,  S.  184,  in  welchem  statt  richtiger  als  Ab- 

plattung angenommen  war.     Krm. 


334  Gauss  an  Olbers.     Zeven,  1824  Juli  8. 

ist,  ZU  verhüten,  dass  Briefe  nicht  irre  gehen  und  lange  verschleppt 
werden,  so  bitte  ich  Hrn.  Klüvek  zu  sagen,  dass  die  Zahl  5  ihm  an- 
zeigen soll,  dass  ich  die  Absicht  habe,  den  folgenden  Tag  Zeven  zu 
verlassen,  ohne  gleich  nach  Bremen  zu  kommen  (z.  B.  um  erst  noch 
einmal  den  Bottel  oder  Steinberg  zu  besuchen);  in  beiden  Fällen  ersuche 
ich  Sie  dann,  liebster  Olbers,  keine  Briefe  mehr  nach  Zeven  abzusenden 
und  die  etwa  bei  Ihnen  eingegangenen  bis  zu  meiner  Ankunft  oder 
resp.  weiterer  Nachricht  gütigst  bei  sich  zu  behalten. 

Das  einzige  Gute  bei  dem  jetzigen  schlechten  P'ortgange  der  Ar- 
beit und  den  schlechten  Aussichten  für  die  Zukunft  ist,  dass  ich  mich 
jetzt  wohler  befinde  als  in  der  ersten  Zeit  meiner  diesjährigen  Expedition. 
Hauptsächlich  wohl  die  Folge  des  kühleren  Wetters,  der  elektricitäts- 
freien  Luft  und,  was  ich  auch  zu  rühmen  habe,  des  sehr  guten  Quartiers 
im  hiesigen  Posthause.  Ich  habe  meinen  ca.  4000  m  (Meter)  weiten 
Weg  sclion  oft  zu  Fuss  gemacht. 

Hoffentlich  erfreut  die  Post  von  Rotenburg,  der  ich  immer  mit 
Verlangen  entgegensehe  oder  gehe,  morgen  Abend  mich  nochmals  mit 
einem  Briefe  von  Ihnen. 


No.  524.  Gauss  an  Olbers.  [246 

Zeven,  1824  Juli  8. 

Ihre^)  beiden  letzten  gütigen  Briefe  habe  ich  richtig  erhalten;  den 
einen  ohne  Datum  (vom  6.)  noch  denselben  Tag  durch  meinen  Sohn, 
den  älteren  vom  4.  nebst  dem  Briefe  aus  Hannover  (Abschrift  des 
officiellen  Schreibens  an  die  Oldenburgische  Eegierung)  hingegen  dem 
Postenlauf  ganz  gemäss  erst  gestern  Abend. 

Der^)  erstere  hat  mich  rücksichtlich  aller  meiner  Messungen  sehr 
niedergeschlagen.  Da  Sie  das  Dreieck  Bremen,  Brüttendorf.  Wentel 
wegen  des  zu  spitzen  Winkels  an  Bremen  verwerfen,  so  brechen  Sie 
dadurch  zugleich  den  Stab  über  die,  wie  es  scheint,  einzig  mögliche 
Art,  auf  der  anderen  Seite  um  Bremen  herumzukommen;  denn  in  dem 
Dreieck  Bremen,  Bottel,  Steinberg  wird  der  Winkel  in  Bremen  noch 
viel  spitzer  sein.  Sie  setzen  zwar  mit  Ihrer  gewohnten  Güte  hinzu, 
dass  doch  bei  jenem  Dreieck  die  Genauigkeit  deswegen  nicht  bedeutend 
leiden  würde,  weil  ich  in  meine  Messungen  eine  so  grosse  Schärfe  lege. 
Allein  dieser  Grund,  dessen  Wahrheit  ich  jetzt  auf  sich  beruhon  lassen 
will,  kann  mich  durchaus  im  Geringsten  nicht  beruhigen.  Nach  meinem 
Grundsatz  soll  man  immer,   so  genau  man  nur  kann,   beobachten:    der 


^)  Der  erste  Satz   bis  „erhalten",   ferner  der  l'assus  von  ,,Der  erstere"*  bis  ^ge- 
wesen wären"  ist  auch  abgedruckt  in  Gacss'  Werken,  Bd.  IX  S.  370 — 372.     Krui. 


Gauss  au  Olbers.     Zeven,  1824  Juli  y.  335 

Grad  der  Genauigkeit  in  den  Beobb.  (gleidiviel,  wie  gross  oder  wie 
klein  er  sein  mag)  bedingt  iiunin-  wimler  den  Grad  der  Genauigkeit, 
die  man  von  den  Resultaten  fordern  darf,  und  die  Genauigkeit  der 
Beobb.  kann  nach  meiner  Meinung  ein  an  sich  schlechtes  Dreieck  durch- 
aus nicht  gut  machen;  wenigstens  wäre  [es]  sonst  überflüssig  gewesen, 
die  übrigen  guten  Dreiecke  mit  derselben  Schärfe  zu  messen.  Höchstens 
kann  dadurch  dann  das  ganze  S^'stem  wieder  in  Parallele  mit  anderen 
an  sich  viel  schlechteren  Messungen  zurückkommen. 

Ich  habe  es  bisher  für  ein  blosses  Vorurtheil  gehalten,  wenn  man 
Dreiecke  mit  sehr  kleinen  Winkeln  der  Genauigkeit  für  nachtheilig 
hielt,  insofern  die  den  spitzen  \\'inkeln  gegenüberliegenden  Seiten  keine 
Uebergangsseiten  abgeben;  ich  habe  solche  klein  winkligen  Dreiecke  bloss 
deswegen  für  minder  gut  gehalten,  weil  man  damit  auf  einmal  nicht 
viel  weiter  kommt,  also  mehr  Zeit  und  Kosten  gebraucht,  als  wenn 
man  auf  einmal  viel  fortschreiten  kann ;  und  auch  dieser  .Grund  fällt 
ganz  weg,  wenn  die  Aufsuchung  und  in  Standsetzung  eines  grossen 
Dreiecks  vielleicht  doppelt  so  viel  Zeit  kostet,  als  die  Messung  zweier 
Dreiecke  zusammen,  die  eben  dahinführen,  und  wovon  das  eine  einen 
sehr  spitzen  Winkel  hat.  Demungeachtet  habe  ich  nicht  ganz  nach 
diesem  Princip  gehandelt,  sondern  ein  Dreieck  mit  einem  kleinen  Winkel 
nie  eher  adoptirt,  als  bis  ich  fa.n  alle  Möglichkeiten  erschöpft  hatte, 
es  zu  vermeiden  (nur  diejenige  Möglichkeit  nicht,  die  zu  schlechten 
Messungen  selbst  geführt  hätte  d.  i.  Zach's  hohe  Thürme),  nicht  w^eil 
ich  geglaubt  hätte,  dadurch  an  Genauigkeit  etwas  zu  gewinnen,  sondern 
aus  dem  wohl  verzeihlichen  Wunsche,  dem  System  so  viel  [wie]  möglich 
ausser  dem  inneren  Gehalt  auch  Schönheit  und  Rundung  zu  geben.  Da 
ich  nun  aber  Sie,  theuerster  Olbees,  durch  das,  was  ich  in  einem  früheren 
Briefe  darüber  schrieb,  nicht  überzeugt  habe,  sondern  da  Sie  den  Nach- 
theil, der  für  die  Genauigkeit  aus  dem  spitzen  Winkel  sonst  entstehen 
würde,  durch  die  Schärfe  der  Messungen  gut  gemacht  verlangen,  was 
nach  meiner  Ansicht  unmöglich  ist,  so  werde  ich  selbst  in  meiner  bis- 
herigen Ansicht  ganz  ii're  und  zweifelhaft,  ob  sie  nicht  ganz  unrichtig 
gewesen,  und  darf  wenigstens  auf  keinen  Fall  hoffen,  andere  von  der 
Richtigkeit  derselben  zu  überzeugen.  Was  namentlich  das  Dreieck 
Br[emen]— Bi[üttendorf!— Went[el]  betrifft,  so  hätte  ich  mich  selbst 
sehr  ungern  dazu  entschlossen,  w^eil  es  nicht  schön  ist  und  auf  einmal 
nicht  viel  weiter  bringt;  rücksichtlich  der  Genauigkeit  aber  (ganz  ab- 
gesehen davon,  wie  genau  die  Winkelmessungen  an  sich  sind)  würde  ich 
dasselbe,  seine  W^inkel  zu  12°,  4G°,  122"  angenommen,  vollkommen  einem 
anderen  gleichgestellt  haben,  dessen  Winkel  76**,  46°,  58"  gewesen  wären.^) 


^)  Siehe  Anmerkung  auf  S.  334.     Seh. 


336  Gauss  an  Olbers.     Osterholz,  1824  August  26. 

Vorgestern  habe  ich  Klüvee's  Heliotroplicht  ziemlich  oft  ein- 
sclmeideii  können;  es  bedarf  nur  noch  eines  solchen  Tages,  um  die 
Richtung  zulänglich  genau  zu  haben. 

Von  Schumacher  habe  ich  neulich  noch  einen  Brief  vom  2.  aus 
Altona^)  gehabt:  er  erwähnt  darin,  dass  er  noch  Ende  dieses  Monats 
aus  Helgoland  zurückzusein,  aber  gar  nicht,  wann  er  dahin  abzureisen 
denke;  einige  andere  Aeusserungen  scheinen  vielmehr  anzudeuten,  dass 
er  noch  nicht  sogleich  von  Altona  abreisen  wollte.  Vermuthlich  soll 
also  sein  Aufenthalt  in  Helgoland  nur  kurze  Zeit  dauern.  Er  erzählt 
darin  auch  noch,  dass  der  Bau  der  neuen  Hamburger  Sternwarte  in 
diesen  Tagen  angefangen  werde. 

Leider  hat  die  seit  einigen  Tagen  wieder  eingetretene  schwüle 
Hitze  meine  neuliche  Lobpreisung  des  angenehmen  Wetters  schnell  zu 
Schande  gemacht. 

Juli  9. 

MüLLEE  ist  noch  immer  nicht  angekommen,  und  ich  habe  also  noch 
keine  Grundlage,  auf  die  ich  die  Wahl  zwischen  den  beiden  schlechten 
Dreiecken,  die  resp.  an  Wentel  und  Steinberg  endigen,  stützen  kann. 
Sollte  der  letztere  vorgezogen  werden  [müssen]^),  so  würde  ich  schwerlich 
Mittwoch  den  14.  Abends  noch  hier  sein,  daher  ich  Sie  bitte,  ti  den  10.. 
Oden  11.  und  ([  den  12.  A-ei^e  Briefe  an  mich  aufzugeben,  unbeschadet 
des  Aufgebens  $  den  13.,  wenn  bis  dahin  von  mir  keine  Nachricht  erfolgt. 

Gestern  und  vorgestern  hat  gar  nichts  gemacht  werden  können. 
Heute  scheint  einige  Hoffnung  zu  bleiben. 


No.  525.  Gauss  an  Olbers.')  [2i7 

Osterholz,  1824  August  26. 

Erst  heute  kann  ich  eine  freie  Stunde  gewinnen.  Ilinen  meinen 
innigsten  Dank  für  die  bei  Ihnen  genossene  freundliclie  Aufnahme  zu 
wiederholen.  Herzlich  freue  ich  mich  schon  auf  die  nun  nahe  bevor- 
stehende Nachfeier  von  jenen  frohen  Tagen,  welcher  ich  in  Zeven  ent- 
gegensehe. 


^)  Brief  No.  218  im  Briefwechsel  GAUss-ScHtrsiAcuKR.  der  jedoch  daselbst  ver- 
sehentlich das  Datum  Juli  23  (vielleicht    Juli  2  und  3)  träg't.     Krni. 

'^)  Dieses  Wort  ist  wohl  beim  Entsiegeln  abgerissen  worden.     Krm. 

'■')  Zwischen  Brief  No.  524  xind  525  liegt  ein  sechswöchentlicher  Besuch  Gauss' 
in  Bremen  bis  Mitte  August.  Vergl.  Ikiefwechsel  Olbeus-Besskl  Bd.  II.  S.  267, 
Gauss-Bessel  S.  440  u.  442.     Krm. 


Gauss  au  Olbt-rs.     Ostt-rliolz.  1824  Auyust  26.  337 

Am  Sonntag  konnte  icli  hier  nur  einen  offenen  Wagen  zum  Garlster 
IMatz  erlialten.  und  ich  fuhr  darin  unter  anscheinend  guten  Auspicien 
um  1  rhr  ab;  allein  schon  auf  halbem  Wege  stellte  sich  Kegen  ein, 
der  den  ganzen  Tag  nicht  wieder  aufhörte.  Bis  auf  die  Haut  durch- 
nässt  kam  ich,  ohne  etwas  gesehen  zu  haben,  um  81  Uhr  zurück. 

Die  drei  fcdgenden  Tage  Avaren  günstiger.  Ich  habe  den  Haupt- 
winkel zwischen  Bremen  und  Brillit  60 mal  gemessen,  Loxstedt  habe 
ich  nur  einige  20 mal  geschnitten,  für  die  Zenithdistanz  bot  der  Thurm 
keinen  Zielpunkt  dar,  und  einen  Heliotropen  hinzuschicken,  trug  ich 
um  so  mehr  Bedenken,  da  ich  jetzt  mit  der  Zeit  auf  das  Aeusserste  sparen 
niuss  und  überdies  zweifelhaft  geworden  bin,  ob  ich  übei'haupt  Lox- 
stedt als  Dreieckspunkt  adoptiren  werde.  Es  ist  nämlich  Hoffnung  da, 
einen  besser  gelegenen  Punkt  anzuknüpfen;  BremerleJie,  welches  die 
Hälfte  weiter,  in  Garlste  sichtbar  und  eine  schöne  Laterne  ist.  Von 
Brillit  ist  Bremerlehe  nicht  sichtbar,  allein  ich  hoffe,  dass  es  ver- 
mittelst Durchhau  wird  sichtbar  gemacht  werden  können;  zu  den 
dazu  nöthigen  Voruntersuchungen  wird  aber  dieses  Jahr  keine  Zeit 
mehr  sein. 


^'^^'-'  >  ^^  ^^rä/a 


Maasstab 


13330U0 


JOii!(ede\^  ,Zoj/erBerff_ ^ll:^(^Garlste  y]  Schwarze  Linien  gewisse. 

punktirte  ungewisse  Ver- 
bindunffen. 
Oldenburff 


StedtAerff 
Fig.  23. 

Oldenburg  ist  in  Garlste  nicht  sichtbar,  ein  Wald  etwa  eine  Meile 
entfernt,  liegt  vor;  auch  scheint  jenseits  entfernter  wieder  Wald  zu 
sein,  wovon  gegen  Abend  Spitzen  herübersäumen.  Ob  diese  Hinder- 
nisse zu  überwinden  sind,  muss  die  künftige  Untersuchung  lehren. 

Der  Loyer  Berg  ist  sichtbar. 

Auch  Rastede  und  Stolham;  diese  beiden  Thürme  sind  aber  für 
mich  unbrauchbar. 

Von  Grossen  Meer  und  Ganderkesee  habe  ich  die  äussersten  Spitzen 
gesehen;   ohne   genaue   vorgängige  Rechnung   wäre    es   unmöglich   ge- 

Olbers.    11,  2.  22 


338  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1824  August  31. 

wesen,  sie  herauszufinden  und  von  zahllosen  von  der  Weser  her  über 
Holz  herüberragenden  Schiffsmasten  zu  unterscheiden. 

Das  Wichtigste  aber,  was  ich  hier  entdeckt  habe,  ist  die  Sichtbar- 
keit von  Varel  413(37  m  entfernt  Es  wird  erst  spät  Nachmittags  sicht- 
bar und  zeigt  sich  wie  eine  kleine  Laterne  auf  einem  grossen  Dom. 

Wenn  Bremerlehe,  wie  ich  hotfe,  sich  künftig  mit  Brillit  und  Varel 
verbinden  lässt,  und  entweder  Oldenburg  vermittelst  Durchhau  in  Garlste 
sichtbar  gemacht  werden,  oder  ein  anderer  Punkt  auf  dem  Loyer  Berge 
substituirt  werden  kann,  so  ist  der  Weg  zu  einem  schönen  Fortschreiten 
gebahnt.  Ich  habe  mich  jetzt  begnügen  müssen,  alle  jene  Punkte  nur 
einige  Male  einzuschneiden. 

Dass  ich  heute  nach  Brillit  (d.  i.  Gnarrenburgj  abreise,  wird  Ihnen 
vermuthlich  Hr.  Baumann  schon  gestern  angezeigt  haben. 

Unter  herzlichen  Grüssen  an  Ihren  Hrn.  Sohn  und  Schwiegersohn 
empfehle  ich  mich  Ihrem  Andenken. 

Mich  soll  wundern,  ob  jetzt  vielleicht  der  Tod  von  Wolf  die  be- 
wusste  Angelegenheit  wieder  anregen  wird.^) 


No.  526.  Olbers  an  Gauss.  [279 

Bremen,  1824  August  31. 

Ihnen  vielmehr  habe  ich  recht  innig  und  herzlich  für  die  grosse 
Freude  zu  danken,  die  mir  Ihr  freundlicher  Besuch  gewährt  hat.  Mögen 
Sie  nachsichtig  entschuldigen,  wenn  meine  Junggesellen-Wirthschaft  Sie 
viel  Mangelhaftes  und  Unbequemes  bei  mir  hat  finden  lassen. 

Das  herrlichste  Wetter  hat  bisher  Ihre  Messungen,  seit  dem  Sie 
Bremen  verliessen,  begünstigt;  auch  sehe  ich  aus  Ihrem  Briefe  vom 
26.  Aug.,  wie  schnell  Sie  jetzt  den  Langeberg-)  beendigt  haben.  Kbenso 
schnell  wird  es  wahrscheinlich  zu  Brillit  gegangen  sein.  Nur  fürchte 
ich,  dass  die  grosse  Hitze  der  3  letzten  Tage  Ihnen  lästig  und  Ihrer 
Gesundheit  nachtheilig  gewesen  ist. 

Zu  der  glücklichen  Entdeckung  der  Sichtbarkeit  von  Bremerlehe 
und  besonders  von  Varel  wünsche  ich  viel  Glück.  Die  Möglichkeit 
einer  schönen  Verbindung  mit  Keayenhoff's  Dreiecken  scheint  nun 
erwiesen. 

Schumacher   schreibt   mir,    dass   er   bis    zum   5.  Sept.  inkl.    nicht 


*)  Durch  den  Tod  Frtkprich  Augtst  Wolf's  wurde  ein  ansehnliches  (i ehalt  in 
der  Berliner  Akademie  der  Wissenschaften  frei.  Vergl.  hierzu  den  im  Anhang  niit- 
getheilten  Brief  vom  12.  Okt.  1824  von  Dikksen  an  Olbkhs.     Krm. 

')  Beobachtungsplatz  bei  Garlste.     Knn. 


Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1824  August  31.  339 

von  Altana  abkommen  könne;  ob  es  später  möglich  sei,  hänge  noch 
von  einem  ihm  zugedachten  Besuch  eines  Freundes  ab,  den  er  indessen 
aufzuscliieben  suche.  Ich  hoffe  demnach,  dass  es  in  den  ersten  Tagen 
der  künftigen  Woche  möglich  sein  wird,  Sie,  mein  allertheuerster 
Freund,  in  Zeven  zu  besuchen,  wenn  Sie  andeis  noch  so  lange  da  sein 
Herden,  worüber  ich  mir,  wo  möglich,  eine  kleine  Nachricht  erbitte. 

Ich  habe  mit  Vorbedacht  gestern  nicht  geschrieben,  weil  ich  noch 
keinen  Brief  für  Sie  erhalten  habe.  Sollte  heute  noch  einer  ankommen, 
so  werde  ich  ihn  beilegen.  Den  Einschluss  an  Hrn.  Quebfeld  werden 
Sie  entschuldigen. 

Für  den  kleinen  Kometen^)  habe  ich  vor  einigen  Tagen  folgende 
genäherte  Elemente  berechnet: 

Zeit  der  Onähe Sept.  28,  4923 

Länge 3"  44' 16" 

Sh 279  45    1 

Neigung 55  14    3 

Log.  d.  kl.  Dist 0,02484  mot.  dir. 

Mein  erster  Versuch^)  aus  den  nahen  und  groben  Beobb.,  der 
Sept.  24.  17''  TT  =  17^18'  etc.  gegeben  hatte,  war  also  noch  sehr  ab- 
weichend. —  Hr.  Dr.  Schmidt  muss  durch  einen  Rechenfehler  auf  ganz 
irrige  P^lemente  geleitet  worden  sein. 

Der  Komet  wird  wenigstens  noch  bis   zum  Dec.  sichtbar  bleiben. 

Im  neuesten  Stück  von  Tilloch's  Pliilos.  Mngaz.  Juli  1824  ist 
schon  eine  ausführliche  Nachricht  von  der  Bessel  zugeschriebenen  Er- 
findung, die  Biegung^)  des  Fernrohrs  am  Meridiankreis  zu  bestimmen, 
von  Bailt  nach  dem  Briefe  eines  ausgezeichneten  Astronomen  des 
festen  Landes  (wahrscheinlich  Prof.  Schumacher)  gegeben. 

In  eben  dem  Stück  ist  von  J.  Ivory  eine,  wie  es  mir  scheint, 
sehr  elegante  Auflösung  des  Problems  gegeben:  Wenn  die  Länge  einer 
geodätischen  Linie  auf  der  Erdoberfläche,  und  zugleich  die  Länge, 
Breite  und  das  Azimuth  eines  ihrer  Endpunkte  gegeben  ist,  die  Länge, 
Breite  und  das  Azimuth   am  anderen  Endpunkte  zu  finden.   —   Inter- 


\)  Komet  1824  ü,  Juli  23  von  Scheithacee  in  Chemnitz  entdeckt.  Die  Ele- 
mente des  ersten  Versuches  hatte  Olbers  wohl  Gauss  mündlich  in  Bremen  mitge- 
theilt.     Siehe  auch  Olbers  Bd.  I  No.  93 — 96.     Krm. 

-)  Bessel  ist  in  der  Veröffentlichung  seiner  Methode,  die  Biegung  astronomischer 
Fernrohre  zu  bestimmen  [A.  N.  Bd.  3,  Ko.  61)  Gauss  zuvorgekommen,  der  nach  Brief 
Xo.  312  im  Briefwechsel  Olbers-Bessel  die  gleiche  Methode  im  Juli  1824  Olbeks  in 
Bremen  mitgetheilt  hatte.  Yergl.  auch  Gauss-Bbssel,  Brief  No.  145,  S.  439.  Gauss 
hat  seine  Methode  nicht  veröffentlicht,  auch  in  dem  bisher  herausgegebenen  Nachlass 
ist  nichts  darüber  mitgetheilt.     Krm. 

22* 


340  Gauss  an  Olbers.     Zeven,  1824  August  31. 

essirt   es   Sie,   so   bringe   ich    Ihnen    das   Stück   mit.    wenn    ich    nach 
Zeven  komme. 

Würden  Sie,  wie  es  leicht  möglich  ist,  schon  vor  dem  6.  Sei)t.  in 
Zeven  fertig  sein,  so  versteht  es  sich  wohl  von  selbst,  dass  Sie,  theuerster 
Freund,  sich  um  Schumachee's  und  meinetwillen  dort  keine  Minute 
länger  aufhalten  müssen.  Ihre  Zeit  ist  Ihnen  bei  der  vorgerückten 
Jahreszeit  viel  zu  kostbar. 


No.  527.  Gauss  an  Olbers.')  [24s 

Zeven,  1824  August  31. 

Meine  gestrige  Eeise  von  Gnarrenburg  hierher  wird  Ihnen  Hr. 
Baumann  bereits  berichtet  haben,  und  ich  erwarte  nun  bald  etwas  Be- 
stimmtes über  Ihr  und  Schumacher's  Herkommen  zu  erfahren. 

Während  meines  xA.ufenthalts  in  Brillit  war  die  Luft  für  das  Sehen 
terrestrischer  Gegenstände  immer  höchst  ungünstig,  so  dass  ich  mehrere 
entfernte  Punkte,  die  Müllee  früher  bemerkt  hatte  (einer  vermuthlich 
Seefeld),  nie  habe  sehen  können.  Besser  ging  es  dagegen  mit  den 
Heliotroplichtern,  die  täglich  eine  oder  anderthalb  Stunden  lang  sehr 
gut  zu  sehen  waren  (vorher  und  nachher  sehr  stark  wallten).  Ich  bin 
daher  auch  mit  Brillit  schneller  fertig  geworden,  als  ich  gedacht  hatte. 
Dagegen  ist  mein  erster  Besuch  gestern  auf  dem  Tlmrm  nur  betrübt 
ausgefallen.  Ich  habe  erst  mehrere  Stunden  gebraucht,  bis  ich  eine 
Stelle  finden  konnte,  wo  meine  Hauptrichtungen  alle  zugleich  offen  oder 
zu  öffnen  sind,  und  doch  lässt  sich  nicht  ändern,  dass  einige  nur  in 
genirter  Lage  beobachtet  werden  können.  Dann  hatte  ich  das  Miss- 
vergnügen, dass  von  Bremen  gar  kein  Licht  kam,  obgleich  dort  ©schein 
zu  sein  schien,  und  sehr  lange  von  hier  aus  Heliotroplicht  hingeschickt 
wurde.  Ich  fürchte  daher,  dass  Hr.  Baumann  die  Kichtung  nicht  hat 
finden  können,  welches  um  so  betrübter  wäre,  da  ich  den  gestern  auf- 
gestellten Heliotrop  nicht  hier  behalten  kann,  und  mit  dem  grossen 
Spiegel  Licht  nach  Bremen  zu  schicken  wegen  der  engen  Lokalität  in 
der  Regel  unmöglich  sein  wird. 

Sie  erzeigen  mir  wohl  die  Gefälligkeit,  die  Einlage  an  Hrn.  Bau- 
mann zu  schicken,  da  ich  selbst  den  Namen  seines  Hauswirths  ver- 
gessen habe. 

Es  ist  zu  befürchten,  dass  es  auch  übrigens  hier  mit  dem  Beob- 
achten nicht  so  gut  gehen  wird,  wie  in  Garlste  und  Brillit.  Das  Mooi- 
brennen  nimmt  wüeder  überhand,  und  die  fürchterliche  Hitze  wirkt  auch 


*)  Dieser  Brief  ist  iu  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krm. 


Gauss  au  Olbers.     Zeven.   1824  Septemlier  3.  341 

sehr  naclitlu'ilig  auf  mein  Befinden,  welclies  sonst  die  letzten  Tage 
ziemlicli  gut  gewesen  war,  so  dass  ich  den  Weg  von  Gnarrenbuig 
[nach]  Biillit,  1  Stunde  weit,  ein  paar  Mal  zu  Fuss  zurückgelegt  habe. 

HofFentlicli  wird  jedoch  diese  Hitze  nicht  von  langer  Dauer  sein 
können. 

Der  Fehler  der  ^^'inkelsumme  in  dem  Dreieck  Bremen,  Brillit. 
Garlste  scheint  etwa  0",5  zu  sein;  genau  kann  ich  es  noch  nicht  an- 
geben, da  die  Bremer  Messungen  noch  nicht  definitiv  ausgeglichen  sind. 


No.  528.  Gauss  an  Olbers.')  [249 

Zeven,  1824  September  3. 

Herzlichen  Dank  für  Hiren  gütigen  Brief  vom  31.  Aug.,  der  [sich] 
mit  dem  meinigen  gekreuzt  hat.  Es  scheint  nach  jenem,  dass  Hr.  Bau- 
mann Ihnen  meine  telegraphisch  von  Brillit  gegebene  Anzeige  meines 
Abganges  hierher  nicht  mitgetheilt  hatte. 

Hier  geht  es  so  schlecht  wie  möglich.  Bei  dem  schönsten  Wetter 
habe  ich  noch  so  gut  wie  gar  nichts  ausgerichtet.  Hr.  Baumann  hat 
noch  gar  kein  Licht  hergeschickt;  gestern  war  in  der  Richtung  von 
Brillit  der  Moordampf  so  stark,  dass  auch  von  daher  gar  kein  Licht  ge- 
kommen ist.  A'or  Bremen  schien  er  weniger  stark  zu  liegen,  daher 
ich  vermuthe,  dass  Hr.  Baumann  noch  immer  die  Richtung  nicht  hat 
treffen  oder  sich  mit  der  doppelten  Reflexion  nicht  hat  helfen  können. 
Bisher  ist  er  den  ganzen  Nachmittag  durch  Heliotroplicht  von  hieraus 
aufgefordert,  allein  dies  kann  nun  nicht  länger  fortdauern,  da  ich  auf 
die  bisherige  Art  gar  nichts  mehr  observiren  könnte;  ich  habe  daher 
heute  meinen  Sohn  mit  dem  Heliotrop  zum  Steinberge  geschickt,  um 
wenigstens  den  einen  Winkel  Steinberg — Wilsede  messen  zu  können. 
A\"as  aber,  wenn  der  Moordampf  noch  mehr  überhand  nimmt,  daraus 
werden  will,  sehe  ich  noch  nicht  ab.  Alles,  was  bisher  hier  geschehen 
ist,  besteht  in  der  Messung  der  Zenithdistanzen  von  Wilsede  und 
Brillit.  —  Dazu  kommt  nun  die  grässliche  Hitze.  Am  Dienstag  und 
Mittwoch  war  ihre  A\'irkung  so,  dass  ich  befürchtete,  gar  nicht  mehr 
observiren  zu  können;  gestern  war  es  etwas  erträglicher,  obwohl,  wie 
ich  schon  oben  erinnert  habe,  mein  Ersteigen  des  Thurms  völlig  um- 
sonst war.  — 

Sie  sehen  also,  dass  ich  gar  keine  Aussicht  habe,  vor  dem  6.  oder 


^)  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krra. 


342  Gauss  an  Olbers.     Zeven,  1824  September  3. 

7.  hier  fertig  zu  werden,  wenn  auch  von  lieute  an  alles  auf  das  Beste 
ginge,  wozu  ich  aber  nicht  die  geringste  Hoffnung  sehe. 

Für  Ihr  gütiges  Anerbieten,  den  Aufsatz  von  Ivory  mitzubringen, 
danke  ich  sehr,  bitte  aber  das  nicht  zu  thun,  da  ich  nicht  gern  in  die 
Entwickelung  meiner  Methoden,  die  sich  auf  die  höhere  Geodäsie  be- 
ziehen, irgend  etwas  Fremdes  sich  einmisclien  lassen  möchte.  Ich  wei'de 
Ihnen,  wenn  ich  nach  Göttingen  zurückkomme,  das  Wesentliche  meiner 
Auflösung  schicken  (was  ich  Ihnen  in  Bremen  davon  zeigte,  war  eigent- 
lich die  Modifikation,  welche  die  Methode  erhält,  wenn  die  Entfernung 
der  beiden  Punkte  massig  gross  ist,  obwohl  diese  Modifikation  für  alle 
in  der  Praxis  vorlwmmenden  Fälle  immer  ausreicht),  und  Sie  dann 
bitten,  mir  zu  sagen,  ob  die  von  Ivort  Aehnlichkeit  damit  hat,  oder 
sie  überflüssig  macht.  Ich  habe  jetzt  angefangen,  meine  auf  dem 
Ansgarius-Thurm  an  den  verschiedenen  Aufstellungspunkten  gemachten 
A\'inkelmessungen  scharf  zu  vergleichen.  Die  Messungen  zwischen  den 
6  Hauptpunkten  (Steinberg.  Bottel.  Brüttendorf,  Zeven,  Brillit,  Garlste) 
lassen  sich  unter  einander  recht  gut  vereinigen.  Wenn  ich  aber  ihre 
Lage,  d.  i.  die  Richtungen  vom  Ansgarius  aus,  bloss  aus  den  zwischen 
ihnen  gemessenen  Winkeln  festlege,  ohne  auf  die  Nebenpunkte  Rück- 
sicht zu  nehmen,  und  dann  die  Richtung  nach  den  6  Nebenpunkten 
(Twistringen,  Oldenburg,  Hude,  Neuenkirchen,  Verden,  Asendorfi  durch 
die  zwischen  ihnen  und  den  Hauptpunkten  gemessenen  Winkel  festlege, 
so  zeigt  sich  unter  diesen  letzteren  Messungen  eine  viel  schlechtere 
Harmonie.  Es  kommt  sogar  ein  Winkel  vor,  der  9  mal  gemessen  noch 
eine  Ausgleichung  von  3"  erfordert  (Neuenkirchen — Garlste).  Ausser 
dem  meistens  schlechten  Sehen  der  irdischen  Punkte  schreibe  ich  dieses 
vorzüglich  dem  Umstände  zu,  dass  die  Hauptpunkte  unter  sich  bei 
unveränderter  Körperstellung  observirt  wurden,  bei  den  Nebenpuukten 
aber  meistens  die  Vergleichung  nicht  möglich  war,  ohne  für  beide 
Objekte  verschiedene  Sitzplätze  zu  nehmen.  Dies  bringt  höchst  wahr- 
scheinlich immer  eine  erhebliche  Reaktion  auf  das  Instrument  hervor, 
wenn  man  auf  Thürmen  observirt,  und  es  entstehen  daraus  neben  den 
schwankenden  noch  konstante  Fehler. 

Auch  Caroc  hat  in  Hohenhorn  etwas  Aehnliches  bemerkt,  so  wie 
ich  selbst  auf  dem  Brocken,  in  Lüneburg  und  Hamburg.  Hier  in  Zeven 
wird  es  nicht  besser  gehen. 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1824  September  5  uml  September  14.  343 

No.  5-29.  oibors  an  Gauss.  [28o 

Bremen,  1824  September  5. 

Herzlich  bedauere  ich,  dass  Ihre  ^[essgeschäfte  in  Zeven  so  lang- 
sam vorrücken;  hoffe  indessen,  dass  die  jetzt  etwas  nachlassende  Hitze 
auch  eine  Bessei'ung  Ihres  Befindens  bewirkt  haben  wird. 

Mit  Hirem  lieben  Schreiben  vom  3.  Sept.,  mein  allertheuerster 
Freund,  erhielt  ich  zugleich  einen  Brief  von  Schumacher  vom  2.  Sept., 
worin  er  anzeigt,  Dr.  Tiarks  sei  so  eben  in  Altona  angekommen,  werde 
wenigstens  bis  zum  6.  Sept.  dort  bleiben  und  so  könne  er,  Schumacher, 
nicht  vor  dem  8.  Sept.  in  Zeven  eintreffen.  Dann  aber  wolle  er  hin- 
kommen, wenn  er  wüsste,  dass  er  Ihnen  so  spät  noch  gelegen  käme.  — 
Da  ich  nun  aus  allen  Umständen  schliessen  muss,  dass  Sie  noch  am  8. 
und  9.  in  Zeven  sein  werden,  so  habe  ich  auch  meinen  Besuch  so  lange 
aufgeschoben,  und  werde  also,  wenn  Sie  es  erlauben,  und  ich  bis  zum 
7.  keine  Gegenbefehle  von  Ihnen  erhalte,  am  Mittwoch  den  8.  gegen 
Abend  in  Zeven  sein. 

Vor  ein  paar  Tagen  sagte  mir  Hr.  Baumann,  er  habe  noch  gar 
kein  Licht  von  Zeven  erhalten  und  zweifle,  ob  das  von  ihm  geschickte 
des  Moordampfs  wegen  doithiu  durchgedrungen  sei. 

Es  ist  bisher  nichts  für  Sie  eingelaufen.  Erhalte  ich  noch  etwas, 
so  bringe  ich  es  Ihnen  am  Mittwoch  mit. 


No.  530.  Olbers  an  Gauss.')  [28i 

Bremen,  1824  September  14. 

Noch  den  herzlichsten  innigsten  Dank  für  Ihre  so  gütige  Auf- 
nahme unserer  kleinen  Gesellschaft  in  Zeven  und  für  die  frohen 
Stunden,  die  wir  dort  verlebt  haben.  Die  kleine  Eeise  ist  mir  unge- 
mein gut  bekommen.  Schon  um  3  Uhr  Nachmittags  war  ich  hier 
wieder  in  Bremen. 

Einliegend  ein  Brief  vom  Kapt.  Müller,  der  vorgestern  hier  an- 
kam. In  dem  Umschlage  hat  der  Hr.  Hauptmann  die  Güte,  mir  zu  sagen, 
dass  nach  seinen  Untersuchungen  mittelst  Benutzung  von  Rastede,  Varel, 
Langwarden  und  Loxstedt  ein  sehr  guter  Uebergang  auf  die  Krayen- 


^)  Zwischen  Brief  No.  529  und  530  liegt  der  Besuch,  den  Olbers  zusammen 
mit  ScHCMACHEK  Und  Eepsold  in  Zeven  Gauss  abgestattet  hatte.  Vergl.  Briefwechsel 
Gauss-Bessel,  Brief  Gauss'  vom  20.  Nov.  1824,  No.  146,  S.  442.     Krm. 


344  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1824  September  18. 

Horr'schen  Seiten  Westerstede  —  Jever  und  Jever — "Wangeroog  aus- 
führbar sei,  Aufstellungen  zu  ebener  Erde  aber  in  diesen  "waldigen 
flachen  Gegenden  nicht  stattfinden  könnten. 

Ihre  Entdeckungen  auf  der  Garlster  Haide  der  Sichtbarkeit  von 
Bremerlehe  und  Varel  werden  diese  Ansichten  wohl  etwas  anders 
modificiren. 

Vorgestern  brachte  mir  der  Medicinal-Rath  Mühet  aus  Hannover 
einen  Gruss  von  der  Demoiselle  Caroline  Herschel.  die  jetzt  be- 
schäftigt ist,  die  sämmtlichen  nachgelassenen  Beobb.  ihres  verewigten 
Bruders  in  Ordnung  zu  bringen.  Sie  sollten  die  alte  Dame  doch  mal 
gelegentlich  besuchen,  lieber  Gauss,  wenn  Sie  sich  doch  mal  einige  Zeit 
in  Hannover  aufhalten  müssen.  Diese  Ehre  würde  der  guten  Miss  eine 
ungemeine  Freude  machen.  —  Der  junge  Herschel  kommt  jetzt  aus 
Italien  zurück,  wird  sich  mit  dem  Uebersetzer  der  Schriften  seines 
Vaters,  Pfaee,  besprechen,  und  höchst  wahrscheinlich  unsere  Gegenden 
besuchen. 

Von  Göttingen  ist  bisher  nichts  eingegangen;  kommt  noch  diesen 
Nachmittag  etwas  für  Sie  an,  so  lege  ich  es  bei. 


No.  531  Olbers  an  Gauss.  [282 

Bremen,  1824  September  18. 

Erst  vor  einer  Stunde  erhalte  ich  Ihre  Zeilen  vom  15.^)  über 
Verden.  Ich  habe  sogleich  Hrn.  Baumann  davon  benachrichtigen  lassen; 
allein  seiner  Aussage  nach  hat  er  Ihnen  schon  gestern  Licht  geschickt, 
wie  auch  von  Ihnen  erhalten.  —  Nach  Zeven  hat  er  Ihnen  immer  aus 
dem  rechten  Standpunkt  das  Heliotroplicht  gesendet. 

Einliegend  ein  Brief  von  meiner  Niece,  die  mii-  vuu  Ihnen  auf- 
getragene Erkundigung  betreffend,  den  ich  mir  gelegentlich  wieder  er- 
bitte. Alles  Uebrige  werden  Sie  wohl  am  besten  von  dem  Hrn.  Kapt. 
Müller  erfahren  können. 

Im  neuesten  Stück  der  Corr.  Ast.  von  Zach  ist  ein  breiter  Auf- 
satz unter  der  Ueberschrift  sur  Ja  Caleiidariographie.  Er  beruht  fast 
ganz  auf  Ihrer  Vorschrift,  das  Osterfest  zu  finden.  Der  Formel  wird 
mit  gerechtem  Lobe  und  ihres  berühmten  Urhebers  mit  aller  schuldigen 
Achtung  gedacht.  Um  so  mehr  benutzt  aber  Zach  diese  Gelegenheit, 
dem  Pariser  Längenbureau  wieder  allerlei  Unangenehmes  über  die 
Conn,  d.  T.  zu  sagfen. 


^)  Dieser  Brief  ist  nicht  vorhanden.     Seh. 


Olbera  an  Gauss.     Bremen.  1824  September  22.  345 

Der  kleine  Komet^)  luit  jetzt  einen  deutlichen,  ziemlich  glänzenden, 
doch  verwaschenen  Kern.  Die  Witterung  ist  hier  seit  mehreren  Tagen 
des  Abends  zu  seiner  Beob.  ungünstig. 

Für  Sie  ist  weiter  nichts  bei  mir  eingegangen. 


No.532.  Olbers  an  Gauss.  [283 

Bremen,  1824  September  22. 

Leider  hat  das  ungemein  schlechte  Wetter  Ihre  gütige  Absicht, 
uns  Licht  nach  des  Sen.  Pavenstedt  Haus  zu  schicken,  bisher  ver- 
eitelt. Ich  würde  dies  indessen  leichter  verschmerzen,  wenn  ich  nicht 
wüsste,  wie  äusserst  unangenehm  Ihnen  diese  Hindernisse  und  dieser 
Aufenthalt  bei  so  vorgerückter  Jahreszeit  sein  muss. 

Prof.  DiRKSEN  aus  Berlin  hat  mich  bei  seiner  Rückkunft  von 
Norderney  besucht.  Auf  meine  Frage,  ob  die  Stelle  von  Tkalles  bei 
der  Akademie  noch  nicht  wieder  besetzt  würde,  erwiderte  er:  Man  sei 
in  B[erlin]  allgemein  der  Meinung,  dass  die  Stelle  entw^eder  gar  nicht,' 
oder  nur  durch  Sie  besetzt  werden  müsse.  Der  Minister  Altenstein 
sei  ganz  entschieden  dieser  Meinung.  Nur  an  Fonds  zum  Gehalt  fehle  es. 
Die  Akademie  habe  keine.  Da  Hr.  Hofr.  Gauss  keine  Vorlesungen  bei  der 
Universität  übernehmen,  man  ihm  dieselben  auch  nicht  aufbürden  wolle,  so 
könne  die  l'niversität  auch  nichts  hergeben.  Alles  dem  Minister  Alten- 
stein Angewiesene  sei  auch  auf  bestimmte  Ausgaben  völlig  angewiesen: 
bloss  beim  Medicinalfache  fände  sich  einiger  Ueberschuss,  den  der  Minister 
aber  auf  eine  anscheinend  so  heterogene  Art  zu  vei'wenden  Bedenken 
trüge.  Altenstein  habe  sich  also  im  vorigen  Herbst  an  den  König 
mit  einer  Vorstellung  gewandt,  Geld  zu  Ihrer  Besoldung  herzugeben. 
Der  König  habe  geantwortet,  er  wünsche  zwar  sehr,  Sie  in  Berlin  auf 
die  vorgeschlagene  Art  angestellt  zu  sehen,  aber  Geld  könne  er  nicht 
bewilligen,  der  Minister  müsse  mit  dem  ihm  für  die  Wissenschaften  im 
Budget  angewiesenen  ausreichen.  Dies  soll  die  gewöhnliche  x^ntw^ort 
des  Königs  auf  alle  solche  Vorschläge  sein  und  würde  deswegen  fernere 
Versuche,  ihn  zu  einer  anderen  Resolution  zu  bewegen,  nicht  hoffnungs- 
los gelassen  haben;  aber  unglücklicher  Weise  sei  Altenstein  damals 
in  Ungnade  bei  dem  Könige  gekommen.  Der  König  habe  ihn  nämlich 
in  Verdacht  gehabt,  wo  nicht  selbst  demagogische  Gesinnungen  zu 
haben,  wenigstens  den  demagogischen  Umtrieben  nicht  mit  der  Energie 
entgegen  zu  wirken,    die   der  König  für  nothwendig  hält.     Es  sei  des- 


^)  Siehe  Aumerk.  1  auf  S.  339.     Krm. 


346  Gauss  an  Olbers.     Lintoloh  bei  Verden,  1824  September  24. 

wegen  gleich  darauf  eine  Art  Untersuchung  gegen  Altenstein  einge- 
leitet worden,  während  deren  Dauer  Altensteix  für  räthlich  gehalten 
oder  auch  veranlasst  worden  wäre,  seine  ^Ministerial-Geschäfte  anfäng- 
lich wegen  angeblicher  Krankheit,  nachher  wegen  einer  Reise,  gänz- 
lich aufzugeben.  Jetzt  sei  aber  die  Sache  entschieden;  Altenstein 
bleibe  Minister  seines  Departements,  und  er  werde  höchst  wahrschein- 
lich die  Angelegenheit  Ihrer  Anstellung  gleich  wieder  aufnehmen,  und 
vom  Könige  entweder  Geld  oder  die  Erlaubniss,  den  Ueberschuss  beim 
Medicinalfonds  zu  diesem  Zweck  anwenden   zu  dürfen,  nachsuchen.  — 

Belata  reftro.  Ich  muss  aber  noch  bemerken,  dass  mir  Prof. 
Dirksen  ausdrücklich  aufgetragen  hat,  Ihnen  dieses  zu  melden,  damit 
Sie,  wie  er  sagte,  nicht  etwa  glauben  möchten,  der  AVunsch.  Sie  in 
Berlin  zu  besitzen,  werde  dort  nicht  mit  gehöriger  AVärme  gehegt  und 
verfolgt. 

Leben  Sie  wohl,  mein  allertheuerster  Freund!  Ich  wünsche  Ihnen 
und  uns  mit  Ungeduld  besseres  Wetter. 

Nach  unseren  Barometerbeobb.,  freilich  noch  in  viel  zu  kleiner  Zahl. 
liegt  die  Cuvette  von  Schumacher's  Barometer  in  Altena  9,6  Toisen 
höher  als  bei  meinem  Barometer.  Schumacher's  Barometer  hängt  nach 
geodätischen  Messungen  20,2  Toisen  über  dem  Spiegel  der  Ostsee,  nach 
barometrischen  Vergleichungen  20,8  Toisen  über  der  Nordsee. 


No.  533.  Gauss  an  Olbers.')  [230 

Linteloh  bei  Verden,  1824  September  24. 

Mit  herzlichem  Danke  schicke  ich  Ihnen  den  gütigen  Brief  Ihrer 
liebenswürdigen  Nichte  zurück,  der  ich  gelegentlich  zu  sagen  bitte,  wie 
sehr  ich  ihr  für  ihre  Güte  verpflichtet  bin.  Ich  werde  in  den  nächsten 
Tagen  an  den  General  schreiben. 

Gleichfalls  danke  ich  Ihnen  für  die  gefällige  Mittheilung  der  Nach- 
richten des  Hrn.  Prof.  Dirksen.  Da  danach  noch  einige  Aussicht  zur 
Eealisirung  jener  Projekte  bleibt,  so  ist  dies  noch  ein  kleines  Gewicht 
mehr,  dass  ich  den  Entschluss  meines  Sohnes-)  billige;  gewiss  würde 
dann  ev.  sein  Uebertritt  in  preussische  Dienste  sehr  leicht  sein. 

Die  vorgerückte  Jahreszeit  nöthigt  mich,  meinem  Aufenthalt  liier- 
selbst  enge  Grenzen  zu  setzen.  Uebennorgen  Nachmittag  denke  ich 
schon  auf  dem  Litberg  zu  sein.  Haben  Sie  doch  die  Güte,  die  Ein- 
lage sogleich  an  Hrn.  Baumann  zu  schicken. 


*)  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krm. 
')  Die  Officiershxufbahn  einzusolihxcren.     Xrm. 


Gauss  au  Olbers.     Apeuseu  bei  Buxtthuile,  1824  September  27.  347 

All  iiiicli  schreiben  Sie  also  nicht  mehr  nach  Verden.  Sollten  Sie 
etwas  Dringendes  mir  bald  mitzutheilen  haben,  so  schicken  Sie  es 
poste  restante  nach  Buxtehude.  Da  aber  mein  Aufenthalt  auf  dem 
Litberg  hoffentlich  nicht  lange  dauert,  so  bitte  ich  nachher  Ihre  Briefe 
zu  adressiren 

Barihof  zwischen  A\'elle  und  Soltau. 

Erst  jetzt  habe  ich  erfahren,  dass  meine  Frau  in  Ems  und  nach- 
lier  noch  viel  gefährlicher  krank  gewesen  ist,  als  ich  gewusst  habe. 
Sie  hat  späterhin  Himly  mit  zugezogen,  und  nach  den  letzten  Nach- 
richten geht  es  etwas  besser. 

Da  ich  diesen  Brief  durch  einen  Boten  nach  Verden  schicken 
muss,  dessen  Eückkehr  vor  meiner  Fahrt  zum  Steinberg  ich  erst  noch 
erwarten  muss,  so  muss  ich  eiligst  scbliessen. 

Etwas  Licht  ist  gestern  nach  dem  Hause  des  Hrn.  Sen.  Pavenstedt 
geschickt;  es  war  aber  bei  uns  wenig  Sonne. 


No.  534.  Ganss  an  Olbers.^)  [251 

Apensen  bei  Buxtehude,  182-4  September  27. 

Da  Sie  nach  Ihrer  freundschaftlichen  Güte  mich  gern  auf  meiner 
Reise  in  Gedanken  begleiten,  so  benutze  ich  die  Gelegenheit,  w^o  ich 
doch  einen  Boten  nach  Tostedt  schicke,  ein  paar  Zeilen  an  Sie  mit- 
zugeben. 

Ich  verliess  vorgestern  früh  das  gastfreundliche  Haus  des  Pastors 
Goldbeck  in  Linteloh  und  reiste  über  den  Bottel  nach  Rotenburg  und 
Zeven.  Auf  dem  Bottel  hielt  ich  mich  einige  Stunden  auf  und  machte 
einige,  obwohl  wegen  der  Tageszeit  und  Lichtbeschaffenheit  nur  schlechte 
Messungen.  Das  zuweilen,  obgleich  nur  äusserst  schwach,  vom  Ansgarius 
herüber  kommende  Licht  bewies  mir,  dass  mein  letzter  aus  Linteloh 
an  Sie  geschriebener  Brief  richtig  angekommen  war. 

Nachdem  ich  noch  einmal  in  dem  freundlichen  Zeven  übernachtet 
hatte,  bin  ich  gestern  hierher  gefahren  und  habe  gestern  Nachmittag 
schon  einmal  den  Litberg  besucht,  obwohl  der  Regen  die  Messungen 
grösstentheils  vereitelte.  Der  Lieutenant  Habtmann  auf  Wilsede, 
welcher  das  Zelt  bemerkt  hatte,  schickte  schon  ohne  Aufforderung 
Licht;  von  Elmhorst,  Brüttendorf  und  Zeven  ist  aber  nichts  gekommen; 
vermuthlich  war  daselbst  kein  Sonnenschein. 

Den  Aufenthalt  hier  in  Apensen,  vor   dem   ich   mich  so   sehr  ge- 


^)  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  e:eschrieben.     Krm. 


348  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1824  September  30. 

fürchtet  hatte,  finde  ich  viel  besser,  als  ich  erwartete.  Auch  mit 
meinem  Befinden  j^elit  es  gut.  Es  scheint,  dass  die  Landluft  mir  vor- 
züglich gut  zuschlägt.  Nur  wird  es  schon  gar  zu  kalt,  und  besonders 
meine  beiden  noch  übrigen  Standpunkte  werden  mir,  wenn  die  Kälte 
so  fortschreitet  wie  gestern,  wenig  behagen,  da  ich  in  meiner  Equipi- 
rung  zum  Schutz  gegen  die  Kälte  fast  gar  nicht  eingerichtet  bin. 

Mein  Sohn  beharrt  bei  seinem  Entschluss;  ein  Brief  an  den 
G[eneral]-F[eld]-Z[eugmeister]  v.  der  Decken  geht  mit  diesem  zugleich 
nach  Tostedt. 

Nach  der  Zeitungsnachricht,  die  mir  vorgestern  in  Zeven  in  die 
Hände  fiel,  dass  das  Departement  der  Medicinal- Angelegenheiten  von 
dem  des  Kultus  in  B[erlin]  getrennt  sei,  bleibt  mir  nun  wohl  wenig 
Hoffnung,  dass  auf  jenem  Wege  eine  Abänderung  meiner  äusseren 
Lage  erfolgen  könne. 


No.  535.  Olbers  an  Gauss.  [284 

Bremen.  1824  September  30. 

Auch  Ihren  letzten  gütigen  Brief  von  Apensen,  den  27.  Sept.  habe 
ich  richtig  erhalten.  Ich  freue  mich,  dass  Ihre  Gesundheit  sich  so  gut 
erhält,  und  jetzt  das  schöne  Wetter  das  E.nde  Ihrer  diesjährigen  C'am- 
pagne  begünstigt. 

Ganz  vorzüglich  habe  ich  mich  aber  in  warmer  Theilnahme  über 
die  guten  Nachrichten  von  dem  Befinden  Ihrer  liebenswürdigen  Gattin 
gefreut.  Auch  Harding  schreibt  mir:  ..Mit  der  Gesundheit  der  Frau 
Hofi'äthin  Gauss  scheint  es  sich  merklich  zu  bessern.  Sie  geht  schon 
wieder  ohne  Unterstützung  munter  und  rasch  in  die  Stadt,  auch  ihre 
Stimme  ist  wieder  laut  und  stark." 

Einliegenden  Brief  habe  ich  für  Sie  erhalten. 

Reicheneach  in  München  ist  am  12.  Sept.  3 mal  von  einem  schlag- 
artigen Zufall  befallen;  da  aber  bis  zum  15.  kein  Anfall  wieder  ein- 
trat, so  hoffe  man  die  Erhaltung  des  treffli<"hen  Künstlers. 

Oltmanns  ist  ordentlicher  Professor  der  Angewandten  ^lathematik 
in  Berlin  geworden. 

Zu  dem  nun  fest  gewordenen  Entschlüsse  Ihres  lli-n.  Sohnes  bitte 
ich  demselben  auch  meinen  herzlichsten  Glückwunsch  abzustatten. 

Am  23.  Sept.  war  kein  Liclit  aus  Dr.  Pave]?jstedt's  Haus  zu  sehen, 
auch  lag  die  Gegend  des  Steinbergs  im  Schatten.  Am  24.  wurden  Sie 
niclit    um    Licht   gebeten,    weil    Büigerkonvent    war  und  die  Personen, 


ülbers  au  Gauss.     Bremeu,  18'J4  Oktober  IS.  349 

die  das  Heliotroplicht  gern  sehen  wollten,  nicht  vuni  Kathhause  weg- 
kunimen  konnten.  Wir  hofYten  auf  den  25.,  wo  Sie  aber  schon  nach 
dein  am  Morgen  des  25.  eingegangenen  Briefe  abgereist  waren. 


No.  536.  Olbers  an  Gauss.  [285 

Bremen,  1824  Oktober  18. 

Es  ist  so  lange  [her],  dass  ich  nichts  von  Ihnen  gehört  habe,  und 
(lies  macht  es  mir  höchst  ungewiss,  ob  dieser  Brief  Sie  noch  bei  Ihrem 
.Messungs- Geschäft  treffen  wird.  Vielleicht  wissen  Sie  indessen  das, 
was  ich  Ihnen  niitzutheilen  habe,  schon  besser,  vollständiger  und  um- 
ständlicher als  ich,  und  so  kann  ich  mich  bei  der  Unsicherheit,  ob 
diese  Zeilen  in  Ihre  Hände  kommen  werden,  mit  einigen  AVinken  be- 
gnügen. Der  Herr,^)  dessen  mündliche  Aeusserungen  bei  seiner  Durch- 
i-eise  hier  in  Bremen  ich  Ihnen  neulich  vorlegte,  meldet  mir  in  einem 
vertraulichen  Briefe  vom  12.  Okt.,  dass  die  Schwierigkeiten  in  der  he- 
Hussten  Angelegenheit  jetzt  gehohen  luären,  und  sich  ein  ziveclanässiger 
Fonds  gefunden  hale,  auch  nunmehr  unverzüglich  das  Officielle  abgehen 
werde.  —  Ich  freue  mich  unendlich  über  die  erwünschte  Wendung,  die 
diese  Sache  jetzt  zu  nehmen  scheint.  So  bald  ich  gewiss  weiss,  wo  Sie 
sicher  anzutreffen  sind,  schicke  ich  Ihnen  den  Brief  unseres  Freundes 
selbst,  der  auch  ganz  erfreut  mich  inständig  bittet,  meinen  etwaigen 
Kinfluss  anzuwenden,  damit  der  Antrag  nicht  abgelehnt  werde. 

Encke  findet  die  Bahn  des  noch  immer  sichtbaren  kleinen  Ko- 
meten^) hyperbolisch.  —  Cacciatoee  in  Palermo  soll  entdeckt  haben, 
dass  mehrere  kleine,  ganz  isolirt  stehende  Sterne  einen  kleinen  Kreis 
lieriodisch  beschreiben.  —  Den  jüngeren  Herschel  treffen  Sie  vielleicht 
auch  in  Hannover.  Nach  Altona  und  Bremen  wird  er  nicht  kommen, 
sondern  über  Holland  zurückreisen. 

Erfreuen  Sie  [mich]  bald,  theuerster  Gauss,  mit  einigen  Zeilen  und 
der  Nachricht  von  Ihrem  Wohlsein  und  der  glücklichen  Beendigung 
Ihrer  diesjährigen  Campagne. 


')  Gemeint  ist  hiermit  Dikksen,  über  dessen  Besuch  Olbers  im  Brief  No.  532 
berichtete.  Den  hier  erwähnten  Brief  v.  Okt.  12  hat  Olbers  nachher  am  3.  Nov.  an 
Gauss  geschickt.     Er  ist  im  Anhang  zu  diesem  Bande  abgedruckt.     Krm. 

'^)  Komet  1824  II.  Die  letzte  Bahn  Encke's  ist  jedoch  eine  Parabel.  Siehe  auch 
Brief  No.  542.     Krm. 


350  Glaiiäs  an  Olbers.     Bari,  1824  Oktober  20. 


No.  537.  Gauss  an  Olbers.  [252 

Bari.  1824  Oktober  20. 

Meinen  allerherzlichsten  Dank  für  die  beiden  lieben  Briefe  vom 
30.  Sept.  und  18.  Okt.,  die  ich  hier  von  Ihnen  erhalten  habe.  Die  im 
ersteren  erhaltene  Nachricht  von  der  fortschreitenden  Besserung  meiner 
Frau  war  mir  um  so  willkommener,  da  ich  selbst  damals  seit  dem 
lö.  Sept.  keine  direkte  Nachricht  hatte;  ein  späterer  Brief  von  meiner 
Frau  selbst  bestätigt  Gottlob  jene.  Ebenso  herzlich  danke  ich  für  die 
gütige  Mittheilung  der  Nachricht  aus  Berlin,  die  mir  noch  ganz  neu 
ist.  Sollte  ich  auch  noch  hier  oder  auf  der  Rückreise  in  Hannover 
schon  eine  officielle  Kommunikation  erhalten,  so  werde  ich  doch  wohl 
schwerlich  vor  meiner  Zurückkunft  nach  Göttingen  zu  einem  Ent- 
schluss  kommen  können,  da  dabei  auch  der  zu  erwartende  Einfluss. 
welchen  die  Veränderung  des  Wohnorts  auf  die  Krankheit  meiner  Frau 
haben  möchte,  so  sehr  mit  berücksichtigt  werden  muss. 

Mein  Sohn  soll  schon  vom  1.  Nov.  an  als  Kadett  eintreten. 

Mit  meinen  Messungen  auf  dem  Litberge  ist  es  noch  ziemlich  gut, 
dagegen  mit  den  hiesigen  ganz  verwünscht  schlecht  gegangen.  Seit 
meiner  Ankunft  (Okt.  4  Nachmittags,  zu  spät,  um  an  dem  Tage  noch 
den  Berg  besuchen  zu  können)  habe  ich  eigentlich  nur  2  gute  Tage 
gehabt  (15.  u.  16.  Okt.),  in  den  ersten  10  Tagen  wurde  fast  gar  nichts 
ausgerichtet.  Dazu  kommt,  dass  aus  einem  Missverständniss  der  Lieute- 
nant Hartmann  den  Steinberg  schon  früher  verlassen  hat,  als  er  sollte, 
da  jener  noch  gar  nicht  zu  meiner  Zufriedenheit  eingeschnitten  ist. 
Was  geschehen  ist  bisher,  ist  die  Messung  der  Z.-D.  von  Litberg.  Zeven, 
Brüttendorf,  Bottel,  Steinberg,  Elmhorst  und  die  Verbindung  der  Rich- 
tungen nach  Elmhorst,  Zeven  und  Litberg  unter  sich,  womit  ich  zu- 
frieden bin;  noch  nicht  ganz  so  gut  ist  Brüttendorf  mit  diesen  Rich- 
tungen verbunden,  noch  weniger  gut  der  Steinberg  und  Hamburg:  end- 
lich Falkenberg  und  Bullerberg  sind  noch  gar  nicht  verbunden.  Doch 
könnte  ich  dies  alles  in  3  guten  Tagen  (wie  der  15.  und  16.  war)  ab- 
thun,  und  freilich  wäre  es  mir  um  so  wichtiger,  diese  Messungen  jetzt 
noch  zu  vollenden,  da  ohne  sie  eigentlich  noch  gar  kein  ordentlicher 
Zusammenhang  der  diesjährigen  und  früheren  ^Messungen  statttindet.*) 
und  es  jetzt  nach  den  obigen  Umständen  so  sehr  leicht  möglich  ist, 
dass  dies  überhaupt  meine  letzten  Messungen  sind.   Sie  können  denken. 


*)  Deun  es  zeigen  sich  allerdings  mehrere  Diskordanzen  grösser,  als  ich  er- 
wartet hatte,  nnd  worüber  gerade  die  noch  fehlenden  Messungen  Licht  verbreiten 
luüssten. 


Gauss  an  Ulbers.     Bari,  1824  Oktober  20.  351 

ilab.>  diese  Betniclit linken  vuii  der  einen  Seite,  und  vun  der  anderen 
die  vielen  l'mstände,  die  mich  nöthigen.  meinen  Messungen  jetzt  ein 
baldiges  Ende  zu  machen,  mich  in  die  peinlichste  Verlegenheit  setzen. 
Zu  letzteren  gehüien  die,  so  wie  die  Jahreszeit  fortrückt,  immer  ge- 
ringer werdende  Hoffnung  auf  gutes  Wetter;  dann  die  persönlichen 
Verhältnisse  aller  meiner  Gehülfen;  die  Eauhigkeit  des  Wetters,  die 
das  Rivouaiiuiren  auf  dem  "W'ilseder  Berge  für  meine  Artilleristen  bald 
unmöglich  machen  wird;  endlich  auch  die  Besorgniss,  dass  ich  selbst 
vielleicht  nicht  lange  mehr  Stand  halten  kann.  Ich  habe  bisher  allen 
Beschwerden  Trotz  geboten,  bin  täglich  (gewöhnlich  mitten  im  Regen 
auf  offenem  Wagen,  oft  unter  heftigem  Schlössen  wetter)  hinaufgefahren 
und  habe  jeden  Augenblick  zu  nützen  gesucht;  obgleich  öfter  bis  auf 
die  Haut  dabei  durchnässt,  habe  ich  mich  doch  im  Ganzen  wohl  be- 
funden und  befinde  mich  auch  jetzt,  trotz  jener  Fatiguen  und  so  mancher 
Entbehrungen,  denen  ich  hier  in  meinem  Quartier  unterworfen  gewesen 
bin,  im  Wesentlichen  so  wohl,  wie  ich  mich  seit  mehreren  Jahren  nicht 
befunden  habe.  Dennoch  droht  ein  an  sich  höchst  unbedeutendes  Uebel, 
dem  gewiss  durch  Schonung  und  zweckmässige  Mittel  leicht  abgeholfen 
werden  könnte,  meine  Arbeit  bald  ganz  abzubrechen.  Ein  scharfer 
Zahn  hat  meine  Zunge  wund  gemacht,  ich  habe  diese  schon  seit  meh- 
reren Tagen  stattgefundene  Unbequemlichkeit  nicht  geachtet;  allein 
seit  gestern  hat  es  sich  sehr  verschlimmert;  es  scheint,  dass  der  be- 
ständige Reiz  die  Speicheldrüsen  zu  einer  ungewöhnlich  starken  Se- 
kretion des  Speichels  disponirt,  und  bei  dem  dadurch  bewirkten  ganz 
ungewöhnlich  häufigen  Herunterschlucken  wird  die  Zunge  immer  wieder 
mehr  verwundet.  Sie  scheint  jetzt  entzündet  zu  sein,  und  ich  habe  die 
vorige  Nacht  ganz  ohne  Schlaf  zugebracht.  Indessen  da  ich  schon 
früher  in  Linteloh  einmal  eine  ähnliche  Beschwerde  hatte,  obgleich  in 
viel  geringerem  Grade,  und  dies  sich  nachher  von  selbst  w^ieder  verlor, 
so  werde  ich  wenigstens  heute  noch  nicht  darum  aussetzen.  Das  bis 
gestern  Abend  beständig  gestiegene  Barometer  hat  mich  bisher  recht 
gefoppt;  diese  Nacht  ist  es  nun  1'  gefallen,  und  —  nun  tröste  ich  mich 
damit,  dass,  da  beim  Steigen  schlecht  Wetter  stattgefunden  hat,  billiger 
Weise  beim  Fallen  wohl  gutes  stattfinden  könne. 

Wie  es  nun  aber  auch  gehe,  so  werde  ich  in  dem  Konflikt  der 
pro's  und  contra's  doch  schwerlich  länger  als  bis  zum  25.  exkl.  hier 
sein;  also  am  25.  meine  Rückreise  antreten  und  am  26.  schon  in  Han- 
nover sein.  Bei  recht  glücklichen  Umständen,  w^ozu  es  aber  heute 
Morgen  (10'')  noch  w'enig  Anschein  hat,  da  es  stark  regnet,  könnte  es 
auch  wohl  noch  einen  Tag  früher  geschehen,  später  aber  schwerlich. 
Einen  oder  anderthalb  Tage  muss  ich  doch  w^ohl  in  Hannover  sein; 
Sie  werden  also  nach  dem  Empfang  dieses  Briefes  (der  erst  über  Har- 


352  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1824  Oktober  31. 

bürg   läuft)   selbst   beurtheilen  können,   ob   ein  von  Ihnen  p.  r.*)  nach 
Hannover  geschickter  Brief  mich  dort  treffen  wird. 

Doch  ich  muss  eilig  schliessen.  Ich  höre  schon  das  Rasseln  der 
Diligence,  die  hier  nur  5  Minuten  anhält,  und  deren  Schirrmeister  den 
Brief  zur  nächsten  Station  A\'elle  mitnehmen  muss. 


No.  538.  Gauss  an  Olbers.  [253 

Göttingen,  1824  Oktober  31. 

Seit  vorgestern  bin  ich,  nach  fast  halbjähriger  Abwesenheit,  hierher 
zurückgekommen.  Dass  die  mir  früher  von  Ihnen  gütigst  mitgetheilte 
Nachricht  des  Hrn.  Prof.  Hakding  über  den  Gesundheitszustand  meiner 
Frau  noch  ziemlich  weit  von  der  Wahrheit  entfernt  war,  darauf  war 
ich  schon  vorher  durch  einen  Brief  meiner  Tochter  vorbereitet.  Indessen 
habe  ich  sie  doch  viel  besser  wiedergefunden,  als  ich  sie  im  Frühjahr 
verliess. 

Den  Wilseder  Platz  habe  ich  leider  verlassen  müssen,  ohne  vorher 
meine  dortigen  Arbeiten  zu  meiner  Zufriedenheit  beendigen  zu  können. 
Allein  ich  war  gezwungen,  einen  Schlusstermin  festzusetzen. 

Hr.  Klüver  hat  den  Heliotrop  weder  in  Soltau  noch  bei  dem 
Lieutenant  Hartmann  abgeliefert.  Ich  vermuthe  also,  dass  er  ihn  mit 
nach  Bremen  genommen  hat  und  eine  schickliche  Gelegenheit,  ihn  un- 
beschädigt hierher  zu  schaffen,  abwarten  will. 

Dem  verehrten  Bremischen  Senat  werde  ich  demnächst  über  das, 
was  in  diesem  Jahre  geschehen  ist,  Bericht  abstatten,  oder  eine  Kopie 
des  nach  Hannover  zu  schickenden  Berichts  vorlegen.  Man  wird  ja 
wohl   einige  Nachsicht  haben,   wenn  dies  nicht  gleich  geschehen  kann. 

Von  Berlin  habe  ich  hier  noch  nichts  vorgefunden.  Auch  von 
Ihnen  habe  ich  in  Hannover  vergeblich  nach  Briefen  gefi*agt.  Da  die 
von  mir  von  Barl  nach  Göttingen  geschickten  Briefe  hier  ö  Tage  später 
angekommen  sind,  als  sie  nach  meiner  Rechnung  gesollt  hätten,  so  wird 
dasselbe  auch  wonl  mit  meinem  letzten  von  Barl  an  Sie  geschickten 
Briefe  der  Fall  gewesen  sein.  Uebrigens  wird  mein  Sohn  in  Hannover 
(wohin  er  heute  Abend  zurückgeht)  noch  einmal  nachfragen  und.  wenn 


*)  Ich  bitte  aber,  dies  mit  vollen  ^Vorti'n  poste  restante  auszudrücken:  Ihr  mit 
der  Abbreviatur  p.  r.  nach  Verden  geschickter  Brief  hätte  mich,  weil  man  es  über- 
sehen und  den  Brief  dem  Briefträger  übergeben  hatte,  beinahe  verfehlt,  da  mein  zu- 
erst von  Linteloh  hereingeschickter  Bote  den  Briefträger  nicht  hatte  ausfindig  machen 
können. 


Olbers  an  Gauss.     Breineu,  1824  November  3.  353 

nach  meiner  Abreise  (Donnerstag:  Mittag)  noch  ein  Brief  von  Ihnen 
einjjelanfen  sein  sollte,  mir  solchen  zuschicken. 

Mrn.  V.  Abnswaldt,  welcher  nnpasslich  war,  habe  ich  in  Hannover 
nicht  gesehen.  Hoppenstedt  schien  mir  wenigstens  nicht  schlimmer 
auszusehen  als  im  vorigen  Frühjahr. 

Hier  habe  ich  einen  Stoss  von  Briefen,  die  während  eines  halben 
Jahres  hier  liegen  geblieben  sind,  vorgefunden  nnd  werde  erst  viele  Zeit 
nüthig  haben,  bis  ich  damit  aufiäumen  kann,  ^^'ollte  ich  das  Verlangen 
von  jedem,  der  eine  Druckschrift  und  dergl.  mit  der  Bitte  eingeschickt 
liat,  mein  Urtlieil  darüber  zu  geben,  erfüllen,  so  hätte  ich  damit  allein 
den  halben  \\  inter  zu  thun. 


No.  589.  Olbers  an  Gauss.  [2S6 

Bremen,  1824  November  3. 

Zu  Hirer  glücklichen  Kückkunft  nach  Göttingen  gratulire  ich  von 
ganzem  Herzen  und  freue  mich,  dass  Sie  Ihre  hochverehrte  Frau  Ge- 
mahlin wenigstens  viel  besser  gefunden  haben,  als  wie  Sie  dieselbe  in 
diesem  Frühjahr  verliessen.  Möge  die  theure  Kranke  recht  bald  wieder 
zur  völligen  Gesundheit  hergestellt  werden! 

Ihr  lieber  Brief  von  Bari  kam  allerdings  so  spät  in  meine  Hände, 
dass  ich  nicht  mehr  nach  Hannover  mit  Sicherheit  schreiben  konnte. 
Da  ich  nun  überdies  nichts  Eiliges  zu  melden  hatte,  so  habe  ich  Hire 
Rückkehr  nach  Göttingen  abwarten  -wollen. 

Einliegend  theile  ich  den  Brief  des  Prof.  Dirksen  im  OriginaD) 
mit.  Vielleicht  machen  die  Förmlichkeiten  einigen  Aufenthalt  in  der 
Sache;  denn  ich  kann  doch  nicht  glauben,  dass  sich  neuerdings  An- 
stände oder  Schwierigkeiten  gefunden  haben  sollten. 

Klüver  sagte  mir,  dass  er  mit  seinem  Heliotrop  aller  angewandten 
Kile  unerachtet  doch  zu  spät  gekommen  sei,  um  ihn  dem  Hrn.  Lieut. 
Hartmann  abliefern  zu  können.  Hartmann  sei  schon  um  4  Uhr  morgens 
abgereist  gewesen,  wie  er  um  8  Uhr  angekommen.  Er  wird  sich  Ihre 
Befehle  erbitten,  wie  Ihnen  das  Instrument  zugeschickt  werden  soll. 

Mit  dem  Bericht,  den  Sie  unserem  Hohen  Senat  (dies  ist  der  Titel, 
den  ihm  die  Etiquette  beilegt)  vorlegen  wollen,  hat  es  gar  keine  Eile. 

Sehr  neugierig  bin  ich,  wenn  Sie  erst  Ihre  Rechnungen  sow^eit 
geführt  haben,  die  genaue  relative  Lage  meines  Beobachtungszimmers 
gegen  den  Ansgarius-Thurm  und  die  Höhe  desselben,  wenn  gleich  nicht 


')  Im  Anhang-  zu  diesem  Bande  abgedruckt.     Krm. 

Olbers.     11,  2.  23 


354  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1824  November  12. 

Über  dem  Spiegel  der  Nord-  und  Ostsee,  doch  relativ  gegen  den  Michaelis- 
thurm  in  Hamburg,  zu  erfahren.  Unsere  Barometerbeobb..  die  ich  mit 
Schumacher  gleichzeitig  anstelle,  geben  so  disparate  Resultate,  dass 
sich  noch  kaum  mit  der  Gewissheit  einer  halben  Toise  aus  55  derselben 
ausmachen  lässt,  dass  Schumacher's  Barometer  in  Altona  zwischen  6 
und  7  Toisen  höher  hänge  als  das  meinige. 

Die  wenigen  Kometenbeobb.,  die  ich  im  Okt.  habe  anstellen  können, 
bestätigen  die  ENCKE'sche  Hyperbel  nicht.  Ich  kann  nicht  recht  be- 
greifen, woher  es  kommt,  dass  ich  konstant  alle  AI  des  Kometen  etwas 
kleiner  finde,  als  die  übrigen  Beobachter,  —  Schumachee  hat  sich  jetzt 
durch  Repsold  eine  Vorrichtung  in  dem  Felde  des  Fernrohrs  seines 
Meridiankreises  anbringen  lassen,  wodurch  er  den  Kometen  ohne  Er- 
leuchtung im  Meridian  beobachten  kann. 

Die  Unruhen  wegen  unseres  nun,  dem  Himmel  sei  Dank,  geendigten 
sogenannten  Freimarkts  dauern  noch  fort  und  haben  mich  ganz  aus 
meinem  gewöhnlichen  Gleise  gebracht.  Die  vielen  Feten  und  Schmau- 
sereien, denen  ich  beiwohnen  musste,  sind  sehr  durch  die  Anwesenheit  des 
geistreichen  Königlich  Württembergischen  Staatsministers  v.  Wangen- 
heim vervielfältigt  worden. 


No.  540.  Gauss  an  Olbers.  [25i 

Göttingen,  1824  November  12. 

Herzlichen  Dank  für  Hiren  lieben  Brief  und  für  die  gefällige 
Kommunikation  des  von  Hrn.  Dirksen. 

Vertraulich  muss  ich  Ihnen  melden,  dass  gleich  nach  meiner  Rück- 
kunft nach  Göttingen  ich  von  Hoppenstedt  ein  Schreiben  erhielt  mit 
dem  Anerbieten  einer  bedeutenden  Zulage,  wenn  ich  die  B[erliner]  An- 
träge abweisen  wolle.  Es  hat  mich  einigen  Kampf  gekostet.  Gewissheit 
einer  ansehnlichen  aber  nicht  gründlichen  Besserung  meiner  Lage  gegen 
Wahrscheinlichkeit  einer  gründlichen  abzuwägen  —  auch  von  unserem 
B[essel]^)  in  K[önigsberg]  hatte  ich  ähnliche  Nachrichten  erhalten, 
nach  welchen  ich  Officielles  als  sehr  nahe  bevorstehend  betrachten 
musste  — ,  Indessen  konnte  doch  mein  Entschluss  nicht  anders  aus- 
fallen, als:  Lieber  meine  bisherige  Lage  noch  zu  ertragen  selbst  auf 
die  Gefahr,  dass  die  jetzige  naliescheinende  Aussicht  wieder  in  Rauch 
aufgehe,  als  durch  Annahme  jenes  Anerbietens  mir  die  Hoffnung,  meine 
Lage  gründlich  gebessert  zu  sehen,  auf  immer  zu  verderben.  Ich  habe 


")  Brief  No.  145  v.  23.  Okt.  1824  im  Briefwechsel  Gacss-Bessel,  siehe  auch  deu 
früheren  Brief  von  Bessel  No.  144  und  von  Gauss  No.  146.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1824  November  12.  355 

daher  das  Anerbieten  alxjeh'lint.  ]\h'ine  Antwort  war  eben  abgegangen, 
als  ich  Jliren  Brief  erhielt.  Ich  glaube  aber,  dass  ich  nacli  Einsicht 
des  DiRKSEN'schen  Briefes  nicht  anders  geantwortet  haben  könnte.  Wie 
der  Erfolg  auch  ausfalle,  so  muss  mich  die  Ueberzeugung  beruhigen, 
nach  meiner  besten  Einsicht  gehandelt  zu  haben.  Ich  muss  noch  be- 
merken, dass  ich  in  meiner  Antwort  an  H[oppenstedt]  nicht  verschwiegen 
habe,  dass  ein  ofticieller  Antrag  mir  noch  gar  nicht  gemacht  sei. 

Seit  Dikksen's  Brief  ist  nun  ein  Monat  verflossen  und  noch  nichts 
von  B[erlin]  erfolgt.  An  sich  ist  dies  wohl  nicht  befremdend.  Indessen 
beunruhigt  mich  etwas  der  Gedanke,  die  vielzüngige  Fama  könne  etwas 
Halbwahres  nach  B[erlinJ  hin  transpiriren  lassen,  zumal  da  Hoppenstedt's 
Brief  nicht  eigenhändig  war.  Eine  entstellte  Nachricht  von  Unter- 
handlungen, die  von  H[annover]  aus  mit  mir  gepflogen  wurden,  mich 
in  G[öttingen]  festzuhalten,  könnte  aber  vielleicht  das  Preussische  Mi- 
nisterium abschrecken. 

Ich  möchte  daher  Sie,  mein  theuerster  Freund,  falls  Sie  selbst  es 
angemessen  fänden,  bitten,  Hrn.  Dikksen  von  Obigem  einen  vertraulichen 
"Wink  zu  geben,  wovon  er  nöVnyen  Falls  einen  zweckmässigen  Gebrauch 
machen,  und  wenn  der  oben  erwähnte  Fall  eintreten  sollte,  an  gehörigem 
Orte  sagen  könne,  er  wisse  aus  guter  Quelle,  dass  mir  zwar  solche 
Anträge  gemacht  wären,  ich  sie  aber  abgelehnt  hätte.  Mein  Gefühl 
ist  dagegen,  selbst  an  Hrn.  Dikksen  zu  schreiben,  weil  es  so  aussehen 
könnte,  als  wünschte  ich  die  Anträge  zu  acceleriren.  Doch  wie  gesagt, 
theuerster  Olbers,  überlasse  ich  alles  Ihrer  besseren  Einsicht  und  Ihrem 
unbefangeneren  ürtheil. 

Ich  habe  diesen  Winter  wieder  ein  Privatissimum  zu  lesen.  Eine 
vorläufige  Diskussion  meiner  diesjährigen  Messungen  zeigt,  dass  noch 
viel  zu  wünschen  übrig  bleibt.  Unter  15  Hauptdreiecken  sind  3,  wo 
die  Summe  der  3  Winkel  über  2"  fehlerhaft  ist,  nämlich: 

1)  Wilsede,  Zeven,  Steinberg —  2",340 

2)  Wilsede,  Elmhorst,  Litberg —  3",161 

3)  Zeven,  Bremen,  Brillit —  4",389 

Auch  unter  den  Dreiecken,  die  ich  als  Nebendreiecke  ansehe,  sind 
2  in  ähnlichem  Fall 

4)  Brüttendorf,  Zeven,  Bremen +  3",309 

5)  Bottel,  Steinberg,  Bremen —  3",643 

Bei  No.  4  ist  aber  die  Kichtung  von  Brüttendorf  nach  Zeven,  und 
bei  No.  5  die  von  Bottel  nach  Steinberg  nur  ganz  unbefriedigend  ge- 
messen.    Indessen  bei  No.  5  kommt  in  Betracht,  dass  das  Dreieck 

6)  AVilsede,  Bottel,  Steinberg  den  Fehler  .    .    — 1",066 

giebt,  und  jede  Aenderung  der  Richtung  von  Bottel — Steinberg  entgegeu- 

23* 


356  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1824  November  20. 

gesetzte  Wirkung  auf  die  Dreiecke  5  und  ü  hat,  so  dass  bei  einem 
nothwendig  der  Fehler  über  2"  bleiben  muss.  Am  autfallendsten  ist 
das  Dreieck  3,  und  obgleich  die  Natur  des  Theodolithen  eine  Tendenz 
mit  sich  führt,  die  Winkel  zu  Idein  zu  messen,  so  scheint  der  Fehler 
doch  viel  zu  gross,  um  nicht  eine  andere  Ursache  für  wahrscheinlich 
zu  halten.  Eine  Aufklärung  scheint  daher  auch  für  die  physische  höhere 
Geodäsie  sehr  wichtig,  und  das  ganze  Dreieck  verdiente  daher  wohl  auf 
das  Sorgfältigste  nachgemessen  zu  werden.  Falls  ich  überhaupt  die 
Messungen  fortsetze,  muss  ich  doch  ohnehin  Bremen  und  Brillit  noch 
einmal  besuchen,  und  so  wäre  es  also  wohl  der  Mühe  werth,  auch  den 
Winkel  in  Zeven,  so  wie  für  4)  den  in  Brüttendorf,  noch  einmal  sorg- 
fältigst nachzumessen.  Auch  mit  den  Winkeln  in  Wilsede  war  ich  noch 
nicht  zufrieden  und  beklagte  es  innig,  nicht  noch  über  2  gute  Tage 
zu  disponiren  gehabt  zu  haben.  Schwerlich  würde  jedoch  ein  längeres 
Verweilen  etwas  gefruchtet  haben,  da  gar  keine  recht  guten  Nach- 
mittage nachher  eingetreten  sind. 

Wenn  es  Sie  nicht  belästigt,  könnten  Sie  den  von  Hrn.  Klüver 
gebrauchten  Heliotrop,  insofern  sich  nicht  eine  gute  Gelegenheit  zur 
Uebersendung  findet,  bei  sich  stehen  lassen.  Da  er  immer  getragen  ist. 
so  ist  er  noch  im  Stande  und  bedarf  keiner  neuen  Beriehtisung. 


No.  541.  01l)ers  an  Gauss.  [28? 

Bremen,  1824  November  20. 

Es  wundert  mich  allerdings,  dass  noch  nichts  Officielles  von  Berlin 
eingegangen  ist;  doch  mag  die  unerwartete  Heirath  des  Königs  wohl 
einigen  Stillstand  in  Geschäften  veranlasst  haben.  Auch  mir  hat  Bessel^  i 
eben  das  gemeldet,  was  in  Dirksen's  Briefe  enthalten  ist.  und  setzt 
noch  hinzu:  „Ich  zweifle  nicht,  dass  sich  Gauss  in  Berlin  gefallen 
werde."-)  —  An  Prof.  Dirksen  habe  ich  sogleich  nach  Ihrer  Instruktion 
geschrieben,  da  ich  dies  allerdings  für  rathsam  hielt.  Ich  weiss  indessen 
nicht,  ob  Prof.  Dirksen  Gelegenheit  hat,  mit  den  hier  entscheidenden 
Behörden  oft  in  Berührung  zu  kommen.  —  Sollte  noch  nichts  ange- 
kommen sein,  und  Sie  es  nicht  schon  gethan  haben,  so  möchte  ich 
anheim  geben,  ob  Sie  nicht  unseren  Freund  Lindenau  mit  der  gegen- 
wärtigen Lage  dieser  Angelegenheit  vertraulich  bekannt  nmehen  wollen. 


^)  Brief  No.  ;M1   vom  27.  Okt.  im  Briefwechsel  Olbers-Bessei..     Krm 
*)  Bessel  schreibt  a.  a.  0.:   „Ich  lioffo  und  i^laulie.   dass  Gaiss   sich   in   Berlin 
ffut  eefallen  wird."     Xrm. 


Olbers  an  Gauss.     Uremeu,  1824  November  20.  3ö7 

KlCvek  habe  ich  nach  Emi»fang:  Ihres  letzten  Briefes  noch  niclit 
wieder  (gesehen.  Vorlier  ^^laubte  er,  eine  gute  Gelegenheit  ausmitteln 
zu  können.  Ihnen  den  Heliotrop  sicher  zuzusenden;  ich  rieth  ihm  indessen 
selbst,  so  lautre  damit  zu  warten,  bis  von  Tlineu  bestimmte  Befehle  an- 
gekommen wären.  So  bald  ich  ihn  wieder  spreche  —  er  wollte  mir  für 
Sie  die  neu  zu  messenden  Koordinaten  der  verschiedenen  Observations- 
Punkte  auf  dem  Ansgarius-Thurm  bringen  —  werde  ich  näher  mit  ihm 
überlegen,  ob  er  Ihnen  den  Heliotrop  so  zuschicken  kann,  dass  das 
Instrument  wahrscheinlich  nicht  dadurch  leidet  oder  merklich  verstellt 
wird,  sonst  aber  es  gern  in  Gewahrsam  nehmen.  Ersteres  scheint  mir 
aber  deswegen  besser,  weil  ich  nun  sehr  zweifle,  ob  Sie,  mein  theuerster 
Freund,  selbst  noch  diese  Messungen  fortsetzen  und  vollenden  Averden. 
und  demnach  den  ganzen  Apparat  vollständig  wieder  in  Göttingen  wissen 
möchte. 

Die  bei  Ihren  Messungen  ungewohnten  Differenzen  in  den  Drei- 
ecken verdienten  allerdings  noch  eine  wiederholte  Untersuchung,  und 
es  bleibt  mir  noch  immer  sehr  wahrscheinlich,  dass  in  dem  Dreieck 
zwischen  Zeven.  Bremen  und  Brillit  etwas  von  einer  Lateral-Refraktion 
eingewirkt  habe.  Allein  ein  längerer  Aufenthalt  zu  Wilsede  hätte 
gewiss  nichts  gefruchtet,  da  die  Witterung  beständig  trübe,  regnerisch 
und  stürmisch  geblieben  ist.  Seit  dem  27.  Okt.  habe  ich  den  Kometen 
nur  ein  einziges  Mal,  am  15.  Nov.,  beobachten  können.  Encke  hat  seine 
Hyperbel  für  diesen  Kometen  wenigstens  insofern  aufgegeben,  als  auch 
er  sich  durch  die  Okt.-Beobb.  überzeugt  hat,  dass  die  Bahn  von  einer 
Parabel  bei  weitem  unmerklicher  verschieden  ist. 

Der  häufige  liegen  hat  unsere  Weser  stark  angeschwellt,  aber  noch 
mehr  der  anhaltende  Weststurm  ungewöhnlich  hohe  Fluthen  erregt. 
Dabei  hatte  sich  denn  hier  ganz  allgemein  die  Sage  verbreitet,  der 
Mond  sei  unserer  Erde  in  der  Mitte  des  Nov.  näher  wie  je  gekommen, 
werde  sich  ihr  aber  am  15.  Dec.  noch  weit  mehr  nähern  und  dann  ganz 
zerstörende  Wirkungen  hervorbringen.  —  Kennen  Sie  irgend  eine  Ver- 
anlassung dieses  abgeschmackten  Gerüchts? 

Bessel  wird  Ihnen  wohl  selbst  von  seinem  Projekt  geschrieben 
haben,  Himmels-Karten ^)  zu  veranlassen,  die  alle  Sterne,  welche  man 
noch  in  einer  heiteren  Nacht  mit  einem  FRAUNHOFER'schen  Kometen- 
sucher sehen  kann,  enthalten  sollen.  Die  Möglichkeit,  dies  stupende 
Unternehmen  in  Karten  von  gleicher  Dimension  mit  den  HAEDiNö'schen 
auszuführen,  hat  er  mir  durch  ein  kleines,  mir  zugeschicktes  sehr  sauberes 
Kärtchen   gezeigt,    dass   die   sämmtlichen  Sterne   auf  den  49  Quadrat- 


^)  Brief  No.  311   im   Briefwechsel  Olbers-Bessel   iiud  No.  145  im  Briefweclisel 
Gadss-Bessel.     Krm. 


358  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1824  December  6. 

Graden  zunächst  um  a  Äquilae  enthält.  Die  Figur  der  Sterne  ist  so 
geschickt  gewählt,  dass  man  nicht  nur  ihre  verschiedenen  Grössen, 
sondern  auch  gleich  unterscheiden  kann,  ob  ein  Stern  wirklich  beob- 
achtet, oder  bloss  nach  dem  Augenmaass  eingetragen  ist.  Ein  solcher 
Himmels-Atlas  würde  allerdings  alle  möglichen  Wünsche  völlig  be- 
friedigen, jede  Veränderung  unter  den  Fixsternen,  und  alle  noch  etwa 
vorhandenen  unbekannten  Planeten  bald  entdecken  lassen ;  ich  bin  aber 
gewiss,  dass  ich  die  Vollendung  dieses  Unternehmens  nicht  mehr  erleben 
werde.  Ausgeführt  wird  es  künftig  über  kurz  oder  lang  gewiss,  da 
einmal  die  Möglichkeit  gezeigt  ist. 

Ungeduldig  wünsche  ich  von  Ihnen  bald  entscheidende  Nachrichten 
zu  hören. 


No.  542.  Olbers  an  Gauss.  [288 

Bremen,  1824  December  0. 

Um  die  Einlage,  die  mir  Hr.  Kllver  schon  vor  mehreren  Tagen 
gebracht  hat,  nicht  länger  aufzuhalten,  muss  ich  Sie  mit  diesen  Zeilen 
wieder  belästigen,  ob  ich  gleich  sonst  eigentlich  nichts  zu  schreiben 
und  zu  melden  habe. 

Von  Prof.  DiRKSEN  ist  noch  keine  Antwort  auf  meinen  Brief  erfolgt. 
Wahrscheinlich  w^ird  er  auch  gar  nicht  antworten,  wenn  sich  weiter 
keine  Aenderung  in  der  Konstellation  zu  Berlin  ereignet  hat,  als  dass 
die  noch  immer  beabsichtigte  Vokation  bisher  nicht  ausgefertigt  ist. 
Ich  wünschte  indessen,  dass  er  die  muthmaasslichen  Ursachen  dieser 
unerwarteten  Zögerung  angeben  möchte. 

Den  Kometen  habe  ich  seit  dem  15.  Nov.  noch  nicht  wieder  beob- 
achtet; theils  der  Witterung  und  des  Mondscheins  wegen,  theils  aber 
auch,  weil  er  jetzt  in  einer  gegen  meine  Wohnung  sehr  ungünstigen 
Lage  steht.  Ob  ich  nun  nach  dem  Mondschein  den  Kometen  noch  wieder 
werde  beobachten  können,  bleibt  mir  sehr  zweifelhaft. 

Von  dem  Hrn.  Geheimrath  Pastokff  bin  ich  mit  einem  Briefe 
beehrt,  worin  er  mir  meldet,  dass  er  bei  Aufräumung  seiner  Papiere 
eine  Zeichnung  von  seiner  am  26.  Juni  1819  um  8''  26'"  Morgens  an- 
gestellten Beob.  der  Sonne  mit  ihren  Flecken  gefunden  habe,  die  er 
mir  sammt  einer  ähnlichen  Zeichnung,  die  die  Sonne  für  den  folgenden 
Tag,  den  27.  Juni  vorstellt,  einschickt.  Am  26.  will  er  den  damals  vor 
der  Sonne  stehenden  Kometen^)  6' 10"  vom  nördlichen  Sonnenrande  in 
Gestalt  eines  sehr   unbegrenzten    schwachen  Nebels  mit  Jiellon  runden 


^)  Komet  1819  II.     Verg-l.   hierzu   auch   Olhers   Bd.  I.  No.  6<>  bis  70.  Bd.  II.  1, 
S.  742 — 74:5:  I^riefwcchsel  Olbers-Bessel  iid.  II.  S.  123.     Krui. 


Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1824  Deoeraber  13.  359 

Kern  gesehen .  haben.  Wie  der  Kern  des  Kumeten  Jiell,  und  heller  als 
der  ihn  umgebende  Dunstkreis  ersclieinen  könne,  ist  schwer  zu  begreifen. 
Denn  wenn  man  auch,  mir  unwahrscheinlich,  annehmen  wollte,  dass  der 
Kometenkern  eigenes  Licht  habe,  so  ist  dieses  eigene  Licht  doch  auf  alle 
Fälle  gegen  .Sunnenlicht  als  dunkel  anzunehmen,  und  kann  schlechter- 
dings nicht  durch  das  Dämpfglas  dringen.  Auch  kann  ich  mir  nicht 
denken,  dass  der  Komet  mit  seiner  Atmosphäre,  gleichsam  als  ein  Ob- 
jektiv, ein  Sonnenbild  in  einer  Art  von  Fokus  darstelle,  um  so  weniger, 
als  ich  mich  bisher  überzeugt  gehalten  habe,  dass  die  Kometen-Atmo- 
sphäre gar  keine  merkliche  ßefraktionskraft  auf  Lichtstrahlen  äussere. 
—  Ueberhaui)t  ist  es  sonderbar,  dass  sich  die  Astronomen,  deren  Beobb. 
über  die  Sonnenfläche  am  26.  Juni  mir  bekannt  geworden  sind,  sich  so 
sehr  widersprechen.  Ich  habe  jetzt  3  Zeichnungen  der  Sonnenscheibe 
am  20.  Juni  1819,  und  ausserdem  noch  4  Beschreibungen  derselben  ohne 
Zeichnungen  vor  mir,  die  sich  alle  in  Ansehung  der  Zahl  und  der  Lage 
der  auf  derselben  damals  befindlichen  Flecken  durchaus  widersprechen. 
Von  den  Zeichnungen  ist  die  eine  von  dem  famiisen  Kanonikus  Starke 
in  Augsburg  (der  auch  den  Kometen  vor  der  Sonne,  doch  als  dunkeln 
Fleck,  gesehen  haben  wäll),  die  zweite  von  Prof.  Heineich  in  Regens- 
burg, doch  nicht  in  der  Durchgangszeit  des  Kometen  aufgenommen,  und 
nun  die  dritte  von  Pastoefp.  —  ich  gestehe,  dass  ich  die  von  dem  ehr- 
lichen Prof.  Heinrich,  der  mir  die  Abschrift  seines  Tagebuches  vom 
15.  Juni  bis  3.  Juli  mit  6  Zeichnungen  mitgetheilt  hat,  für  die  zuver- 
lässigste halte.  Nie  hätte  ich  geglaubt,  dass  es  so  schwierig  sei,  über 
eine  so  einfache  Thatsache  ins  Reine  zu  kommen. 


No.  543.  Gauss  an  Olbers.  [255 

Göttingen,  1824  December  13. 

Meinen  herzlichsten  Dank  für  Ihre  beiden  Briefe  vom  20.  Nov.  und 
6.  Dec;  den  letzteren  habe  ich  erst  heute  erhalten. 

An  unseren  Freund  L[indenatt]  wegen  der  bewussten  Angelegenheit 
zu  schreiben,  habe  ich  mich  nicht  entschliessen  können.  Es  widerstritt 
meinem  Gefühl,  in  der  Sache  mich  anders  als  passiv  zu  verhalten,  auch 
hätte  ich  ihm  den  ganzen  Stand  derselben  nicht  eröffnen  dürfen.  Dem- 
ungeachtet  sind  nun  vor  wenigen  Tagen  durch  eben  diesen  Freund 
bestimmte  Anträge  an  mich  gelangt,  die  er  von  dem  dazu  autorisirten 
G[eneral]  v.  M[t;rrLiNG] ^)  erhalten   hatte,   und   es   wird  also  von  mir 


^)  Siehe  Briefwechsel  A.  v.  Hümboldt-Gauss,  Brief  No.  14,  1824  Nov.  28,  Müff- 
LiNG  au  LiNDENAu  uüd  No.  15,  1824  Dec.  4,  Lindenau  an  Gauss.  Der  erste  Brief  ist 
im  Anhang-  zu  diesem  Bande  wieder  abgedruckt.     Krra. 


350  Gauss  au  Olbers.    Göttingen,  1824  December  13. 

abhängen,  solche  sofort  in  officielle  zu  verwandeln.  Inzwischen  hatte 
schon  vorher,  bald  nach  Abgang  meines  letzten  Briefes  an  Sie,  die 
Karte  noch  eine  zweite  Seite  bekommen;  was  ich  selbst  davon  weiss. 
darf  ich.  Ihnen,  theuerster  Freund,  jetzt  noch  nicht  sagen;  ich  daif  aber 
jetzt  jeden  Tag  erwarten,  sie  ganz  aufgedeckt  zu  sehen.  Behalten  Sie 
einstweilen  den  Heliotrop  noch  dort,  wenn  sich  nicht  eine  sehr  gute 
Gelegenheit  zur  üebersendung  findet,  aber  sehen  Sie  selbst  diesen  Wink, 
von  dem  ich  nach  der  mir  aufgelegten  Verpflichtung  kaum  weiss,  ob 
ich  ihn  geben  durfte,  als  bloss  Ihnen  im  engsten  Vertrauen  gegeben  an. 

Die  Nachrichten,  die  Sie  mir  über  die  Abbildung  der  Sonne  181i» 
geben,  waren  mir  insofern  interessant,  als  sie  ein  neuer  Beweis  sind, 
wie  wenig  man  sich  auf  die  Nachrichten  solcher  Dilettanten  verlassen 
kann,  deren  Verstand  und  Phantasie  kein  strenges  mathematisches 
Studium  gebildet  und  gezügelt  hat. 

Bei  Pastorff,  der  mich  früher  viel  mit  seiner  Photosphäre  ge- 
plagt hat,  fällt  mir  das  Äfstr.]  JfalirJ-Bfudi]  für  1827  ein,  worin 
ich  mit  grossem  Befremden  gesehen  habe,  dass  Ritz  seine  Erklärung 
wegen  der  Erinnerung  von  Ktjnowsky  zurückgenommen  hat.  Ich  halte 
bis  diese  Stunde  die  Erklärung  von  Ritz  für  die  richtige  (im  Wesent- 
lichen), und  es  schien  mir  bisher,  als  ob  Hr.  Kuxowsky.  über  dessen 
höchst  seichte  Einwendungen  ich  einiges  in  der  hiesigen  Recension^' 
erinnert  habe,  den  eigentlichen  Geist  dieser  Erklärung  gar  nicht  ver- 
standen habe.  Pastoeff  beharrte  in  seinem  letzten  Briefe  an  mich 
noch  immer  auf  der  Realität  des  Phänomens,  obgleich  er  das  ihm  vor- 
geschlagene Experiment,  einen  Sektor  des  Objektives  zu  bedecken,  an- 
gestellt und  den  Erfolg,  so  wie  zu  erwarten  war,  beobachtet  hatte. 

Ich  habe  in  den  letzten  Tagen  meine  Messungen  die  verschiedenen 
Plätze  in  Bremen  betreffend  wieder  voi'genommen  und  erst  jetzt  zu 
meinem  Missvergnügen  bemerkt,  dass  dabei  doch  noch  einiges  zu  wün- 
schen übrig  bleibt.     Die  relative  Lage  der  Plätze 

Ansgarius,  Dom,  L.  Frauen,  Martini.  Gymnasium.  Domshof. 
Wall  (bei  der  Windmühle  am  Heerden-Thor) 
ist  mit  sehr  grosser  Schärfe  bestimmt,  allein  der  Maa.^stah  dazu,  wenn 
er  aus  meinen  eigenen  Messungen  abgeleitet  werden  soll,  beruht  nur 
auf  einfachen  Winkelmessungen  (ohne  Repetition  und  bloss  je  einem 
Vernier).  Bepetlrt  ist  bloss  auf  dem  Steinberg  der  \\'inkel  zwischen 
Ansgarius  und  Kath.  Kirche,  von  der  ich  damals  irriger  Weise  glaubte 
(da  ich  das  Tagebuch  auf  dem  Steinberg  nicht  bei  mir  hatte),  dass  sie 
mit  unter  jenen  Punkten  sei.    ^^'enn  ich  so  aus  meinen  eigenen  Messungen 


^)  Recension  des  Jahrbuchs  für  1826  durch  Gaiss  in  den  (S.  (i.  A.  (1S24  Jan.  o). 
in  Bd.  VI  der  Werke.  S.  630  ff.  wieder  abijedruckt.    Krni. 


Gauss  an  Olber?.     Güttingren.  1824  December  13.  3ßl 

(dlein  die  Lag»i  der  Tliüime  ableite,  so  ist  die  Entfernung-  des  Doms  vom 
Ansgarius  etwa  1,3  m  grösser,  als  wenn  ich  dieselbe  aus  ihrem  Ver- 
hältniss  zu  der  schärfer  bestimmten  Entfernung  der  Kath.  Kirche  vom 
Ansgarius  ableite,  dieses  Verhältniss  so  angenommen,  wie  es  aus  Gilde- 
meistf,k"s  Angaben  folgt.  Noch  unsicherer  folgt  aus  meinen  Messungen 
allein  der  Platz  des  Zwingers,  der  bloss  auf  dem  Steinberg  und  Bottel 
mit  einer  Pai-allaxe  von  8^  ohne  Eepetition  geschnitten  ist.  So  gut 
ich  nach  diesen  üngewissheiten  die  Lage  Ihres  0[bservations]-Zimmers 
angeben  kann,  liegt  es  vom  Ansgarius  im  wahren  Azimuth  309^  19' 54", 
horizontale  Entfernung  =  611,84  m;  Entfernung  vom  Dom  =  151,6  m. 

Auch  bei  der  Höhe  bin  ich  etwas  ungewiss,  da  die  Messungen 
keine  Kontrolle  haben  und  nur  vom  Knopf  des  Domthurmes  her- 
genommen sind. 

Ich  finde  nämlich  unter  der  Göttinger  Sternwarte 

Knopf  des  Domthurms 79,315  m 

Theodolith    Opt.    Axe,    in    Ihrem   Observ.- 

Zimmer 138,521 

Barometer  Cuvette 139,306 

Fussboden 140,121 

Garten      147,987 

Domshof  Platz,  wo  beobachtet  ist   ...    .  147,421 

Eben  dieses  ist  mir  nun  etwas  verdächtig,  da  ich  mich  zu  erinnern 
glaube,  dass  dem  Augenmaass  nach  die  Sandstrasse  viel  mehr  herunter 
geht  als  der  Domshof,  während  diese  Rechnung  nur  einen  Unter- 
schied von  I  m  giebt.  Die  relativen  Höhen  aller  sonstigen  Plätze  in 
Bremen,  die  bei  meinen  Messungen  vielfach  kontrollirt  sind,  harmo- 
niren  sonst  alle  vortrefflich.  Ich  werde  Ihnen  demnächst  alles  ausführ- 
lich mittheilen. 

Die  Lage  folgt  übrigens  so;  aus  Göttingen  abgeleitet: 

Breite  Länge  v.  Gott. 

Ansgarius 53«4'48",939  P8'22",720 

Ihr  Obs.-Zimmer 36,397  1  7  57,292 

Brocken  über  Gott.  Stern w.    .    .    .    -f  992,4  ^j 
Michaelis  Laterne  unter —   52,0 

^)  Von  0LBEK.-5  hinzugesetzt.     Knu. 


362  Gauss  an  Olbers.    Göttingen,  1824  December  17. 


No.  544.  Gauss  an  Olbers.'j  [256 

Göttingen,  1824  December  17. 

Meine  Angelegenheit  ist  jetzt  entschieden,  ich  bleibe  in  Göttiugen. 
Man  wünscht  zwar  in  Hannover,  dass  das  Detail  der  Verhandlungen 
nicht  bekannt  werde;  allein  Ihnen,  mein  bester  Freund,  muss  ich  doch 
die  Hauptmomente  vertraulich  mittheilen. 

Ich  habe  Ihnen  zu  seiner  Zeit  geschrieben-),  dass  ich  die  mir 
zuerst  aus  H[annover]  gemachten  Anerbietungen  abgelehnt  hatte.  Allein 
bald  nachher  erhielt  ich  ebendaher  die  konfidentielle  Anzeige,  dass  man 
sich  dabei  nicht  beruhigt,  sondern  den  Vorschlag  zu  einer  wahrhaft 
liberalen  Verbesserung  meiner  Lage  nach  L[ondon]  an  den  K[önig]  ab- 
gesandt habe,  und  dass  man  wenig  Zweifel  hege,  dass  derselbe  genehmigt 
werden  würde.  Gleich  nach  Absendung  meines  letzten  Briefes  an  Sie 
habe  ich  nun  die  Nachricht  von  der  erfolgten  Genehmigung  erhalten, 
und  ich  habe  daher  L[indenatj]  geantwortet,  dass  ich  nach  einem  solchen 
Beweise  von  Wohlwollen  meines  Gouvernements,  wie  ich  eben  erhalten, 
ohne  Undankbarkeit  die  fremden  Anträge,  wie  ehrenvoll  und  vortheilhaft 
sie  auch  sein  mögen,  nicht  mehr  annehmen  dürfe.  Ohne  mehrere  Zu- 
fälligkeiten, wenn  ich  sie  so  nennen  darf,  die  von  kleinen  Umständen 
abhängig  gewesen  sind,  hätte  wahrscheinlich  die  Sache  eine  ganz  andere 
Wendung  genommen.  Jetzt  freue  ich  mich  der  nahen  Aussicht,  sie 
Ihnen  mündlich  sagen  zu  können,  wieder. 

Man  hatte  mir  in  B[erlin],  da  man  jetzt  keine  Ofiicialwohnung 
disponibel  habe,  einen  grösseren  Gehalt  angeboten,  als  ich  gefordert  hatte. 
Allein  wenn  ich  die  grössere  Theuerung  in  B[erlin]  in  Anschlag  bringe, 
so  werde  ich  in  ökonomischer  Eücksicht  künftig  hier  merklich  besser 
stehen,  als  dort  der  Fall  gewesen  sein  würde.  Uebrigens  war  der  An- 
trag allerdings  in  jeder  Beziehung  auf  Stellung,  Einfluss  und  \Mrkungs- 
kreis  höchst  ehrenvoll;  allein  nach  den  Erklärungen,  die  ich  einmal 
schon  vor  Empfang  des  Antrags  nach  H[annover]  von  mir  gegeben 
hatte,  würde  mir  nunmehr  doch  keine  andere  Wahl  übrig  geblieben 
sein,  und  in  der  That,  weiss  ich  doch  kaum,  ob  ich  auch  im  entgegen- 
gesetzten Fall  eine  andere  Wahl  getroffen  hätte.  Zu  der  recht  ruhigen 
Benutzung  der  allerdins-s  etwas  grösseren  Freiheit,  meine  Zeit  auf  i-ein 


^)  Vergl.  hierzu  auch  den  Brief  Gauss'  an  Bessbl  vom  15.  Jan.  1825,  No.  147 
des  Briefwechsels,  üeber  die  von  Hannover  aus  mit  Gauss  gepflogenen  Verhand- 
lungen ist  Näheres  mitgetheilt  in:  Sahtohics  von  Waltk.rsuacskx,  Gacss  zum  (ie- 
dächtniss,  8.  58 — 60.     Krni. 

2)  Brief  No.  540.     Krm. 


Gauss  au  Olbers.     Götting-en.  1824  Deceiuber  17.  3(33 

wissenscliat'tlii'Jie  Arbeiten  zu  veiweiuleii.  würde  icli  doch  iininer  erst 
nach  melireren  Jahren  gelangt  sein,  wenn  ich  nebst  allen  P'amilien- 
Verhältnissen  dort  erst  ganz  einheimisch  geworden  wäre,  und  auf  aus- 
gebreiteten Einfluss  auf  fremde  wissenschaftliche  Angelegenheiten,  der 
doch  wohl  oft  mit  Störung  der  eigenen  Kühe  und  verdriesslichen  Kol- 
lisionen erkauft  werden  muss,  lege  ich  keinen  hohen  Werth.  Das  einzige 
Opfer  ist  wohl,  dass  man  gewiss  an  einem  grossen  Orte  viel  angenehmer 
lebt  und  sich  leichter  einen  ansprechenden  Umgangskreis  bildet.  In- 
zwischen werde  ich  mich  dafür  durch  öftere  Eeisen  schadlos  halten 
können,  und  nun  besonders,  wie  viel  weiter  wäre  ich  von  Ihnen  ent- 
fernt! Jetzt  werde  ich  Sie  nun  wieder  im  Frühjahr  in  Bremen  um- 
armen, und  Sie,  mein  geliebter  Olbers,  werden  mich  wieder  auf  einer 
fi'eundlichen  Dreieckstation  besuchen.  Alles  erwogen,  danke  ich  de- 
müthig  und  innig  der  höheren  Hand,  die  die  Zufälligkeiten  und  Meinen 
Umstände  so  gefügt  hat. 

Die  Gesundheit  meiner  Frau  hat  sich  ausnehmend  gebessert.  Etwas 
beunruhigt  mich  jetzt  ihretwegen,  dass  mein  zweiter  Sohn  seit  einigen 
Tagen  von  den  Masern  befallen  ist,  da  sie  selbst  (so  wie  meine  beiden 
jüngsten  Kinder)  sie  gleichfalls  noch  nicht  gehabt  hat,  und  doch  nicht 
abzuhalten  ist,  sich  ganz  der  Pflege  des  kranken  Kindes  zu  widmen. 
Doch  sind  die  Masern  hier  diesmal  sehr  gutartig,  und  unser  Arzt  hat 
jetzt  schon  58  Kranke  davon  kurirt,  ohne  dass  eine  nachtheilige  Folge  bei 
einem  einzigen  nachgeblieben  w^äre.  Ich  selbst  bin  seit  den  letzten  8  Tagen 
auch  nicht  ganz  wohl  gewesen,  und  es  scheint  fast,  dass  die  Entwöhnung 
von  dem  Aufenthalt  im  Freien,  wozu  das  schlechte  Wetter  zwingt,  mich 
einen  Theil  von  dem  wieder  zusetzen  lässt,  was  ich  in  den  zwei  letzten 
Monaten  meiner  diesjährigen  Campagne  gewonnen  hatte.  Ohne  diesen 
Umstand  wäre  ich  vielleicht  in  diesen  Tagen  selbst  nach  Hannover 
gereist. 

Ton  Schumacher  habe  ich  seit  beinahe  2  Monaten  gar  nichts 
gehört. 

Leben  Sie  wohl,  mein  theuerster,  mir  nun  wieder  näher  gerückter 
Freund. 

P.  S.  Sie  schrieben  mir  vor  längerer  Zeit  einmal,  dass  Oltmanns 
als  Professor  der  Mathematik  nach  Berlin  gehen  werde?  Hat  sich  dies 
bestätigt,  und  ist  er  bereits  dort,  oder  noch  in  Ostfriesland?  Ich  er- 
innere mich  nicht,  in  öffentlichen  Blättern  von  dieser  Anstellung  Er- 
wähnung gefunden  zu  haben. 


,'](54  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1824  Deceraber  22. 


No.  545.  Olbers  an  Gauss.  [289 

Bremen.  1824  December  22. 

Meinen  herzlichsten,  innigsten  Glückwunsch  zu  der  endlichen  glück- 
lichen Beendigung  einer  Angelegenheit,  die  Sie,  und  durch  warme  Theil- 
nahme  auch  mich  so  lange  beunruhigt  hat.  Sie  können  denken,  mit 
Avelcher  Ungeduld  ich,  nach  den  dunkelen  A\'inken,  die  Sie  mir  unter 
dem  13.  Dec.  gaben,  der  endlichen  Entscheidung  entgegensah.  Dank 
Ihrer  gütigen  Freundschaft,  dass  Sie  meine  Ungeduld  so  bald  befriedigt 
haben!  Immer  war  ich  indessen  im  voraus  überzeugt,  dass  man  Sie 
von  H[annover]  aus  nicht  entlassen,  G[öttingen]  seine  grösste  Zierde 
nicht  verlieren  lassen  würde.  Von  Vorlesungen  konnte  man  Sie  wohl 
nicht  ganz  dispensiren,  aber  ich  hätte  auch  gewünscht,  dass  bei  der 
Sternwarte  insofern  eine  andere  Einrichtung  getroffen  worden  wäre, 
dass  Sie  künftig  nicht  mehr  dort  Ihre  für  uns  alle  so  kostbare  Zeit 
mit  Vorbereitungen  und  solchen  Geschäften  verlieren  müssen,  die  ein 
etwas  sorgsamer  und  an  Genauigkeit  gewöhnter  Gehülfe  ebenso  gut 
oder  wenigstens  hinreichend  gut  verrichten  könnte.  Darüber  ist  wohl 
nichts  vorgekommen. 

Klüver  habe  ich  noch  nicht  wieder  zu  sehen  Gelegenheit  gehabt; 
ich  vermuthe  aber,  dass  der  Heliotrop  schon  unterwegs  ist,  da  er  schon 
vor  5  Wochen  eine  gute  Gelegenheit  zur  Uebersendung  desselben  aus- 
gemittelt  zu  haben  glaubte. 

Unendlich  freue  ich  mich,  Sie,  mein  geliebter  Gauss,  diesen  Früh- 
ling wieder  hier,  und  dann  Ihre  Verbindungs-Messung  geendigt  zu  sehen. 
In  den  Osterferien  ist  auch  Hoffnung  vorhanden,  dass  Bessel  auf  seiner 
nach  Hamburg  zur  Abholung  seines  Pendel- Apparats  zu  unternehmenden 
Keise  mich  besuchen  wird. 

Sehr  dankbar  bin  ich  für  die  Mittheilung  der  aus  Ihren  bisherigen 
Messungen  folgenden  relativen  Lage  meines  Beobachtungs-Zimmers  gegen 
Ihre  Sternwarte,  ^^'enn  Sie  meinen  Garten  147,987  m.  den  Beob.-Platz 
auf  dem  Domsliof  aber  147,421  m  unter  der  Göttinger  Sternwarte  linden, 
so  liegt  dieser  Platz  doch  nicht  }  sondern  0,56(3  m  höher  als  der  Garten. 
Aber  eben  dieser  Garten  liegt  auch  noch  reichlich  einen  halben  Meter 
höher  als  das  Steinpflaster  der  Sandstrasse  vor  meinem  Hanse.  lc\\ 
finde  also  keinen  augenscheinlichen  Widerspruch  in  diesen  Angaben. 

Wie  hoch  ist  nach  der  Verbindung  und  Vergleichung  Ihrer  Messungen 
mit  den  ScHUMACHER'schen  die  Höhe  Ihrer  Sternwarte  über  dem  Spiegel 
der  Ostsee?  Können  Sie  mir  auch  nicht  die  scheinbare  Höhe  des  Knopfs 
vom  Domthurm  von  meinem  Heobachtuns-szimmer  angeben? 


Gauss  an  01l)ers.     Ciüttingen,  1825  Januar  19.  305 

Ultmanns  ist  sclidii  vor  mehr  als  4  Woclieii  liier  diirelipassirt,  um 
seine  Stelle  in  Herliii  als  Professor  der  aiip^e wandten  Mathematik  an- 
zutreten. —  (bewundert  weiden  Sie  sich  haben,  dass  Ihr  ehemaliger 
Schüler,  Dr.  Tittel,  zum  Direktor  der  Ofener  Sternwarte  ernannt  ist, 
ohne  doch  dass  bislier  Pasquich  seine  Entlassung-  erhalten  liätte.  Tittel 
ist,  wie  er  an  Schumacher  schreibt,  von  Pasquich  sehr  gut  aufgenommen 
worden;  und  doch  scheint  T.iT'rHo^v  zu  dieser  Ernennung  mitgewirkt 
zu  haben!! 

Leben  Sie  wühl,  mein  theuerster  geliebtester  Freund!  Ich  hoffe, 
so  gutartige  ]\lasern  werden  nun  auch  schon  glücklich  beendigt  sein 
und  der  Gottlob  wiederkehrenden  Gesundheit  Ihrer  hochverehrten  Frau 
(Tcmahlin  keinen  Nachtheil  zugefügt  haben. 


No.  546.  Gauss  an  Olbers.')  [257 

Göttingen,  1825  Januar  19. 

Einen  ganzen  Monat  hindurch  ist  mein  Haus  der  Schauplatz  von 
Unruhe  und  Sorge  gewesen,  und  damit  entschuldigen  Sie  es  gütigst,  dass 
ich  Ihren  lieben  Brief  vom  '12.  Dec.  v.  J.  nicht  früher  beantwortet 
habe.  Ich  habe  Ihnen  schon  gemeldet,  dass  mein  zweiter  Sohn  von 
den  Masern  befallen  war;  bald  nachher  kam  auch  der  dritte  (Ihr  Pathe) 
an  die  Reihe,  dann  meine  jüngste  Tochter  und  endlich  auch  meine  Frau. 
Bei  den  Kindern  zwar  war  die  Krankheit  verhältnissmässig  leicht; 
allein,  wie  es  bei  Erwachsenen  ohnehin  gewöhnlich  ist,  und  bei  dem 
durch  zweijährige  Krankheit  sehr  heruntergekommenen  Zustande  meiner 
Frau  kaum  anders  sein  konnte,  bei  dieser  sehr  schwer,  und  eine  Zeit 
lang  schwebte  sie  in  der  grössten  Gefahr.  Durch  die  unermüdete  Sorg- 
falt und  Geschicklichkeit  des  Hofrath  Himly  ist  sie  gerettet  und  jetzt 
auf  dem  besten  Wege  der  Besserung.  Die  Kinder  sind  ganz  hergestellt, 
und  die  beiden  ältesten  haben  schon  seit  mehreren  Tagen  wieder  aus- 
gehen dürfen.  Ich  muss  es  für  ein  grosses  Glück  ansehen,  dass  alles 
so  gekommen  ist,  denn  wie  ich  höre,  haben  die  Masern  jetzt  in  der 
Stadt  einen  viel  bösartigeren  Charakter  bekommen,  als  sie  zu  Anfang 
hatten,  und  es  sollen  jetzt  viele  Patienten  daran  sterben. 

Ich  habe  jetzt  die  Rechnungen  über  meine  vorjährigen  Messungen 
und  die  sonstigen  Hülfsmittel,  die  ich  zur  Vorbereitung  auf  die  nächste 
Campagne  diskutiren  musste,  meist  vollendet  und  hoffe,  meine  Berichte 
an  das  Hannoversche  Ministerium  und  an  Ihren  Senat  bald  ausarbeiten 


^)  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krm. 


3ß(j  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1825  Januar  19. 

ZU  können.  Letzterem  werde  ich  dann  auch  ein  Verzeichniss  aller  bis- 
herigen Höhen  beifügen.  Es  ist  sonderbar,  dass  diese  sich  mit  Schü- 
macher's  Bestimmungen  nicht  vertragen.  Ich  finde  z.  B.  aus  meiner 
trigonometrischen  Verbindung  Schumachee's  Barometer  in  Altona  73,1 
Pariser  Fuss  über  dem  Ihrigen,  =  12,2  Toisen,  während  die  Baro- 
metervergleichungen selbst  nur  6 — 7  Toisen  gegeben  haben  mit  einer 
Ungewissheit  (wie  Sie  bemerken)  von  4  Toise.  Ich  gestehe  einerseits, 
dass  ich  kaum  geglaubt  hätte,  dass  Barometervergleichungen  zwischen 
zwei  13  Meilen  von  einander  entfernten  Orten  einen  solchen  Grad  von 
Genauigkeit  geben  könnten,  aber  ganz  entschieden  muss  ich  aussprechen, 
dass  ich  es  für  unmöglich  halte,  durch  trigonometrische  Messungen  die 
Genauigkeit  von  l  Toise  zu  erhalten,  wenn  nicht  alle  reciproken  Zenith- 
Distanzen  /7e/?ftH  gleichzeitig  gemessen  werden.  -|- Toise  würde  bei  dieser 
Entfernung  einer  Veränderung  von  etwa  2"  in  den  Z.-D.  entsprechen, 
und  ich  habe  täglich  erfahren,  dass  die  Veränderungen  in  der  terrestri- 
schen Refraktion  auf  ganze  Minuten  gehen  können.  Alles  was  ich  habe 
thun  können,  dies  so  wenig  als  möglich  nachtheilig  zu  machen,  war 
1)  die  Messung  der  reciproken  Zenithdistanzen,  z.  B.  von  Bremen  nach 
Zeven  und  von  Zeven  nach  Bremen,  so  viel  [als]  thunlich  unter  ähn- 
lichen Umständen  zu  machen,  2)  die  Uebergangswege,  so  viel  ich  konnte, 
zu  vervielfältigen.  Alle  Messungen  sind  nachher  nach  der  M[ethode] 
der  kl.  Qu[adrate]  behandelt  und  nach  aller  Ausgleichung  difterirt  doch 
z.  B.  die  relative  Höhe  zwischen  Steinberg  und  Wilsede  um  10  Fuss 
von  der  unmittelbaren  Bestimmung;  dies  ist  aber  die  allergrösste,  das 
was  ich  mittlere  Abweichung  nenne,  ist  4,8  Fuss  und  würde  wenigstens 
50°/o  grösser  gevvesen  sein,  wenn  ich  nicht  die  oben  erwähnte  Aehn- 
lichkeit  atmosphärischer  Umstände  nach  ]\röglichkeit  zu  erhalten  ge- 
trachtet hätte,  wie  sich  aus  den  ungleichen  Resultaten  für  die  terrestri- 
sche Refraktion  schliessen  lässt.  Nach  allen  Umständen  kann  ich 
unmöglich  glauben,  dass  mein  oben  angegebener  Unterschied  zwischen 
Altona  und  Bremen  um  5i  Toisen  unrichtig  sein  könne;  aber  1 — 2  Toisen 
kann  er  sehr  wohl  fehlen.  Ich  muss  noch  bemerken,  dass  ich  mehrere 
Elemente  zu  diesem  Resultate  nicht  selbst  gemessen  habe;  die  Ditferenz 
zwischen  Altona  und  Hamburg,  Michaelis  Beobachtungszimmer  hat  mir 
Schumacher  mitgetheilt;  und  die  Difterenz  zwischen  letzterer  Stelle  und 
dem  Knopf  des  Thurmes  und  dem  Fussboden  der  liaterne  (meinen  beiden 
Zielpunkten  von  Timpenberg,  Nindorf,  ^Mlsede  und  Litberg  aus)  habe  ich 
provisorisch  aus  dem  Kupferstich  von  Benzexberg's  Buche  entlehnt. 

Ich    liabe    dieser  Tage   von   einem  allgemein  hochgeschätzten  Mit- 
glieder) der  Berliner  Akademie,  mit  dem  icli  sonst  in  gar  keiner  Ver- 

^)  Leopold  v.  Buch  nach   Brief  No.  548.     Der  Brief  v.  Biih's  ist    im  Anhanc: 
zu  diesem  Bande  alti^edruckt.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1825  .lanuar  19.  367 

hiniluDi:-  stehe,  eiiicii  Uiief  erlialten.  der  mir  riel  irä'rmcres  Bedauern 
des  Misslingens  des  bewussten  Pianos  ausspricht,  als  ich  mir  eingebildet 
hatte.  Er  scheint  in  der  Vermuthnng  geschrieben  zu  sein,  dass  meine 
Ablehnung  noch  nicht  ganz  unwiderruflich  sei,  setzt  manche  Verhält- 
nisse in  ein  ganz  anderes  Licht,  als  in  dem  ich  sie  bisher  sah,  und 
könnte  mich  fast  zweifelhaft  machen,  ob  ich  mich  so  unbedingt  darüber 
zu  freuen  habe,  dass  die  Sache  die  jetzige  Wendung  genommen  hat, 
wenn  ich  nicht,  zufrieden  mit  meiner  nunmehrigen  hiesigen  Lage  und 
aufrichtig  dankbar  für  das  wahrhaft  liberale  Benehmen  des  H[annover- 
schen]  Ministeriums,  es  mir  zum  Gesetz  gemacht  hätte,  an  eine  kritische 
Abwägung  dessen,  was  hätte  sein  können,  gegen  das,  was  nun  ist,  gai- 
nicht  mehr  zu  denken.  Es  bleibt  mir  bei  dem  ganzen  Gange  der 
Sache  manches  dunkel,  wenn  ich  gleich  auf  meine  Ehre  versichern 
kann,  dass  ein  Verdacht,  den  man  in  B[erlin]  in  Beziehung  auf  eine 
dabei  betlieiligt  gewesene  Person  nach  jenem  Briefe  zu  haben  scheint, 
mir  selbst  bisher  gar  niclit  in  den  Sinn  gekommen  war,  und  ich  auch 
jetzt  weit  entfernt  bin.  solchen  zu  theilen.  Sehen  Sie  diese  Andeu- 
tungen, theuerster  Olbers,  die  sich  in  einem  Briefe  nicht  wohl  weiter 
entwickeln  lassen,  bloss  als  eine  vertrauliche  Mittheilung  für  Sie  selbst 
an.  Auf  alle  Fälle  wiederhole  ich,  dass  ich  vollkommen  zufrieden  bin 
mit  der  Art,  wie  man  sich  in  H[annover]  und  L[ondon]  benommen  hat. 
Meine  äussere  Lage  ist  durch  meine  Dienst-Einnahme  anständig  be- 
gründet, und  ich  bin  nicht  mehr  abhängig  von  ungewissen  und  zu- 
fälligen Zutiüssen.  Ueber  das  Uebrige  ist  zwar  nichts  förmlich  fest- 
gesetzt, aber  durch  H[oppenstedt]  als  Organ  der  Eegirung  bin  ich 
darüber,  so  viel  ich  billiger  Weise  erwarten  kann,  beruhigt.  Eücksicht- 
lich  der  Sternwarte  lässt  sich  in  dem  jetzigen  Augenblicke  nichts  thun, 
aber  ich  habe  die  Ueberzeugung,  dass,  wenn  die  Umstände  es  möglich 
machen,  etwas  zu  thun,  dies  gewiss  geschehen  wird.  So  lange  meine 
Messungen  dauern,  fühle  ich  auch  das  Bedürfniss  weniger. 

Noch  muss  ich  Ihnen,  gleichfalls  im  Vertrauen,  anzeigen,  dass  ich, 
früher  als  den  erwähnten  Brief,  einen  von  unserem  Freunde  L[indenau]  ^) 
erhalten  habe,  worin  er  mir  meldet,  dass  der  Gen.  v.  M[ürrLiNG]  ihn 
ersucht  habe,  jetzt  anderw'eitige  Vorschläge  für  Tealles'  Stelle  in 
B[erlin]  zu  thun.  L[indenau]  fühlte  sich  darüber  gewdssermaassen  in 
Verlegenheit  und  wünschte  von  mir  ein  komparatives  Urtheil  über 
Mollweide  und  Buzengeiger.  Ich  habe  mich  alles  entscheidenden 
ürtheils  solcher  Art  enthalten  und  bloss,  gleichfalls  ohne  ein  Urtheil 
fällen  zu  w^ollen,  noch  erinnert,  dass  ich  aus  Briefen  von  Soldner  wisse. 


1)  Brief  No.  16  v.  4.  Jan.  1825  im  Briefwechsel  A.  v.  Hümboldt-Gauss.    Dieser 
Brief  ist  im  Anhang-  zu  diesem  Bande  wieder  abgedruckt.     Krm. 


3g3  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1825  Januar  28. 

dieser  sei  mit  seiner  Lage  in  München  höchst  unzufrieden  und  ver- 
lange selinlichst,  wieder  nach  B[erlin]  zu  kommen.  Haben  Sie  vielleicht 
irgend  eine  Idee,  die  in  wissenschaftlicher  Kücksicht  fruchtbringend 
werden  könnte,  so  theilen  Sie  sie  mir  oder  Hrn.  v.  L[indenau]  rait.  obwohl 
ich  nicht  weiss,  ob  diese  Kanalleitung  überhaupt  am  Ende  die  rechte 
Mündung  haben  wird.  Ich  für  mich  selbst  kann,  so  wie  die  Umstände 
jetzt  sind,  und  wenn  nicht  einmal  ganz  veränderte  Konjunkturen  ein- 
treten, an  keine  Versetzuns:  mehr  denken. 


No  547.  Olbers  an  Gauss.  [290 

Bremen,  1825  Januar  28. 

Zuerst  meinen  herzlichsten  Glückwunsch  zur  Wiederherstellung  aller 
Ihrer  lieben  Kranken,  besonders  Ihrer  theuren  Frau  Gemahlin.  Möge 
der  Himmel  Sie  und  Ihre  ganze  Familie  von  nun  an  bis  auf  die  spä- 
testen Zeiten  in  fortdauernder  Gesundheit  erhalten. 

Die  grosse  Verschiedenheit  des  aus  Ihren  Messungen  und  den  Baro- 
meter-Beobb.  folgenden  Höhen -Unterschiedes  zwischen  Altona  und 
Bremen  war  nur  scheinbar,  durch  einen  konstanten  Fehler  in  meinen 
Ablesungen  und  in  der  Vergleichung  der  beiden  gebrauchten  Baro- 
meter veranlasst.  Nachdem  dieser  konstante  Fehler  verbessert  worden 
ist,  folgt  aus  91  bisher  berechneten  Beobb.  der  Höhenunterschied  zwi- 
schen den  Cuvetten  der  beiden  Barometer  11,204  Toisen  mit  einer 
wahrscheinlichen  Unsicherheit  von  +  0,35  Toise,  wenn  nämlich  keine 
konstanten  Fehler  mehr  zurückgeblieben  sind.  Ich  lege  die  Eechnimg 
im  Auszuge  bei,  um  so  mehr,  da  ich  von  Ihnen  belehrt  sein  möchte, 
ob  Foueiek's  Vorschrift  eine  hinreichend  genaue  Schätzung  des  mitt- 
leren Fehlers  des  Resultats  giebt. 

Was  mir  indessen  bei  diesen  Zahlen  etwas  bedenklich  ist.  das  ist 
das  gar  zu  geringe  Gefälle  der  Weser,  die  doch  noch  von  Bremen 
12  Meilen  bis  zur  Nordsee  zu  laufen  hat,  was  daraus  folgt.  Es  ist 
nämlich,  [um]  bloss  bei  der  barometrischen  Bestimmung  zu  bleiben: 

Die  Kapsel   meines  Barometers  unter  der 

zu  Altona 11,204  Toisen 

über  meinem  Garten   .    .      4,45(3 

Das   Barometer   in    Altona    über   meinem 

Garten 15,660 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1825  Januar  28.  3(39 

Nach  Prof.  Schumachek  da.s  Altonaer  Bar. 

über  dem  Spiegel  der  Ostsee 20,26 


Mein  Garten  über  dem  Spiegel  der   See      4,60     Toisen 

oder    27,6       Par.  Fuss 

Nun  ist  nach  Tkeviranus'  Nivellement  mein 
Garten  wenigstens  25  Bremer  oder 
22 1  Pariser  Fuss  über  dem  0  Punkt  der 
Weser 22,25 


Gefälle  der  ^^'eser  bis  zur  Nordsee  ...      5,35     Par.  Fuss 

Nimmt  man  aber  gar  nach  Ihren  Messungen  12,2  Toisen  zwischen 
Altona  und  Bremen,  so  würde  der  Nullpunkt  der  Weser  noch  etwas 
unter  dem  Spiegel  der  Ostsee  liegen.  Ich  muss  erwarten,  wie  sich 
dies  künftig  aufklären  Avird.  Vielleicht  lässt  sich  die  Höhe  des  Knopfs 
\om  Domthurm  über  der  \\'eser  unmittelbar  messen,  wenn  Sie  uns 
künftigen  Sommer  hier  wieder  mit  Ihrer  Gegenwart  erfreuen. 

Wollen  Sie  mir  nicht  auch  gelegentlich  gütigst  anzeigen,  ob  Sie 
voriges  Jahr  mit  Klüver  zufrieden  gewesen  sind  und  ihn  wieder  als 
Gehülfen  annehmen  wollen? 

Noch  habe  ich  mich  eines  Auftrages  von  Hrn.  Baumann  zu  ent- 
ledigen. Er  bat  mich,  wie  er  von  hier  ging,  doch  bei  Ihnen  zu  inter- 
cediren,  dass  Sie  ihn  doch  auch  künftiges  Jahr  bei  Ihrem  Messungs- 
Geschäft,  aber  mit  Diäten,  anstellen  möchten. 

Allerdings  hat  das  Missglücken  des  Berliner  Projekts  dort  eine 
grosse  Bestürzung  erregt.  Vom  Prof.  Dirksen  erhielt  ich,  aufs  Ge- 
lindeste ausgedrückt,  einen  etwas  empfindlichen  Brief.^)  Er  fordert 
gewissermaassen  Rechenschaft,  wie  ich  ihm  unter  dem  15.  Nov.  vorigen 
Jahres  habe  melden  können,  Sie  hätten  die  hannoverschen  Anerbietungen 
abgelehnt.  Er  kann  es  gar  nicht  begreifen,  wie  Sie  den  Euf  nach 
B[erlin]  abschlagen  konnten,  da  man  willig  war,  Ihnen  noch  mehr  zu 
geben,  als  Sie  selbst  vorher  gefordert  hatten.  Er  glaubt  deswegen, 
dass  vielleicht  der  Antrag  nicht  in  seiner  ursprünglichen  Form  an  Sie 
gelangt  sei,  u.  s.  w.  Er  verlangt,  ich  soll  ihm  wo  möglich  die  Ihnen 
vorgelegten  Bedingungen  und  alle  übrigen  mir  bekannten  Notizen  mit 
umgehender  Post  im  Vertrauen  mittheilen,  damit  er  in  den  Stand  ge- 
setzt werden  möge,  „eines  Theils  einem  Manne,  an  welchem  ich  einen 
„so  grossen  Theil  des  Avissenschaftlichen  Ruhmes  unseres  deutschen 
„Vaterlandes  geknüpft  achte,   bei  seinen  zahlreichen  Verehrern  allhier, 


\)  Abgedi-uckt  unter  No.  17  im  Briefwechsel  A.  v.  Hcmboldt-Gaüss,  ferner  auch 
im  Anhang  zu  diesem  Bande.     Krni. 

Olbers.    II,  2.  24 


g7Q  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1825  Januar  28. 

„ZU  denen,  ausser  dem  Prinzen  August,  Chef  der  König].  Artillerie,  die 
„sämmtliclien  Mitglieder  des  Ministeriums,  der  Akademie  der  \\'issen- 
„ Schäften  und  der  Universität  unbedingt  zu  rechnen  sind,  die  ihm  ge- 
„bührende  Rechtfertigung  zu  verschaffen,  anderen  Theils  ein  in  der 
„Sache  selbst  etwa  obwaltendes  Missverständniss  gehörigen  Ortes  zur 
„Sprache  zu  bringen."  —  Ich  habe  ihm  sogleich  geantwortet,  Sie  hätten 
wirklich  damals,  im  November,  die  Ihnen  von  Hannover  aus  bedingungs- 
weise angebotene  Zulage  ausgeschlagen,  nochmals  aber  habe  man  ganz 
freiwillig  und  ohne  Anlass  von  Ihrer  Seite  von  Hannover  und  London 
aus  Ihre  Lage  in  Göttingen  so  verbessert,  dass  Sie  es  nun  für  Pflicht  der 
Dankbarkeit  gehalten  hätten,  dort  zu  bleiben  und  eine,  wenn  gleich 
in  pekuniärer  Hinsicht  vortheilhaftere  und  übrigens  angenehmere  Stelle 
in  B[erlinj  aufzuopfern.  Von  den  eigentlichen  Ihnen  vorgelegten  Be- 
dingungen des  Antrags  von  Berlin  sei  ich  zwar  so  wenig,  als  von  den 
hannoverschen  Bewilligungen  unterrichtet,  nach  dem  aber,  was  er, 
DiRKSEN,  mir  von  diesen  Bedingungen  meldete,  möchte  ich  doch 
glauben,  dass  Ihnen  der  Antrag  mit  allen  seinen  Vortheilen  bekannt 
geworden  sei. 

Im  neuesten  Bande  der  Conn.  d.  T.  ist  eine  grosse  Abhandlung  von 
Poisson:  Sur  la  probabilitS  des  resultats  moyens  des  ohservatioas,  die 
Sie  vielleicht  interessiren  wird. 

Zach  hat  in  einem  der  neuesten  Bände  der  Co?t.  Ästron.  einen 
lächerlichen  Fehler  begangen.  Vier  alte  Finsternisse  sind  nach  dem 
römischen  Kalender  angegeben.  Nachdem  er  sehr  umständlich  mit  vor- 
nehmer Gravität  gelehrt  hat,  wie  man  die  römischen  Kalender- Angaben 
auf  unsere  Art,  die  Tage  der  Monate  zu  zählen,  bringen  müsse,  redu- 
cirt  er  selbst  alle  4  Daten  völlig  unrichtig  und  wundert  sich  dann, 
dass  an  den  von  ihm  gefundenen  Tagen  keine  Finsterniss  stattfinden 
könne.  —  Wie  würde  Zach,  wenn  einer  von  seinen  Gegnern  einen 
solchen  Fehler,  den  man  kaum  einem  Tertianer  verzeihen  kann,  be- 
gangen hätte,  ti-iumphirt  haben. 

Von  RüMKER  habe  ich  endlich  wieder  einen  kleinen  Brief  vom 
28.  Juli  1824  erhalten.  Er  lebt  noch  in  seiner  Verbannung,  wie  er 
es  nennt,  6  Meilen  von  Paramatta.  Am  14.  Juli  hatte  er  einen  Ko- 
meten*) im  Sextanten  entdeckt,  den  er  am  28.,  doch  schon  abnehmend, 
im  Löwen  noch  beobachtete.  Die  Beobachtungen  dieses  Kometen,  den 
wir  in  p]uropa  nicht  gesehen  haben,  will  er  erst  künftig  schicken. 

Entschuldigen  Sie  die  sonderbare  Abtheilung  dieses  Briefes;  das 
2.  Blatt  des  anliegenden  halben  Anfanges  wurde  unvorsichtig  mit  Dint« 
befleckt. 


*)  Komet  1824  I,   siehe  auch  Briefwechsel  Olbers-Bessel  Bd.  II,  S.  267.     Krni. 


Olbers  an  («auss.     Bremen,  1825  Januar  28. 


371 


Erhöhung  der  Barometer-Cuvette  auf  der  Sternwarte  zu  Altona  über 
die  Barometer-Cuvette  auf  meinem  Beobaclitimgs-Zimmer  in  Bremen. 
Ich  habe  die  bislier  berechneten  91  Beobb.  in  7  Klassen  vertheilt. 


Beobb. 

Ül'll/'llllll-- 

Im    MitI-: 

1  j.;.le 

Zusaiiii 

irn 

5 

unter          3    T 

)isen 

0,880  Toisen 

4,4  Toisen 

7 

zwischen    3 — 6 

T> 

5,086 

n 

35,6 

19 

6-9 

„ 

7,874 

11 

149,6 

n 

25 

„         9-12 

„ 

10,328 

)t 

258,2 

)) 

12 

„        12-15 

!1 

13,500 

„ 

162,0 

)i 

14 

15—18 

)> 

16,264 

11 

227,7 

)) 

9 

über        18 

n 

20,245 

n 

182,1 

11 

1019,6  Toisen 

Also  das  Mittel  A  = 


1019,6 


91 


1 1,204  Toisen,  und  Ä-  =  1 25,54  Toisen, 


das  Mittel  der  Quadrate  ist 
1 


M'  = 


91 

1 

9lL 


5  (0,880)-  +  7  (5,086)-+ 19  (7,874)-  +  25  (10,328)-  + 12  (13,500)- 

+  14  (16,264)-^ +  9  (20,245)^1 
3,87  +  181,36  +  1176,45  +  2666,75  +  2136,95  +  3688,75 
+  3703,33 


=  149,54  Toisen. 
Das  Maass  der  Genauigkeit 


y?(^!pü)  =  y^  =  0,7263Toise>.. 


Der  mittlere  Fehler 


-±^VP. 


0,477  \/  ^  =  +  0,3464  Toisen. 


Den  Werth  von  ^  =  0,477  hat  Fourier  aus  der  Gleichung 
e^^dt  =  -l- V ^  bestimmt. 


J- 


24* 


372  Gauss  an  Olbers.     [Göttingen,  1825  Februar  2.] 

No.  548.  Gauss  an  Olbers.')  [258 

[Göttingen,  1825  Februar  2.]=) 

Was  Sie  mir  aus  dem  Briefe  des  Hrn.  Prof.  Dirksen  zu  melden 
die  Güte  gehabt  haben,  scheint  mir  fast  zu  bestätigen,  dass  in  der  be- 
rührten Angelegenheit  noch  Dunkelheiten  sind,  die  ich  mir  nicht  ganz 
erklären  kann.  Vor  Ihnen,  bester  Olbers,  kann  ich  nie  Geheimnisse 
haben,  und  ich  schicke  Ihnen  daher  sub  voto  remissionis  im  Original 

1)  den  Brief  des  Gen.  v.  Müffling')  an  Hrn.  v.  Lindenau.  worin 
die  Anträge  enthalten  sind, 

2)  einen  Brief  des  Hrn.  Kammerherrn  v.  Buch^)  an  mich,  dessen 
ich  schon  in  meinem  letzten  Briefe  erwähnte. 

Auf  letzteren  habe  ich  unter  anderem  geantwortet,  dass  ich  meiner- 
seits, soweit  ich  es  vermöge,  es  für  Pflicht  hielte  zu  verhüten,  dass 
niemand  in  einem  falschen  Licht  gesehen  werde,  da  sein  Brief  die  Ver- 
muthung  andeute,  als  ob  Unzufriedenheit  mit  der  Beschaifenheit  der 
Bedingungen  und  deren  Attributen  oder  Besorgnisse  wegen  persönlicher 
Stellung  meine  Antwort  auf  die  Anträge  diktirt  haben.  Es  sei  eben 
nur  die  reine  Wahrheit,  dass  ich  in  dem  Augenblick,  wo  ich  diese  er- 
halten, nicht  mehr  frei  gewesen,  eine  andere  Antwort  zu  geben,  wie 
vortheilhaft  und  ehrenvoll  jene  auch  sein  mochten.  Die  Ursachen  der 
Antwort  dürften  daher  nicht  in  Berlin  gesucht  werden,  da  sie  vielmehr 
ihre  Quelle  in  Hannover  und  London  gehabt  hätten  etc. 

Sie  sehen  hieraus,  mit  welcher  Vorsicht  ich  vermieden  habe,  auf 
den  Punkt  einzugehen,  ob  ich  dann,  wenn  ich  durch  keine  Eücksicht 
gehindert  gewesen  wäre,  zwischen  den  hiesigen  Verbesserungen  und 
den  Berliner  Anerbietungen  noch  ganz  frei  zu  wählen,  anders  gewählt 
haben  würde.  An  sich  ist  dies  in  der  That  eine  müssige  Frage  ge- 
worden, und  ich  denke,  man  würde  auch  in  Berlin  es  nicht  für  delikat 
halten,  jetzt  eine  Erklärung  dariiber  erpressen  zu  wollen.  Allein  Ihnen, 
bester  Olbers,  will  ich  gern  unumwunden  erklären,  dass  ich  keinen 
Augenblick  angestanden  haben  würde,  die  Berliner  Anerbietungen,  wenn 
sie  ein  Ultimatum  waren,  und  so  wie  ich  bis  dahin  die  Verhältnisse 
hatte  ansehen  müssen,  abzulehnen. 

Man  hatte  sich  in  H[annover]  zuerst  zu  einer  Gehaltserhöhung  auf 
2000  Rthlr.  erboten,  nicht  weil  man  markten  wollte,  sondern  weil  man 
in  Hannover   auf   der  Stelle   mehr    zu   tlnin  nicht  autorisirt  war.     Ich 


^)  Dieser  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  freschrioben.     Krm. 

-)  Datum  nacli  dorn  fol>>onden  Briefe  G.vrss'.     Seh. 

^)  Beide  Briefe  sind  im  Anhang  zu  diesem  Baude  abgedruckt.     Krm. 


Gauss  au  Olbers.     TGüttingeu.  1823  Februar  '_'.]  373 

habe  das  damals  liicJit  an«rtMiuiiimen.  In  der  That,  ich  habe  bisher 
(meine  Dit-nstwuhnunj^  nicht  gerechnet)  jähilich  mehr  als  2000  Rtlilr. 
gebraucht,  so  viele  Entbehrungen  und  Beschränkungen  ich  mir  auch 
perstinlich  aufgelegt  habe.  Das  Fehlende  ist  durch  anderweitige  Zu- 
riüsse  ersetzt.  Allein  es  hat  mir  immer  ein  widriges  Gefühl  gemacht, 
dass  meine  Diensteinnahme  mich  nicht  gegen  die  kleinlichen  Lebens- 
sorgen sicher  stellte,  und  wenn  einmal  Halbheiten  bleiben  sollten,  so 
würde  ich  mich  ihnen  in  G[öttingen],  wo  doch  manches  andere  nicht 
ganz  nach  meinem  Wunsche  ist,  nicht  unterworfen  haben.  Allein  man 
zeigte  mir  an.  man  habe  in  London  auf  einen  Gehalt  von  2500  Rthlr. 
Convent.  G.  augetragen  und  zweifle  nicht  an  der  Königl.  Sanktion,  man 
wünsche  mich  in  jeder  Kücksicht  zufrieden  zu  stellen  etc.  llinen, 
theuerster  Olbeks,  darf  ich  nicht  verhehlen,  dass  ein  so  liberales  Be- 
nehmen gegenüber  der  3.^ jährigen  Zögerung  in  Berlin  mich  zu  der 
Aeusserung  aufrichtiger  Dankbarkeit  verpflichtete,  und  dass  ich  daher 
schon  gebunden  war,  als  ich  den  MürrLiNG'schen  Brief  bekam. 

Sie  sehen  zugleich,  dass  die  Bedingungen,  die  er  enthält,  viel 
schlechter  sind  als  die  hannoverschen.  So  wie  sie  sind,  hätte  ich  sie 
bestimmt  nicht  angenommen,  aber  vis-ä-vis  der  ersten  hannoverschen 
Anerbietung  hätte  ich  sie  zu  einem  Gegenstand  weiterer  Unterhand- 
lungen gemacht;  nach  Dikksen's  Briefe  müsste  ich  dann  schliessen,  dass 
diese  dann,  vielleicht,  ein  anderes  Besultat  gegeben  hätten. 

Ich  bin  weit  entfernt  gewesen,  dem  il/eisi bietenden  feil  zu  sein; 
allein  eine  sorgenfreie,  von  fremden  zufälligen  Zuflüssen  unabhängige 
Lage  musste  ich,  wenn  ich  einmal  alles  auf  das  Spiel  setzte,  verlangen. 
Ziehen  Sie  von  den  mühselig  in  Berlin  zusammengebrachten  2600  bis 
2700  preuss.  Cour,  die  Kosten  einer  Wohnung,  die  man  leidlich  an- 
ständig dort  nicht  unter  500  Rthlr.  haben  kann  (und  die  seitdem  im 
Preussischen  eingetretenen  Gehaltsabzüge)  ab,  so  bleibt  weniger,  als 
ich  bisher  in  dem  wohlfeileren  Göttingen  gebraucht  habe.  Ich  wäre 
also  noch  immer,  um  zu  leben,  von  den  Zinsen  des  kleinen  Vermögens 
meiner  Frau  abhängig  geblieben,  und  das  anzunehmen  hätte  ich  mir 
in  dem  Fall  mich  entschliessen  können,  wo  ich  hier  ebenso  abhängig 
davon  geblieben  wäre.  Rechnen  Sie  nun  noch  dazu,  dass  ich  aus 
manchen  früheren  Winken  des  Gen.  Müffling  auf  vielfältige  Oppo- 
sitionen gegen  meine  Berufung  nach  Berlin  schliessen  musste  —  eine 
Vorstellung,  die  nach  Dirksen's  und  Buch's  Briefen  vielleicht  grundlos 
war,  die  ich  aber  früher  in  Ermangelung  gründlicher  Kenntniss  des 
Terrains  nicht  unbeachtet  lassen  konnte  — ,  so  werden  Sie  das  oben 
Gesagte  wohl  natürlich  finden,  wiewohl  ich  noch  einmal  wiederholen 
muss,  dass  der  Ruf  auf  alle  Fälle  zu  spät  kam,  und  ich  dadurch  eines 
peinlichen  Schwankens  ganz  überhoben  wurde. 


37^  Gauss  an  Olbers.     [Göttingen,  1825  Februar  2.] 

Ich  muss  nun  noch  hinzusetzen,  dass  die  Königl.  Sanktion  des  von 
Hannover  nach  London  abgegangenen  Vorschlages  mit  umgehender  Post 
erfolgt  ist.  Wie  verschieden  von  dem  Gange  in  Berlin!  Dass  früher 
hier  nichts  für  mich  geschehen  war,  sondern  meine  Lage  immer  die- 
selbe blieb,  wie  sie  Jerome  festgesetzt  hatte,  darüber  darf  ich  mich 
nicht  beklagen,  da  ich  selbst  nie  etwas  für  mich  gesucht  habe,  und  es 
wohl  ganz  ausser  der  Ordnung  ist,  dass  man  ohne  Anlass  etwas  thut. 

Ich  muss  es  nun  ganz  Ihrem  weiseren  Ermessen  überlassen,  ob 
und  wie  viel  von  diesen  vertraulichen  Mittheilungen  Sie  zur  weiteren 
Aufklärung  und  Rechtfertigung  nach  Berlin  gelangen  lassen  wollen. 
Den  MüFFLiNG'schen  Brief  im  Original  dürfen  Sie  wohl  nicht  dahin 
schicken,  da  er  nicht  mein  Eigenthum  ist,  aber  sein  Inhalt  ist  mein 
Eigenthum,  und  darüber  können  Sie  nach  Ihrer  Einsicht  disponiren. 
Aber  meine  jeteigen  Bedingungen  in  Göttingen  dürfen  Sie  auch  in 
Zahlen  nicht  bekannt  machen,  man  wünscht  in  Hannover,  dass  so 
wenig  wie  möglich  davon  bekannt  werde,  und  so  verschieden  ist  der 
diesmalige  Gang  der  Dinge  von  dem  vor  2  Jahren^),  in  ganz  Göttingen 
weiss  Niemand  ausser  mir  und  meiner  Frau,  dass  überhaupt  etwas  vor- 
gegangen ist.  Jene  Bedingungen  sind  also  bloss  Ihnen  allein  vertrau- 
lich eröffnet. 

DiRKSEN  sagt,  dass  man  ivillig  gewesen  sei,  mir  mehr  in  Berlin 
anzubieten,  als  ich  gefoidert  habe;  Müffling's  Brief  bietet  bedeutend 
weniger  an  (ich  hatte,  wie  Sie  sich  erinnern,  auf  Ihren  Rath  2500  Kthlr. 
und  freie  Wohnung  gefordert),  freilich  so,  dass  nicht  bestimmt  dies  als 
Ultimatum  erscheint,  aber  ich  vermuthe  doch  fast,  dass  seine  Instruk- 
tion gewesen  sein  mag,  dies  mehr  durchscheinen  zu  lassen. 

Jetzt  nur  noch  ein  paar  Worte  über  den  übrigen  Inhalt  Ihres 
Briefes.  Die  FouRiER'schen  Vorschriften  sind  mir  unbekannt,  so  viel 
ich  aber  nach  einer  flüchtigen  Ansicht  beurtheilen  kann,  werden  sie 
mit  den  richtigen  in  meiner  Theoria  Combin.  Observ.  ent^^ickelten  über- 
einkommen, wenn  das  Resultat  (als  wahrscheinliche)-  Fehler,    nicht    als 

V91 
^  multiplicirt  wird.    Sein  Faktor  0.477 

wird  wohl  =  1/  -•  0,674  4897  sein,    die  Zahl  0.674  4897  pag.  9"-)  [ist]- 

der  Werth  von  A  für  /<  =  0,5.     Die  genaue  Vorschrift  ist 

Mittlerer  Fehler   des  Resultats   aus   91  Beobb.  = ,  wo  m  der 

V9I 
mittlere  Fehler  einer  Beob. 


»)  Yergl.  P.riof  No.  468  und  469,   S.  234—236.  Xo.  472.    S.  244   und   No.  481. 
S.  257.     Krm. 

")  r>er  Theoria  Coniliinationis  Obs.,  pars  prior.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.     [Göttinnen,  182")  Februar  2.i  375 

WahraclieinUcJier  Fehler  mag  duich  die  Multiplikation  des  mitt- 
leren mit  0,0744897  erhalten  werden,  ubgleich  dies  immer  zum  Theil 
hypothetisch  ist. 


m 


VZee -i/   Zee 
90    ~  V  91^1 


wo  e  die  Abweichung  jedes  einzelnen  Kesnltats  vom  Mittel  11,204 
'l'oisen  bedeutet.  Ich  will  gern  die  Eechnung  ausführen  oder  ausführen 
lassen,  wenn  Sie  mir  eine  Abschrift  der  einzelnen  Kesultate  schicken. 
Immer  aber  bleibt  diese  Schätzung  der  Genauigkeit  des  Mittels,  wie 
Sie  selbst  bemerken,  von  der  etwas  prekären  Voraussetzung  abhängig, 
dass  alle  konstanten  Fehler  ganz  ausgeschlossen  sind. 

Meinen  Bericht^")  über  die  ^Messungen  von  1824  nach  Hannover  habe 
ich  bereits  koncipirt.  Den  an  Ihren  Senat  werde  ich  gleichfalls  unver- 
züglich aufsetzen.  So  bald  alles  dann  mundirt,  die  Netzzeichnungen 
kopirt  sind  etc.,  werde  ich  letzteren  einsenden,  vielleicht  schon  nach 
8  Tagen.  Sie  werden  daraus  sehen,  wie  nützliche  Dienste  Klüvee  ge- 
leistet hat,  und  dass  es  mir  sehr  erfreulich  sein  wird,  ihn  noch  weiter 
zum  Gehülfen  zu  haben.  Ich  zweifle,  dass  ich  den  p.  Baumann  als  Ge- 
hülfen mit  Diäten  anstellen  kann;  unter  uns,  er  ist  zwar  fieissig  und 
hat  guten  Willen,  allein  es  fehlt  ihm  ganz  an  jiidirium,  und  die  Dienste, 
die  er  leisten  kann,  würde  auch  ein  Unterofficier  ebenso  gut  leisten 
kitimen.  Auch  werden  die  übrigen  Gehülfen,  wenn  ich  auf  Hrn.  Klüver 
rechnen  kann,  schon  ausreichen,  und  möglichste  Oekonomie  ist  mir  zur 
Pflicht  gemacht. 

Eine  vorläufige  Schätzung  aus  den  oldenburgischen  und  älteren 
dänischen  Messungen  scheint  anzudeuten,  dass  der  geodätische  Breiten- 
unterschied zwischen  Altona  und  Helgoland  auch  kleiner  ist  als  der 
astronomische,  ebenso  wie  der  zwischen  Lauenburg  und  Lyssabel  und 
der  zwischen  Göttingen  und  Altona.  Möchte  doch  Schumacher  end- 
lich einmal  daran  denken,  seine  Dreiecke  von  Lyssabel  bis  Skagen  und 
Kopenhagen  fortzusetzen. 

Dass  die  Weser  unter  die  Ostsee  fällt,  beunruhigt  mich  wenig,  denn 
unter  uns.  ich  gebe  auf  die  barometrische  Vergleichung  zwischen  Altona 
\md  Helgoland  und  Cuxhaven  nicht  viel,  ebenso  wie  auf  Schumacher's 
ehemalige  nickt  reciproke  trigonometrische  Vergleichung  zwischen  Ham- 
burg und  der  Ostsee. 


')  Zum  Theil  abgedruckt  iu  Gauss'  Werkeu  Bd.  IX,  S.  412—413.     Krm. 


376  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1825  Februar  19. 

No.  549.  Gauss  an  Olbers.'j  [259 

Göttingen,  1825  Februar  19. 

Hierneben  erhalten  Sie  den  Bericht  über  die  Messungen  von  1824 
nebst  einer  Karte,  welchen  ich  Sie  bitte,  Ihrem  Hohen  Verehrten  Se- 
nate unter  Bezeugung  meiner  ehrerbietigsten  Dankbarkeit  zu  über- 
reichen. Die  Karte  enthält  ausser  den  Dreiecken  auch  die  meisten 
meiner  sonstigen  Ortsbestimmungen,  soweit  sie  in  ihre  Grenzen  fallen; 
ich  habe  sie  mit  kopirt,  da  diese  Uebersicht,  wenngleich  nicht  für 
Ihren  Senat,  doch  vielleicht  für  Sie  selbst  einiges  Interesse  hat.  In 
der  Umgegend  von  Hamburg  Hessen  sich  noch  viele  Plätze  eintragen, 
wozu  ich  mir  nicht  die  Zeit  genommen  habe. 

Ich-)  schicke  Ihnen  zugleich  mein  vollständiges  Höhenverzeichniss. 
Bei  Hamburg  ist  eine  kleine  Veränderung  von  ^  2,7  Fuss  vorgenommen, 
da  ScHUMACHEE  uür  den  Höhenunterschied  zwischen  dem  Knopf  und 
den  Fenstern  des  Kabinets,  den  ich  früher  zu  47,9  Fuss  nach  Benzen- 
berg's  Kupfer  angenommen  hatte,  nach  Sonin's  Kupfer  zu  53,3  an- 
giebt;  ich  habe  also  einstweilen  den  Knopf  (meinen  Zielpunkt)  um  2,7 
höher,  die  Fenster  2,7  tiefer  gesetzt  als  vorher.  Dadurch  wird  dann 
auch  Schumacher's  Barometer  2,7  tiefer  als  vorher,  also  gegen  Göt- 
tingen —  357,8  und  gegen  Ihr  Barometer  -f- ''^M  =  11-73  Toisen.  Der 
Unterschied  mit  Ihrer  Barometerbestimmung  ist  also  jetzt  ganz  unbe- 
deutend. Doch  wird  dies  noch  etwas  modificirt  werden,  da  ich  auch 
auf  einigen  Stationen  den  Fussboden  der  Laterne  zum  Zielpunkt  ge- 
braucht habe,  dessen  Tiefe  unter  dem  Knopfe  mir  Schumacher  nicht 
mitgetheilt  hat,  und  überhaupt  sollte  wohl  die  relative  Höhe  der  drei 
Punkte  ordentlich  trigonometrisch  gemessen  werden  (aus  einem  nahen 
Standpunkte). 

Meinen  letzten  Brief  vom  2.  nebst  den  Einlagen  werden  Sie  hoffent- 
lich richtig  erhalten  haben. 

[Folgt  das  in  Gauss'  Werken  Bd.  IX,  S.  373 — 374  abgednukte  Hülienverzeii-h- 
niss  von  57  Punkten.^)] 


^)  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krni. 

■*)  Von  hier  ab  bis  zum  Scldussatz  auch  abgedruckt  in  Gauss"  Werken  Bd.  IX, 
S.  372.     Krm. 

^)  Diese  \\'ortlie  sind  nur  provisorische,  veryl.  zu  den  delinitivtii  Werthen  Gacss' 
Werke  Bd.  IX,  S.  445—455.     Krm 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1825  Februar  22. 


No.  550.  Olbers  an  (iauss.  [291 

Bremen,  1825  Februar  22. 

Recht  vielen  innigen  Dank  für  Ilir  giitig-es  Vertrauen  und  die 
konnnunicirten  i^riefe,  die  hierbei  zurück  erfolgen.  Da  ich  schon  ganz 
in  Ihrem  Sinne  auf  Dirksen's^)  Brief  geantwortet  hatte,  so  sehe  ich 
keinen  Anlass.  auch  keinen  Nutzen,  die  Sache  weiter  in  Berlin  zur 
Sprache  zu  bringen.  Nach  Dikksen's  Schreiben  scheint  es,  war  der 
Minister  nicht  ungeneigt  und  auch  im  Stande,  den  2000  Thlrn.,  die  Sie 
von  der  Akademie  haben  sollten,  noch  1000  Thlr.  hinzu  zu  fügen. 

Wie  unser  Schumacher  von  Prof.  Ermann  erfahren,  hat  es  Bessel^) 
ausgeschlagen,  an  Tralles"  Stelle  nach  Berlin  zu  gehen.  Natürlich  wird 
Bessel  sein  Observatorium  nicht  verlassen,  ohne  ein  gleich  gut  aus- 
gerüstetes wieder  zur  Fortsetzung  seiner  grossen,  so  verdienstlichen 
Arbeiten  benutzen  zu  können.  Jetzt  soll  man  mit  Encke  in  Unter- 
handlung stehen. 

Hoppenstedt  hatte  die  Güte,  mich  gleich  damals,  wie  Sie  Ihren 
Entschluss  nach  Hannover  geschickt  hatten,  durch  ein  paar  (diktirte) 
Zeilen  zu  unterrichten,  „dass  die  grosse  Gefahr,  worin  Göttingen  ge- 
wesen, Sie  zu  verlieren,  glücklich  abgewandt  sei,  indem  man  Ihnen 
alles,  was  Sie  in  Göttingen  zu  wünschen  schienen,  von  London  aus  be- 
willigt habe." 

Bessel  wird  im  Anfange  des  Apr.  von  Königsberg  abreisen,  um 
seinen  Pendel-Apparat  von  Hamburg  selbst  abzuholen,  und  hoffentlich 
bei  der  Gelegenheit  auch  seine  anderen  niedersächsischen  Freunde  mit 
seinem  Besuche  erfreuen.  —  Haben  Sie  schon  irgend  einen  Plan  für 
Ihre  diesjährige  Campagne  entworfen? 

Sehr  dankbar  bin  ich  für  die  Belehrung  wegen  der  Berechnung 
des  Mittels  aus  den  Barometerbeobb.  Mir  war  es  hauptsächlich  darum 
zu  thun,  ob  es  erlaubt  sein  kann,  nach  Fourier's  Vorschrift  bei  sehr 
vielen  Beobb.  diese  in  gewisse  Klassen  abzusondern,  und  so  sich  die 
Berechnung  der  Summe  der  Quadrate  der  Fehler  zu  erleichtern.  So 
bald  ich  kann,  werde  ich  Ihnen  eine  Abschrift  sämmtlicher  aus  den 
gleichzeitigen  Barometer-Beobb.  folgenden  Unterschiede  zwischen  Altona 
und  Bremen  schicken.  Die  fast  beständig  stürmische  Witterung  im 
vorigen  Herbst  macht  auch  die  Resultate  weniger  zuverlässig.  Die 
vom   1.  Jan.  dieses  Jahres   an   angestellten  Vergleichungen   geben  den 


*)  Vom  6.  Jan.  1825.     Siehe  Anhang.     Krm. 

*)  Vergl.  auch  Briefwechsel  Gauss -Bessel,  S.  449   und  Olbers -Bessel  Bd.  II, 
S.  270.  -wonach  Bessel  an  Bode's  Stelle  kommen  sollte.     Krm. 


378  Gauss  an  Olbers.    Göttingen,  1825  Februar  25. 

Höhenunterschied  zwischen  Altona  und  Bremen  grösser,  und  das  End- 
resultat wird  sich  Ihrer  geodätischen  Bestimmung  12,2  Toisen  noch  mehr 
nähern.  Wie  es  dann  mit  der  Erhöhung  unserer  ^\'eser  über  den 
Spiegel  der  See  werden  wird,  darüber  bin  ich  sehr  neugierig. 

Aber  überhaupt,  mein  theurer  Freund,  wie  steht  es  mit  der  Zuver- 
lässigkeit des  geodätischen  Nivellements,  wenn  wirklich  Lokal-Attrak- 
tionen die  liichtung  der  Lothlinie  so  merklich  ändern  können?  Die 
aus  dieser  Ursache  entstandene  Aenderung  zwischen  den  Lothlinien  zu 
Mailand  und  Eimini  beträgt  z.  B.  in  der  Summe  27",4,^)  so  dass  im 
Mittel,  wenn  in  Mailand  die  Lothlinie  13",2  nach  Norden,  die  in  Rimini 
13",2  nach  Süden  abgelenkt  wird.  Gesetzt  beide  Städte  könnten  sich 
gegenseitig  sehen  und  beide,  P24'  von  einander  entfernt,  lägen  genau 
auf  der  Oberfläche  des  Erdsphäroids.  also  in  einerlei  wahrem  Niveau, 
so  wird  sich,  meine  ich,  doch  nach  den  Beobb.  Mailand  ol  Fuss  nie- 
driger als  Rimini,  und  Rimini  31  Fuss  niedriger  als  Mailand  halten 
müssen.  —  Kann  in  unserem  nordwestlichen  Deutschland,  wo  sich  auch 
solche  Lokal-Anziehungen,  wenn  auch  in  geringerer  doch  nicht  ganz 
unbeträchtlicher  Art  zu  zeigen  scheinen,  nicht  etwas  Analoges  statt- 
finden? 

Mit  Ihnen  möchte  ich  sehr  wünschen,  dass  Schcmachee  endlich 
ernstlich  an  die  Beendigung  seiner  Dreiecke  denken  möge;  aber  unser 
Freund  übernimmt  immer  so  viel  andere  Geschäfte,  dass  er  unmöglich 
Zeit  dazu  übrig  behalten  kann. 

Meinen  herzlichsten  Glückwunsch  zur  völligen  Wiederherstellung 
Ihrer  theuren  Kranken.  Ich  bitte  mich  Ihrer  hochverehrten  Frau  Ge- 
mahlin zu  empfehlen  und  bin  in  froher  Erwartung,  bald  Ihren  ver- 
sprochenen Bericht^)  und  einige  Zeilen  von  Ihrer  Hand  zu  erhalten. 


No.  551.  Gauss  an  Olbers.')  [26o 

Göttingen,  1825  Februar  Ib. 

Auf  Ihren  so  eben  erhaltenen  gütigen  Brief  vom  22.  antworte 
ich.  da  ich  eben  eine  halbe  Stunde  frei  habe,  sogleich  mit  einigen 
Zeilen. 

Da  die  Angelegenheit  mit  B[erlin]  einmal  unwiderruflich  abge- 
macht  ist,   so  entschlage   ich   mich  absichtlich   aller  Betrachtung  der 


1)  Muss   wohl   26",4  heissen.    Vergl.  auch  Brief  No.  630  t.  2.  Juli  1828.     Krm. 
^)    Den    vorhergehendeu    Brief    vom    19.   Febr.    hatte    Olbebs    noch    nicht    er- 
halten.    Krm. 

**)  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Güttiiiiren.  1825  Februar  2.'>.  379 

Annehiiilichkeiten  bei  einem  amiereii  Ausj^^aiij^e,  den  sie,  wie  ich  immer 
mehr  sehe,  ohne  manche  zufällif^e  Tnistände  so  leicht  hätte  nehmen 
können,  und  denke,  dass  doch  auch  wühl  manches  nicht  vorhergesehene 
l'nantrenelime  vermieden  ist. 

Meinen  unter  dem  2(».  von  hier  abgegangenen  Bericht  an  Ihren 
Senat  werden  Sie  hoffentlicli  längst  richtig  erhalten  haben. 

Bessel  schreibt  mir,  seine  Zeit  sei  ihm  so  knapp  zugemessen,  dass 
er  bei  seiner  Reise  nach  Niedersachsen  nicht  werde  nach  Göttingen 
kommen  können.  In  diesem  Augenblick  kann  ich  für  meine  nächste 
Campagne  noch  keinen  Plan  machen.  Ich  stehe  wegen  Ankauf  eines 
Wagens  in  Hannover  in  einem  Handel;  sollte  derselbe,  wie  ich  bei  dem 
schon  etwas  langen  Ausbleiben  der  Nachrichten  fast  fürchte,  sich  doch 
nicht  zerschlagen  haben,  sondern  noch  zu  Stande  kommen,  so  habe  ich 
die  Absicht,  ihn  sogleich  selbst  von  Hannover  abzuholen,  und  dann  mit 
meinen  Gehülfen  Rücksprache  [zu]  nehmen.  Ich  hoffe,  dass  die  grosse 
Landes-Kalamität^)  meinen  Messungen  keinen  Eintrag  thun  wird, 
wenigstens  habe  ich  noch  keinen  bestimmten  Grund,  es  zu  befürchten. 
l)er  Leuchtthurm  auf  Wangeroog  soll  ja  zerstört  sein? 

Jetzt ^)  noch  ein  paar  Worte  über  das  geodätische  Nivellement. 
Ich  bin  zwar  selbst  mit  mir  über  diesen  Gegenstand  ganz  auf  dem 
Reinen,  allein  ich  weiss  nicht,  ob  ich  mich  in  der  Kürze  so  darüber 
werde  erklären  können,  dass  ich  Sie  sofort  zur  Uebereinstimmung 
bringen  werde. 

Ich  habe  immer  geglaubt,  dass  der  Ausdruck  „Lokal -Attraktion" 
sehr  übel  gewählt  ist  und  leicht  verkehrte  Ansichten  veranlassen  kann. 
Man  sollte  sagen,  dass  die  Richtungen  der  Schwere  nicht  mit  dem 
Gange,  der  bei  einem  gleichförmigen  Sphäroid  stattfinden  würde,  Schritt 
halten.  Die  Richtung  der  Schwere  ist  das  Totalprodukt  der  Anziehung 
aller  Bestandtheile  des  Erdkörpers  (und  der  Centrifugalkraft),  und  bei 
dessen  unregelmässiger  Zusammensetzung  in  Rücksicht  der  Dichtigkeit 
so  wie  bei  den  Unebenheiten  auf  der  Oberfläche  wird  jene  nicht  die- 
selbe sein  können  wie  bei  einem  regelmässigen  Sphäroid.  Allein  wie 
auch  die  Zusammensetzung  sei,  immer  wird  durch  jeden  Punkt  eine 
Fläche,  die  ganz  um  die  Erde  herum  geht,  gelegt  werden  können,  auf 
Avelcher  die  Richtung  der  Schwere  genau  senkrecht  ist.  und  die  Ober- 
fläche einer  zusammenhängenden  ruhigen  Flüssigkeit  würde  dieselbe  vor- 
stellen. Uiese  Fläche  ist  es,  die  eine  Horizontalfläche  heisst  (couche 
de  niveau).     Den    Punkten    dieser   Fläche    legt   man   gleiche  Höhe  hei, 


^)  Sturnifluth  vom  3.  und  4.  Febr.     Vergl.  Brief  No.  585.     Krm. 
^)  Von  hier  ab  bis  „nicht  Statt  hat"  auch  abgedruckt  in  Gauss'  Werken  Bd.  IX, 
S.  375—376.     Krm. 


380  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1825  Februar  25. 

ohne  sich  im  mindesten  darum  zu  bekümmern,  ob  oder  wie  viel  sie  von 
einem  elliptischen  Sphäroid  abweichen,  und  die  Höhen  über  dieser 
Fläche  giebt  sowohl  das  Barometer  als  die  trigonometrische  Messung 
an,  so  dass  beide  immer  mit  einander  übereinstimmen  müssen.  Dabei 
wird  bloss  vorausgesetzt,*)  dass  auf  jeder  Dreieckslinie  die  Richtung 
der  Schwere  sich  nach  dem  Gesetz  der  Stetigkeit  ändert  (obgleich 
vielleicht  schneller  oder  langsamer  als  bei  dem  elliptischen  Sphäroid). 
und  diese  Voraussetzung  kann  nur  dann  eine  kleine  Unrichtigkeit  hervor- 
bringen, wenn  an  der  einen  Dreieckstation  eine  ivahre  Lokal- Attraktion 
stattfindet,  die  bloss  örtlich  und  auf  einen  kleinen  Kaum  beschränkt  (ausser- 
halb desselben  unmerklich)  ist.  Allein  ich  halte  mich  überzeugt,  dass, 
den  Brocken  höchstens  ausgenommen,  eine  solche  Lokal-Attraktion  im 
ganzen  Umfange  meiner  und  der  ScHUMACHEE'schen  Dreiecke  nicht 
Statt  hat. 

Sollten  Sie  in  diesen  Ansichten  entweder  noch  etwas  dunkel  oder 
unrichtig  finden,  so  haben  Sie,  theuerster  Olbers,  die  Güte,  es  mir 
anzuzeigen. 

P.  S})  Die  Vertheilung  der  Fehler  in  Gruppen,  um  die  Summe 
der  Quadrate  zu  finden,  hat  allemal  die  Wirkung,  diese  zu  klein,  also 
die  Genauigkeit  scheinbar  grösser  zu  machen,  als  sie  ist. 

Es  seien  die  Fehler 


a,  a',  a"  . 

.  .  . ,      Anzahl  =  a 

Mittel  =  A 

h,  h',  h"  . 

c,   c',   c"  . 

etc. 

•    •    M                „         =ß 

■  ■  ■,            >,       =Y 

„     -B 

so  ist  genau 

aa  -|-aV-|-  a"a"  .  .  .  .= 
hh+h'h'  ^h"h"  ....= 
cc-\-c'c'  +c"c"....= 
etc. 

--aA^'-i-ia—Af-^-ia' 

-.yC^+{c-Cr^{c' 

-Br-\-{b"- 

—  Cf-\-{c"- 

■Ä)-^etc. 
Bf  +  etc. 
Cf  -f  etc. 


Indem  man  also  für  die  Summe 

aA^-^ßB^^yC^.... 
annimmt,  vernachlässigt  man  alle 

(a  —  Ay  -f  (a'  —  AY  .  .  .  .,  {b  —  BY  +  {b'  —  Bf 
die  alle  positiv  sind. 


*)  und  natürlich  auch,  dass  alle  Zonithdistanzen  reciprok  gemessen  werden,  was 
bei  meinen  Mcssuii^on  olme  Ausnahme  gilt.  Bei  einseiti(ien  Messungen  ist  Ihre 
Bemerkung-  vollkommen  gegründet,  da  man  dabei  die  Amplitude  sphäroidisch  be- 
rechnen muss. 

^)  Das  Folgende  ist  auch  abgedruckt  in  Gauss'  Werken  Bd.Mll.  S.  151  —  152.   Krm. 


Gauss  au  Olbers.     Göttini,'eu,  182')  März  20. 

)er  Beweis  ist  U'ieht,  nämlich 

aa  ={A-\-{a  —  Ä)]^  =  AÄ-]-2  A{a  —A)-^{a  —  Af 
a'a'  =  [A  4-  (a'  —  A)f  =  ÄA  +  2Aia'—A)  +  {a'—  Af 
a" a"  =  [A  +  (a"  —  A)f  =  AA-\-2A (a"  -  A)  +  («"  —  Af 

2:aa  =  «AA  +  2Al\a  —  A)  +  l\a  —  Ay 

oder  da    2'(a  —  -4)  =  (2"«)  —  aA  =  0 


381 


No.  552. 


Gauss  an  011)crs.') 


[261 


Göttinnen,  1825  März  20. 


Verwöhnt,  wie  ich  durch  Ihre  Güte  bin,  beunruhigt  es  mich  fast 
etwas,  dass  ich  so  lange  ohne  Nachrichten  von  Ihnen  bin.  Ich  hoffe, 
dass  Sie  meine  beiden  letzten  Briefe  vom  20. 2)  und  25.  Febr.,  deren 
ersterem  ein  Bericht  an  Ihren  Senat  beigefügt  war,  richtig  erhalten  haben. 

Ich  möchte  aus  mehreren  Gründen  in  diesem  Jahr  meine  Trian- 
gulirungen  zeitig  anfangen,  wenn  das  Wetter  und  die  anderen  Um- 
stcände  solches  erlauben;  die  Bildung  eines  Planes  wird  aber  mit  davon 
abhängen,  wie  es  mit  dem  Bremer  Gehülfen  wird.  Bei  einem  früheren 
Anfang  wäre  dann  vielleicht  auch  einige  Hoffnung,  dass  Sie,  Schu- 
M.vcHER  und  Bessel  mich  auf  einer  Station  besuchten. 

Ich  war  vorige  Woche  in  Hannover  wiegen  meines  Wagenhandels. 
Unseren  Hoppenstedt  habe  ich  selw  schwach  gefunden. 

Ich  habe  in  diesem  Monat  die  Pallas  und  Ceres  fleissig  beobachtet. 
Die  Beobb.  sind  merkwürdig,  da  sie  gewissermaassen  den  Anfang  einer 
2.  Periode  bilden,  indem  beide  Planeten  in  23  Jahren  fast  5  Umläufe 
machen  und  also  nahe  bei  den  Plätzen  stehen,  wo  sie  1802  waren. 
Beide  Planeten  sind   sehr  hell.     Meine  beiden  letzten  Beobb.^)  waren: 


Ceres 


Pallas 


März  18 
19 


1800  46'26",4 
180  33  28,9 


+  18«  24'    4",4 
4-  18  28  34,0 


1750    1'15",0 
174  50  59,1 


+  50  44'59",3 
+  6     8  56,3 


^)  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krm. 
*)  No.  549  von  Febr.  19,  aber  erst  am  20,  abgesandt.     Krm. 
')  Siehe   auch  Gauss'  Werke  Bd.  VI,  S.  451   und  Brief  No.  149  an  Bessel  und 
No.  238  an  Schumacher.     Krm. 


382 


Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1825  März  20. 


Ich  glaubte,  dass  Ihnen  diese  Anzeige  vielleicht  lieb  wäre,  wenn 
Sie  sich  des  obigen  Umstandes  wegen  selbst  einmal  nach  unseren  alten 
Freundinnen  umsehen  wollen,  da  die  gedruckten  Ephemeriden  nichts 
taugen.  Ich  selbst  habe  keine  berechnet,  sondern  nur  ein  paar  Oerter, 
und  nach  den  ersten  Beobb.  habe  ich  sie  nachher  weiter  verfolgt. 

Seit  einiger  Zeit  habe  ich  einige  Untersuchungen  der  höheren 
Arithmetik  wieder  vorgenommen  und  denke,  so  Gott  will,  wenigstens 
die  Theorie  der  biquadratischen  und  kubischen  Reste  auszuarbeiten. 
Jede  wird  leicht  Stoff  zu  cirka  3  Abhandlungen  geben.  Die  erste  über 
die  biquadratischen  Reste  hoffe  ich  noch  vor  Anfang  der  diesjährigen 
Messungen  zu  vollenden.  Es  kommen  einige  sehr  pikante  Sätze  darin 
vor.     Hier  z.  ß.  einer: 

Bekanntlich  lässt  jede  Primzahl  der  Form 

j9  =  4  «  -p  1 
sich  in  zwei  Quadrate  zerlegen  und  zwar  nur  auf  eine  Art 

wo  a  ungerade,  b  gerade. 

Ein  Lehrsatz  lautet  nun  so:^) 

6101418 (p  — 3) 


Es  sei 


=  Q 


2-   3-   4-    5    ...  .  i(i?  — 1) 

Dann  ist  +  a  der  kleinste  Rest  von  Q  nach  dem  Modulus  p,  d.  i.  der 
kleinste  übrig  bleibende  Rest,  wenn  Q  mit  p  dividirt  wird,  [kleinster 
Rest  so  zu  verstehen,  dass  er  zwischen  die  Grenze  —  .V  p  und  -p  i  P 
fällt),  und  zwar  gilt  das  obere  oder  untere  Zeichen,  je  nachdem  a  von 
der  Form  4  m  -{- 1  oder  4  w  -j-  3  ist. 

Beispiele. 


p 

Q 

a 

5 

1 

hier  zu  nehmen 

+  1 

17 

35 

+  1 

29 

1716 

+  5 

37 

24310 

+  1 

^)  Siehe  Theoria  Residuorum  Biquadraticorum ,  Commeutatio  prima.  Gxrss' 
Werke  Bd.  II,  S.  90 — 92  mit  etwas  anderer  Bezeichnung.  Die  Anzeige  zu  dieser 
1825,  Apr.  5  der  Göttinger  Societät  überreichten,  aber  erst  182S  erschienenen  Ab- 
handlung steht  unter  1825,  Apr.  11  in  den  G.  G.  A.,  Werke  Bd.  II.  S.  165—168. 
Yergl.  hierzu  auch  Brief  No.  149  im  Briefwechsel  Gauss-Bessel.     Krm. 


Olbers  au  (iaus.s.     UreuiLii.    18_'5  Miirz  •_'!.  383 

Ebenso  ist    ;:  b  der  kleinste  IJest  von 

H«  +  1  • "  -f-  2 .  ?i  +  8  .  .  .  .  2  ^j  —  1 12  f Modulus  p)  ^) 

Allein  hier  habe  ich  bisla-i-  ktMn  Kiiterium  für  das  Zeichen  finden 
können. 

Die  Beweise  sind  sehr  tief  liegend. 

P.  S.  Mit  der  (Gesundheit  meiner  Frau  geht  es  fortwährend  gut. 
doch  niuss  sie.  zumal  bei  dem  rauhen  Wetter,  noch  das  Zimmer  hüten; 
schmerzhaft  ist  es  uns.  dass  diese  Krankheit  während  des  ganzen 
Winters  allen  geselligen  Verkehr  in  unserem  Hause  unmöglich  gemacht 
hat.  und  das  ausdrückliche  Verbot  noch  jetzt  es  versagt.  Mit  mir 
selbst  geht  es  gut  genug,  obwohl  ich  den  Gewinn  des  vorigen  Spät- 
sommers bei  der  Beschränkung  auf  das  Haus  etwas  wieder  zugesetzt 
habe;  doch  ist  mir  die  Reise  nach  Hannover  bei  dem  allerabscheu- 
lichsten  Wetter  nicht  übel  bekommen. 


No.  553.  Olbers  au  Gauss.  [292 

Bremen,  1825  März  21. 

Ihren  vortrefflichen  Bericht  über  die  Messungen  im  Jahre  1824 
nebst  der  schönen  Karte  habe  ich  dem  Senat  übergeben,  der  Ihnen 
wahrscheinlich  schon  selbst  dafür  gedankt  haben  oder  doch  nächstens 
danken  wird.  Das  sehr  interessante  Verzeichniss  der  relativen  Höhen 
habe  ich  mir  zugeeignet. 

Durch  Ihre  lichtvolle  Darstellung,  was  man  eigentlich  unter  den 
sogenannten  Lokal- Anziehungen  zu  verstehen  hat,  bin  ich  überzeugt, 
dass  dieser  Ausdruck  nicht  recht  passend  ist.  Die  Sache  selbst  habe 
ich  mir  ungefähr  immer  ebenso  gedacht.  Auch  sehe  ich  nun  völlig 
deutlich  ein.  was  man  unter  relativen  Höhen  zu  verstehen  hat.  — 
Uebrigens  ist  der  Umstand,  dass  die  Lothlinie  nicht  mit  der  Normalen 
des  Erdsphäroids  zusammenfällt,  ja  selbst  nicht  in  der  Ebene  liegt,  die 
man  sich  durch  die  Axe  der  Erde  und  den  Ort  auf  ihrer  Oberfläche, 
für  den  man  die  Richtung  des  Loths  untersucht,  gedenken  kann,  schon 
länger  der  Gegenstand  meines  Nachdenkens  gewesen.  Ich  halte  es 
nämlich  für  sehr  wahrscheinlich,  dass  die  Richtung  der  Lothlinie  an 
einem  gegebenen  Ort  nicht  ganz  unveränderlich  ist,  wodurch  denn  auch 
die  scheinharen  Polhöhen  kleine  Aenderungen  erleiden  können,  und  dass 
nur  durch  diese  Annahme  manche  merkwürdige  geologische  Phänomene 
erklärbar  sind. 


^)  Das  letzte  Glied  muss  nach  Brief  No.  555  2  n  heissen.     Seh. 


334  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1825  März  21. 

Vollkommen  haben  Sie  mir  bewiesen,  dass  man  die  Fehler  nicht 
in  Gruppen  vertheilen  darf,  um  aus  dem  Quadrat  des  mittleren  Werthes 
des  Fehlers  jeder  Gruppe  die  Summe  der  Quadrate  der  Fehler  zu  er- 
halten. Ganz  trifft  indessen  dies  Foueier's  Vorschrift  nicht,  wie  es 
mir  scheint.  —  Doch  darüber  mehr,  wenn  ich  erst  das  Vergnügen 
haben  werde,  Sie  wieder  hier  zu  sehen. 

IvoRY  hat  zwei  kleine  Abhandlungen  über  die  Methode  der  kleinsten 
Quadrate  drucken  lassen.  Er  sucht  die  Methode  der  kleinsten  Quadrate 
bloss  aus  der  Natur  der  Bedingungs-Gleichungen  und  aus  dem  Satz 
herzuleiten,  dass  bei  der  vortheilhaf testen  Auflösung  die  Fehler  der 
Gleichungen  in  den  kleinsten  Grenzen  enthalten  sein  müssen,  ohne  die 
Lehre  von  den  Wahrscheinlichkeiten  einzumischen.  Gefallen  hat  mir 
besonders  der  Beweiss,  dass  man  nur  die  Quadrate,  nicht  die  höheren 
geraden  Potenzen  anwenden  dürfe.  Sonst  beschäftigt  sich  Ivory  noch 
immer  viel  mit  der  Refraktions-Theorie. 

Bessel  hat  mir  geschrieben,^)  dass  er  diesmal  auch  nicht  nach 
Bremen  kommen  könne.  Ich  hatte  wirklich  die  Absicht,  um  diesen 
lieben  Freund  und  Schumacher's  Sternwarte  zu  sehen,  im  künftigen 
Monat  auf  ein  paar  Tage  nach  Altona  zu  gehen;  aber  meine  Gesund- 
heit wird  es  mir  schwerlich  erlauben.  Ich  bin  einige  Tage  an  einem 
entzündlichen  Flechten-Ausschlag  recht  leidend  gewesen  und  werde 
wahrscheinlich  noch  eine  geraume  Zeit  unfähig  sein,  das  Sitzen  im 
AVagen  auf  eine  etwas  längere  Dauer  auszuhalten. 

Encke  wird  bei  der  Gelegenheit  auch  nach  Hamburg  kommen  und 
hat  mir  auch  hier  zu  einem  Besuch  Hoffnung  gemacht.  Ob  Encke  den 
an  ihn  ergangenen  Ruf  nach  Berlin  annehmen  wird,  davon  schreibt 
er  mir  kein  Wort.  Auf  alle  Fälle  wird  also  entweder  für  Berlin  oder 
für  Gotha  ein  tüchtiger  Astronom  nöthig  sein. 

Schumacher  ist,  wie  Sie  wissen  werden,  jetzt  in  Kopenhagen,  von 
Avo  er  erst  Ende  dieses  Monats  zurückkehren  wird. 

Der  eben  eingetroffene  zweite  Band  der  Schriften  der  Londoner 
Astronomischen  Societät  scheint  mir  beim  Durchblättern  eben  nicht  viel 
Wichtiges  und  Interessantes  zu  enthalten. 

Leben  Sie  wohl,  mein  allertheuerster  Freund,  Erfreuen  Sie  mich 
bald  wieder  mit  einigen  Zeilen,  und  wenn  Sie  können,  mit  der  eisehnteu 
Nachricht,  dass  ich  bald  die  grosse  Freude  haben  werde,  Sie  hier  wieder 
zu  umarmen. 


*)  Brief  No.  313  im  Briefwechsel  Olbebs-Bessel.     Krm. 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1825  März  26.  385 


No.  554.  Olbers  an  (lauss.  [293 

Bremen,  1825  März  2(3. 

Unsere  letzten  Briefe  haben  sich  gekreuzt.  So  bald  ich  den 
Ihrigen  erhalten  hatte,  theilte  ich  Hrn.  Sen.  Gildemeister  den  darin 
;^'-eäusserten  Wunsch  mit,  Ihre  Operationen  bald  anfangen  zu  können. 
Kr  versiirach,  den  jungen  Klüver  sogleich  herein  kommen  zu  lassen, 
und  mit  ihm  wegen  seiner  diesjährigen  Anstellung  zu  reden.  Den  Er- 
folg weiss  ich  noch  nicht,  zweifle  aber  keineswegs,  dass  Klüver  jeden 
Äugenhlick  bereit  sein  wird,  Ihre  Befehle  zu  befolgen. 

Nach  Altona  komme  ich  wohl  nicht.  Eine  kürzere  Heise  möchte 
ich  aushalten  können,  und  so  hat  das  Projekt,  Sie  yielleiclit  mit  Scku- 
MACHER  und  Bessel  auf  einer  Ihrer  Stationen  besuchen  zu  können, 
viel  Reizendes  und  Anziehendes  für  mich.  —  Ich  leide  noch  immer  an 
Schmerzen  im  wunden  unteren  Theile  des  Rückgrades. 

Die  Nachweisungen  wegen  der  Ceres  und  Pallas  waren  mir  sehr 
angenehm.  \Mrklich  hatte  ich  mich  einige  Male  vergeblich  nach  letz- 
terer umgesehen,  wtü  ich  sie  an  einer  anderen  Stelle  suchte.  Es  scheint, 
dass  7uir  Sie  den  Ort  der  Pallas  im  voraus  mit  Genauigkeit  anzu- 
geben im  Stande  sind.  —  Aber  warum  haben  wir  von  der  Ceres  nicht 
auch  schon  Tafeln  w-enigstens  von  der  Güte,  wie  Daussy's^)  Tafeln 
der  Vesta? 

Zu  den  neuen  Entdeckungen  in  der  so  wunderbar  reichhaltigen 
höheren  Arithmetik  gratulire  ich  von  Herzen.  Bei  Ihrem  ersten  Lehr- 
satz über  den  Rest  a  finde  ich  bei  den  nach  der  gegebenen  Formel 
berechneten  Beispielen  immer  den  richtigen  Erfolg.  Aber  bei  der 
zweiten,  die  Sie  mir  so  angegeben  haben 

-H«  +  1  •  n  -f  2  • » i  +  3  .  .  .  .  2  >2  —  1 )  2  =  Q' 

kann  ich  bei  der  Division  mit  p  nicht  den  Rest  +  b  herausbringen. 

Unendlich  erfreut  es  mich,  dass  es  mit  der  Gesundheit  Ihrer  ver- 
ehrten Frau  Gemahlin  immer  besser  geht,  und  dass  Sie  dieselbe  dies- 
mal ruhig  verlassen  können.  Denn  hoffentlich  werden  sich  alle  kleinen 
Nachbleibsel  der  überstandenen  Krankheit  nun  bei  der  besseren  Jahres- 
zeit von  selbst  verlieren,  und  damit  auch  alle  lästigen  ärztlichen  Ver- 
bote wegfallen.  —  Dieses  Jahr  wollen  wir,  wills  der  Himmel,  noch  ein- 
mal so  froh,  wie  im  vorigen,  nun  von  Sorgen  garnicht  mehr  gestört, 
unsere  Tage  mit  einander  verleben. 

Wird   Ihr  Hr.  Sohn   auch   in   dieser  Campagne  wieder  hülfreiche 


^)  Vergl.  Olbers  Bd.  11,  1  Brief  No.  317,  S.  622  und  No.  331,  S.  650.     Krm. 

Olbers.    II,  2.  25 


3gg  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1825  März  30. 

Hand  leisten  oder  will  dies  sein  Dienst  jetzt  nicht  erlauben?  Sie 
würden  einen  sehr  thätigen  und  brauchbaren  Gehülfen  an  ihm  ver- 
missen. 


No.  555.  Gauss  an  Olbers.')  [262 

Göttingen,  1825  März  30. 

Mit  Ihrem  gütigen  Briefe  erhielt  ich  zugleich  Namens  Ihres  Se- 
nates ein  sehr  verbindliches  Schreiben  der  Hrn.  Senatoren  Gildemeistee 
und  Schumacher,  woraus  ich  mit  Vergnügen  sehe,  dass  ich  auf  die 
fortgesetzte  liberale  Unterstützung  meiner  Messungen  von  Bremischer 
Seite  rechnen  darf.  Um  vor  dem  Eintritt  des  Moorbrennens  und  der 
Baum -Belaubung  schon  etwas  Erhebliches  beschicken  zu  können,  wünsche 
ich  früh  anzufangen,  und  ich  denke  schon  Mitte  Apr.  ins  Feld  zu 
rücken,  wenn  ich  die  Genehmigung  des  K[önigl.]  K[abinets]-M[iniste- 
riums]  erhalte,  um  welche  ich  bereits  nachgesucht  habe,  und  an  der 
ich  nach  den  mündlichen  Aeusserungen  des  Hrn.  Ministers  v.  Arxs- 
WALDT  nicht  zweifle,  und  wenn  die  erforderlichen  Fonds  zeitig  genug 
angewiesen  werden. 

Meine  Absicht  ist,  zuerst  durch  den  Hrn.  Müller  und  meinen 
Sohn  untersuchen  zu  lassen,  ob  die  Richtungen  Brillit — Bremerlehe  und 
Garlste — Oldenburg  geöifnet  werden  können.  Während  der  Zeit  möchte 
ich  nun  gern  meine  Beschäftigung  und  meinen  Aufenthalt  so  wählen, 
dass  ich  am  leichtesten  von  Ihrem  und  unserer  Freunde  Besuch  erfreut 
werden  kann.  In  Rotenburg,  welches  der  Lage  nach  nicht  unbequem 
wäre,  habe  ich  selbst  gar  nichts  mehr  zu  thun;  es  könnte  also  nui- 
Osterholz,  Gnarrenburg  und  Zeven  in  Konsideration  kommen.  Oster- 
holz  läge  Ihnen  am  nächsten,  würde  aber  wohl  für  Bessel  zu  entfernt 
sein,  da  ihm  das  nur  ebenso  weite  Bremen  zu  weit  ist.  Gnarrenbiu-g 
läge  Bessel  näher,  allein  es  ist  daselbst  kaum  für  einen  ein  Unter- 
kommen und  nur  ein  höchst  betrübtes;  auch  kann  ich  an  beiden  Orten 
nicht  eher  etwas  arbeiten,  als  bis  die  erwähnten  Richtungen  geöffnet 
sind.  Zeven  ist  also  in  jeder  Beziehung  am  zweckmässigsten;  den 
dortigen  Winkel  zwischen  Bremen  und  Brillit  muss  ich  ohnehin  noch 
nachmessen.  Bessel  kann  in  9 — 10,  Sie,  wenn  das  Moor  fahrbar  ist, 
in  0,  sonst  in  7  Stunden  hinkommen,  und  der  Aufenthalt  daselbst  ist 
so  gut,  wie  einer  es  sein  kann.  Wenn  die  früheren  Einrichtungen  dort 
noch  fortdauern,  so  würde  nur  der  Sonntag  dort  raumbeengt  sein,  und 
wenn  alles  sonst  nach  ^^'unsch  geht,  so  könnte  ich  dann  vielleicht  den 


^)  Der  Brief  ist  iu  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Güttingen,  182")  März  30.  3^7 

25.  Apr.  Sie  und  unsere  Freunde  dort  erwarten.  In  der  A'oraussetzung-, 
dass  Sie  uns  Allen  diese  g-rosse  Freude  zu  machen  geneigt  sein  wür- 
den, habe  ich  sclum  am  20.  an  Bessel  und  Schumacher  diese  Idee 
vorläufig  gemeldet,^)  obwohl  noch  ohne  Zeitbestimmung  und  ohne  zu 
wissen,  dass  Schumacher  jetzt  nicht  in  Altona  ist.  Ich  selbst  würde 
vermuthlich  schon  mehrere  Tage  früher  in  Zeven  sein,  und  wenn 
Bessel  vielleicht  diese  Eeise  nur  ein  paar  Tage  früher  machen  könnte, 
so  würde  ein  Theil  der  Gesellschaft  vermuthlich  im  anderen  Gasthofe 
ein  Quartier  nehmen  müssen,  wo  es  aber  nach  Hrn.  Senator  Gilde- 
meister's  Versicherung  auch  recht  gut  sein  soll. 

Kine  definitive  Bestimmung  meiner  Reise-Disposition  werde  ich,  so 
bald  ich  kann,  Ihnen  schicken.  Hrn.  Klüver's  natürlichstes  erstes  Ge- 
schäft wäre  dann  die  Lichtsendung  vom  Ansgarius  nach  Zeven,  und  es 
wäre  vielleicht  gut,  wenn  er  vorher  und  bald  einmal  nachsähe,  ob  die 
Zurüstungen  auf  dem  Thurm  zur  Aufstellung  des  Heliotrops  noch  in 
guter  Ordnung  sind  und  die  Zeichen  auf  dem  Brette  noch  kenntlich. 

In  die  Mittheilung  des  zweiten  arithmetischen  Theorems  muss  sich 
ein  Schreibfehler  eingeschlichen  haben.     Es  soll  nicht  sein 

1  («  -r  1  • «  +  2  •  ?i  +  3  .  .  . .  2  ;2  —  1)2  =  Q' 
sondern 

Die    natürlichen    Zahlen    1,  2,  3 p  —  1    werden    nämlich    in 

4  Gruppen,  jede  von  |  (_p  —  1)  Stück,  zerschnitten;  heissen  die  Produkte 
der  Zahlen  jeder  Gruppe  der  Reihe  nach  «,  ß,  y,  d,  so  ist 

lßßE=.±b 

Sie  können  auch  \  yy  nehmen,  W'Omit  nur  etwas  unbequemer  zu  rechnen 

o 

ist;  die  Ihnen  mitgetheilte  Formel  für  a  ist  mit  der  -J—  identisch,  aber 

2  a 

etwas  bequemer  zum  Rechnen.  Es  ward  immer  y  ^-j^ß,  ^^ia 
sein,  wo  das  obere  Zeichen  für  gerade  ^  {p  —  1),  das  untere  für  un- 
gerade gilt. 

Ich  hoffe,  dass  die  Abhandlung,  die  ich  jetzt  bereits  über  die  Hälfte 
fertig  habe,  manchem  Leser  interessant  sein  w4rd,  zumal  da  sie  ohne 
sehr  viele  andere  Zurüstungen  aus  der  höheren  Arithmetik  vollkommen 
verständlich  sein  w^ird. 

Für  die  Rekognoscirungsgescliäfte  würde  es  eine  grosse  Beförde- 
rung sein,  wenn  wir  noch  über  einen  kleinen,  leicht  transportabelen 
Theodolithen,  so  wie  der,  dessen  sich  der  Hr.  Sen.  Gildemeister  1823 


*)  Brief  No.  149  im   Briefwechsel  Gauss -Bessel  und  No.  238  im  Briefwechsel 
Gauss -ScHmiACHER.     Knn. 

25* 


388  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1825  April  8. 

bediente,  disponiren  könnten.    Dieser  wird  aber  wohl   nach  dem,   was 
ich  im  vorig-en  Jahre  hörte,  nicht  zu  haben  sein. 

Leben  Sie  wohl,  mein  geliebter  Olbers.  Beherzigen  Sie  den  mir 
so  reizenden  Plan,  Sie  noch  im  nächsten  Monat  in  Zeven  zu  umarmen, 
und  falls  Sie  Gelegenheit  haben,  es  früher  als  ich  zu  thun,  so  setzen 
Sie  im  voraus  unsere  Freunde  Schumacher  und  Bessel  von  Ihrer  Bei- 
stimmung in  Kenntniss. 


No.  556.  Olbers  au  Gauss.  [294 

Bremen,  1825  April  8. 

Alles  ist  hier  nun  für  Ihre  Befehle  in  Bereitschaft.  Vorgestern 
war  Klüver  bei  mir  und  versprach,  alles  auf  dem  Ansg[arius]-Thurm 
nachzusehen;  auch  sei  der  Heliotrop  völlig  in  seinem  unveränderten 
Zustande.  Er  fürchtet,  dass  das  Moorbrennen,  wenn  der  Frühling  so 
trocken  bleibt,  sehr  früh  anfangen  werde. 

Ihr  sehr  gütiges  Projekt,  Ihnen  mit  Bessel  und  Schumacher  zu- 
gleich in  Zeven  einen  Besuch  zu  machen,  hat  viel  zu  viel  Beiz  für 
mich,  als  dass  ich  nicht  sehr,  sehr  gern  darauf  eingehen  sollte.  Zwar 
kränkele  ich  noch  immer  etwas,  aber  ich  hoffe,  gegen  das  letzte  Drittel 
dieses  Monats,  wo  nicht  vöUig  wiederhergestellt,  wenigstens  im  Stande 
zu  sein,  eine  Reise  bis  Zeven  unternehmen  und  aushalten  zu  können, 
und  wenn  letzteres  nur  irgend  der  Fall  ist,  so  bleibe  ich  gewiss  nicht 
aus.  In  diesem  Sinne  habe  ich  sowohl  an  Bessel.  als  auch  an  Schu- 
macher geschrieben,  der  am  5.  oder  6.  Apr.  wieder  in  Altona  einzu- 
treffen glaubte. 

Ich  danke  Ihnen  für  die  Erläuterungen  Ihres  schönen  Theorems. 
Nun  nach  Verbesserung  des  Schreibfehlers  trifft  alles  gehörig  zu. 

Wegen  des  kleinen  Theodolithen  habe  ich  sogleich  mit  Klüver 
gesprochen,  und  er  hofft,  dass  Sie  über  denselben  werden  disponiren 
können.  Dieser  Theodolith  ist  aber,  wie  Ihnen  bekannt  sein  wird,  nur 
ein  sehr  unvollkommenes  ^\'erkzeug. 

Noch  weiss  ich  nicht,  ob  Encke  den  Ruf  ^)  nach  Berlin  angenommen 
hat  oder  annehmen  wird.  Sie  werden  ihn,  wie  ich  schon  gemeldet  habe, 
wahrscheinlich  irgendwo  auf  einer  Ihrer  Stationen  sehen.  Dieser  treff- 
liche Rechner  hat  nun  die  Untersuchungen  über  dasjenige,  was  wir 
bisher  von  dem  Kometen ^j  von  1808  wissen,   geendigt,   und  die  Bahn 


^)  Der  Ruf  nach  Berlin  als  Akademiker  und  Direktor  der  Sternwarte  war  An- 
fang 1825  auf  Bessel's  Veranlassung-  an  Encke  ergangen.  Vergl.  Brctixs:  Joh. 
Franz  Encke,  sein  Leben  und  Wirken.    Leipzig  1869,  S.  102—110.     Krm. 

")  Komet  1808  I,  dessen  Identität  mit  dem  von  1797  vermuthet  wurde.    Krui. 


Gauss  an  Olhers.     Göttiniyren,  18'J5  April  15.  38J> 

dieses  ^\'eltkörpers  wenigstens  sjo  weit  bestimmt,  dass  man  ihn  bei 
einer  künftigen  Wiedererscheinnng  auch  wieder  erkennen  wird. 

Kxckp:'s  Kumet  ist  bei  seiner  diesjährigen  Wiederkunft  höchst 
wahrscheinlich  auf  südlicheren  Sternwarten,  vielleicht  auch  in  Güttingen^) 
schon  gleich  nach  der  Mitte  des  Juli  aufzufinden.  Hier  wird  es  wohl 
die  nächtliche  Dämmerung  bis  Mitte  Aug.  unmöglich  machen.  Der 
Unterschied  von  li°  in  den  Polhöhen  von  Göttingen  und  Bremen  hat 
auf  die  Dauer  und  Stärke  der  nächtlichen  Dämmerung  schon  grossen 
Kinfluss. 

Gewiss  habe  ich  es  lediglich  unserem  Schumacher  zu  verdanken, 
dass  der  König  von  Dänemark  auch  mich  zum  Ritter  vom  Danebrog 
ernannt  hat. 


No.  557.  Gauss  an  Olbers.')  [263 

Göttingen,  1825  April  15. 

Wie  sehr  haben  Sie  mich  durch  die  bestimmte  Zusage  Ihres  Be- 
suches in  Zeven  [erfreut].  Mit  einigen  schönen  glücklichen  Tagen  werde 
ich  nun  meine  diesjährigen  Operationen  anfangen  und  mich  dadurch 
im  voraus  auf  die  tristen  stärken,  auf  die  ich  mich  in  den  weiter  nörd- 
lichen Gegenden  gefasst  halten  muss. 

Ich  bin  diese  letzten  Tage  in  Verlegenheit  gewesen,  ob  ich  die 
meinerseits  gegebene  Zusage,  vom  25.  an  bereit  zu  sein,  Sie  in  Zeven 
zu  erwarten,  würde  erfüllen  können,  da  die  ministerielle  Antwort  auf 
meine  schon  vor  18  Tagen  eingegebene  Bitte  so  lange  ausblieb,  und  ich 
früher  nicht  ins  Feld  rücken  konnte.  Heute  endlich  ist  die  Antwoi-t 
eingegangen.  Ich  bin  nun  noch  eben  im  Stande,  gewiss  zu  versprechen, 
dass  ich,  wo  nicht  eher,  doch  Mittags  den  25.  Montags  in  Zeven  sein 
werde.  Aber  wenn  es  aucli  noch  nicht  ganz  unmöglich  ist.  dass  ich 
schon  am  24.  dort  sein  könnte,  so  kann  ich  dies  doch  nicht  verbürgen. 
Auch  durch  noch  einen  Umstand  bin  ich  sehr  zurückgesetzt.  Der  In- 
spektor Rumpf  ist  krank  und  kann  seit  mehreren  Monaten  nicht  aus 
dem  Hause.  Ich  rauss  daher  alle  meine  Instrumente  selbst  zerlegen 
und  reinigen.  Mit  dem  Theodolithen  bin  ich  fertig,  noch  ist  der  Kreis 
aber  in  Stücken,  und  die  Heliotrope  müssen  erst  noch  berichtigt  werden. 
Dazu  so  viele  Privat-Angelegenheiten.  Auch  in  Hannover  habe  ich 
mancherlei  zu  thun,  was  zu  beschleunigen  nicht  von  mir  abhängt.   Doch 

^)  Als  Komet  1825  III  von  Valz  in  Nimes  Jnli  13,  von  Hakding  in  Göttingen 
Juli  20  wieder  aufgefunden.  Vergl.  auch  Brief  No.  590  an  Gauss,  ferner  Briefwechsel 
Olbebs-Bessel,  No.  318.    Krm. 

-)  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  o-eschrieben.     Krm. 


390  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1825  April  18. 

wiederhole  ich  mein  Versprechen,  am  25.  Mittags  in  Zeven  zu  sein,  wo 
ich  einen  Brief  von  Ihnen,  der  aber  schon  am  22.  aufgeliefert  sein 
muss,  vorzufinden  hoffe,  mit  der  Nachricht,  dass  Sie  auch  am  25.  schon 
eintreffen.  Von  Hannover  aus  schreibe  ich  Ihnen  auch  noch  einmal, 
besonders  wenn  ich  es  möglich  machen  kann,  schon  früher  hinzukommen, 
über  die  Zeit,  wann  Hr.  Klüver  zuerst  Heliotroplicht  herzusenden  hat. 

Bessel  wird  wohl  schwerlich  in  Zeven  lange  verweilen  können; 
aber  Sie,  mein  theuerster  Freund,  werden  doch  wenigstens  einige  Tage 
länger  bei  mir  bleiben.  Ich  denke  im  Namen  unserer  Wirthin  Ihnen 
im  voraus  versichern  zu  können,  dass  alles  geschehen  soll,  Ihnen  den 
Aufenthalt  komfortabel  zu  machen. 

Der  Danebrog-Orden^)  ist  mir  jetzt,  da  Sie  ihn  tragen,  noch  ein- 
mal so  werth  geworden. 


No.  558.  Olbers  an  Gauss.  1295 

Bremen,  1825  April  18. 

Ich  versuche  es,  Ihnen  diese  Zeilen  schon  in  Hannover  in  die 
Hände  zu  bringen.  Schumacheb  schreibt  mir  nämlich,  „es  sei  noch 
ganz  ungewiss,  oh  Bessel  überhaupt,  und  noch  mehr  uwm  er  von  Ham- 
burg abkommen  könne,  Sie  oder  mich  zu  besuchen.  Sie  beide,  Bessel 
und  Schumacher  vereint,  hätten  aber  unter  diesen  Umständen  Ihnen, 
mein  theurer  Freund,  ihre  dringendsten  Bitten  vorgetragen,  doch  nach 
Hamburg  oder  vielmehr  nach  Altona  zu  kommen,  und  sie  hoffen  auf 
Ihre  geneigte  Gewährung."  Nun  wollte  ich  Ihnen  nur  anzeigen,  dass 
ich  nicJd  eher  nach  Zeven  kommen  werde,  als  bis  ich  von  Schumacher 
oder  Bessel  höre,  ivann  letzterer  hinkommen  wird,  dass  Sie  sich 
also  um  meinetwillen  gar  nicht  abhalten  lassen  müssen,  nach  Altona 
zu  gehen. 

Von  der  Eose  keine  Spur  mehr,  aber  ein  heftiger  Katarrh  dauert 
noch  fort,  und  die  Unbequemlichkeit  am  unteren  Theil  des  Eückgrates 
hat  wieder  zugenommen;  doch  hoffe  ich,  soll  sie  mich  nicht  hindern, 
bis  Zeven  fahren  zu  können,  wenn  anders  aus  der  dortigen  Zusammen- 
kunft noch  etwas  wird.  Schumacher  und  Bessel  würden,  wenn  sie 
überhaupt  Altona  und  Hamburg  verlassen  können  (Schumacher  ist  vom 
Besuche  einiger  Freunde  abhängig),  auch  wohl  ganz  bis  nach  Bremen 
kommen,  wenn  sie  nur  wüssten,  Sie,  mein  Allertheuerster,  dann  auch 
hier  zu  sehen. 

*)  Mit  diesem  Briefe  schreibt  Gauss  jetzt  auoh  in  der  Adresse  „Seiner  Hoch- 
■Nvolilgeboren  Herrn  Doktor  und  Rittor  Olbers",  während  er  früher  nur  adressirte 
„Seiner  Wohlgeboren  Herrn  Doktor  Olbeks".     Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Hannover,  ls-25  April  22.  39X 

Höre  ich  vor  dem  2ii.  A\n\  noch  etwas  Bestimmtes  von  unseren 
Freunden,  so  melde  ich  es  Ihnen  nacli  Zeven  und  erwarte  dann  Ihre 
ferneren  Befehle. 


No.  559.  Gauss  an  Olbers/)  [264 

Hannover,  1825  April  22. 

Jetzt  zähle  ich  schon  die  Stunden,  nach  deren  Verlauf  ich  Sie  in 
Zeven.  wie  ich  zuversichtlich  hoffe,  umarmen  werde.  Zwar  habe  ich 
bisher  bloss  von  Ihnen  das  bestimmte  Versprechen,  zu  erscheinen,  aber 
die  einzige  Besorgniss,  dass  Bessel  früher  von  Hamburg  seine  Kück- 
reise  schon  angetreten  haben  könnte,  ist  gehoben.  Encke  nämlich,  den 
ich  gestern  hiei-  im  Gasthof  traf,  und  der  sogleich  weiter  nach  Hamburg 
i-eiste,  erzählte  mir,  dass  nach  einem  Briefe  seines  Bruders  Bessel,  ehe 
er  von  der  zivischen  uns  bestimmt  genommenen  Abrede  ivusste.  entschlossen 
gewesen  sei,  bis  zum  24.  inkl.  in  Hamburg  zu  bleiben,  und  dann  in  der 
Voraussetzung,  dass  Sie  gar  nicht  reisen  könnten,  einen  Tag  nach  Bremen 
kommen  wollte.  Es  steht  also  nichts  von  keiner  Seite  im  Wege,  das 
schöne  Rendez-vous  von  uns  allen  in  Zeven  auszuführen,  denn  Encke 
hat  mir  versprochen,  auch  mitzukommen.  Die  Umstände  können  sich 
nicht  glücklicher  vereinigen. 

Mir  selbst  wird  es  jetzt  zwar  sehr  schwer,  mein  Versprechen  inne  zu 
halten,  da  ich  durch  Unwohlsein  und  Verfehlen  mancher  Personen  gestern 
in  meinen  Geschäften  sehr  gestört  bin  und  daher,  mich  heute  und  morgen 
früh  auf  das  Dringendste  beschränkend,  manche  vorgesetzten  Besuche 
aufgeben  muss.  Allein,  verlassen  Sie  sich  fest  darauf,  dass  ich  Wort 
halte.  Ich  bin  entweder  übermorgen  24.  spät  Abends  oder  am  25.  vor 
Mittag  in  Zeven,  Ihrer  harrend.  Dieselbe  Versicherung  gebe  ich  Schu- 
macher. 

"\^'as  Hrn.  Klüvee  betrifft,  so  wünsche  ich,  dass 

1)  Falls  Sie  Montag  den  25.,  wie  ich  hoffe,  nach  Zeven  kommen 
und  falls  Sie  dieses  auch  bereits  mir  dorthin  gemeldet  haben,  er  am 
26.  Nachmittags  anfange,  Licht  nach  Zeven  zu  schicken,  und  damit 
fortfahre,  bis  er  meinerseits  Aufforderung  von  einem  anderen  Orte  her 
bekommt.  Ist  dieser  andere  Ort  Brüttendorf,  so  schickt  er  bloss  den 
laufenden  Tag  Licht  dahin  und  den  folgenden  wieder  nach  Zeven;  ist 
es  aber  Brillit,  so  fährt  er  am  zweiten  Tage  fort,  nach  Brillit  zu  schicken, 
bis  andere  Aufforderung  erfolgt. 

2)  Falls  Sie  aber  erst  später  nach  Zeven  kommen  sollten,  und  ich 


^)  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschriehen.     Krm. 


392  Olbers  an  Gauss.     Bremen.  1825  April  22. 

darüber  von  Ihnen  benachrichtigt  bin,  d.  i.  so  früh,  dass  Ihr  Brief  am 

24.  Abends  in  Zeven  angekommen  ist,  so  wünsche  ich,  dass  Hr.  Klüveb 
schon  am  25.  Naclimittags  Licht  schicke,  aber  nicht  nach  Zeven,  sondern 
nach  Brüttendorf.  Denn  am  25.  ist  mir  das  Licht  nach  Zeven  unnöthig. 
weil  erst  am  26.  die  anderen  Heliotrope  anfangen;  weiss  ich  aber 
bestimmt,  dass  Sie  am  25.  noch  nicht  nach  Zeven  kommen,  so  wünsche 
ich,  um  an  diesem  Tage  nicht  müssig  zu  sein,  die  Messung  in  Brütten- 
dorf vorzunehmen,  wozu  es  bloss  des  Bremer  Lichtes  bedarf. 

3)  Sind  aber  die  Umstände  so,  dass  ich  bei  meiner  Ankunft  in 
Zeven  über  den  Tag  Ihrer  Ankunft  ungewiss  bin,  d.  i.,  ist  kein  Brief 
von  Ihnen  da,  so  schlage  ich  vor,  dass 

A)  wenn  Sie   später  als  am  25.  kommen,    Hr.  Klü\t:e  schon  den 

25.  Vormittags  ein  paar  Stunden  Licht  nach  Brüttendorf  schickt  und 
Nachmittags  fortfährt;  das  vormittägige  Licht  soll  dann  als  Signal  für 
meine  Leute  dienen,  die  mich  avertiren,  so  dass  ich  Nachmittags  hinaus- 
komme. Hr.  KLtJvEE  fängt  dann  wohl  Nachmittags  zeitig  an,  d.  i.  um 
2  Uhr. 

B)  Kommen  Sie  aber  am  25.,  so  dient  das  Ausbleiben  des  Vor- 
mittagslichts von  Hrn.  Klüvee  mir  zum  Signal,  Nachmittags  selbst  zu 
Hause  zu  bleiben,  um  Sie  zu  erwarten,  damit  ich  keinen  Augenblick 
von  Ihrer  Gegenwart  verliere.     Im  Uebrigen  dann  wie  oben  Nr.  1. 

Hr.  Klüver  setzt  den  Heliotrop  auf  den  Platz,  der  auf  dem  Brette 
für  Garlste  und  Zeven  bezeichnet  ist. 

Verzeihen  Sie  das  schwarze  Siegel.  Es  bedeutet  nichts,  als  die 
Eile,  in  der  ich  den  Brief  auf  die  Post  schicken  niuss,  die  mir  nicht 
erlaubt,  jetzt  das  rothe  zu  suchen. 


No.  560.  Olbers  an  Gauss.  [296 

Bremen,  1825  April  22. 

Ich  hoffe,  dass  Sie  diese  Zeilen  in  Verden^)  erhalten  werden. 

Vorgestern  erhielt  ich  noch  einen  vom  18.  Apr.  datirten  Brief  von 
Bessel,  worin  er  mir  die  Unmöglichkeit  meldete.  Sie  und  mich  diesmal 
zu  sehen,  da  er  am  27.  nothwendig  von  Altona  nach  Königsberg  abreisen 
und  bis  dahin  noch  immer  mit  Repsold  und  dessen  nicht  vollendetem 
Pendelapparat  sich  beschäftigen  müsse.  Schon  liatte  ich  also  alle 
Hoffnung  aufgegeben,  als  ich  gestern  den  21.  Apr.  durch  einen  Brief 
von  Schumacher  unerwartet  erfreut  wurde,  worin  er  schrieb.  Repsold 


^)  Der  Brief  sollte  Gauss  avü  der  Durchreise  in  Verden  übergeben  werden.   Krni. 


Olbers  au  Gauss.     Bremen,  1825  April  •22.  393 

habe  wider  \  erimithen  seine  Arbeit  so  geschwind  vollendet,  dass  Bessel 
nnn  noch  die  Möf^lichkeit  finde,  mich  zu  besuchen.  Bessel,  Repsold, 
J'rof.  Thune  und  Schumacher  würden  also  Sonntag  den  24.  Apr.  Abends 
hier  In  Brcmm  eintreffen,  Montag:  hierbleiben,  Diensta«»:  den  26.  früh 
wieder  abreisen,  um  noch  denselben  Tag'  wieder  in  Hamburg  einzutreffen, 
von  wo  Hessei.  dann  am  folgenden  Morgen  d.  27.  nach  Königsberg  ab- 
gehen werde. 

Meine  innigste  dringendste  Bitte,  lieber  Gauss,  ist  nun,  dass  Sie. 
anstatt  unmittelbar  nach  Zeven,  über  Bremen  dahin  gehen.  Der  Umweg 
ist  nicht  bedeutend.  Bessel  und  unsere  anderen  Freunde  vereinigen 
ihre  Bitten  mit  den  meinigen.  Sie  gehen  nicht  nach  Zeven,  sondern 
nach  Bremen,  weil  es  noch  so  ungewiss  war,  ob  Sie,  mein  allertheuerster 
Freund,  vor  dem  25.  Apr.  dort  sein  könnten,  und  Bessel  dann  nur  auf 
gar  zu  wenige  Stunden  mit  Ihnen  hätte  zusammen  sein  können.  Ich 
hoffe  gewiss,  Sie  werden  mir,  Sie  werden  uns  allen  die  grosse  Freude 
machen,  Sie  hier  zu  sehen,  und  so  erwarte  ich  Sie  dann  am  Sonntag  den 
24.  oder  wenigstens  am  Montag  den  25.,  am  letzteren  Tage  auf  alle 
Fälle  vor  dem  Mittagessen  hier.  Für  Sie  und  Ihren  Hrn.  Sohn  wird 
das  Quartier  in  meinem  Hause  in  Bereitschaft  sein. 

Ich  hoffe,  Sie  haben  mein  nach  Hannover  geschicktes  Brieflein 
richtig  erhalten. 

In  grösster  Eile. 


No.  561.  Olbers  an  Gauss.')  [297 

Bremen,  1825  April  22. 

Auf  den  Fall,  dass  mein  Brief  nach  Verden  Ihnen  dort  nicht  zu 
Händen  gekommen  sein  sollte,  melde  ich  Ihnen,  dass  Bessel  wider  sein 
Vermuthen,  nachdem  er  mir  schon  alle  Hoffnung  genommen  hatte,  durch 
Repsold's  Fleiss  sich  im  Stande  befindet,  noch  die  3  Tage,  den  24.,  25. 
und  26.  Apr.  zu  einer  Eeise  nach  Bremen  anzuwenden.  Er  mit  Schu- 
macher, Repsold  und  Prof.  Thune  werden  Sonntag  den  24.  Abends 
hier  in  Bremen  eintreffen,  Montag  den  25.  hier  bleiben  und  Dienstag 
den  26.  wieder  nach  Hamburg  zurückkehren,  von  wo  Bessel  seine  Rück- 
reise unfehlbar  am  27.  Apr.  nach  Königsberg  antreten  wird. 

Ich  habe  Sie  in  meinem  Briefe  nach  Verden  sehr  dringend  gebeten, 
doch  von  dort  gleich  nach  Bremen  zu  kommen.  Sollte  unglücklicher  Weise 
der  Brief  Sie  verfehlt  haben,  so  wage  ich  es,  Sie  sowohl  in  meinem  Namen, 
als   auch  im  Auftrage  unserer  Freunde  aufs  Innigste  und  Dringendste 


Dieser  zweite  Brief  ist  nach  Zeven  gerichtet.     Krm. 


394  Gauss  an  Olbers.     Zeveii,  1825  April  26. 

ZU  bitten,  doch  wo  irgend  möglich  von  Zeven  gleich  hierher  nach  Bremen 
zu  fahren.  Die  grosse,  grosse  Freude,  die  Sie  mir,  die  Sie  uns  allen 
dadurch  machen  werden,  wird  die  Unbescheidenheit  meiner  Bitte,  Ihnen 
die  Beschwerde  dieser  kleinen  Reise  gleich  nach  einer  überstandenen 
grösseren  zuzumuthen,  entschuldigen,  und  ich  rechne  so  sehr  auf  Ihre 
gefällige  Freundschaft  und  Gewogenheit,  dass  ich  Sie,  wo  nicht  schon 
am  24.  Apr.  zum  Abendessen,  doch  gewiss  am  25.  zum  Mittagessen  hier 
in  Bremen  erwarte.  Quartier  für  Sie  und  Ihren  Hrn.  Sohn  ist,  wie  sich 
von  selbst  versteht,  in  meinem  Hause  bereit. 


No.  562.  Ganss  an  Olbers.')  [265 

Zeven,  1825  April  26. 

Ihren  Brief  nach  Hannover^)  erhielt  ich  erst  in  der  Minute,  wo 
ich  Hannover  verlassen  wollte,  zum  Glück,  muss  ich  hinzusetzen,  denn 
hätte  ich  ihn  viel  früher  erhalten,  so  hätte  ich  vielleicht  meine  Dis- 
positionen noch  so  getroifen,  dass  ich  über  Altena  nach  Zeven  gereist 
wäre;  in  Altona  am  24.  Abends  angekommen,  hätte  ich  dann  alle  ver- 
fehlt. —  Durch  Verden  bin  ich  gar  nicht  gekommen,  sondern  über 
Walsrode. 

Dass  ich  Bessel  in  Rotenburg  nur  eine  Stunde  habe  sehen  und 
bei  den  Umständen  fast  gar  nicht  habe  geniessen  können,  schmerzt  mich 
sehr;  allein  hätte  ich  auch  mit  nach  Bremen  reisen  können,  so  würden 
Sie  von  mir  und  ich  von  Ihnen  nichts  gehabt  haben.  Ich  kam  hier 
sehr  unwohl  an,  was,  da  Bremen  noch  3  Meilen  weiter  von  Rotenburg 
ist  als  Zeven,  in  jenem  Fall  noch  viel  mehr  so  gewesen  sein  würde. 
Kaum  konnte  ich  gestern  Nachmittag,  als  mir  das  Erscheinen  des 
Heliotroplichtes  gemeldet  wurde,  dahin  fahren.  Schlechte  Auspicien 
begleiten  in  vielfacher  Beziehung  den  Anfang  meiner  Messungen  in 
diesem  Jahre ;  beim  Zurückfahren  warf  ich  um,  2  Kisten  mir  auf  Schenkel 
und  Leib,  an  jenem  erhielt  ich  eine  geringe  Kontusion  und  in  der  Seite 
fühlte  ich  gestern  viel  Schmerz,  der  sich  aber  heute  grossen  Theils 
verloren  hat.  Die  Instrumente  scheinen  keinen  Schaden  genommen 
zu  haben. 

Möchten  Sie,  liebster  Olbers,  die  schlechten  Anspielen  bessern, 
indem  Sie  mich  hier  mit  einem  Besuche  beglücken.  Schumacher  hat 
ihn  mir  zugesagt,  und  wenn  Ihr  Befinden  es  Ihnen  sonst  erlaubt,  hoffe 


^)  Vergl.  zu  dem  Inhalte  dieses  Briefes  und   dem   darin   erwähnten  Unfall  auch 
Briefwechsel  Gaüss-Bessel  No.  151  und  Gauss-Schumachku  No.  '246,     Krni. 
«)  No.  558  vom  18.  Apr.  1825.     Krm. 


Olbers  an  Gauss.     Brenieu,  18'25  April  29.  395 

ich,  dass  Sie  darüber  bereits  gemeinschaftliche  Kückspiache  g:enommeii 
haben. 

Auf  genaue  Erkundigung  höre  ich,  dass  der  "Weg  über  das  Moor 
jetzt  sehr  gut  falirbar  ist:  mir  war  dies  um  so  lieber  zu  hören,  da  die 
Stelle,  wo  ich  umwarf,  auf  der  Strasse  von  Ottersberg  nach  Zeven  liegt, 
welche  ganz  nahe  bei  meinem  Brüttendorfer  Postament  vorbeiläuft, 
etwa  500  Schritt  diesseits  dieses  Postaments;  das  tief  ausgefahrene 
Gleis  an  dieser  Stelle  soll  jedoch  heute  oder  morgen  ausgebessert  werden. 


No.  563.  Olbers  au  Gauss.  [298 

Bremen,  1825  April  29. 

Es  hat  mir  sehr,  sehr  leid  gethan,  Sie  nicht  zugleich  mit  unseren 
freunden  hier  zu  sehen.  Ich  hatte  so  gewiss  darauf  gerechnet,  und  es 
würde  meine  Freude  so  sehr  vermehrt  haben.  Hätte  ich  nur  daran 
gedacht,  dass  Sie  auch  über  Walsrode  reisen  könnten,  so  würde  ich 
einen  Boten  hingeschickt  und  Ihnen  dort  ebenso  haben  auflauern  lassen, 
wie  es  nun  leider  vergeblich  in  Verden  geschehen  ist. 

Schumacher  hat  mir  nichts  davon  gesagt,  dass  er  einen  Besuch 
bei  Ihnen  abzulegen  willens  sei;  wahrscheinlich  ist  dies  nicht  geschehen, 
weil  Schumacher  sich  hier  nach  der  angreifenden  Reise  nicht  w'ohl 
befand,  und  ich  gerade  ihn  deswegen  nur  wenig  gesehen  und  gesprochen 
habe.  Am  24.  Abends  kamen  die  Herren  erst  um  9  Uhr  Abends  an. 
Am  folgenden  Morgen  musste  sich  Schumacher,  bald  nachdem  er  auf- 
gestanden war,  wieder  zu  Bett  legen,  liess  mir  auch  Mittags  durch 
seinen  Begleiter  sagen,  dass  er  nicht  zum  Essen  kommen  könne.  Indessen 
liess  sein  Kopfweh  nach,  und  gegen  4  J  Uhr  Nachmittags,  wie  wir  halb 
abgespeist  hatten,  war  er  noch  so  gefällig,  bei  dem  übrigen  Theil  der 
Mahlzeit  zugegen  zu  sein. 

Es  ist  mir  sehr  unangenehm,  dass  Schumacher  darüber  keine 
Abrede  mit  mir  getroffen  hat.  Ich  fürchte,  es  wird  nun  durch  das 
Hin-  und  Herschreiben  zu  spät,  und  Sie  sind  bei  dem  günstigen  Wetter 
in  Zeven  eher  fertig,  als  ein  Entschluss  gefasst  werden  kann.  Was 
mich  betrifft,  so  hin  ich  jeden  Tag,  den  Schumacher  und  Sie  miteinander 
verabreden  werden,  zu  erscheinen  bereit.  Sollte  aber  Schumacher  gar 
nicht  kommen,  oder  Sie  schon  früher  Zeven  verlassen,  so  möchte  ich 
auch  meinen  Besuch  (denn  besuchen  muss  ich  Sie  durchaus  auf  einer 
Ihrer  Stationen,  es  macht  mir  zu  viele  Freude,  und  Sie  haben  es  mir 
einmal  erlaubt)  bis  dahin  aufschieben,  dass  Sie  in  Osterholz  Ihr  Haupt- 
quartier nehmen  werden,  welches  mir  dann  sehr  bequem  liegt. 


396  Gauss  an  Olbers.     Zeven,  1825  Mai  1. 

Bessel  hatte  einen,  Schumachee  mehrere  Chronometer,  letzterer 
auch  seinen  REiCHENBAcn'schen  Repetitionskreis  mitgebracht.  Mit  letz- 
terem suchte  Hansen  Vormittags  und  Nachmittags  die  Bremer  Zeit. 
und  Mittags  durch  Circummeridian-Höhen  die  Breite  zu  bestimmen: 
aber  bei  dem  wolkigen  Himmel  haben  nur  sehr  wenig  Höhen  genommen 
werden  können. 

Alle  unsere  Freunde  haben  mir  gerühmt,  mein  allertheuerster  Freund, 
wie  wohl  Sie  jetzt  aussehen,  und  besonders  konnte  sich  Bessel  niclit 
genug  freuen,  Sie  anscheinend  so  gesund  und  gestärkt  gefunden  zu 
haben.  Dem  Himmel  sei  Dank,  dass  das  unglückliche  Umwerfen  Ihre> 
Wagens,  das  leicht  hätte  gefährlich  werden  können,  keine  bedeutenden 
Folsren  g-ehabt  hat! 


No.  564.  Gauss  an  Olbers.')  [266 

Zeven,  1825  Mai  1. 

Durch  die  Gefälligkeit  des  Hrn.  Ober-Kommissär  Greve  kann  ich 
diesen  Brief  schon  zwei  bis  drei  Tage  früher,  als  auf  dem  Wege  der 
Post  möglich  wäre,  in  Ihre  Hände  bringen.  Aufs  Inständigste  bitte  ich 
Sie,  mich  noch  hier  in  Zeven  zu  besuchen.  Alles  kommt  zusammen, 
mir  diesen  Wunsch  recht  heiss  zu  machen.  Die  Disappointements ,  die 
mich  hier  betroffen,  haben  mich  ganz  niedergeschlagen  gemacht,  ich 
fühle  eine  Muthlosigkeit,  wie  ich  sie  sonst  an  mir  nicht  kenne.  Ihr 
Besuch  wird  mich  aufrichten.  Körperlich  befinde  ich  mich  wieder  sehr 
wohl;  die  beste  körperliche  Pflege  finden  wir  hier,  das  Wetter,  die 
Wege  sind  vortrefflich.  Haben  Sie  vielleicht  mit  Schumacher  schon 
verabredet  hierherzukommen,  so  ist  freilich  dieser  Brief  überflüssig,  ist 
das  aber  nicht,  so  kommen  Sie  allein  so  bald  als  möglich.  Sie  können, 
wenn  Sie  wollen,  schon  Dienstag  bald  nach  ^Mittag  hier  sein.  Ich  zweifle 
übrigens  gar  nicht,  dass,  wenn  Sie  Schumacher  gleich  benachrichtigen, 
er  auch  gleich  kommen  wird.  Auf  alle  Fälle  bleiben  Sie  doch  diesmal 
länger  als  das  vorige  Mal. 

Nur  das  eine  will  ich  noch  bemerken,  dass  ich  auf  jede»  Fall  bis 
Donnerstag  hier  geblieben  sein  würde,  weil  ich  bis  dahin  meine  Briefe 
aus  Göttingen  hierher  habe  adressiren  lassen.  Vielleicht  nitiss  ich 
ohnehin  noch  länger  hier  bleiben,  da  ich  noch  gar  keine  Nachricht  über 
die  Durchhaue  habe,  auch  an  Winkelmessungen  noch  nicht  viel  habe 
thun  können.  Allein  von  selbst  versteht  sich,  dass  ich,  wenn  Sie  konnnen, 


')  Der  Biiel'  ist  in  deutscher  Sclirift  geschrieben.     Krni. 


Gauss  an  Olbcrs.     Zevi'ii.   1825  Mai  3.  397 

hier  bleibe,  aucli  wenn  meine  Pferde  schon  angespannt  wären,  und  desto 
glücklicher  bin.  je  länger  Sie  bleiben. 

Vielleicht  werde  ich,  wenn  ich  demnächst  nach  Brillit  gehe,  die 
Lichtschickung  dahin  von  Oarlste  aus  dem  Hrn.  Klüver  übertragen 
müssen,  in  welchem  Fall  vermuthlich  der  Lieutenant  Hartmann  ihn  in 
Bremen  ablösen  wird.  Die  Ankunft  des  Hrn.  Lieutenant  in  Bremen 
soll  also,  falls  ich  nicht  besonders  noch  vorher  Nachricht  gebe,  für 
Hi-n.  Klüver  schon  als  Aufforderung  gelten,  nach  Garlste  zu  gehen. 
Nur  müsste  er  vorher,  wenn  es  nöthig  ist,  den  Heliotropplatz  auf  dem 
Brett  im  Ansgarius  für  Brillit  kenntlich  machen,  oder  eventualiter  den 
Hrn.  Lieutenant  erst  anweisen. 


No.  565.  Gauss  an  Olbers/)  [ser 

Zeven,  1825  Mai  3. 

Dieser  Brief  hat  bloss  zum  Zweck,  in  dem  hoifentlich  ungegründeten 
F'alle,  dass  mein  vorgestriger  Sie  noch  nicht  bew^ogen  hat,  heute  oder 
morgen  nach  Zeven  zu  kommen,  meine  Bitte  auf  das  Allerdringendste 
und  mit  der  Bemerkung  zu  wiederholen,  dass  meine  Geschäfte  seit  vor- 
gestern noch  um  gar  nichts  weiter  gekommen  sind,  und  ich  also  auf 
alle  Fälle  noch  Donnerstag  und  ohne  Zweifel  Freitag  hier  bleiben  muss. 
Ich  kann  Hinen  gar  nicht  beschreiben,  -wie  mich  verlangt,  Sie  hier  zu 
umarmen.  Wüsste  ich  nur  den  Tag,  wo  Sie  kommen  w^ollen,  bestimmt, 
so  würde  ich  meinen  Aufenthalt  ganz  gewüss  bis  dahin  sichern.  Sollte 
es  ein  späterer  als  Freitag  sein,  so  lassen  Sie  nur  Klüver  den  Tag 
zuvor  oft  die  Zahl  2  signalisiren,  dann  bleibe  ich  gewiss  noch,  auch 
wenn  ich  sonst  vielleicht  schon  den  folgenden  Tag  hätte  abreisen  wollen. 
Dies  kann  nicht  fehlen,  denn  mein  letzter  Tag  hier  muss  doch  auf  alle 
Fälle  ein  sonniger  Tag  sein.  Lassen  Sie  nur  Hire  Reise  nicht  von 
Schumacher  abhängig  sein,  der,  wie  er  mir  schrieb,  durch  Thune 
genirt  ist. 

Eiligst ! 


Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krm. 


398  Gauss  an  Olbers.     No.  2.     Zeven,  1825  Mai  3. 

No.  566.  Gauss  an  Olbers.')    No.  2.  [268 

Zeven,  1825  Mai  3. 

So  eben  erhalte  ich  Nachricht  von  Müller,  der  zufolg^e  ich  geiviss 
noch  wenigstens  bis  Freitag  inkl.,  wahrscheinlich  sogar  Sonnabend  hier 
bleiben  niuss,  weil  der  Durchhau  nicht  eher  vollendet  werden  kann. 
Möchten  Sie  also  sich  doch  erbitten  lassen,  mich  hier  noch  zu  besuchen. 
Ich  kann  meinen  Bitten  nichts  weiter  hinzusetzen  als  ihie  Wiederholung. 
Der  vorige  Brief  ist  schon  eskortirt.  doch  soll  dieser  auch  noch  mitgehen. 


No.  567.  Olbers  an  Gauss.  [299 

Bremen,  1825  Mai  3. 

Ihren  gütigen  lieben  Brief  vom  1.  Mai  habe  ich  durch  den  Hrn.  Ober- 
Kommissär  Greve  gestern  Abend  erhalten.  Ein  vermehrter  Katarrh 
und  einige  andere  Unbequemlichkeiten  würden  mich  wohl  nicht  ab- 
gehalten haben,  Ihrer  freundlichen  Einladung  zufolge  schon  heute  nach 
Zeven  zu  kommen,  wenn  ich  nicht  unglücklicher  Weise  morgen,  am 
4.  Mai,  ein  für  mich  ziemlich  wichtiges  Geldgeschäft  in  Ordnung  zu 
bringen  hätte,  bei  dem  ich  keinen  anderen  substituiren  kann,  sondern 
nothwendig  persönlich  gegenwärtig  sein  muss.  Da  Sie  nun  übermorgen 
am  5.  Mai  wahrscheinlich  schon  Zeven  verlassen  können,  so  werden  Sie 
erlauben,  dass  ich  meinen  Besuch  bis  dahin  aufschiebe,  bis  Sie  in  Oster- 
holz  Ihr  Hauptquartier  nehmen  werden.  Vielleicht  wird  mich  dann, 
wenn  Sie  es  vergönnen,  unser  Senator  Gildemeister  begleiten. 

Von  Schumacher  habe  ich,  seit  er  hier  war,  noch  keine  Silbe 
gesehen;  nur  von  Hansen  habe  ich  einige  Zeilen  erhalten,  die  ein  Packet 
mit  Drucksachen  und  Manuskripten  begleiteten,  worin  aber  H.vnsen 
nichts  von  unseren  Freunden,  auch  nicht  mal,  ob  und  wann  Bessel  von 
Altona  abgereist  ist,  meldet,  als  dass  sich  Schumacher  und  Bessel 
nach  der  Reise  wohl  befinden  und  die  Chronometer  ein  befriedigendes 
Resultat  für  die  Länge  von  Bremen  geliefert  haben.  —  Das  Resultat 
selbst  hat  er  mir  noch  nicht  mitgetheilt. 

Sollten  Sie,  mein  geliebter  Gauss,  jetzt  schon  ungefähr  einen  Plan 
Ihrer  diesjährigen  Campagne  gemacht  haben,  so  würde  es  mir  sehr 
angenehm  sein,  im  voraus  zu  erfahren,  wann  ich  ungefähr  auf  das  Glück 
rechnen  kann,  Sie  hier  zu  sehen.    Ich  weiss  ganz  wohl,  dass  sich  dies 


^)  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krm. 


OlbtTs  an  Gauss,     Bremen.  1825  Mai  3  und  10.  399 

wohl  auf  3  oder  ö  Wocht-n  nicht  bestimmen  liisst.  "Warum  ich  aber, 
wenn  es  möglich  ist.  beiläufig  die  Zeit  Ihres  Hierseins  kennen  möchte, 
davon  ist  die  Ursache,  dass  meine  beiden,  einzig  von  allen  meinen  Ge- 
schwistern noch  lebenden  Schwestern,  die  Räthin  Meyer  in  Hannover 
und  die  Oberdeichgrätin  Marxens  in  Berlin,  mir  auch  einen  Besuch 
zugedacht  haben.  Diesen  kann  icli  nun  verlegen,  wohin  ich  will,  und 
Sie,  lieber  Gauss,  müssen  sich  dadurch  auf  keine  Weise  in  Hiren  Pro- 
jekten stören  lassen;  aber  angenehm  wäre  es  mir,  wenn  ich  meinen 
Schwestern  im  voraus  den  Monat  nennen  könnte,  in  welchem  ich  sie 
hier  sehen  möchte. 

Prof.  Thüne  hat  mir  durch  Hansen  eine  Abschrift  der  Original- 
Beobb.  Tycho's  der  Kometen  von  1590  und  1596  geschickt,  die  er  aus 
einem  auf  der  Kopenhagener  Bibliothek  befindlichen  Manuskript  ab- 
geschrieben hat.  P]s  ist  offenbar,  dass  Pingre  eine  Kopie  desselben 
Manuskripts  vor  sich  hatte,  als  er  Tycho's  Beobb.  in  seiner  Cometo- 
graphie  bekannt  machte.  Allein  einiges  hat  er  doch  zu  sehr  abgekürzt, 
anderes  nicht  ganz  Unerhebliches  weggelassen,  und  ich  habe  nun  ein- 
mal so  eine  bigotte  Verehrung  für  alle  Original-Berichte  von  Thatsachen 
und  also  auch  von  astronomischen  Beobb.,  dass  ich  doch  wünschen 
möchte,  diese  Original-Beobb.  irgendwo  vollständig  bekannt  gemacht 
zu  sehen.  Sollte  einst  ein  Tychonischer  Komet  wiederkehren,  so  kann 
vielleicht  auch  der  kleinste  von  Tycho  erwähnte  Umstand  wächtig  werden. 

Ich  höre,  dass  Aegelander  die  Absicht  hat,  Svanberg's  astro- 
nomische Beobb.  in  Lappland  bei  der  Gradmessung  mit  besseren  In- 
strumenten zu  wiederholen. 

An  Hrn.  Klüver  werde  ich  Ihre  Befehle  bekannt  machen.  Es  wird 
mir  angenehm  sein,  auch  Hrn.  Lieutenant  Hartmann  kennen  zu  lernen. 


No.  568.  011)  er s  an  Ganss.'j  [soo 

Bremen,  1825  Mai  10. 

Meinen  herzlichsten,  innigsten  Dank  für  Ihre  so  gütige  Aufnahme  in 
Zeven  und  für  die  angenehmen  Stunden,  die  ich  dort  in  Ihrer  und 
Schumacher's  Gesellschaft  verlebt  habe.  Ich  kam  hier  sehr  ermüdet 
erst  um  9i  Uhr  Abends  zurück.  Das  Gewitter,  dessen  grösste  Wuth 
ich  im  Holze  zwischen  Kirchtimke  und  Tarmstedt  zu  überstehen  hatte, 


^)  Zwischen  diesem  und  dem  vorigen  Briefe  liegt  der  Besuch  Olbeks'  und  Schu- 
macher's bei  Gauss  in  Zeven  (Mai  6 — 8  ungefähr).  Vergl.  Briefwechsel  Olbers-Bessel 
No.  318,  Gauss-Schumacher  No.  247,  248.     Krm. 


400  Gauss  an  Olbers.     [Zeven,  1825  Mai  10.] 

lind  wobei  die  heftigen  Blitze  oft  die  Pferde  scheu  zu  machen  drohten, 
war  dort  zwar  mit  sehr  heftigem  mit  Hagel  gemischtem  Eegen  ver- 
bunden, aber  doch  glücklicher  Weise  von  Schlössen  frei.  Weiterhin 
nach  Bremen  zu  hat  es  durch  Schlössen  grosse  Verheerungen  auf  einem 
doch  nicht  sehr  breiten  Strich  angerichtet  und  unser  Oberneuiand  ver- 
wüstet. Vorzüglich  hat  auch  Klüver's  Wohnung  gelitten.  Alle  Fenster 
sind  zerschlagen,  alle  Feldfrüchte  zerstört.  Noch  nach  24  Stunden  fand 
man,  ganz  zuverlässigen  Aussagen  zufolge,  Eisklumpen  von  der  Grösse 
eines  kleinen  Hühnereis.  Der  Postwagen  nach  Hamburg  ist  in  der 
Gegend  von  Ottersberg  durch  die  von  den  Schlössen  scheu  gewordenen 
Pferde  umgeworfen,  doch  sind  glücklicher  Weise  die  Passagiere  nicht 
bedeutend  beschädigt. 

Seit  unserer  Abreise  wird  Ihnen  bis  heute  noch  keine  Fortsetzung 
Jhier  dortigen  Beobb.  möglich  geworden  sein. 

Ich  habe  hier  wieder  einen  grossen  Brief  von  Rl'mkee,  wovon  der 
früher  angekommene^)  nur  ein  Auszug  als  Duplikat  war,  vorgefunden. 
Auch  sind  die  Mailänder  Ephemeriden  mit  einigen  Zeilen  von  Nicolai 
angekommen. 

Für  Sie  ist  noch  nichts  bei  mir  eingegangen. 


No.  569.  Gauss  an  Olbers/)  [269 

[Zeven,  1825  Mai  10.]=») 

Nochmals  meinen  herzlichen  Dank  für  die  grosse,  grosse  Freude, 
die  Sie  mir  durch  Ihren  nur  gar  zu  kurzen  Besuch  in  meiner  Einsam- 
keit gemacht  haben. 

Obgleich  ich  seit  Ihrer  Abreise  hier  so  gut  wie  gar  nichts  habe 
ausrichten  können,  so  muss  ich  doch  meinem  Aufenthalt  hier  ein  bal- 
diges Ziel  setzen.  Erst  diesen  Nachmittag  entscheiden  sich  einige  Zu- 
fälligkeiten, wovon  abhängt,  ob  ich  von  hier  nach  Bremen  oder  nach 
Brillit  gehe;  im  ersteren  (eher  wahrscheinlicheren)  Fall  bin  ich  viel- 
leicht schon  Morgen  Nachmittag  nach  3  Uhr  bei  Ihnen,  theuei'ster 
Olbers,  oder  doch  höchst  wahrscheinlich  übermorgen;  im  anderen  Fall, 
den  Sie  durch  das  Eintreffen  des  Hrn.  Lieut.  H.vrtmaxn  ersehen,  muss 
ich  Sie  noch  mit  ein  paar  Bitten  belästigen. 

1)   Dem    Hrn.  Lieutenant  zu  sagen,   dass  er  Ihnen  sein  Logis  an- 


^)  Vergl.  Brief  No.  547  vom  28.  Jau.  1825.     Knn. 

^)  Der  Brief  ist  iu  deutscher  Schrift  geschrieben.     Knn. 

^\  Datum  nach  dem  Poststempel.     Krm. 


Gauss  an  Olliois.     fZeven.  1825  .Mai  10.]  401 

zeigt  so  wie  dif  leletrraiihische  Xuchriclit.  die  er  etwa  von  mir  erliält; 
diese  könnte  aber  nur  Ai  in  Spiegel-Doppelblitzeu  immer  in  Sets  zu 
3  Stück 

l)estelien,  die  von  ßrillit  ausg-egeben  und  von  ihm  mit  der  Zahl  3  be- 
antwortet, anzeigen,  dass  icli  den  folgenden  Tag  nach  Garlste  ab- 
gehe, wohin  er  dann  sein  Licht  zu  schicken  hat ;  kann  ich  solche  nicht 
geben,  so  hat  die  Aufforderung  mit  dem  grossen  Spiegel  von  Garlste 
denselben  Zweck.  B)  Aehnliche  Doppelblitze  in  Sets  zu  2  Stück,  die 
er  mit  der  Zahl  2  zu  beantworten  hat, 

i'c   *        -::-■   -X'  -äs-   -äs-        ^c   -K-  «   -K'        -::-   -:;-       etc. 

zeigen  ev.  an,  dass  ich  den  folgenden  Tag  nach  Bremen  komme,  wo 
Hartmann  dann  erst  meine  Ordre  zu  erwarten  hat. 

2)  Dem  Hrn.  Klüver,  dass  er  die  Stelle,  wo  der  Heliotrop  bisher 
gestanden  hat,  deutlich  auf  dem  Brett  und  in  seinem  Protokoll  be- 
schreibe, auch  dem  Hrn.  Lieutenant  zeige,  damit  er  auf  eben  dieselbe 
ev.  seinen  Heliotrop  nach  Garlste  richte;  hingegen  nach  Brillit  ihm 
den  anderen  dafür  geltenden  Platz  genau  bemerklich  mache. 

3)  Sie  selbst  zu  bitten,  dass  Sie  etwa  für  mich  eingegangene  Briefe 
entweder  bei  sich  behalten,  oder  nur  mit  sicherer  Gelegenheit  nach 
Gnarrenburg  bei  Hrn.  Vogt  Mahler  schicken,  wenn  Sie  wissen,  dass 
ich  noch  da  bin,  oder  sogleich  nach  Osterholz,  w^enn  Sie  erfahren,  dass 
ich  dahin  gehe. 

2  b)  noch  an  Hrn.  Klüver,  insofern  er  nach  Garlste  geht,  um  mir 
von  da  nach  Brillit  Licht  zu  schicken,  dass  er  um  2  oder  spätestens 
21  Uhr  anfängt,  falls  es  nöthig  ist,  vorher  den  Stein  ausbessern 
lässt  und  endlich  öfter  nach  Varel  aussieht  (137"  rechts  von  Bremen), 
und  Avenn  er  Doppelblitze  in  Sets  von  3  Stück  von  daher  bemerkt, 
solche  mit  der  Zahl  2  sowohl  zurück  als  nach  meinem  Aufenthalt  be- 
antwortet. 

2  c)  Dasselbe  obige  Zeichen  von  meiner  Seite  soll  auch  für  Hrn. 
Klü\t:r  gelten;  d.  i.  Doppelblitze  in  Sets  von  3,  dass  ich  nach  Garlste 
komme,  wo  er  weitere  Ordre  zu  erwarten  hat,  hingegen  in  Sets  zu  2, 
dass  ich  nach  Bremen  gehe,  wohin  er  dann  das  Licht  schickt. 

Verzeihen  Sie,  bester  Olbers,  dass  ich  Sie  mit  diesen  Bitten  be- 
lästige, aber  der  Postwagen  steht  vor  der  Thür,  und  die  Zeit  ist  zu 
kurz,  an  beide  Herren  selbst  zu  schreiben. 


Olbers.    II,  2  26 


402  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1825  Mai  25. 

No.  570.  Olbers  an  Gauss.')  [301 

Bremen,  1825  Mai  25. 

Nochmals  meinen  herzlichsten  innigsten  Dank  für  Ihren  so  ange- 
nehmen und  lehrreichen  Besuch.  Die  Zeit  ist  nur  gar  zu  geschwinde 
vergangen,  und  Sie  hätten  immer  Ihren  hiesigen  Aufenthalt  nur  bis 
zum  eintretenden  Regen  verlängern  sollen,  weil  doch  wohl,  ehe  das 
fatale  Moorbrennen  nicht  durch  Regenwetter  gemässigt  ist,  in  Garlste 
nichts  auszurichten  sein  wird.  Am  Montag  war  der  fatale  Moordampf 
so  stark  über  unserer  Stadt,  von  dem  westlicher  gewordenen  Winde 
herbeigeführt,  dass  kaum  die  äussersten  Vorstädte  zu  erkennen  waren, 
und  man  beinahe  ohne  Unbequemlichkeit  in  die  blosse  Sonne  sehen 
konnte. 

Wenige  Stunden  nach  Ihrer  Abreise  am  Montage  kam  einliegender 
Brief  vom  Hauptmann  Müller  an.  In  der  Enveloppe  meldet  er  mir, 
dass  er  in  Langwarden  früher  fertig  geworden  sei,  als  er  vermutheu 
könne,  und  sich  gleich  nach  dem  Feste  nach  Jever  begeben  werde. 

Mein  Sohn  und  Schwiegersohn  empfehlen  sich  Ihnen  aufs  Ge- 
horsamste. 

Ich  werde  dies  Brief chen  nicht  eher  verschliessen,  als  bis  es  durch- 
aus auf  die  Post  geliefert  werden  muss.  Kommt  indessen  noch  etwas 
für  Sie  an,  so  lege  ich  es  bei. 


No.  571.  Gauss  an  Olbers.  [270 

Osterholz,  1825  Mai  27. 

An  mir  ist  es,  für  Ihre  gütige  Aufnahme  in  Bremen  nochmals  herz- 
lichst zu  danken  und  zugleich  um  Verzeihung  zu  bitten,  wenn  icli  in 
Folge  meines  öfteren  Unwohlseins  häufig  Ihrer  freundlichen  Nachsicht 
bedurft  habe. 

Die  neuen  Bremer  Messungen  tragen  ebenso  wie  die  in  Zeven 
noch  dazu  bei,  das  Dreieck  zu  verschlechtern.  Die  unmittelbaren 
Messungen  1824  hatten  die  drei  Winkel  g-eoeben 


Zeven     .    .    70M7'36",245  55  Messungen 
Bremen  .    .    33  44  17,365     44 
Brillit     .    .    75  28    4,573     74 


also  Summe  179°  50' 58",183 
welche  sein  sollte 

180°    0'    2",206 


^)  Zwischen  ]\Iai  12  und  23  liegt  der  10— 12tägige  Besuch  Gauss'  bei  Olbkbs 
in  Bremen.  Vergl.  Brief  v.  28.  Mai  von  Olbers  au  Schumacher  und  Brief  No.  818 
im  Briefwechsel  Olbers-Bessel.    Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Osterholz,  1825  Mai  27. 


403 


pril  28 

70O47'36",129 

16 

Mai  1 

36,171 

3 

1 

36,504 

16 

4 

35,456 

42 

ai  12 

SS" 

44' 

17",699 

50 

12 

17,U39 

28 

22 

15,999 

47 

22 

15,497 

6 

also  Felller  — 4",02o.     Das  Ensemble  aller  1SJ4    an    den   3  Stationen 
gemessenen  Winkel  ändert  jene  resp.  um 

+  0",324,      —  0'U77.      —  0",212, 

brin^  also  den  Fehler  auf  —  4",388. 

Im  Jahre  1825  ist  der  Winkel  in  Zeven  in  4  Sets  gemessen. 

Also  77  Messungen   .    .    .    70H7'35",842 
vereinigt  mit  den  früheren, 

also  132  Messungen  .    .    70«47'36",010 


Die  Ausgleichunof   aller   Messungen   von    1824,    1825   giebt  0",247 
mehr;  der  Winkel  ist  also  jetzt  verschlechtert 

direkte  Messung 0",235 

ausgeglichener  Werth  .    .    .     0",312 

Für  den  Winkel  in  Bremen  sind  1825  gleichfalls  4  Sets: 

Also  alle  131 380  44' 16",851 

oder    vereinigt   mit    den 

früheren  175     ....    83M4' 16",980 


Die  direkte  Messung  hat  also  eine  Verschlechterung  von  0",385 
erlitten;  die  Ausgleichung  aller  Messungen  ist  noch  nicht  gemacht, 
inzwischen  ist  es  gewiss,  dass  auch  hier  eine  ähnliche  Verschlechterung 
Statt  haben  wird,  da  die  Differenz  der  Winkel  Garlste  :  ßrillit,  Garlste: 
Zeven,  wie  sie  1825  gemessen  sind,  noch  kleiner  ist  als  die  direkte 
Messung  von  Brillit — ^ Zeven.  Da  diese  Verschlechterung  von  den 
Messungen  des  22.  herrührt,  so  bemerke  ich,  dass  gerade  an  diesem 
Tage  die  Alhidade  fast  genau  ebenso  oft  rückwärts  wie  vorw^ärts  ge- 
dreht ist;  auch  ist  sehr  oft  abgelesen  (13  Mal),  und  die  partiellen 
Werthe  stimmen  unter  einander  so  gut,  wie  ich  zu  finden  gewohnt  bin. 
Z.  B.  es  kommt  aus 

11  ...    .    33«44'15",50o 

17  15,782 

8  17,131 

11  16,005 

3  15,750 

3  15,417 

In  Garlste  bin  ich  nun  4  Mal  ganz  umsonst  gewesen.  Die  beiden 
ersten  Tage  hinderte  dicker  Moorrauch,  die  beiden  anderen  unaufhör- 
lich auf  einander  folgende  Gewitterschauer  alles  Sehen.  Vorgestern 
hielt  ich   ein   gerade   über  den  Platz  ziehendes  Gewitter  im  Zelte  ab, 

26* 


404  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1825  Mai  28. 

durch  welches  der  heftige  mit  Schlössen  vermischte  Platzregen  so  durch- 
schlug, dass  ich  darin  ganz  durchnässt  wurde;  gestern  wurde  ich  schon 
beim  Hinfahren  ganz  durchnässt,  da  ich  mich  eines  offenen  Wagens  be- 
dienen musste  und  der  Regenschirm  wenig  abhält.  Von  Varel  und 
Bremerlehe  war  nie  eine  Spur  zu  sehen,  in  welcher  Richtung  immer 
schwarze  Wolken  standen;  in  Bremen  aber  war  gestern  eine  Zeit  lang 
etwa  gegen  5  Uhr  Sonnenschein,  in  welchem  Knopf  und  Praline  glänzten, 
ohne  dass  vom  Thurm  Licht  kam,  ein  augenblickliches  Zucken  abge- 
rechnet, welches  mich  nur  überzeugte,  dass  Israel  da  sei.  Ich  besorge 
fast,  dass  die  Heliotroplenkung  auf  dem  Ansgariusthurm  eine  zu  schwere 
Aufgabe  für  ihn  ist. 

Sollten  inzwischen  für  den  Hauptmann  Müller  Briefe  eingegangen 
sein,  so  bitte  ich  Sie,  solche  wie  der  inliegende  zu  zeichnen,  und  so 
wie  diesen  gefälligst  auf  die  Post  geben  zu  lassen.  Später  einlaufende 
würden  vielleicht  sicherer  noch  etwas  bei  Ihnen  zu  bewahren  oder 
nach  Va7-el  zu  adressiren  sein. 

Meine  gehormsamsten  Empfehlungen  an  Ihren  Hrn.  Sohn  und 
Schwiegersohn  mit  dem  herzlichen  W'unsche,  dass  Sie  stets  wohl  und 
heiter  sein  mögen. 

P.  S.  Dass  ich  unter  den  obwaltenden  Umständen  noch  gar  nicht 
einmal  eine  Vermuthung  haben  darf,  wann  ich  von  hier  wegkommen 
werde,  ist  wohl  überflüssig  zu  bemerken.  Glücklicherweise  ist  der 
Aufenthalt  hier  ziemlich  gut.  Heute  Nachmittag  sieht  der  Himmel 
noch  drohender  aus  wie  gestern  und  vorgestern. 


No.  572.  Olbers  an  Gauss.  [302 

Bremen,  1825  Mai  28. 

Hier  abermals  ein  für  Sie  angekommener  Brief. 

Schumacher  schreibt  mir  unterm  23.: 

„Ist  Gauss  noch  bei  Ihnen,  so  grüssen  Sie  ihn  vielmals  und  sagen, 
„dass  Caroc  jetzt  für  mich  eine  Zwischenstation  zwischen  Xeuwerk 
„und  St.  Peter  sucht,  weil  ich  befürchte,  es  würde  schwierig  werden, 
„die  grosse  Seite  Neuwerk — St.  Peter  an  meine  Dreiecke  anzuschliesseu. 
„Das  Signal  auf  dem  Litberge  (der  Stein)  steht  noch,  wie  Clavsen  ge- 
„funden  hat.    Ich  werde  bald  auf  dem  Bauers  Berge  messen." 

Ob  ich  den  letzten  Namen  Bauers  Berg  recht  lese,  weiss  ich  nicht, 
Sie  werden  wahrscheinlich  wissen,  was  dies  für  eine  Station  ist. 

Hoftentlich,  lieber  Gauss,  ist  Ihnen  nun  nach  dem  Regen  der  Moor- 


Olbers  an  Uauss.     Bremen.  IS'l^i  Jiuii    1    und  Jinii  3.  405 

dampf  nicht  mehr  so  hinderlich;    wenigstens    war   lüer   über  der  Stadt 
in  den  letzten  Tagen  nichts  mehr  davon  zu  bemerken. 

ilich  verlangt  sehr,  recht  bald  von  Ihnen  zu  hören,  dass  Sie  wohl 
sind  und  Ihre  Geschäfte  einen  glücklichen  Fortgang  haben. 


No.  573.  Olbers  au  Gauss.  [sos 

Bremen,  1825  Juni  1. 

Nur  mit  ein  paar  Zeilen,  da  die  Post  gleich  abgehen  wird,  kann 
ich  die  so  eben  erhaltene  Einlage  begleiten,  um  Ihnen  für  Ihren  letzten 
gütigen  Brief  zu  danken.  Hoffentlich  sind  die  letzten  Tage  nun  besser 
gewesen  und  Ihr  Geschäft  hat  gefördert  werden  können.  Nur  ist  es 
für  uns  andere  Leute  bitter  kalt. 

Menz  in  Oldenburg  ist  nach  allen  Erkundigungen  Kammerrath; 
einige  meinen  aber,  dass  er  vor  Kurzem  den  Titel:  Geheimer  Kammer- 
rath erhalten  hat. 


No.  574.  Olbers  au  Gauss.  [304 

Bremen,  1825  Juni  3. 

Schumacher  bittet,  ihm  baldmöglichst  die  Theile  des  Eremiten 
unfrankirt  mit  der  Post  zuzuschicken,   da  sie  ihm  abgefordert  werden. 

Das  Postament  auf  dem  Litberge  ist  den  Beobb.  nach  45,6  Toisen^) 
über  der  Cuvette  meines  Barometers, 

Gambart  in  Marseille  hat  am  19.  Mai  einen  Kometen*)  bei  |  in 
der  Cassioijeja  entdeckt,  den  Schumacher  am  31.  Mai  bei  f  Cassiopejae 
wiedergefunden  hat.    —    Ich  habe  diesen  Kometen  noch  nicht  gesehen. 

Viel  Glück  zur  Reise. 


^)  45,9  m   nach   dem   Brief   Schümacher's   v.  Mai  31    an   Olbeks.     Vergl.  Brief 
Ko.  576.     Gauss  bemerkt  dazu:    ;,42.5  Toisen  nach  der  trigon.  Messung."    Krm. 
■')  Komet  1825  I.     Seh. 


406  Gauss  an  Olbers.    Osterholz,  1825  Juni  5. 

No.  575.  Gauss  an  Olbers.')  [271 

Osterholz.  1825  Juni  5. 

Morgen  denke  ich  nach  Bremerlehe  abzureisen;  ich  bitte  daher, 
wenigstens  für  die  beiden  nächsten  Posttage  vom  8.  und  11.  Ihre  Briefe 
dahin  „bei  Madame  Muhl"  gütigst  zu  adressiren. 

Da  ich  die  Briefe  hier  im  Wirthshause  zurücklassen  muss,  so 
nehme  ich  mir,  weil  ich  durch  Ihre  demnächstige  Antwort  die  hiesige 
richtige  Auflieferung  am  frühesten  erfahren  werde,  die  Freiheit,  einen 
Brief  an  den  Hptm.  Müllee  hier  beizuschliessen  mit  der  Bitte,  solchen 
dort  mit  den  anderen,  die  Sie  inzwischen  etwa  für  ihn  erhalten  haben 
werden,  auf  die  Post  liefern  zu  lassen. 

In  Garlste  sind  mir  Wetter  und  andere  Umstände  sehr  ungünstig 
gewesen.  Der  Himmel  gebe  bald  anhaltend  gutes  Wetter.  Mit  meinem 
Befinden  geht  es  sonst  jetzt  ziemlich  gut. 

Es  ist  schon  sehr  spät;  ich  muss  daher  schliessen. 

ScHUMACHEK  Werde  ich  seine  Briefe  von  Lebe  aus  sogleich  zu- 
senden. Die  Barometermessung  mit  Litberg  verglichen,  giebt  also 
Bremen  noch  3  Toisen  tiefer^)  als  die  trigon.  Verbindung. 


No.  576.  011)ers  an  Gauss.  [sos 

Bremen,  1825  Juni  8. 

Hier  ein  gestern  für  Sie  angekommener  Brief. 

Seit  2  Tagen  hat  sich  hier  die  trübe  und  kalte  Witterung  ge- 
ändert, und  wir  haben  am  Nachmittag  und  Abend  heiteren  Sonnen- 
schein gehabt.  Hoifentlich  werden  Sie  auch  bei  Ihren  Operationen  da- 
durch begünstigt  worden  sein.  Allein  des  Nachts  war  der  Himmel  so 
anhaltend  bedeckt,  dass  ich  den  Kometen  erst  einmal,  vorgestern,  habe 
sehen  können.  Er  ist  klein,  aber  sehr  hell;  ich  glaube,  wenn  die 
nächtliche  Dämmerung  nicht  hinderlich  wäre,  würde  man  ihn  mit  blossen 
Augen  erkennen  können.  Er  hatte  etwa  85"  ^i?  und  81<^  nördl.  Dekl.  — 
Wahrscheinlich  ist  er  Ende  Mai  oder  Anfangs  Juni  durch  seine  Sonnen- 
nähe gegangen,  ist  seiner  wahren  Bewegung  nach  rückliiutig  und  wird 
sich  nun  nach  seiner  Konjunktion  mit  der  Sonne  auch  schnell  wieder 
von  der  Erde  entfernen. 


^)  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krm. 
■-)  3  m  höher  nach  Brief  No.  577.     Krm. 


(}aiiss  an  Olbers.     Bremerlehe.  1^2")  Juni  1'2.  407 

Ich  verimilhe,  dass  ich  Ihnen  neulich  nach  S(  humacuer  die  durch 
die  Barometer-Heobb.  bestimmte  Höhe  der  Obeiüäclie  des  Postaments 
auf  dem  Litberg^e  über  der  Cuvette  meines  Barometers  zu  45,6  Toisen 
ang:egeben.  Ks  sollen  Meter  sein.  Mein  Versehen  rührte  daher,  weil 
Schumacher  sonst  immer  die  Barometer- Messungen  in  Toisen  redu- 
ciren  lässt. 


No.  Ö77.  Gauss  an  Olbers.')  [272 

Bremerlehe,  1825  Juni   12. 

Bei  meinem  Abgange  von  Osterholz  konnte  ich  Ihnen  nur  kurz 
die  nachtheiligen  Umstände  andeuten,  die  die  Messungen  auf  der 
(4arlster  Haide  sehr  erschwerten.  Ein  Hinderniss,  welches  zwar  in 
diesen  ganz  üachen  Gegenden  immer  im  AA'ege  steht,  Avar  dort  ganz 
besonders  beschwerlich.  Die  Lichter  von  Varel  und  Lehe  kamen  näm- 
lich vor  5  Uhr  gewöhnlich  gar  nicht  über  die  vorliegenden  Holzsäume 
und  waren  dann  auch  noch  so  wallend,  dass  in  der  Eegel  vor  6  oder 
t»i  Ihr  gar  nichts  Gescheites  gemacht  werden  konnte.  Da  nun  daneben 
so  viele  Regentage  waren,  so  habe  ich  nur  mit  grosser  ]\Iühe  das 
Nöthige  herausgefischt.  Den  Vortheil  hatte  ich  aber  in  Osterholz,  mich 
ununterbrochen  wohl  zu  befinden. 

Hier  ist  das  Wetter  die  letzten  Tage  günstiger  gewesen,  und  icli 
werde  morgen  hier  schliessen.  Die  Messungen  stimmen  hier  unter  ein- 
ander sehr  schön,  und  die  Lichter  fangen  hier  auch  schon  früher,  d.  i. 
um  5i  Uhr  an.  scharf  zu  werden.  Dagegen  befinde  ich  mich  leider 
hier  fast  ununterbrochen  übel,  mitunter  sehr  übel,  was  ausser  der  Hitze 
ohne  Zweifel  seinen  Grund  in  dem  in  vieler  Rücksicht  sehr  schlechten 
Aufenthalt  hat.  Dies  kommt  mir  um  so  ungelegener,  da  die  in  der 
That  überaus  schöne  Aussicht  von  meinem  Thurm  bei  körperlichem 
Leiden  fast  gar  nicht  genossen  werden  kann. 

L'ebermorgen  den  14.  gehe  ich  von  hier  nach  Varel;  ich  bitte 
daher  keine  Briefe  mehr  hierher  zu  scliicken,  zumal  da  von  hier  mit 
Varel  keine  Postverbindung  ist  und  also  die  Briefe  nach  Bremen  zu- 
rück gehen  müssen.  Was  Sie  dagegen  mit  den  Posten  vom  16.  und  18. 
an  mich  nach  Varel  schicken,  wird  mich  dort  gewiss  treffen;  am  23. 
hingegen  adressiren  Sie  lieber,  besonders  wenn  inzwischen  gutes  Wetter 
gewesen  ist,  und  wenn  ich  von  Varel  aus  nicht  das  Gegentheil  bitte, 
nach  Langwarden. 

Nicht  3  Toisen  tiefer,  sondern  3  Meter  höher  käme  Bremen  nach 


M  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krin. 


^Qg  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1825  Juni  15. 

der  Baronietermessung  von  Litberg,  die  aber  natürlich  nichts  ent- 
scheiden kann. 

Die  reciproken  Z.-D.  geben  den  Beobachtungsplatz  im  Bremerleher 
Thurm  zu  27,704  m  unter  dem  Garlster  Postament,  und  der  Kirchhof 
ist  noch  20,814  m  niedriger;  letzterer  ist  von  der  üeberschwemmung 
im  Febr.  noch  nicht  erreicht  gewesen,  liegt  also  noch  bedeutend  über 
der  grössten  Fluthliöhe.  Bei  der  grossen  Veränderlichkeit  der  ter- 
restrischen Refraktion,  die  auf  meh^-ere  Minuten  geht,  ist  freilich  eine 
trigonometrische  Verbindung  noch  bedeutender  Ungewissheit  unter- 
worfen, die  durch  die  Vereinigung  aller  Verbindungen  erst  bedeutend 
extournirt  werden  kann. 

Mein  Sohn,  der  von  hier  nach  Langwarden  hinübergeschifft  ist. 
hat  mir  aufgetragen,  ihn  Ihnen  bestens  zu  empfehlen. 

Zu  dem  Kometen  wünsche  ich  viel  Glück;  sollte  sonst  in  der  lite- 
rarischen oder  politischen  Welt  etwas  Erhebliches  vorfallen,  so  erfi-euen 
Sie  mich  sehr  durch  einige  Mittheilung;  seitdem  ich  von  Bremen  weg 
bin,  habe  ich  kaum  ein  Zeitungsblatt  gesehen. 

P.  S.  Der  Bauers  Berg  liegt  bei  Blankenese,  ich  kenne  aber  den 
eigentlichen  Zweck  der  dortigen  Messungen  nicht.  Vermuthlich  soll  er 
für  die  Detailmessung  dienen,  da  freilich  das  Winkelmessen  daselbst 
viel  bequemer  ist  als  auf  dem  Michaelisthurm  in  Hamburg. 

Der  Domshof  in  Bremen  läge  demnach  7.851  m  höher  =  24  par. 
Fuss  als  der  Kirchhof  in  Bremerlehe. 


No.  578.  Olbers  an  Gauss.  [soe 

Bremen.  1825  Juni  15. 

Ich  hoffe,  das  anhaltend  schöne  Wetter  wird  Ihre  Arbeiten  in 
Bremerlehe  sehr  gefördert  haben,  wenn  nicht  auch  dort  der  fatale 
Moordampf,  der  sich  hier  gewöhnlich  jeden  Nachmittag  bei  dem  nörd- 
lichen und  nordöstlichen  Winde  über  die  Stadt  verbreitete,  hinderlich 
gewesen  ist.  Bloss  der  Sonntag  (12.  Juni)  war  ganz  frei  davon.  — 
Mögen  Sie  nur  nicht  zu  sehr  durch  die  grosse  Hitze  gelitten  haben. 

Der  Komet ^)  giebt  mir  manche  angenehme  Unterhaltung,  ob  ich 
ihn  gleich  nicht  anhaltend  eigentlich  beobachte,  da  ich  weiss,  dass  er 
von  anderen  hinreichend  und  besser,  als  ich  es  vermag,  beobachtet 
wird,  und  mir  die  Beobb.,  die  ich  erst  spät  in  der  Nacht  anfangen 
konnte,   sehr   beschwerlich    wurden.     Jetzt    kann    ich    ihn    nachererade 


*)  Die  Beobl».  finden  sich  in  Olbers  Bd.  I,  No.  97—99.     Krm. 


01ber<  ;iM  (!;iu>s.      liniinri.    l'^J.")  .luni   l.J.  4011 

iiüher  iiiiü  scIkhi  vor  .Milteniaclit  mit  nieineni  DoUond  erreichen.  Am 
12.  stand  er  bi'im  Ohre  des  (frosscn  Bären,  nnd  es  war  angenehm,  ihn 
in  seiner  Gestalt  und  seinem  Licht  mit  den  beiden  nicht  weit  von  ihm 
lietindliclien.  bekannten  Nebeltiecken  zu  vergleichen.  Er  übertraf  beide 
weit  an  Grösse.  Helligkeit  und  l^ichtstärke,  ist  gegen  seine  Mitte  viel 
heller,  aber  ohne  bestimmten  Kern.  Von  einem  Schweife  kann  ich, 
vielleicht  wegen  der  Dämmerung,  keine  gewisse  Spur  entdecken. 

Gamb.\rt  glaubt,  dass  er  vielleicht  mit  dem  3.  Kometen  von 
1790\)  identisch  sein  könne.  Mir  ist  dies  nicht  wahrscheinlich.  Der 
3.  Komet  von  1790  wurde  so  lange  und  so  gut  beobachtet,  dass  seine 
berechneten  Elemente  sehr  genau  sein  müssen,  und  diesen  sind  die 
vorläufig  berechneten  Elemente  für  den  jetzigen  Kometen  zwar  ähn- 
lich, aber  alle  weichen  doch  unter  sich  zu  stark  von  einander  ab,  als 
dass  dies  durch  eine  schärfere  Bestimmung  der  Bahn  des  gegenwärtigen 
Kometen  ausgeglichen  oder  durch  Perturbationen  erklärt  w^erden  könnte. 
Zudem  scheint  auch  der  beschweifte  Komet  von  1790  an  sich  dem 
jetzigen  nicht  ähnlich. 

Briefe  sind  weder  für  Sie,  noch  für  den  Hrn.  Hauptmann  Müllek 
bei  mir  eingegangen;  ich  lasse  indessen  diesen  Brief  bis  zum  Abgang 
der  Post  otten,  wenn  noch  etw'as  ankommen  sollte.  Nnr  die  Einlage 
für  Hrn.  Teipel  hat  mir  Harding  geschickt,  der  den  Kometen  auf 
Schümachee's  Anzeige  zuerst  am  7.  Juni  gesehen  hat. 

Die  französische  Regirung  scheint  doch  bei  den  vielen  der  Krö- 
nung wegen  ausgespendeten  Gnaden  und  Beförderungen  die  Mathema- 
tiker niclit  ganz  übersehen  zu  haben.  Poisson  ist  Baron  und  Arago 
Oflicier  der  Ehrenlegion  geworden. 

Menz  in  Oldenburg  hat,  wie  ich  nun  gewiss  weiss,  den  Titel:  Ge- 
heimer Kammerrath. 

Juni  16. 

Eben  wie  ich  gestern  diesen  Brief  zumachen  wollte,  erhalte  ich 
Ihre  lieben  Zeilen  vom  12.  Juni.  Mit  innigem  Bedauern  höre  ich,  dass 
Sie  sich  so  unwohl  befunden  haben.  Möchten  Sie  es  in  Varel  sowohl 
in  Ansehung  der  Witterung  als  der  Verpflegung  angemessener  für 
Ihre  Gesundheit  finden!  —  Weder  aus  der  literarischen,  noch  aus  der 
politischen  \\^\t  weiss  ich  etwas  Erhebliches  mitzutheilen. 


')  Die  Identität  mit  Komet  1790  III  ist  nicht  erwiesen  worden.     Krm. 


410  Gauss  an  Olbers.     Varel,  1825  Juni  17. 

No.  579.  Gauss  an  Olbers.  [273 

Varel,  1825  Juni  17. 

Mit  ein  paar  Zeilen  niuss  ich  Ihnen  schon  heute  meine  Ankunft 
in  Varel  anzeigen  und  für  Ihren  gütigen  Brief  vom  15.  und  16.  danken. 
Der  Uebergang  über  die  Weser  bei  Bremeilehe  ist,  wenn  man  ^^'agen 
bei  sich  hat,  äusserst  beschwerlich,  da  es  ganz  an  Anstalten  zum  Ein- 
und  Ausladen  fehlt.  Erst  7  Stunden  nach  meiner  Abfahrt  von  Bremer- 
lehe  konnte  ich  von  Blexen  weiter  fahren.  Der  Aufenthalt  in  Bremer- 
lehe  und  auch  die  hier  Anfangs  noch  fortdauernde  Hitze  haben  mich 
sehr  heruntergebracht;  indessen  ist  heute  plötzlich  kühleres  Wetter 
eingetreten,  wobei  ich  hoffe,  mich  nach  und  nach  erholen  zu  können, 
zumal  da  ich  hier  einen  sehr  guten  Gasthof  gefunden  habe. 

Zu  meiner  grossen  Betrübniss  scheint  sich  das  Phänomen  der  Dis- 
harmonie in  den  Messungen  öfter  wiederholen  zu  wollen;  hier  in  Varel 
soll  das  Dreieck  Garlste,  Lehe,  Varel  schliessen.  Die  Summe  der 
3  Winkel  soll  180*' 0' 2",976  sein,  und  ich  hatte  die  beiden  ersten  ge- 
messen 

Garlste 55»8'33",295 

Lehe 72  2  17,413 

Am  16.  fand  ich  nun  den  in  Varel  aus  35  Messungen  52°49'7",664. 
nämlich : 

5   .    .    .    .     52H9'9",300 

10 7,450 

10 6,450 

10 8,275 

also  die  Summe  4",604  zu  klein,  fast  genau  .>^o  wie  bei  dem  Dreieck 
Zeven — Bremen — Brillit.  Inzwischen  war  wirklich  am  Instrument  am 
16.  etwas  versehen  (eine  Feder  nicht  angespannt),  so  dass  die  sämmt- 
lichen  Messungen  vom  16.  verworfen  werden  müssen.  Am  17.  habe 
ich  zuerst  die  Zenithdistanzen  von  mehreren  Heliotroplichtern  gemessen 
und  nachher  nur  noch  wenige  Zeit  für  den  Theodolithen  übrig  gehabt: 
19  Messungen  des  obigen  Winkels,  unter  denen  15,  wobei  das  Fern- 
rohr rückwärts  geführt  wurde  (durch  307°),  gaben 

52°49'9",118 

bleibt  also  noch  immer  ein  Fehler  von  3",  15,  den  schwerlich  die  fol- 
genden Messungen  erheblich  vermindern  werden.  Das  obige  "\'ersehen 
am  Instrument  ist  sonst  nirgends  vorgekommen;  in  Lehe  habe  ich 
auch  mehrere  Winkel  vorwärts  und  rückwärts  gemessen,  ohne  einen 
erheblichen  Unterschied  zu  linden.     Es  scheint  also  auch  hier  Lateral- 


Gauss  au  nll„is.     \'art'I,  iS'Jö  Juui  21.  411 

refraktion  stattzufinden,  da  allr  J  Kichtunofen  hart  über  Holz  <?ehen, 
SU  hart,  dass  die  Lichter  immer  erst  spät  Nachmittags  liinüberkümien. 
In  dem  folgenden  Dreiecke  Lehe— Varel— Langwarden  tritt  jener  Um- 
stand nur  bei  der  einen  Seite  ein,  die  es  mit  jenem  gemein  hat,  bei 
dem  dann  folgenden  Varel— Langwarden — Jever  aber  gar  nicht;  ist 
also  das  Instrument  unschuldig,  so  darf  bei  diesem  Dreiecke  kein  so 
grosser  Fehler  vorkommen. 

Die  bisherigen  Höhenmessungen  stimmen  gut  genug;  ich  finde 

Varel  unter  Garlste   ....     13,736  m 
Lehe  unter  Garlste   ....    27,704 
Lehe  unter  Varel 12,441 

Um  also  diese  Messungen  übereinstimmend  zu  machen,  ist  die  erste 
und  letzte  Zahl  um  0,509  m  zu  vermehren,  die  mittlere  zu  vermindern. 
Ich  habe  gesucht,  die  reciprokeu  Messungen  immer  unter  ähnlichen  Ke- 
fraktionsumständen  anzustellen,  so  gut  ich  es  beurtheilen  konnte;  ohne 
diese  Vorsicht  könnten  die  Unterschiede  leicht  sechs  Mal  grösser  sein. 

Für  seine  geringe  Höhe  hat  der  Vareler  Thurm  [noch]  ^)  eine  weite 
Aussicht,  wo  es  über  holzleere  Niederungen  weggeht;  [ich]^)  sah  gestern 
noch  die  Haube  des  Thurraes  von  Dorum  (2  Meilen  nördlich  von  Bremer- 
lehe),  der  43  000  m  entfernt  ist.  Garlste  ist  41 358  m,  man  [sieht]  i)  aber 
nichts  von  der  Haide,  sondern  nur  eben  das  Heliotroplicht  über  einem 
[nahen]  ^)  Walde. 

Briefe  an  den  Hauptmann  Müller  lassen  Sie  gütigst  nach  Jever 
laufen,  wo  er  sich  jetzt  befindet. 


No.  580.  Gauss  an  Olbers.^)  [274 

Varel,  1825  Juni  21. 

Das  Wetter  ist  seit  meinem  letzten  Briefe  an  Sie  den  Messungen  nicht 
günstig  gewesen;  fast  gar  kein  Sonnenschein,  und  nur  mit  Mühe  habe 
ich  gestern  die  noch  fehlende  Zenithdistanz  von  Jever  erhalten,  aber 
gar  nichts  für  die  Horizontal-Messungen.  Mein  hiesiger  Aufenthalt  wird 
sich  also  noch  verlängern. 

In  einigen  Richtungen  war  sonst  die  Luft  gestern  sehr  durchsichtig, 
und  ich  überzeugte  mich,  dass  Oldenburg  hier  nicht  sichtbar  ist.  Wenn  die 
Spitze  des  Thurms  auch  nur  ein  paar  Fuss  über  den  zwischenliegenden, 
wie  es  scheint,   hochstämmigen,  dichten  und  tiefen  Wald  hervorgeragt 


*)  Diese  Worte  sind  im  Original  abgerissen.     Krm. 

-)  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krm. 


422  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1825  Juni  23. 

hätte,  Avürde  ich  sie  gesehen  haben.  Es  ist  zwar  nicht  unwahrscheinlich, 
dass  ein  Durchhau  durch  diesen  Wald,  der  aber  ohne  Zweifel  grosse 
Kosten  machen  würde,  Oldenburg  sichtbar  machen  könnte,  allein  ich 
trage  um  so  mehr  Bedenken,  dies  zu  unternehmen,  da  es  sehr  zweifel- 
haft ist,  ob  ein  ähnlicher  Durchhau  Oldenburg  auf  der  Garlster  Haide 
sichtbar  machen  würde,  indem  der  Fuss  des  im  Amt  Blumenthal  liegen- 
den Holzes  vielleicht  nicht  genug  deprimirt  erscheinen  könnte,  um  gegen- 
seitig über  das  Terrain  wegsehen  zu  können.  Ich  muss  also  diese  Ver- 
bindung aufgeben.  Der  Rasteder  Thurm  eignet  sich  nicht  zur  Auf- 
stellung meiner  Instrumente. 

Mit  meiner  Gesundheit  geht  es  zwar  bei  dem  kalten  Wetter  und 
nach  einigen  in  Dangast  genommenen  Seebädern  etwas  besser  als  zu 
Anfang,  indessen  bin  ich  noch  gar  nicht  damit  zufrieden. 

In  Jever  ist  der  Aufstellungspunkt  ausserhalb  des  Thurms,  und  der 
Hauptmann  Mülleb  hatte  gehört,  dass  auch  Kbayenhoff  sich  ausser- 
halb aufgestellt  gehabt  hat.  Ist  vielleicht  in  Kratenhoff's  Werke 
etwas  darüber  gesagt?  Auf  den  Langwardener  Thurm,  der  massiv  aus- 
gemauert ist,  kommt  man  nach  dem  von  Müller  ausgeführten  Bau 
durch  eine  vom  Kirchendach  im  Freien  dahin  führende  Leiter. 

Der  Thurm  von  Strackhold  existirt  nicht  mehr.  Im  hiesigen 
Horizont  zeigt  sich  von  Westerstede  bis  Jever  gar  nichts  Entferntes, 
nichts  als  Wald.  Wollte  ich  also  meine  Dreiecke  noch  über  Jever 
hinaus  westlich  führen,  so  könnte  dies  nur  durch  Anschluss  an  die  Seite 
Jever — Wangeroog  geschehen,  und  Mi'ller  meint,  dass  der  in  Jever 
sichtbare  Thurm  von  Dornum  sich  dazu  qualificiren  würde.  Ich  habe 
aber  bei  dem  schwankenden  Zustand  meiner  Gesundheit  wenig  Neigung, 
die  Operationen  über  das  Unerlässliche  hinaus  auszudehnen. 

Vom  Geheimen  Kammerrath  und  Kammerdirektor  Menz,  an  welchen 
icli  schon  in  Bremerlehe  geschrieben,  habe  ich  bereits  eine  sehr  artige 
Antwort  und  Rekommandation  an  die  Oldenburgischen  Behörden  er- 
halten. 

Gestern  hatte  ich  hier  auch  das  Schauspiel  der  Kimmung.  Ein 
Schiflf  schien  ganz  vom  Meerhorizont  getrennt  in  der  Luft  zu  schweben. 


No.  581.  Olbors  an  Gauss.  [so? 

Bremen.  18'J5  .luni  23. 

]\rit  der  letzten  Post  schickte  ich  Ihnen  2  Briefe,  einen  von  Scnr- 
MACHER  und  einen  von  der  Königl.  Hann.  Postdirektion.  Ich  hatte  nicht 
Zeit,  selbst  dabei  zu  schreiben  und  änderte  bloss  die  Adresse.  Beide  haben 


(»Ibers  an  riauss.     Hrcnieii.   182'>  Jniii  23.  4I3 

Sie  ducli  lichti^  erhalten?  —  Hier  lege  ich  wieder  einen  Brief  von 
Schumacher  bei.  —  Fiii-  Hrn.  Hanptniann  Müller  ist  nichts  wieder 
bei  mir  ein^eg^angen. 

Sehr  bedanere  ich,  dass  Sie  noch  immer  mit  Ihrer  Gesundheit  nicht 
recht  zufrieden  sind,  hoffe  aber,  dass  noch  einige  Seebäder,  die  Ihnen 
gewiss  sehr  zuträglich  sind,  alles  herstellen  werden. 

Die  abermalige  kleine  Anomalie  —  Fehler  kann  man  es  doch  nicht 
nennen  —  in  dem  Dreiecke  Garlste — Lehe — Varel  setzt  doch  wohl  eine 
Lateralrefraktion  schon  ausser  Zweifel,  ob  ich  gleich  neugierig  bin, 
wie  es  bei  dem  Dreiecke  Varel — Langwarden — Jever  gehen  wird. 

Dass  Sie  aus  den  mir  angegebenen  Gründen  die  Verbindung  von 
Oldenburg  als  Haui)tpunkt  aufgeben,  kann  ich  Ihnen  nicht  verdenken. 
Aber  aus  Ihrer  jetzt  so  fleissigen  Korrespondenz  mit  Schumacher  hoffe 
ich  schliessen  zu  können,  dass  noch  immer  von  der  Verbindung  Ihrer 
Dreiecke  mit  Helgoland  die  Rede  ist,  die  ich  ungern  vermissen  würde. 

Krayenhoff  sagt  bloss,  dass  er  seine  Messungen  auf  dem  Schloss- 
thurm  in  Jever  angestellt  habe;  giebt  aber,  so  viel  ich  eben  beim 
Durchblättern  sehe,  nichts  weiter  über  seine  Aufstellung  an. 

Den  kleinen  Kometen  beobaclite  ich  jetzt  so  oft,  als  es  die  AVitte- 
rung  zulässt.  Er  hat  schon  merklich  an  Licht  und.  Grösse  abgenommen, 
ist  aber  doch  noch  immer  sehr  gut  unerachtet  der  hellen  Dämmerung 
zu  sehen. 

Bald  werden  wir  uns  nun  rüsten,  den  ENCKE'schen  Kometen  auf- 
zusuchen. Im  Juli  wird  es  mir  hier  schw^erlich  gelingen,  den  noch  so 
blassen  und  kleinen  Kometen  wegen  der  nächtlichen  Dämmerung  vom 
Himmels-Grunde  unterscheiden  zu  können.  Sonderbar  und  unglücklich 
trifft  es  sich,  dass  gerade  der  kleine  Streifen  am  Himmel  in  dem  Encke's 
Komet  in  den  ersten  mondlosen  Nächten  (12. — 18.  Juli)  aufzusuchen  ist, 
in  Harding's  sonst  so  vollständigem  Himmels-Atlas  gänzlich  fehlt. 
No.  XI  der  Karten  geht  nicht  so  weit  hinauf,  und  No.  XX III  gerade  an 
der  vorkommenden  Stelle  nicht  so  weit  herunter. 

Der  alte  Bude  jammert  über  Beiträge  zu  seinem  Jahrbuche ^)  1828. 
Den  jetzt  sichtbaren  Kometen  hat  er  nicht  finden  können.  —  Dass  Encke 
sein  Nachfolger  wird,  scheint  ihn  sehr  zu  freuen.  Er  rühmt  Oltmann's 
Freundschaft  und  Beihülfe,  der  jetzt  auch  in  der  mathematischen  Klasse 
der  Akademie  als  ordentliches  Mitglied  und  bei  der  Universität  als 
Professor  der  angewandten  Mathematik  angesetzt  ist. 

Bessel^)   klagt   darüber,   dass    aller  Vergleichungen   in   Hamburg 


^)   Daraufbin    hatte   Olbers    eingesandt:    „Einige    Bemerkungen    über    den    be- 
rühmten ÜALLEY'schen  Kometen."     Olbers  Bd.  I  No.  126,  S.  439 — 444.     Krm. 
^)  Brief  Xo.  316  vom  13.  Juni  1825  im  Briefwechsel  Olbebs-Bessel.     Krm. 


414  Gauss  an  Olbers.     Varel,  1825  Juni  26. 

uneraclitet  die  wahre  Länge  der  Peruanischen  Toise  ihm  etwas  zweifel- 
haft bleibe;  vermuthlich  weil  auch  in  Paris  die  Temperatur  der  ver- 
schiedenen verglichenen  Etalons  nicht  ganz  richtig  bestimmt  war. 


No.  582.  Gauss  an  Olbers. 'j  [^0 

Varel,  1825  Juni  26. 

Morgen  gehe  ich  nach  Langwarden  ab;  ich  bitte  Sie  also,  was  Sie 
nächsten  Donnerstag  30.  früh  an  mich  absenden,  dahin  zu  adressiren: 
was  dagegen  Sonnabend  2.  Juli  von  Bremen  dahin  geschickt  würde, 
könnte  mich  vielleicht  schon  dort  nicht  mehr  treffen  und  würde  dann, 
da  zwischen  Langwarden  und  Varel  keine  Postverbindung  existirt,  lange 
herumirren.  Ich  bitte  Sie  daher,  am  2.  Juli  nichts  nach  Langwarden 
zu  schicken,  falls  ich  Sie  nicht  um  das  Gegentlieil  von  Langwarden  aus 
bitten  werde. 

Leider  ist  der  Winkel  zwischen  Bremerlehe  und  Garlste  eher  noch 
kleiner  geworden  52*49' 7,"069,  so  dass  bei  dem  Dreieck  eine  Anomalie 
von  mehr  als  5"  ist;  und  doch  habe  ich  nie  beobachtet,  als  wenn  die 
Lichter  ruhig  und  scharf  waren.  Die  Messungen  an  verschiedenen 
Tagen  gaben  hier  aber  grössere  Anomalien,  als  ich  sonst  irgendwo 
gehabt  habe;  mit  Ausnahme  des  Winkels  zwischen  Jever  und  Lang- 
warden, der  innerhalb  enger  Grenzen  blieb.  Ich  kann  daher  kaum  an 
der  Lateral-Refraktion  zweifeln.  Die  Lichter  von  Garlste  und  Lehe 
kamen  so  knapp,  dass  in  dem  Zimmer  unter  der  Laterne,  etwa  12  Fuss 
niedriger,  sie  2  Stunden  hindurch  ganz  umlchthar  blieben,  als  sie  oben 
schon  durchdrangen. 

Das  ist  nun  sehr  betrübt.  In  Garlste  hätte  allerdings  ein  80  Fuss 
hohes  Gerüst  abhelfen  können,  aber  für  die  Richtung  Bremerlehe— Varel 
hätte  auch  dieses  Mittel  nichts  helfen  können,  da  beide  Plätze  schon  hoch 
über  der  Erde  liegen,  und  ein  grosses  Haus  dazwischen  das  Hinderniss 
ausmacht. 

Die  mir  früher  von  Ihnen  gütigst  zugesandten  Briefe  von  Schu- 
macher und  der  General-Post-Direktion  habe  ich  richtig  erhalten, 
ebenso  wie  Ihren  späteren  Brief,  aber  der  letzte  Posttag  brachte  mir 
nichts  mit. 


^)  Der  Brief  i.-^t  in  cleutsclior  Sclirift  ü'oscliriobon.     Krni. 


Gauss  au  Olberä.     Laugwarden,  1825  Juui  29.  415 

No.  583.  Gauss  an  Olbers.')  [276 

Langwarden,*  1825  Juni  29.'') 

Ich  benutze  eine  Geleprenheit  durch  einen  Boten  nach  Bremerlehe, 
um  Ihnen  meine  hiesige  Ankunft  anzuzeigen.  Der  erste  Tag,  der  27.,  liatte 
noch  ein  paar  gute  Stunden,  die  aber  nur  dazu  benutzt  werden  konnten, 
die  Lichter  von  Bremerlehe,  Jever  und  Varel  herzufordern;  die  beiden 
ersteren  waren  nämlich  nocli  nicht  avisirt,  und  Hr.  Klüvee,  den  ich 
am  20.  durch  telegraphisches  Zeichen  von  Garlste  nach  Varel  gerufen 
hatte,  schien,  ehe  ich  ihm  von  Langwarden  Licht  schickte,  die  Richtung 
nicht  finden  zu  können.  Schumacher  hatte  versprochen,  Neu  werk  zu 
besetzen;  allein  trotz  mehrstündiger  Forderung  ist  noch  kein  Licht 
hergekommen.  Gestern  und  heute  folgt  beständig  ein  Gewitter  dem  an- 
dern. Gemessen  ist  also  hier  noch  gar  nichts,  einige  einfache  Winkel 
abgerechnet,  die  genommen  wurden,  um  mich  erst  zu  orientiren.  Unter 
diesen  Umständen  ist  es  also  gewiss,  dass  Briefe  von  Bremen,  am  Sonn- 
abend Abend  abgeschickt,  mich  hier  noch  trelten.  Geht  es  so  mit  dem 
Wetter  fort,  so  treffen  mich  auch  die  am  7.  Juli  Morgens  von  Bremen 
abgesandten  Briefe  noch  hier,  doch  bitte  ich,  am  7.  keine  Briefe  hierher 
zu  schicken,  wenn  ich  Sie  nicht  bis  dahin  noch  besonders  benachrichtige, 
oder  wenn  nicht  das  Wetter  bis  dahin  sehr  schlecht  ist. 

Die  Winkel  des  Dreiecks  Garlste — Lehe — Varel  stehen  so: 
Gt  =  550   8'33",295 
L  =  12     2  17,413 
F  =  52  49     7,348 


179  59  58,056 
sollte  sein  180     0    2,976 
Fehler  4",920 

Ich  zweifle  jetzt  nicht  mehr,  dass  Lateralrefraktion  die  Schuld 
trägt  und  zwar  am  meisten  in  den  beiden  Richtungen  Varel — Garlste, 
Lehe— Garlste.  Ich  muss  es  aber  dahingestellt  sein  lassen,  ob  es  des 
grossen  Zeit-  und  Kostenaufwandes  werth  sein  würde,  am  Garlster  Platz 
einen  50—60  Fuss  hohen  Thurm  zu  bauen  und  die  Messungen  der 
Winkel  zu  wiederholen.  Schwerlich  wenigstens  würde  ich  Lust  haben, 
diese  Arbeit  auf  mich  zu  nehmen. 


^)  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krm. 

^)  Jahreszahl  undeutlich  geschrieben,  ist  nach   Briefwechsel  Gauss-Schumacher 


abgereist.     Seh. 


416  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1825  Juni  30. 

Wangeroog-Kirchthurm  und  Neuwerk  wie  auch  der  Meereshorizont 
waren  vorgestern  sehr  schön;  zwischen  Wangeroog  und  Jever  steht 
aber  eine  Windmühle,  deren  Flügel  sehr  inkommodiren  werden;  auch 
meint  Müller,  die  Laterne  des  Wangerooger  Kirchthurmes  sei  zu 
wacklig  zur  Aufstellung  der  Instrumente,  und  es  würde  ein  Seitenbau 
am  Thurm  angebracht  werden  müssen,  der  um  so  schwieriger  und  kost- 
spieliger sein  würde,  da  alle  Baumaterialien,  vielleicht  auch  die  Arbeiter, 
vom  Kontinent  hergeholt  werden  müssten. 

P.  S.  Ich  mache  den  Brief  noch  einmal  wieder  auf,  um  Ihnen  zu 
melden,  dass  man  mir  so  eben  anzeigt,  dass  Licht  von  Xeuwerk  hier 
angekommen  ist;  die  Zeit  ist  zu  kurz,  um  noch  einen  Brief  an  Scnr- 
MACHER  abzuschicken;  sollten  Sie  ihm  also  vielleicht  schreiben,  so  zeigen 
Sie  ihm  dies  gütigst  vorläufig  an.  Mit  dem  Messen  wird  es  aber  wohl 
heute  wenig  geben,  da  schon  wieder  ein  Donnerwetter  anzieht.  Meine 
Gesundheit  leidet  wie  gewöhnlich  sehr  bei  diesem  Zustande  der  Atmo- 
sphäre. 


No.  584.  Olbers  an  Gauss.  [sos 

Bremen,  1825  Juni  30. 

Zur  Beendigung  Ihrer  Station  Varel  wünsche  ich  Ihnen  Glück. 
Die  Anomalie  von  5"  ist  allerdings  höchst  merkwürdig  und  beweist 
immer  mehr  eine  unter  nahem  Vorbeigehen  an  Waldung  und  anderen 
Gegenständen  stattfindende  Lateral-Eefraktion  der  Lichtstrahlen.  Ich 
möchte  wissen,  ob  diese  sich  nicht  vielleicht,  wenn  dasselbe  Dreieck  in 
strenger  Winterkälte  gemessen  werden  könnte,  in  entgegengesetzter 
Richtung  zeigen  würde? 

Einliegend  einen  vorgestern  erhaltenen  Brief,  ich  werde  also. 
Ihrer  Instruktion  gemäss,  Ihnen  nicht  eher  wieder  etwas  zuschicken, 
als  bis  ich  Ihren  Befehl,  wohin,  erhalten  habe. 

Den  kleinen  Kometen  habe  ich  am  27.  Juni  zuletzt  beobachtet 
und  damit  geschlossen.  Bei  seiner  immer  zunehmenden  Entfernung  von 
[der]  Erde  und  Sonne  ist  er  jetzt  so  blass  und  klein,  dass  man  ihn  bei 
der  hellen  Dämmerung  und  dem  \'ollmonde  hier  nicht  mehr  beobachten 
kann.  Am  24.  hatte  ich  das  Vergnügen,  ihn  einen  Stern  7. — S.  Grösse, 
so  viel  ich  urtheilen  konnte,  central  bedecken^)  zu  sehen.  Das  Licht 
des  Sterns  wurde  dadurch  weder  vermehrt,  noch  vermindert,  aber  der 
Komet  verschwand  beinahe  gänzlich,  und  man  musste  es  wissen,   dass 


^)  Vergl.  auch  hierzu  so  wie  zur  Identität   mit   Komet  17i>0  III  Olbers   Bd.  I 
Ko.  99,  S.  400,  401.    Krm. 


Gauss  au  Olbers.     Langwardeu,  lS2ö  Juli  4.  417 

er  vor  dem  Steni  stand,   um  doch  etwas  Xeblielites  uiii  den  8tern  be- 
merken zu  können. 

Nicolai  liat  mir  seine  sclion  einmal  korrigirten  Kleniente  der  Bahn 
dieses  Kometen  gescliiekt.  Die  Analogie  dieser  Kiemeute  mit  denen  des 
8.  Kometen  von  1790  ist  in  der  That  merkwürdig-.  Ich  setze  hier  beide 
neben  einander: 

Zeit  der  O  Nähe    .    .    .     1825  Mai  30.569:i  1790  Mai  21.  5'' 56"' 15» 

Mannheim  Paris,  jMechain 

Länge  des  Perihels  .    .    273° 55' 21"  273°  43' 27" 

ft 20     5  53  33  11     2 

Neigung 56  41  17  63  52  27 

log.  d.  kl.  Abst.    .    .    .      9,94896  niot.  retr.  9,90198  mot.  retr. 

Unerachtet  dieser  Aehnlichkeit  halte  ich  doch  beide  Kometen  nicht 
für  identisch.  Ob  indessen  die  Bahn  unseres  diesjährigen  Kometen 
merklich  elliptisch  sei,  lasse  ich  dahin  gestellt  sein.  Nicolai's  Elemente 
geben  für  meine  beiden  letzten  Beobb.  vom  26.  und  27.  Juni  die  uß 
etwa  2'  zu  klein,  die  Dekl.  7' — 8'  zu  gross.  ^) 

Mit  innigem  Bedauern  habe  ich  den  am  22.  Juni  erfolgten  Tod 
meines  alten  Freundes,  des  guten  hochverdienten  Burckhardt  in  Paris 
erfahren.     Er  ist  nur  50  Jahre  alt  geworden. 

Prof.  Brandes  in  Breslau  hat  mir  das  1.  Heft  seiner  in  zwanglosen 
Heften  erscheinenden  Unterhaltungen  über  Gegenstände  der  Astronomie 
und  Physik  geschickt.    Dieses  erste  Heft  handelt  von  den  Sternschnuppen. 


No.  585.  Gauss  an  Olbers.')  [277 

Langwarden,  1825  Juli  4. 

Eecht  herzlich  danke  ich  Ihnen  für  Ihren  gütigen  Brief.  Schmerz- 
lich hat  mich  der  Tod  des  würdigen  Burckhardt  afficirt,  er  war  genau 
ein  Jahr  älter  als  ich.  Die  erste  Hälfte  des  Jahres  hat  uns  drei  gründ- 
liche Mathematiker  geraubt,  und  Deutschland  hat  nicht  viele  mehr  zu 
verlieren! 

Mit  den  Messungen  geht  es  bisher  schlecht,  das  Wetter  ist  äusserst 
ungünstig,  auch  nicht  einen  guten  Tag  habe  ich  bisher  gehabt.  Vor- 
gestern war  zwar  Sonnenschein,  aber  ein  orkanähnlicher  Sturm,  wobei 
gar   nichts   gemacht   werden   konnte.     Bloss    die   Zen.-Dist.  von  Jever 


^}  Es  beruht  dies  uach  Brief  No.  586  auf  einem  Rechenfehler.     Krm. 
-)  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krm. 

Olbers.    II,  2.  27 


418  Gauss  an  Olbers.     Langwarden,  1825  Juli  4. 

und  Varel  habe  ich  absolvirt  und  eine  kleine  Triangulirung-  in  der 
hiesigen  Umg-egend.  Das  vorläufige  Resultat  davon  ist.  dass  unter  der 
Göttinger  Sternwarte  liegen 

Langwarden,  Laterne  des  Thurmes  .    .    .    134,833  m 

Kirchhof 154,503 

Weideplatz  östlich  vom  Dorf 157.827 

Platz  auf  dem  Deich,  im  Norden  ....     153,208 
Aussendeich,   Stelle,   die   am   2.  Juli   von 

der  Fluth  noch  erreicht  wurde  ....     157,588 

Binnendeich,  hart  daneben 158,411 

Meeresfiäche,  aus  einer  zur  Zeit  der  Ebbe 

auf    dem   Thurm    gemessenen   Zenith- 

distanz 1631  m  =  (503,3  Fussj 

(Mein  Garten     —  452,7  Fuss) 

Meine  Horizontal- Winkelmessungen  bringen  mich  zur  ^'erzweiflung; 
der  Winkel  zwischen  Lehe — Varel  ist  zwar  noch  nicht  viel  gemessen, 
aber  was  gemessen  ist,  giebt  wieder  die  Summe  in  dem  Dreieck  zu  klein. 
Lateral-Refraktion  in  den  beiden  Seiten  von  hieraus  scheint  wenig  zu  be- 
fürchten [zu  sein];  auf  der  Seite  Lehe— Varel  kann  sie  allerdings  selir 
stark  gewesen  sein,  aber  hat  diese  jetzt  Schuld,  so  hat  sie  in  dem  Dreieck 
Varel — Lehe — Garlste  zur  Verminderung  des  Fehlers  beigetragen,  und 
ohne  sie  wäre  jener  Fehler  noch  grösser  gewesen,  d.  i.  man  muss  die 
Lateral-Refraktion  auf  den  Seiten  Varel — Garlste,  Lehe  — Garlste  noch 
grösser  voraussetzen.  Darin  liegt  zwar  nichts  Unwahrscheinliches,  aber 
immer  ist  es  sonderbar,  dass  ich  bisher  immer  die  Summe  zu  klein 
gefunden  habe.  Ich  kann  mich  daher  noch  nicht  ganz  beruhigen,  ob 
nicht  das  Instrument  mit  Schuld  hat;  seiner  (nicht  recht  zweckmässigen) 
Einrichtung  zu  Folge  giebt  es  theoretisch  betrachtet  allerdings  die 
Winkel  zu  klein;  allein  nie  merke  ich  einen  erheblichen  Unterschied, 
wenn  ich  die  Winkel  rückwärts,  d.  i.  die  Komplemente  zu  860°  messe, 
und  ich  bin  gar  nicht  im  Stande,  eine  Fehlerquelle  auszudenken,  dir 
die  Winkel  unter  180°  zu  klein  und  die  über  180"  zu  gross  gebei: 
sollte.  Leider  bietet  mein  ganzes  A  System  wenig  sogenannte  Gi/rv^ 
horizontis  dar,  obgleich  jenes  Rückwärtsmessen  die  Stelle  davon  vertritt: 
auf  dem  Vareler  Thurm  hatte  ich  einen  durch  Rastede  und  Westerstede, 
und  der  giebt  auch  etwa  5"  oder  6"  weniger  als  360°;  obgleich  dies 
allerdings  wieder  sonderbar  ist,  so  beweist  es  doch  auch  noch  nichts 
da  diese  Nebenwinkel  nur  einige  Male  unter  ungünstigen  Umständeiii 
wozu  auch  eine  nicht  zu  vermeidende,  sehr  genirte  Körperlage  gehört 
gemessen  waren.  Ich  denke  hier  noch  einige  Winkel  mit  dem  Repetitions- 
kreise  zu  messen,  vielleicht  auch  noch  einige  andere  ^'ersuche  zu  machen 


P 


1 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  ls25  Juli  7.  419 

die  vii'lleieht  die  diinkli'  ^Saclie  etwas  aufklären.  P'alls  daher  nicht  von 
jetzt  an  seh?'  gutes  Wetter  eintritt,  so  wird  aucli  nocli  der  nächste  Post- 
tag (Abgang  von  l^remen  Donnerstag)  mich  hier  noch  treffen. 

Kücksichtlich  der  obigen  Angaben  bemerke  ich  noch,  dass,  obgleich 
der  Kirclihof  gewiss  niedriger  ist  als  der  Deich,  weder  jener  noch 
die  noch  etwas  niedriger  liegenden  Plätze  im  Dorfe  am  3./4.  Febr.  ül)ei- 
schwemmt  [gewesen]  sind,  da  doch  das  Wasser  über  den  Deich  ging. 
Ich  erkläre  mir  das  so.  1)  war  damals  gewiss  das  Meer  höchst  uneben, 
und  nicht  die  ganze  Meeresoberfläche,  sondern  nur  die  hohen  Wellen 
gingen  über  den  Deich,  2)  die  Dauer  des  Ueberströmens  über  den  Deich 
war  doch  nicht  so  lang,  dass  das  Wasser  binnen  Deichs  die  Höhe  des 
Deichs  selbst  erreichen  konnte.  Ein  Deichhruch,  wodurch  auf  einmal 
viel  grössere  Wassermengen  eindringen  konnten,  hat  aber  hier  gar  nicht 
stattgefunden. 

Die  Luft  ist  hier  in  den  letzten  Tagen  ungemein  wenig  durch- 
sichtig; kaum  konnte  man  gestern,  selbst  in  den  sonst  besseren  späten 
Nachmittagsstunden,  Bremerlehe  sehen;  ob  vielleicht  die  Salztheile,  wo- 
mit der  heftige  Nordwind  die  Luft  geschwängert  hat,  und  die  sich  selbst 
dem  Geruch  sehr  merklich  machen,  Theil  daran  haben? 


No.  586.  Olbers  au  Gauss.  [soo 

Bremen,  1825  Juli  7. 

Da  hier  bloss  gestern  die  Witterung  zum  Winkelmessen  günstig 
war,  so  darf  ich  nach  Ihrem  gütigen  Briefe  vom  4.  voraussetzen,  dass 
Sie  noch  in  Langwarden  sind.  Ich  lasse  deswegen  ohne  Bedenken  die 
beiden  Einlagen  dahin  abgehen. 

Dankbar  habe  ich  das  Verzeichniss  der  bestimmten  Höhen  er- 
halten. Nach  Ihrer  Bestimmung  des  Spiegels  der  Nordsee  bei  der  Ebbe 
brauche  ich  doch  nun  niclit  mehr  zu  fürchten,  dass  der  Nullpunkt 
unserer  Weser  bei  Bremen  noch  unter  das  Niveau  der  See  zu  liegen 
kommen  werde.  Der  Fall  der  Weser  bis  zur  Nordsee  wird  etwa  27  bis 
28  Pariser  Fuss  betragen. 

Mit  den  Anomalien  in  den  Dreiecken  oder  Horizontal-Winkeln  ist 
es  doch  höchst  sonderbar.  Sie  messen  doch  noch  immer  mit  demselben 
Instrument,  das  in  freieren  und  höheren  Gegenden  die  Sunnne  der 
"\^'inkel  so  genau  gab?  —  Mir  ist  eingefallen,  ob  es  nicht  zu  einiger 
Aufklärung  in  dieser  dunkeln  Sache  führen  könnte,  wenn  Sie  eine 
Ihnen  wegen  Lateral-Refraktion  verdächtige  Richtung  auch  mal  in  einer 
ganz  anderen  Tageszeit  messen  wollten. 

27* 


420  Gauss  an  Olbers.     LangTvarden,  1825  Juli  11. 

Was  ich  Ihnen  neulich  von  der  starken  Abweichung  meiner  letzten 
Beob,  des  diesjährigen  Kometen  von  Nicolai's  Elementen  schrieb,  be- 
ruhte auf  einem  Kechnungsfehler,  Die  Bahn  scheint  vielmehr  ungemein 
nahe  parabolisch  zu  sein. 

Da  die  Post  gleich  abgehen  wird,  so  muss  ich  schliessen. 


No.  587.  Gauss  an  Olbers,')  [273 

Langwarden,  1825  Juli  11. 

Herzlichen  Dank  für  Ihr  gütiges  Schreiben.  Die  hiesigen  Messungen 
haben  mir  unbeschreibliche  Qual  gemacht.  Diskordanzen  so  gross,  wie 
ich  sie  nie  und  nirgends  gehabt  habe,  Hessen  mich  wegen  ihrer  Quellen 
in  Ungewissheit  und  machten  mich  ganz  irre,  so  dass  ich  keiner  ein- 
zigen Messung  mehr  trauen  konnte.  Was  hatte  Schuld  ?  Lateral- 
Refraktionen,  das  Instrument.  Wind,  der  auf  die  Objektivhälfte  öfter 
überwiegend  wirkte,  Seiten-Refraktionen,  genirte  Köiperstellung  in  dem 
sehr  engen  Thurm,  Reaktion  des  Körpergewichts,  wenn  während  der 
Messung  immer  der  Platz  wechselweise  verändert  werden  muss  pp.? 
Längst  war  ich  überzeugt,  dass  das  Instrument  seiner  Natur  nacli 
strikte  alle  Messungen  zu  klein  zu  geben  eine  Tendenz  liat ;  allein  immer 
hatten  die  Versuche  gezeigt,  dass  der  Unterschied  zwischen  direkter 
und  Supplement-Messung  kaum  merklich  war,  höchstens  ein  paar  Zehntel- 
Sekunden,  und  höchstens  aus  einer  sehr  grossen  Anzahl  Messungen  aus- 
gemittelt  werden  konnte.  Hier  zeigten  sich  nun  Fälle,  wo  der  Gyrus 
horizont'is  über  6"  oder  7"  betrug  und  immer  zu  klein  [war].  Das  In- 
strument ist  dasselbe,  was  1822 — 1824  (nicht  ls21'i  gebraucht  ist, 
immer  von  mir  selbst  sorgfältig  gereinigt  und  zusammengesetzt.  Hatte 
es  sich  dieses  Jahr  so  verschlechtert?  Z)?trr%rei/e«(?e  Versuche  wurden 
durch  ungünstiges  Wetter.  Windsturm  und  dergl.  fast  unmöglich  ge- 
macht, da  dazu  natürlich  immer  viele  und  gute  Messungen  erfordert 
werden.  Bei  den  nicht  zahlreichen  Versuchen  wollte  aber  immer  weder 
ein  bedeutender  Einfluss  des  Zukleinmessens,  wenn  es  durch  Supplement- 
Messung  geprüft  wurde,  noch  von  dem  Körpergewicht  sich  ergeben:  ich 
nahm  das  Instrument  ganz  auseinander,  ohne  irgend  etwas  Fehlerhaftes, 
Loses  pp.  zu  finden,  Hess  abwechselnd  meinen  Sohn  pointiren  und  mehr 
dergl.;  die  Ungewissheit  wurde  nur  immer  grösser  und  dunkler.  End- 
lich habe  ich  aber  doch  einige  Hoffnung,  einem  I'mstande  auf  der  Spur 
zu  sein,  den  ich  zwar  längst  gekannt,  aber  seinen  Einfluss  nicht  für  so 


^)  Der  Brief  ist  in  deutscher  Schrift  geschrieben.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Langwarden,  182.j  Juli  II.  421 

gross  f^ehalten  habe,  wie  er  zu  sein  scheint.  Ich  fand  nämlich,  dass 
sämratliche  hiesige  Messungen,  insofern  sie  nicht  sonst  unter  verdächtigen 
Umständen  gemacht  waren,  z.  B.  starkem  Wind,  unruhiger  Luft,  die  hier 
oft  oder  gewühnlicii  sogar  in  den  anderwärts  fast  immer  besseren 
späten  Nachmittagsstunden  Statt  hat*),  sich  ganz  gut  unter  einander 
vertrugen,  wenn  ich  nur  die  Messungen  auf  das  Bremerleher  Heliotrop- 
licht (die  freilich  gerade  die  zahlreichsten  waren)  ausschloss;  allein  diese, 
obwohl  gewühnlicii  unter  sich  in  den  einzelnen  Reihen  harmonirend, 
passten  nicht  zu  dem  Cianzen  und  diiferirten  auch  zuweilen  unter  sich 
sehr  stark,  wenn  ich  allein  oder  mit  meinem  Sohne  zusammen  versuchs- 
weise gemessen  hatte.  Dies  führte  auf  die  Verniuthung,  dass  (wenn 
nicht  sonst  quid  pro  quo's  dort  vorgefallen)  das  Pointiren  auf  das 
Heliotroplicht  in  der  noch  nicht  3  Meilen  entfernten  Laterne,  die  ge- 
wöhnlich deutlich  miterscheint,  fehlerhaft^)  ist,  indem  das  Auge  das  nicht 
reine  Fadenintervall  nicht  unbefangen  bisecirt.  Es  wäre  jetzt  zu  weit- 
läufig, Ihnen  zu  schreiben,  w^as  mich  noch  in  dieser  Verniuthung  mehr 
bestärkte.  Gestern  habe  ich  nun  das  Bremerleher  Licht  auf  andere 
Weise,  nämlich  immer  auf  einen  Faden  pointirt,  und  die  sehr  zahl- 
reichen so  gemachten  Messungen  stimmen  nun  unter  sich  und  mit  den 
übrigen,  wo  die  Eichtung  nicht  entrirt,  sehr  gut,  aber  nicht  mit  den 
fi'üheren.  Der  Unterschied  scheint  im  Pointiren  auf  mehr  als  2"  bis  3" 
gehen  zu  können  und  zwar  gerade  in  dem  Sinn,  wie  ich  es  nicht  er- 
wartete, obgleich  es  auch  so  psychologisch  sehr  natürlich  sein  mag. 
Das  Licht  erscheint  nicht  im  Centrum  der  etwa  30"  breiten  Laterne; 
es  sollte  nach  der  dortigen  Abmessung  etwa  l"-i  rechts  erscheinen, 
aber  das  Ensemble  aller  Messungen  zeigt,  dass  ich  immer  wohl  4"  rechts 
pointirt  haben  muss.  „Man  ist  sich  also  wohl,  wenn  auch  nicht  deut- 
„lich,  bewusst,  dass  das  Licht  seitwärts  von  der  Mitte  ist,  und  thut, 
„um  dies  gewiss  zu  berücksichtigen,  mehr  als  man  sollte.''  Wenn  ich 
übrigens  oben  sagte,  dass  die  Laterne  gewöhnlich  deutlich  erscheint,  so 
ist  dies  doch  nicht  so  zu  verstehen,  dass  diese  Deutlichkeit  immer  so 
gross  ist,  wie  zu  einem  ganz  scharfen  Sehen  erfordert  wird.  Allein  die 
Erfahrung  zeigt  nun,  wie  es  scheint,  dass  es  gewöhnlich  auf  eine  nach- 
theilige Weise   g-enirt.    Bei  dem  Pointiren  von  Brillit  auf  Zeven  tritt 


•)  Ihr  Vorschlag,  zu  anderer  Tagesstunde  zu  messen,  scheint  in  Ihrer  Voraus- 
setzung gegründet,  dass  dies  möglich  ist;  allein  100 fältige  Erfahrungen  zeigen  mir, 
dass  wenigstens  hei  Sonnenschein  die  Vormittags-  und  frühen  Nachmittagsstunden 
niemals  deutliches  Sehen  erlauben,  die  ganz  frühen  Morgenstunden  aber  höchst  selten 
auf  sehr  kurze  Zeit,  daher  es  sehr  schwierig  sein  würde,  bei  solchen  alle  Jahr  ein 
paar  Mal  eintretenden  Fällen  Heliotroplicht  am  Platze  zu  hal)en. 

^)  Zu  diesem  Pointirungsfehler  äussert  sich  Gauss  auch  im  Brief  No.  631  vom 
18.  Juli  1828.     Krm. 


422  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1825  Juli  14. 

ein  ganz  ähnlicher  Fall  ein,  und  ich  bin  nun  sehr  neugierig,  ob  auch 
dort  die  künftigen  Messungen  bei  der  anderen  (übrigens  für  das  Auge 
viel  beschwerlicheren  und  ermüdenderen  Methode)  eine  günstige  Aende- 
rung  erleiden  werden. 

Beim  Pointiren  von  Brillit  auf  Bremen,  Zeven  auf  Bremen,  Bremen 
auf  Zeven  kann  dies  übrigens  nicht  oder  wenigstens  gar  nicht  merklich 
gewirkt  haben,  ebenso  wenig  wie  zwischen  Bremerlehe  und  Varel,  da 
bei  der  grossen  Entfernung  der  Thurm  entweder  ganz  blass  oder  gar 
nicht  mit  erscheint;  auch  beim  Pointiren  auf  Jever  nicht,  wohl  aber 
wird  es  beim  Pointiren  von  Jever  aus  Einfluss  haben  können. 

Der  Fehler  des  Dreiecks  Bremerlehe — Varel — Langwarden  scheint 
nun  von  4"i  auf  etwa  2"  zu  kommen;  aber  die  Diskordanzen  in  Varel 
schreibe  ich  noch  immer  der  Lateral-Refraktion  zu,  um  so  mehr,  da  icli 
jetzt  stärkere  Ueberzeugung  habe,  dass  das  Instrument  keine  so  be- 
deutenden Fehler  haben  kann. 

Nach  einigen  guten  Tagen,  wie  der  gestrige  war,  hoffe  ich  in 
Langwarden  fertig  werden  zu  können  und  nach  Jever  abzugehen. 

Ich  habe  mir  die  Freiheit  genommen,  100  Louisd'or  von  Hannover 
aus  an  Sie  adressiren  zu  lassen,  die  Sie  gütigst  einstweilen  in  deposito 
behalten  wollen.   Unter  8  Tagen  werden  sie  aber  wohl  nicht  ankommen. 

Ist  die  Zeit,  wann  Ihre  Frau  Schwester,  der  ich  mich  noch  von 
Rehburg  1804  her  mit  Vergnügen  erinnere,  Sie  besuchen  wird,  schon 
bestimmt? 

Der  Abgang  des  Boten  mahnt  zum  Schluss. 


No.  588.  Olbers  an  Gauss.  [sio 

Bremen,  1S25  Juli  14. 

Da  hier  die  Witterung  seit  dem  10.  dieses  alle  Tage  sehr  erwünscht 
für  Ihr  Messungs-Geschäft  schien,  so  darf  ich  es  nicht  mehr  wagen, 
die  Einlage  nach  Langwarden  abzuschicken,  sondern  adressire  sie 
mehrerer  Sicherheit  halber  nach  Jever,  Ihren  früheren  Instruktionen 
folgend. 

Mit  vielem  Interesse  habe  ich  gelesen,  wie  viele  Mühe  es  Ihnen 
verursacht  hat,  endlich  durch  Ihren  Scharfsinn  einer  so  verborgenen 
Fehlerquelle  beim  Pointiren  auf  die  Spur  zu  kommen.  Um  so  neu- 
gieriger bin  ich,  wie  es  künftig  in  Brillit  gehen  wird. 

Die  angekündigten  100  Louisd'or  sind  noch  nicht  angekommen. 
Ich  werde  Ihnen  die  Ankunft  derselben  sogleich  melden  und  dann  Ihre 
Befehle  über  dieses  Geld  erwarten. 


GausiJ  an  Oll.ers.     Gnarreubnrir,  1S'_>5  Juli  [26—30].  423 

Künftigen  Fieitafr.  dfii  22.  diese.*?,  rückt  die  erste  Kolonne  meiner 
lieben  Verwandten  bei  mir  ein.  die  iih  die  i)reussische  nenne.  Diese 
Division  besteht  ans  meiner  Schwester,  der  Oberdeichgrätin  ]\1artens, 
ihrer  Tochter,  der  Majorin  v.  Avemann,  ihrer  Enkelin,  alle  ans  Berlin, 
und  der  Tochter  einer  schon  längst  verstorbenen  älteren  Schwester  von 
mir,  der  AVitwe  Cläpiüs  aus  (Jötlien.  —  Die  hannoversche  Division 
unter  meiner  Schwester,  der  Rätliin  ^Ieyee,  deren  eigentliche  Stärke 
ich  noch  nicht  angeben  kann,  wird  einige  Tage  später  eintreifen.  Ob- 
gleich die  ^^'ohnung  von  Dr.  Focke  zu  Hülfe  genommen  wird,  so  werden 
sich  meine  lieben  Gäste  docli  sehr  behelfen  und  enge  zusammen  packen 
müssen. 

Bei  dem  schönen  Wetter  habe  ich  mich  besonders  am  12.  und  13.  Juli 
überzeugt,  dass  Encke's  Komet  noch  mit  meinem  Dollond  und  meinen 
alten  Augen  gar  nicht  zu  erkennen  ist.  Vermuthlich  ist  die  noch  fort- 
dauernde nächtliche  Dämmerung  und  der  niedrige  Stand  des  Kometen 
Schuld;  denn  der  Komet  muss  schon  ebenso  hell,  wenn  gleicli  bei 
weitem  nicht  so  lichtstark  sein,  als  am  27.  Nov.  1819,  wie  ihn  Pons 
zufällig  auffand.  Mit  Ungeduld  erwarte  ich  aus  südlicheren  Gegenden 
die  Nachricht,  dass  man  ihn  wieder  erblickt  hat. 

Der  gewöhnliche  englische  Quartals-Courier  muss  w'ohl  angekommen 
sein,  denn  ich  habe  ein  Packet  mit  englischen  Druckschriften  von  ihren 
Verfassern,  Herschel,  South,  Kater  und  Baily,  geschenkt  erhalten. 
Gewiss  wird  auch  für  Sie  ein  ähnliches,  noch  reicher  ausgestattetes 
Packet  eingegangen  sein. 

Hier  hat  sich  ein  angehender  junger  Geometer,  Westhof,  eben  bei 
der  Vermessung  unseres  kleinen  Gebiets  angestellt,  die  Oeffnung  einer 
stark  geladenen  Büchse  in  den  Mund  nehmend  erschossen.  Der  Kopf 
ist  ganz  zerschmettert  w'orden,  und  das  Gehirn  hat  an  der  oberen 
Zimmerdecke  in  kleinen  Theilen  umher  geklebt.  Die  Ursache  dieses 
Selbstmordes  kennt  man  nicht. 


No.  589.  Gauss  an  Olbers.  [279 

Gnarrenburg,  1825  Juli  [26—30].^) 

Ich   benutze  einen  stürmischen  Morgen,   einen  Brief  an  Sie  anzu- 
fangen, obgleich  ich  noch  nicht  weiss,  wie  bald  ich  Gelegenheit  haben 


^)  Nach  dem  Brief  v.  25.  Juli  1825  von  Olbers  an  Schumacher  war  Gauss  auf 
der  Durchreise  nach  Gnarrenburg  bei  Brillit  vom  23.  Abends  bis  24.  Juli  Morgens  in 
Bremen.    Nach  den  Bemerkungen  zu  Bd.  IX  von  Gauss'  Werken  S.  433  hat  sich  dann 


424  Gauss  an  Olbers.    Gnarrenburg,  1825  Juli  [26 — 30]. 

werde,  ihn  an  Sie  abzusenden.  Ich^)  sehe  nicht  ohne  Missmuth  auf 
meine  5 jährigen  Messungen  zurück;  ich  sehe  mich  gegen  das  Ende 
derselben  ungefähr  in  einer  solchen  Lage  und  in  solchen  Gefühlen,  wie 
sie  wohl  viele,  vielleicht  die  meisten  Menschen  in  Beziehung  auf  das 
Erdenleben,  wenn  sie  sich  dessen  Schluss  nähern,  haben  mögen,  mit 
dem  Gefühl,  dass,  wenn  mit  den  eingesammelten  und  erst  sfiät  zur  Reife 
und  Klarheit  gekommenen  Erfahrungen,  mit  frischer  Kraft  und  mit  der 
erlernten  Würdigung  so  mancher  Dinge  von  vorn  her  hätte  angefangen 
werden  können,  viel  mehr  Zufriedenheit  stattgefunden  haben  könnte. 
Was  die  Messungen  betrifft,  so  halte  ich  mich  jetzt  überzeugt 

1)  dass  der  so  wie  der  meinige  gebaute  Theodolith  alle  Winkel 
zu  klein  giebt  und  zwar  im  Durchschnitt  um  eine  freilich  nur  sehr 
kleine,  aber  bei  der  sonstigen  Trefflichkeit  des  Instruments,  wenn  man 
)iur  unter  günstigen  Umständen  beobachtet,  doch  sehr  scharf  anzu- 
gebende*) Grösse,  die  freilich  mit  dem  Abnutzen  des  Instruments  grösser 
werden  mag.  Meine  Jeversclien  Messungen,  die  recht  ex  professo  an- 
gelegt waren,  diese  Grösse  mitzubestimmen,  geben  sie  0",4,  und  ich 
glaube  nicht,  dass  sie  um  0",1  unrichtig  ist.  Leider  bieten  meine 
früheren  Messungen  keine  so  nachdrücklichen  Bestimmungsmittel  dar, 
da  ich,  obgleich  von  Anfang  an  schon  das  Dasein  dieser  Fehlerquelle 
vermuthend,  doch  glaubte,  sie  sei  zu  klein,  um  nicht  als  =  0  betrachtet 
werden  zu  müssen.  Hätte  ich  anstatt  einer  Gradmessung  eine  Landes- 
vermessung und  damit  häufige  Gelegenheit  zu  einem  Gyriis  Jiorisoutis 
gehabt,  so  wäre  ich  ohne  Zweifel  früher  von  dieser  Ansicht  zurück- 
gekommen. Ich  werde  künftigen  Winter  die  Grösse  für  jedes  Jahr,  so 
gut  es  angeht,  zu  bestimmen  suchen.  Ich  halte  mich  jetzt  überzeugt, 
dass  1)  bei  steter  Berücksichtigung  dieser  Grösse,  2)  beim  Enthalten 
von  allem  Messen,  wenn  die  Umstände  nicht  günstig  sind,  und  3)  bei 
Beachtung  der  beiden  anderen  noch  zu  erwähnenden  Umstände,  die 
]\Iessungen  auf  Heliotroplicht  eine  fast  unglaubliche  Feinheit  erhalten 
können,  von  der  ich  nun  leider  viel  mehr  entfernt  bleibe.  Eine  Dis- 
kussion der  in  Göttingen  1823  gemachten  Messungen  giebt  mir  die 
obige  Grösse  =0",140,  aber  nur  mit  einem  Gewicht  von  47  Repetitionen. 


Gauss  von  Juli  25  bis  Aug.  2  in  Bnilit-Gnarrenliuri;-  aufgehalten.  Hiernach  um! 
nach  dem  Inhalt  dieses  Briefes  ist  obiges  Datum  festgesetzt.    Krni. 

^)  Von  hier  ab  bis  „frei  erschienen"  auch  abgedruckt  in  Gauss'  Werken  Bd.  IX. 
S.  490 — 493.  Vergl.  zu  dem  Inhalte  dieses  Briefes  auch  die  in  Bd.  IX  wieder  abge- 
druckten Briefe  Gauss'  vom  14.  Aug.  1825  an  Schumachkr  (No.  2i9\  fenier  vom 
29.  Okt.  1843  und  15.  Aug.  1844  au  Besskl  (No.  189  und  1921     Krm. 

*)  Von  der  Grösse  der  Winkel  fast  unabhängig;  e.<!  scheint  fast,  dass  das  erste 
Drehen  es  hauptsächlich  hervorbringt,  wo  der  Zai»feu  doch  immer  in  gewissem  Grade 
gleichsam  festgesogen  war. 


Gauss  an  Olbers.     Gnarreuburg,  1825  Juli  [26 — 30].  425 

wobei  aber  doch  der  wahrscheinliche  FehhM-  nur  fast  genau  +U",140 
Avird,  so  dass  1  ji^egen  1  gewettet  werden  kann,  jene  Grösse  liege  nicht 
ausserhalb  der  Grenzen  0  und  +  0".28.  Die  ^Messungen  auf  dem  Timpen- 
berg 1823  gaben  die  lirösse  +  0",070  mit  dem  Gewicht  28.  Darf  man 
sie  vereinigen,  so  wäre  der  Werth  für  1823 

-i-0",lUmit  dem  Gewicht  75. 
Ich  werde  nach  und  nach  sämmtliche  Stationen  berechnen  und  dann 
den  Einfluss  mit  in  Rechnung  bringen. 

2)  ^lan  sollte  nie  anders  als  unter  günstigen  Umständen  beobachten, 
wo  die  Luft  nicht  wallt,  kein  Wind  das  Instrument  erschüttert,  die 
Aufstellung  ganz  solide  ist.  Freilich  wird  man  dann  oft  in  mancher 
Woche  gar  nicht  beobachten  und  selten  an  einem  Tage  mehr  als 
1 — 2  Stunden,  hohe  Bergstationen  vielleicht  ausgenommen,  dafür  aber 
sind  50  solcher  Messungen  mehr  werth  als  500  unter  ungünstigen  Um- 
ständen. 

Unsere  Instrumente  sind  eigentlich,  falls  ihre  Trefflichkeit  ganz 
beimtzt  wird,  zu  gut  für  den  hal)ituellen  Zustand  der  Atmosphäre;  die 
Fehler  durch  die  Wallungen  in  letzterer  sind  lOfach  grösser  als  die 
unvermeidlichen  vom  Instrument  herrührenden.  Dasselbe  gilt  wohl  auch 
von  den  astronomischen  Beobb. 

3)  Wenn  es  irgend  möglich  ist,  sollen  die  Heliotroplichter  ganz 
frei  erscheinen,  wo  das  aber  nicht  sein  kann,  soll  nie  zwischen  die 
Fäden,  sondern  immer  auf  einen  pointirt  werden,  durch  die  Befangen- 
heit der  Bisektion  kann  sonst  ein  in  konstantem  Sinn  wirkender  und 
vielleicht  auf  1"|  bis  2"  steigender  Fehler  entstehen.  Dass  ein  solcher 
Fehler  entstehen  kann,  habe  ich  zwar  immer  vermuthet,  aber  ohne  die 
Erfahrungen  in  Langwarden  hätte  ich  nie  geglaubt,  dass  er  so  gross 
sei.  Ich  habe  früher  öfter  auf  den  Faden  pointirt,  aber  freilich  fast 
nur,  wo  das  Licht  frei  erschien,  und  dann  nie  einen  entschiedenen 
Unterschied  gefunden;  ich  habe  diese  Beobachtungsart  —  wie  ich  jetzt 
bedauere  —  daher  fahren  lassen,  weil  sie  mir  viel  beschwerlicher  ist, 
und  ich,  im  Allgemeinen  auch  gewiss  mit  Recht,  glaubte,  ich  könne  auf 
die  Fäden  nicht  so  genau  pointiren  als  dazwischen. 

4)  Bei  alledem  aber  halte  ich  mich  überzeugt,  dass  Lateral- 
Refraktionen  existiren  in  konstantem  Sinn  bei  der  zum  Beobachten 
tauglichen  Tageszeit,  wenn  das  Licht  nahe  bei  Bäumen  etc.  vorbei 
streicht.  Die  oben  1)  bis  3)  angegebenen  Umstände  wirken  doch  in 
mehreren  Dreiecken  nicht  so  stark,  um  die  grossen  Anomalien  der 
^Vinkelsumme  zu  erklären,  und  sie  würden  von  der  Fehlersumme  in 
dem  Dreieck  z.  B.  Garlste — Lehe — Varel,  wo  sie  -l:",9  beträgt,  schwer- 
lich mehr  als  V%  bis  2"  abdingen  können,  und  das  Uebrige  ist  dann 
noch   viel   zu   gross,   um    auf   die    unregelmässigen  Messungsfehler  ge- 


426  Gauss  an  Olbers.     Gnarrenburg,  1825  Juli  [26 — 30]. 

schoben  werden  zu  können.  Zu  meinem  grossen  Missvergnügen  hat 
auch  gewiss  auf  der  Seite  Brillit— Lehe  eine  solche  Seitenrefraktion 
Statt  und  zwar  in  dem  Sinn,  dass  auch  hier  die  Winkel  zu  klein  werden; 
der  sehr  kostspielige  Durchhau  ging  anfangs  zu  weit  links,  er  wurde 
noch  etwas  erweitert,  dass  Lehe  hier  sichtbar  wurde,  aber  so  hart  an 
der  rechten  Wand,  dass  gewiss  eine  Lateral-Refraktion  stattfindet;  ich 
werde  versuchen,  einige  vortretende  dicklaubige  Zweige  auffinden  und 
wegnehmen  zu  lassen;  es  ist  aber  ungewiss,  ob  sie  aufgefunden  werden, 
und  selbst  dann  bleibt  es  noch  sehi-  knaiip  an  der  rechten  Wand.  Leider 
ist  auf  alle  Fälle  höchst  wahrscheinlich  der  Winkel  in  Lehe  davon 
schon  stark  afficirt.  und  ungern  möchte  ich  noch  einmal  dahin  zurück; 
es  sei  denn,  dass  es  möglich  wäre,  Bremervörde,  welches  in  Lehe  sicht- 
bar sein  soll,  in  Brillit  und  in  Zeven  sichtbar  zumachen;  leiderscheint 
aber  ausser  Obstbäumen  auch  ein  Bauernhaus  in  der  Richtung  Brillit — 
Bremervörde   zu    stehen,    obwohl  ich  dies  noch  nidit  gewiss  weiss,   da 

ich   noch  keine  Mittel  habe,   das  Azimuth  mit 
lehe^  einiger  Sicherheit  anzugeben.      Sonst    bin    ich 

gewiss,   dass  diese  neue  Verbindung  sehr  viel 
neues   Licht   verbreiten    würde.      Der  Winkel 
aa/isOf\^-'^  /  \\  in  Brillit  zwischen  Zeven  und  Bremen  scheint 

sich  um  2"  bessern  d.  i.  vergrössern  zu  wollen, 
wodurch    die   Fehlersumme   von   4"i    auf   2"| 
■^fp^^i^"'  kommt;    aber  ganz  kann  dieser  Ueberrest  gt^- 

Fig.  24.  -^A-iss  auch  nicht  auf  die  Messungsfehler  kommen, 

namentlich  ist  in  Bremen  der  obige  Fehler 
1)  durch  das  Vor-  und  Rückwärtsmessen  fast  ganz  eliminirt.  und  die 
Pointirungsart  kann  auch  wenig  Eintiuss  haben,  da  bei  der  bedeutenden 
Entfernung  und  der  gewöhnlichen  Unsichtbarkeit  der  Thürme  die  Lichter 
so  gut  wie  frei  erschienen.^) 

So  eben  erhalte  ich  von  meinem  Sohn  die  Nachricht,  dass  die 
Richtung  von  Zeven  nach  Bremervörde  durch  das  dichte  Holz  bei  Brauel 
geht;  auch  meint  er,  w^ürde  der  Thurm,  wo  er  1824  einige  Messungen 
gemacht  (ich  selbst  bin  nie  dagewesen),  sich  schwerlich  zu  einer  guten 
Aufstellung  eignen.  Also  scheint  auch  diese  Hoffnung  fehlschlagen  zu 
müssen.  Auch  geben  einige  erhaltene  Daten,  dass  höchst  wahrscheinlich 
von  hier  aus  die  Richtung  das  Bauernhaus  noch  selbst  trifft. 

Ich  schliesse  diesen  Brief,  da  hier  zuweilen  Gelegenheit  nach  Bremer- 
vörde ist.  Finde  ich  ihn  bei  meiner  Rückkunft  noch,  so  erl)reihe  ich 
ihn  wieder. 


*)  Siehe  Anmerkung  1  auf  S.  424.     Knn. 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1825  August  19.  427 

No.  590.  Olbers  an  Gauss.')  [sn 

Bremen,  1825  August  l!t. 

In  voller,  obgleicli  angenehmer  Unruhe,  finde  ich  in  meinem  eigenen 
Hause  kaum  einen  Platz  und  einen  freien  Augenblick,  Ihnen  mit  ein 
paar  Zeilen  für  Ihren  gütigen  Brief  vom  15.  Aug.^)  zu  danken.  Mein 
Sohn  ist  nämlich  vorgestern  am  17.  zum  Senator  erwählt,  und  dies 
giebt  dann  in  .unserem  kleinen  Freistaate  zu  einer  Art  von  Volksfest 
Veranlassung,  bei  der  wir  kaum  zur  Besinnung  kommen  können.  Es 
thut  mir  ungemein  leid,  mein  theuerster  Gauss,  dass  iSie  diesmal  Ihre 
Ihnen  gewiss  sehr  nöthige  Erholungsreise  nach  Süden  richten  wollen, 
und  ich  also  in  diesem  Jahr  nicht,  wie  ich  gehofft  hatte,  das  grosse 
\'ergnügen  haben  soll,  Sie  und  Ihre  hochverehrte  Frau  Gemalilin  hier 
zu  sehen.  Möge  nur  diese  Reise  für  Ihre  beiderseitige  Gesundheit  die 
erwünschten,  besten  Folgen  haben!  Dann  darf  ich  um  so  gewisser  von 
Ihrer  Freundschaft  und  der  Gewogenheit  Ihrer  liebenswürdigen  Ge- 
bieterin erwarten,  dass  mir  aufs  künftige  Jahr  die  diesmal  versagte 
Freude  um  so  gewisser  sein  wird. 

Die  Witterung  ist  den  Ivometenbeobb.  sehr  hinderlich.  Einem  vor- 
läufigen noch  sehr  unsicheren  Uebersclilage  zufolge  wird  der  BiELA'sche 
Komet ^)  noch  gross  und  augenfällig  werden,  seinen  grössten  Glanz  aber 
den  Südländern  zeigen,  da  er  bald  nach  oder  um  die  Mitte  des  Sept. 
nicht  mehr  über  unseren  Horizont  kommt.  —  Jetzt  ist  Encke's  Komet ^) 
sehr  gut  zu  beobachten,  zwar  kleiner  aber  lichtstärker  als  der  BiELA'sche. 
Mich  haben  noch  immer  Wolken  an  der  ganz  genauen  Beob.  gehindert. 
Den  Fehler  von  Excke's  Ephemeride  finde  ich  ungefähr  2'. 


*)  Zwischen  diesem  uud  dem  vorhergehenden  Briefe  fehlen  2  Briefe  von  Gauss. 
l>er  eine  vom  4.  oder  5.  Aug.  von  Zeven  aus  an  Olbers  gerichtet  (nach  Olbees- 
ScHCMACHEK.  Brief  von  1825  Aug.  8  und  11  an  Schumacher),  wo  nach  den  Bemer- 
kungen zu  Bd.  IX  von  Gauss'  Werken,  S.  433  Gauss  um  diese  Zeit  gewesen  ist.  Nach 
diesen  Mittheilungen  wollte  Gauss  noch  von  Wilsede  aus  zum  Köterberge  gehen,  um 
diesen  vollständig  anzuschliessen ;  nach  Brief  259  vom  14.  Aug.  1825  an  Schumacher 
(Bd.  II  des  Briefwechsels  Gauss-Schumacher)  ist  er  aber  direkt  nach  Göttingen  zurück- 
gereist. Der  andere  Brief  war  am  15.  Aug.  aus  Göttingen  abgeschickt,  in  ihm  hat 
nach  dem  erwähnten  Briefe  an  Schumacher  und  nach  dem  Schreiben  v.  20.  Aug. 
von  Olbers  an  Schumacher  Gauss  wohl  Mittheilung  über  seine  Erholungsreise  nach 
Süddeutschland  gemacht.     Krm. 

•*)  Komet  1825  IV,  Juli  15  und  19  von  Pons  und  Blela  entdeckt,  wurde  im 
Okt.  dem  blossen  Auge  sichtbar.     Krm. 

';  Komet  1825  III,  von  Valz  in  Mmes  .Tuli  13  wieder  aufgefunden,  von  Har- 
msG  Juli  20.     Vergl.  Brief  No.  318  im  Briefwechsel  Olbers-Bessel.     Krm. 


^28  Gauss  an  Olbers.    Göttingen,  1825  Oktober  9. 

No.  591.  Gauss  an  Olbers.  [28o 

Göttingen,  1825  Oktober  9. 

Es  ist  wohl  hohe  Zeit,  dass  ich  mich  wieder  in  Ihr  freundliches 
Andenken  zurückbringe.  Zuvor  meinen  herzlichen  Glückwunsch  zu  der 
längst  verdienten  Beförderung  Ihres  Hrn.  Sohnes,  dem  ich  mich  an- 
gelegentlichst zu  empfehlen  bitte.  Möchte  er  doch  bald  Ihr  Glück  voll- 
ständig machen  und  Ihnen  eine  Schwiegertochter  zuführen. 

Meine  Eeise  habe  ich  über  Marburg  und  ]\rannheim  nach  Baden 
gemacht,  wo  meine  Frau  das  Baden  versuchen  sollte,  welches  ihr  aber 
nicht  bekam,  daher  wir  unsere  Rückreise  über  den  Schwarzwald,  das 
Murgthal,  Tübingen,  Stuttgart,  Würzburg  und  Gotha  machten.  Es  war 
mir  ein  grosser  Genuss.  die  Freunde  Geeleng.  Nicolai  und  Lindenau 
wiederzusehen  und  Eckhardt,  Bohnexbergee  und  Wurm  persönlich 
kennen  zu  lernen.  Im  Ganzen  scheint  die  Reise  auf  unser  körperliches 
Befinden  nicht  ü1)el  gewirkt  zu  haben,  obwohl  ich  selbst  bei  der  fast 
ununterbrochenen  Hitze  oft  sehr  litt.  Das  materielle  Leben  habe  ich 
sonst  im  südlichen  Deutschland  wenigstens  für  meinen  Geschmack  nicht 
so  angenehm  gefunden,  wie  ich  erwartet  hatte,  wenigstens  lasse  ich  mir 
unser  Norddeutschland  nicht  verachten. 

Bei  den  Messungen  im  Darmstädtischen,  Badenschen  und  Württem- 
bergischen sind  sehr  viele  Heliotrope  im  Gebrauch.  Bokn-enberger. 
dem  ich  nur  das  AVesentlichste  angegeben  hatte,  hat  die  seinigen  dort 
in  Beziehung  auf  Dimensionen  und  Gestell  kompendiöser  einrichten 
lassen,  so  dass  sie  viel  transportabler  sind;  zugleich  sind  solche  von 
Baijmann  viel  wohlfeiler  als  die  Ru^^rPF 'sehen.  Ich  hätte  gern  einen 
mitgebracht,  allein  Baumann  hatte  keinen  vorräthig  und  Bohnenbergee 
konnte  keinen  missen. 

Am  Himmel  bin  ich  inzwischen  seit  Ostern  fast  ganz  fremd  ge- 
worden, und  von  dem,  was  über  den  Kometen  gearbeitet  ist.  weiss  ich 
gar  nichts,  als  was  das  Cirkular  von  Schumacher  und  Ihr  Brief,  den 
ich  erst  bei  meiner  Rückkunft  vorfand,  enthält.  Ich  habe  ihn  zweimal 
im  Meridian  zu  beobachten  versucht,  allein  die  Reobb.  taugen  nicht 
viel,  denn  so  hübsch  er  jetzt  dem  blossen  Auge  vorkommt,  so  elend  \vird 
er  schon  bei  der  kleinsten  80 maligen  Vergrösserung  des  Mer.-Kreises 
und  der  allergeringsten  Beleuchtung,  die  ihn  ganz  auslöscht. 

Hier  die  Beobb.^) 

1825  Okt.  4.       38«   O'ÖO"       —  14"    G'18" 
6.       3G  33  42         —  18  10  57 

Theilen  Sie  mir  doch  gelegentlich  Ihre  Beobb.  mit. 


*)  Komet   1825  IV:   Rektasoension  von  Okt.  6  fehlerluvft:    vergl.  nächsten  Brief 
von  Olbers  und  Briefwechsel  Gacss-Schumacheu  No.  262.     Seh. 


Olbers  an  Gauss.     Bremen.  1825  Oktober  12.  429 

Ii'liM  habe  dieser  Tage  angefangen,  in  Beziehung  auf  mein  künf- 
tiges Wt'ik  ül)fi-  h()liere  Geodäsie,  einen  (sehr)  kleinen  Theil  dessen, 
was  die  krummen  Flächen  betrifft,  in  Gedanken  etwas  zu  ordnen.  Allein 
ich  überzeuge  mich,  dass  ich  bei  der  Kigenthümlichkeit  meiner  ganzen 
Behandlung  des  Zusammenhanges  wegen  gezwungen  bin,  se/<r  weit  aus- 
zuholen, so  dass  ich  sogar  meine  Ansicht  über  die  Krümmungshalbmesser 
bei  planen  Kurven  vorausschicken  muss.  Ich  bin  darüber  fast  zweifel- 
haft geworden,  ob  es  nicht  gerathener  sein  wird,  einen  Theil  dieser 
Lehren,  der  ganz  rein  geometrisch  (in  analytischer  Form)  ist  und  Neues 
mit  Bekanntem  gemischt  in  neuer  Form  enthält,  erst  besonders  aus- 
zuarbeiten, es  vielleicht  von  dem  Werke  abzutrennen  und  als  eine  oder 
zwei  Abhandlungen  in  unsere  Conim.  einzurücken.  Indessen  kann  ich 
noch  vorerst  die  Form  der  Bekanntmachung  auf  sich  beruhen  lassen 
und  werde  einstweilen  in  dem  zu  Papier-Bringen  fortfahren. 

Aus  den  Zeitungen  sehe  ich,  dass  Krayenhoff  nach  Europa  zurück- 
gekehrt und  in  Nymwegen  angekommen  ist.  Wissen  Sie  mir  vielleicht 
seine  Adresse  anzugeben;  ich  weiss  nicht  einmal,  ob  Amsterdam,  Haag, 
Brüssel  etc.  sein  ofewöhnlicher  Aufenthalt  ist. 


No.  592.  Olbers  an  Gauss.  [312 

Bremen,  1825  Oktober  12. 

Ich  freue  mich  recht  sehr,  dass  Ihnen  und  Ihrer  verehrten  Frau 
Gemahlin  die  angenehme  Reise  so  gut  bekommen  ist,  und  von  der  an- 
deren Seite  ist  es  mir  sehr  angenehm,  Sie  wieder  in  Göttingen  zu 
wissen.  Sie  haben  mich  durch  Ihre  Güte  so  verwöhnt,  dass  ich  es 
recht  schmerzlich  gefühlt  habe,  so  lange  Ihre  mir  immer  so  erfreulichen 
Briefe  entbehren  zu  müssen. 

Mein  Sohn  dankt  gerührt  für  Ihr  gütiges  Andenken  und  empfiehlt 
sich  Ihrer  ferneren  Gewogenheit  aufs  Angelegentlichste.  —  Meine  lieben 
Verwandten,  von  denen  Sie^)  noch  einen  Theil  hier  ankommen  sahen, 
haben  mich  leider  nun  gestern  auch  sämmtlich  verlassen,  so  dass  es 
mir  jetzt  wirklich  recht  einsam  in  meinem  Hause  vorkommt. 

Von  dem  schönen  Kometen  ^)  muss  ich  nun  auch  Abschied  nehmen. 
In  der  zweiten  mir  von  Ihnen  mitgetheilten  Meridianbeob.  Okt.  6 
36'' 33' 42"  —  18M6'57"  wird  wohl  ein   Schreibfehler   von  10'"  in  der 


^)  Von  hier  ab  bis    ,.in  dem  zu  Papier-Bringen  fortfahren"    auch   abgedruckt  in 
Gauss'  Werken  Bd.  Vin,  S.  397  und  Bd.  IX,  S.  376.     Krm. 

^)  Gauss  war  am  23. — 24.  Juli  in  Bremen  nach  Anmerkung  S.  423.     Krm. 
»)  Siehe  auch  Olbers  Bd.  I,  No.  100  bis  102.     Krm. 


430  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1825  Oktober  12. 

JR,  sein,  und  diese  in  34"  3' 42"  verändert  werden  müssen.   Gern  setze 
ich  Ihrem  Verlangen  gemäss  hier  einen  Tlieil  meiner  Keobb.  lier: 

Aug.  9.  12»^  28™  24^  03°  39' 55"  +23«  53' 52,5" 

14.  12  20    27  C3  49  39  23     4  58 

15.  12  57    23  63  50    G  22  54     8 
25.  12  43    53  63  31     6  20  43  53 

Sept.  1.       12     7    44         62  39  12  18  33  32 

8.       11  54    28         61     0  23  15  34  49 

12.       11  45    52         59  34  35  13  20  30 

[Ferner  die  in  Olbebs  Bd.  I,  S.  404.  405  mitgetheilten  Beobb.  von  Sept.  9,  13, 
15,  18,  28,  30  lind  Okt.  1  bis  5,  8,  nur  dass  hier  die  Dekl.  von  Sept.  28  fehlerhaft 
—  1"  29'  53"  .statt  richtig  —  S«  2'  16"  geschrieben  ist.] 

Die  Berechnung  der  Bahn  scheint  anfangs,  wie  sich  der  Komet 
noch  scheinbar  so  langsam  bewegte,  sehr  schwierig  gewesen  zu  sein. 
Die  von  verschiedenen  Rechnern  bestimmten  Elemente  wichen  sehr 
unter  sich  und  auch  bald  von  den  folgenden  Beobb.  ab.  Auch  die  nun 
später  gegebenen  werden  noch  einige  Verbesserungen  erfordern. 

Hansen  .Peters 

Durchgangszeit    .    .  1825  Dec.  10,41735  Seeberg  Dec.  10,47309  Altona 

ft 215°42'27",7  215°  42'    7" 

Perihel 318  45     7,0  318  59    8 

i 33  27  40,0  33  34  42 

log  g 0.092836  0,0944859 

Retr.  Retr. 

Indessen  wird  die  Bahn  dieses  Kometen,  selbst  ihre  Abweichung 
von  der  Parabel,  hinreichend  genau  bekannt  werden,  da  er  so  lange 
und  so  vielfältig  beobachtet  ist,  und  wir  noch  eine  ebenso  lange  Reihe 
von  Beobb.  aus  den  Südländern  zu  erwarten  haben,  wo  dieser  Komet 
unmöglich  übersehen  werden  kann.  ^lehr  Furcht  habe  ich  wegen  des 
ÜARDiNG'schen  Kometen^),  den  Harding  nur  4  aufeinander  folgende  Tage 
sehen  und  nur  am  3.  [Tage]  beobachten  konnte.  Wenn  dieser  nicht  sonst 
noch  irgendwo  später  oder  früher  sollte  beobachtet  sein,  so  wird  seine 
Bahn  ganz  unbestimmt  bleiben.  Die  Elemente,  die  Peters  aus  Harding's 
Beobb.  abgeleitet  hat,  können  als  auf  eine  Zwisclienzeit  von  nur  48  Stun- 
den gegründet  gar  keine  Zuverlässigkeit  haben.  Bisher  habe  ich  von 
keiner  anderen  Beob.  gehört,  ausser  dass  der  Domkapitular  Stakke  ihn 
am   6.  Sept.  nicht   weit   von  Sirius  gesehen   haben   will.     Auf   diesen 


^)  Komet  1825  II,   am   9.  Aug.  von  Poks   und   am   23.  Aug.  von  H.\rdixg  ent- 
deckt.    Siehe  Brief  No.  594  und  die  zugehörige  Anmerkung.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.    Gütting-en,  182ö  Oktober  20.  431 

windif^en  Patruii  ist  aber  ;^ar  nicht  zu  retlmen.  Haben  Sie  im  süd- 
lichen Deutschland  nichts  über  diesen  Kometen  gehört? 

Mit  VerpTnügen  sehe  icli,  dass  Sie  ernsthaft  an  die  Ausarbeitung 
Ihres  sehnlich  erwarteten  Werkes  über  höhere  Geodäsie  denken.  Ob 
Sie  Ihre  Ansicht  über  den  Krümmungshalbmesser  mit  beitügen  oder  in 
einer  besonderen  Abhandlung  niederlegen  wollen,  scheint  mir  ziemlich 
gleichgültig.  Gern  wird  man  alles  bei  einander  haben,  was  sich  auf 
Ihre  Behandlung  der  Geodäsie  bezieht,  und  es  ist  nicht  zu  fürchten, 
dass  irgend   ein  Werk  von  Ihnen  den  Lesern  zu  gross  werden  könnte. 

Krayenhoff's  Adresse  weiss  ich  Ihnen  nicht  anzugeben.  —  Encke 
ist  vor  ein  jiaar  Tagen  von  Hamburg  nach  Herlin  abgegangen.  Sein 
Komet  hat  sich  diesmal  so  artig  aufgeführt,  dass,  wenn  man  die  von 
ihm  vorher  berechnete  Zeit  des  Perihels  etwa  um  3G'"  verfrüht,  die 
Elemente  den  Beobb.  fast  völlig  genug  thun. 

Schumacher  hat  mir  noch  zu  einem  Besuche  Hoffnung  gemacht. 


No.  593.  Gauss  an  Olbers.  [28i 

Göttingen,  1825  Oktober  20. 

Herzlichen  Dank  für  alles  Freundliche  und  Interessante,  was  Hir 
gütige]"  Brief  enthielt.  Die  Kometen-Beobb.  habe  ich  Hrn.  Dr.  Schmidt  ge- 
geben, der  sie  mit  seinen  parabolischen  Elementen,  die  ich  in  diesem 
Augenblick  selbst  nicht  in  Händen  habe,  vergleichen  will,  aber  damit  nun 
wohl  post  festum  kommen  wird,  da  Hr.  Hansen  nach  einem  heute  von 
Lendenau  erhaltenen  Briefe  bereits  elliptische  Elemente  berechnet  hat. 
Hr.  Hansex  findet  die  Umlaufszeit  382  Jahre  und  glaubt  zwischen  den 
Elementen  und  denen  des  Kometen  von  1590  einige  Aehulichkeit  zu  be- 
merken, die  mir  noch  nicht  einleuchten  will. 

üeber^)  meine  Bedenklichkeiten  rücksichtlich  der  Anordnung  meines 
künftig  auszuarbeitenden  Werks  über  Höhere  Geodäsie  muss  ich  mich 
in  meinem  Briefe  wohl  nicht  deutlich  ausgedrückt  haben.  In  der  That 
ist  der  Gegenstand  meiner  Bedenklichkeiten  nicht  die  Frage,  ob  ich 
meine  Ansicht  über  die  Krümmungshalbmesser  aufnehmen  soll  oder 
nicht,  sondern  ob  ich  die  mir  immer  mehr  unter  den  Händen  wachsen- 
den, ganz  allgemeinen  Untersuchungen  über  die  krummen  Flächen,  die 
darauf  gebildeten  Figuren,  die  Natur  der  kürzesten  und  nicht  kür- 
zesten Linien  und  eine  Men^e  anderer  Gegenstände,   die   ich  hier  nicht 


^)   Von   hier    ab    bis    ,.gestört    werden"    auch    abgedruckt    in    Gauss"    Werken 
Bd.  VIII.  S.  398—400.     Krm. 


432  Gauss  an  Olbers.     Götting'en,  1825  Oktober  20. 

anführen  kann,  weil  die  Begriffe  davon  noch  nicht  gangbar  sind  und 
selbst  noch  keine  Namen  dafür  existiren,  —  ob  ich  die^  alles  mit  auf- 
nehmen soll  oder  nicht,  zumal  da  ich  täglich  mehr  Materien  finde,  auf 
die  ich  auch  noch  zurückgehen  muss,  weil  sie  meines  Wissens  nicht  aus 
dem  Gesichtspunkte  bisher  betrachtet  sind,  wie  es  zur  Verkettung  des 
Ganzen  nöthig  ist;  zu  diesen  geliörte  als  ein  unbedeutendes  Beisfjiel 
selbst  die  Lehre  von  den  Krümmungshalbmessern  im  Planum.  Ich  hätte 
auch  die  Lehre  von  dem  Flächeninhalt  der  Figuren  überhaupt  nennen 
können,  die  ich  gleichfalls  seit  30  und  mehreren  Jahren  aus  einem  von 
mir  bisher  für  neu  gehaltenen  Gesichtspunkt  betrachtet  habe.  Dies 
letztere  ist  aber  zum  Theil  ein  Irrthum;  in  der  That  habe  ich  erst 
vor  Kurzem  eine  Abhandlung  von  Meister  (einem  meiner  Meinung  nach 
sehr  genialen  Kopf)  im  1.  Bande  der  Novi  Comm.  Götting.  kennen  ge- 
lernt, worin  die  Sache  fast  genau  auf  gleiche  Art  betrachtet  und  sehr 
schön  entwickelt  wii'd.  Allein  diese  treffliche  Abhandlung  ist  den 
Mathematikern  fast  ganz  unbekannt;  auch  würde  es  nicht  zureichen, 
mich  darauf  zu  beziehen,  da  sie  doch  nur  die  ersten  Grundbegriffe  hat. 
Insofern  man  nämlich  geometrische  Relationen  analytisch  behandelt, 
hat  man  zwar  längst  Linien  von  positivem  und  negativem  "Werth  recht 
wohl  verstanden  und  eingesehen,  dass  dabei  immer  explicite  oder  impli- 
cite  ein  gewisser  Sinn  {sens,  Richtung)  zu  Grunde  liege,  nach  welcher 
die  Linie  als  wachsend  angesehen  werde  etc.  Allein  insofern  man 
Flächen  (areas)  durch  Formeln  ausdrückt,  muss  natürlich  auch  ein 
negativer  Werth  seine  gute,  verschiedene  Bedeutung  haben,  und  der 
Begriff  der  Area  muss  also  so  festgesetzt  werden,  dass  dies  klar  ein- 
leuchte. Allein  dann  muss  man  noch  einen  Schritt  weiter  gehen  und 
Figuren  betrachten,  deren  Umfang  sich  selbst  einmal  oder  mehrere 
Male  schneidet  z.  B. 


etc. 


Y\g.  25. 

Man  kommt  dann  auf  einen  Gesichtspunkt,  aus  Avelchem  z.  B.  der 

Inhalt  von  1)  entweder  a  —  h  oder  /*  —  a 

der  von  2)    .    .    .    .   a-\-2h 

der  von  3)    .    .    .    .   a  —  d  oder  d  —  a 
etc.  wird. 

Alles  dies  giebt  eine  völlig  konsequente  Tlieorie.  die  bei  allge- 
meiner Behandlung  solcher  Gegenstände  unerlässlich  nöthig  ist,  auch 
auf  krumme  Flächen  ans-ewandt  werden  kann,   aber  da  noch  mehrerer 


Gauss  an  Olbers.     Güttinffen,  1825  Oktober  20. 


433 


Modifikationen  oder  Bestinimnn(;:en  bedarf,  wenn  die  kriniime  Fläche 
eine  gfeschlossene  ist.  Sie  sehen,  dass  selbst  dieses  Kapitel  schon  etwas 
sehr  Weitschichtiges  ist,  und  doch  muss  dies  und  manches  andere  mit- 
g-enoninien  werden,  um  z.  B.  zu  einer  befriedigenden  Darstellung  von 
der  allyctticinsteti  GeneraUsirung  der  LEGENDRE'schen  Methode,  die 
Kugeldreiecke  zu  berechnen,  zu  gelangen,  worin  die  Seiten  den  Sinus 
der  um  \  des  sphärischen  Excesses  verminderten  AViiikel  proportional 
gesetzt  Averden,  welche  Generalisirung  ich  besitze  und  die  als  ein  Theit 
der  höheren  Geodäsie  nöthig  ist. 

So  wie  die  mathematische  Seite  einer  Arbeit  mir  gewöhnlich  die 
inteiessanteste  ist,  so  kann  ich  auch  von  der  anderen  Seite  nicht 
leugnen,  dass  ich,  um  an  einer  so  ausgedehnten  Arbeit  Freude  zu 
haben,  doch  am  Ende  ein  schön  organisirtes  Ganze  muss  hervorgehen 
sehen,  was  durch  ein  zu  buntscheckiges  Ansehen  niclit  verunstaltet 
wird.  Dies  ist  die  l'rsache  meiner  Bedenklichkeit,  über  die  aber  wohl 
nicht  eher  recht  gründlich  geurtheilt  werden  kann,  bis  ich  alle  Mate- 
rialien zu  jenen  Sachen  zusammen  habe.  Es  wird  aber  damit  so  ge- 
schwind nicht  gehen,  theils  wegen  der  Menge  der  Gegenstände,  theils 
wegen  der  vielen  immer  vermehrt  und  neu  erscheinenden  Schwierig- 
keiten. Das  Nachdenken  darüber  wird  jetzt  auch  wieder  durch  einiges 
Kollegienlesen  gestört  werden.^) 

An  Keayenhoff,  obwohl  ich  seinen  Aufenthalt  noch  nicht  weiss, 
werde  ich  nächstens  zu  schreiben  versuchen.  Ich  habe  meine  Jever- 
sclien  ]\Iessungen  genau  berechnet  und  jetzt  in  Ordnung  gebracht. 
Meine  von  Göttingen  bis  Jever  transportii-ten  Azimuthe  sind  alle  grösser 
als  die  KEAYENHOFr'schen,  aber  in  sehr  ungleichen  Zahlen,  ich  mag 
sie  (I)  auf  das  Centrum  des  Knopfs  oder  (II)  auf  das  Centrum  des 
cj'lindrischen  Tliurms  reduciren,  die  von  einander  um  0,1  m  abliegen. 
Um  sie  so  gut  wie  möglich  in  Uebereinstimmung  zu  bringen,  müsste 
ich  die  Reduktion  auf  einen  Punkt  (III)  beziehen,  der  fast  genau  1  m 
von  (I)  entfernt  ist.     Der  Durchmesser  des  Thurms  ist  14  m. 


I 

II 

III 

Aurich 

Esens  

14",655 

18,938 

12,796 

2,665 

15",  145 

19,893 

13,182 

1,976 

—  9",402 

—  9  330 

Wanfferoog' 

—  9,374 

—  9,350 

Varel 

')  Yergl.  Anmerkung-  auf  S.  431.     Krm. 


Olbers.    II,  2. 


28 


434 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1825  November  11. 


Keatenhoff's   Distanz -Logarithmen    von    Wangeroog   und    Varel 
sind  grösser  als  die  meinigen  bei  der  Reduktion  auf 


T 

TT 

ITT 

Wangeroog" 

0,0000228 
0,0000402 

0,0000211' 
0.0000410 

0.0000387 

Varel 

0.0000304 

Bei  der  grossen  Menge  von  Dreiecken  von  Melun  bis  Jever  und 
der,  wie  es  doch  scheint,  schlechten  Beschaffenheit  eines  grossen  Theils 
derselben  ist  ein  Unterschied  nicht  zu  verwundern. 

Jetzt,  theuerster  Oleers,  noch  eine  Bitte  über  einen  anderen 
Gegenstand.  Ich  habe  die  Absicht,  meinen  zweiten  Sohn,  vielleicht 
schon  von  nächstem  Ostern  an,  einige  Jahre  von  Haus  wegzugeben,  und 
bin  lange  über  den  Ort  zweifelhaft  gewesen.  Mehrere  Umstände  scheinen 
jetzt  dafür  zu  sprechen,  die  Schule  von  Celle  zu  wählen,  besonders  der. 
dass  ein  meiner  Familie  befreundeter  Landprediger  nahe  bei  Celle,  ein 
trefflicher  Mann,  der  früher  öfter  junge  Leute  bei  sich  erzogen  hat. 
dort  eine  gewisse  Aufsicht  über  ihn  führen  und  sich  in  jeder  Beziehung 
seiner  annehmen  würde.  Wenn  nun  gleich  dies  eine  Hauptrücksicht 
ist,  so  kommt  doch  auch  sehr  die  Beschaffenheit  der  Schule  in  Be- 
tracht, von  der  jetzt  viel  gerühmt  wird.  Vielleicht  wären  Sie  im 
Stande,  mir  insofern  auch  einen  wichtigen  Beitrag  zum  Urtheil  über 
dieselbe  zu  geben,  als  der  gute  Ton  auf  einer  Schule  so  sehr  von  der 
Persönlichkeit  besonders  des  Direktors  [abhängig]  ist.  und  der  gegen- 
wärtige, ein  gewisser  Hr.  Hüpedex,  früher  längere  Zeit  an  der  Schule 
in  Bremen  gestanden  haben  soll.  Auch  wenn  Sie  ihn  selbst  nicht  näher 
gekannt  haben  sollten,  werden  Sie  mir  doch  vielleicht  aus  zuverlässiger 
Quelle  über  seine  Qualifikation  etwas  mittheilen  können.  Dass  ich  es 
als  eine  ganz  vertrauliche  ]\Iittheilung  ansehen  werde,  brauche  ich 
Ihnen  nicht  erst  zu  versicliern. 


No.  594. 


Olbers  an  Gauss. 


[313 


Hiemen.  1825  November  11, 


Den  jetzigen  Direktor  der  Celler  Schule.  Hlpedek.  habe  ich  hier 
selbst  gekannt  und  viel  Rühmliches  von  ihm  gehört.  Auch  wusste  ich. 
dass  man  ihn  ungern  bei  der  Bremer  Schule  verloren  hat.  Nach  Empfang 
Ihres   letzten  Briefes   habe   ich   doch  noch  den  Rektor  unserer  Schule, 


Olbcrs  au  Gauss.    Bremen,  1825  Novemlicr  11.  435 

Prof.  Sanders,  über  ilni.  Hüpeden  befragt  und  ein  ganz  vorzügliches 
Zeiigniss  erhalten.  Sanders  lobte  sowohl  die  ausgezeichneten  philo- 
lugischen  Kenntnisse  von  Hüpeden,  als  auch  seinen  Diensteifer  und  die 
(ieschieklichkeit,  mit  der  er  sich  dem  Unterrichte  der  Jugend  widmete, 
ganz  ungemein.  Ich  glaube  also,  mein  theurer  Gauss,  dass  Sie  Ihren 
Sohn  sicher  seiner  Leitung  und  Lehre  anvertrauen  können. 

üie  elliptischen,  von  Hansen  berechneten  Elemente  des  letzten 
Kometen  \)  hat  mir  sowohl  Schumacher  als  auch  Lindenau  geschickt. 
Wir  werden  die  Bahn  dieses  Kometen  noch  sehr  genau  kennen  lernen; 
denn  im  südlichen  Italien  wird  er  den  ganzen  Winter  hindurch  bis 
zum  anfangenden  Sommei-  sichtbar  bleiben,  und  auch  wir  in  unseren 
n()rdlichen  Gegenden  werden  ihn  im  Mai  des  künftigen  Jahres  im  Ein- 
siedler-Vogel und  beim  Schwanz  der  Wasserschlange  Avieder  sehen.  Er 
hat  dann  noch  mehr  Lichtstärke  als  am  Tage  seiner  diesjährigen  Ent- 
deckung und,  worauf  es  hier  hauptsächlich  ankommt,  auch  noch  etwas 
mehr  Helligkeit.  Uns  wird  er  wohl  mit  dem  Eintritt  der  nächtlichen 
Dämmerung  unsichtbar  werden;  aber  auf  südlicheren  Sternwarten,  wo 
die  nächtliche  Dämmerung  nicht  hinderlich  ist,  wird  man  ihn  wahr- 
scheinlich bis  nach  der  Mitte  des  Juni  verfolgen  können. 

Aus  Hansen's  Ellipse  habe  ich  beiläufig  berechnet: 

v/v                   Dekl.  log  d.  a.  O  a.  $ 

1826  Mai  3,18       224°  56'  —31"  24'  0,87356  0,17260 

10,69       206  43  —23  35  0,38809  0^16117 

Juni  1,79       202     7  —15  34  0,42827  0,27125 

In  der  Parabel  ist  die  Hoffnung,  ihn  auch  hier  wieder  zu  sehen, 
\  iel  geringer.  —  Dieser  merkwürdige  Komet  wird  also  ganz  beispiellos 
fast  11  Monate  ununterbrochen  oder  doch  mit  ganz  kurzer  Unterbrechung 
während  seiner  Konjunktion  mit  der  Sonne  gesehen  werden.  —  Mit  Ihnen 
halte  ich  die  vermuthete  Identität  dieses  Kometen  mit  dem  von  1590 
nicht  bloss  für  unwahrscheinlich,  sondern  für  ganz  irrig,  und  es  thut 
mir  leid,  wenn  Hansen  unnützer  Weise  viel  Zeit  auf  diese  Untersuchung 
verwendet. 

Für  den  Kometen '^j,  den  Harding  am  24.  Aug.,  Pons  aber  schon 
am  9.  Aug.  entdeckte,  habe  ich  aus  Inghie,uii's  Beobb.  vom  10.,  20. 
und  24.  Aug.  mit  Verbesserung  von  M  folgende  parabolischen  Elemente 
berechnet 

T  .    .     1825  Aug.  18,  3879  Göttingen 
ft 193«   4' 52" 


')  Komet  1825  IV,    er   -wurde   in  Europa  bis  Mitte  Okt.,   in  Amerika   und  Xeu- 
hoUand  bis  20.  Dec.  beobachtet,  dann  1826  Ton  April  bis  Juli.     Krm. 
-)  Komet  1825  IT.    Vergl.  auch  Olbees  Bd.  I,  S.  410.     Krm. 

28* 


436  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1825  November  11. 

n 9°47'54" 

i 88  29  39 

logg 9,946198  mot.  dir. 

Diese  Elemente  sind  verhältnissmässig  nur  wenig  von  denen  ver- 
schieden, welche  Peteks  bloss  aus  Haeding's  Beobb.  und  einer  Zwischen- 
zeit von  49  Stunden  berechnet  hat.  Ich  halte  dies  mehr  für  glück- 
lichen Zufall,  denn  die  Dekl.  in  Haeding's  Bestimmungen  sind  etwas 
zweifelhaft,  und  der  Komet  bewegte  sich  doch  in  der  Dekl.  am  schnellsten. 

General  Keatenhoff  ist  jetzt,  wie  ich  aus  den  Zeitungen  sehe, 
im  Haag. 

In  der  Abhandlung,  die  der  jüngere  Heeschel  und  South  über  di^ 
Doppelsterne  herausgegeben  haben,  findet  sich  die  Bemerkung,  dass  die 
kleinen  Sterne  von  hlauem  Licht  die  Erleuchtung  des  Feldes  im  Fern- 
rohr viel  besser  ertragen,  als  grössere  Sterne  von  gelbem  Lichte.  Da 
nun  aber  die  meisten  Sterne  und  Gegenstände  am  Himmel  gelbröth- 
liches  Licht  haben  und  Herschel  nicht  unwahrscheinlich  die  Ursache 
des  von  ihm  bemerkten  Phänomens  darin  sucht,  dass  das  blaue  Licht 
des  Sternchens  mit  dem  gelbröthlichen  der  Lampenflamme,  die  das  Ge- 
sichtsfeld erleuchtet,  einen  Kontrast  macht,  so  möchte  es  zu  versuchen 
sein,  das  Sehrohrfeld  mit  blauem  Licht  durch  vorgesetzte  blau  gefärbte 
Gläser  zu  erleuchten.  Dieses  blaue  Licht  würden  die  meisten  Gegenstände 
des  Himmels  dann  wohl  besser  ertragen. 

Nun  noch  ein  Wort  von  ganz  etwas  anderem,  ^^'ir  haben  oft. 
mein  theurer  Gauss,  über  die  wichtigsten  Gegenstände  für  den  ^lenschen 
gesprochen,  und  da  niuss  ich  Ihnen  doch  sagen,  dass  ich  kürzlich  nichts 
mit  grösserem  Interesse  und  grösserer  Befriedigung  gelesen  habe,  als 
das  1.  Stück  von  dem  Denkgläuhigen  des  Prof.  Paulus  in  Heidelberg. 
Eine  lächerliche,  Eitelkeit  verrathende  Behauptung  wüi'de  es  sein,  wenn 
ich  sagte,  es  sei  mir  gleichsam  aus  der  Seele  geschrieben ;  vielmehr  muss 
ich  dankbar  anerkennen,  dass  Paulus  erst  mehreren  meiner  Ideen 
völlige  Klarheit  und  Bestimmtheit  gegeben  hat.  Ueber  das  Glauben 
wäre  ich  nun  völlig  mit  Prof.  Paulus  einverstanden;  ob  aber  auch  der 
Glaube  des  Prof.  Paulus  der  meinige  ist  oder  werden  kann  —  woran 
ich  noch  sehr  zweifele  —  wird  sich  erst  aus  den  folgenden  Stücken 
dieser  Zeitschrift  ergeben.  —  Wie  sehr  dieser  Benkgläidnge  mir  zusagte, 
erhellt  auch  wohl  daraus,  dass  ich  gleich  nachher  Prof.  Kbug's  in  den 
Göttinger  Anzeigen  so  sehr  gerühmte  Pistologie  las.  die  mir  gegen 
Paulus'  crründliches  Raisonnement  wie  fades  Gewäsch  vorkam. 


Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1826  Januar  28.  437 

No.  595.  Olbers  au  Gauss.  [su 

Bremen,  1826  Januar  28. 

Es  ist  eine  halbe  Ewigkeit,  dass  ich  nichts  von  Ihnen  gehört  habe. 
HotYentlich  darf  ich  mit  Reclit  Ihr  langes  Stillschweigen  nur  Ihren 
vielen  Geschäften  zuschreiben:  aber  länger  kann  ich  es  doch  nicht 
unterlassen.  Sie  zu  bitten,  mich  durch  einige  Zeilen  über  Ihr  und  der 
Ihrigen  Betinden  völlig  zu  beruhigen.  Mit  mir  ist  es  ganz  beim  Alten, 
und  ich  habe  bisher  den  Winter  in  erträglicher  Gesundheit  zugebracht, 
obgleich  die  strenge  Kälte  mir  nicht  zusagt.  Auch  meine  näheren  An- 
gehörigen sind  entweder  immer  wohl  gewesen,  oder  doch  jetzt  von 
leichteren  Unpässlichkeiten  ganz  hergestellt. 

ScHTMACHER  Und  Repsoi.d  habe  ich  noch  nicht  gesehen,  und  meine 
Hoffnung  auf  den  lieben  Besuch  dieser  beiden  Freunde  ist  bis  jetzt 
unangenehm  getäuscht  worden.  Erst  wollten  sie  ge^^■iss  vor  Ende  Xov. 
kommen,  dann  am  15.  Dec.  von  Hamburg  abreisen,  endlich  bestimmten 
sie  ihre  Ankunft  auf  den  29.  Dec.  mit  Schümacher's  Versprechen,  den 
Neujahrstag  hier  zu  feiern.  Immer  wurde  die  Anmeldung  kurz  vor 
dem  angesetzten  Termin  wieder  aufgekündigt.  Jetzt  scheint  ihre  Ueber- 
kunft  auf  unbestimmte  Zeit  adjournirt  zu  sein. 

Gestern  Abend  hatten  wir  nach  langer  Zeit  zum  ersten  Mal  einen 
heiteren  mondlosen  Himmel,  und  ich  fand  endlich  den  schon  am  7.  Nov. 
vorigen  Jahres  von  Pons  im  Eridaniis  entdeckten  Kometen^)  auf.  Er 
stand  zwischen  No.  16  und  No.  19,  oder  genauer  zwischen  No.  15  und 
Xo.  19  Eridani.  Er  war,  vielleicht  zum  Theil  wiegen  noch  etwas 
dunstiger  Luft,  sehr  schwach,  im  Kometensucher  gar  nicht  zu  sehen 
und  seine  Ein-  und  Austritte  im  Dollond  schwer  zu  erkennen. 

Nach  einer  vorläufigen  Eeduktiou  meiner  gestrigen  Beobb.,  deren 
Kesultat  aber  immer  etwas  zweifelhaft  bleiben  wird,  war 

Jan.  27.  8'' 35'"       M     50M'      Dekl.     —  22H2'. 

Der  Komet  rückt  jetzt  in  einem  Tage  etwa  12'  nach  Osten  und  5' 
nach  Norden  fort  und  wird  also  leicht  aufzufinden  sein.  —  Sie  w^erden 
schon  wissen,  dass  Clausex  die  Beobb.  von  Inghirami  vom  17.  Nov. 
bis  17.  Dec.  vorigen  Jahres  nicht  in  einer  Parabel  darstellen  konnte, 
sondern  eine  Ellipse  von  etwa  70  Jahren  Umlaufszeit  dafür  fand.  Von 
seiner  Ellipse  weicht  die  gestrige  Beob.  nur  etwa  24'  in  JR  und  18'  in 
Dekl.  ab,  die  Parabel  über  l°i.  Doch  habe  ich  diese  Vergleichung  nur 
flüchtig  gemacht. 


\)  Komet  1826  II  nach  Galle's  Verzeiclmiss  (V  Komet  von  1825).     Krm. 


438  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1826  Februar  19. 

Vielleicht  beobachten  Sie  diesen  Kometen  auf  der  Göttinger  Stern- 
warte schon  lange.  Sollte  dies  aber  nicht  sein,  so  bitte  ich,  obige 
Position  aiicli  Hrn.  Prof.  Hakding  mitziitheilen,  an  den  zu  schreiben  es 
mir  heute  an  Zeit  fehlt. 


No.  596.  Gauss  an  Olbers.  [282 

Göttingen,  1826  Februar  19. 

Sie  haben  Recht,  es  ist  eine  halbe  Ewigkeit,  dass  ich  nichts  von 
mir  habe  hören  lassen,  und  Sie  haben  mich  durch  Ihren  gütigen  Brief 
gleichsam  beschämt.  Krankheit  kann  ich  eigentlich  als  Entschuldigung 
nicht  anführen,  ich  weiss  eigentlich  selbst  nicht,  ob  ich  mich  krank 
oder  gesund  nennen  soll.  Ich  leide  eigentlich  an  nichts  als  au  Schlaf- 
losigkeit und  deren  Folgen.  Selten  schlafe  ich  eine  Nacht  mehr  als 
eine  oder  zwei  Stunden.  Die  Ursache  liegt  nicht  unmittelbar  in  meinem 
Körper,  sondern  in  meinen  Beschäftigungen^),  zum  Theil  wohl  im  Miss- 
verliältniss  meiner  Beschäftigungen.  Ich  wüsste  kaum  eine  Periode 
meines  Lebens,  wo  ich  bei  so  angestrengter  Arbeit,  wie  in  diesem 
Winter,  doch  verhältnissmässig  so  wenig  reinen  Gewinn  geerntet  hätte. 
Ich  habe  viel,  viel  Schönes  herausgebracht,  aber  dagegen  sind  meine 
Bemühungen  über  anderes  oft  Monate  lang  fruchtlos  gewesen.  Wenn 
dem  Geiste  ein  gewisses  Ziel  dunkel  vorschwebt,  ohne  welches  erreiclit 
zu  haben  das  Uebrige  lückenhaft  erscheint,  nicht  wie  ein  Gebäude, 
sondern  wie  Mauersteine  zu  einem  Gebäude,  —  kann  man  nicht  ab- 
lassen, darüber  anhaltend  zu  meditii-en,  lüO  verschiedene  Versuche  zu 
machen,  und  fühlt  sich  unbehaglich,  wenn  einer  nach  dem  andern  wie 
ein  Irrlicht  spottend  entflieht.  Ich  bin  fest  überzeugt,  dass  in  einer 
anderen  äusseren  Lage  alles  besser  gehen  würde:  „Unabhängigkeit", 
das  ist  das  grosse  Losungswort  für  Geistesarbeiten  in  die  Tiefe.  Aber 
wenn  ich  meinen  Kopf  voll  von  in  der  Luft  schwebenden  geistigen 
Bildern  habe,  die  Stunde  heranrückt,  wo  ich  Kollegien  lesen  muss.  sc 
kann  ich  Ihnen  nicht  beschreiben,  wie  angreifend  ihis  Abspringen,  dai 
Anfrischen  heterogener  Ideen  für  mich  ist.  und  wie  schwer  mir  ofi 
Dinge   werden,    die  ich  unter  anderen  Umständen  für  eine  erbärmlich" 


^)  Gauss  beschäftigte  sich  um  diese  Zeit  mit  den  Untersuchuugren  zur  hüherei 
Geodäsie,  als  Kesultat  legte  er  1826  Sept.  16  das  Supplementum  theoriae  comb.  obs. 
1827  Okt.  8  die  Disquisitiones  gen.  circa  superficies  curvas  der  Göttiuger  Sooietä 
vor,  von  denen  noch  später  die  Kede  sein  wird.  Vergl.  auch  Bd.  VIII  der  Werk' 
Nachlass:  Zur  Transformation  der  Flächen  und  Neue  allgemeine  Untersuchungen  ül" 
die  krummen  Flächen,  S.  405 — 443,  Bd.  IX,  Nachlass:  Oonforme  Abbildung  des  Sph. 
roids  in  der  Ebene,  S.  141—204:  ferner  auch  Brief  No.  ö93  an  Olbers.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Gottingen,  1826  Februar  19.  439 

.4/>C'-Arbeit  halten  würde.  Die  Rathschläge,  die  man  in  solchen  Fällen 
giebt.  kenne  ich  wohl;  man  meint,  man  solle  eine  solche  Beschäftigung 
eine  Zeit  lang  ganz  bei  Seite  setzen  u.  dergl.,  aber  ich  weiss  auch, 
dass  ein  solcher  Gang  nicht  zum  Ziel  führt.  Ich  habe  in  meinem 
wissenschaftlichen  Leben  öfter  den  Fall  gehabt,  dass  ich,  durch  äussere 
Umstände  veranlasst,  Beschäftigungen,  die  nicht  glückten,  bei  Seite  legte, 
und  die  allerdincrs  später  glückten,  z.  B.  mein  Beweis  für  das  Haupt- 
theorem der  Lehre  von  den  Gleichungen^),  der  in  dem  3.  Bande  unserer 
Comtn.  steht:  aber  ich  habe  nachher  die  lOfache  Anstrengung  gehabt, 
nur  erst  wieder  auf  den  Punkt  zu  kommen,  auf  dem  ich  schon  früher 
mehr  als  einmal  gewesen  war.  Inzwischen,  lieber  Olbers,  will  ich  Sie 
nicht  mit  Klagen  über  Dinge  [erjmüden,  die  nicht  zu  ändern  sind;  meine 
-anze  Stellung  im  Leben  müsste  eine  andere  sein,  wenn  dergleichen 
W'idei-wärtigkeiten  nicht  öfter  eintreffen  sollten. 

1  )en  Kometen  habe  ich,  gleich  nachdem  ich  Ihre  Nachricht  erhalten, 
am  1.  Febr.  aufgefunden  und  observirt;  nachher  habe  ich  die  Beobb. 
Harding  übergeben,  nachdem  ich  die  Gesichtsfelder  der  verschiedenen 
okulare  nach  meiner  Methode  bestimmt  hatte.  Er  hat  bis  zum  14.  ob- 
servirt. und  die  rohen  Beobb.  sind  wohl  verwahrt;  ich  behalte  mir  vor, 
bei  mehrerer  Müsse  erst  meine  Methode,  die  Refraktion  zu  berechnen, 
in  Ordnung  zu  bringen. 

Es  gereicht  mir  —  daran  erinnert  mich  die  eben  angedeutete  Me- 
thode, den  Durchmesser  des  Gesichtsfeldes  zu  bestimmen  —  zum  Ver- 
gnügen, dass  ich  eine  Idee  zuerst  ins  Leben  gerufen  habe,  die  für  die 
gesammte  praktische  Astronomie  von  unendlicher  Wichtigkeit  ist.  Man 
hat  mir  nachgemesen^),  dass  Rittenhouse  und  Lambert  schon  eine 
ähnliche  Idee  gehabt  haben,  inzwischen  war  die  Idee  bisher  doch  eine 
tüte,  jetzt  ist  sie  lebendig.  Es  scheint,  dass  sie  in  den  Köpfen  der 
praktischen  Astronomen  erst  recht  zur  Klarheit  bringt,  für  jede  Auf- 
gabe der  praktischen  Astronomie  das  direkte  Mittel  sofort  aufzuspüren, 


^)  Demonstratio  nova  altera  theorematis  omnem  functionem  algebraicam  ratio- 
ualem  integrani  unius  variabilis  in  factores  reales  primi  vel  secundi  gradus  resolvi 
posse,  1815  Dec.  7  der  Göttinger  Societät  vorselegt,  wiederabgedruckt  in  Bd.  III, 
S.  31 — 56  der  Werke.  Yergl.  hierzu  auch  Notiz  141  (1812),  S.  41  in  Gauss'  Wissen- 
schaftlichon  Tagebuch,  herausgegeben  von  F.  Klein  in  der  Festschrift  zum  150jähr. 
Bestehen  d.  Ges.  d.  Wiss.  zu  Göttingen,  Berlin  1901.  Den  3.  Beweis  des  Funda- 
raentalsatzes  der  Algebra  fand  Gauss  gleich  darauf  (1816  Jan.  30  der  Societät  vorge- 
legt); Werke  Bd.  tU,  S.  57—64.     Krm. 

^)  BoHXEXBERGER,  neue  Methode,  den  Indexfehler  eines  Höhenkreises  zu  be- 
stimmen und  die  Horizontal-Axe  eines  Mittagferurohres  zu  berichtigen,  ohne  Loth 
oder  Libelle,  A.  N.  Bd.  IV,  No.  89.  Siehe  auch  Brief  No.  153  im  Briefwechsel  Gauss- 
Bessel,  ferner  Brief  v.  2.  Dec.  1828  von  Schumacher  an  Gauss  und  die  Antwort 
Gauss'  v.  7.  Dec.  (Briefwechsel  Gauss -Schumacher   Bd.  II  No.  351  und  352).     Krm. 


440  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1826  Februar  19. 

und  dadurch  gewissermaassen  erst  dieses  Feld  der  Geistesthätigkeit  zu 
einer  Wissenschaft  zu  machen,  das  bislier  nur  ein  dunkles  Herumtappen 
war.  Die  Anwendbarkeit  jener  Idee  ist  von  unerschöpflicher  Mannig- 
faltigkeit; ich  habe  zuerst  nur  ein  paar  Fälle  angedeutet,  viele  andere 
sind  mir  ausserdem  zum  Theil  gleich  anfangs,  zum  Theil  nachher  ein- 
gefallen; bei  mehreren  sind  mir  nachher  andere  in  der  Bekanntmachung 
zuvorgekommen,  wie  Sie  sich  z.  B.  der  Methode  erinnern,  die  Biegung 
der  Fernrohre^)  zu  finden.  Die  jetzt  von  Bohnenbeeger  aufgestellte 
Idee^)  ist  gewissermaassen  auch  darunter,  aber  ich  wusste  nicht  recht, 
wie  ich  die  Illumination  anbringen  sollte;  Bohnenbeeger  hat  nun  die 
praktische  Ausführbarkeit  bewährt,  obgleich  ich  wünschte,  dass  er  in 
seiner  Beschreibung  etwas  deutlicher  gewesen  wäre.  Er  bringt  bei 
doppeltem  Okular  sie  zwischen  beiden  an;  aber  bei  einfachem  zwischen 
dem  Netz  und  dem  Äugendeckel.  Zwischen  beiden  sitzt  ja  aber  das 
Glas  beinahe  in  der  Mitte  der  Theorie  nach;  ist  nun  sein  Illuminateur 
zwischen  Netz  und  Okular,  oder  zwischen  Okular  und  Augendeckel? 
Welche  Form  hat  der  Illuminateur  und  welche  Grösse  ungefähr  die 
Oeifnung?  Ich  werde  nun  darüber,  da  Bohnenbebger  so  unvollständig 
sich  ausdrückt.  Versuche  machen,  obwohl  es  unangenehm  ist.  dazu  ein 
Okular  gleichsam  erst  aufopfern  zu  müssen,  da  hier  niemand  auf  solche 
Glasarbeiten  eingerichtet  ist.  Es  wäre  vielleicht  gut,  die  ganze  letzte 
Okularröhre  von  Glas  zu  machen. 

Von  Krayenhoff  habe  ich  in  diesen  Tagen  Antwort  erhalten,  er 
hat  mir  die  Hauptmomente  der  Beobb.  von  Jever  geschickt.  Ich  habe 
noch  nicht  Zeit  gehabt,  sie  sorgfältig  zu  diskutiren,  auch  erhellt  nicht 
daraus,  wie  er  die  Centrirungs-Elemente  gefunden  hat,  aber  so  viel  scheint 
mir  gewiss,  dass  seine  Beobb.  lange  nicht  die  Genauigkeit  haben  wie 
die  meinigen.  Ich  kann  noch  keine  Pläne  für  die  Zukunft  macheu.  Ich 
liabe  eigentlich  keinen  grossen  Drang  zu  noch  einer  trigonometrischen 
Campagne  —  ich  lasse  dahin  gestellt,  ob  ein  glücklicher  Fund  in  meinen 
Theoreticis  mir  vielleicht  neuen  ünternehmungsmuth  einflössen  würde  — . 
einstweilen  werde  ich  erst  Schumacher's  Antwort  in  Eücksicht  auf  die 
Beobb.  mit  dem  Zenithsektor  erwarten. 

Die  unbeschreibliche  Schlechtigkeit  meiner  Uhren  verleidet  mir 
hier  jetzt  alles  Observiren;  allein  ich  habe  Nachricht,  dass  ein  Regulator 
von  Hardy,  welchen  S.  K[öniglichej  H[oheit]  der  Herzog  von  Sussex  der 
Sternwarte  zum  Geschenk  machen  will,  nächstens  abgesandt  werden 
soll.  Mit  dem  grössten  A\'iderwillen  wende  ich  sonst  meine  Zeit  auf  Ar- 
beiten, aus  denen  bei  aller  angewandten  Mühe  doch  nichts  Rechtliches 
herauskommen  kann. 


*)  Vergl.  Brief  No.  .'i'26,  Aumerkunc-  '2  auf  S.  3o9.     Krm. 
-)  Siehe  Anmerkung'  •_',  8.  439.     Krni. 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1826  März  3.  441 

Ich  bin  Ihiit'n  noch  den  l)ank  schiildii:-  l'iir  Ihre  j,^ütige  Nachricht 
über  den  Dr.  HIüpeden].  Sie  gereiclit  mir  nun  zu  grosser  Beruhigung, 
denn  mein  Sohn  kiMunit  Ostern  in  sein  }lans  und  unter  seine  specielle 
Aufsicht. 

Mein  ältester  Sühn  ist  jetzt  zweiter  Kadett  im  Artillerie-Regiment, 
und  wenn  eine  durch  den  Tod  des  Hauptmanns  Hugo  in  Stade  vor 
Kurzem  eingetretene  Vakanz  seinen  Vormann  zum  Officier  macht,  so 
wird  er  dadurch  der  erste  Kadett  werden.  Er  war  Weihnachten  bei 
uns   und  scheint  sich  fortwährend  in  seinen  Verhältnissen  zu  gefallen. 

Sie  wissen,  liebster  Olbees,  wie  glücklich  mich  immer  ein  Brief 
von  Ihnen  macht.  Strafen  Sie  mich  nicht  für  meine  Nachlässigkeit 
damit,  dass  Sie  mich  lange  auf  einen  solchen  warten  lassen. 


xo.  597.  Olbers  an  Gauss.  [315 

Bremen,  1826  März  3. 

Sie  haben  mich  wirklich  durch  Ihren  lieben  Brief  vom  19.  Febr. 
aus  einer  grossen  Angst  gerissen.  Ich  fürchtete,  eine  Sie  selbst,  oder 
ein  Ihnen  theueres  Glied  Ihrer  Familie  befallene  schwere  Krankheit 
möchte  Ihr  langes,  mir  ganz  ungewohntes  Stillschweigen  verursacht 
haben.  Dem  Himmel  sei  Dank,  dass  Sie  wenigstens  nicht  körperlich 
krank  sind.  Was  Ihre  Geisteskrankheit  betrifft,  so  kann  nur  ein  Geist 
wie  der  Ihrige  daran  leiden.  Ich  möchte  diese  Beschwerden  den  Wehen 
vergleichen,  die,  so  unangenehm  und  schmerzhaft  sie  auch  sind,  uns 
die  Geburt  eines  stattlichen  Heros  verkünden,  die  gewiss  nicht  aus- 
bleiben wird. 

Den  Kometen^)  habe  ich  zuletzt  am  12.  Febr.  und  nach  dem  Mond- 
schein auch  gar  nicht  wieder  gesehen,  weil  wir  hier  seit  dem  22.  Jan. 
noch  keinen  einzigen  heiteren  Abend  gehabt  haben,  so  schön  die  Witte- 
rung auch  oft  den  Tag  über  war.  Dies  ist  mir  um  so  unangenehmer, 
da  ich  auch  gern  fortgesetzte  Beobb.  über  das  Thierkreislicht  angestellt 
hätte,  das  sich  im  Anfange  des  Febr.  so  ungewöhnlich  hell  zeigte. 

Claüsen  hat  nun  gefunden,  dass  doch  eine  Parabel  alle  Beobb.  des 
kleinen  Kometen  \)  am  besten  darstellt.  Warum  er  diese  Parabel,  we- 
nigstens genähert,  nicht  schon  aus  Inghirami's  Beobb.  finden  konnte, 
verdiente  wohl  eine  Untersuchung;  es  sei  denn,  dass  er  sich  anfangs 
bloss  verrechnet  hat.  Der  Komet  war,  wenigstens  durch  meinen  Dollond 
und   für   meine   alten  Augen,    sehr   schwer   zu   beobachten,    wenn    der 


Komet  1826  II.  siehe  auch  Olbers  Bd.  I,  No.  104—106,  S.  407— 41(J.    Krm. 


442  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1826  März  3. 

Himmel  nicht  sehr  heiter  war.  Icli  bin  um  so  begieriger  auf  Ihre 
reducirten  Göttinger  Beobb.,  da  Clausen  in  einer  meiner  Beobb..  die 
ich  gerade  des  sehr  heiteren  Wetters  wegen  für  gut  zu  halten  Ursache 
hatte,  einen  Fehler  von  2'  in  der  Dekl.  gefunden  haben  will. 

Schumacher  hat  uns  auf  meine  Veranlassung  die  Original-Beobb. 
des  2.  Kometen  von  1822^)  von  Catueegli  in  Bologna  verschafft.  Auch 
hat  Zach  versprochen,  die  Original-Beobb.  eben  dieses  Kometen  von 
PoNs  einzuschicken.  An  die  Erfüllung  des  letzteren  Versprechens  glaube 
ich  zwar  nicht;  aber  schon  das,  was  uns  Caturegli  gegeben  hat,  wird 
hoffentlich  hinreichen,  die  Bahn  dieses  Kometen,  dessen  angegebene 
Beobb.  sich  gar  nicht  mit  einem  Kegelschnitt  vereinigen  Hessen,  erträg- 
lich zu  bestimmen. 

Encke  hat  mir  seine  wichtigen  Untersuchungen  über  die  Pertur- 
bationen  der  Vesta^)  geschickt,  deren  Eesultate  er  gewiss  auch  Ihnen 
mitgetheilt  haben  wird.  Ich  gestehe  es,  diese  sind  mir  so  unerwartet 
als  unbegreiflich.  Dass  4  die  Vesta,  Pallas,  Juno  u.  s.  w.  anders,  und 
gleichsam  mit  einer  anderen  Masse  anzieht,  als  seine  Trabanten,  den 
Saturn  und  die  Sonne,  das  schien  mir  möglich  und  begreiflich;  aber  dass 
man  die  Anziehung  auf  einen  und  denselben  Körper,  die  Sonne,  von  4 

das  eine  Mal  -tttt^t^-T'  wenn  man   auf  die  Perturbationen   des  t»  sieht, 
10/0,5' 

das  andere  Mal  -77,^77777,  wenn  man  die  Perturbationen  der  Asteroiden 
10öo,y 

berechnet,  annehmen  müsse,  das  kann  ich  schlechterdings  nicht  begreifen. 

Hier  muss  noch  irgend  etwas  aufzuklären  sein. 

Sehr  begierig  bin  ich  allerdings,  Ihre  Projekte  für  den  nächsten 
Sommer  kennen  zu  lernen.  Ehe  Sie  darüber  entschieden  haben,  ob  Sie 
noch  einen  Anschluss  an  die  KRAYExnoFP'schen  Dreiecke  machen  wollen, 
werden  Sie  uns,  unerachtet  der  von  Krayexhoff  erhaltenen  Antwort, 
wohl  das  definitive  Ergebniss  dieses  Anschlusses  nicht  mitlheilen?  — 
Die  neueste  geodätische  Verbindung  zwischen  Paris  und  Green  wich  hat 
den  Mittags-Unterscliied  9™2P,1  gegeben. 

Fraunhofer   soll    an   einer  unheilbaren  Schwindsucht  krank  sein. 

Lohemann,  der  Herausgeber  der  Mondtopographie,  ist  jetzt  nach 
Paris  gereist,  wahrscheinlich  in  Geschäften,  das  sächsische  Kataster  be- 
treffend, aber  angeblich  hauptsächlich,  um  behufs  seiner  Mondkarten 
alles,  was  bisher  Aehnliches  über  den  Mond  geliefert  ist,  sich  vollständig 
bekannt  zu  machen.  Auf  seiner  Kückreise  wird  er  auch  Göttingen 
besuchen,  wo  er  noch  Zeichnungen  von  Tobias  Mayer  sehen  zu  können 


1)  Komet  1822  III.     Knn. 

*)  Vergl.  auch  Brief  No.  599  und  die  betreffende  Aumerkuuff.     Krm. 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1S26  Mürz  26.  443 

hofft.   Er  hat  mich  inständi<r  ersucht,  ihn  Ihrer  Protektiuii  zu  empfehlen, 
um  die  ich  also  für  ihn  auch  inständig-  bitte. 

Da  Sie  mir  nichts  von  Ihrer  hochverehrten  Frau  Gemahlin  sagen, 
so  hoffe  ich,  dass  deren  Gesundheit  diesen  Winter  wenigstens  erträg- 
lich ist. 


No.  598.  Olbers  an  Gauss.  [sie 

Bremen.  1826  März  20. 

Ich  weiss  nicht,  ob  Ihnen  Hr.  Prof.  Harding  schon  die  Elemente 
der  Bahn  des  jetzigen  Kometen  \),  von  Biela  im  Widder  entdeckt,  mit- 
getheilt  hat,  die  ich  ihm  schickte,  oder  ob  Sie  vielleicht  schon  sonst 
bessere  und  genauere  Elemente  desselben  kennen.  Ich  habe  sie  aus 
den  beiden  BiELA'schen  Beobb.  vom  28.  Febr.  und  2.  März  und  der 
H.vKDixG'schen  vom  12.  März  abgeleitet  (  Biela's  ^ii?  wegen  der  von  ihm 
nach  BoDE  unrichtig  angenommenen  Position  von  38  Arietis  verbessert). 
Sie  stellen  die  mittlere  Beob.  bis  auf  2' 41"  in  der  Länge  und  15"  in 
der  Breite  dar,  weichen  aber  von  der  späteren  ÜARDiNG'schen  Beob. 
vom  14.  März  nur  — 10"  und  -j-28"  ab.  Ich  glaube  also,  dass  man 
sie  schon  als  eine  erste  Annäherung  ansehen  kann.  AVas  nun  merk- 
würdig ist,  das  ist  ihre  grosse  Uebereinstimmung  mit  den  von  Ihnen 
für  den  2.  Kometen  von  1805^)  berechneten  elliptischen  Elementen.  Ich 
setze  hier  beide  neben  einander: 

T    .    .  1806  Jan.  2,  11'^  5'"  35^     1826  März  18,  8'^  6'"  20^  Göttingen 

ft 251«  28' 23"  250°  44' 21" 

:i 109  30     2  112  39  24 

i 12  43  10  12  18  31 

logg 9,959893  Dir.  9,94460  Dir. 

Die  Uebereinstimmung  ist  ganz  auffallend  und  berechtigt  um  so 
mehr,  eine  Identität  beider  Kometen  zu  vermuthen,  da  Sie  es  so  wahr- 
scheinlich gemacht  haben,  dass  der  Komet  von  1805  eine  Ellipse  von 
sehr  massiger  Umlaufszeit  beschreibe.  Natürlich  kommt  hier  nun  auch 
wieder  der  Komet  von  1772  in  Betrachtung.  Hr.  Clausen,  dessen  be- 
rechnete Elemente 


1)  Komet  1826  I,  am  27.  Febr.  entdeckt.     Seh. 

^)  Komet  1806  I.  Siehe  auch  den  folgenden  Brief  und  die  Anmerkung  dazu, 
ferner  Olbers  Bd.  I,  S.  411 — 412  und  das  C'irkular  im  Briefwechsel  Gauss-Schcmacher, 
No.  267.    Krm. 


444  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1826  April  2. 

T  .    .    .     1826  März  15,75422 

Sh 245°  16' 40" 

n 95  48  15 

i 15  45  19 

log  g 0,0114369 

noch  stark  von  den  meinigen  und  etwas  mehr  von  den  Elementen  des 
Kometen  von  1805  abweichen,  hält  doch  die  Identität  der  Kometen  von 
1772,  1805  und  1826  für  höchst  wahrscheinlich  und  glaubt,  dass  eine 
Umlaufszeit  von  6  Jahren  und  9  Monaten  alles  vereinigen  könne.  Wenn 
wirklich  alle  3  Kometen  identisch  sind,  so  hat  dies  viel  Anscheinendes. 
Die  grossen  Veränderungen,  die  die  Bahn  des  Kometen  von  1772  bis 
zu  1805  erlitten  haben  muss,  würden  sich  dann  aus  den  Perturbationen 
vom  Jupiter  erklären  müssen,  dem  er  1782,  besonders  aber  1794  und 
1795  bedeutend  nahe  kam.  Ich  erwarte  mit  grosser  Ungeduld  fernere 
Beobb.  dieses  Kometen.  Ich  selbst  habe  ihn  noch  kein  einziges  Mal 
der  Witterung  wegen  beobachten  können. 

Endlich  scheint  es,  wollen  die  Hrn.  Schumacher  und  Repsold  ihr 
Versprechen,  mich  zu  besuchen,  erfüllen.  Sie  haben  sich  nun  auf  den 
2.  Apr.  angekündigt.     Mad.  Eepsold  wird  mitkommen. 

Ein  junger  Mann,  der  mir  neulich  aus  Göttingen  einen  Gruss  von 
Ihnen  brachte,  hat  mich  Ihres  und  der  Ihrigen  Wohlbefinden  versichert. 
Er  sagte  mir,  Sie  würden  den  Sommer  wieder  nicht  lesen,  sondern  Ihr 
Messungs-Geschäft  fortsetzen.  Sagen  Sie  mir  doch  bald,  mein  geliebter 
Gauss,  Avas  Ihr  Plan  für  diesen  Sommer  ist,  und  ob  ich  Hoffnung  habe, 
dass  Sie  dieser  auch  in  unsere  Nähe  füliren  wird. 


No.  599.  Gauss  an  Olbers.  [283 

Göttingen,  1826  April  2. 

Herzlichen  Dank  für  alle  die  interessanten  Mittheilungen  Ihres  letzten 
Bi'iefes.  Fast  gleichzeitig  damit  erhielt  ich  die  parabolischen  Elemente 
des  Kometen  von  Encke  und  Biela.  so  wie  in  der  Äugsb.  AUg.  Z.  Xo.  84 
die  von  Schwerd,  alle  wenigstens  zum  Tlieil  auf  andere  Beobb.  gegründet. 
Ich  für  meine  Person  habe  fast  gar  keinen  Zweifel  mehr,  dass  wir 
wieder  eine  grosse  Acquisition  in  der  Astronomie  gemacht  haben,  und 
dass  die  Kometen  von  1826,  1805^1  1772  alle  3  identisch  sind.  Ich 
l)in  dazu  um  so  leichter  geneigt,  da  ich  nie  aufgehört  habe,  die  Identität 


^)  Komet  1806  I  im  GALLE".'^chen  Verzeichniss.     Kini. 


Gauss  an  Olbcrs.     Göttiug'en,  lS'2t)  April  2.  445 

der  Kometen  177:1.  ISUJ  für  JiöcJist  wahrschehdicli  zu  halten.'^)  Ich 
habe  diese  Ansiclit  niemals  so  stark,  als  ich  sie  hatte,  aussprechen  mögen, 
um  diejeniiren  Astronomen  nicht  zu  kränken,  die  sich  etwas  sclineidend  — 
absprechend  dahin  geäussert  hatten,  dass  die  Verschiedenheit  bewiesen 
sei;  ich  begnügte  mich  zu  zeigen,  dass  dies  nicht  bewiesen  sei,  und  muss 
wohl  dabei  jener  persönlichen  Rücksicht  zu  viel  Raum  gegeben  haben, 
da  Sie  —  falls  Sie  nicht  meine  Gründe  gemissbilligt  haben  —  die 
Identität,  nach  den  Akten  ^),  auch  für  höchst  «»wahrscheinlich  erklärt 
haben.  Ich  bin  öfter  in  wissenschaftlichen  Dingen  in  Dilemmas  ge- 
kommen, wo  die  Kasuistik  mich  vielleicht  irre  geführt  hat.  In  rein 
mathematischen  Dingen,  wo  sich  strenge  Beweise  führen  lassen,  spreche 
ich  mich  ohne  Scheu  frei  und  klar  aus;  wo  es  aber  auf  das  individuelle 
Abschätzen  von  Wahrscheinlichkeit  ankommt,  so  lange  solches  noch 
nicht  nach  mathematischen  Principien  durch  Zahlen  geschehen  kann, 
bin  ich  immer  schüchtern;  das  absprechend  ausgedrückte  Urtheil  eines 
Mannes,  den  ich  hochachte,  macht  mich,  wenn  es  meiner  eigenen  An- 
sicht widerspricht,  stutzig,  und  wenn  ich  auch  nach  wiederholter  viel- 
seitiger Ueberlegung  auf  jene  zurückkomme,  mag  ich  doch  ungern  meine 
eigene  Ansicht  jener  schroff  entgegenstellen.  Und  doch  weiss  ich  wieder 
nicht,  ob  ich  darin  nicht  wieder  Unrecht  thue.  Auf  alle  Fälle  erlauben 
Sie  mir,  theuerster  Olbers,  bei  dieser  Veranlassung  Ihnen  aufrichtig- 
das  Geständniss  abzulegen  —  ich  weiss  in  der  That  nicht,  ob  wir  je 
darüber  gesprochen  haben  — ,  dass  in  Beziehung  auf  eine  andere  An- 
gelegenheit, ich  meine  den  vielbesprochenen  astronomischen  Betrug  von 
d'Angos^)  ich  in  Encke's  Rechnungen,  obwohl  sie  einen  solchen  aller- 
dings —  besonders  insofern  man  sonst  Verdacht  gegen  d'Angos'  Ehrlich- 
keit zu  haben  berechtigt  war  —  sehr  wahrscheinlich  machten,  doch 
noch  lange  keinen  Beweis  dafür  habe  finden  können,  und  dass  mir 
scheint,  dass  dazu  viel  tiefer  eindringende  Untersuchungen  erforderlich 
gewesen  wären.  AVas  übrigens  mein  subjektives  Gefühl  in  Beziehung 
auf  die  Identität  der  Kometen  1805,  1772  betrifft,  so  ist  der  eigentliche 
Grund  dafür  der,  dass,  wenn  man  sich  die  einzelnen  5  Elemente  der 
Kometenbahnen  ganz  durch  Zufall  bestimmt  denkt,  eine  ungeheuer 
geringe  Wahrscheinlichkeit  da  ist,  dass  2  in  allen  Stücken  nicht  mehr 
von  einander  diff'eriren  als  jene  Kometen;  nun  habe  ich  aber  gezeigt, 
dass  jene  noch  beträchtlichen  Unterschiede  die  Möglichkeit  einer  höchst 


^)  Vergl.  Olbers  Bd.  II,  1,  S.  279,  235,  292,  294,  296—297,  299—301,  Brief- 
wechsel Gaüss-Bessel,  S.  25,  27—35,  38—41,  Olbers-Bessel  Bd.  I,  S.  21,  27,  29,  34, 
39—42,  schliesslich  Gauss'  Werke  Bd.  VI,  S.  268—269,  272—276,  451—453.  Siehe 
auch  das  Cirkular  No.  267  im  Briefwechsel  Gauss-Schumacher  Bd.  II,  S.  48  ff.     Krm. 

-)  Vergl.  hierzu  auch  Brief  No.  398  v.  9.  Jan.  1821  von  Olbers  an  Gauss  und 
die  Anmerkunir  auf  S.  51.     Krm. 


446  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1826  April  2. 

einfachen  Erklärung  nicht  ausschlössen  und  daher,  so  lange  diese  nicht 
durch  scharfe  Recliming  für  unmöglich  bewiesen  war,  bei  meiner  Ansicht 
von  der  walirscheinlichen  Identität  beharrt.  Ja  ich  hatte  mir  sogar 
vorgenommen,  diesen  Kometen,  wenn  ich  mich  einmal  von  anderen  Ar- 
beiten frei  gemacht  hätte,  planmässig  zu  suchen;  hoffentlich  ist  dies 
nun  überflüssig  geworden.  Ich  bemerke  noch,  dass  in  Ihrer  Kometen- 
tafel ein  kleines  Versehen  begangen  ist,  indem  die  Excentricität  des 
Kometen  von  1805  nicht  neben  die  elliptischen,  sondern  neben  die 
parabolischen  Elemente  gesetzt  ist;  es  wäre  vielleicht  gut,  wenn  dies 
angezeigt  würde,  da  wenige  die  Quellen  selbst  vergleichen.  Sogar  Encke, 
dem  die  Aehnlichkeit  auch  aufgefallen  ist,  setzt  mir  zu  meiner  Bequem- 
lichkeit die  Abschrift  der  paraholischen  Elemente  neben  die  Excentricität. 

Encke  hat  mir  nunmehr  auch  seine  Fes^a-Rechnungen  mitgetheilt. 
Es  geht  daraus  hervor,  dass  wenigstens  ö  und  O  vom  2j.  nicht  merklich 
verschieden  angezogen  werden.  Ich  habe  der  Hypothese^)  (die  durch 
nichts  begründet  ist)  von  einer  ungleichen  affinitas  chemica  corporum 
coel.  nie  Geschmack  abgewinnen  können,  wenigstens  müssten  erst 
schlagende  Beweise  dafür  vorhanden  sein.  Dass  Bouvard  die  4  Masse 
aus  den  1;^  Störungen  etwas  kleiner  gefunden  hat,  beweist  gar  nichts, 
denn  ich  kann  nicht  zugeben,  dass  La  Place's  Näherungsmethode  für 
die  Planeten-Störungen  zur  Entscheidung  eines  so  delikaten  Punktes 
tauglich  ist. 

Rücksichtlich-)  meiner  Messungen  kann  ich  für  mich  allein  wenig 
beschliessen.  Mein  Auftrag  ist  im  Grunde  rücksichtlich  des  trigono- 
metrischen Theils  vollendet,  und  ich  dachte,  insofern  Schumacher  midi 
gehörig  unterstützen  will,  im  Spätsommer  die  Zenithsektor-Beobb.  vor- 
zunehmen. Der  schwankende  Zustand  meiner  Gesundheit  schreckt  mich 
ab,  auf  erweiterte  trigonometrische  Messungen  anzutragen;  inzwischen 
habe  ich  vor  Kurzem,  unter  uns  gesagt,  in  einem  Schreiben  an  Münster 
erklärt,  dass  ich  bereit  bin,  meine  Kräfte  auch  noch  künftig  darauf  zu 
wenden,  falls  solche  gefordert  werden  sollten. 

Meine  theoretischen  Arbeiten  lassen  bei  ihrem  so  sehr  grossen 
Umfange  leider  noch  viele  Lücken.  Am  leichtesten  wäre  mir  geholfen, 
w^enn  ich  mir  erlaubte,  mit  der  Bekanntmachung  meiner  .Alessungen 
zwar  alle  meine  Rechnungseinrichtungen  zu  verbinden,  aber  deren  Ah-. 


^)  Die  Hypothese  von  der  „Wahlanziohiing-  unter  den  Planeten^,  wie  sie  Olbers 
nennt,  hatte  Bessel  in  seiner  „Untersuchung-  des  Theils  der  planetarischen  Stö- 
rungen, welcher  aus  der  Bewegung  der  Sonne  entsteht,"  1824  aufgestellt.  Vergl.  Brief 
No.  305  und  306  im  Briefwechsel  Olbkrs-Bessel  und  No.  I-IS  und  149  im  Briefwechsel 
Gaüss-Bessel.     Krm. 

^)  Von  hier  ab  bis  „vollendet"  wieder  abgedruckt  in  (i.vrss'  Werken  Bd.  IX, 
S.  376 — 377.     Krm. 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1S26  April  5.  447 

leitiuKj  aus  ihren  höheren  Gründen  für  ein  ji:anz  getrenntes  "Werk  für 
glücklichere  zukünftige  Zeiten  aufsparte.  Dann  wäre  nirgends  ein 
Anstoss.  Fürs  erste  werde  ich  die  scharfe  Ausgleichung  meiner  32  Punkte, 
die  51  Dreiecke  und  14t3  Richtungen  liefern,  vornehmen.  Die  Höhen- 
ausgleichung  (ein  sehr  viel  leichteres  Geschäft)  habe  ich  in  diesen  Tagen 
vollendet. 

Mit  meiner  Gesundheit  bin  ich  trotz  dem,  was  Ihnen  der  Student 
(Hr.  Alurecht?)  gesagt  hat,  gar  nicht  zufrieden.  Ich  habe  eine  wahre 
Scheu  vor  einer  kleinen  Reise,  die  ich  genöthigt  bin.  in  der  nächsten 
Woche  zu  machen,  um  meinen  Sohn  nach  Celle  zu  bringen.  Ohne  jenen 
und  verschiedene  andere  Umstände,  die  mich  zwingen,  die  Reise  sehr 
eilig  zu  machen,  wäre  ich  vielleicht  auf  1  oder  2  Tage  noch  zu  Ihnen 
gekommen,  und  ganz  will  ich  diese  Aussicht  noch  nicht  aufgeben.  Sollte 
es  überhaupt  noch  möglich  sein,  so  würde  ich  den  9.  oder  10.  Apr.  nach 
Bremen  kommen,  aber  wahrscheinlich  werde  ich  mir  diese  grosse  Freude 
auf  eine  spätere  Zeit  dieses  Jahres  aufsparen  müssen. 

Ich  werde  unterbrochen  und  muss,  [um]  die  Post  nicht  zu  ver- 
fehlen, eiligst  schliessen. 


No.  600.  Olbers  aii  Gauss.  [sn 

P)remen,  1826  April  5. 

Nur  mit  sehr  wenigen  Zeilen  danke  ich  Ihnen  für  Ihren  gestern 
ei  haltenen  lieben  Brief  und  kann  Ihnen  nur  meine  Freude  über  die 
angenehme  Hoffnung  bezeugen,  Sie  vielleicht  schon  in  diesen  Tagen 
hier  zu  sehen.  Je  eher  Sie,  lieber  Gauss,  mich  beglücken  können,  je 
angenehmer  wird  es  mir  sein.  Allein  auch  den  ganzen  Sommer  über, 
wenn  ich  Gesundheit  und  Leben  behalte,  werde  ich  stets  bereit  sein, 
Sie  zu  empfangen,  und  sehnsuchtsvoll  nach  Ihnen  aussehen,  da  ich  weder 
Bremen  verlassen  werde,  noch  irgend  eine  andere  Störung  vermuthen 
kann. 

ScHTTMACHEK,  Herr  und  Madame  Repsold  sind  zu  meinem  grossen 
Vergnügen  jetzt  hier.  Die  lieben  Freunde  drohen  aber  schon  auf  über- 
morgen wieder  mit  der  Abreise.  Repsold  habe  ich  z-\^'ar  sehr  ange- 
griffen und  abgenommen,  aber  doch  besser  gefunden,  als  ich  ihn  mir 
gedacht  habe. 

Von  Cometicis  und  über  den  anderen  Inhalt  Ihres  interessanten 
Schreibens  sehr  bald  mündlich  oder  schriftlich  mehr.  Gambaet  hat 
mir  seine  Beobb.  bis  zum  21.  März  und  eine  vorläufige  Bahnbestimmung 
geschickt;  auch  er  schliesst  aus  der  Aehnlichkeit  der  Bahnen  auf  die 
Identität   der   Kometen   von    1826,    1805  und  1772.  —  Ich   habe   den 


^^g  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1826  April  25. 

Kometen  erst  3 mal,  den  28.,  30.  und  31.  März  beobachten^)  können. 
Die  letztere  dieser  Beobb.  weicht  schon  weit  über  einen  Grad  von 
meinen  parabolischen  Elementen  ab,  was  wahrscheinlich  auch  grössten 
Theils  daher  rührt,  dass  die  wahre  Bahn  so  sehr  von  einer  Parabel 
abweicht. 

Seit  dem  31.  März  ist  es  hier  beständig  trübe,  und  Schumachee, 
der  8  Chronometer  und  seinen  GAMBEY'schen  Kreis  mitgebracht  hat, 
hat  noch  keine  einzige  Sonnenhöhe  erhalten  können. 


No.  601.  Olbers  an  Gauss.  [sis 

Bremen,  1826  April  25. 

Ich  habe  den  9.  und  10.  Apr.,  ja  bis  in  die  Mitte  des  Monats  ver- 
gebens nach  Ihnen  ausgesehen,  da  Sie  mir  einige  Hoffnung  gegeben 
hatten,  Sie  würden  mich  vielleicht  mit  Ihrem  Besuche  beglücken.  Um 
so  mehr  rechne  ich  nun  auf  die  gütige  Versicherung,  dass  Sie  mir  doch 
im  Laufe  dieses  Sommers  diese  grosse  Freude  machen  werden. 

Ich  gestehe  es,  ich  habe  die  Identität  der  Kometen  von  1772  und 
1805  für  höchst  unwahrscheinlich  erklärt.  Aber  wahrlich  Ihre  eigenen 
Ausdrücke,  lieber  Gauss,  nicht  bloss  in  der  M.  C.-),  sondern  auch  in 
Ihren  Briefen^)  an  mich  haben  mich  zum  Theil  verleitet.  Nach  diesen 
blieb  nur  noch  eine  Möglichkeit  über,  dass  der  Komet  zwischen  1772 
und  1805  einem  grossen  Planeten  beträchtlich  nahe  gekommen  und 
seine  Bahn  dadurch  so  sehr  verändert  worden  sei.  Da  ich  nun  sah, 
dass  die  Knoten  der  Kometenbahn  sowohl  nach  Ihrer  Parabel  als  nach 
Ihrer  Ellipse  weit  von  der  Jupiter shohw  entfernt  waren,  so  hielt  ich 
die  Möglichkeit  einer  erforderlich  grossen  Annäherung  an  diesen  Planeten 
für  sehr  unwahrscheinlich  und  dachte  nicht  daran,  dass  sich  eine  Um- 
laufszeit voraussetzen  lasse,  bei  der  der  Komet  dem  ^  zwar  nicht  so 
sehr  nahe  kommt,  als  ich  nöthig  vermeinte,  aber  doch  so  lange  in  ziem- 
licher Nähe  bei  diesem  Planeten  verweilt,  dass  dadurch  grosse  Ver- 
änderungen in  seiner  Bahn  bewirkt  werden  können.  Um  so  mehr  freue 
ich  mich  nun  über  den  glückliclien  Triuniiih  Ihrer  nie  aufgegebenen 
Identität  dieser  beiden  Kometen. 

lieber  die  Unzulänglichkeit  des  von  Encke  geführten  Beweises  von 
d'Angos'  Betrug   haben  Sie   mir   nie   vorher   etwas  gesagt.     Ich  habe 


^)  Verg-l.  Olbers  Bd.  1  >"o.  106,  S.  411.     Xrm. 

2)  Monatl.  Corresp.  Bd.  XIV,  S.  75—86,  Gauss'  Worke  Bd.  \l.  S.  270  ff.  uud 
Brief  No.  143  (1806  Mai  15)  \\m\  No.  145  (1S06  Juni  13.^  von  Gauss  au  Olbers  in 
Olbers  Bd.  II,  1.     Krm. 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1826  A])Ti\  25.  449 

diesen  Beweis  für  hinreichend  geführt  gehalten.  Das  einzige,  was  ich 
bei  Encke's  Untersuchung  zu  tadeln  fand,  war,  dass  er  bei  seinen 
Rechnungen  über  eine  mögliche  Bahn  aus  den  angeblichen  Beobb.  sich 
nicht  nach  Ihrer  Vorschrift  von  dem  Einfluss  der  Parallaxe  befreit  und 
statt  der  wiiklichen  Oerter  der  Erde  die  Punkte  auf,  der  Ebene  der 
Erdbahn  zum  Grunde  seiner  Rechnungen  gelegt  hatte,  wo  die  Gesichts- 
linien diese  Ebene  schneiden.  Ich  bitte  Sie  recht  sehr,  mein  theuerster 
Freund,  mich  näher  über  den  Grund,  warum  Sie  den  Ritter  nicht  für 
völlig  überwiesen  halten,  zu  belehren. 

Seit  dem  10.  Apr.  habe  ich  den  BiELA'schen  Kometen  nicht  wieder 
u'-esehen.  denn  die  wenigen  Abende,  wo  es  heiter  war,  hatten  wir  bei- 
nahe Vollmond,  und  da  war  der  Komet  nicht  mit  Gewissheit  zu  er- 
kennen, so  genau  ich  auch  den  Ort,  wo  er  stehen  musste,  kannte.  Meine 
4  letzten  Beobb.  M  sind  folgende,  denen  ich  die  Abweichung  von  Clausen's 
Ellipse,  nach  Clausen's  eigener  Rechnung,  beifüge 

Apr.    7.  8*^36'^  30^  74»18'31",4  +10«24'21",8 

8.  8  48    46  75  42  22,3  10  19  26,5 

9.  8  39    15  77     5  20,2  10  14  21,9 
10.  8  48    47  78  29  39,0  10     8  41,2 

Fehler  in 
Apr.   7.         .^—   0,"1  Dekl.  +  ll'V7 

8.  —11,9  +    4,9 

9.  —21,5  4-    7,2 
10.              —34,5  +    0,7 

Vielleicht  ist  Ihnen  folgende  kleine  Ephemeride,  die  ich  aus  Clausen's 
Ellipse  berechnet  habe,  nicht  ganz  unangenehm. 

[Folgt  eine  kleine  Ephemeride,  welche  hier  weggelassen  ist.] 

Was  diesen  BiELA'schen  Kometen  für  die  Erdbewohner  noch  be- 
sonders merkwürdig  macht,  ist  die  sehr  grosse  Annäherung^)  seiner 
Bahn  beim  niedersteigenden  Knoten  an  die  Erdbahn.  Nach  Clausen's 
Ellipse  habe  ich  berechnet,  dass  die  nächsten  Punkte  beider  Bahnen 
(eigentlich  der  CLAusEN'schen  Ellipse  und  der  Erdbahn,  wie  sie  unsere 


^)  Siehe  auch  Olbehs  Bd.  I  No.  107,  S.  413.     Krm. 

*)  Siehe  auch  Olbers  Bd.  I  No.  108,  S.  414  ff.  Bei  diesem  merkwürdigen  Ko- 
meten Terdient  noch  erwähnt  zu  werden,  dass  er  hei  der  zweiten  beobachteten 
Wiederkehr  1845 — 46  sich  in  zwei  Theile  spaltete,  die  dann  im  Jahre  1852  stärker 
getrennt  beobachtet  wurden.  Zu  den  späteren  Zeiten  der  periodischen  Wiederkehr 
fand  man  den  Kometen  selbst  nicht  mehr  wieder,  wohl  aber  beobachtete  man  stärkere 
Stemschnuppenfälle  zur  Zeit  des  Durchganges  der  Erde  durch  die  Kometenbahn.    Krm. 

Olbers.    II,  2.  29 


^50  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1826  Mai  14. 

Erde  im  künftigen  Herbst  beschreiben  wird)  nur  0,0055604  oder  etwa 
133-^  Halbmesser  der  Erde  von  einander  entfernt  waren.  Es  ist  also 
nicht  ganz  unmöglich,  dass  dieser  Komet  noch  einst  in  einer  ganz  ausser- 
ordentlichen Nähe  bei  der  Erde  vorbeigehen,  ja  diese  mit  seinem  Dunst- 
kreise berühren  kann.  —  Kein  Komet  unter  den  bisher  berechneten, 
der  von  1680  ausgenommen,  ist  der  Erdbahn  so  nahe  gekommen. 

Von  RüMKER  habe  ich  dieser  Tage  einen  Brief  gehabt.  Unter 
andern  schickt  er  mir  Beobb.  vom  9. — 15.  Juli  1825  des  Kometen\). 
den  Gambart  am  19.  Mai  1825  in  der  Cassiopeja  entdeckte.  So  viel 
ich  weiss,  endigen  die  europäischen  Beobb.  früher,  obgleich  Pons  den 
Kometen  noch  bis  zum  14.  Juli  sah. 

Schumacher  hatte  hier  8  Chronometer  und  einen  schönen  Kreis 
von  Gambey  zur  Zeitbestimmung  mitgebracht,  allein  letzteren  kein  ein- 
ziges Mal  benutzen  können,  da  der  Himmel  immer  bedeckt  blieb.  Schu- 
macher musste  sich  also  mit  der  Zeit  begnügen,  die  ich  ihm  nach 
meinen  Stern versch Windungen  geben  konnte.  Die  Vergleichung  gab  den 
Längen-Unterschied  zwischen  Bremen  und  Altona 

am  2.  Apr 4"^  32^90 

am  7.  Apr.  .    .    .   •     .4    31,86 

Letzteres  Eesultat  ist  weit  vorzuziehen.  Am  2.  Apr.  wurde  die 
Korrektion  meiner  Uhr  aus  Sternverschwindungen  am  31.  März  abge- 
leitet; für  den  7.  Apr.  aber  konnte  ich  an  demselben  Abend  eine,  am 
folgenden,  8.  sechs  Sternverschwindungen  benutzen. 


No.  602.  Gauss  an  Olbers.  [2S4 

Göttingen,  1826  Mai  14. 

Entschuldigen  Sie  es  gütigst,  dass  ich  die  Beantwortung  Ihres 
letzten  Briefes  so  lange  verzögert  habe.  Ich^j  bin  eine  beträchtliche 
Zeit  mit  der  Ausgleichung  meines  Winkelsystems  beschäftigt  gewesen, 
eine,  weil  ich  alle  Willkür  ausschliessen  wollte,  sehr  beschwerliche 
Arbeit,  da  dabei  alles  untei^einander  zusammenhängt  und  gewisser- 
maassen  die  Messungen  in  Jever  auf  die  in  Göttingen  reagii-en.  Es  hat 
vielleicht  noch  niemals  jemand  eine  so  komplicirte  Elimination  ausgeführt. 


M  Komet  1825  I,  siehe  auch  S.  405.     Knu. 

*)  Von  hier  ab  bis  „Spiel  sein",  ferner  der  Schluss  des  Briefes  von  „Ich  habe 
mich  heute"  au  auch  abgedruckt  in  Gauss'  Werken  Bd.  IX,  S.  320—322.  Das  Ma- 
terial zur  Netzausgleichung  ist  mitgetheilt  in  Bd.  IX.  S.  297—318,  327 — 328.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Guttingen,  1820  .Mai  U.  451 

wo  55  (ileichun^i'ii  ebenso  viele  unbekannte  Grössen  involvirten.  Heute 
bin  ich  damit  fertij2:  geworden,  so  dass  nun  alle  150  Richtungen,  die 
das  System  enthält,  so  ausgeglichen  sind  mit  den  möglich  kleinsten 
Aenderungen.  dass  sie  genau  mit  einander  harmoniren.  Es  sind  unter 
den  150  fünf,  die  über  1"  haben  geändeit  werden  müssen  (die  grössten 
1",373.  nämlich  Garlste — Varel  und  Varel — Garlste).  und  der  sogenannte 
mittlere  Richtungsfehler  wird  0",755,  viel  grösser,  als  nach  der  scliönen 
L'ebereinstinimung  der  Messungen  auf  jeder  Station  unter  sich  zulässig 
ist.  so  dass  ich  das  Dasein  der  Lateralrefraktion  in  den  flachen  Gegenden 
gar  nicht  bezweifeln  kann;  in  den  höheren  Gegenden  sind  die  Aus- 
gleichungen immer  viel  kleiner.  —  Es  war  eine  langweilige  Arbeit, 
alle  Messungen  erst  genau  vorzubereiten,  da  ich  nichts  vernachlässigen 
wollte,  und  die  Meinen  Reduktionen  der  Konsequenz  w'egen  doch  überall 
zugezogen  werden  sollten.  Bessel  hat.  so  viel  ich  weiss,  erst  öffentlich^) 
von  derjenigen  gesprochen,  die  daher  rührt,  dass  der  Winkel  der  kür- 
zesten Linien  von  dem  Winkel  der  Vertikalebenen  ditferirt,  allein  er 
hat  dabei  bloss  die  Punkte  als  auf  der  Oberfläche  des  Sphäroids  be- 
trachtet; meistens  beträgt  diese  Reduktion  nur  ein  paar  Tausendtheile 
einer  Sekunde,  wollte  ich  sie  aber  einmal  zuziehen,  so  durfte  ich  eine 
andei-e  nicht  übergehen,  die  gewöhnlich  viel  grösser  (obgleich  auch  noch 
unbedeutend)  ist  und  daher  rührt,  dass  die  Punkte,  die  in  einer  Ver- 
tikallinie liegen,  nicht  in  einer  Vertikalebene  erscheinen,  so  dass  eine 
von  der  Höhe  abhängige  Reduktion  hervorgeht.  Diese  hat  immer  das 
entgegengesetzte  Zeichen  von  Bessel's  Korrektion  und  ist  schon  bei 
massigen  Höhen  immer  grösser,  oft  4 mal,  8  mal  so  gross,  so  dass  jene 
immer  destruirt  und  weit  überflügelt  wird.  Der  grösste  Betrag  in 
meinem  System  ist  vom  Lichtenberg  zum  Brocken,  wo  er  — 0",041 
ausmacht.  —  Die  genaue  Berechnung  der  51  Dreiecke  selbst  wird  jetzt 
ein  leichtes  Spiel  sein. 

Doch  jetzt  genug  hiervon;  ich  wende  mich  zu  dem  D'ANGOs'schen 
Kometen,  um  mich  zu  rechtfertigen,  dass  es  mir  bis  jetzt  noch  nicht 
hat  gelingen  wollen,  in  Encke's  Aufsatz  in  Zach's  Journal^)  einen  Beweis 
des  Beti'uges  zu  erkennen.  Vor  allen  Dingen  muss  ich,  damit  Sie  mich 
nicht  missverstehen,  zweierlei  vorerinnern. 

1 )  Ich  nehme  den  Ausdruck  Beweis  hier  nicht  sowohl  in  dem  Sinn 
der  Juristen,  die  zwei  halbe  Beweise  =  einem  ganzen  setzen,  als  in 
dem  der  Geometer,  wo  \-  Beweis  =0  ist,  und  zum  Beweis  erfordert 
wird,  dass  jeder  Zweifel  unmöglich  wird. 


'1  A.  N.  Bd.  I  S.  33  und  85,  Bd.  IV  S.  241  ff.,  iu  Bessel's  Abhandhnigeu,  heraus- 
gegeben von  R.  Engelmann,  Leipzig,  abgedruckt  in  Bd.  III,  S.  1 — 14.     Krm. 
'-)  Siehe  Anmerkung  auf  S.  51.     Krm. 

29* 


452  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1826  Mai  14. 

2)  Icli  rede  lediglich  von  Encke's  Aufsatz,  indem  dies  meine  ein- 
zigen Akten  sind,  und  [um]  hier  einmal  den  Juristen  nachzusprechen, 
was  nicht  in  den  Akten,  ist  nicht  in  der  AVeit.  Gewiss  werden  sich 
einige  Einwürfe  heben  lassen;  wahrscheinlich  haben  einige  für  Sie  gar 
kein  Gewicht  mehr,  da  Sie  mit  Encke  darüber  korrespondirt  haben. 
Nur   der  gedruckte  Aufsatz,   wie  er   vorliegt,   lässt  mich  unbefriedigt. 

Ich  räume  gern  ein,  dass  viele  Umstände  den  grössten  A'erdacht 
begründen,  aber  der  Beweis  des  Betrugs  hängt  doch'  lediglich  von  der 
Unmöglichkeit  ab,  dass  die  Beobb.  sich  nicht  mit  den  Bewegungsgesetzen 
vereinigen  lassen.  Setzen  wir  einmal  den  Fall,  dass  eine  solche  Ver- 
einigung sich  erhalten  Hesse,  so  würden  alle  die  übrigen  Gründe  doch 
sehr  von  ihrem  Gewicht  verlieren.  d'Angos  ist  ein  Windbeutel  gewesen. 
Ich  lasse  dies  auf  sich  beruhen,  da  icli  seine  literarische  Gescliichte  nicht 
kenne.  Er  hat  einen  Kometen  mit  300  [facherj  Vergrösserung  beobachtet. 
Ja,  nach  unseren  jetzigen  Kenntnissen  ist  dies  ungereimt,  allein  noch 
1801  und  1802  nahm  man  Körper  für  Kometen,  die  sich  recht  gut 
mit  300 [f acher]  Vergrösserung  beobachten  lassen;  ich  weiss  nicht,  ob 
b'Angos  das  Aussehen  seines  Kometen  ausführlich  beschrieben  hat. 
einmal  wird  in  dem  Aufsatz  qiiaest.  von  dem  nebligen  Ansehen  ge- 
sprochen, allein  ist  es  denn  nothwendig,  dies  ganz  so  zu  verstehen, 
wie  wir  jetzt  wissen,  dass  die  Kometen  aussehen?  Auch  der  Ceres  und 
Pallas  schrieben  Schroeteh  u.  a.  Anfangs,  obwohl  wahrscheinlich  mit 
Unrecht,  ein  nebliges  Ansehen  zu.  Selbst  der  frappanteste  der  halben 
Gründe,  dass  nämlich  d'Angos'  Beobb.  zu  seinen  Elementen  nicht  passen, 
wohl  aber  dazu  passen,  wenn  man  die  ©Distanz  10 mal  vergrössert. 
erhält  doch  seine  Kraft  erst  durch  die  Unmöglichkeit,  die  Beobb.  durch 
eine  andere  Balm  darzustellen;  es  ist  nicht  zu  zweifeln,  dass  er  diesen 
Error  calculi  gemacht  hat,  aber  wäre  er  sonst  ein  unbescholtener  Mann 
und  die  Möglichkeit  einer  anderen  Bahn  vorhanden,  so  würde  man  doch 
gewiss  darin  keinen  Beweis  erkennen,  dass  die  Beobb.  erdichtet  seien. 
Den  Rechnungsfehler  hat  er  einmal  gemacht;  aber  ich  glaube,  dass 
ganz  derselbe  Kechnungsfehler  bei  manchem  anderen  wirklichen  Kometen 
auf  eine  zwar  ganz  unrichtige,  aber  doch  die  Beobb.  gut  darstellende 
Bahn  führen  würde. 

So  viel  von  den  halben  Gründen;  in  jedem  aiulern  Fall,  als  wo  es 
den  Beweis  eines  Verbrechens  gilt,  würde  ich  mir  gern  gefallen  lassen, 
wenn  Sie  meine  Gegenreden  gegen  dieselben  für  C'hikanen  erklären 
wollten. 

Alles  kommt  also,  meiner  Meinung  nach,  auf  den  Beweis  an,  dass 
es  unmö(jlicli  ist,  die  Beobb.  durch  eine  richtige  Rechnung  darzustellen. 
Mir  däucht,  solch'  ein  lieweis  der  l'innöf/Ifc/th'cit  ist  nicht  so  gar 
leicht  zu  führen,  und  ich  kann  mich  nicht  überzeugen,  dass  er  in  dem 


Gauss  an  Olbers.     Göttiiigen,  1826  Mai   14.  453 

Aufsatz  quaest.  geführt  ist.  Dass  diesem  Aufsatz  ganz  das  Formelle,  was 
zu  einem  Beweise  gehört,  abgeht,  werden  Sie  inii-  wohl  einräumen.  In 
der  That  finden  wir  nur  eine  kleine  Induktion  von  4  bis  5  Versuchen. 
Es  ist  möglich,  es  ist  wahrscheinlich,  dass  Encke  in  dem  Gange  der 
Keclinung  subjektive  Gründe  gefunden  hat,  sich  damit  zu  begnügen, 
aber  für  den  blossen  Leser  seines  abgeschlossenen  Aufsatzes  bleiben 
doch  allei'lei  Bedenklichkeiten  zurück.  Wodurch  erhält  der  die  Gewiss- 
Jieit.  dass  es  jenseits  der  Versuche  nicht  wieder  anders  gehen  könne, 
tlass  es  für  einen  vorausgesetzten  Wertli  des  ersten  Abstandes  nicht 
mehr  als  eine  Auflösung  geben  könne  u.  s.  w.?  Ich  gestehe,  dass  ich 
an  Encke's  Stelle  mich  für  veri>rtichtet  gehalten  haben  würde,  diese 
Kechnungen  in  ^•iel  grösserem  Umfange  nicht  bloss  zu  führen,  sondern 
auch  darzulegen. 

Aber  jetzt  komme  ich  erst  zui  Hauptsache.  Indem  er  die  Distanzen 
immer  abnehmen  lässt,  kommt  er  zu  einer  immer  besseren  Darstellung 
der  Beobb.  Aber  bei  diesen  abnehmenden  Distanzen  durfte  er  schlechter- 
dings sich  nicht  auf  die  IvEPLEE'schen  Gesetze  beschränken,  sondern 
musste  die  Anziehung  der  Erde  mit  berücksichtigen.  Es  ist  mir  fast 
unbegreiflich,  dass  Encke,  der  doch  selbst  sagt,  dass  bei  so  geringen 
Distanzen  die  Attraktion  der  Erde  enorm  werden  muss,  nicht  gefühlt 
hat,  dass  seine  beiden  letzten  Bahnen  schon  wahre  Xon-Enüa  sind,  aus 
denen  sich  schlechterdings  gar  nichts  schliessen  lässt.  AVer  bürgt  uns 
dafür,  dass,  wenn  z.  B.  in  seiner  vorletzten  Hypothese  die  Anziehung 
der  Erde  gehörig  mit  berücksichtigt  wäre,  anstatt  des  Eesultats  —  11' 45" 
nicht  vielleicht  ein  Fehler  mit  entgegengesetztem  Zeichen  hervorgegangen 
wäre?  Aber  hiei'  reicht  man  mit  vagen  Ueberschlägen,  die  so  oft  irre 
führen,  nicht  aus,  nur  eine  strenge  Rechnung  kann  Gewissheit  geben, 
und  sehr  gern  räume  ich  ein,  dass  der  ganze  Bettel  derselben  nicht 
werth  ist.  Ich  wollte  lediglich  meine  Ansicht  erklären,  nach  der  es 
mir  nicht  gerade  ungereimt  scheint,  den  Beweis  noch  nicht  für  einen 
wahren,  allen  Zweifel  durchaus  ausschliessenden  Beweis  zu  erkennen. 
In  der  That  halte  ich  die  Bedingnisse  eines  Beiveises  in  einem  solchen 
Falle  für  so  schwierig,  dass  selbst  nach  viel  weiter  getriebenen  Eech- 
nungen,  als  Encke  gegeben  hat,  ich  Bedenken  tragen  würde,  die 
Sache  für  bewiesen  zu  erklären,  wenigstens  würde  ich,  falls  ich  selbst 
die  Rechnungen  geführt  hätte  und  subjektiv  so  gut  wie  gar  keinen 
Zweifel  mehr  hätte,  doch  immer  noch  fürchten,  dass  ich  andere  dadurch 
nicht  eigentlich  überzeugt  habe,  sondern  dass  sie  höchstens  nur  den 
Beweis  in  gutem  Glauben  zugäben. 

Ich  wünsche  sehr,  theuerster  Olbeks,  dass  Sie  diesen  Versuch, 
mich  über  meine  Hartnäckigkeit  zu  entschuldigen,  nicht  missdeuten, 
sondern   ihn    mit  Ihrer   s-ewohnten  Nachsicht  aufnehmen  mögen.     Dass 


454  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1826  Mai  14. 

das  Ensemble  aller  Umstände  den  Betrug  höchst  wahrscheinlich,  und 
wie  man  es  gewöhnlich  vor  einer  Jury  nimmt,  moralisch  gewiss  macht, 
will  ich  Ihnen  gern  zugeben. 

Meine  Reise  nach  Celle  machte  ich  nur  so  im  Fluge  und  konnte 
damals  die  Hoffnung,  Sie  ein  paar  Tage  in  Bremen  zu  sehen,  nicht 
realisiren.  Ich  war  nur  6  Tage  abwesend.  Dii^ektor  Hüpedex  ist  ein 
sehr  lieber  Mann,  und  ich  freue  mich  sehr,  meinen  Sohn  unter  seiner 
Leitung  zu  wissen,  wo  er  sich  auch  recht  gut  gefällt. 

Die  HARDY'sche  Pendeluhr^;  geht  bis  jetzt  vortrefflich.  Vielleicht 
ist  die  Kompensation  noch  etwas  zu  schwach,  aber  selbst  diese  Ver- 
muthung  beweist  die  Unvergleichlichkeit  des  Ganges.  Im  März  hatte 
ich  ihren  täglichen  Gang  auf  -}- 0^,44  gebracht;  der  sich  sehr  regel- 
mässig zeigte,  aber  im  Apr.  auf  0^,3  kam  und  jetzt  durch  -4-  0^2  bis» 
auf  +<J^16  gekommen  ist,  aber  mit  der  grössten  Regelmässigkeit,  so 
dass  von  einem  Tage  zum  andern  nur  Differenzen  in  den  Hunderttheilen 
der  Sekunde  sind.  Die  SHELxoN'sche  Uhr  hat  wohl  30  mal  so  grosse 
Aenderungen.  Die  Kompensation  ist  höchst  einfach,  indem  bloss  statt 
der  Linse  ein  cylindrisches  mit  Quecksilber  gefülltes  Gefäss  schwingt. 
Sollte  sich  bestätigen,  dass  die  zunehmende  Wärme  den  etwas  retardirten 
Gang  bewirkt,  so  wird  etwas  Zusatz  von  Quecksilber  abhelfen  können. 
Aber  eine  solche  Aenderung  des  Ganges,  wie  die  bemerkte,  ist  im 
Grunde  gar  nichts,  zumal  da  in  der  Sternwarte  die  Temperaturänderungen 
gering  und  langsam  sind. 

Vor  Kurzem  hatte  ich  das  Vergnügen,  Hrn.  Inspektor  Lohr-aianx 
bei  seiner  Rückreise  von  Paris  nach  Dresden  hier  kennen  zu  lernen. 
Von  Gruithuisen  scheint  er  nicht  viel  zu  halten :  letzterer  war  vorigen 
Sommer  (Aug.  u.  Sept.)  hier  in  Göttingen  und  wollte  den  Winter  in 
Dresden  zubringen,  er  hat  aber  Hrn.  Lohrmann  gar  nicht  besucht. 

Ich")  habe  mich  heute  noch  etwas  in  dem  System  der  Kratenhoff- 
schen  Dreiecke  im  Innern  von  Holland  umgesehen.  Ich  sehe  immer 
mehr,  wie  wenig  ich  Ursache  habe,  mich  über  meinen  grössten  Eichtungs- 
fehler  von  1",3'^)  zu  beunruhigen.  Wenn  man  Krayenhoff's  Messungen') 
oberflächlich  prüft,  d.  i.  die  Summen  der  3  Dreieckswinkel  und  den 
Gyriis  horizontis,  so  findet  man  überall  so  schöne  l'ebereinstimmung, 
dass  man  verleitet  wird,  diesen  Messungen  eine  Genauigkeit  beizulegen, 
von  der  sie  doch  sehr  weit  entfernt  sind.  Nichts  ist  dazu  zweck- 
mässiger als  die  Verbindungen  von  mehr  als  3  Punkten,  die  verknüpfte 


1)  Vergl.  Gauss'  Werke  Bd.  VI,  S.  453,  4Ö4.     Knn. 

-)  Siehe  Anmerkung-  auf  S.  450.     Knn. 

^)  Muss  1",4  heissen  nach  dem  Anfang  des  Briefes.  Ueber  die  Ungenauigkeit 
der  KRAYEXHOFF'scheu  Vermessung  siehe  auch  Brief  No.  521  (1824  Juli  4)  und  No.  486 
(1823  Dec.  28),  ferner  Brief  No.  153  im  Briefwechsel  Gauss-Bessel.     Krm. 


Gauss  au  Olbers.    Göttingen,  182«  Mai  14.  455 

Dreiecke  geben.  Hitr  tindet  man  liäufig  viel  grössere  Differenzen, 
Z.  B.  das  System  von  0  Punkten  giebt  den  Gynis  horizontis  um  Leeu- 
warden  vortrefflich,  auf  2".lit7  genau;  die  Summen  der  Winkel  in  den 
5  Dreiecken  fehlen  resp.  [umj 

Ma/üt/n 


Uarlinfft 


1",432 

Dockiun 

0",714 

rden 

0",7o9 

2".842 

'BracMen 

2",590 

also  auch  erträglich.  Aber  wenn  man  die  Seitenverhältnisse  prüft,  so 
findet  man,  dass  die  Messungen  sich  nicht  vereinigen  lassen,  ohne  an 
den  10  Winkeln  in  der  Peripherie  viel  grössere  Aenderungen  zu  machen; 
nach  der  Methode  der  kleinsten  Quadrate  müsste  man  sie  um  3",8, 
;:;".6.  3".6,  3".3,  3",0,  2",7,  2",7.  l".!».  1",1.  0".8  ändern,  wollte 
man  die  Aenderungen  so  klein  wie  möglich  haben,  so  müsste  man  sie 
alle  10  gleich  und  jede  =3"  setzen.*;  Man  sieht  also,  dass  bei  solchen 
Messungen  die  Summe  der  3  Dreieckswinkel  oft  über  1 0"  fehlen  müsste. 
Davon  sind  die  aufgestellten  Zahlen  aber  weit  entfernt,  und  also  gewiss, 
dass  wenigstens  immer  nur  so  ansgesiiclii  ist,  dass  diese  Prüfung  har- 
nionirt,  wodurch  aber  offenbar  oft  geschehen  luuss,  dass  die  Winkel  eher 
verdorben  als  verbessert  werden,  und  ein  ganz  falscher  Maasstab  für  ihre 
Genauigkeit  hervorgeht.  Um  die  Genauigkeit  von  j\Iessungen  gehörig 
^^  ürdigen  zu  können,  darf  nichts  willkürlich  ausgeschlossen  werden.  Die 
leichten  Prüfungen  durch  die  Summen  der  3  Dreieckswinkel  und  den  Oyrus 
hör.  sind  wohl  gar  zu  verführerisch,  wenn  auch  nicht  gerade  zu  verfäl- 
schen, doch  zum  Wählen  und  Ausschliessen,  was  nicht  viel  besser  ist. 
Leider  bieten  andere  Messungen,  wie  die  von  Delajubke,  sonst  fast  gar 
keine  Prüfungen  dar,  als  die  erwähnten,  sonst  möchte  man  wolil  oft  ähn- 
liche Diskordanzen  finden.  Bei  meinem  S3'stem  habe  ich  die  Satisfaktion 
gehabt,  dass  die  Prüfungen  der  einen  und  der  anderen  Art  Differenzen 
geben,  die  ganz  von  einerlei  Ordnung  sind.  Dass  die  Seitenrefi-aktionen 
so  grosse  Wirkungen  geben,  wie  die  Disharmonien,  die  sich  bei  Kkayen- 
hoff's  Dreiecken  zeigen,  ist  mir  doch  bedenklich,  da  seine  Seiten  immer 


*)  Krayenhoff's  eigene  Ausgleichung,  die  aber  nicht  klar  aufgestellt  ist,  son- 
dern erst  herausgesucht  werden  muss,  enthält  hier  zum  Theil  noch  viel  grössere 
Aenderungen,  z.  B.  von  6".253  an  dem  einen  Winkel  in  Brachten,  5",530  an  einem 
Winkel  in  Dockum  etc. 


^gg  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1826  Juni  12. 

SO  klein  sind,  seine  Stationen  hoch  in  der  Luft,  und  Holland  auch  wohl 
viel  weniger  von  Holz  koupirt,  wie  mein  nördliches  Terrain,  so  dass 
bei  ihm  das  Licht  wohl  selten  oder  nie  so  knapp  an  Hindernissen  weg- 
strich, wie  so  sehr  oft  in  dem  letzteren.  Ich  möchte  also  die  Anomalien 
eher  den  Messungen  selbst  zuschreiben. 


No.  603.  Olbers  an  Gauss.  [319 

Bremen,  1826  Juni  12. 

Recht  vielen  Dank  für  Ihre  Belehrung  über  die  Mängel  des  Encke- 
schen  Beweises  der  Erdichtung  des  D'ANGOs'schen  Kometen.  Sie  haben 
vollkommen  Recht;  in  dem  Sinne,  wie  Sie  diesen  Beweis  fordern,  ist 
er  von  Encke  nicht  geführt.  —  Ich  möchte  indessen  glauben,  eine  solche 
Annäherung  an  di'fe  Erde,  bei  der  die  Anziehung  derselben  einen  sehr 
bedeutenden  Eintluss  auf  die  Bewegung  des  Kometen  haben  könne, 
sei  schon  deswegen  nicht  anzunehmen,  weil  sie  mit  Veränderungen  in 
dem  äusseren  Ansehen  und  der  Lichtstärke  des  Kometen  hätte  verbunden 
sein  müssen,  die  der  Berichterstatter  nicht  unerwähnt  hätte  lassen 
können.  —  Meine  eigenen  vielen  Rechnungen  über  diesen  Kometen 
haben  mir  freilich  bloss  erwiesen,  dass  keine  Parabel  die  D'ANGOs'schen 
Beobb.  darstellen  könne;  Ellipsen  habe  ich  nicht  versucht. 

Ich  bewundere  die  grosse  Genauigkeit  Ihrer  Vermessungen,  erstaune 
aber  über  die  ungeheure  Arbeit,  die  Sie  bei  dieser  Ausgleichung  haben. 
Eine  Elimination  aus  55  Gleichungen  mit  ebenso  viel  unbekannten 
Grössen,  das  ist  nicht  bloss  etwas  Unerhörtes,  sondern  wahrlich  scliauder- 
haft.  Nur  Sie,  lieber  Gauss,  konnten  den  Muth  haben,  eine  so  un- 
ermessliche  Rechnung  zu  unternehmen,  und  nur  Sie  waren  im  Staude, 
sie  durchzuführen.  —  Unter  150  Richtungen  nur  5.  die  über  1"  zu 
ändern  Avaren!  Gewiss  ist  noch  nie  eine  Messung  gemacht  worden,  die 
der  Ihrigen  an  Genauigkeit  auch  nur  naln^  kommt. 

An  einer  Lateral-Refraktion  ist  wohl  gar  nicht  zu  zweifeln,  l'ngern 
habe  ich  nach  Ihren  Beweisen  meinen  gutmüthigen  Glauben  an  die 
grosse  Genauigkeit   der  KRAYENHOFF'schen  Dreiecke   aufgeben   müssen. 

Wahrscheinlich  durch  Bessel's  Aufsätze^)  veranlasst,  haben  nun  auch 
IvoKY  und  YouNG  über  die  geodätischen  Linien  Abhandlungen  bekannt 
gemacht. 

Ueber  den  BiELA-ÜLAUSEN'schen  Kometen  aou  OJ  Jahr  Umlaufszeit 
höre   ich  seit  einigen  Wochen  nidits  mehr,     ^^"allrs^■heinlich  ist  Schü- 


'■)  Siehe  Anmerkung;-  1  auf  S.  4M.     Knn. 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  182G  Juni  1_*.  457 

MACHER  jetzt  auf  einer  Heise  nacli  Müm-heii  begriffen,  die  er  mir  als 
bevorstehenel  aiikümligte.  ohne  docli  den  eigentliclieu  Zeitpunkt  derselben 
mit  Gewissheit  festzusetzen.  —  Ist  der  Komet  auf  Ihrer  Sternwarte 
in  dei'  letzten  Hälfte  des  Apr.  oder  im  Anfange  des  Mai  nicht  mehr 
l)eobachtet  worden?  Meine  Beob.^)  vom  30.  Apr.  steht  noch  isolirt  da 
(auf  die  vom  25.  Apr.  ist  nicht  viel  zu  rechnen).  Ich  verglich  den 
schwachen  Kometen,  dessen  ßeob.  deswegen  etwas  erleichtert  wurde, 
weil  er  sich  gerade  mit  zwei  kleinen  teleskopischen  Sternchen  in  einer 
Linie  befand,  an  diesem  Tage  4  mal  mit  einem  vortheilhaft  gelegenen 
BEssEL'schen  Stern.  Aber  demunerachtet,  und  obgleich  die  4  Ver- 
gleichungen  sehr  gut  unter  einander  stimmten,  wünschte  ich  doch  recht 
sehr,  mehrere  Beobb.  um  dieselbe  Zeit  herum  zu  kennen,  um  die  Güte 
der  meinigen  beurtheilen  zu  können.  Bei  einem  so  schwachen  Gegen- 
stand ist  man  gegen  einen  konstanten  Fehler  in  der  Schätzung  der 
Ein-  und  Austritte  nicht  sicher. 

Mit  grossem  Vergnügen  hal)e  ich  aus  dem  mir  zuletzt  zugekommenen 
Stück  von  Zach's  Corresp.  Astr.  gesehen,  dass  Pons  endlich  die  leichte 
Kunst  begriffen  hat.  Kreismikrometer-ßeobb.  anzustellen.  Nun  werden 
wir  hoffentlich  künftig  nicht  mehr  so  vage  und  unrichtige  Orts- 
bestimmungen der  von  ihm  entdeckten  Kometen  erhalten. 

Gruithüisen  (jetzt  Prof.  der  Plu'sischen  Astronomie  bei  der  Uni- 
versität zu  München)  hat  mir  aus  Wien  geschrieben,  dass  das  Cirkelchen, 
was  sich  w^estlich  an  das  sonderbare,  von  ihm  für  eine  Mondstadt  ge- 
haltene Gebilde  im  Flecken  Schroeter  anschloss,  seit  1822  nach  und 
nach  verschwunden  und  statt  desselben  nun  auch  ein  Wallwerk  in  der 


Form 


zum  Vorschein   komme.      Nach  seinem  Briefe   scheint   sich 


auch  Fürst  ^Metternich  für  diese  Entdeckungen  im  Monde  zu  inter- 
essiren  und  hat  mit  den  anderen  Astronomen  gemeinschaftlich  beobachten 
wollen.  —  Man  sollte  doch  glauben,  der  Fürst  habe  jetzt  an  dem  tür- 
kischen ]\Ionde  genug  zu  beoliacliten,  um  über  die  Veränderungen  auf 
dem  himmlischen  Mond  unbekümmert  zu  bleiben. 

Darf  ich  Sie  wohl  erinnern,  lieber  Gauss,  mir  gelegentlich,  ivenn 
^ie  sie  nämlich  nicht  mehr  brauchen,  Ihre  beiden  Briefe^)  über  die 
eigene  Bewegung  unserer  Sonne  wieder  zu  schicken?  Da  jetzt  nach 
Bessel's  Untersuchungen  die  Präcession  grösser  angenommen  werden 
muss,   so  hat  dies  auf  die  Resultate  unserer  Rechnungen  keinen  unbe- 


^1  Siehe  Olbeks  Bd.  I,  No.  109,  S.  416.     Krm. 

■-)  Es  waren  4  Briefe,  No.  436,  433—440,  S.  147—151,  154—165,  welche  Olbers 
im  Brief  Xo.  4S3  vom  11.  Okt.  1823,  S.  258  auf  Gauss'  Wunsch  zurückgeschickt 
hatte.    Krm. 


458  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1826  Juli  14. 

deutenden  Einfluss,   da  sicli  nun  die  Grösse  und  Richtung  der  eigenen 
Bewegung  der  Fixsterne  sehr  merklicli  änd^^rt. 

Noch  weiss  ich  nichts  Bestimmtes  über  Ihre  Pläne  für  diesen 
Sommer.  Ich  möchte  um  so  lieber  etwas  darüber  erfahren,  weil  ich 
darnach  den  Grad  meiner  Hoffnung  beurtheilen  könnte.  Sie.  mein  aller- 
theuerster  Freund,  dieses  Jahr  zu  sehen.  Wie  schon  gesagt,  ich  bleibe 
das  ganze  Jahr  zu  Hause,  erwarte  auch  weiter  keinen  Besuch,  als  einen 
mir  noch  selir  unbestimmt  versprochenen  von  dem  General  Hartmann, 
der,  wie  Sie  wissen  werden,  sich  mit  meiner  Nichte,  der  verwitweten 
Amtmann  Heise  verbindet. 


No.  604.  Gauss  an  Olbers.')  [sss 

Göttingen,  1826  Juli  14. 

Lange  habe  ich  vergeblich  nach  den  Briefen  gesucht,  auf  die  Ihre 
freundschaftliche  Güte  einen  solchen  Werth  legt,  dass  Sie  solche  zu- 
rückverlangen. Ich  wusste,  dass  sie  von  mir  wohl  aufgehoben  waren, 
ja  ich  erinnerte  mich,  sie  noch  vor  nicht  gar  langer  Zeit  gesehen  zu 
haben,  aber  nirgends  konnte  ich  sie  finden.  Endlich  habe  ich  sie  nebst 
einigen  anderen  auf  die  eigenen  Bewegungen  der  Sterne  Bezug  haben- 
den Papieren  in  Bessel's  £r«fZZe/y  vor  ein  paar  Tagen  aufgefunden;  ich 
habe  geeilt,  da  die  Sachen  mir  selbst  wieder  fremd  geworden  waren, 
das  Erheblichste  abschreiben  zu  lassen  und  war  schon  im  Begriff,  sie 
mit  der  Post  an  Sie  abzuschicken,  als  Hr.  Keaut  zu  mir  kam  und 
sich  erbot  mitzunehmen,  was  ich  etwa  an  Sie  schicken  wollte.  So  über- 
gebe ich  demselben  also  diese  Briefe  und  zugleich  Ihre  mir  gütigst  ge- 
liehenen Exemplare  von  Keayenhoff's  Freds  und  Müllek's  Karte  mit 
verbindlichstem  Danke. 

Ich  habe  unlängst  angefangen  eine  pars  tertia  oder  ein  SnppJe- 
mentum  meiner  Th.  Comb.  Ohs.^)  aufzusetzen,  welches  die  Auflösung 
der  Hauptaufgaben  für  den  Fall  entwickelt,  wo  die  Daten  nicht  in  dtr 
Form  vorliegen,  die  in  dem  früheren  Werk  vorausgesetzt  ist.  und  man 
sie  auf  diese  Form  entweder  nicht  zurückfüln-en  kann  oder  will.  In 
der   That   ist    besonders    bei   manchen   Anwendungen    auf   die    ludiere 


^)  Von  jetzt  ab  wendet  Gauss  in  seinen  Briefen  fast  aussthliosslioh  wieder  die 
deutsche  Schrift  an,  es  soll  daher  im  Folgendon  nur  die  Schreibweise  in  lateinischer 
Schrift  besonders  bemerkt  werden.  Vergl.  hierzu  die  Anmerkung  auf  S.  555  in 
Bd.  II,  1.     Krm. 

*)  Vergl.  Brief  No.  öi»6  vom  19.  Febr.  IS'JG  und  No.  6u7  vom  14.  Jan.  IS'JT.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Göttingfen,  18'2ti  Juli  U.  459 

Geodäsie  diese  neue  Aiiflüsungsart  be([iu'mer.  Jch  habe  die  Absicht. 
die  allgemeine  Theorie  mit  ein  paar  Beispielen,  aus  Krayenhoff's  und 
meinen  Messungen  entlehnt,  zu  erläutern.  —  Ich  gewinne  dadurch  den 
Vortheil  in  Zukunft,  wenn  ich  meine  ^Messungen  vollständig  bekannt 
mache,  mich  in  Kücksicht  auf  diese  Abtheilung  des  Theoretischen  kurz 
fassen  und  auf  die  gegenwärtige  Abhandlung  beziehen  zu  können,  zu- 
mal da  eine  so  ausführliche  Behandlung,  wie  ich  in  dieser  nun  gebe, 
in  jenem  AN'erke  ein  Itors  d'ceuvrc  sein  würde. 

Ob  ich  in  diesem  Jahr  noch  etwas  von  Beobb.  auswärts  vor- 
nehmen kann,  ist  noch  ungewiss.*  Schumacher  hat  mich  in  Rücksicht 
auf  meine  schon  vor  3  oder  4  Monaten  ihm  gemachten  Anerbietungen 
wegen  des  Zenithsektors  ganz  ohne  Antwort  gelassen.  Der  Haupt- 
mann Müller  ist  jetzt  in  England. 

p]s  ist  mir  endlich  gelungen,  mit  der  von  Bohnenberger  zuerst 
ausgeführten  Methode^)  den  Nadirpunkt  zu  bestimmen;  ich  halte  dies 
für  einen  sehr  wichtigen  Fortschritt  der  praktischen  Astronomie.  Ich 
habe  heute  den  ersten  Versuch  gemacht,  die  Theilungsfehler  des  Kreises 
mit  vier  REPSOLD'schen  Mikroskopen  zu  bestimmen.  Diese  A'ersuche 
müssen  freilich  sehr  vervielfältigt  werden.  Einstweilen  aber  zeigt  der 
erste,  der  sich  auf  20  Theilstriche  von  18  zu  18  Grad  bezieht,  dass 
die  Zenithdistanz  rücksichtlich  der  Theilungsfehler  hier  keiner  merk- 
lichen Korrektion  bedarf.  Ich  finde  nämlich  Korrektion  des  Resultats 
aus  allen  4  Verniers  bei 


0° 

90° 

180° 

270" 

+  0".18 

18 

108 

198 

288 

+  0,12 

36 

126 

216 

306 

—  0,20 

54 

144 

234 

324 

—  0,27 

72 

162 

252 

342 

+  0,18 

Die  Uhr  hat  ihren  Gang  noch  immer  mehr  retardirt,  vermuthlich 
wegen  der  gi'ossen  Hitze.  Seit  vierzehn  Tagen  ist  der  tägliche  Gang 
zwischen  —  0^,6  und  —  0'*,7,  die  Kompensation  also  bedeutend  zu 
schwach. 

Bei  der  oben  *  bemerkten  Ungewissheit  darf  ich  für  jetzt  noch 
keine  Pläne  zu  einer  Erholungsreise  machen.  Meine  Gesundheit  leidet 
in  diesem  heissen  gewitterreichen  Sommer  sehr,  und  ich  bin  wenigstens 
froh,  denselben  nicht  auf  öden  Haidbergen  zubringen  zu  müssen. 

Ein  Besuch  wird  mir  gemeldet;  ich  muss  daher,  um  den  Brief  noch 
dem  Hrn.  Kraut  zeitig  mitgeben  zu  können,  hier  eiligst  schliessen. 

Ueber   eine    unangenehme  Erfahrung,    die  ich  bei  Gelegerheit  der 


^)  Vergl.  Brief  Xo.  596  S.  439,  440  und  die  betreffende  Anmerkung.    Krm. 


4(50  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1826  August  5. 

Vergleichung  meiner  Prüfung  des  M[eridian]-K[reises]  mit  der  Bessel- 
sclien,  wie  er  sie  vor  der  7.  Abtheilung  seiner  Beobb.  beschreibt,  ge- 
macht habe,  schreibe  ich  Ihnen  ein  ander  ^lal. 


No.  605.  Olbers  an  Gauss.  [320 

Bremen,  1826  August  5. 

Die  Bücher  und  Briefe,  die  Sie  Hrn.  Keaut  mitzugeben  die  Güte 
hatten,  habe  ich  dui'ch  diesen  richtig  erhalten,  und  statte  Ihnen  dafür 
den  verbindlichsten  Dank  ab. 

Mit  der  grössten  Freude  höre  ich,  dass  Sie  Ihrer  Tli.  Comb.  Ohs. 
noch  ein  so  interessantes  SupjjJemenhnn  geben  wollen.  Ich  bin  sehr 
begierig  darauf,  und  freue  mich  im  voraus  auf  die  Belehrung,  die  ich 
darin  erhalten  werde. 

Unser  guter  Schumacher  ist,  so  viel  ich  weiss,  noch  immer  krank, 
und  seine  diesmal  so  ungewöhnlich  anhaltende  Unpässlichkeit  und  grosse 
Schwäche  fängt  an,  mich  zu  beunruhigen.  Sein  letzter  Brief  enthielt 
wieder  Klagen  über  vermehrtes  Leiden  und  Rückfälle,  die  ihn  selbst 
wieder  bettlägerig  machten.  Seitdem  habe  ich  auf  meine  gleich  abge- 
fertigte Antwort  noch  keine  Er^^'iderung  und  eine  Sendung  von 
A.  N.  u.  s.  w.  ohne  eine  Zeile  von  seiner  Hand  erhalten.  Ich  hoffe  in- 
dessen, dass  dies  nur  von  Geschäften,  nicht  durch  seine  Krankheit  ver- 
ursacht ist. 

Bei  der  anhaltenden  ungeheuren  Hitze  habe  auch  ich  mich  oft 
herzlich  gefreut,  dass  Sie,  mein  theurer  Freund,  sich  nicht  auf  unwirth- 
baren  Halden  oder  in  engen  niedrigen,  unwolinlichen  Dorfstuben  diesen 
Sommer  herumtreiben,  oder  hohe  Ansgarius-Thürme  besteigen  müssen. 
Vorgestern  am  3.  Aug.  hatten  wir  um  2  Uhr  nach  Vergleichung  von 
5  guten  Thermometern  im  Schatten  26"!  Eeaumur.  Auch  mich  greift 
das  schwüle,  selbst  die  Nacht  hindurch  sich  wenig  abkühlende  "Wetter 
bedeutend  an.  Uebrigens  sind  die  Nächte  niehrentheils  sehr  scliön  ge- 
stirnt, und  ich  hoffe  jetzt  alle  Tage  von  der  Entdeckung  eines  neuen 
Planeten  aus  der  Asteroidenfamilie  zu  hören.  Ich  denke  mir  nämlich 
diejenigen,  die  Karten  zur  vollständigen  Aufzeichnung  aller  am  Himmel 
befindlichen,  mit  einem  Kometensucher  zu  erkennenden  Sterne  unter- 
nommen haben,  jetzt  emsig  beschäftigt,  und  ich  glaube,  dass  ihnen 
nicht  leicht  ein  solcher  neuer  Planet,  wenn  er  nur  in  Lichtstärke  die 
9.  Grösse  erreicht,  entgehen  kann.  Dass  es  aber  ausser  den  4  bisher 
bekannten  noch  mehr  Asteroiden  sriebt.  ist  nirht  zu  bezweifeln. 


Olbers  an  friiuss.     Bremen,  1826  Ausrust  5.  401 

Beschämt  imiss  ich  meine  Unwissenlieit  bekennen,  dass  mir  J^ohnen- 
uebger's  Methode,  den  Nadirpunkt  zu  bestimmen,  wenn  diese  etwas 
besonderes  enthält,  nicht  erinnerlich  ist.  "Wo  ist  sie  anzutreffen?  "Wahr- 
scheinlich liegt  es  nur  an  meinem  alternden,  ungetreuen  Gedächtniss, 
dass  ich  mich  nicht  entsinnen  kann,  etwas  von  Bohnenberger  darüber 
gelesen  zu  haben. 

Wahrscheinlich  hat  auch  Ihnen  Cacciatore  seinen  Discorso  suW 
origino  dcJ  Sistema  Solare^)  [seconda  Ediz.]  Palermo  182G  zugeschickt. 
Wenn  es  sich  völlig  bestätigt,  dass  der  von  Cacciatore  am  19.  März 
1826  zuerst  im  südlichen  Tcleshop  beim  1483.  Stern  von  Lacaille 
C.  A.  gesehene  helle  Nebelfleck  wirklich  ein  Nebelfleck,  und  wirklich 
neu.  d.  i.  an  einem  Orte  sichtbar  ist,  wo  1810  und  früher  noch  kein 
Nebelfleck  sichtbar  war,  so  halte  ich  diese  Entdeckung  für  eine  der 
allermerkwürdigsten.  die  in  neueren  Zeiten  gemacht  sind.  Denn  wie 
sehr  muss  es  nicht  unsere  Begriffe  vom  "Weltall  berichtigen  und  ver- 
ändern, wenn  neue  Nebelsterne  in  wenigen  Jahren  entstehen  und  sich 
ausbilden  können  ? 

Clausen  hat  schon  vor  einiger  Zeit  vorläufige  Elemente  des  Ko- 
meten von  1805(6)^)  unter  "\'oraussetzung  der  nun  bekannten  grossen 
Axe  berechnet,  auch  die  Elemente  für  1826  nach  meiner  Beob.  vom 
•iO.  Apr.  vorläufig  verbessert.  Ich  finde  nun  die  kleinste  Entfernung 
der  Kometenbahn  von  der  Erdbahn 

1805 0,008627 

1826 0,006038 

Die  Kometenbahn  hat  sich  also  in  dieser  Periode  der  Erdbahn 
noch  mehr  genähert.  AVie  es  sich  künftig  verhalten  wird,  hängt  haupt- 
sächlich von  der  noch  unbestimmten  Einwirkung  des  Jujnter  auf  den 
Kometen  ab.  Ein  Resultat  derselben  muss  indessen  vor  der  Hand  noch 
auf  Verminderung  dieses  Abstandes  wirken.  Das  PeriheVmm  der  Erde 
ist  nämlich  rechtläufig  fortrückend,  der  ü  der  Kometenbahn,  wenigstens 
wenn  keine  zu  grosse  Annäherung  des  Kometen  an  den  2j.  erfolgt, 
siderisch  rückläufig;  so  muss  sich  also  der  Winkel  Perih.  d.  Erde  —  y 
vergrössern,  und  dadurch  die  radii  vedores  der  Erdbahn  in  der  Nähe 
des  13  der  Kometenbahn  immer  grösser  werden,  beide  Bahnen  sich  also 
näher  kommen. 

"\'on  Rümker  habe  ich  in  nicht  langer  Zeit  3  Briefe  erhalten. 
Gouv.  Brisbane  hat  bei  seiner  Abreise   der  Kolonie   seinen  astronomi- 


^)  Vergl.  auch  Briefwechsel  Olbers-Bessel  No.  322,  Brief  vom  14.  Dec.  1826, 
Bd.  U,  S.  295,  296,  so  wie  Olbers  Bd.  I  Xo.  155,  S.  525—526,  No.  115,  S.  422  und 
No.  194,  S.  653.     Krm. 

»)  Komet  1S06  I.     Krm. 


402  Olbers  an  Gauss.     Bremen.  1826  December  8, 

sehen  Apparat  schenken  wollen.  Die  Kolonie  hat  aber  die  Schenkung 
abgelelmt  und  lieber  den  Apparat  gekauft.  Die  astronomische  Anstalt 
in  N[eu]-S[üd]-W[ales]  wird  also  erhalten,  aber  nicht  Rü^iker.  sondern 
DuNLOP  Observator  bei  derselben  werden.  Letzteren  schildert  Rü^eker 
als  einen  zwar  anstelligen  und  vielen  guten  Willen  habenden  jungen 
Mann,  aber  beklagt,  dass  ihm  eigentliche  mathematische  Kenntnisse 
völlig  abgehen.  —  Ich  bedauere  gleichfalls  recht  sehr,  dass  Rümker's 
Eifer  und  Geschicklichkeit  dort  unbenutzt  bleiben  sollen.  Wenn  Sie, 
lieber  Gauss,  gerade  Gelegenheit  hätten,  für  Rümker  in  England 
Ihr  mächtiges  Fürwort  einzulegen,  oder  sich  auch  öftentlich  über  ihn 
vortheilhaft  zu  äussern,  so  würden  Sie  wahrscheinlich  der  Wissen- 
schaft einen  nicht  unwichtigen  Dienst  leisten. 


No.  606.  Olbers  an  Gauss.')  [321 

Bremen,  1826  December  8. 

Es  ist  so  lange  [her],  dass  ich  mich  nicht  schriftlich  mit  Ilinen 
unterhalten  habe,  dass  ich  mir  nun  dieses  Vergnügen  nicht  länger  ver- 
sagen kann.  Auch  verlangt  mich  sehr,  endlich  einmal  von  Ihnen  selbst 
zu  hören,  wie  es  Ihnen,  Ihrer  verehrten  Gattin  und  Ihren  Kindern  geht. 

Was  mich  betrifft,  so  habe  ich  mich  diesen  Sommer  und  Herbst 
hindurch  meiner  Art  nach  ganz  gut  befunden,  und  ganz  zufrieden  und 
vergnügt  gelebt.  Für  alles,  was  Wissenschaft  und  besonders  Astronomie 
betrifft,  habe  ich  noch  immer  recht  viel  Interesse,  wenn  sich  gleich 
meine  eigene  astronomische  Thätigkeit  natürlich  immer  mehr  beschränkt. 
Mein  FRAUNHOFER'sches  Heliometer  habe  ich  schon  in  diesem  Frühjahr 
der  Hamburger  Sternwarte  überlassen,  erwarte  aber  dagegen  nun  von 
Utzschneider  ein  Fernrohr  von  52  Lin.  Oeffnung,  das,  wie  ich  hoffen 
darf,  noch  vom  sei.  Fraunhofer  centrirt  ist.  Wenn  dieses  Fernrohr 
also  gut  ausfällt,  so  muss  es  an  optischer  Kraft  den  schönen  Fernrohren 
Ihrer  Meridian-Instrumente  ziemlich  gleich  kommen.  Ich  denke  mich 
damit  zuweilen  in  Betrachtung  himmlischer  Gegenstände  zu  vergnügen, 
denn  zum  gewöhnlichen  Gebrauch  und  Kreismikrometer-Beobb.  wird 
mein  alter  braver  Dollond  nicht  abgeschafft  oder  zurückgesetzt  werden. 

Durch  den  Tod  des  guten  Bode  werde  ich  nun  wohl  bald  zu  der 
traurigen  Ehre  gelangen,  der  älteste  unter  den  deutschen  Astronomen, 
wenn   ich  mich  darunter  rechnen  darf,   zu  werden.     Jedoch  nehme  ich 


^)  Zu  dem  Inhalte  dieses  Briefes  vergl.  auch  Olbers"  Brief  v.  14.  Peo.  1826  an 
Bessel,  Briefwechsel  No.  322.     Krm. 


Olliers  au  Gauss.     Bremen.  1826  December  8.  468 

Zach  aus.  zu  dem  Linuenau.  künftiger  sächsischer  Gesandter  in  England, 
jetzt  gereist  i>t.  Es  tluit  mir  dies  leid.  Denn  sonst  hatte  ich  einige 
Hott'nung,  Lixdenau  würde  über  Bremen  nach  England  gehen,  und  ich 
hatte  grosses  Verlangen,  diesen  verehrten  Freund  einmal  wieder  zu  sehen. 
Wie  es  nun  mit  dem  Berliner  Jahrhuche  werden  wird,  ist  wohl 
noch  nicht  ganz  ausgemacht.  Encke  schreibt  mir.  dass  er  sich  darüber 
besonders  auch  Ihren  Kath  erbeten  habe.  Midi  dünkt,  es  kommt  haupt- 
sächlich darauf  an,  dass  er  sich  mit  Schumacher  darüber  verständigt 
oder  vereinigt.  Wenn  letzterer  fortfährt,  uns  jährlich  seine  Hülfstafeln 
in  der  bisherigen  Ausdehnung  zu  geben,  so  wird  für  die  eigentliche 
Ephemeride  des  Jahrbuchs  wenig  Interessantes  übrig  bleiben.  — 

Den  Eridanus-Koin^i^w^)  habe  ich  zuletzt  am  26.  Nov.  in  der  Coma 
Berenices  beobachtet,  und  ich  zweifle  nicht,  dass  er  bei  heiterer  Luft 
auch  noch  jetzt  gesehen  und  beobachtet  werden  könne,  bis  ihn  der 
Mondschein  völlig  unkenntlich  und  unsichtbar  machen  wird. 

Traurig  ist  es  mir  bisher,  des  fast  ununterbrochen  anhaltenden, 
trüben  "Wetters  wegen,  mit  dem  Kometen^)  im  Bootes  gegangen.  Vor 
seiner  Sonnennähe  habe  ich  ihn  kein  einziges  Mal  erblicken  können.  Am 
18.  Nov.,  dem  Tage  seines  Vorüberganges  vor  der  Sonne,  regnete  es 
hier  unaufhörlich,  und  erst  am  20.  gegen  Mittag  zeigte  sich  die  Sonne 
auf  einige  Stunden,  wo  denn  natürlich  nichts  als  gewöhnliche,  wenn 
gleich  zum  Theil  ausgezeichnet  grosse  Sonnentlecke  darin  zu  sehen 
waren.  Gambart  hat  mir  nun  verbesserte  Elemente  dieses  Kometen 
geschickt,  die  er  aus  seinen  Beobb.  vom  29.  Okt.  bis  10.  Nov.  abge- 
leitet hatte: 

T  .    .    .     182G  Nov.  18,3085  M.  Z.  zu  Marseille 

q 0,02314 

71 314"  57' 28" 

ft      236     9  54 

i 89  59  24  mot.  retrogr. 

Nach  diesen  Elementen  erfolgte  der  Eintritt  des  Kometen  am 
18.  Nov.  um  5''  25"^  morgens  wahrer  Marseiller  Zeit.  Der  Komet  ging 
durch  Ü  um  7''  T",  der  kürzeste  Abstand  vom  Sonnenmittelpunkt  betrug 
2' 40"'.  und  der  Komet  trat  wieder  aus  um  8^38°*.  In  Marseille  trat 
die  Sonne  erst  um  '&^  35'"  hinter  einer  Wolkenbank  hervor,  und  da  war 
nichts  mehr  vom  Kometen  zu  sehen.  Ich  zweifle  aber  sehr,  dass  es 
überhaupt  möglich  gewesen  sei,  diesen  Kometen  vor  der  Sonnenscheibe 


1)  Komet  1826  IV.  Siehe  auch  Olbers  Bd.  I  No.  110  und  111,  S.  416,  417. 
Zuletzt  Dec.  11  iu  Neapel  beobachtet.     Krm. 

*)  Komet  1826  V.  Der  Yorübergang  vor  der  Soune  ist  nicht  geseheu  worden. 
Vergl.  Olbers  Bd.  I  No.  112,  S.  417—418.     Seh. 


^Q^  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1826  Decemher  8. 

wahrzunehmen.  Kr  kommt  mir  dazu  gar  zu  wenig  konsistent  vor  und 
zeigte  mir  keinen  so  dichten  Kern,  als  der  Komet  von  1819. 

Dann  endlich  liabe  ich  den  von  der  Sonne  zurückkehrenden  Ko- 
meten zwischen  Wolken  am  2.,  3.  und  5.  Dec.  auf  einige  Augenblicke 
gesehen.  Am  5.  ist  mir  eine  sehr  dürftige  Vergleichung  mit  dem  Piazzi- 
schen  Stern  H.  XVI  Xo.  270  gelungen,  die.  aber  wohl  kaum  auf  die 
^Minute  genau, 

Dec.  5.       5^41™P       ^Ä  252°  57' 3"       -f- 8°  31' 54" 

giebt.  Gambart's  obige  Elemente  fehlen  bei  dieser  Beob.  sehr;  die  von 
Clausen,  die  Sie  aus  den  A.  N.  kennen  werden,  geben  die  ull  etwa  20', 
die  Dekl.  30'  zu  klein.  —  Der  Komet  war  unerachtet  des  Mondscheines 
noch  recht  gut  zu  sehen  und  mit  blossen  Augen  zu  erkennen;  sein 
Schweif  auf  6°  lang.  —  Sollten  Sie,  wie  ich  hoffe,  in  Göttingen  mehr 
von  der  Witterung  begünstigt  worden  sein  und  einige  Beobb.  erhalten 
haben,  so  würde  ich  um  die  gütige  Mittheilung  derselben  recht  sehr 
bitten. 

Auch  bei  der  Sonnenfinsterniss  vom  29.  Xov.  war  es  hier  durchaus 
trübe  und  beständiger  Kegen.  mir  um  so  unangenelimer.  da  ich  nun 
gar  nicht  hoffen  darf,  in  diesem  Leben  nocli  eine  Sonnenfinsterniss 
zu  sehen. 

In  einem  Buche,  worin  ich  gar  so  etwas  nicht  suchte  oder  zu  finden 
erwarten  konnte,  in  William  Hone.  Every  Day  Book,  das  voriges  Jahr 
lieft  weise  in  London  mit  vielen  Holzschnitten  herausgekommen  ist,  finde 
ich  ein  Fragment  einer  Selbstbiographie  von  Flamsteed,  aus  Flam- 
steed's  eigener  Handschrift  nach  Versicherung  des  Herausgebers  mit 
gewissenhafter  Ti-eue  abgedruckt.  Was  mich  am  meisten  darin  inter- 
essirte,  war  das.  was  er  vielfältig  über  sein  Verhältniss  zu  Xewtox 
bemerkt.  Er  beschuldigt  Xewton  der  Wortbrüchigkeit,  der  Kabale  und 
der  Herrschsucht.  Aeusserlich  blieben  beide  immer  gute  Freunde,  be- 
suchten und  speisten  bei  einander;  aber  heimlich,  meint  Flamsteed, 
suchte  ihm  Xewton  auf  alle  ^^'eise  zu  schaden.  Die  Ursache  von 
Newton's  Feindschaft  setzt  er  darin,  dass  er  sich  diesem  nicht  ganz, 
wie  Halley  und  Gregory,  zum  Sklaven  hingeben  wollte,  und  nicht  in 
die  übertriebenen  Lobsprüche  seiner  Schmeichler  einstimmen  konnte, 
die  prahlten,  durch  Xewton  wären  die  ^londtafeln  von  Horrox  so 
verbessert,  dass  man  nun  immer  den  Ort  des  Mondes  bis  auf  2'  oder  3' 
genau  berechnen  könne,  da  hingegen  Flamsteed  noch  immer  Fehler 
von  8'  bis  9'  fand  und  nicht  verhehlte.  —  Ich  glaube,  dass  der  hypo- 
chondrische Flamsteed  dem  grossen  Xewton  sehr  unrecht  thut  und  ihm 
Absichten  zuschreibt,  die  Xewton  gar  nicht  gehabt  hat.  und  kleine 
ganz  unschuldige  Vernachlässigungen  übel  deutet.    Mir  scheint  vielmehr, 


Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1827  Januar  14.  4(J5 

dass  Flamsteed  sehr  empfindlich  beleidigt  und  aufgebracht  darüber 
war,  dass  Newton  in  den  Principiis  des  königlichen  Observatoriums 
und  Flamsteed's  nicht  so  oft  und  so  rühmend  erw^ähnte,  wie  dieser  durch 
seine  vielen  ^littheilungen  an  Newton  verdient  zu  haben  glaubte.  — 
Merkwürdig  war  mir  noch,  dass  Newton  Anfangs  nicht  glauben  wollte, 
dass  der  Komet  vom  Nov.  1680  mit  dem  vom  Dec. — März  1681  identisch 
sei,  sondern  noch  im  Febr.  und  März  zwei  grosse  Briefe  an  Flamsteed 
schrieb,  worin  er  dessen  Meinung,  dass  beide  Erscheinungen  nur  einem 
Kometen  angehörten,  zu  widerlegen  suchte.  —  Hone  hat  noch  ein  Fak- 
simile von  Flamsteed's  Handschrift  beigefügt,  desgleichen  das  astro- 
logische Schema  der  Konstellation  des  Himmels,  das  Flamsteed  für  den 
Augenblick,  da  der  Grundstein  zu  dem  Observatorium  gelegt  wurde, 
1075  Aug.  10,  3^  18™  entworfen  hat,  ohne  jedoch  etwas  über  die  astro- 
logische Bedeutung  dieser  Konstellation  zu  sagen. 

^^'issen  Sie  nicht,  lieber  Gauss,  w^er  Schubert  in  Petersburg  wieder 
ersetzt,  oder  ob  dieser  Verlust  dort  gar  nicht  wieder  ersetzt  wird? 

]\[ein  Sohn  trägt  mir  so  eben  auf,  ihn  Ihnen  aufs  Gehorsamste  zu 
empfehlen.  Ich  war  in  grosser  Furcht,  mich  auf  lange  Zeit  und  weit 
von  ihm  trennen^)  zu  müssen,  da  er  eine  wichtige  Mission  in  Angelegen- 
heit unseres  kleinen  Staates  in  eine  entfernte  Gegend  übernehmen  sollte. 
Gottlob  zeigt  sich  nun  die  Aussicht,  dass  diese  Mission  nicht  nöthig 
sein  wird,  und  er  seinen  alten  Vater  nicht  zu  verlassen  braucht.  Die 
Trennung  würde  mir  sehr  hart  gewesen  sein. 


No.  607.  Gauss  an  Olbers.  [sse 

Göttingen,  1827  Januar  14. 

Es  ist  sehr,  sehr  lange  [her],  dass  ich  mich  nicht  schriftlich  mit 
Ihnen  unterhalten  habe.  Ich  bin  selbst  beschämt  über  mein  langes  Still- 
schAveigen,  welches  ich  mit  nichts  entschuldigen  kann,  als  dass  es  mir 
an  Stoff  zu  interessanten  oder  erfreulichen  ]\Iittheilungen  gefehlt  hat. 
Wenn  ich  Ihnen  auch  jetzt  nichts  Besonderes  mitzutheileu  habe,  so  darf 
ich  es  doch  nicht  länger  aufschieben,  Ihnen  ein  Lebenszeichen  zu  geben. 

So  viel  ich  mich  erinnere,  halje  ich  Ihnen  im  vorigen  Sommer  von 
meinen  damaligen  Beschäftigimgen  und  Arbeiten  Nachricht  gegeben. 
Ich  hatte  meine  Messungen  in  Beziehung  auf  die  iVe&e»punkte  im  Olden- 


^)  Olbers'  Sohn  sollte   als  Abgesandter  Bremens  an  den  Hof  Don  Pedro's  nach 
Brasilien  gehen.    Krm. 

Olbers.    II,  2.  30 


45ß  Gauss  au  Olbers.     Gröttingen,  1827  Januar  14. 

burgischen  und  Bremenschen  definitiv  reducirt;  dann  auch  eine  Zeit  lang 
mich  mit  der  Prüfung  der  Theilung  des  Merid.-Kreises^)  beschäftigt. 
Ich  weiss  nicht,  ob  ich  Ihnen  damals  gemeldet  habe,  dass  ich  das  Maass 
der  Schärfe,  welche  [ich]  der  Prüfungskraft  meiner  Mikroskope  beizulegen 
habe,  geringer  fand,  als  Bessel  von  den  seinigen  angegeben,  dass  ich 
aber  nachher  beim  Nachrechnen  der  Bessel  sehen  Operationen  Resultate 
fand,  die  von  den  von  ihm  selbst  mitgetheilten  in  jeder  Beziehung 
durchaus  verschieden  sind.  Einen  Tlieil  dieser  Rechnung  bat  später 
auf  meine  Veranlassung  auch  Hr.  Clausen  gemacht,  und  seine  Resultate 
stimmen  mit  den  meiuigen  genau  überein. 

Ich")  glaube  Ihnen  schon  früher  gemeldet  zu  haben,  dass  ich  es 
ganz  unthunlich  gefunden  habe,  dasjenige  Werk,  welches  ich  über  meine 
Messungen  in  Zukunft  zu  geben  denke,  auch  in  theoretischer  Rücksicht 
ganz  selbständig  zu  machen,  wenn  ich  nicht  wenigstens  einen  grossen 
Theil  des  Theoretischen  vorher  anderswo  besonders  behandle.  Es  wird 
schon  voluminös,  die  Gründe  meiner  Operationen  zu  entwickeln,  aber  wenn 
ich  mich  so  ausdrücken  darf,  die  Gründe  der  Gründe  können  nicht  in 
das  Werk  selbst  kommen,  ohne  es  ganz  buntscheckig  und  doch  unbe- 
friedigend zu  machen.  Ich  habe  mich  daher  entschlossen,  verschiedene 
theoretische  Materien  erst  abgesondert  in  einzelnen  Abhandlungen  zu 
entwickeln,  wodurch  es  auch  allein  möglich  wird,  diese  bedeutenden 
neuen  Kapitel  der  Mathematik  mit  einem  gewissen  Grade  von  Voll- 
ständigkeit auszuführen.  Gewissermaassen  ist  meine  Preisschrift')  über 
die  Transformation  der  Flächen  die  erste  dieser  Abhandlungen;  die 
zweite  habe  ich  vor  einigen  Monaten  der  K.  Soc.  übergeben  als  SuppL 
Th.  comb.  0&5.*)  etc.  Sie  enthält  die  Principien,  die  als  Grundlage  der 
Ausgleichung  der  Beobb.  angewandt  werden  müssen,  und  selbst  einige 
Beispiele  von  Krayenhoff's  und  meinen  Messungen. 

Nachher  bin  ich  wieder  auf  meine  Nelenpunlde  zurückgekommen; 
in  meiner  Definitiv-Reduktion  habe  ich  jetzt  meinen  Katalog  fast  auf 
400  Stück  gebracht,  so  dass  nur  noch  in  dem  südlichen  Theil  eine  Nach- 
lese zu  machen  sein  wird.  Jetzt  habe  ich  aber  diese  ermüdende  Arbeit 
wieder  bei  Seite  gelegt  und  einen  AnfanR-  mit  Ausarbeituno-  einer  3.  Ab- 


^)  Vergl.  hierzu  auch  Brief  No.  154  uud  155  im  Briefwechsel  Gauss-Bessel  und 
No.  276,  277  im  Briefwechsel  Gauss-Schitmacher,  woselbst  auch  Clacsen's  Kechuuuiren 
mitgetheilt  sind.     Krm. 

®)  Von  hier  ah  bis  „meinen  Messungen"  auch  abgedruckt  in  Gaiss"  Werken 
Bd.  IX,  S.  377.     Krm. 

")  Vergl.  S.  252  uud  die  betreft'eiule  Anmerkung.     Krm. 

*)  Supplementum  Theoriae  Combinationis  observatiouum  erroribus  minimis  ob- 
noxiae,  1826  Sept.  16  vorgelegt,  wieder  abiredruckt  in  Gacss'  Werkeu  Bd.  IV, 
S.  55—93.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1827  Januar  14.  4(37 

handlung*)  geni.aclit.  die  einen  Theil  der  mir  eig:eiitliümliclien  allgeiiieiiieii 
Theorie  der  knnnmen  Flaclien  enthalten  soll.  Ich  bin  schon  ziemlich 
damit  vorgerückt,  und  falls  auf  die  Ostermesse  der  G.  Band  unserer 
Comm.  publicirt  wird,  werde  ich,  wenn  es  nur  irg-end  möglicli  ist,  suchen, 
sie  so  früh  zu  volleudeu.  dass  sie  noch  mit  hineinkommt;  im  entgegen- 
gesetzten Fall  kann  ich  mir  noch  länger  Zeit  nehmen,  da  allerdings 
diese  Ar])eit  ihre  grossen  Schwierigkeiten  hat.  Die  Theoreme,  die  icli, 
wenn  ich  nicht  irre,  Ihnen  schon  fi'üher  mitgetheilt^)  habe,  z.  B.  dass  die 
Linie,  welche  die  Endpunkte  von  allen  aus  einem  Punkt  ausgehenden 
kürzesten  Linien  von  gleicher  Lcänge  verbindet,  mit  dieser  rechte  Winkel 
macht;  die  luichst  zierliche  Eelation  zwischen  der  Summe  der  Winkel 
eines  durch  kürzeste  Linien  begrenzten  Pol^'gons  und  dei'  Fläche,  welche 
die  Normalen  auf  der  krummen  Fläche  an  der  Himmelskugel  ausfüllen; 
die  allgemeine  Theorie  der  Reduktion  der  beobachteten  Winkel  auf  die 
Winkel,  welche  in  der  Darstellung  in  der  Ebene  bei  Aehnlichkeit  der 
kleinsten  Theile  zwischen  den  geradlinigen  Verbindungen  stattfinden 
u.  s.  w.,  würden  schon  mit  in  diese  Abhandlung  kommen. 

Eine  kleine  Arbeit  von  mir  über  die  Berichtigungsmethoden  ^)  des 
Heliotrops  bin  ich  im  Begriff,  in  diesen  Tagen  an  Schumacher  zu 
schicken,  und  Averden  Sie  solche  dann  wohl  bald  nebst  erläuternden 
Figuren  in  Schumacher's  Astr.  Nachr.  finden. 

üeber  den  fortwährend  traurigen  Gesundheitszustand  meiner  Frau 
wird  Ihnen  wolü  [Repsold  und]*^)  Schumacher  erzählt  haben.  Meine 
Kinder  befin[den  sich]  wohl;  meine  beiden  ältesten  Söhne  haben  uns 
im  letzten  A\'eihnachts[fest]  besucht.  Ich  selbst  kann  auch  über  meine 
Gesundheit  keine  bedeutende  Beschwerde  führen,  nur  dass  es  mir  weh  thut 
zu  sehen,  dass  es  mit  meinen  Arbeiten  langsamer  geht,  als  ich  wünschte, 
ohne  dass  ich  entscheiden  kann,  ob  es  an  der  Natur  derselben  oder  an 
mir  selbst  mehr  liegt.  Glücklicherweise  habe  ich  in  diesem  ^Mnter 
wöchentlich  nur  ein  paar  Stunden  zu  lesen. 

Eine  grosse  Freude  habe  ich  vor  mehreren  Monaten  gehabt,  Hum- 


^)  Disquisitiones  generales  circa  superficies  curvas,  vorgelegt  der  Societät  am 
8.  Okt.  1827,  wieder  abgedruckt  in  Gauss'  Werken  Bd.  IV,  S.  217—258.  Vergl. 
Brief  Xo.  627  und  die  betreffende  Anmerkung.  Nur  in  den  Briefen  vom  9.  und 
20.  Okt.  1825  (Nu.  591  und  593)  bat  Gauss  Andeutungen  über  diese  Untersucbungen 
cremacht,  aber  die  oben  erwähnten  Theoreme  nicht  mitgetbeilt.     Krm. 

*)  Vergl.  Briefwechsel  Gauss-Schumacher  Brief  No.  285  und  293.  Der  Aufsatz 
ist  abgedruckt  in  A.  N.  Bd.  V,  No.  116,  Gauss'  Werken  Bd.  IX,  S.  472—477,  siehe 
femer  da.selbst  Nachlass  S.  478—482.     Krm. 

^)  Die  eingeklammerten  Worte  sind  wohl  beim  Entsiegeln  des  Briefes  abge- 
rissen worden.  Nach  dem  Briefwechsel  Olbers-Schümacher  sind  Repsold  bezw.  Schu- 
macher auf  der  Eückreise  von  München  über  Göttingen  Mitte  Okt.  bezw.  Nov.  in 
Bremen  gewesen.     Krin. 

30* 


^gg  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1827  Februar  25. 

BOLDT  hier  persönlich  kennen  zu  lernen,  und  doppelt  angenehm  ist  es 
mir  nun,  dass  er  künftig  seinen  bleibenden  Aufenthalt  in  Berlin  nehmen 
wird.  Hoffentlich  werde  ich  im  nächsten  Frühjahr  endlich  die  Beobb. 
mit  dem  Zenithsektor  zur  Ausführung  bringen. 


No.  608.  Olbers  an  Gauss.  [322 

Bremen,  1827  Februar  25. 

Ihr  Brief  hat  mir  eine  grosse,  recht  grosse  Freude  gemaclit,  und 
ich  danke  Ihnen  herzlich,  dass  Sie  mir  gütigst  von  Ihren  Beschäftigungen 
Nachricht  gegeben  haben.  Ich  sehe  es  wohl  ein,  dass  es  nothwendig  ist, 
die  Gründe  der  Gründe,  worauf  Ihre  neue  und  eigenthümliche  Theorie 
gegründet  sein  wird,  vorher  in  besonderen  Abhandlungen  zu  geben,  ehe 
Sie  zu  dem  Hauptwerke  kommen.  Nur  muss  ich  leider  fürchten,  dass 
ich  dies  nicht  mehr  erleben  werde.  Vorläufig  bin  ich  besonders  be- 
gierig auf  Ihr  SiqjjJl.  Th.  comb.  ohs.  etc.  Hoffentlich  erfahre  ich,  wenn 
es  gedruckt  sein  wird,  dies  sogleich. 

Bei  der  Gelegenheit  fällt  mir  ein,  dass  Ivort  neulich  in  einer  kleinen 
Abhandlung  beweisen  will,  man  dürfe  die  Methode  der  kleinsten  Qua- 
drate nicht  gebrauchen,  um  aus  den  beobachteten  Pendellängen  die 
wahrscheinlichste  Figur  der  Erde  abzuleiten.  Ich  meine  aber,  er  hat 
höchstens  bewiesen,  dass  man  sie  anders  anwenden  müsse,  als  Kapt.  Sabine. 
Seine  neue  Begründung  der  Methode  der  kleinsten  Quadrate  (Aug.  1826) 
scheint  mir  etwas  Eigenthümliches  zu  haben,  aber  die  Ihrige  ist  für 
mich  befriedigender.  —  Ueberhaupt  hat  Ivory  diese  Zeit  viel  über  die 
Figur  unserer  Erde  sowohl  nach  der  blossen  Theorie,  als  nach  den 
beobachteten  Pendellängen  geschrieben.  La  Plage's  Theorie  des  Gleich- 
gewichts eines  homogenen,  flüssigen  Körpers  findet  er  mangelhaft  und 
Poisson's  Vertheidigung  oder  Ergänzung  derselben  unzulänglich.  Er 
scheint  in  einer  sehr  reizbaren,  streitsüchtigen  Stimmung  zu  sein.  Viel- 
leicht hat  der  Umstand,  dass  ihm  die  Londonei-  Königl.  Societät  für  die 
ihr  mitgetheilten  mathematischen  Abhandlungen  im  vorigen  Herb^;t  die 
goldene  Medaille  zuerkannt  hat,  seine  Grämlichkeit  jetzt  etwas  be- 
sänftigt. 

Was  Sie  mir  von  den  von  Ihnen  aufgefundenen  Irrungen  in  den 
Resultaten,  die  Bessel  aus  seinen  Kreisprüfungen  zog,  schreiben,  ist 
mir  äusserst  interessant  und  wichtig.  Mich  wundert,  dass  Bessel,  dem 
Sie  dies  doch  wahrscheinlich  angezeigt  haben,  sich  noch  gar  nicht 
darüber  äussert.  Dies  wird  doch  gewiss  nicht  ohne  Einfluss  auf  seine 
Dekl.  der  Fundamental-Sterne   sein,   und   kann  vielleicht  die  Differenz, 


Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1827  Februar  25.  469 

die  noch  immer  zwisclien  1'ond,  Brixkley  und  ihm  stattfindet,  zum 
Theil  ausgleichen.  Doch  vielleicht  findet  sich  hierüber  etwas  in  dem 
Bande,  der  seine  Beobb.  von  1825  enthalten  wird,  und  der  mir  noch 
nicht  zugfekommen  ist. 

Den  letzten  Kometen  habe  ich,  der  schlechten  Witterung  wegen, 
seit  dem  22.  Jan.  nicht  wieder  gesehen.  Das  vorige  Jahr  1826  ist  doch 
wohl  das  allerreichste  Kometenjahr  gewesen  und  übertrifft  noch  das 
Jahr  1820.  In  1826  sind  nicht  weniger  als  5  Kometen  entdeckt  und 
7  beobachtet  worden.  Von  diesen  sieben  habe  ich  sechs  gesehen;  nur  den- 
jenigen, den  Flaugergues  ^)  am  29.  März,  wie  er  den  Biela-Gambaet- 
schen  Kometen  aufsuchte,  statt  dessen  fand  und  beobachtete,  wird  wohl 
niemand  anderes  als  dieser  Astronom  gesehen  haben. 

kleinen  grossen  öfüssigen  Fraunlwfer  habe  ich  erhalten  und  auf- 
gestellt. Die  mehrentheils  strenge  Kälte  hindert  mich  nur  bisher  noch, 
viel  Gebrauch  davon  zu  machen.  Seine  Güte  kann  ich  also  noch  nicht 
vollkommen  beurtheüen;  mit  den  vorläufigen  Proben  bin  ich  aber  sehr 
zufrieden.  Er  übertrifft  natürlich  meinen  braven  Dollond  sehr  an  Licht- 
stärke, verträgt  viel,  \\e\  besser  starke  Vergrösserungen ;  aber  doch 
konnnt  es  mir  bisher  vor,  als  wenn  der  Dollond  die  Bilder  noch  etwas 
schärfer  begrenze,  als  der  FraiinJiofer.  Bei  milderer  Luft,  wenn  man 
die  Temperatur  des  Beobachtungszimmers  erst  mit  der  äusseren  Luft 
ins  Gleichgewicht  bringen  kann,  wird  sich  das  Gewissere  erst  ergeben. 
Denn  bei  zu  ungleichen  Temperaturen  der  inneren  und  äusseren  Luft 
wallt  alles  zu  sehr,  und  bekanntlich  ist  dies  für  den  Effekt  der  Fern- 
rohre um  so  nachtheiliger,  je  grösser  ihre  Aperturen  sind. 

Die  Kälte  war  hier  sehr  heftig.  Am  19.  Febr.  morgens  71  Uhr 
zeigten  meine  Thermometer  — 18'',2  R.  An  freien,  dem  Nordostwinde 
offenen  Plätzen,  z.  B.  auf  dem  Walle  will  man  bis  — 22°  beobachtet 
haben.  —  ^^'ie  gross  ist  wohl  die  Kälte  in  Göttingen  gewesen?  In 
Altona  war  sie  nur  — 13°,8.  —  Ich  kann  es  nicht  mehr  vertragen, 
meinen  alten  Körper  lange  einer  strengen  Kälte  auszusetzen,  und  ver- 
lange also  sehr  nach  milderer  Witterung. 

Es  war  mir  angenehm  zu  lesen,  dass  Sie  die  persönliche  Bekannt- 
:-ihaft  des  liebenswürdigen  Humboldt  gemacht  haben.  —  Sollte  unser 
LiNDENAu,  nun  er  als  Gesandter  zum  Bundestage  geht,  nicht  wieder 
für  die  Sternkunde  thätig  werden?  Ich  dächte,  ein  Sächsischer  Ge- 
sandter  bei   dem Bundestage   behielte  noch  wohl  etwas  Müsse 

übrig.  —  Ob  Zach  von  den  verschriebenen  Pariser  Aerzten  erleichtert 
worden  ist,  habe  ich  noch  nicht  erfahren.  —  Den  öffentlichen  Blättern 


^)  Komet   1826   HI,    nur    von   Flaügebgues    Tom    1.   bis   6.   Apr.    1826   beob- 
achtet.   Krm. 


470  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1827  März  1. 

zufolge  bessert  es  sich  mit  La  Place.  Aber  in  seinem  Alter  pflegt 
die  Besserung  nach  einer  so  schweren  hitzigen  Krankheit  mehrentheils 
unvollkommen  zu  bleiben  und  Schwäche  des  Körx)ers  und  des  Geistes 
zurückzulassen. 

Der  wunderliche  Gkuithuisen  sollte  bald  Sie  und  auch  mich  durch 
seine  Indiskretion  kompromittirt  haben.  Wenigstens  werden  wir  beide 
in  einem  englischen  Journal- Artikel  mit  ihm  zugleich  genannt,  worin 
man  sich  bitter  über  seine  Phantastereien  auslässt. 

Möchte  ich  bald  hören,  mein  theuerster  Gauss,  dass  es  sich  mit 
dem  Befinden  Ihrer  verehrten  Gattin  immer  mehr  bessert.  Meine 
innigsten,  herzlichsten  Wünsche  sind  dahin  gerichtet;  und  auch  des- 
wegen sehe  ich  mit  Sehnsucht  dem  kommenden  Frühling  entgegen,  der 
für  Kranke  und  Schwache  oft  so  wohlthätig  wirkt. 


No.  609.  Gauss  an  Olbers.  [m 

Göttingen,  1827  März  1. 

Herzlich  danke  ich  Ihnen  für  Ihr  gütiges  Schreiben  vom  25.  Febr., 
worauf  ich  heute  sogleich  einige  Zeilen  antworte. 

Es  würde  mir  sehr  angenehm  sein,  etwas  Näheres  von  den  Gründen 
zu  wissen,  die  Hr.  Ivory  gegen  die  Bestimmung  der  Gestalt  der  Erde 
aus  Pendellängen  vorgebracht  hat.  Sollte  die  Abhandlung,  worin  sie 
sich  befinden,  nicht  gar  zu  neu  sein,  so  mrd  es  wohl  zureichen,  wenn 
Sie  mir  nur  gütigst  anzeigen,  wo  sie  steht,  indem  es,  wie  ich  hoffe, 
mir  dann  möglich  sein  wird,  sie  mir  hier  zur  Ansicht  zu  verschaffen. 
Ich  habe  bisher  nur  eine  Abhandlung  von  Ivoey  gesehen,  die  aus  den  Phil. 
Trans.  1824  besonders  abgedruckt  ist;  diese  aber  hat  eigentlich  nur 
ein  theoretisches  Interesse,  da  sie  sich  nur  auf  ein  homogenes  Fluidum 
bezieht.  In  dieser,  obwohl  sie  ohne  Zweifel  viel  Schönes  enthält,  ist 
mir  beim  flüchtigen  Durchblättern  doch  einiges  dunkel  geblieben,  und 
namentlich  ist  es  mir  vorgekommen,  als  ob  Hr.  Ivoet  Unrecht  hat,  falls 
er  behauptet,  dass  die  Bedingung  der  Normalität  der  Richtung  der 
resultirenden  Kraft  für  jeden  Punkt  der  Oberfläche,  auf  diese  Oberfläche, 
noch  unzulänglich  für  das  Gleichgewicht  sei,  und  als  ob  in  der  Dar- 
stellung keine  rechte  logische  Ordnung  herrsche.  Doch  habe  ich.  wie 
gesagt,  die  Abhandlung  nur  durchblättert.  Gleichfalls  würde  es  mir 
lieb  sein,  die  Abhandlung,  worin  Hr.  Ivory  eine  neue  Begründung  der 
Methode  der  kl.  Q.  versucht  haben  soll,  falls  diese  Abhandlimg  nicht 
mit  der  ersteren  identisch  ist,  näher  citirt  zu  sehen.  Wenn  Sie  urtheilen, 
dass  meine  Begründung  Sie   mehr   befriedige,    so   verstehe  ich  dies  so, 


Gauss  an  Olbers.     Güttingfen,  1827  März  1.  471 

dass  Sie  die  zweite  Beg-riniduno:  in  der  TJi.  Comb.  Obs.  meinen,  nicht  die 
erste  in  der  Tli.  Mot.  Corp.  Cod.,  die  damit  nichts  gemein  hat? 

Meine \)  AJjliandlung-  oder  vielleicht  richtiger  meine  erste  Abhand- 
lungf  über  die  krummen  Flächen-)  habe  ich  vollendet;  ich  werde  sie  aber 
der  Societät  noch  nicht  übergeben,  da  doch  auf  die  Ostermesse  kein  Band 
herauskommt.  Die  beiden  von  mir  1825  und  1826  übergebenen  Abhand- 
lungen über  die  Biquadratischen  Beste"-)  und  SiippJ.  Tli.  Comb.  Obs.") 
sind  noch  nicht  zu  drucken  angefangen.  Jene  Abhandlung  enthält  zur 
unniitteJbare)i  Benutzung  in  meinem  künftigen  Werk  über  die  Messung 
eigentlich  nur  ein  paar  8ätze,  nämlich  1)  was  zur  Berechnung  des 
Excesses  der  iSumme  der  3  A\'inkel  über  180°  in  einem  Dreiecke  auf 
einer  nicJit  sphärischen  Fläche,  wo  die  Seiten  kürzeste  Linien  sind, 
erforderlich  ist,  2)  wie  in  diesem  Fall  der  Excess  auf  die  drei  Winkel 
nngleich  vertheilt  werden  muss.  damit  die  Sinus  den  Seiten  gegenüber  pro- 
portional werden.  In  praktischer  Eücksicht  ist  dies  zwar  ganz  unwichtig, 
weil  in  der  That  bei  den  grössten  Dreiecken,  die  sich  auf  der  Erde  messen 
lassen,  diese  Ungleichheit  in  der  Vertheilung  unmerklich  wird,  aber  die 
Würde  der  Wissenschaft  erfordert  doch,  dass  man  die  Natur  dieser 
Ungleichheit  klar  begreife.  Und  so  kann  man  allerdings  hier,  wie 
öfter,  ausrufen:  Tantae  molis  erat,  um  dahin  zu  gelangen.  —  Wichtiger 
aber  als  die  Auflösung  dieser  2  Aufgaben  ist  es,  dass  die  Abhandlung 
mehrere  allgemeine  Principien  begründet,  aus  denen  künftig  in  einer 
speciellen  Untersuchung  die  Auflösung  von  einer  Menge  wichtiger  Auf- 
gaben abgeleitet  werden  kann. 

Ich  komme  noch  einmal  auf  den  im  Anfang  dieses  Briefes  erwähnten 
Gegenstand  zurück.  Ich  habe  bei  allen  meinen  Hülfstafeln  und  Rech- 
nungen Walbeck's  Abplattung  ^)   zu   Grunde   gelegt,   aber  ich 

glaube,  dass  die  sämmtlichen  bisherigen  Gradmessungen,  wenn  man  ihre 
Daten  vollständig  aufnähme,  zeigen  würden,  dass  die  SABiNE'sche  Ab- 
plattung -^^^  sich  beinahe  ebenso  gut  damit  würde  vereinigen  lassen, 

und  es  scheint  mir,  dass  alle  bisher  vorhandenen  Gradmessungen  noch 
viel  zu  kleine  Ausdehnung  haben,  um  die  Abplattung  in  engere  Grenzen 
einzuscliliessen.  Was  gewiss  ist,  ist,  dass  die  Erde  ein  unregelmässiger 
Körper  ist;  die  Polhöhe  der  Orte  (ganz  abstrahirt  von  Beobachtungs- 
Fehlern)   schwanken  immer  mehrere  Sekunden   (vielleicht  hier  und  da 


^)  Von  hier  ab  bis  „beurtheileu  kouneu-'  wieder  abgedruckt  iu  Gauss'  Werken 
Bd.  IX,  S.  377—379.     Krm. 

^)  Vergl.  Brief  No.  627  und  die  betreffende  Anmerkung.  Zur  Abb.  über  die 
Biquadrat.  Reste  siehe  auch  Brief  No.  5-52  vom  20.  März  1825.     Krm. 

*)  Yero-l.  Brief  No.  523  vom  6.  Juli  1824  und  die  Anmerkung  2  auf  S.  333.   Krm. 


^'j2  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1827  März  1. 

viele  Sekunden)  um  die  Werthe,  die  man  unter  Voraussetzung  irgend 
eines  regelmässigen  EUipsoids  herechnet,  und  ebenso  schwanken  die 
Avirklicben  Pendellängen  um  die  berechneten  (das  mittlere  Schwanken 
der  Pendellängen  vielleicht  -^V  englische  Linie).  Aber  eben  deshalb 
können  Gradmessungen  von  kleiner  Ausdehnung  wenig  zur  Kenntniss 
der  mittleren  Gestalt  der  Erde  beitragen,  namentlich  halte  ich  den 
Lapländischen  Bogen  für  viel  zu  klein.  Um  so  wichtiger,  däucht  mir, 
ist  es,  dass  nach  und  nach  alle  scharfen  Triangulirungen  in  Eui'opa  in 
einen  Zusammenhang  gebracht  werden.  Ich  habe  jetzt  Hoffnung,  die 
baj'rischen  Dreiecke  mitgetheilt  zu  erhalten.  "Wenn  erst  alle  eui-o- 
päischen  Sternwarten  von  Abo  bis  Palermo  und  von  Nicolajew  bis 
Dublin  durch  Dreiecke  zusammenhängen,  so  dass  ihi^e  relativen  Lagen 
gegen  einander  mit  aller  Genauigkeit,  die  die  feinsten  geodätischen 
Messungen  verschaffen  können,  bestimmt  sind,  so  "\\Trd  man,  d.  i.  so 
werden  unsere  Nachkommen  alles  mit  viel  mehr  Sicherheit  beurtheilen 
können.^) 

In  dem  neuesten  Stück  der  Hertha  wii'd  ein  Memoire  von  Epailly 
erwähut  über  seine  Messungen  im  Hannoverschen;  ist  Ihnen  darüber 
etwas  Näheres  oder  auch  nur  der  Titel  bekannt? 

Nach  einem  Briefe  des  Hrn.  v.  Hu3iboldt-)  behauptet  zwar  La  Place's 
Arzt  Magexdie,  ihn  von  seiner  Krankheit,  einem  bösartigen  Nerven- 
fieber, geheilt  zu  haben,  allein  der  Geheilte  ist  doch  nach  Humboldt 
noch  unendlich  schwach,  verdaut  schlecht  und  spricht  oft  ohne  Zu- 
sammenhang. —  Ich  bin  überzeugt,  dass  Humboldt's  Kückkehr  nach 
Berlin  dem  Gedeihen  der  exakten  "Wissenschaften  in  Deutschland  die 
gi^össten  Vortheile  bringen  wird.  Auf  das  Lebhafteste  interessh't  er 
sich  dafür,  dass  jedes  ausgezeichnete  Talent  aufgemuntert  werde. 

Die  grösste  Kälte  hatten  wir  hier  am  19.  Morgens;  um  8  Uhr  las 
ich  selbst  — 21",5,  eine  Stunde  vorher  hatte  Hakding  — 22'',0  gelesen. 
Die  heitere  Nacht  vom  25. — 26.  wollte  ich  zu  einer  vorläufigen  Be- 
stimmung von  Sternen  benutzen,  die  ich  am  Zenithsektor  beobachten 
werde;  allein  der  grosse  Temperatur-L^nterschied  (aussen  — ll°r5.  innen 
—  4")  machte  die  Sterne  so  undeutlich,  dass  sie  ein  fast  kometenartiges 
Ansehen  hatten;  um  3  Uhr  früh  fing  es  auch  an  trübe  zu  werden. 
Unter  ähnlichen  Umständen,  wo  nur  kleine  Oettuungeu  und  massige 
Yergrösserungen  leidliche  Bilder  geben,  könnten  Sie  leicht  der  Präcision 
Ihres  Fraunhofer  Unrecht  thun.  Ich  selbst  gestehe  gern,  [dass  ich]^)  noch 
durch  kein  Sehwerkzeug  gesehen  habe.  Avas  der  Präcision  meiner  beiden 


^)  Siehe  Anmerkung  1  auf  der  vorigen  Seite.    Seh. 

^)  Briefwechsel  A.  v.  Hlmboldt-Gacss.  Brief  No.  19  vom  16.  Febr.  1827.    Krm. 

^)  Diese  Worte  sind  im  Oriyiualbrief  abuerisseu.     Krm. 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1827  März  10.  473 

Meridian-Instrumente  gleichkäme,  insofern  die  Luft  günstig  ist.  Sonder- 
bar ist,  was  icli  öfter  (auch  in  jener  Nacht)  bemerkt  zu  haben  glaube, 
dass  die  sehr  ungleiche  Temperatur  bei  sehr  heftigem  Winde  weniger 
nachtheUig  wirkt. 

Von  Hrn.  Excke  habe  ich  lange  nichts  gehört  und  weiss  nicht,  ob 
das  Jahrbuch  fortbestehen  wird  oder  nicht.  Für  das  laufende  Jahr 
habe  ich  bisher  weder  ScHUMACHEE'sche  Hülfstafeln  noch  Mailänder 
EpJiemeriden  [erhalten]. 

Mit  der  Gesundheit  meiner  Frau  geht  es  leider  nicht  besser,  son- 
dern eher  scheinen  mehrere  Uebel,  namentlich  das  immerwährende  Er- 
brechen und  die  fast  al)solute  Unfähigkeit,  Nahrungsmittel  zu  nehmen, 
noch  zugenommen  zu  haben. 

Bessel  habe  ich  vor  einigen  Monaten  auf  die  Rechnungsdifferenzen  ^) 
aufmerksam  gemacht.  Uebrigens  sind  sie  zu  klein  (nur  0",1  bis  0",2), 
als  dass  sie  zur  Aufklärung  des  ümstandes,  dass  er  alle  Sterne  süd- 
licher setzt,  als  alle  anderen  Astronomen  (auch  meine  Beobb.),  beitragen 
könnten.  Sehr  vermindert  würde  letzterer  Unterschied,  wenn  er  keine 
Biegung  in  Beclinung  gebracht  liätte,  wie  in  der  That  die  direkten 
Versuche  auch  keine  Biegung  gaben.  Aber  wie  soll  man  erklären,  dass 
•^eine  Reflexionsbeobb.  eine  solche  Biegung  ergeben  hatten? 


No.  610.  Olbers  an  Gauss.  [323 

Bremen,  1827  März  10. 

Ich  muss  mich  in  meinem  letzten  Briefe  wohl  sehr  unrichtig  aus- 
gedrückt haben.  Nicht  gegen  die  Bestimmung  der  Figur  der  Erde  aus 
Pendellängen,  sondern  gegen  die  Anwendung  der  Methode  der  kleinsten 
Quadrate,  um  aus  den  beobachteten  Pendellängen  die  wahrscheinlichste 
Figur  der  Erde  zu  bestimmen,  ist  Ivokt's  Aufsatz  gerichtet.  Damit 
Sie,  mein  allertheuerster  Freund,  keine  Mühe  haben,  sich  erst  dort  die 
IvoRT'schen  kleinen  hierher  gehörigen  Abhandlungen")  zu  verschaffen, 
schicke  ich  Ihnen  beikommend  die  Stücke  des  Fhilos.  Mag.,  worin  sie 
enthalten  sind.  Ich  habe  noch  den  Nov.  hinzugefügt,  damit  Sie  gleich 
übersehen  können,  was  Ivoky  für  ein  Endresultat  aus  allen  Pendelbeobb. 
zieht.  Sie  werden  wahrscheinlich  leicht  Gelegenheit  finden,  mir  diese 
3  Stücke   mit   einem   nach   seiner  Vaterstadt  zurückkehrenden  Bremer 


^)  "Vergl.  Brief  Xo.  607  Tom  14.  Jan.  1827  an  Olbeks  und  die  Annierkimg:  1 
auf  S.  466.     Krni. 

-)  On  the  Method  of  least  Squares,  und  On  the  Ellii)ticity  of  the  Eartb,  as  de- 
duced  from  experiments  made  Avith  the  Pendulum.    Phil.  Mag.  LXVIII.    1826.     Krm. 


474  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1827  März  10. 

wieder  zu  schicken.  —  Es  scheint  mir,  dass  Kapt.  Sabine  den  reizbaren 
IvoEY  auf  irgend  eine  Art  beleidigt  hat  (vielleicht  dadurch,  dass  er 
ihm  sein  "Werk  nicht  geschickt  hat),  und  dass  Ivort  deswegen  den 
Beobb.  und  Arbeiten  Sabine's  keine  völlige  Gerechtigkeit  widerfahren  lässt. 

Die  Hertha  zu  lesen,  habe  ich  keine  Gelegenheit,  und  von  Epailly's 
iVIemoiren  ist  mir  durchaus  nichts  bekannt. 

Ich  fürchte  sehr,  dass  La  Place  sich  nicht  soweit  wieder  erholen 
wird,  um  noch  für  die  Wissenschaft  bedeutend  nützlich  sein  zu  können.  — 
Was  Sie  mir  über  Humboldt  sagen,  erfreut  mich  sehr.  Ich  wünschte 
nur,  dass  Humboldt  erst  definitiv  Paris  verlassen  hätte.  Er  hat  bisher 
seine  Pläne  nicht  immer  ausgeführt. 

Auch  ich  habe  weder  Schumachee's  Hülfstafeln  noch  die  Mailänder 
Epliemeriden  [erhalten].  Was  die  ersten  betrifft,  so  frug  ich  vor  mehreren 
Wochen  bei  Schumacher  an,  ob  sie  noch  nicht  erschienen  wären.  Schu- 
macher hat  aber  garnicht  darauf  geantwortet.  Ich  habe  meine  Frage  nicht 
wiederholen  mögen,  indem  ich  nun  vermuthete,  er  glaube  vielleicht,  sie 
mir  schon  längst  geschickt  zu  haben.  Es  ist  mir  nämlich  schon  mehr[fach] 
begegnet,  dass  seine  Aufträge,  mir  dies  oder  jenes  zu  schicken,  von 
seiner  Umgebung  nicht  ausgeführt  sind.  Ich  bestellte  mir  also  ein 
Exemplar  bei  einer  hiesigen  Buchhandlung;  aber  es  ist  noch  nicht  an- 
gekommen. —  Aus  der  neuesten,  116.  No.  der  A.  N.,  worin  Ihre  Ab- 
handlung über  die  Berichtigung  des  Heliotrops  abgedruckt  ist,  werden 
Sie  sehen,  wie  es  künftig  mit  dem  Be7-l.  Jahrbuch  werden  soll.  Als 
Ephemeride  wird  das  Jahrbuch  gewiss  ausserordentlich  gewinnen;  aber 
es  tliut  mir  herzlich  leid,  wenn  unser  trefflicher  Encke  einen  so  grossen 
Theil  seiner  Zeit  und  Kräfte  bloss  auf  solche  Eechnungen  künftig  ver- 
wenden soll. 

Mit  meinem  Fraimhofer  werde  ich  immer  mehr  zufrieden,  je  mehr 
ich  ihn  kennen  lerne,  und  ich  zweifle  nicht,  er  wird,  wenn  ich  erst  die 
innere  und  äussere  Lufttemperatur  mehr  gleich  machen  kann,  wenig  zu 
wünschen  übrig  lassen. 

Wir  haben  jetzt  grosse  Wassersnoth.  Bremen  ist  rings  vom  Wasser 
umflossen,  und  wir  wohnen  jetzt  auf  einer  Insel.  Die  Kommunikationen 
sind  sehr  unterbrochen.  Noch  nie  erreichte  die  Weser  einen  so  hohen 
Stand. 

Sehr  neugierig  bin  ich  auf  Ihr  belehrendes  Urtheil  über  die  beiden 
Aufsätze  von  Ivory. 


Gauss  an  Olbeis.     Güttiugen,  1827  März  15.  475 

Nu.  611.  Gauss  Uli  Ulbers.  1288 

Göttingen,  1827  März  15. 

IchM  bin  Ihnen  selir  verptiielitet  für  die  gefl.  Uebersendnng  der 
drei  Hefte  des  Phil.  Mag.  Ich  habe  die  Aufsätze  von  Ivory  durch- 
gesehen, und  ich  würde  sagen  müssen,  dass  ich  dadurch  sehr  befremdet 
sei,  wenn  ich  nicht  durch  die  Abhandlung  in  den  Phil.  Trans.,  deren 
ich  in  meinem  letzten  Briefe  erwähnte,  schon  vorbereitet  gewesen  wäre. 
Ich  hatte  Hrn.  Ivoky  längst  als  einen  scharfsinnigen  Mathematiker 
gescliätzt,  der  im  Kalkül  grosse  Gewandtheit  hat,  von  diesem  Urtheil 
gehe  ich  auch  noi-h  niclit  ab;  allein  rücksichtlich  des  Hauptpunkts  in 
der  erwähnten  Abhandlung  vermisse  ich  den  logischen  Zusammenhang 
und  erkenne  darin  nichts  weiter  als  eine  baare  Petitio  princijp'd.  Sie 
werden  mich  nicht  missverstehen.  Ich  lege  wenig  Werth  auf  eine 
streng  logische  Einkleidung,  die,  in  Schriften  für  Männer  und  Kenner, 
oft  nur  Pedanterie  sein  würde;  aber  der  streng  logische  Zusammenhang 
muss  sich,  wo  es  nur  gefordert  wird,  überall  nachweisen  lassen,  dies 
ist  eine  unerlässliche  Bedingung  eines  guten  Vortrags.  Wenn  ich  einen 
^lathematiker  sehr  hochschätze  und  hierin  etwas  vermisse,  so  denke 
ich  immer  zuerst,  dass  es  bloss  im  Vortrag  liegt,  und  gehe  schwer  daran, 
anzunehmen,  dass  der  Gedanke  selbst  leer  ist.  Aber  bei  Hrn.  Ivory's 
drei  Aufsätzen  bin  ich  leider  dazu  genöthigt. 

Die  Abhandlung  über  die  kleinsten  Quadrate  ist  denn  doch  wirklich 
unter  aller  Kritik.  Welche  Verworrenheit,  Unklarheit  und  völliger 
Mangel  logischer  Bündigkeit!  Aber  darüber  könnte  man  noch  weg- 
sehen, wenn  wirklich  ein  reeller  Gedanke  zu  Grunde  läge.  Allein  das 
ist  durchaus  nicht  der  Fall.  Wie  ist  es  möglich,  dass  das  Geschwätz 
p.  163  u.  164  und  als  ein  proof  „that  this  principle  leads  necessarily  to 
the  method  of  the  least  Squares"  venditirt  wird!  In  der  That  weit  ent- 
fernt, dass  daraus  eine  Nothwendigkeit  der  Methode  der  kleinsten  Qua- 
drate folge,  kann  man  dieses  Ganze*)  auf  jede  heliebige  andere  Be- 
handlung der  vorgegebenen  Gleichungen  anwenden;  z.  B.  wenn,  anstatt 
sie  mit  a,  a',  a"  zu  multipliciren,  man  sie  mit  irgend  einer  Potenz 
dieser  Koefficienten  multiplicirte  oder  auch  sie  dividirte.  Die  Abhand- 
lung scheint  in  der  That  halb  im  Schlafe  geschrieben  zu  sein,  und  Sie 
erlassen  mir  wohl,   noch  mehrere  einzelne  Stellen  anzustechen,  die  Sie 


^)  Der  Brief  ist  bis  zu  „das  ENDE'sche  Verfahren"  auch  abgedruckt  in  Gauss' 
Werken  Bd.  YHI,  S.  143—145.     Krm. 

*)  Versteht  sich  mit  Ausnahme  der  Folge,  dass  e  s -{- e' s'  -\- s" e"  ....  ein  Mi- 
nimum wird;  aber  dies  soll  ja  eben  nicht  Axiom  sein,  sondern  bewiesen  werden. 


^7g  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1827  März  15. 

sogleich  selbst  bemerken  werden,  so  bald  Sie  nur  nicht  von  einer  vor- 
gefassten  Meinung  ausgehen,  dass  irgend  etwas  daran  ist. 

Wenig  besser  scheint  mir  der  andere  Aufsatz  über  die  Pendellängen; 
die  Vorwürfe,  die  er  der  Anwendung  der  Methode  der  kleinsten  Quadrate 
macht,  zeigen  mir,  dass  ihr  Geist  dem  Hrn.  Ivoey  ganz  fremd  ist.  Ich  finde, 
dass  Hr.  Sabine  diese  Methode  im  Wesentlichen  ganz  richtig  angewandt 
hat  —  die  Form  der  Anwendung  ist  allerdings  nicht  die  zweckmässigste, 
und  ich  habe,  unter  uns  gesagt,  eigentlich  Sabine,  Pauckee  und  Muncke 
in  der  neuen  Ausgabe  von  Gehlee,  bei  meiner  Anmerkung  in  den 
Ä.  N.^)  No.  110  p.  230  mit  im  Sinn  gehabt  — ;  aber  darin  hat  er  ge- 
fehlt, dass  er  den  mittleren  zu  befürchtenden  Fehler  in  den  Resultaten 
nicht  mit  berechnet  hat,  und  dass  er  durch  einen  Umstand,  welchen 
Hr.  Ivoey  mit  Recht  tadelt,  nämlich  durch  die  Zusammenstellung  der 
verschiedenen  Resultate  aus  verschiedenen  Kombinationen,  wobei  immer 
seine  Beobb.  in  der  Nähe  des  Aequators  einen  überwiegenden  Einfluss 
behalten  müssen,  den  Schein  einer  viel  grösseren  Genauigkeit  der  End- 
resultate hervorbringt,  als  diese  wirklich  haben.  In  der  That  ist  es 
damit  gewissermaassen  so,  obwohl  lange  nicht  in  dem  Maasse,  wie  der 
verstorbene  Ende  zuweilen  Polhöhenbestimmungen  nach  Douwe's  Me- 
thode machte,  indem  er  immer  dieselbe  Höhe  in  der  Nähe  des  Mittags 
mit  verschiedenen  weit  davon  entfernten  verband  und  dann  Resultate 
fand,  die  innerhalb  0",01  übereinstimmten. 

Einzeln  widerlegen  kann  man  diesen  Aufsatz  von  Ivokt  ebenso 
schwer,  da  darin  ebenso  wenig  logische  Ordnung  ist;  ich  finde  auch 
nicht  den  allerkleinsten  Grund  gegen  die  Zweckmässigkeit  der  Methode 
der  kleinsten  Quadrate  darin;  aber  was  soll  man  von  dem  Verfahren  sagen, 
welches  Ivory  dafür  substituiren  will,  indem  er  die  kleinste  Pendellänge 
mit  vielen  in  grossen  Breiten  kombinirt,  das  ist  ja  eines  verständigen 
Mathematikers  ganz  unwürdig  und  eigentlich  das  -E'.vWsche  Verfahren.-) 

Die  Ä.  N.  habe  ich  erst  bis  No.  114,  vielleicht  bringt  Lt.  Nehus, 
den  ich  täglich  hier  erwarte,  die  folgenden  mit;  ich  bin  neugierig,  ob 
Schumachee  bei  der  Abhandlung  über  den  Heliotrop  auch  die  Figuren 
hat  stechen  lassen,  in  welchem  Fall  ich  wohl  mich  von  weiterer  Be- 
schreibung ganz  dispensiren  kann,  da  jeder  dann  das  ^^'eselltlic]le  von 
selbst  begreift. 

Ihrer  gütigen  Erlaubniss  zufolge  behalte  ich  das  Journal  noch  hier, 
zumal  da  manche  der  übrigen  Aufsätze  interessant  scheinen.  Auf  dem 
Umschlage  sehe  ich,  dass  in  Vol.  59  eine  Theorie  der  Parallellinien  von 
Ivoey  stellen  soll,  ich  bin  aber  durch  die  gegenwärtigen  Artikel  fast 
abgeschreckt,  mich  zu  bemühen,  ihre  Einsicht  zu  erhalten. 

^)  Siehe  auch  Gauss'  Werke  Bd.  \1,  S.  457.     Kriu. 

^)  Siehe  Aumerkunüf  1  auf  der  vorhergehenden  Seite.     Krni. 


Olbers  au  Gauss.     Bremen,  1827  April  28.  477 

"Den  unersetzliclieii  VtTlnst.  welchen  die  "Wissenschaften  durch 
La  Place's  Tod  erlitten  haben,  Averden  Sie  nun  auch  schon  wissen. 
Humboldts  Brief  scheint  doch  gar  keinen  Zweifel  übrig  zu  lassen, 
dass  sein  Engagement  fest  ist.  Auch  mag  der  Aufenthalt  in  Paris  jetzt 
in  mancher  Beziehung  nicht  mehr  die  Annehmlichkeiten  haben  wie  ehe- 
mals. —  Nach  Ihrem  vorletzten  Briefe  vermuthe  ich  fast,  dass  Poisson 
irgendwo  auf  Ivort's  Abh.  in  den  Phil.  Trans.  1824  geantwortet  hat, 
was  mir  aber  noch  nicht  zu  Gesicht  gekommen  ist. 

P.  S.  Ich  habe  in  diesen  Tagen  das  Vergnügen  gehabt,  die  sämmt- 
lichen  ba5nischen  Dreiecke  von  Hrn.  v.  Utzschneidee  mitgetheilt  zu 
erhalten. 


No.  612.  Olbers  an  Gauss.  [324 

Bremen,  1827  April  28. 

Vielen,  recht  vielen  Dank  für  Ihre  gütige  Belehrung  über  Ivory's 
Aufsätze.  Allerdings  glaubte  auch  ich  die  Unbündigkeit  seiner  Schlüsse 
zu  bemerken;  aber  des  Verfassers  Namen  imponirte,  und  ich  traute 
meinem  eigenen  Urtheil  nicht.  Unmöglich  konnte  ich  denken,  dass  ein 
sonst  so  scharfsinniger,  im  Kalkül  so  gewandter  Mathematiker  mit  einer 
solchen  Keckheit  so  leeres  Gewäsch  vortragen  würde,  wie  mir  das  von 
ihm  Vorgebrachte  zum  Theil  zu  sein  schien. 

Dass  es  übrigens  vielen  sehr  schwer  wird,  sich  den  Grund  der 
Methode  der  kleinsten  Quadrate  deutlich  zu  denken,  sehe  ich  auch  noch 
aus  „Dr.  Nüenberger's  Betrachtungen  über  die  Methode  der  kleinsten 
Quadrate",  die  er  mir  kürzlich  zugeschickt  hat.  Ich  bin  verlegen,  ob 
und  wie  ich  diese  Höflichkeit  erwidern  soll,  da  ich  doch  unmöglich 
anders  sagen  kann,  als  dass  dieses  kleine  Schriftchen  nichts  taugt. 

Bei  dieser  Gelegenheit  möchte  ich  mir  von  Ihnen,  mein  theurer 
Freund,  noch  über  einen  Umstand  entweder  schriftlich  oder  künftig 
gedruckt  eine  Belehrung  ausbitten.  Die  Vorschrift  ist,  man  soll  alle 
unter  gleichen  Umständen  und  mit  gleicher  Sorgfalt  angestellten  Beobb. 
zur  Bestimmung  der  x,  y  etc.  nach  der  Methode  der  kleinsten  Quadrate 
anwenden.  AVenn  aber  nun  auf  diese  Art  x,  y  etc.  bestimmt  ist,  und 
man  findet  bei  der  Substitution  der  für  sie  gefundenen  Werthe  in  die 
Gleichungen,  dass  eine  oder  ein  paar  der  Beobb.  ungewöhnlich  und 
sprungweise  von  den  übrigen  abweichen,  so  wird  man  diese  weglassen 
und  aus  den  übrigen  die  Bestimmung  von  Neuem  machen.  Die  unge- 
wöhnliche Abweichung  zeigt  nämlich,  dass  bei  diesen  Beobb.  ein  Fehler 
aus   einer  Fehlerquelle   vorgefallen   ist,   die  alle  übrigen  nicht  afficirt. 


^yg  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1827  April  28. 

z.  B.  durch  unrichtiges  Ablesen,  Schreibfehler  im  Aufschreiben,  unver- 
merktes Verrücken  des  Instruments  u.  s.  w.,  und  dass  man  also  diese 
allerding-s  weglassen  muss.  Aber  das  ungeivöhnliclie  oder  zu  starke  Ab- 
weichen bleibt  doch  etwas  unbestimmt,  und  da  möchte  ich  gern  etwas 
genauere  Vorschriften  haben,  wie  gross  die  Abweichung  von  dem  mitt- 
leren oder  wahrscheinlichen  Fehler  sein  muss,  wenn  man  eine  Beob. 
mit  Recht  verwerfen  soll. 

Jetzt  werden  Sie  sich,  lieber  Gauss,  wohl  schon  entschieden  haben, 
ob.  Sie  diesen  Sommer  den  astronomischen  Theil  Ihrer  Gradmessung 
vornehmen  wollen.  Zwar  sehe  ich  im  Lektionskatalog  Ihre  Vorlesung 
angekündigt;  aber  dies  ist  doch  nur  bedingungsweise.  Ich  hatte  vor 
8  oder  10  Tagen  Gelegenheit,  hier  den  Direktor  Hüpeden  aus  Celle  in 
einer  Gesellschaft  zu  treffen,  der  mir  auch  viel  Erfreuliches  von  Ihrem 
lieben  Sohn  erzählte.  Hüpeden  wollte  von  Ihnen  erfahren  haben,  dass 
Sie  Avahrscheinlich  schon  im  Anfange  des  Mai  Ihre  Campagne  beginnen 
würden  und  nur  noch  zur  näheren  Bestimmung  des  eigentlichen  Tages 
Nachrichten  aus  Altona  erwarteten.  Es  wird  mich  sehr  freuen,  wenn 
dieser  noch  fehlende  Theil  Ihrer  so  einzigen  Vermessung  noch  bei 
meinen  Lebzeiten  geendigt  wird.  —  Sollten  Sie  wirklich  diesen  Sommer 
beobacliten,  so  mache  ich  mir  einige  entfernte  Hoffnung,  dass  Ihre  Güte 
und  Freundschaft  Sie  vielleicht  bewegen  könnte,  auch  Ihren  alten  Bremer 
Freund  mit  einem  Besuche  zu  erfreuen.  Bedenken  Sie,  lieber  Gauss, 
dass  ich  jetzt  69  Jahre  alt  bin,  und  dass  Sie  mich  nicht  oft  mehr  be- 
suchen können. 

Mein  lieuev  FraiiuJiofer  macht  mir  manches  Vergnügen;  doch  muss 
es  recht  heitere  und  in  und  ausser  dem  Zimmer  gleich  temperirte  Luft 
sein,  wenn  man  seine  Leistungen  recht  schätzen  will.  "Wie  viele  von 
den  t>  Trabanten  ich  damit  sehen  kann,  weiss  ich  nicht,  weil  Saturn 
jetzt  mit  so  vielen  kleinen  Fixsternen  umgeben  ist,  und  ich  die  Stellung 
der  Trabanten  nicht  berechnet  habe.  Mit  meinem  DoUond  sah  ich  auch 
unter  den  günstigsten  Umständen  nur  3.  Steuve  sieht  jetzt  6  und  ist, 
wie  ehemals  Schroetee,  geneigt,  das  Dasein  des  7.  zu  bezweifeln;  allein 
darüber  wird  Steuve  erst  urtheilen  können,  wenn  der  Saturn  für  unsere 
gewöhnlichen  Fernrohre  wieder  die  runde  Gestalt  annimmt.  Nur  dann, 
wenn  der  Eing  für  gewöhnliche  Fernrohre  verschwunden  war.  hat 
Herschel  diesen  innersten  Trabanten  gesehen. 

Von  Benzenbeeg  habe  ich  kürzlich  wieder  einen  Brief  gehabt. 
Seine  Gesundheit  ist  im  Ganzen  besser;  die  rechte  Seite  bleibt  aber 
schwach.  Der  Brief  war  noch  nicht  mit  seiner  Hand  geschrieben.  Er 
wohnt  jetzt  wieder  in  Düsseldorf. 

Sonst  giebt  es  in  astronomicis,  so  viel  ich  weiss,  nichts  erhebliclies 
Neue.  An  G.vjmbaet  habe  ich  schon  vor  mehr  als  2  Monaten  jreschriebeu 


Gauss  an  Olbers.     Güttingen,  1827  Mai  3.  479 

und  ihn  auffrefunleit,  iiiii-  nähere  Xachiicht  über  das  sonderbare  Ge- 
stirn zu  geben,  das  er  im  Nov.  182(3  nicht  weit  von  a  Scrpentis  und 
nahe  am  Horizont  g:eselien  haben  soll,  aber  bisher  keine  Antwort  er- 
halten. Xeugierio-  bin  ich,  etwas  Näheres  von  Damoiseau's  Vorlesung 
über  einige  neuere  Kometen  zu  erfahren;  vermuthlich  ist  er  darin  unserem 
nun  nach  ]\Iiinchen  gegangenen  Clausen  in  Ansehung  des  merkwürdigen 
Kometen  von  1772,  1805  und  1820  zuvorgekommen.  Clausen  zögert 
mit  seiner  Bearbeitung  der  Theorie  dieses  Kometen,  wie  mich  dünkt, 
zu  lange  und  verwendet  zu  viel  Zeit  auf  andere  Untersuchungen,  die 
noch  aufgeschoben  werden  könnten. 


No.  613.  Gauss  an  Olbers.  [289 

Göttingen,  1827  Mai  3. 

Auf  Eir  gütiges  Schreiben,  welches  ich  so  eben  erhalten  habe, 
beeifere  ich  mich,  eine  freie  Stunde  benutzend,  sogleich  einige  Zeilen 
zu  erwidern. 

Vor^)  etw'a  6  Wochen  hatte  ich  das  Vergnügen,  Hrn.  Dieichlet, 
von  dem  ich  glaube,  Hinen  schon  einmal  geschrieben  zu  haben,  hier 
persönlich  kennen  zu  lernen.  Ich  erwähnte  gegen  ihn  des  schlechten 
Aufsatzes  von  Ivort;  er  kannte  ihn  nicht  selbst,  sagte  mir  aber,  Hr. 
FouRiER  habe  ihm  gesagt,  dass  er  „Unsinn"  sei,  und  dass  er  (Fouriek) 
sehr  über  einen  lobhudelnden  Artikel  darüber  im  Ferrussac  gelacht 
habe.  Ungefähr  ebenso  wie  ich  habe  er  auch  über  sein  Memoire  von 
der  Gleichgewichtsgestalt  einer  rotirenden  homogenen  Flüssigkeit  ge- 
urtheilt.  Es  war  mir  überraschend,  noch  in  mehreren  anderen  Be- 
ziehungen, über  Personen  und  Sachen,  eine  ausserordentliche  Ueberein- 
stimmung  Hrn.  Foubier's  mit  meinen  Urtheilen  zu  erfahren.  Z.  B.  über 
imaginäre  Grössen,  über  die  Unbew^eisbarkeit  der  Geometrie  a  priori  etc. 
Nachdem  ich  Hrn.  Dirichlet  z.  B.  über  letztere  meine  Ansicht  kurz 
angedeutet  hatte,  sagte  er,  dass  ihm  Fourier  die  seinige  fast  mit  den 
nämlichen  Worten  gesagt  habe.  Hr.  Dirichlet  ist,  vorerst  nur  als 
Privatdocent,  aber  doch  mit  Gehalt  von  400  Ethlr.  nach  Breslau  ver- 
setzt, und  es  ist  mir  eine  grosse  Freude,  dass,  wie  es  scheint,  meine 
Empfehlung  dazu  beigetragen  hat. 


^)  Ton  hier  ab  bis  „den  nämlichen  Worten  gesagt  habe"  auch  abgedruckt  in 
Gauss'  "Werken  Bd.  VIII,  S.  188;  ebenfalls  der  Passus  „zu  einer  erfolgreichen  An- 
wendung" bis  „Einsicht  zu  verfahren"   in  Bd.  VIII,  S.  152—153.     Krm. 


480  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1827  Mai  3. 

Zu^)  einer  erfolgreichen  Anwendung  der  Wahrscheinlichkeitsrechnung 
auf  Beobb.  ist  allemal  möglichst  umfassende  /S^ac/ikenntniss  von  höchster 
Wichtigkeit.  Wo  diese  fehlt,  ist  das  Ausschliessen  wegen  grösserer 
Differenz  immer  misslich,  wenn  nicht  die  Anzahl  der  vorhandenen 
Beobb.  sehr  gross  ist.  Alle  einzelnen  Bestandtheile  des  Beobachtungs- 
fehlers, deren  Vermeidung  ausser  unserer  Gewalt  liegt,  haben  gewiss 
Grenzen,  wenn  wir  auch  nicht  im  Stande  sind,  sie  scharf  anzugeben. 
Es  giebt  sehr  viele  Fälle,  wo  wir  mit  Gewissheit  sagen  können,  dass 
ein  vorgekommener  grosser  Fehler  ausserhalb  der  Grenzen  der  Mög- 
lichkeit solcher  Fehler  liegt  und  ein  ausserordentliches  Versehen  be- 
gangen sein  muss.  Die  muss  man  natürlich  ausschliessen.  So  lange 
man  sich  aber  die  Möglichkeit  denken  kann,  dass  der  Fehler  durch 
unglückliche  Konspiration  der  Bestandtheile  hervorgegangen  ist,  soll 
man  nicht  ausschliessen.  Zuweilen  kann  es  freilich  auch  Fälle  geben, 
wo  man  zweifelhaft  ist,  ob  man  sie  zur.  ersten  oder  zweiten  Klasse 
zählen  soll;  da  halte  man  es,  wie  man  will,  mache  sich  aber  zum  Ge- 
setz, nichts  zu  verschweigen,  damit  andere  nach  Gefallen  auch  anders 
rechnen  können.  Die  Zahlenwerthe  der  Resultate  werden,  man  halte 
es,  wie  man  wolle,  gleiche  Brauchbarkeit  haben,  aber  ihre  Zuverlässig- 
keit riskirt  man  für  zu  gross  auszugeben,  wenn  man  mit  dem  Aus- 
schliessen zu  schnell  bei  der  Hand  ist.  Geschäfte  dieser  Art  scheinen 
mir  schon  mehr  Analogie  mit  dem  Handeln  im  Lehen  zu  haben,  wo 
man  selten  oder  nie  mathematische  Strenge  und  Gewissheit  hat,  und  wo 
man  sich  begnügen  muss,  nach  bester  überlegter  Einsicht  zu  verfahren. 

Hr.  NüENBEEGEE  hat  mich  auch  mit  seiner  Abh[andlung]  beehrt. 
Obgleich  ich  natürlich  darüber  ebenso  urtheile  wie  Sie,  so  habe  ich 
mich  doch  gehütet,  ihm  dieses  Urtheil  anzuzeigen,  da  ich  aus  Erfah- 
rung weiss,  dass  es  immer  eine  vergebliche  Mühe  ist,  schlechten  Schrift- 
stellern über  ihre  Fehler  die  Augen  öffnen  zu  wollen.  Ich  habe  mir 
also  auf  eine  hofmännische  Art  geholfen,  indem  ich  ihm  einige  allge- 
meine, im  Grunde  nichtssagende  Komplimente  über  sein  Bestreben,  ab- 
strakte Gegenstände  zu  popularisiren,  gemacht  habe,  ohne  im  Geringsten 
auf  seine  gegenwärtige  Abh[andlung]  zu  entriren.  Es  kam  mir  zu  Statten, 
dass  ich  ihm  die  vollständige  Auflösung  einer  vor  einigen  Monaten  im 
lieichsanzeiger  aufgegebenen  Aufgabe  beifügen  konnte,  wovon  er  selbst 
(Nürnberger)  in  einem  späteren  Blatt  eine  unrichtige  gegeben  und 
von  dem  anonymen  Einsender  der  Aufgabe  weitere  Aufklärung  ge- 
wünscht hatte.  Die  Aufgabe  war:  aus  einem  Fass  von  2000  Maass 
Branntwein  mit  80°/o  Spiritusgehalt  werden  täglich  15  Maass  ausge- 
schöpft und  dann  12  Maass  von  40°  „  Gehalt  nachgegossen;  nacli  wie 
viel  Tagen  wird  der  Gehalt  auf  50  7^  reducirt  sein? 

')  Siehe  die  Anmerkung  auf  der  vorlierq:ebendeu  Seite.     Krm. 


Gauss  an  OHht-i      nütting:en,  lt>27  Mai  3.  481 

Pie  Benbl».')  am  Zeii.->tkt.  liahe  ich  hier  schon  in  den  ersten  Tagen 
des  Apr.  angefangen  unter  I^eihülfe  des  Hrn.  Nehus.  der  ein  sehr  ge- 
schickter Beobachter  ist.  Ich  habe  37  Sterne  von  13'' 27'"— 17''0'".7i* 
ausgewählt,  wovon  ich  wenigstens  die  Mehrzalil  12  Mal  zu  beobachten 
wünsche.  Durch  die  Jahreszeit  und  durch  den  Umstand,  dass  bei 
Allianz- Arbeiten  man  über  rasches  Ineinandergreifen  weniger  Herr  ist, 
bin  ich  zu  einer  so  grossen  Ausdehnung  genüthigt,  da  sehr  zu  be- 
fürchten ist.  dass  ich  von  einem  grossen  Theil  der  Sterne  in  Altona 
wenig  oder  gar  keine  korrespondirenden  [Beobb.]  mehr  werde  erhalten 
können.  Unter  Begünstigung  des  "Wetters  kann  ich  vielleicht  unter 
8  Tagen  hier  fertig  sein.  Der  Sektor  ist  ein  unbequemes  Instrument, 
besonders  für  einen  Kurzsichtigen.  Glücklicher  Weise  ist  Hr.  Nehus  ein 
sehr  brauchbarer  Gehülfe.  Aber  schmerzlich  empfinde  ich  und  werde 
es  empfinden,  dass  ich  bei  den  langen  mechanischen  Rechnungen  über 
wenig  nachhaltige  Hülfe  gebieten  kann.  8  Sterne  habe  ich  bisher 
reducirt,  und  es  scheint,  dass  der  mittlere  Fehler  einer  Beob.  etwa 
r',05  (wahrscheinlicher  0",7)  ist,  ungefähr  ebenso  gross  wie  am  Meri- 
diankreise, insofern  man  sich  nicht  auf  besonders  günstige  Luft  ein- 
schränkt. Ich  glaube,  dass  der  grössere  Theil  dieses  Fehlers,  als  von 
dem  Tremuliren  der  Sterne  abhängig,  durchaus  unvermeidlich  ist.  und 
also  eine  grössere  Vollkommenheit  der  Instrumente  für  laufende  Beobb. 
von  geringem  Werth  ist.  Bei  Beschränkung  auf  günstige  Luft,  die 
aber  immer  nur  wenige  Stunden  dauert  und  manchmal  Monate  lang 
gar  nicht  eintritt,  ist  der  Fehler  am  Mer[idian]-Kr[eis]  viel  geringer, 
insofern  man  mit  Mikroskopen  statt  der  Verniers  abliest  und  den  Null- 
punkt immer  durch  Nadirbeobb.  bestimmt. 

"Wie  sehr  ich  wünsche,  Sie,  bester  Olbees,  bald  einmal  in  Bremen 
zu  sehen,  brauche  ich  [Ihnen  ja]^)  nicht  zu  sagen.  Ich  weiss  aber 
nicht,  ob  dies  bei  der  vorhabenden  Expedition  nach  Altona  [möglich] 
sein  wird.  Leider  haben  sich  viele  zu  Vorlesungen  gemeldet,  die  ich 
augenblicklich  nach  meiner  Zurückkunft  anzufangen  und  diese  also 
nach  Möglichkeit  zu  beschleunigen  haben  werde. 

Mein  ältester  Sohn  in  H[annover]  macht  mir  viele  Sorge.  Er  ist 
nun  fast  2\  Jahr  Kadett  und  hat  sein  Fach  mit  wahrem  Eifer  getrieben. 
Aber  ich  besorge,  dass  das  leidige  verrufene  Konnexionswesen  in 
H[annover]  seinem  Avancement  noch  lange  allerlei  nichtige  Vorwände 
in  den  Weg  stellen  wird.  Ich  gestehe,  dass  es  meiner  Söhne  wegen 
mir  doppelt  leid  thut.  den  Ruf  nach  B[erlin]  damals  nicht  haben  an- 
nehmen zu  können. 


^)  Yergi.  Brief  No.  301  im  Briefwechsel  Gauss-Schttmacher  und  Xo.  156  im  Brief- 
wechsel Gauss-Bessel.     Krm. 

^)  Die  eingeklammerten  Worte  sind  im  Originalbrief  abgerissen.     Krm. 

Olbers.    II,  2  31 


4g2  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1827  Mai  8. 

Meinen  Abgang  nach  Altona  werde  ich  Ihnen  melden.  Wollen  Sie 
mich  aber  bald  mit  einigen  Zeilen  erfreuen,  so  werde  ich  sie  bestimmt 
noch  hier  erhalten. 


No.  614.  Olbers  an  Gauss.  [325 

Bremen,  1827  Mai  8. 

Ich  bin  gerade  durch  den  sehr  angenehmen  Besuch  des  General 
Hartmann  und  seiner  Frau  erfreut,  die  hoffentlich  ein  paar  Wochen 
bei  mir  zubringen  werden.  So  sehr  dadurch  meine  Zeit  auch  jetzt  be- 
schränkt ist,  so  kann  ich  doch  nicht  unterlassen,  Ihnen  mit  ein  paar 
Worten  für  Ihren  gütigen  Brief  vom  3.  dieses  zu  danken,  da  ich  zu- 
gleich auf  eine  Stelle  desselben  antworten  kann.  Da  ich  mich  näm- 
lich bei  Hartmann  nach  Ihrem  Hrn.  Sohn  erkundigte,  sagte  mir  dieser, 
„dass  derselbe  nächstens  Officier  werden  würde.  Ihr  Hr.  Sohn  sei  unter 
den  Kadetten  der  Anciennität  noch  der  3.,  zwei  Vakanzen  wären  schon 
wirklich  da,  und  eine  dritte  würde,  wie  sich  gewiss  voraussehen  lasse, 
sehr  bald  eintreten,"  Uebrigens  sprach  er  sehr  rühmlich  von  Ihrem 
Hrn,  Sohn  und  meinte,  „die  Sch'^ierigkeit,  die  der  Feldzeugmeister 
v,  DER  Decken  für  seine  Geeignetheit  zum  Dienst  in  seiner  M3'opie  zu 
finden  geglaubt  habe,  sei  jetzt  völlig  gehoben,  und  Decken  durch  die 
vortrefflich  ausgefallenen  Proben,  wenn  Ihr  Hr.  Sohn  eine  Brille  zu 
Hülfe  nehme,  völlig  von  seinem  Zweifel  befreit  worden.  Der  General 
E[üTTiGERJ  sei  Ihrem  Hrn.  Sohn  sehr  gewogen,  und  was  er  (Hartmann) 
selbst  für  ihn  thun  könne,  darauf  könnten  Sie  sicher  rechnen," 

Die  nächtlichen  Beobb.  bis  zu  4 — 5  Uhr  morgens  müssen  sehr  an- 
greifend und  beschwerlich  für  Sie  gewesen  sein,  mein  theurer  Freund. 
Hält  sich  denn  Ihre  Gesundheit  noch  erträglich  bei  dieser  mühsamen 
Arbeit  und  diesen  durchwachten  Nächten? 

Lässt  sich  das  Tremuliren  der  Sterne  nicht  durch  Verminderung 
der  Objektiv-Oefinung  durch  eine  völlig  runde  Oeffnung  in  einem 
Diaphragma  vermindern,  oder  hat  dies  andere  Nachtheile?  —  Freilich 
muss  der  Stern  Licht  genug  behalten. 

Ganz  gebe  ich  die  Hoffnung  doch  noch  nicht  auf.  Sie,  lieber  Gauss, 
diesen  Sommer  zu  sehen.  Sehr  werden  Sie  mich  verptiichten,  wenn  Sie 
gütigst  fortfahren,  mir  recht  oft  von  Ihren  ferneren  Operationen  Nach- 
richt zu  geben.     Entschuldigen  Sie  dieses  kurze  eilige  Geschreibsel, 


Olbers  an  Gauss.     Bremeu,  18'27  Mai  23.  483 

No.  615.  Olbers  an  Gauss.  [326 

Bremen,  1827  Mai  23. 

Iliren  lieben  Briefe  aus  Hannover  erhielt  ich  gerade  erst  2-4  Stunden 
nachher.  Avie  H.vktmann's  uns  schon  wieder  verlassen  hatten,  die  nun 
einmal  sich  nicht  länger  wollten  halten  lassen,  weil  der  General  seinem 
Bruder,  dem  Oberst-Lieutenant  Hartmann  in  Nienburg,  gewiss  ver- 
sprochen hatte,  den  Sonntag  bei  demselben  zuzubringen,  da  letzterer 
bei  dem  jetzigen  Excerciren  nur  an  diesem  Tage  von  Dienstgeschäften 
frei  war.  Ich  habe  also  nicht  mit  dem  General  über  Ihren  Brief 
sprechen  können. 

Das  sonderbare  Benehmen  des  G[eneral]-F[eld]-Z[eugmeisters]  frap- 
pirt  mich  sehr.  Um  aber  die  Wahrhaftigkeit  des  Generals  Hartmann 
nicht  zu  kompromittiren,  muss  ich  bekennen,  dass  ich  nicht  gewiss  bin, 
ob  er  mir  gesagt  hat:  „Der  G[eneral]-F[eld]-Z[eugmeister]  sei  durch 
die  letzte  Probe  von  der  Dienstfähigkeit  Ihres  Hrn.  Sohnes  völlig  über- 
zeugt worden",  oder  „der  G[eneral]-F[eld]-Z[eugmeisterJ  iverde  jetzt 
völlig  überzeugt  sein."  Alles  Uebrige  war  buchstäblich  so,  wie  ich  es 
Ihnen  geschrieben.  Ich  frug  Hartmann  noch  ausdrücklich,  ob  ich  Ihnen 
das  mir  Gesagte  mittheilen  dürfe,  und  er  hatte  garnichts  dagegen. 

Hartmann  sagte  noch:  „er  selbst  könne  eigentlich  wenig  zum 
Avancement  Ihres  Hrn.  Sohnes  beitragen.  Diese  hinge  mittelbar  von 
E[öttiger]  und  unmittelbar  von  Decken  ab.  Indessen  habe  ich  doch 
alle  seine  bona  officia  für  Ihren  lieben  Sohn  in  Anspruch  genommen, 
und  werde  nicht  unterlassen,  ihn  noch  ferner  daran  zu  erinnern. 

Es  thut  mir  zwar  unendlich  leid,  mein  theurer  Gauss,  dass  ich 
Sie  diesmal  nicht  hier  sehen  und  umarmen  soll,  aber  die  Betrachtung, 
wie  \iel  Vergnügen  und  Interesse  eine  Reise  nach  Berlin  unter  den 
jetzigen  Verhältnissen  Ihnen  gewähren  wird,  und  wie  viel  Nutzen  sie 
vielleicht  in  so  mancher  Rücksicht  gewähren  kann,  muss  mich  einiger- 
maassen  trösten. 

Sie  können  [sich]  leicht  denken,  mein  allertheuerster  Freund,  wie 
neugierig  ich  auf  den  Erfolg  Ihrer  jetzigen  Z[enithsektor]-B[eobb.]  und 
auf  das  Resultat,  den  Polhühen-Unterschied  zwischen  G[öttingen]  und 
A[ltona],  bin.  ^\'as  Sie  mir  darüber  gütigst  mittheilen  werden,  wird  mir 
grosse  Freude  machen.  Möge  anhaltendes  heiteres  Wetter  Ihre  Beobb, 
begünstigen  und  abkürzen,  und  besonders  der  Himmel  Ihre  kostbare 
Gesundheit  erhalten  und  stärken. 


^)  Dieser  Brief,  der  hauptsächlich  Mittheilungen  über  das  Avancemeut  von 
Gauss'  ältestem  Sohn  und  über  Gauss'  Absicht  von  Altena  nach  Berlin  noch  zu  reisen, 
enthalten  dürfte,  ist  nicht  vorhanden.     Seh. 

31* 


^g^  Gauss  an  Olbers.    Altona,  1827  Mai  25. 

No.  616.  Gauss  an  Olbers.  [290 

Altona^),  1827  Mai  25. 

Mit  ein  paar  Zeilen  muss  ich  Ihnen  für  Ihren  lieben  Brief  vom 
23.  danken.  Die  warme  freundschaftliche  Theilnahme,  die  Sie  an  dem, 
was  mich  beunruhigt,  an  den  Tag  legen,  ist  mir  so  wohlthuend. 

Leid  hat  es  mir  gethan,  dass  Sie  nach  Empfang  meines  letzten 
Briefes  nicht  mehr  mit  dem  General  H[aetmann]  über  die  Angelegenheit 
sprechen  und  namentlich  etwa  sich  über  das  eigentliche  Wesen  etwas 
myopischer  aber  guter  Augen  als  mathematischer  Arzt  äussern  konnten, 
als  worüber  die  meisten  Menschen,  die  nicht  vom  Fach  sind,  ganz  ver- 
worrene und  unrichtige  Vorstellungen  haben.  Soweit  nicht  Uebelwollen, 
sondern  solche  unrichtigen  Vorstellungen  sich  in  den  Weg  stellen,  würde 
Ihre  Autorität  die  grösste  sein.  Da  ich  den  Zustand  der  Augen  meines 
Sohnes  sehr  genau  von  jeher  kenne,  so  habe  ich  von  Anfang  an  die 
Ueberzeugung  gehabt,  dass  daraus  niemals  ein  reelles  Hinderniss  für 
irgend  ein  Dienstgeschäft  entstehen  kann,  noch  viel  weniger,  als  mir 
meine  3 — 4 mal  grössere  Kurzsichtigkeit  ein  Hinderniss  bei  astronomi- 
schen und  geodätischen  Arbeiten  ist.  Ohne  jene  Ueberzeugung  würde 
ich  ja  natürlich  meine  Einwilligung  zur  Ergreifung  der  militärischen 
Laufbahn  nicht  gegeben  haben.  Er  hat  sich  ihr  mit  lualirer  Liehe  ge- 
widmet, da  sie  in  der  That  bei  langem  Frieden  nichts  weniger  als 
anlockende  Aussichten  darbietet.  Sollen  nun,  nachdem  er  fast  drei 
Jahre  dafür  geopfert  hat,  unwürdige  Chikanen  ihn  wieder  heraus- 
drängen! 

Mit  grossem  Vergnügen  werde  ich  Ihnen  von  Zeit  zu  Zeit  meine 
Sektor-Beobachtungs-Resultate  anzeigen.  Aber  leider  macht  auch  diese 
Angelegenheit  mich  sehr  missmuthig.  Ich  fürchte,  einen  sehr  grossen 
Theil  meiner  Göttinger  Beobb.  umsonst  gemacht  zu  haben,  zu  denen 
ich  hier  entweder  gar  keine  oder  nur  sehr  wenige  korrespondirende  zu 
erhalten  fürchte.  Der  Lieut.  Nehus,  von  dessen  Hülfe  ich  ganz  ab- 
hängig bin,  kommt  erst  gegen  Ende  dieses  Monats  hier  zurück.  Viel- 
leicht habe  ich  aber  den  traurigen  Trost,  dass  ich  durch  diese  Ver- 
spätung eigentlich  nichts  verliere,  bis  diese  Stunde  habe  ich  seit  meiner 
Ankunft  noch  nichts  vom  Himmel  gesehen.  —  Wenn  diese  Geschäfte  erst 
besser  gehen,  und  die  Hoftnung  nicht  ganz  getäuscht  wird,  wenigstens 
eine  einigermaassen  anständige  Ausbeute  zu  erhalten,   so  Avird  es,   wie 


^)  Gauss  war  ungefähr  vom  21.  Mai  bis  Anfang;  Juli  in  Altena  zur  Bestiunnung 
des  Breitenunterschiedes  Göttingen-Altoua  mit  dem  Zeuithsektor.  Er  ist  von  Altena 
dann  über  Bremen  zurückgereist.     Krm. 


Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1827  Jnui  7.  485 

ich  lioffe.  aiuii  meinem  Befinden  besser  gehen,  von  dem  icli  bisher 
nicht  viel  rülunen  kann,  nnd  welches  leider  immer  durch  alles  Unan- 
genehme, wobei  ich  mich  bloss  leidend  verhalten  kann,  afticirt  zu  wer- 
den pflegt. 

Ob  ich  von  hieraus  noch  zur  Reise  nach  B[erlin]  komme,  hängt 
freilich  noch  von  vielen  Umständen  ab,  der  Dauer  meiner  Beobb.,  der 
Zeit  von  Sabine's  Ankunft  pp.  Ich  hätte  im  Grunde  jene  Reise  lieber 
unter  etwas  anderen  Umständen  gemacht,  und  so  könnte  es  wohl  Ein- 
fiuss  darauf  haben,  wenn  ich  bis  dahin  in  der  oben  erwähnten  Ange- 
legenheit klarer  zu  sehen  Mittel  erhalten  sollte. 

Angenehm  ist  mir  hier  die  Bekanntschaft  des  Prof.  Oerstedt  aus 
Kopenhagen  (unseres  Hausgenossen),  eines  ebenso  achtungs-  als  liebens- 
würdigen Mannes.     Auch  Utzschneider  wird  noch  hier  erwartet. 

Unser  Freund  Schumacher  will  diese  Zeilen  mit  einschliessen,  und 
ich  muss  eilen,  sie  ihm  zu  übergeben. 


No.  617.  Olbers  an  Gauss.  [327 

Bremen,  1827  Juni  7. 

Von  Ihrem  Hrn.  Sohn  habe  ich  nun  weiter  nichts  gehört.  Seine 
Kurzsichtigkeit  muss  wahrlich  sehr  unbedeutend  sein;  denn  ich  ver- 
sichere Sie,  dass  ich  diese  Kurzsichtigkeit  gar  nicht  bemerkt  und  vorher 
durchaus  nichts  davon  gewusst  habe,  bis  ich  sie  durch  Hartmann  er- 
fuhr. Auch  ohne  Ihren  Wink  zu  haben,  gab  es  doch  Anlass,  mit  Hart- 
mann über  die  Natur  der  Kurzsichtigkeit,  und  dass  sie  sehr  w^ohl  mit 
einem  übrigens  scharfen  Gesicht  verbunden  sein  könne,  ja  gewöhnlich 
damit  verbunden  sei,  zu  sprechen. 

Dass  der  ehemalige  Kamerad  Ihres  lieben  Sohnes,  mein  Neveu 
August  Meyer,  den  Artillerie-Dienst  verlassen  hat  und  Unter-Lieutenant 
in  der  Grenadier-Garde  geworden  ist,  werden  Sie  vielleicht  wissen.  Die 
Absicht  bei  dieser  kostspieligen  Dienstveränderung  scheint  wohl  die  zu 
sein,  dass  er  versuchen  will,  mit  der  Zeit  in  den  General-Quartier- 
meister-Stab zu  kommen,  wohin,  glaube  ich,  ein  Officier  nicht  gelangen 
kann,  ohne  vorher  einige  Zeit  in  der  Linie  gedient  zu  haben. 

Hotfentlich  begünstigt  jetzt  der  Himmel  Ihre  Sektor-Beobb.  und 
lässt  Sie  diesen  letzten  und  beschwerlichen  Theil  Ihrer  Gradmessung 
bald  beendigen. 

In  dem  letzten  (Mai)  Stücke  des  Philos.  Magaz.,  das  Sie  bei  Hrn. 
Prof.  Schumacher  finden  werden,  erwidert  Ivory  auf  Poisson's  Aufsatz 


^gß  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1827  Juli  20. 

in  der  Conti.  d.T.  1829.  Für  mich,  der  natürlich  nicht  [tiefj^j  in  diese 
Rechnungen  eingedrungen  ist,  scheint  mir  doch  Ivory  nicht  ganz  Un- 
recht zu  haben.  So  [glimpflich]  Poisson  behandelt  wird,  so  bitter  lässt 
sich  IvoEY  gegen  den  Prof.  Airy  und  Dr.  Yoüng  [aus]. 

Auch  enthält  dieses  Stück  pg.  385  einen  kurzen  Bericht  über  einige, 
noch  nicht  völlig  verificirte  Pendel -Versuche  an  der  Oberfläche  der 
Dolcoath-Mine  in  Cornwall  und  1220  Fuss  in  der  Tiefe  des  Schachts, 
so  wie  sie  neulich  Prof.  Deobisch  angestellt  wünschte.  Sie  bleiben 
immer  merkwürdig,  wenn  ich  gleich  der  Meinung  bin,  dass  aus  vielen 
Gründen  nichts  Sicheres  daraus  über  die  mittlere  Dichtigkeit  der  Erde 
gefolgert  werden  kann.  Wenigstens  kann  eine  mittlere  Dichtigkeit  der 
Erde  20  mal  grösser  als  Wasser,  wie  sie  aus  diesen  von  Hrn.  Whewell 
angestellten  cornwallischen  Versuchen  folgen  soll,  gewiss  nicht  statt- 
finden. 


No.  618.  Gauss  an  Olbers.')  [291 

Göttingen,  1827  Juli  20. 

Nochmals  meinen  herzlichsten  Dank  für  die  freundliche  bei  Ihnen 
genossene  Aufnahme.  Es  hat  mir  die  innigste  Freude  gemacht,  Sie 
bei  so  gutem  Wohlsein  gefunden  zu  haben. 

In  Celle  habe  ich  mich  mit  Schumachek  wieder  zusammengefunden. 
Seine  Angelegenheit  war  auf  die  willkommenste  Art  erledigt.  Es  fand 
sich,  dass  die  dem  Könige  von  Dänemark  zugekommene  Nachricht  völlig 
grundlos,  wenigstens  dem  jetzigen  Zustande  des  Monuments  gar  nirht 
angemessen  war.  In  der  That  hat  die  Lüneburgische  Ritterschaft  schon 
seit  Jahren  alles  Mögliche  zur  Konservation  desselben  gethan. 

Bei  dieser  ungehofft  schnellen  Beendigung  seines  Geschäfts  ent- 
schloss  sich  Schumacher  nun  noch  einen  Umweg  über  Hannover,  Hildes- 
heim und  Braunschweig  zu  machen.  Wir  fanden  uns  also  Dienstags 
in  Hannover,  wohin  ich  schon  am  Montage  abgegangen  war,  noch  ein- 
mal zusammen,  obwohl  wir  nur  wenige  Minuten  zusammen  bleiben 
konnten.  Ich  hatte  nämlich  in  Hannover  einen  Brief  von  meiner 
Schwiegermutter  mit  äusserst  beunruhigenden  Nachrichten  über  das 
schnelle  Zunehmen  der  Krankheit  meiner  Frau  vorgefunden,  die  mich 
zur  schleunigsten  Rückreise  drängten.  Es  war  in  der  Tliat  eine  be- 
denkliche Krisis  eingetreten;  aber  Gottlob  bei  meiner  Ankunft  in  Göt- 


^)  Die  eingcklanuucrtcu  Worte  sind  im  Orii^iiial  abgerissen.     Krm. 
')  Zwischen   dem  vorhergehenden  und   diesem  Briefe  liegt  ein  im  Anfang  Juli 
gemachter  kürzerer  Resuch  Gauss'  bei  Olbers.     Knn. 


Gauss  an  Olbers.     Göttingeu,  1827  Juli  20.  487 

tingen  fand  ich  diese  sclion  überstanden  und  die  Gefahr  vorüber.  Die 
Natur  hat  den  Verhärtunjrt'n  in  ihrem  I'nterleibe.  die  seit  Jahren  ihr 
fast  allen  Genuss  an  Nahrungsmitteln  unmiiglicli  machten,  endlich  von 
selbst  einen  Ausweg  gebahnt,  und  sie  befindet  sich  in  diesem  Augen- 
blick schon  weit  besser,  als  sie  seit  4 — 5  Jahren  je  gewesen  ist.  Ich 
gebe  nunmehr  die  Hoffnung  noch  nicht  auf,  in  Zukunft  noch  einmal 
mit  ihr  nach  Bremen  kommen  zu  können. 

In  Hannover  konnte  ich  bei  jenen  Umständen  nur  die  allernoth- 
wendigsten  Besuche  machen.  Den  General  Hartmann  fand  ich  nicht 
zu  Hause,  und  die  Zeit  verstattete  nicht,  den  Besuch  zum  zweiten 
Male  zu  versuchen.  G[eneral]-F[eld]-Z[eugmeister]  v.  der  Decken  und 
der  Minister  v.  Arnswaldt  waren  veri-eist.  Uebrigens  erhielt  ich  beim 
General  Röttiger  und  dem  Oberstlieut.  Prott  die  Gewissheit,  dass  der 
Vorschlag  meines  Sohnes  zum  Officier  wirklich  nach  London  abge- 
gangen ist,  und  also  sein  Patent  nun  schon  in  den  nächsten  Wochen 
zurückerwartet  werden  kann.  Da  jetzt  3  Officierstellen  beim  Artillerie- 
Regiment  zu  besetzen  sind,  w^ovon  2  in  Stade  und  nur  eine  in  Han- 
nover, so  ist  mir  auch  Hoffnung  gemacht,  dass  mein  Sohn  in  Ueber- 
einstimmung  mit  seinem  "Wunsche  die  letztere  erhalten  wird,  was  frei- 
lich um  so  leichter  zu  machen  sein  wird,  da  der  eine  Kandidat,  wie 
ich  höre,  nach  Stade  soll,  (weil  er  strengerer  Zucht  bedürftig  sei),  und 
der  andere  lieber  nach  Stade  ivill,  um  seinen  Verwandten  in  Harburg 
näher  zu  sein. 

Meine  Sektorbeobb.  habe  ich  jetzt  zusammengezählt.  Ich  linde, 
dass  ich  in 

^..^^.  f222  Limbus  Ost    1    ,„^s 

Gottingen  ^^3^  ^.  _^^^^^  ^^^^J  4581 

f227  Limbus  Ost    I   ,,„( 
^"™"\213  Limbus  West/"») 

Beobb.  erhalten  habe.  Der  mittlere  Fehler  des  Endresultates  für  die 
Amplitudo  wird  nahe  0",10,  der  sogenannte  wahrscheinliche  also  0",07 
sein.  Die  genaue  Reduktion  wird  aber  erst  noch  sehr  viele  Arbeit 
kosten. 

So  bald  ich  nur  mit  anderen  Geschäften  etwas  in  Ordnung  bin, 
werde  ich  Ihnen  die  Lage  der  von  mir  in  der  Umgegend  von  Bremen 
und  von  Bremerhaven  bestimmten  Punkte  für  Hrn.  Senator  Gilde- 
meister extrahiren,  dem  ich  mich  angelegentlichst  zu  empfehlen  bitte, 
ebenso  wie  Ihrem  Hrn.  Sohn  und  Schwiegersohn. 


488  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1827  Juli  30. 


xo.  619.  Olbers  an  Gauss.  [32s 

Bremen,  1827  Juli  30. 

Meinen  herzlichsten  innigsten  Glückwunsch  zu  der  glücklichen  Wen- 
dung, die  die  schwere  Krankheit  Ihrer  mit  Recht  von  Ihnen  so  heiss 
geliebten  Gattin  Ihrem  Briefe  zufolge  genommen  hat.  Möge  die  wohl- 
thätige  Natur  ferner  alle  Hindernisse  einer  völligen  Wiederherstellung 
fortschaffen,  und  Sie  beide  wieder  ganz  ungetrübt  Ihres  häuslichen 
Glücks  dauerhaft  geniessen  können.  Ich  halte  Sie  beim  Worte,  dass 
Sie  die  verehrte  Eekonvalescentin  künftiges  Jahr  bewegen  werden, 
Bremen  in  Ihrer  Gesellschaft  mit  Ihrer  Gegenwart  zu  beglücken. 

Für  Ihren  freilich  sehr  kurzen,  aber  doch  sehr  angenehmen  Be- 
such sage  ich  Ihnen,  lieber  Gauss,  noch  den  verbindlichsten  Dank.  Ich 
habe  es  ganz  als  einen  Beweis  Ihrer  gütigen  Freundschaft  angesehen 
und  Ihnen  hoch  angerechnet,  dass  Sie,  bloss  um  mir  diese  grosse 
Freude  zu  machen,  die  Beschwerden  der  Reise  nach  Bremen  nicht  ge- 
scheut haben. 

Jetzt  bin  ich  um  so  einsamer.  Mein  Sohn  ist  schon  seit  14  Tagen 
in  Pyrmont,  und  fast  alle  meine  näheren  Freunde  sind  entweder  ver- 
reist oder  doch  auf  dem  Lande.  In  14  Tagen  erwarte  ich  indess 
meine  Schwester  aus  Hannover  und  dann  auch  meinen  Sohn  zurück, 
wo  es  dann  meder  in  meiner  stillen  Wohnung  etwas  lebendiger  wer- 
den wird. 

Zu  der  Beförderung  Ihres  Hrn.  Sohnes  gratulire  ich,  und  hoffe, 
dass  er  seinem  und  Ihrem  Wunsche  gemäss  in  Hannover  bleiben  wii*d. 

Mit  898  Sektorbeobb.  und  einem  mittleren  Fehler  von  nicht  mehr 
als  -j^o"  können  und  werden  Sie  docli  vollkommen  zufrieden  sein.  Hr. 
Sen.  Gildemeister,  der  sich  Ihnen  gehorsamst  empfehlen  lässt,  sieht 
mit  Verlangen  der  Erfüllung  Ihres  gütigen  Versprechens,  ihm  die 
Punkte  in  der  Umgegend  von  Bremen  und  Bremerhaven  mitzutheilen 
entgegen. 

Ich  habe  mich  nun  völlig  überzeugt,  dass  die  Beobb.  von  Flau- 
GERtiUEs  über  den  Kometen,^)  den  er  allein  gesehen  und  beobachtet 
hat,  durch  keinen  Kegelschnitt  so  darstellbar  sind,  dass  nicht  ganz 
unwahrscheinliche  Fehler  zurückbleiben  sollten.  Ich  vernmthe  noch 
immer,  dass  die  Ursache  wohl  in  seiner  Reduktion  liegen  kann.  Viel- 
leicht und  am  wahrscheinlichsten  hat  er  den  Durchmesser  seines  Kreis- 
mikrometers unrichtis:  bestimmt. 


^)  Komet  1826  III.     Krni. 


Gauss  au  Olli.rv     fiütting-eu,  1827  Auyust  13.  489 

Nun  noch  eine  Bitte,  mein  j^eliebter  Gauss,  um  g-elegentliche  Be- 
lehrung. Ist  es  schon  liinrvichend  untersucht,  ob  der  Unterschied  der 
Refraktion  bei  Tage  und  bei  Nacht  so  ganz  unbedeutend  ist?  Denn 
einiger  Unterschied  muss,  meine  ich,  nothwendig  stattfinden.  Bei  Tage 
nimmt  die  "Wärme  mit  zunehmender  Höhe  immer  ah,  und  dies  wird 
auch,  so  viel  ich  weiss,  bei  allen  theoretischen  Untersuchungen  und 
Kechnungen  über  die  Refraktion  vorausgesetzt.  In  heiteren,  vorzüglich 
stillen  Nächten  ist  aber  der  Fall  umgekehrt.  Die  Wärme  nimmt  in 
den  unteren  500 — 600  Fuss  immer  zu.  Dies  muss  bei  gleichem,  unten 
beobachtetem  Thermometer-  und  Barometerstande  die  Krümmung  des 
unteren  Theils  der  Bahn  des  Lichts  doch  bei  Nacht  etwas  anders 
machen  als  bei  Tage.  Dieser  Theil  der  Bahn  ist  nämlich  des  Nachts 
krummer  als  bei  Tage,  und  so  scheint  es  mir,  muss  sich  die  Lage  der 
Tangente  ändern.  —  Die  Abnahme  der  Wärme  von  unten  nach  oben 
ist  vielleicht  bei  Tage  ebenso  gross,  als  die  Zunahme  bei  Nacht,  und 
an  sich  nicht  unbedeutend.  Pictet  fand  zwischen  einem  7  Fuss  und 
52  Fuss  hoch  aufgehangenen  Thermometer  den  Unterschied  +  2°l  C, 
Six  den  Unterschied  zwischen  einem  9  Fuss  hoch  und  220  Fuss  hoch 
aufgehangenen  Thermometer  des  Nachts  6°  C,  um  welche  das  obere 
grössere  Wärme  zeigte. 

Erfreuen  Sie  mich  bald  wieder  mit  einigen  Zeilen,  mein  aller- 
theuerster  Freund,  und  vergessen  Sie  ja  nicht,  etwas  über  den  Gesund- 
heitszustand Ihrer  Frau  Gemahlin  beizufügen. 


No.  620.  Gauss  an  Olbers.')  [292 

Göttingen,  1827  August  13. 

Hierneben  übersende  ich  Ihnen  die  Lage  von  56  Punkten  aus  der 
Umgegend  von  Bremen  und  Bremerhaven,  welche  ich  unter  meiner 
besten  Empfehlung  Hrn.  Senator  Gildemeister  gütigst  zu  kommuni- 
ciren  bitte.  Ich  kann  diesem  Blatt  heute  nur  noch  einige  Zeilen  bei- 
fügen. 

Aus  den  Koordinaten  lassen  sich  leicht  die  Azimuthe  mit  der  er- 
forderlichen Genauigkeit  wieder  ableiten.  Sie  werden  auf  den  wahren 
Bremer  Ansgarius-Meridian  diu'ch  Subtraktion  von  0*^54' 40"  reducirt 
werden.  Da  die  Koordinaten  sich  auf  eine  in  den  kleinsten  Theilen 
ähnliche  Darstellung  der  sphäroidischen  Oberfläche   in    der   Ebene   be- 


^)  Der  Brief  ist  in  lateinischer  Schrift  geschrieben.     Krm. 


490  Gauss  an  Olbers.     [Göttingen,  1827  August  14 — 20.] 

ziehen,  wo  nothwendig  in  den  verschiedenen  Theilen  ein  verschiedener 

Maasstab    gelten    muss,    so     sind    die    durch    Rechnung    gefundenen 

Distanzen,  um  sie  in  die  wahren  zu  verwandeln,  in  der  Umgegend  von 

^  ..    13976  ,,.  -.  . 

Bremen  nur  mit  t^v^t^t^  zu  multipliciren. 
13977  ^ 

Sollte  der  Hr.  Senator  Gildemeisteb,  auch  die  unmittelbaren 
Winkelmessungen  wünschen,  so  stehen  sie  gern  zu  Dienste;  allein  ihre 
Benutzung  erfordert  wenigstens  ebenso  viel  Eechnung  als  das  obige 
Verfahren,  da  sie,  diejenigen  ausgenommen,  welche  sich  auf  mein 
Hauptdreiecksnetz  beziehen,  nicht  centrirt  sind,  welches  auch  nicht 
nöthig  ist  bei  meiner  Behandlungsart;  ungefähr  ebenso  wie  man  Pla- 
netenbeobb.  in  der  Koordinatenmethode  zu  jedem  Zweck  benutzen 
kann,  ohne  jene  erst  von  der  Parallaxe  befreit  zu  haben. 

Mein  Sohn  hat  nun  vor  einigen  Tagen  sein  Lieutenants-Patent  er- 
halten, er  schreibt  aber  nicht,  ob  er  bei  dem  1.  oder  2.  Bataillon  an- 
gestellt ist  (letzteres  ist  in  Stade  garnisonirt).  Einstweilen  wird  er 
auf  einige  Wochen  auf  Urlaub  nach  Göttingen  kommen. 

Mit  dem  Befinden  meiner  Frau  geht  es  fortwährend  ziemlich  gut. 

Die  genaue  Reduktion  meiner  Zenithstern-Beobb.  werde  ich  an- 
fangen, so  bald  ich  sie  alle  im  Meridian  beobachtet  habe.  Mit  den 
letzten  ist  es  noch  nicht  geschehen. 


No.  621.  Gauss  an  Olbers.  [293 

[Göttingen,  1827  August  U— 20.1 

Erst  heute  fällt  mir  beiliegendes  Blatt  zufällig  wieder  in  die 
Hände,  welches  ich  meinem  letzten  Briefe  beigefügt  zu  haben  glaubte. 
Ich  eile  daher,  es  nachzuschicken. 

Von  Schumacher  hörte  ich,  dass  Humboldt  sich  Hoffnung 
macht,  auch  Sie,  mein  theuerster  Freund,  in  Berlin  zu  sehen.  Dies 
könnte  bei  mir  einen  Ausschlag  geben,  da  ich  gegenwärtig  noch  unent- 
schlossen bin. 

[Folgen  die  Koordinaten  von  37  Punkten  in  der  Umgegend  von  Bremen  und 
19  in  der  Umgegend  von  Bremerhaven,  Avie  sie  aus  der  Hannoverscheu  Trianguliruug 
bestimmt  sind,  und  die  in  Gauss'  Werken  Bd.  IV,  S.  431—434,  436—439  mit  einigen 
Aenderungen  in  dem  allgemeinen  Koordinatenverzeichniss  abgedruckt  sind.] 

Der  Anfangspunkt  ist  die  Göttinger  Sternwarte;  die  Abscissen- 
linie  der  Göttinger  Meridian;  die  Einheit  das  Meter.     Es  ist  ferner 


HuMs-:  an  OlluT-i      <ir,ttiiir.'ii.   T^L'T  An-nst  '21. 


191 


Bremen  Anse-. 


Bremerlehe 


Breite      

Länge  von  Güttiniren 

Konvergenz  des  Meridians  gegen  den  Merid. 
von  Göttiugen 

Vergrösserungsverliältuiss  in  obigem  Koor- 
dinatensysteme     

Sehr  eilijr. 


530   4'49",017 
1      8  22,781 

0   54  40,238 
13  977 
13  976 


53«  34'    7",389 
1    21     2,184 

1      5  12,180 
10  184 
10183 


No.  622. 


Gauss  an  Olbers. 


[394 


Göttingen,  1827  August  21. 

Da  ich  gestern  aus  einem  öffentlichen  Blatt  gesehen  hatte,  dass 
PoNs  am  2.  einen  neuen  Kometen^)  im  Luchs  entdeckt  habe,  so  for- 
derte ich  Hrn.  Prof.  Hakdixg  auf,  dieses  Sternbild,  und  die  Umgegend 
durchzumustern.  Durch  einen  glücklichen  Zufall  war  der  Komet  gleich 
bei  der  ersten  Eichtung  des  Kometensuchers  im  Felde,  und  durch  einen 
ebenso  glücklichen  Zufall  war  er  noch  nicht  durch  seine  untere  Kul- 
mination gegangen,  die  ich  sogleich  am  Meridiankreise  beobachtete.  Es 
ergab  sich 

1827  Aug.  20.       10''28'«1P       125°  29' 45"       56°  21' 5(3" 

Vielleicht  ist  Ihnen,  mein  theuerster  Freund,  diese  Notiz  nicht 
unlieb.  Der  Komet  zeigt  im  K[ometen]-Sucher  eine  kleine  Schweif- 
spur und  ist  zwar  im  dunkeln  Felde  sehr  schön  zu  sehen,  verträgt 
aber  doch  so  gut  wie  gar  keine  Beleuchtung. 

Eilig. 


No.  623. 


Olbers  an  Gauss.^) 


[329 

Bremen,  1827  August  28. 


Tausend,  tausend  Dank  für  Ihre  3  gütigen  Briefe  und  für  die 
übersandten  Koordinaten  von  den  56  um  Bremen  und  Bremerhaven 
herumliegenden  Punkten.     Hr.  Senator   Gildemeister   vereinigt   unter 


^)  Komet  1827  III,  siehe  auch  Brief  No.  309  im  Briefwechsel  Gauss-Schümachek 
und  Gauss'  Werke  Bd.  VI,  S.  459—460.     Krm. 

^)  Zwischen  diesem  und  dem  vorhergehenden  Briefe  fehlt  eine  kurze  Mitthei- 
lung Gauss'  vom  23.  oder  24.  Aug.    Siehe  Anmerkung  1  zum  folgenden  Briefe.    Krm. 


^g2  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1827  August  28. 

seiner  gehorsamsten  Empfehlung  seine  schuldigen  Dankbezeugungen 
mit  den  meinigen.  Er  ist  ganz  glücklich,  eine,  seine  Erwartung  über- 
treffende Uebereinstimmung  seiner  ^Messungen  mit  Ihren  Bestimmungen 
zu  finden.  Wenn  man  den  Fehler  des  Azimuths  von  Lilienthal,  das 
allen  seinen  Messungen  zu  Grunde  liegt  und  damals  nur  durch  Hab- 
ding's  wenige  Sextanten-Beobb.  bestimmt  wurde,  von  1'  34"  abzieht,  so 
wird  fast  keins  seiner  Azimuthe  mehr  als  20"  von  den  Ihrigen  ver- 
schieden sein.  Nur  bei  sehr  nahen  Gegenständen  z.  B.  den  Stadt- 
Thürmen  sind  Abweichungen  grösser;  sehi'  natürlich,  weil  er  mit  seinem 
Sextanten  kein  Mittel  hatte,  die  Winkel  auf  den  Horizont  zu  redu- 
ciren.  Auch  die  Distanzen  treffen  ganz  gut,  mehrentheils  etwa  auf  10 
Rheinländische  Fuss  zu.  Fast  allein  Wilstedt  macht  eine  Ausnahme, 
Avo  die  Differenz  nach  Gildemeister's  Rechnung  auf  28  Fuss  steigt, 
obgleich  das  Azimuth,  wenn  man  die  1' 34:"  abzieht,  nui'  9"  fehlt. 

Sehr  verbunden  bin  ich  Ihnen  für  die  so  schleunig  mitgetheilte 
Nachricht  von  dem  schönen  Kometen.  Ich  habe  ihn  der  Witterung 
wegen  nur  gestern  und  vorgestern  gesehen.  Am  23.,  wie  ich  Ihren 
ersten  Kometenbrief  erhielt,  versäumte  ich,  mich  auf  das  so  beständig 
scheinende  Wetter  verlassend,  die  heiteren  Abendstunden,  weil  ich  bei 
einer  Gesellschaft  die  Wirthspflichten  nicht  gern  unterbrechen  wollte. 
Als  ich  nun  nach  10  Uhr  den  Kometen  betrachten  wollte,  war  es  ganz 
trübe  und  blieb  es  auch  Abends  den  24.  und  25.  Am  26.  sah  ich  den 
nun  sehr  augenfälligen  Kometen  gegen  10  Uhr  Abends  unter  No.  14 
und  15  des  kleinen  Löwen,  etwa  in  144°^  AI  und  44°-^  nördl.  Dekl. 
Gestern  war  er  schräge  über  19  Leonis  minoris  in  der  Richtung  nach 
X  TJrsae  maj.  noch  besser  zu  sehen,  und  streckte  seinen  deutlich  sicht- 
baren Schweif  gegen  einen  Stern  der  H.  C.  aus,  der  etwa  in  142°  21'  [-i?] 
und  43°  8'  nördl.  Dekl.  steht.  Beobachtet  habe  ich  ihn  eigentlich  nicht. 
Da  Sie  noch  Meridian-Beobb.  anstellen,  so  würden  Kreismikrometer- 
Beobb.  doch  ohne  Werth  sein,  und  von  meinem  gewöhnlichen  Obser- 
vations-Zimmer  kann  ich  den  Kometen  nicht  sehen.  Mit  Ihren  Meri- 
dianbeobb.  wird  es  freilich  wohl  jetzt  vorbei  sein;  allein  auch  ich 
werde  den  Kometen  höchstens  noch  zwei  Tage  sehen  können,  und  da 
verlohnt  es  sich  nicht  der  j\Iühe,  noch  deswegen  eine  Uhr  und  ein 
Fernrohr  an  einem  anderen  Ort  aufzustellen. 

Ich  werde  Ihnen  sehr  verpflichtet  sein,  wenn  Sie  mir  auch  Ihre 
nach  dem  22.  gemachten  Beobb.  gütigst  mittheilen  wollen.  Poxs  hat 
diesen  Kometen  eigentlich  am  4.  Aug.  entdeckt.  Von  Gambakt  sind 
weder  bei  mir,  noch  bei  Schumacher  bisher  Nadu'ichten  eingelaufen. 
Er  muss  also  diesen  Kometen  wohl  erst  spät  aufgefunden  haben. 

Sehr  erfreut  bin  ich,  zu  vernehmen,  dass  die  Besserung  Ihrer  lioch- 
verehrten  Gattin   noch   immer   erwünscht    fortschreitet.     Dai'f   ich   Sie 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1827  September  8.  493 

um  Bezen<run<r  meiner   warmen  Theilnahme   und   meiner  gehorsamsten 
Empfehlung  bitten. 

Meine  mich  besucliende  Schwester  ist  jetzt  hier  unwohl  geworden. 
Ich  will  zu  Gott  hoifen,  dass  keine  bedeutende  Krankheit  im  Anzüge 
ist.     Dies  nöthigt  mich,  mein  heutiges  Schreiben  abzukürzen. 


No.  624.  Olbers  au  Gauss.  [330 

Bremen,  1827  September  8. 

Hr.  Klüver  hat  aus  Ihren  mir  gütigst  mitgetheilten  3  Beobb.^) 
des  Kometen  vom  20.,  21.  und  22.  Aug.  folgende  Elemente  berechnet: 

T 1827  Sept.  11,8597  Bremen 

ft 149045'51" 

71 252  10  11 

i 54     7  55 

logg-.  .  .  .  9,15980  mot.  retrogr. 
Diese  Elemente  stellen  die  mittlere  Beob.  bis  auf  —  V'ß  in  AI 
und  +  1">2  in  Dekl.  dar.  Dies  sowohl,  als  die  nahe  Uebereinkunft  der 
KLÜvER'schen  Elemente  mit  denen,  die  Schwerd  aus  einer  3  mal  grösseren 
Zwischenzeit  gefunden  hat,  zeigen  die  ausserordentliche  Genauigkeit 
Ihrer  Meridian-Beobb.  Für  Schwerd's  Beob.  vom  17.  Aug.  geben 
Klüver's  Elemente 

Speyer,  Aug.  17.     9''59'"18^     115M8'29",6     -|- 59^27' 18",3 

Die  Aehnlichkeit  aller  Elemente  dieses  Kometen  mit  denen  des 
Kometen  von  1780  macht  freilich  die  Identität'-)  beider  wahrscheinlich, 
indessen  bleiben  doch  noch  viele  Zweifel  zurück.  Besonders  ist  der 
grosse  Unterschied  von  25"  in  der  Länge  des  ft  mir  sehr  bedenklich, 
da  bei  der  starken  Neigung  der  Bahn  gerade  dieser  sehr  genau  be- 
stimmt werden  kann,  und  wenn  Mechain  die  Länge  des  ft  1780  für 
etwas  zweifelhaft  erklärt,  so  ist  dies  wohl  nur  von  einigen  Minuten, 
nicht  von  vielen  Graden  zu  verstehen.  Auf  eine  starlie  Verrückung 
der  Bahn  durch  planetarische  Einwirkung  in  der  Zwischenzeit  1780  bis 
1827  lässt  sich  hier  nicht  rechnen,  da  der  Komet  von  allen  grossen 
Planeten,  ja  von  allen  älteren  Planeten,  den  Merkur  etwa  ausge- 
nommen,  immer   sehr   entfernt   bleibt.    Es  wird  also,  meiner  Meinung 


^)  Nach  dem  Brief  vom  27.  Aug.  von  Olbers  an  Schumacher  hat  Gauss  unter 
dem  23.  oder  24.  Aug.  Olbers  seine  3  Meridianbeobb.  des  Kometen  geschickt.  Dieser 
Brief  ist  verloren.    Krm. 

»j  Vergl.  hierzu  Olbers  Bd.  I  No.  113,  S.  419  und  No.  115,  S.  420—422.    Krm. 


494  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1827  September  16. 

nach,   alles   darauf   ankommen,   ob   die  Elemente   bei  beiden  Kometen, 

wenn  man  sie  anstatt  in  der  parabolischen  H3'pothese,  in  einer  Ellipse 

47 
von  —  Jahren  Umlaufszeit  aus  den  Beobb.  ableitet,  sich  einander  merk- 
m 

lieh  näher  kommen  werden.  Es  ist  noch  zu  früh,  bei  dem  jetzigen 
Kometen  diese  Untersuchung  anzufangen,  da  wir  von  ihm  noch  so 
viele  Beobb.  nach  dem  Perihel  zu  erwarten  haben;  aber  bei  dem  Ko- 
meten von  1780  lässt  sie  sich  schon  jetzt  vornehmen.  Unser  Klüver 
hat  sie  auf  meine  Veranlassung  übernommen;  jetzt  aber  noch  mit  Ver- 
messungen beschäftigt,  wird  er  wohl  erst  langsam  damit  zu  Stande 
kommen.  —  Messiee's  Original-Beobb.  des  Kometen  von  1780  lassen 
sich  neu  reduciren;  aber  von  Mechain's  Beobb.  kenne  ich  bloss  die 
Längen  und  Breiten.  Mechain's  Original-Beobb.  sind  gewiss  nie,  auch 
die  AI  und  Dekl.,  so  viel  ich  weiss,  nirgends  gedruckt,  sie  möchten 
sich  denn  in  den  Epliemeriden  von  La  Lande,  die  ich  nie  gesehen 
habe,  finden. 

Der  Komet  von  1780  wurde  bis  zum  64.  Tag  nach  seiner  Sonnen- 
nähe beobachtet.  Ist  also  der  jetzige  Komet  mit  ihm  identisch,  so 
dürfen  wir  erwarten,  auch  diesen  bis  zur  Mitte  des  Nov.  zu  sehen. 

Uebrigens  ist  dieser  1.  Komet  von  1780  derjenige,  über  dessen 
höchst  sonderbaren  Lichtwandel  ich  im  Ästr.  Jahrbuch  für  1819^) 
einige  Betrachtungen  angestellt  habe.  Ich  bin  sehr  neugierig,  ob  auch 
der  jetzige  Komet  bei  den  ganz  ähnlichen  Umständen,  unter  denen  -vNir 
ihn  nach  dem  Perihel  sehen  werden,  ähnlichen  anomalen  Lichtweclisel 
zeigen  wird. 

Sollten  Sie,  mein  allertheuerster  Freund,  noch  nach  dem  22.  Aug. 
einige  Beobb.  des  Kometen  erhalten  haben,  so  würden  Sie  mich  durch 
gütige  Mittheilung  derselben  sehr  verpflichten. 


No.  625.  Gauss  an  Olbers.  1295 

Göttingen.  1827  September  IG. 

Recht  sehr  danke  ich  Ihnen  für  Bire  den  Kometen  betreffenden 
Bemerkungen.  Ich  selbst  habe  ihn  nach  dem  22.  Aug.  nicht  wiedei- 
beobachtet.  An  den  folgenden  Abenden  war  es  hier  um  die  Kulmiiui- 
tionszeit  trübe,  was  mir  insofern  eine  Beruhigung  war,  als  ich  einer 
Unpässlichkeit  Avegen  auch   bei   günstigem   Wetter   niclit   wolil   hätte 


*)   Siehe  Olbers  Bd.  I,  No.  7    „Einige   Bemerkungen   über   das   Liolit    der   Ko- 
meten", S.  115—121.     Krm. 


Gauss  au  Olber.v     Güttingeu,  1827  September  16.  4,95 

heobacliteii  düilen.  NarhhtM-  war  der  Komet  schon  zu  weit  südlich  ge- 
kommen. Die  Bahn  liat  auch  Hr.  Dr.  Schmidt  bei'echnet.  Da  er  sie 
aber  noch  genauer  sämmtlichen  hiesigen,  Speyerer  und  Mannheimer  Beobb. 
anpassen  will,  so  kann  ich  sie  noch  nicht  mittheilen.  Ich  glaube  nicht, 
dass  die  Beobb.  nach  dem  Perihel  von  dem  grossen  Unterschiede  der 
Knotenlänge  gegen  den  Kometen  von  1780  viel  abhandeln  werden, 
aber  eine  schärfere  Bestimmung  der  Bahn  wird  nöthig  sein,  um  erst 
mit  Sicherheit  beurtheilen  zu  können,  wie  nahe  sie  der  Merhu-hohn 
kommt.  Eine  seJir  grosse  Annäherung  könnte,  trotz  der  Kleinheit  des 
Merkur,  doch  immer  eine  sehr  grosse  Aeuderung  der  Elemente  hervor- 
bringen, obwohl  es  immer  sonderbar  wäre,  dass  die  Knotenlänge  so 
viel  mehr  geändert  sei  als  alle  übrigen  Elemente. 

Ich  habe  in  der  letzten  Zeit  Poisson's  Aufsatz  in  der  Conn.  d.  T. 
1829  besonders  in  Rücksicht  des  von  Ivoey  angefochtenen  Beweises 
genau  erwogen,  aber  trotz  aller  Aufmerksamkeit  habe  ich  weder  in 
dem  Beweise  eine  wesentliche  Schwäche*),  noch  in  Ivoey's  Bemer- 
kungen einen  logischen  Zusammenhang  finden  können.  Da  Sie  aber, 
mein  theuerster  Freund,  in  einem  nach  Altona  geschriebenen  Briefe^)  an 
mich  (dort  erlaubte  meine  Zeit  nicht,  mich  in  den  Gegenstand  gehörig 
hinein  zu  denken)  Ivobt  Recht  zu  geben  scheinen,  so  würde  es  mir 
angenehm  sein,  Ihre  Gründe  umständlicher  zu  erfahren.  Ivoey  hier 
gehörig  widerlegen  kann  ich  um  so  weniger,  da  ich  in  seinen  Bemer- 
kungen zur  Sache  Passendes  nicht  habe  finden  können.  Doch  einige 
Bemerkungen, 

In  Ivoey's  Zeichen  p.  326  kommt  alles  nur  darauf  an  zu  beweisen, 
dass.  wenn  1  —  aa  unendlich  klein  ist 


/ 


{l  —  aa){ij'  —  y)cls 


über  die  ganze  Kugelfläche  ausgedehnt,  unendlich  klein  ist.  Es  sei  P 
der  Punkt  der  Kugelfläche,  auf  den  sich  6,  ip  beziehen.  Da  das  in  ds 
multiplicirte  ofi'enbar  für  jeden  Punkt,  der  von  P  in  endlicher  Ent- 
fernung liegt,  unendlich  klein  ist,  so  bleibt  das  Integral  über  die  ganze 
Kugelfläche  ausgedehnt,  mit  Ausschluss  der  dem  P  unendlich  nahen 
Umgebung,  offenbar  unendlich  klein.   Es  kommt  also  nur  darauf  an,  zu 


*)  Obwohl  ich  ihn  anders  einkleiden  würde,  oder  richtiger  gesagt,  anders  ein- 
gekleidet habe,  denn  ich  finde  in  meinen  Papieren,  dass  ich  die  Hauptsätze  zur  Ver- 
wandlung der  Kugelfunktionen,  auf  die  [ich]  vor  etwa  15  Jahren  selbst  gekommen 
war,  im  Wesentlichen  mit  Poisson's  Art  übereinstimmend,  aber  in  der  Tournure  und 
Einkleidung  abweichend  bewiesen  habe,  freilich  nur  in  den  Hauptlinien  zu  meiner 
eigenen  Notiz  niedergeschrieben,  aber  nicht  für  das  Publikum  ausgearbeitet. 

^)  Brief  No.  617  vom  7.  Juni  1827.     Krm. 


49g  Gauss  an  Olbers,    Göttingen,  1827  September  16. 

zeigen,  dass  das  Integral  niemals  endlich  werden  könne,  so  lange  es 
nur  über  ein  unendlich  kleines  Eevier  um  P  herum  ausgedehnt  Tsird, 
wie  gross  dies  auch  übrigens  sei,  so  lange  es  nur  nicht  endlich  wird, 
d.  i.  wenn  man  es  z.  B.  in  einen  kleinen  Kreis  eingeschlossen  denkt,  dessen 
Halbmesser  unendlich  klein  ist,  sollte  er  auch  verglichen  mit  1  —  aa 
noch  so  gross  sein.  Um  nun  diese  Unmöglichkeit  zu  beweisen,  be- 
merkt PoissoN,  dass,  w^enn  C  der  grösste  Wertli  (absolut  ohne  Rück- 
sicht  auf   das  Zeichen)   von   y'  —  y  innerhalb  dieses  Reviers   ist,  das 

Integral 

\\  —  aa){y'  —  y)ds 

über  das  gedachte  Revier,  ich  will  es  der  Kürze  wegen  R  nennen, 
ausgedehnt  kleiner  sein  muss  als 

(1  —  aa)  Cds 


r 


r 


über  B  ausgedehnt;   letzteres   seinerseits   ist   aber  wieder  kleiner  als 
das   nämliche   zweite  Integral   über  die  ganze  Kugelfläche  ausgedehnt, 

also   kleiner  als   7—,   also  weil   'Q  unendlich   klein   ist,   selbst   unend- 

lieh  klein. 

Ich  sehe  wirklich  nicht  ein,  was  man  gegen  das  Wesen  dieses  Be- 
weises einwenden  kann,  wenn  auch  die  Form  in  Beziehung  auf  die 
unendlich  kleinen  Grössen  nicht  die  elementarische  Evidenz  hat.  welche 
zu  erreichen  man  die  abgekürzte  Sprache  des  Unendlichkleinen  in  die 
oft  so  sehr  viel  weitläufigere  der  Grenzen  übersetzen  muss,  was  aber 
keinem  Geübten  schwer  fällt. 

Wenn  Ivort  sagt,  Poisson  setze  y'  —  y  konstant,  so  ist  dies  nicht 
wahr,  sondern  bloss  eine  Verdrehung  des  in  sich  so  sehr  Klaren. 

Wenn  Ivort  p.  326  durch  seine  Darstellung  mehr  Licht  in  die 
Sache  zu  bringen  meint,  so  lehne  ich  es  nicht  ab,  ihm  Schritt  für 
Schritt  zu  folgen,  so  lange  sein  Voi"trag  nicht  zu  Unsinn  wird.  Doch 
muss  ich  gleich  bemerken,  dass,  wenn  Ivoky  behauptet,  nach  Poissox's 
Methode  das  Integral 


2  TT 


•^  j^^ Vigg^hh)      _B_ j^^ Vigg  +  kk  sin ö«) 


g  sin0     •=  g 

gefunden  zu  haben,  dies  einer  Einschränkung  bedürfe.  Er  hat  näm- 
lich den  ersten  Theil  zuerst  von  /r  =  0  bis  /.-^^-j-co,  und  dann  von 
/i  =  0  bis  h  =  h  (indef.)  integrirt  und  beim  zweiten  vice  versa,  was 
eigentlich  schon  Unsinn  ist.  Hätte  Ivort  von  h  =  —  h*  bis  h  =  -\-  h*, 
k  =  —  /i*  bis  k==-{-  k*  integrii't,  so  würde  er  sogar  das  Integral  ganz 


Olbers  an  Gauss.     [Bremen,  1827  September  28—30.]  497 

=  0  gefunden  haben.  Die  ganz  unbestimmte  Integration  ist  nicht 
schwer,  aber  die  Zeit  jetzt  unzureichend,  sie  zu  entwickeln,  auch 
meiner  Meinung  nach  ganz  übertiiissig,  da  die  obigen  Schlüsse  schon 
bewiesen  haben,  dass  das  Gesuchte  unendlich  klein  ist.  Aber  selbst 
sein  Kesultat  beibelialten.  scheint  mir  nichts  gegen  das  zu  Beweisende 
zu  folgen.     Denn  ufl'enbar  bleibt,  wenn  (/  unendlich  klein  ist, 


,iog^iM±M) 

9 
immer   unendlich   klein,   so  lauge  h  unendlich  klein   ist,   ja   selbst   so 
lange  /i  endlich  ist;  und  Ji  müsste  unendlich  gross,  ja  von  einer  unend- 
lich höheren  Ordnung  als  —   werden,    damit    jenes   Produkt   aufhörte, 

unendlich  klein  zu  sein. 

Alles,  was  bei  Ivory  nachher  folgt,  ist  mir  unverständlich;  ich 
kann  darin  gar  keinen  zum  Gegenstande  passenden  Sinn  finden. 

Verzeihen  Sie,  lieber  Olbers,  wenn  diese  Auseinandersetzung  nicht 
alle  Klarheit  hat,  aber  es  ist  schwer,  etwas  Verworrenes  zu  widerlegen. 


No.  626.  Olbers  an  Gauss.  [ssi 

[Bremen,  1827  September  28— 30.]^) 

Kecht  vielen,  vielen  Dank  für  Ihre  gütigen  lichtvollen  Belehrungen, 
die  mich  in  den  Stand  setzen,  Ivort's  Sophismen  besser  zu  durch- 
schauen.    Den  Umstand,  dass 


2^1      "^^        g        ~^smG  g 

immer  gleich  0  sei,  hat  er  selbst  unerinnert  eingesehen  und  seinen  Irr- 
thum  oder  sein  Versehen  gestanden.  Allein  den  Streit  selbst  setzt  er 
noch  immer  mit  gleicher  Heftigkeit  fort.  Die  neuesten  Stücke  vom 
Philos.  Magaz.  enthalten  darüber  folgendes: 

Juli:  Observations  relatives  ä  un  article  de  M.  Ivory  insere  dans 
le  Xo.  5  de  P.  M.  pour  Mai.  Par  M.  Poisson.  (Enthält  mehren- 
theils,  was  Sie  mir  gesclirieben  haben.) 

A  Letter   to   Prof.  Airy  in  replj^  to  his  remarks  ....     By 
J.  Ivory.    (Er  gesteht  hier  zu,  dass  obiger  Ausdruck  für  h  und  k 


^)  Das  Datum  ist  nach  einem  Briefe  Olbers'  v.  27.  Sept.  1827  an  Schumacher 
und  dem  Inhalte  dieses  Briefes,  der  dem  envähnten  ähnlich  ist,  festgelegt.  Olbers" 
Schwester  ist  nach  dem  erwähnten  Briefe  am  27.  Sept.  abgereist.     Krm. 

Olbers.    n,  2.  32 


498  Olbers  an  Gauss.     [Bremen,  1827  September  28—30.] 

immer  =0,  also  wirklich,  wie  Poisson  behauptet,  y  =  y'  sei, 
wenn  1  —  «^  unendlich  klein  ist.  Aber  behauptet  doch  die  Un- 
zulänglichkeit der  La  PLACE'schen  und  Poissox'schen  Analyse.) 
Aug.:  Letter  to  Prof.  Airt  by  J.  Ivoey.  (Nicht  gegen  Prof.  Airy, 
sondern  er  adressirt  ihm  nur  diese  fortgesetzten  Bemerkungen 
über  Poisson's  und  La  Plage's  Analyse,  weil  Airt  vielleicht  die 
einzige  Person  in  England  sei,  die  sich  für  diese  Untersuchungen 
interessire.) 

Letter  from  M.  Ivory  to  the  Editors  of  the  Philos.  Magaz. 
(IvoRY  hat  nun  erst  die  obigen  „observaüons''  von  Poissox  gelesen 
und  die  angebliche  Beschränktheit  der  PoissoN'schen  Demonstra- 
tionen wird  von  ihm  behauptet.) 
Sept.:  On  the  figure  of  equilibrium  of  a  homogeneous  Planet  in  a 
fluid  State,  in  reply  to  the  observations  of  M.  Poisson.  B}' 
J.  Ivory.  (Fast  gar  keine  Formeln  oder  Rechnungen,  sondern 
5  Propositionen,  die  er  alle  zu  beweisen  glaubte.  Die  5.  Propo- 
sition ist:  A  homogeneous  niass  of  fluid  consisting  of  particles, 
that  attract  one  another  inversely  as  the  Square  of  the  distance, 
and  revolving  upon  an  axis  passing  through  the  centre  of  gravity 
cannot  be  in  equilibrio  nor  maintain  a  permanent  figure  unless 
it  have  the  figure  of  an  ellipsoid. 

Ich  habe  Ihnen,  mein  theurer  Gauss,  deswegen  die  Titel  dieser 
Abhandlungen  hergesetzt,  wenn  Sie  etwa  eine  oder  die  andere  zu  sehen 
wünschten,  die  ich  dann  gleich  schicken  kann.  Aber  ich  glaube, 
Sie  haben  es  satt,  ferner  über  diesen  Gegenstand  von  Ivory  etwas 
zu  lesen. 

Den  jetzt  wieder  sichtbar  gewordenen  Kometen^)  werde  ich  schwer- 
lich sehen,  da  er  zu  einer  so  unbequemen  ]\Iorgenstunde  aufgeht,  son- 
dern seine  Beobachtung  jüngeren  Astronomen  überlassen. 

Die  Bahn  des  BiELA'schen  Kometen'-)  fiel  schon  1805  und  182G 
beim  niedersteigenden  Knoten  sehr  nahe  an  die  Erdbahn.  Kann  man 
nun  den  Elementen  trauen,  die  Damoiseau  für  seine  nächste  ^^'ieder- 
kunft  1832  mit  Berücksichtigung  der  4  Störungen  berechnet,  so  wird 
1832  der  IS,  der  1805  und  1826  ausserhalb  der  Erdbahn  fiel,  nun 
innerhalb  derselben,  aber  dieser  so  nahe  fallen,  dass  die  nächsten 
Punkte  beider  Bahnen  kurz  vor  dem  iS  noch  niclit  4  Halbmesser  der 
Erde  von  einander  entfernt  sind.  Da  ich  nun  aus  den  1805  ange- 
stellten Beobb.  den  Halbmesser  der  Dunstkugel  des  Kometen  grösser 
als   5   Erdhalbmesser   gefunden   habe,  so  liegt  1832,  wenn  der  Komet 


1)  Komet  1827  III.     Seh. 

*)  Siehe  auch  Olbkrs  Bd.  I  No.  124,  S.  431—434.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Göttingeu,  1S'2S  März  29.  499 

durch  diesen  Punkt  seiner  Bahn  geht,  wirklich  ein  Theil  der  nachmals 
von  der  Erde  zu  beschreibenden  Bahn  innerhalb  der  Atmosphäre  des 
Kometen. 

Dies  veranlasst  mich  zu  einer,  wie  es  mir  scheint,  für  die  Kos- 
mologie sehr  wichtigen  F'rage,  über  die  ich  recht  sehr  um  Ihre  Be- 
lehrung bitte.  Bekanntlich  ist  es  längst,  und  zuletzt  noch  von 
Lagrange,  La  Place  und  Poisson  für  die  höheren  Potenzen  der  per- 
turbirenden  Kräfte  erwiesen,  dass  die  grossen  Axen  der  Planetenbahnen 
nur  periodischen  Veränderungen  unterworfen  sind.  In  wiefern  lässt 
sich  dieser  Satz  auf  Kometenlahnen  anwenden?'^)  Uneingeschränkt 
lässt  sich  doch  wohl  nicht  behaupten,  dass  im  Mittel  auch  die  grossen 
Axen  der  Kometenbahnen  und  ihre  ümlaufszeiten  unverändert  bleiben, 
l'nter  welchen  Bedingungen  und  Verhältnissen  sind  auch  die  Umlaufs- 
zeiten der  Kometen  nur  periodischen  Schwankungen  ausgesetzt?  —  Ich 
bitte,  lieber  Gauss,  sagen  Sie  mir  doch  Ihre  Meinung  hierüber. 

Wissen  Sie  noch  nicht,  was  Lindenau,  da  er  nicht  Bundestags- 
Gesandter  bleiben  soll,  künftig  für  eine  Bestimmung  erhalten  oder  an- 
nehmen wird?  —  Ob  Zach  wieder  hergestellt  ist,  und  wohin  dieser 
sich  wenden  wird? 

Meine  Schwester,  die  hier  einige  Tage  sehr  krank,  aber  bald 
wieder  völlig  hergestellt  war,  hat  mich  dieser  Tage  leider  schon  wieder 
verlassen.  Der  Abschied  war  uns  beiden  sehr  schwer,  da  man  natür- 
lich in  meinen  Jahren  immer  fürchten  muss,  die  scheidenden  Geliebten 
hienieden  nie  wieder  zu  sehen. 

Ich  hoffe,  die  Besserung  Ihrer  theuren  Gattin  geht  noch  immer 
nach  Wunsch. 

Entschuldigen  Sie  dies  vielleicht  etw^as  verwirrte  Geschreibsel. 
Ich  bin  sehr  oft  dabei  gestört  worden,  und  auch  noch  jetzt  von  meh- 
reren Personen  umgeben. 


xo.  627.  Gauss  an  Olbers.  [296 

Göttingen,  1828  März  29. 

Beigehend  habe  ich  das  Vergnügen,  Ihnen  drei  Werkchen ^),  die 
so  eben  die  Presse  verlassen  haben,  zu  übersenden,  und  bitte  solche 
mit  Ihrer  gew^ohnten  freundschaftlichen  Güte  aufzunehmen. 


\)  Vergl.  hierzu  auch  Brief  No.  6.S2  und  die  betreffende  Anmerkung-.     Krm. 

-)  Theoria  residuorum  biquadraticorum ,  Comuientatio  priuia;  Supplementum 
theoriae  combinationis  observatiouuin  erroribus  minimis  obnoxiae;  Disquisitiones  ge- 
uerales  circa  superficies  curvas,  zusammen  veröffentlicht  im  Vol.  VI  der  Commenta- 
tiones,  wiederabgedruckt  in  Bd.  II  bezw.  Bd.  IV  der  Werke.     Krm. 

32* 


500  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1828  März  29. 

An  meinen  Sektorbeobb.,  deren  Bearbeitung  mir  viele  Zeit  ge- 
kostet hat,  wii^d  jetzt  auch  schon  gedruckt,  und  ich  hoflfe,  dass  solche 
in  vier  oder  sechs  Wochen  werden  erscheinen  können. 

Es  ist  sehr  lange,  dass  ich  von  Ihnen  keine  Nachrichten  gehabt 
habe,  und  ich  verlange  sehnlichst  nach  einigen  Zeilen,  die  mir  Ihr  "Wohl- 
befinden versichern.  Ich  selbst  kann  über  grosse  Beschwerden  freilich 
nicht  klagen,  desto  mehr  aber  über  kleine,  \\ie  Katarrhe,  Zahnschmerzen 
oder  Kopfschmerzen,  mit  denen  alternii-end  oder  zusammen  ich  fast  den 
ganzen  Winter  mich  habe  plagen  müssen,  und  die  mich  häufig  zu  Ar- 
beiten unfähig  gemacht  haben. 

Mit  vielem  Vergnügen  habe  ich  Ihren  Aufsatz^)  über  den  6 jäh- 
rigen Kometen  gelesen*),  obwohl  derselbe  wiederum  den  Idioten  Ge- 
legenheit zu  allerlei  albernem  Geschwätz  [geboten]  hat.  Es  scheint 
fast  unmöglich,  dergleichen  Gegenstände  zu  berühren,  ohne  den  Ver- 
drehungen der  unwissenden  Zeitungsschreiber  Spiel  zu  geben.  Es  sind 
[in]  mir  dadurch  auch  wieder  einige  Betrachtungen  angeregt,  die  viel- 
leicht weiter  verfolgt  zu  werden  nicht  unwerth  wären.  Besondere 
scheint  mir  die  Frage  Kern  oder  Nicht -Kern  noch  immer  ganz  in 
Dunkel  gehüllt.  In  früheren  Zeiten  nahm  man  immer  ohne  weitere 
Frage  sofort  an,  jeder  Komet  habe  einen  festen  Kern,  und  hielt  den 
dichteren  Theil  des  Nebels  dafür.  Spätere  Erfahrungen  schlugen  diesen 
Irrthum  nieder,  und  man  schien  mehr  geneigt  zu  sein  zu  zweifeln,  ob 
irgend  ein  Komet  wirklich  einen  festen  Kern  habe,  und  ich  gestehe, 
dass  ich  mich  selbst  dazu  hingeneigt  habe.  Es  scheint  mir  aber  doch 
wieder,  dass  diese  Meinung  ihre  grossen  Schwierigkeiten  habe,  und  ich 
kann  nicht  leugnen,  dass  ich  gegenwärtig  fast  eher  geneigt  bin,  das 
Dasein  eines  festen  oder  liquiden  Kerns,  d.  i.  der  eine  yiicht  expansible 
Flüssigkeit  ist,  in  jedem  Kometen  anzunehmen,  wenngleich  derselbe 
vielleicht  immer  sehr  klein  sein  mag,  verglichen  mit  den  Planeten.  In 
der  That  können  alle  Erfahrungen  —  Schumacher  hätte,  meine  ich, 
besser  gethan  S.  157  (1)^)  dieselben  bestimmt  nachzuweisen  —  nur  die 
Ueberzeugung  verschaffen,   dass  kein   nur  etwas  beträchtlicher  Kern 


*)  „Ueber  den  BiELA'schen  Kometen  bei  seiner  nächsten  "Wiederkunft  im  Jahre 
1832",  A.  N.  Bd.  VI,  S.  155—160,  in  einer  Beihge  Olbers"  frühere  Abhandlung 
„Ueber  die  Möglichkeit,  dass  ein  Komet  mit  der  Erde  zusammenstossen  könne""  ent- 
haltend.    Siehe  auch  Olbers  Bd.  I  No.  124  bezw.  No.  6.     Krm. 

*)  Es  wäre  wohl  zu  wünschen,  dass  die  sogenannten  HALLEY'schen,  EscKE'schen, 
BiELA'schen  Kometen  endlich  angemessenere  Namen  erhielten,  so  wie  die  Benennungen 
HKRSCHEL'scher,  PiAzzi'scher,  OLBERs'scher  pp.  Planet  mit  anderen  vertauscht  sind. 

*)  Zusatz  Schumacher's  zu  Anmerkung  1  (S.  433  in  Olbers  Bd.  I,  wo  dieser 
Zusatz  nicht  abgedruckt  ist)  in  dem  oben  in  Anmerkung  1  erwähnten  Aufsatze 
Olbers'.     Krm. 


4 


On.ers  an  Gauss.    Bremen,  1828  April  9.  501 

da  gewesen  sei.  aber  selbst  bei  dem  6jäln'i,2:en  Kometen,  den  ich  am 
8.  Dec.  1805  aucli  in  seiner  Eidnähe  sah,  ohne  einen  Kern  zu  erkennen, 
wird  die  ^löglicbkeit  eines  solchen  von  ein  paar  Meilen  im  Durchmesser 
noch  keineswegs  ausgeschlossen.  Vielleicht  würde  jeder  Planet,  wenn 
es  möglich  wäre,  iVVy-  seiner  festen  Masse  zu  vernichten,  sich  von 
selbst  in  einen  Kometen  verwandeln,  die  Atmosphäre  würde  sich  wegen 
der  gelingen  Centripetalkraft  in  einen  sehr  grossen  Raum  ausbreiten, 
aber  eben  deswegen  würde  auch  das  Meer  wegen  des  fast  ganz  cessi- 
renden  Luftdrucks  von  selbst  sich  in  expansible  Flüssigkeit  verwandeln 
und  dadurch  den  Nebel  des  neu  entstandenen  Kometen  vielleicht  ver- 
hundertfachen. Diese  Betrachtungen  bieten  zu  allerlei  interessanten 
Kalküls  Gelegenheit,  die  ich  vielleicht  einmal  weiter  ausführe.  Nicht 
weniger  interessant  wäre  die  Frage  über  die  Folgen,  welche  der  Stoss 
einer  festen  Masse  von  2 — 10  Meilen  im  Durchmesser  gegen  die  Erde 
unter  plausibeln  Voraussetzungen  für  die  Dichtigkeit  und  relative  Ge- 
schwindigkeit [derselben  hätte].  Ich  bin  geneigt  zu  glauben,  dass  bei 
einem  Durchmesser  von  10  Meilen  ein  Untergang  des  ganzen  Menschen- 
geschlechts auf  dem  festen  Lande  dadurch  sehr  wohl  denkbar  und 
vielleicht  auf  Schiften  auf  dem  AVeltmeere  die  einzige  Rettung  zu  er- 
warten wäre. 

Vielleicht  auch  da  nicht.  Ist  die  von  Cordier  neulich  wieder  so 
lebhaft  unterstützte  Behauptung  wahi',  dass  in  einer  vergleichungsweise 
gar  nicht  grossen  Tiefe  unter  der  Oberfläche  schon  alles  im  glühend- 
geschmolzenen  Zustande,  also  die  feste  Rinde  gar  nicht  sehr  dick 
ist,  so  wird  diese  selbst  von  einem  sehr  kleinen  Kometenkern  ein- 
brechen und  zertrümmert  werden,  dadurch  die  Hölle  gleichsam  hervor- 
brechen und  alles  zerstören  und  ins  alte  Chaos  verw^andeln.  Wir  beide, 
lieber  Olbees,  und  unsere  Kinder  können  es  aber  noch  geruhig  ab- 
warten. 

Doch  verzeihen  Sie,  lieber  Olbees,  diese  Träumereien. 


No.  628.  Olbers  an  Gauss.  [332 

Bremen,  1828  ApriF)  9. 

Meinen  herzlichsten,  innigsten  Dank  für  Ihren  lieben  Brief  und 
das  ihn  begleitende  Geschenk  Ihrer  3  Abhandlungen.  Letztere  habe 
ich  erst  flüchtig  durchlaufen  und  mir  ihr  Studium  vorbehalten,  wenn 
sie  erst  wieder  vom  Buchbinder  zurückkommen.   Ich  fürchte  aber,  mein 


Olbers  hat  März  geschrieben,  nach  dem  Poststempel  ist  es  aber  April.     Seh. 


EQ2  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1828  April  9. 

alter  Kopf  wird  Ihnen  nicht  mehr  allenthalben  folgen,  nicht  mehr  alles 
verstehen  können,  was  mir  ganz  besonders  wiegen  der  Disquisitiones  gene- 
rales  circa  superficies  curvas  sehr  leid  sein  wird. 

Ich  sehe  die  „Bestimmung  des  Breiten-Unterschiedes  zwischen 
Altona  und  Göttingen  aus  den  Sektor-Beobb."  schon  als  zur  Ostermesse 
fertig  im  Messkataloge  angekündigt  und  hoffe  also,  dass  sie  bald  wirk- 
lich erscheinen  wird.  Damit  ist  denn  wohl  der  grösste  Theil  der 
Prolegomena  zu  dem  eigentlichen  Werke  über  Ihre  so  einzige  und  un- 
vergleichliche Gradmessung  geendigt,  und  wir  dürfen  dann  diesem  viel- 
leicht bald  entgegensehen. 

Auch  ich  habe  den  Winter  so  erträglich  zugebracht,  wie  man  es 
im  70.  Jahre  erwarten  kann.  Schlaflosigkeit  und  Husten  sind  meine 
grössten  Beschwerden  und  fast  beständigen  Begleiter.  Die  allmähliche 
von  Vierteljahr  zu  Vierteljahr  sehr  merkliche  Abnahme  meiner  physi- 
schen und  geistigen  Kräfte  beobachte  ich  ruhig  mit  dem  Auge  eines 
Physiologen,  ohne  sonderlich  dadurch  afficii't  zu  werden.  Ich  finde  es 
doch  noch  immer  ganz  angenehm  zu  leben;  sehe  aber  auch  ohne  Furcht 
und  Widerwillen  das  Ende  meiner  Laufbahn  sich  nähern. 

Sie  sagen  mir  nichts  von  der  Gesundheit  Ihrer  herrlichen  Frau, 
lieber  Gauss,  für  die  ich  mich  doch  so  sehr  interessire.  Darf  ich 
daraus  schliessen,  dass  das  Befinden  derselben  unseren  Wünschen  ge- 
mäss ist. 

Wenn  ich  den  albernen  Lärm  hätte  vorhersehen  können,  den  meine 
Bemerkung  über  die  Lage  der  Bahn  des  BiEL.v'schen  Kometen  gegen 
die  Erdbahn  verursacht  hat,  ich  würde  wahrlich  diese  Bemerkung,  die 
ja  jeder  machen  konnte  und  machen  musste,  der  sich  nur  die  Mühe 
nahm,  die  Elemente  der  Kometenbahn  etwas  näher  zu  untersuchen,  nie 
bekannt  gemacht  haben.  Aber  ich  glaubte  mich  diesmal  recht  vor- 
sichtig ausgedrückt  zuhaben,  um  keine  Missdeutung  zu  befürchten:  und 
ein  Anlass  war  mir  nicht  unangenehm,  wobei  ich  mich  einmal  kräftig 
gegen  die  Verleumdung  erklären  konnte^),  die  mir  so  viele  abgeschmackte 
Meinungen  und  unsinnige  Prophezeiungen  zuschrieb.  —  Meles  von  dem, 
was  man  nun  auf  meine  Rechnung  über  den  Kometen  von  1S32  ge- 
fabelt hat,  habe  ich  nicht  gelesen,  aber  schon  das,  was  mir  ungesucht 
in  den  Zeitungen  vorgekommen  ist,  hat  mii'  genug  ^'erdruss  gemacht. 

Sehr'-)  neugierig  bin  ich,  die  Gründe  zu  wissen,  warum  es  Ihnen 
jetzt  wahrscheinlich  ist,  dass  jeder  Komet  einen  kleinen  festen  oder 
doch  aus  einer  tropfbaren  Flüssigkeit  bestehenden  Kern  habe,    kli  muss 


^)  Olbers' Anmerkung  zu  dem  erwähnten  Aufsatze.  S.  Olbers  Bd.  I,  S.  433.  Krm. 
*)  Vergl.   zu   dem   Folgenden   auch   Olbers"   Brief   v.    6.  Mai    1S'2S   an   Bessel. 
No.  328  des  Briefwechsels,  Bd.  II  S.  313—314.     Krm. 


Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1828  April  9.  503 

Ihnen  im  Geo-entheil  bekennen,  dass  icli  immer  mehr  zu  dem  Glauben 
gekommen  bin.  die  meisten  Kometen  beständen  bloss  aus  einem  gas- 
artigen Fluidiim,  ohne  allen  festen  oder  tropf bar-tiiissigen  Kern.  Eine 
rntersuchung.  wie  sich  ein  solcliei-  ganz  oder  doch  bei  weitem  grössten- 
theils  aus  einem  elastischen  Dunst  bestehender  Körper,  bei  dem  doch 
auch  das  MARiOTTE'sche  Gesetz  statttinden  wird,  in  seiner  Bildung,  in 
seinen  nach  und  nach  abnehmenden  koncentrischen  Schichten  u.  s.  w.  ver- 
halten wird,  scheint  mir  höchst  wünschenswerth,  und  einen  der  wich- 
tigsten Beiträge  zur  Physik  unseres  Sonnensystems  zu  versprechen. 
Dann  wird  sich  ergeben,  bei  welchem  Exponenten  der  Elasticität  doch 
eine  so  schnelle  Zunahme  der  Dichtigkeit  der  koncentrischen  Schichten 
statttinden  kann,  dass  scheinbar  ein  mehr  oder  minder  begrenzter  Kern 
entsteht,  obgleich  kein  eigentlicher  vorhanden  ist;  oder  ob  es  noth- 
wendig  ist,  in  jedem  Kometen,  der  eine  solche  Kernerscheinung  dar- 
stellt, 2  Gasarten  von  verschiedener  Elasticität  anzunehmen,  die  eben, 
wie  nach  Dalton's  Ansicht  in  unserer  Atmospliäre,  zusammen  vermengt 
sind,  ohne  aufeinander  einzuwirken,  welche  Vei'änderungen  die  Sonnen- 
wärme in  diesen  Formen  hervorbringen  muss  u.  s.  w\  —  Ich  möchte  sehr 
wünschen  und  bitten,  lieber  Gauss,  dass  Sie  diese  Untersuchung  bald 
vornehmen  und  ausführen  möchten. 

CoRDiER  hat  auch  mir  seinen  Aufsatz  zu  schicken  die  Güte  ge- 
habt. Seine  Beobb.  über  die  mit  der  Tiefe  zunehmende  AVärme  sind 
schätzbar,  wahrscheinlich  die  genauesten,  die  man  bisher  über  diesen 
interessanten  Gegenstand  angestellt  hat.  —  Aber  seinen  kühnen,  selbst 
wilden  Schlüssen  kann  ich  nicht  folgen.  Wie  gross  die  Hitze  im 
Innern  unserer  Erde  sei,  das  wird  man  aus  unseren  nur  in  so  ganz  un- 
beträchtlichen Tiefen  möglichen  Beobb.  wohl  nie  auch  nur  näherungs- 
weise ausmachen  können.  Es  mag  sein,  dass  in  der  Tiefe  geschmolzenes 
Eisen  oder  Glas  vorhanden  ist;  ich  halte  nur  für  gewiss,  dass  die  Erde 
im  Ganzen  in  ihrer  Temperatur  im  Beharrungszustande  ist,  und  dass  in 
ihrem  Innern  gerade  so  viel  gebundene  Wärme  zur  ungebundenen  ent- 
wickelt und  von  aussen  durch  die  Sonnenstrahlen  zugeführt  wird,  als  sie 
nach  den  Erkaltungsgesetzen  im  Himmelsraum  wieder  verliert.  La  Place's 
Beweis,  dass  die  mittlere  Temperatur  unserer  Erde  seit  2000  Jahren 

nicht  um  — r—  Centesimal-Grad  abgenommen  habe,  scheint  mir  sehr  über- 
zeugend und  steht,  Cordier  mag  sagen,  w^as  er  Avill,  mit  seinen  Vor- 
stellungen über  das  Innere  unserer  Erde  in  schneidendem  Widerspruch. 
Harding  schrieb  mir  neulich,  „er  sehe  bei  Doppelsternen,  wo  beide 
fast   gleiche  Lichtstärke  haben,    die   beiden  Sterne  als  Scheiben,^)  im 


^)  Vergl.  auch  Olbers  Bd.  I  No.  194,  S.  653.     Krm. 


504  Gauss  an  Olbers.     Göttinnen,  1828  Mai  26. 

umgekehrten  Fall  nicht."  Die  Bemerkung  war  mir  um  so  auffallender, 
da  ich  kurz  vorher  zufällig  den  Rigel  und  den  Castor  mit  etwa  200- 
maliger  Vergrösserung  meines  Fraunhofer-  betrachtet  und  mich  über 
den  Kontrast,  den  ihre  Erscheinung  in  demselben  Fernrohr  darbot,  sehr 
verwundert  hatte.  Bigel  war  ein  ungemein  heller,  funkelnder,  unmess- 
barer  Punkt,  der  scintillirend  seine  Strahlen  bis  fast  an  seinen  kleinen 
Begleiter  schoss;  Castor  hingegen  stellte  mir  zwei  ruhige,  ganz  gut  be- 
grenzte, messbare  Scheiben  von  etwas  verschiedener  Grösse  dar.  —  Ich 
halte  das  Phänomen  auf  alle  Fälle  nur  für  eine  optische  Erscheinung, 
und  die  Scheiben  nur  [für]  Täuschung,  möchte  aber  doch  gern  wissen, 
ob  auch  Sie  eine  ähnliche  Verschiedenheit  bei  der  Darstellung  der 
Doppelsterne  in  Ihrem  Fernrohr  bemerken? 


No.  629.  Gauss  an  Olbers.  [297 

Göttingen,  1828  Mai  26. 

Beigehend  übersende  ich  Ihnen  einen  Abdi'uck  meiner  Bestimmung 
des  Breitenunterscliiedes  zwischen  den  Sternwarten  von  Göttingen  und 
Altona^)  Nehmen  Sie  dieses  Werkchen  mit  Ihrer  gewohnten  fi-eund- 
schaftlichen  Güte  auf,  und  erfreuen  Sie  mich  mit  den  stets  lehrreichen 
Bemerkungen,  welche  sich  Ihnen  bei  der  Durchlesung  darbieten  und 
von  mir  mit  verbindlichstem  Danke  werden  erkannt  werden. 

Sie  haben  diese  Schrift  nicht  sowohl  als  einen  Vorläufer,  sondern 
als  einen  Bestandtheil  meiner  Arbeit  über  die  Gradmessung  zu  betrachten, 
den  ich  zuerst  zu  publiciren  für  gut  gehalten  habe,  da  der  viel  volumi- 
nösere trigonometrische  Theil  aus  Ihnen  bekannten  Gründen  nicht  so 
schnell  wird  ausgearbeitet  werden  können.  Ich  denke  jetzt  gewisser- 
maassen  noch  nicht  daran,  zumal  da  nach  einem  vor  etwa  6  Wochen 
aus  London  gekommenen  Beschluss  die  trigonometrischen  Arbeiten  auch 
noch  über  andere  Landestlieile  werden  ausgedehnt  werden.  Ich  hoffe 
indessen  es  so  einrichten  zu  können,  dass  ich  mich  dabei  meistens  nur 
auf  die  Leitung  von  liier  aus  einschränke;  im  gegenwärtigen  Jahre 
wird  auch  wohl  noch  nichts  unmittelbar  sich  darauf  Beziehendes  vor- 
genommen werden  können,  sondern  nur  einige  trigonometrische  Vor- 
arbeiten für  die  Detailaufnahme  des  Hildesheimschen  und  des  Eichsfeldes. 

Dass  es  mir  schwer  wird,  den  Glauben  an  das  Dasein  eines  kleinen 
Kerns  in  jedem  Kometen  aufzugeben,  beruht  darauf,  dass  ich  mir  die 
Möglichkeit  des  Zusammenbleibens   einer  expansiblen  Flüssigkeit   ohne 


^)  Wieder  abgedruckt  iu  Bd.  IX  von  Gauss'  Werken,  S.  1— 58.    Krm. 


Gauss  an  Olbrrs.     ( Mittimrt.'ii.  182S  Mai  20.  505 

einen  solchen  noch  nicht  zur  hcfrii'dKji'uden  niatliematisclien  Klarheit 
liabe  bringt'n  können,  und  dass  mir  keine  unserer  Erfahrungen  das  Da- 
sein eines  solchen  Kerns  zu  widerlegen  scheint.  Ich  kann  mir  recht 
gut  denken,  dass  alle  jene  Erfahrungen  Avenigstens  mit  einem  sehr 
kleinen  Kern  noch  recht  gut  bestehen  können.  Verstehen  ISie  mich 
übrigens  nicht  unrecht,  ich  will,  obgleich  die  obige  Möglichkeit  mir 
noch  nicht  erwiesen  ist,  sie  auch  noch  keineswegs  ableugnen.  Bis  jetzt 
bloss  ,.??0H  Jiqiict".  Ausser  den  analytischen  Schwierigkeiten  scheint  es 
auch  noch  zu  sehr  an  einer  physikalischen  Basis  in  Beziehung  auf  die 
Vorstellung,  die  wir  uns  von  dem  Wärmezustand  der  Kometenmasse  zu 
machen  haben,  zu  fehlen.  So  viel  ist  gewiss,  dass  eine  blosse  Dunst- 
ma.sse  von  gleichförmiger  Temperatur  sich  gar  nicht  zusammenhalten 
kann;  sti'eng  genommen  kann  es  aber  eine  solche  auch  dann  nicht, 
wenn  sie  einen  Kern  umgiebt.  Nun  haben  wir  aber  unsere  Atmosphäre 
noch  immer,  und  es  muss  also  bei  so  niedrigen  Temperaturen,  wovon 
wir  uns  gar  keine  Vorstellung  machen  können,  an  den  Grenzen  der 
Atmosphäre  die  Expansibilität  ganz  aufhören.  Aber  gerade  die  mathe- 
matische Konstruktion  der  Gesetze,  nach  denen  sich  die  expansiblen 
Flüssigkeiten  da  richten,  wo  ihnen  der  Wärmestoff  fast  ganz  ausgeht, 
würde  erforderlich  sein,  um  die  Gestalt  der  Kometenmassen  einem  Kalkül 
unterwerfen  zu  können. 

In  nicht  langer  Zeit  wird  vermuthlich  die  Reihe  an  mich  kommen, 
Gegenstände  zur  Auswahl  einer  mathematischen  Preisfrage  bei  unserer 
Societät  vorzuschlagen.  So  lange  ich  hier  bin,  ist  noch  niemals  ein 
mathematischer  Preis  zuerkannt.  Freilich  ist  sein  numerischer  Werth 
zu  gering,  um  zu  einer  sehr  schwierigen  Arbeit  jemand  einzuladen,  der  nicht 
ohnehin  den  Gegenstand  schon  zu  bearbeiten  denkt.  Ich  habe  zwar 
mehrere  Sujets  bei  Händen,  für  die  ich  aber  aus  der  erwähnten  Ur- 
sache ein  gleiches  Schicksal  besorge.  Sollte  Ihnen,  liebster  Olbers, 
vielleicht  ein  oder  der  andere  Gegenstand  beifallen,  den  Sie  selbst 
unter  meine  Vorschläge  aufgenommen  wünschten,  so  werde  ich  einige 
Winke  darüber  gern  und  dankbar  befolgen. 

Eine  Scheibengestalt  bei  Doppelsternen  habe  ich  an  den  Meridian- 
instrumenten niemals  gesehen,  ausgenommen,  wenn  ich  das  Objektiv, 
wie  ich  es  bei  Nacht  bei  hellen  Sternen  [thue],  durch  eine  leichte 
Papierkapsel  von  2  Zoll  Oeffnung  blende;  dann  erscheinen  alle  hellen 
Sterne  1.,  2.  oder  3.  Grösse  wie  scharf  begrenzte  Scheiben  von  etwa 
2"  Durchmesser.  Ich  kann  mir  dieses  Phänomen  nicht  erklären,  da 
dieselben  Sterne  bei  Tage  und  voller  Oeffnung  bloss  wie  Punkte  er- 
scheinen. Ich  habe  mir  längst  vorgenommen,  darüber  einmal  eine  be- 
sondere Reihe  von  Versuchen  zu  machen,  bin  aber  bisher  noch  nicht 
dazu  gekommen. 


506  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1828  Juli  2. 

Mit  Verwunderung  habe  ich  das  wahnsinnige  Geschwätz  des 
Dr.  Gruithuisen  über  seine  katachthonische  Sternwarte  neulich  gelesen 
und  bedauert.  Ihren  zu  gütigen  Brief  an  ihn  zu  einem  Platze  in  diesem 
Tollhaus-Journale  gemissbraucht  zu  sehen. 


No.  630.  Olliers  an  Gauss.  [333 

Bremen,  1828  Juli  2. 

Mit  dem  grössten  Vergnügen  habe  ich  Ihre  Bestimmung  des  Breiten- 
TJnterscJiiedes  zwischen  den  Sternwarten  von  Göttingen  und  Altana 
erhalten,  und  ich  statte  Ihnen  für  dieses  abermalige  gütige  Geschenk 
den  innigsten  herzlichsten  Dank  ab.  Ich  bewundere  die  Genauigkeit 
und  Uebereinstimmung  der  so  zahlreichen  Beobb.,  noch  mehr  aber  den 
Scharfsinn,  womit  Sie,  auch  die  kleinsten  Umstände  in  Betrachtung 
ziehend,  aus  diesen  Beobb.  das  wahi^scheinlichste  Endresultat  abzuleiten 
wissen. 

Ganz  bin  ich  mit  Ihnen  über  Ihre  Ansicht  der  bisher  immer  nui' 
von  Lokalablenkungen  der  Lothlinie  hergeleiteten  Verschiedenheiten, 
die  sich  unter  den  geodätisch  oder  astronomisch  bestimmten  Polhöhen 
finden,  einverstanden,  und  ich  hofi'e,  dass  wir  dem  idealischen  Bevolutions- 
Sphäroid  besonders  auch  durch  Ihre  Messung  merklich  näher  ge- 
kommen sind. 

Es  hat  mich  etwas  gewundert,  dass  ich  in  den  Schriften  über 
neuere  Gradmessungen  nie  eine  Aeusserung  Boscovich's  angeführt  und 
gewürdigt  gefunden  habe.  Boscovich  sagt  nämlich  in  seiner  expeditio 
literaria,  er  habe  bewiesen  (die  Abhandlung,  worin  Boscovich  dies 
bewiesen  haben  will,  habe  ich  nicht  gesellen,  da  ich  seine  opera  omnia 
nicht  besitze),  dass  ein  sich  nach  und  nach  erhebendes  Terrain, 
100  römische  Meilen  (etwa  20  deutsche)  im  Diu'chmesser  und  in  der 
Mitte  500  Fuss  hoch,  das  Loth  an  seinem  Rande  24"s  ablenken  werde. 
Deswegen,  setzt  er  hinzu,  müsse  das  Loth  in  Italien  vom  toskanischeu 
Meere  an  bis  zu  den  Appeninen  immer  nach  Norden  abgezogen,  also 
alle  Polhöhen  zu  klein  gefunden  werden  etc.  Das.  was  man  in  der 
Lombardei^)  erfahren  hat,  schien  mir  diese  Boscovicn'sche  Aeusserung 
sehr  zu  bestätigen,  denn  auch  hier  müssen  wegen  des  gegen  die  Alpen 
und  Tyroler  Gebiige  aufsteigenden  Landes  alle  astronomischen  Breiten 
zu  klein  gefunden  werden;  so  wie  hingegen  die  von  Kimini  zu  gross, 


')  Vergl.  auch  Brief  No.  550  auf  S.  37S.     Krm. 


Olbcrs  an  Gauss.     Bremen,  1828  Jnli  2.  507 

weil  hier  das  von  Kimiiii  ofep-en  die  südlich  davon  gelegenen  Appeninen 
sich  erhebende  Terrain  eiinviikte. 

Ob  ich  gleichwohl  sah,  dass  liier  allerdings  Ansnahmen  vorkommen 
müssen,  so  war  ich  doch  geneigt,  mir  auch  die  in  den  übrigen  Grad- 
messungen sich  zeigenden  Anomalien  auf  diese  Art  zu  erklären;  und 
ich  muss  es  gestehen,  ich  glaubte,  dass  man  nur  auf  zwei  Punkten  im 
Bereich  Ihrer  und  Schumacher's  Messungen  die  eigentliche  Polhöhe 
des  Idealsidiäi'dids  astronomisch  zu  finden  Hoffnung  habe,  nämlich  auf 
dem  Brocken  und  auf  Helgoland.  Ersterer  schien  mir  als  die  höchste 
Spitze  des  Harzgebirges,  letzteres  als  einzelner  Felsen  mitten  im  Meere 
alle  sogenannten  Lokalanziehungen  auszuschliessen. 

Ich  sehe  nun,  dass  ich  mich  in  Ansehung  des  Brockens  hässlich 
geirrt  habe.  Die  Unterschiede  von  10"  und  gar  16"  von  den  Polhöhen 
von  Göttingen  und  Altona  könnten  durchaus  nicht  stattfinden,  wenn 
auf  dem  Brocken  selbst  nicht  das  Loth  perturbirende  Einwirkungen 
vorhanden  wären.  Aber  sehr  interessant  scheint  es  mir  doch  noch 
immer,  diese  grosse  Anomalie  durch  Prüfung  der  ZAcn'schen  Breiten- 
bestimmung völlig  zu  konstatiren.  Ich  veranlasste  also  unseren  Freund 
Schumacher,  den  sich  gerade  damals  in  Altona  aufhaltenden  Hrn.  Hansen 
aufzufordern,  die  Bestimmung  der  Polhöhe  des  Brockens  mit  einem 
Passage-Instrument,  w^ie  in  Helgoland,  zu  wiederholen.  Hansen  erklärte 
sich  sehr  bereitwillig  dazu;  nur  könne  er  dies  nicht  auf  seine  Kosten 
ausführen,  auch  sei  die  Genehmigung  seines  Herzugs  dazu  erforderlich. 
Ein  Brief  an  den  Herzog  von  Coburg,  der  das  Verdienstliche  und 
Wünschenswerthe  dieser  neuen  Breitenbestimmung  darstellte,  würde 
unfehlbar  alles  in  Ordnung  bringen.  Sie  sehen  leicht,  mein  allertheuerster 
Freund,  dass  es  eine  höchst  unbefugte  Anmaassung  von  mir  sein  würde, 
wenn  ich  einen  solchen  Brief  schreiben  wollte.  Aber  wenn  auch  Ihnen 
die  Sache  wirklich  so  wichtig  scheint,  wie  sie  mir  vorkommt,  so  werden 
Sie  sehr  leicht  durch  ein  paar  Worte  an  den  Herzog,  welches  mir  bei  weitem 
am  besten  scheint,  oder  auch  vielleicht  durch  einen  ostensiblen  Brief 
an  Hansen  unseren  Zweck  erreichen  können.  —  Da  Hansen  selbst 
von  Seeberg  die  Polhöhe  3"  kleiner  gefunden  hat  als  Zach,  so  kann 
man  noch  ganz  w^ohl  einen  grösseren  Fehler  in  der  Polhöhe  des  Brockens 
erwarten. 

Auch  IvoRY  hat  ganz  kürzlich,  wie  Ihr  Dr.  Schmidt,  aus  den 
Gradmessungen  die  wahrscheinlichste  Figur  der  Erde  zu  finden  gesucht, 
zwar  auch  die  Methode  der  kleinsten  Quadrate  angewandt  und  das 
Quadrat  der  Abplattung  mit  in  Eechnung  gebracht,  aber  nur  die  5 
ganzen  Bogen,  den  von  Peru,  Indien,  Frankreich,  England  und  Schwe- 
den zu  Grunde  gelegt.  Er  findet  die  Abplattung  =  0,003  24  =  -g-i-g-, 
den  Grad    des  Aequators  =60856  Fathoms  u.  s.  w.     Die   Fehler   der 


5Qg  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1828  Juli  2. 

5  ZU  Grunde  gelegten  Bogen  sind  der  Ordnung  nach  —  20,  -f  l^»  —  7, 
-j-  13,  +  5  FaÜioms.  Ivoey's  Abhandlungen  stehen  im  Mai-  und  Juni- 
Heft  des  Philos.  Magaz.  dieses  Jahres.  Den  unter  45*^  43' 12"  ge- 
messenen Theil  des  Parallels  stellt  Ivory's  Sphäroid  nur  unvollkommen 
dar.  Die  Messung  gab  jeden  Grad  =  77865,75  m  =42578,2  i^af/ioms, 
Ivory's  Keclmung  =42557,4  FaÜioms.  Auf  den  ganzen  gemessenen 
Bogen  von  13°  muss  man  einen  Fehler  von  l"\  voraussetzen,  um  ihn 
mit  Ivory's  Erdfigur  in  Uebereinstimmung  zu  bringen.  —  Wie  giebt 
wohl  Dr.  Schmidt's  Erdfigur  diesen  Bogen  des  Parallels? 

Da  Sie,  wie  Sie  mir  einst  schrieben,  die  Stücke  dieses  Magazins 
gewöhnlich  erst  spät  erhalten,  so  niuss  ich  Sie  mit  einer  darin  befind- 
lichen, Sie  angehenden  Stelle  bekannt  machen.  In  dem  Mai-Hefte  ist 
nämlich  unter  No.  LH  Account  of  a  Paper  by  Prof.  Gauss  intitled: 
„Disq.  gen.  circa  sup.  curv.  eine  Uebersetzung  Ihrer  Anzeige  dieses  Werks 
aus  den  G.  G.  A})  enthalten.  Gegen  eine  Stelle  derselben  findet  sich  im 
Juni-Heft  unter  No.  LXYI  folgende  Eeklamation  (p.  436). 

To  the  Editors  etc. 

Messieurs. 

Ce  n'est  pas  sans  surprise,  que  j'ai  lu  dans  votre  dernier  X"  du 
Philos.  Magaz.  le  passage  suivant  p.  334. 

d^z    cl^z      (  d^z 


dx^    dy^      \dxdyJ 

„an   equation   which   indeed   has   long  known,   but  in  the  opinion  of 
Mr.  Gauss  has  never  yet  been  rigorously  demonstrated". 

Les  geometres  savents  que  Monge  et  Meusxier  ont  donne  des  de- 
monstrations  rigoureuses  de  cette  equation  difierentielle  partielle  du 
second  ordre,  qui  appartient  aux  surfaces  developpables.  Pour  s'eu 
assurer  je  renvoie  vos  lecteurs  aux  ^'olumes  IX  et  X  de  la  collection 
des  Memoires  des  Savans  etrangers 

le  15  Mai  1828.  Fayolle 

Ancien  chef  d'etude  ä  l'ecole  Polytechnique. 

So  unbedeutend  diese  Reklamation  auch  ist,  so  glaubte  ich  doch, 
es  würde  Ihnen  angenehm  sein,  sie  sogleich  zu  kennen. 

Mit  besonderem  Interesse  habe  ich  Ihre  wichtigen  Bemerkungen 
über  die  Beschaffenheit  der  Kometen  gelesen  und  bin  Ihnen  sehr  des- 
wegen verbunden.  Ich  sollte  doch  denken,  dass  sich  eine  wahrschein- 
liche Hypothese  aufstellen  lasse,  nach  der  sich  auch  eine  Dmistmasse 
ohne  Kern  zusammenhalten  lasse,  versteht  sich,  wenn  die  Temperatur 


1)  G.  G.  A.  Stück  177,  Gauss'  Werke  Bd.  IV,  S.  341—347.     Krm. 


Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1828  Juli  2.  509 

nicJit  gleichförmig  ist,  sondern  von  Innen  nacli  der  Oberfläclie  zn  ab- 
nimmt. Eine  weitere  Erklärung  meiner  vielleicht  unrichtigen  Vor- 
stellung muss  ich  aber  auf  meinen  nächsten  Brief  versparen,  da  sie  für 
heute  zu  weitläufig  ausfallen  würde. 

Obgleich  Struve  die  östliche  Anse  des  Saturn^)  wirklich  länger 
gefunden  hat  als  die  westliche,  so  kann  ich  mich  doch  noch  von  einer 
wirklichen  excentrischen  Lage  des  t'  in  seinem  Ringe  nicht  überzeugen, 
und  werde  noch  immer  erwarten,  ob  Struve  nicht  diesen  Herbst  vor 
der  Opposition  im  Gegentheil  die  westliche  Anse  am  grössten  finden  wird. 

Das  Astronomische  Jahrbuch  für  1830  von  Encke  hat  alle  meine 
doch  hoch  gespannte  Erwartung  übertroffen.  Das  ist  doch  eine  Ephe- 
meride, wie  wir  sie  noch  nie  gehabt  haben,  und  wie  sie  zu  dem  jetzigen 
Stande  der  Wissenschaft  passt! 

Allerdings  haben  Sie  einige  Ursache,  mich  zu  bedauern,  dass  ich 
vel  quasi  als  Mitarbeiter  an  den  unglücklichen  Analekten  erscheine.  So 
viel  Unwissenheit  mit  so  viel  Anmaassung,  Selbstvertrauen  und  wilder 
Einbildungskraft  verbunden  ist  mir  noch  nicht  vorgekommen.  Ich  suche 
ihn  jetzt  zu  bekehren,  d.  i.  ihn  dahin  zu  bringen,  dass  er  sich  gar 
nicht  weiter  an  die  eigentlich  messende,  rechnende  oder  gar  theoretische 
Sternkunde  wagt,  sondern  bloss,  wie  unser  verewigter  Schroeter,  bei 
der  guckenden  oder  beschauenden  Sternkunde  bleibt.  In  dieser  kann 
er  wirklich  nützlich  werden,  da  er  sehr  gute  Fernrohre  besitzt,  wirklich 
ein  ganz  ausgezeichnet  scharfes  Auge  hat,  und  damit  die  seltene  Gabe 
verbindet,  das  Gesehene  in  Zeichnung  und  Steindruck  schön  und  deut- 
lich darzustellen.  In  seinen  Schlüssen  aus  dem  Gesehenen  mag  er 
denn  immer  ins  Wilde  deraisonniren,  man  braucht  ihm  nicht  darin 
zu  folgen. 

Grüithuisen's  scharfe  Sehkraft  hat  sich  wieder  bei  dem  5.  Stern  ^) 
im  Trapez  des  Orion-Nebels  erprobt.  Was  mir  Struve  über  diesen 
merkwürdigen  Stern,  vorzüglich  aus  einem  Briefe  von  Herschel  II  mit- 
theilt, findet  sich  im  letzten  Stück  der  Astr.  Nachr. 

Freund  Schumacher  ist  nun  am  27.  Juni  nach  Königsberg  ab- 
gereist. Von  seiner  eigentlichen  Reiseroute  bin  ich  nicht  unterrichtet. 
Es  scheint,  dass  er  bis  Anfang  Sept.  auszubleiben  denkt. 


1)  Vergl.  Olbers  Bd.  I  Xo.  194,  S.  653.     Krm. 
-)  Vergl.  Olbers  Bd.  I  No.  194,  S.  654.     Krm. 


510  Gauss  an  Olbers.     [Göttingen,  1828  nach  Juli  20.] 


xo.  631.  Ganss  an  Olbers.  [298 

[Göttingen,  1828  nach  Juli  20.]  \i 

Für  Ihr  gütiges  Schreiben  vom  2.  und  für  die  freundliche  Auf- 
nahme meiner  Bestimmung  des  Breitenunterschiedes  zwischen  Göttingen 
und  Altona  sage  ich  Ihnen  den  verbindlichsten  Dank. 

Für  die  absolute  Polhöhe  von  Göttingen  habe  ich  im  vorigen 
Frühjahr  noch  eine  neue  und  zahlreichere  Reihe  von  Beobb.  angestellt, 
die  sich  auf  Ablesung  mit  Mikroskopen  bloss  an  acht  verschiedenen 
Theilstrichen  gründen  und  vortrefflich  unter  einander  harmoniren.  Gegen- 
wärtig ist  einer  Baureparatur  wegen  der  Kreis  abgenommen.  Später- 
hin werde  ich  die  Theilungsfehler  jener  Striche  auf  das  Genaueste  be- 
stimmen, und  so  die  Breite  von  Göttingen  definitiv  festsetzen;  ver- 
muthlich  wird  sie  nur  sehr  wenig  von  dem  vorigen  Resultate  abweichen. 
Setze  ich  diese  Theilungsfehler  =  0,  so  würde  sie  einige  Zehntel  kleiner; 
berechne  ich  aber  jene  nach  der  allgemeinen  Formel,  die  in  dem  ge- 
dachten A\'erke  mitgetheilt  ist,  so  wird  sie  einige  Zehntel  gi'össer.  Es 
kommt  nun  aber  auf  die  wirklichen  Fehler  der  individuellen  Striche  an. 

Schumacher  ist  bei  seiner  Reise  nach  Königsberg  einige  Tage  bei 
mir  gewesen  und  von  hier  nach  Dresden  gereist,  von  wo  ich  bereits 
einen  Brief  von  ihm  erhalten  habe.  Anfang  Sept.  denkt  er  auf  der 
Rückreise  in  Berlin  zu  sein,  wo  er  vermuthlich  auch  eben  jetzt  ist. 

Die  Wichtigkeit  einer  neuen  Bestimmung  der  Breite  des  Brockens 
erkenne  ich  gern  an.  Von  Ihrer  Idee,  dass  ich  den  Herzog  vgx  Coburg 
disponiren  möchte,  Hansen  damit  zu  beauftragen,  hatte  Schumacher 
mir  schon  gesagt.  Ich  erwiderte  ihm.  dass  mir  scheine.  Seiner  Durch- 
laucht erster  Gedanke  müsse  sein,  warum  ich  dies  nicht  selbst  thue. 
Schumacher  fand  dieses  Argument  sans  rejüique.  ^^'enigstens  liesse  sich 
keine  ostensible  repliqiie  geben. 

Hi'n.  Dr.  Schmidt  habe  ich  aufgefordert,  seine  Dimensionen  der 
Erde  mit  dem  im  Parallel  von  45^  gemessenen  Bogen  zu  vergleichen. 
Er  hat  mir  seine  Resultate  gebracht;  ich  lege  das  Blatt  bei.  welches 
ich,  da  ich  in  diesem  Augenblicke  nicht  Zeit  habe  es  abzuschi-eiben. 
mir  gelegentlich  zurück  erbitte. 


^)  Das  Datum  dieses  Briefes  ist  ungefähr  das  angegebene,  da  der  nachher  erwähnte 
Brief  Schumacher's  (No.  347  des  Briefwechsels)  ,.Dresden  1828  Juli  15"  datirt  ist,  und 
da  andererseits  Schumacher  nach  No.  328  im  Briefwechsel  Olbers-Bessel  am  26.  Juli 
in  Königsberg  angekommen  ist.  Ferner  ist  die  am  Schluss  dieses  Briefes  erwähnte 
Einladung  A.  v.  Hujiboldt's  nach  Berliu  zur  NaturforscherTersammlung  „Teplitz,  den 
18.  Juli"  datirt.     Krm. 


Gauss  au  Olbers.     [Göttingen,  1828  nach  Juli  20.]  511 

Die^)  Uebersetzung  des  Artikels  der  G.  G.  A.  über  meine  die 
krumnieu  Flächen  betreffende  Abhandlung-  rührt,  wie  mir  Schumacher 
sagte,  von  Baily  her.  Er  sagte  mir  zugleich  von  dem  Ausfall  des  p. 
l'\\voLLK  und  wünschte  etwas,  was  Baily  zur  Erwiderung  brauchen 
könne,  zu  erhalten.  Ich  sagte  ihm,  dass  es  für  einen  Geometer  bloss 
eines  Winkes  bedürfe,  um  die  Unzulänglichkeit  von  Monge's  angeblichem 
Beweise  einzusehen.  In  der  That  enthält  offenbar  der  Begriff  einer  in 
eine  Ebene  abwickeluugsfähigen  Fläche  nichts,  als  dass  jedes  Element 
der  einen  Fläche  auf  das  korrespondirende  Element  der  anderen  nach 
Grösse  und  Gestalt  passt;  darin  aber  findet  sich  noch  gar  nichts  von 
dem  Vorhandensein  von  geraden  Linien,  die  ganz  in  der  ersten  Fläche 
liegen,  und  nach  denen  sie  nur  gebrochen  werden  darf.  Dieses  Vor- 
handensein von  solchen  geraden  Linien  ist  in  allen  mir  bekannten  au- 
geblichen Beweisen,  vor  dem  meinigen,  bloss  erschlichen. 

Schumacher  hatte  mir  aber  nichts  von  der  ungezogenen  Fassung 
von  Fayolle's  Note  gesagt,  die  ich  erst  aus  Ihrer  gütigen  Mittheüung 
kennen  gelernt  habe.  Ich  werde  daher  Schumacheb,  bitten  müssen, 
dass  in  meinem  Namen  von  derselben  auf  keine  Weise  Notiz  genommen 
wird.  Es  folgt  bloss,  dass  Fayolle  und  ich  mit  dem  Namen  geometre 
und  demomtration  rigoureuse  verschiedene  Dinge  bezeichnen. 

Bei  dem  Anblick  des  Saturmm^t^  habe  ich  bloss  den  Eindi'uck 
gehabt,  dass  das  Augenmaass  wegen  des  nicht  symmetrischen  Ansehens*) 
kein  reines  Urtheil  habe.  Ich  habe  bei  meinen  trigono- 
metrischen Winkelraessungen  unzählige  Male  die  Erfahrung 
gemacht,  dass  ich  die  Bisektion  des  Fadenintervalls  bedeutend 
unrichtig  beurtheilte,  wenn  die  Symmetrie  fehlte,  bei  Helio- 
troplicht z.  B.  auf  einem  Thurm  in  massiger  Entfernung;  ich 
musste  in  solchen  Fällen  immer,  um  richtige  Messungen  zu 
machen,  das  Licht  auf  einen  Faden  bringen. 

Den  kleinen  Unterschied,  welchen  Struve's  Messungen       Fig.  27. 
geben,  muss   ich   auf  sich  beruhen  lassen,   aber  ich  glaube 
nicht,  dass  man  einen  so  kleinen  Unterschied   schon   mit   dem  Augen- 
maass ohne  Illusion  sicher  erkennen  kann. 

Ihrer  Erklärung  der  Möglichkeit  des  Zusammenhaltens  der  Kometen- 
massen ohne  Kern  sehe  ich  mit  Verlangen  entgegen. 

Darf  ich  wohl  meine  frühere  Bitte,  wenn  Ihnen  einige  Sujets  zu 
Preisfragen  beifallen,  nochmals  in  Erinnerung  bringen? 

Durch  die  Uebernahme  der  Leitung:  der  weiteren  Ausdehnung  der 


^)   Von   hier   ab   bis  zu    „bloss  erschlichen"   auch  abgedruckt  in  Gauss'  Werken 
Bd.  Till,   S.  444 — 445,  vergl.   daselbst  S.  444  Theorem  [1]    des  Nachlasses.     Krm. 
*)  wegen  des  einseitigen  Schattens  p. 


5J2  Olbers  an  Gauss.    Bremeu,  1828  August  12. 

trigonometrischen  Messungen  und  ihrer  Verarbeitung  zur  Grundlage 
der  Detailaufnahme  der  Landestheile,  wovon  noch  keine  vorhanden  ist, 
habe  ich,  wie  ich  besorge,  mir  eine  sehr  viel  grössere  Last  aufgeladen, 
als  ich  anfangs  dachte,  die  um  so  drückender  sein  möchte,  je  weniger 
ich  dabei  auf  Hülfe  rechnen  kann.  An  den  Messungen  im  Felde  werde 
ich  in  diesem  Sommer,  wenn  ich  es  vermeiden  kann,  gar  keinen  un- 
mittelbaren Antheil  nehmen.  Es  ist  nicht  ganz  unmöglich,  dass  ich 
vielleicht  im  nächsten  Sept.  auf  eine  Einladung  des  Hrn.  v.  Humboldt 
eine  Reise  nach  Berlin  mache. 


No.  632.  Olbers  an  Gauss.  [334 

Bremen,  1828  August  12. 

Ihr  Grund,  warum  Sie  glauben,  sich  nicht  wim'ütelhar  an  den 
Heezog  von  Cobüeg  wenden  zu  können,  ist  völlig  durchgreifend;  aber 
mittelbar,  durch  einen  ostensiblen  Brief  an  Hansen,  den  dieser  dann 
mit  einem  P[romemoria]  dem  Herzog  oder  der  Regirung  zu  übergeben 
hätte,  Hesse  sich  doch  vielleicht  die  Sache  machen.  Da  eben  von  einem 
Seeberger  Astronomen  die  sich  jetzt  so  anomalisch  zeigende  Polhöhe 
des  Brockens  bestimmt  worden  ist,  so  scheint  schon  deswegen  sein 
Nachfolger  auf  Seeberg  eine  Art  von  Verbindlichkeit  zu  haben,  die 
Angabe  des  Hrn.  v.  Zach  zu  bestätigen  oder  zu  berichtigen.  Man  kann 
ilm  also  ganz  wohl  dazu  auffordern.  Ihnen  selbst  ist  bei  Ihrer  be- 
schränkten Zeit,  anderweitigen  wichtigen  Geschäften  und  noch  besonders 
wegen  Ihrer  für  die  angreifenden  Beschwerden,  die  eine  neue  Polhöhen- 
Bestimmung  auf  dem  Brocken  voraussehen  lässt,  gar  nicht  geeigneten 
Konstitution,  diese  Arbeit  schlechterdings  nicht  zuzumuthen.  Hr.  Hansen 
hat  überdem  auf  Helgoland  gezeigt,  wie  geschickt  er  das  Passagen- 
Fernrohr  zur  Bestimmung  einer  Polhöhe  zu  gebrauchen  weiss,  und 
gerade  dieses  Instrument  wird  hier  zu  einer  neuen  Breiten-Beob.  am 
zweckmässigsten  sein.  Da  Hr.  Hansen  mit  allem  erforderlichen  Apparat 
versehen  ist  oder  versehen  werden  kann  (von  Altona),  so  werden  die 
Kosten  dieser  neuen  Messung  nicht  bedeutend  sein.  Vielleicht  würden 
auch  Sie  und  Schumacher  sich  erbieten  und  als  wirklich  wichtig  geltend 
zu  machen  wissen,  dass  Sie  beide  in  Göttingen  und  Altona  gleichzeitige 
Beobb.  an  denselben  Sternen  machen  wollten,  die  Hansen  auf  dem 
Brocken  zu  beobachten  wählen  wollte. 

Meine  bisherige,  vielleicht  unrichtige  Idee  von  der  Beschaffenheit 
der  Kometen,  die  ich  gern  nach  Ihrer  Belehrung  anders  modificiren 
werde,   ist  kurz  folgende.     Ich  nehme  an,  dass  der  Weltraum,  wo  er 


Olbors  ..u  *.,.u.v-.     iJremeii,  IS'28  August  12.  513 

nicht  lieissen  otler  Avanneu  Körpern  sehr  nahe  ist,  fast  absolut  kalt  sei. 
Strahlende  Wärme  kann  ihn  gar  nicht  erwärmen;  er  hat  also  in  jedem 
l^iinkt  nur  die  Wärme,  die  ihm  benachbarte  warme  Körper  nach  den 
Gesetzen  der  ^'erbreitung  nicht  strahlender  ^^'ärme  mittheilen  können. 
Diese  AVärme  nimmt  mit  dem  zunehmenden  Abstände  sehr  schnell  ab 
und  ist  selbst  bei  der  .Sonne  schon  in  einem  massigen  Abstände  sehr  kle*in. 

Den  Punkt  der  absoluten  Kälte  halte  ich  gar  nicht  so  unermesslich 
tief  unter  der  "Wärme  des  frierenden  Wassers,  als  einige  Phj'siker  an- 
nehmen. Soweit  unsere  Versuche  reichen  können,  verhält  sich  immer 
das  Volumen  einer  Masse  von  Luft  unter  gleichem  Druck  wie  ihre 
AN' arme.  Nun  dehnt  sich  dieses  Volumen  vom  Gefrierpunkt  bis  zum  Siede- 
punkt, also  für  100°  des  Centesimal-Thermometers,  in  dem  Verhältniss 
von  1 : 1,375  aus.  AA'enn  nun  auch  jenes  Gesetz,  dass  das  Volumen 
der  Luft  bei  gleichem  Druck  sich  immer  \sie  die  Wärme  verhalte,  für 
sehr  niedrige  Temperatur-Grade  nicht  in  aller  Schärfe  wahr  bleiben 
kann  (denn  das  Volumen  der  Luft  kann  bei  0°  der  absoluten  AVärme 
nicht  =  0  werden),  so  wird  doch,  wenn  man  bedenkt,  dass  die  Luft 
sich  schon  bis  auf  ^J^  ihres  Volumens  zusammenziehen  muss,  ehe  sie 
zu  einer  tropfbaren  Flüssigkeit  von  der  Dichtigkeit  des  Wassers  w^erden 
kann,  die  Abweichung  von  diesem  Gesetz  nicht  gross  sein.  Bliebe  das 
Gesetz  richtig,  so  würde  also  der  Punkt  der  absoluten  Kälte  — 266°  | 
des  Centesimal-Thermometers  sein;  und  ich  glaube  wirklich,  dass  die 
absolute  Kälte  nicht  viel  von  diesem  Grade  verschieden  ist,  wenn  sie 
auch  noch  einige  Grade  tiefer  liegen  sollte. 

Denke  ich  mir  nun  eine  Masse  von  Gas  von  massiger  Temperatur 
in  diesem  fast  absolut  kalten  Weltraum,  so  wird  sie  sich  ausdehnen; 
aber  so  wie  ihr  Volumen  wächst,  nimmt  ihre  Temperatur  ab  und  bald 
wird  die  Wärme  an  ihrer  Oberfläche  so  klein,  dass  ihre  ausdehnende 
Kraft  nicht  mehr  die  wenn  gleich  schwache  Anziehung  der  Gastheilchen 
unter  sich  überwinden  kann.  Hier  hört  also  die  Ausdehnung  des  Volu- 
mens auf,  und  so  nehme  ich  mit  Wollaston  eine  begrenzte  Atmosphäre 
der  AVeltkörper  und  auch  der  Kometen  an. 

Im  Beharrungszustand  wird  die  Dunstmasse  1)  eine  sphärische  Ge- 
stalt annehmen,  2)  im  Schwerpunkt  am  dichtesten,  aber  auch  am  w^ärm- 
sten  sein.  Vom  Mittelpunkt  bis  zur  Oberfläche  nimmt  diese  Wärme 
wahrscheinlich  nach  den  Ordinaten  einer  logarithmischen  Linie  ab. 
3)  Von  der  strahlenden  Wärme  der  Sonne  erhält  jedes  Partikelchen 
der  Dunstmasse  eine  Wärme,  die  irgend  einer  Funktion  seiner  Dichtig- 
keit und  zugleich  einer  bekannten  Funktion  seines  Abstandes  von  der 
Sonne  proportional  ist.  Da  w^ahrscheinlich  die  Wärme,  die  ein  solches 
Gaspartikelchen  von  den  Sonnenstrahlen  annehmen  kann,  nahe  im  Ver- 
hältniss seiner  Dichtigkeit  steht,  diese  Dichtigkeit  hier  aber  so  äusserst 

Olbers.    II,  2  33 


514  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1828  August  12. 

klein  ist,  so  wird  auch  der  Komet  nur  sehr  massig  von  der  Sonne  er- 
wärmt werden.  Ist  die  Summe  der  von  den  Sonnenstrahlen  in  einem 
bestimmten  Zeitraum  erhaltenen  Wärme  grösser  oder  kleiner  als  die- 
jenige, die  der  Komet  in  derselben  Zeit  nach  den  Erkaltungs-Gesetzen 
im  Weltraum  verliert,  so  wird  sich  das  Volumen  des  Kometen  im  ersten 
Fall  vergrössern,  im  andern  verkleinern  u.  s.  w. 

Auf  diese  Art  habe  ich  mir  bisher  die  Möglichkeit  gedacht,  dass 
auch  Kometen  bloss  aus  elastischem  Dunst  bestehen  könnten.  Ich  bin 
aber  allerdings  der  Meinung,  dass  viele  einen  wirklich  festen,  starren 
oder  tropfbar  flüssigen  Kern  haben,  und  völlig  mit  Ihnen  überzeugt, 
dass  die  bisherigen  Beobb.,  da  man  Fixsterne  mit  ungeschwächtem  Licht 
vermeintlich  mitten  durch  einen  Kometen  gesehen  hat,  für  nichts  be- 
weisen 

Die  Akten  über  die  angebliche  Excentricität  des  t>^)  in  seinem 
Ringe  scheinen  noch  nicht  ganz  geschlossen,  Heeschel  und  South 
haben  die  wirklichen  dunkeln  Zwischenräume,  nicht  wie  Steuve  die 
ganzen  Ansen,  zu  messen  versucht,  und  allerdings  im  Mittel  aus  35  Mes- 
sungen den  östlichen  Zwischenraum  grösser  (3",607)  als  den  westlichen 
(3",532)  gefunden.  Allein  theils  ist  dieser  Unterschied  0",075  weit 
kleiner,  als  Struve  zwischen  den  beiden  Ansen  fand,  theils  scheinen 
auch  die  Messungen  unter  sich  nicht  sehr  übereinstimmend  gewesen  zu 
sein;  zwanzig  von  diesen  35  Messungen  wurden  am  26.  Apr.  genommen, 
10  von  Heeschel  und  10  von  South,  und  gaben  die  Zwischenräume 

Westlicher        Oestlicher 
Heeschel  ....   3",612  3",442 

South 3,331  3,502 

Doch  schien  auch  Heeschel  an  diesem  Tage  der  blossen  Schätzung 
nach  der  östliche  Zwischenraum  grösser.  Es  muss  also,  wie  Sie  mit 
Recht  bemerken,  auf  diese  scheinbare  Ungleichheit  der  beiden  Zwischen- 
räume noch  etwas  anderes  Eiufluss  haben,  als  die  etwa  wirklich  vor- 
handene, da  diese  letztere  auf  alle  Fälle  zu  klein  ist.  um  mit  dem 
blossen  Augenmaass  beurtheilt  zu  werden. 

Sie  haben  mich,  lieber  Gauss,  wiederholt  aufgefordert,  Ihnen  Preis- 
fragen vorzuschlagen.  Wahrscheinlich  ist  dies  Scherz;  denn  von  mii* 
armen  Dilettanten  werden  Sie  wohl  im  Ernst  keine  zweckmässigen  Preis- 
fragen erwarten.  Indessen  mag  es  freilich  nachgerade  nicht  leicht 
sein,  eine  solche  zu  finden,  deren  Beantwortung  theils  wichtig  genug, 
anderntheils  aber  auch  nicht  gar  zu  beschwerlich  oder  wohl  gar  in 
einem  beschränkten  Zeitraum  nicht  möglich  ist.  Deswegen  hat  wohl 
die  Pariser  Akademie   statt  ihren  beiden  letzten,  nocli  immer  unbeaut- 


1)  Vergl.  Brief  No.  630  S.  509  und  die  betrefteude  Anmerkung:.     Kriu. 


Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1828  August  12.  515 

wortet  gebliebenen  Preisfragen  noch  eine  ;5.  hinzu  zu  fügen,  bloss  erklärt, 
sie  wolle  den  Preis  der  nach  ihrem  Urtheile  wichtigsten  mathemati- 
schen oder  phj'sisch-mathematischen  Abhandlung  ertheilen,  die  man  ihr 
einsenden  würde,  der  Gegenstand  möge  betreffen,  was  er  wolle.  —  Um 
Ihnen  aber  doch  meinen  Gehorsam  zu  zeigen,  setze  ich  hier  einige 
solcher  Fragen  her,  melu\  dass  Sie  dieselben  belächeln  als  gebrauchen 
sollen.  Dass  sie  Kometen-Astronomie  betreffen,  werden  Sie  schon  im 
voraus  vermuthen,  da  Sie  meine  Vorliebe  für  dieselbe  kennen. 

1)  Dieses  Jahr  wii'd  es  sich  wahrscheinlich  entscheiden,  ob  die 
Kometen  wirklich  im  Weltraum  einen  Widerstand  erleiden  oder  nicht. 
Dieser  Widerstand  rührt  vielleicht  grössten  Theils  von  dem  Stoff  des 
Thierk  reislicht  es  her,  und  dieser  Stoff"  ist  vermuthlich  nicht  in  Ruhe, 
sondern  die  Partikelchen  revolviren  nach  KEPLER'schen,  durch  ihre 
Nähe  untereinander  modificirten  Gesetzen  um  die  Sonne.  Der  Wider- 
stand muss  also  auf  rückläufige  Kometen  ganz  anders  wii'ken,  als  auf 
rechtläutige  u.  s.  w.  Es  ist  wohl  noch  zu  früh,  eine  Preisfrage  über 
die  Gesetze,  nach  denen  eine  solche  bewegte  Materie  die  Kometenbahnen 
afficiren  muss,  aufzugeben? 

2)  Können  bei  dem  ExcKE'scheu  und  auch  bei  dem  BiELA'schen 
Kometen  nicht  noch  Säkular-Gleichungen  oder  Gleichungen  von  langen 
Perioden  stattfinden,  die  die  Art,  wie  Encke  und  Damoiseau  bisher 
die  Störungen  dieser  Kometen  berechneten,  nicht  kennen  lehrte? 

3)  Schon  einmal  habe  ich  Sie  um  Belehrung  über  folgende  Frage  ^) 
gebeten.  Es  ist  erwiesen,  dass  bei  den  fast  kreisförmigen  und  nahe 
in  einer  Ebene  liegenden  Planetenbahnen  die  grossen  Axen  durch  die 
perturbirenden  Kräfte  nur  periodische  Aenderungen  erleiden.  W^enn 
dies  auch  noch  für  die  Pallas  in  aller  Schärfe  wahr  bleibt,  so  muss  es 
für  manche  Kometen  noch  mehr  oder  weniger  gelten.  Die  Frage,  in- 
wiefern sich  dieses  Gesetz  auch  auf  Kometen  anwenden  lässt,  und  unter 
welchen  Umständen  sich  ihre  Bahnen  demselben  ganz  entziehen,  scheint 
mir  sehr  interessant. 

Eine  Reise  mit  Ihnen,  mein  geliebtester  Freund,  oder  zu  Ihnen  nach 
Berlin,  wo  ich  zugleich  nicht  nur  Hrn.  v.  Humboldt,  sondern  auch 
mir  sehi'  nahe  und  sehr  liebe  Verwandte  sehen  könnte,  hat  allerdings 
einen  sehr  grossen  Reiz  für  mich.  Aber  leider  muss  ich  auf  alles 
Reisen  in  dieser  sublunarischen  Welt  Verzicht  thun.  und  habe  nur 
noch  die  grosse  Reise  aus  derselben  vor  mir.  A\'undern  Sie  sich  in- 
zwischen nicht,  wenn  Sie  etwa  zufällig  hören  sollten,  dass  ich  auf  dem 


^)  Im  Brief  Xo.  626  S.  499.  Die  gleiche  Frage  hatte  Olbers  auch  im  Brief 
No.  327  V.  6.  Mai  1828  an  Bessel  gestellt  und  von  letzterem  Autwort  darauf  im 
Brief  Xo.  328  v.  28.  Aug.  1828  erhalten.     Krm. 

33* 


52ß  Gauss  an  Olbers.    Göttingen,  1829  Januar  31. 

grossen  Ocean  herumschwimme.  Man  hat  mir  nämlich  die  Ehre  erzeigt, 
das  grösste  Schiff,  das  je  von  Bremen  gefahren  hat,  mit  meinem  Namen 
zu  belegen,  und  nächstens  wird  der  Olbers  wahrscheinlich  gegen 
1000  deutsche  Auswanderer  auf  einmal  nach  Brasilien  bringen. 

Ihnen  aber,  lieber  Gauss,  kann  ich  nicht  anders  als  recht  sehr  zu 
dieser  Reise  nach  Berlin  rathen.  Sie  wird  für  Ihre  Gesundheit  vor- 
theilhaft  sein,  und  Ihnen  gewiss  viel  Vergnügen  gewähren,  zugleich 
halte  ich  sie  auch  für  die  Wissenschaft  nützlich.  Sie  werden  gewiss 
über  vieles  zu  Eathe  gezogen  werden  und  manche  guten  Zwecke  und 
Einrichtungen  befördern  und  veranlassen  können.  Wenn  Sie  dieses 
Jahr  zu  dieser  Reise  frei  und  im  Stande  sind,  so  schieben  Sie  sie  nicht 
auf]  wer  weiss,  was  sich  in  einem  andern  Jahre  an  Hindernissen 
finden  kann. 

An  den  Stellen,  wo  der  Komet  von  Encke^)  am  3.  und  8.  Aug. 
stehen  musste,  war  mit  meinen  alten  Augen  durch  meinen  grossen 
Fraunhofer,  dem  ich  absichtlich  eine  geringe  Vergrösserung  gegeben 
hatte,  durchaus  noch  nichts  zu  sehen.  Dies  muss  natürlich  noch  an  der 
schwachen  Erleuchtung  liegen,  die  ihn  noch  gar  nicht  vom  Himmels- 
grunde unterscheiden  lässt;  denn  sein  scheinbarer  Durchmesser  ist  schon 
gross  genug. 

Das  interessante  Blatt  von  Hrn.  Dr.  Schlmidt,  die  Berechnung  des 
im  Parallel  von  45°  gemessenen  Bogens  enthaltend,  soll  nächstens  mit 
herzlichstem  Dank  zurück  erfolgen.  Im  neuesten  August-Heft  des  Philos. 
Magaz.  hat  man  (Bailt?)  angefangen,  Ihre  Kopenhagener  Preisschrift 
aus  dem  3.  Heft  der  von  Schumacher  herausgegebenen  Astronomischen 
Abhandlungen  zu  übersetzen. 


No.  633.  Gauss  an  Olbers.  [299 

Göttingen,  1829  Januar  31. 

Es  ist  sehr  lange  [her],  dass  ich  keine  direkten  Nachrichten  von  Hinen 
erhalten  habe;  um  so  melu'  sehne  ich  mich  darnach  und  fühle  niiih 
gedrungen,  mich  einmal  in  Ihr  Andenken  zurückzurufen.  Von  meinem 
ältesten  Sohn,  der  im  Okt.  die  Freude  hatte,  Sie  in  Bremen  zu  sehen. 
und  später  von  dem  General  Haktmann  habe  ich  gehört,  dass  Sie  sich 
wohl  befanden. 

Ich  meines  Theils  bin  seit  lauger  Zeit  immer  so  beschäftigt  ge- 
wesen, dass  ich  fast  nie  Herr  meiner  Zeit  gewesen  bin.     Im  Sonnner 


*)  Bei  seiner  dritten  vorausberechneten  Wiederkehr.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Güttincfen,  1829  Januar  31.  517 

erforderte  die  Leituno;  der  Messungen  eine  fast  tägliche  weitläufige 
Korrespondenz;  seit  meiner  Rückkehr  von  Berlin  kostete  die  \er- 
arbeitung  jener  Messungen  einen  Zeitaufwand  von  2 — 3  Monaten,  da  ich 
dabei  jeder  Hülfe  entbehrte.  Ausserdem  bin  ich  zum  Mitgliede  einer 
niedergesetzten  Kommission  zur  Ixegulirung  unseres  Maasswesens  er- 
nannt, und  obgleich  in  dieser  Angelegenheit  bisher  noch  nichts  ge- 
schehen ist,  als  dass  ich  mich  etwas  mit  den  weitläufigen  Akten  be- 
kannt gemacht  habe,  so  ist  doch  schon  dazu  viele  Zeit  erforderlich 
gewesen.  Wenn  ich  nun  noch  hinzusetze,  dass  ich  in  diesem  Winter 
zwei  Kollegien  zu  halten  habe,  und  dass  ich  im  Herbst  in  den  durch 
Bouterweck's  Tod  erledigten  Platz  in  der  Fakultät  und  im  Senat  ein- 
getreten bin,  woraus  auch  mitunter  Geschäfte  hervoigehen,  so  werden 
Sie  es  leicht  begreiflich  finden,  dass  ich  für  eigentlich  wissenschaftliche 
Arbeiten  seit  geraumer  Zeit  auch  nicht  die  geringste  Müsse  gehabt  habe. 

Erst  seit  ein  paar  Wochen  habe  ich  au  dergleichen  einmal  wieder 
etwas  denken  können.  Ich  bin  dabei  auf  die  Theorie  der  Kapillaraktion  ^) 
zurückgekommen,  zu  deren  Behandlung  aus  einem  neuen  Gesichtspunkte 
sich  mir  schon  vor  mehreren  Jahren  eigenthümliche  Ideen  dargeboten 
hatten.  Die  Theorie  scheint  mir  dadurch  an  Einfachheit  bedeutend  zu 
gewinnen  und  die  Mangelhaftigkeit  der  La  PLACE'schen  Theorie  ge- 
hoben zu  werden.  Letztere  ist  uns  den  Beweis  des  Hauptsatzes,  dass 
der  Berührungswinkel  der  Flüssigkeit  an  der  Wand  des  Gefässes  kon- 
staut [ist],  d.  i.  bloss  von  dem  Verhältnisse  der  Anziehungskraft,  die  die 
Theile  des  Gefässes  auf  die  Flüssigkeit  ausüben,  zu  der  Anziehungs- 
kraft der  ersteren  gegen  einander  abhängt,  schuldig  geblieben. 

Von  der  erwähnten  Eigenschaft  habe  ich  schon  seit  Jahr  und  Tag 
einen  Gebrauch  in  der  praktischen  Astronomie  gemacht.  Sie  wissen, 
dass  ich  schon  seit  mehreren  Jahren  den  Nullpunkt  des  Meridiankreises 
durch  Einrichten  auf  das  Nadir  bestimme,  wo  das  Bild  des  Fadennetzes 
von  einer  Quecksilberfläche  reflektirt  gesehen  wird.  Ist  hier  das  Gefäss 
kleiner  als  das  Objektiv,  so  geht  offenbar  ein  Theil  des  Lichts  schon 
deshalb  verloren,  allein  ein  noch  grösserer  Theil  dadurch,  dass  vermöge 
der  Kapillaraktion  das  Quecksilber  selbst  in  einer  bedeutenden  Ent- 
fernung vom  Eande  merklich  von  der  Plangestalt  abweicht  (Fig.  28,  1 
auf  S.  518).  Ich  vermeide  dies,  indem  ich  mich  eines  Gefässes  bediene, 
dessen  innere  Fläche  ich  habe  oben  konisch,  nach  oben  zu  sich  verengend, 
ausdrehen  lassen,  ungefähr  unter  einem  Winkel  von  45°. 

In  diesem  Gefäss  ist  die  Oberfläche  des  Quecksilbers  ohne  die 
geringste  merkliche  Konvexität.     Man  könnte  von  dieser  Idee  auch  in 


^)   Vergl.    auch   Brief    No.  163    vom    27.   Jan.    1829    im    Briefwechsel    Gacss- 
Bessel.     Krm. 


518 


Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1829  Januar  31. 


manclien  anderen  Fällen  vortheilhaften  Gebrauch  machen.  Man  kann 
übrigens  jenen  Zweck  auch  ziemlich  erreichen,  wenn  man  das  Queck- 
silber in  eine  sehr  flache  goldene  Schale  schüttet,  oder  in  eine  andere 
anquickungsfähige. 


zj 


Quecksilber  /j 


Fig-.  28. 


Bei  Gelegenheit  jener  Untersuchungen,  die  nicht  wohl  einen  Aus- 
zug hier  zulassen,  bin  ich  neulich  auf  ein  neues  mechanisches  Grund- 
prinzip gekommen,  welches  ich  Ihnen  doch  anzeigen  will.  Bekanntlich 
verwandelt  zwar  schon  das  Princip  der  virtuellen  Geschwindigkeiten 
die  ganze  Statik  in  eine  mathematische  Aufgabe,  und  durch  d'Alembert's 
Princip  für  die  Mechanik  ist  diese  wieder  auf  die  Statik  zurückgeführt. 
Es  liegt  daher  in  der  Natur  der  Sache,  dass  es  kein  neues  Grundprincip 
geben  Imnn^  das  nicht  der  Materie  nach  in  jenen  beiden  enthalten  und 
aus  ihnen  abzuleiten  wäre.  Inzwischen  scheint  mir  doch  durch  diesen 
Umstand  nicht  jedes  neue  Grundprincip  werthlos  zu  werden.  Das 
Princip  der  virtuellen  Geschwindigkeiten  ist  allerdings  unschätzbar, 
allein  mir  däucht,  es  hat  das  Eigenthümliche,  dass  es  sich  den  Beifall 
erst  bei  näherer  Bekanntschaft  erwirbt,  und  dass  es  jedem,  wenn  er  es 
zum  ersten  Mal  kennen  lernt,  den  Eindruck  von  Verwunderung  macht, 
dass  die  Natur  sich  ein  Gesetz  aufgelegt  hat,  an  dem  man  sein  Kreditiv 
gewiss  nicht  gleich  erkennt.  Zweitens  ist  es  zwar  allerdings  dem  natür- 
lichen historischen  Gange  der  Ausbildung  der  AVissenschaft  selbst  und 
der  Ausbildung  des  Individuums  (Anfängers)  ganz  angemessen,  dass  die 
Statik  der  Mechanik  vorangehe,  und  diese  auf  jene  begründet  werde; 
aber  aus  einem  höheren  Standpunkte  betrachtet  sollte  es,  meine  ich, 
doch  gerade  umgekehrt  sein,  indem  die  Statik  nichts  ist  als  ein  ganz 
specieller  Fall  der  Mechanik. 

Ich  finde  nun,  dass  alles  sich  in  ein  höchst  einfaches  Gesetz*)  zu- 


^)  Vergl.  zu  dem  von  Gauss  aufgestellten  Priucip  des  kleinsten  Zwanges  Crellk":; 
Journal  Bd.  IV,  Gauss'  Werke  Bd.  V,  S.  23—28.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.    Güttingeu,  1S29  Januar  31.  519 

sammenfasseii  lässt,  oder  wenn  Sie  lieber  wollen  in  zwei,  indem  ich  ein 
triviales  vorausscliicke : 

1)  Die  Beweg^ung-  eines  freien  materiellen  Punktes  in  jedem  un- 
endlich kleinen  Zeittheilchen  ist  aus  den  einzelnen  Bewegung-en.  die  er 
theils  infolge  der  Trägheit  nach  seiner  im  Anfang  des  Zeittheilchens 
stattfindenden  Geschwindigkeit  und  Richtung,  theils  infolge  der  ein- 
zelnen auf  ihn  einwirkenden  Kräfte  haben  wird,  zusammengesetzt. 

2)  Wenn  die  Bewegung  eines  Systems  von  materiellen  Punkten 
nicht  frei,  sondern  durch  gegenseitige  Relationen  oder  durch  äussere 
Hindernisse  beschränkt  ist,  so  liegen  die  Plätze,  wo  sie  nach  einem  un- 
endlich kleinen  Zeittheilchen  wirklich  sich  befinden,  denen,  wo  sie  [sich] 
infolge  einer  freien  Bewegung  befinden  müssten,  so  nahe  ivie  möglich. 
Dies  so  nahe  wie  möglich  ist  gerade  ebenso  zu  verstehen,  wie  bei  der 
Darstellung  von  Erfahrungen  die  zufälligen  Fehler  involviren.  Nämlich: 
Es  seien  m,  m',  m"  u.  s.  w.  die  materiellen  Punkte;  p^j^'iP"  '^-  s-  w.  die 
Plätze  des  Raumes,  wo  sie  zu  Anfang  eines  unendlich  kleinen  Zeit- 
raums sich  befinden;  q,  q',  q"  u.  s.  w.  die  Plätze,  wo  sie  sich  am  Ende 
des  Zeitraums  befinden  würden,  falls  sie  sich  alle  frei  bewegen  könnten; 
r,  /,  r"  u.  s.  w.  die  Plätze,  wo  sie  sich  am  Ende  des  Zeitraums  wirk- 
lich befinden;  JS,  jK',  B"  u.  s.  w.  indefinite  Plätze,  wo  sie  sich  unbeschadet 
der  beschränkenden  Bedingungen  gleichzeitig  befinden  können,  so  dass 
Pi  P\  P"  u-  S-  w.  wie  auch  r,  r,  r"  u.  s.  w.  sich  unter  dem  allgemeinen 
R,  R',  R"  U.S.W,  befinden,  nicht  aber  q,  q',  q"  u.  s.  w.;  dann  ist  das 
Aggregat 

m  {qrf  +  m'  {qr^  +  m"  {q"ry  +  u.  s.  w. 

•ein  Minimum,  d.  i.  das  kleinste  aus  allen 

m  {qRf  H-  m'  (q'R'f  +  m"  iq"R"f  u.  s.  w. 

Dieser  vollkommene  Parallelismus  zwischen  den  Auswegen,  welche 
einerseits  die  Natur  und  andererseits  der  rechnende  Geometer  —  jedes 
bei  seinem  eigenthümlichen  Geschäft  —  in  Kollisionsfällen  einschlagen, 
hat  mir  viel  Vergnügen  gemacht.  Es  bedarf  keiner  Bemerkung,  dass 
im  Fall  des  Gleichgewichts 

m  {qpY  +  m'  {q'p'Y  +  m"  {(^'x)"y  u.  s.  w. 

selbst  das  Minimum  ist. 

Die  im  Nov.  v.  J.  von  hiesiger  Societät  aufgegebene  Preisfrage  ist 
von  Haeding.  Allerdings  war  an  ihm  die  Reihe;  allein  so  wie  er  seit 
seiner  Aufnahme  in  die  Societät  sich  nie  als  Mitglied  gerirt  hat,  so 
war  er  auch,  so  oft  sonst  die  Reihe,  Preisfragen  vorzuschlagen,  an  ihm 
gewesen  wäre,  von  der  Zumuthung  frei  geblieben.  Allein  diesmal  be- 
stand  Blümekbach  darauf,    und   da  Haeding  sich  dadurch  in   grosse 


520  Olbers  au  Gauss.     Bremen,  1829  März  3. 

Verlegenheit  gesetzt  fand  und  mich  dringend  bat,  ihm  Fragen  anzugeben, 
so  habe  ich  ihm  bloss  solche  an  die  Hand  geben  können,  die  von  seinen 
eigenen  Beschäftigungen  nicht  zu  entfernt  zu  liegen  schienen.  Auch 
hat  er  das  Verdienst  der  Einkleidung  ganz  allein.  Es  ist  mir  jetzt 
lieb,  dass  es  so  gekommen  ist;  wäre  es  mir  wieder  zugeschoben,  so 
hätte  ich  unter  anderen  gerade  die  Fragen  die  Kapillaraktion  betreffend 
mit  vorgeschlagen,  zu  deren  eigener  Bearbeitung  ich  nun  freie  Hände 
behalten  habe.  Die  Reihe  des  Aufgebens  wird  nun  erst  1831  an  mich 
kommen,  wenn  ich  nicht  früher  dahin  abberufen  werde,  wo  höhere 
Fragen  gelöst  werden. 

Mein  fast  dreiwöchentlicher  Aufenthalt  in  Berlin  hat  mir  in 
jeder  Beziehung  vielfachen  Genuss  gewährt.  Ich  finde  das  Leben  in 
Berlin  sehr  angenehm  und  meine  Vorstellungen  in  mancher  Hinsicht 
berichtigt.  Weiteres  verspare  ich  auf  eine  mündliche  Unterhaltung,  in- 
dem ich  die  Hoffnung  nicht  aufgebe,  Sie,  mein  theuerster  Olbees,  viel- 
leicht im  nächsten  Sommer  einmal  in  Bremen  zu  sehen.  Allgemein 
war  das  Bedauern,  dass  Sie  sich  nicht  auch  zu  dieser  Reise  ent- 
schlossen hatten. 

Mein  zweiter  Sohn  wird  nächste  Ostern  hier  seine  Studien  anfangen, 
und  mein  jüngster  sich  der  Landwirthschaft  widmen.  Beide  machen 
mir  manche  Sorge. 

Vom  Himmel  habe  ich  seit  langer  Zeit  wenig  gesehen.  Mit  Mühe 
habe  ich  lange  nach  der  Opposition  ein  paar  Ceresbeobb.^)  bei  14°  Kälte 
erhascht.  —  Die  grosse  Kälte  hat  einen  starken  Einfluss  auf  den  Gang 
der  sonst  unvergleichlichen  HARDY'schen  Uhr  gezeigt.  Den  ENCKE'schen 
Kometen  habe  ich  nur  ein  paar  Mal  gesehen,  da  ich  keine  Hülfsmittel 
habe  zu  Beobb.,  die  sich  mit  den  Dorpatscheu  vergleichen  könnten. 
Der  zweite  Refraktor  in  München,  das  Gegenstück  zu  dem  Dorpatschen. 
wird  für  Berlin  angekauft  werden,  oder  vielleicht  jetzt  schon  sein. 
Doch  wissen  Sie  darüber  und  die  Aussichten  zu  einer  neuen  Sternwarte 
in  Berlin  wohl  schon  mehr  durch  unseren  Freund  Encke  selbst. 


No.  634.  Olbers  aii  Gauss.  fsss 

Bremen,  1820  ^lärz  3. 

Ihr  lieber  Brief  liat  mir  eine  um  so  grössere  Freude  gemacht,  da 
ich  so  lange,  so  sehr  lange,  in  mehr  als  5  ^Monaten,  nichts  Schriftliches 
von   Ihnen   erhalten   hatte.     Inzwischen  schrieb  ich  dieses  lauge  Still- 


1)  A.  N.  Bd.  VII,  S.  329,  Gauss'  Werke  Bd.  VI,  S.  -i&l.     Krm. 


Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1829  März  3.  521 

schweigen  nicht  einer  Abnahme  Ihrer  Freundschaft  oder  Ihrer  gütigen 
Gesinnungen  gegen  mich,  sondern  —  und  wie  ich  nun  aus  Ihrem 
iSchreiben  sehe,  mit  Recht  —  Ihren  vielen  wichtigen  Geschäften  zu. 
Kben  diese  Ueberzeugung,  dass  nur  Zeitmangel  Sie  verhindert  habe, 
mich  mit  einigen  Zeilen  zu  beglücken  —  Sie  wissen,  dass  jeder  Brief 
von  Ihnen  für  mich  ein  wahres  Fest  ist  — ,  hielt  mich  ab,  diese  Ihnen 
so  kostbare  Zeit  durch  meine  unbedeutenden  Zuschriften  noch  mehr  zu 
beengen,  besonders  da  ich  Ihnen  nichts  zu  schreiben  hatte,  was  Sie 
auch  nur  einigermaassen  hätte  interessiren  können. 

Sehr  verbunden  bin  ich  Dinen  für  die  höchst  interessanten  Be- 
lehrungen über  die  Kapillaraktion  und  über  das  neue,  so  äusserst  merk- 
würdige mechanische  Grundprincip.  Ich  zweifle  nicht,  dass  letzteres 
bei  Auflösung  schwieriger  und  verwickelter  mechanischer  Aufgaben  vor- 
treffliche Dienste  leisten  wird. 

Die  photometrische  Preisfrage  der  Societät  war  mir  sehr  angenehm, 
und  ich  wünsche  nur,  dass  sie  recht  würdige  und  erschöpfende  Beant- 
wortungen hervorrufen  möge.  Ich  habe  mich  vordem  eine  Zeit  lang 
mit  dem  Gegenstande  derselben  beschäftigt  und  besitze  auch  noch  ein 
gut  gearbeitetes,  meinem  Dollond  angepasstes  KönLER'sches  Photometer, 
wo  die  Diagonale  durch  Schrauben  mit  feinen  Gängen  gemessen  wird, 
indem  jeder  Umgang  wieder  in  60  Theile  getheilt  ist.  Allein  die  Ge- 
nauigkeit des  Instruments  war  mir  doch  nicht  genügend,  w^eil  hier  die 
Lichtstärke  immer  wie  das  Quadrat  der  gemessenen  Linie  sich  verhält, 
und  immer  andere  Theile  des  Objektivs  von  anderer  Dicke  bei  Ver- 
grösserung  der  quadratischen  Oeffnung  dem  Lichte  den  Zugang  ge- 
währen. Leicht  verfiel  ich  auf  die  Konstruktion  eines  anderen  Photo- 
meters, wo  die  Lichtmengen  den  Sektoren  des  Objektiv- Glases  proportional 
sind.  Hier  sind  alle  Sektoren  in  Ansehung  der  Dicken  des  Objektiv- 
GLises  einander  völlig  ähnlich,  und  die  Lichtmengen  verhalten  sich 
einfacli  wie  die  Kreisbögen,  die  die  Sektoren  begrenzen.  Diese  Bogen 
können  durch  Verniers  bis  auf  6  oder  wenigstens  10  Minuten  gemessen 
werden.  ]\Ian  muss  alsdann  dieses  Photometer  mit  Dämpfgiäsern  von  ver- 
schiedener Dunkelheit  verbinden,  deren  relative  Lichtschwächung  eben 
durch  das  Photometer  gemessen  w'erden  kann,  um  für  grössere  Sterne 
oder  hellere  Objekte  einen  um  so  grösseren  Bogen  für  den  Sektor  zu 
erhalten.  Die  Auswahl  eines  oder  mehrerer  unter  sich  genau  zu  ver- 
gleichender Standard-Sterne  wird  nicht  wenig  schwierig  sein,  weil  man 
gewiss  sein  muss,  dass  diese  Vergleich-Sterne  selbst  keinen  bedeutenden 
Lichtwandel  haben,  wovon  wohl  nur  sehr  w^enig  Sterne  völlig  frei  sein 
mögen.  Jedesmal,  w^enn  man  die  Lichtstärke  eines  noch  nicht  gemesse- 
nen Sterns  bestimmen  will,  muss  man  auch  einen  Stern  von  schon  be- 
kannter Lichtstärke  mit  beobachten,  weil  die  Heiterkeit  der  Luft  sehr 


522  Olbers  an  Granss.    Bremen,  1329  März  3. 

verschieden  sein  kann.  Auf  die  verschiedene  Höhe  der  Sterne  ist  ge- 
hörig Kücksicht  zn  nehmen,  nnd  über  die  Schwächung  des  Lichts,  die 
es  nach  dieser  vei*schiedenen  Höhe  bei  dem  Durchgang  durch  unsere 
Atmosphäre  erleidet,  Eechnung  zu  tragen  u.  s.  w.  Sie  sehen,  dass  ich 
meinen  Beobachtungsplan  schon  ganz  fertig  hatte.  Aber  tinser  einziger 
hiesiger  Mechanikus  Keaut  war  immer  anderweitig  oder  mit  seinen 
vielen  eigenen  zum  Theü  windigen  Projekten  so  sehr  beschäftigt,  dass  er 
nie  zur  Ausfühning  der  ihm  aufgetragenen  Maschine  kommen  konnte. 
So  habe  ich  diesen  Gegenstand  aus  den  Augen  verloren.  Ich  verspreche 
mir  sonst  von  solchen  richtig  geführten  photometrischen  Untersuchungen 
noch  recht  \iele  Aufklärung  über  den  Weltbau  überhaupt,  und  besonders 
den  des  Fixstern-Himmels. 

Dass  Sie  unserem  Haedln'g  das  Verdienst  der  Einkleidung  der  Frage 
nicht  schmälern  wollen,  kann  ich  Ihnen  nicht  verdenken.  Auch  halte 
ich  es  nach  dem,  was  ich  von  Berlin  —  nicht  durch  Escke  —  gehört 
habe,  für  sehr  wahrscheinlich,  dass  Sie  1831  in  Göttingen  ^}  keine  Preis- 
fragen mehr  aufgeben  werden.  ;^Iit  der  grössten  Freude  aber  acceptire 
ich  Ihr  gütiges  Versprechen,  mich  diesen  Sommer  mit  einem  Besuche 
beglücken  zu  woUen,  imd  halte  Sie  heim  Wort.  Bis  dahin,  oder  bis  zur 
Entscheidung  dieser  Angelegenheit  will  ich  denn  auch  gern  meine  Neu- 
gierde zügeln.  Möge  sich  alles  so  fügen,  wie  Sie  es  wünschen.  —  Dass 
man  in  Hannover  gleich  bei  Ihrer  Eeise  nach  Berlin  schon  fürchtete, 
Sie  bei  dieser  Gelegenheit  für  Göttingen  zu  verlieren,  habe  ich  schon 
damals  aus  einer  Unterredung  mit  einem  angesehenen  Hannoverschen 
Staatsbeamten  vernommen. 

Bei  dem  ENCKE'schen  Kometen^)  ist  mir  die  Witterung  sehr  hin- 
derlich gewesen,  die  nur  selten  einen  einigermaassen  und  fast  nie  einen 
ganz  heiteren  Himmel  gewährte.  Ich  wünschte  sehi\  seinen  diesmaligen 
Anblick  mit  meinen  Erinnerungen  von  1795  und  1805  zu  vergleichen. 
Ich  habe  auch  diesmal  durchaus  nichts  in  ihm  sehen  können,  was  einem 
kleinen  festen  oder  tropfbaren  Kern  ähnlich  war.  oder  einen  solchen 
möglicher  "Weise  einschliessen  konnte.  Die  merkwüi'dige,  sehr  auffaUeude 
Verkleinerung  seiner  scheinbaren  Grösse  bei  gleichem  oder  selbst  ge- 
ringerem Abstand  von  der  Erde,  so  "wie  er  sich  der  Sonne  näherte,  setzte 
auch  mich  Anfangs  in  Verwunderung,  weil  man  erwarten  miisste.  die 
Einwirkung  der  näheren  Sonne  werde  ihn  noch  mehr  aufblähen;  allein 


^)  Durch  A.  V.  Hoiboldt  waren  1327  die  Unterhandlungen  wieder  an:ge- 
nommen  worden,  um  Gauss  für  Berlin  zn  gewinnen.  Die  darauf  bezüglichen  Steiles 
ans  den  Briefen  Gauss',  Hoiboldt's,  Schxjmacher's  und  Olbers'  sind  im  Anhang  ab- 
gedruckt.    Krm. 

*)  Vergl.  auch  Olbers  Bd.  I.  No.  114—117  und  Brief  No.  330  vom  4.  Mai  1829 
im  Briefwechsel  Olbehs-Bessel.     Krm. 


I 


Olbers  au  Gauss.     Bremen,  1829  März  3.  523 

wahrscheinlich  <»esohah  dies  wii'klich,  iiiul  eben  die  grössere  Ausdehnnng- 
machte  den  vorher  schon  so  schwer  zu  erkennenden  dünneren  Theil 
der  üunstmasse  völlig  unsichtbar.  Aber  die  nicht  von  mir,  sondern 
von  Struve  bemerkte  Excentricität  des  helleren  Theils  dieser  Dunst- 
masse, ohne  dass  die  Lage  der  Apsidenlinie,  wenn  ich  die  durch  die 
beiden  Mittelpunkte  des  Ganzen  und  des  helleren  Theils  gezogene 
Linie  so  nennen  darf,  irgend  eine  Beziehung  auf  die  Sonne  zu  haben 
schien,  weiss  ich  mir  durchaus  nicht  zu  erklären,  und  sehr  gern  möchte 
ich  Ihre  Ansicht  darüber  wissen. 

Sie  werden  wohl  erst  die  Beendigung  der  neuen  Messungen  ab- 
warten, ehe  Sie  Ihr  Werk  über  die  Gradmessung  vollenden?  Werden 
diese  neuen  Messungen  auch  einen  neuen  Anschluss  an  die  Tranchot'- 
>chen  oder  KEATENHOFF'schen  Dreiecke  gewähren? 

Ich  wünschte  sehr,  dass  die  Regulirung  des  Hannoverschen  Maass- 
wesens so  ausfallen  möge,  dass  auch  unser  kleiner  Freistaat  dasselbe 
bei  sich  einführen  und  sich  ganz  dem  Hannoverschen  anschliessen  könne. 
Dass  unter  Ihrer  Leitung  das  Hannoversche  Maassystem  ganz  vor- 
trefflich regulirt  werden  wird,  versteht  sich  von  selbst;  aber  etwas 
schwierig  dürfte  die  Einführung  bei  uns  doch  werden,  wenn  die  zu 
Grunde  gelegten  Einheiten  sich  zu  weit  von  denen,  die  jetzt  bei  uns 
im  Gebrauch  sind,  entfernten.  —  Möchte  doch  ganz  Deutschland,  we- 
nigstens der  nördliche  Theil  desselben  sich  über  ein  gemeinschaftliches 
Maassystem  vereinigen! 

Was  mich  selbst  betrifft,  so  befinde  ich  mich  in  meinem  71.  Jahre 
ganz  erträglich.  Meine  Sinne,  Gehör  und  Gesicht,  nehmen  nur  wenig 
ab;  nur  mit  dem  Gehen  will  es  nicht  mehr,  und  ich  verlasse  meine 
Wohnung  jetzt  selten  anders  als  im  Wagen.  Nur  über  den  gewöhn- 
lichen und  unabwendbaren  Fluch  des  Alters  habe  ich  zu  klagen,  die- 
jenigen, die  mir  im  Leben  so  lieb  und  w^erth  waren,  nach  und  nach 
vor  mir  hinsterben  zu  sehen.  Auch  im  vorigen  Jahre  habe  ich  einige 
höchst  schmerzhafte  Verluste  der  Art  gehabt,  und  so  fühle  ich  mich 
immer  einsamer  und  isolirter  in  der  Welt.  Denn  der  Greis  kann  sich 
nicht  wieder  an  neue  Gefährten  anschliessen. 

Leben  Sie  wohl,  mein  allertheuerster  Freund,  und  lassen  Sie  mich 
bald,  recht  bald  wieder  etwas  von  sich  hören. 


524  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1829  Oktober  6. 


No.  635.  Olbers  an  Gauss/)  [sse 

Bremen,  1829  Oktober  6. 

Vergebens  habe  ich  diesen  Sommer  liindurch  auf  die  Erfüllung 
Ihres  mir  halb  und  halb  gegebenen  gütigen  Versprechens,  mich  mit 
einem  Besuche  zu  erfreuen,  gehofft,  und  nun,  da  der  Okt.  schon  ein- 
getreten ist,  darf  ich  wohl  nicht  mehr  auf  dieser  Hoffnung  beharren. 
Längst  hätte  ich  Sie  indessen  schon  deswegen  erinnert  und  gemahnt, 
wenn  nicht  von  der  Mitte  des  Aug.  an  bis  vor  wenigen  Tagen  meine 
Schwester,  die  Käthin  Metee,  mit  ihrem  Sohne  bei  mir  gewesen  wäre, 
während  welcher  Zeit  ich  Ihnen  kein  Quartier  in  meiner  Wohnung 
anbieten  konnte.  Jetzt  aber  bin  ich  wieder  frei  und  würde  mich  un- 
endlich freuen,  Sie  hier  wiederzusehen  und  umarmen  zu  können. 

Ueberhaupt  sind  meine  Erwartungen  diesen  Sommer  unangenehm 
getäuscht  worden.  Benzenbeeg  hatte  mii'  seinen  Besuch  versprochen; 
allein  das  kalte  regnerische  Wetter  hat  ihn  zurückgehalten.  Lindenau 
hatte  sich  durch  Bürgermeister  Smidt  bei  mir  ankündigen  lassen,  ist 
aber  ausgeblieben.  Bloss  meinen  alten  Freund,  den  Prof.  Brandes  aus 
Leipzig,  habe  ich  auf  einige  Stunden,  und  den  Direktor  Quetelet 
aus  Brüssel,  den  mir  Schumacher  und  Eepsold  zuführten,  auf  einen 
Tag  zu  sehen  das  Vergnügen  gehabt.  Sie  werden  das  liebenswürdige 
Paar,  Quetelet  und  seine  Frau,  auch  in  Göttiugen  kennen  zu  lernen 
Gelegenheit  gehabt  haben. 

Am  26.  Sept.  um  IP'  53"^  wahre  Zeit  Abends  ist  hier  eine  Feuer- 
kugel,^) der  Augenzeugen  die  Grösse  einer  9  pfundigen  Kanonenkugel 
zuschreiben,  in  perpendikulärer  Richtung  vom  Zenith  auf  «  Aquilae 
herunterfahrend  und  ein  wenig  über  diesen  Stern  erlöschend,  nicht  zer- 
springend, gesehen  worden,  deren  Schweif  über  6™  sichtbar  blieb. 
^^'enige  Sekunden  nach  ihrem  Verlöschen  trat  ich  auf  mein  Observations- 
Zimmer  und  sah  a  Äqiälae  als  einen  schönen  Kometen  mit  einem  selir 
hellen  gerade  aufwärts  gerichteten  Schweif.  Dieser  sehr  helle  Schweif. 
Anfangs  fast  gerade,  nach  und  nach  sich  immer  mehr  krümmend  und 
schlängelnd,  reichte  nicht  ganz  bis  a  Aquilae,  sondern  verlor  sich  nach 
und  nach  bei  99.  Die  Axe  desselben  ging  mitten  zwischen  g  Aquilae 
und  y  ■  z  Sag ittae  hmäwrch,  er  war  hier  fast  am  hellsten,  und  hörte  ober- 
wärts  mehr  stumpf  abgeschnitten  auf.  Nachgerade  schien  er  sich  mehr 
aufwärts  zu  ziehen,  unten  zu  verkürzen  und  sich  den  Sternen  des  Pfeils 


^)   Zu   dem   Inhalte   dieses   Briefes   vergl.  aucli   Brief  No.  382   im   Briefwechsel 
Olueus-Bessel.     Krm. 

«)  Vergi.  Olbeus  Bd.  I  No.  159—160,  S.  553—557.     Krm. 


I 


Gauss  an  Olbers.    Güttingen,  1829  Oktober  12.  525 

etwas  zu  nälieiii.  —  Ich  wünschte  sehr,  dass  diese  Erscheinunc^  auch 
anderwärts  beobachtet  sein  möge,  wo  sich  denn  die  relative  Bahn  dieses 
Feuermeteors  gegen  die  Erde  sehr  genau  würde  bestimmen  lassen. 
Hier  war  es  das  heiterste  Wetter.  Ist  auf  Ihrer  Sternwarte  oder  in 
Ihren  Umgebungen  nichts  davon  gesehen  Avorden? 

Ich  werde  nun,  ^^■enn  es  die  Witterung  nur  zulässt,  sehr  aufmerk- 
sam auf  die  Bedeckungen  des  Aldeharan  sein.  Ich  hoffe,  die  Ursache 
der  besonderen  Erscheinung,  dass  sich  dieser  Stern  bei  seinen  Ein-  und 
Austritten  so  oft  auf  der  Mondscheibe  selbst  zeigt,  wird  sich  in  Kurzem 
ausmitteln  lassen.  Ich  bin  noch  immer  geneigt,  diese  Ursache  in  einer 
schwächeren  Brechung  der  Strahlen  des  Sterns  als  des  Mondrandes  zu 
suchen.  Das  Verzeichniss  von  den  Beobb.  dieses  Phänomens,  das  South 
seiner  Abhandlung  über  die  Bedeckung  von  d  Piscium  beigefügt  hat, 
ist  sehr  unvollständig.  Ein  einziges  ]\Ial  habe  ich  es  im  vorigen  Jahr- 
hundert; eben  bei  Aldeharan  selbst  gesehen. 

Dass  ich  so  lange  keine  Zeile  von  Ihrer  lieben  Hand  gesehen 
habe,  schreibe  ich  bloss  Ihren  vielen  wichtigeren  Geschäften  zu.  Aber 
nachgerade  verlangt  mich  doch  sehr,  zu  hören,  wie  es  Ihnen  selbst 
und  Ilirer  theuern  Gattin  und  Kindern  geht.  Was  mich  betrifft,  so 
habe  ich  den  schlechten  regnerischen  und  kalten  Sommer  ganz  er- 
träglich zugebracht,  und  werde  nun  in  einigen  Tagen  mein  72.  Lebens- 
jahr antreten. 


No.  636.  Gauss  an  Olbers.  [300 

Göttingen,  1829  Oktober  12. 

Durch  Ihren  lieben  Brief  haben  Sie  mich  um  so  mehr  erfreut,  je 
länger  ich  einer  direkten  Nachricht  von  Ihnen  entbehrt  hatte,  wie  ich 
denn  in  der  That  auch  eben  im  Begriff  stand,  mein  Andenken  bei  Ihnen 
zurückzurufen.  Von  Ihrem  Wohlbefinden  hatte  ich  zuw^eilen  auf  in- 
direktem Wege,  zuletzt  durch  Hrn.  Prof.  Quetelet  und  durch  Ihre 
Niece,  Frau  Generalin  Hartmann,  angenehme  Nachricht  erhalten.  Meine 
Wünsche  für  die  ununterbrochene  Fortdauer  desselben  brauche  ich 
Ihnen  nicht  auszusprechen;  es  macht,  wie  Sie  wissen,  einen  wesentlichen 
Bestandtheil  meines  eigenen  Glücks  aus. 

Die  Bekanntschaft  des  Hrn.  Quetelet  ist  mir  sehr  angenehm  ge- 
wesen; wir  haben  mit  seinem  artigen  Apparat  in  meinem  Garten  ver- 
schiedene Reihen  von  Versuchen  über  die  Intensität  der  magnetischen 
Kraft  angestellt,  die  eine  von  mir  kaum  erwartete  Uebereinstimmung 
gewährten. 


526  Gauss  an  Olbers.    Göttingen,  1829  Oktober  12, 

Auch  mir  hatte  Lindexau  schon  für  vorigen  ]^Ionat  einen  Besuch 
versprochen,  aber  bis  jetzt  nicht  Wort  gehalten. 

Mein  eigenes  Leben  ist  in  diesem  ganzen  Sommer  sehr  einförmig  ge- 
wesen; abgerechnet  zwei  Reisen  nach  Hannover  —  im  März  zu  einer  Kon- 
ferenz der  Maass-Regulirungs-Kommission.  und  im  Mai  zur  Eegulirung 
der  in  diesem  Jahre  auszuführenden  Triangulirungsarbeiten  —  bin  ich 
fast  gar  nicht  aus  meinen  4  Pfählen  herausgekommen.  Mein  Plan  war, 
dass  meine  drei  Officiere,  Müller,  Hartmanx  und  mein  Sohn,  ein 
Dreiecksnetz  erster  und  zweiter  Ordnung  vornehmen  sollten  in  den 
Westfälischen  Landestheil en;  ersterer  sollte  erst  das  Land  bereisen  und 
Vorbereitungen  treffen,  während  Haetmanx  im  Hildesheimschen  und 
mein  Sohn  im  Eichsfelde  noch  einige  Lücken  für  die  Detailaufnahme 
ausfüllten;  hernach  sollten  alle  drei  in  Westfalen  gemeinschaftlich 
agiren,  und  im  Sept.,  der  sonst  in  Norddeutschland  immer  schönsten 
Jahreszeit,  dachte  ich  nach  Vollendung  meiner  Vorlesungen  und  einer 
anderen  Arbeit  noch  auf  einen  Monat  selbst  ins  Feld  zu  gehen  und 
dann  die  Nähe  von  Bremen  zu  benutzen,  um  dort  meinen  theuren  Olbers 
zu  umarmen. 

Leider  hat  sich  wegen  vielfacher  Hindernisse  alles  ganz  anders 
gefügt.  Mein  Sohn  hatte  seine  Aufgabe,  die  allerdings  die  kleinere 
war,  binnen  14  Tagen  vollendet  und  reiste  dann  Anfangs  Juni  über 
Nienburg,  um  Müller  aufzusuchen,  von  dem  noch  keine  Nachrichten 
eingelaufen  waren;  in  Uchte,  Wagenfeld,  Osnabrück  und  Iburg  verfolgte 
er  seine  Spur,  aber  immer  war  jener  schon  abgereist.  Er  blieb  also 
zuletzt  in  Iburg,  um  auf  dem  Döniberge,  einem  Hauptdreieekspunkte. 
wo  die  Preussen  an  dem  vormals  EpAiLLx'schen  Platze  vor  einigen 
Jahren  wieder  eine  Signalpjramide  errichtet  haben,  die  Messungen  an- 
zufangen, aber  schon  nach  wenigen  Tagen  wurde  er  durch  eiuen  Brief 
von  Müller  nach  Twistringen  abberufen.  Jener  fing  hier  die  Messungen 
an,  während  Müller  noch  die  Einrichtungen  auf  dem  Thurme  von 
Asendorf  vorbereitete;  dann  wurde  letztere  Station  gemeinschaftlich 
vorgenommen,  wobei  der  Steinberg  (mein  Dreieckspunkt  bei  Verden 
von  1824)  durch  Heliotroplicht  verbunden  wurde.  So  war  bei  stets  sehr 
ungünstigem  Wetter  der  Anfang  des  Juli  herangekommen,  als  Müller 
infolge  eines  anderen  vom  ]\Iinisterium  ihm  ertheilten  Auftrags  zu  einer 
Reise  nach  Dresden,  Wien  etc.  für  dieses  Jahr  ganz  von  den  Messungs- 
arbeiten abgerufen  wurde. 

Da  zu  dieser  Zeit  Haetmann  mit  seiner  Aufgabe  im  Hildesheim- 
schen noch  lange  nicht  fertig  war,  so  blieb  also  mein  Sohn  für  die 
grosse  Triangulirungsarbeit  allein;  er  wurde  überdies  vom  Wetter, 
welches  seit  1821  in  keinem  Jahre  so  schlecht  gewesen  war.  gar  nicht 
begünstigt,  und  hatte  audi  au^^ser  den  erzählten  Arbeiten  vom  iregen- 


Gauss  an  Olbers.    Götting-en,  1829  Oktober  12.  527 

wärtigen  Jalire  noch  fast  «ar  keine  Uebiing-  in  selbständigen  Arbeiten 
mit  einem  REicHENBACHSchen  Theodolitlien  gehabt.  Um  so  mehr  ge- 
reicht es  mir  zur  F'reude,  dass  er  sowohl  durch  die  Sorgfalt  seiner 
Messungen  als  durch  die  Zweckmässigkeit  der  ganzen  Anlage  meine 
vullkummene  Zufriedenheit  verdient  und  meine  Erwartung  übertrotfen 
hat.  Er  hat  bis  zu  seinem  letzten  Briefe  (in  diesem  Augenblick  wird 
er  auf  der  Rückkehr  sein)  die  Arbeiten  an  8  Hauptplätzen  Twistringen, 
Asendorf,  Mordkuhlenberg  (bei  Damme),  Nonnenstein  (westl.  Grenze  des 
Fürstenthums  ^^linden  nnweit  Bünde),  Dörenberg,  Bentheim,  Kirchhesepe 
und  Queckenberg  (bei  Fürstenau),  und  an  6  Plätzen  zweiten  Ranges 
AVagenfeld  (s.  ö.  von  Diepholz),  Ostercappeln.  Piesberg  (bei  Osnabrück), 
Neuenkirchen  (bei  Vörden),  Hohe  Egge  (bei  Halle  in  Westfalen),  Wind- 
mühlenberg (bei  Freeren),  verschiedene  andere  Nebenplätze  ungerechnet 
die  Messungen  absolvirt,  so  dass  dieses  ganze  an  die  Seite  Bremen — 
Steinberg  geknüpfte  Netz  seine  Arbeit  ist,  mit  Ausnahme  des  Platzes 
Knickberg  bei  Uchte,  welchen  endlich  Hartmann  im  Aug.  bearbeitet 
hat.  Letzterer  hat  sich  bei  den  ungünstigen  Umständen  auf  die  Be- 
setzung des  Knickberges  und  auf  die  Vorbereitung  der  drei  vormals 
hessischen  Aemter  Uchte,  Auburg  und  Freudenberg  zur  Detailaufnahme 
im  künftigen  Jahre  beschränken  müssen.  Ich  bemerke  noch,  dass  die 
Messungen  meines  Sohnes,  die  die  Lage  von  100 — 200  Ortschaften  mit 
aller  zu  wünschenden  Genauigkeit  geben  werden,  nur  mit  einem  8zöll. 
Theodolithen  ausgeführt  sind,  da  ich  hoife,  eine  andere  Verbindung  von 
Bentheim  mit  meinen  Gradmessungs-Dreiecken  weiter  südlich  durch  grosse 
Dreiecke  mit  dem  12  zoll.  Theodolithen  künftig  ausführen  zu  können,  wo- 
bei der  Thurm,  der  bei  der  Porta  WestpJialica  gebaut  wird  (Wittekind- 
stein), und  der  mit  dem  Köterberg  und  mit  dem  Dörenberg  zu  verbinden 
ist,  wird  benutzt  werden  können.  Denn  für  höhere  Zwecke  möchte  die 
ausgeführte  Verbindung  unzulänglich  sein,  da  der  dort  nicht  zu  um- 
gehende Thurm  von  Twistringen  ein  sehr  schlechter  Standpunkt  ist. 
Ohne  diesen  letzten  Umstand  würde  sonst  auch  noch  eine  schärfere 
Messung  der  2  AVinkel  in  Bremen,  die  ich  1824  nur  ganz  als  Neben- 
sache behandelte,  erforderlich  gewesen  sein.  Es  versteht  sich  übrigens, 
dass  auch,  wie  die  Sachen  jetzt  liegen,  es  sich  nur  um  Ungewissheiten 
von  ein  paar  Sekunden  handelt. 

Bei  jener  Zersplitterung  der  Arbeiten  minderte  sich  für  mich  das 
Interesse,  welches  sonst  noch  meine  eigene  Theilnahme  hätte  haben 
können;  mehrere  andere  Umstände  aber  machten,  dass  dieselbe  ganz 
wegfallen  musste.  Das  im  Sept.  erwartete  schöne  Wetter  blieb  ganz 
aus;  meine  Vorlesungen  konnten  erst  nach  der  Mitte  dieses  Monats 
und  die  vorhin  erwähnte  Arbeit  erst  gegen  Ende  desselben  beendigt 
werden,  und  dann  war  an  kein  Reisen  mehr  zu  denken. 


528  Gauss  an  Olbers.    Göttingen,  1829  Oktober  12. 

Die  Leitung  dieser  Messungsangelegenheiten  und  die  Verarbeitung 
derselben  kostet  mir  ausserordentlich  viel  Zeit,  hält  mich  sehr  von 
eigentlich  wissenschaftlichen  Arbeiten  ab,  und  ist  so  in  jeder  Beziehung 
eine  grosse  Aufopferung  von  meiner  Seite.  Verbinden  sich  damit  noch 
allerlei  Verdriesslichkeiten  in  dem  administrativen  Theile  des  Geschäfts, 
so  könnte  ich,  unter  uns  gesagt,  leicht  gereizt  werden,  es  Knall  und 
Fall  ganz  niederzulegen.  Die  Verarbeitung  der  Messungen  (über  200  Seiten 
Zahlen  von  meinem  Sohn  und  etwa  ebenso  viel  von  Hartmann,  und 
zwar  in  sehr  koncentrirter  Form)  wird  mir  wohl  einen  grossen  Theil 
des  Winters  zu  tliun  geben,  so  wie  die  in  den  verwichenen  Monaten 
schon  vorgenommenen  Eechnungen  die  Vollendung  der  vorhin  erwähnten 
wissenschaftlichen  Arbeit  verzögert  haben,  die  mich  eine  lange  Zeit 
beschäftigt  hat,  und  von  welcher  Sie  eine  kurze  Nachricht  in  dem 
heutigen  Stück  der  hiesigen  Gel.  Anz.^)  finden  werden.  AVenn  ich  mich 
recht  erinnere,  habe  ich  Ihnen  schon  früher  einiges  über  diesen  Gegen- 
stand geschrieben. 

Sehr  interessant  ist  die  in  Bremen  gemachte  Beob.  der  merk- 
würdigen Feuerkugel,  und  es  thut  mir  sehr  leid,  dass  mir  diese  Er- 
scheinung entgangen  ist.  Ohne  Zweifel  aber  wird  sie  doch  an  vielen 
anderen  Orten  gesehen  sein;  sollte  es  nicht  gut  sein,  eine  öffentliche 
Aufforderung  zur  Mittheilung  der  gemachten  "Wahrnehmungen  bekannt 
zu  machen?  Bis  jetzt  habe  ich  nicht  in  Erfahrung  gebracht,  dass 
diese  Feuerkugel  in  Göttingen  gesehen  wäre. 

Auf  die  Bedeckungen  des  Aldebaran  werde  ich  gleichfalls  achten; 
für  die  nächste  ist  freilich  bei  dem  schlechten  Wetter  wenig  Hoffnung. 
Bei  den  wenigen  Bedeckungen  dieses  Sterns,  die  ich  in  früheren  Zeiten 
gesehen  habe  —  einer  wenigstens  erinnere  ich  mich  mit  Bestimmtheit  — , 
habe  ich  nichts  von  der  angeblichen  Erscheinung  wahrgenommen,  ob- 
wohl ich  nicht  im  voraus  meine  Aufmerksamkeit  auf  diesen  Umstand 
geschärft  zu  haben  gestehen  muss. 


^)  Principia  generalia  theoriae  figurae  fluidorum  iu  statu  aequilibrii.  Der  So- 
cietät  vorgelegt  am  28.  Sept.  1829.  Die  Anzeige  hierüber  findet  sich  in  dem 
165.  Stück  der  G.  G.  A.  Wieder  abgedruckt  in  Gauss'  Werken  Bd.  T,  S.  29—77,. 
bezw.  S.  287—292.     Krm. 


Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1830  Februar  22.  529 


No.  637.  Olbers  an  Gauss.')  [337 

Bremen,  1830  Februar  22. 

In  der  Naclit  vom  5.  zum  G.  Febr.  bin  ich  dem  Tode  sehr  nahe 
gewesen.  Zwar  schon  etwas  erkältet,  aber  mich  doch  sonst  wie  ge- 
wöhnlich befindend,  wurde  icli  kurz  nachher,  wie  ich  mich  zu  Bette 
gelegt  hatte,  von  einem  Sticktluss  befallen.  Eiskalt  an  Händen  und 
Füssen,  luftlos,  mit  dem  Köcheln  eines  Sterbenden  und  unter  krampf- 
haften Erschütterungen  des  ganzen  Körpers,  jedoch  bei  vollem  Be- 
wusstsein  eiwartete  ich  jeden  Augenblick  mein  Ende.  Indessen  ist  der 
Zufall  wieder  nach  und  nach  [vor]übergegangen;  ich  erhole  mich  lang- 
sam, wie  es  bei  meinen  vorgerückten  Jahren  zu  erwarten  ist,  und  es 
scheint,  dass  ich  noch  wieder  durchwintern  werde.  Ob  ich  micli 
darüber  freuen  soll,  dass  der  Schritt  in  jene  Welt,  den  ich  doch  bald 
werde  thun  müssen,  und  dessen  oft  grosse  und  qualvolle  Beschwerden 
diesmal  schon  mehr  als  halb  überwunden  waren,  unvollendet  geblieben 
ist,  weiss  ich  nicht  recht.     Genug,  das  Schicksal  hat  es  so  gewollt! 

Die  strenge  anhaltende  Kälte  dieses  Winters,  die  mir  gar  nicht 
mehr  zusagt,  war  wohl  die  Hauptursache  dieses  Zufalls.  Doch  ist  die 
Kälte  dem  Grade  nach  hier  bei  Weitem  so  gross  nicht  gewesen,  wie  bei 
Ihnen,  oder  im  südlichen  Deutschland.  In  meinem  Gärtchen  hinter  dem 
Hause  habe  ich  nicht  mehr  als  —  1  i^jö  R  gehabt.  Auf  dem  AVall  und 
anderen  dem  Ostwinde  frei  ausgesetzten  Plätzen  hat  man  17° — 18°  be- 
obachtet. Das  eingefallene  Thauw^etter  wird  zu  unserer  grossen  Be- 
ruhigung wieder  von  gelindem  Frost  unterbrochen,  da  wir  sonst  gewiss 
schon  mit  grosser  und  furchtbarer  Wassersnoth  zu  kämpfen  gehabt 
hätten.  Die  Weser,  deren  feste  Eisdecke  noch  unerschüttert  steht,  ist 
wieder  von  10  j  Fuss  auf  9  Fuss  gefallen.  Erst  wenn  sie  14  bis 
16  Fuss  hoch  ist,  pflegt  unsere  Gefahr  anzufangen. 

Anliegend  nehme  ich  mir  die  Erlaubniss,  Ihnen  einen  Aufsatz  von 
meinem  jungen  Freunde  Klüvee  zu  schicken,  und  um  Ihr  gütiges  Ur- 
theil  zu  bitten.  Er  betrifft  den  Kometen,^)  den  Flaugergues  allein 
beobachtet  hat.  Schon  einmal  hat  sich,  wie  Sie  sich  vielleicht  noch 
erinnern  werden,  Petees  in  Altona  an  Sie  mit  der  Klage  gewandt, 
dass  er  nichts  aus  den  Beobb.  von  Flaugergues  herausbringen  könne. 
Ich  veranlasste  also  Klüver  zu  einer  neuen  Untersuchung,  wovon  das 


^)  Mit  diesem  Briefe  wird  die  feste  und  schöne  Handsclirift  Olbees'  unsicher 
und  zitternd.  Zu  der  Erkrankung  Oleers'  siehe  auch  Brief  No.  377  v.  6.  März  1830 
im  Briefwechsel  Gauss-Schumacher.     Krm. 

-)  Komet  1826  III.    Vergl.  auch  Brief  No.  608  vom  25.  Febr.  1827.     Krm. 

Olbers.    II,  2.  34 


53Q  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1830  Februar  22. 

Resultat  auf  beikommendem  Papier  enthalten  ist.  Die  Elemente,  die 
Flaugeegues  selbst  in  der  BihliothSque  universelle  seinen  3  genaueren 
Beobb.  vom  4..  5.  und  6.  Apr.  beifügte,  stellen  weder  diese  befriedigend 
dar,  noch  lassen  sie  sich  mit  den  anderen  Umständen  der  Erscheinung 
vereinigen.  Sollte  man  nun  niclit  aus  Klü^tsr's  Rechnungen  mit  Zu- 
verlässigkeit schliessen  können,  dass  sich  Flaugekgues"  Angaben 
schlechterdings  [nicht]  mit  einem  Kegelschnitt  vereinigen  lassen,  und 
dass,  so  schwer  dies  auch  zu  begreifen  ist,  bei  seinen  Beobb.  Ver- 
wechselungen von  Sternen  vorgekommen  sein  müssen?  —  Klütee's 
Papiere  bitte  ich  mir  gelegentlich,  es  versteht  sich  unfrankirt,  wie- 
der aus. 

Haben  Sie  schon  die  Conn.  d.  T.  für  1832  gesehen?  Unerachtet, 
[dass]  das  Bureau  des  Longitudes  mit  Recht  besorgt  ist.  gleich  dem 
englischen  aufgehoben  zu  werden,  und  um  so  sorgfältiger  alles  ver- 
meiden sollte,  was  ihm  vorgeworfen  werden  kann,  haben  doch  die 
flüchtigen  Franzosen  "wieder  den  Durchgang  des  Merkur  anzuzeigen 
vergessen.  Sonst  versprechen  sie  für  die  folgenden  Jahrgänge  einige 
zweckmässige  Verbesserungen.  —  Daüoiseau  hat  nun  auch  die  Ein- 
wirkung der  Erde  auf  den  HALLEY'schen  Kometen  im  Jahr  1759  be- 
rechnet und  gefunden,  dass  diese  die  jetzige  Umlaufszeit  um  12.2t3  Tage 
verkürzen  wird,  und  er  setzt  nun  das  nächste  Perihel  1835  Nov.  4.32 
an.  Der  HALLEx'sche  Komet  gehört  zu  den  grossen  Kometen,  die 
einen  ansehnlichen  sogenannten  Kern  zeigen.  Ich  gebe  gern  zu,  dass 
seine  Masse  demunerachtet  nur  sehr  klein  sei;  aber  als  ganz  inkom- 
parabel mit  der  Erdmasse  wird  man  sie  doch  wohl  nicht  annehmen 
können.  Wenn  nun  die  Erde  seine  Umlaufszeit  um  12|  Tag  ver- 
mindern konnte,  so  wird  doch  auch  seine  Einwirkung  auf  die  Bewegung 
der  Erde  nicht  ganz  =  0  gewesen  sein.  Ob  sich  nun  gleich  die  Grösse 
dieser  Einwirkung  gar  nicht  bestimmen  lässt,  weil  wir  die  Masse  des 
Kometen  durchaus  nicht  kennen,  und  auch  nicht  beiläufig  zu  schätzen 
im  Stande  sind,  so  möchte  ich  doch  glauben,  dass  es  nützlich  wäre,  zu 
berechnen,  in  ivelchem  Shin,  ob  beschleunigend  oder  retardirend,  der 
Komet  auf  die  Erde  eingewirkt  habe?  Da  man  jetzt  neue  Sonnentafeln 
konstruirt,  so  wird  man  auf  diese  mögliche  Einwirkung  wohl  einige 
Rücksicht  zu  nehmen  haben,  und  nicht  so  ganz  unbedingt  die  Sounen- 
beobb.  vor  1759  mit  denen  nach  1759  zur  Erforschimg  der  mittleren 
Bewegung  vergleichen  können. 

Der  unerwartete  schleunige  Tod  unseres  herrlichen  Repsold^)  hat 
mich   sehr   erschüttert   und   betrübt.     Ich   liebte   und  verehrte  in  ihm 


^)  Unter  dem  25.  Jan.  1830  schreibt  Schumacher  an  Olbkbs  über  Eepsold's 
Tod:  „Wir  asseu  am  Donnerstag-  den  14.  Jan.  bei  einem  gemeinscbaftlicheu  Freunde 
ScHüCHMACHER  in  Hamburg  mit  wenigen  nähereu  Freunden.   Er  ward  noch   vor  Mitte 


Olbers  an  Gauss.     Bremen.  1830  Februar  2'2.  531 

nicht  bloss  den  genialen  einzigen  Künstler,  sondern  aucli  den  kräftigen 
tretflichen  Mann.  Alle  Jahre  pflegte  er  mich  ein-  oder  zweimal  zu  be- 
>nchen  und  sein  freilich  immer  sehr  kurzer  Besuch  war  jedes  Mal  ein 
wahres  Fest  für  mich. 

Ri-MKER  ist  in  diesen  Tagen  hier  durchgekommen;  leider  war  ich 
noch  zu  krank,  um  mich  so  lange,  wie  ich  wohl  gewünscht  hätte,  mit 
ihm  unterhalten  zu  können.  Er  geht  wieder,  wie  Sie  wissen,  nach 
l'aramatta  zurück,  was  mir  sehr  lieb  ist.  Denn  dort  kann  er  nützlicher 
sein,  als  hier  in  Europa.  Er  kam  jetzt  von  Paris,  wo  er  nur  wenige 
Tage  gewesen  war,  und  ging  nach  Hamburg  und  Altona.  Er  bedauerte 
nichts  mehr,  als  dass  die  Kürze  seines  Urlaubs  ihm  schwerlich  ver- 
statten würde,  nach  Göttingen  zu  gehen,  was  er  doch  so  sehr  wünschte. 

Zach  lebt  jetzt  in  Paris.  Vom  Steine  hat  ihn  Ciyiale  angeblich 
tranz  befreit;  aber  an  einem  unheilbaren  Blasen-Katarrh  leidet  er  fast 
ebenso  viel  Schmerzen.  Doch  soll  sein  Geist  noch  ganz  munter  und 
thätig  sein. 

Ich  habe  wieder  einen  sehr  schmerzlichen  Verlust  erlitten.  Meine 
gute,  mir  so  liebe  Schwägerin,  die  verwitwete  Amtmann  Olbers,  ist 
während  meiner  Krankheit  gestorben  und  wird  heute  beerdigt.  So 
verlieren  wir  alten  Leute  nach  und  nach  alles,  was  uns  auf  dieser 
A\'elt  lieb  und  werth  war. 

Doch  ich  halte  Sie  zu  lange  mit  meinem  Geschwätz  auf,  und  ich 
bin  ohnehin  nicht  gewiss,  ob  Sie  auch  dieses  Gekritzel,  noch  ein  Beweis 
meiner  Schwäche,  werden  entziffern  k<)nnen.  Ich  bitte  recht  sehr, 
lassen  Sie  mich  reckt  bald  etwas  von  sich  hören.  Mich  verlangt  sehr, 
zu  erfahren,  wie  Sie,  wie  Ihre  verehrte  Frau  Gemahlin  den  AVinter 
überstanden  haben,  und  wie  es  Ihren  lieben  Kindern  geht. 


der  Mahlzeit  zum  Feuer  abgerufen  [Repsold  Avar  auch  Oberspritzenmeister  von  Ham- 
l)urg:.  Krm.J,  wo  er  nur  einige  Minuten  gewesen  war,  als  ihn  herabfallendes  Gemäuer 
traf  und  Brust,  Arme  und  Beine  zerschmetterte.  Er  soll  noch  ein  paar  ]\Iinuteu  die 
Pupillen  der  Augen  bewegt  haben,  dies  sind  aber  auch  die  einzigen  Lebenszeichen, 
die  man  bemerkt  hat.  Kein  Schrei,  kein  Stöhnen  ist  gehört.  Er  scheint,  wie  vom 
Blitz  getroffen,  schmerzlos,  in  der  heitersten  Stimmung,  ohne  den  Tod  zu  ahnen,  uns 
verlassen  zu  haben,  und  ich  glaube,  man  darf  seinen  Tod  beneidenswerth  nennen. 
Nehmen  Sie  dazu,  dass  er  seit  einiger  Zeit  an  einem  trocknen  verdächtigen  Husten 
litt  und  die  Nächte,  wie  er  klagte,  grössten  Theils  schlaflos  und  in  einem  fieber- 
haften Zustande  hinbrachte,  auch  seiner  eigenen  Aussage  nach  das  Interesse  an  allem, 
selbst  an  seiner  Arbeit  verlor."     Krm. 


34^ 


532  Gauss  an  Olbers.    Göttingen,  1830  Februar  22. 

No.  638.  Gauss  an  Olbers.  [soi 

Göttingen,  1830  Februar  22. 

Unser  Briefwechsel  ist  lange  Zeit  unterbrochen  gewesen;  meiner- 
seits boten  wieder  meine  Arbeiten,  von  denen  die  Verarbeitung  der 
vorigjährigen  Messungen  einen  Hauptbestandtheil  ausmachte,  noch  meine 
Lebensverhältnisse  einen  bedeutenden  Stoff  zu  einer  Mittheilung  dar. 
Jetzt  giebt  mir  ein  Ereigniss  aus  den  letzteren  zuerst  wieder  die  Ver- 
anlassung; meine  älteste  Tochter,  Ihre  Pathe,  ist  seit  ein  paar  Tagen 
die  Braut  eines  sehr  achtungswerthen  jungen  Mannes,  unseres  Pro- 
fessors (der  oriental.  Sprachen)  Ewald,  Ich  habe  in  jeder  Beziehung 
die  grösste  Hoffnung,  dass  mein  geliebtes  Kind  in  dieser  Verbindung 
sehr  glücklich  sein  wird,  Sie,  mein  theuerster  Olbers,  nehmen  an 
meinen  Vaterfreuden  herzlichen  Antheil. 

Das  tragische  Ende  unseres  unersetzlichen  Repsold  hat  mich  im 
Innersten  erschüttert.  Der  grosse  Künstler  w^ar  zugleich  ein  sehr 
edler  Mensch,  Unsere  erste  Verbindung  geht  bis  1805  oder  180G  zu- 
rück, wo  wir  wegen  der  achromatischen  Objektive  in  einige  Korrespon- 
denz kamen.  Ich  vergesse  nicht,  dass  er,  so  unerheblich  jene  Be- 
rührung auch  gewesen  war,  nach  der  Katastrophe^)  vom  14.  Okt.  1806 
sogleich  auf  die  delikateste  Art  mir  mit  Weib  und  Kind  einen  Zu- 
fluchtsort in  seinem  Hause  anbieten  Hess,  w^enn  ich  auch  nicht  in  den 
Fall  gekommen  bin,  eines  solchen  zu  bedürfen.  Im  Jahre  1827  be- 
stellte ich  noch  bei  ihm  einige  neue  Ablesungs-Mikroskope  für  den 
REiCHENBACH'schen  Meridiankreis,  die  er  mir  nach  Jahresfrist  zu  liefern 
versprach.  Ich  hatte  indessen  —  wde  er  oft  mehr  auf  sich  nahm,  als 
er  zu  schaffen  vermochte  —  die  Hoffnung  schon  aufgegeben,  sie  noch 
zu  erhalten.  Indessen  schreibt  mir  Schumachee  ^),  dass  sie  wirklich 
in  Arbeit  genommen  und  fast  ganz  fertig  sind. 

Von  meiner  Abhandlung^)  über  die  Gleichgewichtsfigur  der  Flüssig- 
keiten unter  der  Molekular-Anziehung,  die  im  Okt.  vorigen  Jahres  ab- 
geliefert wurde,  hat  jetzt  der  Druck  bereits  angefangen. 

In  den  nächsten  Tagen  werden  Sie  in  den  Ct.  G.  A})  eine  ziemlich 


^)  Schlacht  bei  Auerstädt,  in  welcher  Herzog-  Cakl  Wilhelm  Ferdixaxd  von 
Braunschweiü,  Gauss'  Förderer  und.  Beschützer,  unter  desseu  Oberbefehl  die  preussische 
Armee  stand,  tötlich  verwundet  wurde.  Yergl.  auch  Brief  No.  150  und  151.  S.  313 
bis  315  in  Bd.  II,  1  und  Saütorhs  v.  Waltershacsex,  Gauss  zum  Gedächtuiss, 
S.  36—38.     Krm. 

-)  Brief  No.  375  vom  22.  Jan.  im  Briefwechsel  Gauss-Schumacher.     Krm. 

3)  Vergl.  Brief  No.  633  vom  31.  Jan.  1829,  ferner  No.  641  vom  7.  Apr.  1830  und 
die  betreffende  Anmerkung.     Krm. 

M  G.  G.  A.  32.  Stück,  1830  Febr.  27.    Gauss"  Werke  Bd.  IV,  S.  370—881.    Krm. 


fianss  an  011)prs.     Göttingeu,  1830  Februar  22.  533 

ausfüluliche  Keceus^ion    von    dem   von  Plana  und  Carlini  herausgege- 
benen \\'eike  über  die  Längengradmessung  in  Ober-Italien  finden. 

Bei  der  grossen  Kälte  Anfang  dieses  Monats  habe  ich  zweimal  den 
tiefsten  Stand  — 23^  Reaumur  gehabt.  Ich  glaube  nicht,  dass  es  hier 
tiefer  gewesen  ist,  da  ich  in  jenen  Tagen  fast  stündlich  nachgesehen 
(obwohl  nichts  aufgeschrieben)  habe.  Ich  fand  es  übrigens  eben  nicht 
beschwerlich,  bei  einer  Kälte  von  —  20®  auszugehen,  da  es  beständig 
windstill  dabei  war. 

Sehr  verlangt  mich,  bald  einmal  von  Ihrem  Befinden  durch  Sie 
selbst  Nachricht  zu  erhalten.  Von  Frau  Kanzleidirektorin  Wedemeier 
erfuhr  ich  dieser  Tage,  dass  Sie  im  Laufe  des  Winters  an  einer  Unpäss- 
lichkeit  gelitten  haben.  Beruhigen  Sie  mich  doch  bald  darüber.  Wenige 
Menschen  sind  in  diesem  Winter  ganz  frei  geblieben.  Im  Dec.  w'ar  ich 
auch  an  einem  zwar  nicht  gefährlichen,  aber  doch  sehr  lästigen  und 
schmerzhaften  Uebel  (einem  Geschwür  am  Gesäss)  acht  Tage  lang  bett- 
lägerig, und  die  letzten  Tage,  ehe  es  sich  öffnete,  fast  ganz  unfähig, 
mich  zu  bewegen.  Meine  arme  Frau  leidet  fortwährend.  Im  Herbst 
zeigte  sich  ein  Ansatz  zur  Wassersucht,  was  aber  wieder  gehoben  ist. 
Aber  das  ewige  Erbrechen  will  gar  nicht  aufhören. 

Da  durch  die  Messungen  meines  Sohnes  nunmehr  eine  zweite  An- 
schliessung  meiner  Dreiecke  an  die  KRAYENHorF'schen  gewonnen  ist, 
so  wird  Sie  vielleicht  besonders  das  Resultat  für  die  Länge  inter- 
essiren.  Wenn  ich  die  von  Kratenhoff  bestimmten  Längen  von 
Bentheim  und  Jever  (von  Paris)  so  abändere,  wie  die  Grösse  der  resp. 
Parallelkreise  nach  Sciimidt's  Dimensionen  der  Erde  anders  wird,  als 
nach  den  von  Krayenhoff  angewandten  Elementen,  so  stehen  die 
Resultate  so: 

Längenunterschied  zwischen 

Paris  und  Jever  nach  Krayenhoff  .    .    5"34'10",395 
,,     auf  Schmidt's  Dimensionen  reducirt    5  34     1,827 

Jever  und  Göttingen  nach  mir  ....    2     2  25,927 

Paris  und  Göttingen 7  36  27,754 

=  30'"25^850 

Paris  und  Bentheim  nach  Krayenhoff  .    .    4®  49'  23",164 
„     auf  Schmidt's  Dimensionen  reducirt  4  49  15,939 

Bentheim  und  Göttingen  nach  mir    .    .    .   2  47  12,023 


Paris  und  Göttingen 7  36  27,962 

=  30"^  25^864 


Mittel  ...     30°^  25^857 
Die  grosse  Uebereinstimmung  beider  Resultate  ist  keineswegs  zu- 
fällig; wenigstens  bedeutend  grösser  konnte  der  Unterschied  nicht  sein, 


534  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1830  März  15. 

und  wenn  meine  Messungen  von  Bentheim  über  Ostfriesland  bis  Jever 
fortgeführt  sein  werden,  wird,  hoffe  ich.  der  Unterschied  noch  kleiner 
sein  müssen.  Lecoq's  Bestimmungen  sind  zum  Theil  ganz  enorm  un- 
richtig; z,  B.  der  Längenunterschied  zwischen  Bielefeld  und  Melle  ist 
nach  Lecoq  8'50",1,  während  er  in  Wahrheit  11'37",6  ist. 


No.  639.  011)ers  an  Gauss.  fsss 

Bremen,  1830  März  15. 

Unsere  Briefe  haben  sich  gekreuzt,  aber  ich  kann  nicht  unter- 
lassen, Ihnen  zu  der  frohen  Nachricht  von  der  Verlobung  Ihrer  ge- 
liebten Tochter  mit  dem  Hrn.  Prof.  Ewald  meinen  herzlichsten,  innigsten, 
theilnehmendsten  Glückwunsch  abzustatten.  Ich  höre  von  allen  Seiten 
hier  so  viel  ungemein  Vortheilhaftes  von  Ihrem  künftigen,  in  der  ge- 
lehrten Welt  schon  so  rühmlich  bekannten  Schwiegersohn,  dass  ich  gar 
nicht  zweifle,  diese  Verbindung  wird  das  Glück  Ihrer  lieben  Tochter 
dauerhaft  begründen  und  für  Sie  und  die  Ihrigen  die  Quelle  vieler 
Familien-  und  Vaterfreuden  werden.  Bezeugen  Sie  doch,  ich  bitte,  so- 
wohl meiner  theuren  Pathe  als  auch  unbekannter  Weise  dem  Hrn. 
Professor  meine  glück  wünschende  Theilnahme. 

Gern  möchte  ich  bei  der  Gelegenheit  auch  etwas  Näheres  und  Be- 
stimmtes von  meinem  anderen  lieben  Pathen,  Ihrem  Hrn.  Sohn,  hören. 
Ich  bitte  Sie,  lieber  Gauss,  sagen  Sie  mir  doch,  was  er  macht,  wozu 
er  sich  bestimmt  hat,  und  wie  und  wo  er  sich  zu  seiner  Bestimmung 
vorbereitet? 

Mit  Leidwesen  sehe  ich,  dass  Ihre  verelirte  Gattin  noch  immer 
leidend  ist.  Möge  das  jetzt  herannahende  Frühjahr  doch  einen  wohl- 
thätigen  Einfluss  auf  ihre  Gesundheit  haben.  —  Auf  diesen  Frühling 
hoffe  auch  ich,  da  meine  Erholung  nur  langsam  fortschreitet.  Indessen 
fahre  ich  doch  schon  von  Zeit  zu  Zeit  aus  und  komme  zuweilen  unter 
Menschen. 

Die  Wassersnoth  ist  hier  gross  und  schrecklich  gewesen.  Viele 
Menschen  haben  ihre  Häuser,  ihr  ganzes  Besitzthum.  wenigstens  10  ihr 
Leben  in  den  Fluthen  verloren.  Noch  wohnen  wir  auf  einer  Insel. 
Unser  ganzes  kleines  Gebiet  steht  unter  Wasser,  das  selbst  bis  in  die 
Vorstädte  reicht.  Deiche  und  Kunstwege  sind  durchbrochen.  Die 
Brücken  über  die  kleineren  Flüsse  Wümme,  Ochtum  u.  s.  w.  zei^stört. 
Den  jetzigen  dringendsten  Bedürfnissen  der  Unglücklichen  wird  durch 
einen,  die  wohlthätigen  Gaben  ihrer  Mitbürger  zweckmässig  anwen- 
denden Verein  abgeholfen;    aber   der   verursachte    Schaden   wird   noch 


Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1830  März  28.  535 

gfrosse    Summen    erfordern,    auch    nur    um    Deiche    uiul    Wege   einiger- 
maassen  wieder  in  Stand  zu  setzen. 

Bewundernd  habe  ich  die  genaue  üebereinstimmung  gesehen,  die 
die  beiden  Anschliessungen  an  die  KKAYEXHOFF'schen  Dreiecke  über 
Jever  und  Bentheim  in  der  Länge  von  Göttingen  geben.  Durch  die 
Chronometer  und  die  Verbindung  durch  dieselben  von  Altona  und 
Green  wich  vermittelst  Helgoland  wird  die  Länge  von  Altona  auf  Paris 
bezogen  30'"  24^,97  sein;  wenn  ich  Greenwicb  und  Paris  — 9'"  2P,G  an- 
nehme. Diese  chronometrische  Bestimmung  dürfte  also  doch  etivas 
fehlerhaft  sein.  Allein  vielleicht  ist  auch  Greenwich  und  Paris  etwas 
kleiner  als  9"'  2P,6,  und  so  wird  sich  der  ohnehin  massige  Unterschied 
von  Ihrer  Bestimmung  noch  mehr  vermindern. 

Mit  vielem  Vergnügen  und  mit  vieler  Belehrung  habe  ich  Ihre 
Recension  des  PLANA-CAELixi'schen  Werkes  gelesen.  Die  L'^nregelmässig- 
keiten  der  Figur  unserer  Erde  treten  doch  immer  mehr  und  gewisser 
hervor.  Wie  unregelmässig  auch  die  Schwere  auf  der  Erde  vertheilt 
ist,  habe  ich  besonders  aus  Biot's  Zusammenstellung  der  Pendel-Bestim- 
mungen in  seiner  Abhandlung  über  die  Figur  der  Erde  (Tom.  VIII  der 
Schriften  des  Pariser  Instituts)  gesehen. 

RüMKER  wird  doch  vielleicht  in  Hamburg  bleiben.  Doch  dies 
unter  uns. 

Bessel  hat  mit  seinem  prächtigen  Heliometer,  das  er  mir  nicht 
genug  rühmen  kann,  unter  sich  sehr  übereinstimmende  Messungen  des 
Saturn  angestellt.  Er  findet  den  Durchmesser  des  Ringes  f  und  den 
des  Planeten  selbst  über  eine  ganze  Sekunde  kleiner  als  Struve.  Er 
schreibt  diesen  Unterschied  einer  Diffraktion  der  Lichtstrahlen  am 
Rande  der  Objektive  zu,  die  alle  durch  Fernrohre  gesehenen  hellen 
Gegenstände  etwas  vergrössert.  Diese  Vergrösserung  ist  in  Struve's 
Fernrohr,  wie  er  glaubt,  grösser  als  in  seinem.^) 

Leben  Sie  wohl,  theuerster  Gauss,  machen  Sie  mir  bald,  recht 
bald  wieder  die  grosse  Freude,  einige  Zeilen  von  Ihnen  zu  lesen. 


No.  640.  Gauss  an  011}ers.  [302 

Göttingen,  1830  März  28. 

Wie   sehr   die  Gefahr,   in  welcher  Sie  geschwebt  haben,  mich  er- 
schreckt und   geängstigt  hat,   dai-f  ich  Ihnen  nicht  erst  sagen.     Herz- 


^)  Nach  diesen  Angaben  fehlt  ein  Brief  Bessel's  an  Olbers  aus  der  Zeit  1830 
Febr.  im  Briefwechsel  Olbees-Bessel.     Seh. 


536  Gauss  an  Olbers.     Göttinnen,  1830  März  28. 

innige  Freude  machten  mir  darum  die  beruhigenderen  Nachrichten  Ihres 
zweiten  lieben  Briefes.  Möchte  doch  dem  bösen  Winter,  der  so  viel 
verschuldet  hat,  ein  recht  milder  Kräfte  stärkender  Frühling  folgen 
und  Ihre  Herstellung  bald  recht  vollkommen  machen. 

Ich  bin  die  letzte  Zeit  mit  Arbeit  recht  überhäuft  gewesen;  die 
Verarbeitung  der  Messungen  raubt  mir  wirklich  gar  zu  viele  Zeit; 
auch  bei  einer  meiner  Vorlesungen  habe  ich  eine  Zeit  lang  dupliren 
müssen.  Von  den  Ferien,  die  für  mich  noch  nicht  einmal  angefangen 
haben,  werde  ich  auch  wenig  Erholung  haben,  da  ich  eine  Menge  von 
Geschäften  auf  dieselben  habe  prokrastiniren  müssen.  Von  meiner  Ab- 
handlung über  Gleichgewichtsgestalt  der  Flüssigkeiten  wird  jetzt  der 
letzte  (7.)  Bogen  gedruckt;  so  bald  ich  selbst  Abdrücke  davon  erhalte, 
werde  ich  Ihnen  sofort  einen  zuschicken. 

Sie  erlauben  mir  wohl,  den  Aufsatz  des  Hrn.  Kll'^-ek  noch  einige 
Zeit  zu  behalten,  da  es  mir  noch  nicht  möglich  gewesen  ist,  mich  über 
den  Gegenstand  au  fait  zu  setzen. 

Mein  jüngster  Sohn  Wilhelm,  nach  welchem  Sie  sich  so  gütig 
erkundigen,  wird  sich  der  Landwirthschaft  widmen.  Ich  habe  dazu 
wegen  seiner  so  entschiedenen  Neigung  meine  Einwilligung  nicht  ver- 
sagen können,  wie  manche  Bedenklichkeiten  auch  dabei  eintreten.  Er 
ist  das  letzte  Jahr  bei  einem  Prediger  in  der  Nähe  von  Celle  gewesen 
und  wird  jetzt  zur  Vorbereitung  zu  dem  Kammerkommissair  Ihsen  in 
Poppenhagen  (bei  Neustadt  a.  Eübenberge)  kommen,  der  ein  halbes 
Dutzend  junger  Eleven  hat.  Einer  davon,  der  zugleich  der  Stuben- 
genosse meines  Sohnes  werden  wird,  ist  der  Sohn  Ihres  ehemaligen 
Kollegen  Dr.  Albeks  und  Ihnen  wahrscheinlich  näher  bekannt. 

Der  kleine  Unterschied  der  geodätischen  und  astronomischen  Längen- 
bestimmung Göttingen — Paris  mag  aus  sehr  vielen  Theilen  zusammen- 
gesetzt sein. 

Der  astronomische  Unterschied 

zwischen  Paris  und  Altona  ist 


39■M6^57  1_ 
-9    21,60    j-'^"    ^-^'^^ 
791 
Altona — Göttingen  0,05  ij  *"  ' 


der  geodätische  Paris — Göttingen      30™  2d',8 


Unterschied  0^86 

oder  12",9  in  Bogen.   Dazu  können  konkurriren: 

1)  Fehler  meiner  geodät.  Messung  zwischen  T.  ,^  _,      ."  . 

^  °  lAltona — Bentheim. 

„s  T-  11  T-  -1        f Jever — Dünkirchen. 

2)  J^ehler  von  Kra yenhoff  zwischen  ^„      ,    .        t^..  ,  •    , 

IBentheim — Dunkirchen. 

3)  Fehler  von  Delambre  zwischen  Dünkirchen — Paris. 

4)  Fehler  von  Schmidt's   neuesten   Erddimensionen  (Dimensionen 
des  Idealellipsoids). 


Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1830  März  28.  537 

5)  Abweioliuii;;  dt-r  Xonnaleu  zur  tcirkUcJicn  Erdfigiir  von  der  Nor- 
malen zur  Idealtigur,  im  Sinne  senkrecht  auf  den  Meridian, 
für  Altona. 

6)  Dieselbe  in  Paris. 

7)  Fehler  der  chronometrischen  Bestimmung  zwischen  Altona  und 
Greenwich, 

8)  Fehler  der  Bestimmung  des  Zeitunterschiedes  zwischen  Paris 
und  Greenwich  durch  Feuersignale. 

p]s  wäre  unbillig,  die  Differenz  von  O'^jSG  oder  12",9  der  Quelle 
No.  7  allein  aufzubürden;  jede  der  8  Quellen  mag  ihren  Antheil  daran 
haben.  Hätten  diese  8  Quellen  alle  in  einem  Sinne  gewirkt,  so  hätte 
gar  leicht  ein  3  mal  so  grosser  Unterschied  hervorgehen  können,  we- 
nigstens scheinen  mir  Fehler  etwa  von  folgender  Grösse  gar  nicht 
unnatürlich : 

1 0",5 

2 2 

3 0,5 

4 10 

5 5 

6 5 

7 4 

8 10 

]\Iir  däucht  also,  dass  alle  einzelnen  Operationen  vollkommen  ge- 
leistet haben,  was  man  billiger  Weise  zu  erwarten  berechtigt  war. 

Bei  meinem  letzten  Aufenthalt  in  Bremen  sprach,  wie  ich  mich 
erinnere,  Hr.  Senator  Gildemeistek  davon,  dass  etwa  Hr.  Klüver  ein- 
mal mit  einem  Sextanten  oder  Theodolithen  einige  Winkel  bei  Bremer- 
haven messen  sollte,  um  diesen  Platz  an  bekannte  Punkte  anzuschliessen. 
Sollte  dieser  Plan  schon  ausgeführt  sein,  so  bitte  ich,  mir  gelegentlich 
solche  Messungen  gütigst  mitzutheilen. 

Ich  habe  jetzt  auch  von  Hrn.  Major  v.  Myrbach  (Nachfolger  des 
verstorbenen  Generals  Fallon)  das  erneuerte  Versprechen  einer  bal- 
digen Mittheilung  der  österreichischen  Dreiecksmessungen  erhalten. 
Jener  schreibt  mir,  dass  die  Längengradmessung  im  Parallel  von 
Brest — Wien  bis  an  die  östlichste  Grenze  der  österreichischen  Monarchie, 
auf  Anregung  des  russischen  Gouvernements,  fortgesetzt  werden  soll, 
von  wo  letzteres  sie  bis  zum  Ural  fortzusetzen  in  Zukunft  beabsichtige. 
Möchte  ich  doch  erst  Müsse  gewinnen  können,  an  die  Ausarbeitung 
meines  beabsichtigten  grösseren  Werkes  über  die  Behandlung  der 
geodätischen  Messungen  denken  zu  können.  Aber  vorerst  und  bis  zur 
Vollendung    der    Hannoverschen    Messungen    wird    wohl    daran    nicht 


538  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1830  April  7. 

ZU  denken  sein.  Vielleicht  lasse  ich  im  bevorstehenden  Sommer  die 
Messungen  im  östlichen  Theil  des  Königreichs  (bis  zur  Elbe  und  Alt- 
mark) ihren  Anfang  nehmen.  Leider  liegt  nur  die  ganze  Last  der 
Verarbeitung  allein  auf  mir,  und  ich  muss  allein  die  Stelle  des  ganzen 
trigonometrischen  Bureaus  vertreten.  In  diesem  östlichen  Theile  sollen 
aber,  denke  ich,  [sich]  die  Messungen  nur  auf  Punkte  ersten  und 
zweiten  Ranges  beschränken,  da  dort  ein  Bedürfniss  einer  neuen  Detail- 
aufnahme wenigstens  nicht  dringend  ist. 

Ein  gewisser  Ferdinand  v.  Sommer^)  aus  Braunschweig  (er  nennt 
sich  selbst  Doktor,  obwohl  ich  fast  zweifele,  dass  er  dazu  berechtigt 
ist)  schickte  in  diesem  Winter  an  unsere  Societät  eine  vermeinte  all- 
gemeine Auflösung  der  Gleichungen,  die  aber  durchaus  werthlos  ist. 
Ich  möchte,  aus  einem  besonderen  Grunde,  wohl  wissen,  ob  Sie,  mein 
theuerster  Freund,  mit  diesem  Sommee  wohl  in  irgend  eine  Berührung 
gekommen  sind? 


No.  641.  Gauss  au  Olbers.  [sos 

Göttingen,  1830  April  7. 

Durch  einen  fleissigen  Zuhörer  von  mir,  Hrn.  Lijbsen  aus  Olden- 
burg, welcher  nach  Vollendung  seiner  Universitätsstudien  dort  als  Lehrer 
der  ]Mathematik  am  Gymnasium  angestellt  werden  wird,  überschicke 
ich  Ihnen  einen  der  erst  vor  ein  paar  Tagen  mir  abgelieferten  Ab- 
drücke meiner  [Priucipia  generalia]  theoriae  figiirae  fliiidorum  in  statu 
aequilibrii  etc.^)  mit  der  Bitte,  dieses  Werkchen  mit  Ihrer  gewohnten 
freundschaftlichen  Güte  aufzunehmen. 

Zugleich  sende  ich  hierneben  die  mir  gütigst  kommunicirten  Pa- 
piere des  Hrn.  Klüver,  den  Kometen  von  1826  betreffend,  zurück. 
Ich  finde,  dass,  ohne  einen  sehr  beträchtlichen  Theil  der  Rechnungen 
zu  wiederholen,  es  unmöglich  ist,  ein  ürtheil  über  diesen  Gegenstand 
zu  fällen.  Die  Beobb.  vom  3.,  4.,  5.  und  6.  Apr.  geben  mit  einer  ge- 
wissen Regelmässigkeit  eine  bedeutende  Retardation  der  geocentrischen 
Bewegung,  so  dass  kein  bestimmter  Verdaclitsgrund  gegen  eine  der 
Positionen  entstehen  kann.  Ob  aber  die  Bahn  durchaus  durch  keinen 
Kegelschnitt  dargestellt  werden  kann,  muss  ich  in  diesem  Augenblick, 
wo  mir  schlechterdings  alle  Müsse  fehlt,  selbst  Rechnungen  über  den 
Gegenstand  anzustellen,   auf  sich  beruhen  lassen.     Vielleicht   steht  mir 


1)  Vergl.  auch  Brief  No.  462  vom  24.  Okt.  1822  und  No.  46S  vom  U».  März 
1823  von  Gauss  an  Olbers,  S.  220  und  235.     Krm. 

-)  Gai-ss"  Werke  Bd.  V,  S.  29—77.  Vergl.  auch  Brief  Xo.  638  vom  31.  Jan. 
1829.     Krm. 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  lS3(i  April  28.  539 

dazu  künftig  (aber  sclnvei'lich  bald)  einmal  Müsse  zu  Gebote,  wo  ich 
mir  die  J'apiere  wieder  ausbitten  werde.  Ich  bin  nicht  ganz  abgeneigt 
zu  glauben,  dass  die  Rechnungen,  wovon  die  Haupt-Incidenzpunkte  auf 
dem  Oktavblatt  stehen,  nicht  fehlerfrei  sind,  namentlich  dass  das  n 
(ir  17",3),  wovon  das  meiste  abhängt,  bedeutend  zu  gross  ist,  aber 
wie  gesagt,  Rechnungen  habe  ich  gar  nicht  anstellen  können,  sondern 
bloss  ein  vages  Aperru  erregt  in  dieser  Beziehung  bei  mir  einigen 
Verdacht. 

Dass  schon  Hr.  Petersen^)  mir  über  diesen  Gegenstand  Mitthei- 
lungen gemacht  hat,  ist  mir  durchaus  nicht  erinnerlich;  sollte  solches 
geschehen  sein,  so  kann  ich  nur  in  meinen  überhäuften,  so  verschieden- 
artigen Beschäftigungen  eine  Entschuldigung  finden,  solches  völlig  ver- 
gessen zu  haben.  In  der  That  wird  meine  Zeit  besonders  jetzt  durch 
so  unabsehbar  viele  Dinge  in  Anspruch  genommen  —  die  Sorgen  und 
Besorgungen  für  5  Kinder  machen  davon  freilich  einen  grossen  Theil 
aus  — ,  dass  ich  oft  nicht  weiss,  wo  mir  der  Kopf  steht,  und  an  wissen- 
schaftliche Arbeiten  jetzt  gar  nicht  denken  kann.  Entschuldigen  Sie 
daher  freundlich  auch  die  Kürze  und  Leerheit  dieser  Zeilen. 


No.  642.  Olbers  an  Gauss.  [339 

Bremen,  1830  April  28. 

Ich  benutze  die  Gelegenheit,  da  Hr.  Gehle,  ein  Theologie  stu- 
dirender  Bremer,  der  hier  während  der  Ferien  bei  seinen  Eltern  zum 
Besuch  war,  wieder  nach  Göttingen  zurückkehrt,  um  Ihnen  für  Ihren 
gütigen  Brief  vom  7.  d.  M.  und  das  Geschenk  Ihrer  so  höchst  wichtigen, 
Epoche  machenden  Theoria  figiirae  fluidorum  in  statu  aequilibrii  den 
verpflichtetsten  Dank  abzustatten.  Es  ist  erfreulich,  dass  von  Ihrem 
Wahlspruch  „Pauca  sed  matura"  doch  nur  das  letzte  eigentlich  An- 
wendung findet,  und  der  unvergleichliche  Baum^)  doch  auch  viele 
Früchte  trägt. 

Zugleich,  mein  theurer  Gauss,  bitte  ich  Sie  um  Ihre  Verwendung 
bei  Ihrer  Fräulein  Tochter  Wilhelmine,  dass  dieselbe  beikommendes, 
freilich  sehr  unbedeutendes  kleines  Andenken  Ihres  alten  Pathen  gütig 
und  nachsichtsvoll  aufnehmen  möge.    Es  ist  von  den  wiederholten  herz- 


^)  Muss  heissen  Peters:  vergl.  nächsten  Brief  von  Olbers  sowie  Brief  No.  637, 
S.  529—530.     Seh. 

")  Wohl  eine  Anspielung  auf  das  Siegel,  das  Gauss  in  letzter  Zeit  benutzte,  ein 
Früchte  tragender  Lorbeerbaum  mit  seinem  Wahlsi)ruch   „pauca  sed  mahira".    Krm. 


540  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1830  Mai  28. 

liclisten  und  innigsten  Wünschen  für  das  Wohl  und  dauernde  Glück 
der  Uehensivürdigen  Braut  begleitet.  Das  Wort  liebenswürdig  soll  hier 
kein  fades  Kompliment  sein,  sondern  nach  dem.  was  mir  noch  ganz 
kürzlich  der  Landes-Oekonomierath  Lüdee  von  meiner  lieben  Pathin 
erzählt  hat,  verdient  sie  jenen  Beinamen  mit  dem  vollkommensten  Recht. 
Die  schöne  Knospe,  wie  ich  sie  1819  sah.  muss  sich  herrlich  ent- 
faltet haben. 

Das  bei  dem  hohen  Wasser  noch  grössten  Theils  überschwemmte 
Gebiet  von  Bremen  macht  die  Kommunikation  mit  den  umliegenden 
Orten  fortdauernd  schwierig,  und  ich  habe  Klüver  noch  nicht  wieder 
gesehen.  So  bald  er  hereinkommt,  werde  ich  ihn  auffordern,  seine  Rech- 
nungen strenge  zu  prüfen.  —  Es  war  Petees,  nicht  Petersen,  von 
dem  Sie  mir  selbst  erzählten,  er  sei  in  Altona  zu  Ihnen  gekommen  und 
habe  geklagt,  dass  er  aus  den  ßeobb.  des  in  Frage  stehenden  Kometen 
keine  Bahn  ableiten  könne.  Sie  hätten  ihm  geantwortet,  die  von  Peters 
befolgte  Rechnungs-Methode  werde  wohl  gerade  auf  diesen  Kometen 
nicht  anwendbar  sein,  er  müsse  eine  andere  wählen.  —  Ich  fürchte 
immer,  es  liegt  an  den  Beobb.  selbst.  Auch  bei  dem  grossen  Kometen 
von  1811^),  den  Flaugeegues  selbst  zuerst  entdeckte,  waren  seine 
ersten,  mir  auf  meine  Bitte  in  originali  mitgetheilten  Beobb.  bis  zum 
Unglaublichen  schlecht,  und  hatten  Fehler  von  20  und  mehr  Minuten. 
Die  späteren  waren  besser,   aber  doch  immer   nichts  weniger   als  gut. 

Werden  Sie  auch  dieses  Jahr  der  Versammlung  der  Naturforscher 
in  Hamburg  beiwohnen?  Ich  denke  nicJit  hinzugehen,  was  mir  wohl 
auch  mein  Befinden  nicht  erlauben  wird;  hoffe  aber  bei  der  Gelegen- 
heit durch  den  Besuch  mehrerer  meiner  Freunde  und  Bekannten  er- 
freut zu  werden.  Bessel,  der  schon  Ende  Juli  in  Altona  einzutreffen 
willens  ist,  wird  wohl  nicht  bis  zu  dieser  Versammlung  bleiben,  be- 
sonders wenn  Schumacher  sein  Vorhaben,  im  Spätsommer  nach  Paris 
zu  gehen,  noch  ausführen  sollte. 

In  der  Sternkunde  ist  es  noch  immer  merkwürdig  still,  und  weder 
am  Himmel,  noch  auf  der  Erde  etwas  bedeutendes  Neues. 


No.  643.  Olbers  an  Gauss.  fsdo 

Bremen,  1830  Mai  28. 

Ich  weiss  nicht,   ob  Ihnen  Hr.  Prof.  Harding   die  Elemente   mit- 
getheilt  hat,  die  ich  am  2.  Mai.  gleich  nachdem  ich  die  Beob.  des  Ko- 


*)  Komet  1811  I.    Yergl.  Brief  No.  250  vom  31.  Okt.  und  No. 'J^l  vom  10.  Nov. 
1811  von  Olbers  an  Gauss  in  Bd.  II,  1.     Kim. 


Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1830  Mai  28.  541 

nieten^)  von  Gambart  erhalten  hatte,  aus  dieser,  der  HARDiNo'schen 
vum  20.  Apr.  und  meiner  vom  30.  Apr.  ableitete.  Zum  Ueberfluss  setze 
ich  sie  hier  wieder  her. 

[Folireu  die  in  Olbers  Bd.  1  No.  119,  S.  427  mitgetheilten  Elemente.] 

Die  GAMBARTSche  Beob.  hatte  ich  so  reducirt: 

Apr.  21.     IS»»  SO'"  25^5  M.  Z.  Marseüle 

317"33'28",8  -f  9°  30' 25",3 

Die  mittlere  Beob.  vom  26.  Apr.  wurde  freilich  sehr  gut,  bis  auf 
l'j".5  in  der  Länge  und  1"  in  der  Breite  dargestellt;  allein  da  der 
ganze  in  der  Zwischenzeit  vom  21. — 30.  Apr.  scheinbar  durchlaufene 
Bogen  nur  6°.l  beträgt,  so  konnte  ich  diese  Elemente  nur  etwa  als  eine 
erste  Näherung  ansehen.  Die  Beobb.  stimmen  indessen  noch  fortwährend 
so  gut  mit  diesen  Elementen,  dass  ich  noch  keine  Verbesserung  an- 
zubringen weiss.  Hier  z.  B.  die  Vergleichung  mit  2  meiner  letzten 
Beobb.: 

Beobachtung-  Kechn.-Beob. 

Mai  19.     11"    5'"39^      319°34'35"     +23028'33"  +21"      —29" 

20.     11    12      6       319  33  42      +234451  +6        —19 

Hoffentlich  werden  diese  Elemente  auch  die  künftigen  Beobb.  er- 
träglich darstellen,  und  so  ist  Ihnen  vielleicht  folgende  kleine  Epheme- 
ride nicht  ganz  unangenehm. 

[Folgt  eine  Epheraeride  von  Mai  25  bis  Juni  29  in  Stägigen  Intervallen.]     • 

Vielleicht  wird  sich  die  Sichtbarkeit  des  Kometen  noch  nicht  auf 
den  Juni  beschränken.  Er  scheint  viel  mehr  Dichtigkeit  und  Materielles 
zu  haben  als  der  ENCKs'sche  Komet,  deswegen  das  Sonnenlicht  viel 
stärker  zurück  zu  w^erfen,  und  wird  so  in  weit  grösseren  Abständen 
von  der  Sonne  wahrscheinlich  noch  hell  genug  bleiben,  um  ihn  vom 
Himmels-Grunde  zu  unterscheiden.  "Wenigstens  ist  jetzt  noch  sein  ver- 
waschener Kern  sehr  glänzend.  —  Der  Komet  schickt  sich  recht  zu 
Beobb.  mit  dem  Heliometer,  und  Bessel  und  Hansen  werden  uns  ge- 
wiss ganz  vorzügliche  Beobb.  von  ihm  liefern. 

Was  haben  Sie  für  Projekte  diesen  Sommer,  lieber  Gauss?  Ist 
keines  darunter,  das  Sie  in  unsere  Nähe  führt  und  mich  die  Freude, 
Sie  zu  sehen,  hoffen  lässt?  Werden  Sie  nicht  die  Versammlung  der 
Naturforscher  in  Hamburg  besuchen?  Die  dortige  Versammlung  wird 
dem  Vernehmen  nach  sehr  zahlreich  und  glänzend  werden,  und  das 
reiche  und  üppige  Hamburg  alles  aufbieten,  Berlin  und  Heidelberg  noch 
zu   übertreffen   und   den  verehrten  Gästen   den  dortigen  Aufenthalt  so 


1)  Komet  1830  I.    Vergl.  Olbebs  Bd.  I  No.  119  bis  121   und   194,   S.  427—429 
und  656.     Krm. 


542  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1830  Juni  14. 

angenehm  als  möglich  zu  machen.  Besonders  werden  viele  englische 
und  schottische  Gelehrte  erwartet,  denen  die  Dampfschiffe  jetzt  eine 
so  bequeme  Gelegenheit  darbieten,  nach  Hamburg  zu  kommen.  Ich 
werde  7iicht  hingehen.  Die  Reise  Hesse  sich  allenfalls  noch  wohl 
machen,  allein  ich  darf  und  kann  mich  schlechterdings  nicht  den  Stö- 
rungen und  Abweichungen  von  meiner  gewohnten  Lebensweise  aus- 
setzen, die  meiner  dort  gewiss  erwarteten. 

Bessel  wollte  schon  Anfangs  Juli  in  Altona  sein,  früheren  Anzeigen 
zufolge.  Ob  er  seine  Absicht  seitdem  geändert  hat.  weiss  ich  nicht, 
weil  ich  von  unserem  Schumachee  —  wahrscheinlich  und  wie  ich  mir 
schmeichle,  wegen  einer  Eeise  nach  Kopenhagen,  nicht  wegen  Krank- 
heit —  in  4  A\'ochen  nichts  gesehen  und  nichts  gehört  habe.  In  An- 
sehung Schumacher's  ist  es  mii'  nur  etwas  bedenklich,  dass  auch  die 
Astronomischen  Nachrichten,  die  sonst,  ihrem  angegebenen  Zwecke  ge- 
mäss, bei  Erscheinung  eines  neuen  Kometen  so  häufig  herauszukommen 
pflegen,  ganz  zurückbleiben. 

Haben  Sie  schon  etwas  Näheres  von  neuen  Achromaten  gehört, 
in  denen  man  statt  Crown-Glas  Bergkrystall  mit  dem  Flintglase  ver- 
bindet? Bei  gleicher  Apertur  und  VergTösserung  und  grösserer  Hellig- 
keit und  Schärfe  soll  sich  die  Brennweite  dadurch  auf  f  herabbringen 
lassen. 

N.  S.  Ihre  liebenswürdige  Fräulein  Tochter  hat  mir  einen  ganz 
allerliebsten  Brief  geschrieben.  Danken  Sie,  ich  bitte,  in  meinem  Namen 
der  schönen  Braut  bestens  dafür,  so  wie  für  die  freundliche  und  nach- 
sichtsvolle Aufnahme  meines  kleinen  so  unbedeutenden  Andenkens.  Ich 
würde  meinem  lieben  Pathchen  selbst  danken,  aber  ich  mag  sie  nicht 
mit  dem  Gekritzel  eines  alten  Mannes  behelligen  und  langweilen. 


No.  644.  Gauss  an  Olbers.  [304 

Göttingen,  1830  Juni  14. 

Ich  bin  Ihnen  noch  für  Ihre  beiden  letzten  Briefe  meinen  innigsten 
Dank  schuldig.  Meine  Tochter  wii'd  Ihnen  selbst  geschrieben  haben, 
wie  sehr  Sie  sie  und  uns  durch  das  kostbare  Andenken  erfreut  haben. 
Auf  Michaelis  wird  sie  ihren  neuen  Hausstand  antreten,  in  welchem 
sie,  wie  alles  mich  hoffen  lässt,  ihr  wahres  und  daueihaftes  Glück  fin- 
den wird. 

Sehr  verbunden  bin  ich  Ihnen  für  Ihre  den  Kometen  betreffenden 
Mittheilungen.  Das  Wetter  ist  bisher  immer  sehr  ungünstig  gewesen, 
und  nachgerade  fange  ich  an  zu  fürchten,  wird  er  wohl  für  mein  Hello- 


Gauss  an  Olbers.     Götting^eu,  1830  Juni  14.  543 

nieter  zu  schwach  geworden  sein,  und  die  letzten  Beobb.  werden  wohl 
am  füglicbsten  Bessel  und  Stkuve  überlassen  bleiben,  neben  deren 
Beobb.  kreismikiometrische  Bestimmungen  nur  noch  wenig  A\'erth  haben 
würden. 

Die  Oppositionen  der  Pallas  und  Ceres  habe  ich  sehr  gut  beob- 
achtet.^) 

Zu  der  Versammlung  der  >*aiuriürscher  in  Hamburg  werde  ich 
nicht  reisen.  "Wie  sehr  verlangte  mich  aber,  Sie  einmal  wieder  in 
Bremen  zu  sehen.  Leider  ist  mir  bei  dem  traurigen  Gesundheitszu- 
stände meiner  Frau  und  dem  Zerwürfniss  meines  Hauswesens  jetzt 
nicht  verstattet,  irgend  einen  Plan  zu  einer  selbst  massigen  Abwesen- 
heit von  hier  zu  machen.  Ich  habe  im  vorigen  Monate  nicht  einmal 
die  Reise  nach  Hannover  unternehmen  mögen,  um  die  Messungs- 
geschäfte für  das  laufende  Jahr  persönlich  zu  reguliren,  sondern  den 
Lieutenant  Haetmaxx  hierher  kommen  lassen  und  dem  Hauptmann 
MüLLEE  meine  Pläne  nur  schriftlich  kommunicirt. 

Das  Interesse,  welches  Sie  an  diesen  Arbeiten  immer  genommen 
haben,  entschuldigt  mich  wohl,  wenn  ich  Ihnen  auch  einiges  von  den 
diesjährigen  Plänen  anzeige. 

Der  Lieutenant  Hartmann  wird  an  der  westlichen  Grenze  des 
Königreichs  da  fortfahren,  wo  mein  Sohn  im  vorigen  Jahre  aufge- 
hört hatte.  Er  wird  also  von  Bentheim  oder  richtiger  von  der  Seite 
Kirchhesepe  (Thurm) — Queckenberg  (bei  Fürstenau)  das  Dreiecksnetz 
nördlich  bis  Ostfriesland  fortführen.  Er  ist  Anfangs  dieses  Monats  ab- 
gereist, und  heute  habe  ich  bereits  seinen  ersten  Bericht  (aus  Meppen) 
erhalten.  Die  Aspekten  zur  Bildung  eines  guten  Netzes  sind  ganz 
günstig.  Ein  schon  im  vorigen  Jahre  von  meinem  Sohne  ausersehener 
und  vorläufig  rekognoscirter  Berg,  der  Windberg,  eine  Stunde  nfirdlich 
von  Sögel,  qualiflcirt  sich  zu  einem  vortrefflichen  Dreieckspunkte, 
welcher  sich  mit  den  alten  Punkten  Kii'chhesepe  und  Queckenberg,  und 
mit  den  neuen  Molbergen  und  Bassel  (im  Oldenburgischen),  Kloster  ter 
Apel  und  Onstwedde  (auf  Holländischem  Gebiet)  und  Leer  verknüpfen 
lässt.  Die  vier  letztgenannten  Punkte  sind  schon  KRATENHOFr'sche,  und 
vor  der  Hand  wird  es  wohl  imnöthig  sein,  dass  ich  über  diese  An- 
knüpfung hinausgehe,  von  welcher  bis  Jever  und  Ya.re\  zusammenhängende 
KRAYENHOFE'sche  Drcicckc  durch  Ostfriesland  laufen. 

Der  Hauptmann  MiJLLER  hingegen  und  mein  Sohn  sollen  sich 
wälu'end  dieses  Sommers  in  dem  östlichen  Theile  unseres  Königreichs 
beschäftigen,  welches  noch  gleichsam  eine  terra  incognita  ist.  Müller 
ist  in  diesen  Tagen  von  Hannover  abgereist  und  wird  den  Anfang  mit 


"■)  Vergl.  A.  X  Bd.  Vin,  Xo.  185:  Gauss'  Werke  Bd.  VI,  S.  462.     Krm. 


544  Gauss  an  Olbers,    Göttingen,  1830  Juni  14. 

der  Besichtigung-  des  Holxerberges  (bei  Uelzen)  machen.  Mein  Sohn 
wird  ihm  erst  im  Anfange  des  nächsten  Monats  folgen,  da  er  nicht 
gern  etwas  von  den  Regiments-Manövern  versäumen  wollte,  welche  bis 
Ende  des  Juni  dauern.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  wird  dieser 
ganze  östliche  Tlieil  ein  sehr  schwieriges  Terrain  sein,  und  also  wohl 
in  diesem  Jahre  noch  nicht  sehr  viel  daselbst  absolvirt  werden  können. 
Ob  es  mir  möglich  sein  wird,  in  diesem  Jahre  einmal  selbst  eine  In- 
spektion dieses  Terrains  und  der  dortigen  Arbeiten  zu  halten,  steht 
noch  dahin;  einen  länger  dauernden  Antheil  werde  ich  aber  jedenfalls 
nicht  daran  nehmen. 

"Wenn  dieser  östliche  Theil  künftig  auch  erst  abgethan  sein  wird, 
so  würde  nur  noch  theils  der  nördliche  Theil  des  Bremischen,  theils 
der  Landstrich  SW  vom  Falkenberg  (über  Walsrode,  Neustadt  bis  Ha- 
meln und  Holzminden  hin)  übrig  bleiben,  wodurch  dann  das  ganze 
Königreich  mit  einem  Dreiecksnetz  übersponnen  sein  würde.  Die  wei- 
tere ganz  specielle  Vorbereitung  für  künftige  Detailaufnahme  würde 
dann  auch  ohne  meine  unmittelbare  Mit'^sirkung  allenfalls  geschehen 
können. 

Die^)  Zeit,  die  mir  in  diesem  Sommer  zu  eigener  Arbeit  übrig 
bleibt,  denke  ich  der  Fortsetzung  meiner  Abhandlung  über  die  biqua- 
dratischen Eeste  zu  widmen,  damit  diese  Arbeit,  deren  erste  Anfänge 
sich  schon  von  1805  her  datiren,  ihrer  Vollendung  näher  komme. 
Sie  wird  wenigstens  noch  zwei  ausgedehnte  Abhandlungen  erfordern; 
vorerst  werde  ich  es  aber  bei  einer  bewenden  lassen  und  die  erste 
mir  dann  wieder  zu  Theil  werdende  Müsse  erst  wieder  einem  anderen 
Gegenstande  widmen,  wahrscheinlich  den  theoretischen  Methoden  der 
Höheren  Geodäsie.  Es  ist  seit  geraumer  Zeit  mein  Schicksal  gewesen, 
immer  solche  Arbeiten  aufzunehmen,  bei  denen  sich  in  der  Darstellung 
nicht  schnell  fortschreiten  lässt. 

Von  dem  HERzoa  von  Sussex  hat  die  Sternwarte  vor  einiger  Zeit 
einyonHAEDY  verfertigtes  verkehrtes  Pendel  erhalten,  in  einer  etwa  4  mal 
so  grossen  Dimension  wie  das  früher  von  demselben  geschenkte  [G.  G.  A. 
1820  S.  1806^),  Es  hat  eine  bedeutende  Empfindlichkeit,  wenn  gleich 
Harüy's  Hoffnung,  dass  man  damit  die  Attraktion  der  Sonne,  des. 
Mondes  und  der  Berge  soll  messen  oder  augenfällig  machen  können, 
theils  viel  zu  sanguinisch,  theils  ohne  Sinn  ist.  Bei  einer  mittleren 
Stellung  der  Kugel  entspricht  ein  Ausschlag  des  Zeigers  von  1  Linie 
einer  Neigung  von  24  Sekunden,  oder  die  Empfindlichkeit  ist  so  gi-oss, 


')   Von  hier  ab   bis   „fortschreiten   lässt"   auch   abgednickt   in  Gacss'  Werken 
Bd.  IX,  S.  379.     Krm. 

^)  Gauss'  Werke  Bd.  VI.  S.  435.     Krm. 


Olbers  an  Gauss.     ^■.  II.  [BremeuJ,  1830  September  4.  545 

wie  die  eines  34  mal  so  langen  gewülinliclien  Pendels.  Was  mich  dabei 
am  meisten  interessirt,  ist  die  Schärfe,  mit  der  man  die  Dauer  der 
Vibrationen  bestimmen  kann,  und  die  Regelmässigkeit,  mit  welcher  die 
L'ngleichheit  derselben  der  Temperatur  folgt.  Ich  werde  meine  Ver- 
suche damit  vervielfältigen.  Hier  einige,  wobei  das  Th[ermometer]  sorg- 
tältifr  notirt   ist: 


Thermometer 
Gentes. 

Dauer  einer 
Vibration 

15»,8 

;;\852 

16.8 

3.364 

18,2 

3.378 

19,4 

3,395 

Natürlich  ist  die  Temperatur-Aenderung  nicht,  insofern  sie  die  Lauge 
der  Stange  oder  die  Dichtigkeit  der  Luft  afficirt  (dieser  Einfluss  ist  so 
gut  wie  unmerklich),  sondern  insofern  sie  die  Elasticität  der  Feder 
verändert,  das  Agens,  und  ich  glaube,  dass  man  diesen,  so  viel  ich 
weiss,  bisher  noch  nie  quantitativ  untersuchten  Umstand  zur  Dar- 
stellung einer  ganz  neuen  Art  äusserst  empfindlicher  Thermometer 
müsse  benutzen  können. 


No.  645.  Olbers  an  Gauss.  [341 

V.  H.  [Bremen],  1830  September  4. 
Morgens  9  Uhr. 

Ihr  Briefe)  hat  mich  sehr  erschreckt.  Von  Schumachee^)  habe 
ich  bis  jetzt  noch  jiiclifs  erhalten.  Ich  kenne  also  die  Ursache  Ihres 
Kummers  nicht,  aber  ich  nehme  im  voraus  den  lebhaftesten,  schmerz- 
lichsten Antheil. 


')  Dieser  Brief  ist  niclit  mehr  vorhanden.  Zu  seinem  Inhalte  vergi.  die  folgende 
Anmerkung.     Krm. 

-)  Gemeint  ist  der  Brief  vom  3.  Sept.  1830  von  Schumacher  an  Olbers,  in 
welchem  Schumacher  einen  Brief  Gacss'  zur  Einsichtnahme  schickt,  der  jedoch  nicht 
mehr  vorhanden  zu  sein  scheint.  Die  auf  das  Obige  bezügliche  Stelle  lautet  dort: 
„Ich  sende  Ihnen  anbei  einen  Brief  von  unserem  Gauss,  der  mich  sehr  tief  betrübt 
„hat.  Alle  Untersuchungen  bei  der  Hamburger  Polizei  sind  vergebens  gewesen,  und 
„der  Polizei-Chef,  Senator  Dämmert,  hält  sich  überzeugt,  dass  der  junge  Gauss  nicht 
„hier  ist. 

„Der  Brief  ist  in  einem  so  bewegten  Gemüthszustand  geschrieben,  dass  ich 
„nicht  ganz  gewiss  bin,  was  eigentlich  Gauss  will,  dass  Sie  und  ich  thun  soUen.   Ich 

Olbers.    II,  2.  35 


546  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1830  September  12. 

Gern  würde  ich  Ihnen  gleicli  Logi.s  in  meinem  Hause  anbieten. 
aber  ich  erwarte  täglich,  spätestens  übermorgen,  den  Landdrosten 
V.  Dachenhatjsen,  der  meinen  Sohn  mit  einem  Besuche  erfreuen  "^^ül. 
Aber  ich  hoffe,  dass  Sie  und  Ihr  Hr.  Sohn  schon  diesen  Mittag  unsere 
frugale  Kost  mit  uns  theilen  werden.  Bis  um  3  Uhr  werde  ich  mit 
dem  Essen  auf  Sie  warten.  Dass  ich  den  übrigen  Tag  und  alle  fol- 
genden ganz  zu  Ihrem  Befehl  bin,  versteht  sich  von  selbst. 


No.  646.  Olbers  an  Gauss.')  [342 

Bremen,  1830  September  12. 

Ich  hoffe,   dass  Sie   glücklich   und  wohl   in  Göttingen   wieder  an- 
gekommen sind   und   Ihre  verehrte  Kranke   besser  vorgefunden  haben. 


„glaube,  er  -nünscht,  dass  wir  die  Abreise  befördern,  den  Ort,  wobin  er  gebt,  aus- 
„mitteln  und  demnächst  Anstalten  treffen  sollen,  ihn  dort  zu  unterstützen."  .... 

Ueber  die  Veranlassung  zu  der  Auswanderung  von  Eugen  Gauss  giebt  Prof. 
Florian  Cajoei  in  der  Science  (1899  Mai  19,  N.  S.  Vol.  IX,  No.  229)  ausführlich  Nach- 
richt. Er  schreibt  dort  [in  freier  Uebersetzung  wiedergegeben] :  „Eugen  [der  auf 
Wunsch  seines  Vaters  und  gegen  seine  eigene  Neigung  in  Göttingen  Jura  studirte] 
ergab  sich  ganz  dem  wilden  Leben  eines  Göttinger  Studenten,  ein  Schmiss  in  seinem 
Gesicht  zeugte  von  seiner  Theilnahme  an  einer  Mensur.  Welches  Leben  er  da  führte, 
können  wir  ungefähr  aus  den  Erzählungen  entnehmen,  die  wir  aus  Bismakck's  stür- 
mischer Göttinger  Studentenzeit  besitzen;  diese  begann  etAva  1  Jahr  später,  als  Eugen 
die  Universität  verlassen  hatte. 

Es  ereignete  sich  nämlich  ein  Zwischenfall,  welcher  ein  ernstes  Zerwürfniss 
zwischen  Vater  und  Sohn  herbeiführte.  Eugen  gab  seinen  Kommilitonen  ein  solennes 
Essen  und  übersandte  seinem  Vater  die  Rechnung.  Als  letzterer  seinem  Sohne  des- 
halb Vorwürfe  machte,  beschloss  Eugen  plötzlich,  Deutschland  zu  verlassen  und  nach 
Amerika  auszuwandern.  Er  ging  auf  und  davon,  ohne  seiner  Familie  Lebewohl 
zu  sagen  oder  sonst  irgend  welche  Vorbereitungen  für  die  Eeise  zu  treffen.  Als 
Gauss  von  der  Absicht  seines  Sohnes  erfuhr,  reiste  er  ihm  nach  und  suchte  ihn  zur 
Umkehr  zu  bestimmen,  gleichzeitig  sagte  er  ihm  aber,  dass  er  seinen  Koffer  mitge- 
bracht hätte  lind  bereit  sei,  ihm  die  Mittel  zur  Eeise  zu  geben,  falls  er  entschlossen 
wäre,  sein  Glück  in  Amerika  zu  versuchen.  Der  Sohn  lehnte  es  ab,  wieder  heimzu- 
kehren, und  beide  reisten  weiter  [nach  Bremen] " 

Von  dem  bewegten  Leben,  das  der  junge  Gauss  in  Amerika  führte,  geben  die 
folgenden  Briefe  noch  Nachricht.  Aus  dem  erwähnten  Aufsatze  von  Cajori  geht 
hervor,  dass  es  ihm  schliesslich  glückte,  eine  gesichorte  und  ireachtete  Existenz  zu 
erringen,  und  dass  er  sich  mit  seinem  Vater  wieder  völlig  aussöhnte,  der  letzte  Brief 
von  Gauss  an  Olbers  vom  14.  Mai  1839  deutet  dies  auch  an.     Krm. 

*)  Nach  diesem  Briefe  und  einer  Mittheilung  vom  6.  Sept.  1830  von  Olbers  an 
Schumacher  war  Gauss  vom  4.  bis  7.  Sept.  in  Bremen,  um  die  Uebersiedlung  seines 
Sohnes  Eugen  nach  New  York  zu  bewerkstellisfeu.    Krm. 


Gauss  an  Olbers.    Göttingeu,  1830  September  13.  547 

Ich  eile  Urnen  hier  zwei  Briefe  einzuschicken,  von  denen  der  eine  am 
Mittwoch,  der  andere  gestern  hier  eintrat'. 

Es  scheint,  dass  unser  Schumacher  seine  Reise  erst  am  10.  dieses 
über  Gotha  und  Halle  angetreten  hat. 

FocKE  ist  mit  dem  Benehmen  seines  Hausgenossen  bisher  sehr 
zufrieden. 

In  grosser  Eile,  weil  die  Post  gleich  abgehen  wird. 


No.  647.  Gauss  an  Olbers.  [305 

Göttingen,  1830  September  13. 

Ich  bin  krank  hierher  zurückgekommen.  Ton  den  Fatiguen  der 
Reise,  der  inneren  Unruhe,  die  mich  aus  Bremen  vertrieb,  auf  der  Reise 
begleitete  und  mich  hier  nicht  los  lässt,  Hess  sich  wohl  nichts  anderes 
erwarten.  Indessen  fühle  ich  mich  schon  heute  merklich  besser,  und 
mit  der  Zeit  werden  sich  ja  die  stürmischen  Wogen  glätten. 

Könnte  ich  doch  Ihnen  und  Ihrem  edlen  Schwiegersohn  recht 
zeigen,  wie  tief,  wie  innig  ich  von  Ihrer  unbeschreiblichen  Güte  gerührt 
bin.  Welch  ein  Mann  ist  dieser  I  Was  wäre  ohne  Sie  und  ihn  aus 
uns  geworden! 

Ich  scheue  mich,  nacli  dem  Betragen  meines  unglücklichen  Sohnes 
zu  fragen.  Was  kann  ich,  wenn  Sie  nicht  aus  Schonung  mir  die  Wahr- 
heit verschleiern  oder  mildern,  zu  hören  erwarten,  als  dass  von  allen 
auf  seine  Erziehung  verwandten  Sorgen  wenige  oder  keine  Spuren 
zurückgeblieben  sind. 

Giebt  es  ein  härteres,  schmerzlicheres  Loos,  als  wenn  ein  Vater 
nur  sehnlich  wünschen  muss,  dass  sein  Sohn  ihm  nie  wieder  vor  die 
Augen  kommen  möge.  Stände  ich  allein,  so  müsste  ich  einen  solchen 
Wunsch  für  eine  Versündigung  halten;  für  mich  entzöge  ich  mich  der 
Gefahr  ganz  aufgerieben  zu  werden  nicht.  Aber  ich  stehe  eingeklemmt 
zwischen  schweren  und  einander  widerstrebenden  Pflichten.  Ich  kann, 
ich  darf  ihm  nicht  wieder  Vater  sein,  als  wenn  er,  und  wie  schwach 
ist  die  Hoffnung  dazu,  einst  nach  Jahren  ein  ganz  veränderter,  auf 
eigenen  Füssen  stehender  Mensch  geworden  ist. 

Ihr  edler  Schwiegersohn  hat  die  Sorge  für  alle  Bedürfnisse  meines 
Sohnes  bis  zu  seiner  Abreise  grossmüthig  auf  sich  genommen.  Aber 
bei  einem,  wie  geringfügig  es  auch  an  sich  ist,  muss  ich  doch  Ihre  Ver- 
mittelung  in  Anspruch  nehmen,  mein  theurer  Olbees.  Ich  meine  das 
Douceur  bei  meines  Sohnes  Abgange  an  Ihres  Schwiegersohnes  Dome- 
stiken, die  doch  manche  Bemühungen  seinetwegen  gehabt  haben  werden, 

35* 


548  Gauss  an  Olbers.    Göttingen,  1830  September  13. 

SO  wie  auch  an  Ihre  eigenen.  Nur  einen  Freund  ivie  Sie  darf  ich  wagen 
zu  bitten,  hierbei  ganz  meine  Stelle  zu  vertreten,  und  auch  die  Be- 
stimmung ganz  nach  Ihrem  Ermessen  und  nach  meinem  Wunsch,  dass 
es  anständig  sei,  zu  machen.  Dass  ich  Ihre  Auslage  sogleich  erstatten 
werde,  versteht  sich  von  selbst. 

Meinen  jüngsten  Sohn  habe  ich  eine  Stunde  in  Poppenhagen  ge- 
sehen und  bin  mit  ihm  zufrieden. 

Die  Verbindung  meiner  Tochter  wird  nun  doch  übermorgen  statt- 
finden, und  dann  wird  das  Paar  sogleich  auf  ein  paar  "Wochen  ver- 
reisen. Die  Vorsehung  schenke  ihr  alles  Glück,  das  sie  so  sehr  ver- 
dient. Meine  arme  Frau  ist  sehr  schwach,  doch  scheint  mir,  nicht 
schlimmer  als  bei  meiner  Wegreise. 

Von  Benzenbekg  habe  ich  hier  einen  zweiten  Brief  vorgefunden; 
ich  habe  mich  einmal  ein  paar  Stunden  zusammen  gerafft,  alles  was 
mich  drückt,  zu  vergessen  und  sein  Buch  zu  prüfen.  Es  schien  mii-, 
dass  seine  Eechnungen  über  die  Berechnung  der  Barometerhöhen  nach 
Dalton's  Hypothese  in  der  Wurzel  falsch  sind,  und  dass  eine  richtige 
Eechnung  ein  ganz  entgegengesetztes  Resultat  giebt,  bei  5000  Fuss  Höhe 
anstatt  —  16  Fuss  finde  ich  -|-  2  Fuss,  und  beim  Michaelisthurm 
statt  —  1  Fuss  finde  ich  -f~  tot  Fuss.  Beim  Monte  Gregorio  wird 
also  in  Dalton's  Hypothese  der  Unterschied  zwischen  barometrischer  und 
geometrischer  Messung  noch  etwas  grösser,  und  beim  Michaelisthurm 
ist  die  Aenderung  ganz  unmerklich.  A^'erde  ich  künftig  etwas  ruhiger 
sein,  so  werde  ich  die  Untersuchung  genauer  vornehmen  und  Ihnen, 
w^enn  Sie  ein  Interesse  daran  nehmen,  auf  [die]  eine  oder  andere  Art 
mittheilen. 

Mein  guter  ältester  Sohn  ist  bei  seinen  Messungsgeschäften  auch 
unwohl.  Es  würde  mir  sehr  schmerzlich  sein,  wenn  meine  Hoffnung, 
ihn  nach  Vollendung  derselben  eine  Zeit  lang  bei  mir  zu  haben,  auch 
vereitelt  würde.  Es  scheint,  dass  man  Schwierigkeiten  macht,  ihm 
Urlaub  zu  bewilligen. 

Sollte  es  aus  irgend  einer  Ursache  nöthig  scheinen,  dass  ich  vor 
der  Abfahrt  meines  Sohnes  noch  einmal  schreiben  müsste,  so  haben 
Sie,  bester  Olbeks,  wohl  die  Güte,  mich  zu  benachrichtigen.  Meine 
Absicht  wäre  sonst,  nicht  meinem  Sohne  noch  zu  schreiben.  Er  kann 
seinen  im  innersten  Lebensmark  verwundeten  Vater  nicht  versöhnen, 
als  durch  Jahre  lang  bewährte  Besserung. 

Gottes  Segen  über  Sie,  theurer  Olbers.  und  Ihre  ganze  Familie. 


Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1830  September  21.  549 


No.  »148.  Olbers  au  Gauss.  [343 

1  Bremen,  1830  September  21. 

Es  tluit  mir  selir  leid,  dass  Sie  krank  von  Ihrer  Eeise  zurück- 
gekommen sind;  ich  hoffe  indessen,  dass  Sie  jetzt  ganz  wieder  hergestellt 
sind,  und  die  glückliche  Verbindung  Ihrer  liebenswürdigen  Tochter  mit 
Ihrem  jetzigen  Schwiegersohn  fröhlich  haben  feiern  können.  Viel  Glück 
und  Segen  dem  neuen  Ehepaar!  —  Möchten  Sie  doch,  wenn  ich  mein 
Leben  noch  vielleicht  durchwintern  sollte,  die  jungen  Eheleute  mir  im 
künftigen  Jahre  auf  einer  Ferienreise  einmal  zuführen.  Ich  bin  sehr 
begierig,  Ihren  würdigen  Hrn.  Schwiegersohn  persönlich  kennen  zu 
lernen.  Hofrath  Heeren,  der  hier  in  voriger  Woche  einige  Tage  ver- 
weilte, sprach  mit  ganz  ausgezeichnetem  Lobe  von  ihm. 

Ihr  Hr.  Sohn  beträgt  sich  hier  bis  jetzt,  so  viel  ich  weiss,  durch- 
aus gut  und  ist  emsig  mit  Uebung  im  Schreiben  und  der  englischen 
Sprache  beschäftigt.  Die  Abfahrt  des  Schiffes  wird  sich  wohl  noch 
etwas  verzögern.  Vorläufig  ist  sie  jetzt  auf  den  1.  Okt.  angesetzt.  — 
Ihren  Auftrag  werde  ich  ausführen. 

Eine  Erkältungskrankheit  mit  Flussfieber  hat  die  intendirte  Eeise 
unseres  Schumacher,  wie  Sie  wohl  schon  wissen  werden,  unangenehm 
aufgehalten.  Olj  und  wann  er  sie  jetzt  antreten  wird,  weiss  ich 
noch  nicht. 

Die  Versammlung  der  Naturforscher  in  Hamburg,  die  am  18.  dieses 
förmlich  eröfthet  wurde,  scheint  doch  nicht  ganz  so  zahlreich  zu  werden, 
als  ich  vermuthet  hatte.  His  zum  15.  Sept.  hatten  sich  erst  56  Fremde 
als  Mitglieder  einschreiben  lassen.  Freilich  werden  diese  nun  noch 
zahlreicher  naclikommeu,  aber  manche  mag  doch  das  schlechte  un- 
beständige "Wetter,  andere  die  sich  so  weit  verbreitenden  Unruhen  zu- 
rückhalten. Ausser  Strijve  ist  von  namhaften  Astronomen  auch  Littrom- 
dort.  ScHrMACHEE  hatte  dessen  ihm  zugedachten  Besuch  bisher  wegen 
seiner  rnpässlichkeit  ablehnen  müssen.  —  Encke  war  noch  nicht  an- 
gekommen. 

Was  Sie  mir  gütigst  über  Benzenberg  und  über  die  DALTON'sche 
Hypothese  sagen,  interessirt  mich  in  hohem  Grade.  Ich  gestehe  es,  ich 
habe  gar  nicht  an  der  Kichtigkeit  der  BENZENBERa'schen  Eechnung  bei 
Voraussetzung  der  DALTON'schen  Theorie  gezweifelt,  und  deswegen  diese 
Eechnungen  auch  gar  nicht  näher  untersucht.  Um  so  angenehmer  wird 
es  mir  sein,  wenn  Sie  mir  Ihre  Untersuchung  dem  gütigen  Versprechen 
gemäss  recht  bald  mittheilen  wollen.  Benzenberg  hat  mir  noch  nicht 
den  Tag-  seiner  Herkunft  angezeigt,  welche  Anzeige  ich  seit  3  Wochen 


550  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1830  Oktober  7. 

täglich  erwarte.  —  Die  Jahreszeit  "wird  immer  schlechter  und  dürfte 
einem  halb  Kranken  nicht  mehr  zuträglich  sein. 

Noch  sehe  ich  keine  Nothwendigkeit,  dass  Sie  noch  einmal  an  den 
Abreisenden  vor  seiner  Abfahrt  schreiben  müssten.  Treten  noch  Um- 
stände ein,  die  dies  nöthig  oder  doch  wünschenswerth  machten,  so 
melde  ich  es  Ihnen. 

Einliegendes  Briefchen  ist  seit  meinem  letzten  Schreiben  für  Sie 
hier  eingelaufen. 


No.  649.  ,      Gauss  an  Olbers.  [soe 

Göttingen,  1830  Oktober  7. 

Ihrer  gütigen  Erlaubniss  zufolge  mache  ich  den  Versuch,  die  Un- 
richtigkeit der  BENZENBEEG'schen  Berechnung  der  Barometerhöhen  in 
Dalton's  Hypothese  zu  entwickeln.  Es  handelt  sich  nicht  um  einen 
Rechnungsfehler  im  eigentlichen  Sinn  (erreur  de  calcul),  sondern  um 
einen  Ueberlegungsfehler  (erreur  de  raisonnement). 

Um  mich  kürzer  ausdrücken  zu  können,  bitte  ich,  in  Ihrem  Exem- 
plare von  Benzenberg's  Buche  die  drei  Zahlenkolumnen  pag.  2  mit 
a,  h,  c  und  die  3  Zahlenkolumnen  pag.  3  mit  d,  e,  f  gefälligst  zu  über- 
schreiben. 

Die  Zahlen  a  hat  Benzenberg,  wie  er  selbst  sagt,  von  Dalton 
entlehnt.  Es  muss  aber  ein  nicht  angezeigter  Druckfehler,  der  übrigens 
ohne  Folgen  ist,  verbessert  und  21,00  anstatt  21.90  geschiieben  werden. 

Die  Zahlen  h  sind  nach  Biot,  mit  Ausnahme  der  dritten,  welche 
Benzenberg  so  modificirt  hat,  dass  das  specifische  Gewicht  der  trocknen 
gemeinen  Luft  wirklich  =  100  wird.  Es  ist  hierbei  zAveierlei  zu  er- 
innern. 

1)  Die  Art,  wie  Benzenbeeg  pag.  3  sich  ausdrückt,  ist  ohne  Sinn, 

denn  die  Zahl  t„  ,„_  hat  mit  der  erwähnten  Modifikation   2:ar   nichts 
10495 

zu  schaffen. 

2)  Benzenberg  hat  nicht  scharf  gerechnet,  er  hätte  sonst  anstatt 
1,1148  gefunden  1.114473.  Siehe  weiter  unten.  Die  erstere  Erinnerung 
ist  von  gar  keinen,  die  andere  nur  von  unerheblichen  Folgen. 

Die  Zahlen  c  sind  niclits  anderes,  als  die  Produkte  axb.  Schärfer 
berechnet  müssten  sie  so  heissen: 

100,000000 

76,491003 

23,403937 

0,105000 


Gauss  an  Olbers.    Göttingen,  1830  Oktober  7.  551 

Die  dritte  findet  sich  daduich,  dass  die  Summe  der  zweiten,  dritten 
und  vierten  100  geben  muss,  und  dann  ergiebt  sich  der  oben  erwähnte 
korrespondirende,  berichtigte  Werth  in  h  dui-ch  die  Division  mit  a: 

23,403937  _ 

In  dem  zweiten  Tableau  pag.  3  übergehe  ich  einen  Augenblick 
erst  die  Kolumne  d.   —   Die  Zahlen  e  sind  den  Zahlen  h  proportional, 

und  indem  die  eine  -  .  ,-^  von  Biot   entlehnt   ist,   finden   sich   so   die 
10495 

....  ^  1  0,9691 

ubngenz.B.  =  ^^^g^  =  ^^^u.s.w. 

Die  Zahlen  /'  entstehen  aus  e  nach  der  Formel 

/•=?i,  also  25270  =  2^X10830  u.  s.  w. 

Die  Zahl  2.V  bedeutet  hier  die  28  Zoll  (Xormalbarometerhöhe,  wofür  e 
galt)  in  Fuss  ausgedrückt.  Man  berechnet  also  oftenbar  die  Zahlen  f 
leichter  und  direkter  nach  der  Formel 

^_  24488^^  wo  24488,33  =  2^X10495 

Die  Zahlen  von  Benzenbeeg  ändern  sich  dann  alle  um  eine  Kleinigkeit, 
am  meisten  die  für  Sauerstolfgas  wegen  des  oben  bemerkten,  an  sich 
unerheblichen  Fehlers;  anstatt  21966  erhalten  wii'  nämlich  21973,01. 

Die  Zahlen  f  sind  das,  was  man  die  Subtangente  einer  Atmo- 
sphäre nennt,  nämlich  die  Höhe  einer  fingirten  Atmosphäre  von  gleich- 
förmiger Dichtigkeit,  äqual  der  Dichtigkeit  am  Boden  der  wirklichen 
Atmosphäre,  welche  fingirte  Atmosphäre  einen  ebenso  grossen  Total- 
druck ausüben  soll  wie  die  wii^kliche. 

Diese  Dichtigkeit  am  Boden  ist  das,  was  die  Kolumne  c  enthält. 
Der  Gesammtdruck  zweier  verschiedenen  Atmosphären  verhält  sich  also 
offenbar  wie  das  Produkt  cf,  oder  wenn  die  auf  eine  Atmosphäre  sich 
beziehenden  Grössen  ohne,  die  für  eine  andere  geltenden  mit  Accenten 
bezeichnet  werden,  so  wird  sein 

cl:d'  =  cf:f^f' 

Benzenbeeg  sagt  von  der  Art,  wie  er  die  Zahlen  d  berechnet  hat, 
bloss  mit  derjenigen  Nachlässigkeit,  die  er  sich  oft  zu  Schulden  kommen 
lässt,  dass  es  Beispiele  aus  der  Gesellschaftsrechnung  seien.  Das  heisst 
offenbar  nichts  gesagt.  Man  erkennt  aber  sogleich,  dass  er  schlechthin 
die  Zahlen  d  den  Zahlen  c  proportional  gesetzt  und  so  bestimmt  hat, 
dass  ihre  Summe  =  27,76  wird,  nämlich 


552  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1830  Oktober  7. 

21,2336  =  76,49  X-j^ 
6,4986  =  23,41  x^^'^^ 


0,0278=    0,10  X 

Und  dies  ist  ganz  oifenbar  falsch ;  denn  die  Totalpressionen,  welche 
die  einzelnen  Atmosphären  in  Dalton's  Hj^pothese  ausüben,  sind  nicht 
im  einfachen  Verhältnisse  der  Gewichtsantheile,  welche  diese  Atmo- 
sphären an  dem  untersten  Kubikfuss  haben,  sondern  im  zusammen- 
gesetzten dieser  Zahlen  einerseits  und  der  Subtangenten  /'  andererseits. 

Es  ist  nun  sehr  leicht,  richtige  Resultate  zu  finden.  Da  die  Zahlen 
f  den  Zahlen  b  umgekehrt  proportional  sind,  so  verhalten  sich  die  rieh- 

tigen  d  wie  v .    also    schlechthin    wie   a,    und   man   hat   daher   ohne 

weiteres  <Z  =  0,2776 -a 

Ich  finde  so  die  richtigen  Werthe 

21,910968 
5,829600 
0,019432 


27,760000 

und  mit  diesen  berechnet  ergeben  sich  diejenigen  den  Benzenberg- 
schen  ganz  entgegengesetzten  Resultate,  welche  ich  in  meinem  vorigen 
Briefe  angeführt  habe. 

Ich  setze  noch  die  gebrauchsfertigen  Formeln  für  die  Vergleichung 
des  Druckes  in  Dalton's  Hypothese  mit  der  gewöhnlichen  Rechnung 
her,  wo  die  Logarithmen  Briggische  sind.  Nur  jemanden,  der  eine 
solche  Scheu  vor  aller  auch  der  leichtesten  Mathematik  hat,  wie 
Benzenberg,  kann  es  einfallen,  hyperbolische  Logarithmen  zu  suchen. 

Bedeutet  P  den  Druck  einer  Atmosphäre  (in  Zollen  Quecksilber- 
höhe für  die  Höhe  h  in  Fuss),  so  ist  in  Dalton's  Hypothese 

für  Stickstoffgas  logP=  1,3406616  — 0,00001718675// 
für  Sauerstoffgas  logP=  0,7656388  —  0,00001976391 7« 
für  kohlensaures  Gas  logP=8,2885175  —  0,00002660213/i 
Dagegen  nach  der  gewöhnlichen  Theorie  für  gemeine  trockne  Luft 
log P=  1,4434195 —  0,000017734  75 // 

Ich  habe  mich  zwar  bemüht,  in  diese  Darstellung  die  erforder- 
liche Klarheit  zu  legen,  allein  ich  weiss  nicht,  ob  es  mir  gelungen  ist. 
da  ich  mich  fortwährend  theils  unwohl,  theils  zu  ernstlichen  Arbeiten 


Olbers  an  Gauss.     Bremeu,  1830  Oktober  20.  553 

wenio;  aufgelegt  tülile.  Vermissen  Sie  also  etwas,  mein  theuerster 
Freund,  so  entschuldigen  Sie  es  mit  Ihrer  gewohnten  Nachsicht,  und 
zeigen  mir,  was  Ihnen  nicht  genügt,  gelegentlich  gütigst  an. 

Es  würde  vielleicht  nicht  ganz  ohne  Interesse  für  Sie  sein,  wie 
ich  das  nocoToy  yeröog  gefunden  habe;  denn  in  der  That  fiel  es  mir 
ebenso  wenig  wie  Ihnen  beim  Lesen  der  BENZENBERG'schen  Schrift  ein, 
die  Richtigkeit  seiner  Rechnung  in  Zweifel  zu  ziehen,  noch  hatte  ich 
T.ust,  sie  Schritt  für  Schritt  von  vorne  her  zu  prüfen.  Von  hinten 
zurück  vielmehr  wurde  es  mir  evident,  dass  ein  wesentlicher  Fehler 
versteckt  sein  müsse,  und  dann  war  es  freilich  leicht,  die  Quelle  zu 
tinden.  Für  diesen  Brief  würde  jedoch  diese  Entwicklung^)  zu  weit- 
läufig werden. 

Ich  wiederhole  nochmals  den  schwachen  Ausdruck  meines  Dankes 
für  alles,  Avas  Sie  für  meinen  Sohn  gethan  haben,  und  so  auch  für 
Ihre  freundschaftliche  Bereitwilligkeit,  die  in  meinem  letzten  Briefe 
gewagte  Bitte  zu  erfüllen,  und  erwarte  nur  die  x\nzeige  über  die  Grösse 
meiner  ablösbaren  Schuld;  denn  dass  ich  die  grössere  Schuld,  die  Sie 
und  Ihr  edler  Schwiegersohn  mir  auferlegt  haben,  nie  abzulösen  im 
Stande  bin.  fühle  ich  nur  zu  sehr. 


No.  650.  Olbers  an  Gauss.  [344 

Bremen,  1830  Oktober  20. 

Ihr  Hr.  Sohn  ist,  wie  Sie  vorläufig  von  Hrn.  Prof.  Geeling,  der 
mich  hier  mit  einem  kurzen  Besuche  erfreute,  werden  gehört  haben, 
am  1:1  Okt.  glücklich  in  See  gekommen.  Vom  29.  Sept.  an,  wo  er 
sich  einschiffte,  bis  zu  dem  angegebenen  Tage  musste  das  Schiff  des 
anhaltenden  widrigen  Nordwestwindes  wegen  am  Ausfluss  der  Weser 
liegen  bleiben.  Dieser  Verzug  hat  indessen  das  Gute  gehabt,  dass  nun 
auch  der  wiederhergestellte  Hr.  Bredenkamp  die  Reise  hat  mitmachen 
können.  —  Ein  in  Philadelphia  etablirter,  mitreisender  deutscher  Kauf- 
mann hat  versprochen,  sich  gleichfalls  Ihres  Hrn.  Sohnes  anzunehmen, 
für  den  nach  allen  Erkundigungen  wohl  eher  in  Philadelphia  als  in 
New  York  etwas  zu  finden  sein  wird.  —  Seit  dem  wirklichen  Antritt 
der  Seereise  des  Schiffes  haben  wir  das  schönste  Wetter  gehabt. 

Uebrigens  kann  ich  meine  vorige  Aeusserung  nur  bestätigen,  dass 
sich  der  Verreiste  hier  vollkommen  gut  betragen  hat.  Seine  Hand- 
schrift hat  sich  durch  den  hier  genossenen  Unterricht  bewunderns- 
würdig verbessert.    Auch  hat  er  fleissig  englische  Sprache  studirt,  mit 

1)  Siehe  Brief  No.  651  vom  10.  Nov.  1830.     Krm. 


554 


Olbers  an  Gauss.    Bremen.  1830  Oktober  20. 


welchem  Erfolge,  kann  ich  nicht  beurtheilen ;  allein  die  nothwendige 
Uebung-  in  dieser  Sprache  auf  dem  Schiffe  wird  schon  nachlvelfen. 

Sehr  bin  ich  Ihnen  für  Ihren  letzten  Brief  vom  7.  Okt.  verbunden. 
Die  Auseinandersetzung  der  Unrichtigkeit  der  BExzEXBERo'schen  Rech- 
nung und  Anwendung  der  DALTON'schen  Theorie  war  mir  äusserst 
interessant.  Jetzt  sehe  ich,  Dank  Ihrer  lichtvollen  Darstellung,  seinen 
Irrthum  vollkommen  ein.  Schwerlich  würde  ich  ihn  von  selbst  geahnt 
haben,  so  wie  nun  seit  18  oder  19  Jahren,  seitdem  die  Benzenbekg- 
schen  Rechnungen^)  gedruckt  sind,  noch  kein  Mathematiker,  selbst  die 
nicht,  die  sich  ganz  eigentlich  mit  der  Würdigung  oder  Widerlegung 
der  BENZENBERG-DALTON'schen  Theorie  beschäftigten,  ihn  bemerkt  hat. 
Die  Veranlassung,  wodurch  es  Ihnen  a  posteriori  evident  wurde,  dass 
irgendwo  ein  Fehler  stecken  müsse,  möchte  ich  doch  gern  "v\'issen. 

Die  DALTON'sche  Theorie  kann  also  auf  alle  beim  Höhenmessen 
vorkommenden  Fälle  ganz  vernachlässigt  werden.  Ueberhaupt  hat 
mir  die  Behauptung,  dass  die  verschiedenen  Gasarten,  die  zui'  atmo- 
sphärischen Luft  vermischt  sind,  gar  nicht  aufeinander  drücken  sollten, 
immer  nicht  recht  glaublich  und  begreiflich  geschienen.  —  Unserem 
Benzenbeeg  wird  Ihre  Belehrung  sehr  unerwartet  gekommen  sein,  und 
ihm  eine  Lieblings-Puppe  geraubt  haben,  mit  der  er  sich  so  lange  be- 
schäftigte. Ich  will  aber  nicht  hoffen,  dass  der  Schrecken  darüber 
nachtheilig  auf  seine  Gesundheit  gewirkt  hat,  ob  ich  gleich  sonst  seinet- 
wegen etwas  besorgt  bin.  Ganz  im  Anfange  des  Septembers  schrieb  er 
mir,  er  werde  in  nächster  Woclie  den  Tag  seiner  lange  versprochenen 
Ankunft  in  Bremen  anzeigen,  und  seitdem  habe  ich  auch  niclit  das  Ge- 
ringste iveiter  von  ihm  gehört. 

Der  treffliche  Encke  hat  mich  besucht,  und  ich  habe  mit  ihm 
3  oder  4  recht  vergnügte  Tage  verlebt.  Haben  Ihnen  die  Ohren  nicht 
ein  wenig  geklungen,  lieber  Gauss?  Encke  hat  ebenso  viele  Verehrung 
und  Liebe  für  Sie  als  ich,  und  unser  bewunderter  Freund  war  ein 
Hauptgegenstand  unseres  Gesprächs. 

RüMKEE,  der,  wie  Ihnen  längst  bekannt  ist,  nicht  wieder  nach 
Neuholland  zurückgeht,  ist,  wie  er  doch  sehr  wünscht,  in  Hamburg  noch 
nicht  wieder  angestellt.  Er  schreibt  mir  unter  anderem,  dass  Zach  au 
einem  Recidiv  seiner  Steinschmerzen  leide  und  statt  seiner  vorgehabten 
Reise  in  die  Hyerischen  Inseln  den  AVinter  in  Paris  bleiben  muss. 

Encke  hat  hier  die  Bedeckung  von  ;-  Tauri  am  5.  Okt.  beobachtet. 
Sie  ist  in  Göttingen  wohl  nicht  gesehen  worden? 

Am  Hinnnel  giebt  es  sonst,  so  viel  ich  weiss,  nichts  Neues:  auch 
hier   herum  Gottlob    auf   der  Erde   nicht.     Der  18.  Okt.  ist    hier    voll- 


^)  GrLBEia's  Annalai  der  Physik,  1812  Ed.  4'2.  S.  105—106.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.    Göttingeu,  1830  November  10.  555 

kommen  ruldg  gefeiert  worden.  A\'ird  Güttingen  bei  Gelegenheit  des 
Cordons,  den  dem  Vernehmen  nach  die  hannoverschen  Truppen  an  der 
hessischen  Grenze^)  beziehen  werden,  auch  besetzt  werden? 

Ich  bitte  Sie  recht  sehr,  lieber  Gauss,  mir  die  Kleinigkeit  von 
d\  Kthlr.  Gold  für  die  vertheilten  Trinkgelder  nicht  zu  schicken,  son- 
dern dies  bis  dahin  anstehen  zu  lassen,  wenn  wir  uns  einmal  persön- 
lich wiedersehen. 


No.  651.  Gauss  an  Olbers.  [so? 

Göttingen,  1830  November  10. 

Indem  ich  meinen  herzlichen  Dank  für  alles,  was  Sie  für  mich  und 
meinen  Sohn  gethan  haben,  nochmals  wiederhole,  konformire  ich  mich 
Ihrem  Befehle,  Ihnen  die  weit  unter  meiner  Voraussetzung  kleine 
Schuld  nicht  durch  die  Post  zu  erstatten,  um  so  leichter,  da  ich  wii'k- 
lich  einige  Hoffnung  nähre,  Sie  vielleicht  selbst  noch  im  Laufe  des 
Winters  einige  Tage  in  Bremen  sehen  zu  können.  Sollte  ich  nämlich, 
um  mich  von  dem  Stande  der  Aufnahmen  genauer  zu  unterrichten,  eine 
Reise  nach  Hannover  machen,  so  würde  ich  gern,  wenn  es  möglich  zu 
machen  ist,  die  von  der  Schnelligkeit,  womit  man  jetzt  die  schöne 
Strasse  nach  Bremen  fährt,  gemachte  Erfahrung  benutzen,  um  mich 
ein  paar  Tage  bei  Ihnen  zu  erheitern. 

Von  Benzenberg  habe  ich  unlängst  wieder  einen  Brief  gehabt, 
nach  welchem  er  die  Reise  nach  Hamburg  nur  wegen  der  unruhigen 
Zeiten  aufgegeben  hat.  Es  scheint  also,  dass  wir  uns  wegen  seines 
Befindens  beruhigen  können.  Wenigstens  glaube  ich  nicht,  dass  ich 
etwas  verschuldet  habe,  da  ich  ohnehin  erst  vor  Kurzem  ihm  nur  im 
Allgemeinen  geschrieben  hatte,  dass  ich  ein  Versehen  in  seinen  Rech- 
nungen bemerkt  habe,  wodurch  die  Resultate  sich  ganz  entgegengesetzt 
gestalten,  und  dass  ich  mir  wegen  gegenwärtigen  Zeitmangels  die  aus- 
führliche Auseinandersetzung,  falls  er  sie  überhaupt  wünsche,  auf  eine 
spätere  Zeit  vorbehalten  müsse.  Soweit  ich  Hrn.  Benzenberg  kenne, 
wird  ihn  das  wenig  beunruhigen,  und  er,  wenn  ein  anderer  mit  ihm 
verschiedener  Meinung  ist,  wenigstens  so  lange  es  ihm  nicht  ad  oculos 
demonstrirt  ist,  ohne  weiteres  voraussetzen,  dass,  wer  von  beiden  Un- 
recht habe,  der  andere  sei. 

Die  Art,  wie  ich  seinen  Irrthum  entdeckt  habe,  ist  sehr  einfach. 
Ein  blosser  Blick   auf   die   letzte   oder   4.  Kolumne   der   Tafel   pag.  8 


^)    Zur   Abwehr    der    im   Kurfürsten thum   Hessen -Cassel   ausgebrochenen   Un- 
ruhen.   Krm. 


556  Gauss  an  Olbers.    Götting-en,  1830  November  10. 

seiner  Schrift  reichte  dazu  hin.  In  der  That,  wenn  h  die  Höhe  (1.  Kol ), 
a  die  Höhe  des  Barometers  in  Dalton's  Hypothese,  h  die  Höhe  nach 
gewölinlicher  Rechnung  vorstellt,  wo  Sie  der  grösseren  Einfachheit 
Avegen   sich   auch   a   und   h   in   derselben  Einheit   wie   h  ausgedrückt, 

also  die  Kolumnen  2  und  3  mit  12   dividirt  denken  mögen,  so  ist  -rr 

all 

und  -^v  überall  das  Verhältniss  des  specifischen  Gewichts  der  Luft  zum 
ah 

Quecksilber.  Allgemein  zu  reden  muss  dieses  also  in  beiden  Hypo- 
thesen zwar  ungleich  sein,  aber  am  Boden  der  Atmosphäre  nothwendig 

qleicli,  nämlich  die  als  Basis  der  Rechnung  vorausgesetzte  Zahl  ^rprvr^- 
^        '  o  o  10495 

Für    li  =  0    ist     also    jr  ^=  jtj     folglich    in     richtiger    Rechnung 

— y^ — -  =  0.  Von  Anfang  an  kann  also  h  —  a  nicht  dem  h  propor- 
tional, sondern  wenigstens  den  Quadraten  hh  proportional  sich  ändern. 

während  in  Benzenbeeg's  Tabelle  dieses   —-7^ — -   ganz  offenbar   für 

ah 

h  =  0  einen  endlichen  Werth  erhält.    Dies  zeigt  offenbar  einen  Fehler 

in  der  Grundlage  der  Rechnung. 

Ich  habe  jetzt  noch  einen  Auftrag  an  Sie.  mein  them-er  Olbers, 
auszurichten.  Am  28.  Dec.  d.  J.  ist  ein  halbes  Jahrhundert  verstrichen 
seit  dem  Tage,  wo  Sie  in  Göttingen  die  medicinische  Doktorwürde  an- 
genommen haben.  Dieser  Tag  wird  gewiss  in  Bremen  von  vielen  Hun- 
derten von  Familien,  die  den  Segen  von  Ihrem  Beruf  genossen  haben, 
dankbar  und  feierlich  begangen  werden.  Auch  unsere  Medicinische 
Fakultät  wird  es  sich  nicht  nehmen  lassen,  durch  Erneuerung  des 
Diploms  ihre  auch  nur  schwache  Huldigung  auszusprechen. 

Man  ist,  da  man  nur  sich  selbst  dadurch  zu  ehren  fühlt,  weit 
davon  entfernt,  Sie  damit  überraschen  und  es  daher  bis  dahin  geheim 
halten  zu  wollen.  In  der  That  hatte  der  zeitige  Hr.  Dekan  schon  im 
vorigen  Frühjahr  geäussert,  wie  sehr  er  sich  freue,  dass  diese  Ehre 
sein  Dekanat  treffe.  Man  hält  es  nun  aber  doch  für  schicklich  und 
nothwendig,  dass  auf  dem  erneuerten  Diplom  alle  gelehrten  Gesellschaften 
genannt  Averden,  die  die  Ehre  haben,  Sie  zu  ihren  Mitgliedern  zu 
zählen,  und  da  man  auf  keinem  anderen  Wege  gewiss  sein  kann,  solche 
vollständig  zu  erfahren,  so  bin  ich  von  dem  Hrn.  Dekan  ausdrücklich 
beauftragt  und  bevollmächtigt,  Sie  selbst  um  die  Gewogenheit  zu  bitten, 
mir  diese  zur  weiteren  Beförderung  anzuzeigen.  Ich  habe  mit  Ver- 
gnügen diesen  ehrenvollen  Auftrag  übernommen,  ich  habe  in  Anbetracht 
aller  ITmstände  diesen  A\'eg   .selbst    nur  aniiemessen  linden  können  und 


011"  r<  an  (lauss.    Bremen,  1830  November  19.  557 

schmeiclile  mir  daher,  dass  Sie  mir  meine  Bitte  iiiclit  absolilagen  wer- 
(leii.  Ich  bin  wirklich  iuiiiy  g:liicklich  darüber,  ein  Mitglied  der  Uni- 
\ersität  zu  sein,  der  diese  Ehre  zu  Tlieil  wird. 

Mein  ältester  Sohn,  dem  ich  seinen  Urlaub  ausgewirkt  habe,  ist 
>eit  einigen  Wochen  liier,  und  wird  auch  noch  einige  Wochen  hier 
lileiben.  Er  macht  sich  mir  durch  Uebernahme  mancher  bei  der  Ver- 
arbeitung der  Messungen  vorkommenden  Ai'beiten  recht  nützlich. 

Bei  den  unglücklichen  Ereignissen  in  Antwerpen^)  habe  ich  oft 
an  Ihren  Enkel  denken  müssen,  von  dem  während  meiner  Anwesenheit 
in  Bremen  mehrere  Briefe  von  dort  her  einliefen.  Hoffentlich  hat  er 
längst  vor  der  Katastrophe  diesen  Ort  verlassen.  Beruhigen  Sie  mich 
doch  mit  ein  paar  Worten  darüber. 

Ich  komme  noch  einmal  auf  Hrn.  Benzenbeeg  zurück.  Sie  äussern 
Ihre  Verwunderung,  dass  sein  Irrthum  allen  entgangen  ist,  die  Dalton 
und  ihn  bestritten  haben.  Ich  selbst  bin  mit  der  Literatur  dieses 
(Tegenstandes  wenig  bekannt  und  würde  daher,  da  ich  vielleicht  eine 
kurze  Anzeige  des  Buchs  für  die  hiesigen  Gel.  Am.  zu  machen  habe, 
es  mit  Dank  erkennen,  wenn  Sie  mir  diejenigen  Gegner,  welche  Sie 
dabei  in  Gedanken  hatten,  namhaft  machen  und  nachweisen  wollten. 
Ich  habe  nur  in  der  neuen  Ausgabe  von  Gehlee's  physikalischem 
Lexikon  bemerkt,  dass  Hr.  Muncke  (Artikel  Atmosphäre)  Hrn.  Benzen- 
BEUd  den  bei  weitem  gründlichsten  Vertheidiger  von  Dalton  nennt, 
und  dass  Hr.  Brandes  (Artikel  Höhenmessungen)  Benzenberg's  Rech- 
nungen ohne  alle  Prüfung  anführt.  Tralles  hat  in  Gilbert's  Annalen 
1807.  wie  ich  jetzt  sehe,  schon  richtig  gerechnet,  und  die  blosse  Ver- 
gleichung  hätte  die  Unrichtigkeit  von  Benzenberg's  Rechnung  sogleich 
zeigen  können.  Aber  letzterer  scheute,  wie  es  scheint,  gar  zu  sehr 
alle  ,.Buc]istabenrechmmg"  und  „Oelehrsamkeit^''  (pag.  15),  obwohl  er 
insofern  Recht  hat,  dass  diesmal  ohne  solche  allerdings  die  Rechnung 
geführt  werden  konnte.  Aber  auch  die  „Regel  de  Tri''  darf  nicht 
ohne  Nachdenken  gebraucht  w^erden.  Etwas  unnöthig  Schw'erfälliges 
scheint  mir  übrigens  allerdings  in  Tralles'  Darstellung  zu  sein. 


No.  652.  Olbers  an  Gauss.  [345 

Bremen,  1830  November  19. 
Zuerst   meinen   innigsten  Dank   für   die  frohe  Aussicht,   Sie  noch 
diesen  Winter  einige  Tage  bei  mir  zu  sehen.     Führen  Sie  ja  Ihre  mir 


^)  Beschiessung-  des  von   der  revolutionären  Partei  besetzten  Antwerpens  durch 
holländische  Truppen.     Seh. 


558  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1830  NoTember  19. 

SO  angenehme  Absicht  aus.  Auch  Schümachee  hat  mir  die  erfreuliche 
Hoffnung  gegeben,  ihn  diesen  Winter  hier  zu  sehen.  Es  wäre  herrlich, 
wenn  meine  beiden  lieben  Freunde  zu  gleicher  Zeit  hier  eintreffen 
könnten. 

Von  Benzenberg  habe  auch  ich  einen  weitläufigen  Brief  gehabt, 
worin  er  auch  die  Unruhen  als  die  Ursache  seines  Nichterscheinens 
angiebt.  Sie  müssen  ihn  noch  nicht  über  seinen  eigentlichen  Rech- 
nungsfehler belehrt  haben,  denn  er  sagt  bloss: 

„Hofrath  Gauss  schreibt  mir,  dass  er  nicht  die  Dalton- 
„sche  Theorie  für  wahr  halte.  Das  Abwägen  des  Quecksilbers 
„sei  zu  misslich.   Ich  habe  ihm  geantwortet,  dass  Ramond  den 

2 
„Fehler  von  Biot  und  Aeago  nur  ttttttvt^  Theile   des  Ganzen 

„setzt,  das  ist  also  1,5000  Fehler,   und  hiermit  kann  man  zu- 

„frieden  sein." 
Da  Benzenbeeg  einen  ziueiten  Theil  seiner  Abhandlung  auf  Ostern 
zurüstet,  so  wäre  es  wohl  passend,  wenn  Sie,  lieber  Gauss,  ihm  das 
Grundlose  seines  ganzen  Luftgebäudes  zeigten.  Will  er  dann  sich  nicht 
belehren  lassen,  und  weiter  fortbauen  —  habeat  sibi. '  In  einem  kleinen 
Nebenpunkte  scheinen  Sie  mir  aber  doch  Benzenbeeg  unrecht  zu  thun. 
Sie   sagen   die   Art,   wie   sich   Benzenbeeg  pg.  8  ausdrücke,   sei  ohne 

Sinn,  denn  die  Zahl  vtt-ttt^  liabe  mit  der  erwähnten  Modifikation  nichts 
10495 

zu  thun.     Ich  dächte  doch,  einigermaassen.    Da  die  Angaben  von  Biot 

und  Davy  für  das  specifische  Gewicht   der  Säuerst oÖ'-Luft  verschieden 

waren,  so  wollte  er  dieses  Gewicht  so  annehmen,  dass  das  Gewicht  der 

trockenen  atmosphärischen  Luft  tttt^t^   des   Quecksilbers   wurde,   und 

1049o 

da  musste  er  doch  wohl  die  Gleichung 

0,21   ,   0,7893    ,    0,0007  1 


X      '    10830    '     6997        10495 
auflösen,  um  x  zu  finden. 

Ihre  Entdeckung  zeigt  nicht  bloss  den  Fehler  von  Benzenbebg's 
Rechnung  aus  der  DALxoN'schen  Theorie,  sondern  überhaupt  das  Nich- 
tige dieser  Theorie  selbst.  Denn  da  Gay-Lussac  bei  seiner  berühmten 
Luftfahrt  gefunden  hat,  dass  auch  in  der  grössten  Höhe,  die  je  ein 
Mensch  erreicht  hat,  die  atmosphärische  Luft  dem  Volumen  nach  noch 
in  derselben  Proportion  Stick-  und  Sauerstoff'  enthalte,  so  kann  die 
DALTON'sche  Theorie  nicht  wahr  sein. 

Wenn  ich  von  Mathematikern  geschrieben  habe,  die  Benzenbeeg 
bestreitend  docli  seinen  Fehler  übersehen  liaben.  so  hatte  ich  Tealles, 


Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1830  November  19.  559 

MüxcKE  und  liauptsäclilich  Brandes  im  Sinn.  Mir  war  nicht  mehr 
erinnerlich,  dass  Tualles  die  Sache  schon  richtig  eingesehen  habe. 
Brandes  hat  viel  mit  Benzenberg,  gegen  die  ÜALTONSche  Theorie 
streitend,  korrespondirt.  Sollten  sich  nicht  auch  damals  Lindenau, 
Oltmanns  u.  s.  w.  üffentlich  darüber  erklärt  haben,  wenn  ihnen  der 
Irrthum  in  Benzenberg's  Rechnung  klar  geworden  wäre? 

Ob  mein  Doktor-Jubiläum  hier  auf  irgend  eine  Art  gefeiert  wer- 
den wird,  weiss  ich  nicht.  Ich  selbst  habe  mich  gehütet,  von  dieser 
Epoche  in  meinem  Leben  zu  sprechen,  zum  Theil  aus  einer  bei  meinem 
Greisenalter  wohl  verzeihlichen  Scheu  vor  der  mit  irgend  einer  solchen 
Feier  immer  verbundenen  lästigen  und  angreifenden  Repräsentation.  Allein 
die  Ehre,  die  mir  die  hochverehrte  Medicinische  Fakultät  in  Göttingen 
erzeigen  will,  ist  gar  zu  schmeichelhaft,  als  dass  sie  mir  nicht  ein 
grosses  Vergnügen  machen  sollte.  Ich  setze  also  Ihrer  Aufforderung 
zufolge  hier  das  Verzeichniss  meiner  literarischen  Titel  her.    Ich  bin: 

Auswärtiges   Mitglied   der  Könicjl.  Akademie   der  Wissen- 
schaften  zu  Paris, 
des  Kö'nigl.  Niederländischen  Instituts, 
der  ItaUenischen  Societät. 
3IitgJied  der  Societäten  zu  London, 

Göttingen, 
Edbiburg, 
Stockholm, 
Haarlem, 
der  Kais.  Leopoldinischen  Akademie  der  Naturforscher, 
der  Kais.  Bussischen    Gesellschaft    der   Naturforscher    in 

Moskau, 
der  Gesellschaft  natur forschender  Freunde  in  Berlin, 
der  Akademie  nützlicher  Wissenschaften  in  Erfurt, 
der  Akademien  in  Boston 

und  Falermo, 
der  Societäten  für  Physik  und  Heilkunde  in  Heidelberg 

und  in  Marburg, 
der  Astronomischen  Societät  in  London. 
Korrespondent  der  Kö'nigl.  Akademie  in  Berlin 

und  in  München, 
der  Medicinisch-Cliirurgisclien  Societät  in  Berlin. 
Mliren^nitglied    der    Westfälischen    Gesellschaft    für    vater- 
ländische Kultur. 

Ich  bitte  Sie,  mein  theuerster  Freund,  da  ich  es  nicht  recht  ver- 
stehe, dieses  Verzeichniss   zweckmässiger   und   anständiger   zu  ordnen. 


5ß0  Gauss  an  Olbers.    Göttingen,  1830  November  22. 

Einige  unter  den  angegebenen  gelehrten  Gesellschaften  existiren  viel- 
leicht gar  nicht  mehr,  z.  B.  die  Akademie  nützlicher  Wissenschaften  in 
Erfurt,  könnten  also  vielleicht  weggelassen  und  am  Ende  durch  ein  etc. 
ersetzt  werden. 

Von  meinem  Enkel  in  Antwerpen,  nach  dem  Sie  sich  so  freund- 
lich erkundigen,  haben  wir  recht  gute  Nachrichten.  Er  hat  die  dort 
vorgefallene  Schreckensscene  ganz  unbeschädigt  überstanden  und  sich 
durch  Muth,  Kaltblütigkeit  und  unermüdete  Thätigkeit  seinem  Prin- 
cipal, dem  Konsul  Ellermann,  in  jenen  unruhigen  Tagen  nützlich 
erwiesen. 


No.  653.  Gauss  an  Olbers.  [sos 

Göttingen,  1830  November  22. 

Herzlichen  Dank  für  die  gütige  Erfüllung  meiner  Bitte.  Den  Hrn. 
Dekan  der  Medicinischen  Fakultät  werde  ich  sehr  damit  erfreuen.  Ich 
werde  ihm  das  Verzeichniss  zwar  diplomatisch  treu  mittheilen,  ein  paar 
unbedeutende  Bemerkungen  halten  Sie  mir  doch  wohl  zu  Gute.  Die 
Gesellschaft  in  Stockholm  nennen  Sie  Societät;  sie  selbst  nennt  sich, 
so  viel  ich  mich  erinnere,  (ich  habe  mein  eigenes  Diplom  in  diesem 
Augenblick  nicht  zur  Hand)  Akademie;  mir  hat  letzterer  Titel  immer 
etwas  vornehmer  geklungen.  Haben  Sie  nicht  die  Kopenhagener  So- 
cietät vergessen?  Ich  meinte,  dass  wir  damals  (1820)  zugleich  zu  ^lit- 
gliedern  ernannt  wären.  Sie  unterscheiden  die  Gesellschaften,  deren 
Auswärtiges  Mitglied  Sie  sind,  von  denen,  deren  Mitglied  schlechtweg 
Sie  sind,  vielleicht  insofern  die  Diplome  der  einen  jenen  Beisatz  aus- 
drücklich enthalten,  die  der  anderen  nicht;  in  der  Sache  selbst  ist  aber 
wohl  kein  Unterschied;  auch  heissen  Sie  in  unserem  Staatskalender 
ausdrücklich  Auswärtiges  Mitglied  der  hiesigen  Societät.  Verzeihen 
Sie,  bester  Olbers,  meine  Mikrologie. 

Der  Grund  meiner  von  Ihnen  angeführten  Bemerkung^)  gegen 
Benzenberg  war  dieser.  Es  handelte  sich  an  der  ange2ogenen  Stelle 
pag.  3  oben  lediglich  darum,  wie  die  Zahl  x  =  1,1148  (richtiger 
1,1144732)  berechnet  sei.    Ich  meinte,  dass   dies  so  geschehen  müsse: 

0,7893  X  0,9691  +  0,21  •  x  -f  0,0007  X  1.5000  =  1 

woraus  also  x  ganz  unabhängig  von  7777^  ^^^'^^  ergiebt.    Das  Gewicht 

10  4yo 

gegen  Queclisilher  mochte  Biot  gefunden  haben,  Tsie  er  wollte,  das  Ee- 

I 

')  Siehe  Brief  No.  649,  vom  7.  Okt.  1830.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Göttingen.  1830  November  22.  561 

siiltat  für  X  bleibt  das.se-lbe.  Geg:en  Ihre  Vertheidigung  von  Benzen- 
berg, dass  das  Gesuclite  durch  Anflüsung  der  Gleichung 

0,21      0,7893  _^  0,0007  _      1 

X    "^10830    '     699r~  10495 

gefunden  werden  müsse,  sclieint  mir  erinnert  werden  zu  müssen, 

1)  dass   von   den   Zahlen  10  830  und  G997   noch  gar  keine  Rede 
gewesen  war, 

2)  dass  das  x,   welches  hieraus  folgt,   nicht   das   ist,  welches   an 
der  angezeigten  Stelle  bestimmt  werden  sollte. 

Uebrigens    würden    Sie    der    Sache   nach    Recht   haben,   wenn    die 

Zahlen   y^qoÄ'    fiÖQ?  ^^^t's  £h:peri;»en<a?resultate  und  0,9691,    1,5000 

die  Berechnungsv^'SwMditQ  gewesen  wären,  was  ich  jetzt  nicht  unter- 
suchen kann,  aber  wegen  der  runden  Zahl  1,5000  nicht  wahrscheinlich 
finde.  Dann  würde  ich  aber  den  verworrenen  Vortrag  tadeln  müssen, 
wo  das  Primitive  und  Derivirte  wie  Kraut  und  Eüben  durcheinander 
geworfen  wären. 

Hr.  Benzenberg  scheint  seine  Briefe  ebenso  im  Schlafe  zu  schreiben 
wie  seine  Bücher.  Was  er  von  meinem  Briefe  und  seiner  Antwort 
schreibt,  ist  ganz  unwahr.  Ich  habe  ihm  nicht  geschrieben,  dass  ich 
Dalton's  Theorie  nicht  für  wahr  halte,  sondern  dass  ich  seine  Berech- 
nung der  Barometerhöhen  in  dieser  Theorie  unrichtig  gefunden  habe,  und 

in   seinem  Antwortschreiben  steht   kein  Wort   von   Biot,   ttt/tt^   i^i^d 

10495 

Ramond. 

Er  schreibt^)  vielmehr  bloss,  dass  er  neugierig  sei,  meine  Ansicht 
zu  erfahren,  und  gleich  hinterher,  dass  er  jetzt  ein  Werk  von  18  Bogen 
drucken  lasse,  worin  Tafeln  für  seine  Berechnung  nach  Beezelius' 
neuer  Angabe  der  specifischen  Gewichte. 

Sie  sehen  also,  dass  ich  ihn  ganz  richtig  beurtheilt  habe.  Es  ist 
ihm  keinen  Augenblick  der  Gedanke  gekommen,  dass  er  Unrecht  haben 
könne.  In  demselben  Briefe  proklamirt  er  den  Grundsatz,  alles  müsse 
öffentlich  sein. 

Hätte  er  nur  einige  Bescheidenheit  gezeigt,  so  würde  ich  ihm  die 
Entwicklung  in  einem  Privatbriefe  mitzutheilen  mich  begnügt  haben. 
Allein  so  habe  ich  es  doch  angemessen  gefunden,  eine  kleine  Anzeige 
in  den  hiesigen  Gel.  Anz.^)  zu  machen.  Eine  kleine  Züchtigung  hat  er 
wohl  verdient. 


^)  Vergl.  hierzu  auch  Brief  No.  400  bis  403  iu  Bd.  II  des  Briefwechsels  Gauss- 
ScHUM  ACHER.     Krm. 

-)  G.  G.  Ä.   196.  Stück  1830  Dec.  11.    Gauss'  Werke  Bd.  V,  S.  583—591.    Krm. 

Olbers.    II,  2.  36 


552  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1830  November  25. 

Obgleich  ein  Mann,  der  so  glücklich  ist,  3  mal  so  viel  einzunehmen, 
als  seine  Bedürfnisse  erfordern  (cfr.  Was  verzehre  ich  in  Düsseldorf?), 
allenfalls  ohne  grosses  I^Iitleid  zu  erregen,  die  Druckkosten  für  18  Bogen 
Makulatur  zum  Fenster  hinauswerfen  kann,  so  habe  ich  doch  mit  der 
erwähnten  Anzeige  mich  beeilen  wollen;  schon  vor  8  Tagen  war  sie 
übergeben  und  ist  jetzt  vermuthlich  schon  unter  der  Presse.  Auch 
Hr.  M[uxck]e  hatte  wohl  verdient,  wegen  seiner  leichtsinnigen  Lob- 
hudelei ein  wenig  ausgestellt  zu  werden. 

P.  S.  Vielleicht  habe  ich  doch  Benzenbeeg  oben  in  einem  Punkt 
Unrecht  gethan,  wenn  er  nämlich,  als  er  an  Sie  schrieb,  meinen  Brief 
noch  nicht  erhalten  hätte  (er  erhielt  ihn  am  3.  Nov.).  Ich  sehe  näm- 
lich, dass  er  etwas  wie  das  Erwähnte  (von  Biot,  ,   Eamoxd)   in 

einem  Briefe  vom  1.  Se2)t.  geschrieben  hat.     Er  sagt  aber  nicht,   dass 

2 

Ramond  Biot's  Bestimmung  auf  genau    erkläre,    sondern   nui-, 

dass  letzterer  so  viel  von  Ramond  abweiche.  Auch  schreibt  Benzen- 
berg dies  nicht  als  gegen  einen  Einwurf  von  mir,  sondern  als  gegen 
einen  von  Brandes  gerichtet.  Ob  ich  in  einem  früheren  Briefe  (Aug.) 
gesagt  habe,  dass  ich  Biot's  Abwägung  nicht  für  genau  genug  halte 
(was  allerdings  meine  Meinung  ist),  weiss  ich  nicht  mehr,  nur  erinnere 
ich  mich  bestimmt,  dass  ich  nicht  gesagt  hatte,  ich  halte  Dalton's 
Theorie  nicht  für  wahr,  sondern  nur,  ich  habe  mich  mit  ihr  nicht  be- 
freunden können. 


No.  654.  Olbers  au  Gauss.  [346 

Bremen,  1830  November  25. 

Nur  mit  zwei  Worten  zeige  ich  Ihnen  den  richtigen  Empfang 
Ihres  gestern  eingelaufenen  gütigen  Briefes  an,  und  wiederhole  meine 
Bitte,  das  Yerzeichniss  meiner  literarischen  ^'erbindungen  ja  nicht  mit 
diplomatischer  Genauigkeit,  sondern  gefälligst  korrigirt  und  neu  geordnet 
dem  Hrn.  Dekan  mitzutheilen.  —  Ich  bin  völlig  unwissend  und  ganz 
ungeübt  in  dieser  Sache,  da  ich  noch  nie  vorher  Anlass  gehabt  habe, 
diese  Ehrentitel  der  Reihe  nach  anzuführen. 

Ich  habe  nicht  die  Ehre,  Mitglied  der  Kopenhageuer  Societät 
zu  sein. 

Ueber  alles  Uebrige  Ihres  Briefes  nächstens  mehr.  Mit  Ungeduld 
sehe  ich  dem  Blatte  der  O.  G.  A.  entgegen,  das  die  BENZENBERo'sche 
Recension  enthalten  wird. 


il 


Olbers  an  Gauss.     Bremeu,  1830  December  19.  563 

No.  655.  Olbers  an  Gauss.  [347 

Bremen,  1830  December  19. 

Ich  hoflfe,  Sie  haben  die  Güte  gehabt,  die  schülerhaften  Fehler  in 
dem  Verzeichnisse  meiner  literarischen  Verbindnngen  zu  korrigiren,  und 
bitte,  wegen  dieser  durch  meine  Ungeschicklichkeit  Ihnen  verursachten 
^lühe  recht  sehr  um  Vergebung.  In  der  That  war  ich  noch  nie  in 
dem  Fall  gewesen,  ein  solches  Verzeichniss  meinem  Namen  beifügen 
zu  müssen. 

ScnuMACuER  schreibt  mir,  dass  er,  wenn  es  ihm  physisch  nicht 
ganz  unmöglich  gemacht  würde,  am  27.  Dec.  Abends  hier  bei  mir  ein- 
treffen werde.  Wie  glücklich,  wie  unendlich  glücklich  würde  ich  mich 
schätzen,  wenn  ich  auch  Sie,  mein  theurer  Gauss,  zu  derselben  Zelt 
hier  sehen  und  so  meine  beiden  geliebten  Freunde  vereinigt  verehren 
könnte. 

Mit  grossem  Vergnügen  habe  ich  die  Eecension  der  Benzenberg- 
schen  Abhandlung  in  den  G.  G.  A.  gelesen.  Höchst  neugierig  bin  ich, 
zu  erfahren,  welchen  Eindruck  sie  auf  Benzenberg  machen  wird.  Sein 
Irrthum  ist  um  so  auffallender,  da  schon  Dalton  selbst,  wie  ich  kürz- 
lich gesehen  habe,  die  Barometerhöhen,  denen  jede  in  der  Atmosphäre 
enthaltene  Luftart  nach  seiner  Theorie  das  Gleichgewicht  hält,  richtig 
berechnet  hat. 

Von  meiner  Erkältung,  die  mich  besonders  durch  Husten  und 
Schlaflosigkeit  sehr  angriif,  bin  ich  grössten  Theils  wieder  hergestellt,  nur 
fürchte  ich,  dass  die  jetzt  eingetretene  stärkere  Kälte  leicht  den  Fort- 
gang meiner  Rekonvalescenz  aufhalten  und  ein  Recidiv  veranlassen 
könnte. 

Wer  wird  wohl  wieder  an  die  Stelle  unseres  alten  Freundes  Mayer^) 
nach  Göttingen  kommen? 


No.  656.  Gauss  an  Olbers.  [309 

Göttingen,  1830  December  24. 

Wie  gern  folgte  ich  Ihrer  gütigen  Einladung,  um  an  der  Feier  des 
28.  Dec.*^)  Theil  zu  nehmen;  allein  der  traurige  Gesundheitszustand 
meiner   Frau   verstattet   mir    keine   Entfernung.     Aber    in    Gedanken 


^)  Tobias  Mayeb,   Sohn   des   gieichuamigen   berühmten    Göttinger   Astronomen, 
Professor  der  Mathematik  und  Physik,  starb  am  30.  Nov.  1830.     Krm. 
^)  Der  Tag  von  Olbers'  fünfzigstem  Doktorjubiläum.     Krm. 

36* 


564  Gauss  an  Olbers.    Göttingen,  1830  December  24. 

werde  ich  gegenwärtig  sein,  und  keine  Glückwünsche  können  herzlicher, 
und  keine  Wünsche,  dass  Sie  noch  eine  lange  Reihe  glücklicher  Jahre 
Ihren  Verehrern  erhalten  werden,  heisser  sein  als  die  mein  igen. 

Mein  Sohn  hat  mich  nun  vor  vier  Tagen  wieder  verlassen,  um 
nach  Hannover  zurückzukehren.  Seine  Hülfe  bei  Verarbeitung  der 
grossen  Messungs-Masse  vom  vorigen  Sommer  ist  mir  sehr  nützlich  ge- 
wesen. Vielleicht  hat  es  für  Sie  einiges  Interesse,  zu  erfahren,  dass 
V.  Ende's  astronomische  Bestimmungen  im  Lüneburgischen,  namentlich 
seine  chronometrischen  Längenbestimmungen,  ganz  unerhört  schlecht 
sind;  so  ist  der  Längenunterschied  zwischen  Uelzen  und  Lüchow  um 
9  Minuten  unrichtig. 

Für  den  Lauf  des  Winters  wird  Mater's  Collegium  von  einem 
hiesigen  Privatdocenten  (dem  Ihnen  bekannten  Dr.  Schmidt)  ausgelesen, 
dem  dabei  die  Benutzung  des  physikalischen  Kabinets  nachgelassen  ist. 
Welche  Absichten  man  in  Hannover  in  Rücksicht  auf  die  künftige 
Wiederbesetzung  dieser  Stelle  hat,  ist  mir  noch  unbekannt,  jedenfalls 
muss  jeder,  der  es  mit  Göttingen  gut  meint,  wünschen,  dass  nicht  ein 
seichter  Vielschreiber,  sondern  ein  gründlicher  Gelehrter  gerufen  werde. 
Mir  scheint,  dass  den  verschiedenartigen  Forderungen,  die  an  den  Nach- 
folger zu  machen  sein  werden,  nicht  leicht  jemand  vollständiger  ge- 
nügen möchte,  als  unser  Gerling  in  Marburg.  Er  ist  ein  gründlicher 
Mathematiker,  ein  gründlicher  Physiker,  ein  sehr  geschickter  Experi- 
mentator, ein  ganz  vortrefflicher  Docent.  Es  fehlt  ihm  nicht  an  eigenen 
Ideen,  aber  es  fehlt  ihm  eine  Lage,  wo  er  mehr  freie  Zeit  zu  eigenen 
Arbeiten  hat,  wie  in  Marburg,  wo  er  der  Professur  der  Mathematik 
und  Physik  zugleich  vorstehen  muss.  In  Göttingen  würde  er  gewiss 
Arbeiten  liefern,  die  den  Kommentationen  der  Societät  nicht  zur  Un- 
ehre gereichen  würden.  Endlich  qualificirt  er  sich  sehr  gut  eventuell 
zur  Führung  des  Prorektorats,  wovon  die  meisten  jetzigen  Mitglieder 
der  Philosophischen  Fakultät  Dispensation  haben.  Mir  persönlich  könnte 
kaum  etwas  erfreulicher  sein,  als  das  Zusammenleben  mit  einem  mir 
so  lieben  Freunde,  und  ich  würde  dann  nicht  mehr  daran  denken,  meine 
Tage  anderswo  als  in  Göttingen  zu  beschliessen.  Allein  gerade  weil  ich 
selbst  so  lebhaft  dabei  interessirt  bin,  kann  ich  niclit  wohl  etwas  dabei 
thun,  wenigstens  nicht,  wenn  ich  nicht  befragt  werde. 

Nochmals,   theuerster  Olbees,  meine  herzlichsten  Glückwünsche  II 

N.  S.    Unseren  Schumacher  bitte  ich  herzlicli  zu  crüssen. 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1831  Februar  25.  565 


No.  657.  Olbers  an  Gauss.  [Sis 

Bremen.  1S31  Februar  25. 

Sehr  lange  habe  ich  Ihnen  kein  Lebenszeichen  gegeben,  aber 
Avalirlich  desto  öfter  an  Sie  gedacht,  besonders  "wegen  der  traurigen 
Unruhen^)  in  Ihrem  Göttingen,  bei  denen  ich  immer  fürchtete,  Sie 
möchten  auf  irgend  eine  unangenehme  Art  davon  berührt  werden.  Dem 
Himmel  sei  Dank,  dass  doch  noch  alles  besser  und  geschwinder  ge- 
endet hat,  als  ich  es  erwartete;  wenngleich  die  Universität  noch  wohl 
lange  die  unglücklichen  Folgen  dieses  unvernünftigen  Aufstaudes 
empfinden  wird. 

Jetzt  giebt  mir  der  Landes-Oekonomie-Rath  Lüder  von  "\\'eende, 
der  uns  morgen  wieder  verlassen  wird,  den  Anlass  und  die  Gelegen- 
heit, Sie,  wenn  auch  nur  mit  einigen  Zeilen,  da  ich  ihn  gleich  selbst 
erwarte,  zu  begrüssen. 

Dass  ich  Sie,  mein  Theurer,  am  28.  Dec.  v.  J.  nicht  hier  gesehen 
liabe,  hat  mir  ganz  ausserordentlich,  und  besonders  des  Hindernisses 
wegen,  das  Sie  als  die  Ursache  Ihres  Nichtkommens  angaben,  leid  ge- 
than.  Ich  hofte  und  wünsche  herzlich  und  innig,  dass  es  sich  jetzt 
mit  dem  Befinden  Ihrer  würdigen  Gattin  gebessert  haben  möge,  und 
dass  der  anfangende  Frühling  wohlthätig  einmrken  werde.  Ich  bitte 
recht  sehr,  mir  bald  einige  wo  möglich  beruhigende  Nachrichten  zu 
geben.  —  Von  Ihrem  Besuche  würde  ich  doch  wohl  in  jenen  unruhigen 
Tagen  keinen  vollkommenen  Genuss  gehabt  haben  und  rechne  nun, 
dass  Ihre  Güte  mir  für  die  damals  entbehrte  Freude  Ihres  Besuchs 
vollkommenen  Ersatz  geben  wird. 

Wie  sehr  man  Ihren  alten  Freund  an  jenem  für  ihn  so  festlich 
gewordenen  Tage  mit  Beweisen  von  unverdienter  Huld,  Gewogenheit 
und  Freundschaft  überhäuft  hat,  werden  Sie  wenigstens  zum  Theil  er- 
fahren haben.  Unter  anderen  hat  die  hiesige  Gesellschaft  des  Museums 
eine  Medaille  auf  diese  Jubelfeier  schlagen  lassen.  Obgleich  das  darauf 
geprägte  Brustbild  in  Ansehung  der  Aehnlichkeit  wohl  nicht  sonder- 
lich gelungen  ist  (die  Urtheile  sind  sehr  verschieden  darüber),  so  hoffe 
ich  doch,  mein  hochverehrter  Freund  und  Gönner,  dass  Sie  beikommen- 
des Exemplar  derselben  mit  gewohnter  Güte  als  ein  sonst  sehr  gering- 


\)  Aus  politischen  Motiven  entsprungene  Studenten-Unruhen  in  Göttingen,  welche 
bald  wieder  unterdrückt  wurden.     Krm. 


5(56  Gauss  an  Olbers.    Göttingen,  1831  März  25. 

Den  jetzigen  Kometen*)  habe  ich  bisher  nur  wenig  und  nicht 
eher,  als  zuerst  am  15.  Febr.  gesehen.  Anfangs  war  mir  die  Tages- 
zeit seiner  Sichtbarkeit  zu  unbequem,  nachmals  verhinderte  das  bei- 
spiellos anhaltende  trübe  Wetter  seinen  Anblick.  Auch  ferner  werde 
ich  ihn  wohl  nicht  anhaltend  beobachten,  da  er  von  so  guten  Astro- 
nomen viel  besser  und  genauer  beobachtet  wird,  als  ich  diese  konfuse 
Dunstmasse  zu  beobachten  im  Stande  bin.  Da  er  bereits  Ende  dieses 
Monats  mit  der  Sonne  in  Opposition  kommt,  und  [da]  sich  dann  der 
rückläufige  Komet  schnell  von  der  Erde  entfernt,  auch  lange  nicht  so 
kompakt  und  das  Sonnenlicht  zurückzuwerfen  geschickt  scheint,  als 
der  vom  vorigen  Jahre,  so  wird  er  sich  wohl  nicht  länger,  als  bis  zum 
Mondschein  des  März  verfolgen  lassen. 

Doch  ich  muss  schliessen. 


No.  658.  Gauss  an  Olbers.  [sio 

Göttingen,  1831  März  25. 

Ich  habe  Ihnen  noch  meinen  innigsten  Dank  abzustatten  für  Ihr 
freundliches  Schreiben  und  für  das  gütige  Geschenk,  welches  Sie  mir 
mit  der  auf  Ihre  Jubelfeier  geprägten  Medaille  gemacht  haben.  Letz- 
tere ist  mir  desto  kostbarer,  da  ich  Ihr  Bild,  wenn  auch  nicht  voll- 
kommen ähnlich,  doch  in  Hauptzügen  keineswegs  unähnlich  finde.  Auch 
unser  Freund  Lindenau  hat  die  Güte  gehabt,  mir  ein  Exemplar  der 
von  ihm  und  Zach  bei  dieser  frohen  Veranlassung  veranstalteten  Me- 
daille zu  übersenden. 

Die  hiesigen  Unruhen  haben  mich  unmittelbar  nicht  sehr  "viel  be- 
rührt; das  Schlimmste  war  die  Erschwei-ung  des  Herauskommens  des 
Arztes  zu  meiner  Frau  besonders  bei  Nacht;  Wagen  konnten  in  den 
letzten  Tagen  nicht  mehr  passiren.  Die  Beschwerden  der  Einquartie- 
rung sind  mit  Geld  abzukaufen. 

Höchst  traurig  sind  dagegen  fortwährend  meine  häuslichen  Ver- 
hältnisse, deren  Druck  noch  durch  manche  Nebenumstände  sehr  erhöht 
wird.  Seit  Weihnachten  hat  meine  Frau  nicht  mehr  ausser  dem  Bette 
sein  können. 

Ihrem  vortrefflichen  Hrn.  Schwiegersohn  bitte  ich  für  die  gefällige 
Zusendung  der  aus  Amerika  erhaltenen  Briefe,  so  niederscldagend  sie 
auch  sind,  meinen  gehorsamsten  Dank  abzustatten. 

Von  Hrn.  Benzenberg   habe   ich  abermals  eine  Druckschrift  über 


')  Komet  1830  II,  wurde  1831  Jan.  7  bis  März  8  beobachtet.     Krm. 


Olbers  au  Gauss.     Bremeu,  1831  März  28.  507 

die  Queeksilbeiwaage ')  erlialten;  da  ich  jedoch  das  Meinige  gethau 
habe,  so  werde  ich  die  Beuitheilung  von  derartigen  Skripturen  anderen 
überlassen. 


No.  659.  Olbers  an  Gauss.  [349 

Bremen,  1831  März  28. 

Schon  lieute  statte  ich  Ihnen  für  Ihren  gestern  erhaltenen  lieben 
Brief  meinen  herzlichsten  Dank  ab,  da  ich  Ihnen  im  Auftrag  von  dem 
Postdirektor  Focke  nebst  seiner  gehorsamsten  Empfehlung  die  Einlage 
zu  schicken  habe,  deren  Inhalt  wenigstens  etwas,  wenn  auch  nicht  viel 
besser  lautet,  als  die  vorigen  Briefe  aus  Amerika. 

Focke  ist  seit  mehreren  Wochen  nicht  unbedeutend  krank  ge- 
wesen, die  jetzt  eingetretene  Besserung  rückt  nur  langsam  vor.  Bei 
seinem  Thätigkeits-Triebe  ist  ihm  dies  sehr  unangenehm;  doch  erträgt 
er  seinen  langen  Haus-Arrest  geduldiger,  als  ich  erwartete. 

Sehr  angenehm  war  es  mir  zu  hören,  dass  Sie  von  den  dortigen 
Unruhen  w^enig  berührt  worden  sind  und  auch  die  Last  der  Einquar- 
tierungen mit  Gelde  abkaufen  können.  —  ]\Iöchten  nur  erst  Ihre  liäus- 
lichen  Leiden  gelindert  werden  und  die  Krankheit  Ihrer  theuren  Gattin 
bald  eine  günstige  Wendung  nehmen! 

Auch  uns  steht  vielleicht,  wenn  nämlich  aus  dem  Feldzug  des 
10.  Armeekorps  nach  Luxemburg  wirklich  etwas  werden  sollte,  bald 
Einquartierung  bevor,  da  das  Hanseatische  Bundes-Kontingent  sich  hier 
versammeln  und  zusammenstossen  soll.  Bei  dieser  Gelegenheit  zeigt 
sich  für  unsere  nur  zum  friedlichen  Verkehr  geeignete  Stadt  die  grosse 
Schwierigkeit,  ihre  bei  Ausrüstung  eines  Bundesheeres  übernommene 
^'erpflichtung  zu  erfüllen. 

BENZENBERa  haben  Sie  richtig  beurtheilt.  Er  lässt  sich  durch 
Ihren  doch  so  stringenten  und  unwidersprechlichen  Beweis  seines  Irr- 
thums  gar  nicht  irremachen,  sondern  behandelt  ihn  nm*  als  eine  andere 
Meinung  über  die  Anwendungsart  der  ÜALTON'schen  Theorie  auf  die 
Höhenmessungen,  die  ebenso  gut  unrichtig  sein  könne,  als  die  seinige. 
Dass  er  aber  selbst  sagt,  er  habe  den  Aufsatz  von  Tralles  nie  ge- 
lesen, sei  aber  doch  überzeugt,  dass  Tralles  seine  Berechnungsart 
angenommen  habe,  ob  Sie  ihm  gleich  das  Gegentheil  gesagt  haben,  das 
ist  doch  gar  zu  arg  und  zeigt,   wie   so   ^iel   anderes   in   dieser   neuen 


^)  Das  Höhenmessen  mit  der  Quecksilberwaage,  Düsseldorf  1831,  siehe  auch  die 
Briefe  647—653.     Krm. 


5ß8  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1831  April  18. 

Broschüre,  dass  er  die  Folgen  seines  Zufalles^)  und  die  Einwirkung 
desselben  auf  seine  intellektuellen  Fälligkeiten  noch  nicht  überwunden 
und  beseitigt  hat. 

Mit  dem  letzten  Kometen  haben  Sie  sich  wohl  nicht  beschäftigt?  — 
Ist  Mayer's  Stelle  schon  wieder  besetzt? 


No.  660.  Olbers  an  Gauss.  [sso 

Bremen,  1831  April  18. 

Einliegend  habe  ich  Ihnen  wieder  einen  Brief  aus  Amerika  zu 
kommuniciren.  Sie  werden  daraus  ersehen,  dass  Ihr  Hr.  Sohn  schon 
im  Febr.  Hoffnung  hatte,  in  diesem  Frühjahr  als  Lehrer  placirt  zu 
werden,  dass  er  sich  aber  genöthigt  gesehen  hat,  schon  den  letzten 
Rest  des  ihm  gewährten  Kredits  zu  erheben.  Ob  ihm  nun  vorkommen- 
den Umständen  nach  noch  etwas  ausgezahlt  werden  soll,  werden  Sie  mii- 
gefälligst  so  hold  wie  möglich  melden,  damit  Dr.  Focke,  der  sich  ge- 
horsamst empfehlen  lässt,  bei  den  Hrn.  Bredexkamp  und  Plump  das 
Nöthige  verfügen  kann.  Dass  auf  alle  Fälle  fernere  Geld-Erhelungen 
sehr  erschwert  werden  müssen,  scheint  mir  einleuchtend;  aber  diese 
können  doch  auch  von  der  Art  sein,  dass  ein  kleiner  >'achschuss  das 
künftige  Schicksal  des  jungen  Mannes  entscheidend  bestimmen  kann. 
Mich  dünkt,  Sie  könnten  in  heliehiger  Limitation  sich  darin  auf  Hrn. 
Bredenkamp  verlassen,  der,  wie  ich  glaube,  nur  dann,  wenn  noch  etwas 
ununigänglich  nötJu'g  oder  nütxJivh  sein  sollte,  dieses  in  wr- 
geschriehener  Quantität  dem  Anfordernden  nachzuzahlen  hätte. 

Mich  verlangt  recht  sehr,  mein  theiu'er  Gauss,  von  Ihnen  und  be- 
sonders von  dem  Befinden  Ihrer  lieben  Kranken  etwas  zu  erfahren. 
Unaufhörlich  denke  ich  an  Sie  und  Ihre  jetzigen  Bekümmernisse.  Möge 
der  Himmel  Ihrer  verehrten  Gattin  bald  Linderung  schenken!  —  "Wirkt 
denn  das  Frühjahr  nicht  wohlthätig  ein? 

Ich  erwarte  jetzt  gleich  einige  Freunde  zum  Mittagessen  und 
muss  deswegen  schliessen. 


•    No.  661.  Gauss  an  Olbers.  [sn 

Göttingen,  1S31  April  21. 

Da  die  Aussicht,  welche  ich  früher  hatte,   dass  ich  um  diese  Zeit 
zur  Eegulirung   der  Messungsgeschäfte   nach   Hannover   würde   reisen 


')  Vergl.  Brief  No.  495,  S.  289,  von  Olbeks  au  Gauss.    Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Gütting-en,  1831   April  '21.  509 

müssen,  und  dass  ich  dann  damit  eint-n  Abliug  nach  Bremen  vielleicht 
würde  verl)inden  können,  für  jetzt  nun  ganz  verschwunden  ist,  so  stehe 
ich  länger  nicht  an,  Ihnen  Ilire  frühere  kleine  Auslage  hierneben  unter 
Wiederholung  meines  lebhaftesten  Dankes  für  alle  Ihre  freundschaft- 
lidien  ]Maassnahmen  zu  restituiren.  Die  Ursachen,  weshalb  jetzt  an 
Messungen  nicht  gedacht  werden  kann,  sind,  dass  1)  der  Lieutenant 
Hartmaxn  diesen  Sommer  in  der  polyteclinischen  Schule  Lektionen 
hält  und  2)  mein  Sohn  mit  nach  Luxemburg  beordert  ist.  Wenn  ich 
nun  gleich  noch  immer  einigen  Zweifel  hege,  ob  es  zu  diesem  Marsche 
nirklich  kommen  wird,  so  wird  doch  jedenfalls  mein  Sohn  in  den 
nächsten  Monaten  für  andere  Geschäfte  nicht  disponibel  werden. 

Da  Sie,  wenn  ich  mich  recht  erinnere,  früher  an  meiner  Erwähnung 
meiner  Theorie  der  imaginären  Grössen  einiges  Interesse  zu  nehmen 
schienen,  und  die  hiesigen  Gel.  Anz.  Ihnen  vielleicht  nicht  regelmässig 
zu  Gesicht  kommen,  so  nehme  ich  mir  die  Freiheit,  Ihnen  den  Abdruck 
euies  Artikels^)  zu  übersenden,  in  dessen  zw^eiter,  für  sich  verständ- 
lichen Hälfte  die  Grundzüge  jener  Theorie  dargestellt  sind.  Dieser 
Aufsatz  will  eigentlich  mit  der  Feder  in  der  Hand  gelesen  sein,  wo 
dann  alles  in  grösster  Klarheit  erscheint;  um  Ihnen  jedoch  dies  ev. 
noch  mehr  zu  erleichtern,  habe  ich  ein  kleines  Stück  aus  dem  Schema 
der  komplexen  Grössen  mit  beigefügt,  wo  zugleich  Schritt  für  Schritt 
als  ein  Beispiel  die  Versinnlichung  der  Multiplikation 

(2  -f  5  i)  X  (1  +  2  i)  =  —  8  +  9  i 

angehängt  ist.  Es  würde  mich  sehr  freuen,  wenn  Sie  gelegentlich  mir 
Ihre  etwaigen  gütigen  Bemerkungen  mittheilen  w'ollten.  In  den  A'er- 
hältnissen  meines  Hauses  geht  es  noch  immer  sehr  traurig. 

Indem  ich  so  eben  dieses  Schreiben  auf  die  Post  schicken  will, 
erhalte  ich  Ihren  gütigen  Brief  vom  18.  nebst  der  Anlage.  Ich  kann 
darüber  heute  nur  noch  hinzusetzen,  dass  ich  die  von  Ihnen  darin  aus- 
gesprochenen Ansichten,  welche  vermuthlich  auch  die  Ihres  vortreff- 
lichen Hrn.  Schwiegersohns  sind,  höchst  weise  und  angemessen  finde, 
und  am  liebsten  Ihnen  beiden  alles  anheimstellen  und  im  voraus  rati- 
habiren  möchte.  Soll  ich  aber  etwas  Bestimmtes  ansetzen,  so  will  ich 
noch  einmal  die  gleiche  Summe,  die  mein  Sohn  in  Amerika  erhoben 
hat,  nämlich  150  M.  Gold  festsetzen,  so,  infolge  Ihrer  eigenen  Aeusse- 
rung,  dass  nicht  dieses  Geld  als  meinem  Sohne  bestimmt  zugedacht, 
sondern  als  ein  Maximum  angesehen  werde,  bis  zu  welchem  Hi'.  Bkeden- 
KAMP    nach    eigner   Einsicht    nach    Noth wendigkeit,   Nützlichkeit   und 


1)  Gott.  Gel.  Anz.  64.  Stück,  1831  Apr.  28,  Gauss'  Werke  Bd.  II,  S.  169—178, 
enthaltend  die  Anzeige  der  Theoria  residuorura  biquadraticorum,  commentatio  se- 
cunda.     Krm. 


570 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1831  Juni  13. 


Würdigkeit  gehen  möge.    Ihrem   Hrn.   Schwiegersohn   bitte   ich   noch- 
mals meine  Dankbarkeit  und  Verehrung  zu  versichern. 
SfalveJ  MfeliöribusJ  eiligst. 


•         •        •        •        • 

r^i 

•/^^ 

•      •      •      •     W/ 

ä     ^ 

i4    Ä 

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Fig.  29. 
A  Anfangspunkt. 

Eelation  von  A  zu  a  als  -\~1  angenommen,  was  wir  so  schreiben: 
Kel.  {A,  a)  =  l,  wird  Rel.  {A,p)  =  Rel.  (a,  A)  =  —  1  sein;  ferner  Rel. 
(.4,  &)  =  +  i,  Rel.  {A,  q)  =  Rel.  {h,  A)==—i. 

Ferner  Rel.  (a,  c)  =  Rel.  (A,  h)  =  Rel.  (c,  d)  =  ^  i]  also  Rel.  {a,  d)  = 
+  2i,  Rel.  {A,d)  =  ^l-^2i  =  M. 

Ferner  ist  Rel.  {A,  d)  =  Rel.  {d,  e)  =  Jf;  also  Rel.  {A,  e)  =  2M; 
offenbar  muss  dann  aber  Rel.  (e,  f)  =  i  M  gesetzt  werden,  also  auch 
Kel.  {f, g)  =  Rel.  {g,  h)  =  Rel.  {h, k)  =  Rel.  {k, l)  =  iM  oder  Rel.  {t\ l)  = 
5  i M,  und  Rel.  {A,l)  =  2M -{- biM=  {2-^bi)M.  Aber  Rel.  {A.  I)  ist 
wie  Figura  zeigt  =  —  8-|-9i,  also  wird  hierdurch  die  Multiplikation 
(2  4-  5  i)  (1  -f  2  i)  =  —  8  -}-  9  i  versinnlicht. 


No.  662. 


Olbers  an  Gauss. 


[351 


Bremen,  1831  Juni  13. 

Sehr  leid  hat  es  mir  gethan,  dass  ich  die  schon  so  gewiss  gehabte 
Hoffnung,  Sie  in  diesem  Frühjahr  hier  in  Bremen  zu  sehen,  habe  auf- 
geben müssen.     Ganz  kann  ich  aber  doch  noch  nicht  daran  verzweifeln, 


Olbcrs  au  Gauss.     Bremen,  1831  Juui  13.  571 

Sie  vielleicht  noch  späti-r  in  dicst-ni  Jahre  hier  zu  nniaimen,  wenn  sich 
erst  tlurch  den  Eintlnss  des  Kommers,  wie  ich  holl'e  und  von  Herzen 
wünsche,  die  Verhältnisse  in  llnvni  Hause  etwas  freundlicher  gestaltet 
haben  werden,  und  Sie  vitdleicht  andere,  mit  der  Vermessung:  nicht  zu- 
sammenhängende Geschäfte  nach  Hannover  führen  sollten. 

Ganz  ungemein  bin  ich  Hmen,  mein  theurer  gütiger  Freund,  ver- 
pflichtet, dass  Sie  mir  das  Stück  der  G.  G.  Ä.,  das  die  wichtige  Lehre 
von  den  bisher  so  wenig  begriffenen,  sogenannten  imaginären  Grössen 
wenigstens  in  nuce  entwickelt,  geschickt  haben.  Der  Besitz  dieses 
Stückes  ist  mir  höchst  schätzbar,  denn  ein  blosses  Durchlesen,  wenn 
auch  ein-  oder  zweimal  wiederholt,  würde  mir  nicht  genügt  haben. 
Aber  wie  kann  ich  Hinen  genug  für  die  grosse  Mühe  danken,  womit 
Sie  mir  die  Konstruktion  der  Multiplikation  von 

(2-f  5i)x(l  +  2i)  =  — 8  4-9i 
so  deutlich  gemacht  haben.  Ich  habe  nun  eine  ganz  andere  Vorstel- 
lung von  den  imaginären  Grössen  erhalten,  und  ahne  nun  den  unge- 
heuren Umfang  des  neuen  Gebiets,  das  sich  hier  der  höheren  Arith- 
metik aufschliesst,  wenn  ich  mich  auch  noch  in  vielen  Stücken  dem 
Fuchs  in  der  Fabel  ähnlich  fühle,  der  zwar  die  vielen  herrlichen 
Sachen  in  der  ihm  vorgesetzten  Flasche  sehen,  aber  sie  sich  nicht  ganz 
aneignen  konnte.  —  Ich  hoffe,  Sie  werden  einst  alle  Ihre  in  dieses 
Fach  gehörenden  grossen  Entdeckungen  in  einem  zweiten  Bande  Ihrer 
unsterblichen  Disq.  Arith.  sammeln. 

Mit  Ihnen  bin  ich  der  Meinung,  dass  aus  dem  Marsche  der  Bundes- 
Truppen  nach  Luxemburg,  aller  drohenden  Protokolle  der  Londoner 
Konferenz  unerachtet,  wohl  nichts  werden  wird.  Die  Konferenz  [be]- 
nimmt  sich  höchst  ledern  bei  dieser  fatalen  Angelegenheit;  aber  be- 
sonders erscheint  dabei  der  Deutsche  Bund  in  der  armseligsten,  traurig- 
sten Gestalt.  Ich  fürchte  sehr,  er  wird  bald  allgemein  zum  Gespött 
werden,  wenn  ihm  die  frechen  Belgier  so  unverschämt  trotzen  und  die 
Bundes-Glieder  so  wenig  Schutz  und  Beistand  bei  ihm  finden  können. 

Indessen  ganz  anders  und  schwerer,  als  die  Luxemburger  An- 
gelegenheit, beunruhigt  mich  jetzt  die  Cholera,  die  uns  immer  näher 
bedroht,  und  gegen  die  wir  auch  schon  auf  der  Weser  Yorsichtigkeits- 
Maassregeln  und  Quarantäne- Anstalten  haben  treffen  müssen.  Noch  ist 
zwar,  so  viel  wir  wissen,  Königsberg  und  Dorpat  frei,  aber  beiden 
und  also  auch  unserem  Bessel  und  Stkuve  die  Gefahr  sehr  nahe.  Das 
gestrige  Gerücht,  dass  sie  auch  in  Rostock  und  Flensburg  ausge- 
brochen sei,  hat  sich  Gottlob  nicht  bestätigt  und  scheint  ungegründet. 
Der  Himmel  bewahre  das  näher  bedrohte  Lübeck!  Wenn  sich  dieses 
nur  des  furchtbaren  Feindes  erwehrt,  so  werden  auch  wir,  denke  ich, 
dieses  Jahr  noch  sicher  sein. 


572  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1831  Juni  13. 

Benzenberg  will  sich  noch  nicht  geben.  Er  rüstet  vielmehr  eine 
neue  Schrift  auf  künftiges  Jahr  zu.  in  der  er,  wie  er  mir  schreibt, 
Ihnen  einen  eigenen  Abschnitt  zugedacht  hat.  Er  beschuldigt  Sie  einer 
unrichtigen  Rechnung,  weil  Sie  nur  für  3  Atmosphären,  nicht  zugleich 
für  den  Wasserdampf  gerechnet  hätten.  Als  wenn  nicht  ausdrücklich 
bei  ihm  und  also  auch  bei  Ihnen  nur  von  völlig  trockener  Luft  die 
Rede  gewesen  wäre.  —  Er  hat  Schumacher  aufgefordert,  die  Baro- 
meter-Messungen auf  dem  Michaelisthurm  zu  unternehmen,  der  ihm  aber 
antworten  wird,  er  fände  Experimente  ganz  unnütz,  wodurch  man 
untersuchen  wolle,  ob  2  mal  2  wirklich  4  wäre.  —  Kurz,  es  herrscht 
eine  fixe  Idee  bei  dem  guten  Benzeneerg,  und  ich  fürchte  mich  ordent- 
lich auf  seine  nun  bald  bevorstehende  Herkunft;  denn  mit  Leuten  in 
solchem  Seelenzustande  ist  beschwerlich  umzugehen. 

PoissoN  wird  Ihnen  wohl  schon  seine  Abhandlung  über  die  Haar- 
röhrchen-Anziehung selbst  geschickt  haben?  Ich  kenne  sie  nur  aus  der 
Einleitung,  die  in  den  Annales  de  Chimie  et  Pliysique  von  Aeago  ab- 
gedruckt ist.  Ich  kann  mir,  wenn  ich  ihn  anders  recht  verstehe,  un- 
möglich denken,  dass  die  geringere  Dichtigkeit  der  obersten  Schicht 
einer  Flüssigkeit  hier  eine  besondere  Rücksicht  verdiene,  und  mit  in 
Rechnung  zu  ziehen  sei,  da  sie  doch  wohl  nur  ganz  unmerklich  von 
der  Dichtigkeit  der  folgenden  Schichten  verschieden  sein  kann. 

Encke  hat  durch  sein  Jahrbuch  eine  grosse  Verbesserung  in  der 
Conn.  d.  T.  und  dem  Naut.  Alm.  veranlasst,  die  zwar  erst  in  den  Jahr- 
gängen für  1834  vollständig  werden  soll,  aber  doch  in  den  mir  kürz- 
lich zugekommenen  Jahrgängen  für  1833  sehr  sichtbar  ist. 

Nun  noch  eine  Frage  und  Bitte,  mein  theurer  Freund.  Sie  haben 
mir  aus  Ihren  Messungen  die  Erhöhung  des  Fussbodens  der  Göttinger 
SternAvarte  über  dem  Spiegel  der  Nordsee  zur  Zeit  der  Ebbe  bei  Lang- 
warden  zu  163.Vm  =  503,3  Par.  Fuss,^)  und  über  Schumacher's  Baro- 
meter zu  357,8  Fuss^)  angegeben.  Nach  Schumacher  steht  aber  seine 
Barometerkapsel  20,26  Toisen  =  121,56  Fuss  über  dem  Spiegel  der 
Ostsee.  ]\Iithin  müsste  die  Nordsee  bei  der  Ebbe  23,9  Fuss  unter  dem 
Spiegel  der  Ostsee  liegen.  Ich  weiss  wohl,  dass  schon  einmal  von 
dieser  merklichen  Differenz  unter  uns  die  Rede  gewesen  ist;  allein  ich 
möchte  nun  gern  wissen,  ob  sich  dieser  Umstand  nicht  nachher  näher 
aufgeklärt  hat,  und  wie  der  Kontrast  aufzuklären  und  auszugleichen 
sein  möchte.  Es  scheint  mir,  dass  die  Ostsee  überhaupt  höher  sein 
muss,  als  die  Nordsee  hei  der  tiefsten  Ebbe,  und  dass  auch  die  Ostsee 
beim  Ostwinde   an   den   dänischen  Küsten  merklich  über  ihr   «rewöhn- 


')   Vergl.  Brief  No.  547  vom  28.  Jau.  1825,   S.  369   und  No.  549  vom  19.  Febr. 
1825,  S.  876,  ferner  No.  585  vom  4.  Juli  1S25,  S.  418.     Krm. 


Gauss  an  Olbcrs.    Güttingen,  1831  September  16.  573 

liclies  Niveau' anscliwellen  könne,  aber  ein  Unterschied  von  24  Fuss 
Kann  doch  wohl  schwerlich  stattfinden. 

Ich  habe  vor  wenigen  Tagen  wieder  einen  Anfall  von  Schwindel 
gehabt,  befinde  mich  aber  jetzt  wieder  ziemlich  wohl.  Miuiite  ich  doch 
auch  bald  von  Ihrer  theuren  Gattin  das  Nämliche  hören. 

Den  richtigen  Empfang  der  3.V  Ethlr.  hätte  ich  bald  anzuzeigen 
vergessen. 


No.  663.  Gauss  an  Olbers.  [312 

Göttingen,  1831  September  16. 

Eine  schwere  Zeit  für  mein  Haus  sind  alle  die  Monate  gewesen, 
die  seit  meinem  letzten  Briefe  an  Sie  verflossen  sind.  Ach  wie  lange 
und  wie  hart  hat  die  arme  Dulderin  gedrückt  werden  müssen,  bis  ihr 
Herz  brechen  konnte.  Endlich  ist  es  gebrochen.  Am  12,  Abends  ist 
sie  von  dem  Jammer  des  Lebens  geschieden,  und  heute  hat  die  Erde 
ihre  irdischen  Ueberreste  wieder  aufgenommen. 

Meine  beiden  Töchter  waren  und  sind  mir  eine  wahre  Stütze;  meinen 
ältesten  Sohn,  welcher  jetzt  im  Lüneburgischen  eine  Nachlese  zu  den 
vorigjährigen  Messungen  hält,  liofte  ich  in  ein  paar  Wochen  hier  zu 
sehen.  Mein  jüngster  Sohn  in  Poppenhagen  fängt  eben  an,  sich  von 
einer  lebensgefährlichen  Krankheit,  die  ihn  vor  etwa  6  AVochen  befiel, 
zu  erholen. 

Möchte  ich  doch  bald  einmal  wieder  durch  einige  Zeilen  von  Ihnen 
und  durch  die  Nachricht,  dass  es  Ihnen  w^ohl  geht,  erfreut  werden. 
Erst  spät  hole  ich  jetzt  meinen  Dank  für  die  werthen  Sachen,  die  Hr, 
Kraut  mir  überbracht  hat,  hier  nach. 

Wegen  der  Wiederbesetzung  von  Bohxenberger's  Stelle  hatte  man 
mich  um  meinen  Eath  ersucht,  ich  hatte  Gerling  dazu  vorgeschlagen,^) 
welchem  auch  unter  sehr  vortheilhaften  Bedingungen  die  Vokation  nach 
Tübingen  zugekommen  ist.  Allein  das  Ministerium  in  Cassel,  welches 
einen  hohen  Werth  darauf  legt,  ihn  in  ]\Iarburg  zu  erhalten,  hat  seine 
dortige  Lage  bedeutend  verbessert,  und  er  bleibt  jetzt  dort. 


^)  Vergl.  Gauss'  Brief  No.  656,  vom  24.  Dec.  1830,  nach,  dem  Gauss  denselben 
Prof.  Gerling  auch  für  die  Nachfolge  von  Tobias  Mayer  in  Göttingen  gewünscht 
hatte,  eine  Stelle,  die  nach  dem  folgenden  Briefe  von  Wilhelm  Weber  besetzt 
wurde.     Seh. 


574  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1831  September  24. 

No.  664.  Olbers  an  Gauss.  [302 

Bremen,  1831  September  24. 

Mit  der  innigsten  Theilnahme  habe  ich  den  Tod  Ihrer  theuren 
Gattin  erfahren,  von  dem  mich  ein  Schreiben  von  Hardixg  schon 
unterrichtet  hatte,  elie  ich  Ihren  Brief  erhielt.  Leider  waren  die  Um- 
stände so,  dass  wir  dem  Himmel  danken  müssen,  dass  er  die  unaufhörlichen 
Leiden  der  armen  Dulderin,  die  keine  menschliche  Kraft  oder  Kunst 
mehr  heben,  vielleicht  nur  selten  einmal  lindern  konnte,  endlich  ge- 
endigt hat.  Tröstend  ist  es  für  mich,  dass  Sie  in  dem  Beistande  Ihrer 
geliebten  Töchter  eine  so  wesentliche  Hülfe  in  Ihrem  Hauswesen  finden, 
und  von  dem  jetzigen  Gesundheits-Zustande  Ihres  Hrn.  Sohnes,  meines 
Pathen,  beruhigende  Nachrichten  erhalten  haben. 

Ich  habe  diesen  Sommer  öftere  Anfälle  von  Schwindel  gehabt,  bin 
aber  doch  sonst  ziemlich  wohl  gewesen.  Jetzt  habe  ich  seit  etwa 
4  "Wochen  die  Freude,  meine  geliebte  Schwester,  die  Landes-Oekonomie- 
Eäthin  Meter,  und  mehrere  andere  Verwandte  bei  mir  zu  sehen.  Die 
Gegenwart  dieser  lieben  Gäste  erheitert  mich  sehr  und  bringt  in  meiner 
sonst  so  einförmigen  Lebensart  eine  höchst  angenehme  und  wohlthätige 
Abwechslung  hervor.  —  Den  gestirnten  Himmel  sehe  ich  nur  sehr 
selten  an;  ich  bin  zu  sehr  zu  Erkältungen  geneigt,  und  darf  es  nicht 
wohl  mehr  wagen,  mich  der  kalten  Nachtluft  auszusetzen.  Auch  war 
kein  besonderer  Reiz  dazu  [vorhanden],  da  es,  so  viel  ich  weiss,  seit 
längerer  Zeit  weder  am  Himmel  noch  auf  Erden  etwas  sonderlich  Neues 
in  astronomicis  giebt. 

Die  sich  stets  mehr  nähernde  Cholera  erfüllt  auch  den  grössten 
Theil  meiner  Mitbürger  mit  banger  Furcht.  Mich  dünkt,  es  muss  in 
vieler  Hinsicht,  wenn  diese  böse  Krankheit  doch  einmal  kommen  soll, 
beruhigend  für  jedes  Individuum  sein,  1)  dass  sie  ansteckend,  nicht 
bloss  epidemisch  ist,  und  nur  durch  ein  contag'ium  befallen  kann. 
2)  dass  die  Wirksamkeit  dieses  contagii  sehr  beschränkt  scheint,  sich 
also  leichter  vermeiden  lässt,  3)  dass  das  contag'ium  nur  bei  denen 
die  Krankheit  hervorbringt,  die  dazu  prädisponirt  sind,  und  dass  sich 
durch  ein  schickliches  Regime  diese  Prädisposition  fast  ganz  beseitigen 
lässt.  —  Für  mich  selbst  habe  ich  gar  keine  Besorgniss.  Nicht  als 
wenn  ich  mich  ganz  sicher  gegen  diese  Krankheit  hielte,  sondern  weil 
ich  als  73 jähriger  Greis  überhaupt  nicht  ^iel  mehr  am  Leben  zu  ver- 
lieren habe,  und  in  dem  so  oft  wiederkehrenden  Schwindel  täglich  eine 
viel  nähere  Todesgefahr  vor  mir  sehe.  Aber  für  meine  näheren  Freunde 
und  besonders  für  meinen  Sohn  bin  ich  nicht  ohne  grosse  Besorgniss. 
Als  Civilstauds-Beamten   müssen  ihm  alle  Todesfälle  und  Geburten  von 


Gauss  au  Olbcrs.    Gütting'en,  1831  November  28.  575 

den  nächsten  Umstehenden  gemeldet  werden,  was  natürlich  die  Gefahr 
einer  Anstecknng  nicht  wenig  vermehren  kann.  Wie  dieses  Gefahr- 
volle vermindert  werden  könne,  ist  schon  einige  Mal  der  Gegenstand 
unserer  ernsten  Berathung  gewesen. 

Von  unserem  Bessel  habe  ich  kürzlich  nichts  gehört.  Den  letzten 
Nachrichten  zufolge  befand  er  sich  auf  dem  Landsitze  wohl,  wohin  er 
sich  nach  verschlossener  und  versiegelter  Sternwarte,  durch  das  un- 
verantwortliche Benehmen  des  Königsberger  Stadt -Magistrats^)  ge- 
drängt, zurückgezogen  hatte.  Ich  hoffe,  er  ist  dort  sicher.  Ob  unser 
ScHrMACHER  iu  Altoua  bleiben  wird,  wenn  der  von  ihm,  vielleicht  nicht 
ganz  mit  Unrecht  gefürchtete  Feind  näher  rückt,  weiss  ich  noch  nicht. 

Mit  Vergnügen  habe  ich  gehört,  dass  durch  Ihre  Einwirkung  die 
Lage  des  braven  Gekling  so  sehr  verbessert  ist.  An  Mater's  Stelle 
ist  Avohl  noch  niemand  berufen? 

Ich  habe  kürzlich  nichts  gelesen,  was  mich  mehr  interessirt  hat, 
als  des  Professors  in  Utrecht  Moll  Abhandlung  über  die  Erfindung 
der  Fernrohre*),  da  wir  nun  daraus  mit  Gewissheit  erfahren,  dass, 
wenn  auch  Jacob  Metius  iii  Alkmaar  schon  etwas  früher  auf  diese 
Erfindung  gekommen  war,  doch  Hans  Lippeeshey  von  Middelburg  das 
erste  Fernrohr  dem  Prinzen  Moritz  präsentirt  und  am  2.  Okt.  1608 
den  Generalstaaten  seine  Bittschrift  übergeben  hat.  ]\rETius'  Bittschrift 
ist  erst  vom  17.  Okt.  1608.  Auch  ist  es  merkwürdig,  dass  Lippershet's 
erstes  Fernrohr  von  Bergkrystall  war,  und  dass  er  auf  Verlangen  der 
Staaten  gleich  ein  Binocle  verfertigen  musste. 

Ich  werde  eben  zu  Tisch  gerufen  und  muss  also  schliessen. 


No.  665.  Gauss  an  01b ers.  [sis 

Göttingen,  1831  November  28. 

Es  ist  ziemlich  lange,  dass  ich  Sie  ohne  Nachricht  von  mir  ge- 
lassen habe,  und  ich  fühle  nicht  ohne  Beschämung,  dass  ich  Ihnen 
längest   für   Ihren   freundlichen   tröstenden   Brief   hätte   danken    sollen. 


^)  Der  Königsberger  Magistrat  hatte  trotz  Bessel's  Einspruch  und  der  Inter- 
vention des  Oberpräsidenten  einen  Cholera-Kirchhof  dicht  bei  der  Sternwarte  angelegt 
und  die  Leichen  zu  jeder  Tageszeit  um  die  Sternwarte  herum  dorthin  befördern 
lassen.  Vergl.  Briefwechsel  Gauss -Schumacher,  Briefe  Schumacher's  an  Gauss 
Ko.  400  vom  21.  Aug.  1831   und  No.  406  vom  17.  Okt.  1831.     Krm. 

^)  Vergl.  den  nach  Olbehs'  Tode  in  Schumacher's  Jahrbuch  für  1843  erschie- 
nenen Aufsatz  von  Olbers,  wieder  abgedruckt  als  No.  18  in  Olbebs  Bd.  I,  S.  195 
bis  199.    Krm. 


576  Gaiiss  an  Olbers.    Göttingen,  1831  November  28. 

Aber  Ihre  Güte  wird  jetzt  mit  Ihrem  Freunde  nicht  zu  scharf  rechnen 
und  die  Verspätung  eines  Lebenszeichens  nachsichtig  entschuldigen. 

Ja,  ich  lebe  noch,  und  wenn  ich  auch  öfter  an  Unpässlichkeiten 
gelitten  habe,  kann  ich  mich  doch  über  keine  andauernde  beklagen, 
wenn  ich  nicht  Schlaflosigkeit  und  Ermattung  oder  Abgespanntsein  so 
nennen  soll.  Aber  unbeschreiblich  niedergebeugt  fühle  ich  mich  fort- 
während durch  alle  die  Stürme,  die  mich  seit  länger  als  einem  Jahre 
getroffen  haben,  und  ich  weiss  nicht,  ob  und  wann  ich  mich  wieder  zu 
frischem  Lebensmuth  werde  aufrichten  können. 

Was  stets  am  härtesten  auf  mich  drückt,  ist  das  Yerhältniss  zu 
dem  Taugenichts,  der  drüben  in  A[merika]  lebt.  Ich  kann  wohl  ver- 
muthen,  dass  Sie  selbst  mehr  von  ihm  wissen  als  ich  selbst,  und  dass 
Sie  mir  die  späteren  von  Hrn.  Bk[edenkamp]  vielleicht  mitgetheilten 
Nachrichten  aus  Schonung  zurückgehalten  haben.  Ich  weiss  nur  aus 
einem  im  vorigen  Sommer  direkt  von  ersterem  eingelaufenen  Briefe, 
dass  er,  nachdem  er  das  erhobene  Geld  verthan,  in  Militärdienste  ge- 
treten ist,  und  dann  sogleich  die  Beschwerden  davon  so  fühlte,  dass  er 
nur  gleich  wieder  hätte  herauskommen  mögen.  Mir  hat  es  geschienen, 
dass,  wenn  es  überhaupt  noch  möglich  ist,  dass  die  so  tief  eingewur- 
zelten Fehler  der  Schlaiflieit,  Gedankenlosigkeit,  Unordnung  etc.  ausge- 
rottet werden  können,  dies  nur  in  dieser  Schule  zu  erwarten  ist,  und 
[ich]  habe  damals  von  jenem  Briefe  gar  keine  Notiz  genommen.  Jetzt  ist 
vor  einigen  "Wochen  eine  zweite  Epistel  eingelaufen,  die  ich  sfuhj 
v[oto]  rfemissionis]  anschliesse.  Wären  die  Umstände  hier  noch  die- 
selben, so  würde  auch  wohl  von  dieser  keine  Notiz  genommen  werden 
dürfen.  Aber  in  meinem  gegenwärtigen  gebeugten  Zustande  fülüe  ich 
um  so  tiefer  das  Bedürfniss,  Ihren  freundschaftlichen  Eath  in  Anspruch 
zu  nehmen,  mit  dem  Sie  in  den  30  Jahren,  wo  Ihre  Freundschaft  einen 
Hauptbestandtheil  meines  Lebensglücks  ausmacht,  mich  schon  in  so 
mancher  Angelegenheit  unterstützt  haben,  da  Ihr  klarer  ruhiger  Blick 
über  Lebensverhältnisse  und  Ihre  Bekanntschaft  mit  allen  Umständen 
Sie  vor  allen  dazu  befähigen,  und  da  gerade  Sie  auf  eine  so  edle  Art 
sich  meiner  dabei  angenommen  haben.  Ich  muss  nun  aber,  damit  Sie 
alles  wissen,  noch  folgendes  beifügen. 

Seine  Mutter,  deren  Leiden  in  dem  letzten  Jahre  durch  den 
Schmerz  über  einen  so  missrathenen  Sohn  so  grausam  und  mehr,  als 
ich  hier  sagen  kann,  geschärft  sind,  hat  ihn  in  einem  schon  im  vorigen 
Winter  deponirten  Testament  enterbt,  doch  mit  der  ^loditikation.  dass 
wenn  er  1838  (zwei  Jahre  nach  erreichter  hierländischer  Volljährigkeit, 
da  er  1811  geboren  ist)  vollgiltige  Beweise  der  Besserung  gegeben 
habe,  er  von  da  an  die  Zinsen  seines  (übrigens  nicht  sehr  bedeutenden) 
Erbantheils  geniessen,  auch  18-13,  wenn  er  dann  sich  als  selbstverwal- 


Gauss  an  Olbers.    Göttingeii,  1831  December  10.  577 

tuiigsfäliig:  bewählt  habe,  das  Kapital  erlialten  solle.  Sollte  er  aber 
so  entartet  sein,  diese  mütterlichen  Bestimmungen  anfechten  zu  wollen, 
>o  solle  er  auf  den  Ptiichttheil  gesetzt  sein.  Alle  diese  Bestimmungen 
sind  mit  grosser  Klarheit  und  Unzweideutigkeit  abgefasst  (mir  selbst 
>ind  sie  erst  nach  dem  Tode  bekannt  geworden);  ob  sie  allen  Forde- 
rungen der  juristischen  Formen  genau  entsprechen,  vermag  ich  nicht 
zu  beurtlieilen. 

Darf  ich  nun,  mein  theuerster  Olbers,  meiner  Hoffnung,  dass  Sie  mir 
es  nicht  versagen  werden,  meinen  getrübten  Blick  mit  Ihrem  hellen  zu 
erleuchten  und  zu  richten,  noch  die  Frage  hinzufügen,  ob  im  Fall  Sie 
überhaupt  eine  Antwort  angemessen  halten,  Sie  ohne  zu  grosse  Be- 
schwerde die  Expedition  nach  Amerika  gütigst  besorgen  könnten? 

Nach  dieser  traurigen  Angelegenheit,  die  mich  täglich  und  stünd- 
lich drückt,  will  ich  doch  auch  mit  ein  paar  Worten  etwas  Ange- 
nehmeres berühren.  Sie  fragten  in  Ihrem  letzten  Briefe,  ob  Mayer's 
Stelle  noch  nicht  wieder  besetzt  werde?  Ich  muss  also  w'ohl  vergessen 
haben,  Ihnen  früher  zu  melden  (ich  hätte  es  schon  im  Frühjahr  ge- 
konnt), dass  diese  Stelle  (nicht  ohne  mein  Zuthun,  unter  uns)  an 
W.  Weber  konferirt  ist,  der  auch  schon  seit  dem  mir  so  bedeutungs- 
vollen 12.  Sept.  hier  ist.  Er  ist  ein  ebenso  liebensw'ürdiger  als  talent- 
voller junger  Mann,  der  gewiss  einst  unter  den  ersten  Namen  Göt- 
tingens glänzen  wird,  und  der  Umgang  mit  ihm  lässt  mich  wenigstens 
manche  Stunde  meine  eigenen  Leiden  vergessen.  Prof.  Schmidt  wird 
die  zuerst  Gerling  angetragene  Stelle  in  Tübingen  erhalten. 

Möge  Ihr  nächster  Brief  mir  auch  recht  erfreuliche  Nachrichten 
über  Ihr  Befinden  geben.  Jede  Zeile  von  Ihnen  ist,  [das]  wissen  Sie, 
ein  Kleinod  für  mich. 

P.  S.  Verzeihung  für  die  durch  ein  Versehen  ungewöhnliche  Be- 
schreibung des  Papiers. 


No.  666.  Gauss  an  Olbers.  fsid 

Göttingen,  1831  December  10. 

In  Ihrem  Briefe^)  verehre  ich  mit  gerührtem  Danke  einen  aber- 
maligen Beweis  Ihrer  theilnehmenden  Freundschaft.  Eine  entschiedene 
Ansicht  von  Ihnen  hätte  nicht  anders  als  von  grossem  Gewicht  bei  mir 
sein  können.  Da  Sie  aber  eine  solche  nicht  ausgesprochen  haben,  so 
muss  ich  wohl  selbst  ein  Facit  ziehen. 


^)   Dieser  Brief   Olbers',   ungefähr  vom   Anfang  Dec.  1831,  ist  nicht  mehr  vor- 
handen.   Krm. 

Olbers.     II,  2.  37 


578  Gauss  an  Olbers.    Göttingen,  1831  December  10. 

Sie  erkennen  in  dem  Militärdienste  das  beste  Mittel,  mancherlei 
Laster  wie  Faulheit,  Unordnung  etc.  auszutreiben.  Dies  ist  auch  ganz 
meine  eigene  Ansicht.  Dass  der  Soldat  in  Nord-Amerika  so  gut  be- 
zahlt, gekleidet  und  verpflegt  wird,  hatte  ich  früher  nicht  einmal  ge- 
wusst;  so  weit  wird  es  jedoch  wohl  damit  nicht  gehen,  dass  nicht  ein 
so  unsinniger  Verschwender  auch  noch  eine  gute  Schule  der  Frugalität 
und  Nüchternheit  darin  sollte  finden  können.  Soll  aber  eine  solche 
Schule  anschlagen,  so  darf  sie,  wo  die  Laster  so  eingewurzelt  waren, 
nicht  zu  kurz  sein.  Fünf  Jahre  sind,  wie  auch  Sie  zu  denken  scheinen, 
nicht  zu  viel,  und  wenn  die  einfache  Dosis  nicht  wirkt,  so  wird  es  die 
doppelte  thun  müssen.  Danach  hätten  wir  also  das  Resultat.  Bringt 
übrigens  die  Schule  ihn  früher  zur  Vernunft,  wozu  auch  gehört,  dass 
er  sich  in  seine  Lage  fügen  lernt,  so  kann  es  ihm  unmöglich  schwer 
werden,  bald  zum  ünterofficier  zu  avanciren  und  nach  fortgesetztem 
guten  Betragen  bei  seinem  künftigen  Austritt  irgend  einen  kleinen, 
seinen  Mann  nothdürftig  nährenden  Dienst  zu  erhalten,  wobei  er  dann 
nach  7  Jahren,  wenn  er  vollgültige  Beweise  seiner  Würdigkeit  gegeben 
hat,  eine  für  solches  Verhältniss  nicht  ganz  unerhebliche  jährliche  Zu- 
busse  erwarten  kann.  Ich  wüsste  wahrhaftig  nicht,  durch  was  er  be- 
rechtigt wäre,  höhere  Ansprüche  zu  machen. 

Dagegen  bemerken  Sie,  dass  Hr.  Bredenkamp  es  für  ein  grosses 
Glück  für  ihn  anzusehen  scheine,  wenn  er  aus  jenen  Verhältnissen 
wieder  befreit  würde.  Nach  dem  ganzen  Zusammenhang  Ihres  Briefes 
hält  jedoch  Hr.  Bredenkamp  solche  Befreiung  noch  nicht  an  2ind  für 
sich  für  ein  grosses  Glück,  sondern  nur  unter  der  Voraussetzung,  dass 
dann  ein  anderer  seine  Sustentation  auf  unbestimmte  Zeit  übernähme. 
Unter  solcher  ^'oraussetzung  würden  ohne  Zweifel  sämmtliche  Soldaten 
von  Nord-Amerika  ihre  Entlassung  aus  dem  Dienste  für  ihr  grösstes 
Glück  halten. 

Sollte  nun  aber  gar  an  seine  Entlassung  aus  dem  Militär  die  Noth- 
wendigkeit,  ihn,  ohne  dass  er  auch  nur  den  kleinsten  Beweis  der  Würdig- 
keit oder  reeller  Besserung  gegeben  hat,  nach  Europa  zurückzurufen,  ge- 
knüpft werden  müssen,  so  gestehe  ich.  dass  ich  daran  nur  mit  walirer 
Seelenangst  derken  kann.  Sie  nennen  es  einen  kostbaren  Versuch;  er 
würde  es  auch  noch  in  anderem  Sinne  werden.  Dass  mit  seiner  bisherigen 
Individualität  ein  Wiederanfangen  juristischer  Studien  zu  einem  gedeih- 
lichen Resultat  führen  könne,  dazu  habe  ich  gar  kein  Vertrauen  (nicht 
einmal  des  Um  Standes  zu  gedenken,  dass  gerade  Gerling,  mit  welchem 
ich  auch  in  Beziehung  auf  das  traurige  Verhältniss  korrespondirt  habe, 
auf  das  Entschiedenste  seine  jetzige  Militärschule  für  das  beste  Besse- 
rungsmittel hält);  ebenso  wenig  wüsste  ich  in  Europa  eine  andere 
Karriere  für  ihn,  als  die  eines  auf  fremde  Kosten  lebenden  Tagediebes. 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1832  Januar  18.  579 

Ist  null  aber  das  lielin<,^eii  «iiies  solchen  Versuches  kaum  wahrschein- 
lich. SU  ist  es  dagegen,  nach  meiner  Individualität,  mehr  als  wahr- 
scheinlich, dass  seine  Rückkehr  nach  Europa,  ohne  ein  ganz  anderer 
Mensch  geworden  zu  sein,  mein  Tod  sein  wird,  wenn  nicht  sogleich 
mein  i)hysischer,  doch  gewiss  mein  geistiger.  Zu  irgend  einer  Geistes- 
arbeit, die  ein  freies  ruhiges  Gemüth  erfordert,  würde  ich  nie  mehr 
fähig  sein.  Von  unseren  Handlungen  sind  wir  Herr,  aber  nicht  von 
<leii  ^^'il■kungen,  welche  Lebensverhältnisse  auf  unser  Gemüth  machen. 
Kichten  Sie  nun  selbst,  mein  theurer  Olbers,  nicht  sowohl,  ob  ich 
ein  solches  kostbares  Experiment  machen  muss,  als  ob  ich  es  machen 
daif.  Alles,  was  ich  nach  Lage  der  Sache  jetzt  thun  kann,  ist,  meinen 
ganz  detinitiven  Entschluss  und  eine  Antwort,  wenn  Sie  solche  ange- 
messen halten,  noch  einige  Wochen  zu  verschieben.  Ich  werde  in 
diesen  Tagen  Gerling  bitten,  die  Weihnachtsferien  bei  mir  zuzubringen 
und,  wenn  er  meine  Einladung  annimmt,  die  Sache  noch  von  allen 
Seiten  mündlich  mit  ihm  besprechen.  Wollen  Sie,  mein  theurer  Olbers, 
mich  noch  mit  Ihrem  gütigen  Rath  vorher  unterstützen,  so  werden  Sie 
[mich]  sehr  beglücken. 


No.  667.  Olbers  an  Gauss.  [353 

Bremen,  1832  Januar  18. 

Ich  weiss,  welchen  freundschaftlichen  Antheil  Sie  an  allen  mich 
betreffenden  Ereignissen  nehmen,  und  so  eile  ich,  Ihnen  ein  solches 
mitzutheilen,  das  mich  am  späten  Abend  meines  Lebens  noch  unge- 
mein erfreut.  Seit  vorgestern  ist  mein  ältester  Enkel,  Dr.  Wilhelm 
FocKE,  den  Sie  kennen,  mit  einem  sehr  liebenswürdigen  Mädchen, 
Pauline,  der  Tochter  des  allgemein  hochgeachteten  Senator  Pavenstedt 
verlobt.  Die  liebe,  sanfte,  gebildete  und  verständige  Braut  verheisst 
ihrem  Verehrer  und  Verlobten  mit  Gewissheit  die  glücklichste  Ehe  im 
voraus,  und  diese  Verbindung  ist  um  so  erfreulicher,  da  sie  auch  die 
bürgerlichen  Verhältnisse  meines  lieben  Enkels  für  die  Zukunft  fest 
und  angenehm  zu  begründen  scheint. 

Die  Hoifnung,  dass  mir  mein  Sohn  noch  eine  Schwiegertochter  zu- 
führen werde,  muss  ich  nachgerade  wohl  ganz  aufgeben;  er  scheint 
gar  nicht  heirathen  zu  wollen. 

Den  Gründen,  mein  allertheuerster  Freund,  warum  Sie  sich  auf 
die  Bitten  des  Amerikaners  um  Befreiung  aus  dem  Soldatenstande  nicht 
einlassen  können  und  wollen,  weiss  ich  nichts  entgegen  zu  setzen. 
Angemessen  scheint  es  mir  aber,  dass  der  Verirrte  sowohl  von  dem 
Tode  seiner  verewigten  Mutter,   den   er  wohl  noch  nicht  erfahren  hat, 

37* 


580  Gauss  an  Olbers.    Göttingen,  1832  Januar  25. 

als  auch  von  Ihrem  festen  Entschluss,  nichts  für  seine  Entlassung  aus 
dem  Militär  thun  zu  wollen,  unterrichtet  werde,  letzteres  hauptsächlich 
darum,  damit  er,  in  der  falschen  Erwartung  doch  bald  auszutreten, 
seinen  Dienst  nicht  vernachlässige  und  sich  weniger  eifrig  bemühe, 
sich  die  Zufriedenheit  und  wo  möglich  die  Gunst  seiner  jetzigen  Vor- 
gesetzten zu  erwerben,  worin  ich  noch  die  einzige  Hoffnung  seines 
künftigen  Fortkommens  sehe. 

Bei  dieser  Jahreszeit,  so  gelinde  der  Winter  im  Ganzen  bisher 
auch  war,  wage  ich  es  nicht,  mich  mit  kleinen  astronomischen  Beob- 
achtungen zu  unterhalten;  die  unaufhörlich  trübe  und  neblige  Witte- 
rung giebt  auch  keine  Versuchung.  Gleich  nach  dem  diesmaligen  Mond- 
schein hoffe  ich  die  Wiederauffindung  des  ExcKE'schen  Kometen  zu 
erfahren  —  nicht  selbst  zu  sehen. 

Der  tückischen  Cholera  traue  ich  noch  gar  nicht,  sondern  fürchte, 
dass  sie  im  Frühjahr  wieder  mit  erneuter  Kraft  und  Bosheit  auftreten 
werde.  So  eben  höre  ich,  dass  sich  in  Altona,  wo  man  8  Wochen  frei 
war,  wieder  3  Cholera-Fälle  ereignet  haben  sollen.  Aengstlich  erwarte 
ich  von  unserem  Schumacher  die  Berichtigung  dieser  unwillkommenen 
Nachricht. 

Leben  Sie  recht  wohl,  mein  theuerster,  bester,  geliebtester  Freund, 
und  erfreuen  Sie  mich  recht  bald  mit  einigen  Zeilen.  Wie  geht  es  Hirer 
lieben  Tochter,  der  Frau  Prof.  Ewald?  Haben  Sie  schon  Hoffnung, 
Grossvater  zu  werden? 

Einen  eticaigen  Brief  nach  New  York  besorge  ich  gern,  so  bald  sich 
nur  Gelegenheit  dazu  zeigt. 


No.  668.  Gauss  an  Olbers.  [315 

Göttingen,  1832  Januar  25. 

Freund  Gerling  ist  bei  mir  gewesen,  und  wir  haben  die  bewusste 
Sache  von  allen  Seiten  besprochen  und  auch  nachher  noch  wiederholt 
darüber  korrespondirt.  Das  Eesultat  ist  gewesen,  dass  dieser  Freund 
dabei  beharrt,  eine  abermalige  Versetzung  meines  Sohnes  unter  Stu- 
denten für  ganz  unthunlich,  und  von  der  anderen  Seite  seineu  jetzigen 
Militärstand  für  die  beste  Schule  zu  halten.  Er  hat  mir  mehrere  ihm 
genau  bekannte  Fälle  erzählt,  wo  diese  Schule  die  besten  Wirkungen 
gehabt  habe,  und  dadurch  meinen  Muth  zu  erheben  gesucht.  Ich  kann 
nun  freilich  zu  solchem  ^'ertrauen,  dass  in  dem  vorliegenden  Falle  die 
Schule  zu  hoch  Erfreulichem  führen  werde,  mich  noch  nicht  erheben; 
allein  so  viel  steht  fest,  dass  ich  in  meiner  Stellung  im  Leben  und 
bei  seiner  Individualität  nichts  Angemesseneres  an  die  Stelle  zu  setzen 


Gauss  an  Olbers.    Göttingeu,  1832  Januar  25.  581 

liiibe.     Ich  habe  daher  in  diesem  Sinne   jetzt   gesclirieben  nnd  benutze 
llir  (riitiges  Anerbieten,  den  Brief  nach  Amerika  zu  befördern,  mit  L)ank. 

Die  P^reude.  welche  Sie  an  Ihrem  Enkel  und  Ihr  würdiger  Hr. 
Scliwieg-ersohn  an  seinem  Sohne  erleben,  habe  ich  mit  innig  gerührter 
Theilnahme  aus  Ihrem  letzten  Briefe  erfahren.  Wer  verdient  auch 
mehr  solches  Glück,  als  Sie! 

Meine  älteste  Tochter,  nach  der  Sie  sich  so  freundlich  erkundigen, 
befindet  sich  wohl  und  vergnügt,  wenngleich  zu  dem  —  doch  immer 
zweideutigen  Glück,  Kinder  zu  haben,  noch  wenigstens  keine  nahe  xVus- 
sicht  zu  sein  scheint. 

Sie  haben  vielleicht  vor  einiger  Zeit  in  den  G.  G.  Ä})  gesehen, 
dass  der  Preis  auf  verbesserte  Photometer  nicht  hat  zuerkannt  werden 
können,  wenngleich  zwei  Abhandlungen  eingegangen  waren.  Die  zweite, 
deren  Verfasser  sich  übrigens  fast  mit  Gewissheit  errathen  Hess,  ent- 
hält manches  Eigenthümliche,  auch  einen  Vorschlag,  der  auf  einer  an 
sich  sehr  sinnreichen  Idee  beruht,  die  ich  aber  bei  näherer  Prüfung  nicht 
stichhaltig  gefunden  habe.  Uebrigens  kann  ich  nicht  leugnen,  dass 
mir  scheint,  alle  Methoden,  die  sich  darauf  gründen,  dass  man 
das  Licht  so  lange  schwächt,  bis  es  einem  gegebenen  Auge  ver- 
schwindet, könnten  nur  sehr  rohe  Resultate  geben;  jedenfalls  sollte 
man  damit  anfangen  zu  prüfen,  welche  Uebereinstimmung  unter  sich 
sie  geben,  und  zwar  nicht  an  3  oder  6  Messungen,  sondern  an  einigen 
Hunderten.  Ich  bin  geneigt  zu  glauben,  dass  allemal,  w'o  das  kleinste 
sichtbare  Licht  die  Einheit  abgeben  soll,  Ungewissheiten  von  30  oder 
mehreren  Prozenten  nicht  zu  vermeiden  sein  werden. 

Ich  habe  mir  eine  Methode  ausgesonnen,  die  auf  ein  anderes 
Princip  sich  stützt,  wo  nämlich  das  Auge  über  nichts  als  über  Gleich- 
heit oder  Ungleichheit  zweier  Gegenstände,  die  es  immer  neben  ein- 
ander im  Gesichtsfelde  des  Fernrohres  sieht,  zu  urtheilen  hat,  und 
Freund  Gerling  die  Hauptideen  mitgetheilt.  Ich  hoffe,  er  wird  sein 
grosses  praktisches  Talent  dazu  anwenden,  diese  Idee  auszuführen. 
Uebrigens  wissen  Sie,  dass  auf  meine  Veranlassung  die  Aufgabe  noch 
einmal  wiederholt  ist. 

Harding  hat  sich  nach  dem  Kometen^)  bisher  vergebens  umge- 
sehen. 

Ich  komme  noch  einmal  auf  das  Photometrische  zurück.  Ich  ver- 
muthe,  dass  das  Urtheil  über  gleiche?  oder  ungleiche?  Helligkeit  einer 


*)  Gott.  Gel.  Anz.  196.  Stück,  1831  Dec.  10.  Die  Aufgabe  wurde  für  Nov.  1834 
noch  einmal  gestellt  und  der  Preis  dann  Steinheil  zuerkannt;  vergl.  Brief  No.  683 
vom  20.  Jan.  und  No.  686  vom  22.  Apr.  1835  und  die  betreffende  Anmerkung.    Krm. 

-)  Die  Wiederkehr  des  ENCKE'schen  Kometen  im  .Jahre  1832.  Yergl.  Brief 
No.  673  vom  28.  Aug.  1832.     Krm. 


582  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1832  Februar  12. 

ziemlich  grossen  Schärfe  fähig  sein  wird,  wenigstens  einer  grösseren, 
als  irgend  ein  anderes  Verfahren,  so  bald  die  Gegenstände  nicht  sehr 
ungleiche  Färbung  haben.  Im  entgegengesetzten  Fall,  z.  B.  wenn  roth 
mit  grün  verglichen  werden  soll,  wird  dies  freilich  wegfallen.  Ich  habe 
indess  keinen  recht  deutlichen  Begriif,  luas  eigentlich  gleiche  Helligkeit 
hier  bedeuten  soll.  Bei  gleichen  Farben  schaut  man  das  unmittelbar 
an;  aber  ungleiche  können  als  Empfindungen  in  Rücksicht  auf  Gleich- 
heit der  Helligkeit  im  Grunde  kaum  verglichen  werden.  Am  Ende 
bleibt  da  wohl  gar  nichts  anderes  übrig,  als  dass  ein  rother  Stern  und 
ein  grüner  Stern  für  gleich  hell  gelten,  wenn  einerlei  aliquoter  Theil 
die  Grenze  des  Empfindbaren  ist.  Etwas  Aehnliches  gilt  dann  von  der 
specifischen  Helligkeit  ungleich  gefärbter  Flächen,  wo  das  Princip  auch 
schon  von  Newton  gebraucht  ist.  Bei  der  astronomischen  Anwendung 
möchte  indessen  daran  nicht  so  sehr  viel  liegen,  da  doch  die  sehr  ab- 
weichend gefärbten  Sterne  nur  seltenere  Ausnahmen  sind.  Aber  darin 
mag  wohl  viel  Subjektives  liegen.  Vielleicht  wären  Augen  möglich, 
wenn  auch  nicht  menschliche,  für  die  das  violette  Licht  (nach  jenem 
Begriif)  viel  heller  wäre  als  das  gelbe.  Doch  verzeihen  Sie,  lieber 
Olbers,  meine  unreifen  Zweifel,  da  Sie  selbst  aus  diesen  Gegenständen 
viel  mehr  Studium  gemacht  haben  als  ich. 

Haeding   hat   in  letzter  Auktion  verschiedenes  für  Sie  erstanden, 
was  er  Ihnen  nächstens  schicken  wird. 


No.  669.  Olbers  an  Gauss.  [354 

Bremen,  1832  Februar  12. 

Seit  dem  24.  Jan.  bin  ich  krank,  sehr  bedeutend  krank.  Ich  habe 
Ihnen  schon  oft  meine  häufig  wiederkehrenden  Schwindel- Anfälle  ge- 
klagt, noch  nie  aber  verlor  ich  dabei  früher  alle  Besinnung.  Am 
genannten  Tage,  wie  ich  meiner  Art  nach  mich  ganz  wohl  befand, 
eben  mit  gutem  Appetit  meine  Mittagsmahlzeit  zu  verzehren  anfing  uud 
in  sehr  heiterer  Unterhaltung  begriften  war,  fiel  ich  plötzlich  bewusstlos 
vom  Stuhle,  und  Avürde  mich  heftig  beschädigt  haben,  wenn  nicht  gerade 
mein  Bedienter  in  meiner  Nähe  gewesen  [wäre]  und  den  Fallenden  auf- 
gefangen hätte.  Seit  der  Zeit  ist  dieser  Zufall  schon  3  mal,  wenn  auch 
mit  verminderter  Heftigkeit,  wiedergekehrt,  und  auch  in  den  ZAvischen- 
zeiten  ist  der  Kopf  selten  ganz  frei.  Aderlasse,  Blutegel,  andere  dien- 
liche Mittel,  strenge  Diät  u.  s.  w.  haben  das  Uebel  etwas  gemildert,  nicht 
gehoben,  und  ich  muss,   ohne  einen  Auüenblick   sicher   zu    sein,    einen 


Gauss  an  Olbers.    Göttingen,  1832  Februar  18.  583 

neuen  Anfall  derselben  Art  erwarten,  der  vielleicht  der  letzte  sein 
könnte.  —  Nun  wie  Gott  will.     Ich  bin  auf  alles  vorbereitet. 

Doch  genug;  von  meinen  Infirmitäten.  Der  mir  geschickte  Brief 
wird  besorgt  werden,  so  bald  das  erste  Schiff  nach  New  York,  walir- 
scheinlicii  Anfangs  März,  abgeht. 

Es  hat  mich  sehr  gefreut,  dass  Sie  sich  der  Anwendung  der  Photo- 
metrie auf  den  gestirnten  Himmel  annehmen  wollen.  Man  weiss  schon, 
dass  alles,  was  Sie  behandeln,  gelingt.  Ganz  theile  ich  Ihre  Ansicht 
über  das  l'ngenaue  derjenigen  Photometer,  die  sich  auf  das  Verschwinden 
des  Gegenstandes  gründen.  Auch  bin  ich  mit  Ihnen  und  Lambert, 
BouGUER,  Karsten  u.  s.  w.  überzeugt,  dass  unser  Auge  nur  Gleichheit 
oder  Ungleichheit  der  Lichtstärke  sicher  beurtheilen  kann.  Wie  Sie 
nun  die  beiden  zu  vergleichenden  Gegenstände  neben  einander  ins 
Fernrohr  bringen,  und  den  helleren  auf  eine  messhare  Weise  mit  dem 
dunkleren  zur  Gleichheit  bringen  wollen,  ist  mir  noch  unhegr  elf  lieh. 
Kann  dies  wirklich  geschehen,  so  ist  die  Hauptsache  erfunden,  — 
Schwierigkeiten,  die  verschiedene  Farben,  scheinbare  Grössen,  wesent- 
licher Unterschied  zwischen  Helligkeit  und  Lichtstärke  etc.  etc.  machen, 
werden  sich  wenigstens  zum  Theil  heben  lassen.  Von  letzteren  führe 
ich  nur  noch  an,  dass  bei  Dämpfgläsern,  die  man  wohl  nicht  ganz  wird 
entbehren  können^  es  welche  geben  kann,  für  die  der  Mond  ganz  ver- 
schwindet, wenn  doch  Venus  oder  Sirius  noch  bei  ihrer  Anwendung 
sichtbar  bleiben. 

Doch  ich  fühle,  dass  das  Schreiben  mich  angreift,  und  ich  schliessen 
muss.  Leben  Sie  wohl,  mein  allertheuerster,  geliebtester  Freund,  Gott 
lohne  Sie  für  alle  die  Freude,  all  das  Glück,  das  Ihre  Freundschaft 
auf  meinen  Lebenspfad  verbreitet  hat. 


No.  670.  Gauss  an  Olbers.  [sie 

Göttingen,  1832  Februar  18. 

Ihr*)  Brief  vom  12.  Febr.  hat  mich  in  eine  Traurigkeit  versetzt, 
die  mich  keinen  Augenblick  verlässt.  Sie  selbst  zwar  stehen  hoch  über 
dem  Leben,  wenn  gleich  im  Besitz  von  allem,  was  dasselbe  schmücken 
kann,  innigst  geliebt  und  verehrt  von  allen,  die  das  Glück  haben,  Ihnen 
nahe   zu   stehen;    aber   alle   von   diesen,    die  einst  nach  Ihnen  zurück- 


^)  Von  hier  ab  bis  ..von  uns  ab!"  ferner  die  Stelle  von  „Ich  beschäftige  mich" 
bis  zum  Schluss  auch  abgedruckt  in  E.  Schering,  C.  F.  Gauss  und  die  Erforschung 
des  Erdmagnetismus,  Seite  25—26.  Abhandl.  d.  Gott.  Ges.  d.  Wiss.,  34.  Bd.  Göt- 
tinnen  1887.     Krm. 


584  Gauss  an  Olbers.    Göttingen,  1832  Februar  18. 

bleiben  sollen,  werden  sich  als  Verwaiste  fühlen,  denen  nichts  einen 
solchen  Verlust  ersetzen  kann.  Wende  doch  der  Himmel  ein  solches 
Unglück  noch  lange  von  uns  ab! 

Vielleicht  macht  es  Ihnen  eine  kleine  Zerstreuung,  wenn  ich  Ihnen 
meine  Grundidee  zu  einem  Photometer  ^),  wie  ich  sie  Geeling  ange- 
geben habe,  anzeige.  Denken  Sie  sich  einen  Spiegelsextanten  mit  der 
Modifikation,  dass  der  kleine  Spiegel  gar  nicht  belegt  ist,  sondern  bloss 
von  seinen  Glasflächen  reflektirt,  beide  Spiegel  aber  reichlich  so  gross 
wie  das  Objektiv  des  Fernrohres,  der  grosse  auch  so  breit,  wie  es  für 
die  äussersten  Fälle  der  Winkeldistanz  zwischen  zwei  zu  vergleichenden 
Sternen  nöthig  ist,  damit  jeder  Punkt  des  Objektivs  Licht  bekomme. 
Man  stellt  den  Sextanten  so,  als  wollte  man  jene  Distanz  messen,  so 
dass  beide  Bilder  nahe  bei  einander  erscheinen.  Die  ursprünglichen 
Lichtintensitäten  der  Sterne  A,  B  seien  a  und  l,  die  Intensität  des 
Lichtes  der  Bilder  aa,  ßh,  wo  a  und  ß  von  der  Oeffnung  des  Objektivs, 
der  unvollkommenen  Durchsichtigkeit  der  Gläser  abhängen,  ß  ausser- 
dem auch  noch  von  der  Angulardistanz  der  Sterne.  Jenseits  des  kleinen 
Spiegels  ist  aber  noch  eine  Vorrichtung  angebracht,  vermöge  der  man 
das  direkt  gesehene  Licht  auf  einen  beliebigen  Bruch  =  a  reduciren 
kann,  indem  man  statt  des  vollen  Objektivs  nur  einem  Sektor  =  //  x 
360°  Licht  verstattet.  Dieses  ju  bestimmt  man  so,  dass  beide  Bilder 
gleich  hell  erscheinen;  man  hat  also  /uaa  =  ßh.  Jetzt  macht  mau 
einen  zweiten  Versuch,  indem  man  den  Sextanten  umkehrt  und  also 
den  vorher  direkt  gesehenen  Stern  reflektirt  sieht.  In  diesem  zweiten 
Versuch  trete  lu  au  die  Stelle  von  u.  ]\Ian  hat  also  u'ah  =  ßa.  War 
ursprünglich  a  =  h,  so  wird  man  nothwendig  //  =  //  finden  und  vice 
versa;  sind  aber  a,  h  ungleich,  so  hat  man   a  -.h  ^==  ß  :  na  =  u'a  :  ß  = 

Vf-t  :V/ii.    Zugleich  wird  immer  ///<'=-  eine  bloss  von  der  Ans-ular- 

aa 

distanz  abhängige  Grösse  sein,  über  die  man  aus  vielen  Versuchen  das 
Gesetz  ausfindig  machen  kann;  nachdem  dies  gefunden  ist.  werden  auch 
einseitige  Messungen  ein  Resultat  geben.  Dies  ist  die  eigentlich  mathe- 
matische Grundidee;  es  versteht  sich,  dass  an  die  Stelle  eines  grossen 
Sextanten  mit  kleinem  Fernrohr  hier  ein  grosses  Fernrohr  mit  kleinem 
Sextanten  (nur  um  die  Sterne  bequem  zugleich  ins  Gesichtsfeld  bringen 
zu  können)  treten  muss. 

Ich^)  beschäftige  mich  jetzt  mit  dem  Erdmagnetismus,  nament- 
lich mit  einer  absoluten    Bestimmuns:  von  dessen  Intensität.    Freund 


^)  Yergl.  Anmerkung  zu  Brief  No.  683  vom  20.  Jan.  1835.     Krm. 

-)  Yergl.  hierzu  die  Anmerkung  auf  S.  683,  ferner  die  in  der  daselbst  er- 
wähnten Arbeit  -wiederabgedruckten  Briefe  von  Gauss  an  Gerlisg  t.  14.  Febr.  und 
von  Gauss  au  Schumachek  v.  3.  März  1832,  No.  412  des  Briefwechsels.     Krm. 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1832  Juli  27.  585 

AVebkr  macht  nacli  iiipiiu-i  Angabe  die  Versuclie.  So  wie  mau  z.  B. 
von  Gescliwiiuli^^kt'it  mir  clurcli  Ansetziing'  einer  Zeit  und  eines 
Kaums  einen  klaren  Begriff  geben  kann,  so,  finde  ich,  muss  zur  voll- 
ständigen Bestimnmng  der  Intensität  des  Erdmagnetismus  augegeben 
werden    1)  ein  Gewicht  =  jh    2)  eine  Linie  =  r,   und  dann  kann  man 

Vp 
den  Erdmagnetismus  durch  ausdrücken,  d.i.  ein  doppelt  gewordener 

Erdmagnetismus,  würde  bei  gleichem  r  ein  viermal  so  grosses  Gewicht, 
oder  bei  gleichem  Gewicht  ein  halb  so  grosses  r  herbeiführen.  Es 
scheint,  dass,  wenn  man  für  ?•  einen  Zoll  nimmt,  2?  wohl  nur  wenige 
Milligramm  beträgt.  Die  Versuche  sind  aber  noch  nicht  vollständig. 
Ich  Averde,  wenn  es  Sie  interessirt,  Ihnen  gern  demnächst  etwas  Näheres 
mittheilen  und  bemerke  nur,  dass  man  dabei  ^ivei  Nadeln  Ä  und  B 
nöthig  hat  (die  eine  ist  übrigens  ein  Stab),  dass  die  Wirkung  des  Erd- 
magnetismus auf  B  mit  der  Wirkung  von  Ä  auf  B  vergleichbar  ist, 
insofern  man  letztere  in  bestimmter  nicht  zu  kleiner  Entfernung  spielen 
lässt,  deren  Kubus  die  letztere  AVirkung  umgekehrt  proportional  ist; 
die  Wirkung  des  Erdmagnetismus  auf  A  hingegen  ist  mit  dem  Mo- 
mente eines  Gewichts,  Produkt  des  letzteren  in  eine  Linie,  vergleichbar, 
was  dann  entweder  durch  die  Waage,  indem  man  ein  kleines  Gewicht 
jene  Wirkung  aufheben  lässt,  oder  durch  Beobachtung  der  Schwingungs- 
zeiten ausgemittelt  werden  kann. 

Auch  für  Dekl.  und  Inkl.  hoffe  ich,  mehrere  neue  Verbesserungen 
mit  Weber's  Hilfe  angeben  zu  können. 

Doch  ich  will  Sie  jetzt  nicht  länger  mit  meinem  Geplauder  er- 
müden. Gebe  doch  Gott,  dass  ich  bald  beruhigendere  Nachrichten  er- 
halte, dass  die  Gefahr,  nicht  von  Ihrem,  sondern  von  unserem  Haupt 
abgewehrt  ist. 


No.  671.  Olbers  an  Gauss.  [353 

Bremen,  1832  Juli  27. 

Endlich  muss  ich  Ihnen  doch  selbst  sagen,  dass  ich  noch  lebe. 
Mein  UebeP)  ist  freilich  nicht  gehoben,  auch  nicht  zu  heben.  Indessen 
finde  ich  doch  in  der  jetzigen  Jahreszeit  einige  Erleichterung,  leide 
nicht  so  heftig  an  Beklemmungen  und  Schwindel,  kann  oft  mehrere 
Stunden  ausser  Bett  sein,  und  bin  ein  paar  Mal  eine  halbe  Stunde  im 
verschlossenen  Wagen   spazieren  gefahren.    Ich  muss  erwarten,  wenn 


^)   Yergl.   zu   Olbers'   Krankheit   auch   Brief   No.  338   vom    14.  Aug.    1832   im 
Briefwechsel  Olbers-Bessel.     Krm. 


536  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1832  August  2. 

nicht  etwa  ein  Schlagfluss  dazwisclien  tritt,  dass  ich  noch  bis  in  den 
Herbst  leidend  fortvegetiren  kann. 

Nichts  zerstreut  mich  mehr,  als  wissenschaftliche  und  besonders 
astronomische  Neuigkeiten,  mit  denen  mich  unser  braver  Schumacher 
möglichst  versorgt.  Auch  Ihnen  bin  ich  für  Ihren  letzten  Brief  sehr 
verbunden.  Die  Idee  Ihres  Photometers  gefällt  mir  ungemein.  Ist 
Gerling  schon  in  der  Ausführung  fortgerückt?  —  Neugierig  bin  ich 
auf  den  Erfolg  Ihrer  magnetischen  Untersuchungen,  worüber  Sie,  so 
viel  ich  weiss,  noch  nichts  bekannt  gemacht  haben.  —  An  dem  treflf- 
lichen  Weber  haben  Sie  gewiss  einen  sehr  angenehmen  Kollegen.  Ge- 
sellschafter und  Mitarbeiter. 

Was  haben  Sie  überhaupt  diesen  Sommer  gemacht?  Werden  die 
Vermessungen  noch  fortgesetzt?  Ihr  Hauptwerk  über,  die  Gradmessung 
wird  noch  wohl  lange  nicht  erscheinen? 

Gewiss  hat  Santini  Ihnen  auch  seine  Berechnung  und  Ephemeride 
des  BiELA'schen  Kometen^)  geschickt.  Weil  Santini  das  Perihel  3  Tage 
früher  findet  als  Damoiseau,  so  sind  die  Oerter  des  Kometen  nach 
beiden  sehr  merklich  verschieden,  welches  die  Aufsuchung  erschweren 
wird.  Nach  einer  beiläufigen  Rechnung  (zur  genauen  fehlt  mir  Lust 
und  Kraft)  sind  die  nächsten  Punkte  der  Erdbahn  und  der  Santini'- 
schen  Kometenbahn  33  J  Halbmesser  der  Erde  von   einander  entfernt. 

Die  Feder  will  nicht  mehr  in  der  zitternden  Hand  fort.  Leben 
Sie  wohl,  mein  theurer  Freund. 


No.  672.  Gauss  an  Olbers.  rsi? 

Göttingeu,  1832  August  2. 

Ihr^)  Brief  hat  mir  die  grösste  Freude  gemacht,  um  so  grössere, 
da  die  verschiedenen  zum  Theil  sich  ganz  widersprechenden  Nach- 
richten, welche  mir  von  Zeit  zu  Zeit  auf  indirekten  Wegen  über  Dir 
Befinden  zukommen,  mich  in  fortwährender  I'nruhe  erhielten.     Möchte 


^)  Erste  vorausberechnete  Wiederkehr  dieses  Kometen,  siehe  auch  Olbers  Bd.  I, 
No.  125.    Krm. 

^)  Dieser  Brief  ist  mit  Ausnahme  der  Stelleu,  welche  sich  nicht  auf  die  Erfor- 
schung des  l^Iagnetismus  beziehen,  wieder  abgedruckt  in  E.  Sc}ieking.  l".  F.  Gauss 
und  die  Erforschung  des  Erdmagnetismus,  S.  35—39.  Göttingen  1SS7.  In  dieser 
Schrift  sind  auch  mehrere  Briefe  Hitmboldt's  und  Excke's  an  Gauss,  sowie  solche  von 
Gauss  au  Gehlixg,  Schumacher  und  Encke  mitgetheilt,  soweit  sie  auf  die  Erfor- 
schung des  Erdmagnetismus  Bezug  haben,  und  eingehend  Gauss"  Antheil  daran  dar- 
gelegt.    Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Güttingen,  1832  August  2.  587 

docli  die  Erleichterung,  die  Sie  jetzt  fühlen,   immer  fester  und  grösser 
werden. 

Bisher  habe  ich  nicht  gewagt,  Ihnen  über  meine  bisherigen  Be- 
schäftigungen zu  schreiben,  aber  die  in  Ihrem  Briefe  enthaltenen 
Atnisserungen  lassen  mich  lioifen,  dass  Sie  einige  Mittheilungen  mit  ge- 
wohnter Freundlichkeit  aufnehmen  werden. 

Ob  Gekling  in  Ausführung  der  photometrischen  Ideen  schon  vor- 
gerückt ist,  ist  mir  ganz  unbekannt,  und  wird  er  mir  auch  wohl  nichts 
darüber  schreiben,  wenn  er  die  Absicht  hat,  demnächst  eine  Konkurrenz- 
schrift an  die  Societät  einzuschicken. 

Ich  selbst  habe  auch  seit  meinem  letzten  Briefe  gar  nicht  wieder 
daran  gedacht,  vielmehr  seit  jener  Zeit  mich  anhaltend,  ich  kann  wohl 
sagen  fast  ausschliesslich,  mit  dem  Magnetismus  beschäftigt.  Ich  habe 
in  dieser  Beschäftigung  eine  w^ohlthätige  Ablenkung  von  so  manchem 
Kummer  gefunden;  auch  haben  bisher  diese  Arbeiten  [meine  Erwar- 
tung] nicht  bloss  erfüllt,  sondern  weit  übertroifen. 

Von  jeher  schien  mir,  dass  die  Apparate,  deren  man  sich  für  die 
magnetischen  Bestimmungen  bedient,  sehr  unvollkommen,  und  in  einem 
schreienden  Missverhältnisse  gegen  die  Schärfe  unserer  astronomischen 
und  geodätischen  Messungen  sind.  Ich  habe  mir  seit  etwa  5  Monaten 
angelegen  sein  lassen,  diesem  Uebelstande  abzuhelfen,  wobei  ich  gleich 
Anfangs  von  einigen  schon  seit  vielen  Jahren  gehabten  Ideen  ausging, 
aber  freilich  fast  jede  Woche  noch  auf  etwas  Neues  gekommen  bin. 
Gegenwärtig  habe  ich  zwei  Apparate  fertig  (ganz  gleiche),  womit  ab- 
solute Dekl.  und  ihre  Aenderungen,  Schwingungsdauer  etc.  mit  einer 
Schärfe  gemessen  werden  können,  die  gar  nichts  zu  wünschen  übrig 
lässt,  ausgenommen  für  mich  ein  angemesseneres  Lokal,  w^o  kein  Eisen 
in  der  Nähe  ist  und  jeder  Luftzug  abgehalten  ist.  Beides  fehlt  mir  in 
der  Sternwarte  und  in  meinem  Hause,  obwohl  man  den  Einfluss  davon 
auch  nicht  überschätzen  darf;  auch  so,  wie  es  jetzt  ist,  überbieten 
meine  Messungen,  meine  ich,  alles  Frühere  sehr  w^eit.  Es  ist  hier  aber 
eine  sehr  grosse  Ernte  zu  halten,  und  da  ich,  wenn  der  Himmel  mir 
Leben  und  Kraft  erhält,  nicht  abgeneigt  wäre,  diesen  Gegenständen 
ein  eigenes  Werk  zu  widmen,  so  wird  es  damit,  da  ich  stets  alles  Eilen 
mit  Unreifem  gehasst  habe,  w^ohl  nicht  so  ganz  schnell  gehen.  In- 
zwischen habe  ich  die  Absicht  doch  gleich  eine  Anwendung,  und  zw^ar 
die  allerwichtigste,  in  einer  Societätsvorlesung  bekannt  zu  machen, 
nämlich  die  Bestimmung  der  absoluten  Intensität^)  des  Erdmagnetismus. 


^)  Intensitas  vis  magneticae  terrestris  ad  mensuram  absolutam  revocata.  Der 
Societät  vorgelegt  am  15.  Dec.  1832.  Wiederabgedruckt  in  Gauss'  Werken  Bd.  V, 
S.  79—118.     Krm. 


588  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1832  Augnist  2. 

Ich  habe  schon,  so  wie  meine  Apparate  sich  nach  und  nach  vervoll- 
kommneten, eine  beträchtliche  Anzahl  vorläufiger  Versuche  gemacht, 
und  die  letzten  werden  der  Wahrheit,  soweit  es  in  meinem  Lokal 
möglich  ist,  schon  sehr  nahe  kommen;  doch  habe  ich  erst  neulich 
wieder  neue  Vervollkommnungen  hinzugesetzt,  nämlich  Vorkehrungen, 
um  alle  Distanzmessungen  dabei  mit  mikroskopischer  Schärfe  auszu- 
führen. Auch  hierbei  ist  mir  Freund  Webek  durch  Mittheilung  seiner 
Hülfsmittel  äusserst  hilfreich  gewesen. 

Jene  Vorlesung  hoffe  ich  binnen  einigen  Monaten  ausarbeiten  zu 
können,  und  einen  kleinen  Anfang  habe  ich  bereits  damit  gemacht, 
indem  ich  eine  Einleitung  aufgeschrieben  habe,  die  das  AVesentliche 
der  Grundideen  in  einer  mehr  populären  Darstellung  entwickelt.  Es 
scheint,  dass  wenige  Personen  hiervon  bisher  eine  klare  Vorstellung 
haben.  Da  es  Sie  vielleicht  interessirt,  diese  Einleitung  zu  lesen,  so 
habe  ich  mein  Brouillon  abschreiben  lassen  (H-veding^  hat  die  Gefällig- 
keit gehabt),  und  ich  lege  solche  Abschrift^)  hier  bei.  Bei  der  Bestim- 
mung, welche  der  Aufsatz,  wozu  diese  Einleitung  gehört,  haben  soll, 
ist  es  unnöthig  zu  bemerken,  dass  ich  diese  Mittheilung  als  bloss  für 
Sie  bestimmt  betrachten  muss.  Finden  Sie,  mein  theurer  Olbees,  sich 
aufgelegt,  diesem  Aufsatz  Ihre  Aufmerksamkeit  zu  schenken,  und  wün- 
schen über  eines  oder  anderes  darin  weitere  Aufklärung,  so  wird  es  mir 
die  grösste  Freude  sein,  jeden  Wink  zu  befolgen.  Dieses  Mal  noch  ein 
paar  Worte  über  die  Schärfe  meines  Apparates. 

Die  absolute  Dekl.  wird  mit  grösster  Leichtigkeit  erhalten.  Zwei 
Sekunden  sind  eine  bestimmt  sichtbar  gemachte  Grösse.  Luftzug  kann 
aber  allerdings  bedeutend  grössere  Anomalien  hineinbringen.  Die  täg- 
liche Variation  kann  man  besonders  in  den  Vormittagstunden,  wo  sie 
am  schnellsten  ist,  schon  nach  einigen  Zeitminuteu  sicher  erkennen. 

Bei  Beobachtung  der  Schwingungsdauer  einer  Nadel  lässt  sich  eine 
Schärfe  erreichen,  die  ich  selbst  früher  für  unglaublich  gehalten  haben 
würde.  Die  Momente,  wo  eine  Dauer  zu  Ende  ist,  haben  nie  einen 
Fehler  von  -^ig-  Sekunde,  sondern  stets  nur  einige  Hunderttheile.  Ich 
beobachte  nur  kleine  Schwingungen,  d.  i.  ich  fange  ungefähr  da  au, 
wo  man  sonst  aufhörte,  und  doch  schwingt  meine  Nadel  so.  dass  ich 
nach  6  oder  8  Stunden  noch  die  Momente  mit  grosser  Sicherlieit  obser- 
vire;  habe  ich  eine  neue  Nadel  eingehängt,  deren  Sclnvingungsdauer 
noch  unbekannt  ist,  so  observire  ich  nur  einige  wenige  Schwingungen 
zu  Anfang  und  kann  dann  getrost  auf  einige  Stunden  in  die  Stadt 
gehen,  wo  nach  meiner  Zurückkunft  von  einer  Ungewisslieit.  wie  viele 
Schwingungen   unterdessen   genuicht   sind,   gar   keine  Bede   sein  kann. 


^)  Die  Abschrift  ist  bei  dcu  Onüiualbriefen  iiiclit  mehr  vorhanden.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Güttiugen,  1832  August  2.  589 

Icli  habe  sugar  schon  zuweilen  bei  Nacht  etwas  grössere  Schwingungen 
eingeleitet,  aber  nicht  wie  Hr.  Quetelet  von  60 ^  sondern  z.  B.  von  10®, 
wo  icli  die  Nadel  bei  Nacht  ihrem  Schicksal  überlassen  habe,  und 
nach  dem  Aufstehen  am  anderen  i\[orgen  mit  Sicherheit  habe  angeben 
können,  wie  viele  Schwingungen  unterdessen  gemacht  sind. 

Nichts  desto  weniger  ist  der  modus  prior  (pag.  3)  der  Anlage  dem 
zweiten  hei  lüeitem  nachzusetzen,  und  zwar  deswegen,  weil  jener  eine 
viel  längere  Zeit  erfordert,  während  welcher  die  Veränäerlichkeit  des 
Erdmagnetismus  sich  auf  das  Entschiedenste  bemerklich  macht.  Ich 
habe  zwar  auch  mehrere  Versuche  nach  dem  modus  prior  gemacht,  die 
nahe  dieselben  Eesultate  geben,  werde  aber  bei  denen,  die  gelten  sollen, 
mich  nur  auf  den  zweiten  Modus  beschränken.  Vielleicht  interessirt 
es  Sie,  die  Resultate  meiner  letzten  Versuche,  obw^ohl  solche  immer 
erst  als  vorläufige  zu  betrachten  sind,  kennen  zu  lernen. 

Als  Einheiten  angenommen: 

1)  das  Gewicht,  id  est  die  Masse,  die  man  ein  Milligramm 
nennt, 

2)  das  Millimeter, 

3)  diejenige  beschleunigende  Kraft,  die  in  der  Zeitsekunde 
einen  doppelten  Fall  von  1  mm  hervorbringt,  wobei  also 
die  Schwere  in  Göttingen  =  9812  ist, 

ist  die  Intensität  des  horizontalen  Theils  des  Erdmagnetismus  in 
Göttingen 

nach  Versuchen  vom  22. — 26.  Juli  mit 

Nadel  1 =  1,7762 

mit  Nadel  A =  1,7780 


im  Mittel  .    .    .    =1,7771*} 

wovon  also  die  beiden  einzelnen  Resultate  nicht  viel  mehr  als  den 
2000.  Theil  abweichen.  Die  Veränderung  der  Intensität  w^ährend  eines 
Tages  ist  öfter  4  mal  so  gross. 

Ein  früherer  Versuch,  mit  fast  gleichen  Attentionen  gemacht,  gab 

1,7650 

aber  in  einem  anderen  Lokal,  w^o  eben  die  Lokalität  sehr  gut  i-^j^ 
Unterschied  leicht  erklärt,  da  überall  Eisen  nicht  zu  vermeiden  war. 
Ich  werde  demnächst  auch  das  Verhältniss  der  Intensität  am  ersteren 
Lokal  zu  der  ganz  im  Freien  zu  bestimmen  suchen. 

Noch  frühere  Versuche,  w^obei  aber  manche  Kautelen**)  noch  nicht 


*)  Die  Zahl  bleibt  dieselbe,  wenn  man  resp.  das  Gramm  und  das  Meter  als  Ein- 
heit ansieht. 

**)  Z.  B.  auch  wegen  Torsion  der  Fäden. 


590  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1832  August  2. 

genug  berücksichtigt   waren,   mit   anderen  Nadeln  und  in  anderen  Lo- 
kalen gaben 

am  21.  Mai    ....     1,788 

24.  Mai    ....    1,777 
4.  Juni  ....     1,779 

Eine  Menge  von  Untersuchungen  habe  ich  mir  noch  vorgesetzt, 
die  aber  einen  grossen  Aufwand  von  Zeit  kosten  werden,  z.  B.  über 
den  Einfluss  der  Temperatur  auf  die  Nadeln,  über  das  allmähliche  Ab- 
nehmen der  magnetischen  Kraft  in  den  Nadeln,  wenn  sie  Anfangs  so 
stark  wie  möglich  magnetisirt  sind  und  dann  theils  mit,  theils  ohne 
Armatur  aufbewahrt  werden,  über  das  Verhalten  anderer  Körper,  ganz 
besonders  des  Ai-gentans  pp.  Bei  allen  diesen  Geschäften  wird  mir  die 
Hülfe  des  trefflichen  Weber  äusserst  schätzbar  sein.  —  Vielleicht  wird 
unser  Gouvernement,  wenn  die  Geldklemme  nicht  zu  gross  ist,  dem- 
nächst nicht  abgeneigt  sein,  ein  eigenes  magnetisches  Häuschen,  worin 
gar  kein  Eisen  ist,  zu  errichten.  Ich  werde  aber  nicht  eher  darauf 
antragen,  als  bis  alle  meine  Vorarbeiten  gehörig  reif  sind. 

Noch  durch  einen  Umstand  empfehlen  sich  meine  Einrichtungen. 
Meine  beiden  ganz  gleichen  Apparate,  die  für  alle  Fragen,  bloss  die 
Inkl.  ausgenommen,  zureichen  und  die  oben  bezeichnete  Schärfe  geben, 
kosten  inkl.  von  6  Stahlstäben,  jeder  fast  1  ü  schwer,  zusammen  nur 
81  Ethlr.  GAMBEY'sche  Apparate  für  absolute  Dekl.,  tägliche  Variation, 
Schwingungsdauer,  während  sie  alles  nur  sehr  unvollkommen  leisten, 
würden  vielleicht  zusammen,  jeder  einfach,  fast  20 mal  so  viel  kosten. 
Ich  werde  zunächst  noch  eine  Anzahl  Stäbe  aus  englischem  Gusstahl 
verfertigen  lassen,  die,  wie  meine  Erfahrungen  zeigen,  nicht  bloss  stär- 
keren Magnetismus  annehmen,  sondern  ihn  auch  zäher  an  sich  lialten, 
als  Nadeln  aus  Cementstahl. 

Doch   es  ist  Jetzt  wohl  Zeit  für  dieses  Mal  hiervon  abzubrechen. 

Messungen  werden  in  diesem  Jahre  wohl  gar  nicht  gemacht  wer- 
den, da  keiner  meiner  Officiere  disponibel  ist.  Ob  vielleicht  mein  Sohn 
im  Sept.  noch  einige  isolirte  Messungen  wird  machen  können,  ist  nocli 
ungewiss.  Er  ist  seit  4  Monaten  in  die  reitende  Artillerie  eingerückt, 
hat  jetzt  sein  Standquartier  in  Wunstorf  und  ist  durch  den  Dienst  ge- 
bunden. 

Meine  älteste  Tochter  hat  leider  seit  einiger  Zeit  besonders  au 
schwacher  Brust  gekränkelt,  und  eiue  ordentliche  Badekur  in  Ems  ge- 
brauchen müssen.  Seit  ein  paar  Tagen  ist  sie  zurückgekehrt,  und  wir 
hoffen,  dass  die  Wirkung  davon  eine  wohlthätige  sein  soll.  Ich  selbst 
finde,  wenn  sie  morgens  von  ihrer  Promenade,  welche  sie  bei  dem 
noch   fortgesetzten   Trinken    des   Emser   Wassers    immer   machen   soll. 


Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1832  August  28.  591 

bei  ii)ir  vorspricht,  sie  zu  meiner  Betrübniss  immer  sehr  l)hiss  und 
angegriffen. 

Nun  nocli  meine  innigsten  Wünsche  für  Ihr  Befinden,  mein  theurer 
Olbers.  Wie  sehr  jede  Zeile  von  Ihnen  mich  beglückt,  wissen  Sie; 
wofern  es  Sie  aber  zu  sehr  angreift,  selbst  die  Feder  zu  nehmen,  wird 
auch  eine  jeweilige  diktirte  Mittheilung  mir  stets  schon  grosse  P'reude 
machen. 

Der  von  Harding  vor  einigen  Tagen  entdeckte  Komet ^)  ist,  wie 
ich  aus  der  Zeitung  sehe,  auch  schon  etwas  früher  von  Gambart  auf- 
gefunden. 


No.  673.  Olbers  an  Gauss.  [856 

Bremen,  1832  August  28. 

Ihr  lieber  freundlicher  Brief  und  die  höchst  interessante  Einleitung 
zu  der  Abhandlung  .Jntcnsitas  vis  magneticae  terrestris"  etc.,  die  mir 
Ihr  Vertrauen  schon  jetzt  zu  lesen  verstattet  hat,  und  für  deren  ge- 
fällige Abschrift  ich  Hrn.  Prof.  Harding  sehr  verbunden  bin,  haben 
mir  ebenso  \iel  Vergnügen  als  Belehrung  gewährt.  Ich  habe  beide 
wiederholt  gelesen  und  wieder  gelesen,  weil  mein  schwacher  Kopf  nicht 
alles  gleich  fassen  konnte;  nun  ist  mir  aber  alles  klargeworden,  Dass 
man  die  absolute  Grösse  des  Erdmagnetismus  messen  und  mit  der 
Schwerkraft  vergleichen  könne,  hielt  ich  bisher  für  unmöglich.  Ich 
glaubte,  es  wären  nur  relative  Intensitäten  des  Erdmagnetismus  zu 
vergleichen  möglich,  wenn  man  nicht  etwa  die  Länge  eines  eisernen 
und  eines  gar  kein  Eisen  enthaltenden  Pendels  mit  einander  vergleichen 
könnte;  ein  Mittel,  das  wenig  Genaues  zu  geben  im  Stande  sein  wird, 
worüber  ich  aber  mit  Benzenberg  ehemals  korrespondirt  zu  haben 
mich  erinnere.  Jetzt  sehe  ich,  wde  Sie  dies  ganz  ungleich  sicherer  und 
schärfer  durch  2  Magnet-Nadeln  zu  erhalten  wissen.  Aber  mit  staunen- 
der Bewunderung  sehe  ich  die  Genauigkeit  Ihrer  Experimente  und 
Resultate.  Ihr  Apparat  muss  ganz  was  Ausserordentliches  sein.  Doch 
wird  auch  wohl  ein  Gauss  als  Beobachter  dazu  gehören,  um  solche 
Resultate  erhalten  zu  können.  Der  Gegenstand  interessirt  mich  unge- 
mein, und  Sie  werden  mich  ungemein  verpflichten,  wenn  Sie  mir  etwas 
über  den  weiteren   Fortgang  Ihrer  Untersuchungen  mittheilen  wollen. 

Mit  grossem  Leidwesen  habe  ich  aus  Ihrem  Briefe  vernommen, 
dass   Ihre  verehrte  Frau  Tochter  nicht  recht  wohl  ist.     Ich  hoffe,  Sie 


Komet  1832  EL,  von  Gambärt  Juli  19,  von  Harding  Juli  29  entdeckt.    Ki-m. 


592  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1833  Januar  8. 

können  mir  bald  ihre  völlige  Wiederherstellung  nach  vollendeter  Kur 
berichten. 

Meine  Besserung  macht  keine  Fortschritte,  doch  bin  ich  auch  nicht 
schlimmer,  als  ich  es  bei  meinem  vorigen  Schreiben  war. 

Vor  wenigen  Tagen  erhielt  ich  von  Mossotti  aus  Buenos  Aires 
2  Beobb.  des  ENCKE'schen  Kometen^)  bei  seiner  diesjährigen  Wieder- 
Erscheinung vom  2.  und  6.  Juni  des  Morgens.  Es  war  mir  ganz  un- 
bekannt, dass  dieser,  doch  gewiss  sehr  ausgezeichnete  Mathematiker, 
nach  Buenos  Aires  gegangen  und  dort  bei  dem  topographischen  Bureau 
angestellt  ist.  Mossotti  fand  den  Kometen  unerachtet  seiner  damaligen 
Erdnähe  so  Mein  und  lichtscJnvach,  dass  er  verzweifelte,  ihn  mit  seinem 
Sfüssigen  Dollond  noch  weiter  beobachten  zu  können  (das  Schiff  von 
Buenos  Aires  segelte  den  6.  Juni).  —  Kaum  kann  man  sich  des  Ge- 
dankens erwehren,  dass  der  Komet  physische  Veränderungen  erlitten 
haben  muss. 

Entschuldigen  Sie  die  Kürze  meines  Briefes  mit  meiner  Schwäche. 

K  S.  Da  ich  heute  nicht  gut  mehr  schreiben  kann,  so  möchte 
ich  Sie  bitten,  Hrn.  Prof.  Harding  zu  sagen,  dass  ich  ihm  für  seine 
beiden  letzten  Briefe  sehr  dankte,  dass  nun  sowohl  seine  Beob.  vom 
2.  Aug.  als  die  vom  21.  Aug.  sehr  gut  mit  meinen  Elementen^)  stimmten, 
und  dass  er  recht  gern  diese  Elemente  drucken  lassen  köline. 


No.  674.  Olbers  an  Gauss.  [357 

Bremen,  1833  Januar  8. 

Unser  Briefwechsel  ist  lange,  für  mich  sehr  lange,  unterbrochen 
worden.  Ihr  Stillschweigen  erkläre  ich  mir  aus  Ihren  wichtigen  Be- 
schäftigungen, das  meinige  entschuldigt  sich  aus  dem  Umstände,  dass 
ich  Ihnen  nichts  Ihre  Aufmerksamkeit  auch  nur  einigermaassen  Ver- 
dienendes zu  schreiben  hatte.  Indirekt  habe  ich  freilich  zweimal,  durch 
Sir  James  South  und  Dr.  Tiarks,  etwas  von  Ihnen  gehört.  Aber 
länger  kann  ich  es  nicht  aushalten.  Ich  muss  mich  einmal  wieder 
selbst  mit  Ihnen  unterhalten  und  Sie  zugleich  inständig  bitten,  mir 
von  Ihnen,  Ihr  et'  geehrten  Familie  und  Ihren  Beschäftigungen  einige 
Nachricht  zu  geben. 

South  und  Tiarks  konnten  mir  beide  nicht  genug  von  Ihren  be- 
wundernswürdigen Apparaten   zu   Iliren   magnetischen  Untersuchungen 


*)  Komet  1832  I,  auch  im  Juni  am  Kai)  ""^^  i"i  -■^^itT-  von  Harding  in  Göttinnen 
beobachtet.     Vergl.  Olbers  Bd.  I  No.  123  und  125,   ferner  Xo.  195,  S.  657.     Krui. 
-)  Komet  1832  U,  vergl.  Olbers  Bd.  I,  No.  122.     Krm. 


Olbers  an  Hau,--,     liniii.ii.   Ib33  Januar  8.  593 

i-ühmen.  Letzterer  versicherte,  von  Ihnen  vernommen  zu  haben,  dass 
Ihre  erste,  der  Künigl.  Societät  vorzulesende  Abhandhing ^J  über  diesen 
Geofenstand  bereits  ganz  fertig  sei.  Ich  bin  äusserst  begierig,  etwas 
Näheres  darüber  zu  hören  und  zu  erfahren.  A\'ahrscheinlich  werden 
Sie  also  wohl  diese  Vorlesung  in  diesen  Tagen  halten,  oder  schon  ge- 
lialten  haben. 

Clausen  hat  mir  seine  Untersuchungen  mitgetheilt,  aus  denen  es 
mehr  als  wahrscheinlich,  beinahe  gewiss  wird,  dass  der  Komet ^)  vom 
.lan.  1748  und  vom  Nov.  1819  identisch  sind,  dass  dieser  Komet  vor 
1758  eine  Umlaufszeit  von  etwa  6,747  Jahren,  nach  1817  aber  eine 
von  5,60  Jahren  hatte,  und  dass  er  etwa  im  Herbst  1836  zu  seiner 
Sonnennähe  wiederkehren  wird.  Da  hätten  wir  dann  einen  Kometen 
von  kurzer  Umlaufszeit,  der  durch  seine  von  Zeit  zu  Zeit  stattfindende, 
sehr  grosse  Annäherung  an  den  Jupiter  eine  sehr  veränderliche  Bahn 
beschreibt  und  den  Rechnern  noch  lange  zu  schaffen  machen  wird. 
Ueber  seine  nächste  Wiedererscheinung  wird  sich  aber  nichts  Zuver- 
lässiges sagen  lassen,  bis  die  Störungen,  die  er  zwischen  1819  und 
1836  von  dem  mächtigen  Jiqnter  erlitten  hat,  wirklich  berechnet  sind. 
Denn  er  muss  1830  wieder  eine  geraume  Zeit  diesem  Planeten  nahe 
gewesen  sein. 

Ich  habe  mich  dieser  Tage  mit  der  Entzifferung  eines,  der  äusserst 
schlechten  Hand  wegen,  sehr  schwer  zu  lesenden  Manuskripts  des  Ost- 
friesischen Astronomen  David  Faeeicius^)  beschäftigt,  das  er  Calen- 
darium  historicum  betitelt  hat.  —  Es  enthält  hauptsächlich  nur  täg- 
liche Wetterbeobachtungen,  besonders  von  1590  bis  1614,  denen  Fa- 
BRicius  am  Rande  die  Konstellationen  beigesetzt  hat,  ohne  jedoch  auf 
den  Mond  je  Rücksicht  zu  nehmen.  Freilich  finden  sich  auch  manche 
astronomische  Beobb.,  Höhen  der  Sonne  und  Fixsterne,  Distanzen  der 
Fixsterne  von  einander  und  von  Planeten,  Sonnen-  und  Mondfinster- 
nisse u.  s.  w.  darin;  aber  diese,  so  gut  sie  für  die  damalige  Zeit  auch 
sein  mögen,  haben  bei  dem  jetzigen  Zustande  der  Sternkunde  kein 
sonderliches  Interesse.  Was  ich  hauptsächlich  darin  suchte,  habe  ich 
nicht  gefunden.  So  viel  wie  nichts  von  den  während  dieser  Zeit  er- 
schienenen Kometen,  und  gar  nichts  von  seiner  Entdeckung  des  Sterns 
Mira  im  Wallfisch,  nichts  von  den  in  seiner  Nachbarschaft  erfundenen 
Fernrohren,  die  er  und  sein  Sohn  schon  so  früh  benutzten,   nichts  von 


*)  Vergl.  die  Anmerkung  auf  S.  587  im  Brief  No.  672  und  den  folgenden  Brief 
von  Gauss.     Krm. 

-)  Komet  1743  I  bezw.  1819  IV,  1836  wurde  dieser  und  überhaupt  ein  Komet 
nicht  beobachtet.  Zu  der  von  Clausen  vermutheten  Identität  dieses  Kometen  vergl. 
auch  Brief  No.  676  vom  9.  Febr.  1833  und  die  Anmerkung  1  auf  S.  599.     Krm. 

')  Vergl.  auch  Olbers  Bd.  I  No.  19,  S.  200—211.     Krm. 

Olbers.     II,  2.  38 


594  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1833  Januar  11. 

Sonnenflecken,  die  sein  Sohn,  der  ihn  gleich  herbei  rief,  doch  wahr- 
scheinlich zu  allererst  entdeckt  hat  u.  s.  w. 

Nach  einem  Briefe  von  Sir  John  Heeschel  hat  HE^^)EESON  auf 
dem  Kap  den  ENCKE'schen  Kometen  9 mal  beobachtet.  Die  Beobb. 
waren  aber  noch  nicht  in  England  angekommen.  Er  hat  mir  zugleich 
seine  Originalbeobb.  ^es  BiELA'schen  Kometen  geschickt. 

Doch  genug  von  diesen  Kleinigkeiten,  kleine  Gesundheit  macht 
weiter  keine  Fortschritte,  doch  vegetire  ich  bei  strenger  Diät  und 
strengem  Regime  noch  so  erträglich  fort.  —  Möge  der  Himmel  Sie, 
mein  theurer  Gauss,  und  die  lieben  Ihrigen  auch  dieses  Jahr  mit  reichem 
Segen  überschütten.  —  Erhalten  Sie  mir  Ihre  bisherige  gütige  Freund- 
schaft und  Liebe. 

N.  S.  Besonders  verlangt  mich  etwas  von  Ihrer  würdigen,  hoffent- 
lich nun  ganz  wieder  hergestellten  Frau  Tochter  zu  hören. 


No.  675.  Gauss  an  Olbers.  [sis 

Göttingen,  1833  Januar  11. 

Durch  Ihren  lieben  Brief  vom  8.  haben  Sie  [mich]  um  so  mehr  er- 
freut, da  ich  dadurch  bestätigt  sehe,  was  ich  von  Zeit  zu  Zeit  auf 
indirektem  Wege  erfuhr,  dass  es  mit  Ihrem  Befinden  leidlich  geht. 
Möge  doch  das  angetretene  Jahr  von  Anfang  bis  zu  Ende  in  dieser 
wie  in  jeder  anderen  Beziehung  ein  recht  glückliches  für  Sie  sein. 

Recht  sehr  danke  ich  Ihnen  für  alle  die  interessanten  Mittheilungen 
Ihres  Briefes,  ganz  besonders  für  die  Nachricht  von  dem  Fund  des 
Hrn.  Clatjsen,  worüber  das  Nähere  zu  erfahren  ich  überaus  begierig  bin. 

Meine  Abhandlung  über  die  Intensität  des  Erdmagnetismus,  d.  i. 
ein  kleiner  Theü  davon,  ist  im  vorigen  Monat  in  der  hiesigen  Societät. 
von  deren  mathematischer  Klasse  Sie  jetzt  der  Senior  sind,  vorgelesen, 
so  Avie  auch  ein  Bericht  darüber  bereits  in  unseren  G.  Ä.^)  abgedruckt 
ist.  Da  letzterer,  wie  ich  aus  Ihrem  Briefe  schliesse,  Ihnen  noch  nicht 
zu  Gesicht  gekommen  ist,  so  lege  ich  einen  Abdruck  bei.  den  ich  jedoch 
vielleicht  in  dem  Fall  sein  könnte,  mir  von  Ihnen  demnächst  zurück- 
erbitten zu  müssen.  Durch  ein  Versehen  habe  ich  nämlich  nur  einige 
wenige  Abdrücke  erhalten,  wovon  dies  der   letzte   ist.   und   für   einen 


^)  Gott.  Gel.  Anz.,  Stück  205—207,  1832  Dec.  24;  Gauss"  Werke  Bd.  V,  S.  293 
bis  304.  Eine  französische  Uebersetzung  dieser  Anzeige  hatte  Humboldt  an  das  In- 
stitut nacli  Paris  gesandt.  Vergl.  den  Brief  Encke's  an  G.\rss  vom  21.  Jan.  1S33  in 
E.  ScHEKiNo,  (Uuss  und  die  Erforschung  des  Erdmagnetismus.  S.  47—48,  ferner  Brief 
No.  22   von»  17.  Febr.  1833  im  Briefwechsel  Homboldt-Gaüss.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Gütting-eu,  l;^3o  Januar  11.  595 

gewissen  Zweck,  dessen  ich  gleicli  erwälinen  werde,  würde  ich  einen 
noch  nöthig  haben.  Vielleicht  wird  jedoch  Schumacher  diesen  Artikel 
in  den  .4.  X})  wieder  abdrncken,  in  welchem  Fall  ein  Kxemplar  des 
neuen  Abdrucks  denselben  Dienst  wird  leisten  können. 

Ich  gehe  nämlich  mit  dem  Gedanken  um,  auf  Erbauung  eines 
eigenen  Gebäudes  t'iu-  magnetische  Beubb.  anzutragen,  aus  welchem 
alles  Eisen  verbainit  und  durch  Kupfer  ersetzt  ist,  wie  z.  B.  Humboldt 
ein  solches  auf  eigene  Kosten  in  Berlin  gebaut  hat,  obwohl  das  von 
mir  projektirte  viel  grössere  Dimensionen  haben  müsste.  Ich  habe 
vorerst  unseren  Baumeister  um  einen  Anschlag  der  Kosten  ersucht, 
und  würde,  wenn  ich  demnächst  bei  unserem  Ministerium  einen  solchen 
Antrag  stellte,  zur  Abkürzung  einen  Abdruck  jenes  Artikels  gern  bei- 
legen. Ich  vermuthe,  dass  man  in  Hannover  einen  solchen  Plan  bei- 
fällig aufnehmen  wird,  wenn  der  Kostenpunkt  kein  Hinderniss  macht. 
Der  Baumeister  hat  mir  seinen  Entwurf  noch  nicht  abgeliefert,  nach 
dem  aber,  was  ich  gehört  habe,  würden  die  Kosten  sich  wohl  gegen 
1000  M.  belaufen  können.  Freilich  muss  dabei  berücksichtigt  werden, 
dass  nach  der  früheren  Art  die  blossen  Instrumente  (wie  Gambey  sie 
macht)  leicht  doppelt  so  viel  als  jene  Summe  kosten,  während  diese 
nach  meinen  Einrichtungen  ein  ganz  unbedeutendes  Objekt  sind.  In 
diesem  magnetischen  Observatorium  würden  die  stündlichen  Variationen 
der  Dekl.  alle  Tage  zu  bestimmten  Stunden  zu  beobachten  sein,  und 
daneben  alle  Jahre  mehrere  Male  in  grösster  Schärfe  die  absolute  In- 
tensität. Letzteres  Geschäft,  welches  jedes  Mal  ein  ziemliches  Stück 
Arbeit  ist,  würde  ich  recht  gern  auf  mich  nehmen,  nicht  aber  das 
erste,  welches  indess  bald  erlernt  werden  kann,  und  jedesmal  nur  ein 
paar  Minuten  erfordert,  daher  leicht  von  Hrn.  Prof.  Harding  oder 
mitunter  von  einem  Zuhörer  besorgt  werden  kann. 

Jetzt  noch  einiges  über  meine  Kinder,  wonach  Sie  sich  so  theil- 
nehmend  erkundigen.  Mein  ältester  Sohn,  der  seit  Ostern  1832  bei  der 
in  Wunstorf  garnisonirenden  berittenen  Artillerie  steht  und  sich  in 
diesem  Verhältniss  gefällt,  ist  letzthin  6  Wochen  zum  Besuch  bei  mir 
gewesen.  Am  Schluss  des  Jahres  waren  zugleich  mein  jüngster  Sohn 
aus  Oberbehme  und  Hr.  Prof.  Geeling  aus  Marburg  auf  acht  Tage 
bei  mir;  jetzt  lebe  ich  wieder  einsam. 

Mit  der  Gesundheit  meiner  ältesten  Tochter  geht  es  leider  gar 
nicht  zu  meiner  Zufriedenheit.  Sie  ist  nicht  krank,  aber  auch  nicht 
gesund,  sehr  schwach  und  von  jeder  Anstrengung  sehr  angegriffen. 
Dabei  leidet  sie  viel  an  der  Brust. 

Mein  jüngster  Sohn   macht   mir   auch  viele  Sorgen.     Nachdem  er 


M  A.  N.  Bd  X  No.  238,  S.  349—360.     Krm. 

38" 


59(5  Gauss  an  Olbers.    Göttinnen,  1833  Januar  11. 

2  Jahr  in  Poppenhagen  und  jetzt  fast  1  Jahr  in  Oberbehme  in  der 
Stellung  eines  Kostgängers  sich  der  Landwirthschaft  mit  Eifer  ge- 
widmet hat,  scheint  mir  das  Wünsclienswertheste,  dass  er  nun  eine 
Zeit  lang  zur  Befestigung  seiner  Selbständigkeit  in  einer  mit  bestimmter 
Verantwortlichkeit  verbundenen  Stellung  stehe,  vulgo  Verwalter,  und 
dann  nachher  noch  einige  Zeit  auf  einer  Universität  auf  Hülfstudien 
wie  Botanik,  Chemie  pp.  verwendet.  In  Rücksicht  auf  seine  künftige 
Karriere  hat  er  sich  aber  schon  lange  mit  dem  Projekt  familiarisirt, 
nach  Amerika  auszuwandern.  Ich  kann  nicht  in  Abrede  stellen,  dass 
in  Deutschland  für  einen  Laudwirth,  dem  nur  ein  sehr  beschränktes 
Vermögen  zu  Gebote  steht,  die  Aussichten  eben  nicht  einladend  sind 
(für  welchen  anderen  Lebensberuf  wären  sie  es  aber  viel  mehr?),  und 
dass  wohl  in  der  neuen  Welt  sich  mit  massigen  Mitteln  viel  mehr  aus- 
richten lässt,  zumal  da  mein  Sohn  solide,  arbeitsam  und  unverwöhnt 
ist.  Ich  habe  daher  jenes  Projekt,  wenn  auch  noch  nicht  bestimmt 
billigen,  doch  auch  nicht  absolut  verwerfen  können.  Mein  Sohn  würde 
dagegen  nichts  lieber  sehen,  als  wenn  ich  ihm  erlaubte,  sich  je  eher, 
je  lieber,  z.  B.  schon  im  bevorstehenden  Frühjahr,  einer  Auswanderungs- 
gesellschaft anzuschliessen.  Dies  aber  habe  ich  bestimmt  verweigern 
müssen  und  bestehe  auf  der  conditio  sine  qua  non,  dass  er  erst  eine 
Zeit  lang  in  einer  Stellung,  wie  die  oben  bezeichnete  ist,  gestanden  und 
mir  dadurch  eine  volle  Bürgschaft  für  seine  Reife  gegeben  habe  (er  ist 
im  20.  Jahre).  Die  Schwierigkeit  ist  nun,  eine  passende  Stelle  der  Art, 
wo  er  zugleich  wo  möglich  noch  mancherlei  zuzulernen  Gelegenheit 
hätte,  zu  finden,  obwohl  ich  hätte  denken  sollen,  dass  die  Schwierig- 
keit nicht  so  gross  sein  könne,  da  er  dabei  gar  nicht  auf  Salarium 
zu  sehen  braucht.  Ich  selbst  kann  dabei  wenig  oder  nichts  thun. 
Einen  Versuch  mache  ich  jetzt,  da  ein  Freund  sich  verwendet,  ihn  bei 
Nathusius  anzubringen,  ich  weiss  jedoch  nicht,  wie  viel  jener  bei 
diesem  vermögen  wird.  Gelänge  es,  und  gewönne  demnächst  mein 
Sohn  das  Wohlwollen  dieses  Mannes,  so  würde  ich  dies  um  so  mehr 
als  ein  Glück  für  ihn  ansehen,  da  er  dort  seine  Kenntnisse  ungemein 
zu  erweitern  Gelegenheit  fände.  Vielleicht  könnte  sich  sogar  dann  ein 
Anhaltspunkt  finden,  der  ihn  von  seinem  Hauptprojekt,  zu  dem  ich 
meine  Einwilligung  doch  nicht  gern  gebe,  ganz  ablenkte. 

Von  meinem  zweiten  Sohn  habe  ich  ein  paar  Mal  Nachrichten 
erhalten,  die  Avenigstens  besser  sind  als  die  früheren.  Kr  war  noch 
Soldat,  allein  die  Schule  scheint  viel  zu  seiner  Besserung  beizutragen. 
Ein  Zeugniss  seines  Kai)itäns  spricht  sein  vollkonnnen  gutes  Betragen 
aus;  ein  Brief  an  mich  von  seinem  sor/eant-niainr  (der  nach  einer  glück- 
lichen Fügung  ein  halber  Landsmann  und  nacli  allem,  wie  es  scheint, 
ein  sehr  achtungswerther  Mann  ist)  bestätiut  nicht  nur  jenes  Zeugniss, 


y 


Gauss  au  Olbers.     Güttinireu.  1833  Januar  11.  597 

sondern  bezeiig-t,  tJuit  hc  will  maJi-e  a  very  good  efficlent  solcUer.  und 
dass  er  sich  dazu  qualificiien  werde,  bald  dessen  Platz  einzunehmen, 
der  im  laufenden  Monat  (Januar  1833)  vakant  werden  würde.  Mein 
Sohn  selbst  bezeugt  seine  gegenwärtige  Zufriedenheit  mit  seiner  Lage, 
und  dass  er  an  geregelte  Thätigkeit  und  Sparsamkeit  gewöhnt  wird. 
Nach  letzten  Aeusserungen  Avird  mir  indessen  fast  unwahrscheinlich, 
dass  er  die  fragliche  Stelle  erhalten  wird;  er  scheint  jetzt  gar  keinen 
wirklichen  Dienst  zu  thun,  sondern  hat  mit  einer  kleinen  Vergütung 
die  Aufsicht  über  die  lihrary  der  Garnison,  und  beschäftigt  sich  mehr 
mit  Studiren  als  mit  eigentlich  militärischen  Geschäften.  Er  bemüht 
sich  —  und  viele  Anglicismen  in  seinen  Briefen  scheinen  dies  zu  be- 
stätigen — ,  sich  in  der  englischen  Sprache  recht  zu  perfektioniren,  und 
hofft  nach  Ablauf  seiner  Dienstzeit  durch  die  Empfehlung  seiner  Offi- 
ciere,  deren  Gunst  er  sich  erworben  habe,  dadurch  weiter  fortzukommen. 
Er  äussert  nur  einige  Besorgniss  wegen  des  Umstandes,  dass  nächstens 
der  bisherige  Kapitän  abgehen  und  ein  der  Kompagnie  unbekannter 
dessen  Platz  einnehmen  werde.  Einen  Lieutenant,  dessen  Wohlwollen 
er  rühmt,  habe  ich  zu  Zeiten  in  den  Nachrichten  über  die  Expedition 
gegen  die  Wilden  in  Zeitungen  erwähnt  gefunden,  Lieutenant  Kings- 
BURY.  Ich  erwarte  nun  mit  Verlangen  weitere  Nachrichten.  Einst- 
weilen möchte  ich  Sie,  liebster  Olbers,  fragen,  ob  ich  Ihnen  ohne  zu 
viele  Beschwerde  für  Sie  einen  Brief  zu  weiterer  Beförderung  nach 
New  York  werde  zuschicken  dürfen? 

Welche  Absichten  unser  Gouvernement  in  Beziehung  auf  die  Wieder- 
besetzung von  Thibaüt's  Stelle  hat.  ist  mir  zur  Zeit  noch  nicht  be- 
kannt genug.  Eine  bedeutende  Zahl  Aspiranten  haben  sich  an  mich 
gewandt  in  der  Meinung,  dass  ich  Ihnen  dazu  behülflich  sein  könne; 
ich  werde  mich  aber  ohne  besondere  Aufforderung  nicht  darein  mischen 
können.  Dirksen,  auf  den  man  w^ohl  reflektirt  hat,  steht  in  Berlin 
schon  so  hoch,  dass  man  davon,  wie  es  scheint,  jetzt  abstrahirt  hat. 
Bei  TiARKS  habe  ich  auf  den  Busch  geschlagen,  er  scheint  aber  wegen 
seiner  Verhältnisse  zu  dem  englischen  Gouvernement  nicht  darauf 
entriren  zu  wollen.  Ein  treffliches  Docententalent  und  die  Gabe,  den 
Vortrag  praktisch  fruchtbar  zu  machen,  hat  ohne  Zweifel  unser  Gerling, 
auch  sonst  vieles,  was  ihn  empfehlen  würde.  Dies  alles  natürlich  nur 
im  engsten  Vertrauen. 

Unser  Weber  beschäftigt  sich  mit  einer  interessanten  Arbeit  über 
den  Mechanismus  des  Gehens  und  Laufens;  ich  bin  recht  begierig 
darauf  und  verspreche  mir  viel  Belehrung  davon. 

Unsere  Reihen  in  Göttingen  werden  immer  mehr  gelichtet,  und  es 
ist  zu  befürchten,  dass  uns  bald  noch  manche  Verluste  bevorstehen,  da 
so  viele  in  hohem  Alter  und  schwach  sind.    Zu  letzteren  gehören  auch 


598  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1833  Februar  9. 

noch  einige  in  unserer  Fakultät,  in  der  ich  vor  3  Jahren  der  jüngste 
war,  und  vielleicht  bald  zu  den  älteren  gehören  könnte.  Unser  Freund 
Heeeen  ist  aber  zu  meiner  Freude  noch  immer  sehr  kräftig  und  wohl. 

Möchte  ich  recht  bald  wieder  mit  einigen  Zeilen  von  Ihnen,  mein 
theuerster  Olbers,  und  vorzüglich  mit  recht  beruhigenden  Nachrichten 
über  Ihr  Befinden  erfreut  werden. 

P.  S.  Eben  ist  der  Baumeister  bei  mir  gewesen.  Wir  können 
über  den  Platz  des  Gebäudes  noch  nicht  einig  werden.  Hoffentlich 
wird  sich  von  den  veranschlagten  Kosten  noch  sehr  "\iel  abdingen 
lassen.  Ich  gehe  zugleich  mit  dem  Gedanken  um,  in  Gemeinschaft  mit 
Weber  einen  grossen  künstlichen  Magnet  herzustellen,  der  dem  be- 
rühmten von  Knight  wenigstens  gleich  kommen  soll. 


No.  676.  Olbers  an  Gauss.  [sss 

Bremen,  1833  Februar  9. 

Sie  haben  mir  durch  Ihren  lieben  Brief  vom  11.  Jan.  eine  grosse 
Freude  gemacht,  und  mit  vielem  Vergnügen  und  grossem  Interesse  habe 
ich  in  den  Gott  Anz.  den  Auszug  aus  Ihrer  so  äusserst  wichtigen  Vor- 
lesung gelesen.  Die  Stücke  der  Anzeigen  schicke  ich  bei  dieser  Gelegen- 
heit zurück,  da  Sie  dieselben  vielleicht  brauchen  werden,  und  ich  mir 
jetzt  dieselben  immer  von  der  Bibliothek  des  hiesigen  ^Museums  wieder 
zum  Nachsehen  verschaffen  kann.  Ihr  so  scharfsinnig  und  zweckmässig 
eingerichteter  Apparat  hat  meine  grösste  Bewunderung  erregt.  Es 
wäre  sehr  zu  bedauern,  wenn  Sie  nicht  ein  völlig  zu  seiner  Aufstellung 
und  Ihren  magnetischen  Untersuchungen  geeignetes  Lokal  für  ihn  er- 
hielten. 

Herzlich  beklage  ich,  dass  Ihre  liebe  Frau  Tochter  noch  immer 
leidend  ist,  hoffe  aber,  dass  das  nun  bald  beginnende  Frühjahr  wohl- 
thätig  auf  ihre  völlige  Wiederherstellung  wirken  wird.  Gleiche  Hoff- 
nung muss  ich  mir  auch  für  meinen  Enkel,  den  so  glücklich  ver- 
heiratheten  Dr.  Wilhelm  Focke,  machen,  der  mir,  seit  vorigem  Herbst 
immer  kränkelnd,  manche  Sorge  macht.  —  31it  so  grösserer  Freude 
und  Theilnahme  habe  ich  die  wirldlch  sehr  guten  Nachrichten  von 
Ihrem,  fast  möchte  ich  sagen,  verloren  gewesenen  Sohn  aus  Amerika 
gelesen;  mir  um  so  unerwarteter  \u\d  angenehmer,  da  ich  wirklich 
fürchtete,  der  junge  Mann  möchte  in  der  rohen  Umgebung  amerikani- 
scher Soldaten  physisch  und  moralisch  völlig  zu  Grunde  gehen.  — 
Gern,  sehr  gern  werde  ich  Ihre  Briefe  nach  New  York  besorgen. 


fl 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1833  Februar  'J.  599 

Das  Xäliei'e  über  Claüsen's  Kometen  werden  Sie  jetzt  in  den 
.1.  X})  gelesen  haben.  Bei  genauerer  Ansicht  finde  icli,  dass  dieser 
Komet  docli  18:19  dem  Jupiter  nicht  so  nahe  gekommen  ist,  wie  ich 
Anfangs  glaubte,  wenn  seine  Periode  jetzt  wirklich  so  klein  ist,  als 
(  LAUSEN  sie  giebt.  Aber  ottenbar  kann  er  für  die  Dauer  derselben  auf 
'.0  vielleicht  100  Tage  nicht  einstehen,  und  wäre  sie  um  so  viel  grösser, 
:su  würde  die  Annäherung  an  den  4  sehr  stark  werden  können.  Immer 
würde  ich  doch  die  Berechnung  der  Perturbationen,  die  Jvpiter  nach 
der  von  Clausen  vorausgesetzten  Umlaufszeit  während  der  Jahre  1829 
und  1830  in  der  Bewegung  des  Kometen  hervorbringen  musste,  wün- 
schenswerth  halten,  um  zu  sehen,  in  welchem  Sinne  sich  die  Elemente 
dadurch  ändern  müssen,  wenn  man  gleich  die  eigentliche  Grösse  dieser 
Aenderungen  wegen  Ungewissheit  der  Umlaufszeit  nicht  wird  bestimmen 
können.  Ich  denke,  diese  Kechnung,  da  man  keine  grosse  Schärfe 
darein  zu  legen  braucht,  wird  nicht  so  gar  schwer  und  langweilig 
werden,  und  Hesse  sich  wohl  für  2  Hypothesen  über  die  Dauer  der 
l'mlaufszeit  anstellen. 

In  einem  späteren  Briefe  äussert  Glauben  noch  die  auch  gar  nicht 
unwahrscheinliche  Vermuthung,  dass  auch  der  Komet ^)  No.  69  von 
1766  und  No.  121  von  1819  identisch  sein  möchten.  Die  Verschieden- 
heit der  Elemente  würde  sich  daraus  erklären,  dass  der  Komet  1  \  Re- 
volutionen vor  seinem  Perihel  im  Jahre  1819  dem  Jiqnter  sehr  nahe 
gewesen  sei.  Auch  dieser  Komet  würde  im  Jahr  1836  wieder  zu  er- 
warten sein. 

Mit  meiner  Gesundheit  geht  es  in  dieser  Jahreszeit  weiter  nicht 
vorwärts.  Ausser  meinen  anderen  Beschwerden  werde  ich  von  einem 
ungewohnt  hartnäckigen  und  heftigen  Husten  geplagt,  der  mir  die 
nächtliche  Ruhe  nimmt. 

Leben  Sie  recht  wohl,  mein  allertheuerster  Freund.  Erfreuen  Sie 
mich,  wenn  es  Ihre  Geschäfte  erlauben,  recht  bald  wieder  mit  Ihrer 
Zuschrift.  Sie  können  sich  kaum  vorstellen,  welche  Freude  mir  jeder 
Ihrer  lieben  Briefe  macht. 


1)  A.  N.  Bd.  X  No.  237,  S.  845—848.     Krm. 

2)  Komet  1766  II  bezw.  1819  III,  nach  der  Wiederentdeckung-  dieses  Kometen, 
dessen  kurze  Umlaufszeit  zuerst  Encke  ermittelt  hatte  (vergi.  Brief  No.  885,  Anmer- 
kung 2  auf  S.  11),  durch  Winnecke  im  Jahre  1858  scheint  sich  diese  von  Clausen 
vermuthete  Identität  zu  bestätigen.     Krm. 


ßQQ  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1833  Juni  21. 


No.  677.  Olbers  an  Gauss.  [359 

Bremen.  1833  Juni  21. 

Ich  kann  beikommendes  Packet,  das  ich  für  Sie  aus  Schottland 
erhalten  habe,  nicht  abgehen  lassen,  ohne  Sie  zugleich  selbst  herzlich 
zu  begriissen  und  Ihnen  zu  sagen,  dass  ich  noch  lebe  —  wenigstens 
noch  immer  vegetire  —  nicht  recht  krank,  noch  weniger  gesund,  bei 
fühlbar  abnehmenden  physischen  und  psychischen  Kräften  immer  mehr 
veralte. 

Im  vorigen  Maimonat  bin  ich  durch  die  unerwarteten  und  plötz- 
lichen Todesfälle  des  KuLENKAMP'schen  Ehepaars  sehr  erschüttert  und 
betrübt  worden.  Er,  Dieteich  Ktjlenkamp,  war  zwar  schon  seit  Jahi'en 
sehr  leidend  und  krank,  der  menschlichen  Gesellschaft  ganz  abgestorben, 
aber  sein  Tod  war  doch  um  so  überraschender,  da  er  sich  gerade  den 
Tag  vorher,  seiner  Art  nach,  ungemein  wohl  gefühlt  und  befunden 
hatte.  Sie,  meine  leibliche  Niece,  Mad.  Heloise  Kulenkamp,  die  Sie, 
lieber  Gauss,  recht  gut  gekannt  haben,  eine  anscheinend  völlig  ge- 
sunde, noch  immer  schöne  Frau,  besuchte  mich  17  Tage  nachher,  am 
23.  Mai,  gegen  Mittag,  ich  freute  mich  ihres  blühenden  Aussehens  und 
der  Versicherung  ihres  vollkommenen  Wohlbefindens;  sie  ging  von  mir 
noch  zu  zwei  Freundinnen,  wird  bei  der  letzteren  auf  einmal  unwohl. 
es  tritt  ein  Schlagfluss  ein,  und  aller  angewandten  ärztlichen  Hülfe 
unerachtet  ist  sie  Abends  11  Uhr  schon  eine  Leiche.  —  Der  Verlust 
thut  mir  sehr,  sehr  wehe. 

Gross  ist  mein  Verlangen,  bald  wieder  etwas  von  ninen  und  den 
Ihrigen  zu  hören.  Den  besonderen  Abdruck^)  Ihrer  Societäts- Vorlesung 
über  die  Abmessung  der  magnetischen  Kraft  besitze  ich  schon  und 
lese  ihn  oft.  Ist  Ihr  magnetisches  Observatorium  schon  zu  Stande  ge- 
kommen? Ungeduldig  erwarte  ich,  erwarten  gewiss  mit  mir  recht 
viele  den  weiteren  Fortgang  Ihrer  trefflichen  Untersuchungen,  die  uns 
noch  so  viele  Aufklärungen  über  die  wichtigsten  Gegenstände  der 
Physik  versprechen. 

Geuithuisen  schreibt  mir,  im  Vertrauen,  dass  er  wahrscheinlich 
nach  Bogenhausen  an  Soldner's  Stelle  kommen  werde!!  Er  scheint 
indessen  selbst  zu  fühlen,  dass  er  für  diese  Stelle  nicht  passe. 

Sehr  erfreulich  ist  mir  die  jetzige  russische  Chronometer-Expedition 
in  der  Ostsee.  Der  Himmel  gebe,  dass  sie  durch  keinen  Zufall  ge- 
stört werde. 


^)  Vergl.  den  folgenden  Brief.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Güttingen,  1833  November  20.  (301 

Ang:enehm  ist  es  mir  auch  gewesen,  dass  Aiet,  wie  ich  schon 
längst  gewünscht  hatte,  den  Abstand^)  des  4.  -if  Trabanten  von  seinem 
Hauptplaneten  von  Neuem  genauer  untersucht  hat.  Gleich  wie  Bessel 
sein  grosses  Heliometer  erhalten  hatte,  forderte  ich  ihn  zu  dieser  Unter- 
suchung auf.  Aus  Aiky's  Beobb.  ergiebt  sich  nun,  dass  4  seine  Tra- 
banten nicht  mit  der  La  PLACE*schen,  sondern  mit  einer  Masse  ^)  an- 
zieht, die  der  von  Ihnen  aus  den  Störungen  der  Pallas  bestimmten  sehr 
nahe  kommt,  ja  noch  etwas  grösser  als  die  ENCKE'sche  scheint. 

W'eun  es  irgend  möglich  ist,  so  erfreuen  Sie  mich  bald,  lieber 
theurer  Freund,  mit  einigen  Zeilen. 


No.  678.  Gauss  au  Olbers.')  [sw 

Göttingen,  1833  November  20. 

Es  ist  sehr  lange  her,  dass  ich  von  Hinen  keine  Nachrichten,  und  wie 
ich  besorge  noch  länger,  dass  ich  Ihnen  nicht  geschrieben  habe.  Theils 
durch  wirklich  recht  überhäufte  und  zeitversplitternde  Arbeiten,  theils 
(oder  noch  mehr)  durch  mancherlei  Bekümmernisse  und  Sorgen  bin  ich 
in  aller  Korrespondenz  zurückbleibend  geworden.  Ich  darf  jedoch  nicht 
länger  anstehen,  Ihnen  wenigstens  ein  Lebenszeichen  zu  geben. 

]\Iit  meiner  Vorlesung  über  die  Intensität  des  Erdmagnetismus,  von 
welcher  ausnahmsweise  schon  jetzt,  also  mehrere  Jahre  vor  dem  muth- 
maasslichen  Erscheinen  des  betreffenden  Bandes  der  Comm.,  ein  be- 
sonderer Abdruck  ausgegeben  ist,  komme  ich  bei  Ihnen  zu  spät;  in- 
zwischen hoffe  ich,  dass  Sie  das  beikommende  Exemplar,  wenn  auch 
nur  des  vielleicht  besseren  Papiers  wegen,  noch  freundlich  annehmen 
werden.  Ich  weiss  nicht,  ob  Sie  vielleicht  Poggendorff's  Uebersetzung^) 
in  seiner  Zeitschrift  beachtet  haben;  diese  ist  ganz  missrathen  und 
völlig  unbrauchbar,  da  sie  die  krassesten  Fehler  enthält. 

Das  magnetische  Observatorium  ist  bis  auf  einige  innere  Einrich- 
tungen vollendet,  und  ich  habe  bereits  vorläufig  einen  der  bisherigen 
Apparate  hineingestellt  und  angefangen,  die  Berichtigungen  behufs 
Nullpunkt  der  Fadentorsion,  besten  Platzes  der  Aufstellung  etc.  vorzu- 
nehmen,  wobei   ich   durch   die  Kürze   und  Dunkelheit   der  Tage,   von 


^)  Vergl.  hierzu   Olbers   Bd.  I  No.  151,    S.  510   Anmerkung  1,   ferner   No.  153, 
!      S.  512—519.    Knn. 

I  -)  Dieser  Brief  ist  mit  Ausnahme  einiger  Stellen  wieder  abgedruckt  in  E.  Sche- 

I     BING,  C.  F.  Gauss   und  die  Erforschung  des  Erdmagnetismus,    S.  56 — 58.     Göttingen 
'      1887.     Krm. 

')  Vergl.  Poggendorff's  Annalen  der  Physik  und  Chemie,  28.  Bd.  1833,  6.  und 
8.  Stück.     Ki-m. 


(502  Gauss  an  Olbers.    Göttingen,  1833  November  20. 

denen  das  meiste  oder  oft  das  ganze  durch  zwei  Collegia  und  ander- 
weite nie  endende  Störungen  absorbirt  wird,  sehr  gehemmt  werde,  so 
dass  diese  Operationen,  die  an  hellen  Sommertagen  und  freier  Disposi- 
tion über  die  Zeit  in  1 — 2  Tagen  absolvirt  werden  könnten,  jetzt  meh- 
rere Wochen  erfordern  werden.  Gar  viel  verloren  ist  jedoch  dabei 
nicht;  denn  definitiv  wird  eine  ca.  4  U  schwere  (2  Fuss  lange)  Nadel 
aufgehängt  werden,  w^ozu  die  Hülfsapparate  fSpiegelhalter.  Schiffchen  pp.) 
erst  angefertigt  werden  müssen. 

Ich  weiss  nicht,  ob  ich  Ihnen  schon  früher  von  einer  grossartigen 
Vorrichtung^),  die  wir  hier  gemacht  haben,  geschrieben  habe.  Es  ist 
eine  galvanische  Kette  zwischen  der  Sternwarte  und  dem  physikali- 
schen Kabinet  durch  Drähte  in  der  Luft  über  die  Häuser  weg  oben 
zum  Johannisthurm  und  so  wieder  herab  gezogen.  Die  ganze  Draht- 
länge wird  etwa  8000  Fuss  sein.  An  beiden  Enden  ist  sie  mit  einem 
Multiplikator  verbunden,  bei  mir  von  170  Gewinden,  bei  Webee  im 
phys.  Kab.  etwa  50  Gewinden,  beide  um  1  pfundige  Magnetnadeln  ge- 
führt, die  nach  meinen  Einrichtungen  aufgehängt  sind.  Es  sind  daraus 
manche  imposante,  zum  Theil  Anfangs  überraschende  Versuche  und 
Erfahrungen  hervorgegangen.  Zu  den  letzten  gehört,  was  freilich 
hätte  vorausgesehen  werden  können,  dass  gar  keine  grossen  Platten 
oder  starken  Säuren  erforderlich  sind,  um  eine  doch  sehr  gross  in  die 
Augen  fallende  Wirkung  zu  geben,  ^\'ir  nehmen  stets  nur  reines 
Brunnenwasser  und  ein  massiges  Plattenpaar,  zuweilen  nur  wie  ein 
pr[eussischer]  Thaler  gross,  und  die  Wirkung  bleibt  doch  nicht  sehr 
viel  kleiner,  als  wenn  noch  so  starke  Säuren  und  noch  so  grosse  Platten 
genommen  werden  (vorausgesetzt,  dass  man  nur  ein  Paar  anwendet). 
Ich  habe  eine  einfache  Vorrichtung  ausgedacht,  wodurch  ich  augen- 
blicklich die  Richtung  des  Stromes  umkehren  kann,  die  ich  einen  Kom- 
mutator nenne.  A\'enn  ich  so  taktmässig  an  meinen  Platten  operire. 
so  wird  in  sehr  kurzer  Zeit  (z.  B.  in  1  oder  1  .V  Min.)  die  Bewegung 
der  Nadel  im  phys.  Kabinet  so  stark,  dass  sie  an  eine  Glocke  an- 
schlägt, hörbar  in  einem  anderen  Zimmer.  Dies  ist  jedoch  mehr  Spie- 
lerei. Die  Absicht  ist,  dass  die  Bewegungen  gesehen  werden  sollen, 
wo  die  äusserste  Akkuratesse  erreicht  werden  kann.    A\'ir  haben  diese 


^)  Ueber  diesen  ersten  elektromagnetischen  Telegraphen  linden  sich  eingehende 
Nachrichten  in  „Sartorius  von  Waltershausen,  Gaoss  zum  Gedächtniss",  S.  63 — 65, 
ferner  Brief  v.  20.  Aug.  1833  von  Gauss  an  Encke,  wieder  abgedruckt  in  „Schering, 
Gauss  und  die  Erforschung  des  Erdmagnetismus",  S.  56  ww^'Gött.  Gel  Anz.  12S.  Stück 
(Gauss'  Werke  Bd.  V,  S.  524—525,  roticiENooiiFF's  Annalen  1884  Bd.  o2,  S.  562—572 
mit  einem  Zusatz).  Ein  grösserer  Theil  der  Leitung  wurde  1845  Dec.  16  durch  Blitz- 
schlag zerstört.  Vergl.  auch  Brief  No.  1030  vom  22.  Dec.  1845,  Bd.  V  des  Brief- 
wechsels Gauss-Schumacher.     Krm. 


Olbcrs  an  Gauss.     Bremen,  1833  December  3.  603 

VoiTiclituiig  bereits  zu  telejrraitliisclieii  Versuchen  gebraucht,  die  sehr 
gut  mit  ganzen  ^^'örtern  oder  kleinen  Plirasen  gehingen  sind.  Diese 
Art  zu  telegraphiren  liat  das  Angenehme,  dass  sie  von  Wetter  und 
'lageszeit  ganz  unal)liäiigig  ist;  jeder,  der  das  Zeichen  giebt  und  der 
dasselbe  empfängt,  bleibt  in  seinem  Zimmer,  ■'.venn  er  will,  bei  ver- 
schlossenen Fensterläden.  Ich  bin  überzeugt,  dass  unter  Anwendung 
von  hinlänglich  starken  Drähten  auf  diese  Weise  auf  einen  Schlag  von 
Göttingen  nach  Hannover  oder  von  Hannover  nach  Bremen  telegraphirt 
werden  könnte. 

An  der  Richtigkeit  Ihrer  Erklärung^)  der  P>scheinungen  des  Sa- 
/;n;n-inges  habe  ich  zwai"  nie  gezweifelt,  inzwischen  ist  mir  noch  eine 
Manier  eingefallen,  sie  auf  eine  frappante  Art  zu  bekräftigen.  Man 
stelle  bei  Nacht  ein  blabium,  wobei  die  Ringflächen  recht  blank  sind 
und  nur  von  Lampenlicht  beleuchtet  werden,  so  auf,  dass  das  Auge  in 
hinlänglicher  Entfernung  nur  sehr  wenig  über  letztere  erhoben  ist,  und 
beschaue  die  Erscheinung  durch  ein  Fernrohr.  Man  kann,  wenn  man 
will,  die  Entfernung  so  wählen,  dass  das  Modell  dieselbe  scheinbare 
Grösse  hat,  wie  der  'Saturnv'mg  selbst.  Ich  habe  Hakding  aufgefordert 
(schon  vor  längerer  Zeit),  den  Versuch  zu  machen;  der  Erfolg  ist  voll- 
kommen so  gewesen  wie  in  der  Natur. 

Haben  Sie  wohl  das  Buch  von  Seyffarth  über  ägyptische  Astro- 
nomie einer  Ansicht  gewürdigt,  und  was  halten  Sie  davon? 


No.  679.  Olbers  an  Gauss.  [36o 

Bremen,  1833  December  3. 

Ihr  Brief  vom  20.  Nov.  hat  mir  eine  sehr  grosse  Freude  gemacht. 
Zwar  schrieb  ich  Ihr  langes  Stillschweigen  nur  Ihren  vielen  Geschäften 
und  dem  eifrigen  Verfolgen  Ihrer  grossen  Entdeckungen  zu  —  ich 
höre  nun  mit  Leidwesen,  dass  auch  unangenehme  Sorgen  daran  zum 
Theil  Schuld  gewesen  sind  — ;  aber  doch  entbehrte  ich  mit  einiger  Un- 
geduld das  sonst  so  gewohnte  Vergnügen,  von  Ihrer  lieben  Hand  einige 
Zeilen  zu  sehen.  Herzlich  danke  ich  Ihnen  nun  sowohl  für  Ihren  Brief 
als  Ihre  Abhandlung,  die  mir  als  Ihr  Geschenk  so  werth  ist,  wenn  ich 
sie  gleich  schon  längst  besitze  und  wiederholt  durchgelesen  habe. 

Zu  Ihrem  vollendeten  magnetischen  Observatorium  wünsche  ich 
Ihnen  Glück.     A'on    Ihrem    galvanischen  Telegraphen   hatte   ich  schon 


^)  Von  Olbers  in  Harding's  Kleinen  Ephemeriden  für  1835  veröffentlicht,  siehe 
auch  Olbers  Bd.  I  Xo.  151.  S.  507—511.     Krm. 


504  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1833  December  8. 

durch  das  öffentliche  Gerücht  manches,  zum  Theil  Unverständliches  ge- 
hört, lieber  ist  mir  nun,  das  Authentische  über  diese  erstaunenswürdige 
Anwendung  des  Galvanismus  zu  erfahren.  Allerdings  würde  sich  mit 
dicken  Drähten  auch  unter  der  Erde  in  Glasröhren  ein  solcher  Tele- 
graph wohl  für  jede  Distanz  einrichten  1-assen,  wenn  man  die  Kosten 
daran  wenden  will.  In  freier  Luft  möchte  ein  Draht  zu  sehr  zufälligen 
oder  absichtlichen  Beschädigungen  ausgesetzt  sein. 

Von  den  Versuchen  mit  dem  nachgebildeten  V  Ringe  hat  mir 
Harding  einiges  geschrieben. 

Setpfaeth's  Ämeige  über  seine  ägyptische  Astronomie,  die  er  mir 
zuschickte,  habe  ich  bisher  bloss  gelesen;  ob  das  eigentliche  Werk 
schon  erschienen  ist,  weiss  ich  noch  nicht.  Früher,  und  dann  auch 
wohl  nur,  wenn  Kenner  des  ägyptischen  Studiums  uns  belehrt  haben, 
inwiefern  Seyffarth  richtig  gelesen  haben  mag,  lässt  sich  nicht 
darüber  urtheilen.  Manche  seiner  dreisten  Aussprüche  in  der  Anzeige 
haben  für  den  Astronomen  viel  Unwahrscheinliches,  selbst  Unglaub- 
liches. Wie,  HippARCH  und  Ptolemäus  sollten  von  dieser  ägyptischen 
Astronomie  nichts  gewusst  haben,  wenn  es  auch  zu  ihrer  Zeit  Sitte  bei 
den  Aegyptern  gewesen  wäre,  die  Horoskope  auf  alle  öffentlichen  Denk- 
mäler zu  setzen?  —  Wenn  es  aber  auch  wahr  wäre,  was  Seyffarth 
behauptet,  so  haben  wir  ja  in  diesen  Horoskopen  nicht  1-iOOü  alte 
Beobachtungen,  sondern  14000  Berechnungen  nach  Gott  weiss  wie  fehler- 
haften Tafeln  oder  Cyklen,  wie  schon  daraus  unwidersprechlich  hervor- 
geht, dass  in  den  von  Seyffarth  angeführten  Beisi)ielen  die  Oerter 
von  Planeten  angegeben  werden,  die  gar  nicht  sichtbar,  sondern  untei* 
den  Sonnenstrahlen  verborgen  waren. 

Mit  viel  mehr  Interesse  lese  ich  jetzt  Newton's  Leben  von 
Brewster  (in  der  deutschen  von  Brandes  herausgegebenen  Ueber- 
setzung),  das  ich  zugleich  mit  der  ausführlichen  Eecension  im  Edin- 
burgh Revieivs  zu  vergleichen  Gelegenheit  habe.  Was  auch  Brewster 
einwenden  mag,  so  erhellt  doch  aus  den  von  Brewster  selbst  beige- 
brachten Dokumenten,  dass  Newton  im  Jahre  1093  viele  Monate  hin- 
durch an  gestörter  Verdauung  und  Schlaflosigkeit  litt,  die  mächtig  auf 
sein  Gemüth  und  seine  Geistesstimmung  einwirkten,  zuletzt  so  stark, 
dass  er  einige  Tage  im  Sept.  wirklich  in  völlige  Geistesverwirrung  ver- 
fiel. Nach  den  von  Newton  selbst  angegebenen  Ursachen  und  Um- 
ständen seiner  Krankheit  wird  es  der  Arzt  sehr  wahrscheinlich  finden, 
dass  Newton  nach  seiner  Wiederherstellung  doch  nie  wieder  ganz  die 
vorigen  Geisteskräfte  erhält. 

Schumacher  hat  in  meinem  Namen  die  Italienischen  Astronomen 
aufgefordert,  den  Versuch  zu  machen,  um  mit  ihren  grösseren  Fkafn- 
HOFERSchen   Achromaten    die  Flecken   in   der  Venus   wieder  zu  sehen, 


OHifix  :ui  (iaii<s      r.r.iiHii.   1833  Deceiiil'^r  :v  605 

(He  Bi.vNCHixi  darin  bfobacliieif.  1>iani  hini  reducirte  bei  diesen  Vonis- 
Heobb.  die  ( »elYiuing  seines  70füssigen  Objektivs  auf  4  Zoll,  und  brauchte 
Okulare  von  10  Zoll  bis  4  Zoll  Brennweite.  Weder  an  Lichtstärke  noch 
an  VergrüsseiunfTskraft  stehen  also  die  grossen  FRAUNHOFER'schen 
Achroniate  dem  BiANcmxi'schen  Fernrohre  nach,  müssen  es  Avalirschein- 
lich  noch  bedeutend  übertreffen. 

Bürgermeister  Bartels  in  Hamburg  hat  mich  wissen  lassen,  dass 
Ifi-MKEii  mit  2000  ^lark  Gehalt  bei  dem  Hamburgischen  Observatorium 
angestellt  sei.  Ich  habe  Schumachkr  um  die  näheren  Umstände  be- 
fragt, aber  noch  keine  Antwort  erhalten. 

Dass  endlich  die  9  Beobb.\),  die  Hexderson  von  dem  ENCKE'schen 
Ivometen  am  Kap  im  vorigen  Jahr  machen  konnte,  angekommen  sind, 
werden  Sie  von  Encke  selbst  wissen.  Encke  vermindert  nun  sein  U 
um  :jij.  Doch  wird  sich  dies  erst  definitiv  ergeben,  wenn  die  Jiqntcr- 
Masse  völlig  scharf  bestimmt  ist. 

Mit  dieser  Bestimmung  beschäftigt  sich  jetzt  unser  Bessel.  Er 
schreibt^)  mir,  dass  er  schon  2 mal  82  (er  misst  immer  zweimal) 
Distanzen  der  JHp<7e>--Trabanten  von  ihrem  Hauptplaneten  sehr  genau 
«remessen  habe.  Merkwürdig  ist  es,  dass  er  den  Durchmesser  des  4 
wieder  um  etwa  0",8  kleiner  findet  als  Struve. 

Auch  Ihnen  wird  ohne  Zweifel  in  diesen  Tagen  ein  ungenannter 
Mathematiker  aus  Falun  in  Schweden  seine  angebliche  Konstruktion 
des  regulären  Fünfecks  zugeschickt  haben.  Der  Ungenannte  scheint 
sich  viel  darauf  zu  Gute  zu  thun,  und  doch  bedarf  es  nur  eines  Blicks, 
um  das  Irrige  dieser  Konstruktion  einzusehen.  Ton  den  5  Winkeln  am 
Umfange  sind  in  dieser  Konstruktion  die  2  an  der  gegebenen  Seite 
jeder  108^  26' 6",  die  beiden  folgenden  einander  gegenüberstehenden 
jeder  1060  51'21"  und  der  letzte  109°  25' 6". 

Was  mich  betrifft,  so  habe  ich  den  Sommer  über  erträglich  zuge- 
bracht. Mit  dem  Herbst  stellten  sich  die  Schwindel  viel  heftiger  und 
öfter  wieder  ein.  Nach  einem  reichlichen  Blutlassen  sind  die  Anfälle 
seltener  und  gelinder  geworden,  und  ich  vegetire  so  fort.  Mehr  kann 
ich  wohl  in  meinem  76.  Jahre  nicht  verlangen. 

Leben  Sie  wohl,  mein  theurer  geliebter  Gauss,  lassen  Sie  mich 
nicht  zu  lange  nach  einer,  mich  immer  so  sehr  beglückenden  Zuschrift 
von  Ihnen  schmachten. 


^)  Vergl.  Brief  No.  674  vom  8.  Jan.  1838  an  Gauss.     Krm. 

^)  Brief  No.  343  vom  20.  Nov.  1833,  S.  376  im  Briefwechsel  Olbers-Bessel.  Krm. 


QQQ  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1834  August  31. 

No.  680.  Gauss  an  Olbers.'j  [320 

Göttingen,  1834  August  31. 

Wenngleich  man  denen,  die  ihren  Lauf  auf  dieser  dornenvollen 
Erde  vollendet  haben,  nur  ein  „Wohl  ihnen"  nachzurufen  hat,  so  werden 
Sie  doch  nicht  ohne  eine  wehmüthige  Empfindung  erfahren,  dass  unser 
vieljähriger  Freund  Harding  uns  heute  Mittag  vorangegangen  ist.  Er 
kam  vor  12  Tagen  von  seiner  Badereise  nach  Karlsbad  etwas  unwohl 
zurück,  doch  schien  es  noch  vor  wenigen  Tagen  nicht  viel  zu  bedeuten 
haben,  x^llein  seit  vorgestern  verschlimmerte  sich  sein  Zustand  so 
schleunig,  dass  man  schon  heute  früh  seinem  nahen  Ende  mit  Gewiss- 
heit entgegensah. 

Von  Ihrem  Befinden  entbehre  ich  seit  langer  Zeit  aller  direkten 
Nachrichten.  Ich  meines  Theils  habe  mich  den  ganzen  Sommer,  ohne 
eigentlich  krank  zu  sein,  unwohl  befunden,  wozu  ausser  der  ungeheuren 
Hitze  auch  die  vielfache  Sorge,  die  mir  mein  jüngster  Sohn  macht, 
mitgewirkt  haben  mag.  Vielleicht  erinnern  Sie  sich,  dass  er  sich  der 
Oekonomie  gewidmet  hat.  Seit  5  Jahren  auf  verschiedenen  Gütern  Lehr- 
ling und  Kostgänger,  waren  alle  Bemühungen,  wozu  ich  selbst  in  meinen 
in  dieser  Beziehung  konnexionslosen  Verhältnissen  freilich  nicht  viel 
mitwirken  konnte,  ihn  in  eine  angemessene  Stellung  zu  bringen,  die 
zu  näherer  Vorbereitung  zu  künftiger  Selbständigkeit  dienen  konnte, 
vergeblich  gewesen,  bis  er  endlich  vorige  Ostern  eine  solche  fand. 
Leider  war  aber  diese  durch  Umstände,  die  ausführlich  zu  erzählen  zu 
weitläufig  sein  würde,  und  wobei  ihm  nichts  zur  Last  fällt  als  Mangel 
an  Weltklugheit,  nur  von  kurzer  Dauer,  und  er  kam  dann  im  Juni  zu 
mir  zurück,  seit  welcher  Zeit  die  Sorge,  was  ich  mit  ihm  machen  soll, 
mich  entsetzlich  gedrückt  hat.  Er  selbst  richtete  seinen  Sinn  auf  Aus- 
wanderung nach  Griechenland  oder  Amerika,  wozu  ich  aber,  da  er  erst 
21  Jahre  alt  ist  und  bei  aller  Solidität  und  Thätigkeitslust  doch  noch 
zu  wenig  selbständige  Weltklugheit  bewährt  hat,  meine  Einwilligung 
nicht  geben  kann.  Er  hat  in  dieser  Zeit,  da  es  an  anderen  Beschäfti- 
gungen fehlt,  sich  viel  mit  den  magnetischen,  auch  anderen  Beobb.  be- 
schäftigt und  ein  wirklich  ausgezeichnetes  Beobachtungstalent  gezeigt, 
so  dass  ich  wohl  daran  gedacht  habe,  dass  er  sich  zu  einem  sehr  guten 
Beobachter  für  geodätische  Messungen  bilden  könnte.  Allein  da  doch 
dabei  nur  ein  Eintritt  ins  Militär  eine  dauernde  Stellung  im  Leben 
sichern  könnte,  so  schreckt  mich   der  Umstand    ab.    dass   seine  Augen. 


*)  Vergl.  zu  dem  Inhalte  dieses  Briefes  auch  Gauss'  Brief  No.  457  vom  gleichen 
Datum  im  Briefwechsel  Gauss-Schitmacher.     Krm. 


Gauss  au  Olbers.     (iüttingeu,  1834  August  31.  607 

obwohl  im  (Tanzen  >cliarf.  doch  fn^Jir  knrzsiditig'  sind  (ungefähr  wie  die 
meinigen  I.  und  icli  erinnere  mich  noch  mit  Angst  der  grossen  Schwierig- 
keiten, die  man  vor  7  Jahren  meinem  ältesten  Sohn  wegen  seiner  Kurz- 
sichtigkeit in  den  Weg  zum  Ofticier  legte,  obwohl  dessen  Kurzsichtig- 
keit mit  der  seines  jüngsten  Bruders  gar  nicht  verglichen  werden  kann. 
Jetzt  kürzlich  hat  sich  indess  durch  die  gütige  Bemühung  eines  aus- 
wärtigen Freundes  eine  Aussicht  gezeigt,  dass  er  in  seiner  ursprüng- 
Uclipu  Karriere  als  Oekonom  bei  einem  reichen  CUitsbesitzer  vielleicht 
ankommen  kann,  eine  Aussicht,  die  so  schön  ist,  dass  ich,  durch  die  so 
vielen  früheren  Fehlschlagungen  entmuthigt.  kaum  ihre  Realisirung 
hotten  kann.  Gott  gebe,  dass  sie  nicht  auch  wieder  zu  Wasser  wird. 
Binnen  eines  Monats  muss  es  sich  entscheiden. 

Mein  magnetisches  Observatorium  ist  Ende  März  von  Cook,  An- 
fang Mai,  wie  sie  wissen,  von  Schumacher  und  im  Juli  von  Oerstedt 
besichtigt;  letzterer  wird  unverzüglich  ein  ähnliches  Etablissement  in 
Kopenhagen  errichten. 

Das  Blatt  der  G.  G.  A}),  worin  eine  kurze  Notiz  über  das  hiesige 
magnetische  Observatorium  unlängst  von  mir  gegeben  ist,  lege  ich 
bei,  da  Ihnen  solches  vielleicht  sonst  nicht  zu  Gesicht  gekommen  ist. 
Vielleicht  gebe  ich  dazu  in  Kurzem  noch  einen  Nachtrag,  wovon  ich 
Ihnen  vorläufig  eine  kurze  Nachricht  geben  will.  Für  feine  magne- 
tische Beobb.  ist  es  zu  vielen  Zwecken  unumgänglich  nöthig,  nvei 
Apparate  aufgestellt  zu  haben,  wie  Sie  schon  aus  meiner  Litensltas 
vis  etc.  an  vielen  Stellen  abnehmen  können.  In  der  Sternwarte  waren 
früher,  wie  Sie  wissen,  zivei,  einer  davon  wurde  nun  nach  Vollendung 
des  magn.  Obs.  überflüssig  und  ist  an  Weber  abgegeben.  Allein  der 
andere  war  nun  nicht  mehr  ganz  würdig,  die  Kontrolle  für  den  Apparat 
im  magn.  Obs.  zu  bilden,  da  jener  nur  eine  einpfündige  Nadel  ist,  und 
in  der  Sternwarte  der  Luftzug  nicht  ganz  ausgeschlossen  werden  kann. 
Eine  4  pfundige  Nadel  erfordert  nun  aber  durchaus  eine  Aufhängung 
an  der  Decke,  und  da  schien  [es]  mir  der  Mühe  werth  zu  versuchen, 
noch  einen  grossen  Schritt  weiter  zu  thun.  Ich  habe  daher  eine 
25  pfundige  Nadel  an  der  Decke  an  einem  etwa  15  pariser  Fuss  langen 
Kupferdraht  aufgehängt.  Die  übrigen  Vorkehrungen  sind  freilich  nur 
vorläufige,  sollen  aber  in  Kürze  durch  sorgfältig  gearbeitete  remplacirt 
werden.  Schiffchen  mit  Torsionskreis  ist  bereits  fertig;  Spiegel  und 
Spiegelhalter  sind  in  Arbeit,  und  ein  dichter  Kasten  soll  demnächst 
auch  besorgt  werden.  Aber  auch  so,  wde  die  Vorkehrungen  sind,  zeigen 
sich  bewundernswürdig  schön  harmonirende  Resultate,  und  es  leidet  gar 


')  Gott.  Gel.  Anz.  128.  Stück,  1834  Aug.  9.  Wieder  abgedruckt  in  Gauss' Werken 
Bd.  V,  S.  519—525.     Krrn. 


gQg  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1834  September  9. 

keinen  Zweifel,  dass  man  mit  beiden  Apparaten  den  feinsten  astrono- 
mischen Beobb.  an  Schärfe  gleichkommen  kann.  Dass  die  etwas  grösseren 
Schwankungen  in  der  magnetischen  Dekl.  an  verschiedenen  Orten  be- 
w^undernswürdig  harmoniren,  ersehen  Sie  schon  aus  der  Beilage^;;  alle 
verschiedenen  Versuche  gleichzeitig  an  beiden  Apparaten  zeigen  eine 
höchst  merkwürdige  Uebereinstimmung  in  den  fast  nie  fehlenden  ganz 
kleinen  Schwankungen,  die  nur  Bruchtheile  einer  Bogenminute  be- 
tragen. Schon  mehrere  Male  haben  wir  durch  solche  gleichzeitigen 
Beobb.  in  dem  magn.  Obs.  und  der  Sternwarte  die  ühren  an  beiden 
Plätzen  verglichen,  und  es  hinterdrein  auf  wenige  Zeitsekunden  richtig 
gefunden.  Also  eine  ganz  neue  unerwartete  Methode  der  Längen- 
bestimmung. 

Doch  ich  muss  für  heute  schliessen.  Meine  beiden  Töchter  haben 
dieses  Jahr  eine  Kur  in  Ems  machen  müssen,  bei  der  jüngsten  glaube 
ich  einige  wohlthätige  Wirkung  zu  bemerken,  leider  weniger  bei  der 
ältesten. 


No.  681.  Olbers  an  Gauss.  [sei 

Bremen,  1834  September  9. 

Die  traurige  Nachricht  von  dem  Tode  unseres  guten  Harding  hat 
mich  tief  erschüttert.  Noch  unterm  27.  Aug.  hatte  ich  einen  Brief 
von  ihm,  A^orin  er  mir  seine  Krankheit  von  ihrem  Anfange  an  in 
Dresden  beschrieb,  sehr  über  Mattigkeit  klagte,  auch  einige  Unzu- 
friedenheit über  die  bis  dahin  gar  nichts  helfende  Behandlung  seiner 
Aerzte  bezeigte,  aber  doch  selbst  gar  keine  Gefalu'  zu  ahnen  schien. 
Ich  verliere  an  dem  Verewigten  einen  langjährigen,  immer  äusserst  ge- 
fälligen und  dienstfertigen  Freund,  den  ich  noch  lange  betrauern  werde. 

Dies  ist  der  zweite,  vieljährige  astronomische  Freund,  der  mir 
dieses  Jahr  entrissen  wird.  Der  erste  war  der  Prof.  Brandes  in 
Leipzig.  —  Auch  bin  ich  im  Apr.  durch  das  Absterben  meiner  ge- 
liebten Schwester,  der  L[andesJ-0[ekonomie]-Eäthin  Meter  in  Hannover 
aufs  Schmerzlichste  betrübt  worden,  die  so  oft  im  Nachsommer  mich 
durch  ihren  Besuch  auf  einige  A\'ochen  zu  erheitern  und  zu  erfreuen 
pflegte.  So  lösen  sich  bei  vorrückendem  Greisenalter  immer  mehr  die 
Bande,  die  uns  noch  an  dieses  Erdenleben  knüpften. 

Mit  der  Göttinger  Sternwarte  werden  Sie  nun  wohl  eine  andere 
Einrichtung  treffen?  Bei  der  Direktion  von  Sternwarten  muss  noth- 
W'endig   das   monarchische   Princip   vorherrschen.     Koordination   taugt 


^j  I>iL'^o  Beilage  ist  bei  den  Originalbriefen  nicbt  nicbr  vorhanden.     Krm. 


1 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1834  September  9.  609 

durchaus  nidit.  Mit  einem  fälii<ren  geschickten,  aber  gehörig  subordi- 
nirten  (jiehülfen  werden  Sie  bei  dem  grossen  Vorratli  trefflicher  Jnstru- 
niente  eine  grosse  astronomische  Thätigkeit  entwickeln  können,  da  es 
erforderlichen  Falls  auch  an  freiwilligen  V>rauchbaren  Assistenten  zu 
Rechnungen,  gewöhnlichen  Beobb.  u.  s.  w.  unter  den  Studirenden  nicht 
fehlen  wird. 

Bei  der  beispiellos  anhaltenden  Hitze  dieses  Sommers  habe  ich 
recht  oft  an  Sie  gedacht,  mein  theurer  Gauss,  weil  ich  weiss,  wie  sehr 
Sie  dabei  zu  leiden  pflegen.  Auch  ich  bin  sehr  davon  ermattet  worden. 
Allein  sonst  habe  ich  mich  meiner  Art  nach  diesen  Sommer  ziemlich 
erträglich  befunden.  Nach  einem  reichlichen  Aderlass  in  diesem  Früh- 
jahr kommen  die  Anfälle  von  Schwindel  und  Beklemmungen  nicht  so 
oft  mehr  wie  sonst,  erreichen  auch  seltener  den  hohen  Grad  von  Inten- 
sität, den  sie  vormals  so  häufig  hatten.  Seit  einigen  AVochen  wird  es 
wieder  etwas  schlimmer,  und  ich  werde  nächstens  versuchen  müssen, 
ob  Blutlassen  wieder  Linderung  schaffen  kann.  Dass  Kräfte,  innere 
und  äussere  Sinne  u.  s.  w.  allmählich  immer  mehr  abnehmen,  schreibe 
ich  dem  vorrückenden  Alter  zu.  In  einem  Monat  vollende  ich  mein 
76.  Jahr. 

Dass  Ihnen  Ihr  lieber  Sohn,  mein  lieber  Pathe,  einige  Sorge  ge- 
macht hat,  habe  ich  ungern  vernommen.  Aber,  mein  theurer  Freund, 
in  welchem  Fach  fällt  es  jetzt  einem  jungen  Manne  nicht  schwer,  sich 
Anfangs  Bahn  zu  brechen?  Welches  Fach  scheint  nicht  ganz  trostlos 
überfüllt?  Und  doch  kommt  jeder,  der  das  Nöthige  gelernt  hat,  thätig 
und  ordentlich  ist,  endlich  zum  Zweck.  Fata  viam  invenlent,  denke 
ich  immer  bei  meinen  Enkeln,  wovon  einer,  der  Medicin  studirt  hat, 
künftigen  Sommer  die  Zahl  der  hier  schon  w^eit  über  das  Bedürfniss 
vorhandenen,  Praxis  suchenden  Aerzte  mit  5  bis  6  gleichzeitig  heim- 
kehrenden Kollegen  vermehren  wird.  Indessen  ist  es  mir  sehr  lieb, 
dass  Ihr  Hr.  Sohn  jetzt  zu  einer  passenden  Anstellung  Hoffnung  hat, 
wozu  ich  im  voraus  alles  mögliche  Glück  wünsche. 

Für  die  so  interessanten  Nachrichten  von  Ihrem  magnetischen 
Observatorium,  Ihren  kolossalen  Magnetnadeln,  und  Ihren  wichtigen 
Entdeckungen  und  Beobb.  danke  ich  auf  das  Allerherzlichste.  Wahrlich, 
wenn  ich  nur  10  Jahre  jünger  oder  überhaupt  noch  mobil  zu  machen 
wäre,  so  müsste  ich  selbst  nach  Göttingen,  um  Ihren  bewunderns- 
würdigen Apparat  und  Sie,  mein  Allertheuerster,  mit  demselben  operiren 
zu  sehen. 

Ich  weiss  nicht,  ob  ich  Ihnen  schon  sonst  erzählt^)  habe  —  wir 
gedächtnisschwachen    Greise    wiederholen    uns    bekanntlich   leicht   — , 


1)  Im  Briefe  vom  18.  Juli  1812  aus  Paris  (No.  262),  Bd.  II,  1  S.  508—509.    Krm. 

Olbcrs.    II,  2.  39 


Q-^Q  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1834  September  9. 

dass  mir  einst  Alexander  v.  Humboldt  in  einer  Versammlung  des 
Instituts  als  eine  eben  erhaltene,  ihn  sehr  begeisternde  Neuigkeit  mit- 
theilte:  „Scheubler  in  Tübingen  habe  Versuche  mit  einer  Magnetnadel 
angestellt,  die  an  beiden  Enden  einen  Nordpol  gehabt  habe,  wahr- 
scheinlich also  eine  aus  2  gewöhnlichen  Magnetnadeln,  die  Südpole 
gegen  einander  gekehrt,  und  diese  Südpole  durch  eine  kupferne  Ver- 
bindung auseinander  gehalten,  komponirte  und  dann  im  Schwerpunkte 
des  Ganzen  aufgehangene  Nadel.  Der  Erfolg  sei  unter  anderen  ge- 
wesen, dass  die  täglichen  Veränderungen  der  Dekl,  statt  einiger  Mi- 
nuten, bei  dieser  komponirten  Magnetnadel  mehrere  Grade^)  betragen 
habe."  —  Ich  habe  nachher  nie  wieder  etwas  von  diesem  angeblichen 
Versuche  Scheubler's  gehört.  Ist  Ihnen  das  Nähere  davon  bekannt? 
Verdient  der  Versuch  Wiederholung? 

In  astronomicis  giebt  es,  so  viel  ich  weiss,  wenig  Neues.  Die 
Stelle '')  in  Bogenhausen  ist  noch  nicht  wieder  besetzt.  In  einer  bei 
der  Jahresfeier  der  Akademie  in  München  gehaltenen  Rede  hat  Schel- 
LiNG  sehr  nachdrücklich  erklärt,  dass  sie  durchaus  nicht  an  einen 
solchen  Menschen,  wie  Gruithuisen,  den  er  zwar  nicht  nennt,  aber 
sehr  deutlich  und  sehr  anzüglich  bezeichnet,  gegeben  werden  könne. 
Gruithuisen  ist  darüber  sehr  erbost,  hat  aber  klüglich  seine  Bewer- 
bung um  die  Stelle  eines  Direktors  des  Observatoriums  aufgegeben 
und  sucht  nur,  den  Gebrauch  des  vom  Könige  gekauften  grossen  Re- 
fraktors in  einem  eigenen  dazu  erbauten  Gebäude  zu  erhalten, 

Santini  hat  die  Wirkung  des  widerstehenden  Aethers  auf  den 
BiELA'schen  Kometen  nach  den  ENCKE'schen  Formeln  und  Voraus- 
setzungen berechnet,  und  will  nur  0,03  Tage  für  die  Verfrühung  des 
Perihels  gefunden  haben,  da  die  Beob.  nach  ihm  0,45,  nach  Nicolai 
wenigstens  0,9  Tage  giebt.  Freilich  muss  die  Wirkung  des  AA'ider- 
standes  nach  dem  verschiedenen  Volumen  und  der  verschiedenen  Dichtig- 
keit für  beide  Kometen  verschieden  sein,  allein  so  viel  dünner  und  so 
viel  voluminöser  dürfen  wir  doch  wohl  den  BiELA'schen  Kometen  nicht 
voraussetzen,  um  einen  so  grossen  Unterschied  in  dem  Resultat  auszu- 
gleichen. —  Mir  ist  immer  Encke's  Voraussetzung,  dass  die  Dichtig- 
keit des  widerstehenden  Mittels  im  Weltraum  umgekehrt  wie  das  Qua- 
drat des  Äbstandes  von  der  Sonue  ahuelime,  sehr  unwahrscheinlich  vor- 
gekommen. Ich  dächte,  diese  Dichtigkeit  müsse  vielmehr  nach  den 
Ordinaten  einer  logarithniischen  Linie  abnehmen.  "Was  halten  Sie 
davon,  lieber  Gauss? 


*)  Nach  Olbeks  Bd.  II,  1  S.  509  statt  14'  nur  1»  45'.     Knu. 
')  Vergl.  auch  Brief  No.  458  vom  4.  Sept.  1S34  im    Briefwechsel  G.\css-ScHr- 
MACHER.     Krni. 


Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1834  December  31.  61 X 

Ich  finde  es  nicht  ganz  unmöglicli,  mit  grossen  lichtstai'ken  Werk- 
zeugen den  HALLFA-'schen  Kometen  schon  im  nächsten  Winter,  vorzüg- 
lich Febr.  und  März  zu  erblicken,  und  Averde  die  Astronomen  zu  seiner 
Aufsuchung  auffordern. \) 

»Sagen  .Sie  mir  doch,  ob  unser  guter  Haeding  seine  Witwe  in 
solchen  Umständen  zurückgelassen  hat,  dass  sie  anständig  leben  kann  ? 
Erhält  sie  als  Professorin  Witwengehalt?  Oder  muss  sie  noch  erst 
um  eine  Pension  sollicitiren"? 

In  dieser  Woche  erwarte  ich  meinen  Sohn  von  P3i'mont  zurück, 
wo  er  eine  mehr  als  4  wöchentliche  Kur  gebraucht  hat,  die  ihm  dies- 
mal sehr  nöthig  that.  Die  überhäuften  Arbeiten  des  vorigen  Jahres,  da 
er  zu  seinen  sonstigen  Geschäften  auch  die  Stelle  eines  Polizei-Direktors 
hatte  übernehmen  müssen,  hatten  seine  Gesundheit  sehr  geschwächt. 
Er  rühmt  nun,  vom  Wetter  sehr  begünstigt,  den  wohlthätigen  Erfolg 
der  Kur,  und  geht  mit  frischem  Muthe  den  Beschwerden  seines  Amts 
wieder  entgegen. 

Im  Apr.  ist  mir  ein  Urenkel  geboren,  dem  man  in  der  Taufe  den 
Namen  Wilhelm  Olbers  Focke  gegeben  hat. 

Leben  Sie  wohl,  mein  allertheuerster  geliebtester  Freund,  wenn  es 
Ihnen  Ihre  wichtigen  Geschäfte  irgend  verstatten,  so  erfreuen  Sie  mich 
bald  wieder  mit  einigen  Zeilen. 


No.  682.  Olbers  an  Ganss/j  [302 

Bremen,  1834  December  31. 

Den  Brief  an  Ihren  Hrn.  Sohn  habe  ich  wenige  Tage  nach  seinem 
Empfange  direkt  nach  New  York  mit  einem  Schiffe  zu  besorgen  Ge- 
legenheit gehabt,  und  icli  hoffe,  er  wird  jetzt  längst  in  seinen  Händen 
sein.  Zwar  hat,  wie  Ihnen  vielleicht  bekannt  sein  wird,  Hr.  Breden- 
KAMP  (Firma  Bredenkamp  &  Plump)  schon  vor  geraumer  Zeit  fallirt; 
dies  wird  ihn  aber  doch  nicht  hindern,  den  seiner  Fürsorge  empfohlenen 
Brief  an  die  Behörde  zu  befördern.  Den  w^ärmsten,  lebhaftesten  An- 
theil  nehme  ich  an  der  Freude,  mein  allertheuerster  geliebtester  Freund, 
die  Ihnen  die  guten  Nachrichten  von  dem  fast  ganz  Aufgegebenen  ge- 
macht haben  müssen.     Sein  Avancement  zum  ersten  Sergeanten  seiner 


1)  Siehe  Olbers  Bd.  I  No.  127,  S.  444  ff.     Krin. 

^)  Nach  dem  Inhalte  dieses  Briefes  und  der  in  nachstehender  Anmerkung  er- 
wähnten, vom  5.  Not.  1834  datirten  Veröffentlichung  Gauss'  und  nach  dem  Brief 
No.  462  vom  28.  Nov.  1834  im  Briefwechsel  Gauss-Schumacheb  fehlt  ein  Brief  Gauss' 
vom  Nov.  an  Olbers.     Krm. 

39* 


gj2  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1834  December  31. 

Kompagnie    beweist    doch    gewiss    seine    völlige   Besserung    und    sein 
jetziges  gutes  Betragen. 

Personen,  die  Amerika  besser  kennen  als  ich,  wollen  mir  ver- 
sichern, auch  seinem  ferneren  Avancement  oder  anderweitiger  Anstel- 
lung würde  Hoifnung  werden,  wenn  er  sich  nationalisiren  Hesse.  Um 
die  Nationalisirung  zu  erhalten,  sei  es  nöthig,  5  Jahre  in  Nord- Amerika 
gewesen  zu  sein,  und  dann  mache  dieser  Akt  keine  bedeutenden  Kosten. 
Wie  gesagt,  ich  verstehe  es  nicht  zu  beurtheilen,  ob  diese  Hoffnung 
gegründet  ist.  Wüssten  Sie  irgend  einen  wissenschaftlich  gebildeten 
Mann,  besonders  einen  Mathematiker  in  Nord-Amerika,  von  dem  man 
einigen  Einfluss  auf  die  öffentlichen  Angelegenheiten  und  Behörden  er- 
warten könnte,  so  würde  ich  Ihnen  sehr  rathen,  dass  Sie  einem  solchen 
Ihren  Sohn  empfehlen.  Ich  bin  fest  überzeugt,  dass  Ihr  allberühmter 
und  allverehrter  Name  hinreichend  sein  würde,  nicht  allein  diesen  zur 
grösstmöglichen  Thätigkeit  und  Verwendung,  als  auch  diejenigen,  von 
denen  die  Beförderung  eigentlich  abhängt,  zur  Willfährigkeit  in  Ihre 
Wünsche  zu  bewegen.  Verzeihen  Sie,  lieber  Gauss,  wenn  meine  warme 
Theilnahme  an  dem  jungen  nun  gebesserten  Verbannten  mich  verleitet 
hat,  Ihnen  unaufgefordert  und  vielleicht  unbescheiden  meinen  Eath  auf- 
zudrängen. 

Mit  demselben  Vergnügen  habe  ich  vernommen,  dass  Ihr  anderer 
Hr.  Sohn,  mein  lieber  Pathe,  eine  anscheinend  so  gute  Anstellung  er- 
halten hat.  Möge  sie  ihm  in  jeder  Hinsicht  ganz  zusagen.  —  Da  Sie 
mir  nichts  von  der  Frau  Professorin  Ewald  sagen,  so  hoffe  ich,  dass 
diese  Ihre  geliebte  Tochter  jetzt  wieder  ganz  hergestellt  ist. 

Sehr  verbunden  bin  ich  Ihnen  für  die  Mittheilung  Ihrer  magneti- 
schen Beobb.,  besonders  der  gleichzeitigen  Göttinger  und  Leipziger^)  vom 
ersten  und  zweiten  Okt.,  die  äusserst  interessant,  und  die  Sie  mir 
durch  die  schöne  Zeichnung  so  recht  anschaulich  gemacht  haben.  Aller- 
dings würden  bloss  stündliche  Beobb.. bei  so  schnellen  Veränderungen 
der  Nadel  wenig  nützen.  Der  Parallelismus  ist  auffallend  und  viel  ge- 
nauer, als  man  erwarten  sollte.  Es  wird  sehr  anziehend  sein,  solche 
gleichzeitigen  anomalischen  Bewegungen  der  ^Magnetnadeln  über  einen 
grösseren  Erdraum  an  vielen  Orten  in  ähnlichen  Zeichnungen  dar- 
gestellt zu  sehen.  Für  mich  möchte  ich  wünschen,  in  der  Zeichnung, 
wie  Sie  es  hier  gemacht  haben,  immer  nur  eine  Zeit,  z.  B.  Göttinger 
Zeit,  bei  allen  Beobb.  zur  Abscissen-Linie  zu  Grunde  gelegt  zu  selien. 
Mit  Verlangen  werde  ich  den  folgenden  Stücken  des  Poüc.ENDORFF'scheu 


*)  Beobb.  der  maiinetiscbon  Variation  in  Göttingen  und  Leipzii:  am  1.  und 
2.  Okt.  1834  mit  1  Tafel,  in  I'oogendorfk's  Annalen  der  Physik  und  Chemie.  1834 
Bd.  33,  S.  426—433;  Gauss'  Werke  Bd.  V,  S.  525—528.     Krm. 


Olbers  an  dau??.     liivinen,   1S34  December  31.  ßl3 

JouiTials  entj^ep-ensehen,  wenn  Sie  fortfahren  wollen,  dies  mit  Ihren 
so  höchst  interessanten  Beobb.  und  Aufsätzen  über  Ihre  magnetischen 
Forschungen  zu  schmücken. 

Harding's  Stelle  wird  wohl  nicht  wieder  besetzt  werden?  Aber 
haben  Sie  sclion  einen  Gehülfen  bei  der  Sternwarte,  oder  wird  der 
Dienst  eines  solchen  einigermaassen  durch  freiwillige  ersetzt?  Sollten 
Sie  einen  jungen  ^lann  der  Art  haben,  dem  Sie  astronomische  ^^'erk- 
zeuge  anvertrauen,  so  würde  ich  sehr  bitten,  ihn  doch  zur  Aufsuchung 
des  H.vLLEY'schen  Kometen  während  dieses  Winters  und  Frühjahrs  zu 
ermuniern.  Hoffentlich  sind  die  Spiegel  eines  Ihrer  grösseren  Teleskope 
noch  in  hinreichend  gutem  Stande,  um  Erfolg  bei  der  Nachforschung 
zu  versprechen.  Ich  halte  Teleskope^)  von  13  und  mehr  Fuss  für  weit 
geeigneter,  schwache  Kometen  aufzufinden,  als  Eefraktoren  von  ähn- 
licher Länge,  weil  die  Spiegel  einen  viel  grösseren  Durchmesser  zu  haben 
pflegen,  als  das  Objektiv-Glas,  und  es  hier  nur  auf  Lichtstärke,  nicht 
auf  Präcision  ankommt;  nur  muss  die  Politur  der  Spiegel  noch  gut  sein. 

Dass  DüNLOP  in  Paramatta  zwei  Kometen,  den  einen ^)  vom 
l.  bis  16.  Okt.  1833,  den  andern  3)  vom  21.  März  bis  U.  Apr.  1834 
beobachtet  hat,  werden  Sie  schon  wissen.  Letzterer  scheint  derselbe 
zu  sein,  den  Gambart  am  7.  und  9.  März  dieses  Jahres  sah.  Dr.  Petees 
in  Hamburg  ist  jetzt  mit  seiner  genauen  Bahnbestimmung  beschäftigt. 
Diese  kann  vielleicht  interessant  w^erden.  Hendeeson's  vorläufige  Ele- 
mente taugen  nichts. 

Gruithuisen  ist  jetzt  im  Streit  mit  dem  Geh.-Eatli  v.  Schelling 
und  hat  mir  ein  Exemplar  seiner  Streitschrift  geschickt.  Ich  fürchte, 
er  verbrennt  sich  die  Finger,  ob  er  gleich  schon  den  Sieg  erfochten 
zu  haben  glaubt.  Auf  unseren  Bessel  ist  er  höchst  aufgebracht,  weil 
ihm  dieser  seine  Mond-Atmosphäre  weg  demonstrirt  hat,  die  er  sich 
nicht  nehmen  lassen  will,  und  Bessel  sich  dabei  und  auch  sonst  anzüg- 
licher Redensarten  gegen  ihn  bedient  hat.  Ich  vermuthe,  er  wird  im 
nächsten  Stück  der  Analekten  gegen  Bessel  zu  Felde  ziehen. 

Den  La  LANDE'schen  Preis  hat  dieses  Jahr  Aiky  wegen  seiner 
Beobb.  der  Jiitpife?-- Trabanten  zur  Bestimmung  der  J?<jjifer-Masse  er- 
halten. 

Die  von  dem  jungen  Littrow  aus  den  Original-Tagebüchern  heraus- 
gegebene Eeise  des  Pater  Hell  und  seines  Begleiters  nach  Wardoehuus 
hat   mich   sehr   interessirt.     Es   ist   also  nunmehr  erwiesen,  dass  diese 


^)  In  gleichem  Sinne  .spricht  sich  auch  Olbees  zu  Bessel  im  Brief  No.  347  vom 
14.  Jiüi  1S34  aus.     Krm. 

-)  Komet  1833,  nur  von  Dunlop  beobachtet,  vorläufig-e  Elemente  von  Hen- 
DERsox.     Krm. 

^)  Komet  1834,   bereits  am  7.  März  zu  Marseille  von  Gambart  entdeckt.     Krm. 


524  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1835  Januar  20. 

Jesuiten  nachher  ihre  Beobb.  korrigii't  haben,  ob  es  mir  gleich  noch 
immer  dunkel  bleibt,  wie  sie  so  fehlerhaft  den  Eintritt  der  Veyms  beob- 
achten konnten.  Schade,  dass  uns  Littrow  nicht  das  ganze  Journal 
unabgekürzt  in  der  Ursprache  geliefert  hat. 

Weniger  erbaut  bin  ich  von  dem  „Leben  Kepleb's  von  dem  Frei- 
herrn V.  Breitschweet  aus  neuerlich  aufgefundenen  Manuskripten", 
das  ich  erst  kürzlich  gelesen  habe.  Breitschwert  scheint  mir  zu 
wenig  mit  Kepler's  Werken  vertraut  zu  sein.  Zwei  seiner  Schriften 
„De  Stella  nova  in  pede  Serpentarii"  und  .,De  Cometis  libelli  III" 
scheint  der  Freiherr  gar  nicht  gekannt  zu  haben. 

Können  Sie  mir  nicht  sagen,  lieber  Gauss,  ob  die  Göttinger  Biblio- 
thek auch  wohl  Zeitungen  besitzt.  Ich  suche  den  Jahrgang  des  Ham- 
burger Korrespondenten  von  1770,  den  ich  weder  hier,  noch  in  Ham- 
burg habe  auftreiben  können,  wo  man  sie  von  keinen  früheren 
Jahren  als  1780  hat.  Es  würde  mir  lieb  sein,  bald  darüber  Nachricht 
zu  haben. 

Mein  Befinden  wäre  jetzt  erträglich,  wenn  mir  nicht  Brust- 
beschwerden und  Husten  nun  schon  seit  so  langer  Zeit  die  nächtliche 
Ruhe  so  sehr  verkümmerten.  Denn  darüber,  dass  die  natürlichen  Be- 
schwerden des  Alters:  Steifigkeit,  Mattigkeit,  Harthörigkeit  u.  s.  w. 
immer  mehr  zunehmen,  darf  ich  mich  wohl  nicht  beklagen. 

Mögen  Sie,  mein  theurer  geliebter  Freund,  das  morgen  beginnende 
neue  Jahr  nicht  bloss  recht  glücklich,  recht  vergnügt,  recht  gesuud 
anfangen,  sondern  noch  recht  viele,  viele  Jahreswechsel  in  stetem  Wohl- 
ergehen und  ungestörter  Zufriedenheit  erleben!  Erhalten  Sie  mir  Ihre 
Freundschaft  und  Ihr  bisheriges  Wohlwollen,  die  mich  so  glücklich 
machen  und  gemacht  haben. 


No.  683.  Gauss  an  Olbers.  [321 

Göttingen,  1835  Januai-  20. 

Nächste  Ostern  wird  der  Dr.  Goldschmidt  als  Observator  oder 
Assistent  bei  der  hiesigen  Sternwarte  eintreten.  Es  ist  dies  ein  seiir 
geschickter  und  kenntnissvoller  junger  ]\[ann.  der  auch  schon  jetzt  die 
täglichen  magnetischen  Aufzeichnungen  besorgt.  Andere  und  eigentlich 
astronomische  Beobb.  wird  er  jedoch  vor  seinem  Antritt  wenig  machen 
können,  theils  wegen  seiner  entfernten  Wohnung,  denn  die  Witwe  von 
Harding  bleibt  bis  Ostern  im  ganzen  Besitz  der  Wohnung  und  behält 
auch,  auf  meinen  Antrag,  noch  im  nächsten  Sonnner  den  grösseren. 
Theil,  wovon  sie  nur  einige  Zimmer  abgiebt.  unil  den  Garten,  theils 
weil  er  als  Privatdocent  in  diesem  Winter  nocli  zu  viele  Lektionen  zu 


Gauss  an  Olbers.     Güttin-ren,  1835  Januar  20.  615 

geben  liat,  die  ihm  weni^:  Zeit  librio:  lassen.  Icli  zweifle  daher,  dass 
er  schon  vorher  Versuche  zur  Aufsuchung:  des  HALLEv'schen  Kometen 
wird  machen  können,  zumal  da  er  gferade  in  solchen  Geschäften  noch 
gar  keine  Uebung  hat.  Andere  dazu  tüchtige  junge  Leute  sind  gegen- 
wärtig keine  hier,  und  mir  selbst  erlaubt  leider  meine  sehr  schwan- 
kende Gesundheit  selten,  mich  der  Nachtkälte  lange  auszusetzen.  Ist 
es  aber  irgend  thunlich,  so  sollen  Nachsuchungen  gemacht  werden. 

Ihre  gütige  Theilnahme  und  Rathgebung  wiegen  meines  zweiten 
Sohnes  erkenne  ich  mit  gerührtem  Danke.  Es  wird  wohl  jedenfalls 
eine  weitere  Nachricht  von  dorther  erwartet  werden  müssen;  auch 
kann  ich  nicht  leugnen,  dass  ich.  zumal  da  ich  niemand  weiss,  wo- 
durch es  ins  Werk  gerichtet  werden  könnte,  auch  zu  den  Aussichten 
auf  eifrige  Verw'endung,  die  Sie  mir  andeuten,  wenig  Vertrauen  haben 
kann;  wenigstens  haben  meine  bisherigen  Erfahrungen  in  Europa  mir 
keine  solche  Dienstfertigkeit  gezeigt,  so  wie  namentlich  fast  alle  meine 
vielen  Versuche  und  Bemühungen  wTgen  meines  jüngsten  Sohnes  wenig- 
anderes  bewirkten  als  einige  höfliche  Phrasen. 

Leider  haben  die  schönen  Erwartungen,  die  ich  noch  vor  ein  paar 
Monaten  von  seiner  neuen  Lage  hatte,  sich  gar  nicht  realisirt.  Mein 
Sohn  klagte  gleich  Anfangs  über  die  Art  der  ihm  zugewiesenen  Ge- 
schäfte, die  den  ganzen  Tag  in  nichts  als  mechanischen  Schreibereien 
beständen,  so  wie  über  die  superciliöse  Behandlung.  Er  meldet  mir 
nun,  dass  ihm  dieses  eigentlich  landwirthschaftlicher  Thätigkeit  ganz 
fremde  Verhältniss  so  unerträglich  geworden  sei,  dass  er  das  Engage- 
ment auf  Ostern  gekündigt  habe.  Ich  selbst  kann  natürlich  aus  der 
Ferne  über  das  Verhältniss,  und  ob  und  was  meinem  Sohne  dabei  zur 
Last  fällt,  gar  nicht  urtheilen,  muss  jedoch  jedenfalls  meinen,  dass  er 
Mangel  an  Weltklugheit  bewiesen.  Er  behauptet  freilich,  es  werde 
ihm  nicht  sehr  schwer  werden,  ein  anderes  Engagement  zu  finden, 
aUein  ich  weiss  nicht,  ob  er  sich  darin  nicht  getäuscht  finden  wird. 
Ich  stehe  dann  wieder  auf  dem  alten  Punkt,  nur  in  mehr  als  einer 
Beziehung  noch  schlimmer  als  vorher. 

Ich  weiss  nicht,  ob  ich  Ihnen  früher  wohl  geschrieben,  dass  er 
schon  seit  2\  Jahren  das  Projekt  hatte,  nach  Amerika  auszuwandern, 
ich  kann  dies  nicht  unbedingt  verwerfen,  da  das  Vermögen,  welches 
ihm  bei  der  Majorennität  1838  zufällt,  viel  zu  klein  ist,  um  in  Deutsch- 
land etwas  Bedeutendes  damit  zu  unternehmen,  w^ährend  die  Verhält- 
nisse in  Amerika  ganz  anders  sind.  Ich  habe  jedoch  meine  Einwilli- 
gung nothw^endig  an  die  Bedingung  knüpfen  zu  müssen  geglaubt,  dass 
er  erst  ein  imar  Jahre  in  Deutschland  in  einer  verantwortlichen  Stel- 
lung sich  bewährt  gezeigt  habe. 

Auf  eingezogene  Erkundigung  habe  ich  erfahren,   dass   die  Jahr- 


Q1Q  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1835  Januar  20. 

gänge  des  Hamburger  Korrespondenten,  welche  die  hiesige  Bibliothek 
besitzt,  erst  mit  dem  Jahre  1784  anfangen.  Mein  ältester  Sohn  meinte, 
dass  der  von  Ihnen  gesuchte  Band  sich  vielleicht  in  der  K.  Bibliothek 
in  Hannover  finden  werde,  die  sehr  reich  an  Zeitungen  sei.  Er  würde 
gewiss  mit  Vergnügen  Ihnen  solchen  besorgen,  wenn  er  wieder  in 
Hannover  wohnte;  allein  er  ist  schon  vor  mehr  als  14  Tagen,  nachdem 
sein  Patent  endlich  angekommen,  sogleich  nach  seiner  neuen  Gar- 
nison Stade  abgereist.  Ich  bin  jedoch  überzeugt,  dass  der  Dr.  Pertz 
Ihnen  den  Band,  wenn  Sie  es  wünschen,  und  wenn  er  da  ist,  sogleich 
schicken  wird. 

Das  Kränkeln  und  die  Schwäche  meiner  ältesten  Tochter  nimmt 
leider  mehr  zu  als  ab.  Dagegen  geht  es  mit  der  Gesundheit  meiner 
jüngsten  etwas  besser. 

Auf  die  Preisfrage^)  der  Societät,  Photometer  betreffend,  sind  drei 
Konkurrenzschriften  eingegangen,  wovon  ich  die  eine  unter  der  Kritik, 
die  zweite  nicht  ohne  Verdienst  und  die  dritte  ungemein  gehaltreich 
finde.  Mein  Gutachten,  welches  ich  vor  einigen  Tagen  abgegeben  habe, 
cirkulirt  jetzt  bei  der  Societät,  und  wird  deren  Entscheidung  dann 
bald  publicirt  werden.  Indem  ich  bei  der  ersten  Preisschrift  fast  un- 
willkürlich an  Gruithuisen  denken  muss,  erinnere  ich  mich,  dass  Sie 
zuweilen  der  Streitschriften  erwähnt  haben,  die  jener  berühmte  Natur- 
forscher mit  einem  vielleicht  noch  berühmteren  AVeltweisen  wechselt. 
Da  ich  von  letzterem  bisher  nichts  gelesen  hatte  als  vor  drei  Jahren 
eine  kleine  Broschüre  über  Faraday's  neueste  Entdeckung,  die  in  ein 
damals  mir  noch  unbekanntes  Feld  gehört,  so  habe  ich  durch  gütige 
Vermittlung  des  Hrn.  Hofrath  Herbart  einige  andere  Druckschriften 
desselben  zur  Einsicht  erhalten,  eine  betitelt  ..Ideen  zu  einer  Philo- 
sophie der  Natur"  und  die  andere  „Ueber  die  "Weltseele".  So  viel  ich 
darin  bis  jetzt  gelesen  habe,  scheinen  mir  die  beiden  (Gegner  einer  des 
anderen  vollkommen  würdig:  zu  sein. 


^)  Vergl.  Brief  No.  668  vom  25.  Jan.,  670  vom  18.  Febr.  und  672  vom  2.  Auir. 
1832,  wo  Gauss  seine  Idee  über  eine  brauchbare  Photometer-Konstruktiou  Olbers  an- 
giebt  und  mittheilt,  dass  auf  seineu  Rath  Gerling  diese  Idee  praktisch  ausführen 
"Würde.  Den  Preis  erhielt  Steinheii.  [G.  G.  A.,  34.  und  35.  Stück,  Gai-ss"  Werke  Bd.  VI. 
S.  649 — 652),  während  Gekling  nach  G.  G.  A..  Stück  134 — 135  vom  27.  Aug.  1835 
der  Verfasser  der  mit  dem  Accessit  ausfrezeichneteu  Arbeit  ist.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.     [Göttingen,  1835  Februar.]  617 


No.  684.  Gauss  an  Olbers.  [322 

[Göttiiigen,  1835  Februar.]^) 

Da  Sie  die  erste  Probe  von  vergleichenden  magnetischen  Beobb. 
so  gütig  aufgenommen  haben,  so  wird,  hoffe  ich,  eine  zweite-)  ein  ebenso 
grosses  Interesse  haben.  Es  sind  die  24 stündigen  Beobb.  an  dem  ersten 
neuen  Termin,  in  Göttingen,  Leipzig  und  Berlin  gemacht.  Sie  haben 
vor  den  früheren  den  Vorzug  einer  längeren  zusammenhängenden  Dauer, 
und  dass  an  drei  Orten  beobachtet  ist,  stehen  ihnen  dagegen  vielleicht 
in  der  Beziehung  etwas  nach,  dass  bei  der  grossen  Anzahl  der  Per- 
sonen, die  sich  in  die  Arbeiten  getheilt  haben  (hier  ihrer  8,  ich  selbst 
ohne  Antheil),  nicht  alle  gleich  geübt  waren,  so  wie  auch  in  Berlin  nur 
eine  kleine  Xadel  (.1  f()  aufgehängt  ist,  während  in  Göttingen  und 
Leipzig  4  pfundige  sind.  Es  ist  zu  bemerken,  dass  das  Auftragen  nur 
nach  nominellen  Skalentheilen  geschehen  ist,  die  in  Göttingen  und 
Berlin  gleiche  Geltung  haben  (21",8),  in  Leipzig  aber  eine  etwas 
grössere,  deren  genauer  AVerth  mir  aber  noch  nicht  bekannt  ist,  auch 
wohl  noch  eine  Zeit  lang  unbekannt  bleiben  wird,  da  die  grosse  Tor- 
sionskraft des  ]\Ietallfadens  einen  ei  heblichen  Einfluss  hat.  mit  dessen 
Ermittelung  Hr.  Prof.  Mobius  noch  nicht  umgehen  zu  können  scheint. 
—  Eine  dritte^)  noch  viel  interessantere  Probe  wird  jetzt  in  Kupfer 
gestochen,  und  wird  Ihnen  demnächst  auf  anderem  Wege  zukommen. 

üeber  das,  was  seit  Juli  1834  hier  Neues  hinzugekommen,  werde 
ich  vielleicht  bald  eine  Notiz  in  den  G.  A^)  geben.  Die  25  pfundige 
Nadel  in  der  Sternwarte,  mit  ihrem  Multiplikator  von  270  Windungen 
unter  2700  Fuss  Drahtlänge,  in  der  grossen  bis  zum  pln'S.  Kabinet 
gehenden  Kette,  worin  der  Strom  eine  Drahtlänge  von  fast  |  ]\Ieile  zu 
durchlaufen  hat,  bietet  zu  vielen  interessanten  Versuchen  Gelegenheit, 
die  noch  auf  lange  Zeit  Beschäftigung  geben,  und  noch  umfassendere 
geben  könnten,   wenn    die  Geldmittel  nicht  so  beschränkt  wären.     Ein 


^)  Datum  nach  dem  Inhalt  dieses  Briefes  (Anmerkung  2  unten  und  Anmerkung  1 
auf  S.  620)  vermuthlich  Ende  Jan.  oder  Febr.     Krm. 

*)  Die  Beilage,  die  Kurven  der  magnetischen  Variation  zu  Berlin,  Leipzig  und 
Göttingen  nach  den  Beobb.  vom  29.— 30.  Nov.  1834  enthaltend,  ist  hier  fortge- 
lassen: sie  befindet  sich  in  Poggendorff's  Annalen  der  Physik  und  Chemie,  1835 
Bd.  34,  vergl.  auch  Anmerkung  4  dieser  Seite.     Knn. 

")  Gleichzeitige  Beobb.  der  magnetischen  Variation  zu  Kopenhagen  und  Mailand 
am  5.-6.  Nov.  1834,  veröffentlicht  in  den  Ä.  N.  Bd.  12,  No.  276,  wieder  abgedruckt 
in  Gauss'  Werken  Bd.  V,  S.  537—540.  Vergl.  auch  Briefwechsel  Gaüss-Schümacher, 
Brief  No.  464 — 466  iind  die  folgenden.     Krm. 

*)  Gott.  Gel.Anz.  36.  Stück,  1835  März  7.  Gauss'  Werke  Bd.  V,  S.  528—536.    Krm. 


gjg  Gauss  an  Olbers.    [Göttingeii,  1835  Februar.] 

Versuch  gehört  aber  zu  den  schönsten,  die  in  diesem  Fach  je  gemacht 
sind,  und  wird  wohl  den  meisten  Naturforschern  sehr  überraschend 
sein,  obwohl  ich  nicht  durch  Zufall,  sondern  durch  Prämeditation  darauf 
gekommen  bin  und  des  Erfolges  schon  gewiss  war,  noch  ehe  ich  ihn 
gemacht  hatte.    Es  ist  folgender: 

Wenn  die  25  ^ -Nadel  in  beträchtliche  Schwingungen  gesetzt  wird, 
z.  B.  so  grosse,  wie  der  Kasten  verstattet,  etwa  27°,  so  können  dabei 
die  Nadeln  im  magnetischen  Observatorium  und  im  phj^s.  Kabinet  voll- 
kommen in  Ruhe  sein  und  bleiben  darin,  wenn  die  Kette  nicht  ge- 
schlossen ist  oder  eine  der  Nadeln  davon  abgesperrt  ist.  Ist  oder  wird 
aber  die  Kette  geschlossen,  so  dass  die  Multiplikatoren  im  magn,  Obs. 
und  im  Phys.  Kab.  mit  darin  sind,  so  fangen  diese  beiden  Nadeln 
augenblicklich  an  mitzuschwingen.  Aber  am  merkwürdigsten  ist  die 
Art  der  Schwingungen.  Die  natürliche  Schwingungsdauer  der  Nadeln  ist 
25  U  in  der  Sternwarte  ....    42^3 

4  ^  im  magn.  Obs 20,5 

\ü  ivü.  phys.  Kab 13,8 

so  dass  z.  B.  für  die  Nadel  im  magn.  Obs.  die  Stellung  auf  der  Skale 
in  jedem  Augenblick  i  durch  die  Formel 

ausgedrückt  wird,  wenn  A  die  Stellung  der  Nadel  in  Ruhe.  R  die  an 
sich  willkürliche  halbe  Schwingungsgrösse,  T  eine  Epoche  bedeutet,  wo 
die  Nadelstellung  im  Maximum  war.  Allein  wenn  die  sympathetischen 
Schwingungen  eintreten,  so  sind  diese,  allgemein  zu  reden,  immer  ge- 
mischte, nämlich  eine  natürliche  von  willkürlicher  und  eine  inducirte 
von  bestimmter  Grösse,  z.  B.  unter  obigen  Voraussetzungen  die  Formel 

Dieses  r  ist  dem  Schwingungsbogen  der  grossen  Nadel  proportional 
und,  wenn  dieser  am  grössten  ist,  etwa  =  20  Skalentheile.  Fast  noch 
merkwürdiger  ist  der  a  priori  vorausgesehene  und  in  der  Erfahrung 
auf  das  Vollkommenste  bestätigte  Umstand,  dass  die  inducirten  Schwin- 
gungen, welche  mit  den  inducirenden  von  gleicher  Dauer  sind,  mit 
diesen  nicht  gleichen  Anfang  haben,  sondern  eine  halbe  Schwingungs- 
dauer (das  Bogenargument  90**)  davon  abstehen.  Die  gezeichneten 
Figuren  sehen  allerliebst  aus,  und  ich  liabe  es  in  meiner  Gewalt,  das 
R  oder  die  natürliche  Schwingung  unmerklich  zu  machen,  wo  dann  die 
Nadel  also  rein  eine  ihr  nicht  natürliche  Schwingung  zu  machen  ge- 
zwungen ist;  so  bald  die  Kette  geöffnet  wird,  nimmt  die  Nadel  sogleich 
wieder  ihre  natürliche  Scliwinjrunsr  allein  an. 


jr 


Gauss  an  (Hlers.     [Güttiugen,  1835  Febniar.]  (319 

Ganz  iiliniiche  Erscheinung:en  im  pliys.  Kab.,  nur  dass  aus  den 
Statt  habenden  Grössen  Verhältnissen  das  ;•  kleiner  wird  als  im  magn. 
Observatorium. 

Am  allermerkwiirdigsten  aber  ist  der  gleichfalls  genau  voraus- 
gesehene Fall,  wo  in  der  Kette  eine  zweite  Nadel  ist,  deren  natürliche 
Schwingungsdauer  der  der  grossen  gleich  ist.  Ich  hatte  dies  nicht  so- 
fort jealisiren  können,  aber  jetzt  ist  dies  auch  geschehen,  genau  mit 
dem  erwarteten  Erfolg.  Im  phys.  Kab.  wurde  die  Nadel,  wie  man  es 
nennt,  astatisch  gemacht,  d.  i.  zwei  Nadeln  mit  entgegengesetzten  Polen 
verbunden,  wovon  die  eine  etwas  weniges 
stärker   ist   als    die   andere.     Auf  diese  wirkt 

der  Erdmagnetismus  schwächer,  daher  längere      ^ 

Schwingungsdauer,  während  der  Multiplikator        

nicht  bloss  ebenso  stark  wie  vorher,  sondern  g 
noch  fast  50^0  stärker  einwirkt.  So  wurde  l 
die  Schwingungsdauer  dieser  Doppelnadel  auch  Fig.  30. 

genau   auf    42*,3    gebracht.     Der   Erfolg  ist, 

dass  für  den  Augenblick,  wo  die  Kette  geschlossen  wird,  indem  die 
25 pfundige  schon  vorher  schwang,  die  im  phys.  Kab.  sofort  auch 
anfängt  zu  schwingen,  und  diese  Schwingungen,  anfangs  massig, 
nahmen  beständig  an  Grösse  zu,  so  dass  sie  nach  l  Stunde  auf 
30^  angewachsen  waren.  Hier  sind  nun  aber  die  Elongationen  mit 
denen  der  grossen  Nadel  gleiclize'iiig .  obwohl  nach  Lage  der  Um- 
stände entweder  gleichnamig  (d.  i.  Maximum  mit  Maximum)  oder  un- 
gleichnamig (Maximum  mit  ^Minimum).  Das  ganze  Phänomen  ist  eine 
Art  von  Abspiegelung  dessen,  was  im  Sonnensystem  vorgeht,  näm- 
lich der  periodischen  Störungen  im  ersten  Fall,  der  Säkularstörungen  im 
zweiten,  nur  haben  sie  den  Vorzug,  dass,  während  w'ir  bei  den  Planeten- 
störungen bloss  müssige  Zuschauer  sind,  wir  hier  die  ebenso  scharf 
oder  zum  Theil  noch  viel  schärfer  zu  messenden  Wirkungen  selbst  nach  Ge- 
fallen hervorbringen.  Ueberhaupt  ist  die  Schärfe  in  allen  diesen  Dingen 
bewundernswürdig.  ^Mr  vergleichen  z.  B.  durch  derartige  Manöver  die 
Uhren  in  der  Sternwarte,  dem  magn.  Obs.  und  phys.  Kab.  jeden  Augen- 
blick auf  0^,1  genau,  und  ich  bin  vollkommen  überzeugt,  dass  wir  auf 
dieselbe  Art  ebenso  sicher  die  Uhren  in  Göttingen  und  Bremen  ohne 
Zwischenstation  direkt  vergleichen  könnten,  wenn  nur  jemand  das  Geld 
dazu  hergeben  wollte,  eine  |  Finger  dicke  Kette  von  Kupferdraht  von 
Göttingen  nach  Bremen  zu  führen.  Vielleicht  kann  ich  in  Zukunft  die 
Gleise  von  Eisenbahnen  zu  analogen  Zwecken  benutzen. 

Ich  muss  noch  bemerken,  dass  freilich  genau  betrachtet,  ebenso 
gut  die  Schwingungen  der  zweiten  oder  dritten  Nadel,  Schwingungen 
in  den  beiden  anderen  erzeugen  müssen;  allein  ich  habe  durch  die  Rech- 


g20  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1835  April  20. 

nung  gefunden,  dass  solche  unmerklich  sind,  was  auch  die  Versuche 
bestätigen.  Vor  der  Hand,  d.  i.  so  lange  man  sich  nicht  auch  Nadeln 
von  ähnlicher  Kraft,  wie  meine  25 pfundige,  oder  stärkere  verschafft, 
wird  also  dieser  interessante  Versuch  der  sj'mpathetischen  Schwingungen 
in  grosser  Ferne  anderwärts  nicht  nachgemacht  werden  können.  Ein 
paar  solcher  25  pfundigen  Nadeln  kommen  übrigens  nach  Kopenhagen. 
Hier  bleiben  vorerst  noch  12  oder  14.  Eine  etwas  beträchtliche  Zahl 
muss  man  nothwendig  besitzen,  um  in  ihnen  durch  wiederholte  gegen- 
seitige Verstärkung  ihre  volle  Kraft  hervorzurufen. 

Sie  müssen,  mein  theuerster  Olbers,  es  mir  schon  zu  Gute  halten, 
wenn  ich  Sie  so  viel  mit  meinen  magnetischen  Beschäftigungen  be- 
lästige, für  die  ich  selbst  ein  so  zu  sagen  dankbares  Interesse  haben 
muss,  weil  sie  fast  das  Einzige  sind,  was  mir  die  Tragung  der  zweiten 
Hälfte  der  letzten  41  für  mich  so  trüben  und  bis  diesen  Augenblick 
sorgenvollen  Jahre  erleichtert  hat.  Es  thut  mir  freilich  weh,  anderen 
tieferen  Arbeiten  gewissermaassen  entfremdet  zu  werden,  aber  es  liegt 
nicht  an  meinem  guten  Willen.  Zur  Ausarbeitung  meiner  allgemeinen 
UntersiicJmngen  über  die  anziehenden  und  abstossenden  Kräfte,  von 
deren  Inhalt  Ihnen  eines  der  darin  vorkommenden  Theoreme,  welches 
ich  in  der  Intensitas  etc.  pag.  10  angeführt  habe,  eine  Idee  geben  kann, 
habe  ich  wenigstens  ein  halb  Dutzend  Male  angesetzt,  aber  es  immer 
wieder  mit  dem  Gefühl  weglegen  müssen,  dass  dazu  ein  sorgenfreierer 
Geist  erfordert  wird.^) 


No.  685.  Olbers  an  Gauss.  [ses 

Bremen,  1835  April  20. 

Endlich  ist  doch  das  lange  von  mir  ersehnte  Frühjahr  heran- 
gekommen und  der  böse  Winter  beendigt.  Ich  habe  diesen  Winter 
viel  gelitten,  und  wenn  auch  nun  bei  milderer  Temperatur  die  katar- 
rhalischen Brustbeschwerden,  die  mich  so  sehr  quälten,  sich  allmählich 
verlieren  sollten,  so  fühle  ich  doch  nur  zu  sehr,  dass  meine  körperlichen 
und  geistigen  Kräfte  durch  diesen  Winter  eine  sehr  merkliche  Schwächung, 
erlitten  haben,  die  natürlich  bleibend  sein  wird.  Auch  meine  äusseren 
Sinne  haben  sfelitten,  nämlich  Gesicht  und  Gehör.    Freilich  alles  Folgen 


*)  Der  Schluss  fehlt;  zeitlich  und  inhaltlich  ist  es  aber  auch  möglich,  dass  der 
vorliegende  Brief  No.  684  (ohne  Unterschrift  und  ohne  Datum)  der  Anfang  eines  zwei 
Bogen  starken  Briefes  ist,  und  dass  dann  Brief  Xo.  683  den  zweiten  Bogen  bildet, 
zumal  da  letzterer  nicht  die  sonst  übliche  Anrede  im  ersten  Satze  enthält.  In  der 
Sammlung  der  Originalbriefe  werden  die  beiden  Bogen  als  zwei  getrennte  Briefe  ge- 
führt.    Krm. 


Olliers  an  (Jauss.     Bremen,  1835  April  20.  621 

des  ziinelmieiulen  Alters,  über  die  ich  kein  Eecht  zu  klagen  habe,  da 
ich  jeden  noch  zu  frlehtMuh-n  Tau-  als  ein  überzähliges  Gnadengeschenk 
ansehen  niuss. 

Mein  Sohn  und  mein  Schwiegersohn  haben  auch  mehrere  Monate 
gekränkelt  und  mir  mitunter  manche  Sorge  gemacht.  Beide  werden 
diesen  Sommer  eine  ernstliche  Kur  gebrauchen  müssen. 

Doch  genug  von  diesen  Infirmitäten.  Nun  zuerst,  mein  aller- 
theuerster  gütiger  Freund,  meinen  herzlichsten,  innigsten  Dank  für  Ihre 
interessanten  ]\Iittheilungen  über  die  von  Ihnen  entdeckten  Wunder  des 
Magnetismus.  Staunen  erregen  mir  die  gleichzeitigen  Schwingungen 
der  Magnet- Nadeln  in  dem  astron.  Observatorium,  dem  magn.  Obs. 
und  dem  physikalischen  Kabinet,  und  ihre  Gesetze,  ob  Sie  selbst  gleich 
schon  alle  diese  Erscheinungen  nach  einer  mir  noch  ganz  unbegreif- 
lichen Theorie  vorausgesehen  haben.  Ein  ebenso  grosses  Staunen  die 
so  genau  gleichzeitig  stattfindenden,  augenblicklichen  Anomalien  auf 
eine  grosse,  noch  unbestimmte  Entfernung,  sowohl  in  Länge  als  in 
Breite,  wovon  die  mir  so  gütig  geschickte  schöne  Karte  der  Ver- 
änderungen zwischen  Göttingen,  Leipzig  und  Berlin,  und  nun  in  den 
AstroiwmisrJien  XacliricJiten  zwischen  Mailand  und  Kopenhagen  so 
bewundernsAVürdige  Beweise  liefern.  Wissen  möchte  ich  nur  im  All- 
gemeinen, ob  Sie  die  Ursachen  dieser  schnellen  Schwankungen  in  kos- 
mischen oder  terrestrischen  Einwirkungen  suchen,  und  ob  Sie  im  letzteren 
Fall  auch  das  Innere  unserer  Erde  für  eine  glühende  geschmolzene 
Masse  zu  halten  geneigt  sind?  —  Freilich  hätte  ich  noch  viele  andere 
Fragen  zu  machen,  deren,  wenn  auch  nur  partielle  Beantw^ortung  mir 
sehr  erwünscht  sein  würde,  z.  B.  haben  Sie  schon  die  mittlere  absolute 
Inklination  und  Deklination  der  Nadel  für  Göttingen  genau  bestimmt? 
Nimmt  die  westliche  Dekl.  noch  immer  ab,  und  in  welchem  Verhält- 
nisse? Finden  auch  nach  den  Jahreszeiten  Veränderungen  in  der  mitt- 
leren Dekl.  statt,  und  befolgen  diese  noch  dieselben  Gesetze,  wie  sie 
Cassini  am  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  fand?  etc.  etc.  Doch  es 
würde  unbescheiden  sein,  auf  diese  Fragen  jetzt  von  Ihnen  Auskunft 
zu  verlangen,  und  ich  will  gern  warten,  bis  das,  w^as  Sie  der  Welt  öffent- 
lich mittheilen  werden,  uns  darüber  belehren  ward. 

Der  HALLEY'sche  Komet  ^)  hat  nii'gends  vor  seiner  Konjunktion 
erblickt  werden  können.  Ein  Beweis,  dass  er  an  Grösse  und  an  Hellig- 
keit bei  gleichem  Abstände  von  der  Sonne  sowohl  dem  grossen  Kometen 
von  1811.  als  auch  dem  von  1825  bei  weitem  nachsteht.    Überhaupt 


^)  Zweite  voraiisbereclinete  Wiedererscheinung-  des  HALLEY'sclien  Kometen  (Komet 
1835  III),  welche  erst  im  Aug.  1835  wahrgenommen  wurde.  Vergl.  Brief  No.  689 
und  690.  ferner  Olbers  Bd.  I  No.  127—129.     Krm. 


622  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1835  April  20. 

müssen  wir,  um  liclitschwache  Kometen  lange  vor  und  nach  ihrer  Sonnen- 
nähe sehen  und  uns  die  Wunder  der  Nebelflecke  völlig  aufschliessen  zu 
können,  nothwendig  eine  mit  den  grössten  optischen  Hülfsmitteln  aus- 
gerüstete Sternwarte  in  den  Tropengegenden  von  Amerika,  18  bis 
16000  Fuss  über  den  niederen  Schichten  der  Atmosphäre  erhaben,  benutzen 
können,  wo  der  Himmel  völlig  schwarz  erscheinen  und  auch  der  schwächste 
Nebel  sichtbar  sein  wird.  "Was  werden  unsere  Nachkommen  auf  einer 
solchen  Sternwarte  noch  alles  am  Himmel  entdecken?  Und  wir  erhalten 
gewiss  eine  solche  Sternwarte,  wenn  die  Astronomen  nur  unanfhchiich 
an  ihre  Nothwendigkeit  erinnern.  —  Nun  werden  wir  uns  noch  4  Monate 
bis  zur  letzten  Hälfte  des  Aug.  gedulden  müssen,  ehe  der  HALLEr'sche 
Komet  aufgefunden  wird,  und  die  Ungewissheit.  die  über  die  Zeit  seines 
Perihels  herrscht,  gehoben  werden  kann.  Eine  Ungewissheit,  die  ge- 
wissermaassen  noch  immer  grösser  wird,  da  Pontecoulaxt  nun  nach 
abermaliger  Revision  seiner  Rechnungen  und  Einführung  einer  richtigeren 
.Tw^^i^er-Masse  den  Tag  der  Sonnennähe  auf  Nov.  12,6  bestimmt  hat. 
Dies  kommt  nur  scheinbar  mit  Rgsenberger's  Angabe  nahe  überein. 
Denn  Pontecoulant  hat  den  Einfluss  des  Merkur,  der  Venus  und  des 
Mars  gänzlich  vernachlässigt,  die  doch  nach  Rosenberger's  Bestim- 
mung die  Zeit  des  Perihels  um  6  Tage  verfrühen  werden. 

Dass  Hrn.  v.  Steinheil  der  Preis  wegen  seines  Photometers  zu- 
erkannt worden  ist,  weiss  ich  bloss  aus  öffentlichen  politischen  Blättern. 
Da  ich  die  Gott.  Gel.  Am.  in  einem  Lesecirkel  erhalte,  so  kommen  die 
einzelnen  Abtheilungen  oft  erst  sehr  spät  an  mich,  und  ich  bin  noch 
im  December.  Höchst  begierig,  etwas  Näheres  über  dies  Photometer  zu 
wissen,  habe  ich  mir  doch  mühsam  den  Januar  und  Februar  dieser 
Anzeigen  verschafft,  aber  noch  kein  Wort' über  die  Preisvertheilung 
darin  gefunden.  Sollte  Ihre  Relation  über  die  eingekommenen  Photo- 
meter schon  gedruckt  sein,  so  würden  Sie  mich  sehr  verpflichten,  wenn 
Sie  mir  das  Stück  der  G.  G.  A.,  worin  sie  enthalten  ist.  schicken  wollten. 
Wird  aber  fürs  erste  noch  nichts  darüber  gedruckt,  so  möchte  ich  die 
Bitte  wagen,  mir  baldmöglichst  eine  kurze  Beschreibung  des  Steinheil'- 
schen  [Photometers]  und  Nachricht,  was  es  dem  Erfinder  geleistet  hat, 
und  überhaupt  künftig  leisten  kann,  zu  geben.  Ein  ganz  zweckmässiges 
Photometer  halte  ich  für  ein  wahres  Bedürfniss  unserer  jetzigen  Stern- 
kunde. 

Dieser  Tage  las  ich  in  dem  47.  Bande  des  Quart erly  Eevieu;  in 
einer  Recension  von  „Mrs.  Somerville's  MerJianism  of  the  Jicavnh<." 
eine  mir  sehr  auffallende  Behauptung  des  Receusenten.  Er  raisonnirt 
so:  Lagrange  und  La  Place  hätten  bewiesen,  dass,  die  Einwirkung 
der  Planeten  aufeinander  möchte  sein,  wie  sie  wolle,  doch  die  Summe 
der  Quadrate  aller  ihrer  F.xcentricitäten,  jede  mit  einem  unveränder- 


Gauss  an  Olbers.     Güttiugen,  1835  April  '2'2.  623 

liehen  Koefficienten  inultiiilioirt.  eine  nnveränderliche  Grösse  bleibe. 
Wären  nun  im  Anfange  die  sämnitliclien  Bahnen  der  Planeten  voll- 
kommene Kreise  gewesen,  so  wäre  die  Summe  der  Quadrate  ihrer  Ex- 
centricitäten  =  0,  und  müsste  auch  immer  =  0  bleiben,  welches,  da  keiner 
jener  Koefticienten  negativ  sei,  nicht  anders  stattfinden  könne,  als  wenn 
jede  dieser  Bahnen  immer  ein  vollkommener  Kreis  bleibe.  —  Ist  diese 
Behauptung  gegründet? 

Von  Ihrem  lieben  Sohn  in  Amerika  haben  Sie  wohl  noch  keine 
Nachrichten  weiter?  Mir  ist  eingefallen,  ob  nicht  Bowditcii  der  Mann 
wäre,  der,  wenn  er  auch  selbst  nicht  unmittelbar  Ihren  Sohn  weiter 
forthelfen,  doch  die  Mittel  und  Wege  anzeigen  könnte,  wie  ihm  weiter 
fortzuhelfen  wäre.  Die  Uebersetzung  von  La  Place  durch  Bowditch, 
die  doch  wohl  auf  der  Göttinger  Bibliothek  angeschafft  ist,  würde  Ihnen 
leicht  Gelegenheit  geben  können,  mit  ihm  einen  Briefwechsel  zu  entamiren, 
der  auch  künftig  meinem  lieben  Pathen,  wenn  dieser  bei  seinem  Vor- 
satz bleiben  sollte,  seine  ökonomischen  Kenntnisse  in  Amerika  geltend 
zu  machen,  von  grossem  Nutzen  sein  könnte. 

Am  30.  März  ist  das  Amtsjubiläum  meines  seit  unseren  gemein- 
schaftlichen Universitäts-  Jahren  ununterbrochen  sehr  vertrauten  Freundes, 
des  Senators  Dr.  Deneken,  sehr  festlich  von  Rath  und  Bürgerschaft 
gefeiert.  Ein  solches  50  jähriges  Jubelfest  eines  noch  in  wirklichem 
aktiven  Dienste  befindlichen  Senators  ist  bisher  eine  so  seltene  Er- 
scheinung gewesen,  dass  sie  sich  fast  in  300  Jahren  nicht  ereignet  hat. 
Der  Bremer  Senat  besteht  aus  4  Bürgermeistern  und  24  Senatoren; 
Deneken  hat  während  der  50  Jahre  nach  und  nach  18  Bürgermeister 
und  75  Senatoren  als  Kollegen  gesehen. 

Leben  Sie  wohl,  mein  allertheuerster,  geliebtester  Freund,  der 
Himmel  erhalte  Sie  und  alle  die  Ihrigen  in  Gesundheit,  Wohlergehen 
und  Frohsinn.  Wenn  es  Ihnen  möglich  ist,  so  erfreuen  Sie  Ihren  alten 
Freund  bald,  recht  bald  wieder  mit  einigen  Zeilen. 


No.  686.  Gauss  an  Olbers.  [323 

Göttingen,  1835  April  22. 

Auf  Ihren  theuren  Brief,  den  ich  so  eben  erhalte,  eile  ich  sogleich 
wenigstens  ein  paar  Zeilen  zu  erwidern. 

Recht  von  Herzen  wünsche  ich,  dass  der  Frühling  bald  milder  ein- 
treten möge  als  bisher,  und  wohlthätig  auf  Ihr  Befinden  einwirken 
möge.  Auch  meine  Töchter  leiden  bei  dem  so  ungewöhnlich  lange  an- 
haltenden rauhen  Wetter  sehr.     Meine  eigene  Gesundheit  ist   fi-eilich 


(524  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1835  April  22. 

auch  nicht  viel  werth.  allein  dem  Wetter  kann  ich  daran  keine  Schuld 
beimessen,  da  kühle,  selbst  rauhe  Witterung  mir  im  Allgemeinen  am 
besten  zusagt,  während  solche  Wärme,  wie  z.  B.  die  des  vorigen  Som- 
mers, meine  Kräfte  aufreibt. 

Aus  Amerika  habe  ich  noch  keine  Nachricht  weiter.  Ich  glaube 
nicht,  dass  unsere  Bibliothek  die  von  Ihnen  erwähnte  Uebersetzung 
besitzt,  deren  Existenz  wie  ihr  Verfasser  und  sein  Aufenthaltsort  mir 
ganz  unbekannt  war. 

Mit  Verwunderung  sehe  ich  aus  Ihrem  Briefe,  dass  unsere  armen 

0.  A.  in  Bremen  so  wenig  gelesen  werden,  und  lege  Ihnen  daher  einen 
Extra-Abdruck,^)  den  ich  von  einer  Relation  über  einen  von  mir  ge- 
haltenen Vortrag  habe  nehmen  lassen,  bei.  Sehr  viel  Neues  werden  Sie 
freilich  wohl  nicht  mehr  darin  finden,  da  ich  das  meiste,  wenn  ich  mich 
recht  erinnere,  Ihnen  vorher  brieflich  mitgetheilt  hatte.  Zu  Vermuthungen 
über  die  Ursachen  der  magnetischen  Veränderungen  liegt  noch  zu  wenig 
Stoff  vor,  und  ich  habe  immer  eine  Abneigung  oder  wenigstens  eine 
Scheu,  Vermuthungen  zu  machen,  wo  eine  Basis  fehlt.  Aber  für  kos- 
misch in  dem  Sinne,  wie  man  das  A\'ort  nimmt,  halte  ich  die  Ursachen 
durchaus  nicht.  Die  Frage  kann  bloss  sein,  ob  sie  unterhalb  oder  ober- 
halb der  Erdoberfläche  ihren  Sitz  haben.  Ich  hoffe,  dass  die  Erfahrungen 
in  Zukunft  darüber  entscheiden  werden. 

Die  Induktionsversuche  -)  sollen  hier  bald  nach  einem  noch  grösseren 
Maasstabe  gemacht  werden.  Es  wird  eine  Induktionsrolle  zubereitet, 
wozu  etwa  für  20  Ethlr.  Draht  verwandt  wird  (übersponnener).  circa 
3500  Fuss  Länge  zu  etwa  ebenso  vielen  (8500)  Umwindungen.  Wie 
ganz  anders  könnten  die  Resultate  ausfallen,  wenn  grosse  Geldmittel 
dazu  verwandt  werden  könnten !  Sie  wissen  wohl  nicht,  dass  das  jähr- 
liche Budget  für  Sternwarte  und  Magnetisches  Observatorium  zusammen 
nur  150  Rthlr.  Courant   beträgt.     Ich   muss   also  meine  Kräfte  theilen 

1.  auf  die  Sache,  2.  darauf,  wie  mit  sehr  geringfügigen  Mitteln  viel  zu 
leisten  ist.  Von  Steinheil's  Photometer,  so  wie  von  den  Vorschlägen 
des  anderen  Konkurrenten  ist  eine  ausfühiliche  Beschreibung  in  den 
G.  G.  Ä.^)  gegeben.  Ich  bedauere  ausserordentlich,  dass  ich  gar  keine 
Extra-Abdrücke  \^on  dem  Blatt  habe  machen  lassen,  und  in  diesem  Augen- 
blick auch  nicht  einmal  Herr  von  meinem  eigenen  Exemplar  bin.  Ich 
habe  es  einem  Freund  geliehen,  der  gerade  verreist  ist  und  nicht  unter 


^)  Dieser  Abdruck  (-36.  Stück  der  G.  G.  A.)  ist  nicht  mehr  bei  den  Original- 
briefen.    Vergl.  Brief  No.  684  S.  617  Anmerkung  2  und  4.     Krui. 

^)  Vergl.  hierzu  Briefwechsel  Gauss-Schümacher,  Brief  No.  478  vom  5.  Apr.  und 
No.  487  vom  6.  Aug.  1836.     Krm. 

3)  Gott.  Gel.  Anz.  34.-35.  Stück.  1835  März  5,  Gauss'  Werke  Bd.  VI.  S.  649 
bis  652.     Krm. 


Gauss  au  Olbers.     Göttingen,  1835  April  28.  625 

einigen  Wochen  zurückkommen  wird.  Ich  kann  Ihnen  daher  auch  die 
Nummer  nicht  mit  Gewissheit  nachweisen;  allein  da  ich  mich  erinnere, 
dass  ich  fast  gleichzeitig  das  Blatt  mit  dem  anderen,  wovon  hier  der 
Abdruck  beiliegt,  zur  Korrektur  gehabt  habe,  so  sind  sie  ohne  Zweifel 
von  einer  Woche,  also  jenes  vermuthlich  Nr.  35  oder  Nr.  37.  Wenn  Sie 
sich  in  Bremen  das  Blatt  nicht  haben  selbst  verschaffen  können,  so 
wird  Ihnen  natürlich  mein  eigenes  Exemplar  nach  der  Rückkehr  des 
Borgers  gerne  zur  Ansicht  zu  Dienste  stehen.  Von  dem  Blatt  128  vom  v.J. 
habe  ich  Ihnen,  wenn  ich  nicht  irre,  damals  einen  Abdruck  geschickt.^) 
Im  entgegengesetzten  Fall,  und  wenn  es  Sie  interessirt,  und  Sie  es 
nicht  sonst  leichter  erhalten  können,  würde  ich  vielleicht  noch  einen 
Abdruck  davon  auftreiben  können. 

Dass  der  Himmel  Ihnen  körperliches  Wohlbefinden  und  geistige 
Heiterkeit,  ohne  welche  das  Leben  so  wenig  Werth  hat,  stets  erhalten 
möge,  ist  mein  innigster  Wunsch. 


No.  687.  Gauss  an  Olbers.  [324 

Göttingen,  1835  April  28. 

Hr.  BoGUSLAwsKT,  Konservator  der  Sternwarte  in  Breslau,  zeigt 
mir  an,  dass  er  am  20.  im  Raben  einen  teleskopischen  Kometen^)  ent- 
deckt habe.  Seine  noch  nicht  genau  reducirten  Positionen  am  20.  u.  21. 
waren : 

Apr.  20     12'^39°^,3  M.  Z.     ^  11*^58' 11",4     Dekl.  —  12°   6'57",6 
21       9  17,5  11  53     1,8  —11  32  18,1 

9  54,0  11  52  52,2  —  11  30  53,1 

Zugleich  trägt  er  mir  auf,  Ihnen,  mein  theuerster  Freund,  diese 
Nachricht  mitzutheilen. 

Eilig.  

No.  688.  Olbers  an  Gauss.  [364 

Bremen,  1835  April  29. 

Ich  eile,  Ihnen,  wenn  auch  nur  mit  ein  paar  Worten,  für  die  sehr 

erwünschte  geschwinde  Antwort  auf  meinen  letzten  Brief  den  herzlichsten 

Dank  zu  sagen,  und  eile  um  so  mehr,  damit  Ihre  Gefälligkeit  Sie  jetzt 

licht  noch  zu  neuen,  nun  unnöthigen  Bemühungen  veranlasst.  Seit  gestern 


^)  Im  Brief  No.  680  vom  31.  Aug.  1834,  S.  607.     Krm. 
2)  Komet  1835  I.    Krm. 

Olbers.     II,  2.  40 


(326  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1835  April  29. 

habe  ich  den  März-Monat  der  G.  O.  A.  in  Händen  und  nunmehr  Ihren 
Bericht  über  die  Preisschriften  gelesen.  Es  ist  mir  unbegreiflich,  wie 
der  so  sinnreich  angeordnete  Apparat  in  der  nicht  gekrönten  Preis- 
schrift bei  der  Anwendung  so  fehlerhafte  Resultate  geben  konnte,  und 
ich  hoffe  noch  immer,  der  Verfasser  (doch  wohl  unser  Freund  Geklixg?) 
wird  bei  näherem  Studium  seines  Werkzeugs  die  Fehlerquelle  auffinden 
und  beseitigen  können.  Dass  auf  die  verschiedene  Höhe  der  Sterne 
strenge  Rücksicht  genommen  werden  muss,  versteht  sich  von  selbst. 
Das  Uebrige  scheint  wohl  in  dem  noch  nicht  genug  berichtigten  Gesetz, 
nach  welchem  die  zurückgespiegelten  Bilder  lichtschwächer  werden 
nach  den  verschiedenen  Einfalls- Winkeln,  zu  liegen.  Sollte  sich  hier 
nicht  etwas  von  Polarisation  des  Lichts  einmischen?  —  Bei  der  ge- 
krönten Preisschrift  des  nun  Professor  gewordenen  Dr.  Steinheil  be- 
dauere ich  nur,  noch  keine  wirkliche  Anwendung  auf  den  Sternhimmel 
zu  finden.  Doch  wird  der  Verfasser  dies  wohl  nachholen,  wenn  das 
Werkchen,  wie  ich  hoffe,  bald  gedruckt  wird. 

Nathaniel  Bowditch  unterschreibt  sich  in  den  Schriften,  die  ich 
von  ihm  gesehen  habe,  L.  L.  D.  Memher  of  the  American  PhUosophical 
Society  lield  at  Philadelphia,  of  the  American  Academy  of  Arts  and 
Sciences  (er  ist  also  unser  Kollege),  of  the  Connecticut  Academy  etc.  etc. 
Er  ist  unstreitig  einer  der  ausgezeichnetsten  Mathematiker  von  Amerika. 
Sein  Practical  Navigator  hat  viele  Auflagen  erlebt.  Er  hat  viele  Stellen 
im  La  Place,  besonders  in  den  numerischen  Exempeln,  verbessert,  unter 
anderen  tadelt  er  auch  die  allzu  grosse  Ausdehnung  des  Satzes,  den  ich 
in  meinem  vorigen  Briefe  erwähnte,  dass  wenn  m.  m',  m"  etc.  die  Massen, 
(i,  a\  a"  etc.  die  mittleren  Abstände,  e,  e',  e"  etc.  die  Excentricitäten  der 
Planeten  sind, 

me^  Va  +  me'^V~ä'  +  m"e"^  \a^  etc.  =  const. 

sei.  Er  meint,  man  müsse  ihn  einschränken,  weil  man  bei  seiner  Fest- 
stellung die  4.  Potenzen  von  e,  e'  etc.  vernachlässigt  habe,  da  doch  unter 
den  so  weggelassenen  Gliedern  einige  weit  grösser  wären,  als  einige 
von  den  beibehaltenen.  Sie  können,  wenn  Sie  wollen,  viele  Aufsätze 
von  ihm  in  den  Memoirs  of  the  American  Academy  finden,  die  gewiss 
auf  der  Göttinger  Bibliothek  sein  werden.  Jetzt  hat  er  das  gigantische 
Werk  unternommen,  die  Mecanique  Celeste  nicht  bloss  zu  übersetzen, 
sondern  mit  einem  fortlaufenden  Kommentar  zu  vei*sehen.  Der  erste 
Band,  schon  1829  gedruckt,  wurde  in  England  mit  grossem  Beifall  auf- 
genommen; ob  schon  mehrere  Bände  heraus  sind,  weiss  ich  nicht 
Bowditch  wohnt  zu  Salem,  nicht  weit  von  Cambridge  und  Boston,  in 
Neu-England. 

Eben   erhalte   ich   Schumacher's  Kometencirkular,   worin  Bouus- 


üau-ss  au  ölii.r-.     Uöttiugren,  1835  November  11.  (527 

LAWSKY  einen  von  ihm  am  '20.  Apr.  beim  Raben  entdeckten  kleinen 
Kometen  [anzeigrt]. 

Mich  wnndert,  dass  Littrow  noch  nicht  [das]  alberne  Zeitiings- 
Geschwätz  widerlegt  oder  berichtigt  hat,  als  ob  Herschel  ihm  ge- 
schrieben hätte,  H.vlley's  Komet  habe  seine  Bahn  verändert  und  werde 
nicht  kommen. 

Für  die  sehr  interessanten  Magnetica  kann  ich  heute  bloss  danken. 


No.  689.  Gauss  an  Olbers.  [S'^s 

Göttingen,  1835  November  11. 

Da  Sie  an  meinen,  wenn  auch  unbedeutenden  Arbeiten  immer  ein 
so  freundschaftliches  Interesse  nehmen,  so  bin  ich  so  frei,  Ihnen  hier 
die  Aushängebogen  eines  Aufsatzes  über  Erdmagnetismus  und  Magneto- 
meter^)  zu  überschicken.  Ich  habe  mich  nur  auf  dringendes  Bitten  von 
ScHUMACHEE  (für  Sein  1836  zum  ersten  Male  erscheinendes  Jahrbuch) 
entschliessen  können,  etwas  in  dieser  Form  zu  schreiben,  wozu  ich  sonst 
wenig  Neigung  habe,  und  vielmehr  die  darauf  verwandte  Zeit  bedauern 
möchte  Denn  gerade  Schreibereien  der  Art  kosten  mir  sehr  viele  Zeit, 
und  ich  schäme  mich  fast,  Ihnen  zu  sagen,  wie  sehr  lange  ich  an  jenem 
Aufsatze  geschrieben  habe.  Wollen  Sie,  lieber  Olbers,  mir  Ihre  Be- 
merkungen und  Erinnerungen  darüber  oifen  mittheilen,  so  w^erde  ich 
dies  dankbar  erkennen,  um  so  mehr,  da  ich  vieles  von  dem  hier  Be- 
rührten zu  Zeiten  auch  mündlich  vorzutragen  habe,  wo  denn  freilich 
bei  manchen  Dingen  tiefer  eingedrungen  werden  muss. 

Von  meinem  zweiten  Sohn  habe  ich  vor  gar  nicht  langer  Zeit  einen 
Brief  gehabt,  W'oraus  seine  nächsten  Absichten  bei  seinem  im  künftigen 
Frühjahr  bevorstehenden  Austritt  sich  entnehmen  lassen.  Sie  würden 
schwerlich  jene  errathen  haben,  aber  er  scheint  mit  Leib  und  Seele 
•daran  zu  hängen;  er  will  etwa  in  einem  theologischen  Seminar  noch 
Vorbereitung  nehmen,  um  Missionar  zu  werden.  Von  seinem  Vorgesetzten, 
Kapitän  Loomis,  war  ein  Zeugniss  beigelegt,  worin  dieser  seine  Zu- 
friedenheit mit  meinem  Sohn  als  Militär  sehr  entschieden  bezeugt,  zu- 
gleich aber  attestirt,  dass  dieser  im  vorigen  Winter  „in  a  religious 
meeting"  öffentlich  seinen  Entschluss  „henceforth  to  serve  God"  erklärt 
habe;  Hr.  Loomis  bezeugt  ferner  sein  gewissenhaftes  behaviour  nicht 
bloss  [as]  a  saldier  of  the  Government  of  the  U.  S.,  sondern  auch  as  a 


^)  Wieder  abgedruckt  in  Gauss'  Werken  Bd.  V,  S.  315—344.    Vergl.  auch  Brief- 
T^-echsel  Gauss-Schumacher,  Brief  No.  479 — 486.     Kriu. 

40* 


ß28  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1835  November  11. 

soldier    of  the  cross  and  a  foUower  of  Our  Lord   and   Saiiour  Jesus 
Christ. 

Wie  viel  Falsches  und  Heuchlerisches  sich  auch  oft  in  solche 
pietistischen  Riclitung-en  einmischen  mag,  so  erkenne  ich  doch  von  ganzem 
Herzen  das  Gescliäft  eines  Missionars,  soweit  es  darauf  geht,  den  noch 
halbwilden  Theil  der  Erdbewohner  der  Humanität  zuzuführen,  als  einen 
höchst  ehrwürdigen  Beruf  an.  Mag  mein  Solm  sich  immerhin  einige 
Jahre  dabei  versuchen. 

Da  Sie  mir  früher  Ihre  gütige  Bereitwilligkeit  erklärt  haben,  Briefe 
nach  Amerika  zu  befördern,  so  nehme  ich  mir  die  Freiheit,  einen  Brief 
hier  beizuschliessen.  Ich  habe  den  Zusatz  ..care  of  Mr.  Buedexkamp, 
Neiv  York^^  nicht  beigesetzt,  da  ich  nach  Ihrer  früheren  Nachricht  un- 
gewiss bin,  ob  dieser  nacli  seinem  Fallissement  sich  noch  in  Xew  York 
aufhält.  Ich  hoffe  jedoch,  dass  Sie  ohne  zu  grosse  Unbequemlichkeit 
irgend  einen  sicheren  Weg  wissen,  da  es  doch  im  Grunde  nur  darauf 
ankommt,  dass  der  Brief  in  irgend  einer  nordamerikanischen  Stadt  auf 
die  Post  gegeben  w'ird. 

Den  Kometen^)  habe  ich  nur  wenige  Male  beobacliten  können;  in 

der  günstigen  Zeit  habe  ich  ihn  auch  nur  einmal  gesehen,  wo  sein  Anblick 

etwas  sehr  Auffallendes  darbot.     Es  war  (ich  glaube  am  12.  Okt..  doch 

schreibe  ich  in  diesem  Augenblick  nur  aus  dem  Gedächtniss)  ein  sehr 

heller  und  sehr  kleiner  Kern  da.  der  aber  nach  dem  Scheitelpunkt  des 

parabolischen  Schw'eifs  zu,  obwohl  nicht  genau,  sondern  etwas  seitwärts, 

einen  fächerartigen  Auswuchs  hatte,  etwa  wie  ein  Ej-eis- 

sektor  von  120 '',   viel   heller   als  der  Schweifstoff,  aber 

viel  schwächer  als  der  Kern,  und  eher  rothgelh,  während 

der  Kern  w^eissgelb  war.   Leider  habe  ich  dies  nur  einige 

Minuten  beobachtet,  da  mein  Vorsatz  an  späteren  Abenden 

eine  ganz  besondere  Aufmerksamkeit  darauf  zu  richten, 

durch  das  stets  ungünstige  Wetter  vereitelt  wurde.   Ich 

w^eiss  also  gar  nicht,  was  ich  daraus   machen  soll.    Dr. 

Fig.  31.  Goldschmidt  und  meine  Tochter  sahen  es  ganz  ebenso 

wie   ich.     Die  grosse  Helligkeit  des  Kerns  machte  mir 

Hoffnung,  den  Kometen  Im  Tage  sehen  zu  können ;  ich  habe  ihm  mehrere 

Male   im  Meridian  aufgepasst,   aber  immer  vergeblicli.   wiewolil   auch 

jedesmal  die  Luft  etwas  dunstig  Avar. 

Die  Theilnahme  an  magnetischen  Beobb.  verbreitet  sich  immer 
mehr;  es  sind  Apparate  von  hier  nach  Upsala.  Freiberg.  München  und 
Wien  gekommen.     In  Eussland  wird  bald  bis  Xertschinsk  mit  Magneto- 


')  Der  Halley'scIib   Komet    (1835   III).     Zu    iler   merkAvürdiireu   Ausströmung 
vergl.  den  folgenden  Brief  Olbers'  und  die  zugehörigen  Anmerkungen.     Krm. 


Olbers  an  Gauss.     Ün'uieu,  1835  December  2.  629 

nietern  beobachtet  werden.  Dieser  Tage  zeigte  mir  aucli  Aiey  (Pond's 
Nachfolger)  an,  dass  er  die  Absicht  habe,  bei  Greenwich  regelmässig 
magnetische  Beobb.  zu  machen,  und  verlangte  mein  Gutachten. 

Mit  der  Leipzig-Dresdener  Eisenbahn  soll  ein  magneto-galvanischer 
Telegraph  verbunden  werden  (vor  der  Hand  diese  Xaehricht  unter  uns). 
Eine  ganz  artige  Entdeckung  oder  Bemerkung^)  habe  ich  vor  etwa 
ü  Wochen  gemacht,  dass  man  den  Sinn  (ob  -j-  oder  — )  eines  galvanischen 
Induktions-Impulses  ganz  bestimmt  mit  den  Lippen  unterscheiden  kann, 
so  dass  wir  zum  Spass  schon  so  telegraphirt  haben,  dass  die  Depesche 
aufgeschmeckt  wurde. 


No.  690.  Olbers  an  Gauss.  [ses 

Bremen,  1835  December  2. 

Sie  haben  mir  durch  Ihren  lieben  Brief  und  Ihren  herrlichen  be- 
wundernswürdigen Aufsatz  über  Erdmagnetisnuis  und  Magnetometer 
eine  sehr  grosse  Freude  gemacht.  Das  glaube  ich  wohl,  dass  Ihnen 
diese  populäre  Darstellung  viel  mehr  Mühe  und  Zeit  gekostet  hat,  als 
wenn  Sie  bloss  für  Sachverständige  hätten  schreiben  wollen.  Aber  es 
ist  auch  dagegen  ein  bisher  unübertroffenes  Muster  einer  Abhandlung 
geworden,  die  alles  in  dieser  doch  wahrlich  an  sich  nicht  ganz  leichten 
Materie  auch  dem  Laien  ebenso  klar,  deutlich  und  fasslich,  als  gründ- 
lich darstellt;  ich  wüsste  bei  diesem  Meisterstück  durchaus  nichts  zu 
erinnern,  und  kann  nur  sagen,  dass  ich  es  innigst  bewimdere. 

Den  Brief  an  Ihren  Hrn.  Sohn  habe  ich  gleich  besorgt.  Bei  der 
so  bestimmt  abgefassten  Adresse  schien  allen  eine  specielle  Rekomman- 
dation  ganz  unnöthig.  —  Nie,  ich  muss  es  gestehen,  hätte  ich  geglaubt, 
dass  Ihr  Hr.  Sohn  noch  einst  ein  Missionar  werden  würde.  Der  Himmel 
möge  seine  Bemühungen  auf  diesem  so  unerwartet  betretenen  Wege 
segnen. 

Den  Kometen'*)  habe  ich  doch,  trotz  meiner  Altersschwäche,  seit 
dem  22,  Sept.  mehrentheils  aus  meinem  kleinen  Gärtchen  mit  einem 
einfüssigen  HorMANN'schen  achromatischen  Kometensucher  öfter  ge- 
sehen, mich  auch  zweimal,  am  18.  und  22.  Okt.,  mühsam  von  meinem 
Bedienten  auf  mein  sogenanntes  Observation s-Zimmer  schleppen  lassen, 
und  den  Kometen  wenige  Mnuten  hindurch  mit  meinem  btüssigen  Dollo7id, 
aber    nur    unter   44  maliger  Yergrösserung  betrachtet.      Stärkere  Ver- 


^)  Vergl.  auch  Brief  No.  491  vom  13.  Sept.  1835  im  Briefwechsel  Gauss- 
Schumächer.     Krm. 

'^')  Vergl.  zu  dem  Folgenden  auch  Briefwechsel  Olbers-Bessel,  Brief  No.  352 
vom  25.  Okt.  und  No.  353  vom  16.  Nov.  1835.     Krm. 


ßßQ  ülbers  an  Gauss.     Bremen,  1835  December  2. 

grösserungen  oder  gar  meinen  6füssigen  Fraunhofer  anzuwenden,  war 
mir  zu  unbequem;  auch  durfte  ich  es  nicht  wagen,  mich  zu  lange  der 
ungewohnten  rauhen  Abendluft  auszusetzen.  Wahrscheinlich  wegen 
dieser  unzulänglichen  Vergrösserung  habe  ich  deswegen  nichts  bemerkt, 
als  dass  der  sogenannte  Kern  mir  offenbar  elliptisch  schien,  der  kleinere 
Durchmesser  zu  dem  grösseren  etwa  wie  3 : 4,  der  grössere  in  der  ver- 
längerten Schweifaxe  liegend.  Den  blassen  Schweif  konnten  meine  alten 
Augen  nur  höchstens  bis  auf  10"  oder  11°  verfolgen,  den  Schumachee 
und  seine  Gehülfen  doch  einige  Abende  früher  (am  14.  und  15.)  30"  lang 
gesehen  hatten. 

Von  dem  merkwürdigen  Bart,  den  Sie  am  Kern  den  12.  Okt. 
wahrnahmen,  hat  Bessel  den  Anfang  am  2.  Okt.  zuerst  wahrgenommen, 
und  will  seine  Veränderungen  u.  s.  w.,  wie  er  mir  schreibt,  und  wie 
Sie  nun  auch  aus  den  Astron.  Nachrichten  werden  gesehen  haben,  umständ- 
lich in  Steindruck  bekannt  machen.  Auch  vom  Hofrath  Schwabe  in 
Dessau  hat  mir  Schumachee  eine  lange  Reihe  von  Zeichnungen  über 
diese  Erscheinung  geschickt,  und  eine  ähnliche  haben  wir  wahrscheinlich 
von  Steuve  und  anderen  noch  zu  erwarten.  Ich  habe  Schumacher  ge- 
beten, auch  die  von  Schwabe  bekannt  zu  machen.  Der  einzelne  Be- 
obachter übersieht  leicht  etwas  Wiclitiges,  auch  verändert,  ihm  selbst 
unbewusst,  eine  vorgefasste  Meinung  leicht  seine  Ansicht  eines  Gegen- 
standes. Deswegen  ist  es  so  lehrreich,  die  Zeichnungen  und  Beschrei- 
bungen mehrerer  von  einander  ganz  unabhängiger  Beobachter  zu  ver- 
gleichen. Sie  ergänzen,  korrigiren  und  erläutern  sich  untereinander. 
So  schreibt  mir  Bessel  nichts  von  den  3  helleren  Eippen.  die  Schwabe 
in  der  Ausströmung  gesehen  hat.  Schwabe  aber  scheint  die  so  höchst 
merkwürdige,  oscillirend  veränderliche  Stellung  der  Ausströmung  gegen 
den  die  Sonne  und  den  Kometenkern  verbindenden  grössten  Kreis  über- 
sehen zu  haben.  —  Wahrscheinlich  veranlassten  Schwabe's  hellere 
Rippen  die  3  hellen  Stellen,  die  Aeago  an  dem  Kern  zu  sehen  glaubte, 
und  aus  deren  veränderter  Lage  er  auf  eine  Rotation  des  Kerns  zu 
schliessen  geneigt  war,  die  sich  aber  in  den  folgenden  Tagen  nicht  be- 
stätigte. 

Sehr  wichtig  ist  es,  dass  Aeago  durch  entscheidende  Versuche  sich 
und  seine  Mitbeobachter  überzeugt  hat,  das  Licht  des  Kometen  sei 
polarisirtes,  d.  1.  zurückgeworfenes  Sonnen-,  kein  eigenthümliches  phos- 
phorescirendes  Licht. 

Auch  über  die  Perturbationen,  die  des  Kometen  Lauf  bis  zu  seiner 
Sonnennähe  erlitten  hat,  werden  wir  nun  zwei  mit  der  grössten  Sorg- 
falt korrigirte  Rechnungen  von  Rosenbeegee  und  Lehmann  erhalten. 
Sollte  sich  aus  diesen  Rechnungen  bestimmt  ergeben,  dass  der  Komet 
mehrere  Tage  sjpäter   zu   seinem   Perihel    gekommen   ist,   als   die   ge- 


Olbers  au  Gauss.    Bremen,  1835  December  2.  §31 

iiaueste  Berechnung  aller  bekannten  perturbirendeu  Kräfte  angiebt,  so 
möchte  ich  den  Einfluss  eines  uns  noch  unbekannten  Weltkörpers*) 
wahrscheinlich  linden.  So  hat  Bouvard,  als  er  die  älteren  Uranus- 
Heobb.  nicht  mit  den  neueren  vereinigen  konnte,  an  einen  uns  bisher 
unsichtbar  gebliebenen  Planeten  jenseits  des  Uranus  gedacht.  Wirk- 
lich weichen  auch  jetzt  wieder  die  neuesten  Beobb.  des  Uranus  regel- 
mässig um  30"  von  Bouvaed's  Tafeln  ab. 

Die  wichtige  Frage,  ob  der  HALLEY'sche  Komet  nach  und  nach 
seit  seinen  früheren  Erscheinungen  abgenommen  habe,  lässt  sich  aus 
dem,  was  bei  seiner  diesjährigen  Sichtbarkeit  wahrgenommen  ist,  wie 
es  mir  scheint,  noch  nicht  entscheiden,  wenigstens  durchaus  nicht  mit 
Gev>"issheit  bejahen.  Sein  Kopf  war  auch  diesmal  sehr  glänzend,  und 
den  Schweif  fand  man  schon  1531  und  1607  immer  sehr  blass.  Viel 
kommt  bei  Beurtheilung  dieser  Frage  auf  die  Kealität  der  römischen 
Beobb.  ^)  an,  die  man  noch  bezweifeln  will.  Ich  habe  für  den  6.  Aug. 
15^  mittl.  Berliner  Zeit  aus  den  neuesten  Elementen  von  Rosenbergee, 
doch  etwas  flüchtig,  berechnet 

.'ix'o^       82"  25' 46"  Dekl.c#       22»  17' 58" 

was  mit  Dumouchel's  Zeichnung  hinreichend  genau  übereinstimmt. 
Freilich  ist  in  dieser  Zeichnung  die  Zunahme  der  nördlichen  Dekl. 
vom  5.  Aug.  bis  zum  7.  Aug.  morgens  in  2  Tagen  nicht  völlig  4', 
die  nach  der  Rechnung  wenigstens  8' — 9'  sein  müsste;  aber  dies  scheint 
mir  eben  für  die  Realität  von  Dumouchel's  Beobb.  zu  sprechen.  Bei 
seinen  Schätzungen  kann  leicht  ein  Fehler  von  4' — 5'  stattfinden,  den 
er  vermieden  haben  würde,  wenn  der  Komet  nicht  wirklich  gesehen, 
nur  nach  einer  berechneten  Ephemeride  in  die  kleine  Karte  eingetragen 
wäre.  Ich  habe  Schumacher  gebeten,  die  von  Dumouchel  gezeichnete 
Sterngruppe  mit  dem  Himmel  vergleichen  und  die  vornehmsten  Sterne 
derselben  genau  bestimmen  zu  lassen. 

Die  Nachricht  von  der  immer  grösseren  Verbreitung  magnetischer 
Observatorien  nach  Ihren  herrlichen  Entdeckungen  ist  sehr  erfreulich, 
und  herzlich  habe  ich  darüber  lächeln  müssen,  dass  man  nun  auch 
telegraphische  Depeschen  auf  schmecken  kann. 

Eine  kleine  Broschüre:  H.  D.  Wilkens,  Specimina  duo,  mathemati- 
cum  et  physicum,  Göttingen  1789,  kennen  Sie  wahrscheinlich,  und  wird 
Sie  auf  alle  Fälle  auch  wohl  nicht  sonderlich  interessiren.     Wilkens 


^)  Siehe  auch  Olbers'  Brief  vom  16.  Nov.  1835  an  Bessel,  Briefwechsel  Bd.  II, 
S.  407.     Krm. 

^)  Dumouchel  fand  den  ÜALLEY'schen  Kometen  zuerst  in  Eom  am  5.  Aug., 
dessen  Beob.  zuerst  angezweifelt  wurde.  Siehe  auch  Briefwechsel  Gauss-Schumacher, 
Brief  No.  489  und  No.  490.     Krm. 


g32  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1835  December  2. 

bestimmte  den  6.  Sept.  1788  auf  dem  Göttingenschen  Observatorium  an 
zwei  Stellen  die  damalige  Dekl.  der  Magnetnadel,  an  der  einen  17°  19' 34", 
an  der  anderen  17°  20' 21".  —  Nahm  nicht  Tobias  Mater  zu  seiner  Zeit 
die  Dekl.  lG°i  an? 

Sie  sagen  mir,  lieber  Gauss,  nichts  von  Ihrer  und  der  Ihrigen  Ge- 
sundheit und  Befinden;  Dinge,  die  mich  doch  sosehr  interessiren.  Ihren 
ältesten  Hrn.  Sohn  habe  ich  im  vorigen  Sommer  zweimal  zu  sehen  das 
Vergnügen  gehabt;  der  brave  junge  Mann  scheint  sich  immer  vortheil- 
hafter  auszubilden.  Ich  selbst  habe  bei  freilich  immer  zunehmender 
Altersschwäche  dieses  Jahr  in  Ansehung  meiner  gewöhnlichen  Be- 
schwerden ganz  erträglich  zugebracht.     Jeden  Morgen  rufe  ich  mir  zu 

Omnem  crede  dieni  tibi  illuxisse  swpremum 
Grata  siq:>ervemet  qua  non  sjjerahitur  hora 

und  dies  um  so  mehr,  da  mich  manche  S3"mptome  hoffen  und  erwarten 
lassen,  dass  ich  einmal  plötzlich  durch  einen  Schlagfluss  aus  der  Welt 
gehen  werde,  und  die  superveniens  hora  mir  so  lange  grata  bleiben 
wird,  als  ich  meine  noch  immer  so  warme  Theilnahme  an  allem  Wissen- 
schaftlichen behalte.  —  Mein  Sohn  hat  sich  im  Frühsommer  10  Wochen 
in  Pyrmont  aufgehalten,  und  die  Kur  ist  ihm.  dem  Himmel  sei  Dank, 
sehr  gut  bekommen.  Vor  4  oder  5  Tagen,  den  27.  Xov.  ist  die  Hochzeit 
meiner  ältesten  Enkelin  Malvina  Focke  mit  einem  braven  jungen  Kauf- 
mann, Fkiedeich  Migault,  gefeiert  worden.  Dem  frohen  Hochzeits- 
mahle konnte  ich  meiner  Schwäche  wegen  nicht  beiwohnen.  Das 
liebe  Mädchen  ist  die  letzten  7  ]\ronate  in  meinem  Hause  gewesen  und 
hat  mein  kleines  Hauswesen  regirt,  und  ich  entbehre  ihren  mir  lieb 
gewordenen  Umgang  nun  nicht  ohne  Emi)findung.  —  Mein  kleiner  Ur- 
enkel entwickelt  sich  immer  mehr  und  macht  dem  Urgrossvater  manche 
Freude. 

Doch  ich  komme  zu  sehr  ins  Plaudern,  wie  es  uns  alten  Leuten 
denn  leicht  zu  gehen  pflegt.  Erfreuen  Sie  mich,  mein  theuerster  Gauss, 
wenn  es  Ihre  wichtigen  Geschäfte  irgend  erlauben,  bald  wieder  mit 
einigen  Zeilen.  Sie  wissen  nicht.  Avelcli  ein  Fest  für  mich  jeder  Ihrer 
Briefe  ist. 

AVenn  Sie  Hrn.  Hofrath  Heeren  sehen,  so  bitte  ich  diesen  meinen 
ganz  speciellen  Landsmann  aufs  Herzlichste  von  mir  zu  grüssen. 


Gauss  an  Olbers.     Güttingen,  1836  Miirz  1.  633 


No.  691  (lauss  an  Olbers.  [326 

Oöttiiio-en,  183(5  März  1. 

Mein  ältester  Sulin  hat  die  Absicht,  im  Laufe  dieses  Jahres  eine 
Keise  durch  die  nordanierikanischen  Staaten  zu  machen,  zum  Theil  zu 
dem  Zweck,  die  dortigen  Eisenbahnen  näher  kennen  zu  lernen.  Sollten 
Sie  geneigt  sein,  ihn  mit  einigen  Adressen  zu  versehen,  so  wird  er 
solches  dankbar  erkennen,  so  wie  er  sich  sehr  glücklich  halten  wird, 
wenn  er  irgend  Aufträge  für  Sie  ausrichten  kann.  Er  denkt  im  Laufe 
dieses  Monats  sich  auf  einem  Bremer  Schilfe  einzuschiffen,  kommt  jeden- 
falls nach  Bremen  selbst,  und  vielleicht  schon  nach  icenigen  Tagen. 
Dass  Sie,  insofern  er  für  seine  Arrangements  Ihres  Eathes  bedürftig 
ist,  ihm  solchen  gern  geben  werden,  bin  ich  gewiss.  In  der  Ungewiss- 
heit,  ob  eine  kleine  an  ihn  noch  zu  machende  Sendung  ihn  noch  in 
Stade  treffen  würde,  w^erde  ich  mir  die  Freiheit  nehmen  müssen,  solche 
nach  Bremen  zu  adressiren,  und  ich  bitte  daher,  wenn  solche  eintrifft, 
sie  bis  zu  seiner  Ankunft  gütigst  aufzubewahren. 

Die  frohen  Nachrichten,  die  Sie  mir  in  Ihrem  letzten  Briefe  vom 
2.  Dec.  v.  J.  über  Ihren  Hrn.  Sohn,  über  Ihre  Kindeskinder  und  Kindes- 
kindeskind  geben,  habe  ich  mit  der  freudigsten  Theilnahme  gelesen.  Wer 
verdient  auch  mehr  ein  solches  Glück  als  Sie,  mein  theuerster  Freund 

Meine  älteste  Tochter,  deren  Geburtstag  gestern  zum  7.  Male^)  ge- 
feiert ist,  ist  den  grössten  Theil  des  Winters  krank  gewesen  und  ist 
es  noch  jetzt.  Wenn  auch  nicht  gerade  unmittelbar  Gefahr  ist,  so  ist 
es  doch  sehr  bedrückend,  sie  in  jedem  folgenden  Jahre  noch  viel 
schwächer  zu  sehen  als  im  vorhergegangenen. 

Auch  mein  jüngster  Sohn  macht  mir  fortwährend  grosse  Sorgen. 
Von  dem  zweiten  schweige  ich  ganz.  Vielleicht  kann  mein  ältester 
Sohn  ihm  in  etwas  nützlich  w-erden. 

Die  Terminbeobb.  von  Nov.  v.  J.  sind  lithographirt.  Viel  merk- 
würdiger sind  aber  die  vom  Jan.  ausgefallen,  [wo  ich]^)  Beobb.  ausser 
Göttingen,  aus  dem  Haag,  Marburg,  Leipzig  und  [Mün]clien  habe.  Viel- 
leicht kommen  noch  einige  nach.  Nach  Bonn  ist  [auch]  ein  Apparat  von 
hier  abgegangen ;  für  Green  wich  und  Dublin  sind  ähnliche  in  Arbeit. 

Seit  Jan.  habe  ich  auch  einige  A^ersuche  über  den  sogenannten 
Thermomagnetismus^),    richtiger   Thermogalvanismus    angefangen;    wir 


1)  Vergl.  Brief  No.  204  vom  29.  Febr.  1808,  Bd.  II.  1,  S.  411.     Krm. 
-)  Die  eingeklammerten  Worte  sind  im  Original  abgerissen.     Krm. 
^)  Siehe   auch   Brief  No.  504  vom   17.  Jan.  1836  im  Briefwechsel  Gauss -Schu- 
macher.    Krm. 


g34  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1836  März  13. 

haben  neue  Apparate  angeordnet,  womit  man  die  "Wirkung  ganz  ausser- 
ordentlich verstärken  kann.  Vielleicht  kann  man  davon  für  die  Pyro- 
metrie  (Hochöfen,  Porzellanöfen,  Schmelzöfen  etc.)  sehr  wichtige  An- 
wendungen machen.  Meine  eigenen  Versuche  bleiben  freilich  bei  den 
mesquinen,  mir  zu  Gebote  stehenden  Mitteln  immer  nur  auf  einen  kleinen 
Maasstab  beschränkt. 


No.  692.  Olbers  an  Gauss.  [see 

Bremen,  1836  März  13. 

Ihr  Hr.  Sohn  ist  gestern  am  12.  März  hier  gesund  uud  vergnügt 
angekommen,  und  wird  sich  auf  dem  Schiff  Copernlcus,  Kapt.  Harmes, 
nach  Philadelphia  einschiffen.  Die  Abreise  des  Coperiiicus  ist  auf  ^Mitt- 
woch  den  16.  März  angesetzt.  Der  Kapt.  Haemes  ist  ein  braver  und 
gebildeter  Seemann,  derselbe,  der  das  nachmals  preussische  Schiff,  die 
Luise,  um  die  Welt  geführt  hat.  Die  für  Ihren  Hrn.  Sohn  eingelaufenen 
Briefe,  worunter  auch  Ihr  Packet  mit  einer  Druckschrift  war,  habe  ich 
ihm  abgeliefert.  Gestern  kam  noch,  anscheinend  von  weiblicher  Hand, 
ein  kleines  zierliches  Briefchen  mit  cito-cito  bezeichnet  an,  das  er  also 
auch  noch  richtig  erhalten  hat.  Für  einige  Empfehlungsbriefe  nach 
Amerika  von  unseren  vornehmsten,  dort  Verbindungen  habenden  Hand- 
lungshäuseru  habe  ich  gesorgt. 

Es  thut  mir  unendlich  leid,  dass  meine  liebe  Pathe  noch  immer 
kränkelnd  ist,  hoffe  aber,  die  bessere  Jahreszeit  wird  endlich  gründ- 
liche Besserung  herbeiführen.  Eben  die  lange  Dauer  dieser  Art  von 
Kränklichkeit  begründet  diese  Hoffnung. 

Ich  liabe  bei  diesem  so  veränderlichen,  aber  doch  im  ganzen  sehr 
milden  Winter  zwar  mancherlei  kleine  Beschwerden  gehabt,  mich  aber 
doch  ziemlich  erträglich  durchgewintert.  Dass  ich  immer  älter  werde, 
von  Monat  zu  Monat  mehr  an  Körper-  und  Geisteskräften  abnehme, 
fühle  ich  natürlich  nur  zu  sehr. 

Was  Sie  mir,  freilich  nur  kurz,  über  die  magnetischen  Terminbeobb. 
vom  Nov.  vorigen  Jahres,  und  von  Ihren  Versuchen  über  den  Thermo- 
galvanismus  melden,  hat  mich  sehr  interessirt.  Besonders  über  die 
letzteren  möchte  ich  gern  bald  etwas  mehr  wissen. 

In  der  Conn.  des  tems  für  1838  giebt  Pontecoülant  seine  neue, 
sorgfältig  revidirte  Berechnung  der  Perturbationen  des  HALLEv'schen 
Kometen,  nach  der  er  nun  das  Perihel  183ö  Nov.  15,01  findet,  das 
KosENBERGER  aus  Bessel's  Beobb.,  also  durch  die  Erfahrung,  auf 
Nov.  15,9454  festgesetzt  hat.  Der  Hauptunterschied,  der  zwischen 
Pontecoülant  und  Posenberger  statttindet,    beruht  auf  dem  Einfluss 


Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1836  März  18.  635 

der  kleinen  Planeten  Venus  und  Mars,  für  den  Pontecoulant  nur 
—  0,32235,  RosENBERGKR  aber  eine  viel  grössere  Verkürzung  der  Um- 
laufszeit von  mehr  als  (5  Tagen  findet.  Da  Bessel  jetzt  auf  eine  Me- 
thode^) gekommen  ist.  den  Eiiitluss  der  kleineren  Planeten  auf  den  Ko- 
meten leichter  und  schärfer  zu  bestimmen,  so  "wird  er  wahrscheinlich 
unter  den  beiden  Rechnern  entscheiden  können. 

Nun  muss  ich  Sie  noch  mit  einer  Bitte  beschweren,  mein  theurer 
(tauss.  In  den  Jahren  1833  oder  1834  sind  in  Göttingen  unter  anderen 
medicinischen  Dissertationen  auch  folgende 

A.  F.  E.  Koscher:  de  oculi  mutationibus  internis,  qiioad  objec- 
turum  distantiam.   8°°. 

W.  V.  H.  Kirchhof:   de  iride  ejusqiie  motu.    8°". 
herausgekommen.     Könnten  Sie  mir  diese  nicht  verschaffen?    Die  Aus- 
lagen ersetze  ich  sehr  gern,  so  bald  ich  den  Betrag  nur  kenne. 


No.  C93.  Gauss  an  Olbers.  [327 

Göttingen,  1836  März  18. 

Hierneben  habe  ich  das  Vergnügen,  Ihnen  die  gewünschten  Disser- 
tationen zu  übersenden. 

Herzlichen  Dank  für  die  Unterstützung,  die  Sie  der  Reise  meines 
Sohnes  durch  Empfehlungsschreiben  verschafft  haben.  —  Mit  einiger 
Aengstlichkeit  horche  ich  dem  Sturm,  der  hier  diese  ganze  Woche  ununter- 
brochen getobt  hat. 

Die  weite  A'erbreitung  solcher  Stürme  gewahr  zu  werden,  geben 
unsere  magnetischen  Beobb.  zuweilen  Gelegenheit.  Während  des  letzten 
Termins,  30. /31.  Jan.,  stürmte  es  hier  sehr  stark,  aus  allen  Orten,  von 
wo  korrespondirende  Beobb.  eingelaufen  sind  (Haag,  Leipzig,  Marburg, 
München,  Mailand,  Catania)  erschallen  zugleich  die  Klagen  über  den 
heftigen  störenden  Sturm. 

Demungeachtet  ist  dieser  Termin  der  merkwürdigste  von  allen  bis- 
her abgewarteten  gewesen.  Mehrere  grosse  und  schnelle  Bewegungen 
sind  vorgekommen;  allein  nicht  bloss  bei  diesen,  sondern  auch  bei  den 
kleineren  findet  sich  für  alle  Orte  die  frappanteste  Harmonie,  nur  auch 
hier  wieder,  je  weiter  nach  Süden,  desto  kleiner  die  Bewegungen,  und 
zwar  die  Abnahme  der  Grösse  der  Bewegungen  in  einem  viel  stärkeren 
Verhältnisse,  als  die  horizontale  Intensität  grösser  wird.    (Vergl.  A.  N. 


^)  „Beitrag  zu  den  Methoden,  die  Störungen  der  Kometen  zu  berechnen."   A.  N. 
Bd.  XIV,  Bessel"s  Abhandlungen  Bd.  I,  S.  29  ff.     Krm. 


536  Gauss  an  Olbers.    Göttingen,  1836  März  18. 

No.  276,  S.  186  ganz  unten.)  A\ir  haben  also,  wie  es  scheint,  die  Sitze 
der  magnetischen  Gewitter  fast  immer  vorzugsweise  im  hohen  Norden 
zu  suchen.  Aber  um  die  Sitze  in  einzelnen  Phallen  auszumitteln,  muss 
unsere  Association  erst  viel  weiter  verbreitet  sein,  als  sie  bis  jetzt  ist. 
und  auch  dann  wird  die  Arbeit  keineswegs  eine  leichte  sein,  aus  einem 
Grunde,  den  ich  Ihnen,  wie  ich  hoffe,  leicht  werde  klar  machen  können. 
Schon  jetzt  weisen  viele  Erfahrungen  darauf  hhi,  dass  in  einem  Tage  eine 
fast  unzählbare  Menge  solcher  magnetischen  Gewitter  oder  Eruptionen 
stattfinden,  die  an  sehr  verschiedenen  Orten  sein  mögen.  Nehmen  Sie 
z.  B.  an,  es  sei  bloss  eine  Eruption  bei  Island,  die  in  Göttingen  etwa 
eine  solche  Figur  für  die  Bewegung  der  Magnetnadel  geben  würde, 
und  in  Sicilien  eine  ganz  ähnliche  nur  viel  kleinere. 
Es  sei  eine  halbe  Stunde  nachher  ein  ähnliche  über 
(oder  unter*)  Arabien.  Diese  für  sich  allein  wird  auch 
eine  ähnliche  Figur  hervorbringen,  aber  für  Sicilien  die 
grössere,  für  Göttingen  die  kleinere.  Nach  Maassgabe 
Fig-.  82.  des   Verhältnisses    der   Stärke    der    beiden    Eruptionen 

können  nun  daraus  die  Formen  der  zusammengesetzten 
Erscheinungen  sehr  ungleich  werden  und,  wie  bei  einigem  Nachdenken 
klar  ist,  die  Zeiten  der  Maxima  und  Minima  an  verschiedenen  Orten 
auch  sehr  ungleich  ausfallen.  Schon  oft  sind  Fälle  vorgekommen,  wo 
man  ganz  von  selbst  einen  solchen  Hergang  anzunehmen  veranlasst 
wird.  Sehen  Sie  z.  B.  in  den  A.  N.  Stück  276  in  der  Zeichnung  die 
Stunde  von  15^ — 16^.  Aber  offenbar  wird  es  sehr  vieler,  sehr  weit  aus- 
einander liegender,  und  sehr  zuverlässiger  und  scharfer  Beobb.  bedürfen, 
um  solche  gemengten  Wirkungen  in  ihre  einzelnen  Bestandtheile  auf- 
zulösen, und  aus  diesen  Gründen  ist  allerdings  eine  recht  grosse  \'er- 
breitung  der  Apparate  und  der  Kenntniss,  sie  zu  behandeln,  sehr  wün- 
schenswerth;  vor  allem  aber  auch  eine  gehörige  gründliche  Einsicht 
in  das,  was  damit  geleistet  werden  kann,  verglichen  mit  den  ehemals 
gebrauchten  Apparaten,  wobei,  meine  ich,  gar  nicht  von  solchen  Pro- 
blemen hätte  die  Rede  sein  können. 

Uebrigens  breitet  sich  der  Verein  schon  immer  mehr  aus.  Meier- 
stein hat  Apparate  nach  Halle.  Freiberg,  Wien  und  Bonn  geliefert, 
wo  sie  freilich  noch  nicht  in  Tliätigkeit  sind,  nach  Haag  und  München, 
wo  trefflich  beobachtet  wird,  nach  Upsala,  wo  nächstens  angefangen 
werden  soll.  In  Arbeit  hat  er  Apparate  für  Greenwich  und  Hublin. 
Nach  Breslau  sind  von  hier  Stäbe  gesandt.  Nach  Krakau  liefert 
Breithaupt  in  Cassel  einen  Apparat  etc.  Bloss  mit  Berlin  will  es 
nicht  vorwärts. 


*)  Denn  darüber  Avisson   wir  jetzt  noch   gar  niolits;,  und  wo  aller  Boden  fehlt, 
liasse  ich  alles  Hypothesiren. 


OlliiTs  an  (!:iii-<,     r.niiirii.   l^.'lf,   Ajiril  7.  537 

Die  Beobl).  des  letzt cii  Jenniiis  weiden  wohl  aitch  noch  litho- 
giaphirt  werden.  Es  entsteht  jedoch  die  Schwierigkeit,  wie  für  künftige 
regelmässige  Lithographiriing  die  Kosten  gedeckt  werden  sollen.  Weber 
meinte,  dass  dies  vielleicht  durch  Zusammentreten  der  Theilnehmer  und 
Freunde  geschehen  könnte,  wo  dann  der  Aufwand  für  den  einzelnen 
nicht  so  gar  gross  sein,  und  er  dafür  ein  halbes  Dutzend  Abdrücke 
erhalten  könnte.  Ich  zweifle  aber,  dass  dies  ausführbar  ist,  denn 
natürlich  kann  Hr.  Prof.  Weber  sich  nicht  auf  das  Versenden  und 
Kiiikassiren  einlassen,  das  müsste  durch  \^ermittlung  etw'a  eines  Kunst- 
oder Buchliändlers  geschehen,  was  sich  aber  schwerlich  hier  in  Göttingen 
einrichten  lässt.  zumal  da  das  Geschäft  bei  seiner  Zersplitterung  doch 
zu  unbedeutend  sein  würde. 

Ich  habe  dagegen  Hrn.  Prof.  Weber  vorgeschlagen,  in  Göttingen 
ein  allgemeines  eigenes  physikalisches  Journal^)  zu  begründen,  welches 
ausser  vielem  anderen  Nutzen  auch  zur  Magazinirung  der  magnetischen 
Beobb.  ein  bequemes  ]\Iittel  darbieten  würde.  Ich  weiss  aber  noch 
nicht,  ob  seine  grosse  Bescheidenheit  ihm  erlauben  wird,  so  etw'as  zu 
unternehmen.  Ich  selbst  kann  freilich  nichts  dabei  thun,  als  zu  Zeiten 
einmal  einen  kleinen  Beitrag  geben,  denn  meine  ganze  Art  zu  arbeiten 
hat  eine  ganz  entgegengesetzte  Richtung;  meine  Arbeiten  sind  nicht 
zum  Äaujnfüllen,  und  ein  paar  Bogen  erfordern  jahrelange  Vorarbeit. 
Auch  ist  mir  die  grösste  Qual,  zu  bestimmter  Zeit  eine  Arbeit  voll- 
enden zu  müssen. 


No.  694.  Olbers  au  Gauss.  [se? 

Bremen,  1836  April  7. 

Schon  viel  früher  hätte  ich  Ihnen  meinen  schuldigen  verpflichtetsten 
Dank  für  die  so  gütig  besorgten  Dissertationen  und  Ihren  herrlichen 
so  interessanten  Brief  abgestattet,  wenn  ich  Ihnen  nicht  zugleich  die 
täglich  erwartete  Nachricht  von  der  glücklichen  Abreise  Ihres  Hrn. 
Sohnes  hätte  geben  -wollen,  die  durch  Wind  und  Wetter  so  lange  ver- 
zögert W' Orden  ist.  Am  21.  März  hatte  sich  Ihr  Hr.  Sohn,  wie  Sie 
aus  seinem  Briefe  werden  ersehen  haben,  in  Bremerhaven  an  Bord  des 
Copernicus  eingeschifft;  aber  e^'st  vorgestern,  den  5.  Apr.,  ist  das  Schiff, 
wie  ich  so  eben  erfahre,  mit  günstigem  Ostwinde  in  See  gekommen. 
Der   beständig   anhaltende   westliche   Sturm    hatte    es   immer   zurück- 


^)  Diese  Zeitschrift  „Resultate  aus  den  Beobb.  des  Magnetischen  Vereins  im 
Jahre  18-36.  Herausgegeben  von  C.  F.  Gauss  und  W.  Weber"  erschien  im  Juni  1837. 
Vergl.  Brief  Xo.  697  an  Olbees  v.  20.  Juni  1837.     Krm. 


^38  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1836  April  7. 

gehalten.  Am  28,  März,  wie  der  Wind  auf  24  Stunden  östlich  ge- 
worden war,  wollte  es  segeln ;  allein  bei  dem  Auslegen  aus  dem  Hafen 
gerieth  der  Copernicus,  ich  möchte  sagen,  glücklicher  Weise  fest;  er 
konnte  erst  wieder  bei  vollkommener  Fluthöhe  loskommen,  und  da  hatte 
sich  der  Wind  wieder  gedreht.  Kapitän  Habmes  rühmt  die  thätige 
Hülfe,  die  die  4  an  Bord  befindlichen  Passagiere  seiner  SchifFs-Mann- 
schaft  bei  dieser  Gelegenheit  geleistet  haben.  Gleich  darauf  kam 
wieder  ein  heftiger  anhaltender  Sturm  aus  Südwesten,  der  vielleicht 
das  Schiff,  wenn  es  in  See  gekommen  wäre,  bis  nach  Norwegen  hätte 
verschlagen  können.  Der  CopernicAts  legte  sich  wieder  in  den  sicheren 
Hafen  und  hat  nun  vorgestern  den  günstigen  Wind  und  das  schöne 
Wetter  benutzt.  Da  der  Ostwind  noch  den  ganzen  gestrigen  Tag  fort- 
gedauert hat,  so  hoffe  ich,  dass  schon  ein  gutes  Stück  Weges  zurück- 
gelegt ist. 

Dass  Ihr  Hr,  Sohn  mit  einer  überflüssigen  Menge  von  Empfehlungs- 
Schreiben  versehen  worden  ist,  die  er  schwerlich  alle  benutzen  wird 
und  benutzen  kann,  werden  Sie  von  ihm  selbst  wissen.  Ueberhaupt 
hat  der  wackere  junge  Mann  hier  allgemein  sehr  gefallen,  so  dass 
jeder,  der  ihn  kannte  und  kennen  lernte,  ihm  gern  behülflich  sein 
wollte. 

Was  Sie  mir  über  die  magnetischen  Observationen  mittheilen,  hat 
meine  ganze  Aufmerksamkeit  in  Anspruch  genommen,  und  ich  sehe 
vollkommen  ein,  wie  äusserst  wünschenswerth  es  ist,  dass  sich  diese 
Beobb.  immer  mehr  über  einen  grösseren  Theil  unserer  Erdkugel  ver- 
breiten, Dass  es  gerade  in  Berlin'^)  nicht  vorwärts  will,  hat  mich 
sehr  gewundert.  Sind  denn  Humboldt,  Encke,  die  beiden  Ekmans. 
Mädler  u.  s.  w.  so  kalt  bei  dieser  wichtigen  Angelegenheit? 

Auch  befremdet  es  mich,  dass  Kupfer  in  Petersburg,  der  doch 
ein  magnetisches  Observatorium,  ganz  ohne  Eisen  gebaut,  benutzen 
kann,  sich  Ihrem  Vereine,  wenigstens  so  viel  ich  weiss,  bisher  nicht 
thätig  angeschlossen  hat.  Wird  in  Norwegen  noch  gleichzeitig  mit 
Ihnen  beobachtet? 

Wie  sehr  wünschte  ich,  dass  der  aucli  von  mir  sehr  verehrte  Hr. 
Prof.  Weber  Ihre  Idee,  in  Göttingen  ein  allgemeines  physikalisches 
Journal  zu  begründen,  in  Ausführung  bräclite.  PoGaExroRFF's  Annalen 
sind  grössten  Theils  der  Chemie  gewidmet.  Göttingen  bietet  gewiss 
eine  vorzügliche  Gelegenheit  dar,  eine  solche  Zeitschrift  recht  inter- 
essant zu  nmchen.    Ausser  dem  hohen  \\'ertli.  den  ihr  die  Aufsätze  der 


^)  Nach  Brief  No.  23  vom  30.  Juli  1830  im  Briefwechsel  Hcmboldt-Gacss  wurde 
in  Berlin  nach  dem  Abbruch  von  Humboldt'.s  magnetischem  Häuschen  in  der  neuen 
Sternwarte,  jedoch  noch  nicht  mit  GAUss'schen  Apparaten  beobachtet.     Krm. 


Olbers  an  Gauss.     Bremen.  1830  April  7.  639 

Göttiiifrer  ^litarbeitcr  p-t'^t-'ii  Aviirdni.  könnte  auch  die  Gelegenheit  zur 
theilweisen  Austiillung-  des  übrigen  Kaums  benutzt  werden,  die  das  Zu- 
strömen so  vieler  auswärtiger  physikalischer  Werke,  akademischer  Me- 
moiren und  .lournale  für  die  dortige  Bibliothek  gewähren  könnte.  Unter 
anderen  erfahren  wir  in  meiner  Umgebung  alles,  was  in  Italien  und 
in  HollamJ  für  die  Physik  geschieht,  entweder  garnicht,  oder  erst  sehr 
spät  und  auf  grossen  Umwegen.  Ein  zweckmässiger  Auszug  aus  den 
in  diese  Wissenschaft  einschlagenden  Abhandlungen  würde  gewiss  allen 
Physikern  sehr  willkommen  sein. 

Wenn  man  einem  Briefe  von  Cacciatore  in  Palermo  an  den  Ka- 
pitän Smyth  glauben  kann,  so  hat  uns  eine  ganz  unverzeihliche  Nach- 
lässigkeit dieses  Astronomen  um  die  Kenntniss  eines  neuen  Planeten^) 
gebracht.  Cacciatore  schreibt,  er  habe  im  Mai  1835  bei  dem  Piazzi'- 
schen  Stern  h.  XII.  17  noch  einen  Stern  7. — S.Grösse  gesehen,  und  den 
Abstand  beider  Sterne  von  einander  bestimmt.  Nach  3  Tagen  trüben 
Wetters  habe  er  die  Sterne  wieder  gesehen  und  mit  Verwunderung  be- 
merkt, dass  sich  ihre  gegenseitige  Lage  und  Distanz  verändert  habe. 
Der  neue  Stern  sei  etwa  10"  (vermnthlich  Zeitsekunden)  in  jE  und 
nicht  völlig  1'  in  Dekl.  gegen  Norden  in  den  3  Tagen  fortgerückt. 
Nachher  blieb  es  bis  zu  Ende  des  Monats  trübe,  und  da  konnte  der 
Stern  der  Dämmerung  wegen  nicht  weiter  im  Meridian  gesehen  wer- 
den. —  Aber  warum  suchte  ihn  Cacciatore  nicht  ausser  dem  Meridian, 
wo  ein  solcher,  so  langsam  fortrückender  Stern  7. — 8.  Grösse  doch 
leicht  gefunden  werden  konnte?  Er  hätte  ihn  dann  bis  zum  Aug.  be- 
obachten können.  —  Wegen  seiner  so  langsamen  Bewegung  glaubt 
Cacciatore,  es  sei  ein  Komet  jenseits  des  Uranus  gewesen.  Ein  Komet 
jenseits  des  Uranus  konnte  wohl  nicht  wie  ein  Fixstern  7. — 8.  Grösse 
erscheinen.  In  Frankreich  scheint  man  geneigt,  ihn  für  den  Planeten 
zu  halten,  der  nach  Bouvard's  Vermuthung  jenseits  des  Uranus  be- 
findlich sein  soll.  Dies  letztere  würde  sieht  leicht  ausmachen  lassen. 
Ein  Planet  jenseits  des  Uranus  würde  der  in  unserem  Sonnensysteme 
herrschenden  Analogie  nach  die  doppelte  halbe  grosse  Axe  als  Uranus 
für  seine  Bahn  haben,  und  so  könnte  er  auch  jetzt  noch  nicht  über  3° 
gegen  Ostnordost  von  dem  Platz  entfernt  sein,  an  welchem  er  1835 
Mai  war,  müsste  also  sehr  leicht  wieder  aufzufinden  sein.  Allein  höchst 
wahrscheinlich  war  es  ein  Planet  aus  der  Familie  der  Asteroiden,  der 
sich  nur  deswegen  so  äusserst  langsam  zu  bewegen  schien,  weil  er 
gerade  nach  seinem  Stillstande  wieder  anfing,  rechtläufig  zu  werden; 
und  so  möchte  er  denn  vor  der  Hand  wieder  ganz  verloren  sein. 

Wie  sind  Sie  mit  Ihrem  jetzigen  Gehülfen  bei  der  Sternwarte  zu- 


1)  Vergl.  hierzu  Olbers  Bd.  I  Xo.  156,  S.  526—528.     Krm. 


540  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1836  Juni  28. 

frieden?  So  viel  ich  weiss,  hat  er  noch  öffentlich  keine  Proben  seiner 
Thätigkeit  gegeben. 

Leben  Sie  wohl,  mein  geliebter  Freund,  erfreuen  Sie  mich,  wenn 
es  sein  kann,  bald  [wieder  mit]^)  einigen  Zeilen.  Sie  wissen,  welches 
Fest  ein  von  Ihnen  für  mich  ankommender  Brief  mir  [stets  bejreitet. 

K  S.  Eben  bringt  mir  Eltermann  Delius,  der  am  o.  Apr.  in 
Bremerhaven  und  an  Bord  des  Copernicus  war,  den  Abschieds-Gruss 
von  Ihrem  Hrn.  Sohne.  Der  Hr.  Lieutenant  Gauss  war  ganz  gesund 
und  heiter,  mit  seiner  Einrichtung,  Verpflegung  und  Umgebung  sehr 
zufrieden,  aber  nun  doch  auch  herzlich  froh  über  die  endliche  Erlösung 
aus  der  so  langen  Blockade. 


No.  695.  Olbers  an  Gauss.  [ses 

Bremen,  1836  Juni  28. 

In  grosser  Eile  zeige  ich  Ihnen  nur  an,  dass  hier  gestern  die 
Nachricht  von  der  am  22.  Mai  erfolgten  glücklichen  Ankunft  des 
Copernicus  in  Philadelphia  eingegangen  ist. 

Mich  verlangt  sehr,  etwas  von  Ihrem  und  der  Ihrigen  Ergehen, 
und  auch  von  Ihren  etwaigen  Reise-Projekten  dieses  Sommers  zu  er- 
fahren. 

Ich  befinde  mich  ziemlich  wohl.  Mein  Sohn  ist  wieder  in  Pyrmont. 
Mein  kleiner  Ur-Enkel  kränkelt  bedenklich  und  macht  mir  manche 
Sorge.  Doch  bin  ich  auch  vor  einigen  Monaten  durch  die  Geburt  einer 
kleinen  Ur-Enkelin  erfreut  worden. 


No.  696.  Gauss  an  Olbers.  [328 

Göttingen,  1836  Juli  23. 

Icli  habe  Ihnen  noch  meinen  gehorsamsten  Dank  nachzuholen,  dass 
Sie  mich  sogleich  von  der  Ankunft  des  Cojjernicus  in  Philadelphia 
haben  benachrichtigen  wollen.  Seitdem  habe  ich  schon  zwei  Briefe  von 
meinem  Sohne  selbst  erhalten,  einen  aus  Philadelphia,  den  andern  aus 
New  York.  Der  allgemeine  Eindruck,  den  die  Menschen  dort  machen, 
ist,  dass  fast  jeder  nur  darauf  denkt,  to  make  moneij,  und  gierig  seinem 
Gewinn  nachrennt.  Es  seien  ihm  daher  der  grösste  Theil  der  bislier 
abgegebenen  Adressen  oline  allen  Nutzen  gewesen.    Doch  habe  er  auch 


*)  Die  eing-eklamraeitou  Worte  sind  wohl  beim  Entsieirelu  abgerissen.     Kriu. 


Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1836  Juli  23.  641 

sehr  rühmliche  Ausualmieii  j,^efuiideii.  Xainentlich  rühmt  er  sehr  den 
Hannoverschen  Konsul  Meyer,  einen  Hrn.  Vezib  oder  Vezin,  und  Hrn. 
\'auguan,  Sekretär  der  Ph'iladelph'ian  Philosojihical  Society.  Letzterer 
habe  ihm  vielfache  Gelegenheit  zur  Bekanntschaft  mit  interessanten 
Personen  in  Beziehung  auf  seinen  Hauptzweck,  das  Studium  der  Eisen- 
bahnen, eröffnet.  Der  enorme  Gewinn,  welchen  die  die  Erbauung  der 
Eisenbahnen  dort  leitenden  Personen  [erzielen],  setzt  den  bloss  an  euro- 
päischen (oder  Hannoverschen)  Maasstab  gewöhnten  in  Erstaunen.  Er 
erwähnt  eines  Mannes,  der  zugleich  die  Erbauung  von  drei  neuen 
Bahnen  leite  und  dafür  ein  Honorar  von  5000  Dollars  fib-  jede,  also 
zusammen  22500  preuss.  Thaler  jjer  annum  erhalte. 

Meine  älteste,  leider  fortwährend  sehr  schwache  Tochter  ist  vor 
acht  Tagen  abermals  nach  Ems  zur  Badekur  abgereist,  zur  Gesell- 
schaft hat  sie  die  Niece  unseres  sei.  HARDiNa  (Tochter  des  iu  Klaus- 
thal gestandenen  Superintendent  Haeding)  mitgenommen. 

In  der  Casseler  Zeitimg,  ich  glaube  vom  10.  Juni,  fand  ich  in  der 
Fremdenliste  die  Ankunft  des  Hrn.  Senator  Olbees  aus  Bremen  mit 
Familie  und  Dienerschaft.  Eine  darauf  basü'te  Präsumtion  scheint  sich 
jedoch  mit  der  Art,  wie  Sie  der  Reise  Ilu-es  Hrn.  Sohnes  nach  Pyrmont 
erwähnen,  kaum  zu  vertragen. 

Im  vorigen  Frühjahr  habe  ich  mich  einige  "Wochen  hindurch  viel 
mit  optischen  Versuchen^)  beschäftigt,  namentlich  in  Beziehung  auf  die 
Diffraktion,  wofür  ich  einen  ScHWEED'schen  Apparat  erhalten  habe. 
Diese  Gegenstände  werden  mir  fast  ebenso  interessant,  wie  Magnetismus 
und  Galvanismus.  Ich  habe  jedoch  jetzt  mich  mit  Gew^alt  ganz  wieder 
davon  trennen  müssen,  da  es  mir  dazu  an  Zeit  fehlt. 

Ganz  besonders  wird  meine  Zeit  jetzt  in  Anspruch  genommen  durch 
Geschäfte,  die  sich  auf  die  Hannoversche  Maassregulirung^)  beziehen. 
Für  die  Wägungen  habe  ich  eine  Waage  von  Repsold  erhalten,  die 
er  früher  für  seinen  eigenen  Gebrauch  gleichzeitig  mit  einer  für 
Schumacher  verfertigt  hat.  Der  letzteren  scheint  sie  an  Vollkommen- 
heit etwas  nachzustehen,  inzwischen  denke  ich,  diesen  Unterschied  durch 
veränderte  Behandlungsart  wenigstens  ersetzen  zu  können.  Die  Versuche 
damit,  zuerst  um  sie  in  ihren  Elementen  genau  kennen  zu  lernen,  dann 
mir  selbst  Gewichtsätze  abzugleichen,  und  ein  aus  Berlin  erhaltenes 
pr[eussisches]  Pfund  mit  anderen  Exemplaren  zu  vergleichen,  sind  aber 


^)  Vergl.  hierzu  auch  Brief  Xo.  589  Tom  7.  Juni  1836  im  Briefwechsel  Gaüss- 
ScHüMACHER.     Krm. 

^)  Ausführlichere  Nachrichten  über  Gauss'  Beschäftigung  mit  dem  Hannoyerschen 
Maass-  und  Gewichtswesen  und  besonders  auch  mit  der  Theorie  der  Waage  und  des 
Wagens  giebt  der  Briefwechsel  zwischen  Gauss  und  Schumacher  aus  den  Jahren 
1836—37  und  1839.     Siehe  auch  den  folgenden  Brief.    Krm. 

Olbers.    II,  2.  41 


Q^2  Gauss  an  Olbers.    Göttingen,  1836  Juli  23. 

ausserordentlich  zeitraubend,  wie  Sie  leicht  ermessen  werden,  wenn  Sie 
den  letzten  Artikel  in  Schumacher's  J.  B.  1836  betrachten,  wo  doch 
die  ganze  Arbeit  bloss  den  Zweck  hatte,  ein  Gewichtstück  mit  einem 
anderen  zu  vergleichen. 

Unter  meinen  jetzigen  magnetischen  Experimenten  ist  das  merk- 
würdigste eines,  wo  die  Induktionswirkung  des  £'>-fhnagnetismus  auf 
einen  700fachen  Drahtring,  übersponnen  und  zusammen  über  13000  Fuss 
lang,  bestimmt  wird.  Dieser  Ring  oder  dieses  Rad  wird  um  eine  Axe 
gedreht,  die  einen  horizontalen  Diameter  des  Rades  bildet.  Diese 
Drehungsaxe  macht  genau  einen  rechten  Winkel  mit  dem  magnetischen 
Meridian,  und  die  beiden  Enden  des  Drahtes  sind  bis  zum  Multiplikator 
des  grossen  Magnetometers  der  Sternwarte  fortgeführt,  welcher  Multipli- 
kator jetzt  aus  610  Umwindungen  übersponnenen  Drahts  besteht.  Die 
Drehung  geschieht  taktmässig  nach  der  Uhr,  alle  2*  eine  Um- 
drehung, und  nach  jeder  halben  Umdrehung  wechselt  vermöge  eines 
eigenthümlichen  Mechanismus  die  Verbindung  der  Drahtendungen  des 
Rades  mit  ihren  Fortsetzungen.  Die  Einrichtung  ist  nach  Vorschrift 
der  Theorie  so,  dass  dieser  Wechsel  genau  stattfindet,  wenn  das  Rad 
dem  magnetischen  Aequator  parallel  ist,  oder  einfacher  gesagt,  normal 
gegen  die  Richtung  der  erdmagnetischen  Kraft.  So  wirkt  der  durch 
die  Induktion  erzeugte  Strom  immer  in  einerlei  Sinn  auf  das  Magneto- 
meter und  bewirkt,  obgleich  die  ganze  Drahtlänge  so  gegen  20000  Fuss 
lang  ist,  doch  noch  Ausweichung  von  mehreren  Hundert  Skalentheilen 
an  der  25 pfundigen  Nadel.  Bei  einigen  Versuchen  wird  auch  noch  der 
Draht  des  Induktors  (Schumacher's  J.  B.  1836,  S.  41  ^),  der  aber  jetzt 
nicht  mehr  3537,  sondern  7000  Umwindungen  hat,  mit  in  die  Kette 
aufgenommen,  wo  also  der  Strom  gegen  27000  Pariser  Fuss  sehr  dünnen 
Drahts  zu  diu'chlaufen  hat  und  dann  noch  immer  325  Skalentheile  Aus- 
schlag giebt.  Diese  Versuche  machen  einen  Theil  von  denjenigen  aus. 
die  zum  Zweck  haben,  alles  was  sich  auf  die  Wechselwirkung  zwischen 
Magnetismus  und  galvanischen  Strömen  bezieht,  auf  absolute  Maasse 
zu  bringen.  Genäherte  Zahlenbestimmungen  geben  schon  meine  früheren 
Versuche.  Die  gegenwärtigen  werden  aber  die  Genauigkeit  noch  sehr 
vergrössern. 

Auch  die  trigonometrischen  Messungen  ruhen  dieses  Jahr  nicht  ganz. 
Der  Hauptmann  Müj.ler  bearbeitet  gegenwärtig  ein  Dreiecksnetz  west- 
lich von  Göttingen.  Den  Antheil,  welchen  mein  Sohn  an  der  grossen 
Karte  von  Hannover  nimmt,  hat  er  während  seiner  Abwesenheit  einem 
anderen  Officier  übertrafen,  und  in  diesem  Augenblick  erhalte  ich  drei 


^i  ..Erdmagnetismus  imd  Mai]netomefe)" .    ^^■ieder  abgedruckt  in  Gauss"  Werken 
Bd.  V  S.  315—344,  daselbst  S.  340.     Krm. 


Tiauss  au  Ollters.     Göttingen,  1837  Juui  20.  643 

neue  Blätter  Nr.  :i5,  60  und  34.  Es  ist  zu  bewundern,  dass  dieses 
herrliche  \\^erk  hei  der  geringen  Unterstützung,  die  es,  wie  es  scheint, 
vom  Publikum  findet,  so  rasch  fortschreitet.  Unser  Professor  der  Geo- 
<rraphie  (Freund  Heeren)  kannte,  wenigstens  vor  einiger  Zeit,  nicht 
einmal  die  Existenz  der  Karte. 

N.  S.  Da  von  Bremen  fast  wöchentlich  Schiffe  nach  Nord-Amerika 
abgehen,  so  hofte  ich,  Ihnen  nicht  gar  zu  viel  Beschwerde  zu  ver- 
ursachen, wenn  ich  Sie  ersuche,  die  Einlage  einem  solchen  gütigst 
niitzutieben. 


No.  fi97.  Gauss  all  Olbers.')  [329 

Göttingen,  1837  Juni  20. 

Es  ist  eine  unendlich  lange  Zeit,  dass  ich  mit  keinen  direkten 
Nachrichten  von  Ihnen  erfreut  bin.  Je  mehr  ich  mich  nun  danach 
sehne,  um  so  begieriger  ergreife  ich  die  Gelegenheit,  mich  einmal  wieder 
in  Ihr  Andenken  zurückzurufen,  indem  ich  Ihnen  ein  Exemplar  des  un- 
längst fertig  gewordenen  ersten  Bandes  der  Resultate^)  überreiche. 

Aus  der  Einleitung  werden  Sie  Anlass  und  Plan  dieser  Publikation 
ersehen.  Was  der  Titel  angiebt,  ist  und  soll  sein  nur  der  bei  weitem 
kleinste  Tlieil.  Die  Publikation  der  regelmässigen  Teniiinbeobb.  soll 
nur  die  fortlaufende  Schnur  sein,  an  die  sich  kleinere  und  grössere 
Aufsätze  aus  dem  weiten  Gebiete  des  Erdmagnetismus  und  allem,  was 
damit  zusammenhängt,  anreihen  sollen.  Angefangen  w^erdeu  muss  freilich 
mit  leichten,  allgemein  verständliehen  und  dem  ersten  Bedürfniss  nahe 
liegenden  Sachen.  Man  wird  sich  das  Publikum  erst  nach  und  nach 
zubilden  müssen,  denn  wie  verworrene  Begriife  noch  mancher  Orten 
herrschend  sind,  werden  Sie  aus  dem  AiEY-CnRisTiEN'schen  Rapport 
über  Humboldt's  Brief)  an  den  Herzog  von  Sussex  zur  Genüge  er- 
sehen haben.  Direkt  auf  so  etwas  zu  antworten,  kann  man  sich  un- 
möglich entschliessen,  aber  jedes  Blatt  unserer  Zeitschrift  wird  eine 
indirekte  Antwort  sein. 

Nach  und  nach  wird  man  zu  subtileren  Untersuchungen  fortgehen 
können,  aber  erst,   wenn  das  Elementare  als  jedermann  bekannt  und 


^)  Zwischen  dem  vorhergehenden  und  diesem  Briefe  fehlt  ein  Schreiben  Olbers', 
welches  nach  dem  folgenden  Briefe  nicht  in  Gauss'  Hände  gelangt  ist.     Seh. 

^j  Vergl.  Anmerkung  auf  S.  637.  Die  von  Gauss  herrührende  Einleitung  zu 
diesem  Bande  der  Resultate  ist  abgedruckt  in  Gauss'  Werken  Bd.  V,  S.  345—351.  Krm. 

')  Siehe  auch  Brief  No.  23  vom  30.  Juli  1836  im  Briefwechsel  Hümboldt- 
Gauss.  Der  Brief  Humboldt's  an  den  Herzog  von  Sussex  ist  abgedruckt  in 
E.  ScHERiKG,  C.  F.  Gauss  und  die  Erforschung  des  Erdmagnetismus,  S.  9 — 21.     Krm. 

41* 


04:4  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1837  Juni  20. 

keiner  ^oben  Misslegung  mehr  ausgesetzt  betrachtet  werden  kann.  Alles 
wird  freilich  darauf  ankommen,  ob  die  Zeitschrift  bestehen  kann.  d.  i. 
ob  der  Absatz  gross  genug  sein  wird,  dass  der  Verleger  dabei  heraus- 
kommt. Im  bejahenden  Falle  werde  ich  mit  Vergnügen  nach  und  nach 
alle  meine  Untersuchungen  darin  jjubliciren;  im  entgegengesetzten  wird 
das  Unternehmen  bald  wieder  eingehen  müssen.  Ich  fürchte  mehr  das 
letzte,  als  ich  das  erste  hoffe. 

Die  Anzahl  der  Theilnehmer  an  den  Beobb.  vergrössert  sich  fort- 
während. Wahrscheinlich  wird  Krakau  schon  den  nächsten  Termin 
mit  beobachten.  Für  Heidelberg  und  Brüssel  werden  jetzt  hier  Apparate 
angefertigt.  Hoffentlich  wird  die  Zeitschrift  nachdrücklich  beitragen, 
die  Vergrösserung  der  Theilnehmer  zu  beschleunigen. 

Ich  komme  nun  jetzt  zu  Ihnen,  mein  theurer  Olbers,  mit  einer 
grossen  Bitte.  Mein  jüngster  Sohn  -wird  im  Sept.  nach  New  Orleans 
abreisen,  um  im  Missouri-Staat  eine  Existenz  zu  suchen,  die  er  in 
Europa  nicht  hat  finden  können.  Er  wird  sich  vorher  mit  einem  zwar 
ganz  mittellosen,  aber  sehr  wackeren  Mädchen  verheirathen.  Je 
geringer  seine  eigenen  Mittel  sind,  um  so  wichtiger  ist  es  füi-  ihn,  dass 
er  sie  mit  keinem  oder  möglichst  geringem  Verlust  dorthin  übertragen 
kann.  Ich  selbst  vermag  die  verwiiTten  gegenwärtigen  dortigen  Geld- 
verhältnisse gar  nicht  zu  beurtheilen ;  mir  erscheint  alles  in  einer  chao- 
tischen Räthselgestalt.  Aber  an  einem  Handelsorte  wie  Bremen,  der 
in  so  vielfacher  Verbindung  mit  Amerika  steht,  A^ird  man  doch  ein 
klares  Urtheil  darüber  haben,  und  ich  hoffe,  dass  es  Hinen  nicht  zu 
viele  Beschwerden  machen  wird,  etwa  durch  Ihren  verehrten  Hrn. 
Schwiegersohn,  der  sich  schon  meinem  ältesten  Sohne  so  hüLfi-eich  be- 
wiesen hatte,  diejenigen  Erkundigungen  einzuziehen,  die  nöthig  sind, 
um  meinem  Sohne  über  die  vortheilhafteste  und  gefahrloseste  Art.  wie 
er  sein  geringes  Vermögen  dorthin  transferiren  kaijn,  freundschaftlich 
zu  rathen.  Ich  selbst  habe  wohl  gedacht,  ob  es  nicht  vortheilhaft 
wäre,  wenn  nicht  das  Ganze,  doch  einen  Theil  baar  mitzunehmen  und 
zwar  in  französischen  Goldmünzen  (Napoleonsd'or  =  20  Franc-Stücke). 
Hier  sind  indessen  solche  nicht  zu  haben,  oder  höchstens  in  gar  nicht 
der  Rede  werther  Quantität  oder  mit  so  übermässigem  Aufwand,  dass 
aller  Vortheil  mehr  als  absorbirt  werden  würde.  Auch  bescheide  ich 
mich,  solche  Geldverhältnisse  gar  nicht  zu  verstehen. 

Ich  bin  zwar  überzeugt,  dass  Sie.  mein  theurer  Olbers,  Ihren  Eath 
und  Ihre  freundschaftliche  Theilnahme  an  dem  künftigen  Glücke  meines 
Sohnes  ihm  nicht  versagen  werden,  schon  als  t^olcJten.  Er  bringt  aber 
noch  zwei  andere  Ansprüche  mit,  als  Ihr  Pathe  und  als  Verlobter  der 
Tochter  der  Schwester  unseres  gemeinschaftlichen  Freundes  Bessel. 

Mein  Sohn  hat  übrigens  für  sich  und  seine  künftiire  Frau  schon 


Gauss  an  011).^rs      Höttingen,  1837  Juni  20.  645 

Plätze  auf  einem  im  Sept.  nach  New  Orleans  von  Bremen  zu  expedirenden 
Schiffe  durch  einen  dortigen  Makler  AN'estuof  belegt,  und  er  könnte 
unter  keinen  günstigeren  Auspicien  reisen,  als  wenn  es  sich  träfe,  dass 
es  der  Olbers^)  wäre,  der  ihn  in  sein  neues  Vaterland  führte.  Er  meint, 
dass  es  sehr  vortheilhatt  wäie,  wenn  er  es  so  einrichten  könnte,  dass  er, 
ohne  sich  in  New  Orleans  aufzuhalten,  sogleich  nach  der  Ankunft  mit 
einem  Dampfschiffe  den  Mississippi  hinauf  nach  St.  Louis  weiter  reisen 
könnte.  Ob  die  Geldangelegenheiten  sich  so  arrangiren  lassen,  dass 
dies  thunlich  ist,  verstehe  ich  selbst  nicht  zu  beurtheilen. 

Mein  ältester  Sohn  ist  gleich  nach  seiner  Rückkehr  als  Adjutant 
bei  dem  Stader  Artillerie-Bataillon  eingetreten.  Seine  äussere  Lage 
ist  dadurch  nicht  unbedeutend  verbessert,  so  dass  er,  unverheiratet,  sein 
selir  gutes  Auskommen  hat,  "wenngleich  lange  nicht  zureichend,  einen 
eigenen  Herd  zu  bauen.  Ich  wünschte  sehr,  dass  er  Gelegenheit  fände, 
seine  schönen  erworbenen  Kenntnisse  in  Beziehung  auf  die  Eisenbahneu 
bei  uns  nutzbar  zu  machen;  ich  weiss  aber  nicht,  wie  viel  \\'illfähi'ig- 
keit  für  Eisenbahnen  man  von  der  Hannoverschen  Stände- Versammlung 
zu  erwarten  hat. 

In  den  letzten  ^/^^  Jahren  haben  mich  unsere  Maassangelegenheiten 
einen  grossen  Aufwand  von  Zeit  und  Arbeit  —  Sie  stellen  sich  schwer- 
lich vor,  wie  grossen  —  gekostet.  Ich  habe  den  Auftrag,  die  Dar- 
stellung aller  Normalmaasse  und  Gewichte  zu  leiten.  Aber  dieses  Leiten 
implicirt  eine  unendliche  Menge  von  Messungen  und  Wägungen.  Cirka 
3  Wochen  habe  ich  allein  dazu  verw^enden  müssen,  die  Eintheilung^) 
eines  Maasstabes,  den  ich  habe  anfertigen  lassen,  zu  prüfen  und  die 
Fehler  derjenigen  Theilstriche,  die  ich  nöthig  habe  (etw^a  70),  zu  tabu- 
liren.  Mein  Komparator  ist  sehr  einfach,  aber  er  leistet  ebenso  viel, 
wo  nicht  mehr,  als  der  künstliche,  den  Bailt  angewandt  hat.  Er  hat 
ein  gusseisernes  Gestell,  welches  über  50  U  wiegt.  Sehr  beschwerlich 
war  es,  dass  ich  damals  im  Dec.  und  Jan.  genöthigt  war,  alle  Ope- 
rationen in  einem  ungeheizten  Zimmer  zu  machen,  da  im  geheizten 
wegen  der  fortwährend  unter  meinen  Händen  vorgehenden  Temperatur- 
Aenderungen  nichts  Scharfes  zu  machen  war.  Die  Hohlmaasse  (8  an 
der  Zahl)  sind  fertig  und  sehr  schön  gerathen.  Ebenso  viel  Aufwand 
kosten  die  Wägungen,  wobei  noch  sehr  viel  zu  thun  übrig  bleibt, 
namentlich  die  Darstellung  der  Gewichte  von  1—100/?,  wozu  Waagen 
von  ganz  neuer  Konstruktion  erst   vollendet   und   studirt  sein  wollen. 


^)  Zu  Olbers'  Ehren  benanntes  Bremer  Auswanderer-Schiff.  Siehe  Brief  Xo.  632 
S.  516  so  wie  den  folgenden  Brief.     Krm. 

*)  Vergl.  hierzu  Gauss'  Werke  Bd.  V  Xachlass,  S.  682-635,  nach  der  Bemer- 
kung auf  S.  639  daselbst  nach  einer  Aufzeichnung  Weber's  aus  dem  Jahre  1839  oder 
1840  (?)  mitgetheilt.     Krm. 


046  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1837  Juli  13. 

Die  kleineren  (Medicin-  und  Juwelen-)  Gewichte  sind  fertig.  Einen 
kleinen  Aufsatz  über  eine  subtile  Korrektion  an  den  Hebelwaagen  von 
gewöhnlicher  Einrichtung  werden  Sie  in  den  G.  G.  A})  oder  in  den 
Astronomischen  Nachrichten,  wo  er  wieder  abgedruckt  ist,  gelesen  haben. 


No.  698.  011) ers  au  Ganss.  [seo 

Bremen,  1837  Juli  13. 

Sie  haben  mi]-  durch  das  so  interessante  Geschenk  Ihrer  wichtigen 
magnetischen  Resultate,  noch  mehr  aber  durch  Ihren  so  lieben  Brief 
eine  ungemein  grosse  Freude  gemacht.  Allerdings  haben  wir  sehr 
lange  auf  direktem  Wege  nichts  von  einander  gehört.  Ich  muss  in- 
dessen bemerken,  dass  ich  zuletzt  geschrieben  hatte  ^),  und  wenn  mich 
dies  auch  gar  nicht  abgehalten  haben  würde,  schon  viel  früher  wieder 
zu  schreiben,  so  tliat  es  hauptsächlich  der  Umstand,  dass  ich  stets 
Ihnen  nur  das  Ihnen  längst  Bekannte  wiederholen  kann,  dass  ich  Sie 
immer  mit  derselben  Wärme  liebe,  verehre  und  bewundere.  Sie  aber, 
lieber  Gauss,  könnten  mir  doch  zuweilen  —  ich  bescheide  mich  gern, 
dass  dies  wegen  Ihrer  vielen  Geschäfte  nur  selten  und  kurz  gefasst 
geschehen  kann  —  ein  paar  ^^'orte  über  Ihr  Befinden,  Ihre  Arbeiten, 
Ihre  Entdeckungen  sagen,  die  mir  dann  immer  gleich  erfreulich  und 
lehrreich  sein  werden,  und  die  ich  nie  unbeantwortet  lassen  will. 

Die  letzten  indirekten  Nachrichten  von  Ihnen  habe  ich  durch  den 
jungen  Beandes  aus  Leipzig  erhalten,  der  vor  einigen  Tagen  von  hier 
nach  Altena  abgegangen  ist,  und  mir  von  Ihrem  Befinden  und  Ihrer 
grossen  fortwährenden  Thätigkeit,  in  Ihren  magnetischen  Untersuchungen 
hauptsächlich,  die  angenehmsten  Nachrichten  brachte.  Was  mich  be- 
trifft, so  hatte  ich  den  Winter  ganz  erträglich  überstanden,  aber  die 
so  ungewöhnlich  kalten  Tage  der  ersten  Hälfte  des  Apr.  gaben  meiner 
Gesundheit  einen  Stoss,  von  dem  sich  der  nunmehr  80  jährige  Greis 
noch  nicht  recht  wieder  erholen  kann. 

Wenn  für  mich  selbst  der  Winter  so  ziemlich  hingegangen  ist,  so 
hat  er  mich  um  so  schmerzhafter  meiner  besten  hiesigen  Freunde  be- 
raubt. Besonders  empfindlich  war  und  ist  mir  der  Verlust  der  Sena- 
toren Deneken  und  Gildemeister,  und  der  Professoren  Tkeviranus 
und  KuMP.  —  So  wird  man  im  Alter  immer  isolirter  in  der  ^^'elt. 

Mit  wahrem  Heisshunffer  habe  ich   Ihre  herrlichen  Besultate  des 


ij  Gott.  Gel.  Anz.  41.  Stück,  S.  401—405:  A.  N.  Bd.  XIV  No.  327,  :^.  241—244. 
Wieder  abgedruckt  in  Gauss'  Werken  Bd.  V,  S.  511—513.     Krni. 
")  Vergi.  Anmerkung  1  auf  S.  643.     Seh. 


Oll'trs  an  Gauss.     Bremen,  1837  Juli  13.  (J47 

Mdynctisrlitvi  Vereins  diircl»o:elesen;  aber  ein  eigentliches  Studium  der- 
selben behalte  ich  mir  noch  vor.  Ich  kann  Ihre  Furcht,  dass  das  Unter- 
nehmen keinen  hinreichenden  Absatz  finden  werde,  durchaus  nicht 
t heilen.  Welcher  Physiker  kann  dieses  Werk  entbehren  und  muss  und 
wird  sich  nicht  dafür  interessiren?  So  interessant  das  jetzige  IStück 
auch  ist,  so  versprechen  die  künftigen  bei  grösserer  Ausdehnung  des 
Vereins,  vielleicht  selbst  bis  jenseits  des  Aequators,  doch  noch  immer 
interessanter  zu  werden.  Und  wie  viel  ist  noch  zu  erforschen!  Wie 
weit  wird  sich  der  so  auffallende  Parallelismus  der  augenblicklichen 
\'eränderungen  erstrecken.  Da  die  Erde,  wie  es  scheint,  zwei  Nord- 
pole und  zwei  >*Südpole  der  magnetischen  Kraft  hat,  so  muss  doch  wohl 
dieser  Parallelismus  seine  Grenzen  haben?  —  Nun  man,  dank  Ihrer 
grossen  Erfindung,  die  Beobb.  in  einer  so  grossen  Schärfe  machen  kann, 
Hesse  sich  nicht  auch  untersuchen,  ob  die  Stellung  des  Mondes  gar 
keinen,  auch  nur  sehr  kleinen  Einfluss  auf  die  Magnetnadel  habe?  — 

Dass  ich  Ihren  geliebten  Hrn.  Sohn,  meinen  lieben  Pathen,  mit 
seiner  jungen  Frau  im  Sept.  hier  sehen  werde,  freut  mich  ungemein. 
Weil  aber  gerade  in  diesen  Monat  das  Jubiläum  von  Göttingen  fällt, 
so  habe  ich  wohl  keine  Hoffnung,  dass  Sie,  mein  theurer  Freund,  das 
junge  Ehepaar  bis  Bremen  begleiten  werden,  und  ich  so  das  Glück 
hätte,  Sie  vor  meinem  Abschiede  aus  dieser  Welt  noch  einmal  zu  um- 
armen? Ich  selbst  verstehe  zwar  nichts  von  amerikanischen  Geld- 
sachen, aber  mein  Schwiegersohn  wird  gern  darüber  alle  möglichen 
Erkundigungen  einziehen  und  die  Absichten  Ihres  Hrn.  Sohnes,  so  viel 
er  nur  irgend  kann,  zu  befördern  suchen. 

Mit  dem  Schilfe  Olhcrs  werden  die  lieben  Auswanderer  aber  ihre 
Ueberfahrt  nicht  machen  können.  Diese  so  schön  gebaute  Fregatte, 
die  bisher  alle  ihre  Reisen  so  glücklich  machte,  war  auch  diesmal  auf 
der  Fahrt  nach  New  York  schon  bis  in  die  Nähe  der  Bänke  von  Neu- 
fundland gekommen,  als  sie  von  einem  wüthigen,  3  ganze  Tage  dauernden 
Orkan  befallen  wurde,  der  das  Schiff  so  zurücktrieb  und  beschädigte, 
dass  der  Kapitän  alle  JVIühe  [hatte],  das  ganz  leck  gewordene  Schiff 
in  den  Hafen  Cork  von  Irland  zu  bringen.  Das  Fahrzeug,  ein  wahres 
Wrack,  wird  höchst  wahrscheinlich  als  keiner  Reparatur  mehr  fähig 
oder  werth  kondemnirt  werden.  Glücklicher  Weise  ist  keiner  der 
Matrosen  oder  der  60  Passagiere  beschädigt,  und  Cargo,  Fracht  und 
Passage-Gelder  sind  versichert. 

Ich  glaube  es  gern,  dass  Ihnen  die  Darstellung  der  Normal-Maasse 
und  Gewichte  viele  Mühe  und  Zeit  gekostet  hat  und  noch  kosten  wird. 
Aber  Ihr  Scharfsinn  hat  bei  der  Gelegenheit  doch  wieder  neue  Ent- 
deckungen gemacht.  Es  ist  doch  nichts,  lieber  Gauss,  was  Sie  anfassen, 
ohne  ihm  eine  neue  und  vollkommenere  Einrichtung  zu  geben. 


g48  Gauss  an  Olbers.    Göttingen,  1837  September  2. 

Nun  von  meiner  Seite  eine  Bitte,  die  Sie  nur  dann  erfüllen  mögen, 
wenn  Sie  ihren  Gegenstand  billigen.  Wollen  Sie  nicht  einen  jungen 
Mann,  der  doch  eine  Druckschrift  herausgeben  will,  oder  herausgeben 
muss,  veranlassen,  die  von  Schumacher  und  mir  in  den  Astronomischen 
Abhandlungen  gelieferte  TafeP)  der  Kometenbahnen  von  Neuem  zu  ver- 
bessern, zu  kompletiren  und  besonders  bis  auf  die  jetzige  Zeit  fortzu- 
setzen. Es  sind  seit  ihrem  Abdruck  fmit  Inbegriff  des  in  denselben 
Astronomischen  Abhandlungen  befindlichen  unbedeutenden  Nachtrages) 
so  viele  neue  Kometen  erschienen  und  berechnet,  dass  es  gewiss  allen 
Astronomen  sehr  angenehm  sein  muss,  ein  vollständiges  Register  ihrer 
Elemente  zu  haben.  An  allen  nöthigen  Hülfsmitteln  kann  es  in  Göttingen 
nicht  fehlen. 

Uebermorgen  erwarte  ich  meinen  Sohn  von  Pyrmont  zurück. 

Leben  Sie  wohl,  mein  theurer  geliebter  Gauss!  Wenn  es  irgend 
sein  kann,  so  erfreuen  Sie  mich  bald  wieder  mit  einigen  Zeilen.  Be- 
denken Sie,  dass  Sie  nicht  mehr  lange  mit  Ihrem  alten  Freunde  werden 
korrespondiren  können. 


No.  699.  Gauss  an  Olbers.  [sso 

Göttingen,  1837  September  2. 

Durch  Ihren  mir  so  lieben  Brief  vom  13.  Juli  haben  Sie  mich 
sehr  erfreut,  ganz  besonders  aber  auch  durch  die  Zusicherung,  dass  Sie 
und  Ihr  Hr.  Schwiegersohn  meinem  Sohn  in  Beziehung  auf  seine  Ueber- 
siedelung  mit  Belehrung  und  Rath  aushelfen  wollen.  Ohne  eine  solche 
Aussicht  könnte  ich  seinetwegen  nur  in  grosser  Unruhe  sein.  Er  be- 
findet sich  übrigens,  bis  ihm  die  bestimmte  Abfahrt  des  Schiffes  (ich 
glaube  des  Alexander),  auf  welchem  er  durch  den  ^Makler  W'esthof 
schon  vor  längerer  Zeit  zwei  Plätze  belegt  hatte,  gemeldet  werden 
wird,  mit  seiner  ihm  am  21.  Aug.  angetrauten  Frau  in  deren  Heimat, 
in  Levern  unweit  Preussisch  Minden. 

Auch  mein  ältester  Sohn  hat  sich  unlängst  in  Stade  verlobt  mit 
einer  Tochter  des  dortigen  Medicinalraths  Ertthropel. 

Gerling^),  der  seine  trigonometrischen  ^lessungen  in  Hessen  jetzt 
beendigt   hat,   hat   jetzt  noch  eine  Operation  veranstaltet,  die  zur  Be- 


^)  A'^ergl.  Anmerkung  2  auf  S.  166.  Dieselbe  Aufforderung  hat  Oi.bf.rs  auch  an 
Bessel  im  Brief  No.  859  vom  5.  Juli  1S3S  gerichtet,  aber  erst  1S47  wurden  von 
Galle  und  Cooper  unabhängig  von  einander  erweiterte  Konietenverzeichnisse  auf- 
gestellt.    Krm. 

'^)  Von  hier  ab  l)is  „vom  Foldberge  her  gesehen''  auch  abgedruckt  in  Gauss' 
Werken  Bd.  IX,  S.  379,  380.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.    Gottingen,  1837  September  2.  649 

stimmiiii«;:  des  Längemniterschiedes  zwischen  Götting-eu  und  Mannheim 
dienen  soll.  Es  werden  Si^rnale  auf  zwei  Bergen.  Meisner  und  Feld- 
berg, gegeben;  erstere  sind  in  meiner,  letztere  in  der  Mannheimer 
Sternwarte  sichtbar;  beide  aber  zugleich  auf  einem  Zwischenberge 
bei  Marburg,  wo  Gekling  mit  einem  IvEssELSchen  Chronometer  beob- 
achtet. Die  Signale  sind  Pulverzeichen  bei  Nacht  und  heliotropische 
bei  Tage.  Das  "Wetter  ist  nicht  günstig:  hier  sind  zwar  bisher  schon 
ziemlich  viele  Zeichen  von  beiderlei  Art  beobachtet,  aber  Gerling 
hatte  nach  seinem  letzten  Briefe  noch  fast  nichts  vom  Feldberge  her 
gesehen. 

Diese  Beobb.  tragen  noch  mit  dazu  bei,  jetzt  meine  Zeit  zu  be- 
engen, so  wie  vorgestern  —  gestern  ein  extramagnetischer  Termin,  den 
ich  den  PARRorschen  in  Xordkap  anzustellenden  magnetischen  Beobb. 
zu  Gefallen  doch  veranstaltet  habe,  obgleich  das  Beispiel  der  vorig- 
jährigen Isländer  Beobb.  davon  hätte  abschrecken  können,  da  aus  letz- 
teren gar  nichts  herausgekommen  zu  sein  scheint.  In  der  Sitzung  der 
Societät  im  Jubiläum  (19.  Sept.)  werde  ich  eine  Vorlesung^)  halten 
über  ein  neues  Mittel  für  die  magnetischen  Beobb.  Es  bezieht  sich 
auf  einen  neuen  Apparat,  der  für  die  (horizontale)  Intensität  ganz  das- 
selbe leistet,  was  das  Magnetometer  für  die  Dekl,  wodurch  also  die 
Aufgabe  {..Eesidtate"  S.  12),  soweit  von  dem  horizontalen  Theile  der 
erdmagnetischen  Kraft  die  Rede  ist,  erledigt  wird.  Von  einer  rohen 
Probe  der  Grundidee  linden  Sie  eine  Andeutung  in  Schumacheb's  Jahr- 
buch 1836  S.  19,  woraus  freilich  nicht  zu  erkennen  ist,  in  u-as  das 
Mittel  besteht,  sondern  nur  ein  sekundärer  Theil  von  dem,  was  damit 
geschieht.  In  diesem  Sommer  habe  ich  aber  den  Apparat  ordentlich 
ausführen  lassen,  und  es  sind  sogar  die  beiden  letzten  Termine  (der  Haupt- 
termin vom  29.  Juli  und  der  "Extratermin  vom  31.  Aug.)  vollständig 
damit  beobachtet^»,  während  ebenso  vollständig  in  beiden  auch  im  Magn. 
Ob.«i.  der  Verlauf  der  Dekl.  beobachtet  ist. 

Der  horizontale  Theil  des  Erdmagnetismus  kann  also  jetzt  so  scharf 
beobachtet  werden,  wie  die  Sterne  am  Himmel.  Aber  mit  dem  verti- 
kalen Theile  wird  eine  ähnliche  Genauigkeit  niemals  erreicht  werden 
können;  wer  die  Stelle  der  Intensitas  vis  etc.  p.  15^)  „Ex  hoc  rem  — 
reqidratur"  gehörig  studirt  und  beherzigt  hat,  wird  dies  leicht  von 
selbst  einsehen;  wenn  man  aber  auch  nicht  die  gleiche  Genauigkeit  wie 
bei  dem  horizontalen  Theil  erreichen  kann,  so  bin  ich  doch  überzeugt, 


^)  Vergl.  Anmerkung  2,  S.  6.56.     Krm. 

*)  Vergl.  Resultate  aus  den  Beobb.  des  magnet.  Vereins  1837  VIII,  Gauss^  Werke 
Bd.  V  S.  576-579.     Krm. 

»)  S.  91—92  in  Bd.  V  der  Werke.     Krm. 


ß50  Gaixss  an  Olbers.     Göttingen,  1837  September  2. 

dass  man  viel  mehr  erreichen  kann,  als  bis  jetzt  erreicht  ist.  Das  ist 
aber  etwas,  worauf  ich  mich  nicht  einlassen  kann.  Bei  den  Instru- 
mental-Hülfsnütteln  für  die  beiden  Elemente  des  horizontalen  Theils 
konnten  geistige  Mittel  ausreichen,  d.  i.  durch  eine  gehörige  Einrich- 
tung konnte  man  Apparate  zur  Erreichung  der  höchsten  Genauig- 
keit darstellen,  die  eigentlich  keine  übermässig  feine  mechanische  Ar- 
beit erfordern,  und  mit  geringen  Kosten  angefertigt  werden  können. 
Der  neue  Apparat  kommt  nicht  auf  50  Ethlr.,  natürlich  alles  schon  Vor- 
handene, w^as  dabei  gebraucht  wird,  ungerechnet,  namentlich  Uhr,  Theo- 
dolith  und  Magnetstab.  Dagegen  sind  bei  allem,  wobei  der  vertikale 
Theil  der  magnetischen  Kraft  auf  irgend  eine  Art  mit  ins  Spiel  kommt, 
sei  es  als  Inklination  oder  anders,  sehr  fein,  sehr  vollkommen  ausge- 
arbeitete, also  auch  am  Ende  kostbare  Instrumente  unentbehrlich,  uner- 
lässlich  und  können  durch  nichts  anderes  ersetzt  werden.  Ein  Inklina- 
tionsapparat von  der  gewöhnlichen  Einrichtung,  der  nur  so .  weit  be- 
friedigen soll,  als  wir  jetzt  wirklich  sind,  also  wobei  man  noch  weit, 
sehr  weit  zurücTc  ist  gegen  das,  was  man  wünschen  muss,  kostet  schon 
mehr,  als  ich  in  einem  oder  zwei  Jahren  für  Sternwarte  und  magneti- 
sche Anlagen  zusammen  zu  verausgaben  habe. 

Ich  habe  schon  längst  die  Meinung  gehabt  und  geäussert,  dass  die 
CAVENDiSH'schen  Versuche  über  die  Attraktion  von  Bleikugeln  ihre  Be- 
rühmtheit nicht  sonderlich  verdienen,  und  dass  man  diese  Versuche  viel 
besser  machen  könnte.  Ich  sehe  jetzt  aus  den  Zeitungen,  dass  die  Ver- 
suche in  England  wiederholt  werden  sollen,  und  dass  der  Schatz  dazu 
eine  „Beihülfe"  von  500  Pfund  St.  ausgezalilt  hat.  Hotfentlich  werden 
diejenigen,  die  die  Ausführung  machen,  nun  etwas  Besseres  liefern. 
Wenn  man  aber  die  Summen,  die  in  England  —  oder  auch  in  Euss- 
land,  wie  das  Beispiel  von  Jacobi  zeigt  —  auf  einzelne  Versuche  ver- 
wandt werden  können  mit  den  jämmerlich  mesquinen  Mitteln  ver- 
gleicht, womit  bei  uns  zu  Lande  der  ganze  Haushalt  besorgt  werden 
muss,  so  verliert  man  freilich  ziemlich  die  Lust,  sich  mit  experimen- 
teller Naturforschung  zu  beschäftigen. 

Ueber  die  Aufnahme  unserer  „Resultate"  im  Publikum  scheint  doch 
meine  eigene  Ahnung  richtiger  zu  sein  als  Ihre  Prophezeiung.  A  la 
honne  heure!  Ich  habe  das  meinige  gethan,  und  wenn  das  Publikum 
dergleichen  nicht  goutirt,  so  Avissen  wir  aufzuhören. 

Für  das  Göttinger  Jubiläum  wird  nocli  von  allen  Seiten  gerüstet; 
eine  Sündfluth  von  Versen  ist  schon  ausgebrochen.  Ich  erwarte  hier 
Hrn.  Gerling  zum  Besuche.  Hu^aibolpt  wird  auch  herkommen:  möchte 
er  nur  seine  Anwesenheit  etwas  über  das  Jubiläum  hinaus  ausdehnen, 
da  während  desselben  und  vorher  so  viel  Zerstreuendes  ist,  dass  ich 
ihn  Avenig  würde  geniessen  können. 


Gauss  au  Olbers.     Götting-en,  1837  Septeuiber  26.  651 

P'ast  iiHiss  ich  besorgen,  dass  ein  t'riiheier  Brief  ^)  von  Ihnen  niclit 
in  meine  Hände  gekommen,  sondern  verloren  ist.  Sie  sclirieben  in 
Ilirem  letzten  Briefe,  Sie  hätten  zuletzt  geschrieben  gehabt.  Nnn  habe 
ich  aber  zwischen  Ihren  Brii-fen  vom  28.  Jnni  1836  und  13.  Juli  1837 
keinen  von  Ihnen  erhalten,  während  ich  Ihnen  entweder  im  Aug.  oder 
Juli  1836  einen  Brief  schrieb,  der  gewiss  in  Ihre  Hände  gekommen 
ist.  Hat  also  Ihre  Erinnerung  Sie  nicht  getäuscht,  so  ist  nothwendig 
ein  Brief  V(tn  Ihnen  verloren  gegangen. 


No.  700.  Gauss  an  Olbers.  fssi 

Göttingen,  1837  September  26. 

Nachdem  unsere  Jubiläumsfeierlichkeiten  —  von  denen  Sie  ad 
nauseam  usque  durch  die  Zeitungen  Kunde  bekommen  —  überstanden 
sind,  muss  ich  Ihnen  doch  ein  Zeichen  geben,  dass  ich  noch  lebe. 
Wenig  hätte  in  der  That  gefehlt,  so  wäre  es  mir  wohl  ebenso  gegangen 
wie  Göschen,  der  höchstwahrscheinlich  als  Opfer  derselben  vorgestern 
gestorben  ist.  Ein  anderer  hiesiger  Professor,  Dissen,  war  schon  ein 
paar  Tage  früher  gestorben,  wenn  aber  bei  dem  auch  das  Jubiläum 
etwas  mitgewirkt  hat,  so  können  es  nur  die  Gemüthserschütterungen 
gewesen  sein,  da  er,  seit  vielen  Jahren  auf  sein  Zimmer  beschränkt, 
an  den  Feierlichkeiten  keinen  Theil  nehmen  konnte. 

Ich  selbst  befand  mich  schon  vorher  nicht  ganz  wohl  und  war 
entschlossen,  an  allen  Processionen  und  dem  Aufenthalt  in  Kirche  und 
Aula  —  wobei  die  ebenso  geschmacklose  als  drückend  beschwerliche, 
sogenannte  Amtstracht,  ein  Mönchsmantel,  angelegt  werden  musste  — 
gar  keinen  Theil  zu  nehmen.  Erst  am  Sonntag  früh,  wo  wir  benach- 
richtigt wurden,  dass  nach  den  Aufzügen,  der  Predigt  pp.  Präsentation 
vor  dem  König  Statt  haben  sollte,  entschloss  ich  mich  noch,  nicht  zu- 
rückzubleiben. Allein  schon  bei  der  Versammlung  in  der  Bibliothek, 
wo  viele  100  Personen  in  engem  Raum  zusammengedrängt  waren,  be- 
fand ich  mich  in  der  desoxj^genirten  Luft  herzlich  schlecht;  dann  kam 
die  Procession  unter  dem  bleiernen  Mantel,  dann  der  Aufenthalt  in  der 
furchtbar  überfüllten  Kirche,  wo  man  kaum  atlimen  konnte,  und  eine 
geistlose  Predigt,  die  gar  kein  Ende  nehmen  wollte.  Ich  war  nahe 
daran,  in  Ohnmacht  zu  fallen.  Dann  neue  Procession,  dann  eine  Stunde 
im   Freien  stehend  bei  der  Enthüllung  der  Statue,  dann  Präsentation. 


^)  Yergl.  Anmerkung-  1  auf  S.  643.     Krm. 


ß52  Gauss  an  Olbers.    Göttingen,  1837  September  26. 

Als  ich  endlich  nach  Hause  kam,  war  ich  g-anz  in  Schweiss  zerfliessend, 
und  musste  nur  schnell  Wäsche  und  Kleider  wechseln,  um  dem  Fest- 
mahl beizuwohnen. 

Ich  glaube,  dass  ich  Göschen's  Schicksal  nur  dadurch  entgangen 
bin,  dass  ich  am  folgenden  Tage  mich  aller  Theilnahme  enthielt  und 
ruhig  zu  Hause  blieb,  so  wie  am  Dienstage  der  Theilnahme  an  der 
Promotionsfeierlichkeit;  endlich,  dass  durch  Fürsorge  meines  guten 
Weber  gleich  nach  dieser  alle  Fenster  geöffnet  wurden,  um  erst  wieder 
reine  Luft  einzulassen,  so  dass  ich,  als  ich  nach  12  Uhr  zu  der  Societäts- 
sitzung  eintraf,  eine  geniessbare  liuft  vorfand  und  meine  Vorlesung 
halten  konnte. 

Gerling  hatte  während  der  ^A^oche  in  meinem  Hause  Quartier 
angenommen.  Humboldt  sah  ich  alle  Tage  bei  mir,  meistens  jeden  Tag 
mehrere  Male.  Er  ist  t»  Abend  abgereist.  Ich  habe  seine  Rüstigkeit 
bewundert.  Er  war  von  Berlin  Tag  und  Nacht  hierher  gereist;  von 
hier  nach  Hannover  reiste  er  wieder  während  der  Nacht. 

Jetzt  ist  es  nun  wieder  in  Göttingen  so  still,  wie  es  voi'her  ge- 
räuschvoll gewesen  war. 

Mein  Sohn  schrieb  gestern,  dass  sein  Schiff  am  1.  Okt.  unter 
Segel  gehen  würde.  Er  ist  höchst  wahrscheinlich  jetzt  schon  in  Bremen, 
und  ich  bitte  Sie,  ihm  die  Einlage  gütigst  zu  übergeben.  Ich  bin  über- 
zeugt, dass  Sie  und  Ihr  trefflicher  Hr.  Schwiegersohn  —  dessen  An- 
denken ich  mich  angelegentlichst  empfehle  —  ihm  auf  jede  Weise  mit 
Rath  und  That  beistehen  werden,  und  diese  Hoffnung  ist  meine  einzige 
Beruhigung. 

Das  Unglück^),  welches  den  künftigen  Schwiegervater  meines 
ältesten  Sohnes,  den  Medicinalrath  Erythropel  in  Stade  betroffen  hat. 
werden  Sie  wahrscheinlich  durch  öffentliche  Blätter  oder  dui"ch  die  Er- 
zählung meines  jüngsten  Sohnes  erfahren  haben.  Es  ist  ein  höchst 
harter  Schlag  für  die  ganze  Familie. 

Sehnlichst  wünsche  ich  mir  recht  bald  einmal  wieder  ein  paar  be- 
ruhigende Zeilen  über  Ihr  Befinden,  mein  geliebter  Olbeks.  zu  erhalten. 
Mancher  Becher  Weins  ist  während  der  Feierlichkeit  auf  Ihr  \\o\\\- 
sein  geleert. 


^)  Siehe  den  folgenden  Brief  Olbers".     Seh. 


(I11..TS  an  (i;ni.<      l'.remeu,  1837  Oktul.er  14.  (553 

No.  701.  Olbers  an  (iauss.  [370 

Bremen,  1837  Oktober  U. 

•  Sie  liabeii  mich  mit  zwei  Briefen  erfreut  und  bep^lückt,  wofür  ich 
ihnen  den  herzlich.sten  Dank  sage.  Längst  hätte  ich  den  ersten  schon 
beantwortet,  wenn  er  mir  nicht  die  Ankunft  Ihrer  lieben  Kinder  als 
schon  im  Anfange  des  Sept.  bevorstehend  angekündigt,  und  ich  nicht 
geglaubt  liätte,  diese  erst  erwarten  zu  müssen,  um  Ihnen  von  den- 
selben etwas  sagen  zu  können.  Die  Reisenden  sind  aber  erst  am 
28.  Sept.  eingetroffen  und  am  2.  Okt.  nach  Bremerhaven  abgegangen. 
Ihr  Hr.  Sohn  hat  Ihnen  eine  in  aller  Absicht,  sowohl  körperlich  als 
geistig,  sehr  liebenswürdige  Schwiegertochter  zugeführt.  Er  selbst  hat 
uns  allen  ungemein  gefallen;  mit  so  viel  Umsicht  und  Bedachtsamkeit 
scheint  er  eine  so  tiefe  Kenntniss  seines  künftigen  Berufs  zu  verbinden, 
dass  sein  Vorhaben  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  den  glücklichsten 
Ei-folg  verspricht.  Von  seinen  Geld-Einrichtungen  u.  s.  w.  wird  er  Ihnen 
selbst  von  Bremerhaven  Nachricht  gegeben  haben.  Die  Reisenden 
gehen  mit  dem  Schiif  Alexander,  Kapt.  Mertens.  Letzterer  ist  als 
einer  unserer  geschicktesten  See-Kapitäne  bekannt,  und  wird  auch  als 
gebildeter  Mann  gerühmt,  was  um  so  weniger  zu  bezweifeln  scheint, 
da  er  der  Sohn  unseres  verstorbenen,  als  Botaniker  so  berühmten  Prof. 
Mertens  ist.  Einer  meiner  Enkel  hat  die  Reise-Gesellschaft  dem  Ka- 
pitän, dessen  ehemaliger  Schulkamerad  er  war,  noch  besonders  dringend 
emilfohlen.  So  viel  ich  weiss,  liegt  der  Alexander  in  Erwartung  eines 
durchstechenden  Ostwindes  noch  auf  der  Rhede. 

Gott  sei  Dank,  dass  Ihr  Jubiläum  ohne  w^eitere  nachtheilige  Folgen 
für  Sie,  lieber  Gauss,  vorüber  gegangen  ist.  Sie  haben  sehr  wohl  ge- 
than,  sich  den  lästigen,  angreifenden  und  langweiligen  Ceremonien  so 
viel  [als]  möglich  zu  entziehen.  Das  Beispiel  von  Göschen  zeigt  schreck- 
haft die  Gefahr  einer  erzwungenen  Theilnehmung  an  denselben.  Für 
die  übrigen  Beschwerden  bei  demselben  finden  Sie  sich  gewiss  durch 
den  Umgang  mit  dem  herrlichen  Humboldt  einigermaassen  entschädigt. 
Sehr  begierig  bin  ich,  vorläufig  etwas  Näheres  über  Ihre  Vorlesung  zu 
erfahren,  die  so  viel  Beifall  gefunden  hat.  Wenn  es  Ihnen  nicht  zu 
viel  Mühe  und  Umstände  macht,  so  schicken  Sie  mir  doch  das  Stück 
der  Oel.  Am.,  worin  Sie  wie  gewöhnlich  Nachricht  von  dem  Inhalt 
dieser  Vorlesung  geben. 

Das  traurige  Unglück  des  braven  Medicinalraths  Ekythropel  hat 
auch  mich  erschreckt  und  betrübt.  Noch  gestern  erhielt  ich  einen 
Brief  aus  Stade,  worin  man  mir  nicht  genug  zu  sagen  weiss,  wie  viel 
die  Stadt  und  deren  Umgebung   durch   seinen   Tod   verloren   hat,   und 


654  Olbers  an  Gauss.     Bremen.  1837  Oktober  14. 

wie  sehr  und  allgemein  man  diesen  betrauert.  Das  Schreiben  enthielt 
zugleich  eine  sehr  vortheilhafte  Schilderung  von  Ihrer  künftigen 
Schwiegertochter. 

Die  mit  Ihnen  gemeinschaftliche  Aufforderung^!  des  Hrn.  v.  Hum- 
boldt zur  Beob.  der  magnetischen  Bewegungen  in  den  24  Stunden 
vom  13.  auf  den  14.  Nov.,  um  den  etwaigen  Einfluss  der  Sternschnuppen 
auf  die  magnetischen  Perturbationen  zu  untersuchen,  hat  mich  sehr 
erfreut.  Ich  interessire  mich  ungemein  für  alles,  was  diese  Meteore 
betrifft,  die  immer  mehr  Anspruch  auch  auf  die  Aufmerksamkeit  der 
eigentlichen  Astronomen  zu  machen  scheinen.  Sechs  in  der  Prager 
Versammlung  anwesende  Astronomen  haben  sich  zu  gleichzeitigen  Beobb. 
in  den  bezeichneten  Nov.-Tagen  vei'bunden.  Die  gleichfalls  merk- 
würdige Epoche  vom  lO./ll.  Aug.  ist  dieses  Jahr  an  vielen  Orten  be- 
obachtet, aber  nii-gends  besser  als  in  Breslau.  Von  etwa  20  seiner 
Zuhörer  unterstützt  konnte  Boguslawsky  den  Beobb.  dieser  Nacht  eine 
Einrichtung  geben,  die  in  Ansehung  der  Vollständigkeit  und  des  De- 
tails fast  nichts  zu  wünschen  übrig  lassen.  Auch  in  der  Umgegend 
von  Breslau  hatte  er  Beobb.  veranlasst,  worunter  sich  hoffentlich  solche 
korrespondirenden  finden  werden,  dass  man  die  Bahnen  der  so  beob- 
achteten Sternschnuppen  berechnen  kann.  Ich  denke  im  Schumachee"- 
schen  Jahrhuche^)  eine  kurze  Uebersicht  der  August-Beobb.  zu  geben. 

Mein  Schwiegersohn  Focke,  der  sich  Ihnen  nebst  meinem  Sohne 
aufs  Gehorsamste  und  Angelegentlichste  empfiehlt,  hat  sich  bewogen 
gefunden,  seinen  Abschied  von  der  Stelle  des  Postdirektors  zu  nehmen, 
und  will  den  Rest  seiner  Tage  frei  von  öflfentlichen  Geschäften  zu- 
bringen. 

Zu  dem  auf  eine  so  ehrenvolle  Art  erhaltenen  Kreuz  der  Ehren- 
legion statte  ich  Ihnen  meinen  theilnehmendeu  Glückwunsch  ab. 

Was  mich  selbst  betrifft,  so  habe  ich  vor  wenigen  Tagen  mein 
80.  Lebensjahr  kränkelnd  und  leidend  angetreten.  Immer  muss  ich 
das  erste  Einheizen  mit  einer  mehr  oder  weniger  heftigen  Erkältung, 
die  sich  durch  Flussfieber  und  mehr  oder  weniger  qualvollem  Husten 
und  Schnupfen  äussert,  bezahlen.  Diesmal  ist  es  etwas  arg  gewesen, 
scheint  sich  aber  doch  nun  allmählich  zu  bessern.  Indessen  muss  ich 
nun  wohl  bald  eine  Abrufung  aus  dieser  Zeitlichkeit  erwarten,  der  ich 
ohne  Furcht  und  ohne  Widerwillen  entgegensehe.   ;Mein  einziger  Wunsch 


\)  In  der  Allgemeinen  Preussischen  Staatszeitiuig.  vergl.  Brief  No.  25  vom  30.  Sept. 
1837  im  Briefwechsel  Hüjiboldt-Gauss.     Krm. 

-j  Astron.  Jahrbuch  für  1838,  Olbers  Bd.  1  No.  101,  S.  558—566,  siehe  auch 
den  Aufsatz  Olbebs'  No.  12  über  Sternschnuppen  in  Bd.  I,  S.  155 — 174,  der  in  Scuv- 
machee's  Jahrbuch  für  1837  veröffentlicht  ist.     Krm. 


Gauss  an  oibers.     Göttiiii^t'ii,  ISoT  Oktober  16.  655 

ist   es    nur,    dass    sii.'    plötzlich    ohne    vorhergehende    lange   Krankheit 
erfolge. 

Wenn   es  Ihnen   irgend   niög-lich  ist,   mein   theuerster  geliebtester 
l'reuud,  so  erfreuen  Sie  mich  bald,  recht  bald  wieder  mit  einigen  Zeilen. 


No.  702.  Gauss  au  Olbers.  [332 

Göttingen,  1837  Oktober  16. 

Ich  kann  nicht  unterlassen,  Ihnen  auf  das  Herzlichste  für  die 
grosse  Güte  zu  danken,  mit  der  Sie  meinen  Sohn  aufgenommen  haben. 
Er  hat  mir  aus  Bremerhaven  geschrieben,  Jede  Stunde  gewärtig  unter 
Segel  zu  gehen.  Aus  der  Börsenhalle,  die  ich  immer  jetzt,  gleich  wie 
sie  ankommt,  wegen  der  Schiifsliste  durchsehe,  habe  ich  gestern  ge- 
sehen, dass  am  11.  Okt.  (i\%  Elise,  Kapt.  Koch,  nach  New  Orleans  unter 
Segel  gegangen  ist.  Wenn  ich  aber  nicht  irre,  war  der  Platz  meines 
Sohnes  auf  einem  anderen  Schiffe,  dem  Alexander,  und  ich  weiss  nun 
nicht,  ob  mich  mein  Gedächtniss  trügt,  oder  ob  er  vielleicht  ein  anderes 
Schiff  gewählt  hat. 

Der  Empfang  des  klassischen  ^^'erks  von  Mädler  und  Beer  über 
den  Mond  hat  mich  angelockt,  die  schönen  Karten  dieser  Herren  so 
wie  die  LoiiRMANN'sche  etwas  näher  zu  studiren.  Früher  war  meine 
ganze  Mondkenntniss  auf  das  Mare  Crisium  und  ein  paar  Flecken, 
etwa  den  Tijcho  und  Aristarch  beschränkt,  und  wenn  ich  mir  etwa  bei 
einer  Mondfinsterniss  ein  halbes  Dutzend  mehr  gemerkt  hatte,  so  waren 
sie  doch  bald  nachher  wieder  vergessen.  Die  ScHROETER'schen  Be- 
handlungen hatten  mich  nie  anreizen  wollen.  Jetzt,  im  Besitze  so 
schöner  Hülfsmittel,  finde  ich  es  recht  unterhaltend,  im  Monde  etwas 
genauer  herumzureisen,  nnd  ich  ärgere  mich  über  das  ungünstige  Wetter, 
das  mir  selten  eine  Stunde  dazu  vergönnt.  Ganz  besonders  frappirt 
mich  die  Schärfe  der  zahllosen  kleinen  Krater,  zwischen  denen,  besonders 
zwischen  dem  Mare  TrauquilUtatis  und  Mare  Nuhium,  im  Vollmonde 
sich  zu  orientii"en  ziemlich  schwer  fällt,  da  die  grösseren  Flecken  wie 
Hipimrch  u.  a.  sich  eigentlich  gar  nicht  erkennen  lassen.  Sollte  nicht 
eine  reine  Vollmondskarte  eine  verdienstliche  Arbeit  sein?  Die  Krater- 
konfigurationen stehen  hier  fast  wie  Sternbilder  da,  und  mir  däucht, 
man  sollte  sich  bei  der  Festlegung  von  Fixpunkten  nur  an  diese  halten, 
deren  Bestimmung  ohne  Zweifel  einer  verhältnissmässig  grossen  Schärfe 
fähig  ist.  Vielleicht  lässt  sich  ein  Heliometer  dabei  mit  viel  grösserem 
Vortheil  gebrauchen,  als  die  Fernrohre  mit  Mikrometerfaden,  zumal  ein 
Heliometer  wie  das  Königsberger.  Das  weitere  Terraindetail  liesse 
sich  dann  dazwischen  zeichnen.     Mit  Bedauern   sehe  ich  doch,   wie   es 


g56  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1837  Oktober  16. 

dem  armen  Schroeteb  in  Mädler's  Werk  gelit.  Ist  er  wohl  nicht 
etwas  zu  hart  behandelt?  Einzelne  Bevuen  mö^en  wohl  untergelaufen 
sein,  wie  auf  Schroeter's  unglückseliger  Tab.  VIII  mit  Plutarch  und 
Seneca  (vergl,  Mädler  p.  20 Ij,  welche  er  mit  Hahn  und  Berosiis  ver- 
wechselt haben  soll,  was  doch  auch  wieder  nach  der  Lage  gegen  den 
Cleomedes  kaum  glaublich  erscheint.  Ich  habe  diese  Gegend,  um  das 
mir  von  Mädler  angewiesene  Königreich  (mercurius  falsus)  nachzu- 
sehen, mehrere  Abende  durchmustert.  Auch  die  Gegend  südlich  vom 
Flato,  aus  der  Mädler  und  Beer  den  ScHROETER'schen  Newton  wieder 
vertrieben  haben,  habe  ich  einige  Mal,  auch  nahe  an  der  Erleuchtungs- 
grenze, in  merklich  plastischer  Deutlichkeit  gesehen,  ohne  etwas  anderes 
zu  finden,  als  zerstreute  Klippen. 

Bei  Betrachtung  des  Mondes  ist  mir  doch  das  Bedürfniss  eines 
kräftigen  FRAUNHOFER'schen  oder  PLössL'schen  Fernrohrs  recht  fühlbar 
geworden.  Unser  Keichthum  an  wenig  brauchbaren  grossen  Gefken'- 
schen  Teleskopen  ist  eigentlich  mir  zur  Last  und  zum  Schaden.  Ich 
sehe  aus  den  Zeitungen,  dass  im  Nov.  dort  Treviraxüs'  Nachlass  ver- 
steigert werden  soll,  worunter  ein  PLössL'sches  Mikroskop  und  ein 
FRAUNHOFER'sches  Femrohr  sein  soll.  Können  Sie  mir  nicht  etwas 
Näheres  über  deren  Beschaffenheit  und  ungefähren  (Geld-)werth  mit- 
theilen? Nach  einem  Katalog  habe  ich  in  die  VAXDENHOECK'sche  Buch- 
handlung (die  im  Zeitungsartikel  als  Vertheilerin  mit  genannt  war)  ver- 
geblich gescliickt;  sie  hätten  keine  bekommen,  war  die  Antwort. 

So  eben  komme  ich  aus  dem  Museum  zurück,  wo  ich  in  der  Börsen- 
halle gelesen,  dass  die  Elise  am  13.  wegen  konträren  Windes  nach 
Bremerhaven  zurückgekommen  sei;  zugleich  linde  ich  Ihren  lieben 
Brief  vor,  woraus  ich  schiesse,  dass  2  Schiffe  nach  New  Orleans  gehen, 
und  dass  der  vorsichtigere  Kapt.  Mertexs  seinen  Alexander  noch  nicht 
hat  auslaufen  lassen.  Ich  werde  nun  immer  nach  der  Windfahne  sehen. 
Heute  ist  NW  also  möglichst  ungünstig,  um  aus  der  Weser  zu  kommen. 
Eine  Anzeige  meiner  Vorlesung  für  die  G.  G.  A.^)  habe  ich  noch  nicht 
aufgesetzt.  Sie  wird  aber  wohl  eine  sehr  kurze  sein,  und  Wine  Be- 
schreibung des  Instruments  enthalten,  die  doch  im  engen  Baum  nur 
unbefriedigend  sein  könnte.  Vielleicht  führe  ich  nur  einige  Proben  von 
den  Leistungen  an.  Was  Sie  vielleicht  in  Zeitungen  gelesen  haben, 
namentlich  den  Dämpfer  betreffend,  ist  unkluges  Zeug.  Vermuthlich 
wird  aber  die  Vorlesung  in  extenso*)  bald  gedruckt  werden. 


1)  Göit.  Gd.  Anz.  173.  Stück,  1837  Okt.  30.  Gauss'  Werke  Bd.  V.  S.  3ö2  bis 
S.  356.     Krm. 

*)  In  den  Resultaten  aus  den  Bcobb.  des  magnetischen  Vereins.  lSo7.  I.  wieder 
abgediuckt  in  Bd.  V  der  AVerke,  S.  357—373.  Siehe  auch  Brief  No.  Tl'i  vom  IS.  Mär« 
1838.     Krm. 


Olbers  an  Gauss.     Bremon,  1837  Oktober  24.  (357 

Sie  Würden  mich  recht  sehr  verptlichteii,  wenn  Sie  mir  einmal  Ihr 
Urtheil  über  Mädlee's  Ceusur  von  Schroetee's  Arbeiten  mittheilen 
wollten,  die  sich  nicht  bloss  anf  seine  voreiligen  Schlüsse,  sondern  auf 
die  Zuverlässigkeit  der  Beohh.  selbst  erstreckt.  Etwas  misstrauisch  bin 
ich  immer  gewesen  wegen  der  angeblichen  Xebelgestalt  von  Ceres  und 
Pallas  und  ihrer  enormen  Grösse;  von  beiden  habe  ich  nie  eine  Spur 
L'-esehen.  sondern  bei  guter  Luft  immer  nur  reine  stehende  Punkte, 
gar  nicht  von  Fixsternen  zu  unterscheiden.  Auch  von  der  Anse  des 
l> rings  konnte  ich  1803  schlechterdings  nicht  das  sehen,  was  Schroeter 
sehen  wollte.  Schroeter  hatte  w^ohl  ein  sehr  scharfes  Gesicht;  aber 
man  muss  doch  dabei  die  Schärfe  eines  Presbj^ten  von  der  Schärfe 
eines  Myopen  unterscheiden,  der  in  seiner  Sehweite  vielleicht  ebenso 
gut  sehen  kann.  Bisher  ist  mir  noch  niemand  vorgekommen,  der  etwas 
gesehen  hätte,  was  mein  Auge  unter  gehöriger  Einstellung  der  optischen 
Mittel  nicht  auch  gesehen  hätte.  Indessen  gebe  ich  gern  zu,  dass  ich 
1803  noch  nicht  so  viele  Uebung  im  schärfsten  Sehen  hatte  wie  später, 
und  dass  also  mir  etwas  entgehen  konnte,  was  Schroeter  sah. 


No.  703.  Olbers  an  Gauss.  [371 

Bremen,  1837  Oktober  24. 

Noch  immer  liegt  der  Alexander  auf  der  Ehede,  und  es  will  noch 
immer  kein  Ostwind  kommen.  Die  Geduld  unserer  lieben  Reisenden 
wird  also  auf  eine  harte  Probe  gestellt.  Möge  es  sich  bald  ändei-n. 
Solche  Hindernisse  des  Absegeins  sind  im  Herbst  nicht  ungewöhnlich. 
Wir  haben  sogar  1825  den  Fall  gehabt,  dass  Schiffe,  die  Ende  Sept.  1825 
völlig  segelfertig  waren,  erst  am  8.  Jan.  1826  in  See  kamen. 

Ich  eile  Ihnen  von  dem  hier  zu  verkaufenden  Fernrohr  die  ver- 
langte Nachricht  zu  geben.  Es  gehört  nicht  zu  dem  Nachlass  des  ver- 
ewigten Treviranus,  ob  es  gleich  mit  dessen  Büchern  und  Instrumenten 
am  20.  Nov.  verkauft  werden  wird,  sondern  zu  dem  eines  gewissen 
Reimers,  der  vor  einigen  Jahren  plötzlich  eine  grosse  Neigung  zur 
Sternkunde  fasste,  sich  allerlei  Instrumente  und  Bücher  anschaffte  etc., 
der  Sache  aber  auch  bald  wieder  müde  w^urde.  Bei  dem  Orkan  des 
vorigen  Jahres  wurde  der  schmächtige  Mann,  wie  er  über  den  Domshof 
gehen  wollte,  vom  Winde  mit  solcher  Gewalt  um  und  gegen  einen  Pfahl 
geworfen,  dass  wahrscheinlich  etwas  am  Rückenmark  beschädigt  wurde, 
und  er  einige  Monate  nachher  immer  kränkelnd  und  leidend  starb. 

Das  Fernrohr  ist  eins  von  denen,  die  in  Utzschneider's  Katalog 
zu  330  Gulden  angesetzt  sind,  und  kam  dem  verstorbenen  Besitzer  mit 

Olbers.     II,  2.  42 


g58  Gauss  an  Olbers.    Gottingen,  1837  November  1. 

der  Fracht  und  allen  Nebenkosten  auf  183  Kthlr.  Gold  zu  stehen.  Es 
ist  ganz  in  Messing  montirt,  4  Fuss  4  Zoll  lang;  das  Objektiv  hat 
34  Linien  Oeffnung  und  42  Zoll  Brennweite,  2  terrestrische  und  3  astro- 
nomische Okulare,  stärkste  Vergrösserung  125  mal.  Reimeks  rühmte 
die  Wirkung  sehr.  Nachher  hat  sich  am  Objektiv  eine  leichte  Oxy- 
dation gezeigt,  ein  gar  nicht  ungewöhnlicher  Fall  bei  FKAUNHOFER'schen 
Gläsern,  deswegen  ist  es  dem  Mechanikus  Keaut  übergeben,  der  an- 
geblich das  Objektiv  auseinander  genommen  und  von  Neuem,  wie  er 
behauptete,  polirt  hat.  Ob  dadurch  die  Oxydation  ganz  weggeschafft 
worden  ist,  weiss  ich  nicht;  so  viel  ist  aber  gewiss,  dass  sich  jetzt 
wieder  ein  Ansatz  davon  zeigt,  der  indessen  das  Sehen  durchaus  nicht 
merklich  hindern  soll.  Mein  Enkel,  Dr.  AVilhelm  Focke,  der  einige 
Liebhaberei  für  Astronomie  hat,  giebt  der  Leistung  desselben,  das  er 
mehrere  Wochen  gebraucht  und  mit  einem  anderen  Fraunliofer  ver- 
glichen hat,  ein  sehr  gutes  Zeugniss,  Inwiefern  er  aber  kompetent 
zum  Urtheil  ist,  weiss  ich  nicht. 

Ich  muss  es  nun  Ihnen,  mein  theuerster  Freund,  gänzlich  über- 
lassen, ob  Sie  auf  dieses  Fernrohr  reflektiren  wollen  oder  nicht.  Ich 
würde  eben  nicht  sehr  zum  Ankaufe  rathen,  bin  aber  gern  zur  Be- 
sorgung etwaiger  Aufträge  erbötig. 

Ueber  unseren  verewigten  Schroeter  muss  auch  ich  leider  im 
Ganzen  so  urtheilen  wie  Sie,  wenn  ich  auch  Mädler's  Strenge  etwas 
hart  finde.  Schroeter  hatte  ganz  übertriebene  Begriffe  von  dem,  was 
seine  Teleskope  leisteten.  Er  glaubte  deswegen,  Herschel  ausgenommen, 
könne  kein  anderer  Astronom  das  sehen,  was  er  sehe,  oder  zuweilen 
auch  sich  zu  sehen  einbildete.  Er  kam  erst  etwas  von  der  Ueber- 
schätzung  seiner  Werkzeuge  zurück,  als  •  ich  mit  meinem  f ünf f üssigen 
Dollond  in  dem  von  ihm  so  oft  durchforschten  mare  crisium  2  Krater 
entdeckte,  die  er  mit  seinen  grossen  Teleskopen  immer  übersehen  hatte. 

Haben  Sie  auch  von  dem  Prinzen  Massena,  Herzog  v.  Rivoli, 
einen  Brief  und  eine  Aufforderung,  der  Societe  des  Xaufrages  beizu- 
treten, erhalten? 


No.  704.  Gauss  an  Olbers.  [333 

Göttingen,  1837  November  1. 

Ihrem  Wunsche  zufolge  übersende  ich  Ihnen  einen  Abdruck  der 
Anzeige^)  meiner  Vorlesung.  Letztere  selbst  wird  wahrscheinlirh  bald 
gedruckt  werden. 


^)  Siehe  Anmerkung:  1  auf  S.  65(3.     Krni. 


OUit-rs   an  ('i;ni->.     P.niiirii.   IS.^T  Noveinlur  10.  659 

Die  Keise  meines  >uliiies  beiiiinihi^t  mich  sehr.  Aus  der  Börsen- 
halle  weiss  ich.  dass  am  25.  Okt.  das  Schiff  unter  Segel  gegangen,  aber 
schon  denselben  Tag  wegen  konträren  AVindes  wieder  umgekehrt  ist 
und  sich  zwisclien  Bremerhaven  und  Fedderwarden  vor  Anker  gelegt 
habe.  Hier  ist  seitdem  immer  konträrer  Wind  gewesen.  Heute  zwar 
Südwind,  aber  mit  heftigem  Sturm.  Ich  wollte,  es  wäre  lieber  in  deii 
Hafen  selbst  zurückgekehrt. 

Unsere  Zeitungen  enthalten  jetzt  immer  viel  von  Benutzung  des 
Elektromagnetismus  in  Nord-Amerika  zu  starken  mechanischen  Wirkungen, 
Schitte  zu  treiben  pp.  Ich  gestehe,  dass  ich  an  alles  dies  noch  wenig 
(ilauben  habe.  3Ian  sieht  auch  offenbar,  dass  die  Berichterstatter  ganz 
unwissende  Leute  sind.  AA'enn  eine  solche  Maschine  200  ü  hebt,  so 
sagt  das  noch  schlechterdings  gar  nicJits,  "wenn  man  nicht  erfährt, 
wie  viele  Fiiss  diese  200  fl  in  der  Minute  gehoben  sind.  Nach  einer 
mündlichen  Nachricht  des  Hrn.  Argelander  scheint  doch  auch  Jacobi 
selbst,  dem  Nikolaus  eine  so  kaiserliche  Unterstützung  angedeihen  lässt, 
keineswegs  sehr  sanguinische  Hoffnungen  zu  haben. 


No.  705.  Olbers  an  Gauss.  [372 

Bremen,  1837  November  10. 

Mit  ein  paar  Worten  muss  ich  Ihnen  doch  etwas  über  den  Alexander 
sagen.  Sie  wissen,  dass  er  am  29.  Okt.  mit  einer  ganzen  Flotte  (ich 
glaube  15  bis  16  Segel)  von  der  Weser  abgegangen  und  glücklich  in 
See  gekommen  ist.  Seit  dem  hat  er  den  Sturm  vom  1.  und  2.  Nov. 
aushalten  müssen.  So  unangenehm  dieser  auch  für  unsere  lieben 
Reisenden  gewesen  sein,  und  so  sehr  er  die  herben  Leiden  der  See- 
ki-ankheit  bei  ihnen  vermehrt  haben  mag,  so  war  doch  bei  der  Eichtung 
des  Windes  keine  Gefahr  für  das  Schiff  zu  besorgen.  Schon  glaubte 
man  aber,  es  würde  bei  den  anhaltenden  südlichen  Winden  seine  Fahrt 
um  Schottland  herum  genommen  haben;  allein  gestern  haben  war  die 
Nachricht  erhalten,  dass  der  Alexander  am  4.  Nov.  in  vollkommen  gutem 
Zustande  auf  der  Höhe  des  Texels  von  einem  unserer  heimkehrenden 
Schiffe  gesehen  worden  ist. 

Sehr  dankbar  bin  ich  Ihnen,  mein  theurer  Gauss,  für  das  mir 
gütigst  geschickte  Blatt  der  G.  O.  A.,  aber  nun  um  so  begieriger  nach 
dem  vollständigen  Abdruck  Ihrer  so   äusserst  interessanten  Vorlesung. 

Ueber  die  versuchte  Anwendung  der  galvanisch-magnetischen  Kräfte 
zu  mechanischen  Zwecken  waren  bisher  meine  Hoffnungen  und  Erwar- 
tungen, ich   gestehe   es,   etwas  sanguinischer,  als  Sie  deren  zu  hegen 

42* 


ßßO  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1837  December  30. 

scheinen.  Zwar  ist  nicht  angegeben,  wie  hoch  die  200  U  in  einer  ge- 
gebenen Zeit  gehoben  [sind],  allein  wenn  es  den  Amerikanern  wirklich 
gelungen  ist,  dass  ihre  Maschine  1000  Umläufe  in  1  Minute  machte, 
so  kann  die  Geschwindigkeit  der  Hebung  doch  wohl  nicht  ganz  klein  ge- 
wesen sein,  und  dann  glauben  sie,  mehrere  solcher  Maschinen  zu  gemein- 
schaftlichei"  Wirkung  vereinigen  zu  können. 

In  Eile  muss  ich  schliessen,    da  ich  durch  Besuch   gestört  werde. 


No.  706.  Gauss  an  Olbers.  [ssi 

Göttingen,  1837  December  30. 

Nach  langem  Schweigen  muss  ich  Ihnen  doch  einmal  wieder  ein 
Lebenszeichen  von  mir  geben. 

Wer  wie  Sie  Weltverhältnisse  immer  mit  klarem  Blick  betrachtet, 
und  so  manche  kritischen  Zeitpunkte  durchlebt  hat,  weiss  besser  als 
andere,  wie  sehr  in  solchen  ein  falsches  Gerücht^)  dem  andern  folgt, 
und  giebt  auf  Zeitungsartikel  nie  mehr,  als  sie  verdienen.  Indessen 
kann  ich  doch  nicht  unteiiassen,  in  Beziehung  auf  einige,  wo  mein 
oder  mir  nahestehender  Personen  Name  genannt  ist,  Ihnen  ganz  be- 
stimmt das  faktische  Ja  oder  Nein  zu  melden,  ohne  dass  damit  gemeint 
ist,  dass  Schlüsse  daraus  gezogen  werden  sollen. 

1.  Dass  ich  meinen  Abschied  genommen  habe,  ist  rein  unwahr.  Ja, 
weder  in  Göttingen  noch  in  Hannover  ist  irgend  etwas  vorgekommen, 
was  sich  direkt  auf  mein  Bleiben  oder  Xichtbleiben  in  Göttingen  bezöge. 

2.  Dass  Weber  in  Leipzig  angekommen  sei,  ist  rein  unwahr.  Er 
hat  sich  keinen  Augenblick  von  Göttingen  entfernt.  Vielmehr  arbeiten 
wir  beide  an  der  Redaktion  der  magnetischen  Beobb.  von  1837  und 
sonstigen  Vorbereitungen  für  den  zweiten  Theil  der  Eesultate. 

3.  Was  dagegen  Ewald  betrifft,  so  ist  eine  frühere  Zeitungs- 
nachricht zwar  an  sich  unwahr,  aber  wirklich  sind  doch  von  einer 
fremden  Universität  her  Einleitungen  gemacht,  ihn  dahin  zu  berufen. 
Für  Göttingen  w?re  sein  Verlust  unbezweifelt  mehr  als  ein  harter,  ein 
unersetzlichi^r,  da  er  die  Hauptstütze  der  Theologischen  Fakultät  ist, 
obwohl  er  eigentlich  der  philosophischen  angehört.    Noch  schmerzhafter 


^)  Falsche  Gerüchte,  die  sich  au  den  Protest  der  7  Göttinger  Professoren  Daul- 
MANN,  Albrkcht,  Jakob  Und  Wilhelm  Gbimm,  Gkrvdiüs,  Weber  und  Ewald  knüpften. 
Infolge  Verweigerung  des  geforderten  Huldiguntrseides  und  Nichtanerkennung  des 
vom  Könige  von  Hannover  begangenen  Verfassungsbruches  wurden  die  Göttinger 
Sieben  ihres  Amtes  entsetzt.  Vergl.  auch  die  folgenden  Briefe  und  den  Briefwechsel 
Gacss-Schümacher  aus  dieser  Zeit.     Krm. 


OIIk'Is  an  (nuiss.     Bremen.  lf<38  Januar  8.  (361 

wäre  für  mich  die  Treuuunj,^  von  meiner  geliebten  Tochter.  Und  doch 
weiss  ich  nicht,  ob  idi  in  der  jetzigen  La^^e  der  I)inp:e  eine  dieser 
beiden  Rücksichten  geltend  machen  darf,  nm  ihn  abzuhalten,  in  eine 
ehrenvolle  und  sichere  Stellung  einzutreten. 

Von  meinem  jüngsten  Sohne  habe  ich  natürlich  noch  keine  Nach- 
richt haben  können.  Bloss  in  der  Börsenhalle  las  ich  vor  etwa  sechs 
Wochen,  dass  sein  Schiff  südlich  von  Irland  gesehen  nnd  angesprochen 
sei.  Ich  bin  aber  wirklich  ungewiss,  ob  ich  Ihnen  dies  nicht  bereits 
gemeldet  habe. 

Man  hat  mir  Aiel  von  Brieferöffnungen  gesprochen.  Ich  meinerseits 
habe  bisher  keinen  Brief  erhalten,  der  ii'gend  eine  verdächtige  Spur  ge- 
zeigt hätte.  Freilich  hätte  auch  in  Gottes  Namen  jeder  die  an  mich 
kommenden  Briefe  lesen  mögen.  Sie  selbst  werden  beurtheilen  können, 
ob  der  gegenwärtige  unverletzt  an  Sie  kommt. 

Möchte  ich  doch  bald  einige  beruhigende  Worte  über  Ihr  Be- 
finden erfahren. 


No.  707.  Olbers  an  Gauss.  [373 

Bremen,  183S  Januar  8. 

Den  innigsten  Dank  für  Ihren  lange  ersehnten  Brief  vom  30.  Dec. 
d.  V.  J.,  der  gam  unversehrt  in  meine  Hände  gekommen  ist.  Ich  brannte 
vor  Ungeduld,  irgend  etwas  Zuverlässiges  über  die  Göttinger  Angelegen- 
heit, und  besonders  über  Ihre  individuelle  Lage  bei  derselben  zu  er- 
fahren; aber  ich  hielt  es  für  indiskret,  Sie  früher  darum  zu  bitten,  bis 
Sie  es  selbst  räthlich  finden  würden,  mir  etwas  darüber  mitzutheilen. 
Sie  kennen  meine  warme  Anhänglichkeit  an  die  Georgia  Äiigusta,  und 
meine  herzlichste  Theilnahme  an  allen  Schicksalen  der  Alma  Mater, 
eine  Anhängliclikeit  und  Theilnahme,  die  noch  durch  meine  Liebe  und 
Verehrung  für  mehrere  der  dort  lehrenden  grossen  Männer,  worunter 
Sie  aber,  mein  Theuerster,  bei  w^eitem  oben  an  und  meinem  Herzen  am 
nächsten  stehen,  sehr  vergrössert  wird.  Und  so  konnte  ich  einer  zu- 
verlässigen Nachricht  von  Ihnen  täglich  entgegensehen. 

Das  hochherzige  Benehmen  der  7  Göttinger  Professoren,  die  ihrer 
TJeherzengung  ihre  dortigen  Anstellungen  und  Verbindungen  geopfert 
haben,  wird  auch  von  mir,  wie  von  allen  biederen  Deutschen,  nach  Ver- 
dienst gewürdigt.  Ob  ich  aber  an  ihrer  Stelle  diese  Ueberzeugung 
getheilt  haben  würde,  bleibt  mir  sehr  zweifelhaft.  Ich  kenne,  um 
darüber  urtheilen  zu  können,  weder  ihre  Verpflichtung  auf  die  Ver- 
fassung 1833,  noch  den  Inhalt  des  Reverses,  den  man  jetzt  von  Ihnen 
forderte,   genau   genug.     AUein   der  Wertli   einer  Handlung   wird  nur 


gß2  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1838  Januar  8. 

dadurch  bestimmt,  wenn  einer  das  thut,  was  nach  seiner  individuellen 
Ueberzeugung  recht  ist. 

Der  Fall  ist  zwar  keineswegs  analog,  aber  ich  möchte  doch  wissen, 
oh  und  U7üer  ivelcJien  Formen  vor  30  Jahren  die  Huldigung  für  den 
damaligen  König  von  Westfalen  von  den  Göttinger  Professoren  gefordert 
und  geleistet  worden  ist. 

Dass  Sie,  mein  theurer  Gauss,  sich  künftig  in  Paris  fixiren  würden, 
wie  die  Zeitungen  wiederholt  versicherten,  habe  ich  keinen  Augenblick 
geglaubt.  Aber  für  möglich  hielt  ich,  dass  Sie  eine  Reise  nach  Paris 
machen  könnten,  und  dort  die  Entwickelung  der  Hannoverschen  und 
Göttinger  Angelegenheiten  ruhig  abwarten  wollten.  Ge\\-iss  würde  für 
Sie  ein  temioorärer  Aufenthalt  in  Paris,  wo  man  Sie  nach  Gebühr  so 
hoch  verehrt,  nicht  unangenehm  und  \ielleicht  für  [die]  Wissenschaft 
überhaupt  von  den  wichtigsten  Folgen  gewesen  sein.  Aber  bleiben 
müssen  Sie  und  werden  Sie  hoffentlich  in  Deutscliland,  und  zwar  in 
unserem  nördlichen  Deutschland. 

Was  Sie  mir  über  Ihren  vortrefflichen  Schwiegersohn,  den  Hrn. 
Prof.  Ewald,  sagen,  ist  mir  einigermaassen  räthselhaft.  Der  Verlust 
desselben,  sagen  Sie,  ivürde  für  Göttingen  unersetzlich  und  die  Trennung 
von  Ihrer  geliebten  Tochter  ivürde  Ihnen  höchst  schmerzhaft  sein.  Aber 
ist  denn  dieser  Verlust  des  grossen  Orientalisten  für  die  Universität 
nicht  schon  ganz  gewiss  und  entschieden?  Kann  noch,  wie  man  aus 
dem  Ausdruck  „ivürde"  schliessen  möchte,  irgend  eine  Ausgleichung 
dieser  Angelegenheit  möglich  sein? 

Von  dem  Alexander  und  unseren  lieben  Reisenden  können  wir  natür- 
lich noch  keine  Nachricht  haben.  Da  aber  das  Schiff  ein  so  guter 
Segler  ist,  so  wird  es  wohl  jetzt  schon  lange  an  dem  Orte  seiner  Be- 
stimmung angekommen  sein.  So  bald  ich  etwas  davon  höre,  melde  ich 
es  unverzüglich. 

Mit  Verlangen  sehe  ich  dem  neuen  Hefte  Ihrer  magnetischen 
Beobachtungen  entgegen. 

Das  so  veränderliche  Wetter  dieses  Winters  wirkt  sehr  nachtheilig 
auf  mich.  Ich  befinde  mich  gar  nicht  wohl,  will  Sie  aber  nicht  mit 
meinen  Klagen  belästigen. 

Ich  hoffe  von  Ihrer  Freundschaft  und  Güte,  mein  Allertheuerster, 
dass  Sie  mir  gleich  eine,  wenn  auch  noch  so  kurze  und  kleine  Nach- 
richt geben  werden,  wenn  in  Ihren  oder  den  A'erhältnisseu  derer,  die 
Ihnen  nahe  stehen,  irgend  etwas  Entscheidendes  vorgefallen  ist,  oder 
Sie  schon  einen  festen  Entschluss  für  die  Zukunft  gefasst  haben  sollten. 


Gauss  au  Olbers.     Göttiugeu,  1838  Jauuar  16.  003 

No.  708.  Gauss  au  Olbers.*)  fsss 

Göttingeii,  1838  Januar  10. 

Es  war  mir  angenehm,  aus  Ihrem  letzten  Briefe  zu  erfahren,  dass 
der  meinige  unversehrt  in  Ihre  Hände  gekommen  sei.  Ich  weiss  aber 
nicht,  ob  ich  von  dem  Ihrigen  dasselbe  sagen  kann.  Die  Oblate  hing 
an  der  einen  Fläche  nur  in  wenigen  Punkten  mit  dem  Papiere  zu- 
sammen, und  an  der  anderen  Fläche  gar  nicht.  Ich  konnte  daher  den 
Brief  öffnen,  lesen  und  so  wieder  zumachen,  dass  er  vollkommen  wieder 
in  denselben  Zustand  kam,  in  dem  er  mir  überbracht  war.  Auch  zeigte 
sich  gar  keine  Spur  eines  Petschaft-Eindrucks.  Ich  muss  nun  aber 
dahin  gestellt  sein  lassen,  ob  alles  dies  nur  eine  Folge  einer  ur- 
sprünglich unvollkommenen  Siegelung  oder  einer  späteren  Procedur 
gewesen  ist. 

Der  einzige  Beweggrund  zu  Ewald's  am  4.  Jan.  angetretenen  Eeise 
nach  England  ist  gewesen,  dass  er  seine  jetzige  unfreiwillige  Müsse 
benutzen  wollte,  um  einen  längst  gehegten  Vorsatz  auszuführen,  nämlich 
einige  Monate  seiner  Sanskrit- Studien  halber  sich  in  London  aufzu- 
halten. 

In  Beziehung  auf  die  Protestation'*),  die  so  unglückliche  Folgen 
gehabt  hat,  seheinen  Sie  —  wie  vielleicht  viele  andere  —  in  einem 
Irrthum  zu  sein.  Ich  selbst  hatte  von  der  Bedeutung  der  eingereichten 
Schrift  erst  sechs  oder  sieben  Tage  später,  als  sie  in  einer  Zeitung  ab- 
gedruckt erschien,  nähere  Kenntniss  erhalten,  wo  es  zu  spät  war,  durch 
Abrathen  bei  W[ebek]  und  E[wald]  zu  hindern.  Von  zweien  der  sieben 
weiss  ich  bestimmt,  dass  sie  vom,  Anfang  an  den  Huldigungsrevers  als 
ganz  ausser  Konnex  mit  ihren  sonstigen  Skrupeln  betrachtet  haben, 
und  sich  der  Unterschrift  desselben,  auch  ohne  Klausel,  nicht  geweigert 
haben  würden.  Diese  zwei  sind  Weber  und  Albrecht.  Vermuthlich 
würde  auch  Ewald  sich  überzeugt  haben,  dass  er  dies,  ohne  sein  Ge- 
wissen zu  verletzen,  könne.  Vermuthlich  fragen  Sie  nun  aber,  mein 
theurer  Freund,  wenn  der  Huldigungsrevers  ausser  Frage  gewesen  sei, 
was  sie  denn  eigentlich  bei  Eingabe  der  Protestation  für  einen  Zweck 
gehabt  haben?  Darauf  kann  ich  aber  nur  antworten:  —  „ich  sehe 
selbst  keinen  Zweck  dabei''.  Wenigstens  nicht  bei  Ewald  und  Weber, 
die  gewiss  gar  keinen  Zweck  dabei  hatten,  und  nur  durch  ihre  Unter- 
schrift einer  von  ihnen  wie  eine  Privateingabe  beim  Kuratorium  be- 
trachteten Erklärung  beitraten,  weil  sie   es  eben  nicht  lassen  konnten. 


M  Der  Brief  ist  ausnahmsweise  in  lateinischer  Schrift  geschrieben.     Krni. 
»)  Yergl.  Anmerkung  auf  S.  660.     Seh. 


gg4  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1838  Januar  16. 

Ob  aber  alle  übrigen  sich  keines  Zweckes  bewusst  gewesen  sind,  weiss 
ich  freilich  nicht;  der  eine  hat  wenigstens  in  seiner  Antwort  an  die 
Leipziger  Adressanten  erklärt,  dass  man  dem  schwachen  Verfassungssinn 
der  Hannoveraner  unter  die  Arme  greifen  müsse. 

In  Beziehung  auf  die  Frage,  die  Sie  mir  in  Ihrem  Briefe  stellen, 
kann  ich  nur  antworten,  dass  ich  Weber  und  Ewald  so  lange  nicht  als 
unrettbar  für  Göttingen  verloren  betrachten  kann,  als  sie  nicht  ander- 
wärts Stellen  angenommen  haben,  oder  ihre  hiesigen  Stellen  durch 
andere  okkupirt  sind.  Es  liegt,  meine  ich,  von  beiden  Seiten  so  nahe, 
eine  Ausgieicliung  für  möglich  zu  halten,  und  nach  mehreren  Indicien 
sind  auch  in  Hannover  alle,  die  es  gut  mit  Göttingen  meinen,  [der 
Ansicht],  dass  solche  Verluste  eine  unheilbare  Wunde  sein  würden. 
Was  Sie  übrigens  von  einer  Verhandlung  durch  Langenbeck  mit  den 
4  damals  hier  befindlichen  in  Zeitungen  gelesen  haben,  ist,  so  wie  es 
erzählt  wird,  grössten  Tlieils  unwahr. 

Es  sind  den  vier  Personen  -(genau  zu  reden,  ist  nur  mit  dreien 
von  ihnen  gesprochen,  nämlich  mit  Ewald,  Weber,  Albrecht)  gar 
keine  bestimmten  Propositionen  gemacht,  sondern  nui'  ihre  Geneigtheit, 
auf  versöhnliche  Schritte  einzugehen,  explorirt.  Es  ist  also  eine  Er- 
dichtung (ich  glaube  eine  hoshafte  Erdichtung  derjenigen,  die  jede  auch 
partielle  Aussöhnung  zu  hindern  wünschen),  dass  sie  die  beiden  in  der 
Zeitung  angegebenen  Propositionen  einmüthig  zurückgewiesen  hätten. 
Vielmehr  weiss  ich,  dass  Weber  und  Albrecht  sich  nicht  geweigert 
haben  würden,  der  zweiten  Proposition,  falls  sie  ihnen  gemacht  wäre, 
beizutreten,  und  von  Ewald  kann  ich  nur  deswegen  nicht  dasselbe  be- 
haupten, weil  ich  mit  ihm  über  diese  kurz  vor  seiner  Abreise  Statt 
gehabte  Unterredung  gar  nicht  gesprochen  habe. 

Mit  Ihrer  Aeusserung,  dass  Sie  es  für  möglich  oder,  wie  es  fast 
scheint,  für  räthlicli  gehalten  hätten,  dass  ich  wirklich  nach  Paris  ge- 
reist sei;  um  das  Ende  der  hierländischen  Wirrnisse  dort  abzuwarten, 
kann  es  Ihnen  doch  wohl  nicht  ernst  gewesen  sein.  Ich  verstehe  auch 
nicht  recht,  wie  Sie  es  damit  meinen,  ob  ich  um  einen  unbestimmten 
Urlaub  zu  jenem  Zwecke  hätte  in  Hannover  nachsuchen,  oder  hrevi 
manu  ohne  weiteres  davon  gehen,  oder  meine  Stelle  erst  föi-mlich  nieder- 
legen sollen.  Auch  abgesehen  davon,  dass  zu  keinem  dieser  Schritte 
ein  hinlänglich  drängendes  Motiv  vorhanden  war,  würde  eine  so  abrupte 
Maassregel  schon  durch  meine  häuslichen  Verhältnisse  eine  völlige  Un- 
möglichkeit gewesen  sein,  wobei  ich  Sie  nur  an  meine  erblindete 
95  jährige  Mutter  zu  erinnern  brauche. 

Was  ich  aber  besehliessen  würde,  falls  ich  in  Göttingen  alles  zur 
Freudigkeit  Nothwendige  verlieren  sollte,  kann  ich  übrigens  jetzt  nicht 
sagen.     Ich   mag   mir   diese  Möglichkeit   noch  ^m-  nicht  denken.     Das 


Gauss  an  Olbtrs.     Göttiugen,  1838  Januar  IH.  6(55 

Weiseste  würde  in  einem  solclien  Falle  vielleicht  sein,  für  den  letzten 
Theil  meines  Lebens  eine  XDuihhäng'ige  Stellung  zu  suchen,  und  zu  dem 
Zweck  meinen  Aufenthalt  in  einem  Lande  zu  nehmen,  wo  man  dieselbe 
mit  massigen  Vermögensmitteln  behaupten  kann. 

l'eber  die  Erfindung  des  amerikanischen  Schmiedes,  die  Schiffe 
mit  einer  kleinen  galvanisch-magnetischen  i\Iascliine  zu  treiben,  worüber 
Sie.  mein  theurer  Freund,  meine  Ungläubigkeit  nicht  zu  theilen  schienen, 
habe  ich  vor  Kurzem  Gelegenheit  gehabt,  etwas  Zuverlässigeres  zu 
erfahren. 

Zuerst  durch  Hrn.  Stanley,  Professor  der  Mathematik  am  Yale 
College  (ich  glaube  nahe  bei  New  York),  also  einen  Specialkollegen  des 
angeblichen  Gewährsmannes,  nämlich  des  Prof.  Sillyman.  Stanley 
versicherte  mir  auf  meine  Frage  in  den  bestimmtesten  Ausdrücken,  es 
sei  durchaus  unwahr,  dass  Sillyman  jene  Erfindung  protegire.  im  Gegen - 
theil,  Sillyman  betrachte  sie  nur  wie  ein  Kinderspiel  {a  tot/),  wovon  er 
gar  keinen  praktischen  Nutzen  erwarte. 

Noch  bestimmter  ist  die  Auskunft,  die  mir  vor  einigen  Tagen 
Hr.  Bache,  Professor  der  Physik  in  Philadelphia,  gegeben  hat.  Aller- 
dings sei  von  einem  KaUad  die  Rede  gewesen,  nämlich  es  sei  von  dem 
Schmied,  wenn  ich  recht  verstanden  habe,  an  Hrn.  Bache  selbst  die 
P>age  gestellt,  „wenn  eine  Maschine  so  und  so  viel  Gewicht  in  so  und 
„so  viel  Zeit  um  eine  so  und  so  grosse  Höhe  höbe,  wie  viele  dann 
„nöthig  sein  würden,  um  eine  Dampfmaschine,  etwa  eine  solche,  wie  bei 
„den  Dampfschiffen  gebraucht  werden,  zu  ersetzen."  Aber  auf  die  Auf- 
forderung an  den  Schmied,  nun  seine  Maschine,  die  das  Gesagte  leiste, 
zu  produciren,  habe  er  inmier  nur  tergiversirt  und  evadirt,  und  als  er 
zuletzt  sein  kleines  Modell  vorgezeigt  habe,  sei  dies  allerdings  in  Be- 
wegung gekonmien,  aber  nur  so  lange,  als  lediglich  die  Friktion  zu 
überwinden  gewesen  sei;  so  bald  man  ein  noch  so  kleines  Gewicht  an- 
gebracht habe,  sei  die  Maschine  gleich  zum  Stillstand  gekommen. 

Hr.  Bache  (ein  Abkömmling  von  B.  Feanklin)  hat  übrigens  hier 
bei  Hrn.  Meieestein  nicht  nur  ein  vollständiges  einfaches  Magneto- 
meter, sondern  auch  ein  Bifilar-Magnetometer  (Intensitätsapparat)  be- 
stellt, so  dass  nach  Jahr  und  Tag  auch  Philadelphia  der  magnetischen 
Societät  beitreten  kann,  wenn  der  Himmel  überhaupt  diese  Societät 
vom  Untergange  rettet.  Hr.  Quetelet  hat  den  1.  Jahrgang  der  Resultate 
ins  Französische  übersetzt. 


QQQ  Olljers  an  Gauss.     Bremen,  1838  Februar  6. 

No.  709.  Olbers  an  Gauss.  [374 

Bremen,  1838  Februar  6. 

Meinem  Versprechen  gemäss  eile  icli  Ihnen  sogleich  anzuzeigen, 
dass  hier  so  eben  mit  der  englischen  Post  die  Nachricht  von  der  glück- 
lichen Ankunft  des  Alexander  in  New  Orleans  eingegangen  ist.  Die 
Elise,  Kapt.  Koch,  die  zugleich  mit  dem  Alexander-  von  der  Weser  in 
See  gegangen,  war  schon  ein  paar  Tage  früher  in  dem  dortigen  Hafen 
angelangt.  Weitere  Umstände  sind  mir  noch  nicht  bekannt.  Da  aber 
Sie  gewiss  nun  in  wenigen  Tagen  alles  Nähere  durch  Briefe  erfahren 
werden,  so  bitte  ich  Sie  recht  inständig,  mich  das,  Avas  das  Befinden  u.  s.  w. 
unserer  lieben  Reisenden  betrifft,  für  die  und  deren  Schicksale  auch 
ich  mich  so  lebhaft  und  herzlich  interessire,  bald  möglichst  \^1ssen 
zu  lassen. 

An  Ihre  ehrwürdige  Frau  Mutter  hatte  ich  freilich  nicht  gedacht, 
als  ich  Ihre  in  den  Zeitungen  angekündigte  Eeise  nach  Paris  für  mög- 
lich hielt.  Ueberhaupt  scheint  es,  dass  ich  mir  die  Lage  der  Dinge 
in  Göttingen  anders  gedacht  habe,  als  sie  wirklich  ist. 

Ebenso  irrig  mag  meine  Vorstellung  von  der  in  Amerika  er- 
fundenen magnetisch-galvanischen  Maschine  gewesen  sein;  doch  hierüber 
zu  einer  anderen  Zeit  mehr. 

Es  befremdete  mich  Anfangs,  dass  ich  Ihren  Brief  nicht  mit  den 
gewohnten  Siegeln  „G"  oder  „Pauca  sed  Matura"  verschlossen  fand. 
Bei  näherer  Betrachtung  glaubte  ich  indessen,  ein  WALDECK'sches 
Familien- Wappen  zu  erkennen.  —  Ich  hatte  meinen  Brief,  so  viel  ich 
mich  erinnere,  mit  der  Oblate  sorgfältig  verschlossen,  will  aber  den 
gegenwärtigen  mit  meinem  ,,W.  0."  Petschaft  siegeln. 

Nächstens  mehr.    In  grosser  Eile. 


No.  710.  Gauss  an  Olbers.  fsse 

Göttingen,  1838  März  4. 

Ich  habe  Ihnen  noch  für  die  gütige  Benachrichtigung  von  der  An- 
kunft des  Alexander  in  New  Orleans  zu  danken;  fast  gleichzeitig  hatte 
ich  dieselbe  damals  auch  aus  dei'  Börsenlialle  und  der  Hamburger  Xeuen 
Zeitung  erfahren,  da  ich  bis  dahin  die  Schiffsnachrichten  immer  gleich, 
wie  die  Zeitungen  ankamen,  durchmusterte.  Erst  gestern  habe  ich  nun 
auch  einen  Brief  von  meinem  Sohn  erhalten,  aber  auch  nur  aus  New 
Orleans,   woraus   ich   also    nur   die    dückliche    Ueberkunft    der   Reise- 


(i:tuv<  an  OIImts.     Üüttingen,  1^38  März  4.  G67 

ji^esellsichatt  cifaliie.  6ie  waren  im  Begriff,  in  einigen  Tagen  in  einem 
Dampfschiff  den  ^lississippi  liinanl  nach  St.  Louis  zu  gehen,  von  wolier 
also  vielleicht  bald  weitere  Nachi'ichten  eintreffen  können. 

\\'enn  Sie  vielleicht  in  Zeitungen  gelesen  haben,  „dass  ich  jetzt 
t-ntschlussen  sei,  in  Göttingen  zu  bleiben",  so  hat  dies  gerade  ebenso 
viel  Werth,  wie  das  frühere  von  meinem  Vorsatz,  nach  Paris  zugelien. 
Ueberhaupt  rühren  die  meisten  Zeitungsartikel  aus  G[öttingen]  von  hier 
wohlbekannten  miserablen  Subjekten  her,  die  gar  nicht  in  dem  Fall 
sind,  über  dergleichen  Verhältnisse  aucli  nur  das  Allergeringste  wissen 
zu  können. 

Ich  habe  allerdings  mehrere  Einleitungen  gemacht,  um  die  viel- 
fachen Bleigewichte,  die  hier  an  mir  hängen,  abheben  zu  können.  Es 
gehörten  dazu  die  Vorbereitungen,  um  das  kleine  Vermögen,  welches 
ich  theils  zu  administriren  habe,  theils  mein  Eigenthum  nenne,  mobili- 
siren  zu  können.  Gelingt  alles,  wie  ich  mehr  wünsche  als  hoffe,  so 
werde  ich  binnen  der  nächsten  4 — 5  Monate  über  etwas  mehr  als 
15000  Kthlr.  disponiren  können,  und  vielleicht  können  Sie  mir  in  dieser 
Beziehung  guten  Rath  geben,  da  Sie  doch  wahrscheinlich  oft  in  den 
Fall  bedeutender  Versuren  kommen.  Im  Allgemeinen  bin  ich  meiner- 
seits nicht  dafür,  alles  an  einen  Nagel  zu  hängen.  Ich  habe  wohl  an 
österreichische  Bankaktien  und  russische  Papiere  gedacht.  Sind  Ihnen 
vielleicht  die  belgischen  Fonds  so  wie  die  Brüsseler  Bankaktien  nach 
Ertrag  und  Sicherheit  näher  bekannt? 

Vorsorgen  dieser  Art  sind  unter  jetzigen  Umständen  gewiss  nicht 
unzeitig.  Aber  von  einem  bestimmten  Vorsatz,  Göttingen  zu  verlassen, 
ist  jetzt  noch  ebenso  wenig  wie  zu  Anfang  die  Rede  gewesen.  Jeden- 
falls Aväre  Paris  der  Ort,  den  ich  zuletzt*)  w^ählen  wiirde.  Ich  habe 
seit  dem  unglücklichen  14.  December  an  alles  dies  durchaus  gar  nicht 
gedacht,  sondern  meine  Gedanken  sind  ausschliesslich  dahin  gerichtet 
gewesen,  wie  man  das  Unglück,  theilweise  wenigstens,  reclressiren  könne. 
Im  engsten  Vertrauen  kann  ich  Ihnen  sagen,  dass  ich  noch  immer  sehr 
grosse  Hoffnung  habe,  Weber  für  Göttingen  zu  erhalten,  und  auch  die 
gleiche  Hoffnung  in  Beziehung  auf  Ewald  noch  nicht  ganz  aufgebe, 
obwohl  bei  letzterem  die  Entscheidung  bald  erfolgen  müsste,  wenn  sie 
nicht  zu  spät  kommen  soll,  da  er  eine  W'h'kliche  Vokation  nach  Tübingen 
erhalten  hat.  Das  Inserat  von  Lektionen  in  dem  Leipziger  Katalog 
war  schon  vor  längerer  Zeit  dahin  geschickt,  und  ist  jetzt  in  keinem 
Fall  daran  zu  denken,  dass  Ewald  dort  als  Privatdocent  aufzutreten 
geneigt  sein  könnte. 


*)  Ich  sehe,  dass  diese  Phrase  wider  meinen  Willen  zweideutig  ist.    Ich  meine, 
dass  ich  fast  an  jedem  anderen  Orte  lieber  leben  möchte  als  in  Paris. 


6(38  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1838  März  10. 

Vor  16  Jahren  habe  ich  einmal  mit  Ihnen  über  die  eigene  Be- 
wegung der  Fixsterne^)  korrespondirt.  Ich  bin  jetzt  durch  Aege- 
lander's  Schrift  veranlasst,  etwas  wieder  auf  diese  Sachen  zurückzu- 
kommen, und  nicht  abgeneigt,  unter  Benutzung  der  neueren  Daten  die 
Untersuchung  selbst  vorzunehmen.  Unter  uns,  die  Nachrechnungen,  die 
ich  bisher  gemacht  habe,  zeigen,  dass  Aegelander's  Arbeit  eine  höchst 
lüderliche  ist.  Auf  sein  Tableau  pag.  33 — 38  ist  gar  nichts  zu  geben, 
da  es  von  Eechnungsfehlern  wimmelt. 

Die  „Resultate''''  für  1837  werden  bedeutend  stärker  werden,  als 
die  von  1836.  Von  mir  werden  nur  zwei  Aufsätze  darin  sein,  der  erste 
meine  Societätsvorlesung  vom  19.  Sept.  ganz  in  extenso,  nur  mit  AVeg- 
lassung  des  auf  die  Gelegenheit  bezüglichen.  Die  meisten  Aufsätze  sind 
von  Weber.  Die  Anzahl  der  Tafeln  ist  dieselbe  wie  voriges  Jahr, 
nämlich  10,  aber  sie  sind  alle  grösser.  Beobb.  etwa  3  mal  so  viel  wie 
1836.  Meierstein  arbeitet  ausser  den  Apparaten  für  Pliiladelphia  auch 
ein  paar  kleinere  für  Eoss  und  Sabine. 


No.  711.  01I)ers  an  Ganss.  [375 

Bremen,  1838  März  10. 

Ich  danke  Ihnen  von  ganzem  Herzen,  dass  Sie  mir  von  der  glück- 
lichen Ankunft  unserer  theuern  Eeisegesellschaft  in  New  Orleans  so- 
gleich Nachricht  gegeben  haben.  ]\röge  die  göttliche  Vorsehung  auch 
das  fernere  Unternehmen  der  lieben  Auswanderer  segnen  und  Sie,  lieber 
Gauss,  immer  angenehme  Briefe  von  dorther  erhalten.  Seien  Sie,  ich 
bitte,  so  gütig,  mir  ferner  auch  Nachricht  von  Ihren  Kindern  zu  geben, 
für  die  ich  mich  so  sehr  interessire. 

Ich  sehe,  dass  Sie  sich  doch  noch  vorbereiten,  allenfalls  Göttingeu 
verlassen  zu  können,  aber  auch  mit  grossem  Vergnügen,  dass  Sie  wahr- 
scheinlich in  Göttingen  bleiben  werden.  Sehr  gern  sehe  ich  Sie  der 
Georgia  Augusta  erhalten,  die  mit  Ihnen  den  bisherigen  Glanz  völlig 
verlieren  würde.  Möge  es  deswegen  gelingen,  Ihnen  und  der  Universität 
den  würdigen  Weber  zu  erhalten.  So  gross,  so  unersetzlich  der  Verlust 
von  Ewald  für  die  Universität  auch  ist,  so  sehe  ich  ihn  auf  alle  Fälle 
doch  nur  für  temporär  an,  und  Ihrer  geliebten,  bisher  in  Göttingen 
immer  kränkelnden  Frau  Tochter  wird  es  vielleicht  sehr  wohl  thun. 
einige  Jahre  in  einem  südlichen  Klima  zu  wohnen. 


1)  Vergl.  Brief  No.  436,  438—440  i;Dec.  1821  bis  Jan.  18'22i  uml  die  Anmerkung- 
auf  S.  148,  ferner  Brief  No.  715  vom  5.  Apr.  183S.    Krni. 


Olber-  an  (Jauss.     Bremen,  1838  März  10.  009 

Ueber  Ihre  (leklan.^t'lfgi'iiheiteii  kann  ich  Ihnen  nichts  sacren;  weder 
■  lit'  rnssischen,  noch  die  österreichischen  oder  belgischen  Staatspapiere 
-ind  mir  hinreichend  bekannt.  Wie  wenig  ich  selbst  gute  Gelegenheit 
zum  vortheilhaften  Geldbelepen  kenne,  werden  >Sie  daraus  schliessen 
können,  dass  ich  mir  die  Herabsetzung  der  Zinsen  von  4  auf  3|  7o  bei 
den  Obligationen  unserer  Stadt,  von  Hannover  und  dem  Württembergischen 
l\redit-\'erein  habe  gefallen  lassen,  ohne  meine  Kapitalien  zurückzu- 
nehmen, weil  ich  sie  in  der  Regel  zu  keinen  höheren  Procenten  unter- 
zubringen weiss. 

So  äusserst  angenehm  und  lehrreich  ein  temporärer  Aufenthalt  von 
einigen  Wochen  in  Paris  auch  ist,  so  hätte  auch  ich  keineswegs  diesen 
( >rt  zum  dauernden  Wohnsitz  wählen  mögen.  Nein,  lieber  Gauss,  Sie 
müssen  in  Deutschland  bleiben,  und  wie  ich  am  meisten  wünsche,  in 
Göttingen.  Sollte  Ihnen  aber  dort  der  Aufenthalt  zu  sehr  verleidet 
werden,  so  werden  Sie,  denke  ich,  sich  leicht  eine  Stellung  in  Berlin 
oder  München  verschaffen  können,  wo  Sie  frei  von  allen  ökonomischen 
Sorgen  in  otio  cum  dignitate  sich  ganz  der  Entwicklung  Ihrer  grossen 
genialen  Ideen  widmen  können,  wodurch  Sie  schon  menschliches  Wissen 
so  selir  vermehrt  und  gefördert  haben. 

Ihre  Belehrung  über  Argelander's  Arbeit  war  mir  ebenso  neu, 
als  unerwartet.  Führen  Sie  doch  ja  Ihren  Entschluss  aus,  die  neueren, 
wie  es  mir  scheint,  jetzt  sehr  reichhaltigen  und  zuverlässigen  Daten 
zu  benutzen,  um  uns  die  wahrscheinlichste  Richtung  der  Bewegung 
unserer  Sonne  kennen  zu  lehren.  Gewiss  eines  der  interessantesten 
Probleme  der  neueren  Astronomie. 

Auf  die  „Besultate''  für  1837  bin  ich  sehr  begierig.  Dieses  Jahr 
war  besonders  im  letzten  Drittel  sehr  reich  an  Nordlichtern. 

Die  neueren  Nachrichten  aus  Amerika  über  die  galvanisch-magne- 
tischen Maschinen  lauten  doch  ganz  anders,  als  die  beiden  amerikanischen 
Professoren  (von  denen  Stanley,  der  Reisegefährte  Ihres  Hrn.  Sohnes, 
mich  auch  besuchte)  darüber  referirt  haben.  In  dem  aus  Amerika 
vom  27.  Sept.  1887  datirten,  zuerst  in  der  Gazette  de  France  1838 
•  lan.  10.  mitgetheilten,  nachher  in  Fkoriep's  Neuen  Notizen  aus  dem 
Gebiete  der  Natur-  und  Heilkunde  No.  95  oder  No.  7  des  5.  Bandes  über- 
setzten Aufsatz  ist  nicht  von  einem  Schmied  und  seinem  erbärmlichen 
Modell,  sondern  von  einer  Maschine  von  einer  oder  zwei  Pferdekraft, 
oder  genauer  von  einer  Kraft,  die  einen  13  Centner  schweren  Wagen 
mit  einer  Geschwindigkeit  von  7  englischen  Meilen  in  einer  Stunde 
fortschaffen  könnte,  die  Rede,  welche  Maschine  der  Professor  der 
Physik,  Callan,  zu  Maynooth  zu  Stande  gebracht  hat.  Die  Maschine 
wird  durch  40  mit  Kupferdrath  umwundene,  dadurch  unter  sich  ver- 
bundene Magnete,  die  mit  einer  galvanischen  Batterie  von  6  Quadrat- 


ß7Q  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1838  März  18. 

fuss  Zink-Platten  in  einer  solchen  Verbindung  stehen,  dass  die  Kette 
vermöge  eines  Sekunden-Pendels  jede  Sekunde  einmal  geschlossen  und 
einmal  wieder  unterbroclien  werden  kann,  in  Thätigkeit  gesetzt.  Callax 
berechnet,  dass  eine  Maschine  von  20  Pferdekraft  etwa  250  fö  St.  kosten, 
nicht  völlig  4000  U  wiegen  und  mit  einem  Aufwände  von  300  U  St. 
ein  ganzes  Jahr  in  Thätigkeit  unterhalten  werden  könne.  —  Ich  bitte 
Sie  reclit  inständig,  mein  allertheuerster  Freund,  diesen  Bericht,  den 
ich  nach  Ihren  Belehrungen  mit  grossem  Misstrauen  gelesen  habe,  ein- 
mal selbst  anzusehen,  und  mir  dann  zu  sagen,  ob  Sie  noch  alles  für 
Kinderei  und  Spiel  werk  halten,  oder  ob  Sie  glauben,  dass  diese  Ver- 
suche auch  in  Europa  wiederholt  und  berichtigt  zu  werden  verdienen, 
was  mir  nicht  sehr  schwierig  scheint. 

Der  strenge  Winter  hat  uns  freilich  verlassen,  allein  die  Folgen 
davon  fühle  ich  nicht  nur  in  Brustbeschwerden,  sondern  auch  seit 
wenigen  Tagen  in  bedenklichen  Schwindel-Anfällen,  von  denen  ich  seit 
den  letzten  Jahren  ganz  frei  war.  Das  über  2  Fuss  dicke  Eis,  das 
unsere  Weser  bedeckte,  ist  wider  alles  Erwarten  ohne  allen  bedeutenden 
Schaden  glücklich  losgegangen. 


No.  712.  Gauss  an  Olbers/)  fss? 

Göttingen,  1838  März  18. 

Recht  herzlich  danke  ich  Ihnen  für  Ihren  gütigen  Brief  vom 
10.  d.  M.  Von  meinem  Sohne  sind  noch  keine  weiteren  Nachrichten 
eingegangen,  und  ich  fange  an,  mich  wegen  der  gefährlichen  Mississippi- 
Schiffahrt  zu  beunruhigen. 

Ewald  wird  wohl  die  definitive  Beschlussnahme  wegen  des  Rufes 
nach  Tübingen  bis  zu  seiner  Rückkunft  nach  Göttingen  verschieben. 
Er  hat  London  jetzt  verlassen  und  wollte  noch  einen  Monat  sich  in 
Oxford  aufhalten. 

Unter  uns  gesagt,  ich  besorge  sehr,  nach  der  Lage  der  Dinge,  wie 
sie  einmal  wirklich  ist,  dass  die  in  voriger  Woche  von  Stadt  und  Uni-" 
versität  gethanen  Schritte  zur  Wiedergewinnung  der  verlorenen  Pro- 
fessoren die  Erreichung  dieses  Zieles,  wozu  sonst  viele  Hoffnung  war, 
eher  erschweren  als  befördern  werden.  Nähere  Erläuterungen  darüber 
kann  ich  freilich  jetzt  nicht  wohl  in  einem  Briefe  geben. 

Webee  ist  auf  einige  Wochen  nach  Berlin  gereist.  Sie  sehen  auch 
aus  diesem  Beispiele,  was  Sie  von  den  Zeitungsnachrichten  aus  Göttingen 


^)  Der  Brief  ist  in  lateinischer  Schrift  geschrieben.     Krm. 


Gauss  au  Ollters.     (iöttingeü,  1838  März  18.  (i71 

ZU  halten  liabeh.     Sein  Zweck   ist  liauptsiichlidi,  den  nächsten  magne- 
tischen Tennin    ,  ■     '  ./  dort  für  dif /»^e»,9/</// abzuhalten,  für  die  Dekl. 
1.  Aiiril 

g:eschielit  es  daselbst  uhnehin  schon  regelmässig  durch  Encke.  Er  hat 
zu  dem  Zwecke  einen  freilich  nur  ganz  rohen  Bifilar-Apparat  mit- 
genommen und  ist  so  viel  früher  dahin  gereist,  um  erst  Gehülfen  an- 
werben und  einüben  zu  können.  Gleich  nach  Beendigung  des  Termins 
kommt  er  nach  Güttingen  zurück.  Ich  bin  nun  sehr  neugierig  auf  das 
Resultat  der  Doppelbeobb.  an  zwei  Orten.  Denn  hier  soll  der  Termin 
auch  an  zwei  Apparaten  abgehalten  werden,  vielleicht  auch  in  München. 

Damit  Sie  doch  von  dieser  Erweiterung  des  Feldes  der  magne- 
tischen Beobb.  einen  Begriff  haben,  lege  ich  von  dem  ersten  Aufsätze^) 
der  ..Resultate  für  1837"  den  Korrekturbogen  bei.  Dieser  Aufsatz  ist 
übrigens  nichts  weiter  als  meine  Jubiläumsvorlesung  mit  Weglassung 
des  auf  die  Gelegenheit  Bezüglichen.  Diese  Vorlesung  war  bestimmt, 
in  extenso  als  eine  der  Beilagen  zu  dem  intendirten  Werke  über  das 
Jubiläum  gedruckt  zu  werden,  welches  Werk  nun  aber  W'gIiI  ungedruckt ^) 
bleiben  wird.  —  Ein  Bericht  über  das  Jubiläum  selbst  wird  aber  doch 
zu  finden  sein  in  der  nächstens  erscheinenden  Fortsetzung  der  Pütter- 
SAALFELD'schen  Geschichte  von  Göttingen  durch  Oesterlet,  die  Anfangs 
bis  Ende  1837  gehen  sollte,  aber  nun  gerade  mit  der  Jubiläumsfeier  endigt. 

Die  von  Ihnen  citirte  Nachricht  aus  Nord- Amerika  habe  ich  noch 
nicht  einsehen  können,  ich  habe  aber  Weber  das  Citat  mitgetheilt,  der 
in  Leipzig  oder  Berlin  leicht  Gelegenheit  finden  wird,  die  Gazette  de 
France  zu  erhalten.  Nach  Göttingen  kommt  diese  Gazette  gar  nicht. 
Von  Froriep's  Notizen  kommt  hingegen  ein  Exemplar  her,  und  zwar 
nicht  für  die  Bibliothek,  sondern  für  unser  Museum  (eine  Leseanstalt 
verbunden  mit  einer  cirkulirenden  Lesegesellschaft);  allein  es  scheint 
das  betreifende  Stück  schon  in  die  Cirkulation  gekommen  zu  sein,  welche 
eine  Art  „Verliess"  bildet,  aus  dem  erst  nach  mehreren  Monaten  die 
Sachen  und  häufig  gar  nicht  wiederkehren. 

Es  scheint  jedoch  nach  dem,  was  Sie  anführen,  dieser  Artikel  weder 
einen  klaren  Begriff  über  die  Art  der  Benutzung,  noch  eine  genügende 
Basis  zur  Beurtheilung  der  Glaubhaftigkeit  des  Faktischen  zu  geben. 

Ich  meines  Theils  habe  bisher  aus  inneren  Gründen  eine  sehr  geringe 
Erwartung  von  einer  derartigen  Benutzbarkeit  des  Elektromagnetismus 
gehabt.  Diese  Gründe  sind  für  mich  sehr  stark,  aber  keine  entschiedene 
Gewissheit.  Sie  müssen  daher  entschiedenen  Thatsachen  weichen.  Vor 
der  Hand  ist  aber  für  mich  die  einzige  entschiedene  Thatsache,  „dass  der 


^)  Siehe  Anmerkung  2  auf  S.  656.     Krm. 

2)  Vergl.  hierzu  Brief  Xo.  729  vom  8.  März  1839.    Krm. 


672 


Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1838  März  18. 


Artikel  quaest.  in  der  Gazette  de  France  gedruckt  steht.'"''  Es  würde 
darauf  ankommen,  ob  der  Erzähler  ein  Augenzeuge  und  ein  sach- 
verständiger Augenzeuge  ist,  und  welche  Bürgschaft  wir  für  seine  Sach- 
verständigkeit haben.  Hat  der  Briefschreiber  von  Hörensagen  aus 
3.  oder  4.  Hand  rapportirt,  so  hat  die  Erzählung  für  mich  nicht  das 
geringste  Gewicht.  Cooper  (in  den  Nutions  on  the  Americans)  behauptet 
zwar,  dass  in  Amerika  nicht  so  viel  gelogen  werde,  wie  anderwärts; 
allein  man  kann  viel  weniger  lügen,  als  in  Europa,  und  doch  noch  ent- 
setzlich stark  lügen;  auch  behaupten  andere,  gerade  im  Gegensatz  zu 
Cooper,  dass  die  Amerikaner  gern  aufschneiden. 

Von  meinen  inneren  Gründen  will  ich  Ihnen  wenigstens  noch  etwas 
sagen : 

Schon  ein  gewöhnlicher  Magnet  übt  in  der  Berührung  eine  viel 
stärkere  Anziehung  aus,  als  in  einer  auch  nur  sehr  geringen  Ent- 
fernung. Dieses  ist  mit  der  Theorie  in  Einklang,  und  hätte  aus  der- 
selben vorausgesehen  weiden  können.  Aber  die  Theorie  lehrt  mich,  dass 
dasselbe  in  einem  noch  viel  viel  höheren  Grade  stattfinden  müsse  bei 
den  künstlichen  Magneten,  die  es  nur  transitorisch  durch  galvanische 
Spiralströme  werden;  ich  meine  weiches  Eisen,  z.  B.  in  Hufeisenform, 
umwunden  mit  Draht,  wird  ein  Magnet,  so  lange  durch  diesen  Draht 
ein  galvanischer  Strom  geht,  so  dass  man  es  bis  zu  einem  Tragevermögen 
von  200» )  U  gebracht  hat  Aber  man  täusche  sich  nicht  und  glaube, 
dass  dieser  Hufeisenmagnet  ebenso  in  Distanz  wirke  wie  einer  aus 
hartem  Stahl,  dem  ein  beharrlicher  Magnetismus  gegeben  ist.  Denn 
die   Lebensbedingung,   dem    ersten   einen    so    starken  Magnetismus   zu 

geben,  ist  eben  das  Geschlossensein  des  Huf- 
eisens durch  einen  daranhängenden  Anker. 
Derselbe  Weich-Eisen-Magnet,  der  so  2000  U 
tragen  kann,  wird  ungeschlossen  nur  ein  sehr 
schwacher  sein,  und  vielleicht,  wenn  die 
Ankerfüsse  nur  ^^  Linie  abstehen,  nur  noch 
eine  Anziehung  arqnal  icenigen  Lothen  aus- 
üben können.  Ein  sehr  grosser  Unterschied 
in  dieser  Beziehung  muss  der  Theorie  zu- 
folge stattfinden.  Aber  über  das  Quantita- 
tive können  nur  Versuche  Belehrung  geben, 
dergleichen  ich  noch  nicht  gemacht  habe. 
Mit  einem  kleinen  Bruclitheile  der  Summen,  die  der  russische  Kaiser 
für  den  p.  Jacobi  ausgeworfen  hat,  würde  man  schon  über  die  Sache 
gehöriges  Licht  verbreiten  können.  Aber  die  Mesquinität  der  Mittel, 
die  mir  zu  Gebote  stehen,  schliesst  derartige  Versuche  ganz  aus. 


Wqjl- 


=j^ 


^ 


Fio-.  33. 


Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1838  März  24.  (373 

No.  713.  Olbers  an  Gauss.  [376 

Bremen,  1838  März  24. 

nire  bewundernswürdige  Erfindung  des  Bifilar-Magnetometers  habe 
ich  nun  mit  grossem  Vergnügen  aus  dem  mir  gütigst  überschickten 
Koirektur-Bogen  kennen  gelernt,  und  dankend  wünsche  ich  Ihnen  viel 
Glück  dazu.  Mit  Ihnen  bin  ich  äusserst  neugierig,  was  die  von  Weber 
zu  Berlin  und  von  Ihnen  zu  Göttingen  angestellten  gleichzeitigen 
Beobb.  für  Eesultate  geben  werden. 

Ihre  Gründe,  wodurch  Sie  a  'priori  die  Möglichkeit  einer  grossen 
durch  den  Elektromagnetismus  zu  bewirkenden  mechanischen  Kraft 
bezweifeln,  scheinen  mir  fast  unwiderleglich.  Aber  auch  a  ijosteriori 
möchte  ich  die  angebliche  Erfindung  des  Prof.  Callan  bezweifeln.  Mich 
dünkt,  wenn  Callan  schon  so  weit  gekommen  wäre,  wie  man  vorgiebt,  so 
müsste  die  Sache  weit  mehr  Aufsehen  und  Lärm  machen,  als  es  bisher 
der  Fall  war.  In  dem  sonst  auf  jede  industrielle  Erfindung  so  auf- 
merksamen England  vdv^  dieser  Angelegenheit  noch  kaum  erwähnt, 
so  gar  nicht  besprochen.  Dem  unerachtet  habe  ich  den  Artikel^)  aus 
der  Gazette  de  France  für  Sie  abschreiben  lassen,  und  schicke  Ihnen 
denselben  hier,  weil  ich  gern  Ihr  jetziges  Urtheil  nach  Einsicht  dieses 
Aktenstücks  und  Ihre  Belehrung  darüber  erfahren  möchte.  Ich  bin  mit 
dem  Elektromagnetismus  und  überhaupt  dem  Galvanismus  sehr  wenig 
bekannt,  und  weiss  nicht  mal,  warum  Callan  ein  so  grosses  Gewicht 
auf  die  öftere  und  schnelle  Unterbrechung  und  Schliessung  der  Kette 
legt;  auch  begreife  ich  nicht,  warum  die  Magneten  in  gerader  Zahl 
vorhanden  sein  müssen  etc. 

Wenn  Sie  von  unseren  lieben  Reisenden  weitere  Nachrichten  er- 
halten haben,  so  ersuche  ich  inständig  um  gütige  Mittheilung. 

Ich  bedauere  unendlich,  dass  es  mit  den  Göttinger  Angelegenheiten 
noch  immer  so  schlecht  steht.  Ist  an  der  Zeitungsgeschichte  etwas 
wahr,  dass  Hofrath  B.^)  bei  einem  von  ihm  gegebenen  Ball  sich  so 
unvorsichtig  geäussert  und  die  Anhänger  der  7  Professoren  dumme 
Tertianer  genannt  habe?  Und  wer  ist  dieser  Hofrath  und  Prof.  B.? 
Man  hat  hier,  und  vielleicht  sehr  mit  Unrecht,  auf  Hofrath  Bauer 
rathen  wollen. 

Ich  leide  noch  immer  an  bedenklichem  Schwindel,  den  ein  Ader- 
lassen nicht  hat  beseitigen  wollen. 

^)  Diese  Abschrift  ist  nicht  abgedruckt  worden.     Krm. 

'-)  Muss  M.  heissen  (Mühlenbbcch)  nach  dem  folgenden  Briefe  Gauss'.     Krm. 


Olbers.    II,  2.  48 


574  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1838  März  27. 

No.  714.  Gauss  an  Olbers.  [sss 

Göttiiigeu,  1838  März  27. 

Ich  danke  Ihnen  sehr  für  die  Uebersendung  der  Abschrift  des 
bewussten  Artikels  der  Oazette  de  France.  Nachdem  ich  solclien  ge- 
lesen, finde  ich  noch  keinen  Grund,  von  meiner  früheren  Ansicht  von 
der  Nutzbarkeit  des  Elektromagnetismus  zu  mechanischen  Zwecken 
auch  nur  ein  Haar  breit  zurückzugehen. 

Was  zuerst  das  grosse  Hufeisen  betrifft,  so  ist  es  ganz  in  der 
Ordnung,  dass  dasselbe  nach  allen  den  übrigen  angeführten  Umständen 
ein  enormes  Tra^revermögen  bekommen  musste.  Ich  finde  in  diesem 
Experiment  nichts  Besonderes,  nichts  Nutzbares,  ja  nach  dem,  was  ich 
in  meinem  vorigen  Briefe  über  die  Inkommensurabilität  der  Anziehung 
bei  Schluss  und  der  Anziehung  in  Distanz  bemerkt  habe,  nichts  zur  Sache 
Gehöriges.  Die  am  Schluss  gegebene  Beschreibung  der  Wiikung  eines 
dem  Anker  angehängten  Gewichts  von  4(t//  bei  horizontaler  Lage  des 
Hufeisens  ist  unbefriedigend;  man  sieht  nicht,  ob  die  beiden  Schenkel 
des  Hufeisens  neben  oder  über  einander  waren  (vermuthlich  Avohl  das 
erstere),  und  ob  das  qu'on  put  le  fah-e  tlecifr  de  cette  position  ein 
Abgleiten  der  Ankerfüsse  von  den  Schenkelfüssen  oder  ein  oben  an- 
fangendes Abtrennen  bewirkte. 

Was  dann  aber  der  Referent  von  der  Benutzung,  die  Callan  von 
jenem  ganz  bekannten,  nur  in  grossem  Maasstab  ausgeführten  Experi- 
ment machte,  und  von  seinem  anderweitigen  Apparat  sagt,  ist  für  mich 
nur  ein  unverständlicher  Gallimathias.  So  ei'zählt  niemand,  der  nur 
die  geringste  Kenntniss  von  der  Sache  hat.  Er  greift  nur  hie  und  da 
einige  Aeusserlichkeiten  auf,  ohne  sie  in  den  geringsten  Zusammenhang 
zu  bringen.  Kein  Mensch  kann  daraus  sich  einen  Begriff  von  dem 
Apparat  machen.  So  würde  etwa  Ihr  Barbier  oder  Ihr  Schneider  von 
Ihrem  FRAUNHOFER'schen  Heliometer  (übrigens  sans  comparaison  gesagt) 
erzählen,  wenn  er  es  gesehen  hätte.  Bei  h  chor  rcru  dans  cette  occasion 
parait  deux  fois  aiissi  fort  etc.  weiss  ich  mir  nichts  Bestimmtes  zu 
denken. 

Ich  enthalte  mich  daher  aller  Vermuthungen  über  den  ÜALLAx'schen 
Apparat  selbst,  um  ihm  nicht  Unrecht  zu  thun.  Doch  ist  mir  der 
Umstand  wegen  der  geraden  Anzahl  der  Stäbe  verdächtig.  Im  All- 
gemeinen kann  man  genüss  nicht  sagen,  dass  mit  einer  ungeraden  Anzahl 
keine  Wirkung  hervorgebracht  werden  könne.  i)amit  läugue  ich  aber 
nicht,  dass  dies  bei  der  bestimmten  Einrichtung  Callan's  der  Fall  sein 
könne,  von  der  man  aber,  Avie  gesagt,  nach  dieser  Erzählung  allein 
gar  keinen  Begriff  hat.    Ist  aber  diese  Einrichtung  wirklich  eine  solche, 


G;iu>>  an  Olliers.     Güttingen.  1838  April  5.  675 

dass  eine  ungeradi-  An/alil  keine  Wirkunp:  «eben  ka)Ui,  während  eine 
frerade  eine  bedeutende  g-eben  niuss,  so  eiiiält  man  einen  sehr  un»^iinstigen 
Beo^riff  von  Callan's  Sachkenntniss,  wenn  er  dies,  was  a  priori  hätte 
müssen  einj^eselien  werden  können,  erst  aus  Erfahrunjjen  lernte. 

Hierauf  konnnt  dann  die  Thatsache.  Aber  nur  eine.  Nämlich  dass 
einem  100//  wiegenden  Rade  eine  sehr  rapide  Bewegung-  durch  sechs 
kleine  ^lagnete  imprimirt  wird.  Damit  aber  weiss  man  noch  nicht  viel 
mehr  als  nichts.  Wie  rapide  wurde  dann  die  Bewegung,  und  wie  langer 
Zeit  bedurfte  es.  bis  sie  iliese  Rapidität  erlangt  hatte?  Nur  so  könnte 
man  den  eigentlichen  Nutzeffekt  bestimmen,  wenn  man  zugleich  das 
Trägheitsmoment  des  Rades  kennt.  Ein  hundert  Pfund  wiegendes  Rad 
an  einer  festen,  gut  geschmierten  horizontalen  Axe,  vielleicht  diese 
selbst  auf  Friktionsrollen  genau  im  Schwerpunkt  aufgehängt,  könnte, 
wenn  man  Zeit  genug  einräumt,  selbst  eine  Maus,  um  nicht  zu  sagen 
ein  ]\Iaikäfer  oder  ein  Floh,  in  eine  rapide  Bewegung  bringen. 

"Weitere  TJiatsachen  finde  ich  nicht.  Denn  in  dem,  was  folgt,  heisst 
es  wenigstens  in  Ihi-er  Abschrift  nicht  il  a  fait  construire,  sondern  il 
faif  constnm-e,  also  nicht  er  hat  machen  lassen,  sondern  er  lässt  jetzt 
machen  pp.  Ich  besorge  sehr,  dass  am  Ende  Hr.  Callan  finden  ward, 
er  habe  das  darauf  verwandte  Geld  in  den  Dreck  geworfen. 

Ob  Hr.  Geh.  Justizrath  Mühlenbeuch  auf  dem  Balle  qiiaest.  die 
von  Ihnen  allegirten  Worte  gebraucht  hat,  weiss  ich  nicht.  Diese  Worte 
kenne  icJi  nur  aus  der  Zeitung;  w^as  ich  aber  gehört  habe,  läuft  dem 
Sinne  nach  auf  dasselbe  hinaus.  Ohrenzeugeii  habe  ich  nicht  gesprochen. 
Die  Sache  selbst  ist  aber  notorisch.  Der  von  Ihnen  allegirte  —  ich 
Aveiss  nicht  durch  w^elche  Verwechslung,  da  die  mir  zu  Gesicht  ge- 
kommenen Zeitungsartikel,  w^enn  ich  nicht  irre,  den  wahren  Anfangs- 
buchstaben M.  enthielten  —  mag  w^ohl  im  Ganzen  nicht  viel  anders 
denken,  ist  aber  viel  zu  klug,  um  sich  auf  solche  Weise  bloss  zu  geben. 

Aus  Amerika  fehlen  noch  immer  weitere  Nachrichten. 

Die  Zeitungsartikel  E[wald]  betreffend  aus  T[übingen]  sind  bis 
jetzt  noch  nicht  in  der  Art,  wie  sie  lauten,  richtig.     Vera  mixta  falsis. 


No.  715.  Gauss  an  Olbers.  [339 

Göttingen,  1838  April  5. 

Da  Sie  gewünscht  haben,  Entscheidungen  in  Beziehung  auf  mich 
oder  die  mir  Nahestehenden  sogleich  zu  erfahren,  so  zeige  ich  Ihnen 
an,  dass  nach  einem  vor  einigen  Tagen  aus  Oxford  eingegangenen  Briefe 
Ewald   die  Vokation  nach  Tübingen  angenommen   hat.     Die  frühereu 

43* 


g7ß  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1838  April  5. 

Zeitungsnachrichten,  die  Sie  vielleicht  gelesen  haben,  aus  Stuttgart  und 
Tübingen  waren  falsch,  insofern  Ewald  an  den  Tagen,  von  welchen 
sie  datirt  waren,  noch  keinen  Entschluss  gefasst,  viel  weniger  erklärt 
hatte.  Er  hat  sich  mit  blutendem  Herzen  entschlossen,  weil  er  in  den 
Aussichten,  hier  wieder  eingesetzt  zu  werden,  oder  vielmehr  in  Be- 
ziehung auf  die  Art,  wie  dies  geschehen  könne,  keinen  festen  Boden 
erkannte.    Ich  schweige  von  meinen  eigenen  Empfindungen. 

Aus  verschiedenen  Gründen  wünsche  ich,  dass  Sie  diese  Mittheilung 
so  lange  für  sich  behalten,  bis  aus  Württemberg  eine  officielle  Anzeige 
bekannt  wird,  was  freilich  wohl  in  den  nächsten  Tagen  zu  erwarten  ist. 

Die  Bittschrift  der  Universität  ist  aus  dem  Kabinet  kurzweg  ab- 
geschlagen. Ich  hatte,  wie  ich  Ihnen  bereits  andeutete,  schon  erwartet, 
dass  auf  diesem  Wege  nichts  erreicht  werden  könne. 

Wegen  Weber  bin  ich  noch  in  Ungewissheit.  Vermuthlich  kommt 
er  morgen  von  Berlin  hierher  zurück.  Verliere  ich  auch  ihn,  so  sehe 
ich  hier  einer  trostlosen  verlassenen  Existenz  entgegen. 

Geh.  Justizrath  Mühlenbruch  ist  in  Hannover  sehr  gnädig  aufge- 
nommen. Er  ist  zweimal  beim  König  zur  Audienz  gekommen,  und  die 
Königin  hat  ihn  mit  dem  Auftrage  beehrt,  ein  Allerhöchstes  Geschenk 
an  Blumenbach,  bestehend  in  einem  Bergkrystall,  zu  überbringen. 
Hofrath  Bauer  erzählte  mir  diesen  Morgen,  der  König  habe  dem 
p.  Mühlenbruch  den  Wunsch  eröffnet,  dass  die  Universität  noch  einmal 
wählen  möchte,  und  zwar  einen  aus  ihrer  Mitte.  Das  wäre  dann  die 
dritte  oder  gewissermaassen  die  vierte  Wahl.  Da  die  Zeitungen  die 
desfallsigen  Vorgänge  zum  Theil  unrichtig  referirt  haben,  so  mögen  Sie 
vielleicht  die  richtige  Erzählung  hier  lesen. 

Die  erste  Wahlzusammenkunft  hatte  kein  Resultat,  weil  wegen  zu 
geringer  Zahl  nicht  gewählt  werden  konnte. 

Bei  der  zweiten  Zusammenkunft,  acht  Tage  später,  waren  20  an- 
wesende Wähler  und  4  abwesende,  d.  h.  eingesandte  Stimmzettel.  Es 
fielen  11  Stimmen  auf  mich,  während  die  13  übrigen  sich  unter  4  oder 
5  andere  Namen  klein  zersplitterten.  Nachdem  ich  sogleich  gebeten 
hatte,  mich  nicht  auf  die  engere  Wahl  zu  bringen,  bei  welcher  zur 
absoluten  Majorität  nur  11  Stimmen  nöthig  waren,  weil  ich  auf  keinen 
Fall  die  Wahl  annehmen  würde,  wurde  durch  die  engere  Wahl  Planck 
in  Celle  gewählt.  Dieser  lehnte  ab  unter  Vorschützuug  seiner  Geschäfte. 
Bei  der  dritten  Versammlung  wurde  v.  Papen  gewählt,  dessen  Ab- 
lehnung nebst  den  (ziemlich  treu  referirten)  Gründen  Sie  aus  den 
Zeitungen  kennen  werden. 

Ich  habe  meine  erste  Rechnung^)  über  die  eigene  Bewegung  der 


1)  Vergl.  Brief  Xo.  710  vom  4.  März  1888  und  die  Anmerkuni--  auf  S.  668.    Krm. 


(iaiH-    "!  "ü-rs.     Güttiuyon,  1838  April  5.  677 

Sonne  jetzt  beendigt.  Ich  habe  die  nämlichen  300  Sterne,  die  Arge- 
LANDEu  gebraucht  hatte,  zu  Grunde  gelegt.  Alle  Vorarbeiten  habe  ich 
aber  erst  neu  machen  müssen,  theils  weil  sein  Tableau^)  gar  zu  dürftig 
und  unzureichend,  theils  weil  es,  wie  ich  Ihnen  schon  gemeldet  habe, 
ein  wahrer  Augiasstall  ist. 

Ich  habe  zuerst  die  sämmtlichen  Sterne  ganz  scharf  nach  der  Grösse 
der  beobachteten  eigenen  Bewegung  rangirt.  Es  finden  sich,  seinem 
eigenen  Princip  zuwider,  t^  darunter,  deren  eigene  Bewegung  unter  0",l 
in  einem  Jahr  ist,  die  kleinste  bei  i]  HercuUs  =  0'\Q^hl'd. 

Ich  habe  sie  hiernach  in  39  Dekaden  getheilt.  Ich  habe  jede 
Dekade  zuerst  einzeln  behandelt,  nach  einer  Methode,  die  von  der 
ARGEL.\NDER'schen  ganz  verschieden  ist,  und  wobei  ein  willkürfreies 
Princip  eine  ganz  clirelde  Bestimmung  des  Endresultats  giebt. 

Da  die  wirkliche  eigene  Bewegung  der  Sterne  im  Räume  von  der- 
>elben  Ordnung,  wie  die  unserer  Sonne,  und  im  Ganzen  nach  meinen 
Resultaten  eher  grösser  ist,  so  war  natürlich,  dass  bei  einer  so  kleinen 
Zahl  von  Sternen  wie  10  die  letztere  oft  fast  gar  nicht  hervortritt, 
sondern  fast  ganz  verdunkelt  wird,  und  ich  war  gefasst,  unter  diesen 
30  partiellen  Resultaten  viele  zu  finden,  die  einen  fast  ganz  entgegen- 
gesetzten Punkt  geben  würden.  So  arg  ist  es  aber  doch  lange  nicht 
geworden.  Sämmtliche  39  Punkte  liegen  in  einer  Halbkugel,  oder  viel- 
mehr in  einem  Stück  der  Kugellläche,  welches  noch  merklich  kleiner 
als  die  Halbkugel  ist.     Ich  setze  auf  jeder  Seite  die  Extreme  her: 


Kleinste  AI     .    .    . 

.    .       175°  43' 

13. 

Dekade 

213     0 

U. 

H 

Grösste  JR  .    .    .    . 

.    .       312  35 

36. 

Dekade 

302     6 

25. 

n 

Nördlichste  Dekl.    . 

.    .    -f73«22' 

23. 

Dekade 

+  59  30 

13. 

J5 

Südlichste  Dekl.  .    . 

.    .    —58  39 

24. 

Dekade 

—  20     1 

35. 

)5 

Ich  habe  sodann  13  Gruppen  von  je  30  Sternen  (immer  genau  nach 
der  Grössenrangirung)  gemacht.  Natürlich  darf  man  hier  nicht  das 
Büttel  aus  den  vorigen  Bestimmungen  nehmen,  sondern  muss  die  Rechnung 
ganz  von  Neuem  machen. 

Hier  liegen  die  Resultate  schon  weit  enger  zusammen.  Die  Ex- 
treme sind 


^)  Siehe  auch  A.  N.  Bd.  16  No.  363,   wo  Aegelander   auf  Gauss'  Veranlassung 
Ergänzungen  zu  seiner  Arbeit  in  den  Petersburger  Memoiren  giebt.     Krm. 


g78  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1838  April  5. 


für  die  ^  .    .    . 

.    .       218°  55' 
287  23 

4.  Dreissig 

8.         „ 

fiii-  die  Dekl.  .    . 

.    .    +48°  40' 
—    1  55 

5.         „ 
10. 

Nachher   habe   ich    auf  ähnliche   AVeise   6  Gruppen   gebildet,   die 
5  ersten  zu  60,  die  letzte  zu  90  Sternen.     Die  Resultate  sind: 


I. 

251^58' 

+  37°  50' 

IL 

260  10 

+  33  45 

III. 

256  53 

+  41  46 

IV. 

273  47 

+  16  56 

V. 

248  54 

+  16  17 

VI. 

270  46 

+  11  45 

Nochmalige  Zusammenfassung  in 

3  Gruppen: 

1—120 

256°  22' 

+  35°  26' 

121-240 

267  15 

+  29  52 

241—390 

263     5 

+  14  32 

Alle  schlechthin  in  ein  System  zusammengefasst  geben: 
1—390     i     26P44'6"         +  29°39'23"i) 

Dies  ist  freilich  wenig  von  Akgelander's  Endresultat  yerscliieden. 

Indessen  ist  die  Vereinigung  der  drei  letzten  Gruppen  in  eine 
nicht  recht  zulässig,  erstlich  weil  an  sich  die  kleinen  Bewegungen  ge- 
ringere Zuverlässigkeit  geben  und  daher  den  folgenden  Gruppen  un- 
gleiches Gewicht  beigelegt  werden  müsste,  dessen  richtige  Taxirung 
aber  eigenthümliche  Schwierigkeiten  hat.  Zweitens  aber,  was  unendlich 
wichtiger  ist,  weil  (cf.  die  obigen  6  Gruppen)  die  letzteren  Gruppen  so 
unverkennbar  einen  südlicheren  Punkt  indiciren,  was  den  gegründeten 
Verdacht  erregt,  dass  eine  konstante  Ursache  im  Spiel  ist.  Eine  solche 
konstante  Ursache  wäre,  wenn  durchschnittlich  Bradlet's  Dekl.  zu  süd- 
lich, oder  Aegelander's  zu  nördlich  wären,  oder  beides  zugleich  statt- 
fände. Offenbar  werden  dadurch  die  Eesultate  verfälscht  (im  Sinn  der 
Dekl.),  und  desto  mehr,  je  kleiner  die  beobachtete  eigene  Bewegung  ist. 
Nach  einem  freilich  sehr  rolien  und  sehr  prekären  Ueberschlage  schätze 
ich,  dass  [umj  diese  Diskordanz  wegzuschaffen  man  annehmen  müsste,  die 
beobachtete  75  jährige  Deklinationsbewegung  sei  etwa  durchschnittlich 
4"  zu  gross  (zu  nördlich).  Ich  möchte  die  ]\röglichkeit  von  —  2".5  bei 
Bradlet  und  + 1",5  konstantem   durchschnittlichen  Fehler  bei  Arge- 


^)  Muss  nach  dem  folgenden  Briefe  Gauss'  S.  6S0  heissen: 

2610  51' 7"         +270  5' 52"  Krm. 


Gauss  au  Olliers.     Güttin^'en,  1838  April  11.  (579 

LANDKR  nicht  uiibt-diii^t  läutjnen.  Auch  könnte  viellelcJit  eine  strengere 
Rechnung:,  die  aber  fast  unüberwindliche  Arbeit  erfordern  würde,  etwas 
weniger  als  4"  g'^'ben.  Wäre  die  Erklärung  die  richtige,  so  dürfte  die 
wahre  Dekl.  wohl  40°  erreichen. 

Was  sagen  Sie,  lieber  Olbkks,  zu  dem  Streit  zwischen  B[essel] 
und  E[NCKE]y  Vielleicht,  wenigstens  zu  dem  Anfang  in  den  A.  N.'^), 
Que  de  bnüt  pour  une  omelettel 


No.  716.  Gauss  an  Olbers.  [sdo 

Göttingen,  1838  April  11. 

Erlauben  Sie  mir,  dass  ich  noch  einmal  auf  die  nordamerikanische 
Magneto-Mechanik  zurückkomme  und  Sie  um  gütige  Belehrung  über 
einen  mit  dem  Faktischen  im  Zusammenhange  stehenden  Umstand  er- 
suche. 

Mir  selbst  sind  nur  folgende  drei  Nachrichten  zugekommen: 

1.  In  Ihrem  Schreiben  vom  10.  März  sagen  Sie,  es  sei  in  den  frag- 
lichen Artikeln  der  G[azette]  de  Frfance]  oder  Froeiep's  Notizen  die 
Rede  von  einer  Maschine  von  einer  oder  zwei  Pferdekraft,  die  der 
Prof.  C'allax  zu  Stande  gebrncJit  hat.   etc. 

2.  In  der  Abschrift  des  Artikels  der  Gazette  de  France,  die  Sie 
mir  gütigst  unter  dem  24.  März  zugesandt  haben,  heisst  der  betreffende 
Passus:  Apres  plusieiirs  experienee  (sie!)  semblables  il  fait  constriiire  un 
appare'il  etc. 

3.  In  einem  Stück  der  Casseler  Zeitung  von  voriger  Woche  ist  der 
ganze  Artikel  deutsch  reproducirt,  worin  die  betreffende  Stelle  heisst: 
„Nach  mehrei-en  ähnlichen  Versuchen  fertigte  er  einen  Apparat  an, 
dessen  Kraft  1  bis  2  Pferdekraft  gleich  ist." 

Es  giebt  dies  einen  Beleg  für  meine  Aeusserung,  wie  schwer  etwas 
Faktisches  konstatirt  wird,  oder  wie  leicht  sich  durch  Zwischenzeugen 
Entstellungen  einschleichen.  Während  1  und  3  harmoniren,  steht  2 
damit  im  Widerspruch. 

Dass  1  und  3  das  Richtige  enthalten,  dafür  sprechen  folgende 
Gründe : 

I.  Dass  zwei  Zeugen  gegen  einen  auftreten. 

IL  Ihre  gewohnte  kritische  Akkuratesse. 


')  Ä.  N.  Bd.  15,  No.  844,  346  und  349;  hervorgerufen  wurde  dieser  Streit  durch 
Meinungsverschiedenheiten  über  die  Aufstellung-sart  beweglicher  Instnimente.  Vergl. 
auch  Berliner  Jahrbuch  für  lfc;39.     Krm. 


680  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1838  April  17. 

III.  Der  Umstand,  dass  die  Abschrift  hin  und  wieder  etwas  nach- 
lässig gemacht  ist,  wovon  die  roth  unterstrichene  Stelle^)  u.  a,  gleich 
einen  Beweis  giebt. 

Dagegen  könnte  ich  nur  wieder  einwerfen,  dass  nicht  konstatirt 
[ist],  ob  1  und  3  unmittelbar  aus  der  Oazette  de  France  geschöpft  waren 
und  sind.  Wären  beide  nur  zunächst  aus  Fkoriep's  Notizen  entnommen 
gewesen,  so  fiele  die  Kraft  von  I  und  II  weg.  Der  Grund  III  will 
natürlich  nicht  viel  sagen,  und  man  könnte  sagen,  dass  das,  was  weiter 
folgt,  eher  auf  etwas  Künftiges,  als  auf  etwas  schon  Fertiges  und  Er- 
probtes hinzuweisen  scheint. 

Meine  Kritik  giebt  also  wenig  Ausbeute,  und  deswegen  greife  ich 
zu  dem  natürlichsten  Mittel,  indem  ich  Sie  gehorsamst  bitte,  doch  in 
der  Gazette  noch  einmal  selbst  nachzusehen,  ob  die  fragliche  Stelle 
wirklich  heisst 

il  fait  construire, 

oder  il  a  fait  construire,  oder  il  fit  construire.  Ein  a  zu  wenig  oder 
zu  viel  ändert  die  ganze  Sache.  Der  ganze  Gewinn  ist  freilich  nui\ 
dass  wir  bestimmt  wissen,  ob  die  Gazette  de  France  kein  positives 
Zeugniss  giebt,  oder  ob  eines.  Auch  im  letzteren  Falle  würde  ich  noch 
immer  nicht  gar  viel  Gewicht  darauf  legen,  da  wir  nicht  wissen,  wie 
viele  und  wie  zuverlässige  Zwischeninstanzen  zwischen  Callan's 
Maschine  und  dem  gedruckten  Artikel  sind. 

In  der  allerletzten  Eechnung,  deren  Resultat  ich  Ihnen  in  meinem 
vorigen  Briefe  anzeigte,  habe  ich  einen  Eechnungsfehler  gefunden.  Das 
Resultat,  wenn  man^^tre  alle  390  Sterne  zusammen  nimmt,  ist  261°  51'  7" 
und  -|- 27°  5' 52",  also  doch  etwas  mehr  vom  ARGELANDEKSchen  ab- 
weichend. 


No.  717.  Olbers  an  Gauss.  [377 

Bremen,  1838  April  17. 

Den  herzlichsten  innigsten  Dank  für  Ihre  beiden  lieben  Briefe 
vom  5.  und  11.  April.  Sehr  interessant  war  mir  das  Resultat  Ihrer 
Rechnung  über  die  eigene  Bewegung  unserer  Sonne,  mit  welchem 
Problem,  wie  Sie  wissen,  ich  mich  auch  früher")  beschäftigt  habe.  Ich 
hoffe,  Sie  werden  das  Umständlichei-e  darüber  in  den  Astronomischen 
Nachrichten  bekannt  machen.  Für  heute  eile  ich  nur,  Ihre  Anfrage  im 
Briefe  vom  IL,  den  amerikanischen  angeblichen  Gebrauch  des  Elektro- 


^)  Auf  der  vorigen  Seite  durch  fetten  Antiquadruck  gekennzeichnet.     Krm. 
^)  Vergl.  Brief  Xo.  433  vom  25.  Nov.  und  No.  437  vom  29.  Dec.  1821.    Krm. 


Gauss  an  Olbeis.    Göttingen,  183ö  April  29.  (381 

mao:netisiiius  betieffend.  zu  beantworten.  In  der  Gazette  de  France 
steht  wirklich  und  buchstäblich:  Apres  plusieiirs  experience  semhlahles 
il  f'ait  vonstruire  etc.  Also  kein  a  und  kein  fit.  Ueberhaupt  liat 
mir  beim  \'ergleich  die  Ihnen  geschickte  Kopie  sehr  genau  geschienen. 
Auch  ist  das  copvricnce  semhlahles  kein  Fehler  meines  Abschreibers, 
sondern  ein  Druckfehler  im  (original,  den  dieser  gewissenhaft  mit  auf- 
genommen hat.  Hingegen  beim  Froriep  heisst  es  wörtlich  so:  „Mit 
einem  Apparat  von  (5  kleinen  Magneten  ertheilt  Hr.  Callan  einem  Eade, 
das  100  Pfund  wiegt,  eine  ungemein  geschwinde  Drehung.  Nach 
mehreren  ähnlichen  Versuchen  fertigte  er  einen  Apparat  an,  dessen 
Kraft  1 — 2  Pferdekraft  gleich  ist."  Da  ich,  wie  ich  Ihnen  von 
Callan's  Versuchen  Nachricht  gab,  nur  Froriep's  Notizen^  nicht  die 
0.  d.  F.  vor  mir  hatte,  so  konnte  ich  Ihnen  diesen  Apparat  als  einen 
scliou  zu  Stande  gebrachten  angeben,  da  es  nach  der  G.  d.  F.  allerdings 
wahrscheinlich  ist,  dass  er  damals  noch  erst  zu  Stande  gebi-acht  werden 
sollte,  und  da  mag  denn  der  Frfolg  weit  hinter  der  Erwartung  zurück- 
geblieben sein.  Wenn  es  indessen  wahr  ist,  dass  Hr.  Callan  einem 
Eade,  100  fi  schwer,  schon  mit  G  Magneten  eine  ungemeine  Geschwindig- 
keit geben  kann,  so  muss  das  Moment  eines  solchen  Rades  schon  sehr 
beträchtlich  sein,  und  es  Hessen  sich  schon  nutzbare  mechanische  An- 
wendungen von  einer  solchen  Kraft  erwarten.  Aber  sehr  bedenklich 
bleibt  es,  dass  man  weiter  von  dieser  amerikanischen  Entdeckung  nichts 
liürt.  Findet  sich  denn  gar  nichts  darüber  in  Sillyman's  Journal,  das 
doch  wohl  in  Göttingen  gehalten  wird? 

Der  Streit  zwischen  B[essel]  und  E[ncke]  ist  mir  sehr  ärgerlich, 
aber  unser  Schumacher  hat  meiner  Meinung  nach  ganz  pflichtmässig 
dabei  gehandelt,  und  B[essel]  thäte  sehr  unrecht,  wenn  er  den  Ästr.  N. 
deswegen  künftig  seine  Beiträge  entziehen  wollte. 

Ist  noch  nichts  weiter  von  den  lieben  Reisenden  gekommen?  Ich 
verlange  sehr  nach  Nachrichten. 


No.  718.  Gauss  an  Olbers.  [sdi 

Göttingen,  1838  April  29. 

Ich  danke  Ihnen  für  die  Mittheilung  der  richtigen  Lesart  in  der 
Gazette  de  France.  In  dem  Februar-Stück  des  BREwsTER'schen  Journals 
finde  ich  einen  Artikel  von  einem  gewissen  Watkins  über  Benutzung 
des  Elektromagnetismus  zu  lokomotiven  Zwecken.  Er  hat  einige 
Modelle  der  Art  beschrieben,  die  er  aber  selbst  nur  als  Spielzeuge  be- 


ßg2  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1838  April  29. 

trachtet,  und  [wobei  er]  die  Möglichkeit,  durch  Ausführung  in  grossen 
Dimensionen  irgend  etwas  Reelles  zu  erreichen,  zu  bezweifeln  scheint. 

Im  letzten  magnetischen  Termin  ist  hier  doppelt  beobachtet,  am 
gewöhnlichen  Magnetometer  für  Dekl.,  am  Bifilar-Magnetometer  für 
Intensität.  Grosse  Bewegungen  sind  diesmal  bei  beiden  nicht  vorge- 
kommen, doch  einige  kleinere.  Webee's  Reise  nach  Berlin  hatte  haupt- 
sächlich zum  Zweck,  dort  mit  einem  nur  ganz  roh  gearbeiteten  Bifilar- 
Magnetometer  zu  beobachten,  während  Encke  am  (kleinem  ordinären 
M[agnetometer]  die  Dekl.  beobachtete.  Aehnliches  ist  in  München  ge- 
schehen, wo  Steinheil  in  der  Eile  ein  stattliches  Bifilar  hat  machen 
lassen. 

Die  Beobachtungen^)  liegen  jetzt  vor  mir.  Ich  kann  nur  sagen, 
dass  es  der  herrlichste  Triumph  des  Bifilar -Apparats  ist.  "Wir  sehen 
nun  eine  ganz  neue  Welt  vor  uns  oifen,  den  Weg  hinein  gebahnt,  und 
vielleicht,  ja  nur  zu  wahrscheinlich,  die  Thür  nun  vor  uns  zugeschlagen! 
Denn  mit  AVeber's  Verlust  wird  unsere  ganze  Association  wohl  un- 
wiederbringlich zerstört. 

Weber  ist  von  seiner  Reise  noch  nicht  zurück,  vermuthlich  in 
diesem  Augenblick  noch  in  Halle.     Vielleicht  kommt  er  diese  Woche. 

Bei  oder  gleich  nach  seiner  Abreise  von  hier  (7.  März)  stand  seine 
Angelegenheit  so,  dass  ich  erfuhr,  der  König  wolle  ihn  wieder  ein- 
setzen, wenn  er  eine  Entschuldigung  mache.  Dieses  ist  ein  Wort  von  einer 
grossen  Latitude,  und  es  schien  denkbar,  ja  wahrscheinlich,  dass  es  sich 
so  werde  auslegen  und  einrichten  lassen,  dass  es  mit  der  Ehre  verträglich 
bliebe.  Aber  dergleichen  liess  sich  durch  Briefe  nicht  abthun.  zumal 
da  Weber  zunächst  von  hier  in  die  Leipziger  Luft  übergegangen  war. 
die  freilich  später  durch  die  Berliner  bedeutend  neutralisirt  werden 
mochte.  Jedenfalls  müsste  die  Sache  bis  zu  seiner  Rückkehr  ruhend 
bleiben,  und  es  ist  ihm  Specielles  also  noch  gar  nicht  mitgetheilt.  Leider 
scheint  sich  aber  in  Hannover  seitdem  die  Sache  sehr  verschlimmert  zu 
haben.  Zuerst  durch  die  auf  alle  7  gerichtete  Petition  der  Universität 
und  Stadt,  deren  Bewilligung  man  bei  einiger  Kenntniss  der  Personen 
für  absolut  unmöglich  halten  musste.  Sodann  durch  das  Erseheinen 
von  Albrecht's  Schrift.  Vielleicht  noch  durcli  andere  mir  nicht  näher 
bekannte  umstände.  Der  König  scheint  durchaus  abgeneigt,  iigend 
einen  wieder  einzusetzen,  und  dringt  auf  anderweitige  Wiederbesetzung 
der  Stellen. 

Dies  und  mehreres  ist  mir  halbofficiell  absei ten  des  Kuratoriums 
eröffnet. 


^)  Vergl.  hierzu  auch  Brief  Xo.  611  vom  IS.  Apr.  1S3S  im  Briefwechsel  Gaüss- 

SCHCMACHER.       Kmi. 


Giiuss  an  Olbers.     (jüttingeii,  1S38  April  29.  (583 

Das  Kuratiiiiiini  hat  den  besten  AVillen,  verniap:  selbst  aber  wenig:. 

Die  Art  der  \\'iHderbesetzunjr  scheint  aber  zur  Zeit  noch  in  seiner 
Hand  zu  lieirt'n.  In  Beziehung'  auf  A\'eber's  Stelle  hat  es  sie  gewisser- 
inaassen  in  die  mein'u/e  gelegt. 

Sie  haben  viel  in  Zeitungen  von  zum  Theil  schnöden  Refus  ge- 
lesen, oder  sonst  wohl  gehört.  Es  mag  manches  davon  wahr  sein. 
Aber  (feiviss  ist  (die  schriftlichen  Beweise  sind  in  meinen  Händen),  dass 
für  AA'EBER's  Stelle  schon  im  Februar  drei  Subjekte  sich  angeboten 
hatten;*)  einer  davon  sogar  ein  Physiker,  der  einen  gewissen  Namen 
hat.  Letzterer  hat  den  in  letzterer  Zeit  so  berühmt  gewordenen  Pan- 
dektenlehrer  und  Ballgeber  zu  seinem  Fürsprecher  gemacht. 

Ich  wäre  sehr  glücklich,  wenn  ich  in  diesem  schwierigen  \'er- 
hältniss  Ihren  Kath  haben  könnte.  Versagen  Sie  mir  ihn  nicht,  aber 
Imld  und  gam  offen  und  ohne  Rückhalf. 

So  viel  steht  bei  mir  fest,  dass  ich  hinter  AA'eber's  Rücken  auf 
keine  Weise  instrumental  sein  darf.  Er,  mein  innigst  geliebter  Freund, 
ein  kindlich  reines,  treues  Gemüth.  liat  mir  schon  früher  erklärt,  dass 
er,  selbst  nicht  wieder  eingesetzt,  in  meiner  Nähe  bleiben  werde,  selbst 
Jahre  lang.  Aber  meinem  Gefühle  nach  ginge  dies  über  menschliche 
Kräfte,  wenn  er  in  seinem  bisherigen  Eigenthum  (bis  jetzt  hat  er  die 
Schlüssel  des  phj'sikalischen  Kabinets)  einen  Menschen  walten  sähe, 
der  in  seinen  Augen  als  ein  Niederträchtiger  erscheinen  niüsste. 

Vielleicht  ist  unter  den  dreien  einer,  der  ein  leidlicher  Doceut  sein 
möchte,  ja  vielleicht  für  die  Unterhaltung  des  grossen  Haufens  der 
Studenten  ein  besserer  als  Weber.  Aber  in  Beziehung  auf  den  Götter- 
funken Genie  ist  keiner,  der  w'erth  wäre,  ihm  die  Schuhriemen  aufzu- 
machen, keiner  der  zur  Erhaltung  und  Vermehrung  des  Glanzes  von 
Göttingen  in  der  wissenschaftlichen  Höhe  von  fei'ne  mit  ihm  zu  ver- 
gleichen wäre.  Unmöglich  könnte  aber  einer  davon  seinen  Platz  bei 
mir  einnehmen.  In  der  That,  unsere  Arbeiten  waren  so  in  einander 
verwachsen  und  verflochten,  wie  nur  bei  d^m  allerfreundschaftlichsten 
Verhältnisse  möglich  ist,  und  von  jenen  Subjekten  kann  ich  doch  keines 
meine  Schwelle  überschreiten  lassen. 

Wohl  verkenne  ich  nicht,  dass  es  einige  Personen  giebt,  die  Weber 
auch  in  Beziehung  auf  unsere  gemeinschaftlichen  Arbeiten,  w^enn  nicht 
ganz,  doch  einigermaassen  ersetzen  könnten,  einige  mehr,  andere  weniger. 

Ich  nenne  Ihnen  3  solcher  Personen.  Stkinheil,  ein  äusserst 
genialer  Mensch,  Gerling,  Genie  freilich  sehr  untergeordnet,  aber  ein 
tüchtiger,   gründlicher,    auch    an    eigenen   Ideen   nicht    unfruchtbarer. 


^)   Yergl.   Brief   Xo.  604   und  606   vom    7.   und   9.  Jan.    1838   im   Briefwechsel 
Gaüss-Schttmächer.     Krm. 


584  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1838  April  29. 

Ljstjüg,  jetzt  bei  der  Gewerbeschule  in  Hannover  angestellt,  ein  junger 
Mann,  der  zwar  noch  nichts  geschrieben  hat,  als  seine  scharfsinnige 
Doktor-Dissertation,  er  reiste  nachher  3  Jahre  mit  Saetokiüs  in  Italien, 
der  aber  sehr  gründliche  Kenntnisse  und  einen  grossen  Fonds  von 
Talent  hat.     Alle  drei  sind,  wie  ich  glaube,  mir  aufrichtig  zugethan. 

Keiner  derselben  aber  Avürde  die  Stelle,  so  bin  ich  überzeugt,  an- 
nehmen, ich  sage  nicht  ohne  die  Geiuissheit,  dass  Webee's  Wieder- 
einsetzung unmöglich  sei,  das  versteht  sich  von  selbst,  sondern  ohne 
Weber's  vollständigste  Zustimmung.  Steinheil  schwerlich  unter  irgend 
einer  Bedingung,  da  gegen  seine  Hülfsmittel  in  ]\Iünchen  die  hiesigen 
ganz  armselig  sind;  bei  Gerlixg  findet  einigermaassen  Aehnliches  statt, 
da  das  physikalische  Kabinet  in  Marburg  viel  besser  und  zweckmässiger 
dotirt  ist,  als  das  hiesige.  Bei  Listing  würde  allerdings  dieser  Grund 
weniger  stattfinden. 

An  den  Resultaten  für  1837  fehlt  nur  noch  der  letzte  Bogen. 
Ich  kann  ihn  nicht  vollenden,  ehe  ich  mit  Weber  Rücksprache  ge- 
nommen habe.  Sollen  wir  die  neuen  Aussichten  für  diesen  Theil  der 
Naturforschung  als  im  nächsten  Jahrgang  weiter  zu  verfolgen  ankün- 
digen, oder  sollen  wir  von  unseren  Lesern  trauernd  Abschied  nehmen? 

So  weit  ich  die  Personen,  die  jetzt  in  Hannover  die  Macht  in 
Händen  haben,  beurtheilen  kann,  erscheint  mir  A^'EBER's  Wiederein- 
setzung fast  hoffnungslos.  Dircld  kann  ich  selbst  schlechterdings  gar 
nichts  thun.  Gerade  diejenigen  Gründe,  die  vielleicht  allein  hier  Wir- 
kung haben  könnten,  kann  ich  nicht  selbst  geltend  machen.  Indirekt 
hätte  ich  zwar  noch  einige  Hebel,  oder  richtiger  einige  entfernte  Mög- 
lichkeit, sie  vielleicht  in  Bewegung  setzen  zu  können.  Aber  in  Er- 
mangelung genauer  Kenntniss  des  Terrains  wage  ich  nicht,  mir  eben 
etwas  davon  zu  versprechen.  Leist,  auf  welchen  vielleicht  indirekt  zu 
wirken  wäre,  soll  mit  Schele  in  keinem  guten  Vernehmen  stehen. 
Graf  Münster  soll  eine  vollständige  Rekantation  als  unerlässlich  be- 
trachten. 

Von  meinem  jüngsten  Sohne  habe  ich  seit  dem  Briefe  aus  New 
Orleans  noch  gar  keine  Nachricht,  und  ich  fange  an,  mich  darüber  zu 
beunruhigen. 

Ewald  wird  vermuthlich  in  wenigen  Tagen  von  London  zurück- 
kommen. In  etwa  14  Tagen  werde  ich  dann  meine  Tochter  verlieren, 
vielleicht  um  sie  in  diesem  Leben  nicht  wieder  zu  sehen. 

So  schliesse  ich  heute  mein  61.  Lebensjahr. 

Ich  habe  gar  keinen  Grund,  die  Sicherheit  von  Briefen  jetzt  in 
Zweifel  zu  ziehen.  Ich  brauche  wohl  nicht  hinzu  zu  setzen,  dass  dieser 
Brief  im  eng-sten  Vertrauen  geschrieben  ist. 


Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1838  Mai  10.  685 


No.  719.  Olbers  an  Gauss. 


[378 


Bremen,  1838  Mai  lu. 

p]s  tliut  mir  unendlieli  leid,  dass  Sie  Ihren  trefflichen  Weber  höchst 
wahrscheinlich  verlieren  werden.  So  weit  ich  die  Lage  der  Sache  be- 
urtheilen  kann,  niuss  ich  glauben,  dass  der  Künig-  nicht  nachgeben  wird 
und  gewissermaassen  auch  nicht  nachgeben  kann,  ohne  eine  Erklärung 
oder  Entschuldigung  zu  fordern,  die  der  hochherzige  "Webek  schAverlich 
mit  seinem  Ehrgefühl  verträglich  finden  wird.  Aber  w^eun  sich  dieser 
so  ausgezeichnete  Pln'siker  auch  von  Göttingen  entfernen  und  ander- 
wärts einen  passenden  A\irkungskreis  suchen  muss,  so  scheint  mii-  da- 
durch doch  seine  Mitwirkung  bei  Ihren  so  interessanten  magnetischen 
Untersuchungen  und  Entdeckungen  nicht  aufgehoben,  und  die  Ver- 
folgung der  neuen  Aussichten,  die  Ihnen  der  Bifilar-Apparat  eröffnet 
hat,  nicht  abgeschnitten.  Für  Sie  persönlich  und  für  Göttingen  Avird 
der  Verlust  immer  gross  und  unersetzlich  bleiben;  aber  kann  es  der 
Angelegenheit  selbst  nicht  zuweilen  auch  vortheilhaft  sein,  Avenn  auch 
an  einem  Orte  ausser  Göttingen  gleichzeitige  Beobb.  ganz  in  Ihrem 
Sinne  und  in  Ihrem  Geiste  von  Weber  angestellt  werden,  und  wird  sich 
nicht  vieles  einigermaassen,  wenn  auch  nicht  ganz,  durch  Briefwechsel 
ersetzen  lassen,  was  das  persönliche  Zusammenleben  darbot? 

Im  Ernst  haben  Sie  wohl  nicht  meinen  Kath  bei  Wiederbesetzung 
von  Weber's  Stelle  verlaugt?  Wie  könnte  Binen  dieser  von  dem  ge- 
ringsten Werth  sein.  Von  den  3  mir  genannten,  Steinheil,  Gerlinü 
und  Listing,  kenne  ich  nur  Gerling  persönlich.  Er  ist  Ihr  dankbarer 
Schüler,  hängt  mit  Herz  und  Seele  an  Ihnen,  und  Sie  haben  ihn  sich 
früher,  wie  ich  mich  erinnere,  wohl  zum  Kollegen  gewünscht.  Vor 
Steinheil's  grossem  Genie  habe  ich  alle  mögliche  Achtung,  doch  hat 
es  mii'  zuweilen  geschienen,  als  wenn  er  vieles  anfängt,  das  er  nicht 
zu  Ende  bringt.  Bei  seiner  heftigen  Streitigkeit  mit  Encke  war  ich 
geneigt,  ihn  für  etwas  rechthaberisch,  eigensinnig  und  leicht  aufgereizt 
zu  halten,  weil  ich  damals  Encke  nur  als  einen  sehr  bescheidenen  und 
sanften  Mann  kannte.  Allein  das  Benehmen  von  Encke  gegen  Bessel 
hat  mich  die  Sache  anders  beurtheilen  lassen.  —  A^on  Listing  weiss 
ich  gar  nichts,  kenne  auch  seine  Doktor-Dissertation  gar  nicht. 

Ich  sollte  hoffen,  dass  Sie  nach  genommener  Eücksprache  mit  Weber 
Ihren  Lesern  beim  Schlüsse  der  Resultate  für  1837  die  Fortsetzung 
dieser  so  wichtigen  Schrift  ankündigen  werden. 

Ihre  auch  mir  so  liebe  Frau  Tochter,  Frau  Prof.  Ewald,  wird  nun 
wohl  bald  Göttingen  und  Sie  verlassen.  Ich  wünschte,  dass  Sie  beider- 
seits den  schmerzhaften  Abschied  schon  überstanden  hätten.    Sehr  gern 


g36  Gauss  an  Olbers.    Göttingen,  1838  Juni  11. 

wüsste  ich,  wie  jetzt  die  Gesundheit  dieses  Ihres  Lieblinges  be- 
schaffen ist. 

Alle  Tage  sehen  wir  jetzt  dem  Alexander,  Kapt.  Mertexs,  ent- 
gegen, der  New  Orleans  am  22.  Apr.  verlassen  wollte.  Er  wird  Ihnen 
wahrscheinlich  Briefe  von  Ihi-en  Kindern  mitbringen.  Sollte  dies  nicht 
der  Fall  sein,  so  werde  ich  Sorge  tragen,  dass  ich  alles,  was  er  sonst 
etwa  von  den  lieben  Ausgewanderten  weiss,  erfahre,  und  Ihnen  dies 
dann  sogleich  mittheilen. 

Ein  Repetent  der  Theologie,  Licentiat  Piper,  wollte  Hardixg's 
Leben  und  Nachlass  herausgeben,  und  ich  habe  ihm  auf  sein  Verlangen 
zu  diesem  Zwecke  eine  Menge  HARDiNG'scher  Briefe  anvertraut.  Ist 
dieser  Licentiat  Piper  noch  in  Göttingen,  und  wird  aus  seinem  Projekt 
noch  was  werden?    Beides  möchte  ich  gern  wissen. 

Zum  i\.ntritt  Ihres  62.  Jahres  wünsche  ich  Ihnen  alles  mögliche 
Glück. 


No.  720.  Gauss  an  Olbers.  [342 

Göttingen,  1838  Juni  IL 

Es  ist  mir  sehr  schmerzhaft  gewesen,  dass  Sie  meinen  letzten  Brief 
so  gänzlich  missverstanden  haben,  zu  glauben,  ich  verlangte  Iliren 
Eath,  iven  ich  auf  das  bewusste  Ansinnen  vorschlagen  solle.  In  der 
That  ist  es  [mir]  auch  nicht  auf  das  Entfernteste  in  den  Sinn  gekommen, 
darüber  Ihren  Eath  zu  erbitten,  sondern  mein  Zweifel,  zu  dessen  Lösung 
ich  die  offene  Aeusserung  eines  unparteiischen  Freundes  wünschte,  war 
und  ist,  ob  Ehre  und  Delikatesse  überall  verstatten,  oder  ob  von  der 
anderen  Seite  eine  Ptlicht  es  fordert,  mich  einzulassen.  Wenn  ich 
dabei  Namen  genannt  habe,  so  geschah  es  lediglich  deswegen,  weil  ich 
ungewiss  war,  ob  Sie  es  nicht  zur  Beantwortung  meiner  Fragen  für 
relevant  halten  würden,  erst  zu  wissen,  wer  ev.  in  Konsideration  kommen 
könne. 

Was  Sie  von  einem  Streite  zwischen  Steinheil  und  Encke  schreiben, 
war  mir  ganz  neu  oder  vielmehr  unverständlich.  Ich  ei'innere  mich, 
nicht,  jemals  irgendwo  etwas  von  einem  solchen  Streite  gelesen  zu 
haben.  Theilen  Sie  mir  doch  gelegentlich  mit,  wo  ich  die  Aktenstücke 
darüber  finden  kann. 

Den  Schlussartikel  der  „Besultate  für  i857"  habe  ich  auf  Schrauben 
gestellt  ausdrücken  müssen;  jeder  der  etwas  zwischen  den  Zeilen  zu 
lesen  weiss,  wird  dies  sogleich  erkennen. 

Sehnlichst  habe  ich  gehofft,  von  Ihnen  dasjenige  zu  erfahren,  was 
der  Kapitän  Hertens   von  der  A\'eiterreise  meines  Sohnes  weiss.     Da, 


»)ll»frs  an  Gauss.    Bivnion,  1838  Juni  19.  G87 

wie  ich  aus  dun  Z('itmi<;eii  ^useluMi  habe,  der  Alexander  selioii  vor 
längerer  Zeit  nach  lirenierhaven  ziirückg'ekommen  ist,  so  vergrössert 
sich  durch  Ihr  Stillschweigen  meine  längst  gefühlte  Unruhe  über  das 
Ausbleiben  allei'  direkten  Nachlichten. 

Meine  älteste  Tochter  scheint  in  ihren  Erwartungen  von  Tübingen 
sehr  getäuscht  zu  sein,  fast  in  jeder  Beziehung,  ausser  der  sehr  freund- 
lichen Aufnahme  von  den  Menschen. 

P.  S.  Wie  ich  eben  höre,  ist  der  Anfang  mit  einer  Wiederbesetzung 
der  erledigten  Plätze  gemacht.  Ein  gewisser  Subkonrektor  oder  Kollabo- 
i-ator  AvEMANN  in  Ihlfeld  sei  zum  Professor  der  Geschichte  an  Dahl- 
mann's  Stelle  ernannt  und  habe  seine  Vokation  durch  den  Kanzleidirektor 
Leist  erhalten.  Das  U[niversitäts]-K[uratorium]  scheint  gar  nicht  ge- 
fragt zu  werden.     Relata  refero. 


No.  721.  Olbcrs  an  Gauss.  [3?9 

Bremen,  1838  Juni  19. 

Ich  bedauere,  Sie  so  ganz  missverstanden  zu  haben.  Sie  sehen 
daraus,  dass  Sie  Ihrem  alten  stumpf  gewordenen  Freunde,  der  ohnehin 
immer  kein  Okdipus,  nur  ein  Davüs  war,  alles  recht  deutlich  vorbuch- 
stabireu  müssen,  wenn  Sie  eine  bestimmte  Antwort  von  ihm  haben 
wollen. 

Der  Streit  zwischen  Steinheil  und  Encke  ist  nicht  öffentlich  ge- 
führt, sondern  die  Verunwilligung  hat  bei  Steinheil's  Anwesenheit  in 
Berlin  stattgefunden,  wie  Schumacher  aucli  gerade  dort  war,  von  dem 
Sie  das  Nähere  erfahren  können.  Schumacher  beklagte  sich  damals 
über  Encke.  dessen  Hartnäckigkeit  und  Eigensinn  alle  Vermittlung 
vereitelt  und  alle  Aussöhnung  unmöglich  gemacht  habe. 

Gewiss  hätte  ich  sogleich  alles  gemeldet,  was  von  Kapt.  Hertens 
über  Ihren  Hrn.  Sohn  zu  erfahren  sein  mag,  wenn  ich  es  nur  selbst 
Avüsste.  Aber  Kapt.  Hertens  ist  seit  seiner  Ankunft  auf  der  Weser 
nur  wenige  Stunden  in  Bremen  gewesen,  um  seinen  Rhedern  und  dabei 
interessirten  Kaufleuten  Nachricht  von  seiner  Reise  und  Ladung  zu 
geben.  Während  dieser  wenigen  Stunden  hat  ihn  der  Freund,  der  mir 
versprochen  hatte,  ihn  zu  verhören,  nicht  gesehen.  Er  ist  gleich  nach 
Bremerhaven  zurückgekehrt;  weil  der  Alexander  einer  grossen  Reparatur 
bedarf,  so  ist  des  Kapitäns  ununterbrochene  Gegenwait  bei  dieser  Ver- 
zimmerung nöthig  gewesen.  So  bald  Hertens  sich  wieder  in  Bremen 
sehen  lässt,  soll  er  ausgefragt  werden,  und  dann  soll  es  an  meiner 
Pünktlichkeit  nicht  liegen,  Ihnen  das  Erfragte  mitzutheilen.    Auch  er- 


688  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1838  Juli  7. 

warten  wir  in  diesen  Tagen  ein  zweites  Schiff  von  New  Orleans,  und 
auch  von  dessen  Kai)itän  werde  ich  zu  erfahren  suchen,  ob  er  etwa 
was  von  unseren  lieben  Ausgewanderten  weiss.  Ich  tröste  mich  immer 
mit  dem  gewöhnlichen  Ausspruche  von  Verreisten:  Keine  Nachricht,  gute 
Nachricht.  Wahrscheinlich  wollen  die  neuen  Amerikaner  sich  erst 
irgendwo  fest  ansiedeln  und  einrichten,  ehe  sie  dem  liebenden  Vater 
die  ersehnte  Nachricht,  aber  dann  auch  desto  umständlicher  und  be- 
friedigender geben.  —  Billigen  kann  ich  indessen  ein  solches  Verschieben 
durchaus  nicht;  aber  die  jungen  Leute  haben  selten  einen  Begriff  davon, 
wie  viel  denen,  die  sie  lieben,  daran  gelegen  ist,  auch  nur  ein  Lebens- 
zeichen von  ihnen  zu  erhalten,  und  wie  gern  diese  auch  ihre  noch 
nicht  in  die  Wirklichkeit  eingetretenen  Pläne,  Aussichten  und  Projekte 
kennen  möchten. 

Endlich  habe  ich  in  einem  englischen  Journal,  nämlich  in  dem  be- 
kannten London  and  Edinburgh  Philosophical  Magazine  by  Brewster, 
Tailor  and  Phillips,  No.  73  Febr.  1838,  eine  Abhandlung:  „On  electro- 
magnetic  motive  Machine  by  Mr.  Francis  Watkixs  gefunden.  Watkins 
giebt  auch  zwei  Abbildungen  solcher  von  ihm  angeordneten  Maschinen, 
wovon  die  eine  besonders  einfach  scheint.  Aber  leider  gesteht  er  auch, 
dass  alles  nur  Spiel  werk  sei  und  bleiben  Avird,  wenn  nicht  noch  ein 
glückliches  Genie  auf  eine  Einrichtung  komme,  luhich  shall  economicalhj 
employ  this  electro-niagnetic  power  on  a  sufficiently  large  scale,  to  be 
used  ivith  the  desired  success.  Er  scheint  hierin  viel  von  Jacobi  zu 
erwarten.  Ich  aber  glaube,  dass,  wenn  der  mächtige  Genius  meines 
geliebten  Gauss,  der  uns  schon  so  viele  grosse  Entdeckungen  geliefert 
hat,  sich  mit  Ernst  auf  diesen  Gegenstand  wendet  und  nichts  findet, 
auch  niclits  zu  finden  sein  wird. 

Darf  ich  Sie  daran  erinnern,  dass  Sie  mir  meine  Aufrage  wegen 
des  Licentiaten  und  Eepetenten  Piper  noch  nicht  beantwortet  haben? 


No.  722.  Gauss  an  Olbers.  [343 

Göttingen,  1838  Juli  7. 

Nur  mit  ein  paar  Zeilen  eile  ich  Ihnen  zu  melden,  dass  der  Licentiat 
Piper  noch  in  Göttingen  ist;  ob  sein  literarisch-biographisches  Projekt 
noch  zur  Ausführung  kommen  werde,  vermag  ich  zwar  nicht  zu  sagen, 
aber  er  hat  bestimmt  versichert,  dass  er  Ihnen  nächstens  selbst  schreiben 
und  die  ihm  von  Ihnen  mitgetheilten  Papiere  zurücksenden  werde. 

Aus  Amerika  leider  noch  immer  keine  Nachricht. 


Olbers  an  Gauss.     Urciiien,  1838  Juli  12.  689 

Nu.  723.  Olbers  au  (iauss.  [sso 

Bremen,  1838  Juli  12. 

Ich  danke  recht  sehr  für  tlie  Au.skunft,  die  Sie  mir  wegen  des 
Licentiaten  Piper  gegeben  haben. 

Der  zuletzt  von  New  Orleans  angekommene  8chiffskai)itän  ist  be- 
fragt worden,  er  weiss  aber  gar  nichts  von  unseren  lieben  Auswanderern. 
Ein  besonderes  Unglück  kann  sie  aber  nicht  betroffen  haben,  sonst 
würde  es  wohl  dort  bekannt  gewesen  sein.  Inzwischen  hatte  dieser 
Kai»itän  wegen  eigener  Krankheit  nur  wenige  Kommunikation  mit  der 
Stadt;  und  die  Kommunikation  mit  dem  Innern  des  Landes  war  auch 
wegen  des  in  New  Orleans  herrschenden  gelben  Fiebers  etwas  gestört. 

Seit  Ihren  grossen  Entdeckungen  interessirt  mich  alles,  was  den 
Magnetismus  betrifft,  sehr.  Ich  wage  es  daher,  Ihnen  einige  mir  kürz- 
lich vorgekommene,  dahin  einschlagende  Notizen  mitzutheilen,  auf  die 
Gefahr  hin.  Ihnen  etwas  zu  sagen,  was  Sie  selbst  schon  viel  besser, 
genauer  und  umständlicher  wissen. 

In  der  Sitzung  der  Akademie  zu  Paris  vom  4.  Juni  d.  J.  sprach 
PoissoN  bei  Gelegenheit  einer  Vorlesung  über  den  Einfluss  des  an  Bord 
befindlichen  Eisens  auf  den  Kompass  auch  von  Ihrer  Bestimmung  der 
magnetischen  Kraft.  Ich  muss  aber  bekennen,  dass  ich  das,  was  im 
Institut  No,  232  darüber  steht,  und  was  Poisson  bei  Ihrer  Abmessung 
desiderirt,  nicht  recht  verstehe. 

Der  Engländer  Scokesbv  setzt  jetzt  künstliche  Magnete  aus  ge- 
härteten Stahlplatten  zusammen,  die  dadurch  eine  ganz  ausserordentliche 
Kraft  erhalten.  Er  hat  einen  solchen  aus  72  übereinander  gelegten 
Stahlblechen  verfertigt;  jede  Lamelle  15  Zoll  lang,  1.^  Zoll  breit  und 
1075  Gramm  wiegend.  Durch  ein  Brett,  ^'^  Zoll  dick,  trug  dieser 
noch  einen  eisernen  Schlüssel,  139  Gramm  schwer  etc.  etc.  L' Institut 
No.  234. 

Die  Societät  der  Wissenschaften  zu  Haarlem,  deren  Mitglied  ich 
zn  sein  die  Ehre  habe,  hat  mir  ihr  Programm  für  1838  geschic-kt. 
Unter  den  vor  dem  1.  Jan.  1840  zu  beantwortenden  Preisfragen  ist 
die  7.  „II  parait  resulter  des  experiences  de  Mr.  Jacobi  (Potsdam  1835)  et 
des  Mrs.  Stratingh  et  Becker  (AUgem.  Konst-  en  Letterbode  No.  54 — 55) 
que  la  force  electro-magnetique  pourra  etre  employee  comme  un  nouveau 
moteur  etc.  etc." 

Die  Societät  verlangt,  dass  man  durch  neue  Untersuchungen  be- 
weise, wie  sehr  sich  die  elektromagnetische  Kraft  zu  diesem  Zweck 
verstärken  lasse,  welche  Einrichtung  eine  solche  Maschine  haben  müsse 
um  3  bis  4  Pferdekraft  hervorzubringen  u.  s.  w. 

Olbers.    II,  2.  44 


gQQ  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1838  Juli  15. 

Die  anhaltende  grosse  Hitze  ist  mir  sehr  lästig,  nimmt  mir  die 
Kräfte  und  vermehrt  meine  Schwindel-Anfälle. 

Ein  am  Montag  den  9.  geschriebener  Brief  von  Schumacher  [meldete] 
mir  auf  gestern,  den  11.  einen  Besuch  von  Sir  John  Heeschel  an, 
allein  der  sehnlich  erwartete  Gast  ist  ausgeblieben. 


No.  724. 


Gauss  an  Olbers.  [344 


Göttingen,  18B8  Juli  15. 

So  eben  erhalte  ich  Ihren  gütigen  Brief  vom  12.  Juli,  und  da  icli 
gerade  ein  Stündchen  frei  habe,  so  verwende  ich  es  gern,  Ihnen  so- 
gleich zu  antworten. 

Ich  bin  gerade  jetzt  ganz  Eremit.  Meine  liebe  Tochter  Therese 
ist  vor  acht  Tagen  mit  ihrer  Grossmutter  ins  Bad  nach  Kissingen  ge- 
reist, so  dass  ich  jetzt  ganz  verlassen  bin.  Weber  ist,  wie  Sie  wissen, 
in  England  und  wird  erst  Anfang  Aug.  hierher  zurückkommen. 

Die  Piecen,  die  Sie  anführen,  habe  ich  noch  nicht  gesehen  oder 
übersehen.  Das  Institut  hält  unser  Museum,  und  ich  erinnere  mich 
dunkel,  von  den  aus  Stahlbändern  zusammengesetzten  Magneten  gelesen 
zu  haben,  worauf  ich  übrigens  wenig  oder  gar  keinen  Wert  lege,  da 
gar  kein  Bedürfniss  existirt,  sich  stärkere  Magnete  zu  verschatten.  als 
wir  sie  aus  einem  Stück  haben  können.  Gross  kann  ohneliin  die  Ver- 
mehrung der  Kraft  durch  Zusammenlegen  auf  keinen  Fall  sein.  Poisson's 
Artikel  ist  mir  entgangen,  ich  will  ihn  aber  gelegentlich  aufsuchen. 

Die  Haarlemer  werden  ihren  Preis  wohl  selbst  behalten. 

Auf  den  Aufsatz  von  Watkins  in  Brewster's  .lournal  glaubte 
ich,  Sie  selbst  in  einem  vor  etwa  3  oder  4  IVIonat  geschriebenen  Briefe*) 
schon  aufmerksam  gemacht  zu  haben.  Ich  bin  fortwährend  der  Meinung, 
dass  eine  ins  Grosse  gehende  technische  Benutzung  gar  nicht  zu 
hoffen  ist. 

Hr.  Herschel  ist  gestern  Abend  hier  angekommen.  Er  war  direkt 
mit  der  Diligence  von  Harburg  nach  Hannover  gereist  und  ist.  nach- 
dem er  nur  2  oder  3  Tage  da  gewesen,  hierher  gekommen,  A'ielleicht 
kann  ich  ihn  bewegen,  auf  der  Kückreise  über  Bremen  zu  gehen. 

Er  ist  bloss  hier,  die  magnetischen  Einrichtungen  kennen  zu  lernen, 
und  zeigt  viel  Eifer,  sie  weiter  zu  verbreiten,  selbst  in  die  südliche 
Hemisphäre  (Kap,  Mauritius,  Madras,  Paramatta  etc,  etc).  Auch  in 
England   ist,   wie   mir   Weber   schreibt,   viel   Empressement    erwacht. 


ij  Brief  Xo.  718  vom  29.  Apr.  183S.     Knn. 


Gau<^  ;ni  011..T-;      Göttiiiiron,  183s  Juli   15.  (591 

Ausser  Dublin  und  iTieeiiwicli.  wohin  Meiekstkix  Apparate  of^'liefert 
hat,  wird  auch  in  ('ainbridp:e  ein  Ktablissement  wahrsclieinlich  ent- 
stehen. Nach  Kremsmünster  ist  kürzlich  ein  Apparat  geschickt.  Ebenso 
au  Ctaimari)  nach  Hammerfest  für  die  Skandinavische  Expedition  der 
Franzosen     Der  Ai)parat  für  Bache  nach  Philadelphia  geht  nächstens  ab. 

Soweit  ist  also  alles  recht  gut.  Doch  fürchte  ich  jetzt  den  baldigen 
Tod  des  Ganzen.  <  )hne  ^^'EBER■s  bleibende  Anwesenheit  in  Göttingen 
ist  an  ein  Fortbestehen  gar  nicht  zu  denken.  Das  Fortbestehen  ist 
an  das  Fortgehen  der  Publikation  der  ..Resultate^^  geknüpft,  und  von 
der  Herausgabe  hat  Weher  den  grössten  und  beschwerlichsten  Theil 
allein  besorgt.  Ich  selbst  kann  so  etwas  gar  nicht  auf  mich  nehmen. 
Weber  kann  wieder  eingesetzt^)  werden,  wenn  er  sich  dazu  versteht, 
gewisse  Erklärungen  abzugeben,  die  er  schwerlich  so  abgeben  wird; 
wenigstens  ich  selbst  würde  es  niclit  thun.  Aber  auch  ohne  Wieder- 
einsetzung in  seine  Stelle,  die.  da  für  unsere  Institute  so  wenig  ge- 
schieht, an  sich  eben  nichts  Anlockendes  hat.  würde  ihn  seine  Anhänglich- 
keit an  mich  selbst  Jahre  lang  in  Göttingen  festhalten,  wenn  seine 
Subsistenz  auf  eine  würdige,  seine  Delikatesse  nicht  verletzende  Art 
gesichert  werden  könnte.  Aber  wie  lange  wird  dies  dauern?  Bei 
diesen  trüben  Aussichten  ist  dann  ein  zweites  Hinderniss  schon  gleich- 
gültiger zu  betrachten,  nämlich  dass  gegen  Ihre  Erw^artung,  aber  über- 
einstimmend mit  meiner  Besorgniss.  die  Anzahl  der  Käufer  der  Resultate 
beim  ersten  Jahrgange  so  sehr  klein  gewesen  ist.  dass  der  Verleger 
einen  haaren  Verlust  von  ca.  300  Rthlr.  gehabt  hat.  so  dass  er  scliwer- 
licli  sich  zur  üebernalime  eines  3.  Jahrganges  entscliliessen  wird. 
Transeat  cum  ceterisl  Für  meine  noch  übrigen  Lebensjahre  finde  ich 
Stoff  genug  auch  zu  anderweitigen  Beschäftigungen. 

Zu  dem  vielen  Ungemach,  welches  mich  seit  7  Monaten  so  reich- 
lich getroffen  hat,  ist  in  der  letzten  Zeit  noch  eine  rein  persönliche 
Angst  gekommen,  die  nämlich,  taub  zu  werden.  Schon  oft  habe  ich 
bald  auf  einem,  bald  auf  beiden  Ohren  schwer  gehört,  was  aber  immer 
nach  einigen  Tagen  sich  wieder  verloren  hat,  und  zwar  jedes  Mal  nicht 
allmählig,  sondern  auf  einmal.  Ein  Arzt,  mit  dem  ich  öfters  davon  ge- 
sprochen, wollte  meine  auf  den  letzten  Umstand  gegründete  Meinung, 
dass  die  Ursache  nur  eine  lokale  sei,  nicht  gelten  lassen,  sondern  meinte, 
es  sei  eine  allgemeine  Affektion  des  Nervensystems.  Sein  Widerspruch 
überzeugt  mich  jedoch  nicht. 

Seit  3  Wochen  habe  ich  mich  nun  wieder  mit  diesem  Uebel  herum- 
geschlagen, zuweilen  auf  einem,  zuweilen  auf   beiden  Ohren  taub.     Ich 


^)  Yerg-l.  hierzu   Brief   No.  28   vom   9.  Juni    1838   im   Briefwechsel  'HlnNfBÖLbT- 
GrAuss.     Krm. 

44* 


(jg2  Olbers  an  Gauss.    Bremen,  1838  August  24. 

bin  aus  allerlei  Symptomen  auf  die  Idee  gekommen,  dass  der  Grund  in 
[einer]  Verstopfung  der  Eustachischen  Röhre  liegen  könne,  und  habe  in 
den  letzten  Tagen  mehrere  den  Gegenstand  betreffende  Bücher  gelesen 
(Teampel-Mencke,  Lincke,  Kramer).  Der  letzte  hat  auch  die  Operation 
sehr  in  seiner  Gewalt,  aber  es  bleibt  doch  eine  widerwärtige  Sache, 
sich  eine  silberne  Röhre  durch  Nase  und  inneren  Kopf  treiben  zu  lassen, 
und  deshalb  nach  Berlin  zu  reisen,  da  ich  hier  zu  keinem  Arzte  in 
dieser  Beziehung  Zutrauen  haben  würde.  Seit  gestern  ist  aber  doch 
wieder  Hoffnung  bei  mir  erwacht,  dass  nicht  die  Eustachische  Röhre 
Schuld  hat,  sondern  dass  der  (Trund  im  äusseren  Gehörgange  liegt,  so 
dass  ich  jetzt  selbst  noch  Herr  darüber  zu  werden  hoffe.  Es  scheint, 
dass  manche  Aerzte  viel  zu  sehr  geneigt  sind,  überall  ungewöhnliche, 
verwickeitere  und  seltenere  Ursachen  zu  suchen  und  darüber  nahe- 
liegende zu  übersehen.  Meine  eigene  Kur,  durch  eingebrachtes  Mandelöl, 
scheint  wirklich  gute  Dienste  zu  thun. 

N.  B.  Vorher  schien  völliger  Mangel  an  Ohrenschmalz  da  zu  sein, 
indem  ich  mit  dem  Löffel  gar  nichts  heraus  brachte,  und  das  Ohr  sich 
gieiclisam  trocken  berülirte;  jetzt  bringe  ich  aber  doch  wirklich  ver- 
härtet gewesenes  heraus. 

Auch  mich  mattet  die  schwüle  Hitze  unbeschreiblich  ab. 


No.  725.  Olbers  an  Gauss.  [ssi 

Bremen,  1838  August  24. 

Einen  kurzen,  aber  sehr  angenehmen  Besuch  von  Sir  John  Herschel 
habe  ich  denn  wirklich  gehabt  und  vielleicht  Ihnen  zum  Theil  zu  ver- 
danken. Er  kam  hier  am  26.  Juli  des  Abends  an  und  schenkte  mir 
noch  spät  ein  paar  Stunden.  Den  27.  brachte  er  fast  den  ganzen  Tag 
bei  mir  zu,  und  am  28.  ging  er  nach  Altona  zu  Freund  Schumacher. 
bei  welchem  er  bis  zum  1.  Aug.  verweilte,  und  besonders  zwei  grosse 
achromatische  Objektive  von  Utzschneider's  Fabrik  probiren  und 
dann  wahrscheinlich  das  beste  davon  kaufen  wollte.  Seine  Unterhaltung 
war  mir  sehr  interessant  und  lehrreich.  Es  zeigte  sich  indessen  bei 
angestellter  Vergleichung,  dass  er  unerachtet  der  so  sehr  von  ilim  ge- 
rühmten durchsichtigen  Luft  am  Kap  mit  seinen  20  füssigen  Teleskopen 
an  den  Himmelskörpern  nichts  mehr  hat  walirnehmen  können,  als  was 
Lamünt  in  Bogenhausen  an  denen,  die  der  letztere  auch  über  dem 
Horizont  hatte,  mit  seinem  grossen  Refraktor  gesellen  hat.M 


M  Vorgl.  hierzu  auch  Olbkks  Bd.  1  No.  199,  S.  6GS,  GGi».     Kn 


Ollters  an  Gauss.     Bn-nieii.  1S88  Au^Mist  24.  (393 

\'uii  ihm  erhielt  ich  auch  eine  «ienauere  Xachriilil  über  Ihr  Gehöi-, 
(las  mit  einem,  dem  äusseren  Verlialten  nach  sehr  ähnlidien  Uebel  be- 
haftet scheint,  als  das  meinipe.  Auch  ich  habe  auf  dem  rechten  Ohr 
das  Gehör  völlig  verloren  (wahrscheinlich  aus  einem  organischen  Fehler 
des  Trommelfells),  anf  dem  linken  ist  es  sehr  .Q^eschwächt,  hier  wahr- 
scheinlich vom  Alter.  lUn  Ihnen,  der  Sie  nach  Herschel  auf  dem  linken 
Ohr  vollkommen  put  hören,  wird  das  Uebel  auf  dem  rechten  Ohre  auch 
hoffentlich  nur  vorübergehend  sein.  Sie  thuen  wohl,  dass  Sie  fürs  erste 
nur  gelinde  unschcädliche  Mittel  anwenden,  wozu  ich  ausser  dem  lange 
fortgesetzten  Gebi-auch  des  ]\fandelöls,  S2)äter  Ausspritzen  des  Ohrs  mit 
lauem  Seifenwasser,  mit  gemahlenem  Senf  geschärfte  Fussbäder,  eine 
spanische  Fliege  hinters  Ohr,  die  man  eine  Zeit  lang  im  Fluss  erhält, 
u.  s.  w.  rechne,  ehe  Sie  sich  zu  einer  Operation  entschliessen.  ich  hoffe, 
jene  gelinden  ]\rittel  werden  das  Uebel  schon  beseitigen.  —  Für  mich 
alten  Mann  ist  natürlich  keine  Besserung  mehr  zu  hoffen,  nur  Ver- 
schlimmerung vorauszusehen. 

Mit  Verwunderung  und  Erstaunen  höre  ich,  dass  die  Resultate  bisher 
so  wenigen  Absatz  gefunden  haben.  Ich  glaubte  gewiss,  kein  Physiker 
würde  sie  entbehren  können,  entbehren  wollen.  Später  und  langsamer 
wird  indessen  der  Verleger  doch  wohl  wieder  zu  seinen  Auslagen  kommen. 
i\Iöchte  doch  eine  ]\[ögliclikeit  sein,  Ihnen  und  der  Georgia  Ängusta  den 
braven  Webie  zu  erhalten. 

Wie  gefällt  sich  jetzt  Ihre  Frau  Tochter  in  Tübingen?  —  Noch 
keine  Nachrichten  von  unseren  lieben  Ausgewanderten? 

Hier  hatte  sich  eine  Anzahl  junger  Liebhaber  der  Physik  vereinigt, 
die  Sternschnuppen  in  der  Nacht  vom  lO./ll.  Aug.  zu  beobachten. 
Völlig  trüber  Himmel  hat  alles  vereitelt. 

Jetzt  ist  es  nachgrade  Zeit,  sich  nach  dem  ENCKE'schen  Kometen 
umzusehen.     Bisher  ist  er  hier  noch  vergebens  gesucht  worden. 

In  einem  hiesigen  Tageblatt,  Aurora  genannt,  vom  14.  Aug.  d.  J., 
pg.  1519,  steht  unter  der  gewöhnlichen  Rubrik:  „Verschiedenes''''  folgende 
Notiz:  „Zu  London  wird  jetzt  ein  von  einem  Amerikaner,  Namens 
Davenport,  erfundener  elektromagnetischer  Eisenbahn-Wagen  gezeigt. 
Eine  ähnliche  elektromagnetische  Maschine  wird  als  Druckmaschine 
bei  einer  New  Yorker  Zeitung  benutzt."  —  Die  Quelle  dieser  Nachricht 
ist  nicht  ano-e^eben. 


(394  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1838  November  14. 

No.  726.  Olbers  an  Ganss.  [382 

Bremen,  1838  November  14. 

Ob  Sie  gleich  von  dem  Prof.  v.  Boguslawsky  werden  gehört  haben, 
nnter  welchen  Umständen  und  abwechselnden  Leiden  ich  noch  fortlebe 
oder  vielmehr  fort  vegetire,  so  muss  ich  doch  mir  selbst  wieder  das 
Vergnügen  machen,  einige  Minuten  mit  Ihnen  mich  zu  unterhalten,  so 
Unbedeutendes  ich  auch  vorzubringen  habe.  Kapt.  Meetens  vom 
Alexander  hat  nämlich  endlich  über  unsere  lieben  Auswanderer  selbst 
ausgefragt  werden  können.  Er  scheint  Ihren  Hrn.  Sohn  während  der 
Reise  sehr  lieb  gewonnen  zu  haben.  Die  Eeisenden  wären  selir  gesund 
in  New  Orleans  angekommen,  hätten  auch  ihre  Fahrt  auf  dem  Mississippi 
glücklich  vollendet.  Die  beiden  Schwäger  hätten  sich  getrennt,  warum, 
das  wusste  er  nicht  anzugeben.  Ihr  Hr.  Sohn  habe  Ländereien  bei 
Ludwigsburg  gepachtet,  nicht  gekauft,  wahrscheinlich,  um  sich  erst 
mit  dem  dortigen  Landbau  und  dem  Vertrieb  der  Produkte  desselben 
bekannt  zu  machen,  ehe  er  sich  selbst  durch  Ankauf  bleibend  fixirte. 
Hr.  Gauss  und  seine  Frau  wären  seinen  letzten  Nachrichten  nach  wohl 
gewesen. 

Diese  jetzt  alten  Nachrichten  werden  Ihnen  wohl  kein  Interesse 
mehr  gewähren.  Hoffentlich  haben  Sie  nun  selbst  authentische  und 
umständlichere,  um  deren  Mittheihmg  ich  recht  sehr  bitte.  Dem 
Kapt.  Mertens,  der  in  Kurzem  mit  seinem  völlig  ausgebesserten 
Schiff  wieder  nach  New  Orleans  gehen  wird,  ist  indessen  dringend 
empfohlen  w^orden,  über  die  lieben  Emigranten  alle  mögliche  Kunde 
einzuziehen. 

Das  Wetter  hat  die  Kometen-Beobb.  gar  nicht  begünstigt.  Indessen 
wird  der  ENCKE'sche  Komet  jetzt  sehr  gut  mit  blossen  Augen  gesehen, 
und  soll  an  Lichtstärke  fast  einem  Stern  4.  Grösse  gleich  sein. 

In  der  Allgemeinen  Freitssischen  Staaiszeiiuug  No.  265  vom  24.  Sept. 
wird  umständlich  berichtet,  Prof.  Keil  in  München  habe  auf  eine  von 
ihm  erfundene  elektromagnetische  Kotations-Maschine  ein  Privilegium 
erhalten,  vermittelst  derselben  die  bedeutendsten  Krankheiten,  als  Giidit. 
Lähmungen,  Gesichts-Schmerz  u,  s.  w.  sicher  geheilt,  werde  auch  durch 
dieselbe  beträchtliche  mechanische  Kräfte  zu  entwickeln  im  Stande 
sein.  Sie  kennen,  lieber  Gauss,  schon  meine  Aufmerksamkeit  auf  alles, 
w^as  den  Elektromagnetismus  betrifft.  Ich  schrieb  also  sogleich  an 
Geuithüisen,  verlangte  von  ihm  zu  wissen,  was  an  den  Wunderkuivu 
wahr  sein  möchte,  auch  sein  und  wo  möglich  Steinheil's  Urtheil  über 
die  angebliche  mechanische  Wirksamkeit  der  Rotations-Maschine  zu 
hören.     Letzteres  hat  er  mir  freilich  nicht  verschafft;  was  er  aber  ge- 


Gaus<  an  Olliors.     Güttingen,  1838  November  20.  (3*  15 

.antwortet,  sehen  >iL'  au.s  der  Einlap:e*\  die  ich  mir  aber,  weil  ich 
Gkiithüisen  noch  nicht  geantwortet  habe,  bald  wieder  erbitten  muss. 
Finden  Sie  es  der  ^lühe  werth,  so  werden  Sie  duich  Steinheil  das 
Nähere  nnd  Bestimmtere  leicht  erfahren  können. 

Hiesi«re  junge  Liebhaber  der  Phj^sik  haben  sich,  hauptsächlich 
auf  Veranlassung  meiner  beiden  hier  wohnenden  Enkel  zur  Beob.  der 
Sternschnuppen-)  in  der  jetzigen  November-Periode  vereinigt.  Die  Nacht 
vom  11./1-.  Nov.  war  trübe.  Die  vom  12./13.  aber  sehr  heiter.  Es 
wurden  ^•on  2  Beobachtern,  wovon  der  eine  gegen  Westen,  der  andere 
gegen  Osten  schaute,  185  Sternschnuppen  angemerkt  nnd  in  die  Stern- 
karten eingetragen,  worunter  eine  viel  heller  als  Venus  war.  Zugleich 
wurden  die  Beobachter  durch  ein  sehr  schönes,  um  2  Uhr  Morgens 
anfangendes  und  bis  zum  Tagwerden  anhaltendes  Nordlicht  unterhalten. 
Die  letzte  Nacht  vom  13./14.,  wo  den  bisherigen  Erfahrungen  zufolge 
der  eigentliche  Glanzpunkt  dieser  Periode  zu  erw'arten  war,  ist  leider 
wieder  trübe  gewesen. 

Hoffentlich  sind  Sie  von  Ihrem  Gehör-Fehler  ganz  wieder  befreit? 


No.  727.  Gauss  an  Olbers.  [345  , 

Göttingen,  1838  November  20. 

Das  beigehende  Exemplar  des  zweiten  Bandes  der  Resultate  des 
Magnetischen  Vereins  bitte  ich  Sie  mit  Ihrer  gewohnten  Freundlichkeit 
anzunehmen. 

Die  Verlagshandlung  wii'd,  wie  ich  schon  früher  vorausgesehen  habe, 
den  Verlag  nicht  weiter  auf  sich  nehmen,  und  es  ist  also  zur  Zeit 
noch  ungewiss,  ob  und  wie  die  Herausgabe  eines  dritten  Bandes  mög- 
lich sein  wird.  Ich  hatte  sonst  w^ohl  schon  halb  und  halb  darauf  ge- 
dacht, die  „AUgemeine  Theorie  des  Erdmagnetismus"^)  dafür  zu  be- 
stimmen, wenn  ich  im  Laufe  dieses  Winters  von  anderen  Geschäften 
Zeit  zur  Ausarbeitung  derselben  gewinnen  könnte. 

Für  die  gütige  Mittheilung  der  von  Hrn.  Kapt.  Mertens  erhaltenen 
Nachrichten,  meinen  jüngsten  Sohn  betreffend,  danke  ich  herzlich.  Leider 
und  zu  unserer  grössten  Beunruhigung  haben  wir  noch  immer  gar  keine 
direkten  Nachrichten  von  ihm.  Auf  indirektem  Wege  durch  die  dritte 
oder  vierte  Hand  ist  uns  schon   vor  längerer  Zeit  eine  dürftige  zuge- 


^)  Den  eingelegten  Brief  Gbüithoisen's  vom  10.  Okt.  1838  hat  Gauss  im  folgen- 
den Briefe  zurückgeschickt,  er  ist  im  Anhang  unter  No.  771  wieder  abgedruckt.    Krm. 
-)  Siehe  Olbers  Bd.  I  No.  162,  S.  566—568.     Krm. 
^)  Vergl.  Brief  No.  738  vom  14.  Mai  1839  und  die  betreffende  Anmerkung.    Krm. 


696  Gauss  an  Olbers.     GöttiDgen,  1838  November  20. 

kommen,  die  zum  Theil  mit  der  Ihrigen  in  Widerspruch  ist.  Jene 
lautet  u.  a.  dahin,  dass  er  sich  angekauft  habe.  Doch  enthielt  jene 
gleichfalls  die  Trennung  von  seinem  Schwager,  welch  letzterer  als 
Buchhalter,  glaube  ich.  ein  gutes  Unterkommen  gefunden  habe.  Dii-ekte 
Nachrichten  von  ihm  hat  aber  seine  Familie  in  Levern  auch  nicht. 
Seine  und  meiner  Schwiegertochtei*  Schwester  ist  jetzt  als  Gesell- 
schafterin hier  bei  meiner  Schwiegermutter.  Lieb  würde  es  mir  sein, 
wenn  Sie  noch  von  Hrn.  ]\rEETENS  erfragen  lassen  könnten,  auf  welche 
Zeit  etwa  die  Nachricht,  dass  mein  Sohn  nur  gepachtet  haben  soll,  sich 
bezieht. 

Da  ohne  Zweifel  viele  Briefe  verloren  gegangen  sein  müssen,  und 
ich  eigentlich  jetzt  gar  keine  sichere  Adresse  für  meinen  jüngsten  Solm 
habe,  so  versuche  ich  noch  einmal,  durch  meinen  zweiten  Sohn  Nach- 
richt zu  erhalten.  Da  durch  die  Post  von  hier  geschickte  Briefe  öfter 
nicht  angekommen  sind,  dagegen  alle  diejenigen,  mit  deren  Besorgung 
ich  Sie  früher  beschwert  hatte,  wie  der  Erfolg  be^^iesen  hat,  richtig 
angekommen  sind,  so  nehme  ich  mir  noch  einmal  die  Freiheit,  den  er- 
w^ähnten  Brief  hier  beizuschliessen,  indem  ich  hoffe,  dass  Sie  wohl 
Gelegenheit  haben,  ihn  durch  eine  sichere  Gelegenheit  in  den  Kurs  der 
amerikanischen  Posten  zu  bringen,  von  wo  er  dann,  wie  ich  hoffe,  schon 
zur  Stelle  kommen  wird. 

Aus  dem  hierbei  mit  meinem  gehorsamsten  Danke  zurückgehenden 
Briefe  des  Hrn.  GRuiTHnsEN  ist  nicht  ersichtlich,  dass  der  Apparat 
des  Hrn.  Keil  irgend  etwas  Neues  enthält.  Einen  Apparat,  wodurch 
vermittelst  Drehung  eines  Drahtgewindes  zwischen  den  Polen  zweier 
kräftigen  Magnete  ein  galvanischer  Strom  (durch  Induktion)  erregt 
wird,  hatte  Weber  bereits  vor  2 — 3  Jahren  ausgeführt,  der,  obgleich 
nur  modellartig,  von  sehr  starker  AMrkung  ist;  fortwährend  die  leb- 
haftesten Funken,  sehr  starke  Wasserzersetzung,  die  heftigsten  physio- 
logischen Wirkungen,  welche  die  Personen,  die  den  Strom  durch  ihren 
Körper  gehen  Hessen,  gewöhnlich  nicht  länger  als  ein  paar  Sekunden 
aushalten  mochten.  Ich  selbst  habe  an  mir  von  dieser  ^laschine  die 
phj^siologischen  Wirkungen,  von  denen  ich  eben  kein  Liebhaber  bin, 
nicht  probirt  pp.  Steinheil  hat  Aehnliches  nachher  vor  längerer  Zeit . 
nach  grösserem  Maasstabe  ausgeführt.  Ob  die  physiologischen  Wir- 
kungen unter  irgend  w^elchen  Umständen  wohWiätige  sein  können,  da- 
rüber habe  ich  kein  Urtheil,  dies  müssen  die  Herren  Aei'zte  ausmitteln. 

Erhebliche  mechanische  AMrkungen  sind  von  dieser  Art  \ov- 
richtungen  gewiss  nicht  zu  erwarten.  Ich  zweifle,  dass  sie.  von  zwei 
Menschenkräften  gar  nicht  zu  reden,  nur  die  Kraft  einer  ]ilaus  erreichen 
können.  In  der  That.  könnten  auch  nur  so  grosse  Kräfte  dadurch  ge- 
wonnen  werden,   die   im  Stande    wären,   fortwährend   die    Kurbel   des 


Gauss  an  Olbers.     Göttin-rLMi.  1838  November  20.  ■       697 

Apparates  in  1  ►leliuuii-  zu  eihalti-ii,  so  wäre  ja  das  Perpetuum  nuAnle 
irefumlen.  welches  duch  in  sich  unniöf!:licli  ist. 

Den  ExcKESchen  Kometen,  der  ziemlich  hell  ist,  habe  ich  öfter 
tresehcn.  aber  eifrentliche  Beobb.  muss  ich  den  Astronomen  überlassen, 
die  mit  gleichem  Zeitaufwande  viel  bessere  Beobb.  machen  können. 

Meine  Gehörbeschwerde  war  sogleich,  um  die  Zeit  meines  letzten 
Briefes  an  Sie.  dem  Ausstreichen  des  äusseren  Gehörkanals  mit  einigen 
Tropfen  nur  kalten  Mandelöls  vollkommen  gewichen,  naclidem  ich  vorher 
eine  Menge  anderer  Dinge,  z.  B.  Senffussbäder  etc.,  ohne  den  allergeringsten 
P^rfolg  versucht  hatte,  wie  auch  ganz  natürlich  war,  da  diese  bei  einer 
bloss  mechanisch  wirkenden  Ursache  gar  nichts  helfen  konnten.  Es 
ist  auch  seitdem  nicht  wieder  gekommen,  und  ich  bin  froh,  dass  ich  es, 
wenn  es  einmal  wiederkommen  sollte,  jetzt  zu  bannen  weiss.  Indessen 
ist  es  mir  doch  lieb,  dass  ich  bei  dieser  Veranlassung  durch  Lektüre 
von  einigen  das  menschliche  Ohr  betreffenden  Umständen  etwas  rick- 
tigere Vorstellungen  erhalten  habe,  als  ich  bis  dahin  gehabt  hatte. 

Meine  älteste  Tochter  hat  mich  vorigen  Sept.  mit  einem  Besuche 
erfreut.  In  Tübingen  kann  sie  noch  gar  nicht  heimisch  werden;  trotz- 
dem hat  sich  ihre  Gesundheit  vorigen  Sommer  bedeutend  gebessert. 

Ich  gehe  jetzt  damit  um.  den  Apparat,  dessen  in  den  „Resultaten 
für  1837''  p.  7 — 8^)  erwähnt  ist.  auf  eine  eigentliümliche  Art  ausführen 
zu  lassen.  Die  Abänderung,  welche  \\'eber  unter  dem  Namen  Induktions- 
Inklinatorium  gemacht  hat,  ist  zwar  im  liöchsten  Grade  sinnreich;  ich 
glaube  aber  nicht,  dass  man  auf  diese  Art  jemals  sehr  scharfe  Resultate 
erhalten  kann.  Ich  komme  auf  meine  alte  Art  zurück,  wobei  ein  von 
dem  Drehungsapparat  ganz  getrenntes  Magnetometer  gebraucht  w'ird, 
lasse  aber  an  jenem  zwei  getheilte  Kreise  und  Vorkehrungen  zum  scharfen 
Xivelliren  anbringen.  Ich  bin  geneigt  zu  glauben,  dass  man  damit 
ziemlich  scharfe  Inkl.,  wenigstens  so  scharfe  wie  mit  den  gewöhnlichen 
Inklinatorien,  erhalten  kann,  ja,  wenn  man  noch  anderes  damit  ver- 
binden will,  auch  absolute  Dekl.  Doch  werde  ich  erst  den  Erfolg 
abwarten,  ehe  ich  mich  weiter  darüber  äussere. 

In  Beziehung  auf  die  oben  erwähnte  Maschine,  welche  durch  Induk- 
tion vermittelst  einer  Rotationsbewegung  und  einer  angemessenen  Kom- 
mutation  einen  fortwährenden  galvanischen  Strom  erregt,  will  ich  noch 
folgendes  bemerken. 

1)  Von  meinem  eigenen  Apparat  {ResuU.  1837,  p.  7—8)  unterscheidet 
sie  sich  genau  betrachtet  dadurch,  dass  bei  meinem  Apparat  nur  die 
Erde  inducirt,  bei  jenem  Apparat  hingegen  ein  künstlicher  Magnet,  vor 
dem  die  Rotation  geschieht. 


^)  Gauss'  AVerke  Bd.  V,  S.  362—364.     Krra. 


598  011)er.s  au  Gauss.     Bremen,  1839  Febniar  4. 

2)  Ausführen  lässt  sich  ein  solcher  Apparat  in  verschiedenen  Formen. 
Weber  brauchte  25  pfundige  Stäbe,  auf  jeder  Seite  etwa  2,  also  zu- 
sammen 100  U.  Aelmliches  hat  Hr.  Meierstein  schon  vor  ein  paar 
Jahren  für  den  bekannten  russischen  Staatsrath  Schilling  v.  Canstadt, 
welcher  öfter  hier  gewesen  und  dabei  u.  a.  Weber's  Apparat  bewundert 
hatte,  ausgeführt,  der  aber  (im  Sommer  1837  gestorben)  den  Empfang 
des  Apparats  nicht  mehr  erlebt  hat.  Ausserdem  hat  Meierstein  mehrere 
andere  ausgeführt,  so  wie  er  jetzt  einen  für  Muncke  in  Heidelberg 
arbeitet. 

Der  C'LARKE'sche  Apparat  unterscheidet  sich  in  der  Form  haupt- 
sächlich dadurch,  dass  er  einen  Hufeisenmc\^\wi  anwendet.  Diese  Form 
bietet  einige  technische  Vortheile  dar,  die  zur  Beförderung  starker 
Ströme  dienen,  und  wer  ex  j^rofesso  bloss  darauf  ausgeht,  solche  Ströme 
zu  produciren,  thut  besser,  Hufeisen  anzuwenden  als  Stäbe.  Allein  bei 
uns  verhält  sich  die  Sache  anders.  Hufeisenmagnete  qualificiren  sich 
voi'züglich  zum  La.y^r?y/tragen;  aber  dieses  Lastentragen  ist  doch  an  sich 
etwas  Unnützes.  Prismatische  Stäbe  hingegen,  zum  Lastentragen  weniger 
geeignet,  taugen  allein  für  Untersuchungen,  die  scliarfe  Resultate  ver- 
langen. 

Uebrigens,  wenn  man  bloss  darauf  ausgeht,  starke  Ströme  zu  produ- 
ciren, so  würde  ich  tceder  die  Hufeisenform,  noch  die  prismatische  Form, 
sondern  eine  dritte,  von  beiden  verschiedene  wählen,  die,  wenn  man 
grosse  Summen  anwenden  will,  sicli  dazu  (lualificirt,  die  aller  stärksten 
Ströme  zu  produciren,  so  dass  eigentlich  kaum  eine  Grenze  abzusehen 
ist,  über  welche  hinaus  man  nicht  diese  Ströme  treiben  könnte. 


No.  728.  Olbers  an  Gauss.  [sss 

Bi-emen,  1839  Fel)ruar  4. 

Den  Verpflichtesten  Dank  für  Ihr  abermaliges  sehr  gütiges  Geschenk 
des  so  interessanten  2.  Bandes  der  Resnltcde  des  Magnetischen  Vereins 
statte  ich  Ihnen  diesmal  etwas  spät,  aber  um  so  inniger  und  lierzlicher 
ab.  Ich  wünschte  die  schöne  Gabe  erst  ganz  durchzulesen,  und  dies 
ist  langsam  geschehen,  weil  ich  zu  solcher  Lektüre  mich  nicht  immer 
aufgelegt  fühle.  Es  wäre  sehr  zu  bedauern,  wenn  die  Herausgabe  des 
3.  Bandes  Schwierigkeiten  finden  sollte.  Etwas  ktuiuten  Sie  die  Kosten 
des  Verlegers  vielleicht  veiinindern,  wenn  Sie  künftig  weniger  Figuren 
lieferten.  So  angenehm  es  ist,  den  Paralltdismns  der  magnetischen  Ver- 
ändei'uiigen  in  den  Zeichnungen  mit  einem  Blick  überschauen  zu  können, 
so  ist  dies  doch,  nachdem    schon  so  viele  Proben   da\on  geüeben  sind. 


Olbt-r-;  au  (Jituss.     lireuicn,  lS3'.t  Filirimr  4.  (399 

an  sich  nicht  nn^hr  nutii wendig-.  Die  Ersiiarniss  wird  aber  wolü  nur 
unbedeutend  sein.  —  Sollten  Sie  uns  aber  mit  einer  allirenieinen  Theorie 
des  Erdmaonetisnius  beglücken,  so  würde  mir  diese  noch  wtMt  lieber  sein. 

Den  (»ft'entlichen  Blättern  zufolt^e  wollen  sich  doch  jetzt  die  Eng-- 
länder  in  grossarti^a^r  A\'eise  dem  magnetischen  Verein  anschliessen. 

Ihren  Brief  nach  Amerika  konnte  ich  beim  Empfange  nicht  gleich 
bestellen,  weil  damals  die  Weser  zugefroren  und  alle  Schiffahrt  ge- 
hemmt wai".  Allein  mit  dem  Anfange  des  Dec.  war  das  ^\'asser  wieder 
(»llen,  und  so  ist  er  richtig  befördert  worden.  Ob  er  sich  aber  dort  bei 
der  so  unbestimmten  Adresse  zurechtfinden  wird,  ist  mir  zweifelhaft. 
Ich  hoffe,  Sie  haben  jetzt  mehr  und  nähere  Nachrichten  von  unseren 
lieben  Ausgewanderten  Kapt.  Hertens  habe  ich  nicht  Aveiter  befragen 
können,  weil  er  noch  immer  auf  Seereisen  abwesend  gewesen  ist. 

Recht  sehr  erfreulich  war  es  mir,  zu  hören,  dass  die  Gesundheit 
Ihrer  Frau  Tochter,  der  Frau  Prof.  Ewald,  sich  gebessert  hat.  Von 
ihm  hört  man  aus  Tübingen  nur  Angenehmes,  und  er  scheint  dort  alle 
verdiente  Achtung  zu  finden. 

Da  man  in  (Hfent liehen  Blättern  wiederholt  versicherte,  in  Xew  York 
werde  eine  Zeitung  vermöge  einer  elektromagnetischen  Maschine 
gedruckt,  so  hielt  ich  es  für  angemessen,  mich  näher  danach  zu  er- 
kundigen. Das  Ganze  ist  aber,  wie  ich  vorher  vermuthete,  nichts  als 
eine  amerikanische  Lüge,  wie  aus  folgender  Antwort  erhellt. 

New  York,  1838  November  10.  „Wegen  der  elektromagnetischen 
Maschine  habe  ich  mich  erkundigt,  aber  noch  nicht  gründlich;  so  viel 
ist  indessen  gewiss,  dass  keine  hiesige  Zeihuigs-Fresse  von  einer  solcJien 
Maschine  getrieben  wird.  Höchstens  existirt  hier  nur  eine  kleine 
Maschine  ohne  weitere  praktische  Anwendung,  und  ich  will  versuchen, 
ob  ich  sie  sehen  kann," 

November  15.  „Wegen  der  elektromagnetischen  Maschine  habe  ich 
mich  bei  einem  einsichtsvollen  ]\Iann  erkundigt,  der  mir  sagt,  es  sei 
nur  Spielwerk  gewesen,  und  seiner  Meinung  nach  könnte  dadurch  nie 
eine  bedeutende  Kraft  entwickelt  werden.  Jetzt  ist  hier  die  Maschine 
nicht  mehr  zu  sehen.'' 

Hingegen  schreibt  mir  Gkuithuisen  unterm  1.  Jan.  1839  aus  München: 

„Prof.  Keil  ist  mit  seiner  Bewegungs-Maschine  noch  nicht  ganz 
fertig,  glaubt  aber  schon  jetzt  versichert  zu  sein,  dass  ihre  Wirkung 
bis  zu  2  Manns-Kräften  gehen  werde.  Ich  mache  mir  Hoffnung,  dass 
sie  wenigstens  das  Uhrwerk  der  parallaktisch  montirten  Fernrohre  werde 
treiben  können." 

Ich  fürchte,  weder  Keil's  Glaube  noch  Gkuithuisen's  Hoffnung 
werden  erfüllt  werden. 

Was  mich  selbst  betrifft,  so  bekommt  mir   der   bisherige  gelinde 


700  Gauss  an  Olbers.     Göttingen,  1839  März  8. 

Winter  nicht  übel.  Wir  halien  sehr  selten  bis  5°  R.  Kälte  gehabt. 
Uebrigens  kann  man  nicht  einförmiger  und  regelmässiger  leben  als  ich. 
Ein  Tag  geht  genau  hin  wie  der  andere,  und  doch  verfliesst  mir  die 
Zeit  ungemein  geschwinde.  Wenn  ich  eine  Woche  kaum  angefangen 
glaube,  so  ist  sie  schon  wieder  zu  Ende.  An  Beschäftigung  fehlt  es 
mir  nie.  Meine  Enkel  sind  wohl  und  meine  Urenkel  wachsen  fröhlich 
heran.  Ich  habe  jetzt  2  Urenkel  und  3  Urenkelinneu.  Diese  so  wie 
meine  Enkel  und  mein  Schwiegersohn  erfreuen  mich  oft  mit  ihren 
Besuchen.  Mein  Sohn  setzt  seine  nie  genug  von  mir  zu  preisende 
kindliche  Triebe  und  unermüdet  seine  musterhafte  Sorgfalt  für  meine 
Pflege  und  meine  Bequemlichkeit  ununterbrochen  fort.  So  fliessen  meine 
alten  Tage  ebenso  ruhig  als  angenehm  dahin.  Aber  doch  regt  sich  oft 
das  Verlangen,  nun  auch  mal  bald  selbst  zu  erfahren,  was  von  unseren 
Ahnungen,  Träumen,  Vermuthungen,  Hoffnungen  und  ^\'ünschen  über 
unseren  Zustand  nach  dem  Tode  wahr  oder  falsch  sei.  Diese  Neu- 
oder Wissbegierde  wird  mir  auf  alle  Fälle  den  Abschied  aus  dieser 
Zeitlichkeit  und  den  Besuch  des  Todes-Engels  weniger  unangenehm 
machen. 

Am  Himmel  giebt  es,  so  viel  ich  weiss,  niclits  Neues. 


jn'o.  729.  Gauss  an  Olbers,  [346 

Göttingen,  1839  März  8. 

Es  war  mein  Wunsch  gewiesen,  [Ihnen]  von  meiner  im  Jubiläum  der 
Universität  gehaltenen  Societätsvorlesung^)  einen  besonderen  Abdruck 
aus  dem  grösseren  Jubiläumsbericht  zu  schicken;  allein  durch  ein  Ver- 
sehen in  der  Druckerei  sind  von  jenem  Artikel  die  von  mir  bestellten 
besonderen  Abdrücke  ganz  vergessen,  d.  i.  gar  keine  gemacht.  Ich  kann 
daher  meinen  Wunsch  nur  dadurch  befriedigen,  dass  ich  Ihnen  ein 
P^xemplar  des  ganzen  Werkes  schicke,  welches  ich  gewogentlichst  an- 
zunehmen bitte.  Als  ehemaliger  Zögling  dieser  unglücklichen  Universität 
lesen  Sie  auch  wohl  dieses  Gedäclitniss  der  letzten  Festtage  mit  einigem 
Interesse  durdi.  Dieses  Buch  ist  in  öffentlichen  Blättern  vielfach  ver- 
höhnt, und  ich  habe  keinen  Beruf,  dessen  Defensor  zu  werden;  aber 
das  Avill  ich  doch  bemerken,  dass  die  Redaktion  lediglich  von  dem 
Hofi^ath  Bergmann  geschelien  ist,  der  also  verantworten  mag,  Avas  daran 
zu   tadeln  ist,   das  Korpus   der  Professoren    und  der  Senat  hat  damit 


^)  Vgl.  Anmerkung  2  auf  S.  671.     Xrni. 


Gauss  au  Oll.ors.     Gütthigcn,  1839  März  (^.  701 

auch  nicht  das  Geringste  zu  schaffen  gehabt.  Meine  Vorlesunjo:  ist 
iil)rio:ens  genau  nach  der  Handschrift  abg-edruckt,  die  ich  bald  nach 
dem  Jubiläum  abgeg:eben  hatte. 

Dass  der  l'ntergang-  des  magnetisclieu  Vereins  (welches  ohne  Zweifel 
eine  nuthwendige  Folge  des  Authr»rens  der  „Re-'ndfate"  sein  würde), 
für  diesmal  noch  abgewehrt  ist,  indem  wir  einen  anderen  Verleger  ge- 
funden haben,  werden  Sie  aus  der  Anlage  sehen.  Es  scheint  nicht, 
dass  dieser  wackere  Buchluändler  das  Bestehen  dadurch  sichern  will, 
dass  er  an  den  Kosten  zu  sparen  sucht,  er  scheint  vielmehr  das  Aenssere 
kauni  elegant  genug  für  sich  erhalten  zu  können.  Leider  kann  dieser 
Tendenz  in  dem  Augenblick  nicht  in  allen  Stücken  genügt  werden;  so 
namentlich  gefallen  mir  selbst  die  etwas  ausgenutzten  Ziffern  nicht, 
womit  die  Tafeln  gedruckt  werden;  aber  dass  der  Druck  /aer  geschieht, 
ist  unerlässlich,  nnd  die  Officin  hat  sie  nicht  besser,  ja  nicht  einmal 
genug,  um  auf  einmal  einen  ganzen  Bogen  zu  setzen,  so  dass  von  den 
Tafeln  immer  nur  halbe  Bogen  gedruckt  werden  können.  Kommt  es 
aber  v[olunte]  d[eo]  zu  einem  4.  Jahrgange,  so  soll  darunter  Abhülfe 
geschafft  werden. 

Dass  übrigens  durch  Weglassen  der  graphischen  Darstellungen  der 
Terminbeobb.  für  das  Bestehen  des  Verlegers  etwas  gew^onnen  w^erden 
könne,  muss  ich  bezweifeln,  da  unter  der  geringen  Zahl  der  bisherigen 
Käufer  ein  sehr  grosser  Theil  in  den  Theilnehmern  an  den  Beobb.  be- 
standen hat  (Studenten  pp.),  denen  daran  gerade  am  meisten  gelegen 
ist  zu  sehen,  wie  die  von  ihnen  beobachteten  Sprünge  sich  anderwärts 
gemacht  haben.  Diese  Käufer  würden  grössten  Theils  wegfallen,  w'enn 
die  graphischen  Darstellungen  wegblieben,  welche  die  übrigen  Käufer 
umsonst  erhalten. 

Uebrigens  sind  und  werden,  wie  Sie  vielleicht  schon  wissen,  die 
„Resultate'''  ins  Italienische  (ich  glaube  von  Feisiani),  ins  Französische 
(von  Quetelet)  und  ins  Englische  (von  Sabine)  übersetzt;  mir  selbst 
ist  aber  von  diesen  Uebersetzungen  noch  nichts  zu  Gesichte  gekommen. 
Der  2.  Jahrgang  in  der  englischen  Uebersetzung  wird,  wie  ich  ver- 
nehme, auch  im  Juni  erscheinen,  und  Sabine  wünscht  frühzeitig  den 
3.  zugeschickt  zu  eihalten,  um  gleich  die  uebersetzung  machen  zu 
können. 

Von  diesem  3.  erhalte  ich  übrigens  eben  die  Korrektur  des  ersten 
Bogens,  den  Anfang  meiner  Schrift  „Allgemeine  Theorie  des  Erdmagne- 
tismus" enthaltend. 

Für  die  gütige  Beföiderung  des  Briefes  nach  Amerika  im  Dec,  v.  J. 
statte  ich  meinen  gehorsamsten  Dank  ab,  bin  aber  etw^as  beunruhigt 
durch  Ihre  Aeusserung,  dass  Sie  zweifelhaft  seien,  ob  der  Brief  wegen 
der   Unbestimmtheit   der  Adresse  sich   zurecht  finden  weide,   indem  ich 


702  Gauss  an  Olbers.     Götting'en,  1839  März  8. 

geglaubt  hatte,  eine  ganz  vollständig  bestimmte  Adresse,  nach  der  Vor- 
schrift meines  Sohnes  kopirt,  auf  den  Brief  gesetzt  zu  haben. 

Von  meinem  jüngsten  Sohne  ist  gegen  Scliluss  des  vorigen  Jahres 
ein  Brief  angelangt,  leider  meist  sehr  betrübenden  Inhalts.  Theils  ist 
er  lebensgefährlich  krank  gewesen  und  war  bei  Absendung  des  Briefes 
noch  nicht  hergestellt,  theils  hat  er  sehr  bedeutende  für  ihn  doppelt 
empfindliche  Verluste  erlitten.  Seine  Frau  hat  dagegen  ihr  Wochenbett 
glücklicli  überstanden  und  wünschte  zu  ihrer  Unterstützung  die  Her- 
kunft ihrer  jüngeren  Schwester,  welche  sich  auch  dazu  entschlossen 
hat.  Sie  wird  sich  in  sehr  kurzer  Zeit  von  Bi-emen  nach  Baltimore 
einschiffen  in  Gesellschaft  einer  hiesigen  honetten  Bürgerfamilie;  nämlich 
ein  junger  Mann  Namens  Schöttler,  aus  Göttingen  gebürtig,  der  schon 
seit  6  oder  7  Jahren  in  Amerika  (St.  Louis)  in  einer  Maschinenfabiik 
engagirt  ist  und  sich  dabei  etwas  erübrigt  hat,  ist  hierher  zurück- 
gekommen, um  Mutter  und  Geschwister  dahin  nachzuholen;  diesen  wird 
sich  die  Dlle.  Fallenstein  anschliessen. 

Herzliche  Freude  hat  mir  die  Nachricht  von  Ihrem  AVohlbefinden 
gemacht,  und  wünsche  ich  nichts  mehr  als  bald  wieder  ähnliche  Nach- 
richten von  Ihnen  zu  erhalten. 


No.  730.  Gauss  an  Olbers.  [347 

Göttingen,  1839  März  8. 

Indem  ich  eben  das  beigehende  Packet,  in  welchem  bereits  der 
Brief  an  Sie  eingeschlossen  ist,  mit  einer  blossen  Adresse  begleitet  auf 
die  Post  geschickt  hatte,  erhielt  ich  einen  Brief  aus  Levern  von  der 
Mutter  meiner  Schwiegertochter  (Bessel's  Schwester),  welcher  mich 
veranlasste,  meinen  Boten  wieder  umzurufen.  um  statt  jener  Adresse 
jetzt  noch  diesen  Brief  beizulegen. 

Ich  muss  Sie  bitten,  erst  den  Schluss  des  in  dem  Packet  liegenden 
Briefes  zu  lesen,  ehe  Sie  hier  zu  lesen  fortfahren.  Aveil  das  Folgende 
Ihnen  sonst  nicht  verständlich  sein  würde. 

Ich  muss  nun  zuerst  noch  bemerken,  dass  die  sümmtlirhen  iH-tails 
der  Schiffsreise  von  meiner  Schwiegermutter,  bei  welcher  die  jüngere 
Fallenstein  diesen  Winter  gewesen,  aber  vor  t)  ^^"ochen  nach  Levern 
zurückgekehrt  ist,  besorgt  sind,  und  icli  von  diesen  Details  keine 
Kenntniss  oder  nur  im  Allgemeinen  gehabt  habe. 

Jetzt  schreibt  mir  die  Frau  Pastorin  Fallenstein, dass  Hr.  Schöttler 
zwar  gesagt  habe,  der  akkordirte  Ph\tz  ,./»  der  SegeJkammcr"'  sei  ein 
ganz  anständiger,   dass   sie  aber  nach   einü:ezogener  Erkundiüung   das 


Gauss  an  Olbers.     Göttinnen,  1839  März  •2>J.  703 

t-Jeirenthfil  eifiiliien  liabe,  indess  also  der  Schöttler  aus  falscher  Scham 
f'ineii  Platz  im  Zwischendtnk  unrecht  benannt  habe;  sie  könne  ihre 
Einwillip:un<r  nur  geben,  wenn  fiir  ihre  Tochter  ein  Platz  in  der  Kajüte 
belegt  würde,  und  verlangt  von  mir  darüber  sogleich  bestimmte  Ver- 
sicherung. 

Ich  wundei-e  mich  nun  zwar,  dass  die  Frau  l^astorin  ihre  Bedenk- 
lichkeiten nicht  früher  zur  Si)rache  gebracht  hat.  und  kann  um  so 
weniger  dabei  etwas  direkt  thun.  da  ich 

1)  wie  gesagt  die  Details  nicht  kenne;  früher  sollte  die  Reise 
über  New  Orleans  gehen,  jetzt  wäre  eine  andere  übei*  Baltimore  ge- 
wählt, früher  ging  es  durch  einen  ^Nfakler  Ll-dering.  jetzt  glaube  ich 
durch  einen  anderen  etc. 

2)  die  Abreise  so  nahe  bevorsteht,  dass  ich  diesen  Brief  nicht  um 
einen  Tag  zurückhalten  kann,  um  erst  die  Erkundigungen  einzuziehen. 

Es  scheint  mir  daher  am  einfachsten,  dass  ich  Sie,  mein  theuerster 
P^reund,  ersuche,  wenn  die  Demoiselle  Fallexstein  sich  bei  Ihnen 
melden  wiixl.  ihr  den  Mehrbetrag  einer  Passage  in  der  Kajüte  über 
das  früher  Stipulirte  auf  meine  Rechnung  zu  geben,  denn  alles  übrige 
ist,  ^\ie  ich  gehört  habe,  bereits  vollkommen  arrangirt,  und  mir  Ihre 
Auslage  gefälligst  anzuzeigen,  die  ich  dann  dankbar  erstatten  werde. 

Gesagt  war  mir,  die  Abreise  von  Bremen  werde  schon  am  15.  März 
vor  sich  gehen;  meine  Tochter,  die  ich  in  diesem  Augenblick  allein 
fragen  kann,  weiss  es  auch  nicht  genau. 

Der  Frau  Pastorin  kann  ich  nur  antworten,  dass  ich  an  Sie  die 
vorstehende  Bitte  gerichtet  habe,  und  dass  ich  von  Ihrer  Geneigtheit 
aus  Freundschaft  für  mich  und  ihren  Bruder  gewiss  bin,  dass  also  die 
Tochter  die  Reise  getrost  antreten  kann. 

Da  aber  auch  dieser  Brief  noch  heute  abgefertigt  werden  muss, 
indem  die  Post  in  .V  Stunde  geschlossen  wird,  so  muss  ich  diese  Zeilen 
eiligst  schliessen. 


No.  731.  Gauss  an  Olbers.  [34s 

Göttingen,  1839  März  28. 

Aus  der  Reise,  wovon  ich  Ihnen  in  meinem  letzten  Briefe  schrieb, 
wird  vermuthlich  nichts  geworden  sein.  Gleich  den  folgenden  Tag  nach 
Absenduug  dieses  Briefes  erhielt  ich  von  der  Frau  Pastorin  Fallen- 
stein ein  zweites  Schreiben,  worin  sie  mir  meldete,  dass  sie  ihre  Ein- 
willignng  gar  nicht  geben  könne;  ein  paar  von  der  Tochter  selbst  bei- 
gefügte Zeilen  machten  dies  freilich  wieder  ungewiss,  so  dass  ich  selbst 


7Q4  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1839  Aj>ril  2. 

noch  nicht  ganz  bestimmt  weiss,  wie  ich  daran  Ijin;  indessen  kann  ich 
doch  kaum  glauben,  dass  sie  sich  noch  zur  Keise  entschlossen  hat,  da 
ich  sonst  wohl  schon  von  Ihnen  eine  Zeile  über  ihre  Hinkunft  nach 
Bremen  erfahren  haben  würde.  Uebrigens  bin  ich  auch  noch  ungewiss, 
ob  das  Schilf  (wenn  ich  recht  verstanden  habe,  die  Friederike  Lu'ise 
nach  Baltimore)  schon  abgesegelt  ist  oder  nicht,  ich  sehe  zwar  alle 
Stücke  der  Börsenhalle,  die  nach  Göttingen  kommen,  durch;  aber  es 
werden  jetzt  alle  Wochen  ein  oder  ein  paar  Stücke  unterdrückt. 

Ein  neuer  von  meinem  Sohne  angelangter  Brief  ist  doch  insofern 
erfreulicherer  Art  gev/esen,  als  seine  Gesundheit  wieder  besser  gekommen 
ist.  Der  scheinbare  Widerspruch  zwischen  den  früheren  Nachrichten 
klärt  sich  dahin  auf,  dass  er  allerdings  eine  Farm  gekauft,  aber  einst- 
weilen eine  andere  gepachtet  hatte,  weil  jene  erst  1839  März  1  an- 
getreten werden  sollte. 

Dass  der  Dr.  Listing  zum  Professor^)  bei  hiesiger  Universität  er- 
nannt ist.  Averden  Sie  wohl  schon  aus  öffentlichen  Nachrichten  erfahren 
haben.     Er  soll  sein  Amt  zu  Michaelis  antreten. 


xo.  732.  Olbers  an  Gauss.  [ssi 

Bremen,  1839  April  2. 

Sie  hatten  ganz  recht,  mit  Zuversicht  zu  erwarten,  dass  ich  Ihnen 
gleich  Nachricht  gegeben  haben  würde,  wenn  die  Dlle.  Fallen- 
stein sich  bei  mir  gemeldet,  oder  ich  sonst  etwas  von  ihr  gehört  hätte. 
Aber  bis  jetzt  ist  dies  nicht  der  Fall  gewesen.  Auch  in  dem  immer 
sorgfältig  nachgesehenen  A^erzeichnisse  der  angekommenen  Fremden 
(es  werden  aber  nur  die  Namen  derjenigen  bekannt  gemacht,  die  in 
einem  der  5  vornehmsten  Gasthöfe  abtreten)  koiimit  weder  ihr  noch  der 
Name  Schöttler  vor.  Die  beiden  Schiffe,  die  am  lö.  März  nach 
Baltimore  absegeln  sollten,  sind  zwar  nicht  den  15.  (Wind  und  Eisgang 
ungünstig),  aber  wenige  Tage  später  abgesegelt.  Indessen  waren  wieder 
2  andere  Schiffe  auf  den  30.  März  zur  Abfahrt  destinirt,  es  also  noch 
immer  möglich,  dass  die  Dlle.  Fallenstein  und  ihre  Reise-Gesellschaft 
eines  von  diesen  beiden  gewählt  haben  möchte.  Aber  nun  sind  auch 
diese  in  See  gegangen,  und  ich  habe  nun  die  Hotfinnm-  aufgegeben,  die 
liebe  Reisende  noch  zu  sehen,  wenn  gleich  wieder  3  Schiffe  im  Monat 
Apr.  nach  Baltimore  zu  expediren  sind. 

Sehr  lieb  ist  es  mir  aber,  dass  jetzt  der  Briefwechsel  mit  Ihrem 

'i  An  Webeh«  Stelle.     Krm. 


Gauss  an  Olbers.     Göttiniren,  1839  Mai  14.  705 

Hrn.  Sühne  in  it'gelniüssi<2:er  ( Jrdnnng  ist,  und  duss  die  letzten  Xach- 
ricliten  erfreulicher  lauten.  Zur  Grossvaterschaft  gratulire  ich  von 
ganzem  Herzen.  Ob  Sie  von  einem  Enkel  oder  einer  Enkelin  Gross- 
vater geworden  sind,  das  haben  Sie  mir  nicht  gesagt,  ich  möchte  es 
aber  gern  wissen. 

Für  Dir  gütiges  Geschenk  des  Buches  über  die  Göttinger  .lubel- 
feiei-  danke  ich  aufs  Veipflichteste.  ]\rit  grossem  Interesse,  Vergnügen, 
Belehrung  und  Bewunderung  habe  ich  ihre  Vorlesung  gelesen. 

Dass  Jacobi  nun  doch  so  weit  gekommen  ist,  mit  elektromagne- 
tischer Kraft  ein  Boot  langsam  (3  Werste  in  einer  Stunde,  also  eine 
deutsche  Meile  in  2\  Stunde)  auf  ganz  stillem  Wasser  fortzutreiben, 
werden  Sie  aus  den  Zeitungen  ersehen  haben,  für  Schiffahrt  verspricht 
dies  freilich  sehr  wenig,  ob  es  gleichviel  mehr  ist,  als  ich  erwartet 
hätte.  Ich  sollte  aber  doch  denken,  dass  sich  eine  Kraft  auch  nur  von 
dieser  Grösse  zu  manchen  nützlichen  Zwecken  anwenden  lasse. 

Sehr  erfreut  bin  ich,  dass  die  Resultate  durch  den  neuen  Verleger 
ihren  ungestörten  Fortgang  behalten  werden. 

Ihren  künftigen  Professor  der  Physik,  Dr.  Listing,  kenne  ich  gar 
nicht.     Die  Schuld  mag  aber  wohl  an  mir,  nicht  an  ihm  liegen. 

In  meinem  letzten  Briefe  rühmte  ich  Ihnen,  wie  ich  glaube,  meine 
Gesundheit.  Seit  dem  hat  sich  aber  alles  wieder  sehr  geändert.  Mein 
böser  Schwindel  ist  wieder  eingetreten  und  widersteht  allen  bisher  an- 
gewandten Mitteln. 


No.  733.  Gauss  an  Olbers.  [349 

Göttingen,  1839  Mai  14. 

Beigehend  übersende  ich  Ihnen  ein  Exemplar  meiner  ^^Allgemeinen 
Theorie  des  Erdmag ndismus'^  ^)  mit  der  Bitte,  solches  mit  gewohnter 
Freundlichkeit  anzunehmen.  Diese  Schrift  ist  ein  besonderer  Abdruck 
aus  dem  3.  Bande  der  „Eesidtafe",  wovon  er  etwa  die  Hälfte  ein- 
nimmt. 

Meine  gute  Mutter  hat  am  18.  April  ihi-  vielfach  dornenvolles 
Leben   sanft   beschlossen.-;     Schon  seit  mehreren  Jahren  war  sie  ganz 


')  Wieder  abg-edruckt  iu  Bd.  V  der  Werke,  S.  119— 1Ü3.     Krm. 

^j  Im  9G.  Lebensjahre.  Im  .Tahre  1817  war  sie  auf  Bitten  ihres  Sohnes  von 
Braunschweig-  zu  ihm  i;ezogeu.  Vergl.  L.  Häxselmasn,  C.  F.  Gacss.  Zwölf  Kapitel 
aus  seinem  Leben.    Leipzig  1S7S.     Krm. 

Olbers.     II,  2.  45 


YQlj  Odbers  an  Gauss.     Bremen,  1839  Mai  30. 

erblindet,  und  in  den  letzten  Monaten  hatten  ihre  Kräfte  sichtlich 
abgenommen. 

Da  in  jetziger  Jahreszeit  Schiffe  nach  Amerika  von  Bremen  .sehr 
viele  abgehen,  so  nehme  ich  mir  die  Freiheit,  Sie  um  gefällige  Be- 
sorgung der  Einlage  zu  bitten.  Nach  den  letzten  Nachrichten  hatte 
mein  jüngster  Sohn  Besuch  von  seinem  Bruder  Eugen,  dessen  gesetztem 
Wesen  jener  ein  gutes  Zeugniss  giebt.  Ich  würde  daher  nicht  abgeneigt 
sein,  ihm  sein  noch  in  meinen  Händen  befindliches  Erbtheil  (zwischen 
4500  und  5000  Rthlr.)  schon  früher  zu  extradiren,  als  nach  der  Bestim- 
mung seiner  Mutter  geschehen  sollte,  wonach  der  Termin  auf  1843  gesetzt 
war.  In  Verlegenheit  setzt  mich  dabei  meine  völlige  Unwissenheit,  ^^ie 
Geldangelegenheiten  der  Art  auf  eine  zugleich  sichere  und  mit  möglichst 
geringen  Kosten  verbundene  Art  behandelt  werden  möchten,  um  nament- 
lich Geld,  welches  zum  Tlieil  baar  in  Göttingen  vorräthig  ist,  zum  Theil 
nach  einiger  Zeit  disponibel  gemacht  werden  kann,  mit  der  grössten 
Sicherheit  und  geringsten  Verkümmerung  durch  Kosten  in  St.  Louis 
zahlbar  zu  machen.  Ihnen,  mein  theuerster  Freund,  darf  ich  nicht 
zumuthen,  mir  darüber  einen  Rath  zu  geben,  zumal  da  bei  meiner  gänz- 
lichen Unwissenheit  mir  eine  in  alle  Einzelheiten  gehende  Belehrung 
nöthig  sein  würde. 

Auf  Ihre  gütige  Erkundigung  will  ich  noch  nachholen,  dass  von  einem 
Enkel  ich  vor  fast  einem  Jahre  Gross vater  geworden  bin,  der  ein 
derber  Amerikaner  zu  werden  verspricht. 

Nach  einer  kürzlich  von  Sabine  erhaltenen  Nachricht  wird  das 
englische  Gouvernement  auf  3  Jahre  auf  St.  Helena,  Kap  Vaudiemens- 
land  und  in  Montreal  magnetische  Beobb.  anstellen  lassen,  so  wie  die  Ost- 
indische Kompagnie  in  Bombaj^,  Madras  und  am  Himalaya. 

Ich  muss  diesen  Sommer  2  Kollegien  lesen  und  bin  dadurch 
und  [durch]  mancherlei  andere  Geschäfte  in  meiner  Zeit  leider  so 
sehr  beschränkt,  dass  ich  an  wissenschaftliche  Arbeiten  fast  gar 
nicht  werde   denken   können. 


No.  734.  ülbers  an  Gauss.  [ssö 

Bremen,  1839  Mai  30. 

Sie  haben  mich  schon  wieder  so  gütig  und  so  werthvoU  beschenkt, 
dass  ich  wirklich  äusserst  beschämt  bin,  auf  alle  diese  köstlichen  Gaben 
nur  durch  einen  zwar  herzlichen,  aber  doch  übrigens  ganz  sterilen 
Dank  antworten  zu  können.     Mit  inniger  Bewunderung  sehe  ich,  wie 


Olbprs  an  Gauss.     Mreiiien,   18:i9  Mai  30.  707 

die  Tjehre  Vdin  ^Iat>netisimis  sich  unter  Ihren  Händen  immer  mehr  ver- 
vollkummnet.  A\ahrlicli  alles,  was  Sie  anf^reifen.  bekommt  gleich  eine 
andere  Gestalt  und  macht  riesenhafte  P^rtschritte. 

Der  mir  geschickte  Brief  nach  Amerika  ist  gleich  durch  das 
Handlungshaus  von  Wätjen  und  Comp,  besorgt  worden. 

\\as  aber  Hire  Anfrage  betrifft,  wie  Sie  ein  Kapital  von  4000  bis 
.")000  Ktlilr.  am  sichersten  und  wohlfeilsten  in  die  Hände  Ihres  zweiten 
Hrn.  Sohnes  nacli  Amerika  schaffen  können,  so  habe  ich  mich  bei 
mehreren  danach  erkundigen  müssen,  denn  ich  selbst  war  darin  ebenso 
unwissend,  wie  Sie  nur  immer  sein  können.  Alle  Befragten  stimmen 
darin  überein,  dass  dies  am  besten  durch  Wechsel  von  Hirem  Hrn.  Sohn 
auf  Sie  geschehen  könne.  Hir  Hr.  Sohn  muss  mit  Einkassirung  dieses 
Wechsels  einen  dortigen  zuverlässigen  Bankier  oder  auch  eine  Bank 
beauftragen.  Der  Wechsel  wird  der  Gewohnheit  nach  mehrentheils 
auf  GO  Tage  nach  Si'ht  ausgestellt.  Der  oder  die  einkassirende  Be- 
hörde hat  die  Wahl,  ob  sie  den  Wechsel  in  Bremen  (bei  Gebrüder 
Focke)  oder  in  London  (bei  Pkall]':r  und  Gabain)  oder  in  Liverpool 
(bei  Focke  und  Boult)  zahlbar  haben  will.  Für  einen  Ort  muss 
sie  sich  aber  bestimmt  erklären.  Wahrscheinlich  wird  Ihr  Hr.  Solm, 
wenn  er  dem  Bankier  unbekannt  ist,  von  diesem  nicht  eher  das  Geld 
dafür  empfangen,  bis  der  Bankier  Nachricht  erhalten  hat,  dass  der 
Wechsel  in  Europa  wirklich  bezahlt  ist.  In  New  York  ist  der  Kurs 
eines  Goldthalers.  d.  i.  i-  einer  Pistole,  gewöhnlich  79  oder  80  Cents 
(ein  Dollar  =  100  Cents),  je  höher,  um  so  vortheilhafter  für  den 
Trassanten.  Sie  haben  dann  während  der  Tage  nach  Sicht  Zeit 
genug,  die  bezogene  Summe  hierher  unmaassgeblich  nur  an  meinen 
Schwiegersohn,  Dr.  Focke,  zu  schicken,  der  dann  die  Bezahlung  des 
Wechsels  entweder  hier  in  Bremen,  oder  in  London,  oder  in  Liverpool 
besorgen  wird. 

Noch  kürzlich  hat  mein  Enkel,  Dr.  Wilh.  Focke,  auf  diese  Art 
8000  Rthlr.  nach  Amerika  geschickt,  die  sein  Schwager,  Hr.  Edmund 
Pavenstedt  für  ihn  sehr  vortheilhaft  bei  der  Stadt  Baltimore  zu  O^/^  be- 
legt hatte  und  in  Wechseln  auf  ihn  zog.  Wäre  Ihr  Hr.  Sohn  in  der  Nähe 
von  New  York,  und  wollte  und  könnte  Hr.  E.  Pavenstedt  die  Einkassirung 
in  Europa  übernehmen,  so  wäre  die  Sache  auf  einmal  beendigt.  Müsste 
sich  aber  Ihr  Sohn  an  einen  anderen,  ihm  übrigens  noch  nicht  bekannten 
Bankier  wenden,  so  würde  ich  sehr  rathen,  nicht  auf  einmal  die  ganze 
Summe,  sondern  nur  einen  massigen  Theil,  etwa  500  bis  1000  Rthlr. 
zu  ziehen,  um  zu  erfahren  und  zu  sehen,  ob  er  auch  von  dem, 
an  den  er  sich  gewandt  hat,  in  Ansehung  der  Spesen  und  Provision 
billig  behandelt  werde.     Erfahrung  würde  ihm  dann  wohl  den  besten 

Weg  lehren. 

45* 


Y08  Olbers  an  Gauss.     Bremen,  1839  Mai  30. 

Ich  hoffe,  ich  habe  Ihnen  hier  das  Verlangte  deutlicli  und  voll- 
ständig- auseinandergesetzt.  Mein  Kopf  ist  mir  sonst  jetzt  so  einge- 
nommen, dass  ich  schon  seit  einiger  Zeit  gar  nicht  mehr  zum  Schreiben 
aufgelegt  bin.  Dieser  kleine  Brief  ist  mir  schon  sehr  mühsam  geworden, 
und  ich  muss  schliessen,  ganz  schwindlig.^) 


')  Am  Schluss  dieses  letzten  Briefes  von  Olbers'  findet   sich  von  Gacss'  Hand 
„t  2.  März  1840".     Krm. 


An  ha  11  ff  1. 


Briefe  von  v.  Buch,  Dieksen,  Gauss,  v.  Humboldt,  v.  Lixdenau, 
V.  MüFFLiNG.  Olbees  Und  Schumacher  aus  den  Jahren  1821  bis  1837, 
ferner  ein  Brief  von  Gruithuisen  an  Olbees  vom  10.  Oktober  1838. 


Nu.  735.  Y.  Lindenau  au  Olbers.') 

Gotha,  1821  Juni  23. 

Indem  ich  Ihnen  das  Juni-Heft  der  Corr.  astr.  von  Zach  mittheile, 
schreibe  ich  zugleich  das  ab,  was  mir  General  ^lüPFLiNCr  in  Bezug  auf 
Gauss  geschrieben  hat.  In  seinem  Brief  vom  1.  Juni,  Berlin  heisst  es: 
„Von  Gauss  habe  ich  auf  meine  Anfrage  eine  recht  offene, 
„freimüthige  Erklärung  erhalten,  dass  er  aus  Gründen,  welche 
..Sie  genauer  kennten,  wünschen  müsste,  Göttingen  zu  verlassen, 
„dass  er  den  Aufenthalt  in  Berlin  jedem  anderen  vorzöge,  aber 
„dass  eine  Verbindung  mit  der  Universität  ihm  nicht  behage,  er 
„wolle  bloss  in  der  Akademie  sein.  Ich  habe  mich  nun  mit 
„Altenstein  besprochen,  und  er  ist  mit  mir  einverstanden,  dass 
„Gauss  als  Academicien  berufen  wird.  Jetzt  muss  sie  noch  dem 
„Staatskanzler  vorgelegt  werden  (an  dessen  Einwilligung  nicht 
„zu  zweifeln  [ist]),  und  dann  muss  die  Sache  aus  den  Händen 
„des  bushaften  Teufels  des  Tralles  gehalten  werden,  der  nichts 
„davon  wissen  und  erfahren  darf,  weil  er  sonst  alle  Mittel  auf- 
,.bietet,  um  sie  zu  hintertreiben 


^)  Die  im  Folgenden  mitg-etheilten  Briefe  No.  735  bis  No.  740  geben  mit  dem 
Briefwechsel  Gauss-Olbers  aus  dieser  Zeit  ausführliche  Nachricht  über  einen  zweiten 
Versuch,  Gauss  für  Berlin  zu  gewinnen.  Da  auf  die  meisten  der  folgenden  Briefe 
in  Olbers  Bd.  II,  2  Bezug  genommen  ist,  so  schien  ihr  Abdruck  schon  aus  diesem 
Grunde  hier  geboten.  Der  erste  Versuch,  Gauss  für  die  neu  gegründete  Berliner  Uni- 
versität imd  die  Akademie  der  Wissenschaften  zu  gewinnen,  wurde  bereits  im  Jahre 
1810  auf  Wilhelm  und  Alexander  von  Hu>[boldt's  Veranlassung  gemacht  (vergl. 
Olbers'  Brief  v.  10.  Apr.  1810  an  Gauss  und  Gauss'  Antwort  v.  6.  Aug.  1810  in 
Olbers  Bd.  11,  1  S.  449  und  452).     Krm. 


7^2  Anhang  1. 

No.  736.  Dirkseu  an  Olbers.'j 

Berlin,  1824  Oktober  12. 

Zu  meiner  innig'sten  Freude  kann  ich  vertraulich  melden,  dass 
nunmehr  gegründete  Hoffnungen  vorhanden  sind,  die  schon  so  lange 
besprochene  Berufung  des  Hrn.  Gauss  baldigst  verwirklicht  zu  sehen.  — 
Bei  dem  letzten  Besuche,^)  den  ich  Hmen  abzustatten  die  Ehre  hatte, 
habe  ich  Ihnen  die  Verhältnisse  bezeichnet,  an  denen  die  Sache  sich 
im  vorigen  Winter  zerschlagen  hat.  Auf  die  Berührung  der  Medicinal- 
Fonds,  zu  welcher  man  zu  demselben  Endzwecke  zu  schreiten  beab- 
sichtigte, hat  deshalb  verzichtet  werden  müssen,  weil  sie  keine  dauernde 
Sicherheit  zu  gewähren  im  Stande  sind.  —  Da  aber  durch  den  Tod 
des  Hrn.  Geh.-Raths  Wolf  ein  ansehnlicher  Gehalt  erledigt  worden 
ist,  so  sind  jetzt  die  Schwierigkeiten  gehoben.  Die  philologische  Klasse 
der  Akademie,  der  dieser  Gehalt  eigentlich  angehört,  hat  auch  bereits 
officiell  erklärt,  auf  ihre  desfallsigen  Ansprüche  gern  verzichten  zu 
wollen,  wofern  die  Summe  zur  Besoldung  von  Hrn.  Gauss  verwendet 
werden  könne,  und  das  vorgesetzte  Ministerium  hat  keinen  Anstand 
genommen,  nicht  nur  diese  Erklärung  mit  Wohlwollen  aufzunehmen, 
sondern  auch  sogleich  auf  die  Sache  einzugehen 


No.  737.  Y.  Müffliiig  au  Y.  Liiulenau.') 

[Berlin,]  1824  November  28. 

.  .  .  Heute  schreibe  ich  wegen  unseres  Gauss,  und  zwar  weil  nun 
endlich  und  endlich  unser  guter  vorti-efflicher,  aber  höchst  langsamer 
Minister  Altenstein  mit  der  Sache  so  weit  vorgeschritten  ist.  dass  es 
folgendermaassen  steht: 

Die  Akademie  der  Wissenschaften,  von  welcher  p.  Gauss  bereits 
Auswärtiges  Mitglied  ist,  hat  sich  erklärt,  ihn  als  Ordentliches  Mitglied 
aufzunehmen,  und  kann  dazu  1700  l\thlr.  jährlich  tlüssig  machen.    l)ie 


*)  Diesen  Brief  liatte  Olbers  seinem  Schreiben  v.  3.  Nov.  IS'24  au  Gatss, 
No.  539,  beigelegt,  vergl.  hierzu  auch  Brief  No.  536  vom  18.  Okt.  1824.     Krm. 

'')  Vergl.  Brief  von  Oi.beks  an  G.vuss.  vom  'l'l.  Sept.  1824,  No.  532,  S.  345.  Krui. 

^)  Dieses  Schreiben  hatte  Gauss  seinem  Briefe  vom  2.  Febr.  1825  an  Olbkrs, 
No.  548  beigelegt,  vergl.  auch  Brief  No.  543  vom  13.  Dec.  und  544  vom  17.  Dec. 
1824  an  Olbers.  Der  Brief  ist  übrigens  auch  unter  No.  14  in  dem  von  K.  Brvhxs 
herausgegebenen  Briefwechsel  A.  v.  Himhoi.pt-Gaiss  abgedruckt.     Krm. 


Briett'  von  l'irks'jii.  v.  IMült'ling.  v.  Liiidtiiau.  713 

matlieiiiatisclie  Klasse  wählt  ihn  in  diesem  Falle  znm  Sekretär,  wozu 
ein  (jiehalt  von  300  Ktlilr.  ausgesetzt  ist.  Dies  wären  liOUO  Kthlr.  und 
erforderte  bestimmte  Ptiichten,  welche  p.  Gauss  kennen  wird. 

Darüber,  dass  er  bei  der  Universität  nicht  angestellt  wird,  waren 
wir  bereits  alle  einig.  Da  nun  aber  der  ^Minister  zur  Herbeischaifung 
von  der  Summe,  welche  noch  an  seiner  Stellung  fehlt,  einen  Titel  haben 
muss.  so  hat  er  den  Antrag  an  den  König  gemacht,  den  ich  auch  unter- 
stützt habe,  dass  der  Hr.  Gauss  ihm,  dem  Minister,  in  allem,  was  das 
mathematische  Studium  betrilt't,  rathgebend  oder  leitend  für  öffentliche 
Angelegenheiten  und  Institute,  als  Observatorien,  polytechnische  Insti- 
tute p.  p.  beistehe  und  sich  unterzöge.  Dies  ist  auch  genehmigt,  und 
der  Minister  hat  dafür  die  Bewilligung  auf  6  bis  700  Rthlr.  erhalten, 
so  dass  von  dieser  Seite  nun  nichts  mehr  entgegensteht. 

Ausserdem  würde  noch  eine  billige  Reise-  und  Yersetzungskosten- 
Vergütung  zu  erlangen  sein. 

\Vas  die  Stellung  betrifft,  so  glaube  ich,  dass  neben  der  als  Aka- 
demiker sich  keine  ehrenvollere  finden  lässt  und  wenn  der  Hofrath 
Gauss  sich  mit  dem  Minister  zu  benehmen  weiss,  so  bekommt  er  einen 
grossen  Eintluss  auf  das  ganze  mathematische  Unterrichtswesen  des 
Staates,  wo  er  also  ein  grosses  Feld  hat  und.  ausserordentlich  nützlich 
werden  kann.  Der  Minister  und  die  ersten  Räthe  werden  ihm  mit 
grossem  Vertrauen  entgegenkommen,  alles  übrige  hängt  von  ihm  selbst 
ab.  Kommt  es  dazu,  ein  polytechnisches  Institut  zu  bilden,  wozu  ich 
einen  Plan  entworfen  habe,  so  würde  er  einen  grossen  Einfluss  darauf 
üben,  und  dies  ist  zugleich   eine  Gelegenheit  zu  seiner  Verbesserung. 

Was  den  Gehalt  anbetrifft,  so  kann  ich  mich  nicht  mehr  erinnern, 
was  die  "Wünsche  von  Hrn.  Gauss  waren.  Ich  dächte,  es  wären 
2400  Rthlr.  und  ein  Quartier  gewesen 


No.  738.  Y.  Lindenau  an  Gauss.') 

Gotha,  1825  Januar  4. 

Wenn  ich  erst  heute  Ihre  letzte  freundliche  Zuschrift  beantworte 
und  dafür  bestens  danke,  so  geschah  dies  zunächst  in  Veranlassung  des 
A^'unsches,  vorher  eine  Antwort  aus  Berlin  zu  erhalten.  Diese  ist  vor 
wenig  Stunden  bei  mir  eingegangen  und  drückt,  wie  ich  im  voraus 
erwartete,  grosses   Bedauern   über  Ihre   abschlägige  Antw^ort   aus,   da 


')  Dieser  Brief  ist    auch  unter  No.  16   im  Briefwechsel  Humboldt-Gauss  abge- 
druckt.    Vergl.  Brief  No.  546  von  Gauss  an  Olbers  vom  19.  Jan.  1825.     Krm. 


714  Anhang'  1. 

man  mit  Zuversicht  hoffte,  Sie  für  die  preussische  Monarchie  gewonnen 
zu  haben.  General  Müffling  wünscht  nun  andere  Vorschläge  von 
mir  zu  hören,  was  mich  denn  aber  in  grosse  Verlegenheit  setzt,  da 
Ersatz  eine  Unmöglichkeit  ist 


No.  739.  Dirksen  an  Olbers.'j 

Berlin,  1825  Januar  6. 

....  Allein  heute  Morgen  wurde  hier  die  unerwartete  Nachricht 
kund,  dass  Hr.  Gauss  den  an  ihn  erlassenen  Antrag  abgelehnt  habe, 
und  zwar  weil  die  Hannoversche  Regirung  1)  ihm  selbst  eine  bedeu- 
tende Zulage  und  2)  seinem  ältesten  Sohne  den  Eintritt  in  das  Artillerie- 
Korps  bewilligt  habe.  —  Ich  kann  Ew.  AVohlgeb.  den  unangenehmen 
Eindruck  nicht  beschreiben,  den  diese  Nachricht  allhier  gemacht  hat, 
und  darf  Ihnen  nicht  verhehlen,  dass  ich  die  begleitenden  Argumente 
der  GAUss'sclien  Denkungsart,  so  wie  ich  dieselbe  kennen  gelernt  habe. 
so  unähnlich  finde,  dass  ich  in  dem  Ganzen  irgend  ein  Missverständniss 
vermuthen  muss.  Denn  erstlicli  kenne  ich  Hrn.  Gauss  als  einen  Mann, 
dem  es  unter  jedem  Verhältnisse  schwer  werden  würde,  den  einzigen 
seiner  vollkommen  würdigen  Wirkungskreis  käuflich  zu  stellen;  zweitens 
ist  es  mir  nicht  wahrscheinlich,  dass  die  erhaltene  Zulage  von  der  Art 
sei,  dass  sie  ihm  gegen  das  von  hier  aus  gewordene  Anerbieten  be- 
sondere pekuniäre  Vortheile  verschaffen  könne,  und  wenn  auch,  so 
hätte  die  hiesige  Behörde  in  dieser  Beziehung  vielleicht  noch  niclit  das 
letzte  Wort  gesagt;  drittens  hätte  sein  Sohn,  und  hätten  alle  seine 
Söhne  eine  weit  glänzendere  Beförderung  im  preussischeu  als  im  han- 
noverschen Dienste  unter  andern  schon  dadurch  zu  erwarten,  dass  die 
Bedürfnisse  von  jenem  verhältnissmässig  weit  grösser  als  von  diesem 
sind.  Endlich  viertens,  was  mir  die  Sache  vollkommen  unbegreiflich 
macht,  ist  der  schon  erwähnte  Brief  vom  15.  Nov..  mit  welchem  Sie 
mich  zu  beehren  die  Güte  gehabt  haben,  der  geradezu  dasjenige  ver- 
neint, was  hier  bejaht  wird,  und  mir  zu  eben  dieser  Verneinung  noch 
den  bestimmtesten  Auftrag,  im  engsten  Vertrauen,  ertheilt  —  Es  ist 
aus  allen  diesen  Gründen,  im  Verein  mit  anderweitigen  Wrhältnissen. 
dass  ich  fast  vei-muthen  möchte,  dass  der  Antrag  vielleicht  nicht  in 
seiner  ursprünglichen   und  wahren  h'orm   an  Hrn.  Gauss  gelangt,   son- 


*)  Dieser  Brief  ist  unter  No.  17  in  K.  Brchns,  Briefe  zwischen  A.  v.  Himbolpt 
und  Gauss  initgetheilt  und  danach  hier  wieder  ahgedruckt.  Vergl.  aucli  Brief  No.  547 
von  Olbkrs  an  Gauss  vom  28.  Jan.  18'2r>.     Krni. 


Briefi'  vnii  I)iiks(ii.  v.  Buch.  715 

(lern  irpreiulwo  Moditikatioiicii  luiteiworfen  worden  sei,  die,  wenn  ancli 
Privatzwecken  sehr  aiij^n'nu'ssen,  deiinofli  von  der  höchsten  liehörde 
nicht  beabsichtig-t  worden  sind. 

Unter  diesen  Umständen  werden  Ew.  Wohig^eb.  mir  hoffentlich  er- 
lauben, Ihr  pütiges  Zutrauen  zu  mir,  die  Gefühle  der  Hochachtung;, 
welche  Sie  und  ich  gemeinschaftlich  für  den  seltenen  Mann  hegen,  und 
Ihre  verdienstvollen  und  erfolgreichen  Bemühungen  zur  Beförderung 
der  ^^■issenscllaft  in  Anspruch  zu  nehmen  und  mich  mit  der  dringenden 
Bitte  an  Sie  zu  wenden,  mir  rücksichtlich  der  Bedingungen,  welche 
Hrn.  G.\rss  in  officieller  Form  gestellt  worden  sind,  und  anderwei- 
tiger mit  der  Sache  in  Verbindung  stehender  Verhältnisse  einige,  so 
viel  wie  möglich  genaue  Notizen  (versteht  sich,  im  engsten  Vertrauen) 
zu  ertheilen,  damit  ich  in  den  Stand  gesetzt  w^erden  möge,  eines ^) 
Theiles  dem  Mann,  an  Avelclien  ich  einen  so  ansehnlichen  Theil  des 
wissenschaftlichen  Ruhmes  unseres  deutschen  Vaterlandes  geknüpft 
achte,  bei  seinen  zahlreichen  Verehi-ern  allhier,  zu  denen  ausser  dem 
Prinzen  August,  Chef  der  Königl.  Artillerie,  die  sämmtlichen  Mit- 
glieder des  Ministeriums,  der  Akademie  der  AVissenschaften  und  der 
Universität  unbedingt  zu  rechnen  sind,  die  ihm  gebührende  Recht- 
fertigung zu  verschaffen,  und  anderen  Theils  ein  in  der  Sache  selbst 
etwa  obwaltendes  Missverständniss  gehörigen  Ortes  zur  Sprache  zu 
bringen.  Es  würde  mir  besonders  wichtig  sein,  wenn  Sie  die  Güte 
haben  wollten,  mir  bereits  mit  umgehender  Post  dasjenige  anzuver- 
trauen, was  Hmen  von  dieser  Angelegenheit  bekannt  ist,  und  alsdann 
ferner  die  Erkundigungen  einzuziehen,  die  Sie  zur  völligen  Aufklärung 
der  Sache  etwa  nöthig  erachten  mögen 


No.  740.  y.  Buch  an  Gauss.') 

Beriin,  1825  Januar  14. 

Wenn  uns  eine  grosse  Hoffnung  entgeht,  so  suchen  wdr  in  solchem 
Schiffbruch  nach  Bretter  und  Masten,  nach  einem  einzelnen  Tau,  um 
uns  noch  einige  Augenblicke  aufrecht  zu  erhalten  und  einen  glücklichen 
Stab  des  Schicksals  zur  Rettung  zu  erwarten. 


1)  Den  Passus  vou  „eines  Theils"  bis  „zur  Sprache  zu  bringen"  führt  Olbers 
in  dem  vorstehend  erwähnten  Briefe  No.  547  an  Gauss  fast  wörtlich  an.    Krm. 

2)  Dieses  Schreiben,  dessen  Original  sich  im  GAUss-Archiv  zu  Göttingen  be- 
findet, ist  mit  Genehmigung  der  Göttinger  Gesellschaft  der  Wissenschaften  hier  zum 
Abdruck  gebracht.  Gauss  hatte  es  seinem  Briefe  vom  2.  Febr.  1825  an  Olbers, 
No.  548  beigelegt,  vergl.  auch  Brief  No.  546  vom  19.  Jan.  1^25  an  Olbers.     Krm. 


716 


Aiihano- 


Es  ist  ZU  wichtig  für  uns,  für  den  Staat,  ich  darf  külin  hinzu- 
setzen, für  das  Wohl  der  Wissenschaft  überliaupt,  sich  zu  überzeugen, 
ob  noch  irgend  eine  ferne  oder  nahe  Aussicht  sicli  eröffnen  kann,  Sie 
hier  zu  sehen.  Werfen  Sie  daher  dieses  Blatt  nicht  unwillig  bei  Seite, 
wenn  Sie  sehen,  dass  es  von  jemanden  kommt,  der  kein  anderes  Recht 
hat,  Ihnen  zu  schreiben,  als  vielleicht  das  tiefe  Gefühl,  was  ihn  durch- 
dringt, der  grossen  A\'irksanikeit,  welche  Ihre  hiesige  Anwesenheit 
haben  könnte,  würde  und  müsste. 

Als  man  vor  Jahren^)  Sie  befragte,  ob  Sie  geneigt  sein  könnten, 
Ihren  Aufenthalt  hierher  zu  versetzen,  und  Sie  einer  solchen  Versetzung 
nicht  günstig  waren,  glaubte  man  Sie  so  fest  an  Göttingeu  gebunden, 
dass  man  nicht  leicht  das  Gelingen  eines  solchen  Ereignisses  nur  für 
möglich  gehalten  haben  würde.  Da  ward  leider  fast  schon  seit  zwei 
Jahren^)  versichert,  so  etwas  sei  doch  wohl  möglich,  und  General 
MüFFLiNG,  der  behauptete,  mit  Ihnen  in  genauen  Verbindungen  zu 
stehen,  übernahm  es  für  die  hocherfreute  Akademie,  die  dazu  nöthigen 
Einleitungen  zu  treffen.  Damals  hatte  die  Akademie  selbst  nicht  Mittel 
genug  in  Händen,  um  dies  zu  bewirken.  Sie  musste  sich  an  den  Mi- 
nister wenden,  und  dieser,  von  der  Wichtigkeit  der  Sache  völlig  über- 
zeugt, versprach  alles,  was  diese  Angelegenheit  nur  befiu'dern  könnte, 
und  versicherte  der  Akademie,  dass  er  hoffe,  mit  dem  General  ^Müffling 
die  Sache  zu  einem  glücklichen  Ausgang  zu  bringen.  Dem  Minister 
ist  eiu  Zögern  eigen,  welches  schon  viele  in  Verzweiflung  gesetzt  hat. 
Statt  mit  beiden  Händen  zuzugreifen  und  das  Ordnen  des  Etats  bei 
so  wichtiger  Angelegenheit  als  Nebensache  zurückzuschieben,  ist  dies 
dennoch  nicht  geschehen.  Mit  vielen  unnöthigen  Umschweifen  ist  es 
dem  Könige  vorgetragen  worden,  der  verwundert  geantwortet  hat: 
„Glaubt  denn  der  Minister  mich  so  unwissend,  dass  ich  Gauss  nicht 
kennen  sollte?    Wozu  solche  Vorrede?" 

Gott  weiss,  welche  Anträge  Ihnen  gemacht  sind.  Die  Akademie 
weiss  davon  nichts.  —  Sie  mögen  unanständig  genug  gewesen  sein. 
Den  grössten  Theil  des  Jahres  abwesend,  habe  ich  keine  Kenntniss 
vom  Verlauf  der  ganzen  Sache  gehabt  und  bereue  es  jetzt  bitter, 
meinen  Weg  von  Frankfnrt  statt  auf  Gotha,  nicht  über  Göttingen  ge- 
nommen zu  haben.  Es  würde  mir  vielleicht  gelungen  sein.  Ihnen  manche 
Verhältnisse  zu  entwickeln,  welche  man  in  der  Ferne  nicht  deutlich 
zu  erkennen  im  Stande  ist.  —  Bei  meiner  Zurückkunft  ist  das  eiste 
Wort,  was  ich  höre,  eine  Mittheilung  des  Ministei's  an  die  Akademie, 
in  welcher  Sie  alle  Anträge  jeder  Art  zurückweisen. 


^)  Im  Jahre  1821,  vergl.  Briefe  von  Gaiss  an  Oi.hkrs.  vom  S.  Juli  1>_'1.  No.  4'24. 
S.  118,  und  vom  5.  Dec.  1821,  No.  434,  S.  144  in  diesem  Bande.     Krm. 

-)  Vergl.  Brief  von  Gauss  an  Olhers  vom  10.  ^liirz  1SJ3.  No.  468,  S.  234.    Krm. 


I'.ii'!   V    lliicli  an  (iauss.  717 

Die  bestiirzlt'  Akadciuic  luicli  su  hoch  ern-epften  Hofl'mnijrt'n,  will 
sioh  von  ihrem  riiglück  nicht  überzeujifen.  Sie  oflaiibt  an  \\'i(ier\väitig'- 
keiten,  welche  ihr  nicht  bekannt  sind,  an  Befürchtungfen.  die  itnge- 
ofi-ündet  sein  möchten,  an  \'eimeidung:  nnangenehmer  Verhältnisse,  die 
gar  nicht  eintreten  können.  Sie  giebt  mir  den  Auftrag,  Ihnen  die 
ganze  Lage  der  Sachen  noch  einmal  vorzutragen,  von  denen  Ihnen  viel- 
leicht manches  unbekannt  sein  könnte,  als  ein  Biief,  den  man  im  Ver- 
trauen schreibt,  und  der  eine  vertrauliche  Antwort  erzeugen  könnte. 

Die  Akademie  wünscht  Sie  in  ihrer  Mitte,    weil   sie    glaubt,   dass 
eine  so  freie  Stellung,   als   ihre  Mitglieder   geniessen,   kaum   anderswo 
den    (gelehrten    geboten    werden    könne.     Damals,   als   man   Ihnen  An- 
träge zu  machen  beschloss,  waren  die  Gehälter,   über  welche  man  dis- 
poniren   konnte,   nicht   hinreichend,   das  hervorzubringen,  was  Sie  ver- 
langen mussten.    Seitdem  ist  Prof.  Wolf,  der  Philolog,  in  Marseille  ge-* 
storben.  und  man  glaubt  nun.  es  möglich  zu  machen,  ohne  neue  Fonds 
Ihnen  alles  zu  bieten,  was  zum  beiiuemen  und  guten  Leben  hier  noth- 
wendig  ist.     Sollte  man  Ihnen  von  Anstalten  geredet  haben,  polytech- 
nische Institute  und  ähnliche  Dinge,   zu   deren  Direktion    Sie   berufen 
sein   sollten,   so  hat  die  Akademie   daran  keinen  Theil.     Sie   findet   es 
unschicklich  und  glaubt  die  Erklärung  noth wendig,    dass    Sie   sich   zu 
gar  nichts  verbinden,  als  Ihren  Aufenthalt  hierher  zu  versetzen.    Keine 
Vorlesungen  irgend  einer  Art.  kein  kollegialisches  Verhältniss  von  Prä- 
sident, Kath  oder  3Iinister.    Sie  sind  frei,  schalten  mit  Ihrer  Zeit,  wie 
es  Ihnen    gefällig  ist,   geben  niemand  darüber  Rechenschaft,   und   nie- 
mand  hat    auch   das   Recht,  eine   solche    auch    nur   von   fern   zu  ver- 
langen.   —   Denn   die  Akademie   ist    ein   völlig  unabhängiges  Institut, 
was  unmittelbar  unter  dem  König  steht,  unmittelbar  dem  König  referirt 
und  nur  durch  Kabinetsordres  Befehle   erhält.     Der   Ministei-   hat   auf 
die  Akademie  gar  keinen  Einfluss,  noch  viel  weniger  ein  General  oder 
irgend    ein    anderes   Kollegium.     Die  Akademie   wählt   ihre  Mitglieder 
selbst  und  sucht  die  Bestätigung   unmittelbar   bei    dem  Könige,   nicht 
durch  den  Minister,  der  höchstens  aus  Höflichkeit  davon  benachrichtigt 
wird.     Die  Akademie  vertheilt  die  auf  ihrem  Etat  stehenden  Gehälter 
nach  ihrem  Gutdünken,  der  Minister  darf  das  nicht;  viel  weniger  würde 
er   daher,  wie   etwa  Corbiekes   in   Paris,    Gehälter   streichen    können. 
Was  im  Innern  der  Akademie  vorgeht,  wird  dem  Minister  niemals  be- 
richtet, und  jeder  Versuch   —    denn  wohin  griffe  ein  Bureau  nicht  — 
auf   irgend   eine    entfernte   Art   sich    hineinzumischen,    wird   jederzeit, 
schiene  er  auch  noch  so  unschuldig,  abgeschlagen  und  verworfen.   Eine 
solche  Freiheit,  solche  Unabhängigkeit  des  Wirkens   wäre   Ihrer   nicht 
unwerth.  und  das  Herz  blutet,  wenn  man  bedenkt,  dass  [eine]  so  treif- 
liche  Lao-e  nur  von  solchen  benutzt  werden  soll,  als  sich  jetzt  darinnen 


718  Anhang  1. 

finden.  —  Stehen  Sie  in  gutem  Yerhältniss  mit  denen,  "welche  grosse 
Aemter  und  Würden  bekleiden,  um  so  besser.  Ist  es  nicht,  so  hat  es 
auf  Ihr  Wohl  und  Wehe  auch  nicht  den  entferntesten  Einfluss,  kann 
ihn  nicht  haben,  weil  niemand  in  die  Verhältnisse  der  Akademie  einzu- 
greifen das  Recht  hat.  Ich  will  nicht  verhehlen,  wie  man  mii^  erzählt, 
es  sei  ötfentlich  ein  sehr  unanständiger  Angrifft)  auf  [die]  hannoversche 
Triangulirung  gemacht  worden,  und  als  Urheber  Menschen  nennt,  die 
sich  hier  befinden.  —  Wahrlich  eine  edle  Rache,  solche  Menschen  durch 
Ihre  blosse  Anwesenheit  zum  erschreckten  Verstummen  zu  bringen!  In 
der  Akademie  finden  Sie  dergleichen  nicht,  und  seit  dem  ersten  Tage 
würden  Sie  dort  die  dominirende  Stelle  einnehmen,  welche  Ihnen  ge- 
bührt. 

BoDE  hat  sich  Alterschwäche  wegen  gänzlich  zurückgezogen,  und 
schwerlich  wii'd  er  noch  lange  unter  uns  bleiben.  Dann  wäre  die  von 
ihm  eingenommene  Wohnung  —  eine  sehr  gute,  welche  der  Akademie 
gehört  —  die  wäre  die  Ihrige,  und  auch  von  dorther  Hesse  sich  noch 
eine  Gehaltsvermehrung  erwarten.  Das  Sekretariat  der  mathematischen 
Klasse,  welches  Ihnen  von  selbst  zufällt,  ist  ein  wirkliches  Präsidium, 
was  untei'  den  vier  Sekretarien  der  4  Klassen  wechselt;  daher  wohl 
etwas  Annehmliches. 

Und  nun  lassen  Sie  mich  eine  Betrachtung  zufügen,  welche  mich 
gar  sehr  bewegt.  Berlin  ist  von  allen  Städten  von  Deutschland  die, 
welche  in  wissenschaftlicher  Hinsicht  am  meisten  einer  Hauptstadt 
gleicht.  Hier  ist  mehr  Raum,  Antrieb  und  AMrken  für  wissenschaft- 
liche Zwecke.  Ihre  Schüler  würden  nicht  Anfänger  sein,  sondern,  wie 
Sie  sie  nur  allein  haben  sollten,  Männer  in  der  Reife  ihrer  Bildung. 
Sie  würden  Göttingens  literarische  Hilfsmittel  hier  nicht  vermissen, 
vielleicht  noch  mehrere  finden.  Der  krasse  Aristokratismus,  welcher 
sich  so  mächtig  über  die  Welt  zu  verbreiten  strebt,  ist  hier  auf  einen 
engen  Cirkel  zusammengedrängt,  in  dem  er  auch  nur  verstohlen  spukt. 
Er  verwundet  und  beleidigt  hier  nicht.  Die  bürgerliche  Freiheit  des 
Redens  und  Handelns  ist  grösser  als  in  irgend  einem  anderen  Orte  von 
Deutschland,  und  weit  grösser,  als  man  im  Auslande  sich  vorstellt. 
Was  würde  Ihre  blosse  Anwesenheit,  die  Herrschaft  solchen  Geistes 
nicht  schon  allein  für  wohlthätige  Folgen  haben,  für  das  ganze  Land, 
für  ganz  Deutschland. 

Reissen  Sie  uns  aus  der  Barbarei,  in  der  wir  zu  versinken  in 
Gefahr  stehen.  Die  Fauteuils  von  Euler,  Lagraxcie  und  Lambert 
rufen   laut,    und    wie  gern  hätte  nicht  schon  der  edle  Tkalles  Sie  an 


^)   In   Zacu's  Corr.  astr.    Bd.  X,   vergl.   Brief   von   Olbers  au  Gacss  Xo.  50S, 
vom  8.  Juni  1824,  S.  310.     Krrn. 


Briefe  von  v.  Bucli,  SchnmaLher,  v.  Iluinlinldt.  719 

diesem  Platz  über  sich  sitzen  sehen.  —  Unberufene  Diener  sehen  die 
leeren  Plätze,  drängen  sich  vor,  man  stösst  sie  weg;  aber  die  Unwissen- 
heit ist  beharrlich,  der  Unverschämtheit  gelingt  es  doch  am  Ende,  wenn 
der  höhere  Geist  vergebens  erwartet  wird.  Die  Mathematik,  alles 
gründliche  Forschen  geht  unter,  und  die  Quelle,  aus  welcher  so  unge- 
mein viel  Edles  hervorströmen  könnte,  versiegt  und  kommt  nie  wieder. 

Ich  glaube  Ihnen  nocli  versichern  zu  können,  dass  Aussichten  für 
Ihre  Familie  sich  hier  mehr  eröttnen  als  in  Hannover. 

Möchte  ich  Sie  doch  nicht  ermüden,  möchte  doch  ein  freundlich 
Wort  Ihre  Antwort  sein!  Haben  Sie  Wünsche,  Besorgniss,  theilen  Sie 
sie  mir  mit.  Was  Sie  sagen,  bleibt  gänzlich  Privatbrief,  der  Ihnen 
auf  keine  Art  unangenehme  Vorfälle  veranlassen  kann,  und  ich  thue, 
was  möglich  ist,  alles  zu  berichtigen,  was  Ihren  ^^'ünschen  gemäss 
sein  kann. 


No.  741.  Scliumaclier  an  Gauss.') 

[Altona],  1827  Mai  11. 

....  Humboldt  ist  hier  gewesen  und  hat  uns  beide  sehr  dringend 
nach  Berlin  eingeladen.  Ich  habe  es  auf  Sie  verwiesen.  Er  sprach 
auch  ein  paar  Worte  über  eine  Ihnen  bewusste  Angelegenheit,  die  er 
von  Ihrer  Seite  als  ganz  aufgegeben  zu  betrachten  schien.  Mündlich 
mehr 


No.  742.  Y.  Humboldt  an  Schumacher. 

Berlin,  1827  Juni  2. 

....   Ich   bitte   Sie   innigst,   Hrn.  Gauss   meiner  Anhänglichkeit 
und  Ergebenheit  zu  versichern,  was  Sie  mir  über  ihn  sagen,  hat  mich 


1)  Aus  No.  302  des  von  C.  A.  F.  Peters  besorgten  Briefwechsel  zwischen  C.  F. 
Gauss  und  H.  C.  Schumacher  wieder  abgedruckt. 

Die  hier  folgenden  Briefe  No.  741  bis  No.  763  geben  Aufschluss  über  die  von 
A.  V.  Humboldt  bei  seiner  Rückkehr  von  Paris  nach  Deutschland  im  Jahre  1827 
wieder  aufgenommenen  Unterhandlungen,  um  Gauss"  Berufung  nach  Berlin  von  neuem 
zu  veranlassen,  sie  erstrecken  sich  über  die  Zeit  von  1827  bis  1836  und  wurden  nur 
zwischen  Humboldt  und  Schumacher  geführt.     Krm. 


720  Anhang  1. 

sehr  aufgeregt.  Icli  werde  mit  grösster  Diskretion  davon  Gebrauch 
machen.  Der  Minister  v.  Altenstein  ist  nicht  zu  umgehen;  ich  fürchte, 
dass  er  jetzt  in  den  Geldfonds  sehr  eingeschränkt  ist.  da  man  über 
alles  disponirt  hat.  Nach  meiner  Ansicht  sollte  man,  um  dem  Vater- 
lande einen  solchen  Glanz  zu  verschaffen,  das  Unmögliche  möglich 
machen.  An  meiner  Betriebsamkeit  soll  es  nicht  fehlen.  Sie  kennen 
meine  Verehrung,  meine  Bewunderung  für  den  Mann;  ich  bin  aber 
noch  zu  neu  hier,  um  im  voraus  mich  einer  Hoffnung  ergeben  zu 
können.  Haben  Sie  den  besten  Dank  für  die  Andeutung.  Ich  freue 
mich  der  Aussicht,  Sie  mit  Gauss  hier  zu  sehen 


No.  743.  Y.  Humboldt  au  Scliuraaclier. 

Berlin,  1827  Juni  29. 

....  Welche  grosse  Freude  würde  ich  haben,  Hrn.  Gauss  einmal 
wieder  den  Ausdruck  meiner  I>ewundernng  darbringen  zu  können.  Ich 
bin  ohne  allen  Zweifel  bis  zum  16.  Juli  hier;  es  ist  mir  sogar  wahr- 
scheinlich, dass  ich  den  König  nicht  begleite  (nach  Teplitz).  Hr.  v.  Alten- 
stein ist  sehr  aufmerksam  gewesen  auf  die  „ständige  Mögliclikeif, 
von  der  ich  Ihnen  gesprochen,  aber  die  Mittel  der  Ausführung  können 
nur  langsam  herbeigescliafft  werden.  Nichts  ist  jetzt  dazu  reif;  der 
Zeitpunkt  vieler  anderer  Beschäftigungen  wegen  (Minister  Altenstein 
geht  selbst  ins  Bad)  nicht  günstig.   Vielleicht  wäre  es  diesem,  unserem 

Zwecke  besser,  wir  hätten  später ^)  das  Vergnügen,  Hrn.  Gauss 

liier  zu  besitzen 


No.  ui.  Scliumaclier  au  Gauss.-) 

Altona.  1827  Juli  31. 

....  An  Humboldt  habe  ich  geschrieben  und  ilim  gemeldet,  dass 
Sie  es  vorgezogen  hätten,  die  Reise  nach  Bei-lin  im  vSpätjahr  bei  Jcüh- 
lerer  Witterung  zu  machen.  Privatim  habe  ich  ihn  sehr  gebeten,  wenn 
sie  dort  Ihnen  etwas  Ihrer  ^^'ürdiges  zu  bieten  haben,  um  Gotteswillen 
keine  langen  Unterhandlungen  einzuleiten,  sondern  Ihnen  die  Eröffnungen 
nicht  eher  zu  machen,  bis  alle  möglichen  Schwierigkeiten  preussischer- 


^)  Diese  "Worte  sind  im  Original  nicht  zu  entzifteru.     Krm. 

*)  Aus  Brief  No.  305  des  Briefwechsels  Gacss-Schcmacuer  abgedruckt.     Krm. 


'■•'•'■    V..I1  V.  Humboldt,  Scbuinaober.  721 

seits  beseitigt  sind.  Kr  lülilt  seihst  zu  tVin.  als  dass  er  nicht  die 
Notli\vendi<rkt'it  meiner  Hemerkuiiir  einsehen  sollte.  Antwort  kann 
ich   noch   nicht    haben 


No.  745.  Sclmmaclier  an  Gauss/) 

Altena,  1828  September  7. 

....  Es  ist  mir  vorgekommen,  als  ob  man  im  Allgemeinen  keines- 
wegs Ihre  Anstellung  in  Berlin  wünscht.  Ich  nehme  Hrn.  v.  Humboldt 
und  die  wenigen,  die  sich  wirklich  dort  auszeichnen,  natürlich  von 
dieser  Behauptung  aus,  die  nur  von  dem  Gros  der  Gelehrten  gelten 
soll.  Jeder  dieser  Herren*)  hat  seine  eigenen  Gesellschaf tscirkel,  in 
denen  er  als  Orakel  gilt,  und  keiner  ist  gesonnen,  seinem  Ansehen 
durch  die  Erscheinung  eines  gewaltigen  und  als  solches  allgemein 
anerkannten  Genies  einen  Abbruch  zuzufügen.  Wären  Sie  nicht,  der 
Sie  sind,  sondern  ein  mittelmässiger  Kopf  mit  einigem  Ruf,  so  wür- 
den diese  Herren  Sie  mit  offenen  Armen  empfangen,  da  jeder  dann 
die  Hoffnung  hätte,  seine  Superiorität  über  einen  berühmten  Mann 
zu  zeigen,  und  seine  Autorität  in  Gesellschaften  noch  fester  zu  be- 
gründen. Es  ist  mir  auch  vorgekommen,  dass  man  mitunter  be- 
sorgt war,  Sie  möchten  Ihre  Superiorität  den  Schwächeren  mit  zu 
wenig  Schonung  fühlen  lassen;  Sie  sehen  also,  w^ie  wenig  man  Sie 
dort  kennt. 

Bei  der  Vermischung  der  Stände  in  Berlin  und  dem  freien  Zu- 
tritt, den  die  Gelehrten  zu  den  ersten  Personen  des  Staates  haben, 
kann  die  von  mir  vorausgesetzte  Stimmung  dieser  Herren  gegen 
Sie  einen  wesentlichen  Einfluss  auf  Ihre  Berufung  haben,  dem  viel- 
leicht selbst  Humboldt's  Autorität  nur  mit  Mühe  das  Gegengewicht 
halten  kann. 

Mit  Humboldt  selbst  habe  ich  ein  paar  Mal  über  diesen  Gegen- 
stand reden  wollen  und  freilich  nur  aus  der  Ferne  darauf  hingelenkt. 
Er  schien  aber  jedes  Mal  abzubiegen,  und  da  ich  nicht  wusste,  ob  dieses 
Abbiegen  in  einer  mit  Ihnen  selbst  wieder  begonnenen  Unterhandlung, 
oder  in  einer  Abneigung  mündlich,  wo  man  in  grösseres  Detail  ein- 
gehen muss,    mit  mir  über   diesen  Gegenstand   zu   konferiren,   oder  in 


')  Aus  Brief  No.  348  des  Briefwecbsels  Gatjss-Schcjmacher  abgedruckt.    Krm. 
*)  Es  brauchen  nicht  g-erade  bloss  Mathematiker  zu  sein.     Selbst  ausser  Ihrem 
Fache  haben  sie  dort  Furcht  vor  schroff  hervorragender  Grösse. 

Olbers.    II,  2.  46 


722  Anhang  1. 

dem  Gefühl  seinen  Grund  liabe,  dass  er  in  diesem  Augenblick  niclit 
viel  zu  thun  im  Stande  sei,  so  habe  ich  auch  von  meiner  Seite  nicht 
weiter  in  ihn  «fedrungen 


No.  746.  Schuiuaclier  an  Olbers. 

[Altona,]  1828  September  9. 

....  Gauss  dagegen  hat  seine  Ankunft  versprochen.  Er  will 
aber  wahrscheinlich  bei  der  Gelegenheit  nur  eine  Stadt  kennen  lernen, 
die  über  kurz  oder  lang  doch  wohl  sein  Aufenthalt  werden  dürfte 


No.  747.  Gauss  an  Scliumaclier/) 

Berlin,  1828  September  19. 

....  Wäre  Humboldt,  dessen  ganzes  Wesen  ich  täglich  mehr 
ehren  und  lieben  muss,  für  immer  an  Berlin  selbst  geknüpft,  so  gestehe 
ich  Ihnen,  dass  ich  alle  solche  Unannehmlichkeiten  für  wenig  achten 
und  sehr  gern  das  Leben  in  Berlin  mit  dem  in  Göttingen  vertauschen 
würde,  insofern  es  übrigens  auf  eine  angemessene  Art  geschehen  könnte, 
allein  Humboldt  spricht  von  seiner  Eeise  nach  Asien  im  nächsten  Jahre 
stets  wie  von  einer  ganz  entschiedenen  Sache,  und  ich  sehe,  im  Ver- 
trauen gesagt,  aus  hundert  kleinen  Zügen,  wie  wenig  er  sich  selbst 
unter  dem  Berliner  Publikum  gefällt,  wie  ohnmächtig  auch  alles  Kleine 
vor  seiner  Superiorität  absplittert. 

Bei  dieser  Lage  der  Dinge  denke  ich  also  in  der  That  jetzt  ganz 
und  gar  nicht  an  eine  Erneuerung  ehemaliger  Wünsche,  die  schwerlich 
jetzt  zu  etwas  führen  könnten,  ohne  deswegen  in  Abrede  zu  stellen, 
dass  in  Zukunft  Konjunkturen  eintreten  könnten,  die  die  Sache  anders 
stellen  könnten.  Jedenfalls  aber  darf  ich  von  selbst  voraussetzen,  dass 
Sie  bei  allem,  was  Ihre  Freundschaft  für  mich  Sie  zu  schreiben  oder 
zu  thun  veranlasst,  den  Anschein  einer  Kollusion  oder  Mitwissenschaft 
von  meiner  Seite  vermeiden  werden 


^)  Aus  Brief  No.  349  des  Briefwechsels  Gacss-Schlmacher  abgedruckt.     Knn. 


Briefe  vnn  Sclniinacher.  (iauss,  v.  Huiiilxildt,  Olbers.  728 


No.  74S.  y.  lluinbohlt  au  Sclmiuacher. 

Berlin,  1828  Oktober  18. 

....  Ueber  G[auss]  bin  ich  im  näheren  Umgange  entzückt  ge- 
wesen; ....  Er  ist  gar  nicht  abgeneigt  von  dem,  was  wir  wünschen, 
aber  es  sind  niclit  3500,  sondern  4000  Ethlr.  nöthig.  Er  wünschte 
auch  die  Direktion  der  A  A^),  wogegen  mächtige  [Schwierigkeit?]  sich 
setzt.  Er  sagt,  man  brauche  nichts  zu  übereilen.  Ich  denke,  dass  das 
Geld  für  eine  nicht  existirende  Stelle  schwer  zu  finden  ist 


No.  749.  Scliumaclier  au  Olbers. 

Altona,  1828  November  12. 

....  Von  Berlin  habe  ich  unter  der  Hand,  aber  aus  sehr  sicherer 
Quelle,  erfahren,  dass  unseres  vortrefflichen  Gauss'  Versetzung  dahin 
während  seiner  Anwesenheit  wieder  zur  Sprache  gekommen  ist.  Er 
verlangt  jetzt  4000  Ethlr.  und  Direktion  der  A  A-  Der  erste  Punkt 
wird,  wie  billig,  keine  Schwierigkeiten  finden,  aber  an  dem  zweiten 
wird,  falls  Gauss  darauf  besteht,  alles  scheitern.  Mir  scheint  es  auch 
nicht  thunlich,  dass  man  ein  Geschäft,  welches  schon  in  anderen 
Händen  ist,  diesen  durch  einen  Machtspruch  nehme,  weil  Gai-ss  es 
hesser  machen  wird.  Mir  hat  er  nichts  über  die  Sache  geschrieben, 
sollte  er  Ihnen  Mittheilungen  machen,  so  haben  Sie  vielleicht  die  Güte, 
ihn  auf  die  Gefährlichkeit  des  Beispiels,  w^enn  es  nur  einmal  zuge- 
lassen wird,  aufmerksam  zu  machen 


No.  750.  Olbers  an  Scliumaclier. 

Bremen,  1828  November  17. 

.  .  .  ,  Unser  Gauss  hat  mir  noch  nichts  über  die  Berliner  Ange- 
legenheit geschrieben.  Ich  kann  kaum  glauben,  dass  er  auf  der 
Direktion  der  A  A  bestehen  werde.  Hier  wenigstens  klagte  er  oft 
über  die  Beschwerden  und  den  Zeitverlust,  den  ihm  diese  Arbeit  mache. 


^)  Leitung  eher  preussischen  Vermessungen.     Krni. 

46* 


724  Allhang  1. 

Vielleicht  hat  er  sich  nur  dazu  erboten,  um  zu  zeigen,  dass  er  auch 
ihm  aufzutragende  Arbeiten  übernehmen  wolle.  —  Uebrigens  denke  ich 
mit  Ihnen  über  diese  Angelegenheit  vollkommen  übereinstimmend 


No.  751.  Schumacher  an  Olbers. 

[Altona,]  1828  November  29. 

....  Gauss  hat  nicht,  wie  Sie  vermuthen,  und  wie  ich  es  auch 
geglaubt  hätte,  die  A  A  als  etwas  angezeigt,  das  er  auf  Verlangen 
auch  wohl  übernehmen  würde,  sondern  als  etwas,  das  er  als  icesent- 
liche  Bedingung  verlange.  Meine  Nachrichten  sind  aus  der  ersten 
Quelle  und  sehr  bestimmt  über  diesen  Punkt,  der,  wie  es  scheint,  allein 
das  Geschäft  zurückgesetzt  hat 


No.  752.  Schumacher  an  Gauss/) 

Altona,  1828  December  2. 

....  Noch  während  Ihrer  Anwesenheit  schrieb  icli  an  Humboldt 
und  machte  ihn  aufmerksam  auf  die  gute  Gelegenheit,  alles  mit  Ihnen 
abzusprechen.  Aus  seiner  Antwort  (er  erwähnt  4™  und  einer  Bedingung 
wegen  A  A ,  die  nicht  so  leicht  zu  erfüllen  ist,  als  die  4™)  schliesse 
ich,  dass  die  Sache,  wenn  auch  nicht  zu  augenblicklicher  Entscheidung 
reif,  doch  in  gutem  Gange  ist 


No.  753.  Olbers  an  Schumacher. 

Bremen,  1828  December  6. 

....  Von  Gauss  habe  ich  noch  nichts.  Wenn  er  wirklich  so  sehr 
auf  der  Direktion  der  A  A  besteht,  so  möchte  ich  fast  vermuthen, 
dass  er  diese  Direktion  nur  deswegen  so  eifrig  sucht,  um  den  Eintritt 
und  das  Fortkommen  seines  Sohns,  des  jetzt  als  Artillerie-Lieutenant 
in  Hannover  stehenden  ehemaligen  Gehülfen  seiner  Vermessungen,  in 
preussische  Dienste  einleiten  und  befördern  zu  können 


*)  Aus  Brief  No.  351  des  Briefwechsels  Gauss-Schümaculr  abgedruckt.    Knu. 


Briefe  von  Schumiulior,  Olbers,  (iuuss.  725 

Nu.  754.  (iauss  an  Schumacher.') 

Güttingen,  1828  December  7. 

....  Tn  Beziehung  auf  den  Gegenstand,  dessen  Sie  noch  erwähnen, 
bemerke  ich.  dass  es  ein  Missverständniss  ist,  wenn  A  A  als  eine 
Bedingung  angesehen  werden.  Ks  war  nur.  insofern  das  Ganze  nicht 
eilt,  die  Idee  einei-  Möglichkeit,  die  4'"  durch  Bereitwilligkeit  zu  A  A 
zu  eileichtern,  wenn  über  kurz  oder  lang  Konjunkturen  eintreten 
könnten,  wo  jene  Bereitwilligkeit  angenehm  erscheinen  könnte.  Soweit 
die  Bedürfnisse  und  Verhältnisse  klar  geworden  sind,  scheint  4™  b 
eher  <;  als  =  ^r  zu  sein,  uti  possidetis 


No.  755.  Schumacher  au  Gauss.') 

Altona,  1828  December  IG. 

....  Ohne  uti  possidetis  zu  kennen  und  es  daher  mit  x  be- 
zeichnend, wissen  Sie,  dass  ich  von  jeher  in  Bezug  auf  Umstände  be- 
hauptet habe,  die  Inegalite 

Bb  <  xg 

finde  statt.     Dagegen   sind   manche   und   wichtige  Gründe,  wie  es  mir 
scheint,  für 

b>g. 


No.  756.  Schumacher  an  Olbers. 

[Altona,]  1828  December  23. 

....  Gauss  hat  mir  geschrieben,  die  A  A  seien  nicht  als  Be- 
dingung, sondern  als  Leistung,  zu  der  er  erbötig  wäre,  von  ihm  zu- 
srefüirt 


1)  Alis  Brief  No.  352  des  Briefwechsels  Gauss-Schümacher  abgedruckt.    Krm. 
■^)  Aus  Brief  No.  353  des  Briefwechsels  Gauss-Schümacher  abgedruckt.    Krm. 


726  Anhang-  1. 


No.  757.  y.  Humboldt  an  Schumaclier. 

Berlin,  1836  März  20. 

....  Wer  könnte  sehnlicher  als  ich  wünschen,  dass  die  Akademie 
einmal  wieder  in  Gauss  einen  Lagkange  besässe!  —  Wie  habe  ich  seit 
8  Jahren  dazu  nichts  versäumt  und  bin  immer  auf  keinen  Punkt  ge- 
kommen, wo  pecimiairement  eine  solche  Berufung  möglich  wäre.  Die 
eisige  Zone  liegt  viel  südlicher,  als  man  nach  Cousins  Lobe  glauben 
sollte. 


No.  758.  Schumaclier  an  Gauss.') 

[Altona,  1836]  März  22. 

....  Der  ganze  Brief  [Humboldt's]  hat  mir  viel  Freude  gemacht, 
da  er  die  tiefste  und  reinste  Verehrung  gegen  Sie  athmet.  Er  schreibt 
mir  auch,  dass  er  seit  8  Jahren  alles  gethan  habe,  damit  Sie  Lagrange's 
Zeiten  nach  Berlin  zurückbrächten,  bisher  sei  er  aber  immer  noch  auf 
den  Geldpunkt  gestossen.  Dies  scheint  mir  aber,  wo  es  auf  Ihren 
Besitz  ankommt,  ein  so  untergeordneter  Punkt,  dass  ich  gewiss  glaube, 
wenn  von  Ihrer  Seite  nur  hinzugehen  Neigung  ist,  eine  solche  Oppo- 
sition könne  Humboldt  nicht  störend  entgegentreten,  oder  wenn  sie 
es  doch  thut,  leicht  besiegt  werden. 


No.  759.  Schumacher  an  Gauss.-) 

Altona,  1836  April  2. 

....  Ueberdies  wünschte  ich,  offenherzig  gestanden,  Sie  in  Berlin 
auf  eine  Ihrer  würdigen  Art  angestellt  zu  sehen,  und  also  Humboldt, 
der,  wenn  ein  neuer  Antrag  an  Sie  kommen  soll,  alles  thun  nuiss.  nicht 
durch  Nebendinge  kälter  zu  machen 


^)  Aus  Brief  No.  516  des  Briefwechsels  Gauss-Schümacher  abgedruckt.    Krm. 
^)  Aus  Brief  No.  520  des  Brief\vecli.sels  Gaüss-Schumachek  abgedruckt.    Knn. 


Briefe  von  v.  Humboldt,  Schumacher.  727 

No.  7G0.  V.  Humboldt  an  Scliiimaclior. 

Berlin,  1836  April  2. 

....  ^lit  seinem  [Gauss']  Hierherkommen  würde  der  älteste 
A\'iinsch  meines  hiesigen  Lebens  erfüllt.  Als  ich  1805  von  meiner 
amerikanischen  Eeise  nach  Kuropa  zurückkam,  und  mich  der  König 
einlud,  in  der  Berliner  Akademie  wirksam  aufzutreten,  antwortete  ich 
dem  Könige,  „mein  Erscheinen  würde  sehr  unbedeutsam  sein,  aber  ein 
Mann  könne  der  Akademie  den  Glanz  wiedergeben,  er  lieisse  Karl 
Fkiedrich  Gauss".  Seitdem  ist  die  Welt  schlaöer,  das  Meer  seichter 
geworden,  und  wie  Sie  geistreich  sagen,  in  dem  mare  coenoso  scheitere 
alles  au  ,.den  Silberklippen" 


No.  761.  Scliumaclier  an  Gauss.') 

Altona,  1836  April  7. 

....  Am  Ende  [von  Humboldt's  Brief]  kommt  noch  vor,  dass  er 
dem  Könige  schon  1805  gesagt  habe:  der  einzige  ]\Iann,  der  der  Ber- 
liner Akademie  neuen  Glanz  geben  könne,  heisse  Karl  Friedrich  Gauss. 
Er  sieht  gewiss  vollkommen  ein,  dass  Sie  dort  unentbehrlich  sind,  und 
glücklicher  Weise  werden  die  mathematischen  Mitglieder,  die  Ihre 
Anwesenheit,  um  nicht  verdunkelt  zu  werden,  fürchten,  von  dem  Könige 
nicht  gehört.  Sollte  er  einen  neuen  Antrag  bewirken,  so  steht  es  immer 
bei  Ihnen,  zu  thun,  was  Sie  wollen. 


No.  76-2.  Sehuiiiaclier  an  Gauss.') 

Altona,  1837  September  28. 

....  Sollte  Humboldt  Ihnen  Anträge  gemacht  haben,  so  würden 
Sie,  wenn  Sie  es  sonst  können,  mich  sehr  verbinden,  wenn  Sie  mir  über 
die  Art.   wie  Sie  diese  Anträge  betrachten.   Nachricht  geben 


')  Aus  Brief  No.  522  des  Briefwechsels  Gaüss-Schumacher  abgedruckt.    Krm. 
2)  Aus  Brief  No.  592  des  Briefwechsels  Gauss-Schumacher  abgedruckt.    Krm. 


728  Anhang  1. 


No.  763. 


Gauss  an  Scliumacher.'j 


Göttingen,  1837  Oktober  20. 


....  \ou  solchen  Anträgen,  wie  Sie  am  Schluss  Ihres  Briefes 
andeuten,  ist  keine  Sprache  gewesen.  Auch  weiss  ich  nicht,  ob  an 
dergleichen  jemals  im  Ernste  gedacht  ist 


No.  764.  Gruithuisen  an  Olbers.'j 

München,  1838  Oktober  10. 

Indem  ich  für  Ihren  schätzbaren,  gestern  erhaltenen  Brief  ver- 
bindlichst danke,  beeile  ich  mich,  für  diesmal  bloss  auf  Ihre  Anfragen 
zu  antworten. 

Ich  verfügte  mich  heute  morgens  zu  dem  eigenthümlich  noch  gar 
nicht  gekannten  Hrn.  Prof.  Keil  und  Hess  mir  den  magnetoelektrischen 
Eotationsapparat  in  seiner  Wirkung  zeigen,  und  zwar  bezüglich  auf 
meinen  Körper  selbst,  und  erforschte  die  Geistesfähigkeiten  seines 
Erfinders. 

Die  letzteren  fand  ich  im  ganzen  niclit  gross,  aber  er  hat  grosse 
Sagacität  und  Erfindungsgabe.  Wissenschaftlich  scheint  er  wenig  ge- 
bildet, noch  weniger  besitzt  er  gründliche  medicinische  Kenntnisse. 
Dass  er  seine  Maschine  emphatisch  rühmt,  ist  ihm  zu  verzeihen,  denn, 
ohne  hierauf  zu  achten,  habe  ich  sie  von  ausserordentlicher  Wirkung 
gefunden.     Keil  hat  mit  Faradat  gearbeitet. 

Die  Maschine  entwickelt  einen  anhaltenden  Strom  einer  ganz  un- 
glaublichen Menge  einer  eigenen  Art  von  Elektricität,  und  zwar  mittelst 
eines  7 fachen  Hufeisenmagnets,  der  150  Pfd.  trägt,  und  die  durch  zwei 
Multiplikatoren  und  durch  zwei  in  Quecksilber  laufenden  Osmiuni- 
scheiben  aufgeregt  wird,  wobei  sich  eine  Menge  Funken  erzeugen;  an 
der  elektrischen  Axe  sah  ich  sogar  die  Spitze  einer  stählernen  Nadel  in 


^)  Aus  Brief  No.  593  des  Briefwechsels  Gaüss-Schumachkr  abgedruckt.    Krm. 
^)  Dieses  Schreiben  hatte  Oi.bers  seinem  Briefe  vom  14.  Nov.  1S3S.  No.  TJ6  an 
Gauss  beigelegt.     Krm. 


Briefe  von  Gauss,  (iruitbuisen.  729 

«ielbeiii  und  rotem  Lichte  verbrennen.  Die  AVirkunjr  auf  meine  Arme 
war  uniLrefähr  nach  den  empfundenen  Krschiitterunj^^en  zu  urtheilen,  wie 
die  einer  galvanischen  Säule  von  800  Plattenpaaren.  und  zwar  niit  und 
dhne  Wasserbad  d^r  Hand.  Dabei  ist  «rar  keine  Isoliiung  nöthifr;  für 
die  ^^'irkun<?  wird  kein  galvanisch- chemischer  Prozess  gefordert;  sie 
gfht  unaufhörlich  gleich  fort  und  sogar  bei  jeder  "Witterung,  so  lange 
gedreht  wird. 

Dabei  linde  ich  bezüglich  der  Hauptwirkung  der  erregten  magneto- 
»dektrischen  Kraft,  dass  sie,  bei  gleichem  Effekt,  zarter  und  minder 
chemisch  als  die  galvanische,  ja  zarter,  feiner  als  die  elektrische  ist 
und  dass  sie,  wenn  sie  nicht  der  Nervenkraft  ganz  gleich,  doch  ihr 
selir  nahe  kommend  sein  muss;  denn  alle  seine  vollbrachten  mir  er- 
zählten Kuren  beweisen,  dass  sie  auf  eine  Art  die  Nerventhätigkeit  zu 
erregen  vermag,  die  vielleicht  der  Wirkung  der  sogenannten  elektrischen 
Fische  am  ehesten  gleicht,  daher  erregt  sie  auch  alle  jene  Funktionen 
des  thiei'ischen  Körpers  sehr  mächtig,  die  ohne  Nervenkraft  nicht  statt- 
finden können,  und  bewirkt,  allgemein  wie  örtlich  angewandt,  mit  der 
Kraft  das  Wasser  zu  zerlegen,  auf  alle  minder  selbständigen  krank- 
haften Substanzen  allgemeine  und  örtliche  organische  Destruktionen, 
denen  jeder  gesunde  Theil  widerstehen  kann. 

Seine  Anwendungsart  in  Krankheiten  ist  für  jetzt  noch  ganz  em- 
pirisch, und  organische  Fehler  getraut  er  sich  nicht  zu  heilen.  Das 
Ganze  scheint  hierin  noch  in  seiner  völligen  Kindheit,  und  es  ist 
gegenwärtig  noch  nicht  möglich,  seine  Tugenden  und  Gebrechen  ge- 
hörig zu  erörtern. 

Aus  der  Verfertigung  der  Maschine  macht  er  ein  Geheimniss.  Seine 
beste,  wirksamste,  die  150  Pfd.  attrahirt  und  7  Lamellen  (Hufeisen- 
magnetbatterien) hat,  kommt  auf  220  Thlr.  R.-W.;  eine  minder  wirk- 
same kostet  165  Thlr.,  hat  aber  nur  5  Lamellen  und  GO  Pfd.  Attrak- 
tion. Zu  jeder  bestellten  Maschine  kommt  eine  ausführliche  Gebrauchs- 
anweisung. 

Die  mechanische  Maschinenkrafterregung  durch  eine  elektromag- 
netische Batterie  hingegen  ist  von  minderer  Bedeutung.  Er  glaubt  sie 
höchstens  auf  zwei  Menschenkräfte  treiben  zu  können.  Auf  einer  Eisen- 
bahn werden  wir  mit  dieser  Kraft  also  nicht  fahren.  Mehr  hiervon, 
wenn  ich  die  Maschine  im  Ganzen  gesehen  haben  werde. 


Anhang  2. 


Drei  nachträglich  aufgefundene  Briefe  von  Bessel  an  Olbees 
aus  dem  Jahre  1812. 


No.  765.  Bessel  an  Olbers/) 

Königsberg.  1812  März  7. 

Es  ist  endlich  Zeit,  mein  hochverehrter  Freund,  dass  ich  mir  wieder 
den  Genuss  bereite,  Ihnen  zu  schreiben;  —  dieses  ist  ja  das  einzige 
Mittel,  mich  zurückzuversetzen  in  die  vergangene  gute  Zeit. 

Ich  habe  einen  höchst  merkwürdigen  Stern  am  Himmel  gefunden. 
Es  ist  No.  61  Cygni^),  welcher  wie  es  mir  scheint  uns  einen  tiefen 
Blick  in  die  Konstruktion  des  Weltgebäudes  thun  lässt.  Der  Stern  ist 
doppelt,  und  beide  haben  die  stärkste  eigene  Bewegung,  die  ich  bis 
jetzt  gefunden  habe.     Die  Positionen  für  1 755  finde  ich 

Praecession 
No.  61.    5,6  m    313«59'11",3     37«33'29",7      +  34",85      -f  13",91 
7  m    313*^59' 25,7       3  7^33' 45,7 

Da  PiAzzi's  Ort  wegen  der  starken  Bewegung  nicht  als  für  1800 
geltend  angesehen  werden  kann,  so  habe  ich  2  Beobb.  der  Eist  Gel. 
reducirt,   um  daraus  einen  Vergleichungspunkt  herzunehmen.     Ich  fand 

1783,529     314«18'12",0     37Ul'40",2  —  — 

1793,594     314^25'    1",0     37«44'39",0     314"25'16",0     37°44'48,"0 
Praecessio  1800  =  34",85       -f  14",02 

und  hiermit,  fast  mit  vollkommener  Uebereinstimmung 

motpropr.  =  +  5",250      +  3",321  für  No.  61. 
4-  5,265        +  3,146    für  seq. 

^)  Dieser  Brief  gehört  zwischen  Brief  No.  201  und  202  in  Bd.  I  der  von 
Eeman  besorgten,  1852  in  Leipzig  erschienenen  Ausgabe  des  Briefwechsels  zwischen 
Olbers  und  Bessel.  Auf  ihn  bezieht  sich  Olbers  im  Brief  vom  27.  März  1812, 
No.  203  dieses  Briefwechsels.     Krm. 

'-)  Yergl.  zu  Bessel's  Entdeckung  der  Eigenbewegung  von  61  Cygni  und  der  Be- 
wegung der  beiden  Komponenten  dieses  Doppelsternes  zu  einander  auch  Brief  No.  767, 
S.  788—742,  ferner  Olbebs  Bd.  I  No.  55,  S.  322,  Bd.  n,  1  Brief  No.  257  und  259 
von  Olbers  an  Gauss,  S.  499  und  502.  Durch  diese  Entdeckung  wurden  die  letzten 
Zweifel  an  der  physischen  Natur  der  Doppelsterne  beseitigt.  Im  Jahre  1837 — 38  ge- 
lang es  Bessel  auch,  die  Parallaxe  von  61  Cygni  zu  bestimmen.     Krm. 


734  Anhang-  2. 

Sehr  wünschenswerth  wäre  mir  nun  Flamsteed's  Beob.,  um  deren 
gütige  Mittheiluiig  ich  Sie,  theuerster  Olbees,  bitten  möchte.  —  Wir 
sehen  aus  dieser  merkwürdigen  Ersclieinung,  dass  die  Wahrscheinlich- 
keitsrechnung sehr  i'echt  hatte,  wenn  sie  schon  früher  die  Doppelsterne 
für  wirklich  doppelt  ausgab.  Es  gelingt  uns  hoffentlich,  die  Parallaxe 
dieses  Sterns  und  die  Bewegung  beider  um  ihren  gemeinschaftlichen 
Schwerpunkt  zu  beobachten,  und  dadurch  die  Summe  der  Massen  dieser 
Sterne  zu  erfahren.  AVollte  man  es  wagen,  aus  beiden  Beobb.  die 
Umlaufszeit  etwa  =  700  Jahre  und  die  Masse  der  Sonnenmasse  gleich 
zu  schätzen,  so  würde  die  Parallaxe  grösser  als  1"  herauskommen. 

Von  Hrn.  Staatsrath  Klüber  habe  ich  vor  ein  paar  Tagen  den 
Brief  erhalten,  den  ich  Ihrer  Güte  verdanke.  Er  schreibt  mir,  dass 
die  Sternwarte  mit  mehreren  kleinen  Vortheilen  dotirt  ist,  z.  E.  Brief- 
porto, Feuerung,  Licht,  eine  Summe  zu  literarischen  Bedürfnissen  u.  s.  w. 
und  fordert  mich  auf,  den  Gehalt,  auf  welchen  ich  Anspruch  machen 
würde,  anzuzeigen.  Hier  war  in  diesem  Winter  etivas  geschehen, 
auch  neuerlich  eine  Summe  von  4000  Rthlr.  herbeigeschafft:  indess 
giebt  mir  alles  dieses  nicht  die  gewünschte  Garantie,  und  ich  habe 
deshalb  an  das  Departement  geschrieben  und  Sicherheit  oder  meinen 
Abschied  gefordert;  die  Antwort,  die  ich  erhalte,  theile  ich  Ihnen 
sogleich  mit.  Ich  glaube  zwar,  dass  man  mich  auf  keinen  Fall  hier 
zu  verlieren  wünscht;  allein  was  die  kriegerischen  Aussichten  für  Ein- 
fluss  äussern,  lässt  sich  noch  ni(;ht  bestimmen.  Meine  Arbeit  über 
die  BRADLEY'schen  Beobb.  geht  nun  ihrem  Ende  zu,  und  es  würde  mich 
kränken,  dann  noch  ohne  Sternwarte  zu  sein.  Diese  Ansicht  ist  es 
immer,  von  welcher  ich  ausgehe,  und  die  auch  jetzt  über  mich  ent- 
scheiden wird.  Klübee  antworte  ich  nicht  eher,  ehe  das  Departement 
mich  dazu  in  den  Stand  setzt;  ich  hoffe,  er  wird  diesen  Aufschub 
von  etwa  3  Wochen  erwartet  haben.  Mir  schlägt  das  Herz  bei  der 
Hoffnung,  Sie  theurer  Olbers,  wiederzusehen! 

Vom  Institut  hal)e  ich  noch  keine  Silbe  vernommen  und  noch  viel 
weniger  die  Medaille  erhalten.  Auch  La  Place,  der  mir  vor  einigen 
Posttagen  einen  sehr  höflichen  Brief  schrieb,  erwähnt  nichts  davon. 
Die  Quellen,  aus  welchen  ich  die  Nachricht  erhielt,  sind  zu  respektabel, 
als  dass  ich  noch  zweifeln  könnte;  allein  der  lange  Aufschub  der  An- 
zeige ist  mir  unerklärlich,  zumal  da  ich  weiss,  dass  Sie  Ihre  Medaillen 
immer  ziemlich  bald  nach  der  Vertheilung  erhielten.  La  Place,  aus 
dessen  Briefe  ich  schliesse,  dass  er  unsere  Sprache  liest,  sagt  mir  viel 
Schönes  über  meine  Arbeiten,  und  versichert  mich,  dass  er  immer  der 
erste  sein  werde,  der  ihren  Werth  anerkennt;  obgleich  dieses  gewiss 
nur  ein  Kompliment  ist,  welches  Ihr  berühmter  Freund  seiner  Humanität 
sagt,    so   freut  mich    doch,    zumal   in  den    ietzigen  Zeiten,    die    kleine 


Bessel  an  Olbers.     Köiiii,'-sberg',  ISl'i  März  7.  735 

Aufmerksamkeit  «retren  mich,  die  ich  mir  aus  dem  Briefe  lierausdeute. 
Ueber  wissenschaftliche  Sachen  schreibt  er  mir  nur,  dass  die  Ungleich- 
heit von  langer  Periode  im  Mondlaufe,  die  er  Irühtr  andeutete,  und 
die  Bvnr,  benutzte,  vielleicht  von  einer  Verschiedenheit  in  der  Figur 
der  beiden  Hemisphären  der  Krde  herrühre.  Alsdann  ist  die  Kor- 
rektion der  Epochen  in  Bürg's  Tafel 

+  0".  190(3  [t  —  1750}  —  13",92  cos  {Long.  Perig.  2)  -f  2  Long.  Nodi} 

Die  Analyse  dieser  Gleichung  ist  leicht;  allein  man  kann  leider  nicht 
wissen,  welche  von  den  dreien,  die  die  Theorie  giebt,  die  existirende 
ist.  La  Place  will  Bürg  veranlassen,  die  Sache,  nachdem  mein  Funda- 
mentalkatalog  vorhanden  ist,  zu  untersuchen. 

Von  Kkamp  habe  ich,  nach  langem  Warten,  einen  völlig  ein- 
willigenden Brief  empfangen.  Er  giebt  mir  alles  zu,  hat  selbst  über 
diese  Materie  ein  Memoire  geschrieben,  und  so  meine  Bemerkungen 
bekannt  zu  machen  gesucht.  Er  schreibt  mir,  dass  die  Akademie  von 
Strassburg  mich  zum  korrespondirenden  ]\[itgliede  erwählt  habe,  und 
ladet  mich  ein,  in  ihren  Memoires  zuweilen  etwas  drucken  zu  lassen. 
Hätte  ich  diesen  Ausgang  der  Sache  früher  gewusst,  so  würde  ich  meine 
Abhandlung  über  die  Fakultäten  lieber  nach  Strassburg  gesandt,  als 
sie  fürs  Archiv  bestimmt  haben;  jetzt  war  es  zu  spät,  und  ich  habe 
mich  mit  der  Mittheilung  eines  Auszuges  begnügen  müssen.  —  Es  ist 
doch  tröstend  für  die  Mathematiker  und  Astronomen,  dass  in  ihrer 
Wissenschaft  noch  die  alte  Wahrheitsliebe  herrscht;  welcher  andere 
Zweig  der  Gelehrsamkeit  hat  ein  Beispiel  aufzuweisen,  dass  ein  15  Jahr 
lang  mit  Wärme  vertheidigter  Irrthum  aufgegeben  wird,  ohne  dass  ein 
bitterer  Nachgeschmack  zurückbleibt?  —  Kramp  hat  mir  den  bis  Jetzt 
erschienenen  ersten  Band  der  Strassburger  M(hnoires,  der,  wie  er  schreibt, 
sich  durch  prächtigen  Druck  und  Papier  auszeichnen  soll,  und  auch 
6  Exemplare  von  der  Ärithmetiqiie  universelle,  zugesandt;  ich  habe 
die  Veranstaltung  getroffen,  dass  das  Packet  in  Leipzig  angehalten 
wird,  indem  Kramp's  Ärithmetique  in  Deutschland  noch  unbekannt  ist, 
und  ich  durch  die  Mittheilung  dieses  Werks  vielleicht  einem  meiner 
Freunde  einen  kleinen  Dienst  leisten  kann.  Scheint  Ihnen  der  Umweg 
nicht  zu  gross  zu  sein,  so  befehlen  Sie  über  ein  Exemplar;  so  bald  ich 
die  Ankunft  in  Leipzig  erfahre,  werde  ich  es  Ihnen  alsdann  zusenden 
lassen. 

Nun  noch  eine  Erscheinung  am  Himmel,  die  Sie  zwar  schon  kennen, 
die  ich  Ihnen  aber  wieder  ins  Gedächtniss  zurückrufe,  und  von  der  ich 
desto  lieber  eine  Erklärung  sehen  möchte,  da  meine  eigenen  Unter- 
suchungen darüber  (die  ich  vor  einigen  Woclien  wieder  vorgenommen 
und  mit  Berücksichtigung  aller  Umstände,  die  ich  nur  irgend  als  Ein- 


736  Anhang  2. 

fluss  haben  könnend  vermuthete,  geführt  habe)  ganz  ohne  Erfolg  sind. 
Ich  meine  die  Anomalie  in  den  Ascensionen  des  Polarsterns,  welche  wie 
Sie  wissen  etwa  4^  Zeit  beträgt,  und  eine  Periode  von  1  Jahr  zu  haben 
scheint.  In  der  Nutation  ist  sicher  kein  Glied  dieser  Art,  man  mag 
die  Konstitution  der  Erde  annehmen  wie  man  will,  in  der  Aberration 
auch  nicht,  und  die  Beobb.  scheinen  mir  zu  regelmässig,  um  trügen 
zu  können. 

An  ScHROETER,  uuscren  theuren  verehrten  Freund,  theilen  Sie 
gütigst  bei  Gelegenheit  meine  Bemerkung  über  61  Cygni,  die  ihn  inter- 
essiren  wird,  mit.  Ich  hoffe  sehr,  in  Lilienthal  und  bei  Ihnen  wird 
es  immer  besser,  und  Sie  fangen  an,  die  wohlthätigen  Früchte  der 
wiederkehrenden  Ruhe  zu  geniessen.  \\'ir  leben  hier  jetzt  in  Furcht 
des  Krieges,  trösten  uns  aber  damit,  dass  wir  mit  dem  mächtigen  Kaiser 
vereinigt  sind;  wäre  dieses  nicht  der  Fall,  so  würden  wir  gewiss  sehr 
unglücklich  werden. 

Ihnen  und  Ihrer  lieben  theuren  Familie  empfehle  ich  mich  zur 
Fortsetzung  Ihrer  unschätzbaren  Gewogenheit,  und  bin  mit  der  einem 
geliebten  Vater  schuldigen  Ehrfurcht  und  Hochachtung 

Darf  ich  Sie  bitten,  die  Einlage  an  Hrn.  Kramp  auf  die  Post 
geben  zu  lassen? 


No.  766.  Bessel  an  Olbers.') 

Königsberg,  1812  März  26. 

Jetzt  kann  ich  Ihnen,  mein  theurer  verehrter  Olbers,  die  Ent- 
scheidung über  mich  und  mein  ferneres  Schicksal  mittheilen.  Das  De- 
partement hat  auf  meine  neulich  erwähnte  Vorstellung  mir  nicht  nur 
eine  sichere  Garantie  für  den  Bau  der  Sternwarte  durch  die  Ver- 
sprechung, die  Fonds,  die  auf  dem  gewöhnlichen  ^\'ege  vielleicht  nicht 
herbei  geschafft  werden  könnten,  vorläufig  aus  der  Hauptkasse  zu 
nehmen,  gegeben;  sondern  auch  mich  ernstlich  aufgefordert,  den  Pilger- 
stab niederzulegen  und  dem  preussischen  Staate  getreu  zu  bleiben: 
es  hat,  trotz  der  schlechten  Zeiten,  mir  eine  Zulage  von  300  Rthlr. 
angeboten,  die,  wie  es  mir  schrieb,  längst  für  mich  bestimmt  war,  um 
mir  den  Aufenthalt  in  K[öuigsberg]  angenehmer  zu  machen.  Sie  sehen, 
lieber  Gebers,  man  verzieht  Ihren  Freund  ein  wenig;  ich  habe  nun 
Hrn.  Klüber   herzlich  für  seine  Güte   gedankt    und    ihm    das  Nöthige 


*)  Dieser  Brief  ist  zwischen  Brief  No.  '20'2  und  203  im  Bd.  1  des  Briefwechsels 
Olbers-Bessel  einzuschalten,  auf  ihn  antwortet  Olbers  unter  dem  10.  .\pril  1S12. 
No.  204  des  Briefwechsels.     Krra. 


Bessel  an  OIImts.     Könisrsberp:.  \'<\-  Miirz  _'H.  7;{7 

nütgelheill.  .Sit',  lieber  Olukhs,  bei  dieser  Cielejü:enbeit  wiederzusehen, 
würde  mir  ein  Hauptentscbeidungscrriind  gewesen  sein;  indess  thue  ich 
darauf  keineswegs  Verzicht,  wenn  nur  erst  Ruhe  und  Friede  wieder- 
kehrt. Ihnen  rechne  die  Astronomie  es  zu.  dass  sie  liier  einen  neuen 
jträchtigen  Tempel  erhält. 

Nun  bin  ich  im  Begriff,  mich  hier  ganz  einzubürgern,  denn  ich 
sehe  aus  allem,  dass  man  mich  hier  nicht  fortlässt  und  selbst  das  un- 
möglich Scheinende  möglich  macht,  um  hier  die  Astronomie  in  Blüthe 
zu  bringen.  Wundern  darf  es  Sie  aus  diesem  Grunde  nicht,  wenn  ich 
Ihnen  anzeige,  dass  seit  ein  paar  Tagen  ein  Ring  meinen  Finger  schmückt, 
mir  gegeben  von  einem  lieblichen,  reizenden  Mädchen,  welches  schon 
längst  der  Gegenstand  meiner  Wünsche  war,  die  ich  nicht  aussein 
durfte,  ehe  ich  sicher  war.  dass  ihr  Besitz  der  Erfüllung  meiner  anderen 
Pflicliten  nicht  entgegenwirkte.  Jetzt  aber  bat  ich  den  Vater  um  die 
Tochter  und  erhielt  sie  gern.  —  kleine  Braut,  Theuerster,  Verehrtester, 
hat  sich  das  Vergnügen  nicht  nehmen  lassen  wollen,  sich  Ihnen  selbst 
durch  ein  paar  Zeilen  bekannt  zu  machen,  die  ich  Ihnen  hier  beilege; 
was  darin  fehlt,  eigänze  ich  gern,  denn  ich  kann  Ihnen  sagen,  dass 
sie  in  jedem  Betrachte  liebenswüi-dig,  jung,  sittsam,  schön,  reich  an 
Verstand  und  Herz,  und  die  Tochter  eines  hier  sehr  angesehenen  und 
geehrten  ^lannes,  des  Ihnen  als  Naturforscher  und  Chemiker  wahr- 
scheinlich rühmlichst  bekannten  Medicinalraths  Hagen  ist.  Da  sie  alle 
Erfordernisse  besitzt,  die  uns  ein  angenehmes,  glückliches  Leben  be- 
reiten können,  so  mache  ich  auf  Ihren  Glückwunsch  Anspruch,  der 
reiner  und  herzlicher  mir  von  niemandem  zu  Theil  werden  wird. 
Sehen  Sie  immer  auf  mich,  lieber  Olbers,  wie  ich  es  selbst  thue;  be- 
trachten Sie  mich  als  einen  Mann,  der  nur  durch  Sie  glücklich  geworden 
ist,  und  der  dieses  in  keinem  Augenblicke  seines  Lebens  vergessen 
kann;  der  auch  nicht  vergessen  wird,  was  ihm  Ihre  unschätzbare  Liebe 
erworben  hat.     Doch  genug  hiervon. 

Ihren  Brief  vom  9.  März*)  habe  ich  empfangen;  Sie  hoffentlich 
dagegen  einen  von  mir.*)  Wie  soll  ich  es  Ihnen  danken,  dass  Sie  meine 
Kreismikrometer-Abhandlung  so  aufmerksam  gelesen  haben?  Ich  w^ar 
überzeugt,  noch  manche  Dinge  vergessen  zu  haben,  die  aber  nicht  ver- 
gessen bleiben  dürfen.  Wollen  Sie  mir  erlauben,  in  der  M.  C.  einen 
Nachtrag  drucken  lassen  zu  dürfen,  oder  werden  Sie  selbst  es  thun? 
Wäre  das  erste  der  Fall,  so  würde  ich  gern  von  Ihnen  hören,  an  w^n 
ich  dieses  Supplement  nach  Gotha  zu  adressiren  habe.  Es  muss  nichts 
verloren  gehen,    was  Ihnen  Erfahrung   und  Nachdenken    gegeben   hat. 


^)  Brief  No.  202  Yom  9.  März  1812  in  Bd.  I  des  Briefwechsels  Olbers-Bessel.  Krm. 
-)  Der  vorhergehende  Brief  Bessel's  vom  7.  M.ärz  1812.     Krm. 

Olbers     II,  2  47 


738  Aiibaiio:  2. 

und  icli  Averde  dafür  sorgen,  den  Geist  und  Sinn  Ihres  Briefes  m'6g- 
liclist  treu  darzustellen. 

Hier  theile  ich  Ihnen  eine  Ephemeride  unseres  Kometen*)  mit.  den 
wir,  wenn  der  Himmel  nur  einig-ermaassen  g-ünstig  ist.  ohne  Zweifel 
wiedersehen  werden.  Die  Sonnenörter,  die  ihr  zu  Grunde  liegen,  sind 
aus  Bode  entlehnt;  im  üebrigen  ist  die  Eechnung  scharf  geführt,  und 
Sie  können  daraus  gleich  beurtheilen,  wie  sieh  meine  elliptischen  Ele- 
mente halten. 

[Folgt  eine  Ephemeride  des  Kometen  1811,  I  von  Apr.  12  bis  Mai  30.] 

Schade,  dass  wir  in  unseren  Gegenden  so  sehr  mit  der  Dämmerung  zu 
kämpfen  haben;  südlich  vom  Aequator  würden  die  Beobb.  sehr  leicht 
gelingen.  Ich  habe  indess  alle  Praeparatoria  gemacht,  um  erfolgreich 
zu  sein,  und  ich  hoffe,  Ihnen  bald  eine  Beob.  schicken  zu  können. 

Das  Decemberheft  der  M.  C.  ist  mir  ausgeblieben;  allein  gestern 
empfing  ich  im  Januarhefte  Ihre  Abhandlung  übei-  den  Kometenschweif, 
die  mich,  obgleich  ich  Sie  nur  erst  flüchtig  las,  ganz  entzückt  hat.  Ich 
werde  den  ersten  ruhigen  Tag  anwenden,  sie  aufmerksamer  zu  studiren, 
und  erst  dann  werde  ich  dafür  danken. 

Dürfte  ich  Sie  bitten,  Schroeter  mitzutheilen,  was  ich  Ihnen  oben 
schrieb.  Es  ist  mir  immer  traurig,  von  dem  Abgange  der  Post  so  be- 
engt zu  werden,  dass  selten  mehr  als  ein  halbes  Stündchen  für  Sie 
vorhanden  ist.  Ich  weiss,  in  Lilienthal  nimmt  alles  Theil  an  meinem 
Glücke,  mit  einer  herzlichen  Empfehlung  von  mir,  zeigen  Sie  es  daher 
an.  Ihrer  trefflichen  Familie,  vorzüglich  der  liebenswürdigen  Doris 
und  Hrn.  Dr.  Focke,  sowie  Ihrer  immer  gütigen  Frau  Gemahlin  bitte 
ich  mich  zu  empfehlen,  auch  an  Albers  und,  wenn  Sie  ihn  zufällig 
sehen  sollten,  Breuls. 


No.  767.  ßessel  an  Olbers.'') 

Königsberg.   1812  Juni  1. 

So  unendlich  werth  und  angenehm  mir  Ihr  liebevoller  Brief '),  den 
ich  schon  fast  seit  6  Wochen  besitze,   sein  musste.   so  habe  ich  doch 


*)  Komet  1811,  T,  nach  seiner  Sonnennähe  von  Wisniewsky  in  Neu-Tscherkask 
1812  Juli  31  zum  zweiten  Mal  wiedergefunden.  Auf  die  Möglichkeit  dieser  Wieder- 
entdeckung hatte  Bessel  aufmerksam  gemacht.     Krm. 

*)  Dieser  Brief  ist  zwischen  den  Briefen  No.  '-'04  iind  205  des  Briefwechsels 
einzufügen,  es  ist  der  in  der  Anmerkung  auf  S.  334,  Bd.  I  des  Briefwechsels  Bessel- 
Olbrrs  als  nicht  vorhanden  aufgeführte  Brief  Bessel's.     Krm 

»)  Brief  No.  204  des  Briefwechsels  vom  10.  Apr.  1812.     Krm. 


Bessel  an  Olbers.    Köuig-sberg-,  1812  Juni  1.  739 

seine  Beantwortung  aufo^eschobeii .  iiiii  Iluien  aiuli  etwas  interessantes 
Astronomisches  niittlu'ilen  zu  können.  Meine  liebe  treffliche  Hanne 
dankt  Ihnen  recht  freundlich  für  Ihre  Güte  und  für  das  Vertrauen, 
welches  Sie  auf  sie  setzen;  sie  verdient  es  auch  wahrlich  und  wird  es 
Ihnen  dadurch  beweisen,  dass  sie  mich  auf  den  höchsten  Grad  des 
Glücks  erhebt.  Wir  denken  uns  alle  Tage  zu  Ihnen,  lieber  Olbeks; 
wer  und  wie  Sie  sind,  habe  ich  hundei"t  Mal  erzählt;  wenn  wir  gemein- 
schaftlieh uns  überzeugen,  dass  Sie  die  Stütze  meines  Glücks  waren 
und  sind,  dann  strömt  warmer  Dank  gegen  Sie  über,  den  ich  Ihnen 
nicht  weiter  schildere,  weil  ich  die  glänzenden  Augen,  die  ihn  aus- 
sprechen, nicht  malen  kann.  —  Meine  Zufriedenheit  ist  indess  doch 
nicht  ungetrübt  geblieben;  ein  sehr  hartnäckiges  und  von  üblen  Zu- 
fällen begleitetes  kaltes  Fieber  hat  meine  Schwester  seit  9  Wochen 
krank  gemacht.  Allein  jetzt  ist  es  der  herrlichen  Witterung  gewichen, 
und  in  wenig  Tagen  hoffe  ich  sie  völlig  hergestellt  zu  sehen. 

Ueber  Nr.  61  Cyg}n  habe  ich  für  die  M.  C.  eine  kleine  Abhandlung 
geschi-ieben,  deren  Resultate  sich  meist  auf  die  Beobb.  gründen,  die 
Sie  mir  gütigst  mittheilten.   Ich  führe  Ihnen  die  Hauptsachen  daraus  an : 

Hevel  beobachtete  den  Stern,  ich  habe,  nachdem  ich  den  Fehler 
des  Instruments  aus  den  Beobb.  der  Machina  Cel.  untersucht  habe, 
daraus  geschlossen 

1661     ^  3130  1'44",0      370  7'19",ö 

Flamsteed's  Beobachtung  giebt  mir,  mit  Berücksichtigung  der 
eigenen  Bewegung  der  8  vergl.  Sterne,  mit  fast  unerwarteter  Harmonie 

1690     ^  313«15'44",5       37"  15'    9".4 


Bradley  1754: 


JR  Dekl. 

313O58'30",2       37«33'13",9 
31,0  12,8 

11,3 
12,1 


Mittel  ...  313 

0  58' 30" 

,6       370 

33' 

12" 

,5 

D'Agelet  für  1784: 

1783     Juli  12. 

314« 

18'30",9 

37' 

Ul 

'  48,"4 

1784  Sept.  24. 

24,9 

52,0 

Okt.  15. 

24,3 

54,1 

Okt.  16. 

25,0 

54,0 

Nov.  24. 

20,7 

53,8 

Mittel  .  .  .  3140  18'25",2       370  41'52",5 

47^ 


1690 

314M9'38",0G 

1754 

25  13,98 

1784 

27  42,94 

1794 

28  46,66 

740  Anhang-  2. 

La  Lande   179-i.  314M5'17",5       37U4'46",0 

PiAzzi  1800.  3U«28'38",8       37«46'14",4 

Die  jährliche  Präcession  für  die  Zeit  t  finde  ich 

in  ^      =-  34",860  +  0",000164  (t  —  1800) 
in  Dekl.  =  14",034  -f  0",002800  {t  —  1800) 
und  wenn  icli  hieimit  die  Beobb.  von  Flamsteed,  Bradlet,  D'Agelet 
und  La  Lande  auf  1800  reducire 

37M0'36",20 
43  55,14 

45  36,68 

46  10,16 

Es  ergiebt  sicli  hieraus,  wenn  ich  der  FLAMSTEEü'schen  Beob.  den 
Werth  ^  und  jeder  anderen  einzelnen  Beob.  den  Werth  1  beilege,  die 
eigene  Bewegung 

in  AI     +  5",0683;       in  Dekl.     -^  3",3584 
und  der  Ort  für  die  Zeit  t 

314*>  29'   4",88  -\-  {39",9283  -f  0,000082  {t  —  1800)}  {t  —  1800) 
37«  46'  30'V27  +  {17,3924  +  0,001400  (t  —  1800)}  (t  —  ISOO) 
Der  Fehler  dieser  Formel  bei  den  4  Beobb.  ist 
1690       +    9",31       —  15".35 
1754       —    2,23         -[-    0,64 
1784       -|-    0,85         —    0.14 
1794       —  12,19         —    0,04 

Bei  Hevel's  Beob.  giebt  sie  die  M  307",6  und  die  Dekl.  39",7 
kleiner  an,  als  beobachtet  wurde.  [Bei]  Piazzi's  Beob.  kommt  die  uiR 
auf  1794,86,  die  Dekl.  auf  1795,17,  welches  in  der  That  die  Zeit  ist, 
in  welclier  die  meisten  Beobb.  angestellt  wurden. 

Der  kleine  Stern  wurde  folgendermaassen  beobachtet: 

1.  1753,8   Bradley:    +  14",4     2  Beobb.     +  16".0     1  Beob. 

2.  1780  Sept.  20  Herschel:  Distanz  16",117.  Positionswinkel 
36«  28'  N. 

Hieraus  für 

1780,7  -|-16",38  +9",58 

3.  D'Agelet  für  1784,8  -}- 22,8  +7,6         1  Beob. 

4.  La  Lande  für  1793,6  +15,0  +9,0         1  Beob. 

5.  Piazzi  für         1800  +  25,0  +  3,7 

Ich  selbst  habe  ihn  12  Mal  mit  dem  Heliometer  beobaclitet:  Distanz 
im  Mittel   aus  den   sehr   nahe    übereinstimmenden   Beobb.  =  15".918. 


T^essel  ;m  Olberji.     Küniir^^bero;,  islj  Jmii  1. 


11 


Den   Positionswinkt'l    liabe   icli    auf   die    in   der   M.  C.   vor<?esclilaf?ene 
Weise  mit  dem  Aeqiiatoreal  ^-ll°2''i2"N  beobachtet.     Hieraus  folgt 

1812,3       -i-  19"J8       -|-3",05 

Ich  habe  Ihnen  alle  diese  Beobb.  auf  das  einlieerende  Blatt  orezeichnet. 


0/7<f< 


<  )/^azZi ' 


Of7S3,i^ 


QfXSO,? 
<  )f7Si3,S 


<37Sf2^ 


zo" 


3Ö"       ZP       ZÖ^       ^       ~^ 


Fio-.  34. 


^1^ 


Q/ffn^ 


Den  Beobb,  von  D'Agelet  und  La  Lande  glaube  ich  weniger  trauen 
zu  müssen,  weil  sie  nur  einzeln,  ich  möchte  sagen  beiläufig,  angestellt 
sind;  offenbar  würde  die  Erreichung  grösserer  Genauigkeit  weit  mehr 
Vorsicht  voraussetzen,  als  hier  angewandt  wurde.  Auch  Piazzi's  Be- 
stimmung halte  ich  für  wenig  sicher,  indem  die  Anzahl  der  Beobb.  des 
kleinen  Sterns  geringer  als  der  des  grossen  ist,  beider  Mittel  daher 
wahrscheinlich  nicht  gleichzeitig,  und  alsdann  mit  verscliiedenen  Re- 
duktionsfehlern behaftet  sind. 

Bradley's,  Herschel's  und  meine  Beobb.  scheinen  also  die  tadel- 
losesten zu  sein;  allein  in  solchen  Kleinigkeiten,  wie  hier  in  Rede 
kommen,  sind  sie  ohne  Zweifel  nicht  sicher,  und  daher  mag  es  kommen, 
dass  die  durch  diese  3  Oerter  gezogene  Kurve  ihre  erhabene  Seite  dem 
grossen  Sterne  zuAvendet,  welches  unverträglich  mit  den  Naturgesetzen 
ist.     Ich  möchte  daher  aus  diesen  Beobb.  nur  schliessen: 

\.  dass  die  Sterne  seit  1754  der  kleinen  Axe  ihrer  Bahnen  zu- 
gerückt sind  und  weniger  als  -^  ihres  Umlaufs  vollendet  haben, 
woraus  eine  Periode  von  mehr  als  350  Jahren  folgt; 

2.  dass  die  halbe  grosse  Axe  >-  20"  ist. 

Setzt  man  die  halbe  grosse  Axe,  so  wie  sie  uns  erscheinen  würde, 
wenn  sie  senkrecht  auf  der  Gesichtslinie  stände  =  a  <  25";  die  Um- 
laufszeit T=300  Jahre;  die  Summe  der  Massen  = ;";  die  jährliche 
Parallaxe  =  tt;  so  ist 


2  1   ' 


'■fX^ 


und  wenn  /^  =  1,       n  =  0",46 


7^2  Anbang  2. 

Wenn  man  annimmt,  dass  die  Sterne  wegen  ihrer  geringen  Hellig- 
keit und  gemuthmaassten  geringeren  Entfernung  eine  geringere  Masse 
als  die  meisten  Sterne,  und  walirscheinlicli  aucli  die  Sonne  haben,  so 
darf  man  hoffen,  die  Parallaxe  in  der  That  grösser  zu  finden.  Das 
Maximum  der  Rektascensionsparallaxe  ist  (für  7i=^0"A6)  0".58,  und 
ich  glaube,  dass  sehr  sorgfältige  Beobb.  dieses  schon  verrathen  können, 
obgleich  das  eine  Maximum  Mai  4  nicht  im  Meridian  observirt  werden 
kann.  Es  thut  mir  sehr  leid,  dass  ich  Ihnen  nicht  meine  ganze  Abhand- 
lung in  extenso  mittheilen  kann,  sie  ist  ein  wenig  zu  lang  ausgefallen. 

Meine  Sterne  zum  BEADLFA'schen  Katalog,  3175  an  der  Zahl,  sind 
nun  alle  auf  1755  gebracht;  die  Xutation  und  Aberration  ist  au.s  meinen 
Tafeln  beigeschrieben.  Es  ist  nun  nur  noch  nöthig,  sie  mit  den  trigono- 
metrischen Linien  der  Dekl.  zu  multipliciren  und  mit  Piazzi  zu  ver- 
gleichen. Doch  ist  die  Hälfte  auch  in  dieser  Hinsicht  schon  ganz  fertig. 
Alle  Präcessionen  sind  überdies  berechnet.  Sie  sehen,  dass  ich  sehr  bald 
fertig  sein  werde;  ich  würde  schon  näher  am  Ende  sein,  wenn  nicht 
mehrere  andere  Arbeiten  mir  in  den  letzten  6  Wochen  alle  Zeit  geraubt 
hätten,  und  wenn  es  meiner  Hanne  nicht  so  leicht  würde,  das  ihr  von 
Ihnen  aufgetragene  Amt,  mich  oft  abzuhalten,  zu  handhaben.  —  Die 
Zusätze  zu  der  Kreismikrometer-Abhandlung,  wofür  ich  nochmals  danke, 
gehen  heute  nach  Gotha  ab.  Haben  Sie  nicht  gehört,  ob  Lindenau 
mir  die  Medaille  überbringt? 

Den  Kometen^)  habe  ich  leider  nicht  aufsuchen  können;  alle  meine 
Maassregeln,  ein  dazu  passendes  Lokal  zu  finden,  sind  vergebens  ge- 
wesen, und  eins,  welches  mir  passend  zu  sein  schien,  war  es  nicht. 
Hoffentlich  aber  sehe  ich  ihn  bei  der  bevorstehenden  Abwesenheit  des 
Mondes,  wenn  nicht  die  hier  sehr  helle  Dämmerung  es  hindert. 

Ich  wünsche  Ihnen  desto  mehr  Glück  zu  Ihrem  Eintritt  in  das 
gesetzgebende  Corps,  da  ich  aus  Ihrem  Briefe  sehe,  dass  nur  eine  Eeise, 
nicht  ein  immerwährender  Aufenthalt  in  Paris,  die  Folge  davon  sein 
wird.  Die  Reise  wird  hoffentlich  Ilirer  Gesundheit  wohlthätig  sein,  und 
damit  ist  mir  ein  sehnlicherer  \\'unsch  gewährt,  als  Sie  immer  in 
Deutschland  zu  wissen.  Schreiben  Sie  mir  bald  etwas  Gutes  von  Ihnen 
und  denUirigen;  ich  selbst  machte  eine  lange  Pause,  die  Sie  mir  niclit 
entgelten  lassen  müssen. 


*)  Vergl.  Anmerkung  1  auf  S.  788.     Krni. 


Namen-Register. 


(Die  Kometen  sind  in  der  von  J.  G.  Galle  in  seinem  Verzeichniss  der  Kometenbahnen 
gewählten  Bezeichnung  gegeben.) 


AiRY,  Jupitertrabanten-Messungen  S.  601; 
Auszeichnung  durch  den  La  LANOK'schen 
Preis  S.  613. 

Albrkcht,  Amtsentsetzung  wegen  der  Pro- 
testation S.  (i(iO,  663—664,  682. 

r''ANGOs,  Konietenerdichtung  S.  51,  445. 
448—449,  451—453,  456.'" 

Arago,  Streit  mit  Zach  S.  171,  175,  177; 
Ausgleichung  von  Wiukelmessungen  S. 
199;  physische  Beobb.  am  K.  1835  ITI 
(Hallet)  S.  630;  Persönüches  S.  171,  409. 

Argelander,  Bewegung  des  Sonnensystems 
S.  149,  668,  669,  677—679,  680;  geplante 
Gradmes.sung  in  Lappland  S.  399. 

Assas-Montdardier,  Bestimmung  der  Pa- 
rallaxe und  Eigenbewegung  der  Sterne 
S.  187—188,  301—302. 

BAcnE,elektromagnetische  Maschinen  S.665, 
669;  Persönliches  S.  665. 

Baily.  Finstcrniss  von  Thales  S.  77;  Kom- 
parator  S.  645. 

Banks.  Persönliches  S.  50. 

Baumann,  Gehülfe  bei  der  Hannoverschen 
Gradme.ssung  S.  803,  338,  340  —  341, 
343—344,  869,  375. 

Beer,  Mondstudien  S.  655—657. 

Benzenberg,  YerAvuudung  bei  Versuchen 
über  Luftwider.'^tand  der  Geschosse  S.  289, 
478;barometrische  Höhenmessungen  S.548, 
549  —  553,  554,  555  —  559,  560  —  563, 
567—568:  Persönliches  S.  555,  572. 

Bessel,  Fuudamenta  astronomiae  etc.  S.  10; 
Bestimmung  der  Vergrösserung  von  Fern- 
rohren S.lo:Polhöhenunt erschied  zwischen 
Göttingen  und  Königsberg  S.  40,  275 — 
276,279—280,  301 ;  persönliche  Gleichung 
S.  85,  92 ;  Bewegung  des  Sonnensystems 


S.  150;  Bahn  des  K.  161 8  S.  203;  Unter- 
schiede in  den  Sterndekl.  S.  224,  286— 
287,468—469;  Pendelbeobb.  S.  238,  247; 
Präcession  S.  250,  457;  Pasqüich's  Eliren- 
rettung  S.  277,  289;  Gauss' IL  Berufung 
nach  Berlin  S.  297,  356;  Biegung  von 
Meridianfernrohren  S.  339 ;  Akademische 
Sternkarten  S.  857 — 358 ;  Ablehnung  eines 
Rufes  nach  Berlin  S.  377;  Reise  nach 
Hamburg  zur  Abholung  des  Pendel- 
apparats S.  377,  379,  390,  392  —  393; 
Länge  der  Toise  du  Perou  S.  413 — 414; 
Wahlanziehung  unter  den  Planeten  S.  446 ; 
Reduktion  trigonometrischer  Messungen 
S.  451;  geodätische  Linie  456;  Bestim- 
mung der  Theilungsfehler  des  Meridian- 
kreises S.  460,  466,  468;  Saturndurch- 
messer S.  585;  Schliessung  der  Königs- 
berger Sternwarte  wegen  Choleragefahr 
S.  575;  Jupitermasse  S.  605;  merkwürdige 
Ausströmung  am  HALLEv'schen  Kometen 
S.  630;  Störuugsrechnung  bei  Kometen 
S.  635;  Streit  mit  Encke'S.  679,  681. 

BL4.NCHI^^,  Venusflecken  S.  604 — 605. 

BiELA,  Entdeckung  des  K.  1822  I  S.  196; 
des  K.  1825  IV  S.  427;  des  K.  1826  I 
S.  443. 

BioT,  Polhöhe  von  Dünkirchen  S.  171;  Aus- 
gleichung von  Winkelmessungen  S.  199; 
Figur  der  Erde  S.  535;  Specifisches  Ge- 
wicht des  Sauerstoffes  S.  558,  561,  562. 

BoDE,  Jubiläum  S.  195,  196;  Tod  S.  462; 
Persönliches  S.  76,  233,  418,  718. 

BoGusLAWSKY,  Entdeckung  des  K.  1835  I 
S.  625,  627 ;  Sternschnuppen  S.  654. 

BoHNENBERGER,  Formcln  für  geodätische 
Rechnungen  S.  182,  186;  neue  Heliotrop- 
konstruktion   S.  428 ;    Bestimmung    des 


744 


Naraen-Keg-ister. 


Indexfehlers  und  Bericlitigung  der  Hori- 
zontalaxe  des  Meridiankreises  S.  439 — 440,  I 
459 ;  Nachfolger  in  seiner  Professur  S.573.  ! 

BoscovicH,  Lothablenkung  S.  506 — 507. 

BoüVAED,  Entdeckung  des  K.  1822  IV 
S.  202;  transuranischer  Planet  S.  631. 

BowDiTcii,  Übersetzung  von  La  Pläce's 
Himmelsmechanik  S.  623,  624,  626;  Per- 
sönliches S.  626. 

Bradley,   Aberration  und  Nutation  S.  10. 

Brandes,  Sternschnuppen  S.  417;  baro- 
metrische Höhenmessungen  S.  557,  559 ; 
Übersetzung  von  Newton's  Lebensbe- 
schreibung S.  604;  Tod  S.  608. 

V.  Breitschwert,  Leben  Kepler's  S.  614. 

Brendel,  Gauss'  Nachlass  über  die  Be- 
vi^egung  des  Sonnensystems  S.  162. 

Bbewster,  Newton's  Leben  S.  604. 

Brinkley,  Unterschiede  in  den  Sterndekl. 
S.  223—224,  286—287. 

Brisbane,  Gründung  der  Sternwarte  zu 
Paramatta  S.  96,  462. 

Browne,  brennender  Mondvulkan  S. 101-102. 

V.  Buch,  Gauss'  II.  Berufung  nach  Berlin 
S.  366—367,  372,  715—719. 

Bürg,  Mondtafelu  S.  77. 

Bürckhardt,  Tod  417. 

Cacciatore,  neu  entstandener  Nebelfleck 
S.  461 ;  vermuthliche  Beobb.  eines  neuen 
Asteroiden  S.  639. 

Cagnoli,  Figur  der  Erde  S.  187. 

Callan,  elektromagnetische  Maschinen  S. 
669—670,  673,  674—675,  679—681. 

Carlini,  Längengradmessung  in  Oberitalien 
S.  532—533,  535. 

Cassini,  Bedeckung  von  y  Virginis  S.  37. 

Catüregli,  Beobb.  des  K.  1822  III  S.  442. 

Cavendish,  Attraktion  von  Bleikugeln  S.650. 

Chladni,  Persönliches  S.  321. 

Clarke,  elektromagnetische  Maschinen  S. 
698. 

Clausen,  Längenbestimmung  aus  Stern- 
bedeckungen S.  257,  258;  Bestimmung 
von  Planetenbahnen  S.  258;  Theilungs- 
fehler  des  Göttinger  Mer.-Kr.  S.  466: 
Bahn  des  K.  18 19  III  S.  599;  des  K.  18 19 
IV  S.  18,  593,  594,  599;  Untersuchungen 
über  K.  1826  I  (Biela)  S.  443— 444,  449, 
461,  479;  Bahn  des  K.  1826  H  S.  437,  441. 

CooPER,  Kometentafel  S.  648. 

Cordter,  Zunahme  der  Wärme  nach  dem 
Erdinuern  S.  503. 

Dahlmann  ,  Anitsentsetzung  wegen  der 
Protestation  S.  660,  661—662.  687. 


Dalton,  Hypothese  für  die  Berechnung 
barometrischer  Höhenmessungen  S.  548, 
,5.50—552,  554,  558,  561,  563,  567. 

Damoiseau,  Haixeys  Komet  S.  239,  243, 
530;  Untersuchung  über  neuere  Kometen 
S.  479,  498. 

Daüssy,  Vesta-Tafeln  S.  385. 

Davenport.  elektromagnetische  Maschinen 
S.  693. 

Davy,  specifisches  Gewicht  des  Sauerstoffs 
S.  558. 

Delämbre,  Kometentafel  S.  166;  Tod  S.  209; 
Persönliches  S.  103. 

Deneken,  50.  Amtsjubiläiim  als  Senator 
S.  623;  Tod  S.  646. 

V.  DiNKLAGE ,  Charlotte ,  Verlobung  mit 
Olbers'  Sohn  S.  167—168.  170.  178,  191; 
Tod  S.  168. 

Dirichlet,  Privatdocent  in  Breslau  S.  479. 

DiRKSEN,  Gauss"  II.  Berufung  nach  Berlin 
S.  338,  345—346,  349,  358,  369—370. 
372—374,  377,  712,  714—715;  als  Nach- 
folger Thibaut's  vorgeschlagen  S.  597; 
Persönliches  S.  224. 

Drobisch,  Bestimmung  der  Erddichte  durch 
Pendelversuche  S.  486. 

DuMOUCHEL,  Beob.  des  K.  1835  HIiHalley) 
S.  631. 

DuNLOP,  Aufflndung  des  ENCKE"schen  K. 
1822  S.  36,  265;  Observator  der  Stern- 
warte zu  Paramatta  S.  462;  Beobb.  des 
K.  1833  S.  613;  des  K.  1834  S.  613. 

Eckhardt,  Vermessung  von  Hessen-Darm- 
stadt S.  269— 270. 

Encke,  Auszeichnung  durch  die  Hälfte  des 
La  LANDE'schen  Preises  S.  8,  11:  Nach- 
weisuiig  der  D'ANGos'schen  Kometener- 
dichtung S.  51,  445,448—449,451—453, 
456 ;  Versuche  mit  dem  Sextautenheliotrop 
S.  121  ;  Bewegung  des  Sonnensystems 
S.  161;  Goldene  Medaille  der  Londoner 
Astronomischen  Societät  S.265;  Pasqcich's 
Ehrenrettung  S.  277,  281— 282,  289:  Kuf 

'  nat;h  Berlin  S.  377,  384,  388,  413:  Stö- 
rungen der  Vesta  S.  442,  446;  Eeform 
des  Berliner  Jahrbuches  S.  463,  474,  509; 
Beobb.  der  magnetischen  Dekl.  S.  671, 
682;  Streit  mit  Bessel  S.  679,  681:  Streit 
mit  Steiniieil  S.  685,  686,  687 ;  definitive 

\  Bahn  des  K.  1808  l  S.  388:  Störungs- 
rechnung für  K.  1819  I  und  m  S.  11,  39; 
Untersuchungen  über  K.  1819  IV  S.  109; 
Elemente    des    K.   1822  I    S.  202;    Auf- 

:      suchungsephemeride     für     K.     1822  U 

:      (Encke)   S.    HO:    Bahn    des    K.   182411 


NauRu-Keirister. 


745 


S.  349:  BalinviTbfs.sL-niiii;  des  K.  1832  I 
(Encke)  S.  üO"). 

V.  E.NDK,  FeliltT  seiner  cliroiiüinetiischen 
Läntrenbestiiniminji-eii  im  Lünebiiriifi.scheu 
S.  564;  rersöiilielies  8.  47f). 

ErAiLLY ,  Vermessuiig-en  in  Ostfriesland 
S.  Kt— 11,  182,  \^i,  25Ö;  Triangulation 
Hannovers  S.  14 — 15,  l(i — 17,  tU,  (53,  (35, 
80,  83—84,  86—87,  172-173,  472;  Per- 
sönliches S.  16,  19. 

Ewald  ,  Verlobung  mit  Gauss'  Tochter 
Wilhelmine  S.  ")32,  534;  Verheirathung- 
S.  548,  54V);  Amtsentsetzung  wegen  der 
Protestation  S.  660,  661—662.  663—664, 
667,  668;  Sauskritstudien  in  England 
S.  663,  670;  Berufung  nach  Tübingen 
S.  667,  670,  675—676. 

Fabeicics,  Calendariuni  liistoricum  S.  593, 

594. 
Fallows,  Aiisreise  nach  dem  Kap  S.  93 — 94, 

96:  Lichterscheinung  im  dunklen  Theile 

des  Mondes  S.  222—223. 
Fayolle,  Reklamation  gegen  Gauss'  Disqu. 

gen.  circa  superficies  curvas  S.  508,  511. 
Fechner,  Psychophysisches  Gesetz  S.  91. 
Flamsteed,  Selbstbiographie  und  Verhält- 

uiss  zu  NeAvton  S.  464,  465. 
Flaugergües  ,    Fehler  bei  den  Beobb.  des 

K.  1811  I   S.  540;    Beobb.   des  K.  1826 

III  S.  469,  488. 
FocKE,  Ernennung  zum  Postdirektor  S.  273 ; 

Erkrankung  S.  567 ;  Persönliches  S  654. 
FouRiER,  Ausgleichung  von  Beobb.  S.  368, 

374,  384. 
Frisiani,  Italienische  Uebersetzung  der  Re- 
sultate aus  den  Beobb.  des  magnetischen 

Vereins  S.  701. 

Gai.le,  Kometenverzeichniss  S.51,  437,  648. 

Gambart,  Beob.  einer  aussergewöhnliclien 
Himraelserscheinung  S.  478 — 479  ;  Ent- 
deckung des  K.  1822  I  S.  196;  des  K. 
1822  IV  S.  202;  des  K.  1825  I  S.  405; 
Elemente  des  K.  1826  V  S.  463  —  464; 
Entdeckung  des  K.  1832  EI  S.  591;  des 
K.  1834  S.  613. 

Gauss,  Persönliches:  Beauftragt  mit  der 
Hannoversclieu  Gradmessung  S.  20;  Reise 
nach  Holstein  zu  Schumacheivs  Basis- 
luessung  S.  32;  Ernennung  zum  aus- 
Avärtigen  Mitgiiede  der  Pariser  Akademie 
S.  33;  beabsichtigte  Bewerbung  um  das 
Direktorat  der  projektirten  Hamburger 
Sternwarte  S.  81,  89,  118,  121—122;  I. 
Berufung  nach  Berlin  S.  711;  IL  Be- 
rufung   nach    Berlin    S.    81,    118,    122, 


144—145,  168—169,  170—171,  196,231, 
234,  235—236,  237—238,  244,  247,  249, 
252,  297,  305,  338,  345—346,  348,  349, 
353—356,  362—363,  366—370,  372—374, 
377,  481,  711 — 719;  Rckognoscirungs- 
reise  nach  dem  Holiehagen  S.  98;  Reise 
nach  Braunsclnveig  S.  126;  Reise  nach 
Amensen  für  die  Winkelniessnngen  auf 
dem  Hils  S.  126;  erste  Reise  nach  der 
Brockenstation  S.  133;  Reise  nach  Al- 
toua  zur  Uebernahme  des  Zenith-Sektors 
S.  142;  Mitglied  der  Akademie  zu  Boston 
S.  201—202,  239;  Sturz  vom  Pferde 
S.  236,  237 ;  Konfirmation  seiner  ältesten 
Tochter  "Wilhelmine  S.  237;  Reise  mit 
seinem  Sohne  Joseph  nach  Bremen  S.  250 ; 
erhält  den  Preis  der  Kopenliagener  So- 
cietät  für  die  Theorie  der  konformen 
Abbildungen  S.  252;  Pasquich's  Ehren- 
rettung S.  277,  285,  287  —  288,  289, 
292—293:  Krankheit  seiner  Frau  S.  303, 
348,  352,  467,  473,  486—487,  533,  563; 
sechswöchentlicher  Aufenthalt  in  Bremen 
S.  3S6;  Besuch  Olber's,  Repsolb's  und 
Schumacher's  auf  der  Dreieckstation 
Zeven  S.  343;  schwere  Erkrankung  seiner 
Frau  an  den  Masern  S.  365 ;  geplante  Zu- 
sammenkunft mit  Bessel,  Olbers  und 
Schumacher  S.  386, 388 — 395;  Zusammen- 
treff8n  mit  Bessel  in  Rotenburg  S.  394; 
Unfall  durch  Umwerfen  des  Wagens 
S.  394—395,  396;  Besuch  Olbers'  und 
Schumacher's  in  Zeven  S.  396,  397,  398, 
399;  Aufenthalt  in  Bremen  S.  402;  Durch- 
reise durcli  Bremen  S.  423,  429;  Reise 
nach  Süddeutschland  S.  427,  428;  Durch- 
reise Repsold's  und  Schümacher's  durch 
Göttingen  S.  467;  Besuch  Humboldt's 
S.  468,^469;  Besuch  Dirichlet's  S.  479; 
Aufenthalt  in  Altona  zum  Zweck  der 
Zenith-Sektorbeobb.  S.  484,  486;  Rück- 
reise über  Bremen  S.  486;  Eintritt  in 
die  Fakultät  und  den  Senat  S.  517;  Be- 
auftragung mit  der  Reguliruug  des  Han- 
noverschen Maass-  und  Gewichtswesens 
S.  517;  Reise  nach  Berlin  zur  Natur- 
forscherversammlung 1828  S.  517,  520; 
ni.  Berufung  nach  Berlin  S.  522,  719— 
728;  Besuch  Quetelet'sS.525;  Verlobung 
seiner  TochterWilhelraine  mit  Prof. Ewald 
S.  532,  534 ;  Reise  nach  Bremen  zur  Ein- 
schiffung seines  Sohnes  Eugen  nach  Ame- 
rika S.  546;  Hochzeit  seiner  Tochter  Wil- 
helmine S.  548,  549 ;  Tod  seiner  zweiten 
Frau  S.  573 — 574;  Besuche  Gerling's 
S.  579—580,  595,  650,   652;    Gründung 


746 


Namen-Register. 


der  Resultate  aus  deu  Beobb.  des  magne- 
tischen Vereins  S.  637;    Vorlesung   zur 
Jubiläumsfeier  S.  652,  653,  656,  658,  668, 
671, 700 — 701 ;  erhält  das  Kreuz  der  Ehren- 
legion S.  654 ;  Gerücht  von  einer  Über- 
siedlung   nach    Paris    S.  662,  664,  667; 
gejjlanter  Fortgang  von  Göttingen  S.  664 — 
665,  667,  668—669;  Besuch  John  Her- 
schel'sS.690  ;  Gehörbeschwerden S. 691 — 
692,  693,  697;  Geburt  eines  Enkels  S.  702, 
706 ;  Tod  seiner  Mutter  S.  705. 
Gauss,  Joseph,  Thätigkeit  bei  der  Hanno- 
verschen Vermessung   S.  307,  311,  325, 
341,426,526—527;  Eintritt  in  die  Han- 
noversche Armee  S.  346,  350,  441,   481, 
714;   Ernennung  zum  Artillerie-Officier 
S.  482—484,  487,  490;    Versetzung  zur 
reitenden    Artillerie  S.  590,   595;    Reise 
nach    Nordamerika    zum    Studium    des 
Eisenbahnwesens  S.  633,  634,  637 — 638, 
640—641;    Adjutant  S.  645;    Verlobung 
mit  der  Tochter  des  Medicinalraths  Ery- 
THROPEL  S.  648;  Tod  seines  zukünftigen 
Schwiegervaters  S.  652,  G53 — 654. 
Gauss,    Eugen,    Unterbringung   auf   dem 
Gymnasium   zu  Celle    S.  434,  447,  454; 
Beginn  des  juristischen  Studiums  S.  520; 
Flucht  aus  dem  Elternhause  S.  545 — 546; 
Auswanderung  nach  Amerika  S.  546,  547, 
549,  553,568,  569;  amerikanischer  Militär- 
dienst S.  576,  578,  596—597;  wird  Mis- 
sionars. 627—628;  Persönliches  S.  576 — 
580,  706. 
Gauss,  Wilhelm,    widmet  sich  der  Land- 
wirthschaft    S.    520,    536;    schwere    Er- 
krankungen S.  573,  702;  Veränderungen 
in  seiner  landwirthschaftlichen  Stellung 
S.  596,  (306 — 607 ;    Auswanderung  nach 
Amerika  S.  596,  606,  615,  644—645,  653. 
655,  659,  661,  666-667,  694,  696,  702— 
704;VerheirathungniitderNichteBESSEL's 
S.  644,  648. 
Gerling,    Vermessung  Kurhessens  S.  121, 
230,   648;    korrespoudirende  Beobb.   auf 
dem  Inselsberge  S.  236,  266;  in  Aussicht 
genommene  Berufung  nach  Göttingen  als 
Nachfolger  Mayek"s    S.  564,    als   Nach- 
folger Thibaut's  S.  597,   als  Nachfolger 
Webkr's    S.  683  — 684,  685;    Ruf  nach 
Tübingen   au  Bohnenberger's  Stelle  S. 
573;    Verbesserung    seiner    Stellung    in 
Marburg  S.  573,  575;  bearbeitet  die  pho- : 
tometrische  Preisaufgabe   der  Göttinger 
Societät    S.    581,    587,    616;     Läugen- 
bestimniung     zwischen    Göttingen    und 
]\I;innheim  S.  648-649. 


Gervinus,  Amtsenthebung  wegen  der  Pro- 
testation S.  660,  661—662. 

Gilbert,  Tod  S.  290. 

Gildemeister,  Beob.  der  Sonnenfinstemiss 
1820  S.  35;  Vermessung  des  Bremischen 
Gebiets  S.  178,  181,  185;  Rekognoscirung 
der  Umgebung  Bremens  S.  174,  176, 
178-179,  250,  254,  256,  257;  Anschluss 
Bremens  an  die  Hannoversche  Triangula- 
tion S.  245,  293,  4S9— 492;  Tod  S.  646. 

Göschen,  Tod  S.  651,  653. 

(toldschmidt,  Observator  in  Göttingen 
S.  614;  Beob.  einer  merkwürdigen  Aus- 
strömung aniHALLEY'schenKometenS. 628. 

Grimm,  Jakob  und\Vn>HELM,  Amtsenthebung 
wegen  der  Protestation  S.  660,  661 — 662. 

Gküithuisen,  Mondbeobb.  S.  321,  457,  470; 
5.  Stern  im  Trapez  des  Orion -Nebels 
S.  509;  Aussicht,  in  Soldner's  Stelle  ein- 
zurücken S.  600,  610;  elektromagnetische 
Maschinen  S.  694—695,  696,  699,  728— 
729;  Verwendung  des  Elektromagnetis- 
mus für  Heilzwecke  S.  729;  Persönliches 
S.  509,  613,  616. 

Hall,  Beobb.  des  K.  1821  S.  188,  226. 

Hansen,  astronomische  Bestimmung  der 
Länge  und  Breite  Bremens  S.  396,  398 ; 
Bestimmung  der  Polhöhe  der  Seeberger 
Sternwarte  S.  507;  Elemente  des  K.  1823 
S.  273;  Identität  des  K.  1825  IV  mit 
K.  1590  S.  431;  Bahn  d  s  K.  1825  IV 
S.  430,  435. 

Hansteen,  Untersuchungen  überden  Magne- 
tismus der  Erde  8.  12. 

Harding,  Beob.  der  Sonnenlinsterniss  von 
1820  S.  33;  scheibenförmiger  Anblick  von 
Doppelsternen  S.  503 — 504 ;  Stellung  einer 
photometrischen  Preisfrage  S.  519 — 520; 
Tod  S.  606,  608 ;  Besetzung  seiner  Stelle 
S.  608—609,  613,  614;  beabsichtigte 
Herausgabe  seines  Lebens  und  Nachlasses 
S.  686,  688,  689 ;  Entdeckung  des  K.  1S25 
n  S.  430;  Auffindung  des  K.  1S25  lU 
(Encke)  S.  389,  427;  Beobb.  des  K.  1820 
n  S.  439;  des  K.  182;  III  S.  491:  des 
K.  1^32  1  S.  592;  Entdeckung  des  K. 
1S32  n  S.  591. 

Hardy,  Pendeluhr  S.  440,  454,  459:  vir- 
kehrtes  Pendel  S.  544,  545. 

Hartmann,  Lieutenant,  Antheil  an  der 
Hannoverschen  Vermessung  S.  104,  112 — 
113,  125.  199,  213.  347,  397,  401,  526, 
543. 

Hart.mann-.  General.  Ernennung  Joseph 
Gauss"  zum  (U'dcier  S.  482 — 184. 


Nanien-Rei,'ister. 


747 


Hkkben,  Persönlicliea  >.  .>.»>,  oi-«. 

HtiNuicH,  Vorübergaug  des  K.  iSio  II  vor 
der  Sonue  S.  359. 

He.sdkrsus,  Beobb.  des  K.  1832  I  (Enckk) 
S.  594,  005:  Elemente  des  K.  1833  S.  613. 

Hekschel,  Wiu.ia.m,  Doppelsterne  8.25,26, 
30 — 31 ;  Grössenschätzung  der  Fixsterne 
S.  89 — 90,  115;  Eigenbewoguug  des 
Sonnensystems  S.  155,  166. 

HfiRscHEL.  Jon>-,  Feldbeleuchtung  bei  Feru- 
rohren  durch  blaues  Licht  S.  436;  Ex- 
ceutricität  des  Saturn  ip  seinen  Ringen 
S.  514;  Beobb.  des  K.  1832  m  (Biela) 
S.  594;  Verbreitung  magnetischer  Beobb. 
aui  der  südlichen  Halbkugel  S.  690 ;  Per- 
sönliches S.  344. 

Hekschel,   Cabolixe,   Persönliches  S.  344. 

Hoi'PENSTEDT,  Anscliluss  der  Hannoverschen 
Vermessung  an  die  KKAVENuoFF'sche 
S.  239—240,  283,  2b9 ;  Verbesserung  von 
Gauss'  Stellung  in  Göttiugeu  S.  354; 
Gauss'  U.  Ruf  nach  Berlin  S.  377;  Per- 
sönliches S.  229. 

HüPEDEN,  Persönliches  S.  434 — 435,  478. 

V.  Humboldt,  Alexaj^dee,  besucht  Gauss 
S.  468;  Rückkehr  nach  Berlin  1826  S. 
472,  474,  477;  Gauss'  I.  Berufung  nach 
Berlin  S.  711;  Gauss'  HE.  Berufung  nach 
Berün  S.  522,  719—723,  726,  727;  Ueber- 
setzung  der  Anzeige  der  Inteusitas  etc. 
S.  594;  Mittheilungen  über  Erdmagnetis- 
mus S.  610;  Brief  an  den  Herzog  von 
Sussex  S.  643;  Theilnahme  an  der  Göt- 
tiuger  Jubiläum-sfeier  S.  650,  602;  Auf- 
forderung zu  magnetischen  Beobb.  wäh- 
rend der  Stemschnuppenperiode  Nov.  1837 
8.  654;  Persönliches  S.  721,  722. 

Jacobi,  M.  H.,  Anwendung  des  Elektro- 
magnetismus zum  Kraftbetrieb  S.  659, 
688,  689,  705. 

Inghirami,  Beobb.  des  K.  182 1  8.  94; 
Beobb.  des  K.  1825  H  8.  435. 

Ivoßy,  neue  Refraktionstheorie  S.  123; 
Theorie  der  Parallellinien  8.  197,  476; 
Figur  der  Erde  S.  328,  468,  470,  495—  | 
498,  507—508;  geodätische  Linie  S.  339, 
342,  456;  Methode  der  kleinsten  Qua- ^ 
drate  S.  384,  468,  470—471,  473,  475— 
476;  erhält  die  goldene  Medaille  der 
Londoner  Societät  S.  468;  Persönliches 
S.  197,  474,  486. 

Katek,  Beoh.  eines  brennenden  Mondvul-  j 
kans  S.  77,  131  — 132:Pöndelbeobb.  8.238.  ! 


Keil,  elektromagnetische  Maschinen  8.  694, 
699,  728 — 729;  Iiiduktionsappanit  zum 
medicinischeu  Gebrauch  8.694,  696,  729; 
Persönliches  S.  728. 

Kepler,  Lebensbeschreibung  durch  Breit- 

SCHWF.RT   8.  614. 

KiTCHiNER,  Pancratic  Eye-Tube  8.  50. 

Kleist,  Vermessung  des  Bremischen  Ge- 
bietes 8.  178,  1^5. 

Klüver,  Betheiligung  an  der  Hannover- 
schen Vermessung  8.  240,  241—243,  292, 
293,  294,  295,  299,  300,  303,  307,  319, 
322,  369,  375,  385,  387,  391—392,  397, 
401;  Bahnbestimmung  des  K.  1826  in 
8.  529—530,  538—539,540;  des  K.  1827 
m  8.  493;  Persönliches  8.  216—217,  269. 

Kmeth,  Observationes  astronomicae  8.  132; 
Beschuldigung  Pasqüich's  S.  277 — 278, 
281—282,  284—285,  288—289,  290,  296, 
305,  309—310. 

Köhler,  Anstellung  als  Gehülfe  bei  der 
Hannoverschen  Vermessung  S.  292,  294 — 
295. 

Krayeneoff,  Vermessungen  in  Holland 
und  Ostfriesland  8.57,  173—174,  183; 
zu  grosse  Abplattung  bei  Beroclniuug 
seiner  Dreiecke  8.  105;  Azimuthmessun- 
gen  8.  186;  Recension  seines  Werkes 
über  die  holländische  Vermessung  8.  220 ; 
Fehler  in  Krayenhoff's  Messungen  8. 
268—269,  329,  331,  433—434,  454—456; 
Messungen  um  Jever  8.  413;  Persön- 
liches S.  429,  431,  436,  440. 

Kulexkamp,  Tod  des  Ehepaares  8.  600. 

KuLEXKAiip,  Adolf,  Austeilung  als  Ge- 
hülfe bei  der  Hannoverschen  Vermessung 
S.  228—229,  232,  240;  Eintritt  in  das 
preussische  Heer  8.  245;  Persönliches 
8.  224—225. 

KuxowsKY,  auffällige  Erscheinung  auf  der 
Sonne  8.  360. 

Liaxgenbeck,  Verhandlung  wegen  der  Göt- 
tinger Sieben  8.  664. 

Langsdokf,  Reise  nach  Brasilien  S.  142. 

La  Place,  sur  la  diminution  du  jour  S.  85; 
Figur  der  Erde  S.  165,  328,  468;  Er- 
krankung am  Nervenfleber  8.  470,  472, 
474;  Tod  S.  477;  Theorie  der  Kapilla- 
rität 8.  517. 

Lecoq,  Fehler  in  den  westfälischen  Läugeu- 
bestimmungeu  8.  534. 

Legendee,  Lehrsatz  über  sphärische  Drei- 
ecke 8.  433,  467. 

Lehmann,  Bahn  des  K.  1835  m  S.  630 — 
631. 


748 


Namen-Reffister. 


Liebherb,  Uhr  der  Göttinger  Sternwarte 
S.  2,  15—16,  99—100. 

V.  LiNDENAU,  wird  Minister  S.  2;  Gauss' 
zweite  Beriifung'  nach  Berlin  S.  234,  237, 
247,  252,  297,  359,  302,  367.  372,  711, 
712 — 714;  Sächsischer  Gesandter  in  Eng- 
land S.  463;  Gesandter  beim  deutschen 
Bundestage  S.  469,  499. 

LippERSHEY,  Erfinder  des  Fernrohrs  S.  575. 

Listing,  Nachfolger  Weber's  S.  684,  685, 
704;  Persönliches  S.  705. 

V.  LiTTROw,  Jos.  JoH.,  Beob.  des  K.  1821 
S.  88:  Beschuldigung  Pasqcich"s  S.  277, 
278,  281—282,  284—285,  290,  298;  Per- 
sönliches S.  293,  297. 

V.  LiTTROw.  Karl  Ludwig,  Herausgabe 
der  HELL"scheu  Beobb.  S.  613 — 614. 

LoHRMANN,  Mondtopographie  S.  442;  Per- 
sönliches S.  545. 

Lübsen,  Persönliches  S.  538. 

LuLOFs,  Reduktion  des  Meter  auf  rhein- 
läudische  Fuss  S.  182. 

Mädler,  Mondstudien  S.  655 — 657. 

Maskelyne,  Meridianunterschiede  ausMond- 
Rektascensionen  S.  227. 

Maupertuis,  Lappländische  Gradinessung 
S.  59,  66. 

Mayer,  Tobias  (Physiker),  Tod  S.  563; 
Wiederbesetzuug  seiner  Professur  S.  564, 
568,  575,  577;  magnetische  Dekl.  Göt- 
tingens S.  632. 

MfiCHAix,  Elemente  des  K.  1790  III  S.  417; 
Beohh.  des  K.  1780  I  S.  494. 

Meister,  Lehre  von  dem  Flächeninhalt  der 
Figuren  S.  432. 

Mende,  Persönliches  S.  230—231,  232—233. 

Menz,  Dänische  Vermessung  S.  255;  Per- 
sönliches S.  405,  409. 

Messier,  2  Bedeckungen  von  7  Virginis 
S.  37—38;  Beobb.  des  K.  1780  I  S.  494. 

Metius,  Jacob,  Erfinder  des  Fernrohrs 
S.  575. 

Moll,  Erfindung  des  Fernrohrs  S.  575. 

Mossotti,  Beobb.  des  K  1832  I  (Encke) 
S.  592. 

V.  MüFFLiNG,  Differenzen  in  seinen  Ver- 
messungen S.  129,  142,  150,  264,  270— 
271;  Gestalt  der  Erde  S.  244;  Gauss' 
II.  Berufung  nach  Berlin  S.  118,  234, 
237,  247,  252,  359—360,  367,  372—374, 
711,  712—714,  716. 

Mühlenbruch,  Audienz  beim  Könige  von 
Hannover  S.  676;  Persönliches  S.  673, 
675,  683. 

MiJLLER  (Hauptmann),  Antheil  an  der  Han- 


noverschen Vermessung  S.  104, 120.124 — 
126,  129—130,  134,  189—190,  192, 198— 
199,  204—207,  210,  212—213,  251—253, 
256,  .303—305,  307—308,  319,  322,  325, 
331,  34.3—344,  526,  543—544:  Reise 
nach  England  S.  459. 
MuNCKE ,  barometrische  HöhenmessuDgen 
S.  557,  559,  562. 

Nehus,  gemeinschaftliche  Beobb.  am  Ze- 
nith-Sektor  mit  Gauss  S.  481. 

Newton,  Verhältniss  zuFlamsteed  S.  464 — 
465:  Lebensbeschreibung  durch  Brewster 
S.  604. 

Nicolai,  Unterschied  in  der  Schiefenbestim- 
mung der  Ekliptik  S.  3 ;  Elemente  des 
K.  1821  S.  74,  81,  86;  Elemente  des  K. 
1825  I  S.  417. 

Nicollet,  Entdeckung  des  K.  1821  S.  59; 
Elemente  desselben  S.  102:  Elemente  des 
K.  1822  I  S.  202. 

Nürnberger,  Betrachtungen  über  die  Me- 
thode der  kleinsten  Quadrate  S.  477,  480. 

Oerstedt,  Besuch  in  Altona  S.  485;  Er- 
richtung eines  magnetischen  Observa- 
toriums in  Kopenhagen  S.  607. 

Oesterley,  Fortsetzung  der  Pütter-Saal- 
FELü'schen  Geschichte  der  Göttinger  Uni- 
versität S.  671. 

Olbers,  Persönliches:  Tod  seiner  zweiten 
Frau  S.  1;  Niederlegung  der  ärztlichen 
Praxis  S.  51 ;  Schreiben  La  Place's  wegen 
Olbers'  Vorlesung  über  den  Mondeinfluss 
auf  das  Wetter  S.  102;  Besuche  der  Pro- 
fessoren Brandes  und  Dirksen  S.  189, 
524;  Verlobung  seines  Sohnes  S.  167, 
168,  191:  Wahl  seines  Sohnes  zum  Syn- 
dikus S.  178;  Mitglied  der  Akademie  zu 
Boston  S.  202;  Anstellung  seines  Neffen 
A.  KuLENKAMP  bei  der  Hannoverschen 
Gradmessung  S.  224,  225,  228—229,  232, 
240:  Mitglied  der  Edinburger  Akademie 
S.  239;  Eintritt  seines  Neffen  A.  Kulen- 
KAMP  in  preussische  Heeresdienste  S.  245; 
Besuch  Oerstedts  S.  258:  Pasquich's 
Ehrenrettung  S.  277,  289:  Erkrankung 
S.  309:  besucht  Gauss  auf  der  Dreieck- 
station Zeven  S.  343,  396,  398,  399:  Er- 
nennung zum  Ritter  vom  Danebrog-Orden 
S.  389,  390;  Besuch  Bessel's,  Repsold's, 
Schumacher's  und  Thune's  in  Bremen 
S.  393 — 396;  Wahl  seines  Sohnes  zum 
Senator  S.  427:  Besuch  Repsolds  und 
Schumacher's  in  Bremen  S.  447;  Über- 
lassung   des    pRAUNHOFER'schen    Hello- 


Nnmon-Reffister. 


•10 


iiietcrs  an  die  Ilamlmrirer  Sternwarte 
S.  4<>2;  Ankauf  eints  FuArNiioi-KK'schen 
Aequatoreals  S.  4ti'_';  Sondunf;;  seines 
Solines  nach  Brasilien  S.  465;  Benennung' 
eines  Urenier  Auswanderersdiiffes  zu 
Oi.BKKs"  Ehren  S.  51ö— 016,  645,  C47; 
Hesuch  Qcetelet's.  Repsold"s  und  St  hü- 
macuek's  S.  524;  schwere  Erkrankung  am 
Stickfluss  S.529:  Besuch  Ki  mkeh's  S.  531 ; 
Besuch  Gerling's  und  Enikks  S.  553, 
554;  fünfzigstes  Doktorjubiläum  S.  556, 
563—564,  565 ;  Verzeichniss  seiner  Mit- 
gliedschaften von  Akademien  und  ge- 
l.'lirten  Gesellschaften  S.  559,  56U,  562; 
Träirung  von  Medaillen  auf  ihn  S.  565, 
566;  Verlobung  seines  Enkels  Wilhelm 
FocKE  8.  579;  schwere  Erkrankung  an 
Schwindelanfällen  S.  582—583,  585—586; 
Besuch  von  South  und  Tiakks  S.  592; 
Geburt  seines  ersten  Urenkels  Wilhelm 
Olkeks  Focke  S.  611;  Hochzeit  seiner 
Enkelin  Malvina  Focke  S.  632;  Besuch 
des  jungen  Brandes  S.  646;  Besuch  John 
Herschel"s  S.  690,  692;  Organisation  von 
Sternschnuppen  Beobb.  in  Bremen  S.  693, 
695 :  Zahl  seiner  Urenkel  und  Urenkelinnen 
S.  70O;  Tod  S.  707. 
Oltmanns,  Geographie  des  Königreichs  Han- 
nover S.  58,  65  —  66;  Finsterniss  von 
Thales  S.  76 — 77;  Landesvermessung 
Hannovers  S.  81 ;  Vermessung  Ostfries- 
lauds  S.  84;  Gehülfe  bei  der  Hannover- 
schen Gradmessung  S.  84;  Professor  in 
Berlin  S.  348,  363,  365;  Mitglied  der 
Berliner  Akademie  S.  413. 

Parrot,  magnetische  Beobb.  am  Nordkap 
S.  649. 

Pasqüich,  Beschuldigung  der  Erdichtung 
von  Beobb.  und  Ehrenrettung  8.  277  — 
278,  281—2^2,  284—285,287—290,292— 
293,  296-298,  309—310;  Absetzung  als 
Direktor  der  Ofener  Sternwarte  S.  293, 
294;  Persönliches  S.  321,  365. 

Pastorff,  Vorübergang  des  K.  1819  II  vor 
der  Sonne  S.  358 — 359 ;  Photosphäre  der 
Planeten  S.  360. 

Peters,  Bahn  des  K.  1825  IV  S.  430;  des 
K.  1826  III  S.  529,  539—540. 

Pingr£,  über  angebliche  Erdichtung  von 
Kometenbeobb.  S.  116. 

Piper,  Herausgabe  von  Harding's  Leben 
und  Nachlass  S.  686,  688-689. 

Plana,  Längengradmessung  in  Oberitalien 
S.  532,  533,  585. 

PoGGENDORFF,     Ucbcrsetzung    der    luten- 


sitas  vis  magneticae  S.  601;  Persönliches 
S.  257. 

PoGsON,  Stufenwert  der  ( irössenklassen  der 
Fixsterne  S.  91. 

PoissoN ,  Wahrscheinlichkeitsrechnung  S. 
870;  Figur  der  Erde  S.  468,  495;  Ka- 
pillaritätstheorie S.  572;  Erdmagnetismus 
S.  689,  690;  Persönliches  S.  409. 

PoND,  Läugenbestimniung  aus  Mondrektas- 
censionen  S.  227;  Polhöhenschwankungen 
S.  264—265,  269;  Deklinationsunter- 
schiede S.  286 — 287 ;  Auszeichnung  durch 
die  goldene  ^ledaille  der  Londoner  Astro- 
nomischen Gesellschaft  S.  287. 

Poxs,  Beobb.  des  K.  1808  I  S.  259;  Ent- 
deckung des  K. 1821  S. 59;   des  K. 1822 

I  S.  196,  219;  des  K.  1822  IV  S.  202, 
208,  219,  221;  des  K.  1825  II  S.  430, 
485;  des  K.  1825  IV  S.  427;  des  K.  1826 

II  S.  437;  des  K.  1827  III  S.  491. 
Pont:6coulant,    Untersuchungen    über  die 

Bahn  des  HALLEv'schen  Kometen  S.  622, 
634—635. 
PuissANT,  Beziehung  zwischen  Abplattung 
und    geographischen   Koordinaten    eines 
Ortes  S.  186—187. 

QuETELET,  Uebersetzung  der  Resultate  aus 
den  Beobb.  des  magnetischen  Vereins  ins 
Französische  S.  665,  701. 

Bamond,  barometrische  Höhenmessungen 
S.  558,  561,  562. 

Reichenbach,  Aenderung  am  Reichenbach- 
schen  Mer.-Kr.  der  Göttinger  Sternwarte 
S.  2,  5;  optische  Kraft  seiner  Fernrohre 
S.  5,  13—14,  25;  Theodolithe  S.  29-30, 
44,  52—53 ;  Theiluug  von  Kreisen  S.  132 ; 
vom  SchlaganfaU  betroffen  S.  348;  Per- 
sönliches S.  30. 

Reimers,  Persönliches  S.  657 — 658. 

Repsold,  Johann  Georg,  Meridiankreis  der 
Göttinger  Sternwarte  S.  8;  Pendeluhr 
S.  15;  Reverbere  S.  44,  53,  74,  105,  107; 
Heliotrop  R. "scher  Konstruktion  S.  143; 
Tod  S.  530—531,  532;  Ablesemikroskop 
zum  REicHENBACH'schen  Mer.-Kr.  S.  532; 
Persönliches  S.  532. 

Ritz,  auffällige  Erscheinung  auf  der  Sonne 
S.  360. 

Rosenbergee,  K.  1821  S.  226;  Untersuchun- 
gen über  die  Bahn  des  HALLEv'schen 
Kometen  (1835  IH)  S.  622,  630—631, 
634—635. 

RüMKEE,  Ausreise  nach  Paramatta  S.  96, 
110;  Beobb.  zu  Paramatta  S.  202—203; 


750 


Namen-Register. 


Absetzung  als  Astronom  daselbst  S.  324; 
Rückkehr  nach  Europa  S.  531,  535,  554; 
Direktor  der  Hamburger  Sternwarte  S. 605; 
Elemente  des  K.  1821  S.  93;  Beobb.  des 
K.  1822  II  (Encke)  S.  231,  233;  des  K. 
1822  IV  S.  222;  Entdeckung  des  K.  1824 
I  S.  370;    Beobb.   des  K.  1825  I  S.  450. 

Sabine,  Englische  Uebersetzung  der  Resul- 
tate aus  den  Beobb.  des  magnetischen 
Vereins  S.  701;  magnetische  Beobb.  in 
den  englischen  Kolonien  S.  706. 

Santini,  Beobb.  des  K.  1821  S  94;  Bahn 
und  Vorausberechnung  des  BiELA'schen 
Kometen  S.  586,  010. 

ScuEiTHAUEB,  Entdeckung  des  K.  1824  II 
S.  339. 

ScHELLiNG,  Persönliches  S.  610,  613,  616. 

ScHEüBLER,  Untersuchungen  zum  Erdmagne- 
tismus S.  610. 

Schmidt,  Bestimmung  der  Figur  der  Erde 
aus  Gradmessungeu  S.  507,  510;  Nach- 
folger Bohnenbekger's  in  Tübingens.  57  7; 
Bahn  des  K.  1825  IV  S.  431;  des  K. 
1827  m  S.  495. 

Schnürlein,  Bahnverbesserung  des  K.  1822 
IV  S.  219,  221. 

Schroeteb,  Nebliges  Aussehen  von  Ceres 
und  Pallas  S.  452,  657;  Zuverlässigkeit 
seiner  Mondbeobb.  S.  656—657,  658. 

Schubert,  Beobb.  des  K.  1808  I  S.  259. 

Schumacher,  Krümmung  der  Mikrometer- 
fäden S.  3,  7—8;  Begründung  der  astro- 
nomischen Nachrichten  S.  96,  100,  103; 
Art  von  Heliotrop  bei  der  Basismessung 
S.  144;  Bode's  Jubiläums.  195;  Begrün- 
dung der  astronomischen  Abhandlungen 
S.  203;  dänische  Gradmessung  S.  227, 
375,  378;  Verbindung  Hamburgs  mit 
Punkten  der  Ostsee  S.  230;  Abweichung 
der  astronomisch  und  geodätisch  be- 
stimmten Breite  von  Altena  und  Ham- 
burg S.  263,  264,  265;  Aufforderung  zur 
Veröffentlichung  geodätischer  Messungen 
S.  26S;  Pasqüich's  Ehrenrettung  S.  278, 
289,  296 ;  Längenbestimmung  auf  Helgo- 
land durch  Chronometer  S.  287,  298,  301, 
306,  323;  Aufenthalt  in  Kopenhagen 
S.  306,  384;  astronomische  Bestimmung 
der  Länge  und  Breite  Bremens  S.  396, 
398,  448,  450;  Erkrankung  S.  460;  astro- 
nouüsclie  Hilfstafeln  S.  474;  Reise  nach 
Künig.sberg  S.  509;  Gauss' III.  Berufung 
nach  Berlin  S.  522,  719,  720—722,  723, 
724,  725,  726,  727;  Abdruck  der  Inten- 
sitas  vis  magneticae  in  den  A.  N.  S.  595; 


Aufforderung  der  italienischen  Astro- 
nomen zu  Venusbeobb.  S.  604 — 605;  Beob. 
von  Catüregli  des  K.  1822  HI  S.  442; 
Beob.  des  K.  1825  I  S.  405;  Persönliches 
S.  121,  247. 

Schwabe,  Physische  Beobb.  am  Halley- 
schen  Kometen  1835  S.  630. 

Scoresby,  kün.stliche  Magnete  S.  689,  690. 

Seyffarth,  ägyptische  Astronomie  S.  603, 
604. 

Shelton,  Pendel-Uhr  S.  16,  100.  454. 

Sillymann,  elektromagnetische  Maschinen 
S.  665. 

Soldner,  Unterschied  bei  der  Schiefe 
der  Ekliptik  S.  3;  Vermessung  Bayerns 
S.  270;  wird  zum  Nachfolger  Tralles" 
vorgeschlagen  S.  367 — 368;  Besetzung 
seiner  Stelle  S.  600,  610. 

V.  Sommer,   Persönliches  S.  220,  235,  538. 

SoüTH,  excentrische  Lage  des  Saturn  in 
seinen  Ringen  S.  514. 

Stanley,  elektromagnetische  Maschinen 
S.  665,  669. 

Starke,  Vorübergang  des  K.  18 19  11  vor 
der  Sonne  S.  359. 

v.  Staudt,  Elemente  des  K.  182 1  S.  79, 
86,  91;  Persönliches  S.  188,  226,  229. 

V.  Steinheil,  Konstruktion  eines  neuen 
Photometers  (Göttinger  Preisaufgabe) 
S.  581,  616,  622,  624;  Magnetische  Beobb. 
S.  682;  zum  Nachfolger  AVeber's  vorge- 
schlagen S.  083—684,  685;  Streit  mit 
Encke  S.  685,  686,  687. 

Strüve,  Besuch  in  Göttingen  S.  25;  Beob. 
der  Sounenfinsterniss  von  1820  S.  33; 
Etudes  d'astrouomie  stellaire  S.  161; 
Beob.  d.  Saturntrabanten  S.  478;  excen- 
trische Lage  des  Saturn  in  seinen  Ringen 
S.  509,  514;  5.  Stern  im  Trapez  des 
Orion-Nebels  S.  509;  Beobb.  am  Encke- 
scheu  Kometen  S.  523;  Bestimmung  des 
Jupiter-Durchmessers  S.  605. 

Stbuyck,  Distanz  des  Doppelsterns  y  Vir- 
ginis  S.  24,  37 — 38;  Jupiterbedeckung 
von  755  S.  38. 

SüssEX,  Herzog  von.  Geschenk  einer 
HAKDY'schen  Pendel-Uhr  und  eines  ver- 
kehrten Pendels  an  die  Göttiuger  Stern- 
warte S.  440,  544. 

Svanberg  ,  Lappländische  Gradmessuug 
S.  59,  66. 

Thibaut,  Wiederbesetzung  seiner  Professur 

S.  597. 
Thune,  sphäroidische  Trigonometrie  S.  185; 

Tycho's  Beobb.  der  K.  1 590  u.  1596  S.  399. 


Nami'ii-Reijfister 


TiAKKs.     i-lirüiioiuetrisclie     Läiiirenbi-.stim- 
imuii^en    S.  2-^7,    'iHS.   301.   3üH;    Nach- | 
foljjfer  Thibaut's  iu  Güttinffen  S.  597.      j 

TiTTKL,  Diroktitr  der  Ofeiier  Sternwarte 
S.  3t».">. 

Trai.kks.  Toil  S.  J-ifi:  l'endelbeobb.  S.  238; 
baroinetrisdie  Höheninessiuiiren  S.  557, 
558 — 559.  5»>7;  Persönliches  S.  711,  718 — 
719. 

Trevirasus,  Anstelluuir  als  Gehülfe  bei  der 
Hannoverschen  Gradniessnng  8.  23,  29, 
49.  50—51,  52:  zur  Kon.struktion  des 
Heliotrops  S.  49. 

Tycho  uk  Brake.  Beob.  der  K.  1590  und 
1  5«)6  S.  399. 

Ulrich.  Tiieilnahme  an  den  ersten  helio- 
tropischen Versuchen  S.  112:  rcrsönliohes 
S.  121. 

Valz,  Wiederauffindung:  des  K.  1825  III 
(Encke)  S.  389.  427. 


fit;:.  Ulis.  CTti,  HS2— 684,  H85;  Kei.se 
niuh  Berlin  S.  «70— «i71.  682:  Induk- 
tionsapparate für  physiologische  Wir- 
kung^en  S.  696;  Induktionsinklinatoriun» 
8.  697,  698:  Persönliches  S.  683. 

WuEWELL,  Bestimmung  der  Erddiclite  aus 
Pendelbeobb.  S.  486. 

WiLKENs,  magnetische  Dekl.  in  Göttingen 
S.  631—632. 

WiNNECKE,  Identität  des  K.  1858  mit  K. 
1819  III  und  K.  1700  n  S.  599. 

WisNiiiwsKi,  Beobb.  des  K.  1808  I  8.  259. 

Wolf,  F.  A.,  Tod  S.  33^,  712,  717. 

Wkonski,  neue  Theorie  der  Refraktion 
8.  97:  Figur  der  Erde  S.  183;  Persön- 
liches 8.  18,  94—95,  219,  223. 

Young,  Sternwarte  am  Kap  S.  3;  elemen- 
tary  illustratious  of  La  Place's  me- 
chanics  S.  171;  Längenbestimmung  auf 
Helgoland  durch  Chronometer  8.  298; 
geodätische  Linie  S.  456. 


Wallteck.  Besuch  in  Göttingen  S.  25;  Be- 
obachtung der  Sonnenfinsterniss  von  1820 
S.  33:  persönliche  Gleichung  S.  85,  92; 
Erddimensionen  S.  182,  184,  333,  471; 
Beob.  des  K.  1821  S.  HS;  Tod  8.  226,  229. 

Watkins,  elektromagnetische  ^Maschinen 
S.  681—682,  688,  690. 

Weber,  Wilhelm,  erhält  die  Professur 
Tobias  Maver's  S.  577;  Betheiligung  an 
der  absoluten  Intensitätsbestimmung  des 
Erdmagnetismus  S.  585,  586,  588,  590; 
Mechanismus  des  Gehens  S.  597 ;  Redak- 
tion der  Zeitschrift  „Resultate  aus  den 
Beobb.  des  magnetischen  Vereins"  S.  637, 
660;  Amtsenthebung  wegen  der  Pro- 
testation   8.  660,    661—662,    663—664, 


V.  Zach,  Fehler  in  der  Länge  Bremens 
S.  56,  174;  augebliclie  Erdichtung  von 
Kometenbeobb.  S.  116;  Differenzen  in  der 
Bestimmung  der  Brocken-Polhöhe  S.  129, 
284;  Polyeder -Heliotrop  S.  153,  160; 
Sonnenfinsterniss  zu  Bologna  S.  167 ;  Streit 
mit  Abago  S.  171,  175,  177;  Genauig- 
keit seiner  Längenbestimmungeu  S.  174, 
177,  186;  Beschuldigung  Pasquich's 
S.  277—278,  231—282,  284—285,  288— 
290,  296,  305;  Fehler  in  der  römischen 
Kalenderrechnung  S.  370;  Erkrankung 
an  Blasensteinen  S.  469,  499,  531,  554; 
Beobb.  des  K.  1808  I  S.  259;  Persön- 
liches S.  42,  51—52,  167,  171,  177,  277, 
310,  312,  344. 


Sach-Register. 


Aequatoreal,  Bestimmung-  der  Korrek- 
tionselemente  S.  278,  281-282,  296. 

Allgemeine  Theorie  des  Erdmagne- 
tismus, S.  695,  701,  705. 

Ausgleichungsrechnung,  S.871,  374 — 
375,  380—381,  384. 

Basismessung,  Seeberger  Basis  S.  173, 
177,  267,  270,  272;  Basis  von  Melun 
S.  173,  177;  Schumachers  Basis  in  Hol- 
stein S.  267;  Darmstädter  Basis  S.  270. 

Bewegung  des  Sonnensystems,  Ol- 
BERs'  Untersuchungen  S.  140 — 141, 151  — 
153;  Gauss'  Untersuchungen  S.  147  — 
150,  154—156,  157—160.  161—163,  166. 
668,676—679,  680;  Preisfrage  der  Göt- 
tinger Societät  S.  147;  Einfluss  der  Aen- 
derung  der  Präcession  S  457 — 458. 

Bremen,  Koordinaten  S.  174,  176,  184, 
187;  Lage  verschiedener  Punkte  S.  327. 
329,  332—333.  360—361,  364:  Höhen- 
unterschied gegen  Altona  S.  346,  354, 
368—369,  371  ;  astronomische  Bestim- 
mungen der  Länge  und  Breite  S.  896, 
398,  448,  450;  Wassersnoth  der  Jahre 
1827  und  1830  S.  474,  534-535,  540. 

Calendarium  historicum  S.  593 — 594. 
Chronometer,  (iang  S.  147. 

Determinatio  attractionis,  quam  in 
punctum  quodvis  positionis  datae  exer- 
ceret  planeta,  etc.  S.  15.i. 

Diffraktion  S.  641. 

D  i  s  q  u  i  s  i  t  i  0 n  e  s  generales  circa  superficies 
curvas  S.  438,  467,  471,  499,  508,  511. 

Doppelsterne,  a  Herculis  S.  17;  Aen- 
derung  der  Distanz  bei  y  Virginis  S.  24, 
25—26, 30—31,37—38;  scheibenförmiger 
Anblick  S.  503—504,  505. 


Elektromagnetismus,  Verwendung 
desselben  für  Heilzwecke  S.694,  696,  729. 
Elektromagnetische  Kraftmaschi- 
nen S.  659-660,  665,  669—670.  671  — 
672,  673,  674—675,  679—682,  688,  689, 
693,  694,  696—698,  699,  728—729. 
Ellipsoid,    Bestimmung    der    Oberfläche 

eines  dreiachsigen  E.  S.  235. 
Erde,  Bewegung:  Bestimmung derGrösse 
und  des  Apex  der  B.  aus  den  geocentri- 
schen  Bewegungen  der  Kometen  S.  259 : 
Dichte:  Bestimmung  der  D.  durch  Pen- 
delbeobb.  auf  der  Oberfläche  und  in 
Bergwerken  S.  4>-'6. 
Figur:  Lothablenkungen  und  Lothstö- 
rungen  S.  138  —  139.  1H5,  167,  277. 
378,379-380,  383,  506— 507:  Messung 
eines  grossen  Längengradbogeus  S.  181 ; 
Wai.beck's  Dimensionen  der  Erde  S.182, 
184,  333,  471;  Wronski"s  Abhandlung 
über  die  F.  der  E.  S.  183:  Aenderung 
der  geographischen  Koordinaten  infolge 
Aenderung  der  Abplattung  S.  186.  187: 
Bestimmung  der  F.  der  E.  aus  Steru- 
bedeckungen  S.  187;  Müffi.ixu's  Re- 
sultate aus  seinen,  Tkanchot's  und 
Krayenhofk's  Vermessungen  S.  244: 
Abweichungen  zwischen  astronomisch 
und  geodätiscli  ermittelten  Polhöhen 
und  Liiiigendifferenzen  und  ihre  Ur- 
sachen 8.  137-139,  263—264,  265, 
276—277,  280—281,  284,  286,  375; 
Polhöhenschwankungen  nach  Posd's 
Beobb.  S.  264 — 265:  Ivory's  Arbeiten 
über  die  F.  der  E.  S.  328,  468.  470; 
Keduktion  trigonometrischer  Beobb 
S.  451 :  genaue  Bestimmung  der  F.  der 
E.  ^us  vielen  (iradmessuugen  S.  471  — 
47-2'^  507  — 508,  510;  Biot's  Arbeit 
über  «die  F.  der  E.  S.  535. 


Sach-Register. 


753 


E  rdiiiagiutisinus.    Hanstkkn's     luter- 
suclumiren  S.  12;    absolute  Bestiiniming 
derInteusitätdesEr(liiiatrnetisnuisS.ö84 — 
585,  58fi,  587  —  590,  591,  593,  594,  598; 
Heob.  der  Schwingunirsdauer  von  Magnet- 
nadeln S.  588— 589,   618— 620;    magne- 
tische Beobb.  S.  608,  612— 613,  617,  621, 
628-629,  631—682,  633,  635-637,649. 
671,  682.  706;  Schki'bi.kr's  Untersuchun- 
gen S.  610:    Ursprung   der  erdmagneti- 
schen Kraft  S.  624;  Erdmagnetismus  und 
Magnetiimeter  S.  627,  642:  magnetische 
Stürme    S.  685 — 686;    Bestimmung    der 
vertikalen  Komponente  der  magnetischen 
KraftS.649— 650, 697:  allgemeine  Theorie 
des  Erdmagnetismus  S.  695,  701,  705. 
Magnetische     Apparate:     [Magneto- 
nieter und  Bifilarmagnetonieter  S.  642, 
649,  671,  678,  Q^'I:    Apparat  zur  Be- 
stimmung der  Horizontalintensität  S. 
649;    künstliche  Magnete  S.  689,  690. 
Magnetische  Observatorien:  in  Göt- 
tingen S.  595,  598,  601,  603,  607,  624; 
Humhoi.dt's  in  Berlin  S.  595,  638;  in 
Kopenhagen    S.    607;    in    Petersburg 
S.  688. 
Magnetischer    Verein    S.    636,    644, 
665,  668,  690-691,  699,  706;   Resul- 
tate aus  den  Beobb.  des  magnetischen 
Vereins    S.  637,   638-639,   643—644, 
647,  650,  665,  668,  684,  686,  691,  695, 
698,  701,  705. 

Fadendistanzen,  neue  Methode  ihrer 
Bestimmung  S.  262. 

Fernrohr,  optische  Kraft  S.  5,  13—14, 
25,  36,  43,  135—186:  Art  von  Haut  bei 
Fraünhofer"s  Objektiven  8. 146,  151 ,  154, 
658 ;  Bestimmung  der  Vergrösserung 
S.  263;  Feldbeleuchtung  durch  blaues 
Licht  S.  436;  Bestimmung  des  Durch- 
messers des  Gesichtsfeldes  S.  439;  Gauss- 
sche  Okularbelcuchtung  S.  440;  Güte  der 
FRÄUNnoFER"schen  Fernrohre  S.469,472 — 
473,478,  658, 692;  achromatische  Systeme 
mit  Bergkrystall-  statt  Crownglas-Linsen 
S.  542:  Erfindung  des  Fernrohrs  S.  575, 
593;  Vorzüge  der  Teleskope  vor  Refrak- 
toren S.  613,  65S. 

Feuerkugel,  Beob.  einer  F.  in  Bremen 
S.  524—525. 

Fixsterne,    Eigenbewegung    S.  27,   152,  , 
1S7— 188,301— 302;  GrössenklassenS. 82, 
89—90,  91—92,  115;  Parallaxe  1187— 
188,  301—802;  Unterschiede  in  '.en  Dekl. 
S.  223-224,  2S6— 287,  468—^69. 
Olbers.    11.  2. 


Fünfeck,  reguläres  F.  S.  605. 

F  u  n  d  u  m  e  n  t  a  1  s  a  t  z  der  Algebra  S.  439. 

Geodäsie,  Gauss'  Untersuchungen  zur 
höheren  Geodäsie  S.  429,  431—433,  438— 
489,  466-467,  468,  471,  544:  geodätische 
Linie  S.889,  842,  456.  495—498. 
Göttingen,  Studentenunruhen  S.565,  566; 
Universitätsjubilänm  S.  647,  650,  651  — 
652,  653,  671 ;  Amtsenthebung  der  sieben 
Güttinger  Professoren  S.  660,  661—662, 
670,  673,  675,  676,  682,  684,  687;  Ge- 
schichte der  Göttinger  Universität  S. 
671. 
Gradmessung  (siehe  auch  Triangulation), 
Lappländi.sche  G.  und  Unterschiede  zwi- 
schen Mauperti'is  und  Svanberg  S.  59, 
66;  geplante  Wiederholung  der  Lapp- 
ländischen G.  durch  Argelander  S.  399; 
dänische  G.  S.227;  oberitalienische  Längen- 
gradmessung Carlini's  und  Plana's  S. 
532—533,  535. 

Hannoversche  Gradmessung 
Gauss":  Genehmigung  S.  14;  Ueber- 
tragung  auf  Gauss  durch  kgl.  Reskript 
S.  20;  Gehülfeu  Gauss'  bei  derselben 
S.  21,  23,  29,  32,  34—35,  48,  84,  98, 
125,  227-229;  Plan  für  die  Messung 
im  südlichen  Theil  S.  53 ;  Bewilligung 
des  englischen  Zenith-Sektors  S.  74; 
Rekognoscirung  des  südlichen  Theils 
des  zu  messenden  Gradbogens  (von 
Göttingen  bis  Hannover)  S.  98 — 99, 
104-106,  108,  124,  126—127;  Winkel- 
messungen der  Jahre  1821 — 1823  für 
den  südlichen  Theil  des  Bogens  S.  120, 
126—129,  131,  133—134,  198,  256, 
260—261 ;  Berechnung  der  Hauptdrei- 
ecke der  Jahre  1821—1828  S.  163—164, 
198—199,  211,  261-262,  271;  Rekog- 
noscirung des  nördlichen  Theils  des 
Gradbogens  (Lüneburger  Haide)  S.  174, 
175, 176. 178—179, 188—184, 188—190, 
192—195,  199—200,  204—206,  209— 
211,  212—218;  die  bei  der  Hannover- 
schen Gradmessung  benutzte  Abplat- 
tung S.  184,  333,  471;  Anschluss  au 
die  KRAYENHOFF'schen  Dreiecke  bei 
Jever- Varel  S.  195,  228-229,  232,  236, 
239—240,  241,  245,  249,  250—251, 
258—254,  256,  257,  260,  283,  289, 
298,  438-434,  538—584,  535;  Messun- 
gen der  Jahre  1822 — 1823  für  den  nörd- 
lichen Theil  des  Gradbogens  S.  198— 
199,  210,  213—214,  215,  217—219; 
Rekognoscirung  des  Anschlusses  an 
48 


754 


Sach-Register. 


Bremen  S.  241—243,  246,  247-248, 
250,  291—292,  303—305,  307—308, 
315—317,  319,  322—323,  325,  331, 
333,  337—338,  343-344;  Verbindung 
der  Hannoverschen  Messungen  mit  den 
Kurhessischen,  Darmstädtischen  und 
Bayrischen  S.  266—268,  270—271; 
Anschluss  Bremens  an  die  Hannover- 
sche Gradmessung  S.  293—294.  295, 
296.  386,  489 — 491;  Anonymer  Angriff 
auf  die  Hannoversche  G.  S.  310,  317, 
718;  Messungen  der  Jahre  1824—1825 
zum  Anschluss  an  Bremen  und  an  die 
Kra yenhoff' sehen  Dreiecke  S.  311,313, 
322,  337,  342,  347,  350,  355—356, 
402—404,  407—408,  410—412,  414— 
416,  417 — 419;  neuer  Anschluss  an  das 
dänische  Netz  1824  S.  315—317;  Ein- 
fluss  spitzer  Winkel  auf  die  Genauig- 
keit S.  317— 318,  332,  334—335;  An- 
schluss Helgolands  an  die  dänisch- 
hannoversche Gradmessuug  S.  404,  416; 
grössere  Differenzen  in  den  Messungen 
des  Jahres  1825  und  ihre  Aufklä- 
rung durch  Lateralrefraktion  und 
Fehler  des  Instruments  uud  der  Poin- 
tiruug  S.  407—408,  410—411,  414— 
416,  418—419,  420—422,  424—426; 
Ausgleichung  der  Resultate  S.  447. 
450—451,  456. 

Heliostat,  siehe  Heliotrop. 

Heliotrop,  Erfindung  des  Heliotrops  S.46 — 
48;  I.  Konstruktion  S.  49,  99,  111,  117, 
119,  120,  124;  Beuutzbarkeit  auf  grosse 
Entfernungen  S.  107—108,  114,  200 
Sextantenheliotrop  S.  111  —  113,  180 
Heliotrop  11.  Konstruktion  S.  124—125 
Telegraphiren  mit  dem  Heliotrop  S.  127, 
164,  169,313;  Veröffentlichung  über  das 
Heliotrop  S.  127,  160,  467,  476;  Scnu- 
macher-Eepsold's  Heliotropkonstruktion 
S.  143;  Zäch's  Polyeder  S.  153,  160; 
sphärische  Fläche  als  Heliotropspiegel 
S.  161;  Verbindung  von  Heliotrop  und 
Theodolith  S.  169—170;  heliotropische 
Lichtsendung  zum  Monde  S.  181:  Helio- 
trope bei  der  süddeutschen  Vermessung 
S.  428;  Bounexbergek"s  Heliotropkon- 
struktion S.  428 ;  Berichtigungsmethuden 
des  Heliotrops  S.  467,  476. 

Helligkeitsberechnung  bei  Fix- 
sternen 8.  82,  89—90,  91-92.  115. 

Himmelse  r  schein  un  g,Beob.eiuer  ausser- 
gewöhniichen  H.  durch  Gambaht  S.  478 — 
479. 


Höhenmessungen,  Bestimmung  der  re^- 
lativen  Höhe  einiger  Dreieckspunkte 
S.  100,  156,  218—219,  361,  418;  Höhe 
einiger  Punkte  über  der  Ostsee  S.  230; 
barometrische  Höhenmessuug  S.  346,  354, 
368-369,  375—376,  405—407;  Höhen- 
messungen durch  reciproke  Zenithdistan- 
zen  S.  366,  408 ;  Höhe  der  Nordsee  über 
der  Ostsee  S.  369,  375,  378,  419.  572; 
Ausgleichung  und  Berechnung  barometri- 
scher Höhenmessungen  S.  371,  374 — 375. 
548,  549—553,  554,  556,  557—559,561. 
563,  567. 

Jahrbuch,  Verbesserung  des  Berüner 
astronomischen  J.  durch  Excke  S.  463, 
474,  509. 

Imaginäre  Grössen,  Versinnbildlichung 
der  Multiplikation  S.  569 — 571. 

Intensitas  vis  magneticae  terrestris 
ad  mensuram  absolutam  revocata  S.  587 — 
588,  591,  593,  594,  598,  600,  601. 

K  a  p  i  1 1  a  r  i  t  ä  t. Untersuchungen  zur  Theorie 
der  K.  S.  517 — 518;  Poissox's  Abhand- 
lung über  die  K.  S.  572. 

Kimmung  S.  412. 

Kometen,  Einfluss  eines  widerstehenden 
Mittels  auf  die  Kometenbewegung  S.  39, 
226—227,  515,  610;  D"Asgos'  Kometen- 
erdichtuug  S.  51,  445,  448—449.  451  — 
453,  456;  Lichtstärke  S.  75—76.  494: 
angebliche  Erdichtung  von  Kometen- 
beobb.  im  Berliner  Almanach  S.  116: 
Kometenerscheinung  vor  Napoleon's  Tode 
S.  123 — 124;  Olbers"  Kometenverzeich- 
mss  S.  166.  239,  244.  648;  Damoiseaus 
Untersuchungen  über  Halleys  und 
Bi£la"s  Kometen  S.  239. 24  3. 479. 498, 53U: 
Olbers'  Aufsätze  über  den  Hallet  "sehen 
und  BiELA'schen  Kometen  S.  413.  500; 
Clacsen"s  Untersuchungen  zum  Biela- 
scheu  Kometen  S.  449.  461.  479;  Unver- 
äuderlichkeit  der  grossen  Axen  der  Ko- 
metenbahneu  S.  499.  515:  Materie  der 
Kometenkerne  S.  500—501.  502—503, 
504—505.  508—509.  512—514:  Möglich- 
keit eines  Zusammenstosses  eines  Ko- 
meten mit  der  Erde  S.  500.  502. 

Komet  1590  und  1596,  beobachtet  durch 
Tycho  S.  399. 

—  1618.  Bahn  S.  203. 
!  —  1699,  vermuthete  Identität  mit  K.  1799 
i      II  S.  110. 


Sach-Reirister. 


Komet   1780  I.  Licht wandol  S.  494. 

—  1808  I.  Einsendmig  von  lieobb.  S. -59; 
Excke's  Halm.  S.  3S8. 

—  i8ii  I.  fohlt'ihafte  Beobb.  Flaügehgües' 
S.  540. 

—  1819  I  (Encke),  Encke's  Störuugfsrech- 
miiig  S.  11,  8i»;  Verkürzung  der  Um- 
laut'szeit  und  Benennung  S.  39;  Epbe- 
ineride  und  Siditbarkeit  für  1822  S.  110. 

—  18 iq  II,  VurübiTgang  vor  der  Sonne 
S.  358—359. 

—  1819  ITI,  Enckk's  Störuiigsrechnung 
S.  11:  Identität  mit  K.  1766  11  S. 
599. 

—  1819  IV,  Carlini's  Bahn  S.  18;  Encke's 
Untersuchungen  S.  109;  Clausex's  Unter- 
suchungen S.  18,  593,  594,  599. 

—  182 1,  Entdeckung  59—60.  64,  72; 
üeobh.  S.  6-2,  64—65,  66,  67,  70,  81,  82, 
83,  85,  87—88,  94,  188,  226:  Elemente 
S.  72,  74,  79,  81,  86,  91.  93.  102;  Ver- 
gleichung  mit  l^eobb.  S.  79;  Helligkeit 
S.  82,  91  ;  \\'iederauf findung  nach  dem 
l'eriheldurchgang  S.  124,  310;  Eiufluss 
des  wider-stehenden  Mittels  S.  226-227. 

—  1822  I,  Entdeckung  S.  196—197,  219; 
Elemente  S.  202. 

—  1822  II  (Encke),  I.  Wiederkehr  S.  168, 
169,  171, 177—178.  216,  222;  Auffindung 
S.  36,  110,  231,  233. 

—  1822  in.  Beobb.  S.  442. 

—  1822  IV,  Entdeckung  S.  203,  208,  219; 
Beobb.  S.  208,  215—216,  222;  Verglei- 
chun-i-  mit  Nebelfleck  S.  208—209;  Ele- 
mentenverbesserung  S.  219. 

—  1823,  Entdeckung  S.  271 ;  Beobb.  S.  272, 
273,  275,  286,  288,  294;  zweiter  Schweif 
S.  274,  275,  310. 

—  1824  I,  Entdeckung  S.  370. 

—  1824  n,  Entdeckung  S.  339:  Elemente 
S.  339;  Kern  S.  345;  Bahn  S.  349. 

—  1825  I,  Entdeckung  durch  (iAMBAUT 
S.  405,  450;  Beobb.  S.  405,  408—109, 
413,  416,  450;  Identität  mit  K.  1790 
S.  409,  416—417;  centrale  Bedeckung 
eines  Sterns  durch  ihn  S.  416;  Elemente 
und  Vergleichuug  mit  Eeobb.  S.  417, 
420. 

—  1825  II,  Entdeckung  und  Beob.  S.  430, 
435;  Elemente  S.  435—436. 

—  1823  III  (Encke),  II.  Wiederkehr  S.  389, 
413,  428:  "Wiederaiiffindung  und  Beob. 
S.  427,  431. 

—  1825  IV,  Entdeckung  S.  427;  Beobb. 
S.  427,  428,  430,  435;  Elemente  S.  430, 


431,  435;  Identität  mit  K.  1590  S.  431, 
435;  Ephemeride  und  Sichtbarkeit  S.  435. 
Komet  1826  I  (Biei.a),  Entdeckung  und 
Elemente  S.  443—444.  447,  449:  Iden- 
tität mit  K.  1806  I  und  1772  S.  443— 446, 

447,  448;  Beobb.  S.  44S,  449,  457:  Wie- 
derkehr im  Jahre  1845 — 46  und  1852 
S.  449:  grüsste  Erdannäherung  S.  449 — 
450,  461. 

—  1826  II,  Entdeckung  und  Beobb.  S.  437, 
439;  Bahn  437,  441. 

—  1826  III,  Beobb.  S.  469,  488;  Bahn- 
bestimmung S.  488,  529—530,  538—539, 
540. 

—  1826  IV.  Beobb.  S.  463. 

—  1826  V,  Elemente  S.  463—464;  Vor- 
übergang vor  der  Sonne  S.  463 — 464. 

—  1827  m,  Entdeckung  und  Beobb.  S.  491, 
492.498:  Bahnbestimmung  S.  493;  Iden- 
tität mit  K.  1780  I,  S.  493—495. 

—  1829  (Encke),  Aufsuchung  S.  516;  Beob. 
S.  520,  522. 

—  1830  I,  Bahn  S.  540—541;  Beobb.  und 
Ephemeride  S.  541. 

—  1832  I  (Encke),  Aufsuchung  S.  581; 
Beobb.  S.  592,  594,  605. 

—  1832  II,  Entdeckung  S.  591;  Bahn 
S.  592. 

—  1832  III  (Biela),  Bahnbestimmung  und 
Epheraeride  S.  586;  Beobb.  S.  594. 

—  1833,  Beobb.  und  P^lemente  S.  613. 

—  1834,  Entdeckung  und  Beobb.  S.  613. 

—  1835  I.  Entdeckung  S.  625,  627. 

—  1835  III  (HALLEv'scher  Komet),  Auf- 
suchung S.  611,  613,  615,  621—622, 
627 ;  Beob.  einer  merkwürdigen  Ausströ- 
mung S.  628,  629—630;  Bahn  S.  630— 
631,  634;  Abnahme  seiner  Helligkeit 
S.  631;  Beobb.  S.  631,  634. 

—  1838  (Encke),  Sichtbarkeit  S.  694. 
Komparator  S.  645. 
Krümmungsmaass   bei   planen   Kurven 

S.  429,  431. 

L  ä  n  g  e  n  b  e  s  t  i  m  m  u  u  g  e  n ,  durch  trigono- 
metrische Messungen  S.  55;  durch  Stern- 
bedeckungen S.  56,  257 — 258;  Unter- 
schied zwischen  astronomischen  und  geo- 
dätischen Längenbestimmungen  S.  264; 
chronometrische  Längeubestimraung  von 
Plymouth  S.  287 ;  von  Helgoland  S.  287, 
298,  301,  306,  323;  astronomische  Län- 
genbestimmung   Bremens    S.  396,    398, 

448,  450;  Längendifferenz  Greenwich- 
Paris  S.  442.  537;  chronometrische  Läu- 

48* 


756 


Sach-Kegister. 


gendifferenz  Altoua- Bremen  S.  450; 
Fehler  in  Lecoq's  Längenbestimmungen 
S.  534;  Unterschied  in  der  astronomi- 
schen und  geodätischen  Längendift'erenz 
Göttingen-Paris  S.  535,  536—537 ;  Fehler 
in  Ende's  Längenbestimmungen  S.  564; 
russische  Chronometerexpedition  S.  600; 
Längenbestimmung  durch  elektrischen 
Telegraph  S.  608;  Längenbestimmung 
zwischen  Göttingen  und  Mannheim  durch 
optische  Signale  S.  649. 
Landesvermessung,  siehe  Gradmessung 
und  Triangulation. 

Maass-  und  Gewichtswesen,  Eeguli- 
rung  des  Hannoverschen  M.  und  G.  durch 
Gauss  S.  517,  523,  641—642,  645—646, 
647. 

Magnetismus,  siehe  Elektromagnetismus, 
elektromagnetische  Kraftmaschinen  und 
Erdmagnetismus. 

Magnetische  Apparate,  magnetische  Ob- 
servatorien, magnetischer  Verein  siehe 
Erdmagnetismus. 

Meridiankreis,  Unterschied  zwischen 
Beobb.  am  KEiCHEXBACH'schen  und  am 
REPSOLD"scheu  M.  S.  8;  Beobb.  aus  dem 
Quecksilberhorizont  S.  8,  302;  Bestim- 
mung der  Fadendistanzen  S.  262;  Bie- 
gung des  Meridianferurohrs  S.  278 — 279. 
283—284,  300,  339,  440;  Bestimmung 
der  Theiluugsfehler  S.  459—460,  466, 
468,  510;  Bestimmung  des  Indexfehlers 
und  Berichtigung  der  Horizontalaxe 
S.  439—440,  459. 

Meridianzeichen,  S.  45—46. 

Methode  der  kleinsten  Quadrate. 
Gauss',  Theoria  combinationis  etc.  S.  68, 
82,  94,  234,  235,  317,  374,  438,  458— 
459,  460,  466,  468,  471,  499;  Ivory's 
Einwendungen  gegen  d.  M.  S.  470 — 471, 
473,  475 — 476;  Nürxbekuek's  Betrach- 
tungen zur  M.  S.  477,  480;  Ausschluss 
von  Beobb.  S.  477—478,  480. 

Mikrometerbeobachtungen,  Berech- 
nung von  Kreismikrometerbeobb.  S.  69 — 
70,  71 — 72;  Keduktion  der  Beobb.  am 
Kreismikrometer  mit  Barre  S.  70 — 71. 

Mikrometerfäden,  Krümmung  der  M. 
S.  3 — 4,  6 — 7:  Fäden  aus  Fiatina  S.  4; 
Gla^mikrometer  S.  4,  7,  9,  11:  Einziehen 
der  M.  S.  5—6. 

Mond,  Lichterscheinungen  im  dunklen 
Theile  S.  77—78,  84—85,  88—89,  90, 
'92—93,  101—102.  131—132,  223:  Gruit- 


hüisen's    physische    Mondbeobb.   S.  321, 
457,  470;    Beek's  und   Mädler"s  Mond- 
studien   S.  655 — 657;    Mondtopoirraphie 
S.  655. 
aioorrauch  S.  311—312,  314. 

Naturforscher- Versammlung.  Berlin 

1828  S.  520:  Hamburg  1830  .S.  540.  541— 

542,  549. 
Navigationsschule  S.  75,   76,  83,  103. 
Nebelflecke,    Entdeckung    eines    N.    im 

"Wassermann    durch    Olbers  S.  43 — 44; 

Neubildung-    eines   N.    nach    Cacciatore 

S.  461. 
Nordlicht  S.  695. 

Pendel,    verkehrtes,     Empfindlichkeit 
S.  544;  Einfluss  der  Temperatur  auf  die 
Elasticität  S.  545. 
Persönliche  Gleichung  S.  85,  92. 
Photometer,  OLBERs'sche  Idee  einer  Pho- 
tometerkonstruktion    S.   90,    521 — 522; 
Preisfrage    der   Göttinger  Societät   über 
eine  neue  Photometerkoustruktiou  S.  519 
—520,    521.    581,    587,    616.    622,    624; 
KöHLER'sches  Photometer  S.  521 :  Gauss" 
Ideen  zu  einem  neuen  Photometer  S.  581 
—582,  583,  584,  616. 
Planeten: 

Photosphäre  S.  360;  Walüanziehung  un- 
ter den  Planeten  S.  446;  über  die  Aus- 
sicht,  neue  Asteroiden    zu    entdecken 
S.  460. 
V  e  n  u  s ,  Photosphäre-Erscheinung  S.  1 54 : 

Fleckenbeobb.  S.  604—605. 
Jupiter,    Bedeckung   des   Jahres   1755 
S.  38;    Lichtring- Erscheinung  S.  151, 
154;    Bestimmung    seiner   Masse    aus 
den  Vesta-Störungen  S.  442.  446:  aus 
Airy"s    Trabantenmessungen    S.  601 : 
aus     Bessel's     heliometrischen     Tra- 
bantenmessungen S.  605. 
Saturn,  Zahl  seiner  Trabanten  S.  478; 
exceutrische   Lage   in    seinen   Eingen 
S.  509.   511,   514,  603:    Durchmesser- 
bestimmungen   mit     dem    Heliometer 
S.  535. 
Ceres,  Beobb.  S.  381.  520.  543:  Unge- 
nauiiikeit    der    damaligen    Ephemeri- 
den  S.  385:    nebliges   Aussehen    nach 
SCHROKTER  S.  452,  H57. 
Pallas,  Beobb.  S.  381.543:  Ungenauig- 
keit  der  damaligen  Ephcmoriden  S.  3^5 : 
nebliges    Aussehen    nach    Schroeteb 
S,  452,  657. 
Vesta,  Störungen  S.  442,  446. 


Sach-Register. 


757 


Polhühe.  (ies  Shehallien  S. '-»(i— JT:  l'ol- 
höluMi  vou  Punkten  iKt  L-nirli-^^hen  Grad- 
njessung  S.  L'S;  rolhöhe  vou  Götlingen 
und  Königsberg  aus  Beobb.  von  Zenithal- 
stonien  S.  40.  'JSO:  Polhühe  vou  Seeberg 
S.  l'Jy.  507;  Unsiclierheit  in  der  Pol- 
höheubestimuning  des  Brockens  S.  129, 
507.  510,  51'2;  Abweichung  zwischen 
astronomisch  und  geodätisch  bestimmten 
Polhöhen  S.  187—139,  263—26-1.  265, 
2t<4,  286,  375;  Polhühe  von  Dünkirchen 
S.  171;  Pond's  Beobb.  über  Polhöheu- 
schwankungen  S.  264 — 265;  Polhöhe  von 
Ciüttingen  S.  272.  275—276.  278—280, 
283—284,  299.  300.  301,  305,  510:  Pol- 
hühe von  Bremen  S.  396;  Bestimmung 
des  Breitenunterschiedes  zwischen  Altona  ^ 
und  Göttingen  S.  481,  483.  484.  487. 
500.  502,  504,  506. 

Präcession,  Bessel's  Untersuchungen 
über  die  P.  S.  457.  j 

Princip  des  kleinsten  Zwanges  S.  518 
—519,  521. 

Principia  gen.  theor.  fig.  fluidorum 
in   statu   aeq.   S.  528,   532,   536,  538,  , 
539. 

Quecksilberhorizont  S.  517 — 518. 

JRefraktion,  neue  Theorie  von  Wronski 
S.  97;  von  IvoRY  S.  123:  terrestrische  E. 
S.  230,  308;  Lateral-Eefraktion  S.  357.  I 
411,  414,  416,  418.  425—426,  451;  Un- 
terschied der  Refraktion  bei  Tag  und 
Nacht  S.  489. 

Reverbere,  Gebrauch  derselben  bei  der 
Hannoverschen  Vermessung  S.  41.  53.  62, 
105.  107;  bei  der  englisch-französischen 
Vermessung  S.  153. 

Schiefe  der  Ekliptik.  Anomalien  in 
der  Seh.  d.  E.  S.  3,  17. 

Sonnenfinsterniss,  Beob.  der  S.  von 
1820  S.  33,  35,  59;  Oltmann's  Unter- 
suchung über  die  Sonnenfinsterniss  von 
TiiALEs  S.  76 — 77;  Sonnenfinsterniss  des 
Jahres  1826  S.  464. 

Sterubedeckungen,  durch  den  Mond 
S.  24,  37—38,  ^55,  56,  223,  525,  528, 
554;  durch  den  K.  1825  I  S.  416. 

Sternkarten,  Bessel's  Projekt  der  aka- 
demischen Sternkarten  S.  357 — 358. 

Sternschnuppen   S.  449,  654,  693,  695. 

Sternwarte,  am  Kap  der  guten  Hoff- 
nung S.  3;    in   Hamburg   S.  81,  89,  95, 


100,  336;  in  Paramatta  S.  96,202—203, 
462;  N'ergrösserung  der  »irceuwicher 
Sternwarte  S.  287;  Umbau  der  Berliner 
Sternwarte  S.  520;  Schliessung  der  Königs- 
berger Sternwarte  wegen  Choleragefahr 
S.  575;  Errichtung  von  Sternwarten  iu 
den  Tropengegenden  Amerikas  S.  622. 

Tafeln,  zur  Reduktion  von  Kreismikro- 
meterbeobb.  S.  71:  Bürg's  Moudtafeln 
S.  77;  Delambres  Kometcntafel  S.  166; 
Olbers'  Kometentafcl  S.  166,  239,  244, 
648;  Vestatafeln  S.  385;  Schcmacher's 
astronomische  Hilfstafeln  S.  474. 

Telegraph,  optischer  S.  127,  164,  169, 
313;  elektromagnetischer  S.  602—604, 
617,  619,  629,  642. 

Theoria  combinatiouis  observatio- 
num  erroribus  minimis  obnoxiae  S.  68, 
82,  94,  234,  235,  317,  374,  438,  458— 
459,  460,  466,  468,  471,  499. 

Theorie  der  konformen  Abbildungen 
S.  252,  438,  466,  516. 

Theorie  der  Parallellinieu  S.  197,  220, 
476. 

Theoria  residuorum  biquadratico- 
rum  S.  382—383,  385,  387,  471,  499, 
544,  569. 

Thermogalvanismus  S.  633 — 634. 

Trabanten,  Zahl  der  Saturutrabauten 
S.  478. 

Triangulation  1  siehe  auch  Gradmessuug), 
Epailly's  Triangulation  Hannovers  S. 
14-15,  16—17,  61,  63,  65,  84,  86—87, 
172—173,  182,  184,  472;  Vorzug  der 
Theodolithen  vor  den  Repetitionskreisen 
S.  20—21,  22—23,  28;  Benutzung  von 
Reverberes  als  Zielpunkte  S.  41,  107; 
Benutzung  des  Heliotrops  als  Zielpunkt 
S.  46 — 48;  GAUss'sche  Koordinaten  und 
Projektionsmethode  der  Hannoverschen 
Vermessung  S.  54 — 55;  Krayenhoff's 
Vermessungen  iu  Holland  S.  57,  454 — 
456;  die  Vermessungen  v.  Müffling's 
und  Excke's  S.  60—61,  129,  142,  150, 
163;  Gauss'  Triangulation  Hannovers 
S.  64,  4B6,  504,  512,  526—528,  538, 
543—544,  642-643;  Oltmaxn's  Ver- 
messungen in  Hannover  S.  81,  84;  Be- 
nutzung von  Signalthürmeu  als  Ziel- 
punkte und  Beobachtungspunkte  S.  105, 
318 — 319,  342;  Vermessung  Kurhessens 
S.  230,  266;  Oldenburgische  Triangula- 
tion S.  255;  Vermessung  von  Hessen- 
Darmstadt     S.   269 — 270;      Vermessung 


758 


Sach-Resfister. 


Bayerns  S.  270—271,  477;  über  die  astro- 
nomische und  geodätische  Bestimmung 
der  Koordinaten  eines  Ortes  S.  329 — 330. 

Uhren,  Gang  S.  99 — 100;  SnELTON'sche, 
REPsoLD'sche,  LiEBHEHR'sche  und  Hardy- 
sche  Uhr  der  Güttinger  Sternwarte  S.  2, 
15—16,  99—100,  440,  454,  459. 

V  e  r  ä u  d  e r  1  i  c  h  e  S  t  e  r  n  e ,  Variabilis  Cygni 
S.  97,  103. 


Waage,  Korrektion  der  Hebelwaagen 
S.  646. 

Zeitbestimmung  durch  Sternversch Win- 
dungen S.  39. 

Zenithdistanzen,  Beobb.  von  Z.  am 
RKrcHESBACu'schen  Meridiankreise  S.  26 
—28. 

Zenith-Sektor  S.  142,  179,  481,  487. 


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Abt. 2 


Olbers,   Wilhelm 
Wilhelm  Olbers 


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